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Full text of "Das Evangelium des Petrus : das kürzlich gefundene Fragment seines Textes"

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Library of the Dibinitp School. 
Bought with money 
cıven ar 
I THE SOCIETY 
FOR FROMOTING 


THEOLOGICAL EDUCATION. 


Received 31 yly, 1893. 


Das 


Evangelium Des Petrus. 


Dos kürzlid; gefunnene Fragment feines Tertes 


aufs neue herausgegeben, überjegt und unterfucht 


von 


2 
D. Theodor Bahn, 


Brofeffor der Theologie in Erlangen. 


— — en 


64 
Erlangen uno Leipzig. 
U. Deichert’ihe Verlagsbuchhandlung Nachf. 
(Georg Böhme). 
1893. 


JUL 311398 


Due cl Ihes C 
d 


Herrn D. Ernſt Tufharot, 


dem hochverdienten Ausleger des vierten Evangeliums 
widmet zu feinem 


70. Geburtstag 
diefe Unterfuchung eines fünften Evangeliums 
in danfbarer Verehrung und Freundichaft 


der Berfafier. 


Vorwort. 


Die neuen Entdefungen auf dem Gebiet der altfirchlichen 
Ritteratur, an welchen unjer Beitalter jo reich ift, üben ein ftrengeg, 
aber ftummes Gericht an dem, was die „deutſche Wiſſenſchaft“ auf 
diejem Gebiet an Vermutungen, Behauptungen und Berneinungen 
geleijtet Hat. Es wäre gewiß lehrreich, in dem vorliegenden Fall 
alles das, was jeit C. Credners „Beiträgen zur Einleitung in die 
biblischen Schriften” (Bd. I: „Die Evangelien der Petriner oder 
Judenchriſten“, 1832) über das PBetrusevangelium gejchrieben worden 
it, an dem jet ans Licht gefommenen Bruchitüd desjelben zu 
mefjen. Das wäre aber ein graufames Geſchäft. Mir widerftrebt 
es um jo mehr, al3 ich felbft in der glüclichen Lage bin, faum ein 
Wort von dem, was ich im vorigen Jahr in der Geichichte des 
neuteftamentlichen Kanons (II, 742—751) über den Gegenstand 
habe druden laſſen, widerrufen zu müſſen. Notwendiger erjcheint 
ed, an meinem Teil dafür zu forgen, daß ein neuer Fund wie diejer 
nicht fofort, Statt aufflärend und befreiend zu wirken, künſtlich zu 
einer neuen Quelle der Verwirrung gemacht werde. 

Was ich Hiermit veröffentliche, ift ein umveränderter Sonder- 
abdruck zweier Artifel, welche im 2. und 3. Heft des laufenden 


— VI — 


Sahrgangs der Neuen Firchlichen Zeitſchrift erjchtenen find. Der 
erſte (S. 1—38 des Sonderabdruds) wurde am 7., der zweite am 
17. Januar der Redaktion zugeichidt. Die Zuſätze find neu Hinzu- 
gefommen. 


Erlangen im März 1893. 


Sb. Bahn. 


Ssnhalt. 


Einleitung . rn 
Tert und Überfegung . . . 


. Geift und Art des Buchs. 
. Die Quellen des Vetrusevangeliums . . 
. Einfluß des Petrusevangeliums auf die Firchliche Sitteratur. 


Urſprung des Petrusevangeliums . 
BZujäte . 


Seite 
1— 6 
7—15 

16—38 
38—56 
57—70 
70—75 
76—80 


I. Einleitung. 


chon im Winter 1886/87 haben die von der franzöſiſchen archäo- 

logischen Miffion zu Kairo betriebenen Ausgrabungen auf einem 
altchriftlichen Kirchhof zu Akhmim in Oberägypten aus einem Grab eine 
Pergamenthandichrift zu Tage gefördert, welche neben umfangreichen 
Fragmenten des griechiichen Henochbuchs ein zujammenhängendes 
Stück eines Evangeliums, deifen Verfafjer ſich Simon Petrus nennt, 
und ein ebenjolches Stück einer Apokalypſe enthält, welche jofort als 
die im chriftlichen Altertum oft genannte Apofalypfe des Petrus er- 
fannt wurde. ALS endlich, wenn ich nicht irre, im Oktober des eben 
abgelaufenen Jahres die Veröffentlichung der genannten Stüde er- 
folgte,!) 309 vor allem das Fragment des Petrusevangeliums die 
Aufmerkſamkeit weiter Kreife auf fih. Schon in den eriten Tagen 
des November hat A. Harnad?) mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit 


1) Mömoires publi&s par les membres de la mission archeologique 
francaise au Caire, Tome IX, fasc. 1 (Paris 1892) p. 91ff. Diefer von 
U. Bouriant bearbeitete Teil des Heftes trägt das Datum „Le Caire, no- 
vembre 1891* (sic). Das Fragment des Petrusevangeliums "(ieh nenne Died 
im folgenden BE) fteht p. 187—142; in der Handichrift, welche dem 8.—12. 
Jahrhundert zugefchrieben wird, füllt dies Fragment p. 2—10. Wenn Bouriant 
die zu Akhmim gefundene Handfchrift (j. p. 93) von p. 95 an le manuscrit 
de Gizeh nennt, fo wird damit gefagt fein jollen, daß die Handfchrift jekt in 
dem dortigen Mufeum aufbewahrt wird. 

2) In den Situngsberichten der Berliner Alademie vom 3. u. 10. No» 
vember 1892. In erweiterter und verbeflerter Geftalt gab Harnad die dortige 
Publilation in den „Terten und Unterſuchungen“ Bd. IX, Heft . (1893, Bor: 

Th. Bahn, Das Betrusevangelium. 


— — — 


2 Das Evangelium des Petrus. 


des Ausdrud der Gelehrtenwelt die Wichtigkeit der neuen Entdedung 
zum Bewußtſein gebracht. Drei Tage, nachdem der Tert in Cambridge 
eingetroffen war, am 20. November, hielt J. A. Robinſon, der ver- 
dienſtvolle Herausgeber der Cambridger „Texte und Studien“, eine 
öffentliche Borlefung über den Gegenstand, welche feither in Verbindung 
mit einer Borlefung von M. Rh. James über die Betrusapofalypfe und 
mit den Texten beider Schriften in erweiterter Geftalt im Druck er- 
ichienen iſt.) Die Sache ift wichtig genug für die Geſchichte der 
Evangelienlitteratur in der alten Kirche und jomit für die Theologie, 
um wiederholt und von verschiedenen Seiten mit einiger Ausführlich- 
feit erörtert zu werden. 

Was wir bisher von einem Petrugevangelium wußten, war 
wenig, aber doch bedeutjamer und bejtimmter ala das, was uns über 
manche andere apofryphe Evangelien überliefert ift.?) Die wichtigften 
Nachrichten darüber verdanfen wir einem von Eujebius aufbewahrten 
Bruchſtück eines Schreibens des Biſchofs Serapion von Antiochien um 
200 an die Gemeinde der nicht weit davon gelegenen Stadt Rhoſſus oder 
Rhoſus. Wir erfahren dadurch vor allem, daß ein „Evangelium des 
Petrus" oder „nach Petrus“ ſich damals im Beſitz und Gebraud) 
einer chriftlichen Sekte zu Antiochien befand, welche von den Katho- 
Yifen „die Doketen“ genannt wurde. Serapion, welcher ſich von Mit- 


rede vom 15. Dez. 1892) noch einmal Heraus. Letztere Aufgabe, welde ich 
erhielt, nachdem die weſentlichen Zeile der folgenden Abhandlung gejchrieben 
waren, bezeichnet im folgenden der Name Harnad. 

1) The gospel according to Peter and the revelation of Peter. Two 
lectures ete. London 1892. 

2) Vgl. meine Gefch. des neuteft. Kanons I, 177—179,; II, 742-751. 
Namentlich die Überfegung und Tritifche Behandlung des in mehreren Punkten 
ziemlich fchwierigen Fragments des Serapion (Eus. VI, 12; Geſch. d. 8. II, 
744. ff.) fähe ich gerne von anderen einer fcharfen Kritik unterzogen. Die 
Überfegung von Robinfon p. 14 kann ich nicht richtig finden. Schon you all 
ift nicht genau — rovs navras. Ganz weggelafien ift das für den Sinn ent- 
ſcheidende In’ adyzav vor noopepöusvov Övouarı Ildrgov svayyehıov. Ferner 
ift der Vorſchlag unannchmbar, gegen die griechiſchen Hfj. und Rufin Magxio» 
ftatt Maoxsavos zu lejen. Denn erftend würden Anhänger Marciond nicht 
das BE, jondern das Ev. Marcions mit Eifer gelefen haben. Zweitens zeigen 
die Imperfekta, in welchen von diefem Manne geredet wird (Nvavrıouro, Ehaler), 
daß Serapion bei dem Rückblick auf feinen Beſuch zu ARhofjus beharrt, wovon 
er vorher ebenfo geredet hat (önsvsovr), 


Die Nachrichten über dasfelbe. 3 


gliedern dieſer Sekte ein Eremplar des Buchs zu verichaffen wußte, 
hielt dieje Dofeten oder doch die damaligen Mitglieder der Sekte nicht 
für die Schöpfer diejeg Evangeliums, jondern betrachtet die jogenannten 
Doketen als Nachfolger einer älteren nicht näher bezeichneten Partei, 
welche letztere das BE produziert und ebenfo wie manche ihrer Lehr⸗ 
meinungen auch dieſes Evangelium auf die Dofeten vererbt habe.!) 
Wir dürfen die Vorftellung de3 Serapion aus anderweitigen Nach— 
richten noch etwas genauer bejtimmen. Bon Clemens Al. wird ein 
gewiſſer Julius Caſſianus, ein ehemaliger Anhänger der valentinia- 
niſchen Schule, al® Urheber der Dofeje, d. h. als Stifter der Sekte 
der Dofeten bezeichnet. Die Wirkſamkeit des Julius Caffianus muß 
in die Zwilchenzeit zwijchen Valentin (um 130—160) und der Ab- 
faflung der Stromatei® de Clemens (200—202), aljo etwa um 
170 oder 180 fallen. Es jind ferner, auch abgejehen von dem Zu- 
ſammenhang zwilchen Caſſian und der Dofetenjefte, Gründe vor- 
handen für die Annahme, daß Caſſian ein Antiochener war.) St 
dem fo, jo hatte ein Mann wie Serapion, welcher um 200 Bilchof 
von Antiochien war, die Entſtehung der Dofetenjekte zu Antiochien 
noch miterlebt; denn Bilchöfe pflegten feine Sünglinge zu fein. Dann 
ift aber feine Vorſtellung von dem Verhältnis des PE zu dieſer 
Sekte von geſchichtlichem Wert. Serapion glaubte zu willen, daß 
eine mit den ſpäteren Dofeten verwandte Partei jchon vor 170—180 
das PE beſeſſen und auch hervorgebracht Habe. Nachdem er das 
Buch einer näheren Prüfung unterzogen hatte, fonnte er jagen, daß 
die meilten dem BE eigentümlichen Gedanken auch in der Lehre der 
Dofeten enthalten feier. Damit ftimmt überein, was wir durch 
Origenes erfahren, daß in dem PE die Anficht vertreten war, 
die Brüder Jeſu feien nicht leibliche Söhne der Maria, fondern 
Söhne Joſephs aus einer früheren Ehe gewejen. Sowenig nämlid) 


1) Da die Bezeichnung der Doleten als duadoxos der Urheber des PE 
nicht ausdrüdlich auf die damaligen Mitglieder der Doketenſekte beſchränkt ift, 
und da dsadoxos fie nicht ſpeziell als Erben des Buchs, jondern als Nach—⸗ 
folger überhaupt bezeichnet, fo ift es auch nicht, wie ich Geſch. d. K. II, 751 
urteilte, wahrjcheinlih, daß die Entftehung des PE mit der Entitehung der 
Doketenſekte zufammenfält. Jene fällt nad) Serapions Anficht früher als dieſe. 

2) Bol. Geſch. d. K. II, 635 f. Ich füge Hinzu, daß auch für den fpäteren 
Johannes Caſſianus nicht ohne Grund eine Herkunft aus Antiochien ans 
genommen worden ift. 

1* 


4 Das Evangelium des Petrus. 


dieje |päter in der Kirche weitverbreitete Meinung eine dofetijche 
Anſicht von Chriftug zur notwendigen Vorausſetzung hat, jo ift doch 
ohne weiteres einleuchtend, daß eine folche Anficht von der evange- 
liſchen Gejchichte jehr Leicht dazu führen konnte, auch die Perſon der 
Maria und ihre Ehe mit Joſeph in ihren Ideenkreis einzubeziehen. 
Die Brüder Jeſu durften nur jcheinbar feine Brüder und Maria 
nur Scheinbar Mutter noch anderer Kinder als des Herrn fein. 
Ferner jagt Serapion, daß das Meifte im PE der rechten Lehre des 
Heilands angehöre, einiges aber an Geboten Hinzugefügt ſei. Alfo 
in ethiſcher Beziehung ging dad PE über die in den kanoniſchen 
Evv. enthaltene Lehre Jeſu hinaus. Es waren derjelben Menjchen- 
gebote beigemifcht. Schon die Erinnerung an Kol. 2, 8. 20—23 läßt 
nicht wohl daran zweifeln, daß es ſich um asketiſche Gebote handelt, 
welche das BE dem Herrn in den Mund legte. Die Verbindung einer 
dofetiichen Chriftologie mit enfratitiicher Ethik finden wir während 
des 2. Jahrhunderts bei übrigens ſehr verjchtedenen Richtungen: bei 
Marcion, ferner in den Kreifen, aus welchen die meisten apofryphen 
Apoftelgeichichten hervorgingen, und gerade auch bei jenem Julius 
Caſſianus, dem Stifter der Dofetenjekte, welche um 200 im Befit 
und Gebraud) des PE ſtand. Das BE hatte vieles, ja dag Meiſte mit 
den kanoniſchen Evv. gemein. Was Serapion in Bezug auf die Lehre 
und Gebote Jeſu jagt, wird auch von der Geſchichte Jeſu gegolten haben. 
In Anlehnung an die gemeine evangeliſche Überlieferung war das 
Bejondere vorgetragen. Hieraus erklärt ſich auch der Vorgang, welcher 
dem Serapion Anlaß gab, da3 PE einer genaueren Prüfung zu 
unterziehen und der Gemeinde von Rhoſſus darüber zu berichten. 
Serapion hatte bei einem Beſuch in Rhoſſus dort Chriften ange- 
troffen, welche da3 PE laſen und deswegen Berdrießlichkeiten Hatten. 
Man muß fie wegen ihrer Vorliebe für diefes Buch zur Nede geftellt 
haben, was fie veranlaßte, ſich an den Biſchof zu wenden. Diejer 
aber hatte, ohne das Buch ſelbſt und die Denkweiſe der Leute zu 
Rhoſſus, die es lajen, genauer zu prüfen, es für unverfänglich erklärt, 
daß fie es weiter läſen. Inzwiſchen aber Hatte er erfahren, daß 
jene Leute, an deren Spibe ein gewiſſer Marcianus ftand, heimliche 
Anhänger einer Irrlehre feien, und erfannte nun, daß ihre Vorliebe 
für das PE mit ihrer häretiſchen Richtung in Zufammenhang 
jtehe, und daß ſomit feine Toleranz in Bezug auf das PE eine 


— 


Die Nachrichten über dasfelbe. 5 


Unvorfichtigfeit geweſen fei, welche er nach genauerer Unterjuchung 
des Buchs durch ein Sendfchreiben an die Gemeinde, welchem ein 
perjönlicher Beſuch folgen jollte, wieder gut zu machen fich beeilte. 
Nach dem Wortlaut der Erzählung verhält es fich nicht jo, wie es 
gewöhnlich dargeftellt worden iſt,)) daß dag BE bis dahin im Gotte3- 
dienst der fatholischen Gemeinde zu Rhoſſus neben den Tanonijchen 
Cop. oder anstatt derjelben gebraucht worden wäre, was Serapion 
anfangs noch geduldet, dann aber verboten hätte; jondern einigen, jei 
e3 einheimifchen, jei e3 von auswärt dorthin gekommenen Chriften 
zu Rhoſſus, welche das Buch für ſich Iafen, hatte Serapion dies in 
der Meinung, daß fie rechtgläubige Chriften feien, geftattet; und er 
widerrief dieſe Indulgenz, ala er die damit verbundene Gefahr einer 
Verbreitung von Irrlehren in der katholiſchen Gemeinde erkannte. 

Ein zufammenhängendes Stüd diefes Ev. in die Hände zu be- 
fommen, ift zumal für den, welcher etwas weiß von den Bhanta- 
fien der Gelehrten über dieſes wie über andere nichtkanoniſche Evv., 
über welche wir nur dürftige Berichte der Alten befigen, eine wahre 
Freude. Wir beiten ja manche Bücher, die wir apokryphe Evv. 
nennen, vollftändig und auch fo ziemlich in ihrem urfprünglichen 
Zuftand, vor allem jene Ausichmüdungen der Geburts- und Kindheits- 
geichichte Jeſu, an welchen viele Chriſten ſchon des 2. Jahrhunderts 
ein großes Gefallen hatten. Aber ihre verhältnismäßig untergeord- 
nete Bedeutung für die Gefchichte. des N. Teitamentes in der Kirche 
ergibt fich Jchon daraus, daß fie gar nicht dazu beftimmt waren und 
unferes Wiſſens auch nicht dazu gebraucht worden find, einer Ge— 

1) Harnad, der fi zu meiner Freude jetzt S. 4 einige Früchte meiner 
im „NR. Teftament um 200” ©. 49 noch jehr veräctlich behandelten „Bes 
mühungen um die Auslegung der Stelle” aneignet, 3. B. die richtige Auf: 
faffung des wichtigen moooöseoraAusva, verhüllt doch gleichzeitig den Haupt: 
punkt dur den Ausdrud „in der Gemeinde zu Rhofjus” oder „in einer Ge: 
meinde des antiochenifhen Sprengels” fei dad PE gelefen worden. Wenn 
Baptiften und Irvingianer in einer unferer Gemeinden Anhänger zu werben 
ſuchen, Schriften und Anfichten verbreiten, jo geichieht das freilich in gewiſſem 
Sinne in der betreffenden Gemeinde. Der Ausdrud bedarf aber fehr der 
Erläuterung und Begrenzung, wenn ed fih um Handlungen und Schriften 
von Leuten handelt, welche wie in diefem Fall ganz deutlich von der Gemeinde 
unterfohieden werden. Nicht der im Brief Serapiong angeredeten Gemeinde, 
jondern den in dritter Perſon erwähnten Anhängern des Marcianus Hat 
Serapion gejagt: „Das Buch mag gelejen werden”. 


6 Das Evangelium des Petrus. 


meinde chriftlichen Namens in ihrem Gottesdienft als Grundlage der 
Erbauung und Belehrung zu dienen, wie dies vom Hebräerevange- 
lium, vom Ev. Marciong, vom Diateffaron Tatians und ſowohl nad) 
den vorher reproduzierten Nachrichten ala nach dem nun vorliegenden 
Stüd vom PE gilt. Wenn das lettere fich an kirchengeſchichtlicher Be— 
deutung nicht entfernt mit den Drei vorher genannten Erzeugniffen des 
2. Jahrhunderts vergleichen läßt, jo tritt e8 doch, was den formalen 
Charakter und allgemeinen Zweck anlangt, mit ihnen in gleiche Reihe. 
Und während wir den Tert jener drei Evangelienbücher nur mühſam aus 
Berichten und Kommentaren zum Teilin anderen Sprachen refonftruieren 
fünnen und, was da3 Hebräerevangelium anlangt, ung mit 23 zu— 
jammenhangzlojen, zum Teil winzig Heinen Säben begnügen müfjen, 
haben wir hier eine fortlaufende Gejchichte der Baffion und Auferftehung 
im Original. Ich gebe den Tert derjelben nach der Editio princeps 
von Bouriant unter Berüdfichtigung der Ausgaben von Harnad und 
Robinſon mit einigen notwendig erjcheinenden Verbefferungen.!) Da 
die Ausgabe von Robinſon nur der Vorläufer einer für die „Texte 
und Studien” beftimmten umfafjenderen Bearbeitung fein joll, 
welche dann vermutlich die Hauptgrundlage der weiteren Erörterungen 
bilden wird, jo habe ich die Kapitelteilung von Robinfon und nicht 
die Versteilung von Harnad mir angeeignet. Den Titel des Buchs, 
welchen die Handichrift von Akhmim nicht bietet, babe ich nach den 
alten Nachrichten vorangejebt.?) 


I) Ach nenne den Koder oder vielmehr Bouriant3 Kopie desſelben C, 
Sarnad H, Robinfon R. Bouriant bat ſich nicht Über den Sinn der von ihm 
angewandten edigen Klammern ausgefproden. Wenn er (unten ©. 8, 19) 
owöorı[v] ſchreibt, fann das nur bedeuten, in O ftehe ein überſchüſſiges », 
dagegen bedeutet S. 10, 10 xerrvoianf:] offenbar, in C fehle ein unentbehr: 
liches «. Das ift aber nicht in allen Fällen jo felbitverftändlich wie in dieſen 
beiden. Ich vermute, daß S.7,2 [rwov] in der Handichrift fteht. Ein einziges 
Mal find auch runde Klammern angewandt p. 187 3. 3 dxslev(n)oa. 

2) Orig. tom. X, 17 in Matth. zov änıysyoauusvov xara Ilervor 
evayysliov. Eus. III, 8, 2 76 xar’ avror (sc. [I&roov) wvouaousvov evuyyshor, 
weſentlich ebenfo in der Einleitung zu Serapions Fragment VI, 12, 2, cf. 
auch Theodoret. haer. fab. II, 2. Aus dem Fragment Serapions (ſ. S. 2 
A. 2) läßt fi die Form des Buchtitels nicht fiher erkennen. 


Der Tert. | 7 


U. Cert und Überfeßung. 


[EvayytAıov xara Ileroov.] 


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EInxev Enii vis xepaliig Tod Kuolou. ai Eregoı Eorwres Ev&rırvov 
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aha Evvocov auröv, al Tiveg aüröv EudorıLov Myovuss „TaUTN 
Th zum Erunoonev zöv viöv Tod Jeoö“. A. Kal Nveyxov duso 30 
xoxoveyovs xal EoTavowonv Ava uEovv adrov Töv Küpıov, adrög 
dE zouwisa wg undtv rıövov Exwv. xal OTE WOIWOEV TOÖV Oravoor, 
erceyoaıyav Orı „obrdg Earıv 6 Baoıkevg rod "Iogani“. nal reeındres 
ra &vövuare Eunoo0der auvrov Örsuegioavro nal Aayuov EBarov Erı’ 
avrois. eig dE us Toy xomoveywv Exelvwv wveldioev autovg Aeywv ' 35 

1. [ov] C | 2. ovde eıs Z (cf. Jo. 1, 3; Act. 4, 82, ovdass — ovde — 
ovös cf. Mr. 18, 32): ovdeıs C, ovd’ us HR | wow Z: [rtov] C, om. HR 
(H add. avraw post Aovi.) cf. was vis, xaı tıves c. 8. 5. | 3. Ileılaros sic 
ubique: ITesAarns hoc loco C | nag[ainu]gdnvar C | 4. sxelev(n)oa C | 
10—11. areı — negovsvuevp Diels H uncis incl. | 18, aipmuev 2 (cf. aloe 
Le. 23, 18; Act. 21, 86;°22, 22; Acta Theclae 20; Mart. Polyc. 3, 9; 
Hippol. ed. Lagarde 150, 4; aoov Jo. 19, 15; dowus» Jes. 3, 10 apud 
Just. dial. 186. 137 et Hegesippum [Eus. h. e. 1I, 28, 15] pro drowusv apud 
LXX): svowusv C, ovowusv Harris RH | 14. neoısßalov Z (cf. Jo. 19, 2): 
negısßahlov C | 20. ruunvauev C | 32. zowrna os R alii: soıwrraoas C | under 
scovov Z: under novov CH, undeva novov R | swedmoav C | 25. wvssönoev CO. 


8 Das Evangelium des Petrus. 


„nueic dic Ta sand & Enoınoauev ovrw renövdauer, odrog 62 
owrig yenduevos Tüv dr dguruum zi nölunoev Unäc“; ; xl dyavan- 
ınoavreg En’ aurın dxelevonm, iva un oneloxormIi, Onws Baoavıld- 
uevos anodavoı. 5. ’Hv Ö& usonußgla, xal ondros xareoye rücav 
senv Tovdalav xal &3ogvßoürro xal nywrluww, unmore ö Nluog Edv, 
nreıön Erı Ein‘ yEyoarcraı ya adrois, NAıov un dvvaı Ent 1iepo- 
vevusyy. Hal Tıg adzwy einev‘ „norloare aurov yoAmv era 
dEovc“, xal nepdoavıes Enrorioav xai Errinowoav sravra xal Ereleiwonv 
xœro TÜG Xepalijg autwv Ta auaprnuara. nieginpxovro Ö& noAAol 
era Abyvwv vouibovres, Orı vob Eorıv, Enreoav Te. nal Ö Köpuog 
aveßönos Ay‘ „m Öuvauis uov, 7 Öbvanıs, nareleıyas ue“. al 
einwv Aveinpim. xal avıng Tnig Wgag dıeyayn TO xaranıdraoua 
00 vood ig Tegovoaanu eis duo. 6. Kal Tore aneonaoev Toug 
mAovs arıd TWV xeıpwv Toü Kuvplov xai EImxav avrov Ersi Tg yñc, 
ısxeL 7 yñ rüoa Eoelodn, nei pößos ueyosg &yEvero. Tore nAuog Elauıve, 
xœl EÜEEIN WwOR eva. Eydgnonv d2 ol Iovdaloı nal dedwxaoı Tu 
Wonp Tö ovua avrod, iva add Ian, Emmeibn Ieaaduevog Tv 
000 dyade Erroinoev. Außuv d& Töv Kügıov Elovos “oil Evelinoe 
owöövı xai slonyayev eis Ldıov Tapov, xaloUnevor xnnov Tuonjp. 
UV »T. Tore oi ’Iovdaioı xal of nrosoßurepoı xai oi iegelc, iöövres, olov 
xunöv Eavroig Ervoinoav, No&avro aörreodeı nal Aeysıy" „oval Taig 
duogrlaug juwv' nyyıoev 7) xoioig xal vo Elog Tegovaainu“. Ey 
de uera ıw@v Eraigwv uov ZAvrsovun, nal Tergwuevo xara dıLavoray 
exgußduede" Eimrovusde yap vun’ aurüv wg xux00gyoL xal (ig Töv 
26 vadv IElovres Eurgjon. Erti ÖL Tovroig nũ ou' Evnorevoner xal 
InaIelduede ıtevdoüvres xal nlalovres vuxtög xal 7 Jucoog Ewg roũ 
caßßarov. 8. Zuvaxdevres de ol ygauuareig xal Dapıoaloı xai 
srosoßurepoı ugös dAAmAovs, axovoavreg, Or 6 Aaög ünas yoyyibe 
nal nörteraı Ta 00mIn Akyovıss, Otı „el io Iavary avrod Tavra 
Ta uEyıora omusia yEyovev, Were Oröoov Ölxaudg Eorıv“, EpoßrInoav 


4. anodavoı CR cf. Winer Gramm. Ed. 6 p. 260: anodavn Geb- 
hardt H | as0saßora C | 5. edogovßovvro C | nywvıow R Blass: nyavı0a» 
C | advs C | 6. [yae] C | 9. negssoxovro C | 10. aneoav re BR: snsoavro C, xuı 
ensoavto Diels H | 11. duvauıs sec. sine vov C: vov add. H | 12. avzns rs H: 
avros C, avıns R | 15. syasodn C | 16. svendn C | 18. eveuAnos Gebhardt, 
Blass: eulnos C | 19. owöorı[v] C | 25. evnorevous» CO | 97. svraxdevres C | 
30. ono0o» Diels: ors 000» C. 


Der Tert. 9 


oi nosoßitegoı “al A9ov sıoög Ileılürov dedusvor airoü Aal 
Aeyovrsg‘ „napados Nuiv orparıwras, Ya Yvlafwar TO uviua 
avrod Ei Teeig Nuloag, unnore ElFovreg ol uadmai avroü 
“AEWworv aürov, xal vnoldaßnm 6 Aaos Or Ex vexpüv dv£oen, 
“ai 70m0WwOLw Nuiv xard“. © d& Ilsılürog rapadedwnev avtols 5 
ITergwvıov TÖv xevrvpiwwa Era Orgatıwrov YPvlaoosıy TOV Tapor. 
zal 00v avrois NAIov rrgsoßutegoı zul yoauuarels Er rd uwiue, 
xal xuvAloavres AlIov uEyav UETE TOD AEvroplwvog Aal TWV OTEATLUW- 
rwv, 6uod niavres ol Ovreg Exei EIaav Enui Th Ivo TOoü urnuarog, 
xal Erreygioav Erra opgayides, xal annynv Exei sınsavreg Epvlaker, 10 
9. Tlpwiag d& Enıpworovrog Tov oaßßarov nAIev OxAog ara Tegov- 
oolnu xal Ing nepixwoov, iva tdwar TO uväua Eoppayıcuevov. Ti 
de vordi NY Errepworev ı, xugiean, pilaovövrwv TÜV OTEATLIWTOYV 
ava Öbo dio xara Ypovgav, ueyaln Pwrn E&yevero Ev to oüpavip, nal 
eidov AvoıyIevras TOVg ovgmvoigs xaul Övo üvdons Aareldövras ıs 
ineidev, roAv pEeyyos Exovrog al Ermioravras To Tapı. 0 ÖE 
Md9og Exstvos 6 BeßAnuevos Enii Ti Fvog ap’ Eavrov avAuodeig Une- 
XWENTE rapG 11EROS, Kal Ö Tapog Nvolyn, ai duupörego. ol veavioxoı 
elonıIov. 10. ’Iödvres odv ol orarıwıaı Exelvor EEürvioav Tov 
KEvTvolwva xl TOUG TTOEOBUTEROVS* TTROT 00V yapxal avToL (PvAROOOVTES. 20 
xal Einyovusvwy avrwv & eldov, nrakıy Ooworw EEeldovrag anıd Toü 
tapov rosis üvdgas xal Tovg ÖTo Töv Eva Unogdoüyrag xal OTavgöv 
aroAovdoüyre adroig, Ku TWv EV ÖTo nv AEepainv XWgoücev 
uEXEL TOD 0U0VOD, TOD ÖL XEıyaywyovuevov Uri avrav Uneoßalvovonv 
ToÜs olemwvovg. al Puvig Mxovov Eu Tüv oliv Aeyobang' 2 
„ernpvBag ToLg KoLumwuevorg“; aa Urtoron NxoVsTo And TOU OTavpoü 
ot „val“. 11. Zuveonesmiovro oor allmAoıg Ersivor arıeldeiv xal 
Zypavicaı raüra ro Ilsılary. xal Erı diavoovussw aurev palvorraı 
ralıy Avorxdevres ol ovgavoi zul üvdpwriöc dis AareAduv Hal 
3. nulsoas] C | 5.' magadedunev C cf. p. 8, 16: zaoedwxev? | 8, uera 
HR: xara CO | 9. owov R: öuos C, öuor UÜsener H | 10. srexoaav C | 15. 
avoıydevrss CO | 16. exeıde C | enıoravras R: errioavras CO, syysoavras Diels 
H | 17. kaıdos C | vnexwonos R in notis: snexwonoe C, anexwonoe Geb- 
hardt; alii | 18. svosyn C | 20. auvrs HR: av 0 C | 21. opacıv efsAdovros ... 
avöoes ... axohoFovvra U | 24. Tov ds zespyaymyovusvov R alii: ror de xepa 
To rovusvov C | 26. ya C | 26. zowwmuevos CO | xas vraxon nxovero R 


cum © (ubi vzaxon.): vraxonv ; xaı nxovero Preuschen H, omnia turbantes | 
27. orı va HR: zwar C | 29. xareAdov C. 


