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THE DORSCH LIBRARY.
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'The private Library of Edward Dorsch, M.
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1218Stes und 1219tes Bandchen.
Denkwürdigkeiten eines Arztes.
* Zweite Abtheilung.
„ Das Halsband der Königin.
gehntes und elftes Baͤndchen.
Jedes Bändchen koſtet 6 Kreuzer oder 3 Neugroſchen.
Stuttgart. ®
Berlag der Franckh'ſchen Buchhandlung.
1850.
Drad der
K. Hofbugpruderei Zu Guttenberg in Stuttgar
Be.
Sänakkihe Werke
4 von
Alexander Dumas.
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Deutſch
von
Dr Auguft Zoller.
Stuttgart,
Berlag der Franckh'ſchen Buchhandlung:
1850.
enkwiürdigkeiten eines Arztes.
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—
Alexander Dumas.
Zweite Abtheilung.
Das Haldband der Königin.
Zehntes und elftes Bändchen.
Aus dem Franzöſiſchen
von
Dr. Auguft Boller.
— —
Stuttgart.
Verlag der Franckh’fhen Buchhandlung.
1850.
ES
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Delirium.
Bott Hatte ohne Zweifel das Gebet von Andree
ebört, Herr von Eharny unterlag nicht feinem Fieber:
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unfall.
Am andern Tage, als fie voll Bierde alle Nach⸗
ichten verfchlang, die ihr von dem Verwundeten zus
amen, ging Dieter durch die Pflege bes guten Doctor
!tonis vom Tode zum Leben über. Die Entzündung
hatte der Energie und dem Gegenmittel nachgegeben.
Die Heilung begann.
Sobald Eharny gerettet war, beichäftigte ſich Louis
tan die Hälfte weniger mit ihm; der Gegenſtand hörte
inf, Intereffant zu fein. Für den Arzt ift der Lebende
ehr wenig, befonders wenn er in der Wiedergenefung
Yegriffen, oder wenn er ſich wohl befindet.
Nur, nad Berlauf von acht Tagen, in denen fl
Andree völlig beruhigte, hielt es Louis, der alle Offen-
Jarungen des Kranken während der Krife auf dem
rzen hatte, für gut, Charny an einen entfernten
rt bringen zu laflen. Er wollte das Delirium in
Hn anderes Land verfeßen.
Aber Eharny weigerte ſich bei den erften Berfuchen,
welche gemadyt wurden. Er fchlug von Zorn funkelnde
Augen zum Doctor auf und fagte ihm, er fet beim
König, und Niemand habe das Recht, einen Mann
Wegzujagen, dem Seine Majeftät ein Afyl gebe.
Das Haldband der Königin. ILL. 1
Der Doctor, der nicht gebulbig gegen widerf
flige Genefende war, ließ ganz einfach vier Kı
en und befahl ihnen, den Verwundeten aı
eben.
Aber Charny klammerte fih an das Holz fi
Bettes an, fchlug heftig einen von den Männern
bedrohte die Anderen wie Karl XII. bei Bender.
Der Doctor verfuchte es .mit vernünftigem Zurı
Charny war Anfangs yemtig logify, als aber
Knechte beharrlich ihre Arbeit fortfegen wollten, m.
er eine fo gewaltige Gegenanftrengung, daß feine W
fih wieder öffnete und mit feinem Blute feine Bern
entflob. Gr war in einen Anfall von Delirium zu:
gefehrt, der heftiger als der erfte.
Da fing er an zu freien, man wolle ihn
fernen, um ihn der Biflonen zu berauben, bie eı
Sclafe gehabt, aber es fei vergebens, bie Viſi
lächeln ihm immer zu, man liebe ihn und werde
des Doctors fommen, um ihn zu bejuchen: diejen
welche ihn liebe, fei von einem Range, daß fle fe
Menfhen Zurüdweifung fürdte.
Bei dieſen Worten ſchickte der Doctor zittern!
aller Eile die Knechte weg, legte einen Berband
die Wunde, und verfegte, entfchloflen, die Bern:
mit dem Körper zu pflegen, die Wunden in einen
friedigenden Zufland, hielt aber das Fleber nicht
was ihn zu erfchreden anfing, in Betracht, daß
Kranfe von der Berirrung des Berflandes zur Toll
übergehen Fünnte.
Alles verfchlimmerte fih an einem Tag, fo
der Doctor Louis an die heroiſchſten Mittel dachte. |
Kranfe Rürzte nicht nur fi, fondern auch die Köni
in’s Berberben; dadurch, daß er viel ſprach, ſchrie
tadurd, daß er fich viel erinnerte, erfand er;
Schlimmſte dabei war, daß Eharny in feinen li
Augenbliden, und er Hatte deren viele, toller war,
in Feiner Tollbeit.
3 4
oͤchſten Grade verlegen, beſchloß Lonis, ver ſich
die Autorität des Könige ſtützen konnte, denn
fe ſtützte ſich auch darauf, zu der Königin zu
> ihr Alles zu fagen, und er benügte, um
Hritt zu thun, einen Augenblid, wo Gharny,
ch das Erzählen feiner Träume und das Her⸗
feiner Viſion, fchlief.
ınd Marie Antoinette ganz nachdenkend und
blend zugleich, denn fie dachte, der Doctor
: gute Nachricht von feinem Kranken bringen.
de war fehr erflaunt; gleich bei ihrer erſten
wortete Louis gerabe heraus, der Kranke fei
!“ rief die Königin, „geſtern ging es fo gut.”
n, Madame, es ging jehr fchlecht.“
ſchickte doch Mifery zu Ihnen, und Sie ants
mir durch ein gutes Bulletin.“
1b — einer tollen Hoffnung hin und wollte
n lafjen.“
3 foll das bedeuten?” erwieberte die Königin
3 „wenn e8 fchlecht geht, warum es mir vers
as habe ich zu befürdten, Doctor, wenn
leider zu gewöhnliches Unglück?“
yame.. ."
wenn es gut geht, warum mich in eine Uns
gen, die ganz natürlich iR, da es fih um
:n Diener des Königs handelt? Antworten
offenberzig mit ja oder nein. Wie fleht es
ranfheit? Wie fteht es mit dem Kranken?
r vorhanden?”
ihn noch weniger, als für Andere, Mas
fangen die NRäthfel an,” rief die Königin
J. „Erklaͤren Sie ſich.“
iſt ſchwer,“ antwortete der Doctor. „Es ge⸗
u, zu erfahren, daß das Uebel des Grafen
iy ein ganz moraliſches iſt. Die unbe if
4
nur eine Beigabe bei den Leiden, ein Vorwand
das Delirium.”
„Sin moralifches Uebel! Herr von Eharny |“
„Sa, Madame, und ih nenne moraliich 9
was fi nicht mit dem Zerglieverungsmefler analy
läßt. Erfparen Sie mir, Eurer Majeftlät meh
agen.“
ſes „Ste meinen, der Graf...“ verſetzte die Kön
„Sie wollen?”
„Bewiß, ih will.“
„Sch will fagen, der Graf fet verliebt, das
ich fagen. Eure Majeftät fordert eine Erklärung
erfläre mich.“
Die Königin machte eine Fleine Bewegung
den Schultern, welche bedeutete: eine fchöne Geſch
„Und Sie glauben, man genefe hievon, wie
einer Wunde?” fuhr der Doctor fort; „nein, das!
wird ſchlimmer, und vom vorübergehenden Deli
wird Herr von Charny in eine tödtlihe Monon
verfallen. Dann . . .“
„Dann, Doctor ?“
„Dann werden Sie ben jungen Mann in’s
derben geflürzt haben, Madame.“
„on der That, Doctor, man muß fih wur
über Ihre Manieren. Ich werde diefen jungen 9
in's Verderben geftürzt haben! Bin ich die Urf
wenn er verrüdt if?“ -
een
„Aber Sie empören mid, Doctor.”
„Sind Gie nit in diefem Augenblid Sc
fuhr der unbeugfame Doctor, die Achſeln zuckend,
„fo werden Sie es fpäter fein.”
„Beben Sie alſo einen Rath, wie dies Ihr
werbe iſt,“ faute die Königin ein wenig befänfti;
„Das heißt, ich foll eine Verordnung machen
„Wenn Sie wollen.”
„Hören Sie, Madame. Der junge Mann ı
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Balfam ober durch das Eiſen geheilt; bie
en Namen er jeden Augenblid anruft, tödte
heile ihn.“ _
; find von Ihren Ertremen,” unterbrad bie
wieder in ihre Ungeduld verfallend. „Tödten!...
.· große Worte! Tödtet man einen Mann
Bl heilt man einen armen Narren mit
ein?“
wenn Sie auch ungläubig find, fo Habe ich
br zu thun, als Curer Majeftät meinen unters
: Mefpert zu bezeigen.“
en Sie vor Allem hören, handelt es fih um
weiß nichts davon und will nichte davon
h wiederholte Ihnen nur, daß Herr von Charny
nftiger Narr ift, daß die Vernunft zugleich
ig machen und tödten kann, daß die Tollheit
yernünftig machen und heilen fann. Wenn
diefes Schloß von Schreien, von Träumen
Nergerniß befreien wollen, fo werden Sie
iſchluß faflen.“
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' ja, welden? Ich mache nur Berorbnungen
nicht. Bin ich ganz ficher, gehört zu haben,
heart habe, gefehen zu haben, was meine
ehen?“
men Sie an, ich verſtehe Sie, was wird
ervorgehen 2”
zweifaches Glück: das eine, das beflere für
> für Alle, if, daß der Kranfe, dur das
ye Stilett, weldyes man die Vernunft nennt,
ı getroffen, feinen Todesfampf, welcher beginnt,
en fiebt; das andere... nun wohl... . das
.. Ob, Madame entfchuldigen Ste mich, ih
das Unrecht zu Schulden fommen laffen, zwei
» aus dem Labyrinth 4 ſehen. Es gibt nur
Marie Antoinette, bie Königin von Frankreich.“
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enkwürdigkeiten eines Arztes.
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Mlexander Dumas.
Zweite Abtheilung.
Das Halsband der Königin,
Zehntes und elftes Bändchen.
Aus dem Franzöſiſchen
von
Dr. Auguſt Boller.
— —
Stuttgart.
Verlag der Frauckh'ſchen Buchhandlung.
| 1850.
LI.
Delirium.
Bott Hatte ohne Zweifel das Gebet von Anbree
—8— Herr von Charny unterlag nicht ſeinem Fieber⸗
all.
Am andern Tage, als fie voll Gierde alle Nach⸗
bten verfchlang, die ihr von dem Verwundeten zu⸗
men, ging Dieter durch die Pflege des guten Doctor
wis vom Tode zum Leben über. Die Entzündung
tte der Energie und dem Gegenmittel nachgegeben,
ie Heilung begann.
Sobald Eharny gerettet war, beichäftigte fich Louis
ı die Hälfte weniger mit ihm; der Gegenſtand hörte
f, Intereffant zu fein. Yür den Arzt ift der Lebende
w wenig, befonders wenn er in der Wiedergenefung
zriffen, oder wenn er ſich wohl befindet,
Nur, nad Berlauf von acht Tagen, in denen ſich
drée völlig beruhigte, hielt es Louis, der alle Offen-
rungen des Kranken während der Krife auf dem
rzen hatte, für gut, Charny an einen entfernten
rt bringen zu laffen. Gr wollte das Delirium in
ı anderes and verfeßen.
