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LIBRARY
OF THE
Museum of Comparative Zoology
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Gi MEMOIRES tonciı
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L’ACADEMIE IMPERIALE DES SCIENCES DE ST.-PETERSBOUR IRG, VII SERIE.
Tone XI, N’ 5.
DAS GEHÖRORGAN
VON
RHYTINA STELLERL
M. Claudius,
Professor der Anatomie in Marburg.
(Mit 2 Tafeln.)
Lu le 29. novembre 1866.
St.-PETERSBOURG, 1867.
Commissionnaires de l’Acad&mie Impe£riale des sciences:
a St. Petershbourg a Riga .. a Lelpzig
MM. Eggers et C°, H. Schmitzdorff N.Kymmel, - M. Leopold Voss.
et Jacques Issakof; _
Prix: 35 Kop. = 12 Ngr.
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MEMOIRES
L’ACADEMIE IMPERIALE DES SCIENCES DE ST.-PETERSBOURG, VII" SERIE.
Tone \1, N’ 5.
DAS (‚EHÖRORGAN
VON
RHYTINA STELLERLI
M. Claudius,
Professor der Anatomie in Marburg.
(Mit 2 Tafeln.)
Lu le 29. novembre 1866.
Sr.-PETERSBOURG, 1867.
Commissionnaires de l’Acad&mie Impe£riale des sciences:
a St. Petershourg a Riga ä Leipzig
MM. Eggers et C®, H. Schmitzdorff N. Kymmel, : M. Leopold Voss.
et Jacques Issakof; E—
Prix: 35 Kop. = 12 Ngr.
Imprime par ordre de l’Academie Imperiale des sciences.
Juin 1867. C. Vesselofski, Secretaire perpetnel.
Imprimerie de ’Acad&mie Imperiale des sciences.
(W. 0., 9 ligne, N° 12.)
Eine genaue Untersuchung des Gehörorgans von Rhytina Stelleri, soweit sie an ma-
cerirten Knochentheilen möglich ist, hat um so grösseres Interesse, als dieses Thier zu
einer Familie gehörte, welche nur wenig Gattungen besitzt und deren Gehörorgane in
ihrem Bau Eigenthümlichkeiten zeigen, die auf eine ungewöhnliche Funktion schliessen
lassen. Es war daher dem Verfasser sehr angenehm, als ihm vom Akademiker Brandt aus
St.-Petersburg ein linkes Felsenbein sammt dem Paukenringe, dem Hammer und dem Amboss
von einer Rhytina zugesandt wurde. Von diesem Knochenstücke ward nach der Untersu-
chung die pars labyrinthica abgesägt und ein Corrosionspräparat des Labyrinthes ange-
fertigt; und diese Theile lieferten das Material zu den nachfolgenden Zeilen. Bevor wir
aber zur Beschreibung derselben übergehen, müssen einige allgemeine Bemerkungen über
das Labyrinth der Säugethiere voraus geschickt werden.
Es wird gewöhnlich angenommen, dass die Schallwellen durch die Kopfknochen von
allen Seiten her dem Labyrinthwasser und von diesem den Acusticusenden zugeführt werden.
Diese Annahme ist in sofern unbegründet, als das Labyrinth nur von den Zuleitungswegen
durch die beiden Fenster und vielleicht von den Bogenröhren aus Schallwellen empfängt,
welche zum Hören tauglich sind. Die Wandungen des Knochens in der Umgegend der beiden
Fenster bringen zwar auch eine Gehörsempfindung hervor, aber diese ist unbestimmt und
undeutlich. Wenn eine Schallempfindung bei lufthörenden Thieren durch die Kopfknochen
stattfindet, so theilen sich die Schwingungen dem Paukenringe und der Luft in der Pau-
kenhöhle mit, und auf diesem Wege kommen Gehörsempfindungen zu Stande. Ein Erzittern
des Felsenbeins theilt sich gewiss dem Labyrinthwasser mit, aber die einzelnen Schwin-
gungen werden von den Endhäutchen der Rami acustici nicht unterschieden. Eine Reihe
gleichmässiger Schallwellen, wie die eines Tons, kann wohl gehört werden, wenn aber, wie
bei der Sprache, eine Anzahl höchst ungleichmässiger Schwingungen schnell auf einander
folgt, so werden sie nicht mehr gesondert empfunden.
Dies wird durch vergleichend anatomische Thatsachen und durch pathologische Unter-
suchungen äusserst wahrscheinlich gemacht. Was jene betrifft, so ist das Gehör vieler nie-
Memoires de l’Acad. Imp, des Sciences, VIlme Serie. 1
2 M. Crauvıvs,
deren Wirbelthiere, vieler Amphibien und Fische nur verständlich, wenn man dies ins Auge
fasst. Bei den Ophidiern und vielen Fischen liegen Zuleitungsorgane, sogenannte Columellen,
von andern Weichtheilen umgeben; bei anderen findet sich ein Operculum als linsenförmiges
Körperchen in die übrigen, die Labyrinthwandung bildenden, Knochentheile eingeschaltet.
Es würde dies Vorkommen unbegreiflich sein, wenn nicht damit ein Stück der Labyrinth-
wand isolirt wäre, und dieses Stück ist eben dasjenige, von welchem aus die Schallwellen
ausgehen müssen, um in passender Richtung auf das Nervenende des Acusticus zu fallen.
Gewöhnlich nimmt man an, dass die Columelle oder der Stapes in die Labyrinthwand durch
ein Membranstreifchen eingefügt sei, um einen verschiedenen Druck auf das Labyrinthwasser
ausüben zu können. Dies kann bei einem Operculum nicht geschehen, da sich keine Mus-
keln, finden, wodurch es bewegt werden könnte, auch ein membranöser Theil in der Wand
der Labyrinthkapsel fehlt, welcher bei einem Drucke ausweichen könnte, und bei diesem
ist offenbar die einzige Folge die Isolirung eines Stückes der Labyrinthwand.
In der Klasse der Säugethiere findet sich bei allen Arten, bei denen mit Nothwen-
digkeit Schallwellen in die festen Theile des Kopfes übergehen, eine Isolirung des Felsen-
beins und zwar durch Luft oder durch Knorpel und ausserdem besondere Vorrichtungen,
welche die Schallwellen in die Kette der Gehörknöchelchen oder durch die Membran des
runden Fensters zur Schnecke leiten können. Dahin gehören zuerst eine Anzahl Fleder-
mäuse. Dieselben haben eine bedeutende Entwicklung des Hautsystems, und die Ohrmu-
scheln sind bei einigen so gross, dass sie zusammen die Breite der Vorderseite des Rumpfes
erreichen. Bei Plecotus bestehen die Ohren aus einer sehr dünnen Membran, die durch
Muskeln gespannt werden kann. Sie nehmen also Schallwellen mit grosser Leichtigkeit auf.
