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PHILLIPS LIBRARY poe
OF
HARVARD OOLLEGE OBSERVATORY.
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Das Weltall
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und
SEENEN verwandte Gebiete. cacacservavava
Herausgegeben unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen
von
F. S. Archenhold,
Direktor der Treptow - Sternwarte.
„Die Astronomie ist eine herrliche, erhabene,
weil erhebende Wissenschaft. Darum sollte sie
- keinem auch nicht einem Menschen vor-
enthallen werden.“ Diesterweg.
2. Jahrgang
—==.-== Oktober 1901 bis September 1902, See
—,—
Mit 11 Beilagen und 73 Abbildungen.
— SAD A =
Le
INS
Berlin.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn
W. 35, Schoneberger Ufer 43.
Alle Rechte vorbehalten.
Golo =
Emil Dreyer’s Buchdruckerel, Berlin S.W.
DAS WELTALL
2 Jahrgang.
Mitarbeiter
(Die Klammer bei der Seitenzahl zeigt an, dass der Artikel nicht vom Verfasser unterschrieben ist.)
Seite
Albrecht, F. u. M. De Ge
Albrecht, Fe, 299, 251, 274, 276
Archenhold, F. S. (18), 19. (20, 31, 32, 43, 44,
56), 70, (72), 81, (82, 83, 84, 91, 92), 93, (103,
104, 119, 120, 135, 136), 149, (150, 163, 164),
177, 194, (196), 225, (244), 255, 256, 273, 276 300
Arendt, Alfred 125, 143, 277, 287
Berberich, A. (31), 40, (44), 85, 95, 113, (119),
133, (134, 135). 151, (161, 162, 163, 180, 203, 228, 254)
von Bezold, Wilhelm, Prof. Dr.. . . Di
Foerster, Wilhelm, Prof. Dr... . .....16
Fritsche-St.-Petersburg, H., Prof. Dr. . . . . 19%
Gerstmann. H., Dr. 12, (19, 163, 207)
Ginzel, F. K., Prof. . . 2 2 20202000...(80)
Gumlich, E., Prof. Dr. . 26, 137, 157, 173
Ginther-Finkenheerd, Ludwig e. 2
Giinther-Miinchen, S., Prof. Dr. . . . . . 121
Scite
Herain, J. uge Wa 1? ah. Ge Sx E Ges SD
Homann, H., Dr. ae, oe 3 (104)
Hultsch, F., Prof. Dr. . . ~ 2 « 49
Jacobi, Max 42, 73. 89, 108, 130, “245, 268, 281, 296
Kalischer, S., Prof. Dr. 165, 192, 254
Klein, Gottfried . Sp e, , 100
Krebs, Wilhelm, Barr- Elsass ; 170, 264, 289
Leman, A, Prof. Dr 181, 203, 209, 237
Linke, F. G. H. . DEENEN 78, 257, 298
Matiegka, H. Dr. . . EREECHEN , 833
Os
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite
Die Insel Hveen im Öre-Sund ...... 7
Zugänge zu den Kellern der Uranienburg . . 11
Apparat zur Bestimmung der Veränderung
der Erdschwere `, ......... Lë
Georg Balthasar Neumayer e, 20
Die Sternenburg, Gesamtansicht . . . . 21
Die Sternenburg, Krypte, die den E
Azimuthalquadranten enthielt. . . . . . 23
Magnetische oe an neueren Eisen-
sorten (1 Fig) . . . 29
Tycho Brahe’s Grabmal in dar Marienkirche
vor dem Theine in Prag nach vollendeter
Restaurierung i. J. 1W1 . . . . 39
Nebelmassen in der Umgebung der Nova Persei
2: Fig) 2. 2% 4 71
Die Verfertiger der Pe Instr amene (Pater
Matthieu Ricci, Pater Adam Schaal, Pater
Ferdinand Verbiest) . . . .. ... . 98
Plassmann, Jo . 2: 2 20000. . 273
Reuleaux, F, Prof. Dr . . . ... d. og, E
Ruhmer, Ernst SE ce: er . 293
Schmidt, Erich, Dr. . . . e ae tee th. e SE
Stavenhagen, W. Be ee . 49, 63
Weinek-Prag, L., Prof. Dr, 108
Label. Br- tcc ai. 2.4. WE en Bee en ED
Seite
Observatorium zu Peking vor 1736 . . . . 94
Der Veramin-Meteorstein im Palaste des Schah
von Persien . . . (0) |
Das abgesägte Stück des Kee Steins . . 102
Tycho Brahe’s letzte Beobachtungsstation,
Ferdinandeum (Belvedere) in Prag. . . . 105
Tycho Brahe’s Randbemerkungen auf Seite 75
des Copernicanischen Werkes „De revolu-
tionibus orbium coelestium“ . . . 107
Ueber die scheinbare Abflachung des Himiad-
gewölbes und die a Sure der Gestirne
am Horizont (3 Fig.) . : 130, 147
Präzisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge
des Lichts (9 Fig.) 139.140, 141,142,158, 159.160, 175
Skizze von Peking . . . ee o OD
Ueber Schattenphänomene bei Finsteruissen
(25 Fig.) 186, 139, 204, 205, 206, 207. 209,
210, 211. 212, 215, 218, 223, 224, 233, 239, 242
DN"
Seite Seite
Der Zwehrenturm vom Friedrichs-Platz aus | Gewitterregistrator von Fényi . . . . . . 260
gesehen . . . . - + + « « . 231 | Schreibapparat . . . . di as. acin w 262
Lageskizze des Zwehrenturmes ss e e- + BBL] Schrift eines E vom 13. bis 14. Juli 263
Aus dem Inneren des Zwehrenturmes . . . 233 Schrift Ort tt A t
Grundriss des obersten Stockwerkes vom g eines Ortsgewitters vom 15.bis16. August 264
Zwebrenturm.......... ‚233 | Linien gleichzeitiger Sichtbarkeit der Sonnen-
Cassel Anno 1640 ..... en . 234 ringerscheinungen vom 23. März 1901 im
Casseler Schloss im 16. Jahrhundert a. e el Unterelsass. . . 0000022022290
Der Zwehrenturm, 1600, 1740, 1860 . . . 253 | Versuche mit drahtloser Telephonie auf dem
Ueber einen elektrischen Gewitter-Registrator Wannsee bei Berlin (3 Fig) . . 293, 294, 295
(3 Fig.) . 2 2 2 2 HD, 259 | Bahn des Kometen 1902b...... . . 300
AS
Verzeichnis der Beilagen.
; Heft Heft
Landungsstelle an der Südostküste der Insel Tycho Brahe nach einem alten Oelbilde auf
Hveen, Nördlicher Teil der Uranienburg mit der Prager Sternwarte . . . 9
dem Brunnenhäuschen . . . 1 | Ballonfahrt des Luftschiffers Blanchard von
Die Sternenburg: Steinpfeiler, auf dem der kleine der Sternschanze zu Fu am 23. August
Azimuthalquadrant stand, Blick auf die Wälle 1786 .... ee GE
der Uranienburg und die Kirche von Nygard 2 ! Das Wunderzeichen, Anno 1628, zu Ham-
Grundrisse der Sternenburg und ee burg . . . coe a 3
(Doppelbeilage) . . . 2 | Die Mondhnsternis. am a 22. April 1902. vi 4° 16
Tycho Brahe’s Schädelreste, SEH am Der Zwehrenturm in Cassel im Jahre 1902
26. Juni 1901 (Doppelbeilage) . . 3 (Lichtdruck) . . Set oe) Be ke zen ZE
Die Verteilung des Sonnen- und Mondlichtes Wilhelm IV., Landgraf von Hessen-Kassel
im Jahre 1902 (Doppelbeilage) ..... 6 (1567—1592) Ney Ae ap TAY Be ae A ae Se es. oe AZO
Inhaltsverzeichnis.
Scite
Ost, West, Süd, Nord, Bemerkungen zu den
Namen der Himmelsgegenden. Von Prof.
Dr. F. Reuleaux . Së ee ee E A
Die Reste der Sternwarten Tycho Brahe’s auf
der Insel Hveen. Von F. und M. Albrecht 7, 21
Eine Methode zur Bestimmung der Veränderung
der Erdschwere. Von Dr. H. Gerstmann . 12
Die „singende“ Bogenlampe. Von B. Zabel . 15
Zur Ehrenrettung des Ptolemaeus. Von Prof.
Wilhelm Foerster (Berlin) . . . .. . . 16
Magnetische Untersuchungen an neueren Eisen-
sorten. Von E. Gumlich und Erich Schmidt.
(Mitteilung aus der Physikal.-Techn. Reichs-
anstalt) a. u... > anne ie wre
Bericht über die Auffindung und Untersuchung
der Gebeine Tycho Brahe’s in der Marien-
kirche vor dem Theine in Prag. Erstattet
vom Architekten J.Herain und Univ.-Docenten
Dr. H. Matiegka . D E BY ER, e Ge
Die Durchmessergrössen der Planeten. Von
A. Berberich . . . 2: 2 2 2 2 222.4
Ueber den Zusammenhang des Schachspiels
mit den astronomischen Anschauungen des
1
26
33
Altertums. Von Max Jacobi , . 42
Ueber das Kartenwesen der Schweiz. Von
W. Stavenhagen. ... . . 45, 63
Die Sehnentafeln der griechischen Astronomen.
Von Prof. Dr. F. Hultsch . . .... . 49
Die Meteorologie um die Wende des Jahr-
hunderts. Von Prof. Dr. Wilhelm v. Bezold 657
Nebelmassen um den neuen Stern im Perseus
und (tte Bewegung. Von Direktor F. S.
Archenhold. . . ........ 2. =. T0
Ursprung und Wesen der pythagoraeischen
Sphdrenharmonie. Von Max Jacobi . . . 73
Ueber den Einfluss des Erdmagnetismus auf
den Gang von magnetisierten Chronometern.
Von F. Linke. . . 2. 2 2 2 2 HÉ
Der Sternenhimmel im Monat Januar 1902.
Von Direktor F. S. Archenhold . . . . . 8
Die Doppelsterne. Von A. Berberich . . . 85
Seite
Die Bedeutung der modernen historischen
Forschung in den mathematischen Wissen-
schaften. Von Max Jacobi. . . . 2...
Ueber die Verfertiger der Pekinger Instrumente.
Von Direktor F. S. Archenhold . . . . . 9
Die astronomische Theorie des Alters der Eis-
zeit. Von A. Berberich . . . ... . . 96
Der Veramin-Meteorstein im Palaste des Schah
von Persien. Von Gottfried Klein . . . 100
Ein Prachtwerk über Tycho Brahe in Prag.
Von Prof. Dr. L. Weinek-Prag . . . . . 105
Aus der Kindheitszeit astronomischer und kos-
~ mogonischer Anschauungen. Von Max Jacobi 108
Die spektroskopischen Doppelsterne. Von
A. Berberich Bods a ts Ow ae, Le Se DS
Weineks Mondstudien. Von Prof. Dr. S. Günther-
München . ae, ae, Se ee. 121, 150
Ueber die scheinbare Abflachung des Himmels-
gewölbes und die Vergrösserung der Ge-
stirne am Horizont. Von Alfred Arendt 125, 143
P. Athanasius Kircher und die Laterna magica.
Von Max Jacobi. . ...... =... . 130
Grosse Entfaltung des Leonidenphaenomens
in Californien. Von A. Berberich . . 133
Präcisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge
des Lichts. Von Prof. Dr. E. Gumlich 137, 157, 173
Ueber eine ausgedehnte Sonnenfleckengruppe
in hoher heliocentrischer Breite am 6. März
1902. Von Direktor F. S. Archenhold . 149
Teilungen und Lichtausbrüche bei Kometen.
Von A. Berberich EENEG Een)
Ueber den Lichtdruck und dessen Einfluss auf
die Gestalt der Kometenschweife. Von Prof.
Dr. Kalischer . er . 165, 192
Ein geophysikalisches Moment bei der draht-
losen oder Wellen-Telegraphie. Von Wilhelm
Krebs, Barr/Els. . og e Sear. SO
Die totale Mondfinsternis am 22. April 1902.
Von Direktor F. S. Archenhold s aI
Ueber Schattenphänomene bei Finsternissen.
Von Prof. Dr. A. Leman . 181, 203, 209, 237
Vorläufiger Bericht über die Aufnahmen der
totalen Mondfinsternis am 22. April 1902 zu
Treptow. Von Direktor F. S. Archenhold
Das K. russische Observatorium in Peking.
Von Prof, Dr. H. Fritsche-St.-Petersburg.
Die atmosphärischen Folgeerscheinungen der
Vulkanausbriiche. Von Direktor F. S. Archen-
hold
Die Sternwarte des taneria von essen
Wilhelms IV. zu Kassel. Von F. Albrecht 229,
Sonne, Mond und Sterne in Märchen und Sagen
der Vorzeit. Von Max Jacobi. . . . 245,
Ucber einen elektrischen Gewitter-Registrator.
Von F. G. H. Linke
Die Hochwasser des ersten Halbjahres: 1902,
besonders das Hochwasser in Berlin vom
14. April, und ihre Prognosen. Von Wilhelm
Krebs, Barr/Els.
Stand der heutigen emer vom anus
Von Alfred Arendt .
Sonnen- und Mondfinsternisse im y diksela abó.
Von Max Jacobi .
Aus einem Schreiben des Hrn name Günther
(Finkenheerd) an den Herausgeber .
Bemerkungen zu dem Günther'schen Schreiben.
Vou Alfred Arendt . e ade ir Y
Schmelzungs- und Bewegungsvorgange an ring-
bildenden Eiswolken der Hochatmosphäre
und Verwertung solcher Beobachtungen für
die Witterungs-Prognose. Von Wilhelm
Krebs, Barr i. Elsass
Versuche mit drahtloser Tele home Er dam
Wannsee bei Berlin. Von Ernst Ruhmer
Der Einfluss von Mond und Planeten auf die
irdischen Witterungsverhältnisse. Von Max
Jacobi .
Kleine Mitteilungen.
Ueber den Ursprung der Null 18. — Die Tem-
peratur der Acctylenflamme 19. — Zur
projektierten Gradmessung in Afrika 50. —
Bigelows magnetische Theorie der Sonnen-
korona 31. — Der Erfinder der Spirale 31. —
Mitteilung über Vorlesungen des Heraus-
gebers in derHumboldt-Akad. und im Victoria-
Lyceum 32. — Die ringfürmige Sonnenfinster-
nisam 11.November 1901 43. — Die Beobach-
tung der Leoniden in der Zeit vom 11. bis
17. November 44. — Die Elongationszeiten
von Mimas 44. — Zwei neue Doppelsterne:
66 Tauri und der Hauptstern von X2339 44.
— Die Constellation von Jupiter und Saturn
56. — Der neue Stern im Persetis 56. —
Ein Ballonaufstieg bis 10560 m 56. — Uusere
Beilage „Die Verteilung des Sonnen- und
Mondlichtes im Jahre 1902“ 82. — Weitere
Mitteilungen über die Bewegung des Nebels
um den neuen Stern im Perseus 83. -- Ein
Se.te
. 194
, 197
264
SE
. 231
. 285
. 287
. 289
. 293
. 296
VI
ältester Gutenbergdruck 84. — Der Luft-
schiffer Santos Dumont 91. — Astronomische
Vorlesungen an der Humboldt-Akademie im
I. Quartal 1902 91. — Aufruf, betreffend Er-
richtung einer Vortragshalle der Treptow-
Sternwarte und Verzeichnis von Beiträgen
92, 104. 120, 136, 164, 196,
ausschreiben zur Erlangung einer Vorrichtung
zum Messen des Winddruckes 103. — Im
Ballon über die Sahara 104. — Die Eigen-
bewegung des neuen Sterns im Perseus 119.
— Das Gesamtlicht aller Sterne 119. —
Das vierte Hundert neuentdeckter Doppel-
sterne 119. — Sehr wertvolle Doppelstern-
messungen 119. — Perlmutterwolken 119. —
Ein besonderes Komitee für die Erbauung
der Vortragshalle der Treptow -Sternwarte
120. 136, 164. — Periodische Kometen im
Jahre 1902 134. — Eine Geschichte und
Statistik der kleinen Planeten 134. — Durch-
messer von Planetenmonden 135. — Der
veränderliche Stern S Persei 135. — Ueber
die Strahlung des Quecksilbers im mag-
netischen Felde 135. — Amerikanische Spenden
für wissenschaftliche Institute 135. — Unsere
Beilage „Ballunfahrt des Luftschiffers Blan-
chard von der Sternschanze zu Hamburg
am 23. August 1756“ 150. — Bemerkung zu
„Weineks Mondstudien“ 150. — Die Tem-
peratur an der Sonnenoberfläche und auf
Fixsternen 161.
heliographischen Breiten 162. — Der Verlauf
der letzten Sonnenfleckenperiode 162. — Die
Warmestrahlung der Sonnentlecken 162. —
Das Spektrum von X Cygni 163. — Becquerel-
strahlen und Kathodenlicht 163. — Eine
neue Verwendung der Drachen für meteoro-
logische Forschungen 163. — Eine neue
Plattensorte 164. — Unsere Beilage „Das
Wunderzeichen. Anno 1623* 164. — Die Ver-
doppelung der Marskanäle 130. — Bewegungen
von Nebelflecken 180. — Der erste Komet
des Jahres 1902 196. — Zu Gunsten des Fonds
der Vortragshalle 196. — Atomgewichtsbe-
stimmung mittels Röntgenstrahlen 207. —
Das Leuchten der Nebelfllecken 203. — Neue
spektroskopische Doppelsterne 228. — Photo-
graphische Aufnahmen der Südpolgegend
228. — Planetoid Vesta 228, — Warum er-
scheint uns der Himmel blau? 254. — Der
Komet Brooks 1902a 254. — Die Perseiden-
sternschnuppen 273. — Landgraf Wilhelm
von Hessen und Ritter Hans von Schwei-
nichen 273. — Die Auffindung von Jupiter
und Saturn 288. — Zur Charakterisicrung
der anormalen Witterung 288. — Vulkan-
ausbrüche 288. — Ein grosser Erdriss 288.
— Vom internationalen Katalog der natur-
VII
Seite
wissenschaftlichen Litteratur. 298. — Ent-
deckung eines neuen Kometen Perrine 1902b.
300. — „Deutschland“, Monatsschrift für
die gesamte Kultur 300.
Bücherschau.
Sir Robert Ball, A Primer of Astronomy.
Cambridge at the University Press. 1900 . 20
Andrew Carnegie, Die Pflichten des Reich-
tums. Zwei Aufsätze. Verlag von Hobbing
& Büchle in Stuttgart. Mit dem Bildnis des
Verfassers = . > ee nn nn 208
C. V. L. Charlier, Utgräfningarna af Tycho
Brahes Observatorier på ön Hven sommaren
1901 (Ausgrabungen von Tycho Brahes Stern-
warten auf der Insel Hven im Sommer 1901)
Lund 1901. E. Malmströms boktryckeri . . 274
N. C. Dunér, Tal vid k. vetenskaps-akademiens
minnesfest den 24. oktober 1901 trehundra-
årsdagen af Tycho Brahes död (Rede in
der Kgl. Akademie der Wissenshaften: Feier
zur Erinnerung an den 360. Jahrestag von
Tycho Brahes Tod.) Stockholm. Kungl. bok-
tryckeri et P. A. Norstedt & söner. 1901. . 276
Dr. Siegmund Günther, Geschichte der
anorganischen Naturwissenschaften im Neun-
zehnten Jahrhundert. Verlag Georg Bondi,
Berlin 1901.
E e a E
Johann Kleiber, Lehrbuch der Physik. Zum
Gebrauch an realistischen Mittelschulen.
H. Aufl. München 1901. Verlag von R. Olden-
bourg. . . 256
Dr. B. Krembs, Lebensbilder aus der Ge-
schichte der Sternenkunde. Freiburg i. Br.
1902. Herder'sche Verlagshandlung . . . 255
Ed. Liesegang, Photographischer Almanach
1902. 22. Jahrgang. Mit Kunstbeilagen und
Text-Illustrationen. Verlag Ed. Liesegang
(Rud. Helm) Leipzig ee 276
C Musmacher, Kurze Biographien berühmter
Physiker. Freiburg i. B. 1902. Herder’sche
Verlagshandlung ie oa . 256
Carl Schulte, Lexikon der Uhrmacherkunst
Handbuch für alle Gewerbetreibende und
Künstler der Uhrenbranche. Berlin 1901.
(Selbstverlag) . - - 32
K.Schwier, Deutscher Photographen-Kalender.
Taschenbuch und Almanach für 1902. 21 Jahr-
gang. In zwei Teilen. Mit einem Eisen-
bahnkärtchen von Deutschland und zwei
Kunstbeilagen. Verlag der Deutschen Photo-
graphen-Zeitung, Weimar . . . à . 276
H.H. Turner, Modern Astronomy. Being Some
Account of the Revolution of the last
Quarter of a Century. Verlag Archibald
Constable & Co. Westminster. 1901 . . . 3
Dr. B. Weinstein, Einleitung in die höhere
Seite
mathematische Physik. Berlin 1901. Ferd.
Dümlers Verlagsbuchhandlung . 256
Personalien.
Abbe-Jena, E., Prof. Dr. 84. — Arrhenius-Stock-
holm, S. 84. — Bacon, Charles A. 72. — von
Boinik. Benko 84. — Eschenhagen, M., Prof.Dr. 72.
— Gaudibert, C. M. 44. — Hartwig, Ernst, Dr. 104.
— Hausdorff. Felix, Dr 104. — Klumpke,
Dorothea, Frl. Dr. 84. — Kobold, Hermann,
Prof. Dr. 136. — Lawton, George K. 72. — von
Neumayer-Hamburg, Prof. Dr. 84. — Oswald-
Leipzig, W. 84. — Planck-Berlin, Max 84. —
Rancken, R. F. 32. — Runge-Hannover, Karl 84.
— Safford, Truman Henry 72. — Schorr,
R., Dr. 104. — Schuster-Manchester, A. 84. —
Schwarzschild, Karl, Dr. 44. — Seares, F. H. 44.
— Seeliger-München, H., Prof. Dr. 84. — Tacchini,
Pietro, Prof. 72. — Winkler, Wilhelm, Dr. 136.
— Zelbr, Karl 72.
Fragekasten. 256.
Schenkungen.
a) allgemeine.
Carnegie, Andrew, Mr. 84. — Keyser, William, Mr.
84. — Nobel-Stiftung, Alfred 84. — Stamford,
Mrs 84.
b) für die Vortragshalle der Treptow-
Sternwarte.
(Ohne Ortsangabe Berlin.)
Aktien-Gesellschaft fur Anilin-Fabrikation 244. --
Frau E. d’Alton 92. — Prof. Gustav Amberg 196.
— Frau Direktor Archenhold, Treptow 104. —
Direktor F. S. Archenhold, Treptow 92. —
Dr. Leo Arons 104. — Frau Mathilde Behrend
104. — Benno Bernhardt 104. — Frau Geh.
Sanitätsrat Bertram und Sohn 120. — H. Binder
944. — H. Bloch, i. F.: S. Calvary & Co. 92. —
Kgl. Geh. Baurat W. Böckmann 120. — Kommer-
zienrat C. Bolle 120. — Leo Byk 164. — Corvetten-
Capitän Caesar, Kiel 104. — W. Dittmar 92 —
E. N. 196. — Dr. med. Max Eisenberg 92. —
Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, vorm. Schuckert
& Co. 136. — H. Estorff 104. — Frl. Rosa Feit
164. — Wirkl. Geh. Admiralitätsrat Dr. P. Felisch
120. — Litterarische Gesellschaft „Frührot“ 196.
— Richard Galle 92. — Alfred Gartz 92. —
Dr. Friedrich Gotthelf 104. — M. Gotthelf 92. —
Fabrikbesitzer H. Grengel 164. — Frau Direktor
Anna H.... 92. — G. Hammer 244. — Otto
Hasselkampf, Potsdam 92 — Apotheker E. Hell-
wich, Bischofstein 120. — R. Henneberg 120. —
Carl Hesse 196. — Frau Schulvorsteherin Klara
Hessling 120. — Dr. Paul Hoering 120. — Oscar
Hopf, Charlottenburg 104 — Firma Heinrich
Jordan 164. — F. Kallgarten, Frankfurt a. M. 92.
— Geh. Hofrat H Kelchner 244. — Kensberg
VIN
& Ulbrich 92. — Oberbiirgermeister Kirschner
120. — Prof. Ludwig Knaus 120. — Prof.
Dr. Victor Knorre 92. — Fraulein Elise Koenigs
136. — Prof. Dr. F. Kohlrausch, Pris. der Phys.-
Techn. Reichsanstalt, Charlottenburg 136. —
Grubenbesitzer F. W. Körner 164. — Fabrik-
besitzer Dr. Erich Kunheim 120. — Ingenieur
Christian Lange 120. — Prof. Dr. Leman, Char-
lottenburg 164. — Louis Levin 120. — J. Lewin-
sohn 120. — Carl Lier, Schwarzfeld (Harz) 244.
— Bernhard Lilienfeld 136. — Direktor P. Man-
kiewitz 244. — Frau Hermann Marckwald 104. —
Dr. med. Alfred Marcuse, Charlottenburg 164. —
Alfred Markus 92. — Edward Markus 120. —
Stud. rer. nat. W. Mecklenburg, Pankow 244. —
Frl. Sophie Mindt 104. — Oscar Mindt 104. —
Julius Model 164. — Emil Mosse 196. — Frau
Auguste Müller 104. — Oscar Müller 164. —
Stadtrat Dr. Münsterberg 136. — Ingenieur Emil
Naglo, Treptow 120. — Dr. Martin Neubart,
Charlottenburg 164. — Gemeindevorstand Nieder-
Schönhausen 136. — Dr. Ernst Noah 92. —
Gemeindevorstand Ober - Schöneweide 136. —
Fabrikbesitzer Oscar Pintsch 164. — Frau
Amtsgerichtsrat Pniower 120. — Staatsminister
v. Podbielski, Exc. 136. — Frau Major Antonie
Pohle, geb. Saegert 120. — Adolf Protzen,
Stralau 120. — Geschwister Else und A Rabe
120. — Geh. Baurat, General-Direktor Emil
Rathenau 136. — Oscar Rathenau 164. — Rathe-
AS
——
nower opt. Industrie-Anstalt, vorm. Emil Busch.
A.-G., Rathenow 92. — Julius Reichenheim 104
— Carl Reichert, Mikroskopfabrikant, Wien 92. —
Dr. S Riefler, München 92. — Frl. A. Rohrbeck
196. — Dr. Max Runge 120. — Max Runge 92.
— Fräulein Anna Saegert 136. — Auskunftei
W. Schimmelpfeng 92. — Carl Schlesinger 164.
Dr. med. Paul Schmidt, Baumschulenweg-Treptow
92. — R. Schroeter 244. — Frau Marie Schulen-
burg-Ottleben, geb. Halske92.— Oberbiirgermeister
Schustehrus, Charlottenburg 196. — J. Schwarz,
Treptow 136. — Kgl. Geh. Kommerzienrat
C. Spindler 92. — Carl Stiebel 196. — Franz
Stock, Treptow 120. — Kreisausschuss des
Kreises Teltow 196. — Dr. Johannes Thiele,
Charlottenburg 104. — Staatssekretär des Reichs-
Schatzamts, Wirkl. Geh. Rat Freiherr von Thiel-
mann 104. — Prof. Dr. M. Thiesen, Friedrichs-
hagen 92. — Eugen Tornow, Frankfurt a M. 120.
— Friedrich Treitschke, Erfurt 92. — Gemeinde
Treptow 244. — Treptower Grundbesitzer-Verein
164. — Ungenannte Dame 196. — Verein
Deutscher Maschinen-Ingenieure 120. — Verein
von Freunden der Treptow-Sternwarte 120. —
S. Weil, Bankdirektor 92. — Dr. Werner Weis-
bach 92. — Dr. Theodor Weyl, Charlottenburg
164. — Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. L. Wittmack 120.
— Dr. Georg Wolfsohn 104. — Baumeister
L. Zeitler 136. — L. Zuckermandel, i. F : C. Schle-
singer, Trier & Co. 136.
Sach- und Namenregister.
Scite Seite Seito
A. Ballonaufstieg bis 10500 m 56 | Charlier, C. V. L. 96, 274
Abbe - Fizeau'sches Dilato- —, von Blanchard 1786. . 150 | Le Chatelier. . . . . . 19
meter. . 138 | Becquerel-Strahlen .163 | Coercitivkraft . . . 24
Acetylenflamme, ihre: Tem- Berson, A.. 56 | Cornu, A.. . 2 2 8
peratur . . . . 19 | Bigelow, Frank H.. 3l
Acauatorälinsrnment von Bogenlampe, singende . . 15 D.
Tycho Brahe. . . 24 | von Boinik, Benko 84 | Delambre ....... 17
Archenhold, F. S. 149, 155, 183 | Du Bossche Waage. . . 30 | Decimalsystem . . . 18
Aristarch . . . . .. . I? Boucquet de la Grie. . . 13 Dickenmessung durch Licht-
d’Arrest . 9, 12 | Brahe, Tycho, Gebeine . . 33 wellen ‚173
Atlas, topogr. v. Siegfried. 66 ‚Grabmal . 39 | Dilatometer, Abe Kira:
Ausstellung von Tychonika —, u. Landgraf Wilhelm IV. 236 sches EI?
auf der Treptow - Stern- —, in Prag d . 105 Dopnelsterie: EE 85
warte. . . . . 25 | —, Sternwartenreste . . 4, 274 | —, Husseys Entdeckung . 119
Klomkewichtehesfininingen Breithaupt, J. C. . 232 | —, spectroscopische . 113, 228
mittelst Rörtgenstrahlen. 207 | Brenner, Leo. . 280 | ~~, spectroscopische, ihre
Azimuthal-Quadrant . . . 23 Perioden . . 118
C. —, Struwes Messungen . . 119
B. Carnegie, Andrew . 84,255 | —, zwei neue ..... 44
Bacon, C. A.. . . . . . 72 | Cassel, anno 1640 . . 234 | Duddel . . . . 2.2.2. 16
Ball, Sir Robert. . . . . 20 I Centralfeuer . 76 | Dufourkarte . 63, #7
Seite
Dumont, Santos. 91
Dunér, N. C.. 276
E.
Eckert, H., Prachtwerk . . 105
Eisensorten, magnet. Unter-
suchungen . . . . e . 26
Eiswolken . . 289
Eiszeit, nr onomische
Theorie . . ie pr e 95
Ekdahl, Pfarrer 21, 24, 25
Erdmagnetismus, Einfluss
auf Chronometer . 78
Erdriss, Sant Nicholas . 288
Erdschatten, Vergrösserung 182
Erdschwere, Veränderung . 12
Eschenhagen, M. 12
Excentricität, ihre Zwei-
teilung durch Ptolemäus 17
F.
Fabry <>, 3 78 . 173
Fenyi, J. «© «(209
Finsternisse . 181, 283
Flammarion, C.. 70
Fritter . . .. . 268
G.
Gaudibert, C. M. , 44
Gegenerde. |;
Geophysik. . . .. . .170
Geschichte der Astronomie:
babylonische . . . . . 109
griechische 16, 49, 73
Kindheitszeit . . . . . 108
Lebensbilder . . . . . 255
Märchen und Sagen 245
Mittelalter (siehe: Tycho
Brahe und Landgraf von
Hessen.)
Geschichte der mathema-
tischen Wissenschaft . 89
Gewitterregistrator 257
Gil], David ; 30
Globus, Augsburger . 10
Goethe . i 251
Gradmessung, projectiert für
Afrika : 30
Gravitationskonstante 12
Giinther, S. 19
Gutenbergdruck, ältester 84
H.
Hartwig, Dr. Ernst 104
Hausdorff, Dr. Felix . 104
Seite
Heim .. 99
Hell, Pater 2b
Himmelsbläue , 264
Himmelsgegenden, Ent-
stehung der Namen... 1
Himmelsgewölbe,scheinbare
Abflachung . , 125, 143
Hipparch . jae, DS
Hochwasser in Berlin,
19. April 1902 . 264
Horizontalrefraction . 215
Huet. . 25
Hultsch, F. 16
Hussey, W. J. 44
Huyghens, Ch. . . 831
Heen ........ 7
Hysteresis . 26
I.
Instrumente, Pekinger 93
—, Tycho Brahe’s . 17, 23, 24
Interferenz - Spectrometer
von Perot und Fabry. . 173
K.
Kartenwesen der Schweiz . 45
Katalog, internation. natur-
wiss... , . 298
Kathodenlicht . 163
Keyser, W. ; ; , 84
Kircher, ER . 130
Kleiber, J. . ; . 256
Klumpke, Dr. Dorothea . 84
Kobold, Prof. Dr. H.. . 136
Köpsel’scher Magneti-
sierungsapparat . 30
Kometen:
Brooks 1902a . , : 196, 254
Biela’scher. . . . . . 153
Gestalt der Schweife . . 165
Holmes’scher . . . 152
periodische i. J. 1902 . . 134
Perrine 1902b . 300
Swift’scher 1895 II . . 134
Teilungen und Lichtaus-
briiche . 161
Tempel’scher dritter . 134
— erster . 151
De Vico . . 152
Krembs. . 255
L.
Landgraf von Hessen, Wil-
helm IV , Porträt,
Beilage Heft 20
—, seine Sternwarte . 229, 273
Laterna Magica . . 130
Seite
Lawton, G. K. . . . . . 72
Leoniden 1901 . 44
— 1901 in Californien . 133
Licht, Druck . . 165
Liesegang, Ed. . 276
Luftmeer, ihre Circulation . 59
Luftschiffahrt 56, 91, 104, 150
M.
MagnetischeUntersuchungen 26
Marskanäle, Verdoppelung . 180
Mauerquadrant in der
Uranienburg f 23
Meteorologie: Aspirations-
psychrometer . . 60
Circulation im Luftmeer. 59
Gewitteraufzeichnungen . 257
Hochwasser und E
nosen . 3 . 264
Perlmutterwolken . 119
Sonnenring v.23.Marz 1901 290
Um die Wende des Jahr-
hunderts . : 57
Wetfervorhersagung ei. 289
Messung des Winddruckes 103
Anormale Witterung . 258
Verwendung von Drachen 163
Witterungsverhältnisse,
Einfluss von Mond und
Planeten . . 296
Wunderzeichen 1628 . . 164
Meteorstein, im Palast des
Schah . 100
von Meyer. . ..... 6&5
Michel, Jules . 18
Mimas, Elongationszeit . 44
Mond, Auf- und Untergänge,
graphische Darstellung
Beilage Heft 6
—, Einfluss auf die Witterung 296
—, in Märchen und Sagen 271
—, Vergrösserung am Hori-
zont > . 147
Mondfinsternis: Aufnahmen
auf der Treptow-Stern-
warte . . 194
Lumen secundarium 237,
240, 243
Photographie, Beilage Heft 15
totale, 22. April 1902 . . 177
Schattenphänomene . 181
im Volksglauben . 281
Mondstudien von Weinek
121, 150
Mondtheorie des Ptolemäus 17
Mouton, Astronom von
Lyon .
Musmacher, C. .
. 19
. 256
Seite
N.
Naturwissenschaften, ihre
Geschichte. . . . . . 19
Nebelflecke, ihre Bewegung 180
—, ihr Leuchten . 208
Nebelmassen um Nova
Persei . . . . . . 70, 83
Neuer Stern im Perseus . 56
—, Eigenbewegung . 119
—, Nebelmassen . 70, 83
von Neumayer, Porträt . . 201
Newcomb, S.. e a, 19
Nichols. . ...... 19
Nobelstiftung. . . . 84
Nord, Nanienselitstehug u 4
Normalmeter, Auswertung . 157
Null, ihr Ursprung . . 18
0.
Orpheussage . 249, 268
Orphiker . . s 2 « ac MT
Osiris . . . .. 7283
Ost, Namencenisiohnung e 2
E
Palazzo, Luigi, Prof.. . . 72
Permeabilität. . . . . . 28
Perot. ; 173
Picard . . 2 2 2 .. . 2
Phönix-Sage . 245
Planeten: Constellation A von
Jupiter und Saturn 56, 288
Durchmesser . 40
Einfluss auf die Witterung 296
Monde . 135
Uranus 2173
kleine, Geschichte und
Statistik . 134
Vesta . ; 228
Plattensorte, neue . 164
Plejaden . e, D
Posidonius . ... se Ee
Präcisionsmessungen ESCH
Lichtwellen . 137
Ptolemäus, fetter . 16
Pythagoras, Sphären-
harmonie . 2. . . . . 733
Q.
Quecksilberlinien im mag-
netischen Felde . . 135
R.
Rancken . . . 32
Rechts und Links, Ursprung 5
Remanenz. . . . . . 28
Ricci, Matthieu.
93 |
Seite
Ringerscheimungen . 259
Ritchey . 70
Safford, T. H. 12
Sainowics . 25
Sarosperiode . . 111
Saturnsmond, Mimas . 44
Schaal, Adam e 93
Schachspiel und astrono-
mische Anschauungen 42
Schorr, Dr. R. . 104
Schulte, Carl . : 32
Schwarzschild, Dr. K. 44
Schwier, K. . 276
Seares, F. H.. 44
Sehnentafeln . 49
Sextans trigonicus . 24
Simsonsage 270
Sonne: (siehe auch Sontien-
finsternis.)
Auf- und Untergang, gra-
phische Darstellung,
Beilage, Hett 6 82
Corona, magnetische
Theorie . 3
Fleckengruppe . 149
Flecken in hohen Breiten 162
Fleckenperiode . 162
in Märchen und Sagen . 247
Temperatur . . 161
Warmestrahlung der
Flecken . 162
Sonnenfinsternis: ring-
förmig, 11.November 1901 43
Schattenphänomene . 181
im Volksglauben . 281
Sonnenringbildungen . . 289
Sosigenes . . 177
Sothisperiode .111
Spenden, amerikanische für
wissenschaftliche Institute
Spirale, ihr Erfinder .
Stamford, Mrs.
Sterne: Doppelsterne 44, 85,
113, 119,
Gesamtlicht
in Märchen und Sagen
Nova Persei 56, 70, 83,
Polarstern. . . 116,
Südpulgegend .
Temperatur
Veränderlicher S Porsei .
e Spectrum
x Cygni TE
Vergrösserung am Hori-
Zont 125, 143, 235,
as
135
31
84
228
. 119
. 245
119
118
. 228
. 161
135
Seite
Sternenburg,Reste derselben
9, 21
Sternenhimmel, im Monat
Januar . . . . 81
Sternschnuppen, Leöniden. 44
—, Perseiden . 273
Sternwarte, von Landa
Wilhelm IV. in Cassel 229, 251
— in Peking. 94, 197
Sternwartenreste, von Tycho
Brahe, Karte, Beilagezu Heft 2
Siid, Namensentstehung. . 3
Süring, Dr. . .... . 56
T.
Tacchini, P. w. 6 a Ace 12
Telegraphie, drantlose . 170
Telephonie, drahtlose . 293
Tierkreisarmillen . . . . 24
Turner, H.H. ..... 31
U.
Uhrmacherkunst, Lexikon . 32
—, Wasseruhr . . 112
Uranienburg, Reste der-
selben . ...... 8
Uranus . . 277
V.
Verbiest, Ferdinand . . . 9
Vortragshalle der Treptow
Sternwarte, Aufruf. . . 92
—, Beiträge 92, 114, 120, 136
164, 196, 244
—, Komitee 120, 136, 164
Vulkanausbrüche, atmo-
sphärische Folgeerschei-
nungen . : . 225
—, auf der Insel Torishima 288
W.
Ward, Henry . . 100
Weinek, L. . 121
Weinstein, B. , . 256
West, Namensentstehung . 3
Wettervorhersagung . . . 61
Wilhelm IV., Landgraf . . 229
Winddruck . 103
Winkler, W. . . 136
Wolf, M. . 10, 83
Wunderzeichen 1628 . . 164
2.
Zahlensymbolik, pythag. . 75
Zeitschrift. neue „Deutsch-
land“ . . 300
Zelbr, K. . . . . u “a. R
Zwehrenturm in Giese.
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Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“, Jahrgang 2. Heft 1.
(zu F, u. M. Albrecht: Die Reste der Sternwarten Tycho Brahe's, Seite 7 u. flgde.)
Nördlicher Teil der Uranienburg mit dem Brunnenhäuschen.
ef:
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Digitized
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 1.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 1901 Oktober 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeilungspreisliste 11. Nachtrag 78 Ha).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pre. Yı Seite 60.—,1/, Seite 30.— ‚1/4 Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Ost, West, Süd, Nord. Bemerkungen zu den Namen 5. Zur Ehrenrettung des Ptolemaeus. Von (eh. Reg.-
der Hünmelsgegenden. Von Geh. Reg.-Rat Prof. Rat Prof. Dr. Wilhelm Foerster . . 16
Dr. Reuleaux . . . 1 6. Kleine Milleilungen: Ueber den Ursbruing der Null.
2. Die Reste der S lernicarih Tycho Brahe's anf der — Die Temperatur der Acetylenflamme. . . . 18
Insel Hveen. Von F. und M. Albrecht. . . . 7 7. Bücherschau: Günther, Geschichte der EEN
3. Eine Methode zur Bestimmung der Veränderung der Naturwissenschaften im Neunzehnten Jahrhundert.
Erdschwere. Von Dr. H. Gerstnann ...... RBR — Sir Robert Ball, A Primer of Astronomy . . . 19
4. Die „singende Bogenlampe“. Von B. Zabel . . . 15
Ost, West, Süd, Nord
Bemerkungen zu den Namen der Himmelsgegenden
Von Profi Dr. F. Reuleaux
D germanischen Völker haben der Kulturwelt einen, zwar wenig auffälligen,
aber in der That grossen Dienst dadurch erwiesen, dass sie ihnen die vier
Himmelsgegenden oder -Richtungen mit Namen versehen haben, und zwar mit
den kurzen, knappen, so eigentümlich ausdrucksvollen Namen:
deutsch: Ost (en) West (en) Süd (en) | Nord (en)
die j ja heissen auf: nn
‘hollandisch: oosten westen zuiden noorden
schwedisch: öster, dstan vester sunnan nord, norr
dänisch: ost vesten syd, sonden nord, norden
englisch: east west south north
französisch: est ouest sud nord
italianisch: est ovest sud norte*)
Spanisch: este | oeste sud, sur . norte, norde
portugiesisch: este, leste oeste sul norte
Diese Gemeinsamkeit der Bezeichnungen bei denjenigen Nationen, die ich bei
einer früheren Gelegenheit**) die atlantischen zu nennen vorschlug, ist schon
=) Als Nebehhamen dienen noch in Italien, Spanien und Portugal „oriente“, „occidente“,
„levante“ und „ponente“ für Ost und West; auch in Italien „mezzodi“ und Zeen für Süd
und Nord, und so noch einiges Andere; aber das sind nur Hülfsbezeichnungen; wir selbst sagen
ja auch wohl „Morgen“, „Abend“, „Mittag“, „Mitternacht“, aber mehr bloss im gehobenen Ausdruck
und in der Redeweise des Dichters. Russland hat sich noch nicht ergeben, sagt vielmehr:
wostokk sappad jugg ssjewerr,
braucht aber unsere obigen Namen im See- und Wetterwesen nebenbei: Griechenland ist seinem
Altertum, unbekümmert um uns, ungefähr treugeblieben, sagt:
anatole dysis notos boréas
**) Vortrag über „Kultur und Technik“, Wien, 1884.
DEE, SE
sehr alt, stammt aus verkehrsschwachen Zeiten, in denen offenbar die verwandten
Stämme oderFamilien noch nahe beieinanderwohnten; sie ist auch ganz verschieden
von den heutigen internationalen Neubildungen, wie „Telegramm“ und dergleichen.
Sie ist nicht wie diese sprungweis aufgekommen, sondern lässt auf langsame
Vorgänge, die im Dunkel früher Geschichte liegen, schliessen, einstweilen auch
nur schliessen. Denn die Sprachforschung ist trotz vielem Bemühen noch nicht
bis zur sicheren Erklärung des merkwürdigen Wortgeviertes gelangt. Erst
einige Schritte zur vollen Klarlegung ist sie vorgedrungen; weiter unten soll
auf dieselben kurz zurückgekommen werden. Die nachfolgende Studie bezweckt
etwas Anderes, aber Verwandtes. Sie bezweckt nämlich, die ganz anderen Be-
zeichnungen der Himmelsrichtungen aus einigen Sprachen und Zeiten zu ver-
gleichen, in denen unser obiges germanisches Viergespann noch nicht zu seiner
Anerkennung gelangt, oder überhaupt noch nicht gebildet war. Verschiedenes,
wobei auch Neues, was sich bei der Vergleichung ergeben wird, möchte den
Freunden der Beschauung des Himmels willkommen sein, da es dessen Ein-
teilung selbst in erfreulicher Weise verständlicher macht. Denn das ist das
Beste, was uns die wissenschaftliche Sprachforschung, die man heute nicht mehr
mit dem Schulmeisterspass „alopex, pax, pox, pux, Fuchs“ abweisen kann,
gebracht hat, dass sie uns das Wort, das nur ein geschriebenes Stück Gedächtnis-
werk war, auseinander faltet bis auf seinen begrifflichen Inhalt.
Drum wolle der Leser des ,Weltalls* auch nicht scheuen, in einige Be-
trachtungen, die sich auf Sanskritwörter stützen, mit einzutreten, zumal wir die,
für den Fachmann mit den fremden Buchstaben anzuführenden Belege in die
Anmerkungen, unter den Strich verweisen können.
Die Sprachen, aus denen wir zunächst Wörter zum Vergleichen heraus-
heben wollen, sind das Sanskrit, das zwar nicht die indogermanische Ursprache
ist, aber derselben noch sehr nahe steht, dann dessen Tochter, das Hindostanische,
und sodann das Arabische. Beginnen wir mit dem Osten. Dieser heisst auf:
Deutsch Sanskrit Hindostanisch Arabisch
Ost pratschi*) pratsch schark
purva**) purba, purab***)
Die beiden Sanskritwörter prdtschi und purvä, scheinen ziemlich gleich
häufig gewesen zu sein, wie man wenigstens aus der Vielheit ihrer im Hin-
dostanischen gebräuchlich gebliebenen Nebenformen schliessen darf; sie haben
aber alle beide eine sehr bemerkenswerte Doppeleigenschaft. Es bedeutet nämlich:
pra und auch prätschi „vor“, „vorne“ und zugleich „Osten“,
desgleichen pura und purvd „vor“, „vorne“ und ebenfalls „Osten“.
Ganz ähnlich verhält es sich bei den hindostanischen Wörtern, die übrigens
ihre Abstammung und unverfälschte Herabkunft vom Sanskrit an der Stirne
tragen; auch hier gelten die beiden Sinne, hier und da nur leicht vermischt
mit „alt“, „ehrwürdig“ von einem andern Worte (purana) herstammend. Ge-
schrieben wird das Hindostanische mit Hindischrift, die eine etwas fliessender
*) Oral, TAIA, nach Wilson, Sans. and engl. Dict. S. 9 und 427 aus A vor und Wool
gehen gebildet; auch UTA, Cappeller S. W. B. S. 282, vorn und östlich kommt in Betracht, sowie
verschiedene Nebenformen.
e qed und gd, sowie auch lautverschicblich goa und gä, also ein doppeltes wie ein-
faches v sowohl, als b sind vorhanden, dann auch Gl vorne, vor, alle den Doppelsinn „vor“
und „Östlich“ tragend.
***) Auch das echte purva ist da, ebenso noch purbi in lebendigem Wechsel.
ia, HAS es
behandelte Sanskritschrift ist, oder mit persisch-arabischen Schriftzeichen; diese
haben die eindringenden Moslim ihrerzeit mitgebracht, indem sie zugleich, als
der zur Herrschaft gelangte Stamm, derVolkssprache eine grosse Menge arabischer
Wörter beimischten.
Die obige arabische Bezeichnung für Osten, schark, die sich auch noch
mundartlich abgewandelt vorfindet, z. B. in Algier schörk lautet, ist uns nicht
so wildfremd, wie der erste Anblick glauben macht. Das sch ist nicht so ganz
voll mit vorgeschobenen Lippen zu sprechen, sondern etwas dem scharfen s zu
nähern; unter der Herrschaft dieser Aussprache haben wir im Mittelalter aus schark
das Wort Sarazene gemacht, was also eigentlich der „Oestliche“, der „Orientale“,
der „Morgenländer“ heisst. Gehen wir nun weiter zu:
Deutsch Sanskrit Hindostanisch Arabisch
West pagtschima*) putschhum, patschham garb
Die Westrichtung wird in Sanskritschriften auch Varuni genannt; das ge-
schieht aber nur in religidser Anspielung auf den Gott der Gewässer, Varuna,
dem der Westen geweiht war. Nebenbei bemerkt, lasst dies darauf schliessen,
dass die damaligen Sprachenbildner dem westlichen, d. i. dem indischen Ozean
ziemlich nahe wohnten. Das eigentliche Sprachwort war das in vorstehender
Liste aufgeführte. Nun heisst aber pagtschat „hinten“ und zugleich auch „west-
wärts“, „westlich von“, sodass wir hier abermals die merkwürdige Zweisinnig-
keit der Bezeichnung vor uns haben. Die beiden hindostanischen Wörter
sind wieder als Sanskritabkömmlinge zu erkennen**). Hervorgehoben aber sei,
dass neben den beiden aufgeführten Formen heute sehr gebräuchlich sind,
ja dem Anschein nach bevorzugt werden die Formen maghrib und moghrib.
Diese aber sind von der erwähnten arabischen Herkunft und aus dem Stamm-
wort garb regelmässig entwickelt. Die heutigen Aegypter nennen das ganze
Nordafrika el-garb, das Westland. Betrachten wir nun die Reihe:
Deutsch Sanskrit Hindostanisch Arabisch
Süd dakschinä*”*) dakhan jemin, dschenub
Die Benennung dakschinä ist besonders merkwürdig; einesteils wiederum
wegen der Zweisinnigkeit, indem sie nicht nur Süd, sondern auch „rechts“ be-
deutet, andernteils weil sie unter ganz schwacher Abschleifung in der griechischen
und der lateinischen Form, de&ı« und dexter, dextra, aus der Wanderung zu den
Mittelmeerländern hervorgegangen ist, ja bei den romanischen Völkern in
„droit“, „diritto“, „derecha“, „dereito“ lebendig geblieben ist. — Das hindo-
stanische Wort für Süden erklärt uns auch die Bedeutung des Namens Süd-
*) ala, UA, Cappeller S. 246, Wilson S. 377. QM gilt etymologisch als Ersatz für
HUT, was entgegengesetzt, rückwärtig (aus H priv. und UY anders) und auch wieder daneben
Westen bedeutet.
**) Auch die Formen pitschhe, pitschhen für „hinten“ sind im Gebrauch.
+73) afam Wilson S. 292, Cappeller S. 164. Der Eigenname Dakscha, orl ist der eines
hohen göttlichen Herrschers (vergl. „Weltall“ Heft 21 S. 179). des Vaters zahlreicher Töchter. wovon eine,
die Durga, die Gattin Çivas ist. Bemerkenswert ist die Bedeutung „südlich“ in @ IMMAN, Dakschi-
nayana, dem Namen für die Bahn der Sonne südlich vom Aequator, auch für die Wintersonnen-
wende insbesondere, und bei den Dichtern für den Weg ins Todtenreich. Neben der Bedeutung „die
rechte Körperseite“ steht die der sittlichen Eigenschaften der Geradheit. Rechtlichkeit, Aufrichtigkeit
in vorderer Linie. Angeführt zu werden verdient noch oli für „links“, d. h. nach Cappeller
S. 164 „anders als rechts“, könnte auch sein: „von rechts her zu erreichen“. Angemerkt sei, dass
bei Grimm Myth. III 22 vom Drucker daxima statt daxina gegeben ist.
E EE
indiens; Dekan oder Dakan ist „das südliche Land“. Dakhni bedeutet „südlich“
und dahna „rechts“, wonach das Hindostanische in der Form zwar Abschweifung
gegenüber dem Sanskrit zeigt, begrifflich ihm aber ganz treu geblieben ist.
Von den beiden arabischen Bezeichnungen weist die erste die wichtige
Eigentümlichkeit der zweifachen Bedeutung, die wir in den indischen Beispielen
fanden, ebenfalls auf. Die rechte Hand heisst el-id el-jemina (in Algier imine)
und Südarabien heisst el-jemen (wir schreiben ja gewöhnlich Yemen). Neben
dschenub oder genub kommt auch gunub vor, (vergl. „Weltall“ 21. Heft, S. 180
bis 182). Wir haben nun noch anzusehen die Reihe:
Deutsch Sanskrit Hindostanisch Arabisch
Nord uttara™) uttar schemal
Der Sanskritname der vierten Himmelsgegend ist wiederum zweisinnig, be-
deutet nämlich Norden, nördlich und auch „links“. Das hindostanische uttar be-
deutet „nördlich“; ob es auch für „links“ gebraucht wird, vermag ich nicht nach-
zuweisen. Indessen heisst „links“ auf hindostanisch buyan, und dies könnte
nahe zusammenhängen mit vayava, Nordwestwind, womit denn ebenfalls die
Uebereinstimmung von nördlich und links sich ergeben würde Das indische
ultarä, uttar ist übrigens hinübergelangt auf die Sundainseln. Malayisch ist
nämlich Nord = ufürä, was aber einzeln entlehnt scheint, da malayisch Ost = timor,
West = bärat, Süd = slätan auf Lander oder Landstriche, nicht auf den mensch-
lichen Körper verweisen; die linke Hand heisst bei den Malayen tangan-kirt,
also völlig abweichend. — Das arabische schemul bedeutet ausser Nord und
nördlich ausdrücklich auch „links“, sodass auch hier die Zweisinnigkeit besteht.
Es liegt nun das höchst eigentümliche Verhältnis klar vor uns, dass einst
in zwei Sprachen vollständig, in einer dritten, ganz von beiden verschiedenen.
sicher zur Hälfte die Himmelsgegenden vom menschlichen Körper aus ihre Be-
zeichnung erhalten haben. Der Stelle des täglichen Sonnenaufgangs zugewandt,
nannte der Mensch tief in Asien in fernvergangenen Zeiten diejenige Himmels-
richtung, die dann „vor“ ihm lag, Osten, prätschi, die „hinter“ ihm lag Westen,
pagtschima, dieihm „rechts“ lag, Süden, dakschina, die ihm „links“ lag, Norden, uttard.
Dieses höchst bemerkenswerte einstige Verfahren, das in der Sprache
seinen Abdruck zurückgelassen hat, ist von der Sprachforschung bemerkt worden;
im Grimm schen Worterbuch**) ist hervorgehoben, dass es von Süden und
Norden gilt; dass der Geltungsbezirk ringsum reicht, hatte die Wahrscheinlich-
keit für sich; hier ist sie bestätigt. In einem, mir erst kürzlich bekannt ge-
wordenen Vortrag des Herrn v. Meyer in der Gesellschaft für Anthropologie ***)
wird dies noch mittelbar bezeugt durch die Angaben, dass im Hebräischen:
kedem Osten und „vorn“, achor Westen und „hinten“,
jamin Süden und „rechts“, schinol Norden und „links“
bedeute. Als Altpersien angehörig führte der Vortragende pratschja als Bezeich-
nung für Osten an. Sollte das richtig sein, so wäre nach dem Obigen das Wort
*) SA und SA bedeuten nach Cappeller S.55 sowohl Norden, nördlich, als auch links.
Wilson und auch Williams. Dict. Engl. u. Sanscr., führen die Bedeutung links nicht an; für letztere
gibt aber Cappeller a. a. O. so vollständige und bestimmte Nachweise, dass Zweifel ausgeschlossen
sind. Unter Verweisung auf die vorige Anmerkung sei noch angeführt GAA, Uttarayana,
Bahn der Sonne nördlich vom Aequator und insbesondere Sommersonnenwende.
**) Band VII, S. 887 beim Stichwort Nord.
***) S. Zeitschrift für Ethnologie, 1873, Verhandlungen S. 25.
i=. Be
offenbar aus dem Sanskrit oder gar aus der noch älteren Ursprache dort hinüber-
gekommen. Zu untersuchen bliebe immerhin noch viel. Denn ganz allgemein
scheint doch in Asien die Gleichung „Osten = vorn“ nicht gewesen zu sein, da
auf babylonischen Keilschriftplatten die beiden „Pforten“ der Sonne, Ost und
West, durch die sie eintrat und hinausschritt, die linke und die. rechte Pforte
genannt werden*). Die semitischen Babylonier haben also die arische Ost-
Auffassung nicht geteilt; somit ist Ableitung des hebräischen Brauches von
einem älteren, z. B. indischen, nicht ausgeschlossen.
Sehr wichtig muss die Frage genannt werden, welche von beiden Be-
nennungen, ob die am Körper, oder die am Himmelsrand die erste war. Herr
v. Meyer ist in dem erwähnten Vortrag der Meinung, dass die Benennung der
Himmelsgegenden schon fest gewesen sei, als die Menschen der rechten
Körperseite den bekannten Vorzug zuerkannt hätten. Seine Untersuchung hat
überhaupt einen anderen Zweck als den der Himmelszerlegung; er behandelt
den „Ursprung von Rechts und Links“, und gelangt zu der Ansicht, dass die
Menschen aus der Beobachtung, dass die Sonnenbahn am Himmel stets rechts
von der Westostlinie verlaufe, eine Bevorzugung der rechten Körperseite ab-
geleitet hätten. Nun wissen wir aber, dass biologisch wie physiologisch die
rechte .Körperseite wirklich begünstigt ist — natürlich abgesehen von den Aus-
nahmen — auch kennen wir auf der südlichen Halbkugel kein Volk, das nicht
die rechte Hand bevorzugte, während gemäss der v. Meyer'schen Auffassung
doch dort die linke Seite bevorzugt sein müsste. So gilt denn dieser Vorzug
der Rechten ganz allgemein und muss empfunden worden sein, ehe alles
Hinaufschauen begann. Die Benennung der Weltseiten nach den Körperseiten
war deshalb, als der Mensch die Sonne als die Spenderin alles Lebens erkannt
hatte, das Natürliche. Ja, wir brauchen uns nicht einmal mit diesem Vernunft-
schluss zu begnügen. Denn die vergleichende Sprachforschung hat uns bereits
gezeigt und erkennen lassen, dass der sich entwickelnde Mensch überhaupt mit
den Namensgebungen bei seinem Körper begann und das an diesem sprachlich
Gewonnene darauf nach aussen übertrug. Die Zahlworte sind, nachdem der
Begriff der Zwei gewonnen war, wozu die Paarigkeit der Gliedmaassen früh ge-
leitet haben muss, von den Fingern oder vom Körper überhaupt auf den los-
gelösten Begriff des Messens von Mehrheiten übergeführt worden. „Kokosnüsse
drei Mann“ zählen noch einzelne Natursöhne, die zu den Schiffen in der Südsee
Früchte bringen. . „Zwei sind (noch) gebogen“ bedeutet Drei bei anderen. Auch
in unseren eigenen Zahlwörtern steckt in der Tiefe, die zum Teil etwas erhellt
ist, die Fingerreihe. „Mata“ heisst ferner bei den Maori auf Neuseeland das
Auge, aber auch das Gesicht, und „Matariki“, das „kleine Gesicht“, nennen sie
die Plejaden (vergl. „Weltall“ Heft 21). Sie bilden auch Ableitungen von „Mata“,
wie z. B. „Mata ara“, buchstäblich „Auge (auf dem) Weg“ für „wachen“, „Wache
stehen“. Die Steine hiessen in einer anderen Sprache die „Knochen des Weges‘,
eine Quelle ein „Wasserauge“, und so weiter. So dürfen wir es denn als den
Ausfluss eines uralten Sprachbildungsverfahrens ansehen, dass man auch vor
der sich erhebenden Sonne die Weltseiten nach den Körperseiten, die schon
längst ihre Namen hatten, benannte.
*) Sieh L. W. King. Babylonian Religion and Muthology. London 1899. S. 80:
Er (Marduk) machte grosse Pforten an beiden Seiten (des Himmelsgewölbes).
Er machte stark den Riegel an der linken und an der rechten (Pforte),
In der Mitte dazwischen befestigte er den Zenith.
D a
War aber einmal der Sonnenkultus zu einer höheren Bedeutung gelangt,
so war die Oststellung bei feierlichen und auch nur ernsten Handlungen etwas
durchaus Begreifliches. Gegen den Aufgang gewandt sehen wir den alten
Indogermanen bei allen wichtigen Handlungen stehen. Dass es Mohamed nicht
schwer wurde, bei seinen Hamiten an die Stelle der parallelen östlichen
Richtung die strahlige nach Mekka einzuführen, scheint mir nur zu zeigen,
dass bei ihnen die Ostrichtung nicht tief eingewurzelt war. Vielleicht soll
der Mythus von Ham, Sem und Japhet das ausdrücken. Er könnte bedeuten,
dass die Hamiten sich nicht beteiligen gewollt an der Anerkennung der Ost-
wendung, während die anderen Stämme, rücklings hinzuschreitend (nicht „weg-
schreitend“, wie v. Meyer annimmt) dazu bereit waren. Den Italienfahrern unter
den Lesern möchte hier die Darstellung der angeblichen häuslichen Szene, die
im Campo santo in Pisa einen herrlichen Wandschmuck bildet, einfallen, mit
dem Malerscherz, der die eine gar zu neugierige Tochter des Patriarchen durch
die Finger gucken lässt. La vergognosa di Pisa, die Schämige von Pisa, heisst
die Kleine durch ganz Italien.
Bei den Indogermanen ist aber dann die aus uralt ehrwürdiger Zeit her-
stammende Ostschau erhalten geblieben; die Richtung der Tempelachsen, die Lage
im Grabe, gelegentlich die Stellung beim Gebet, alles das spricht für die Ererbung
aus der indogermanischen Urheimat. Im Walthariuslied, dass nach meiner An-
sicht durchaus asiatischen Ursprungs ist und uns bloss in einer Bänkelsänger-
form ganz entstellt überkommen ist, schimmert die echte Stelle beim Gebet des
Helden, der sich nach Osten gewandt hat, wie Gold durch.
Dass in indischen Gegenden nicht der Nordpol als Schaupunkt ausgewählt
wurde, der doch weit fester liegt, als der so deutlich vor- und zurückwandernde
- Ostpunkt, erklärt sich daraus, dass der Nordstern selbst dort gar nicht auffällt
und seine grossen Begleiter im Grossen Bären fast die Hälfte des Jahres nicht
nächtlicherweile herabschauen. Ä
Bei den Gräkoitalern muss nach der grossen, zweifellos ganz langsamen
WanderungoderVerschiebung die alte Vorstellungsreihe allmählich eingeschwunden
sein, weil bloss de&ı« und dextra übrig geblieben sind, also nur das Ursprüngliche,
Stärkere, Mächtigere, Näherliegende, d.i. das die Körperseite betreffende sich
behauptet hat. Auch die Wendung nach Osten verloren die Römer, oder ver-
wandelten sie in eine solche nach Süden. Die weite sprachliche Lücke zwischen
unserer heutigen und den uralten indischen Richtungsnamen ist noch nicht aus-
gefüllt oder überbrückt. Die Beziehungen zwischen „Osten“ und der Frühroth-
göttin Ostera und deren Fest sind noch nicht ausreichend ergründet. Die Ver-
mutung, die Herr v. Meyer in seinem oben erwähnten Vortrag aufstellte, dass
West aus dem Sankritwort vasati stamme, ist nicht haltbar, da vasati unmittel-
bar aus der Wurzel vas, die wohnen bedeutet, mittelst der substantivischen
Endsilbe ti abgeleitet ist und „Wohnung“ ohne die geringste Beziehung auf
Himmelsgegend bedeutet. Bei uns Germanen scheint sprachlich nur der
kleine Rest nertro, auf den Kluge die Aufmerksamkeit gelenkt hat und der
Norden und „links“ zugleich bedeutete, auf cine Erinnerung an die unter-
gegangene Urvorstellung hinzuweisen, von der sich sonst nur in einzelnen Ge-
bräuchen noch flüchtige Spuren erhalten haben. Dieser Rest aber, der anknüpft
an die vier Reihen der frühen Vorstellungen, eröffnet vielleicht eben deshalb
eine Aussicht auf die Lüftung des Schleiers, der noch das ganze germanische
Viergespann unserer Ueberschrift verhüllt.
W
BE, eee
Die Reste der Sternwarten Sycho RBeahes auf der Insel fAveen.
Von F. und M. Albrecht.
bh: war eine ruhige Ueberfahrt von Kopenhagen nach Landskrona. Gleich
einem schmalen Saume tauchte die Insel Hveen, der unser Besuch galt,
am Horizont auf, um sich dann nach und nach mit ihren Steilküsten ganz aus
der dunkelblauen Flut des Sundes zu erheben, gleich der schaumgeborenen
Venus, der sie ja als insula Venusia ihren Namen verdankt. Die Lage der
Insel, die einen Flächenraum von 7,5 qkm bedeckt, ist aus der beigefügten
Fig. 1.
Die Insel Hveen im Öre Sund.
Kartenskizze ersichtlich. Erst der folgende Tag sollte uns unserem Ziele ent-
gegenführen, doch entschädigte uns für die Wartezeit in Landskrona ein pracht-
voller Sonnenuntergang. Von goldigem Glanze umflossen tauchte das Tages-
gestirn hinter dem schwarzen Streifen der Insel Hveen unter und zeigte noch
deutlicher ihre charakteristischen Konturen mit der Nygarder Kirche neben
Tycho’s Uranienburg. |
Die Fahrt mit Fischerbooten zur Insel hinüber, die noch vor nicht langer
Zeit als einziges Verkehrsmittel den Bewohnern dieses Eilandes zur Verfügung
stand, ist heute dem Dampfschiff gewichen, dessen Route die punktierte Linie
auf der Kartenskizze kennzeichnet. Doch ist auch jetzt noch der Verkehr nach
der Insel hinüber nur ein beschränkter. An drei Tagen in der Woche verkehrt
ein Dampfer zwischen Landskrona und Hveen.
Auch wir fuhren mit dem kleinen Dampfer von Landskrona hinüber, es
war d. 13. August d J., und landeten nach etwa einstündiger Fahrt an der
Südostküste der Insel.
— 8 —
Von der Landungsstelle giebt uns die obere Photographie der Beilage
ein anschauliches Bild. Sie ist von der Höhe des Plateaus aufgenommen. Wir
sehen über die Hafenanlagen — die Lage des kleinen Bootes bezeichnet den
Anlegeplatz des Dampfers — hinweg zu der Steilküste an der Ostseite der Insel,
die sich im Durchschnitt 50 m über den Meeresspiegel erhebt. Hier oben lagen
im Mittelalter trotzige Burgen, von denen noch zu Tycho's Zeit Ruinen vorhanden
waren; Tycho hat sie auch auf seiner Karte der Insel Hveen verzeichnet. Wir
schauen über den blauen Sund hinweg zur schwedischen Küste, die sich der
Insel hier bis auf etwa 6 km nähert. i
Von der Landungsstelle führt der Hauptweg auf das Plateau der Insel
hinauf. Wir verfolgen diesen Weg, der in nordwestlicher Richtung direkt nach
Nygard zur Uranienburg führt und sich dann weiter über Tuna bis zur uralten
Kirche St. Ibbs erstreckt.
Nach etwa halbstündiger Wanderung sind wir auf der Höhe der Insel
angekommen. Vor uns erhebt sich die schmucke Kirche von Nygard, und
kurz davor, rechts vom Wege, sehen wir grüne, wallartige Erhebungen, die alten
Wälle, welche einst die Uranienburg umgaben. Links am Wege, fast wären wir
achtlos daran vorbeigegangen, liegt eine kreisartige Vertiefung, von einem etwa
1!/, m hohen Steinwall eingeschlossen. Das muss die Sternenburg sein, die
beiden kleinen Steinpfeiler im Grunde der Vertiefung lassen darüber keinen
Zweifel. Zunächst wenden wir uns aber zur Uranienburg und sparen uns die
nähere Besichtigung der Sternenburg für den Nachmittag auf.
Kurz vor der Kirche führt von der Chaussee ein kleinerer Weg rechts ab zur
Schule und einigen anderen Gebäuden. Der Platz zwischen diesen ist mit einigen
Bäumen bestanden, und etwa in der Mitte sehen wir eine ovale Vertiefung, deren
Längsachse genau von Norden nach Süden zeigt. In dem nördlichen Teil steht
ein kleines Brunnenhäuschen; wir sehen ferner in dem Grunde der Vertiefung
und zwar vornehmlich am Rande einzelne Mauerreste. Es ist kein Zweifel, wir
haben hier die altehrwürdigen Reste der Uranienburg vor uns.
Auf der unteren Abbildung der Beilage sehen wir den nördlichen Teil der
Uranienburg mit diesem Brunnenhäuschen vor uns. Im Vordergrunde erblicken
wir noch einige wenige Mauerreste. Die meisten Steine der alten Sternwarte
sind für den Bau der vorerwähnten Schule, sowie der übrigen umliegenden
Gebäude, von denen wir eins noch rechts auf dem Bilde sehen, verwandt worden.
Zu dem Brunnen führt eine kleine Treppe in der Lehmböschung hinab.
Ausser diesen beiden Sternwarten sind noch eine ganze Reihe anderer
Zeugen von der Wirksamkeit Tycho’s auf der Insel vorhanden, wie die von ihm
angelegten Fischteiche und die Ruinen der Papiermühle im Mühlenthale an der
Südseite der Insel. Auch die schon erwähnte Kirche St. Ibbs birgt in ihrem
Innern noch einzelne Andenken an den grossen Astronomen. Wir wollen uns
hier aber nur darauf beschränken, eine Schilderung der gegenwärtigen Ueber-
reste der Uranienburg und Sternenburg zu geben.
Die Uranienburg.
Es soll hier nicht versucht werden, die Uranienburg in ihrer früheren
Gestalt zu beschreiben. Es finden sich in den Werken Tychos selbst, sowie
unter neueren in dem bekannten Buch von Dreyer ausführliche Darstellungen
und Abbildungen des Grundrisses der alten Sternwarte, sowie ihrer äusseren
Ansicht.
eee: cee
Die Grundflache der ovalen Vertiefung, die wir hier vor uns haben, ist,
wie es scheint, erst vor kurzer Zeit geebnet und liegt etwa 2m unter dem um-
liegenden Gelände. Von dem Brunnenhäuschen führt in genau südlicher Richtung
ein Steg, der in der Mitte von einem querlaufenden Wege durchschnitten wird.
An allen Böschungsseiten, vor allem an der westlichen und östlichen, bemerken
wir Steintrümmer, die zum Teil aus lose aufgeschichteten Felsblöcken, zum Teil
aus noch zusammengefügten Feldsteinen, sowie aus Resten von roten Backstein-
mauern bestehen.
Schon die oberflächliche Betrachtung zeigt, dass uns von der ganzen Anlage
nur noch Reste des Kellergeschosses erhalten sind. Leider ist uns kein Grund-
riss hiervon überliefert. Die Abbildung des Kellergeschosses, welche uns in
Tycho's Aufriss der Uranienburg (Astronomiae instauratae Mechanica) erhalten
ist, ersetzt einen Grundriss nicht. Es lassen sich daher die noch vorhandenen
Reste des Gebäudes nicht ohne weiteres mit den tychonischen Abbildungen
identifizieren. Da jedoch in der Hauptsache die Anlage des Erdgeschosses,
dessen Grundriss wir bei Tycho finden, der des Kellergeschosses entsprochen
haben wird, so werden wir nicht weit fehl gehen, wenn wir jenen Grundriss der
Erklärung der noch vorhandenen Mauerreste zu Grunde legen.
Aus den Trümmern lässt sich ersehen, dass das Mittelgebäude einen qua-
dratischen Grundriss hatte, unsere Messung ergab die Länge der Westseite zu
16,50 m, die der Nordseite zu 15,50 m. Nach den Nachrichten, die uns von der
Uranienburg erhalten sind, war jede Seite des Vierecks 46 Par. Fuss lang =
ca. 15 m. Der Unterschied zwischen dieser Angabe und unserer Messung liegt
wahrscheinlich darin, dass wegen der aufgeschichteten Felsblöcke eine genauere
Feststellung des Grundrisses nicht mehr möglich ist; auch mögen die tiefer
gelegenen Teile der Grundmauern, die wir hier vor uns haben, eine etwas
grössere Ausdehnung gehabt haben als das darüber stehende Gebäude, so dass
auch aus diesem Grunde die Messung der Grundmauern ein grösseres Mass
ergiebt.
In der Mitte, also im Schnittpunkte der Längs- und Querachse des Gebäudes
ist auf Tycho’s Plan vom Erdgeschosse ein Brunnen verzeichnet, von dem jedoch
keine Reste mehr erhalten sind. Ueberhaupt finden sich inmitten des Vierecks
keine Grundmauern mehr, geschweige denn Sandstein-Ornamente, Verblender,
Säulen und andere Verzierungen, die einst in reichlichem Masse die prächtige
Sternwarte schmückten, und von denen noch D’Arrest*) in den sechziger Jahren
wohlerhaltene Stücke vorfand. Derselbe Astronom erwähnt auch bei der
Schilderung seines Besuches der Uranienburg die ungemein häufigen Ueber-
schwemmungen, denen die Ausgrabungen ausgesetzt sind, und die ihn mehrmals
vergeblich die Reise nach Hveen machen liessen. Bedingt sind diese Ueber-
schwemmungen durch die tiefe Lage der Ruinen der Uranienburg und Sternen-
burg, die wie erwähnt im Durchschnitt 2 m unter dem umliegenden Gelände
liegen; sodann ist der nicht mit Steinen bedeckte Boden ungemein lehmhaltig, -
so dass eine Austrocknung dadurch sehr erschwert wird. So gab es trotz des
heissen Sommers in diesem Jahre, der die Uranienburg überall zugänglich
machte, noch Stellen in der Sternenburg, die sehr feucht waren und nicht
betreten werden konnten.
Kehren wir zur Besichtigung der Uranienburg zurück. Ungefähr in der
Mitte der Westseite des Vierecks ist, schon innerhalb der Böschung, ein kleiner
*) In den Astr. Nachr. No. 1718 v. J. 1863,
3.40: =
viereckiger Ausbau aus Backsteinen zu sehen. Vielleicht gehörte er zu dem
Fundament des Westthores, doch ist diese Annahme nicht sicher. Interessanter
sind die auf der Ostseite des Vierecks erhaltenen Kellerräume, auf die wir noch
zurückkommen werden.
Wenden wir uns nun zu den Resten an den beiden Enden der ovalen
Vertiefung, zunächst zu dem nördlichen. Hier haben wir den einzigen sicheren
Anhaltspunkt bei der Identifizierung der Trümmer, nämlich den vorerwähnten
Brunnen (s. Beilage) mit dem hölzernen Brunnenhäuschen, der noch heute das
beste Trinkwasser auf der ganzen Insel liefert. Um ihn lag im Kellergeschoss
die Küche, und durch verschiedene Röhren wurde von ihm aus das Wasser in
die einzelnen Räume der Sternwarte geleitet. Unsere Messung ergab einen
Durchmesser des gemauerten Brunnenrohres von 1,70 m. Der Brunnen wird,
wie das Brunnenhäuschen zeigt, von den Bewohnern sorgfältig erhalten und
viel benutzt. Von den beiden halbkreisförmigen Grundmauerringen ist hier bei
dem nördlichen Ausbau nur der innere erhalten, dessen Radius von ca. 3 m
mit dem auf Tycho’s Grundriss verzeichneten gut übereinstimmt.
Anders ist es bei dem südlichen Ausbau. Hier ist nur der äussere Ring
erhalten, dessen Lage sich wiederum auf dem Grundriss des Erdgeschosses gut
erkennen und mit dem jetzt noch erhaltenen identifizieren lässt. Ausser zwei
kreisrund gemauerten Löchern mit einem Durchmesser von 0,30 m ist an der
Südseite nichts an Steinresten zu finden. Es ist zu vermuten, dass diese
brunnenartigen Löcher mit dem chemischen Laboratorium, das sich im Keller-
geschoss des Südturns befand, im Zusammenhang gestanden haben, doch lässt
sich über eine genauere Bestimmung derselben nichts Sicheres sagen. Ueber
dem Laboratorium lag im Erdgeschoss die Bibliothek, die eins der seltensten
Kunstwerke enthielt, den berühmten Augsburger Globus, der erst 25 Jahre nach
Beginn der Herstellung von Tycho als vollkommen fertig angesehen wurde.
Neben diesem Globus wäre noch der grosse Mauerquadrant zu erwähnen, der
bei den meisten Beobachtungen benutzt wurde. Er stand an der Südwestecke
des oben beschriebenen Gebäudevierecks, jedoch sind von den Fundamenten
dieses Instrumentes keine charakteristischen Ueberreste mehr zu finden.
Von den Trümmern verdienen jetzt noch die Keller eine nähere Unter-
suchung. Sie sind von allen Maucrresten, abgesehen vom Brunnen, am besten
erhalten. Man hat hier noch das ursprüngliche, mit verhältnismässig schmalen
Backsteinen gebaute Gewölbe vor sich. Es muss beim Bau schr gutes Material
verwendet worden sein, sonst hätten sich diese Ziegel bei der beständig feuchten
Umgebung nicht so gut erhalten. Wir haben hier bei diesen Kellern haupt-
sächlich nur einen zu betrachten, der an der Südostecke des Gebäudevierecks
liegt, in dem nachfolgenden Bilde der auf der rechten Seite. Der andere, der fast
in der Mitte der Ostseite gelegen ist, besteht nur aus einem ca. 2 m tiefen
Schacht, der an drei Seiten mit Ziegeln ausgemauert ist, während die vierte,
die östliche, und der Boden aus Lehm bestehen. Um diese Ueberreste zu
schützen, und ev. noch jetzt zu benutzen, hat man in neuerer Zeit den
Schacht ganz und bei dem eigentlichen Keller den Zugang mit hölzernen
Fallthüren überdeckt. Die Thür schliesst den Kellerraum vollständig gegen
Regen und Sonnenlicht ab, so dass wir ihn mit aller Bequemlichkeit als
Dunkelkammer zum Wechseln unserer photographischen Platten benutzen
konnten. Die Grundfläche ist 6,20 qm gross. Kurz vor dem Eingang zu diesem
Keller befindet sich eine mit Ziegeln ausgemauerte Vertiefung, die 0,80 m unter
= e
der Fläche des Kellergeschosses liegt; diese Fläche, 1,14 m im Geviert, enthält
an der einen Ecke ein kleines Wasserbassin. Ein ähnliches Becken liegt kurz
vor der untersten Stufe im Boden des erwähnten Kellerraumes. Die Luft in
diesem unterirdischen Gewölbe war sehr feucht und dumpfig; man kann sich
vorstellen, dass der Aufenthalt hierin, als noch das Gebäude darüber stand,
selbst in einem sehr trockenen Sommer kein angenehmer gewesen sein muss.
Es fragt sich nun: wozu diente dieser tiefe Keller?
Die uns erhaltenen Beschreibungen der Uranienburg in Tycho’s Astr. Inst.
Mechan. und in den Epist. Astr. geben uns darüber keinen genauen Aufschluss.
Nach den Angaben in den Epist. (Seite 261) betrug die Tiefe des Kellergeschosses
12 Fuss, dies sind etwa 3 m. — Wir gehen hierbei davon aus, dass die Seiten-
länge des quadratischen Hauptgebäudes 15 m oder, wie Tycho a. a. O. angiebt,
60 Fuss betrug. — Die Tiefe würde auch mit unserer Messung ganz leidlich
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Fig. 2.
Zugänge zu den Kellern der Uranienburg.
stimmen; denn der aufgedeckte Grund und Boden liegt, wie wir sahen, etwa 2m
unter der Erdoberfläche. Die oben beschriebene Stelle der gemauerten Ver-
tiefung neben dem Keller befindet sich noch 0,80 m darunter. Dazu kommt, dass das
Kellergeschoss, wie aus dem uns überlieferten Aufriss (S. 258 in den Epist.) zu sehen
ist, noch etwas über den Erdboden hinausragte, so dass sich gut 3 m als Tiefe des
Kellergeschosses ergeben. Der vorerwähnte Keller liegt aber noch über 1 m tiefer.
Ausserdem befindet er sich, was noch besonders bemerkenswert ist, nicht unter
dem eigentlichen Kellergeschoss, sondern erstreckt sich noch über die Grenzen
des Gebäudes unter dem Erdboden hinaus. Er kann also keinesfalls zu
dem Kellergeschoss gerechnet werden. Tycho sagt nun bei Erwähnung der
Kellerräume a. a. O. folgendes: Domus etiam ipsa, quaquauersum patet, hypogaea
habet aedificia, quorum profunditas est pedum duodecim. Imo et quaedam alia
sunt infra haec. (Das Haus selbst hat in seiner ganzen Ausdehnung unter-
— 2 —
irdische Räume mit einer Tiefe von 12 Fuss. Ja es sind sogar noch gewisse
andere unter diesen.) Unseres Erachtens sind nun diese anderen unterirdischen
Räume die jetzt noch erhaltenen tieferen Keller. Wenigstens ist aus den Worten
Tycho’s selbst nicht genau zu ersehen, was damit gemeint ist, und andererseits
ist auch nicht ersichtlich, wie man die aufgefundenen Keller sonst mit Tycho’s
Beschreibung vereinigen will.
Verfolgen wir die Längsachse des Gebäudes in nördlicher Richtung, so
treffen wir auf Steinreste, die erst in jüngerer Zeit freigelegt sind. Es ist dies
das sogenannte Schlossgefängnis, das an der nördlichen Ecke der die Uranien-
burg umgebenden Wälle gelegen war. Von dem Thor, das sich dort befand,
und von Zimmern für Bediente ist nichts erhalten, nur das erwähnte unterirdische
Gefängnis. Der Zugang zu diesem ist etwas beschwerlich und liegt ca. 2 m
unter dem Gelände. Es stellt ein Tonnengewölbe dar und hat einen Flächen-
raum von 11 qm. Alle anderen kleineren Gebäude, die an den Ecken der Walle
lagen, sind der Zerstörung anheim gefallen, und die Wälle selbst mit ihren
halbkreisförmigen Ausbuchtungen nur noch zum Teil erhalten; wir fanden ihre
Reste in demselben Umfange, wie sie D Arrest angiebt.
Sind auch die Wälle und die hochragende Sternwarte verfallen, eins ist
geblieben, was noch heute wie vor dreihundert Jahren das Auge entzückt, die
schöne Aussicht auf das Meer. Auch Tycho erfreute sich an dem herrlichen
Blick, den er aus dem „grünen Zimmer“, das auf der Westseite des Gebäudes
lag, auf den besonders im Sommer durch Schiffe belebten Sund geniessen konnte.
Und noch heute schweift das Auge bis hinüber nach Helsingborg und Helsingör
mit seinem prächtigen Schloss Kronborg. Nach den andern Seiten hin ist die
Aussicht leider durch Bäume verdeckt. Kurz nur war die Zeit, wo die Uranien-
burg den Mittelpunkt der astronomischen Welt bedeutete; doch nie hat es an
Verehrern Tycho’s gefehlt, die seine Sternwarten auf der kleinen Sundinsel
aufsuchten. Ein Denkstein bei der Uranienburg giebt uns noch Kunde von dem
Besuche Oskar I. von Schweden am 30. Juli 1846. (Schluss folgt.)
W
Eine Methode zur Bestimmung der Veränderung der Erdschwere.
Von Dr. H. Gerstmann.
D: Anziehungskraft der Erde wird gewöhnlich als eine immer und überall
unveränderliche Grösse bezeichnet, und man spricht in diesem Sinne von der
„Gravitationskonstante“, die nach vielfachen Feststellungen als g = 9,805966 Meter
angegeben wird, d.h. ein frei beweglicher Körper fällt unter dem Einfluss der
Schwere in einer Sekunde 9,805966 Meter. In Wahrheit ist aber diese Grösse
weder an allen Orten noch zu allen Zeiten dieselbe. Zuvörderst wirkt, soweit
es sich um die Erdanziehung auf irdische, in die Luft geworfene Körper handelt
— und nur solche sollen hier in Betracht gezogen werden — der Erdanziehung
die Centrifugalkraft entgegen, welche den in die Luft geworfenen Körpern das
Bestreben erteilt, tangential zur Erddrehung in den Raum hinauszufliegen. Da
die Centrifugalkraft von den beiden Erdpolen zum Aequator hin zunimmt, wird,
selbst wenn die ursprüngliche Anziehungskraft überall gleich wäre, die von ihr
abzuziehende Wirkung der Centrifugalkraft auf jedem Punkt eines Meridian-
= | es
quadranten verschieden gross sein, die resultierende wirkliche Erdanziehung
also auf den verschiedenen Punkten eines Meridianquadranten verschiedene
Grössen besitzen. Dazu kommt, dass der Erdradius nach den Polen zu an
Grösse abnimmt, und infolge der so verschiedenen Erddicken, also auch ver-
schiedenen anziehenden Erdmassen wird die Anziehungskraft ebenfalls variieren.
Auch andere Ungleichheiten des Erdradius an verschiedenen Punkten der Erde
verändern die Erdanziehung dergestalt, dass man die Grösse der letzteren
geradezu benutzte, um die Grösse des Erdradius an verschiedenen Erdpunkten
zu bestimmen.
Abgesehen hiervon übt auch die Erdmasse selbst an verschiedenen
Punkten nicht die gleiche Anziehung aus. An einem Punkte sind grosse Mengen
von Substanzen mit grösserer spezifischer An-
ziehung, z. B. schweres Metall, in der Erde
vorhanden, an anderen Punkten leichteres Ge-
stein, welches mit geringerer Anziehungskraft
wirkt. Besonders kommen ausgedehnte Hohl-
räume in Betracht, welche die Anziehung ver-
ringern.
Alle bisher erwähnten Ursachen wirken
dahin, dass die Schwerkraft an verschiedenen
Punkten der Erde verschiedene Grössen zeigt,
aber die infolge von ihnen an einem Punkte
bestehende Schwere wird zu allen Zeiten die-
selbe Grösse haben. Es giebt aber auch Ur-
sachen, welche bewirken, dass die an einem
Punkt der Erde vorhandene Schwere zu ver-
schiedenen Zeiten verschiedene Grössen be-
sitzt. Der Mond und möglicherweise auch
andere Weltkörper vergrössern oder verringern
A geschlossenes Ende des die Grösse der Erdanziehung für jeden Punkt
offenes Barometerrohres ; .
CC Quecksilberniveau. der Erdoberfläche, je nachdem diese Welt-
DD Arsenspiegel. körper eine solche Stellung einnehmen, dass
E In das Quecksilber reichender, an 3 8 i í i
der GE angelöteter Draht. ihre Anziehung in der gleichen Richtung wirkt,
3 en Arsenspiegel angelöteter Draht. wie die Erdanziehung, oder in antagonistischer.
vanische Batterie. : SE
H Hermetischer Abschluss der ganzen Ausserdem ist es sehr möglich, dass das
Kee feurig-flissige Erdinnere bei der Erddrehung
vanometer.
sich bald an einem Punkte der Erde in grösseren
Mengen anhäuft, bald an einem anderen Punkte und dadurch die Grösse der
Erdanziehung für die einzelnen Punkte der Erde verändert.
Die räumlich verschiedenen Beträge der Erdschwere werden durch genaue
Beobachtung der Dauer von Pendelschwingungen ermittelt; bei zeitlich ver-
anderlichen Erdschweren tritt dieser Methode die Möglichkeit, ja Wahrscheinlich-
keit entgegen, dass die Schwere sich während der Pendelbeobachtungen selbst
ändert; hier muss man also eine Methode anwenden, bei der die eintretende
Schwereänderung auch momentan zur Kenntnis des Beobachters gelangt.
Boucquet de la Grye schlägt zu diesem Zweck ein ebenso einfaches, wie
sinnreiches Verfahren vor. Er empfiehlt, ein Heberbarometer in einem luftdicht
abgeschlossenen, also mit unveränderlichem Luftdruck ausgestatteten, aber der
Beobachtung durch Glasscheiben zugänglichen Raum aufzustellen. Aendert sich
die Erdanziehung, so wird sich auch das Gewicht des Quecksilbers, d.h. die
Grösse der Erdanziehung auf das Quecksilber, ändern, und der konstanten
Spannung der Luft in dem abgeschlossenen Raum wird, je nachdem die Schwere
grösser oder geringer wird, eine niedrigere oder höhere Qecksilbersaule das
Gleichgewicht halten. Boucquet de la Grye will also aus den Veränderungen
der Höhe der Quecksilbersäule die zeitlichen Veränderungen der Erdanziehung
bestimmen. Es scheint jedoch, als wären diese Veränderungen zu gering, als
dass sie auch mit guten Ableseinstrumenten noch festgestellt werden könnten.
Der Verfasser dieser Zeilen schlägt deshalb eine andere Methode vor.
Er empfiehlt, die innere Wand des offenen Barometerschenkels mit einem
dünnen Metallbelag, elektrolytisch oder durch ein chemisches Verfahren zu ver-
sehen. Solche Metallbeläge lassen sich in der Stärke von wenigen Tausendsteln
eines Millimeters herstellen. Der Metallbelag reicht bis in das Quecksilber
hinein, und an ihm ist am oberen Rande des Glasrohres das Ende eines in das
Rohr eingeschmolzenen Drahts angelötet, der zu einem Pol einer galvanischen
Batterie führt, deren anderer Pol durch einen Draht mit der Quecksilbersäule
verbunden ist; dieser zweite Draht ist an der inneren Wand des Teils des
Barometerrohrs, der mit Quecksilber gefüllt ist, angelötet oder angeschmolzen.
Die Figur wird die ganze Einrichtung erläutern. Der elektrische Strom geht
also durch den Draht zum Quecksilber, dann zum dünnen Metallbelag am queck-
silberfreien Teil der Glasröhre und durch den anderen Draht zur Batterie
zurück. Der elektrische Widerstand der breiten Quecksilbersäule ist von dem
des dünnen Metallspiegels so verschieden, dass auch die feinsten Höhen-
verschiebungen des Quecksilbers sich bemerklich machen werden, ja es würde
dazu nicht einmal der feinen elektrischen Messinstrumente bedürfen, über die
wir heute verfügen.
Die Hauptschwierigkeit der Methode besteht darin, dass jede kleine
Temperaturänderung sich als gewaltige Fehlerquelle bemerklich machen muss.
Diese Schwierigkeit lässt sich dadurch beseitigen, dass man die ganze Ein-
richtung an einem stets gleich temperierten Ort anbringt und zur Sicherheit noch
mit dauernd gleich temperiertem Wasser bespült.
Ob die der schnellen Höhenänderung der Quecksilbersäule schädliche
Trägheit des Quecksilbers sich schon bei den minimen Höhenänderungen, um
die es sich hierbei handelt, merklich macht, werden die Versuche ergeben; im
Notfall wird man am Barometerrohr einen automatischen Klopfapparat anbringen
müssen, der die Trägheit des Quecksilbers überwindet.
Der Metallspiegel an der Röhrenwand muss aus einem in Quecksilber nicht
löslichen Metall bestehen; Arsen scheint das in dieser Beziehung gecignetste
Metall zu sein.
Die mit dieser Methode zu bestimmende zeitliche Veränderlichkeit der Erd-
schwere erscheint geeignet, zur Aufklärung über die Bewegung des feurig-
flüssigen Erdinneren selbst und über die Frage beizutragen, ob vulkanische
Erscheinungen von dieser Bewegung und von der bald an dieser, bald an jener
Stelle der Erde entstehenden Anhäufung solcher beweglicher Massen abhängen.
Es ist auch sehr wohl denkbar, dass ihre Reibung gegen die feste Erdrinde
erdelektrische Erscheinungen hervorruft, so dass die genauere Kenntnis der zeit- -
lichen Veränderung der Erdschwere auch zur Kenntnis dieser Erscheinungen
beizutragen geeignet sein dürfte. app
| a
Die „singende“ Bogenlampe.
D: Wirkungsweise der sprechenden Bogenlampe darf wohl als bekannt vor-
ausgesetzt werden, ich will sie deshalb hier nur streifen. Legt man an
die Pole einer brennenden Gleichstromlampe Wechselstrom, so beginnt die Lampe
zu tönen, es ändert sich nämlich entsprechend den Stromschwankungen die
Temperatur und Wärmemenge des Lichtbogens und somit auch das Volumen der
Flammengase. Durch diese Volumänderungen werden Schallwellen erzeugt,
deren Schwingungszahlen und Formen der Zahl und ‘Form der Stromwechsel
vollkommen entsprechen. Schickt man nun die Stromschwankungen eines
Mikrophons, in welches hineingesprochen wird, durch den Flammenbogen, so be-
ginnt dieser zu sprechen, ähnlich wie ein Telephon; bei diesem erzeugt eine
schwingende Metallmembran den Ton, bei jenem eine schwingende Gasmasse.
Bei diesem Vorgange wird der Wechselstrom von aussen zugeführt, jedoch kann
man durch eine geeignete Schaltung, die wir Duddel verdanken, den Wechsel-
strom durch die Lampe selbst in Verbindung mit einem Kondensator erzeugen.
Verbindet man nämlich die beiden Kohlen einer brennenden Gleichstromlampe
mit den Belegungen eines Kondensators, so wird man, wenn man die Länge
des Lichtbogens, die Stromstärke und die Capacität des Kondensators richtig
gewählt hat, einen sehr lauten, hohen Ton hören. Durch die Ladung und Ent-
ladung des Kondensators, welche in sehr schneller Folge hintereinander ge-
schehen, wird ein Wechselstrom von hoher Frequenz durch den Lichtbogen ge-
sandt, der dann, wie oben erklärt, zu tönen anfängt. Was man aus dem Zu-
standekommen der Schwingungen annehmen kann, nämlich dass die Schwingungen
sinoidal verlaufen, dass der Ton also frei von Oberténen ist, wird durch Ver-
suche bestätigt. Durch Einschalten einer Selbstinduktion zwischen Lampe und
Kondensator kann die Schwingungszahl des Tones beliebig herabgesetzt werden,
wie aus der bekannten Formel für die Schwingungsdauer eines aus Capacität
und Selbstinduktion zusammengesetzten Systemes hervorgeht:
PS 79. VC.L
worin z die Schwingungsdauer, C die Capacität und L die Selbstinduktion be-
zeichnet. Man hat also ein Mittel durch Aenderungen der Capacität, oder der
Selbstinduktion die Tonhöhe beliebig variieren zu können. Im allgemeinen wird
es vorteilhafter sein, die Selbstinduktion nach Belieben ändern zu können. Zu
diesem Zwecke montiert man auf einem Grundbrette, falls man etwa die Töne
einer Oktave zu erzeugen wünscht, 8 Spulen mit mehreren Lagen eines ziemlich
dicken Drahtes (1 bis 2 mm Durchmesser genügen), die in allen Grössenver-
hältnissen übereinstimmen können. In dieselben schiebt man dann Eisenbündel
von verschiedener Dicke, ein kleiner, in einer Nute der Holzumkleidung der
Eisenbündel eingesteckter Keil gestattet das Eisen in jeder beliebigen Höhe in
der Spule festzuhalten. Je tiefer nun das Eisenbündel in der Spule steckt,
beziehungsweise je dicker es ist, desto grösser ist auch die Selbstinduktion und
damit auch der Ton tiefer. Diese Vorrichtung gestattet es also, durch Heben
oder Senken der Eisenkerne den Apparat auf die gewünschten Töne abzustimmen.
Die einen Enden der Wicklung der Spulen verbindet man mit einer Kupfer-
schiene, an welche man eine Klemme anschraubt, die anderen Enden führt
man zu 8 Tasten, die über einer zweiten Kupferschiene schweben, an welcher -
die zweite Klemme angebracht wird. Drückt man nun eine der Tasten, so wird
— 16 —
dadurch die damit verbundene Spule zwischen die erste und zweite Kupfer-
schiene eingeschaltet. Die erste Kupferschiene verbindet man nun mit der einen
Belegung des Kondensators, der eine Capacität von 10 bis 20 Mikrofarad haben
kann, die zweite mit der einen Kohle der Lampe, die andere kohle wird mit
der anderen Belegung des Kondensators verbunden. Verwendet man eine
selbstregulierende Lampe, so ist es vorteilhaft, diese Verbindungen direkt an
die Kohlen zu legen, nicht an die Pole, da die Elektromagnete, welche das
Regulieren der Lampe bewirken, den Wechselstrom drosseln und somit den
Effekt schwächen oder ganz in Frage stellen würden. Um nun zu verhüten,
dass der entstehende Wechselstrom seinen Weg anstatt durch den Flammen-
bogen, durch die Speiseleitung der Lampe nimmt, so schaltet man in die Hin-
und Rückleitung des Lampenstromes je eine‘ Drosselspule Man muss darauf
sehen, das der Lichtbogen möglichst kurz wird, auch ist es vorteilhaft, zwei
Homogenkohlen anzuwenden. Ein Strom von 4 bis 6 Ampere giebt die günstigsten
Resultate. Will man bei dieser Versuchsanordnung die gesamte Tonlage eine
Oktave tiefer machen, so muss man die Capacität des Kondensators vervier-
fachen. Die Anwendung dieses eben beschriebenen Apparates ist eine vielfache.
Als physikalischer Demonstrationsapparat wird er immer Effekt machen, jedoch
bedeutend wichtiger ist seine Verwendung als Erzeuger von sinoidalen Wechsel-
strömen von hoher Frequenz. Man entfernt aus einer der 8 Spulen den Eisen-
kern und bringt an dessen Stelle eine kleine Drahtspule, in deren Mitte sich
ein Eisendrahtbündel befindet, so dass diese als Sekundärspule eines Trans-
formators wirkt. Mit dieser Vorrichtung kann man alle Versuche, zu denen
Wechselstrom von hoher Frequenz erforderlich ist, ausführen. Hervorragendes
leistet der Apparat zu Messzwecken, z.B. zur Bestimmung von Flüssigkeits-
widerständen, Capacitäten und Selbstinduktionen vermittels der Wheatstone schen
Messbrücke und Telephon: bei dieser Verwendung übertrifft er wohl alle anderen
Apparate, welche für diesen Zweck konstruiert worden sind. Vielleicht hat die
„singende Lampe“ noch eine Zukunft als Geber für drahtlose Telegraphie, auch
die Verwendung für optische Telegraphie ist günstig, wenn man die ausgesandten
Strahlen in der Empfangsstation auf eine Selenzelle fallen lässt, welche mit
einen Telephon in den Kreis einer Batterie eingeschaltet ist. Lässt man nun
die Lampe tönen, so wird durch die Wechsel der Lichtintensität das Telephon
auf der Empfangsstation ebenfalls zum Tönen gebracht, so dass man etwa nach
dem Morse-Alphabet Nachrichten übermitteln kann. Für das Auge brennt die
Lampe ruhig, ein Unbefugter kann die Signale nicht erkennen, wenn er nicht
zufällig auch mit einem Empfangsapparat, wie ich ihn oben beschrieben habe,
ausgerüstet ist. B. Zabel.
W
Zur Ehrenrettung des Ptolemaeus.
Von Prof. Wilhelm Foerster (Berlin),
D: interessanten und wertvollen Mitteilungen des Herrn Prof. Friedrich
Hultsch über die Messungen der Grösse und Entfernung der Sonne im
Altertum (siehe No. 23 und 24 des „Weltall“) endigen mit sehr herabsetzenden
Bemerkungen über den grossen Astronomen Ptolemaeus. Die historische Gerechtig-
keit verlangt einen ungesäumten Einspruch gegen diese durchaus irrtümlichen
Behauptungen. Offenbar entstammen dieselben noch immer aus der Auffassung,
an: |, c
welche das 18. Jahrhundert, in frischer kopernikanischer Begeisterung, von dem
Ptolemaeus hatte, dessen Name, zusammen mit demjenigen des Aristoteles, in
der Zeit des leidenschaftlichen Kampfes gegen die neue Weltlehre als ein Feld-
geschrei unfreien Denkens, auf dem Gebiete der Welterkenntnis, im 16. und auch
noch im 17. Jahrhundert gemissbraucht worden war. In dieser Hinsicht hat be-
sonders der französische Astronom Delambre seinerzeit Schule gemacht, der am
Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wirkte und eine sonst höchst
verdienstvolle Geschichte der Astronomie geschrieben hat, in welcher Ptolemaeus,
trotz der notgedrungenen Anerkennung der Grösse seiner Entdeckungen, viel-
fach Gegenstand einer ganz schulmeisterlichen Kritik ist.
Die Wahrheit ist, dass nicht, wie Herr Prof. Hultsch meint, die Zeit
Caesars, d. h. die Zeit der Wirksamkeit des Sosigenes und des ihm kurz voran-
gehenden Posidonius, den Höhepunkt der griechischen Astronomie bildet, sondern
die Zeit der Antonine und insbesondere des Ptolemaeus.
Zweifellos sind Archimedes und Hipparch als physikalische und astro-
nomische Forscher und als mathematische Denker schöpferischer und erfindungs-
reicher gewesen. Verglichen mit dem Genius dieser beiden hohen Männer hat
Ptolemaeus in der That etwas epigonisches, aber bei näherem Zusehen und bei
völlig gerechter und philosophischer Würdigung seiner Stellung in dem kosmo-
logischen Erkenntnis-Prozess ist in seinen Arbeiten und Entdeckungen so viel
eigenartige Grösse und Tiefe zu erkennen, dass seine Bezeichnung als „betrieb-
samer Vielschreiber“ als gänzlich unzutreffend erklärt werden muss.
Es sind insbesondere zwei astronomische Leistungen ersten Ranges, durch
welche Ptolemaeus die mathematische Bewegungslehre der Weltkörper weit
über das von seinen Vorgängern Erreichte hinausgehoben hat, nämlich:
erstens die Feststellung und die überaus sinnreiche mathematisch-
rechnerische Darstellung des wichtigsten Gliedes derjenigen Störungs-
wirkungen, durch welche die Bewegung des Mondes um die Erde in
so erheblicher und verwickelter Weise von der Anziehung der Sonne
beeinflusst wird;
zweitens die Entdeckung der sogenannten ,Zweiteilung* der Excentrici-
täten der Planeten-Bahnen, ein weit über Hipparch hinausgehender
Fortschritt der planetarischen Bewegungslehre.
Die erstere Leistung und die darauf begründete Mond-Theorie des
Ptolemaeus ist ein wahres Musterbeispiel des induktiven Erkenntnis-Prozesses
Die zweite ist ein entscheidender Schritt zur Lehre von der elliptischen
Bewegung; denn die Zweiteilung der Excentricität enthält die erste Annäherung
an das Flachengesetz und ist in der That klar nachweisbar die Grundlage von
Keppler's Entdeckung des Flächengesetzes, sowie von seiner Ausmessung der
Gestalt der Mars-Bahn geworden, während Kopernikus an der Evolution dieser
folgenreichsten Entdeckung des Ptolemaeus ohne tiefere Beachtung derselben
vorbeigegangen war.
Dass aber Ptolemaeus sich zu der Annahme von der Drehung der Erde
und von ihrer Bewegung um die Sonne noch nicht aufzuschwingen vermochte,
obwohl diese Lehre schon 4 bis 500 Jahre vor ihm in der griechischen Natur-
philosophie Wurzel gefasst und bei dem Astronomen Aristarch von Samos auch
bereits in zutreffenden astronomischen Vorstellungen Gestalt gewonnen hatte,
das muss ihm bei näherem Einblick in den damaligen Zustand der Bewegungs-
ehre sogar als ein Beweis höchster Wahrheitsliebe angerechnet werden; denn
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jene neue Lehre, die auch von Hipparch trotz der kühnen Gedanken des
Aristarch von Samos noch vollständig abgelehnt wurde, war zu jener Zeit noch
nicht fähig, alle Einzelheiten der beobachteten Bewegungen im Himmelsraume
mit derjenigen Genauigkeit zu erklären, mit welcher dieselben beobachtet waren.
Insbesondere lässt ein tieferer Einblick in die Gesammtheit der von Ptole-
maeus gesammelten Messungen und ihrer mathematischen Darstellungen den
Nachweis erbringen, dass es gerade seine Gewissenhaftigkeit war, welche ihn
abhalten musste, den naturphilosophischen Bewegungslehren schon damals
seine Zustimmung zu gewähren. Er ist aber eben deshalb als einer der treuesten
und wirksanısten Mitarbeiter an der gesunden Entwicklung der Welterkenntnis
zu betrachten.
Was übrigens die Annahme des Herrn Prof. Hultsch betrifft, dass Hipparch
richtiger als Ptolemaeus die Schwankungen der Winkelgrösse des Sonnen-
Durchmessers beobachtet habe, so muss dem widersprochen werden. Diese
Schwankungen sind für die mit den instrumentalen Einrichtungen des Hipparch
und des Ptolemaeus ausgeführten Beobachtungen mit unbewaffnetem Auge über-
haupt gänzlich unter der Schwelle der sicheren Wahrnehmbarkeit geblieben, und
man kann eigentlich auch nichts anderes als dieses Eingeständnis aus den be-
züglichen Angaben des Ptolemaeus herauslesen.
Indem ich mir vorbehalte, gelegentlich auf obige Fragen auch in dieser
Zeitschrift zurückzukommen und auch noch auf einige andere Punkte der Mit-
teilungen des Herrn Prof. Hultsch einzugehen, möchte ich nur noch bemerken,
dass Ptolemaeus in seiner Optik uns auch auf dem Gebiete des physikalischen
Experiments als ein seiner grossen Vorgänger durchaus würdiger Forscher ent-
gegentritt. Eine nähere Kenntnisnahme von allen seinen Arbeiten wird jeden-
falls viel dazu beitragen, die eine Zeit lang viel verbreiteten ungenauen Ansichten
über die Leistungen des klassischen Altertums auf dem Gebiete der Natur-
forschung gehörig zu berichtigen.
;ESSSSESEEESEEESEEESEEESSEETEEEESEESEESEEEFECEETCTEEEEEEETEECSEEEER
Kleine Mitteilungen.
Ueber den Ursprung der Null schreibt Jules Michel gelegentlich der Jahrhundertfeier des
Meters folgendes:
Die Bequemlichkeit der Decimalrechnung ist einer der Hauptgründe für die Volkstümlichkeit
des metrischen Systems. Aber. wird man fragen, wie kommt es. dass die Gelehrten des Altertums
es nicht verstanden und nicht auch angewendet haben? Die Alten hatten wohl die Art der Zehner-
Zählung wie wir, aber sie konnten die Decimalrechnung nicht anwenden, weil sie die Null nicht
kannten. So erstaunlich dies uns erscheinen mag. die wir gewöhnt sind. die Null als wesentlichen, Teil
unserer Zahlenreihe zu sehen. so lässt sich nicht leugnen. dass die Null eine neuere Erfindung ist.
Es war der philosophische Geist der Hindu, vielleicht mit Unterstützung des Handelsgeistes
der Chinesen, nötig. um ein Zeichen zu erfinden, dazu bestimmt, das Nichts. das was nicht existiert,
darzustellen. Bei diesen beiden Völkern findet man gegen das VI. Jahrhundert nach Chr. die erste
Erwähnung eines runden Zeichens, um die Ziffern in der Decimal-Reihenfolge, die ihnen eigen ist,
zu ordnen; von hier ist die Null durch Vermittlung der Araber erst gegen das XI. oder XII. Jahr-
hundert zu uns gelangt.
Vor dieser Zeit war es also nicht möglich. ein Decimal-System zu ersinnen, und es ist nicht er-
staunlich. dass es mehrerer Jahrhunderte bedurfte. um den Vorteil verstehen zu lernen, den man
aus der Decimal-Teilung der jetzigen Masse ziehen konnte. Im Jahre 1670 hob ein berühmter
d | Zeg
Astronom von Lyon, namens Mouton, den ganzen Vorteil dieser Teilungsart hervor, und alle Ge-
lehrten, welche sich seither mit der Reform der Masse und Gewichte beschäftigten, haben niemals
diesen Umstand, eine der wesentlichen, Grundlagen der Reform, aus den Augen gelassen.
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Die Temperatur der Acetylenflamme. Es ist bekanntlich ungemein schwer, genaue Be-
stimmungen höherer Temperaturen vorzunehmen. Die gewöhnlichen Thermometer versagen schon
deshalb, weil sie meist den hohen Temperaturen selbst nicht widerstehen können und schmelzen
oder verbrennen; aber auch die Temperaturbestimmung mit thermoelektrischen Elementen findet,
abgesehen von der Schwierigkeit der elektrischen Messmethoden bei so hohen Temperaturen. eine
grosse Fehlerquelle in der Wärmeleitung durch das thermoelektrische Element selbst, welche sich
bei den in Frage kommenden Temperaturen sehr bemerkbar macht. Unter diesen Umständen kann es
nicht Wunder nehmen, dass die bisherigen Bestimmungen der Temperatur der Acetylenflamme zu
wesentlich verschiedenen Resultaten führten; Le Chatelier fand sie zwischen 2100 und 2400° liegend.
Andere geben sie als zwischen 1400 und 1500 liegend an, wieder Andere halten sie für höher als die
des schmelzenden Platins (auch hierfür schwanken die Angaben der einzelnen Beobachter zwischen
14609 und 22000). In jüngster Zeit stellte E. L. Nichols sehr sorgfältige Untersuchungen über
diese Frage an. Er benutzte vier feine thermoelektrische Elemente aus Platin und Platinrhodium,
welche Drähte von 0,1996 mm, 0,1598 mm, 0.1089 mm und 0,0821 mm Durchmesser bildeten. Er be-
stimmte die Temperaturen in verschiedenen Entfernungen von der Flamme und an verschiedenen
Punkten der Flamme selbst bis dahin, wo das Element schmolz. Aus der Kombination aller dieser
Angaben der vier verschiedenen Thermoelemente, die er in Temperaturkurven aufzeichnete, kon-
struierte er denjenigen Kurvenpunkt, welcher den Angaben eines Thermometers vom Durchmesser 0
(welches also gar keine Wärmeleitung besitzt) entsprechen würde, und fand diesen als wahre
Temperatur der Acetylenflamme zu 1900%. Freilich haben alle durch Extrapolationen (wie es doch
bei dieser Methode geschieht) hergestellten Angaben etwas Bedenkliches. aber bei der im Uebrigen
sehr passend ersunnenen und sorgfältig durchgeführten Versuchsmethode wird das Resultat immer-
hin als wohl zu berücksichtigendes bezeichnet werden müssen.
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Geschichte der anorganischen Naturwissenschaften im Neunzehnten Jahrhundert von
Dr. Siegmund Günther, ord. Professor an der Kgl. Technischen Hochschule zu München.
Verlag Georg Bondi. Berlin 1901. Preis brosch. M. 10,—, geb. M. 12,50.
Bei "der Verlagsbuchhandlung von Georg Bondi, Berlin, giebt Herr Paul Schlenther unter
Mitwirkung von zahlreichen Gelehrten ein Sammelwerk heraus, betitelt „Das neunzehnte Jahrhundert
in Deutschlands Entwicklung“, wovon die Günther'sche Geschichte der anorganischen Naturwissen-
schaften als Band 5 erschienen ist. Es gehörte der tiefe Wissenschatz und der geübte Sinn für die
Geschichte der Naturwissenschaften des Verfassers dazu, um der schwierigen Aufgabe, die gesamten
anorganischen Naturwissenschaften in einem Bande (24 Kapitel) zu behandeln, gerecht zu werden.
Wir geben hier die Ueberschriften der Kapitel, um dem Leser einen Einblick in die Reichhaltigkeit
des Werkes zu gewähren: 1. Der Standpunkt der Naturwissenschaften um die Wende des 18, Jahr-
hunderts. 2. Das Interregnum der Naturphilosophie.“ 3. Die Mathematik im 19. Jahrhundert.
.4. Alexander von Humboldt. 5. Die Astronomie bis zum Jahre 1846. 6. Erdmessung und Erdphysik
in der ersten Hälfte des Jahrhunderts. 7. Mineralogie und Krystallographie bis Bravais. 8. Die
Physik im Zeitalter vor Entdeckung des Energieprinzipes. 9. Die Chemie vor der Trennung in ihre
beiden Hauptbestandteile. 10. Die Geologie auf dem Wege von L. von Buch zu Ch. Lyell. 11. Der
grosse Umschwung in der naturwissenschaftlichen Prinzipienlehre. 12. Der Werdegang der Spektral-
analyse. 13. Die Astronomie in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. 14. Die Astrophysik. 15. Die
mechanischen Disziplinen in der neuesten Zeit. 16. Licht, Magnetismus und Elektrizität in der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts. 17. Moderne Grenzgebiete der Physik. 18. Die Chemie in der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts. 19. Die Emanzipation der physikalischen Chemie. 20. Mineralogie
und Petrographie in neuerer und neuester Zeit. 21. Der Eintritt der wissenschaftlichen Erdkunde
in die Naturwissenschaften. 22. Die Geologie der neuesten Zeit. 23. Erdmessung und Erdphysik
in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. 24. Rückblick und Ausblick.
— 0 —
16 vorzügliche Abbildungen von H. von Helmholtz, A. von Humboldt, F. W. Bessel, K. F. Gauss.
M. Faraday, J. von Liebig, L. von Buch, Robert Mayer, Gustav Kirchhoff, W. von Bunsen,
G. B. Neumayer, Röntgen, P. Groth, A. von Zittel, E Suess, E. von Nordenskiöld gereichen dem
Buche zur grossen Zierde. Mit Genehmigung der Verlagsbuchhandlung und des Malers John Philipp
geben wir hier eins dieser Bildnisse wieder, welches den Förderer der deutschen Südpolarforschung
Herrn Geh. Admiralitätsrat von Neumayer darstellt. In der Abteilung „Astrophysik“ ist die Ge-
Georg Balthasar Neumayer
John Philipp pinx.
schichte der Entdeckung der Periodizität der Sonnenfleckenfrequenz in mustergültiger Weise dar-
gestellt. Bei der meteorologischen Deutung der solaren Zustände ist keine wichtige neuere An-
schauung vergessen. Wir finden die beachtenswerte Hypothese von August Schmidt und die
geistvolle und sehr umsichtig begründete Theorie E. von Oppolzer.
Ohne sich in wertlose Einzelheiten zu verlieren, hat der Verfasser es verstanden, das gesteckte
Ziel,das gesamte Gebiet der anorganischen Naturwissenschaften übersichtlich darzustellen, in geschickter
Weise zu erreichen. Ein mehr als 36 Seiten umfassendes Sach- und Namensregister erleichtert die -
Benutzung des Werkes, welches von einer hohen Warte aus einen panoramenartigen Einblick in die
verschiedenen Gebiete der anorganischen Wissenschaften gewährt. F.S. Archenhold.
s S v
A Primer of Astronomy. Von Sir Robert Ball, Cambridge at the University Press. 1900.
183 Seiten.
Sir Robert Ball besitzt die eigenartige Gabe, auch die schwierigsten ınathematischen Probleme
in aller Kürze gemeinverständlich darzustellen. In 15 Kapiteln giebt der Verfasser einen kurzen
Ueberblick über die Resultate der Astronomie, wobei ihm gute Abbildungen von Barnard,
Schaeberle. Wilson u. a. zur Verfügung standen. Ein kurzes Inhaltsverzeichnis erleichtert die
Benutzung dieser Einführung in die Astronomie, welche als erster Band eine Reihe von Einführungen
eröffnet, die aus den verschiedenen Gebieten der Wissenschaft von der Cambridge University
Press für die Stundenten und den interessierten Laien zu dem mässigen Preise von 1'/, sh. (gebunden)
herausgegeben werden.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F.3. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“, Jahrgang 2. Heft 2.
(zu F. u. M. Albrecht: Die Reste der Sternwarten Tycho Brahe's, Seite 21 u. flgde.)
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Die Sternenburg.
Blick auf die Wälle der Uranienburg und die Kirche von Nygard.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 2.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1901 Oktober 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementsprets vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814.a).
Anseigen-Gebithren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. Jh Seite 60.—, 1J, Seite 30.—, 1, Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
in Afrika. — Bigelow's magnetische Theorie der
I. Die Reste der Sternwarten Tycho Brahe's auf der Sonnenkorona. -- Der Erfinder der Spirale. , . . 30
Insel Hveen. Von F. und M. Albrecht. (Schluss) . 21 | 4. Bücherschau: H. H. Turner, Modern Astronomy. -
2. Magnelische Untersuchungen an neueren Eisensorten. Carl Schulte, Lexikon der Uhrmacherkunst. . . . 31
Von Prof. Gumlich und Erich Schmidt (Milteilung 5. Personalien: R. F. Rancken. `, . . . . 2... 32
aus der Physikal. Techn. Reichsanstal) . . . . . 26 | 6. Mitteilung des Herausgebers über swei astronomische
3. Kleine Mitteilungen: Zur projektierten Gradmessung Vorlesungsreihen `, . 2. : 2 2 2 ee nn ne. 32
Die Reste der SternWarten ®ycho Jgrahe’s auf der Insel Veen.
Von F. und M. Albrecht.
(Schluss)
Die Sternenburg.
twa 40 bis 50 m südöstlich von dem die Uranienburg einschliessenden
Walle liegt an der Chaussee die Sternenburg, Tycho’s Stellaeburgum (dan.
Stjerneborg).
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Fig. 3.
Die Sternenburg, Gesamtansicht.
Wie wir auf Fig.3 sehen, ist der Platz der alten Sternenburg von einem
sorgfältig aufgeschichteten, etwa 1!/, m hohen Steinwall umgeben. Er ist neueren
Ursprungs und besteht aus Findlingsblöcken, deren es auf der Insel eine grosse
Menge giebt. Fast jeder Eigentümer umgiebt dort seinen Grund und Boden
mit einem derartigen Steinwall. Wir hatten solche schon auf unserm Hinweg
manchmal mitten im Felde gesehen und vermuteten dort, als wir sie zuerst er-
blickten, die Reste der alten Sternwarte. Vergebens suchten wir auch hier in
den Trümmern der Sternenburg nach behauenen Steinen, Ornamenten und drgl.
Noch im Jahre 1824 fand der Pfarrer von Hveen, Ekdahl, der sich um die
— 9 —
Ausgrabung der beiden Sternwarten sehr verdient gemacht hat*), den Stein, der
sich über dem Eingang zur Sternenburg befand und folgende Inschrift trug:
„nec fasces, nec opes, sola artis sceptra perennant.“
(Reichtum und Herrschergewalt vergehen, nur Wissenschaft bleibet.)
Wie wir auf der oberen Abbildung der Beilage sehen, ist der Steinwall auf der
nördlichen Seite, nach der Chaussee zu, durchbrochen. Nur zwei dürftig an-
gebrachte Bretter schliessen den Zugang zu den Trümmerresten ab.
Wie bei der Uranienburg liegt der Grund und Boden in einer fast kreis-
förmigen Vertiefung, etwa 2m unter dem umliegenden Gelände. Die Mauerreste
sind hier verhältnismässig zahlreicher als bei der Uranienburg. Ohne Mühe
können wir aus ihnen mit Hilfe des uns erhaltenen Grundrisses und der äusseren
Ansicht in Tycho's Werk (Astr. Inst. Mechan.) erkennen, wo die einzelnen In-
strumente gestanden haben. Die Sternenburg bestand nicht aus einem einheit-
lichen Gebäude, vielmehr aus fünf unterirdischen Räumen, in denen die In-
strumente zum Teil auf fest fundierten Steinpfeilern errichtet waren. Alle fünf
Räume gruppierten sich um einen sechsten, der als Arbeitszimmer diente.
Die besten Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der Trümmer bieten uns
die schon erwähnten Instrumentenpfeiler. — Wir verweisen hier zur Orientierung
auf die Kartenbeilage. — Wie wir aus der oberen Fig. der Bildbeilage ersehen, steht
der eine, auf der Kartenbeilage mit b bezeichnete Pfeiler, direkt unter dem Durch-
bruch des Steinwalls und zwar auf der Grundfläche der Vertiefung. Der andere
auf der Karte mit a bezeichnete Pfeiler liegt etwa 1'/,m tiefer. In dem Raume
zwischen diesen beiden Pfeilern lag das mit B bezeichnete Arbeitszimmer (hypo-
caustum). Es war von quadratischer Form und bedeckte einen Flächenraum von
9 qm. Der Boden des Zimmers ist noch vollständig gepflastert erhalten. Auf der
östlichen Seite (auf der oberen Fig. der Bildbeilage rechts vom Pfeiler) erblicken wir
einen kleinen Ausbau; unzweifelhaft ist dies der Platz, wo das Bett Tycho’s
gestanden hat. Auf der Kartenbeilage ist diese Stelle mit 7 bezeichnet. Hier
ist auch noch eine kleine, halbrunde Einbuchtung zu bemerken, welche wahr-
scheinlich die auf Tychos Plan mit P bezeichnete Feuerstelle gewesen ist.
Auch auf der Westseite des Arbeitszimmers sehen wir noch Mauerreste, aus
denen die Umfassungsmauern des Schlafzimmers für einen Assistenten zu er-
kennen sind. Mit seinem obersten Teile ragte das Arbeitszimmer über den Erd-
boden hervor. Hier waren kleine Fenster angebracht, doch kann die Erleuchtung
des Zimmers nur eine spärliche gewesen sein. Von alledem, sowie von dem
mit einer beweglichen Merkurstatue verzierten Dach, ist natürlich nichts mehr
erhalten. |
Von dem Arbeitszimmer aus führten schmale Gänge, die sich noch in den
Trümmern erkennen lassen, in die fünf umliegenden Beobachtungsräume (cryptae).
Wenden wir uns nun zu den einzelnen Krypten und zwar zuerst zu der bester-
haltensten an der Siidwestseite. Auf der Kartenbeilage ist sie mit F bezeichnet.
Wir sehen sie auf Fig. 4 vor uns. Noch deutlich sind hier die vier kreis-
förmigen Stufen zu erkennen, die zum Boden der Krypte hinabführen. Sie haben
eine durchschnittliche Höhe von 0,30 m. Unten auf dem Boden steht noch der
Pfeiler, der die Form eines abgestumpften Kegels hat. Auf der Kartenbeilage
ist er mit a gekennzeichnet. Er ist vollständig erhalten und muss ungemein
*) S. Dreyer: Tycho Brahe, dtsch. v. M. Bruhns, Karlsruhe 1894, S. 404 u. 405.
sgr, 0g Leg
fest fundiert sein, sonst hätte er dem Eifer der Zerstörer nicht widerstanden.
Neben ihm ist nur der erwähnte andere Pfeiler (ob. Fig. d. Bildbeil.) stehen geblieben;
leider ist aber von ihm der obere Teil abgeschlagen. Von allen anderen Pfeilern
für Sextanten und tragbare Armillen, deren es sechs gab, und die ausserhalb
des Gebäudes im Freien aufgestellt waren, ist nichts mehr zu sehen. Interessant
sind bei dem Pfeiler in der Krypte F noch vier Löcher, die sich oben befinden.
In ihnen sass das messingene Aufsatzstück, welches das Instrument, den grossen
Azimuthalquadranten, trug. Den Messingquadranten umschloss ein Stahlquadrat,
dessen Seite gleich dem Halbmesser des Quadranten war (vergl. Dreyer a.a. O.
S. 339). Von diesem Instrument sowie von allen anderen geben uns die Tafeln
in Tycho’s Astr. Inst. Mechan. ein anschauliches Bild.
Dicht neben dieser Krypte liegt, genau im Süden des Arbeitszimmers, der
grösste Beobachtungsraum, der das grosse Aequatorealinstrument enthielt
(Armillae aequatoriae maximae). Dieses Instrument war neben dem grossen
Fig. 4.
Die Sternenburg. Krypte, die den eek Azimuthalquadranten enthielt.
Mauerquadranten in der Uranienburg das grösste und wichtigste Beobachtungs-
instrument der Sternwarten. Es war mit einer Kuppel tiberdeckt, welche die
anderen Krypten bei weitem überragte. Von der Grösse der Kuppel giebt uns
die perspektivische Ansicht in Tycho’s Mechanica ein gutes Bild, doch scheint
hier die Grösse der Kuppel im Verhältnis zu den anderen Krypten übertrieben
zu sein. Das Aequatorealinstrument ruhte auf acht steinernen Pfeilern, die auf
der obersten kreisförmigen Steinstufe, deren es fünf gab, standen. Der Haupt-
teil des Instrumentes war der neunfüssige Deklinationskreis mit der Polarachse,
die mit ihrem unteren, spitzen Ende auf einem Steine ruhte, wodurch eine
Drehung des Instrumentes um diese Achse ermöglicht wurde. Leider sind von
dieser Anlage weder die Stufen, noch die Tragepfeiler erhalten geblieben.
Die Krypte südöstlich vom Arbeitszimmer, der wir uns jetzt zuwenden
wollen, war die einzige, die keine kreisförmigen Stufen besass. Auf der Karten-
beilage ist sie mit @ bezeichnet. Das Instrument, das sich in der Krypte be-
a D ee
fand, war ein Sextant mit einem Radius von fünf Fuss, der Sextans trigonicus.
Der mit Messing beschlagene Bogen wurde durch Speichen gestützt, die auf
einer mit Kupfer beschlagenen Kugel ruhten, so dass er in jede beliebige Lage
gebracht werden konnte. Von den drei Sextanten, die Tycho anfertigte, ist
dieser der grösste gewesen. Die Umfassungsmauern der Krypte sind noch
deutlich erkennbar.
Diese drei beschriebenen Krypten liess Tycho zuerst erbauen. Er wählte
eine so bedeutende Tiefe, um seine Instrumente besonders gegen Winddruck zu
schützen. Doch scheint sich diese Anlage nicht bewährt zu haben, denn die beiden
andern Krypten an der Nordseite liess Tycho höher anlegen.
Wir haben bei der Betrachtung dieser beiden höher gelegenen Krypten
eine östliche und eine westliche zu unterscheiden. Die östliche haben wir schon
oben kennen gelernt, denn in ihr steht der noch erhaltene Pfeiler, dessen
oberer Teil abgeschlagen ist. (S. ob. Fig. d. Bildbeil.) Auf ihm stand der kleine
Azimuthalquadrant, der einen Radius von fünf Fuss hatte. Von den vier stufen-
förmigen Mauerringen ist nur noch der unterste erhalten, dicht um den Pfeiler.
Wären von den anderen Steinstufen noch einige vorhanden, so müssten sie
schon innerhalb der Böschung liegen, da, wie oben bemerkt, der Instrumenten-
pfeiler sich dicht unter dem Durchbruch des Steinwalls direkt an der Böschung
befindet.
Zwischen beiden Krypten, also im Norden des Gebäudes, lag die Thür, die
von aussen auf einigen herabführenden Steinstufen den Zugang zu dem Arbeits-
zimmer vermittelte. Über dieser Thür befand sich der oben erwähnte Stein
mit der Inschrift, den der Pfarrer Ekdahl aufgefunden hat. Ausser dieser
Tafel waren in dem Zugange zum Arbeitszimmer noch zwei andere angebracht,
deren Inschriften auf die Gründung und Erbauung der Sternenburg Bezug hatten;
sie sind leider gänzlich verloren gegangen. Die Stelle, wo sich das Portal befand,
lässt sich auf den Abbildungen der Beilage deutlich erkennen. Wir sehen auf
beiden Bildern eine Vertiefung, die, wie unsere Messung ergab, in der Mitte beider
Kryptencentren lag, also die Stelle des Eingangs darstellte. Zwischen der zuletzt
beschriebenen Krypte und dem Eingang befand sich auch der Anfang zu dem
unvollendet gebliebenen unterirdischen Gang nach der Uranienburg. Aus den
Trünımern diese Stelle ausfindig zu machen, wäre verlorene Mühe, da nicht genau
bekannt ist, wie der Anfang dieses Ganges beschaffen war.
Es ist jetzt nur noch die fünfte Krypte, die westliche, einer Betrachtung zu
unterziehen. Wir sehen sie auf der unteren Fig. der Beil. auf der linken Seite des
Bildes als einen mächtigen, kreisrunden Steintisch vor uns, zu dem drei Stein-
stufen hinaufführen. Auf dem Bilde ist sodann noch der Blick bemerkenswert,
den man auf die Wälle der Uranienburg hat, die sich als kleine Erhöhungen
auf der rechten Seite abheben, und auf die Kirche von Nygard, die neueren
Ursprungs ist. Von den Häusern, die auf der Photographie zu erkennen sind,
ist das rechts von der Kirche liegende das Schulhaus, das wir in der Beschreibung
der Uranienburg kennen gelernt haben.
Die Lage der oben erwähnten Krypte, zu der die Steinstufen hinaufführen,
ist in der Kartenbeilage mit E gekennzeichnet. Sie enthielt die Tierkreis-
Armillen (Armillae zodiacales), die Tycho nicht sehr viel benutzte; er zog
für seine Beobachtungen das grosse Aequatorealinstrument, das oben be-
schrieben ist, vor. Der erwähnte Steintisch bildete den Boden dieser Krypte,
und ringsum führten noch zwei kreisförmige Steinstufen in die Höhe. Diese
a) ae
können natürlich, da der Boden dieser Krypte schon höher als die Trümmerreste
liegt, nicht mehr erhalten sein.
Ausser den beschriebenen feststehenden Instrumenten gab es auf der
Sternenburg noch eine Anzahl anderer, die nicht in den Krypten Aufstellung
finden konnten, und deshalb auf Steintischen ihren Platz fanden, die ausserhalb
des Gebäudes standen; diese drei Tische sind auf der Kartenbeilage durch rote
Rechtecke angedeutet und auch auf der perspektivischen Ansicht der Sternenburg
in Tycho’s Mechanica*) zu erkennen. Für einzelne Beobachtungen waren diese
tragbaren Instrumente nicht zu entbehren, so für Sterne, die in der Nähe des
Horizontes standen, und mit den Instrumenten in den tief’gelegenen Krypten
nicht gesehen werden konnten. Umgeben war die Sternenburg mit einem
Bretterzaun, der ähnlich den Wällen bei der Uranienburg mit halbkreisförmigen
Ausbuchtungen an allen vier Seiten versehen war. Von ihm fehlt jede
Spur. Seine Lage giebt die auf der Kartenbeilage in Rot ausgezogene Linie
wieder.
Lange haben die Reste der tychonischen Sternwarten unter Schutt und
Trümmern verborgen gelegen. Schon bald nach Tycho’s Weggange von der
Insel im Jahre 1597 gerieten die Gebäude in Verfall. Niemand bekümmerte sich
mehr um sie; Mittel, sie zu erhalten, waren nicht vorhanden. Die Steine der
Uranienburg wurden zur Errichtung anderer Gebäude benutzt. So kam es denn,
dass schon nach etwa einem halben Jahrhundert, als Huet die Insel besuchte,
fast nichts mehr von den Sternwarten erhalten war. Ebenso sah der berühmte
Astronom Picard im Jahre 1671 nur noch dürftige Reste der Uranienburg; an
der Stelle, wo die Sternenburg gelegen hatte, befand sich nur eine kleine Ver-
ticfung. Der Jesuit P. Hell, der mit P Sainowics nach der Beobachtung des
Venusdurchganges auf Wardoe im Jahre 1770 die Insel Hveen besuchte, er-
wähnt noch den im Jahre 1741 aufgefundenen Keller an der Nordecke der Um-
wallung der Uranienburg, das sogenannte Schlossgefängnis. In der Mitte der
Uranienburg fand er ein grosses, mit Wasser -gefiilltes Loch. Erst im vorigen
Jahrhundert wurden Ausgrabungen veranstaltet, und zwar besonders auf Betreiben
des schon erwähnten Pfarrers Ekdahl in den Jahren 1823 und 1824. Sie
förderten im Grossen und Ganzen die Reste zu Tage, die wir heute vor uns
schen. Wann die letzten Aufräumungsarbeiten stattgefunden haben, entzicht
sich leider unserer Kenntnis. Nach dem Zustande, in dem wir die Uranienburg
und Sternenburg gefunden haben, ist zu hoffen, dass sich die Befürchtung
Dreyers (a. a. O. S. 405), es würden die spärlichen Ueberreste der Gebäude
bald ganz von dem Erdboden verschwinden, nicht erfüllen wird. Es steht zu
erwarten, dass die Feier, die in Anwesenheit des Königs von Schweden,
Oscars Il, am 22. September auf der Insel Hveen zur Erinnerung an den Todes-
tag Tycho's stattfand, den Anstoss geben wird zu einer planmässigen Ausgrabung
der alten tychonischen Sternwarten, den chrwürdigen Denkmälern einer grossen
Zeit in der Geschichte der Astronomie.
*) In der „Tycho Brahe-Ausstellung in dem Astronomischen Museum“ der Treptow-Sternwarte,
die vom 13. Oktober bis 10. November 1901 zusammen bleibt, finden sich unter anderen interessanten
Tychonica 2 Exemplare dieses seltenen Werkes.
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— 26 — `
Magnetische Gntersuchungen an neueren Eisensorten.
Von E. Gumlich und Erich Schmidt
(Mitteilung aus der Physikal. Techn. Reichsanstalt*).
1. Ausglühversuche.
m Anschlusse an frühere Versuche wurde die Aenderung der magnetischen Eigen-
schaften verschiedener Eisensorten durch mehrfach wiederholtes Ausglühen
in einem Ofen der Königl. Porzellanmanufaktur untersucht. Die erreichte
Maximaltemperatur lag bei ca. 950° C., die Dauer der Erhitzung und der ziemlich
langsam verlaufenden Abkühlung betrug stets etwa drei Tage. Die meist 6 bis
10 mm dicken und 33 cm langen, cylindrisch abgedrehten Stabe waren durch zwei
Porzellan- bezw. Chamotteröhren gegen den Einfluss der Heizgase und durch
vorgelegte Eisenspähne gegen Oxydation möglichst geschützt. Die magnetische
Untersuchung erfolgte nach der Jochmethode, und zwar nahm man ausser der
Nullcurve auch meist eine Hysteresiscurve auf, aus deren Flächeninhalt sich
bekanntlich der Energieverlust durch Hysteresis berechnen lässt; die Coercitiv-
kraft wurde in jedem Falle nach einem später zu beschreibenden Verfahren
mittels des Magnetometers noch gesondert bestimmt. Die erhaltenen Resultate
lassen sich kurz folgendermassen zusammenfassen:
Die von vorne herein ausgezeichneten magnetischen Eigenschaften eines
sehr reinen und weichen Walzeisens konnten durch Ausglühen nicht mehr
merklich verbessert werden, dagegen erfuhren verschiedene Proben von gewöhn-
lichem Gusseisen ungemein beträchtliche Veränderungen: Die Coercitivkraft
sank auf fast den dritten Teil, der Hysteresisverlust auf weniger als die Hälfte,
die Maximalpermeabilität stieg bis auf den vierfachen Betrag, und zwar wurde
hier der Grenzzustand bereits durch einmaliges’ Ausglühen crreicht, während
eine Wiederholung des Verfahrens eher wieder eine Verschlechterung hervor-
brachte. Auch beim weichen, gegossenen Material, dem sogenannten Stahlguss,
bewirkte — mit einer einzigen Ausnahme — das Ausglühen durchweg eine
beträchtliche Verbesserung, aber der Grenzzustand trat hier meist erst nach
‘mehrmaliger Wiederholung des Verfahrens ein, so dass sich beispielsweise in
einem Falle der Hysteresisverlust auch durch das fünfte Ausglühen noch um
ca. 8°/, verringerte.
Dass die Erreichung des Grenzzustands auch in hohem Masse von den
Dimensionen des untersuchten Körpers abhängen muss, ist wohl von vorne
herein klar. So ergab ein specieller Versuch, dass die Coercitivkraft eines 3 cm
dicken Stabes nach dreimaligem Ausglühen von 2,3 auf den geringen Betrag
von 0,97 gesunken war, während der Kern des Stabes nach Abdrehen auf 7 mm
Durchmesser noch eine Coercitivkraft von 1.43 besass.
Beim Dynamoblech, das bekanntlich schon im Walzwerk einem fabrika-
tionsmässigen Ausglühprozess unterworfen zu werden pflegt, bewirkte das erste
Ausglühen in der Porzellanmanufaktur eine beträchtliche Verbesserung nach
jeder Richtung, während bei der Wiederholung stets eine merkliche Ver-
schlechterung eintrat, die nicht etwa auf die Einwirkung der äusseren Sog.
„Zunderschicht“, sondern auf molekulare Aenderungen zurückgeführt werden muss.
*) Auszug aus einem Aufsatze der Elektrotechn. Zeitschrift 22, 691—698; 1901, mitgeteilt
vom Verfasser.
2. Elektrisches Leitvermögen.
Von bedeutender, aber bisher noch nicht genügend gewürdigter praktischer
Wichtigkeit ist die Beziehung zwischen dem elektrischen Leitvermögen und den
magnetischen Eigenschaften der verschiedenen Eisensorten, da in den Ankern
von Dynamomaschinen neben dem Hysteresisverlust auch noch ein Energie-
verlust durch Foucaultströme auftritt, deren Stärke der Leitfähigkeit des Materials
direkt proportional ist. Es wurde daher neben den magnetischen Eigenschaften
auch das elektrische Leitvermögen für ca. 50 verschiedene Materialien bestimmt.
Ordnet man die letzteren nach der Grösse des Hysteresisverlustes, so scheint
auf den ersten Blick kaum ein Zusammenhang zwischen diesem und dem Leit-
vermögen zu bestehen; bildet man dagegen die Mittel aus je etwa 10 auf ein-
anderfolgenden Werten, so ergiebt sich das in der folgenden Tabelle zusammen-
gefasste Resultat:
Hysteresis- | Widerstand
Coercitiv- Maximal-
Reihe verlust pro Remanenz Ge
: es kraft permeabilitat
in Erg. m, mm?
1 10 060 0.147 8 360 1.1, 4120
2 12 850 0.158 8 900 15, 3 030
3 17 190 0.164 9 360 2.0, 2 190
4 24 380 0.190 10 740 3.4, 1 560
Hieraus folgt also, dass im Durchschnitt einem grösseren Hysteresisverlust
auch ein höherer elektrischer Widerstand, eine höhere Remanenz, eine grössere
Coercitivkraft und eine geringere Maximalpermeabilität entspricht. Im Einzelnen
treten dagegen grosse individuelle Verschiedenheiten auf; beispielsweise betrug
bei einem in magnetischer Beziehung vortrefflichen Material der elektrische
Widerstand 0,426 Ohm. pro m/mm?, d. h. nahezu das Dreifache des durchschnitt-
lichen Widerstands sämtlicher untersuchter Materialien, und übertraf sogar
noch denjenigen des gehärteten Stahls. Es ergiebt sich daraus die wichtige
Thatsache, dass es möglich ist, ein magnetisches Material herzustellen, welches
gleichzeitig einen geringen Verlust durch Hysteresis und durch Foucaultströme
gewährleistet.
Bestimmung der Coercitivkraft.
Bekanntlich erhält man im Allgemeinen bei der Untersuchung im Joch für
die einer bestimmten Feldstärke entsprechenden Inductionen etwas zu kleine
Werte: es müssen daher an die beobachteten Feldstärken — beispielsweise
also auch an den Wert der Coercitivkraft —- korrektionen durch Scheerung
angebracht werden, deren Grösse dadurch ermittelt werden kann, dass man
einen im Joch untersuchten Stab zum Ellipsoid abdreht und dasselbe mit Hülfe
des Magnetometers untersucht; die Differenzen zwischen der Ellipsoid- und der
Jochkurve geben dann die gewünschten Scheerungswerte Nun hängen die
letzteren aber nicht nur vom Material des Jochs und der klemmbacken, sondern
in hohem Masse auch von der Natur des zu untersuchenden Stabes, mit anderen
Worten also, von der erst zu bestimmenden Gestalt der Magnetisierungskurve
ab. Daher leidet diese weitverbreitete Methode, auch wenn man für eine Anzahl
von Stäben verschiedener Art die Scheerungslinien bestimmt hat und für den
zu untersuchenden Stab die geeignetste auswählt, doch stets an einer gewissen
Willkür und Unsicherheit. Dieselbe wird jedoch, wenigstens für die Hysteresis-
schleife, dadurch wesentlich verringert, dass man mittels des Magnetometers,
— 28 —
auch fir cylindrische Stabe, wie sie bei der Jochuntersuchung gebraucht werden,
in einfachster Weise den wahren Wert der Coercitivkraft ermitteln kann, also
derjenigen Feldstarke, welche notwendig ist, um den remanenten Magnetismus
vollständig zu beseitigen.
Zu diesem Zwecke wird der Stab in geeignetem Abstande östlich oder
westlich vom Magnetometer (I. Gauss’sche Hauptlage) in eine Magnetisierungs-
spule gebracht, deren Wirkung auf das Magnetometer durch eine auf der ent-
gegengesetzten Seite stehende Spule kompensiert ist; die Ablesung des Aus-
schlags erfolgt durch Fernrohr mit Skala. Nachdem der Stab bis nahe zur
Sättigung — also bei weichem Material bis etwa 9 = 150 — magnetisiert ist,
lässt man den Magnetisierungsstrom langsam gegen Null abnehmen, kehrt die
Stromrichtung um und lässt den Strom wieder soweit anwachsen, bis der vom
remanenten Magnetismus des Materials noch vorhandene Ausschlag des Magneto-
meters vollständig verschwunden ist. Die aus dieser Stromstärke. und der be-
kannten Spulenkonstante sich ergebende Wert der Feldstärke 9° ist dann
direkt gleich der wahren Coercitivkraft. Es gilt nämlich bekanntlich für die
thatsächlich vorhandene Feldstärke a allgemein die Beziehung: 9=%'’—N.].
worin 9’ die Stärke des ungestörten, aus der Zahl der Amperewindungen der
Magnetisierungsspule zu berechnenden Feldes bedeutet, J die vorhandene Inten-
sität der Magnetisierung und N den sogenannten Entmagnetisierungsfaktor, der
von den Dimensionen des Stabes abhängt. Da nun im vorliegenden Falle J = 0
ist, so fällt das ganze zweite Glied rechter Hand fort und es bleibt somit 9 = $.
Vergleicht man nun mit dem so gewonnenen absoluten Wert für die Coercitiv-
kraft den aus der Jochbeobachtung ermittelten, so erhält man für das zu unter-
suchende Material einen genauen Scheerungswert, auf welchen dann die für
Material ähnlicher Art bereits festgelegte Scheerungskurve bezogen werden kann.
Bei diesem Verfahren bleibt also die Entfernung des Stabes und des Fern-
rohrs vom Magnetometer ebenso wie die Horizontalintensität des Erdmagnetismus
vollkommen ausser Betracht, und auch der vom remanenten Magnetismus her-
vorgebrachte Magnetometerausschlag kann durch hinreichende Annäherung des
Stabes stets so gross gemacht werden, dass äussere Störungen durch Er-
schütterungen und vagabundierende Ströme die Genauigkeit der Messung nicht
mehr wesentlich beeinträchtigen. Daher dürfte sich diese einfache und ver-
hältnismässig recht genaue Methode auch für technische Betriebe eignen, um
so mehr, als spezielle Versuche gezeigt haben, dass auch das Dimensionsver-
hältnis der Stäbe dabei keine merkliche Rolle spielt und das Verfahren sogar
bei ganz roh zugeschnittenen prismatischen Stäben noch ziemlich genaue
Werte liefert.
Maximalpermeabilität.
Bekanntlich war es bis jetzt noch nicht gelungen, gesetzmässige Beziehungen
zwischen den verschiedenen magnetischen Konstanten eines Materials — der
Coercitivkraft, Remanenz, Maximalpermeabilität und Energievergeudung — zu
finden. Aus den in der Originalabhandlung zusammengestellten Messungs-
ergebnissen von 10 verschiedenen Ellipsoiden konnte nun empirisch folgende
einfache Beziehung zwischen der für die Beurteilung der Güte eines Materials
wichtigen Maximalpermeabilitat u der Coercitivkraft C und der Remanenz R
hergeleitet werden:
Max’
R
WI? = dl, "o
ALAX C
— 9 —
Hierin bedeutet a genau genommen eine lincare Funktion der Coercitivkraft,
nämlich a = 0,476 + 0,00568 . C; bei weichem Material und sogar noch bei Guss-
eisen wird man jedoch mit hinreichender Annäherung für a den konstanten
Wert 0,488 oder rund 0,5 setzen dürfen. Die Differenzen zwischen den so be-
rechneten-und den beobachteten Werten, welche im Maximum 5°/, erreichen,
sind kleiner, als man auf Grund der vorhandenen Fehlerquellen erwarten sollte.
Die angegebene Formel gestattet also in allen den Fällen, wo es sich nur
um die Beurteilung der Güte eines Materials und nicht auch um die Kenntnis
vom gesammten Verlauf der Permeabilitatskurve handelt, von der Aufnahme
einer Nullkurve vollständig abzusehen. Ausserdem kann man mit Hülfe einer
einfachen geometrischen Konstruktion den Punkt der Nullkurve finden, für
welchen der Wert der Permeabilität u ein Maximum ist. Halbiert man nämlich
in der gewöhnlichen Darstellungsweise der Hysteresisschleife (vgl. Fig.), bei
welcher die Werte von © als Abscissen, diejenigen von B als Ordinaten aufge-
tragen werden, den der Remanenz entsprechenden Ordinatenabschnitt OD und
verbindet den so gefundenen Punkt Æ mit dem Schnittpunkt C zwischen ab-
steigendem Ast und Abscissenaxe, so giebt die Tangente des Winkels £CO
zwischen dieser Verbindungslinie und der Abscissenaxe den Wert der Maximal-
permeabilität. Eine zu der Verbindungslinie C/ durch den Punkt O (§ = 0)
gelegte Parallele OP berührt also die Nullkurve ON in dem Punkte P, welcher
dem Wert m, entspricht.
Für die zu. diesem Maximalwert von # gehörige Feldstärke 9 ergab sich
nun ebenfalls aus den Ellipsoidbeobachtungen eine einfache, empirische Beziehung
zur Coercitivkraft, nämlich 9 = 1,3.C. Zur Ermittelung der Maximalpermeabilitat
einer Substanz genügt es somit auch, denjenigen Wert der Induktion ® der
Nullkurve zu bestimmen, welcher einer Feldstärke 9 =1,3.C entspricht, was
— 309 —
bei einigen Apparaten, wie der du Bois schen Waage und dem Köpsel'schen
Magnetisierungsapparat ohne Weiteres möglich ist; man erhält dann in dem
Quotienten 5 das gesuchte uyar
In Betreff des in vier umfangreichen Tabellen niedergelegten Zahlenmaterials,
welches hier natürlich nicht wiedergegeben werden kann, muss auf die Original-
abhandlung verwiesen werden. E. Gumlich.
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Zur projektierten Gradmessung in Afrika. In diesem Blatte wurde den Lesern bereits vor
längerer Zeit Nachricht gegeben von einem grossartigen Projekte Englands, dass dieser Staat die
Messung eines Meridianbogens von der Kapkolonie bis nach Aegypten plant. Dem letzterschienenen
Jahresberichte der Sternwarte in Kapstadt entnehmen wir einige weitere Nachrichten über dieses
Projekt. Der Schöpfer der Idee ist David Gill, der Direktor der Kapstädter Sternwarte. Schon 1879.
beim Beginn der geodätischen Vermessungen im englischen Südafrika, wies Gill in einem Berichte
an den damaligen Gouverneur Sir Bartle Frere darauf hin, welche Wichtigkeit für die Praxis und
für die Wissenschaft die Ausführung einer Kette von geodätischen Dreiecken haben könnte, die sich
längs des 30. Grades 6. Lg. v.Gr. von Süden nach Norden erstrecken und Natal mit Alexandrien
astronomisch verbinden würden. Da Aegypten sich geodätisch kurz über lang an die internationale
europäische Gradmessung anschliessen müsse und die Vermessungen dort längs des Nils südwärts
geführt werden würden, andererseits keine besonderen Schwierigkeiten bestünden, von den süd-
lichsten ägyptischen Dreieckspunkten einen Anschluss zum Albert- und Victoria-Nyanza zu erreichen,
so bleibe nur die Aufgabe übrig. die Messung des Bogens von Natal durch Transvaal über den
Limpopofluss hinweg bis zum Tanganyikasee zu bewerkstelligen. Nachdem die geodätischen Ver-
messungen in Natal und der Kapkolonie im Jahre 1892 unter Ueberwachung seitens der Kapstadt-
sternwarte zu Ende geführt worden waren, erinnerte Gill 1896 in einem Berichte an das Gouvernement
abermals an die Wichtigkeit einer geodätischen Triangulierung längs des 30. Meridians und hatte die
Befriedigung. dass von der Kolonialregierung die Mittel zur Bestimmung der Bogenlänge dieses
Meridians vom Limpopo bis zum Südende des Tanganyikasees bewilligt wurden. Zur Ausführung
des grossen Unternehmens ist nun von englischer Seite bereits ein tüchtiges Stück. und zwar nördlich
von Transvaal, in British Rhodesia, vorgearbeitet worden. Die Herren Simms, Heatlie und Antrobus
haben in der Nähe von Salisbury, bei Gwibe, eine Basislinie von 13!/2 miles gemessen und eine
Reihe daran sich schliessender geodätischer Dreiecke bestimmt, so dass sich die Vermessungen be-
reits dem Zambesi nähern; um letzteren zu erreichen, blieb noch die Winkelmessung zwischen
etwa 15 Stationen übrig, eine Arbeit, die man bis Ende Juli d. J. beendigt zu haben hoffte. Der
südliche Anschluss, vom Limpopo bis in die Kolonie Natal, ist durch die Unterstützung. welche
der Gouverneur Sir Milner dem Projekte hat zu Teil werden lassen, gesichert (die Arbeiten
daselbst werden begonnen, sobald die politischen Verhältnisse in Transvaal die ruhige Aus-
führung gestatten), und da man das noch übrige nördliche Bogenstück, bis zum Südende des
Tanganyikasees, in etwa 3 Jahren gemessen haben wird, so dürfte in abschbarer Zeit schon der
zwischen dem achten und dreissigsten südlichen Breitegrade liegende Teil des Meridians durch
eine Kette von Dreiecksnetzen festgelegt und ein bedeutender Abschnitt des grossen Werkes,
wenigstens soweit es die Beobachtungen anbelangt, fertiggestellt sein. Die Vollendung des Ganzen,
welche noch von der Ausführung der Dreiecksnetze zwischen dem Tanganyikasee und dem Nil ab-
hängt, fällt mehr der internationalen Zusammenwirkung mehrerer Staaten anheim. Ausser England
kommen namentlich Deutschland und der Kongostaat in Betracht, denn diese sind am meisten bei
der geodätischen Festlegung der Dreieckspunkte interessiert, da sie auf diese Punkte die Spezial-
triangulierung ihrer afrikanischen Kolonialgebiete stützen können. In Aegypten würden wahrscheinlich
die Engländer selbst die Messungen ausführen. Aber abgesehen von dem unmittelbaren praktischen
Interesse einzelner Staaten an der Sache, verdient die Messung des 30. Meridians auch die Be-
— 311 `
teiligung aller civilisierten Länder der Erde, denn diese Messung wird einen der wichtigsten Beiträge
für die nähere Kenntnis der eigentlichen Gestalt des Erdgeoids bringen, und sie ist darum von all-
gemeiner Wichtigkeit. Gill hat deshalb den Vorschlag. die restierenden Messungen in Central- und
Nordafrika durch eine internationale Verbindung der Staaten zu sichern, der im September 1900 in
Paris zusammengetretenen internationalen Geodätenkonferenz unterbreitet und die volle Zustimmung
dieser Gelehrtenvereinigung erhalten. Ferner hat Gill denselben Vorschlag auch im Sommer 1901
der Vereinigung der verschiedenen Akademien der Wissenschaften vorgelegt, welche in Paris behufs
Beratung mehrerer durch gemeinsame Arbeit zu lösender Fragen mit einander in Verbindung ge-
treten waren; auch diese Korporation hat ihren lebhaften Beifall für das Gill’sche Projekt aus-
gesprochen. Man darf also die gegründete Hoffnung hegen. dass die vollständige Messung des
grossen afrikanischen Gradbogens zur Ausführung kommen wird. n.
x Li
x
Bigelow’s magnetische Theorie der Sonnenkorona. Zu den zahlreichen Theorien über die
Natur der Sonne gesellt in jüngsterZeit derAmerikanerFrank H.Bigelow eine solche, wonach der Kern
oder Körper der Sonne als grosser Magnet anzusehen sei, während sie zugleich nach aussen elek-
trisch geladene Partikelchen (Jonen oder nach neuester Nomenclatur Elektronen) entsendet. Durch
das Zusammenwirken dieser beiden Energiequellen kommen, je nachdem die eine oder die andere
überwiegt, die zu verschiedenen Zeiten verschieden gearteten Koronastrukturen zu Stande; dies Zu-
sammenwirken ruft auch die 11jährige Sonnenperiode hervor, deren Minimum durch ein Ueberwiegen
des magnetischen Moments, deren Maximum durch das des elektrischen Moments charakterisiert wird;
in unseren Polargegenden macht sich die krummlinige Wirkung der sonnenmagnetischen Energie
bei den Nordlichten bemerkbar. (Es ist übrigens bezüglich dieses letzteren Punktes zu beachten,
dass bei Ablenkungen von Kathodenstrahlen, also Erscheinungen unzweifelhaft elektrischen
Charakters, ebenfalls krummlinige Konfigurationen auftreten.)