8 Das Evangelium des Petrus. 


„Nusis dia Ta xana a Emmoinoausv obzw Trenövdauev, oVrog ÖL 
owrng yerdusvos Tüv dvdgurcuv vl Nölnmoev Unäc“; xal’ dyavan- 
ınoavreg Er adv Enelevoov, iva un omelononndd, Orws Baoavıld- 
uevos anosavor. 5. "Hy dR usonußela, zul Oxdrog xareoyge 1räoov 
szniv Tovdalav xai &Iogvßoüvro xal nywvlwv, unnore 6 Nluos Ebv, 
ineıön Erı Ein‘ yeyparıra, yap adrois, NAıov un dvvar Ent 1iepo- 
verußyw. xal zıs aurwv einev‘ „norloars auroöv xoAmv uera 
ögovc", nal nepaoavres Errorioav nal Errinpwoav sravra nal Erehclwonv 
xaTa TÜG aEpahig aurwv Ta Auaprnuara. niegingxovro O mcoAkoi 
ıuera Abyvwv voulLovres, Otı voE Eorıy, Erteoav Te. “al 6 Kvoros 
dveßönoe Ayav“ „ı) duvauis uov, 7 Öbvauıs, xarelenpag ue“. zul 
einWv AveinpIn. Hal avıng TiG Wwoas dıevayn TO xarandraoue 
tod vood ig Tegovoainu eis bo. 6. Kai Töre ankonaoev Tovg 
nAovg drwd Tv xeıpiv Tod Kvplov xal EInxav avrov Erti vg yñc, 
ısxal 7 y7 nüoa Eosiodn, xal poßos ueyas EyEvero. Tore NAog Ehauıbe, 
xl EvgEIN wen Eva. Eyaonoav d& ol Iovdalioı xal dedumanı Tip 
Wonp To owua avrov, iva auıd Ian, Enmeibn Ieaoduevog Tv 
00x ayasda Enolnoev. Aaßwv dt Töv Kögiov Elovoe xai Evellnoe 
owödrı xal eionyayev eis idıov Tapov, xuAovusvov xijnov Imonp. 
UV »T. Tore oi Iovdaioı xai ol rıgeoßurepoı »al oi iegeig, lödvres, olov 
xonöv Eavrois Ervolnoav, no&avro norereodnı nal Aeyeıy' „oval Taig 
Guapriaus nuwv' Hyyıoev 7) xoloig xai vo EAog Tegovaakıju“. Ey 
de uera ıwv Eraigwv uov EAvrmovunv, nal TergwuEvoı nara dıavoray 
exgußöusda‘ Eimrovusda yap vun’ avıwv Ws xexoüpyoı xal ws TV 
»svaov IElovreg dungijoa. Eri dt Tovroig ao Evnorevouev xal 
inaIeldusde stevdoüvres nal alalovres vuxrög xat nulgas Ewg TOD 
oaßBarov. 8. Zuvaxdevres dt ol yoauuareis xai Dapıoaloı xai 
roeoßvrego. rpös AAlmkovs, dxovoavres, Orı 0 Auög ünag yoyyübsı 
xal xörcreraı Ta ormIn Aeyovrss, OT „el To Iavary avToü Tavra 
Ta ueyıoıa Omuesla yEyovev, Were O7000v Ölxaıdg Earıv“, EpoßiImoav 


4. anoFavoı CR cf. Winer Gramm. Ed. 6 p. 260: anodavn Geb- 
hardt H | aeoeußora C | 5. edogovßovvro GC | nyavıwv R Blass: nyavıoa» 
C | edvs C | 6. [yae] C | 9. reoseexovro C | 10. ensoav Te RB: snevavro C, xas 
erreoavto Diels H | 11. dvvauıs Bec. sine wov C: aov add. H | 12. avzns rs H: 
autos C, avıns R | 15. syaodn C | 16. svondn C | 18. evaunos Gebhardt, 
Blass: eulnos C | 19. owdorı[v] CO | 25. evnorevouer CO | 27. suragdevres C | 
30. onooov Diels: orı 1000» C, 


Der Tert. 9 


oi noeoßizegoı zul 1AIov sıpog Ileılürov dedusvor airoü «al 
Aeyovres' „napados Nuiv orgarıwras, Iva pvldäwoı TO uväua 
avrod Ei Toeig Tucpag, unnore Eidovreg ol uadmai avroü 
“AEWwor eürov, aal ünolaßn 6 Aaög Orı Ex vexgwv avdorn, 
za 70m0W0L Nuiv and“. © d& Ilsılürog rapadedwnev avrols 5 
ITergwvıov TÖv xevrvpiwwa Era OrgaTIwrv Yvlaooeıv TOV Tapor. 
al 00V avzoig NAIov resoßuTegoL xai yonuuareis Er TO uwiue, 
xal xvAloavreg AlIov uEyav Era Tob AEvruplwvog xal TWV OTEMLLU- 
rev, Ouod navres ol Ovreg Exei EImmav Erii Th Ivog TOD uynuarog, 
xal Errexgıoav Ervra opgayidag, aa onıpnv Excel rınSavres Epviadev. 10 
9. Ilgwiag dt Enıpwoxovrog rod oaßßarov NAsev ÖxAog drro Tegov- 
oaAru xal Tg zreguxwWoov, iva Tdwor TO uvniua Eoppayıouevov. Ti 
de vondi NY Ertepworev T, xvpiean, pulacoövewv TÜV OTOATLWTEYV 
ava dio dio xara YPgoVgav, ueyaAn pwvn Eyevero Ev To) DUpavo), xal 
eldov AvoıyxI&vras ToVS oVgavovs xal ÖVo Avbonc xareldövrac ıs 
insidev, roAu (pEyyog Eyovrag xal Errioravros Ti Tapw. OÖ Ö& 
Aidog Exetvos 6 BeßAnusvos Erii Ti Fvog ap’ Eavrov avluodeig Ure- 
XWENTE rag 1E00S, Kal Ö Tapog nvolyn, xai aumpörepor ol veavionoı 
eionAIov. 10. ’Idövres odVv oi oroauwrar Eneivor Ebunvıoav Töv 
KEvTvolwva Kal TOVG TTOEOBUTEROVG" TOT 00V ap xal avToL (PvAROOOVTES. 20 
xol 2Enyoyusswv aurov & eidov, ıakıv boworw &Eelduvracs and TU 
Tapov Toeis Avdpag xal Tovg dio Töv Eva Unopdoüvyras xai OTavgöv 
aroAovdovvra adrois, zul Tüv utv ÖTo nv xepainv XWooDonv 
uExXgL TOD 0UguVOD, Tod ÖL Xeıyaywyovusvov un’ aurwv Unsoßalvovonv 
roog ovpavovg. za Ywvig Mxovov dr TWv odeavev Aeyobang' a 
— Toig Koıuwußvors“; nal vrcaxom) NXovero and TOD OTavpoÜ 
ou „val“. 11. Zuvennerwrovro oöür allnaoıg Ersivor al 
iypaviocı tadra vd ITeıları. xal Erı dbuavoovusywv autwv palvovraı 
gralıy Avoıxdevres ol ovgavoi zul Avdpwriös Tıs zarelIuv Hal 
8. nul[soas] C | 5. magadedwxev C cf. p. 8, 16: zagedanev? | 8. vera 
HR: xara C| 9. oxov R: öuol C, öuor Usener H | 10. srexosıcav C | 15. 
avoıydevres C | 16. sxeıde C | errioravras R: erioavras C, syyıoavras Diels 
H | 17. Asıdos C | vrexwonoe R in uotis: erexwonoe U, arexwonos Geb- 
hardt; alii | 18. evosyn C | 20. avvos HR: av 0: C | 21. ogaoıv efsAdovros ... 
avdoss ... axoAoFovvra U | 24. rov ds xeıoaymyovusvov R alii: Tov ds xaıpa 
zo rovusvov Ü | 25. gar C | 26. zowwuevos U | xaı vraxon nxovero R 


cum © (ubi vzaxon.): vrraxonv; xaı nxovero Preuschen H, omnia turbantes | 
27. orı vaı HR: rıvas CO | 29. xarelFov C. 


10 Das Evangelium des Petrus. 


eloeAdwv Eis Tö uvijua. Tata ldövres oi rregl Toy xevrvolwva 
vuxröoo Eorrevoav uoög IlsıLarov, apevreg Tov Tapov, »v epvkaoaov, 
xal 2inyhoavıo rravra üreg Eldov, dywvuövreg ueyalws xal Ayov- 
Tec‘ „aAnsög vlög m Jeoü“. dnoxgıseis 6 Ilsılärog Epm' „ey 
saxadapeiw Tod aluaros Tod viou zoü Jeov, Yuiv ôè Tovro &doker“. 
eita sioooelAdövres nravıes £öEovro autod xal rrapexdlouv xelsvonı 
F xevrvglumı xl Tols crourtrots underi eireiv & eldov. „ovupege 
yagı yaaty, nuiv Opıhocı usylormw auaprlav Eurugoo9ev tod Scoũ 
xal um Eurceoeiv sig yelpag Tov Acov rwv "Iovdaluw nal Audaodnvar“. 
10 &xeAevoev od» 6 ITsılüros To xevıvolwi xl Tois OrgaTıwWraıg 
undev eineiv. 12. 00000u d& rig xvgexig Magıcu 1) Maydalnvr, 
uadntora ov Kvolov — Yoßovusın dıa tous "Iovdalovs, Emeidn 
EpAeyovro vo Tüg boyũs, our Enolnoev Eni TG uvnuanı To 
Kvolov, & eimdeoav rroreiv al yuvaineg Enti Tolg anoIVNoAovOL al 
15 T0I5 dyanwusvors adrais — Anßovoa ed’ Eavrig Tas plus NAIE 
&rıl TO ummueiov önov nv vedels. nal Eypoßoüvıo, un Idworw aürag 
oi ’lovdaioı xal EAeyov‘ „el xal un &v dxelon nuſoçg n) Eoravousm 
EduvnInusv xAadonı vai xöwaodeı, av vöv Eni TOD muaTog 
adrov nonowusv tadra. ls dt anoxvilosı nuiv nal cov Aldov 
20 T0v TEeIEvra Ert cis Fügas roũ urnuelov, iva eioeAJodoaı TVagO- 
s auro xai ro. jowuEV Ta öpsiköueva ueyas yao nv 
ö —8 xœè poßovusde, un us nuäs Idn. xal ei un Övvauede, 
xov Ent ns Supag Pahwuev & Yeoouev eig UMUOOVVN» avroü‘ 
xAcdowusv Aal nowwWusde, Ews EÜIwuev Eis Tov Oolnov Nuwm. 
213. Kai aneAgo0ocı Eügov tiv Tapov Nvapyusvov xal 7rg00EAI000KL 
rvagexuyav &nei xal ögcarv Exsi rıva veavlonov xudelouevov Ev 
— roũ vapon, wociov nal sregußeßAnusvov oroknv Aausugoraenp, 
ooric &pn ouroig „ri jAdare ; tiva Cnrekre; un Tov Oravgw- 
Jevra Eneivov; dveoen xal anınadev‘ ei ÖE ‚un ILOTEVETE, TRQQ- 
soxuware xal idare zov ronov Erde Exeıro, Orı oUn Eorıv' Aveo 


8. ayawıwvres Diels R: aravıavres | 5. nuw C | 6. xaıneo sxahovv C | 
7. undevı Z: undev C | a C: wv Blass | 10. xevrrvorwv[ı] C | 11. oodov. 
Maydakıvn C | 12. Yoßovusvn: R. praem. nrıs, at cf. Jo. 6, 22ff. cum var. 
lect. et quae infra leguntur 1. 17 | 15. avros O | 18. xoweudar C | xar 
Blass: xaı C | 24. xJavoousv» xaı xowoueFa C: corr. in notis RH (hic 
praem. xa:) | 26. s” add. Gebhardt: om. C | 29. rnıorsvera: C, num. recte? 
cf. 1 Tim. 8, 16 | 30. „ars C: were R. 


Der Tert. 9 


oi rgsoßiregoı al nA9ov rigog Tleıhürov dedusvor aurov xal 
Aeyovreg‘ „napados Nuiv oroarıwras, iva yulafwor Tö uviua 
avrov Ent Toeig Nusoog, unnore EAIovres ol uadmal avrov 
xleıdwow adrbv, xai vnolaßn 0 Aaös Orı Ex vergWv aväoen, 
xl 7OMOWOLw Nuiv xard“. 0 d& Ilsılürog nagadcdwrev avtols 5 
ITergwvıov TÖV AEvrvpluwva (1ETE Orgatiwrwv QYvAa0OELv TOV TAOV. 
xal 0Uv avroig NAIov 7rgeoßuTegoL zei yoruuereis Er rd uviue, 
xal avAloavreg AlIov uEyav Era TOD xEvruplwvog xal TWV OTEALLW- 
tuv, Ouod rıavregs Ol Ovreg Excel EInnav Esel Th Poor Tod ynuarog, 
xal Errexgıoav Ervra opgayidas, nal aunvnv Exei rınSavres Epviadar. 10 
9. Ilpwiag Ö8 EnupwWonovrog Tod oaßß&rov nAdev OxAog dreo “Tegov- 
oaAnu xal TG TregLXwWoov, iva Tdwor TO uynua Eoppayıauevov. Ti) 
ÖE vorıi N Enepworev 1, Augen, pilaaoövewv TÜV OTOATLWTWV 
ava Öbo Öbo xard YgOVgAV, ueyain pwvn &yevero Ev To) Dogavo), nal 
eidov dvoıyIevras TOUG oveavois xal Övo üvdons Aarekdövras ıs 
ineidev, roAv PEyyog Exovrag xal Erugravros To Tapwm. 6 ÖE 
Ados Exstvos 6 BeßAnuevos Erii TH Ivpg ap’ Eavrov auAıodeig Une- 
XWENGE 7000 11E00G, Kal Ö Tamog nvolyn, xal duupdregoL ol veavioxoı 
eiojAdov. 10. ’Tdövres oiv oi orgerwreı xeivor E&Eünvioav Töv 
xEvTvpiwva xl TOVG TTOEOBUTEROVS" TEROT 0A yagxal aUTOL (PvlaOOOVTES. 20 
xol EEnyovyusvww aurov & eidov, rakıv bowow &Eelduyras arıd Toü 
Tapov Toels Avdgag xal Tovg dTo TÜV Eva Urogoüvrog xal OTavoöv 
aroA0UHUVTE avTols, xml TWV utv dio nv xepainv XWwoodonv 
HEXEL TOD 0VEaVoD, Tod oè Xeıpaywyovusvov Un avrrWyv vrLegßalvovonv 
rooᷣg olemwvovg. ul Pwvig Mrovov Ex Tüv obgaviv heyobang' 2 
„ernovbag Toig KoLumuevorg“; Kal UTOXON) NA0VETO ATTO TOD OTaVEOU 
ot „val“. 11. Zuveoxestovio ovV aAlmAoıg Ereivor arıeldeiv xai 
&vpaviocı radra to Ileılarıw. xal Erı duavoovuevwv autüv palvovraı 
ralıy AvoıyIevres ol ovgavoi „ai avdpwrnds tıs varelduv Hal 
8. nulsoas] C | 5.' naoadsdumev C cf. p. 8, 16: ragedwxev? | 8, uara 
HR: xara C| 9. owov R: öwoi C, öuor Usener H | 10. srexgeicav C | 15. 
avoıydevres C | 16. exeıds C | erioravras R: erioavras U, syyıoavras Diels 
H | 17. Ası$os CO | vnexwenoe R in notis: ersywonoe O, areywonos Geb- 
hardt; alii | 18. &v0sy7 C | 20. auvos HR: av 0: C | 21. opaoıv sfeAdovros... 
avdges ... axoAoFovvra U | 24. Tov ds zeugaymyovusvov R alii: To» de apa 
To rovusvov O | 25. ywon C | 26. zowwuevos C | xaı viraxon nxovero R 


cum © (ubi vrzaxon.): vraxonv ; xaı nxovero Preuschen H, omnia turbantes | 
27. ou vaı HR: rıvas C | 29. xareldov C. 


10 Das Evangelium des Petrus. 


eioelAAuv eis Tö uviua. rtaüra löövres ol rregl Toy xevmvolwva 
vunrös Eorcevoav srgög Ileılärov, Apevres TOv Tapov, » epukaovoy, 
xal 2Enyioavro nıavra üreo Eldov, Eywvıvıeg ueyalws xal A&yov- 
tes‘ „aAmög vis 19 Jeoü“. dnoxgıdels 6 ITeılärog Epn‘ „ey 
saadupsuw ToD aluarog tod viov Tov Jeov, vuiv dt rovro &oker“. 
ira zrgooek Hovres nrüvres £deovTo aurou xal rragenükovv xeledcaı 
77 xevzugkumı ai Tols orgeruwrarg undevi elreiv & eldov. „ovupege 
yagı yaaty, nuiv OpiAnocı ueylormw auapriav Eurug00 dev tod Scoũ 
xal un Eureoelv eig yelpag Tov Anov rWv "ITovdaluw xal Audaodnvaır“. 
10 &xeAevoev o0v ö Ileıularos To xevivolwvi Hal Toig orgariwrarg 
undev eineiv. 12. ’O09o0v d& rig avgrenjg Magıcu 1 Maydalnvr, 
nadntera Tov Kvplov — woßovusın dia vous "Iovdalous, Erreiön 
EpAeyovro Uno Tüg öoyig, oüx Enoinoev Eni To Mynuarı Tod 
Kvolov, & elmYeoav rrosiv al yuvaines Ent Tols dnoIvnarovor rei 
15 075 dyanwusvorg adrais — Außovoa usI’ Eavrig rag plAas NAIE 
&rıl TO unuslov önov nv vedels. al Epoßoüvıo, un ldwoıw adrag 
ol ’Iovdaioı xal EAeyov‘ „ei nal um Ev Exelvn cn Tucson 9 dorevodIm 
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3. ayawıawrss Diels R: aravıworss | 5. num CO | 6. xaıneo exahovv O | 
7. undevı Z: undev C | & C: ww Blass | 10. xerrvowrlı] C | 11. ogYov... 
Maydalkıvn C | 12. Yoßovusvn: R. praem. nrıs, at cf. Jo. 6, 22ff. cum var. 
lect. et quae infra leguntur I, 17 | 15. avross O | 18. xoyeuda C | xar 
Blass: xaı C | 24. xJavoousv» xaı xowousFa CO: corr. in notis RH (hic 
praem. xa:) | 26. 6 add. Gebhardt: om. C | 29. rıorsvera: C, num. recte? 
cf. 1 Tim. 3, 16 | 30. „date C: (dere R. 


Der Tert. Überfegung. 11 


ya xal anjhdev Exei, 6Iev dneorain“. Tore ai yuvalxes Yoßı- 
Jeioaı Eguyov. 14. ’Hv 68 Telsvrala Njuson Tüv abuuwv, xai 
sroAloi Tıvss EEnoxXovro Tnoorgeporres eis ToVG Olxovg adTWv, rũç 
doprüg navoaueyns. Nusis de 0oi Öwdexa uadırei Toü Kvolov 
inlalouev xal Eivniovusdea, nal Exagrog Avrcovusvos dia To ovußav 
arınklayn eis Tov olnov avrov. Eyw dt Ziuwv Ileroog xai Avdpeos 
6 adeApös uov Aaßorıss nuwv ra Alva arımldauev eis vnv Ialaooev, 
xal nv 00V Nulv Aeveig 6 Toü "Algpaiov, 6v 6 Kvguog... 


1. yoßn9sıs C | 8. ö ante Kvocos add. R. 


Überfegung. 


1. Bon den Iuden aber wuſch ſich feiner die Hände, auch 
Herodes nicht und auch nicht ein Einziger feiner Richter. Und da 
etliche fich wajchen wollten, ftand Pilatus auf. Und nun befiehlt 
der König Herodes, den Herrn zu ergreifen, indem er zu ihnen (den 
anweſenden Juden) jagte: „Was ich euch befohlen habe, ihm anzu- 
thun, das thut“. 2. Es kommt aber Joſeph dahin, der Freund des 
Pilatus und des Herrn; und da er wußte, daß fie im Begriff ftehen, 
ihn zu freuzigen, ging er zu Pilatus und erbat fich den Leib des 
Herrn zum Begräbnis. Und Pilatus ſchickte zu Herodes und erbat 
fich feinen Leib. Und Herodes fagte: „Bruder Pilatus, wenn auch 
niemand um ihn gebeten hätte, würden wir ihn begraben, zumal da 
auch der Sabbat bevorjteht”.") Es jteht nämlich im Geſetz geichrieben, 
die Sonne folle nicht über einem Getöteten untergehen am Tage vor dem 
Tag der ungejäuerten Brote, ihrem?) Feſt. 3. Sie aber ergriffen 
den Herrn und jtießen ihn laufend (vor fich Her) und Sprachen: 
„Laßt ung den Sohn Gottes hinwegtilgen,?) da wir ihn in unjere 


1) Eigentlih: „anbricht, dämmert“, darüber weiter unten. 

2) Died aurov, ftatt deflen es zum» beißen müßte, paßt nicht in den 
Mund des jüdifhen Königs Herodes, welcher fih in dem Sat vorher mit den 
Juden zufammenfaßt und vom Erzähler c. 1 zu Anfang zu den Juden ge- 
rechnet wird. Die Rede des Herodes fchließt alfo mit Zrıywoxsı, und es 
geht aus dem gleihen Grunde auch nit an, mit Dield drei — nepovsvusvp 
in Parentheſe zu jegen, jo daß die Rebe darüber hinaus fich fortjekte. 

2) So nad obigem Tert (j. die Belegftellen unter dem Text und Acta 
Philippi 14, Tiſchendorf Acta apocr. p. 80 in den Noten). Die von Robin: 


12 Das Evangelium des Petrus. 


Gewalt befommen haben.“ Und fie hingen ihm einen Burpur um 
und ſetzten ihn auf einen Gerichtzftuhl und ſprachen: „Nichte gerecht, 
König Israels“. Und einer brachte eine Dornenkrone und feßte fie 
auf das Haupt des Herin; und andere ftanden da und ſpieen ihm 
ind Geficht, und andere fchlugen feine Wangen; wieder andere jtießen 
oder ftachen) ihn mit einem Rohr, und etfiche geißelten ihn und 
ſprachen: „Das find die Ehrenbezeugungen, die wir dem Sohne 
Gottes erwieſen“. 4. Und fie brachten zwei Mifjethäter und kreuzigten 
den Herrn mitten zwiſchen ihnen. Er aber jchwieg als einer, der 
nicht3 von Mühjal (Pein) Hat. Und als fie das Kreuz aufrichteten 
(aufgerichtet hatten), fchrieben fie darauf: „Das ift der König Israels“. 
Und nachdem fie die Kleider vor ihn hingelegt, verteilten fie diejelben 
und warfen das Los darüber. Einer aber von jenen Miffethätern 
ſchmähte fie und ſprach: „Wir haben wegen unferer böfen Thaten 
jo gelitten; was hat aber diefer, der ein Heiland der Menſchen ge- 
wejen, euch zu leid gethan“? Und in ihrem Zorn über ihn befahlen 
fie, daß ihm nicht die Beine zerichlagen würden, damit er unter (um 
jo längeren) Qualen fterbe. 5. Es war aber Mittag, und Finfternig 
verbreitete fich über ganz Judäa, und fie wurden unruhig und 
gerieten in Angjt, die Sonne fei untergegangen, dieweil er nod) am 
Leben war. Es fteht nämlich für fie (d. h. in ihrem Geſetz) ge- 
ichrieben, es jolle die Sonne nicht über einem Getöteten untergehen. 


jon und Harnad rezipierte Emendation von Harris ovowuesv fcheint mir dein 
Zuſammenhang unangemeffen. Nachdem bereitö gejagt ift, daB die Juden den 
Herrn in eiligem Rennen yor fih herſtoßen, paßt nit mehr die Selbftauf: 
forderung: „Laßt ihn ung ſchleppen“. Sollte damit eine andere als die bis: 
herige Behandlung in Vorſchlag gebracht fein, fo würde nicht nur dies deut: 
licher gejagt, jondern auch Hinzugefügt fein, dab nun nad dem neuen Vorfchlag 
verfahren wurde, wie das in einer NRezenfion der Philippusatten bei Tifchen- 
dorf, Apocal. apocr. p. 143f. gejchieht. Auch die Begründung paßt nicht 
für den Vorſchlag, ihn zu fchleppen oder zu fchleifen, ftatt ihn vorwärts zu 
ftoßen. Sie paßt nur zu dem allgemeinen Ausbrud der Entichloffenheit, Jeſum 
überhaupt aus der Welt zu fchaffen, von der Erde zu vertilgen. Am wenigſten 
darf man fih für avomus» auf die nachher zu befprechende PBarallelftelle Just. 
apol. I, 85 berufen; denn man müßte dan dem Juſtin eine unglaubliche 
Berwechlelung von ovpsew „ichleppen” und dsiacorgsr „veripotten” aufbürden, 
welche um fo unbegreiflicher wäre, weil das hiefige angebliche ovosı» in gar 
feinem näheren Zujammenhang fteht mit der folgenden Szene vom Richter: 
ftubl, in deren Wiedergabe Juftin deaovoovrss verwendet. 


Überfegung. 13 


Und einer ‘von ihnen fagte: „Laßt uns ihm Galle mit Eifig zu 
trinfen geben“. Und ſie milchten (den Tran) und tränkten ihn damit 
und vollbrachten alles und machten ihre Sünden über ihr Haupt 
vol. Es gingen aber viele in der Meinung, es fei Nacht, mit 
Lichtern umher und fielen. Und der Herr ſchrie auf und ſprach: 
„Meine Kraft, o Kraft, du Haft mid) verlaſſen“. Und als er jo ge- 
Iprochen, ward er aufgenommen. Und in derjelben Stunde zerriß 
der Vorhang des Tempel3 von Serufalem in zwei Stüde. 6. Darauf 
zogen jie die Nägel aus den Händen des Herrin und legten ihn auf 
die Erde, und die ganze Erde erbebte, und es entitand eine große 
Furcht. Da leuchtete die Sonne auf, und es ftellte fich heraus, daß 
es die neunte Stunde war. Es freuten ſich aber die Juden und fie 
gaben dem Joſeph jeinen Leib, daß er ihn begrabe, weil diejer alles 
Gute, was Jejus gethan, gejehen hatte. Der aber nahm den Herrn, 
wuſch ihn, widelte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein ihm 
gehörige Grab, in den fogenannten Joſephsgarten. 7. Da fingen 
die Juden und die Älteften und die Vriefter, da fie erfannten, wie- 
viel Böſes fie fich jelbit zugefügt hatten, an zu Elagen und zu jagen: 
„Wehe unjeren Sünden; es ift nahegefommen das Gericht und das 
Ende Jeruſalems.“ Ich aber mit meinen Gefährten war betrübt und 
verwundeten Herzens verbargen wir uns; denn wir wurden von 
ihnen geſucht wie Miſſethäter und als wollten wir den Tempel in 
Brand ſtecken. Über alles dies aber faſteten wir und ſaßen trauernd 
und weinend Nacht und Tag bis zum Sabbat. 8. Da aber die 
Schriftgelehrten und Phariſäer und Älteſten ſich miteinander ver- 
ſammelt hatten und hörten, daß das ganze Volk murre und an die 
Bruſt ſchlage und ſage: „Wenn durch ſeinen Tod dieſe größten 
Wunder geſchehen ſind, ſo ſehet, wie gerecht er iſt“, ſo fürchteten ſich 
die Älteſten und gingen zu Pilatus, baten ihn und ſagten: „Überlaß 
ung Soldaten, daß fie das Grabmal drei Tage lang beivachen, damit 
nicht feine Jünger fommen und ihn ftehlen, und das Volk annehme, 
er jei von den Toten auferstanden, und fie ung Böſes thun“. Pilatus 
aber überließ ihnen den Hauptmann Petronius mit Soldaten, das 
Grab zu bewachen. Und mit dieſen gingen die Älteſten und Schrift- 
gelehrten zum Grabmal und wälzten mit dem Hauptmann und den 
Soldaten einen großen Stein, und alle zufammen, die dort waren, 
jeßten ihn auf die Thür des Grabmals und fiegelten fieben Siegel 


14 Das Evangelium des Petrus. 


darauf, jchlugen dafelbjt ein Zelt auf und hielten Wade. 9. Am 
frühen Morgen aber, da der Sabbat anbrach, kam eine Volksmenge 
aus Jeruſalem und der Umgegend, um das verfiegelte Grab zu 
ſehen.) In der Nacht aber, in welcher der Sonntag anbrad), ?) 
während die Soldaten je zu zweien Schildwache jtanden, erhob fich 
eine gewaltige Stimme am Himmel, und fie (die wacjehabenden 
Soldaten) jahen den Himmel fich öffnen und zwei Männer, mit 
großem Glanz angethan, von dort herablommen und an das Grab 
berantreten. Jener Stein aber, der auf die Thür gelegt war, wälzte 
fih von felbft und wich allmählich von der Stelle, und das Grab 
öffnete fih und beide Jünglinge traten hinein. 10. Da nun jene 
Soldaten dies ſahen, wedten fie den Hauptmann und die Ülteften 
aus dem Schlaf; denn auch dieje waren al3 Wächter zugegen. Und 
während fie erzählten, was fie gejehen hatten, ſahen fie wiederum 
drei Männer aus dem Grabe herausfommen und zwar zwei von 
ihnen den einen ftügend, und ein Kreuz, welches ihnen folgte; und 
(fie fahen) das Haupt der zwei bis an den Himmel reichend, das 
Haupt desjenigen aber, der von ihnen an der Hand geführt wurde, 
die Himmel überragend. Und fie hörten eine Stimme vom Himmel, 
welche ſprach: „Haft du den Entjchlafenen (Schlafenden) gepredigt“ ? 
Und eine Antwort vom Kreuz her ließ fich hören: „Sa“. 11. Nun 
überlegten fie miteinander, daß fie zu Pilatus gehen und ihm dies 
anzeigen wollten. Und während fie noch nachdenken, erjcheint ihnen 
wiederum der Himmel geöffnet und ein Menich, der herabfommt 
und in das Grab Hineingeht. Da der Hauptmann und feine Leute 
die3 jahen, verließen fie das Grab, das fie bewachten, und eilten bei 
Nacht zu Pilatus und erzählten alles, was fie gejehen Hatten, in 
großer Angft und fagten: „Wahrhaftig Gottes Sohn war er“. 
Pilatus antwortete und ſprach: „Sch bin rein von dem Blut des 
Sohnes Gottes; ihr aber habt es beſchloſſen“. Darauf traten alle 
heran und flehten ihn an und baten, er möge dem Hauptmann und 
den Soldaten befehlen, niemand zu jagen, was fie gejehen hatten. 
„Denn,“ ſagten fie, „es ift uns beifer vor Gott der größten Sünde 
ung jchuldig gemacht zu haben, ala in die Hände des Volks der 


) Eigentlihd „um das Grab verfiegelt zu jehen“. 
2) Soll heißen „in der Nacht, welche dem Sonntag voranging” |. weiter 
unten. 


Überfegung. 15 


Juden zu fallen und gefteinigt zu werden“. So befahl denn Pilatus 
dem Hauptmann und den Soldaten, nicht? zu jagen. 12. Su der 
Frühe des Sonntage nahm Maria Magdalena, eine Süngerin des 
Herrn — welche aus Furcht vor den Juden, weil diefe vor Zorn 
brannten, am Grabmal des Herrn nicht gethan hatte, was die Weiber 
den Sterbenden (eben Berjtorbenen) und ihren Lieben zu thun pflegen 
— ihre Freundinnen mit ſich und fam zu dem Grabe, wohinein er 
gelegt war. Und fie fürdjteten, daß die Juden fie jehen möchten, 
und |prachen: „Wenn wir aud) an jenem Tage, an dem er gefreuzigt 
wurde, nicht weinen und klagen fonnten, jo wollen wir dies wenigiteng 
jest an feinem Grabe thun. Wer aber wird ung auch den Stein, 
"welcher auf die Thür des Grabes gelegt ift, abwälzen, daß wir 
bineingehen und un? neben ihn jegen und thuen, was ſich gebührt; 
denn groß war der Stein, und wir fürchten, daß ung jemand jehe. 
Und wenn wir dag nicht fünnen, fo wollen wir wenigſtens das, was 
wir da bringen, ihm zum Gedächtnis an der Thür (des Grabes) 
niederlegen. Laßt ung weinen und Tagen, bis wir nach Haufe 
fommen.” 13. Und da fie Hingegangen waren, fanden fie das Grab 
geöffnet, und indem fie herantraten, blicdten fie hinein und jahen 
dafelbft einen Jüngling mitten im Grabe ſitzen, ſchön und mit einem 
glänzenden Gewand bekleidet, welcher zu ihnen jagte: „Warum ſeid 
ihr gefommen? wen jucht ihr? etwa jenen Gefreuzigten? Er ift auf- 
erftanden und fortgegangen. Wenn ihr es aber nicht glaubt, jo 
bliet hinein und jehet den Ort, wo er lag, (und überzeugt euch,) daß 
er nicht da iſt; denn er ift auferjtanden und dahin gegangen, von 
wo er gefandt war”. Da fürchteten fich die Weiber und flohen. 
14. Es war aber der letzte Tag der ungejäuerten Brote; und viele 
gingen hinaus und kehrten in ihre Häufer zurüd, nachdem das Feſt 
beendigt war. Wir aber, die 12 Jünger des Herrn, weinten und 
waren betrübt und, betrübt wegen deſſen, was ſich zugetragen Hatte, 
ging ein jeder in fein Haus. Ich aber, Simon Petrus, und mein 
Bruder Andreas nahmen unjere Nete und gingen zum Meere. 
Und e3 war mit uns Levis, der Sohn des Alphäus, welchen der 


Herr... 


16 “ Das Evangelium des Petrus. 


II. Geift und Art des Buchs. 


Vergleichen wir diefe Gejchichte des Leidens und der Aufer- 
jtehung Jeſu mit den kanoniſchen Evangelien, jo ſpringen jofort vier 
harakteriftifche Unterfchiede in die Augen. Man fanıı dabei völlig 
abjehen von dem großen Abftand zwiſchen den fynoptiichen Evan- 
gelien einerfeit3 und dem johanneiichen andrerſeits. Von allen 
fanonischen Evangelien, welche in dieſen Beziehungen als eine 
Kaffe gleichartiger Schriften erjcheinen, unterjcheidet fic) dag PE 
1) durch die Art, wie der Evangelift fich ſelbſt einführt, 2) durch 
die Sprache, 3) durch eine eigentümliche VBorftellung von dem Ver— 
hältni3 der bei der Paſſion Chriſti zuſammenwirkenden irdischen 
Machthaber, A) durch eine Anficht von der Berfon und der Natur 
des Herrn, welche ſowohl feinen Tod als feiner Auferftehung eine 
ganz andere Bedeutung gibt, al3 fie nad) der hierin wie in den an- 
deren hervorgehobenen Punkten gegenüber dem BE einhelligen 
Darftellung der vier Evangeliften diefen Ereignifjen zukommt. 

1. Keiner der kanoniſchen Evangeliften Hat fich jelbft mit einem 
„sch“ oder auch nur einem „Wir“ als eine mithandelnde, die berichteten 
Ereigniſſe miterlebende Perfon innerhalb feiner Erzählung auftreten 
laſſen.) Nur im Vorwort läßt Lukas fein Ich hervortreten, umd 
nur im Prolog bedient ſich Johannes eines „Wir“, welches dem Leſer von 
vornherein fagt, daß in diefem Buch ein Augenzeuge berichte. Wo 
aber Johannes im weiteren Verlauf jeiner Darftellung nicht umhin 
fann, von Sich jelbjt zu erzählen, fpricht er von ſich als einem 
Dritten. Lukas läßt zwar in der Apoftelgefchichte durch den Eintritt 
des „Wir“ erkennen, daß der Erzähler dabei gewejen fei, aber aus 
dem „Wir“ tritt aud) Hier fein „Sch“ hervor, und der Name bleibt 
verfchiwiegen. Ganz anders das BE. In dem fleinen Stück des— 
jelben, welches jegt vor uns liegt, tritt der Erzähler zweimal mit 
feinem Ich hervor (c. 7 und 14). An der erften Stelle folgt, an der 
zweiten geht voran ein „Wir“, welches die jämtlichen Apoftel um— 
faßt. An der zweiten Stelle nennt der Berichterftatter ſich mit 
jeinem vollen Namen „Simon Petrus" und fagt von Andreas 


1) Vgl. meine Borlefung „Der Gefchichtfchreiber und fein Stoff im N. 
Teftament* in der Ztſchr. f. kirchl. Wiffenichaft 1888 S. 581—596. 