Bei allen diesen Arten ist das Felsen- und Paukenbein vollkommen von den übrigen Schä-
delknochen durch Knorpelmasse isolirt, so dass die Schallwellen, die in die auricula
übergehen, nicht oder nur zum geringen Theile, insofern sie auf den Trommelring und in
die Luft der Paukenhöhle übergehen, zum Hören benutzt werden, und nur die in den äus-
seren Gehörgang und auf das Trommelfell fallenden. — Eine Familie, bei welcher Schall-
wellen aus dem Boden in den Körper übergehen, bilden die Maulwürfe und die Spitz-
mäuse. Die übrigen grabenden Säugethiere tragen beim Scharren ihre Schnauze hinter den
Nägeln der Vorderfüsse, der Kopf kommt also nicht in Berührung mit dem Boden und
alle diese Thiere hören nur Luftschallwellen. Bei den Maulwürfen ist die Kürze der Vor-
derextremitäten und sonstige Eigenthümlichkeiten ihres’ Baues die Ursache, dass mit der
Schnauze vorgebohrt werden, der Kopf also fest an den Boden gedrückt werden muss. Wir
finden nun bei diesen zwar nicht eine vollkommene Isolirung des Felsenbeins, aber doch
eine Annäherung an dieselbe. Die Bogen sind nicht wie sonst regelmässig an die Schläfen-
schuppe geheftet, sondern sie ragen frei in die Schädelhöhle hinein, sie werden nach aussen
durch Knochenmasse nicht überdeckt, so dass man von aussen durch eine Lücke in der
Schädelwandung einen Theil der Bogen sehen kann. Der andere Theil des Labyrinths, der
Vorhof und die Schnecke sind allerdings mit den übrigen Schädelknochen verbunden, aber
Das GEHÖRORGAN VON RHYTINA STELLERI. 3
in einer Weise, wie sie unter den Säugethieren einzig bei dieser Familie vorkommt. Die
dünne Knochenbekleidung des Labyrinths ist nämlich gewissermassen in eine spongiöse
Knochenmasse hineingeschoben und diese vermittelt die genannte Verbindung. Das Trom-
melfell ist bei dieser verhältnissmässig ausserordentlich gross, und ausserdem finden sich
einige Gattungen (Chrysochloris), bei denen der Hammergriff in einer besonderen Knochen-
kapsel den Wänden derselben dieht anliegend bis zum Scheitel hinansteigt, also eine Lei-
tung von Schallwellen sehr begünstigt. Die Maulwürfe suchen wahrscheinlich ihre Nahrung
unter der Erde nach dem Gehöre auf und unterscheiden sich auch hierdurch von allen
grabenden Thieren.
Bei den Cetaceen müssen Wasserschallwellen in den Kopf übertreten. Dieselben wer-
den zum grössten Theil an die Wände und die Luft der sehr entwickelten Paukenhöhle ab-
gegeben und als Luftschallwellen von der Membran des runden Fensters aufgenommen von
der Schnecke pereipirt. Auch bei diesen ist das Felsenbein isolirt; fast überall von Luft
umgeben bei den Delphinen; grösstentheils durch dazwischen gelagerten Knorpel mit den
Schädelknochen verbunden bei den Bartenwalen. Die genauere Beschreibung ist schon
früher an einem anderen Ort von mir gegeben ').
Eine höchst eigenthümliche Bildung der Paukenhöhle und des Felsenbeins zeigen die
Pinnipedien; bei diesen ist das runde Fenster bekanntlich ausserordentlich gross, wird
aber in seiner grösseren Hälfte durch einen Vorsprung des Paukenbeins ausgefüllt. Es
zeigte sich bei der Untersuchung eines frischen Präparates, dass das Periost dieses Vor-
sprungs mit der Membran des runden Fensters vollkommen verwachsen war, so dass nur
ein Theil derselben Luftschallwellen aus der Paukenhöhle aufnehmen konnte. Wenn in diese
Vertiefung Quecksilber gegossen wurde, so drang es nicht an die andere Seite dieses Kno-
chenvorsprunges vor. Wir haben hier einen Apparat, wodurch Schallwellen, die in den
Kopfknochen schwingen, durch das runde Fenster in die Paukentreppe der Schnecke ge-
langen können. Der äussere Gehörgang besteht aus einem knorpeligen und knöchernen
Theil. Mehrere starke Muskeln können den erstern bewegen?) und, wenn das Thier unter-
taucht, abschliessen. Aber der knöcherne Theil ist so lang, dass derselbe nicht dicht an das
Trommelfell geschlossen werden kann, sondern ausserhalb desselben immer noch ein Luft-
raum bleibt. Das Trommelfell, welches in der Luft allein funktionirt, wird also einen Theil
der Gehörleitung auch unter Wasser übernehmen. Wir hätten also hier eine direkte Zu-
leitung von Schwingungen eines festen Körpers in das Labyrinthwasser.
Theoretische Betrachtungen unterstützen diese Ansicht. Der erste Akt des Hörens
ist jedenfalls ein mechanischer Impuls, den eine Verdichtungswelle im Labyrinthwasser
auf die Hörhäute°) hervorbringt. Wenn nun von verschiedenen Punkten der Labyrinthwände
1) Teber das Gehörorgan der Cetaceen und das Laby- 3) So nenne ich die Endausbreitungen des Nervus
rinth der Säugethiere. Kiel. 1856. acusticus.
2) Rosenthal. Ueber die Sinnesorgane der Seehunde. :
Nov. act. nat. cur. vol. 12.