Aber Eharny weigerte ſich bei ben erften Berfuchen,
lche gemacht wurden. Er fchlug von Zorn funkelnde
gen zum Doctor auf und fagte ihm, er fet beim
Inig, und Niemand babe das Recht, einen Mann
gäujagen, dem Seine Mafeftät ein Aſyl gebe.
Das Salsband der Königin. ILL. 1
Der Doctor, ber nicht gebulbig gegen w
flige Genefende war, ließ ganz einfach vier
en und befahl ihnen, ben Verwundete
; eben.
: Aber Charny Elammerte fi an das Ho
Bettes an, fchlug heftig einen von den Mänı
bedrohte die Anderen wie Karl XII. bei Bend
;- Der Doctor verfuchte es mit vernünftigem
⸗ Charny war Anfangs —5 logiſch, als
J Knechte beharrlich ihre Arbeit fortſetzen wollten
. er eine ſo gewaltige Örgenanfirengung, daß fein
fich wieder öffnete und mit feinem Blute feine:
entfloh. Er war in einen Anfall von Deliriun
gefchrt, der heftiger ale der erfte.
' Da fing er an zu fchreien, man wolle
fernen, um ihn ber Biflonen zu berauben, d
u Schlafe gehabt, aber es fei vergebens, bie !
i lädheln ihm immer zu, man liebe ihn und we
des Doctors kommen, um ihn zu beiudhen: d
welche ihn liebe, fei von einem Range, daß fi
Menfhen Zurückweiſung fürdte.
Bei dieſen Worten ſchickte der Doctor zit
aller Eile die Knechte weg, legte einen Verb
die Wunde, und verfeßte, entichloffen, die 2
mit dem Körper zu pflegen, die Wunden in e
‚ friedigenden Zuftand, hielt aber das Fieber ni
' was ihn zu erfchreden anfing, in Betracht,
Kranfe von der Verirrung des Verſtandes zur
übergehen koͤnnte.
Alles verfchlimmerte fih an einem Tag,
der Doctor Louis an die heroiſchſten Mittel dad
Kranfe fürzte nicht nur fi, fondern audy bie.
in's Verderben; dadurch, daß er viel fprady, fı
dadurch, daß er ſich viel erinnerte, erfand «
Schlimmfte dabei war, daß Charny in feinen
Yugenbliden, und er Batte deren viele, toller m
in Feiner Tollpeit.
3
Im höchſten Grade verlegen, beſchloß Lonis, der ſich
icht auf die Autorität bes Königs Rügen Fonnte, denn
er Kranfe fügte fi aud) darauf, zu der Königin zu
eben und ihr Alles zu fagen, und er benigte, um
tiefen Schritt zu thun, einen Augenblid, wo Charny,
ıüde durch das Erzählen feiner Träume und das Her:
eirufen feiner Viſion, ſchlief.
Er fand Marie Antoinette ganz nachdenfend und
anz firahlend zugleih, denn fie dachte, der Doctor
ürde ihr gute Nachricht von feinem Kranken bringen.
Aber & war fehr erflaunt; gleich bei ihrer eriten
tage antwortete Louis gerade heraus, der Krante fei
br franf.
„Wie!“ rief die Königin, „geſtern ging es fo gut.”
„Nein, Madame, es ging Er ſchlecht.“
„IIch ſchickte doch Miſery — Ihnen, und Sie ant⸗
wrteten mir durch ein gutes Bulletin.”
Ich gab mich einer tollen Hoffnung Hin und wollte
Ste hoffen laflen.“
„Bas foll das bedeuten?“ erwieberte die Königin
br bleich; „wenn es fchlecht geht, warum es mir vers
ergen? Was habe ich zu befürdten, Doctor, wenn
icht ein leider zu gewöhnliches Unglück?“
Madame...”
„Und wenn es gut geht, warum mich in eine Un⸗
We verfegen, bie ganz natürlich if, da es fih um
isen guien Diener des Königs handelt? Antworten
Be alfo offenherzig mit ja oder nein. Wie fleht es
Bit der Krankheit? Wie ſteht es mit dem Kranfen?
Gefahr vorhanden?”
„Bär ihn noch weniger, als für Andere, Ma⸗
ge Ihnen, jr erfahren, daß das Uebel des Grafen
vs Gharny ein ganz moralifches if. Die Munde iſt
4
nur eine Beigabe bei den Leiden, ein DBorwand f
das Delirium.”
„Ein moralifches Uebel! Herr von Charny |“
„Sa, Madame, und ich nenne moraliich All
was fi nicht mit dem Zergliederungsmefler analyfir
Fa Erfparen Sie mir, Eurer Majeftät mehr
agen.”
„Ste meinen, der Braf...“ verſetzte die König
„Sie wollen?”
„Bewiß, ih will.“
„Sch will fagen, der Graf fet verliebt, das w
ich fagen. Eure Majeftät fordert eine Erklärung; |
erfläre mich.“
Die Königin machte eine kleine Bewegung u
den Schultern, welche bedeutete: eine Schöne Gefchidh:
„Und Sie glauben, man genefe hievon, wie v
einer Wunde?“ fuhr der Doctor fort; „nein, das Uel
wird fchlimmer, und vom vorübergehenden Delirit
wird Herr von Charny in eine tödtlide Monomaı
verfallen. Dann . . .“
„Dann, Doctor ?“
„Dann werden Sie den jungen Mann in’s ®i
derben gefürzt haben, Madame.“
„Sn der That, Doctor, man muß fi wunbe
über Ihre Manieren. Sch werde diefen jungen Ma
in’s DVerderben geſtürzt Haben! Bin ich die Urfad
wenn er verrüdt if?“ >
eine:
„Aber Sie empören mid, Doctor.”
„Sind Sie nicht in diefem Augenblid Schull
fuhr der unbeugfame Doctor, die Acleln zudend, fe
„fo werben Gie es fpäter fein.”
„Beben Sie alfo einen Rath, wie dies Ihr 6
werbe if,“ faate die Königin ein wenig befänftigt.
„Das heißt, ich fol eine Verordnung machen 7
„Wenn Sie wollen.”
„Hören Gie, Madame, Der junge Mann x
n Balfam ober durch das Eifen geheilt; bie
eren Namen er jeden Augenblid anruft, töbte
heile ihn.“ .
as find von Ihren Ertremen,” unterbrach bie
, wieder in ihre Ungebuld verfallend. „Tödten!...
... große Worte! ZTödtet man einen Mann
r Härte? heilt man einen armen Narren mit
ücheln?“
y! wenn Sie auch ungläubig find, fo Habe ich
ıehr zu tun, als Eurer Majeftät meinen unters
en Reſpect zu bezeigen.“
ffen Sie vor Allem hören, handelt es fih um
b weiß nichts davon umb will nichts bavon
ich wiederhole Ihnen nur, daß Herr von Charny
‚änftiger Narr ift, daß die Vernunft zugleich
nig madyen und tödten fann , daß die Tollheit
vernünftig machen und heilen fann. Wenn
o diefes Schloß von Schreien, von Träumen
ı Nergerniß befreien wollen, fo werden Sie
ntfchluß faffen.“
zelchen?“
h! ja, welchen? Ich mache nur Verordnungen
he nicht. Bin ich ganz ſicher, gehört zu haben,
gehört habe, gefehen zu haben, was meine
Jeſehen?“
ehmen Sie an, ich verſtehe Sie, was wird
hervorgehen?“
ı zweifaches Glück: das eine, das beſſere für
de für Alle, ift, daß der Kranfe, durch das
iche Stilett, welches man die Bernunft nennt,
en getroffen, feinen Todestampf, welcher beginnt,
igen fieht; das andere... nun wohl... . das
‚+ Oh, Madame entfchuldigen Ste mich, ich
ie das Unrecht gu Schulden kommen laffen. zwei
ge aus dem Labyrinth u fehen. Es gibt nur
r Marie Antoinette, bie Königin von Frankreich.“
„Ich verkche Sie, Gie ia
Doctor. Die Fran, für meld
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roöfe Empfindlichkeit, die erſte Urſache feines
, abzuhalten.
in Lärmen, feine Berührung, Fein Anblid. Der
Louis band mutbig mit allen Vorwänden zu
Wiederanfleben Frankhafter Erſcheinungen an,
nnoch wich er, entfchloffen, einen großen Schlag
n, nicht vor einer Kriſe zurüd, die feinen
n tödten Eonnte. Allerdings konnte fie ihn auch
igethan mit einem Morgenfleide, mit einer ganz
gen Gleganz friſirt, trat die Königin ungeſtüm
Hausflur, welche zu dem Zimmer von Charny
Der Doctor Hatte ihr empfohlen, nicht zu
nicht zu verfuchen, fondern auf der Stelle, mit
Sntichloffenheit zu erfcheinen, um eine heftige
ıg bervorzubringen.
je drehte fo rafch den cifelirten Knopf der erften
bes Borzimmers um, daß eine Perfon, die fih
ie Thüre des Zimmers von Charny neigte, eine
Manıille gehüllte Frau, nur Zeit hatte, ſich aufs
n und eine Haltung anzunehmen, beren Ruhe ihr
es Beficht und ihre zitternden Hände Lügen flraften.
‚ndree!” rief die Königin erflaunt. „Sie bier!“
ch!“ antwortete Andree, bleich und aͤngſtlich,
ture Majeſtät. Do ift Eure Majeſtät nicht
(oft Bier?“
vo! 50! Berwidelung!” murmelte der Doctor.
4 tue Sie überall,” fagte die Königin; „wo
e “
Tag in diefen Worten der Königin ein Aus-
welcher nicht der ihrer gewöhnlichen Büte. Es
e das Vorfpiel eines Berhörs, wie das Symptom
zerdachtes.
drée hatte bange, fie befürchtete beſonders, ihr
egter Schritt koͤnnte den Schlüffel zu ihren für
furchtbaren Gefühlen geben. So flolz fie auch
entfchloß fie fich doch, zum zweiten Male zu lügen.
„Hier, wie Sie fehen.”
„Allerdings, doch, wie Hier?"
„Madame,“ erwiederte fie, „man ha
Eure Majeſtät laffe mich ſuchen; ich bin
Die Königin war nit am Ende bei
trauen, fie blieb beharrliy und fuhr fort
„Wie Haben Sie es gemadt, um
wohin ich ging?
„Das war leiht, Madame; Sie wc
Doctor Louis, und man hatte Sie durch
Gemächer gehen fehen; von da an hatten
deres Ziel, als diefen Papillon.“
„But erratben ,“ erwiederte die Kön
noch unentfchieden, aber ohne Härte, „gu
Andree ftıiengte fich gewaltig an und ſp
„Madame, wenn es die Abfiht Eu
war, fich zu verbergen, fo hätte fie ſich
unbededten Ballerieen zeigen müflen, wie
gethan, um bierher zufommen, Schreite!
über die Terrafie, fo flieht fie Fräulein ı
von ihrer Wohnung aus, und es ift ni
Jemand zu folgen oder voranzugehen, dd
ferne geſehen hat.”
„Ste hat Recht,“ fagte die Königin
hundertmal Recht. Ich habe eine unglüdl
heit, weldye darin beſteht, daß ich nie eı
nachdenkend, glaube ich nit an die R
Andern.”