Selbfteinführung des Derfaflers. “ -17 


„mein Bruder”; an der eriten Stelle tritt da3 „Sch“ als fo jelbit- 
verjtändlich in den Gang der Ereignifje ein, daß man nicht bezweifeln 
kann, fchon vorher muß dem Leſer vollflommen deutlich gejagt ge- 
wejen fein, wer der Erzähler jei, jo daß der Leſer wußte, „Sch mit 
meinen Genofjen“ bedeute eben das, was in den kanoniſchen Evan 
gelien „die Jünger, die Zwölf oder die Elf“, jeltener auch „Die 
Apostel” ?) Heißt. Man darf aus dem Fragment Ichließen, daß im 
PE von den Apofteln nie ander? al3 mit einem „Wir“ und von 
Petrus nie anders als mit einem „Sch“ oder „Ich Petrus" die Rede 
gewejen iſt. Es ift auch faum zu bezweifeln, daß das Bud) den 
Namen des Petrus, wie ſchon Serapion bezeugt, im Titel an der 
Stirne trug, und zwar in der von Origenes bezeugten Form xere 
Ilevoov. Das Bud) ift aljo pfeudepigraph in dem vollen Sinne dieſes 
Wort3, in welchem es unjere Evv. auch dann nicht wären, wenn fie 
unecht wären. Sehen wir und nun in dem Kreis der nichtlano- 
nijchen Evv. um, To fteht in diejer Beziehung das Ev. Marcions 
auf jeiten der Tanonifchen Evo. Sein Ev. follte feinen Verfaſſer 
haben, am allerwenigften einen aus dem Kreife der Zwölf.) Mit 
ziemlicher Sicherheit läßt ſich behaupten, daß auch das Hebräer- 
evangelium nirgendwo die Perſon des Erzähler? herbortreten, ge— 
jchweige denn diefen mit einem „Sch“ und „Wir“ in die Erzählung 
ſich einmiſchen ließ. Der innige Zufammenhang dieſes Ev. mit 
unjerem Matthäus und die Namenlofigfeit desjelben bei den Hebräern 
jelbft verbürgt diez.?) Eine Analogie zum BE bietet uns erft das 
„Ev. der Zwölf”, welches wahrſcheinlich um 170 in ebjonitifchen 
Kreiſen Baläftinas entftanden ift. Hier treten die 12 Apoftel, unter welchen 
Matthäus bejonders hervorgehoben wird, mit einem „Wir“ als die 
Erzähler und zugleich ala die innerhalb der erzählten Gejchichte mit 
Jeſus verfehrenden Jünger auf.“) Dazu darf gleich hier bemerkt 


1) Niemals im Ev. des Apoſtels Johannes (13, 16 redet Jeſus); 
einmal im Ev. des Apoſtels Matthäus, aber nicht im Verlauf der Erzählung, 
fondern an der Spite des Apoftellatalogs (10, 2), wo es auf den Titel an- 
fam, welcher die Zwölf von den übrigen Süngern unterfhied. Dagegen ge: 
brauden die Nichtapoftel Markus (6, 80) und Lukas (9, 10; 17, 5; 22, 14; 
24, 10) den Titel auch in der Erzählung. 

2) Vgl. Gef. des Kanons I, 619f.; II, 450. 

2) Bol. a. a. O. II, 728. 

*) Vgl. ebenda II, 724—742, beſonders 725 (Nr. 2). 729. 741. — Viel 

Ch. Zahn, Das Betrusevangelium. 2 


18 Das Evangelium des Petrus. 


werden, daß auch das Verhältnis des BE zu den kanoniſchen Evv. 
ein ähnliches ift, wie dasjenige des „Ev. der Zwölf“ zu den— 
jelben. 

2. Ein zweites für die Kritif in Betracht fommendes Moment 
ift die Sprache und Darftellungsweije überhaupt. Bekanntlich wird 
Jeſus in unſern Evv., wo von ihm erzählt wird, regelmäßig mit 
diejem jeinem Eigennamen benannt und dagegen äußerft jelten 5 xupuog, 
nämlich bei Matthäus und Markus niemals,“)) auch bei Johannes 
nicht im Fluß der Erzählung.) Erjt der der evangeliichen Ge— 
ſchichte perfönlich ferner ftehende Lukas gebraucht ö xvorog zuweilen 
ſo;) und der Verfafler des unechten Markusſchluſſes ſcheint das ein- 
fache ’Inooög geradezu zu meiden. Das PE nennt den Herrn nie- 
mals mit feinem Namen und dagegen dreizehnmal aͤ xvoros. Lebteres 
überrajcht um jo mehr, wo e3 von dem entjeelten Leichnam (c. 6 
zweimal) und in Bezug auf da8 Grab Jeſu (c. 12) gebraucht 
wird.) Das Fragment ift groß genug, um den völligen Mangel 
des Jeſusnamens, aber auch Klein genug, um die häufige und aus- 
nahmzloje Anwendung des Titel® „der Herr” als Erfah dafür zu 
einer höchſt Harakteriftiichen Erjcheinung zu machen. Die anjpruch3- 
loſe Erzählungsweije der Apoftel ijt für diefen Evangeliften ein über- 


weniger vergleichbar ift Thon wegen des grundverjchiedenen Charakters dieſer 
Bücher die Art, wie der VBerfafler des Protevangeliums des Jakobus und 
vollends der des Thomasevangeliums fih einführen, vgl. Geſch. d. K. II, 
772. 775. 

1) Mt. 28, 6 (im Mund des Engels) ift ö xvosos unedit. 

2) Soh. 4, 1 ift ohne Frage ö ’/noous die urſprüngliche Lesart, welche 
aus demfelben Grunde durch ö xvesos verdrängt wurde, aus welchem andere, 
welche bier 6 ‘/noovs feithielten, dad folgende Znoovs auöftießen (3. B. cod. A). 
In Soh. 6, 23; 11, 2 fteht 5 xvocos in refleftierenden Zwiſchenbemerkungen 
des Evangeliften. Da die Jünger Sejum regelmäßig mit xvose anredeten, fo 
nannten fie ihn auch ö xvoros mit und ohne zoo, num», wenn fie von dem 
Abweſenden redeten (Mt. 21, 8; Joh. 20, 2. 13. 18. 25, vgl. 13, 13). Bon 
da aus ift dann auch der Ausdruck Joh. 20, 20; 21, 12 zu verjtehen. 

3) Lt. 7,18; 10,1; 11, 89; 12, 42; 18, 15; 17, 5. 6; 18, 6; 19, 8; 
29, 31 (2); 22, 61; 24, 8 (2). — Mr. 16, 19. 20. 

4) Vergleihbar, aber Doch grundverſchieden, weil vom Evangeliften nur 
als fremde Rede berichtet, ift der Ausdrud der Magdalena Joh. 20, 2. 13. 
Das PE bat ö xuguos c. 1. 2 (bis). 3 (bis). 4. 5.6 (bis). 12 (bis). 14 (bis) 
= 1l3mal. 


Sprache und Darftellung. 19 


wundener Standpunft. Im N. T. heißt der erite Tag der jüdiichen 
Woche regelmäßig (7) ua (Tod, icũv) vaßßarov (vaßßarwv).') Nur Apok. 
1,10 Iefen wir &v zj wvoronz; nucor. Die kirchliche Bezeichnung des 
Sonntags als 7 xugrann (ohne rueoe) jcheint ſich erft allmählich in den 
eriten Jahrzehnten des 2. Jahrhundert? Bahn gebrochen zu haben.?) 
Das PE wendet fie ohne weiteres in der evangeliſchen Gefchichte 
an und fennt feine andere als diefe.?) Der Sprachgebrauch des 
PE ift nicht der des erften, jondern der des zweiten Jahrhunderts. 
Es zeigt ſich aber auch, daß der Verfafler den älteren, den biblifchen 
Sprachgebrauch nicht mehr verfteht. LE. 23, 54 heißt es in Bezug 
auf den Moment des Begräbnifles Jeſu ganz richtig: „Es war der 
Rüfttag, und der Sabbat dämmerte.” Erſteres bezeichnet den 
Wochentag, den Freitag; die zweite Angabe bezeichnet die Tages— 
ftunde. Es war die lebte Stunde des Tages, es fing ſchon an 
dunkler zu werden, und der mit Sonnenuntergang eintretende Sabbat 
war im Begriff anzubrechen. Im Grunde ebenfo, nur unter An- 
wendung der natürlichen Betrachtungsweile, nach welcher der Tag 
mit dem Morgen anbricht, wird Mt. 28, 1 N Emupworoven eig 
ılav oaßßarov von der Stunde gebraucht, in welcher der Sonntag 
heraufdämmert, von der Zeit kurz vor Sonnenaufgang.*) Das PE 
(c. 3) läßt den Herodes am Freitagmorgen, vor der Wegführung 
Jeſu nach Golgatha, jagen: Zrrei xai oanßBarov Erupwore. Das joll 
heißen, was es doch nicht heißen Tann: „denn morgen ift Sabbat.“ 


1) Mt. 28, 1; Mr. 16, 2; LE. 24, 1; Joh. 20, 1.19; AG. 20,7; 1 Kor. 
16, 2. Erft in dem unechten Stüd Mr. 16, 9 findet man bereitö das etwas 
weniger hebraifierende oder aramaifierende now@rn oaßßarov. 

2) Die Mpoftellehre c. 14 hat xara xvosaxnv xvoiov. Bei Ignatius 
Magn. 9 ift die Lesart nicht ganz ſicher. Barnabas c. 15 nennt den Sonntag 
den achten Tag; Juſtin, wo er es mit Juden zu thun bat, teild wie das N. 
T. den erften Wochentag (dial. 41), teil® den adten Tag (dial. 24); wo er 
fih an die Heiden wendet, den Tag der Sonne (apol. I, 67). Noch Dionyfius 
von Korinth (Eus. IV, 23, 11) gibt eine weitläufige Umſchreibung. Die fefte 
Ausprägung des Namens 7 xvoaxn tritt und völlig Mar und ficher erft in 
dem Titel einer Schrift Melitoß reg: xvoraxns (Eus. IV, 26, 2) und in den 
Leucianiſchen Apoftelgejhichten (vgl. meine Acta Joannis p. 239, 3; Act. 
Petri ed. Lipsius p. 78) entgegen. 

5) c. 9 r7 Ö& vonei, ij dnepwoxev N xvgiann, c. 12 öodoov da Tas 
xvgLanns. 

4) Vgl. Schanz, Kommentar zu Matthäus S. 555. 

9% 


20 Das Evangelium des Petrus. 


Dem entiprechend wird von der ganzen Nacht zwijchen dem Sabbat und 
dem Sonntag im Gegenjah zu dem vorangegangenen Tag gejagt: 
„sn der Nacht aber, in welcher der Sonntag heraufdänmerte.“ ?) 
Das von anderwärts entlehnte, der eigenen Sprache des Verfaſſers 
fremde co oaßßarov (oder 7; vponn) Errupworeı hat bei ihn die un- 
mögliche Bedeutung angenommen: „der Sabbat (oder Sonntag) 
iteht bevor, wird über kurz oder lang anbrechen“. Da ich einmal 
die Zeitangaben zu berücjichtigen Hatte, möge gleich hier bemerkt 
werden, daß diefer Evangelift von der für die Paſſionsgeſchichte in 
Betracht kommenden jüdischen Feitordnung feine Ahnung hat. Er 
jagt zwar richtig, daß der Freitag, an welchem Jeſus jtarb, der Tag 
vor dem Feſt der Azyma war;*) Hält aber den Sonntag, an 


3) O. 9 rn d& voxti, 7 Enöpworev 7 xvoraxn. Das zunädft berichtete 
Ereignis fällt auch nicht etwa in die legte Stunde der Nacht, kurz vor Tages: 
grauen; denn von einem noch beträchtlich fpäteren Moment beißt e8 c. 12 ol 
regi TV xevrvpiava vurros Eonevoav noös Ileılarov. Gegen obige Beobady- 
tungen kann nicht die richtigere Anmendung des Ausdruds zu Anfang von 
c. 9 (nowlas d& dnıpywororros rov oaßßarov) geltend gemacht werben; denn 
die unerlaubt weitfhichtige Anwendung des Ausdruds an den beiden anderen 
Stellen ſchließt nicht die richtige engere Anwendung an einer dritten Stelle aus. 

2) 0.2. Es mag bier auf ſich beruhen, weil es fich nicht enticheiden läßt 
und nichts darauf anfommt, ob dad PE Bier nah dem Sprachgebraud) der 
Synoptiler (Mt. 26, 17; Mr. 15, 12; 2. 22, 7), der auch dem Sofephus 
(bell. V, 3, 1) geläufig ift, den 14. Nifan als den Tag oder den erften 
Tag der Azyma anfieht, oder ob Hier nach dem genaueren Spracdhgebraud) der 
15. Nifan als erjter Tag oder Haupttag der Azyma gerechnet wird. Sm erfteren 
Fall würde der Tod Jeſu hier im Widerſpruch mit aller kanoniſchen und kirch⸗ 
lien Tradition auf den 13. Nifan, im zweiten Fall auf den 14. Nifan ge: 
fegt. Letzteres ift dag Wahrfcheinlichere, weil diefe Anficht unter Berufung 
auf das johanneifhe Ev. ſchon im 2. Jahrhundert 3. B. von Apolinarius von 
Hierapolig im Gegenſatz zu den Duartadezimanern vertreten wurde, vgl. Geſch. 
des Kanons I, 185ff. In beiden Fällen wäre Jeſus vor der auf den Abend 
de3 14. Nifan fallenden Paſſahmahlzeit gekreuzigt worden. Die völlige Gleich⸗ 
gültigfeit des PE gegen diefe Äußerlichkeiten der Gefchichte zeigt fih aud 
c. 7. Wenn die Naht vor dem Tag genannt wird, jo fpricht fih die Meinung 
aus, daß das Falten und Klagen der Jünger nah dem Tod und Begräbnis 
Sefu, am Freitag Abend begonnen habe. Wenn der Erzähler fie aber auch 
am Tage, welcher diefer Nacht folgte, und zwar bis zum Sabbat faften läßt, 
fo überfieht er, daß diefer folgende Tag eben der Sabbat ift, und vollends, 
daß der Sabbat nach jüdifcher Anihauung, die er felbft c. 2 in unverftandenem 
Ausdrud wiedergegeben bat, ſchon am Freitag Abend beginnt. Aljo das 


u 


Sprache und Darftellung. 21 


welchem Jeſus auferftand, für den legten Tag der Azyma; er hält 
aljo dieſes jüdische Feſt für ein zweitägiges ftatt für ein fieben- oder 
achttägiged. Die DVerjuche, durch wohlwollende Deutung der An- 
fangsworte von c. 14 den Berfaffer in dieſer Hinficht zu entlaften, 
werden nicht gelingen; denn er jagt zu deutlich, daß nach Ablauf 
des Feſtes viele und darunter aud) die Jünger fi) nach Hauje be- 
gaben. Diez ift nicht am legten Tag der Azyma, fondern nach dem- 
jelben gefchehen. Die Angabe „Es war aber der lebte Tag der 
Azyma“ bezieht fich alfo auf die vorher erzählten Ereigniffe, auf den 
Sonntag der Auferjtehung. ') 

Die Sprache Hat einen ſehr buntjchedigen Charakter. Neben einer 
Menge von Ausdrüden, welche una von der Bibel her geläufig find, hat 
der Verfafjer ſolche gelegentlich auch durch Haffische oder gemeingriechifche 
erſetzt. Die Fiſchernetze, welche bei allen vier Evangeliften beharrlid) 
ölxtva heißen, ?) nennt er c. 14 Aiva und gibt diefem Wort damit eine 
Bedeutung, welche e3 in der Bibel niemals hat. Statt des minder 
griechischen Ausdruds in Mt.27, 24 gebraucht er daS Haffiiche und der 
Bibel völlig fremde xadageıiw c. gen. (c. 11). Statt des auch von 
ihm gewöhnlich ?) angewandten und in der Kirchenjpradhe wie in 
der Bibel alleinherrichenden oravgoov gebraucht er einmal ein bisher 


Faften dauerte bi3 zu demfelben Augenblid, in welchem es begonnen haben 
fol. Übrigens fol das Weinen und Trauern nad) c. 14 auch noch über den 
Sabbat und Sonntag hinaus, mindeſtens bis zum Montag gedauert haben. 

1) Selbft wenn man, wie das Harnad ©. 56 ftillichweigend zu thun 
Teint, dem Verfaffer den Selbſtwiderſpruch zutrauen Fönnte, daß ein und 
dasjelbe Ereignis am letzten Tage des Feftes und doch auch nach Ablauf des 
Teftes gejchehen fei, wäre es unmöglih, die Zeitangabe auf das Folgende, 
ftatt auf das Vorangehende zu beziehen und den Eat fo zu verftehen: „Nach 
einiger Zeit aber trat der lette Tag der Azyma ein, und an diefem Tage 
begaben fi nun mande nad Haufe”. Es müßte ja Zy&vero dE ftehen (ob. 
10, 22; Mt. 26, 2) oder einer der Ausdrüde daftehen, welche wir Mt. 8, 16; 
Mr. 1, 32; 6, 21; 15, 33; 2. 4, 4%; 22, 14.66; ob. 6, 16. 17, 7,37; 21,4 
lefen. Vgl. dagegen 7» de in jeiner auf die eben vorher beſchriebene Hand» 
lung oder Situation zurüdblidenden Bedeutung Mr. 15, 25; LE. 23, 44. 54; 
Joh. 5, 9; 6, 4; 7, 2; 13, 30; 18, 28; 19, 14. Damit fallen alle Folgerungen 
Harnads ©. 56 dahin. 

2) Nur Mt. 4, 18 (Mr. 1, 16?) daneben augißinoroov. 

2) So c. 4. 12. 13, dagegen c. 2 oraveioxsır, eine Nebenform wie 
dvakioxor, dupßkioxw, xuxkioxonu neben den entfpredhenden Berben auf ow. 
Blaß bei Harnad ©. 55 fordert oravowosır. 


22 Das Evangelium des Petrus. 


in der Litteratur nicht nachgewiejenes oravpioxeır. Auf Grund des 
Gebrauchs von vUrımovev im Sinne des Titurgiichen Reſpon— 
dierend ') gebraucht er (c. 10) vnaxon im Sinne von „Antwort“. 
Ein Ausdrud wie ava dio duo ftellt eine Vermifchung des gut- 
griechiichen ava dvo (LE. 9, 14; 10, 1; Apof. 4, 8) und des 
judengriechifchen oder aramaifierenden dvo duo (Gen. 7, 3. 9; Mer. 
6, 7) dar.?) Kurz, die Sprache entbehrt des einheitlichen Charakters, 
welchen man aud) jolchen Schriftitellern der nachapoftolischen Zeit, 
welche niemand als Stiliften hoch jtellen wird, einem Hermas und 
einem Ignatiug, nicht abjprechen Tann. 

Die Darftellung der Ereigniffe ift eine äußerſt nachläſſige. 
Eine beträchtliche Anzahl von Beilpielen wird im Verlauf der folgen- 
den Erörterungen zur Sprache kommen (j. aud) ſchon oben ©. 21 
c. 14). Einige mögen gleich hier als Belege dienen. Als nad) der 
Berfinfterung die Sonne wieder aufleuchtet, find die Juden darüber 
erfreut und überlafjen in diefer vergnügten Stimmung den Leichnam 
de3 Herrn dem Joſeph (c. 6). Gleich darauf find fie und insbeſondere 
die Synedriften, die Älteften und Priefter, tief betrübt, Hagen ich 
ihrer Verfündigung an und jehen das Gericht über Jeruſalem herein- 
brechen. Diefe Reue hält fie aber nicht ab, den Jüngern nach dem 
Leben zu trachten (c. 7). Im nächſten Kapitel ift von folcher Reue 
bei den Synedriften überhaupt nicht3 mehr zu jpüren, jondern viel- 
mehr nur bei den Leuten aus dem Volk, weldye an ihre Bruft 
Ichlagen und Jeſum für einen Gerechten erflären. Die Synedriften 
denken an nicht? weniger als an ihre Sünden und an Gottes Straf- 
gerichte, jondern ergreifen aus feiger Furcht vor dem Volk die 
raffinierteften Mittel, um die Auferftehung Jeſu zu verhindern (c. 8). 
Wer foll an diefe Entwidelung glauben? — In c. 11 wird erzählt, 
daß der Hauptmann, welcher die militäriiche Wache am Grabe 
fommandiert hat, mit feiner Begleitung zu Pilatus kommt und diejem 
Bericht eritattet. Die Synedriften, welche gleichfall® am Grab an- 
wejend gewejen find (c. 8—10), find wohl noch zu Anfang von c. 11 


1) Bol. meine Acta Joannis p. 220, 6. 8; Martyr. Bartholomaei 
(Tiſchendorf Acta apocr. p.256); Dormitio Mariae (Tiſchendorf, Apoc. apocr. 
p. 109); Const. apost. VIII, 12 (Lagarde p. 259, 14). 

2) Ganz fo wie hier (c. 9) die wahricheinlih dem 3. Jahrhundert an- 
gehörigen Acta Philippi c. 36 (Tiſchendorf p. 92, 5). 


Sprache und Darftellung. 23 


in dem nicht näher benannten Subjeft des erften Satzes inbegriffen, 
find aber durch die Subjeftöbezeichnung des dritten Satzes (od rusgi 
zov xevrvolwva) vom Subjekt diejer Ausſage ausgeſchloſſen. Dies 
wird zweifellos durch das Fromme Bekenntnis, womit die Bericht- 
erftatter ihren Bericht fchließen. Die Synedriften fünnen ja nicht 
gejagt Haben: „Wahrlich), Gottes Sohn war er". Das fagten die 
Soldaten mit ihrem Hauptmann an der Spite. Pilatus aber ant- 
wortet, al3 ob er die Synedriften vor fich hätte: „Ihr Habt es fo 
beichloffen“. Darauf erjt treten „alle” an Pilatus heran. Man 
fieht aber aus ihrer Bitte jofort, daß darunter nur die Synedriften 
mit Ausschluß der Soldaten gemeint find. Was joll man von einer 
hiftorischen Darftellung wie dieje halten? — In c. 14 wird erzählt, 
daß viele nach Ablauf des zweitägigen Feſtes nach Haufe gingen. 
Berfteht ſich von felbit, daß die Feitteilnehmer am Abend jedes 
Tages ſich in ihre Wohnung begeben haben, um dort zu übernachten, 
jo kann der Sinn nur fein, daß viele Feſtgenoſſen, nämlich die nicht 
in Serufalem anſäſſigen, nach Ablauf des Pafjahfeftes in ihre Heimat 
zurüdfehrten. In der That finden wir gleich darauf die Apoftel, 
welche aus den vielen beſonders hervorgehoben werden, am „Meer“ - 
und im Begriff, fiichen zu gehen. Gemeint ift natürlich der See 
Genezareth. Aber gejagt wird das ebenjowenig, als daß es fich in 
diefem Kapitel um ein Berlaflen Jeruſalems und, was die Apoftel 
anlangt, um eine Reife von Jeruſalem nad) Galiläa handelt. Ob 
die hiermit wohl genügend gekennzeichnete Zerfahrenheit der gejchicht- 
lichen Darftellung eine Folge des bloßen Unvermögens des Verfaſſers 
ift, fanıı man bezweifeln. Der Hauptgrund möchte vielmehr darin 
fiegen, daß ihm an einer Haren gejchichtlichen Darftellung und be- 
jtimmten Anſchauung von den Thatjachen jehr wenig gelegen ift. 
Sein Intereſſe ift ganz anderen Dingen zugerwendet. 

3. Nach allen 4 fanonijchen Berichten ift Jeſus in der Nacht 
vom Donnerstag zum ‘Freitag auf Grund vorangegangener Beratungen 
und Bejchlüffe des Synedriums und in deſſen Auftrag verhaftet und 
darauf von diejem oberften jüdischen Gericht als Gottesläfterer und 
faljcher Meſſias zum Tode verurteilt worden. Da aber die Boll- 
jtredung dieſes Urteils nach dem damals geltenden Recht nicht in 
der Macht des Synedriums lag und die Anweſenheit des römijchen 
Profurators in Jeruſalem einen Aft der Volksjuſtiz unter der alleinigen 


24 Das Evangelium des Petrus. 


Auftorität de Synedriums, wie er an Stephanus vollzogen wurde, 
nicht rätlich erjcheinen ließ, jo mußte dad Synedrium den Pilatus 
um Beitätigung und vor allem um Bollitredung des Todesurteils 
angehen. Obwohl diefem die Motive des Synedriums völlig fremd 
find und er alle Mittel anwendet, ji) die Sache vom Halfe zu 
Ichaffen, ertrogen die Juden vermöge ihrer zähen Entichlofjenheit und 
der Charakterlofigfeit des römiſchen Beamten ihren Willen. Das 
feierlich vom Tribunal verkündigte Urteil des römiſchen Richters 
macht dag Urteil des Synedriums erſt wirkſam; der vom Profurator 
jelbft oder doch in deſſen direkten Auftrag gejchriebene Titulus wird 
oben am Kreuz Jeſu befeitigt, und die von demielben dazu komman— 
dierten römiſchen Soldaten vollitreden die Hinrichtung Jeſu. Dieſe 
allen 4 Evv. gemeinfame Grundanficht wird dadurd) nicht verändert, 
daß nad) dem alleinigen Bericht des Johannes ſchon bei der Ver- 
baftung Jeſu außer den Erefutivbeamten des Synedriums aud) 
römische Soldaten mitgewirkt zu Haben jcheinen, !) was vorausjeßen 
würde, daß eine gewiſſe Verjtändigung zwilchen dem Synedrium und 
Pilatus vorangegangen war. Auch Lukas ftört die Harmonie nicht, 
indem er allein von dem vergeblichen Verſuch des Pilatus berichtet, 
die legte Entjcheidung über Jeſus und die Verantwortung dafür auf 
Herodes Antipas als den Landesfürſten Galiläas abzumälzen. ?) 
Die einhellige Anſchauung der neuteſtamentlichen wie der altkirchlichen 
Schriftſteller iſt die, daß das jüdiſche Volk in ſeiner obrigkeitlichen 
Vertretung der eigentliche Urheber der Ermordung Jeſu iſt, daß es 
dieſes Werk aber durch die römiſche Staatsgewalt hat ausführen 
laſſen. Die größere Schuld trägt das jüdiſche Volk, aber Schuld 
hat auch Pilatus auf ſich geladen; und deſſen ungerechte Entſcheidung 
hat nicht nur die Tötung Jeſu ermöglicht, ſondern gerade auch die 
bon Jeſus im voraus angekündigte Art feiner Hinrichtung bedingt. °) 

1) Joh. 18, 2 Aaßov Tv onergav, Ausgeſchloſſen ift dies auch durch 
die Synoptifer nit. Man könnte im Gegenteil in Mt. 26, 53 eine Andeus 
tung von der Beteiligung römifcher Soldaten erbliden. 

2 2. 22, 7—15, vgl. AG. 4, 97. 

3) oh. 18, 32 (12, 32). 19, 11. Auch das BE bekundet eine dunkle 
Erinnerung daran, daß die Juden, wenn fie felbft das Todesurteil zu voll: 
ftreden gehabt Hätten, Jefum nicht gekreuzigt, fondern gefteinigt Haben wilrden 
(AG. 7, 58; Joh. 8, 59; 10, 81). Die Synebriften fürdten vom Volt ges 
fteinigt zu werden (BE 11). 


Die gejchichtliche Anfchauung. 25 


Daß Jeſus nicht als Gottesläfterer von den Juden gefteinigt, ſondern 
als Empörer gegen die Reichsordnung gekreuzigt wurde, erjcheint 
als die Folge der richterlichen Entjcheidung und der obrigfeitlichen 
- Anordnung des Pilatus. Wenn nicht felten, wo es jih um die 
moralijche Verantwortung Handelt, die Juden allein als die Mörder 
Jeſu genannt werden, ’) jo zeigt fich doch bei denjelben Schriftitellern, 
die fo reden, die geichichtliche Anjchauung unverwilcht, daß die Juden 
ihren böjen Willen durch) Vermittlung heidniſcher Hände ausgeführt 
haben, ?) und folange man mit einiger Kenntnis der gejchichtlichen 
Berhältniffe von der Kreuzigung Sefu ſprach und mit einigem Ernft 
das „gefreuzigt oder gelitten unter Pontio Pilato“ bekannte, Tonnte 
eine wejentliche Abweichung von dieſer gejchichtlichen Grundanficht 
nicht Platz greifen. 

Wie Stellt fi) nun dazu das PE? Pilatus Hat jchlechterdingg 
feinen Anteil an der Verurteilung und Hinrichtung Jeſu. Aus dem 
Gegenſatz, womit c. 1 von den Juden gefagt wird, daß Feiner von 
ihnen fich die Hände wuſch, ergibt ich, daß unmittelbar vorher von 
dem Händewajchen des Pilatus erzählt war. Diejer hat jich in den 
Augen unſeres Evangeliften wirklich rein gewaſchen; er ijt völlig 
rein vom Blut des Sohnes Gottes, zu welchem er fich in dieſer 
feierlichen Form befennt (c. 11). Er iſt überhaupt ein guter Mann 
gewejen; der fromme Joſeph von Arimathia ift gleichzeitig ein ‘Freund 
des Pilatus und des Herrn, und Pilatus bewährt dieje Freundichaft, 
indem er fich für ihn bei Herodes um Herausgabe des Leichnams 

') Joh. 2, 19; Mt. 16, 21; 21, 37—43; (23, 33-39); Mr. 8, 81; &. 
9, 22; AG. 2, 36 hier und 4, 10 fogar 6» Üuers doravowvare, vgl. ferner 
AG. 3, 15; 5, 30; 7, 52; 1 Theſſ. 2, 15; Ariftides, Apologie c. 2; Juſtin, 
apol. I, 35; dial. 16. 93; Hippol. c. Noetum c. 18; Epiph. haer. 38, 7. 

2) Abgeſehen von den evangelilhen Paffionsberichten vgl. Mt. 20, 19; 
Mr. 10, 38; LE. 18, 82; AG. 2, 23; 3, 13; 4, 27; 13, 28: 1 Tim. 6, 18. 
Auch 1 Kor. 2, 8 würde jchwerlidh fo gejchrieben fein, wenn Paulus nicht das 
Zufammenwirken der weltlichen Machthaber, der heidniſchen Staatögewalt mit 
dem jüdiſchen Synedrium für fehr wefentlich gehalten hätte. Über das „unter 
Pontio Pilato“ in allen Geftalten des Taufbelenntniffes |. meine Schrift über 
das apoit. Eymbolum (1893) ©. 34. 36. 40. 42. 68. Bei Juſtin findet fich 
dicht nebeneinander das „von den Juden gefreuzigt” und eine Berufung auf 
die „unter Pontius Pilatus (dem oberjten Richter) angefertigten Alten” (apol. 


1, 85), und auch beides in einem einzigen Sag „gelreuzigt unter Pontius 
Pilatus von eurem (dem jüdiſchen) Bol!” (dial. 85). 


26 Das Evangelium des Petrus. 


Jeſu bemüht (c. 2). Pilatus ift allerdings anweſend in der Situng, 
in welcher das Todesurteil über Jeſus gefällt fein muß; aber er ift 
nicht einer der Richter Jeſu, geſchweige denn der entjcheidende Richter. 
Deutlich unterjcheidet der Erzähler (c. 1) von dem Pilatus, welcher 
ſich die Hände wäſcht, die Juden, welche fich nicht die Hände waſchen, 
und hebt aus dieſen beſonders den Herodes hervor, verallgemeinert 
aber feine Verneinung jofort wieder: „und nicht ein einziger feiner 
Richter“ 7) wuſch feine Hände. Zu diefen gehört aljo Pilatus nicht. 
Die Richter find ausnahmslos Juden. Pilatus mag aus Höflichkeit 
von jeinem „Bruder“ Herodes (c. 2) eingeladen worden fein, Der 
Sigung beizuwohnen. Aber durch fein Händewaſchen jagt er fidh 
von dem Beichluß des jüdischen Richterfollegiums los; und als einige 
der Juden doch Luſt zeigen, nachträglich feinem Beifpiel zu folgen, 
erhebt er fi. Man muß verjtehen, daß er den Sitzungsſaal ver- 
läßt.) Das Blut Jeſu Haftet an den Händen der Juden.?) 
Deren Haupt ift der „König“ Herodes. Daß er auch vor Der 
Entfernung des Pilatus die leitende Perſönlichkeit, der oberjte Richter 
war, beweilen jeine Worte: „Was ich euch befohlen habe, ihm anzuthun, 
das thut“. Herodes hat alfo im Beiſein des Pilatus den Befehl 
zur Kreuzigung gegeben. Er ift ſomit von vornherein der eigentliche 
Machthaber in Serufalen und vor allem der oberjte Richter Jeſu. 
Herodes hat über den geftorbenen (c. 2) wie über den lebenden Jeſus 
ſouverän zu verfügen. Die feinen Befehlen gehorchenden Juden find 
die Henker Jeſu. Alles, was nach der kanoniſchen Darjtellung die 


1) Da in dem, mas dem Anfang des Fragments unmittelbar voranging, " 
nicht von Jeſus, fondern vom Händewaſchen des Pilatus die Rede gemwejen 
fein muß, fo fcheint es hart, das avzrov hinter Twv xoırav auf Jeſus beziehen 
zu folen. Der Sprachgebrauch gejtattet aber wohl nicht zu verftehen: „jeine 
d. 5. des Herodes Richter, die von ihm beftellten Richter”. 

2) Bol. Acta Pilati (Ev. apocr. ed.? Tischendorf p. 242) avaoras 
d& dno vov Bruaros Bias 2EeAIer. Harnack S. 56 vergleicht Mr. 10, 1. 

3) Sejaja 1, 15 ift in der alten Kirche häufig mit befonderer Beziehung 
auf die Tötung Sefu durch die Juden citiert worden: Iren. IV, 18, 4; Theoph. 
lat. (Forſchungen II, 42, 12); Cypr. testim. I, 24 (wo die Überfchrift zu bes 
achten); Pseudocypr. adv. Judaeos c. 8; Hieron. in Matth. 9, 25; (Just. 
dial. 27; Tertull. c. Jud. 3; Euagrii Altercatio c. 28 ed. Harnack p. 42). 

) So c. 1. Ebenfo ungenau wird der Tetrarch Herodes Antipas auch 
Mr. 6, 14. 22—26; Mt. 14, 9 (nicht 14, 1) genannt, und der Ethnarch Archelaus 
von Joſephus antiqu. XVIII, 4, 3 vgl. Mt. 2, 22. 


Die gefchichtliche Anfchauung. 27 


römischen Soldaten teils auf ausdrücklichen Befehl des Pilatus, teils 
unter deſſen veranmwortlicher Duldung Jeſu anthun, die Bekleidung 
mit dem Purpur, das Aufſetzen der Dornenkrone, die Bejpeiung 
feines Angefichts, die Badenjtreiche, daS Schlagen oder Stoßen mit 
dem Rohr, die Geißelung und vor allem die Kreuzigung felbt, mit 
der Anbringung der Inſchrift, mit der Kleiderverlofung und Eifig- 
tränfung: dies alles ijt hier lediglich ein Werk der Juden, welche 
Herodes damit beauftragt hat. Die ausführenden Perjonen werden 
in c. 1—5 nicht ausdrücklich als Juden bezeichnet. Aber die Unter- 
gebenen, welchen Herodes c. 1 Befehle gibt, fünnen, da der einzige 
Heide Pilatus fich zurückgezogen hat, nur die vorher genannten Juden, 
die Richter Jeſu und etwa deren Diener ſein.) Mit den Juden 
faßt fich Herodes als deren Oberhaupt dem Pilatus gegenüber zu= 
fammen (c. 2). Wie Herodes mit den von ihm regierten Juden 
den Pilatus und die Römer vollfommen beifeite gejchoben hat, fo 
find auch die Hohenpriefter des N. Teſtaments völlig befeitigt; und 
wo im jpäteren Verlauf der Erzählung von den VBorftehern der 
Sudenjchaft die Rede ift, werden in ganz verſchwommener Weile 
einige im N. Tejtament vorfommende Bezeichnungen zujammengeftellt.?) 