1*
4 M. CraudDıvs,
solche Verdichtungswellen ausgehen, so werden eines-Theils verschiedene Fasern des Hör-
nerven je nach ihrer Nähe zu der Quelle der Wellen verschiedene Impulse bekommen,
andern-Theils wird eine Welle, die auf eine Faser trifft, durch die in verschiedenen Rich-
tungen sich mit ihr durchkreuzenden Wellen so modifizirt werden, dass von der ursprüng-
lichen Form nichts mehr übrig bleibt. Es würde derselbe Fall eintreten, der für die Retina
ohne die brechenden Medien des Augapfels eintreten würde. Nur wenn von einem be-
schränkten Felde aus die Schallwellen auf die Hörhäute fallen, können dieselben unverän-
dert anlangen. Auch ein pathologisches Faktum bestätigt die Nothwendigkeit der Isolirung
der Steigbügelplatte. Es giebt Gehörkranke, welche eine eben so feine Schallperception, wie
Gesunde haben, aber trotz dem für das Sprechen Anderer vollkommen taub sind, weil sie
nicht artikulirte Laute unterscheiden, sondern nur ein undeutliches zusammenhängendes
Summen hören; die Ursache davon liegt nach den Angaben bei Sektionen in einer Anky-
lose der Steigbügelplatte im Vorhofsfenster, und es ist dies Letztere höchst wahrscheinlich,
weil in der That eine solche Deformität diesen Effekt haben muss. Es werden die Schall-
wellen vom Trommelfell auf das Labyrinthwasser mit derselben Intensität übertragen, wie
sonst, nur theilen sich die Schallwellen der ganzen Labyrinthwandung mit, die Schwingungen
dauern eine Zeit lang fort und interferiren mannigfach, und die Folge ist eine undeutliche
Schallempfindung.
Aus dem Vorhergehenden folgt nun die wichtige Thatsache, dass die Schnecke nur
Schallwellen durch das runde Fenster, der Vorhof nur durch die Kette der Gehörknö-
chelchen empfängt. Dass die Constatirung derselben von bedeutendem Einfluss auf die
Physiologie des Hörens ist, wird man leicht einsehen, und die Ohrenärzte werden gebeten,
bei der Behandlung pathologischer Fälle und bei Sektionen diesen Punkt wohl ins Auge
zu fassen. Es sprechen für die Richtigkeit derselben einmal das constante Vorkommen des
runden Fensters bei ausgebildeter Schnecke und sodann das Grössenverhältniss der Laby-
rinththeile, welches genau der Ausbildung der Zuleitungsorgane entspricht. Alle Säugethiere,
alle Vögel und die Panzereidechsen haben ohne Ausnahme ein Schneckenfenster. Aller-
dings ist behauptet worden, dass Echidna hystrix kein Schneckenfenster besitze, und es liegt
bei diesem Thiere allerdings sehr verborgen, aber es ist vorhanden und schon mehrfach
abgebildet. Dass das runde Fenster bei vielen ‚Nagern so liegt, dass es nicht direkt von
den vom Trommelfell ausgehenden Luftschallwellen der Paukenhöhle getroffen werden kann,
was man wohl für eine geringe Betheiligung desselben am Hören genommen hat, kann nicht
für eine unbedeutende Funktion der Schnecke gehalten werden, da dieselbe von 2 Fak-
toren abhängt, der Empfindlichkeit des Apparats auf der Lamina spiralis, und der Inten-
sität der Schallwellen; den ersteren Faktor kennen wir aber durchaus noch nicht. Wir
haben 2 Thierfamilien, bei deren einer die Zuleitung der Schallwellen zur Schnecke, der
anderen zum Vorhof erfolgt, die Delphine und die Maulwürfe. Bei den Delphinen ist der
Vorhof mit dem Bogen so klein, dass ein Querschnitt des Schneckenkanals bedeutend grös-
ser ist, als die Projektion des Vorhofs und der Bogen. Bei den Maulwürfen finden wir das
Das GEHÖRORGAN VON RHYTINA STELLERI. 5
andere Extrem, bei diesen ist unter den Säugethieren die Schnecke am kleinsten, und
man könnte leicht die ganze Schnecke des einen Präparats unter einem Bogen des anderen
Präparats hindurchschieben. Allerdings fehlt uns die mikroskopische Untersuchung der
Hörhäute dieses Thieres, aber es zeigt sich in den Labyrinthen der ganzen Säugethierreihe
eine Volumszunahme bei stärkerer Funktion und umgekehrt, so dass wir annehmen müs-
sen, dass die Struktur der Hörhäute nur geringe Abänderungen zeigt.
Fassen wir alle Theile des Gehörorgans zusammen, also das Labyrinth und die Pau-
kenhöhle mit ihrem Inhalt und dem äusseren Gehörgang, so finden wir, mit Ausnahme der
Phoken und der Sirenen, 2 verschiedene Formen in der Reihe der Säugethiere, so verschie-
den, dass nur ein kleiner Theil eines dieser Organe hinreicht, um bestimmen zu können,
welcher von beiden sie angehören. Diese beiden Abtheilungen entsprechen den verschie-
denen Medien, in welchen gehört wird, sie werden also von den in der Luft oder im
Wasser hörenden Säugethieren gebildet. Das Gehörorgan der ersteren ist bekannt, es ent-
hält die bei weitem grössere Mehrzahl. Die im Wasser hörenden Säugethiere, die Cetaceen,
unterscheiden sich besonders dadurch von den ersteren, dass sie keinen äusseren Gehör-
gang und kein Trommelfell besitzen, welches direkte Schallwellen aufnähme, wie bei jenen.
Es ist bei ihnen die von Speck überkleidete Paukenhöhle ausserordentlich weit durch den
Kopf ausgedehnt, sie umgiebt erstlich das Felsenbein fast ganz und erstreckt sich mit
einer Anzahl von Ausläufern in die Schläfengrube, in die Augenhöhle, wo sie den Sehnerven
umfasst, in das os pterygocides und in den Gaumen (bei einem Delphin, Delphinus delphis) er-
streckt sie sich etwa 1'/,” von der Spitze der Schnauze nach vorn, bei einem anderen, der
Platanista gangetica, wahrscheinlich in die doppelte Schädelkapsel). Diese Fortsätze liegen
überall mit einer Seite dem Knochen an, an der freien Seite sind sie meistens durch Venen-
plexus von den.darüber liegenden Muskeln getrennt. Die Gehörknöchelchen sind in einer
Weise gelagert, dass auf eine geringe Funktion geschlossen werden kann; der Hammer ist
, mit seinem Manubrium nicht zwischen den Platten des Trommelfells eingeschlossen, sondern
es geht von einem kleinen stumpfen Fortsatze desselben eine kleine segelartige Falte in
das Trommelfell über, welche rings von der in der Paukenhöhle befindlichen Luft umgehen
wird und also in Schwingungen versetzt werden kann. Es werden also beim Hören die in
die Kopfknochen eindringenden Schallwellen in die Luft der Paukenhöhle und von hier aus
direkt durch die Membran des runden Fensters in das Labyrinthwasser der Paukentreppe
der Schnecke übergehen. Das kleine Divertikel des Trommelfells wird auch in Schwingungen
versetzt und diese der Kette der Gehörknöchelchen mitgetheilt werden. Bedeutende Klein-
heit des Vorhofs und der Bogen und starke Entwicklung der Schnecke zeichnen das Laby-
rinth aus. Diese Theorie wird namentlich dadurch wahrscheinlich gemacht, dass die Grösse
der Paukenhöhle, die Entwicklung des Vorsprunges des Trommelfelles und die Grösse des
Vorhofs bei den Zahn- und Bartenwalen in derselben Weise verschieden sind. Bei den
Zahnwalen ist der Vorsprung des Trommelfells sehr klein, der Vorhof winzig; bei den Bar-
tenwalen verhältnissmässig grösser und ebenso der Vorhof mit den Bogen bedeutend stärker
6 M. CuAauvıvs,
entwickelt. Bei den im Wasser hörenden Säugethieren werden also vorzugsweise die Luft-
schallwellen der Paukenhöhle gehört, während bei den in der Atmosphäre hörenden Säu-
gethieren ein viel grösseres Quantum in festen Körpern schwingender Schallwellen durch
das Trommelfell und die Kette der Gehörknöchelchen zugeleitet wird. Hierin besteht der
vornehmste Unterschied beider Formen.