* Li
*
Der Erfinder der Spirale. Der berühmte Astronom und Mathematiker Christian Huyghens
brachte zuerst im Jahre 1657 die Bewegung des Pendels bei den Uhren und im Jahre 1665 die
Federspirale bei den Taschenuhren in Anwendung. Durch diese beiden Erfindungen rief dieser
hochgelehrte Mann eine förmliche Umwälzung in der Uhrmacherei hervor.
Ludwig IV. ernannte ihn zum Mitgliede der Akademie der Wissenschaften; er gab ihm
Wohnung in der königlichen Bibliothek und setzte ihm eine Rente aus. Während seines Aufent-
haltes in Frankreich bis zur Aufhebung des Ediktes von Nantes lernte Huyghens das Schneiden
und Polieren der grossen Uhrengläser und schrieb inmitten seiner grossen wissenschaftlichen Arbeiten
ein „Horologium oscillatorium“, Abhandlung, in welcher er die Theorie des Pendels als Regulator
der Uhren mathematisch aufstellte. Nach einigen Schriftstellern soll er erst im Jahre 1674 (wenn
dies Datum das richtige ist, so hätte Hooke in England und Hautefeuille in Frankreich für diese
Erfindung den Vorrang zu beanspruchen) der Unruhe der Taschenuhren die kreisförmige Spirale
hinzugefügt haben, von welcher er selbst der Akademie der Wissenschaften folgende Beschreibung
vorgelegt hat:
„Das Geheimnis der Erfindung besteht in einer Feder in der Form einer Spirale, deren
äusseres Ende an der Axe eines im Gleichgewicht befindlichen, jedoch schwereren Schwungrades
als gewöhnlich, das sich um seine Zapfen dreht und deren anderes Ende an einem anderen, mit der
Gestellplatte der Uhr verbundenen Teile befestigt ist, welche Feder, wenn das Schwungrad in
Bewegung gesetzt wird, ihre Spiralumgänge successive auf- und zuwindet und mit dem leichten
Antrieb, welchen die Räder der Uhr ihm verleihen, die Bewegung des Schwungrades erhält, so dass,
ob sie mehr oder weniger Drehungen ausführe, die Dauer ihrer Schwingungen immer die gleiche ist“.
(Internat. Zeitschrift f. Uhrmacherei, 2. Jg. No. 12.)
Kc
Modern Astronomy. Being Some Account of the Rev hidden of the Geet Quarter of a Century.
By H.H. Turner, Westminster. Archibald Constable & Co., Ltd. 2 Whitehall Gardens. 1901.
Das Buch verdankt seinen Ursprung drei Vorlesungen, welche der Verfasser im Royal Institution
im Februar 1900 gehalten hatte. Es zerfällt in vier Abschnitte: 1. Moderne Instrumente. 2. Moderne
eg B u
Methoden. 3. Moderne Resultate. 4. Moderne mathematische Astronomie. Die Abbildungen sind
sehr gute und äusserst geschickt zusammengestellt; so ist eine Mondzeichnung von Russell aus dem
Jahre 1795 mit einer Pariser Mondphotographie aus dem Jahre 1895 verglichen. Beide sind in
gleichem Massstabe und lassen den ungeheuren Fortschritt erkennen. Das Greenwicher Obser-
vatorium zu Flamsteed’s Zeiten (1676) ist mit dem neuen Observatorium aus dem Jahre 1899 ver-
glichen. Der Humor des Verfassers, welcher aus den „Oxforder Buchnotizen“ bekannt ist, kommt
auch in diesem Buche zur Geltung.
*
*
Lexikon der Uhrmacherkunst. Handbuch für alle Gewerbetreibende und Künstler der Uhren-
branche. Von Carl Schulte, Berlin. 1901. Im Selbstverlage des Herausgebers. 358 Seiten.
Dieses Lexikon giebt über alle Fragen auf dem Gebiete der Uhrmacherkunst eine kurz
gefasste, aber ausreichende Auskunft. Das Werk umfasst über 26460 Schlagworte. Es ist das
Bestreben des Verfassers gewesen, der Leistungen der deutschen Uhrmacher, die sich einen
hervorragenden Platz in den Annalen der Uhrmacherkunst erworben haben, in gleich ehrender
Weise zu gedenken, wie dies von jeher besonders die Franzosen und Engländer mit ihren einheimischen
Künstlern gemacht haben. Nicht nur der Uhrmacher, sondern auch der Astronom, der Physiker,
die Dircktoren von Museen wie überhaupt der Sammler werden, wenn es sich um Ermittlung
des Alters irgend einer antiken oder wertvollen Uhr handelt, in dem Lexikon die gewünschte
Auskunft finden.
Von manchen Männern, die auch in der Astronomie einen Ruf besitzen, wie Kopernikus,
Tycho de Brahe, Christian Huyghens, Carl August von Steinheil, R. Hooke und anderen
sind sehr gute Lebensbeschreibungen und ihre Beziehungen zur Uhrmacherkunst angegeben. Der
Verfasser wiirde sich noch den besonderen Dank der Astronomen erwerben, wenn er den Abschnitt
Sonnenuhren etwas eingehender behandeln würde. Die langjährige Erfahrung des Verfassers als
Redakteur der „Allgemeinen Uhrmacher-Zeitung’ ist der Reichhaltigkeit des Lexikons, das wir
unseren Lesern aufs Wärmste empfehlen können, sehr zu_statten gekommen. F. S. A.
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i NINN SS MOLAR Ne,
Vv ORONO ENING POO PEE OG MMO,
W AAO NXXX GING SG GIG S SEH x
p ER I R E S E EEEE
R. F. Rancken
(geb. 1854 Jan. 13. in Jakobstad, gest. 1901 Jan. 1. in Uleåborg, Finland).
Von 1572—77 studierte Rancken an der Helsingforser Universität Physik und Astronomie und
begab sich nach Erwerbung des Magistergrades 1878 nach Stockholm. um unter Sylden’s Leitung
zuerst als Hörer und von 1881 an als Assistent der Stockholmer Sternwarte sich ausschliesslich
astronomischen Arbeiten. zu widmen. 1880 veröffentlichte er in den Astron. Nachr. Bd. 96 eine Be-
stimmung der Stockholmer Polhöhe und 1882 in Bd. 104 unter dem Titel „Ueber die Eigenbewegungen
der Fixsterne“* einen Auszug aus seiner Dissertation. Seit 15332 war Dr. Rancken hauptsächlich
pädagogisch als Lehrer thätig.
W
Mitteilung des Herausgebers an die Mitglieder des „Vereins von Freunden der
Treptow-Sternwarte‘“.
I. In der „Humboldt-Akademie“, Lehrstätte NW, Dorotheenstadtisches Realgymnasium,
Geurgenstr. 30/31. halte ich einen astronomischen Cyclus in 5Doppelstunden „Ueber unser Planeten-
system“ mit Lichtbildern an den Dienstagen von 7'/,—9 Uhr Abends. Als Hörer werden Damen
und Herren zugelassen.
Il. Im „Victoria-Lyceum“, Potsdamerstr. 39, halte ich einen Kursus von 20 Vorlesungen
„Ueber allgemeine Astronomie“ mit Lichtbildern an den Dienstagen von öl/,—7 Uhr Nachm.
(Nur Damen werden als Hörerinnen zugelassen).
Beide Cyelen beginnen Dienstag, den 15. Oktober 1901.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F. 3. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin BW.
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vom Landungsplatı an der $ 0 Küste
DieReste derSternenburg
auf der schwedischen Insel Hveen im Ore-Sund.
Erklarung der Buchstaben (aus Tycho Brahes,Astr. Inst. Mechan).
A. Janua. (Bingang) F Crypta pro magno Quadrato geometrico Chalybeum
B. Rotandum laguearium, sub guo hypocaustum, in guod interius Quadrantem continente.
undyue e (ryptis ingressus patet. (Krypte far den oon einem grofsen/Messing) Quadrat
(Gewölbe, darunter das Arbeitszimmer mit Kingangen angeschlossenen Messing- Quadranten)
zu den Krypten ) G Crypta pro Sextante Quadricalital in suo falero et Globo
C (Pypta pro Armillis dequatorü majoribus. convolubiligai numero.
(Krypte für de gro/sen Aeguatoreal Arnallen ) (Ärypte far den Sextanten mit enem Radius von 5 Fufs,
A (rypta pro Quadrante magno volnbih. der mit sarem Gestell auf aner Kugel ruhte)
(Krypte fùr den großen Azimuthal-Quadranten ) A Lectus Tychonis. i
E Gypa pro Armillis Zodiacalibus. (Tycho’s Bett).
(Ärypte lar die Tierkreis-Armillen).
‚Die Mauerreste der Sterrenbarg
legen in einer ca. 2m tiefen kreis:
formigen Einsenkung des Geländes.
Die rot eingetragenen Linen
deuten die Umrisse der Sternen”
burg zu Tycho Brahes hat an.
Norden.
a und b sind die | - Die Stafen der
beiden noch erhalte. d WA (eme F sind. je
nen Instrumenten: Lac SA 30cm hoch.
pfeiler eg Eë,
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der Insel. — > Chaussee nach Nygard und Tuna.
Kartenbeilage zur ülustrierten Zeitsorrif für Astronomie und verwandte Gebiete , Das Weltall ‚ Jahrgang 2.HeR2
zu Ku M Albrecht: Die Reste der Sternmarten Ty cho Brahe's.)
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Die Reste der Uranıenburg
aut der achwadischen nasal Hvesüi in Ore-Sund.
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Tycho Brahes at an.
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Aufgenommen am /3 August. 1901 durch Max Albrecht Massstab 1: 160.
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Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
‚Herausgegeben von
2. Jahrgang 3.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1901 November 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnemenispreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
cinzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachlrag 7814a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspallige Pelitzeile 40 Pfg. Y Seite 60.— 1), Seite 30.— ,Yy Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
astronomischen Anschauungen des Allertums. Von
1. Bericht über die Auffindung und Untersuchung der Max Jacobi A sn: e E et Go a , e 42
Gebeine Tycho Brahe's in der Marienkirche vor dem 4. Kleine Mitteilungen: Dieringförmige Sonnenfinsternis
Theine in Prag. Erstattet vom Architekten J. Herain am 11. November 1901. — Die Beobachtung der Leo-
und Univ.-Docenten Dr. H Matiegka . ! . .. . 33 niden in der Zeit vom 11. bis 17. November. — Die
2. Die Durchmessergrössen der Planeten. Von A. Ber- Elongationsscit von Mimas. — Zwei neue Doppelsterne 43
EE erg u eat ai cigs cid ae Se a e te te gh d 40 | 5. Personalien: C.M. Gaudibert. — F. H. Seares. — Dr.
3. Ueber den Zusammenhang des Schachspiels mit den _ Karl Schwarzschild . . e. 2.2.22 02000. 44
Besicht über die Auffindung and Gntersuchung
der Gebeine $ycho Babel sm der Marienkirche Vor dem $heine in Prag.)
Erstattet vom Architekten J. Herain und Univ.-Docenten Dr. H. Matiegka.
PA Ma des Jahres 1901 bildete sich in Prag ein Comité, welches sich die
Aufgabe stellte, die auf den 24. Oktober dieses Jahres fallende 300jährige
Gedenkfeier des Sterbetages des berühmten Astronomen Tycho Brahe vor-
zubereiten. |
Dasselbe wandte sich an denStadtrat der kgl. Hauptstadt Prag mit dem
Ansuchen, die Gemeinde möge als Patronin der Marienkirche vordem Theine
auf eigene Kosten den marmornen Grabstein und das über demselben befindliche
marmorne Epitaphium des genannten gefeierten Dänen, welche sich am ersten
Hauptpfeiler des Kirchenhauptschiffes befinden, reinigen und restaurieren lassen.
Der Stadtrat willfahrte diesem Gesuche und forderte den Architekten und
k. k. Conservator J. Herain auf, die Leitung der Herstellung des marmornen
Grabsteines und Epitaphiums zu übernehmen und die diesbezüglichen Anträge
zu stellen.
Nach gründlicher Untersuchung des Grabsteines erklärte dieser die Leitung
der Restaurationsarbeiten übernehmen zu wollen und beantragte, dass das aus
rotem und weissem Marmor hergestellte Epitaphium des jetzigen schwarzen
Anstrichs entledigt, zugleich mit dem unteren Grabsteine gereinigt, die Marmor-
flächen geschliffen und geglättet, das beschädigte Gesimse des Epitaphiums neu
angesetzt und die Fugen, wo nötig, verkittet werden. Die in weissen Marmor
gemeisselte Inschrift des Epitaphiums sollte schwarz gefärbt werden, um leser-
licher zu erscheinen.
Weitere Anträge betreffend die Herstellung jener Teile des Epitaphiums,
welche nun an ihm fehlen, sollten nachfolgen und zwar war über der Mitte des
*) Dieser Bericht und die Photographie des restaurierten Grabmals nebst 2 Platinotypien von
den Schädelresten sind uns vom Bürgermeister von Prag Herrn Dr. Srb und 2 Cliches von Herrn
Dr. Matiegka in liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellt, wofür ich beiden Herren auch an
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Der Herausgeber.
e
— 4 —
Epitaphiums einstens wohl ein marmorner Ananas, oder eine Pyramide und
weiter unter den Säulchen zwei Wappen vorhanden, welche Details aber erst
genauer studiert werden missten, bevor an die Erganzung dieser ehemaligen
Verzierungen des Epitaphiums geschritten werden könnte.
Endlich beantragte derselbe beim Stadtrate, ihm zu einer Nachforschung
nach den Gebeinen Tycho Brahe’s die Bewilligung zu geben, um sicherzu-
stellen, ob dieselben thatsächlich vor dem Pfeiler, auf dem sein Grabstein und
darüber das Epitaphium angebracht ist, noch ruhen.
Einige historische Berichte besagen nämlich, dass bei der Gegenreformation
nach der Schlacht am Weissen Berge im Jahre 1620 die Leichen der Nichtkatho-
liken aus der Kirche entfernt wurden; ob aber unter denselben sich die Leiche
Tycho Brahe’s befand, wird nirgends erwähnt.
_ Uebrigens konnte das Grab auch bei den verschiedenen Katastrophen, die
die Kirche trafen und infolge deren auch das En LINE erneuert werden
musste, zerstört worden sein.
Der Stadtrat nahm alle diese Anträge an and bewilligte die nötigen Mittel.
so dass am 24. Juni d. J. mit derNachforschung begonnen werden konnte.
Es geschah dies bei Anwesenheit des hochw. Hauptpfarrers P. Knobloch, des k. k.
Conservators Břetislav Jelinek, des Stadtrates Wenzel Broz und des Archi-
tecten J. Herain.
Bald kam man unter dem Steinpflaster auf die aus Ziegeln hergestellte,
15 cm starke Wölbung, die nur von einer schwachen Schicht Erde bedeckt war;
als man die Gruftwölbung durchbrach, gelangte man in eine gemauerte, läng-
liche Gruft, welche aber an der Westseite bis an die Wölbung mit Kalkschotter
ausgefüllt war. Dies muss, nach dem Befunde zu schliessen, einstens in der
Weise geschehen sein, dass die Gruftwölbung eingebrochen und die entstandene
Lücke einfach durch Kalkschotter bis zur Ausfüllung verschüttet worden war.
Der östliche, gegen den Hauptaltar gerichtete Teil der Gruft war verhältnis-
mässig weniger verschüttet, doch war auch hier so viel Schotter, dass man
keine Särge gewahrte.
Das ursprüngliche Gruftgewölbe war nämlich gewerbsmässig und kunstlos
genug ausgeführt worden; die Mauern bestanden aus Bruchstein, das Segment-
gewölbe aus Ziegeln;. die lichte Länge der Gruft betrug 2,30 m, die Breite
1,76 m, die lichte Grufthöhe 1,08 m, von der Oberfläche des Kirchenpflasters
bis zum Gruftgrunde wurde 1,58 m gemessen.
Die Ursache des Einsturzes des Gruftgewölbes kann wohl in dem unglück-
lichen Zufall vom 10. Juni 1679 gesucht werden.
Damals schlug nämlich der Blitz in das Sanctustürmlein über dem Haupt-
schiffe ein; von da ergriff das Feuer das Kirchendach; der zusammenstürzende
Dachstuhl durchbrach die gothische Kreuzwölbung, dessen Trümmer in das Innere
des Hauptschiffes stürzten und hier viele Altäre und kirchenbänke zertrümmerten,
einen Teil des Gesimses des Epitaphiums Tycho Brahe's beschädigten und die
Gruftwölbung durchbrachen. Beim Löschen des Feuers in der Kirche gelangte
auch Wasser in die Gruft. Die in die Gruftwölbung gebrochene Oeffnung wurde bei
der Renovierung der Kirche einfach mit Kalkschotter verschüttet, ohne dass vor-
her die Wölbung wieder hergestellt worden war. So erklärt sich der jetzige Befund.
| Nach Entfernung der Wölbung wurde der Schotter vorsichtig, schichten-
weise mit dem Mauerlöffel oder den blossen Händen abgetragen, auf das Kirchen-
pflaster gebracht und hier durchsucht.
— 3 —
Bald kam man bei dieser Arbeit auf eine Menge dem Schotter beigemengter
verfaulter Holzreste von 4 bis 6 cm Länge, welche — wie sich später ergab —
von den Deckeln zweier Sarge stammten.
Etwa um !/),12 Uhr mittags wurde im westlichen Teile der Gruft in der
Aufschüttung der Gesichtsteil eines zur rechten Seite geneigten mit einem
Barett bedeckten Kopfes sichtbar. Weiter fand man am Rumpfe der betreffenden
Leiche bis zu den Knieen einen seidenen Rock und endlich an den Füssen
Zwirnstrümpfe und Schuhe.
Diese männliche Leiche lag in der südlichen Hälfte der Gruft, gerade zu
Füssen des am Kirchenpfeiler angebrachten Grabsteines, während linkerhand
von derselben in einem zweiten Sarge ein anderer Leichnam und zwar ein
weiblicher sich vorfand.
Nach einer Mittagspause (von 1 bis !/,3 Uhr) wurde die Arbeit wieder auf-
genommen. Als aber nach 4 Uhr der Schotter von beiden Leichen so weit
entfernt war, dass der Fund deutlich zu Tage lag, und nachdem nach ober-
flachlicher Reinigung des Kopfes der männlichen Leiche unter der Nase ein
mächtig eingedrehter Schnurrbart erschien, dessen Aussehen dem am Grabstein
Tycho Brahe’s dargestellten glich, schien ziemlich sicher zu sein, dass der
gesuchte Leichnam des berühmten Dänen gefunden sei. Deshalb wurde sofort
die weitere Arbeit eingestellt, dem Bürgermeister Dr. Srb ein Bericht erstattet
und zugleich gefordert, behufs weiterer Untersuchung des Fundes Sachverständige
der Anatomie und Anthropologie beizuziehen. Bis dahin wurde an dem Funde
nicht gerührt.
Die Vornahme der Untersuchung der gefundenen Leichenteile konnte nicht
lange verzögert werden, da die Kirche möglichst bald wieder dem Gottesdienste
übergeben werden musste; an der provisorisch gedeckten Gruft hatte ein
städtischer Wachmann Aufsicht gehalten.
Mittwoch, den 26. Juni nachmittags um !/,4 Uhr, erschienen die beiden Sach-
verständigen und zwar Universitätsprofessor Dr. Andreas Schrutz und Uni-
versitäts-Dozent Dr. Heinrich Matiegka, welche bei Anwesenheit der früher
angeführten Kommissionsmitglieder und noch einiger Stadträte, Stadtverordneten
und Universitätsprofessoren die Leichenreste neuerdings in loco besichtigten.
Mit Rücksicht auf das unzulängliche Licht in der Gruft und die Notwendig-
keit der Reinigung derselben wurde dann auf Antrag der Sachverständigen in
einer sogleich hierauf am Rathause vorgenommenen Beratung beschlossen, die
Leichenreste, an denen bisher nicht gerührt worden war, den folgenden Tag zu
heben, bei Tageslicht naher zu untersuchen und photographieren zu lassen,
zumal als eine photographische Aufnahme in der Gruft nicht möglich erschien.
Nachdem hierzu die Bewilligung gegeben worden war, wurde tags darauf
mittags die nähere Untersuchung vorgenommen. Vorerst wurde der genaue
Befund in situ konstatiert und hierauf die Leichenreste von den Sachverständigen
eigenhändig gehoben und bei Tageslicht genauer besichtigt. Hierbei wurde
folgendes festgestellt:
Die männliche Leiche lag in einem ungefärbten, innen ausgepichten
Kieferholzsarge, welcher von einem zweiten aus demselben Holze hergestellten,
aussen schwarz angestrichenen und an der Stirnseite mit einem grossen weissen
Kreuze versehenen Sarge umgeben war. Beide Särge waren ziemlich verfault
und zerfallen, blos die Stirnseite des Sarges zu Füssen des Leichnams war
verhältnissmässig gesund und erhalten.
= 36 —
Die zweite, weibliche Leiche ruhte in einem einfachen Kieferholzsarge,
der ebenfalls morsch und zerfallen war. |
Beide Leichname lagen mit dem Kopfe nach Westen, mit den Füssen nach
Osten, d. i. zum Hauptaltare. Die Durchbruchstelle der Gruftwölbung, durch die
einstens der Schotter in die Gruft gelangt war, befand sich gerade über dem
Kopfe der männlichen Leiche; so erklärt sich der Umstand, dass der grösste
Teil des Kopfes (Schädels) zertrümmert und vernichtet worden war, während
sich nur ein Teil des Gesichts und der Stirne erhalten hatte.
Die Bekleidung der männlichen Leiche bestand aus einem gut er-
haltenen braunen Sammetbarett, auf dem eine bronzene Spange lag, welche wohl
die hier befestigte Feder zu halten hatte, weiter aus einem Rocke aus fester,
dunkelroter Seide, an welcher ein Blumenornament zu erkennen war.
Die Füsse waren mit gelben bis an die Kniee reichenden Zwirnstrümpfen
und Sammetschuhen bedeckt.
Unter der ganzen Leiche war im Sarge ein aus dünnem Seidenstoff be-
stehendes Leichentuch ausgebreitet, welches allerdings in viele Stücke zerfallen
war. Der Kopf ruhte auf einem kleinen, mit Heu ausgestopften Polster.
An der zweiten, weiblichen Leiche, die zur Linken der männlichen begraben
war, wurden keine Kleiderreste gefunden, ebenso kein Schmuck; blos an den
gekreuzten Händen fand man etwa 200 weisse, durchbohrte Beinperlen von
gleicher Grösse, so dass es sich wohl nicht um einen Rosenkranz handelte, der
ja aus kleinen und grösseren Kügelchen hätte zusammengesetzt sein müssen.
Zwischen den beiden Särgen fand sich überall Kalkschotter; sonst aber
war, nach der ganzen Lagerung der Leichen zu schliessen, an denselben vordem
nicht gerührt worden.
Nun wurde zur Untersuchung der erhaltenen körperlichen Ueberreste
geschritten und zwar vorerst der der männlichen Leiche.
Von derselben war die untere Hälfte besser erhalten als die obere, stärker
vom Schotter verschittete. Ueberhaupt war fast nur das Skelett noch erhalten.
Die Leiche lag ausgestreckt, die Oberextremitäten in den Ellbogengelenken
gebeugt; ihre Gesamtlänge in situ gemessen betrug — soweit das Fehlen des
. Scheitelteils des Schädels einen Schluss erlaubte — 168 bis 170 cm.
Hierauf wurden die einzelnen Knochen, die sämtlich von einander losgelöst
waren, von den Sachverständigen eigenhändig von dem Fussende beginnend
gehoben, um näher besehen zu werden und um zu ermöglichen, dass die er-
haltenen Schädelreste ungestört im Ganzen ans Tageslicht gebracht werden
könnten. Alle Knochen waren stark, massiv, mit mächtigen Muskelansatzstellen
versehen, wiesen insgesamt männliche Charaktere auf und liessen auf eine
kräftig muskulöse Gestalt schliessen. Auffallend war die bedeutende Breite
des Brustbeines.
Nun wurden die erhaltenen Schädelteile samt der Kopfbedeckung, den
anliegenden Gewandresten und dem Polster, auf dem sie ruhten, mittelst einer
untergeschobenen Metallplatte gehoben und vor allem von vorne und von der
Seite photographiert. (Vergleiche unsere Doppelbeilage.)
Nach behutsamer Entfernung der Gewandteile wurde sicher gestellt, dass
vom Kopfe überhaupt nur ein Teil des Gesichtsskelettes erhalten war
und zwar der untere Teil der Stirnschuppe, die Nasenknochen, das linke Joch-
bein, zum grossen Teil der linke Oberkieferknochen, ein Teil desselben Knochens
der rechten Seite mit den dazu gehörigen Zähnen (nämlich die Schneide-, Eck-
E SE
und Backenzähne beider Oberkiefer und die 3 Mahlzähne der linken Seite). Das
Gebiss war stark abgenützt. |
Vom Hirnteile des Schädels hatte sich nichts erhalten; an seiner Stelle
fand sich besonders in der Kopfbedeckung ausser einigen Haarbüscheln blos
ein grauer, aschenartiger Detritus. Einige festere Stückchen erinnerten an die
in Schädeln aus gewissen Beinhäusern manchmal vorkommenden saponifizierten
Gehirnreste.
Die Extremitätenknochen und auch die erhaltenen Gesichtsknochen waren
stellenweise von einer dünnen Schichte einer bröcklichen, braunen Masse, d. i. den
Resten von eingetrockneten und mumifizierten Weichteilen, bedeckt, in
welchen noch über den Augenhöhlen Reste der hellbraunen Augenbrauen und
oberhalb der Zähne Reste eines mächtigen Schnurrbartes sassen.
Ueberdies war eine abgelöste vollständige Schnurrbarthälfte erhalten, die
etwa 10,5 cm lang, 2 cm dick, schwach S-förmig gekrümmt war und aus kräftigen,
stark eingedrehten, dunkelbraunen Barthaaren bestand. In der Kopfbedeckung
fanden sich endlich — wie schon erwähnt. — auch einige braune, stellenweise
hellere Haarbüschel.
Abgesehen von den Bartresten weisen auch die Gesichtsknochen einen
entschieden männlichen Typus auf; die Wangenbeine treten etwas stärker
vor, wie dies auch die Abbildungen Tycho Brahe’s zeigen.
Die Augenhöhlen sind mässig schräg gelagert, die Nasenöffnung durch
die mässig verbogene Nasenscheidewand etwas asymmetrisch geteilt; die Masse
der Nase und besonders der Nasenknöchelchen weichen nicht viel von den
allgemeinen Mittelmassen ab, blos die Länge der Nasenknöchelchen (21,5 mm)
steht ewas unter dem Mittel. Bezüglich der einzelnen Knochen- und Gesichts-
masse sei im Uebrigen auf den Bericht, den Dr. Heinrich Matiegka der
kgl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag am 11. Oktober 1901
erstattete, verwiesen. |
Auffallend war die Form der oberen Umrandung der Nasenöffnung.
Die Nasenknöchelchen waren hier, d. i. an ihrem unteren freien Rande, durch
eine kleine sichelförmige Fläche begrenzt, die deutliche Zeichen von
Knochenvernarbung zeigte. Bei der Ansicht von .der Seite erschien der
etwas eingebogene Nasenrücken unten plötzlich durch eine steiler abfallende
kleine Linie, d. i. eben die im Profil gesehene sichelförmige Fläche abgebrochen;
über derselben befindet sich ein kleines Höckerchen.
Es ist kein Zweifel, dass es sich hier um eine oberflächlich vernarbte
Knochenwunde handelt, die augenscheinlich durch jenen unglücklichen Hieb
beim Duelle erzeugt worden ist, durch den Tycho Brahe eines Teiles seiner
Nase beraubt wurde. Diese Nasenverstümmelung ist an allen Abbildungen Tycho
Brahes, sowie auch auf dem Grabsteine auffallend genug angedeutet.
Der obere Rand der Nasenapertur, besonders die beschriebene, sichel-
förmige Fläche und ihre nächste Umgebung ist bis 7 bis 15 mm weit hell-
grünlich gefärbt, wie dies an Knochen beobachtet wird, die lange Zeit in
feuchter Erde mit kupferhaltigen Gegenständen in Berührung waren. Diese post
mortem entstandene Verfärbung wird am einfachsten dadurch erklärt, dass dem
grossen Astronomen die künstliche Nase, welche derselbe zu Lebzeiten zur
Deckung seines Nasendefektes trug, auch mit ins Grab gegeben wurde. Diese
Prothese bestand wohl aus einer kupferhaltigen Legierung, deren Farbe der
natürlichen Hautfarbe möglichst nahe kam und weniger Nachfärbung bedurfte.
PEE: e
Tycho Brahe soll dieselbe mit einer Salbe bestrichen und einem Puder von
Hautfarbe bestreut haben. Um leicht zu sein, war die Prothese wohl aus sehr
dūnnem Blech hergestellt, wodurch sich auch ihre völlige Vernichtung auf
mechanischem und chemischem Wege erklärt, so dass bei der Grufteröffnung
trotz eifrigen Suchens keine Spur mehr vorgefunden wurde.
Die Sachverständigen konnten so:
1. aus dem Habitus des Skelettes und besonders den Formen des Gesichts,
2. aus der Grösse des Skelettes, welche der der Figur Tycho Brahe’s auf
dem Grabsteine 170 cm gleichkam,
3. nach dem beiläufigen Alter der betreffenden Person,
4. nach den erhaltenen Bartresten,
5. aus dem Befunde in der Nasengegend
mit Bestimmtheit den Schluss ziehen, dass es sich hier um die Ge-
beine Tycho Brahes handle.
Das zweite vorgefundene Skelett mit gut erhaltenem Schädel war 155 cm
lang und stammte, nach der vorgeschrittenen Verwachsung der Schädelnähte und
der starken Abnützung des Gebisses zu schliessen, von einem älteren Weibe
her. Obzwar an dem Skelette nähere persönliche Charaktere fehlten und auch
unbekannt waren, kann man mit Rechtannehmen, dass diese Leichenreste
der Gattin Tycho Brahe’s, namens Christine, angehörten, denn am unteren
Teile des Epitaphiums kann man lesen: „Ejus exuvias uxorisq. triennio post
defunctae, haeredes liberi sacro hoc loco composuerunt.“
Aus dieser sicheren Quelle erfahren wir, dass Tycho Brabhes Witwe
Christine im Jahre 1604 gestorben ist und an der Seite ihres Gatten bestattet
wurde.
Der marmorne Grabstein mit dem lebensgrossen Bildnisse Tycho
Brahe’s und das über demselben befindliche Epitaphium, auf dem sich eine
lateinische, 35 Zeilen betragende Inschrift befindet, wurden sicherlich von den
Kindern des berühmten Astronomen einige Jahre später, vielleicht bis 10 Jahre
nach seinem Tode, errichtet; hierfür würde die am Grabstein falsch angegebene
Jahreszahl MDCII (an Stelle der richtigen MDCI), an der die zwei letzten
Jahre (II) durch Verkittung wieder korrigiert wurden, sprechen.
Hiernach könnte man schliessen, dass zur Zeit der Herstellung des Grab-
steines das Sterbejahr seinen Errichtern schon aus dem Gedächtnisse entwichen
war. Was das Epitaphium anbelangt, so erwähnt dasselbe ja auch schon den
3 Jahre nach Tycho Brahe’s Absterben erfolgten Tod seiner Gattin und muss
also entschieden nach dem Jahre 1604 hergestellt worden sein.
Nach beendigter Untersuchung der Gebeine an Ort und Stelle den die
Ueberreste der weiblichen Leiche in der Gruft an ihrem ursprünglichen Orte
belassen, die Gebeine Tycho Brahe’s aber wegen der vorzunehmenden Reinigung
und Restauration dieses Teiles der Gruft, der am meisten gelitten hatte, in eine zu
diesem Zwecke vorbereitete Schachtel zusammengelegt und dem hochw. H. Haupt-
pfarrer zur provisorischen Verwahrung in der Sakristei bis zur Herstellung eines
gediegenen Metallsarges übergeben. Eine andere Art der Verwahrung war nicht
möglich, zumal die bestehenden Vorschriften eine Ueberführung der Leichen-
reste aus der Kirche und eine eventuelle Neubestattung in derselben nicht zu-
liessen. Die provisorische Verwahrung der Leichenreste durch den Haupt-
pfarrer und den Kirchendiener, dem ja doch das den Katholiken Aler-
heiligste und die übrigen Schätze der Kirche aneertraut werden, hat sich
ge
Tycho Brahe’s Grabmal in der Marienkirche vor dem Theine in Prag
nach vollendeter Restaurierung i. J. 1901.
— 40 —
auch sonst als das Geziemendste gezeigt, obzwar sie von einzelnen Tages-
blättern bemängelt wurde. Nur aus besonderer Pietät wurden die ver-
meintlichen, aber nicht erwiesenen Gehirnreste besonders eingewickelt; das
Schädelfragment übernahm Doc. Dr. Matiegka behufs Aufweichung der an-
haftenden Massen in der Nasengegend und zur genaueren Untersuchung, wobei
erst einige der oben erwähnten Detailbefunde gemacht wurden. Von dem
gereinigten Fragmente wurden neuerlich Platinotypien hergestellt, die mit gütiger
Erlaubniss der kgl. böhm. Ges. d. Wiss. auf der Sonderbeilage wiedergegeben sind.
Am 6. Juli wurde dann das Schädelfragment und der erhaltene Bartrest
im Beisein des hochw. H. Hauptpfarrers in ein Glasgefäss mit eingeschliffenem
Deckel verwahrt und luftdicht verschlossen, d. i. verklebt und verkittet. Die
Gruft wurde, wie in den Pausen zwischen den vorgenommenen Nachforschungen,
provisorisch mit einem starken Holzdeckel geschlossen.
Am 29. Juli d. J., als der vom Zinngiesser Jos. Scheller hergestelle Zinnsarg
zur Verfügung stand, wurden die Gebeine Tycho Brahe’s, die erhaltenen
Kleiderreste — ausser den dem städtischen Museum zur Aufbewahrung über-
gebenen — das Glas mit dem erhaltenen Gesichtsteile, sowie ein zweites Glas
mit den vermeintlichen Gehirnresten in den Sarg gethan, derselbe verlötet und in
Jeo daalt ti Der Deckel des 32'/, kg schweren Sarges trägt die Aufschrift
ES .. ‚he. 1901.“ DerBeisetzungderGebeine warenanwesend: der hochw.
T SR .ubloch, der erste Vizebürgermeister Dr. Adalbert Frič, der
oor Ven Brož, der Stadtverordnete Dr. Luboš Jeřábek, der Univ.-
Bee Dr. Andreas Schrutz und der Geschäftsleiter der „Gesellschaft der
Freunde böhmischer Altertümer“ Bohuš Cerny.
Tags darauf am 30. Juli wurde die Gruft neuerlich überwölbt und in das
Kirchenpflaster eine grosse Granitplatte mit der auf unserer Abbildung sichtbaren
Aufschrift „Tycho Brahe* an der Stelle eingesetzt, an welcher die Gebeine
des berühmten dänischen Astronomen ruhen.
Es ist vielleicht überflüssig, zu bemerken, dass der ganze Verlauf der
Untersuchung ein würdiger war und dass die gesamte Oeffentlichkeit, sowie der
Stadtrat der kgl. Hauptstadt Prag, welcher keine Kosten scheute, den Thatbestand
in erschöpfender Weise sicherzustellen und dem grossen Dänen, den die
Stadt einst gastfreundlich aufgenommen hatte, seine letzte Ruhestätte in
würdigster Weise herzurichten, an den Ergebnissen der Nachforschungen ein
reges Interesse nahm.
Tycho Brahe’s Gebeine, zu deren Auffindung und Konstatierung ja eben
aus Hochschätzung seiner Person die ganze mühevolle und kostspielige Unter-
suchung vorgenommen worden war, ruhen nun wiederum an demselben Ehrenplatz,
den ihm schon sein Gönner, der Kaiser Rudolf II. angewiesen hatte.
Die DurchmesserSrsssen der Planeten.
D: Kenntnis der wahren Grössen der Planeten, die ausser der Erde die
Sonne umkreisen, ist für manche Fragen der Astrophysik von grosser
Bedeutung. Die physischen Zustände an der Oberfläche eines solchen Welt-
körpers sind wesentlich bedingt durch die Dichte im Innern derselben, diese Dichte
aber ist das Verhältnis von Masse und Rauminhalt. Zahlreiche Messungen
sind schon von vielen Astronomen über die Planetendurchmesser angestellt
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worden, und zwar auf verschiedene Weise und mit verschiedenen Messvor-
richtungen. Selten sind aber alle Planeten von demselben Beoabachter auf die-
selbe Art gemessen worden, und gerade eine solche systematische Arbeit hatte ihre
besonderen Vorzüge. Denn das Sehen ist bei verschiedenen Menschen recht
ungleich, und die ungleichförmige Auffassung der nämlichen Gegenstände tritt
besonders auffällig, um nicht zu sagen störend, bei den feinen astronomischen
Messungen zu Tage. Misst nun.ein Astronom eine runde Lichtscheibe, also
einen Planeten zu gross oder zu klein, so wird er die nämliche Abweichung
vom richtigen Auffassen auch bei den Messungen anderer Planeten begehen.
Eine solche „systematische“ Differenz ist von geringem Belange, da sie an den
Grössen-Verhältnissen wenig ändert. Nur bei den entferntesten Planeten
werden selbst geringfügige Fehler in den scheinbaren Grössen, wie sie im Fern-
rohre gesehen werden, einen sehr schädlichen Einfluss auf die Bestimmung der
wahren Grössen ausüben. Daran wird aber nie etwas zu ändern sein, da es
in der Natur der Sache liegt, dass wir das Nähere besser erkennen als das
Entferntere.
Aus neuerer Zeit liegen nun von mehreren Beobachtern Messungsreihen
vor, die sämtliche oder doch beinahe sämtliche Planeten umfassen. Eine Zu-
sammenstellung der ermittelten Zahlen dürfte für die Leser des „Weltalls*
um so mehr von Interesse sein, da auch in den neuesten populären Werken
über Astronomie ältere Angaben beibehalten sind, die in der Regel tur jeden
einzelnen Planeten von einem anderen Autor stammen. Wir geben hier zunächst
die Messungen, die Prof. E. E. Barnard am 36 zölligen Lickrefractor angestellt
hat. Nur der Mercur wurde von ihm am 12-Zöller gemessen und zwar gelegentlich
der Vorübergänge dieses Planeten vor der Sonne in den Jahren 1891 und 1894.
Sodann hat neuestens Prof. T. J. J. See den 26-Zöller in Washington zu ähn-
lichen Messungen verwendet. Um reine, scharfe Bilder der Planetenscheiben
zu gewinnen, brachte er vor dem Ocular des Fernrohres kleine Glaszellen an,
die mit Farben verschluckenden Flüssigkeiten gefüllt sind. Gewählt wurden
solche Flüssigkeiten, welche die auch bei den besten Objektiven nie völlig
fehlenden Farbensäume um helle Scheiben — Planeten oder Sterne — auslöschen.
Die Zellen scheinen freilich etwas zu stark zu wirken; auch die äussersten
Randteile der Planetenscheiben sind anscheinend so geschwächt worden, dass
die gemessenen Durchmesser alle erheblich kleiner ausgefallen sind als bei
Barnard.
Die folgenden Zahlen beziehen sich auf die Annahmen des Erddurchmessers
am Aequator zu 12756,5 km und des Grundmasses für alle Dimensionen im
Sonnensystem, der Entfernung der Erde von der Sonne zu 149,5 Mill. km. Zur |
Vergleichung mag noch der Durchmesser des Mondes, 3477 km angeführt
werden, während jener der Sonne 1392000 km beträgt.
Durchmesser nach
Planet oder Trabant à
Barnard See
Mercur ......... . 4440 km 4 280 km
Venus......... . . 12600 - 12220 -
Mars oe wt ee ee a ea 6950 - = S
Ceres 5.4. 0 0 & 4 aw we & m4 770 - — e
Pallas... = «= & & « a u 4 490 - _ -
Juno ..........: 190 - — -
Vesta e us a wo Hw RH Hes 380 - — -
Durchmesser nach
Planet oder Trabant
Barnard See
Jupiter (Aequator) . . . . . . 145200 km 144700 km
- (Polardm.) . . » . . . 186100 - 135400 -
1. Jupitermond ...... $8950 - 2530 -
2. - Ys ce, ee A 3300 - 2350 -
3. - ër & Se. ee 20480" «3 5130 -
4. - ee A 5400 - 4640 -
Saturn (Aequator) . .. . . . 128000 - 120500 -
- (Polardm.) .... . . 112300 - 108500 -
Acuss. Ring, äuss. Dm. . . . . 278000 - 278500 -
- - inn - . . . . 242000 - 240500 -
Inner. - 4auss. - .. . . 235000 - 234500 -
- - inne - ... . 177000 - 179500 -
Florring, - - - «... . 142000 - 142000 -
Saturnmond Titan... . . 4400 - 3400 -
Uranus ........ . . 86000 - 46000 -
Neptun .. . ©.. » 68000 - 44000 -
wenn man mit den von See angegebenen Durchmessern für die Jupiter-
IA 15 e "net, wie viele von den auffallenden Sonnenstrahlen diese Gestirne
Inn, sc findet man, dass diese Weltkörper weisser als weiss sein müssten,
das hiisst ihre Oberflächen werfen mehr Sonnenstrahlen zurück, als sie auffangen.
La dics Uuticylich ist, so sieht man, dass die so berechneten Oberflächen zu klein
sein müssen. Damit ist aber auch erwiesen, dass die vonSee benutztenFlüssigkeits-
zellen die Planeten thatsächlich etwas zu klein erscheinen lassen. Ansich sind die
Messungen von See ganz gut, sie sind eben nur mit einem „systematischen“ Fehler
behaftet. Vielleicht sind die von Barnard gefundenen Zahlen im gleichen oder ähn-
lichen Verhältnis zu gross ausgefallen. Nimmt man aus beiden Reihen die Mittel, so
wird man von den wahren Werten nicht weit entfernt sein, zumal da beide Reihen
sich immer nur ganz wenig unterscheiden, abgesehen von den Trabanten des Jupiter
und des Saturn und von den zwei äussersten Planeten Uranus und Neptun.
| Sehr viele Glieder des Sonnensystems, nämlich fast alle Planetoiden und
Planetenmonde, erscheinen selbst in den besten Fernrohren nur als unmessbare
Lichtpünktchen. Ihre wahre Grösse lässt sich nur abschätzen durch Vergleichung
ihrer Helligkeit mit der von messbar grossen Planeten. Am winzigsten dürften
unter diesen „Weltkörpern* die zwei Marsmonde und die Planetoiden Agathe
und No. 452 sein; ihre Durchmesser mögen etwa 10 bis 12 km betragen.
ME A. Berberich.
Geber den Zusammenhang des Schachspiels mit den astronomischen
Anschauungen des Altertums.”)
Geönnlich nimmt man an, dass das Schachspiel, jenes geistvolle Zerstreuungs-
mittel aller Zeiten und Völker, von Indien aus seinen Weltlauf angetreten
hat. Wie allgemein bekannt, soll Sassa, Sohn des Dahir, das Schachspiel er-
funden und in seiner Muttersprache „chaturanga* benannt haben.
*) Diese kleine Darstellung beruht vornehmlich auf den trefflichen’Ausführungen K. Himly’s
im 24. und 27. Jahrgange der „Zeitschrift der deutsch. morgenländ. Gesellsch.“ Man vergleiche
fernerhin: Forbes: „History of Chess“ und das „Journal ot the North China Branch of the Royal
Asiatic Society“ Shangai. Auch die treffliche „Geschichte des Schachspiels* von A. v. d. Linde ist
für unseren Zweck sehr empfehlenswert.
er AB
s Wenn man nun auch keine sicheren Beweise dafür hat, dass ein anderes
Volk in prähistorischer Zeit eher als das indische jenes edle Spiel gepflegt hat, so
steht doch fest, dass die Chinesen und die Aegypter des 2. vorchristlichen Jahr-
tausends die Theorie des Schachspiels gekannt und mit astronomischen Vor-
gängen in Zusammenhang gebracht haben. Letztere Thatsache erscheint
genügend wichtig, um noch einige erläuternde Bemerkungen anzuknüpfen.
Nach den mythologischen Inschriften der Pyramiden — einer köstlichen, leider
immer nicht nach Gebühr geschätzten Fundgrube auch der naturwissenschaft-
lichen Kenntnisse des Pharaonenreiches — soll Thot — der „Loki“ Altägyptens,
d. h. das Prinzip des Bösen — dem Monde 5 Schalttage abgewonnen haben
„mit Hilfe des Brettspiels“. Auch nannten die altorientalischen Völker die
Schachfelder stets „Häuser“, was besser mit den astronomischen Bezeichnungen,
wie Planeten-„Häuser“ etc., übereinstimmt. Dieselbe Beziehung des Schachspiels
zu Sonne, Mond und Sternen finden wir bei den Chinesen. Auch diese setzten
die Figuren des Schachs — dort Hsiang-ci genannt — in ihrem oft wunderlichen
Laufe mit den Konstellationen der Planeten in Verbindung. Bei der Abhängigkeit
der pythagoräischen Naturphilosophie und Naturwissenschaft von den oft mehr
als rätselhaft gehaltenen Weisheitslehren der ägyptischen Priester*) darf es
uns nicht verwundern, dass wir auch auf hellenischem Boden jener eigentüm-
lichen Verquickung des Schachspiels mit der Astronomie begegnen. Nach Hyde,
„Historia Nerdiludii“ lehrten die Anhänger Platos, „dass man aus den Be-
wegungen der Schachfiguren den Planetenlauf zu erkennen vermöge.“ Und
Platon selbst — der sich mehr wie einmal rühmt, ein Pythagoräer bezgl. der
Schüler eines Pythagoräers zu sein — bezeichnet in seinem „Phädrus“ den
ägyptischen Gott Thot sowohl als „Erfinder der mathematischen Wissenschaften,
wie auch des Schachspiels“.
Allerdings müssen die absonderlichen Bewegungen der Schachfiguren wohl
auf den Gedanken führen, dass jenes Urvolk, welches zuerst das Brettspiel pflegte,
auf dem Schachbrette durch den verworrenen Lauf der Figuren gleichsam die
scheinbar so verwickelte und doch so klare Bewegung der Gestirne versinnbild-
lichen wollte.
Weiteren Forschungen muss es vorbehalten bleiben, über diesen interessanten
vermuteten Zusammenhang des Schachspiels mit astronomischen Anschauungen
mehr Gewissheit zu verschaffen. | Max Jacobi.
CEECECEEECECEEECEEEEEEECEEECEEECEEECECEECEEEECECEECEEEE EERE
Die ringférmige Sonnenfinsternis am 11. November 1901 ist in Deutschland our als
partielle Sonnenfinsternis zu sehen. Ihr Verlauf ist bereits in unserer Zeitschrift Jg. 1, S. 104 auf
einem besonderen Kärtchen abgebildet. In Berlin erreicht die Phase der Verfinsterung nur lk des
Sonnendurchmessers; doch kann hier nur der Austritt des Mondes früh um 8» 11™ M. E. Z. gesehen
werden, da die grösste Phase bereits vor Sonnenaufgang stattfindet. Der Mond wird bei 129,°5
Positionswinkel die Sonne verlassen. An diesem Morgen geht die Sonne um 7) 22m auf und da
ihre Decl. nur — 17° 18° beträgt, so wird bis um 8h 11™, dem Ende der Verfinsterung, die Sonne
*) Die Bedeutung dieser Abhängigkeit der pythagoräischen Anschauungen von Alt-Aegypten
glaubt Verfasser in seinem Artikel „Zur Geschichte der vergleichenden Kosmologie und Mythologie“
genügend hervorgehoben zu haben, welcher demnächst im „Philosophischen Jahrbuch” erscheint.
— A —
sich nur wenig über dem Horizont erheben und nur von freien Plätzen zu schen sein. Die Treptow-
Sternwarte wird bereits um 7 Uhr früh an diesem Tage geöffnet sein.
* *
x
Die Beobachtung der Leoniden in der Zeit vom 11. bis 17. November ist in diesem Jahre
durch das Fehlen des Mondlichts besonders begünstigt. Der Radiationswinkel liegt in der Nähe
des Sterns 2. Grösse y Leonis. Näheres über den November - Sternschnuppenschwarm haben wir
bereits im Jg. I, S. 27, und über das Photographieren der Sternschnuppen ebenda S. 25 mitgeteilt.
i * *
x
Die Elongationszeiten von Mimas. W. J. Hussey bemerkte, dass Mimas, der von William
Herschel am 17. September 1789 entdeckte erste innerste Mond des Saturns, seine grösste östliche
und westliche Elongation ungefähr 4,2 Stunden früher erreichte, als die in den amerikanischen Ephe-
meriden angegebene Zeit verlangte. Auf eine Anfrage bei Dr. Harshman, dem Direktor des Nautical
Almanic Office, erfuhr Hussey, dass die vorausberechneten Zeiten auf Hall's Elementen beruhten
und die Elongationszeiten, berechnet nach Hall’s Elementen, folgende Korrektionen erforderten, um
auf Struve’s Elemente reduziert zu werden: h
1900,0 .. . . — 3,68
19010 . . . . — 4,02
1902,0 . . . . — 437
1903,0 . . . . — 4,72
1904,0 . . . . — 5,06
Die Elongationszeiten des Mimas für die Jahre 1901—1903 sind in den amerikanischen Ephe-
meriden noch avf Hall's Elemente bezogen. Diejenigen für 1904 beruhen schon auf Struve’s Ele-
monton Avt Vu- `- Messungen scheint hervorzugehen, dass Struve’s Elemente die Bewegung
EE NEE rstellen, sodass vom Jahre 1904 an die vorausberechneten Elongationszeiten
a a heobachtenden nahe übereinstimmen werden.
* kd
*
PF web nouc D ppelsterne: 66 Tauri und der Hauptstern von 32339. Am 24. Februar
1900 fand W. J. Hussey ‚mit einem 12-Zöller, dass der mit blossem Auge schon sichtbare Stern
66 Tauri ein naher Doppelstern sei, der aus zwei fast gleich hellen Komponenten besteht, die beide
6. Grösse sind. Die Distanz beträgt nur 0,25 Sekunden, der Positionswinkel 23° Wegen der Gleich-
heit der beiden Komponenten bleibt der Positionswinkel um 180° unbestimmt.
Ebenso erschien der Hauptstern von 32339 im 12-Zöller nicht ganz rund. Der 36-Zöller zeigte
den Stern doppelt und mass Hussey für 1901,61 die Distanz zu 0.2 Sekunden und den Positions-
winkel zu 869% Der hellere von den beiden Sternen ist 8,0., der schwächere 8,2. Grüsse. Professor
Burnham hat die Neuheit der beiden Doppelsterne bestätigt.
car
r
C. M. Gaudibert
(geb. 1823 März 4., gest. 1901 Juni 9. in Vaison, Vaucluse).
Die Amtspflichten als Pastor der reformierten Kirche zu Vaison liessen Gaudibert noch
Zeit genug, um sich einen geschätzten Namen als Selenograph unter den Astronomen zu erwerben.
Seine zahlreichen Mondzeichnungen und Entdeckungen hat er mit einem selbstgefertigten Spiegel-
teleskop von 22 cm Oeffnung und 1,65 m Brennweite gemacht.
* *
x
F. H. Seares, bisher,Dozent der Astronomie an der Universität in Kalifornia, ist zum Professor
der Astronomie an die Universität des Staates von Missouri berufen worden. Seares hat sich in
den letzten beiden Jahren Studien halber in Berlin und Paris aufgehalten. (Publ. of the Astr. Society
of the Pacific.) * *
x
Dr. Karl Schwarzschild, bisher Privatdocent der Astronomie in München, ist als Nachfolger
von Schur zum Direktor der Sternwarte und ausserordentlichen Professor an der Universität in
Göttingen ernannt worden.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F. 93. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
i Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2.Jahrgang 4.Heft. F.S.Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1901 November 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
cinzelne Nummer 50 Pre franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitseile 40 Pfg. 1, Seite 60.—,1/, Seite 30.— 1), Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt. `
INHALT.
I Uvcber das Kartenwesen der Schweiz. Von W. Staven- 3. Kleine Mitteilungen: Die Constellation von Jupiter
hagen. Hauptmann a.D. ° œ 2 we ee 45 und Saturn. — Der neue Stern im Perseus. — Ein
2. Die Schnentafeln der griechischen Astronomen. Von Ballonaufstieg bis 10500m. . . 2 2200. 56.
Ober-Schulrat Prof. Dr. F. Hultsch . . 1. 1. 1 es 49
Geber das Kartenwesen der Schweiz.
Von W. Stavenhagen.
WW nis: Länder haben einer Aufnahme durch Messungen länger widerstanden,
als die durch erhabene Naturhindernisse ausgezeichnete Schweiz, welche
in ihrer Abgeschlossenheit und in dem Jahrhunderte langen Sonderleben der
einzelnen Gebiete kaum das Bedürfnis nach einer Karte empfand und dabei
der Darstellung oft kaum überwindliche, nicht zuletzt Mut, Kühnheit und Aus-
dauer in ungewöhnlichem Masse erfordernde Schwierigkeiten in den Weg legte.
So fällt hier eine alte und mittlere Zeit der Kartographie, wie sie sich seit den
Römertagen so klar z. B. in dem benachbarten Kulturlande Italien unterscheiden
lässt, gänzlich aus, ebenso beschränkt sich die Zeichenkunst lediglich auf die
Landkarte, da die Berührung mit der See etwas ganz unbekanntes war. Auch
kann die Verfertigung von Erdgemälden nur bei solchen Völkern wirklich
gedeihen, wo die darstellende Kunst eine höhere Ausbildung, namentlich — wie das
bei den Italienern, den Deutschen und den Niederländern der Fall war — durch
hervorragende Malerschulen erfahren hat. Alle diese Vorbedingungen fehlten
meist bei der Schweiz, die doch heute mit an der Spitze der europäischen Karto-
graphie steht. Erst als die Schweiz ein begehrtes Reiseziel wurde, als Konrad
Gessner in begeisterter Sprache die Wunder der Alpenwelt pries und an
Jacobus Avienus schrieb: „Sapientiae studiosi pergent, terrestris hujus paradisi
spectacula corpsereis animique oculis contemplari“ brach sich die Erkenntnis
Bahn, dass der erste Zweck des Reisens, die Erwerbung einer guten Orts- und
Landeskunde, wenn nicht bedingt, so doch mächtig gefördert wird durch das
Dasein und den Gebrauch geeigneter Karten des unbekannten Gebiets. Im
wissenschaftlichen Sinne lösbar wurde die schwierige Aufgabe einer wirklichen
Landesaufnahme der Schweiz natürlich erst, als eine genaue geodätische Netz-
legung die horizontalen Ausdehnungen, zahlreiche und sichere Höhenmessungen,
die Erhebungen des Landes festzustellen und in Verbindung mit feinster Aus-
bildungderZeichentheorieauszudrücken ermöglichten. Die älteren kartographischen
Darstellungen der Schweiz fallen in die Zeit der Wiedererweckung des Ptolemäus
und der Erfindung des Buch- und Plattendrucks. Es sind zunächst mehr oder
— 4 —
minder schwache Versuche, hauptsächlich Schweizer Gelehrter, oder in sehr
beschränkter Räumlichkeit noch heute einen gewissen Wert habende Teilwerke
zu rein wissenschaftlichen Zwecken. War doch die bis etwa 1750 dauernde
erste Periode des Reisens die des wissenschaftlichen Forschens und Entdeckens.
Der erste Versuch einer Landtafel der Schweiz rührt von dem Züricher Arzt
und Mathematiker Konrad Türst her, der dieselbe als Beilage zu seiner
„de situ confoederatorum descriptio“ 1495 bis 1497 erscheinen Dess Dann
aber danken wir die älteste, vom Jahre 1538 herrührende Karte der Schweiz
in vier Blättern 1:400000 dem berühmten Glarner Historiker Aegidius Tschudi
(1502 bis 1572), der sich als begeisterter Wanderer für die topographischen
Verhältnisse seines Vaterlandes lebhaft interessierte. Dieses treffliche Werk,
von dem 1560 eine grosse Auflage erschien*), zeigt bereits eine bessere Kenntnis
der (in Tannenzapfenmanier dargestellten) Gebirge und der Thäler des Wallis,
Tessin’s und Bünden’s als selbst die Karten der ersten Zeit des 19. Jahrhunderts.
Die Orientierung ist noch wie damals überhaupt, namentlich bei den Erdbildern
der Araber und der italienischen Kompas-Karten, üblich nach Süden, als der
astronomisch vornehmeren Gegend. Erst die Zeit der Globenanfertigung brachte
auch in dieser Beziehung in der Schweiz eine Aenderung, besonders als Henricus
Glareanus aus Freiburg in seinem „de Geografia Liber unus“ (Basileae 1527) die
erste Anleitung zur Zeichnung der Kugelstreifen, mit denen ein Globus überzogen
wird, gegeben und damit dieser Kunst die Wege geebnet. Auf Tschudi's
Arbeiten stützt sich hinsichtlich der Schweiz dann der Baseler Professor und
Kosmograph Sebastian Münster (ein geborener Ingelheimer), welcher 1544 in
seiner ,Cosmographia, Beschreibung aller Länder, Herrschaften und fürnembsten
Stellen des ganzen Erdbodens*, durch seine allgemeinen und speziellen Karten,
Stadtansichten aus der Vogelschau, Abbildungen naturhistorischer Gegenstände
und seinen geschichtlich-geographischen (anthropogeographischen) Text ein für das
gesamte deutsche Kartenwesen überhaupt epochemachendes Werk schuf. Freilich
konnte er, obwohl er manche Gebiete der Schweiz, wie das Hauptthal des Wallis
sowie den Gotthardt, in eigener Anschauung kennen gelernt, ihr nur einen sehr
bescheidenen Raum in seinem aus 26 Karten bestehenden Werk gönnen. Die
Zeichnung ist noch recht kindlich. Das Land ist mit dreieckigen Bergen bedeckt,
zwischen denen Waldgebüsche stehen und Ströme sich hindurchwinden. Auf
den Alpen stehen Gemsen und Bären so gross wie ganze Dörfer und Städte.
Allein manches ist doch ganz richtig aufgefasst, so z. B. die Lage und das
Grössenverhältnis des Thuner zum Brienzer See**). Von dieser Cosmographia
erschienen 1550 die erste lateinische, 1552 eine französische und 1558 eine
italienische Ausgabe. Auch der bei Christoph Froschower gedruckten „Gemeiner
löblicher Eidgenossenschaft Stetten, Lande und Völker chronikwirdiger Thaaten-
Beschreibung“ des biederen Stammheimer Pfarrers Johannes Stumpf, der sogen.
„Sschwyzer Chronik von 1546“ sei hier gedacht, weil sie eine Uebersichtskarte
und die ersten acht Spezialkarten der Schweiz schmücken, die freilich ebenfalls
sich auf Tschudi’s Werk gründen. Sie wurde 1587 und 1606 neu aufgelegt.
Bedeutender, ja ein Meisterwerk der Zeit, ist die Züricher Kantonkarte, welche
der Mathematiker und Glasmaler Hans Konrad Gyger 1657 herausgab***). Als
*) Ein Exemplar ist in der Baseler Universitäts-Bibliothek vorhanden. Eine photolithogra-
phische Kopie ist bei Hofer & Burger in Zürich erschienen.
**) Die 1. lateinische Ausgabe erschien 1550, eine französische 1552, eine italienische 1558.
***) Facsimile-Wiedergabe von Hofer & Burger, Zürich 1891.
AT eo
dann durch Merkators Reform der Kartographie die auf wirkliche Vermessungen
sich gründende Spezialkarte immer häufiger wurde, erstand auch der Schweiz
in den „Novae Helvetiae Tabula geographia“* des ausgezeichneten Züricher Natur-
forschers Joh. Jacob Scheuchzer (1672 bis 1733) eine Darstellung, die ein halbes
Jahrhundert weitaus die gesuchteste blieb. Diese 4 Blatt in 1:375000, welche
Huber und Schalch gestochen haben, waren die Frucht von neun Alpenreisen
dieses in glühender Begeisterung für seine Wissenschaft lebenden Mannes, der
„an dergleichen wilden und einsamen Orten grössere Belustigung und mehr
Eifer zur Aufmerkung spürte, als bei den Füssen des grossen Aristoteles, Epicur
und Cartesius“. Sie sind 1712 entstanden, 1723 dem noch heute lesenswerten,
grundgelehrten vierbändigen Werk dieses zweiten Gessner „Itinera alpines“
beigelegt und 1765 in neuer Auflage erschienen. Sie machten dann immer
mehr dem 1770 veröffentlichten „Atlas novus Reipublicae Helvetiae XX mappis
-= compositus, sumptibus Hommanianis Heridibus Norimbergae“ (von 1769) des
kartographisch fruchtbaren, wenn auch nicht sehr gründlichen Pfarrers Gabriel
Walser Platz, der bereits 1753 eine Karte von den Kantonen Luzern, Uri, Schwyz
und Unterwalden hatte erscheinen lassen. Erwähnung verdient auch das älteste
Alpenpanorama, das wir kennen, der von Micheli du Crest im Aarburger Ge-
fängnis entworfene „Prospect géométrique des montagnes neigées, dites Gletscher,
depuis le château d’Aarbourg“. Diese von T. C. Lotter 1755 gestochenen
Projektionen auf vertikaler Zeichenfläche, sowie die in drei Dimensionen aus-
geführten reliefartigen Abbildungen der Alpenwelt ergänzen gut die topogra-
phische Karte. Letzteres gilt auch von der ersten Reliefkarte der Mittelschweiz,
die der Schweizer General F. L. Pfyffer 1785 vollendete.
Immerhin stehen alle genanntenLeistungen doch noch auf einembescheidenen
Standpunkt der Gerippzeichenkunst, sind ohne das erläuternde Bei- und Zier-
werk von Malerei und Federzeichnung, sowie den beschreibenden Text in vielen
Teilen schwer oder kaum verständlich und in folge Mangels einer politischen
Grundlage von keinem erheblichen wissenschaftlichen Wert. Das wurde natürlich
auch in der Schweiz mit dem durch Cassini eingeleiteten Zeitalter der geodä-
tischen und topographischen Aufnahmen anders. Nachdem schon in der Mitte
des 18. Jahrhunderts der Genfer J. B. Micheli trigonometrische Messungen gemacht,
auch von Tralles und Fehr, Treschel, Huber, Osterwald, Peyer, Walkers und
Michaelis Triangulierungen in einzelnen Kantonen vorgenommen waren, ist der
1786 bis 1802 entstandene „Atlas Suisse“ in 16 Kupferblättern 1:115200 von
J. H. Weiss und Joh. Eugen Müller in Aarau, der der Hochherzigkeit des Aarauer
Senators Meyer zu verdanken ist, das erste wissenschaftliche, d. h. sich auf
genaue Messungen und Erkundigungen aufbauende Schweizer Kartenwerk
und vor dem Dufour-Atlas auch das beste topographische. Es wurde trotz
mancher Fehler im Gerippe, übertriebener Anwendung der schrägen (seitlichen)
Beleuchtung und der Armut in den topographischen Einzelheiten bahnbrechend.
Neben ihm müssen wir auch noch einer Reihe von recht guten und gerade für
die Kenntnis des Schweizer Landes wichtigen „Reisekarten“ gedenken, so
zunächst der von Haas in Basel 1785, dann der von H. Keller 1813, die 1830
eine grössere Ausgabe 1:450000 auf einem Blatt mit 14 Plänen und 3 Seiten
Erläuterungen, bis 1870 noch mehrere Auflagen erlebte und eine zeitlang ähnlich
wie einst (1793) des Preussen, später Züricher Ehrenbürgers J. G. Ebel durch
gediegene und geistvolle Stoffbehandlung berühmte „Anleitung, die Schweiz zu
bereisen“ als Reiseführer (ebenso als Wandkarte) ein wahres Monopol behauptete.
— 48 —
bis sie die Bollmann’sche und andere Karten verdrängten. Die Keller sche Karte
ist von vorzüglicher Klarheit und Uebersichtlichkeit und dadurch ein Muster für
ähnliche Unternehmungen, wenn auch das orographische Bild zu wünschen
übrig lässt. Schon an der Schwelle der Neuzeit und sie hoffnungsvoll einleitend
steht dann die ausgezeichnete, trefflich gestochene „Post-, Eisenbahn- und
Dampfschiffkarte der Schweiz“ auf 1 Blatt mit 5 Stadtplänen von 1856, weil bei
ihr die Gebirgsdarstellung schon eine sehr gelungene ist. Das Gleiche gilt von
dem zu Freiburg i. Br. erschienenen Wörl’schen Atlas (von Sidwest-Deuschland),
der Schweiz (und Tirol) 1:200 000, dem des gleichen Verfassers Atlas von Central-
europa 1:500 000 von 1830 folgte, weniger, weil zwar sehr kunstvoll gestochen,
aber überladen und unübersichtlich, von der auf 1 Blatt in 1:400000 zu Paris
erschienenen „Carte topographique et routière de la Suisse et des contrées
limitrophes, dressée et dessinée par J. F. d’Osterwald*“ 1851. Ganz zu der durch
vollendete Höhendarstellung und sehr fortgeschrittene Technik in der Wiedergabe
der Karten charakterisierten Neuzeit der Kartographie gehört dann die beste
Generalkarte ihrer Zeit, die in 4 Blättern 1:380000 mit Erläuterungen und
einem Höhenregister von Jac. Melchior Ziegler (geb. 1801, + 1883), dem verdienten
Gründer der lithographischen Anstalt Wurster & Co. in Winterthur 1852 veröffent-
licht wurde. Diese hypsometrische Karte“) beruht auf dem besten topographischen
Material, zeichnet sich durch charaktervolle, ja kühne Gebirgsdarstellung und
geniale Beherrschung des Stoffs aus und ist so recht zum praktischen Gebrauch
geeignet. Sie bildet auch die Grundlage der meisterhaften geologischen Karte
von Studer und Escher von der Linth, die 1853 begonnen wurde. Hervorragend,
schon weil zum ersten Male das gesamte Alpenland in einheitlichem Massstabe zur
Darstellung gelangt, ist ferner der „Atlas der Alpenländer* 1:450000 von
J. G. Mayr. Von den 9 Blatt dieses 1858 bei Justus Perthes erschienenen
Werks, das sich durch gute Gruppierung des reichen Stoffs, durch plastische und
harmonische Ausführung auszeichnet, gehören die beiden ersten Hauptblätter
der Schweiz an. Endlich sei — ehe wir von dieser ausschliesslich der Privat-
kartographie gehörigen älteren Zeit des Schweizer Kartenwesens scheiden —
noch der Karte des Kantons Zürich in 32 Blatt 1:28000 ehrenvoll gedacht,
welche Joh. Wild 1865 veröffentlicht hat, weil sie der Vorläufer der offiziellen
Messtischblätter geworden und zum ersten Mal als Originalaufnahme praktisch
in aller geometrischen Richtigkeit das Gelände in Niveaulinien darstellt, damit
den Bedürfnissen sowohl des Soldaten wie des Technikers Rechnung trägt.
Die eigentliche Neuzeit ist für die Schweiz nun dadurch besonders gekenn-
zeichnet, dass in ihr die offizielle Kartographie geboren wurde. Schon mit Beginn
des 19. Jahrhunderts wandten einzelne kanton Regierungen ihre Aufmerksamkeit
der Herstellung auf trigonometrischen Vorarbeiten gegründeter Karten zu. In
Neuenburg, Bern, Basel u. s. w. entstanden nach den verschiedensten Gesichts-
punkten und Grundsätzen hergestellte Blätter, die mit ihren mannigfaltigen
Darstellungsweisen für die kartographische Wissenschaft wie durch ihren Stoff-
reichtum auch für die Kenntnis einzelner Teile der Schweiz sehr wichtig, wenn
auch von ungleichem Wert sind. Sie waren teils in Kupfer, teils in Stein
gestochen, schwarz oder farbig, mit oder ohne Höhenschichtlinien, manche in
zweierlei Ausgaben. Eine der vollendetsten war die äusserst naturwahre Karte
von St. Gallen und Appenzell auf 16 Blatt, welche der schon erwähnte verdiente
*) Die erste wirkliche Höhenkurvenkarte ist bekanntlich 1771 von dem Genfer Ducarla der
französischen Academie vorgelegt worden und stellte eine imaginäre Insel dar.
PER CG GE
Geograph Jacob Melchior Ziegler bearbeitet und die förmlich Schule in der
Schweizer Kartographie gemacht hat. Dieser besonders durch Pestalozzi's Be-
strebungen, die Lehre durch die Anschauung zu unterstützen, und durch seinen
kartographischen Lehrer G. H. Dufour beeinflusste Mann hatte sich durch jahre-
lange Studien eine genaue Kenntnis jener Gebiete erworben und wurde durch
hervorragende Geologen, wie Arnold Escher v. d. Linth, ferner Leopold v. Buch,
durch Gelehrte und Geographen, wie A. v. Humboldt, Karl Ritter u. A., beratend
unterstützt. Durch mehrere Schriften giebt er über die Geschichte seines
Werks und die dabei befolgten Gesichtspunkte interessanten Aufschluss*). Aber
erst das Eingreifen der eidgenössischen Tagsatzung, welche 1832 der
Militärbehörde die Herstellung einer topographischen Spezialkarte der
ganzen Schweiz übertrug, verschaffte dem Schweizer Kartenwesen die wirklich
moderne wissenschaftliche Grundlage. Unter Oberleitung des General-Quartier-
meisters, des damaligen Obersten, späteren Genie-Generals Guillaume Henri
Dufour**), eines um die Schweiz wie um die Kartographie hochverdienten Mannes,
begann die Vermessung des Landes. Vom 22. September bis 10. November 1834
wurde bei Walperswyl (Aarberg) zunächst eine 40189 Fuss lange Basis, ebenso
bei Zürich (Silberg) eine 3360 m lange mit dem Apparat Oeri durch Horner und
Pestalozzi gemessen. Daran schlossen sich 1834 bis 1838 die Legung des Drei-
ecksnetzes erster Ordnung und der sekundären Triangulierungen und Einzel-
aufnahmen mit solchem Eifer, dass bereits 1842 die ersten Blätter der Karte
erscheinen und sie 1863 vollendet werden konnte. (Fortsetzung folgt.)
WE
Die Sehnentafeln der Sriechischen Astronomen.
Von F. Hultsch.
m I. Buche seiner Syntaxis (Almagest) giebt Ptolemaeus bekanntlich eine Ueber-
sicht der „Geraden im Kreise“, d. i. der Sehnen***). In der ersten Rubrik
dieser Tafeln werden die Winkel von 0°30’ an, je um einen halben Grad bis
180° aufsteigend, angeführt. Dann folgen die Verhältnisse jeder zugehörigen
Sehne zum Diameter, ausgerechnet nach Einhundertzwanzigsteln desselben und
den ersten und zweiten Sechzigsteln der Einhundertzwanzigstel. Die erstge-
nannten Teile des Diameters bezeichnet Ptolemaeus (p. 47,7 Heiberg) als ruruure,
Abschnitte. Wir werden die Zahlenbeträge dieser Abschnitte als so und soviele
Ganze verzeichnen und davon die ersten und zweiten Sechzigstel durch Beifü-
gung der römischen Ziffern I und I unterscheiden. Das Fehlen des Zahlenbe-
*) Er hat auch eine Abhandlung „Ueber topographische Karten in grossem Massstabe“
1862 in Zürich erscheinen lassen (mit 4 Karten.
**) Geboren 17. September 1787 zu Constanz, verdankte er seine militärwissenschaftliche
Bildung Frankreich. Er wurde nach kurzen medizinischen Studien in Genf, auf der polytechnischen
Schule zu Paris und auf der Applikationsschule zu Metz als Genie-Offizier ausgebildet. Als solcher
leistete er Napoleon seine Dienste, bis er 1817 in sein Vaterland zurückkehrte. Besonders befreundet
war er mit seinem Schüler Napoleon III.
***) Claudii Ptolemaei opera ed. Heiberg I p.48—63. Vgl. Ideler, Ucber die Trigonometrie
der Alten in Zach's Monatl. Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde, Bd. XXVI
(1812) S. 3 ff. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik I? S. 388 ff. Zeuthen, Gesch. der
Mathem. S 230 f.
~
- qa om
we
zët ri eee ee eee vs
—,— a
— 50 —
trages in einer Columne der Ganzen oder der Sechzigstel wird durch 0, ähnlich
wie bei Ptolemaeus durch O, kenntlich gemacht werden. In der dritten Rubrik
der griechischen Tafeln sind die Beträge, um welche die Sehne für jede Minute
des Winkels anwächst, ebenfalls in sexagesimalen Teilen, verzeichnet. Da jeder
dieser Beträge gleich !/,, des Zuwachses für einen halben Grad sein soll, so
könnte man erwarten, dass die hier überlieferten Zahlen ihre volle Bestätigung
finden müssten, wenn man die aus der zweiten Rubrik ermittelte Differenz durch
30 dividirt, und dass umgekehrt, wenn es sich um die Kontrolle einer Zahl in
der zweiten Rubrik handelt, der 30fache Betrag der dritten Rubrik die richtige
Lesart der Zahlen der zweiten Rubrik an die Hand geben würde Dennoch
finden sich vielfach kleine Abweichungen, aus denen hervorgeht, dass die Ab-
rundungen der zweiten Sechzigstel in der zweiten Rubrik und die der dritten
Sechzigstel in der dritten Rubrik nicht überall genau festgestellt worden sind.
Die Berechnung der Sehnen nach ihren Verhältnissen zu dem = 1 gesetz-
ten Diameter ist auf Hipparch zurückzuführen. Ich habe für diese hipparchische
Winkelfunction, welche nichts anderes als den Sinus des halben Winkels be-
deutet, die Bezeichnung are. vorgeschlagen*). Nach der Ueberlieferung bei
Ptolemaeus (I p. 54,9 £.) sind
chord.
=, 703% I 36H
diam. 71°30 70 61 36
- 72° = 70321 Al:
mithin ergiebt sich von 71!/,° bis 72° ein Zuwachs von 0 25! 28II und für jede
Minute ein Mehr von 0 OI 50H 56M, Allein die handschriftliche Ueberlieferung
bietet O O » ve, d. i. 1 drittes Sechzigstel weniger, als aus den Beträgen der
zweiten Rubrik zu berechnen war. Daraus folgt, dass in der zweiten Rubrik in
der Columne der zweiten Sechzigstel entweder die Zahl 36 um 1 zu erhöhen
oder die Zahl 4 um 1 zu vermindern sein würde.
Die Bestätigung dieser Alternative und zugleich die richtige Entscheidung
entnehmen wir aus einer anderen Stelle des Ptolemaeus. Unter den Beweis-
führungen, welche Ptolemaeus den Sehnentafeln vorausschickt, findet sich (p. 34 f.)
der Nachweis, dass das Quadrat der Sehne zum Winkel von 72° = 4975 4! 151
zu setzen ist. Daraus wird die Wurzel gezogen und die Schne mit richtiger
Annäherung auf 70 32! 3I berechnet. Dieser Wert ist nur um 3 dritte Sech-
zigstel zu klein, weicht also vom wirklichen Werte weit weniger ab als der ın
den Sehnentafeln (p. 54,10) verzeichnete Betrag von 70 321 41, der um nahezu
57 dritte Sechzigstel zu hoch ist. Ferner erhalten wir nun von der Sehne zu
71'/,° bis zur Sehne zu 72° den Zuwachs von 0 OI SOU 541, was ebenfalls richtiger
ist als die in den Sehnentafeln verzeichneten 0 OI OI ll Ware nun der
Berechner des richtigeren, in der Einleitung zu den Schnentafeln überlieferten
*) Winkelmessungen durch die hipparchische Dioptra, Abhandl. zur Gesch. der Mathematik
IX (1899) S. 199 f. (bei Anm. 16 hat sich in den Druck der Fehler ne statt sin. 5 eingeschlichen).
We
Die Neueren pflegen die Sehne eines Winkels nach ihrem Verhältnis zu dem = 1 gesetzten Radius
auszudrücken (Ideler a.a O. S. 22. Tannery Hist. de lastronomie S. 62.1) Doch ist in Vega’s loga-
rithmisch-trigonometrischen Tafeln herausg. von Hülsse. Leipzig 1849. S. 351 ff. die Berechnung der
Sehnen auf den Radius = 5640, mithin auf den Diameter = 1660 gestellt. Setzen wir statt dessen
den Diameter = 1 und ordnen die_Vega’schen Zahlen als entsprechende dezimale Teile ein (z. B.
Schne zu 12° = 0.104528). so erhalten wir, abgeschen von einigen kleinen Abweichungen an sechster
Stelle, die dezimalen Umrechnungen der in den griechischen Tafeln überlieferten Werte.
= ZE e
Wertes Ptolemaeus selbst gewesen, so würde es unerklärlich sein, dass er bald
darauf in den Sehnentafeln selbst zwei falsche Werte eingefügt hätte; es ist
also anzunehmen, dass er beide Stellen aus älteren Schriftwerken entlehnt hat.
Aus der einen Quelle, die er in der Einleitung zu den Sehnentafeln benutzte,
hat er den richtig angenäherten Wurzelwert 70 32! 3U mit herübergenommen,
aus der anderen, relativ jüngeren Quelle hat er das grosse Verzeichnis der Sehnen,
mit allen den kleinen Fehlern, die in dieses sich eingeschlichen hatten, seiner
Syntaxis einverleibt. Denn an eine Verbesserung zu 54, 10 des Textes der
Sehnentafeln ist nicht zu denken, da Ptolemaeus selbst später (p. 122, 4. 10) die
unrichtige Annäherung 70 32! A wiederholt.
Wir vergleichen nun die im griechischen Texte überlieferten Werte mit den
genaueren Ausrechnungen der Neuzeit. Nach der von Ptolemäus p. 35, 1. 3
benutzten Quelle ist
chord. 70 32 3
= si =
diam. 2° = 490 * 120.60 + 120.602 ~ PBTTBat,
ferner nach den Sehnentafeln p. 54, 10
ST p en Sg 77870,
120 ` 120.60 `" 120.60?
endlich nach den neueren Ausrechnungen
sin. 86°. 2 2 2020202... = 0,5877853.
Demnach ist der aus einer älteren Quelle p. 35, 1. 3 wiederholte Betrag nur um
0,0000006 zu klein, während in den Sehnentafeln ein um 0,0000017 zu grosser
Wert verzeichnet ist. Ja, wenn wir die Ausrechnungen mit der sechsten Stelle
hinter dem Komma abschliessen, so stimmt der erstere Wert mit dem bis zu
dieser Stelle angenäherten wirklichen Werte überein, während der andere, in
den Sehnentafeln verzeichnete Wert um 0,000002 zu gross erscheint.
Hiernach wird auch die p. 48, 6 überlieferte Ausrechnung von
chord. 2 5 40 _
dam, FeR 20007 12000
zu beurteilen sein. Dieser Wert ist, verglichen mit sin. 1° = 0,017452 nahezu
um 0,000002 zu gross. Setzen wir jedoch statt u = 40 die Zahl 43 = 39 ein,
so erhalten wir mit eo 2° = 0,017451 einen Betrag, der gegen sin. 1° nur
um 0,000001 zu klein ist. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass auch an
dieser Stelle der Sehnentafel ein ähnlicher Fehler, wie er vor kurzem aufgedeckt
wurde, sich eingeschlichen hat, und weiter dürfen wir annehmen, dass der
besser angenäherte Wert 49 bei demselben Autor zu finden gewesen ist, der
hord. ENEE
diam: 72° richtig bestimmt hatte. Aus welchem Grunde dann in die Sehnentafel
statt 49 ein u kam, ist leicht ersichtlich. Vom Anfang der Tafeln bis zur Sehne
zu 2° 30° war der Zuwachs auf je einen halben Grad, wenn man die richtigen
Annäherungen erreichen wollte, dreimal zu 0 311 25ll = 0,004363 und einmal
zu 0 31I 2411 = 0,004361 anzusetzen und zwar musste an erster und zweiter
Stelle ein Zuwachs von je 0 311 25ll, an dritter Stelle ein solcher von 0 311 2411,
endlich an vierter Stelle wieder ein Mehr von 0 311 25I gerechnet werden.
Nahm man es dagegen mit den Annäherungen wehiger genau und achtete mehr
— 5 —
auf eine gewisse Symmetrie der Tafeln, so konnte man dreimal hinter einander
O 311 25 und erst an vierter Stelle 0 311 241! berechnen. Diese Anordnung hat
der Autor, von dem Ptolemäus die Sehnentafeln entlehnte, bevorzugt wie er auch
das Streben nach möglichster Symmetrie dadurch bekundet hat, dass er in der
dritten Rubrik den Zuwachs für je 1 Minute zuerst viermal hinter einander auf
OU 21 50M, dann dreimal auf O 11 211 48lll, und hierauf zweimal auf O 1! QU 47111
angesetzt hat.
Für die Sehne zu 9° sind bei Heiberg p. 48,20 9 xð va = 9 24I DU verzeichnet.
Damit stimmt aber nicht die in derselben Zeile fiir 1 Minute angesetzte Differenz
O 11 211 38I; denn wenn wir diese, um die Differenz für den halben Grad zu
gewinnen, 30 mal nehmen und das Product = 0 311 19I! von Shere: 9° 30‘=9 561 131
abziehen, so erhalten wir fir GE 9° den Wert 9 241 54I oder in griechischen
Zahlzeichen 9 xd vd, und so steht in der That in der von Heiberg mit D be-
zeichneten Handschrift (cod. Vatic. Gr. 180) wie auch in der Baseler Ausgabe
v J. 1538 und in dem Texte von Halma. Der neueste Herausgeber des Almagest
hat sich das grosse Verdienst erworben, den Text nach der besten Ueberlieferung
herzustellen; allein er bemerkt am Ende der Vorrede zum I. Bande ausdrücklich:
horum codicum ope verba Ptolemaei talia restitui posse confido, qualia a viris
doctis Alexandriae anno circiter 500 legerentur. Indes hat sich nach Citaten bei
Pappus und Theon, mit denen die Handschrift D vielfach übereinstimmt, heraus-
gestellt, dass die gegen Ende des 5. Jahrhunderts in Alexandria verbreiteten
Ausgaben des Almagest eine jüngere Ueberarbeitung des ptolemäischen Textes
dargestellt haben, in welcher der ursprüngliche und richtige Text zum Teil
recht auffällig abgeändert war. So hat auch an der erwähnten Stelle der Sehnen-
tafeln im echten Texte »d gestanden. Auch die Vergleichung mit den neueren
Ausrechnungen bestätigt dies. Der soeben bei Ptolemaeus wiederhergestellte
Betrag 3 xd vd, d. i. E + ioe o + aeto = 0,0784583 ist, verglichen mit
sin. 4° 30° = 0,0784591, um weniger als 0,000001 zu klein, während die Lesart
3 xd va auf den Betrag 0,0784514 führen würde. Das wären nahezu 0,000008
zu wenig; ein so grosser Fehler aber würde das zulässige Mass der Abweichungen
weit überschreiten. Denn die in den griechischen Tafeln verzeichneten oder
von uns im Vorhergehenden wiederhergestellten Werte weichen in der Regel
‚nur um 0,000001 von den entsprechenden Sinuszahlen ab, und zwar ist der
Fehler meistens kleiner als 0,000001, oder es findet auch volle Uebereinstimmung
bis zur siebenten Stelle statt. Ausnahmsweise habe ich bei
chord. _ 18 46 19
i O 150 * 30.00 | 120.602
= 0,1564329,
im Vergleich mit sin. 9° = 0,1564345, ein Zuviel von nahezu 0,0000016 gefunden.
hord.
Immerhin ist es möglich, dass auch hier, wie oben zu en — 72°, in einer älteren
Quelle der richtigere Betrag om us x = 0,1564352 E hat. Denn nach
der überlieferten Lesart erhalten wir von 18° bis 18'/,° einen Zuwachs von
0 311 2H und berechnen daraus als Differenz für 1 Minute O 11 20 4M, Im
— 53 —
griechischen Texte aber sind O 11 20 2Ill verzeichnet und dies stimmt nur mit
der verbesserten Lesart x, nicht mit al,
Um die richtigen Abrundungen sowohl für die Schnen als auch für die
Minutendifferenzen zu finden, musste unter Umständen die Sehne bis zu den
dritten Sechzigsteln ausgerechnet werden. Die Tafeln bei Ptolemaeus weisen
chord.
diam.
1 Minute die Differenz 0 1! 11! A0 ergeben; allein im griechischen Texte sind
nur OU 1H 3911 verzeichnet. Dieser Widerspruch erledigt sich sofort, wenn
wir die erwähnten Sehnen nach den neueren Ausrechnungen bis zu den dritten
Sechzigsteln bestimmen, nämlich
chord. obo L 0,1908090 = 22 531 4911 29I
diam
- 221/,0 = 0,1950903 = 23 241 3911 OMI,
Danach berechnen sich als Zuwachs für den halben Grad O 30! 49 311 und
als Differenz für 1 Minute O 11 ıll 839I, Diese Differenz ist bei Ptolemaeus
p. 49, 46 richtig überliefert, während der von uns bis zu den dritten Sechzigsteln
ausgerechnete Betrag der Sehne zu 22° nur in der abgekürzten Form 22 531 49H
zur Erscheinung kommen konnte. Aber vor Feststellung der ptolemäischen Tafeln
muss einst dieselbe genauere Ausrechnung erfolgt sein, die wir soeben nach-
gewiesen haben.
In der That ist bei Ptolemaeus das Kapitel „über die Grösse der Geraden
im Kreise“ (I p. 31—47) lediglich eine zusammenfassende Darstellung der Haupt-
ergebnisse aus zwei umfänglichen Werken des Hipparch und Menelaos. Ersterer
hatte die mouyuarela tw» Er Säi etFevor in nicht weniger als 12 Büchern behandelt;
der letztere konnte, indem er auf Hipparch fusste, diese Disciplin schon in eine
viel kürzere Form bringen, denn er hat darüber nur halb so viele Bücher wie sein
Vorgänger verfasst”*). Zu einem grossen Teile mögen beide Werke über die
verschiedenen Anwendungen der Schnentheorie auf astronomischem Gebiete
gehandelt haben, aber ein nicht allzu kleiner Raum ist gewiss den grundlegen-
den Sätzen und der Berechnung der Sehnen gewidmet gewesen. Ohne Zweifel
hat dieser Teil des Werkes des Menelaos mit einer ähnlichen Sehnentafel wie
bei Ptolemaeus abgeschlossen, und dass eine solche auch schon in der Prag-
mateia des Hipparch sich vorgefunden habe, darf als wahrscheinlich gelten.
Ptolemaeus brauchte die Sehnen nicht neu zu berechnen, sondern nur die Sehnen-
tafel des Menelaos zu wiederholen, und auch die vorher erwähnte Zusammen-
fassung der grundlegenden Sätze war durch die im Vergleich mit Hipparch
kürzere Darstellung des Menelaos vorbereitet worden. Die Blütezeit des letzteren
22° bis 22'/,° einen Zuwachs von 0 30! 50l! nach. Dies würde für
fallt etwa ein halbes Jahrhundert vor Ptolemacus und weiter sind 214 Jahr-
hunderte zurück bis Hipparch zu rechnen. In diesem langen Zeitraume hatten
sich in die von Menelaos redigiernte Sehnentafeln, wie auch später noch in
*) Da O 11 21 Qt x 30 = 0 31! UI ist, so ziehen wir dies von dem richtig überlieferten Wert
chord. , hord.
für | nn 180 30° = 19 17! 2111 ab und erhalten mit 18 461 2011 die für “ nn 18° vorausgesetzte An-
diam. diam. >
näherung.
**) Theon zu Ptolem. Almagest I p. 110 Halma, wo statt ¿te tè, wie in der Baseler Ausg.
und bei Halma steht, ëre dè zu verbessern ist. Nach dem Vorgange Hipparchs bezeichnet auch
Ptolemaeus p. 46. 21 das ganze Verfahren zur Berechnung der Sehnen als 7oayuare(a ıwr ev Toi
Sr Sim Every.
a En
deren Abschriften bis zur Zeit des Ptolemaeus, teils durch das Versehen der
Abschreiber*), teils durch das Streben, in den aufsteigenden Reihen der Sehnen-
functionen oder in den absteigenden Werten der Minutendifferenzen eine gewisse
Symmetrie herzustellen, einige Fehler eingeschlichen. Nachweisen konnten wir
noch die in der Sehnentafel des Ptolemaeus beim Winkel von 72° überlieferte
Abweichung. Die richtige, an anderer Stelle durch einen glücklichen Zufall uns
erhaltene Ausrechnung rührt nach aller Wahrscheinlichkeit von Hipparch her,
unter dessen vorbereitenden Sätzen die Bestimmung der Sehne zum Winkel von
72° nicht gefehlt haben kann. Auch andere Ausrechnungen sind bei Hipparch wohl
von den kleinen Fehlern frei gewesen, die wir jetzt in der Sehnentafel vorfinden.
Die Beträge der Sehne zu 0°30’ bis etwa 0°34‘ und die Differenzen für je eine
Secunde haben ihm bei dem Gebrauche seiner Dioptra vorgelegen**); ausser-
dem muss er in seinen verschiedenen astronomischen Werken oft genug Anlass
gefunden haben, von einem Winkel auf seine Sehne oder umgekehrt von der
Sehne auf den Winkel zu kommen, und dazu bedurfte es fertig ausgearbeiteter
*) Dass bisweilen Schreibfehler bei den Zahlen der Sehnentafeln untergelaufeu sind, deutet
Ptolem. Ip. 47, 14—16 an.
**) Vgl. Winkelmessungen durch die hipparchische Dioptra a. a. O. S. 204 ff. Aus den von
mir zugänglich gemachten handschriftlichen Quellen liess sich nachweisen, dass Ptolemaeus erstens
dem Verfahren des Hipparch bei den Messungen kleinster Winkel nicht die gebührende Beachtung
geschenkt (ebd. S. 206 f.) und zweitens die Entdeckungen seines Vorgängers über die Grösse und
Entfernung der Sonne mit Unrecht bei Seite gelassen hat (vgl. „Hipparchos über die Grösse und
Entfernung der Sonne“, Berichte der philol.-histor. Klasse der Leipziger Gesellsch. der Wissensch.
1960 S. 193 ff.). Nach diesen und anderen langjährigen Beobachtungen war ich in dem kurzen Auf-
satze, der einen Abschnitt aus der Geschichte der alten Astronomie in allgemein verständlicher Form
behandelte (Jahrg. 1 S. 201 ff , 218 ff. dieser Zeitschrift) zu einem wenig günstigen Urteile über die wissen-
schaftliche Thätigkeit des Ptolemaeus, das zugleich auf seine Astrologie (Tetrabiblos), seine Geo-
graphie und andere Schriften gemünzt war, geführt worden. Im Hinblick auf die Entgegnung des
Herrn Prof. Foerster im Jahrg. 2 S. 16 ff. dieser Zeitschrift will ich vorläufig nur bemerken, dass
ich es nicht versäumt hatte, als selbständiges Verdienst. des Ptolemaeus „eine Reihe von Mond- und
Planetenbeobachtungen“ anzuerkennen (vgl. meinen Artikel „Astronomie“ in Pauly-Wissowas Real-
encyclop. II Sp. 1848, 41—56). Wenn nach S. 17 der erwähnten Entgegnung diesem Teile der Thätig-
keit des Ptolemaeus eine höhere Bedeutung zukommt, als es mir bei der Abfassung jenes populären
Aufsatzes schien, so soll mir das ein Wink sein, auch fernerhin der Unterscheidung der Partien des
Almagest, die von Ptolemaeus selbst herrühren, von denjenigen Abschnitten, die aus den Werken
älterer Autoren entlchnt sind, durch Erschliessung der handschriftlichen Quellen nachzuspüren.
Ueber den Sternkatalog des Ptolemaeus ist bald nach meinem Aufsatze und völlig unabhängig von
diesem eine gründliche Untersuchung des Herrn A. A. Björnbo in der Bibliotheca mathem. herausg.
von Eneström 1901 S. 196 ff. erschienen. Aus der Vergleichung verschiedener Längenbestimmungen aus
den Zeiten von Timocharis bis Al-Battani (S. 206 f.) kommt der Verfasser S. 210 zu dem Schluss, dass
den Ptolemacus ein ernster Tadel treffe, da die Fehler, die bei den Vorgängern vorkommen, immer
wieder bei ihm sich finden, nur wegen der Annahme einer falschen Präcession mehr oder weniger
vermehrt. „Kommt nun hierzu“, so heisst es weiter, „der für Ptolemaios’ Zuverlässigkeit sehr be-
denkliche Umstand, dass er bei dem Hauptbeispiel seiner Präcessionsberechnung (Regulus) eine
zwischen den zwei dabei angewandten Beobachtungen vorgenommene, aber mit diesen nicht über-
einstimmende unterdrückt hat, so wird mit Grund der Verdacht rege, dass sein Fixsternkatalog eine
unkritische Kompilation der Arbeiten mehrerer Vorgänger, und die Präcessionsberechnung ein Re-
sultat von geschickter Pfuscherei ist“. Zuletzt wird noch festgestellt, dass der ptolemäische Katalog
weit hinter dem des Hipparch zurückstand und dass Ptulemaeus nicht von der Schuld freigesprochen
werden könne, die Arbeiten der Vorgänger unkritisch in einander verwickelt zu haben: „dadurch
entstand eine nie kontrollirbare Verwirrung ... die um so schlimmer ist, weil die sichere Manier
des Kompilators die früheren ehrlichen und für uns darum unschätzbaren Arbeiten
unterdrücken half“ Niemand wird dem Ptolemaeus die Ehre, die seinen selbständigen
Leistungen gebührt, rauben wollen; aber auch die älteren Autoren, deren Werke er so ergiebig aus-
genutzt hat, müssen wieder zu Ehren kommen.
Tafeln, wenn man nicht in jedem Einzelfalle langwierige Zwischenrechnungen
einschieben wollte.
Zu seinen Sehnenfunctionen hat Hipparch jedesmal den Winkel beige-
schrieben, unter welchem die Sehne dem Beobachter erschien; aber seine Aus-
rechnungen waren nicht auf die Basis eines gleichschenkligen Dreiecks und
dessen Winckel an der Spitze, sondern von vorn herein
B auf das Verhältnis einer Kathete des rechtwinkligen
Dreiecks zur Hypotenuse gestellt”). In der neben-
= o stehenden Figur 1 ist BAC der Gesichtswinkel für die
= Sehne BC; Hipparch hat aber nicht das Verhältnis
dieser oder jeder anderen Schne zum Radius AC
sondern zum Diameter DC bestimmt, d. h. er hat die Schne nicht als Basis
eines gleichschenkligen Dreiecks mit dem Centriwinkel A, sondern als Kathete
des rechtwinkligen Dreiecks DBC, mithin ihr Verhältnis zur Hypotenuse DC als
chord., wenn
sie auch von Hipparch jedesmal dem auf der Sehne stehenden Centriwinkel bei-
geschrieben war, in der That der Sinus des halb so grossen Winkels. Alles
das erklärt sich aus dem Gebrauche der hipparchischen Dioptra. Der Beobachter
blickte von dem Punkte X aus (Fig. 2) nach
Z dem Sonnen- oder Monddurchmesser AE; die
St (T) Breite ZO des Metallplättchens, das durch
Fig. 2 = eine Schraubenvor- richtung dem Auge soweit
genähertwar, dass esdievorhernoch sichtbaren
äussersten Strahlen des mit der Horizontalebene parallelen Sonnen- oder Mond-
durchmessers gerade verdeckte, und dazu die auf der Skala der Dioptra abzu-
lesende Entfernung dieses Plättchens vom Auge waren die Dimensionen, nach
denen der Winkel BAC (Fig. 1) berechnet wurde, und diese Berechnung wurde,
wie gesagt, auf das Verhältnis der Sehne BC zum Diameter DC gestellt.
So ‘waren die ersten Sinustafeln erfunden, aber die infolge der Einrichtung
der Dioptra ihnen anhaftende Unvollkommenheit, dass das Verhältnis der Sehne
zur Hypotenuse nicht dem der Sehne gegenüber liegenden Peripheriewinkel,
sondern dem Centriwinkel beigeschrieben war, konnte nicht auf alle Zeiten sich
forterben. Ein Bericht des Proklos über ein Verfahren zur Messung des Sonnen-
durchmessers**) lehnt sich zwar im Wesentlichen an die Methode Hipparchs an,
lässt aber den kurz nach Sonnenaufgang zu beobachtenden Sonnendurchmesser
als Kathete gegenüber dem Gesichtswinkel erscheinen. Hieraus konnte mit
einiger Wahrscheinlichkeit (denn Näheres ist uns nicht überliefert) ge-
schlossen werden, dass dem ungenannten, von Proklos benutzten Autor bereits
Sinustafeln vorgelegen haben, deren Entstehung in das 3. oder 4. Jahrhundert
n. Chr. zu fallen scheint. Bestätigt sich diese Vermutung, so wird die Einführung
der Sinusfunction, die für die Weiterentwickelung der Trigonometrie entschieden
günstiger war als die im Grunde zwar identische, formell aber verschiedene
Sehnenfunktion Hipparchs, ebenso als eine Bethätigung griechischen Geistes
gelten dürfen, wie die Rechnungsweise nach myriadischen, d. i. dezimalen
Brüchen***).
Fig. 1.
Function des Peripheriewinkels BDC betrachtet. So war die Function
*) Winkelmessungen a. a. O. S. 198 ff.
**) Procl. hypotyp. p. 109—111 Halma. Vgl. Winkelmessungen a. a. O. S. 207 ff.
***) Vgl, „Zur Kreismessung des Archimedes‘, Zeitschr. für Mathem. und Phys., hist.-liter.
Abteil. XXXIX (1894) S. 133 ff. 167 ff/
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Die Constellation von Jupiter und Saturn wird am 27. November dadurch interessant. dass
Jupiter nur 27 Bogenminuten südlich von Saturn im Schützen stehen wird. so dass alsdann Jupiter und
Saturn bei schwacher Vergrösserung in den meisten Fernrohren im Gesichtsfeld übereinander gesehen
werden können. Man kann auf diese Weise ihre scheinbaren Durchmesser und ihre Helligkeiten gut
miteinander vergleichen. Es wird von Wert sein, solche Helligkeitsvergleichungen auch auf einzelne
Partien der Planeten auszudehnen. Diese Beobachtungen können auch je nach der Verwendung
der Vergrösserung vor und nach dem 27. November vorgenommen werden. Auch die Freunde
astronomischer Beobachtungen können auf diese Weise wertvolle Beiträge zur Photometrie dieser
beiden Gestirne liefern. Der tiefe Stand beider Planeten übt gleichmässigen Einfluss auf die
Helligkeitsverminderung der Oberflächenteile beider Planeten aus. — Am 17. Nuvember wird die
Venus nur 2° 45’ südlich vom Jupiter. am 18. November 3? 12° südlich vom Saturn stehen, so dass
auch an diesen Abenden die Constellation dieser drei Planeten einen interessanten Anblick gewährt.
* 2 *
Der neue Stern im Perseus. Von der Centralstelle in Kiel erhielten wir folgendes am
11. November in Cambridge Mass. von Pickering aufgegebenes Telegramm: „Aus Photographien.
die mit dem Crossley-Teleskop gemacht sind, fand Perrine, dass vier Hauptkondensationen eines
schwachen Nebels, welcher die Nova Persei umgiebt. sich gegen Südosten bewegen, und zwar um
eine Bogenminute in sechs Wochen.“
* *
*
Ein Ballonaufstieg bis 10 500 m, der grössten Höhe, bis zu welcher Menschen bisher vor-
gedrungen sind, wurde von A. Berson und Dr. Süring am 31. Juli 1961 ausgeführt. Der Ballon,
namens „Preussen“, war mit 5460 cbm Wasserstoff gefüllt. Die Einrichtung des Korbes bestand wie
bei den sonstigen wissenschaftlichen Fahrten des Meteorologischen Instituts aus einem Quecksilber-
Barometer, einem Aneroid-Barograph und -Barometer, einem dreifachen Assmann’schen Aspirations-
Psychrometer mit Fernrohrablesung und einem Schwarzkugel-Thermometer. Zur Erwärmung dienten
Rennthierpelze und Thermophorgefässe. Vier Sauerstoff-Flaschen zu 1060 Liter Inhalt waren zur
künstlichen Atmung mitgenommen. Um 10 Uhr 50 Minuten erhob sich der Ballon bei schwachem
Nordwind und kam bei 4500 m bereits zur Ruhe. Von jetzt ab wurden zwei Ballastsäcke zugleich
abgeschnitten und dadurch ein für die meteorologischen Ablesungen günstiges stufenweises Empor-
gehen erzielt. Bis gegen 9CCQO m war der Zustand beider Insassen ein relativ guter bis auf eine
Müdigkeit, die sich aus der vorangegangenen kurzen Nachtruhe und dem langen Aufenthalt auf dem
Ballonplatze erklärte. Es konnten jedoch die Beobachtungen noch mit einiger Ceberwindung ange-
stellt werden, indem man sich durch gegenseitiges Anrufen oder Schütteln von einem vorübergehen-
den Einschlummern erweckte. Der mitgenommene Sauerstoff erwies sich zur Belebung völlig aus-
reichend. Die letzten Beobachtungsreihen bis 10250 m Höhe sind noch correct angestellt, jedoch
nahm die Erschöpfung bei körperlicher Arbeit schnell zu. Ueber 10250 m sind die Vorgänge den
Insassen nicht mehr ganz klar geblieben. Als der Schlafzustand bei Süring bedrohlich erschien.
zug Berson zweimal das Ventil und brachte den Ballon zum Abstieg, brach alsdann aber ohnmächtig
zusammen. Süring half in lichten Augenblicken seinem Kollegen durch verstärkte Sauerstoffzuführung
auf. beide Teilnehmer fielen darauf aber in eine schwere Ohnmacht, aus welcher sie ziemlich gleich-
zeitig, etwa bei 6000 m, wieder erwachten. Da die Tinte bei dem Barographen eingefroren war, so sind
die Aufzeichnungen desselben über 10 060 m lückenhaft. jedoch konnte Berson unmittelbar vor dem
Ventilziehen noch am Quecksilber-Barometer einen Stand von 202 mm ablesen, was einer Höhe von
annähernd 10 500 m entsprechen würde. Der noch vorhandene Ballast hätte einen Aufstieg des Ballons
bis zu 12060 m gestattet, jedoch wäre in solcher Höhe ein völliges Erlöschen der Willenskraft zu
erwarten. Die Ohnmacht dürfte ungefähr eine halbe bis dreiviertel Stunden gedauert haben. Der
Abstieg wurde bei Windstille um 6 Uhr 25 Minuten bei Briesen unweit Kottbus ausgeführt. Wenn-
gleich eine bleierne Mattigkeit, Schwächegefühl im Magen und etwas Kopfschmerz zum Teil auch
noch nach der Landung trotz ausgiebiger Sauerstoffzufuhr bestehen blieben, so haben sich irgend
welche nachteiligen Folgen bei den beiden kühnen Luftschiffern später nicht gezeigt. Möge denselben
noch manche glückliche für die Wissenschaft so fruchtbare Hochfahrt beschieden sein. Zwei neu-
angeschaffte Ballons des Deutschen Vereins von Luftschiffahrt werden ihnen zu Ehren die Namen
„Berson“ und „Dr. Süring“ tragen. F. S. A.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F. 93. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
SE Herausgegeben von
2. Jahrgang 5.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 1901 Dezember 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierleljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. 1, Seile 60.—,1/, Seite 30.—,1/, Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
3. Nebelmassen um den neuen Stern im Perseus und
1. Die Meteorologie um die Wende des Jahrhunderts. ihre Bewegung. Von Direktor F. S. Archenhold . 70
Von Geh. Ober-Reg.-Rat Prof. Dr. Wilhelm von Bezold 57 | 4. Personalien: Truman Henry Safford. — George
2 Ueber das Kartenwesen der Schweiz. (Schluss) Von K. Lawton. — Karl Zelbr. — Charles A. Bacon. —
W. Stavenhagen, Hauptmann a.D. . . . .... 63 Prof. Pietro Tacchini. — Prof. Dr. M. Eschenhagen 72
Die Meteorologie am die Wende des Jahrhanderts.
Von Wilhelm von Bezold.
(Vorgetragen bei der Tagung der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft in Stuttgart
im April 1901*).
bn erfolgreiche Arbeit ist es stets von hohem Wert, durch Rückblick auf das
Erreichte und durch Umblick auf das Schaffen und Streben der Gegenwart
sich die Aufgaben klar zu machen, deren Lösung man von der nächsten Zukunft
erwartet, sowie die Ziele festzustellen, die man im Auge zu behalten hat.
Zu einem solchen Rückblick und solcher Umschau scheint der heutige Tag
besonders geeignet, wo unsere Gesellschaft das erste Mal in dem neuen Jahr-
hundert zusammengetreten ist.
Den weitaus grössten Teil ihrer Gesamtentwicklung verdankt unsere
Wissenschaft dem verflossenen Jahrhundert, und nur einen kleinen Bruchteil
ihres Wissensschatzes hat sie aus früheren Zeiten ererbt.
Zwar befand man sich schon am Anfang des vorigen Jahrhunderts im Besitze
der wichtigsten meteorologischen Instrumente, auch hatte schon beinahe zwanzig
Jahre vor dem Beginn desselben die Societas Palatina Meteorologica erfolg-
reich den auf diesem Gebiet einzig richtigen Weg betreten und durch planmässiges
Zusammenwirken Beobachtungen gesammelt, aber die Stürme der französischen
Revolution und die sich anschliessenden grossen Kriege hatten diesem Werke
des Friedens viel zu früh ein jähes Ende bereitet, und so bot der Zustand der
Meteorologie gerade vor hundert Jahren ein recht klägliches Bild.
Das Stationsnetz der Mannheimer Akademie war zerfallen, man beobachtete
zwar noch da und dort weiter, aber ohne einheitlichen Plan, und noch hatte man
kaum irgend welche Schlüsse gezogen, die tieferen Einblick in die atmosphärischen
Vorgänge gewähren konnten.
Aber eben damals erwachten in einem erleuchteten Geiste die Gedanken,
die dann auf ein halbes Jahrhundert hinaus der Forschung die Wege weisen
sollten.
*) Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Verfassers aus „Meteorol.-Zeitschrift* 1901, Oktoberheft.
acu. BR ee:
Unter dem mächtigen Eindruck der an Lebensformen und Lebensbedingungen
von der unsrigen so verschiedenen Tropenwelt drängten sich Alexander von
Humboldt die Gesichtspunkte auf, unter denen man die aus den meteorologischen
Beobachtungen gewonnenen Zahlen zu betrachten und zu gruppieren habe, um
ein Bild jener Eigentümlichkeiten zu erhalten, die man mit dem Namen das
Klima bezeichnet.
Diese Gesichtspunkte, die wesentlich in der Bildung von Mittelwerten
gipfelten und die später in Dove ihren glänzendsten Vertreter fanden, blieben
bis zu Mitte des vorigen Jahrhunderts die beinahe ausschliesslich leitenden; was
man bis in die fünfziger Jahre hinein und vielfach noch länger als Meteorologie
bezeichnete, war im Grunde genommen meistens nur Klimatologie, d. h. eine
geographisch-statistische Wissenschaft.
Erst um diese Zeit fing man an, den Einzelvorgängen im Luftmeere, wie
sie sich in gegebenen Augenblicken darbieten, d. h. dem „Wetter“ nachdrückliche
Aufmerksamkeit zuzuwenden, und so entwickelt sich neben der Klimatologie die
eigentliche „Witterungskunde“ oder „Meteorologie“ im engeren Sinne des
Wortes.
Kurz vorher waren auch, und zwar auch wesentlich auf Anregung
Alexander v. Humboldt’s, in den Kulturstaaten fest organisierte Stationsnetze
errichtet worden, und so konnte man daran gehen, die Aenderungen in der
Wetterlage von Tag zu Tag zu verfolgen.
Gleichzeitig gab die ebenfalls um die Mitte des Jahrhunderts sich mächtig
entwickelnde elektrische Telegraphie diesen Bestrebungen erneuten Anstoss.
indem jetzt die Möglichkeit geboten war, nicht nur Stürme, sondern überhaupt
die zu erwartende Witterung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf wissen-
schaftlicher Grundlage vorherzusagen.
Die Verfolgung der Wetterlage von Tag zu Tag an der Hand von Wetter-
karten, die es gestatten, den Witterungszustand, wie er in einem gegebenen
Zeitpunkt über weitem Gebiete herrscht, mit einem Blick zu überschauen, die
sogenannte synoptische Methode, bildete von da an für Jahrzehnte den Kern
der meteorologischen Forschung.
Trotzdem blieb die Meteorologie auch bei dieser Behandlung immer noch
eine wesentlich beschreibende Wissenschaft; man hatte zwar erkannt, dass es
in erster Linie die Gebiete hohen und niedrigen Luftdrucks sind, die durch ihre
Entwicklung und ihr Weiterschreiten das Wetter bedingen, aber zu der Ent-
rätselung des eigentlichen ursächlichen Zusammenhanges bedurfte es doch noch
des Heranziehens ganz anderer Hilfsmittel.
Nunmehr galt es, die Grundlehren der Physik anzuwenden auf diese Vor-
gänge, mit einem Worte, die Meteorologie umzugestalten zu einer Physik der
Atmosphäre.
Und zwar sind es zwei Teile der Physik, die hier helfend eingreifen
müssen; einesteils die mechanische Wärmetheorie, die uns den Schlüssel
liefert für das Verständnis des grundverschiedenen Verhaltens der auf- und
absteigenden Ströme und damit der Gebiete hohen und niedrigen Luftdrucks,
der sogenannten barometrischen Maxima und Minima, und andererseits die all-
gemeine Bewegungslehre, die Dynamik zur Erklärung der gesamten Be-
wegungen im Luftmeer.
Die Anwendung der mechanischen Wärmetheorie auf diese Betrachtungen,
mit der Helmholtz, Hann, Reye und Andere schon in den sechziger Jahren
— 69 —
begonnen haben, ist bis zum Anfang des neuen Jahrhunderts bereits zu einem
gewissen, vorläufigen Abschluss gelangt. Wenigstens haben die wissenschaft-
lichen Luftfahrten, deren gleich nachher gedacht werden soll, den Beweis erbracht,
dass die Grundanschauungen, von denen man bei diesen Betrachtungen ausging,
durchaus richtige sind.
Dieser Teil der theoretischen Meoteorologie, die sogenannte Thermodynamik
der Atmosphäre, bietet verhältnismässig nur geringe Schwierigkeiten. Unverhältnis-
mässig grösseren begegnet man bei der Erforschung der eigentlichen Bewegungs-
vorgänge, d. h. der Dynamik der Atmosphäre im engeren Sinne des Wortes.
Trotz der ausgezeichneten Untersuchungen von William Ferrel, Guldberg
und Mohn u. s. w. sind wir auf diesem Gebiete SE? noch nicht über die ersten
Anfänge hinausgekommen.
Thatsächlich sind auch die Bewegungen im Luftmeer so verwickelte, die
Bahnen, die ein Luftteilchen auf seinen Wegen in der Atmosphäre beschreibt, so viel-
verschlungene, dass deren Enträtselung eine der schwierigsten Fragen ist, die
sich dem Forscher bieten.
Vor Allem ist es eine Aufgabe allerersten Ranges, deren scharfer Lösung
wir zur Zeit noch beinahe ratlos gegenüberstehen: die Klarlegung der Beziehungen
zwischen den einzelnen atmosphärischen Wirbeln, die wir als barometrische
Maxima und Minima bezeichnen, und der allgemeinen Cirkulation des Luft-
meeres.
Die neuere Forschung hat gelehrt, dass diese Gebilde, die ja zunächst das
Wetter in unseren Gegenden bedingen, nicht, wie man früher glaubte, durch
rein lokale Ursachen hervorgebracht werden, sondern dass bei ihrer Entstehung
und ihrem Weiterschreiten der allgemeinen Cirkulation eine wesentliche Rolle
zufallen muss. Wie sich aber dieser Zusammenhang im Einzelnen gestaltet,
wie diese Wechselwirkung zwischen den beiden Gruppen von Bewegungen zu
stande kommt, diese Frage dürfte nur durch Verbindung von höchster
mathematischer Begabung mit gründlicher Kenntnis der Thatsachen einer Lösung
entgegengeführt werden.
Mit den neuen Gesichtspunkten, wie sie durch die synoptische Methode,
sowie durch die physikalische Auffassung in die Wissenschaft hineingetragen
wurden, musste auch der Beobachtungsdienst eine gewaltige Umgestaltung
erfahren.
In einem Forschungsgebiet, dessen Wesen in dem Verfolgen der einzelnen
Erscheinungen liegt, hat auch jede einzelne Beobachtung weit höheren Wert,
als für die Klimatologie, die sich mit Mittelwerten begnügt, bei deren Bildung
so viele kleine Fehler sich gegenseitig aufheben und somit ganz herausfallen.
Die Forderungen an die Güte der Instrumente und an die Sorgfalt der
Beobachter haben sich dem entsprechend erhöht; zugleich verlangte die Fest-
stellung der Wetterlage für gegebene Augenblicke über weitem Gebiet, also
z. B. über ganz Europa, wie sie für die Sturmwarnungen und Wetterprognose
unerlässlich ist, einheitliche Grundlage für die Beobachtungen und einmütiges
Zusammenwirken aller Nationen. Die Grundlagen solcher gemeinschaftlichen
Arbeiten wurden für die seefahrenden Nationen zuerst auf der Konferenz in
Brüssel 1854, für alle Nationen aber auf dem Meteorologen-Kongress in Wien
im Jahre 1873 festgestellt, und seitdem haben sich diese Beziehungen durch die
offiziellen Zusammenkünfte immer enger gestaltet.
- 6 —
‘Aber während es sich für die synoptische Meteorologie wesentlich um Aus-
dehnung des Beobachtungsnetzes im horizontalen Sinne handelte, so forderte
die theoretische Meteorologie zugleich eine Erweiterung in vertikalem Sinne.
Sowie man einmal die Bedeutung der auf- und absteigenden Ströme für
die Erklärung der wichtigsten Erscheinungen, der Niederschlagsbildung auf der
einen Seite und der Auflösung der Wolken auf der anderen Seite, d. h. trivial
gesprochen, des schönen und schlechten Wetters erkannt hatte, musste unbedingt
die Forderung laut werden, diese Ströme auf ihren Wegen zu verfolgen.
Der Forscher konnte sich nicht mehr damit begnügen, nur aus der untersten
Luftschicht Beobachtungen zu erhalten, er musste nach Oben vordringen.
So entstanden die Bergobservatorien, und nachdem man den hohen Wert
der dort gewonnenen Ergebnisse kennen und schätzen gelernt hatte, in Ver-
folgung der betretenen Bahn die Erforschung der Atmosphäre durch Luftballons
und Drachen.
Und hiermit sind wir nun an jene Phase der Entwicklung gelangt, die uns
so recht in die Gegenwart hineinversetzt, und die man wohl in der Geschichte
unserer Wissenschaft als die für die Wende des Jahrhunderts charakteristische
bezeichnen darf.
Wir Deutsche haben besonders Grund, uns dessen zu freuen, da es deutscher
Scharfsinn und deutsche Thatkraft war, die, gestützt und getragen von der Gunst
Seiner Majestät unseres Kaisers, diese neue Art der Forschung in früher nicht
bekanntem Masse erschlossen und in verhältnismässig kurzer Zeit Früchte ge-
zeitigt hat, die bei allen Nationen ungeteilte Anerkennung gefunden haben.
Man hatte zwar schon gleich nach der Erfindung des Luftballons und vor
Allem auch im Anfang des vorigen Jahrhunderts (1804) und dann wieder in den
sechziger Jahren in Frankreich und in England Versuche gemacht, den Luft-
ballon zu benutzen, um sich über die Zustände in der freien Atmosphäre zu
unterrichten, aber es fehlte einerseits an den Instrumenten, andererseits an hin-
reichend klarer Fragestellung, um wirkliche Erfolge zu erzielen.
Erst nachdem Hr. Assmann durch die Erfindung seines Aspirationspsychro-
meters die einwurfsfreie Bestimmung von Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit
im Luftballon ermöglicht hatte, und erst nachdem durch die theoretischen Studien,
von denen eben die Rede war, die Gesichtspunkte festgestellt waren, nach denen
man die Beobachtungen zu sammeln und zu verarbeiten hatte, konnte man Er-
gebnisse erwarten, die mit den zu bringenden Opfern im Einklange standen.
Dass die Erwartungen, welche an das grosse von Prof. Assmann ein-
gcleitete und mit nie ermüdendem Eifer zu Ende geführte, durch die Gnade
Seiner Majestät des Kaisers ermöglichte Unternehmen geknüpft wurden, sich voll
erfüllt haben, davon legt das umfangreiche Werk, das im Frühsommer des vorigen
Jahres die Presse verlassen hat, das glänzendste Zeugnis ab.
Wie glücklich aber dieses Vorgehen ausgedacht war und wie naturgemäss
es sich in den Gang der meteorologischen Forschung einreihte, dafür spricht
nichts lauter, als die Thatsache, dass bald nach dem Beginn der Berliner Fahrten,
nicht nur in München und in Strassburg i. E., sondern auch ausserhalb Deutsch-
lands ähnliche Bestrebungen lebendig wurden.
Zugleich wurden neue Hilfsmittel demselben Zwecke dienstbar gemacht, in
Frankreich die nur mit Registrierinstrumenten ausgerüsteten kleinen Ballons,
die sogenannten Ballons sondes, in Amerika die mit ähnlichen Instrumenten ver-
sehenen Drachen, Hilfsmittel, die nun alle nebeneinander in Anwendung kommen.
= 36, 2
Auch wurde 1896 auf der internationalen Direktoren-Konferenz in Paris mit
einer Leichtigkeit, wie sie in ähnlichen Fällen wohl schwer ihres Gleichen finden
dürfte, internationales Zusammenwirken erzielt.
Dieses Zusammenwirken hat sich so glücklich entwickelt, dass, nachdem
schon mehrfach auf besondere Verabredung an den verschiedensten Punkten
Europas von Paris bis nach St. Petersburg gleichzeitig Ballonfahrten unternommen
wurden, seit dem letzten Herbst, regelmässig an dem ersten Donnerstag eines
jeden Monats solche Aufstiege stattfinden.
Mit einem Worte, die Untersuchung der höheren Schichten der Atmosphäre
durch Luftballons und Drachen bildet gegenwärtig ebenso wie schon etwas früher
die Arbeit der Höhenstation einen wesentlichen dauernden Bestandteil im System
der meteorologischen Beobachtungen.
Ein anderes in dem letzten Jahrzehnt vorbereitetes und durchgeführtes
Unternehmen, nämlich die genaue Bestimmung der Höhe und Zugrichtung der
Wolken während eines ganzen Jahres an den verschiedensten Orten der Erde
lieferte zu diesen Forschungen wichtige Ergänzungen.
Aber auch die früher in Angriff genommenen Arbeiten werden kräftig fort-
geführt, die meteorologischen Stationsnetze wurden beinahe allenthalben in ihrer
Ausrüstung verbessert und erweitert und die Ergebnisse der Beobachtungen auf
den Festländern und auf den Meeren in weitgehendem Masse der Schiffahrt
dienstbar gemacht.
Desgleichen erfuhr der Dienst der wissenschaftlichen Wettervorhersagung
stets grössere Vervollkommnung und Ausdehnung. Endlich wurde die Messung
der gefallenen Niederschläge, sowie der Schneehöhen im Winter im Interesse
einer geordneten Wasserwirtschaft an einer grösseren Zahl von Stationen, in
Deutschland an mehr als 3000 Orten aufgenommen. Ueberblickt man dies Alles,
dann erhält man eine Vorstellung von der gewaltigen Entwickelung, welche
unsere Wissenschaft von den bescheidensten Anfängen vor 100 Jahren bis zum
heutigen Tage erfahren hat, sowie einen Begriff davon, wie wir mitten in der
Arbeit stehen.
Das hier entworfene Bild wäre jedoch durchaus unvollständig, wollte ich
nicht, wenigstens mit zwei Worten andeuten, wohin wir steuern und welche
Ausblicke sich für die nächste Zeit eröffnen.
Zunächst wird man auf Grundlage der gewonnenen theoretischen Erkennt-
nisse nun daran gehen müssen, auch in die Klimatologie neue Gesichtspunkte
hineinzutragen und z. B. die Lehre von der Verteilung der Temperaturen an
der Erdoberfläche, die man bisher fälschlich mit dem Namen der Wärmeverteilung
bezeichnet hat, durch die Darstellung der wahren Wärmeverteilung zu ergänzen.
Erst wenn man der Thermometrie der Atmosphäre eine Kalorimetrie der
Atmosphäre hinzufügt, erst dann wird man einen Einblick in den „Wärmehaus-
halt“ der Erde erlangen, eine Frage, die fürwahr des ernstesten Studiums würdig
ist. Desgleichen wird man in der Klimatologie die mittlere Luftdruckverteilung
weit mehr berücksichtigen müssen, als dies bisher geschehen ist.
Wenn man somit erwarten darf, dass die Physik auch die klimatologische,
d. h. die geographisch-statistische Forschung neu beleben werde, so mehren sich
von Jahr zu Jahr die Anzeichen, dass es in nicht zu ferner Zeit gelingen wird,
noch ein ganz anderes Gebiet des Wissens an die Physik der Atmosphäre
anzugliedern.
— 2 —
Verschiedene in der neueren Zeit angestellte Untersuchungen deuten näm-
lich darauf hin, dass zwischen den geheimnisvollen Erscheinungen des Erd-
magnetismus und den atmosphärischen Vorgängen ein enger Zusammenhang
besteht, dessen Enthüllung vielleicht schon der nächsten Zukunft vorbehalten ist.
Man hat gefunden, dass die merkwürdigen und noch vor etwa 15 Jahren
so verworren erscheinenden täglichen Schwankungen der Magnetnadeln die
Folge von galvanischen Strömen sind, die in den oberen Luftschichten ihren
Sitz haben. Diese Ströme umkreisen mit einer nach der Jahreszeit wechselnden
Stärke als grosse Wirbel bestimmte Mittelpunkte, die alltäglich im gleichen
Sinne wie die Sonne, ungefähr über den 40. Breitegrad jeder Halbkugel hinweg-
ziehen. Diese Breiten entsprechen jener von Neapel oder auf der anderen
Erdhälfte einem etwas südlich vom Kap der guten Hoffnung gelegenen Parallelkreis.
Nun liegen aber gerade in diesen Breitegraden annäherungsweise die Scheide-
linien zwischen dem atmosphärischen Kreislauf der äquatorialen Gegenden und
jenen der Polkappen, und zugleich die Mittellinien der Zonen geringster Be-
wölkung und geringster Niederschläge, so dass man sich des Gedankens an
einen engen Zusammenhang zwischen dem atmosphärischen Kreislauf und den
magnetischen Erscheinungen nicht erwehren kann.
Auch die magnetischen Störungen, die über weite Strecken der Erde in dem
gleichen Augenblick grosse und unregelmässige Ausschläge der Magnetnadeln
bewirken und die gleichzeitig mit den Nordlichtern auftreten, werden nach den
Untersuchungen von Prof. A. Schmidt in Gotha ebenfalls durch elektrische
Ströme hervorgebracht, die wirbelartig mit der enormen Geschwindigkeit von
etwa 1 km in der Sekunde die höchsten Luftschichten durcheilen.
Andererseits geht, wie man schon längst weiss, die Häufigkeit dieser
Störungen ebenso wie die Grösse der täglichen Schwankung der Magnetnadeln
Hand in Hand mit der Fleckenbedeckung der Sonne, die selbst wieder regel-
mässigen Veränderungen unterworfen ist, die einen Zeitraum von ungefähr
11 Jahren umfassen.
Es hiesse Zukunftsmusik machen, wollte ich ausführen, welche merkwürdige
und weittragende Ergebnisse man von der Enträtselung dieser eigenartigen
Thatsachen erhoffen darf.
Aber das Eine will ich doch nicht verschweigen, dass wir die Art und Weise,
wie dieser Einfluss der Sonnenthätigkeit auf unsere Atmosphäre zu stande
kommt, die vor nicht zu langer Zeit noch vollkommen im Dunkeln lag, nach den
neuesten Errungenschaften der Physik wenigstens ahnen können.
Es ist mehr als wahrscheinlich, dass mit der Steigerung der Thätigkeit
in der Sonnenatmosphäre auch gewisse Strahlengattungen in reichlicherem
Masse ausgesandt werden.
Nun hat man in neuerer Zeit gefunden, dass die Luft nicht nur durch Be-
strahlung elektrisch leitend werden kann, sondern dass auch verschiedene
Körper unter dem Einfluss solcher Bestrahlung selbst wieder eigenartige Strahlen
aussenden, die mit denen des Nordlichts Verwandtschaft zeigen.
Wäre es undenkbar, dass gerade in den Polargegenden, wo die höheren
Atmosphärenschichten, so sonderbar dies klingen mag, länger und anhaltender
von der Sonne beschienen werden, als an irgend anderen Teilen der Erde —
ein Punkt, der sich 100 km über dem Pole befindet, ist 8 Monate, ein anderer
in 200 km Höhe sogar 9 Monate den Sonnenstrahlen ununterbrochen ausgesetzt
— die feinen Eisnädelchen oder andere Körperchen, wie sie z. B. beim Ausbruch
=. 63 =
von Vulkanen in die Atmosphäre gelangen, in einen Zustand geraten, wie man
ihn in den letzten Jahren an den sogenannt radionktiven Substanzen hat kennen
lernen?
Sollte sich dies bewahrheiten, dann würden auch die anderen Erscheinungen,
von denen ich eben sprach, ihre naturgemässe Erklärung finden und dann würden
sich mit einem Schlage ganze Reihen von Thatsachen enthüllen, von denen sich
unsere Schulweisheit bisher kaum träumen liess.
Wie dem aber auch sein mag, so viel steht fest, dass sich die Lehre von
den Vorgängen im Luftmeer im neuen Jahrhundert nicht mehr auf das be-
schränken darf, was man bisher unter Meteorologie verstanden hat, sondern dass
sie sich in noch viel höherem Sinne zu dem entwickeln muss, was ich schon
vor 9 Jahren in diesem Kreise als das Ziel zu bezeichnen die Ehre hatte, zu
einer „Physik der Atmosphäre“.
WE
Geber das KartenWesen der Schweiz.
Von W. Stavenhagen.
(Schluss.)
N: topographischen Aufnahmen waren von eidgenössischen Ingenieuren und
zwar im Flach- und Hügellande in 1:25000, im Hochgebirge 1:50000 aus-
geführt. Auf der Verkleinerung dieser Originalaufnahmen beruht das grosse
Meisterwerk, die eidgenössische topographische „Karte der Schweiz in
1:100 000“ auf 25 Blättern, kurzweg die Dufour-Karte genannt, deren Herstellung
ein Vierteljahrhundert erforderte, da das letzte Blatt 1865 zur Ausgabe gelangte.
Es gab manche ausgezeichnete topographische Kartenwerke damals, viele, welche
in räumlicher Beziehung weit ausgedehnter sind als das schweizerische von
verhältnismässig geringer Fläche, aber es gab zu der Zeit keine Karte, die eine
genaue Aufnahme mit meisterhafter Zeichnung und künstlerisch schönem, ge-
schmackvollem Stich in so hohem Grade vereinigte wie diese. Auch heute
ist sie nach dieser Richtung hin noch nicht übertroffen. Sie ist eine
geniale Vereinigung geodätischer und ästhetischer Darstellung, eme wahre
Milizen- und Bürgerkarte, da sie von jedem Menschen, der überhaupt fein Ge-
drucktes lesen kann, ohne jede Vorkenntnis und Beigabe eines Zeichenschlüssels
sofort verstanden werden kann. Es ist ein Naturgemälde, wie es weder
Panoramen noch Reliefs ersetzen können, das jedermann, che er eine Gegend
betritt, ein leicht einprägbares, charakteristisches Abbild von ihr verschafft und
infolge seiner Grosszügigkeit und Uebersichtlichkeit gute und leichteste Orien-
tierung ermöglicht. Reich an Einzelheiten und doch harmonisch und wirkungs-
voll im Ganzen, fein und zierlich durchgeführt — jede kleinste Kleinigkeit,
jedes Haus, jeden Steg, die zierlichste und doch deutlich leserliche und in den
geschmackvollsten und angemessensten Grössenverhältnissen hergestellte Schrift
lässt der meisterhafte Kupferstich von H. Müllhaupt in Genf noch erkennen —
und doch voll Kraft und Ausdruck die imposante Alpennatur mit ihren Felsen,
Gletschern und Firnen anschaulich wiedergebend, so dass die gewaltigen Berg-
massen wie in der Natur förmlich aus dem Bilde heraustreten — so zeigt sich
uns diese Karte. Das ist natürlich für ein Land wie die Schweiz, wo der
— 64 —
Offizier und Unteroffizier zugleich Bürger, der Bürger zugleich Soldat ist, wo die
Militär-Fachgelehrten und Kenner kartographischer Theorien nur verhältnis-
mässig selten sind und den Milizen bei den kurzen Uebungen die Zeit zu
Studien im Plan- und Kartenlesen meist fehlt, höchst wichtig. Durch solche
Eigenschaften wurde die Dufourkarte ein gemeinverständliches, populäres
Werk. Wie steht es nun aber mit ihrem wissenschaftlichen und mathe-
matischen Wert, ihrer Richtigkeit im Einzelnen, die näheres Studium
verträgt? Da muss auf das Fehlen der Schichtenlinien und die Anwendung der
altfranzösischen schiefen Beleuchtung in dem höheren Mittel- und Hochgebirge
hingewiesen werden. Nur für die Ebene und die hügeligen Teile ist das deutsche
Lehmann’sche Princip der senkrechten Beleuchtung gebraucht. Der einstige
schweizer Standpunkt dürfte durch die Aeusserung des früheren Generalstabs-
chefs, Obersten Wieland, gekennzeichnet sein: „Wo eine Gais hinkommt, da
kommt ein Infanterist durch, und wo ein Infanterist vorwärtsklimmt, da klimmen
hunderte nach, und gelingt es diesen, so kommt auch das Pferd vorwärts.“
Also der geschickte Hochländer kümmert sich wenig um die Beschaffenheit der
Abhange. Dem kann für die Felsen- und Gletscherpartien zugestimmt werden.
Für diese sind Schichtenlinien um so mehr entbehrlich, als sie hierfür nie eine
ausdrucksvolle Darstellung solcher Teile zu geben, geschweige eine genaue Be-
urteilung der Böschungsverhältnisse des Geländes zu ermöglichen gestatten.
Da braucht man nicht ein mathematisch richtiges Bild, es reicht eine möglichst
wirkungsvolle Charakteristik aus, wie sie die schiefe Beleuchtung durch ihre
Licht- und Schattenwirkung allein giebt. Aber für alle anderen Teile der Boden-
gestaltung — und das ist der grössere Teil — sind für Kriegskarten, wie über-
haupt Karten so grossen Massstabes wie 1:100000, also Spezialkarten, Schichten-
linien eine unentbehrliche Stütze zur raschen Beurteilung der auch dem
schweizer Soldaten so wichtigen Einzelformen, wie namentlich der für den
Gebrauch der verschiedenen Waffen wichtigen Böschungs- und Höhenver-
hältnisse. Da reichen die übrigens zahlreichen Höhenangaben der Dufourkarte
um so weniger aus, als sie noch dazu die schiefe Beleuchtung anwendet, welche
geradezu irreführt, trotzdem die Kammrichtung der Alpen für ihre Anwendung
noch günstig wirkt. Denn sie giebt eine einseitige, subjektive Darstellung,
lasst augenblicklich minder Wichtiges stärker hervortreten auf Kosten des viel-
leicht gerade Notwendigeren, das oft in der Karte verschwindet. Da man das
aber nicht voraussehen kann, da alles und jedes der Oberflächenformen unwill-
kürlich wichtig werden kann, so darf eine Kriegs- und Specialkarte nichts be-
sonders hervorheben, sondern muss neutral sein. Das ermöglicht aber nur
die senkrechte Beleuchtung, die ihr Licht echt wissenschaftlich und objektiv
gleichmässig verteilt über „Gerechte und Ungerechte*. Jetzt erscheint der
schattige Abhang immer steiler als er ist, der hellere und belichtetere stets
flacher als in Wirklichkeit. Oft sind gerade die Lichtseiten der Karte in der
Natur die steilsten, oft sind sie diejenigen, wo in Wirklichkeit nie Sonne hin-
konmt, nur Schattenvegetation gedeiht, wo die grössten Wechsel der Neigung
der Gehänge vorhanden sind, während sie in der Karte bis zur Unkenntlichkeit
oft zurücktreten. Aber auch auf der Schattenseite der Karte zeichnet diese Be-
leuchtungsart nicht ausreichend, denn es müssen schon schwach geneigte
Böschungen schattiert werden, sanfte Mulden und flache Einsattelungen werden
durch dunkle Töne in tiefe Schluchten verwandelt, und in Wahrheit meistin der
Sonne liegende, ihrer bedürfende Kulturen und Besiedelungen sind in Nacht
— 6 —
geholt, So wird das Bild nicht nur in Bezug auf die Gehängeverhältnisse,
sondern auch die Vegetation, Berieselung, Ortschaften um so verwirrender, als
auch eine gewisse Gesetzlosigkeit in der Anwendung der Beleuchtung vor-
handen ist. Denn nicht nur war Dufour gezwungen, die nordwestliche Richtung
der Lichtstrahlen nach Bedarf, je nach den Streichungsverhältnissen, öfter zu
schwenken, sondern er musste in den niedrigen und Thalflächen, um sie mög-
lichst hell für die deutliche Anbringung des sehr verschiedenen Situationsbildes
zu lassen, zur senkrechten Beleuchtung übergehen. So erscheinen also — was
auch ästhetisch nicht vorteilhaft, weil unruhig und unsicher wirkt — sowohl die
das schärfste schräge Licht erhaltenden höchsten, wie die das zenithale Licht
bekommenden tiefsten Teile der Karte gleich behandelt, und dabei ist trotz
aller Höhenzahlen niemals genau zu sagen, welche Art der Beleuchtung gerade
für den vorliegenden Teil angewendet wurde. Damit ist aber eine genaue und
richtige Geländebeurteilung, gar die Herstellung mathematisch genauer Gelände-
schnitte unmöglich gemacht. Wenn aber wenigstens Höhenschichtlinien die
ganze Darstellung stützten, so könnte man über die Mängel dieser ja für Laien
und Touristenzwecke und für Uebersichtskarten kleinen Massstabes, wo es nur
darauf ankommt, anschaulich und wirkungsvoll zu zeigen, wo Bergmassen sind
und wo nicht, recht geeigneten schiefen Beleuchtung hinwegsehen. Das ist aber
nun leider nicht der Fall, und so wird die berückend schöne Dufourkarte streng
wissenschaftlichen Anforderungen, die eine objektive Darstellung verlangen, nicht
gerecht. Das fängt man auch schon längere Zeit in der Schweiz an einzusehen.
Denn obwohl man das Wege- und Ortschaftsnetz der Karte 1:100000 evident
hält, sie, die nur in Schwarzdruck vervielfältigt wurde, neuerdings auch durch
Umarbeitung auf photographischem Wege in drei Farben erscheinen lässt, also
an ihr festhält, hat man sich doch — wie vorgreifend bemerkt sei — zur Auf-
nahme von Schichtenlinien seither entschlossen und ausserdem für die Heraus-
gabe einer Karte der Schweiz 1:50000 mit plastischer Darstellungsweise und
Schichtenlinien in einheitlicher Behandlung, namentlich auch aus militärischen
Rücksichten, entschieden. Die Dufourkarte ist wie die französische General-
stabskarte in Bonne’scher Projektion entworfen. Sie hat als Mittelpunkt die
Sternwarte zu Bern (46° 576,02 geogr. Br., 25° 6‘ 10°s0 geogr. L. von Ferro).
Für die auszuführenden Einzelaufnahmen 1:50000 ist jedes der 70cm hohen,
48 cm langen rechteckigen Kartenblätter wieder in 16 ähnliche Rechtecke geteilt
worden. Aus der weiteren Teilung der 1:50000 Sektionen in vier ähnliche
Rechtecke entstanden die in 1:25000 auszuführenden Messtischblätter. Für
diese Kartenblatteinteilung ist, auf den Meridian und Perpendikel der Berner
Sternwarte beruhend, ein Koordinationssystem berechnet, nach dem das Auf-
tragen der trigonometrischen Punkte ausgeführt wurde.
Da der grosse Erfolg der Dufourkarte die Einzelkantone zur Herausgabe
einer Reihe mehrblättriger Buntdruckkarten und kleinerer Uebersichtskarten der
Schweiz auf Grund der Originalaufnahmen anregte, so beseitigte das Bundesgesetz
vom 18. Dezember 1868 diese dem Ganzen nicht dienlichen Einzelbestrebungen
und ordnete die Fortsetzung bezw. Erneuerung und Veröffentlichung der Original-
aufnahmen durch das Eidgenössische Stabsbureau an. Diese Behörde,
welche dem Militär-Departement unterstellt ist, war 1865 zur Ausführung der
Landes-Aufnahmen organisiert worden. Die damalige Organisation ist seither
öfter geändert worden. Heute steht sie wieder — nachdem sie vorübergehend
als Abteilung des Genie-Bureaus dem Waffenchef des Heeres unterstellt war —
siet |; “es
unter dem Militar-Departement*). Auf Grund einer neuen Triangulation (der
drei mit dem Ibaüez’schen Apparat gemessene Grundlinien bei Aarlberg, Wein-
felden und Bellinzona zur Basis dienten) und eines von 1865 bis 1882 unter
Leitung von A. Hirsch und E Plantamour ausgeführten Präzisions-Nivellements
(4476 km, davon 3860 km meist doppelt gemessen, seit 1878 auch für 2782 km
Messungen im entgegengesetzten Sinne**) mit einem wahrscheinlichen Fehler
pro Kilometer von + 1,9 mm) wurde durch das Bureau seit 1870 das Hauptwerk
der Schweizer Kartographie, der Topographische (Siegfried-) Atlas bearbeitet.
Die grundlegenden Anordnungen und die erste Leitung hatte der 1878 ver-
storbene Oberst Siegfried. Das Werk umfasst 591 Blatt, davon entfallen 115 in
1:50 000 auf das Hochgebirge, der Rest auf die übrige Schweiz, und zwar sind
erstere in Chromolithographie, die 1:25000 Blätter in dreifarbigem Kupferstich
nach dem geheim gehaltenen Müllenhaupt'schen Verfahren ausgeführt. Es fehlen
nur noch 10 Blatt, 26 Blätter sind bereits in 2. Auflage veröffentlicht, 13 weitere
dazu in Vorbereitung. Das Gerippe (Grundriss) erscheint schwarz mit Ausnahme
der blau gehaltenen Gewässer, Sumpfstellen und des nassen Bodens, sowie der
Höhenschichtlinien der Gletscherbildungen. Ferner sind die Höhenzahlen und
die gesamte Schrift schwarz. Lichtbraun sind die Niveaulinien, die in 1:500%
30 m, in 1:25000 10 m Schichthöhe haben. Die Secen besitzen Tiefenlinien.
Die Oberflächenformen werden durch dieses System klar und eingehend erläutert,
die blau gehaltenen Gletscher und Firne treten scharf hervor, die Felsen sind
malerisch und geologisch verschiedenartig charakterisiert, wenn hier auch die
Durchführung wenigstens der 100 m Kurven wünschenswert gewesen wäre
Zahlreich sind die Höhenangaben in Metern. Reich ist das Grundrissbild bis
zur Gemeindegrenze herab, sowie die sorgfältige Angabe der Bodenkulturen.
unter denen aber die Bezeichnung der Wiesen und bei den Ortschaften der
Gärten vermisst wird. Recht gelungen endlich ist die Art und Stellung der
Schrift — kurz das Ganze eine schöne, auch technisch gelungene und mathe-
matisch richtige Leistung. Die Aufnahmen erfolgten mit dem Messtisch, der
Alhidade mit Höhenkreis, der Orientier-Bussole und für 1:25000 auch mit der
Stadia. Die Blätter sind in modifizierter Flamsteed’scher Projektion entworfen.
Jedes ist 0,35: 0,24 cm gross, 9,11 Quadratstunden in 1:50000, 2,28 Quadratstunden
in 1:25000 umfassend. Eisenbahnen sind durch zwei starke Parallellinien,
Kunststrassen von grösster Breite durch eine stärkere, eine schwächere Linie,
von geringerer Breite durch zwei schwächere Linien, nicht unterhaltene fahrbare
Strassen durch eine feine, eine punktierte Linie, nicht fahrbare Saum- und Reit-
wege durch einfache Linien, für Pferde nicht brauchbare Fusswege durch eine
punktierte Linie dargestellt. Von einer 1891 tagenden und aus Vertretern des
Schweizer Ingenieur- und Architekten-Vereins, sowie des eidgenössischen topo-
graphischen Bureaus bestehenden Kommission wurde nun, wie schon erwähnt.
*) Unter seinem Chef, Major Held, gliedert sich das Bureau in die gendätische Abteilung
(10 Ingenieure), die topographische (10 Ingenieure, 7 Zeichner), die Reproduktions-Abteilung
(11 Kupferstecher, 3 Lithographen, 1 Photographen) und die Kartenverwaltung (1 Verwalter,
3 Gehilfen). Der Kupferdruck und die lithographischen Arbeiten werden von Privattirmen besorgt.
**) Die Ausgangsniveaufläche ging durch den provisorisch auf 374,07 m über dem Mittelmeer
bei Marseille bestimmten Hauptfixpunkt am Pierre du Niton im Hafen von Marseille. Die beiden
nach Ertel’schem System von Kern in Aarau gefertigten Fernrohre hatten 42 und 43fache Ver-
grösserung bei 32 mm Oeffnung und 40 cm Brennweite. Das Nivelleinent geschah siets aus der
Mitte mit höchstens 160 m Zielweiten. Näheres: Nizellement de précision de la Suisse 1867 - 83.
~
EE, SE
die Herausgabe einer neuen Spezialkarte 1:50000 der gesamten Schweiz be-
schlossen. Die ersten Versuche dazu waren Karten des Topographischen Bureaus
vom Berner Oberlande, Ober-Engadin, Gotthardt, Albula, Prättigau, Zweisimmen-
Gemmi 1:50000 in der von Lenzinger zuerst angegebenen „Schweizer Manier“.
Sie enthalten eine nach der „schiefen Beleuchtung“ ausgeführte Reliefabtönung
in gelbbraun des im Uebrigen in rotbraunen Schichtlinien von 30m dargestellten
Geländes. Gewässer und Gletscher sind blau, ebene Flächen in einem gelblichen
Mittelton gehalten. Ein Totalton wird gegen oben auf der Lichtseite schwächer,
auf der Schattenseite stärker, so dass sich ein starker Beleuchtungskontrast,
besonders bei den höchsten Stellen, sowie ein sehr plastischer Gesamteindruck
ergiebt. Diese Karte soll die eigentliche Kriegsspezial- oder Generalstabskarte
der Armee werden und wird neuerdings energisch gefördert.
Noch unter Dufour's Leitung bearbeitete und veröffentlichte 1867 bis 1873 das
Stabsbureau als allgemeine Kriegskarte der Armee, für Anordnung der grossen
Dispositionen, auf Grund und durch Reduktion der Spezialkarte 1: 100000 eine
Generalkarte der Schweiz 1:280000, welche auch das nicht schweizerische
Gebiet in voller Ausführung enthält und sich an die französische Karte 1 : 320 000
anlehnt. Diese in Kupferstich ausgeführten 6 Blatt, welche jeder Offizier bei
seiner Ernennung erhält, geben das Hochgebirge in geradezu bestrickender
Weise nach den Grundsätzen der Dufourkarte wieder. Die Kupferplatten werden
hinsichtlich des Gerippes auf dem Laufenden erhalten, so dass die Karte voll-
ständig ihren Wert behauptet hat, zumal sie neuerdings auch im Dreifarben-
druck erscheint. Ferner hat das Bureau noch 1881 in sechsfarbiger Lithographie
eine Gesamtkarte der Schweiz 1:500 000 veröffentlicht, mit braunen Schraffen
unter Annahme schrägen Lichteinfalls, von der auch eine hydrographische Aus-
gabe vorhanden ist, in der das Gelände durch Schichtenlinien von 100 m aus-
gedrückt wird. Endlich ist 1878 eine von dem bekannten Kartographen
R. Lenzinger zuerst bearbeitete Uebersichtskarte der Schweiz 1: 1000000
als Reduktion der Generalkarte in fünffarbiger Lithographie erschienen. Letztere,
wohl das abschliessende Werk des Stabs-Bureaus, reicht im Westen bis Auxerre,
im Osten bis Venedig, im Süden bis Modena, im Norden bis Ludwigsburg bei
Stuttgart und giebt Gerippe und Schrift schwarz, das Gelände in braunen
Schraffen (bei schräger Beleuchtung). Die Gewässer sind blau, die Eisenbahnen
rot, die Landesgrenzen grün gehalten.
In neuester Zeit ist mit einer Neuvermessung des Landes begonnen worden,
welche an die Fortschritte der internationalen Erdmessung anknüpft.
Diesem bekanntlich aus der von dem preussischen Geodäten Generalleutnant z. D.
Dr. Baeyer 1861 vorgeschlagenen mitteleuropäischen Gradmessung zur Bestimmung
der wahren Erdgestalt hervorgegangenen, für Wissenschaft und Praxis bedeutungs-
vollen Unternehmen gehört die Schweiz seit Anbeginn in sehr eifriger Mitarbeit an.
Sie entsandte 1861 den General Dufour, die Direktoren der Sternwarten von Zürich,
Neuchätel, Genf und Bern, Dr. Wolf, W. Hirsch, Dr. Plantamour und Dengler als
Kommission, um das grosse Werk ms Leben zu rufen. Die Neuvermessung
stützt sich auf die schon genannten 3 Basen”). Bei den auf die Triangulation
*) Dieselben wurden drei- bezw. zweimal gemessen und ergab sich an mittleren Fehlern bei.
der 2460 m langen Aarlberger Basis + 0,67 mm, bei der 2540 m langen Weinfeldener + 1,27 mm und
bei der 3260 m langen von Bellinzona + 0,89 mm. Die Kosten der Messung betrugen 37000 Francs
Es wurden 142 m in 1 Stunde bestimmt, also schnell gemessen.
— 68 —
sich gründenden Einzelvermessungen wird von dem für das Hochgebirge sehr
geeigneten photogrammetrischen Verfahren vortheilhaft Gebrauch gemacht*).
Erwähnt seien auch die guten Längenbestimmungen von Genf nach Strass-
burg, Wien, Lyon-Paris, München, sowie die Präzisions-Nivellements über die
Alpen nach Italien.
Von anderen kartographischen Leistungen des Stabsbureaus seien die
wichtigenKanton-Umgebungskarten in verschiedenen Massstäben und Ausführungen
genannt, so die meisterhafte, noch unter Dufours Leitung entstandene des Kanton
Genf 1:50000 und 1:100000, des Kantons Uri 1: 100000, Basel (Stadt) mit Um-
gebung 1:10000, Thun 1:25000, Thun mit Stockhorn und Niesengebiet 1: 50000,
Bern 1:25000, Berner Oberland 1:50000, Sargans 1:25000, Evolena-Zermatt-
Monte Rosa 1:50000, Interlaken und Gegend 1:50000 u. s.w. Endlich sei an
seine Bestrebungen gedacht zur Hebung des Schulunterrichts, dem die neue
Schulwandkarte der Schweiz 1:200000 mit ihre Entstehung verdankt.
Dieses Werk ist auf Grundlage der künstlerischen Entwürfe des lithographischen
Instituts der Gebrüder Kiimmerly in Bern und nach den Vorschlägen einer aus
Angehörigen des Stabsbureaus, sowie hervorragenden Schweizer Geographen,
Kartographen und anderen Fachleuten unter Vorsitz des Bundesrats Schenk
zusammengesetzten Kommission auf Staatskosten mit einem Aufwande von
167000 Francs durch das Topographische Bureau und den Lithographen
Kümmerly hergestellt und wird an etwa 10000 Schweizer Schulen noch Ende
dieses Jahres verteilt.
Die 120 cm hohe und 185 cm breite Karte hat 222 qcm Fläche, von denen
103,5 auf das Schweizer, der Rest auf ausländisches Gebiet entfallen. Sie reicht
also nach Westen wie nach Osten noch 10km weiter als die Dufourkarte. Das
Gelände wird in 100m Niveaulinien, in der Ebene nötigenfalls in 50 m Schicht-
linien mit brauner Abtönung unter Anwendung einer von NW. unter 45° ein-
fallenden schrägen Beleuchtung wiedergegeben. Die Karte soll etwa 1730 Namen,
1126 Höhenzahlen (von 190 m am Comersee bis 4810 am Mont Blanc) enthalten.
Der Mehrfarbendruck erfordert ein 14maliges Passieren jedes Blatts unter der
Presse auf ebensoviel Steinen, wobei das Verfahren eine Korrekturfähigkeit der
letzteren ermöglicht. Die Auflage von 10000 Exemplaren ist ohne Retouche ab-
zuziehen. Dieses nach Urteil von Kennern hervorragend gelungene Werk dürfte
bedeutenden Einfluss auf den geographischen Unterricht, besonders in der
Heimatskunde, ausüben. Nach gleichem Verfahren werden nun von Privat-
anstalten die Karten der einzelnen Kantone in 1:100000 hergestellt, so von
‚Becker (Basel-Land), Kümmerly (Solothurn und Luzern, besonders gelungen)
u. S. W.