Daß dieſe ganze Darjtellung nicht auf einer mit den Thatjachen 
jelbft zufammenhängenden Überlieferung beruht, fondern eine tenden- 
ziöfe Umdichtung der einzigen, in allem Wejentlichen durch unjere 
4 Eov. übereinstimmend wiedergegebenen gefchichtlichen Überlieferung 
it, liegt auf der Hand. Die Erinnerung an die durch Sofephus 
und das N. Teſtament Hinlänglich befannten und verbürgten poli= 
tiichen Verhältniſſe Paläſtinas zu jener Zeit genügt, zu beweilen, 
daß die hier dem Tetrarchen von Galiläa und Peräa in Jeruſalem 
zugewiejene Rolle, woran alle anderen Eigentümlichfeiten diefer Dar- 
ftellung hängen, eine gejchichtliche Unmöglichkeit if. Es ift fehr 


1) Harnad S. 24 trägt hier und zu c. 3 (bei ihm 23. 6) ohne Anhalt 
im Tert „die Soldaten” aus den kanoniſchen Evv. ein. Sie find durch die 
leitende Tendenz des PE geradezu ausgeſchloſſen. 

2) C. 7: „die Juden, die Ülteften und die Presbyter“; c. 8: „pie 
Schriftgelehrten und Phariſäer und Älteſten“, nachher „vie Älteſten und Schrift: 
gelehrten“; c. 10 „die Älteften“. Dagegen die Hohenpriefter Mt. 16, 21; 20, 
18; 26, 3. 14. 47. 57ff.; 27, 1. 12. 20. 41. 62; 28, 11; Joh. 11, 47ff.; 18, 
8. 13—28. 85; 19, 6. 15. 21. Ebenjo Markus und Lulas. 


28 Das Evangelium des Petrus. 


möglich .und ſogar wahrjcheinlich, daß der Verfaffer von den da— 
maligen politifchen Berhältnifjen Baläftinas ebenjowenig eigene Kenntnis 
und annäherndes Verſtändnis Hatte, als von den jüdiichen Bräuchen 
(oben S. 20) und vom mofaijchen Gejeß.') Um fo fühner erjcheint 
die Umgeftaltung derjenigen evangelifchen Überlieferung, welche die 
einzige Quelle feiner Geſchichtskunde war. Bei diejer Gewaltjamfeit 
de3 Verfahrens ift faum anzunehmen, daß der Verfaffer fich dabei 
an gewiſſe Züge der älteren Überlieferung mit Bewußtjein angelehnt 
oder fie al3 Borwand benußt habe. Nach Mt. 26, 67; Mr. 14, 65; 
Lk. 22, 63—65; Joh. 18, 22 ift Jeſus aud) ſchon vor der Ber- 
handlung vor Pilatus, als er noch in den Händen der Juden war, 
von diejen ähnlich wie nachher von den Römern verhöhnt und miß- 
handelt worden. Man konnte ferner Joh. 19, 16, aus dem Zuſammen— 
bang gerifjen, jo mißverftehen, als ob Pilatus den Juden die Ere- 
fution überlaffen habe, was freilich ſofort durch Joh. 19, 23. 24. 
32—34 widerlegt würde. Aber e3 zeigt fich feine Spur davon, daß 
das PE jene Stellen oder eine mit deren Inhalt ähnliche Tradition 
als Anfnüpfungspunkt für feine Dichtung benußt habe. Soweit 
vielmehr Berührungen mit der fanonifchen Überfieferung zu erfennen 
find — und fie find überall mit Händen zu greifen — ift einfach 
das Subjeft der Mißhandlung, Verſpottung und Hinrichtung Jeſu 
vertaufcht. Aber welche Unglaublichfeiten ergeben fich nun daraus? 
Die Mißhandlungen und Verhöhnungen, welche nad) unfern Evv. 
von Pilatus und feinen Soldaten ausgehen, werden nicht etwa im 
Anſchluß an jene Vorfpiele vor dem Synedrium in die jüdifche Ge— 
richtsſitzung unter dem Vorſitz des Herodes (c. 1) verlegt, jondern 
auf den Weg von dem Drt, wo das lebte Urteil gefällt ift, zu dem 
Drt der Kreuzigung. Im eiligem Lauf ftoßen die Juden auf diefem 


I) Er citiert zweimal c. 2 und 5 als einen Sprud des jüdifchen Ges 
ſetzes: nAıov un duvas Eni negovevuseo, an eriter Stelle noch binzufügend 
00 MiAs av dsvumv, ıns doorns avrov (oben S. 11 U. 2). Genteint ift 
die Beftinnmung Deut. 21, 33, wo aber, auch abgejehen von dem ganz apos 
kryphen Zuſatz des erften Citats, nichts von Sonnenuntergang zu leſen ift. 
Auch Joſua 8, 29; 10, 27 findet ſich kein entſprechender Wortlaut. Die Er⸗ 
innerung an Eph. 4, 26 Hilft nichts. Merkwürdig dagegen ift Joseph. bell. 
jud. IV, 5, 2 rooavenv ’Iovdaiwv eyi Tas Tagas TOOVOLav oLovuEvo», 
wors xal To)S &x »uradixns avaotavovvutvors ıg0 OvvTos I,hlov nadelerv Te 
xas Jarrev, 


Die gefchichtlihe Darftellung. 29 


Wege Jeſus vor ſich Her. Das Hindert fie aber nicht, ihm unter- 
wegs den PBurpur umzuhängen, die Dornenkrone aufzujeßen, neben 
ihm ftehend ihn anzufpeien und ihn ſogar auf einen Kichterftuhl zu 
feßen, den fie wahrſcheinlich bis zu dieſem Moment laufenden Schrittes 
auf dem Rücken getragen haben (c. 3). Die Juden jelbjt jchreiben 
auf das Kreuz, nachdem fie es aufgerichtet und, wie man jcheint 
verftehen zu follen, den Herrn bereit? ans Kreuz gefchlagen Haben, 
die Worte „Diejer ift der König Israels“.) Sie gebrauchen alfo 
einen noch viel feierlicheren Ausdrud, als Pilatus in der Inſchrift, 
gegen welche doch die echten Juden des N. Teſtaments aus begreif- 
lihen Gründen protejtiert haben. Eine merkwürdige Blüte hat der 
Indenhaß im PE getrieben, indem der Reumütige unter den beiden 
Schächern nicht feinem gottlojen Unglücksgenoſſen, jondern den böfen 
Suden unter dem Kreuz ihr Unrecht vorhält, wofür dann die Juden 
fih rächen, indem fie feine Todesqual, foviel bei ihnen jteht, ver- 
längern (c. 4). 

4. Eine andere, die gefamte Darftellung beherrichende Tendenz 
ist in einer eigentümlichen Anficht vom Wejen der Perfon Jeſu be- 
gründet. Bei der fchmerzhaften Anheftung ans Kreuz, welche mit 
Annagelung der Hände verbunden ift (c. 6), jchweigt Jeſus als 
einer, der nichts von Wein empfindet.) Dieſes Schweigen Hat 
offenbar nicht? zu fchaffen mit dem ftolzen Schweigen Jeſu vor 
jeinen Richtern.®) Der Ausdruck würde aber auch anders gewählt 
fein, wenn damit nur die Geduld bejchrieben fein jollte, womit Jeſus 
den Schmerz ertrug, und die Meinung nur die wäre, es habe fo 
ausgeſehen, als ob er feinen Schmerz empfände, während er in der 


1) So c. 4 ftatt ö Baoıkevs raw ’lovdaiov Mt. 27, 87; Mr. 15, 26; 
Joh. 19, 19—22. Ebenjo auch ſchon c. 3 entiprechend demſelben Ausdruck im 
Munde der Soldaten Mt. 27, 29, Mr. 15, 18; LE. 23, 87; Soh. 19, 3 und 
des Pilatus Mt. 27, Il; Mr. 15, 2; Lk. 23, 3; Soh. 19, 33. Nicht vergleich⸗ 
bar ift der Spott der Juden unter dem Kreuz Mt. 27, 42; Mr. 15, 32; LE. 
23, 36. 

2) C. 4. Über den Text f. oben zu ©. 7, 22. Der Ausdruck növos 
für Dual, Schmerz ift wohl bibliich (vgl. Apok. 16, 10. 11 und LXX Gen, 
34, 25; Sefaja 1, 5; 65, 14; Serem. 6, 7), aber doch hier fremdartig, aljo 
einer bejonderen Erklärung bebürftig. 

*) Mi. 26, 63; 27, 12—14; Mr. 14, 61; 15, 4f.; LE. 23, 9; Job. (18, 
21); 19, 9. 


30 Das Evangelium des Petrus. 


That alle Qualen eine® martervollen Todes voll empfand. Auch 
die kanoniſche Überlieferung läßt den Gefreuzigten nicht viel jammern 
und Hagen; aber der Jeſus der Geſchichte klagt doch aus tiefer 
Seelenangjft, daß Gott ihn verlaffen, und fragt feinen Gott bange nach dem 
Warum (Mt. 27, 46; Mr. 15, 34). Und er Elagt vor den gleichgültigen 
Menichen, welche die darin liegende Bitte verftehen und erfüllen, über 
die Pein des Durftes.) Ehe ich unterfuche, was das BE hieraus ge- 
macht oder an die Stelle desjelben gejegt hat, möchte ich eine Ver- 
mutung darüber ausſprechen, wie es zu der auffälligen Form feiner 
verneinenden Ausſage über die Schmerzempfindung des Gefreuzigten 
gefommen ift. In dem großen Paſſionskapitel des A. Teſtaments 
lieft man furz vor dem Wort von dem Lamm und Schladhtichef, 
welches alles ftumm über fich ergehen läßt (Jeſ. 53, 7), in der 
griechiichen Bibel (53, 4) “al nuelsg Eloyıoausda auröy elvar Ey 
rröovo nal Ev zuanyi aal Ev xarwoe. So befennt das veumütige 
Israel der Zukunft jeinen früheren Irrtum. Es ſchien nur fo, als 
ob er Schmerz und Plage leide, in der That empfand der Herr nichts 
davon. Man erkennt den pfiffigen Mißbrauch einer von jeher auf 
den leidenden Jeſus angewandten Weisſagung. Der Verfafjer bringt 
dieſe Enthüllung feiner Anficht vom Leiden CHrifti an derjelben Stelle 
an, wo Matthäus (27, 33) und Markus (15, 23) berichten, daß 
Jeſus den betäubenden Tranf, weldden man den Gefreuzigten zu 
reichen pflegte, zurüchwies, weil er nicht befinnungslos hinüber⸗ 
ichlummern, fondern den Tod mit feinen Schreden und diefen Tod 
mit jeinen Qualen durchleben wollte. Dagegen berichtet da8 PE 
von einer Tränfung Jeſu unmittelbar vor feinem Hinjcheiden (c. 5). 
Davon weiß auch die Fanonifche Überlieferung zu berichten. Was 
aber hat dag PE daraus gemacht? Bei unferen Cvangelijten, 
namentlich deutlich bei Johannes, ift die Tränfung mit Eifig eine 
von Jeſus indirekt erbetene Wohlthat, welche die Soldaten ihm er= 
weijen, eine Erguidung, wodurch verhütet wird, daß er verjchmachte, 
und wodurd) er in den Stand geſetzt wird, mit kraftvollem Auf 
fein Leben hinzugeben.) In Anlehnung an Pf. 69, 22, eine 


12) Joh. 19, 28, Der Heide Celſus ſah hierin einen Beweis der Charalter- 
ſchwäche Sefu, vgl. Orig. c. Celsum II, 37. 

2) oh. 19, 28-80; Mt. 27, 48; Mr. 15, 86; Lk. 28, 86. Wenn 
Matthäus und Markus nicht fo wie Johannes durch den Zuſammenhang und 


Die chriftologifche Anficht. 3 


Stelle, welche auch auf die Überlieferung des Fanonifchen Tertes und 
die Auffaffung der ganz verjchiedenen Tränke verwirrend eingewirkt 
hat, ) wird die Sache fo dargeftellt, daß die Juden aus eigenem 
Antrieb, um die Pein und Schmach Jeſu zu fteigern und ihre 
Sünden zu vollenden, ihm den Tranf reichen; er bejteht aber aus 
Galle, die nur mit Ejfig gemifcht ift. Es ift ein Gifttranf, welchen 
die Juden eigen? für Jeſus miſchen; und er thut feine Wirkung. 
Denn bald darauf Spricht Jeſus ein letztes Wort und verjcheidet. Die 
Suden haben ihn im volliten Sinne des Wortes getötet: zuerft ans 
Kreuz genagelt und dann noch vergiftet. Und eben durd) die Dar- 
reihung dieſes Gifttranfs Haben fie das Maß ihrer Sünden er- 
füllt. — Das legte und nad) dem PE einzige Wort des Gefreuzigten 
ift im Grunde dazfelbe, welches nach Mt. 27, 46; Mr. 15, 34 der 
Tränfung mit Eifig vorangeht und diefelbe wenigiteng mit veran- 
laßt zu Haben fcheint. Hier folgt es und mußte folgen; denn 
es ift hier nicht eine an Gott gerichtete Klage und Frage, fon- 
dern ein Ausruf, welcher bejagt, daß jebt, in diefem Moment 
die Lebenskraft Jeſum verläßt. Die Verwandlung der fragen- 
den Klage „Warum Haft du mich verlaffen?“ in den Ausruf: 
„Du Haft mich verlaflen“, hängt unverkennbar damit zufammen, 
daß der Gefreuzigte nad) dem PE überhaupt nicht Flagt, weil 
Lukas ausdrüdlic jagen, daß dies von den Soldaten geſchah; wenn ferner 
Markus und Lukas diefe Tränfung von ſpöttiſchen Reden begleitet fein laffen, 
und wenn endlich Lukas fo verftanden werden könnte, als ob fie noch vor der 
6. und vollends vor der 9. Stunde ftatigehabt Hade, fo hebt das alles nicht 
die wefentliche Übereinftimmung diefer 4 Berichte im Unterfohied vom BE auf. 

1) Statt der LA. der älteften griehifhen und lateinischen Handfchriften 
olvov (uera yohns ueuyuevov) Mt. 27, 84, wa8 dem Zouvorıousvov olvor 
Mr. 15, 23 entfpricht, drang öLos ein. Vereinzelte orientalifche Zeugen fchoben 
den ganzen Tert von Pjalm 69, 22 in Joh. 19, 28 ein. Auch in die Erzählung 
haben dort einige Minuffeln und Berfionen vera xoAns eingemengt. Barnabas 
faßt nicht etwa beide Träntungen (Mt. 27, 34 u. 48) mit bewußter Unter: 
ſcheidung zufammen, wenn er c. 7,8 ſchreibt Snorißsro ofsı xai yoln, fondern 
vermengt fie, vgl. c. 7, 5 uellers norilsıv xolnv uera ökovs. Lekteres ift 
ganz der Ausdrud des BE. Cf. au) Acta Joannis p. 222, 9. Im Unter: 
ſchiod von dem echten wie dem faljhen Text von Mt. 27, 84 ift die Galle 
vorangeftellt und zum Hauptelement des Tranks gemacht, während es fich bei 
Matthäus und Markus wejentlih um Wein mit einer Beimiſchung von be: 
täubenden Effeygen handelt. XoAr7 heißt in LXX Gift (Deuteron. 29, 18; 
Jeremia 8, 145 Hiob 20, 15). 


32 Das Evangelium des Petrus. 


er nicht? zu Hagen Hat. Inſoweit wird die Umgeitaltung des 
duch die Natur der Sache und die Entlehnung des Wortes aus 
Palm 22, 2 als urfprünglich erwiejenen kanoniſchen Berichts das 
eigene Werk dieſes Evangeliften fein. Dagegen könnte e8 auf ältere 
Tradition zurüdgehen, daß die Anrede „mein Gott, mein Gott” hier 
duch 7 duvanis uov, ij duvaıs erſetzt ift. Leider fehlt der foge- 
nannte Syrus Ouretonianus für Mt. 27, 46; Mr. 15, 34 und 
ebenjo der noch ältere fyriiche Driginaltert des Diateffaron.!) Die 
Peſchittha aber, die in diefem Fall ältefte Geftalt der ſyriſchen 
Bibel, gibt an beiden Stellen den Anruf durch Dir bir wieder. ?) 
Eine Überfegung kann man das nicht nennen; denn wenn aud) 
ſyriſches 8 an einigen Bibelftellen hebräifchem >x (Gott) ent- 
Ipricht,) wo wäre das zweimalige Poſſeſſivſuffix (— uoö) geblieben ? 
Es Tiegt alfo auf alle Fälle in der Peſchittha hier ein kühnes 
Quidproquo vor, was beſonders angeficht® des rein aramäijchen 
Textes Dir. 15, 34 höchſt auffällig ift. Ein genau verfahrender 
Überfeßer biefer Stelle ing Syriſche mußte und durfte nur Die 
griechischen Buchſtaben einfach mit den entjprechenden ſyriſchen ver- 
taufchen. Er hätte dadurd) dem Leſer des Evangeliums diefelben 
Worte zu leſen gegeben, welche ihm die Peſchittha an der Grund- 
jtelle bot.) Nur die Abficht, Jeſum etwas anderes fagen zu 
laſſen, als was jeder ſyriſche Leſer und Überſetzer, wenigſtens 
Mr. 15, 34, unzweideutig in griechiſcher Schrift vorfand, kann 

1) Bol. Forſchungen I, 214. Ephraims armeniſcher Text (Möſinger ©. 
247) kann uns ebenſowenig wie das arabiſche Diateſſaron und die lateiniſche 
Bearbeitung im Codex Fuldensis einen Erſatz für das Original bieten. 

2) Die Peſchittha Hat an beiden Stellen, wie in den analogen Fällen 
Mr. 5, 41; Joh. 1, 38. 41 u. f. w. die Überfegung einfach fortgelaffen, welche 
die griechiſchen Evangeliften hinzuzufügen für nötig hielten. Die aramäifchen 
Wörter im griechiſchen Evangelientert bedurften keiner Überfegung, fondern 
nur einer Umfchreibung in fyrifhe Schrift. 

®) gl. Payne Smith, Thesaurus p. 150: Gen. 46, 3; Num. 16, 22, 
wo im Urtert DR ein IR ION und ein MM MDR als Appofition bei 
fih bat, Hieronymus aber beide Gottesnamen durch deus fortissimus wiebers 
gibt. Die alten ſyriſchen Lexikographen bezeichnen das hier von der Peſchittha 
gebraudte 5’R als ein hebräifches Wort. 

9) Palm 22, 2 ſtimmt mit dem aramäiſchen Text in griechiſchen Buchs 
ftaben Mr. 15, 34 überein bis auf xnb ftatt xv. 


Die chriftologifche Anficht. 33 


dieſes dir Dr in die Peichittha an beiden Stellen und wahrjchein- 
lich fchon lange vor der Redaktion der Peſchittha in den ſyriſchen 
Eoangelientert !) hereingebracht haben. Aber wie war e3 gemeint? 
Vofalifiert man x (xD), jo hieße das „Hilfe, Hilfe!“, ein jehr 
paſſender Ruf des Leidenden. Es könnte jedoch) auch eine Tradi- 
tion de8 Inhalts zu Grunde Tiegen, daß das hebräifche 5x nicht nur 
„Sott“, Sondern auch „der Held, der Starke“ und jogar „Stärfe, Ge- 
walt“ bedeutet. Es ift merkwürdig, daß Aquila Pſalm 22, 2 über- 
jet hat ioxvge uov, loxvoe uov,?) und daß Eufebius, welcher ein 
wenig Hebräijch verftand und wahrjcheinlich eine Leidliche Kenntnis 
des zu jeiner Zeit von einem großen Teil der Bevölkerung 
PBaläftinas gefprochenen Aramäiſch bejaß, ?) Hierzu bemerkt, genauer 
wäre die Überſetzung iaxös vov, dayös uov. Diefe Tradition ift alt.*) 
Da aber die Syrer, foviel ich weiß, Ir nicht in dieſem Sinne ge- 
brauchen und unter Vorausſetzung diefer Bedeutung die Tilgung des 
Suffixes unerflärt bliebe, jo Halte ich für viel wahrjcheinlicher, daß 
der Syrer, welcher zuerit daS doppelte nAel und das doppelte ZAwi 
der griechifchen Evangelien durch Dr 53 wiedergab, dies ijäl, ijäl 
gelefen und als „Hilfe, Hilfe!“ verftanden haben wollte. Es ift 


) Sind Überhaupt in der Peſchittha des N. Teftaments beträchtliche 
Nefte der älteren, vollstümlicheren und fehr freien Überfegung zu erkennen 
und von den viel zahlreicheren Anzeichen einer jüngeren, gelehrten Rezenfion 
nad dem griech. Tert ded 4. Jahrhunderts zu unterfcheiden (vgl. Geſch. d. 
Kanons, I 380ff.; II, 556 ff.), fo gehört diefe Wiedergabe des Gebetsrufs des 
Gefreuzigten zu jenen Älteren Elementen. 

2) Field, Hexapla II, 117, vgl. auch IL, 448 zu Sefaja 9, 5; Eus. 
demonstr. ev. X, 8,30. Schon Robinfon S.21 X. 3 und andere bei Harnad 
©. 58 madten darauf aufmerffam. Euſebius verftand das Pfalmmort, ſowohl 
an fih, wie im Munde des Gekreuzigten, nichtsdeftoweniger als Anruf an 
Gott und führte Pfalm 18, 2 „Herr, meine Stärke“ als Parallele dazu an. 

3) Vgl. Forihungen I, 355; Geſch. d. Kanons 11, 656. 

) Die LXX überjegen nah Trommius dur Övrazıs zahllos Häufig 
On, nur ein einziges Mal Nehem. 5, 5 5N. Letzteres aber auch der Baläftinenfer 
Suftin dial. 125 in der Erklärung des Namens Israel und der von den 
Beitgenofien wegen feiner Sprachenkenntnis bemunderte Epiphanius haer. 19, 2 
in der Erklärung des Namens Elrai. Liegt da immer eine Verwechſelung von 
OR und Sri zu Grunde? Neftle bei Harnad ©. 59 verweilt auf dad Mancher⸗ 
lei bei Lagarde, Abh. der gött. Gef. der Wiſſ. XXX V, 165, woraus nicht 
ohne weiteres eine deutliche Antwort zu holen ift. 

Th. Bahn, Das Petrusevangelium. 8 


34 Das Evangelium des Petrus. 


wahrfcheinlich, daß das jchon Tatian in feinem Diateffaron gethan 
hat. Aber auch wenn der PVefchitthatert zu überjegen wäre „Stärke, 
Stärfe”, wäre dag noch lange nicht identisch mit dem Tert des BE. 
Lebteres hat das 400 nur in der Wiederholung des Ausrufs weg- 
gelafien, die Veichittha hat es gänzlich getilgt. Die Peſchittha Hat 
im übrigen den Tanonifchen Tert mit jeinem fragenden und klagen— 
den „warum“ treu reproduziert; das PE Hat die Flagende Frage 
und Bitte in einen behauptenden Ausruf verwandelt. Und ftatt des 
&ynarelırces ue unferer Evv. ſowie des Pſalmiſten nach der Sep- 
tuaginta, welches die VBorftellung erwedt, daß Gott den Gefreuzigten 
in feiner Not hat hängen laſſen, und daß er ihn ohne Hilfe in 
Stich gelaffen, Heißt e8 nur xareleııyas ue „Du haft mich ver- 
Iafjen, bift von mir gewichen". Und dies alles nicht wie bei Mat— 
thäus und Markus als Anlaß zur Darreihung eines durftitillenden 
erquidenden Tranfes, Sondern als Folge des Gifttranfes, durch deſſen 
Darreihung die Juden ihre Verfündigung an Jeſus vollendet haben. 
Danach ift völlig Har, daB bier unter der Kraft nicht Gott der 
Bater gemeint ift, fondern eine dem Gefreuzigten bi3 dahin ein- 
wohnende und beivohnende höhere Kraft. In diefem Moment hat 
fie ihn verlaffen. Sie ift zugleich feine Lebenskraft gewejen; denn 
mit diefem Ausruf ftirbt Jeſus. Während nun aber die kanoniſche 
Darftellung in Worten,!) welche von jedem fterbenden Menſchen ge- 
braucht werden fünnen, das Sterben Jeſu, die Entfeelung des Leibes 
ausdrüdt, wird hier gejagt: „als er dies gejagt”, oder mit diefen 
Worten „ward er aufgenommen“.?) Vom Kreuz aus fährt der Herr 
gen Himmel. 


ı) Mt. 27, 50 aynze ro nvevua (vgl. Gen. 85, 18; Sirach 28, 28): 
30h. 19, 30 ragsdaoxe ro nveuua (vgl. Just. dial. 105 anodıdous To nveuua); 
Mr. 15, 37; 2E. 28, 46 dfönvevos, Lukas aber mit einem vorangehenden Wort, 
welches die gleiche BVorftellung ausdrüdt, wie Matthäus und Yohannes, vgl. 
auh AG. 7, 59. 

9) O. 5 xal sinav aveinpdn vgl. 2. 9, öl; (24, AL? avepäoero); 
AG. 1, 2. (9). 11. 22; (Mr. 16, 19); 1 Tim. 3, 16, auch apofryphe Titel wie 
avalnyıs Movosos und die Stellenfammlung von Reſch, Zeitichr. f. kirchl. 
Wiſſ. 1889 S. 77—81 laſſen über den Sinn feinen Zweifel. Wie Harnad 
S. 27 dur Anführung von Lk. 23, 43 dem BVerfafler des BE eine goldene 
Brüde bauen mochte, verftehe ich nicht. Sit denn das Paradies damals oben 
im Himmel gewejen? Vgl. vielmehr Hofmann, Schriftbeweis II, 488. 


Die chriftologifche Anficht. 35 


In dem unausweichlichen VBerftändnis diefer Worte darf e3 ung 
nicht irre machen, daß wir im weiteren Verlauf troßdem noch von 
einer Auferjtehung und fogar von einem Descensus ad inferos und 
noch einmal von einer Himmelfahrt des Herrn hören. Es wird hier 
vielmehr offenbar, daß der Verfaſſer die Berjon Chrifti aus ver- 
ichiedenen, in einer lösbaren Berjonalunion zeitweilig verbundenen 
Subjeften zujammengefett dent. Der Name o xvoros, weldjer jo- 
gar dem entfjeelten Leichnam Jeſu, abweichend vom kanoniſchen 
Sprachgebrauch, gegeben wird (oben ©. 18), umfaßt alles und verbedt 
einigermaßen die vom Verfaſſer beabfichtigte Unterfcheidung eines 
doppelten Chriftus. Derjenige, welcdjer im Moment des Sterben 
Jeſu gen Himmel fährt, ift, wie eben der weitere Verlauf zeigt, auch 
abgejehen von dem Leichnam, der vom Kreuz herabgenommen und 
ins Grab gelegt wird, nicht der ganze Herr. Es ift nur ein höheres 
Element, der obere Chriftus, und man kann nicht wohl bezweifeln, 
daß diefer identifch ift mit der „Kraft“, von welcher der Sterbende 
jagt, daß fie ihn verlaflen. Die Analogie mit valentinianifchen 
Spefulationen läßt nicht wohl daran zweifeln,’) und die Inkonzinnität 
der Darftellung, welche ſchon durd) die Gebundenheit des Erzählers 
an die gewöhnliche evangelifche Überlieferung und an das unver- 
geßliche Pialmmwort mit feiner aoriftiichen Verbalform gegeben war, 
it doch nicht allzugroß. Der, welcher pricht: „meine Kraft, du 
haft mich verlafjen“, ift ja nicht ganz der, von welchem es heißt: 
„er ward aufgenommen“, und e3 fcheint eine Verfehrung des gemeinten 
Verlaufs, daß letzteres der Rede erſt gefolgt ift, in welcher weſentlich 
diejelbe Thatſache als bereits geichehen behauptet wird. Aber da3 
Alles ist Doch Sache eines Moments. In dem Augenblid, in welchem 
der Gefreuzigte in feine Elemente fi) auflöft, fühlt der Chriſtus, 
welcher nachher noch auf Erden und fogar unter der Erde zu jchaffen 


1) Nach Iren. I, 8, 2 fanden die Balentinianer in dem Ruf Mt. 27, 46, 
welchen fie Übrigens unverändert reproduzierten, eine allegoriiche Darftellung 
davon, daß die Sophia von dem Licht verlaffen und gehindert wurde, 
weiter vorzudringen. Mit flehentlicher Bitte wendet fie fi an das Licht, welches 
fie verlaffen bat (Iren. I, 4, 5). Dies wird aber aud fo ausgebrüdt, daß 
ber obere Chriftus feine Kraft zurüczieht und die Sophia verläßt (Iren. I, 
4, 1 xal noabavra tovro dvadpaueiv, ovoreilavra avrov 7» Övvanıy xal 
xaralımalv 86. avınv). 


8* 


36 Das Evangelium des Petrus. 

hat, dag Schwinden der höheren Kraft; und indem er dies als etwas 
Geſchehenes ausipricht, ift auch ſchon der himmlische Chriſtus gen 
Himmel gefahren. Die jchillernde Darftellung wird abfichtlich ge- 
wählt jein, um nicht durch unverhüllten Vortrag des chriftologischen 
Dogmas die gefchichtliche Erzählung völlig zu zerjtören oder auch bei 
den zu gewinnenden Leſern gar zu hart anzuftoßen. 

Eigentümliche hriftologische Vorſtellungen befundet auch die weitere 
Daritellung. Gleichgültig ift der Erzähler nicht gegen das, was von 
dem „Herrn“ auf Erden geblieben if. Es heißt immer noch „der 
Herr“. Der auf den Erdboden gelegte Leib bewirkt das Erdbeben; 
und die eigentümliche Angabe, daß Joſeph ihn gewaſchen Habe (c. 6), 
hält dem andern Umstand die Wage, daß alles, was die fanonifchen 
Erzählungen von beabjichtigter und von wirklicher Anwendung von 
Spezereien bei der Beitattung und nach der Beftattung jagen, ängstlich 
vermieden zu fein jcheint.') Lebteres jcheint [mit dem antijüdischen 
Charakter des BE zufammenzuhängen. Nicht was die Juden, fondern 
was die Weiber ihren Toten anzuthun pflegen, bedauert Maria 
Magdalena mit ihren Freundinnen, am Todestag nicht haben thun 
zu fünnen, und verjuchen fie am Sonntagmorgen zu thun (c. 12). 
Wie Mt. 28, 2—4 find Hier c. 9 die am Grabe Wache Haltenden 
Soldaten Augenzeugen der gewaltfamen Öffnung des Grabes und 
der Engelerfcheinung. Abweichend von den kanoniſchen Erzählungen 
und im Widerjpruch mit der Geſamtanſchauung des N. Teſtaments 
befommt die ganze militärifche Wache und eine Anzahl von gleichfallg 
anmwejenden Synedriften jogar den aus dem Grabe Herborgehenden 
Herrn ſelbſt zu jehen, ehe noch einer der Jünger von der Auferftehung 
etwas weiß (c. 10). Grandios genug erjcheint er. Während Die 
Engel mit ihrem Haupt bi8 an den Himmel reichen, überragt das 
Haupt des Auferftandenen die Himmel. Wie diejer Unterjchied des 
„bis zu dem Himmel“ und des „über die Himmel” Gegenftand 
finnlicher Anſchauung geweſen fein joll, wird freilich fein auch noch 
jo wohlwollender Lejer fich jagen können. Es kommt dem Erzähler 


1) Mr. 16, 1; Lk. 23, 56; 24, 1; Joh. 19, 39f., vgl. Mt. 26, 12; Mr. 
14, 8; Joh. 12, 7. Nah BE 12 könnte es beinahe fo fcheinen, ala ob die 
Pfliht der Pietät (Ta oypelousva) ledigli im lauten Klagen bei der Leiche 
und am Grabe beitände. Zum Schluß wird dod von etwas geredet, was bie 
Weiber zum Grab bringen, aber nicht gejagt, was es geweſen fei. 


Die chriitologifche Anficht. 37 


auch hier nur auf den Ausdrud einer Idee an. Zu dieſer gehört 
aber auch, daß der Auferftandene noch in großer Schwachheit fich 
befindet. Die beiden Engel ftüben ihn wie einen Rekonvaleszenten 
und führen ihn wie einen Blinden. Der auferwedte Lazarus 
(30h. 11, 44) ift im Vergleich zu ihm ein Held an Kraft und 
Leben. Der Herr fcheint aud) der Sprache noch nicht wieder mächtig 
zu jein; denn auf die Stimme vom Himmel, welche ihn fragt: „Haft 
du den Schlafenden gepredigt”? antwortet nicht er ſelbſt, jondern 
von dem Kreuz her, welches zauberhafterweije Hinter ihm und den 
beiden Engeln ber fich fortbewegt, ertönt dag „Ja“. Wohin dieje 
geheimnisvolle Erjcheinung ſich bewegt, wird vorläufig nicht gejagt. 
Sie Icheint nur eine momentane Anschauung der anwejenden Menfchen 
zu fein. Was aber joll fie befagen? Nicht der Herr, welcher vom 
Kreuz gen Himmel gefahren ift, jondern der Herr, welcher am 
Kreuz befannt Hat, daß die höhere Kraft von ihm weiche, und 
welcher, von diefer Kraft verlafien, am Kreuz geblieben ift, ing Grab 
gelegt wurde und nun aus dem Grabe herausgeführt wird, hat in- 
zwifchen den Toten in der Unterwelt gepredigt. Während die ‘Ber- 
jonalunion zwijchen dem Herrn, welcher vom Kreuz aus gen Himmel 
gefahren, und dem Herrn, welcher am Kreuz hängen geblieben ift, 
im Augenblid des Sterben Jeſu fich gelöft Hat, ift mit dem Leibe 
verbunden geblieben der Herr, weldjer wohl ein großartiges Weſen, 
auch nicht ohne alle Fähigkeit der Bewegung und nicht ohne heil- 
jame Thätigfeit im Totenreich ift, aber doc) der höheren Kraft er- 
mangelt, die ihm früher beimohnte und ihn am Kreuz verlafjen hat. 
Diefer Zuftand dauert noch an im Moment der Auferftehung. Aber 
er bleibt nicht. Den Frauen, welche am Oftermorgen in das leere 
Grab Hineinjehen, jagt der Engel: „Er ift auferftanden und dahin- 
gegangen”, und dasſelbe nocd einmal genauer „Dahin, von wo er 
gejandt wurde” (c. 13). Seiner Auferftehung ift alfo feine Rüd- 
fehr zu Gott, feine Himmelfahrt, unmittelbar gefolgt.) Ob dadurd) 


1) Ganz unrictig wird der Thatbeftand wiedergegeben, wenn man jagt, 
dad PE verlege die Himmelfahrt auf denfelben Tag wie die Auferftehung. 
Wir befinden uns in c. 12 noch in der Frühe des Tages, und es ift in c. 13 nur 
der Abſchluß der Bewegung berichtet, deren Anfang c. 10 beſchrieben wurde. 
Inzwiſchen thut der Auferftandene nichts. Aus dem Grabe ift er gen Himmel 
gefahren. Übrigens wäre auch jene Anſicht unerhört, vgl. Geſch. d. Kanons 
I, 924f. 