Was nun die Zwischenformen betrifft, so sind uns mehrere bekannt. Bei lufthörenden
Säugethieren werden eines Theils durch Wasser (Pinnipedien), andern-Theils durch das feste
Erdreich (Talpinen) vermittelte Schallwellen dem Labyrinthwasser vom runden oder ovalen
Fenster aus mitgetheilt; bei beiden aber kann das Trommelfell vom Trommelringe aus in
Bewegung gesetzt werden. Es wirft sich nun die Frage auf: Giebt es Thiere, welche, wenn
sie untertauchen, ihren äusseren Gehörgang bis zur Berührung mit dem Trommelfell schlies-
sen können, so dass dieses also nicht funktioniren kann, und dass nur die Luft der Pauken-
höhle durch das runde Fenster ihre Wellen dem Labyrinth mittheilen kann und die Gehör-
knöchelchen durch besondere Einrichtungen in Thätigkeit versetzt werden? Wenn es solche
(Gehörorgane giebt, so besitzen sie die Sirenen. Wir kennen leider von diesen nur die knö-
chernen Theile, so dass wir nur aus diesen vermuthungsweise darauf schliessen können.
Eine genaue Untersuchung der Weichtheile würde sofort den Zweifel lösen. Für diese An-
nahme spricht die Einrichtung des Paukenringes und des Hammers; man kann aus diesen
mit Sicherheit abnehmen, dass ein in der Luft schwingendes Trommelfell (wie ja auch
solches mehrfach direkt beobachtet worden ist) seine Schallwellen durch die Gehörknö-
chelchen dem Vorhof zusende. Die Form des Paukenringes aber, die feine Oeffnung des
äusseren Gehörganges in der Haut und die Form des Labyrinthes, welches in Bezug auf
die Grösse seiner Theile die Mitte hält zwischen dem Labyrinth der echten Cetaceen und
der Mehrzahl der lufthörenden Säugethiere, machen es wahrscheinlich, dass der äussere
Gehörgang ganz geschlossen und das Trommelfell ausser Funktion gesetzt werden könne.
Dies geschieht, wenn das Thier untertaucht, und dann gehen die Schallwellen theils durch
den breit angewachsenen Hammer und den Amboss in die Kette der Gehörknöchelchen,
theils direkt in die Luft der Paukenhöhle und die Schnecke über.
Wir lassen nun die specielle Beschreibung des Felsenbeins und des Labyrinthes von
Rhytina folgen und fügen den Maassen desselben diejenigen eines 2 Meter langen Manatus
australis bei, da auch in diesen Theilen eine auffallende Aehnlichkeit zwischen beiden Thie-
ren besteht. |
Das Felsenbein der Rhytina ist, wie das der beiden anderen Sirenengattungen und des
Halitherium, so zwischen die übrigen Schädelknochen eingefügt, dass die pars labyrinthica
gar nicht in Berührung mit ihnen, die pars symplectica zum grössten Theil an die Innen-
seite der Schläfenschuppe und des os oceipitale laterale angelegt ist. Die zwischen den Kno-
chen lagernde Masse von Weichtheilen (beim Foetus ein Bindegewebe, welches stellenweise
Knorpelzellen entwickelt ist stärker) als gewöhnlich, wie denn die Knochen nicht mit
kleinen Fortsätzen zwischen einander eingreifen, sondern beide platt sind. Die Lücken
Das GEHÖRORGAN VON RHYTINA STELLERI. 7
zwischen der pars labyrinthica, dem os basi-occipitale und dem hinteren Keilbeinkörper,
sammt dem Os pterygoides gehörten der Paukenhöhle an und wurden also von Luft angefüllt.
Der Knochen wird beim Manatus so von dem Schädel umgriffen, dass er bei dem Maceriren
los wird und bei einigem Manipuliren von selbst herausfällt; wenn "man den Schädel vor-
sichtig behandelt, so bleibt er an Ort und Stelle.
Mit dem Felsenbein ist der Paukenring an den Enden seiner beiden Hörnen verwachsen.
Die pars labyrinthica bildet eine Pyramide, die an der Basis mit der pars symplectica
verschmolzen ist; die Form derselben ist der einer mit 4 gleichen Seiten versehenen Py-
ramide ähnlich, welche durch eine die Spitze und die Grundfläche in der Mitte. scheidende
Ebene halbirt ist. Die Kanten und die eine grössere Fläche, die nach unten sieht, sind ab-
gerundet oder durch Wulstungen unregelmässig. Die grösseren Flächen sind nach oben
und nach unten gewandt, die Kanten nach vorn und hinten, die abgerundete Spitze median-
wärts, die an die pars symplectica angewachsene Basis lateralwärts. Auf der oberen von
dura mater überkleideten Fläche sieht man den seichten meatus auditorius internus. Der
Facialis ist von Acusticus weiter getrennt, als gewöhnlich, er verläuft unter einer kleinen _
Knochenbrücke, welche am vorderen Rande liegt, Fig. VIII:, in die Paukenhöhle, in welcher
er durch eine seichte Furche noch eine längere Strecke zu verfolgen ist. Die Knochengruben
für den Hörnerven sind an dem vorliegenden Präparat nicht mehr deutlich zu erkennen.