Von anderen Schweizer Behörden sei hier die seit 1859 bestehende geo-
logische Kommission hervorgehoben, welche auf Grund der Dufourkarte eine
aus 25 Blatt 1:100 000 bestehende geologische Karte der Schweiz (gedruckt in
der Anstalt Winterthur) herausgegeben hat, die an Grossartigkeit ihresgleichen
sucht. Ferner seien die offiziellen Eisenbahnkarten der Schweiz erwähnt.
die grosse 1:250 000, die kleine 1:500000 und die offizielle Distanzen- und
Höhenkarte der Schweizer Eisenbahnen 1:500 000.
*) Ich erwähne auch hier ausser den Arbeiten des Ingenieurs Rosenmund, die zum Vergleich
der photogrammetrischen mit Messtischarbeiten ausgeführt wurden, die Aufnahmen für das Projekt
der Jungfraubahn.
Zu diesen behördlichen Arbeiten kommen nun eine Reihe privater
Schweizer Unternehmen ersten Ranges, Aufnahmen und Darstellungen zahl-
reicher Gelehrter, von Gesellschaften, wie auch des Schweizer und des Deutsch-
Oesterreichischen Alpenvereins, der naturforschenden Gesellschaft, der topo-
graphischen Anstalt Winterthur u. s. w., die durch präcise Bestimmung der Orte
nach Länge, Breite und Höhe eine auch für kommende Geschlechter genaue
Grundlage geschaffen haben. Erwähnt seien nur die Arbeiten Ziegler’s, so seine
hypsometrischen Karten der Schweiz 1:200000 und 1:380000, seine neue Karte
der Schweiz 1:380000 (neue Ausgabe mit Register), dann vor allem die geo-
metrische Darstellung mit plastischer Zeichnung verbindenden „Reliefkarten‘,
echte Volkskarten, deren erste, die des Professors Fr. Becker vom Kanton
Glarus 1:50000 von 1889, an der Randegger und Lenzinger mitgearbeitet,
Schule gemacht hat. Dieselbe enthielt eine sehr wirkungsvolle Darstellung des
Geländes durch Niveaulinien mit farbiger Schummerung unter der Annahme
schräger Beleuchtung und ist überhaupt ein sehr farbenfreudiges Gemälde, das
indessen zu rein wissenschaftlichen und technischen Zwecken weniger geeignet
ist. Dagegen wird die „Reliefmanier* mit Recht für Reise- und Touristen-
karten verwendet, von denen hier nur Keller's zweite Reisekarte der Schweiz
1 : 440 000, Lenzinger’s und Kiimmerly’s Reisekarte 1:580000 genannt seien.
Neuerdings fordert auch der Haupturheber der ganzen Bewegung die Rückkehr
zur Einfarbigkeit als der höchsten Stufe der Darstellung auf, „wobei es dem
Künstler möglich sein muss, eben mit einem Tone die Farbenabstufungen wieder-
zugeben, wie im Kupferstiche des Meisters die Farbentöne des Original-Farben-
bildes sich wiederspiegeln“. Schliesslich sei hier noch an die schönen Schweizer
Leistungen in der Phototopographie erinnert.
Um auch noch ausländische Werke zu streifen, so möchte ich vor allem
die vom französischen Generalstabe (Service géographique de l'armée) veröffent-
lichte Carte topographique des Alpes 1:200000 auf 12 Blatt und 1 Uebersichts-
skizze, sowie die Spezialkarten derselben Behörde: Massif du Mont Blanc
1:40 000 und Vallée de Sallanches a Chamounix 1:80000 in Chromolithographie
nennen, ebenso Viollet le Duc’s 1875 veröffentlichte 4 Blatt des Massif du Mont
Blanc 1:40000 in 10 Farben. Dann die vorzüglichen Darstellungen der Schweiz
in den Arbeiten des österreichisch-ungarischen Militärgeographischen Instituts,
nämlich der Uebersichtskarte von Mittel-Europa 1: 750 000 (Projektion nach Bonne,
Farbendruck, Gelände schraffiert) und der Generalkarte von Central-Europa
1:300000 (Farbendruck), welche sie ganz enthalten, sowie der Generalkarte von
Mittel-Europa 1:200000 (Farbendruck, braunschraffiertes Gelände), welche sie
zum Teil umfassen. Von deutschen Werken müssen die Blätter 25 und 26 der
meisterhaften Vogel’schen Karte des Deutschen Reichs 1:500 000, die die Nord-
hälfte der Schweiz enthalten, sowie die Mayr schen Karten der Alpenlander
1:450 000 hervorgehoben werden.
Rege ist in der Schweiz auch das Interesse für den geographischen Unter-
richt, das durch die geographischen Gesellschaften wie die Lehrkanzeln für
Geographie an den Hochschulen reich gefördert wird. Nach allem darf wohl
der Nachweis als erbracht gelten, dass die kleine Schweiz einen hervorragenden
Platz in der Kartographie einnimmt in Vergangenheit wie Gegenwart.
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Nebelmassen um den neuen Stern im Perseus und ihre Beoéaung,
D" Flammarion anzcigte, dass der neue Stern in einen Nebel eingehüllt
sei, stellte es sich bald heraus, dass diese Erscheinung*) durch Strahlen
von kurzen Wellen hervorgerufen war, für die das benutzte Objectiv nicht be-
sonders korrigiert war. In den Spiegelteleskopen, die alle Strahlen im Brenn-
punkt vereinigen, zeigte sich der Lichtkreis nicht; in den Refraktoren konnte
man durch Abblendung der Objektive diesem Lichtkreis beliebige Kontur geben,
wodurch bewiesen war, dass dieser von Flammarion entdeckte Nebel keine
Realität besass. Es blieb immerhin auffällig, dass kein anderer Stern eine
solche Aureole beim Photographieren aufwies. Damals prüfte ich die
Flammarion’sche Nachricht mit unserm grossen Refraktor, konnte aber auch nur
konstatieren, dass der neue Stern in seiner unmittelbaren Umgebung keine
Spur von Nebel zeigte und sich beim Fokussieren auch wie jeder andere Stern
verhielt. Ich fand jedoch in etwa 7 Minuten Distanz eine schwache Andeutung
von ganz matten Nebelmassen, worüber ich sofort in der nächsten Sitzung
des „Vereins von Freunden der Treptow-Sternwarte“, wie auch Herr Berberich
berichtete. Prof. Wolf wies solche weiter abgelegene Nebelmassen auf photo-
graphischem Wege zuerst nach. Alsdann hat Ritchey am 20. September 1901
die Gegend der „Nova Persei“ mit einem 22zölligen Spiegelteleskop des Yerkes-
Observatoriums photographiert. Die Brennweite des Spiegels beträgt nur 93 engl.
Zoll, so dass sich Oeffnung zur Brennweite bei dem benutzten Teleskop verhalten
wie 1:4,5, was besonders zum Photographieren von Nebelflecken sehr günstig
ist. Der Silberbelag war fast ganz neu. Es wurde eine Cramer Crownplatte
benutzt, die fast doppelt so empfindlich ist als die gewöhnlichen. Exponiert
wurde 3 Stunden und 50 Minuten. (Vergl. „Astrophys. Journal“, Oktoberheft.)
Unter solchen günstigen Umständen ist die Aufnahme entstanden, die wir in
Fig. 1 unseren Lesern vorführen. Der falsche Flammarion’sche Lichtkreis ist
auf dieser Aufnahme nicht aufgetreten trotz der fast vierstündigen Expositions-
zeit; er zeigt sich eben nur auf den Aufnahmen, die mit Linsen hergestellt sind.
Der wirkliche Nebel ist aber in prachtvoller Weise sichtbar. In zahlreichen
Windungen umgiebt er den neuen Stern, ob in Spiralform oder in verschiedenen
Ringen mit schwächeren Teilen lässt sich noch nicht unterscheiden. Eine Auf-
nahme mit noch längerer Expositionszeit wird diese Frage erst entscheiden.
Der grösste Teil der zarten Nebelmassen ist auf dem Negativ so schwach, dass
er sich durch den gewöhnlichen Prozess der Reproduktion nicht wiedergeben
lässt. Daher hat Ritchey eine Zeichnung angefertigt, die wir in Fig. 2 wieder-
geben, auf der fast alle die feinen auf dem Negativ sichtbaren Nebeläste deutlich
heraustreten. Die Vergrösserung ist ungefähr eine vierfache.
Die komplizierten Nebelmassen dürfen wir als eine starke Stütze der
Hypothese betrachten, die annimmt, dass neue Sterne") entstehen, indem er-
kaltete oder nur noch schwach leuchtende Sonnen in ausgedehnte Nebelmassen
eindringen. Einen ähnlichen Vorgang beobachten wir fast täglich in dem Auf-
*) Vergl. „Das Weltall“, Jahrg. 1, S. 223.
**) Vergl. „Das Weltall“, Jahrg. 1, S. 95.
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leuchten der Sternschnuppen. Mit demselben Instrument, mit dem bereits
Keeler eine grosse Zahl kosmischer Nebel entdeckt hat, dem Crossley-
Reflektor, hatte auch Perrine, einer Aufforderung von Prof. Wolf entsprechend,
die Gegend des neuen Sterns photographiert und vier Hauptverdichtungen in
den auftretenden Nebelmassen aufgefunden. Das merkwürdigste ist aber, dass
diese Verdichtungen, wie das im vorigen Heft mitgeteilte Kabeltelegramm
angiebt, sich in einem Zeitraum von sechs Wochen um eine volle Bogen-
minute in südöstlicher Richtung von der Nova fortbewegen. Selbst unter der
Annahme, dass die Nova uns so nahe steht, wie im Durchschnitt die Sterne
3. Grösse, wäre die wahre Bewegung des Sternes im Raume, die sich uns in
sechs Wochen als eine Bogenminute zeigt, eine so grosse, dass sie alle bisher
beobachteten Geschwindigkeiten von Materie im Kosmos bedeutend übertreffen
würde. Es wäre über 50000 Kilometer in der Sekunde. Legen wir die durch-
Nebelmassen in der Umgebung der Nova Persei.
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Fig. 1. Fig. 2.
Originalaufnahme. Zeichnung von Ritchey nach dem Original-Negativ.
schnittliche Entfernung der Sterne geringerer Grösse zu Grunde, so bedeutet
die beobachtete scheinbare Bewegung von einer Bogenminute eine wirk-
liche Bewegung, die der Licht- und Elektrizitätsgeschwindigkeit bereits nahe
kommt. In diesem Falle würde die beobachtete Bewegung in den Nebelmassen
uns keine direkte Massenbewegung ankünden, sondern die Fortpflanzung von
Licht- oder Elektrizitätswellen in den Nebelmassen beweisen. Diese Annahme
würde mit der zuletzt am 13. November gemeldeten Nachricht von Ritchey gut
übereinstimmen, dass der Nova-Nebel nach allen Richtungen hin sich fortbewegt.
Es wäre das erstemal, dass solche sich fortbewegende Wellen im Raume
beobachtet wären, und von grösster Bedeutung für die Erklärung mancher
anderer kosmischer Erscheinungen, wenn sich unsere Annahme bestätigen sollte.
Man darf mit grösster Spannung weiteren Beobachtungen dieser rätselhaften
Nebelbewegung entgegensehen. ES Archenhold.
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Truman Henry Safford
(geb. 1836 Januar 6. in Royalton Vt., gest. 1901 Juni 12. in Newark).
Schon als Knabe zeigte Safford ausserordentliche Begabung fiir das praktische Rechnen;
er soll mit 14 Jahren schon eine Kometenbahn berechnet haben. Unter Bond war er Beobachter an
der Harvard-Sternwarte. 1865 kam er nach Chicago, wo seine Zonenbeobachtungen später durch
das grosse Chicagoer Feuer jah unterbrochen wurden. Im Jahre 1876 wurde er Professor der
Astronomie in Williams College, Williamstown Mass. Hier beschäftigte er sich hauptsächlich mit
Sternpositionen und Sternkatalogen. Auf seinen Katalog von 612 Sternen, die sich fiir die geogra-
phische Breitenbestimmung in den Vereinigten Staaten besonders eigneten, basieren die neuen Grenz-
bestimmungen zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten.
Mit einem vorzüglichen Repsoldschen Meridian-Instrument beobachtete er die nahen Polsterne,
deren Positionen er auswendig kannte, sodass er bei ihrer Einstellung nie einen Katalog zur Hand
zu nehmen brauchte, Seine Beobachtungen sind bekannt unter „Williams College Catalogue of North
Polar Stars“. Auch hatte er den Ort des im Jahre 1861 noch unsichtbaren Begleiters des Sirius
genau vorausberechnet, der erst 1862 von Alvan Clark gefunden wurde.
Schon mit 30 Jahren war er Mitglied der Royal Astronomical Society of London geworden.
Er war als Astronom und Lehrer gleich gross und hat manche seiner Schüler in Williamstown für
immer für die Astronomie gewonnen.
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George K. Lawton
(geb. 1873 Oktober 20. in Jackson (Michigan), gest. 1901 Juli 26. in Washington).
Als Sohn des Professors U. W. Lawton in Jackson erhielt der hochbegabte Knabe eine vor-
zügliche Ausbildung. An der Sternwarte der Yale University arbeitete er kurze Zeit über Meteor-
bahnen und wurde dann Rechner des Naval-Observatoriums. Hier nahm er während der letzten
5 Jahre an den Meridian-Beobachtungen teil. Im vergangenen Jahre beteiligte er sich an der Beob-
achtung der totalen Sonnenfinsternis in Pinehurst, North Carolina. T. J. J. See, der ihn näher gekanut
hat, schildert in den Publ. of the Astr. Society of the Pacific den zu früh Verstorbenen als einen
äusserst gutmütigen, wohlthätigen und charaktervollen Menschen, der in hohem Masse Ansehen und
Liebe bei seinen Vorgesetzten, Mitarbeitern und den Armen der Stadt genoss.
* *
*
Karl Zelbr
(geb. 1854 Nov. 30. in Oszlan (Ungarn), gest. 1900 Mai 13. in Brünn).
Dr. Karl Zelbr war während der 13jährigen Thätigkeit au der Wiener Sternwarte hauptsächlich
als Beobachter am Meridiankreise thätig; gelegentlich beobachtete er auch Planeten und Kometen
am GOU. Refraktor. In Brünn war er Skriptor der Bibliothek und Privatdozent für theoretische
Astronomie an der deutschen technischen Hochschule und hat 1894 eine Schrift über das österreichische
Bibliothekwesen, die vielseitige Anerkennung gefunden hat, verfasst.
* *
*
Charles A. Bacon, Professor der Astronomie am Beloit College und Direktor des Smith
Observatoriums, ist im Alter von 41 Jahren am 6. November 1901 gestorben.
* *
*
Prof. Pietro Tacchini hat das Amt eines Direktors des R. Ufficio centrale di Meteorologica e
Geodinamica al Collegio Romano niedergelegt; zu seinem Nachfolger ist Prof. Luigi Palazzo
ernannt worden. Die ebenfalls im Collegio Romano befindliche Sternwarte wird auch weiterhin
unter der bewährten Leitung von Prof. Tacchini verbleiben.
* x
x
Prof. Dr. M. Eschenhagen, Direktor des Magnetischen Observatoriums zu Potsdam, ist am
12. November 1901 verstorben.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F. 93. Archenhuld, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin BW.
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Die Verteilung des Sonnen- und Mondlichtes
im Jahre 1902.
Von F. 8. Archenhold,
Direktor der Treptow-Stern warte.
Von allen Himmelslichtern tiben Sonne und
Mond den grössten Einfluss auf uns aus, Nicht
nur, dass sie, abgesehen von den Kometen, die
einziger Himmeiskörper sind, die schon für das
unbewaffnete Auge eine gewisse Ausdehnung am
Fig. 1.
Weber Staud der Sonne
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Himmel, etwa '/, Grad erreichen, sondern auch ibr
Licht ist am hellsten und regelt die gesamie
Thätigkeit auf der Erde. So lange die Sonne über
dem Horizont steht, haben wir Tag; die biirger-
liche Dimmerung geht zu Ende, wenn die Sonne
6'/, Grad unter den Horizont gesunken ist, alsdann
wird es Nacht. An den Lauf der Sonne sind alle
Segnungen, die die Erde spendet, gebunden: sie
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Die Dauer der bürgerlichen Dämmerung beträgt
beispielsweise für Berlin (Polhöhe 52 Grad 80 Mi-
nuten) am 1, Januar 47 Min., am 1. April 40, am
1. Juli 57, am 1. Oktober 39 Min. Aus der Tafel
ersehen wir, dass die Sonne für Berlin am ]. Januar
um 8 Uhr 19 Min. M. E. Z (mitteleuropäische Zeit)
auf- und um 4 Uhr nachmittags untergeht, also die
Linge des Tages, einschliesslich der biirgerlichen
Dämmerung, 7 Stunden 41 Min. + 2X 47 Min. =
9 Stunden 15 Min. beträgt, am 1. April um 5 Uhr
44 Min. früh auf- und um 6 Uhr 37 Min. nach-
mittags untergeht, also die Länge des Tages ein-
schliesslich der bürgerlichen Dämmerung 12 Stunden -
58 Min. + 2 X 40 Min. = 14 Stunden 18 Min. beträgt,
Die für die anderen Orte geltenden mitteleuro-
päischen Zeiten können aus folgender Tafel ent-
nommen werden, die die Zeitunterschiede gegen
Berlin enthält:
Min. Min. Min.
Aachen + 29 | Essen +%6 EES 7
Altona + 16 | Frankfurt a/M. + 19 20
Augsburg 10 | Frankfurt wO, — 5 | Memel — 81
Aurich 24 | Greifswald 0 | Mets +- 29
Bonn 26 | Gumbinnen — 35 | München 7
Braunschweig + 11 | Halle a/8. 6 | Münster i/W. 28
Bremen +18 | Hamburg +14 | Posen — 14
Breslau — 15 | Hannover 15 | Stettin — 6
Colmar -+- 24 | Heidelberg 19 | Strassburgi. E.-+- 22.
Danzig — 21 | Karlsruhe 20 | Stuttgart 17
Dortmund + 24 | Koblenz 28 | Thofn — 21
Dresden -- 1} Köin 2 | Tilsit — 34
Düsseldorf + 27 | Königsbg.i/P. — 28 | Trier CO
Elberfeld + 25 | Krefeld +27 | Wiesbaden CH
Elbing — 24 | Leipzig 4 | Würzburg +14
Erfurt + 9 | Lübeck 11
Die Plus-Zeichen bedeuten, dass die Sofne in
den betreffenden Orten entsprechend später. die
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ist das Centralfeuer in unserem Planetensystem.
Steigt sie bei uns höher über den Horizont, so
steigen die Kräfte der Erde; je grösser die Höhe
der Sonne, um so wärmer wird es auf der Erde.
Im Laufe eines Tages steigt die Sonne vormittags
von 0° Höhe auf ihren jeweiligen höchsten Mittags-
stand, um alsdann nachmittags wieder zu sinken.
Aus Figur 1 ersehen wir, dass am 22. Dezember
die Sonne ihren niedrigsten Stand über dem Horizont
einnimmt, nur 14 Grad. Am 21. Januar steigt sie
auf 17'/, Grad, am 21. Februar auf 27, am 21. Marz,
dem Eintritt des astronomischen Frühlings, auf
87'/, Grad. Am 21. April hat sie bereits eine Höhe
von 49'/, Grad, am 22. Mai eine solche von 58 er-
reicht, um am 21 Juni, dem Beginn des astrono-
mischen Sommers, ihren höchsten Stand, 61 Grad,
am Himmel einzunehmen. Von nun an sinkt ge
wieder, erreicht am 22. Juli den Stand vom 22. Mai
58 Grad, am 22. August den vom 21. April
491/,, am 23. September den vom 21. Mar:
37'/, Grad; an diesem Tage beginnt der astro-
nomische Herbst. Am 23. Oktober steht sie so
hoch wie am 21. Februar = 27 Grad; am 22. No-
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vember so hoch, wie am 21. Januar —17°/,, um |
am 22. Dezember, dem Beginn des astronomischen
Winters, wieder ihren niedrigsten Stand — 14 Grad
einzunehmen.
Den Astronomen, Landwirt interessiert es haupt-
sächlich, den Auf- und Untergang der Sonne für
jeden Tag zu erfahren, um zu wissen, von wann
an und wie lange er beobachten beziehungsweise
auf dem freien Felde Arbeiten ausführen kann.
Hiernach regelt sich der gesamte Arbeitsplan.
Daher baben wir in der oberen Tafel die Ver-
teilung des Sonnenlichtes im Jahre 1902 graphisch
dargestellt. Die Taye des Jahres sind in der Wage-
rechten, die Stunden des Tages in der Senkrechten
wiedergegeben. Für jeden Tag des Jahres ist aus
der Tafel nicht nur der Auf- und Untergang
der Sonne ersichtlich, sondern auch die Dauer der `
bürgerlichen Nämmerung, d. h. derjenigen
Zeit, in welcher die Helligkeit genügt, um Arbeiten
im Freien, sowie gröbere Hausarbeiten ohne künst-
liche Beleuchtung vornehmen. zu können.
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auszuführen, oder will nachts Radfahrten oder als
Landwirt andere Fahrten unternehmen, sei es ge-
schäftlich zur Fortschaffung von Getreide, sei e
gesellig, zwecks Besuch einer Gesellschaft oder
Ausübung der Jagd. Hierüber giebt uns die
untere Tafel, die Verteilung des Mondlichtes. im
Jahre 1902, die die Auf- und Untergänge des
Mondes enthält, unmittelbar Aufschluss. Da in
dieser Tafel die Sonnen-Auf- und Untergänge
wieder verzeichnet sind, so sehen wir sofort, dass
ain 24. Januar, 22. Februar, 24. März, 22. April,
22. Mai, 21. Juni, 20. Juli, 19. August, 17. September,
17. Oktober, 15. November und 15. Dezember wäh-
rend der ganzen Nacht der Vollmond scheint.
— — —-Auch kann man die Auf- und Unter-
gangszeiten des Mondes aus der unteren Tafel
sofort ablesen. Am 80. April geht beispielsweis
der Mond um 1 Uhr 1 Min. nachts auf und um
10 Uhr 28 Min. morgens unter, am 31. Mai um 12 Uhr
47 Min nachts auf uad um 12 Uhr 53 Min nachm.
unter; an. diesen Tagen könnte man also vor
Sonnenaufgang, wenn es nötig wäre, auf dem
Felde bei Mondlicht arbeiten.
Wie die Stärke des Sonnenlichtes von der
Höhe der Sonne abhängt, so ist beim Mond die
Phase von grösster Wichtigkeit; es ist daher in
der letzten Reihe der unteren Tafel immer av-
gegeben, an welchen Tagen Neumond, Erstes
Viertel, Vollmond und Letztes Viertel eintritt.
Es wird unsere Leser interessieren, aus Fig. 2
den Lauf der Sonne über dem Horizont sehen zu
können. In Fig 3 ist ein "Treibhaus oder Atelier
dargestellt, wie es in den verschiedenen Monaten
von der Sonne beschienen wird.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 6.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1901 Dezember 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint anı 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
cinzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspallige Petitzeile 40 Pfg. 1, Seite 60.—,Y, Seite 30.— 1/4 Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Ursprung und Wesen der pythagoraeischen Spharen- des Sonnen- und Mondlichtes im Jahre 1902.4 —
harmonie. Von Mar Jacobi o... 2 2 220. 73 Weitere Mitteilungen über die Bewegung des Nebels
2 Ueber den Einfluss des Erdmagnetismus auf den um den neuen Stern im Perseus. — Ein ältester
Gang von magnelisierten Chronometern. Von F. Linke 78 Gulenbergdruck » 1. 2 2 2 ew we rn. 82
3. Der Sternenhimmel in Monat Januar 1902. Von 5. Personalien: Freiherr Benko von Boinik. — Frl. Dr.
Direktor F. S. Archenhold . . ..... SN, ee 81 Dorothea Klumpke. — Ernennungen. . . . 6. 84
4. Kleine Mitteilungen: Unsere Beiluge „Die Verteiluug 6. Schenkungen 2. 6 6 1 6 ee ee ee 84
(rsprung und Wesen der pythagoraeischen Sphärenharmonie.
Einleitung.
|? allen Perioden der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geistes bemerkt
man absonderlich geartete Charaktere, welche auf dem Wege des Fortschritts
den Anderen weit vorauseilten und in ihrem kühnen Gedankenfluge daher unver-
ständlich blieben. Ein dichter Sagenschleier umgiebt bald die Gestalt eines
derartigen „Uebermenschen“. Man erzählt dann wohl an einem Winterabend
in traulich-warmer Stube den Seinigen von dem titanenhaften Ansturm jenes
Geisteshelden gegen alles Althergebrachte und von seinem unseligen Ende —
ganz wie es die Sage berichtet.
Somit ist es keineswegs verwunderlich, dem Faustprobleme in der Welt-
geschichte mehrfach zu begegnen. Wie das Mittelalter in dem weisen Papst
Sylvester II. seinen „Faust“ hatte“), so besass das Altertum einen Mann, der in
der Kühnheit und Schärfe seines Geistes ihm. selbst unverständlich blieb — den
Samier Pythagoras. Die naturphilosophischen Lehren dieses Meisters und
seiner Schule beschäftigten umsomehr die Weisen des Altertums, als sie bei der
völligen Abgeschlossenheit der pythagoraeischen Schule nur entstellt ibnen zu
Ohren kamen. Nach der Zersprengung der krotonischen Schule hat ein Pytha-
goraeer, Philolaus, Zeitgenosse des Sokrates, in seinem Werke „über die Natur“
zwar teilweise die Philosophie des grossen Samiers dargestellt, auch haben sich
von dem genannten Werke Fragmente erhalten; ob indessen dieselben echt sind,
das dürfte grossen Zweifeln unterliegen**). Wir sind daher auf die spärlichen
Angaben einiger letzter Vertreter des Pythagoraeertums, unter ihnen des genialen
Mechanikers Archytas von Tarent und seines noch bedeutenderen Schülers
Platon, angewiesen, wenn wir die Schule und die naturwissenschaftlichen Lehren
der Pythagoraeer kennen lernen wollen. Fernerhin kommt als wichtige Quelle
*) Man vergleiche hierzu: Karl Schulze, Hamburg 1892.
**) Bockh, der grosse Berliner Philologe in den ersten Jahrzehnten des verflossenen Sakulums,
hat die Fragmente des Philolaus gesammelt und 1819 mit trefflichen Erläuterungen herausgegeben.
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zur Kenntnis des Pythagoraeertums noch Aristoteles in Betracht, dem freilich
„die ganze Richtung nicht passte“. Von Objektivität ist bei ihm in der Be-
urteilung der Pythagoraeer nichts zu spüren.
In der neueren Zeit erkennt man immer mehr den gewichtigen Inhalt der
Schriften Plutarchs auch fir die Erforschung der Naturwissenschaften im Altertum
an. In einer Abhandlung, welche philosophische Tischgesprache zum Gegenstand
hat, legt Plutarch unter anderem das System der Pythagoraeer dar und zwar in
den wichtigsten Einzelheiten viel genauer als seine Vorgänger*). Plutarch hat
man es in erster Linie zu verdanken, dass auch die Orientalisten, besonders die
Aegyptologen, einer vergleichenden Geschichte der ältesten Naturphilosophie **)
näher traten. Es befindet sich dieser Zweig der Wissenschaft im ersten Ent-
wicklungsstadium; somit ist die Ausbeute vorläufig nur gering. Aber die Zukunft
lässt eine schöne Blüte erhoffen! Berücksichtigen wir, dass uns die Kenntnis
der altaegyptischen Sprache, Philosophie und Litteratur in den Stand setzt, die
Befruchtung des hellenischen Geistes vom Pharaonenlande her sicher nach-
zuweisen. Die folgende kleine Darstellung soll dazu beitragen, durch genaue Aus-
führung der Thatsachen den Nachweis zu führen, dass auch die ältesten Natur-
philosophen der Hellenen, insbesondere Thales und Pythagoras, in ihren natur-
wissenschaftlichen Lehren von der Weisheit der altaegyptischen Priesterkaste
recht abhängig waren. Vielleicht gelingt es dieser kleinen Skizze, den geheimnis-
vollen Schleier, welcher die Person des Pythagoras umgiebt, zu zerreissen und
den Samier in den Augen der Nachwelt wieder zu dem zu machen, der er war —
ein begabter Vertreter und Beurteiler ausländischer Kultur. — —
Indem wir bei dem Charakter unserer Darstellung von der eigentlichen
Philosophie der Pythagoraeer, d. h. ihren ethischen Lehren, möglichst absehen
wollen, wenden wir uns gleich zur Betrachtung ihrer physikalischen und
astronomischen Lehren. Zum Verständnisse derselben ist es indessen erforder-
lich, sich die Grundprinzipien der pythagoraeischen Weltanschauung vor Augen zu
führen.
Nach der Mitteilung aller massgebenden altklassischen Schriftsteller war
das Bindeglied des Weltgebäudes für Pythagoras die Harmonie, der Einklang.
Weil derselbe am deutlichsten in einfachen Zahlenverhältnissen zu Tage tritt,
so wurden mittelbar die Zahlen Bindeglieder der Dinge im Universum. Als solche
erfreuten sie sich einer weitgehenden Verehrung. Für besonders heilig erachteten
die Pythagoraeer die „Eins“. Sie gaben dieser Heiligkeit auch dadurch Ausdruck,
dass sie die Einheit im Gegensatze zu allen anderen Zahlen, „die“ Zahl nannten,
nicht „eine“ Zahl. Die Einheit war für sie das Grundprinzip, der Anfang alles
Seienden. In ihrer Geheimsprache nannten die Pythagoraeer die Einheit , Apollon’,
wie u. a. Plutarch berichtet.
Eine solche abstrakte, jedwedem anderen philosophischen System wider-
strebende Lehre musste schon im Altertume philosophisch gebildeten Köpfen zu
tiefem Nachdenken Anlass geben. Woher rührte diese Zahlensymbolik, die sich
-— wie wir weiter unten sehen werden — nicht nur bei der Einheit so bemerk-
bar macht? Wo musste man ihren Ursprung suchen?
*) Man vergleiche auch die Schrift Plutarchs über „Isis und Osiris“.
**) Weil bei den altklassischen Völkern — mit Ausnahme von Sokrates — alle Philosophen
zugleich gründlichere naturwissenschaftliche Forschungen unternahmen, so begreift die Philosophie.
bezel. die Naturphilosophie des Altertums auch die naturwissenschaftlichen Lehren in sich.
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Bei der Eigenliebe der hellenischen Philosophen, bei ihrer Unkenntnis in
den altorientalischen Sprachen und bei ihrer Unkenntnis in der wahren Lehre
des grossen Samiers darf es nicht verwundern, dass man in der Erklärung der
pythagoraeischen Zahlensymbolik recht müssige Spekulationen anstellte. So
sollte die „Einheit“ deswegen als höchstes Symbol gefeiert werden, weil sie
der Anfang aller Zahlen und auch die erste vollkommene Zahl (zeg:oo0c) wäre;
die Drei sollte besonders verehrt werden, weil sie die Summe der ersten
unvollkommenen und der ersten vollkommenen Zahl bildete, endlich die Zehn-
heit als Summe der ersten vier Grundzahlen‘*).
Es leuchtet ein, dass eine derartige Erklärung an Gezwungenheit nichts zu
wünschen übrig lässt. Und wenn auch derlei Zahlenbedeutungen der Zahlen-
symbolik des Pythagoras als Grundlage dienten, so ist immer noch die Frage
nach dem eigentlichen Ursprung dieser Lehre unbeantwortet. Die einzige zu-
treffende und befriedigende Antwort auf diese interessante kulturgeschichtliche
Frage erhalten wir aus der sachverständigen Prüfung und Enträtselung der
Hieroglyphentexte in jenen Riesendenkmälern einer einst hochentwickelten Kultur,
den Pyramiden. Wir bemerken, dass sich in Hieroglyphenschriften mytho-
logischen Inhalts für die Einheit oft das Zeichen © findet, "das höchste
Symbol der alten Aegypter, ein Abbild des Urgottes Rå (im mittleren Reiche
„Us-iri“*, woraus die Griechen „Osiris“ bildeten). Somit war die Zahl „Eins“ zum
Symbol des Weltprincips, zum Symbol der Grundlage aller Dinge in der Natur
geworden. Es mag dahingestellt bleiben, ob diese Schreibweise © für die Einheit
bevorzugt wurde, weil die „Eins“ den Anfang der Zahlenreihe bildet und hier-
durch auch den Schlüssel zur Kenntnis der schon von den alten Aegyptern hoch-
geachteten Harmonielehre bildet. Jedenfalls können wir als sicher gelten lassen,
dass Pythagoras — während seiner Lehrzeit bei den aegyptischen Priestern —
auch das Symbol des hehren Osiris, das Sonnenbild, kennen lernte und in der
die Bedeutung desselben für die Einheit der Zahlenreihe aufgeklärt wurde. Dass
wir den Ursprung der pythagoraeischen Zahlensymbolik im Pharaonenlande zu
suchen haben, lehren auch noch folgende Erwägungen.
Nach Plutarch ward die Einheit in der Geheimsprache der Pythagoraeer mit
„Apolon“ bezeichnet. Kein Wunder, wenn wir berücksichtigen, dass die „Eins“
in hieroglyphischen Texten durch das Sonnenbild — das Symbol des Sonnen-
gottes Osiris — dargestellt wurde!
Die „Drei“ nannten die Pythagoraeer „Gerechtigkeit“. In den Hieroglyphen-
Texten finden wir nun, dass die „Drei“ durch das Symbol der Gerechtigkeit —
durch den Sonnengott Rä mit seinen beiden Kindern Schu und Tafnut — dar-
gestellt wurde. Die Zehn findet sich hieroglyphisch bezeichnet durch ein Abbild
*) Eine derartige Erklärung der pythagoraeischen Zahlensymbolik giebt vornehmlich Aristoteles.
Auf die Autorität des grossen Peripatetikers hin äussern auch die anderen altklassischen Erklärer
der pythagoraeischen Philosophie dieselbe Ansicht — mit alleiniger Ausnahme des noch viel zu wenig
gewürdigten Plutarch. — Alle neueren Darstellungen der pythagoraeischen Philosophie — so auch
die treffliche in Zellers „Philosophie der Griechen“ Bd. I und die „Geschichte der pythagoraeischen
Philosophie‘ von Ritter, fernerhin die kleineren Abhandlungen moderner Historiker der exakten
Wissenschaften, unter denen wir nur Th. H. Martin, Friedlein, Moritz Cantor und Paul Tamery
nennen wollen, beruhen völlig auf den Angaben des Stagiriten — weil eine richtige Einsicht in den
Ursprung der pythagoraeischen Philosophie ohne genaue Kenntnis auch der altorientalischen Litteratur
unmöglich erscheinen muss. Nur Roeth kommt in seiner „Gesch. der abendländischen Philosophie“
Bd. I zu richtigen Auffassungen, geht aber in seinem Optimismus viel zu weit. Aus ähnlichen
Gründen ist fast wertlos: A. von Thimus: „Die harmonicale Symbolik des Altertums“, 2 Bde.
Köln 1868 und 1570.
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des Falken, des hochverehrten Horus-Vogels, welcher das Wiederauftauchen der
Sonne am Morgen und das Erwachen der Natur im Lenze symbolisieren sollte. -
Wir wollen davon absehen, auch für die übrigen von den Pythagoraeern verehrten
Zahlen hier den aegyptischen Ursprung nachzuweisen. — Wenden wir uns nun-
mehr zur Erklärung der sonderbaren astronomischen Anschauungen des grossen
Samiers.
Ueber dieselben wurde schon im Altertum viel gefabelt, und manch spekula-
tiver Kopf schob den astronomischen Lehren der Pythagoraeer Motive unter, welche
dieselbe niemals gezeigt haben. Auch in der neueren und neuesten Zeit bildete
es eine beliebte Aufgabe einiger hochberühmter Altphilologen, sowohl die pythago-
raeische Zahlensymbolik, als auch besonders die Astronomie des Pythagoras durch
die Brille des für die Urkultur des Hellenentums begeisterten Gelehrten zu beur-
teilen*). Freilich kann man zu einer Lösung der Frage über den Ursprung der
astronomischen Lehren des grossen Samiers nicht bei einseitiger Bevorzugung
altklassischer Zeugen gelangen. Die ehrwürdigen, Jahrtausende alten Denksteine
des Pharaonenlandes übertreffen an Wahrheitsliebe sehr oft die weniger ver-
ständnis- als phantasievollen Darlegungen altklassischer Historiker! —
Soweit wfr von der Lehre der Pythagoraeer sichere Kenntnis haben, müssen
wir annehmen, dass sie eine allgemeine Bewegung aller Himmelskörper voraus-
setzten. Es sollten sich nämlich die im Altertum bekannten 7 Planeten und
fernerhin Erde, Mond, vielleicht — aber unwahrscheinlich — auch die Sonne um
das urewige Centralfeuer drehen, dessen Ausfluss wir im sehr weit von uns
entfernten Sonnenkörper bemerken. Fernerhin sollte sich um das Centralfeuer
auch die „Gegenerde“ drehen, doch so, dass wir dieselbe niemals erblicken
können, weil das Centralfeuer in der Mitte zwischen Erde und Gegenerde sich
befindet. Ueber diese rätselhafte „Gegenerde“ der Pythagoraeer entspann sich
schon im Altertum ein lebhafter Meinungsstreit zwischen den interessierten Ge-
lehrten. Bis in die Neuzeit hinein ist übrigens das Problem der pythagoraeischen
„Ansichten“ nicht zur Ruhe gekommen. Die grösste Wahrscheinlichkeit spricht
dafür, dass diese „Gegenerde“* die andere Halbkugel unserer „Mutter Erde“ bildete,
denn schon die Pythagoraeer — vor allem Empedocles von Agrigent, der be-
rühmteste Schüler des Samiers — lehrten, dass das Erdinnere von feurigen
Substanzen durchdrungen wäre. Fernerhin sollte — nach der Meinung der
Pythagoraeer — auf unserer Erde Nacht herrschen, während die Gegenerde von
den Strahlen der Tagesgöttin erleuchtet wurde. Auch diese Ansicht muss uns
in dem Glauben bestärken, dass die „Gegenerde“ nur die Halbkugel unserer
Antipoden war, und dass in der Rotation von Erde und Gegenerde um das
Centralfeuer die Axenrotation zu verstehen ist. Bestärkt werden wir
fernerhin in diesem Glauben durch die Lehre des grossen Platon, eines Schülers
des Pythagoraeers Archytas**). Während dieser Weltweise in seiner ersten
geistigen Entwickelungsperiode sich von pythagoraeischen Einflüssen fremd zeigt,
auch ein streng geocentrisches Weltsystem mit der ruhenden Erde als Mittel-
*) Von neueren fachmännischen Darstellungen nenne ich nur diejenige Rud. Wolf's in
seiner „Geschichte der Astronomie“, München 1877, fernerhin diejenige A. Heller’s in seiner Ge:
schichte der Physik“ Bd. I; ausserdem wären besonders zu erwähnen die diesbezüglichen Abhand-
lungen Th. Martin’s im „Bulletino Boncompagni“, Jahrg. 1872 ff. und die treffliche Skizze des be-
rühmten Mailänder Astronomen Schiaparelli: I precursori di Coppernico nell ‘antichita; deutsch
von M. Curtze, Leipzig 1876.
**) Man vergleiche für diesen Teil unserer Darstellung u. A.: Rudolf Wolf „Geschichte der
Astronomie“, München 1877 und Rudolf Wolf „Handbuch der Astronomie“, Zürich 1890,
D, E
punkt der Welt lehrt, bemerken wir schon im „Timaeus“, — der seiner zweiten
Periode angehört — dass Plato mit der Axenrotation der Erde vertraut ist. Er giebt
dieser Meinung freilich nur in sehr dunkelgehaltenen Worten Ausdruck. Wir
müssen immerhin bedenken, dass Platon als vorsichtiger Gelehrter keineswegs
Lust empfand, das tragische Schicksal seines allzu offenen Lehrers Sokrates zu
teilen. Dies spricht er in den „Gesetzen“ — und den „Nachträgen“ zu denselben
Schriften der letzten Periode — auch unzweideutig aus. Er weist nämlich
darauf hin, dass dasjenige Gestirn, welches scheinbar den schnellsten Lauf be-
sitze, in Wahrheit das langsamste sei, und dass die Lehre von Sonne und Mond
gerade umgekehrt sich verhalte, als sie dargelegt werde. Die richtige Ansicht
werde aber erst in der Zukunft zu Tage treten. Er könne jetzt nur die Wahrheit
einem kleinen Kreise lehren, weil die Menge unfähig sei, sie zu erfassen!*)
Man darf sich daher nicht verwundern, dass Plutarch mitteilt: „Platon habe als
Greis ein anderes Weltsystem gelehrt und den Welt-Mittelpunkt einem anderen
besseren Gestirne als der Erde eingeräumt.“ Es dürfte zu weit führen, genau
darzulegen, wie sehr Platon gerade in seinen kosmologischen Anschauungen
pythagoraeisch gesinnt war. Auch bei ihm findet sich die wunderbare Lehre von
der Sphärenharmonie. Um dieselbe zu verstehen, muss man in erster Linie
berücksichtigen, dass Pythagoras selbst ein begeisterter Verehrer der Musik war.
Die Harmonie der Töne — als getreuestes Abbild der Weltenharmonie — spielte
in seiner Schule eine Hauptrolle. Er pries die Musik als einzige ,Seelenarznei‘,
die fähig wäre, erschiitterte Gemüter zu beruhigen**). Er schuf die Grundlagen
der theoretischen Musik der Hellenen, indem er als erster die harmonischen
Ton-Intervalle — Quarte, Quinte etc. — in einfachen Zahlenverhältnissen dar-
zustellen lehrte. Pythagoras soll auch als erster die griechischen Buchstaben
für Notenschrift benutzt haben.
Bei der grossen Bedeutung der Musik für die pythagoraeische Schule war
es klar, dass sie die Ansicht vertraten, dass ohne die Harmonie der Töne nichts
im Weltenraume geschehen könnte. Da überhaupt — nach ihrer Meinung —
jede Bewegung einen Ton hervorrufen musste, so sollte auch durch die Be-
wegung der Gestirne ein wunderbar harmonischer Ton hervorgerufen werden,
den der Mensch deswegen nicht vernimmt, weil er ihn schon von der Geburt
an hört, so dass seine Ohren gegen diese Harmonie abgestumpft sind.
Diese Grundzüge der pythagoraeischen Sphärenharmonie finden wir bereits
bei dem hellenischen Geheimbunde der Orphiker, welche unbedingt aegyptischen
Ursprung verraten***). Ja, es ist sogar als höchstwahrscheinlich anzunehmen,
dass Orpheus selbst eigentlich die personifizierte Sonne ist, und dass die Gesange
der Orphiker in ihren Klagen um die verlorene Eurydice das Werden und Ver-
gehen im All, das Dahinschwinden der Sonnenwärme bei dem Zurückweichen
der Tagesgöttin als Grundkern haben. Die Pythagoraeer waren Orphiker, wie die
neuesten Forschungen sicher bewiesen habent). Uebrigens lehren uns die
Pyramidentexte direkt, dass nach der Anschauung der Pharaonenpriester die
Bewegung der Himmelskörper von einem wunderbar harmonischen Gesange be-
*) Für Platon’s astronomische Lehren sind u. A. einzuschen: Schaubach: Geschichte der
griechischen Astronomie; fernerhin die diesbezüglichen Schriften Ideler’s, Gruppe’s und Boeckh’s.
**) Man vergleiche u. A. die Fragmente des Aristoxenos, ferner Westphal’s treffliche Darlegungen
über griechische Musik und Ambros: „Geschichte der Musik“ 3. Aufl. Bd. I.
***) Main vergleiche u. A.: „Chantepie de la Saussaye: „Lehrbuch der Religionsgeschichte“
und das unübertreflliche Werk Erwin Rohde’s: „Psyche“, 2. Aufl. Freiburg 1398
7) Leber die Litteratur, die Orphiker betreffend, gute Uebersicht bei Chautepie und E. Rhode.
gleitet sei.*) Berücksichtigen wir ferner, dass nach altaegyptischer Ansicht die
Sonne der Urquell alles Lebens gewesen ist, so wird uns die Lehre des Pytha-
goras verständlicher, dass die „Sonnenstäubchen“ Seelen seien. Mussten sie
doch dem von den Lehren der Pharaonenpriester so stark abhängigen Samier
als Ausfluss der Weltenseele der Sonne erscheinen!
Wenn die Pythagoraeer 9 Gestirne sich um das Centralfeuer drehen liessen,
so erkennen wir hierin einmal die Verehrung der von den Aegyptern sehr heilig
gehaltenen Zehnzahl, und ausserdem die Symbolisierung der aegyptischen
Neungötterei. Auch können wir die Bezeichnung des gleichseitigen Dreieckes
bei den Pythagoraeern mit „Auge des Apollon“ leicht darauf zurückführen, dass
in alten Pyramidentexten ein gleichseitiges Dreieck das allsehende Auge
des hehren Osiris darstellt. Ebenso finden wir in alten Hieroglyphentexten
bereits jene Verehrung des Luftgottes Schu, des Feuergottes Tum, des Wasser-
gottes Us-iri (als Princip des Feuchten, Lebendigen) und des Erdgottes Qeb als
die vier Grundelemente des irdischen Daseins, welch’ letzteren wir viel später
in der Elementenlehre des Empedocles begegnen. Ja, dieser Philosoph gebraucht
für die 4 Elemente genau dieselben symbolischen Götternamen, welche im
hellenischen Pantheon die entsprechenden Götter des Pharaonenlandes
darstellen.
Und um noch eine letzte Thatsache anzuführen, so unterliegt es keinem
Zweifel, dass die Lehre von der Seelenwanderung, die bei den Pythagoraeern
eine grosse Bedeutung erlangte, altaegyptischen Ursprung verrät.
Wir haben nur wenige triftige Beweisgründe angeführt und verweisen im
Uebrigen auf die Quellenlitteratur.
Wenn es uns auch gelungen sein sollte, den aegyptischen Ursprung der
physikalischen Lehren der Pythagoraeer zu beweisen, so können wir doch nicht
umhin, in einem Schluss-Artikel jenen phantasievollen Gelehrten entgegen-
zutreten, welche die Pythagoraeer von den Lehren der alten Chinesen abhängig
machen. Max Jacobi.
ME
Geber den Einfluss des Erdmagnetismus auf den Gang den
magnetisierten Qhronometern.
k der Revue internationale de Horlogerie (1.Jg. No. 19 und 20) finden wir
interessante Darlegungen über diesen Gegenstand, welche auf Untersuchungen
des französischen Gelehrten Herrn A. Cornu (Mitgliedes der Akademie und
Professor an der Ecole normale) fussen.
Man ist allgemein der Ansicht, dass die durch Magnetisierung der Stahlteile
von Chronometern hervorgebrachten Störungen im Gange derselben geeignet
sind, die Instrumente zum Gebrauche untauglich zu machen, so dass man für
diejenigen Personen, welche durch ihren Beruf dadurch Unannehmlichkeiten er-
fahren, Uhren konstruierte, in welchen dieser Uebelstand dadurch behoben sein
sollte, dass man ein anderes, nicht magnetisierbares Metall, z. B. Palladium, an
die Stelle des Stahles setzte. Zu Präcisionszwecken sind aber derartige Chrono-
*) Vergl. u. A.: Heinr. Brugsch: „Religion und Mythologie der alten Acgypter.“
Victor v. Strauss & Tornay: „Der altaegyptische Götterglaube.
Wertvolle Anregungen bietet auch Montucla „Histoire des Mathemat.“ Bd. I.
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u, Mg ae
meter wegen der leichten Abnutzung solcher Metalle nicht verwendbar, so dass
es eine dankenswerte Aufgabe war, die Verhältnisse von Chronometen mit
magnetisierten Stahlteilen zu untersuchen. Im allgemeinen wird die Magneti-
sierung der Stahlteile ein Stehenbleiben des Mechanismus im Gefolge haben
und man meint, es sei das einzige Mittel, solche Chronometer wieder brauchbar
zu machen, dass man eine vollständige Entmagnetisierung der Uhr vornimmt.
Die Untersuchungen des Herrn Cornu aber zeigen, dass auch magnetische
Chronometer unter gewissen Umständen ein normales Verhalten wieder an-
nehmen können. Im übrigen hat aber die Präcisionsuhrmacherei noch mit
anderen Factoren zu rechnen. Es ist bekannt, dass der Stahl schon bei seiner
Herstellung magnetische Eigenschaften zeigt und dass es kein Mittel giebt, ihm
diese zu rauben. Dies ist klar, wenn man bedenkt, dass wir uns ständig in
einem magnetischen Felde befinden, dessen Einfluss wir uns unmöglich entziehen
können, im erdmagnetischen Felde. Bedingen schon die Variationen desselben
eine Magnetisierung ruhenden Stahles, so tritt sie sicher beim Transportieren
oder Bewegen des letzteren ein, so dass also die Uhrmacherei mit schon mag-
netischem Stahl zu arbeiten hat. Aus diesem Umstande erhellt also, dass jede
Uhr ein wenn auch schwaches magnetisches Verhalten zeigen muss, und weiter,
dass solche Uhren trotzdem normalen Gang aufweisen können. In der Präci-
sionsuhrmacherei sind diese Einflüsse aber nicht zu vernachlässigen, und es
wäre wohl am zweckmässigsten, alle Präcisionschronometer ohne Unterschied
mit den Kompensationsvorrichtungen zu versehen, welche Herrn Cornus Unter-
suchung für geboten erscheinen lassen. Auch ist diesem Umstande bei der
Prüfung von Chronometern besonders in verschiedenen Lagen eine nicht zu
unterschätzende Bedeutung beizumessen.
Herrn Cornus Beobachtungen wurden mit einer Taschenuhr, einem so-
genannten Halbchronometer, mit Ankerhemmung, kompensierender Unruhe und
Palladiumspirale angestellt. Die Uhr hatte seit etwa zehn Jahren einen sehr
befriedigenden Gang gezeigt, wurde aber aus Unachtsamkeit im Januar des
Jahres 1898 durch Annäherung an einen grossen Elektromagneten magnetisiert.
Diese Thatsache verursachte nun Störungen im Gange der Uhr und in der ersten
Zeit häufiges Stehenbleiben derselben. Sorgfältiges Beobachten des Chrono-
meters machte gewiss, dass diese Störungen nicht Erscheinungen magnetischen
Klebens zugeschrieben werden konnten, weil die Berührung der Stahlteile erst
durch Steine vermittelt wurde. Auch Einwirkungen von aussen konnten nicht
die Ursache des anormalen Verhaltens der Uhr sein, weil solche durch die An-
ordnung des Stahles im Mechanismus zumeist kompensiert wurden. Als Ursache
der Störungen erkannte der Beobachter vielmehr das Verschmutzen der beweg-
lichen Stahlteile und ihrer Lager durch den von ihrer Abnutzung herrührenden
magnetischen Stahlstaub, welcher sich an allen Stahlteilen vorfand und die freie
Bewegung derselben also mechanisch verhinderte. Eine einfache Reinigung der
Uhr ohne irgend welche Versuche der Entmagnetisierung beseitigte denn auch
die Gangstörungen und das Stehenbleiben, so dass die Uhr seit drei Jahren
wieder ihren regelmässigen Gang angenommen hat. Dass sie übrigens ihren
ganzen Magnetismus behalten hat, zeigt ein kleiner vor wie nach der Reinigung
über der Unruhe aufgestellter Kompass, dessen Nadel mit der Unruhe synchrone
Schwingungen von etwa gleicher Weite wie vorher vollführt.
Man erkennt, dass die einzige äussere und dem Mechanismus fremde Ein-
wirkung die des erdmagnetischen Feldes ist. Zum Zwecke der genaucren Unter-
e, SRO” a
suchung wurde die horizontale Unterlage, auf welcher die Uhr ruhte, um eine
vertikale Achse drehbar gemacht und die Uhr während Perioden gleicher Tage
nacheinander in die vier zu einander senkrechten Richtungen der magnetischen
Windrose orientiert, also so, dass die vom Mittelpunkte des Zifferblattes nach
den Zeichen XII, II, VI und IX weisenden Strahlen nacheinander nach dem
magnetischen Nordpol orientiert waren.
Aus den Beobachtungen der Gangverhältnisse geht hervor, dass die Aende-
rungen des täglichen Ganges der Uhr ganz und gar von ihrer Stellung im erd-
magnetischen Felde abhängig sind. Das Verhalten der stark magnetischen Uhr
wurde besonders sehr gleichmässig, als eine zweite Reinigung derselben ohne
Entmagnetisierung vorgenommen wurde. Es ergab sich dann die merkwürdige
Thatsache, dass die mathematische Gleichung, welche den Gang einer Uhr dar-
stellt, deren Zifferblatt senkrecht und nach verschiedenen Richtungen orientiert
steht, wenn ihre Unruhe genügend kompensiert ist, die gleiche ist, wie die
Formel, welche die Gangverhältnisse einer dem erdmagnetischen Felde unter-
worfenen Uhr in ein mathematisches Gewand kleidet. Aus diesem Umstande
folgt die wichtige Thatsache, dass die Beseitigung des erdmagnetischen Ein-
flusses auf gleiche Weise geschehen kann, wie die durch die Gravitations-
wirkung hervorgerufenen Gangstörungen.
Einen wertvollen Nachweis seiner Vermutungen erbrachte Herr Cornu da-
durch, dass er den Einfluss des Erdmagnetismus durch den eines kompensierenden
Magnetstabes aufhob, nachdem er die Einwirkung der erdmagnetischen Richt-
kraft durch Horizontallegen der Uhr, also durch Entziehung der störenden
Wirkung der Schwerkraft, isolierte. Das Kompensieren geschah so, dass die
Stelle, wo die Unruhe der Uhr sich befand, durch eine kleine Bussole (kleine
empfindliche Magnetnadel) ersetzt, diese durch den kompensierenden Richt-
magneten von dem Einflusse des Erdmagnetismus befreit und die Uhr wieder
an ihre Stelle gesetzt wurde, so dass also der kleine Raum, in welchem die Un-
ruhe sich bethätigte, von dem störenden Einflusse des Erdmagnetismus frei war.
Unter solchen Umständen wurden Beobachtungen in verschiedenen Orientierungen
angestellt, und der tägliche Gang erwies sich hier gänzlich unabhängig von ihnen.
Die Beobachtungen Cornus beweisen also, dass die Präcisionschronometer
von den Aenderungen des magnetischen Feldes, in welchem sie sich befinden,
in einem Masse beeinflusst werden, das dem Grade der Magnetisierung der Un-
ruhe und der Spirale entspricht. Dieser Einfluss ist besonders an Bord von
eisengepanzerten Schiffen und hauptsächlich zu befürchten durch die Richtungs-
änderungen, welche das magnetische Feld nach Grösse und Richtung modi-
ficieren. Es würde also notwendig sein, auf den Sternwarten, wo man den Gang
von Chronometern prüft, auf die durch den Erdmagnetismus hervorgerufenen
systematischen Aenderungen im Gange von Uhren zu achten und dieselben in
Rechnung zu ziehen. Auch würde es zur Erhöhung der Vorsicht nötig sein,
auf den Sternwarten sowohl wie an Bord von Schiffen zu versuchen, jeden
Chronometer in einen dicken Eisenkasten (wie das gepanzerte Galvanometer
von Lord Kelvin) hineinzuthun, um das Instrument der magnetischen Wirkung
der Erde und des Schiffes zu entziehen.
Die Cornu’schen Untersuchungen haben zum ersten Male die magnetischen
Verhältnisse bei Uhren wissenschaftlich untersucht und werden dadurch in der
Chronometrie von nicht zu unterschätzender Bedeutung werden. F. Linke.
W
— 8 —
E
Auffindung der Sternbilder um 9 Uhr abends.
Um 9 Uhr abends finden wir auf dem Meridian, d.h. auf der Linie, welche
wir vom Nordpunkt durch das Zenith bis zum Sūdpunkt ziehen, im Süden den
rötlich schimmernden Aldebaran, im Zenith die Grenzlinie zwischen dem Stern-
bild des Perseus und dem Fuhrmann. Sowohl der „Neue Stern“ als die
Capella stehen beide fast im Zenith. Eine Stunde später, um 10 Uhr abends,
hat bereits der Orion seine höchste Stellung am Himmel erreicht. Sein hellster
Stern, die Beteugeuze, der oberste, schimmert ähnlich wie Aldebaran rötlich;
Rigel, der unterste, schimmert hingegen bläulich. Ebenso weit wie der Alde-
baran von den mittleren drei Gürtelsternen nach oben westlich absteht, finden
wir unten östlich den blau leuchtenden Sirius, den hellsten Stern am Himmel.
Bezeichnen wir die Helligkeit von Aldebaran mit 1,0. Grösse, so ist die Capella
0,2. und der Sirius gar —1,4. Grösse. Fast in derselben Höhe wie Beteugeuze
finden wir im kleinen Hund Procyon im Süd-Osten, welcher ungefähr !/, Grössen-
klasse heller als Beteugeuze ist. Beide bilden mit dem tiefer stehenden Sirius
ein gleichschenkliges Dreieck. Die Verbindungslinie Beteugeuze—Procyon läuft
parallel mit dem Horizont.
Im Osten ist der hellste Stern im Löwen, der Regulus, schon 15° über den
Horizont gestiegen. Ihm folgt der zweithellste in diesem Sternbild, die Denebola;
sie wird aber erst 1 Stunde später im Ost-Nord-Ost über dem Horizont sichtbar.
Der hellste Stern der Jungfrau, die Spica, geht um 11 Uhr genau im Osten auf.
Sie wird am 28. Januar vom Mond bedeckt. Der grosse Bär weist mit seinen
3 Deichselsternen nach dem NNO-Punkt des Horizonts und steigt mit jeder
Stunde höher am Himmel, um gegen 4 Uhr morgens den Meridian zu passieren.
Im Nord-West sehen wir die Andromeda immer tiefer gehen. Wenn die
Deichselsterne in den Meridian rücken, ist der mittlere, Mirach, der drei in
einer geraden Linie stehenden Andromeda-Sterne gerade unter den Horizont ge-
gangen. In diesem Moment erreicht auch die Cassiopeja im Norden ihren
niedrigsten Stand und schmückt den Nordhimmel als ein aufrechtes W. Um
dieselbe Zeit ist auch die Wega in der Leyer mit dem ihr in der Drehungs-
richtung des Himmelsgewölbes folgenden Sternbilde des Schwans im Ost-Nord-
Ost immer höher gestiegen.
Mit dem Beginn der Dämmerung um 7 Uhr morgens, noch bevor das Tages-
gestirn seinen Aufgang ausgeführt, verschwinden die Lichter der Nacht für das
unbewaffnete Auge. Die grossen Glasaugen der modernen Riesenfernrohre
können auch die Sterne, selbst die schwächsten, verfolgen, wenn die Sonne
schon hoch am Himmel steht.
Die Planeten und der Mond.
Merkur steht am 1. Januar in Conjunction mit der Sonne, ist also unsicht-
bar; am 15. Januar beträgt sein östlicher Stundenwinkel schon wieder 46 Min.
und am 3. Februar hat er bereits seine grösste östliche Abweichung von der
Sonne erreicht, nämlich 1 St. 25 Min., und ist als Abendstern sichtbar. Seine
südliche Deklination beträgt dann noch gut 111/,°%
= 8): =
Venus ist während des ganzen Monats als Abendstern die auffälligste Er-
scheinung am Himmel. Sie erreicht am 10. Januar ihren grössten Glanz, ob-
gleich ihr scheinbarer Abstand von der Sonne immer mehr abnimmt. Am
1. Januar beträgt ihr östlicher Stundenwinkel nämlich 3 St. 5 Min., am 15. Januar
2 St. 35 Min. und am 1. Februar nur noch 1 St. 25 Min., um alsbald völlig in den
Strahlen der Sonne zu verschwinden. In der ersten Hälfte des Monats steht die
Venus im Sternbild des Steinbocks, in der zweiten im Wassermann.
Mars, stark rötlich schimmernd, steht zu Anfang des Monats noch 1 St.
28 Min. östlich von der Sonne, am 1. Februar aber nur noch 1 St. 5 Min. Er ist
deshalb nur kurze Zeit nach Sonnenuntergang tief am West-Horizonte zu sehen
und steht im ganzen Monat im Steinbock. |
Jupiter, immer noch unweit Saturns, aber mit stärkerem Licht strahlend,
steht am 1. Januar nur noch 56 Min. östlich von der Sonne, ist Mitte Januar in
Conjunction mit der Sonne, also ganz unsichtbar, um dann am Ende des Monats
auf der Westseite der Sonne morgens wieder sichtbar zu werden.
Saturn verschwindet noch einige Tage früher als Jupiter in den Strahlen
der Sonne. Er steht am 1. Januar nur noch 40 Min. östlich von der Sonne und
am 12. Januar schon bei der Sonne. Er wird aber Ende Januar am Morgen-
himmel vor Jupiter sichtbar, da er am 1. Februar bereits 1 St. 10 Min. westlich
von der Sonne steht.
Mond: Januar 1. 5 Uhr nachm., Letztes Viertel.
» 9 10 „ abends, Neumond:
„ 17. 71) „ morgens, Erstes Viertel.
„ 24. 1 „ morgens, Vollmond.
» 31. 2 „ nachm, Letztes Viertel.
Sternbedeckungen
finden für Berlin statt:
c! Capricorni 4,8. Grösse Januar 12. von 5 Uhr 29 Min. bis 6 Uhr 35 Min. abends.
x Aquarii 2. y a Aosa EG = en oO S
68 Geminorum 55. , e, 383: = Doy AG x „6 , 28 „ morgens.
x Cancri 5.0. , 5 24. y Toa Tg » & , 5 „ abends.
pë Leonis 5S. ~ a DL e C e BE 5; „8 „ 30 „ morgens.
Spica 1. e ge 28, AE y 2T 2 „12 „ 27 „ nachts.
| F. S. Archenhold.
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Unsere Beilage „Die Verteilung des Sonnen- und Mondlichtes im Jahre 1902“ ist für
viele astronomische Zwecke zu verwenden und vermag auch als Jahreskalender zu dienen, da die
Sonntage für das ganze Jahr angegeben sind. Die obere Tafel lässt für alle Tage des Jahres er-
kennen, wie lange die Sonne sichtbar ist, und wieviel die Dauer der bürgerlichen Dämmerung be-
trägt; hiernach kann man in bequemster Weise die Nachtbeobachtung der Gestirne im Voraus ein-
teilen, was besonders für die Zwecke der Schätzung der veränderlichen Sterne von Wert ist. Da
man aus der zweiten Tafel ersieht, in welchen Nachtstunden das Mondlicht fehlt, so kann unter
Benutzung derselben sofort beurteilt werden, welche Nächte des Jahres sich besonders zur Beob-
achtung solcher Lichtgebilde eignen, bei deren Beobachtung das Mcndlicht störend wirkt. In den
drei beigegebenen Figuren ist der höchste Stand der Sonne für die Mittagszeit und der Lauf der
war BB:
Sonne über dem Horizonte für das ganze Jahr veranschaulicht. Wir hoffen, dass unsere graphische
Darstellung bei der Aufstellung eines alle Lichtverhältnisse berücksichtigenden Arbeitsprogrammes
eine Erleichterung darbietet, da die Zeiten für die Sonnen- und Mond-Auf- und Untergänge sich aus
unseren Tafeln bis auf einige Minuten genau sofort entnehmen lassen.
* *
*
Weitere Mitteilungen uber die Bewegung des Nebels um den neuen Stern im Perseus‘).
Herr Professor Wolf, Direktor des Astrophys. Observatoriums in Heidelberg, teilt am 26. November
in den „Astronomischen Nachrichten“ Nr. 3752 mit, dass Flammarion’s Aureole um Nova Persei stark
ihren Durchmesser verändert hat. Weiter giebt er ebendaselbst folgenden Bericht über seine wert-
vollen Beobachtungen:
„Die erste brauchbare Photographie dieser merkwürdigen Nebel wurde, wie A. N. 3736 mit-
geteilt, hier am 23. August mit dem Bruce-Teleskop erhalten. Eine ausgezeichnete Photographie
derselben hat dann Ritchey vom Yerkes Observatory am 20. September mit einem grossen Reflektor
hergestellt und im Astrophys. Journal, 1901 Oktober, mitgetheilt.
Eine Vergleichung der beiden Bilder zeigt auf den ersten Blick, dass in der Nebelmasse in
der kurzen Zwischenzeit von nicht ganz einem Monat grosse Veränderungen .vor sich gegangen sind.
Ueberall erscheinen die Hauptknoten und Linien mehr oder weniger verändert und verschoben. Die
Entdeckung dieser Veränderungen wurde zuerst — nach telegraphischer Mitteilung — von Herrn
Perrine auf dem Lick Observatory gemacht, der den Nebel mit dem Crossley-Reflektor ebenfalls
aufgenommen hat.
Inzwischen ist hier am 17. November wieder eine vorzügliche Aufnahme der Nebel mit dem
Bruce-Teleskop gelungen. Sie zeigt abermals grosse Veränderungen im Nebel gegen die Aufnahme
von Ritchey vom 20. September. |
Der Nebel bestand im Wesentlichen aus einzelnen concentrischen Hüllen, von ziemlich ovaler
aber unregelmässiger Form und aus mehr oder weniger dicken Wolken zusammengesetzt, die
besonders südlich und südöstlich von der Nova hell ausgebildet sind. An verschiedenen Stellen
sind hier die Wolkenknoten besonders dicht. Alle diese Gebilde haben sich nun mehr oder weniger
seit dem 23. August verändert.
Besonders auffallend war von Anfang an die äusserste Hülle, weil sie wohl am hellsten ist
und eine ziemlich zusammenhängende ovale Schale von etwa 6° Abstand von der Nova zu bilden
scheint. Ihre Veränderung lässt sich auch am leichtesten studieren. Ihr Abstand von der Nova
selbst ist nun vom 23. August bis zum 20. September und von da bis zum 17. November continuir-
lich gewachsen.
Sie besteht aus helleren und dunkleren Wölkchen, und man kann die Bahn verfolgen, die
diese beschrieben haben. Die Wölkchen standen nun am 20. September fast genau auf der Mitte
des Weges, den sie vom 23. August bis zum 17. November durchlaufen haben.
Daraus scheint zu folgen, dass die Geschwindigkeit im Abnehmen begriffen ist.
Interessant ist ferner zu bemerken, dass die Wölkchen sich nicht senkrecht zu der Fläche
der ovalen Schale bewegt haben, sondern dass sie fast genau radial von der Nova aus fortgeeilt sind.
Ich spreche zwar hier immer von Fortbewegung, man muss aber bedenken, dass sich dabei
nicht nur die Form der Schale, sondern auch die Formen der einzelnen Wölkchen keineswegs er-
halten haben, sondern dass sie sich ziemlich stark veränderten. Es ist also nicht ganz sicher, dass
ein Fortschleudern der Materie selbst stattfindet.
Eben so gut wie an eine Fortbewegung der Materie könnte man vielleicht an eine Fortpflanzung
einer Explosion denken, und es wäre verführerisch zu glauben, dass hier vor unseren Augen das
Experiment einer Weltbildung durch eine Knallgasexplosion, welche durch das Eindringen der Nova
verursacht wäre, ausgeführt würde. |
Die Bewegung des fast genau südlich von der Nova liegenden Schalenteils betrug in der Zeit
vom 23 August bis 17. November etwas mehr als eine Bogenminute; der — besonders stark ent-
wickelte — Teil genau südöstlich von der Nova hat sich dagegen — in radialer Richtung gemessen
— etwas über 1!/, Bogenminuten fortbewegt.
Eine genauere Ausmessung und Beschreibung des Nebels und der Bewegungen hoffe ich in
einiger Zeit geben zu können.“
Weiter telegraphiert Campbell an die Centralstelle, dass Perrine aus einer Photographie mit
dem Crossley-Reflektor vom 4. Dezember findet, dass 2 Condensationspunkte des Nebels ihre Be-
wegung fortsetzen, der dritte auch, aber unter Veränderung der Form, der vierte Condensations-
punkt hingegen unverändert sei.
*) Vergleiche: „Das Weltall“ Jahrg. 2 S. 70.
— 84 —
Ein ältester Gutenbergdruck ist von Gottfried Zedler-Wiesbaden in einer aus dem nassau-
ischen Kloster Schönau stammenden Handschrift der Landesbibliothek zu Wiesbaden aufgefunden und
im „Centralblatt für Bibliothekswesen“ beschrieben.
Es ist ein astronomischer Kalender oder richtiger eine Ephemeride der Mondphasen, der
Sonne und der alten Planeten. Als Jahr, für das der Kalender bestimmt war, sowie aus der von
dem Direktor des astronomischen Recheninstituts in Berlin, Prof. Dr. Bauschinger, vorgenommenen
Berechnung ergiebt sich mit unumstösslicher Gewissheit das Jahr 1448. Der Inhalt des Kalenders
schliesst die Möglichkeit der Annahme, dass er zwar für dies Jahr ursprünglich bestimmt gewesen.
nicht aber auch gedruckt worden sei, vollständig aus. Auch der Gedanke, dass hier etwa ein ein-
zelner Probedruck Gutenbergs vorliege, der den Zwek gehabt habe, Fust die Tragweite seiner Er-
findung vor Augen zu führen, verbietet sich deswegen, weil die Handschrift, deren Einbanddeckel
auf den Innenseiten mit dem Druck überklebt waren, nicht nur aus dem Kloster Schönau stammt,
sondern auch, wie die Technik des Einbandes zeigt, dort gebunden worden ist. Hiernach leuchtet
die Wichtigkeit des neuen Fundes für die Geschichte des Buchdrucks ein. Die Frage, ob die 36zeilige
Bibeltype vom Erfinder des Buchdrucks herrühre oder nicht, ist durch den neuen Fund zu Gunsten
Gutenbergs entschieden.
a Ve. Te We Yo Een un e? K AR wa As Le 2, C Yi Ya ff, dl 1 CB pn, d'St, e u er, Gn ae Le E Me ek E wer "H
>» gr Ge fie Ge ger iv e e v . gr r M - gr ir e z Ar D D D LD Er ge - á” „ur LH v sz r r d D - = ge D D D HM
Linienschiffskapitain Ivo Freiherr Benko von Boinik hat die Leitung der Sternwarte Pola
definitiv niedergelegt und bittet für ihn persönlich bestimmte Sendungen nach Görz zu adressieren.
Zu seinem Nachfolger ist der k. und k. Corvettenkapitain Herr K. Koss ernannt worden.
S *
*
Frl. Dr. Dorothea Klumpke, bisher Vorstand des Ausmessungsbureaus der Pariser Sternwarte,
hat sich mit dem durch seine vorzüglichen Nebel- und Sternaufnahmen rühmlichst bekannten eng-
lischen Astronomen Dr. Isaac Roberts verheiratet.
* *
x
Bei der Feier ihres 150jahrigen Bestehens am 8.—9. November 1901 ernannte die „Gesellschaft
der Wissenschaften zu Göttingen“ die Herren Prof. Dr. v. Neumayer-Hamburg und Prof. Dr.
E. Abbe-Jena zu Ehrenmitgliedern, die Herren Prof. H. Seeliger-München, Karl Runge-Hannover.
Max Planck-Berlin, W. Oswald-Leipzig, A. Schuster-Manchester, S. Arrhenius-Stockholm
u. A. zu correspondierenden Mitgliedern. ?
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93333333333333333333933333333933333333339393333339333993999
Mrs. Stamford, eine durch ihre philantropischen Bestrebungen wohlbekannte Kalifornierin,
hat der von ihr begründeten Leland-Stamford-Universität in Palo Alto in Kalifornien Bonds und
Grundbesitz im Werte von 30 Millionen Dollars überwiesen, die grösste Schenkung, die je einer
Lehranstalt zugewendet worden ist.
Mr. Andrew Carnegie hat wieder je 1 Million Dollars zu den schon früher gespendeten ge-
stiftet für das Carnegie-Institut und die Carnegie Polytechnische Hochschule in Pittsburg und
50 VOU Dollars für die Errichtung einer öffentlichen Bibliothek in Springfield geschenkt.
Mr. William Keyser hat 200 000 Dollars für die Millionen-Stiftung der Johns Hopkins Universität
beigetragen, so dass schon 750000 Dollars im ganzen gestiftet sind.
Die fünf Preise der Alfred-Nobel-Stiftung sind zum ersten Mal am Todestage des hochherzigen
Stifters, am 10. December, in Höhe von insgesamt 1100000 Mark an Prof. v. Roentgen (Physik-
Preis), Prof. van t’Hoff (Chemie-Preis), Prof. Behring (Medicin-Preis), Sully Prudhomme
(Litteratur-Preis) und an H. Dumont und F. Passy (Friedens-Preise) vertheilt worden.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F.S. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELIALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 7.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 Januar 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnenientspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Die, franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
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INHALT.
1. Die Doppelsterne. Von A. Berberich. . 2 2... 85 3. Kleine Mitteilungen: Der Luftschiffer Santos-Dumont.
2. Die Bedeutung der modernen historischen Forschung — Astronontische Vorlesungen an der Ihanboldt-Aku-
in den mathematischen Wissenschaften. Von Max demie im 1. Quartal 1902. — Aufruf, betreffend Er-
J ACODER oS <A te ne Ge ie Ee ee je 59 richtung einer Vortragshalle . . . 6 1 2 22... 9
Die Doppelsterne.
B wenig über ein Jahrhundert ist vergangen, seitdem durch die Ent-
deckungen William Herschels die grosse Häufigkeit der Doppelsterne nach-
gewiesen worden ist, von Sternsystemen, in denen sich zwei, zuweilen auch
mehrere Sterne so nahe stehen, dass sie nur mit Hilfe guter Fernrohre getrennt
geschen werden können. Je mehr die Fernrohre vervollkommnet wurden, je
höhere Vergrösserungen sie vertrugen bei wachsender Präcision der Sternbildchen,
desto leichter wurde es, solche Zwillingssterne „aufzulösen“, die Glieder eines
derartigen Sternpaares als einzelne Lichtpunkte zu erkennen. Dabei stiessen
die Astronomen auf immer engere, neue Doppelsterne, wie es auch in der Folge-
zeit sehr oft vorkam, dass ein Glied eines von früher bekannten Paares sich im
schärfer zeigenden Teleskop selbst wieder als doppelt erwies. Die Riesenfern-
rohre der Neuzeit haben so zahlreiche Beispiele engster Sternsysteme geliefert,
dass der vornehmste Entdecker aus dieser Periode, S. W. Burnham, der Mehr-
heit der älteren Paare den Charakter eigentlicher Doppelsterne ganz absprechen
zu dürfen glaubt. Als solche kann man nur „physische“ Systeme gelten lassen,
deren zwei oder mehr Glieder sich thatsächlich im Raume nahe stehen und um-
einander kreisen, wie ein Planet um die Sonne oder der Mond um unsere Erde.
Andere Doppelsterne stellen sich uns jetzt blos zufällig als solche dar, indem
wir, von unserem gegenwärtigen Standpunkte im Weltall aus, zwei weit hinter-
einander befindliche Sterne scheinbar in derselben Richtung erblicken. Aber
wie alle Fixsterne, so haben auch diese beiden sich ganz fremden Weltkörper
ihre besonderen Bewegungen, ihre Wege scheinen sich jetzt zu kreuzen. Ueber
kurz oder lang, je nach ihrer Geschwindigkeit, werden diese Sterne wieder weit
von einander abstchen, zumal wir selbst wegen des Ortswechsels unseres eigenen
Sonnensystems nach und nach alle Constellationen des Himmels sich umwandeln
sehen. Physisch verbundene Sterne werden sich dagegen immer nahe bleiben,
sie wandern gemeinsam durch den Raum und der Sonnenlauf bewirkt nur durch
Entfernungsänderung eine allmähliche Erweiterung oder Verengung des wahrge-
nommenen gegenseitigen Abstandes dieser Sterne. Jegliche Aenderung und
aller Wechsel im Weltbilde wird vom forschenden Menschengeiste ausgenützt
zur Ergründung der Ursachen des Geschehenen und von solchem Gesichtspunkte
— 8 —
aus ist gerade das Studium der Doppelsterne von grösster Bedeutung für die
Erkenntnis der Sternenwelt, weil in diesen Systemen die raschesten und ge-
setzmässigsten Aenderungen erfolgen. Wir beobachten, wie ein Stern um den
anderen oder richtiger beide um den Schwerpunkt des ganzen Doppelsternsystems
Bahnen beschreiben von ähnlicher Form und deshalb höchstwahrscheinlich von
demselben Gesetze der Schwere bestimmt, wie die Planeten- und Kometenbahnen.
Könnte ein Beobachter im Siriussystem unsere Erde neben der Sonne
wahrnehmen, so würde er finden, dass deren Bahn ein Kreis von 0,4” Halb-
messer wäre. Den Jupiter würde er sich bis zu 2“, den Neptun bis zu 11”
von der Sonne entfernen sehen. Die Halbmesser der Bahnen dieser drei Planeten,
also ihre mittleren Abstände von der Sonne würden aus der durchschnittlichen
Entfernung der Sterne 1.Gr. nur noch unter den Gesichtswinkeln von 0,15 “,
0,75” und 4,5“ erscheinen, von Sternen 6. Gr. aus betrachtet, unter noch zehn-
mal kleineren Winkeln. In diesem Sinne hat daher Burnham vollständig recht,
wenn er sagt, dass nur die ganz engen Doppelsterne Aufschluss über die Gesetze
der Bahnbewegung geben können. Nun finden sich unter 812 vom älteren
Herschel entdeckten Doppelsternen nur 36, unter den 3429 von seinem Sohne
katalogisierten Paaren nur 22, deren Glieder sich innerhalb 2“ nahe stehen.
W. Struve gab unter 2640 Systemen 405, O. Struve unter 557 Doppelsternen
217 von höchstens 2 Distanz bekannt. Dagegen zählt man unter den nahe
1300 Entdeckungen Burnhams etwa 700 solche enge Systeme, fast 400 davon
zeigen eine Distanz von weniger als 1“. In den letzten drei Jahren sind auf
der Licksternwarte zu diesen Burnham’schen Sternsystemen noch mehrere
Hunderte ähnlicher Sternpaare hinzugefügt worden, dank den Bemühungen von
Aitken und Hussey.
Wie die vorigen Vergleichungen mit den Verhältnissen in unserem Sonnen-
system zeigten, können wir bei Doppelsternen, in denen der Centralkörper ein
unserer Sonne ähnliches Gestirn ist, uns aber nur als Stern 6. Gr. erscheint,
kaum eine Umlaufszeit des Begleiters unter einem Jahrhundert erwarten, wenn
die mittlere Distanz vom Hauptstern 1 übersteigt. Allerdings sind bei jenen
Sonnenpaaren die Einzelglieder zumeist lange nicht so an Grösse und Masse
verschieden, wie unsere Sonne und die Planeten; die scheinbare Helligkeit der
Componenten ist dabei kein Mass für ihre Massen, indem häufig der schwächere
Stern den helleren an wahrer Grösse zu übertreffen scheint. Dieser merkwürdige
Widerspruch dürfte in Zukunft noch eine grosse Bedeutung gewinnen für die
Erklärung der Entwicklung eiftes leuchtenden, sonnenartigen Weltkörpers; einst-
weilen gilt er nur als Beweis, dass Masse und Leuchtkraft der Sterne ganz un-
abhängige Dinge sind, ein gewiss sehr wertvolles Resultat für die Erkenntnis
des Weltganzen. |
Nach dem Vorhergehenden ist es leicht verständlich, dass bei der erst ein-
hundertjährigen Beobachtungszeit der Doppelsterne kurze Umlaufszeiten einzelner
Systeme erst in wenigen Fällen nachgewiesen werden konnten. Je enger ein
Sternpaar ist, desto schwieriger wird die Beobachtung, je grösser die Distanz
der beiden Sterne, desto längere Zeit dauert deren Periode. Die Berechnung
der Doppelsternbahnen hat ebenfalls mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen,
so dass die Ergebnisse sich nie so gut verbürgen lassen wie die Rechnungs-
resultate in anderen Teilen der Sternkunde. Allein diese geringere Genauigkeit
liegt in der Natur der Sache, in der Kleinheit der beobachteten Grössen be-
gründet. Mit einiger Sicherheit sind bis jetzt berechnet
EE ` SÉ
5 Doppelsterne mit weniger als 20 Jahren Umlaufszeit,
6 - von 20 bis 30 - -
4 - - 30 - A0 - -
6 - - 40 - 50 - -
6 - - 50 - 15 - -
14 - - 15 - 100 - -
15 - - 100 - 150 - -
10 - - 150 - 200 - -
12 - - über 200 - -
Am raschesten erfolgt der Umlauf der Componenten, wie die neuesten
Untersuchungen von Hussey wahrscheinlich gemacht haben, bei dem Doppelstern
d im Füllen, nämlich in nur 5,7 Jahren. die Sterne stehen im Mittel 0,45” von
einander entfernt, waren aber im Jahre 1900 selbst im 36zölligen Lickrefraktor
kaum zu trennen, nach Aitken’s Messungen betrug Ende 1900 der Abstand nur
0,1“ bis 0,2“, eine vorzügliche Leistung des genannten Fernrohrs. Hierauf
kommen x im Pegasus mit 11,4 Jahren, zwei schwächere Paare mit 15,8 und
16,3 und ¢ im Schützen mit 17,7 Jahren Umlaufszeit.
Eine Periode von 34 Jahren besitzt nach den Rechnungen von Prof. Ludwig
Struve der Begleiter des Procyon, dessen Existenz sich schon lange an einer
eigentümlich in Schlangenlinie erfolgten Bewegung des hellen Procyonsterns
verraten hat, der aber erst 1897 von Schaeberle, dem damaligen Direktor der
Licksternwarte, mit dem grossen Refraktor gesehen werden konnte. Die Bewegung
des Procyon seit 1750, in der Form das Spiegelbild der Bahn des ungesehenen
Begleiters combiniert mit der Eigenbewegung des gesamten Doppelsternsystems,
führte nach den Untersuchungen von Prof. Auwers auf die etwas längere Periode
von 39,9 Jahren, während spezielle Beobachtungen der Procyonbewegung von
O. Struve, ein ganzes Menschenalter hindurch fortgeführt und von L. Struve
bearbeitet, 37,1 Jahre Umlaufszeit geben. Diese verhältnissmässig so nahe
stimmenden Zahlen beweisen, wie sicher die „Astronomie des Unsichtbaren“
ihrer Resultate ist. |
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Siriusbegleiter. Aus der ungleich-
mässigen Bewegung des Sirius hatte Auwers 1862 die Umlaufszeit des nicht
gesehenen Nebensterns zu 49,4 Jahren bestimmt. Im gleichen Jahre wurde der
Begleiter von A. Clark entdeckt. Im Jahre 1890 verschwand das schwache Stern-
chen wieder in den Strahlen des hellglänzenden Hauptsterns. Die Beobach-
tungen, welche in diesem 28jährigen Zeitraume angestellt sind, schienen auf
eine Periode von etwas über 52 Jahren zu deuten, indessen ergab die Stellung
und der Lauf des 1897 wieder neben dem Sirius aufgetauchten und sich nun
von diesem mehr und mehr entfernenden Begleiters nach Zwiers’ Berechnung
eine Umlaufszeit von 48,8 Jahren.
Fast zwingend ist die Existenz eines noch nicht direkt gesehenen Sterns
im Systeme von ¢ im Krebs durch Prof. Seeliger nachgewiesen, und zwar ware
dies der vierte Stern, nämlich ein Begleiter des 6 von dem als enger Doppel-
stern bekannten Centralkörper abstehenden Nebensterns. In dem Nebensystem
dauert die Umlaufszeit 18, im Centralsystem 59 Jahre, wie lange die Umlaufszeit
beider Systeme umeinander währt, ist noch unbekannt, jedenfalls übersteigt sie
ein Jahrtausend. |
Höchst sonderbar ist das Ergebnis einer Rechnung von Herrn T. Lewis
(in Greenwich) über den Doppelstern C im Herkules. Die Periode scheint etwas
— 88 —
länger als 30 Jahre zu sein, sie scheint aber, da drei Umläufe bereits beobachtet
sind, allmählich zugenommen zu haben, von 31,4 auf 32,4 und 33,9 Jahre. Dieses
ungewöhnliche Resultat erinnert an die Veränderlichkeit der Kometenbahnen in
unserem Sonnensystem, würde aber die Annahme des Vorhandenseins eines,
wenn nicht mehrerer „dunkler“ Körper notwendig machen, welche die Bewegung
der zwei leuchtenden Glieder des Systems „stören“.
Der unserem Sonnensystem am nächsten stehende Fixstern « im Centaur
ist ebenfalls ein interessanter Doppelstern, sowohl wegen der grossen Helligkeit
der Componenten, die 1. und 3. Gr. sind, als auch wegen der grossen Dimension
der Bahn; gegenwärtig befinden sich die Componenten in ihrer grössten Distanz,
die etwa 22” beträgt. Für die Umlaufszeit haben wir nach den neuesten Berech-
nungen von Gill, Roberts und See den auf wenige Wochen sicheren Wert von
81,0 Jahren. |
Zu den nächsten Sternen der Nordhalbkugel gehört der rasch am Himmel
dahineilende Doppelstern 61 im Schwan. Die Entfernung von der Sonne ist
nicht wesentlich von der Siriusweite verschieden. Die Distanz der Componenten,
einstweilen wegen der langsamen Bahnbewegung schwer festzustellen, ist ungefähr
dreimal so gross als im Siriussystem. Bei gleichen Massen wäre demnach eine
fünfmal grössere Umlaufszeit, also eine Periode von 400 Jahren bei 61 Cygei
zu erwarten. In Wirklichkeit muss, wie namentlich die letzten Rechnungen von
C. F. W. Peters darthun, die Umlaufszeit noch viel grösser, an 800 Jahre sein,
die Masse des Systems ist also sehr gering, beide Sterne zusammen machen
nur etwa die halbe Sonnenmasse aus. Auch ihre Leuchtkraft steht hinter der
unserer Sonne zurück, um das 15- und 30fache.
Ein ebenfalls sehr schwierig zu berechnender Doppelstern ist Castor in den
Zwillingen, obwohl er schon seit fast zweihundert Jahren beobachtet ist. Die
letzte Bahnbestimmung von W. Doberek (1898) hat eine Periode von 318 Jahren
bei einer mittleren Distanz von 6,6” ergeben. Dieser Doppelstern erweckt aber
darum unser ganz besonderes Interesse, weil sein Hauptstern mit Hilfe spektro-
skopischer Beobachtungen, wiederum als doppelt nachgewiesen worden ist. Hierin
besteht eine der bedeutsamsten Entdeckungen des letzten Jahrzehnts im abge-
laufenen Jahrhundert, dass man aus dem Aussehen und der Lage der Spektral-
linien der Sterne, wenigstens der hellsten, erkennen kann, ob diese Sterne einfach
oder doppelt sind. Spektroskopisch sind bis jetzt Umlaufszeiten von 2,5 Jahren,
ungefähr die Hälfte der Periode des raschesten „optischen“ Doppelsterns d im
Füllen, bis herab zu etwa einem Tage konstatiert worden und das in so zahl-
reichen Fällen, dass man bei fortgesetzter und mit verfeinerten Instrumenten
durchgeführter Untersuchung der Sterne allmählich bei den meisten den Doppel-
sterncharakter entdecken dürfte. Ein solches Forschungsergebnis wäre aber
ein neuer Beweis für die hohe wissenschaftliche Bedeutung der Doppelsterne,
namentlich auch in Hinsicht auf die Anschauungen über die Entstehungen der
engeren und der weiteren Weltsysteme. In einem anderen Artikel sollen dem-
nächst einige besonders interessante Beispiele von „spektroskopischen‘“ Stern-
systemen behandelt werden. A. Berberich.
AR
Die Bedeutung der modernen historischen Forschung
in den mathematischen Wissenschaften.
Ds jüngst verflossene Jahrhundert hat nicht nur das Gesamtgebiet der Natur-
wissenschaften bedeutend erweitert, sondern es hat auch die Geschichts-
forschung in den exacten Wissenschaften aufblühen lassen und hiermit die
Kenntnis von der Natur selbst vertieft. Durch mühsame oft mit Unrecht ver-
achtete philologische Forschungen scharfsinniger Mathematiker und Astronomen
ward Gelegenheit geboten, das feste unumstössliche Fundament in seiner Ent-
wicklung vorzuführen, auf dem sich der Prachtbau unseres heutigen Wissens
von der Natur und ihren Rätseln erhebt. Achtung und Bewunderung empfinden
wir vor den Geistesgrössen der Vorzeit, welche kühnen Schrittes sich zuerst in
das dunkele geheimnisvolle Land der Erkenntnis wagten, sich mühsam auf
rauhen Pfaden Bahn brachen, um die herrlichen Früchte ihrer harten Arbeit uns
Nachkommen zu überlassen.
Es kann hier nicht der Ort scin, alle diejenigen Mathematiker und Philo-
logen zu nennen, welche uns das Interesse und hiermit auch das Verständnis
für die jahrtausend alte Geschichte der Naturwissenschaften einflössten. Haben
doch die kritischen Forschungen eines Ideler, Boeckh, Moritz Cantor, Max
Curtze, S. Guenther und Schiaparelli ihren Autoren ein Denkmal gesetzt,
das wahrlich für „aere perennius* gehalten werden kann.
Die Geschichte der exacten Wissenschaften wuchs nur langsam als schwacher
Keim aus dem noch ungedüngten Boden. Montucla s „Histoire des Mathématiques“
— im Jahre 1758 erschienen -— hat wohl das erste Samenkorn spriessen lassen,
aber es dauerte viele Jahrzehnte, ehe die Forschungen jener gelehrten Historiker
der mathematischen Wissenschaften nach Gebühr gewürdigt wurden. Und noch
bis in die moderne Zeit hinein gab es grosse Naturforscher, deren missfällige
Beurteilung geschichtlicher Forschungen in ihrem Wissenszweige man nur mit
der völligen Ermangelung eines historischen Gefühls erklären kann. Und doch
hatte schon der „Aristoteles der Neuzeit“, Alexander von Humboldt, in seinem
„Kosmos“ auf die hervorragende Bedeutung der Geschichte für die Weiterent-
wickelung der Wissenschaften mit seiner classisch-schönen Sprache hingewiesen.
Die kühle, objective Betrachtung des Lebens und Wirkens grosser Männer der
Vorzeit schärft nicht nur unser kritisches Urteil, es erweitert nicht nur unseren
geistigen Gesichtskreis in bedeutendem Masse, sondern begeistert uns auch,
jenen edlen Vorbildern nach Möglichkeit gleichzukommen, um einst in der
Geschichte der Wissenschaft gleichfalls ehrend erwähnt zu werden.
Doch auch den breiteren Schichten des gebildeten Laientums haben jene
historischen Forschungen in den mathematischen Wissenschaften reichen Segen
gebracht. Man lernte die einzelnen Perioden der Culturgeschichte und die
Bedeutung der in Frage kommenden civilisierten Völker für dieselbe näher
kennen und besser würdigen. Manch einem „falschen Propheten der Vorzeit‘
ward der Nimbus unbarmherzig zerstört, den er um seine Persönlichkeit gelegt
hatte. Es befreite die historisch -philologische Forschung des letzten Jahrhunderts
die gebildete Menschheit auch von dem Banne einer unberechtigten Anbetung
des klassischen Altertums als der einzigen Quelle unserer heutigen Cultur.
— 90 —
Durch Studien in den orientalischen Sprachen ward man befähigt, die volle
Bedeutung der semitischen Völker für die Weiterentwickelung der mathematischen
Wissenschaften, besonders der Astronomie, im Mittelalter, wie auch teilweise im
Altertum, zu erkennen. Es vernichtete diese Erkenntnis auch den Eigendünkel
einiger Gelehrter, welche jedweden historischen Gefühls bar waren. Man lernte
ganze Völkerschaften, die uns jetzt im Ruhepunkte ihrer Entwickelung entgegen-
treten, ihrer ruhmreichen Vergangenheit wegen schätzen. So erhielten wir z. B.
durch die vereinten Forschungen von Sinologen und Historikern der Mathematik
ein ganz anderes Bild von dem geistigen Zustande des Chinesenvolkes. Sie
sahen ein, dass es das grösste Unglück dieses Volkes war, nach jener hohen
culturellen Blüte nicht untergehen zu können, sondern wie jene mitleiderregende
Gestalt des Ahasver ewig, aber in Erstarrung leben zu müssen. Wenn somit
die historische Forschung in den Naturwissenschaften uns vor einseitiger Beur-
teilung culturgeschichtlicher Leistungen bewahrt, so verdient sie noch, aus weit
gewichtigeren Gründen die Beachtung eines jeden Gebildeten.
Gehen wir in unseren historischen Forschungen bis auf die Urzeit mensch-
licher Kultur zurück, so bemerken wir dort eine Erscheinung, welche im Kind-
heitsalter des einzelnen Menschen, sowie der Menschheit überhaupt deutlich
hervortritt.
Das schwankende fantasiebegabte Innere eines Kindes ist nicht fähig, die
Ereignisse der Aussenwelt ohne weiteres auf natürliche Vorgänge zurück-
zuführen. Es liegt eben in jedem Menschen ein Keim zu metaphysischen
Spekulationen, der ihm die Dinge nicht erkennen lässt, wie sie sind, sondern
wie seine eigene Fantasie dieselben ihm vorgaukelt.
Der Kontrast der silberhellen Mondstrahlen in dunkler Nacht, die mannig-
fachen Lichtreflexe des Mondscheins auf thaubenetzten Wiesen und auf stillen
Waldteichen, die eigentümliche, zitternde Wellenbewegung der Luft in einer
Sommernacht liessen im Urmenschen — der geistig ein Kind war — jene elfen-
haften Wesen entstehen, welche Flur und Hain beleben und nachts mit ihrem
magischen Glanze die Gefilde erhellen sollten. Die Sumpflichter wurden zu
verrufenen Geistern, die in dunkler Nacht dem einsamen Wanderer unheil-
schwanger entgegenhüpften. In ähnlicher Weise wurden die Himmelsphänomene
symbolisiert.
Es sieht sich daher der Historiker der Astronomie, welcher die Urzeit
menschlicher Gesittung zum Arbeitsfeld wählen will, veranlasst, aus den Mythen
der Urvölker ihre astronomischen Kenntnisse herauszulesen, den Grundkern ihres
Wissens in der Natur von jener undurchsichtbaren Sagenhülle zu befreien. —
Weil nun der Astronom in seiner ältesten Geschichte sich auf die mythologischen
Anschauungen der Völkerpsyche zu stützen hat, so sind die Resultate seiner
Forschung auch von höchster ethisch-religiöser Bedeutung.
Man erkennt, dass die täglichen Vorgänge am Himmelszelt zuerst jenen
Keim in der Völkerscele entfalten liessen, den wir schlechthin „religiöses Gefühl‘
nennen. Die feinsten seelischen Unterschiede im Völkerleben treten dem Historiker
der Astronomie zu Tage.
Man lernt würdigen, dass diejenigen Völker, welche durch die natürliche
Lage ihres Heimatslandes in erster Linie die Bedeutung des Sonnenballes für
das irdische Leben erkannten, in diesem ihren höchsten, und was nicht zu ver-
gessen ist -- auch einzigen Gott verehrten; denn, wie die hellsten Sterne vor
den Strahlen der Tagesgéttin erblassen, so sank auch die Bedeutung jener
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übrigens erst später entstandenen Nebengötter beim Vergleiche mit dem obersten
Gotte. Der „Ammon-Rä‘ war den Aegyptern wie allen sonnenanbetenden Völkern
der Urzeit eine Versinnbildlichung des Alls in seinem Werden und Vergehen;
deshalb mussten alle Gefahren, welche ihm drohten, auch den Sonnenanbetern
selbst verderblich erscheinen. Man bemerkte mit Schrecken, dass jenes himmlische
Gestirn, welches den niederen Wesen so freigebig Licht, Leben und Wärme
spendete, oft seinen Glanz plötzlich einhillte. Es wurde dies auf den Einfluss
böser Dämonen zurückgeführt, welche dem Lichtgotte, dem Prinzip alles Guten,
Nachstellungen bereiteten. Und brach sich das Sonnenlicht wieder siegreich
Bahn und küsste mit seinen goldigen Strahlen die Gefilde, dann erhob sich ein
endloses Jauchzen und Jubeln im Volke, denn der Lichtgott war gerettet: Wir
begegnen diesen Mythen bei allen Völkern des Erdballes. Der Grundkern jener
altgermanischen Sage von Baldur, dem gütigen Lichtgotte, welcher endlich den
Ränken des bösen Loki zum Opfer fällt, vom Feuriswolfe, welcher die Sonne,
das Auge Wotans, zu verschlingen droht, stimmt überein nicht nur mit der
indischen Sage vom Kampfe des wilden Jägers und dem Sonnenhirsche, sondern
auch mit den entsprechenden Sagen semitischer und hamitischer Völker — wenn
man unter „hamitisch“ alle Völkerschaften verstehen will, deren Sprache mit
den semitischen und arischen Sprachen keinerlei Verwandschaft zeigt.
Wir mussten hierüber eine breitere Darstellung geben, weil uns gerade dic
vergleichende Kosmologie und Mythologie -- d. h. eben die astronomische
Forschung in mythischen Texten befähigt, als Urreligion des gesamten
Menschengeschlechts nicht den rohen Fetischismus, auch nicht die gedanken-
lose Anbetung von Ahnenbildern zu erkennen, sondern die Anbetung der
funkelnden Sternenwelt, welche in unerreichbarer Höhe urewige Bahnen zieht.
Historisch-astronomische Forschungen interessieren daher einen jeden Ge-
bildeten; sie befreien auch von einer beschränkten einseitigen Auffassung in
religiösen und ethischen Dingen.
Erheben und fördern wird uns ein Studium kultureller Bestrebungen in der
Vergangenheit. Es wird uns anspornen, gleich unseren Vorkämpfern auf dem
Felde der Wissenschaft, den irrenden Mächten zu trotzen, weiter empor zu
klimmen den Berg der Erkenntnis, von dessen Spitze das ewige Licht ver-
heissungsvoll uns entgegenstrahlt!
Auf rauhen Pfaden wollen wir uns Bahn brechen zur Höhe, zum Lichte,
zur Sonne! Per aspera ad astra! Max Jacobi.
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Der Luftschiffer Santos-Dumont hat den von Henry Deutsch ausgesetzten Preis von
100,000 Franken für eine Rundfahrt um den Eiffelturm erhalten, obgleich er einige Sekunden später
als festgesetzt war, zur Abfahrtsstelle zurückkehrte. (Vergl. „Weltall“ I. Jg. S. 52.)
£
*
x
Astronomische Vorlesungen an der Humboldt-Akademie im I. Quartal 1902. Doc.
F. S. Archenhold beginnt am Donnerstag, den 9. Januar, in der Lehrstätte NW., Dorotheen-
städtisches Realgymnasium, den zehnstündigen Cyclus: „Weltanschauung und Himmelskunde,
der Wandel des Weltbildes unter dem Einflusse der Himmelsbeobachtung* und am Dienstag," den
14. Januar, in der Lehrstätte W., Falkrealgymnasium, den zehnstündigen Cyclus: „Einführung in
die Astronomie“.
sz G ze
Aufruf, betreffend Errichtung einer Vortragshalle. Die Treptow-Sternwarte und der
Verein von Freunden der Treptow-Sternwarte (Eingetr. Ver.) haben nachstehenden Aufruf erlassen:
„Zwei Dinge sind es, die das Gemüt immer mit neuer und
sunchmender Bewunderung und Ehrfurcht erfillen, je öfter und
je anhaltender sich der Geist mit ihnen beschaftigt: der gestirnte
Himmel über mir und das ethische Gesetz in mir" Kant.
„Es ist ein grosser Fortschritt der Menschheit, dass man allmählich immer mehr an diejenigen
Hilf- uud Weckrufe zu achten beginnt, welche das Emporkonimen und Entfalten der genialen Volks-
xräfte bezwecken, anstatt jenen Stimmen Gehör zu schenken, welche blos dem Niedergang irgend
einer löblichen Sache Einhalt zu thun beabsichtigen.
Wir hören, dass in Amerika Herr Andrew Carnegie Millionen dem Volke geschenkt hat. um
in den verschiedenen Städten Vortragshallen zu errichten und auf diese Art seinen Teil zur grossen
Arbeit der Menschenbildung beizutragen.
Diesem edelsten Zwecke dient vornehmlich die Treptow-Sternwarte. Die allgemein verständ-
lichen, volkstümlichen Vorträge, welche sonntäglich, fünf Jahre hindurch, auf der Sternwarte in
einem kleinen Raume gehalten wurden und oft so stark besucht sind, dass im Sommer fünf Vor-
träge hintereinander gehalten werden mussten, um dem Andrang Genüge zu thun, verlangen eine
neue Vortragshalle, da die gegenwärtigen Verhältnisse in keiner Weise den öffentlichen Ansprüchen
entgegenzukommen im stande sind.
Es soll zu diesem gemeinnützigen Zwecke, im Dienste wahrer Volkserziehung eine Summe
zusammenkommen, die das Errichten einer Vortragshalle ermöglicht, welche diesem Bildungs-
unternehmen entspricht. Wir brauchen etwas über hunderttausend Mark, um diesen Plan so durch-
zuführen, dass diese Vortragshalle zugleich künstlerisch belebend auf die Besucher wirkt und die
Schönheit und Ordnung der Gestirne, den ethischen Wert der Himmelskunde bildlich darthut.
Viele Hunderttausende von Mark ‚werden alljährlich im Deutschen Reich für Stiftungen und
Gaben bestimmt, welche oft nur beschränkte Einzelinteressen im Auge haben, während hier eine
dauernde Institution für das allgemeine Wohl die Hand ausstreckt.
Es muss geholfen sein und wir glauben, wie Amerika seine grossherzigen Gönner hervor-
gebracht hat, welehe für die Bildung des Volkes Millionen hergeben, so schlagen in uuseren
deutschen Gauen auch noch viele edelmütige Herzen, die uns helfen werden.
Wollen Sie an der Errichtung dieser Vortragshalle, die durch den Andrang von suchenden,
strebsamen Menschen zu einer Notwendigkeit geworden ist, teilhaben? Wollen Sie zu dieser schönen
That das Ihre beitragen und sieh mit uns dieser Errungenschaft freuen?“
Bis heute sind bereits gezeichnet von
1. Kgl.Geh. Commerzien-Rat C. Spind- 14. Auskunftei W. Schimmelpfeng,
ler, Berlin... sa a a 1WON. Berlin... ; bh, ae tee 20 M.
2: Frau Direktor Anna H.. ., Berlin 1600 - 15. Dr. Ernst Noah, Berlin ee se, G 20 -
3. Frau Marie Schülertburg Ort. 16. Alfred Gartz, Berlin . . . 20 -
leben geb. Halske. Berlin . . . 660 - | 17. CarlReichert Mikroskopfabrikant,
4. Dr. Werner Weisbach. Berlin . 300 - Wien... > 20 -
5. W. Dittmar, Berlin. . . . . . 100 - | 18. Otto aere Pais dii: ; 20 -
6. Dr. S. Riefler, München. . . . 100 - | 19. Keusberg & Ulbrich, Berlin. . 20 -
7. Frau E. d’Alton, Berlin . . .. OU - | 20. F. Kallgarten, Frankfurt aM. . 10 -
8. Rathenower opt. Industrie- EI M. Gotthelf, Berlin. . . . : 10 -
Anstalt, vorm. Emil Busch A.-G., 22. H. Bloch, i. F. S. Calvary & Co,
Rathenow . o a ; ; 50 - Berlin - . . . eh as cs 10 -
9. Friedrich Treitschke. Erfurt ; 50 - | 23. Alfred Markus, Berlin ee 10 -
10. Dr. med. Max ise nbere: Berlin. 50 - | 24. Prof. Dr. M. In se. Friedrichs-
11. DirektorF S.Archenliold, Treptow 50 - hagen . . . Fe up 10 -
12. Dr. med. Paul Schmidt, Baum- 25. Max Runge, Benin: oy fe. at a 10 -
schulenweg-Treptow . . . gi 20 - | 26. Richard Galle, Berlin . . .. 1) -
13. S. Weil, Bankdirektor, Berlin ER 20 - 27. Prof. Dr. Victor Knorre, Berlin 5 -
Diese ersten Spenden für die Errichtung der Vortragshalle beweisen. dass auch in Deutschland
die Bedeutung der volksbildenden Aufgaben immer mehr erkannt und gewürdigt werden. Den freund-
lichen Spendern gebührt warmster Dank für diese Bethätigung ihres Gemeinsamkeitssinnes.
Weitere Beitragszeichnungen nimmt die Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parisius & Co.,
Berlin W., Charlotten-Strasse 35a, entgegen.
Für die Schriftieitung verantwortlich: Fos. Archenbold. Treptow-Rerlin: für den Inserätenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 8.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 1902 Januar 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monals. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle DUERBONGIUNEEN
und Postanstalien (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a). l
Anzeigen-Gebühren: Die einspallige Petitzeile 40 Pfg. Yı Seite 60.—,!/, Seite 30.—,1), Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
4. Kleine Mitteilungen: Preis-Ausschreiben zur Erlang-
1. Ueber die Verferliger der Pekinger Instrumente. Von ung einer Vorrichtung sum Messen des Winddruckes.
F. S. Archenhold. . . . . 2. 2 7... 93 — Im Ballon über die Sahara. .. ......, 103
2. Die astronomische Theorie des Allers der Eiszeit. 5. Personalien: Dr. R. Schorr. — Dr. Felix Hausdorff.
Von A. Berberich. . . . . 2. 2 22.0. 95 — Dr. Ernst Hartwig . - . » : : 2 2 ee ew 104
3. Der Veramin-Meteorstein im Palaste des Schah ı von 6. Verzeichnis der zur Erri ching der Vortragshalle der
Persien. Von Gottfried Klein. . . . . .: 2 2.. 100 Treptow - Sternwarte weiter eingegangenen Beiträge 104
Geber die Verfertißer der Pekinger Instrumente.
och bevor in Europa eine Sternwarte errichtet war, besass China unter dem
genialen Begründer der Mongolendynastie, Kublai Chan, einen Astronomen
Scheu-King, der als Erfinder von 17 astronomischen Instrumenten genannt wird,
die aus Bronze hergestellt, den Stolz des kaiserlichen Observatoriums zu Peking
ausmachten, bis sie durch die nach europäischem Muster gearbeiteten voll-
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Pater Matthieu Ricci. Pater Adam Schaal. Pater Ferdinand Verbiest.
kommeneren Werke der Jesuiten ersetzt wurden. Wir zeigen unseren Lesern
drei der bedeutendsten Jesuitenpatres*), deren Einfluss in China im 17. Jahr-
hundert ein gewaltiger war.
Matthieu Ricci war einer der ersten Jesuiten, die nach China kamen.
Gemeinsam mit P. Roger und P. Pasio hatte Ricci von dem Vicekönig zu
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*) Diese Abbildung, wie die folgende, ist dem Werke von J. B. du Halde, de la Compagnie
de Jesus: „Description géographique, historique, chronologique, politique et physique de l'empire
de la Chine et de la Tartarie chinoise: 4 vls. Avec 64 figures, planches et cartes. La Haye
1736, entlehnt, das Herr Hugo Bloch i.F. S. Calvary & Co. in dem Bestande seines Antiquariats
aufgefunden und zur Reproduction freundlichst hergeliehen hat.
=, 94
Chao-king die Erlaubnis zur Ansiedelung in der Provinz Quang-tong erhalten
und es verstanden, sich grossen Einfluss durch sein sanftes Wesen, seine Beherr-
schung der chinesischen Sprache und insbesonders durch seine mathematischen
Kenntnisse, die er in Rom unter Clavius erworben hatte, zu verschaffen. Fast
alle gebildeten Chinesen strömten ihm zu. Eine von ihm entworfene geo-
graphische Karte war das Entzücken seiner Besucher, obgleich durch dieselbe
die Illusion von der Grösse Chinas zerstört wurde.
Nach siebenjährigem Wirken in Chao-king wurde Ricci durch einen neuen
Vicekönig verjagt, aber alsbald wieder von Macao, wohin er sich geflüchtet
hatte, zurückgerufen. In Chao tcheou gründete er eine neue Kirche. Von hier
Observatorium zu Peking
vor 1736.
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a Aufstieg zum Observatorium — b Warteraum für die Beobachter — c Aequinoxialsphäre — d Himmelsglobus —
e Zodiacalsphäre — f Azimutalkreis — G Quadrant — h Sextant.
drang Ricci auf dem Flusse Yang-tse-kiang, „Sohn des Meeres,“ bis Nanking
und schliesslich bis Peking vor. Hier gelang es Ricci, nach zwanzigjähriger
Arbeit mit Erlaubnis des Kaisers von China ein Institut zu errichten, das bald
der Sammelpunkt aller höheren Beamten wurde. Noch 7 Jahre war es ihm
beschieden, hier zu wirken, bis der Tod im Jahre 1610 im Alter von 58 Jahren
seinem arbeitsreichen und mühevollen Leben ein Ende setzte Der Kaiser
liess ihm alle Ehren der Mandarine bei seiner Beisetzung erweisen.
| Schon im Jahre 1615 wurden die Missionare gezwungen, Peking wieder zu
verlassen und es gelang erst dem deutschen Pater Adam Schaal, geboren in Köln,
wieder Zutritt zum Hofe zu erlangen. Schaal wurde alsbald der Lehrer des
Kaisers Aanghi und Präsident des mathematischen Kollegs.
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= 95 —
Neben ihm wirkte noch der Pater Ferdinand Verbiest, ein Mann von
grossem technischem Geschick, der es verstand, den Kaiser Kanghi von der
Minderwertigkeit der alten Instrumente des Scheu-King zu überzeugen und den
Auftrag zur Anfertigung neuer Instrumente nach eigner Konstruktion zu erhalten.
Sie wurden im Jahre 1673 auf dem alten chinesischen Observatorium Pekings
aufgestellt in einer Anordnung, wie es unsere Abbildung zeigt. Die Arbeit ist
von chinesischen Bronzegiessern und Ciseleuren ausgeführt und ohne Zweifel
von hohem künstlerischen Wert. Die Verzierungen bewegen sich in der Formen-
sprache chinesischer Schnörkel und Drachentiere. Der Bronzeguss hat im
Laufe der Jahrhunderte durch eine glänzende Patina eine eigenartige Schönheit
erhalten, da die Instrumente, wie unsere Abbildung zeigt, völlig im Freien
standen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus haben die Instrumente heute
nur noch einen historischen Wert. Es ist möglich, dass auch später von einem
Münchener Pater Gogeissel einige Instrumente hinzugekommen sind. So
bedarf es noch weiterer Untersuchung, ob die nach Deutschland transportierten
und in Potsdam aufbewahrten Instrumente alle unter der Leitung des Paters
Verbiest in China angefertigt sind oder zum Teil aus Europa stammen. Es ist
auch Verbiests Verdienst, den chinesischen Kalender, der in Unordnung geraten
war, reformiert zu haben. Als Verbiest starb, liess der Kaiser ihn mit chine-
sischem Pomp begraben und verlieh ihm den Titel Ta-jin, d. h. „grosser Mann“.
Nach chinesischer Art wurde dieser Titel auch allen Vorfahren Verbiest's ver-
liehen. F.S. Archenhold.
Die astronomische Gheorie des Alters der Eiszeit,
ligemein bekannt ist die Thatsache, dass wiederholt in langstverflossenen
Zeiten das organische Leben auf ausgedehnten Ländergebieten gestört und
sogar ganz unterbrochen worden ist durch Eiszeiten, das heisst durch Ver-
änderungen des Klimas, die mit bedeutender Temperaturverminderung verbunden
waren. An vielen Orten Deutschlands liegen die Spuren der einstigen Ver-
gletscherung deutlich zu Tage in welligen Moränenhügeln, Gletscherschliffen an
Gesteinswänden und in oft riesigen „Findlingsblöcken‘, Felsen, die von weit her
durch das Eis in das heutige Flachland transportiert worden sind.
Durch welche Ursachen das klima eines grossen Teiles der Erdoberfläche
so erheblich verändert werden konnte, ist eine häufig gestellte und sehr ver-
schieden beantwortete Frage. Namhafte Geologen, wie Brückner und Penk,
sprachen sich für die Gleichzeitigkeit der Vereisung auf der nördlichen und der
südlichen Erdhalbkugel aus. Notwendigerweise muss man dann auf eine ausser-
irdische Ursache der Temperaturabnahme schliessen, war aber rein auf Hypo-
thesen angewiesen. Man rechnete mit einer in langen Zeiträumen sich abspielenden
Veränderlichkeit der Sonnenstrahlung, die an sich nicht bedeutend zu sein
brauchte, aber durch die lange Dauer grosse Wirkungen auszuüben vermochte.
Kürzer währende Klimaschwankungen, namentlich eine 35jährige Periode, wurden
ja ebenfalls in Beziehung zu den wechselnden Zuständen an der Sonnenoberfläche
gebracht. Vor kurzem hat W. J. S. Lockyer auf Grund der R. Wolf’ schen
Sonnenflecken statistisch nachgewiesen, dass eine 35jährige Schwankung in der
Dauer des Anwachsens des Fleckenareals in den einzelnen 11jahrigen Flecken-
— 9 —
perioden existiert. Die Aeusserungen des Erdmagnetismus laufen bekanntlich
der veränderlichen Fleckenhäufigkeit auf der Sonne im wesentlichen parallel.
Lockyer findet die 35jährige Schwankung auch wieder in der Zeitdauer, die
zwischen den Minimis und den Maximis der Bewegungen der Magnetnadel liegen.
Es kann also kaum bezweifelt werden, dass in den Vorgängen auf und innerhalb
der Sonne eine 35jährige Veränderlichkeit — etwa der Wärmezirkulation von
innen nach aussen — zur Geltung gelangt, die ihre Wirkung auf der Erde noch
fühlbar macht. Unmöglich wären daher Veränderungen der Sonnenstrahlung in
Jahrtausende umfassenden Perioden nicht, einen weiteren Beweis dafür als eben
die zu erklärenden Eiszeitperioden vermag aber niemand zu erbringen. Noch
fraglicher ist die andere Hypothese, dass das Sonnensystem in seinem Lauf
durch den Raum abwechselnd „wärmere“ und „kältere* Gegenden kreuze.
Man hat andererseits rein geologische Erklärungsversuche gebracht, z. B.
das Auftauchen oder Versinken grosser Kontinente im Ozean, womit unzweifelhaft
grosse Veränderungen im Klima weiter Gebiete verbunden sein müssen. Eine
Beeinflussung der Temperatur und Feuchtigkeit auf beiden Hemisphären in
gleichem Sinne ist aber schwer denkbar, man müsste denn gerade zu diesem
Zweck ganz eigene Hypothesen über die Lage und Grösse eines solchen
problematischen Kontinentes machen.
Ueberhaupt dürfte die zeitliche Bestimmung der Eiszeitperioden an ver-
schiedenen Erdteilen kaum genügend sicher sein, um deren Gleichzeitigkeit
beweisen zu können, wenn diese Perioden selbst nur etliche Jahrtausende umfasst
haben mögen. Darf man aber annehmen, dass eine Eiszeit sich jeweils nur auf
eine Hemisphäre beschränkt hat, so bietet sich eine einfache Erklärung dieser
gewaltigen Klimaveränderung in der wechselnden Dauer der Jahreszeiten. Eine
solche astronomische Theorie wurde namentlich von Croll und R. S. Ball auf-
gestellt und weiter ausgearbeitet, während kürzlich Prof. C. V. L. Charlier,
Direktor der Sternwarte in Lund, sie gegenüber einiger Einwürfe mit Erfolg
verteidigt hat.
Wie Ball berechnet hat, kommen von der gesamten Sonnenwärme, welche
eine Halbkugel der Erde, z. B. die nördliche, im Laufe des Jahres empfängt,
63 °% auf die Zeit des Frühlings und Sommers, der Rest mit 37°/, auf den Herbst
und Winter. Neben der Erwärmung geht aber die Abkühlung der Erdoberfläche
durch Ausstrahlung einher, die das ganze Jahr hindurch, von den wechselnden
Witterungszuständen abgesehen, gleichförmig erfolgt. Im Sommerhalbjahr über-
wiegt die Erwärmung, im Winterhalbjahr die Abkühlung. Nun sind die beiden
Halbjahre nur ausnahmsweise gleichlang. Die Erdbahn ist kein Kreis, sondern
eine Ellipse, auf deren Peripherie sich die Erde im sonnennäheren Teile rascher,
im sonnenferneren langsamer bewegt. Die Bahnellipse ändert ganz allmählich
ihre Form, bald ist sie kreisähnlicher, bald stärker excentrisch als gegenwärtig.
Je mehr sie von der Kreisgestalt abweicht, desto ungleichmässiger erfolgt der
Jahreslauf der Erde. Dazu kommt noch, dass der Zeitpunkt, wann die Erde
alljährlich am raschesten oder am langsamsten läuft, sich nach und nach ver-
schiebt. Jetzt besitzt die Erde ihre grösste Bahngeschwindigkeit am 1. Januar
— hier steht sie der Sonne am nächsten; vor 20000 bis 70000 Jahren befand
sich die Erde in dieser Stellung im September, vor 110 000 Jahren im Juli — die
Monatsrechnung richtet sich hierbei immer nach der Zeit des Frühlingsanfangs.
Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist das Winterhalbjahr der Nord-
halbkugel um 7 Tage 16 Stunden kürzer als das Sommerhalbjahr. Für die
E GE
Aequatorgegenden, wo jahraus jahrein Tag und Nacht gleich lang sind, hat jener
Unterschied keine Bedeutung, wohl aber für die nördlicheren Gegenden, an
denen die Zeit der Wärmeausstrahlung im Sommer auf kurze Nächte beschränkt
ist. Es giebt einen ganz erheblichen Wärmegewinn, wenn die Sonne eine volle
Woche länger ihren höchsten Stand inne hat, als sie im Winter im Tiefstande
verbleibt. Umgekehrt befindet sich die Südhalbkugel gegenwärtig im Nachteile,
der indessen grossenteils — für den Menschen — dadurch ausgeglichen wird,
dass die Festländer lange nicht so weit gegen Süden sich erstrecken als auf der
Nordhemisphäre und dass die grossen Wassermassen der südlichen Ozeane
gewissermassen die Sammler der Sommerwärme bilden, mittels der sie eine
übermässige Abkühlung im langen Winter verhindern.
Wie schon zuvor bemerkt, ist das jetzige Verhältnis zwischen Sommer- und
Winterdauer kein beständiges. Der Unterschied zwischen den beiden Jahres-
hälften — Frühling und Sommer einerseits, Herbst und Winter andererseits —
kann auf 31 Tage, einen vollen Monat, ansteigen. So wird jetzt unser Sommer
allmählich kürzer, in 4500 Jahren wird er dem Winterhalbjahr gleich geworden
sein und weitere 4500 Jahre später übertrifft der Winter den Sommer um fast
sechs Tage. Das sind noch dazu kurze Wintertage, an denen die Sonne sich im
Mittag nur zu geringer Höhe über den Horizont erhebt und ihre Strahlen ganz
schräg durch eine meist dunstige Atmosphäre sendet, so dass sie aller Wärme-
kraft verloren gehen. Dafür sind es sechs lange Nächte mehr, in denen der
Erdboden sich stark abkühlt. Unter solchen ungünstigen Umständen ist eine
Verschlechterung des Klimas, eine Herabsetzung der Jahrestemperatur leicht
verständlich. Man darf nicht vergessen, dass es sich nicht, wie manchmal in
der Gegenwart, um blos einzelne kalte Winter handelt; vielmehr dauert die Ver-
ringerung der Sonnenbestrahlung jahrtausendelang an.
Da die Gesetze der Erdbahnänderungen bekannt sind, lassen sich die Unter-
schiede der Jahreszeiten bis in weit zurückliegende Vergangenheit berechnen.
Aus den von Prof. Charlier gemachten Angaben sind folgende Zahlen entnommen.
Die Jahre beziehen sich auf die Zeit vor der christlichen Aera.
Zeitraum Sommer Winter Grösster Unterschied
Von 88 800 bis 77600 kurz lang 17,5 Tage um d J. 84 000
- 77600 - 66900 lang kurz 13,5 - - - - 73000
- 66900 - 55600 kurz lang 9,5 - - - - 61500
- 55600 - 39800 lang kurz 45 - - - - 49000
- 389800 - 27800 kurz lang 65 - - - - 33000
- 27800 - 16700 lang kurz 85 - - - = 22000
- 16700 - 6100 kurz lang 90 - - - - 11500
- 6100 - jetzt lang kurz 80 - - - - 1000
Perioden mit kurzen Sommern, d. h. Eiszeiten, haben also zuletzt statt-
gefunden um das 84., 62., 33. und 12. Jahrtausend v. Chr.; sie haben jeweils an
zehntausend Jahre gedauert und sind von einander durch Wärmeperioden von
ähnlicher Länge getrennt.
Gegen diese Eiszeittheorie wurde der scheinbar sehr gewichtige Einwand
erhoben, dass darnach gegenwärtig eine sehr intensive Eiszeit auf der südlichen
Marshalbkugel herrschen müsste, indem daselbst jetzt der Sommer um 86 Tage
kürzer ist als der Winter. Davon bemerkt man aber nichts, im Gegenteil be-
— 98 —
wirkt der kurzeSüdsommer ein ebensovollständiges Verschwinden des weissen Polar-
flecks, wie der lange Sommer der Nordhalbkugel den Nordpolarfleck wegthaut.
Eher könnte man glauben, dass letzterer nicht völlig verschwindet. Prof. Charlier
erblickt in der ungleichen Verteilung dunkler und heller Regionen, die fast
allgemein für Wasser und Land gehalten werden, in den beiden Marshemisphären
den Grund der scheinbaren Ungiltigkeit der Croll schen Eiszeittheorie. „Die
ganze Nordhalbkugel des Mars besitzt einen fast völlig kontinentalen Charakter,
während etwa zwei Drittel der Südhalbkugel von Wasser bedeckt sind. Durch
diesen Zustand wird dem Einfluss des langen Winters auf der südlichen Mars-
hälfte entgegengewirkt. Noch ein anderer von Charlier nicht berührter Umstand
kommt der Südhemisphäre des Mars sehr zu statten. Während die grösste Distanz
der Erde von der Sonne nur um !/,, die kleinste übertrifft, was einem Unterschied
der Sonnenstrahlung um blos 7°/, entspricht, verhalten sich die extremen Ent-
fernungen des Mars von der Sonne wie 1 zu 1,2. In der Sonnennähe ist die
strahlende Kraft der Sonne um 45°/,, also fast um die Hälfte grösser als in der
Sonnenferne. Die Zeit der Sonnennähe fällt fast mitten in den Sommer der
Südhalbkugel, dessen Kürze sehr wohl ausgeglichen werden kann durch die
wie gesagt um die Hälfte erhöhte Sonnenstrahlung. Im übrigen scheinen die
physikalischen und metcorologischen Zustände auf dieser Nachbarwelt von den
irdischen Verhältnissen erheblich verschieden, sodass die Uebertragung der für
unsere Erde giltigen Gesetze auf den Mars nicht ohne Einschränkung zulässig
ist. Zudem giebt es namhafte Marsforscher, welche der Erklärung der dunklen
Gebiete dieses Planeten als Wasserflächen widersprechen. Somit wird die hier
besprochene Theorie der Eiszeit durch das abweichende Verhalten des Planeten
Mars nicht umgestürzt.
Eine höhere Bedeutung für die Beurteilung dieser Theorie haben die
mehrfach unternommenen Versuche, die ungefähre Zeit der letzten Vereisung
Europas zu ermitteln. Eine solche Berechnung hat vor acht Jahren der Züricher
Geologe Heim am Vierwaldstätter See ausgeführt. Diesen durchquert bei Gersau
eine dem Scespiegel sich bis zu 70 m nähernde Moräne, die nach ihrer scharfen
Form zu schliessen einem Stillstand des Reussgletschers in seiner letzten
Rückgangsperiode entstammt. Unterhalb der Moräne ist der See rund 200 m
tief, unmittelbar oberhalb bis zur Muottamündung nur 110 bis 120 m, weiterhin,
im Urner See, 180 bis 200 m. Der von der Muotta seit Beendigung der Eiszeit
herabgeführte Gesteinsschutt musste sich hinter der Moräne auf einer beschränkten
Fläche anhäufen, erhöhte daher den Seeboden weit mehr als der Schutt, den
die Reuss von den Bergen herunterbrachte, das grosse Urner Becken auffüllen
konnte. Heim macht in seiner Rechnung die als ganz wahrscheinlich zu er-
achtende Annahme, dass die Schuttmassen, welche diese Flüsse mit sich führen, im
Verhältnis zur Grösse ihrer Sammelgebiete stehen. So findet er, dass die Muotta
um fast die Hälfte rascher den Seeboden erhöhte als die Reuss. Die Geröllmenge
des letzteren Flusses beträgt nach früheren Bestimmungen jährlich 200 000 cbm,
dürfte aber nach Heims Meinung bei voller Berücksichtigung der feineren und
feinsten Bestandtheile wohl auf 300 000 cbm geschätzt werden. Auf eine noch
höhere Zahl kommt man, wenn man bedenkt, dass unmittelbar nach der Eiszeit
die Wassermassen viel grösser gewesen sein müssen als jetzt und dass sie sehr
viel vom Eis losgesprengtes Steinmaterial vorgefunden haben, das sie in den
See hinabwälzten. Heutzutage sind jene Alpenthäler auch lange nicht mehr
so steil, sie haben sich allmählich verflacht, das Gefälle hat sich verringert und
damit auch die Menge des Gesteinstransports. Die Heim'sche Zahl der Schlamm-
massen, 300000 cbm für die Reuss, 100000 cbm für die Muotta, würden das
Ende der letztenEiszeit um 16000 Jahre von jetzt zurücksetzen. DieBerücksichtigung
der für eine anfänglich vermehrte Schuttmenge sprechenden Gründe würde diese
Zeit um wenigstens ein Drittel vermindern, so dass man den Eintritt des
wärmeren Klimas auf das Jahr 10000 v. Chr. oder noch später zu setzen hätte.
Nach Brückner würde das Alter der postglacialen Anschwemmungen des Aar-
flusses am Brienzer- und Thunersee 14000 bis 20000 Jahre betragen, unter
Einrechnung jener beschleunigenden Ursachen 10 000 bis 15 000 Jahre.
Diese auf geologischen Vorgängen beruhenden Zeitschätzungen dürften
also mit Rücksicht auf die ihnen naturgemäss anhaftende Unsicherheit gegen
die astronomisch berechnete Zwischenzeit seit der letzten Jahrmyriade langer
nördlicher Winter keinen Widerspruch ausdrücken. Wir können cher umgekehrt
vom astronomisch begründeten Eiszeitdatum ausgehend den Zuwachs des Gesteins-
transports durch die oben genannten Flüsse beim Eintritt des milderen Klimas
abschätzen, den Zuwachs im Vergleich zur gegenwärtigen Menge von Geröll,
Sand und feinstem Gesteinsschlamm. Die Thatsache, dass der Rückgang des
Inlandeises und der grossen Gletscher am Schluss der Eiszeit mit Unterbrechungen
längerer Dauer erfolgte, wird freilich nur durch besondere Hypothesen über
Klimaschwankungen untergeordneter Grösse zu erklären sein. Dafür, dass man
die einzelnen Vereisungen, in welche man die „Eiszeit“ gewöhnlich zerlegt, mit
den kalten Perioden um die Jahre 11000, 33 000 und 61 000 und die dazwischen-
liegenden Interglacialzeiten mit den warmen Perioden um 22000 und 49000 v. Chr.
identifizieren könnte, sind eben die Zeitabstände viel zu gross. Denn Fauna
und Flora haben während der etwas wärmeren Unterbrechungen der Kältezeit
durchaus nicht den Charakter angenommen, der einem warmen Klimatypus
entsprechen würde; hiergegen bildeten die sich rasch — d. h. vielleicht in
Intervallen von nur wenigen Jahrhunderten sich folgenden Kälterückfälle ein
gewaltiges Hindernis.
Was diesen Nachforschungen nach der Zeit der letzten Vereisungen der
Norhalbkugel der Erde und namentlich der Gebiete Mitteleuropas ein erhöhtes
Interesse verleiht, ist der Umstand, dass in diesen Gebieten wenigstens beim
endgiltigen Anbruch der wärmeren Zeit, möglicherweise auch schon während der
letzten Interglacialzeit der Mensch sich stellenweise, in der Regel am Gestade
eines Sees angesiedelt hat. Der Kulturzustand dieser, von den Erträgnissen
des Fischfanges und der Jagd lebenden Bevölkerung, war ein niedriger, wie die
prähistorischen Funde z. B. bei Taubach und Schussenried beweisen. Das Klima
mag etwa dem heute in Nordsibirien herrschenden entsprochen haben, wie auch
die Pflanzen- und Tierwelt den Charakter der Moorsteppen in der Nachbarschaft
des Polarmeers trug. Man hat auch aus der Dicke der Ablagerungen an etlichen
Orten menschlicher Niederlassungen wie am „Schweizersbild“ bei Schaffhausen
das Alter dieser Wohnplätze zu bestimmen unternommen. Zweifellos muss man
bei dieser Abschätzung wiederum auf die in dem feuchten Klima jener Zeiten
mehrfach beschleunigte Verwitterung Rücksicht nehmen und darf nicht mit dem
Masstabe der gegenwärtigen Langsamkeit der Erhöhung des Erdbodens messen.
So kommt man abermals auf das 8. Jahrtausend v. Chr. als die ungefähre Epoche,
in der jene Wohnstätten zuerst den Menschen beherbergt haben. Es ist hier
nicht der Ort, die mit der Verbesserung des Klimas einhergehende Vermehrung
der Bevölkerung und die ein immer rascheres Tempo annehmende Hebung der
— 100 —
Kultur zu schildern; soviel wird der Leser diesen Zeilen wohl entnommen haben,
dass unser Land erst seit verhältnismässig kurzer Zeit geeignet wurde, eine, die
leiblichen und besonders die geistigen Giter schaffende und mehrende, gesittete
Bewohnerschaft zu tragen. A. Berberich.
Der Weramin-Mecteorstein im Palaste des Schah Von Persien.
Bien sehr interessanten Bericht über den in Nord-Persien im Jahre 1880
niedergegangenen Meteoriten veröffentlicht Henry Ward im „American
Journal of Science“.
Hiernach war der deutsche Mienen-Ingenieur Friedr. Dietsch der Erste,
welcher die astronomischen Forscher in Europa auf diesen kosmischen Wanderer
aufmerksam machte.
In seiner Beschreibung*) berief er sich auf eine persönliche Unterredung
mit dem Schah von Persien, welcher ihm ein Stück des Meteoriten als Andenken
mitgab, dasselbe wog 400 g. Später brachte Baron Emil Lannoy, Sekretär der
österr. Gesandtschaft in Teheran, zwei kleinere Stücke dieses Meteorsteins nach
Wien. Eines davon machte er Dr. Aristid Brezina zum Geschenk, das sich
nun in der grossen Mineraliensammlung des Kaiserl. Museums befindet.
Dr. Brezina beschrieb diesen Metcoriten vor der Kaiserl. Akademie der
Wissenschaften im Juli 1881, aber eine genauere Untersuchung konnte nicht
vorgenommen werden, da derselbe sich im Palaste des Schah befand, wo er
streng bewacht wurde. Das Gesamtgewicht des Meteorsteins war auf 45 kg
angegeben.
Im Herbste 1898 wurde Mr. Henry Ward von Baron von Nordenskiöld ein Stück
dieses berühmten Mcteors gezeigt, das diesem letzteren von einem schwedischen
Bedienten des Schah aus Teheran überbracht worden war. Da Henry Ward schon
seit einiger Zeit eine Reise nach Persien beabsichtigte und viel von dem
Veramin-Meteorstein gehört hatte, beschloss er, die weite Reise sofort anzutreten,
um womöglich wichtige Einzelheiten zu erfahren und nähere Untersuchungen
einzuleiten.
Er erzählt, dass erin Petersburg von dem persischen Gesandten einen Brief an
den Gross-Vezier in Teheran als Einführung erhielt, der ihn mit grosser Freundlich-
keit empfing. Das Photographieren und Wiegen des Meteorsteins, meinte der Gross-
Vezier, würde der Schah wohl erlauben, aber schwerlich noch ein Stück dieses
Meteors abgeben; er wolle sich jedoch im Interesse der Sache verwenden. Bald
darauf erhielt Mr. Ward auch einen Brief, in dem der Gross-Vezier ihm mitteilte,
dass er den folgenden Tag in Begleitung des amerikanischen Gesandten Mr. Arthur
Hardy mit ihm zu dem Schah kommen solle. Mr. Hardy selbst zeigte rege Teil-
nahme an dem Unternehmen und so traten sie den nächsten Morgen den Weg
zum Palaste an. Auf der Treppe wurden sie von dem Hüter des Palastes
empfangen, der sie sofort zum Schab geleitete. Der Schah stand vor den
Stufen seines Thrones und Mr. Ward erhielt die Weisung, ihn mit „Hort des
Weltalls* anzureden. Der Schah stellte mehrere Fragen über die wissen-
schaftlichen Fortschritte und Thatsachen, welche mit dem Auffinden anderer
Meteore zusammenhängen. Zum Schluss wandte er sich zu dem neben ihm
*) Berg- und Hüttenmännische Zeitung vom 18. März 181.
— 101 —
stehenden Hüter des Palastes und gab demselben einen Auftrag, den der Gross-
Vezier verdolmetschte. Der Schah hatte Mr. Ward ein Stück des seltenen
Steines bewilligt.
Nachdem Ward seiner Freude und dem aufrichtigsten Dank Ausdruck gegeben,
entfernten sie sich. Auf dem Wege durch den grossen Saal erblickte Mr. Ward
den Stein zum ersten mal, er befand sich auf einem niederen Piedestal an
einem Fenster. (Abbild. 1.) Die Geschichte des vielbesprochenen Meteors war in
(Abbild. 1.)
Der Veramin-Meteorstein im Palaste des Schah von Persien.
(1i der wirklichen Grösse.)
grosser persischer Schrift daneben angebracht. Der amerik. Konsul, Mr. Edward
Tyler, erbot sich, eine genaue Uebersetzung dieses Manuskripts Mr. Ward zu-
kommen zu lassen. Letztere ist schon deshalb von Interesse, weil von den
25 Siderolithen, welche der Astronomie bekannt sind, nur 4 während des Falles
gesehen wurden.
Die anderen drei Siderolithen, deren Fall beobachtet worden ist, sind Barea
in Spanien (1842), Lodran in Indien (1868) und Estherviller, Jowa, Nord-Am. (1879).
| Die Uebersetzung des Manuskripts lautet:
„Am 8. Tag des Jamadi-ul-oval A. H. 1298 (unser Monat Mai) erschien
3 Stunden vor Sonnenuntergang am klaren Himmel eine kleine Wolke zwischen
Boogin und Eshtahard, welche von einem unheimlichen Getöse begleitet war.
Boogin ist der Winteraufenthaltsort des Stammes Bagadi Shahsevan. Die Ein-
wohner liefen in ihre Zelte und beobachteten von dort die Wolke. Sie hörten
neun weitere Explosionen wie Kanonenschüsse. Darauf kam etwas Rauchähnliches
aus der Wolke und fuhr deutlich vor aller Augen in die Erde hinein. Ein Hirte,
der in unmittelbarer Nähe den Gegenstand einschlagen sah, merkte sich den
genauen Ort und zeigte denselben den übrigen Zeltbewohnern. Einige gruben
nach und in der Tiefe von 7 Fuss fanden sie den Stein, der darauf von Hadayat
ullah-Khan, Kajar, dem Sohn des früheren Ecsa Khan Begler-begee, dem Anführer
des Stammes, in Besitz genommen wurde.
Dieser teilte den Vorgang der Behörde mit und sandte den wunderbaren
Stein dorthin. Da jedoch der Ort Boogin auf keiner Karte verzeichnet ist und
die Angestellten im Palaste den Meteor Veramin nannten, wurde diese Be-
zeichnnng auch ferner beibehalten. Veramin ist der Name einer kleinen Ebene
in der Gegend von Karand, ungefähr 15 engl. Meilen östlich von Teheran.“
Nach wenigen Tagen verliess der Schah seinen Palast, um eine Jagdreise
zu unternehmen, und dies bot Mr. Ward eine gute Gelegenheit, seine Unter-
suchungen des Meteors anzustellen.
— 102 —
Mit einem deutschen Photographen, den er engagiert hatte und einem
persischen Diener, der eine ungeheure Wage trug, ging er ans Werk.
Der Meteorit wog 51?/, kg; er war langlich oval geformt, 16 Zoll lang, 12 Zoll
breit und von 7 bis 8 Zoll Dicke. Das Gewicht liess sofort auf die Eigenart
des Innern des Meteors schliessen, denn äusserlich war nur steinige Masse
zu sehen.
Die Kanten waren ganz abgerundet und die Oberfläche mit charakteristischen
tiefen Furchen bedeckt. Die grösste dieser Furchen war ein Zoll im Durch-
messer und ein halb Zoll tief, die übrigen ungefähr halb so gross.
Während dreiviertel der Oberfläche von derartigen Furchen bedeckt war,
zeigten viele Teile dazwischen jene eigentümlichen „Gänsehautimpressionen‘,
welche so vielfach an der Rinde von Eisenmeteoriten vorkommen und ein mit
der Abkühlung zusammenhängendes Merkmal bilden.
Eine feine, fadenartige schwarze Linie zog sich über den Meteorstein und
zeigte unverkennbare Spuren der Schmelzung. Diese Linie war 12!/, Zoll lang
und gab mit anderen kürzeren ähnlichen Linien genau die Stellung des Steines
an, welche dieser auf seinem wilden Flug durch den Raum eingenommen hatte.
Einige kleinere Flächen waren mit dünnen Eisenschichten bedeckt.
Die Farbe war ein dunkles Graubraun, welche aber nur ganz durchsichtig
über den Körper des Steines ausgebreitet schien, da überall unzählige kleine
Eisenspitzen wie Borsten hervorragten, die aber oft abgestumpft und von aussen
abgenutzt erschienen. Daneben befanden sich kleine knopfähnliche Erhöhungen
von schwarzer Farbe aus glänzendem Eisenoxyd, sowie einige gelbe krystall-
artige Punkte.
An vielen Enden konnte man sehen, dass Versuche gemacht worden waren,
Stücke von dem Stein abzuschlagen. Diese Teile zeigten unter dem Glas scharfe
Spitzen von weissem Eisen gemischt mit glasgrünem Olivin.
M. Tholozan untersuchte die inneren Teile des Steines und gab an, dass
sie viel „Bronzit“ enthielten, ein grünes unlösliches Silicat, vielleicht Peckhamit
und einige Teile von Nickel-Eisen, aus dem auch Alles zusammengefügt war.
Mr. Ward stiess auf grosse Schwierigkeiten, als er von dem Veramin-
Meteor ein Stück ablösen wollte, da hier Mineralien und Eisen eine kaum zu
trennende Verbindung eingegangen waren. Nachdem er mit dem Eingeborenen
(Abbild. 2.)
Das abgesägte Stück des Veramin-Steins.
(1⁄3 der wirklichen Grösse.)
mehrere Stunden mit dem Hammer den zähen Körper bearbeitet hatte, be-
schloss er, denselben ins Arsenal zu bringen, wo sich auch eine Dampfglätt-
maschine vorfand. Da kein Dampf sofort zu erzeugen war, liess Mr. Ward
— 103 —
12 Mann an jedem Ende der Maschine anfassen, um dieselbe in Bewegung zu
setzen. Die Widerstandsfähigkeit des kleinen Himmelspilgers war aber derart,
dass Ward einen Tag und 2 Nächte brauchte, um ein Stück von nur 6 Zoll im
Durchmesser von dem Steine zu trennen. (Abbild. 2.) Er eilte hierauf, erfreut
über den Erfolg, mit seiner Trophäe nach Europa; dieselbe ist nun eine viel
geschätzte Erwerbung der Geologischen Halle des American Museum of Natural
History in New-York.
Eine genaue Analyse des Veramin, ausgeführt von Prof. J. Edward Whitfield
in Philadelphia, mit Ausnahme der unlösbaren Mineralstoffe, ergab folgendes
Resultat: Eisen... . 92,06%
Nickel . . . . 6,96 -
Cobalt . . . . 0,73 -
Phosphor . . . 0,10
Schwefel . . . 0,75
Das spezifische Gewicht der Steinbestandteile betrug 4,57. Die Gesamt-
masse enthielt 42,3 °/, Mineralien und 57,7 °/, Metall. Das spezifische Gewicht
der Metallbestandteile war 5,56, eine verhältnismässig niedere Zahl für ein
Metall dieser Zusammensetzung.
Obschon die kleinen Teilchen bis zur Dünne von Seidenpapier gehämmert
waren, enthielten sie immer noch unlösbare Stoffe bis zu 9,28°/,. Mit dem
wenigen Material, das zu Gebote stand, war es nicht möglich, eine Spur von
Kohlenstoff zu erhalten und es muss dahingestellt bleiben, ob das Metall Silicon
enthielt, da es zu schwierig war, das Metall von seinem steinigen Gefährten zu
trennen. Gottfried Klein.
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233322933333359333333353333332333333333333333333333393323933933
Ein Preisausschreiben zur Erlangung einer Vorrichtung zum Messen des Winddruckes
erlässt der Minister der öffentlichen Arbeiten, Exc. v. Thielen, zugleich im Namen des Staats-
sekretärs des Reichs-Marine-Amts, des Kriegsministers, des Ministers für Handel und Gewerbe, des
Zentralverbandes der Preussischen Dampfkessel-Ueberwachungsvereine und des Vereins Deutscher
Ingenieure.
Die Vorschriften für diesen Wettbewerb enthalten folgende technische Bedingungen:
1. Der Durchmesser muss sv eingerichtet sein, dass er gestattet, die Grösse der Mittelkraft
des Winddruckes auf Flächen und Körper einschliesslich der etwa vorhandenen Saugwirkung
auf der Leeseite so zu bestimmen, dass die Beobachtungsergebnisse für statische Be-
rechnungen verwendbar sind. |
2. Es ist erwünscht. dass der Druckmesser die Lage der gemessenen Mittelkraft gegen die
Messfläche (1) unzweifelhaft erkennen lässt.
3. Der Druckmesser muss die Stärke des Winddruckes selbstthätig so aufzeichnen, dass eine un-
unterbrochene bildliche Darstellung des zeitlichen Verlaufes der Winddrucke gewonnen wird.
4. Es wird darauf hingewiesen, dass Vorrichtungen, die den Winddruck mittelbar durch Messung
der Windgeschwindigkeit bestimmen sollen, den Anforderungen dieses Wettbewerbes nicht
entsprechen.
Die besten Vorrichtungen sollen durch folgende Preise ausgezeichnet werden:
Erster Preis . ...... . . 8000 Mark
Zweiter Preis ..... . . . UO -
Dritter Preis. . . 20.0.2000 -
Ausserdem erhält derjenige Bewerber, dessen Vorrichtung nach längerer Beobachtung für den
Gebrauch zu staatlichen Zwecken am meisten geeignet befunden wird, einen weiteren Preis von
3000 Mark.
— 104 —
Die Entwürfe müssen bis zum 1. April 1903 bei der Deutschen Seewarte in Hamburg
eingegangen sein.
Das nähere Programm ist durch die Geheime Registratur D. des Ministeriums der
öffentlichen Arbeiten kostenfrei zu beziehen.
x *
*
Im Ballon über die Sahara. Der Pariser Akademie ist der Plan unterbreitet worden, die
Sahara im Ballon überfliegen zu lassen, und zwar zunächst durch einen unbemannten Versuchsballon,
weil dies nur 15 bis 20 060 Franken kosten würde, während eine Fahrt von vier bis fünf Luftschiffern
in einem entsprechend grösseren Ballon gegen 360 000 Franken Kosten verursachen würde.
Der Versuchsballon, der ein Volumen von 3000 cbm erhalten soll, soll mit automatischen Ein-
richtungen zum Auswerfen von Ballast und zur Herstellung des Gleichgewichts versehen werden.
Dieselben bestehen in einem Wasserkasten, der durch ein besonders konstruirtes Ventil 70 Kilogramm
Wasser in einer halben Minute abgiebt, sobald sich der Ballon um mehr als 50 Meter dem Erdboden
nähert. Nach den bisherigen Erfahrungen hält man es für sicher, dass sich ein solcher Ballon
mindestens 12 Tage in der Luft hält. Da nun die Passatwinde vom Oktober bis April ziemlich
gleichmässig über die Sahara dahinwehen und zwar so stark, dass sie den Ballon in der Stunde um
20 Kilometer vorwärtsbringen, so würde dieser seinen Flug von Gabes bis zum Niger (etwa
2300 Kilometer) in fünf Tagen zurücklegen. Sollte das Fahrzeug trotz aller Vorsichtsmassregeln
Schiffbruch leiden, so würden die Nomaden der Wüste, die sicher auf die ungewöhnliche Erscheinung
aufmerksam würden, dafür sorgen, dass die Kunde davon auch in bewohnte Gegenden dringe, so
dass man hoffen dürfte, den Ballon mit seinen Instrumenten wieder aufzufinden. ` H.
EE CECE EE EE EE EE EE EE EE EEEEECE
Dr. R. Schorr, der nach dem Tode von Rümker die Hamburger Sternwarte bis jetzt geleitet
hat, ist zum Director derselben und Professor der Astronomie ernannt und somit berufen, den be-
absichtigten Neubau*) der Sternwarte zu leiten.
* E
*
Der bisherige Privatdocent für Astronomie und Mathematik Dr. Felix Hausdorff ist zum
ausserordentlichen Professor in der philosophischen Fakultät der Leipziger Universität ernannt.
* *
*
Der Direktor der Remeis-Sternwarte in Bamberg, Dr. Ernst Hartwig, ist zum Professor
ernannt worden.
Weitere Beiträge zur Errichtung der Vortragshalle der Treptow-Sternwarte sind ge-
zeichnet worden:
28. Staatssekretair des Reichs-Schatz- 36. H. Estorff, Berlin . . 2. 2... 20 M.
amts, Wirkl. Geh. Rat Freiherr 37. Dr. Leo Arons, Berlin . . . . 100 -
von Thielmann, Berlin. . . . 15 M. | 38. FrauHermannMarckwald,Berlin 20 -
29. Frau Director Archenhold, Trep- 39. Dr. Georg Wolfsohn, Berlin. . 5 -
TOW? e, Är, a Sy ae Se EE 20 - 40. Dr. Friedrich Gotthelf, Berlin . 10 -
30. Oscar Hopf, Charlottenburg . . 20 - 41. Julius Reichenheim, Berlin. . 100 -
31. Oscar Mindt, Berlin . ... . 50 - 42. Benno Bernhardt, Berlin. . . 10 -
32. Frl. Sophie Mindt, Berlin . . . 20 - 43. Corvetten-Capitän Caesar, Kiel . 20 -
33. Frau Auguste Müller, Berlin . 40- B60 M.
34. Frau Mathilde Behrend, Berlin 100 - | Die Summe der ersten Spenden betrug: 3485 -
35. Dr. Johannes Thiele, Charlotten- Insgesamt: 4045 M.
burg... 10 -
Allen freundlichen Spendern gebührt der wärmste Dank. Die Zeichner werden gebeten, ihre
Adressen genau anzugeben, damit Mitteilungen und die beabsichtigte Einladung aller Spender zur
späteren Grundsteinlegung der Vortragshalle erfolgen können.
Weitere Beiträge nimmt die „Deutsche Genossenschaftsbank vun Soergel, Parrisius & Co.,
Berlin W., Charlottenstrasse 35a,“ entgegen.
l 2) Weltall Jg. 1, S. 116 u. 156.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Pa Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“, Jahrgang 2, Heft 9.
(zu L. Weinek: Ein Prachtwerk über Tycho Brahe in Prag, Seite 106.)
Tycho Brahe nach einem alten Oelbilde auf der Prager Sternwarte.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 9.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 Februar 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalien (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814a).
Anseigen-Gebühren: Die einspaltige Petitseile 40 Pfg. 1), Seite 60.— YJ; Seite 30.—, I, Seite15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Fin Prachtwerk über Tycho Brahe in Prag. Von 2. Aus der Kindheitszeit astronomischer und kosmogo-
Professor Dr. L. Weinek-Prag - . ....... 105 nischer Anschauungen. Von Max Jacobi. . ... 108
Ein Prachtwerk über ®ycho fSrahe in rag”).
ls im vergangenen Jahre viele Städte und gelehrte Gesellschaften sich
rüsteten, den 300. Todestag des grossen dänischen Astronomen Tycho Brahe
in mehr oder minder pietätvoller Weise zu feiern, fasste der Prager k. u. k. Hof- und
Kammerphotograph, kais. Rat H. Eckert die glückliche Idee, alle in Prag auf
Tycho Brahe Bezug habenden Oertlichkeiten, Gegenstände, Bücher und Hand-
Tycho Brahe's letzte Beobachtungsstation.
Fig. 1.
Ferdinandeum (Belvedere) in Prag.
schriften in möglichst vollkommenen photographischen Aufnahmen grössten For-
mates zu sammeln und wurde bei diesem ebenso mühsamen und kostspieligen,
als verdienstvollen Unternehmen bereitwilligst von der Prager Sternwarte unter-
stützt. So entstand ein Prachtwerk mit 25 meisterhaft ausgeführten Photo-
graphien, den dazu notwendigen Erläuterungen und einer, von warmer Ver-
ehrung für Tycho Brahe zeugenden, biographischen Einleitung, das dem idealen
Sinne des nichtastronomischen Autors zur hohen Ehre gereicht und ohne Zweifel
*) Der volle Titel desselben lautet: „Tycho Brahe in Prag MDIC—MDCI. Zur Erinnerung
an sein vor 300 Jahren erfolgtes Ableben zusammengestellt und mit einer erläuternden Einbegleitung
versehen von H Eckert“. Prag 1901.
— 106 —
für alle Zeiten von wissenschaftlicher Bedeutung bleiben wird. Es bildet die
schönste und opferfreudigst dargebrachte Festgabe zur vorigjährigen Gedächtnis-
feier an den unvergleichlichen Reformator der beobachtenden Astronomie und
an dessen letzte, für die gesamte Himmelskunde so wichtigen Lebensjahre in
Prag. Zu wünschen wäre es, dass auch in Dänemark, dem Vaterlande Tycho
Brahe’s, ein ähnliches historisch wertvolles Sammelwerk über sein dortiges Leben
und Wirken zu Stande käme.