Die Königin fühlte, fie würde vielle
ficht bedürfen, weil fie der Vertrauten be
Ihre Seele war überdies Feine Zuf
von Coquetterie und Mißtrauen, wie die
lien Weiber; fie hatte Blauben in ihre
ten, denn fie wußte, daß file lieben konnte.
welche fich felbft mißtrauen, mißtrauen n
den Anderen. Gin großes Ungtüd, das |
beftraft, ift, daß fle ſich nie von ihren Lich
glauben.
Marie Antoinette vergaß alfo fehr raſch den Eins
drud, den Fräulein von Taverney vor der Thüre von
Charny auf fie gemacht hatte. Sie nahm Andree bei
der Hand, ließ fie den Schlüfiel dieſer Thüre umdrehen
und drang mit einer außerordentlichen Schnelligkeit in
das Zimmer des Kranken, während der Doctor mit
Andrde außen blieb.
Kaum hatte diefe die Königin verfchwinden ſehen,
als fie zum Himmel einen Blid voll Zorn und Schmerz
erhob, einen Blick, deſſen Ausdrud einer mwüthenden
Verwünſchung glich. j
Der gute Doctor nahm ihren Arm, durchſchritt
mit ihr die Flur und fagte:
„Blauben Sie, daß es ihr gelingen wird?“
„Belingen ? mein Bott! was?” rief Andrée.
„Den armen Narren, der hier flerben wird, wenn
fein Fieber noch ein wenig fortdauert, anderswohin
Bringen zu laſſen.“ .
„Anderswo wird er alſo genejen?” fragte Andree
9.
Der Doctor ſchaute ſie erſtaunt, unruhig an und
antwortete:
„Ich glaube, ja.“
a dann möge es ihr gelingen!” rief das arme
en.
LI.
Miedergenefung.
Die Königin war indefien gerade auf den Lehnftuhl
Charuy zugegangen.
Diiefer erhob den Kopf beim Beräufde der Pan⸗
r, welche auf dem Boden Trachten.
; murmalte er, indem er a
mon ie Kontgin⸗ m er an
9 me engen Salem eine Frau,
u gie ans dem Serien
Fa te es Charuy verfuher
Bertheibi au foredien, aber Ir
— It ihm lat 1 gele Dayn
„Was werd: eine Feinnet tun,“ gest fe
Ei — des an geben?“
‚alt ,“ Rammelte € —
jollen Sie wählen? entwe
, und iq werde Ihnen da⸗
m, benehmen; oder Gie find:
räffer, und 17 Derde Sie beftrafen.“
„DRadame, fagen Sie nicht, ich fei ein Bi
Ju dem Punde der Könige 86 Ni Karl
Todesuriheil voran, in dem ee Br
.&
. Königin, tödten Sie mid, Frau, ſchonen
ind Sie bei gefundem Berflande, Herr von
2?” fagte die Königin mit bewegter Stimme.
ı, Madame.“
ıben Sie das Bewußtfein Ihres Unrechts gegen
hres Berbrechens gegen . . . den König?”
ein Bott!“ murmelte der Unglückliche.
enn Ihr vergeßt es au leicht, Ihr Herren Ebels
ver König if der Gemahl der Frau, die Ihr
eidigt, indem Ihr die Augen zu ihr erhebt;
g if der Vater Cures zufünftigen Herrn, meines
1. Der König if ein Mann, der größer und
0 Shr Alle, ein Mann, den ich verehrte und
ebe.”
hf“ murmelte Gharny, einen dumpfen Seufzer
nd; und um nicht vollends niederzuſtürzen, war
bigt, eine von feinen Händen auf den Boden
n.
n Schrei durchdrang das Herz ber Königin.
in dem erlofcyenen Bli des jungen Mannes,
ınf den Tod getroffen worden, zöge fle wicht
8 der Wunde den Pfeil, den fie gegen ihn abs
-mberzig und fanft, erfchraf fie deshalb über
Te und Schwäche des Schuldigen, und fie war
ugenblict nahe daran, um Hülfe zu rufen,
t fie bevadhte, ver Doctor und Andree würden biefe
bt des Kranken fchlecht deuten. Sie bob ihn
n Händen auf und fagte:
prechen wir, ich als Königin, Ste ald Mann.
etor Louis Hat es verfuht, Sie zu heilen;
nde, welche nichts war, verfchlimmert fi durch
ichweifungen Ihres Gehirns. Wann wird fie
ein, diefe Wunde? Wann werden Sie aufhören,
tor das ärgerliche Schaufpiel einer Toliheit zu
ie ihn beunruhigt? Wann werden Gie vom
abreifen ?"
12
„Madame,“ ftammelte Charny, „Eure D
jagt mich fort... Ich gebe! ich gehe!“
Und er machte eine fo heftige Bewegung, ur
zugehen, daß er, aus feinem Gleichgewicht I
geworfen fih fchwanfend in den Armen der K
rebte, die ihm den Weg verſperrte.
Kaum batte er die Berührung dieſer glü
Bruſt, die ihn zuritchielt, gefühlt, Faum hatte
unter dem unwillfürlichen Drnde des Armes, |
trug, gebogen, als feine Vernunft ihn eilig :
als frin Mund ſich öffnete, um einen verzet
van durchzulaſſen, der fein Wort war und fe
zu fein wagte.
Durch diefe Berührung felbft verfengt, dur
Schwäche bewegt, hatte die Königin nicht bi
den leblofen Körper auf feinen Stuhl zurüdyı
und fie wollte entfliehen, aber der Kopf von I
war rüdwärts geiallen; er flug an das Hı
Stußles, eine leichte roienrothe Nuance färt
Schaum feiner Lippen, ein lauer rofenfarbener
war von feiner Stirne auf die Hand der Rönigin g
„Oh! fo ift e8 gut,“ murmelte er, „fo ift ı
ich flecbe durch Sie getödtet.“
Die Königin vergaß Alles. Sie fam zurüd
Charny in ihre Arme, preßte feinen todıen K
ihren Buſen und legte eine eisfalte Hand a
Herz des jungen Mannes.
Die Liebe bewirkte ein Wunder. Eharny e
wieder. Er öffnete die Augen. Die Erfcheinu
fhwand. Die Zrau erfhraf, eine Grinner:
zurüdgelafien zu haben, wo fle nur ein legtes Le
zu geben glaubte.
Sie machte drei Schritte gegen bie Thü
einer foldhen Haft, daß Charny faum Zeit hatt
Saum ihres Kieides zu ergreifen und auszuruf
„Madame, im Namen aller Achtung, bie
Bott habe, einer Achtung , welche minder groß
die Achtung, welche ih tür Sie hege . . ."
13
Sie wohl!” rief die Königin.
me! oh! verzeihen Sie mir!”
erzeibe Ihnen, Herr von Charny!“
me, einen legten Blick!“
von Charny,“ ſprach die Königin zittern»
ung und Zorn, „And Sie nicht ber letzte
en, fo werden Sie heute Abend, morgen
om Schloffe abgereift fein.“
önigin bittet, wenn fie in folgen Ausdrücken
harny faltete voll Trunkenheit die Hände
te fih auf den Knieen bis zu ben Füßen
Antoinette.
hatte fchon bie Thüre geöffnet, um fchneller
zu entfliehen.
:, deren Augen biefe Thüre feit dem Anfang
dung verfchlungen, fah den jungen Mann
fen, die Königin ſchwankend; fie fah Die
jenem vor Stolz und Hoffnung glänzen, bie
diefer fich erlofchen gegen den Boden ſenken.
erzen getroffen, verzweiflungsvoll, anges
von Haß und Verachtung, beugte fie den
‚ Als fie die Königin zurüdkommen ‚fab,
hr, Gott Habe biefer Fran zu viel gegeben,
ihr als Ueberfluß einen Thron und bie
gegeben, da er ihr fo eben nun auch bieje
ıde mit Herrn von Charny geſchenkt.
‚octor fah zu viele Dinge, um eines zu bes
nun dem Erfolg der gepflogenen Unterhands
zenharrend, begnügte er fih, zu fragen:
Madame?“
önigin brauchte eine Minute, um fi zu
nd ihre durch die Schläge ihres Herzens ers
nme wieberzuerlangen.
wird er tun?“ wiederholte der Doctor.
ird abreifen,“ murmelte die Königin.
6
„Sch verfiche Sie, Sie haben oſſenherzig geſproch
Doctor. Die Frau, für weldye Herr von Gharny
Vernunft verloren bat, fol ihm biefe Vernunft g
willig oder mit Gewalt zurüdgeben.*
„Sehr gut, das ift es.”
Sie foll den Muth haben, ihm feine Träume, |
heißt, die nagende Schlange, zu entreißen, welche a
gerollt im tierften Grunde feines Herzens liegt.“
„Sa, Sure Majeftät.“
„Laflen Sie Jemand benadhrichtigen; Fräulein ı
Taverney zum Beifpiel.“
„Fräulein von Taverney?“ verfeßte ber Doctor
„3a, Sie werden Alles einrichten, daB uns
Kranke auf eine geziemende Weiſe empfängt.“
„Das ift geihehen, Madame.“
„Ohne irgend eine Schonung.“
„@s muß wohl fein.”
„Aber, Docter,“ murmelte die Königin, „es
trauriger, ale Sie glauben, fo das Leben oder |
Tod eines Menſchen aufzufuchen.”
„Das thue ich alle Tage, wenn ich eine unbefan
Krantheit anfafle. Werde ich fie durch das Mittel ı
reifen, welches das Uebel tödtet, ober dur I
dittel, das den Kranken tödtet?“
„Sie, Sie find fiher, die Krankheit zu töbten
fragte bebend die Königin.
„Ei!“ erwiederte der Doctor mit büfterer Mie
„wenn auch ein Mann für die Ehre einer Köni—
ſtürbe, wie viele fterben nicht alle Tage für die Laı
eines Könige? — Gehen wir, Madame.“
Die Königin ſeufzte und folgte dem alten Doc
ohne daß fie Andree hatte finden fünnen.
Es war elf Uhr Morgens. Charny ſchlief ge
angefleidet in einem Lehnſtuhl nach der Aufregt
einer furchtbaren Nacht. Sorgfältig geſchloſſen, lief
die Läden nur einen ſchwachen Nefler des Tageslich
dur. Alles war darauf eingerichtet, von dem Kran
vöfe Empfindlichkeit, die erfle Urſache feines
abzuhalten.
n Lärmen, feine Berührung, Fein Anblid. Der
konis band muthig mit allen PVorwänden zu
Biederaufleben krankhafter Erfcheinungen an,
noch wich er, entfchloffen, einen großen Schlag
‚ nit vor einer Kriie zurüd, die feinen
tödten konnte. Allerdings Eonnte fie ihn auch
‚ethan mit einem Morgenkleide, mit einer ganz
zen Eleganz frifirt, trat die Königin ungeltüm
yausflur, weldhe zu dem Zimmer von Charny
Der Doctor Hatte ihr empfohlen, nicht zu
nicht zu verfuchen, fondern auf der Stelle, mit
ıtichloffenheit zu erfcheinen, um eine heftige
bervorzubringen.
drebte fo rafch den cifelirten Knopf der erften
»s Vorzimmers um, daß eine Perfon, die fih
e Thüre des Zimmers von Charny neigte, eine
Ranıille gehüllte Frau, nur Zeit hatte, ſich auf:
und eine Haltung anzunehmen, deren Ruhe ihr
Geficht und ihre zitternden Hände Lügen ftraften.
drée!“ rief die Königin erflaunt. „Sie hier!“
!“ antwortete Andree, bleich und ängſtlich,
A Bee eſtaͤt. Doch iſt Eure Majeftät nicht
ers”
! 50! Berwidelung!” murmelte der Doctor.