38 Das Evangelium des Petrus. 


eine Wiedervereinigung mit der höheren Kraft fich vollzogen und 
fomit die vor dem Tode beitandene Einheit des Wejend „des Herrn“ 
wiederhergejtellt fei, bleibt dem Leſer wenigftens dieſes Fragments 
zu erraten überlaſſen. Wenn die Erzählung von der Erjcheinung 
des Auferitandenen am galilätfchen Meer, in deren Anfang der Tert 
abbricht, und erhalten wäre, würden wir vielleicht fichere Antivort 
willen. Deutlich aber ift auch ohnedies die Unterfcheidung eines 
doppelten Chriftus oder vielmehr „Herrn“, wie einer doppelten 
Himmelfahrt. 


IV. Die Quellen des Evangelium3 „nach Petrus“. 


Daß dieſe, wie bisher gezeigt wurde, durchaus tendenziöfe und 
phantaftiiche, mit den gefchichtlichen Berhältniffen zur Zeit Jeſu 
ganz unverträgliche und in einer vergleichsweiſe modernen Sprache 
erzählte Gejchichte nicht das Bruchſtück eines Urevangeliums oder 
einer jener Lk. 1,1 erwähnten Erzählungen ift, bedarf feines Be— 
weiſes für Diejenigen, die überhaupt noch im ftande find, einer Be- 
weisführung zu folgen. Fraglich fünnte nur fein, ob der Verfaſſer 
des BE derartige, in die Anfänge der evangelifchen Litteratur zurüd- 
reichende Schriften, ob er vorkanoniſche Evv. als Duellen benußt Bat. 
Auch diefe Frage ift zu verneinen. Unfere 4 Evv. find es, Deren 
Tert überall durch die tendenziöjfe Verkleidung handgreiflich Hindurch- 
blickt, und von jelbftändiger, d. 5. von unjeren Evv. unabhängiger, evan- 
gelifcher Überlieferung, wie folche in den Briefen des Paulus, in der 
unechten Perikope Joh. 8, I—11, in dem unechten Schluß des 
Markusev. (16, I—20), bei Papias und Ignatius, vielleicht auch 
in einigen Fragmenten des Hebräerev. und in Varianten des Tano- 
niſchen Evangelientertes fich finden, enthält das PE nicht?, oder fo 
gut wie nichts. Schon oben ©. 19. wurde gezeigt, Daß ein eigentümlicher 
Ausdruf in LE 23, 54 vom Verfaſſer des BE mißverjtanden und 
mißbraucht worden ift. Ähnlich ift ein anderer Fall. Mr. 16, 4 
wird erzählt, daß die am Grabe anlangenden Weiber, ſowie fie ihren 
Bli erheben und auf dag Grab hinlenken, deutlich fehen, daß der 


Abhängigkeit von d. Fanonifchen Evv. 39 


Stein, um deſſen Entfernung fie fich vorher Sorge gemacht haben, 
abgewälzt fei, und dem zur Erläuterung wird vom Evangeliften bei- 
gefügt: „denn er war fehr groß". Hier im BE c. 12 jagen die 
Weiber felbft auf dem Wege zum Grabe: „Wer aber wird ung 
auch den Stein abwälzen, der auf die Thür des Grabe gelegt ift?... 
Denn groß war der Stein, und wir fürchten, daß uns jemand jehe“. 
Jedermann fieht, daß ein im Munde der Weiber jchlechthin un- 
paffendes Imperfektum (79) aus der Quelle herübergenommen und 
überdie8 dem erläuternden Sat eine faljche Beziehung gegeben 
worden ift. 1) — Befanntlicd) erzählt Mit. 28, 2—6 von einem Engel, 
welcher den Stein abwälzt und mit den Weibern redet, Mr. 16, 
5—7 von einem Jüngling, LE. 24, 4—7. 23 und oh. 20, 12 
von zwei Männern oder Engeln, welche mit Magdalena oder 
mit den Weibern überhaupt reden. Das PE erzählt von zwei ver- 
Ichiedenen Engelerjcheinungen. Zuerft erjcheinen deren zwei (c. 9. 10), 
jodann ein einzelner (c. 11), welcher nachher wieder auftaucht (c. 13). 
Das war eine notwendige Folge der Erfindung, daß zwei Engel 
den auferjtehenden Herrn aus dem Grab Hinaußgeleiten (c. 10). 
Nun find fie verjchwunden und, wie man c. 13 erfährt, mit ihm 
in den Himmel, aus dem fie herabgefommen find (c. 9), Hinaufge- 
fahren. Es bedarf aber eines Engels im Grabe und am Grabe, um 
die Weiber über die Auferftehung zu belehren. Darum fommt ein 
dritter vom Himmel, geht ing Grab hinein (c. 11) und begrüßt die 
Weiber (c. 13). Wer fieht nicht, daß Hier die Varianten der von 
einer einzigen Thatjache berichtenden Erzählungen unjerer Evv. ver- 
wertet find, um für eine phantaftiiche Dichtung das erforderliche 
Material zu gewinnen! Zwei Engel (Lf. ob.) und ein Engel 
(Mi. Der.) macht drei Engel (BE) Selbſt in dem buntjchedigen 
Wechſel der Bezeichnungen zeigt fich der Kompilator. Die zwei 
Engel heißen zweimal (c. 9. 10, an lebterer Stelle auch Jeſus) 
üvdoes wie Lk. 24, 4, dazwilchen aber veavioxoı wie Mr. 16, 5; 
und ebenfo der dritte Engel zuerst (c. 11) &vYowzros, nachher (c. 13) 
vervloros. — Mit der tendenziöfen Übertragung der Rolle der Richter 


!) So allerdings auch neuere Exegeten, 3. B. noch Schanz S. 415, welche 
Doch nicht wagen, mit Eufebius und dem Cod. D eine Umftellung der Sätze 
vorzunehmen. DBgl. dagegen Kloftermann, Markus S. 297. 


40 Das Evangelium des Petrus. 


und Henker Jeſu von den Römern auf die Juden war e3 gegeben, 
daß aud) das fromme Belenntnis des Hauptmanng unter dem Kreuz 
(Mt. 27, 54; Mr. 15, 39; Lk. 23, 47) wegfiel. Es wird aber doc) 
in einer doppelten Weife verwertet. Erſtens wird dieſes Bekenntnis, 
und zwar nach der Faſſung des Lukas, wonach es die Gerechtigkeit 
Jeſu bezeugt, dem jüdischen Volk, vor welchem die Synedriften fich deshalb 
fürchten, in den Mund gelegt, und es wird eben dort in Worten, welche 
bei Lukas beinahe ebenjo lautend gleich Hinter dem Bekenntnis des 
Hauptmann ftehen, unmittelbar vor dem gleichen Belenntnis Die 
reumütige Haltung des Volkes beichrieben. ) Zweiten aber wird 
das Bekenntnis in der Faſſung, welche ihn Matthäus und Markus 
gegeben haben, ?) doch auch einem römiſchen Genturio in den Mund 
gelegt, nämlich dem Befehlshaber der Grabeswache. Wir haben aljo 
wieder das Schauspiel, daß die Varianten einer bei den kanoniſchen 
Evangeliften wejentlich identiichen und jedenfalls auf dasſelbe Faktum 
bezüglichen Erzählung im PE dazu verwertet werden, um für Die 
in dejjen Tendenzen begründeten Dichtungen Stoff zu gewinnen. 
Der antijüdischen Tendenz zuliebe durften unter dem Kreuz feine 
römischen Soldaten als Henker fungieren; aber die Kehrfeite der- 
jelben Tendenz, die Neigung die Römer in möglichjt günftigem Licht 
erfcheinen zu laſſen, verbot e3, das ſchöne Zeugnis eines römischen 
Dffizierd ganz zu unterdrüden. Daher wurde der Grabeswache, 
welche bei Mt. 27, 65 f. 28,4. 11—15 eines Befehlshaber? entbehrt, 
ein folder in der Perſon eines Centurio Petronius gegeben. Da 
die Geſtalt dieſes Genturio eine aus den angegebenen Gründen er- 
dDichtete ift, jo muß das gleiche von dem Namen Betronius gelten. 
Hätte der Verfaſſer die Überlieferung gefannt, nach welcher ber 
fromme Hauptmann unter dem Kreuz Longinus geheißen haben Toll, ?) 


N BE 8 xonteras ra orndn, U. 23, 48 TUntovres ta ornYn. 

NE 11 aAnFws viös nv Feov, abgeſehen von der Befeitigung ber 
Subjektsbezeichnung Aähnlider mit Mr. 15, 39 als mit Mt. 27, 54. Auch ift 
zu bemerfen, daß das BE beharrlich xerrvoiar fchreibt (c. 8. 10. 11, im ganzen 
5mal) wie im N. Teftament nur Mr. 15, 84. 44. 45. 

3) Gregor von Nyſſa bei Zacagni, Coll. monum. I, 391 fett die Sage 
als bekannt voraus, daß der Hauptmann, welcher die Gottheit des Herrn bei 
feinem Tode bekannt babe, Bifchof in Kappadocien geworden fei, nennt aber 
feinen Namen nit. Er heißt Longinus in einer der beiden griechiſchen Res 
zenfionen der Pilatusatten (Ev. apocr. ed. Tischendorf p. 309). Diefen 


m. 


Apokryphe Traditionen. 41 


jo würde er fchwerlid) einen neuen Namen erfunden haben. Er 
würde ihn überhaupt nicht benannt haben, wenn er fich bei diefem 
Namen gar nichts gedacht hätte. Petronius in einem Evangelium 
des Betrug könnte auf einen beabfichtigten Zuſammenhang zwijchen 
diefen beiden Namen jchließen laſſen, wenn irgend welche Andeutung 
davon vorläge, daß dieſer Petronius mit Petrus in Berührung ge— 
fommen wäre. ber jelbjt wenn jolche Andeutungen in dem ver- 
Iorenen Schluß des BE enthalten gewejen wären, würde das als 
nachträgliche Folgerung aus dem Namensanklang zu betrachten fein. 
Man hätte jih an Petronilla zu erinnern, eine geichichtliche Perſön— 
lichkeit, welche wegen ihres Namens in der Legende zu einer leib- 
lichen oder aud) geiftlichen Tochter des Petrus gemacht worden ift.’) 
Da ung Die Tradition fowie mehrere bereit3 vorgetragene Beob— 
achtungen auf Antiochien und Syrien als die Geburtäftätte des PE 
hinweiſen, jo ſcheint es nicht fernliegend, daß der Verfaſſer etwas 
von Petronius, dem Präſes von Syrien zur Zeit des aligula, 
gehört Hätte.?) Gegenüber den an den „Antichrift“ erinnernden 
Attentaten des wahnfinnigen Kaiferz, welche auch auf die chriftlichen 
Kreife einen tiefen Eindrud gemacht und noch im 2. Jahrhundert 
die Anderung der Zahl des Antichriſts 666 in 616 veranlakt 
haben, ?) hat jener Petronius fi) als einen fehr bejonnenen, über 


Namen trägt in Handſchriften der anderen Rezenfion und in einer lateinijchen 
Berfion der Soldat, welder dem Gefreuzigten den Lanzenftich verjegt (j. die 
Noten von Tiſchendorf S. 247. 362, auch Apocal. apocryphae p. LXII und 
Thilo S. 586f.). In dem Martyrium des Longinus, welches ein Presbyter 
Heſychius von Zerufalem verfaßt haben will, ift der jo benannte Genturio der 
fromme Belenner unter dem Kreuz und zugleich der Befehlshaber der Grabes⸗ 
wache. So erzerpierte id mir aus dem Cod. Paris. 1468 fol. 136. Bgl. die 
Iateinifche Überfegung in Acta SS. Mart. tom. III, 386 f. und den Meta: 
phraften Migne 115 col. 31ff. Aud in den Paulusakten ſpielt ein militäriicher 
Befehlähaber Longinus, im griehiihen Tert jedoch Aoyyos genannt, eine Rolle 
(ed. Lipsius p. 112 ff.). 

1) Bol. in Kürze Ligbtfoot, S. Clement I, 37—39. NRobinfon p. 24 ers 
innert an einen Schüler des Petrus, Namen? Petronius, in den Alten ber 
Hermione. Es muß aber nach Acta SS. Sept. tom. II, 185 heißen „Schüler 
des Paulus“. 

2) Vgl. Schürer, Geſch. des jüd. Volles I, 421—424. 270. 

3) Vgl. meine apokalyptiſchen Studien, Zeitichr. f. kirchl. Wiſſenſch. 1885 
6. 572. 


42 Das Evangelium des Petrus. 


religiöfe Dinge billig denfenden Beamten, als einen rechten xazeywv 
gegenüber dem bereit3 fich regenden Myſterium der Geſetzloſigkeit 
erwiefen. Die Phantaſie unſeres Verfaſſers hat nicht einmal gegen 
die Chronologie verjtoßen; denn innerhalb des Jahrzehnts, welches 
ungefähr zwilchen dem Tode Jeſu und jenen Ereigniffen unter Caligula 
veritrichen ift, konnte der Hauptmann PBetronius zum Oberjtfomman- 
dierenden der Provinz Syrien avanciert fein. 

Mag diefer Verſuch einer Erklärung des Namens Petronius 
einleuchten oder nicht, eine felbjtändige, von unferen Evv. unab- 
hängige, jei e8 mündliche, fei es ſchriftliche Überlieferung tritt jeden- 
falls Hier nicht zu Tage. Den Schein einer folchen erwedt viel eher 
jene Szene, wo die Juden den Herrn auf einen Richterftuhl feben 
und ihm zurufen: „Nichte gerecht, König Israels". Die Unnatur 
der Darjtellung, wonad) dies auf dem eiligen Transport zur Kreuzi⸗ 
gungzftätte geichehen jein joll (oben ©. 29), beweift unwiderleglich, 
daß dies nicht die urjprüngliche Form der Erzählung fein fann. 
Die Szene muß urjprünglih an einem Ort gefpielt haben, wo ein 
Kichterftuhl zur Hand war; und da die jämtlichen in dem dortigen 
Bufammenhang berichteten Handlungen, wie ©. 26. gezeigt wurde, 
in tendenziöfer Weiſe von den römischen Beamten und Soldaten auf 
die Juden und von dem Prätorium und deſſen nächiter Umgebung 
auf den Weg nad) Golgatha verlegt find, jo folgt, daß auch dieſe 
Handlung urjprünglich in oder vor dag Prätorium gehört, und daß 
der Richterjtuhl urſprünglich Tein anderer als derjenige des Pilatus 
gewejen jein kann. Wir finden wejentlich dieſelbe Überlieferung bei 
Juſtin.) Derſelbe findet in dieſer Thatſache eine Erfüllung der Weis— 
ſagung in Jeſaja 58, 2: „Sie fordern von mir gerechtes Gericht 
und begehren Gotte zu nahen”.?) Ohne Frage ift diejeg Propheten- 
wort eine der Stüben, auf welchen die Tradition beruht. Aber 
man fieht auch jofort, daß weder das PE von Juſtin, noch Juſtin 
vom BE abhängt. Das VPE citiert die prophetiiche Stelle nicht, 


1) Just. apol. I, 85 xai yao, ws elnev 6 noo@nTns, ÖLaovoovrss muTov 
dxadFıoar dri Anuaros xai elnov‘ xplvov nurw,. VE 8 xal Exadıvav aurov 
ent xaFedoav xoioews A&yovres‘ Örxuiws xoive, Baoıhkev vov Tooanı. 

2) Suftin citiert apol. I, 35 in unmittelbarer Fortſetzung eines Citats 
aus Sefaja 65, 2 weiter: alrovoi us vv xoioıw (LXX add. dıxaiav) al 
Syyissıw Ieo ToAumorw (LXX dmıdvuovowv), 


Apokryphe Traditionen. 43 


aber die Form des fpöttifchen Zurufs gerade im PE („Nichte ge- 
recht“) und auch die Bezeichnung des Richterſtuhls ala xaIedon 
xoioews beweilen die Abhängigkeit von der Septuaginta. Durch 
Juſtin kann das nicht vermittelt fein; denn Juſtin hat im Citat dag 
Stihwort (dıxaiav) außgelaffen und demgemäß auch in dem Zuruf 
fein dexaiws. Aber Juſtin kann auch nicht aus dem PE gejchöpft 
haben; denn wie follte er dasjenige Wort feiner Vorlage, welches 
ihn auf die dort nicht citierte Sejajaftelle Hingeführt hätte (devaiwg), 
jowohl in dem Zuruf als in dem prophetiichen Citat (deıxaiav) und 
auch die vorgefundene Bezeichnung des Richterſtuhls, welche an das 
Wort xolorw im Citat anknüpft, getilgt haben. Die Unabhängigfeit 
Juſtins vom PE ergibt ſich noch von einer anderen Seite. Zur 
Erklärung der Entitehung der bei Juftin und im PE. vorliegenden 
Sage genügt offenbar nicht die Jeſajaſtelle. Dieje jagt nicht? von 
einem Richterſtuhl und liegt nach ihrem gejamten Inhalt und Zu— 
jammenhang jo fern, daß ihre Anwendung auf die Bajfionzgejchichte 
ohne einen beftimmten Anknüpfungspunft in der lebteren ein un— 
verständliches Rätſel bleiben müßte. Die Löſung ift aber ſchon im 
Sahre 1877 von James Drummond gefunden worden.) Man muß 
ſchon in alter Zeit, wie das auch in neuerer Zeit vorgefommen ift, 
Joh. 19, 13. 14 jo aufgefaßt haben, als ob der Evangelift jagen 
wollte: „Da Bilatus diefe Worte gehört Hatte, führte er Jeſum 
hinaus und fegte ihn auf den Richterftuhl und ſprach zu den Juden: 
Siehe da, euer König.” So gewiß dieje Auffaffung Tprachlich mög- 
lich ift, jo zweifellos verftößt fie gegen den Sinn des Evange- 


1) Ich muß mit einiger Beihämung befennen, daß ich bei Beſprechung 
dieſes Rätſels in der Geh. d. Kanons I, 548 den Bericht über die glüdliche 
Löſung desfelben bei Salmon (Introduction Ed. 1 p. 89) überfehen babe. 
Erft dur Robinfon S. 18 wurde ih darauf aufmerkſam gemadt. Salmon 
erzählt zugleich, daß der Erzbifchof Whately allen Ernftes die tranfitive Fafſung 
des dxadsoev oh. 19,13 zu vertreten pflegte. Es wäre intereflant zu wiflen, 
in welcher Weife der inzwiſchen leider verftorbene Hort, wie Harnad ©. 57 
mitteilt, dieſen auf die Sache aufmerffam gemadt. Borläufig Halte ich den 
feinfinnigen engliſchen Kritiker für unſchuldig an der erheiternden Behauptung 
von Harnad, daß jene jobanneiihe Stelle durch das BE „Licht empfängt“. 
Ungefähr fo, wie mande Berje Virgils durch Blumauer, 3. B. der fchöne Vers 
infandum regina etc. durch die noch ſchönere Traveftie „O Infantin“. 


44 Das Evangelium des Petrus. 


liſten.) Hatte aber erſt einmal dieſes Mißverſtändnis der johanneischen 
Erzählung in gewiffen Kreifen fich feitgefebt, fo lag es nahe, eine 
Weisſagung auf dieſes merkwürdige Faktum im A. Teftament zu 
ſuchen, ganz ebenjo, wie man für andere Züge der Leidendgejchichte, 
welche in unjeren Evv. nicht mit einer altteftamentlichen Weisfagung 
in Beziehung gejegt find, wie 3. B. die Tränfung des Gefreuzigten 
(oben S. 30f.), entiprechende Weisfagungen ſuchte und fand und fie 
in die evangelifche Tradition einmiſchte. Die unvermeidliche Folge 
war, daß man nun die Juden, weldye Pilatus verhöhnen wollte, 
vielmehr auf die angebliche Verhöhnung Jeſu, zu welcher Pilatus 
fie herausgefordert haben jollte, ihrerjeit3 eingehen ließ.?) Denn 


1) Gegenüber der kühnen Behauptung von Harnad ©. 57, man könne 
fchwerlih daran zweifeln, daß Johannes exadsoe» tranfitiv verftanden haben 
wollte, find doch einige Bemerkungen notwendig: 1) Johannes gebraudt xadikeır 
fonft 12, 14 (vgl. 8, 2), ebenjo wie die Synoptiker und die AO. Stets, intranfitiv 
und refleriv. Beſonders zu beachten ift die Verbindung mit Zr YHoovor, 
Anuaros, xaFedoas u. dgl. Mt. 19, 28; 20, 21. 23; 28, 2; 25, 81; Mr. 10, 
37. 40; (16, 19); Lk. 22, 30; AG. 2, 30; 12, 21; 25, 6. 17. — 2) In einem 
Sat, in welchem der Richter dag Subjekt ift, heißt xadFlLes Zri (oder Zi rov) 
Anuaros jelbftverftändlich: „er fett fih auf Jeinen Richterftuhl*, vgl. Mt. 27, 19. 
Das gegenteilige Berftändnis mußte jeder verftändige Schriftfteller durch ein 
avrov hinter dxadıosv erzwingen (vgl. Eph. 1, 20 troß des vorangehenden 
avröov). Der allen Apofiopefen abholde Stil des Johannes würde auch ohne 
die befondere Nötigung an unjerer Stelle ein avro» erfordern, wenn Jeſus 
Objekt fein follte. Johannes liebt das entbehrliche auro» ſowohl hinter dem 
Eigennamen (6, 24. 25; 12, 17; 18, 12), als Hinter auro» (6, 39. 44; 8, 55; 
11, 44; 13, 32; 14, 7; 18, 31; 19, 6). Un einigen Stellen, wozu ih aud 
6, 15 rechne, haben die ftilifierenden Abjchreiber das überflüffige aurov ge- 
tilgt. — 3) Die umftändlihe Angabe des Ortes, wo der Richterftuhl ftand, 
und des Tages wie der Stunde, wann fich dies zutrug, bei Johannes wird 
finnlos, wenn es fi bier um eine der Verjpottungen handeln fol, deren 
mebrere vorangegangen find (18, 39; 19, 1—5), und nicht vielmehr um bie 
förmliche und feierliche Entſcheidung des römischen Richters, welcher fi zum 
Zwed derfelben auf feinen Richterftuhl jet. Daß er auch in diejem feier: 
lichen, legten Augenblid noch) dur Verhöhnung nicht Jeſu, fondern der Juden 
an diefen fich rächt, ändert nichts an dem von Johannes unzweideutig geſchilderten 
sichteramtliden Charakter dieſer letzten Szene vor der Hinrichtung. 

2) Juſtin hatte die Beziehung von ef. 58, 2 auf die Juden dadurch 
aud für feine Lefer Mar erhalten, daß er Jeſ. 65, 2 damit verband. Eben 
davon war es eine Folge, daß er hier, abweichend von jeiner fonftigen Dar: 
ftellungsweife, ohne die enticheidende Mitwirkung des Pilatus zu erwähnen, 


. Apofryphe Traditionen. 45 


bei Jeſaja ift vom Verhalten des jüdischen Volks gegen feinen Gott 
Die Rede, und das der von Juſtin citierten Stelle folgende Aeyovrsg 
forderte geradezu heraus zu einer Sormulierung der Worte, mit 
welchen die Juden den auf dem Richterftuhl figenden Jeſus auf- 
fordern, Recht zu ſprechen. Die Formulierung lautet bei Juftin und 
im BE fehr verjchieden. Und ob die apofryphe Fortbildung der 
evangelifchen Erzählung in Form einer Gloffe zu oh. 19, 13. 14 
oder nur in Form einer eregetifchen Tradition fich fortgepflanzt hat, 
willen wir nicht. Dagegen ift nicht zu bezweifeln, daß ein Mißverſtändnis 
von Soh. 19, 13. 14 vor der Zeit Juſtins und des BE die Sage 
erzeugt hat. Daß aber Juſtin fie nicht aus dem PE geichöpft hat, 
ergibt fich num aufs neue daraus, daß nur bei Juſtin der johanneijche, 
alfo der originale Ausdrud (avröv) Enadıoav (oh. -vev) Erri Pnuarog 
erhalten, im PE dagegen durd) Exadıcav avröv Erii naIedgav ngloewg 
erſetzt ift. 

Eine andere apofryphe Tradition würde man gar nicht als 
folche anerfennen, fondern einfach für eine frei gedichtete Ausſchmückung 
de3 BE Halten dürfen, wenn ihre Eriftenz im 2. Jahrhundert nicht 
anderweitig bezeugt wäre. Der Weheruf des Volks im BE ift weient- 
lich der gleiche, wie er im ſyriſchen Diateffaron des Tatian, in dem 
Syr. Curetonianus und in einer lateinijchen Evangelienhandichrift 
fih findet.) Die beiden zulegt genannten Zeugen fichern dieſer 


von den Juden fagt, daß fie Jeſum gefreuzigt haben, und daß er, wenigſtens 
ſtillſchweigend, ebenfo ungenau nicht nur die Aufforderung zu richten, jondern 
auch das Seen Jeſu auf den Richterftuhl den Juden zufchreibt. Erſt bei der 
Kleiderverlofung läßt er eine neue Bezeichnung des Subjekts eintreten (ot 
oravpwoarrss avrov cf. dial. 97 u. 104), welche ſpeziell auf die eigentlichen 
Henker Jeſu, die römischen Soldaten hinmeifen fol. 

) Bgl. meine Forihungen I, 215 ff. Der Tert des S. Germanensis 1 
(gewöhnlih als g! bezeichnet, vgl. Geſch. d. Kanons II, 387 f.) lautet nad 
Sabatier (III, 372) hinter dem revertebantur (vnéorosyov) des kanoniſchen 
Terteö: dicentes: vae vobis (lie8 nobis) quae facta sunt hodie propter 
peccata nostra! appropinquavit enim desolatio Jerusalem. Der Tert des 
Lukas in diefem Kodex ift zwar nicht wie derjenige des Matthäus im allgemeinen 
vorhieronymianiſch, enthält aber auch Altertümliches. Wie ich ſchon Forſch. I, 
217 vermutungsweife ausſprach, ift jetzt auf Grund der neuen Beftätigung 
durch das BE mit Sicherheit zu behaupten, daß Ephraim (ed. Moesinger p. 
245. 246) im Diatefjaron nit nur vae fuit, vae fuit nobis, [filius dei erat 
hie], fondern auch venerunt judicia dirutionis Hierosolymorum gelefen hat. 


46 Das Evangelium des Petrus. 


apofryphen Tradition zunächſt ihren Pla als einer Erweiterung 
des kanoniſchen Textes von Lk. 23, 48. Daraus, daß diefe Text- 
erweiterung in einem altlateinifchen Evangelientert erhalten ift, folgt 
ferner mit ziemlicher Sicherheit, daß diefe Zuthat nicht auf dem 
Boden der ſyriſch redenden Kirche entjtanden ift, oder mit andern 
Worten, daß jie nicht von Tatian, dem Verfaſſer des ſyriſchen Dia- 
teffaron um 170, gejchaffen, jondern vorgefunden worden ilt. Die 
wejentliche Übereinftimmung zwiſchen dem Diateſſaron und jenem 
lateiniſchen Codex beruht auf einem griechiſchen Lukastext, welcher 
in c. 23, 48 jene Zuthat enthielt, und dieſer griechiſche Text des 
fanonifchen Lukas ift fpäteftend um 150 vorhanden geweien. Es ift 
eine von der Tertkritif längſt anerkannte gefchichtliche Thatjache, daß 
die größten und kühnſten inhaltlichen Veränderungen des neutejta- 
mentlichen und insbeſondere des evangeliichen Textes dem zweiten 
Sahrhundert angehören. Es ift neuerdings vollftändiger und ge- 
nauer wie früher erwiejen worden, daß ſchon Marcion um 140—150 
bei der Anfertigung feines Evo. einen durch) manche apofryphe Zu— 
thaten erweiterten Lufastert vor fich gehabt Hat.!) In demfelben 
Kapitel (LE. 23, 2) Hat Marcion einen Tert vorgefunden und für 
feine Zwede nubbar gemacht, welcher unabhängig von ihm in fa- 
tholischen Kreilen des Abendlandes eine weite Verbreitung gefunden 
hat. Wie wir es in diefem Fall ohne Frage mit einer Interpolation 
oder Amplifilation des kanoniſchen Lukas ſpäteſtens aus dem Anfang 
des 2. Jahrhunderts zu thun Haben, jo kann aud) der amplifizierte 
Tert von Lk. 23, 48 um 100—130 eriftiert haben. Sollen wir 
nun annehmen, daß katholiſche Chriften diefe Zuthat aus dem PE 
genommen haben, oder daß der Verfaſſer des BE auch jchon jenen 
erweiterten Tert von Lk. 23, 48 vor fich Hatte, welchen Tatian um 


Die von mir eingellammerten Worte hat Ephraim offenbar in feiner Zuſammen⸗ 
faffung der nad der Berfinfterung der Sonne eingetretenen Äußerungen der 
Reue aus LE. 23, 47 oder vielmehr aus der von Tatian bier eingefügten 
Parallele Mt. 27, 54 entnommen und frei fombiniert. Dagegen beftätigt Syr. 
Cur. ein ano Ta» Aanaprımv numv ald Tertbeftandteil des Diateffaron. 
Andererfeitö fehlt in Syr. Cur., deffen von meiner und G. Hoffmanns Über: 
fegung abweichende Reproduftion bei Bäthgen, Evangelienfragmente S. 89 
man gerne philologiich gerechtfertigt fähe, das Wort Über Jeruſalem. 

1) Vgl. Geſchichte des Kanons I, 638f. 674f. 680 (U. 1). 681—688 
II, 492. 


Abhängigkeit von d. fanonifchen Eor. 47 


170 und der Urheber des im Codex S. Germanensis erhaltenen la- 
teinischen Textes in ihrem griechischen Lukas vorfanden? Erſtere 
Annahme ift gegen alle Wahricheinlichkeit fchon darum, weil man 
dann bei Tatian und in jenem altlateinifchen Evangelium doch noch 
andere Entlehnungen aus dem PE zu finden erwarten müßte. Kein 
Überjeger oder Abjchreiber eines Ev. wird ein Buch eigentümlichen 
Inhalts zu Rate gezogen haben, um eine einzige Zeile daraus fich 
anzueignen. Nun finden fich aber weder im Diateffaron noch im 
Codex S. Germanensis fonftige Berührungen mit dem BE. Die An- 
nahme einer Entlehnung aus dem BE iſt aber auch darum abzu- 
weiſen, weil fie die Analogie des vorhin beiprochenen Falles gegen 
fih hat. Wie der Verfafjer des BE einen im 2. Jahrhundert auch 
jonft jo wie im BE mißdeuteten und wahrſcheinlich mit einer ent- 
Iprechenden Gloſſe ausgeftatteten Text von Joh. 19, 13f. vor ſich 
gehabt Hat, jo Hat er an unjerer Stelle einen, wie wir ohnedies 
willen, im 2. Jahrhundert verbreiteten, interpolierten Text von LE. 
23, 48 vor ſich gehabt und verarbeitet. 

Die einzigen Quellen, aus welchen da3 BE feinen Stoff jchöpfte, 
ind unfere 4 Evv. und zwar diefe in einem Text, welcher zu feiner 
Entwidelung jchon einige Zeit jeit der Entjtehung diejer Evv. nötig 
gehabt hat. Darin Liegt die große Bedeutung des BE. Die jchlichte 
Anerkennung des handgreiflichen Thatbeitandes Hat ſich Harnad durch 
eine Erwägung erjchwert, welche nicht von ruhigem Nachdenken zeugt, 
aber doch wegen ihrer grundfäßlichen Verfehrtheit beiprochen zu 
werden verdient. Eine Benugung unferer Evo. durch das PE er- 
jcheint diefem Kritifer darum unficher oder bedenklich, weil der Ver- 
faſſer ſich mit denjelben auf Schritt und Tritt in Widerfpruch jebt.") 
Uber wie konnte es anders fein? Nur auf dem Boden einer tief- 
gehenden Unzufriedenheit mit den vorhandenen Evv. konnte ein Menjch 
die dee fallen, unter dem angenommenen Namen des Petrus ein 
jolches Ev. zu fchreiben. Er wollte unter der Auftorität des Erſten 
der Apoftel den anderen Evv. Konkurrenz machen und er wollte an 
Stelle der, gleichviel wie gut oder fchlecht, überlieferten Geſchichte 
eine, wie gezeigt, völlig gefchichtäwidrige Erzählung nach feinem Ge— 

1) Harnack macht dies ©. 34. 35 hauptfählich in Bezug auf Matthäus 
und Johannes geltend; aber es verhält fi mit Lukas und aud mit Markus 
nicht weſentlich anders. 