Das Eckert’sche Werk beginnt auf Taf. I mit einer malerischen Landschafts-
aufnahme der Nordseite des Prager Hradschin’s mit denjenigen Orten, wo Tycho
Brahe gewohnt und beobachtet hat, d. i. dem Hause „zum goldenen Greif“ und
dem sog. Czernin’schen Palais, dem früheren Curtius’schen Hause. Taf. II stellt
den herrlichen Renaissance-Bau des Ferdinandeums (Belvedere) (siehe Fig. 1), wo
Tycho Brahe Ende 1600 und Anfang 1601 gleichfalls Beobachtungen angestellt hat,
dar. — Taf. II gibt das Bild der jetzigen, 1751 im Clementinum erbauten, k. k. Stern-
warte zu Prag. Taf. IV—VI veranschaulichen Gegenstände dieser Sternwarte, die zu
Tycho Brahe in Beziehung stehen und zwar ein älteres gutes Oelbild (vergl. unsere
Beilage) Tycho’s von unbekannter Hand, zwei mit Dioptern versehene Sextanten,
deren kleineren Tycho Brahe aus Dänemark nach Prag mitgebracht, während der
grössere 1600 von Erasmus Habermel in Prag verfertigt wurde und eine von dem
Jesuitenpater Joh. Klein 1751 vollendete Uhr, welche das Tychonische Planeten-
System in einem horologischen Kunstwerke zur Darstellung bringt. — Taf. VI
zeigt den grossen Saal der k. k. Universitäts-Bibliothek im Clementinum-Gebäude.
In dieser werden die auf Taf. VUI—XIV abgebildeten Bücher und Handschriften
Tycho Brahe’s aufbewahrt, darunter der Ptolemäische Almagest, welchen Tycho
1560 in Kopenhagen von seinem Taschengelde für 2 Joachimsthaler erwarb, um
daraus die ersten tieferen astronomischen Studien zu schöpfen und das grund-
legende Copernicanische Werk „De revolutionibus orbium coelestium libri VI“,
welches Tycho ebenfalls eifrigst gelesen und mit zahlreichen erlauternden Rand-
bemerkungen (siche Fig. 2) verschen hat. Ueberall wurde von H Eckert sowohl der
äussere Einband des Werkes, als auch eine charakteristische Seite seines Inhaltes
photographiert. — Taf. XV stellt das Museum des Königreiches Böhmen zu Prag,
Taf. XVI den Handschriften-Saal desselben und Taf. XVII—-XVIIl die daselbst befind-
lichen Bücher und Handschriften Tycho Brahe’s dar, unter diesen das ,Stammbuch*
des jüngeren Tycho Brahe mit der Widmung seines Vaters vom Jahre 1599, die
„Historia coelestis“, welche die einzige bekannte Abbildung von Tycho's Prager
Observatorium im Curtius’schen Hause aufweist (ausserdem diejenigen der ver-
schiedenen Observatorien Tycho s auf Hveen, in Wandsbeck, Benatek und im Prager
Ferdinandeum), und die von Kepler vollendeten Rudolphinischen Tafeln. — Taf. XIX
zeigt das Bibliotheks-Gebäude des Praemonstratenser-Klosters Strahow, Taf.XX den
prächtigen Saal in demselben. Dazu gehören Taf. XXI mit dem im Strahower Stifte
aufbewahrten berühmten Tychonischen Werke „Astronomiae instauratae Mecha-
nica“, welches die Abbildungen der Uranien- und Sternenburg auf der Insel
Hveen im Oere-Sund und der dort von Tycho erfundenen und benützten astro-
nomischen Instrumente enthält — ein Prachtexemplar mit kolorierten Bildern,
das 1598 in Tycho’s Druckerei in Wandsbeck hergestellt und von diesem selbst
dem böhmischen Baron Joh. von Hasenburg gewidmet wurde — und Taf. XXII
mit einem Stammbuch des Siebold Plan, in welches Tycho sich im Jahre 1591
eintrug, und einem schönen Himmelsglobus mit Tycho’s Portrait, den dessen
Schüler Jansonius Blaev 1600 anfertigte. — Endlich giebt Taf. XXIII das Bild der
— 107 —
Prager Teynkirche, wo die sterblichen Überreste des unsterblichen Astronomen
begraben liegen und Taf. XXIV die Gruft Tycho Brahe’s in derselben. Die In-
schrift des Epitaphs über dem Grabsteine ist zufolge der Klarheit der photo-
Fig. 2.
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Tycho Brahe’s Randbemerkungen auf Seite 75 des Copernicanischen Werkes „De revolutionibus
orbium coelestium“.
graphischen Aufnahme ohne Mühe mittelst Lupe zu lesen. — Den Schluss bildet
als Appendix Taf. XXV mit der Abbildung der im czechischen Prager Rathause
am 24. Oktober 1901 von der k. böhmischen (czechischen) Gesellschaft der
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— 18 —
Wissenschaften arrangierten Ausstellung von Prager Tychonianis, unter denen
jedoch diejenigen der Prager deutschen Sternwarte fehlen, da man die letztere
bei jenem Huldigungsakte für einen grossen Toten völlig ausser Acht ge-
lassen hat.*) —
Von diesem schönen Werke, das auch der astronomischen Litteratur zur
Zierde gereicht, hat der Verfasser, von jeder lukrativen Verwertung desselben
absehend, nur wenige Exemplare hergestellt und diese widmungsweise an hervor-
ragehde Persönlichkeiten, gelehrte Gesellschaften und Institute, bei welchen er
ein besonderes Interesse für sein mühevolles und opferreiches Unternehmen
vorraussetzen konnte, versendet. Derart wurde auch die.Prager Sternwarte,
welche bereits viele freundliche Zuwendungen und Unterstützungen auf photo-
graphischem Gebiete dem stets uneigennützigen Entgegenkommen H Eckert's
verdankt, mit einem Prachtexemplare dieser, der Grösse des gefeierten Astro-
nomen würdigen, Publikation bedacht.
Wünschenswert erschiene es, dass H. Eckert sich entschliessen möchte,
sein hochverdienstvolles Werk über „Tycho Brahe in Prag“ in irgend einer
billigeren und im Buchhandel kursierenden Ausgabe zu vervielfältigen und auf
solche Weise weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Des anerkennenden
Dankes der Sternwarten und Astronomen der Welt dürfte er dann gewiss sein.
L. Weinek.
AR.
Aus der Kindheitszeit astronomischer und kosmogonischer
Anschauungen.
We sich in das Studium der Entwicklungsgeschichte naturwissenschaft-
licher, besonders kosmischer Ideen vertieft, der findet einen reichlichen
Lohn nicht nur durch die Verstärkung seiner kritischen Urteilskraft bei der
objektiven Berücksichtigung kulturgeschichtlicher Ereignisse, sondern auch durch
den ethisch-religiösen Gehalt, welcher in den kosmogonischen Lehren aller
Zeiten, speziell aber der Urvölker, eine gewichtige Rolle spielt. Umsomehr erscheint
es angebracht, der Jugendtage menschlicher Entwicklung pietätvoll zu gedenken
und den mühsamen Fortschritt des Anfangsstadiums aufmerksam und dankbar
zu verfolgen.
Fühlt sich doch das menschliche Herz stets von neuem zu stillem Gedenken
an selige längst entschwundene Jugendtage angetrieben! — — — — —
„Wo jetzt nur, wie uns’re Weisen sagen,
Seelenlos ein Feuerball sich dreht,
Lenkte damals seinen goldnen Wagen
Helios in stolzer Majestät!“
Was die Verse unseres Dichterfürsten vernehmen lassen, das hat die
ernste Forschung bewahrheitet!
Die Sonne, jenes Gestirn, welches durch sein Erscheinen und sein Ver-
schwinden den tief einschneidenden Wechsel von Tag und Nacht hervorrief, die
Sonne, deren reine Lichtstrahlen zugleich auch Wärme und Leben den ersten
Menschenkindern spendete — sie wurde mit ehrfürchtigem Staunen betrachtet,
*) Alle Tafeln haben eine Bildgrösse von 39:27 cm und eine Formatgrösse von 49:37 cm.
— 10 —
sie zwang den Menschen zuerst, den Blick nach oben zu richten, um das Gefthl
nach dem Ueberirdischen in der menschlichen Brust zu befriedigen*).
So begegnen wir bei den ältesten Kulturvölkern der Erde jener Verehrung
des göttlichen Tagesgestirns. Bemerkenswert aber ist es, dass jene Völker-
schaften des Altertums, welche sich von den einstigen Stammsitzen der gesamten
Menschheit (nach Kuhn, Caspary, F. Max Müller, Mesopotamien bezgl. Hoch-
plateau von Iran) nicht zu weit entfernten, den Sonnenkultus zurücktreten liessen,
um der Verehrung des Mondes die erste Stellung einzuräumen. Wir erinnern
in dieser Hinsicht nur an die Babylonier, an die von ihnen geistig sehr ab-
hängigen Hebräer und an die ältesten Araber**).
Es liessen sich hieraus nun recht interessante Rückschlüsse selbst auf
die geographische, besonders aber die soziale Gestaltung jener Ursitze der
Menschheit ziehen. Denn eine Bevorzugung des Monddienstes bedingt auch
eine energische Thätigkeit in der Nacht, eine gewisse Vertrautheit mit den
Schrecken der Finsternis, eine gewisse Scheu vor der Lichtfülle, welche der
Tagesgöttin entströmt. Seit den letzten Ausgrabungen auf der schier uner-
schöpflichen Trümmerstätte Alt-Babylon’s***) liegen uns als älteste Belege
kosmogonischer Ansichten bei den Ostsemiten Keilschrifttexte vor, welche an
Alter den ältesten Pyramidentexten des Pharaonenlandes zum wenigsten gleich-
kommen.
So bemerken wir schon um 3000 v. Chr., d.h. zu einer Zeit, wo die Indo-
germanen noch ihre Urheimat als kulturlose Nomaden bewohnten, einen regel-
rechten Gestirnsdienst inBabel,ja geradezu eine regelrechte Sternbeobachtung.
In der Ethik der Urzeit liegt es begründet, dass man die Himmels-
erscheinungen und Himmelsbilder als Spiegelbild der näherliegenden tellurischen
Gebilde betrachtete. So war auch der Sternhimmel Alt-Babylons um jene Zeit
in Gaue und Provinzen geteilt, welche denjenigen des babylonischen Reiches
durchweg entsprachen. So gab es u. a. auch ein Babylon am Himmel. — Im
allgemeinen begegnen wir bei den nüchternen, allein die praktische Astronomie
befürwortenden Babyloniern jener Zeit der Anschauung, dass der Himmel gleich
einem umgestülpten Kahne die Erdscheibe bedeckt. Am Nordpol erhebt sich
ein Berg bis zum Himmel, der die Welt trägt — also eine Art „babylonischer
Atlas“ — auf dem die Götter hinauf, wie hinunter spazieren. Um diesen Berg
*) Man vergleiche die vorzüglichen Essays über Religionswissenschaft des berühmten
Oxforder Gelehrten F. Max Müller in seinen „Gesammelten Werken“, auch Tiele’s „Gesch. der
Religion im Altertum“ Bd. I.
**) Man vergleiche hierfür u. a.:
Fr. Hommel: „Der Gestirndienst der alten Araber und die altisrael. Ueberlieferung“.
Es wird in dieser Abhandlung überzeugend nachgewiesen, dass die Hebräer vor dem mono-
theistischem Kultus einen Gestirndienst pflegten.
***) Unter der immensen Fülle der Litteratur über die astron. Ideen der Babylonier erwähnen
wir nochmals die trefflichen Ausführungen Fr. Hommel’s im „Ausland 1891 u. 1892“, fernerhin im
„Nachtrag“. Ausserdem sind in erster Linie die Arbeiten Th. Sayce’s in dem „Proceed. of the
Biblical Arch.“ 1873 ff. zu vergleichen, auch die Abhandlungen der Patres Epping und Strass-
maier, fernerhin des Assyriologen J. Oppert in der „Zeitschrift für Assyriologie“ 1892 ff. einzusehen.
Sehr wichtig und allgemein interessant ist die sorgfältige Darstellung der bereits genannten Jesuiten
Epping und Strassmaier ,Astronomisches aus Alt-Babylon* („Stimmen aus Maria Laach“ 1889).
Von älteren Werken erwähnen wir nur das freilich für unsere Spezialzwecke unbrauchbare Werk
Ludwigldeler's: „Handbuch derChronologie“ I. 1825. Fernerhin vergleiche man: EduardStuckens
„Astralmythen der Assyrer, Hebräer“ (Berlin 1901), der allerdings seiner „symbolistischen Phantasie“
hin und wieder allzusehr die Zügel schiessen lässt.
s= J0 es
muss die Sonne herumlaufen, und daher entsteht der Wechsel von Tag und
Nacht. Derselben naiven Anschauung begegnen wir bei den ältesten Hellenen,
ja selbst Thales soll jenes hohe Gebirge im rätselhaften Lande der „Hyper-
boreer“ angenommen haben",
Die markantesten Fixsterne wurden neben den Planeten personifiziert. So
hiess der: Polarstern „Grosser Gott Anů des Himmels“. Es ist nunmehr
zu beachten, dass um 3000 v. Chr. infolge der Präcession nicht « Urs. min.
Polarstern war, sondern « Draconis! Dementsprechend begann auch der Tier-
kreis damals nicht mit jenem Bilde, welches unserem Widder entspricht. Die
Sonne stand am 21. März in der Nähe der Pleiaden, welch’ letztere den 7 bösen
Geistern geweiht waren. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass jener altsemitische
Glaube an die „bösen Sieben“ sich auf die babylonische Personifikation der
astrologisch schon damals recht bedeutungsvollen Pleiaden zurückführen lässt.
Der Tierkreis selbst ward in 3 Teile zerlegt, die je einem Blatte geweiht
werden. Der erste Hauptteil war das Symbol des höchsten Gottes, Bel. Orion
hiess Shugi, auch Shilu-Scheich.
Nun ist der Beachtung wert, dass die Personifikation des Oriongestirnes
uns einen Beweis für den geistigen Zusammenhang derindogermanischen
und semitischen Völker in der Urzeit bildet. Der riesenhafte Jäger,
welcher aus Frevel gegen die keusche Jagdgöttin Artemis als Orion an den
Sternenhimmel versetzt wurde, ist allen Mythen der Urvölker gemeinsam. So
weist schon W. Grimm in seiner vortrefflichen „Deutschen Mythologie“ auf den
Zusammenhang der germanischen Sage vom wilden Jäger, wie seiner Personi-
fikation im Orion und altindischen Ueberlieferungen in der Rig-véda hin**).
Derselbe Mythus ist aber auch bei Aegyptern und Babyloniern der ältesten Zeit
zu finden. Die Verpflanzung dieser Sage in spätere Zeit ist aus hier nicht an-
führbaren Gründen undenkbar. Somit bietet uns dieser kosmische Mythos ein
Hilfsmittel auch für die Ethnologie und Urgeschichte.
Um gleich einige andere wichtige Beweispunkte zu erwähnen, so mag an
die Zwillings- (Dioscuren-) Sage der alten Babylonier und ihre Personifikation
in dem Zwillingsgestirn gedacht sein!***)
Wohl zu unterscheiden haben wir von diesem prähistorischen Zusammen-
hang aller Kulturvölker die spätere Ueberlieferung und Verpflanzung. So mag
es uns rätselhaft erscheinen, in den altbabylonischen Klagegesängen um Tammuz,
der personifizierten Frühlingssonne, den Ideen des hellenischen Adonisliedes zu
begegnen, das nachweislich chaldäischen, bezw. ägyptischen Ursprunges et
*) Man vergleiche u. a.: H. Berger: Mathemat. Erdkunde bei den Griechen. Lpzg. 1886.
Vivieu de St. Martin: „Histoire de la gcographiec“.
Für die folgenden Erörterungen sind die Jahrgänge 1856,96 der „Revue de UHistotre des Re-
ligions (Paris)“ einzuschen, ferner „Oriental and Babylonien Record“ Jahrg. 1590/92.
**) Man vergleiche auch: Schwartz: „Sonne, Mond und Sterne“, Berlin 1863. A Kuhn:
„Die Herabkunft des Feuers und der Göttertrank“. A. Kuhn: „Der Schuss des wilden Jägers auf
den Sonnenhirsch“ (in der „Germania“, Zeitschr. für deutsche Philologie); ferner: Friedreich: „Die
Weltkverper“ 1864.
***) Um einen allen Kulturvölkern gemeinsamen Mythus handelt es sich auch bei der tiefsinnigen
Prometheus-Sage, über welche Verfasser dieses in einem besonderen Artikel handeln wird. Man
vergl. neben Kuhn auch Ernst von Lasaulx: „Prometheus“ (Würzb. 1842) und Weiske:
„Prometheus“,
+) Man vergl. u. a. H Brugsch: „Die Adonisklage und das Linoslied“ — mit freilich oft
nicht anerkennenswerten Schlüssen.
— 11 —
Doch nun genug dieser mythologisch-kosmologischen Rätsel!
Wir bemerken bei den Babyloniern der ältesten Zeit eine Tierkreis-Teilung
in 11 Zeichen; erst später ward & von M getrennt. Ebenso lernen wir in Alt-
Chaldäa 36 Planetenstationen kennen, welche bei der astrologischen*) Neigung
der Babylonier von nicht geringer Bedeutung waren.
Interessant ist auch die Zeiteinteilung der Babylonier. Ursprünglich benutzten
sie — sobald sie nur der Erkenntnis des aprioristischen Zeitbegriffs inne-
geworden waren — als Grundlage jeder grösseren Zeiteinteilung das Mondjahr,
welche die Hebräer dann von ihnen übernahmen.
Man beachte nun, dass die sonnenanbetenden Aegypter sich in der Zeit
nach dem Sonnenlaufe richteten, die mondanbetenden Babylonier nach dem
Mondlaufe!
Der Ausgleich mit dem Sonnenlaufe ward durch Einfügung von Schalt-
monaten beseitigt. Um die Abhängigkeit der Hebräer von Alt-Babel in chrono-
logischen Angelegenheiten zu beweisen, ist es vielleicht dienlich, die Namen
der babylonischen Monate hier anzugeben:
babylonisch hebräisch babylonisch hebräisch
1. Nisanu Nisan 7. Tisritu Ti8rih
2. Airu Is’ar 8. Ara-samna Marchesvan (Marasachvan)
3. Simanu Siwan 9. Kislimu Kislev
4. Düzu Tamuz 10. Tebitu Tebeth
5. Abu Aw 11. Schabätu Schwat
6. Ulülu Elul 12. Adaru Adar
Man erkennt durchweg die auffällige Aehnlichkeit der Monatsbenennungen.
Die bekannte altchaldäische Saros-Periode von 223 Monaten, welche auch
die Voraussagung von Finsternissen ermöglichte, ward vielleicht durch empirische
Forschung ermittelt. Die Babylonier liessen — entgegen den Angaben des
Plinius — die Nacht dem Tage vorausgehen, sodass für sie mit dem Sonnen-
untergang der neue Tag begann — wie es noch heute der mosaische Glauben hält.
Es mag als passender Vergleich nunmehr auch von der Zeiteinteilung der
alten Aegypter näher die Rede sein.
Die Aegypter kannten ursprünglich ein Sonnenjahr von 360 Tagen. Dann
wurde der Irrtum ersichtlich, und man nahm ein Jahr zu 365 Tagen an. Der
altägyptische Mythus erzählt in dieser Hinsicht, dass Isis — die personifizierte
Mondgöttin — für ihren Gemahl, den Sonnengott Osiris, dem bösen Dämon Set
— vielleicht eher dem Thot, dem aeg. Hermes — 5 Tage beim Brettspiel ab-
gewonnen habe*”).
Aber auch die 365 Tage konnten zu genauer Zeitbestimmung nicht genügen.
In je 4 Jahren verschoben sich daher die wichtigen Feste um je einen Tag.
Zum Ausgleich ward schon in sehr alter Zeit (um 1500 v. Chr.) beschlossen, eine
neue Periode einzuführen, die man aus astronomischen Phänomenen an dem
Osiris geweihten Hundssterne entnahm. Diese Zeiteinteilung ward von den
Hellenen Sothisperiode genannt, weil bei ihnen der Sirius Sothis hiess. Es
begann eine neue Sothisperiode beim gleichzeitigen heliakischen Aufgange von
Sirius und Venus, d.h., sobald Sirius und Venus zugleich mit der Sonne
in der Morgendämmerung bemerkbar wurden. Die Sothis-Periode erneut
*) Zur Kenntnis der altbabylonischen Astrologie vergl. u.a.: Maury, L’astrologie a l'anti-
quité, Paris 1861; A. Bauchc-Lesbrey: L’astrologie grecque, Paris 1898.
**) Vergl. Heft I, 2. Jahrg. des „Weltall“.
— 112 —
sich immer nach 1461 Jahren, bot aber aus leicht ersichtlichen astronomischen
Gründen immerhin keinen genauen Ausgleich",
So beschloss endlich der ägyptische ,Oberkirchenrat*, welcher sich im
Jahre 286 v. Chr. zu Canopus versammelte, zwecks Verbesserung des Kalender-
wesens alle 4 Jahre einen Schalttag einzufügen. Leider geriet diese wichtige
Neuerung politischer Verhältnisse wegen rasch in Vergessenheit, und erst dem
ägyptischen Astronomen Sosigenes gelang es, dieser immerhin anerkennens-
werteren Periode dank der Einsicht des grossen Cäsar — welcher bekanntlich
auch einen Traktat über Astronomie verfasst hat — Geltung zu ver-
schaffen. Die Namen der 12 ägyptischen Monate lauten:
1. Thot, 2. Paophi, 3. Athyr, 4. Choiak (Frühlingszeit), 5. Tybi, 6. Mechir,
7. Phamenoth, 8. Pharmouti (Fruchtzeit), 9. Pachon, 10. Paoni, 11. Epiphi,
12. Mesori (Wasserzeit)**).
Aus dieser Einteilung geht hervor, dass die Aegypter einen Herbst nicht
kannten. Die Absonderung der Herbstzeit vom Sommer konnte auch blos in
Landern mit geeigneter klimatischer Lage geschehen, da die Teilung des
Sommers in Sommer und Herbst bezw. Hochsommer weniger aus astro-
nomischen Gründen als aus klimatischen entstanden zu sein scheint.
Indem wir zu den alten Babyloniern zurückkehren, bemerken wir, dass sich
bei ihnen eine Tageseinteilung in 12 Stunden findet, welche einer Nachteinteilung
von 12 Stunden entsprach — genau wie späterhin in Alt-Hellas. Die Wasseruhr
(klepsydra), bekanntlich eine chaldäische Erfindung, diente zur Sichtbarmachung
der kleineren Zeitabschnitte***).
Um die Beobachtungsart der angestellten Hofastronomen in Babylon kennen
zu lernen — aber auch kulturhistorisch — wäre es nicht uninteressant, einen
Bericht des Sternwartendirektors Nabviden zu Babel an seinen König nach der
trefflichen Uebersetzung S. Rawlinson’s in „Cuneiform transcrisption of Western
Aria“ vol. III wiederzugeben. Dort heisst es:
„Dem Städtegründer, dem erhabenen Könige, sein unterthänigster
Diener Nabviden, Hofastrolog von Ninive. Mögen Nebo und Merodah
gnädig sein dem Städtegründer, meinem erhabenen Könige! Am 15. dieses
Monates haben wir den Durchgang des Mondes durch den Knoten
beobachtet! Der Mond ist verfinstert worden!“ — —
Vorstehender dreitausendjähriger Bericht kann fast wie eine moderne
Fälschung anmuten, wenn man von der Ausbildung der babylonischen Astronomie
keine Kenntnisse besitzt. —
Nachdem wir nunmehr einen kleinen Ueberblick über die praktische
Astronomie der Babylonier der ältesten Zeit gewonnen haben, werden wir im
nächsten Artikel die babylonische Lehre von der Schöpfung, von der Welten-
bildung kennen lernen und hierbei interessante Streiflichter auf die kosmo-
gonischen Ideen der gesamten Kulturvölker der Antike werfen Können.
meer Max Jacobi.
*) Man vergl. zur Kenntnis des äg. Kalenderwesens auch Rudolf Wolf: Gesch. der Astron.
1878, und „Handbuch der Astron.“, Zürich 1890, mit brauchbaren Litteraturangaben.
**) Zur Kenntnis der Astronomie Alt-Aegyptens von gewichtiger Bedeutung; Heinrich
Brugsch: Thesaurus inscr. Aegypt, Tom.I. (Die astron. und astrol. Inschriften Alt-Aegyptens.)
***) Noch sei bemerkt, dass die nabonassarsche Periode des Ptolemäus nur von byzan-
tinischen Höflingen der Spätzeit benutzt wurde.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F.S. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin BW.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 10. Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 1902 Februar 15.
Verlag von C.A.Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50)’
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post- Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 78 14a).
Anscigen-Gebtihren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. YJ Seite 60.—,Y/, Seite 30.—, 1/4 Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rubatt.
INHALT.
Sehr wertvolle Doppelsternmessungen. — Perlmutter-
1. Die spektroskopischen Doppelsterne. Von A. Ber- EOIR ES Boa? Aë e ee rt LE 119
berich o un ee ee ne er A 113 3. Ein besonderes Komitee für die Errichtung der Vor-
2. Kleine Mitteilungen: Die Eigenbewegung des neuen tragshalle der Treptow-Sternwarle. — Verzeichnis der
Sterns im Perseus. — Das Gesamilicht aller Sterne. zur Errichlung der Vortragshalle der Treptow - Stern-
— Das vierie Hundert! neuentdeckter Doppelsterne. — warte weiler eingegangenen Beitrüge .... . . 120
Die spektroskopischen Doppelsterne.
m „Weltall“ I, Heft 24, hat Herr Dr. Gerstmann anschaulich und ausführlich
geschildert, wie die Linien im Spektrum eines Sterns gegen die normale Lage
verschoben erscheinen, wenn sich der Stern uns nähert oder von uns entfernt.
Die Farbennüance, welche der richtigen Lage einer solchen Linie entspräche,
ist um ein Geringes verändert, gleichwie die Tonhöhe eines Lokomotivenpfiffes
eine andere zu sein scheint, wenn sich der Zug nähert oder entfernt. Der
Wechsel der Tonhöhe im Augenblick des Vorbeifahrens einer pfeifenden Dampf-
maschine oder eines läutenden Radlers ist gewiss jedem Leser schon aufgefallen.
Die mit lichtstarken Fernrohren und standfest gebauten Spektroskopen aus-
geführten Untersuchungen von Sternspektren gestatten jetzt besonders unter
Zuhilfenahme der Photographie die etwaigen Abweichungen der Linienlagen bei
den Sternen 1. bis herab zur 4. oder 5. Grösse, in einigen Fällen sogar bei noch
schwächeren Sternen zu erkennen und zu messen. Es ist dann leicht, aus der
Linienverschiebung auszurechnen, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Stern
uns nähert oder sich entfernt, d. h. welches seine Bewegung längs der Seh-
richtung ist. Unter günstigen Umständen lässt sich diese Bewegung bis auf
100 Meter genau feststellen. Wenn es sich dann zeigt, dass die zu verschiedenen
Zeiten ermittelte Bewegung eines Sterns um ganze, oft um viele Kilometer ver-
schieden ist, lässt sich an einer Veränderlichkeit dieser Bewegung nicht zweifeln.
Allerdings bringt die Jahresbahn der Erde selbst eine derartige Schwankung in
die Sternbewegungen, allein diese Schwankung, dieser Wechsel zwischen An-
näherung und Entfernung kann streng in Rechnung gestellt werden. Es bleibt
dann die Bewegung des einzelnen Sterns gegen die Sonne, gegen das Sonnen-
system übrig, und diese Bewegung hat sich schon in Dutzenden von Beispielen
als veränderlich erwiesen. Es handelt sich da jedesmal um einen Stern, der
einen andern ihm nahe stehenden Stern umkreist, und zwar in einer Bahn, die
wir unter schiefem Gesichtswinkel, wenn nicht ganz von der Seite sehen würden.
Im letzteren extremen Falle muss in jedem Umlaufe zweimal eine gegenseitige
Verdeckung der beiden Sterne stattfinden, womit natürlich eine Lichtverminderung
verbunden sein muss.
— 114 —
In der That wurde an dem alle 63 Stunden eine Lichtschwächung, eine
wirkliche Verfinsterung erleidenden Sterne Algol zum ersten Male (im Jahre 1889)
durch Herrn Prof. Vogel in Potsdam die in gleicher Periode vor sich gehende
Veränderlichkeit der Bewegung in der Gesichtslinie spektroskopisch nachgewiesen.
In der Sekunde legt Algol 42 km in seiner Bahn zurück, deren Durchmesser
10'/, Mill. Kilometer beträgt. Algol selbst besitzt einen Durchmesser von 1°/,, sein
dunkler Begleiter einen solchen von Ui Mill. Kilometer. Die Oberflächen
beider Gestirne sind sich also auf weniger als 4 Mill. Kilometer nahe gerückt.
Bei solcher Nähe sind gewaltige Gezeiten unausbleiblich; die Folge davon
ist eine erhebliche Deformation dieser Weltkörper, die mehr ei- als kugelförmig
sein müssen.
Aus Analogiegründen durfte man nach der Vogel’schen Entdeckung auch
für die übrigen veränderlichen Sterne des Agoltypus die Doppelsternnatur als
sehr wahrscheinlich ansehen. Wegen der viel geringeren Helligkeit bedurfte es
kräftigerer Fernrohre zur Beobachtung und photographischen Aufnahme der ver-
änderlichen: Linienlage und Sternbewegung. Im Herbst 1897 gelangen Herrn
Belopolsky am 30-Zöller der Pulkowaer Sternwarte entsprechende Unter-
suchungen an dem Stern 4 Tauri (3,4. bis 4,2. Gr.), dessen Bewegung um mehr
als 30 km variiert. In diesem System ist der Nebenstern aber noch hell genug,
um ebenfalls ein Spektrum zu liefern. Seine Geschwindigkeit wechselt viel
stärker als die des Hauptsterns, nämlich um mehr als 100 km. Die Bewegungen
der zwei sich umkreisenden Sterne müssen natürlich immer entgegengesetzt
gerichtet sein; verschieben sich die Spektrallinien des einen Sterns nach dem
roten Ende des Spektrums zu, so müssen die des andern Sterns gegen Violett
wandern, und auf diese Art kommt periodisch eine Linienverdoppelung zu stande.
Solche regelmässig wiederkehrende Verdoppelungen der Linien sind bis
jetzt in vielen Fällen bemerkt worden; sie fallen leicht auf, während die Hin-
und Herbewegung einer einfachen Linie nur durch sorgfältige Messung fest-
gestellt werden kann. Die Grösse der Trennung solcher Doppellinien ist ein
bequemes Mass für die relative Bewegung eines Sterns um den andern. Ge-
wöhnlich sind die Komponenten einer Doppellinie ungleich stark — entsprechend
einer Verschiedenheit der Helligkeit oder der physischen Beschaffenheit der
beiden Sterne. Im letzteren Falle, wenn also ein Stern in einem höheren Glut-
zustande sich befindet, während der andere in der Abkühlung weiter vorge-
schritten ist, gewährt das Spektralbild eine Vereinigung der Eigentümlichkeiten
zweier verschiedener Spektraltypen. Man sieht beispielsweise zugleich die Eigen-
schaften des Siriusspektrums und die des Arkturspektrums, und kann daraus
folgern, dass ein System vorliegt, in dem ein heisserer und ein kühlerer Stern
sich sehr nahe stehen. Die gewöhnlichen Doppelsterne liefern, wenn sie hell
genug und ihre Komponenten verschieden sind, solche Mischspektra. Umgekehrt
darf man aus dem Vorhandensein des Mischspektrums auf die Duplicität eines
Sterns schliessen, auch wenn kein Fernrohr zur Trennung der Komponenten
ausreicht.
Für diese verschiedenen Kategorien spektroskopischer Doppelsterne mögen
nun einige interessante Beispiele näher beschrieben werden. Fast gleichzeitig
mit Algol wurde von Herrn Prof. Vogel die helle Spica in der Jungfrau als
Doppelstern erkannt, wobei sich das Spektrum des Begleiters noch spurenweise
bemerkbar macht. In 4,0134 Tagen durchläuft Spica ihre Bahn von 10 Mill. Kilo-
meter Durchmesser mit einer Geschwindigkeit von 90 km in der Sekunde. Genau
— 15 —
gesagt, ist dies nur ein Teil der wahren Geschwindigkeit. Die Bahnlinie und
Bahnebene liegen jedenfalls schräg zur Gesichtslinie, weil Spica sonst ein Ver-
änderlicher vom Algoltypus mit 4tägiger Periode sein müsste. Welchen Winkel
aber die Bahnebene mit der Gesichtslinie macht, lässt sich nicht ermitteln.
Ware dieser Winkel gleich 30°, so wären obige Zahlen um etwa ein Sechstel,
wäre er 45°, so wären sic um die Hälfte zu vergrössern. Bei einem Winkel von
60° hätten wir die doppelten Werte, bei 75° die vierfachen Werte, also 360 km
Geschwindigkeit und 40 Mill. Kilometer Bahndurchmesseı Den erstgenannten
Minimalzahlen würde als Masse des Spicasystems die 2!;„ fache Sonnenmasse
entsprechen; der Abstand der zwei Sterne erreichte noch nicht 0,02” und lage
auch bei 40 Mill. Kilometer Bahndurchmesser mit weniger als 0,1 unter der
Leistungsfähigkeit der heutigen Fernrohre. Sehr deutliche Linienverdoppelungen
wurden um 1889 auf der Harvardsternwarte und in Potsdam am Spektrum von
f Aurigae entdeckt, die auf eine relative Geschwindigkeit der beiden Glieder
des Systems von 220 km führen. Auch beim Hauptstern des als weiter Doppel-
stern — Abstand 14” — bekannten Mizar im grossen Bären, dem auch noch der
12° entfernte Alkor physisch verbunden ist, wurde schon 1890 wiederholt die
Spaltung der Calciumlinie K unter gleichzeitiger Verbreiterung anderer Linien
(z. B. des Wasserstoffs) beobachtet. Eine Periode liess sich damals nicht
zweifelsfrei bestimmen. Dies ist erst im Vorjahre in Potsdam gelungen, wo die
Herren Eberhard und Ludendorff sehı scharfe Aufnahmen des Mizarspektrums
erhielten. Mit einer relativen Geschwindigkeit von etwa 140 km beschreiben hier
zwei Sterne in 20'/, Tagen bei 35 Mill. Kilometer Entfernung einen Umlauf um
den gemeinsamen Schwerpunkt: sie besitzen zusammen die vierfache Sonnen-
masse. Wie oben bei Spika wären diese Zahlen zu vergrössern, wenn der
Winkel zwischen Bahnebene und Gesichtslinie grösser angenommen wird. Die
Masse wächst aber im Verhältnis des Kubus der Entfernung, wäre also bei
140 km Abstand der Komponenten (nahe die Entfernung Sonne—Erde) 250 Sonnen-
massen gleich! Zweifellos steht unsere Sonne an Grösse weit hinter diesem
Sterne zurück, wie sich noch auf ganz anderem Wege darthun lässt. W. Klinker-
fues und später F. Höffler haben als mittlere Entfernung der Hauptsterne des
grossen Bären, die mit Ausnahme von « und n ein besonderes Sternsystem mit
gemeinsamer Bewegung bilden, eine solche von etwas über 20 Siriusweiten
abgeleitet. Das Licht würde zur Zurücklegung dieser Strecke 200 Jahre ge-
brauchen. Unsere Sonne erschiene in solcher Ferne nur noch als Stern 9. Grösse,
während Mizar zur 2. Grössenklasse zählt, oder 600 mal heller glänzt als die
Sonne. Teilweise mag dieser Unterschied von höherer Temperatur bedingt sein,
sicherlich muss man aber auch die Oberfläche des Mizar weit ausgedehnter
annehmen als die der Sonne. Setzen wir das Flächenverhältnis wie 100 zu 1
an, so erhalten wir das Raumverhältnis 1000 zu 1 und finden das obige Massen-
verhältnis 250:1, wenn wir die Dichte des Mizar viermal geringer nehmen als
die Sonnendichte. Eine Herabsetzung der Mizarmasse würde eine gleiche Ver-
minderung der Dichte bedingen, eine Auflockerung des Stoffes, die nur in einem
beschränkten Grade zugegeben werden kann, wenn man nicht in Widerspruch
mit dem Aussehen des Spektrums gerathen will.
Ein anderer Stern, welcher den Gegenstand zahlreicher Spektralforschungen
gebildet hat, ist der Veränderliche $ Lyrae, der in regelmässiger Periode von
12,908 Tagen einen Lichtwechsel mit zwei Maxima und zwei Minima erleidet.
Das Spektrum kann als zusammengesetztes bezeichnet werden, ein Spektrum
- 16 —
mit hellen Linien des Wasserstoffs, das einem grösseren Körper angehört, und
ein Spektrum eines kleineren Körpers, für das namentlich eine dunkle Magnesium-
linie charakteristisch ist. Beide Linienarten verrathen entgegengesetzte Bahn-
bewegungen der beiden Körper, über welche ausführliche Berechnungen von
Myers auf Grund von Belopolsky’s Spektralaufnahmen vorliegen. Die Bahn-
halbmesser des grossen und des kleinen Körpers sind 18,5 und 31,67 Mill. Kilo-
meter lang, die Massen sind das 21- und 9,7fache, zusammen also mehr wie das
30fache der Sonnenmasse, bei geringer Dichte. Die Gestalten dieser Sterne
sind jedenfalls von der Kugelform sehr verschieden, so dass bei der Umwälzung
des Systems die uns zugekehrte Oberflächensumme ständig wechselt. Zum Teile
hierdurch, teils aber auch durch Dazwischentreten hoher atmosphärischer Fluten,
die lichtschwächend auf die Sternstrahlung einwirken, kommt der Lichtwechsel
zu stande, an dem gegenseitige Verdeckungen wie beim Algol kaum mitwirken.
Dann wären noch die drei regelmässigen und kurzperiodischen Veränder-
lichen d Cephei, 7 Aquilae und { Geminorum zu erwähnen, bei denen von
Belopolsky und Campbell Bahnbewegungen gleichlaufend mit dem Licht-
wechsel nachgewiesen worden sind. Auf’s klarste spricht sich hier die Thatsache
aus, dass die Lichtminima nicht durch Verdeckungen eines Sterns durch den
anderen hervorgerufen sind, denn sie treten zu Zeiten ein, wo die beiden Sterne
eines Systems neben, statt hinter einander stehen. In diesen drei Systemen
sind die Bahnen ausgeprägte Ellipsen, und zwar ist bei d Cephei und 7 Aquilae
die Excentricität doppelt so gross als bei ¢ Geminorum. Bei letzterem Ver-
änderlichen geht die Helligkeit im Minimum auf die Hälfte der Maximalhelligkeit
herab, bei den zwei anderen auf ein Drittel. Es lässt sich sehr wohl begreifen,
dass, je grösser die Excentricität, d. h. je verschiedener die grösste und kleinste
Entfernung zweier Sterne eines so engen Systems sind, desto bedeutender auch
die Erscheinungen von Ebbe und Flut der Atmosphären werden.
Aehnlich wie bei dem Doppelstern Mizar konnten auch bei dem durch
seine kurze Umlaufszeit ausgezeichneten Sternpaare x im Pegasus (durch
Campbell) und beim Castor in den Zwillingen (durch Belopolsky) jeweils der
Hauptstern spektroskopisch wieder als doppelt erkannt werden. Im Jahre 1899
kündigte Herr Campbell an, dass auch unser Polarstern eine geringe Ver-
schiebung der Spektrallinien mit 4tägiger Periode zeige, dass aber der Mittelpunkt
dieser engen Bahn selbst wieder in einer gekrümmten Bahn von langer, noch
unbestimmter Umlaufszeit einhergeht. Somit ist der Polarstern ein spektro-
skopischer dreifacher Stern und ausserdem besitzt er noch in 19” Entfernung
einen sichtbaren Begleiter 10. Grösse. Herr Dr. Hartmann in Potsdam hat
das Polarsternsystem kürzlich eingehend studiert; er findet die Periode des
engsten Sternpaares gleich 3 Tagen 23 Stunden 14 Min. 21 Sek., nahe so gross
wie die von $ Aurigae. Die Geschwindigkeit des Schwerpunkts dieser Bahn
kann für folgende Zeiten aus Spektralaufnahmen nachgewiesen werden:
Nov. 1888 Geschw. = — 25,3 km (Potsdam),
Okt. 1896 - = — 18,0 - (Licksternwarte),
Aug. 1899 - = —11,7 - (Licksternwarte),
Nov. 1900 - = —12,1 - (Potsdam),
Juni 1901 - = — 13,5 - (Licksternwarte).
Die Annäherungsbewegung hatte somit 1899 einen kleinsten Wert und
steigt in neuester Zeit entschieden wieder an, so dass für diese weitere Bahn
eine Periode von etlichen Jahrzehnten zu vermuten ist.
— 117 —
Ganz besonderes Aufsehen erregte die 1899 unabhängig von Herrn Newall
in Cambridge (England) und von Herrn Campbell auf der Licksternwarte ge-
machte Entdeckung, dass der hellstrahlende Stern Capella ein enges System ist,
bestehend aus einem Sterne vom gleichen Spektraltypus wie die Sonne und
einem um eine Grössenklasse schwächeren Stern vom Siriustypus. Die Ge-
schwindigkeit jenes „gelben“ Sterns schwankt zwischen + 4,2 und + 55,7 km,
die des kleineren „blauen“ Sterns zwischen — 3 und + 64 km. Der Umlauf
dauert 104 Tage 0,5 Stunden, die Entfernung der Componenten beträgt 83 Mill.
Kilometer, vorausgesetzt, dass die Bahnebene senkrecht auf der Himmelsfläche
steht oder mit der Gesichtslinie einen verschwindend kleinen Winkel bildet.
Jene Distanz ist somit etwas grösser als die Hälfte des Erdbahnhalbmessers,
der in der Entfernung der Capella 0,08‘ (nach Elkin) gross erscheint. Also
wäre die Trennung der beiden Sterne des Capellasystems nur 0,05“. In Green-
wich wollen mehrere Beobachter die Capella wenn auch nicht getrennt, so doch
länglich gesehen haben und zwar drehte sich der längere Durchmesser des
Sternscheibchens entsprechend der 104tägigen Umlaufszeit. Die Astronomen der
Lick- und der Yerkessternwarte widersprechen dem ganz entschieden, so dass
wir also sagen müssen, der Capellabegleiter ist noch nicht direkt gesehen.
Möglicherweise ist seine blauere Färbung daran schuld, für die das Auge weniger
empfindlich ist als die photographische Platte. Dem genannten Bahnhalbmesser
83 Mill. Kilometer würde eine Masse des Capellasystems gleich 2!/, Sonnen-
massen entsprechen. Nun leuchtet aber die Capella in Wirklichkeit über
hundertmal stärker als unsere Sonne. Geben wir von diesem Lichte dem gelben
Stern zwei, dem blauen ein Drittel, so folgt für jenen ein mindestens achtmal
so grosser Durchmesser als der Sonnendurchmesser. Die Oberflächen des
Sterns und der Sonne haben, wie schon erwähnt, dieselbe Beschaffenheit, also
kann die vermehrte Leuchtkraft nur von der entsprechend vergrösserten Ober-
fläche herkommen. Zu einem 8mal grösseren Durchmesser gehört eine 64mal
grössere Oberfläche und Helligkeit, aber auch eine 512mal grössere Masse bei
Annahme gleicher Dichte, während eine stärkere Zusammenpressung und höhere
Dichte der Centralteile eines so viel mal grösseren Sterns fast notwendig zu
sein scheint. Wir müssen also wohl schliessen, dass die Bahn des Capella-
systems einen grossen Winkel mit der Sehrichtung macht; nehmen wir den-
selben zu 70° an, so erhielten wir eine Distanz der Componenten im Betrag von
243 Mill. Kilometer und eine Gesamtmasse gleich 53 Sonnenmassen; für 75°
wäre die Distanz 320 Mill. Kilometer, die Masse 124 Sonnenmassen. Diese
Zahlen sind wenigstens einigermassen vergleichbar mit den aus der Helligkeit
hergeleiteten. Dann wäre auch eine entsprechend auf 0,13” oder 0,17“ ver-
grösserte scheinbare Entfernung der Componenten zu erwarten, die unter ge-
eigneten Vorrichtungen (für Abblendung des grossen Glanzes) zur direkten Be-
obachtung der zwei Einzelsterne führen könnte.
Sehr genau untersucht ist auch die Bahn des spektroskopischen Doppel-
sterns „Pegasi, als solcher von Belopolsky und Campbell entdeckt. Die Um-
laufszeit ist von Crawford in San Francisco zu 818 Tagen oder 2!/, Jahren be-
rechnet worden, sie bildet also schon den Uebergang zu der kürzesten Periode
eines „optischen“ Doppelsterns, 5!/ Jahren von d im Füllen.
Im ganzen kennt man jetzt, abgesehen von den Veränderlichen des Algol-
und des Lyratypus, die man wohl sämtlich als doppelt betrachten darf, gegen
50 spektroskopische Sternsysteme, zu deren Entdeckung die periodischen Ver-
— 118 —
schiebungen und Verdoppelungen der Linien verholfen haben. Die Paare mit
festgestellter Periode sind:
Stern Periode Stern Periode
u Scorpii 1,446 Tage ¢ Centauri 8,024 Tage
or Scorpii 1,571 - ı Pegasi 10,2 -
Castor 2934 - o Leonis 14,5 -
Polarstern 3,968 ž - 2 Androm. 19.2 -
8 Aurigae 3,084 - Mizar - 20,6 -
Spica 4,013 - Capella 104,0 -
e Leonis? 4,5 - x Draconis 281,8 -
x Pegasi 6,0 - n Pegasi 818,0 -
$ Urs. mat? 6,0 -
| Zu wertvollen Entdeckungen dürfte wohl in manchen Fällen eine genaucre
Prüfung der Sterne mit gemischtem oder zusammengesetztem Spektrum führen.
Von den hellsten Sternen gehören hierher Antares und vielleicht auch Betei-
geuze. Antares ist ein Doppelstern 1. und 8. Gr. in 3“ Abstand; spektroskopisch
kann sich der verhältnismässig schwache Stern neben dem glänzenden Haupt-
stern nicht bemerkbar machen. Das Antaresspektrum weist nun aber die
charakteristischen Eigenschaften des III. und zugleich die des I. Typus auf, es
muss also bei dem rötlichen Sterne ein weniger heller weisser Stern sich be-
finden. Der Stern Beteigeuze (« Orionis), selbst seiner rötlichen Färbung ent-
sprechend zu dem eine weiter fortgeschrittene Abkühlung anzeigenden Ill. Typus
gehörend, scheint einen Begleiter vom II. Typus, also von sonnenartiger Be-
schaffenheit zu besitzen. Sehr stark müssen, nach Ausweis des Mischspektrums
zu schliessen, die optisch noch ungetrennten Glieder des Systems « im Schiff
Argo (Kiel) kontrastieren, von denen das eine zum Ill. Typus zu rechnen ist,
während der andere Stern noch nicht den Siriustypus erreicht hat.
So gewährt daher das Spektroskop in mannigfacher Weise die Möglichkeit,
die Leistungsfähigkeit des Fernrohrs zu erweitern und scine „trennende Kraft“
ganz wesentlich zu erhöhen. Viele der oben beschriebenen Sternsysteme sind
überhaupt so eng, dass die einzelnen Sterne überhaupt nie separat zu sehen
sein werden. Bei einigen Veränderlichen des Algol- und Lyratypus lässt sich
der Verlauf des Lichtwechsels kaum anders erklären als durch die Annahme,
dass die beiden durch gegenseitige Anziehung eiförmig verlängerten Sterne sich
bis zur Berührung nahe stehen und so einen einzigen hantelförmigen Körper
darstellen. Die Bewegung in einem derartigen System wäre somit eher als
Rotation und nicht als Umlaufsbewegung aufzufassen. Es wurde auch schon
die Ansicht ausgesprochen, dass der nahe „Begleiter“ gewisser Sterne nur eine
einseitige Protuberanz, eine allerdings sehr grosse Hervorragung am Haupt-
körper wäre, bestehend aus leichten Gasmassen in hohem Glühzustand, der
durch Stoff- und Wärmezufuhr aus dem Inneren des Hauptsterns fortwährend
aufrecht erhalten würde. Dann wäre es auch nicht mehr rätselhaft, dass neben
einem grossen „alten“ Sterne, der wie Antares schon die Entwicklungsstufe des
IL Spektraltypus erreicht hätte, ein kleiner „junger“ Stern vom I. Typus steht.
A. Berberich.
W
— 119 —
SEESSEELEECEEEECECECEEECEESESECEEEECCEESEECEESSEELSESEEESESESEETT
Mitteilangen. SS
3579
"23333333333333339333333339333333339333333333333333339339339933
Die Eigenbewegung des neuen Sterns im Perseus. Im allgemeinen sind die Fixstern-
bewegungen erst nach Ablauf von Jahren sicher erkennbar, bei der Nova von 1901 scheint sich die
Ortsveränderung bereits im Zeitraume von wenigen Monaten bemerkbar zu machen. Wenigstens
folgert Herr Dr. F. Ristenpart in Berlin-Friedenau aus den Beobachtungen des Herrn Aitken
(Licksternwarte) eine Verschiebung der Nova relativ zu sechs Nachbarsternen, entsprechend einer
jährlichen Eigenbewegung von über 3 Sekunden. Die wahre Geschwindigkeit dieses merkwürdigen
Sterns wäre dann mehrere hundert Kilometer in der Sekunde, (Astr. Nachr. No. 4763.)
* *
Ld
Das Gesamtlicht aller Sterne. Der berühmte amerikanische Astronom Simon Newcomb
hat neuerdings durch Beobachtungen verschiedener Art zu ermitteln gesucht, wie viel Licht die
Erde von der Gesamtheit aller Sterne zugesandt erhält. Er fand diese Lichtmenge so gross wie
die von 1500 bis 2000 oder vielleicht noch mehr Sternen 1. Grösse, die gleichmässig über den Himmel
verteilt wären. Mittels einer besonderen Vorrichtung konnte er feststellen, dass sein Auge noch die
Lichtmenge empfand, die von cinem Stück der Himmelsfläche gleich dem sechsten Teil der Mond-
scheibe ausstrahlte. Dieses Licht ist nicht heller als das eines Sterns 8. Grösse. Vergleichshalber
sei erwähnt, dass das Vollmondlicht dem von etwa 120 600 Sternen 1. Grösse zusammen entspricht,
wobei Atair oder Aldebaran als Normalstern 1. Grösse gelten kann. Capella ist fast doppelt, Sirius
sechsmal so hell, so dass der Vollmond die 20000fache Siriushelligkeit besitzt.
xX *
x
Das vierte Hundert neuentdeckter Doppelsterne hat Herr Hussey soeben veröffentlicht.
Dieser Astronom sucht mit den grossen Fernrohren der Licksternwarte den Himmel nach sehr engen
Sternpaaren ab. Bis jetzt hat er 30 Paare von weniger als 1/,” Distanz gefunden, weitere 70 von
1/, bis 1/2“, 90 von !/,” bis 1”, 98 von 1” bis 2” und 102 Paare von 2” bis 6” Abstand.
* %
*:
Sehr wertvolle Doppelsternmessungen hat Herr Prof. H. Struve (Königsberg) in den
Jahren 1885 bis 1395 am 30-Zöller der russischen Hauptsternwarte zu Pulkowa angestellt. Die Zahl
der im eben erschienenen XH. Bd. der Pulkowaer Publikationen enthaltenen Messungen beträgt über
3060 und betrifft etwa 750 zwei- oder mehrfache Sterne. Bevorzugt hat Herr Struve die Systeme
mit raschlaufenden Begleitern, so dass seine Arbeit namentlich den Berechnern von Doppelstern-
bahnen höchst willkommen sein wird.
* *
x
Perlmutterwolken hat die letzte dänische Expedition, die zur Untersuchung der Nordlichter
in das Polargebiet entsandt worden war, beobachtet und nunmehr in dem Bulletin der dänischen
Akademie der Wissenschaften beschrieben. Diese Wolken haben eine gewisse Aehnlichkeit mit den
„leuchtenden Wolken“, die jahrelang in unseren Breiten zur Nachtzeit Aufsehen erregt haben. Jene
Gebilde haben ihren eigentümlichen Namen ,Perlmutterwolken* von dem norwegischen Meteorologen
Professor Mohn erhalten. Die dänischen Forscher hatten zweimal Gelegenheit, solche Himmels-
erscheinungen zu sehen. Das erste Mal gelang es auch, die Höhe der betreffenden Wolke zu etwa
40 Kilometer über der Erdoberfläche zu messen. Bei der zweiten Gelegenheit war dies nicht mög-
lich, da alle Mitglieder der Expedition an demselben Ort vereinigt waren, aber man konnte als Ent-
gelt dafür einige sehr merkwürdige Beobachtungen über die Bewegung der Wolke anstellen. Zu-
nächst erschien diese als ein horizontales Band über dem südwestlichen Horizont in einer Höhe
von 30—35 Grad. Sie zog dann ziemlich langsam gegen Ost, dann aber blieb sie stehen und kehrte
wieder zu ihrer früheren Stellung zurück. Während der Rückwärtsbewegung löste sich ein Teil
der Wolke vom kreisförmigen Umriss ab und schwamm mit einer Geschwindigkeit von 1 Grad in
4 Sekunden für sich allein gegen Süden. Nachdem sie 7 Grad am Himmelsgewölbe durchmessen
hatte, zerstreute sich die kleine Wolke. Dass diese Bewegungen den Perlmutterwolken eigentümlich
waren, ging daraus hervor, dass eine Federschichtwolke (Cirrostratus), die gleichzeitig in der ent-
‚sprechenden Himmelsgegend stand, zur selben Zeit unbeweglich blieb. Die Farbe jener Bildungen
war etwas wechselnd, am Rande meist rot, nach der Mitte zu rosa bis grün. Diese Wolken er-
— 10 —
schienen bei hellem Tageslicht nahezu um die Mittagsstunde. Eine Beobachtung durch das Spec-
troskop ergab nur die Linien des gewöhnlichen Spektrums des Himmelsgewölbes bei Tageslicht.
ausserdem einige Absorptionslinien, die eine grosse Menge von Wasserdampf anzeigen. Wahrschein-
lich verhinderte jedoch nur das starke Sonnenlicht die Wahrnehmung besonderer Eigentümlichkeiten
in dem Spektrum der Wolken. Ihre eigenartige Bewegung liess sich nicht aus dem Einfluss eines
Windes erklären, vielmehr gelangte Professor Paulsen, der Leiter der Expedition, zu dem Schluss,
dass die Perlmutterwolken durch ganz andere Kräfte ihre Bewegung erhalten haben müssten, und
zwar durch die Mitwirkung von Elektrizität. Der französische Meteorologe Brillouin hat darauf hin-
gewiesen, dass die Eisnadeln, die in grossen Mengen in den höheren Schichten des Luftmeers ent-
halten sind, unter dem Einfluss der ultravioletten Sonnenstrahlen eine positive elektrische Ladung
annehmen, während gleichzeitig die umgebende Luft negativ elektrisch wird. Auch aus anderen
Gründen gewinnt die Annahme an Wahrscheinlichkeit, dass die höchsten Schichten der Atmosphäre
reich an negativer Elektrizität sind. Paulsen erklärt nun die Bildung einer Perlmutterwolke aus
Strömungen negativer Elektrizität, die die Eigenschaft besitzt, Wasserdampf zu verdichten. Die
Wolken bewegen sich wahrscheinlich in der Richtung der elektrischen Strömungen.
QS
Ein besonderes Komitee für die Erbauung der Vortragshalle der Treptow- Sternwarte
ist in der Bildung begriffen. Diesem Komitee sind bis heute beigetreten die Herren: Oberbürger-
meister Kirschner, Erster Bürgermeister Wild e-Schéneberg, Geh. Med Rat Prof. Dr. Albert
Eulenburg, Wirkl. Admiralit.-Rat Dr. jur. P. Felisch, Geh. Reg.-Rath. Prof. Dr. L. Wittmack,
Fabrikbes. Dr. Erich Kunheim, P. Hoppe, Oeconomierat L. S p ät h, Kommerzienrat C. Bolle,
Julius Model, Prof. Za ar, Archit. und Doc. am Kunstgew.-Mus., Dr.med. PaulSchmidt, Frau
Marie Schulenburg-Ottleben geb. Halske, Fraul. A.Saegert, Prof. Dr. N. Zuntz,
Fabrikbes. Oscar Heinzelmann, O. Mindt, Eugen Tornow-Frankfurt a. M, L. Bing,
Geh. Hofrat H. Kelchner, Oberbürgermeister Schustehrus-Charlottenburg.
% Li
*
Weitere Beitrage zur Errichtung der Vortragshalle der Treptow-Sternwarte sind ge-
zeichnet worden:
44. Verein von Freunden der Trep- - 1 59. Franz Stock, Treptow ... . 20 M.
tow-Sternwarte. .. . . 1000 M. | 60. Adolf Protzen, Stralau . . . . 20 -
45. Fabrikbesitzer Dr. Erichkunhein, 61. Ober - Bürgermeister Kirschner,
Berlin . . . pai e e fee > (|) 0 Berlin . .. 10 -
46. Eugen Toon. Frankfurt a.M.. 300 - 62. Wirkl.Geh. Admiralilälsrat Dr. P. F c-
47. EE Lange, Belii 300 - lisch, Berlin . . 2. 2.2.2.2. 10 -
48. Kgl. Geh. Baurat W. Böckmann, 63. Louis Levin, Berlin . . ... 10 -
Berlin . . . . 160 - 64. J. Lewinsohn, Berlin. . . . . 10 -
49. Kommerzienrat C. Bolle, Berlin . 100 - 65. Apotheker E. Hellwich. Bischof-
50. R. Henneberg, Berlin. . . .. 100 - stein. . . ra 10 -
61. Edward Markus, Berlin. . . . 100 - 66. Frau Major Antonie Pohle. geb.
52. Ingenieur Emil Naglo, Treptow . 160 - Saegert, Berlin . . . S 5 -
53. Verein Deutscher Maschinen- 67. Frau Amtsgerichtsrat Weeer
Ingenieure, Berlin. . . . 100 - Berlin . .. 5 -
54. Frau Geh. Sanitätsrat Bertram und 68. Frau Sehülvörstelierin Klara Hess:
Sohn, Berlin . .. a W 30 - ling, Berlin. . . D -
65. Dr. Paul Hoering, Berlin er 30 - 69. Geschwister Else iad. A. Rabe,
56. Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. L. Witt- Berlin. s. e <A u & 4. 22.8 3 -
mack, Berlin . . .. x x 20 - 2728 M.
67. Prof. Ludwig Knaus, Berlin ao 20 - Die Summe der früheren Spenden betrug: 4045 -
68. Dr. Max Runge, Berlin ... . 20 - Insgesamt: 6773 M.
Allen freundlichen Zeichnern sprechen wir den wärmsten Dank für diese Bethätigung ihres
Interesses aus.
Weitere Beiträge nimmt die „Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius & Co.,
Berlin W., Charlottenstrasse 35a,“ entgegen.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F.S.Arcbenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 11.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 März 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pre. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. J, Seite 60.—,1/, Seite 30.—,1, Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Weineks Mondstudien. Von Prof. Dr. S. Günther- — Durchmesser von Planetenmonden. — Der ver-
München. ; u ke HOE BAK GER OBOE BOS 121 anderliche Stern S Persei. — Ueber die Strahlung
2. Ueber die scheinbare Abflachung des Himmels- des Quecksilbers im magnelischen Felde. — Ameri-
gewölbes und die Vergrösserung der Gestirne am kanische Spenden für wissenschaftliche Institute. . 134
Horizont. Von Alfred Arendt . . . 2 2 2... 125 6. Komitee für die Erbauung der Vortragshalle der
3. P. Athanasius Kircher und die Lalerna magica. Treptow-Sternwarle. — Viertes Verzeichnis von Bei-
Von Max Jacobi. . . s. 2 2 2 2 we eee eee 130 trägen sur Errichtung der Vortragshalle der Treptow-
4. Grosse Entfaltung des Leonidenphaenomens in Cali- Sternwarte . . . 2... ee a ae ee eee 136
JONR a i eo SS Se ee HK Re a 133 7. Personalien: Prof. Dr. Hermann Kobold. — Privat-
136
5. Kleine Mitteilungen: Periodische Kometen im Jahre gelehrter Wilhelm Winkler. . 2 2 2 2 2 2 220.0
1902.— Geschichte und Statistik der kleinen Planeten.
Weineks Mondstudien.
CR gab eine nicht sehr lange hinter uns liegende Zeit, in der man wähnen
konnte und auch wirklich glaubte, das Studium der Oberflachenbeschaffen-
heit unseres Trabanten sei in der Hauptsache abgeschlossen. Das war etwa
um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Beer und Mädler hatten ihre mit
Recht berühmte „Mappa Selenographica“ geliefert; daneben wurden auch Opelt
und Lohrmann genannt, obwohl man das grosse Verdienst des letztgenannten
noch nicht vollständig zu würdigen in der Lage war*). Alsdann inaugurierte
Julius Schmidts unvergleichliche Betriebsamkeit eine neue Periode der Mond-
forschung, welcher der Himmel Griechenlands, unter dem der treffliche Beobachter
seinen zweiten Lebensabschnitt verbringen durfte, sehr zu statten kam. Inden
siebziger Jahren, welche durch das Erscheinen der Werke von Nasmyth-Carpenter
und Neison ausgezeichnet sind, begann die modernste bis zum heutigen Tage
nachwirkende Epoche dieses Zweiges der Himmelskunde; H. J. Klein, Gaudibert,
Birt, Puiseux-Loewy, Henry, Prinz, die Astronomen der Lick-Sternwarte und viele
andere haben sich grosse Verdienste um Detailaufnahme und Kartierung er-
worben. Die neuesten Hilfsmittel der Astrophysik traten in den Dienst der lu-
naren Astronomie, und dass auch die altgewohnte Methode der directen Wieder-
gabe der Mondobjekte durch den Zeichenstift zu sehr exacten Ergebnissen führen
kann, beweist der Atlas von Krieger. Als einer der unermüdlichsten Förderer
der Mondkunde ist aber vor allem auch der Prager Astronom L.Weinek zu nennen,
und es ist, wenn man sich auf den Standpunkt des Specialisten stellt, vielleicht
als ein glücklicher Umstand zu erachten, dass die alte Sternwarte des Prager
Klementinums die Präcisionsmessung sehr erschwert und ihren Leiter so darauf
*) Erst Schmidt hat die hohe Bedeutung der Lohrmann’schen Blätter erkannt und uns durch
Publikation derselben in den Stand gesetzt, ihm hierin nachzufolgen. Vgl. seine Ausgabe der be-
treffenden Karte in 26 Sectionen (Leipzig 1878), die durch die Mühewaltung H Eberts eine Neuauf-
lage (ebenda 1892) erfahren hat.
— 199 —
hinweist, sich andere Aufgaben zu stellen. Die zusammenhängenden und auf
ein bestimmtes Ziel gerichteten Arbeiten Weineks wären auf einem anderen
Observatorium wohl kaum so zustande gekommen. Ihnen sind die nachfolgenden
Erörterungen gewidmet, deren Zweck es hauptsächlich ist, zu zeigen, dass die
um die Jahrhundertwende erlangte Oberflächenkenntnis des Mondes mit der-
jenigen, die man von sehr vielen Teilen unserer Erde besitzt, den Vergleich
durchaus nicht zu scheuen braucht. Angewiesen sind wir in dieser Beziehung
hauptsächlich auf die Veröffentlichungen der Prager Sternwarte, mit denen im
Jahre 1884 begonnen wurde, und von denen jetzt der vierte Band vorliegt”). .
Selbstverständlich erstrecken sich dieselben auch auf andere Fragen, die uns
hier nicht näher angehen, und auch das ganze, höchst reichhaltige selenographische
Material, welches darin enthalten ist, erschöpfend darstellen zu wollen, liegt uns
ferne. So sei nur vorübergehend gedacht der „gekrümmten“ Rillen, welche
Weinek entdeckte**), und von deren Existenz sich auch seinerseits der Ame-
rikaner Pickering überzeugte. Wir gehen vornehmlich darauf aus, die originellen
Beobachtungs- und Messungsmethoden zu kennzeichnen, von denen uns Weinek
selbst bei anderer Gelegenheit***) nähere Mitteilung gemacht hat.
Dass man auf Mondkarten auch Grössen und Entfernungen im Sinne der
terrestrischen „Kartometrie“ bestimmen kann, versteht sich von selbst. Sowie
jedoch die Objekte und Distanzen klein werden, vermindert sich auch die Genauig-
keit einer einfachen Messung sehr. Hier setzt nun Weineks Verwendung des
Mikroskopes einy). Die photographische negative Platte, welche irgend eine
Mondgegend abbildet, ist rastriert, d. h. in eine Anzahl schr kleiner Quadrate
geteilt, so dass jede Quadratseite einer angebbaren Länge auf der Mondkugel
entspricht. Parallel zu jeder der beiden Scharen orthogonaler Linien, welche
das Raster bilden, wird nun ein Vergrösserungsglas über die Platte weggeführt
und jeweils auf den Eckpunkten der Quadrate eingestellt. In jeder einzelnen
Lage zeichnet der Beobachter, der das Photogramm in einer starken, etwa
1000 fachen Linearvergrösserung vor sich hat, Alles auf, was er von neuen, dem
freien Auge unerkennbar gebliebenen Dingen wahrnimmt. Eine Fülle von
Detail ist dadurch der Mondkarte gewonnen, und zwar in scharf bestimmter Po-
sition. Wie weit man es hierin schon vor einigen Jahren gebracht hatte, war
von Weinck an verschiedenen Orten dargelegt wordenyy); ein selenisches Ge-
bilde, dessen Absolutausdehnung noch nicht einmal ganz 1 km erreichte, konnte
individuell unterschieden werden. Und der vorliegende vierte Band führt aus,
was seitdem auf diesem viel versprechenden Arbeitsfelde weiter geleistet
worden ist.
*) Ladislaus Weinek, Astronomische Beobachtungen an der k. Sternwarte zu Prag in den
Jahren 1892—1899 nebst Zeichnungen und Studien der Mondobertläche nach photographischen Auf-
nahmen, Prag 1901. Dem Bande sind, neben 12 Textabbildungen. 18 Tafeln beigegeben, die in Helio-
gravüre, Phototypie, Lichtdruck und Lithographie ausgeführt sind und eine gewisse Vergleichung
der zur Reproduktion angewandten Verfahrungsweisen gestatten.
**) Weineks Beobachtungen aus dem Jahre 1889—1891. die den zweiten Band der Serie er-
füllen (Prag 1392), enthalten die einschlägigen Nachweise.
***) Eine Uebersicht über den damals erreichten Stand der Messungsmethoden erhielten wir
von Weinek selbst. (Die Fortschritte in der Selenographie, Himmel und Erde, 1. Band, S. 557 ff.)
+) Vgl. auch: Witt, Photographie und Mondforschung, Himmel und Erde, 5. Band, S. 38 ff.
"rr Weinek, Einiges mit Bezug auf das feinere photographische Monddetail, Astronomische Nach-
richten, No. 3428: Wiener Akademischer Anzeiger vom 9. Mai, 4. Juli und 19. Dezember 1895, 19. Marz.
7. Mai, 9. Juli und 3. Dezember 1396; Ueber das feinere selenographische Detail der lokalen Mond-
photographie der Mt. Hamiltoner und Pariser Sternwarte, Prag 1897.
— 13 —
Zunächst wurde eine Reihe von zeichnerischen Vergrösserungen ausgeführt,
zu denen ein nach der Originalplatte von Mount Hamilton") hergestelltes Dia-
positiv die Unterlage bildete. Der Umstand, dass man in Prag nicht nach photo-
graphischen Originalen arbeiten konnte, die in bekannter Vorzüglichkeit früher
nur die berühmte kalifornische Sternwarte kraft der Gunst ihrer Lage und Aus-
stattung herzustellen vermochte, brachte keinen Nachteil mit sich; Holden hat die
Prager Handzeichnungen mit den Negativen seiner Anstalt verglichen und sich
von der vollständigen Uebereinstimmung beider überzeugt. Die dabei immer
noch aufzuwerfende Frage, ob irgend eine Einzelheit wirklich dem Monde ange-
hört oder durch einen nicht ganz gleichmässigen Belag der Platte irrtümlich in
die Mondlandschaft hineingekommen ist, wurde nicht sofort zu lösen versucht,
sondern späterer Entscheidung vorbehalten. Endlich erfolgte die Vergleichung
der in erwähnter Weise ausgeführten Landschaftszeichnung mit der Schmidtschen
Karte, um zu ermitteln, inwieweit der Inhalt letzterer im Einzelfalle zu bestätigen
oder zu rectifizieren war.
Diejenigen Mondberge, welche in den letzten Jahren nach Massgabe der
hier geschilderten Methode kontrolliert wurden, waren Wendelin, Langren und
Coppernicus. Man erkennt bald, dass eine grosse Fülle bisher unbeachtet geblie-
bener Objekte aufgefunden ward, welche an einzelnen Orten die Physiognomie
des Mondes beträchtlich verändern. Dass bei solch feinen Untersuchungen sich
auch Abweichungen gegenüber den Angaben anderer Selenographen ergeben
mussten, liegt am Tage, und ohne dass deshalb denen, deren Hilfsmittel eine
so minutiöse Verfolgung der Oertlichkeiten nicht erlaubten, irgendwie ein Vor-
wurf zu machen wäre, wird man gleichwohl den vorliegenden Mitteilungen den
Vorrang insofern zuzugestehen geneigt sein, als eben die starke Vergrösserung
des Lichtbildes von vornherein Teile der Mondoberfläche sozusagen zu zerlegen
ermöglicht, die früher keinerlei Differentiierung hervortreten liessen. Die pein-
liche Genauigkeit, mit der Schmidt zu Werke ging, offenbart sich durch diese
photogrammetrische Ueberprüfung besonders deutlich. So hatte er schon 1855
und 1862 mit den Refraktoren von Rom und Athen eine Rille im Innenwalle
des Kraters Coppernicus entdeckt, die Neison nachher nicht mehr wiederzufinden
vermochte und deshalb anzuzweifeln geneigt war. Jetzt wird sie von Weinek
wieder in ihr Existenzrecht eingesetzt.
Aber freilich ist das vergrössernde Zeichnen nach der Platte ein mühsames
und umständliches Geschäft, und der Gedanke liegt nahe, den Vergrösserungs-
akt der Photographie selbst zu übertragen. Diese Arbeit hat denn auch die
Lick-Sternwarte auf sich genommen**), und die von ihr solchergestalt erzielten
*) Diese der Sternkunde zur hohen Zierde gereichende Anstalt wurde aus einem Vermächtnis
erbaut, welches der kalifornische Krösus James Lick (gest. 1876) für diesen Zweck bestimmt hatte;
er liegt in dem Unterbau der Sternwarte begraben. Mt. Hamilton, zu den sogenannten Calaveras-
Bergen gehörig, hat eine Höhe von 1236 m und wird von dem unter W. W. Campbells Leitung stehen-
den Observatorium gekrönt, dessen Refraktor den grössten aller seiner auf Alte und Neue Welt ver-
teilten Genossen zugezählt werden kann. Das Yerkes-Teleskop hat eine grössere Linse, das Trep-
tower eine grössere Brennweite.
**) Hierzu wäre zu vergleichen eine Abhandlung Weinek’s (Selenographical Studies, based
on Negatives of the Moon taken at the Lick Observatory), welche der dritte Band der „Publi-
cations of the Lick Observatory of the University of California (Sacramento 1894) gebracht hat.
Holden sandte derselben eine Einleitung voraus. Besonders hervorheben möchten wir die Erörte-
rungen über das Mare Crisium, dessen photographische Abbildung den Prager Astronomen zu seinem
jetzt glücklich verwirklichten Plane mächtig angeregt hat, weil jene — und das kann auch sogar
der Laie mitfiihlen — die Plastik der hart an der Schattengrenze gelegenen und gegen das tiefe
Dunkel der Nachtseite grell abstehenden Berge wunderbar gut veranschaulichte. Für die Kenntnis der
— 14 —
Bilder erreichten den Massstab, welchen Maedlers und Lohrmanns Mondkarten
besitzen. Doch blieb man bei der 7 fachen Vergrösserung stehen, weil sonst
bei der Häufung des Stoffes die Deutlichkeit gelittten hätte. Weinek musste
konstatieren, dass das photographisch vergrösserte Bild, weil das Korn der Emulsion
natürlich an der Vergrösserung teilgenommen hatte, viel verschwommener als
die zeichnerische Wiedergabe ausgefallen war. Um dem abzuhelfen, wurden in
Prag selber Versuche angestellt*), und zwar wurden die Mikrometerokulare von
Reinfelder und Hertel als photographische Vergrösserungsobjektive benützt. Für
die Mitte des Gesichtsfeldes führten diese Versuche im Bilde zu einem sehr
befriedigenden Erfolge, während gegen den Rand hin sich eine astigmatische
Verzerrung bemerklich machte; d. h. das Einzelkorn erschien in ein Aggregat
von Flöckchen aufgelöst, und mit Zunahme der Vergrösserung wuchs auch die
Unklarheit, so dass fürs erste zwischen den Lick-Photogrammen und den äusseren
Partien der Prager Bilder kein wesentlicher Unterschied zu erkennen war. Der-
jenige Kreis, innerhalb dessen eine die Zeichnung erreichende Schärfe des Bildes
obwaltete, hatte demzufolge nur einen kleinen Durchmesser; doch hatte dies
weniger zu sagen, weil ja doch das Mikroskop so verschoben wurde, dass immer
nur die völlig verlässlichen Partien in das Sehfeld fielen. Immerhin musste es
wünschenswert sein, das ganze Feld gleichmässig klar zu gestalten, und hierzu
verhalf Abbe in Jena, der Meister der praktischen Dioptrik, auf dessen Rat ein
Zeiss’sches Objektiv mit 22 mm Brennweite gewählt wurde, das für einen Bild-
winkel von 30° vollkommene Reinheit gewährleistete. Dieses Objektiv gewährte
denn die Möglichkeit, um den Prager photographischen Mondatlas zu vollenden.
Dass es einen eigenen Apparates bedurfte, um die photographische Vergrösserung
zu bewerkstelligen, versteht sich von selbst, und gleicherweise musste die Art
und Reihenfolge der Manipulationen erst experimentell festgestellt werden, indem
ja zumal die Expositionsdauer sehr von den Zufälligkeiten der augenblicklichen
Lichtverhältnisse abhängt. Unterstützt von seinem Adjunkten Spitaler, der-
zeitigem Professor der kosmischen Physik an der deutschen Universität, konnte
so Weinek mit seinem verbesserten Apparate im Ganzen während 6!/, Jahren
(1. Dezember 1893 bis 13. April 1900) nicht weniger denn 824 vergrössernde Auf-
nahmen machen, zu denen direkte astrophotographische Bilder der Pariser Stern-
warte, des Lick-Observatoriums und der von Pickering auf einem Andenberge
nächst Arequipa begründeten Beobachtungsstation das Material hatten liefern
müssen. Und aus diesen Aufnahmen hinwiederum ist der Weinek’sche Mond-
atlas erwachsen, der im Jahre 1900 seinen Abschluss fand.
Den Vergleich zwischen den Anfangs- und Schlussstadien dieses höchst ver-
dienstlichen Werkes können wir anstellen, wenn wir einen Blick auf gewisse
Tafeln des vierten Bandes werfen, die eben zu diesem Zwecke Aufnahme ge-
funden haben. : Drei besonders charakteristische Bildungen ehemaliger vul-
Wallebenen, sei es, dass sie im Inneren einfach gebaut, oder aber von isolierten Piks und Kratern
erfüllt sind, tragen die Zeichnungen der Ringgebirge Archimedes und Arzachel einen geradezu
typischen Charakter, während bei Petavius eine ausgezeichnet schöne Rille Beachtung erheischt.
Inhaltlich finden zwischen diesem Aufsatze und dem vierten Prager Bande, an den sich diese Be-
sprechung vorwiegend halt, aus nahe liegender Ursache mancherlei Berührungen statt.
*) Mit nur zu gutem Grunde wird Verwahrung eingelegt gegen die Art und Weise der Polemik,
welche, hauptsächlich durch das Verschulden eines Einzelnen, neuerdings in die Wissenschaft vom
Monde hineingetragen worden ist. Dergleichen macht es gewissenhaften Gelehrten fast unmöglich,
überhaupt in einen Meinungsaustausch über die feinen und schwierigen Fragen dieses ihres an sich
schon so komplizierten Arbeitsgebietes einzutreten.
— 15 —
kanischer Thätigkeit auf dem Monde bilden die Vergleichsobjekte, nämlich
Clavius, Tycho und Ptolemaeus. Sehr interessant ist ferner eine Skizze der
lunaren Apenninen, bekanntlich eines Gebirges, welches unseren Erdgebirgen
am meisten unter allen Erhebungen der Mondoberfläche ähnelt und jedenfalls
auch für tektonische Kraftäusserungen in den oberen Schichten unseres Satelliten:
Zeugnis ablegt. Maedler sprach sich mit richtigem Blick dahin aus, dass es sich
bei diesem verwickelten Hochlande später einmal zeigen müsse, ob die Mond-
topographie durch eine ganz neue, vervollkommnete Methodik befruchtet worden
sei, und Weinek’s Beschreibung macht uns denn auch mit einer Fülle von That-
sachen bekannt, welche das Oberflachenmodell dieser Mondpartie gründlichst
umgestalten. Das Verzeichnis der Objekte, welche auf den Lick-Platten präzis
hervortreten, während sie anderwärts entweder gar nicht oder unrichtig abgebildet
sind, ist ein sehr reichhaltiges. Man ersicht, auch wenn man nur als Ferner-
stehender diesen Arbeiten folgt, klar genug, dass eine ungeheure Aufmerksam-
keit zu solchen Studien gehört, und das mit der Behauptung irgend eines noch
so tüchtigen Beobachters, ein gewisses Objekt sei nicht vorhanden, weil ihm
dessen Identifizierung nicht geglückt sei, die Sache noch keineswegs erledigt ist*).
Kann doch schon eine geringe Vermehrung oder Verminderung der Neigung,
unter welcher die Sonnenstrahlen einfallen, die Schattenverhältnisse so gründ-
lich verändern, dass in der That die Erkennbarkeit in Frage gestellt wird.
Was nun endlich den Mondatlas selbst anbelangt, so sei bemerkt, dass der-
selbe auf 200 Tafeln (26:31 cm) die sichtbare Mondhalbkugel vollständig zur
Anschauung bringt. Die namhaften Kosten wurden grösstenteils durch Sub-
skription gedeckt. Die 200 Bilder stellen nicht ebensovicle selbständige Gegenden
dar, sondern es beträgt die Anzahl der reproduzierten Landschaften nur 100,
indem jedesmal die Beleuchtung eine doppelte ist (vor- und nachmittägige Stellung
der Sonne). An der Hand der Atlasblätter kann man leicht eine Berechnung relativer
Höhen von Mondbergen durchführen. So wird denn dieses Prachtwerk zweifellos
von der Astrophysik als eine wertvolle Bereicherung ihrer an sich schon so reich-
haltigen Litteratur begrüsst werden, und zumal für die fruchtbaren Bestrebungen,
die Uebereinstimmungen und Gegensätze in der Natur des Mondes und der Erde
klarzustellen, ist eine solche Unterlage unschätzbar. Möge die rastlose Thätig-
keit des Autors, die sich über mehr als ein Dezennium erstreckt, allenthalben
die gebührende Anerkennung finden. - S. Günther.
ME
Geber die scheinbare Abflachung
des Himmelsĝewölbes und die Vergrösserung der Gestirne am Horizont.
Von Alfred Arendt.
he einer eingehenden Abhandlung behandelt Professor Reimann „Die schein-
bare Vergrösserung der Sonne und des Mondes am Horizont“. Diese Ab-
handlung enthält wertvolle Ueberblicke über die alten Ansichten hinsichtlich
*) Weinek hat sein Verfahren auch früher schon auseinandergesetzt (Berghöhenbestimmung
auf Grund des Prager photographischen Mondatlasses. Sitzungsberichte der Wiener Akademie,
5. Januar 1899). In dem beigefügten Verzeichnis der „Plattenkonstanten“ sind drei Hilfsgrössen ent-
halten, mit deren Hilfe man sich die gesuchte Höhe im Winkel- oder Linearmass verschaffen kann,
nachdem man zuvor die selenographischen Koordinaten (Breite und Länge) des betreffenden Berges
durch direktes Ausmessen „auf der Karte ermittelt und die Winkelhöhe bestimmt hat, in welcher die
Sonne im Augenblick der Beobachtung über der als Niveau gewählten Ebene stand.
— 16 —
dieser Fragen und hat in weiten Kreisen Beachtung gefunden. Die Schluss-
folgerungen Reimanns dürfen jedoch nicht ohne Widerspruch bleiben, und ich
möchte daher nach Wiedergabe der Reimann schen geschichtlichen Darstellung
meine abweichenden Ansichten mitteilen.
Die alten Mathematiker hielten den Himmel für eine Halbkugel und dies
Phänomen der scheinbaren Abflachung für eine optische Täuschung Man nahm
an, dass man bei so grossen und unendlichen Distanzen nicht mehr Abstands-
differenzen wahrnehmen könne und daher die sehr entfernten Objekte sämtlich
in die gleiche Entfernung vom Auge versetze. Die Vergrösserung führten sie
meist auf die vielen Dämpfe am Horizont zurück.
Vitello und andere lehrten, dass die intermediären Objekte (so wollen wir
hier und stets die Gegenstände, die sich zwischen dem Beobachter und dem
Horizont befinden, bezeichnen) bewirken, dass der Himmel am Horizont weiter
abzustehen scheint.
Bei Euler, der zusammen mit Malebranche wieder die Aufmerksamkeit auf
diese Erscheinungen lenkte, ist die flache Himmelsform eine Folge der schein-
baren Vergrösserung von Sonne und Mond beim Untergang; diese letztere erklärt
er durch Luftperspektive.
Kämtz und J. C. E. Schmidt behaupten folgendes: Die Flachheit des Himmels-
gewölbes ist eine Folge der Farbenperspektive am klaren Himmel, der ja
bekanntlich am Zenit dunkelblau, am Horizont mattblau, fast weisslich erscheint.
Die Vergrösserung der Gestirne ist eine Folge der Projektion auf den für ent-
fernter gehaltenen Himmel.
Clausius glaubt, dass wir uns aus dem halbkugelförmigen Fixsternhimmel
und dem flachen Wolkenhimmel ein Mittel, einen abgeflachten Kugelhimmel,
abstrahieren.
Filehne bemerkt, dass der Himmel zwischen Häuserreihen eben sei und
sich dem perspektivischen Eindruck anpasse. Die Wahrnehmung ist zutreffend.
Zoth erklärt: das flache Himmelsgewölbe ist ein Produkt der Sehrichtung
und verändert sich mit der Stellung und Lage des beobachtenden Kopfes. Das
bestreitet Reimann an der Hand seiner Untersuchungen sehr mit Recht.
Stroobant beobachtet, dass wir überhaupt alle Gegenstände, wenn sie in
eine nahezu horizontale Richtung gebracht werden, grösser schätzen. Auf diese
nur bedingt zutreffende Behauptung führt er die Erklärung der Abplattung zurück.
Hobbes, Treiber, Biot, Bohnenberger und Zeno halten die Gestalt*) des
atmosphärischen bezw. Wolkenhimmel-Segmentes für bestimmend.
Smith findet, dass wir die Höhe von 45° durch eine solche von 23° wieder-
geben, wenn wir die Hälfte des halben Himmelsbogens angeben sollen. Hieraus
folgert er, dass uns die Höhe des Himmelsgewölbes nur 0,3 der Weite zu be-
tragen scheint. Die Erscheinungen erklärt er so: Wir übertragen die Gestalt
des Wolkenhimmels auf den heiteren Himmel. Die Gestirne erscheinen deshalb
vergrössert, weil wir sie auf den für ferner gehaltenen Horizont projizieren.
Im Anschluss an diese Untersuchungen findet endlich Reimann 1888/89:
Man schätzt die Höhe von 45° am Tage zu 22,4°,
nachts bei Mondschein 26,6°,
in mondscheinloser Nacht 30,0°.
*) Dieser Ansicht schliesst sich auch Dr. Schröder in einem Aufsatze im 1. Jahrg., S. 29 des
„Weltall“ an.
— 1% —
Er bestätigt die Untersuchungen von Smith und findet auch richtig, dass
nachts die Wölbung mehr gegenüber der Abplattung hervortritt. Seine 1901
gegebenen Erklärungen kann man dahin zusammenfassen:
a) Die Gestirne erscheinen am Horizont 3,5 mal ferner als am Zenit.
b) Wir halten am Horizont die Gestirne für ferner, weil wir dieselben auf
den für ferner gehaltenen Himmelshintergrund projizieren.
c) Die Atmosphäre bestimmt die Form des Himmels. Das Auge kann die
Luftschichten nur bis zu gewissen Fernen durchdringen, und die
Grenzen der Wahrnehmungen sind für die scheinbare Gestalt das
Bestimmende.
d) Der Wolkenhimmel strebt die Form des wolkenlosen anzunehmen.
Ohne mich in eine Kritik der Reimann’schen Behauptungen einzulassen,
weil dies entschieden zu weit fùhren würde, behaupte ich hiergegen: Die mir unter a)
angeführte Behauptung ist im allgemeinen unrichtig, die unter b)aufgeführteistnicht
gänzlich einwandfrei, die unter c) angeführte ist ganz unzutreffend und steht mit
unseren allgemeinen Anschauungen in Widerspruch und die letzte Behauptung
ist nur annähernd zutreffend. Im übrigen — und das ist das Wichtigste — gilt
für die Reimann’schen Erklärungen wie für alle anderen, dass sie, soweit sie
nicht irrig sind, nur Teile der zutreffenden Ursachen angeben und gerade die
allgemeinen, wichtigsten Punkte vermissen lassen.
Die Beweise für diese etwas kühnen Behauptungen ergeben sich teilweise
aus dem folgenden. Es kommt uns nicht auf Kritiken, sondern Feststellung von
Thatsachen an. Die obige Uebersicht über die bisherigen Ansichten und Unter-
suchungen habe ich besonders deshalb gegeben, um eine Kritik meiner Be-
hauptungen zu erleichtern und erkennen zu lassen, inwieweit diese original sind.
Bei den folgenden Auseinandersetzungen vergesse man nie, dass diese
Erklärungen nur auf Wahrscheinlichkeiten und nur eindrucksweisen, teilweise
subjektiven und optischen Täuschungen unterworfenen Wahrnehmungen beruhen
und dass man hierbei nie mit mathematischer Sicherheit vorgehen kann, sondern
höchstens zu Deutungen und Behauptungen kommen kann, die sehr wahr-
scheinlich sind, weil sie sich auf mehrere Wahrscheinlichkeiten gründen.
Zunächst seien die allgemeinen Gesichtspunkte meiner Erklärung angegeben.
Ich behaupte: Da wir an vielen Erklärungsversuchen (nämlich denen von Vitello,
Euler, Kämtz, Schmidt, Clausius, Filehne) wenigstens bezüglich einzelner Be-
hauptungen nichts wesentlich aussetzen können, vielmehr bei der Betrachtung
dieser Dinge selbst darauf kommen, da wir also annehmen müssen, dass sie
im wesentlichen richtig sind, so müssen wir die darin angeführten
Ursachen alle in ihrem Zusammenwirken für bestimmend halten.
Andererseits ist von vornherein wahrscheinlich, dass diese eingewurzelten
Tauschungen nicht durch einen einzigen Grund, sondern durch das Zusammen-
wirken vieler Ursachen hervorgebracht werden dürften.
Ich behaupte ferner: dass diese Erscheinungen der Abflachung und
der Vergrösserung — gemäss den veränderlichen Ursachen, und weil sie
durch viele Ursachen hervorgebracht werden — nicht unwandelbare, stets
in demselben Masse zu konstatierende Thatsachen sind, sondern dass
sie sich mit Tageszeit, Ort, Umständen und vor allem dem Beobachter
verändern. Dies ist, wenn man sich genau überlegt, schon des Begriffes der
Täuschung wegen wahrscheinlich. Ich behaupte also, dass sich die Grösse der
Abflachung und Vergrösserung im Eindrucke (der Wahrnehmung sowohl wie
— 18 —
der Vorstellung ohne Wahrnehmung) verändere und völlig subjektiv sei. Oft
sieht der Himmel fast ganz plan und eben aus, oft fast kugelrund, ohne be-
deutendere Abplattung, oft ganz flachellipsoidisch oder plattgedrückt. Einen
allgemeinen Abplattungswert ohne weiteres anzugeben, wie es Smith und
Reimann thun, ist ganz und gar nicht angängig. Der beste Beweis ist, dass
der Abplattungswert ganz verschieden angegeben wird. Bei Reimann ist er
1:3,5, in einem populären Buche ist er zu 1:1?/, angegeben, ich finde ihn zu
jeder Zeit verschieden, im Durchschnitt aber 1:1,6, nur selten so gross, wie
Prof. Reimann als Norm angiebt. Personen, die auf diesem Gebiete Laien sind,
gaben die Abplattung zu 1:1,5 bis 1,3 an, einige wollten natürlich keine Ab-
plattung bemerkt haben.
Dies alles, besonders aber die direkte Beobachtung, erweist, dass der Ein-
druck des Abflachungswertes sich nach den Umständen ändert und bei ver-
schiedenen Beobachtern verschieden, also ein subjektiver Eindruck ist.
Wenn man nun Werte für die Abflachung (und auch in geringerem Masse
für die Vergrösserung am Horizont) vor sich hat, so hat man verschiedene
Arten zu unterscheiden. Es können Werte sein, die für den Eindruck bei einer
einzigen direkten Beobachtung gelten, es können Mittelwerte mehrerer nach ver-
schiedenen Gesichtspunkten gewählter direkter Beobachtungen eines oder auch
mehrerer Beobachter sein; es können ferner Mittelwerte aller von einer Person
gemachten direkten Wahrnehmungen der beiden Erscheinungen sein — von
welchen Mittelwerten ich behaupte, dass sie demjenigen nahekommen, den der
Himmel zu haben scheint, wenn man ihn sich vorstellt — und es können endlich
Mittelwerte der mittleren Eindrücke bei allen Personen oder wenigstens bei
sehr vielen Personen sein.
Wir kommen nun zu den einzelnen Ursachen der Abflachungs-
erscheinung. Der Eindruck der Abflachung wird dadurch hervorgerufen, dass
der Himmel am Horizont weiter abzustehen scheint als am Zenit. Das ist selbst-
verständlich, weil es aus dem Begriff der Abflachung folgt, und wird auch durch
die direkte Beobachtung erwiesen.
Erstensbewirken dieintermediären Objekte (die Gegenstände zwischen
dem Beobachter und dem Horizont) einen Eindruck der grösseren Er-
streckung nach dem Horizont hin. Da man nach obenhin keine anderen
Entfernungsschätzungen machen kann als die an den Wolken, welche man an
den Himmelshintergrund projiziert und in ungefähr gleiche Entfernung mit
diesem setzt, da man aber die Wolken gemäss ihren deutlichen Konturen in
keine sehr grosse Entfernung (nach der Luft- und Farbenperspektive etwa 1 bis
3 km) versetzen kann, so hält man den Himmel am Zenit für etwa 1 bis 3 km
entfernt. Da man aber am Horizonte Objekte in viel grösserer Entfernung gewahrt,
wie aus der Erfahrung oder der sichtbaren Grösse bekannt ist, so halt man aus
diesem Grunde den Horizont um soviel ferner, als man den Abstand der fernsten
Objekte auf der Erde für grösser hält als den der Wolken. Die fernsten Objekte am
Horizont sind gewöhnlich 4 bis 8km weit entfernt. Objekte, die weiter als etwa eine
Meile entfernt sind, erkennt man nicht mehr so deutlich, als dass sie hier in Frage |
kommen könnten. Danach müsste der Wert der Abflachung ?/, = 1:3,0 betragen.
Naturgemäss ändert sich dieser Wert mit dem Ort (Stadt, flaches Land),
mit dem Wetter und der Luft (Dunkelheit, hoher oder tiefer Wolkenhimmel,
verschiedene Durchsichtigkeit der Luft) und dem Standpunkt des Beobachters
(Aussicht, Objekte am Horizont).
— 1299 —
Mindestens ebensoviel tragt zum Eindruck der Abplattung die
Perspektive der Wolken bei. Die Wolken erscheinen am Horizont erstens
kleiner, zeigen also dadurch an, dass sie ferner sind, und damit wird auch der
Horizont für ferner gehalten, da man ja die Wolken mit dem Himmelsgewölbe
identifiziert. Zweitens erscheinen die Wolken in ihrem Durchmesser verkürzt,
zusammengedrängt, und zwar je mehr, je näher sie dem Horizont sind; dies
ruft natürlich den Eindruck einer sehr weiten Erstreckung in der Richtung des
Horizontes hervor und ist absolut nicht mit der Annahme zu vereinen, dass der
Horizont ebenso wie der Zenit als Teil einer Kugelschale uns als dem Centrum
derselben zugekehrt ist. Diese wahrgenommene Abflachung des Wolkenhimmels,
die bekanntlich auf reellen Verhältnissen basiert, wird auf das Himmelsgewölbe
übertragen oder, besser gesagt, mit ihm kombiniert.
Drittens bewirkt die Farbenperspektive am Himmelsgewölbe den
Eindruck der grösseren Ferne des Horizonts.
Wegen der Luftabsorption erscheint der Horizont stets matter gefärbt als
der Himmel am Zenit, und dies so sehr, dass er oft fast weiss aussieht. Nun
wissen wir aber von irdischen Gegenständen, dass sie wegen der Farben-
perspektive gleichfalls matter gefärbt erscheinen, je weiter sie entfernt sind.
Das veranlasst uns zur Annahme, der Horizont sei ferner als der Zenit Die
Erfahrung lehrt, dass bei etwa 10 km Abstand (oft allerdings erst bei grösserem
Abstand) alle Gegenstände bereits die deutliche Farbe verlieren, sie aber bis zu
2 bis 3km noch fast völlig behalten. Hiernach würden wir den Zenit für etwa
4mal näher halten als den Horizont. —
Andererseits sehen wir am Nachthimmel, besonders dem Fixsternhimmel,
fast nichts oder sehr wenig von Abplattung. Denn da diese obigen beiden
Ursachen nur in sehr geringem Masse wirken, da wir aber andrerseits an den
Fixsternen infolge ihrer sehr grossen Entfernungen keine Abstandsdifferenzen
mehr wahrnehmen, so halten wir ihre Abstände von uns für gleich, das Himmels-
gewölbe mithin aus diesem Grunde für eine Kugelschale. Dieser Ein-
druck wird noch durch folgendes verstärkt: Das Himmelsgewölbe dehnt sich
oberhalb der Horizontalebene nach allen Seiten aus, ohne dass wir direkt irgend
welche Distanzen wahrnehmen können. Die einfachste körperliche Vorstellung,
die dieser Wahrnehmung genügt, ist die Kugelschale.
Auch scheint die grössere Helligkeit am Horizont dem Eindruck der grösseren
Entfernung entgegenzuwirken, da wir helle Gegenstände deutlicher sehen und
die Gegenstände dann deutlicher, wenn sie sich in grösserer Nähe befinden. Da
wir uns nun den Himmel nur unter einer Form vorstellen können, so beziehen
wir alle Eindrücke aufeinander und kombinieren aus ihnen eine mittlere Vor-
stellung.
Aus diesen Eindrücken einer Kugelschale und den beiden der
Abflachung bilden wir uns eine mittlere Vorstellung einer mässigeren
Abplattung, welche alle unsere Schätzungen der wahrgenommenen
Abflachung wahrscheinlich sehr beeinflusst. Dieser mittlere Abflachungs-
wert bestimmt sich ungefähr nach diesen hypothetischen Erklärungen durch das
Mittel der Abflachungswerte, die bei den einzelnen Ursachen in Frage
kommen.
Die drei Ursachen der Abplattung geben das Mittel von IG und !/, also
1:3,5, die beiden Ursachen der kugelförmigen Gestalt 1:1; das Mittel hieraus
ist 1: 2,25.
Nimmt man statt dessen das Mittel der Krümmungsexponenten der Quer-
schnitte des Himmelsgewölbes, indem man dies als Kugelkalotte ansieht, so
erhält man aus der Abplattung von 1:3,5 nach der Formel: (siehe Fig. 1)
x?=r?+ (x—h)? den Krümmungsexpo-
nenten von 0,16,
Die Kugelschale hat in ihrem
Querschnitt den Krümmungsexpo-
nenten 3,14.
Hieraus ergiebt sich der mittlere
von 1,65. i
Aus diesem Mittelwert der
Krümmungsexponenten ergiebt sich
wiederum, da zu einem Bogen von
1,65 ein Winkel von 95° gehört, nach
der Formel 1?=(1—h)’+r? eine Ab-
flachung von 1:2,7.
Man kann also sagen: Aus dieser hypothetischen Erklärung ergiebt sich
aus diesen Betrachtungen heraus ohne Anlehnung an die Beobachtung ein
mittlerer hypothetischer Abflachungswert 1:2,5 (als mittleren Wert von Vor-
stellung und Beobachtung sehr vieler Personen).
Nun wissen wir aus direkter Beobachtung, dass die Werte für die Ab-
flachung bei Vorstellung und Beobachtung sehr vieler Personen zwischen 1:1,5
und 1:3,5 schwanken, also im Mittel auch um 1:2,5. Die Uebereinstimmung
beider Werte, die natürlich nur eine sehr näherungsweise ist, spricht zu Gunsten
der vorgebrachten Erklärungen. Diese Erklärungen harmonieren aber
auch aufs beste mit der aus der Beobachtung gewonnenen Behauptung,
dass der Abflachungseindruck sich nach den Umständen ändere.
Einmal macht dieses bestimmende Phänomen, ein anderes mal jenes mehr
Eindruck auf uns und verändert damit das Mass der Abflachung, die genaue
Form unseres Eindrucks vom Himmelsgewölbe. Bei bezogenem Himmel tritt die
Wirkung der intermediären Objekte und die immerhin vorhandene perspektivische
Verkürzung und Verkleinerung der Wolken am Horizont mehr in Aktion und
vergrössert den Grad der Abflachung, wie durch die direkte Beobachtung völlig
sicher erwiesen ist. Ist der Himmel heiter, so tritt zwar die Farbenperspektive,
aber auch die grössere Helligkeit am Horizont in Wirkung, und durch die Gleich-
mässigkeit und den Mangel an Anhaltspunkten der Eindruck der Kugelschale.
Die Abplattung bleibt daher meist etwas unter dem mittleren Wert. In der
Nacht tritt die Wirkung des Fixsternhimmels in Thätigkeit; die beiden den
Horizont entfernenden Wirkungen sind auf ein Minimum beschränkt; daher ist
der Himmel nachts dem kugelförmigen Ausschen fast völlig genähert, wie durch
direkte Beobachtung an jeder klaren Sternennacht unzweifelhaft erwiesen wird.
Soviel hiervon. — 4 (Fortsetzung folgt.)
Ð. Athanasius Kircher und die Jaterna magica.
Winer die 300jahrige Wiederkehr des Todestages Tycho Brahe’s allerorten
gefeiert wurde, hat man es unterlassen, des 300jahrigen Geburtstages eines
Mannes zu gedenken, der vornehmlich durch seine schriftstellerische Thatigkeit die
physikalischen Wissenschaften und deren volkstümliche Ausbreitung fördern half.
- 11 —
Wenn wir zu einer gerechten Würdigung der wissenschaftlichen Leistungen
des Jesuitenpaters Athanasius Kircher*) gelangen wollen, so dürfen wir uns
freilich nicht einseitig auf den Standpunkt des modernen Physikers stellen, oder
ihm gar aus religiösen Gründen Abneigung beweisen; wir müssen im Gegen-
teil auch bei dieser historischen Betrachtung uns in jene Zeit zurückversetzen
und nach den damaligen Zeitverhältnissen die Bedeutung Kirchers prüfen!
Athanasius Kircher ward als Sohn eines ehemaligen fürstbischöflichen
Amtmannes zu Geisa bei Fulda im Jahre 1601 geboren. Nach sorgfältiger Er-
ziehung im Elternhause besuchte er das Jesuitenkollegium zu Paderborn, von
wo ihn die Wirren des 30jährigen Krieges 1623 vertrieben. Er führte nun ein
unstätes Wanderleben, indem er den Einladungen verschiedener deutscher
Fürsten an ihre Höfe folgte. Schon damals that er sich durch eine eminente
Belesenheit auf allen Gebieten der Wissenschaft und durch seine vorzüglichen
Sprachkenntnisse hervor. Im Jahre 1624 begab er sich nach Mainz zwecks
Studiums der Theologie. Dortselbst beobachtete er am 25. April 1625 die Sonne
mittels eines Fernrohrs und entdeckte hierbei mehrere ungewöhnliche Sonnen-
flecken. Dieses Phänomen erregte das lebhafte Interesse des jungen Gelehrten
und seitdem blieb seine Lieblingsbeschäftigung die Astronomie.
Im Jahre 1633 finden wir Kircher in Wien, wohin ihn Kaiser Ferdinand II.
als Professor der Mathematik an die dortige Universität berufen hatte. Indessen
verwaltete der damals bereits hochberühmte Jesuit den Lehrstuhl nicht lange.
Nach einer grösseren italienischen Reise liess sich Kircher zu Rom nieder, um
seine schriftstellerischen Werke in Ruhe zu vollenden und allein den Studien,
insbesondere demjenigen der Physik, zu leben.
Das bekannteste seiner Werke ist die „Ars magna lucis et umbrae‘,
welche er zu Rom im Jahre 1646 als zweibändiges Werk veröffentlichte. Man
empfindet beim Durcharbeiten dieser grossartigen Encylopädie der Physik eine
unbegrenzte Hochachtung vor der kaum glaublichen Belesenheit des Verfassers.
Freilich verschuldet diese Belesenheit, dass Kircher recht oft „die Spreu nicht
vom Weizen sondern“ kann, sodass gerade die „Ars magna lucis* hin und
wieder den Eindruck eines unentwirrbaren Chaos, eines rätselhaften „Leipziger
Allerleis“ macht**).
In der „Ars magna lucis“ findet sich nun die erste Beschreibung der
„Laterna magica‘, oder — wie sie Kircher nennt — „Lucerna magica“. Nach
seiner eigenen Darstellung ist sie ein „Sicht-Instrument“ mit Linsen, welche
einen auf Glas gezeichneten Gegenstand an eine gegenüber befindliche Wand
projizieren. Uebrigens traten bald Leute auf, welche angaben, das Instrument
unabhängig von Kircher erfunden zu haben. Letzterer eiferte gegen diese
„Thrasones“ — so nennt er sie mit Anspielung auf einen gewissen Soldaten
des alten Roms, welcher als Urtypus eines „Ritters von Habenichts“ gilt — in
der gleichfalls von ihm verfassten Beschreibung aller astronomischen und
*) Von Biographien über A. Kircher erwähnen wir:
Karl Brischar: „Athanasius Kircher“, Würzburg, 1877.
A. Behlau: „Athanasius Kircher, eine Lebensskizze“, Prgr. Heiligenstadt, 1874.
Eine allen Interessenten — auch den Historikern der Naturwissenschaft — genügende Biographie
dieses Mannes ist freilich nicht vorhanden. Gute Uebersicht in „Ersch & Gruber’s Encyclop,”,
Sect. II. Bd. 36.
**) Indessen scheint uns die kurze und herbe Abfertigung Kircher’s seitens Prof. M. Cantor's
in den „Vorlesg. über die Gesch. der Mathem.‘, Bd. II, S. 634, nicht auf surgfaltigem Studium aller
Werke zu beruhen.
— 132 —
physikalischen Instrumente des Jesuitenkollegiums zu Rom. Es erinnert der
Streit an den Prioritatshader zwischen Tycho Brahe und Raymarus Ursus betreffs
des Tychonischen Weltsystems. — In astrologischen Bestimmungen wird das
Stern-Siebeneck von Kircher in der ,Ars magna lucis* benitzt.
Von den anderen zahlreichen Werken erwähnen wir an dieser Stelle nur die
„Ars Magnesia® — auch ,magneticas — (Wirzburg 1631) eine recht brauchbare Dar-
stellung damaliger Kenntnisse vom Magnetismus und den Compass-Eigenschaften.
Die Sprachgewandheit Kirchers, welche ihn selbst die schwierigsten
aramäischen, syrischen und arabischen Dialekte beherrschen liess, verleitete ihn
zu Untersuchungen der Hieroglyphenschrift. Da er von einer gänzlich verfehlten
Theorie ausging, so sind seine Leistungen für die Aegyptologie recht unbedeutend?*).
Wichtig sind indessen seine einschlägigen Werke auch für den Naturwissen-
schaftler, weil er in ihnen die mathematischen und physikalischen Errungen-
schaften des Altertums mit sehr umfassenden Quellenkenntnissen behandelt. Von
diesen Werken nennen wir den „Oedipus Aegyptiacus“ (Romae 1652/55, 3 Bande).
Kircher war auch ein geschickter Mechaniker. Mit besonderer Vorliebe
konstruierte er astronomische Instrumente. Das von ihm geleitete Museum
der Jesuiten zu Rom besass eine grosse Anzahl derselben. Zur Darstellung des
Weltsystems baute Kircher einen sinnreichen Apparat. Während er in seinen
Werken sich nur zögernd zum alten ptolemäischen Weltsysteme bekennt —
vermutlich that er dies überhaupt blos, um nicht das traurige Schicksal eines
anderen Ordensgeistlichen, Giordano Bruno's, zu erleiden — beruht der erwähnte
Apparat völlig auf dem geocentrischen Weltsystem. Durch eine sinnreiche
Mechanik gelingt es Kircher, mit Hülfe dieser Maschine die astronomischen Haupt-
erscheinungen für eine bestimmte plastisch dargestellte Landstrecke klar zu legen.
Unter den sonstigen, von ihm konstruierten physikalischen Apparaten er-
wähnen wir nur den nach ihm benannten Brunnen. Der „Kircher' sche Brunnen‘
besteht aus einem Heber, dessen kürzerer Schenkel in ein kastenförmiges Wasser-
gefäss reicht, während in einem zweiten Wasserbehälter die Luft durch Herab-
sinken des Wassers verdünnt wird. Mit diesem Apparat ist ein Heronsbrunnen
verbunden; fernerhin stehen mit dem ganzen Instrument 2 Figuren aus Metall,
ein Storch und eine Schlange, in Verbindung, welche wechselseitig das Wasser
einsaugen und ausstossen.
Selbstredend versuchte Athanasius Kircher auch die Konstruktion eines
„Perpetuum mobile“ und beschreibt dasselbe wichtigthuend im „Musaeum Collegii.
Rom. S. J.“.
P. Athanasius Kircher starb am 30. Oktober 1680 im 79. Lebensjahre, bis
zum Tode in umfangreiche Studien vertieft.
Um zu einer gerechteren Würdigung dieses Mannes zu gelangen, beachte
man die Worte in dem Briefe vom 16. Mai 1670, welchen der Weltweise Leibniz
an ihn richtete:
„Vir magne! Quidni enim ego tibi privatim et publicum elogium tribuam? Sed
non est nunc tempus, in laudes tuas nunquam intermorituras digrediendi . . .“
In freier Uebersetzung: „Hochachtungswerter! Weshalb soll ich Dir nicht auf
brieflichem Wege ein öffentliches Lob erteilen? Indessen mangelt es jetzt
an Zeit, um Deine unvergänglichen Verdienste eingehend zu würdigen .. .*
zu Max Jacobi.
*) Es darf hingegen nicht ausser Acht gelassen werden. dass P. Kircher als erster auf die
Wichtigkeit der koptischen Sprache zur Erforschung der Hieroglyphentexte aufmerksam machte,
— 133 —
Grosse Entfaltung des Jeonidenphaenomens in @alifornien.
D: meisten Berichte über Beobachtungen der Leoniden im November 1901
sprechen nur von einer geringen Ausbeute an Sternschnuppen. In Europa
wurde die grösste Zahl in der Nacht vom 15. zum 16. November erhalten, z. B.
in Athen 104, auf der Radcliffesternwarte in Oxford, England, 106. Das Maximum
scheint schon vorüber gewesen zu sein, denn der folgende in Uebersetzung
wiedergegebene Bericht*) von E. L. Larkin, Astronom der Lowe-Sternwarte in
Californien, weist eine viel bedeutendere Fülle der Meteore am 14. zum 15. Nov. auf.
Das erste Meteor erschien kurz vor Mitternacht, noch ehe der Strahlungs-
punkt sich über die Bergkuppen erhoben hatte, die 600 m östlich vom Observa-
torium Wache stehen. Letzteres liegt in einer Höhe von 1042 m, während die
Reihe jener Gipfel von Norden gegen Süden zwischen 408 und 24 m Erhebung
über den Sternwartenbau wechselt. Regulus ging daher erst um 125 49m auf.
Als der Radiant selbst an der Langseite eines Abhanges hervorkam, betrug die
Häufigkeit der Sternschnuppen eine in der Minute.
Tabelle der Zeiten und Meteore am 14./15. November.
Zeit (Pacific Norm.-Z.) Meteore
Von 12% 0™ bis 1b Om 32
- 1 0 - 154 21
- 154 - 253 (Wolken) (27)
- 2 53 - 3 0 19
- 30 - 4 0 173
- 4 0 - 5 0 297
- 5 0 - § 40 109
Fast die Halfte besass Schweife in allen Abstufungen des Glanzes und in
Länge von 2° bis 15°. Schatzungsweise waren vier fünftel weiss, etliche grün-
lich blau, davon einige mit einer Nüance rot, während zwei rein rot erschienen.
Die geschweiften Meteore liefen sehr rasch in scheinbar grossen Höhen, andere
schienen der Erde nahe zu sein und die kleinen waren kaum länger als eine
halbe Sekunde zu schen.
Ein um 3% 48” beim Sternbild des Löwen auftauchendes Meteor schoss mit
unheimlicher Geschwindigkeit auf einen Punkt mitten zwischen dem Kopf des
Orion und den Hyaden zu, es leuchtete in äusserst glänzendem grünlichblauen
Lichte etwa zwanzigmal heller als die Venus im grössten Glanze. Der Schweif
mag 35‘ breit und 15° lang gewesen sein und blieb nach dem Zerplatzen des
Kerns, das bei dem Stern z im Orion stattfand, noch 10 Minuten lang unbeweglich
stehen, nur verbreiterte er sich auf zwei Grad. Dann verbog er sich und nahm
die Form eines F an, dessen Teile sich langsam ausdehnten (zu einem F). Der
obere Querstrich löste sich dann ab und trieb gegen Aldebaran hin, wo sein perl-
graues Licht erlosch. Der aufrechte Strich wurde immer breiter und dauerte
noch vierzehn Minuten lang, bis er verblasste und verschwand. Ein anderes
grosses Meteor oder Feuerkugel mit nachfolgendem Lichtstreifen kam um 45 Am aus
dem hohen Osten und flog mit rapider Geschwindigkeit zur Schulter des grossen
Bären. Der Kern zerstob in äusserst glänzenden Dunst und verschwand, das
glühende Lichtband verbreiterte und kriimmte sich, sodass es zuletzt die Gestalt
des griechischen Buchstabens £ angenommen hatte; es blieb sechs Minuten hin-
durch in Sicht. Diese beiden Erscheinungen waren die einzigen mit langdauern-
*) Publications of the Astron. Society of the Pacific, Nr. 81.
— 134 —
dem Lichte; die Sichtbarkeit aller übrigen war beschränkt von einer halben
Minute bis herab zu Bruchteilen von einer Sekunde.
Am 13. Nov. 1833 zeigte sich die Leonidenerscheinung in grossartiger Ent-
wickelung am Niagarafall; der Anblick muss nach den damaligen Berichten
gewaltig gewesen sein. Aber wie ist es möglich, dass die überirdische Pracht
hier inmitten der Berge anderswo übertroffen werden könnte? Die Einsamkeit
um die Mitternachtstunde ist erhaben und die Stille Ehrfurcht erweckend. Nun
fülle die Weite des Sternenzeltes aus mit überallhin fliegenden Geschossen, die
hier und dort in glühende Wolken zerplatzen — ein Krieg ohne Spur von Lärm
— und der Eindruck ist überwältigend für Gefühl und Gedanken. Hier, wo das
Schweigen um die dritte Stunde so tief ist, dass eine lebhafte Einbildung Laute
aus den Abgründen der Canons und von den gegenüber aufragenden Granit-
wänden weckt — Stimmen des Unbekannten in der Nacht — und wo die Stille
so vollkommen dass, wenn die Erdachse bei ihrer Drehung Geräusch verursachte,
man es hören würde an diesem Orte, der einzig ist auf der Erde, da ist der
Eindruck eines Leonidenregens mächtiger, als dass die Sprache im Stande wäre,
ihn zu schildern.
Zwischen 1® 54” und 2" bim zog sich um einen Berggipfel eine Wolke zu-
sammen und verdeckte den Löwen, so dass man nur einige wenige Meteore an
den Rändern der Wolke hervorschiessen sah. Lässt man diese Zeit ausser Be-
tracht, so kamen 657 Sternschnuppen in 281 Minuten, also durchschnittlich 274.
pro Minute zum Vorschein. Zwischen 4" und Ah 20” leuchteten fünf in jeder
Minute auf. Der Lauf ging meist vom Löwen gegen Westen und Südwesten,
ausnahmsweise auch gegen Norden. Als der Strahlungspunkt höher gestiegen
war, schienen einzelne Meteore in das ferne Lichtermeer von Los Angeles,
andere in den Ocean, noch andere in die gähnenden Schlünde der Canons zu
fallen — alles Folge der Perspective, denn kein Meteor erreichte die Erdoberfläche.
Ein Versuch, Meteorspectra zu photographieren, misslang. Das Instrument
war auf den Radianten gerichtet, aber kein einziges Meteor kam direct von da.
Als die erwähnte Wolke gegen 3 Uhr verschwunden war, blieb es klar bis zur
Morgendämmerung. Und so ging der merkwürdige Leonidenfall von 1901 vorüber.
ENEE
3 SES Kleine Mitteilangen. SEITE
23333333333333353333333933333333333333333933333333333333333339393
Periodische Kometen im Jahre 1902. Mit Sicherheit lässt sich für das Jahr 1902 nur die
Wiederkehr des „dritten Tempel schen Kometen“ vorhersagen; er wird im Dezember seine
Sonnennähe erreichen und dürfte in grösseren Fernrohren bequem zu beobachten sein. Auch der
Swift'sche Komet 1895 H gelangt im Herbst 1902 wieder ins Perihel, es ist aber ungewiss, ob er
bei seiner ungünstigen Stellung dieses mal sichtbar sein wird. In der Regel vergehen bei den
periodischen Kometen mchrere Umldufe, bis sie wieder in so günstige Lage kommen, dass sie
unseren Fernrohren erreichbar werden. So ist auch der 3. Tempel’sche Komet in den Jahren 1869,
1880 und 1891 gesehen worden, in den Jahren 1875, 1886 und 1897, wo er ebenfalls seine Sonnen-
nähe passierte, jedoch der Erde zu fern geblieben. Nur der Eucke'sche Komet ist seit 1818 bei
jeder Wiederkunft beobachtet worden, zuletzt im vergangenen Jahre 1901.
x *
á i
Eine Geschichte und Statistik der kleinen Planeten giebt Herr Prof. J. Bauschinger
in den „Veröffentlichungen des Kgl. Astronomischen Rechen-Institutes zu Berlin“ Nr. 16. Die Tabellen
enthalten von 463 bis zum Ende 1900 entdeckten Planetoiden die Entdeckungsdaten, Grössen und die
Bahnelemente; 19 weitere Glieder der Gruppe sind wegen Unvollkommenheit der Bahnberechnung
— 13% —
nicht numeriert. Verschiedene Tabellen veranschaulichen die Verteilung im Rayme und die Formen
(Excentricitäten) der einzelnen Bahnen. Das Jahr 1901 hat 36 anscheinend neue Planetoiden
gebracht, doch dürfte kaum für die Hälfte das zur Ermittelung der Bahnelemente erforderliche
Beobachtungsmaterial vorhanden sein; dem letzten gesicherten Gliede der Gruppe käme somit unge-
fähr die Nr. 480 zu. * g *
Durchmesser von Planetenmonden. Neuerdings hat Prof. See in Washington Durchmesser
von Planeten und von Satelliten am Tage gemessen, das heisst in der Stunde unmittelbar vor und
nach Sonnenuntergang, wenn der Himmelsgrund noch so hell war, dass die Gestirne sich nur wenig
davon abhoben. Dabei fällt die scheinbare Vergrösserung fast ganz weg. die jede helle Fläche
auf dunklem Hintergrunde erfährt. Da um die genannte Tagesstunde die Luft sehr ruhig zu sein
pflegte, so waren auch aus diesem Grunde die Messungen sehr sicher. Für die Jupitermonde und
den Saturnmond Titan fand See jetzt (Astr. Nachr. Nr. 3764.) folgende Durchmesser:
I. Jupitermond D = 3145km d = 3,3
Il. „ 2817 „ 3,8
In. 5 4770 , 2,7
IV. „ 4408 , 0,9
Titan 5049 , 1,8
Unter d ist die Dichte des betreffenden Trabanten angegeben, wobei die Dichte des Wassers
als Einheit gilt. Die mittlere Dichte des Jupiters ist 1,36. die des Saturn 0,63. Diese Monde sind
also, mit Ausnahme des IV. Jupitertrabanten, dichter als ihre Planeten, während beim Erdmond
das Gegenteil der Fall ist. — Auch den Saturnmond Japetus sah Prof. See deutlich als Scheibchen,
doch konnte er den Durchmesser nur schätzen; dieser wäre etwa 1500 bis 2000 km gross.
* %
x
Der veränderliche Stern S Persei, dessen Helligkeit zwischen 8. und 13. Grösse schwankt,
besitzt nach einer Untersuchung von J. G. Hagen S. J. eine Lichtwechselperiode von über zwei
Jahren. Die Periode scheint seit 1830 erheblich abgenommen zu haben, die Zwischenzeiten zwischen
den einzelnen Helligkeitsmaxima betrugen nämlich der Reihe nach 31, 28, 28, 29, 27, 26, 26 und 24
Monate. Dies ist die längste bis jetzt nachgewiesene Periode; am nächsten kommen die Perioden der
Veränderlichen S Cassiopeiae (610 Tage), V Hydrae (575 T.) R Centauri (569 T.) und V Delphini (540 T.)
* %
*
Ueber die Strahlung des Quecksilbers im magnetischen Felde haben die Herren Professor
Runge und Professor Paschen der Berliner Akademie eine Abhandlung vorgelegt, in der der
Zusammenhang der von Zeemann entdeckten Spaltung der Spectrallinien im magnetischen Felde
mit den „Serien“ untersucht wird. Die Abstände der Componenten der Quecksilberlinien bei einer
Feldstärke von 24600 C.G.S. sind gemessen. Die Linien, die zu derselben Serie gehören, zerfallen
in derselben Weise in Componenten mit den gleichen Abständen, wenn man sie in der Scala der
Schwingungsdifferenzen zeichnet. Die verschiedenen Serien geben verschiedene Typen von Zer-
legungen. (Vergl. „Weltall“, Jg. 1,S.77.) e S *
j Amerikanische Spenden für wissenschaftliche Institute findet man in der englischen
Zeitschrift „Nature“ häufig angeführt. Folgende Zusammenstellung umfasst die im Jahre 1901 bekannt
gewordenen Gaben.
Spender Empfänger Betrag
John D. Rockefeller Universität Chicago 1 500 000 Doll.
ue a > Vermont Acadenıy 15000 ,
DE 3 Carson & Newman College (!) 15000 ,
D. K. Pearsons Colorado College 5U 00O ,
Se 8 Northwestern University 830 000 ,
a R Carleton College 50000 ,
SC 2 ungenanntes Institut 200 000 ,
Leon Mandel Universität Chicago 25000 „
J. D. Archbold Syracuse University (!) 400 000 ,
A. Carnegie Upper Jowa University 225 U00 ,
2 = Aurore College DU OOO ,
5 š Carnegie Institut, Pittsburg 200 000 ,
ä S Neue techn. Schule, Pittsburg 200 000 ,»
E. C. u. J. A. Ericsson Augustana College 30 000 ,
Randolph Morgan Univ. of Pennsylvania 200 000 ž ,
J. Pierpont Morgan Harvard Medical School 1 000 UUU „
— 136 —
Spender Empfänger Betrag
Mrs. Anna Hough Univ. South California (!) 65660 Doll.
Lewis Severance Oberlin College 40600 ,
J. Jefferson Coolidge Harvard College 50000 ,
Verschiedene Wellesley College 100 000 ,
N Carleton College 10000 ,
Ungenannt Colorado College 100 000
Insgesamt betragen diese Geschenke 4645000 Dollar. Davon sind die mit (!) bezeichneten
Gaben (480600 Doll.) nur unter der Bedingung zugesagt, dass von anderer Seite ähnliche Summen
aufgebracht werden, die zusammen über eine halbe Million Doll. betragen würden.
An einer Stelle giebt die „Nature“ folgende Uebersicht über die grössten Spenden, welche
einzelne wissenschaftliche Anstalten bisher erhalten haben:
Institut Spender Betrag
Universitat Chicago Rockefeller 9 134000 Doll.
Gerard College Stephen Gerard 7 000 000 ,
Pratt Institute Charles Pratt 3600 00 ,
Johns Hopkins Institut John Hopkins 3000000 ,
Drexel Institut A. J. Drexel 3000000 ,
L. Stanford Universitit Leland Stanford jun. 2500000 ,
Cornell Universitat Ezra Cornell 1500000 ,
Vanderbilt Universitat Die Vanderbilts 1100000 ,
Columbia Universitat Seth Low 1000 000 „
Dies giebt in Summa gegen 134 Millionen Mark, während die Gaben vom Vorjahre allein
wenigstens 17 Millionen, mit den bedingungsweise zugesagten und den anderseitig aufzubringenden
Geldern 22 Millionen Mark ausmachen würden. Die 30 Mill. Dollar-Schenkung der Mrs. Stanford
(s. Weltall II, S. 84) ist hierbei noch nicht eingerechnet! | A. Berberich.
N
Dem Komitee fur die Erbauung der Vortragshalle der Treptow -Sternwarte sind noch
beigetreten: Gräfin S. Brockdorff, Charlottenburg, Prof. William Pape. Geh. Reg Rat Prof.
Hermann Ende, Präsident der Kgl. Akademie der Künste.
Li *
Viertes Verzeichnis von Beitragen zur Errichtung der Vortragshalle derTreptow-Sternwarte.
70. Elektrizitats - Aktiengesellschaft, | 77. Staatsminister v. Podbielski, Exc.,
vorm. Schuckert & Co., Berlin . 200 M. Berlin se w A en AA 20 M.
71. Geh. Baurat, General-Direktor Emil 78. Fräulein Elise Koenigs, Berlin . 20 -
Rathenau, Berlin . . . . . . 100 - | 79. J. Schwarz, Treptow . . ... 20 -
72. Bernhard Lilienfeld, Berlin. . 100 - 80. Prof. Dr. F. Kohlrausch, Präs. der
73. L.Zuckermandel, i. F. C. Schle- Phys.- Techn. Reichsanstalt, Char-
singer, Trier & Co., Berlin . . . 100 - lottenburg . . s. . 2 2 2 ee ‘ť 10 -
74. Gemeindevorstand Ober-Schöne- 81. Fräulein Anna Saegert, Berlin . 10 -
Weile o va ce. nee An 50 - 82. Stadtrat Dr. Münsterberg, Berlin 5 -
75. Gemeindevorstand Nieder-Schön- 735 M.
hausen a ee ah zit E ri 50 - Die Summe der früheren Spenden betrug: 6773 -
76. Baumeister L. Zeitler, Berlin . . 50 - Insgesamt: 7508 M.
Allen freundlichen Zeichnern sprechen wir den wärmsten Dank für diese Bethätigung ihres
Interesses aus.
Weitere Beiträge nimmt die „Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius & Co.,
Berlin W., Charlottenstrasse 35a“ und die „Deutsche Bank, W., Behrenstr. 8-13“, entgegen.
„LERESESEESELESESEEESELESESESSEESEEEELEEESEEEESESEEESESEEEEE
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Professor Dr. Hermann Kobold, Observator der Universitäts-Sternwarte zu Strassburg i. E.,
hat einen ehrenvollen Ruf als Observator an die Sternwarte und die Universitat Kiel angenommen.
Privatgelehrter Wilhelm Winkler, der eine eigene ‚Sternwarte in Jena besitzt, ist von der
philosophischen Fakultät der Universität in Jena wegen seiner hervorragenden wissenschaftlichen
Leistungen auf dem Gebiet der Astronomie zum Ehrendoktor promoviert worden.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F, S. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
EEE Herausgegeben von |
2. Jahrgang 12.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 März 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monals. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. 1, Seite 60.—,1/, Seite 30.—, 1, Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
3. Ueber eine ausgedehnte Sonnenfleckengrup pe in hoher
1. Prücisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge des heliocentrischer Breite am 5. März 19112. Von Direktor
Lichts. Von Prof. Dr. E Gumlich, Mitglied der F. S. Archenhold . . . 2. 2 2... 149
Physik.-Technischen Reichsanstalt . . . . . . . 137 4. Kleine Mitteilungen: Unsere Beilage: Ballunfahrt des
2. Ueber die scheinbare Abflachung des Ilimmiels- Luftschiffers Blanchard von der Sternschanse zu
gewölbes und die Vergrösserung der Geslirne am Hamburg am 23. August 1786. — Bemerkung su
Horizont. (Schluss) Von Alfred Arendt. . . . . 143 „Weineks Mondstudien“ . . . 2 2 2 2 22000... [150
Bräcisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge des kichts.
Von Prof. Dr. E. Gumlich.
WW hätte nicht schon staunend durch eines der Wunderwerke wissen-
schaftlichen Scharfsinns und technischer Geschicklichkeit, das Mikroskop,
veblickt, das im winzigen Wasscrtropfen eine unsichtbare Welt vor uns lebendig
werden lässt, das uns den Aufbau der Pflanzen- und Tierkörper aus ihren
kleinsten Bestandteilen, den Zellen, kennen lehrt, das der Medizin durch Ent-
hüllung der minimalen, und doch so unheilvollen Krankheitserreger völlig neue
Bahnen eröffnet hat und so indirekt zu einem der wichtigsten Faktoren für das
Wohl und Wehe der gesamten Menschheit geworden ist? Ja, keine Wissenschaft
kann heutzutage auf die Hilfe des Mikroskops verzichten, und auch die Physik
bedient sich desselben in zahlreichen Fällen, wo das unbewaffnete Auge den
kleinen Veränderungen in der Molekularstruktur oder der äusseren Gestalt der
Körper nicht zu folgen vermag. Ein Beispiel wird dies ohne weiteres klar machen:
Jedermann weiss, dass sich die festen Körper mit steigender Temperatur
ausdehnen. Aus diesem Grunde crhitzt der Schmied das Eisen, das er um
das Rad zu legen hat, denn der Reifen, der sich in heissem Zustande bequem
über den Radkranz ziehen lässt, sitzt nach dem Erkalten so fest, als wäre er
mit dem Rade verwachsen. Aus demselben Grunde pflegt man zwischen den
einzelnen Eisenbahnschienen einen kleinen Zwischenraum zu lassen, damit sich
die Schienen im heissen Sommer ausdehnen, im Winter dagegen zusammen-
ziehen können, ohne durch einen Bruch das Leben der Reisenden zu gefährden.
Nun genügt es aber keineswegs, zu wissen, dass cine derartige Längenänderung
mit dem Wechsel der Temperatur eintritt, wir müssen vielmehr auch die Grösse
und die Gesetzmässigkeit dieser Aenderungen kennen, um sie vorkommenden
Falles in Rechnung ziehen zu können. Hier hilft uns nun schon das Mikroskop:
Wir bringen beispielsweise auf zwei aus identischem Matcrial hergestellten
Stäben bei der gleichen Temperatur zwei feine Strichmarken im Abstande von
je einem Meter an, legen beide Stäbe neben einander in zwei Tröge, und zwar
den einen in schmelzendes Eis, den andern in eine Flüssigkeit, die wir auf cine
— 138 —
höhere Temperatur erwärmen, und stellen nun die Faden zweier im Abstand von
1 m befindlichen, fest mit einander verbundenen Mikroskope auf die Striche des
kälteren Stabes ein. Verschieben wir dann den zweiten Trog so weit, dass
wir die Striche des wärmeren Stabes ins Gesichtsfeld bekommen, so bemerken
wir, dass diese nun nicht mehr mit den Mikroskopfäden zusammenfallen; wir
müssen diese letzteren vielmehr um einen gewissen Betrag seitlich verschieben,
den wir mit Hülfe feiner Mikrometerschrauben genau messen Können. Dieser
Betrag ist es aber gerade, den wir suchen; wir finden also beispielsweise, dass
die Verlängerung eines 1 m langen Eisenstabes bei einer Temperaturerhöhung
um 50° rund 0,6 mm beträgt; bei einem Stab aus Aluminium würden wir 1,16 mm,
bei einem Kupferstab 0,85 mm, bei einem Stab aus Gold 0,73 mm, und bei
einem solchen aus Platin nur 0,46 mm erhalten. Mit anderen Worten: Ein Platin-
stab verlängert sich bei einer Temperaturerhöhung um 1°C. etwa um das
0,000 009 fache. |
Aber Platin und Gold sind teuer und meterlange Stäbe nicht so leicht zu
beschaffen; bei anderen Substanzen, wie Krystallen u. dergl., ist es geradezu
unmöglich, längere Stücke zu erhalten. Wollten wir uns aber mit der Länge von
1 cm begnügen, so würden wir bei einer Erwärmung um 50° bis 100°, die sich
etwa bei der eben beschriebenen Methode noch verwenden liesse, nur eine
Längenänderung von höchstens einem Hundertstel Millimeter erhalten; hierbei
aber machen die unvermeidlichen Beobachtungsfehler schon einen recht beträcht-
lichen Teil der ganzen zu messenden Grösse aus. Mit anderen Worten: Wir
sind für den vorliegenden Zweck bereits an der Grenze der Leistungsfähigkeit
des Mikroskops angelangt, und müssen entweder Unsicherheiten von etwa 10%,
mit in den Kauf nehmen oder uns nach einer anderen, leistungsfähigeren
Methode umsehen. Thatsächlich existiert nun eine solche, von Fizeau angegebene
Methode, welche auf der Interferenz des Lichtes beruht.
1. Das Abbe-Fizeau’sche Dilatometer.
Bekanntlich fasst man nach der Huyghens’schen Theorie das Licht als
wellenförmige Bewegung einer den ganzen Weltraum erfüllenden, unendlich
feinen Materie, des Lichtäthers, auf, und zwar erfolgt die Bewegung der einzelnen
Aetherteilchen senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung des Lichtes. Denken wir
uns nun, ein derartiges Aetherteilchen schwinge unter dem Einflusse einer
Lichtquelle von ganz bestimmter Farbe, z. B. des gelben Natriumlichtes, hin und
her, und wir senden nun auf irgend einem Umwege, etwa nach der Reflexion
an einer spiegelnden Fläche, einen zweiten von demselben Punkte unserer Licht-
quelle ausgehenden Strahl nach demselben Aetherteilchen, so kann dieser zweite
Strahl die schon vorhandene Bewegung des Actherteilchens vermehren oder ver-
mindern, ja ganz aufheben, je nachdem die Impulse, welche das Aetherteilchen
in demselben Moment durch die beiden Lichtbewegungen erhält, einander gleich-
gerichtet oder entgegengesetzt gerichtet sind. Im ersteren Falle werden wir
eine vermehrte, im anderen cine verminderte Helligkeit oder sogar vollständige
Dunkelheit erhalten, so dass hier, so unwahrscheinlich es auch klingt, Licht zu
Licht gefügt Dunkelheit ergicbt.
Hierauf beruht z. B. die bekannte Erscheinung der Newton’schen Ringe.
Legt man nämlich eine schwach gekrümmte Konvexlinse auf eine ebene Glas-
platte und lässt von oben das Licht einer monochromatischen (einfarbigen) Licht-
quelle, etwa wieder Natriumlicht, darauf fallen, so sieht man ein System von
— 199 —
konzentrischen, hellen und dunklen Ringen (Fig. 1)*), welche dadurch zu Stande
kommen, dass die Bewegung der Aetherteilchen, die von den an der Unterseite
der Linse reflektierten Strahlen herrührt, durch die an der Oberseite der Glas-
platte reflektierten Strahlen gestört wird,
oder, dass die Strahlen, wie man sich aus-
drückt, interferieren. An den Punkten
nun, wo die durch die beiden Licht-
bewegungen hervorgerufenen Schwingungs-
zustände des Aetherteilchens, die Phasen,
einander gleich sind, erhalten wir Hellig-
keit, an den Stellen, wo sie entgegen-
gesetzt sind, Dunkelheit, und da bei der
gleichförmigen Krümmung der Linse die
hellen und dunklen Punkte sich sym-
metrisch um den Mittelpunkt gruppieren,
so sehen wir eben die erwähnten hellen
und dunkelen Ringe.
Eine ganz analoge Erscheinung tritt
auf, wenn wir statt der Glasplatte und
Linse zwei ebene Glasplatten verwenden, die nur sehr wenig gegen einander geneigt
sind. Die entstehenden Interferenzstreifen verlaufen dann in gleichen Abständen
von einander parallel zur Kante des zwischen den beiden Platten befindlichen
Luftkeils, und zwar interferieren hier
wieder die von der unteren Fläche
der oberen Platte reflektierten Strahlen
mit denjenigen, welche von der oberen
Fläche der unteren Glasplatte reflek-
tiert wurden. Nun hat aber der an
der unteren Platte reflektierte Strahl
ABCD E FG (Fig.2) einen längeren Weg
zu durchlaufen, als der an der oberen
Platte reflektierte A’ B'E FG, da er
ja auch noch die zwischen den beiden
Platten befindliche Luftschicht zwei
Mal durchsetzen muss, und zwar wird
diese Wegdifferenz um so grösser, je
Fig. 2. weiter das Strahlenpaar nach der
dickeren Seite des Luftkeiles hinrückt; da aber derselbe Schwingungszustand
des Actherteilchens immer wieder eintritt, wenn die Weglänge des Lichtstrahls
sich um eine ganze Wellenlänge (etwa ein halbes Tausendstel Millimeter) ändert,
so ist wohl umgekehrt auch ohne weiteres klar, dass sich die Weglänge des an
der unteren Platte reflektierten Strahls von einem hellen Streifen zum anderen
oder von einem dunklen Streifen zum andern gerade um eine ganze Wellenlänge
vergrössert haben muss.
Denken wir uns nun, dass wir die obere Glasplatte parallel zu sich selbst
ganz langsam von der unteren Platte entfernten, so wird natürlich auch hier-
durch die Wegdifferenz zwischen den oben und unten reflektierten Strahlen
Fig. 1.
*) Die Figur ist dem Lehrbuch von Müller-Pouillet entnommen,
— {140 —
kontinuierlich geändert. Somit wird, wenn das Licht nahezu senkrecht einfällt,
bei der Vergrösserung des Plattenabstandes um !/, Wellenlänge, d. h. um etwa
ein Zehntausendstel Millimeter, an der Stelle ein dunkeler Streifen auftreten,
wo wir vorher einen hellen beobachteten, denn die Weglänge des zweiten Strahls
zwischen den Platten hat sich ja beim Hin- und Rückgang um eine halbe
Wellenlänge vergrössert; die interferierenden Strahlen treffen also nicht mehr
mit der gleichen, sondern mit entgegengesetzter Phase zusammen. Bei einer
weiteren Verschiebung um !/, Wellenlänge wird man an derselben Stelle wieder
einen hellen Streifen beobachten und so fort; mit anderen Worten: Die Inter-
ferenzstreifen werden bei einer stetigen Vergrösserung des Plattenabstandes an
‘einem Punkte der oberen Platte, den wir uns durch eine Marke bezeichnet
denken wollen, vorbeiwandern. Umgekehrt aber können wir nun auch aus der
Anzahl der Streifen, welche an der Marke vorüberzogen, ohne Weiteres be-
stimmen, um welchen Betrag die Platten auseinandergerückt sind. Beträgt diese
Anzahl n, so hat sich eben der Plattenabstand um n. 2 vergrössert, wenn 4 die
2
Wellenlänge der betreffenden Lichtart bezeichnet.
Nun hängt aber, wie ohne Weiteres klar ist, die Breite der Streifen von der
Neigung der beiden Platten gegen einander ab. Wählen wir diese Neigung klein
genug, dann werden die Streifen so breit, dass man die Verschiebung der
Streifen noch ungefähr bis auf ein Hundertstel ihrer Breite messen kann; dies
entspricht aber einer Vergrösserung des Plattenabstandes von ungefähr 2 bis
3 Millionstel Millimeter, also einer Grösse, die wir auch mit dem stärksten
Mikroskop gar nicht mehr wahrnehmen könnten.
Wir denken uns nun die obere Platte getragen durch drei auf der unteren
Platte ruhende Metallstützen von nahezu der gleichen Länge; dann werden die
Platten nur wenig gegen einander geneigt sein und wir erblicken bei Beleuch-
tung mit vollständig einfarbigem Licht das erwähnte System von Interferenz-
streifen. Wenn wir jetzt den kleinen Apparat erwärmen, dann dehnen sich die
Stützen etwas aus, die Streifen wandern an einer auf der unteren Fläche der
oberen Platte angebrachten Marke vorüber, und wir brauchen nur die Anzahl
der vorüberwandernden Streifen abzuzählen, um aus der bekannten Länge der
Stützen und der gemessenen Temperaturdifferenz die Ausdehnung der Metall-
stützen zu berechnen.
Eine derartige kleine Vorrichtung ist in Fig. 3 abgebildet. Dieselbe besteht
aus einem Tischchen aus Platin-Iridium oder einer anderen on. Substanz,
dessen Platte T an der Oberseite genau eben geschliffen mm
und poliert ist, so dass sie die Stelle der unteren Glas-
platte in der oben beschriebenen Anordnung vertritt.
Die die Tischplatte durchsetzenden Füsse sind mit
einem Schraubengewinde versehen, mit Hilfe dessen
der Abstand und die Neigung der oberen Deckplatte P
beliebig geändert werden kann. Denken wir uns nun
zunächst den in der Figur eingezeichneten Körper O % "e
entfernt, so können wir auf dem oben beschriebenen e
‚Wege zunächst die Ausdehnung des zwischen den beiden Fig. 3.
Platten befindlichen Teils der Schrauben ermitteln. Hat man diese gefunden, so
lässt sich auch die Ausdehnung eines beliebigen anderen Körpers mit annähernd
der gleichen Genauigkeit bestimmen. Zu diesem Zwecke schneidet man aus
141
Fig. 4.
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Abbe-Fizeau’sches Dilatometer Or: nat. Grösse).
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dem zu untersuchenden Körper eine planparallele Platte O (Fig. 3), legt dieselbe
auf drei kleine, aus der Platte des Tischchens T hervorragende Spitzen und be-
obachtet nun das Streifensystem, das durch Reflexion an der unteren Fläche
von P und der oberen Fläche von O entsteht. Auch in diesem Falle wird sich
bei einer Erwärmung des Apparates das Streifensystem verschieben, aber im
Allgemeinen um einen viel geringeren Betrag, denn da sich nun die Schrauben
und der Körper gleichzeitig ausdehnen, so entspricht die Dickenänderung der
Luftschicht zwischen den reflektierenden Flächen der Differenz zwischen der
Ausdehnung der Schrauben und des Körpers O. Da man jedoch die Ausdehnung
der Schrauben allein bereits kennt, so lässt sich aus dieser Differenz auch die
r
Fig. 5.
Ausdehnung des Körpers allein berechnen, und zwar kann man sich dabei mit
recht geringen Dimensionen begnügen, denn man erhält nach dieser Methode
die Ausdehnung eines ca. 1 Centimeter hohen Körpers ungefähr mit der gleichen
Genauigkeit, wie nach der früher erwähnten Methode mit einem Stab von
1 Meter Länge. Hierzu tritt noch der Vorteil, dass für einen derartig kleinen
Körper auch bei stärkerer Erwärmung eine gleichmässige Temperatur viel leichter
herzustellen ist, als für lange Stäbe.
In Fig. 4 ist die Gesamtansicht, in Fig.5 die optische Einrichtung eines
solchen Apparates, wie er von der Firma Zeiss in Jena nach den Angaben von
— 148 —
Prof. Abbe hergestellt wird, wiedergegeben*). Das aus einer mit Quecksilber ge-
füllten Hförmigen Geisslerschen Röhre stammende Licht wird durch die Linse L
auf ein kleines, total reflektierendes Prisma P konzentriert, welches die mit einer
Irisblende versehene Oeffnung / zur Hälfte verdeckt. Diese Oeffnung befindet
sich im Brennpunkte einer Linse O, aus welcher also das Licht parallel austritt.
Nach der Zerlegung durch die beiden Prismen P, und P, gelangt es senkrecht
nach unten auf den oben beschriebenen Interferenzapparat T und von hier aus
auf demselben Wege wieder zurück durch den freien Teil der Oeffnung / zum
kleinen Fernrohr F, mit Hilfe dessen die Interferenzstreifen beobachtet werden.
Da nach der Zerlegung des Lichts die verschiedenfarbigen Strahlen des
Quecksilberlichts divergieren, so wird nur eine einzige Lichtart, beispielsweise das
der grünen Linie 1=535 uu, senkrecht auf den Apparat auftreffen und ebenso
reflektiert werden. Die den übrigen Quecksilberlinien angehörenden Strahlen
dagegen treffen schief auf und werden seitlich gegen die Röhrenwand abgelenkt,
so dass sie die Beobachtung nicht stören. Durch Heben und Senken des Colli-
motorrohrs mittels der Schraube S kann man aber jede einzelne Lichtart nach
der anderen ins Auge gelangen lassen und somit ohne Aenderung der Licht-
quelle die Interferenzen rasch und bequem mit Licht ganz verschiedener Wellen-
lange beobachten.
Diese von Abbe eingeführte Einrichtung hat eine sehr wesentliche Be-
deutung: Würde man nämlich nur Licht einer einzigen Wellenlänge bei der
Beobachtung verwenden, so müsste man, wie dies thatsächlich von Fizeau,
Benoit u.a. zuerst ausgeführt wurde, die sämtlichen während der Erwärmung
an der Marke vorüberwandernden Interferenzstreifen auch wirklich abzählen,
was nicht nur äusserst anstrengend ist, sondern auch leicht zu Irrtümern Ver-
anlassung geben kann. Bei der Verwendung mehrerer Lichtarten von bekannter
Wellenlänge dagegen lässt sich aus der relativen Lage der Streifen verschiedener
Farbe zu der Marke mit Hilfe einer Art von diophantischer Gleichung die An-
zahl der vorübergewanderten Streifen nachträglich mit vollständiger Sicherheit
bestimmen, so dass also eine Beobachtung am Anfang und am Ende der Er-
wärmung ausreicht.
Auf die Einzelheiten des interessanten Apparats, wie die mikrometrische
Bestimmung des Abstands der Marke von den benachbarten Interferenzstreifen,
die Erwärmungseinrichtungen u. s. w., wollen wir hier nicht näher eingehen,
sondern lieber einen Blick werfen auf eine andere, nach ähnlichen Prinzipien
ausgeführte Messung, die in der ganzen physikalischen Welt berechtigtes Auf-
sehen erregt hat. (Fortsetzung folgt.)
Geber die scheinbare Abflachung
des Himmelsgewölbes und die Vergrösserung der Gestirne am Horizont.
Von Alfred Arendt. (Schluss.)
Wi kommen zur Vergrösserung von Sonne, Mond und den Sternen
am Horizont.
Was zunächst die direkte Beobachtung angeht, so ist auch hier zu kon-
statieren, dass hier der Eindruck variiert, allerdings weniger als bei
*) Die Figuren 3 bis 5 sind dem Aufsatze von Pulfrich „Ueber das Abbe-Fizeau'sche Dilato-
meter“, Zeitschr. f. Iustrumeutenk. 1893, entnommen.
— i4 —
der Abflachung. Sehr erschwerend ist hier aber, dass man nie gleichzeitige
Vergleiche machen, sondern nur gedächtnismässige Eindrücke vergleichen
kann. Den Wert, den Prof. Reimann angiebt, eine Vergrösserung von 3,5 am
Horizont, kann ich nur als Maximalwert zulassen, und die Personen, die ich
über den bezüglichen Eindruck befragte, erklärten, noch nie eine solche Ver-
grösserung gesehen zu haben. Ihre Angaben schwankten zwischen 1,6 und 2,0
im Mittel 1,8. Auch ich habe einen solchen Eindruck der Vergrösserung von
Sonne und Mond am Horizont. Auch ich habe eine solche Vergrösserung von
3,5 höchst selten gesehen. Die von mir geschätzten Werte schwanken zwischen
1,5 und 2,3.
Die Uebereinstimmung der Zahlen mit den Abplattungswerten ist ziemlich
auffallend, wenn wir bedenken, dass die Gestirne, Sonne und Mond am Horizonte
bei völlig wolkenbedecktem Himmel nicht gesehen werden, der doch die grösste
Abflachung hat, sondern dass man sie gewöhnlich bei Abflachungseindrücken
zwischen 1,3 und 2,3 sieht. Schon hieraus also drängt sich uns der oft geäusserte
Gedanke des Zusammenhangs beider Phänomene auf.
Zunächst verdient aber auch bemerkt zu werden, dass die Ge-
stirne (Sterne) am Horizonte nie so stark vergrössert erscheinen als
Sonne und Mond. Dies liegt eben an dem Zusammenhang des Vergrösserungs-
eindruckes mit dem Abflachungseindruck. In der Nacht ist der Abflachungs-
eindruck oft nur 1:1,1, also auch der Vergrösserungseindruck gering. Relativ
noch am stärksten erscheinen die Sternbilder in der Dämmerung am Horizont
vergréssert. Dann werden auch an den Gestirnen Vergrösserungseindrücke von
etwa 2,5 beobachtet.
Ich konstatiere ferner: Sonne, Mond und Gestirne erscheinen uns
infolge dieser scheinbaren Vergrésserung am Horizont nicht ferner
(wie die alten Erklärer und Reimann behaupten), sondern näher, und
um so viel näher, als sie grösser erscheinen.
Diese Thatsache ist unfraglich richtig und ist mir von fast allen Laien, die
ich danach befragt habe, bestätigt worden" Ihr Gegenteil ist wohl von den
bisherigen Erklärern nur deshalb behauptet worden, weil diese die Behauptung
des Fernerseins am Horizont zu ihren Erklärungen zu brauchen glaubten. Als
ich einst als Knabe den Mond in einer klaren Nacht aufgehen sah und er mir
ungemein gross erschien (ich habe ihn wohl niemals sonst so stark vergrössert
gesehen), da hatte ich den Gedanken, er müsste jetzt, im Fernrohr betrachtet,
einen vortrefflichen Anblick bieten, weil er so viel näher sei. Ich führe das nur
an, weil es ein Beweis ist, dass ein unbefangener Beobachter gerade bei
sehr starker Vergrösserung thatsächlich den Eindruck starker Annäherung des
Gestirnes am Horizont haben kann. Und ich versichere, dass ich wohl stets am
Horizont stehende Gestirne für näher, niemals aber für ferner hielt.
Wenn ich übrigens jetzt den Mond am Horizont erblicke, sehe ich ihn nicht
mehr so viel vergrössert wie früher. Ich führe das an, weil mir erscheint, als
*) Zoth hat eine Rundfrage bei etwa hundert Personen veranstaltet, welche ergab. dass allen
der Mond am Horizonte rein und gross und viel näher erschienen sei als am Zenit.
Ferner bemerkt Klügel: Verschiedene aber, die ich um ihre Empfindung befragt, versichern
das Gegenteil (nämlich dass der Mond am Horizont näher erscheint) und ich möchte selbst ihnen
wohl beitreten.
Auch andere Gelehrte sind derselben Meinung. (Siehe Zeitschrift für Psychologie und Phy-
siologie der Sinnesorgane, Aufsatz von Prof. W. von Zehender.) i
— 14 —
ob die andauernde Beobachtung dieser Phanomene verbunden mit dem Ge-
danken, dass sie uns optische Tauschungen wären, vermindernd und abschwächend
auf die Eindrücke wirken*). Diese Erscheinung, wofern sie reell ist, thut dar,
dass es sich hier nur um Vorstellungen handelt und spricht sehr für die zum
Schluss von mir ausgesprochene Behauptung.
Nun zur Erklärung dieser Vergrösserung. Der allgemeine Gedankengang
und die Grundlage der Erklärung ist hauptsächlich in folgendem angegeben:
Wenn wir beispielsweise den Mond auf dem Horizont erblicken, so ist einer-
seits zu bedenken, dass er genau so viel Prozent der Himmelsfläche bedeckt,
wie wenn er am Zenit steht, dass er aber auf einem ferneren Himmelshinter-
grund zu stehen scheint. Wir erwarten, dass er hier kleiner aussehen sollte,
und halten ihn demnach für soviel mal vergrössert, als wir das Himmelsgewölbe
für ferner halten. Ausserdem aber schätzen wir die Partien des Himmels am
Horizont für grösser als sie sind (aus Gründen, die noch angeführt werden
sollen); also vergrössern wir auch den als Teil des Himmels betrachteten Mond.
Durch den Eindruck der Vergrösserung wird uns aber wiederum ein Eindruck
der Annäherung hervorgerufen, der nun aber keineswegs etwa den Eindruck der
Abflachung aufhebt, da er ja nicht in bewusstem Zusammenhange mit diesem
steht und auch sonst vorstellungsmässig durch nichts mit ihm verknüpft ist;
wir halten eben das Himmelsgewölbe in allen seinen Teilen für näher gerückt
unter Belassung seiner abgeflachten Form.
Dass das Himmelsgewölbe in der That ferner erscheint, wenn
Sonne und Mond im Zenit stehen, dass es dagegen sehr nahe gerückt
erscheint, wenn Sonne und Mond am Horizont stehen, ist eine That-
sache, auf welche ich zwar meines Erachtens nach zuerst hinweise,
welche aber jeder an zwei beliebigen klaren Tagen konstatieren kann.
Ich erinnere nur an zwei Eindrücke, den einer Dämmerung, wenn der
Mond soeben aufgeht, und den einer Mondnacht, wenn der Vollmond nahe dem
Zenit steht. In letzterer erscheint das Himmelsgewölbe abnorm fern.
Die Thatsache zeigt aber deutlich, dass wir die Entfernung von Sonne und
Mond mit der des Himmelsgewölbes identifizieren, und dass die Gestirne uns
am Horizont wirklich näher erscheinen als am Zenit.