ı fuchte Ste überall,” fagte die Königin; „wo
ie
lag in diefen Worten ber Königin ein Aus-
scher nicht der ihrer gewöhnlichen Güte. Es
das Borfpiel eines Berhörs, wie das Symptom
rbachtes.
r6e hatte bange, fie befürchtete beſonders, ihr
ſter Schritt koͤnnte den Schlüffel zu ihren für
echtbaren Gefühlen geben. So ftolz fie auch
atſchloß fie fich doch, zum zweiten Male zu lügen,
„Hier, wie Sie ſehen.“
„Allerdings, doch, wie Hier?“
„Madame,“ erwiederte fie, „man Hat mi
Eure Majeſtät laffe mich ſuchen; ich bin gefo
Die Königin war nicht am Ende bei ihr
trauen, fie blieb beharrlich und fuhr fort:
„Wie haben Sie es gemacht, um zu
wohin ich ging?
„Das war leiht, Madame; Sie waren
Doctor Louis, und man hatte Sie durch di
Gemächer gehen fehen; von da an hatten Sie
deres Ziel, als diefen Pavillon.”
„But errathen,“ erwiederte die Königin
noch unentfchieden, aber ohne Härte, „gut er
Andree ftiengte fid gewaltig an und ſprach
„Madame, wenn es die Abfiht Eurer
war, fih zu verbergen, fo hätte fie ſich nidi
unbededten Gallerieen zeigen müflen, wie fie
ethan, um hierher zufommen, Schreitet die
über die Terrafie, fo flieht fie Fräulein von
von ihrer Wohnung aus, und es ift nicht
Jemand zu folgen oder voranzugehen, den
ferne geſehen hat.”
„Sie bat Recht,” fagte die Königin, „
bundertmal Recht. Ich habe eine unglüdliche
heit, weldye darin befleht, daß ich nie eırath
nachdenkend, glaube ich nicht an die Refler
Andern.”
Die Königin fühlte, fie würde vielleicht
fiht bedürfen, weil fle der Bertrauten bedurf
Shre Seele war überdies feine Zufamn
von Coquetterie und Mibtrauen, wie bie der
lichen Weiber; fie batte Glauben in ihren Fr:
ten, denn fie wußte, daß fie lieben Eonnte. Di
welche ſich felbft mißtrauen, mißtrauen noch '
den Anderen. Gin großes Unglüd, das die: |
beſtraft, if, daß fle fich nie von ihren Liebhabe
glauben.
x 9
Marie Antoinette vergaß alfo fehr raſch den Rins
ud, den Fräulein von Taverney vor der Thüre von
harny auf fie gemacht hatte. Sie nahm Andrée bei
er Hand, ließ fie den Schlüffel dieſer Thüre umdrehen
nd drang mit einer außerordentlichen Schnelligkeit in
36 Zimmer des Kranfen, während der Doctor mit
Indree außen blieb.
Raum hatte diefe die Königin verfchwinben fehen,
[8 fie zum Himmel einen Blid voll Zorn und Schmerz
cbob, einen Blick, deffen Ausdruck einer wüthenden
zerwünſchung gie .
Der gute Doctor nahm ihren Arm, durchſchritt
sit ihr die Flur und fagte:
„Blauben Sie, daß es ihr gelingen wird?“
„Belingen? mein Bott! was?“ rief Anpdree.
„Den armen Narren, der hier flerben wird, wenn
in Fieber noch ein wenig fortdauert, anderswohin
ringen zu laffen,“ .
„Anderswo wird er alſo genejen?” fragte Andrée
aflig.
Der Doctor ſchaute fie erflaunt, unruhig an und
ntwortete:
„Ich glaube, ja.”
„DH! dann möge es ihr gelingen!” rief das arme
Naͤdchen.
LIII.
Wiedergeneſung.
Die Koͤnigin war indeſſen gerade auf den Lehnſtuhl
yon Charny zugegangen.
Dieſer erhob den Kopf beim Geräufche ber Pan⸗
offeln, welche auf dem Boden Trachten.
Eharny war zitternb, verwirrt aufgeftanden, dam
bei den lehien Worten war er auf feine Kniee gefunten
fo germalmt hurch den vhyfiſchen und ben moralifhe
Schmerz, daß er, gebeugt wie ein Schuldiger, fe
weder erheben wollte, noch fonnte.
„IR es möglich,“ fuhr bie Königin, gerührt vo
diefer Ehrfurcht und dieſem Stillſchweigen fort, „ei
es möglih, daß ein Gbelmann, den man eink de
Topalften beizählte, ſich fo wie ein Feind an ben Mu
einer Frau Hänge! Denn bemerfen Gie wohl, Her
von Gharny, fhon bei unferem erften Iuiammenfet:
war e6 nicht die Rönigin, was Sie gefehen, und wa
ich ihnen gezeigt habe, e6_war eine Frau, und da
Hätten Sie nie vergeffen müffen.“
Hingeriffen dur biefe ans dem Kerzen hervor
gegangenen Worte, wollte es Charny verfuchen, etwa
u feiner Bertheibigung zu brechen, aber Marie An
Foinette (ie$ Ihm nfoht Belt bayn,
„Bas werden meine Feinde thun,“ fagte fie, „wen
Gie das Beifpiel des Verraths geben?“
„B:rrath ,“ ftammelte Eharny.
„Mein Herr, wollen Sie wählen? entweder fin!
fie ein Wahnfinniger, und ich werde Ihnen das Mittel
Sälimmes zu thun, benehmen; oder Sie find ein Ber
räther,, und ich werde Gie beftrafen.“
„Madame, fagen Sie nicht, ich fei ein Verräther
In dem Munde der Könige geht diefe Anklage dem
Todesurtheil voran, in dem Munde einer Fräu emb
11
er F Königin, tödten Sie mich, Frau, ſchonen
zie mich.“
„Sind Sie bei geſundem Verſtande, Herr von
harny?“ ſagte die Koͤnigin mit bewegter Stimme.
„Ja, Madame.“
„Haben Sie das Bewußtſein Ihres Unrechts gegen
ich, Ihres Verbrechens gegen. . den König?”
„Mein Bott!“ murmelte der Unglückliche.
„Denn Ihr vergeßt es zu leicht, Ihr Herren Edel⸗
ste, der König if der Gemahl der Frau, die Ihr
lle beleidigt, indem Ihr die Augen zu ihr erhebt;
r König iſt der Bater Eures zufünftigen Herrn, meines
anphin. Der König if ein Mann, der größer und
fier , als Ihr Alle, ein Mann, ben ich verehrte und
n ich Liebe.”
„DH!“ murmelte Charny, einen bumpfen Seufzer
ſoſtoßend; und um nicht vollends niederzuſtürzen, war
enöthigt, eine von feinen Händen auf den Boden
üßen.
Sein Schrei durchdrang das Herz der Königin.
ie las in dem erlofchenen Blid des jungen Mannes,
6 er auf den Tod getroffen worden, zöge fle nicht
1 and der Wunde den Pfeil, den fie gegen ihn ab»
drückt.
Barmherzig und ſanft, erſchrak fie deshalb über
e Bläffe und Schwäche des Schuldigen, und file war
nen Augenblic nahe daran, um Hülfe zu rufen.
Aber fie bedachte, ver Doctor und Andree würden biefe
hnmacht des Kranken fchlecht deuten. Sie bob ihn
it ihren Händen auf und fagte:
„Sprechen wir, ich als Königin, Sie ale Mann.
ee Doctor Louis hat es verfuht, Sie zu heilen;
efe Bunde, welche nichts war, verfihlimmert fich durch
e Ausfchweifungen Ihres Gehirns. Wann wird fie
Beilt fein, diefe Wunde? Wann werden Sie aufhören,
m Doctor das ärgerliche Schaufpiel einer Toliheit zu
ben, die ihn beunruhigt? Wann werben Sie vom
chloſſe abreiſen ?“
u a hier
—ã
ie
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“
m
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13
- „Leben Sie wohl!” rief die Königin.
„Madame! oh! verzeihen Sie mir!“
„Ich verzeihe Ihnen, Herr von Eharny!“
„Madame, einen legten Blick!”
„Herr von Charny,“ ſprach die Königin zitternd
: Aufregung und Zorn, „ind Sie nidht der legte
Menichen, fo werden Sie heute Abend, morgen
t oder vom Schloſſe abgereift fein.“
Eine Königin bittet, wenn fie in folgen Ausdrücken
eblt. Charny faltete voll Trunkenheit die Hände
> fchleppte fih auf den Knieen bis zu ben Füßen
ı Marie Antoinette.
Diefe Hatte fchon die Thüre geöffnet, um ſchneller
Gefahr zu entfliehen.
Andree, deren Augen dieſe Thüre feit dem Anfang
Unterredung verfchlungen, fah den jungen Mann
bergeworfen, die Königin fchwanfend; fie fah die
en von jenem vor Stolz und Hoffnung glänzen, bie
Öre von diefer ſich erlofchen gegen den Boden fenten.
Im Herzen getroffen, verzweiflungsvoll, anges
wollen von Haß nnd Beratung, beugte fle den
pf nicht. Als fie die Königin zurückkommen ;jeb,
ien es ihr, Gott habe diefer Frau zu viel gegeben,
em er ihr als Ueberfluß einen Thron und bie
bönheit gegeben, da er ihr fo eben nun audy bieie
be Stunde mit Herrn von Charny gefchentt.
ne Doctor fah zu viele Dinge, um eines zu bes
4 en.
Ganz nun dem Erfolg der gepflogenen Unterhands
ıg entgegenbarrend, begnügte er ſich, zu fragen:
Aun, Madame?“
Die Königin brauchte eine Minute, um fid zu
holen, und ihre durdy die Schläge ihres Herzens ers
kte Stimme wieberzuerlangen.
„Was wird er thun?“ wiederholte der Doctor.
„Gr wird abreifen,“ murmelte die Königin.
14
Und ohne auf Andree, welde die Stirne faltele,
und auf Louis zu achten, der ſich die Hände rieb, durch⸗
ſchritt fie rafy die Flur und die Gallerie, hüdllte ſich
mafchinenmäßig in ihre Mantille, woran eine Ruche
von Spigen, und fehrte in ihre Wohnung zurüd.
Andıde drüdte dem Doctor, der wieder zu feinem
Kranken eilte, die Hand; dann kehrte fie ebenfalls, mit
einem Schritt fo feierlich wie der eines Schattens,
ben Kopf geienft, das Auge flarr und den Geiſt abweſend,
in ihr Zimmer zurüd.
Es war ihr nicht einmal eingefallen, die Königin
nad ihren Befehlen zu fragen. Für eine Natur, wie
bie von Andree, if die Königin nichts, die Nebens
buhlerin ift Alles.
Mieder der Sorge von Louis anheimgegeben, ſchien
ne mehr derfelbe Menſch wie am Tage vor⸗
er zu fein.