Lateral- und hinterwärts von dem meatus auditorius intermus befindet sich eine tiefe Spalte,
der aquaeductus vestibuli. Auf der Unterseite sieht man die beiden Oeffnungen des Laby-
rinthes, das Schneckenfenster, welches eine rundliche Oeffnung: bildet, die nur wenig in
horizontaler Richtung verlängert ist; es enthält den aguaeductus cochleae, und man sieht
durch dieselbe die Zamina spiralis, welche wie beim Manatus nicht eine Vorwulstung (ca-
nalis ganylconaris) hat. Die Schneckengegend ist mässig aufgetrieben, das Vorhofsfenster
bildet ein Rechteck, am welchem ein Winkel völlig abgerundet ist, die anderen 3 weniger
stark. Die direkte Entfernung der beiden Fenster beträgt 4 Mm."), während die Knochen-
brücke zwischen beiden eine bedeutendere Breite besitzt. Die seichte Furche des Facialis
verläuft hinter- und lateralwärts, genau an der medianen Seite des Endes des langen Schen-
kels des Ambosses, so dass das Köpfchen des Steigbügels in unmittelbarer Nachbarschaft
des Nerven gelegen haben und dieser abgeflacht gewesen sein muss, um nicht von den
derben Knochen lädirt zu werden.
Den zweiten grösseren Theil des Felsenbeins bildet die pars symplectica, eine dicke,
im Ganzen ovale Knochenmasse, welche aussen, oben und vorn an die Schläfenschuppe und
an’s Hinterhauptsbein stösst; oben und innen ist der Knochen glatt und mit der harten
Hirnhaut bekleidet, ebenso auf der breiten, hinteren Seite, wo derselbe in der Nähe des
kleinen Gehirns liegt. An den letztgenannten Flächen ist der Knochen glatt, an den ersteren
drängen sich kleine, rundliche Hervorragungen dicht aneinander, so dass die Oberfläche
!) An den einander am nächsten liegenden Punkten gemessen.
8 M. CLauvıus,
uneben wird. Grössere Gefässlöcher lassen sich:nicht an ihnen entdecken. An dem unteren
lateralen Rande zwischen den beiden Punkten, wo der Paukenring an denselben ange-
wachsen ist, dicht über dem kurzen Schenkel des Ambosses, findet sich ein Einschnitt,
welcher ungefähr um ein Drittel der Grösse der lateralen Fläche einschneidet; von hier
aus gesehen, sieht die pars symplectica zweilappig aus. Nach vorn und unten findet sich ein
rundliches Grübchen im Knochen, woselbst eine Knorpelmasse eingedrungen zu sein scheint.
Hinter der Stelle, wo der hintere Schenkel des Paukenringes angewachsen ist, zeigt sich
eine rauhe Vertiefung zum Ansatz des os stylohyoides (ceratohyal. R. Owen).
Mit dem Felsenbein ist der Paukenring verwachsen; dieser hat auch die drei an-
deren Geschlechter bezeichnende Eigenthümlichkeit, dass sich von ihm aus nicht nach
innen die Knochenmasse einer bulla tympani entwickelt, oder nach aussen zu einem knö-
chernen äusseren Gehörgang. Die Paukenhöhle hat daher nach unten nicht eine knöcherne
Begränzung, sondern nur das Felsenbein bildet nach oben und der Paukenring nach aussen
einen knöchernen Abschluss. Letzterer läuft in 2 nach oben gerichtete Hörner aus, die mit
dem Felsenbein verschmolzen sind; sie umschliessen mit dem Mittelstück die Ebene des
Trommelfells. Die Ansatzlinie desselben bildet im Paukenring einen fortlaufenden Kreis,
etwa ein Drittheil desselben und zwar das nach oben liegende fehlt, weil hier das Felsen-
bein über dem Hammer einen tiefen Einschnitt hat und sich nicht an demselben Spuren
von einem Ansatz des Paukenfells finden. An dem Ringe lässt sich besonders unten und
hinten eine deutliche Furche erkennen, welche die innere, glatte, von der äusseren, mehr
rauhen, Fläche scheidet und eine Andeutung von einem Ansatz des Trommelfelles giebt.
Diese Furche hört mit dem hinteren Horne des Paukenrings plötzlich auf. Am vorderen Horne
zeigt sich eine vorspringende Knochenkante, und vielleicht geht das Trommelfell auf die-
selbe über, wenigstens setzt sie die oben erwähnte Furche fort. Das vordere Horn geht in
2 Fortsätze auseinander, zwischen denen eine vorragende Knochenkante befindlich ist, die
mit einem Fortsatze des Hammers verschmilzt, der an den Processus folianus anderer Säu-
gethiere erinnert; nur der mediale dieser beiden Fortsätze ist mit dem Felsenbein ver-
schmolzen. — Auf dem Querschnitte zeigt der Paukenring, die Hörner natürlich ausge-
nommen, eine elliptische Figur, indem er nach unten in eine Kante ausläuft und ebenso
nach oben. Der Falz des Trommelringes liegt an der Aussenseite dieser Kante, so dass das
Trommelfell grösser ist, als das /umen des Ringes. Er hat an der Wurzel des hinteren Horns
eine Verjüngung, und hier wendet sich die obere Kante nach innen, so dass die Ellipse des
Querschnittes mit ihrem langen Durchmesser von vorn und medianwärts nach hinten und
lateralwärts gewandt ist. Von hier ab verbreitert sich der Knochen nach unten zu bedeu-
tend und erreicht die grösste Breite nach vorn und unten (Fig. V gl).
Während sich das Vorderhorn klein und kurz mit dem inneren Fortsatz an’s Felsenbein
ansetzt, ist das hintere Horn mehr entwickelt, es zeigt einen nach hinten vorspringenden
Fortsatz (Fig. VIp), welcher der ganzen Länge nach mit einem rauhen Stück des Felsenbeins
verschmolzen ist und in unmittelbarer Nähe des knorplichen Anfanges des Os cerato-hyal liegt.
DAs GEHÖRORGAN VON RHAYTINA STELLERI. 9
Die Gehörknöchelchen, von denen Hammer und Amboss erhalten ist, sind denen
von Manatus und Halitherium sehr ähnlich '). Bei unserem Exemplar (Rhytina) ist der
Hammer durch eine wenigstens 1'/” im Durchmesser haltende Knochenbrücke am Pauken-
ring festgewachsen. Auch bei älteren Exemplaren von Manatus ist er in dieser Weise ver-
schmolzen, während derselbe bei jüngeren durch Maceriren gelöst wird und herausfällt.