Hierher gehört auch folgender Versuch:
Man nehme eine Münze und halte sie gegen den Himmel. Man betrachte
zunächst diesen selbst und man findet, dass die Münze am Himmel nahe dem
Zenit ein relativ grösseres Stück zu verdecken scheint als am Horizont. Be-
trachtet man aber die Münze selbst, so erscheint sie am Horizont grösser und
näher als am Zenit.
Dieser Versuch zeigt, dass wir die Raumteile am Zenit mehr
zusammengedrängt sehen als am Horizont.
Dies bestätigt auch die bekannte, von Smith und Reimann, erwiesene That-
sache, dass wir, wenn man uns auffordert, die Mitte zwischen Zenit und
Horizont, also den Winkel von 45° zu zeigen, durchgehends viel zu tief, etwa
einen Winkel von 23° zeigen. Auch hier sehen wir die Gegenden am Horizont
grösser und ausgedehnter als die am Zenit.
*) Ein Aehnliches scheint bei der Abschätzung der scheinbaren Höhe von 450 der Fall zu
sein. Hier handelt es sich dann bei mathematisch geübten Beobachtern, die nämlich den Winkel
richtiger schätzen, um eine Ausschaltung der falschen Vorstellung.
— 16 —
Wie ist nun diese Erscheinung zu erklären? Offenbar hängt auch mit ihr
direkt die Vergrösserung der Gestirne am Horizont zusammen. Auch diese er-
scheinen am Zenit mehr zusammengedrängt, am Horizont mehr auseinander-
gezogen.
Schmidt, Kämtz und Reimann geben ziemlich zutreffend als Grund an, dass
wir die Gestirne auf den Himmelshintergrund projizieren, indem wir sie weiter
entfernen. Aber sie stellen dies, wie mir scheint, nicht in allen Teilen einwand-
frei dar. Die Objekte am Horizont erscheinen näher, das ist dabei zu beachten.
Es machen sich auch hier, wie ich zu finden glaube, mehrere Momente geltend.
Die grosse Himmelsfläche ist gewöhnlich gleichmässig in eintönigem Blau
gefärbt. Sie erscheint nur als eine Fläche. Auf der Erdoberfläche aber gewahren
wir nach allen Richtungen hin eine grosse Anzahl von Einzelheiten, Körper an
Körper, Gegenstände von uns bekannter Grösse, die für uns alle eine Bedeutung
haben. Wir sehen am Horizont Objekte, von denen wir wissen, dass sie gross
sind, nebeneinander und der Horizont erscheint uns daher länger, als er ohne
diese Einzelheiten erschiene. Der Horizont wird so zum längsten Kreis
am Himmel, nicht nur weil er anscheinend der entfernteste ist, sondern auch
gleichgrosse Teile des Horizonts scheinen einen grösseren Sehwinkel
zu haben als gleichgrosse sonstwo am Himmel. Dies teilt sich aber in
geringem Masse auch den benachbarten Himmelsstrichen mit, und auch der
Himmel am Horizont wird etwas vergrössert, und zwar umsomehr, je
näher er dem Horizont liegt. Dies führt auch im Verein mit einer anderen
Erscheinung zum Eindruck des elliptischen, plattgedrückten Querschnitts des
Himmelsgewölbes. Also: Die intermediären Objekte lassen, weil sie selbst alle
grosse Körper sind, dem Himmelshintergrund eine grössere räumliche Bedeutung
zuteilen; jeder kleine Sehwinkel gewinnt am Horizont an räumlicher Bedeutung,
d. i. Grösse. Andrerseits verschwinden kleine Sehwinkel nahe dem Zenit
gegen die grosse Himmelsfläche; sie erscheinen entschieden dadurch kleiner,
als wenn sie am Horizont ständen.
Die intermediären Objekte bewirken, weil sie trotz ihrer kleinen
Sehwinkel als sehr gross bekannt sind, dass kleine Sehwinkel am
Horizont grösser erscheinen als am Zenit.
Dies wird noch dadurch unterstützt, dass man den Eindruck hat, in
horizontaler Richtung besser und deutlicher sehen zu können, weil
man bequemer sieht. Der Eindruck, in vertikaler Richtung unbequem, in hori-
zontaler Kopflage und Blickrichtung schärfer beobachten zu können, verstärkt
den Eindruck der Vergrösserung am Horizont.
So glaube ich also wahrscheinlich gemacht zu haben, warum man Gegen-
stände schon an sich am Horizont mit grösseren Sehwinkeln zu erblicken glaubt,
als sie haben. Dieser Umstand, verbunden mit dem, dass die weissliche Farbe
des Horizonts ziemlich plötzlich in das Blau des Himmels übergeht, erzeugt den
Eindruck der elliptischen Abplattung des Himmels und bringt die Horizont-
gegenden scheinbar etwas näher, als sie nach der segmentartigen Krümmung
sein sollten, wie Figur 2 zeigt.
Wir kommen nun zur Verbindung dieser Erscheinung der Abflachung mit
der der Vergrösserung der Gestirne.
In Fig. 3 stellt AZB einen Querschnitt des scheinbaren Himmels, CZD aber
einen Querschnitt des mathematisch zu denkenden Kugelhimmels dar, an dessen
Oberfläche die richtigen Sehwinkelverhältnisse projiziert werden können.
— 17 —
In M steht der Beobachter. Sieht er nach dem im Zenit stehenden Monde,
so scheint ihm dessen Durchmesser, durch den unveränderlichen Sehwinkel «
bestimmt, in dem Zenit, der ebensoweit entfernt sein möge als der mathematisch
zu denkende Himmelsglobus, die Grösse a zu haben.
Sieht nun der Beobachter aber den Mond im Horizont bei A, wo sich das
scheinbare Himmelsgewölbe weit hinter das durch den Sehwinkel bestimmte
Kugelgewölbe entfernt, so wird erstens der Sehwinkel des Mondes selbst an-
scheinend vergrössert; der Mond scheint also bei C einen grösseren Durch-
messer als a zu haben und einen grösseren Sehwinkel als « — nennen wir ihn
ß, wo >a — zu besitzen. Er versetzt aber den Mond an das ihm bei A be-
findlich erscheinende Himmelsgewölbe, das in solchen Fällen durchschnittlich
1,7 mal weiter zu sein scheint, als das Kugelgewölbe gedacht ist. Daher sieht
ihn der Beobachter auch mit einem grösseren körperlichen Durchmesser b, der
nach dem Strahlensatze nahezu 1,78 mal grösser als der am Zenit gesehene a ist.
AZB Himmelsgewölbe
Fig. 2.
Der Beobachter in M erwartet aber den Mond mit dem körperlichen Durch-
messer a zu sehen oder, was dasselbe ist, mit einem 2 mal kleineren Seh-
winkel. Er sieht ihn aber nicht nur mit demselben Sehwinkel, sondern sogar
mit dem grösseren Sehwinkel f. Da er an eine körperliche Vergrösserung
nicht glauben kann, so hält er den Mond für £ 1,7 mal näher gerückt, als er sein
aZ
Fig. 3.
È:
a
raus sich für 4 . ein Wert (zwischen 1,2 und 2) etwa 1,5 ergiebt. Da man nun
den Mond an die Himmelsdecke versetzt, so hält man auch den Himmel für
näher; und indem man diesen in seiner Form für unveränderlich hält, belässt
man ihm seine elliptische abgeflachte Gestalt und hält das ganze Himmelsgewölbe
für . 1,7 mal näher. Jeder, der einen Vollmondaufgang beobachtet hat, wird
den Eindruck haben, als sei die Himmelsdecke näher als sonst, wofern er nicht
den Mond für näher hält als den Himmelshintergrund.
Also: Der Mond erscheint am Horizont mit dem Himmelsgewölbe
sollte; aus der Praxis (direkten Beobachtung) ergiebt sich — 1,7 zu etwa 3, wo-
"B. AM _, s d
um Ee nähergerückt und vergrössert.
— 18 —
Der Eindruck der Vergrösserung des Sehwinkels wird noch unterstützt,
wenn in der unmittebaren Nähe der Mondscheibe oder gar in diese hinein-
ragend sehr grosse Objekte unter sehr kleinen Sehwinkeln sind. Diese
Erscheinung wird oft als alleiniger Grund der Erscheinung angegeben. Dass
sie es nicht sein kann, leuchtet ein, wenn man an den Grad der scheinbaren
Vergrösserung denkt und erwägt, dass solche optischen Täuschungen je nach
den Umständen die allerverschiedensten Veränderungen des Durchmessers her-
vorrufen müssten, was bekanntlich nicht der Fall ist. Das Unzutreffende einer
solchen Behauptung wird aber direkt dadurch erwiesen, dass erstens Kurz-
sichtige und Leute, welche nicht scharf auf den Mond blicken und den hinein-
ragenden Gegenstand nicht wahrnehmen, dennoch den Mond stark vergrössert
erblicken, während sie ihn doch überhaupt nicht vergrössert sehen sollten. Dass
dies aber doch bei der Vergrösserung einwirkt, scheint daraus hervorzugehen,
dass der Mond, wenn er nahe dem Zenit zwischen den Blättern eines Baumes
gesehen wird, etwas grösser zu sein scheint als sonst. Ist das aber der Fall,
so müssen Kurzsichtige thatsächlich den Mond nicht in dem Masse vergrössert
sehen wie Scharfsichtige. Ich habe dies noch nicht untersuchen können, werde
es aber nachholen und nebst einigen anderen Nachforschungen berichten.
Dass die geringe Lichtstärke von Sonne und Mond am Horizonte — von
deren Einfluss noch Littrow spricht — nicht den geringsten Einfluss auf die
Vergrösserung hat, beweist die Thatsache, dass Sonne und Mond hinter Wolken
und Nebel sogar ein wenig kleiner erscheinen als sonst, wie bereits häufig
hervorgehoben worden ist, und was als Folge der eliminierten Irradiation zu be-
trachten ist. Man hat gefunden, dass die Sonne, durch ein genügend starkes
Blendglas betrachtet, in jeder Höhe in wahrer Grösse erscheint. Nach unserer
Erklärung ist es selbstverständlich, denn da wir die Vergrösserung auf das Ver-
hältnis der Gestirne zu ihrer Umgebung zurückführen, bei einem Blendglase
aber nichts anderes als die Sonnenscheibe sichtbar ist, kann uns nicht weiter
Wunder nehmen, wenn wir da die Vergrösserung eliminiert finden, da ja doch
die Ursachen eliminiert sind.
Zum Schlusse möchte ich einiges über die Werte der Vergrösserung und
der Abflachung sprechen. Man hat dabei, wie schon hervorgehoben, zwischen
den nach direkter Beobachtung scheinbar wahrgenommenen und den in der
Vorstellung bleibenden Werten zu unterscheiden; die ersteren variieren nach
den Umständen und zweitens mit den Beobachtern, die zweiten zwar auch ein
wenig nach den Umständen, aber wesentlich nur bei verschiedenen Individuen.
Ich ermittele die Werte der Abtlachung folgendermassen: Ich (oder irgend
eine beliebige andere Person, wenn es auf die Person und nicht den allgemeinen
Mittelwert ankommt) schätze erstens, wievielmal weiter mir der Himmel als der
Zenit zu sein scheint. Zweitens sche ich den Himmel scharf an und gebe
dann möglichst genau den Querschnitt zeichnerisch wieder. Die Zeichnung
messe ich aus und aus dem geschätzten und dem an der Zeichnung gemessenen
Werte nehme ich ein wahrscheinliches Mittel, indem ich dabei der Zeichnung
grösseren Einfluss auf dieses lasse. Die gefundenen Mittelwerte haben gewöhnlich
nur eine Unsicherheit von !/,.. Beispiele mögen das illustrieren: Ich schätzte die
Abflachung 1:2,4 und fand durch Ausmessung der Zeichnung 1:2,1. Ich schätzte
die Abflachung zu 1,50 und mass sie nach der Zeichnung zu 1,58 u.s.w.
Schwerer ist die scheinbare Vergrösserung anzugeben. Ich verfahre genau
so: Ich schätze zunächst nach dem ersten Eindruck die Vergrösserung und gebe
— 149 —
dann zeichnerisch die mir im Gedächtnis gebliebene Grösse der Sonne, des
Mondes u. s. w. (die ich zuvor in der Nähe des Zenit betrachtete) und im Ver-
hältnis dazu die Grösse, die jetzt dasselbe Gestirn am Horizont zu haben scheint.
Die Zeichnungen messe ich aus und nehme auch jetzt den Mittelwert aus Schätzung
und Zeichnung unter grösserer Berücksichtigung der letzteren.
Ich werde darnach Nachforschungen anstellen, erstens: wie gross die all-
gemeinen Mittelwerte von Vergrösserung und Abflachung bei Betrachtung und
Vorstellung sind, zweitens: wie gross die Verschiedenheiten bei der Schätzung
der Abflachung und Vergrösserung seitens verschiedener Beobachter unter sonst
völlig gleichen Umständen, drittens: wie gross diese Verschiedenheiten bei dem-
selben Beobachter unter verschiedenen Umständen sind, und viertens: wie gross
die Verschiedenheiten der Vorstellung (im geschlossenen Raume) sind.
Man findet bezüglich der Vorstellung, dass ein grosser Teil überhaupt keine
Vorstellung einer Abflachung des Himmels hat, und dass die Vorstellung über-
haupt, wie leicht erklärlich, weit unter der wirklich zu beobachtenden Ab-
flachung liegt. Auch wird manchem Leser scheinen, als ob die besprochenen
Erscheinungen gar nicht vorhanden wären oder doch nur bei einzelnen Personen
auftreten. Und es sind dies freilich sehr subtile Empfindungen, die zuweilen
sogar unter der Bewusstseinsgrenze bleiben — wie die der verschiedenen
scheinbaren Entfernung des Himmelsgewölbes —; aber wer einmal darauf hin-
gewiesen ist, wird sie wohl auch empfinden.
Die Erwägung aller dieser Punkte aber führt mich zu der Behauptung,
dass weder die Abflachung, noch die scheinbare Vergrösserung auf
irgend etwas Reelles, auf irgend welche positiven Zustände der
Aussenwelt zurückgehen, sondern dass beide Erscheinungen dem
Vorstellungsleben angehören, also psychischer Natur sind und durch die
Eigenschaften des Vorstellungslebens bedingt sind.
Nachsatz: Durch die Freundlichkeit von Herrn Direktor Archenhold ist mir
ein Aufsatz in der „Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnes-
organe“ 1900 von Prof. W. von Zehender zu Augen gekommen, der sich „Die
Form des Himmelsgewölbes und das Grösser-Erscheinen der Gestirne am Hori-
zonte“ betitelt. Den einleitenden Absatz unterschreibe ich in jedem Worte. Im
weiteren aber zeigt sich die geringe mathematische Denkweise des Verfassers
in bedenklichem Masse. Auch sieht man nicht, wo der Verfasser hinaus will.
Geber eine ausgedehnte Sonnenfleckengruppe in hoher heliocentrischer
Breite am 5. März 1902.
M: dem grossen Refraktor der Treptow-Sternwarte (68 cm Oeffnung, 21 m
, Brennweite) beobachtete ich zuerst am 5. März, nachmittags 5? 30” in
Projektion eine ausgedehnte Fleckengruppe in besonders hoher heliocentrischer
Breite, welche aus drei Hauptpartieen bestand. Zwei derselben waren mit gut
ausgebildeten Höfen umgeben. Im ganzen zählte ich elf verschiedene Kern-
flecke. In etwas niedrigerer Breite war noch ein bedeutend kleinerer Fleck
vorhanden, der schon am nächsten Tage, am 6. März, nahe am Sonnenrand war.
Dieser bestand aus sechs kleinen Kernen, und nur zwei derselben waren von
einem kleinen Hof umgeben. Am 6. März hatte sich der grössere höhere Fleck
— 150 —
bedeutend mehr ausgebildet, und waren im ganzen 32 Kerne zu unterscheiden.
Am 11. März war der in niedriger Breite sichtbare Fleck schon auf der anderen
Seite der Sonne und die grosse Fleckengruppe war schon in der Auflösung
begriffen. Ich konnte nur noch 14 verschiedene Kerne zählen. Am 13. März
stand auch die grössere Fleckengruppe fast ganz am Rande der Sonne, und
waren schon wegen der perspektiven Verzerrung nur noch sechs verschiedene
Kerne zu erkennen. Jedoch zeigten sich in der Umgebung Fackeln, die etwa
den zehnfachen Betrag des Areals der Sonnenfleckengruppe selbst bedeckten.
Wir hoffen, in der nächsten Nummer des „Weltall“ die von mir gezeichneten
Abbildungen dieser interessanten Fleckengruppen zu geben. Es ist durch sie
wieder die Theorie, dass die erste grössere Sonnenfleckengruppe nach einem
Minimum immer in hohen Breiten auftritt, sehr schön bestätigt worden. Ich
habe gerade vor zwölf Jahren auch einen solchen Sonnenfleck in hoher Breite
am 4. März 1890 auftreten sehen, der damals die fleckenlose Zeit beendigte.
(Vergl. mein Schreiben an den Herausgeber der „Astron. Nachrichten“, Bd. 124.)
F. S. Archenhold.
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__Hileine Mitteilangen. u 1]
933333333333333333333333233333333333333933333333333339399393
Unsere Beilage. „Ballonfahrt des Luftschiffers Blanchard von der Sternschanze zu
Hamburg am 23. August 1786“ stellt den zwanzigsten Aufstieg dieses berühmten Luftschiffers, der
am 7. Januar 1785 von England nach Frankreich im Luftballon geflogen war, dar. Sein Ballon war
von ungefähr 5000 Kubikfuss körperlichen Inhalts und ward innerhalb 2 Stunden mit brennbarer Luft
aus Eisenfeil und Vitriolsäure angefüllt, wie es in alten Berichten heisst. In einer Höhe von circa
200 Fuss liess Blanchard einen kleinen Ballon fliegen und setzte zugleich einen Fallschirm aus, in
dessen Korbe ein Hammel sich befand. Der Fallschirm, für dessen Erfinder Blanchard sich aus-
gegeben hatte, landete glücklich mit seinem Inhalte; der kleine Ballon flog bis Horn. Blanchard
selbst liess sich nach einer halben Stunde bei der Oelmühle nieder und liess sich mit dem Ballon
an einem Stricke nach der Sternschanze zurückziehen. Fine ungeheure Menschenmenge war ver-
sammelt, von denen einige eine Reise von 30 und mehr Meilen nicht gescheut hatten, u. a. mehrere
fürstliche Personen.
A zeigt uns die Lage der Sternschanze, B die Aussetzung eines kleinen Ballons, C den Moment,
in dem Blanchard den Fallschirm mit dem Hammel aussetzt, D die Höhe des Ballons, zu welcher
Blanchard stieg, nachdem er die Schnur mit dem Hammel und Fallschirm abgeschnitten hatte, E und
F die verschiedenen Stellungen des Ballons beim Abstieg, G die Höhe des kleinen Ballons, welchen
Blanchard kurz nach der Stellung in C abgeschnitten hatte und der noch lange in der Luft zu
sehen war.
Das Original des Kupferstiches von F. N. Rolffsen befindet sich in der Hamburger Stadtbiblio-
thek und ist in dem Werke „Hamburgs Vergangenheit und Gegenwart“, eine Sammlung von
Ansichten der hervorragendsten und historisch bekannten alten und neuen Hafen- und Quai-Anlagen,
Schiffe, Plätze, Märkte. Strassen, Gebäude, Pläne, Typen, Trachten, Scenen u. s. w. Hamburgs vom
elften Jahrhundert bis auf die Gegenwart, herausgegeben von I. C. W. Wendt & C. E. L. Kappelhof,
abgebildet. (Verlag von Wendt & Co., Hamburg.) Der Bilderschatz, welcher in diesem Werke
wiedergegeben ist, besitzt einen grossen historischen Wert und hat neben vielen Blättern der öffent-
lichen Bibliotheken und Sammlungen manches Blatt, welches in Privatbesitz war, der Vergessenheit
entzogen. j e S
Bemerkung zu „Weineks Mondstudien“ Jg. 2. S, 124, Zeile 28 von oben. Herr Professor
Spitaler, früher an der Prager Sternwarte mit andern Aufgaben beschäftigt, war speciell an der
Bearbeitung des Mondatlasses nicht beteiligt.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Fa Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
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Hamburger Stadtbibliothek. Nach einem Kupferstich von F.N. Rolffsen,
Ballonfahrt des Luftschiffers Blanchard von der, Sternschanze zu Hamburg am- 23. August 1786.
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 13.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 April 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspallige Petitzeile40 Pjg. 1, Seite 60.—,1/, Seite 30.— ‚4 Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Teilungen und Lichtausbrüche bei Kometen. Von letzten Sonnenfleckperiode. — Die Wärmestrahlung
A. Berberich, Mitglied des Kgl. Rechen-Instiluts . . 151 der Sonnenflecken. — Das Spectrum von Cyan. —
2. Präcisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge des Becquerelstrahlen und Kathodenlicht. — Eine neue
Lichts. (Fortsetsung) Von Prof. Dr. E Gumilich, Verwendung der Drachen. — Eine neue Plattensorte 161
Mitglied der Physik.-Technischen Reichsanstalt . . 157 | 4. Unsere Beilage: Das Wunderseichen, Anno 1628 . 164
3. Kleine Mitteilungen: Die Temperatur an der Sonnen- 5. Komitee für die Erbauung der Vortragshalle der
oberflache und auf Fixsternen. — Sonnenflecken in Treptow-Sternwarte. — Fünftes Verzeichnis von Bei-
hohen heliographischen Breiten. — Der Verlauf der trägen zur Errichtung der Vortragshalle . . . . . 164
@eilungen und kichtausbrüche bei Kometen.
Von A. Berberich.
[rem Aussehen nach unterscheiden sich bekanntlich die Kometen von den
Planeten durch die den Hauptteil, den „Kopf“ bildende Nebel- oder Dunst-
hülle und durch die häufig auftretende Schweifentwickelung. Man kann aber
nicht behaupten, dass diese Eigenschaften im Wesen der Kometen, in ihrer
physikalischen und chemischen Beschaffenheit allein begründet seien; sie könnten
möglicherweise nur eine Folge der eigenartigen Form der Kometenbahnen sein.
Viele dieser Weltkörper nähern sich aus unangebbaren Fernen der Sonne, um-
kreisen diese in raschem Fluge und enteilen dann wieder in die gleichen Tiefen
des Raumes. Andere kommen in längeren oder kürzeren Zwischenzeiten wieder
in ihre Sonnennähe, ihre Bahnen sind indessen ebenfalls sehr langgestreckt,
sodass ein solcher Komet am äusseren Umkehrpunkte seines Laufes vielmal
weiter von der Sonne entfernt ist als am inneren Wendepunkt. Dort befindet
er sich im Zustand starker Abkühlung, hier dagegen unter der Einwirkung
intensiver Bestrahlung durch die heisse Sonne. Ein solcher Wechsel könnte
vielleicht auch an einem „Planeten“, der in eine ähnliche excentrische Bahn ge-
worfen würde, gleiche Erscheinungen hervorrufen, wie wir sie an den Kometen
beobachten, also in der Gegend der Sonnennähe heftige Dampfbildungen, welche
zur Entwickelung einer ausgedehnten Nebelhülle und eines Nebelschweifes
führen könnten. Nun ist freilich kein Fall einer so gewaltigen Umänderung
einer Planetenbahn in Sicht. Dafür sind aber in neuerer Zeit Beispiele bekannt
geworden, dass Kometenbahnen infolge der störenden Einwirkung der Planeten-
anziehung kreisähnlicher geworden sind, somit der normalen Form der Planeten-
bahnen sich genähert haben. Ein Beispiel ist der erste Tempel’sche Komet,
dessen Bahnänderung durch folgende Zahlen veranschaulicht wird:
Sonnenabstand Verhältnisse der
Jahr kleinster grösster Sonnenabstände Bestrahlung
1867 234 Mill. km 722 Mill. km 1 zu 3,08 95 zul
1873 265 - - 1723 - - 1 - 2,72 7,4 - 1
1885 311 - - 7135 - - 1 - 2,36 56 - 1
1898 314 - - 135 - - 1 - 2,34 5,0 - 1.
— 12 —
Die grösste Bestrahlung im Perihel ist seit 1867 auf die Hälfte herab-
gegangen. Ueber die Folgen dieser Aenderung lässt sich nur sagen, dass die
Leuchtkraft des Kometen stark abgenommen hat, denn er ist seit 1879 nicht
wiedergesehen worden. Die geringste Distanz von der Erde war ehemals
80 Mill. Kilometer, jetzt ist sie 160 Mill. Kilometer, also gerade doppelt so gross, wes-
halb die scheinbare Kometenhelligkeit für uns noch eine weitere Schwächung
auf den vierten Teil, zusammen also auf ein Achtel des Lichtes im Jahre 1867
erfahren hat. Im Jahre 1905 soll der Komet wieder einmal in eine sehr günstige
Stellung am Himmel gelangen; dann wird sich wohl zeigen, was aus ihm ge-
worden ist.
Aehnlich verhält es sich mit dem Kometen de Vico von 1844, der trotz
der kurzen Umlaufszeit von DI Jahren erst 1894 zufällig von Edward Swift
wiedergefunden worden ist. Hier ist das Verhältnis der Entfernungen in Sonnen-
ferne und Sonnennähe von 4,25 im Jahre 1844 auf 3,67 im Jahre 1894 und weiter
auf 3,13 in der Gegenwart herabgegangen. Entsprechend sank das Verhältnis
der Bestrahlung durch die Sonne von 17,9 auf 13,5 und nunmehr auf 9,8. Die
Bedingungen für die Sichtbarkeit des Kometen von der Erde aus. sind für den
de Vico schen Kometen noch viel ungünstiger geworden als für den Tempel’schen,
statt 28 Mill. Kilometer (1844) ist die grösste Annäherung nun 100 Mill. Kilometer,
im besten Falle erreicht die Helligkeit nur noch den 25.Teil der im Jahre 1844 stattge-
habten, wo der Komet sogar dem unbewaffneten Auge sichtbar gewesen war.
Damals scheint ooch eine ungewöhnlich starke Lichtentwickelung aus unbekannten
Ursachen eingetreten zu sein, wie sie seither in noch höherem Masse zweimal an
einem Kometen, dem Holmes’schen, vorkam, dessen Bahn der Form nach jener
des ersten Tempel’schen Komet sehr ähnlich ist. Von diesen Bahnen unter-
scheiden sich nur unerheblich die Bahnen einiger Planetoiden (namentlich No. 33
Polyhymnia, 164 Eva, 324 Bamberga), bei denen der grösste Abstand von der
Sonne doppelt so gross ist als der kleinste, die Bestrahlung also im Verhältnis
4 zu 1 wechselt. An diesen Gestirnen hat man nichts von kometarischer Nebel-
entwickelung wahrgenommen und es muss sich am Tempel schen Kometen zeigen,
ob da jetzt auch die Nebelhülle schwindet.
Der eben erwähnte Holmes sche Komet hat eine interessante Geschichte.
Er muss schon seit langem „ungestört“ in seiner wenig excentrischen Bahn
laufen und war immer unbemerkt geblieben, so auch bei seinem Periheldurch-
gang vom Jahre 1892, der auf den 13. Juni fiel. Er stand damals im Sternbild
der Fische und durchlief in den folgenden Monaten langsam und mit wenig ver-
änderter Helligkeit das Triangel und die Andromeda. Niemand sah ihn, obschon
der Himmel sorgfältig nach Kometen durchforscht und obwohl in den Sommer-
monaten ein anderer Komet (der Swift sche 1892 I) bei seinem Lauf durch An-
dromeda fleissig beobachtet wurde. Da wurde anfangs November die Entdeckung
eines mit freiem Auge sichtbaren Kometen nahe beim grossen Andromedanebel
telegraphisch gemeldet. Natürlich konnte Niemand vermuten, dass dieses plötzlich
aufgetauchte Gestirn schon lange in jener Himmelsregion sich aufgehalten habe,
man musste vielmehr annehmen, dass es infolge rascher Annäherung an die
Erde seine grosse Helligkeit erlangt habe. Diese Annahme fand eine Stütze in
in der scheinbaren Zunahme der Dimensionen des Kometennebels. So fand
Denning am 9. Nov. den Durchmesser gleich 340°, am 16. Nov. gleich 630” und
am 19. Nov. gleich 870°, während Barnard für den 9. Nov. 337“, am 11. 397”,
am 13. 582 am 16. 600” und am 21. 1200” dafür fand.
— 153 —
Nun hätte im Herbst 1892 auch der berühmte Biela’sche Komet wieder-
kehren sollen, oder wenigstens an seiner Statt der grosse Sternschnuppenschwarm,
mit dem die Erde 1872 und 1885 in Berührung gekommen war. Von der Erde
aus gesehen mussten Komet und Schwarm in der Richtung des Sternbildes
Andromeda stehen. Bei einer Unterredung im Oktober 1892 versprach Herr
Archenhold, damals auf seinem kleinen Observatorium im Grunewald bei Berlin
thätig, die betreffende Gegend photographisch aufnehmen zu wollen, und eine
gleiche Zusage erhielt Verfasser von Herrn Prof. M. Wolf in Heidelberg unterm
18. Oktober. Ungünstige Witterung vereitelte die Ausführung dieser Absichten.
Als aber nun thatsächlich in der Richtung, aus welcher der Komet „Biela“
kommen sollte, und von der am 23. November auch wirklich ein äusserst reicher
Sternschnuppenschwarm ausstrahlte — es erschienen im Maximum über hundert
Meteore pro Minute — ein heller Komet stand, lag die Vermutung, dass es der
Biela’sche sei, selbstverständlich am nächsten. Wider Erwarten stellte sich schon
nach wenigen Tagen heraus, dass der Komet von der Erde sehr weit entfernt
war (220 Mill. Kilometer) und dass der Abstand täglich um über 200000 km
wuchs. Daraus folgte ferner, dass der wahre Durchmesser des Kometennebels
im Zunehmen begriffen war, dass er sich von anfänglich 300000 km auf 2 Mill.
Kilometer ausdehnte. Diese Grössenzunahme in Verbindung mit der Unsicht-
barkeit des Kometen vor dem Monat November deutete auf ein ungewöhnliches
Ereignis hin. Die Art, wie sich dieses abgespielt hatte, sollte man bald erfahren,
wenn auch der eigentliche Vorgang bis jetzt noch rätselhaft geblieben ist.
Während der Zunahme des Durchmessers war der Komet immer mehr abgeblasst,
so dass man ihn nur noch schwierig beobachten konnte. Anfangs Januar 1893
wurde er schon von einem Stern 10. Grösse völlig überstrahlt. Am 16. Januar
suchten verschiedene Astronomen den Kometen wieder auf, fanden jedoch nichts
mehr von dem grossen, matten Nebelfleck. Es fiel ihnen dagegen am Kometenort
ein verwaschen aussehender Stern 8. Grösse auf, und erst nach einiger Zeit
mussten sie zu ihrem Staunen erkennen, dass sie den seit dem vorigen Tage
gänzlich veränderten Holmes’schen Kometen wirklich vor sich hatten. Nun
wiederholte sich der Vorgang vom November. Am 16. Januar war nach den
Messungen des Herrn Kobold in Strassburg der Durchmesser der Nebelhülle
41”, am 17. Januar 56”, am 19. Januar 78”, am 28. Januar 90“, am 4. Februar
ungefähr 180; der Nebel zerstreute sich also wieder unter gleichzeitigem Ver-
blassen. Am 9. und 10. März war der Komet schon äusserst schwach geworden
und am 6. April konnte mit grösster Anstrengung des Auges am Strassburger
18-Zöller noch eben ein ganz matter Lichtschimmer wahrgenommen werden.
Den Kobold’schen Zahlen ganz ähnlich sind die Barnard’schen: 16. Januar Zu-
nahme von 29” bis 44”, 17. Januar 46”, 18. Januar 89”, 19. Januar 121“,
20. Januar 136“. Auf die Bewegung des Kometen hatte dieser zweite Licht-
ausbruch gar keinen Einfluss gehabt, jedenfalls daher auch der erste nicht. Es
liegen also innere Ereignisse vor und das Aufleuchten ist nicht etwa die Folge
eines Zusammenstosses des Kometen mit einem fremden Körper, z. B. einem
Planetoiden, wie gewisse Leute vermutet haben. Wie schon oben gesagt, ist die
Bahn des Holmes’schen Kometen nur wenig stärker excentrisch, als die am
meisten excentrische Planetenbahn (164 Eva). Die Umlaufszeit ergab sich zu
6 Jahren 11 Monaten, so dass der Komet schon in den Jahren 1885, 1878 und
1871 in sehr günstiger Stellung hätte gesehen werden müssen, wenn er auch
nur einigermassen hell gewesen wäre oder überhaupt das Aussehen eines
— 154 —
Kometen besessen hatte. Der Rechnung entsprechend ist der Komet im Jahre
1899 wiedergekehrt, ist aber nur am Riesenfernrohr der Licksternwarte als
schwaches Nebelchen beobachtet worden. Von 16. Grösse im Juni hellte er sich
bis zur 14. Grösse im Oktober auf, um dann wieder zu verblassen. Sein Durch-
messer war anfänglich 30”, zuletzt 10’ bis 15”. Ein eigentlicher Kern war nicht
zu sehen, sondern nur eine Verdichtung in der Mitte. Im Jahre 1892 und 1893
war der Kern zur Zeit des Aufleuchtens bisweilen sehr deutlich. Jedenfalls
müsste ein etwa vorhandener fester Kern sehr kleine Dimensionen besitzen.
einen Durchmesser von nur wenigen Kilometern. Wie kann ein so winziges
Körperchen ein so starkes Aufglühen der es umhüllenden Dämpfe verursachen?
Nach Ausweis des Spektrums war das Leuchten verschieden von dem gewöhn-
lichen Kometenlicht, das anscheinend von elektrischen Entladungen in schr
dünnen Gasen erzeugt ist und helle Spektrallinien liefert; solche fehlten beim
Holmes’schen Kometen gänzlich. Wäre es nur zurückgestrahltes Sonnenlicht,
dann hätten die Dämpfe der Nebelhülle nach dem Aufleuchten sehr dicht sein
müssen, sie hätten cine nicht geringe Masse besessen, die zuvor im winzigen `
Kern verborgen gewesen wäre. Auch hier also Widersprüche! Beobachtungen
an künftigen Erscheinungen ähnlicher Art dürften mit der Zeit die gewünschte
Aufklärung bringen.
Uebrigens steht das Aufleuchten des Holmes’schen Kometen nicht vereinzelt
da. Als sich der in 72jahriger Periode die Sonne umkreisende Komet Pons von
1812 wieder der Sonne näherte, bemerkte man im Oktober 1883 und später noch
mehrmals eine vorübergehende sehr bedeutende Helligkeitszunahme. Noch
grösseres Aufsehen erregte eine solche Erscheinung am Kometen 1888 I, der am
18. Februar von Sawerthal auf der Kapsternwarte mit freiem Auge entdeckt
worden war. Im März wurde der Komet infolge seines nach Norden gerichteten
Laufes auch bei uns sichtbar, sein Kopf war 4. Grösse, sein Schweif gegen 2°
lang. Allmählich nahm die Helligkeit ab, und am 19. Mai glich der Kern des
Kometen den Sternen 9. bis 10. Grösse. „Am 21. Mai erwartete ich,“ schreibt
Herr Prof. J. Franz aus Königsberg, „wegen des zunehmenden Mondscheins den
Kometen recht schwach zu finden und kaum beobachten zu können, und war
erstaunt, als ich einen hellen Stern von einem Nebel umgeben fand. Anfangs
glaubte ich, der Komet bedecke einen Fixstern, doch fehlte der Stern auf der
Bonner Karte. Es war also der Komet selbst.“ Der Kern hatte die Helligkeit
der Sterne 6. Grösse erreicht, leuchtete also etwa zwanzigmal stärker als zwei
Tage zuvor. Anfangs Juni zog der Komet nahe beim Andromedanebel vorüber
und erschien in wenig vergrösserndem Fernrohr am 2. heller, am 8. bedeutend
schwächer als dieser. Die Lichtabnahme dauerte bis zum völligen Verschwinden
des Gestirns im August fort, der Lichtausbruch wiederholte sich nicht mehr.
Eine andere Eigentümlichkeit hatte der Kern des Kometen Sawerthal noch
aufzuweisen. Er bot, wie Cruls in Rio schrieb, im März das Schauspiel einer
Teilung in drei leuchtende Verdichtungen dar. Auch im April wurde noch von
verschiedenen Beobachtern der Kern doppelt gesehen. Baron v. Engelhardt
(Dresden) beschreibt den Hauptkern als scheibenförmig, den Nebenkern als stern-
artig, beide standen am 15. April 6” von einander entfernt (über 6000 km); Ende
März war die Distanz halb so gross.
Merkwürdigerweise hatte auch der grosse Komet 1892 I, der in ganz ähnlicher
Bahn einhergeht wie der Komet Sawerthal, ebenfalls einen doppelten Kern, doch
trat der Nebenkern nur selten und dann blos als sehr schwaches Sternchen
— 15 —
hervor; er wurde von Herrn Dr. Schorr in Hamburg und Herrn Renz in Pulkowa
beobachtet. Dieser Komet zeichnete sich durch seinen verästelten Schweif aus,
der anscheinend um seine Längsachse rotierte. Während einiger Tage im April
war in dem Schweif eine auffällige Verdichtung vorhanden, die sich mit schnell
zunehmender Geschwindigkeit vom Kerne entfernte.
Eine ähnliche Rotation des Schweifes verraten die photographischen Auf-
nahmen des Kometen 1899 I, der in seiner grössten Helligkeit den Sternen
3. Grösse gleich kam. Am Kerne beobachtete Perrine mit dem grossen Lick-
fernrohr am 7. Mai ein kleines nebliges Anhängsel, das sich nach einigen Tagen
zu einem zweiten Kern verdichtete. In den folgenden drei Wochen waren beide
Kerne unter Zunahme ihres Abstandes immer schwächer geworden bis zur Un-
sichtbarkeit des Nebenkerns. Im Juni zeigte sich wiederum beim Hauptkern eine
längliche Verdichtung, die ähnliche Veränderungen erfuhr wie die vom Mai.
Zugleich war aber am 4. Juni der Hauptkern, der Ende Mai nur noch 10. Grösse
war, wieder bis zur 8,5. Grösse aufgeleuchtet, die Gesamthelligkeit des ganzen
Kometen war von der 6. auf die 5. Grösse gestiegen. Der Nebenkern vom Mai
war auch von Prof. Barnard auf der Yerkes-Sternwarte, sowie von Herrn
Archenhold am grossen Treptowfernrohr beobachtet worden.
Es erscheint nach den Erfahrungen an den letztgenannten Kometen nicht
ausgeschlossen, dass das Vorhandensein eines Nebenkerns die Entstehung un-
gewöhnlicher Lichtausbrüche begünstigt. In dieser Beziehung verdient deshalb
auch eine Beschreibung des Aussehens des Holmes’schen Kometen erwähnt zu
werden, die der erfahrene englische Beobachter W. F. Denning geliefert hat.
Derselbe sah den Kometen am 11. Februar 1893 im gleichen Gesichtsfeld wie
den Stern $ Triangel, und fand ihn recht deutlich. Der Kern oder der hellere
Teil des Kopfes zeigte deutlich eine körnige Beschaffenheit. Bei Anwendung
von 145facher Vergrösserung sah Denning, dass dieser „Kern“ thatsächlich aus
vielen sehr kleinen Nebelknoten von fast vollkommen sternartiger Schärfe bestand.
Man hätte daher das Ganze sehr wohl für einen jener äusserst schwachen, eben
auflösbaren Sternhaufen halten können, deren einzelne Glieder man gerade
noch aufblitzen sieht. Ein schwacher Nebel umhüllte diesen „vielfachen Kern‘,
von dem ein spitz zulaufender matter Schweif nach Nordosten verlief. Vielleicht
war auch noch ein breiterer fächerförmiger Schweif vorhanden, den man indes
nur ahnen, aber nicht mit Gewissheit sehen konnte.
Man braucht übrigens nur die Schilderungen des durch seine Zerteilung
berühmt gewordenen Bicla’schen Doppelkometen nachzulesen, um Beispiele un-
gewöhnlicher Lichtentwickelungen zu haben. Im Januar 1846 war von den
beiden Kometen der südöstlich stehende der hellere, im Februar hatte der andere
an Lichtstärke so zugenommen, dass er jenen übertraf, indessen nur auf kurze
Zeit, denn bald war er wieder schwächer geworden. Im Jahre 1852 wurden
ähnliche Lichtschwankungen beobachtet, so dass man nicht imstande war, aus
dem Aussehen oder der Helligkeit die Teile von 1852 mit jenen von 1846
einzeln zu identifizieren. Dies gelang erst, wie im Weltall I, 127 erwähnt ist,
Herrn v. Hepperger mit Hilfe seiner gründlichen Bahnberechnung.
Ein Seitenstück zum Biela’schen Kometen ist der am 6. Juli 1889 von
Brooks entdeckte kurzperiodische Komet 1889 V. Am 1. August fand Barnard
neben diesem Gestirn einen schwachen kleinen Begleiter und einen helleren
sah er in viermal grösserem Abstande. In den nächsten Tagen wurden noch
zwei oder drei Nebenkometen aufgefunden, sie konnten indes nicht länger ver-
— 156 —
folgt werden, wogegen der erste Begleiter (B) bis in den Oktober, der zweite (C)
bis 25. November beobachtet worden ist. Merkwürdig sind die Veränderungen,
die diese Objekte erfahren haben. Erst war Komet B klein, mässig hell und
besass einen deutlichen Kern, er begann aber bald sich auszudehnen, wobei er
immer matter und verwaschener wurde: gleichzeitig löste sich auch die centrale
Verdichtung auf. Ende Oktober konnte Spitaler in Wien am 27-Zöller nur noch
mit Mühe ein schwaches Nebelchen mit bisweilen aufblitzendem Kernpunkte
sehen. Dieselbe Entwickelung machte der Komet C durch. Anfangs wuchs
seine Helligkeit derart an, dass er gegen Schluss des Augusts den Hauptkometen
übertraf, nachher aber wurde er immer schwächer und wurde am 25. November
zum letzten Male im 36zöll. Lickrefraktor gesehen. Der Hauptkomet konnte da-
gegen mit diesem Fernrohre noch bis zum 12. Januar 1891 beobachtet werden,
so dass seine Sichtbarkeitsdauer mit 555 Tagen der des gewaltigen Kometen von
1811 gleichkommt. Im Jahre 1896 ist der Komet der Rechnung entsprechend
wiedergekehrt und ist 250 Tage hindurch beobachtet worden; von den Begleitern
wurde keine Spur gefunden.
In allen diesen Fällen war es unmöglich, einen Grund für die beobachteten
Lichtausbrüche und Helligkeitsänderungen der Kometen aufzufinden. Wir können
nur vermuten, dass während der Annäherung dieser Körper an die Sonne
Spannungen, sei es im etwa vorhandenen festen Kern oder in der Dampfhülle,
der „Koma“, sich entwickeln, deren Auslösung mehr oder weniger rasch vor
sich geht. Schon die Erwärmung der von der Sonne bestrahlten Seite erzeugt
eine Spannung, abgesehen von allen dazu kommenden elektrischen Einwirkungen.
Dann scheint aber noch ein anderer Umstand nicht ohne Bedeutung zu sein.
Wenn sich ein Körper in einer stark excentrischen Bahn der Sonne nähert, so
wird seine Geschwindigkeit fortwährend beschleunigt. Der vorangehende Teil
des Körpers erfährt, weil er der Sonne etwas näher ist, eine stärkere Be-
schleunigung als der nachfolgende. Es wirkt also eine Zugkraft, die den Körper
in der Richtung der Bewegung zu verlängern strebt. Jeder Körper giebt
einer solchen Kraft nach, aber nur bis zu einer gewissen Grenze, ein
fester wenig, ein flüssiger mehr. Die ganze Erscheinung entspricht
den Gezeiten von Ebbe und Flut. Bei einem sehr kleinen festen
Körper ist die innere Anziehung, die Eigenschwere, minimal; ist der innere Zu-
sammenhang der Teile, die Cohäsion, noch durch die starke Erhitzung gelockert,
so vermag jene Zugkraft unter besonderen Umständen, bei sehr grosser An-
näherung an die Sonne, den Körper auseinander zu reissen. Ist der Körper gar
flüssig oder besteht er aus einer Ansammlung kleiner fester Teile, so wird die
Auflockerung und Zerstreuung der Teile um so leichter erfolgen können. Der
im September 1882 der Sonne äusserst nahe gekommene grosse Komet 1882 II
zeigte kurz darauf eine starke Dehnung des Kerns, der sodann in fünf Einzel-
kerne sich trennte. Beim Kometen Brooks 1889 V ergab Bredichin’s Rechnung,
dass die Bahnen der Begleitkometen mit der des Hauptkometen nahe am sonnen-
fernsten Punkte zusammenlaufen. Als die Kometenschar im April 1886 jene
Gegend passierte, begegnete sie dem Jupiter und zwar im Abstand von höchstens
‘ einem Halbmesser des Planeten. Vielleicht hat sie sogar dessen Oberfläche
gestreift. Man darf wohl schliessen, dass damals die von dem riesigen
Jupiter ausgeübte Zugkraft die Zerteilung des Kometen, die Lostrennung
der Massen bewirkt hat, welche 1839 als Begleiter des Hauptkometen gesehen
‘worden sind.
— 157 —
Zur weiteren Verfolgung dieser und ähnlicher Annahmen fehlen einstweilen
noch die sicheren Grundlagen. In der Erforschung der Kometen bestehen noch
grosse Lücken, zumal da die Beobachtung der einzelnen Körper dieser Art sich
fast stets nur auf Wochen oder Monate beschränkt — dann sind sie unseren
Blicken wieder entschwunden —, und weil die öfter wiederkehrenden periodischen
Kometen meist sehr klein und für eine nähere, etwa spektroskopische Unter-
suchung ihres Lichtes und dessen Aenderungen zu schwach sind.
Bräcisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge des Jichts.
(Fortsetzung.)
Von Prof. Dr. E. Gumlich.
2. Auswertung des Normalmeters in Wellenlängen des Lichts durch
Alb. A. Michelson.
Baamtic dient als Einheit für die Längenmessung der als der zehnmil-
lionste Teil des Erdquadranten definierte Meterstab aus Platin, der im
Bureau des Archives zu Paris sorgfältigst aufbewahrt wird. Von diesem Urnormal
ist durch Vermittelung des Bureau International des poids et mesures zu Bréteuil
für die verschiedenen Staaten eine grössere Anzahl von Kopien mit äusserster
Sorgfalt hergestellt und verglichen worden, sodass nach menschlichem Ermessen
die Grundlage des metrischen Systems auch dann nicht erschüttert werden
würde, wenn beispielsweise das Urnormal zu Paris irgend einem elementaren
Ereignis zum Opfer fallen sollte.
Ob nun aber diese Kopien, ebenso wie das Urnormal selbst, auf die Dauer
vollständig unverändert bleiben werden, darüber lässt sich mit absoluter Gewissheit
selbstverständlich nichts aussagen, und es würde späterhin auch die oben ge-
nannte Beziehung zur Länge des Erdquadranten keinen sicheren Aufschluss da-
rüber zu geben vermögen; denn einmal ist es ja keineswegs ausgeschlossen,
dass auch die Länge des Erdquadranten sich mit der Zeit etwas ändert, und
selbst, wenn das nicht der Fall wäre, würden doch wiederholte Messungen dieser
Länge mit zunehmender Genauigkeit der Messmethode immer etwas andere
Werte liefern. In diesem Sinne ist also auch das Urnormal zu Paris absolut ge-
nommen nicht reproduzierbar. Es ist daher von hohem Wert, dass es Michelson
im letzten Jahrzehnt gelang, die Beziehung zwischen der Länge des Normalmeters
und derjenigen einer wohl unzweifelhaft unverändcrlichen physikalischen Grösse
festzulegen, nämlich der Wellenlänge des Lichts.
Wie gross die bei der Lösung dieser Aufgabe zu überwindenden Schwierig-
keiten waren, lässt sich wohl ohne Weiteres schon aus folgenden Thatsachen
erkennen: Nicht jede Lichtart eignet sich zu diesen Messungen, denn das Licht
muss streng monochromatisch sein, es darf also nur Wellen von einer einzigen,
ganz bestimmten Länge aussenden, und diese Bedingung ist nach Michelsons
Untersuchungen vollkommen nur bei der roten Kadmiumlinie erfüllt, aber auch
die grüne und die blaue Kadmiumlinie sind für den vorliegenden Zweck noch
verwendbar; diese drei Linien allein konnten also in Betracht kommen. Sodann
entspricht die Länge einer Lichtwelle rund einem halben Tausendstel eines Milli-
— 18 —
meters; es kommen also auf die Länge eines Meters rund zwei Millionen Wellen-
längen, die bis auf Bruchteile einer Einheit bestimmt werden sollten. Schliesslich
hängt aber auch die Wellenlänge des Lichts in der Luft in beträchtlichem Masse
ab von der durch die Temperatur und den Druck (Barometerstand) beeinflussten
Dichte der Luft, so dass die sämtlichen Messungen, die natürlich lange Zeit
in Anspruch nahmen, auf eine bestimmte Temperatur (15°C.) und einen bestimmten
Druck (760 mm Quecksilber) reduziert werden mussten, wobei erhebliche Fehler
nur unter Anwendung der grössten Vorsichtsmassregeln vermieden werden konnten.
In Folgendem soll nun kurz das Prinzip angegeben werden, nach welchem
diese Auswertung des Meters in Wellenlängen des Lichts durchgeführt wurde.
Schon oben bei der Besprechung des Fizeau’schen Dilatometers ist darauf
hingewiesen worden, dass bei der Reflexion monochromatischen Lichtes an zwei
nahen, sehr wenig gegen cinander geneigten Ebenen Interferenzstreifen ent-
stehen, deren Lage sich mit dem Abstand der Ebenen ändert. Sind die beiden
Ebenen einander parallel, dann treten die Interferenzen bei Anwendung einer
ausgedehnteren Lichtquelle in Gestalt von konzentrischen Ringen auf, die ur-
sprünglich von Haidinger entdeckt und später von Mascart und von Lummer
genauer untersucht wurden. Gerade diese Interferenzerscheinungen, die beim
Kadmiumlicht noch bei einem Abstand der reflektierenden Ebenen von mehreren
hunderttausend Wellenlängen deutlich erscheinen, eigneten sich in hervor-
ragendem Masse für die vorliegenden Untersuchungen.
Eine schematische Darstellung der von Michelson verwendeten Anordnung
des Strahlengangs giebt beistehende Figur o" Darin bedeuten A und B zwei
gleich dicke, planparallele Glasplatten, von denen
die Platte A auf der der Lichtquelle S zugewendeten
Seite schwach versilbert ist; C und D sind zwei
genau ebene, senkrecht zu den Strahlen BC und AD
gerichtete Spiegel. Fällt nun Licht von der Licht-
quelle S auf die unter 45° geneigte Platte A, so
wird ein Teil des Lichtes reflektiert, durchsetzt die
Platte B, wird an C reflektiert und gelangt durch
B und A in das Auge des Beobachters bei E
während der andere Teil durch die Platte 4
hindurchtritt, nach Reflexion an D die Platte A
nochmals durchsetzt, an deren Silberbefag eine
abermalige Reflexion erleidet und schliesslich
ebenfalls das Auge bei E trifft. Nur dann, wenn die Spiegel C und D
genau gleich weit vom Punkte A entfernt und nur sehr wenig gegen einander
geneigt sind, also der eine gewissermassen das Spiegelbild des anderen
in Bezug auf die reflektierende Silberschicht bei A darstellt, sieht das Auge
auch farbige Interferenzstreifen, wenn die Lichtquelle aus weissem Licht
besteht; umgekehrt also kann auch das Auftreten der Interferenzerscheinung
bei weissem Licht als Kriterium dafür gelten, dass thatsächlich beide re-
flektierenden Ebenen die gewünschte spiegelbildliche Lage haben, während
bei einigermassen ungleichem Abstand die Erscheinung sofort verschwindet. Es
entspricht also das Auftreten der Erscheinung dem Fall, dass direkt über einander
befindliche Platten sich gerade berühren.
Fig. 6.
*) Die Fig. 6, 7. 8. sind dem 11. Band der Travaux et mémoires du Bureau International
des puids ct mesures entnommen.
— 19 —
Dagegen ist bei Anwendung von monochromatischem Licht und vollkommenem
Parallelismus der Spiegel das Zustandekommen der Interferenzen keineswegs an
die Gleichheit der Strecken AC und AD gebunden. Denken wir uns beispiels-
weise den Spiegel D um !/, Wellenlänge nach rückwärts bewegt, so wird nun-
mehr der Gangunterschied des Lichtes an einer bestimmten Stelle der Ringfigur
eine halbe Wellenlänge mehr betragen als vorher; es wird somit da, wo vorher
ein dunkler Ring lag, nunmehr ein heller liegen; ist der Abstand der Platten
um eine halbe Wellenlänge gewachsen, so wird wieder ein dunkler Ring da er-
scheinen, wo vorher ein dunkler war, und so fort. Zählt man also während der
Bewegung des Spiegels D, die selbstverständlich durch eine sehr fein gearbeitete
Schraube erfolgen muss, die Anzahl von Streifen ab, welche an einer Marke des
Gesichtsfeldes vorübergewandert sind, so kann man daraus direkt die Ver-
schiebung des Spiegels in Wellenlängen des Lichts angeben.
Nun denke man sich einmal zwischen den Spiegel C und die Platte B
einen Meterstab LA (Fig. 7) gebracht, der an dem vorderen Ende M einen ebenen
Spiegel m trägt, während an dem hinteren Ende, genau è
parallel zum ersten, ein ebensolcher l angebracht sei, so a
dass also der Abstand der beiden vorderen Spiegelflächen Eo-
wieder genau ein Meter beträgt. Der Meterstab möge ein ganz 4 M
klein wenig schief liegen, so dass seine Spiegel mit dem Fig. 7.
Spiegel C einen sehr kleinen Winkel einschliessen; dann würde man den Spiegel D
zunächst in eine solche Lage bringen können, dass sein Abstand vom Punkt A gleich
dem Abstand der Vorderfläche des Spiegels m von A ist, was sich durch das Auftreten
der Interferenzen im weissen Licht kontrollieren liesse. Hierauf würde man den
Spiegel D unter Beleuchtung mit monochromatischem Licht rückwärts bewegen
und die vorbeiwandernden Streifen des zwischen C und D auftretenden Inter-
ferenzringsystems zählen, so lange, bis schliesslich bei Anwendung von weissem
Licht wieder die Interferenzerscheinung zwischen D und der Vorderseite des
Spiegels / auftritt. Dann wäre offenbar der Spiegel D gerade um einen Meter
zurückbewegt worden, und zwar hätte man gleichzeitig auch die Anzahl von
Wellenlängen der verwendeten Lichtart abgezählt, die auf dieser Strecke liegen,
die Aufgabe wäre also im Prinzip gelöst.
Dies ist nun, abgesehen von manchen anderen Gründen, in dieser Form
schon deshalb nicht möglich, weil die Interferenzerscheinung auch mit Cadmium-
licht bei so hohen Gangunterschieden nicht mehr sichtbar ist. Michelson half sich
daher auf folgende Weise:
Er stellte in der in Fig. 7 angedeuteten Form 10 verschiedene Hülfsmass-
stäbe von 100 mm, 50 mm, 25mm, 125mm..... 0,39 mm Länge her, so dass
jeder längere Massstab möglichst genau die doppelte Länge des nächstfolgenden
kürzeren besass; selbstverständlich waren die an den beiden Enden befindlichen
Spiegelplatten mit feinen Justirvorrichtungen versehen. Nur der kleinste dieser
Hülfsmassstäbe wurde nach der oben angegebenen Methode direkt in Wellen-
langen des Cadmiumlichtes ausgewertet, und zwar gelang es dabei, nicht nur
die ganzen, sondern auch die Bruchteile der Wellenlängen mittels eines hier
nicht näher zu beschreibenden Compensationsverfahrens, bei welchem die
Neigung der Platte B (Fig. 6) eine wesentliche Rolle spielt, bis auf wenige
Hundertstel genau zu bestimmen.
Sodann wurde die Länge des zweiten Hülfsmassstabes von 0,78 mm mit
derjenigen des ersten optisch verglichen, nnd zwar auf folgende Weise: An der
Stelle, wo sich in Fig. 6 der Spiegel C befindet, wurden beide Hülfsmassstäbe
in der in Fig. 8 (a) angedeuteten Weise gelagert, so dass die beiden reflektierenden
= Vorderflachen A’ und A” genau in eine Ebene fielen;
AB” pm dies konnte mit Hülfe des Spiegels D (Fig. 6) bei
Anwendung von weissem Licht leicht kontrolliert
werden. Hierauf wurde der Spiegel D so lange ver-
BZZ q ks schoben, bis er mit der Fläche B’ in eine spiegel-
bildliche Lage kam. Darauf wurde der Hülfs-
masstab I verschoben, bis die Fläche A’ an Stelle der
f Ezz mada" Fläche B’ lag (Fig. 8 b), und schliesslich folgte wieder
Fig. 8 (a). Eig. 8 (b). eine Verschiebung des Spiegels D, bis seine Ebene
spiegelbildlich mit der Ebene B’ des Massstabes I zusammenfiel. Auf diese Weise
war also der Massstab I genau um seine eigene Länge verschoben worden.
Wäre nun der Massstab II gerade doppelt so lang, als I, so müssten nun-
mehr auch die Flächen B’ und B” genau in eine Ebene fallen, d. h. die zwischen
dem Spiegel D und 2’ auftretenden Interferenzen im weissen Licht müssten
auch zwischen D und B“ zum Vorschein kommen. Dies war nun zwar im
Allgemeinen nicht der Fall, aber die nur wenige Wellenlängen betragende
Differenz konnte doch optisch genau ausgewertet werden, so dass nunmehr
auch die Länge des Massstabes II in Wellenlängen des Cadmiumlichtes bekannt
war. In derselben Weise wurde dann mit dem Massstab II auch der doppelt
so lange Massstab III verglichen, und so fort bis zum Massstab X von 100 mm
Länge.
Neben diesem Massstab X, welcher am vorderen Ende eine feine Strich-
marke trug, wurde nun der eigentlich auszumessende Meterstab so gelagert,
dass dessen Nullstrich mit der Strichmarke des Massstabes X möglichst genau
zusammenfiel, was durch mikroskopische Ablesungen kontrolliert werden konnte,
Sodann wurde der Massstab X in der oben beschriebenen Weise zehn Mal um
seine eigene Länge verschoben; dann musste, wenn die Länge des Massstabs X
genau den zehnten Teil der Länge des Normalmeters betrug, auch die Strich-
marke von X mit dem Endstrich des Meters zusammenfallen. Dies war zwar
wieder nicht genau der Fall, aber die geringe noch verbleibende Differenz konnte
mit dem Mikroskop scharf bestimmt und in Wellenlängen umgerechnet werden.
Auf diese Weise fand Michelson für die Länge des Normalmeters in
WALD | à
rotem Cadmiumlicht 1 553 163,5 Wellenlängen
grünem S 1 966 249,7 5
blauem a 2 083 372,1 j
Umgekehrt ergaben sich hieraus für die Wellenlängen der benützten drei
Lichtarten die Werte
= 0,00064384722 mm
Le, = 0,00050858240 —
Ap, = U.00047999107 ,
Die gesammte Unsicherheit der Messung betragt nur einige Einheiten der
vorletzten Decimale. (Fortsetzung folgt.)
M
333333333333333333
Die Temperatur an der Sonnenoberfläche und auf Fixsternen. Zur Ermittelung der
Temperatur der Sonne scheint die Messung ihrer Wärmestrahlung der einfachste Weg zu sein. In
Wirklichkeit sind jedoch viele bedeutende Hindernisse zu überwinden und mancherlei Nebenfrage
zu lösen, bevor jenes Ziel zu erreichen ist. Zunächst muss der Begriff der Temperatur genau fest-
gestellt werden. Wie jedermann aus dem täglichen Leben weiss, können verschiedene Gegenstände
auf gleiche Temperatur erhitzt sein. strahlen aber die Wärme in sehr ungleichem Grade aus —
z.B. ein eiserner und ein Kachelofen. Man rechnet deswegen so, als ob die Sonne ein „absolut
schwarzer“ Körper wäre, d.h. ein solcher, der alle ihn treffenden Strahlen verschluckt (und keine
durchlässt); denn für einen solchen Körper ist zwischen Temperatur und Strahlung das einfache,
zuerst von Stefan entdeckte Gesetz giltig, dass nämlich die Strahlung der vierten Potenz der vom
absoluten Nullpunkt an gezählten Temperatur proportional ist. — Nun lässt sich aber die Sonnen-
strahlung erst messen, nachdem sie bei ihrem Durchgang durch die Luft erheblich geschwächt
worden ist. Verschiedene Untersuchungen waren nötig und sind auch schon zur Ausführung ge-
kommen, um den Betrag dieser Schwächung wenigstens annähernd zu bestimmen. Doch bleibt hier
noch immer ein ziemlich weiter Spielraum offen, und es lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob
die Sonnenstrahlung an der Grenze der Erdatmosphäre um ein Drittel, die Hälfte oder um zwei
Drittel intensiver ist, als am Grunde des Luftmeeres. Eine ähnliche Unsicherheit wird in die
Rechnung eingeführt durch die Absorption, welche die Atmosphäre der Sonne selbst auf die Strahlung
der Sonnenoberfläche ausübt. Aber gerade weil nach dem Stefan’schen Gesetze schon einer mässigen
Temperatursteigerung eine sehr starke Zunahme der Strahlung entspricht, macht umgekehrt auch
eine ziemlich grosse Unsicherheit im angenommenen Werte der Sonnenstrahlung nur wenig
auf die zu berechnende Höhe der Sonuentemperatur aus. Setzt man erstere auf den doppelten Be-
trag hinauf, so steigt letztere nur um ein Fünftel und eine Verdoppelung der Temperaturhöhe würde
eine 16fach vergrösserte Strahlung bedeuten.
Vor einigen Jahren hat Herr J. Scheiner in Potsdam aus den besten vorhandenen Messungen
der Sonnenstrahlung die Temperatur an der Oberfläche dieses Weltkörpers zu 75000 C. berechnet.
Kürzlich hat nun Herr W. E. Wilson (Dublin) in den Verhandlungen der Royal Society in London
die Ergebnisse einer neuen Bestimmung dieser Temperatur veröffentlicht, die er gleich 6600° C.
gefunden hat.
Ein anderes Mittel zur ungefähren Schätzung der Temperatur der Sonne wie auch der Fix-
sterne wurde zuerst von J. N. Lockyer im wechselnden Aussehen gewisser Spectrallinien erkannt.
Wie später Herr Scheiner gezeigt hat, eignen sich besonders einige Magnesiumlinien zu solchen
Schätzungen. Er gelangte zu dem Schlusse, dass auf Sternen vom 1. Spectraltypus die Temperaturen
ungefähr der des Funkens der Leidener Flasche entsprechen (gegen 15 000°), während bei den
Sternen vom II. Typus die Temperatur der des elektrischen Bogens ähnlich sein dürfte (30000 bis
4000 °); auf der Sonne und den zum II. Typus gehörenden Sternen würde ein mittlerer Zustand
herrschen, der auch in den oben angeführten Resultaten von Scheiner und Wilson sich ausspricht.
Auf einer anderen Grundlage fussend, nämlich auf dem Gesetze, dass die Wellenlänge des
Intensitätsmaximums in einem Spectrum — alle Spectralgebiete, nicht blos die dem Auge wahrnehm-
baren, zusammengefasst — umgekehrt proportional ist der Temperatur des betreffenden leuchtenden
Körpers, haben vor sieben Jahren Herr Paschen sowie jetzt (Astron. Nachr. No. 3770) Herr Harkanyi
die relativen Temperaturen auf der Sonne und einigen Sternen bestimmt. Herr Paschen bekam
für die Sonnentemperatur den Wert 51309 C. Herr Harkanyi stellt folgende Tabelle auf:
Lichtquelle Temperaturgrenzen Lichtquelle Temperaturgrenzen
Sirius (I. Typus) 5700 bis 6400 0 Aldebaran (HI. Typus) 2550 bis 2850 0
Wega (I. Typus) 5700 - 6400- Beteigeuze (III. Typus) 2800 - 3150 -
Arktur (II.—III. T.) 2450 - 2700- Sonne . (H. Typus) 4850 - 5450-
Die Zahlen würden grösser ausfallen, wenn noch die Schwächung der Sternstrahlung in der
Luft in Rechnung gestellt würde; sie steigen z, B. für Sirius auf 7U00° bis 80000. Man sieht aber
zur Genüge. wie die Sterne vom I. Typus weit heisser sind an ihren Oberflächen als die des III. Typus
und,dass die Sonne einem Uebergangstypus angehört. A. B.
% $
&
Sonanenflecken in hohen heliographischen Breiten, weit nördlich oder südlich vom Sonnen-
äquator, sind als seltene Ausnahmen zu betrachten. Herr J. Guillaume in Lyon, der seit vielen
Jahren regelmässig die Sonne beobachtet, hat seit dem letzten Fleckenminimum (1889) folgende
Fleckenerscheinungen jenseits von 40° nördlicher oder südlicher Breite wahrgenommen:
Datum Breite Datum Breite
23. Sept. 1892 52° nördl. 15. Nov. 1895 57° nördl.
26. Febr. 1894 48 südl. 30. März 1896 44 -
2. März 1894 43 - 15. April 1896 47 südl.
3. - 1894 60 - 28. - 1896 44 nördl.
11. April 1894 52 - 25. März 1897 42 südl.
7. Dec. 1894 51 - 15. Sept. 1900 48 nördl.
19. Oct. 1895 41 - 26. Mai 1901 52 südl.
* x
x
Der Verlauf der letzten Sonnenfleckenperiode wird in übersichtlicher Weise zahlen-
mässig durch die Sonnenaufnahmen dargestellt, welche auf den Observatorien zu Greenwich. Dehra
Dün (Indien) und auf Mauritius fast alltäglich gemacht werden. Auf diesen Sonnenbildern werden
die Flächen ausgemessen, welche die vorhandenen Flecken und Fackeln bedecken. Die Durchschnitts-
werte der täglichen Areale sind in folgender Tabelle für die einzelnen Jahre zusammengestellt;
als Flächeneinheit ist die Oberfläche der Erde angenommen, die nahezu 12000mal kleiner ist als die
Sonnenoberfläche.
Durchschnittliches tägliches Durchschnittliches tägliches
Areal Areal
Jahr * | Ä |
nördl. südl. alle l À nörd] südl. alle l
- Fackeln , Fackeln
Flecken Flecken
1889 Oi 1895 3.35 2,43 5.78 13,51
1890 d 1896 1.20 2,02 3,22 8,36
1891 2; 1897 1,16 1.89 3.05 6.82
1892 Se 1898 0.65 1.58 2.23 5.28
1893 3.07 1899 0.14 0.52 0.66 2,00
1894 3,22 1900 0.15 0,29 0,44 —
Das fleckenreichste Jahr des ganzen Cyklus war 1893; die Flache. die damals jeden Tag ver-
dunkelt erschien, besass durchschnittlich nahezu die neunfache Ausdehnung der ganzen Erdober-
fläche. Die hellglänzenden Fackelgebiete waren jedoch um die Hälfte grösser, wobei noch zu be-
achten ist, dass die Fackeln sich nur an den randnäheren Teilen der Sonnenscheibe zeigen, wo die
Strahlung der eigentlichen Sonnenvberfläche durch die Sonnenatmosphäre weit mehr abgeblendet
und geschwächt wird, als um die Mitte der Scheibe. Hier heben sich die Fackeln von dem hell-
leuchtenden Hintergrunde nicht mehr ab. Es lässt sich daher nicht ohne weiteres behaupten, dass
das Gesamtlicht der Sonne in fleckenreichen Jahren geringer sei als zur Zeit der Fleckenminima.
Im Gegenteil scheinen die von Herrn Prof G. Müller in Potsdam angestellten Helligkeitsmessungen
an grossen Planeten und zwar besonders deutlich beim Jupiter, etwas weniger beim Mars, Saturn
und Uranus darauf hinzuweisen, dass diese Gestirne zur Zeit der verstärkten Thätigkeit der Sonne
von dieser mehr Licht empfangen als zur Zeit der Fleckenminima. Der Unterschied ist freilich so
gering. dass weitere Beobachtungen zu seiner Sicherstellung notwendig sind. Aus direkten
Messungen der Sonnenhelligkeit selbst wird man ihn, der ausserordentlichen Schwierigkeit dieser
Messungen halber. in absehbarer Zeit kaum erkennen können, somit ist nur jener indirekte Weg
gangbar, die etwaige Schwankung der Sonnenstrahlung aus der Lichtschwankung der von der Sonne
beschienenen Gestirne abzuleiten. !
*
Die Wärmestrahlung der Sonnenflecken bildete den Gegenstand mehrjähriger Unter-
suchungen des englischen Astrophysikers W. E. Wilson. Diese Strahlung war ungefähr dreimal
geringer als die der Sonne an hellen Oberflächenteilen nahe der Mitte der Sonnenscheibe. Am
Rande der Scheibe ist die Wärmestrahlung der weissen Oberfläche (Photosphäre) durch die Absorption
in der eigenen Atmosphäre der Sonne auf 43 Proc. reduciert, während die Strahlung der Flecken
durch diese Ursache wenig beeinflusst wird. Von den verschiedenen Deutungen, welche diese That-
sache zulässt. wäre eine die. dass die Atmosphäre oberhalb der Flecken nur eine geringe Höhe be-
sitze und dass die Flecken selbst sich in einem hohen Niveau befinden, eine Annahme. die auf die
Vermutung hinauskommt, dass die Flecken ausgedehnte Abkühlungsgebiete in den oberen Schichten
— 163 —
der gasigen Sonnenhülle darstellen. Die geringste Wärmestrahlung. die von Herrn Wilson beob-
achtet wurde. hat der grosse Augustfleck vom Jahre 1593 aufgewicsen; sie betrug nur 29 Proc. der
centralen Photosphärenstrahlung. Nimmt man das Stefan’sche Strahlungsgesetz für die Flecken als
giltig an, so würde man aus jener Strahlungsverminderung eine Temperaturabnahme um 1500° oder
mehr folgern können. * Së *
Das Spectrum von x Cygni, des schon 1686 von G. Kirch entdeckten Veränderlichen vom
Miratypus, ist von Herrn Dr. G. Eberhard in Potsdam vom August bis November 1901 sehr oft
(26 mal) photographisch aufgenommen worden. Das Lichtmaximum trat Mitte August ein, wobei
der Stern die 4,5. Gr. erreichte. Ende November war er auf die 9. Gr. herabgesunken. Wie bei
anderen Veränderlichen dieses Typus besitzt 7 Cygni ausser einem Spectrum mit dunklen Linien
und Streifen noch helle Linien des Wasserstoffs, Eisens, Siliciums. Die Lage dieser hellen Linien,
speciell die der dritten Wasserstofflinie (Hy) und einer Eisenlinie deutet auf eine Geschwindigkeit
von —20 km; um diesen Betrag würde sich also der Stern in der Secunde dem Sonnensystem
nähern. Die dunklen Linien liefern dagegen eine Geschwindigkeit von + 2,5 km, d. h. eine Ent-
fernungszunahme. Man müsste demnach auf das Vorhandensein zweier Sterne, also auf einen
spektroskopischen Doppelstern schliessen, doch wäre die Umlaufszeit jedenfalls sehr lang im Vergleich
zur Lichtwechselperiode, die 406 Tage beträgt. Andererseits lassen sich Verschiebungen von
Spectrallinien unter Umständen auch durch besondere Verhältnisse des atmosphärischen Druckes
auf solchen Sternen erklären, wie ja auch die abnormen Spectra der neuen Sterne auf ungewöhnliche
Druckzustände in den durch irgend eine Katastrophe aus dem Gleichgewicht gebrachten Atmosphären
hinweisen. Aehnliche Linienlage wie bei X Cygni findet nämlich auch ‘bei Mira Ceti statt, dem
typischen Stern dieser Art von Veränderlichen. Man muss daher abwarten, zu welchen Ergebnissen
die Untersuchung der Spectra anderer langperiodischer Veränderlicher führen wird.
* * (Astr. Nachr. Nr. 3765.)
*
Becquerelstrahlen und Kathodenlicht. Dass eine Beziehung zwischen den von gewissen
Körpern ausgesandten, noch in vielen Hinsichten rätselhaften Becquerelstrahlen und der Elektricität
besteht, ist schon dadurch erwiesen, dass durch die Becquerelstrahlen die Elektricität zerstreut wird.
K.A. Hoffmann und Eduard Strauss haben aber eine weitere Beziehung festgestellt. Sie haben
nämlich gefunden. dass bei einzelnen Becquerelstrahlen aussendenden Körpern nach einiger Zeit die
Fähigkeit, solche Strahlen auszusenden, aufhört. und dass diese ihre Bestrahlung durch Kathoden-
licht die Wirkung hat, sie zu reaktivieren, d.h. die vorher gleichsam ermüdet gewesenen Körper
senden nach ihrer Belichtung durch Kathodenstrahlen wiederum Becquerelstrahlen aus. Hoffmann
und Strauss haben weiter gefunden, dass Bleisulfat, welches durch gewisse chemische Processe her-
gestellt war, im Stande ist, nach Belichtung durch Kathodenstrahlen die Becquerelstrahlen auszu-
senden, Bleisulfat aber, welches durch andere chemische Processe entstanden war, diese Fähigkeit
nicht besitzt, und sie schlossen daraus, dass in jenem auf die erste Weise hergestellten Bleisulfat ein
bisher unbekannter Körper enthalten ist, dessen Anwesenheit die fragliche Eigenschaft besitzt. Ge-
nauere Untersuchungen ergaben, dass diesem neuen Körper, der übrigens besondere färbende Eigen-
schaften besitzt, wahrscheinlich das Atomgewicht 100,9 zukommt. Doch sind die Untersuchungen
noch nicht weit genug gediehen, um sichere Angaben zu machen. Dieselben Forscher entdeckten,
dass in ihren Präparaten noch ein zweiter Körper mit dem wahrscheinlichen Atomgewicht 171,96
enthalten sein müsse, doch ist es ungewiss, ob dieser zweite Körper ebenfalls durch Kathodenlicht
die Fähigkeit erhält, Becquerelstrahlen auszusenden.
* *
*
Eine neue Verwendung der Drachen für meteorologische Forschungen regt A.L. Rotch
vom Blue Hill-Observatorium an in einem Schreiben an den Herausgeber der „Science“. Obgleich
Drachen Registrierinstrumente über 5000 m hoch getragen und in Blue Hill und anderweitig grosse
Dienste der Meteorologie geleistet haben, ist ihre Verwendung doch sehr eingeschränkt, da ihr
Steigen einen Wind von 19 km Stundengeschwindigkeit erfordert. Bei gewissen Wettertypen,
besonders bei Anti-Cyklonen, ist der Wind sehr schwach, sodass die Drachen alsdann selten ver-
wandt werden können. Es kann auch vorkommen. dass der Wind am Boden des Luftmeeres kräftig
genug ist, jedoch in einer bestimmten Höhe vollständig versagt.
Rotch schlägt deshalb vor, die Drachen von einem Dampfschiff aufsteigen zu lassen.
Alsdann können nicht nur die Beobachtungen bei ruhigem Wetter, sondern auch über Ozeanen
gemacht werden, wo bisher nur wenig über die höheren Luftschichten bekannt ist. Die Schnelligkeit
eines gegen den Wind laufenden Schiffes verstärkt die Kraft, die den Drachen in die Höhe treibt
und oben erhält, während ein zu heftiger Wind durch das Herlaufen des Schiffes vor dem Winde
gemildert werden kann. Rotch hat seinen Vorschlag bereits praktisch erprobt, und zwar in der
— 164 —
Massachusetts-Bay am 22. August 1901. Er wurde hierbei von seinen Assistenten Fergusson und
Sweetland unterstützt. Bei anticyklonem Wetter brachte Rotch auf einem mit 10 Knoten Ge-
schwindigkeit fahrenden Dampfer gegen den nur mit 10 bis 16 km wehenden Wind den Drachen
auf 800 m Höhe.
Von besonderem Werte wäre es, wenn unter Benutzung der transatlantischen Dampfer auf
diesem Wege die Erforschung der in den Aequatorialgegenden über dem Meere liegenden Luft-
schichten gelänge. So liesse sich die Höhe, bis zu der die Passate reichen, wie auch die Richtung
und Stärke der oberen Winde bestimmen, für die man bisher allein auf die in jenen Breiten nur
selten sichtbaren hohen Wolken angewiesen war.
t x :
x
Eine neue Plattensorte. Wie wir von der „Actien-Gesellschaft fürAnilin-Fabrikation,
Berlin“, hören, liefert dieselbe neuerdings auch „Isolar“-Planfilms und Orthochromatische
„Isolar“-Planfilms, um vielseitig geäusserten Wünschen zu entsprechen. Die neuen Planfilms
vereinigen die Vorzüge der Celluloidfolien: Minimales Gewicht, geringes Volumen, Biegsamkeit, Un-
zerbrechlichkeit, hohe Empfindlichkeit mit den überaus wertvollen Eigenschaften der „Isolar“-Platten,
welche der Lichthofbildung entgegenwirken, von unübertroffener Haltbarkeit sind, und einen
überaus grossen Spielraum in der Belichtungszeit gestatten. Die „Isolar“-Planfilms werden
sich deshalb voraussichtlich bald einen festen Freundeskreis erwerben und speziell die Kombination
von orthochromatischen und lichthoffreien Celluloidfolien in Form der Orthochromatischen
„Isolar“-Planfilms dürfte für den Landschafter ein geradezu ideales Negativmaterial darstellen.
Um eine einheitliche Kollektivbezeichnung für ihre Fabrikate einzubürgern, wird die A.-G. für
Anilin-Fabrikation für ihre gesamten photographischen Erzeugnisse die gesetzlich geschützte Be-
zeichnung „Agfa“ einführen. Also auch die verschiedenen Trockenplatten- und Planfilmsfabrikate
genannter Gesellschaft, die vielfach unter dem Namen „Anilin“-Platten etc. bekannt sind, werden
binnen Kurzem auf den Etiquettes neben der Sonderbezeichnung noch den Kollektivnamen „Agfa“
tragen. * *
Unsere Beilage: „Das Wunderzeichen, Anno 1628“ stellt eine eigentümliche Erscheinung
von Nebensonnen dar. Die Radierung rührt von einem unbekannten Meister her und befindet sich in
der Sammlung des Astronom. Museums der Treptow-Sternwarte. Ein zweites Exemplar, das nicht
so gut erhalten ist, besitzt Herr Senator Rapp zu Hamburg.
Die in der Radierung gezeichnete und im darunter befindlichen Text beschriebene Natur-
erscheinung wurde während des dreissigjährigen Krieges zu einer Zeit gesehen, wo der Kampf
zwischen dem Kaiser und Christian IV. von Dänemark in Norddeutschland tobte, im Jahre 1628,
am 3. Mai alten Stils und von den Chroniken sehr verschieden geschildert. Vielfach wird dieselbe
auch als ein dreimaliger Kampf zwischen einem Löwen und einem Adler, bei dem zuletzt der Löwe
gesiegt habe, verzeichnet, dies erzählt z. B. der Mathematikprofessor Wahn in seiner Chronik. Sie
ist eine jener bekannten Haloerscheinungen, wie sie seitdem oft gesehen und geschildert worden sind.
as
Dem Komitee für die Erbauung der Vortragshalle der Treptow-Sternwarte sind noch
beigetreten: Freiherr von Spiessen, Winkel im Rheingau, Grubenbesitzer F. W. Körner, Berlin,
Amtsvorsteher Schablow, Treptow, Hugo Raussendorff, Berlin.
*
*
x
Fünftes Verzeichnis von Beiträgen zur Errichtung der Vortragshalle derTreptow-Sternwarte.
83. Fabrikbesitzer Oscar Pintsch . 300 M. | 93. Dr. med. Alfred SE Char-
84. Treptower Grundbesitzer- lottenburg . . . re 5 M.
Verein .. o wa: 100: - 94. Frl. Rosa Feit, Berlin: p e 5 -
85. Julius Model, Berlin e A ae ee OO 95. Leo Byk, Berlin. . . .... 5 -
86. Oscar Rathenau, Berlin . . . 100 - 96. Dr. Martin Neubart, Charlotten-
87. Grubenbesitzer F.W.Körner.Berlin 50 - burg. . . 5 -
88. Prof. Dr. Leman, Charlottenburg 40 - 97. Dr. Theodor Weil ‚Charlottenburg 5 -
89. Fabrikbesitzer H. Grengel, Berlin 30 - 795 M.
90. Firma Heinrich Jordan, Berlin . 20 - Die Summe der früheren Spenden betrug: 7508 -
91. Oscar Müller, Berlin. . ... 20 - Insgesamt: 8303 M.
92. Carl Schlesinger, Berlin . . . 10 -
Allen freundlichen Zeichnern sprechen wir den wärmsten Dank für diese Bethätigung ihres
Interesses aus. Weitere Beiträge nimmt die „Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius & Co.,
Berlin W., Charlottenstrasse 35a“ und die „Deutsche Bank, W., Behrenstr. 8-13“, entgegen.
Für die isn verantwortlich: F.S. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
Das Wunderzeichen, Anno 1628,
zu Hamburg.
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Astronomisches Museum der Treptow - Sternwarte. Nach einer}alten Radierung.
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gegenwertiger af; unfennengibto
Beilage zum „Weltall“, Jahrgang 2, Heft 13
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von
2. Jahrgang 14.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 April 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspallige Pelitzeile40 Pfg. Yı Seite 60.—,1/, Seite 30.— ‚1/4 Seite 15.-- Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
Lichts. (Schluss) Von Prof. Dr. E Gutlich, Mil-
1. Ueber den Lichtdruck und dessen Einfluss auf die Ge- glied der Physik.-Technischen Reichsanstalt . . . 177
stalt der Kometenschweife. Von Prof. Dr. Kalischer 165 4. Die totale Mondfinsternis am 22. April 1902. Von
2. Ein geophysikalisches Moment bei der drahtlosen oder Direktor F. S. Archenhold . . . . . 177
Wellen-Telegraphie. Von Wilhelm Krebs, Barr/Els. 171 5. Kleine Mitteilungen: Die Verdoppelung der Mars-
3. Präcisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge des kanäle. — Bewegungen vun Nebelflecken . . . . . ISO
(Jeber den kichtdruck und dessen Einfluss auf die Gestalt der
Kometenschweife.
Von Professor Dr. Kalischer.
N: seltsamen Gebilde, die nicht, wie man lange geglaubt hat, als vereinzelte
Wanderer den Weltraum durcheilen, sondern in ungeahnter Zahl das Fir-
mament bevölkern und ihre langgezogenen Kreise um die Sonne beschreiben,
die Kometen, die die Schrecken, mit denen ihr Erscheinen die Menschen erfüllte,
längst verloren haben, zumal wir wissen, dass sie denselben Bewegungsgesetzen
gehorchen wie alle anderen Himmelskörper, bieten doch des Rätselhaften noch
genug uns dar. Abgesehen von der Schweifbildung an sich, die noch einer be-
friedigenden Erklärung harrt, ist besonders die Abgekehrtheit der Kometen-
schweife von der Sonne ein Problem, das die Astrophysiker immer von Neuem
beschäftigt. Denn da alle Materie dem Newtonschen Gravitationsgesetze ge-
mass der gegenseitigen Anziehung unterworfen ist, und viele Kometen der Sonne
so nahe kommen, dass ihre Perihelien innerhalb der Merkursbahn liegen, so
sollte man cher erwarten, an der feinen Materie der Kometenschweife, trotz ihrer
geringen Masse, sichtbare Anzeichen der Anziehung wahrzunehmen. Statt dessen
bieten uns dieselben eine Erscheinung dar, die den Eindruck erweckt, dass hier
abstossende Kräfte wirksam sind. Abstossende Kräfte kennen wir als elektrische
und magnetische, und es lag daher nahe, Kräfte dieser Art für das Verhalten der
Kometenschweife verantwortlich zu machen. In der That hat u. A. Zöllner viel
Scharfsinn darauf verwandt, nachzuweisen, dass die Annahme einer gleich-
namigen elektrischen Ladung der Sonne und Kometen das Phänomen erklären
würde. Dass elektrische Processe auf diesen Weltkörpern ebenso wie auf der
Erde vor sich gehen, kann kaum einem Zweifel unterliegen, und wenn man noch
zugiebt, dass das Vorzeichen der Ladung auf den Kometen sich ändern kann,
so würden auch die zuweilen der Sonne zugekehrten Schweife verständlich sein,
ja man könnte in diese Erklärung auch noch das Bild hineinzwängen, das der‘
Komet von 1823 bot, der zwei Schweife hatte, von denen der eine der Sonne
zugcekehrt, der andere von ihr fortgerichtet war.
— 16 —
Allein zu einer befriedigenden Lösung des Problems dürfte man auf diesem
Wege schwerlich gelangen. Es giebt aber noch ein anderes Agens, das schein-
bar eine Abstossung hervorruft, und das ist das Licht. Im Sinne der Maxwell-
schen Lichttheorie, wonach das Licht selbst eine elektromagnetische Erscheinung
ist, würde man es hier im letzten Grunde wiederum mit elektrischen Kräften zu
thun haben. So lange die Emissionshypothese des Lichtes in Geltung war, so
lange man annahm, dass von dem leuchtenden Körper Teilchen ausgesandt
werden, die mit ungeheurer Geschwindigkeit durch den Raum fliegen, lag der
Gedanke nahe, dass diese Lichtkörperchen auf die von ihnen getroffenen Flächen
einen Druck ausüben, und in der That stellte bereits Kepler die Ansicht auf,
dass der Stoss, den die feinverteilte Materie der Kometenschweife durch die
von der Sonne fortgeschleuderten Lichtkörperchen erleidet, die Wirkung habe,
dass der Schweif von der Sonne fortgerichtet erscheint. Newton wollte den
Lichtkörperchen eine solche Wirkung nicht zugeschrieben wissen; Euler dagegen,
wiewohl er, der einzige unter seinen Zeitgenossen, gegen Newtons Autorität die
Emissionshypothese verwarf und, seiner Zeit vorauseilend, das Licht als eine
schwingende Bewegung im Aether betrachtete, die sich wellenförmig durch den
Raum ausbreitet, behauptete, dass Lichtwellen einen Druck auf die von
ihnen getroffenen Flächen ausüben. Freilich meinte er, dass die Schwingungen
des Lichtäthers longitudinale seien, d. h. in der Fortpflanzungsrichtung vor
sich gehen, wie bei den Schallwellen, die übrigens nachweisbar einen Druck
ausüben. i |
Eine theoretische Begründung der Druckwirkung der Lichtwellen, die, wie
wir mit Notwendigkeit annehmen müssen, von transversalen Schwingungen ge-
bildet werden, d. h. von Schwingungen, die quer zur Fortpflanzungsrichtung vor
sich gehen, ist zuerst von Maxwell gegeben worden, indem er zeigte, dass sie
eine Consequenz seiner Auffassung von der Natur des Lichtes, als einer elektro-
magnetischen Störung des Lichtäthers, sei. Der Kern der Faraday-Maxwell-
schen Auffassung der elektrischen und magnetischen Erscheinungen liegt darin,
dass der Sitz der Energie nicht in die scheinbar unvermittelt in die Ferne auf
einander wirkenden elektrischen resp. magnetischen Körper, sondern in das
zwischen ihnen befindliche Medium verlegt wird. Es resultiert hieraus ein
Zwangszustand des Mediums, der eben diese Energie repräsentiert und, wenn die
elektromagnetische Wirkung sich in Form einer Welle fortpflanzt, sich als ein
Druck in Richtung der Fortbewegung des Wellenzuges äussert. Die Existenz
elektromagnetischer Wellen ist ja durch die Entdeckungen von Hertz längst
ausser Zweifel gesetzt, und wenn man nun die bereits nahe an Gewissheit
grenzende Vorstellung zugiebt, dass das Licht, nicht im Wesen, sondern nur
dem Grade nach, durch die viel kürzere Länge der Wellen, von jenen unter-
schieden ist, so müssen auch Lichtwellen einen Druck ausüben. „Daher wirkt
in einem Medium, in welchem eine Welle sich fortpflanzt, in Richtung der Fort-
pflanzung ein Druck, der an jeder Stelle numerisch ebenso gross ist, wie die
daselbst vorhandene, auf Volumeinheit bezogene, ganze Energie.“ *)
Dieser im Jahre 1873 von Maxwell geführte Nachweis erhielt dadurch
eine Bekräftigung, dass Bartoli (1876) auf ganz anderem Wege, nämlich auf
Grund der Hauptsätze der mechanischen Wärmetheorie zu demselben Ergebnis
*) Maxwell, Lehrbuch der Elektrizität und des Magnetismus, deutsche Uebersetzung von
Weinstein, Art. 793.
— 167 —
gelangt ist, das später von Boltzmann*) und Anderen cine weitere theoretische
Begründung erhalten hat.
Der Lichtdruck lässt sich nach dem obigen Satze von Maxwell aus der
Intensität der Strahlung berechnen. Nun kennen wir angenähert den Wert der
Strahlungsenergie, welche in der Minute auf ein Quadratcentimeter einer gegen
die Sonnenstrahlung senkrecht stehenden Oberfläche eines Körpers in der Erd-
entfernung auffällt, die sogenannte Sonnenconstante, und danach fand Maxwell
den Lichtdruck gleich 0,4 mg p. Quadratmeter, unter der stillschweigenden Voraus-
setzung, dass sämtliche Strahlen vollständig absorbiert würden, und Maxwell
bemerkt weiter: „Da dieser Druck nur auf der von der Sonne beleuchteten Seite
des Körpers vorhanden ist, so würde dieser scheinbar von den Sonnenstrahlen
in Richtung ihrer Fortpflanzung fortgestossen werden‘.
Man erkennt nunmehr bereits, wie das in Rede stehende Problem der von
der Sonne fortgerichteten Kometenschweife auf die Frage hinausläuft, ob nicht
unter Umständen die abstossende Kraft der Sonnenstrahlung die Gravitations-
kraft übertreffen kann. Im Jahre 1892 stellte Lebedew**) eine rohe Vergleichung
dieser Art an, liess aber die Frage, um die es sich hier handelt, noch offen.
Kürzlich hat nun Arrhenius (Physikalische Zeitschrift 1900/1901; Il, 81) diese
Rechnung angestellt unter der Voraussetzung, dass die Materie der Kometen-
schweife aus kleinen Kügelchen besteht, die sich wie absolut schwarze Körper
verhalten, d. h. die gesamte auf sie fallende Sonnenstrahlung absorbieren.
Diese Rechnung ist so einfach, dass sie in etwas modifizierter Form an dieser
Stelle wohl wiedergegeben werden darf.
Setzt man die Sonnenkonstante, die wir oben definiert haben, gleich 2,5
Wärmeeinheiten oder Kalorien (cal.), d. h. so gross, dass mit dieser Wärme-
menge 2,5 Gramm Wasser von 0° auf 1° C. erwärmt werden könnte, so ist die-
selbe pro Sekunde und Quadratcentimeter 2,5:60 = 0,0417 cal. Wärme können
wir aber bekanntlich auch durch mechanische Arbeit erzeugen, und zwar müssen
wir zur Erzeugung einer Kalorie eine Arbeit aufwenden, die äquivalent ist der
Hebung eines Gewichtes von 42 600 Gramm um ein Centimeter, folglich entspricht
obige Wärmemenge einer mechanischen Energie von 42600 . 0,0417 = 1775 Gramm-
Centimeter. Da die Sonnenstrahlung eine Geschwindigkeit von 3.10!° cm hat,
d. h. diese Strecke in der Sekunde zurücklegt, so beträgt die Sonnenenergie in
jedem Kubikcentimeter des Wellenzuges 1775:3.10' = 592.10- °, und dies ist
demnach nach Maxwell der Druck in Grammen, den die Sonnenstrahlung auf
ein Quadratcentimeter eines absolut schwarzen Körpers in der Erdentfernung
ausübt. In der nächsten Nähe der Sonne ist dieser Druck rund 46518 mal
grösser, also gleich 46 518.592.10 -1— 27,5. 10-* Gramm. Die Schwerkraft an
der Sonnenoberfläche ist rund 27,5 mal grösser als an der Oberfläche der Erde,
oder mit anderen Worten, dies ist die Anziehung, welche an der Sonnenoberfläche
auf die Masseneinheit ausgeübt wird. Demnach ist die Anziehung, welche eine
Kugel vom Durchmesser d, gemessen in Centimetern, und dem spezifischen
3
Gewicht s dort erfährt = */, s s. 27,5 Gramm; während der Druck, den die
di,
SC 27,5.10-4 Gramm
beträgt. Das Verhältnis dieser beiden Kräfte muss, da beide abnehmen wie das
*) Wied. Ann. 1884; 22, 31.
**) Ib. 1892; 45, 292.
Sonnenstrahlung auf die Oberfläche derselben Kugel ausübt, i
— 168 —
Quadrat der Entfernnng zunimmt, in jeder Entfernung, also auch am Orte der
Kometen dasselbe sein. Wir haben also:
rd? =
Lichtdruck An Abstossung _ 4 "7. _ 10-1
li sa _
Schwerkraft Anziehung d ge Ss. 3 der
Setzt man nun das spezifische Gewicht, s = 1, nimmt also an, dass die
Kügelchen des Kometenschweifes dasselbe spezifische Gewicht haben wie das
Wasser, so wird obiges Verhältnis 2 und wenn man sich nun den Durch-
EN
messer, anstatt in Centimetern, in Tausendstel Millimetern gemessen denkt, so
sieht man, dass dieses Verhältnis gleich 1 wird, wenn der Durchmesser des
Kügelchens 1,5 u (u = Jean mm) wird. Mit anderen Worten: auf Kügelchen von
dieser Kleinheit und dem spezifischen Gewicht eins ist die Abstossung durch
den Lichtdruck ebenso gross wie die Anziehung durch die Schwerkraft der
Sonne, vorausgesetzt, dass das Kügelchen die gesamte auffallende Sonnen-
strahlung absorbiert. Sind die Kügelchen noch kleiner, so wird die Abstossung
durch den Lichtdruck überwiegen und beispielsweise doppelt so gross sein, als
die Anziehung durch die Schwerkraft, wenn der Durchmesser der Kügelchen
nur die Hälfte des oben angegebenen Wertes beträgt, dieselben würden dann
mit einer der Schwere gleichen Kraft von der Sonne abgestossen werden. Wie
man aus obiger Formel ersieht, ist das Verhältnis der Abstossung durch den
Lichtdruck zur Anziehung umgekehrt proportional dem spezifischen Gewicht,
oder kügelchen von kleinerem spezifischem Gewicht als eins brauchten nicht so
klein zu sein, um denselben Druck zu erfahren. Nun hat man Grund, anzu-
nehmen, dass die Materie der Kometenschweife aus Kohlenwasserstoffen besteht,
deren spezifisches Gewicht 0,8 gesetzt werden kann. Ferner hat Bredichin aus
den Krümmungen von 40 Kometenschweifen das Verhältnis der abstossenden
zur anziehenden Kraft berechnet und gefunden, dass die erstere die letztere
18,5, resp. 3,2, 2,0, 1,5 mal übertrifft; nach diesen Daten berechnet sich der
Durchmesser, den die Tröpfchen der Kometenschweife haben müssten, um eine
solche Abstossung zu erleiden, zu 0,1 resp. 0,59, 0,94, 1,25 un Die Teilchen der
Kometenschweife müssten also von der Kleinheit der Lichtwellen sein; allein es
liegt kein Grund vor, die Existenz so winziger Partikel in Zweifel zu ziehen.
Wie Arrhenius zur Stütze dieser Meinung hervorhebt, hat man Flüssigkeits-
häutchen hergestellt, die nur eine Dicke von 0,005 u besassen. Gold lässt sich
zu Plättchen walzen, deren Dicke nur 0,5 Millionstel Millimeter beträgt.
Angeregt durch die Darlegung von Arrhenius hat Schwarzschild*) diesen
Gegenstand einer eingehenden mathematischen Behandlung unterzogen. Er
erhebt den Einwand, dass man so kleinen Partikeln, wie sie für die in Rede
stehenden Wirkungen erfordert werden, nicht die Eigenschaft eines absolut
schwarzen Körpers zuschreiben dürfe. Er macht daher die Voraussetzung —
die aber doch nicht weniger angreifbar erscheint -- dass die Kügelchen voll-
kommen reflektierend seien. Nun können „bei Kugeln, deren Durchmesser von
der Grössenordnung der Wellenlängen des Lichtes sind, durch die Beugung des
Lichtes die Verhältnisse sehr wesentlich geändert werden‘; „um ganz kleine
Kugeln, deren Radius auch gegen die Wellenlänge sehr klein ist, schlägt die
*) Sitzungsberichte der Münchener Akademie, 1901, Bd. 31, S. 293 bis 338.
— 169 —
Lichtwoge herum, ohne in ihrem Verlaufe merklich gestört zu werden“. Es
bedarf also einer genauen Untersuchung der Reflexion und Beugung des Lichtes
durch die Kugel, um vor allem die Grössenverhältnisse festzustellen, für die
der Lichtdruck etwa die Schwere übertrifft.
Diese Untersuchung ergab nun in der Hauptsache eine Uebereinstimmung
mit den Ausführungen von Arrhenius, was immerhin insofern etwas auffallend
ist, als der Theorie nach der Lichtdruck auf vollkommen reflektierende Körper
doppelt so gross sein muss als auf vollkommen schwarze Körper. Die schliessliche
Formel von Schwarzschild enthält auch das Gesetz der Abhängigkeit des Licht-
druckes von der Wellenlänge. Nimmt man aber an, dass die ganze Sonnen-
strahlung aus Wellen von 0,6 u bestehe, die den hellsten Stellen des Spektrums
entsprechen würden, und setzt das spezifische Gewicht der Stoffteilchen der
Kometenschweife gleich 1, so wird für Kügelchen vom Durchmesser 1,5 u der
Druck des Lichtes gleich der Schwerkraft. Für kleinere Kügelchen „wächst der
Lichtdruck über die Schwerkraft hinaus, bis er sie bei einem Kugeldurchmesser
von 0,18 u um das 18fache übertrifft. Von diesem Maximalwert sinkt der Licht-
druck schnell herab und ist bei einer Durchmessergrösse von 0,07 u wieder der
Schwerkraft gleich, um sich sodann rasch der Null zu nähern. Ein Ueberwiegen
des Druckes der Lichtstrahlung findet also nur für gewisse, zwischen verhältnis-
mässig engen Grenzen liegenden Kugelgrössen (0,07 bis 1,5 mw) statt, innerhalb
dieses Bereichs wächst aber der Druck bis auf das 18fache der Schwerkraft
an“. Dies ist aber, wie wir oben gesehen haben, der Maximalwert der Ab-
stossung, die nach den bisherigen Beobachtungen und Rechnungen die Kometen-
schweife erleiden*). Freilich ist dieses Resultat erlangt unter der Annahme,
dass die ganze Sonnenstrahlung aus Wellen von 0,6 # bestehe, dies ist gerade
ungefähr das Gebiet der maximalen Energie der Sonnenstrahlung; durch die
Verteilung der Sonnenenergie auf verschiedene Wellenlängen wird das Ver-
hältnis von Lichtdruck zu Schwerkraft zu Ungunsten des ersteren verschoben
und der Maximalwert desselben nach Schwarzschild etwa auf die Hälfte des
für den obigen Fall angenommenen Wertes reduziert. Andererseits würde sich
eine Erhöhung des Druckes ergeben, wenn man der Materie der Kometenschweife
ein geringeres spezifisches Gewicht als 1, etwa das schon oben angenommene
von 0,8, beilegt. Ferner ist zweifellos der Wert der Sonnenkonstante mit 2,5 zu
niedrig angesetzt, dürfte vielmehr nach neueren Untersuchungen den Betrag von
3,5 bis 4 erreichen. Hierdurch gelangt man schliesslich zu dem Ergebnis, dass
der Lichtdruck oder die Abstossung der Sonnenstrahlung die Schwerkraft oder
die Anziehung um etwa das 20fache übertreffen kann.
Das bisher Vorgetragene ist freilich Theorie. Aber lässt sich der Licht-
druck nicht experimentell nachweisen und messen? Maxwell sagt an der
oben (S. 166) angeführten Stelle: „Konzentriertes elektrisches Licht wird wahr-
scheinlich einen noch stärkeren Druck ausüben, und es ist nicht unmöglich, dass
die Strahlen eines solchen Lichtes, wenn sie auf ein dünnes metallisches
Plättchen, das in einem Vakuum fein aufgehängt ist, fallen, an diesem einen
beobachtbaren mechanischen Effekt hervorbringen werden‘. Versuche, einen
solchen nachzuweisen, führten zur Erfindung der Lichtmühle oder des Radiometers,
wie der wissenschaftliche Name lautet, das bekanntlich durch Crookes auf einen
hohen Grad von Vollkommenheit und Empfindlichkeit gebracht wurde. Weitere Be-
*) Neuerdings fand jedoch Pickering (Ntw. Rdsch., 1900, XV., 506) für den Komet 1892 L.
Swift, eine die Attraktion um das 39,5fache übertreffende Abstossung.
— 170 —
mühungen, z. B. von Zöllner”), den Lichtdruck auf diesem Wege festzustellen,
führten zukcinem positiven Resultate, daderselbe durch die stärkerenradiometrischen
Wirkungen verdeckt wird. Zwar sagt Lodge**), es sei „kaum mehr nötig, sich
darum zu bemühen, da die direkte Wirkung vollständig deutlich wird, sobald man
sich längerer (elektrischer) Wellen bedient“, da ja Lichtwellen undelektrische Wellen
sich nur durch ihre Länge von einander unterscheiden sollen. „Nähert man eine
Kupferscheibe einem Magneten, der von einem Wechselstrom gespeist wird, so
wird sie abgestossen durch die in ihr induzierten Ströme und deren Rückwirkung
auf das Feld. Aus genau demselben Grunde übt Licht einen Druck auf leitende
Flächen aus. Es induziert in ihnen Ströme und stösst diese dann ab, weil es
nicht mit ihrer Phase übereinstimmt. Allerdings ist die Abstossung einer Scheibe
in der Nähe eines wechselnden Magneten keine stetige oder in derselben
Richtung stattfindende Erscheinung, es können auch Augenblicke der Anziehung
eintreten; im Ganzen aber überwiegt die Abstossung, sie findet ausschliesslich
statt, wenn die Wechsel sich rasch und mit wellenförmiger Gleichmässigkeit
vollziehen“, wie die bekannten Versuche von Elihu Thomson zeigen. Indessen
kann die Wissenschaft auf den experimentellen Nachweis des Lichtdruckes nicht
verzichten, und es ist erfreulich, dass dieser nunmehr Lebedew”**) gelungen zu
sein scheint. (Schluss felgt.)
WE
Ein Seophysikalisches Moment bei der drahtlosen oder Wellen-Gelesraphie.
Von Wilhelm Krebs, Barr, Els.
D: drahtlose Telegraphie hat durch die theoretischen und praktischen Arbeiten
Braun’s und durch die erfolgreichen technischen Bestrebungen Marconi s
und Slaby’s in den letzten Jahren eine unzweifelhaft grosse Wichtigkeit für
Schiffahrt und transozeanischen Verkehr gewonnen. Charakteristisch für ihr
derzeitiges Entwicklungsstadium ist die Rekordfrage. Noch im Sommer 1901
galt es als ein grosser Erfolg, dass Professor Braun’s Gesellschaft für drahtlose
Telegraphie einen sicheren Telegrammverkehr zwischen Kuxhaven und Helgoland
eingerichtet hatte. Da eröffneten im Dezember 1901 die transatlantischen Ver-
suche Marconis zwischen Poldhu und St. Johns eine ungeheure Perspektive.
Nachdem es dann über sie recht still geworden, schienen der ähnliche Versuch
nach Slaby-Arco zwischen Kuxhaven und Esbjerg und die praktischen Erfolge
zwischen Nantucket und New-York seit Januar 1902 ihm wenigstens einige Be-
stätigung zu bringen.
Die Gesellschaften Marconis und Slaby-Arcos garantieren gegenwärtig
(Februar 1902) eine Signalentfernung von 150 km. Diese Angaben sind nach
geschäftlichen Offerten citiert, die vorerwähnten aus Zeitungsnachrichten ent-
nommen. Die eigentlich wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind; in Bezug
auf den inneren Zusammenhang dieser neuen Erfolge noch sehr unzureichend.
*) Poggendorffs Annalen. 1877; 160. 154.
**) Neueste Anschauungen über Elektrizität. Uebersetzt von Anna von Helmholtz und Estelle
du Bois-Reymond, S. 406 f.
=) Ann. d. Phys., 1901; 6. 433.
— 11 —
Vielleicht ist darin die Erklärung zu finden für die Vernachlässigung eines
sehr naheliegenden geophysikalischen Gesichtspunktes, von dem aus auch für
die Meteorologie, besonders die maritime, mit grosser Wahrscheinlichkeit das
neue Verkehrsmittel eine Bedeutung erlangen kann. Es ist die Erdkrümmung.
Wegen ihrer würde die in den Systemen Braun und Arco-Slaby gewählte Mast-
höhe von 40 m für Sender und Empfänger ihre Verbindung mittelst gerad-
liniger Wellen durch die Luft höchstens auf 22 km gestatten. Auf grössere
Entfernung würde die Senderspitze für die Empfängerspitze unter allen Umständen
durch die Kuppe der sich dazwischen schiebenden Erdrundung abgedeckt.
Andererseits ergiebt die Berechnung der niedrigsten wirksamen Sender- und
Empfängerhöhen gegenüber den thatsächlich erzielten Entfernungen, unter der
gleichen Voraussetzung geradliniger Wellenstrahlen, ganz unerwartet grosse Werte.
Da die Drähte für Sender und Empfänger so gewählt zu werden pflegen, dass die
elektrischen Schwingungen die grösste Steigerung an den oberen Enden auf-
weisen, ist gestattet, als solche Stufenwerte unmittelbar die Höhe der Krümmungs-
kuppe über der horizontalen Sehnenebene anzusprechen.
Die wichtigsten Entfernungsrekorde drahtloser Telegraphie enthält folgende
Tabelle L
L
Rekordstrecken System Entfernung
1. Kuxhaven-Helgoland Braun 65 km
2. Kuxhaven-Esbjerg Slaby-Arco 180 -
3. Nantucket-New- York Marconi 350 -
4. Poldhu-St. Johns Marconi 4100 -
5. Garantiert von der |
Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft Slaby-Arco 150 -
6. Garantiert von der
Marconi-Gesellschaft Marconi 150 -
Unter Zugrundelegung des Listing’schen Wertes, 6370 km, für den Radius
der dem Erdsphäroid inhaltsgleichen Kugel, berechnete ich daraus die in Tabelle
enthaltenen Höhen der Krümmungskuppen oder niedrigste Höhen für Sender
und Empfänger.
I.
Rekordstrecken Richtung Niedrigste Höhen
1. Kuxhaven-Helgoland SE—NW 100 m
2. Kuxhaven-Esbjerg S—N 636 -
3. Nantucket-New-York E—W 3145 -
4. Poldhu-St. Johns E—W 311436 -
5. Elektrizitätsgesellschaft S—N 690 -
6. Marconi-Gesellschaft | |E_w 442 -
Für alle diese Strecken, ausser für die transatlantische Poldhu-St. Johns,
werden ausschliesslich Maste als Träger der Sender- und Empfängerdrähte an-
gegeben. Für die Systeme Braun und Slaby-Arco betrug ihre Höhe thatsächlich
nur 40 m, anstatt der berechneten von 100 bis fast 700 m (Tabelle lI). Braun
ging sogar ohne Schaden auf 37 m Masthöhe herab.
Von Marcont s transatlantischen Versuchen verlautet allerdings, er habe
auch Fesselballons und Drachen bis etwa 400 m hoch steigen lassen. Die
Rechnung verlangt aber hier fast den 800fachen Betrag, 311 436 m, eine Höhe,
die mit den vorhandenen Hülfsmitteln technisch überhaupt nicht erreichbar ist.
— 172 —
Die elektrischen Schwingungen des Aethers können ohne Störung auf weite
Strecken nur dann verlaufen, wenn er durch die isolierende Luft von den besseren
Leitern, wie Wasser und feuchten Körpern, getrennt ist. An eine geradlinige
Durchsetzung der Krümmungskuppe, zumal unter der Meeresfläche, ist demnach
nicht zu denken.
Den einzigen Ausweg aus den angeführten Widersprüchen zwischen Rechnung
und Praxis bietet die Annahme, dass die elektrischen Wellen über die Erdoberfläche
hin krummlinigen Strahlen folgen, die ihre Konkavität der Erde zukehren.
Hierfür stellen sich sogleich zwei Möglichkeiten heraus, die zu genauerer,
teils beobachtender, teils experimenteller Untersuchung herausfordern.
Einmal kann man an die Ablenkung denken, die den ebenfalls elektrischen
Kathodenstrahlen und den elektrischen Strömen durch einen Magneten zu teil
wird. Sie erfolgt in Kurven, die in Ebenen, senkrecht zur Achse des Magneten,
diesen umkreisen. Für diejenigen Gebiete, in denen bisher Versuche drahtloser
Telegraphie erfolgreich ausgeführt sind, ist die Erde ein Magnet mit ungefähr
von Süden nach Norden gerichteter Achse. Es erscheint in diesem Blick sehr
bemerkenswert, dass die grössten Rekorde (No. 3 und 4 der Tabellen) in der
Richtung von Osten nach Westen, also mit den der Theorie entsprechend ge-
richteten Wellenstrahlen, erreicht sind.
Immerhin steht ihnen der nicht unbedeutende Rekord No. 2 mit fast genauer
Nordrichtung der wirksamen elektrischen Strahlen gegenüber. Auch haben weder
die Marconi- noch die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft ihre Garantieen
lediglich an die West oder Ostrichtung geknüpft. Entscheidende Versuche
dürften in Gebieten mit weniger gleichmässigem in seiner Richtung, dagegen in
seiner Wirkung intensiverem Erdmagnetismus gemacht werden können. Es wäre
das eine neue, sehr aktuelle Aufgabe, die den für solche Untersuchungszwecke
teilweise schon ausgerüsteten Südpolar-Expeditionen gestellt werden könnte.
Die andere Möglichkeit darf aus der Analogie elektrischer Wellen mit Licht-
wellen gefolgert werden. Die Lichtstrahlen werden, im Gegensatz zu den Schall-
strahlen, auch in den durch Wärme ausgedehnten unteren Schichten der Atmo-
sphäre dem Einfallsloote zugebrochen, weil diese unteren Schichten infolge des
Druckes der höheren optisch dichter sind. Es ist wahrscheinlich, dass sie auch
elektrisch dichter sind. Dann würden manche der sonst von der Erdoberfläche
in den Weltenraum abirrenden Ausstrahlungen des Senderendes schliesslich in
grösserer Entfernung, auch jenseits einer hohen Krümmungskuppe, dem
Empfängerende zugebogen werden können.
Die Druckverhältnisse der unteren Atmosphäre wechseln aber ausser-
ordentlich je nach der Wetterlage. Hierin möchte ich die anfangs dieser Zeilen
angedeutete Erwartung begründet finden, dass die drahtlose Telegraphie manche
Aufklärungen und Förderungen auch von der meteorologischen Wissenschaft
erhalten dürfte. Thatsächlich soll bei Versuchen der Allgemeinen Elektrizitäts-
Gesellschaft im Juli und August 1901, besonders gelegentlich schwülen Wetters,
die Signaldistanz auf !/,, sogar auf IL der sonst erreichten zurückgegangen sein.
Auf den für drahtlose Telegraphie ausgerüsteten Seeschiffen würde zu einer
Klärung solcher Beziehungen zur Wetterlage beigetragen werden können dadurch,
dass bei Telegraphierungsversuchen jedesmal ad hoc ausgeführte Witterungs-
beobachtungen aufgezeichnet würden.
WE
mm H P EE, ee ge rm
— KC —
Bräcisionsmessungen mit Hülfe der Wellenlänge des Lichts.
(Schluss.)
Von Prof. Dr. E. Gumlich.
3. Methode der Dickenmessung und Interferenz-Spektrometer von
Perot und Fabry.
N“ einem etwas anderen Wege ist es neuerdings Perot und Fabry gelungen,
die Dicke von Luftkeilen und planparallelen Luftplatten optisch ungemein
genau zu bestimmen:
In derselben Weise wie beim Fizeau'schen Dilatometer für reflektiertes
Licht treten auch geradlinige, äquidistante Interferenzstreifen auf, wenn man
durch zwei plane, sehr wenig gegeneinander geneigte Glasplatten mono-
chromatisches Licht hindurchtreten lässt. Dieselben kommen dadurch zu stande,
dass die direkt hindurchgegangenen Strahlen mit denjenigen interferieren, welche
an den beiden Flächen des zwischen den Platten befindlichen Luftkeiles reflektiert
wurden. Da jedoch bei senkrechtem Einfall von einer unbelegten Glasplatte
nur wenig Licht reflektiert wird, so besitzen die interferierenden Strahlen sehr
verschiedene Intensität, und die ganze Erscheinung ist wenig deutlich. Diesem
Uebelstande ist leicht dadurch abzuhelfen, dass man die reflektierenden Glas-
flächen schwach versilbert, und zwar wählt man die Dicke der Silberschicht so,
dass ungefähr 75°/, des Lichtes reflektiert und nur 25 °/, durchgelassen werden.
Die Interferenzstreifen treten dann ungemein scharf hervor, was hauptsächlich
auch davon herrührt, dass nunmehr auch die mehrfach retlektierten Strahlen
zum Zustandekommen der Erscheinung beitragen.
Die eine versilberte Fläche eines solchen sehr dünnen Keiles wurde nun
von Perot und Fabry mit einer Millimeterteilung versehen, und es handelte sich
zunächst darum, die Dicke der Keilschicht in Wellenlängen des angewandten
Lichts für jeden Teilstrich genau zu bestimmen. Hierzu genügt es, dass man
die Dicke x für eine bestimmte Stelle des Keiles kennt, denn man braucht dann
nur die Interferenzstreifen von dieser Stelle aus weiter abzuzählen, um die Dicke
auch für andere Stellen zu erhalten, da mit jedem neuen Streifen die gemessene
Dicke um eine halbe Wellenlänge zu-, bezw. abgenommen hat.
Zu diesem Zwecke bedarf man zweier Keile von den gleichen Dimensionen,
die vor einander gesetzt werden; die Teilung des ersten Keils wird mit Hülfe
einer Linse auf diejenige des zweiten keils projiciert und das ganze System
durch eine sehr helle, weisse Lichtquelle (Bogenlicht) erleuchtet. Fasst man nun
einen bestimmten, etwa in der Mitte gelegenen Teilstrich des zweiten Keils ms
Auge und schiebt den ersten Keil langsam am zweiten vorbei, dann wird bei
einer bestimmten Stellung an dem beobachteten Strich ein heller, von farbigen
Fransen umgebener Interferenzstreifen entstehen. Dieser tritt dann auf, wenn
die Dicke x für die beiden Keile an den betreffenden Stellen genau gleich ist,
und zwar interferieren dann die an den beiden Flächen des ersten Keiles
reflektierten Strahlen, welche direkt durch den zweiten Keil hindurchgegangen
sind, mit denjenigen Strahlen, welche den ersten Keil ohne Reflexion passiert,
aber an den Flächen des zweiten Keiles eine doppelte Reflexion erfahren haben.
Nach einer weiteren Verschiebung des ersten Keils um n Skalenteile wird aber-
mals ein heller Interferenzstreifen an der beobachteten Stelle auftreten; dann ist
die Dicke der Luftschicht des ersten Keils an dieser Stelle = 2x. Beobachtet
man nun den ersten Keil allein im monochromatischen Lichte von der Wellen-
— KE —
lange 4 und findet, dass auf der Lange von n Skalenteilen p Streifen auftreten,
e e H H . . A e a
so ist, wie leicht ersichtlich, die gesuchte Dicke x = p PE somit lässt sich also
die Dicke der Keile für jeden Teilstrich ermitteln.
| Um nun auch die Dicke einer nicht keilförmigen, sondern planparallelen
Luftplatte zu messen, die von schwach versilberten, planparallelen Glasplatten
begrenzt ist, setzt man vor dieselbe einen Normalkeil, dessen Konstanten man
kennt, beleuchtet wieder mit weissem Licht und verschiebt den Keil so lange,
. bis an irgend einem Teilstrich a des Keils der helle Interferenzstreifen auftritt;
die Platte hat dann die gleiche Dicke, wie der Keil beim Strich a.
Denkt man sich ferner zwei versilberte Luftplatten, von denen die eine
doppelt so dick ist als die andere, so hintereinander aufgestellt, dass sie nur
einen ganz kleinen Winkel mit einander bilden, und beleuchtet mit sehr intensivem,
weissem Licht, so erscheinen wieder glänzende Interferenzstreifen, deren Lage
und Breite von dem Winkel abhängt, welchen die Ebenen beider Platten mit
einander bilden. Diese Streifen kommen dadurch zu Stande, dass die innerhalb
der dickeren Platte zweimal reflektierten Strahlen mit den innerhalb der dünneren
Platte vier mal reflektierten zur Interferenz gelangen, denn die optische Weg-
länge für die beiden Komponenten ist ja die gleiche. Dasselbe gilt, wenigstens
theoretisch, für alle Platten, für welche das Verhältnis der Dicken gleich einer
ganzen Zahl ist; praktisch findet es jedoch bald eine Grenze, und zwar etwa
beim Verhältnis 4. Hat man also eine gegebene Luftplatte von bekannter Dicke,
so lässt sich mit Hülfe des eben beschriebenen Princips auch eine solche von
genau vierfacher Dicke herstellen; von dieser ausgehend eine solche von
16facher Dicke u. s. w. Auf diese Weise würde man also ebenfalls zu 1m
dicken Luftplatten gelangen können, deren Dicke bis auf Bruchteile einer Wellen-
länge bekannt wäre.
Damit ist aber sofort die Möglichkeit gegeben, auch die Länge fester Körper,
beispielsweise von Endmassstäben, mit annähernd der gleichen Genauigkeit in
Einheiten der Lichtwellen auszudrücken. Bringt man nämlich einen festen
Körper mit planparallelen, reflektierenden Endflächen zwischen eine solche Luft-
platte von bekannter Dicke, welche die Länge des zu messenden Körpers nur
sehr wenig übersteigt, so lässt sich, am besten mit Hülfe der oben beschriebenen
Normal-Luftkeile, die Dicke der beiden Luftschichten zwischen den Endflächen
des Körpers und den Grenzflächen der Luftplatte mit Hülfe von reflektiertem
Licht wieder mit derselben Genauigkeit bestimmen; man erhält also die Länge
des festen Körpers als Differenz zwischen der bekannten Dicke der Luftplatte
und der Dicke der beiden dünnen Luftschichten an der Grenze.
Derartige Luftplatten können aber auch noch eine andere, ungemein
wichtige Aufgabe erfüllen: Sie dienen nämlich als Spektrometer von enormem
Auflösungsvermögen. Lässt man nämlich Licht von einer ausgedehnten mono-
chromatischen Lichtquelle auf eine solche Luftplatte fallen, die durch zwei plan-
parallele, versilberte Flächen begrenzt ist, so beobachtet man mittels eines auf
der entgegengesetzten Seite der Platte befindlichen, auf Unendlich eingestellten
und senkrecht zur Platte gerichteten Fernrohres die konzentrischen Haidinger'schen
Interferenzringe, die schon bei Besprechung der Michelson’schen Arbeiten erwähnt
wurden. Diese Ringe kommen dadurch zu Stande, dass die direkt durch die
Platte gegangenen mit den an den beiden Grenzflächen reflektierten Strahlen
interferieren. Die Gangdifferenz der einzelnen Strahlenpaare hängt ausser von
— 15 —
der Dicke e auch vom Einfallswinkel i ab. Entfernt man nun dic beiden Grenz-
flächen stetig von einander, dass sie sich stets genau parallel bleiben, so scheinen
die Ringe von aussen nach der Mitte zu wandern und im Mittelpunkt zu ver-
schwinden. Ist aber das verwendete Licht nicht streng monochromatisch, sondern
besteht es, wie etwa das Natriumlicht, aus zwei oder mehreren in der Wellenlänge
nahezu übereinstimmenden Kom-
ponenten, so werden sich zwar
anfangs bei sehr geringem Platten-
abstand die von den beiden Kom-
ponenten herrührenden Ring-
systeme überdecken, bei wachsen-
dem Plattenabstand aber aus=z
einanderrücken (vergl. Fig. 9)*),
und zwar wird sich das von der
Linie grösserer Wellenlänge her-
rührendeSystemstärker nach dem
Mittelpunkte hin verschieben, so
dass sich bei einem bestimmten
Plattenabstand ein Ringsystem
genau in der Mitte zwischen den
Ringen des anderen Systems be-
findet. Nennen wir für diesen Fall,
der sich durch mikrometrische
Fig. 9. Messung recht genau feststellen
lässt, 4 die Gangdifferenz, p die Ordnungszahl des betreffenden Ringes, 4 die Wellen-
lange der einen, 4 + e diejenige der anderen Komponente, so gelten die Gleichungen:
4= phy 4+ 5=p Ate, somit = 5, = g5
differenz 4, die sich mit Hilfe eines Massstabes hinreichend genau ermitteln
lässt, oder die Ordnungszahl p, so findet man in dem Bruch ei das Verhältnis
zwischen der Differenz der beiden Wellenlangen zur Wellenlange der einen
Komponente.
Als Beispiel möge hier die Beschreibung der Beobachtung mit grünem
Thalliumlicht (4 = 0,5439 u) folgen: Bei einer Dicke der Luftschicht von 1,5 mm
bemerkt man im Innern jedes glänzenden Ringes einen zweiten schwächeren,
die Thalliumlinie ist also doppelt und die schwächere Komponente liegt auf der
Seite der grösseren Wellenlängen. Der schwächere Interferenzring liegt dann
genau in der Mitte von zwei stärkeren, wenn der Plattenabstand 6,25 mm, d.h.
die Ordnungszahl p etwa 24000 beträgt; somit ist das Verhältnis des Abstandes
der beiden Komponenten zur Wellenlänge des einen nach den obigen Formeln
€ 1 —6
Lon 48 000 = 21 X 10
Aber auch die hellere der beiden Komponenten ist noch nicht einfach, denn
bei einem Plattenabstand von 18 mm beginnen auch die von ihr herrührenden
Ringe sich zu verdoppeln, und zwar beträgt hier der Wert e:A nur noch 3 X 10—.
Die bisher für einfach gehaltene Thalliumlinie ist somit mindestens dreifach
und besteht aus einer stärkeren Hauptlinie und zwei schwächeren Nebenlinien
von etwas grösserer Wellenlänge und annähernd gleicher Helligkeit.
*) Diese Abbildung ist nach einem der Redaction in liebenswürdiger Weise von den Herr-
Perot und Fabry zur Verfügung gestellten Glasphotogramm hergestellt.
Kennt man also die Gang-
— 116 —
Nach derselben Methode untersuchten Perot und Fabry noch eine Anzahl von
Quecksilber- und Kadmiumlinien, die bisher für einfach galten, und fanden sie,
abgesehen von der roten kKadmiumlinie, sämtlich zusammengesetzt. Die bei
optischen Messungen viel verwandte hellgrüne Quecksilberlinie ergab sich als
derifach, und zwar beträgt für zwei Komponenten derselben das Verhältnis e:A
nur noch 1,5 X 10°. Vergleicht man damit den Wert desselben Verhältnisses für
die beiden Natriumlinien = 1000 X 107, so leuchtet sofort die ganz enorme
Leistungsfähigkeit dieser Methode ein, welche gestattet, Linien zu trennen, deren
Abstand nur noch den siebenhundertsten Teil von demjenigen der beiden Natrium-
linien beträgt.
In ähnlicher Weise nun, wie man auf dem beschriebenen Wege die Wellen-
länge der einen Komponente einer zusammengesetzten Spektrallinie auf diejenige
der anderen zurückführen kann, lässt sich auch die Wellenlänge zweier ganz
verschiedenen Spcktrallinien auf einander reduzieren, beispielsweise die Wellen-
länge der Quecksilberlinien auf diejenige der Kadmiumlinien. Da nun aber die
letzteren durch die Messungen von Michelson äusserst genau bestimmt worden
sind, so konnten Perot und Fabry auch für eine ganze Anzahl anderer Spektral-
linien die Wellenlängen mit annähernd derselben Genauigkeit ermitteln.
So einfach die beschriebene Methode auf den ersten Blick erscheinen mag,
so ist doch thatsächlich der zu ihrer Anwendung erforderliche, von Perot und
Fabry konstruierte Apparat äusserst kompliziert, da das Parallelhalten der Platten
während der Verschiebung ungemein feine Bewegungsmechanismen erfordert.
Es ist deshalb erfreulich, dass es in neuester Zeit Lummer gelungen ist, mit
einer verhältnismässig sehr einfachen Anordnung die Zerlegung der Spektral-
linien in ihre Komponenten sichtbar zu machen. Er ersetzte zu diesem Zweck
die Luftplatte durch eine möglichst vollkommen geschliffene planparallele Glas-
platte von grosser Ausdehnung und liess das Licht sehr schräg,- unter nahezu
streifender Inzidenz eintreten. Offenbar erhalten hierdurch auch bei mässiger
Plattendicke die interferierenden Strahlenbündel eine recht beträchtliche und
durch verschiedene Neigung der Platte willkürlich veränderliche Gangdifferenz,
während gleichzeitig, entsprechend der Grösse des Einfallswinkels, die Intensität
des reflektierten Lichtes bedeutend ist, so dass also hier auch ohne Versilberung
der Oberflächen die im Innern der Platte mehrfach reflektierten Strahlen an dem
Zustandekommen der Interferenzerscheinung teilnehmen. Gerade hierdurch aber
wird die Schärfe der Streifen und somit auch die Möglichkeit der Trennung
verschiedener nebeneinander gelagerter Streifensysteme bedingt. Thatsächlich
gelang es Lummer auf diese Weise, unter Anwendung eines besonderen Kunstgriffes,
die Zerlegung der Spektrallinien noch weiter zu treiben; beispielsweise besteht
nach seinen Beobachtungen die oben erwähnte grüne Quecksilberlinie nicht nur
aus drei, sondern wahrscheinlich aus mindestens elf verschiedenen Komponenten.
Es konnte nicht in meiner Absicht liegen, das grosse Gebiet der Präcisions-
messungen mit Hülfe der Wellenlängen des Lichts hier auch nur annähernd zu er-
schöpfen; es kam mir vielmehr nur darauf an, auf Grund einiger typischer Beispiele
die ausserordentliche Leistungsfähigkeit dieser Methode nachzuweisen, die gerade
in den letzten Jahren so wertvolle Resultate gezeitigt hat und uns auch für die
Zukunft die wichtigsten Aufschlüsse über bis jetzt noch ungelöste Fragen verspricht.
W
DE e E
Die totale Mondfinsternis am 22. April 1902.
Von F. S. Archenhold.
bh der Natur einer totalen Mondfinsternis liegt es, dass Sonne und Mond ein-
ander im Moment der Verfinsterung gerade diametral gegenüberstehen.
Wenn also der Mond aufgegangen ist, so sollte die Sonne bereits unter dem
Horizont sein. Da jedoch die Refraktion beide Gestirne in grösserer Höhe er-
scheinen lässt, als sie sich in Wirklichkeit befinden — am Horizont beträgt die
Wirkung 35 Bogenminuten — so wird man noch 2 Minuten nach dem Mondauf-
gang, das ist noch 2 Minuten nach 7 Uhr 11 Minuten, die Sonne im Westen
sehen können, vorausgesetzt, dass sowohl der Ost- wie der Westhorizont, ganz
frei liegt und keine Wolken die Beobachtung stören. In Grossstädten werden
diese Bedingungen selten zutreffen.
Die Hauptphasen der Erscheinungen der bevorstehenden Mondfinsternis
sind im Folgenden nach den Angaben der in den astronomischen Jahrbüc hern
veröffentlichten Vorausberechnung zusammengestellt:
1902 April 22, nachm.
(Mitteleuropäische Zeit)
Erste Berührung mit dem Halbschatten der Erde . . . . 4 Uhr 50,3 Min.
Erste Berührung mit dem Kernschatten der Erde . . .. 6 „02 ,
Beginn der totalen Verfinsterung 7 „ 102 ,,
Mitte der Finsternis O46 te a 8 231 ek oe ee! Oe ee EE
Ende der totalen Verinsterung ur 2b e 3S ST a
Letzte Berührung mit dem Kernechalten der Erde So ee OUP a AA y
Letzte Berührung mit dem Halbschatten der Erde. . . . 10 „553 „
Der Positionswinkel
des Eintritts der Erde am Mondrand, vom Nordpunkt gezählt, beträgt . . 89°
„ Austritts _,, Te s AR RE ge M , . 800°
Die Grösse der Verfinsterung beträgt diesmal 1,34 in Teilen des Monddurch-
messers ausgedrückt.
Die Mondfinsternis wird an allen Orten der einen Hälfte der Erdoberfläche
sichtbar sein, an denen der Mond überhaupt über dem Horizont steht. Hiernach
ist die Finsternis zu schen in Europa, Asien, Australien, Afrika, in der
westlichen Hälfte des Grossen Ozeans und in der östlichen des Atlanti-
schen Ozeans, wie auch an der Ostspitze Süd-Amcrikas.
Bei der ersten Berührung mit demKernschatten der Erde stehtder Mond an einem
Punkte der Erde, der 4° südlich von Java im Indischen Ozean liegt, genau im Zenit.
Im Moment der Mitte der Finsternis steht der Mond an einem Punkte der Erde,
der 4° südlich von den Tschagos-Inseln in der Mitte des Indischen Ozeans
liegt, grade im Zenit. Im Moment der letzten Berührung mit dem Kernschatten
der Erde werden die Bewohner des nördlichen Teiles von Madagaskar
genau den Mond im Zenit über sich sehen. Mit anderen Worten kann man
sagen, dass nur die Passagiere der Schiffe, welche sich zwischen Java und
Madagaskar in dem südlichen 12. bis 12!/,. Breitengrade befinden, den ver-
finsterten Mond im Zenit sehen werden.
In Berlin wird der aufgehende Mond bereits schon eine Minute verfinstert
sein, und da zumeist ein starker Dunstkreis und eine Wolkenschicht am Ost-
— 173 —
himmel lagert, wird voraussichtlich der Mond erst sichtbar werden, wenn die
Mitte der Finsternis eingetreten ist. Wer den Ort der Sonne bei ihrem Unter-
gange festlegen kann, wird leicht gerade am gegenüberliegenden Punkte des
Horizontes den Ort auffinden können, wo der verfinsterte Mond aufgehen muss.
Dieser Punkt liegt etwa 17° südlich vom Ostpunkt, also nicht ganz in OSO am
Horizont.
Zumeist erscheint der Mond während der Totalität in kupferroter Farbe.
Dass der Mond überhaupt, nachdem er in den Kernschatten der Erde getreten
ist, sichtbar bleibt, rührt bekanntlich daher, dass durch die Atmosphäre der Erde
noch Sonnenlicht in den Kernschatten hineingebrochen wird. Ist daher während der
Verfinsterung an den Erdorten, die 90° von den oben erwähnten abliegen, an denen
der Mond im Zenit erscheint, der Himmel andauernd bewölkt, so wird der ver-
finsterte Teil des Mondes auch nur wenig Sonnenstrahlen erhalten können.
Es sind in der That von der Geschichte einzelne Mondfinsternisse ver-
zeichnet, bei denen für das freie Auge der Mond vollständig verschwunden war.
Wir erinnern hier nur an die von Kepler berichteten Verfinsterungen vom
9. Dezember 1601 und 15. Juni 1620 und die von Hevel in seiner Selenographie
erwähnte vom 25. April 1642. Der Horizontalkreis, von dessen Bewölkung dies-
mal die Farbenerscheinungen auf dem verfinsterten Monde abhängen, geht durch
Afrika, Deutschland, Oesterreich, Russland und Asien. Bei der Beobachtung
ist besonders anzugeben, wo der röteste Teil des Schattens, der hellste unge-
farbte und der dunkelste Teil liegt. Da sich die Lage dieser Punkte mit der
Zeit ändert, so ist eine genaue Zeitangabe für die Bestimmungen nötig. Will man
noch mehr thun, so kann man den Mond in verschiedene, etwa 24 Abschnitte
einteilen und für jede Sektion angeben, welche Farbe sie in einem bestimmten
Momente angenommen hat. Man kann auf diese Weise auch die Helligkeits-
stufen der einzelnen Sektionen für die verschiedenen Zeiten der Totalität in be-
quemster Weise niederschreiben.
Hierfür eignet sich folgendes Schema:
Zeit rötester hellster ungefärbter dunkelster Teil Bemerkungen.
gh 3m 6 9 13 4 mattgrün, 3, 8, 22 bläulich.
Qh 5m 8 11 15 2, 19 bleigrau, 4, 22 grin.
gh 7m 12 16 19 6, 9, 24 mattgelb etc.
Sehr wichtig ware auch die direkte Vergleichung mit einer von einer kon-
stanten Lichtquelle beleuchteten Farbentafel. Wenn man die verschiedenen
Felder der Farbentafel wiederum mit Zahlen bezeichnet, so lassen sich, ohne
viel schreiben zu müssen, wertvolle Beobachtungen anstellen.
Es ist auch darauf zu achten, ob eine Fortsetzung des Schattenrandes
ausserhalb der Mondscheibe gesehen werden kann. Bei der Mondfinsternis am
3. August 1887 hat H. J. Klein zum ersten Mal den Erdschatten ausserhalb des
Mondrandes als eine bleigraue Wand beobachtet. Bei der Mondfinsternis
am 12. Juli 1889 sah E. Stuyvaert auf der Brüsseler Sternwarte den Erdschatten
etwa 5 Bogenminuten ausserhalb der Mondscheibe, jedoch nur auf kurze Zeit.
Auch sah M. Wolf in Heidelberg die Verlängerung des Schattens über die
Mondscheibe hinaus und fand, dass der Himmel in der Umgebung des Mondes
ausserhalb des Schattens viel heller erschien als im Erdschatten. Der Schatten
zeigte sich am deutlichsten, wo die dichten Dunstwolken standen, sodass die
Erscheinung aller Wahrscheinlichkeit nach ein irdischer bezw. ein subjectiver
— 19 —
Lichteffect ist. Jedenfalls wird bei der bevorstehenden Mondfinsternis auf diesen
Punkt besonders zu achten sein, da in der Nähe des Horizonts die dunstigen
Schichten nicht fehlen werden.
Sollen photographische Aufnahmen einer Mondfinsternis brauchbar sein,
um die Vergrösserung des Radius des Erdschattens auf der Mondscheibe, soweit
sie durch die Undurchlässigkeit unserer Atmosphäre für die chemischen Sonnen-
strahlen hervorgerufen wird, zu bestimmen, so müssen folgende Bedingungen
erfüllt werden:
1. Alle Aufnahmen müssen auf Platten gleicher Empfindlichkeit gemacht werden.
2. Alle Expositionszeiten müssen unter einander gleich sein.
3. Alle Platten müssen unter gleichen Bedingungen entwickelt werden.
Die Aufnahmen können unter Umständen auf ein und derselben Platte
gemacht werden. Der Amateur darf bei solchen Aufnahmen nur nicht vergessen,
dass er den Apparat auf unendlich einstellt. Er thut gut, um sich einer scharfen
Einstellung des Apparates vorher zu vergewissern, schon einige Abende vor der
Mondfinsternis eine Serie von Mondaufnahmen auf ein und derselben Platte
aufzunehmen. Auch wird er durch diese Probeaufnahmen am besten über die
Expositionszeit und die nötigen Zwischenzeiten der einzelnen Aufnahmen sich
Gewissheit verschaffen. — Auf der Treptow-Sternwarte finden von Sonntag, den
20. April ab, jeden Abend praktische Uebungen in solchen Aufnahmen auf der
oberen Plattform, von 8 Uhr abends an, statt. — Man hatte früher geglaubt, dass
das Mondlicht während der Totalität zu schwach sei — dasselbe besteht wegen der
Brechung durch die Erdatmosphäre hauptsächlich aus roten Strahlen —, um eine
Aufnahme des Mondes während der Totalität herzustellen. Eine Aufnahme, die
Verfasser dieses im Jahre 1891 am 15. November, 12 Uhr 49 Min. 30 Sek., mit
3 Min. Expositionszeit angefertigt hat, ist deshalb noch von besonderem Interesse,
weil sie den an der Südseite des Mondes während der Totalität noch etwa
15 Minuten lang sichtbaren grünblauen Saum sehr deutlich wiedergiebt. Man
glaubt, dass dieser Lichtsaum, der früher nicht beobachtet worden ist, durch
das Licht der Corona der Sonne hervorgerufen wird, da das Coronalicht vermöge
seiner Höhe noch in den Schattenkegel der Erde eintreten kann, während das
direkte Sonnenlicht völlig ausgeschlossen ist. Diese Aufnahme ist wiedergegeben
in den „Photographischen Mitteilungen“ 29. Jahrgang, Seite 104.
Für solche spezielle Untersuchungen kommen natürlich obige 3 Bedingungen
nicht in Betracht, sondern hier handelt es sich darum, während der Totalität
möglichst lange Expositionszeiten zu erzielen. Solche Aufnahmen werden auch
am besten jede für sich auf einer besonderen Platte gemacht. Ucber die vielen
sonstigen Fragen, besonders in Bezug auf die Ursache der Vergrösserung
des Erdschattens, werden unsere Leser durch eine hochinteressante Abhandlung
des Herrn Prof. Dr. Leman, mit deren Veröffentlichung im nächsten Hefte
begonnen wird, näheres erfahren.
Die Auffindung des verfinsterten Mondes wird dadurch für alle die, welche
kein fest aufgestelltes Fernrohr mit Kreisablesungen besitzen, erleichtert, dass
Spica, der hellste Stern in der Jungfrau, etwa in gleicher Deklination mit dem
verfinsterten Monde steht und etwa °/, Stunde vorher aufgehen wird.
— 180 —
Kleine Mitteilungen.
Die Verdoppelung der Marskanale. In allen neueren Hypothesen tiber die physischen
Zustände auf dem Planeten Mars spielen die sogen. Kanäle eine Hauptrolle. Ueber die Natur dieser
fremdartigen Gebilde wird man aber nicht ins Reine kommen, solange man keine Erklärung für
die zeitweilig auftretende Erscheinung ihrer Verdoppelung gefunden hat. Der Verdoppelung kommt,
worauf vor einigen Jahren W. H. Pickering hingewiesen hat, eine bemerkenswerte Eigenschaft zu.
Die verschiedenen Beobachter haben nämlich bei den Doppelkanälen die beiden Linien oder Teil-
kanäle stets im geringsten Abstand gesehen, in welchem die betreffenden Fernrohre überhaupt noch
zwei parallele Linien getrennt erkennen lassen. Mit seinem Achtzöller hat Schiaparelli die
Doppelkanäle um einen Betrag getrennt gesehen, der etwa 360 bis 480 km entspricht. Als er später
an einem 18-Zöller beobachtete, sah er die Teilkanäle nur noch 200 bis 300 km weit auseinander
stehen. Auch sind die Linien. während der Mars sich der Erde näherte oder wieder entfernte,
immer unverrückt in gleichem scheinbaren Abstande verharrt, während man doch erwarten
sollte, dass die Linien, wenn sie der Marsoberfläche selbst angehörten, immer weiter auseinanderrücken
müssen, je näher uns der Planet kommt. Jetzt hat der Erlanger Mathematiker K. Strehl bewiesen,
dass ganz kleine Unvollkommenheiten in der Einstellung des Fernrohroculars aus optischen Gründen
Verdoppelungen von Linien hervorrufen, wobei die Trennung der Doppellinien von der Leistungs-
fähigkeit. namentlich vom Objektivdurchmesser des Fernrohrs abhängt. Allerdings ist Jemand, der
von der Existenz intelligenter Marsbewohner überzeugt ist, welche die Wassercirculation in ihren
künstlichen Riesenkanälen zu regulieren verstehen, nicht verhindert, noch etwas weiter zu gehen
und sich die Intelligenz dieser „Menschen“ so hoch entwickelt zu denken, dass diese jedesmal die
Schleusen näherer Seitenkanäle öffnen, wenn sie bemerken oder erfahren. dass auf der Erde
kräftigere Fernrohre nach dem Mars gerichtet werden! — Sonderbarer Weise sind in den letzten
Jahren die Kanalverdoppelungen nur noch ausnahmsweise beobachtet worden, trotz besserer Tele-
skope und trotz wachsender Uebung der Beobachter. Die Folgerung aus dieser Thatsache liegt zu
nahe, als dass sie hier besonders ausgesprochen zu werden brauchte. A. B.
Bewegungen von Nebelflecken sind zum ersten Male 1890 durch Keeler auf der Lick-
sternwarte mit Hilfe spectroskopischer Beobachtungen erkannt worden. So fand derselbe z. B., dass
die Nebelmassen in der Nachbarschaft des Trapezes im Orionnebel sich in der Secunde um 17,7 km
von uns entfernen und zwar konnte er diese Zahl bis auf 1,3 km (7 Proc.) verbürgen. Die extremste
Geschwindigkeit, eine Annäherung von 65 km in der Secunde, zeigte ein heller Nebel im Drachen,
während bei vier anderen die Entfernung von uns sich um 40 bis 50 km ändert. Seit kurzem
werden in Potsdam Aufnahmen von Nebelspectren gemacht behufs Bestimmung der Nebelbewegungen
längs der Sehrichtung. Nach Mitteilungen der Herren H. C. Vogel und J. Hartmann (in der
Berliner Akad. d Wiss.) sind die gewonnenen Resultate viel versprechend. Der vorerwähnte Nebel
im Drachen, ein anderer im Ophiuchus und ein dritter im Schwan wurden von Herrn Hartmann
am grossen Refractor aufgenommen; die ermittelten Geschwindigkeiten sind — 65,8 km (Annäherung)
beim ersten, — 10.5 km in der Mitte und — 6,7 km am Rande des zweiten, + 4,9 km (Entfernungs-
zunahme) beim dritten Nebel. Für die beiden letzten Nebel hatte seinerzeit Keeler die Zahlen
— HN und + 10.1 km bekommen.
Bei dem Ophiuchusnebel ist ein Unterschied der Bewegung der Mitte und des Randes sehr
wahrscheinlich, namentlich weil die Linien des Spectrums eine Krümmung zeigen, die wohl nur
durch gegenseitige Verschiebungen einzelner Nebelpartien zu erklären ist. Zu einem ähnlichen
Ergebnis haben die von Herrn Eberhard! am kleineren photographischen Refractor ausgeführten
Aufnabmen des Spectrums des Orionnebels geführt. Beim Trapez und etwas östlich davon besitzen
die Nebelmassen eine Geschwindigkeit von + 17 km, dagegen ist westlich vom Trapez die Be-
wegung merklich kleiner, in 80° Abstand nur etwa 10 km. Auch an weiter von der Mitte des Nebels
abgelegenen Stellen wurden starke Bewegungsunterschiede nachgewiesen, wenn auch wegen der
geringeren Leuchtkraft des Nebels mit verminderter Genauigkeit.
Bei den hellen Nebeln werden sich mit Hilfe der Photographie die Bewegungen bis auf einen
Kilometer genau und vielleicht noch genauer feststellen lassen. Gelingt es dann noch, wie es nach
obigen Mitteilungen nicht mehr zu bezweifeln ist, innerhalb einzelner Nebel gegenseitige Bewegungen
nachzuweisen, so ist damit ein wesentlicher Fortschritt in der Erkenntnis der Natur der Nebel
angebahnt. Aus der Grösse der relativen Bewegungen wird man Schlüsse ziehen können auf die
Entfernungen, Massen und Dichten dieser Weltkörper, Dinge, über die vorläufig nur Vermutungen
ausgesprochen werden können.
Fitr die Schriftleitung verantwortlich: F.S. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratentell: C. A. Schwetschke und Sohn, BerlinW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin 5W.
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gef ZE
Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“ Jahrgang 2, Heft 15.
(zu F. S. Archenhold: Vorläufiger Bericht über die Aufnahmen der totalen Mondtinsternis am 22. April 1902
zu Treptow, Seite 194.)
Südpol. |
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Copernicus
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Kepler
Aristarch
Nordpol. t t a
Kepler -
Aristarch
Copernicus
Die Mondfinsternis am 22. April 1902
9 Uhr 11 Min. 31—34 Sek.
3 Sekunden Expositionszeit.
Photographiert von F. S. Archenhold mit dem grossen Refractor der Treptow - Sternwarte.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
ABER Herausgegeben von
2. Jahrgang 15.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 Mail.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitseile 40 Pfg. Yı Seite 60.—,1/, Seite 30.-- ‚14 Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabalt.
INHALT.
1. Ueber Schattenphänomene bei Finsternissen. Vortrag, Mondfinslernis am 22. April 1902 zu Treptow. Von
gehalten auf der Treptow-Sternwarle von Dr. A.Leman 181 Direktor F. S. Archenhold. . . . 1. 1. 2200... 194
2. Ueber den Lichtdruck und dessen Einfluss auf die Ge- 4. Kleine Mitteilungen: Der erste Komet des Jahres 1902.
stalt der Kumetenschweife. (Schluss) Von Prof. — Sechstes Verzeichnis von Beiträgen zur Errichtung
Dr. Ralischer ` E 8 ae RO ee 192 der Vortragshalle. — Zu Gunsten des Fonds der
3. Vorläufiger Bericht über die Aufnahmen der totalen Vortragshalle . 2. 2. 2 2 2 2 nn nenne. 196
Ueber Schattenphinomene bei Finsternissen.
Vortrag,
gehalten auf der Treptow-Sternwarte
am 68. Beobachtungsabend des „Vereins von Freunden der Treptow-Sternwarte“ am 9. Oktober 1901
von Dr. A. Leman in Charlottenburg.
M. D. und H! Die Himmelsereignisse, welche wir mit dem Namen Finster-
nisse oder Verfinsterungen bezeichnen, sind von jeher mit Aufmerksamkeit
verfolgt worden. In den ältesten Zeiten als Unheil verkündende Zeichen ange-
sehen und als solche Furcht und Schrecken verbreitend, bieten sie jetzt dem
gebildeten, für die mannigfaltigen Naturerscheinungen nicht unempfindlichen
Laien majestätische Schauspiele dar, deren eigenartiger Reiz nicht zum kleinsten -
Teile in dem Bewusstsein des Beobachters beruhen mag, ihrer Ursache nicht
kenntnislos gegenüber zu stehen. Für die Wissenschaft sind sie nach sehr ver-
schiedenen Richtungen hin von weittragender Bedeutung geworden. So haben
beispielsweise von Olaf Römer im Jahre 1675 bei den Verfinsterungen der
Jupiterstrabanten beobachtete eigentümliche Umstände, welche anfänglich völlig
rätselhaft erschienen, in der Folge zu der Erkenntnis geführt, dass das Licht zu
seinem Fortschreiten im Raume einer messbaren Zeit bedarf. Die Beobachtungen
der totalen Verfinsterungen unseres Tagesgestirns durch den Mond haben wert-
volle Aufschlüsse über die Natur des Sonnenkörpers und die sich auf demselben
abspielenden gewaltigen physikalischen Vorgänge geliefert. Die Vorübergänge
des Planeten Venus vor der Sonnenscheibe, folgerichtig gleichfalls als teilweise
Verfinsterungen der letzteren anzusehen, geben eines der wichtigsten und zuver-
lässigsten Hilfsmittel ab, die räumlichen Entfernungen der einzelnen Glieder
unseres Sonnensystems, sowie ihre körperlichen Abmessungen mit denen des
Erdkörpers in Beziehung zu setzen und damit auf einen unserer Anschauung
zugänglichen Massstab zu bringen.
Eigentümlicher, oder vielmehr, um sachgemäss zu sprechen, sehr natür-
licher Weise wurden aber eigentlich gerade die bei den Verfinsterungen hervor-
tretenden Nebenerscheinungen zur Quelle der Fortschritte wissenschaftlicher
Erkenntnis, während der zeitliche Verlauf des Hauptphänomens im Wesent-
— 182 —
lichen nur als ein Mittel zur Prüfung, bezw. Berichtigung und Vervoll-
ständigung der rechnerischen Grundlagen der astronomischen Wissenschaft zu
betrachten ist.
Auch bei den Verfinsterungen unseres Erdtrabanten zeigen sich zwei be-
merkenswerte Nebenerscheinungen, für deren Ursache es bis zur jüngsten Zeit
an einer völlig befriedigenden Erklärung mangelte, und auch hier hat das
endliche Gelingen einer solchen, wenn auch nicht gerade zu epochemachenden
Entdeckungen oder fundamentalen Errungenschaften, wie die vorhin angeführten,
so doch zu sehr interessanten Erweiterungen des vom menschlichen Geiste
beherrschten Gebietes der Naturgesetze geführt. Die eine dieser merkwürdigen
Erscheinungen besteht in der sogenannten scheinbaren Vergrösserung des
Erdschattendurchmessers. Damit hat es folgende Bewandtnis: Von dem
Rande des kreisförmigen Schattenbildes der Erde können wir auf der Mond-
scheibe immer nur ein Stück übersehen, weil der Durchmesser des ganzen
Schattenbildes denjenigen der Mondscheibe nahezu um das 2,6fache übertrifft.
Aus diesem kurzen Stücke des Randes, welches im günstigsten Falle nur etwa
den achten Teil des ganzen Umfanges ausmacht, erhält man natürlich nur eine
sehr unsichere Vorstellung von der Grösse des Durchmessers. Wird aber der
Eintritt irgend eines bestimmten Punktes der Mondoberfläche, z.B. eines der
Krater in den Erdschatten beobachtet, so sieht man denselben stets merklich,
mindestens 1'/, Minuten früher erfolgen, als der Rechnung nach erwartet werden
sollte; in gleicher Weise erfolgt der Austritt desselben Punktes aus dem Schatten
um ebensoviel später. Geht z. B. der Mond einmal nahezu central durch den
Erdschatten hindurch, so beträgt die Dauer der Verfinsterung für einen jeden
Punkt seiner Oberfläche rechnungsmässig etwa 2!/, Stunde. Diese Zeit ist aller-
dings bei jeder Verfinsterung etwas verschieden gross wegen des Wechsels in
den Abständen zwischen Mond und Erde einerseits und letzterer und der Sonne
anderseits. In jedem solchen Falle aber liefert die Beobachtung eine um etwa
3 Minuten grössere Verfinsterungsdauer, als die Rechnung unmittelbar angiebt.
Zahlreiche Beobachtungen solcher Art sind gesammelt und kritisch bearbeitet
worden; sie haben zu dem Ergebnis geführt, dass der Durchmesser des Schatten-
bildes stets um etwa seinen fünfzigsten Teil grösser erscheint, als er der
Rechnung nach sein sollte.