Starf bis zur Uebertreibung, Tühn bis zur Prah⸗
lerei, richtete er an ben guten Doctor fo dringende,
fo energtiche Fragen in Beziehung auf feine nahe bes
vorftehende Genelun ‚ über die zu befolgende Diät,
über die Transportmittel, daß Louis glaubte, es ſei⸗—
ein noch gefährlicherer Rüdfall, hervorgebracht durch
eine Manie anderer Art, eingetreten.
Charny enttäufchte ihn bald; er glich jenen im
Zeuer gerötheten Eifen, deren Färbung fi vor dem
Auge in dem Maße fhwächt, in weldyem die Hitze an
Intenfltät abnimmt. Das Eifen if ſchwarz und ſpricht
nicht mehr zu dem Blick, aber es ift noch glühend ges
ng. um Alles zu verzehren, was man ihm barbieten
wird.
Louis fah den jungen Mann wieber feine Rube
und feine Logik aus den guten Tagen annehmen. Charny
war in der That fo vernünftig, daß er fih für vers
pflichtet hielt, dem Arzt die plögliche Beränberung
feines Entſchluſſes zu erklären.
„Die Königin,” fagte er, „bat mid, indem fle
15
nich befhämte, mehr geheilt, als Ihre Wiſſenſchaft,
sein Lieber Doctor, dies mit vortrefflichen Mitteln
ethan Hätte; mich bei der Eitelfeit paden, fehen Sie,
as heißt mich bändigen, wie man ein Pferd mit dem
zebiß bandigt,“
. „Deito beſſer, deſto beſſer,“ murmelte der Doctor.
„3a, ich erinnere mid, daB ein Spanter — fie
nd prahlerifh genug — mir eines Tags fagte, um
ir feine Willensftärfe zu beweifen, es Habe bei
Iinem Duell, in dem er verwundet worben, für ihn
enägt, fein Blut zurüdhalten g wollen, baß fein
zlut nit floß und nicht das Auge feines Gegners
rgößte.- Ich habe über diefen Spanier gelacht, indeſſen
in ich ein wenig wie er: wenn mein Fieber, wenn
a6 Delirium, das Sie mir vorwerfen, wiedererfcheinen
ollten, fo würde ich fie, darauf wette ich, verjagen,
ndem ich fagte: Delirium und Fieber, ihr werber nicht
yiebererfcheinen.”
„Wir haben Beifpiele von dieſem Phänomen,“
prady der Doctor mit ernflem Tone. „ebenfalls er:
anben Sie mir, daß ih Ihnen Glück wünſche. Ste
‚nd aun moralifd geheilt.“
a 4“
„Wohl! Ste werden alsbald fehen, welcher Zus
mmenbang awilchen dem Moralifhen und dem Phys
ſchen bes Menfchen flattfindet. Das ift eine fchöne
heorie, die ich in einem Buche ausführen würde, wenn
u Zeit dazu hätte. Befund an Geiſt, werden Sie in
cht Tagen auch Förperlich gefund fein.“
„Lieber Doctor, ich danke Ihnen.”
„Und um anzufangen: werden Sie alfo abreifen ?“
„Wann es Ihnen beliebt. Auf der Stelle.“
„Bir wollen diefen Abend abwarten. Mäßigen
ie und. Mit Extremen zu Werke gehen, heißt Alles
uf's Spiel feßen.”
„Warten wir bis zum Abend, Doctor.”
„Werden Sie weit gehen?“
16
„An das Ende der Welt, wenn es fein muß.“
„Das ift zu weit für einen erften Ausflug.“ ſprach
ber Doctor mit demfelben Phlegma. „Begnügen wir
uns vorerft mit Verſailles.“
„Verſailles, es fei, da Sie es wollen.”
„Mir fheint, von Ihrer Wunde geheilt zu fein,
iR für Sie fein Grund, das Land zu verlaflen.“
Diefe ſtudirte Kaltblütigfeit bewog Charny vollends,
auf feiner Hut zu fein.
„Ss tft wahr, Doctor, ich habe ein Haus in
Verſailles.“
„But! das iſt es, was wir brauchen, man wir
Sie heute Abend dahin bringen.”
„Sie haben mich nicht recht verftanden, Doctor,
ich wünſchte eine Fahrt nach meinen Gütern zu machen.”
„Ah! ja wohl. Ihre Güter, was Teufels, Ihre |
Güter find nicht am Ende der Welt.“
„Sie liegen an ber Bränze der Picarbie, fünfzehn
bie awanzig eilen von hier.“
„Ah! Sie fehen wohl.“
Eharny drüdte dem Doctor die Hand, als wollte
er ihm für alle feine Zartheiten danfen.
Am Abend trugen die vier Knechte, die er bei
ihrem erfien Verſuche fo Heftig zurüdgefchlagen Hatte,
Eharny bis zu feinem Wagen, der ihn vor dem Bförts
chen des Befindehaufes erwartete.
Der König hatte den ganzen Tag gejagt, ſodann
zu Nacht gefpeist und fchlief nun. born. welder
ein wenig darüber beforgt war, daß er fi, ohne Ab⸗
fhied zu nebmen, entfernte, wurde durch den Doctor
völlig berubigt; bdiefer verfprah ihm, feinen Abgang
5 entfchuldigen und denfelben durch das Bebürfniß ber
rteveränderung zu motiviren.
Charny, ehe er in feinen Wagen flieg, gab ſich
bie ſchmerzliche Befriedigung, bis zum legten Angen⸗
blick nad den Benftern der Wohnung der Königin zu
fhauen. Niemand Eonnte ihn fehen. Biner von ben
10
en, der eine Fackel in der Hand trug, beleuchtete
Beg, ohne das Geſicht zu beleuchten.
Sharny traf auf den Stufen nur mehrere Öffictere,
Zreunde, welche zeitig genug benachrichtigt wor⸗
— daß ſein Abgang nicht das Anſehen einer
thatte.
zon dieſen heiteren Gefährten bis an den Wagen
tet, konnte Charny ſeinen Augen wohl erlauben,
n Fenſtern amhezuſchwanen; die der Koͤnigin
ten von Licht. Ein wenig leidend, hatte Ihre
ſtat die Damen in ihrem Schlafzimmer em⸗
en.
Jüfter und ſchwarz, verbargen bie Fenfler von
se hinter den Falten ihres Damaftvorbangs eine
angfterfällte, ganz zitternde Braun, welche, ohne
ft zu werben, jeder Bewegung bes Kranken und
Geleites folgte.
der Wagen fuhr endlich ab, doch fo langfam, daß
ieh Dufeifen der Bferde anf dem fchallenden
er hörte.
Wenn er nicht mir gehört, fo gehört er doch we⸗
ns Niemand mehr,“ murmelte Andree.
Erfaßt ihn wieder die Luft, zu ſterben,“ fagte
octor, während er in feine Wohnung zurüdtehrte,
ird er doch wenigftens weder bei mir, noch in
n Händen flerben. Der Teufel hole die Seelens
yeiten, man ift nicht der Arzt von Antiochus und
onife, um ſolche Krankheiten zu heilen.“
jharny Fam gefund und wohlbehalten in feinem
: an. Der Doctor befuchte ihn am Abend und
ihn fo gut, daß er ihm fogleidh anfündigte, es
e8 fein letter Beſuch.
der Kranke aß von einer Hühnerbruft nnd einen
voll eingemachtes Obſt von Orleans.
Im andern Tag erhielt er einen Beſuch von jeinem
n, Herrn von Suffren, einen von Herrn von
Halsband der Königin. III. 2
18
Lafayette, fowie den eines Abgefandten des Könige. Cs
war ungefähr daſſelbe am zweiten Tag, und daun
. fümmerte man fidy nicht mehr um ihn.
Er ftand auf und ging in feinen Garten.
Nach acht Tagen Eonnte er ein Pferd von frieblis
chem Gange befteigen; feine Kräfte waren wiedergefehrt.
Da fein Haus noch nicht ganz verlaflen war, jo vers
langte er nach dem Arzte feines Oheims, und ließ den
Doctor Louis um Erfaubniß bitten, nad) feinen Gütern
abreiien zu dürfen.
Louis antwortete mit Zuverfiht, die Bewegung
von einem Ort gum andern fei der legte Brad der
ärztlichen Behandlung der Wunden; Herr von Charny
habe einen guten Wagen, die Straße in der Picarbie
fei wie ein Spiegel, und in Berfailles bleiben, wenn
man fo gut und fo glüdlich reifen könne, wäre eine
Tollheit.
Charny ließ eiuen großen Fourgon mit Gepäaͤcke
beladen, verabſchiedete ſich beim König, der ihn mit
Neußerungen feines Wohlwollens überhäufte, bat Herrn
von Sufften, der Königin feine Ehrfurcht zu bezeigen,
flieg dann vor dem Thore des Föniglichen Schloffes in’
feinen Wagen und reifte nad dem Städtchen Villers⸗
Goterets ab, von wo aus er das Schloß Bourfonnes
erreichen follte; diefes lag eine halbe Meile von dem
Städtchen, welches ſchon bie erften Poeſien von Des
mouftier verherrlichten.
LIV.
Zwei blutende Herzen.
Am andern Norgen nach dem Tage, wo die Koͤ⸗
nigin von Andrée, als fle von dem vor ihr knieenden
Charny entfloh, erſchaut worden war, trat Fräulein
19
von Taverney ihrer Gewohnheit gemäß in das Fönintiche
Zimmer, zur Stunde der Heinen Toilette, vor der Mefle.
Die Königin hatte noch feinen Befuch empfangen. .
Sie Hatte nur ein Billet von Frau von La Mothe ges
lefen, und ihre Laune war äußerft heiter.
Noch bleicher als am Tage vorher, Hatte Andrée
in ihrer ganzen Perfon jenen Ernſt und jene Ealte
Zurüdhaltung, weldye die Aufmerfiamfeit erregt, und
bie Größten zwingt, mit den Kleinften zu rechnen.
Ginfach, fo zu fagen fireng in ihrer Toilette, glich
Andree einer Bötin des Unglüdse. War diefes Unglüd
für fle oder für Andere?
Die Königin hatte einen ihrer Tage der Zerftreuts
heit; fie achtete auch nicht auf den langfamen, ernften
Gang von Andree, auf ihre gerötheten Augen, auf die
matte Weiße ihrer Schläfe und ihrer Hände.
Sie drehte den Kopf gerade nur fo viel, als es
te um ihren freundfchaftlichden Gruß hören zu
aflen.
„Buten Morgen, Kleine!”
Andree wartete, daß ihr die Königin eine Gele:
genheit zum Sprechen gäbe. Sie wartete in der feften
eberzeugung, ihr Stillfehweigen, ihre Unbeweglichkeit
wärben am Ende die Augen von Marie Antoinette auf
ſich ziehen.
Dies geſchah. Da fie Feine andere Antwort, als
eine tiefe Verbeugung erhielt, wandte ſich die Königin
um und erblidte, jchräge, dieſes Geſicht mit dem
fharfen Gepräge des Schmerzes und der Strenge.
„Suter Bott! was gibt es, Andree?" fragte fie,
Pre fe fi ganz ummwandte, „ift Dir Unglüd wiber-
abren?“
9 „Sin großes Unglüd, ja, Madame,” antwortete
die junge Frau.