48 Das Evangelium des Petrus. 


ſchmack erdichten. Durch die Idee feiner Arbeit ift eine wirklich 
pietätsvolle Nachbildung der älteren Evv. ausgeſchloſſen. Nur. die 
Kot und die Klugheit hat diejen „Petrus“ veranlaßt, fic) an unjere 
Eov. anzufchließen. Die Klugheit gebot dag; denn er hätte feinem 
Bud) allen Eingang abgejchnitten, wenn fein Inhalt und Wortlaut 
nicht jeden Leſer an den wohlbekannten Inhalt und Ton der älteren 
Eov. erinnert hätte. Vor allem aber war es die Not, welche ihn 
zwang, aus unjeren Eop. zu jchöpfen. Diefer arme „Petrus“ wußte 
ja nicht, al3 was er aus unjeren Evp. gelernt hatte, und er mußte 
nicht? von den gejchichtlichen Verhältnifjen, unter welchen Jeſus ge- 
lebt Hatte. Woher follte er den Stoff zu feiner Dichtung nehmen, 
als aus älteren Evv.? In diefer Beziehung war er in der gleichen 
Lage mit Marcion, ’) mit deſſen Ev. dad BE ungefähr gleichzeitig 
fein wird (ſ. unten). Auch diefer hat auf eine fchonungslofe Kritik 
aller von ihm vorgefundenen Evv. fein Unternehmen der Abfaffung 
eines neuen Ev. gegründet. Anderweitige Quellen und Überlieferungen 
befaß er nicht und er war ehrlich genug, fi) auch nicht den Schein 
zu geben, als ob er ſolche bejite, oder als ob er jelbft ein Augen- 
zeuge der evangelischen Geichichte wäre. So blieb ihm nichts übrig, 
al3 aus dem aufs ſchärfſte von ihm Fritifierten Firchlichen Evangelien- 
tert, insbeſondere aus dem Iufanischen, jein neues Ev. herzuitellen. 
Das konnte er nur fertig bringen durch kühnſte Umftellungen, Um— 
gejtaltungen und Jogar Verdrehungen. Ein anderes Beilpiel ungefähr 
gleicher Zeit bietet der Kreis der gnoſtiſchen Apoftelgejchichten. Ihre 
Berfafjer kennen unjere Evv. jo gut wie die kanoniſche Apoftelgefchichte. 
Der „Petrus“ diejer Legenden ſpricht fich über das von den Apofteln 
gejchriebene Evangelienbuch aus als eine jehr mangelhafte, der Er- 
gänzung aus der Geheimtradition und der Spekulation bedürftige 
Duelle chriftlicher Erfenntniz.?) Ebenſo willfürlih wie die Nach- 
richten der Apoftelgefchichte werden die evangelifchen Traditionen 


1) Bol. Geſch. d. Kanons I, 585—718; Il, 454—494, beſonders I, 
590f. 596. j 

2) Vgl. Geſch. d. Kanons II, 848ff. Aus AG. 8, 14-24 macht diefe 
Legende eine Begegnung des Simon Magus mit Petrus und Paulus ftatt 
mit Johannes und verlegt den Schauplag von Samaria nad) Serufalem, vgl. 
ebendort S. 854. In Bezug auf die Kreuzigungsgejchichte vgl. Acta Joannis 
p. 222. | 


Abhängigkeit von d. Fanonifchen Eov. 49 


dort gemodelt; eine völlig phantaftiiche Paſſionsgeſchichte blickt ge- 
legentlich dur); aber andere ev. Quellen als unjere Evo. kann fein 
Berftändiger in diefer Litteratur entdeden. Wer mit dem Inhalt 
der vorhandenen Eov. einverjtanden war, fchrieb im 2. Jahrhundert 
- fein neue Ev., am wenigjten ein jolche® unter einem: erlogenen 
Apoftelnamen. Nur eine Evangelienharmonie, ein Diatefjaron Fonnte 
ein folcher abfajjen; aber dag PE wollte mehr jein. Alſo der Natur 
der Sache nad) jowie nach aller Analogie konnte das Berhältnig 
des BE zu den vom Berfafjer vorgefundenen Evv. fein anderes fein, 
al3 dasjenige, welches zwilchen dem PE und unferen 4 Evv. beiteht, 
d. h. ein Verhältnis ſklaviſcher und bettelhafter Abhängigkeit einer- 
ſeits und eine durchgeführte Oppofition gegen Geiſt und Buchjtaben 
derjelben anderſeits. Daraus folgt, daß eben unjere 4 Evv. es 
waren, welche er vorfand und als einzige Quellen benußte. 

Das will noch im einzelnen dargelegt werden. Es zeigte fich 
bereit3 (S. 43f.), daß die Erzählung von Jeſus auf dem Richterſtuhl, 
welche überdie ganz unvernünftig auf eine eilige Wanderung ver- 
legt ift (©. 29), auf Grund einer um die Mitte des 2, Jahrhunderts 
auch anderwärts verbreiteten Mißdeutung von oh. 19, 13. 14 ent- 
ftanden if. Das 4. Ev. kann demnad) nicht ganz jung geweſen 
fein, als das PE geichrieben wurde. Eben dies ergibt fich daraus, 
daß das PE neben völliger Unkenntnis der jüdischen Verhältniſſe 
eine Anficht von dem zeitlichen Verhältnis der Kreuzigung zum Paſſah 
befundet, welche auf Grund der älteren, durd) die Synoptifer ver- 
tretenen Überlieferung gar nicht entftehen konnte, und fonft in der 
Geichichte nur unter Berufung auf dag 4. Ev. ſich hervorgewagt hat 
(oben ©. 20). Ein „Antifemit” wie diefer konnte nicht zugeben, 
dab Jeſus das Judenfeit nad) dem Geſetz gefeiert habe. — Daß den 
Gefreuzigten die Beine zerjchlagen wurden, und nur Einer von Den 
drei Gefreuzigten damit verjchont blieb, erzählt Fohannes 19, 31—36 
und das PE 4 Die Soldaten de3 Johannes konnte diejer neue 
Evangelift nicht gebrauchen, da er fie völlig und grundfählich durch 
die Juden verdrängt Hatte. Daß er aber die Verfchonung mit dem 
Beinezerichlagen dem frommen Schächer ftatt dem bereit3 verjtorbenen 
Jeſus zu teil werden läßt, ") und zwar als eine von den erbojten 

2) Harnad ©. 26. 35 erwägt unnötigerweife die durch den Kontext 
von BE. 4 völlig ausgeſchloſſene Möglichkeit, daß aud) dort Jeſus es fei und 
nicht der Schäder, dem die Beine nicht zerfchlagen wurden. 

Th. Bahn, Das Petrusevangelium. 4 


50 Das Evangelium des Petrus. 


Juden ihm zugefügte Verſchärfung feiner Strafe, ift ein unlösbarer 
Beitandteil der judenfeindlichen Umdichtung einer Erzählung des 
Lukas, worüber nachher zu reden ift. Zur Ausführung diejer ihm 
eigentümlichen Idee hat er nicht ungeſchickt, wenn auch jehr gehäſſig, 
einen johanneifchen Stoff mitverarbeitet. Wo jo handgreiflich Die 
Tendenz waltet, hat man fein Recht, ſelbſtändige Tradition zu ver- 
muten. — Das 4. Ev. jchließt mit einer Erjcheinung des Auferftandenen 
am Galilätfchen See vor Simon Petrus, Thomas, Nathanael, Jo— 
hannes, Jakobus und zwei namenlojen Jüngern, welche fi) zum 
Fiſchen anjchiden (21, 2ff.). Das PGE bricht ab im Anfang einer 
Erzählung, welche jchwerlich auf etwas anderes hinausgelaufen jein 
kann, al3 auf eine Offenbarung des Auferjtandenen und — jo muß 
man bier hinzufügen — zum zweitenmal gen Himmel Gefahrenen. 
Auch hier iſt „das (Galiläiſche) Meer” und fein Gejtade der Schau- 
platz. Auch hier iſt es nicht der ganze vorher genannte Kreis der 
12 Apoftel, jondern in hörbarem Gegenſatz zu dieſem werden einzelne 
Apoftel namhaft gemacht, wie bei Johannes. Auch hier fteht Petrus 
an der Spibe; auch hier trägt diefer feinen vollen Doppelnamen ; 
auch hier rüftet ich der Heine Kreis zum Filchfang. Von einem 
Widerſpruch, den Harnad (©. 32. 35) behauptet, aber nachzumeifen 
unterläßt, it nichts zu entdeden. Die beiden von Johannes un- 
benannt Gelajjenen fünnen die beiden außer Betrug vom BE Ge- 
nannten, Andreas und Levis, des Alphäus Sohn, fein. Die wejent- 
liche Identität der beiden Erzählungen fteht demnach außer Frage.) 
ragt man aber, wo dag Original fei, jo kann zwilchen einem Ev, 


1) Unglaubli aber wahr ift, daß Harnad S. 32 allen Ernites vermutet, 
in dem verloren gegangenen Schluß des PE werde die 1 Kor. 15, 5 (LE. 24, 
84) erwähnte Erſcheinung vor Petrus berichtet gewefen fein, und wir würden 
daran „den relativ zuverläffigiten Bericht über die erſte Erjcheinung Jeſu“ 
haben, wenn wir ihn bejäßen. Aber mo bleiben Andreas und Levis und die 
anderen vier — denn bei Johannes find e8 7 —, welche wahricheinlich nach⸗ 
gefolgt find? Waren deren „Augen gehalten“, während Petrus allein ſah? 
Und nun vollends fol das letzte Stüd des BE mit Einihluß deflen, was 
Harnads Phantaſie Hinzugedichtet bat, wahrſcheinlich „aus dem verlorenen 
Schluß des Markus” gefloffen fein (S. 33). Angefihts der umfaflenden Unter 
fuchungen, welche über ven Schluß des Markus geführt worden find, wäre es 
doch wohl angezeigt, die unwahrſcheinliche Behauptung zu beweijen, daß es 
jemals einen Markusſchluß gegeben hat, welcher jet verloren iſt. Die Petruss 


Abhängigkeit von d. Fanonifchen Ev. bl 


welches der Biſchof Ignatius von Antiochien gelefen hat, und einem 
Ev., deſſen Exiſtenz als der Erjte Biſchof Serapion bezeugt, die Wahl 
doch wohl nicht Schwer fein. Das BE fett unfer 4. Ev. mit Ein- 
ſchluß feines Anhangsfapitel3 voraus. Es fehlt auch jonft nicht an 
Zeichen der Bertrautheit des Verfaſſers mit demjelben. Zwar die 
Erwähnung des „jogenannten Joſephsgartens“ c. 6 iſt nicht dafür 
anzuführen; denn während oh. 19, 41, und zwar im N. Teftament 
nur bier, einfach 'gefagt wird, daß das Grab in einem an der 
Krenzigungsftätte gelegenen Garten lag, und nicht einmal bemerft 
wird, daß Grab und Garten Joſephs Eigentum waren (vgl. Mt. 
27, 60), wird hier von dem Garten Joſephs als einer unter diejem 
Namen befannten oder berühmten Ortlichfeit geredet.) So fann 
diefelbe aber nur genannt worden fein, weil Joſeph dort den Herrn 
begraben Hatte. Wie man in Serufalem troß aller Zerftörungen der 
Stadt noch um 150—180 den Platz zeigte, wo Jakobus erichlagen 
und begraben worden war (Eus. h.e. II, 23, 18), fo wird es auch 
eine Zofaltradition gegeben haben, welche den Begräbnisplatz Jeſu 
als Joſephs Garten bezeichnete. Es ift nicht ausgeſchloſſen, daß der 
Berfafier des PE wie andere Chriften des 2. Jahrhunderts felbjt in 
Paläftina geweſen ift, wenn er auch weit von dort zu Haufe war. 
Iſt dem fo, jo liegt darin nur ein Beweis entweder dafür, daß Die 
Eov. des Matthäus und des Johannes ſchon geraume Zeit vor Ent- 
ftehung des BE in Jeruſalem gelejen wurden, oder dafür, daß dieſe 
Eov. der jerufalemischen Tradition entiprechend berichtet haben. — 
Dagegen ift der überladene Ausdruck im Bericht über die Tränfung 
des Gefreuzigten ?) eine Folge der KRompilation von Joh. 19, 28 
mit Mt. 23, 32. 35; 27, 25 (1 Theſſ. 2, 16). Die „Furcht vor 


vifton, von welcher das PE keine Spur zeigt, wird aus einem Markusſchluß 
hergeleitet, der niemals eriftiert hat. Übrigens wäre diefe Erfheinung gar 
nicht die erfte. Nah PBE 10 ift der Auferftandene den Soldaten und den 
Auden fihtbar geworden. 

1) Bol. zum Ausdrud Lk. 19, 29, 23, 33, Mt. 23, 36; 27, 83; Joh. 5, 2 
(var. 1.); 19, 13. 17; aud Mt. 27, 8; AG. 1, 19. Das mag nur ein Un- 
geichiet der Darftellung fein, daß die Worte fo lauten, ald ob das Grad felbit 
„Joſephs Garten“ geheißen habe. 

2) BES ininowoav avra nal dreisiwoav ara ıns nepalijs airav Ta 
äuaprnuara, Joh. 19, 28 (80) irı navra Tertlsoraı, va releıwdr (al, An- 
gwIm) vᷣ yoayı. 

4% 


52 Das Evangelium des Petrus. 


den Suden“ (oh. 19, 38; 20, 19) ift BE 7. 12 romanhaft ver- 
arbeitet. An das, was oh. 11, 45 (Ieaoauevor & Enolnoev Ent- 
orevoav eis avıdy) von einigen Juden gejagt wird, muß die jehr 
ungejchidt angebrachte Motivierung der Stellung Joſephs zu Jeſus 
erinnern BE 6 (drreudn Ienoauevog nv 60a ayada Envolnoev). Un 
dag Votum des Kaiphas oh. 11, 50 ſchließt fich nicht nur durch 
ein Stichwort (ovugpe£oeı), ſondern aud) der Anſchauung nad) das 
Bekenntnis der Synedriften BE 11 an. Die zweimal verwertete 
Kenntnis davon, daß ein Getöteter nach jüdifchem Gejeb nicht über 
Nacht, insbefondere nicht in einen Feſttag hinein Hängen bleiben 
darf (c. 2. 5), verdankt das BE der Lejung von oh. 19, 31. Während 
e3 unbeanjtandet bleibt, ja jogar ftarf betont wird, daß die Juden 
ſich Hierin nad) ihrem Geſetz richten, Dürfen die Freunde Jeſu in ihrer 
Behandlung des Verjtorbenen ich nicht nach dem jüdischen Brauch 
richten (Soh. 19, 40), jondern nur nach der allgemein menschlichen 
Sitte.) Das zweimalige ragexvrrrew von der Belichtigung des 
Grabes ijt johanneisch. 2) 

Ebenſo jicher ift die Abhängigkeit des PE von Markus nach- 
zuweilen. Ein jchwerlich zu widerlegender Beweis liegt jchon in 
dem einen Wörtchen 7jv, welches mechanisch aus Mr. 16, 4 herüber- 
genommen ijt (oben ©. 39). Faſt wörtlich wird ebendort die Frage 
der Weiber aus Mr. 16, 3 wiederholt. Aus Mer. 16, 5 ftammt 
die Benennung des Engels als Jüngling, während das BE felbft 
ihn vorher nicht jo, ſondern &Kvdowrsog rıs genannt hatte (c. 11). 
Daß in diefer Bartie der Gefchichte überhaupt der Kompilator bis 
ins Heinfte fich verrät, wurde ſchon ©. 39 gezeigt. Als folcher 
zeigt er fich auch darin, daß er zuerſt c. 12 nad) Mr. 16, 6 fchreibt 
to uvnuelov Omov nv vedels, ſodann c. 13 nad) Mt. 28, 6 idaze 


1) PE 12. Ob die Einfügung der Waſchung des Leichnams (c. 6) in die 
Tradition ebenjo wie das ängftlihe Umgehen der Salbung u. dgl. (oden ©. 
36) abſichtsvoll iſt? Es ift ebenfomohl jüdiſch (AG. 9, 37), als heibnifch 
(Lucian, de luctu 11). 

2) VE 13; ebenjo zweimal Joh. 20, 5. 11. Dagegen ift Lk. 24, 12 texts 
ritifch verdächtig. Bezeichnend tft übrigens, daß nach dem PE Fein Menſch, 
jondern nur Engel ind Grab bineingehen. Die Sache darf nicht zu genau 
unterfudt werden. — Einzelheiten wären noch mande anzuführen: BE 3 
roppigav avrov negısßakov, diefe Konſtruktion aus Joh. 19, 8, das Subs 
ftantiv aus Mr, 15, 17. Ebendorther axavdvor, vgl. aber auch Joh. 19, 5. 


Abhängigkeit von d. fanonifchen Eov. 53 


vov vonov, Evda Exeıto. Unmittelbar nach der Anſprache des Füng- 
lings an die Weiber fliehen die Weiber furchterfüllt vom Grabe 
hinweg (c. 13), und damit fchließt die Gejchichte des Dftertagg — 
freilich wunderbar früh; denn es iſt noch ganz früh am Tage (c. 12). 
Aber genau fo jchließt auch das urjprüngliche Markusev. mit c. 16, 8. 
Kann etwas Harer fein, al3 daß diefer fünfte Evangelift unferen Markus 
mit diefem abgerijfenen Ausgang und ohne die verjchiedenen Anhänge 
gefannt hat, welche ſchon im 2. Jahrhundert Hinzugefügt wurden, 
um das unvollitändige Buch zu vollenden? Auch fonft fehlt es 
nicht an Spuren von Kenntnis de Markus. Nur diefer nennt 
einen „Levis, Sohn des Alphäus“ (2, 14). Wenn das BE in feinen 
festen Worten denfelben ven Apofteln zuzählt, fo hat es diefen Zöllner 
Levis mit dem Zöllner Matthäus identifiziert, was ohne Kenntnis 
und Vergleihung von Mt. 9, 9 und auch Mt. 10, 3 nicht möglich 
war; denn Lukas (5, 27) jagt ebenfowenig wie Markus, daß Levis 
ein Apoftel geworden, und aus Mt. 9, 9 für ſich, ohne 10, 3, konnte 
niemand jchließen, daß jener Zöllner, den Jeſus von der Zollbude 
weg berufen hat, mag er nun Levis oder Matthäus geheißen haben, 
in das Apoftelfollegium aufgenommen worden iſt.!) 

Damit bin ich bereit? zu Matthäus übergegangen. Cine be- 
trächtliche Zahl diefem Ev. eigentümlicher Züge kehrt hier wieder: 
das Händewajchen des Pilatus (c. 1 vgl. Mt. 27, 24), die Bei- 
miſchung von Galle (c. 5 vgl. Mt. 27, 34, oben ©. 31), der Aus- 
druck aveßonoe und der Ausruf Ad, Nil (c. 5 vgl. Mt. 27, 46); 
denn nur auf Grund diefer, abgejehen von Kleinen orthographijchen 
Differenzen, für Matthäus ziemlich geficherten, Hebräiichen Form 
und ſchlechterdings nicht auf Grund der aramätfchen Form bei Markus 
fonnte die kühne Überfegung „meine Kraft” entftehen (oben ©. 32 ff.). 
Nur aus Mt. 27, 60 war zu entnehmen, daß das Grab, in welches 
Jeſus gelegt war, dem Joſeph gehörte (c. 6), Das Belenntni des 
Hauptmannz zur Gottesſohnſchaft Jeſu und die Behauptung des 
Bilatus von feiner Unſchuld am Blute Jeſu (c. 11) find nirgendwo 
jo gleichlautend wie Mit. 27, 24. 54 zu leſen. Daß jenes Belennt- 
nis de3 Hauptmann bei einer ganz anderen Gelegenheit abgelegt 

ı) Es fcheint mir nutzlos, Wortparallelen, weldhe nicht? bemeilen, zu 
häufen: 3. B. PE 6 [dv]eilnoe oıwdor: = Mr. 15, 46, nopypigav (j. vorige 
Anm.), xevrvoiov |. oben S. 40 N. 2. 


54 Das Evangelium des Petrus. 


ift, und daß die ganze Geftalt de Hauptmann? aus der Verbindung 
mit der Kreuzigung gelöft und mit der Grabeswache vernüpft ift, 
erklärt fich völlig aus den leitenden Ideen der BE (oben ©. 40). 
Aber das Material zu der Geichichte vom Hauptmann Petronius 
ift, abgejehen von diefem Namen (oben ©. 41), der fonft nur Mt. 27, 
62—66 und 28, 1A. 11—15 zu findenden Erzählung entlehnt. 
Selbft der Wortlaut ift Hier ftellenweife bewahrt: PE 8 ve 
gulakwor 10 uviua aurov Emmi Toeis nueogas, unnore Eidwreg 
oi uadnrai airov nAeılwor aitov zul vnolapın 0 Aaog ri. vgl. 
Mt. 27, 64 (28,13). Der dunfle Ausdruck Mt. 28, 1 verleitet den 
Nacherzähler, die Auferftehung mitten in die Nacht zu verlegen und 
den jchon ©. 19 erörterten Mißbrauch des Wortes Errupwoxeıw zum 
zweitenmale fich zu jchulden fommen zu laſſen (c. 9 vgl. c. 2). 
Die ganze Gejchichte iſt freilich eine andere geworden. Aber wozu 
wäre das PE. gejchrieben worden, wenn e3 nur wiederholen wollte, 
was gejchrieben war? Wie die Paſſionsgeſchichte des PE überhaupt 
jehr kurz ift, jo fehlt auch im Vergleich mit Matthäus ſehr Wefent- 
liches. Auf das Fehlen der Heinen Epijode Mt. 27, 52 f. ift um 
jo weniger zu geben, al3 der theologifche Reflex derjelben, daß nämlich 
Jeſus zwiſchen Sreuzestod und Auferjtehung in der Totenwelt ge- 
wirft hat, in das PE übergegangen ift. Auch die Bezeichnung der 
Toten als xouwuevor ſtammt)) aus Mt. 27, 52, und der Wechſel des 
Tempus erklärt ſich aus der einfachen Erwägung, daß die Toten, 
welchen Jeſus predigte, noch Schlafende waren, ?) und dagegen die- 


) Nicht aus 1 Petri 3, 19. Harnad ©. 11. 61 ſucht künſtlich einen 
Bufammenhang mit diefer Stelle, welche überhaupt auf die altkirchlichen Bor: 
ftelungen vom Descensus ad inferos geringen Einfluß geübt hat (vgl. meinen 
Hirten des Hermas ©. 425f.), durch eine gewaltſame Tertänderung berzus 
ftellen, |. oben ©. 9,26. Und ift etwa das Ergebnis xnoVooew ünaxonv ein 
in der biblifhen und altkirchlihen Sprache erhörter Begriff? „Unleugbar“ 
nennt es Harnad ©. 52, daß dad PE mit dem 1. Petrusbrief in Zufammens 
Bang jteht! 

2) Auch ſolche beißen ja gelegentlich „die Entjhlafenen“ ol osundevres 
1 Kor. 15, 18; 1 Theſſ. 4, 14. 15, wie anderwärts xosumusvo: 1 Theſſ. 4, 13 
(nad) überwiegenber Bezeugung, vgl. 1 Kor. 11, 80). Aber erftered und vollends 
xexosunu&vos 1 Kor. 15, 20 dod nur vom Standpunkte ihrer Tünftigen Aufs 
erwedung. An mehreren Stellen, auch Soh. 11, 11 ff. ſchwankt die Übertieferung 
in Bezug auf den Text. 


Abhängigkeit von d. Fanonifchen Eor. 55 


felben Toten in dem von Matthäus vergegenmwärtigten Moment ihrer 
Auferſtehung und Erjcheinung folche, welche gejchlafen haben. Die 
Thatfache aber der leiblichen Auferjtehung und Erjcheinung Ber: 
ftorbener, welche Matthäus bezeugt, wird dem PE jchwerlich gepaßt 
haben, nad) welchem jelbft der auferjtandene Herr nur in einem 
Buftand des Übergangs vom Tod zum Leben fichtbar wird, dann 
aber ſofort zum zmweitenmal gen Hinmel fährt (c. 10. 13). 

Es bleibt nod) Lukas übrig, Aber die Vergleichung der ein- 
zigen Erzählung vom frommen Schächer Lk. 23, 39—43 mit der- 
jenigen im BE 4 läßt feinen vernünftigen Zweifel daran aufkommen, 
daß dort eine der ergreifenditen, durch ihre innere Wahrheit glaub- 
würdigjten evangeliichen Traditionen und dagegen hier eine von 
Judenhaß eingegebene Karikatur derjelben vorliegt, welche dadurch 
nicht Schöner wird, daß der Karifatıtrenzeichner auc) den 4. Evan 
geliften „Motive“ entlehnt hat.) Wer anderer Meinung ift, follte 
fie für Sich behalten. Daß in der Paſſionsgeſchichte auch Herodes 
eine Rolle gefpielt Hat, wird der in Bezug auf die gejchichtlichen 
Verhältniſſe äußerſt unwiſſende Verfaſſer auch nur aus Lf. 23, 4—16 
gervußt haben. E3 zeigte fich ferner, daß der Weheruf des Volkes 
(BE 7) auf einem durch apofryphe Zuthaten erweiterten, auch ſonſt 
während des zweiten SahrhundertS verbreiteten Tert von Lf. 23, 48 
beruht (oben ©.45). Aus demjelben Vers und dem, welcher voran- 
geht, Hat BE 8 auch die Schilderung der Neue des Volfs und das 
Wort, worin fie fich ausiprach, genommen. Wie gefchiet Hier und 
anderwärt3 die Varianten der ſynoptiſchen Darstellung von dem um 
Stoff verlegenen BE benust worden jind, wurde gleichfalls ſchon 
gezeigt. Kurz, diefer Evangelift hat allez oder ſo gut wie alles, was er 
hat, aus feinen anderen Quellen, als aus unjeren Evp.?) einerjeits 


1) ©. oben S. 29. 49. Auch der Ausdrud xaxovoyos findet fi nur LE. 
23, 32. 83. 89, nicht Mt. 27, 88; Mr. 15, 27. Auch PE 14 fann man vno- 
oro&govres und To ovußav ald Reminiszenzen an LE. 23, 48; 24, 14 be: 
trachten, vgl. Acta Joannis p. 222, 4: »Aaiwv ini To ovußeßnxorı. 

2) Um Mifverftändniffe zu vermeiden, wiederhole ih, daß ich unter 
„unferen Eov.“ weder den Textus receptus, nod einen ber kritiſch gefäuberten 
Terte von Tifchendorf oder Weftcott und Hort verftehe, jondern den jchon im 
Anfang des 2. Jahrhunderts vielfach verwilderten, weil ohne ftrenge Aufficht 
fortwucdhernden Tert unferer 4 Epv., worin viele „western interpolations“ 
eingedrungen waren. Dahin gehört eine ganze Reihe von Erweiterungen und 


66 Das Evangelium des Petrus. 


und aus feiner Phantafie und vorgefaßten Ideen anderſeits. Daß 
ihm der Unterjchied dieſer beiden Quellen wohlbewußt tft, zeigt fich 
c. 10 deutlich. Nachdem c. 8 lang und breit erzählt iſt, daß Die 
Synedriften mit den Soldaten unter ihrem Hauptmann zujammen 
bei der Schließung, Verjiegelung und Bewachung des Grabes be- 
teiligt geweſen find, wird c. 10, wo gejagt wird, daß die Soldaten 
den Hauptmann und die Synedriften weden, mit Bezug auf Die 
Synedrijten erflärend hinzugefügt: ragjoav yap xal auroi Yulao- 
oovres. Sonft konnte man fie freilich nicht weden. Aber fein Er- 
zähler wird die an fich überflüffige Bemerkung machen, wenn er 
nicht eine andere Darftellung fennt, welche die Anweſenheit der 
Synedriften entweder auszufchließen fcheint oder wirklich ausſchließt. 
Ein Fall erfterer Art Liegt vor Joh. 3, 24; der zweite Fall liegt 
bier vor. Der 5. Evangelift gibt unwillfürfich zu erkennen, daß Die 
Überlieferung, von der er lebt, nur von römifchen Soldaten als 
Grabeswächtern redet, und daß er die jüdifchen Ülteften zugedichtet 
bat. Hat derjelbe jeinem Buch den Titel evayyelıov xara Tlergov 
gegeben (oben ©. 17), jo bezeugt er auch damit feine Abhängigkeit 
vom Evangelium der Kirche; denn diefer Ausdruck ſetzt ein aus 
mehreren Büchern bejtehendes Gefamtevangelium voraus, welches in 
feinen einzelnen Zeilen auf die Auftorität der mit xara eingeführten 
Evangeliften zurüdgeführt wird, ') umd von einer anderen, aus 
mehreren Schriften verjchiedener Verfaſſer bejtehenden Cvangelien- 
ſammlung außer dem Kanon unferer 4 Evv. weiß die Gefchichte nicht2. 


Umgeftaltungen, melde Marcion bereits vorgefunden und fi zu nutze gemadt 
bat (Geſch. des Kanons I, 637f.; 674 A. 2; 680 X. 1; 681f.; II, 471. 492. 
494. 1015); ferner das, was Irenäus und Tertullian als einzigen Text von 
Sob. 1, 13 kannten; aud die 6 Weiber, von weldhen Heralleon Joh. 4 las, 
und die 7 Krüge in Joh. 2 bei dem lateinischen Theophilus. Eine beſonders 
ergiebige Duelle von Zudichtungen war die Vergleichung altteftamentlicher 
Stellen, in welchen man Weisfagungen auf die evangelifche Geſchichte erblidte, 
ſ. oben S. 30f. und S.42. Manches diefer Art mag zur Zeit der Entftehung 
des BE nur erft als Gloſſe am Rand der Ev. geftanden haben, was dann 
fpäter in den Text eindrang, foweit es nicht gänzlich aus ber Überlieferung 
verſchwand. Ein intereflantes Beifpiel hat Robinfon S. 20 A. 1 ans Lidt 
gezogen. Fakt man in BE 5 die Worte 7» dE zeonußoia und die weiter 
folgenden vowibovres örı vuF dorıy, Ensoav ve zuſammen, fo ergibt fi als 
Duelle Sefaja 59, 10 xai neoouwraı dv ueonußpla ws Ev ueoovvxrig,. 
„) Vgl. Geſch. d. Kanons I, 164ff.; II, 629. 


Die Pilatusaften. 57 


V. Einfluß des Petrusevangeliums auf die Firchliche 
Litteratur. 


Ehe aus den bisherigen Erörterungen Schlüſſe in Bezug auf 
Beit und Ort der Entjtehung des BE gezogen werden, empfiehlt es 
ſich zuzuſehen, ob wir Spuren feiner Einwirfung auf andere Schrift- 
fteller entdeden können, woraus fich dann möglicherweije neue Meittel 
zur Beftimmung der Abfafjungszeit ergeben würden. Die unfirchliche 
Ehriftologie des PE und fein Gebrauch in der außerkirchlichen Sefte 
der Dofeten zu Antiochien jchließt nicht aus, daß das Buch, wie es in 
Rhoſſus vielleicht mit einigem Erfolg verfucht wurde, auch in die 
Hände von Katholifen gejpielt und nicht wenig von  folchen 
gelejen wurde. Die ſtark gnoſtiſch gefärbten apokryphen Apoftel- 
geichichten find früh und lange von Katholifen gelefen worden. 
Drigenes läßt die Wahl, ob die unter Katholifen verbreitete und 
von ihm jelbit begünitigte Meinung von der ewigen Jungfräulichkeit 
der Maria aus dem BE oder aus dem PBrotevangelium des Jakobus 
gefloſſen ſei. Alfo wurde jenes wie dieſes im 3. Jahrhundert von 
manchen Katholifen gelefen. Wir find daher berechtigt, nach Spuren 
des Einfluffes des BE in der Tatholifchen Litteratur zu fuchen. 

Wenn die Unterjuchungen von Tiſchendorf und Lipfius über 
die fogenannten Alten des Pilatus und das Ev. des Nikodemus zu 
einem glaubwürdigen und Haren Ergebnis geführt hätten, jo würde 
e8 vielleicht von Wichtigkeit fein, daß in den PBilatusaften, wenn 
auch nicht in allen Rezenfionen dezfelben gleich ftarfe, Übereinftim- 
mungen mit dem BE vorhanden find, welche nicht zufällig fein 
können.“) Die Schrift fteht ganz unter der Herrfchaft der kanoniſchen 
Evv., verbindet aber mit denfelben mannigfache apokryphe Über- 
Tieferungen, ?) welche fich teilweife mit jenen nicht zu einem harmo- 
nifchen Bilde zufammenschließen wollen. Vom Einfluß des BE zeugt 


1) Wenn Harnad ©. 86 X. 2 behauptet, das Ev. des Nifodemus babe 
mit dem BE nichts zu ſchaffen, fo ſpricht er wieder einmal über Dinge ab, 
die er nicht Fennt. 

2) Bgl. über das Berhältnis zum Markusfchluß Geſch. d. Kanons II, 937. 
Zu beachten ift unter anderem Berenife, das blutflüffige Weib, Ev. apocr. 
ed.? Tischendorf p. 239. 289. — Ein Anllang an BE 1 wurde fchon oben 
©. 26 A. 2 angemetlt. 


58 Das Evangelium des Petrus. 


ſchon die übertrieben günjtige Schilderung des Pilatus. Deutlicher 
find folgende Übereinftimmungen: Gegen die kanoniſche Darstellung 
wird dem Herrn die Dornenfrone erjt nach der Hinausführung nad) 
Golgatha aufgelebt.) Die Bermengung der beiden Tränfungen 
und Die Fabel von einem aus Galle und Eſſig gemischten Tranf 
findet fi) aud) bier.) Das Bud) berichtet von Ericheinungen 
des Auferftandenen nur in Galiläa, wohin auch die Hinmel- 
fahrt verlegt wird.) In der von Tiichendorf mit B bezeichneten 
Nezenfion werden die Einflüffe de8 PE deutlicher. Hier find es 
nämlich ganz wie im BE nicht die römischen Soldaten, fondern die 
Suden, welche nach der endgültigen Verurteilung Jeſu, bier durch 
Pilatus, die Mißhandlung und Verhöhnung Jeſu und die Aufrich- 
tung de Kreuzes, kurz die ganze Erefution mit Einſchluß der vom 
PE Hiermit verbundenen Mißhandlungen bejorgen (p. 302 f. 305). 
Nur die Kleiderverlofung bleibt den Soldaten vorbehalten. Wie 
PE 2 wird auch hier am Tage der Kreuzigung der folgende Sabbat 
„das Feſt der Azyma“ genannt und ebenjo beharrlich wie dort der 
Auferftehungstag 7 xvguann (p. 315. 316). Die Grabeswache Hat 
hier zwar feinen Hauptmann, da nach der Fanonifchen Überlieferung 
der Hauptmann unter dem Kreuz beibehalten iſt, aber die Grabes— 
wache befteht doc) aus 50 Soldaten (p. 316), ſo daß fie wohl einen 
Hauptmann gebrauchen könnte. Das Merkwürdigite aber ift, daß 
bier das Bekenntnis des Hauptmanns nach der Relation Lk. 23, 47 
den jüdischen Volt und dasſelbe Bekenntnis in der Form, welche 
es Mt. 27, 54 hat, den Hauptmann in den Mund gelegt ift (p. 309), 
ganz wie BE 8. 11, auch was die Reihenfolge anlangt; nur find 
beide Befenntniffe Hier dicht aneinander gerüdt. Da diefe unzwei- 
deutigen Einflüffe des BE nur in der zweiten Rezenfion der Pilatus- 
akten fich finden, iſt damit ein Hilfsmittel zur Kritif diefer Litteratur 
gegeben. Für das PE dagegen ijt vorläufig aus den Pilatusaften 
fein ficherer Gewinn zu ziehen. Auf Beziehungen zwiſchen der ſo— 
genannten Anaphora, dem Bericht des Pilatus an Tiberius, und 


1) Tiſchend. p. 246; dad ift eine Berbeflerung der Darftelung PE 3, 
wonach es unterwegs gejchehen fein jol. 

2), Tifhend. p. 246. 283. In der Rezenfion B nur einmal p. 807, cf. 
BE 5 und oben ©. 31. 