Der verschmelzende Fortsatz ist der Processus folianus, der sich mit dem Vorderhorn des
Paukenrings vereinigt; die verbindende Fläche liegt wahrscheinlieh, wie bei Manatus in
einer Horizontalebene. Das grössere Stück des durch die Verwachsung entstehenden Fort-
satzes (Fig. V p) gehört dem Paukenring an und die obere Hälfte dem Hammer. Letzterer
hat einen Körper von der Grösse einer mittleren Haselnuss; dieser zeigt nach oben die
Gelenkflächen für den Amboss, nach aussen ragt das breite und kurze Manubrium vor,
welches in das Trommelfell eingelassen ist. Beide Fortsätze sind am hinteren Ende des
Körpers angebracht. Ersterer besteht aus 2 Flächen, die rechtwinkelig gegen einander ge-
neigt sind. Von aussen gesehen berühren sie sich einander in einem Scheitelpunkt. Auf
der Innenfläche sind sie um 3,5 Mm. von einander entfernt und zugleich etwas gebogen:
sie erlauben der Spitze des langen Ambossschenkels eine Bewegung gegen das ovale Fenster
und zurück. Das Manubrium bildet eine breite Platte mit ebener vorderer und hinterer
Fläche und über 0,5 Mm. starker äusserer und innerer Kante; erstere ist gebogen und
halbirt die Ebene des Trommelringes nahezu in ihrer oberen Hälfte; sie ragt etwas höher
hinauf, als die Paukenringhörner. Die innere Kante ist schmäler, mehr zugeschärft und
viel kürzer, als die äussere. Der Amboss wird von dem Hammier und der pars symplectica
des Felsenbeins so eingeschlossen, dass er nur eine geringe Beweglichkeit besitzt, aber
nicht herausfallen kann. Das geschieht, indem der kurze Schenkel nach aussen und vorn,
der lange nach hinten und innen vorgestreckt ist und zwischen beiden das Felsenbein sich
dicht auf die Oberfläche des Knochens herabbegiebt, so dass er in der nach unten gele-
genen Gelenkfläche des Hammers, welche nur ein geringes Vorwärts- und Rückwärts-
weichen möglich macht, festgehalten wird. Der kurze Schenkel ist kurz und dünn, es ragt
ihm entgegen ein kurzer spitzer Stachel der pars symplectica. Die beiden Fortsätze sind
wahrscheinlich verwachsen gewesen und erst nach dem Tode gewaltsam getrennt. Eine ge-
naue Untersuchung dieses Punkts ist wegen der versteckten Lage dieses Knochenfortsatzes
nicht möglich. Bei Manatus zeigt sich eine ähnliche Fläche, so dass auch hier ein festes
Zusammenhängen des Felsenbeins mit dem Amboss, wenigstens in höherem Alter, wahr-
scheinlich wird. Der lange Schenkel ist lang und stark, er hat auf seiner inneren Seite eine
rauhe Fläche, welche der Artikulation mit dem Steigbügel angehört. Eine Sylvische Apo-
physe fehlt also.
Das Labyrinth von Rhytina — ganz dem der übrigen Sirenen gleich — besitzt eine
!) Siehe Hyrtl, Vergleichend-anatomische Untersu- | den Manatus Americanus, tab. IV, Fig. 14. B. Krauss,
chungen über däs Gehörorgan, tab. V, Fig. 11, und Vro- | Der Schädel des Halitherium Schinzi Kaup, tab. III,
lik, Bijdrage tot de Natuur en Ontleedkundig Kennis van | Fig. 5.
Memoires de l’Acad. Imp. des Sciences, Vllme Serie. )
10 M. CLAauvıvs,
Grösse, wodurch es das der übrigen Säugethiere, selbst solcher, die bedeutend voluminöser
sind, als sie selbst, weit übertrifft. Die absolute Weite der Bogen ist grösser als bei den grös-
sten echten Cetaceen, den Grönlands-Wal- und den Riesenfinnfischen. Die Schnecke, obschon
weniger Windungen besitzend, hat einen weiteren Kanal; an Capacität der Labyrinthöhlen
wird die Rhytina von Elephas, Dinotherium und Hippopotamus übertroffen; Rhinoceros hat
ein bedeutend kleineres Labyrinth. Die grossen Robben haben weitere und längere Bogen.
Die Schnecke ist bei ihnen beträchtlich kleiner. Die Capacität des re TE im
Ganzen beträgt etwa einen Cub.-Centimeter').
Die Lage im Schädel ist so, dass die Schneckenaxe lateralwärts nach unten gekehrt
ist. Die Spitze der Schnecke ist nach unten und ein wenig nach vorn gewandt; der obere
Bogen liegt in einer Vertikalebene, welche (lateralwärts) nach vorn gewandt ist, der hin-
tere liegt ebenfalls in einer Ebene, die nahezu fontal, aber mit dem äusseren Ende nach
vorn gewandt ist, zugleich ist dieselbe nach oben ein wenig auswärts gekehrt, so dass sie
nicht vollkommen vertikal ist. Der äussere ist nahezu in einer horizontalen Fläche befind-
lich. Die gegenseitige Lage der beiden Fenster haben wir schon oben angeführt.
Das Labyrinth der Sirenen ist in der Mehrzahl der Gattungen untersucht, wir kennen
dasselbe von Halicore, Manatus?) und Rhytina. Das Labyrinth von Halitherium ist uns aller-
dings unbekannt, indem nur einzelne Noticen vorliegen, doch sprechen die grosse Aehnlich-
keit des Felsenbeins, des Paukenringes und der Gehörknöchelchen dafür, dass auch dasselbe
dem der übrigen Gattungen entspricht. Es fällt an ihm zunächst die bedeutende Grösse der
Fenster, besonders des ovalen und die Weite des Schneckenkanals auf. Die letztere ist sehr
niedrig und ihre Spitze nur wenig über die Ebene der ersten Windung erhoben. Der Vorhof
hat eine bedeutendere Weite als der Schneckenkanal im Gegensatz zu den echten Cetaceen,
bei welchen derselbe enger, oder nur ebenso weit ist, zeigt die auch den echten Cetaceen
eigenthümliche Bildung, dass seine Innenwand so vorgewulstet ist, dass sie sich der Steig-
bügelbasis nähert und die untere Hälfte des Vorhofs fast verschwindet; die obere Hälfte
ist ausgetieft, und hier finden sich die Oeffnungen der Bogen. Bei einem Corrosionspräparat
zeigt sich desshalb an der Unterseite ein bedeutender Eindruck in den Vorhof. Die äussere
Wand wird fast ganz von der Steigbügelplatte eingenommun. Was das Grössenverhältniss
des Vorhofs zur Schnecke anbetrifft, so steht Rhytina, wie die beiden anderen Sirenen-
Gattungen, zwischen den wasser- und lufthörenden Säugethieren.