„Bas denn?“
„Ih werde Eure Majeflät verlaſſen.“
„Ri verlafien? Du gehfl von hier weg?“
*
20
„Sa, Mabame.”
„Wohin geht Du denn? weldye Urfache kann biefe
-plößliche Abreife haben?”
„Madame, ich bin nicht glüdlich in meinen Zus
neigungen.“
Die Königin fchaute empor.
„sn meinen Samilienzuneigungen,“ fügte Anbree
erroͤthend Bei.
Die Königin erröthete ebenfalls, und ber Blik
ihrer beiden Blicke kreuzte ſich glänzend wie bei einem
Zufammenfloß von Schwertern,
Die Königin erholte fich zuerft.
„Ich verftehe Sie nicht,“ fagte fie; „mir ſcheint,
Sie waren geftern glücklich?“
„Nein, Madame,“ erwieberte Andree mit feſtem
Tone; „geflern war abermals einer von den unglüdlis
hen Tagen meines Lebens.”
„Dh!“ machte die Königin, welche traͤumeriſch
geworben.
Und fie fügte bei:
„Erklären Sie fi.“
„Sh müßte mich entfchließen, Eure mnajenät mit
Einzelheiten zu ermüden, weldhe unter ihr find. Ich
habe feine Befriedigung in meiner Familie; id Habe
nichts von den Gütern der Erde zu erwarten, und ich
bitte Gure Majeftät um meinen Abfchied, um mich mit
meinem Seelenheile zu befhäftigen.“
Die Königin fland auf, nahm, obgleich biefer
Schritt ihrem Stolze ſchwer anzufommen ſchien, Ans
dree bei der Hand und fpradh:
„Was bedeutet dieſer Entſchluß eines ſchlimmen
Kopfes? Hatten Sie nit geRern auch einen Bruder,
einen Bater, wie heute? aren file minder beſchwer⸗
lich und minder ſchäblich, als heute? Glauben Gie,
ich fei fähig, Sie in Verlegenheit zu laffen, und bin
ih nicht eine Familienmutter, die eine Familie denje⸗
nigen gibt, welche feine haben?“
21
Andree fing an zu zittern, wie eine Schulbige; fie
verbeugte ſich vor der Königin und erwieberte:
„Madame, ich bin durchdrungen von Ihrer Güte,
aber fie wird mich nicht von meinem Vorhaben abbrin-
en. Sc habe befchloffen, den Hof zu verlaflen. Es
en für mid) Bebürfniß, in die Einſamkeit zurüdzufehren,
jeßen Sie mich nicht dem aus, daß ich meine Deicten
egen Sie dadurch verrathe, daß ich mich gegen den
Beruf verjehle, den ich in mir fühle,“
„Seit geftern alfo?“
„Eure Majeſtät wolle mir nicht befehlen, über
dDiefen Gegenſtand zu fprechen.”
„Seien Sie frei,“ ſprach die Königin mit Bitter:
feit; „nur zeigte ich Hinreichend Zutrauen zu Ihnen,
daß Sie, Vertrauen zu mir haben fonnten. Doc ein
Thor iſt der, welcher einen Menſchen, der nicht fprechen
will, um ein Wort fragt. Behalten Sie Ihre Geheim:
niffe, mein Fräulein, feien Sie glücklicher in der Ferne,
als Sie es bier gewefen find. Grinnern Sie fidy jedoch
flets des Umftandes, daß meine Freundfchaft die Leute
trog ihrer Launen nicht verläßt, und daß Sie nidt
auıhören werden, für mid) eine Freundin zu fein. Nun
gehen Sie, Andrée, gehen Sie, Sie find frei.”
Andree machte eine Hofverbeugung und entfernte
ſich. An der Thüre rief fie die Königin zurüd.
„Wohin gehen Sie, Andree?“
„Sn die Abtei Saint:Denis, Madame,” antwortete
Fräulein von Taverney.
„In's Klofter! ah! es ift gut, mein Fräulein, Sie
haben fidy vielleicht nichts vorzuwerfen; doch hätten
Sie nur die Undankfbarfeit und die Bergeflenheit... das
it noch zu viel; Sie find fehr flrafbar gegen mid;
gehen Sie, Fräulein von Taverney, gehen Sie.“
Zolge hievon war, daß Andree, ohne andere Erfläs
sungen zu geben, auf weiche das gute Herz der Königin
rechnete, ohne fich zu demüthigen, ohne fih rühren zu
laffen, die Erlaubniß der Königin raſch benügte und
verſchwand.
-
22
Marie Antoinette Eonnte gewahren und gewahrte,
daß Fräulein von Taverney auf der Stelle das Schloß
verließ.
Sie begab fih in der That in das Haus ihres
Vaters, wo fie, wie fie erwartete, ihren Bruder im
nel fand. Der Bruder träumte, die Schwefter
andelte.
Als er Andree erblickte, die ihr Dienft im Schlofle
zurüdhallen mußte, ging Philipp erflaunt, beinahe
erſchrocken auf fie zu.
Erfchroden befonders über dieſe düſtere Miene, er,
den Andıee nie anders als mit einem Lächeln zärtlicher
Freundfchaft anredete. Er fing an, wie die Königin
angefangen Hatte; er befragte.
Andree theilte ihm mit, fle habe fo eben den Dienft
der Königin verlaffen, ihr Abſchied fei angenommen,
und fie werde ins Klofter treten.
Philipp ſchlug mit Gewalt in feine Hände, wie
ein Menich, der einen unerwarteten Streich empfängt.
„Wie!“ rief er, „Du auch, meine Schweſter?“
„Was! ih auch? was willſt Du damit fagen?”
„Es ift alfo eine verfluchte Berührung für unfere
Familie, die Berührung der Bourbonen?” riefer; „Du
glaubſt Dich genöthigt, das Gelübde abzulegen? Du!
Nonne aus Geſchmack, aus Gemüth; Du, die am
Mindeſten weltliche der Zrauen und die am mindeften
zum ewigen Gehorfam gegen bie Geſetze des Aſce⸗
iemu⸗ fähig! Laß hören, was wirft Du ber Koͤni⸗
n vor?"
8 „Man Hat der Königin nichts vorzumerfen, Phi⸗
lipp,” erwiederte Falt die junge Yrau. „Du, der Du
fo fehr auf die Bunft der Höfe gezählt haft, Du, der
Du mehr, als irgend Jemand, darauf zählen mußte,
warum haft Du nicht bleiben können? warum bliebſt
Du nicht drei Tage? Ich bin drei Jahre neblieben!“
„Die Königin iſt zuweilen launenhait, Andree.”
„sn es fo, fo konnteſt Du es ertragen, Du, ein
23
Hann; ih, ein Weib, muß es nit, will es nicht;
rat fie Launen, nun wohl! ihre Dienerinnen find da.”
„Meine Schweſter,“ erwieberte der junge Mann
nit einem düſtern Wefen, „das erklärt mir nicht, wie
du Zmwiftigfeiten mit ter Königin befommen haft.“
„Keine, das fchwöre ih Dir; haft Du gehabt,
Bhilipp, Du, der Du fie verlaffen? Oh! fie ift un«
anfbar, diefe Frau.“
„Dan muß ihr verzeihen, Andree; die Schmeichelet
rat fie ein wenig verborben. Sie ift im Brunde gut.“
Zsenge bievon if das, was fie für Dich gethan
at, Philipp.“
„Bas hat fle gethan?“
„Du haft es fchon vergeffen? OH! ich, ich Habe ein
jeſſeres Gedäͤchtniß! Ich bezahle auch an einem und
emſelben Tage, mit einem und demfelben Entfchluß
Deine und meine Schuld, Philipp.”
„Zu theuer, wie mir ſcheint; in Deinem Alter,
nit Deiner Schönheit verzichtet man nicht auf bie
Belt. Nimm Dich in Acht, Liebe Zreundin, Du vers
aͤſſeſt fie jung, Du wirft Di alt wieder nad ihr
ehnen, und wenn es nicht mehr Zeit ift, alle Deine
Freunde, von denen eine Tollheit Dich getrennt hat,
vr den Kopf ſtoßend, zurückkehren.”
„Du urtheilteft nicht fo, Du, ein braver, ganz von
Ehre und Gefühl zufammengefehter, aber wenig um
einen Ruf oder um —* Vermoͤgen befümmerter Officier,
Du, der Du da, wo Hundert Andere Vermögen und
kitel aufgehäuft haben, nur Schulden zu machen und
Dich zu verkleinern wußtel, Du urtheilteft nicht fo,
ls Du zu mir fagteft: fie if Iaunenhaft, Andree,
te iſt coquette, fie ift treulos, ich will ihr lieber
sicht dienen. Dieje Theorie praftifch anwendend, haft
Du auf die Welt verzichtet, obgleih Du fein Klufter:
uder geworden bift, und von uns Beiden bin nicht
ch, die ich fie ablegen will, diejenige, welche den
BEER
24
unwiberruflichen Gelübben am nächften fleht, fondern Du
bift es, ber fie fhon gethan Hat.”
Vat „Du haſt Recht, meine Schweſter, und ohne unſern
ater ...“
„Unſer Vater! ah! Philipp, ſprich nicht ſo,“ er⸗
wiederte Andrée voll Bitterkeit, „muß ein Bater nicht
die Stüge feiner Kinder jein oder ihre Unterflügung
annehmen? Nur unter diefer Bedingung ifl er der
Vater. Was thut der unfere, frage ih Dich? Hafl
Du je den Gedanken gehabt, Herrn von Taverney ein
Geheimniß anzuvertrauen® Und haältſt Du ihn für
fähig, Dich zu fi zu rufen, um Dir eines von feinen
Geheimniſſen mitzutheilen? Nein,” fuhr Andree mit
einem Ausdrud von Kummer fort, „Herr von Taverney
ift gemacht, um allein in diefer Welt zu leben.”
„Das will ich wohl glauben, Andıde, doch er if
nicht gemacht, um allein zu fterben.“
Diefe Worte, mit einer fanften Strenge gefprochen,
erinnerten die junge Frau daran, daß fie ihrem Zorn,
ihrer Bitterkeit, ihrem Groll gegen die Welt zu viel
Platz in ihrem Herzen ließ.
„Sch möchte nicht, daß Du mich für ein Mädchen
ohne Gemüth hielteſt,“ erwiederte fie; „Du weißt, ob
ich eine zärtliche Schwefter bin, aber es mollte hienie⸗
den Seder in mir den fomvathetifchen Snftinct tödıen,
der ihm entfpradh. Bott hatte mir bei der Geburt,
wie jedem Geſchöpf, eine Seele und einen Leib gegeben,
über diefe Seele und diejen Leib fann jedes menſchliche
Geſchöpf, für feine Ehre, in dieſer und in der andern
Melt verfügen. Gin Mann, den ich nicht Fannte, hat
meine Seele genommen, — Balfamo; — ein Mann,
den ich Faum fannte, und der fein Mann für mid) war,
hat meinen Leib genommen, — Gilbert. — Ich wies
derhule Dir, Philipp, um eine gute und fromme Tochter
zu fein, sehlt mir nur ein Vater. Gehen wir zu Dir
über, unterfucen wir, was Dir der Danf bei den Großen
der Erde eingetragen hat, Dir, der Du fie liebtefl.“
25
ipp neigte das Haupt.
one mid,“ fagte er, „bie Großen ber Erde
e mich nur mir gleiche Beichöpfe; ich liebte
bat uns einander lieben geheißen.“
Philipp,“ rief Andree, „es geſchieht nie auf
ve, daß das liebende Herz dem, welcher liebt,
ar antwortet; diejenigen, welche wir gewählt
ben Andere.”
pp erhob feine bleiche Stirne und betrachtete
e Schwefter, ohne einen andern Ausdrud, als
tirſtaunens.
rum ſagſt Du mir das? worauf zielſt Du
te er.
nichts,“ erwiederte edelmüthig Andrée, welche
Gedanken, zu geheimen Mittheilungen oder
blaäͤſereien herabzuſteigen, zurückwich. „Ich
agen, mein Bruder. Ich glaube, daß meine
leidet; ſchenke meinen Worten keine Aufmerk⸗
4
ro.