3) Tiihend. p. 257. 259ff. 262. 264. 279 zc. 


Die Didaffalia. 59 


dem BE hat Schon Robinfon (5.20. 26) aufmerkſam gemacht. Es wird 
hier dem Herodes und zugleich feinen Brüdern Archelaug und Bhilippus 
wenigſtens neben den Hohenprieftern ein bedeutender Einfluß auf 
die Verurteilung Jeſu zugefchrieben, wenn auch Pilatus der Richter 
bfeibt, welcher den Befehl zur Kreuzigung gibt (Tiichendorf ©. 439. 
446). In einer der beiden Nezenfionen diefer Schrift beruft ſich 
Pilatus darauf, daß man am Tage der Kreuzigung von der 6. big 
zur 9. Stunde in der ganzen Welt Lichter angezündet Habe, eine 
offenbare Steigerung de in BE 5 von Judäa und den Juden 
Erzählten (Tiichendorf ©. 446 f). Die Erzählung des PE (oben 
©. 20), wonach die Auferjtehung Jeſu ziemlich früh in der Nacht 
vor dem Sonntag erfolgt jein joll, wird mit der kanoniſchen Er- 
zählung, wonach fie kurz vor Sonnenaufgang erfolgt ift, durch das 
Wunder ausgeglichen, daß um die 3. Stunde der Nacht die Sonne 
in ihrem hellſten Lichte ſtrahlt (Tiſchendorf ©. 440. 447). Das 
Wirken des gejtorbenen Jeſus unter den „Schlafenden“, wovon dag 
PE berichtet (c. 10), wird hier und in diefer ganzen Litteratur mit 
den Erjcheinungen auferjtandener Heiligen nach Mt.27,52 fombiniert.') 

An die Pilatuglitteratur jchließt ſich paſſend ein anderes apo- 
kryphes Werk an, die nur in ſyriſcher Überfebung erhaltene Ur- 
geitalt der apoftolischen Stonftitutionen, ein während des 3. Jahr— 
hunderts wahricheinlich im Umkreis von Antiochien gejchriebenes 
Bud. Es nennt Sich ſelbſt im Titel und ähnlich an anderen 
Stellen „Didaffalia d. i. fatholifche Lehre der 12 Apoftel”,”) und 


1) Tiſchend. S. 323 ff. 440ff. 447f. Es Handelt fich bier überall um 
eine Predigt nicht an diejenigen, welche einft ungehorjam gemejen find (1 Petri 
3, 19f.; 4, 6), jondern an die Frommen des alten Bundes, wie bei Ignatius 
Magn. 9; Philad. 5, 9; Herm. sim. IX, 15. 16 und auf Grund eines apos 
tryphen Jeremiaſpruchs Just. dial. 72, Iren. III, 20, 4; IV, 22, 1 (wo vers 
möge einer allegorifhen Deutung und im Sinne von Ign. Magn. 9 die 
Frommen der Vorzeit „Ichlafende Jünger“ Jeſu heißen); IV, 27, 2 (nad 
Lehre der Senioren); 33; 1. 12; V, 31; 1. Sn ausgeſprochenem Gegenſatz zu 
Marcion, weldher nur die im A. Teftament als gottlos Dargeftellten durch den 
Descensus erlöft werden ließ, Iren. I, 27, 3. 

2) Didascalia syr. ed. Lagarde p. 1,1; 102, 7. Das Beite, was wir 
bisher darüber befigen, findet fich bei Funk, Die apoft. Konftitutionen (1891) 
S. 28ff. Die dort S. 27 in Ausficht geftellte neue Ausgabe läßt noch auf 
fih warten. Die Seitens und Zeilenzahlen oben im Tert beziehen fih auf 
die genannte Editio princeps des fyrifchen Textes. 


60 Das Evangelium des Petrus. 


ijt in der That in Bezug auf Lehre und Firchliche Abficht ein Tatho- 
liſches Buch. Anderfeits ift es eine Litterarifche Fiktion in ganz 
anderem Sinne als die alte „Lehre der 12 Apoftel“, welche es zur 
Vorausſetzung hat und vom Titel an ausbeutet. Auf dem Apoftel- 
fonzil wollen die in der ganzen Didaffalia in erjter Berfon redenden 
Apoſtel den Beichluß zur Abfaffung diefer Didaſkalia gefaßt und in den 
eriten Tagen nad) demjelben wollen fie diefen Beſchluß ausgeführt, 
das Buch gejchrieben haben (©. 102, 6; 104, 27). Damit ift fchon 
gegeben, daß der Verfaſſer fi) an die heiligen Schriften der Kirche 
feineswegs in dem Maße bindet, ala es nach gelegentlichen Äuße— 
rungen zu erwarten wäre.!) Der Bericht der Apoftelgeichichte über 
jenes Konzil wird nicht nur aus anderen Stellen der Apoftelgefchichte 
wie aus AG. 10, worauf AG. 15, 7 deutlich genug hingewieſen 
wird, erweitert, ſondern durch eine Menge willfürlichiter Zudichtungen 
verunftaltet. Der Verfaſſer ift nicht in allem Erfinder. Er hat 
auch eine beträchtliche Zahl apofrypher Schriften benutzt. Nicht aus 
dem ehrlichen Hegefippug, fondern aus den alten Paulusaften und 
zwar näher aus der darin eingejchloffenen apokryphen Korreipondenz 
des Paulus mit den Korinthern wird die Didafkalia haben, was fie 
über Simon und Kleobiog jagt.) Die drei eriten Srrlehren: Ver- 
werfung des A. Teitaments, Läfterung Gottes des Allgewaltigen 
und Leugnung der Auferjtehung hat die Didaffalia aus dem apo- 
kryphen Brief der Korinther an Baulus, wo fie in gleicher Reihen- 
folge ftehen, abgejchrieben.?) Die Berufung auf die Sibylle hat an 
dem Paulus der Baulusaften wenigjteng einen Vorgänger.) Nur 
aus Nüdficht auf die Theklaakten weiß ich mir dag auffällig zurüd- 
baltende Urteil über das Taufen der Weiber zu erklären.) Im 


1) 3. B. p. 87, 18, was LZagarde (Bunsen, Analecta Antenic. II, 811) 
griechiſch ſo wiedergegeben hat: xas xvosnxas za Felus yonyas, ra aindıva 
ns niorews Tumv Yeutkıa, 

2) ©. 101, 4, vgl. Geſch. d. Kanons II, 596. 611. 890. 

3) Did. S. 101, 15f., vgl. Geſch. d. Kanons II, 597. 

*) Did. S. 83, 15, vgl. Geſch. d. Kanons II, 879. (827f. U. 2). 

5 Did. S. 67, 19f. Der Redaktor const. III, 9 Hat einige Ausdrücke 
ftehen laflen, namentlich da8 milde od avußovievousv, womit fi dann aber 
die ſehr verjhärfte Verurteilung ſchlecht verträgt. 


Die Didaffalia. 61 


dDiefen und wohl auch noch in mehreren anderen Fällen?!) Handelt 
e3 fi) um orthodore Apokrypha. Aber auch vor jehr heterodoren 
Schriften diefer Art trug der Berfafjer wenig Scheu. Wenn er 
©. 100, 20 ff. erzählt, daß die von den Apofteln in Jeruſalem 
verrichteten Wunderheilungen und die Mitteilung de3 heiligen Geiftes 
durch ihre Handauflegung Simon den Magier zu jeinem Beitechung3- 
verfuch veranlaßt haben,?) jo ift hier offenbar in die übrigens nad) 
AG. 8 gegebene Geichichte ein Zug aus den gnoftilchen Petrusakten 
eingemifcht, welche Serujalem zum Schauplag der Begegnung des 
Simon Magus mit den Apojteln machen und nur die dort ver- 
richteten Wunderheilungen al3 jein Motiv nennen. In der Didaffalia 
ift diefeg Motiv mit demjenigen, welches die AG. nennt, mechanisch 
verbunden. Geradezu wagt die Didaſkalia hier den kanoniſchen Be- 
richt nicht umzuftoßen, aber jeder Lejer, der jenen nicht genau im 
Gedächtnis Hat, kann nicht? anderes verftehen, als daß die Gejchichte 
in Serufalem und nicht in Samaria gejchehen fei, zumal gleich darauf 
vom Auszug der Apoftel zur Heidenmilfion gejagt wird. Aus den- 
jelben Petrusakten Hat die Didaffalia auch ihre Kunde vom Kampf 
des Petrus mit Simon Magus in Nom. ?) 

Nach diejen Analogien ijt auch das Verhältnis der Didaffalia 
zu den Eov. zu beurteilen. Wenn ein Schriftiteller des 3. Jahr—⸗ 
hunderts, welcher fich überall und mit Nachdruck zu der „heiligen 
fatholiichen Kirche“ befennt,*) von „dem Ev.“ redet, welches neben 
und Hinter Geje und Propheten im Gottesdienst der Fatholifchen 


1) Ein dur „eyoarrar eingeleitetes Citat zur Begründung der Regel, 
daß der Beter fih nah Dften fehre, Did. S. 56, 22, ift const. II, 57 ed. 
Lagarde p. 87, 4 des Charakters als Citat beraubt und auch fonft verftüm: 
melt. Fragweiſe aber vergeblich verglich Lagarde Pi. 68, 19. Es ift aus Pi. 67 
(bebr. 68), 34 genommen. 

2) In const. ap. VI, 7 ift die apofryphe Zuthat getilgt und dafür bie 
biblische Erzählung vollftändiger angeführt. Vgl. dagegen Acta Petri etc. ed. 
Lipsius p. 71, 14: Dic, Simon, non tu Hierosolymis procidisti ad pedes 
mihi et Paulo (fo ftatt Joanni), videns per manus nostras remedia quae 
facta sunt etc. Vgl. oben ©. 48 N. 2. 

3) Did. S. 101, 6—13, vgl. Geſch. d. K. II, 848 9. 1. 

*) ©. 55, 28; 106, 24; außerdem manchmal „die katholiſche“ und „bie 
beilige Kirche”. 


62 Das Evangelium des Petrus. 


Kirche gelefen wird, ') und wenn er nicht wenige Worte Ieju und 
Geſchichtsthatſachen aus „dem Ev.“ citiert, jo weiß man, was das 
heißt. Denn abgejehen von dem Diateffaron der fyriichen Kirche 
und dem Hebräerev. der nazaräiichen Gemeinden, welche leßteren Der 
Berfaffer übrigens jchwerlich zur katholiſchen Kirche gerechnet haben 
würde, war damals befanntlich in allen katholiſchen Gemeinden 
wenigſtens jeit einigen Mtenjchenaltern fein anderes Ev. in gottes- 
dienftlichenn Gebrauch als dag „vierfaltige Ev." des Irenäus, des 
muratoriichen Fragmentiſten, des Clemens von Alerandrien u. |. w. 
Das Selbitverjtändliche bejtätigt die Didaffalia auch für den Kreis, 
welchem fie entſtammt, durch eine beträchtliche Zahl mehr oder 
weniger genauer Citate und eine namentliche Anführung des Mat- 
thäus.“) Das Hindert aber den Verfaſſer nicht, einige in diefem Ev. 
nicht enthaltene evangeliiche Traditionen ſich anzueignen und aud) 
den Inhalt der Fanonifchen Evv. auf das freiefte zu verwerten. 
Mt. 7, 6 fol den Witwen und den Laien gejagt fein (S. 63, 21), 
Mt. 18, 18 den Bilchöfen (S. 15, 14). Aus der Barabel Mit. 18, 12 
wird ein in direkte Redeform gefleidetes Gebot Jeſu formuliert (S. 26,1). 
Aber die 12 Apoftel, welche in diefem Buch reden, dürfen nod) Fühner 
jein. Sie citieren eine feitenlange Rede, welche Jeſus ihnen gehalten 
haben joll, als er ihnen nach der Auferftehung erjchien.?) Was 
davon zu Halten fei, zeigt der Schluß diefer Rede, wo der Herr id) 
jelbjt nach dem gefchriebenen Ev. citiert, ein Mißgriff, wie er ähnlich 
bei Marcion ſich findet. Wichtiger ift, daß der Verfaſſer Hier ein 
deutliche8 Bewußtſein darum verrät, was er aus „dem Ev.” Hat, 
und was er ſelbſt dazu dichte. Wenn er Stüde citiert, welche im 


1) S. 98, 7, vgl. S. 4, 12. ff.; 12, 1ff. = const. ap. 1,5; Il,5; V, 19. 
Die Citationsformeln find: „der Herr jagt im Evangelium“ ©. 63, 21; 72,6; 
oder „was von dem Herrn gejagt ift im Ev.” ©. 49, 22; oder „wie im Ev. 
geichrieben fteht, und wiederum ift bei David gejchrieben” ©. 88, 26. 

2) S. 88, 20 „Im Ev. aber des Matthäus ift jo geichrieben“. Da bie 
Syrer die Form xara Mardaurov niemals buchſtäblich genau wiedergeben, wird 
fie hier im griechiſchen Driginal doch nicht gefehlt haben. 

23) S. 89,2 — 90,4 = Bunsen, Anal. II, 313 8. 8 v. unten bis 315 
3. 7. — Der Schluß lautet: „Darum babe ich euch im Evangelium zuvor ges 
fagt: Betet für eure Feinde, und felig find, die fich Über den Untergang derer, 
die nicht glauben, betrüben“. In Bezug auf Marcion vgl. Geſch. d. Kanon 
1, 687. 716. 


Die Didaffalia. 63 


3. Sahrhundert ſicherlich in feinem kirchlichen Evangelienbud) ftan- 
den, wie den berühmten Spruch „Werdet tüchtige Geldwechsler“ oder 
die Perifope von der Ehebrecherin (oh. 8, 1—11), enthält er ſich 
jeder fürmlichen Citationzformel.”) So auch an den Stellen, wo er 
fih mit dem PE berührt. Eine eigentümliche Dfterfaftenfitte be- 
gründet die Didaſkalia durd) eine höchſt fonderbar erfundene Chrono- 
Iogie der Paſſionsgeſchichte im Verhältnis zum jüdischen Paſſah, 
welche ebenjo wenig in irgend einem Ev. zu leſen gewejen fein wird, 
wie die lange Nede Jeſu, worauf diejelbe Sitte in erfter Linie ge- 
gründet wird. Doch jcheint ſchon vor dem Eintritt diefer Nede Jeſu 
eine Verwandtſchaft der Anjchauung mit dem PE ſich darin zu ver- 
raten, daß Jeſus nur die drei erften Stunden der Nacht zwifchen 
Sabbat und Sonntag im Grabe gelegen, aljo jchon vor Mitternacht 
auferjtanden jein joll (©. 88, 24, vgl. oben ©. 59), und auch darin, 
daß es ©. 87, 26 heißt: „Faſtet und betet für Die, welche verloren 
gehen, wie auch wir (die Apoftel) thaten, als unjer Heiland litt.“ 
Denn daß die Apojtel damals nicht nur getrauert und geklagt, fon- 
dern auch gefajtet haben, Tieft man BE 7. Dies fehrt wieder ©. 93, 
5 ff.: „Am Freitag aber und Sabbat jollt ihr vollfommen falten 
und nicht? genießen . . . bis zur dritten Stunde der Nacht nad) 
dem Sabbat, und dann jollt ihr das Faſten endigen; denn jo haben 
auch wir gefajtet, als unſer Herr litt.“ Es gilt ein Falten und 
Beten um Siündenvergebung für da3 jüdiiche Volk, welches ſich an 
Jeſus Schwer verfündigt hat. „Denn jener Heide und Fremdling, 
der Richter Pilatus, willigte nicht ein in ihre böſen Thaten, jondern 
nahm Waſſer und wujch fich die Hände und ſprach: Sch bin un- 
ichuldig am Blute dieſes Mannes! Das Volk aber antivortete und 
ſprach: Sein Blut fomme über ung und unfere Kinder. Und es 
befahl Herodes, daß er gefreuzigt werde; und es litt unjer Herr am 
Freitag.” Das kann ſchwerlich ein Schriftiteller des 3. Jahrhundert? 
aus eigener Erfindung gejchrieben haben, nachdem ſchon im 2. Jahr⸗ 
Hundert gefchrieben war, was wir BE 1 lejen. Die Didaffalia hütet 
fi) wohl, die apofryphe Erzählung fich vollftändig anzueignen. Sie 
nennt den Herodes nicht König, fie jet den Pilatus auch nicht ab, 

1) ©. 42, 29: „denn ihnen (den Biſchöfen) ift gejagt”; S. 81, 1 „daß 
du thueſt, wie auch er (Jeſus) gethan hat jener Sünderin, welche die Pres⸗ 
byter vor ihn geftellt Hatten“ u. f. w. 


64 Das Evangelium des Petrus. 


ſondern bezeichnet ihn als den eigentlichen Richter.) Sie jagt aud) 
nicht? von dem vergeblichen Verſuch der jüdischen Richter, fich gleich 
Pilatus die Hände zu wajchen. Sie macht es vielmehr gerade jo 
wie mit der Gejchichte des Simon Magus im Verhältnis zur AG. 
und den gnoftiichen Petrusatten (oben ©. 61). Ohne die fanonifche 
Erzählung umzuftoßen, läßt fie die apofryphe und überdies hetero- 
-dore Tradition einfließen. 

Was macht nun Harnad aus dem hier dargelegten Thatbeitand ? 
Obwohl er, abgejehen von Sournalartifeln, welche urbi et orbi die 
große Entdedung — ich meine die des Herrn Bouriant — verfün- 
digt haben, binnen weniger Wochen jchon zwei gelehrte Ausgaben des 
PE veranftaltet Hat, hat er es für unnötig gehalten, bei einem 
Manne, der ſyriſche Buchjtaben leſen kann, ſich danach zu erfundigen, 
was denn eigentlich in der Didaffalia ftehe, und pocht nun ©. 41 
auf Worte, wie Tooch und Howöng 6 Baoıkevg, weldje gar 
nicht in der Didaffalia ftehen!?) Ebendort ſpricht er — natürlich in 
gejperrter Schrift — das große Wort aus: „Daß dag Didajfalia- 
Evangelium das Petrusev. ist, Scheint mir nach diefer Stelle zweifel- 
108." Das foll natürlich nicht heißen, was bei vernünftiger Schreib- 
weile der Sinn diefer Worte fein müßte, in der That aber das 
Allerunvernünftigfte wäre, daß das PE dasjenige Bud) fei, welches die 
Didaffalia ſelbſt „Das Ev.“ nennt, dag Ev. der „katholiſchen Kirche“ 
um 230 oder 260. Es iſt vielmehr eins jener Phantome gemeint, 
welche fich infolge Mangels aller wirklichen Kenntnis der Gejchichte 


1) Die aus dem Text der griechischen Konftitutionen bergeftellte Didascalia 
purior in den Anal. anten. II, 320 ift Bier wie an vielen Stellen nicht ala 
Nüdüberfegung zu gebrauden. Der Redaltor const. ap. V, 19 p. 151, 5 
fombiniert die apofryphe Tradition mit der kanoniſchen: xal Ilslaros ö nye- 
kwv xai ö Aacıkevs “Howöns Extlevoav avrov aravewsivar. — Die Didaſtalia 
enthält den Titel Baoslsvs gar nit. Auch in der Glaubenäregel ©. 121, 2 
bleibt dem Pilatus jeine maßgebende Stellung, obwohl aud dort wieder ein 
Einfluß von BE 10 zu bemerken ift: - „Sejus Chriftus der Nazarener, welcher 
in den Tagen des Pontius Pilatus gekreuzigt ward und entſchlief, damit er 
dem Abraham und dem Iſaak und dem Jakob und allen Heiligen dad Ende 
der Welt und die Auferftehung der Toten verfündige, und welcher auferftand 
von den Toten” u. |. w. 

2) Dabei kennt, citiert und rezenftiert Harnad das Buch von Funk, wo 
doch ©. 27 deutlich gejagt iſt, was von der Didascalia purior zu halten ſei. 


Aphraates und Ephraim. 65 


und Litteratur der alten Kirche und infolge eines womöglid noch 
größeren Mangels an wifjenchaftlicher Zucht und Übung im Sopfe 
von A. Reſch gebildet haben. Gehen wir weiter! 

Bei dem Syrer Aphraates um 340 wird einmal ein am Dfter- 
morgen gefprochenes Wort der Engel an Maria Magdalena ange- 
führt, welches beinahe gleichlautet mit dem PE 13, nämlich: „Er 
iſt auferjtanden und Hingegangen zu dem, der ihn gejandt hat.” *) 
Steht nun feft, daß Aphraates mindeſtens hauptſächlich und regel- 
mäßig ala „Evangelium Chriſti“ dag Diateſſaron benutzt Hat, ®) fo 
Ihien auch diefes apofryphe Wort dem Diateffaron anzugehören, 
und dies um jo mehr, als auch Ephraim in feinem Kommentar 
über dag Diateffaron von einer nicht den Weibern überhaupt, fon- 
dern fpeziell der Maria Magdalena zu teil gewordenen Verkündigung 
der Auferftehung jagt, welcher fie feinen Glauben gejchenft habe. 
Tach Aphraates und Ephraim muß diefe Meldung im Diateflaron 
entweder an Joh. 20, 2, oder, was wahrjcheinlicher ift, an Joh. 
20, 13 angejchlofjen geweſen jein. Sollen wir nun annehmen, daß 
Ihon Tatian an diefer Stelle, der einzigen, die wir bei ihm nach— 
weilen fünnen, eine Anleihe beim BE gemacht Habe? Das ift von 
äußerfter Unmwahrjcheinlichkeit. Wie flüchtig gegen Ende feines Kom- 
mentars Ephraim verfährt, und wie lüdenhaft infolgedeffen unſere 
Kenntnis der Paſſions- und Leidensgejchichte des Diateſſarons ift, 
jo genügt doch ein Bli auf die ficher überlieferten Elemente derfelben, 
zu zeigen, daß fie ganz und gar auf den kanoniſchen Evv. beruht und 
die Darftellung des PE in allen ihren Eigentümlichkeiten ausſchließt. 
Insbeſondere die unmittelbare Verbindung von Auferftehung und 
Rückkehr zum Vater ift durch das im Diateffaron gleich darauf 
folgende Wort aus ob. 20, 17 vollfommen ausgeſchloſſen.)) Die 
oder eine Engelverfündigung von der Auferftehung Jeſu Speziell an 
Maria Magdalena gerichtet fein zu laſſen, war für jeden Harmo- 


1) The homilies of Aphraates ed. Wright p. 384f., vgl. meine For: 
fhungen I, 217f., auch Berts Überfegung des Aphraates S. 321f., welcher 
fi faft zu enge an mich anſchließt. Auf das Zuſammentreffen mit dem PE 
hat bereits Robinſon S. 29 hingewieſen. 

2) Bgl. Forſchungen I, 73—89; Geſch. d. Kanons I, 896 404. 

3) Bol. Möſinger S. 269f.; Sorfe. I, 217 und überhaupt die ganze 
dortige Erzählung in 85 91—98 ©. 210ff. und Geſch. d. Kanons II, 558. 

TH Zahn, Das Petrusevangelinm. 5 


66 Das Evangelium des Petrus. 


niſten beinahe unvermeidlich, weil einerfeit3 in der ſynoptiſchen Er- 
zählung dieje die erjte Stelle unter den Weibern einnimmt (Mt. 28, 1; 
Mr. 16, 1), und anderfeit3 aus Joh. 20, 2, wo fie allein auftritt, 
doch zu erkennen ilt, daß andere Weiber außer ihr wejentlich 
dag Gleiche erlebt Haben (oldauev). So muß alfo auch die Magda- 
lena wejentlich das Gleiche gefehen und gehört Haben, wie die an— 
deren Weiber. Die durch Ephraim nicht bezeugten Worte bei 
Aphraates: „und er it Hingegangen zu dem, welcher ihn gejandt 
hat,“ können aljo nicht im Diatefjaron gejtanden haben, jondern find 
eine Zuthat des hier wie überall frei aus dem Gedächtnis citierenden 
Schriftſtellers. Aphraates Hat auch ſonſtige Traditionen benußt, 
welche er nicht aus dem Diateffaron oder anderen biblilchen Quellen 
geihöpft Hat.) Wenn ich nicht irre, zeigt ji noch an einer anderen 
Stelle des Aphrantes eine Beeinfluffung durch das PE. In der 
Abhandlung über das Paſſah fagt er von der Nacht vom Sabbat 
auf den Sonntag ganz jo wie BE 9: „in der Nacht, da der Sonn- 
tag anbrach“.“ Wer länger jucht, wird bei Aphraates und auch 
bei Ephraim ?) noch mehr Berührungen mit dem BE finden, als ich 
bisher fand. Inzwiſchen darf es als wahrjcheinlich gelten, daß unter 
anderen Apofryphen auch das BE während des 4. Jahrhundert? von 
orthodoren Syrern gelefen worden und die Quelle einiger apokrypher 
Traditionen in jenen Kreifen geweſen iſt. 

Bon Tatian, dem Harnad alle Berwandtichaft mit dem PE abjpricht 
(S.36 4.2), wende ich mich zu Juſtin, von welchem Harnad es für 
ziemlich gewiß erflärt, daß er eg nicht nur gefannt, ſondern auch unter 
feinen „Apomnemoneumata” gehabt habe (S. 37 — 40). Was nun dag 
Letztere anbelangt, jo muß man fich gegenwärtig Halten, daß Juſtin 
unter den drrouynuovevuma zuv drsoorolwv nicht irgend welche 
evangelifche Erzählungen verjteht, jondern die, wie er jelbit jagt, 

1) Forſchungen I, 84 X. 3; ©. 86f. 241f.; Geſch. d. Kanons II, 561. 

2) Ausg. von Wright S. 229; Bert S. 194 und oben ©. 20. In ders 
jelben Abhandlung ſchließt er fidy bei Berechnung der drei Tage des Totjeins 
Jeſu teilmeife an die Didaſtkalia an. 

?) Unter den apokryphen Traditionen bei diefem fcheint mir bejonders 
die vomanhafte Ausfhmüdung zu LE. 18, 1—5 bei Möfinger S. 165 ganz den 
Geift des PE zu verraten. Die nahmalige Verſöhnung zwifhen Pilatus und 


Herodes, deren Ephraim dort gedenkt, Tann dem Anfang des auf uns ges 
fommenen Fragments des BE unmittelbar vorangegangen fein. 


Juſtinus. 67 


gewöhnlich „Evangelien“ genannten Bücher, welche zu feiner Zeit, 
um 150, überall in der Kirche, alſo vom Standpunft des Juſtinus 
mindeſtens in Rom und in Epheſus, im fonntäglichen Gottesdienft 
neben den Schriften der Propheten gelejen wurden. Daß zu dieſen 
Evv. der Kirche um 150 das PE gehört Habe, ift angefichts der 
Zeugniſſe des Irenäus, welcher damals ein Mann, und des mura- 
torifchen Fragmentiſten, der damals geboren war, eine der Behaup- 
tungen, welche darum nicht weniger abjurd find, weil man fie troß 
aller Widerlegungen immer wieder vorzutragen für fchieflich Hält, 
ohne auch nur einen Verſuch zu machen, ung anderen die Ent- 
widelung oder vielmehr Revolution begreiflic” und anſchaulich zu 
machen, welche aus der Kirche von 150 die Kirche von 180 gemacht 
haben fol. Die vorliegende Behauptung ift um fo unglaublicher, 
al3 Juſtin unter feinen „Erinnerungen der Apoſtel“ auch „Erinnerungen 
des Petrus“ gehabt hat, deren Identität mit unferem Markus be- 
wiejen worden ift.”) Dazu kommt, daß man nicht weiß, wie alt 
dann unfere Evp. jelbjt mit Einjchluß des johanneischen fein follen, 
wenn das PE, welches ganz und gar auf diefen und zwar auf 
einem bereit3 ziemlich entarteten Text beruht, um 150 allgemein in 
der Kirche im Gottesdienjt gelejen worden jein fol. Kann alfo 
hiervon im voraus feine Nede fein, fo bliebe doch möglich, daß 
Juſtin das BE gelejen und fich einiges daraus angeeignet hätte, wie er dem 
Protevangelium des Jakobus und dem Ev. des Thomas einiges geglaubt 
und auch andere nichtkanoniſche Traditionen fich angeeignet hat, nicht 

2) Bol. Geſch. d. Kanons 1, 509—516. Anftatt anzudeuten, wie er fich 
mit den allgemeinen und befonderen Beweiſen für dieje Behauptung aus- 
einanderzufegen gedente, nennt Harnad ©. 39 die Beziehung auf Markus eine 
„peinlide Auskunft”. Aber was iſt daran Beinlidhes, da ſchon lange vor 
Zuftinus „der Presbyter Johannes“ den Markus als Covangeliften einen 
bloßen Dolmeticher des Petruß genannt bat, und da wir bei Tertullian c. 
Marc. IV, 5 Iefen: Marcus quod edidit Petri affirmatur... 2gl. Geſch. 
d. Kanons I, 156. Köſtlich ift aud) die Bemerkung von Harnad ©. 40 Q. 2, 
erft wenn dieſes apofrypbe PE unter den Eon. Juſtins ſich befunden babe, 
erkläre fich deren Bezeichnung als Erinnerungen der Apoftel und Apoftelichüler ! 
Als ob jemals die Evo. des Matthäus und des Johannes anderen Berfaflern 
als diefen Apofteln zugefchrieben worden wären! Auch einem Marcion ift da 
nie in den Sinn gelommen; im Gegenteil, e8 ift dies die Vorausſetzung feiner 
Kritik der kirchlichen Evo. (Geſch. d. Kanons I, 654 ff.). Ebenſo fett es der 


Berfaffer der gnoſtiſchen Petrusakten voraus (ebendort II, 850). 
5* 


68 Das Evangelium des Petrus. 


ohne gelegentlich merfen zu laffen, daß er derartiges nicht aus den 
„Erinnerungen der Apoſtel“ geichöpft habe. ’) 

Aber auch dies ift unwahrſcheinlich. Denn in jenen Fällen 
handelt es fi) um Bücher und Überlieferungen, welche ſich mit den 
gefchichtlichen und dogmatischen Anfchauungen Juftind wohl vertrugen, 
bier um ein Buch, welches zu denjelben in wichtigen Punkten im 
ſchärfſten Gegenjag jtand. Juſtin ift fein großer Hiftorifer gewejen; 
aber ein Schriftiteller, der jo oft wie fein anderer jeine® Jahr— 
Hundert3 das „gefreuzigt unter Pontius Pilatus” wiederholt, konnte 
fih nicht in ein Ev. finden, nad) welchem es jtatt deſſen unbedingt 
heißen mußte: „gefreuzigt unter dem König Herodes"“. Juſtin ift 
auch fein großer Dogmatiker; aber er hat doch ein Buch gegen alle 
Härefien gejchrieben. Demnach iſt es undenkbar, dab er das PE 
harmlos gelejen haben jollte, ohne deſſen jtarfe Abweichung von der 
firchlichen Auffafjung der Perjon, des Leidens, der Auferftehung und 
Himmelfahrt Jeſu mit Unmillen zu bemerfen. Insbeſondere gegen 
alle dofetiiche Verflüchtigung des Leidens Chriſti erflärt Juſtin fich 
mehr als einmal aufs beſtimmteſte.?) 

Treten wir nun den Einzelheiten näher, in welchen ſich Zuftin 
mit dem BE berüßrt, jo Hat jich bereit3 ©. 42f. an dem Punkt, 
wo allerdings eine überrafchende Übereinstimmung zu Tage tritt, 
gezeigt, daß Juſtin Hier ebenjowenig vom BE, als diejes von Zuftin 
abhängig fein kann. Was das Verhältnis des Herodes und des 
Pilatus zur Verurteilung und Kreuzigung Jeſu anlangt, jo fügt 
Juſtin wie andere Kirchenväter zu der Erzählung Lk. 23, 6—12 
den einzigen Zug Hinzu, daß Jeſus gefeflelt zu Herodes geführt 
worden jei.3) Daß im PE ähnliches geftanden habe, ift eine mut- 
willige Vermutung. Nach diefem iſt e3 überhaupt nicht, wie e3 


1) Geld. d. Kanons I, 485. 499 A. 3; 502. 504. 51ö. 5389ff. 549 A. 2; 
II, 771. 777. 

5) 3.8. dial. 99 und 108. 

3) Geſch. d. Kanons I, 507 über dial. 1038; über apol. I, 40 ebendort 
S. 581, wo ih nur in Bezug auf die Zählung von Pf. 1 und 2 als eines 
einzigen Pjalmes zu beſcheiden gewejen bin. ch gedenfe darüber [päter zu 
fagen, was ih weiß. — Die Bemerkung Harnacks S. 38, man habe bisher 
nicht gewußt, woher das dsdeusvov dial. 103 ftamme, ift um fo naiver, da er 
ſelbſt e8 erſt vecht nicht weiß und nur die ganz befriedigenden Erklärungen 
anderer ignoriert. 


Juftinus. 69 


Juſtin darftellt, eine Gefälligfeit des Pilatus gegen Herodes, infolge 
deren Jeſus vor Herodes zu jtehen kommt, fondern Jeſus ift von 
vornherein in der Gewalt des jüdischen Königs, und Pilatus ift nur 
eine notable Verfönlichfeit, welche vorübergehend zugezogen wird 
(oben ©. 26). Es klingt an ſich auffallend, daß Juſtin unter 
anderen Thatjachen, in welchen ſich prophetifche Weisſagung erfüllt 
habe, die Zufammenrottung de3 Herodes und der Juden, des Pilatus 
und feiner Soldaten gegen Jeſus erwähnt. Daß das aber nicht 
aus dem PE gefloffen iſt, kann jchon die Erwähnung der römifchen 
Soldaten bei Juſtin lehren, welche durch da3 PE grundjäglich aus- 
geichloffen find. Eine jo feindjelige Haltung gegen Jeſus, wie fie 
Juſtin dort beſonders durch die angeführte Weisfagung dem Pilatus 
beimißt, verträgt fich gleichfalls nicht mit dem PE. Dagegen ift die 
Abhängigkeit dieſer Bemerkung Juſtins von AG. 4,27 gefichert, 1) dadurch, 
daß dem dortigen ovvnxInoav das ovv&isvanv Juſtins genau genug 
entipricht; 2) daß bei beiden Schriftitellern Herodes vor Pilatus 
gejtellt ift, und bei beiden neben diejen befehlenden Perſonen aus— 
drüdlic) noch die ihnen Untergebenen, die Heiden und die Juden 
genannt find; 3) daß beide, nur Suftin in größerem Umfang, Bi. 2 
als eine Weisfagung auf dieſes Zuſammenwirken der Feinde Chriſti 
citteren; und 4) daß beide Pi. 1 und 2 als einen einzigen Palm 
zujammenfaffen und als Pſ. 1 citieren. Harnack behauptet ©. 39, 
was Yuftin dial. 108, über die jüdifche Verleumdung fage, daß die 
Jünger den Leichnam Jeſu aus dem Grabe geftohlen haben, könne 
ebenfogut aus BE 8 ala aus Mt. 27, 62—66; 28, 10— 15 ftammen. 
Aber wo jteht denn im BE, was Juftin in Handgreiflichem Anjchluß an 
Mt. 28, 15 als die Hauptjache geltend macht, daß die Juden noch lange 
nach der Auferjtehung bei diejer Behauptung beharren und fie nad 
Möglichkeit in der Welt verbreiten ? Im Gegenteil: nach BE 11 dringen 
die Juden darauf und jegen e3 bei Pilatus durch, daß die Soldaten abjo- 
lutes Schweigen beobachten. Es fonnte fi) alſo dag durch den erfauften 
. und erlogenen Bericht der Soldaten entjtandene (Mt. 28, 13— 15a) 
Gerücht nad) dem PE gar nicht bilden, gejchweige denn, wie Juſtin 
und Matthäus es darftellen, bei den Juden und durch die Juden 
verbreiten. Die einzige fonjt noch erwähnenswerte Berührung zwilchen 
Suftin und dem BE befteht in der Anwendung des Ausdruds 


70 Das Evangelium des Petrus. 


kaxuov Bakısıy in Bezug auf die Kleiderverlofung. , Juſtin gebraucht 
ihn ein einzige Mal neben mehrmaligem xAngov Balkeıy, welches 
die Weisfagung bot. Aber auch Johannes, welcher die Weisjagung 
zuerft angeführt hat, läßt daneben die Soldaten fagen: Auywuer (19,24). 
Mit Juſtin wäre es aljo wieder einmal nidht2. 