Die zweite der erwähnten Nebenerscheinungen ist unter dem Namen des
Lumen secundarium bekannt. Wenn bei einer totalen Mondfinsternis der
grösste Teil der Mondscheibe in den Erdschatten eingetreten ist, so dass nur
noch eine schmale Sichel unverfinstert erscheint, so beginnt der derselben
diametral gegenüberliegende Teil der Mondoberfläche sich wieder aufzuhellen,
meist in bräunlichem, kupferfarbigem Schimmer. Die Auflichtung wächst in dem
Massc, als die Verfinsterung fortschreitet und wird, nachdem der Mond ganz in
den Erdschatten eingetreten ist, häufig so stark, dass es wieder möglich wird,
wenigstens die hervortretendsten Einzelheiten der Mondoberfläche, welche in
dem Rande des Schattens völlig verschwunden waren, aufs neue zu erkennen.
Die Aufhellung verschwindet wieder, sobald beim Herannahen des Endes der
Verfinsterung ein Stück der Mondscheibe aus dem Schatten herausgetreten ist.
Diese Erscheinung tritt jedoch im Gegensatze zu der ersten nicht in gleichem
Grade bei allen Finsternissen hervor; ja es sind solche beobachtet worden, bei
denen sie ganz fchlte und der Mond eine Zeit lang vollständig vom Himmel
verschwunden schien. (Vergl. Weltall, Jg. 2, S. 178.)
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` I en,
— 188 —
Es unterliegt keinem Zweifel, dass wir in dieser zweiten Nebenerscheinung
lediglich eine Wirkung der den undurchsichtigen Erdkörper umgebenden,"jlicht-
durchlässigen, gasförmigen Hülle, Atmosphäre genannt, zu erblicken haben,
denn in der That lässt sich ja eine andere Quelle, aus der das in dem Schatten-
bilde wirksame Licht stammen könnte, nicht angeben. Auch die graduelle Ver-
änderlichkeit verträgt sich sehr gut mit dieser freilich etwas allgemein gehaltenen
Erklärung, weil ja die Durchlässigkeit der Atmosphäre selbst in Folge der
meteorologischen Vorgänge in derselben sehr bedeutenden Schwankungen unter-
worfen ist.
Schwierigkeit bereitet nur die Frage, wie man sich eine solche Wirkung
der Atmosphäre näher zu denken habe, d. h. auf welchen bekannten Natur-
gesetzen sie beruhe In noch grösserer Verlegenheit aber befindet man sich
der ersterwähnten Erscheinung gegenüber; für diese lässt sich nicht einmal eine
ähnlich einfache, wenn auch nur oberflächliche Erklärung geben, die nicht
entweder augenfällig unzulänglich wäre oder bei nur einigermassen schärferem
Zusehen auf Widersprüche mit sonstigen Erfahrungsthatsachen führte Der
nahe liegende Gedanke, dass die dichten Trübungen der Atmosphäre, welche wir
als Regenwolken über dem Erdboden schweben sehen, an der Schattenerzeugung
Teil nehmen möchten, ergiebt keine befriedigende Lösung des Problemes,
denn die Höhen, in welchen derartige, der Undurchsichtigkeit sich nähernde
Wolkengebilde vorkommen, überschreiten erfahrungsmässig wenige Kilometer
nicht und reichen deshalb lange nicht hin, eine Vergrösserung des Erdschattens
in dem den astronomischen Beobachtungen entsprechenden Betrage zu bewirken.
Ueber diesen Wolkenschichten wird aber die Luft, wie die Besteigungen hoher
Berge und noch besser die Ballonfahrten gelehrt haben, rasch so ausserordentlich
klar und durchsichtig, dass es absurd wäre, ihr die Fähigkeit beizulegen, einen
Schatten zu werfen, der seiner Dunkelheit nach dem des völlig undurchsichtigen
Erdballes gleich käme. Andere Hypothesen hier zu kritisieren, muss ich mir
mit Rücksicht auf die zur Verfügung stehende Zeit versagen, ich kann dies aber
um so leichteren Herzens, als in meinen folgenden didaktischen Auseinander-
setzungen ihre Würdigung mit enthalten sein wird. Insbesondere wird alsbald
die zuerst von Lambert und später von Mädler aufgestellte, welche der Lösung
des Rätsels bereits ziemlich nahe kam und nur zu aphoristisch gehalten war,
um überzeugend wirken zu können, eingehende Besprechung erfahren, und zwar
als Hilfsmittel zur Einführung in die schwierigere und tiefer liegende Theorie,
welche die erschöpfende Erklärung des Phänomens liefert. Endlich wird auch
die in neuerer Zeit von Herrn Dr. F. Plehn vertretene Ansicht über diese Frage
ihre Beleuchtung dabei finden.
Das Verdienst, das in Rede stehende Problem auf Grund optischer Be-
trachtungen und genauer mathematischer Rechnungen streng wissenschaftlich
behandelt und zu einem endgiltigen Abschluss geführt zu haben, gebührt dem
Direktor der Kgl. Sternwarte in München, Herrn Prof. Dr. Seeliger. Die von
ihm über diesen Gegenstand in den Verhandlungen der Kgl. Bayrischen
Akademie der Wissenschaften veröffentlichte Arbeit ist aber unmittelbar nur
für den mit den Hilfsmitteln der höheren Mathematik vertrauten und in den
astronomischen Rechnungsmethoden erfahrenen Fachmann verständlich. Auf
Anregung Ihres werten Herrn Direktor Archenhold will ich den Versuch unter-
nehmen, Ihnen einen Einblick in den Gedankengang dieser interessanten Unter-
suchungen zu cröfinen. Viel mehr als einen solchen werde ich Ihnen freilich
— 184 —
nicht geben können, da ich es mir ja versagen muss, auf die mathematischen
Begründungen einzugehen. Immerhin aber hoffe ich, wenn Sie mir nur gestatten
wollen, etwas weiter auszuholen, und auch, da der direkte Weg für uns zu
steinig und beschwerlich ist, einige Umwege zu nehmen, mit Ihnen zu einem
Ziele zu gelangen, von welchem aus Sie die grundlegende Bedeutung der End-
ergebnisse der Arbeit Professor Secliger’s befriedigend zu überblicken im Stande
sein werden.
Im gewöhnlichen Sprachgebrauch verbindet man mit dem Worte Schatten
einen etwas schwankenden Begriff; es wird gut sein, denselben genauer zu
fixieren, um von vornherein Verwechselungen und daraus entspringende irrtümliche
Vorstellungen auszuschliessen. Ein Schatten im weitesten Sinne des Wortes
entsteht jederzeit hinter einem Gegenstande, welcher die von einer Lichtquelle
herkommenden Strahlen an ihrer geradlinigen Fortpflanzung verhindert. In dieser
allgemeinsten Bedeutung sprechen wir vom Schatten des Waldes, eines Hauses
u. dergl. Hierbei denken wir wesentlich nur an den Raum, in welchem das
sonst vorhandene Licht fehlt, aber nicht an die Grenzen, die ein solcher schattige
Raum doch notwendig haben muss. Schärfer würden wir also den Ausdruck
Schattenraum anwenden sollen. Sobald wir aber unsere Aufmerksamkeit auf
jene Grenzen lenken, beginnt das Wort seine bisherige Bedeutung zu ändern,
und der Wechsel wird vollständig, wenn wir an die Figur denken, die ein solcher
Schattenraum auf einer Fläche hervorruft, die ihn durchschneidet. Indem wir
in dieser Figur den Umriss des schattengebenden Körpers mehr oder weniger
deutlich wieder erkennen, sprechen wir dann auch wieder bestimmter von einem
Schattenbilde.
Um die geradlinige Fortpflanzung des Lichtes zu verhindern, bedarf es
nicht etwa notwendig eines undurchsichtigen Körpers, welcher die Strahlen
einfach abfängt und überhaupt am Weitergange hindert. Auch fast ein jeder
durchsichtige Gegenstand übt die gleiche Wirkung aus, nur in etwas anderer
Weise, indem er die Strahlen durch Brechung aus ihrer ursprünglichen Richtung
bringt. Er erzeugt deshalb, worauf bereits Kepler in seiner Optik aufmerksam
gemacht hat, ebensowohl einen Schattenraum, wie ein undurchsichtiger, mit dem
einzigen Unterschiede, dass in diesem Schattenraume noch die abgelenkten
Lichtstrahlen verlaufen. Es liegt auf der Hand, dass letzterer Umstand gar
keinen wesentlichen Unterschied bedeutet, sondern als eine blosse Begleit-
erscheinung angeschen werden kann, eine Begleiterscheinung freilich, die einer
Ausnutzung fähig ist und daher in manchen Fällen, nämlich bei den zu optischen
Zwecken benutzten Linsengläsern gerade zur Hauptsache wird, der gegenüber
das Schattenphänomen eine ganz nebensächliche Rolle spielt und deshalb meist
garnicht weiter beachtet wird.
Fast alltäglich lassen sich Erscheinungen beobachten, welche als belehrende
Beispiele hierfür dienen können. Fällt das Sonnenlicht durch das geöffnete
Fenster auf eine weisse Fläche, z. B. einen Bogen Papier, so erscheint derselbe
ganz gleichmassig hell. Stellen wir dann auf das Fensterbrett irgend eine
Flasche aus klarem, weissem Glase, gleichgiltig ob leer oder auch mit Wasser
gefüllt, so wirft dieselbe auf den Papierbogen ein Schattenbild, an welchem wir
die Gestalt der Flasche wieder erkennen und welches sich in nichts von dem-
jenigen des undurchsichtigen Fensterbrettes unterscheidet. Höchstens zeigen
sich darin einige helle Flecke, welche eben durch die Wirkung der zwar durch-
= BGs e
gelassenen, aber von ihrer ursprünglichen Richtung abgelenkten Lichtstrahlen
zu Stande kommen, doch aber sicher als etwas ganz Nebensächliches anzusehen
sind. Schliessen wir dann aber das Fenster, so erhält die Papierfläche, auch
wenn die Fensterscheibe völlig klar geputzt ist, ein ganz anderes Ausschen als
vorher; sie macht den Eindruck, als ob sie marmoriert wäre. Das kommt daher,
dass die Dicke des gewöhnlichen Fensterglases um kleine Beträge hin und her
schwankt und die Lichtstrahlen dadurch in ganz unregelmässiger Weise von ihrer
ursprünglichen Richtung abgelenkt werden. Auf dem Papiere finden sich daher
Stellen, welche mehr, andere, welche weniger Licht enthalten, als vorher bei offenem
Fenster. Wir sehen darin also thatsächlich eine Schattenwirkung der Fenster-
scheibe, und dennoch kein Schattenbild derselben; es fehlt die erkennbare Be-
grenzung, weil ja der schattenwerfende Körper selbst keinen bestimmten Umriss
besitzt. Natürlich muss man dabei an den Schatten der Scheibe selbst denken
und nicht den des Rahmens damit verwechseln. Wenn aber zufällig in der
Scheibe eine grössere Luftblase ist, so finden wir auch wieder ein deren Umrissen
entsprechendes Schattenbild.
Von dem Schattenraume, der die Erde, einschliesslich ihrer durchsichtigen
Umhüllung bei ihrem Umlaufe um die Sonne wie ein von dieser abgewandter,
in den Weltenraum gerichteter starrer Zeiger ständig begleitet, nehmen wir für
gewöhnlich gar nichts wahr, ausgenommen, dass wir uns zur Nachtzeit selbst
darin befinden. Erst wenn er bei einer Verfinsterung des Mondes von dessen
Oberfläche durchschnitten wird, erkennen wir sein Dasein durch das Auftreten
eines Schattenbildes. Mit dem heutigen Stande der Kenntnis von der Natur
der Atmosphäre verträgt sich die früher herrschende Vorstellung, dass dieselbe
irgendwo eine bestimmte Grenze besässe, nicht nıchr. Die Erfahrung hat ge-
lehrt, dass die Dichte der Luft mit der Erhebung über den Erdboden mehr und
mehr abnimmt, jedoch in einer solchen Weise, dass sie zwar allmählich
unmessbar gering werden muss, aber doch niemals ganz aufhören kann. Mit
der Dichte nimmt auch ihre optische Wirksamkeit ganz allmählich ab, ohne
jedoch jemals absolut zu verschwinden. Hieraus aber leuchtet nach dem vorhin
Erörterten ein, dass die Atmosphäre allerdings einen Schattenraum erzeugen
wird, der jedoch keine bestimmte Abgrenzung besitzt und dessen Durchschnitt
daher auch niemals ein Schattenbild liefern kann, für welches ja die Be-
grenzung gerade die wesentliche Bedingung ist. Der Schattenraum wird sich
mit dem des undurchsichtigen Erdkörpers vermischen; das auf der Mond-
oberfläche sichtbare Schattenbild aber kann lediglich von diesem allein her-
rühren und höchstens in seiner Dunkelheit durch die von der Atmosphäre
abgelenkten Lichtstrahlen beeinflusst werden.
Bis jetzt haben wir die Art der Lichtquelle noch ganz ausser Acht gelassen.
Dieselbe kann entweder einem blossen Punkt sehr nahe kommen, wie uns ein
Fixstern am Himmel wegen seiner ungeheuren Entfernung erscheint: sie kann
den Charakter einer Linie annehmen, wie die sehr dünnen Fäden der elektrischen
Glühlampen. Endlich kann sie auch eine Fläche von merklicher Ausdehnung
darstellen, wie die Sonnenscheibe. Im ersten Falle wird natürlich der Schatten
eines undurchsichtigen Körpers überhaupt keine von der Lichtquelle her-
kommenden Strahlen mehr enthalten können und deshalb überall gleichmässig
dunkel sein. In den beiden anderen Fällen aber müssen in dem Schattenraume
notwendig zwei verschiedene Gebiete auftreten, in deren einem ebenfalls gar
keine von der Lichtquelle herkommende Strahlen vorhanden sind, während in
— 186 —
dem anderen nur die von einem Teile derselben ausgehenden fehlen. Das erste
dieser Gebiete wird als das des Kernschattens, das zweite als Halbschatten
bezeichnet, und diese beiden Bezeichnungen werden auch auf das Schattenbild
übertragen, welches auf einer auffangenden Fläche sichtbar wird, wobei jedoch
unter Umständen das Kernschattengebiet fehlen kann, das des Halbschattens
‘aber niemals. Das Schattenbild wird also im allgemeinen eine Verbindung von
Kern- und Halbschatten darstellen, deren Natur zunächst etwas näher untersucht
werden muss. Lassen Sie uns dasselbe daher einer Analyse unterwerfen, und
zwar für den uns ja besonders interessierenden Fall, dass die Lichtquelle die
Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 3. Fig. 4.
Gestalt einer kreisförmigen Scheibe besitzt, wie die Sonne, und der schatten-
werfende Körper einen kreisförmigen Umriss, wie die Erde.
Vor das Objektiv der Projektionslampe, die uns zu den späteren Vor-
führungen dienen wird, habe ich eine Platte mattgeschliffenen Glases gesetzt
und dadurch eine nach allen Seiten hin nahezu gleichmässig Licht ausstrahlende
Fläche von kreisförmiger Begrenzung hergestellt. Von dieser Fläche blende ich
jetzt zunächst den grössten Teil durch einen undurchsichtigen Deckel ab und
lasse nur durch ein kleines Loch in letzterem die annähernd von einem Punkte
der ganzen leuchtenden Fläche ausgehenden Lichtstrahlen zur Wirkung kommen.
Sie bemerken den Effekt: die vorher kräftig beleuchtete Fläche der Auffange-
leinewand erscheint jetzt nur noch dürftig erhellt. In das von dem Loche aus-
gehende Strahlenbündel lasse ich eine runde Pappscheibe stellen; sie erzeugt
auf der Leinewand ein ziemlich scharf begrenztes Schattenbild (Fig. 1), das freilich
auf dem dunklen Hintergrund nur schwach hervortritt. Das von diesen Schatten-
bilde eingenommene Flächenstück des Leinewandschirmes empfängt natürlich
gar kein Licht mehr von der leuchtenden Fläche und würde deshalb absolut
dunkel sein, wenn cs möglich ware, all und jedes Nebenlicht auszuschliessen.
Sein Helligkeitunterschied gegen die Umgebung — ich will diese der Be-
quemlichkeit des Ausdruckes wegen fortan als den Hintergrund bezeichnen —
würde darum aber doch nicht stärker werden, denn das vorhandene Nebenlicht
trägt ja genau ebensoviel auch zur Beleuchtung des ganzen Schirmes bei.
Jetzt öffne ich ein zweites Loch in dem Deckel, ziemlich weit von dem
ersten entfernt, aber eben so gross wie dieses. Die Beleuchtung der Leinewand
wird etwas stärker, freilich kaum merkbar, und es entsteht noch ein zweites
Schattenbild der Pappscheibe neben dem ersten (Fig. 2). Ihrer Aufmerksamkeit wird
nicht entgehen, dass der Kontrast jedes der beiden Schattenbilder gegen den
Hintergrund nicht stärker geworden ist, als er vorhin war, obwohl der letztere
doch heller ist. Sie erblicken darin sofort eine Bestätigung dessen, was ich
soeben von der Wirkung des Nebenlichtes gesagt habe, denn die Stelle, wo
das erste Schattenbild liegt, bekommt ja jetzt Licht aus dem zweiten Loche,
d.h. Nebenlicht, und zwar genau eben so viel, wie seine Umgebung, und ent-
sprechend verhält es sich mit dem anderen Schattenbilde. Sie bemerken aber
noch eine neue Erscheinung; die beiden Schattenbilder überdecken sich teilweise,
und das beiden gemeinschaftlich angehörende zweieckige Flächenstück erscheint
merklich dunkler. Ganz natürlich, denn hier hinein kann ja weder von dem
einen noch dem anderen Loche her Licht gelangen. Fassen wir nun aber
die beiden Löcher als zusammengehörig, d. h. als eine einzige, wenn auch
aus zwei getrennten Punkten bestehende Lichtquelle auf, so haben wir auch
die ganze Schattenerscheinung als ein zusammenhängendes Gebilde anzusehen
und können darauf die vorhin kennen gelernten charakterisierenden Be-
zeichnungen anwenden. Das zweieckige Mittelstück bildet den Kernschatten, die
beiden sichelförmigen Stücke zusammen den Halbschatten.
Oeffnen wir noch ein drittes Loch in dem Deckel oder lassen wir, in
eleganterer, wissenschaftlicher Ausdrucksweise sprechend, noch ein drittes
Element der leuchtenden Fläche in Wirksamkeit treten, welches mit den vorigen
beiden die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks bildet! Auf dem wiederum um
eine Nüance heller gewordenen Hintergrunde zeigt sich ein Schattengebilde (Fig. 3),
welches aus drei gleich grossen, in einander cinschneidenden Kreisen besteht.
In dem innersten dreieckigen Flächenstück mit bogenförmigen Seiten überdecken
sich alle drei. Dort hinein kommen also wieder gar keine Strahlen von der
aus den drei getrennten Punkten bestehenden Lichtquelle; es stellt jetzt den `
Kernschatten dar und erscheint genau ebenso dunkel, wie vorhin das zweicckige.
Daran schliessen sich drei zwickelförmige Stücke, in welchen sich nur je zwei
der Kreise überdecken, in denen also bereits Nebenlicht von je einem der drei
Elemente eine etwas grössere Helligkeit hervorbringt. An diese Zwickel setzen
sich drei andere Stücke an, welche etwa sichelförmig genannt werden können,
wenn man von dem stumpfen Knick ihrer inneren Begrenzungslinie abschen
will. Sie sind augenfällig wieder etwas weniger dunkel als die Zwickel; in ihnen
— 188 —
ist ja auch das Licht von je zweien der Elemente wirksam. Endlich ist ihr
Abstich gegen den Hintergrund, der von allen drei Léchern Licht empfangt,
genau ebenso stark, oder deutlicher gesagt, ebenso schwach, wie derjenige des
zuerst betrachteten, einfachen Schattens gegen den damaligen, nur von einem
Elemente beleuchteten. Er erscheint dem Auge aber sogar noch geringer, weil
es ihn nicht mehr unbefangen auffasst, sondern unwillkürlich mit dem merklich
starkeren des Kernschattens vergleicht und etwas ungerecht beurteilt. Die sechs
Flachenstiicke bilden zusammen das Halbschattengebiet; in diesem herrschen
demnach jetzt zwei verschiedene Helligkeitstufen.
Ich habe bis jetzt nur wenige Elemente der leuchtenden Flache in Betracht
gezogen, und zwar nur Solche, welche dem Rande derselben nahe gelegen
waren. Natürlich wird die ganze Schattenerscheinung verwickelter, wenn wir
noch mehr Elemente des Randes, und abermals verwickelter, wenn wir auch
noch solche im Innern in Wirksamkeit setzen. Ich führe Ihnen nur noch rasch
das Bild vor, welches durch das Zusammenwirken von sieben Elementen entsteht,
von denen sich sechs gleichférmig um das siebente herumgruppieren (Fig. 4).
Hier nimmt der Kernschatten die Form eines regelmässigen Sechseckes mit
bogenförmigen Seiten an; das Halbschattengebiet aber setzt sich zusammen
aus sechs Gruppen von je sieben verschiedenartig gestalteten Flächenstücken,
welche sich sternförmig um den Kernschatten herumlagern und in welchen sich
der Uebergang von der Dunkelheit des letzteren zu der jetzt schon beträchtlich
grösseren Helligkeit des Hintergrundes in sechs gleichen Abstufungen vollzieht.
Diese Flächenstücke sind aber, wenigstens die mehr nach der Mitte zu gelegenen,
ziemlich klein geworden, ja einige sind von so geringem Inhalt, dass es schon
einiger Mühe bedarf, sie überhaupt noch zu erkennen. Ebenso gelingt es zwar
noch gerade, aber doch auch nur bei geschärfter Aufmerksamkeit, die sieben
einzelnen Kreise auseinander zu halten, durch deren teilweise Ueberdeckung
die ganze Schattenfigur ja entstanden zu denken ist.
Nun, ich denke, meine verehrte Zuhörerschaft sieht bereits das Ziel auf-
tauchen, dem ich mit ihr zusteuere. Je mehr Elemente der leuchtenden Fläche
in Wirksamkeit treten, um so grösser wird die Helligkeit des Hintergrundes, um
so stärker tritt darum die sich stets gleich bleibende Dunkelheit des Kern-
schattens hervor und um so mehr Abstufungen entstehen in dem Halbschatten-
gebiet zwischen beiden. Die verschiedenartig geformten Flächenstücke, die in
den vorhin betrachteten Figuren gewissermassen als Träger der Helligkeitstufen
erschienen, wachsen, wie Sie das ja deutlich gesehen haben, ihrer Anzahl nach
mehr und mehr, und müssen, da ihr Gesamtraum doch nahezu der gleiche bleibt,
in ihrer Grösse mehr und mehr abnehmen, schliesslich ganz ineinander ver-
fliessen. Nun stellten die bei den Versuchen benutzten Löcher in dem Deckel
doch nur in ganz roher Annäherung Elemente der leuchtenden Fläche dar; gehen
wir dazu über, letztere aus einer ungeheuren Menge äusserst kleiner Elemente
bestehend zu denken, so gelangen wir dazu, uns bereits im Vorhinein eine Vor-
stellung davon zu bilden, wie das Schattenbild beschaffen sein muss, welches
nach gänzlicher Entfernung des Deckels zum Vorschein kommen wird. In dem
Halbschatten werden notwendig alle möglichen Helligkeitgrade enthalten sein
müssen, welche zwischen der Dunkelheit des Kernschattens und der Helligkeit
des Hintergrundes liegen. Von einer Abstufung wird deshalb keine Rede mehr
sein können, vielmehr werden alle diese Helligkeitgrade in konzentrischen
Zonen ganz allmählich, ohne irgend einen Sprung ineinander übergehen müssen.
— 189 —
Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Thaten sehn! —
Ganz sicher würde ich mich einem mitleidigen Lächeln aussetzen, wenn ich
kühnlich behaupten wollte, dass das jetzt vor Ihnen entstandene Schattenbild
(Fig. 5) mit der soeben davon entwickelten Vorstellung auch nur einigermassen in
Einklang stände. Statt des erwarteten sanften Ueberganges von Hell zu Dunkel
erkennen Sie eigentlich nur drei merklich von einander verschiedene Stufen der
Helligkeit, die zwar nicht ganz scharf
gegen einander abgesetzt sind, aber
doch ziemlich deutlich angebbare,
wenn auch etwas verwaschene Grenzen
besitzen. Diesen Eindruck haben Sie
aber nur deshalb, weil sich Ihr Auge
in grösserer Entfernungvondem Schirm
befindet. Könnten Sie das Bild aus
solcher Nähe betrachten, dass dabei
auch noch nebenher die Struktur der
Hintergrundfläche, z.B. hier die Fäden
der Leinewand, erkennbar wären, so
würden sic thatsächlich fast (ich betone
aber ausdrücklich das Wörtchen
— „fast“)vollkommene Uebereinstimmung
zwischen Theorie und Wirklichkeit
finden. Da aber somit die ganze überraschende Erscheinung nur durch die
grössere oder geringere Entfernung des Auges von dem Bilde bedingt ist,
so liegt der Schluss doch nahe, dass ihre Ursache nirgendwo anders als im
Auge selbst liegen kann, und in der That lässt sie sich auf zwei verschieden-
artige, durch geeignete Experimente leicht nachzu weisende Eigentümlichkeiten
desselben zurückführen.
Unser Auge, obwohl das edelste, herrlichste Organ, mit dem uns die Natur
begabt hat, ist darum doch nicht frei von mancherlei Unvollkommenheiten, die
ihm vermöge seiner Einrichtung als organisches Gebilde anhaften. Vielleicht
finde ich später einmal Gelegenheit, Ihnen über seinen höchst bewundernswerten
Bau und den Vorgang des Sehens Näheres zu erzählen; für heute muss ich
kurz darüber hinweggehen. Manche dieser Unvollkommenheiten werden wir für
gewöhnlich gar nicht gewahr und darum bereiten sie uns in Fällen, wo ihre
Wirkungen in auffälliger Weise hervortreten, solche Ueberraschungen wie soeben.
Die Fähigkeit, Helligkeiten ihrem Verhältnisse nach annähernd richtig zu be-
urteilen, geht uns fast ganz ab, und unser sonst so feiner Gesichtssinn steht in
dieser Hinsicht kaum auf höherer Stufe als das Gehör, oder auch als der doch
meist als sehr untergeordnet angesehene Tastsinn in Bezug auf die Schätzung
der Stärke von Geräuschen bezw. von Gewichtsverhältnissen. Gröbere Helligkeit-
unterschiede werden freilich im Allgemeinen leicht wahrgenommen, ob aber z. B.
eine Fläche dreissig- oder hundertmal heller beleuchtet ist, als eine andere,
kann schon niemand mehr mit einiger Sicherheit aussagen. Dabei kommt
indessen viel auf äussere Umstände an. Mitunter können sich sogar sehr
erhebliche Helligkeitunterschiede auf ein und derselben Fläche der unmittel-
baren Wahrnehmung gänzlich entziehen. Ein interessantes Beispiel hierfür, das
ich deshalb besonders hervorhebe, weil es für unsere späteren Besprechungen
von hervorragender Wichtigkeit werden wird, bietet uns die Sonnenscheibe.
Fig. 5.
— 190 —
Wer von Thnen sie jemals beim Auf- oder Untergang mit blossem Auge oder zu
anderer Tageszeit durch ein dunkles Glas betrachtet hat, wird sie sicher für
eine vollkommen gleichmässig leuchtende Fläche erklären. Und doch haben
sorgfältige photometrische Beobachtungen, die Herr Professor Dr. Vogel, der
Direktor des astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam, ausgeführt, gezeigt,
dass ihre Helligkeit nach dem Rande zu stark abfällt. In nahezu Y,, des Durch-
messers Entfernung vom Rande beträgt sie nur noch etwa °/, und in Ian des
Durchmessers nur noch */,, von derjenigen in der Mitte. |
Die Empfindlichkeit des Auges gegen Helligkeitunterschiede sinkt aber
schr rasch, wenn letztere klein werden, und geht schliesslich so gut wie ganz
verloren. Zwei in Wirklichkeit verschieden hell beleuchtete Flächen werden so
lange noch für gleich hell gehalten, als der Unterschied unterhalb einer gewissen
Grenze liegt. Diese Empfindlichkeit ist für verschiedene Augen selbst ver-
schieden und kann auch durch Uebung erhöht werden. Das Auge des Physikers
z. B., der viel mittels des Photometers arbeitet, wird in dieser Beziehung sehr
merklich geschärft, nur muss er es vor Ermüdung hüten. Man kann ihr auch
durch mancherlei künstliche Einrichtungen zu Hilfe kommen, indem man alle
Störungen durch Nebenlicht aufs Sorgfältigste verhütet und wie bei den neueren,
verfeinerten Photometern den in Bezug auf ihre Helligkeit zu vergleichenden
Flächen Formen giebt, welche durch die Erfahrung als besonders günstig wirkend
erkannt worden sind. Unter gewöhnlichen Umständen aber ist die Empfindlich-
keit am grössten, wenn die zu vergleichenden Flächen ihrem Inhalte nach gleich
gross sind, andernfalls wird der grösseren Fläche stets das Uebergewicht über
die kleinere zuerteilt und zwar um so mehr, je stärker das Verhältnis ihrer
Flächenräume ist. |
Nun haben wir in unserem Schattenbilde am äusseren Rande die grosse,
hell beleuchtete Flache des Hintergrundes. Innerhalb derselben beginnt der
Halbschatten mit einer äusserst schmalen Zone, in welcher sich die Beleuchtung-
stärke nur ganz wenig von der des Hintergrundes unterscheidet. Das Auge
nimmt sie deshalb gar nicht wahr und rechnet sie dem Hintergrunde noch zu.
Dasselbe geschicht auch noch mit der nächsten Zone und ebenso mit einer Reihe
der auf diese folgenden, in welchen die Dunkelheit zwar mehr und mehr zu-
nimmt, aber doch noch unterhalb des Wertes bleibt, den das Auge in Ver-
gleichung mit der Helligkeit des Hintergrundes mit Sicherheit zu erkennen ver-
mag. Endlich gelangt man, von aussen nach innen fortschreitend, an eine Zone,
deren Beleuchtungstärke dieser Bedingung entspricht, und dann glaubt man,
irrtümlicherweise natürlich, dort die wirkliche Grenze des Halbschattens zu
erblicken. Eigentümlich ist dabei der Nebenumstand, dass diese unrichtige Auf-
fassung sich noch selbst begünstigt, indem die eingebildete Grenze ja innerhalb
der wirklichen liegt, und der von ihr eingeschlossene Flächenraum dadurch noch
verkleinert wird.
Ein vollkommen analoger Vorgang, natürlich in gerade entgegengesetztem
Sinne, vollzieht sich in der Mitte des Schattenbildes. Hier ist die von dem
eigentlichen Kernschatten eingenommene Fläche, in welcher überall gleich-
mässiges Dunkel herrscht, gross im Vergleich mit derjenigen der sich unmittelbar
anschliessenden, nur unerheblich helleren Zonen. Diese werden deshalb gar
nicht wahrgenommen, und noch dem Kernschatten zugerechnet, bis man beim
allmäligen Weiterschreiten von innen nach aussen an eine Stelle des Halb-
schattens gelangt, wo der Helligkeitunterschied gegen den Kernschatten gerade
— 191 —
gross genug ist, um deutlich wahrgenommen zu werden. Hierher verlegt dann
das Auge, wieder irrtümlich, die Grenze zwischen Halb- und Kernsehatten und
fasst dabei den Durchmesser des letzteren als grösser auf, als er in Wirklich-
keit ist. Auch hier tritt die eigentümliche Selbstbegiinstigung der unrichtigen
Auffassung wieder ein. Das eigentliche ringförmige Gebiet des Halbschattens
erfährt auf diese Weise Einschränkung sowohl von aussen, Als auch von innen.
Sowie aber erst nur einmal die Vorstellung einer Grenze im Bewusstsein
aufgetaucht ist, tritt die zweite der vorhin bereits erwähnten Eigentümlichkeiten
des Auges in Wirksamkeit und verstärkt noch den gewonnenen Eindruck.
Wenn nämlich zwei nur einigermassen ausgedehnte Flächen von merklich ver-
schiedener Helligkeit aneinander stossen, so bewirkt der sogenannte Kontrast,
dass die hellere in der Nachbarschaft der Grenze noch heller, die dunklere da-
gegen noch dunkler erscheint, als in grösserem Abstande von der Grenze. Eine
solche Wahrnehmung hätten Sie schon bei den früheren Schattenbildern wieder-
holt machen können; ich habe es nur unterlassen, Ihre Aufmerksamkeit darauf
zu lenken, um nicht den Faden der Betrachtung zu unterbrechen. ` Indessen
wird sich bald eine Gelegenheit darbieten, bei welcher Ihnen diese Erscheinung
in höchst frappanter Weise entgegentreten wird. Im vorliegenden Falle hat sie
zunächst die Folge, dass die eingebildeten Grenzen schärfer hervortreten, sodann
aber wird dadurch die Empfindung für den Helligkeitabfall innerhalb des Halb-
schattens sowohl innen wie aussen derart herabgedrückt, dass das ganze Gebiet
des letzteren als nahezu gleichmässig hell geschätzt wird.
Die Breite des Halbschattengebietes hängt von zwei Umständen ab, von
der Ausdehnung der Lichtquelle einerseits und dem Abstande zwischen dem
schattenwerfenden Körper und der auffangenden Fläche anderseits. Sie kann
deshalb, wenn auch nur eine dieser beiden Massgrössen klein wird, zu solcher
Geringfügigkeit herabsinken, dass der Halbschatten seinen Kernschatten nur als
ein äusserst schmaler Saum umgiebt, der nur bei Anwendung besonderer Auf-
merksamkeit überhaupt noch wahrgenommen wird. Alsdann haben wir einen
anscheinend vollkommen scharfen Rand vor uns. Umgekehrt wird natürlich die
Begrenzung um so unbestimmter, verschwommener, je breiter das Gebiet des
Halbschattens im Vergleich zur Ausdehnung des Kernschattens ausfällt. Hieraus
ergeben sich die Mannigfaltigkeiten, die uns im täglichen Leben fast in jedem
Augenblick entgegentreten, denen wir nur aber selten einmal Beachtung schenken.
Meine verehrten Zuhörer! Es gewährt immer ein gewisses Gefühl der Be-
_friedigung, und ich erkenne es an Ihrem verständnisinnigen Zunicken, dass Sie
dasselbe in diesem Augenblicke mit mir teilen, wenn man die Lösung eines
überraschenden und darum schwierig erscheinenden Problemes sich recht glatt
und ungezwungen aus einigen wenigen Erfahrungsätzen entwickeln sieht, und
sich auf die gleichen Grundlagen vielleicht auch noch die Antwort auf Fragen
verwandter Art gründen lässt. Solche, die uns ferner liegen, bei Seite lassend,
weise ich nur darauf hin, dass ähnliche Ucberlegungen auch zu der Erklärung
führen, warum wir die vorhin erwähnte Abschattierung der Sonnenscheibe nicht
direkt wahrzunehmen vermögen. Am Ueberzeugendsten aber fühlt man sich
berührt, wenn man sogar scheinbare Ausnahmen von einer allgemeinen Regel
bei näherem Zusehen sich doch unter dieselbe ordnen sieht. Fine solche schein-
bare Abweichung haben wir im vorliegenden Falle darin vor uns, dass der Ein-
druck der Schattenbilder aus nächster Nähe ein anderer ist und sich dem theore-
tischen Ergebnis unserer Analyse nahezu vollkommen anpasst. Dies aber hat seinen
— 192 —
Grund darin, dass dann immer nur kleinere Partien gleichzeitig überblickt werden
können und damit das für das Zustandekommen der unrichtigen Grenzauf-
fassung durchaus wesentliche Moment der relativen Flächenausdehnung in Weg-
fall kommt.
Durch unsere bisherigen Ueberlegungen haben wir nunmehr bereits die
Ueberzeugung gewonnen, dass bei jeder Mondfinsternis, selbst wenn die Erde
gar keine Atmosphäre besässe, der Durchmesser ihres Schattenbildes notwendig
grösser erscheinen muss, als sein aus den dabei obwaltenden Umständen theo-
retisch berechneter Wert Was ich Ihnen vorgetragen habe, ist im Wesent-
lichen nichts anderes gewesen, als eine ausgeführtere Darlegung der von Lam-
bert und Mädler in kurzen Zügen und fast nur als blosse Vermutung aufge-
stellten Hypothese. Dieselbe hat nicht weiter verfolgt werden können, weil es
an einem Hilfsmittel gebrach, ihre Konsequenzen durch Zahlenwerte auszudrücken
und dadurch eine Probe zu erhalten, ob sie die beobachtete Grösse zu erklären
imstande sei oder nicht. Herr Professor Sceliger hat dieses mangelnde Hilfs-
mittel zu schaffen verstanden und damit die erwähnte Probe gemacht; mit
welchem Ergebnis, wird der EE Abschnitt meiner Auseinandersetzungen
Ihnen zeigen. (Fortsetzung folgt.)
me
Weber den Lichtdruck und dessen Einfluss auf die Gestalt der
Kometenschweife.
(Schluss.)
Von Professor Dr. Kalischer.
[gchedews Versie entsprechen im Wesentlichen dem früher erwähnten Vor-
schlage von Maxwell. Er bediente sich eines Radiometers, dessen Flügel
jedoch aus Metallplättchen (Platin) bestanden, wie sie auch schon Zöllner und
Andere zu analogen Versuchen benutzt hatten. Die Wirkungsweise der Radio-
meter beruht auf der Verschiedenheit der Temperatur zwischen der belichteten
und der dunklen Seite, und diese Temperaturdifferenz wird absichtlich dadurch
verstärkt, dass die eine Seite geschwärzt wird. Da aber die hierdurch hervor-
gerufenen radiometrischen Wirkungen viel grösser sind als der Lichtdruck, so
müssen erstere möglichst verringert oder gar ausgeschaltet werden. Daher wendet
man eben als Flügel dünne \letallplättchen an, bei denen in Folge ihrer guten
Wärmeleitung ein Ausgleich der Temperaturen stattfindet. Um die trotzdem noch
übrig bleibende radiometrische Wirkung in Rechnung zu ziehen, stellt Lebedew
dieselben Beobachtungen mit zwei Flügeln von verschiedener Dicke an. Denn
man kann für die unter den genannten Bedingungen nur noch kleinen radio-
metrischen Kräfte annehmen, dass dieselben für Flügel aus gleichem Material
und gleicher Oberflächenbeschaffenheit der Dicke der letzteren proportional sind.
Ja, für blanke Platinflügel sind die radiometrischen Kräfte, wie Lebedew fand
verschwindend klein, und eine Korrektion war daher nur bei den ebenfalls an-
gewandten Platinflügeln, die auf einer Seite platiniert waren, erforderlich. Macht
man also gleichzeitige Beobachtungen an zwei gleichen Flügeln von sehr ver-
schiedener Dicke, so kann man berechnen, eine wie grosse Ablenkung das Licht
hervorrufen würde, wenn die Dicke des Flügels und somit auch die radiometrische
Kraft gleich Null wäre.
— 19 —
Radiometrische Kräfte machen sich ferner zwischen der Glashülle und den
Flügeln geltend. Ihre Wirkung wurde dadurch auf ein Minimum reduziert, dass
der Glasballon möglichst gross genommen und alle Strahlen, die von der Glas-
wand absorbiert werden können, durch ein Strahlenfilter ausgeschlossen wurden.
Endlich ist diese Messung einer erheblichen Störung dadurch ausgesetzt,
dass die an dem Flügel anliegenden Gasschichten durch Belichtung des ersteren
sich gleichfalls erwärmen, und so eine aufwärts gerichtete Strömung (Konvektion)
entsteht, die eine Drehung der Flügel hervorrufen kann. Diese Störung kann
dadurch eliminiert werden, dass die Strahlen derselben Lichtquelle abwechselnd
auf die eine und die andere Seite des Flügels gerichtet werden.
Demnach besteht die Versuchsanordnung im Wesentlichen darin, dass in
einem evakuierten Glasballon von 20cm Durchmesser an einem Glasfaden zwei
gleiche Flügelpaare aus Platinblech von 0,1 resp. 0,02 mm Dicke aufgehängt
werden; „der eine Flügel jedes Paares ist spiegelnd blank, der andere beiderseits
platiniert. Das Licht einer Bogenlampe wird durch Spiegel und Linsen auf den zu
untersuchenden Flügel konzentriert und kann durch Verschiebung eines Spiegel-
paares nach Belieben auf eine oder die andere Seite des Flügels geworfen
werden.“ *) |
Waren somit die radiometrischen Kräfte durch die eben angegebenen Kunst-
griffe eliminiert, so konnte der übrig bleibende Lichtdruck aus der caloriometrisch
gemessenen Strahlungsenergie und der beobachteten Ablenkung der Flügel
berechnet werden, und er wurde innerhalb der Versuchsfehler in Ueberein-
stimmung mit den von Maxwell und Bartoli berechneten Grösse gefunden.
Uebrigens gelten die obigen Berechnungen der Grösse des Lichtdruckes
nur für ruhende Körper. Bewegte Körper würden, wie Thiesen in den Ver-
handlungen der deutschen physikalischen Gesellschaft vom 15. November 1901
auseinandersetzt, durch den Lichtdruck einen Widerstand erfahren, der der Ge-
schwindigkeit der Bewegung proportional ist und natürlich von der Richtung
abhängt, in welcher die Bewegung relativ zur Strahlungsquelle stattfindet. Auf
Stoffteilchen, die sich mit der Geschwindigkeit des Lichtes von der Sonne fort-
bewegten, würde der Lichtdruck der Sonnenstrahlung Null sein. Vielleicht ist
dieser Widerstand zum Teil die Ursache der Krümmung der Kometenschweife.
Wie auf die Materie der Kometenschweife, so übt natürlich das Licht auf
alle im Weltraum kreisenden Körperchen, dem „kosmischen Sauber, einen
Druck aus, der zur Erklärung vieler anderer rätselhafter Erscheinungen führen
kann. Wir behalten uns vor, sie später einmal zum Gegenstand der Betrachtung
zu machen. Gegenwärtig möchten wir zum Schluss noch auf eine andere
mögliche Ursache der Abstossung der Kometenmaterie hinweisen, die in engster
Beziehung zu den Kathodenstrahlen steht, jener bekannten Lichterscheinung,
die in hochevakuierten Räumen infolge elektrischer Entladungen entsteht. Man
hält es für wahrscheinlich, dass Kathodenstrahlen infolge elektrischer Prozesse
auf der Sonne in den hochverdünnten Schichten ihrer Atmosphäre entstehen.
Weiter wird angenommen, dass die Kathodenstrahlen aus negativ geladenen
kleinsten Teilchen bestehen, die man Elektronen nennt, deren Masse nur den
zweitausendsten Teil der Masse eines Wasserstoffatoms beträgt, und die eine
dem Lichte nahe kommende Geschwindigkeit besitzen. Dass Kathodenstrahlen
eine mechanische Wirkung auszuüben vermögen, ist durch die Versuche von
*) Fortschritte der Physik im Jahre 1900, Bd. 56, S. ö; out (Referat von Lebedew).
— 194 —
Crookes bekannt, und daher liegt der Gedanke nahe, dass das Bombardement
der Elektronen gegen die Materie der Kometenschweife, abgesehen von ihrer
etwaigen rein elektrischen Wirkung, einen Druck und somit eine Abstossung
hervorbringen.
Endlich haben die auf Grund einer Entdeckung von Hertz fortgeführten
Untersuchungen gezeigt, dass ultraviolettes Licht die Entladung der negativen
Elektrizität begünstigt, ja hervorruft, und Lenard fand, dass bei Belichtung
einer Metallfläche mit ultraviolettem Licht Strahlen von ihr ausgesandt werden,
die sich ähnlich verhalten wie die Kathodenstrahlen. Da man nun in den
Elektronen die Träger der negativen Ladung erblickt, so folgt, dass von den
mit ultravioletten Strahlen belichteten Flächen Elektronen fortfliegen. Lässt man
dies auch für die Materie der Kometenschweife zu, so würde sich hieraus eine
Reaktionswirkung ergeben, die gleichfalls eine Abstossung hervorbringen müsste.
Angesichts dieser neuesten Vorstellungen darf wohl an eine Hypothese er-
innert werden, die Zöllner*) bei seinen schönen Untersuchungen über das
Radiometer zur Erklärung einer Reihe merkwürdiger Erscheinungen aufgestellt
hat: „Die durch Undulationen des Acthers von der Oberfläche eines Körpers
direkt oder indirekt ausgesandten Strahlen sind gleichzeitig von einer Emission
materieller Teilchen nach der Richtung der Strahlen begleitet. Die Anzahl,
Masse und Geschwindigkeit der in der Zeiteinheit emittierten Teilchen hängt von
der physikalischen und chemischen Beschaffenheit der Oberfläche und von der
Energie und Beschaffenheit der ausgesandten Strahlen ab.“ Man erkennt, wie
nahe diese Hypothese der modernen Elektronen-Hypothese kommt.
Vorläufiser Bericht über die Aufnahmen der totalen Mondfinsternis
am 22. April 1902 zu Ereptow.
Von F. S. Archenhold.
d der Vormittagsstunden des 22. April war der Himmel fast ganz
bewölkt, sodass wenig Aussicht auf klares Wetter für die Beobachtung
der Finsternis vorhanden war. Um die Mittagszeit jedoch fing der Himmel teilweise
an, sich aufzuklären und gegen Nachmittag waren nur am Westhimmel noch
Wolken in geringer Höhe vorhanden. Um 7 Uhr erreichte diese Wolkenbank im
Westen nur noch wenige Grade Höhe, der andere Teil des Himmels war völlig klar.
Ein 4Zöller von Reinfelder und Hertel, ein Spiegelteleskop von Dollond
und verschiedene andere kleinere Fernrohre waren für die Okularbeobachtung
bestimmt. Der grosse Refraktor (68 cm Oeffnung, 21 m Brennweite) war für die
photographische Aufnahme reserviert.
Da unser Institut nur Kassetten für das Format 12 mal 12 cm besitzt, so
sah ich mich gezwungen, eine eigenartige Methode für die Aufnahme der
Finsternis anzuwenden, wenn ich den ganzen Mond auf der Platte erhalten
wollte, da das Mondbild im Brennpunkt des grossen Fernrohres 18,3 cm beträgt.
Für die Herstellung entsprechend grosser Kassetten fehlten die Mittel. Ich kam
daher auf die Idee, das Okular des grossen Fernrohrs einzubauen durch
eine Dunkelkammer, die so gross hergestellt wurde, dass sie für zwei Personen
Raum bot. Der Okularstutzen hat einen freien inneren Durchmesser von 24 cm,
*) Poggendorffs Annalen 160, S. 163.
— 1% —
sodass auf diese Weise die Möglichkeit geboten war, den Mond vollständig zu
photographieren. Ich habe nun eine provisorische Kassette an den Okularstutzen
montiert, welche so eingerichtet wurde, dass die Platten von der hinteren
Seite ohne weiteres gegen einen Anschlag gelegt werden konnten. Während der
Expositionszeit war also die Rückseite dieser Kassette geöffnet, sodass ich auf
diese Weise während der Verfinsterung 39 Aufnahmen herstellen konnte. Das
Wechseln der Platten geschah innerhalb der das Okular einhüllenden Dunkel-
kammer. Da bei der Konstruktion des Fernrohrs das Okular im Drehpunkt
des ganzen Systems sich befindet, so trat nur eine ganz geringe Verschiebung
beim Lauf des Mondes ein. Nur einmal mussten wir die Dunkelkammer auf
dem Podium seitlich verschieben, da ein Stück der Traverse in den Bereich der
äusseren Stützen der Dunkelkammer durch die Fortbewegung des Fernrohrs kam.
Die Aufnahme wurde nun so gemacht, dass der Schieber zugehalten wurde, so
lange bis ich die Platten gegen den Anschlag legte und alsdann, wie gewöhnlich,
durch Oeffnen und Schliessen des Schiebers exponiert. Innerhalb der Dunkel-
kammer war auch die Uhr aufgestellt, welche mit einer roten Lampe abgelesen
wurde, sodass die Platten unbeschadet in der grossen Dunkelkammer aus- und
eingepackt werden konnten. Herr Görs, unser früherer Mechaniker, reichte mir in
dieser die Platten zu. Unser Maschinist Kirchner befand sich ausserhalb der Dunkel-
kammer und machte die nötigen Einschaltungen für die Bewegung des Fern-
rohrs. Die Dunkelkammer-Vorrichtung war im Instistut angefertigt worden durch
unseren Führer Arndt. Der Stutzen des Suchers befand sich innerhalb der
Dunkelkammer, sodass eine Kontrolle der richtigen Bewegung des Fernrohrs von
mir vorgenommen werden konnte. Durch eine matte Scheibe konnte ich ausser-
dem direkt das Bild, welches das grosse Fernrohr entwarf, beobachten. Die Aktien-
Gesellschaft für Anilin-Fabrikation hatte mir fürdiese Aufnahmen in liebenswürdiger
Weise ihre orthochromatischen Platten und orthochrom. „Isolar“-Platten zur Ver-
fügung gestellt. Für die Aufnahmen der Totalität verwandte ich die ersteren,
nach Beendigung derselben die letzteren, damit das helle Mondlicht keine Hof-
lichtbildung durch Spiegelung an der Rückseite der Platte hervorrief. Die
orthochromatischen Isolar-Platten sind besonders für Mondaufnahmen sehr zu
empfehlen. Sie tragen bekanntlich zwischen der empfindlichen Schicht und
dem Glase eine Farbenschicht, welche die Rückspiegelungen der Lichtstrahlen
verhindert. In der Beilage führen wir eine dieser Aufnahmen und zwar die,
welche um 9 Uhr 11 Min. 31—34 Sek., bei 3 Sek. Expositionszeit, gemacht wurde,
unseren Lesern vor. Da das Ende der totalen Verfinsterung um 8 Uhr 35,4 Min.,
die letzte Berührung mit dem Kernschatten der Erde um 9 Uhr 45,4 Min. eintreten
sollte, so ist diese Aufnahme eine Minute nach dem halben Freiwerden des
Mondes angefertigt worden.
Der Halbmeeresbusen „Sinus iridum“ und der Copernicus sind gerade aus dem
Erdschatten herausgetreten; Tycho, Kepler und Aristarch liegen schon weit von
der Schattengrenze ab. Es fällt auf, dass die nördlich vom Mare frigoris ge-
legenen Gebirgsgegenden ziemlich weit in den Erdschatten hinein "noch be-
leuchtet sind. Auf zwei anderen Photographien, die gegen Schluss der Ver-
finsterung aufgenommen sind, tritt plötzlich Beschattung grosser Teile des schon
auf einer früheren Aufnahme frei gewordenen Mondes hervor. Auf diese auf-
fälligen Erscheinungen werde ich später noch zurückkommen.
Ich bemerke ausdrücklich, dass die beigegebene Aufnahme auf die Hälfte
verkleinert ist. Die Originalplatten zeigen den Mond in einer Grösse von
— 196 —
18,3 cm, das Plattenformat betrug 24 zu 30 cm. Vielleicht lässt es sich ermög-
lichen, die ganze Seric der Aufnahmen in grösseren Tafeln unseren Lesern später
zugänglich zu machen. Abzüge auf Bromsilberpapier von diesen Aufnahmen sind
vorläufig im „Astromischen Museum“ unseres Institutes ausgestellt.
Inbezug auf die Okularbeobachtung sei bemerkt, dass gegen 8 Uhr der
obere Teil des Mondes eine schmutzige rosa Färbung zeigte und viel dunkler
war als der in der gewöhnlichen kupferroten Farbe glänzende untere Teil.
Hieraus kann wohl geschlossen werden, dass die Bewölkung längst den Orten
der Erde, wo die Sonnenstrahlen tangierten, ungleichmässig war und zwar zur
Hälfte stark auftrat. An der schmutzigen Färbung des unteren Teiles des
Mondes werden wohl die im Westen sichtbaren dunklen Kumuluswolken beteiligt
gewesen sein.
ne
a ess a
Der erste Komet des Jahres 1902 ist von Brooks auf der Sternwarte zu Geneva, Nord-
Amerika, am 15. April im Sternbilde des Pegasus entdeckt worden. Er war nur wenige Tage in
den Morgenstunden sichtbar und näherte sich rasch der Sonne. Er zeigte eine schwache Ver-
dichtung im Kopfe und etwa einen halben Grad langen Schweif. Eine genauere Bahnbestimmung
liess sich wegen der geringen Zahl der Beobachtungen’ nicht ermöglichen. Nach den von Professor
Kreutz veröffentlichten Elementen bleibt die weitere Sichtbarkeit für die Nord-Halbkugel ausge-
schlossen, während sie für die in den südlichen Breiten liegenden Sternwarten noch möglich ist.
Welchen Verlauf der Komet nehmen wird, nachdem er aus den Sonnenstrahlen wieder emportaucht,
lässt sich bisher noch nicht voraussagen. Die von Herrn Ebell berechnete Ephemeride giebt
folgende Positionen für 12) M. Z. Berlin:
Komet 1902a
Rectasc. Declin.
Mai 9. 2h 46m 25s — 90 6,8
13. 3 3 16 —8 47,5
17. 3 16 45 —7 37,5
21. 3 27 59 —6 3,8
* + x
Sechstes Verzeichnis von Beiträgen zur Errichtung der Vortragshalle der Treptow-
Sternwarte.
98. Kreisausschuss des Kreises 105. Oberbürgermeister Schustehrus,
Teltow ve, 2% wa we. Ze 1000 M. Charlottenburg. . . GS 10 M.
99. E. N., Berlin . . 2 2 2... 10- 106. Frl. A.Rohrbeck, Berlin S dës 5 -
100. Emil Mosse, Berlin . . . . . 100- 107. Litterarische Gesellschaft
101. Ungenannte Dame ..... . 60 - „Frührot“, Berlin. . . . ... 3 -
102. Carl Stiebel, Berlin. . . e 30 - 1328 M.
103. Prof. Gustav Amberg, Be rlin e 10 - Die Summe der früheren Spenden betrug: 8303 -
104. Carl Hesse, Berlin... . 10 - | Insgesamt: 9631 M.
Allen freundlichen Zeichnern sprachen wir den wärmsten Dank für diese Bethätigung ihres
Interesses aus. Weitere Beiträge nimmt die „Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius & Co.
Berlin W., Charlottenstrasse 35a“ und die „Deutsche Bank, W., Behrenstr. 8-13“, entgegen.
* x
*
Zu Gunsten des Fonds der Vortragshalle wird Frau Anna Képsel-Heuer und Herr
August Köpsel in der Zeit von Sonnabend den 10. Mai bis Mittwoch den 14. Mai den
Besuch ihrer Malerateliers in Berlin W., Hardenbergstr. 27a, in der Zeit von 11 bis 5 Uhr in liebens-
würdiger Weise gestatten. Eintrittskarten zum Preise von 50 Pfg. sind im Burcau der Treptow-
Sternwarte und in den Buchhandlungen von S. Calvary & Co., Neue Wilhelmstr. 1, und E. Kantorowicz,
Potsdamerstr. 135, zu haben.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Fa Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, BerlinW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELIALL
illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
EIN Herausgegeben von
2. Jahrgang 16.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 Mai 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
cinzelne Nummer 50 Pre. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. !ı Seite 60.—,1/, Seite 30.—, 1, Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
gehalten auf der Treptow-Sternwarte. Von Dr. A. Leman
I. Das K. russische Observatorium in Peking. Von (Fortsetzung) `... 203
Dr. II. Fritsche - St. Petersburg 6 6 6 ee ee 197 3. Kleine Mitleilungen: Alomgewichtsbestimmung mittels
2. Ueber Schallenphänomene bei Finsternissen. Vortrag, Röntgenstrahlen. — Das Leuchten der Nebelflecken. 207
Das K. russische Observatorium in Peking.
Von Dr. H. Fritsche-St. Petersburg.
Osteen die Chinesen sich seit uralten Zeiten für Himmelserscheinungen
interessiert haben, so sind doch ihre „astronomischen Beamten“ nie über
die allerersten Anfänge der Astronomie hinausgekommen und können ihre
Leistungen in keiner Weise mit denen der Chaldäer in Babylon verglichen
werden. Man muss dies, nach meiner Meinung, hauptsächlich der geringen
natürlichen Begabung des chinesischen Volkes für abstraktes scharfes Denken
zuschreiben. Das einzige astronomische Instrument, dessen sich die Chinesen
schon in alten Zeiten bedienten, ist das Gnomon, womit sie z. B. um 1150 v. Chr.
die Länge des Sonnenschattens zur Zeit des Sommer- und Wintersolstitiums in
der Stadt Lo-yang massen; auch kannten sie schon damals den Kompas.
Zu einer Theorie haben sie sich weder in Betreff der Astronomie noch der
Lösung des Welträtsels aufgeschwungen. Denn ihre Weltanschauung ist zwar
Darvinistisch, sie sind aber dazu nicht durch wissenschaftliche Forschungen,
sondern auf historischem Wege durch Ueberlieferungen aus grauer Vorzeit
gelangt, wonach der Mensch vom Tiere abstammen und sich allmählich empor-
gearbeitet haben soll. Auch in neuerer Zeit, etwa seit 1860, in welcher die
Chinesen in nähere Berührung mit den Europäern gekommen, und in Peking
in Folge dessen das sogen. „Peking College“ gegründet ist, wo sie von Europäern
in Astronomie, Mathematik, Chemie und europäischen Sprachen unterrichtet
werden, sind ihre Fortschritte in den exakten Wissenschaften nicht der Rede
wert, wovon ich mich während einer dreijährigen Lehrthätigkeit am College
überzeugt habe.
Die Berechnung des Kalenders ist in China seit uralten Zeiten von eigens
dafür besoldeten Beamten besorgt worden. Seit mehr als 200 Jahren besteht in
Peking ein sog. astronomisches Tribunal, welches nicht blos den jährlichen
Kalender macht, sondern auch astronomische Ephemeriden publiziert, worin die
Positionen der Sonne, des Mondes, der grossen Planeten, die Sonnen- und Mond-
finsternisse sowie auch die Auf- und Untergangszeiten der Sonne für eine Anzahl
wichtiger Städte des chinesischen Reiches angegeben werden. In einem be-
sonderen, vom astronomischen Tribunal edierten Werke, genannt „Wan-nien-schu“
— 198 —
(Buch der 10000 Jahre) sind chronologische Tafeln der chinesischen Kaiser und
die Elemente der Kalender vom Jahre 1624 A. D. bis 1921 A. D. enthalten.
Alle diese Berechnungen wurden nahe zwei Jahrhunderte hindurch —
bis 1839, in welchem Jahre der letzte in Peking lebende Jesuit Cajetanus Pires
Pereira starb und vom russischen Archimandriten Benjamin, damaligem Chef
der russischen Mission in Peking. begraben ward — von Europäern, Jesuiten
geleitet und auch wohl grösstenteils von letzteren ausgeführt.
Ueberdies haben die Jesuiten unter der Regierung des Kaisers Kang-hi,
um 1713 die erste exakte Karte von ganz China verfertigt, zu welchem Zwecke
sie zahlreiche astronomische Breitenbestimmungen und geodätische Operationen
im ganzen Reiche ausführten.
Seit 1839 besteht das astronomische Tribunal nur aus einheimischen Ge-
lehrten, welche wahrscheinlich astronomische Tafeln des 18. Jahrhunderts,
herausgegeben von De Lambre und Mayer, benutzen. Ihre Vorausbestimmungen
der Sonnen- und Mondfinsternisse, sowie der Neumonde sind bis auf circa
1/, Stunde genau. Peking (he b cfg der beifolgenden Skizze von Peking), dessen
Bevölkerung gegenwärtig eine halbe Million nicht überschreiten dürfte, besteht
aus zwei grossen Teilen, die zusammen von circa 30 km langen Mauern umgeben
sind, welche in N—S und E—W Richtung laufen und eine Höhe und Breite von
circa 10 m haben. Der nördliche dieser beiden Stadtteile heisst Mandjurenstadt
(ab cd der Skizze), der südliche Chinesenstadt (4 e f g der Skizze). Als Centrum
Pekings, welches, abgeschen von dem unbedeutenden sog. Kohlenberg, auf voll-
kommen ebenem Terrain liegt, kann man den Punkt betrachten, dessen Länge
v. Gr. 116° 26⁄0 und dessen Breite 39° 54,6.
Innerhalb der Mandjurenstadt liegt die kleine Kaiserstadt.
In der Mandjurenstadt giebt es 4 Orte, an denen Beobachtungen gemacht sind.
1. Das chinesische Observatorium, von den Chinesen kuang-sang-tai genannt,
ist vor etwa 600 Jahren eingerichtet und wurde im Jahre 1674 von den Jesuiten
mit neuen astronomischen Instrumenten (ohne Linsen) verschen, die noch jetzt
wohlerhalten und kürzlich nach Deutschland als Kriegsbeute gebracht sind.
Der Ort liegt auf der Ostmauer der Mandjurenstadt (@ der Skizze), seine Lange
ist 116° 28,2, seine Breite 39° 5444. Es sollen dort von chinesischen Beamten
Jahrhunderte hindurch Beobachtungen über den Zustand des Himmels (z. B. Be-
wölkung, Windrichtung etc.) notiert worden sein. Ich habe jedoch während
meines Aufenthaltes in Peking keine derartigen Aufzeichnungen erlangen können
und zweifle auch an ihrer Brauchbarkeit, wenn solche überhaupt existieren.
2. Bethang (ô der Skizze), nördliche Kirche oder das sog. Collegium Gallorum,
nahe beim kaiserlichen Palaste befindlich. Dort hatten die Jesuiten um die
Mitte des 18. Jahrhunderts ein Observatorium errichtet und machten vicle
astronomische Beobachtungen (z. B. des Venusdurchganges am 3. Juni 1769);
ausserdem hat dort der Pater Amiot meteorologische Beobachtungen während
der 6 Jahre 1757 bis 1762 angestellt. Die Länge dieses Platzes ist 116° 25‘,3,
die Breite 39° 55’,2.
3. Die k. russische Gesandtschaft, chinesisch Nan-guan genannt, nahe bei
der Südmauer der Mandjurenstadt (Ort y der Skizze). Der Astronom Georg
v. Fuss, welcher eine Reise von St. Petersburg nach Sibirien und via Kiachta
nach Peking im Auftrage der K. Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg
während der Jahre 1830 bis 1832 machte und an circa 80 verschiedenen Orten
seines Weges und in Peking astronomisch-geographische, erdmagnetische und
— 199 —
hypsometrische Beobachtungen anstellte, verweilte in Peking 7 Monate, wo er
ausser den genannten Messungen auch meteorologische Beobachtungen erhielt.
Die Position Nan-guans ist 116° 26,5 L., 39° 54/25 B.
4. Be-guan (nördlicher Hof), ungefähr 250 m von der Nordostecke (ei der
Skizze), der die Mandjurenstadt einschliessenden Mauern entfernt. Die dort
befindliche geistliche Mission Russlands bildet einen von 4 nach den 4 Himmels-
gegenden gerichteten Mauern begrenztes Viereck, dessen Ost-, Nord- und Süd-
seiten von einem Teiche umgeben sind, welcher im Frühjahr gewöhnlich aus-
getrocknet ist.
Die meteorologischen Beobachtungen der 9 Jahre 1841 bis 1849 wurden von
Hr. Gaschkewitsch, weltlichem Mitgliede der geistlichen Mission, unter Beihülfe
Skizze von Peking.
FE ai FE
dë KE KERNAN ARAA SS)
N = a
Ba
3.9?
10 Sie
der Missionare Rosoff und Guri und chinesischer Christen neunmal täglich, von
5 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, von 2 zu 2 Stunden angestellt. Herrn Gaschke-
witsch verdanken wir auch einige Bestimmungen der magnetischen Inklination.
Während der nun folgenden 6jährigen Periode von 1850 bis 1855 war Herr
K. A. Skatschkoff, später K. R. Generalkonsul in Shanghai, Chef des Obser-
vatoriums. Unter seiner und des Archimandriten Palladius Aufsicht wurde im
Jahre 1849 ein eigenes Observations-Gebäude (Æ der Nebenskizze a‘) auf dem
östlichsten Teile des Territoriums der Mission errichtet. Die Wände dieses
Hauses waren nach den 4 Himmelsgegenden orientiert, circa °/, m dick und aus
eisenfreiem Granit und Dolomit zusammengesctzt. Der Fussboden bestand aus
dickem Dolomitgestein; das Dach, dessen Höhe 6 m erreichte, aus Dachpfannen,
die etwas eisenhaltig waren. Das Unifilar- und Bifilarmagnetometer, sowie die
— 200 —
dazu gehörigen Fernrohre und Skalen waren in E an starken Dolomitpfeilern
befestigt; das Quecksilberbarometer befand sich seit 1850 immer während aller
folgenden Beobachtungsjahre in E 37,5 m über der Mecresflache. Das Psychro-
meter stand während der Periode 1850 bis 1863 in einer der nach Norden ge-
legenen steinernen Fensternischen von E, 2 m über dem Erdboden, circa '/- m
entfernt vom Fenster des stets ungeheizten Hauses; gegen Morgen- und Abend-
sonne (im Sommer) und gegen Regen war es durch einen Schirm geschützt.
Der Regenmesser befand sich seit 1850 am Orte m, sein oberer Rand war 2 m
vom Erdboden entfernt. Aus 29jährigen Beobachtungen ergab sich, dass die
jährliche Regenmenge im Mittel 638 mm und dass meistens 2, 3 oder 4 Jahre
mit Regensummen über 638 mm auf 2, 3 oder 4 Jahre mit Regensummen unter
638 mm folgen, so dass der Regen in Peking eine Periode von 7 Jahren hat.
Die Windfahne. ward über dem kleinen östlichen Ausbau von E aufgerichtet.
Die tägliche Amplitude der Temperatur in E betrug nur 1°C., die jährliche
dagegen 30° C. Die meteorologischen Beobachtungen und die Magnetomcter-
ablesungen wurden während der 6 Jahre 1850 bis 1855 Tag und Nacht von
Stunde zu Stunde nach mittlerer Göttinger Zeit täglich 24 mal meistens von
Chinesen, Zöglingen der Mission, gemacht. Herr Skatschkoff hat ausserdem eine
Reihe von Inklinationsmessungen mit einem guten Nadel-Inklinatorium angestellt,
dagegen besitzen wir von ihm keine absoluten Bestimmungen der erdmagnetischen
Deklination und Intensität.
Nach seiner Abreise von Peking, im Jahre 1855, hörten die von ihm ge-
leiteten Beobachtungen auf und wurden erst nach Ankunft des neuen Dirigenten,
des Herrn Peschtschuroff, im Jahre 1859 wieder aufgenommen und, freilich mit
vielen Unterbrechungen und Abänderungen in den Beobachtungsterminen, teils
unter Leitung der Herren Mönche Guri und Isajas Polikin bis 1863 fortgesetzt.
Die Instrumente, mit denen während 1859 bis 1863 beobachtet wurde, waren die-
selben, welche man 1850 bis 1855 gebraucht hatte: sie stammten alle aus dem
Physikalischen Centralobservatorium in St. Petersburg, mit Ausnahme der Wind-
fahne, welche von chinesischen Handwerkern hergestellt war; auch die Auf-
stellung der Apparate war während des Zeitraumes 1850 bis 1863 nicht geändert
worden.
Im Jahre 1864 wurde das Observatorium selbständig, sein Territorium durch
eine hohe Mauer (A B der Nebenskizze a‘) von dem der geistlichen Mission ge-
schieden und 3 Jahre später, 1867, ich von der Akademie der Wissenschaften
St. Petersburgs zum Direktor desselben gewählt.
Bald nach meiner Ankunft in Peking, am Anfange des Jahres 1868, liess
ich im Hofe des Observatoriums am Orte «a (cf. Nebenskizze el einen Dolomit-
pfeiler aufrichten und im Jahre 1870 um denselben ein kleines Meridianhaus aus
Holz und eisenfreiem Messing bauen, um unter seinem Schutze astronomische
und absolute erdmagnetische Messungen anzustellen.
An astronomischen Instrumenten besass das Observatorium ein gutes
Universalinstrument von Ertel mit gebrochenem Fernrohr von 43 cm Länge, einem
Vertikalkreis von Brauer, dessen Nonius 4”, und einem Horizontalkreis, dessen
Nonius 10° angab. Ausserdem waren einige Sextanten und ein Frauenhofer’sches
Fernrohr von 1,2 m Länge, mittelmässiger Güte vorhanden. Mit dem Universal-
instrument von Ertel und Brauer (Pulkowa), welches ich auf mehreren weiten
Reisen benutzte, habe ich die Länge des Observatoriums (Stein « Nebenskizze «‘)
durch Beobachtung von 42 Mondkulminationen und die Breite durch Passage-
beobachtungen von a Lyrae, e Persei und 12 Canum venaticorum durch den
ersten Vertikal und durch Messung von Zenitdistanzen von Sternen in der Nali
des Meridians bestimmt.
Sodann bot sich mir Gelegenheit, Vorübergänge des Merkur vor der Sonnen-
scheibe am 5. November 1868 und 6. Mai 1878, sowie den Venusdurchgang am
9. Dezember 1874 mit Hülfe des Fraunhoferschen Fernrohrs zu beobachten.
An Uhren waren vorhanden: eine Pendeluhr, ein Taschenchronometer und seit
dem Jahre 1874 auch ein Boxchronometer.
Während der 21 Monate von April 1868 bis Ende 1869 wurden die meteoro-
logischen Instrumente und die Magnetometer, welche letztere ich von neuem im
Observations-Gebäude # auf den schon vorhandenen Pfeilern aufgestellt hatte,
9 mal täglich von 2 zu 2 Stunden, von 6 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, ab-
gelesen. Das Psychrometer befand sich damals am Orte n (cf. Nebenskizze a’).
Später, von Anfang 1870 an, wurden die Thermometer, Haarhygrometer und
Verdunstungsmesser, gemäss den für alle russischen Stationen geltenden Vor-
schriften, am Orte H (cf. Nebenskizze a‘), 3 m über dem Erdboden unter einem
hölzernen, kubisch geformten Schutzdache aufgestellt, dessen obere und südliche
Seite geschlossen, dessen untere und nördliche Seite offen und dessen westliche
und östliche aus Jalousieen bestand.
Die Ablesungen erfolgten von 1870 bis 1883 um 7 Uhr morgens, 1 Uhr nach-
mittags und 9 Uhr abends.
Die Temperatur des Erdbodens ist von mir 4 Jahre hindurch beobachtet:
von Juli 1869 bis Juli 1870 in 6 verschiedenen Tiefen, bis 4,176 m, und in den
3 Jahren 1880, 1881 und 1882 in 5 Tiefen, bis 3,403 m.
Bei den täglichen Ablesungen der Magnetometer und der meteorologischen
Instrumente wurde ich von zwei chinesischen Gehülfen unterstützt, welche der
russischen Kirche angehörten uud die Schule der geistlichen Mission besucht
hatten; die astronomischen und absoluten erdmagnetischen Messungen dagegen
habe ich alle selbst gemacht. Zu letzteren besass ich einen schr guten Azimut-
kompass, vom Mechaniker Barrow verfertigt, einen sog. Weber'schen Apparat zur
Bestimmung der Horizontalintensität, zwei magnetische Theodolithe und zwei
gute Nadel-Inklinatorien.
Von Peking aus habe ich in China 3 grössere Exkursionen unternommen:
nämlich eine im Jahre 1869 nach Jehol, wo Kaiserliche Sommerpaläste sind, eine
zweite 1871 nach dem Grabe des Confucius bei der Stadt Tsü-fu-hien in der
Provinz Schantung, und eine dritte im Jahre 1883 nach dem Süden bis in die
Nähe der Stadt Kai-föng-fu am Hoangho. Dazu kommen noch zwei kleinere
Exkursionen des Jahres 1882 von Peking in die westlich davon gelegenen Berge
Bo-hoa-schan (Meereshöhe 2017 m) und Siao-u-tai-schan (2896 m Meereshöhe).
Die lange und beschwerliche Landreise von St. Petersburg nach Peking
via Nijni-Nowgorod, Perm, Tomsk, Irkutsk, Kiachta und Urga habe ich dreimal
gemacht, nämlich in den Jahren 1867 bis 1868, 1874 und 1876 bis 1877, jede
ca. 9000 km in Länge, und die Rückreise von Peking nach St. Petersburg
zweimal, nämlich im Jahre 1873 längs des Westrandes des Chingan-Gebirges
und via Zuruchaitu und Nertschinsk, und sodann im Jahre 1883 über die östlichste
Mongolei und Mandjurei (Schanghai-guan, Tsitsikar) via Blagoweschtschensk und
Stadt Nertschinsk, zusammen 20000 km lang; endlich bin ich im Jahre 1875 von
Peking zu Wasser via Shanghai, Singapore, Suez und Neapel und von da zu
Lande nach St. Petersburg gereist.
— 22 —
Eisenbahnen gab es damals weder in China noch in Sibirien: von St. Peters-
burg konnte ich per Eisenbahn nur bis Nijni-Nowgorod und von da im Sommer
per Dampfschiff bis Perm gelangen, den übrigen Teil meiner ca. 50 000 km Weg-
strecke betragenden Landreisen musste ich per Wagen oder zu Pferde oder
Kameel (in der Mongolei) zurücklegen.
In Peking wurde meine Zeit hauptsächlich durch die täglich während des
Zeitraumes 1868 bis 1883 ununterbrochen fortgesetzten erdmagnetischen und
meteorologischen Beobachtungen und durch die Bearbeitung aller von 1831 bis
1883 dort erhaltenen astronomisch-geographischen, erdmagnetischen und meteoro-
logischen Messungen in Anspruch genommen; auf Reisen war ich mit der An-
stellung von erdmagnetischen und geographischen Messungen, der Einrichtung
neuer meteorologischer Stationen und der Inspektion schon vorhandener be-
schäftigt und endlich hatte ich ausserdem noch während der Reisen 1873, 1874
und 1876 bis 1877 die magnetisch-meteorologischen Observatorien in Jekaterin-
burg, Barnaul und Nertschinsk (Bergwerk) zu inspizieren, so dass mir zum Reisen
und den Reisebeobachtungen im ganzen während der 16 Jahre 1867 bis 1883
ca. 20 Monate übrig blieben, in denen ich an 298 verschiedenen Orten astro-
nomisch-geographische und erdmagnetische, und an nahe 1000 Orten hypso-
metrische Bestimmungen erhielt. Nach meiner definitiven Rückkehr aus China,
im Jahre 1883, habe ich von St. Petersburg aus noch fünf Exkursionen zu erd-
magnetischen Beobachtungen unternommen: zwei Reisen in den Jahren 1885 und
1887 nach Norddeutschland, und drei in den Jahren 1891, 1893 und 1894 zur
Untersuchung magnetischer Anomalieen in der Nähe der Insel Jussar-6 im
finnischen Meerbusen; sodann im Moskauer und Charkower Gouvernement.
Durch diese letzten Reisen ist die Zahl der Orte, an denen ich erdmagnetische
Messungen gemacht habe, von 298 auf 509 gestiegen*).
Im Mai 1883 verliess ich Peking für immer, das Observatorium ward, wie
vor meiner Ankunft daselbst, wieder der Obhut der geistlichen Mission Russ-
lands anvertraut, die meteorologischen Beobachtungen noch einige Jahre fort-
*) Die hauptsächlichsten Publikationen, in denen ich die Resultate meiner Arbeiten während
der 28 Jahre 1867 bis 1894 niedergelegt habe, sind folgende:
1. Das Klima Ostasiens, in deutscher Sprache gedruckt von der K. Akademie der Wissenschaften in
St. Petersburg im Jahre 1876; und
The Climate of Eastern Asia, dasselbe in englischer Sprache im Journal of the North-China
Branch of the Royal Asiatic Society, Vol. XU 1877, Schanghai.
2. Ueber das Klima Pekings, Repertorium für Meteorologie, herausgegeben von der K. Akademie der
Wissenschaften zu St. Petersburg. T. V No.8, 1876.
3. Ein Beitrag zur Geographie und Lehre vom Erdmagnetismus Asiens und Europas, Ergänzungs-
heft No. 78 zu Petermann’s Mitteilungen.
4. On Chronology and the Construction of the Calendar with spectal regard to the Chinese
computation of time compared with the European. St. Petersburg. 1386.
5. Ueber die Bestimmung der geographischen Lange und Breite und der drei Elemente des Erd-
magnetismus durch Beobachtung zu Lande, sowie erdmagnetische und geographische Messungen
an mehr als 1000 verschiedenen Orten in Asien und Europa. ausgeführt in den Jahren 1867 bis 1891.
St. Petersburg. 1893.
6. Observations magnetiques sur 509 lieux, faites en Asie et en Europe pendant la période
de 1867—1894. St. Petersburg. 1897.
Ausser den eben genannten Schriften sind von mir noch etwa 30 längere und kürzere Ab-
handlungen über meine Forschungen in Betreff der Meteorologie, Geographie und Erdmagnetismus
während der Jahre 1867 bis 1394, in deutscher, russischer und englischer Sprache verfasst und im
Repertorium für Meteorologie, herausgegeben von der K. Akademie der Wissenschaften in St. Peters-
burg, in den Publikationen der K. russischen Geographischen Gesellschaft etc. gedruckt worden.
— 203 —
gesetzt und darauf sein transportables Inventar (Bibliothek, astronomische
Instrumente etc.) nach dem neu gegründeten Observatorium in Irkutsk übergeführt.
Im Jahre 1900 wurde die geistliche Mission in Be-guan -— Kirche, Wohn-
und Schulhäuser — durch die sog. Boxer von Grund aus zerstört und der grösste
Teil der Chinesen, welche der griechischen Kirche angehörten und von kriegs-
gefangenen Russen aus der Zeit des Kaisers kang-hi (1700) abstammten, ermordet.
Auch die Gebäude des ehemaligen Observatoriums sind bei dieser Gelegenheit
vernichtet, so dass es jetzt, da auch die altertümlichen Instrumente der chinesischen
Sternwarte nach Deutschland entführt sind, in Peking kein Observatorium mehr
giebt.
WE
Geber Schattenphänsmene bei Finsternissen.
Vortrag,
gehalten auf der Treptow-Sternwarte
am 68. Beobachtungsabend des „Vereins von Freunden der Treptow-Sternwarte“ am 9. Oktober 1901
von Dr. A. Leman in Charlottenburg.
(Fortsetzung.)
Bs bedarf zunächst einer kleinen Orientierung über die bei einer Mondfinsternis
vorliegenden geometrischen Beziehungen, welche Ihnen die jetzt cr-
scheinende Figur (6) liefern soll. Dieselbe ist allerdings nur eine sogenannte
schematische, d. h. eine solche, bei welcher die Längenverhältnisse der Deutlich-
keit und Uebersichtlichkeit wegen ganz und gar willkürlich gewählt sind und
der Wirklichkeit nicht einmal annähernd entsprechen. Der mit dem Buchstaben
E bezeichnete Kreis soll einen Durchschnitt durch die Erdkugel bedeuten, der
so gelegt ist, dass er auch durch die Mitte der Sonnenscheibe hindurchgeht.
Um Missverständnissen vorzubeugen, will ich hier sogleich im Vorbeigehen be-
merken, dass wir für den vorliegenden Zweck durchaus berechtigt sind, uns so-
wohl die Sonne als auch den Mond als blosse Scheiben am Himmel vorzustellen,
wie sie ja auch einem Auge, dessen unbefangenes Urteil nicht durch nähere
Sachkenntnis getrübt ist, erscheinen. Da nämlich bei einer Mondfinsternis die
Mittelpunkte der drei Himmelskörper nahezu in einer geraden Linie liegen und
diese mit den Richtungen, in welchen wir nach den verschiedenen Punkten des
Mondes, bezw. der Sonne hinblicken, nur äusserst spitze Winkel bildet, so hat
die in Wirklichkeit ja nahezu kugelförmige Gestalt der Oberfläche dieser beiden
Körper keinen merklichen Einfluss auf die Figur des Schattenrandes. In unserer
Figur stellt deshalb die starke gerade Linie SS den Durchschnitt durch die
Sonnenscheibe und die sich daran anschliessende gerissene Linie die Erweiterung
der Ebene dar, von welcher die Sonnenscheibe ja nur einen Teil einnimmt.
Ziehen wir jetzt von dem oberen und unteren Rande der Sonnenscheibe SS die
beiden sogenannten äusseren Tangenten an den Kreis E, die sich im Punkte a
schneiden, so begrenzen diese den Raum des geometrischen Kernschattens;
geometrisch, weil es sich hierbei eben nur um eine geometrische Konstruktion
handelt, bei welcher vorläufig noch gar keine Rede davon ist, dass diese beiden
Tangenten Lichtstrahlen bedeuten sollen. Es leuchtet aber sofort ein, dass kein im
Innern des Winkelraumes zwischen diesen Tangenten hinter Æ gelegener Punkt
Licht von irgend einem Punkte des Sonnendurchschnittes SS bekommen kann.
Analog bilden die beiden sogenannten inneren Tangenten von SS aus an E ge-
— 204 --
legt, die sich zwischen Æ und SS in i schneiden, die Grenze für den geo-
metrischen Halbschatten. Die Abstände der Punkte u und i vom Mittelpunkt
der Erde Æ sind von der Entfernung zwischen Sonne und Erde abhängig und
betragen im Mittel 216,8 bezw. 212,9 Erdradien. Es ist sofort einzusehen, dass
diese Abstände hier im Vergleich mit dem Erdradius viel zu klein gezeichnet
werden mussten, wenn die Figur auf dem zur Verfügung stehenden Raum Platz
finden und dabei doch nicht zu verschwindender Schmalheit zusammenschrumpfen
sollte, dass aber durch diese Verzerrung keine prinzipiell unrichtige Vorstellungen
erweckt werden.
Nun denken wir uns hinter # eine ungeheure weisse Leinewand aus-
gespannt, welche senkrecht auf der Richtung E a steht und von welcher MM
wieder den Durchschnitt vorstellt. Nehmen wird den Abstand zwischen E und
der Ebene A/M zu etwa 60 Erdradien an, so ist dies das Mittel aus den um
etwa 6 Erdradien hin- und herschwankenden Entfernungen des Mondes vom Erd-
mittelpunkte. Unter mittleren Umständen wird also die Mondscheibe einen Teil
der Fläche MM einnehmen; es wird sich aber auf der Leinewand das ganze
Schattenbild des Erdkörpers sichtbar machen, von welchem seiner Grösse wegen
auf der Mondscheibe immer nur ein verhältnismässig kleiner Teil Platz findet.
Fig. 6.
Dass das Schattenbild von der Erde aus gesehen, kreisförmig erscheinen wird,
liegt ja auf der Hand; kk wird dann den Durchmesser des wirklichen Kern-
schattens, rr den des Halbschattens vorstellen. Aus den schon mitgeteilten
Zahlenwerten kann die Lange von kk sowohl, wie von rr berechnet werden, und
es findet sich für kk der Wert von nahezu "/, für rr "91. Erdradien. Der
Winkel « unter welchem ein im Erdmittelpunkte befindliches Auge den Radius
ck des geometrischen Kernschattens sehen wirde, betragt dann 2471 Sekunden.
In der Figur stimmt das natürlich wegen der Verzerrung nicht mehr, was aber
wiederum ganz belanglos ist.
Stellen wir uns nun vor, auf der Ebene M M befände sich ein Beobachter,
der von da nach der Sonne blickte. Dieser würde die Erscheinung einer
Sonnenfinsternis vor sich haben, und zwar einer totalen, wenn er sich zwischen
den beiden Punkten k k, einer mehr oder weniger grossen partiellen, wenn er
sich zwischen & und r befande. Der Anblick der letzteren würde für ihn aber
etwas verschieden sein von demjenigen, den wir bei einem solchen Phänomen
erhalten. Während nämlich für uns der die Sonnenscheibe verdeckende Mond
einen scheinbaren Durchmesser besitzt, der sich nur wenig von dem der Sonne
unterscheidet, erscheint dem Beobachter in M M die die Verfinsterung bewirkende
Erdkugel als eine Scheibe, deren Durchmesser nahezu 3,6mal so gross ist als
der der Sonne Rechts in der Figur 6 sehen Sie die Erscheinung angedeutet, die
der Beobachter haben würde, wenn er sich im Punkte b befände, allerdings
auch wieder der Verzeichnung wegen, den wirklichen Verhältnissen nur unvoll-
kommen entsprechend.
Der Beobachter in der Ebene MM möge jetzt einmal gerade am Rande
des Kernschattens E Aufstellung nehmen, dann von da nach dem des Halb-
schattens r hinüberschreiten und dabei den ganzen Weg von & nach r in 10
gleich grossen Schritten zurücklegen. Nach jedem Schritte mache er für einen
Augenblick Halt und betrachte die Sonnenfinsternis. Wenn er in & steht, ist ihm
die Sonnenscheibe noch soeben von der Erde vollkommen verdeckt; sowie er
sich aber auch nur anschickt, nach r zu gelangen, so kommt auch schon ein
ganz schmales Stückchen Sonne hinter der Erde zum Vorschein. Hat er den
ersten der verabredeten 10 Schritte gethan, dann ist !/,, des Sonnendurchmessers
sichtbar, nach 2 Schritten ?/,, u. s. f, nach dem 10. Schritte der ganze Sonnen-
durchmesser; er steht an der Grenze des Halbschattens und die Verfinsterung
hört damit ganz auf. Das folgende Bild (Fig. 7) zeigt diese 10 Stufen, und zwar
6 16 28 40 53 65 77 87 95 100
Fig. 7.
jetzt so, wie sie in Wirklichkeit erscheinen würden. Unter jeder der Stufen steht
eine Zahl, welche angiebt, wie gross das sichtbare Flächenstück im Vergleich zu
dem der ganzen Sonnenscheibe ist; alles ausgedrückt in Hunderteln der letzteren.
Die auf dem Vollmonde unter der Beleuchtung durch die ganze Sonnen-
scheibe entstehende Helligkeit könnten wir uns doch auf dem Auffangeschirme
hervorgebracht denken durch die gleichzeitige Wirkung von 100 Kerzen von
passender Lichtstärke. Dann ist aber offenbar, natürlich nur unter der An-
nahme, dass die Sonnenscheibe überall gleich hell leuchtete, die Helligkeit an
dem jedesmaligen Standorte des Beobachters, wenn er den ersten, zweiten u. s. f.
der obigen 10 Schritte gethan hat, eben so gross, als sie von nur 6, 16 u. s. £.
solcher Kerzen erzeugt werden würde, und wir haben also durch diese Be-
trachtung zunächst schon eine ungefähre Vorstellung über die Helligkeit-
verteilung erlangt, welche in dem jetzt betrachteten Idealfalle in dem Halb-
schatten obwalten würde. Eine bei weitem deutlichere Anschauung werden wir
indessen durch den Entwurf eines sogenannten Diagrammes (in geschmackvoller
Verdeutschung auch Schauerlinie genannt) gewinnen, eines in wissenschaftlichen
und technischen Abhandlungen in verschiedenartigen Formen zur Veran-
schaulichung von Zahlenwerten vielfach angewendeten Hilfsmittels, dessen ich
mich auch später noch einmal bedienen werde. Auf einer geraden Linie habe ich
(Fig. 8) die 10 Schritte des Beobachters von k nach r abgesetzt und ihre Endpunkte
mit 1, 2, 3 u. s. w. bezeichnet. In jedem dieser Punkte habe ich einen Pfeil
aufgepflanzt, dessen Länge, wie an den in gleichen Abständen von einander
— 26 —
quer verlaufenden Hilfslinien zu ersehen, die Anzahl der Kerzen vorstellt, die
dort jedesmal wirksam zu denken ist. An einer die Spitzen der Pfeile ver-
bindenden sanft gekrümmten Linie erkennen wir dann auch die Helligkeit,
welche in jedem beliebigen Punkte des Halbschattens herrscht.
Fig. 8.
Auf dieser Grundlage würde ein geschickter Maler nun wohl das Bild eines
Schattens herstellen können, demjenigen ziemlich gut entsprechend, welches unter
den gemachten Voraussetzungen, dass die Erde keine Atmosphäre hätte und die
Sonne eine in allen ihren Teilen gleichmässig leuchtende Scheibe wäre, in der Natur
auf dem Schirme entstehen würde. Die Anforderungen aber, die man an die
Geschicklichkeit des Künstlers erheben müsste, stellen sich bei näherer Ueber-
legung doch als so hohe heraus, dass sie denen nicht viel nachgeben dürften,
die Peter Schlemihl an den hochberühmten Maler richtete, welcher ihm an Stelle
seines verkauften Schattens einen falschen malen sollte. Zwar würde er sich
durch Zusammenmischen weisser und schwarzer Farbe in entsprechenden Ver-
hältnissen eine Reihe der verschiedenen Helligkeitgrade mit Sicherheit her-
stellen, und an den richtigen Stellen des Bildes aufsetzen können, aber doch
nicht alle möglichen. Die Uebergänge müsste er doch lediglich nach dem Dafür-
halten machen und dabei würden ihm die oben charakterisierten Unvollkommen-
heiten des Auges derart üble Streiche spielen, dass das fertige Bild sicher viel
von der Naturtreue verlieren würde.
Wir aber besitzen nunmehr eine Art Zaubermittel, welches nicht allein die
grosse Mühe des Malers überflüssig macht, sondern auch ein viel getreueres
Bild giebt, als er es überhaupt zu erzeugen im Stande wäre. Nur müssen wir
dabei darauf verzichten, dasselbe dauernd festzuhalten und uns vielmehr damit
begnügen, es nur so lange hervorzurufen, bis wir unsere Studien daran gemacht
haben, und es dann wieder verschwinden lassen*). Mit übernatürlichen Dingen
geht es dabei freilich nicht zu: wir wenden nur Geschwindigkeit an, die
bekanntlich keine Hexerei ist.
Sie sehen hier die Zeichnung einer kreisförmigen Scheibe, die ich durch
konzentrische Kreise in 9 ringförmige Zonen von gleicher Breite zerlegt habe.
Ferner ist aber die Scheibe auch durch 4 Durchmesser in 8 gleiche Sektoren
geteilt. In der äussersten Zone ist nichts Besonderes zu sehen; in der folgenden
*) In der That hat der Versuch, diese Erscheinungen durch Photographie zu fixieren, aller
Sorgfalt ungeachtet, keinen ganz befriedigenden Erfolg gehabt. Die folgenden Figuren geben des-
halb, ebenso wie die früheren Schattendarstellungen, nur eine ziemlich schwache Vorstellung von
den zarten Helligkeitsabtünungen der Projectionsbilder. Anm. d. Red.
— 207 —
ist aber !/, ihres ganzen Umfanges geschwärzt, in der nächsten °/, u.s.f.; der
innerste Kreis ist ganz schwarz. Die Schwärzung bedeutet doch aber nichts
anderes als das Auslöschen des
Lichtes, welches den geschwärzten
Teil früher erfüllte. Daher enthält
die zweite Zone im ganzen nur ’/,
des Lichtes der ersten, die dritte
6/, u. s. w. Es stehen in der zweiten
gewissermassen 7 Teile weisser und
1 Teil schwarzer Farbe nebenein-
ander, noch unvermischt. Analog
ist es in den anderen Zonen.
Um die Farben jetzt untereinander
zu rühren, brauchen wir die Scheibe
nur in rasche Umdrehung um ihren
Mittelpunkt zu versetzen. Alsdann
wird also jede der Zonen mit
einer Helligkeit erfüllt erscheinen,
die, von aussen nach innen schrei-
N.
Fig. 9. tend, ?/,, °/, u. s. w. von derjenigen
der äussersten beträgt, welche "a auch gleichzeitig die des Hinter-
grundes ist. | (Fortsetzung folgt.)
Lee
Atomgewichtsbestimmung mittels Röntgenstrahlen. Bekanntlich ist die Entscheidung `
darüber, ob in einem Molekül nur ein oder mehrere Atome von einem Element vorhanden sind,
dessen Anwesenheit quantitativ festgestellt werden soll, garnicht so einfach. Die Bestimmung wird
um so schwieriger, als die neueren Dampfdichteuntersuchungen gelehrt haben, dass bei niederen
Temperaturgraden Polymerien (engere Verbindungen mehrerer Moleküle zu einem einheitlichen
Complex) häufiger vorkommen, als man früher wohl angenommen hatte. Täuscht man sich aber
über die Zahl der Atome eines Elements in einer chemischen Verbindung. so begeht man damit
einen Fehler bezüglich der Feststellung des relativen Gewichts dieser Atome, und dies ist eine
direkte Fehlerquelle bei der Bestimmung des Atomgewichts neuer Elemente. Bei den kürzlich erst
entdeckten Elementen macht sich dies nun um so mehr störend bemerklich, als diese ganz neuen
. Elemente im Allgemeinen nur in recht wenigen Verbindungen auf der Erde vorkommen, Kontroll-
untersuchungen also häufig nicht in genügender Variation anzustellen sind, zumal die Elemente, um
die es sich handelt, gewöhnlich auch nur in sehr geringen Mengen vorhanden sind. Es giebt nun
freilich eine Anzahl von Hilfsmitteln zur Bestimmung der Atomzahl oder des Atomgewichts. In
verdünnten Lösungen wird die Gefriertemperatur. unabhängig von der Natur des gelösten Körpers,
herabgesetzt proportional der Anzahl der in der Volumeneinheit enthaltenen Moleküle; ebenso wird
bei solchen Lösungen die Siedetemperatur erhöht im Verhältnis zur Anzahl der vorhandenen Moleküle.
Ferner lässt sich zur Bestimmung des Atomgewichts die specifische Wärme der Atomgewichte be-
nutzen. Nach dem Gesetz von Delong und Petit sind die Produkte aus Atomgewicht und specifischer
Wärme einander annähernd gleich, und zwar beträgt durchschnittlich dies Produkt 6,4. Da aber von
allen diesen Gesetzen auch Ausnahmen vorkommen, so ist es erwünscht, recht viele Hilfsmittel zur
Bestimmung des Atomgewichts zu besitzen, damit die eine Methode durch die andere kontrolliert
werden kann. Ein solches neues Hilfsmittel hat nun L. Benoist gefunden. Er beobachtete nämlich,
dass der Grad der Durchlässigkeit eines einfachen Körpers für Röntgenstrahlen eine vom Atomge-
wicht abhängige Constante bildet, also ebenso, wie die Atomwärme, zur Bestimmung des Atomge-
— WI —
wichts benutzt werden kann! Benoist hat seine Methode auch schon angewandt zur Feststellung
des Atomgewichts des ,Indiums~, über das die Chemiker noch zwischen den Werten 75.6 und
113,4 schwanken. Nach dem Grade der Durchgängigkeit für Röntgenstrahlen stellt Benoist das
Indium hinter Silber und auch hinter Cadmium. Nun ist das Atomgewicht des Silbers aber 108 und
das des Cadmiums 112. danach müsste also das des Indiums 113,4 betragen.
* *
*
Das Leuchten der Nebelflecken. Allem Anscheine nach sind die Nebelflecken von uns
ebenso weit entfernt wie die Fixsterne. Da diese Entfernungen aber schr gross — in den meisten
Fällen unmessbar gross sind, so folgt für die oft eine weite Fläche am Himmel bedeckenden Nebel eine
unvorstellbar grosse räumliche Ausdehnung. So füllt zum Beispiel der prachtvolle Orionnebel eine
Region anı Himmel aus, die viele millionenmal das von der Bahn des Neptun, des äussersten Pla-
neten, eingeschlossene Gebiet unseres Sonnensystems übertrifft. Und das ist nur der hellste Teil
des Nebels, von dem sich noch spiralige Nebelwindungen über den ganzen südlichen Teil des Stern-
bildes Orion hinziehen. Es ist kaum zu bezweifeln, dass dieser Nebelfleck eine ähnliche Ausdehnung
nach der Tiefe, also längs der Sehrichtung besitzt. wie in seiner scheinbaren „Breite“. Wir können
dann seinen Rauminhalt in runder Zahl auf das billionfache des Raumes schätzen, den eine Kugel
vom Durchmesser der Neptunsbahn einnimmt. In dieser Kugel hätte der Raumgehalt unserer Sonne
über 200 000 millionenmal Platz!
Die Stoffe. welche diesen ungeheuren Raum erfüllen, müssen sich in einem Zustande äusserster
Verdünnung und Zerstreuung befinden. Denn die Gesamtmasse des Nebels muss verhältnismässig
gering sein, weil andernfalls die einzelnen Nebelteile und die benachbarten Sterne Bewegungen von
riesigem Betrage verraten müssten. Solche sind aber den Beobachtungen zufolge sicher nicht vor-
handen. Wenn derNebel aber so ausserordentlich dünne ist, woherstammt dannseinLicht? Aus der tay-
lichen Erfahrung scheint uns die notwendige Folgerung hervorzugehen, dass jedes Leuchten mit Er-
wärmung verbunden oder durch solche erzeugt ist. Allein es giebt doch viele Ausnahmen; es sei
hier nur an die Phosphorescenz und an das Leuchtvermögen mancher Insecten erinnert; letzteres
findet bekanntlich ohne Wärmeentwickelung statt. Die Physik hat uns noch andere selbst bei
grosser Kälte vor sich gehende L.euchtvorgänge kennen gelehrt Namentlich können solche in stark
verdünnten Gasen durch elektrische Entladungen oder nach dem Vorgange des berühmten Physikers
Tesla mittels Erregung durch hochgespannte Wechselströme hervorgerufen werden. Somit wird
es auch verständlich, dass dünne Gase im Weltraum bei niedriger Temperatur leuchten können, wie
die Nebelflecken und die Schweife der Kometen. Umgekehrt wäre es schwer begreiflich, wie ein
äusserst dünnes Gas dauernd eine hohe Temperatur beibehalten könnte. Es müsste seine Wärme
sehr bald ausgestrahlt haben. ohne dafür einen Erzatz zu erhalten — wenigstens lässt sich ein
solcher ohne sehr künstliche Hypothesen nicht ausfindig machen.
Mit dem Gedanken an ein „kaltes Glühen“ wird man sich noch leichter vertraut machen.
wenn man folgende von Sir William Crookes, dem hervorragenden englischen Physiker, Ent-
decker der „strahlenden Materie“ kürzlich in der Londoner Royal Society *) bekannt gemachte Er-
fahrung liest. Schon vor elf Jahren hat Crookes gezeigt. dass manche bei gewöhnlicher Temperatur
für nichtflüchtig gehaltene Stoffe wie Silber, Gold, Platin, sich sehr leicht im luftleeren Raum ver-
flüchtigen, wenn sie mit dem negativen Pol. eines Inductionsapparates verbunden werden. Während
diese eigenartige Verdampfung vor sich geht, glüht das Metall als ob es bis zur Rotglut erhitzt
wäre. Diese „Wärme“ ist aber nur eine oberflachliche. Das Metall beginnt nämlich im gleichen
Moment zu „glühen“, in dem die Leitung geschlossen wird und ebenso augenblicklich verlöscht das
Licht mit dem Oeffnen des Stromkreises. Nur einzelne Metallteilchen sind es also, die so erregt
werden. dass sie Licht ausstrahlen — alle anderen, alle im Inneren des Metallstückes befindlichen,
bleiben von dieser „Erhitzung“ unberührt. Bei einem anderen Versuche. in dem statt eines guten
Wärmeleiters, eines Metalles, ein schlechter. nämlich Diamant als Kathode genommen wurde, wurde
dessen Oberfläche so stark angegriffen, dass die Aussenschicht des Diamants sich in Graphit um-
wandelte, wozu mindestens eine Temperatur von 3600° C. nötig war.
So mögen auch in den Nebelflecken nur da und dort einzelne Gasteilchen bis zur Lichtaus-
strahlung erregt werden, im Grossen und Ganzen verharrt der Nebel in seiner niedrigen Temperatur.
*) Sitzung vom 6. Februar 1902. :
Für die Schriftleitung verantwortlich: F.S. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, BerlinW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von Kareem
1902
en "ven F- S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. Juni 1. und 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. 1) Seite 60.—,1/, Seite 30.—, 1J; Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabati.
INHALT.
I. Ueber Schaltenphänomene bei Finsternissen. Vortrag, 3. Kleine Mitteilungen:
gehalten auf der Treptow-Sternwarte. Von Dr. A. Leman Neue spektroskopische Doppelsterne. — Photo-
ERBEN: 3 ër Rb a e er ER 209 graphische Aufnahmen der Südpolgegend. — Pla-
2. Die atmosphärischen Folgeerscheinungen der Vulkan- WOT. FOR: o e Ae a ee ee a a 228
ausbrüche. Von Direktor F. S. Archenhold . . . . 225
Geber Schattenphänomene bei Rinsternissen.
Vortrag,
gehalten auf der Treptow-Sternwarte
am 68. Beobachtungsabend des „Vereins von Freunden der Treptow-Sternwarte“ am 9. Oktober 1901
von Dr. A. Leman in Charlottenburg.
(Fortsetzung.)
he ich aber das Experiment mache, muss ich die Konstruktionslinien der
Zeichnung (Fig. 9) beseitigen, weil diese die Erscheinung störend beeinflussen
würden. Dabei bringe ich gleichzeitig noch eine kleine, aber wichtige technische
Fig. 10. Fig. 11.
Verbesserung in Anwendung. Ich denke mir die schwarze Silhouette, welche nach
Wegnahme der Konstruktionslinien allein übrig bleibt, durch einen geraden
Schnitt in zwei symmetrische Hälften zerlegt und wende die eine Hälfte um, so
wie Sie es jetzt sehen (Fig. 10). Ich erziele dadurch, ohne dass etwas Wesent-
— 210 —
liches geändert wird, einen erheblichen Vorteil. Wenn nämlich die Vermischung
von Hell und Dunkel zu Mitteltönen recht gut werden soll, muss die Umlauf-
geschwindigkeit sehr gross sein, mindestens etwa 20mal in der Sekunde. Ist
sie geringer, so entsteht ein höchst unangenehmes Flimmern, wie Sie es ja
auch am Anfang und Ende des Versuches mit in Kauf nehmen müssen. Nach
der Teilung der Scheibe braucht die Geschwindigkeit offenbar nur halb so gross
zu sein, denn jede Hälfte tritt ja schon nach einem halben Umgang an die Stelle
der anderen. |
Wiederum bereitet der Anblick der rotierenden Scheibe (Fig. 11) eine ungeahnte
Ueberraschung. Man hätte allen Grund gehabt, zu erwarten, dass genau der
Eindruck entstehen würde, als wenn z.B. ein Satz von acht aus derselben Platte
von dem rauchgrauen Glase, wie es zu Schutzbrillen verwendet wird, ge-
schnittener Scheiben mit immer abnehmendem Durchmesser auf einer weissen
Unterlage über einander aufgebaut würde. Statt dessen sieht es aber eher so
aus, als ob eine Reihe flacher Glasschalen, etwa Uhrgläser, ineinander gesetzt
wäre, von denen die grösseren auch noch aus dünnerem Glase beständen als
die kleineren und dass ganz innen eine dunkle Scheibe läge. Wenn Sie sich
aber nun ins Gedächtnis zurückrufen wollen, was ich vorhin über die Eigen-
schaften des Auges mitgeteilt habe, so wird das Ueberraschende der Erscheinung
verblassen und Sie werden darin lediglich eine ausserordentlich packende Be-
statigung meiner Angaben erblicken. Ja, wenn wir das Experiment mit den
Rauchglasscheiben einmal wirklich ausführen wollten, so würden wir thatsächlich
einen ähnlichen Eindruck erhalten, nur lange nicht so vollkommen, weil einer-
seits die Ränder der Scheiben notwendig stören müssten und anderseits das
Bewusstsein, einer optischen Täuschung gegenüber zu stehen, dem Hervortreten
derselben stark entgegenwirken würde.
Nach demselben Prinzip lassen Sie uns jetzt eine Scheibe (Fig. 12) herstellen,
bei welcher die vorhin kennen gelernten Helligkeitsgrade an bestimmten Stellen des
Erdschattenbildes zur Unterlage der Konstruktion gemacht werden. Der Radius
der Scheibe ist danach in 23 gleiche Teile zu teilen und durch die Teilpunkte
109
Fig. 12.
sind konzentrische Kreise zu legen. Die 12 innersten brauchen nicht gezogen
zu werden, denn der 13. Kreis, vom Mittelpunkte aus gezählt, bildet die Grenze
des wirklichen Kernschattens, bis zu ihm ist also die ganze mittlere Partie der
Scheibe gleichmässig zu schwärzen. Die übrigen Kreise zerlegen das Gebiet
des Halbschattens in 10 Zonen. Der 14. Kreis ist die Grenze zwischen der ersten
— 1 —
und zweiten solchen Zone. Vorhin haben wir gesehen, dass dort eine Helligkeit
herrscht, welche "oe von derjenigen beträgt, die am äussersten Rande des
Halbschattens vorhanden ist und die also dadurch erzeugt werden kann, dass
von der Umfangslinie des Kreises Dia mit schwarzer Farbe ausgezogen werden,
die übrigen Du unmausgezogen, also weiss bleiben. Denkt man sich also, um
wieder gleich eine solche Doppelfigur zu erhalten, wie vorhin, von irgend einem
Durchmesser ausgehend, den halben Umfang des Kreises in 100 Teile geteilt,
so bezeichnet der 6. Teilpunkt die Stelle, von welcher ab die Schwärzung be-
ginnen muss. In entsprechender Weise sind die übrigen Kreise zu behandeln
und die gefundenen Punkte durch eine schön gekrümmte Linie zu verbinden.
Augenscheinlich bedeutet dieses Verfahren nichts anderes, als eine Uebertragung
des vorhin gesehenen Helligkeitdiagrammes aus den dort angewendeten recht-
winkligen in Polarcoordinaten. Die Zeichnung stellt nur die eine Hälfte der
Scheibe dar; damit alles recht anschaulich werde, habe ich alle Hilfslinien der
Konstruktion angegeben und auch im Aeusserlichen das frühere Diagramm
möglichst nachgebildet.
Die nach diesem Entwurfe zum Versuch passend gemachte Scheibe (Fig. 13) er-
scheint nunmehr auf dem Schirme und ihre Rotation liefert uns einen Anblick (Fig. 14),
wie wir ihn in der Natur natürlich niemals geboten bekommen, nämlich die Total-
ansicht von dem ganzen Bilde des Erdschattens, mit vollkommener Treue demjenigen
Fig. 13. | Fig. 14.
entsprechend, welches in dem von uns ja jetzt betrachteten Idealfalle in Wirklich-
keit entstehen würde. Wir erkennen daran wieder die nicht ganz scharfe, aber
doch sehr deutlich hervortretende scheinbare Grenze des Kernschattens; wir
würden unter Anwendung geeigneter Hilfsmittel die Grösse ihres Halbmessers
ermitteln und mit dem an der ruhenden Scheibe zu messenden wahren Werte
vergleichen können. Der Unterschied zwischen den beiden Messungsergebnissen
würde dann den Betrag angeben, um welchen die scheinbare Grenze des
Schattens gegen ihren wahren Ort nach aussen hin verschoben ist. Leider zeigt
sich für diesen feineren Zweck das vor uns befindliche Bild etwas schlecht
geeignet. Der Halbmesser der Schattengrenze beträgt hier, wie ich an dem
daran gehaltenen Metermassstabe ablese, ungefähr 40 cm. Von vornherein wissen
wir, dass die in der Wirklichkeit beobachtete Vergrösserung etwa den 50. Teil
des ganzen Wertes ausmacht, das wären also nur 8 mm, also eine verhältnis-
mässig sehr kleine Grösse, deren Messung ziemlich unsicher ausfallen würde.
Ihr Wert hängt aber auch, wie sofort zu übersehen, sehr wesentlich von der
richtigen Form der Umrisslinie an der rotierenden Scheibe ab, und zwar gerade
an der dem Rande des geometrischen Kernschattens nahe benachbarten Gegend.
Verhältnismässig kleine Unrichtigkeiten dieser Begrenzungslinie können schon
eine sehr merkliche Verfälschung der zu messenden Grösse hervorbringen.
Nun ist aber gerade diese Stelle der Linie, auf welche es hier ankommt, bei
der vorhin erläuterten Konstruktion derselben besonders schwer genau richtig
zu treffen. Hätte ich freilich die Scheibe gleich in der Grösse zeichnen können,
wie sie sich hier auf der Leinewand projiziert, dann hätte ich sie natürlich auch
sehr genau machen können. Ich hätte ja nur nötig gehabt, noch eine Reihe
von Zwischenpunkten zu berechnen und danach die besonders wichtige Stelle
schärfer zu bestimmen. Da sich in Wirklichkeit die Scheibe doch aber nur so
gross machen liess, dass sie noch in dem Projektionsapparat Platz fand, so ver-
sagte dieses Hilfsmittel.
Dem Uebelstande lässt sich aber durch einen kleinen Kunstgriff leicht be-
gegnen. In dem uns vorliegenden Bilde nimmt der den geometrischen Kern-
schatten darstellende Teil bereits ein grosses Stück des zur Verfügung stehenden
Raumes ein und interessiert uns doch eigentlich gar nicht mehr, weil er ja mit
ganz gleichmässiger Dunkelheit erfüllt ist. Wenn ich aber eine Scheibe be-
G TE -m - EE Á
SÉ ` wë eh be
Fig. 16.
nutzen wollte, bei welcher der Radius dieses Teiles viel kleiner gemacht, die
übrige Konstruktion jedoch in genau den gleichen Verhältnissen ausgeführt
würde, wie vorhin, so würde ihre Rotation ein Bild geben, bei welchem nur der
Kernschatten kleiner erschiene, in der Helligkeitsabtönung des Halbschattens
indessen absolut nichts geändert wäre. Die Messung der scheinbaren Ver-
schiebung der Schattengrenze würde demnach genau denselben Wert ergeben
— 28 —
wie vorhin. Da aber jetzt nach aussen hin Platz gewonnen wirde, liesse sich
das Halbschattengebiet in grösserem Massstabe und deshalb genauer darstellen,
als vorher. Für den jetzt verfolgten Zweck interessiert uns doch aber das
ganze Aussere Gebiet des Halbschattens auch nicht mehr; lassen wir dasselbe
daher ebenfalls weg, so gewinnen wir abermals Raum und können das übrig-
bleibende Stück der Umrisslinie der Scheibe so stark vergrössert zeichnen, dass es
mit aller nur wünschbaren Genauigkeit dargestellt werden kann. Eine auf Grund
dieser Ueberlegung angefertigte Scheibe sehen Sie jetzt vor sich (Fig. 15); es ist
nur nötig, über ihr Verhältnis zu der vorigen etwas Näheres anzugeben. Schon
bei der Vorführung der zur Orientierung dienenden schematischen Figur habe
ich angegeben, dass uns der Radius des geometrischen Kernschattens, wenn wir
ihn ganz zu überblicken vermöchten, unter einem Sehwinkel von 2471 Sekunden
erscheinen würde. Ich habe nun die verhältnismässigen Helligkeiten für die
Zonen des Halbschattens berechnet, deren Radius unter Winkeln von 2481,
2491 u. s. f. bis 2571 Sekunden gesehen werden würden. Dem Werte von
2471 Sekunden entspricht jetzt in der Figur die ganz willkürlich angenommene
Entfernung vom Mittelpunkte bis zur Spitze des einspringenden Winkels zwischen
dem krummlinigen Begrenzungsstück der Scheibe und dem Ausgangsradius,
dem Werte von 2571 Sekunden dagegen der äussere Radius der Scheibe. Die
immer um je 10 Sekunden steigenden Zwischenwerte von 2481, 2491 us L
Sekunden teilen also das Stück zwischen der Winkelspitze und dem äusseren
Rand in 10 gleiche Teile. Durch die Teilpunkte sind wieder die konzentrischen
Kreise gelegt und auf diesen die berechneten Helligkeitgrade, in Teilen des
Umfanges jeder der Kreise gemessen, aufzutragen zu denken. Die so erhaltene
krumme Linie stellt jetzt nur noch das innerste Stück der im vorigen Versuche
betrachteten ganzen Umrisslinie dar und zwar in überschläglich etwa 50maliger
Vergrösserung.
Ehe sie in Rotation versetzt wird, lassen Sie uns überlegen, an welcher
Stelle die zu erwartende scheinbare Grenzlinie des Kernschattens ungefähr auf-
treten müssen wird. Wenn die Verschiebung, wie wir ja wieder mit einiger
Wahrscheinlichkeit von vornherein annehmen können, etwa den 50. Teil des
geometrischen Halbmessers, also nahezu 50 Sekunden beträgt, so wird die
scheinbare Schattengrenze durch den bei der beschriebenen Konstruktion be-
nutzten Teilpunkt hindurchgehen müssen, welcher 2471 + 50 = 2521 Sekunden
Abstand vom Mittelpunkte bezeichnete und demnach den Abstand von der
inneren Spitze und dem äusseren Rande gerade halbiert. Ich will diese Stelle
dadurch markieren, dass ich das Ende des Stockes dahin halte, mache jedoch
darauf aufmerksam, dass infolge der Vergrösserung naturgemäss auch die
Verschwommenheit der Trennungslinie erheblich stärker sein wird, als vorhin.
Die Trennungslinie tritt aber trotzdem noch mit so grosser Deutlichkeit hervor,
dass Sie eine kleine Abweichung (Fig. 16) von der bezeichneten Stelle nach der
Mitte zu wohl noch sicher bemerken werden.
Herr Prof. Seeliger hat den Ort, wo diese scheinbare Grenze auftritt, durch
mehrfach wiederholte Messungen näher bestimmt und sich dazu folgenden ein-
fachen Hilfsmittels bedient. Da er ja nicht notwendig hatte, die Erscheinung
mittels des Projektionsapparates einem so grossen Auditorium vorzuführen, wie
es mir zu meiner Freude heut zu teil geworden ist, so bediente er sich zu seinen
Versuchen einer Scheibe aus weissem Karton von 30 cm Durchmesser, auf
welcher die Figur nach genauer Vorzeichnung mit schwarzer Farbe aufgemalt
— 214 —
wurde. Zur Beseitigung störender Nebeneindriicke stellte er vor die Scheibe
einen grossen Schirm aus Pappe mit einer runden Oeffnung mit dem gleichen
Durchmesser der Scheibe. Auf der oberen Kante des Schirmes war ein
Schieber beweglich, von welchem ein Faden herabhing, der an seinem unteren
Ende ein Gewichtchen trug, durch das er gerade gespannt wurde An dem
unteren Rande des Pappschirmes wurde ein Millimetermassstab horizontal be-
festigt, welcher von dem herabhängenden Faden soeben berührt wurde. Ein
Gehilfe verschob jetzt den Schieber so lange, bis der in etwa 5 m Abstand vor
der rotierenden Scheibe stehende Beobachter den Eindruck hatte, dass der
herabhängende Faden die Grenzlinie des Schattens möglichst genau, d. h. soweit
die Verschwommenheit ein Urteil zuliess, berührte und zwar das eine mal links,
das andre mal rechts vom Centrum. In beiden Stellungen wurde der Ort des
Fadens auf dem Massstabe abgelesen. Man erhielt so den Durchmesser der
scheinbaren Schattengrenze und konnte daraus ihre Verschiebung gegen die
geometrische Grenze berechnen. Die Beleuchtung der Scheibe geschah durch
eine Petroleumlampe mit Reflektor und war dem Urteile der Beobachter nach
etwa mit der Helligkeit des Vollmondes vergleichbar. Sie wurde indessen noch
erheblich variiert, indem die Lampe in verschiedenen Entfernungen, zwischen
1,4 und 5,5 m von der Scheibe aufgestellt wurde, wobei sich übrigens merkliche
Verschiedenheiten in den Beobachtungsresultaten nicht herausstellten. An den
Beobachtungen beteiligten sich 4 Herren der Münchener Sternwarte, von denen
jeder eine grössere Anzahl von Einstellungen ausführte. Die Einzelergebnisse
weichen natürlich, weil es sich dabei doch stark um persönliche Auffassung
handelt, untereinander etwas ab, stehen aber doch in verhältnismässig sehr
guter Uebereinstimmung und liefern einen Mittelwert für die Verschiebung von
etwa 36 Sekunden.
Dieses bemerkenswerte Ergebnis liefert in der überzeugendsten Weise den
Beweis, dass an dem Phänomen der Vergrösserung des Erdschattens die
Wirkung der Atmosphäre höchstens in geringfügigem Grade beteiligt sein kann,
indem ja schon mehr als °/, des aus den Beobachtungen hervorgehenden Wertes
von 50 Sekunden durch die besprochene Ursache erklärt werden. Die weiteren
Untersuchungen Seeligers lassen aber erkennen, dass auch der noch fehlende
Betrag von 14 Sekunden zum erheblichen Teile auf die Mitwirkung einer anderen
Ursache zurückgeführt werden muss, nämlich auf die schon früher berührte
ungleichmässige, gegen den Rand stark abfallende Helligkeit der Sonnenscheibe
und dass deshalb in Bezug auf diese Erscheinung der Atmosphäre nur eine
ziemlich unbedeutende, sekundäre Rolle zukommt. Dass sie trotzdem von sehr
charakteristischem Einfluss auf die ganze Natur des Schattenbildes selbst ist,
und wie dieser Einfluss sich aussert, wird aus dem Folgenden hervorgehen.
Prof. Seeliger hat sich die Aufgabe gestellt, zu ermitteln, in wie weit die
Stärke der Beleuchtung der Mondoberfläche in der Nähe der Grenze des
geometrischen Kernschattens gegen die im Idealfalle kennen gelernte durch die
bezeichneten beiden Ursachen geändert wird. Um ihm in dieser Untersuchung
wenigstens von Weitem folgen zu können, muss ich Sie bitten, mit mir noch cin-
mal zu der früher betrachteten schematischen Figur zurückzukehren, in welcher
wir uns nunmehr den Erdball mit seiner Atmosphäre umhüllt denken wollen.
In der Figur (Fig. 17) stellt die gerade Linie S k wiederum die äussere Tangente
von dem oberen Randpunkte S der Sonnenscheibe an den Durchschnittskreis Æ
— 215 —
der Erdkugel gelegt, dar; k ist also nach der früheren Erklärung ein Punkt der
Grenze des geometrischen Kernschattens.
Ein Lichtstrahl, welcher dieser Tangente von S aus folgt, gelangt jetzt nicht
mehr, wie bei dem Idealfalle, geradlinig nach k, sondern ändert beim Durch-
gang durch die Atmosphäre seine Richtung derart, dass er überhaupt nicht mehr
bei dem Erdkörper vorbei kommen kann, vielmehr von diesem abgefangen wird.
Beim Eintritt in die allerhöchsten, dünnsten Schichten wird er nämlich schon,
wenn auch noch so unbedeutend, etwas abgelenkt und zwar nach dem Erdkörper
zu. Die Ablenkung wird aber stärker und stärker je mehr er in die tieferen,
dichteren Schichten eindringt und dies hat zur Folge, dass der ursprünglich
geradlinige Strahl in der Atmosphäre eine gekrümmte Bahn durchläuft, welche
schliesslich die Erdoberfläche unter einem, freilich sehr spitzen, Winkel treffen
muss. Ein anderer Lichtstrahl, welcher von S ausgehend, ohne das Vorhanden-
sein der Atmosphäre an dem Erdkörper in einem beliebigen, nur nicht sehr
grossen Abstande vorbeipassieren würde, erfährt eine ähnliche Krümmung, die
ihn ebenfalls näher an die Erdoberfläche heranbringt; je nachdem aber der ur-
sprüngliche Abstand kleiner oder grösser war, wird die Krümmung den Strahl
entweder ebenfalls noch bis zum Einschneiden in den Erdboden herabbringen
oder nur bewirken können, dass er letzteren gerade streift oder endlich in einer
gewissen Höhe darüber hinweg geht. In den letzten beiden Fällen setzt er
natürlich seinen gekrümmten Weg in der Atmosphäre noch weiter fort, gelangt
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Fig. 17.
aus den dichteren Schichten allmählich wieder in die dünneren, wobei seine
Krümmung schwächer und: schwächer wird und schliesslich ganz verschwindet.
Er geht dann wieder geradlinig in das Weltall hinaus; seine jetzige Richtung
unterscheidet sich aber von der ursprünglichen um einen gewissen Betrag,
welcher die gesammte Ablenkung des Strahles angicbt und deren Hälfte man
mit dem astronomisch-technischen Namen der Horizontalrefraktion bezeichnet
und zwar deswegen, weil der Lichtstrahl ja an der Stelle seiner grössten An-
näherung an die Erde horizontal über ihre Oberfläche hingeht.
Es liegt auf der Hand, dass die Ablenkung um so grösser sein muss, je
tiefere Schichten der Atmosphäre zur Mitwirkung gelangen, d. h. je näher der
Strahl an die Erdoberfläche herankommt. Für denjenigen, der sie gerade streift,
beträgt die ganze Ablenkung in runder Zahl etwa 70 Minuten, für einen, der in
10 km Höhe vorbeigeht, nur noch etwa 20 Minuten, bei 30 km Höhe 1 Minute,
bei 60 km nur noch !/, Sekunde. In Höhen über 10 km ist freilich noch niemand
hinaufgelangt; sie werden uns auch für immer unzugänglich bleiben. Jene An-
gaben sind daher nicht durch die Erfahrung unmittelbar kontrollierbar, sondern
nur Ergebnisse aus Berechnungen. Immerhin aber hat man hinreichenden
Grund, überzeugt zu sein, dass sie der Wirklichkeit mindestens ziemlich nahe
kommen müssen. Ich will Ihnen dies mit wenigen Worten zu erläutern suchen.
— 216 —
Von solchen Krümmungen, wie wir sie vorhin kennen gelernt haben, wird
natürlich jeder Lichtstrahl betroffen werden, der durch die Atmosphäre zu uns
gelangt. Die von den Gestirnen ausgehenden müssen durch alle Schichten der
letzteren, auch durch die allerhöchsten hindurch. Da wir aber alle Gegenstände
in derjenigen Richtung zu erblicken glauben, welche das von ihnen ausgesandte
Licht beim Eintritt in unser Auge besitzt, so müssen uns infolge der Krümmung
auch alle Gestirne gegen ihren wahren Ort am Himmel etwas verschoben,
nämlich um den Betrag der Ablenkung höher über dem Horizonte zu stehen
scheinen. Die Verschiebung ist aber nicht für alle Gestirne gleich gross und
auch etwas veränderlich, weil sie merklich von dem Zustande der Atmosphäre
in den unteren Schichten, von der Temperatur und dem Barometerstande abhängt;
sie muss deshalb bei den astronomischen Beobachtungen rechnerisch berück-
sichtigt werden. Aus planmässig eigens zu diesem Zwecke angestellten Be-
obachtungen kennt man den Betrag dieser Verschiebungen für bestimmte be-
sondere Fälle, auch ergiebt er sich bei manchen anderen gewissermassen neben-
her. Sodann sind von verschiedenen Gelehrten sogen. Refraktionstheorien
aufgestellt worden, d. h. Rechenvorschriften, welche auf angemessene Voraus-
setzungen über die Dichte der Atmosphäre in ihren verschiedenen Schichten
und deren Zusammenhang mit dem optischen Verhalten gegründet sind und zu
Ergebnissen führen, welche den direkt beobachteten Einzelwerten möglichst gut
entsprechen. Sie dienen dann umgekehrt dazu, die Grösse der Verschiebung
in jedem beliebigen, gerade vorliegenden Falle zu berechnen, meist unter Be-
nutzung zweckmässig eingerichteter Tabellen. Eine solche Refraktionstheorie,
welche unserer heutigen, freilich noch ziemlich mangelhaften, Kenntnis von der
Beschaffenheit der Atmosphäre recht gut entspricht, rührt von Ivory her und
ist von Radau weiter entwickelt worden. Herr Prof. Seeliger hat sie zur
Grundlage seiner Untersuchungen gewählt und daraus die obigen Angaben,
natürlich in viel grösserer Vollständigkeit abgeleitet.
Wenden wir uns nun nach dieser unvermeidlichen Abschweifung der Figur
wieder zu und machen fürs erste den Punkt k zum Gegenstande unserer Unter-
suchung! Unmittelbar leuchtet jetzt ein, dass es unter den verschiedenen, von
S ausgehenden Lichtstrahlen notwendig einen, aber auch nur einen einzigen,
geben muss, der infolge seiner Krümmung beim Durchgang durch die Atmosphäre
nach k gelangt. Derselbe geht in einem Abstande von rund 37 km über der
Erdoberfläche hinweg. Desgleichen kommt auch von dem untersten Punkte des
Sonnendurchmessers S’ ein und nur ein einziger Strahl nach Rk, nur geht dieser
näher an der Erde vorbei, rechnungsmässig in 6,4 km Höhe. Diese beiden
Strahlen sehen Sie in der Figur dargestellt, freilich wieder der Deutlichkeit
wegen unter gewaltiger Uebertreibung ihrer Krümmungen und ihrer Abstände
von der Erde. Es folgt dann aber sofort, dass überhaupt von jedem beliebigen
Punkte des ganzen Sonnendurchmessers SS’ je ein Strahl nach & hingelenkt
werden muss, z. B. von dem Punkte P. (Vergleichen Sie auch, bitte, die Neben-
figur rechts.) Für jeden solchen Punkt kann die Höhe, in welcher er durch die
Atmosphäre hindurchpassiert, durch Rechnung ermittelt werden. Die Figur selbst
stellt, wie ich früher bereits erklärt habe, einen ebenen Durchschnitt vor,
welcher durch den Mittelpunkt E der Erde und den der Sonnenscheibe C gelegt
ist. Ziehen wir darin einmal die Verbindungslinie zwischen E und dem Erd-
mittelpunkte E, so trifft diese, verlängert, die Ebene der Sonnenscheibe in einem
Punkte A in der Verlängerung des Durchmessers SS’. Der Punkt A liegt freilich
— 217 —
in Wirklichkeit viel tiefer unterhalb Si als in der schematischen Figur, denn der
Winkel C EA ist ja ebensogross als c E k, beträgt somit 2471 Sekunden, während
uns der Radius CS’ der Sonnenscheibe ja nur unter einem Sehwinkel von
960 Sekunden erscheint. Wenn wir uns jetzt durch die Linie k A einen anderen
Durchschnitt gelegt denken, gegen den ersten unter einem beliebigen, nur nicht
sehr grossen Winkel geneigt, so unterscheidet sich dieser in Bezug auf die
Erdkugel in Nichts von dem ersten, weil er ja auch durch ihren Mittelpunkt
hindurchgeht und alle durch den Mittelpunkt einer Kugel gelegte Schnitte gleich
grosse Kreise liefern. Die Sonnenscheibe aber trifft er nicht mehr in ihrem
Mittelpunkte C, sondern seitwärts davon und durchschneidet sie also nicht mehr
in einem Durchmesser, sondern einer Sehne FF’, die in ihrer Verlängerung
durch A hindurchgeht. Nehmen wir in dieser Sehne einen Punkt P’, der von A
ebensoweit entfernt ist als P, oder was dasselbe ist, mit P auf einem und dem-
selben Kreisbogen um A gelegen ist, so ist leicht einzusehen, dass in dem
neuen Schnitte von P’ aus ein Lichtstrahl in genau derselben Weise nach k
gelangen wird, wie der im ersten Schnitte von P ausgehende, indem er auch
in gleicher Höhe über dem Erdboden hinweggeht, als jener. Gleiches wird dann
aber auch von jedem Punkte des Kreisbogens PP’ gelten, soweit dieser nur
überhaupt auf der Sonnenscheibe reicht, denn was in dem einen der geneigten
Schnitte vorgeht, geschieht natürlich auch in allen anderen, und entsprechend
gilt dasselbe auch von den einzelnen Punkten anderer Kreisbögen, denn der
Punkt P war ja ein ganz beliebig gewählter. Je weiter wir aber den Schnitt
neigen, um so mehr verkürzt sich die ihm zugehörige Sehne; der äusserste
wird somit derjenige sein, dessen Sehne in einen Doppelpunkt zusammenschrumpft
und welcher daher der Tangente entspricht, welche von A aus an die Sonnen-
scheibe gelegt werden kann und diese in 2 berührt.
Unsere Ueberlegung führt uns zu der Erkenntnis, dass von jedem Punkte
der ganzen Sonnenscheibe ein und auch nur ein einziger Lichtstrahl nach %
hingelenkt wird. Dieses Ergebnis muss auf den ersten Blick allerdings be-
fremdlich wirken, denn es scheint aus ihm mit Notwendigkeit ein Schluss her-
vorzugehen, welcher offenbar mit der Erfahrung im Widerspruch steht. Jeder
Punkt der unverfinsterten Mondoberfläche nämlich erhält doch ebenfalls von
jedem Punkte der Sonnenscheibe einen und nur einen einzigen Lichtstrahl, mit
dem anscheinend ganz unerheblichen Unterschiede, dass er die Strahlen direkt
bekommt, k dagegen gewissermassen auf einem Umwege. Daher liegt die
Folgerung nahe, k müsse auch mit der gleichen Helligkeit beleuchtet erscheinen,
wie jener, was doch zweifellos absurd ist. Es muss somit hier sicher irgendwo
eine Unrichtigkeit vermutet werden. In der obigen Betrachtung kann sie nicht
liegen, denn diese ist so klar und einfach begründet, dass sie keinerlei Zweifel
aufkommen lässt. Der Fehler kann also nur in der daran geknüpften Schluss-
folgerung enthalten sein, und so verhält es sich auch in der That. Der Schluss
würde vollkommen richtig sein und sein Ergebnis auch nicht der Erfahrung
widersprechen, wenn die Sonnenscheibe keine eigentliche ununterbrochene
Fläche wäre, sondern aus einer solchen Anzahl einzelner leuchtender Punkte
bestände, dass dieselben, von & aus gesehen, noch bestimmt voneinander unter-
schieden werden könnten, wenn auch vielleicht nur mit Hilfe eines sehr stark
vergrössernden Fernrohres. Eine ununterbrochene Fläche lässt sich aber nicht
in wirkliche Punkte zerlegen, sondern nur in Elemente, die immer noch Flächen-
stücke bleiben, wenn man sie sich auch noch so klein denken mag. Damit aber
— 218 -—
ändert sich die Sachlage insofern, als nunmehr ein neues Naturgesetz>beachtet
werden muss, welches diesem Umstande Rechnung trägt und unter dem Namen
des Lambert’schen Beleuchtungsgesetzes bekannt ist. Dieses Gesetz selbst
lässt sich ohne Einführung und Erläuterung neuer, für uns allzuweit abseits
liegender Begriffe nicht in knapper Form aussprechen, es zieht aber eine Folge
nach sich, deren Kenntnis für unsere Zwecke ausreicht und welche in sehr ein-
facher Weise ausgedrückt werden kann, nachdem wir noch eine an sich schon nicht
uninteressante Frage beantwortet haben werden. Ueberlegen wir uns nämlich
einmal, weiche Erscheinung denn ein Beobachter, den wir uns wieder im
Punkt & denken wollen, jetzt erblicken würde. Schon der oberste Punkt S des
Sonnendurchmessers SS’ ist ihm zweifellos völlig verdeckt, denn der von ihm
gradlinig nach k hinlaufende Lichtstrahl wird ja abgeschnitten. Dafür aber
kommt der in der Figur gezeichnete gekrümmte Strahl von S nach k. Der
Beobachter glaubt alsdann in derjenigen Richtung, in welcher dieser Strahl in
sein Auge eintritt, einen leuchtenden Punkt zu sehen, ein optisches Bild des
Punktes S. Ebenso sieht er den Punkt Si selbst nicht, wohl aber statt seiner
ein Bild desselben in derjenigen Richtung, in welcher der von S’ ausgegangene
Lichtstrahl nach erlittener Krümmung
in das Auge eintritt. Indem wir die-
selbe Ueberlegung auch auf die übrigen
Punkte der Sonnenscheibe ausdehnen
und uns dabei der vorhin benutzten
Vorstellung der durch die Linie k A
gelegten Schnitte erinnern, übersehen
wir ohne Schwierigkeit, dass der Be-
obachter in k ein Bild der ganzen
Sonnenscheibe erblicken wird, welches
derselben Punkt für Punkt entspricht,
freilich aber die verzerrte Gestalt an-
nimmt, welche durch die folgende Figur
(Fig. 18) veranschaulicht wird. In dieser
habe ich das Verhältnis zwischen den
scheinbaren Durchmessern der Erde
und Sonne, von k aus gesehen, mög-
lichst richtig gezeichnet, das verzerrte Fig. 18.
Sonnenbild jedoch wiederum seiner Breite und seinem Abstande von der Um-
risslinie der Erdscheibe nach sehr übertreiben müssen.
Nunmehr lehrt das Lambert sche Gesetz: „Die Helligkeit, mit welcher der
Punkt k oder vielmehr das durch ihn bezeichnete Element der Fläche MM unter
den obwaltenden Umständen beleuchtet erscheint, ist nur gerade ebensogross,
als ob das Element von einem Stücke der Sonnenscheibe direkt bestrahlt würde,
welches jenem Bilde an Flächeninhalt, in Winkelmass ausgedrückt, gleichkommt.“
Damit ist uns aber ein Mittel zur Hand gegeben, jene Helligkeit wenigstens mit
einiger Annäherung zu schätzen. Die beiden von den Endpunkten des Sonnen-
durchmessers SS‘ nach & gelangenden Lichtstrahlen streichen, wie ich früher
angegeben habe, in etwa 37 bezw. 6,8 km Höhe über dem Erdboden hinweg.
Dem Beobachter in k werden demnach auch die Bilder von S und Si um die,
diesen Beträgen entsprechenden Winkel, d. i. etwa 20 bezw. 3,9 Sekunden über
der Umrisslinie der Erdscheibe zu liegen scheinen und es ergiebt sich daraus
— 219 —
die Breite des sichelförmigen Sonnenbildes zu etwa 16 Sekunden oder dem
120. Teile des Durchmessers der Sonnenscheibe Das verzerrte Sonnenbild
selbst können wir uns etwa als eine sehr schmale Ellipse denken, welche durch
Biegung ihrer grossen Axe dem Umfange der Erdscheibe angeschmiegt worden
ist. Wäre dann die Länge dieser grossen Axe ebensogross wie der Sonnen-
durchmesser, so würde nach einfachem mathematischem Gesetze der Flächen-
inhalt der Ellipse ebenfalls der 120. Teil von dem der Sonnenscheibe sein. Sie
ist jedoch, wie das Augenmass lehrt und eine einfache Berechnung bestätigt,
fast genau 1,4 mal so gross, daher auch der Inhalt des Bildes nahezu 1,4. Lise
oder rund TA von dem der Sonnenscheibe.
Somit gelangen wir zunächst zu dem Ergebnis, dass der an der Grenze
des geometrischen Kernschattens gelegene Punkt k, welcher bei dem vorhin
betrachteten Idealfalle gar kein Licht von der Sonne mehr erhielt, jetzt durch
die optische Wirkung der Atmosphäre eine indirekte Beleuchtung erfährt, deren
Stärke auf dem angegebenen Wege näherungsweise ermittelt werden kann und
sich zu !/,, von derjenigen ergiebt, welche jedes Element der von der ganzen
Sonnenscheibe direkt bestrahlten Mondoberfläche aufweist.
Dieses Zahlenergebnis bedarf aber noch verschiedener, sehr erheblicher
Modifikationen, ehe es als vollkommen einwandfrei betrachtet werden darf. Vor
Allem trägt das genannte Gesetz lediglich dem Einflusse der Krümmung der
Lichtstrahlen Rechnung, nicht aber Umständen, welche aus besonderen Quellen
stammend, verändernd auf die Leuchtkraft der einzelnen Strahlen einwirken.
Einen solchen haben wir aber in der mangelhaften Durchsichtigkeit der Luft
vor uns. Freilich brauchen wir für jetzt nicht an die früher erwähnten dichten
Trübungen, Nebel, Wolken, Rauch u. s. w. zu denken, denn wir haben vorhin
erfahren, dass unter allen den Lichtstrahlen, welche dem Punkte k zugelenkt
werden, keiner ist, welcher der Erdoberfläche näher käme, als bis auf 6,8 km.
Bis in solche Höhen reichen dergleichen grobe Hindernisse für den Durchgang
des Lichtes längst nicht mehr hinauf. Wir wissen aber, dass die Luft, als ein
materieller Körper, selbst im Zustande vollkommenster Reinheit nicht absolut
durchsichtig sein kann. Wäre dies der Fall, so würde sich unser ganzes Leben
unter sonderbaren äusseren Umständen abspinnen, von denen wir uns kaum eine
treffende Vorstellung machen können. Es ist hier nicht der Ort, bei der Aus-
malung derselben zu verweilen; nur eines will ich aus besonderem Grunde
erwähnen. Der Himmel würde uns bei klarer Luft nicht nur in der Nacht tief
schwarz und gestirnt erscheinen, sondern auch bei Tage; seine liebliche blaue
Farbe rührt nur davon her, dass die Luft infolge ihrer unvollkommenen Durch-
lässigkeit einen Teil des sie durchdringenden Sonnenlichtes zurückhält und nach
allen Richtungen hin zerstreut. Auf gleicher Ursache beruht auch die Er-
scheinung des Dämmerlichtes, welches uns noch während eines erheblichen
Teiles der Zeit umfängt, in welcher sich die Sonne unterhalb des Horizontes
befindet.
Dass diese Eigenschaft der Atmosphäre ihre optische Wirkung zum Teil
wieder aufheben, d. h. die Beleuchtungstärke in der Gegend des Punktes E
herabmindern muss, liegt auf der Hand; um aber die Abschwächung ihrer Grösse
nach angeben zu können, bedarf es selbstverständlich einer näheren Kenntnis
ihrer Ursache. Von vornherein ist anzunehmen, dass die Durchsichtigkeit mit
der Dichte der Luft abnehmen wird, d. h. dass die obersten, dünnsten Schichten
der Atmosphäre weniger Licht zurückhalten werden, als die unteren. Durch die
— 290 —
Erfahrungen bei Bergbesteigungen und Ballonfahrten wird diese Annahme ja
auch durchaus bestätigt. Sie muss jedoch erst einen gesetzmässigen Ausdruck
erhalten, bevor sie in die Berechnung eingeführt werden kann. Nun ist aber
die gleiche Frage auch wieder für astronomische Beobachtungen von Bedeutung
und daher schon seit langem Gegenstand theoretischer, auf Beobachtungs-
ergebnisse gegründeter Erörterungen gewesen. Der Weg, den man dabei be-
schritten hat, ist demjenigen ganz ähnlich, den wir früher bei der Betrachtung
der Refraktion kennen gelernt haben. Man hat die Unterschiede ermittelt,
welche sich in der Helligkeit eines Sternes zeigen, wenn derselbe im Laufe
seiner täglichen Bewegung sich in verschiedenen Höhen über dem Horizont
befindet, also die uns von ihm zugesandten Lichtstrahlen in der Atmosphäre
verschieden lange Wege zurückzulegen haben. Die auf solche Weise an einer
grossen Anzahl einzelner Sterne gewonnenen Ergebnisse bilden die Grundlage
der von Laplace aufgestellten Extinktionstheorie, einer Rechenvorschrift, durch
welche für einen jeden in beliebiger Richtung zu uns gelangenden Lichtstrahl
berechnet werden kann, der wievielte Teil seiner ursprünglichen Leuchtkraft
noch vorhanden ist, wenn er bei uns eintrifft. Dieser Theorie zufolge hat ein
Strahl, welcher unter Berücksichtigung seiner Krümmung die Erdoberfläche
streifen würde und dabei durch vollkommen klare Luft gegangen ist, doch nicht
weniger als 998 Tausendtel seiner ursprünglichen Stärke eingebüsst und nur
etwa 2 Tausendtel davon sind noch wirksam. Geht dieser Strahl aber weiter,
so verliert er beim Austreten durch die Atmosphäre abermals 998 Tausendtel
von seiner jetzigen Kraft, es bleiben also, wenn er am Monde anlangt, zur Be-
leuchtung nur etwa 4 Milliontel der ursprünglichen Leuchtkraft übrig. So
gewaltig äussert sich die auslöschende Wirkung der Atmosphäre natürlich wieder
nur bei Strahlen, welche in ihre untersten Schichten hineingeraten. Ein solcher,
welcher in 10 km Höhe über dem Erdboden hinwegstreicht, ist noch mit etwa
1/,, seiner ursprünglichen Starke auf der Mondoberflache wirksam, bei 30 km
bereits mit °/,,; bei 50 km so gut wie gänzlich ungeschwächt.
Nunmehr ist es nicht mehr schwierig, zu verstehen, in welcher Weise die licht-
schwächende Wirkung der Atmosphäre in Rechnung gezogen werden kann. Früher
haben wir erkannt, dass alle diejenigen Punkte der Sonnenscheibe, welche einem
Kreisbogen um den Punkt A der vorletzten Figur (Fig. 17 a. S. 215), die ich wieder
vor Ihnen erscheinen lasse, die Eigenschaft besitzen, dass die von ihnen nach
k gelangenden Lichtstrahlen alle in gleicher Höhe über dem Erdboden hinweg-
gehen. Diese Höhe lässt sich aus der Refraktionstheorie berechnen und aus
ihr ergiebt sich dann wieder der Grad der Abschwächung der Strahlen. Wenn
wir uns dann aber die Punkte des Kreisbogens als Flächenelemente vorstellen,
so bilden diese in ihrem Zusammenhange einen um den Mittelpunkt A gekrimmten
Streifen der Sonnenscheibe, der zwar sehr schmal ist, aber doch immer noch
eine gewisse Breite besitzt. In dem verzerrten sichelförmigen Bilde der Sonnen-
scheibe entspricht ihm ein ganz bestimmter, natürlich noch schmälerer aber
etwas längerer Streifen. Der berechenbare Flächeninhalt des letzteren würde,
wenn keine Auslöschung stattfände, nach dem Lambert’schen Gesetz das
Element k ebenso stark beleuchten, wie ein direkt wirkendes, gleich grosses
Stück der Sonnenscheibe. Die Helligkeit des Elementes k wird aber natürlich
in dem gleichen Verhältnis sinken, in welchem jeder einzelne der zugehörigen
Lichtstrahlen geschwächt ist. Denkt man sich nunmehr die ganze Sonnenscheibe
in eine Anzahl solcher Streifen zerlegt und für jeden die Rechnung besonders
— 1 —
durchgeführt, so wird die Summe der einzelnen Zahlenwerte das gewünschte
Ergebnis um so genauer liefern, je feiner man die Zerteilung vorgenommen hat.
Die wirkliche Ausführung einer solchen Rechnung würde freilich ein sehr müh-
sames und zeitraubendes Geschäft, doch aber immerhin möglich sein, besonders
wenn man sich mit einer mässigen Annäherung begnügen wollte. Die höhere
Mathematik aber liefert Hilfsmittel, um nicht allein die Rechenarbeit wesentlich
zu erleichtern, sondern auch gleichzeitig die Genauigkeit beliebig zu steigern.
Wenn wir nun bedenken, dass der höchste, in 37 km Höhe über dem Erdboden
weggehende Lichtstrahl zwar noch mit Die der tiefste, in 6,8 km Höhe, aber
nur mit Ton seiner ursprünglichen Stärke auf dem Monde wirksam ist, so
wird es nicht überraschen, dass die vorhin für den Fall vollkommener Durch-
sichtigkeit der Luft gefundene Helligkeit am Punkte k durch den Einfluss
der Extinktion auf ihren 5. Teil, also rund (ae von der des Vollmondes, herab-
gedrückt wird.
Ferner aber gilt das Lambert sche Gesetz in der Form, wie ich es vorhin
ausgesprochen habe, nur für gleichmässig hell leuchtende Flächen. Die Sonnen-
scheibe ist jedoch, wie ich bereits vorausgeschickt habe, keine solche. Man
kennt indessen das Gesetz, nach welchem ihre Helligkeit von der Mitte nach
dem Rande zu sinkt und hat darin wieder das erforderliche und hinreichende
Mittel, den Einfluss dieses Umstandes in Rechnung ziehen zu können. Man
verfolgt dabei ein ganz ähnliches Verfahren, wie wir es vorhin bei der Be-
rücksichtigung der Extinktion kennen gelernt haben. Denken wir uns einmal
durch zwei zum Mittelpunkte der Sonnenscheibe konzentrische Kreise eine
schmale, ringförmige Zone herausgeschnitten und nur diese Zone allein leuchtend.
In ihr wechselt die Helligkeit nicht mehr merklich, daher gilt für sie das
Lambert’sche Gesetz. Es entspricht ihr natürlich auch nur ein ringförmiges,
verzerrtes Bild. Die Gestalt dieses Bildes lässt sich ermitteln und daraus der
Flächeninhalt desselben abschätzen. Sein Verhältnis zu dem der Zone selbst
giebt denjenigen Teil der im Punkte k herrschenden Beleuchtungstärke, welcher
von dieser Zone allein herrührt. Nun lässt sich aber wieder die ganze Sonnen-
scheibe in eine Anzahl solcher ringförmiger Zonen zerlegen und jede derselben
für sich in der angegebenen Weise behandeln. Eine jede wird eine etwas andere
Zahl ergeben; es bleibt nur übrig, die einzelnen Wirkungen durch Summation
zu vereinigen, um das gesuchte Gesamtresultat zu erhalten. Zur Erleichterung
der wirklichen Ausführung einer solchen Rechnung wird man wieder die Methoden
der höheren Mathematik in Anwendung bringen und erhält dadurch zugleich
auch den Vorteil, sich von dem Mangel zu befreien, welcher in der doch immer-
hin ziemlich unsicheren Schätzung der Grösse der Bilder liegt. Diese Schätzung
wird dabei hier durch strenge Berechnung ersetzt. Das Ergebnis liefert für
den Punkt & eine abermalige Herabsetzung der Helligkeit auf " des zuletzt
gefundenen Betrages, also auf rund !/,,, von der des Vollmondes.
Die letzten, leider etwas trockenen Erörterungen hätte ich Ihnen freilich
wohl ersparen können, doch wäre dabei der Hauptzweck meines ganzen Vor-
trages sehr zu Schaden gekommen. Es lag mir ja doch wesentlich daran, Ihnen
eine ungefähre Vorstellung davon zu geben, wie verwickelt unser Problem in
Wirklichkeit ist und Ihnen anzudeuten, welcher Ueberlegungen und Hilfsmittel
es bedarf, um zu einer einwandfreien und deshalb thatsächlich befriedigenden
Lösung desselben zu gelangen. Wäre ich über die tiefer liegenden Schwierig-
keiten hinweg geschlüpft, so hätte ich auch nicht hoffen dürfen, in Ihnen die
— 229 —
Ueberzeugung hervorzurufen, dass über das Endergebnis dieser Untersuchungen
Meinungsverschiedenheiten unmöglich noch bestehen können.
Jetzt brauche ich Ihre Geduld nur noch für wenige Augenblicke in Anspruch
zu nehmen, um Ihnen dann wieder mit Dingen aufzuwarten, die der Anschauung
zugänglicher sind und darum das Interesse in lebhafterer Weise beschäftigen.
Um die Helligkeit, die gerade in der Gegend des Punktes % herrscht, habe ich
mich nur deshalb so eingehend bekümmert, weil dieser Punkt sich der Be-
trachtung gewissermassen von selbst darbot. Nehmen wir aber einen anderen
Punkt b der Ebene MM, z. B. einen, der von der Mitte c des Schattengebildes
um einen kleinen Betrag weiter entfernt liegt, so gelten für ihn genau dieselben
Schlüsse wie für &, nur die äusseren Verhältnisse erfahren eine kleine Aenderung.
Auch der Punkt b, der schon im Gebiete des geometrischen Halbschattens liegt
und also beim Idealfalle von einem schmalen Randstückchen der Sonnenscheibe
bestrahlt werden würde, empfängt jetzt gar kein direktes Licht, denn die auf
ihn geradlinig zulaufenden Strahlen werden ja wiederum samt und sonders ab-
gelenkt. Dafür erhält er aber auch wieder von jedem Punkt der Sonnenscheibe
je einen Strahl auf Umweg zugelenkt. Ein dort befindlich gedachtes Auge sieht des-
halb wiederum von der eigentlichen Sonnenscheibe nichts, obwohl sie geometrisch
den Rand der scheinbaren Erdscheibe schon etwas überragt. Dafür erblickt es ein
dem vorigen ziemlich ähnliches verzerrtes Bild der ganzen Sonnenscheibe, welches
jedoch einige Abweichungen zeigen wird. Zunächst rückt in der Figur (Fig. 17)
der Punkt A noch tiefer, die beiden von ihm aus an die Sonnenscheibe gelegten
Tangenten schliessen einen kleineren Winkel zwischen sich; das Bild wird
darum kürzer als vorher. Die Strahlen aber, welche von der Sonne nach b
gelangen, gehen notwendig durch höhere Schichten der Atmosphäre, erfahren
also weniger starke Ablenkung; das hat zur Folge, dass das verzerrte Sonnen-
bild breiter wird als vorher. Es wird aber auch heller, weil mit der grösseren
Höhe die Extinktion abnimmt. Das Zusammenwirken aller dieser Umstände wird
das Flachenelement um den Punkt b etwas anders und zwar stärker beleuchtet
erscheinen lassen, als das bei k; die Berechnung der Beleuchtungstärke wird
sich auf dieselbe Weise ausführen lassen, wie vorhin.
Ganz analog wird aber auch das Hineinrücken des Punktes b in das Gebiet
des geometrischen Kernschattens keine wesentliche Aenderung nach sich ziehen,
sondern nur eine Gestaltveränderung des verzerrten Sonnenbi'des, welches sich
etwas verlängert, dabei aber schmäler und gleichzeitig auch im ganzen licht-
schwächer wird.
Es geht daraus hervor, dass in der Wirklichkeit die Grenze des geome-
trischen Kernschattens die charakteristische Eigenschaft vollständig verliert, die
sie im Idealfalle besass, und nur noch die rein geomctrische Bedeutung bei-
behält. Sie hört auf, eine scharfe Trennungslinie zu sein, welche diejenigen
Punkte der Ebene MM, die von der Sonne gar kein Licht mehr erhalten, ein-
schliesst und von denen scheidet, welche bereits eine, wenn auch noch so
schwache Beleuchtung erfahren; sie durchschneidet vielmehr eine Gegend, wo
die Beleuchtung ganz allmählicher Aenderung unterliegt und hat deshalb lediglich
nur noch einen Wert als Orientierungsmittel.
Herr Professor Seeliger hat nun auf Grund der vorigen Ueberlegungen
die Helligkeit für eine Reihe von Punkten in der Nachbarschaft dieser
Orientierungslinie berechnet und zwar analog, wie dies früher beim Idealfalle
geschehen ist, für die Punkte, welche von der Mitte des ganzen Schattengebildes
in Entfernungen liegen, die vom Erdmittelpunkte aus gesehen, unter Winkeln von
2460, 2470 u. s.f. bis 2560 Sekunden erscheinen würden. Ich teile die Ergebnisse
seiner Rechnung nicht erst in Zahlen mit, sondern gleich in Form eines Diagrammes,
(Fig. 19) welches Ihnen nach den früher gegebenen Aufschlüssen ja leicht ver-
ständlich sein wird und den aus der grösseren Anschaulichkeit entspringenden
Vorteil leichterer Vergleichbarkeit der darin enthaltenen Werte bietet. Es ist nur
zu bemerken, dass die Helligkeiten in Tausendteln derjenigen dargestellt sind,
welche auf der unverfinsterten Mondscheibe herrscht. Hieraus ergiebt sich die
Bedeutung der Bezifferung für die horizontal laufenden Hilfslinien.