Y näherte fi Bhilipp, nahm ihn bei ber
prach:
ug über dieſen Gegenſtand, mein geliebter
Ich bin gekommen, um Dich zu bitten, mich
oſter zu führen: ich habe Saints Denis ge⸗
i unbeforgt, ich will dort fein Gelübde ables
3 wird fpäter fommen, wenn es nothwenbig
t in einem Afyl zu fuchen, was die meiften
arin finden wollen, die Vergeſſenheit, verlange
die Erinnerung. Mir fcheint, ich habe den
ſehr vergeffen. Er ift der einzige König,
e Gebieter, der einzige Troft, wie er der ein
iche Rummerbereiter ift. Indem ich mich ihm
sute, da ich ihn begreife, werde ich mehr für
ick gethan Haben, ale wenn Alles, was es
Starkes, Mächtiges und Liebenswürbiges anf
It gibt, fich verſchworen Hätte, um mir ein
27
mer nennen, meine Schwefter,” antwortete Philipp mit
der fanften Majeſtaͤt des Unglüde.
„But, Philipp, das ift ein Wort, welches mir zu»
fagt und das id annehme Wohl! es ift alfo ein
unbellparer Kummer, was mich nach der Einfamteit
eibt.
„But, und der Bruder und die Schwefter werben
im Leven feine Unähnlichkeit gehabt Haben. Gleich glüd-
lich, werden fie flets in demjelben Grade unglücklich ge:
weien fein. Das macht die gute Familie, Andree.“
Andree glaubte, durch feine Gemüthsbewegung fort⸗
perifen, richte Philipp eine neue Frage an fie, und viels
eicht wäre ihr unbeugfames Herz unter dem Drude
der brüderlichen Freundſchaft gebrochen.
Aber Philipv wußte aus Grjahrung, daß bie
großen Seelen ſich felbft genügen, er beunruhigte die
von Andröe nicht in der Berfchanzung, die fle fidh ge⸗
wählt Hatte.
„In welcher Stunde und an welchem Tage gedenkſt
Du abzugehen ?“
„Morgen; heute noch, wenn es Zeit wäre.”
Wirt Du nicht einen legten Spaziergang mit
mir Im Barke machen ?“
Fein!“ antwortete fie.
Gr begriff wohl an dem Haͤndedruck, den biefe
Deigerung begleitete, die junge Frau weiſe nur eine
Gelegenheit zurüc, fich erweichen zu laffen.
Ro) bin bereit, wann Du mid benachrichtigſt,“
agte er.
ß Und er küßte ihr die Hand, ohne ein Wort beizu⸗
fügen, das die Bitterfeit ihres Herzens überflrömen
gemacht hätte.
Andrée, nachdem fie die erften Vorbereitungen ges
troffen, 108 fiy in ihr Zimmer zurüd, wo fie fols
gendes Billet von Philipp erhielt: _
„Du kannſt unfern Bater heute Abend um fünf
Uhr befuchen. Der Abſchied iſt unerläßlid. Herr von
28
Taverney würbe über Bernadjläffigung, über ſchlechtes
Benehmen fhreien.“
Sie antwortete:
„um fünf Uhr werde ich im Reiſekleid bei Herrn
von Taverney fein. Um fleben Uhr Fönnen wir in
Saint:Denis anfommen. Wirft Du mir Deinen Abend
bewilligen ?“
Statt jeder Antwort, rief Philipp aus feinem Pens
fer, welches nahe genug bei der Wohnung von Andre,
daß biefe es Hören Fonnte:
„Um fünf Uhr die Pferde an ben Wagen.”
LV.
Ein Minifter der Finanzen.
Wir haben gefehen, daß die Königin, ehe fie Ans
dree empfing, ein Billet von Frau von La Mothe ges
lefen und gelächelt Hatte.
Diefes Billet enıhielt nur, mit allen möglichen
Formeln des Reſpects, die Worte:
„Und Eure Majefät fann verliert
fein, daß ihr Greditgegeben und die Waare
im Bertranen abgeliefert werden wird.“
Die Königin Hatte alfo gelächelt und das Billet
von Jeanne verbrannt.
Nachdem fie ih in der Geſellſchaft von Fräulein
von Taverney ein wenig verdüftert, fam Frau von
Mifery und meldete, Herr von Galonne warte auf die
Ehre, bei ihr zugelaflen zu werden.
Es kann nicht ungeeignet erfcheinen, wenn wir
diefe Berfon dem Lefer ein wenig erflüren. Die Ges
ſchichte Hat ihm fo ziemlich befannt gemacht, aber ber
toman, ber die Perfpectiven und bie großen Stat mins
er genau zeichnet, gibt vielleicht der Cinbildungs⸗
raft ein befriebi enderes Detail.
Herr von Balonne war ein Mann von Geift, fogar
on unendlich viel Geiſt, welcher, aus ber wenig an Thrä:
en gewöhnten, aber vernünftig urtbeilenden Generation
»e zweiten Hälfte des Jahrhunderts hervorgehend, feinen
—— in Beziehung auf das über Frankreich ſchwe⸗
ende Unglück gefaßt Batte, fein Intereſſe mit dem ge
ieinſchaftlichen Intereſſe vermifchte, wie Ludwig AV
ıgte: nad) uns das Ende der Welt, und überall Blu⸗
ıen fuchte, um feinen legten Tag zu fchmüden.
Er war vertraut mit ber Angelegenheit, er war
jofmann. Alles, was es an Frauen gab, die fich durch
jren Geift, durch ihren Reihthum und ihre Schöns
eit auszeichneten, hatte er durch feine Huldigungen
ultivirt, die denen ähnlich, welche die Biene den mit
(tomen und Säften beladenen ‚Planen darbringt.
Die Gonverfation von fleben bis acht Männern
mb zehn bis zwölf Frauen war damals der Inbegriff
der Kenntnife. Herr von Balonne hatte mit d'Alem⸗
vert rechnen, mit Diderot Bernunfifchlüffe machen, mit
Boltaire fpotten, mit Roufleau trauern Tönnen. Er
var endlich flarf genus gewefen, der Volksthümlichkeit
on Neder in’s Geficht zu lachen.
Herr Reder, der Weile und der Tiefe, deffen Rechen;
haftsbericht ganz Frankreich zu erhellen gefchienen
yatte, als ihn Calonne wohl von allen Seiten beob:
ıchtet, machte er ihn am Ende lädyerlich, felbft in ben
Angen derjenigen, welche ihn am meiften fürdhteten,
ind der König und die Königin, weldye diefer Name
eben machte, hatten fich nur zitternd daran gewöhnt,
hn durch einen eleganten Staatsmann von guter
Iaune ſchmähen zu hören, der, um auf fo viele fhöne
Ziffern zu antworten, ſich auf bie Bemerkung befchränfte :
en nützt es, zu beweifen, daß man nichs bewei-
en kann.“
30
Neder hatte in der That nur Eines bewiefen, bie
Unmöglichkeit, in der er fih fand, noch ferner bie
Zinanzen zu verwalten. Herr von Balonne übernahm
fie wie eine Laft, die zu leicht für feine Schultern
Was wollte Herr Neder? Reformen. Dieſe theil⸗
weifen Reformen erfchredten alle Geiler. Wenige
Menſchen gewannen dabei, und diejenigen, melde bas |
bei gewannen, gewannen wenig; viele Dagegen verloren
dabei, und fie verloren zu viel. Wenn Jeder eine
rechte Bertheilung der Steuer in’s Werk ſetzen voollhe,
wenn er bie Güter des Adels und die Gintünfte ber
Geiftlichfeit mit Abgaben zu belaften beabfichtigte, bes
zeichnete er brutaler Weite eine unmögliche Revolus
tion. Gr fpaltete die Nation und ſchwächte fie gum
Voraus, während er alle Kräfte hätte concentriren
müffen, um fie zu einem allgemeinen Refultat ber Con⸗
eurrenz zu führen.
Diefes Ziel bezeichnete Meder, boch baffelbe zu ers
reichen, machte er Ichon dadurch unmöglich, baß er es
bezeichnete. Bon einer Reform von Mißbräuchen mit
denjenigen ſprechen, welche nicht wollen, daß biefe
Mißbraͤuche reformirt werden, heißt das fich nicht bem
Widerftande der Betheiligten ausſetzen? Darf mau
ben Feind von der Stunde in Kenntniß feßen, zu ber
man einen Plak flürmen wirb ?
Das Hatte Calonne begriffen, in dieſer Hinſicht im
Wirklichkeit mehr Freund der Nation, als ber Genfer
Meder, mehr Freund, fagen wir, in Betreff der vollen»
beten Thatfachen, denn, flatt einem unvermeiblichen
Uebel zuvorzufommen, befhleunigte Calonne den Eins
bruch der Geißel.
Sein Plan war kuͤhn, rieſenhaft, fiher; es Baus
beite fi darum, in zwei Jahren zum Bankerott ben
König und ben Abel fortzureißen, die ihn um zen
Sabre verzögert Hätten; aber wenn ber Bankerott ges
macht war, zu fagen: „Nun, the Reichen, bezahlt —*
31
die Armen, denn fie haben Hunger und werben biejenis
gen verfchlingen, welche fie nicht nähren.“
Warum fah der König nicht von Anfang an die
Folgen diefes Planes oder diefen Plan ſelbſt? Er,
der, als er den Rechenfchaftsbericht las, vor Wuth ges
gilt hatte, warum fchauerte er nicht, indem er feinen
inifter errieth? Warum wählte er nicht zwifchen
diefen zwei Syflemen, und zog es vor, fih dem Zufall
zu überlafien? Das ift die einzige wirkliche Rechnung,
welde Ludwig XVI., ein Bolitifer, mit der Nachwelt
u ordnen bat. Es war das befannte Princip, dem
ch ſtets Jeder widerſetzt, der nicht Macht genug bat,
um das Uebel abzufchneiden, wenn es inveterirt if.
Aber um zu erflären, warum ſich die Binde ber:
geftalt vor den Augen des Königs verbichtete, warum
die Königin, in ihren Wahrnehmungen fo fdharffichtig
und Elar, fi fo blind, als ihr Gemaͤhl, in Beziehung
auf das Benehmen des Minifters zeigte, wirb die Ge⸗
fhichte, man müßte vielmehr fagen der Roman, bier
it er willfommen, einige unerläßliche Details geben.
Herr von Galonne trat bei der Königin ein.