Die Bogengänge haben fast dieselbe Weite, sind aber länger als beim Menschen; sie
liegen sämmtlich in einer Spiralebene, diese ist aber besonders beim hinteren Bogengang so
wenig erhoben, dass die Bogen fast in einer graden Fläche liegen, sie zeigen keine Unre-
gelmässigkeiten der Form, haben also keine Winkel; die Ampullen sind wenig entwickelt
I) Diese Angabe ist selbstverständlich nur von an- | sen, die an den Fenstern und am modiolus sich befan-
nähernder Richtigkeit; sie wurde gewonnen, indem das | den, machten eine genaue Bestimmung unmöglich. Ge-
Präparat gewogen und sodann sein spezifisches Gewicht | funden wurde 1,02 Cub.-Centimeter.
bestimmt wurde. Der Defect in einem Bogen und Mas- 2) Cfr. Hyrtl,1.c. tab VII, Fig. 1. 2.
Das GEHÖRORGAN VON RBYTINA STELLERI. 2
und nicht so scharf abgesetzt wie bei vielen Säugethieren, welche in der Luft hören. —
Der obere und hintere Bogen haben einen langen, gemeinschaftlichen Schenkel. Der hori-
zontale öffnet sich mit seinem ampullenlosen Schenkel nicht, wie gewöhnlich, zwischen den
Schenkeln des hinteren Bogens, sondern nach hinten und ein wenig medianwärts von der
Ampulle des letzteren, so dass die Fläche des Vorhofs zwischen den Oeffnungen der Bogen
verhältnissmässig gross erscheint. Der horizontale Bogen ist übrigens entschieden kleiner
als jeder der beiden anderen, ebenso verhält es sich bei den anderen beiden Gattungen,
nur dass diese nicht nur absolut, sondern auch relativ dünnere Bogen haben als Ahytina.
So sind auch die Ampullen bei Halicore und Manatus stärker ausgesprochen. Nach dem
Vorhergehenden ist es wahrscheinlich, dass die Weichtheile des Vorhofs ebenso beschaffen
sind, wie bei den Phoken '). Der alveus communis oder der membranöse Sack, in welchen sich
sämmtliche Bogen öffnen, ist kein rundlicher Beutel, sondern dünn wie ein Schlauch, und
derselbe liegt in seiner Hauptrichtung sagittal.
Die Schnecke der Rhytina bildet, wie die von Halicore und Manatus, einen Kanal der
auf dem Durchschnitt rundlich ist, derselbe endet sehr wenig verjüngt mit einer abgerun-
deten Cupola, und bildet bei Rhytina 1'/, Windung; bei Halicore etwas mehr und bei Ma-
natus fast 1°, Windung. Gemessen ist von dem hintere Ende des ovalen Fensters aus.
Bei dem Knochen der Rhytina zeigte sich die lamina spiralis überall abgebrochen und
nur eine feine Reihe von Oefinungen an dem der Achse der Seite zugekehrten Kanal.
Diese Löcherreihe war an der Spitze nicht mehr zu sehen. Eine lamina spiralis secun-
daria, von der nur an den Labyrinthpräparaten von Halicore eine Andeutung vorhanden
ist, war nicht zu bemerken. Wir beschreiben deshalb die Zamina spiralis von Manatus,
indem wir annehmen, dass Rhytina ganz ähnliche Verhältnisse gezeigt habe. Wir haben
nämlich ein macerirendes Exemplar von Manatus untersucht, an welchem gewisse Theile,
namentlich die /amina spiralis, durchaus noch nicht zerstört waren. Dieselbe weicht in
ihrem Bau von der der echten Cetaceen bedeutend ab. Bei diesen findet sich ein star-
ker nach unten vorspringender Wulst, der die Paukentreppe bedeutend verengt, der canalis
ganglionaris”). Von ihm ist bei den Sirenen nicht das Geringste zu bemerken. Als die Axe
der Schnecke durchgesprengt wurde, zeigte sich im modiolus da, wo sich die lamina spi-
ralis an ihn ansetzt, ein kleines rundliches Loch, woraus man schliessen muss, dass die
Sirenen nur einen sehr geringen Ganglienstrang im Ramus cochlearis besitzen. Eine zweite
höchst auffallende Eigenthümlichkeit besteht in einer starken Entwickelung der knöchernen
Spiralleiste, welche, obwohl sehr dünn werdend, zur äusseren Schneckenwand hinüber reicht.
Ich habe schon früher gesagt, dass das untersuchte Exemplar im Maceriren war und einige
Weichtheile sich desshalb noch erhalten zeigten. An diesem ging die Knochenmasse ganz
zur äusseren Wand hinüber. Sie brach sogleich, wenn man mit einer kleinen Nadel daran
rührte, und es wird wohl bei vollkommen macerirten Exemplaren eine schmale Spalte re-
I Nach einer Abbildung, welche von Ibsen herrührt; 2) Hyrtl, tab. IX, Fig, 17.
derselbe hat sie nicht herausgegeben.
12 M. CLaupıus, Das GEHÖRORGAN VON RHYTINA STELLERI.
gelmässig vorhanden sein, indem der schmale Knochensaum abbricht, sobald er nicht mehr
von Weichtheilen, die ihn umgeben, gestützt wird. Bei den echten Cetaceen ist die mem-
brana basilaris obwohl sehr schmal, aber nicht verknöchert. Bei den Sirenen im Gegen-
theil ruhen die äusseren Schenkel der cortischen Stäbchen auf einer Knochenplatte. Die
physiologische Folge dieser Eigenthümlichkeit wird man anfangs geneigt sein, sich bedeu-
tender vorzustellen, als sie ist. Eine dünne Knochenplatte, obwohl schwierig in Bewegung
zu setzen kann doch ebensowohl schwingen wie eine Membran. Die grössere Festigkeit
derselben, dem Labyrinthwasser gegenüber wird veranlassen, dass sie nur durch stärkeren
Schall in Bewegung gesetzt wird, und dass, nachdem der Schall selbst aufgehört hat, ein
allmählicheres Abklingen desselben eintritt, als bei uns, die wir bekanntlich das plötzliche
Abbrechen eines Schalles deutlich wahrnehmen können.