Das Diagramm enthält gleichzeitig vier verschiedene Helligkeitskurven,
welche durch die Art ihrer Zeichnung leicht von einander unterscheidbar sind.
Die oberste, kurz gestrichelte, stellt durch die Abstände ihrer einzelnen Punkte
von der unteren Grundlinie den Verlauf der Helligkeit dar, wie er durch die
blosse optische Wirkung der Atmosphäre entstehen würde, wenn diese absolut
durchsichtig wäre und auch die Sonnenscheibe überall gleich hell leuchtete, also
für einen Idealfall anderer Art. Bei der folgenden, lang gestrichelten, kommt der.
Eintlus der Extinktion allein zum Ausdruck, bei der noch tieferen, ganz ausge-
Fig. 19.
zogenen ist auch noch der der Ungleichförmigkeit in der Leuchtkraft der Sonnen-
scheibe berücksichtigt; diese Linie ist es also, welche der Wirklichkeit ent-
spricht. Endlich gehört die strichpunktierte Kurve dem zuerst behandelten
Idealfalle an.
Interessant ist besonders die Vergleichung der beiden letzten Kurven. An
der Stelle, welche 2493 Sekunden Abstand vom Mittelpunkte entspricht, durch-
schneiden sich dieselben. Von dieser Stelle nach innen hin ist die wirkliche
Helligkeit grösser, nach aussen zu geringer, als im Idealfalle. Am Schnittpunkte
selbst sind beide genau gleich gross. Die beiden Linien würden sich aber ein-
ander wieder nähern, wenn das Diagramm noch weiter nach aussen fortgesetzt
würde und müssten schliesslich in der Nähe der geometrischen Halbschatten-
grenze völlig ineinander übergehen. Das Gleiche würde auch mit jeder der
beiden anderen Kurven der Fall sein, so dass also alle vier zu einer einzigen
zusammenfallen würden.
Hiermit sind wir am Ziele unserer theoretischen Betrachtungen angelangt und
können jetzt daran gehen, die Probe durch das Experiment zu machen. Zu dem Ende
— 4 —
habe ich eine Scheibe hergestellt (Fig. 20), bei welcher die Radien ihrer Grösse nach
genau ebenso gewählt sind, wie bei der vorhin bei dem Idealfalle konstruierten
und nur die in dem Diagramme ausgezogen dargestellte Kurve an Stelle der
dort verwendeten strichpunktierten getreten ist. Der Anblick, den sie bei ihrer
Rotation (Fig. 21) darbietet, ist graduell von dem der früheren kaum merklich
verschieden; die scheinbare Schattengrenze zeigt sich vielleicht noch ein klein
wenig verschwommener als dort, tritt aber doch so deutlich hervor, dass der
Unterschied ihrer Lage gegen die vorige nicht zu verkennen ist. Sie erscheint
jetzt um einen merklichen Betrag weiter vom Mittelpunkte entfernt, als vorhin.
Genauere Ermittelungen des Ortes der scheinbaren Schattengrenze, welche
Herr Prof. Seeliger in der früher besprochenen Weise ausgeführt hat, zeigen
nunmehr eine so genaue Uebereinstimmung mit dem Resultate der astronomischen
Beobachtungen, wie sie von vornherein eigentlich kaum erwartet werden konnte.
Fig. 20. Fig. 21.
Da nämlich in den Grundlagen der Rechnung (nicht in ihrer Ausführung) unver-
meidliche Unsicherheiten enthalten sind, auf die ich nur zum Teil aufmerksam
machen konnte, die aber von Seeliger in seiner Arbeit jedesmal besonders
hervorgehoben und auf ihre Ursachen zurückgeführt worden sind, so wäre es
nicht überraschend gewesen, immerhin noch eine geringe Abweichung zwischen
dem Experimente und der Wirklichkeit wahrzunehmen. Auch in diesem Falle
wäre an der Richtigkeit der Theorie an sich nicht zu zweifeln gewesen, so aber
erhalten wir gleichzeitig die Bestätigung dafür, dass auch jene Unsicherheiten
thatsächlich so geringfügig sind, dass sie das Ergebnis der Rechnung nicht
merklich zu beeinflussen vermögen. (Schluss folgt.)
— 225 —
Die atmosphärischen Rolgeerscheinungen der Yulkanausbrüche.
Von Direktor F. S. Archenhold.
1» einem früheren Aufsatz „Die Dämmerungserscheinungen und das Sichtbar-
werden der Sterne“ (Jg. 1, S. 149 d. Z.) haben wir Gelegenheit gehabt, die
prachtvollen Dämmerungserscheinungen zu schildern, welche mit dem Auf- und
Untergang der Sonne verbunden sind. Es sind fein verteilte kleinste Partikelchen,
welche in unserer Atmosphäre diese gewöhnlichen Dämmerungsfarben hervor-
rufen. In je grösserer Zahl diese kleinen Staubteilchen in der Atmosphäre vor-
handen sind, um so prächtiger gestalten sich die Dämmerungsfarben.
Es giebt drei Wege, auf denen Staub in unsere Atmosphäre in ungewöhn-
lichen Mengen hineinkommen kann. Die erste Möglichkeit ist die, dass aus
dem Kosmos Staub in unsere Atmosphäre eindringt, diesen nennt man ,,kos-
mischen Staub“. Mit Sicherheit wird solcher Staub erzeugt durch Stern-
schnuppen und Feuerkugeln, die in unserer Atmosphäre verbrennen. Man hat
jedoch bisher nicht gehört, dass dieser Staub so zahlreich war, dass er unge-
wöhnliche Dämmerungserscheinungen hervorrief.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass der Staub, der auf der Ober-
fläche der Erde lagert, oder erst durch Verbrennung erzeugt ist, aufgewirbelt
wird. Ich erinnere an den Blut- und Sandregen vom 9. bis 11. März 1901,
welcher durch einen Wirbelsturm in Afrika in die höheren Atmosphärenschichten
hinauf geführt wurde und sich über weite Gebiete Europas verteilte. That-
sächlich sind auch damals an manchen Orten merkwürdige Färbungen der Sonne
wahrgenommen worden. Ebenso bekannt ist, dass durch die Verbrennungs-
produkte von Gras in den Prairien die Sonne eine violette Färbung annimmt.
Die dritte Möglichkeit besteht darin, dass aus dem Innern der Erde unge-
heure Staub- und Gasmengen in die Atmosphäre gelangen. Wir wollen im
folgenden einige Beispiele ungewöhnlicher atmosphärischer Erscheinungen geben,
die infolge solcher Vulkanausbrüche oder Erdbeben*) eingetreten sind.
So traten nach einem Erdbeben in Persien am 26. April 1721 Erscheinungen
ein, die die abergläubische Bevölkerung in grosse Bestürzung versetzten. Die
Sonne schien in ungewöhnlich dunstiger Atmosphäre so auffallend rot, dass die
Astrologen in diesem ängstlichen Anblick die Zerstörung von Ispahan durch
Feuer zu erkennen glaubten. Aly Hazeen schreibt in einem persischen
Manuskript: „Die Sonne war viele Tage lang verschleiert, und der Horizont hatte
während dieser Zeit ein rotes und blutiges Ansehen.“ Aehnliche unheilver-
kündende Prophezeiungen entmutigten die Bevölkerung von Persien derartig,
dass die Empörung der Afghanen unter Führung des berühmten Thamas-Kouli-
Kan zur Begründung ihrer Herrschaft in Persien führen konnte. Von be-
sonderem Interesse ist, dass einige Wochen später in fast ganz Mitteleuropa eine
Verdunklung der Sonne durch Höhennebel beobachtet wurde. In Berlin „sah
der berühmte Astronomus Kirch die Sonne ganz rot und ohne Strahlen durch-
scheinen, dass man sie etliche Stunden lang frei und ohne Verletzung hat an-
sehen können, was fast die ganze Stadt in Verwunderung gesetzt.“
Im Jahre 1794 fand am 12. Juni ein besonders heftiger Ausbruch des Vesuvs
statt, den Leopold von Buch ausführlich beschrieben hat: „Eine schwarze, fest-
stehende Wolke lagerte sich um den Berg und verbreitete sich nach und nach
*) Vergleiche hierzu: „J. Kiessling „Untersuchungen über Dämmerungserscheinungen.“
1888. Verlag von Leopold Voss, Hamburg und Leipzig.
— 29 —
wie ein finsterer Flor über den Golf und das Meer. Unaufhörlich fiel in Neapel
und in der Gegend ein feiner Aschenregen herab und bedeckte alle Pflanzen
und Bäume, alle Hauser und Strassen. In Neapel war es schwarzer feiner
Staub, näher dem Vulkan zu ein dunkler Sand mit erkennbaren Teilen. Die
Sonne erhob sich strahlenlos und ohne Glanz, und kaum war die Helle des
Tages dem schwachen Licht der Morgenröte vergleichbar. Ein unbedeckter,
lichter Streif am äussersten westlichen Horizont liess doppelt die Menschen em-
pfinden, wie sie in Finsternis eingehüllt waren. Als der Aschenfall gelinder
wurde, zeigte sich bisweilen das matte, rötliche Bild der Sonne.‘ Dieser Aus-
bruch ist insofern von besonderem Interesse, als einen Monat später in ganz
Deutschland Höhenrauch beobachtet wurde; morgens und abends war cr be-
sonders sichtbar. Die Sonne und nachts der Mond waren gleichsam in einen
dünnen Schleier gehüllt, der auch sogar des Mittags den ganzen Tag hindurch
den Sonnenglanz so schr schwächte, dass er nur matt und fast gelblich war.
Im Jahr 1783 sind ungewöhnliche Dammerungserscheinungen in engem
Zusammenhang mit den heftigen Erdbeben in Kalabrien und Sizilien beobachtet
worden.
Im Jahr 1831 entstand im Süden von Sizilien im Mittelländischen Meer eine
neue Vulkaninsel. Am 8. Juli bemerkte der erste Augenzeuge auf der Fahrt
von Malta nach Palermo unter donnerähnlichem Getöse eine schwarzgefärbte
Wassermasse bis über dreissig Meter sich erheben.
Am 2. August hisste ein Engländer die britische Flagge auf dieser neuen
Insel und gab ihr den Namen „Grahamsinsel“. Professor Gemellaro, der zur
Untersuchung abgesandt war, taufte die Insel „Vulkaninsel König Ferdinand des
Zweiten“, ohne zu wissen, dass schon zwei Tage vorher die Insel von den
Engländern in Besitz genommen war. Der Bestand der vulkanischen Erhebung
war von so kurzer Dauer, dass ein politischer Streit um den Besitz des neu-
entstandenen Landes sich nicht entwickeln konnte. Bereits im Dezember 1831
lotete man an derselben Stelle eine Meerestiefe von 15 m. Hierauf wurden fast
im ganzen Mitteleuropa ungewöhnliche, offenbar mit diesen vulkanischen Vor-
gängen im Zusammenhang stehende Sonnen- und Himmelsfärbungen beobachtet.
Die „Preussische Staats-Zeitung“ vom 30. August 1831 widmet den merkwürdigen
Dämmerungserscheinungen, die damals in Berlin auftraten, eine ausführliche
Beschreibung, in der freilich das Phänomen fälschlich als ein Nordlicht gedeutet
wird. Ebenso liegen Berichte aus Leipzig, Gotha, Hirschberg u. s. w. vor; immer
wird der zinnoberrote Glanz hervorgehoben.
Ein heftiger Ausbruch des Hekla am 2. September 1845 wird auch in Ver-
bindung mit optischen Erscheinungen gebracht, die auf der Ostsee beobachtet
wurden.
Unvergessen sind die prachtvollen Dammerungserscheinungen, die die Aus-
brüche des Krakatoa im Jahre 1883 hervorgerufen haben. Dieses vulkanische
Ereignis allergrössten Stils hat fast 50 000 Menschenleben und die Insel Krakatoa
am 27. August vernichtet. Schon am 20. Mai des Jahres sah man eine ungeheure
weisse Dampfsäule, deren Höhe zu 10000 m gemessen wurde, auf der Insel
Krakatoa emporsteigen. Ein Regen feiner Asche bedeckte die vorbeifahrenden
Schiffe. Die Sonne erschien am verdunkelten Himmel blau, ein ungeheures
Geknatter wurde von der Insel her vernommen.
Man hörte den Donner bis auf 350 km Entfernung. Des nachts sah man
unaufhörlich Blitze in dem dunklen Rauch. Diese Aschenausbrüche hielten vom
— WW —
20. Mai bis zum 26. August an. Die Luft erzitterte unausgesetzt und alles
Hausgerät wurde in klappernde Bewegung gesetzt. In Batavia veffolgte man
die Entwicklung der Ereignisse mit Bangen und Zagen. |
M. W. Meyer schildert anschaulich das Ringen der entfesselten Naturkräfte:
„Das ist ein unbeschreiblich furchtbarer Kampf der beiden feindseligen Elemente
zwischen Feuer und Wasser gewesen, als der Vulkan inmitten seiner entsetz-
lichen Arbeit, durch diese selbst unterwühlt, in sich zusammen fiel und feuer-
speiend unter das Meer versank. Das Wasser stürzte mit gieriger Wut in den
glühend flüssigen Schlund hinab; zischend und brodelnd verwandelte es sich
augenblicklich in ungeheure Dampfmengen, die in mächtiger Dampfspannung
. sich mit dröhnendem Krach befreiten, Feuer, flüssige Lava, glühende Steine und
ein grosses Stück Meer mit sich zu den Wolken empor schleudernd. Feuerströme
stiegen vom Himmel auf und ab und nur sie erleuchteten die schwarze Nacht,
die statt sonnigen tropischen Tages erstickend schwer über Land und Meer
lagerte. Am folgenden Morgen ging in Batavia die Sonne verhüllt in rostig
blutiger Farbe auf. Schwarze Rauchwolken stürmten in immer dichteren Scharen
vom westlichen Horizont herauf. Ein schwerer Regen von Asche, Schwefel und
Staub fiel über die Stadt herab, und um mittag war sie in undurchdringliche
Dunkelheit gehüllt. Jede Beschäftigung stockte. Eingeborene und Europäer
wurden von Furcht und Entsetzen ergriffen. Um diese Zeit strömte eine 17 Fuss
hohe Welle vom Meer ins Land hinein und hiess die Flüsse zurück zu ihren
Quellen fliessen. Zwei Stunden später kam eine zweite und höhere Welle.
36 Stunden lang blieb Batavia in Dunkelheit gehillt. Das ist ein Bericht von
der unmittelbaren Wirkung der Katastrophe aus 20 geographischen Meilen Ent-
fernung ...“ In der Nähe der Ausbruchsstelle fielen heisse Bimsteinbrocken
und nach Schwefel riechende Asche so stark nieder, dass sie auf der Haut
Brandwunden erzeugten. Verbeek schätzt die emporgeschleuderten Massen auf
18 Kubikkilometer. Die Lufterschütterungen, die durch die Eruption hervor-
gerufen wurden, pflanzten sich dreimal um die Erde bis zu den Antipoden und
wieder zurück fort. Sonne und Mond zeigten aussergewöhnliche Ringerschei-
nungen, und jahrelang später waren der Abend- und Morgenhimmel auch hier
in Berlin ausserordentlich gefärbt. Als sich der dichtere Staub gesetzt hatte,
vom Jahre 1887 an, sah man auch in einer Höhe von 82 km die leuchtenden
Nachtwolken auftreten. Diese Gebilde wurden hauptsächlich von dem ver-
storbenen O. Jesse*) studiert. Auch Schreiber dieser Zeilen war es vergönnt,
zahlreiche Photographieen dieser Erscheinungen herzustellen. Die letzten
schwachen Anzeichen von ihrem Vorhandensein konnte ich noch im Jahre 1899
feststellen.
Schon in kurzer Zeit wird es sich zeigen, ob die jüngsten Ausbrüche auf
den Kleinen Antillen atmosphärische Dämmerungserscheinungen im Gefolge
haben werden, wie die früher erwähnten Vulkanausbrüche. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass sich dann auch wieder die merkwürdigen, leuchtenden Nacht-
wolken, die wie weisse Gespenster am Nachthimmel entlang ziehen, zeigen und
uns die letzte Kunde bringen werden von vernichteten Menschenleben und
Menschenglück, von verschütteten Städten und zerstörten Pflanzungen im fernen
Ozean.
*) Vergl. Weltall Jg. I, S. 157: Otto Jesse mit Bildnis von F. S. Archenhold.
22 —
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Neue spektroskopische Doppelsterne. Wie S.114 dieses Jahrgangs bemerkt wurde, darf
man die Veränderlichen, die gleich Algol in regelmässigen Zwischenzeiten eine Lichtschwächung,
eine Verfinsterung erfahren, als sehr enge Doppelsterne betrachten, deren Umlaufsbewegungen sich
an dem Hin- und Herschwanken der Spektrallinien verraten. Die periodischen Linienverschiebungen
waren bisher nur an Algol selbst, sowie an 2 Tauri beobachtet. die beiden hellsten Variabeln dieses
Typus. Jetzthat W.S. Adams am 40zöll. Yerkes-Refraktor auch bei d Librae solche Linienbewegungen
konstatiert. Dieser Stern geht alle 56 Stunden von 5. Gr. auf die 6. herab. — Ferner zeigen die Spektral-
aufnahmen des (nicht veränderlichen) Sterns o Persei, dass dieser sich uns bald nähert, bald sich
wieder von uns entfernt: diese entgegengesetzten Bewegungen erfolgen mit sehr grossen Geschwindig-
keiten, 120 bis 130 km in der Sekunde. und wechseln sehr rasch, ein Beweis einer kurzen Umlaufs-
zeit in diesem Sternsystem. — Sodann berichtet Adams noch über Bestimmungen der Geschwindig-
keit. mit der sich gegenwärtig der helle Sirius längs der Sehrichtung bewegt. Dieselbe betrug im
Januar bis März dieses Jahres — 6.8km (Annäherung gegen unser Sonnensystem). Der Lauf des
Sirius in seiner clliptischen Bahn, dem verkleinerten Abbilde der Bahn seines viel matter leuchtenden
Begleiters, erfolgt jetzt fast genau senkrecht zur Schrichtung, so dass jene 7km ungefähr der Ge-
schwindigkeit entsprechen, mit der sich das ganze Siriussystem uns nähert. In den Jahren 1889
und 1890, als Vogel und Scheiner in Potsdam die Siriusbewegung spektroskopisch bestimmten,
war sie um 9 km grösser. Die ganze Periode des Siriusumlaufs beträgt 49 Jahre.
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Photographische Aufnahmen der Südpolgegend, die im Juni 1895 auf der Sternwarte bei
Kapstadt erlangt sind. wurden auf der Sternwarte der Columbia-Universitat (New-York) von den
Damen Misses Harpham, Tarbox, Magill und Lee Davis ausgemessen. Es konnten die Positionen
von 287 Sternen über 11. Gr. festgelegt werden, von denen 218 dem Südpol näher als 1° stehen
Nur einer dieser Sterne ist dem freien Auge erkennbar, es ist dies der „südliche Polarstern“
6 Octantis von 5,7. Grösse. Vom Pole ist er nur 8/,° entfernt. Noch etwas näher beim Pol steht der
zweithellste Stern B Octantis, der 6.5.Gr. ist. Innerhalb einer Fläche von der Grösse der Mondscheibe
mit dem Südpol als Mittelpunkt. stehen 17 Sterne, deren hellster nur 9.6. Grösse ist. Als Gegensatz
zu dieser äusserst sternenarmen Gegend sei der als w Centauri bezeichnete dicht gedrängte Stern-
haufen am Südhimmel erwähnt, welcher auf einem dio Mendscheibe nur wenig übertreffenden
Raume über 6000 Sterne umfasst.
* *
*
Planetoid Vesta. Unter sämtlichen „kleinen“ Planeten ist die von Olbers am 29. März 180%
entdeckte Vesta die hellste. In ihrer grössten Nähe bei der Erde gleicht sie Sternen 6.Grösse und ist
bei solchen Gelegenheiten wiederholt mit freiem Auge geschen worden. Natürlich ist hierzu ein
scharfes Auge, gute, reine Luft und genaue Kenntnis der Stellung dieses Planeten erforderlich.
Eine solche Möglichkeit, die Vesta mit unbewaffnetem Auge oder wenigstens schon mit einem Opern-
glas zu sehen, bietet sich im Juni und Juli dieses Jahres. wo der Planet der Erde auf 176 Millionen
Kilometer, nahezu seine geringste Entfernung, sich nähert. Er ist dann sehr leicht aufzufinden, da
er in ganz geringem (natürlich nur scheinbarem) Abstande am Saturn vorüberzieht, der nun gleich-
falls für dieses Jahr seine Erdnähe erreicht. Am geringsten ist der Abstand der Vesta vom Saturn
am 24. Juni mit 22 Bogenminuten oder zwei Dritteln des Monddurchmessers. Um so viel befindet
sich der kleine Planet südlich von seinem grossen Nachbar. Am 11. Juni steht Vesta zwei volle
Monddurchmesser nordöstlich vom Saturn, am 20. steht sie genau östlich (23° = 3/, Monddurch-
messer), am 2. Juli hat sie sich auf drei Monddurchmesser gegen Südwesten vom Saturn entfernt.
Wer in der Zwischenzeit einmal die Vesta aufgefunden hat, wird sie von da an stets leicht weiter
verfolgen können, da ihr täglicher, nach Südwesten gerichteter Lauf nur langsam vor sich geht.
In sehr grossen Fernrohren lässt sich bei starker Vergrösserung deutlich die Kreisgestalt des
Planetenscheibchens erkennen. A. B.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Fa. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW. `
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BEILAGT:
ZUR ILLUSTRIERTEN ZEITSCHRIFT FÜR ASTRONOMIE UND VERWANDTE GEBIETE
„DAS WELTALL“, JAHRGANG 2. HEFT ı9.
(zu F. Albrecht: Die Sternwarte des Landgraien von Hessen Wilhelms IV. zu Kassel, Seite 229)
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So
Lichtdruck von Nach einer
Gebr. Deyhle & Wagner, Berlin SW. 48 Federzeichnung von M. Albrecht
DER ZWEHRENTURM IN CASSEL
IM JAHRE 1902
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DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
Herausgegeben von ES:
2. Jahrgang 19.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 Juli 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. 1j Seite 60.— IG Seite 30.— ,Yı Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
gehalten auf der Treptow-Sternwarte. Von Dr. A. Leman
1. Die Sternwarte des Landgrafen vun Hessen Wil- (Schluss) o- 9 “or. a we ee ee 237
helms IV. zu Kassel. Von F. Albrecht. . . ... 229 3. Siebentes Verzeichnis von Beiträgen zur Errichtung
2. Ueber Schaltenphünoniene bei Finslernissen. Vortrag, der Vortragshalle der Trepluw-Sternwarle. . . .» 244
Die Sternwarte des kandgrafen von Hessen Wilhelms IV. zu Kassel.
Von F. Albrecht.
D: Feier der dreihundertjährigen Wiederkehr des Geburtstages Tycho Brahe’s
am 24. October 1901 hat auch in weiteren Kreisen die Blicke auf den grossen
Dänen und die Astronomie seiner Zeit gerichtet. Es wird daher nicht ohne
Interesse sein, auch des mit Tycho befreundeten Landgrafen Wilhelms IV. von
Hessen-Kassel zu gedenken, eines der wenigen Fürsten, die sich als Astro-
nomen einen Namen in der Geschichte erworben haben.
Wilhelm IV.'), geboren im Jahre 1532 als der älteste Sohn des aus der
Reformationsgeschichte bekannten Landgrafen Philipp des Grossmütigen von
Hessen, hatte sich schon vor seinem Regierungsantritt im Jahre 1567 eifrig mit
der Astronomie beschäftigt, vor allem angeregt durch das Werk des Peter Apianus
Bienewitz) „Astronomicum Caesareum“ (1540)°); er hat später seine Mussestunden,
die ihm seine Regierungsgeschäfte liessen, auf selbständige Forschungen im
Gebiete der Astronomie und der mathematischen Wissenschaften mit solchem
Erfolge verwandt, dass sein Beiname: „der Weise“ wohl berechtigt erscheint. In
zweifacher Hinsicht ist ihm die Wissenschaft zu Dank verpflichtet. Als nämlich
einige Zeit nach dem Besuche Tycho Brahe’s bei Wilhelm IV. im Jahre 1575 eine
dänische Gesandtschaft in Cassel war, liess Wilhelm durch die Mitglieder dieser
Gesandtschaft den jungen dänischen Astronomen dem König Friedrich II. von
Dänemark auf das angelegentlichste empfehlen, und seiner Fürsprache ist es
wesentlich zu danken, dass König Friedrich Il. Tycho die reichen Mittel zum Bau
1) Das dem Schlussartikel beigegebene Porträt ist entnommen dem Werke: Monumentum sepul-
crale ad — — — Dr. Mauritii Hassiae Landgravii — — memoriam Cassellis 1638. Für die liebenswürdige
Ueberlassung dieses Bildes zur Wiedergabe sowie für sämtliche Nachrichten betreffend die Firma
F. W. Breithaupt und Sohn in Cassel sei an dieser Stelle den Chefs dieser Firma der beste Dank
ausgesprochen.
2) Das von Wilbelm IV. benutzte Exemplar, das sich jetzt noch auf der Casseler Landes-
bibliothek befindet, enthält eine grosse Reihe von handschriftlichen Bemerkungen des Landgrafen.
Es ist ein durch reich verzierte Initialen prachtvoll ausgestattetes Werk, in welchem die Bewegungen
der Planeten durch kolorierte bewegliche Scheiben aus starkem Papier dargestellt sind. Wilhelm
liess später eine ähnliche Darstellung des Planetensystems in Kupfer ausführen.
— 290 —
der Sternwarten auf der Insel Hveen gewahrte’). Tycho hat auch stets die
Förderung seiner Pläne durch das Eintreten Wilhelms IV. dankbar anerkannt und
ihm eine treue Freundschaft bis zu dessen im Jahre 1592 erfolgten Tode bewahrt,
wovon der Briefwechsel zwischen beiden Männern ein beredtes Zeugnis ablegt.
Neben dieser mittelbaren Förderung der Astronomie hat sich Wilhelm IV. aber
auch ein unmittelbares Verdienst um sie durch seine Beobachtungen von Stern-
positionen und die Herstellung eines Fixsternkatalogs erworben.
Können sich seine Beobachtungen an Mannigfaltigkeit und Umfang auch
nicht mit denen Tycho Brahe’s messen, so stehen sie ihnen doch, wie kein
Geringerer als Bessel ausgesprochen hat, an Genauigkeit nicht nach. Es
ist daher zu erwarten, dass Wilhelm IV. auch eine zu solchen Beobachtungen
erforderliche gut eingerichtete Sternwarte besessen hat. Leider sind wir
bezüglich seiner Sternwarte nicht in der glücklichen Lage wie bei Tycho
Brahe, der seine Observatorien auf der Insel Hveen in einem besonderen Werke
beschrieben hat. Von Wilhelm IV. existiert ein derartiges Werk nicht. Auch
die bisher noch nicht gedruckten astronomischen Arbeiten des Landgrafen sowie
seines Astronomen Rothmann, in denen sich u. a. auch das vollständige Stern-
verzeichnis befindet, enthalten, soweit ich bei einer oberflächlichen Durchsicht
der auf der Landesbibliothek zu Kassel befindlichen Manuskripte?) feststellen
konnte, zwar eine Beschreibung der Instrumente Wilhelms IV., jedoch keine
näheren Angaben über die Anlage der Sternwarte. Wir sind daher in der
Kenntnis seiner Sternwarte auf die Berichte anderer angewiesen. Diese Berichte
sind nur spärlich und zudem, namentlich über den Ort seiner Sternwarte, haufig
einander widersprechend.
* *
x
Es soll nun im folgenden versucht werden, festzustellen, was sich nach dem
vorhandenen Material über den Ort der Sternwarte und deren Einrichtung ergiebt.
Die Mehrzahl der neueren Autoren ist der Meinung, dass sich Wilhelms IV.
Sternwarte auf dem ehemaligen Zwehrenturm?) in Kassel befunden habe. So heisst
es bei R. Wolf (Geschichte der Astronomie, S. 268) unter Berufung auf Strieder"):
„Er (Wilhelm IV.) liess sich 1561 auf das zu Kassel befindliche ehemalige Zwehrer
Thor einen Turm erbauen und ihn zu einer Sternwarte einrichten. Die oberste
Rundung davon liess sich herumdrehen, so dass nach allen Teilen des Himmels
beobachtet werden konnte, und er stellte hier seine Instrumente, die in Armillen,
Quadranten, Sextanten, Globen und dergl. bestanden, so gut auf, als es der da-
malige Zustand der Sternkunde verstattete.“
Sehen wir uns nun zunächst den Zwehrenturm an. Wenn wir in Kassel
vom Friedrichsplatz aus die zwischen dem Museum Fridericianum und der
Kriegsschule hindurchführende Strasse, den Steinweg, hinunter schauen, fällt
8) S. Tychonis Brahe Epistol. astronom. lib. I. (Einleitung). Vergl. auch „Weltall“ jg. 2, Heft 1 u. 2.
4) Zu einem näheren Studium dieser Manuskripte, die den Titel führen: „Observationes stel-
larum fivarım instilutae Cassellis anno 1585 per Quadrantem ct Sertantem nec non globum
Maiorem Summa diligentia Rectificatas (sic!) Cura et expensis Wilhelmi Landgrasii Hassiae“,
gebrach es mir leider an Zeit. Eine Inhaltsangabe dieser Manuskripte giebt uns Zach in seiner Ab-
handlung über Landgraf Wilhelm IN. in der Monatlichen Korrespondenz zur Beförderung der Erd- und
Himmelskunde, 12. Band. Gotha 1805. S. 292. 293.
6) Es ist im folgenden die von Piderit und auch auf älteren Karten gebrauchte Schreibweise
„Zwehren“turin angewendet. Häufig finden sich auch noch die Schreibarten „Zwehrner“- und
„Zwehrer“turm; mitunter fehlt auch das „h“ in „Zwehren“. °
8) Strieder: Grundlage zu einer hessischen Gelehrten- und Schriftstellergeschichte. (Bd. 17, S. 71 ff.)
— 4 —
uns sofort ein mächtiger Turm auf, der in der Verlängerung des an den Stein-
weg stossenden Seitenflügels des Museums gelegen, dieses um zwei hohe Stock-
werke überragt (s. Abb. 1). Die fast bis oben hin gleichmässige Dicke des Turmes
verleiht dem Bauwerk etwas ungemein wuchtiges und imposantes. An der
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Abb. 1.
Der Zwehrenturm vom Friedrichs -Platz aus gesehen.
uns zugekehrten Seite des Turmes leuchtet uns in der Höhe des ersten Stock-
werkes eine im Vergleich zu der sonstigen grauen Färbung des Gebäudes helle
Fläche entgegen. Gehen wir näher hinzu, so erkennen wir die Zeichen einer
Sonnenuhr (Vertikaluhr). Der Steinweg senkt sich bis zum Turme beträchtlich
hinab, so dass die Decke des Thores, welches durch den Turm von dem Steinweg
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Abb. 2.
Lageskizze des Zwehrenturms.
zu der Strasse hinter dem Museum führt, nur etwa 1 m über der Höhe des Friedrichs-
platzes liegt. Der Platz vor dem hinter der genannten Kriegsschule gelegenen
Naturalienmuseum gewährt für die Betrachtung des Turmes den besten Standpunkt.
Der Zwehrenturm hat eine rechteckige Grundfläche (s. Abbildung 2), deren Längs-
seite von Ost nach West gerichtet ist. An der südwestlichen Ecke steht er mit
dem Museum Fridericianum in Verbindung. Die südöstliche Ecke liegt frei und
springt weit in die Strasse hervor, während sich an die Nordseite ältere kleine
Gebäude anlehnen. Ueber dem gothisch geformten Thor läuft in Höhe des ersten
Stockes eine Gallerie rings um den Turm, soweit nicht die Nebengebäude an
diesen herantreten. Bis zur Höhe des zweiten Stockwerks reicht das Museum,
und die mit Steinvasen geschmückte Gallerie des Museumsdaches ragt noch fast
bis zur Hälfte des sehr hohen dritten Stockwerks empor. Dieses Stockwerk
schliesst mit einer von einer balkonartig vorspringenden Gallerie umgebenen
Plattform ab. Hierauf erhebt sich das oberste Stockwerk, das aber eine etwas
kleinere Grundfläche als die übrigen Stockwerke besitzt. Das Dach dieses Stock-
werkes ist ebenfalls von einer Gallerie umgeben. Gehen wir nun durch den
13,5 m langen Thorweg hindurch, die kleine Strasse hinter dem Museum hinauf
und treten auf den etwas über der Strasse gelegenen Hof des Museums, so bietet
sich uns von hier ein interessanter Blick auf die Westseite des Zwehrenturms;
unsere Lichtdruck-Beilage giebt uns die Ansicht des Turmes von dieser Seite.
Begeben wir uns nun in das Innere des Turmes. Vom Hofe des Museums
aus gelangen wir zunächst zu den im zweiten Stock des östlichen Museumsflügels
gelegenen Zimmern, der Sammlung von mathematischen und physikalischen In-
strumenten. Diese Zimmer stehen mit dem Turm in unmittelbarer Verbindung;
wir treten zunächst in den Raum, der das dritte Stockwerk des Turmes ein-
nimmt. In diesem befindet sich eine Reihe astronomischer Instrumente’), die, wie
auf den ersten Blick erkennbar ist, zumeist aus dem 18. Jahrhundert herrühren.
(s. Abb. 3). Wir bemerken dort einen grossen Mauerquadranten, dessen Radius
fast 2 m beträgt. Dieses sehr exakt ausgeführte, noch im dienstfähigen Stande
sich befindende Instrument wurde im Jahre 1785 von dem Hofmechanikus
J. C. Breithaupt, dem Begründer des mathematisch-mechanischen Instituts von
F. W. Breithaupt und Sohn vollendet. Auf unserer Abbildung 3 (rechts) sehen wir
nur die Stufen, die zu dem Instrument hinaufführen. Dieser Quadrant befindet
sich an dem nach Süden gelegenen Fenster; an dem gegenüberliegenden
Fenster sind noch die Trager eines anderen Mauerquadranten zu sehen. Deutlich
erkennbar ist, dass ursprünglich ein Spalt in der Richtung des Meridians die Decke
gerade über den beiden Fenstern durchschnitt. Auch von aussen lässt sich dieser
Spalt noch an der Durchbrechung des über die Fenster hinausragenden Gesimses
erkennen (siehe den Lichtdruck). Von den anderen Instrumenten sei ferner ein
Azimutalquadrant erwähnt (auf Abb. 3 links); der Radius des Höhenquadranten
und des Azimutalvollkreises betragt 40 cm. Der Ueberlieferung nach soll dieser
Quadrant in den Jahren 1580 bis 1590 von Tycho Brahe angefertigt und später
in den Besitz des Landgrafen Wilhelm IV. übergegangen sein. Bestimmte Nach-
richten über den Ursprung dieses Quadranten, der in der Genauigkeit seiner
Konstruktion bei weitem nicht an den von Tycho Brahe in seiner Astron. instaur.
Mechan. beschriebenen Azimutalquadranten heranreicht, fehlen jedoch gänzlich,
und Koester und Gerland sind der Meinung, dass dieser Quadrant wahrscheinlich
1) Eine ausführliche Beschreibung der zahlreichen Instrumente der Kasseler Sammlung kann
hier nicht gegeben werden, ich verweise hierfür auf A. Koester und Dr. E. Gerland: Beschreibung
der Sammlung astrunumischer. geodätischer und physikalischer Apparate im Königl. Museum zu
Kassel. Kassel 1878.
Einige Abbildungen von Instrumenten der Kasseler Sammlung befinden sich in dem Museum
der Treptow-Sternwarte.
— 38 —
nach einem tychonischen Vorbilde von einem minder geschickten Mechaniker
hergestellt worden ist. Neben diesem Instrument steht eine Gipsbüste des
Landgrafen Wilhelms IV. Das rechts von dieser Büste stehende Instrument ist
eine parallaktische Maschine, die ebenfalls von J. C. Breithaupt herrührt und
Abb. 3.
Aus dem Inneren des Zwehrenturmes.
etwa aus dem Jahre 1770 stammt’). Steigen wir nun zu dem obersten Stockwerk.
empor. Dieses aus Holz aufgeführte Stockwerk hat eine achteckige Form, wie
Abb. 4 zeigt. Die westliche Seite ist dem unteren Stockwerk entsprechend
herausgebaut und enthält einen Durchschnitt in der Ebene des Meridians,
der ebenfalls’ von aussen, wie die Abbildung zeigt, zu erkennen ist. In M (s.
Abb. 4) befindet sich auf zwei Sandsteinpfeilern ein kleines Passageninstrument
(vergl. Koester und Gerland a a O. S. 14,. 15).
Spalt. Ausser diesem stehen in diesem Raume noch
mehrere andere astronomische Instrumente aus
E dem 18. Jahrhundert, sowie zwei Uhren.
Fragen wir uns nun: Konnte auf diesem
Turme in seinem gegenwärtigen Zustande Wil-
oasis helm IV. seine Sternwarte gehabt haben? Zunächst
Sau SE a ` "` entspricht die Anlage des Turmes in seinen beiden
oberen Stockwerken, die zu astronomischen Beob-
achtungen benutzt worden sind, nicht nur der Zeit des 18. Jahrhunderts —
so ist z. B. die achteckige Form des obersten Stockwerkes (s. Abb. 4) für die
Anlage der damaligen Sternwarten typisch?) — es steht auch fest, dass unter
der Regierung des Landgrafen Friedrichs I. hier auf dem Zwehrenthor eine
Sternwarte errichtet wurde. Dieser, durch seine Förderung von Künsten und
8) Vergl. Koester und Gerland, S. 12, 18.
°?) Vergl. z. B. J. F. Weidleri: Institutiones Astronomiae 1754, S. 17, 18.
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Wissenschaften einer der bedeutendsten hessischen Firsten, liess bei der Erbauung
des Museums in den Jahren 1769 bis 1779 dieses mit dem Zwehrenturm verbinden
und die Räume des Turms zu einer Sternwarte herrichten!°),, zu deren instru-
mentellen Einrichtung er den vorerwähnten Mechaniker J. C. Breithaupt nach
Cassel berief. Eine Ansicht von Kassel von 1782!!) zeigt uns den Zwehrenturm
in genau derselben charakteristischen abgestumpften Form, wie wir ihn heute
sehen. Die Errichtung dieser Sternwarte würde nun an sich nicht ausschliessen,
dass Wilhelm IV. schon früher auf dem Turm beobachtet hätte.
Wir müssen daher in der Geschichte noch etwas weiter zurückgehen und
uns den Zustand des Zwehrenturmes zur Zeit Wilhelms IV. vergegenwärtigen.
Der Zwehrenturm gehörte ursprünglich zu den die Stadt Kassel umgeben-
den Festungsanlagen. Diese stammen aus dem 16. Jahrhundert. Der Vater
Wilhelms IV., Landgraf Philipp der Grossmütige von Hessen, hatte zuerst Kassel
in ansehnlicher Weise befestigt, doch wurden die Festungswerke 1547 auf Grund
der Halleschen Kapitulation geschleift. Erst nach der Rückkehr Philipps aus
seiner Gefangenschaft wurden die Befestigungen wieder hergestellt, und dann
unter der Regierung Wilhelms IV. bedeutend erweitert und verstärkt. Sie ver-
l Zwehrenturm l Schloss
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Abb. 5.
Cassel Anno 1640.
blieben dann in diesem Zustande ohne wesentliche Veränderungen bis zum
30jährigen Kriege. Zu diesen Festungswerken gehörte auch die Bastion auf dem
Zwehrenberg (so genannt nach dem nächstliegenden Dorfe Zwehren.)!*) Auf der
nach der Stadt zu gelegenen Seite der Bastion erhob sich über dem Thor, das
in einem 150 Schritt langen Gewölbe durch die Bastion nach aussen führte, der
Zwehrenturm.) Wie Abb. 5, die uns eine Ansicht von Kassel aus dem Jahre
1640!*) wiedergiebt, deutlich erkennen lässt, war dieser Turm in derselben Art
wie die übrigen Festungstürme angelegt, nämlich zwei bis drei Stock hoch und
10) Piderit: Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Kassel, 2. Aufl. Kassel 1882. S. 292.
11) S. bei Piderit a. a. O. zwischen BI. 286 und 87 die Kopie eines Kupferstichs mit der Unter-
schrift: Aussicht aus dem fürstlichen Schlosse zu Cassel gegen Abend. J. H. Tischbein sen. del.
1782, G. W. Weise etc.
12) Vergl. F. Ch. Schminke: Versuch einer genauen und umständlichen Beschreibung der
Hochfürstlich-Hessischen Residenz- und Hauptstadt Kassel 1767, S. 80 ff. Ferner Piderit a a. O., S. 110.
18) Das Thor war wegen seiner ausserordentlichen Länge sehr unbequem und auch nicht
ohne Gefahr zu passieren. So erzählt Schminke, dass „auch einstmalen eine Weibsperson mit einem
Bund Heu auf dem Kopfe daselbst von einem Ochsen auf die Hörner gefasset. in die Höhe geworfen
und also elendiglich ums Leben gebracht worden“ war. Das Thor wurde darauf gesperrt und der
Verkehr durch das sogen. „Neue Thor“ geleitet.
14) S. Merian, Topographie von Hessen 1646. Piderit a. a. O. zw. S. 158, 59.
— 235 —
darüber ein mit vier kleinen Ecktürmen versehenes Satteldach. Auch eine Ansicht
von Cassel aus dem Jahre 15965) sowie eine andere aus dem Jahre 1605?) zeigen
uns diese Form des Turmes. Er diente unter der Regierung Wilhelms IV. gleich
den anderen Thortürmen zu Gefängnissen.!") Gegen Ausgang des 17. Jahr-
hunderts wurde das Thor, das, wie bemerkt, bald nach seiner Anlage gesperrt
worden war, dem Verkehr wieder geöffnet. Mit der Erweiterung der Stadt,
besonders unter Friedrich II., verschwanden die Befestigungsanlagen und nur
der Turm erhielt sich, der dann mit dem Museum Fridericianum verbunden
wurde. M. E. ist es nun unwahrscheinlich, dass der Zwehrenturm, so lange er
als Turm eines Festungsthores diente, also insbesondere unter der Regierung
Wilhelms IV., als Sternwarte benutzt wurde. Dagegen spricht zunächst seine
Anlage als Festungs- und Gefängnisturm. Vor allem wäre die Nachricht (s. o.),
dass die oberste Rundung sich hätte drehen lassen, mit dem oben beschriebenen
Dach des Turmes kaum zu vereinen.
Vor allem aber steht der Annahme, dass Wilhelm IV. seine Sternwarte auf
dem Zwehrenturm gehabt hätte, entgegen, dass weder in den zu Cassel auf-
bewahrten Manuskripten Wilhelms IV.!*), noch in seinen Anmerkungen zu Apians
Caesareum astronomicum hiervon etwas erwähnt wird. Auch die Veröffentlichung
eines Teils seiner Beobachtungen durch Snellius!?) enthält hiervon nichts. Es
geben ferner die im Staatsarchiv zu Marburg aufbewahrte astronomische Kor-
respondenz Wilhelm IV., sowie die Bauregister jener Zeit keinen Anhaltspunkt
dafür, dass Wilhelm auf dem Zwehrenturm astronomische Beobachtungen an-
stellte. Dagegen geht aus einem Schreiben Rothmanns an Wilhelm IV., das sich
in dieser Korrespondenz befindet, hervor, dass ersterer auf dem Schlosse zu
Cassel beobachtete’’). Dem entspricht auch eine Nachricht von Wilhelms Stern-
warte, die wir bei Tycho in der Vorrede zu der Herausgabe seines Briefwechsels
mit Wilhelm IV. und Rothmann?!) finden. Hier erzählt Tycho, wie er auf
seiner Reise nach Deutschland im Jahre 1575 auch den Landgrafen Wilhelm IV.
besucht und mit diesem während seines Aufenthalts in Kassel Beobachtungen
angestellt habe. Dabei erwähnt er ausdrücklich, dass die Instrumente des
Landgrafen auf einem erhöhten Punkte des Schlosses unter freiem Himmel auf-
gestellt waren.) Von der Aufstellung auf einem Festungsturme erwähnt Tycho
nichts. Vielleicht im Anschluss an diese Darstellung berichtet sodann der be-
rühmte Biograph Tychos, Gassendi,”°) der auch Wilhelm IV. eingehend behandelt,
15) S. Pideritzw. S. 110 und 11.
18) S. Dilich, Hessische Chronik 1606.
17) S. Piderit a. a. O., S. 116.
18) Die älteste Biographie Wilhelms IV. „Hier. Treutlerus: Oratio de vita et morte Wilhelmi
Hassiae Landgravii Marpurg 1592* spricht nur davon (S. 83), dass er sich für seine Beobachtungen
eine Sternwarte erbaut hätte, ohne den Ort anzugeben.
19) Willebr. Snellius: Observationes Hassiae 1618.
20) Es sei mir an dieser Stelle gestattet, dem Direktor des Staatsarchivs in Marburg, Herrn
Geh. Archivrat Dr. Könnecke, für diese Mitteilungen aus dem Marburger Archiv, die mir durch Ver-
mittlung des Herrn Direktors Archenhold zugänglich geworden sind, meinen ehrerbietigsten Dank
auszusprechen.
21) Tychonis Brahe Dani Epistolarum Astronomicarum Liber I. Uraniburgi 1596.
22) „Noctu vero, quando serenitas opportuna sinebat, Astrorum quorundam locis denotandis
invigilauimus, quo eius Instrumenta Astronomica, quae in edito quodam Arcis loco sub dio
tunc statuebantur, cum quibusdam nostris e patria advectis (quae tainen minora, et portatilia
saltem erant) conferre liceret“.
>) Tychonis Brahei Equitis Dan. AstronomorumCoryphaei Vita. Autore Petro Gassendo. 1655.
— 236 `
dass der Landgraf sein Observatorium hoch oben auf seinem Schlosse gehabt
habe, auf dem er mit seinen unter freien Himmel aufgestellten Instrumenten,
einem Quadranten, Torqueten und anderen aus Messing hergestellten Apparaten
beobachtet hätte 221 In ganz ähnlicher Weise hören wir dann von Weidler,?’)
dass sich Wilhelm IV. oben auf seinem Schlosse eine Sternwarte errichtet und
sie mit Quadranten, Sextanten, Torqueten sowie mit Uhren ausgerüstet hätte.
Auch Weidler erwähnt nichts von einem drehbaren Dach, sagt vielmehr eben-
falls, dass unter freiem Himmel beobachtet wurde.
Diese Angaben, dass sich Wilhelms Sternwarte auf seinem Schlosse be-
funden habe, finden wir auch in Abr. Saurii Stadtebuch, verfasst und fortgesetzt
durch Hermann Ad. Anthes 1658 (frühere Aufl. aus den Jahren 1593 und 95), be-
stätigt. Dort heisst es (S. 266): „In dem ansehnlichen fürstlichen Schloss seynd
wohl zu sehen die Instrumenta Mathematica, so Landgraf Wilhelm gebraucht,
dazu er einen eignen Mathematicum Christ. Rothmannum und 3 Gesellen ge-
halten.“ Diese Angabe wird auch von Merian in seiner Topographie von Hessen
wiederholt (S. 18). In dem Anhange zu diesem Werke vom Jahre 1654 (S. 13)
wird noch ausdrücklich gesagt, dass das Schloss oben an der Ost- und Südecke
„schöne lustige Altanen und Observatoria* hatte. Noch ausführlicher schildert
dies Winkelmann in seinem Werke: Gründliche und wahrhafte Beschreibung der
Fürstentümer Hessen und Hersfeld. (Bremen 1697 2. Th., 10. Kap., S. 275, 276).
Dort heisst es: „Oben an der Ost- und Süd-Ecke hat es (das Schloss)
sehr lustige Altanen und Observatoria, wie auch etliche Altanen und Schwib-
bögen inwendig übereinander recht im Gesichte. Wenn man zum Thore hinein
kommt, sind darin des in der Geometrischen und Mathematischen Wissen-
schaft hocherfahrenen Landgraf Wilhelmens, des Weisen zugenannt, künstliche
Instrumenten zu sehen, dass auch der Professor zu Paris Petrus Ramus zu seiner
Zeit gesagt: Kassel were das andere Syracusa, woselbst Archimedes wohnte.“?®)
Das Zwehrenthor erwähnt Winkelmann nicht.
Auch spätere Autoren vertreten die Meinung, dass sich Wilhelms Stern-
warte auf seinem Schlosse befunden habe, so Bailly’), Kästner”), Arago°®).
Delambre?°®) spricht allerdings bei Erwähnung der oben berührten Stelle aus der
Vorrede zu Tycho Brahes Epistolae, dass der Landgraf seine Instrumente
unter freiem Himmel auf einem Turme aufgestellt hätte. Doch kann hier bei
den bestimmten Worten Tychos (s. 0.) nur eine Ungenauigkeit im Ausdruck vor-
liegen. Aus den vorstehenden Berichten Tychos, dessen Zeugnis doch am
meisten Berücksichtigung verdient, ferner Gassendis und Weidlers, sowie den
erwähnten Beschreibungen des Schlosses kann man m. E. unbedenklich als fest-
stehend annehmen, dass Wilhelm IV. seine Sternwarte auf seinem Schlosse er-
richtet hatte. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass seine Sternwarte ein dreh-
24) Gassendi a. a. O., S. 32. Apparaverat scilicet Princeps Observatorium in summa Arce,
in quo constitutis sub dio organis Astronomicis Quadrante, Torqueto et aliis ex orichalco
edabaratis, observationes peragerentur. l
25) Weidleri: Historia Astronomiae. Cap. XIV. S. 373. — observatorium siue speculam
astronomicam Cassellis in summo Arcis erexit, et quadrantibus, sertantibus. torquelo, ex
orichalco artificiosissime evornauit, ubi sub dio coelestia phaenomena diligenter notabantur.
2) Vergl. auch Piderit a. a. O., S. 114.
27) Bailly: Histoire de l Astronomie Moderne. Band 1, S. 372.
28) Kästner: Geschichte der Mathematik. Bd. 2, S. 273.
29) Arago: Biographieen. Bd. III, S. 159.
30) Delambre: Histoire de l Astronomie Moderne I, S. 232.
— 9 —
bares Dach oder eine ähnliche Einrichtung gehabt hat, da ausdrücklich gesagt
wird, dass die Beobachtungen unter freiem Himmel angestellt wurden. Wahr-
scheinlich wurden zu diesem Zwecke die Altanen benutzt, die an der Ost- und
Siidecke des Schlosses gelegen, noch jetzt auf einer Reihe von Abbildungen des
un
bk f 3
ac?
Abb. 6.
Casseler Schloss im 16. Jahrhundert.
Schlosses zu sehen sind, z.B. auf den von Dilich herrührenden Plänen aus den
Jahren 1596 (Piderit zw. S. 112 und 113), 1605 (Dilich, Hessische Chronik) und
1793 (Piderit zw. S. 340 und 3+1). Abbildung 6 ist nach diesen Ansichten ent-
worfen, die Altanen liegen an den beiden Ecken der dem Beschauer zu-
gewendeten Seite des Schlosses. (Schluss folgt.)
Geber Schattenphänomene bei Finsternissen.
Vortrag,
gehalten auf der Treptow-Sternwarte
am 68. Beobachtungsabend des „Vereins von Freunden der Treptow-Sternwarte“ am 9. Oktober 1901
von Dr. A. Leman in Charlottenburg.
(Schluss.)
M Damen und Herren! Der Gedanke liegt schr nahe, dass die zweite der
bei den Verfinsterungen des Mondes beobachteten Nebenerscheinungen, das
sogenannte Lumen secundarium, mit der anderen in unmittelbarem ursächlichen
Zusammenhange stehen dürfte, dass also die infolge der Refraktion durch die
Atmosphäre nach dem Inneren des Kernschattens abgelenkten Sonnenstrahlen
dort eine der Beobachtung entsprechende Beleuchtung herbeizuführen ver-
möchten. Liesse sich dies durch Rechnung nachweisen, so würde damit ja auch
die eingangs angeführte, allzu oberflächlich gehaltene Erklärung dieser Neben-
erscheinung ihre sichere Begründung erhalten und dadurch von der ihr noch
anhaftenden Unbestimmtheit befreit werden. Gerade der Umstand, dass diese
naheliegende, aber doch noch des Beweises bedürftige Annahme zu einem bereits
feststehenden oder doch mindestens Ausserst wahrscheinlichen Axiom erhoben
wurde, ist es eigentlich gewesen, der die Veranlassung zu den verfehlten Er-
klarungsversuchen beider Frscheinungen geboten hat. Meine Auseinander-
— 238 —
setzungen würden daher unvollstandig bleiben, wenn ich nicht auch diesem
Punkte noch einige Worte widmen wollte, mit denen ich jedoch Ihre so stand-
hafte Geduld auf keine allzuharte Probe mehr zu setzen gedenke.
Unsere früheren Betrachtungen, welche uns eine klare Vorstellung von dem
Verlaufe der Helligkeit in der Nähe der geometrischen Kernschattengrenze ge-
liefert haben, lassen sich ohne Weiteres auch noch auf solche Stellen übertragen,
welche sich in grösserem Abstande, sowohl nach innen als nach aussen, von
dieser Orientierungslinie befinden. Nur treten dabei einige Nebenumstände
hinzu, welche der Beachtung bedürfen.
Rückt zunächst der Punkt b (Fig. 14) noch weiter nach aussen, also in das Ge-
biet des Halbschattens, so gelangt er allmählich in eine solche Lage zur Erde,
dass von ihm aus die obersten Teile der Sonnenscheibe direkt sichtbar werden,
indem die von da geradlinig auf ihn zulaufenden Lichtstrahlen keine irgend merk-
liche Ablenkung mehr erfahren. Von tiefer gelegenen Punkten der Sonnen-
scheibe kommt dann aber immer noch je ein Strahl durch Ablenkung nach b.
Das verzerrte Bild dieser nicht direkt sichtbaren unteren Partie verschmilzt
dann gewissermassen mit dem direkt sichtbaren Teil. Aus dem Hinweise, den
ich vorhin über den weiteren Verlauf der ausgezogenen und der strichpunktierten
Kurve des Diagrammes gegeben habe, können wir sofort schliessen, dass auch
jetzt noch die Helligkeit am Punkte b geringer sein wird, als im Idealfalle. Es
bedarf dann auch nur noch geringer Ueberlegung, um einzusehen, dass die ganze
Sachlage mit dem weiteren Fortrücken des Punktes 6 nach aussen sich nur
graduell verändert, dem Wesen nach aber selbst dann noch besteht, wenn ban
der äussersten Grenze des geom. Halbschattens angelangt ist und erst etwas
jenseits der letzteren die freie Sichtbarkeit der ganzen Sonnenscheibe eintritt. Ich
erwähne dies besonders deswegen, weil daraus hervorleuchtet, dass sich die
optische Wirkung der Amosphäre noch bis über die Grenze des geometrischen
Halbschattens hinaus erstreckt und erst dort ganz allmählich verschwindet. Die
richtige Nutzanwendung hiervon zu ziehen, glaube ich unter Rückverweisung
auf meine einleitenden Worte über den Schatten der Atmosphäre, getrost Ihrem
eigenen Scharfsinn überlassen zu dürfen.
Lassen wir dagegen den Punkt b auch einmal langsam von k aus in das
Innere des geometrischen Kernschattens hineinrücken! Im Anfange wird sich in
der Erscheinung, wie wir sie beim Punkt & kennen gelernt haben, nichts weiter
ändern, als dass das sichelförmige Bild der Sonnenscheibe noch länger, gleich-
Fig. 18.
zeitig aber schmäler und lichtschwächer wird; ist aber Punkt b um etwa °/,, des
Radius des Kernschattens in diesen eingedrungen, also °/ von dessen Mitte c
entfernt, so gelangt zu ihm von dem untersten Punkte Si der Sonnenscheibe auf
dem Wege unten um die Erde herum ebenfalls bereits ein Lichtstrahl. In
diesem Augenblicke beginnt sich für den Beobachter in b ein zweites Bild der
— 99 —
Sonnenscheibe, dem ersten gegenüberliegend, zu entwickeln. Dasselbe be-
schränkt sich für jetzt freilich nur auf einen einzigen Punkt, nimmt aber bei
weiterem Fortschreiten von b in gleichem Sinne sehr rasch an Länge zu, an
Breite allerdings nur äusserst langsam. Die beiden Figuren, die ich Ihnen jetzt
nacheinander vorführe, werden dies leicht anschaulich machen. Sie entsprechen
dem Fall, dass b bereits noch etwas weiter nach innen gerückt ist. Die erste
(Fig. 18) lässt erkennen, welches Stück der Sonnenscheibe an dem zweiten Bilde
teilnimmt; es ist dasjenige, welches durch den Kreisbogen nNn abgeschnitten wird,
dessen Mittelpunkt wieder der Punkt A ist, in welchem die Verbindungslinie
von 6 mit dem Erdmittelpunkt # die Ebene der Sonnenscheibe trifft und dessen
Radius AN nahezu ‘/,, des Sonnenhalbmessers beträgt. Die zweite Figur (Fig. 19)
stellt analog der früher gezeigten (Fig. 15 a. S. 212) den Anblick dar, den der Beob-
achter in 6 erhalten würde, wobei nur wieder der Deutlichkeit wegen die Breite
beider Sonnenbilder unerhört übertrieben gezeichnet werden musste. Je näher aber
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Fig. 19.
b dem Mittelpunkt c des Kernschattens rückt, desto näher rückt natürlich auch A
dem Mittelpunkt C der Sonnenscheibe. In dem Momente, wo A den Rand der letzte-
ren in S’ erreicht, umfasst jedes der beiden Bilder den halben Erdumfang; ihre
Enden vereinigen sich und beide verschmelzen zu einem um den ganzen Contour
der Erdscheibe herumlaufenden geschlossenen, jedoch noch ungleichmässig breiten
Lichtreifen. Gleichmässige Breite erlangt derselbe erst in dem Augenblicke,
wo b in die Mitte c des Kernschattens gelangt. Beim Ueberschreiten derselben
bildet sich natürlich die ganze Erscheinung in symmetrischer Weise zurück.
Diese Ueberlegung verhilft uns nun wiederum dazu, eine Vorstellung davon
zu gewinnen, wie sich der weitere Verlauf der obersten, kurz gestrichelten Kurve
des vorigen Helligkeitdiagrammes gestalten müsste, wenn man dieses weiter
nach innen bis zur Mitte des Kernschattens fortsetzen wollte. Diese Linie
stellte ja die Helligkeit am Orte des Punktes 6 dar unter der Annahme, dass
die Atmosphäre nur Refraktions-, aber keine Extinktionswirkung äusserte, d. h.
vollkommen durchsichtig wäre. Die Kurve würde offenbar zunächst noch tiefer
herabsinken, in der Gegend aber, die etwa ‘/,, des Kernschattenradius oder
— 20 —
1730 Sek. Abstand vom Centrum entspräche; sich wieder, natürlich in- ganz
sanfter Krümmung, nach oben zu biegen beginnen und in der Mitte des Schattens,
eine flache Kuppe bildend, ihre höchste Erhebung erreichen. Unter Zurück-
greifen auf die Refraktionstheorie lässt sich nunmehr berechnen, dass der er-
wähnte Lichtreifen, wenn b in die Mitte c des Kernschattens gelangt ist, eine
Breite von fast genau 3 Sekunden, also einen Flächeninhalt von etwa !/,, der ganzen
Sonnenscheibe besitzt. Es kommen alsdann aber von allen Punkten der letz-
teren, die ihrem Mittelpunkte C näher liegen als ‘/,, ihres Radius, je zwei
Lichtstrahlen nach c, der eine von oben, der andere von unten, von den dem
Rande näheren aber nur je einer. Die Beleuchtungstärke am Punkte c nach
dem Lambert schen Gesetze wird dadurch noch um etwa die Hälfte grösser und
würde somit bis auf etwa !/,, von der der unverfinsterten Mondscheibe ansteigen.
Zweifellos würde dies vollauf genügen, das Dunkel des Schattens so weit zu
mässigen, um uns die Mondscheibe wieder sichtbar und sogar Details derselben
erkennbar zu machen.
Nun müssen jedoch die hier in Betracht kommenden Lichtstrahlen die aller-
tiefsten Schichten der Atmosphäre passieren; die äussersten, von den Rändern
der Sonne ausgehenden streifen rechnungsmässig in nur etwa 2,6 km Höhe über
dem Erdboden hinweg. In diesen Schichten äussert sich ja aber, selbst wenn
wir uns die Luft völlig frei von Wolken u. s. w. denken, ihre Extinktionskraft so ge-
waltig, wie ich vorhin bereits angegeben habe; daher verlieren die Strahlen von
ihrem Leuchtvermögen soviel, dass nur noch ganz winzige Bruchteile desselben
übrig bleiben, von dem die Erdoberfläche streifenden nur etwa 4, von dem
höchsten etwa 80 Milliontel. Demzufolge sinkt denn auch die thatsächliche Be-
leuchtungstärke von dem Werte !/,, bis auf etwa höchstens 1'/, Milliontel herab,
einen Betrag, welcher mit dem Ergebnis der genaueren Rechnung Seeliger’s in naher
Uebereinstimmung steht, sicher aber viel zu geringfügig ist, um überhaupt noch
eine irgend wahrnehmbare Wirkung äussern zu können. Hieran wird auch
nichts durch den Umstand geändert, dass die Grösse der Extinktion für diese
tiefsten Schichten der Atmosphäre selbst nur unsicher bekannt ist. Denn nähme
man selbst an, dass ihr Wert um das Hundertfache zu gross angesetzt sei, was
jedoch mit der ungeheuren Menge von Beobachtungen, welche die Grundlage
der ganzen Extinktionstheorie bilden, schlechterdings unvereinbar sein würde,
so könnte das immer noch längst nicht hinreichen, die Helligkeit im Schatten-
centrum auf diejenige Höhe zu bringen, welche das Lumen secundarium im
allgemeinen aufzuweisen pflegt. In Bezug auf letztere mangelt es allerdings
noch gänzlich an einigermassen verlässlichen Zahlenangaben. Zwar ist versucht
worden, auf photographischem Wege zu einer Bestimmung derselben zu ge-
langen. Man machte zu dem Ende eine Aufnahme der Mondscheibe während
einer totalen Finsternis, wozu natürlich eine sehr lange Expositionszeit erforder-
lich war; darauf stellte man auch Aufnahmen des unverfinsterten Mondes mit
viel kürzerer Expositionszeit und unter Abblendung des grössten Teiles der
Objektivöffnung her, bis die Schwärzung der Platte derjenigen bei der ersten
Aufnahme möglichst gleich kam. Aus den Verhältnissen der Expositionszeiten
und der benutzten Objektivöffnungen ergab sich dabei die Wirkung des Lichtes
bei unverfinstertem Monde etwa 17000 mal stärker als bei verfinstertem. Diese
Zahl hat jedoch für uns keine eigentliche Bedeutung, denn die Wirkung des
Lichtes auf die photographische Platte ist grundverschieden von der auf das
Auge ausgeübten, worauf es hier ja doch ganz allein ankommt. Der verfinsterte
— 2411 —
Mond sendet beinahe nur rotgelbe Strahlen aus, welche photographisch inaktiv
sind, auf das Auge unter allen farbigen Strahlen aber fast den stärksten Ein-
druck machen. Man wird kaum fehl gehen, wenn man die vom Auge beurteilte
Helligkeit auf bedeutend mehr als das Hundertfache der photographischen Wirk-
samkeit einschätzt. So vage aber auch dieser Ueberschlag ist, jedenfalls führt
er doch zu der Ueberzeugung, dass das Lumen secundarium unmöglich seine
Entstehung der Wirkung derjenigen Sonnenstrahlen verdanken kann, welche
durch Refraktion in der Atmosphäre in das Innere des Kernschattens gelenkt
werden.
Wo aber kann denn dieses Lumen secundarium nun seinen wirklichen Ur-
sprung haben? Diese Frage zu beantworten, sehen wir uns genötigt, den Boden
der strengen Theorie, auf dem wir uns bis jetzt mit unfehlbarer Sicherheit be-
wegt haben, zu verlassen und unsere Zuflucht zu einer blossen Hypothese zu
nehmen. Damit aber geraten wir auf ein Gebiet, in welchem Kontroversen nicht
allein möglich, sondern auch durchaus gerechtfertigt sind. Eine solche
Hypothese liegt nahe, ist von vornherein sehr wahrscheinlich darum auch
schon alt und z.B. in dem Lehrbuche der kosmischen Physik von Joh.
Müller klar ausgesprochen. Sie steht mit unseren bisherigen Betrachtungen
in engem Zusammenhange und geht von der Vorfrage aus, wo denn das
Sonnenlicht bleibt, welches durch die Extinktionswirkung der Atmosphäre
zum Verschwinden gebracht wird. Schlechthin vernichtet kann es nicht
werden, denn wir wissen, dass es ja eine der verschiedenen Formen der all-
gemeinen grossen Naturkraft ist, welche nach dem von dem genialen Robert
Mayer zuerst erkannten Satze von der Erhaltung der Energie höchstens in
andere Formen übergeführt werden, niemals aber verloren gehen kann. Ein
Teil derselben mag sich in Wärme, ein anderer in elektrische, vielleicht auch
chemische Energie umsetzen, ein grosser Teil aber bleibt auch in gleicher Form
erhalten. Dies sehen wir ja deutlich an den Erscheinungen, auf welche ich mit
Vorbedacht bereits an früherer Stelle aufmerksam gemacht habe, insbesondere
an der Dämmerung. Das Licht ändert nur seinen Charakter, indem es zu
diffusem oder zerstreutem wird. Jeder Punkt der von den direkten Sonnen-
strahlen durchsetzten Atmosphäre wird dabei zum Ausgangscentrum einer neuen
Lichtwirkung, d. h. die Atmosphäre wird nicht allein durchstrahlt, ähnlich wie
Glas, sondern auch durchleuchtet und damit selbst wieder Licht aussendend,
etwa wie die Rückseite eines Stückes Seidenpapier, dessen Vorderseite der Be-
strahlung durch die Sonne ausgesetzt ist.
Ein Beobachter in der Ebene MM unserer früheren Figuren würde daher,
gleichgiltig, an welchem Punkte dieser Ebene er sich befinden möchte, ausser
den vorhin kennen gelernten Bildern der Sonnenscheibe, auch noch den ganzen
Rand der Erdscheibe mit einem Lichtgürtel von nicht ganz unbeträchtlicher
Breite und Helligkeit umgeben, wahrscheinlich auch innerhalb desselben den
dem Rande nahe liegenden Teil der Erdoberfläche selbst in dammerigem Lichte
schimmern sehen. Dieser Lichtgürtel wird daher über die Ebene MM, wenigstens
insoweit als sie hier in Betracht kommt, ein gleichmässiges Nebenlicht verbreiten,
welches die ganze Schattenerscheinung für uns etwas matter machen wird, ohne
jedoch an ihrem Charakter etwas Wesentliches zu ändern, insbesondere die
scheinbare Vergrösserung des Kernschattens irgend merklich zu beeinflussen.
Dass die Existenz eines solchen Nebenlichtes einerseits genügt, die Erscheinung
des Lumen secundarium der Beobachtung desselben getreu entsprechend zu er-
— 242 —
klaren, anderseits auch keine Störung der übrigen bekannten Vorgänge bei
einer Mondfinsternis zur Folge hat, beabsichtige ich alsbald durch ein einfaches
Experiment zu zeigen. Vorher vergegenwärtigen wir uns aber, dass jenes diffuse
Licht, welches in der Atmosphäre entsteht, selbst noch immer wieder durch
weite Strecken in dieser hindurchgeht und dass es, soweit seine Wirkung auf
den Mond in Betracht kommt, gerade über denjenigen Gegenden der Erdkugel
lagert, in denen die Sonne im Auf- oder Untergange begriffen ist, wo also infolge
des raschen Temperaturwechsels die Luft mit Wasserdünsten und feinen
Nebeln reich beladen ist. Hierdurch wird, indem wir nur an den vielfach
gewohnten Anblick der Morgen- und Abendröte zu denken brauchen, leicht er-
klärlich, dass dieses Licht nach dem Austritte aus der Atmosphäre eine stark
rote Färbung angenommen haben und eine solche natürlich auch dem über dem
Schatten verbreiteten Nebenlichte erteilen wird. |
Nun habe ich eine Scheibe hergestellt (Fig. 20), welche bei der Rotation wieder
das ganze Schattenbild auf der Ebene MM zeigen wird, dabei aber eine Einrichtung
Fig. 20.
getroffen, dass dabei auch jenes rote Nebenlicht mit auftreten muss. Zu diesem
Zwecke ist für die Konstruktion der Umrisslinie nicht der volle Betrag eines
halben Umganges benutzt, sondern ein spitzer Sector frei gelassen worden,
welcher mit einem Stück roter Gelatine überdeckt ist. Ware alles übrige
geschwärzt und nur der Sector allein lichtdurchlässig, so würde er bei der
Rotation den ganzen Auffangeschirm schwach rot beleuchten und es ist klar,
dass er in Verbindung mit der kontourierten Scheibe genau die beabsichtigte
Wirkung ausüben muss. Derselbe Zweck wäre freilich noch einfacher unter
Wiederbenutzung der früheren Scheibe zu erreichen gewesen, wenn das Neben-
licht durch eine besondere rot gefärbte Lichtquelle erzeugt würde. Wir hätten
dabei aber kein rechtes Urteil über die Menge des letzteren im Verhältnis zu
der weissen Beleuchtung des Hintergrundes erhalten; darum habe ich die erste
Anordnung vorgezogen. Betrachten wir nun vor Allem einmal den unmittelbaren
Eintluss auf das Schattenbild. Dieses unterscheidet sich augenscheinlich in rein
gar nichts von dem früher gesehenen. Wir nehmen auch nicht einmal die
— 243 —
leiseste Spur der roten Färbung wahr. Wunderbar genug, doch schr natürlich.
In der äusseren Partie wird die geringe Quantität des tiefroten Lichtes durch
die viel grössere des sich dazu mischenden weissen so stark verdünnt, dass sie
für das Auge unerkennbar wird. In dem Schattengebiete ist nur das rote Licht
allein vorhanden; dieses Gebiet erscheint uns aber im Kontrast gegen den hellen
Hintergrund so dunkel, dass wir das schwache Nebenlicht darin überhaupt nicht
merken, umsoweniger seine Färbung, die ja überdies mit der des Hintergrundes
vollkommen übereinstimmt.
Ich verdecke das Schattenbild innerhalb der Projektionslampe durch einen
vorgesetzten Pappdeckel mit einem kreisrunden Loch darin, dessen Durchmesser
zu dem des Schattenbildes im Verhältnis 1 zu 2,6 steht. Das Bild dieses Loches
erblicken Sie ganz rechts auf dem Projektionsschirm und ich darf wohl auf Ihr
Entgegenkommen rechnen, wenn ich Sie bitte, dasselbe für die Scheibe des
Vollmondes ansehen zu wollen. Um die Illusion zu verstärken, habe ich diesen
Mond auch mit einem Krater begabt, in Gestalt eines schwarzen Klexchens auf
der Glasscheibe, welche in die Oeffnung des Pappdeckels eingefügt ist. Wir
lassen ihn seinem Verhängnis, verfinstert zu werden, entgegengehen, indem wir ihn
dem Schattenbilde nähern. Sie bemerken, wie sich jetzt von ihrem linken Rande
her ein leichter grauer Schleier über die Mondscheibe zu verbreiten beginnt:
das ist die Wirkung der äusseren Partieen des Halbschattens. Der Schleier
wird immer dichter und allmählich so dunkel, dass uns der linke Rand der
Mondscheibe völlig verschwindet. Achten wir auf den Krater, so ist er jetzt
noch ziemlich gut sichtbar, taucht aber alsbald in die verschwommene schein-
bare Grenze des Kernschattens ein und wird darin vollständig unerkennbar. Jetzt
nähert sich auch der rechte Rand der Mondscheibe der Schattengrenze; die noch
sichtbare Sichel derselben wird kleiner und kleiner, gleichzeitig auch unter der
Wirkung des Halbschattens bereits merklich dunkler und nun sehen Sie am
linken Rande das Lumen secundarium sich in rötlicher Farbe entwickeln. Dass
diese Färbung nunmehr sichtbar wird, während sie vorhin bei dem Totalanblick
des Schattenbildes gar nicht wahrnehmbar war, liegt einfach daran, dass das
Auge jetzt nicht mehr durch das Uebermass des weissen Lichtes geblendet und
dadurch unempfindlich gemacht ist. Sowie nun auch noch der letzte Rest der
Mondscheibe in dem Kernschatten verschwunden ist, leuchtet der rote Schimmer
noch vicl lebhafter auf, verbreitet sich auch über die ganze Mondscheibe. Der
schwarze Krater ist noch immer unsichtbar; nach kurzer Zeit hat sich aber das
Auge an die jetzt herrschende verhältnismässige Dunkelheit gewöhnt, da tritt
denn auch der Krater wieder deutlich erkennbar hervor. Es wird dadurch der
Eindruck hervorgerufen, als ob die Mondscheibe beim tieferen Eindringen in den
Erdschatten noch weiter an Helligkeit zunähme, während doch der Versuchs-
anordnung zufolge zweifellos feststeht, dass ihre Beleuchtung noch etwas, wenn
auch nur sehr wenig schwächer ist als am scheinbaren Rande des Kernschattens.
Auch hier spielen also die besonderen Eigentümlichkeiten des Auges eine
wesentliche Rolle.
Noch deutlicher tritt dies am Ende der Verfinsterung hervor: der Krater
verschwindet erst wieder, wenn bereits ein Stückchen des Mondes aus dem
Schatten heraus gekommen ist und die Empfindlichkeit des Auges unter dem
Einfluss der damit hereinbrechenden verhältnismässig grossen Helligkeit sinkt.
Bald darauf tritt dann natürlich auch der Krater wieder aus dem scheinbaren
Kernschattenrande ins Licht.
— 244 —
Der ganze Verlauf der hier auf künstliche Weise nachgebildeten Mond-
finsternis entspricht bis ms kleinste Detail genau den Beobachtungen des Natur-
ereignisses selbst, und die zur Erklärung der zweiten Nebenerscheinung auf-
gestellte Hypothese gewinnt damit jedenfalls einen sehr hohen Grad von
Wahrscheinlichkeit. Gleichwohl würde es ein Irrtum sein, darin einen unwider-
sprechlichen Beweis für ihre Richtigkeit zu erblicken. Es bleibt immerhin nicht
ausgeschlossen, dass die Erscheinung doch wohl noch auf anderen uns unbekannten
Ursachen beruhen könnte. Von der physischen Natur der Mondoberfläche wissen
wir so gut wie nichts. Wäre es da nicht sehr wohl denkbar, dass sie die Eigen-
schaft der Luminiscenz besässe, d. h. das Vermögen, nach Bestrahlung durch
die Sonne im Dunkeln einige Zeit zu leuchten? Danach hätten wir eine neue
Hypothese, welche zwar etwas weit hergeholt erscheint, aber doch ebensogut
möglich ist als die erste, auch die Erscheinung selbst mindestens ebenso voll-
kommen zu erklären vermöchte. Nur der einzige Umstand, dass letztere ihrem
Intensitätsgrade nach veränderlich ist, spricht zu Gunsten der ersten Hypothese,
weil er damit leicht vereinbar ist, bei der zweiten dagegen höchstens in ge-
zwungener Weise zu begründen wäre. Läge er nicht vor, so gäbe es schlechter-
dings kein Mittel, zu entscheiden, welche von ihnen die richtige ist, und auch
jetzt noch bleibt es zweifelhaft, ob sie nicht vielleicht beide neben einander
bestehen und sich in mancher Beziehung gegenseitig unterstützen und ergänzen
könnten. Es liegt eben im Wesen einer Hypothese, dass sie zwar der Wahr-
scheinlichkeit sehr nahe gebracht werden, niemals aber zur Gewissheit gelangen
kann. Ihnen dies besonders fasslich zu erläutern, bildete für mich einen Neben-
zweck von hervorragenden Interesse.
Ganz anders nämlich verhielt es sich bei der Erklärung der scheinbaren
Vergrösserung des Erdschattens. Der Arbeit des Herrn Prof. Seeliger liegt
keinerlei unbewiesene Annahme zu Grunde; sie stützt sich ausschliesslich auf
bekannte Naturgesetze und zeigt in logischer Schlussfolgerung, dass aus ihnen
mit eiserner Notwendigkeit die beobachtete Erscheinung hervorgehen muss. Das
dort angefügte Experiment erscheint nur dem oberflächlichen Blick als Krönung
des ganzen Gebäudes, ist aber in Wirklichkeit nichts weiter als eine klassische
Probe auf fehlerfreie Durehführung der Rechnung und hinreichende Sicherheit
und Vollständigkeit ihrer Grundlagen. Das Ergebnis aber stand eigentlich von
vornherein bereits unbezweifelbar fest als Endziel einer wohlbegründeten, un-
umstösslichen Theorie. ap
Siebentes Verzeichnis von Beiträgen zur Errichtung der Vortragshalle der Treptow-
Sternwarte.
108. Actien-Gesellschaft für Ani- 114. R. Schroeter, Berlin. . . .. 10 M.
lin-Fabrikation, Berlin . . . 300M. | 116. H. Binder, Berlin . . . 2... 10 -
109. Gemeinde Treptow. . . 200 - 116. Stud. rer. nat. W.Mecklenburg,
110. Director P. Mankiewitz, Berlin. DO - PAKON 2.0 sod ah A 4 -
111. G. Hammer, Berlinu . . . ; 20 - 629 M.
112. Carl Lier, Schwarzfeld (Harz) ; 20 - Die Summe der früheren Spenden betrug: 9631 -
113. Geh. Hofrat H. Kelchner, Berlin 15 - | Insgesammt: 10 260 M.
Allen freundlichen Zeiehnern sprechen wir den wärmsten Dank für diese Bethätigung ihres
Interesses aus. Weitere Beiträge nimmt die „Deutsche Genossenschaftsbank von Suergel, Parrisius& Co.
Berlin W., Charlottenstrasse 35a“ und die „Deutsche Bank, Depositen-Casse A, Berlin W., Mauer-
Strasse 28-32“, entgegen.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Fa Archenhold, Treptow-Berlin; fur den Inseratenteil: C. A.,Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin 8W.
Beilage zur illustrierten Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete
„DAS WELTALL“ Jahrgang 2, Heft 20.
(zu F. Albrecht: Die Sternwarte des Landgrafen von Hessen Wilhelms IV. zu Kassel, Seite 252.)
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Landgraf von Hessen - Kassel.
(1567— 1592.)
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
ale Herausgegeben von km
2. Jahrgang 20.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 Juli 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pre, 1, Seite 60.— IG Seite 30.— ,1/ Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Sonne, Mond und Sterne in Märchen und Sagen der 4. Bücherschau: Andrew Carnegie, Die Pflichlen des
Vorzeit. Von Max Jacobi `, . . 2. 2 2 20200. 245 Reichtums. — Dr. B. Krembs, Lebensbilder aus der
2. Die Sternwarte des Landgrafen von Hessen Wil- Geschichte der Sternenkunde. — C. Musmacher, Kurze
helms IV. zu Kassel. Von F. Albrecht (Schluss) . . 251 Biographien berühmter Physiker. — Dr. B. Weinslein,
3. Kleine Mitteilungen: Warum erscheint uns der Himmel Einleitung in die höhere mathemalische Physik. —
hlaw? — Der Komet Brooks 1902a@ . . . .... 254 Johann Kleiber, Lehrbuch der Physik . . ... . 255
Sonne, Mond und Sterne in Märchen und Sagen der Vorzeit.
Von Max Jacobi.
Hen wir die Einwirkung der Himmelsphänomene auf die dichterische
Fantasie der Urvölker näher betrachten, erscheint es wohl angebracht, in
kurzen Zügen eine andere Periode der ägyptischen Zeitrechnung darzustellen,
welche bei ihrem innigen Zusammenhange mit den Mythen des Pharaonen-
landes auch einen brauchbaren Uebergang zu den folgenden Ausführungen
bilden kann*).
Die Sage vom wundersamen Vogel Phönix, der aus der Asche in neuer Jugend-
kraft zum Aetherraum emporsteigt, führt auf jene altägyptische Periode zurück.
Wir bemerken, dass unter den griechischen Historikern zuerst Herodot (Buch U,
Kap.73) dieser yoivs&-Periode in symbolischer Form gedenkt, dann kommen die nach-
klassischen Schriftsteller — auch Plinius — auf diese Zeiteinteilung der Pharaonen
in freilich recht fantastischer Weise zu sprechen. Erst Lepsius, dem Scharfsinnigen
Aegyptologen, gelang es, in seinem Fundamentalwerke über die „Chronologie der
alten Aegypter“ (Berl., 1849) auf das Dunkel der Phönix-Periode einiges erhellendes
Licht zu werfen.
Während Herodot und Tacitus die Wiederkunft und Neugeburt des Phönix-
vogels aus der Asche je nach 500 Jahren festsetzen, beträgt diese Periode
nach Chaeremon 7006 Jahre, und in Hesiod’s Fragmenten liest man gar,
dass eine Krähe 9 Menschenalter lebe, ein Hirsch 4 Krähenalter, ein Rabe
3 Hirschenalter, der Phönix 9 Rabenalter, und endlich die Nymphe 23 Phönix-
alter. Es scheint hierin eine Spielerei mit den im Pharaonenlande heiligen
Zahlen 3, 4 und 9 zu liegen. Nach Horapollon — einem mystischen Schrift-
steller der Ptolemäerzeit — lebt nun die Krähe 400 Jahre, somit die Nymphe
43200 Jahre. Es ist dies recht bedeutsam, weil auch das älteste babylonische
*) Als recht wichtiges Quellenwerk seien die Fragmente des ägyptischen Priesters Manetho
erwähnt, welche Müller 1348 zu Paris veröffentlichte. Manethö lebte zur Zeit der ersten Ptolemäer
und schrieb eine „Geschichte Aegyptens“.
Vergl. u. a.: Boeckh: „Manethö und die Hundssternperiode“, Berl, 1846.
— 246 —
Zeitalter des Berosus”) und die Periode „Kali juga“ der Inder**) = 43 200 Jahre
umfasst. — Uebrigens nennt Horapollon nicht mit Unrecht den Phönix „iAfov
euußoAov“ — Symbol der Sonne. Denn in dem Phönix, der aus cinem rätselhaften Lande
des fernen Ostens jede 600 Jahre in das Aegypterland flog, im heiligen Feuer zu
Asche verbrannte und in neuer Jugendkraft der Asche entstieg, verkörpert sich
das reine Himmelslicht. Der Phönix ist eigentlich nichts weiter als der
Horusvogel. Diese Phönixperiode lässt unbedingt darauf schliessen, dass die
alten Aegypter von der Präcession der Nachtgleichen Kenntnis erhalten
haben — was bei ihren jahrtausendelangen Himmelsbeobachtungen auch ganz
natürlich erscheint. Unter diesen Umständen werden uns auch verschiedene
dunkle Stellen bei altklassischen Historikern und Philosophen klarer.
Wenn nämlich Pomponius Mela schreibt, dass nach altägyptischen Be-
richten die Sonne zweimal dort aufgegangen sei, wo sie unterzugehen pflege
und Platon im „Politicus“ den Fremden erzählen lässt, dass zur Zeit des Atreus
und Thyestes die Sonne ihren Auf- und Untergangsort gewechselt habe, so
rührt dies von der Verschiebung der Tierkreisbilder infolge der
Präcession her, die in langen Zeiträumen bewirken muss, dass die Sonne in
dem einstigen Sternbilde ihres Aufganges untergeht etc. Später erhielt die
Phönixperiode, bezgl. der Phönix selbst — dem Zeitgeiste entsprechend — eine
ethisch-religiöse Bedeutung, die geflügelten Seelen der platonischen Schule sind
eigentlich Erweiterungen des Phönix-Mythus.
Uebrigens bewirkte diese Kenntnis von der Präcession auch in Alt-Babylon
recht eigentümliche Verwirrungen in der Orientierung. Es fällt nämlich auf
dass auf altbabylonischen Grenzsteinen der ältesten Zeit der Süden rechts
gedacht ist und auf Grenzsteinen jüngeren Datums nach unten verlegt wird.
Man geht wohl nicht zu fern mit der Behauptung, dass auch hier die entdeckte
Präcession eine Rolle spielt. Denn gesetzt, man hat in jener ältesten Zeit irgend
ein Sternbild des Zodiacus als unbedingten Wegzeiger für die auch in religiöser
Beziehung recht wichtige Südrichtung erklärt, so musste nach einer längeren
Periode dieses Sternbild infolge der Präcession um 90° gewandert sein und
nunmehr einen ganz anderen Standpunkt haben. Religiöse Gründe hinderten
*) In Berosus verchren wir den bedeutendsten chaldäischen Historiker, der unter der Regierung
des bekannten Königs der Syrier, Antiochus Soter (280 bis 270 v. Chr.), lebte. Seine babylonische
Geschichte — ein hochwichtiges Quellenwerk — ist leider nur in Fragmenten vorhanden, die W. Müller
gesammelt hat. Ueber ihn veröffentlichte auch W. Richter (Lpzg. 1825) einen brauchbaren Traktat.
**) Ueber die altindische Astronomie, sowie auch über diejenige der alten Chinesen beab-
sichtigen wir, in einem besonderen Artikel zu handeln. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die
Chinesen ursprünglich den Kreis in 365'/, Teile zerlegten, entsprechend der Zeit, welche die Sonne
in ihrem jährlichen Umlaufe benötigte. (Man vergl. hierzu die Auszüge aus dem T3eou-pi, fernerhin
auch: Moritz Cantor, „Zeit und Zeitmessung“ (in den „Neuen Heidelberger Jahrbüchern“ Bd. II).
Wir erwähnen hier dann noch die Zeitmessung eines indischen Urvolkes, der Tschamen,
welche dieselben auch heute noch benutzen: Die Aera von Caka (im Jahre 78 n. Chr. eingeführt),
wird nicht mehr gebraucht. Man ersetzt sie durch einen Cyklus von 12 Jahren. Jedes dieser
12 Jahre führt den Namen eines der markanteren Tiere Indiens, wie Tiger, Schlange, Affe etc. Man
berechnet die Zeit nach Mondmonaten zu 30 und 29 Tagen und teilt dieselben wiederum in
2X14 Tage, je nach ab- wie zunehmenden Monde. Fernerhin haben die Tschamen auch schon seit
alter Zeit 7 Wochentage, deren Namen sanskritischen Ursprung verraten und durchweg plane-
tarischen Charakters sind. Dieselben lauten: Adit (für ©), Thom (für Ç), Argar (für 6)
But (für 9), Jip oder Djip (für 4%), Skuk (Suk) (für SL Sant3er (für h).
In jedem 3. Jahre fügt man zum Ausgleiche einen Schaltmonat ein. — Die 12 Taystunden
beginnen mit dem ersten Hahnenschrei. Ihnen entsprechen 5 Nachtstunden.
Vergl.: „Revue de Uhistotre des Religions“, 1890 Bd. 12.
— 4l `
wahrscheinlich, von der alten Vorschrift abzuweichen, und so wurde die Süd-
richtung um 90° am Himmel verschoben. — — —
Nach dieser einleitenden Bemerkung wollen wir nunmehr zu unserem
eigentlichen Thema gelangen, welches uns den Einfluss der Himmelskörper,
insbesondere der Sonne, des Mondes und der im Altertume bekannten Planeten
auf die Märchen- und Sagenbildung sowie auch auf die Entwicklung des religiös-
ethischen Gedankens in der Völkerseele vor Augen führen soll*).
Wir fangen in unserer Darstellung mit jenem Gestirne an, dessen Lichtfülle
in seiner tief einschneidenden Wirkung auf die terrestrischen Verhältnisse auch
den bedeutendsten Einfluss auf die Mythologie und Kosmologie ausgeübt hat,
mit der Sonne**).
*) Aus der zahlreichen Litteratur auf diesem Gebiete erwähnen wir nur neben den bereits in
einer früheren Abhandlung („Weltall“, Jg. 2, S. 108) genannten Werken:
Chantepie de la Saussaye: Lehrbuch der Religionsgeschichte, 2 Bde., Freib. 1897. —
Preller: Griech. Mythologie, 4. Aufl Preller: Römische Mythologie. — Grimm: Deutsche Mytho-
logie. — Mannhardt: Germanische Mythen. — Simrock: Deutsche Mythologie. — John F.Blake:
„Astronomical Myths“, London 1877. — George St. Clair: „Creation Records discovered in
Aegypt, London 1898. — A. Roussel: „Cosmologie hindouane*, Paris 1898. — Leon W. King:
„Babylonian Magic and sorcelery“, London 1896. — P. Jensen: „Kosmologie der Babylonier“,
Strassburg 1891. — Edm. Veckenstacdt: „Kosmogonie der Arier“, in „Zeitschrift für Volkskunde“,
1890. — Franz Lukas: „Die Grundbegriffe in der Kosmogonie und Theogonie der alten Völker“.
**) Es verlohnt wohl auch der Mühe, anhangsweise die Ideen der Urvölker über die Welten-
schöpfung zu erörtern. Bemerkenswert ist es, dass sowohl der Mythus des Pharaonenlandes, wie
derjenige Alt-Babels und Alt-Indiens einen feuchten Urstoff annimmt, dem wir späterhin in der
Lehre der ionischen Philosophen begegnen. Bei den Aegyptern hiess dieser feuchte Urstoff in
chaotischer Form „Nun“, bei den Babylonicrn ward er „Apsu-Tiamat“ benannt, in den ,Veden* —
den ältesten mythologischen Texten der Sanskrit-Sprache — „Apas“. Aus dieser Feuchtigkeit heraus
bildete sich ein Ei, das Weltenei. Auch dieser Mythus findet sich bei den drei genannten — in
Sprache und Rasse so verschiedenen — Kulturvölkern der Antike Es liegt dem Mythus eben die
Thatsache zu Grunde, dass aus dem anorganischen Ei sich lebende Organismen entwickeln. Aus
diesem Weltenei — dem wir bekanntlich in der Lehre der hellenischen Sophiker wieder begegnen,
entsteht als erstes höheres Wesen eine Kuh — als Personifikation der Zeugungskraft selbst im alt-
germanischen Mythus. Dann entsteht die übrige Götterwelt, wobei zuerst die 4 Elemente Wasser,
Feuer, Luft und Erde symbolisiert werden. Die Weltenbildung an sich geschieht nicht ohne Kampf.
So widerstrebt in der Lehre der Perser Ahriman dem Ormuzd sehr lange bei der Weltenschöpfung.
Letzterer Gott muss einen schwachen Augenblick des bösen Dämons benutzen, um die Erde in
366 Tagen und 6 „Zeiträumen“ — entsprechend dem Sonnenlaufe — zu gestalten. Ein ähnlicher
Kampf findet in der babylonischen Lehre von der Weltenschöpfung statt, und auch die Kosmogonie
der Littauer spricht von dem Siege des Weltenbaumeisters Artes über den feindlichen Adler bei
der Schöpfung. Bemerkenswert ist der Zusammenhang zwischen Uranus mit Sanskrit: Varuna,
dem Göttervater, fernerhin der Mythus von der Entmannung des ersten Gottes Kronos, welcher sich
bereits in altägyptischen Texten als Entmannung des Osiris findet — wahrscheinlich eine Symboli-
sierung des jährlichen Wechsels von Fruchtbarkeit und Entkräftung in der Natur. Bei Homer tritt
uns Okeanos als Vater von Göttern und Menschen entgegen — also eigentlich auch jener feuchte
Urstoff. Man erinnere sich auch, dass in der Geheimsprache der Pythagoracer das Meer „Thräne
des Kronos“ genannt wurde!
Einem wirklichen Chaos ohne irgend welche Eigenschaften begegnen wir im alt-
germanischen Mythus als Ginnungagap. Von letzterem heisst es in der Völuspa:
Einst war das Alter, da alles nicht war, Nicht Erde fand sich, noch Ueberhimmel,
Nicht Sand noch See, noch salz'ge Wellen, Gähnender Abgrund — und Gras nirgend.
Dieselbe Anschauung tritt uns dann in einem der ältesten Denkmäler althochdeutscher Sprache
entgegen, dem Wessobrunner Gebet.
Das „Tohuwabohu“ der Bibel darf keineswegs als Chaos im eigentlichen Sinne — d.h. ohne
jede denkbare Eigenschaft — erklärt werden! Ueber die Weltenschöpfung nach der Bibel vergl. u. A.:
Zöckler: Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie uud Naturwissenschaft.
Kurtz: „Bibel und Astronomie“ (4. Aufl). Nur mit Vorsicht zu benutzen.
— U —
Die Sonnenverehrung der Aegypter, welche oft geradezu eine rührende
Erkenntlichkeit für die Wohlthaten dieses Himmelslichtes der Menschheit gegen-
über zeigt, gab bald zu einer erschöpfenden Mythenbildung Anlass. Man glaubte,
bei den plötzlich eintretenden Finsternissen das göttliche Tagesgestirn gegen die
Verfolgungen eines bösen Dämons — der ersten Andeutung der Teufels.
gestalt — schützen zu müssen. Anfangs wurde dieser Dämon — nach Maspéro's
trefflichen Ausführungen in der „Revue de [Histoire des Religions 1889“ —
„Nehaho“ oder „Apopi“, d. h. Sonnenfeind, benannt. Er durcheilt nach der
Anschauung der Pharaonenpriester sein Gebiet auf einer Barke von 440 Ellen
Länge. Späterhin ward als Sonnenfeind der Kriegsgott Set erklärt, welcher dem
Sonnengotte Osiris nachstellt und ihn meuchlings tberfallt. Man findet diese
Sage vom bösen Dämon, welcher den gütigen Spender des Lichtes hinterrücks
ermordet, auch in den Sagen arischer Völker. So erinnern wir nur an die
germanische Sage von Baldur und Loki und den furchtbaren Kampf zwischen
Ormuzd und Ahriman im Zend-Avesta der Perser!
Der liebliche Schein der Morgenröte, welche der Tagesgöttin gleichsam den
Weg zu bahnen versucht, fand in den Mythen aller Kulturvélker. eine weibliche
Personifikation. Die Sonne selbst ward auf einem Wagen gedacht, der von
feurigen Rossen gezogen wurde. So heisst es in einem Hymnus an Mythra —
dem persisch-phrygischen Sonnengotte: „Mithra — den wachsamen, der mit
falben Rossen, mit scharfer Lanze etc.“ Fernerhin: „Mithra — den wach-
samen, der falbe Renner angeschirrt am Wagen laufen“ *).
Die Falbheit der Rosse am Sonnenwagen findet sich nur als Eigenart indo-
germanischer Mythen. Bekanntlich ist auch der Sleipnir Wotan’s, dessen Auge
die Welt durchdringt, von falber Farbe!
Allgemein verbreitet findet sich bei den semitischen Kulturvölkern die An-
schauung, dass die Sonne täglich durch ein Thor in den Himmel trete, und
abends durch ein anderes Thor denselben verlasse. Man nannte in Alt-Babylon
das Thor des Sonnenaufganges ,zitshamshi* (Letzteres Bezeichnung der
Sonne), das Thor des Sonnenunterganges (erib Shamshi). Merkwürdig ist
es immerhin, dass wir diesen Thoren am Himmelszelt auch in den Mythen der
Polynesier begegnen und zwar in so verschiedener Form, dass eine Be-
einflussung in prähistorischer Zeit nicht gut angenommen werden
kann. So halten nach den geistvollen Ausführungen Th. Achelis „Ueber
Mythologie und Kultus in Hawai‘ die Polynesier insbesondere die Pleiaden für
die Thore des Himmels**).
Zu den interessantesten Mythen und Märchen gaben die Sonnenwenden
bei allen Völkern der Erde Veranlassung. Als Kind (7'sse) dachten die alten
Chinesen sich die Sonne zur Zeit der Winterwende, denn allmählich schien die
Tagesgöttin ihrer Reife zuzucilen***). Der sinnige Mythus von der klagen-
den Isis, welche den zerstückelten Leichnam ihres Gemahls Osiris sucht, die
hellenische Sage von der jammernden Demeter, die für 6 Monate im Jahre
des Anblickes ihrer lichtstrahlenden Tochter Persephone beraubt ist, die baby-
lonische Erzählung von der Höllenfahrt der Ishtär (Astarte, eigentlich die
*) Man vergl. u. a.: Franz Windischmann „Ueber Mithra“ in der „Zeitschrift für Kunde des
Morgenlandes“, 1859.
**) Wir weisen auch auf das erschöpfende Werk Fr. Bastian’s: „Heilige Sagen der Polynesier“ hin.
**#*) Veryl. Franz Kühnert: „Die Entstehung der Welt nach chinesischer Anschauung“ im
„Ausland“ 1893.
— 4 —
Liebesgöttin, als welche sie zum Vorbilde der Aphrodite gedient hat), ja selbst
die Joseph-Legende des ersten Buch Mosis werden mit Recht auf den jähr-
lichen Wechsel von Leben und Erstarrung in der Natur zurückgeführt! Ebenso
sicher mag auch die Orpheus-Sage einen Sonnenmythus enthalten, welcher die
Abwesenheit der Lichtgöttin in verzweiflungsvoller Klage ausdrücken soll. Um so
eher ist dies anzunehmen, weil die liebliche Eurydice gleich jener babylonischen
Ishtär in die Unterwelt hinabsteigen muss und man die Sonne in den ältesten
Zeiten während eines halben Jahres dort verweilen liess. Was nun die arischen
Sagen zur Sonnenwende anbetrifft, so verdanken wir diesem Himmelsphaenomen
vor allem unser reizvollstes deutsches Märchen. Das holde Dornröschen, welches
auf dem verwunschenen Schlosse sammt den ihrigen in traumloser Betäubung
schläft, bis der fremde Prinz Eingang zu der rosenumrankten Zauberburg findet,
ist nichts weiter als eine sinnige Symbolisierung der Sonnenwende — eine
Symbolisierung, wie sie nur bei einem Volke entstehen konnte, welches tiefes
Gefühl für jede Naturschönheit besass. Man findet das Urbild des Marchens
vom Dornröschen zwar schon in altindischen Sagen; aber in so schlichter und
herzgewinnender Art begegnen wir der Legende nur in der altgermanischen
Mythenwelt. Auch die Antike erfreute sich einer schönen Sage, welche die
Sonnenwende symbolisierte, nämlich der Adonis-Mythus. Adonis — der Licb-
ling der schaumgeborenen Aphrodite — wird auf der Jagd von einem Eber ge-
tötet, den die neidische Artemis gesandt hat. Aphrodite bricht über den jähen
Verlust ihres Geliebten in ein verzweiflungsvolles Jammern aus und lässt aus
dem Blute des Getöteten Ancmonen, Rosen und andere duftige Sommerblumen
entstehen. Zeus wird endlich durch ihre herzergreifenden Klagen so gerührt,
dass er ihr erlaubt, den Adonis für 6 Monate auf Erden lebend in ewiger
Jugendschöne zu besitzen, ihn aber für die übrigen 6 Monate dem Hades über-
lassen zu müssen. — Es geht dieser liebliche Mythus vielleicht auf die Thammuz-
Sage der Babylonier zurück. Im Monat Thammuz ward nämlich zu Babel ein
Klagegesang wegen des Verschwindens der Sonnenwärme angestimmt. Achnlichen
Erscheinungen begegnen wir auch im Pharaonenlande. Man erinnere sich nur
an den Vergleich Herodots betreffs des ägytischen Linosliedes und des helle-
nischen Adonismythus! *)
Bekanntlich war auch Osiris, der Lichtgott Alt-Aegyptens, Totenrichter in
der Unterwelt. Er war dies vornehmlich in seiner Eigenschaft als Allwissender.
„Dem dreieckigen Auge des Ka (d.h. der Sonne) bleibt nichts verborgen‘, heisst
es in Pyramidentexten. Auch dem Auge Wotan's bleibt in der altgermanischen
Sage nichts verborgen. „Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch alles
ans Licht der Sonnen!“ — Nunmehr können wir auch die Einäugigkeit der
Cyclopen verstehen. Wenn wir Polyphem, den Gegner des Odysseus, auch
als Sohn des Meergottes Poseidon kennen lernen, so müssen doch in früher Zeit
die Cyclopen als ungeschlachtete Abkömmlinge des Kronos, gemeinhin
des solaren Weltenschöpfers, erklärt worden sein. Es ist nun bezeichnend, dass
der Sonnengott aller Völker — selbst der berühmte Indra der Brahmanen —
einäugig ist. Ä
Sehr oft dachte man sich die Sonne auch nur als Rad und verlieh ihr dann
Flügel”*). Besonders haben wir diese Sonnenfigur in Hieroglyphentexten zu
*) Vergl. H. Brugsch: „Die Adonisklage und das Linoslied 1852“.
**) Denken wir an den oberdeutschen Brauch, zur Johannisfeier ein Rad den Berg hinabzurollep
oder eine brennende Scheibe bei Beginn des Lenzes in die Lüfte zu werfen!
— 250 —
verzeichnen. Selbst die Sonnenstrahlen erhielten ihre eigentümliche Symboli-
sierung. So begegnen wir im Mithra-Kultus der Verehrung des Igels — wie
F. L. Schwarz in den „Poötischen Naturanschauungen der Griechen, Römer“ etc.
mit Recht annimmt —, weil man die Stacheln des Igels mit den Sonnen-
strahlen verglich.
Selbst das tägliche Emportauchen des Lichtgestirns am Horizont gab den
Kern zu sinnigen Mythen, von denen wir nur eine hellenische näher erwähnen
wollen. Danach soll der wilde Jager Orion der Tochter des Oinopion Gewalt an-
gethan haben und von letzterem zur Strafe geblendet worden sein. Jeden Morgen
erhält Orion indessen sein Auge wieder. — —
Ein recht interessanter Zusammenhang zwischen dem gewöhnlichen Mistkäfer
Scarabaeus und dem Sonnenlaufe macht sich schon im Pharaonenmythus
bemerkbar. Der Scarabaeus — ägyptisch cheper genannt — galt nämlich als Symbol
der Sonnenwende und zwar der Frühlingswende wohl seiner ausserordentlichen
Fruchtbarkeit wegen. Er ward für besonders heilig gehalten und sein Bild als
Amulett um den Hals gehängt. Diese Sitte drang später ins Abendland — ohne dass
man ihre Bedeutung kannte — und noch heutzutage halten viele älteren Bauers-
frauen den Scarabaeus für einen ausgezeichneten Talisman gegen böse Geister.
Bemerkenswert ist nun, dass auch die germanischen Mythen einen
Käfer mit der Sonnenwende in Zusammenhang bringen und zwar das
Johanniswürmchen.
So singt man noch heutzutage in Niederbayern beim Erblicken dieses Käfers:
„Sunnwendkäfer, flieg in’n brunn
| Bring’ uns moren eine schöne sunn!“
Es liegt auch dieser seltsamen Symbolisierung wohl die Thatsache zu Grunde,
dass der Käfer nach Beginn der Frühlingszeit, d. h. nach Eintritt der Sonnen-
wende, sich in ausserordentlicher Fruchtbarkeit vermehrt und gleichsam ein Ab-
bild der Verjüngung der gesamten Natur bietet.
Bemerkenswert ist ferner, dass sich in fast allen Mythen eine jüngere Per-
sonifikation der Sonne findet. Wir erinnern nochmals an Horus, den Sohn des
Osiris, an Helios im Gegensatze zu Apollon, an Baldur und Wotan! Freilich
ist es als erwiesen zu betrachten, dass der Helios des hellenischen
Pantheons nach ägyptischem Muster entstanden ist!
Ehe wir nun diesen hoffentlich nicht ganz uninteressanten Streifzug in das
Kindheitsalter der Astronomie beschliessen oder auf die anderen in jener Urzeit
wichtigen Gestirne näher eingehen, seien uns noch einige Worte über die Culte
und religiösen Gemeinschaften verstattet, welche eigentlich in erster Linie einen
mystischen Sonnendienst pflegten.
Sehen wir von den Gemeinschaften der Pharaonenpriester ab und betrachten
wir nur die hellenischen Culte, so haben wir in erster Linie die eleusinischen
Mysterien zu berücksichtigen, die, ursprünglich allein zu Ehren der Demeter
gestiftet, späterhin besonders den Persephone-Cultus pflegten, der — wie
oben erwähnt — mit dem Himmelsphaenomen der Sonnenwenden in innigstem
Zusammenhange steht. Auch die orphischen Mysterien enthielten ihrem
Wesen nach nur Sonnenculte und die von ihnen abhängigen dionysischen
Mysterien sollten eigentlich das Wiedererscheinen der Frühlingssonne und das
Wiedererwachen der Natur im Lenz begrüssen, wie es späterhin auch im
Delphischen Collegium der Thyiaden fortgesetzt wurde. Von den gleichartigen
Mysterien der Arier erwähnen wir nur den Mithras-Dienst, welcher besonders
— 21 —
in der römischen Kaiserzeit eine nicht geringe Ausbreitung erlangte und uns in
nicht unwichtigen Spuren noch in den Werken der Kirchenlehrer, eines
Origines, eines Augustinus und eines Isidorus entgegentritt.*) — Doch nunmehr
genug von der Sonne! Müssen wir doch befürchten, schon zu lange ihren
blendenden Glanz mit schwachem Auge betrachtet zu haben! (Schluss folgt.)
Die Sternwarte des JoandSrafen Von Messen Wilhelms IV. zu Kassel.
Von F. Albrecht.
(Schluss.)
Ge wir nun zu den Autoren über, die von einer Sternwarte Wilhelms IV. auf
dem Zwehrenturm sprechen. Unbestimmt drückt sich Joh. G. Stegmann in
seiner Schrift: Die Verdienste Wilhelms IV. um die mathematischen Wissenschaften,
Kassel 1756 (S. 5), über den Ort der Sternwarte aus: „zu seinem eigenen Vergnügen
liess er nicht nur einen hohen Thurm aufrichten, worauf er des Nachts seine Obser-
vationen anstellte u. s. w.“ Dass Stegmann mit dem Turme einen solchen auf dem
Schlosse meint, könnte man daraus schliessen, dass er sich an dieser Stelle auf
die vorerwähnte Beschreibung des Schlosses von Winkelmann beruft. Diese An-
nahme wird jedoch zweifelhaft, wenn man berücksichtigt, dass in dem erwähnten
Buche von Schminke die Beschreibung der mathematischen und physikalischen
Gegenstände im Kunsthause von Stegmann, der Professor in Kassel war, herrühren,
und in diesem Buche findet sich, soweit ich sehe, zuerst die bestimmte Nach-
richt, dass Wilhelm auf dem Zwehrenturm beobachtet habe: „der über diesem
Thor (Zwehrenthor) stehende hohe Turm ist ehedem zu einer Sternwarte ge-
braucht worden, dessen sich vornehmlich Landgraf Wilhelm der vierte zu seinen
astronomischen Beobachtungen bedient hat. Die oberste Rundung liess sich
vormalen nach der Bewegung des Himmels herumdrehen; itzo hat man dieselbe
auf das Kunsthaus verlegt, und darauf eine besondere Uhr gesetzt‘*'). Wie
Schminke an einer andern Stelle (S. 191) erwähnt, befand sich das Observatorium
auf einer Altane des Kunsthauses. „Auf dieser Altane stehet ein rundes, mit
Fenstern vorsehenes Thürmchen, darinnen ein Quadrant und Uhre zu sehen ist.
Man hat ehedem zu solchem Behuf sich des auf dem Zwehrenthore befindlichen
Aufsatzes — — bedienet.“ Vermutlich ist der Professor Stegmann nicht bloss
für die Beschreibung der mathematischen Sammlung des Kunsthauses, sondern
auch für die übrigen Angaben über das Observatorium der Gewährsmann
Schminkes. Dies würde auch den von Stegmann in seiner erwähnten Abhand-
lung gebrauchten Ausdruck Turm erklären. Wahrscheinlich ist dieser Dar-
stellung Schminkes auch von Zach?) in seiner eingehenden Abhandlung über
Wilhelm IV. gefolgt, da er sich fast derselben Worte wie Schminke bedient.
Der Wert der v. Zach schen Darstellung wird jedoch auch durch den Mangel
jeglicher Quellenangaben erheblich beeinträchtigt. Die Angaben v. Zachs finden
wir dann in den meisten Schriften des 19. Jahrhunderts wieder, die sich mit
*) Zum Schlusse sei noch einige Literatur erwähnt: Dr. Ludwig Weniger: „Das Collegium
der Thyiaden“. Progr. Eisenach 1876. — E. H. Meyer: Indogermanische Mythen. — G. Cornewall-
Learens: ,Astronomy of the Ancients‘.
81) Schminke a. a. O., S. 81, 82.
82) S. v. Zach a. a. O., S. 277.
— 22 —
Wilhelm IV. beschäftigen, so in den Biographieen von Justi*’), Strieder*),
Rommel’), desgleichen auch in der Lebensbeschreibung Wilhelms IV. der
allgemeinen deutschen Biographie (Bd. 43, S. 38), sowie bei Köster und Gerland,
(a. a. O., S.4) und zwar berufen sie sich meist auf v. Zach als Gewährsmann.
Erwähnt sei noch, dass Justi ausserdem die Angabe Kästners (s. ol, Wilhelm IV.
habe auf seinem Schlosse beobachtet, wiedergiebt. Den Angaben Strieders
ist dann Wolf gefolgt fe ol und diesem wie es scheint auch Dreyer). Wir
stehen daher vor der merkwürdigen Thatsache, dass sich die Autoren des
19. Jahrhunderts fast einstimmig dahin aussprechen, dass Wilhelms IV. Sternwarte
auf dem Zwehrenthurm gestanden hätte, während in den ersten 150 Jahren nach
seinem Tode nur von dem Observatorium auf dem Schloss die Rede ist. Es
fragt sich nun, wie dieser Widerspruch zu erklären ist.
Zunächst kann m. E. unbedenklich auf Grund des Zeugnisses Tycho
Brahe’s als feststehend angenommen werden, dass Wilhelm IV. im Jahre 1575
eine Sternwarte auf seinem Schlosse hatte. Wilhelm IV., dessen Bild uns
die Beilage zeigt, befand sich damals gerade in einem Stadium geringerer
astronomischer Thätigkeit, denn die Uebernahme der Regierung im Jahre 1567
hatte seine Beobachtungen, die er vor allem seit dem Jahre 1561 begonnen
hatte, ins Stocken geraten lassen. Erst der Besuch Tychos regte ihn zu
neuer astronomischer Thätigkeit an. Es ist daher zu vermuten, dass die
Sternwarte, die er Tycho bei dessen Besuche im Jahre 1575 zeigte, dieselbe
war, auf der er vor allem in den Jahren 1561 bis 1567 beobachtet hatte.
Somit ist es sehr unwahrscheinlich, dass er schon 1561 auf dem Zwehrenturm
eine andere reich ausgestattete Sternwarte hatte, wie man nach der Darstellung
v. Zach’s annehmen müsste.
Es bliebe daher noch die Möglichkeit, dass Wilhelm nach dem Besuche
Tycho Brahe’s auf dem Zwehrenturme beobachtet hätte. Allerdings fehlt es an
bestimmten Nachrichten hierüber (abgesehen von der Bemerkung Schminkes)
und die Anlage des Zwehrenturmes zu seiner Zeit würde auch dagegen sprechen,
wie oben erwähnt. Demgegenüber ist jedoch noch Folgendes zu berücksichtigen:
Wilhelm pflegte, wie uns Andreas Christinus in seiner Oratio de vita et morte
Guilelmi Landgravii (S. 40) als Augenzeuge berichtet, auf seinen Reisen Instru-
mente mitzuführen und überall, wo er sich aufhielt, wenn irgend angängig, Beob-
achtungen anzustellen*’). In Kassel selbst beobachtete er nicht allein auf seinem
Schloss; er hatte sich vielmehr auch im Lustgarten an der Stelle der späteren
Orangerie ein mit Gallerien und Altanen versehenes Lusthaus für seine astro-
33) Justi: Die Vorzeit. Ein Taschenbuch für das Jahr 1825. Wilhelm IV, der Weise, Landgraf
von Hessen. Kassel. S. 72 ff, 1. 91, 92, 93. S. 107 ff.
34) S. o. a.a. O., S. 71 ff.
35) Rommel: Die Geschichte von Hessen. Bd. oa, S. 776 ff.
86) Dreyer: Tycho Brahe. Dtsch. v. Bruhns. 1894, S. 83.
37) Von einer solchen Beobachtung in der Festung Ziegenhain sei hier eine vielleicht weniger
bekannte Anekdote erzählt: Der schlesische Ritter Hans von Schweinichen, der im Gefolge des Herzogs
von Liegnitz Wilhelm IV. besuchte, erzählt in seiner Lebensbeschreibung Folgendes von seinem
Aufenthalt in Ziegenhain: „Es lagen J. F. G. allda 5 Tage stille. Ich musste den Landgrafen des-
gleichen um Geld ansprechen, aber es war ein karger Herr. Nichtsweniger verehrt J. F. G. 100 Thl.
und weil der Landgraf grosse Gnade auf mich geworfen, als musste ich eine Nacht mit auf einen
Thurm steigen, da sahe er ins Gestirn und stellte Kalender. Da weisen J. F. G. mir Sterne: das ist
der, das ist jener Stern. Ich verstund es nicht, sondern sagt nur: ja. Dahei liess er’s auch bleiben
und hatte einen gnedigen Herrn.“ (S. Justi a. a. O. S. 147, 48).
— %3 —
nomischen und physikalischen Studien erbauen lassen‘). Es wäre daher an sich
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Wilhelm auch gelegentlich auf dem
Zwehrenturm Beobachtungen angestellt hat, wenn es auch unwahrscheinlich bleibt,
dass er hier eine Sternwarte mit einer Art drehbarem Dache errichtete. Viel-
leicht lässt sich aber die Mitteilung Schminkes in anderer Weise erklären:
Auf einem Plane von Cassel aus dem Jahre 1742°°) sehen wir den Zwehren-
turm in einer Form abgebildet, die vollständig von der auf den älteren, oben
erwähnten Karten abweicht. Während der Turm bis zum Jahre 1640 als ein
Festungsturm mit einem Satteldach dargestellt wird, trägt er auf diesem Plane
eine mit einer Laterne versehene Kuppel. Bei einer solchen Form erscheint die
Angabe, dass der Turm eine Art drehbares Dach gehabt hatte, nicht unwahr-
scheinlich. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass in der Zeit zwischen 1640
und 1742 ein Umbau des Zwehrenturms zu einer Sternwarte stattgefunden hat.
Dass auch ausser Wilhelm IV. hessische Fürsten, und zwar insbesondere Land-
graf Carl (1677—1730), der Astronomie ihr Interesse zuwandten, zeigt die Er-
richtung mehrerer Observatorien in Cassel. So wurde auf dem im Jahre 1696
erbauten Kunsthause am Steinweg, dem jetzigen Naturalien-Museum, dem Zwehren-
turme gegenüber, ein Observatorium errichtet und zwar in einem runden Türmchen
Abb. 7.
(s.o. die Bemerkung von Schminke). Dieses kleine Observatorium ist erst in
neuerer Zeit abgerissen und durch ein flaches Schieferdach ersetzt worden.
Ferner befand sich auch auf dem fürstlichen Hause in der Oberneustadt, welches
Landgraf Karl 1714 errichten liess, ein Observatorium®°), dessen Dach wie Koester
und Gerland (a. a. O., S. 4) mit Berufung auf J. Bernoulli: Lettres astronomiques
(1771) 39 berichten, drehbar war; dieses Observatorium soll, wenn überhaupt, nur
sehr kurze Zeit zu Beobachtungen benutzt worden sein.
Eine direkte Bestätigung unserer Vermutung, dass sich auf dem Turme, wie
ihn der Plan von 1742 zeigt, eine Sternwarte mit einem drehbaren Dach befunden
habe, ergiebt die Breithaupt’sche Familientradition. Nach dieser hat der Urgross-
vater der Chefs der jetzigen Firma, der schon erwähnte Hofmechanikus J. C. Breit-
haupt, der bei dem Bau des Museum Friedericianum den Umbau des Zwehren-
88) S. Piderit a. a. O., S. 116.
3) Plan der Hochfürstl. Residenz- und Haubt-Stadt Cassel in Nieder Hessen nebst dem
Hochfürstl. Lust-Garten auf der Aue. Herausgegeben von Homaennischen Erben. A. 1742.
“) Vergl. Weidler: Historia Astron. Kap. XVIII. Piderit a. a. O., S. 294.
— 84 —
turmes und die Neueinrichtung der Sternwarte leitete, auf dem alten Turme eine
Sternwarte mit drehbarem Dach vorgefunden. (Abb.7 zeigt uns den Zwehrenturm
in seiner älteren Gestalt bis 1640, dann in seiner neueren aus dem Jahre 1742
und dann in der jetzigen seit 1679).
Es ist m. E. daher am wahrscheinlichsten, dass Schminke (und Stegmann)
in seiner Darstellung den Zwehrenturm mit dem Observatorium, wie er auf dem
Plan von 1742 erscheint, im Auge gehabt hat, und dass er nur in seiner An-
nahme, schon Wilhelm IV. hatte diese Sternwarte mit dem drehbaren Dach be-
nutzt, geirrt hat. Auf diese Weise würden sich die älteren Abbildungen des
Turmes, die gegen die Anlage einer Sternwarte sprechen, sowie die Nachrichten
der älteren Autoren, die doch kaum eine derartig wichtige Neuerung wie die An-
lage einer Drehkuppel ausser Acht gelassen hätten, wohl am besten mit den
späteren Nachrichten über die Sternwarte auf dem Zwehrenturm in Einklang
bringen lassen.
Das Schloss wurde im Jahre 1811 ein Raub der Flammen. An seiner Stelle
erhebt sich seit 1880 das Gerichts- und Regierungsgebäude, sodass also von der
alten Sternwarte Wilhelms IV. nichts mehr erhalten ist.
Warum erscheint uns der Himmel blau? Die richtige Antwort auf diese Frage, die
naturgemäss seit jeher den Forschergeist angezogen und auch in neuerer Zeit hervorragende Physiker
und Meteorologen beschäftigt hat, ist bereits von Goethe gegeben worden. Er erklärt die blaue
Himmelsfarbe für eine Farbe trüber Medien. Man versteht darunter bekanntlich Gemenge von
Medien, deren ineinander suspendierte Teilchen so klein sind, dass sie nicht als solche, sondern nur
dadurch wahrgenommen werden können, dass sie die Durchsichtigkeit des Ganzen schwächen.
Ein solches trübes Medium erhält man z.B., wenn man dem Wasser eine alkoholische Mastixlösung
zusetzt. Solche Medien erscheinen bei geeigneter Zusammensetzung im reflectierten Lichte blau, und
man kann sie je nach ihrer Zusammensetzung in allen möglichen Nüancen vom tiefsten Blau bis
milchigweiss mit einem Stich ins Blaue erhalten. Die Bedingung ist, dass das Verhältnis der Grösse
der trübenden Teilchen zur Wellenlänge des Lichtes einen kleinen Wert besitzt. Goethe erklärt
nun auch die Atmosphäre für ein trübes Medium, da ja Wasserteilchen in Dunstform immer in ihr
schweben. Zur Prüfung der Theorie von Lord Rayleigh, der ebenfalls die blaue Farbe des Himmels
als Farbe eines trüben Mediums ansieht, hat nun kürzlich Pernter die Polarisation des Himmels-
lichtes und die der trüben Medien untersucht und eine völlige Uebereinstimmung gefunden, und er
kommt hiernach zu dem Schluss, dass hierdurch bewiesen ist, dass die Lichtzerstreuung im Himmels-
lichte dieselbe ist wie in trüben Medien, dass also die Luft als trübes Medium anzusehen und die
blaue Farbe des Himmels als die Farbe eines trüben Mediums in seitlichem Lichte anzusprechen ist.
Hiermit findet Goethes Ansicht eine glänzende Bestätigung, und um sie recht zu würdigen,
muss man wissen, dass Goethe noch ein Jahrzehnt nach Erscheinen seiner Farbenlehre, in der
diese Vorstellung entwickelt wurde, auf Grund derselben die falsche Behauptung mancher Physiker,
dass die Bläue des Himmels eine subjective Farbenerscheinung sei, bekämpfen musste.
Kalischer.
* *
*
Der Komet Brooks 1902 a stand, nach Dr. Strömgren’s Rechnung am 21, März nahe bei
dem Stern d Cygni und am 31. März nicht weit von Deneb (« Cygni), befand sich also in ziemlich
günstiger Stellung. Denn diese Sterngegend steht im März, wenigstens nach Mitternacht, in ge-
nügender Höhe über dem Horizont, dass ein „heller“ Komet von einem geübten Kometenjäger wie
Brooks schon damals hätte gesehen werden können, Die Rechnung zeigt freilich, dass der Komet
Ende März noch weit schwächer war als bei seiner Entdeckung Mitte April, dafür war aber im
April sein Ort am Himmel sehr ungünstig geworden. A. B.
— 255 —
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De caancimanaan aataadacaandanmanal ania
Andrew Carnegie, Die Pflichten des Reichtums. Zwei Aufsätze. Verlag von Hobbing &
Büchle in Stuttgart. Mit dem Bildnis des Verfassers. Preis 50 Pf., geb. 1 Mk. (46 S.)
In dieser Schrift hat der amerikanische Stahlkönig, der Begründer und noch lebende Mit-
inhaber der riesigen Stahlwerke in Alleghany-Pittsburg, einer der reichsten Männer der Erde. sein
Wohlthatigkeitsprogramm niedergelegt. Dieser seltene Mann, welcher in den letzten Jahren bereits
mehr als 300 Millionen Mark für wissenschaftliche Zwecke geopfert hat, bezeichnet die zweckmässige
Verwendung der Reichtümer als die vornehmste Aufgabe unserer Zeit. „Reich“ sterben heisst für
ihn „entehrt“ sterben. Er verlangt, dass ein jeder schon bei Lebzeiten sich des Ueberflusses seines
Reichtums entäussert „Beim Tode zu hinterlassen, was man nicht mit sich nehmen kann und auf
andre die Bürde der Thätigkeit abzuwälzen, die man selbst zu tragen verpflichtet gewesen wäre, ist
unwiirdig. Das erfordert weder Opfer- noch Pflichtwilligkeit gegen die Mitmenschen.“ Mit. grosser
Schärfe wendet er sich gegen die bisher übliche sogenannte Wohlthätigkeit. „Für die Menschheit
wäre es besser, dass die Millionen der Reichen ins Meer geworfen würden, als dass sie verspendet
werden, um Faullenzer, Trunkenbolde und Unwürdige noch zu bestärken. Von jedem Tausend Mark,
die heutzutage in sogenannter Wohlthätigkeit verschenkt werden, sind wahrscheinlich 950 Mk. un-
kluger Weise verschenkt, so verschenkt, dass sie die wahren Uebelstände hervorrufen helfen. die
sie zu mildern oder zu heilen bestimmt waren.“ S
Carnegie geht sogar so weit, dass er den Millionär, der seinen Reichtum aufspeichert, für
nicht so schädlich für die Gesellschaft hält als den, der seinen Reichtum unter dem Mantel geweihter
Liebesthätigkeit an Arme vergeudet. Nach ihm giebt es kein grösseres Aergernis, als dem pro-
fessionellen Bettler zu spenden. Unter solchen Erwägungen kommt er zu dem Resultat, dass die
beste Verwendung des Reichtums darin bestehe, Vortragshallen zu errichten, Volksbibliotheken
auszustatten, Universitäten, Sternwarten und ähnliche Anstalten zu gründen. Carnegie schreibt von
der Begründung der Lick-Sternwarte: „Wenn es Millionäre giebt, die an dem vornehmen Studium
der Himmelkunde Interesse nehmen — und solcher sollte und würde es manche geben, wenn sie
nur dem Gegenstande die geringste Aufmerksamkeit schenken wollten, — so bietet sich ihnen hier
ein Beispiel dar, das sie wohl befolgen dürfen. Der Fortschritt in der Herstellung astronomischer
Instrumente nebst Zubehör ist so bedeutend und stetig, dass alle paar Jahre eins der Observatorien
auf dem Kontinente füglich ein neues Fernrohr erhalten sollte; da das letzte immer grösser und
besser als das ältere und daher geeignet ist, die Kenntnis des Universums und unserer Beziehungen
zu ihm hier auf der Erde mehr zu vervollkommnen. Als eine der vielen guten Thaten des ver-
storbenen Mr. Thaw von Pittsburgh möge dessen beständige Unterstützung der dortigen Stern-
warte erwähnt werden. Diese Sternwarte setzte Professor Langley in den Stand, seine wundervollen
Entdeckungen zu machen. Er ist nun Direktor des Smithson’schen Instituts, ein würdiger Nach-
folger Professor Henry’s. Mit ihm in Verbindung stand Mr. Braeshier von Pittsburgh, dessen In-
strumente in den meisten Sternwarten der Neuen Welt zu finden sind. Er war ein einfacher Mühlen-
bauer, aber Mr. Thaw erkannte sein geniales Talent und war sein Haupthelfer während der Versuchs-
zeiten. Dieser einfache Arbeiter hat es bis zum Professor bei einer der gelehrtesten Körperschaften
der gebildeten Welt gebracht. In der Verwendung seines Reichtums zur Unterstützung jener beiden
nun berühmten Männer vollbrachte der Millionär Thaw ein edles Werk. Ihre vereinte Thätigkeit hat
ihrem Vaterlande bereits grosse Ehre eingetragen und wird ihm noch grösseres Anschen verschaffen
in jedem wissenschaftlichen Kreise der ganzen Welt“. Carnegie schildert weiter, wie er, als er noch
Arbeitsbursche in Pittsburgh war, jeden Sonnabend Nachmittag mit wirklicher Schnsucht herbei-
wünschte, um in der von Oberst Anderson freigegebenen Bibliothek seine Bücher umzutauschen.
Damals schwor er sich, dass er, wenn er jemals zu Reichtum käme, anderen armen Jungen die
gleiche Gunst zu Teil werden lassen wolle. Kein Leser kann sich dem nachhaltigen Eindruck der
mit Gefühlswärme geschilderten Darstellungen des Verfassers entziehen. Möge das Buch dazu bei-
tragen, auch bei uns in Deutschland das Gewissen aller derer zu wecken, die Vermögen besitzen,
auf dass sie es zum Segen der Menschheit richtig verwenden. F. S. Archenhold.
Li x
L
Dr. B. Krembs, Lebensbilder aus der Geschichte der Sternenkunde. Freiburg i. Br. 1902.
Herder’sche Verlagshandlung. Preis 1.40 M., geb. 2,00 M. (177 S.)
Es gereicht dem Buche nur zum Vorteil, dass es sich beschrankt auf die Darstellung des
Lebensganges und der Lebensarbeit der sieben grossen Astronomen: Hipparch, Ptolemäus, Kopernikus,
— 6 —
Tycho Brahe. Kepler, Galilei und Newton. Der Verfasser hat sich bemüht, alles, was für die All-
gemeinheit und im besonderen für die nach Bildung strebende Jugend als wissenswert über das
Leben dieser sieben Astronomen erachtet werden kann, übersichtlich zusammenzustellen. In unver-
kennbaren Zügen hängt gerade das Leben und die Lebensart dieser unsterblichen Männer mit ihren
Ideen und Geisteserzeugnissen eng zusammen, so dass die Person selbst oft den Schlüssel zum
Verständnis des Entstehens des Lehrgebäudes enthält. Kein Leser wird diese Schrift aus der Hand
legen, ohne Bewunderung für das Schaffen und Wirken dieser sieben grossen Astronomen.
Li Li
*
C. Musmacher, Kurze Biographien berühmter Physiker. Freiburg i. Br. 1902. Herder’sche
Verlagshandlung. Preis 1,80 M.. geb. 2,40 M. (280 S.)
Seitdem die Technik eine grössere Rolle im Leben der Völker zu spielen berufen ist, wird
auch ihre Nährmutter, die Physik, immer mehr gewürdigt. Da die grösseren Geschichtswerke über
Physik nicht jedermann zugänglich sind, so ist es verdienstvoll, dass in diesem Werkchen die
wichtigsten Daten aus dem Leben der bedeutendsten Physiker und die von ihnen gemachten Er-
findungen wie aufgestellten Theorien besprochen sind. Die ältesten Physiker, wie Aristoteles,
Leonardo da Vinci, Cartesius, Otto v. Guericke, Huyghens, Reaumur, Fahrenheit, Celsius, Galvani,
und auch die neueren, wie Ampcre, Faraday, Maxwell. Riess, Bunsen, Siemens, Foucault, Tyndall,
Helmholtz, Röntgen, Hertz und viele andere sind in ihren Leistungen kurz angeführt. Hauptsächlich
sind bei der Besprechung jedoch die Praktiker, welche irgend einen Apparat konstruiert haben,
berücksichtigt worden. Ein Namen und Sachregister erleichtert die Benutzung des Buches.
* : *
*
Dr. B. Weinstein, Einleitung in die höhere mathematische Physik. Berlin 1901. Ferd.
Diimmlers Verlagsbuchhandlung. Preis geb. 7 M., (399 S.)
Der Verfasser, welcher die Fachlitteratur bereits mit.ciner Reihe von Werken bereichert hat,
entwickelt in diesem Werke die Grundlagen der physikalischen Theorien, wobei er naturgemäss
Erörterungen naturphilosophischer Probleme vorausschickt Verfasser will nicht allein für Lernende,
sondern auch für Lehrende schreiben und gewährt cinen interessanten Ueberblick über den augen-
blicklichen Besitzstand der Physik an mathematischen Hilfsmitteln. Bei der Ausführlichkeit des
Inhalts-Verzeichnisses wird das fehlende Sach- und Namen-Register kaum vermisst. Die Leser des
„Weltalls“ wird das reichhaltige Kapitel über mathematische Optik und die Undulations-Theorie des
Lichts besonders interessieren. F.S. A.
* $
x
Jobann Kleiber, Lehrbuch der Physik. Zum Gebrauch an realistischen Mittelschulen. H. Aufl.
München 1901. Verlag von R. Oldenbourg. Preis geb. 4 M. (381 S.)
Das Kleiber’sche Lehrbuch ist besonders geeignet, den Schüler zum Selbstdenken und Selbst-
beobachten anzuregen. Es erfüllt in dieser Beziehung die höchsten pädagogischen Anforderungen,
welche man an ein Lehrbuch stellen kann. Es verbindet mit der Kürze der Darstellung eine über-
sichtliche und anschauliche Anordnung des Stoffs. Die Beispiele sind sehr geschickt ausgewählt
und die Figuren so angeordnet, dass das Wesentliche des Experiments sofort in die Augen springt.
In einem Anhange sind kurze biographische Notizen gegeben, und eine Zeittafel stellt in wirksamer
Weise die Hauptentdeckungen auf dem Gebiete der Physik zusammen. Die Lehre vom Licht und
der Begriff des Elektrizitätsgrades und der strömenden Elektrizität sind in musterhafter Weise
dargestellt. Dass bereits nach Jahresfrist eine zweite Auflage nötig wurde, beweist, dass das Buch
sich in kürzester Zeit viele Freunde erworben hat. Es kann allen Anfängern aufs Wärmste
empfohlen werden. F. S. Archenhold.
WESSESSSSSESSSESE SESSSSSSSSSSS ESSE SECSC ESS EES EEE ESE ECEE CEE ECEECEE
3353533333335333D333353D333333333333333393D3333933333333333
Verein von Freunden der Treptow-Sternwarte. Ein Mitglied hat am 7. 6. d. J. 4—5 Uhr
nachmittags beim Postamt 33, Berlin SO., den Jahresbeitrag in Höhe von 12 Mk. per Postanweisung
eingesandt, ohne jedoch auf dem Postabschnitt den Absender zu bemerken. Wir bitten daher dieses
Mitglied. sich gütigst im Bureau der Sternwarte zu melden.
kur die Schriftleitung verantwortlich: F. 3. Archenhold, Treptuw-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, BerlinW.
Druck von Emil Dreyer, Berlin SW.
DAS WELTALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
5 Herausgegeben von
Ta J ahrgang fe, F- S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte.
1902
August 1. und 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pre, franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeilungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspallige Petitzeile 40 Pfg. 1, Seite 60.—,1/, Seite 30.— ‚1/4 Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
— Landgraf Wilhelm von Hessen und Ritter Hans
1. Ueber einen elektrischen Gewitter - Registrator. Von von Schweinichen . 2. 2 2 ee ee ť’ ae
F. G. H. Linke. ..... EE SECHS . 257 5. Bücherschau: C.V. L. Charlier, Utgräfningarna af
2. Die Hochwasser des ersten Halbjahres 1902, besonders Tycho Brahes Observalorier pa ön Hren sommaren
das Hochwasser in Berlin vom 14. April, und ihre 1901. — N.C. Duner, Tal vid E vetenskaps-akademiens
Prognosen. Von Wilhelm Krebs... 2.2... 264 minnesfest den 24. oktober 1901 trehundraarsdagen
af Tycho Brahes död. — K. Schwier, Deutscher Photo-
graphen-Kalender. Taschenbuch und Almanach für
1902, — Ed. Liesegang, Photographischer Alma-
4. Kleine Mitteilungen: Die Perseidensternschnuppen. nach: 1902: u ea en Swe it . 274
3. Sonne, Mond und Sterne in Märchen und Sagen der
Vorzeit. Von Max Jacobi. (Schluss). . » 2... 268
Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
Geber einen elektrischen Gewitter-Registrator.
Von F. G. H. Linke.
ls Professor Roentgen seine grosse Entdeckung machte, ahnten wohl wenige,
eine wie eminente praktische Bedeutung sie erlangen würde, und die
wenigen Jahre der Entwicklung haben einen ungeahnten Reichtum an An-
wendungsarten für die Roentgen’schen Strahlen hervorgebracht. Durch diese
Erfolge verleitet, glaubte man bei dem Auftreten Marconis mit seiner eigen-
artigen telegraphischen Methode an eine ähnliche Fruchtbarkeit der Idee, wie
sie die Roentgentechnik durchlebte. Uebertriebene Ausblicke und Erwartungen
spannten damals nicht nur die Gelehrten-, sondern auch die Laienwelt auf
rätselhafte Erscheinungen, die sich bisher noch nicht erfüllt haben und sich
vielleicht auch nur zum kleinen Teile überhaupt erfüllen werden.
Jedoch hat sich auch jetzt schon die Anwendung der Marconi'schen Initiativen
einige Felder erobert, auf denen sie erstaunliche Leistungen aufzuweisen hat.
Neben der Möglichkeit, mit Marconis Einrichtung telegraphieren zu können,
existieren noch manche andere Anwendungen, von denen uns hier eine, die
Anwendung zur Gewitterregistrierung, interessiert.
Eins der wichtigsten Elemente für Marconiversuche ist der sogenannte
Cohärer. Zum Nachweise minimaler Spannungen, welche durch auftreffende, in
einem primären elektrischen Leiter erzeugte elektrische Wellen in sekundären
Drähten erzeugt werden, benutzt man als empfindlichstes Instrument die
Branly'sche Röhre. In dieser wird eine Thatsache benutzt, welche sonst in der
Technik sehr verpönt ist; ihre Wirkungsweise beruht auf den eigentümlichen
Eigenschaften loser Kontakte. Der ganze Apparat besteht aus einer Röhre, in
welche zwischen zwei Metallkörpern Spähne eines leitenden Stoffes eingebracht sind.
Die erste Kenntnis von der Wirkungsweise der Branly’schen Röhre hatte
Calzecchi-Onesti, welcher im Jahre 1854 in „Nuovo Cimento“ (Bd. 20, pag. 119)
eine Arbeit über die Theorie der losen Kontakte veröffentlichte. Seinen Ver-
— 28 —
such, der in der damaligen Zeit keine weitere Beachtung fand, stellte er so dar:
Der Zwischenraum zwischen zwei Kupferplatten wurde mit Eisenfeilicht ausge-
füllt (Fig. 1), im übrigen in einen Leiterkreis mit Telephon, Batterie, Galvano-
meter und Vorschaltwiderstand eingeschlossen. Im Kreise war diagonal, wie das
Bild zeigt, ein Quecksilberkontakt eingelegt. Solange der letztere geschlossen
war, bekam Calzecchi-Onesti keinen Strom im Kreise, schloss er aber den Queck-
silberkontakt und öffnete ihn wieder, so bekam er einen konstanten Ausschlag
am Galvanometer und zuerst einen Ton im Telephon. Der Widerstand, welchen
die Kupferplatten in Form des Eisenfeilichts zwischen sich bargen, wurde mit
der Zeit geringer, er fiel fast vom Werte unendlich bis auf wenige hundert Ohm.
Das war die Ausbeute, welche Calzecchi-Onesti aus seinen Experimenten zog;
dass aber durch leichte Erschütterung des Eisenfeilichts sich der frühere fast
unendliche Widerstand wieder einstellte, entging ihm. Dieses fand erst Branly
im Jahre 1891, welcher dem Apparate auch die Form gab, welche heute all-
gemein üblich und unter dem Namen ,Branly’sche Röhre“ bekannt ist (Fig. 2).
Ein Ausschlag des Galvanometers nach der nebenstehenden Schaltung bleibt
tagelang konstant, aber nur, wenn die Röhre nicht erschüttert wird.
Eine Erklärungsweise dieses eigentümlichen Verhaltens von lose geschich-
teten pulverförmigen Leitern, und zwar die am stärksten vertretene, ist diese:
Ladet man die in einer Branly'schen Röhre befindlichen kleinen Körperchen,
rn
Géi
Anan ty othe Rekre
Wdırstand Salone
Fig. 1. Fig. 2.
so treten zwischen ihnen kleine Fünkchen auf und bilden durch Kondensation
von \Metalldämpfen eine Brücke, so dass ein Strom die Brücke passieren kann,
während vorher das Oxyd dies verhinderte. Eine wenn auch nur geringe Er-
schütterung bringt die Brücken zum Einsturz und stellt den hohen Widerstand
sofort wieder her. Dieser Erklärungsweise verdankt die Branly sche Röhre einen
besonderen Namen, welchen ihr Professor Reuleaux gab. In der Technik
nennt man das oberflächliche Zusammenschmelzen lose geschichteter Substanzen
einen Frittprozess, weshalb Reuleaux die Branly-Röhre einen Fritter nannte.
Lodge in England schlug nach dieser Erklärungsweise den Namen Coherer vor,
woraus man in Deutschland Cohärer machte, obwohl es doch wenigstens
Cohärerer heissen müsste. Alle diese Benennungen sind aber tendenziös in
Bezug auf den physikalischen Vorgang, weshalb das Instrument am zweck-
mässigsten wohl Branly-Apparat genannt wird.
Eine Erklärung, welche den Vorzug hat, ausserordentlich plausibel zu sein,
und welche auch den Thatsachen zu entsprechen scheint, gab Prof. Slaby.
Seine Deduktion werde in Folgendem kurz dargestellt: Es ist bekannt, dass
Gase an den Wänden von Metallen ausserordentlich stark adhärieren. Sind nun
kleine leichte Körperchen lose aufeinander geschichtet, so findet zwischen ihnen
thatsichlich noch kein Kontakt statt, weil die Adhäsion des Gases an das Metall-
körperchen dies nicht zulässt. Erst beim Anwenden künstlichen Druckes findet
2359 —
Kontakt statt. Treffen elektrische Kräfte auf solche Körperchen, so werden die
Gashüllen derselben polarisiert, infolgedessen eine ungeheure Druckwirkung
auftritt. Es lässt sich nun an der Hand eines Beispiels zu den mathematischen
Grössenbeziehungen, welche zwischen den magnetischen und elektrischen Verhält-
nissen bestehen, zeigen, dass der zwischen den Cohärerkörnchen auftretende Druck
thatsächlich Werte erreicht, wie sie für eine plausible Erklärung erforderlich sind.
Der erste, der einen Fritter praktisch anwandte, war der Russe Popoff.
Derselbe wollte den Verlauf von Gewittern graphisch registrieren und kam dabei
auf die Idee, die Branly’sche Röhre anzuwenden. .Die Anordnung, welche er
benutzte, war die nachstehend abgebildete (Fig. 3). Er benutzte die Röhre zum
Schliessen einer Lokalbatterie, welche eine Auslösung für die Registrierung und
das Signal und zugleich das Zerfallenmachen des Frittpulvers bethätigte. Seine
Anordnung wurde für alles Spätere typisch. Nach dem Folgenden wird sie dem
Leser ohne Weiteres verständlich sein.
Popoff publizierte seine Arbeit in einer russischen Zeitschrift, weshalb sie
für die Gelehrtenwelt unbekannt blieb. Sie wurde erst ausgegraben, als die
Marconi schen Patentstreitigkeiten begonnen hatten. Popoff erwähnte in seiner
Arbeit, dass man mit solcher Einrichtung auch telegraphieren könne; er benutzte
sogar Funkenstrecken, um Strahlen elektrischer Kraft auf eine Branlyröhre
wirken zu lassen, schob aber die Sache als aus-
Autangodtahl: sichtslos zur Seite, weil die Wirkungen so mini-
male waren, dass er nichts erhoffte. Der Grund
dieser minimalen Wirkungen lag in dem Umstande,
dass Popoff keine Sendedrähte benutzte. Das Ver-
dienst, dies zuerst gethan zu haben und dadurch
der Sache erst auf die Beine verholfen zu haben,
gebührt dem Italiener Marconi. Derselbe hatte
weder von der Branly’schen Röhre, noch von der
Fig. 3. Popoff’ schen Einrichtung Kenntnis, kam vielmehr
selbst auf die Sache.
Der Fritter wird nach unserer jetzigen Kenntnis am empfindlichsten, wenn
statt Eisen- versilberte Nickelspähne angewendet werden. Der Silberprozentsatz
darf 4 bis 10°/, nicht übersteigen. Die elektromotorische Kraft des benutzten,
durch die Branlyröhre geschlossenen Elementes soll, wenn die Abnutzung nicht
zu merklich zu Tage treten und lästig werden soll, 1 Volt nicht überschreiten.
Sehr empfindliche Fritter arbeiten noch bei 0,4 Volt sicher. Will man daher mit
solchem Fritter Anzeigevorrichtungen bethätigen, so greift man zu dem in der
Elektrotechnik zu diesem Zwecke zur bequemen Verfügung stehenden Aushilfs-
mittel des Relais, womit man nur grosse Lokalbatterien auslöst und so in der
Grösse der Anzeigevorrichtungen fast unbeschränkt ist.
Offenbar unabhängig von Popoff hat der Direktor der Sternwarte in Kalocsa,
Herr J. Fenyi*) eine Vorrichtung zusammengestellt, welche als Gewitterregistrator
benutzt wird und sich schr gut bewährt haben soll. Dieser Apparat soll im
Nachstehenden beschrieben und in seiner Wirkungsweise erläutert werden.
Durch langwierige Versuche war es dem Assistenten Herrn Schreiber
gelungen, aus den Mitteln des physikalischen Kabinets der Sternwarte in Kalocsa
einen Apparat für Funkentelegraphie herzustellen. Durch Zufall bemerkte er
*) Gewitter-Registrator, konstruiert von P. Johann Schreiber. Beschrieben von J. Fényi.
Kalocsa 1901, Selbstverlag der Sternwarte.
— %80 —
das Ansprechen dieses Apparates beim Aufleuchten von Blitzen und schritt daher
zur Konstruktion eines für diesen Zweck eingerichteten Apparates, welcher die
im Nachstehenden zu beschreibende Form erhielt.
In der Weise, wie es unsere Fig. 4 zeigt, ist ein Ruhestromkreis mit einem
konstanten Element gebildet. Es liegt also an dessen Polen, welche durch einen
abgeglichenen Widerstand kurz geschlossen sind, einerseits eine Multiplikator-
spule, andererseits ein Pol der Branly’schen Röhre; die beiden übrig bleibenden
Gewitterregistrator von Fényi.
Auffangedraht.
Schreibapparat
Fig. 4.
Pole von Multiplikatorspule und Branly-Apparat werden miteinander verbunden.
Der Branly-Apparat wird auf dem Brett eines elektrischen Unterbrechers an-
gebracht; er besteht aus zwei kreuzweis zueinander liegenden Nähnadeln, von
denen die eine fest aufliegt, während das dicke Ende der andern in dem zu
einer kleinen Spirale gedrehten Zuleitungsdrahte steckt, so dass also ihr Auf-
lagedruck durch Biegen des Zuleitungsdrahtes leicht reguliert werden kann.
Hiermit ist es auch möglich, durch Versuche die Abhängigkeit der Empfindlich-
= DÉI —
keit des Branly-Apparates vom Drucke genau zu bestimmen und auch den
Cohärer durch einen Druckhebel auf bestimmte Empfindlichkeit einzustellen.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass die beiden Nadeln nicht etwa magnetisch
sind. Der Kurzschluss am Element dient dazu, einerseits die Intensität des in
der Cohärerleitung fliessenden Stromes herabzudrücken, andererseits um die
Endspannung an dem offenen Cohärer auf ein brauchbares Mass zu reduzieren.
Da die Spule des vorliegenden Apparates 420 Ohm Widerstand hat, kann in ihr
höchstens etwa ein Strom von Ian Ampere fliessen. Die Spule selbst hat un-
gefähr 5000 Windungen einfachen mit Seide umsponnenen Kupferdrahtes von
900 m Länge und 0,2 mm Dicke. Die Spule ist in axialer Richtung 2,5 cm lang,
quer dazu 10 cm ausgedehnt; die innere Höhlung misst in der Höhe 12 mm.
Die letztere dient zur Aufnahme der aus Uhrfederstahl hergestellten Magnet-
nadel von nur 3 g Gewicht, welche an einer Seite einen feinen Platinstreifen in
vertikaler Lage trägt. der, wenn die Nadel abgelenkt wird, an zwei mit Platin-
spitzen versehene Stifte zugleich anschlägt und dadurch einen Registrierstrom
schliesst. Einer dieser Stifte ist zum Zwecke gleichmässigen Kontaktes durch
eine Schraube verstellbar.
In der 4. Abbildung, welche aus der Fénei schen Beschreibung übernommen
ist, ist noch die erste Anordnung dargestellt. Dabei tritt in der elektrischen
Combination an die Stelle des verstellbaren Contactstiftchens die Nadel selbst.
In dieser Anordnung bleibt aber die Nadel oft hängen, sodass die hier be-
schriebene Anordnung construiert wurde.
Der Multiplikator wird auf einer erschütterungsfreien Unterlage aufgestellt
und die Nadel in der dem erdmagnetischen Meridian des betreffenden Ortes
entsprechenden Stellung gebracht, sodass sie nur etwa 1 bis 2 mm von dem
Kontaktstiftchen absteht. Rückwärts ist ihr ein zweiter Stift gegeben, um
wiederholte Schwingungen einer Ablenkung und damit wiederholte Kontakte zu
vermeiden.
Lässt man in der Nähe dieses Apparates einen kleinen Funken überspringen,
so wird durch die dabei entstehende elektromagnetische Aetherstörung der
Cohärer leitend gemacht, sodass ein Strom ihn und die Multiplikatorspule durch-
fliessen und eine Ablenkung der Nadel hervorrufen kann. Ein neuer Funke
bringt dann abermals eine Ablenkung hervor. Zur Prüfung dieser Einrichtung
genügt es, in der Nähe ein kleines elektrisches Läutewerk in Betrieb zu bringen;
der bei den Unterbrechungen desselben auftretende Induktionsfunke reicht aus,
den Cohärer zum Ansprechen zu bringen.
Die beiden Kontaktstifte sind die Pole eines offenen Stromkreises, in
welchem etwa vier Leclanché-Elemente als Stromquelle eingeschaltet sind, welche
den vorhin erwähnten Unterbrecher zugleich mit einem Schreibwerk bei einem
Kontakt der Nadel mit dem Stiftchen bethätigen sollen. Da der Schreibapparat
parallel mit dem Unterbrecher arbeitet, müssen beide etwa gleichen Widerstand
haben, worauf zu achten ist. Der Zweck des Unterbrechers ist, durch seine
Erschütterungen auch den Cohärer zu erschüttern, damit dieser den Spulenstrom
wieder abstelle. Damit nun der bei dem Unterbrecher selbst entstehende
Induktionsfunke nicht den Cohärer in Aktion treten lässt, giebt man dem unter-
brechenden Anker einen festen Anschlag. Dann dauert die Erschütterung immer
noch etwas länger als der letzte Induktionsfunke und der Cohärer stellt prompt
und sicher den Stromkreis ab. Um zu vermeiden, dass die Nadel an den
Kontaktstiftchen hängen bleibt, was auf Reibung am Nadelhütchen zurück-
— %2 —
zuführen ist, montiert man den Unterbrecher auf demselben Brett wie die Spule
und erreicht so durch die Erschütterungen desselben ein sicheres Abstossen der
Nadel von den Stiftchen.
Die Registrierung von Blitzen geschieht nun in der Weise, dass die durch
Blitze hervorgerufenen elektromagnetischen Aetherstörungen von einem Auffange-
draht zum Cohärer geleitet werden. Dieser spricht dann an und schliesst in
seiner eigenartigen Weise den Ruhestromkreis, sodass die Nadel bei einem Aus-
schlage den Lokalarbeitsstromkreis schliesst und den Registrierschreiber und
den Unterbrecher in Thätigkeit versetzt. Durch die Erschütterungen des Cohärers
wird seine Leitfähigkeit wieder aufgehoben und die Thätigkeit des ganzen
Apparates wieder unterbrochen. Derselbe steht nun zu einer neuen Aufzeichnung
bereit.
Bei der Aufstellung des Apparates muss darauf geachtet werden, dass
fremde Läutewerke und elektrische Anlagen nicht in der Nähe sein dürfen, weil
diese sonst störend auf die Thätigkeit des Apparates einwirken würden.
Die eigentliche Registrierung ist eine sehr einfache. Eine einfache Wecker-
uhr kann zu diesem Zwecke als Uhrwerk dienen. Auf dessen Minutenachse a
wird das Registrierpapier aufgesteckt,
Schreibapparat. sodass sich dasselbe in jeder Stunde
um 360° dreht. Die Aufzeichnung ge-
schieht durch eine mit Anilintinte ge-
füllte Schreibfeder F; der Tinte wird
zur Verhinderung ihres Eintrocknens
zweckmässig ein gleicher Teil Glycerin
zugesetzt. Die Feder steckt an einem
Eisenanker, welcher, wie die Fig. 5
NERS -> zeigt, einem Elektromagneten gegen-
gg TR ‚gas übersteht, dessen Spulen beim Kon-
Hmm taktmachen durch die Multiplikator-
nadel das Eisen magnetisch erregen
Fig. 5. und so eine wagerechte Bewegung
der Schreibfeder F veranlassen, welche
sich auf dem Blatte als kleiner wagerechter Strich verzeichnete Um nun
das Registrierblatt recht lange benutzen zu können, ist Vorsorge getroffen,
dass die Feder nach einem Umlauf nicht wieder auf den schon verzeichneten
Strich kommt. Zu dem Zwecke wird der ganze Apparat mitsamt dem Anker
und der Feder ganz langsam in horizontaler Richtung verschoben, sodass auf
dem Blatte eine Archimedische Spirale entsteht, welche nur durch horizontale
Strichelchen, den Spuren der Federzuckungen bei Blitzen, unterbrochen wird.