VI Urſprung des Petrusevangeliums. 


Gefunden wurde der Tert in einem ägyptiichen Grabe. Alles 
aber, was wir ſonſt von dem Buch wiffen, weilt uns auf Antiochien 
und deſſen Umfreis al3 feine Heimat. In Antiochien gebrauchte es 
die Sekte der Dofeten um 200. Bon dort wird es nach dem nahen 
Rhoſſus gekommen fein. Origenes war längſt nicht mehr in 
Alerandrien, jondern vorwiegend in PBaläftina anfällig und hatte auch 
Antiochien Schon 20 oder mehr Jahre vorher bejucht, al3 er in feinem 
ſpät gefchriebenen Kommentar über Matthäus das PE erwähnte, 
während er es in feinen viel älteren Homilien über Lukas, in einer 
längeren Aufzählung apokrypher Evv. nicht genannt hatte. Etwa 
gleichzeitig mit Drigenes oder wenig jünger als diefer ift die wahr- 
Icheinlich in Antiochien oder Umgegend gejchriebene Didafkalia, welche 
fih vom PE abhängig gezeigt hat. Euſebius, der das PE ala 
bäretijches Erzeugnis erwähnt, jchrieb in Baläftina. Wenn bei ſyriſchen 
Schriftitelleen de3 4. Jahrhunderts Spuren von Bekanntſchaft mit 
dem PE fich finden, fo ift auch Dies eine Beitätigung Wenn 
Zheodoret im folgenden Jahrhundert zu melden weiß, daß die 
Nazaräer das PE gebrauchen, fo ift das freilich ein Unſinn; denn 
wir wifjen, daß dieje ein ganz anderes und nur ein einziges Ev. in 
Gebrauch hatten, und es verfteht ſich von felbft, daß dieſe Sefte am 
wenigiten das judenfeindliche und dofetiiche PE geduldet haben würde. 
Immerhin aber mag die Angabe Theodoret3 als ein Zeugnis dafür 
gelten, daß bei einer afatholiichen Partei in Syrien das PE in 

1) PE 4. Ebenſo Just. dial. 97 in der Erzählung, um fo natürlicher, 
da abgefehen von dem vorangehenden Citat, worin EBalov xAngov fteht, in 
demfelben Sat noch einmal xAngos zu gebrauden war. Apol. J, 85 wird 


der Ausdrud des etwas weiter voranftehenden Citats wörtlich wiederholt. 
Cf. noch apol. I, 38; dial. 104. 


Urfprung des Buchs. 71 


Gebrauch jei.!) Merkwürdig ift auch, daß im Jahre 1099 einheimische 
Chriften in der Nähe von Antiochien ſich den Kreuzfahrern gegen- 
über gerühmt haben, ein Ev. des Apoftel3 Petrus in Beſitz zu Haben, 
Zum mindeiten folgt daraus, daß ſich dort big dahin eine Erinnerung 
an ein folches erhalten Hatte. Was fie daraus anführten, kann 
freilich nicht in dem alten PE gejtanden haben; aber e3 bleibt die 
doppelte Möglichkeit, daß der orientalische Chriſt den neugierigen 
Dccidentalen etwas aufgebunden hat, oder daß das PE ebenjo wie 
die Betrusapofalypfe in mohammedanijcher Zeit eine Umarbeitung er- 
fahren hat. Zu Antiochien als Geburtsort des PE paßt es, daß 
der Verfaſſer eine Kunde von dem gefchichtlichen Petronius gehabt 
zu haben jcheint (oben ©. 41). Das befcheidene Maß von jemitifcher 
Sprachkunde, welches die Umgeftaltung des Eli-Rufes vorausſetzt, war 
gerade bei den Griechen in und um Antiochien faſt unvermeidlich ?). 

Auch die Zeit ift ziemlich genau zu beſtimmen. Der Gebrauch 
der 4 Evv. von jeiten Diejes jüngeren Evangeliften würde an fich 
nicht nötigen, unter die erften Jahre des 2. Jahrhunderts herunter zu 
gehen. Aber e3 zeigte jich an mehreren Stellen, daß der Tert der 
Eov., welchen der Verfaſſer vor fich Hatte, bereit3 eine Geſchichte 
hinter fich hatte; er enthielt bereit3 Glofjen und apofryphe Zuthaten 
und hatte Mißdeutungen erfahren, deren Verbreitung um die Mitte 
des 2. Jahrhunderts ſich nachweilen läßt. In feinem allgemeinen 
Charakter gleicht der vom PE vorgefundene Tert der kanoniſchen Evv. 
demjenigen, welchen Marcion fritifiert und teilweife bearbeitet, und 
welchen Juſtin ohne Kritif benugt Hat. Da dies aber auch vom 
Zert des jüngften unferer Evv. gilt, wie ein Beifpiel deutlich zeigte 
(oben ©. 42f. 49), jo wird das PE fchwerlich früher als um 130, 
vielleicht noch etiwag fpäter entitanden fein. Ein höheres Alter an- 
zunehmen, empfiehlt fic) aud) deshalb nicht, weil in dem großen 
Fragment feine Spur irgend welcher jelbitändiger, d. h. von unferen 
Eov. unabhängiger Tradition zu entdeden ift, was bei einer Ent- 
ſtehung um 110 jehr auffällig wäre. Andrerjeit3 gejtattet daS ge- 
wichtige Zeugnis Serapions, wie ich es verjtehen zu müſſen glaube 


1) Vgl. Geſch. d. Kanona II, 743, in Bezug auf das Weiterfolgende 
ebendort II, 1019. Die lancea Christi, von welder dort die Rede ift, fett 
Doch wohl den Lanzenſtich voraus, welden das alte BE ausgeichloffen hat. 

2) Forſch. I, 39ff.; IL, 135ff.; Zeitfchr. f. Kirchengeſch. IX, 288. 


172 Das Evangelium des Petrus. 


(oben ©. 3), auch nicht, unter 170 herabzugehen." Wir dürfen demnad) 
mit annähernder Sicherheit behaupten, daß das PE gegen die Mitte des 
2. Sahrhunderts in oder bei Antiochien gefchrieben wurde. Bon 
wen aber? Serapion glaubte zu willen, daß es nicht von der Damals 
mit dem Namen „Doketen“ bezeichneten Sekte in Antiochien geichaffen, 
fondern aus anderen, älteren, aber mit jenen „Doketen“ vertwandten 
Kreiſen hervorgegangen fei. Da Caſſian, der wahrjcheinliche Stifter 
jener Selte, früher der Schule Valentins angehört hatte, und da 
Antiochien ein Hauptfit des orientaliichen Zweigs der valentinianifchen 
Schule war, fo fünnte man an Balentinianer denken, und ich meine 
nit mit Unrecht auf valentinianiiche Parallelen bei Irenäus 
hingewieſen zu haben (S. 35 X. 1). Dort handelt es fich allerdings um 
Balentinianer des Occidents, von weldyen überdies Irenäus (I, 1, 3) 
bezeugt, daß jie den Hiftorischen Chriſtus grundfäglich nicht xugros 
nannten, ’) was im PE gerade die einzige Benennung Jeſu ift. Ferner 
wiffen wir von Balentin und jeiner abendländifchen Schule nur, 
daß fie die kanoniſchen Evo. und außerdem ein befonderes namenloſes 
evangelium veritatis in Gebrauch Hatten.) Endlich Haben fie, 
joviel ich weiß, eine jehr andere Borftellung von der Paſſion gehabt, 
als dad PE. Nicht im Moment des Sterbeng, fondern vor dem 
gefamten Leiden trennt ſich der pneumatiſche Chriftug von dem 
piychiichen Chriſtus, und nur leßerer leidet.) Ganz anders Die 
orientalifchen Walentinianer. Erjtend nennen ſie den Hiftorifchen 
Chriſtus nicht jelten xuguos‘). Zweitens laſſen fie wie das PE nicht 
vor dem Leiden, jondern im Akt des Sterbens die höhere Kraft den 
Heiland verlafjen.) Mean Tann darum noch nicht fofort jagen, daß 


1!) Iren. I, 1, 3. Der regelmäßige Titel war owzre. Nie anders im 
Brief des Ptolemäus an Flora. Nicht als Titel einmal im BE c. 4. 

2) Vgl. Geſch. d. Kanons I, 718—751. 

2) Iren. I, 7, 2 xai rovro (l. Tovrov cum interprete) däza9n dsausus- 
vnadvas.... xal dia ToVTo Notar Toooayousvov avrov to Ildaro To eis 
aurov xararediv vevua Xgıorov xra. Bol. was Irenäus I, 26, 1 über 
Kerinth berichtet und die mannigfaltigen Angaben III, 11, 8; 16, 1. 

*) Clem. Al. epit. e Theodoto 6. 7 extr. 23. 72. 74. 85. Über die 
Scheidung der eigenen Sätze des Clemens von den valentinianifchen vgl. Geſch. 
d. Kanons II, ul ff. 

°) Epit. e Theodoto 61. Man beachte befonderd den Ausdruck: ava- 


orsılas ınv dnsAFovoav dxriva ıns Övvanews Ö 0mwrie. 


Urſprung des Buchs. | 73 


eben der Zweig der valentinianifchen Schule, über welchen die Erzerpte 
des Clemens „aus den Schriften des Theodotug und der fogenannten 
anatolischen Lehre zur Zeit Valentin” ung unterrichten, dag PE 
hervorgebracht habe. In den von Clemens erzerpierten Schriften 
diefer Schule blidt eine ganze Reihe von Zügen der kanoniſchen 
Paſſionsgeſchichte hervor, welche durch das BE ausgejchloffen find. ') 
Aber es wird ſich fchwerlid eine dem PE fo nahe jtehende Vor— 
Itellung von der Paſſion nachweiſen laſſen als diejenige diefer Valen— 
tinianer de3 Dften? um 130—160. Das PE hält fi völlig fern 
von dem durchgeführten Dofetismus eines Marcion und anderer 
noch älterer Richtungen, ?) auch von jo plumpen Annahmen, wie 
derjenigen des Bafilideg, wonach anſtatt Ehrifti Simon von Kyrene 
gefreuzigt fein follte (Iren. I, 24, 4), und auch von den myſteriöſen 
Spefulationen des Leucius. Diefer verbindet einen weit über 
da3 PE Hinausgreifenden Dofetismus mit einer äußerlichen, aber 
ausdrüdlichen Anerkennung des gejamten Inhalts der Tanonifchen 
Evangelien unter Vorbehalt der Ergänzung aus der Geheimtradition. ?) 
Der Johannesſchüler Leucius gehört nad) Kleinafien, der viel weniger 
geiftreiche Pſeudopetrus ift in Antiochien zu Haufe. Dort, wo e3 
zur Zeit des Ignatius judaiftiiche Dofeten gab, wo bald darauf 
Saturninug einen jchroffen Dofetismug und zugleich eine asketiſche 
Richtung mit fehr feindfeligem Urteil über das Judentum verband, 
wo wiederum ein wenig jpäter ein Zweig der valentinianischen Schule 
mit gemildertem Doketismus und weniger ausgeprägtem Enfratismug 
und Antijudaismus blühte, muß auch der Kreis gejucht werden, aus 

1) Epit. e Theodoto 1: „Bater, in deine Hände übergebe ich meinen 
Geiſt“; 42 Jeſus trägt fein Kreuz; 61 aus feiner durchbohrten Seite fließt 
Waſſer und Blut; 62 der Lanzenftid und das Nichtzerbrechen der Beine. 

2) Ih meine vor allem die Doketen des Ignatius, welche dieſer nicht 
erft auf der Reife durch Kleinafien, jondern ſchon in Antiochien kennen gelernt 
bat, vgl. meinen Ignatius S. 365. 380-399 und Lightfoot, Ignatius und 
Polykarp I?, 373—882. Aber dieſe Doleten waren zugleich Zubaiften, während 
das BE bei einem milden Doketismus fehr antijudaiftiih ift. Anfofern wäre 
viel eher der Antiochener Saturninus zu vergleihen, wenn dieſer nur nicht 
einem viel zu kraſſen Dofetismus gehuldigt hätte (Iren. ], 24, 1. 2). 

3) Bol. meine Acta Joannis p. 215, 25 — 216, 10; 219, 3—17; 229, 4 
bis 223, 11; OXLVIII; Gejd. d. Kanons I, 784—787 ; II, 818—865. Leucius 
bat in Bezug auf die Paſſion und das Begräbnis Jeſu durchweg die vom PE 
ausgeichloffenen Thatjachen. 


74 Das Evangelium des Petrus. 


welchem das PE hervorging. Nun ift eg aber höchſt merkwürdig, 
daB der von der Schule Valentins ausgegangene, aber das Haupt 
einer bejonderen dofetifchen und enfratitiichen Partei gewordene 
Caſſianus ein apofryphes Herrenwort citiert, welches auch die orien- 
taliichen Valentinianer citierten. Und zwar lautete es bei beiden 
ganz oder beinahe gleich, während es 3. B. in das Ägypterevangelium 
in abjichtlich gemilderter Yorm aufgenommen wurde!) Die Valen- 
tinianer leugneten, daß dadurch die Kindererzeugung und überhaupt 
die jchöpfungsmäßige Ordnung verurteilt werde, Caſſian behauptete 
dies. Dieſes Auseinandergehen in der Deutung desfelben Herren- 
worts oder vielmehr Geſprächs entipricht der Ausscheidung Caſſians 
aus der valentinianischen Schule Der gemeinfame Beſitz ftammt 
aus der Zeit vor der Trennung. Dies trifft aber höchſt merkwürdig 
zulammen mit dem ſchwer anzufechtenden Urteil Serapions, daß die 
Sekte der Dofeten da3 PE von einer jchon vor Entjtehung diejer 
Sefte vorhandenen, irgendwie verwandten Partei geerbt habe. ch 
wiederhole Daher die Vermutung, welche ic) Schon vor der Entdedung 
de3 großen Fragment? ausgeiprochen habe, daß jenes apofryphe 
Herreniwort im PE enthalten war, und daß Laffian diefeg Ev. aus 
der antiochenifchen Schule Valentin herübergenommen und in die neue 
Sefte der Dofeten und Enkratiten eingeführt bat. Das Wort, 
worum es fich handelt, Iehnt ſich an eine ältere Tradition an. Im 
dem fogenannten 2. Clemensbrief findet fich etwas entfernt Ähnliches. 
Während aber dort das Geſpräch zwilchen Chriſtus und einem Mann 
geführt wird, ift Daraus bei den Valentinianern und bei Caſſian ein 
Geſpräch Jeſu mit Salome, der Mutter der Zebedäusſöhne, geworden. 
Es wird an die Erzählung Mt. 20, 20—28; Mr. 10, 35—45 an- 
geichloffen geweſen fein. 


1), Ich brauche die umſtändliche Unterfuhung (Geld. d. Kanons II, 632 
bis 641. 750) nicht zu wiederholen. Nach Clemens strom. III, 45. 92 Hat 
Saffian das Gefpräch jo referiert: Salome fragt den Herrn uexo: more Havaros 
loyvoss; der Herr antwortet: wexvs av Öuers al yvvalnes Tixenre. Auf die 
weitere Frage der Salome, wann das gejhehen werde, antwortet der Herr: 
ötuv 76 ıns aloyvvns Evdvun narnonte, xal Örtav yErnras za dvo Ev xal To 
@opev uera ıns Inleins orte appsv ovre Izlv. Ungewiß iſt, ob damit aud) 
das von Caſſian citierte Herrenwort zufammenhängt (strom. III, 68) 7490» 
xarahvonı ra Eoya rs Imheias. Nur die erfte Frage und Antwort haben 
wir in dem Gitat der Balentinianer Epit. e Theodoto 67, 


Urſprung des Buchs. 75 


Ohne für dieje lebte Vermutung, womit ich die Unterjuchung 
ichließe, völlige Sicherheit in Anſpruch zu nehmen, darf ich doc 
folgendes als Ergebnis ausjprechen: Das BE it einige Zeit vor 
Entjtehung der wahrjcheinlich von Caſſian um 170 geftifteten Sekte 
der Dofeten, etwa um 140 oder 150, in Antiochien in einem Kreiſe 
entftanden, welcher mit der orientalischen Schule Valentina entweder 
identiich oder doch innig verwandt war. Während die vecidentalijche 
Schule Balentind neben den 4 Evp., die fie nicht aufhörte zu ge- 
brauchen und zu kommentieren, allerlei angebliche Geheimtraditionen 
wahrjcheinlich erjt nad) dem Tode des Meifters in ein evangelium 
veritatis zujammenfaßte, haben die orientaliichen Walentinianer oder 
doch Geiftverwandte derjelben in Antiochien gleichfalls ein 5. Ev. 
verfaßt, als deſſen Verfaſſer fie den Petrus, den „eriten Biſchof von 
Antiochten”, einführten. Gewiß wollten fie damit der Alleinherrichaft 
der 4 Evv. entgegentreten; fie jcheuten fich nicht, deren Darjtellung 
in vielen Stüden auf den Kopf zu ftellen. Daß fie aber, wie 
Marcion um diejelbe Zeit, durch ihr neues Ev. die 4 Evv. geradezu 
verdrängen wollten, iſt nicht anzunehmen. Iſt der Verfaſſer wirklich 
ein Anhänger jener „anatoliichen Lehre“ bei Clemens von Alerandrien, 
jo zeigen die von Clemens aufbewahrten Fragmente, daß ihm dies 
nicht gelungen wäre, wenn er es beablichtigte. . 

Die gejchichtliche Bedeutung des BE beiteht vor allem darin, 
daß es die um. 150 bereit3 feſt begründete Alleinherrichaft der 
4 kanoniſchen Evv. aufs neue beweilt. Es tritt in diefer Beziehung 
beftätigend Hinzu zu den Zeugnifjen für dieſelbe Thatjache, die wir 
bereit3 befaßen, zu dem Evangelium und den Antithefen Marciong, zu 
den richtig verjtandenen Angaben Juſtins, zu dem Diateffaron Tatians 
und den Apojtelgejchichten des Leucius. Einen eigentümlichen Wert 
aber hat das „Evangelium nach Betrug” dadurch, daß es ung deutlicher 
al3 andere Zeugen ein dag Kap. 21 mitumfafjendes SIohannesevan- 
gelium und ein mit Mr. 16, 8 abbrechendes Marfugevangelium bezeugt. 


76 Das Evangelium des Petrus. 


Zuſätze. 


Zu ©. 2ff. Die Zeitangabe „um 200“ für Serapions Epi- 
ifopat und fomit, da ung ein beftimmterer Anhalt nicht gegeben ift, 
auch für dag Schreiben Serapions an die Gemeinde von Rhoſſus 
halte ich für richtiger, al3 die von J. Kunze in der joeben erjcheinen- 
den Schrift „Das neu aufgefundene Bruchjtüd des jogen. Petrus- 
evangeliums“ (Leipzig 1893) ©. 7: „letztes Zehntel des 2. Jahr- 
Hundert3”, wonach übrigens die ungefähre Zeitbeftimmung für den 
Brief „um 195" und nicht „um 190“ Yauten müßte. Wenn Eus. 
h. e. V, 22 die Vorjtellung ausdrüdt, daß Serapion ſchon vor dem 
10. Jahr des Commodus und dem Negierungsantritt Viktor von 
Nom fein Amt angetreten habe, jo jteht doch andrerjeits feit, daß Se- 
rapions Epijfopat ſich noch über einige Jahre des 3. Jahrhunderts 
erftreett hat. Der nicht unbegründete Anſatz von Harnad („Die Zeit 
des Ignatius“ ©. 45f. 62) „Frühftens von 189, vielleicht erjt von 
192 an big 209“ ergibt ala mittlere Zeitangabe „um 200“. Über 
Einzelheiten in Bezug auf den Brief Serapions mich mit Kunze 
auseinanderzuſetzen, halte ich für nublos, bis derjelbe meiner Dar- 
legung (Geſch. d. Kan. I, 177—179; II, 742—751) eine genaue 
Überfegung und eine tertfritifche, Terifalifche und eregetiiche Begrün- 
dung jeiner abweichenden Auffaffung des Fragments entgegenftellt. 
Inzwiſchen erlaube ich mir, jeinen Bemerkungen (S. 7—10, beſonders 
©. 8 9.1.2; ©. 9 A. 3) folgende Fragen gegenüberzuftellen: 
1) Wie konnte die Minorität zu Rhoſſus darüber, daß das PE nicht 
im dortigen Gottesdienst gelejen wurde, mißmutig oder verdrießlich 
fein, wenn die8 nicht entweder bisher üblich gewejen war, 
jest aber von der Majorität beanftandet wurde, oder die neuer- 
dings von der Minorität gejtellte Forderung, daß das BE fortan 
im Gottesdienſt gelejen werden jolle, bei der Meajorität auf 
Widerftand geftoßen war? 2) Wie fann man das jeder Näher- 


Zuſätze. 77 


beſtimmung ermangelnde dvayırwareıv als einen techniſchen Ausdruck 
für die gottesdienſtliche Vorleſung bezeichnen? 3) Was bedeutet die 
Bemerkung, Serapion jchreibe fein llaſſiſches Griechiſch, gegenüber 
meiner auf den bibliſchen und den gemeinen Sprachgebrauch ge- 
gründeten Überfegung von zrgoodisoreduere (vgl. oben ©. 5 4. 1)? 
4) Wie joll es gerechtfertigt werden, daß die der Gegenwart Serapions 
angehörigen Dofeten, von welchen er das PE entlehnt hat, mit den 
ungenannten Urhebern des PE identifiziert werden, als deren Nachfolger 
und Erben Serapion die dermaligen Inhaber des BE bezeichnet? 

Zu S. 2 4.2 wäre zu fragen, ob nicht Gennadius, welcher ein 
gelehrter Härejeolog war (vgl. das Schlußfapitel feines eigenen Schrift- 
jtellerfatalog3), von jenen Marcianus zu Rhoſſus etwas gewußt 
hat. In der, allerdings in jeder Beziehung noch genauer Unter— 
juhung bedürftigen Schrift de ecclesiasticis dogmatibus c. 2 
(Öbfer, Corp. haereseol. I, 336) ftellt er, wie es fcheint, neben 
Balentinus und neben die eigentlichen Dofeten einen gewillen Mar- 
cianus al3 Vertreter einer bejonderen Lehre von der Leiblichkeit Jeſu. 
Eine Verwechſelung mit Marcion Tiegt jedenfall nicht vor; denn 
diejer war vorher genannt und ganz anders charakterifiert. Dagegen 
bezieht ſich das sicut Marcianus vielleicht auf die durch doxnosı 
Charafterifierte Lehre, jo daß er von den Dofeten nicht unterjchteden, 
jondern als deren Repräſentant genannt wäre. 

Zu ©. 25 U. 1 wären noch manche ähnliche Stellen anzuführen, 
3. B. ein Scholion Hippolyts (bei Tijchendorf, Anecd. sacra et 
prof.? p. 229 N xvgionzövog avvaywyn OTEVEWOAGE TNVv OUEX TOD 
Xgıorod Eiw tig evAng), vor allem aber AG. 13, 29 vgl. V. 27, 
wo die Kreuzabnahme und das Begräbnis ebenſo gut wie die Forde— 
rung der Kreuzigung als ein Wert der Bewohner Jeruſalems und 
ihrer Oberften, alfo der Juden betrachtet wird, ohne daß die be- 
jondere Stellung des Joſeph (X. 23, 50) und des Nikodemus (Joh. 
19, 39) unter den „Oberjten der Juden“ beſonders berüclichtigt 
würde. Der Codex Uantabrig., welcher auch hier wie an vielen 
anderen Stellen eine jelbftändige Nezenfion der AG. vertritt, welche 
er nur nicht unvermifcht bewahrt hat, erinnert durch Zruerugdvres 
cakıy daran, daB der Leichnam Jeſu von Pilatus erbeten werden 
mußte, gibt aber teogben den betreffenden Handfungen fein anderes 
Subjeft. 


78 Das Evangelium des Petrus. 


Zu ©. 325. Nimmt man nad) dem Zeugnis Ephraim: (Mö- 
finger ©. 247) als ficher an, daß im ſyriſchen Diateffaron die he— 
bräifchen Worte aus Matth. 27, 465 dx on Aufnahme gefunden 
hatten, fo ift der Tert der Peſchittha Sr Sir ſehr einfach durch 
zweimalige Umftellung des ud entftanden. Zufällig wird das troß- 
dem nicht fein. Die oben gewagte Erklärung dieſes Textes könnte 
durch Hinweis auf Pf. 22, 12 geſtützt werden, obwohl die Peſchittha 
dort für „Helfer“ ein anderes Wort gebraucht. Die Stelle ift von 
Juſtin dial. 103 als Weisfagung auf die Paſſion betont worden, 
vgl. Geich. d. Kanons I, 548. 

Zu ©. 33 W. 4 wäre zu bemerken, daß Juſtin fich durch jene 
Deutung von nA-Öuvauıg nicht verleiten läßt, den Auf des Gefreuzigten 
zu mißdeuten, cf. dial. 99, und daß auch Epiphanius haer. 40, 5 
nal durch Ö Jeög uov deutet. Übrigens ift in obiger Anm. zu leſen 
„Epiph. haer. 19 (nicjt 29), 2 ed. Dindorf I, 326,1“. Es ift aber 
zu bemerfen, daß die LA. 74, wofür Lagarde in der oben citierten 
Abhandlung nach der Negel des Theodoret, (haer. fab. V, 4 ed. 
Schulze IV, 392) 74 gejchrieben haben will, erft von Dindorf auf 
das Sefundäre Zeugnis des Nifetas hin in den Text gebracht ift. 
Die Epiphantushandichriften haben 174, |. die Ausgabe von Ohler 
I, 96 und Dindorf ſelbſt I, 426. Epiphanius wird dadurch im 
Unterfchied von x, was ihm eög bedeutet (ſ. vorhin), Dr haben 
wiedergeben wollen, vgl. Kloftermann, Probleme im Apojteltert ©. 20. 
Die dortigen Bemerkungen über das Dr der famaritanischen Überjegung 
des Pentateuchs für hebräifches dx find vielleicht dienlich, die Über- 
ſetzung des letztern durch duvanıs oder ioxvs bei den drei Baläftinen- 
fern Juſtinus, Euſebius und Epiphanius zu erflären. Doch muß 
ich die Sache den DOrientaliften überlafjen. 

Zu ©. 39. E. Neftle (Ev. Kirchenblatt für Württemberg 1893 
Nr. 3) findet e8 zweifellos, daß die beiden Männer BE 9 ebenjo 
wie die zwei Männer in der Petrusapofalypje c. 3 nicht Engel, 
fondern Moſes und Elias feien. Aber 1) gejebt, die Behauptung 
wäre in Bezug auf die Apofalypfe zutreffend, jo folgte daraus nichts 
für das PE; denn diefe beiden Schriften unter dem Namen des 
Petrus haben nicht? mit einander zu jchaffen; ſie find Kinder ganz 
verichiedener Geifter, wie auch ihre Gejchichte innerhalb der Kirche 
eine durchaus verfchiedene ift. 2) Nichts führt in der Apokalypſe 


Zuſätze. 79 


auf Moſes und Elias. Das aywuev eis To 005 [xai] eutwusda 
bedeutet ebenſowenig den bejtimmten Berg der Verklärung (Mt. 17,1; 
Mr. 9, 2; 28. 9, 28; 2 Petri 1, 18; Acta Petri ed. Lipsius 
p. 67, 12, vgl. Geſch. d. Kanons II, 850. 853. 690f.), ala zo ögos 
Mt. 5, 1; 14, 23; 15, 29; Mr. 3, 13; 6, 46; Lk. 6, 12; Joh. 6, 
3. 15. 3) Der ſtark antijudaiſtiſche Charakter des BE jchließt eine 
derartige Verherrlichung der Heroen des A. Tejtaments aus. 4) Es 
wäre fein vernünftiger Grund zu erfinnen, warum die Verfaſſer 
beider Pjeudepigrapha und vollends Lukas, welchen Nejtle die gleiche 
Meinung zufchreibt, die Namen Mojes und Elias verjchwiegen haben 
follten, wenn fie diefe Männer meinten, zumal Lukas, welcher fie 
9, 30. 33 genannt bat, und welcher 24, 23 ohne fritiiche Rand— 
bemerfung zu verjtehen gibt, daß die Weiber die ihnen erjchienenen 
zwei Männer (24, 4) als Engel erkannt haben. 5) Das Gleiche 
gilt vom PE, deſſen Abhängigkeit von Lukas evident geworden tft. 

Zu © 4. Da aud) Kunze ©. 32 die tranfitive Faſſung des 
EnaIıoev Joh. 19, 13 als vom Evangeliften jelbjt beabfichtigt anfieht, 
jo füge ich den oben angeführten Gründen noch einen vierten hinzu, 
welcher wenigjtens für diejenigen Kraft haben jollte, die dag 4. Evan 
gelium noch nicht für die Dichtung eines in Bezug auf die Gejchichte 
Jeſu und die gejchichtlichen Verhältniſſe feiner Zeit unwiſſenden 
Mannes halten. E83 verjteht ſich doch wohl von felbit, daß der erjte 
römische Beamte des Landes jein Tribunal, diejen heilig gehaltenen 
Ehrenfi und dies Symbol feiner Machtbefugnis nicht jelber durch 
einen derartigen jchlechten Scherz profaniert haben fann. Auch ab- 
gejehen von diefer gejchichtlichen Unmöglichkeit allgemeinerer Art 
würde dies zu der Haltung des Pilatus, wie fie Johannes gezeichnet 
hat, Schlechterdings nicht pafien. Dieſer Pilatus duldet e8 wohl, daß 
die Soldaten Jejum mit den nachgeäfften Infignien eines orientalischen 
Königs aufpuben (Joh. 19, 2. 3), und zeigt ihn in diefem Aufpug 
den Juden in der Meinung, daß der jo verhöhnte Schwärmer ihnen 
nur noch verächtlich oder lächerlich erjcheinen werde. Aber, wie kläg— 
lich uns dieſer charafterloje und grundjagloje Römer erjcheinen mag, 
jeiner äußeren Würde vergibt er den Juden gegenüber nichts. — 
Wenn Neftle a. a. O. fich gleichfalls zu dem jebt wieder modern ge- 
wordenen alten Mißverjtändnis von Joh. 19, 13 befennt, fo verhüllt 
er die Unmöglichkeit dezfelben nur wenig durch die von einem Kom 


80 Das Evangelium des Petrus. 


mentar begleitete Überſetzung „er ſetzte ihn auf den Nichterftuhl, auf 
die Anklagebanf ſozuſagen“. Seit wann fihen denn die Angeflagten 
auf dem Tribunal? und jeit wann ift es üblich, daß man einen An- 
geflagten, der jtundenlang vor den verichiedenften Richtern geftanden 
bat, fich niederjegen heißt, damit er das Todesurteil anhöre? 

Zu ©. 57. Kunze ©. 34 ff. jucht Abhängigkeit des PE von den 
Pilatuzaften wahrjcheinlich zu machen, eine neue Erinnerung daran, 
daß die ganze Pilatuglitteratur einer gründlichen Unterjuchung bedarf. 

Zu ©. 59. Zu den Beweilen für die Benubung der apofryphen 
Korreipondenz des Paulus mit den Korinthern, d. h. der Paulus- 
aften ſeitens des Verfaſſers der Didaſkalia gehört aud) folgendes 
(Didasc. syr. p. 119, 7 == const. VI, 30): „Auch Eliſa der Prophet, 
nachdem er entichlafen und lange Zeit vergangen war, erweckte einen 
Zoten; es berührte nämlich jein Leib den Leib des Verftorbenen und 
machte ihn lebendig und erwedte ihn. Und dies hätte nicht gejchehen 
können, wenn nicht auch, da er entichlief, fein Leib Heilig und vom 
heiligen Geiſt erfüllt gewejen wäre." Vgl. Geich. d. Kanons II, 605. 


—— I — 


Zippert & Co. (G. Pütz'ſche Buchdr.), Naumburg a’S. 


Nachtrag. 


Erſt nach Vollendung des Drucks dieſer Schrift erhielt ich durch 
die Güte des Herrn Ad. Lods in Paris deſſen ſoeben erſchienene 
Neubearbeitung der pſeudopetriniſchen Fragmente: „L’övangile et 
l’apocalypse de Pierre, publies pour la Ire fois d’aprös les pho- 
tographies du manuscrit de Gizeh etc. Paris 1893.“ Die in 
der Vorrede ala unmittelbar bevorftehend bezeichnete Herausgabe des 
Fakſimiles der Handichrift ift nach Ankündigung auf dem Umfchlag 
inzwijchen erfolgt. Dadurch ift die Ausgabe von Bouriant, auf 
welcher meine im Anfang des Januar niedergejchriebene und im 
Februar erjchienene Nezenfion de3 Textes beruhte, antiquiert. Die 
fachliche Unterfuchung wird nicht wejentlic) dadurd) beeinflußt. Doch 
iſt von Wichtigkeit, daß das von Harris Tonjizierte gugwuev (S. 7, 13) 
wirklich in der Handichrift zu leſen ift. 


. 3 2044 037 


688 835 


ZAHN 1 ‚8 
N Drengelium des ri. 
Petrus e 1803 


3 2044 


037 688 835 


ZAHN 1 ‚8 
Das vaogeliun des Eis. 
| Petrus. 1803