Die übrigen Theile der Schnecke, namentlich das runde Fenster und der modiolus,
zeigen nichts Auffälliges. |
Sollen wir unsere Meinung über das Gehör der Rhytina abgeben, so würde dieselbe
etwa so lauten: die Rhytina wie die übrigen Sirenen hatte ein Gehör, mittelst dessen sie
im Wasser sowohl wie in der Atmosphäre Schallempfindung unterscheiden konnte, aber
in beiden leistete dieser Sinn nichts Ausserordentliches. Das Hören in Luft und Wasser
machen, wie schon oben bemerkt, die Aehnlichkeit des Labyrinthes mit dem der Cetaceen
wahrscheinlich und ferner die Bauart des Trommelringes. Das Hören in der Luft nämlich
wird durch die Kante des manubrium malleı bewiesen. Diese liegt in der Ebene, die sich
als Trommelfellfalz documentirt, und diese Lage kann nur, wenn das Trommelfell normaler
Weise fungirt, von Nutzen sein. Für das Hören im Wasser spricht, ausser der Aehnlichkeit der
Schnecke mit der der echten Uetaceen, die Grösse des runden Fensters, ferner die Ver-
bindungen des Hammers und Ambosses mit dem Felsen- und Paukenbein, und die eigen-
thümliche Structur des letzteren, die eine Anlagerung von Weichtheilen an’s Trommelfell
erlaubt. Dass eben das Gehör nicht scharf gewesen sei, schliessen wir aus folgenden Um-
ständen. Wir finden bei scharf hörenden Säugethieren (bei denen das Trommelfell fungirt)
die Gehörknöchelchen möglichst zart gebaut. Bei den Sirenen dagegen sind sie am plump-
sten unter allen Säugern. Was die Schnecke betrifft, so zeigt die Form der lamina spiralis
ebenfalls unabweisbar eine Schwäche der Funktion an, ganz abgesehen davon, dass keine.
besonderen Vorrichtungen vorhanden sind, um aus dem Paukenbein Schallwellen in’s Laby-
rinth fortzuleiten wie bei den Phoken. Von dem Fehlen des canalis ganglionaris sagen wir
nichts, da über die Funktion desselben noch nicht Vermuthungen geäussert sind.
Tabellarische Uebersicht der Dimensionen der pars labyrinthica der
Schnecke von Rhytina und Manatus.
Rhytina. Manatus.
Bee dor 0 Ioheruailsca Die TVab. 2.4.4: aussah 32'/, Mm. 26 Mm.
Dicke » » » vom hervorragensten Punkt des Promontorium
nach dem meatus auditorius internus neben dem Grübchen für den
ee Pe ee en ee ARE 25 » InlerR
Transversaler Durchmesser des runden Fensters. ....... ze2e2ccc2e2.. 192 6 »
Entfernung der Ebene des runden vom ovalen Fenster. ........... A; By
Langer Durchmesser des knöchernen Oanalis Facialis ........:..2 2200. 6 » Als
Sagittaler Durchmesser der pars symplectica Fig. IVed................ 86 » 62 »
Transversaler Durchmesser der pars symplectica ... 220222 ceeneeeenen 44 » 38 »
Vertikaler Durchmesser der pars symplectica vom Canalis facialis aus an
der Spitze des langen Ambossschenkels....... er ip ae 44 » 29 »
Entfernung von der Spitze des langen Schenkels des Ambosses bis zur
Ebene des runden Fensters (Länge des Stabes)...............-.. 19 » 1:
Sagittaler Durchmesser des Paukenrings an der Basis des Hinterhorns.
a en ea ale naar a 12 » 6 »
Vertikaler Durchmesser in der Mitte des unteren Randes. Fig. Vgh..... 25,» 19. ;»
Sagittaler Durchmesser in der Mitte des vorderen Randes. Fig. Vik..... 20 » 20 3
Entfernung des unteren Endes des Paukenringes von der Spitze des Fel-
Benb ein Bi ER TREE BA 2 TB 54,5 >» 4 »
Breite der hinteren Oeffnung der Paukenhöhle. Fig. VIr o.............. ai» 12,5 »
Durchmesser der Schneckenbasis vom lateralen Ende des runden Fensters
EEE end os eo Herden t.c malile io A le RR 15 » 12 »
Langer Durchmesser des ovalen Fensters. .............z2res2000. 9» 6 »
Kurzer Durchmesser des ovalen Fensters. ........-.......22222022020000 6 » 4 »
Langer Durchmesser des runden Fensters.......-....-.cerccuocener0n 8» 6.522
Kurzer Durchmesser des runden Fensters ..........222uceeeeeonenen 0 I .
Vertikaler Durchmesser des Schneckenkanals etwa 1 Linie weit median-
wärts vom medialen Ende des runden Fensters an gemessen. .....
Von der Wand des Vorhofs in der Mitte zwischen den Schenkeln des obe-
ren Bogens bis zur höchsten Amplitude desselben................
Ebenso beim horizontalen Bogen. ............... A ee ir
Rbenso. beim hinteren. . 2... Se RE NEIIRE ES AERERETNE
Länge des gemeinsamen Schenkels von seinem Abgange aus dem Vorhof
bis zur Bifurcation aussen. gemessen». „u... ..4Luuc@ner sem ann
Rhytina,
4,5 Mm.
8
6
S)
»
Manatus.
4,5 Mm.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Das Felsenbein von ARhytina Stelleri von innen. Man sieht den inneren Gehörgang, den
kurzen canalis facialis und den aquaeductus vestibuli.
Fig. 2. Dasselbe von aussen. Man sieht den Trommelring, den Hammer und zum Theil den Amboss.
Fig. 3. Dasselbe von hinten gesehen. Der Trommelring und die beiden Gehörknöchelchen sind
von der medialen Fläche zu sehen; zugleich liegt das runde Fenster vor.
Auf den angeführten Figuren sind die Punkte angemerkt, nach welchen gemessen wurde.
Fig. 4. Der Trommelring und die Gehörknöchelchen von der medialen Fläche nach Wegnahme
der pars labyrinthica des Felsenbeins.
Fig. 5. Die pars labyrinthica.des Felsenbeins von unten. Man sieht das ovale Fenster und rechts
davon den Knochenbogen, unter welchem der Nervus facialis durchgeht.
Fig. 6—8. Zeichnungen des Labyrinthabgusses. Es wurde das defekte Stück des oberen Bogen-
gangs ergänzt, da dessen Biegung aus dem vorhandenen leicht erschlossen werden konnte.
Diese Zeichnungen sind nach der Lucae’schen Methode angefertigt und desshalb volkom-
men correkt.
Fig. 6 zeigt die Schnecke grade von oben.
Fig. 7. Dieselbe von vorn, so dass der Blick in die Ebene der ersten Schneckenwindung fällt. Man
sieht auf dem Vorhof die Spuren der eintretenden Aeste der Hörnerven.
Fig. 8. Das Labyrinth wurde so gestellt, dass die Flächen des Vorhofs zwischen den Einmün-
dungen der Bogen dem Auge zugewandt waren.
Fig. 1 bis 8 sind von Dr. med. L. Justi und Fig. 9 bis 11 von Herrn Stud. Eysell gezeichnet,
denen ich hiermit meinen herzlichsten Dank sage.
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