(Vergl. die Schriftproben Fig. 6 u. 7.)
Die Verschiebung des Magneten geschieht durch einen Faden, welcher sich
um die Minutenachse aufwickelt und so eine Bewegung hervorruft, bei deren
Langsamkeit die zur Fortbewegung notwendige vom Uhrwerk hergegebene Kraft
herreicht. Die Fortbewegung kann auch so geschehen, dass die Magnetvor-
richtung auf einer schiefen Ebene gleitet und die Minutenachse durch die gleich-
förmige Abwickelung eines Fadens die Bewegung reguliert. Der Schlitten gleitet
dabei in einem Führungsstabe F, welchen die Oesen m und n umfassen. — Die
Arbeit der Schlittenbewegung kann auch zweckmässig der Stundenachse des
Uhrwerks übertragen werden.
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— %3 —
Um das Papier auch immer mit der Schreibfeder in Berührung zu erhalten,
ist eine Gegenfeder auf dem Magnetbrettchen angebracht, welche mitgleitet und
so das Papier immer an die Federspitze drückt.
Der beschriebene Apparat hat sich in seiner Wirkungsweise glanzend
bewährt. In kurzer Zeit zeichnete er vollständiger als jede andere Einrichtung
die Gewitterentladungen auf und gab Resultate, welche nach der sonst üblichen
Schrift eines Ferngewitters vom 18.— 14. Juli.
ii
Fig. 6.
Weise nur durch vieljährige Beobachtungen oder durch ein sehr ausgedehntes
Beobachtungsnetz erlangt werden können. Aus einer dreimonatlichen Registrierung
im Mai, Juni und Juli des verflossenen Jahres konnte sogleich die tägliche
Periode der Gewitter in Südungarn, oder genauer bezeichnet, im Gebiete von
etwa 150 km im Umkreise von Kalocsa, richtig bestimmt werden. Die Ueber-
einstimmung dieser Aufzeichnungen mit den durch andere Beobachtungen ge-
wonnenen war überraschend.
Die Schriftprobe eines Ferngewitters am 13.— 14. Juli ist in Figur 6, eines
Ortsgewitters vom 15.— 16. August in Figur 7 wiedergegeben.
Man ist geneigt, den nächtlichen Gewittern grössere Häufigkeit zuzuschreiben,
als den am Tage sich abspielenden, sodass sich also nachts ein zweites Maximum
zeigen müsste. Der Grund dafür ist ein psychologischer, er beruht auf einem
— 264 —
alten Gedächtnisfehler der Menschen, nämlich das nichtzustimmende Eintreffen
von Ereignissen zu vergessen und das zufallig eintreffende im Gedachtnis zu
behalten, wie schon Kepler schlicht und treffend sagt:
„Das Fehlen (Falschsein) vergisset man, weil es Nichts besonderes
ist; das Eintreffen behält man nach der Weiber Art; damit bleibt der
Astrologus in Ehren.“
Schrift eines Ortsgewitters vom 15.—16. August.
So auch hier! — Die Gewitterregistrierung aber zeigt, dass in der ganzen
Nacht die Gewitter ungefähr zehnmal seltener sind, als in den Nachmittags-
stunden.
ME
Die Hochwasser des ersten Halbjahres 1902, besonders das Hochwasser
in JSerlin Vom 14. April, und ihre Prognosen.
Von Wilhelm Krebs, Barr i. Els.
D erste Hälfte des Jahres 1902 war auch für Mitteleuropa von mannigfachen
Anomalien der Witterung heimgesucht. Diese äusserten sich zunächst in
der dann gewöhnlichen Folgeerscheinung schlechter Ernteaussichten. Immerhin
scheinen allgemein nur die Obsternten gelitten zu haben. Von den durch
— 265 —
schliesslich günstiges Wetter aufgebesserten Getreideernten ist um so grösserer
Vorteil für die deutsche Landwirtschaft zu erwarten, als zwei wichtige Wett-
bewerber, die Weizenländer Nordamerikas und Nordindiens, in diesem Jahre zu
versagen drohen.
Andere Besorgnisse wurzeln tiefer, wenn auch zugleich in noch wenig er-
forschtem Boden. Dem verflossenen Halbjahr waren Hochwasser und ausge-
prägte Ueberschwemmungen gerade in grossstädtischen Gebieten eigen. Er-
fahrungsgemäss erweckt solches Verhalten für die Folgezeit erhebliche Bedenken
hygienischer Art. In Bezug auf diese Bedenken verweise ich auf frühere Ver-
öffentlichungen über Grundwasserstau und Gesundheitsverhältnisse in städtischen
Gebieten*) und führe aus neuester Zeit an, dass die hochgradige Verseuchung
der mexikanischen Hafenstadt Veracruz an gelbem Fieber, Blattern u. dgl. von
der dort thätigen Kommission amerikanischer Aerzte wesentlich auf Verunreinigung
des Untergrundes der Strassen und Häuser zurückgeführt wird **).
Die folgenden Darlegungen beschränken sich auf die angenehmere Gegend
über der Bodenoberfläche. Sie sollen daran helfen, den meteorologischen Zu-
sammenhang bei jedem der hauptsächlichsten Hochwasser aufzudecken.
Von vornherein kann man vom meteorologischen Standpunkt drei Arten
unterscheiden: Hochwasser infolge starker und anhaltender Niederschläge, Hoch-
wasser infolge ausgiebiger Schneeschmelze und Hochwasser infolge Sturmflut.
Die ersteren beiden Arten bevorzugen das Binnenland, besonders das gebirgige,
die letztere ist naturgemäss ganz der Küste eigen. Alle drei Arten waren im
verflossenen Halbjahr vertreten.
Die beiden ersteren stehen in einem näheren Zusammenhange zu einander.
Unter gleichen barometrischen Umständen, wie schwere und anhaltende Regen-
fälle, können ebensolche Schneefälle erzeugt werden, die bei schnellem Tauen
oft erst nach langer Unterbrechung Hochwasser zu veranlassen vermögen.
Andererseits bringen Frost und Ersatz des Regens durch Schneefall, bei nach-
haltiger Abkühlung, drohende Hochwassergefahr zu dauerndem oder auch vor-
übergehendem Stillstand. Letzterer wird dann durch schnell und in umfassender
Weise eintretendes Tauwetter wieder beseitigt. Meist aber genügt eine solche
vorübergehende Hemmung, die vorher gefahrdrohenden Hochwasser zu unschäd-
lichem allmählichem Abfluss zu veranlassen.
Manchmal aber gelangt ein erheblicher Rest als Eis oder Schnee maga-
zinierter Niederschläge an ein schnelles Forttauen, während warme Regen noch
Wasser hinzufügen. Das ist ein häufiger Anlass zu Frühlingshochwassern, kann
aber auch im Winter vorkommen und wird dann gewöhnlich durch erneuten
Frost zum ungefährlichen Abschluss gebracht. Diese Fälle vorübergehender
Hochwassergefahr ereigneten sich in den Wintermonaten unseres Halbjahrs
‚zweimal, in den ersten Dekaden des Januar und des Februar.
Beide Male wurde fast von denselben Flussgebieten gefahrdrohendes An-
schwellen gemeldet: am 4. bis 6. Januar von Teilen des mittleren Rheingebiets,
Mosel, Weser und den Flüsschen der Lüneburger Haide, am 8. bis 10. Februar
*) W.Krebs, Grundwasserstau und Gesundheitsverhältnisse in europäischen Städten. „Deutsche
Medizinische Wochenschrift“, Jahrg. 22, S. 583—585. Berlin 1896. Dgl. in Berlin. Ebenda, S. 632
bis 633. W. Krebs, Hochwasser, Grundwasserstau und Gesundheitsverhältnisse in europäischen
Grossstädten. Sonderabdruck aus den „Fortschritten der öffentlichen Gesundheitspflege“. Frank-
furt a. Main. Jäger’s Verlag. 1896.
**) Zeitungsnachrichten von Juni 1902.
— 266 —
aus den ersteren drei Gebieten allein. Beide Male blieb jede Nachricht von dem
wirklichen Eintreten der alarmierenden Hochwassergefahr aus, sobald Hochdruck-
wetter mit Frost und Trockenheit auch nur an einem Tage die milde Nieder-
schlagsepoche abgelöst hatte. Das zweite Mal konnte der genaue Verlauf dieser
unschuldigen Hochwasser rechtzeitig vorausgesagt werden durch Prognose vom
7. Februar, nachdem beim ersten Male sich der ebenfalls rechtzeitig, am 3. Januar,
gezogene Schluss auf eine Folge von EE und Frostwetter prompte Be-
stätigung erhalten hatte*).
Aehnlich gestaltete sich der Versuch einer Sturmflutprognose für das Unter-
elbe-Gebiet. Auch hierfür hatte ein Vorversuch günstige Aussicht gegeben, in-
dem am 17. Januar, als an dem Vogesensitze des Verfassers noch keinerlei
Nachrichten von der Nordsee vorlagen, auf die Wahrscheinlichkeit dieser Hoch-
wassergefahr geschlossen wurde, die thatsächlich am 16. Januar schon einge-
treten ist**). Nach Wochenfrist stellte sich eine ähnlich gefahrdrohende Wetter-
lage wieder ein. Die am 24. Januar gestellte Prognose***) erhielt am 26. Bestätigung
durch eine neue Sturmflut, von der die vorhergegangene in Hamburg um mehr
als 2 Fuss Höhe übertroffen wurde. Beide Male war eine Depression vom
Atlantik her in der keineswegs ungewöhnlichen Richtung nach Ostnordost am
Nordseegebiet vorübergezogen und hatte danach im Osten desselben in einem
südlichen Ausläufer interferenzartige Vertiefung erfahren. Die Folge war, dass
nach Südwestwinden, die die Nordsee vom Ozean her gefüllt hatten, westliche
bis nordwestliche Winde heftig auffrischten, die diesen Wasserüberfluss be-
sonders in den Mündungsschlauch der Elbe hineinfegten. Schwere Schäden an
den Deichen von Altenbruch und Finkenwärder und eine der grossartigen, wenn
auch im Verhältnis harmlosen Ueberschwemmungen der Wasserkante Hamburgs
und Cuxhavens waren die Folge der zweiten stärkeren Sturmflut.
In beiden Hinsichten, sowohl in Bezug auf das Schmelzhochwasser vom
8. bis 10. Februar, als auf das Sturmfluthochwasser vom 26. Januar, lebte die
Vorhersage gewissermassen aus der Hand in den Mund, indem unter gleich-
bleibenden allgemeinen Voraussetzungen wesentlich durch rasche Berücksichtigung
sich vorbereitender Auslösungsvorgänge erfolgreiche Hochwasserprognosen er-
zielt wurden.
Anders stand es mit den Gebirgshochwassern infolge ungewöhnlich starker
und anhaltender Regen in höheren Lagen. Von solchen Hochwassern entfiel ein
ausgeprägtes in den betrachteten Zeitraum, das zwischen dem 20. und 26. Juni
Teile des Donau-, Oder- und Weichselgebictes heimsuchte und besonders grosse
Ueberschwemmungen in den grossstädtischen Strassen Krakaus anrichtete.
Diesem Hochwasser lag als meteorologisches Motiv das Vorhandensein einer
wahrhaften, wenn auch etwas nach Osten verschobenen Hochwasserdepression
über dem südöstlichen Mitteleuropa zu Grunde. An der angegebenen Stelle lag
sie vom 18. bis 20. Juni. Ihre Bildung begann schon vom 16. an, so dass am
20. Juni hinreichendes Material vorhanden war, um die genaue Prognose zu
stellen. Sie lautete:
„Ich erwarte in diesem östlichen Teile des deutschen Mittelgebirgslandes
bis hinauf zum Nordfusse der Alpen und Karpathen schon in allernächster Zeit
das Eintreten erheblicher Schwellung der Bäche und Flüsse, die zu ausgedehnter
*) W. Krebs, Das Wetter in der nächsten Woche. „Hamburger Fremdenblatt, Hauptblatt“,
Nr. 34, Nr. 4.
**) Ebenda, Nr. 16. — ***) Ebenda, Nr. 22.
— 17 —
Hochwassergefahr besonders im Oder-, Weichsel- und Donaugebiet anwachsen
dürfte.“*)
Die Prognose traf in voller Schärfe ein, auch in der örtlichen Beschränkung,
nur dass sie über die Karpathen hinaus auch in die nordungarischen Komitate
Krasso und Zemplin übergriff (Nachricht aus Budapest vom 23. Juni).
Die Bildung dieser eigentlichen Hochwasserdepressionen habe ich aus
Interferenz der Druckrinnen einer nordischen und einer südländischen Depression
erklärt, die bis dahin auf ihrem Wege aus Westen durch die wetterscheidenden
Alpenkämme auseinandergehalten wurden.
Auf solche Interferenzmöglichkeit hin sind seit 1897 eine Reihe guter Hoch-
wasserprognosen der ersten Art veröffentlicht worden**). Gewöhnlich stellten
sich die durch Interferenz entstandenen Hochwasserminima nordöstlich der
Alpen ein, seltener, in ähnlichem Zusammenhang, nordöstlich der Pyrenäen. In
winterlicher Jahreszeit war mitbestimmend das Eintreten nachhaltigen Tau-
wetters. Die Notwendigkeit des Zusammenwirkens so vieler Faktoren verlieh
der Prognose dann aber einige Unsicherheit. So stand es am 11. April, als
wieder ein Wochenbericht fällig war. Er nahm Bezug auf westliche Interferenz
und schloss die Prognose an:
„von wärmeren Niederschlägen, die ihr (einer südländischen Depression)
zu danken sein dürften, ist für das Binnenland nunmehr nachhaltigeres Tau-
wetter und weiteres Anschwellen der Flüsse zu erwarten, wenn auch die so
lange hingehaltene Hochwassergefahr eine sehr erhebliche Bedeutung nicht
erlangen möchte“ ***).
Die Ernte an Unheil war für diese Prognose nicht eben reichlich: wolken-
bruchartige Regen im Schwarzwald am 13., Hochwasser im Riesengebirge am 15.,
merkwürdigerweise aber auch schweres Hochwasser in Berlin am 14. April.
Wenn bei diesem auch die starke Wasserführung der Spree von vornherein
mitgewirkt haben mag, so war doch das ausschlaggebende Moment nicht das
Tauwetter, sondern ein für Berlin ganz ungewöhnlich schwerer Niederschlag
von 67 mm in nicht viel mehr als 5 Stunden, 3 bis 8 Uhr morgens.
Die Wind- und Luftdruckkarte der Seewarte lässt um 8 Uhr desselben
Morgens unmittelbar südlich Berlin einen Wirbel erkennen, indem die Wind-
richtungen an den Stationen Magdeburg, Kassel, Chemnitz, Grünberg und Berlin
selbst fast genau anticyklonal liegen. Der Wirbel befindet sich in gerader Linie
zwischen der nordöstlichsten Druckrinne eines südländischen Depressionsgebietes
und der südöstlichen Ausbuchtung eines nordischen, so dass die Möglichkeit
seiner Entstehung durch Interferenz dieser Druckrinnen durchaus begründet
erscheint. Diese Interferenz hatte sich aber in einer für Hochwasserdepressionen
ungewöhnlichen Gegend, nordöstlich des westdeutschen Mittelgebirgslandes, ein-
gestellt. Dafür besass auch die nordische Depression eine noch gänzlich
ozeanische Lage, so dass als ihre Basis thatsächlich das Meeresniveau in Frage
kam. Zur örtlichen Verstärkung des die Kondensation fördernden Auftriebes in
diesem Wirbel mögen auch die spezifischen Erwärmungsverhältnisse, die sich
an einem kühlen Montagmorgen in der grossstädtischen Atmosphäre einzustellen
pflegen, nicht wenig beigetragen haben.
*) Ebenda, Nr. 144.
**) W. Krebs, Die meteorologischen Ursachen der Hochwasserkatastrophen in den mittel-
europäischen Gebirgsländern. „Aus dem Archiv der deutschen Seewarte“. Hamburg 1900. No. 6, S. 6.
***) Ebenda (vgl. Anm. 3) Nr. 86.
— 268 —
Im Wesentlichen war aber die Ursache der schweren Niederschlage die
geschilderte Interferenz zwischen einer nordischen und einer südländischen
Depression an ungewöhnlicher Stelle, und es ist für die Frage der Prognose
besonders wichtig, dass auch in dieser Hinsicht ein ähnlicher Vorgang auch für
die vorhergehende Woche berichtet war:
„Die Zugrichtung nach Osten hatte eine tiefe, anscheinend durch Interferenz
zwischen einer nord- und einer südländischen erzeugte Depression mit ihrem
Minimum über das nördliche Mitteleuropa entlang geführt“ *).
Das erste Halbjahr 1902 hat demnach die an erster Stelle angeführte Art
der Hochwasser um eine neue Spielart bereichert. Insofern besitzt gerade das
Berliner Hochwasser vom 14. April 1902 ein hervorragendes wissenschaftliches
Interesse. In diesem Blick ist auch nicht richtig, wenn behauptet wird, und
zwar sogar in einer Familienzeitschrift**), dieses so sehr schadenbringende Hoch-
wasser hätte sich ganz und gar der meteorologischen Voraussicht entzogen. Im
Gegenteil war in dem erwähnten Berichte vom 11. April allgemein Prognose
auf Hochwasser gestellt Auch war, wie ausgeführt, der bisherige Gang und die
Gesamtlage der Witterung derart, dass eine örtliche Prognose am Tage vorher
sehr wohl auf den Gedanken eines solchen Vorgangs hätte führen können.
Diese meteorologische Thätigkeit ist vorhin zwar als ein Leben aus der
Hand in den Mund charakterisiert worden. Damit möchte ich sie aber keines-
wegs herabgesetzt haben. Vielmehr gewährt ein solches, auf eine bescheidene
Voraussicht gerichtetes Studium so ausserordentlich viel Anregung, dass es allen
der jugendlichen Wissenschaft der Witterungskunde überhaupt geneigten Lesern
nur angelegentlich empfohlen werden kann. Enttäuschungen bleiben ja nicht
immer aus. Im Anfang sind sie vielmehr recht häufig. Die ganze Thätigkeit
hat aber sehr viel gemein mit der aufmerksamen Verfolgung einer physi-
kalischen Versuchsreihe. Auch ohne erhebliche praktische Erfolge im Anfang,
bietet sie als bildendes und anregendes Mittel geistiger Unterhaltung eine der
besten Einführungen in die meteorologische Wissenschaft, auf deren Populari-
sierung gegenwärtig mit Recht ein grosser Wert gelegt wird.
Sonne, Mond und Sterne in Märchen und Sagen der Vorzeit.
Von Max Jacobi.
(Schluss.)
he wir uns dem stillen Wächter der Nacht, dem Monde, zuwenden, dürfte
es nicht ohne Interesse sein, noch die Bedeutung des göttlichen Tages-
gestirns in einigen bekannteren Märchen und Sagen zu erörtern und hierdurch
zu einem innigeren Verständnis der Mythen selbst zu gelangen.
Wir erwähnten bereits den solaren Grundkern der Orpheus-Sage, fernerhin
kamen wir auch auf die solare Bedeutung des Persephone-Mythus kurz zu
sprechen. Nunmehr dürfte auch der altnordische Mythus vom Riesenweib Skadhi
genannt werden, welche, in List mit dem Riesen Nioedhr anstatt Baldurs, des
Lichtgottes, verheiratet, beschliesst „neun Nächte lang“ — d.h. die neun Winter-
monate Nord-Skandinaviens — auf ihrem Gebirgsschloss Thrymheim zu wohnen
*) Ebenda (vergl. Anm. 3) Nr. 86.
**) „Daheim“, Mainummer des Jahrg. 1902.
— 269 —
und die drei Sommermonate bei ihrem Gemahl Nioedhr zu Noatun am Ufer der
See zu verbringen*).
Fernerhin erinnern wir uns nunmehr auch zwei der schönsten deutschen
Sagen, welche in herrlichen Tonschöpfungen unserem modernen Empfinden
zugänglicher gemacht worden sind, der Sage vom heiligen Gräl und vom
Lohengrin. „Parcival“ oder „Parsefal“, der Held der Grälssage, trägt die Züge
des germanischen Lichtgottes Baldur. Die Taube, welche bei Empfang des reinen
Himmelslichtes auf der Gralsburg eine so gewichtige Rolle spielt, galt schon in
alter Zeit als Personifikation der Sonnenstrahlen. Der entkräftete und verwundete
Amfortas hat Analogien im entmannten Uranos der hellenischen und dem
schwerbedrängten Osiris der ägyptischen Sage, wobei die Rolle des Parcival
im hellenischen Mythus Zeus-Kronos vertritt, im ägyptischen der junge
Lichtgott Horus. Noch leichter ersichtlich dürfte die Personifikation der Sonne
in Lohengrin, dem lichtstrahlenden Ritter sein, der auf einem vom Schwan**)
gezogenen Nachen herbeicilt. Elsa von Brabant gleicht in ihrem Schmerze um
den verlorenen Gatten der altägyptischen Mondgöttin Isis, welche den Tod ihres
Gemahls, des Sonnengottes Ra-Osiris, nicht verwinden. kann. — Man berück-
sichtige auch den althellenischen Dioscuren-Mythus, nach welchem der sterbliche
Pollux sechs Monate in der Unterwelt weilen muss, die andere Jahreshälfte
aber bei seinem unsterblichen Bruder Kastor auf Erden weilen kann. Der
Dioskuren-Sage begegnen wir schon im altindischen Acvin-Mythus.
Nunmehr wenden wir uns zu einem anderen interessanten Problem!
Die ausdörrende Kraft der Sonnenstrahlen musste in den Urvölkern die
Empfindung hervorrufen, dass auch schreckenerregende Kräfte der Sonne eigen
waren. Löt's Frau erstarrt beim Rückblick auf die vom Himmelslichte ent-
zündeten Städte Södom und Gomorrha zur Salzsäule*”*), Niobe wird vom Schmerze
um ihre durch den Sonnengott - Appollon hingerafften Kinder überwältigt und
erstarrt zur Felsmasse, die altgermanische Riesenjungfer Hrimgerde, welche
an Etzel’s Hof zur Verehelichung gelangt, muss zu Fels erstarren, als Etzel in
der Morgendämmerung ihr zuruft: „Blicke nach Osten, Hrimgerde!‘“Y)
Wie leicht übrigens der Volksmund auch historische Persönlichkeiten mit
dem Schleier solarer Mythen umgiebt, dafür mochten wir neben der biblischen
Moses-Gestalt nur Kaiser Rothbart erwähnen, der im Kyffhäuser schläft, solange
*) Vergl. u. A.: Hyancinthe Husson: „La Chaine traditionelle“, Paris 1874. — L. Roch-
holtz: „Ohne Schatten, ohne Seele“ in der „Germania“, Jahrg. V. 1860.
**) Der Schwan galt wohl auch der Reinheit seines Gefieders wegen gleichfalls als Personi-
fikation der Sonnenstrahlen. Dürfte jene schöne Sage von dem Gesange des sterbenden
Schwanes vielleicht auf gewisse tellurisch-physikalische Erscheinungen zurückgehen, welche bei
Sonnenuntergang sich bemerkbar machen — ähnlich den Tönen der Memnons-Säule bei Sonnen-
aufgang? Ueber den Schwan in der Mythologie handelte nicht uninteressant Paul Cassel.
***) Lot zeigt übrigens lunaren Charakter, wie sich im ersten Buch Mosis überhaupt viele
mythologi-kosmologischen Rätsel finden. Man hüte sich indessen vor jener übertriebenen Spitz-
findigkeit Ed. Stuckens (l. c.), welcher am liebsten das ganze „alte Testament“ auf kosmische
Vorgänge zurückführen möchte!
+) Fernere Sagen und Studien zum beregten Thema in der „Revue des traditions populaires“,
Jahrg. 1890 ff. „Folk-lore“, Jahrg. 1892 ff.
Kurz erwähnen wir auch noch den solaren Charakter der indogermanischen Tell-Mythen,
deren älteste Fassung sich in einem Epos des persischen Dichters Farid Uddin Attär (1119/1230)
findet. Vergl. fernerhin: A. Reville: „Histoire des religions“, Paris 1888/99. W. Robertson
Smith: „Die Religion der Semiten“. J. Macdonald: „Religion and Mythology“, 1891. Ueber die
Sonne als Apfel vgl. u.a. Mannhardt, „Lettische Sonnenmythen“ in „Zeitschr. für Ethnol.“ Bd. VII.
_ mon —
die Raben der Finsternis den Berg umflattern — also eigentlich derselbe Mythus,
den in poetischerer Form das Märchen vom Dornröschen erzählt. Rotblonde
Haare dienen allgemein zur mythischen Veranschaulichung der Sonnenstrahlen.
So sind der Indra im altindischen Pantheon der Mithra des phrygischen
Gottesdienstes und Wodan-Thör des germanischen Mythus rotblonden Haares.
Denselben Haarschmuck zeigen Joseph und Simson*). Diese beiden alt-
testamentarischen Persönlichkeiten können geradezu als personifizierte Sonnen-
götter aufgefasst werden — ohne ihre historische Persönlichkeit ein-
zubüssen. So verliert Simson alle Kraft und Gewandheit nach Entfernung
seines Haupthaares, der goldblonden Locken — wie die Sonne bei Vernichtung
ihrer Strahlen alle Kraft einbüsst.
Bemerkenswert ist die Versinnbildlichung der Sonnenscheibe als Auge des
Sonnengottes, welcher dann einäugig zu sein pflegt. So heisst die Sonne im
Sanskrit oft: „Auge des Varuna“, im Pantheon des Pharaonenlandes: „Drei-
eckiges Auge des Osiris“ und bei den alten Germanen ward Wödan einäugig
gedacht. Nunmehr erinnern wir uns auch an die Einäugigkeit der Cyklopen,
speziell des Polyphems der Odyssee. Interessant ist der Vergleich zwischen
den Mythen Odyssee-Polyphem, David-Goliath und dem kleinen Däum-
ling des deutschen Märchens, welcher mit dem gewaltigen Riesen sieg-
reich kämpft. Die Riesen gelten in allen Sagen als Personifikation des licht-
feindlichen Prinzips”*).
Wir berührten schon flüchtig den Mythus vom Schwan als Symbolisierung
der Sonnenstrahlen.
Nunmehr lernen wir auch den Grundkern jener altgermanischen Sagen
kennen, in welchen badende Walküren ihr Schwanengewand ablegen und
hierdurch oft in die Gewalt irdischer Heroen gelangen. Soll doch auf diese
Weise Siegfried — eine Nachbildung von Baldur im Gegensatze zu Hagen, einer
Nachbildung von Loki — einst sich der Walküre Brunhild bemächtigt haben!
Jetzt wird uns auch der sinnige Mythus verständlich, dass Walküren die Seelen
der Helden zur Walhalla emportragen; denn diese Walküren — die personifizierten
Sonnnenstrahlen — gelten als Kinder und Boten des reinen Himmelslichtes.
Als Seelenweg zum Himmel ward oft die Milchstrasse gedacht, mit deren
Symbolisierung in Märchen und Sagen wir uns schon jetzt beschäftigen müssen.
Der germanische Glaube nennt die Milchstrasse auch „Hel-weg“, weil auf
ihr die nicht rühmlich gefallenen Toten zur Todesgöttin Hel eilen. Aehnlich
nennen die Perser die Milchstrasse „Hadsiler-Juli‘, „Weg der Pilger“. Als
diese „Pilger“ oder „Seelen“ werden oft die Sterne betrachtet. Bei den Angel-
sachsen hiess die Milchstrasse „Irmingstreet“, während man Urs. mat. Irmings-
wagen“ benannte.
Im Norden und Süden der Milchstrasse befinden sich nach Porphyrius zwei
Pforten. Durch die Nordpforte gelangen alle Geister auf die Erde, durch die
Südpforte, „das Thor des Mondes‘, zum Saturn, ihrem eigentlichen Aufenthalt.
Der Mond selbst gilt im Gegensatze zur Sonne als stiller, sanfter Begleiter
der Sterhe, ohne jeden positiven Einfluss. Der krasse Aberglaube, welcher auch
heute noch dem Vollmond und Neumond wichtigen Einfluss auf das Blühen und
*) Man vergl. u.a.: Roskoff, die Simsonsage und der Herakles-Mythus. Leipzig 1860.
**) Es sei kurz auf die Bedeutung des Sonfiengottes im Gewitter hingewiesen. Vide Ilias lib. I,
Pr dè xur’Obkounoro etc W.Schwartz: „Nachklänge prähistor.Volksglaubens im Homer“, Berlin 1894.
— 711 —
Gedeihen ‘indischer Organismen einräumt, bildete sich erst allmählich aus; der
ursprünglichen Mythologie liegt er fern. Zum erstenmale spricht von dem Ein-
fluss der verschiedenen Mondphasen auf die Nil-Ueberschwemmung Plutarch in
„de Js. et Os“*). An dieser Stelle mag erwähnt sein, dass der heilige Apis-Stier
nicht eine Personifikation des Osiris, sondern der Isis, der Mondgöttin, ist”).
Sonne und Mond sind im germanischen Mythus zweifelhaften Geschlechtes,
oft geradezu Zwitter. Sol und Mani gelten als Geschwister***). Mani ist
vielleicht nur Weiterbildung des Stammgottes aller Germanen, Manus, dem wir
schon in der „Germania“ des Tacitus begegnet sind. Ist dieser Vergleich stich-
haltig und Manus eigentlich Mondgott, so dürfte ein neuer Beweis dafür ge-
wonnen sein, dass die alten Germanen im Gegensatze zu anderen
arischen Völkern ursprünglich den lunaren Gottesdienst pflegten.
Ueber den mythischen Vater der beiden Gestirne und ihren Lauf sagt die Edda:
„Mundilfäri heisst
Des Mondes Vater,
Und so der Sonne.
Sie halten täglich
Am Himmel die Runde
Und bezeichnen die Zeiten des Jahres!“
In einem assyrischen Hymnus an Nuska, den Mondgott, heisst es:
„Nusku, grosser Meister, du glänzendes Licht, welches die Nacht erleuchtet!“ —
Bei seiner nächtlichen Wanderung musste der Mond den Gefahren der
Finsternis, den lichtfeindlichen Dämonen, besonders stark ausgesetzt erscheinen,
und scine Kämpfe mit den Riesen bilden den Grundkern vieler Mythen und
Sagen der Vorzeit. Im phrygisch-persischen Gottesdienst erscheint der Mond als
Hüter jenes Weges durch die sieben Planeten, welcher die ‚Leiter des Mithra“
genannt wurde’). Ä
Wir gehen nunmehr zu den Planeten selbst über und erwähnen nur kurz
ihre Symbolisierung im altägyptischen Pantheon — einmal, weil sich dieselben
Grundideen auch in den Mythen der anderen antiken Kulturvölker wiederfinden,
sodann aber, weil die Symbolik der Planeten im Pharaonenlande bei ihrer astro-
logischen Bedeutung eine weite Ausbildung erfahren hat. Jeder Planet regierte
einen bestimmten Himmelsbezirk. So hiess 4 = „Stern des Südens“, h = „Stern
des Westens“ (wohl als Symbol der Finsternis, des Vergehens“, Mars & „Stern
des Ostens“. In den ältesten Texten wird 6 dementsprechend dem Helios ge-
weiht, fernerhin $ dem Sct (Typhon), $ der Venus (Nut, Netpe?), dagegen h dem
Lichtgotte Horus. Späterhin dient ħ nur zur astralen Personifikation des bösen
Dämons Set. Daneben finden sich in mystisch-astrologischen Texten der Neu-
platoniker noch eigene Benennungen für 4 und fh. Ersterer heisst Osiris, letzterer
Nemesis. Die Plancten wurden im Pharaonenlande ihres lebhaften Glanzes
wegen oft als Sonnen aufgefasst. Bekannt ist die babylonische Art der Ver-
*) Vide Plut. de Is. c. 43: Otovras dë mode Ta gg Tis oeAnung freu rg Aoyov rop Nefiov
TUG Groote,
**) So u.a. Suidas vom Apis: tTovroy Alybrrıoı geit tuS, xul Legos hy ode o Bows tis
cedrync. Ä
***) Für Mondsagen auch einzusehen: „Archivo per lo studio delle tradizioni populari“,
Palermo, Jahrg. 1892 ff.
+) Die Sonnen- und Mondfinsternisse in den Mythen der Vorzeit gedenken wir abgesondert zu
behandeln.
— 272 —
quickung des Planetenglanzes mit dem Aussehen irdischer Metalle. So war dem
Mars das Eisen, dem Saturn das Blei geweiht.
Wir haben über die mythologische Bedeutung des Orion-Gestirns, sowie
über die geradezu „internationale“ Bedeutung der Pleiaden bereits gehandelt,
und möchten nur nachtragen, dass letzteres Gestirn im Babylonischen als „die
sieben Söhne des bösen Dämons Ana“ verehrt wurde — woraus sich eben der
Glaube an eine „böse Sieben“ entwickelt hat. Interessant ist die Stelle im Buch
Hiob (38, 39 ff.): „Kannst du die Bande der Kinuh oder die Fesseln des Kesil
lösen, so kannst du herausführen die Mazzaröth zu seiner Zeit und die a'gish
samt ihren Jungen.“ Lange hat man der tieferen Bedeutung dieses rätselhaften
Passus’ vergeblich nachgeforscht. "Erst Hommel fand eine günstige Lösung.
Kinuh sind die Pleiaden, Kesil ist der Orion, a’gish mit den Jungen ist
das Sternbild Urs. Mai, und endlich Mazzaröth ist die freie babylonische Be-
zeichnung für die Sonnenscheibe Es handelt sich somit um eine mythische
Erklärung des scheinbaren Gestirnlaufes.
Auch die Himmelssphären spielen in den Mythen eine gewichtige Rolle
— und zwar nicht nur in den Mythen der Indogermanen und Semiten, sondern
selbst in denjenigen der alten Mexikaner*).
Es dürfte nicht ohne Belang sein, die mythologischen Anschauineen dieses
alten Kulturvolkes über den Sphärenhimmel näher anzuführen. Die unterste
Sphäre ward in Alt-Mexiko „Luft“ benannt, im Gegensatze hierzu die 12 oberen
der „Himmel“. Sonne und Mond bewegen sich in der Luft und steigen nicht
bis zum Himmel empor. Auf der ersten Sphäre sitzt der Sternenherr Citlallatonac
und seine Gemahlin Citlalicue. Auf der zweiten Sphäre haust der Dämon der
Finsternis, während auf der dritten der Aufenthalt der 400 Götter sich befindet.
Die vierte Sphäre beherbergt die Vögel und Seelen gefallener Helden, die fünfte
Sphäre ist Ausgangspunkt der Kometen etc., die zwölfte Sphäre endlich ist der
Sitz des höchsten Gottes Tonacatecutli und seiner Gemahlin.
Man ersieht, dass die alten Mexikaner vor der Berührung mit den Europäern
bereits in ihren kosmologischen Mythen sich über den Standpunkt eines Natur-
volkes weit erhoben. Bemerkenswert ist in ihrer Legende die Zusammen-
stellung von Vögeln und gefallenen Helden, der wir auch in einigen arischen
Legenden begegnen. — —
An letzter Stelle wollen wir nicht unterlassen, auf die wichtige Bedeutung
der’Sternschnuppen, Meteore und Kometen im Völkerglauben hinzuweisen; wenn
die Ilias uns von dem „funkensprühenden Laufe der Athene“ unterrichtet, wenn
andererseits Hephaest auf der Insel Lemnos niederfällt, als ihn Hera gleich nach
der Geburt seiner Hässlichkeit wegen vom Olymp herabschleudert, so finden wir
eine gerechte Erklärung dieser poétischen Ausdrucksweise in dem Phänomen
der Sternschnuppen und Meteorite. Die Sternschnuppen finden sich in
Märchen und Sagen der verschiedensten Völker als Drachen verkörpert, welche
durch die Luft dahineilen und stets Schaden anstiften, wo sie zur Erde stürzen.
In einigen Legenden Deutschlands gelten sie auch als Exkrement böser Dämonen,
noch häufiger als Thränen des Mondes oder heidnischer Götter, hin und wieder
auch einzelner Heiliger. So ist der Perseiden-Schwarm als „Thränen des heiligen
Laurentius“ bekannt. Vom Himmel gefallene Steine — Meteorite — erfreuten
*) Vergl.u.a.: Eduard Seler: „Religion und Kultus der alten Mexikaner“ im „Ausland“, 1891.
Fr. Spiegel: „Zur vergleichenden Religionsgeschichte“ im „Ausland“, 1872.
sich stets einer grossen Verehrung. Sie galten oft nicht nur als Zeichen der
Himmlischen, sondern geradezu als letztere selbst. Man erinnere sich z. B., dass
der grosse Stein in der Kaaba — das höchste religiöse Heiligtum der Muha-
medaner — meteorartige Beschaffenheit verrät. Die Kometen endlich
galten als furchtbare Drachen und als Sendlinge böser Dämonen, welche „Krank-
heit, Verfolgung, Betrübnis und Pein“ herbeiführten.
So lassen sich aus den kindlichen Anschauungen der Volksseele auch
nutzbare Früchte für jedweden Naturfreund ziehen, welcher den Einfluss kosmo-
logischer Erscheinungen auf Glaube und Sitte aufmerksamen Blickes verfolgt.
Ohne jede überflüssige mystisch-fantastische Erörterung über den Wert
oder Unwert dieser ethisch-kosmologischen Forschung sind wir nunmehr befähigt,
uns in die oft naiven, aber auch naturfrischen Ansichten des gemeinen Volkes
über die Gestirne leicht hineinzufinden.
„Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht!“ (Goethe)
CCECECCCEECCECCCCECECCCECCCCECECCECECCECCECECCECCECEECCECECECECEECCEEE
33333333333333333333333333333333333393333333333333333333
Die Perseidensternschnuppen, die sogenannten „Thränen des heiligen Laurentius“, werden
in diesem Jahre unter günstigen Umständen in der Zeit vom 8.—12. August zu beobachten sein.
Der Mond ist am 8. August in Berlin bereits um 9'/, Uhr abends unter dem Horizont, am 10. August
um 10'/,, am 12, August um 11!/ Uhr abends, so dass nach Mitternacht an keinem Abend die
Erscheinungen der Sternschnuppen durch das Mondlicht beeinträchtigt werden. Der Ausstrahlungs-
punkt dieses Schwarmes liegt in der Nähe von y Persei und hat bei Beginn der Beobachtung um
Y Uhr abends bereits eine Höhe von etwa 18 Grad über dem Horizont erreicht, steigt im Laufe der
Nacht immer höher und geht am frühen Morgen durch den Scheitelpunkt. Man beachte daher
hauptsächlich den Osthimmel”). Wegen Nichtstörens des Mondes eignet sich der diesjährige Schwarm
besonders zum Photographieren **). S . F. S. Archenhold.
$
Landgraf Wilhelm von Hessen und Ritter Hans von Schweinichen. Im Anschlusse an
die interessanten Mitteilungen des Herrn Albrecht in den letzten Nummern dieser Zeitschrift möchten
wir uns erlauben, eine scherzhafte Episode aus dem bereits dort (Heft 20, Seite 252) in einer Anmer-
kung berührten merkwürdigen Memoirenwerke, der Lebensbeschreibung des Ritters Hans von
Schweinichen, hier wörtlich wiederzugeben***).
„von dannen waren l. F. G.+) wiederum auf und zogen bis gen Treysa, waren 5 Meilen,
allda lagen I. F. G. zwei Tage stille, denn Landgraf Wilhelm lag zu Ziegenhain in der Festung
und er liess Niemanden zu sich. Es liessen sich aber I. F. G. schriftlichen angeben. Darauf schicket
der Landgraf I. F. G. mit 6 Pferden das Geleite. Zogen also bis gen Ziegenhain, welches 1!% Meilen
war, mussten zwo Stunden, ungeacht dass das Geleite bei uns war, vor dem Thor der Festung
halten, ehe I. F. G. 'neingelassen wurden. Es waren aber I. F. G. ziemlichen gern dem Ansehen
nach geschen. Wie nun 1. F.G. auf den Abend mit dem Landgraf zu Tafel sitzen, der Landgraf aber
wollt Alles wissen und sah auch nicht wohlff) und dabei auch ein wunderlicher Herr und Stern-
*) Die Plattform der Treptow - Sternwarte steht für die Beobachtung der Sternschnuppen
während dieser Nächte zur Verfügung. Ucber die Bedeutung solcher Beobachtungen vergl.
W. Foerster: „Die Meteorwelt“ Jahrg. I, S. 119.
**) Anweisungen hierzu finden unsere Leser in dem Artikel des Herausgebers: „Das Photo-
graphieren der Sternschnuppen“, Jahrg. I, S. 25.
***) Wir benutzen die Ausgabe von Hermann Oesterley, Breslau 1878, Verlag von Wil-
helm Koebner.
+) Ihro Fürstliche Gnaden.
tr) Kurzsichtig war, wie E. v. Wolzogen wohl mit Recht übersetzt. (In seinem Auszuge
aus den Schweinichen schen Denkwürdigkeiten, Leipzig, A. Unflad.)
— 1 —
&ucker. Nun fähet über Tische der Landgraf an und erzählet einen Fall, der ihm vor wenig Jahren begegnet
wär, nämlichen, dass einer seinen Kammerjunkern in der Festung entleibet hätte, und saget, wenn er ihn
bekommen möcht, wie wunderlich er mit ihm umgehen wollt. Darauf ward dem Landgrafen nichts
geantwortet. Bald darauf fraget der Landgraf meinen Herrn, was sie vor Diener mit sich hätten
und wie sie hiessen, und weiset sonderlich auf mich (weil ich I.F.G. vor den Trank stund): „Wie
heisst der Lange?“ Der Herzog sprach: „Ew. Liebden, es ist ein Schlesier.“ „Wie heisst er, wie
heisst er?“ Mein Herr sagt: „Es ist ein Schweinichen.“ „Wie“, sagt der Landgraf, „Schweinichen?“
„Ja, Ew. Liebden.“ Darauf fing der Landgraf an: „Es ist ein gut Mann ich kenne sein Geschlecht.“
Bald saget der Landgraf zu mir: „Das gilt dir, ist's nicht wahr, du bist ein gut Mann?“ Wie sollt
ich anders von mir selbst, als Ja sagen? Darauf sagte der Landgraf: „Solche Leute habe ich lieb,
die gradezu sagen. Ich habe sonsten auch einen Schlesier am Hofe, einen Bock, so wird nun der
Bock und die Sau zusammenkommen“; macht sich also lustig mit und saget: „Marschall, lass ihm
Essen und Trinken genug geben und was er fordern werde.“ Bekam also ein gnädigen Herrn und
wusste nicht wie, dass sich der Marschall selbst darüber verwunderte und saget, er hätte gegen
einen Fremden nicht bald gehöret, dass er soviel mit ihm geredet hätte “ J. Plassmann.
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C. V. L. Charlier, Utgräfningarna af Tycho Brahes Observatorier på on Hven sommaren 1901
(Ausgrabungen von Tycho Brahes Sternwarten auf der Insel Hven im Sommer 1901). Lund 1901.
E. Malmströms boktryckeri. Gr. 4°, 20 S.
Die vorliegende Abhandlung, welche als Festschrift der Königlichen physiographischen Gesell-
schaft zu Lund aus Anlass des 300. Jahrestages von Tycho Brahes Tod verfasst ist, schildert die
Ergebnisse der neuesten Ausgrabungen der Uranienburg und Sternenburg. Von besonderem Interesse
sind zunächst die Ausführungen des Herrn Verfassers über die Vornahme der Ausgrabungsarbeiten.
Danach haben schon die Ausgrabungen, welche Ekdahl in den Jahren 1823 und 1824 vornahm, im
wesentlichen dieselben Reste der Sternwarten zu Tage gefördert, die wir heute vor uns sehen (vergl.
Weltall, Jahrg. II, Heft 1 und 2). Noch d’Arrest hatte im Jahre 1868 (vergl. Astron. Nachr. No. 1718)
die Ruinen in diesem Zustande vorgefunden. Späterhin wurde aber die Erhaltung der Ruinen so
vernachlässigt, dass, als im Sommer 1900 der Herr Verfasser mit dem Herrn Reichsantiquar von
Schweden, Hildebrand, die Insel Hven besuchte, sie die Ruinen zum grossen Teil wieder verschüttet
fanden; in der Sternenburg deuteten nur noch 2 mit Gras bewachsene Gruben die Lage der beiden
grössten Krypten an. Infolgedessen beschloss Herr Reichsantiquar Hildebrand neue Ausgrabungen
vornehmen zu lassen und übertrug die Ausführung der Arbeiten Herrn Betsholz auf Hven. Die
Ausgrabungen fanden nun im Sommer 1901 unter der Leitung des Herrn Verfassers statt, der zu
diesem Zwecke mehrmals die Insel Hven besuchte. Es fand auch eine genaue Vermessung der
Ruinen durch den Stadtarchitekten in Landskrona, Herrn F. Sundbärg und seinen Assistenten Herrn
E. F. Larsson, statt. Eine verkleinerte Wiedergabe der aufgenommenen Pläne von der Uranienburg
und Sternenburg, sowie des im Norden der Uranienburg aufgedeckten Kellers nebst vielen Durch-
schnitten, sind der Abhandlung beigegeben. Die genaue und bis in die kleinsten Einzelheiten
gehende Ausführung der Pläne gewährt ein anschauliches Bild von dem jetzigen Zustand der Ruinen
Der Herr Verfasser giebt in seiner Abhandlung zunächst die tychonische Beschreibung der Stern-
warten in Uebersetzung wieder nebst den Abbildungen von der Ansicht der Uranienburg mit den
Wällen und den Grund- und Aufrissen der Uranienburg und Sternenburg, die sich in den Werken Tycho
Brahes befinden; ebenso sind den Beschreibungen der Instrumente die Abbildungen derselben aus
der Instaur. Mech. beigefügt. Im Anschluss hieran findet sich eine ausführliche Schilderung des
jetzigen Zustandes der Ruinen. :
Von besonderem Interesse sind die Ausführungen des Herrn Verfassers über die von ihm auf
Grund Ausmessungen der Ruinen ermittelte Grösse der tychonischen Längenmasse, des Fusses und
des cubitus. Es ist hier nicht der Ort, in eine ausführliche Erörterung der Frage nach den
tychonischen Längenmassen einzutreten. Doch mag bezüglich der Messungen, welche der Herr Ver-
fasser der von ihm ermittelten Länge der von Tycho Brahe gebrauchten Masse zu Grunde legt,
folgendes erwähnt werden: Die Länge des Fusses leitet der Herr Verfasser aus der Angabe Tycho
Brahes ab, nach welcher die Seitenlänge der quadratischen Grundfläche der Uranienburg 60 Fuss
betrug. Die Ausmessung der Ruinen ergab nun die Länge der östlichen Seite des Quadrats zu
— 275 —
1445 cm, die des Durchschnittes des Quadrats von Ost nach West zu 1450 cm. Hiernach berechnet
er die Länge des tychonischen Fusses zu 23,8 cm. Es kann zweifelhaft erscheinen, ob auf Grund
der Lage der Mauern im Kellergeschoss ein sicherer Schluss auf die Ausdehnung des Gebäudes im
Erdgeschoss, welches Tycho bei seiner Angabe im Auge hat, gemacht werden kann, zumal die auf-
gedeckte Westmauer des Kellergeschosses mit den beiden festen Eckpfeilern eine bedeutend grössere
Länge, nämlich nach dem Plane etwa 1650 cm, aufweist und nicht genau festgestellt werden kann,
inwieweit die beiden Eckpfeiler noch zur Länge der Mauer gerechnet werden müssen. Es fragt sich
daher. ob sich nicht die übrigen Längenangaben Tychos bezüglich der Ausdehnung der Uranien-
burg zu einer Bestimmung des Fusses verwenden lassen. So erwähnt Tycho Brahe (Epist. S. 261)
die Länge des Durchmessers der beiden Türme, welche im Norden und Süden an das Hauptgebäude
der Uranienburg angefügt waren. Dieser Durchmesser betrug 22°Fuss. Der Grundriss des Nord-
turmes ist noch in den Ruinen teilweise zu erkennen. Nach dem Plane beträgt der Durchmesser
des Turmes etwa 5,90 m. (Der Herr Verfasser giebt S. 8 rund 6 m an.) Hieraus folgt die Länge
des Fusses zu 26,8 cm, also um 3 cm grösser als der aus der ersten Messung ermittelte Wert.
(Auffällig ist, wie hier gleich bemerkt werden mag, dass auf dem Plane die kreisfürmige Mauer,
welche ohne Zweifel als ein Rest der Umfassungsmauer des Turmes aufzufassen ist, nur etwa zu
IL des ganzen Umkreises als vorhanden gezeichnet ist, während, soviel ich im Jahre 1901 beobachtete,
dieser Mauerring noch zum weitaus [grössten Teil erhalten ist.) D’Arrest hatte seinerzeit für die
Länge des Fusses aus der Ausdehnung der die Uranienburg umgebenden Wälle den Wert von
25.25 cm gefunden. Picard giebt diesen Wert in „Voyage dUranibourg* zu 31,6 cm an, bestimmte
ihn aber nach eigenen Messungen des grossen, durch den Brand im Jahre 1728 leider vernichteten
tychonischen Globus zu angenähert 13/,- Par. Fuss = 24.84 cm. welche Länge sich am besten der
1868 von d'Arrest ermittelten anpasst. (Vergl. Astron. Nachr. No. 1718.) Bei diesen grossen Differenzen
zwischen dem Ergebnis, welches der Herr Verfasser aus seinen Messungen findet und den auf andere
Weise ermittelten Werten, sowie bei der Unsicherheit, welche den vorliegenden Messungs-
ergebnissen anhaftet, darf man wohl sagen. dass die Frage nach der Länge des tychonischen Fusses
auch durch die Untersuchungen des Herrn Verfassers noch nicht als endgültig gelöst betrachtet
werden kann. Sucht man die Länge des tychonischen Fusses nach den Ausmessungen der Ruinen
der Uranienburg zu bestimmen, so würde es meines Erachtens vielleicht zweckdienlich sein, wenn
der äussere Mauerring des nördlichen Turmes der Uranienburg, der wohl noch im Gelände verdeckt
liegt. ausgegraben würde. Nach der Angabe Tycho Brahes a. a. O. soll dieser Mauerring einen
Durchmesser von 32 Fuss haben. Ob der an der Südseite der Uranienburg freigelegte kreisfürmige
Mauerrest als der entsprechende äussere Mauerring des Südturmes aufgefasst werden kann, erscheint
mir fraglich, da der Durchmesser dieses Mauerrestes gut 12 m beträgt, also bedeutend grösser ist.
als nach Tychos Angabe zu erwarten wäre In diesem Falle würde der tychonische Fuss eine
Länge von 33 cm ergeben.
Die Länge des tychonischen cubitus findet der Herr Verfasser, wie auch d'Arrest, aus den
Grössenverhältnissen der besterhaltensten Krypte der Sternenburg (auf dem Plane Tycho Brahes mut
F bezeichnet), und zwar aus dem Durchmesser der obersten der 4 kreisförmigen Stufen. Der Herr
Verfasser nimmt nach einer Kontrollmessung des Herrn Betsholz die Länge dieses Durchmessers
zu 354 cm an (Anm. 1, S. 16), während die ursprüngliche Messung. die auch den Angaben im Text
zu Grunde gelegt ist. 345 cm ergeben hatte; hiernach beträgt die Länge des cubitus 39.3 (bezw. 38.3) cm.
D’Arrest hatte dieselbe Grösse zu 368 cm gemessen und hiernach die Länge des cubitus zu 40.9 cm
bestimmt. Diese Differenzen rühren, abgesehen von Ungenauigkeiten in der Messung selbst. viel-
leicht davon her, dass der Durchmesser der Krypte nicht mehr an allen Teilen genau der gleiche
ist. da die Steine an den verschiedenen Stellen mehr oder weniger beschädigt sind, auch die Be-
kleidung nur an einzelnen Stellen erhalten ist. Ob und inwieweit diese Umstände bei der Aus-
messung der Krypte in Betracht gezogen sind. und ob sich die gefundene Länge von 354 cm als
das Mittel aus einer grösseren Reihe von Messungen darstellt, ist in der Abhandlung nicht angegeben,
sodass man keine Anhaltspunkte dafür hat, welcher Wert, der von dem Herrn Verfasser oder der
von d Arrest ermittelte, als der richtigere anzuschen ist.
In seinem Schlusswort weist der Herr Verfasser darauf hin, dass die freigelegten Ruinen der
Sternenburg im Verein mit den tychonischen Angaben ein sehr genaues Bild der unterirdischen
Sternwarte geben und sich diese daher unschwer wiederherstellen liesse. Ein solcher Wieder-
aufbau der Sternenburg würde auch den noch erhaltenen Resten einen wirklichen und würdigen
Schutz gewähren. Im Interesse der Erhaltung der Ruinen wäre eine Verwirklichung dieses Planes
nur zu wünschen. F. Albrecht.
u EE E
N. C. Duner, Tal vid k. vetenskaps-akademiens minnesfest den 24. oktober 1901 trehundra-
ärsdagen af Tycho Brahes död. (Rede in der Kgl. Akademie der Wissenschaften: Feier zur
Erinnerung an den 300. Jahrestag von Tycho Brahes Tod.) Stockholm. Kungl. boktryckeriet
P. A. Norstedt & söner. 1901. 8° 35 S.
Nach einer kurzen historischen Einleitung giebt der Herr Verfasser einen Lebensabriss des
grossen Dänen und schildert in gedrängter, aber erschöpfender Weise die wissenschaftlichen Arbeiten
Tycho Brahes und die Fortschritte, welche die Astronomie seinem Wirken verdankt. Auch das
tvchonische Weltsystem, das seinen Schöpfer allerdings nicht überlebte, findet im Zusammenhange
mit dem ptolemäischen und kopernikanischen hier seine eingehende Würdigung. Bei der Schilderung
der Sternwarten auf der Insel Hven giebt der Herr Verfasser eine ausführliche Darstellung der
Konstruktion der tychonischen Instrumente; hierbei weist er besonders auf die sinnreiche Einrichtung
der Visiere hin, die in Verbindung mit den von Tycho Brahe bei astronomischen Instrumenten
zuerst angewandten Transversalen diesen in den Stand setzten, die Genauigkeit der Beobachtung
bis auf 10” zu steigern. Diese Genauigkeit ist wohl die äusserste Grenze, die durch Beobachtung
ohne Fernrohr erreicht werden kann. Allerdings Igehört hierzu ein Beobachter, wie Tycho Brahe
es war, der in dieser Beziehung, wie der Herr Verfasser mit Recht bemerkt, einem Bessel an die
Seite gesetzt werden kann. 5 ei F. Albrecht.
x
K. Schwier, Deutscher Photographen - Kalender. Taschenbuch und Almanach für 1902.
21. Jahrgang. In zwei Teilen. Mit einem Eisenbahnkärtchen von Deutschland und zwei Kunst-
beilagen. Verlag der Deutschen Photographen - Zeitung, Weimar. Preis 2 M. Teil I (320 S.),
1 M. Teil II (399 S.)
Wie alljährlich erschien auch diesmal der von dem Vorsitzenden des Deutschen Photographen-
Vereins und Redakteur der Deutschen Photographischen Zeitung, Herrn K. Schwier, herausgegebene
Kalender pünktlich vor Jahresbeginn. Der Kalender enthält in seinem ersten Teil ausser dem
üblichen Kalendarium und Notizblattern alle Formeln und Rezepte, welche für jeden, der auf dem
Gebiete der Photographie thätig ist, unentbehrlich sind. Das reiche statistische Material, welches
dargeboten wird, ist in seiner Art einzig. Zwei sehr schöne Beilagen, von denen eine die erste
Veröffentlichung eines neuen Verfahrens darstellt, ziert den zweiten Teil des Kalenders. Dieses
Verfahren gestattet, Cliches gleichzeitig mit der Schrift auf der Buchdruckpresse zu drucken uud
wird von der Bisson-Gesellschaft in Berlin ausgeführt. Der zweite Teil enthält auch ein voll-
ständiges Verzeichnis aller deutschen photographischen Fach- und Amateur-Vereine mit Adressen-
angabe aller Vorstände und der einzelnen Mitglieder. Der Kalender für 1903 wird wieder vor
Beginn des neuen Jahres erscheinen und ist zu erwarten, dass der Deutsche Photographen-Kalender
in Anerkennung der geschickten und mühevollen Arbeit seines verdienstvollen Herausgebers immer
mehr Freunde gewinnen wird. e ” F. S. Archenhold.
Ed. Liesegang, Photographischer Almanach 1902. 22. Jahrgang. Mit Kunstbeilagen und Text-
Illustrationen. Verlag Ed. Liesegang (Rud. Helm) Leipzig. Preis 1 M. (175 S.)
In diesem Almanach befindet sich eine interessante Zusammenstellung der photographischen
Gedenktage und eine grosse Zahl von kleinen Mitteilungen bekannter Fach- und Amateur-Photo-
graphen. So lässt sich Herr Dr. R. Neuhauss, von dem ein wohlgelungenes Bildnis beigegeben
ist, über direkte Farbenphotographie aus. Demselben ist es gelungen, nicht durch Interferenzfarben
wie bei dem Lippmann schen Verfahren. sondern die Farben ohne weiteres durch ein präpariertes
Papier, welches ungefähr die Empfindlichkeit von Albuminblättern hat, wiederzugeben. Auch sind
diese Bilder fixierbar, jedoch müssen noch weitere Versuche angestellt werden, um die Lichtempfind-
lichkeit des Präparates zu erhöhen, damit noch kurze Kameraaufnahmen möglich werden. Herr
Dr. Hesekiel berichtet über Photographien in natürlichen Farben, welche aus drei einzelnen Bildern,
die mit Rot-, Grün- und Blaufilter aufgenommen werden, zusammengesetzt werden. Diese Auf-
nahmen können, wie bei dem Ives’schen Verfahren. in ungefärbtem Zustande durch Chromoskope*)
optisch, oder wie bei Selle, Lumière u. A. durch Färbung ihrer Schicht und directe Aufeinander-
legung zu einem farbigen Bilde vereinigt werden. Ernst Ruhmer beschreibt sein Photographophon
und Stanhope Eyre berichtet über Blitz-Aufnahmen. R. Etzold giebt Auskunft über die Messung
kleiner Zeitteile. Die anderen zahlreichen Mitteilungen behandeln spezielle technische und che-
mische Fragen der Photographie. F. S. Archenhold.
*) Im Astron. Museum der Treptow-Sternwarte ist ein solches Chromoskop als Geschenk des
„Vereins von Freunden der Treptow-Sternwarte“ ausgestellt.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F. 3. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke and Sohn. Berlia W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin BW.
DAS WELIALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
ane Herausgegeben von
2. Jahrgang 23.Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte. 1902 September 1.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
einzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die cinspaltige Petitzeile 40 Pfg. Yı Seite 60.—, 1f, Seite 30.—,¥, Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Stand der heutigen Kenntnisse vom Uranus. Von 4. Bemerkungen su dem Güntherschen Schreiben.
Alfred Arendt... . 2. 1 2 2 nennen 277 Von Alfred Arendt... . 2. 2: 2 2 we ew ee ee
2. Sonnen- und Mondfinsternisse im Volksglauben. 5. Kleine Mitteilungen: Die Auffindung von Jupiter
Von Max Jacobi.. . 2“. 2 2 2 ee ew we ew 281 und Saturn. — Zur Charakterisierung der anormalen
3. Aus einem Schreiben des Herrn Ludwig Günther Witterung. — Vulkanausbritche. — Ein grosser
(Finkenheerd) an den Herausgeber . . . . 2... 285 Brariss a. a SS a A E e a A a 288
Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
Stand der heutißen Kenntnisse Vom Granus.
Von Alfred Arendt.
Ho seiner grossen Entfernung von Sonne und Erde ist Uranus nächst Neptun
der am seltensten beobachtete und daher unbekannteste unter den grossen
Planeten, zumal seine Existenz seit nicht viel mehr denn hundert Jahren bekannt
ist. Und es liegt in der Natur der Sache, dass besonders in astrophysikalischer
Hinsicht noch nicht sehr viel über ihn in Erfahrung gebracht werden konnte;
nichtsdestoweniger kennen wir die für die Astromechanik wichtigen Daten mit
genügender Schärfe.
Am 13. März 1781 entdeckte der damalige Musiker und Liebhaberastronom
Wilhelm Herschel zu Bath in England mit einem von ihm selbst verfertigten
Spiegelteleskope von 84 Zoll Brennweite und 227facher Vergrösserung in den
Zwillingen eine kleine Kreisscheibe, die er für einen schweiflosen Kometen hielt,
zumal sein schlecht definierendes Instrument sie bei 460 bis 932facher Ver-
grösserung mit abblassenden Rändern zeigte. Da sich aber die in Frankreich
berechnete Bahn nur mit einer kreisförmigen Ellipse vereinigen liess, weil eine
parabolische oder langelliptische Kurve der Beobachtung und Rechnung nicht
zugrunde gelegt werden konnte, so erkannte man, dass man einen neuen
Planeten gefunden hatte, der der Ausserste aller damals bekannten war. Da es
zum ersten Male geschah, dass zu den seit uralten Zeiten bekannten Planeten
ein neuer gefunden wurde, so machte die Entdeckung viel Aufsehen; Herschel
wurde mit einem Schlage ein berühmter Mann und erhielt vom Könige die
Stelle eines Hofastronomen in Slough. Die zunächst vorgeschlagenen Namen
für den Planeten wurden verworfen, er wurde vielmehr Uranus benannt und er-
hielt das Zeichen d.
Bahnelemente. In der Folgezeit bestimmte man, besonders in Frank-
reich, die Bahn des Planeten so genau, dass aus ihren Störungen später Leverrier
und Adams die ungefähre Stellung des neuen Planeten Neptun ermitteln konnten.
— 278 —
Naturgemäss sind mit der Zeit diese Elemente mit nur geringer Unsicherheit
festgestellt worden. Die mittlere Lange am 1. Januar 1850, mittlerer Mittag zu
Greenwich, betrug 29°13‘, die Lange des Perihels 170°39‘, die Lange des auf-
steigenden Knotens 73°15’. Die halbe grosse Achse der Ellipse misst 19,1833
in Einheiten der halben grossen Achse der Erdbahn, d.h. 2850 Millionen Kilo-
meter, die numerische Exzentrizität 0,0463. Die Neigung der Bahnebene zur
Ekliptik beträgt 0°46/20’. Die Umlaufszeit bestimmte man zu 30 688,390 Tagen,
d. i. 84 Jahren 7 Tagen; halbe grosse Achse wie Umlaufszeit sind bis auf
5 Stellen sicher. Die mittlere tägliche siderische Bewegung beträgt dem-
gemäss 42”.
Die Exzentrizität seiner Bahnellipse ist ziemlich beträchtlich. Daher schwankt
sein Abstand von der Sonne zwischen 2950 und 2717 Millionen Kilometer. Der
Erde .nähert er sich auf 2570 Millionen Kilometer und entfernt SE bis auf
3130 Millionen Kilometer.
Seine Bahn hat eine nur geringe Neigung zur Ekliptik, und da er selbst
der Erde nie erheblich näher als der Sonne kommt, so steht er am gestirnten
Himmel stets dicht an der Ekliptik. Seine Umlaufszeit ist nur in der Zahl der
Tage ganz sicher, was bei ihrer Länge nicht zu verwundern ist. Er bewegt sich
auf seiner Bahn pro Sekunde 6,7 km weiter.
Uranus als planetarischer Körper. Während die Bahn des Uranus
wegen ihres grossen scheinbaren Umfanges relativ genau bestimmt ist, kann
man ein Gleiches von den Daten des Planctenkörpers und seiner Monde nicht
sagen. Den scheinbaren mittleren Durchmesser des Uranus bestimmte Mädler zu
4,33, Schiaparelli zu 3,9, Sceliger zu 3,823 bis 3,915, See zu 3,30. Er
dürfte demgemäss zu 35 + 0,3 anzunehmen sein. Der wahre Durchmesser
beträgt sonach 45000 km. Die Scheibe des Uranus wird in der Opposition bis
auf etwa 3,9 vergrössert, in der Konjunktion bis auf 3,2 verkleinert.
Seine Oberfläche gleicht also 13 Erdoberflächen an Grösse, sein Volumen
ist etwa 45,5 mal so gross als das der Erde. Seine Masse beträgt etwa Ion
der Sonnenmasse. Da scine Masse hiernach 14!/, mal grösser als die der Erde
ist, so beträgt seine Dichte Di von der der Erde, d. i. 0,30 der Erddichte. Die Dichte
der Erde ist 5,60, die des Uranus also 1,68. Die bisher geläufige auf den Durch-
messerwert von 55000 km beruhende Zahl der Dichte 1,10 ist entschieden zu
niedrig. Die Dichtigkeit des Uranus ist also ein beträchtliches grösser als die
des Wassers und übertrifft die des Jupiter ein wenig, die des Saturn aber um
mehr als das Doppelte.
Die Gestalt des Planeten ist deshalb nicht ganz sicher bekannt, weil man
die Lage seiner Rotationsaxe nicht kennt; eine Abplattung ist sicher konstatiert
worden. Mädler schätzte sie zu Je, Schiaparelli und andere massen sie zu Ja,
See zu In, Offenbar muss sich die scheinbare Abplattung seiner Scheibe bei
der vermutlichen grossen Neigung der Axe sehr veränderlich zeigen. So viel
ist also sicher, dass die wahre Abplattung mindestens !/,, beträgt.
Die Bahnebenen der 4 Trabanten, die den Planeten begleiten, stehen auf
der Ebene der Uranusbahn nahezu senkrecht. Man wollte zu Anfang des
19. Jahrhunderts 6, ja 8 gesehen haben, doch ist das sicher ein Irrtum gewesen.
‘Diese 4 Monde sind recht lichtschwach und können nur von den stärksten
Instrumenten gezeigt werden. Sie haben nach photometrischen Schätzungen
etwa 1000 km Durchmesser. Ihre Umlaufszeiten sind folgende: 1. 24 121, P,
— 2799 —
2. 4431/5 3. 84163/,5, 4. 1849115; ihre Entfernungen vom Centrum schwanken
zwischen 194000 und 593 000 km.
Uranus und seine Trabanten erhalten 370 mal so wenig Licht und Wärme
von der Sonne als die Erde; das Licht braucht 21/, Stunde, um von der Sonne
zu ihm zu gelangen. Daher ist Uranus lichtschwach und für gewöhnlich dem
blossen Auge unsichtbar, denn er wird nicht heller als ein Stern 5. bis 6. Grösse.
Doch kann er in dunklen Nächten zur Zeit der Opposition von jedem normalen
Auge erkannt werden. |
Astrophysikalische Resultate Bis in die zweite Hälfte des vorigen
Jahrhunderts hatte man noch keinerlei Kenntnisse über die Beschaffenheit und
die astrophysischen Eigenschaften des Uranus. Das wurde nach der Entdeckung
der Spektralanalyse besser. Es ist erklärlich, dass man vermittelst des Spektro-
skopes früher Resultate erzielen konnte durch Zerlegung und physikalische
Untersuchung des uns von ihm zugesandten Lichtes, bevor man an eine topo-
graphische Untersuchung mit dem Fernrohr gehen konnte; denn für dieses war
die Planetenscheibe vor der Hand noch zu klein und zu lichtschwach. Man
untersuchte das Spektrum des Uranus, und in dieser Hinsicht ist zunächst
Angelo Secchi es Beobachtung bemerkenswert. Das Spektrum zeigte nach Secchi
merkwürdige Eigentümlichkeiten. Zunächst fielen 2 schwarze Streifen im Grün-
blau auf, von Rot aus vor F der eine, der andere im Grün dicht bei E Im Gelb
von D nach E fehle das Spektrum; auch die Enden am Rot und Violett seien
matt. Darnach und nach Zöllnerss photometrischen und Lockyers spektro-
skopischen Untersuchungen schien die Vermutung nahe zu liegen, dass Uranus
noch nicht verdichtet, sondern noch ein wenig selbstleuchtend sei.
Die von Secchi beobachteten Verdunkelungen und Streifen sind also Rot
dunkel bis etwa 660 uu, Absorptionsband von 610 uu bis 555 uu, Absorptions-
streifen bei 527 uu und 496 uu, Violett dunkel von 435 uu an. Neuere spektral-
analytische Untersuchungen, wie sie Vogel u. A. anstellten, ergaben, dass
das Spektrum des Uranus eine besonders starke, von der der Erdatmosphäre
verschiedene Absorption zeige; unter den Absorptionsbändern befindet sich dar-
nach auch ein Streifen bei 617,8 uu, der in den Spektren von Jupiter, den
Jupiterstrabanten und Saturn wiederzufinden ist; er könnte seine Entstehung
eigentümlicher Zusammensetzung der Uranusatmosphäre oder anderen Druck-
und Temperaturverhältnissen verdanken. Es scheint hieraus eine gewisse
Aehnlichkeit des Uranus mit Jupiter und Saturn hervorzugehen.
Wie die neuesten Beobachtungen zu London und Potsdam zeigen, sind im
Spektrum weder breite Absorptionsbänder (wie es Secchi gesehen haben wollte),
noch helle Linien, wohl aber viele Frauenhofer’sche Linien. Nach Keeler am
Lick-Observatorium machen gewisse Stellen des Spektrums im gelben und
grünen Teile bei Anwendung schwacher Dispersion den Eindruck des Selbst-
leuchtens; dieser erste Eindruck veranlasste auch Lockyer zu der Behauptung,
das Uranusspektrum sei als Emissionsspektrum anzuschen; aber nach keeclers
sorgfältigerer Betrachtung handelt es sich nur um den Kontrast der hellen
Stellen des kontinuierlichen Spektrums zu den an Absorptionsstreifen reichen
Stellen. Man ermittelte ferner photometrisch — hier sind die Arbeiten Miller's
bemerkenswert —, dass die Albedo des Uranus nach der Theorie von Lambert
etwa 0,604, nach der Theorie von Seeliger etwa 0,505 betrage; es ist indes zu
bemerken, dass die Helligkeit der Sonne hierbei zu gering angesetzt ist,
— 23:0 —
andererseits aber die Scheibe des Uranus wahrscheinlich zu gross genommen
ist. Nichtsdestoweniger dürften die beiden Daten ungefähr stimmen, da die
Einflüsse dieser Ungenauigkeiten entgegengesetzt wirken. Durch diesen Albedo-
wert wird wahrscheinlich gemacht, dass Uranus eine ganz ähnliche Beschaffen-
heit der Oberfläche wie Saturn und Jupiter habe.
Die Helligkeit des Uranus beträgt 5,5 Sterngrössen in Erdnähe, 6,3 in Erd-
ferne; im Mittel hat also Uranus 5,9 Grösse; in der Opposition — das geht aus
seinen Entfernungen von der Erde hervor — leuchtet er 2,1 mal heller als in
der Konjunktion.
Das Licht des Uranus hat schwach grünliche Färbung.
Beobachtungen der Oberfläche Da die Bahnebenen der Trabanten
fast senkrecht auf der des Hauptplaneten stehen, schloss man auf eine ähn-
liche Lage der Aequatorialebene des Uranus. Der erste, der Flecken auf der
Planetenscheibe zu sehen glaubte, Henry in Paris, war so wie die folgenden
Beobachter von der Absicht geleitet, eine solche Lage der Aequatorebene und
demnach ihrer Streifen konstatieren zu können; er nahm 1884 schräge matte
Streifen war. Auch die Beobachtung Perrotin’s, des Direktors der Nizzaer
Sternwarte, der mit dem 28Zöller auf der Uranusscheibe schwache, in ihrer
Ebene zu der der Trabantenbahnen um 10° geneigte Streifen wahrgenommen
haben wollte, schien mit der Annahme übereinzustimmen. Aber die Beobachtung
ist ebenso unsicher wie die Holden’s, der auf Uranus Streifen ähnlich denen
auf Jupiter und Saturn gesehen haben wollte. Aus solchen Wahrnehmungen
schloss man auf eine Neigung der Rotationsaxe von 891/),° und eine Rotations-
dauer von 12 Stunden. Dagegen erklärte Leo Brenner, Privatastronom der
Manorasternwarte in Lussinpiccolo, nach seinen 13 im Jahre 1897 gewonnenen
Zeichnungen, die Scheibe des Uranus zeige helle und dunkle Flecke, aus deren
Verfolgung er auf eine Rotationsdauer von 8!/, Stunde schloss. In den hellen
Flecken vermutete er ähnliches wie Polkalotten. Die Neigung der Axe der
Bahnebene schien ihm nahezu cin rechter Winkel zu sein, die Abplattung des
Uranus hielt er für beträchtlich.
Schlussbemerkungen. Da Uranus nur eine relativ geringe Dichte hat,
so kann er sich nicht in einem ähnlichen Zustande befinden wie die Erde, kann
keine feste, teilweise von Meeren bedeckte Oberfläche haben, sondern dürfte an
der Oberfläche ähnlich wie Jupiter und Saturn ein teigig-flüssiges oder gasig-
wolkenförmiges Aggregat zeigen, wie ja auch aus seiner Achnlichkeit mit Jupiter
und Saturn hervorzugehen scheint. Da Uranus nach der Kant’schen Theorie
älter als die vorgenannten Planeten ist, zudem kleiner ist, so dürfte er in der
Entwicklung weiter fortgeschritten und mehr abgekühlt sein wie diese, zumal
er weniger Wärme von der Sonne empfängt. Seine Oberfläche dürfte also
weniger ausgeprägt die Streifenzonen und Kondensationsmassen zeigen; Schnee-
kalotten könnten ‚auf ihm natürlich schon seiner mutmasslichen physischen Be-
schaffenheit und seiner Dichte nach nicht existieren, bei der wahrscheinlichen
Lage seiner Axe aber schon gar nicht. Für die 12stündige Rotation sprechen
bei theoretischer Erwägung mehr Gründe als für die Sstündige. Jedenfalls
müssen über Rotation und Oberfläche weitere sichere Untersuchungen Aufklärung
verschaffen. A
— 281 —
Bonnen: und Mondfinsternisse im Wolksslauben.
Von Max Jacobi.
Match haben wir die Gelegenheit ergriffen, auf die ethisch-religiösen
Folgen, auf die seelische Bedeutung astraler Ereignisse, insbesondere
der Finsternisse, näher hinzuweisen. Wir glauben, unseren heutigen Artikel
nicht besser einführen zu können als durch die Wiedergabe eines schlichten
altägyptischen Märchens von den „beiden Brüdern“, welches aus den „Select
Papyrs* des British Museum zum erstenmale 1860 veröffentlicht wurde und
spaterhin in der trefflichen Uebersetzung des Comte Emanuel de Rougé*) ein
nicht unberechtigtes Aufsehen erregte. Es lebten einmal in Liebe und Freund-
schaft zwei Brüder, Anepou und Bapou. Als einst Anepou abwesend war, da
erfasste sein Weib eine sträfliche Begierde nach dem jüngeren Bruder Bapou,
welcher entsetzt floh. Die Gattin Anepou’s geriet hierdurch in furchtbare Wut
und verleumdete Bapou bei ihrem Gemahl, indem sie vorgab, Bapou hätte ihr
nachgestellt. Anepou eilte seinem Bruder nach, um ihn für seinen Frevel zu
töten. Aber der Sonnengott Ra schützte Bapou, indem er zwischen beiden
Brüdern ein weites Gewässer entstehen liess. Bapou wird durch die ruchlose
Beschuldigung in hellste Verzweiflung gesetzt. Er glaubte, seine Unschuld dem
Bruder nur dadurch kundthun zu können, dass er sich selbst entmannte und
seine Geschlechtsteile in jenen Fluss warf. Anepou erkannte sein Unrecht und
wollte den Bruder wieder versöhnen. Dieser aber widerstrebte tiefgekränkt einer
Versöhnung. Auf die dringenden Bitten des Bruders erklärte er sich nur bereit,
in eine Ceder zu gehen, mit deren Schicksal sein Leben verknüpft wäre. Wenn
der Baum einst fallen würde, so könnte dies Ancpou an dem Wasser bemerken,
das er abends tranke; denn dieses würde plötzlich aufbrausen und überschäumen.
— Der Rest des Märchens interessiert uns hier weniger; es sei nur erwähnt,
dass Bapou eine Sonnenjungfrau heiratet, wobei die Erzählung schliesslich
ganz den Charakter der Lohengrin-Sage annimmt und andererseits Bapou
in seinem Verhältnisse zu Anepou dem Dioskuren Kastor gleicht. Man wird
leicht erkannt haben, dass der altägyptische Mythus von Anepou und Bapou
völlig den astralen Kern der biblischen Joseph-Legende in sich trägt.
Doch auch im althellenischen Mythus begegnen wir derlei Sagen, welche
den Kampf zwischen dem Sonnengotte und den bösen Mächten der Finsternis
symbolisch darstellen.
Im sechsten Gesange der Ilias erzählt Glaukos seinem Gegner Diomedes,
dass sein Ahn Bellerophontes einst von Anteia, des Proctos Gemahlin, um
Gewährung einer sträflichen Bitte angegangen sei. Er habe ihr sündhaftes Ver-
langen abgeschlagen und sei deshalb von Anteia bei ihrem Gemahl verleumdet
worden. Derselbe habe Bellerophontes töten wollen, und zu diesem Zwecke ihn
nach Lykien gesandt — mit Todesworten, geritzt auf gefaltetem Täflein, „dass er
dem Schwähcr die Schrift darreicht und das Leben verliere“ — bekanntlich die
erste Erwähnung althellenischer „Correspondence“. Bellerophontes entgeht
indessen dem grauenvollen Schicksal.
Die oben erwähnte Entmannung des Bapou identifiziert denselben mit
Osiris und Kronos, fernerhin auch mit dem Urriesen Ymir der germanischen
Sage. Jene heilige Ceder des Bapou vertritt die Rolle der Welteiche Ygdrasil.
*) Vergl. „Revue archéol. Tore IX“ und die brauchbare Darlegung in Hyac. Husson’s
„Chaine Traditionelle“, Paris 1874.
— 282 —
Da wir gerade die Homerischen Epen erwähnen*), so möchten wir auch die
einzige Stelle der Ilias nennen, welche mit einiger Sicherheit von einer Sonnen-
finsternis spricht. Im 17. Gesange wird der grauenvolle Kampf der Griechen
und Troer geschildert, welch letztere sich unter der Anführung des Aeneas
befinden, den Apollon beschitzt**). Nun heisst es Vers 366 ff.:
.... keiner erkannt itzt,
Ob am Himmel die Sonn’ unversehrt sei, oder der Mond noch,
Denn von Dunkel umhüllt im Gefechte dort waren die Tapfern,
Welche Menoetios Sohn, den Erschlagenen, umstanden.
Es wird weiterhin auch versichert, dass sonst die troische Ebene im
brennenden Sonnenschein gelegen ist und kein Wölkchen am Himmel sich zeigt.
Endlich befreit Zeus die Achacer von der Finsternis, durch die Bitten des
Telamoniers Aias gerührt (Gesang 17, Vers 640 ff.) — — —
Das Phänomen der Sonnenfinsternis liegt auch dem Mythus vom sieg-
reichen Kampfe des Apollon mit dem Drachen Python zu .Grunde, welcher
bekanntlich zur Einrichtung des delphischen Heiligtums Anlass giebt. Preller
vergleicht in seiner einzigartigen „Griechischen Mythologie“ den Drachenkampf
des Apollon treffend mit demjenigen des Sigard-Sicgfried in der altdeutschen
*) Es sci uns verstattet, anmerkungsweise einige interessantere kosmologische Stellen der
„Ilias“ und der „Odyssee“ beizufügen:
Vers 528 bis 530 des I. Gesanges der „Dias“ "H xal xvaré row etc. hat bekanntlich dem Zeus-
bilde des Phidias zu Olympia als Vorbild gedient. Die „ambrosischen Locken“ des Zeus erinnern
unwillkürlich an die Sonnenlocken Joseph’s und Simson’s — wie überhaupt in der „Hias“ der
Sonnengott Apollon hin und wieder mit Zeus verschmilzt. Man beachte Ilias-Gesang 8, Vers 41 bis 50,
wo Zeus auf dem Sonnenwagen mit den goldmähnigen Sonnenrossen zu den Troern eilt! Im 5. Ge-
sange (Vers 721 bis 729) eilt Hera auf dem Sonnenwagen „zwischen der Erde und dem sternen-
umleuchteten Himmel“ zu den Troern. — Im 12. Gesange (Vers 15 bis 33) begegnen wir einer lokalen
Sintflut-Sage. Troia wird durch Apollon und Poseidon völlig zerstört. Usener schweigt sich
über diesen recht nennenswerten Flutmythus in seinen sonst nicht verwerfbaren „Sintflutsagen“
(Religionsgesch. Untersuchungen, Bd. HL 1899) völlig aus.
Wir finden Ilias-Gesang 16, Vers 567, bereits die „entsetzliche Nacht“, welche Zeus den
Streitenden sendet. Es sind hier aber eher meteorologische Ereignisse gemeint. Schr interessant
ist für unseren Fall auch die Beschreibung des Achilles-Schildes mit den ältesten astronomischen
Kenntnissen der Hellenen, fernerhin llias-Gesang 22, Vers 26 bis 31, wo die ausdörrende Hitze nach
dem heliakischen Aufgange des Sirius geschildert wird.
Aus der „Odyssee“ erwähnen wir nur Gesang UL Vers 1 bis 3, wo die Sonne sich aus ihrem
strahlenden Teiche erhebt, um Göttern wie Menschen zu leuchten. Vers 6 bis 10 desselben Gesanges
hat in der Anzahl der Bänke und der dem Poseidon geopferten Stiere eine tief symbolische Bedeutung.
Hochwichtig ist Odyssee Gesang 12, Vers 127 bis 136:
Jetzo erreichtest’ die Insel Thimakia. Siche da weiden
Viele fette Rinder und Schafe des Sonnenbeherrschers:
Sieben Herde der Rinder und sicben der trefflichen Schafe.
Fünfzig in jeglicher Herd, und diese vermehren sich niemals
Noch vermindern sie sich... .. .
eine deutliche Anspielung auf das althellenische Mondjahr mit den 350 Tagen und 350 Nächten.
Wir müssen an dieser Stelle verzichten, alle interessanten kosmologischen Stellen der
Homerischen Epen zu erörtern. Wir behalten uns dies für einen Spezialartikel vor. In echt
homerischem Sinne ist auch das ergreifende Dankgebet der Heldin in Goethe’s „Iphigenie auf
Tauris“ (3,1) gehalten: „Guldne Sonne, leihe mir
„Die schönsten Strahlen, lege sie zum Dank
„vor Jovis Thron!
**) Man beachte die recht interessanten Stellen der „Ilias“, in denen Apollon selbst am
Kampfe zu Gunsten des Aeneas teil nimmt. Ihm, d.h. dem personifizierten Sonnenlicht, wagt sich
niemand zu widersetzen, während doch die Achaecr selbst auf Mars kecke Angriffe machen.
— 23 —
und demjenigen des heiligen Georg in der altchristlichen Sage. Recht beachtens-
wert scheint es uns fernerhin, dass alle „Sonnenhelden“ nur an einer einzigen
Stelle verwundbar sind, bezgl. nur auf cine einzige Art vernichtet
werden können. Baldur wird von dem bösen Loki nur durch den Mistel-
dorn getötet, Siegfried empfängt an der einzigen ungeschitzten Stelle seines
Körpers die totbringende Wunde, gleichwie auch Achilles, und Simson wird
seiner Locken beraubt, um der Vernichtung anheimzufallen. Auch die
ursprünglich phönicische Sage vom Heracles hat entschieden solaren Charakter
und weist oft denselben Grundgedanken auf wie die verwandten arischen Sagen“).
Im altgermanischen Mythenkreis giebt es eine nicht unbeträchtliche Anzahl
von Finsternis-Sagen.
So möchten wird als einen der. bekanntesten Verfolger des Sonnenlichtes
den wilden Jäger — in manchen Gegenden auch Jäger Wote, Jäger Hackel-
berend genannt — erwähnen Nach einem weithin verbreiteten, schon von
A. Kuhn richtig aufgefassten Volksglauben, soll der wilde Jäger deshalb zu
einem demjenigen des ewigen Juden ähnlichen Leben verdammt worden sein,
weil er sich im Uebermut vermass, nach der Sonne zu schiessen. Diese Sage
findet sich bei vielen arischen Völkern. Wir erinnern nur an die altindische
Sage vom Schuss des wilden Jägers auf den Sonnenhirsch und vom Schusse
des über die Hitze erbosten Heracles auf den Sonnengott**).
Bemerkenswert ist, dass nach Sanskrit-Texten ein riesenhafter Drache,
Ragu genannt, welcher 10000 Meilen unterhalb der Sonne wohne, dieselbe zuweilen
angreife und hierbei Finsternisse verursache. In dem altfinnischen Epos Kalevala
(Rune 47, Vers 13ff.) wird erzählt, dass die böse Zauberin Louhi einst die Sonne in
einem Kupferberg versteckt habe, wodurch eine allgemeine Finsternis entstanden sci.
Nach der Edda werden Sonne und Mond von zwei Wölfen verfolgt (während
hingegen in Alt-Hellas der Wolf als scharfäugiges Tier zeitweise dem Apollon
geheiligt war). Der Verfolger der Sonne in der Edda heisst Skoell:
Skoell heisst der Wolf, der der scheinenden Gottheit
Folgt in die schützende Flut.
Der andere Wolf, Hati, läuft vor der Sonne, um den Mond zu verfolgen.
Der mächtigste aller Wölfe ist Managarm (Mondhund), welcher den Mond ver-
schlingt und mit seinem Blute das Himmelsgewölbe bespritzt, wodurch die Sonne
verfinstert wird. Man vergl. Vocluspa 32 f£.:
Oestlich sass die Alte im Eibengebüsch
Und fütterte dort Fenrirs Geschlecht,
Von ihnen allen wird eins zuletzt
Des Mondes Mörder übermenschlicher Gestalt.
Ihn mästet das Mark gefallener Männer,
Der Seligen Saal besudelt das Blut,
Der Sonne Schein dunkelt in tausenden Sommern
Alle Wetter wüten, Wisst ihr, was das bedeutet?
*) Wir erwähnen noch folgende Litteratur:
Wislicenus: „Die Symbolik von Sonne und Tag in der germanischen Mythologie“, Zürich 1867.
Dr. St. Prato: „Sonne, Mond und Sterne als Schönbheits-Symbole in Volksmärchen und -Liedern
(in „Zeitschr. des Ver. für Volksk.“, 1897).
Adolf Holtzmann: „Deutsche Mythologie“, Lpzg. 1874; Movers: „Die Phönicier*,
Berlin, 1842 ff.
Ausserdem beachte man sorgfältig die Litteraturangaben in den vorher-
gehenden Artikeln!
**) Eine gewisse „Ironie des Volksglaubens“ zeigt sich darin, dass Wotan, ursprünglich der
Sonnengott, zum wilden Jäger zum Feinde allen Lichtes wird!
— 24 —
In dem Wolfe Fenrir, welcher Odin am jüngsten Tage verschlingt und ihm
beständig nachstellt, sind Sonnen- und Mondwolf zu einem Tiere vereinigt“).
Bei unzivilisierten Völkern begegnet man oft der Meinung, die Finsternisse durch
grossen Lärm verkürzen zu können, indem hierdurch der böse Drachen
erschreckt wird. Bei den Mongolen ist es das Ungeheuer Aracho, welches auf
diese Weise überwältigt wird. — Nebenher sei erwähnt, dass die „ägyptische
Finsternis“ der Bibel kaum solaren Charakter trägt, sondern eher atmosphärischen
Einflüssen zuzuschreiben sein wird, wie auch die berühmte Finsternis beim Tode
des Heilands noch keineswegs als Zeire ilfov aufgefasst zu werden braucht,
wenn auch alle kirchenväter, voran Tertullian und Rufin, es unbedingt
behaupten. — Auf die Finsternisse spielt auch das deutsche Märchen vom
Aschenbrödel an, das in einer altindischen Sage sein Vorbild hat. Es scheint
uns übrigens nicht unrichtig, auch dem sinnigen Märchen vom Rothkäppchen
und dem Wolfe solaren Charakter zuzusprechen. Rothkäppchen — schon
in der Farbe eine Symbolisierung der Sonne — wird aus dem Leibe des bösen
Wolfes zu neuem Leben befreit. — Nebenher erwähnen wir, dass auch Schnee-
wittchen mit den 7 Zwergen — der Zahl der Wochentage entsprechend — solaren
Charakter trägt.
Ein hübsches Märchen aus der Oberpfalz erzählt uns, dass die Sichelgestalt
des Mondes aus Liebesgram herrühre, welchen der Sternenhirte seiner Braut
wegen, der Sonne, empfinde. Durch seine Schläfrigkeit und Langsamkeit habe
er sich ein längeres Zusammensein mit seiner Braut verscherzt. Nur zur Zeit
der Finsternisse komme das Liebespaar zusammen**).
Als Zwillingspaar kämpfen Sonne und Mond auch in der Sage der Atlanteer,
welche Diodorus (lib. III c. 57) berichtet. Darnach stammen Helios und Selene
von Hyperion. Vergebens strengen sich ihre Feinde an, sie zu vernichten;
denn sie sind unsterblich. So hat der schlichte Volksglauben selbst die schreck-
haften Phänomene von Sonnen- und Mondfinsternissen zum Grundkern tiefsinniger
Sagen benutzt, welche das Gemüt von Jung und Alt in ihrer Licblichkeit und
natürlichen Frische erlaben und ergötzen.
*) Die Symbolisierung der Mondflecken im Volksglauben sei hier noch kurz erwähnt.
Bekanntlich haben zuerst die Orphiker, deutlicher die Pythagoraeer und der weise
Anaxagoras die Mondflecken für Unregelmässigkeiten in der Mondoberfläche erklärt. Das Volk
indessen hat zu allen Zeiten eine menschliche Gestalt im Monde gesehen und hieran einige Märchen
geknüpft. So erzählt eine holsteinische Sage vom bösen Manne, der am heiligen Abend Kohl ge-
stohlen habe und deswegen auf den Mond versetzt sei. Oder ein anderer Mythus berichtet, dass
ein lichtscheuer Dieb den Mond mit einem Bündel Reisholz verstopfen wollte. Er habe dies aber
nicht fertiggebracht und sei zur Strafe auf den Mond versetzt worden. Eine andere recht beachtens-
werte Sage erzählt uns von einer Spinnerin, die einst freventlich in der Nacht vom Sonnabend zum
Tage des Herrn gesponnen habe. Zur Strafe sei sie auf den Mond versetzt worden, wo sie bis in
alle Ewigkeit fortspinnen müsse. Die Fäden, welche diese Büsserin spinne, fallen gegen Herbst auf
die Erde und daher rühren die Spinnfäden im Altweibersommer. Man erkennt, dass der Mond im
Allgemeinen vom Volke als trauriger „Deportationsort“ für Gottesfrevier aufgefasst wird. Alle
Sünder, welche auf den Mond versetzt sind, zeigen übrigens ahasverartigen Charakter. Vergl.
u. a: A. Kuhn und F. Schwartz, „Norddeutsche Sagen“, A. Kuhn, „Märkische Sagen“ und
Dachnhard, Naturgesch. Volksmärchen.
**) Man erinnere sich des Grimm schen Marchens von der weissen und schwarzen Braut! Im
Uebrigen vergl. Erust Siecke: „Die Liebesgeschichte des Himmels“ Straub. 1892.
MA
— 28 —
Aus einem Schreiben des Herrn kudwis Günther (Finkenheerd)
an den Herausgeber.
eute ist es die Arbeit des Herrn Alfred Arendt, „Ueber die scheinbare
Abflachung des Himmelsgewölbes und die Vergrösserung der Gestirne am
Horizont“, welche mich veranlasst, einige Zeilen an Sie zu richten.
Ich habe mich mit dieser Erscheinung eingehend in Verfolg meiner Be-
arbeitung von Keplers Somnium beschäftigt. Kepler streift in seinem „Traum
vom Mond“ diese Erscheinung nur mit folgenden Worten:
„Euch Erdbewohnern erscheint unser Mond, wenn er in voller Scheibe auf-
geht und über den weit entfernten Häusern langsam emporsteigt, so gross wie
ein Fass, wenn er aber in den Zenit gekommen ist, kaum so gross wie ein
menschliches Antlitz.“ Eine Erklärung hierfür giebt der sonst um Erklärungen,
selbst der kompliziertesten Sachen, nie verlegene Gelehrte, merkwürdigerweise
nicht, deshalb habe ich versucht in meinem Kommentar die d. d. Z. bekannten
Erklärungen, soweit sie sich zu einer populären Darstellung eigneten, zusammen-
zufassen.
Nun ist die Frage in mannigfacher, zum Teil sehr theoretischen Weise be-
leuchtet worden, aber wenn es auch keinem Zweifel unterliegt, dass noch Ursachen
anderer Art, z. B. die Absorption oder Extinktion der Strahlen in den unteren
Luftschichten, wodurch die Lichtstärke der Himmelsobjekte am Horinzont ver-
ringert wird*), mitwirken, die beregte Erscheinung hervorzurufen, die um so auf-
fallender ist, als astronomische Erwägungen zu dem geraden Gegenteil führen,
so bin ich doch heute noch der Ansicht, dass, wie Förster u. A. in einem Vor-
trag erläutert**), das Phänomen im Wesentlichen auf Urteilstäuschungen beruht,
also nur in der Vorstellung da ist.
Es ist eine Thatsache, dass das Auge die Grösse von Gegenständen nach
der Ausdehnung der Fläche, auf welcher es dieselben erblickt, abschätzt, so
zwar, dass ihm ein Gegenstand um so grösser erscheint, je mehr Raum er auf
der Beobachtungsflache einnimmt. Hinzu kommt, dass das Auge gewohnt ist, die
Grösse eines Objektes auch nach dem Verhältnis der in der Nähe befindlichen
Gegenstände zu bemessen. Wenn der Mond — und das gilt in gleicher Weise
von allen in Betracht kommenden Himmelsobjekten — nun über dem Horizont
emporsteigt, so ist er zunächst durch diesen räunlich, oder wie wir uns von
unserem Standpunkt populär wohl ausdrücken können, durch den grossen Erd-
körper nachbarlich begrenzt. Sodann findet das beobachtende Auge irdische
Gegenstände, wie Häuser, Baumkronen, Berge, Thürme, Kuppeln u. s. w., die
einmal: das Gesichtsfeld des Weiteren einengen, andererseits aber auch zu Ver-
gleichen mit diesen ähnlich geformten Objekten und dem Mond Veranlassung
geben, wodurch die Mondscheibe grösser angeschen wird, als sie in Wirklichkeit
ist. Und hierbei scheinen mir nicht allein die blossen Umrisse einzuwirken,
sondern auch die Perspektive der Landschaft, denn wenn man den am Horizont
scheinbar vergrösserten Mond mit einem Auge betrachtet, erscheint er sofort
kleiner. Es ist bekannt, dass die Mondscheibe wesentlich reduziert wird, sobald
man sie durch ein dunkles Blendglas ansieht, eben weil dadurch die sie um-
gebenden irdischen Gegenstände, wozu ich im weiteren Sinne auch den Horizont
mo
*) Siche die Ausführungen von Plassmann darüber im Heft 1, Jahrg. 1393, der „Mitteilungen
d. V. A. Pn
**) Abgedruckt in Heft 9, Jahrg. 1897, der „Mitteilungen d. V. A. P.“
— 286 —
rechne, fir das Auge unsichtbar gemacht werden und nur die helle Mondscheibe
sichtbar bleibt, in dieser Betrachtung also nahezu die Lage hergestellt wird, in
der wir den Mond hoch oben am freien Horizont erblicken.
Dass die hier eben angeführten Gründe die Ursache der Vergrösserung
sind, sieht man in eklatanter Weise, wenn man einen undurchsichtigen Gegen-
stand, etwa ein Buch, so zwischen Auge und den am Horizont stehenden Mond
— um bei dem einmal gewählten Beispiel zu bleiben — bringt, dass der obere
Rand des Buches etwas unterhalb des unteren Mondrandes steht und dabei die
am Horizont sichtbaren irdischen Gegenstände eben verdeckt. Der Mond wird
dann sofort kleiner erscheinen, und wenn man nun abwechselnd schnell hinter-
einander das Buch etwas nach unten verschiebt und wieder in seine frühere
Lage zurückbringt, so dass einmal der Horizont sichtbar, einmal verdeckt wird,
so sieht man die Mondscheibe in gleichem Tempo sich ausdehnen und zusammen-
ziehen, wie einen Gummiball. Es ist das ein interessanter und überzeugender
Anblick, den man bei gegebener Gelegenheit sich zu verschaffen nicht ver-
säumen sollte.
Eigentlich müsste man aus diesem Versuch schliessen, dass die Nähe des
Horizonts nicht mitwirkend bei der scheinbaren Vergrösserung der Himmels-
körper sein kann und dass Lühr auf alle Fälle irrt, wenn er sogar diese als die
alleinige Ursache dafür annimmt*), denn das vor den Augen gehaltene Buch
bildet ja auch einen und zwar unmittelbar unter dem Mondrand stehenden Ab-
schluss des Himmelsgewölbes. Aber es ist doch wohl ein Unterschied zwischen
dem dicht vor den Augen stehenden kleinen Gegenstand und dem in weiter
Ferne sich lang ausdehnenden grossen Erdkörper, recte Horizont. Dann auch
denke ich mir, dass das durch die schnelle Bewegung des Buches plötzliche
Verschwinden des unserm Auge gewohnten Bildes des Horizonts in uns den
Eindruck hervorbringt, als stehe der Mond isoliert da. Und in der That: wenn
wir zwischen unsere Augen und den am Horizont vergrössert stehenden Mond
in der erwähnten Weise langsam das Buch schieben und so stehen lassen, so
glauben wir zunächst den Mond etwas verkleinert zu sehen, bald aber ver-
schwindet die Täuschung und der Mond nimmt fast wieder den scheinbar
grossen Durchmesser an, was wir allerdings erst dadurch recht gewahr werden,
dass, wenn wir nun das Buch ganz wegnehmen, wir keine weitere Vergrösserung
bemerken. Das spricht also mit für die Ansicht des Herrn Pfarrer Lühr.
Ich habe dieses Experiment bei Tage und bei Abend, an sehr mit inter-
mediären Objekten belegtem und fast ganz freiem Horizont angestellt und aus
den natürlich etwas unter sich abweichenden Beobachtungen ziehe ich das
Resultat, dass beide vorerwähnten Ursachen die Erscheinung der Vergrösserung
bei uns zur Vorstellung bringen. |
Herr Arendt sagt, dass die Gestirne (Sterne) am Horizont nie so stark ver-
grössert erscheinen wie Sonne und Mond. Dem kann ich nicht beipflichten. Im
Gegenteil, bei den Sternbildern, und diese können doch nur gemeint sein, ist
die Täuschung grösser. Hierauf macht schon Lühr aufmerksam; und ich meine,
in dem Masse grösser, als die Flächen, die sie einnehmen, grösser sind als
Sonne und Mond. Neben einer Vergrösserung kommt noch eine Verschiebung
der Lage (wegen der schiefen Stellung der Erdachse) hinzu. Lühr sagt auch
*) Siehe die Ausführungen vom Pfarrer Karl Libr in Gotha darüber in Heft 3, Jahrgang 1893,
der „Mitteilungen d. V. A. P.“
— 287 —
ganz richtig, dass die beregte Erscheinung bei den Sternbildern weniger bekannt
ist, weil man diese weniger aufmerksam beobachtet, insbesondere nicht in ihrem
verschiedenen Himmelsstand, der sich ja des Nachts vollzieht. Wenn man sich
dieser kleinen Unbequemlichkeit aber unterzieht, so wird man finden, dass sich
die Sternbilder, besonders die in der Nahe der Circumpolargrenze liegenden,
derartig verändern, dass sie fast nicht wiederzuerkennen sind. Die Ursachen
der scheinbaren Vergrösserung sind dieselben wie bei Sonne und Mond.
Der Einwurf, der gemacht worden ist, auch von Lühr, dass bei Nacht die
etwaigen irdischen Vergleichsobjekte verschwinden, ist hinfällig, denn bei stern-
klaren Nächten, welche doch nur in Betracht kommen, sind solche immer hin-
reichend erkennbar, und gerade in der grotesken Form, was zusammen mit dem
Bewusstsein oder der Erinnerung daran, dass der Horizont, d. h. der grosse
Erdkörper da ist, völlig genügt, um die für die geschilderte Sinnestäuschung
erforderlichen Affekte in uns auszulösen. Ja, es kann unter Umständen dieses
Bewusstsein allein dafür genügen, wodurch dann die Thatsache, dass auch in
ganz flachen Gegenden und auf dem Meere gleichfalls die Vergrösserung der
Sternbilder, ebenso der Sonne und des Mondes, am Horizont beobachtet wird,
ihre Begründung findet.
Es wird Sie interessieren, wenn ich Ihnen mitteile, dass ich neulich
Gelegenheit hatte, durch unsere grosse Fabrikesse den Tageshimmel zu besehen,
leider ohne Erfolg bezüglich des Erblickens von Sternen am Tage. Die Be-
obachtungsdauer war allerdings nur kurz, denn die prosaische Industrie hat
kein Verständnis für die idealen Ziele unserer hehren Wissenschaft — und
leider muss man ja nachgerade vom Wetter dasselbe glauben. Im übrigen habe
ich wieder den Eindruck empfangen, dass so ein rauchgeschwärzter Fabrik-
schornstein ein ausgezeichneter Tubus ist.
Bemerkungen zu dem Güntherschen Schreiben.
N): Herr L. Günther meinen Ausführungen im Allgemeinen nicht entgegen-
tritt, sondern mir indirekt grossenteils beipflichtet, so bin ich in der an-
genehmen Lage, auch ihm im Allgemeinen zustimmen zu können und eine Ueber-
einstimmung der meisten neueren Erklärungsversuche bezüglich der fundamen-
talen Punkte festzustellen. Besonders gilt das von der Behauptung, „dass das
Phänomen im Wesentlichen auf Urteilstäuschungen beruht, also nur in der Vor-
stellung da ist“, wie ja auch ich erklärte, „dass beide Erscheinungen dem Vor-
stellungsleben angehören“. Ebenso bin ich auch der Meinung, dass das Auge
gewöhnt ist, die Grösse eines Objektes auch nach dem Verhältnis der in der
Nähe befindlichen Gegenstände zu bemessen. |
Wenn aber Herr Günther meiner Behauptung, dass die Sternbilder oder
allgemeiner Sternabstände (ich sagte ungenau: Sterne) nicht so stark vergrössert
erscheinen wie Sonne und Mond, entgegentreten will, so muss ich doch auf dieser
Behauptung bestehen. Ich glaube aber, dass hier ein Missverständnis seitens
Herrn Gs vorliegt. Er meint jedenfalls, die Täuschung an sich sei bei den
Sternbildern grösser, d. h. der Eindruck der Vergrösserung sei auffallender.
In dieser Form kann ich der Behauptung von Herrn G. mit kleinen Einschrän-
kungen beipflichten. Ich aber meinte das Zahlenmass der Vergrösserung, wie
sie dem Eindruck nach vorliegt. Dies kann bei den Sternbildern gar nicht so
gross werden wie bei Sonne und Mond.
— 288 —
Ich habe einwandfrei festgestellt, und auch Reimann giebt ähnliche Daten,
dass zuweilen die Sonne oder der Mond 4,5 mal grösser erscheinen kann als im
Zenit. Ein Sternbild aber, wie das des Orion, mit 20°—30° Durchmesser, müsste
ja bei einer solchen scheinbaren Vergrösserung über 100° Durchmesser zu haben
Scheinen, und es ist ja festgestellt, dass ein Punkt in 23° Höhe vom Auge höchstens
in die Mitte des Himmelsgewölbes, in 45° Höhe versetzt wird — bei Nacht noch
weniger — also die Höhe nur 2,0 mal vergrössert wird. Aber auch abgesehen
von solchen Erwägungen, habe ich eine scheinbare Vergrösserung der Sternbilder
oder nur des Abstandes zweier Sterne von mehr als 2,5 nie gefunden.
Kurz und gut, ich habe den Behauptungen meiner Abhandlung nichts
hinzuzufügen und nichts an ihnen zu ändern. Ich sammele jetzt übrigens Ma-
terial, um die Ausführungen meiner Arbeit zu bekräftigen und zu ergänzen.
Posen, 19. August 1902. Alfred Arndt.
Die Auffindung von Jupiter und Saturn am Abendhimmel wird
jetzt durch ihre Stellung zu den 3 Fixsternen Atair, Wega und Deneb er- Deneb Wega
leichtert. Diese 5 Gestirne haben sich zufällig zu einer bemerkenswerten E 8
Gruppe am Siidhimmel zusammengefunden. Atair, der hellste Stern im
Adler, bildet einerseits mit Jupiter und Saturn, andererseits mit dem
hellsten Stern Wega in der Leier und Deneb im Schwan ein gleich-
schenkliges Dreieck. Diese Dreiecke liegen mit ihren Spitzen in Atair
und bilden so fast das Bild einer Sanduhr, wie es unsere Figur wieder-
giebt. Die Basis des oberen Dreiecks, gebildet durch Deneb und Wega, =
geht fast durch unseren Zenit und die Grundlinie des unteren Dreiecks, O i atar W
gebildet durch Jupiter und Saturn, erhebt sich nur 16° über unsern Horizont. ` = i
Abends 9 Uhr geht bereits die Spitze des Dreiecks, Atair, durch den Me-
ridian, ist also genau im Süden aufzufinden. Wega und Saturn stehen
westlich und Jupiter und Deneb östlich vom Meridian. Der hellste dieser
Gestirne ist Jupiter, dann kommt Wega als ein Stern 1. Grösse und Atair
als 1,3. Gr. ist ebenso hell wie Saturn. Am schwächsten 1,6. Gr. ist Deneb.
Grade jetzt in den ersten Tagen des September wird diese Sternkonstellation
durch Mondlicht nicht becinträchtigt; sie bleibt aber noch bis zum Winter Lä SE d
sichtbar, indem sich erst die Entfernung Jupiter-Saturn noch etwas Jupiter Saturn
verkleinert, um dann aber wieder grösser zu werden. F. S. A.
$ *
e
Zur Charakterisierung der anormalen Witterung dieses Sommers möge folgende Notiz
dienen, welche Herr Theodor Winter aus Arneburg a.d. Elbe uns zugesandt hat: „Heut Mittag
am 11. 7. bei einer heftigen Regeubö grössere Schneemassen beobachtet.“
* *
*
Vulkanausbrüche haben zwischen dem 13. und 15. August die Insel Torishima nördlich
von den Bonininseln verwüstet. Die ganze Bevölkerung, bestehend aus 150 mit Guanoförderung
beschäftigten Leuten, ist umgekommen. Unterseeische Eruptionen machen jede Annäherung an die
Insel gefahrvoll.
* *
Ein grosser Erdriss hat sich in Sant-Nicholas in Mexiko gezeigt. Er ist 16 km lang und
100 m breit. Seine Tiefe ist unbekannt. Die Spalte zieht sich auf der der Stadt zugelegenen Seite
des Gebirges hin. Mehrere Einwohner sind verletzt und viele geflüchtet. Sachverständige sollen
im Auftrage der Regierung diese Naturerscheinung untersuchen.
en nl a ah Le Ten N Fee ee ee a Mu Me Se ne
Fürdie Schriftleitung verantwortlich: F 9. Archenhold, Treptow iseriin; fur den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlia W.
Druck von Emil Dreyer, Barlia SW.
—: — e ne —— a in. ——
DAS WELIALL
Illustrierte Zeitschrift für Astronomie und verwandte Gebiete.
SE Herausgegeben von l
2. Jahrgang 24. Heft. F.S. Archenhold, Direktor der Treptow- Sternwarte. 1902 September 15.
Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin.
Diese Zeitschrift erscheint am 1. und 15. jeden Monats. — Abonnementspreis vierteljährlich Mark 2.— (Ausland Mark 2.50),
cinzelne Nummer 50 Pfg. franko durch den Verlag, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 43, sowie durch alle Buchhandlungen
und Postanstalten (Post-Zeilungspreisliste 11. Nachtrag 7814 a).
Anzeigen-Gebühren: Die einspaltige Petitzeile 40 Pfg. 1), Seite 60.—,Y/, Seite 30.-—, fy Seite 15.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatt.
INHALT.
1. Schmelzungs- und Bewegungsvorgünge an ring- 3. Der Einfluss von Mond und Planeten auf die irdischen
bildenden Eiswolken der Hochalmosphäre und Ver- Wütterungsverhältnisse. Von Max Jacobi. ... . 296
wertung solcher Beobachtungen für die Witlerungs- 4. Kleine Mitteilungen: Vom internationalen Katalog
Prognose. Von Wilhelm Krebs, Barr i. Elsass . . 289 der nalurwissenschafllichen Litteratur. — Entdeckung
2. Versuche mit drahtloser Telephonie auf dem Wann- eines neuen Kometen Perrine 1902b. — ,,Deutsch-
see bei Berlin. Von Ernst Ruhmer . . . . . . . 293 land“, Monatsschrift für die gesamte Kultur. . . . 298
Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
Schmelzunds- und HewesungsvVorsinge an ringbildenden Biswolken
der flochatmosphire und Verwertung solcher Beobachtungen für die
Witterangs-Prognose.
Von Wilhelm Krebs, Barr i. Elsass.
Ni: Meteorologie und vor allem ihre spezifische Seite, die praktische Wetter-
kunde, verlegt ihre Hoffnungen auf wissenschaftlichen Abschluss mit
steigender Zuversicht in die Höhen der Atmosphäre. Ballon- und Drachen-
aufsticge haben überraschende Aufschlüsse gegeben und versprechen, besonders
in dem synoptischen Betriebe der internationalen Simultanfahrten, noch viel
mehr. Diesen gebührt auch das besondere Verdienst, dem vorschnell aus den
Ergebnissen vereinzelter wissenschaftlichen Luftfahrten gefolgerten Dogma der
Konstanz der Temperaturen in der Hochatmosphäre nur eine kurze Lebensfrist
gelassen zu haben.
Aber Ballon- und Drachenaufstiege sind kostspiclige Veranstaltungen, die
bei methodischem Betrieb ein Budget von Tausenden verlangen. Der einfache
Meteorologe ist auf das angewiesen, was die Atmosphäre an ihrer Berührungs-
fläche mit der Erdrinde der gewissenhaften Beobachtung bietet, und was er
sonst mit seinen Augen aus ihren Höhen erspähen kann. In dieser Hinsicht aber
kann wesentlich mehr erreicht werden, als es von vornherein den Anschein hat.
Mit Recht ist auf methodische Wolkenbeobachtungen in den letzten Jahren
ein grosser Wert gelegt worden. Schon von dem „internationalen Wolkenjahr“
1896/97 erwartet man einen nahezu „endgiltigen Aufschluss über Höhen- und
Geschwindigkeitsverhältnisse der verschiedenen Wolkenformen*!), aus denen sich
dann sichere Schlüsse auf jeweilige Luftströmungen in verschiedener Höhe der
Atmosphäre ergeben können. In besonderen Fällen ist es aber auch möglich,
Aufschluss über Wärmeverhältnisse in höheren Luftschichten zu erlangen.
Diese Fälle betreffen zwar lediglich den Uebergang von Wasser zu Eis und
von Eis zu Wasser, können aber doch für die Beurteilung etwa bevorstehender
1) J. Hann, Lehrbuch der Meteorologie. Leipzig 1901, S. 271.
— 290 —
Witterungsumschlage von grossem Nutzen sein. Sie werden veranlasst durch
die besondere Eigenschaft der aus Eisnadeln bestehenden Wolken, bei sonst
klarem Wetter das Sonnen- oder Mondlicht prismatisch zu brechen und zu
spiegeln. So wird das Vorhandensein von Hochnebeln, die aus einer grossen
Zahl kleiner, von Luftströmungen in bestimmter Weise orientierten Eisnadeln
bestehen, verraten durch Ringbildungen um Sonne und Mond, während Tröpfchen
von Wasser oder schmelzendem Eis höchstens durch Lichtbeugung Höfe zu
erzeugen vermögen. |
Thatsächlich ist der Uebergang von Ring- in Hofbildungen, demnach von Eis-
nebeln in Wassernebel, beobachtet worden, bisher zweimal von dem Unterzeichneten,
im Oktober 1889 und im April 19022). Unmittelbar ergiebt sich aus solchen Be-
obachtungen der Schluss auf schnelle und umfassende Erwärmung nicht allzu
hoch schwebender Luftschichten, deren
Temperatur trotz dieser geringen Höhe
unterhalb des Eispunktes lag.
Das eine Mal entschwand ein Mond-
ring, das andere Mal ein Sonnenring inner-
halb weniger Minuten der Beobachtung und
machte der Sonnen- bezw. der Mond-Aureole
Platz. Besonders beim zweiten Male er-
schien es der gerade darauf gerichteten
Beobachtung gänzlich ausgeschlossen, dass
etwa das ringbildende Eisgewölk durch
einen tiefer schwebenden Wasserschleier
blos verdeckt worden wäre. Vielmehr war
die Verteilung oder Gestaltung des Eis-
gewölks an seiner besonderen Zugrichtung
festgestellt worden’) und blieb auch nach
Auftreten der Aureole durchaus erkennbar.
Die Zugrichtung des ringbildenden Eis-
gewölks, am Morgen des 1. April 1902, das
Linien gleichzeitiger Sichtbarkeit aus einem Schleier bestand, der nach
der Sonnenringerscheinungen vom 23. März Süden in parallele Cirrusstreifen aufgelöst
d T e e
T90L m EE war, wurde mittelst Wolkenspiegel auf
WNW nach ESE
festgestellt. Dunkle Regenwolken von geringer Ausdehnung zogen in mittlerer
Höhe aus SSW, während der Wind unmittelbar über jener Gegend des östlichen
Vogesenabhanges aus Süden wehte.
Die Windrichtung in der Höhe des ringbildenden Eisgewölks wich also
ursprünglich scht von der unteren ab. Da in der untersten Luftschicht die
südliche Windrichtung im allgemeinen Erwärmung bedingt, liegt es nahe, den
Schmelzungsvorgang aus ihrer zunehmenden Mächtigkeit zu erklären und deshalb
aus jenem auf diese zu schliessen.
Auch kann nach jener Beobachtung nicht überraschen, dass gelegentlich
anderer Sonnenringbeobachtungen sich eine Bewegungsrichtung des Eisgewölks
herausstellte, die wesentlich von dem unteren Winde abwich und überhaupt mit
der Luftdruckverteilung an der Erdoberfläche im Widerspruch stand. Diese
2) Meteorologische Zeitschrift. Wien 1890, S. 358, 1902, S. 275.
3) A. a. O. 1902, S. 275.
— 91 —
Beobachtungen fanden am Morgen des 23. Marz 1901 statt. Die auffallende
Schönheit der Ringerscheinungen hatte eine ganze Reihe von Beobachtern in
verschiedenen Orten des Unterelsass und des angrenzenden Grossherzogtums
Baden interessiert. Ein schneller Aufruf in der „Strassburger Post“, die nicht
lange vorher gerade über atmosphärische Optik orientierende Artikel aufge-
nommen hatte, vermochte jene vielfachen Beobachtungen soweit zusammen-
zubringen, dass sie synoptisch verwertet werden konnten.
Im Ganzen wurden Beobachtungen von folgenden Orten und zu folgenden
Zeiten gemeldet:
Sonnenringbildungen am 23. März 1901.
Ort Zeitangabe Mittlere Zeit
1. Hochfelden ..... kurz nach 7a 4) Th 56M a
2. Hagenau ....... 715 bis 810a 5) 1,35, 5
3. Merzweiler ..... 70 „ 85a 8) 7,50, ,
4. (Zinsweiler. . . 2... 70 „ 8390a 8) en
5. ere Werk. . 0 „ 89a 6) H. —un
6. JReichshofen Bahnhof. kurz nach 8a T) 8, 5, »
7. (Niederbronn. .... etwas nach Ra 6) 8, 5, »
Ss. Weissenburg. . . . . BI bis 9%a 8) 8,50, ,
9. Strassburg a) zwischen 7 und 88a ?) hy AO e
b) kurz nach 9 bis 10% a ?°) 9,60, .
10. Illenau (Baden)... . 730 bis 89a 11) Sy =e.
Schon vier von jenen Mittelwerten (Nr. 1, 2, 6 u. 8) gestatteten, eine Karte
gleichzeitiger Sichtbarkeit in Kurven von 20 zu 20 Minuten mitteleuropäischer
Zeit zu entwerfen. Aus ihr ergab sich eine Verschiebung des ringbildenden Eis-
gewölks von Südwesten nach Nordosten mit einer Geschwindigkeit von 6 bis 8 m
in der Sekunde!?).
Die übrigen Mittelwerte liessen sich zwanglos in diese Karte einfügen, be-
festigten demnach jenes Ergebnis, mit Ausnahme der beiden letzten (No. 9 u. 10)
für Strassburg und für Illenau. Aus der Karte aber erhellt, dass die Werte 9
und 10 auf den gleichen Verschiebungsvorgang nur mit grösserer Geschwindig-
keit, und mit etwa einstündiger Verspätung, schliessen lassen. Es steht nichts
im Wege, das Auftreten einer später folgenden zweiten und dritten Eiswolke an-
zunehmen, die weiter östlich dieselben Bahnen zogen oder vielleicht auch wegen
der vorgerückten Tageszeit mit ihrem grelleren Sonnenschein den nördlicher
wohnenden Beobachtern entgingen.
Für die Annahme verschiedener getrennter Eiswolken spricht noch der
Umstand, dass Ringerscheinungen um die Sonne noch am Abend des 24. März
4) Strassburger Post, No. 272, vom 25. März 1901.
5) Hagenauer Zeitung, No. 101, vom 23. März 1901 und briefliche Berichte.
e) Brieflicher Bericht vom Centralbureau der Herren Dr. Dietrich & Cie., Niederbronn,
6. April 1901, erstattet von Herrn Huhn.
1) Strassburger Post No. 298, vom 1. April 1901.
8) Strassburger Post No. 272, vom 25. März 1901.
DM Ebell, Sonnenring, Meteorologische Zeitschrift. Wien 1902, S. 79. Brief von Herrn
Professor Dr. Hoche, Nervi, 1. April 1901.
10) M. Ebell a. a. O.
11) Brief von Herrn Regicrungsbaumeister O. Ruch, Illenau, 5. April 1901.
22) W. Krebs, Atmosphärische Optik im Elsass III. Strassburger Post No. 307, vom
4. April 1901, abgedruckt in der Meteorologischen Zeitschrift, Wien 1901, S. 428.
— 22 —
von Illenau!?), solche um den Mond am Abend des 30. Marz von Reichshofen be-
richtet wurden!*).
Auch kann für die rein örtliche Wahrnehmbarkeit der Eiswolken vom
23. März 1901 ihre verhältnismässig geringe Höhe angeführt werden. Für diese
bietet sich ein Anhalt aus dem Umstand, dass die erste Ringbildung in den nur
um 27 km auseinanderliegenden Städten Hagenau und Weissenburg nicht gleich-
zeitig sichtbar war. Das gestattet den Schluss auf weniger als 1000 m Meeres-
höhe der ringbildenden Eiswolke Mit der an der Erdoberfläche infolge der
Luftdruckverteilung vorherrschenden Nordströmung der Luft steht dies keines-
wegs in Widerspruch. Denn unter gleichbleibenden Luftdruckverhältnissen
meldete die mehr als 500 m hoch gelegene Station München am 22. und
23. März 1901 Südwest-, am 24. März Westwind). An jenen Tagen verlagerte
sich ein Hochdruckgebiet aus nordischen Regionen über Westeuropa hin. Man
kann den die Eiswolken mit sich führenden Südwestwind einer nicht allzuhohen
Luftschicht dem Südteil eines nordischen Luftwirbels zurechnen, der an jener
Verlagerung mitwirkte. Gerade von Norden hereinbrechenden Depressionen
konnte schon mehrmals eine solche Wirksamkeit als Transportmittel beigemessen
werden?").
Jedenfalls zeichnete sich die Dekade, in deren Mitte der Morgen des
23. März 1901 entfiel, durch eine fast stetig nach der negativen Seite zunehmende
Anomalie der Temperaturen aus, vor allem für Südwestdeutschland.
In der folgenden Tabelle sind für diese Dekade des 23. März 1901 aus den
Wetterberichten der Scewarte die Abweichungen von den mittleren oder normalen
Morgentemperaturen an der nächstgelegenen Station angeführt. Die entsprechen-
den Werte für die Dekaden des 8. Oktober 1859 und des 1. April 1902, an
welchen Tagen Abschmelzung der Eiswolken beobachtet wurde, sind zum Ver-
gleich danebengestellt.
Abweichungen der Morgentemperaturen vom langjährigen Durch-
schnitt in Celsiusgraden.
März1901 Karlsruhe!) Oktober1889 Hamburg) März/April1902 Karlsruhe!)
19. — 0,5 4. — 18 27. — 2,1
20 — 0,8 5 — 1,6 28. + 2,7
21 — 4,7 6. — 1.1 | 29. + 1,4
22; — 6,1 T. — 0.4 30. — 1.0
23 — 6.4 8. — 0,0 31. —33
ötägige Summe =) — 18,5 004g — 2,3
24. — 5,2 9. + 1,0 1. + 2,3
25. — 6,9 10. + 0,4 2. + 3,9
26. — 8,0 11. — 0,8 3 — 1,3
27. — 85 12. + 0.6 4 + 1,3
28. — 8,1 13. + 1,8 5 u
5tärige Summe 036,7 = +30 +4,
13) Brief von Herrn Regierungsbaumeister O. Ruch, Illenau. 5. April 1901.
14) Strassburger Post No. 298, vom 1. April 1901.
15) Deutsche Seewarte, Tägliche Wetterberichte No. 81, 82. 83. 1901.
w) W. Krebs. Dürrejahre und strenge Winter. Meteorologische Zeitschrift 1892, S. 194.
Derselbe, Winteranfang 1895 und Aussichten auf das Winterende. Naturwissenschaftliche
Wochenschrift 1896, S. 30 bis 31.
17) Deutsche Scewarte. tägliche Wetterberichte, No. 73 bis 87, 1901.
Int Desgl. No, 277 bis 256, 1889.
19) Desgl. No. 86 bis 95, 1902.
— 293 —
Für das Gebiet der Ringbeobachtungen vom 23. Marz 1901 ergab sich in
der zweiten Hälfte der Dekade dennoch eine fast doppelt so starke Abweichung
der Morgentemperaturen nach der negativen Seite als in der ersten Hälfte der
Dekade.
Für die Gebiete der Ringbeobachtungen vom 8. Oktober 1859 und vom
1. April 1902 ergab sich dagegen ein scharfer Umschlag der vorher vorherrschend
negativen in positive Abweichungen der Morgentemperaturen.
Die Ringerscheinungen vom 8. Oktober 1889 und 1. April 1902 hatten nach
direkter Beobachtung Anhalt für die Annahme von Schmelzungs-, also von Er-
wärmungsvorgängen in der Höhe der Eiswolken geboten. Die Ringerscheinungen
vom März 1901 hatten nicht nur solchen Anhalt versagt, sondern jener Annahme
durch Erscheinen am 23. März nacheinander über verschiedenen Orten, sowie
durch wiederholtes Eintreten an den folgenden Tagen, bis zum 30. März, wider-
sprochen.
Zum Schluss ist demnach die Berechtigung wohl nicht zu bestreiten, dass
aufmerksame Beobachtung der Ringbildungen um Sonne und Mond eine auf
Temperaturverhältnisse gerichtete Prognose für mehrere, jedenfalls für fünf
Tage im voraus, schr wesentlich unterstützen kann.
Den so beobachteten Vorgängen in der Hochatmosphäre ist in diesem Blick
fast der Rang von Reaktionen beizumessen, aus denen man auf meteorologisch
wichtige Verhältnisse in der freien Hochatmosphäre zu schliessen vermag.
ME
Versuche mit drahtloser Felephonie auf dem Wannsee bei Berlin.
Von Erust Ruhmer.
Bs vor ca. 20 Jahren machten die Aufsehen erregenden Versuche Graham
Bells einer Telephonie ohne Drahtleitung die Runde durch alle Zeitschriften.
Bell benutzte folgende Anordnung:
Die parallel gemachten Strahlen einer Projektionslampe
werden gegen eine am Ende eines Sprachrohres befestigte
DRGM 169259) Spiegelnde Membrane geworfen, um von dieser gegen eine in dem
Brennpunkt eines Hohlspiegels angeordnete Selenzelle reflektiert
zu werden. Wird in das Sprachrohr gesungen, gesprochen ctc.,
so rufen die Schwingungen der Membrane bald eine Convergenz,
bald eine Divergenz der von ihr ausgehenden Lichtstrahlen her-
vor. Dadurch wird eine, den auf die Membrane auftreffenden
Schallschwingungen entsprechende undulierende Belichtung der
mit zwei Fernhörern und Batterie verbundenen Selenzelle der
Empfangsstation hervorgerufen. Da das Selen seinen elektri-
schen Widerstand mit der Lichtstärke ändert, so setzen sich die
Belichtungsunterschiede in den Fernhörern wieder in Schall-
schwingungen um, die den auf die Sprachrohrmembrane auf-
treffenden analog sind. Das Selen wirkt also gleichsam als
Mikrophon, das nicht wie ein gewöhnliches Mikrophon auf Druck-
schwankungen, sondern auf Lichtschwankungen reagiert.
Auf diese Weise gelang es Bell, zwischen zwei Wohn-
häusern Washingtons auf eine Entfernung von ca. 200 m eine
sichere Verständigung zu erzielen.
— 294 —
In neuester Zeit ist es gelungen, die Bell’sche Anordnung wesentlich zu
verbessern, sodass dieselbe wirklich praktischen Zwecken genügen kann.
Der erste wesentliche Fortschritt bestand in der Anwendung der sprechenden
Bogenlampe als photophonischen Sender.
Durch die dem Gleichstrom überlagerten Mikrophonstromschwankungen
werden bekanntlich Temperaturschwankungen des Flammenbogens hervorgerufen,
welche die wunderbare akustische Wirkung zur Folge haben. Mit diesen
Fig. 2.
Temperaturschwankungen gehen natürlich auch Lichtintensitätsschwankungen
des Flammenbogens Hand in Hand, welche den Schwingungen der Mikrophon-
membrane genau entsprechen. Die von der Lampe ausgehenden undulierenden
Strahlen werden mittels eines Scheinwerfers nach der Empfangsstation geworfen
und setzen sich dort wieder in Schallschwingungen um, wie wir bereits oben
gesehen haben.
Ein anderer Fortschritt von noch grösserer Bedeutung wurde durch die
Verbesserung der bisherigen lichtempfindlichen Zellen herbeigeführt. Es ist mir
— 295 —
nach langem Studium des merkwürdigen Verhaltens des Selens gelungen, Zellen
von ungeahnter Lichtempfindlichkeit herzustellen, welche verhältnismässig
niederen Widerstand besitzen und im Gegensatz zu den bisherigen Selenzellen
von fast unbegrenzter Haltbarkeit sind.
Nachdem ich mit diesen verbesserten Hülfsmitteln unter anderen in der
Ausstellung elektrotechnischer Neuheiten im Architektenhause anlässlich des
vom elektrotechnischen Vereine veranstalteten Gesellschaftsabends photophonische
Uebertragungen auf kürzere Entfernungen ausgeführt hatte, ermutigte mich die
überraschende Deutlichkeit und Lautstärke der Uebertragung zu Versuchen über
grössere Entfernungen, um die praktische Brauchbarkeit zu erproben.
Als geeignetes Versuchsgelände erwies sich der Wannsee und wurde die
Empfangsstation am Ufer neben dem dortigen Elektrizitätswerk installiert.
Fig. 3.
Die neue lichtempfindliche Zelle (vgl. Fig. 1) befindet sich in derBrennlinie eines
grossen parabolischen Hohlspiegels, sodass die von der Lichtquelle auf den
Spiegel geworfenen Strahlen von diesem reflektiert und auf die Selenzelle
konzentriert werden, die mit einer Batterie kleiner Akkumulatoren und zwei
empfindlichen Telephonen verbunden ist. (Fig. 2.)
Die Sendestation befand sich auf dem Akkumulatorenboot „Germania“, das
zur Zeit auf der dortigen Motorbootausstellung stationiert ist und für die Ver-
suche mit einem Schuckert schen Torpedoboot-Scheinwerfer von 35 cm Oeffnung
ausgestattet wurde. (Fig. 3.)
Zwischen beiden Stationen wurden durch die beim Sprechen in ein Mikrophon
hervorgerufenen Lichtschwankungen des Scheinwerfers, welche sich in der
Empfangsstation wieder in Stromschwankungen umsetzen, telephonische Gespräche
ausgetauscht.
Das Akkumulatorenboot fuhr immer weiter in den See hinaus, um die
Tragweite der von den Lichtstrahlen getragenen Sprache zu ermitteln.
— 206
Es konnte über den ganzen Wannsee und die Havel hinweg bis nach
Kladow hin, also etwa auf 4,5 km cine sichere und gute Verständigung erzielt
werden, ohne dass damit die Grenze der Leistungsfähigkeit der Apparate erreicht
worden wäre.
Bei einem neuerdings angestellten Versuche befand sich die Empfangs-
station auf dem Kaiser Wilhelm-Turm im Grunewald. während das Akkumulatoren-
boot bis zur Pfaueninsel fuhr. Auch hier konnten ununterbrochen Gespräche
übertragen werden. Die Deutlichkeit und Lautstärke der Wiedergabe setzte die
zahlreich am Kaiser Wilhelm-Turm versammelten Fachleute in Erstaunen, ob-
gleich die Entfernung über 7 km betrug.
Die Versuche sollen jetzt an anderer Stelle auf 15 km Entfernung fort-
gesetzt werden, und wenn dieses Heft in die Hände der verehrlichen Leser
gelangt, wird dies schon zur Thatsache geworden sein, da die Vorbereitungen
zur Errichtung zweier fester Landstationen trotz grosser Schwierigkeiten und
hoher materieller Opfer in den letzten Tagen beendet wurden.
Einer Hervorhebung der eminenten Bedeutung der drahtlosen Telephonie,
die man im Gegensatz zur Funkentelegraphie eine Flammentelephonie nennen
könnte, bedarf es wohl kaum, es mag der Hinweis der Verwendung dieses äusserst
schnell und ohne grosse Vorbereitungen sicher arbeitenden Verstandigungsmittels
für Heer und Marine genügen, wo die vorhandenen transportablen resp. festen
Scheinwerfer mit Leichtigkeit photophonischen Zwecken dienstbar gemacht werden
können.
ME
Der Einfluss von Mond und Planeten auf die irdischen
WitterunssVerhältnisse.”)
Von Max Jacobi.
Schon in den Kindheitszeiten menschlicher Kultur begegnen wir der An-
schauung, dass die Himmelskörper, insbesondere die Planeten und der gce-
treue „Hirte der Sternenwelt*, einen bedeutenden Einfluss auf die irdische
Wetterbildung ausüben. Wir sind sogar zu der Behauptung berechtigt, dass
die Astrologie, jene einst so beliebte ,Stiefschwester* der Astronomie, sich aus
jener oben erwähnten Anschauung herausgebildet hat.
Man beobachtete sorgfältig den Planeten- und Mondlauf und versuchte dann
hieraus sichere Schlüsse auf die kommende Witterung zu ziehen.
Von den Planeten waren es besonders Mars und Venus, welche für die
Wetterbildung in erster Linie massgebend sein sollten. Es lag nämlich nahe,
dem Mars — seiner feuerähnlichen Farbe wegen — ausdörrende Eigenschaften
beizulegen, dagegen sich von dem milden Glanze des Abend- uud Morgensterns
auch milde, angenehme Witterung zu versprechen.*”)
Beide Ansichten vererbten sich von Geschlecht zu Geschlecht, sie über-
dauerten Jahrhunderte und Jahrtausende und finden sich noch heute in vielen
Sprüchen und „Regeln“ des Landmanns.
Es kann indessen diese Anschauung von einem sichtbaren Einflusse der
Planetenwelt auf die irdische Witterung der modernen meteorologischen Kritik
*) Vorzügliche Litteratur-Angaben über beregtes Thema bei S. Günther: „Der Einfluss der
Himmelskörper auf die Witterungsverhältnisse.* Nürnberg 1876.
**) Vergl. u. A.: A. Bouché-Leclercg: L’astrologie grecque Ian, Maury: L'astrologie 1861.
— 27 —
gegenüber nicht standhalten. Zwar ist es zweifelsohne sicher, dass die Planeten
gegenseitig durch ihre Massen in ihren Bahnen um die Sonne etwas sich stören,
d. h. einen astronomischen Einfluss aufeinander ausüben, keinesfalls aber
einen meteorologischen.
Ein wenig anders liegen diese Verhältnisse beim Monde, dem uns nächsten
Himmelskörper.
Vor allem muss man jedoch der irrigen Meinung entgegentreten, dass die
Strahlen des Vollmondes durch ihre Temperatur die Erd-Witterung, und hier-
mit das Leben und Gedeihen derPflanzenwelt schädlich oder förderlich beeinflussen.
Gelang es doch erst den Physikern der neuesten Zeit mittels äusserst empfind-
licher Instrumente überhaupt nachzuweisen, dass die Mondstrahlen Wärme be-
sitzen und zwar ungefähr Jam der Wärme eines Sonnenstrahls! Andererseits
verwechselt der Landmann Ursache und Wirkung, wenn er im Winter bei klarem
Mondlicht das Erfrieren seiner Feldfrüchte befürchtet. Solange nämlich das
Mondlicht nicht klar ist, d. h. eine Wolkenschicht es teilweise verbirgt, bewirkt
auch letztere eine Zurückwerfung der Wärmestrahlen, welche von der Erde aus
in den Aetherraum steigen. Daher ist es dann verhältnismässig warm, dagegen
bei klarem Mondlicht ohne schützende Wolkendcecke kalt.
Nicht so sicher kann man den chemischen Einfluss des Mondlichtes auf
das Gedeihen der Pflanzen leugnen. Bei der eigentümlichen chemischen Wirkung
der Mondstrahlen lässt sich sehr wohl ein gewisser Einfluss auf Pflänzchen an-
nehmen, deren Samen zur Zeit des Neumondes gesät ist und als schwache
Keime im Vollmond der Erde entspriessen. Dieser Ansicht giebt auch der be-
rühmte vormalige Direktor der Sternwarte des Vaticans, P. Secchi, Ausdruck.
Seit den Zeiten Repplers und Newtons versuchte man, nach Analogie der
Ebbe und Flut des Meeres, auch eine Ebbe und Flut in der Atmosphäre nach-
zuweisen, welche gleichfalls der Mond durch seine Anziehungskraft bewirken
sollte. Und wie man nach dem jeweiligen Stande von Sonne und Mond zur Erde
eine kleinere Meeresflut — Nippflut — von einer grösseren — Springflut — unter-
schied, so suchte man auch für die atmosphärische Ebbe und Flut bedeutungs-
volle Momente aufzufinden, welche man besonders in den Neumonden und den
Quadraturen des Mondes — d. h. in den Halbmonden — entdeckt zu haben
vermeinte.
Hochberühmte Mathematiker und Physiker — ich nenne nur dic grossen
Astronomen Euler und Laplace, fernerhin Alexander von Humboldt —
stellten sich die Lösung dieses „atmosphärischen Ebbe- und Flut-Problems“ zur
Aufgabe. Bis in die neueste Zeit hinein wurden an äusserst empfindlichen
Barometern seitens gewiegter Meteorologen genaue Beobachtungen angestellt,
um den Einfluss des Mondes auf Luftdruckschwankungen zu konstatieren, und
man vermag heute nur zu sagen, dass trotz sorgfältigster Beobachtungen
nicht der geringste bemerkenswerte Unterschied in den Barometer-
ständen hervorgerufen wurde, welchen man auf die Mondstellung
hätte zurückführen können.
Somit vermögen wir, vom Standpunkte der reinen Wissenschaft aus, alle
jene Wetterprophezeiungen nach dem jeweiligen Mondstande nur als Humbug
oder — zum wenigsten — als Täuschung zu bezeichnen. Wenn es zufällig
an einem „Falb’schen Tage 1. kritischer Ordnung“ regnet, so ist der Neumond
an dieser „bedaucrlichen Thatsache“ gewiss unschuldig, und man kann nur jene
Thoren verlachen, welche eine lokale Witterungserscheinung von astronomischen
— 298 —
Vorgängen abhängig sein lassen. — Hinwiederum kann man die Vermutung
hegen, dass der Mond auch gewisse elektrische Kräfte aussendet, welche viel-
leicht die irdische Gewitterbildung beeinflussen. Jedenfalls ist selbst ein so vor-
züglicher Meteorologe, wie Prof. S. Günther in München, der Bejahung dieser
Frage nicht abgeneigt. Indessen hat man von den elektrischen Kräften im
Aetherraume, die unzweifelhaft eine grosse Rolle spielen, noch zu wenig positive
Kenntnisse.
Möglich ist es immerhin, dass es einer kenntnisreicheren Zukunft gelingen
wird, selbst in der rätselhaften Erscheinung des Nordlichtes Beeinflussung
durch magnetisch-elektrische Kräfte vom Monde her nachzuweisen.
Für die Jetztzeit jedoch und im allgemeinen für alle Zeiten, kann von einer
sicheren Vorausbestimmung der Witterung aus astronomischen Beobachtungen
garnicht die Rede sein.
Umsomehr muss sich jeder naturlicbende Mensch veranlasst schen, den
„geheimnisvollen“ Nimbus zerstören zu helfen, welcher manchen falschen
Wetterpropheten umgiebt
333333333333333333333333333I33333333333333
Vom internationalen Katalog der naturwissenschaftlichen Litteratur. Im „Centralblatt
für Bibliothekswesen“ (XVII. Jg., 10. Heft, Oktober 1901) macht Herr Dr. Brodmann Mitteilungen
über den „Internationalen Katalog der naturwissenschaftlichen Litteratur“. Ueber den Beginn und
die ersten Stadien des Unternehmens wurde dort schon früher berichtet (E. Junker, Ein inter-
nationaler Katalog der exakten Wissenschaften, C. f. B., XIII 1896, pag. 505 bis 510‘, ausserdem hat
F. Milkau in seiner kleinen Schrift „Die internationale Bibliographie der Naturwissenschaften nach
dem Plane der Royal Society, Berlin 1899“ über den Stand der Angelegenheit am Ende des Jahres
1898 eine orientierende Uebersicht gegeben.
Die vorbereitenden Arbeiten sind abgeschlossen und die Regionalbureaus der einzelnen be-
teiligten Länder haben mit der Sammlung und der Bearbeitung des Materials begonnen. Die Vor-
arbeiten wurden auf den Londoner Konferenzen im Juli 1896 und im Oktober 1898 ausführlich be-
sprochen. Neben den auf die Ausgestaltung des Katalogs selbst bezüglichen Fragen behandelte die
zweite Konferenz sehr ausführlich die Organisation des ganzen Unternehmens und seine Finanzierung.
In Deutschland arbeitete eine Konferenz hervorragender Gelehrter 1899 eine „Denkschrift betreffend
die Beteiligung Deutschlands an der Internationalen Bibliographie der Naturwissenschaften nach dem
Plane der Royal Society“ aus, die in einigen Punkten Gegenentwürfe aufstellte. Unter anderem
wurde auch die Verwerfung der beabsichtigten Zettelausgabe wegen der dadurch entstehenden
grossen Mehrkosten empfohlen. Das Anfang August 1899 in London zusammentretende „Provisional
International Committee“, an welchem Deutschland, Oesterreich, Belgien, Frankreich, Holland,
Schweden, die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Nordamerika teilnahmen, beseitigte denn
auch leider den Plan der Zettelausgabe, obwohl ein Zettelkatalog doch zweifelsohne die den Be-
stimmungen eines Kataloges am besten und zweckmässigsten dienende Form besitzt. Viel mehr
Schwierigkeiten als dieses machte aber eine Einigung über die zweckmässige sachliche Ausgestaltung
des Kataloges in Bezug auf die Titelaufnahmen; es wurde beschlossen, dass über die für eine Ab-
handlung zulässige und erforderliche Anzahl von Eintragungen nach „bezeichnenden Wörtern“, also
über die Auswerfung sachlicher Nachweise in ihrer kürzesten Form, im Sachkatalog bestimmte
Regeln einstweilen nicht festgelegt werden sollten. Vielmehr wurde es dem Centralbureau über-
lassen, nach hinreichend gesammelten Erfahrungen in dieser Beziehung regelnd einzugreifen. In
den Unterabteilungen des Systems wurde die schliessliche Anordnung in der Regel nach Verfasser-
namen beschlossen.
Die definitive allgemeine Konferenz trat Juni 1900 zusammen; an ihr waren folgende Staaten
beteiligt: Oesterreich, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Japan, Mexiko, Nor-
wegen, die Schweiz, England, die Kapkolonie, Indien, Natal, Neu-Seeland und Queensland. Die
Entwürfe des Provisional International Committee wurden mit geringen Aenderungen angenommen.
— 299 —
Die finanzielle Sicherstellung des Unternehmens sollte durch die dauernde Beihilfe seitens der
verschiedenen Länder darin bestehen, dass diese sich zur Abnahme einer gewissen Anzahl
Bände verpflichteten. Der Preis für ein voliständiges Exemplar des Kataloges (17 Bände) sollte
17 £ betragen; um dabei die Druckkosten u.s. w. zu decken, mussten mindestens 300 Exemplare ver-
kauft werden, die denn auch von den beteiligten Ländern subscribiert wurden. Es übernahmen
England und Deutschland je 45 Exemplare, Frankreich 35, Italien 25 u.s.w. Die Uebernahme
finanzieller Verbindlichkeiten blieb dem Internationalen Rat vorbehalten, der am 12. Dezember 1900
zum ersten Male in London als bleibende Institution des Unternehmens zusammentrat und die ver-
antwortliche Leitung desselben in erster Instanz übernahm. Die Zusammenstellung der periodischen
naturwissenschaftlichen Litteratur jedes der beteiligten Länder wurde von den betreffenden Regional-
bureaus bald in Angriff genommen.
Die endgültige Gestalt des Unternehmens wurde diese: Die oberste Instanz des Unternehmens
ist die alle fünf Jahre in London zusammentretende internationale Konvention, welche von den Be-
teiligten so gebildet wird, dass kein Land mehr als drei Vertreter entsenden soll. Als eigentliches
Exekutivorgan fungiert der internationale Rat, welcher aus je einem Delegierten der beteiligten
Staaten besteht und in der Regel alle drei Jahre zusammentritt. Ihm liegt die Verwaltung und
Kontrolle der Finanzen ob, sowie die Ueberwachung des Centralbureaus bei der Zusammenstellung
und Herausgabe des Kataloges. Für die eigentliche bibliographische Arbeit sind in den einzelnen
beteiligten Ländern Regionalbureaus errichtet, welche die in dem bezüglichen Lande erscheinende
einschlägige Litteratur zu sammeln und zu klassifizieren haben. Das gesammelte Material wird an das
Londoner Centralbureau abgegeben, wo es definitiv bearbeitet und druckfertig gemacht wird. Das
Centralbureau steht unter der Leitung des Herrn Dr. H. Forster Morley und hat seinen Sitz in
London WC, 34 & 35 Southampton Street Strand. Das deutsche Regionalbureau untersteht dem
Oberbibliothekar Herrn Dr. Uhlworm und befindet sich in den bis vor wenigen Jahren von der
Kaiserlichen Normal-Aichungskommission innegehabten Räumen in Berlin, Enckeplatz 3a, auf dem
Terrain der Kgl. Sternwarte.
Die Herausgabe des Kataloges geschieht in 17 Bänden, entsprechend den 17 festgelegten ver-
schiedenen Disziplinen. Dieselben sind in der folgenden Art mit Ordnungsschemata bezeichnet:
4. Mathematik — B. Mechanik — C. Physik — D. Chemie — E. Astronomie —
F. Meteorologie — G. Mineralogie nebst Petrographie und Krystallographie — H Geologie —
I. Physik. und mathem. Geographie — A. Palaeontologie — L. Allgem. Biologie —
M. Botanik — N. Zoologie — O. Anatomie des Menschen — P. Anthropologie — Q. Physiologie
nebst Pharmakologie, exper. Pathologie und exper. Psychologie — R. Bakteriologie. —
Die Arbeiten aus den angewandten Wissenschaften sind von der Aufnahme ausgeschlossen,
‚sofern sie nicht Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse behandeln.
Jeder Jahresband der einzelnen Disziplin zerfällt in einen Sach- und einen Autorenkatalog,
in welch letzterem die Titel der Arbeiten alphabetisch nach den Namen der Verfasser aufgeführt
werden, wobei dem Originaltitel, sobald er nicht in einer der fünf Sprachen: Deutsch, Englisch,
Französisch, Italienisch, Lateinisch abgefasst ist, die Uebersetzung in eine dieser Sprachen beizu-
fügen ist. Hierzu kommen die notwendigen bibliographischen Angaben. Bei Zeitschriftenartikeln
werden zu letzterem Zwecke nach einheitlichen Grundsätzen entworfene Kürzungen verwandt, welche
so ausgewählt sind, dass aus ihnen leicht die betreffende Zeitschrift erkannt werden kann. Auch
die von den Regionalbureaus für die systematische Anordnung vorgenommenen Titelveränderungen,
welche zum Zwecke der besseren Charakterisierung und Klassifikation der Arbeiten vorgenommen
werden, werden in der bibliographisch üblichen Form gekennzeichnet.
Bei den sachlichen Eintragungen an anderen Stellen des Kataloges soll beachtet werden, dass
im Durchschnitt nicht mehr als zwei Sacheintragungen auf eine Arbeit kommen, damit die den
finanziellen Voranschlägen zu Grunde liegende Gesamtzahl der Eintragungen im ganzen Katalog
einschliesslich der Autorenkataloge, 160 000 im Jahre nicht überschreiten.
Die ersten Bände des Kataloges, umfassend die ersten Teile der Chemie und Botanik, sind
kürzlich erschienen. Um das im Deutschen Reiche gesammelte litterarische Material nicht zu lange
ungenutzt liegen lassen zu müssen, ehe es an die Oeffentlichkeit gelangt, hat das Reichsamt des Innern
beschlossen, eine „Bibliographie der deutschen naturwissenschaftlichen Litteratur“ durch das Deutsche
Bureau der internationalen Bibliographie in Berlin herausgeben zu lassen. die seit dem 7. September 1901
in Verlage von Gustav Fischer wöchentlich in der Stärke von 3 Bogen erscheint. Jeder Band
umfasst 80 Bogen und kostet 20 M., einseitig bedruckt 24 M. Linke.
$ *
*
— 300 —
Entdeckung eines neuen Kometen Perrine 1902b. Wenn von der astronomischen Centrale
in Kiel ein neuer Komet gemeldet wird, so lautet die erste Frage, ist es ein periodischer Komet,
der immer nach bestimmter Zeit zur Sonne wiederkehrt, oder ein solcher, der nur einmal unser
Sonnensystem kreuzt, um dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Die neuen periodischen
Kometen sind entweder wegen ihrer Lichtschwäche oder langen Periode bis zu ihrer Entdeckung
der Beobachtung entgangen, oder überhaupt erst dadurch periodische geworden, dass sie einem
Planeten so nahe gekommen sind, dass dessen Anziehung ihre offene, parabolische in eine ge-
schlossene, elliptische Bahn umgewandelt hat. Die Frage, ob ein Komet periodisch oder nicht,
kann erst beantwortet werden, wenn mindestens drei Beobachtungen vorliegen. Der neuentdeckte
gehört zu den Kometen, die wir niemals wiedersehen werden. Beiseiner Entdeckung am 1. September
1902 fand ihn Perrine nur 9. Grösse, am 3. September war er bereits 8. Grösse und beim Erscheinen
dieses Heftes wird er schon 6.—7. Grösse sein, so dass er noch Ende September voraussichtlich mit
unbewaffnetem Auge gesehen werden kann. Am 5. und 6. September konnte ich ihn schon mit
Perseus Cassiopeia
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5%
i .. Algenib
Bahn des Cometen 1902 b
Andromeda
7
HM Aramak
einem 3-Zöller bequem auffinden und wer seine Position genau kannte, fand ihn sogar schon mit
einem Opernglas. Mit unserm grossen Refractor habe ich mehrere Zeichnungen angefertigt, die
einen Kern von etwa 20 Bogensekunden und einen Schweif von 10 Bogenminuten Länge erscheinen
lassen. Der Komet ist bereits circumpolar und rückt immer noch in höhere Deklination. Er kann
daher schon bald nach Sonnenuntergang*) beobachtet werden und bleibt während der ganzen Nacht
sichtbar. Ueber seinen Lauf unter den Sternen wird unser Leser aus der beigegebenen Skizze
orientiert. Am 12. September stand der Komet nahe bei Algol, am 20. wird er die nördliche Partie
von Andromeda durchkreuzen und am 29. September in das Sternbild der Cassiopeia rücken. Die
genaue Position und den Verlauf der Helligkeit des Kometen geben wir nach einer in den Astron.
Nachr. No. 3812 von Strömgren veröffentlichten Bahn und Ephemeride wieder.
1902 Rectascension Deklination Helligkeit
September 6. 3h Jim 48s + 37° 0,3 1.50
10. 3 4 26 39 10,4 209 Einheit der Helligkeit
14. 2 62 59 41 51,4 3,02 September 1
18. 2 34 47 45 182 4,54 P
22. 2 4 19 49 23,3 7,09
: 10 54 Re} 11,42
SE I S + š X ! F. S. Archenhold.
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„Deutschland“, Monatssçhrift für die gesamte Kultur. Wir machen unsere Leser heute
noch ganz besonders auf den beiliegenden „Prospect“ der neuen Zeitschrift „Deutschland“ auf-
merksam, die im gleichen Verlage wie das „Weltall“ erscheint. Die ständige Mitarbeit von Eduard
von Hartmann, Theodor Lipps, Berthold Litzmann, Otto Pfleiderer, Ferdinand
Tönnies und der Herausgeber Graf von Hoensbroech bürgen für die Gediegenheit und Reich-
haltigkeit dieser neuen Zeitschrift, die Wissenschaft, Kunst, Politik, Theologie, Volks-
wirtschaft, Technik, Industrie u.a. umfassen wird. Das socben erschienene erste Heft lässt
bereits den vornehmen Charakter und die Vielseitigkeit dieser Zeitschrift vollauf erkennen.
*) Der Komet wird jetzt allabendlich den Besuchern der Treptow-Sternwarte gezeigt.
Für die Schriftleitung verantwortlich: F.9%. Archenhold, Treptow-Berlin; für den Inseratenteil: C. A. Schwetschke und Sohn, Berlin W.
Druck von Emil Dreyer, Berlin 8W.
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