Er war fchön, groß von Wuchs und edel von Ma⸗
nieren. Er wußte die Königinnen lachen und feine
Beliebtinnen weinen zu machen. Feſt überzeugt, Marie
Antoinette habe in einem dringenden Bedürfniffe nad
ihm verlangt, Tam er mit einem Lächeln auf den Lippen.
Diele Andere wären mit einer verbrießlichen Miene
gefommen, um hernach das Verdienſt ihrer Einwilligung
zu verboppeln.
Die Königin war auch fehr freundlich, fie hieß
den Minifter fiten und fprach zuerft von taufend Din
gen, die nichts waren.
„Haben wir Geld, mein lieber Herr von Calonne?“
fagte fle ſodann.
„Geld,“ xief Herr von Balonne, „gewiß haben
wir, wir haben immer.“
„Das iſt herrlich,” rief die Königin, „ich Habe
32
nie einen Mann gefannt, ber fo wie Sie bei Geldfrage
antwortete; als Finanzmann find Sie unvergteltih
„Welche Summe braudt Eure Majeſtaͤt?“
„Ih bitte, erklären Sie mir zuerft, wie habe
Sie es gemacht, um Geld da zu finden, wo Ha
Neder fagte, es gebe Feines.” .
„Herr Neder Hatte Recht, es war fein Gelb mel
in den Kaflen, und das ift fo wahr, daß ich an dei
Tag, wo ich das Minifterium übernahm, am 3. Nı
vember 1783, man vergißt dergleichen Dinge nid
Madame, als ich den öffentlichen Schag fuchte, in di
Kaffe nicht mehr als zwei Säde mit zwölf Hunde
Livres fand.“
Die Königin lachte.
„Nun?“ fagte fie.
„Run! Madame, wenn Neder, ftatt zu fagen: G
ift Fein Geld mehr vorhanden, wie ich es gethan Hab
Hundert Millionen im erften Sabre und hundert uı
fünf und zwanzig im weiten entlehnt und die Webe:
jeugen von einem weiteren Anlehen von achtzig Mi
ionen für das dritte gehabt hätte, fo wäre Neder ei
wahrer Binanzmann gewefen; Jedermann kann fagen
Es ift Fein Geld mehr in der Kafle; aber nicht Jedı
weis zu antworten: Es ift vorbanben.
„Das fagte ich Ihnen, hierüber beglückwünſch
ic Sie. Wie wird man bezahlen? bas iſt die Schwi
rigkeit.
„Oh! Madame,“ erwiederte Calonne mit eineı
Lächeln, deſſen tiefe, erſchreckliche Bedeutung fein menfd
liches Auge ermeſſen konnte, „ich ſtehe Spnen dafü
daß man bezahlen wird.“
„Ich verlaffe mih auf Sie,“ fagte die Koͤnigi
„doch furechen wir immerhin von ben Finanzen; b:
Ihnen iſt es eine Wiſſenſchaft voU SInterefie; ein Stram:
bei den Andern, iſt es bei Ihnen ein Baum m
Früchten!“
Calonne verbeugte fich.
33
- „Baben Sie einige neue Gedanken?” fragte die
tönigin; „ich bitte, geben Sie mir ben erflen davon.“
Ich babe einen Gedanken, der zwanzig Millionen
a bie Taſchen der Franzofen und fieben bis acht in
ie Shrige bringen wird; verzeihen Sie, in die Kafle
Seiner Majeftät.”
„Dieſe Millionen werben hier willfommen fein.
Baer werden fle fließen?“
„Es ift Eurer Majeftät nicht unbefannt, daß die
zoldmünze nicht denfelben Werth in allen Staaten
iuropas bat!”
Ih weiß es. In Spanien ift das Gold iheurer,
16 in Frankreich,“
„Eure Majeftät bat vollkommen Recht, und es if
In Berguügen, mit Eurer Majeftät über Finanzange⸗
tgenbeiten zu plaudern. Das Gold gilt in Spanien
it fünf bis ſechs Jahren achtzehn Unzen mehr der
Rark nad, als in Frankreich. Daraus geht hervor,
aß die Brportanten mit einer Mark Gold, die fie von
jranfreich nad Spanien ausführen, den Werth von
ngefähr vierzehn Ungen Silber gewinnen.“
„Das ift bedeutend!”
„Sp daß in einem Jahre,” fuhr der Minifter fort,
wenn bie Ka wüßten, was ich weiß, kein
inziger zouieb "mehr in unferem Lande wäre.“
„Sie werbet *8 erhindern?“
Unmittelbar ame; ich will den Werth des
zoldes auf fünfzehn Mark vier Unzen erhöhen, ein
jünfzehntel Nutzen. Cure Majeſtät begreift, daß kein
onisod'or in den Kaſſen bleiben wird, erfährt man, daß
n der Münze diefer Nutzen denjenigen, welde Gold
ringen, gegeben wird. Es wird die Umfchmelzung
tiefer Münze vorgenommen werben, und in der Marl
Bold, weiche heute dreißig Louisd'or enthält, finden
ir zwei und dreißig.“
„Sin gegenwärtiger Nugen, ein antünfliger Nutzen,“
Dad Salsbaund der Königin. III.
34:
rief die Königin, „das iſt eine reizende Idee, welche
Furore machen wird.”
„Sch glaube es, Madame, und bin fehr glücklich,
dag fie fo vollfonmen Ihre Billigung erhalten bat.”
„Haben Sie immer foldhe, und ih bin ficyer, daß
Sie alle unfere Schulden bezahlen werden.“
„Srlauben Sie mir, Madame, daß ih auf das,
was Sie von mir wünfchen, zurüdfomme,*
„Wäre es möglidy, mein Herr, hätten Sie in bie
fem Augenblid ...“
„Welde Summe?”
„ob! fie iſt vielleicht viel zu ſtark.“
Calonne lächelte auf eine Weife, welche die Koöni⸗
gin ermuthigte.
„Bunfmal Hunderttaufend Livres,“ fagte fie.
„AH! Madame,“ rief Calonne, „welche Angft bat
mir Eure Majeität gemacht! ich glaubte, es Handle
fih um eine wahre Summe.“
„Sie künnen alſo?“
„Sicherlich.“
„Ohne daß der König ...“
„Ab! Madame, das ift unmögli; alle meine
NRedynungen werden jeden Monat dem König vorgelegt;
aber es gibt fein Beifpiel, daß Fe der König geleſen
hat, und ich fchäße es mir zur Ehre!“
„Wann fann ich auf diefe Summe zählen ?“
„An welchem Tage braudıt fie Eure Majeftät?”
„Erſt am fünften des nächftien Monats.“
„Die Zahlungen follen fur den zweiten befohlen
werden; Eie werden Ihr Geld am dritten haben,
Madame.“
„Herr von Calonne, ich danke.“
„Mein höchſtes Glück iſt, Curer Majeſtät zu ges
füllen. Ih flehe Sie an, ſich bei meiner Kaſſe nie
Zwang anzuthun. Das wird ein Vergnügen voll.
inenliebe jür Ihren Generalcontroleur der Finanzen
ein.” j
35
Er fland auf und verbeugte fi demüthig; bie
Königin reichte ihm ihre Hand zum Ruß.
„Noch ein Wort,” fagte fie.
„sh höre, Madame.”
„Diefes Gerd Foftet mich einen Gewiſſensbiß.“
„Sinen Gewiſſensbiß . . .”
„3a. 8 dient zu Befriedigung einer Laune.”
„Defto befler, deſto beſſer. Es wird bei der Summe
wenigftens die Hälite Nugen für unfere Induftrie, für
unfern Handel und unfere Vergnügungen fein “
„Das if in der That wahr,” murmelte die Küni-
gin, „und Sie haben eine reizende Art, mich zu tröften,
mein Herr!“
„Bott fei gelobt, Madame; mögen wir nie andere
Gewiffensbiffe haben, als die Eurer Majeſtät, und wir
werden geraden Weges in's Baradies eingehen.”
„Sehen Sie, Herr von Calonne, es wäre zu grau⸗
fam für mi, wenn idy meine Launen das arme Volk
bezahlen ließe.“
„Wohl!“ erwiederte der Minifter, indem er auf
jedes feiner Worte einen Nachdruck mit feinem unheim-
lichen Lächeln legte, „haben Sie feine Bedenflichfeiten
mehr, Madame Kapmits ſchwöre Ihnen, es wird nie
das arme Bolf Me bezahlt.“
„Barum nt? Bagte, bie Königin erflaunt.
„Weil das a E nichts mehr bat,“ antwortete
unftörbar der Minifter, „und weil da, wo nichts ift,
der Kaiſer fein Recht verliert.“
Er verbeugte fi) und ging ab.
36
LVI.
MWiedergefundene Illuſionen. — Verlore
Geheimniß.
Kaum hatte Herr von Calonne die Gallerie di
ſchritten, um nach Haufe zurüdzufehren, als der N
einer eilfertigen Hand an der Thüre des Boudoir
Königin kratzte.
Seanne erichien.
„Madame,“ jagte fie, „er iſt da.“
- „Der Cardinal?“ fragte die Königin, ein w
erflaunt über das Wort er, das, von einer T
ausgelprochen, fv viele Dinge bezeichnet.
Sie vollendete nicht. Seanne hatte ſchon H
von Rohan eingeführt und fih, dem bejchügten
fhüger verftohlen die Haud drückend, wieder entf
Der Prinz befand fih allein, drei Schritte
der Königin, vor der er ehrerbietig die ſchuld
Büdlinge made. _
Die Königin, als fie diefe
Takt fah, war gerührt; fie reich
dinal, der feine Augen noch nic
„Mein Herr,” ſprach fie, M
von Ihnen mitgetheilt, der viel Ai
„Stlauben Sie mir,“ erwieder
„Ih verbiete Ihnen durchaus nicht, ſich zu r
fertigen ,” fprach die Königin mit Würde, „aber
was Sie mir fagen würden, würfe einen Schatten
bie Liebe und die Achtung, die ich für mein Vater
und meine Familie hege. Sie können fih nur entla
Indem Sie mich verletzen, Herr Garbinal. Doch wir
wollen diefes ſchlecht erlofchene Feuer nicht anrühren,
es würde vielleicht noch Ihre Finger und die meinigen
verbrennen; Sie unter dem neuen Lichte fehen, das
Sie mir geoffenbart haben, verbindlich, ehrerbietig,
ergeben . . .”
„Ergeben bis zum Zod,” unterbrach der Cardinal.
„But. Doch,“ fagte Marie Antoinette lächelnd,
„doch bis jebt Handelt es fi nur um den Ruin. Gie
wären mir ergeben bis zum Ruin, Herr Gardinal?
Das ift fehr ſchön, das ift Ichön genug. Zum Glüd
Bringe ih Ordnung in die Sache. Sie werden leben
und nicht ruinirt fein, wenn Sie nicht etwa, wie man
fagt, fich feibft ruiniren.“
„Madame .. .”
„Das ift Ihre Sache. Als Freundin, da wir nun
gute Freunde find, will ich Ihnen indeflen einen Rath
geben: Seien Sie fyarfam, das ift eine Hirtentugend;
der König wird Sie mehr lieben, wenn Eie fparfam,
als wenn Sie verfchwenderifch find.“
„Ich werde geizig werdeh, um Eurer Majeſtät zu
gefallen.“
„Der Be verfeßte die Königin mit einer zarten
Nuauce, „der fg liebt auch die Geizigen nicht...“
„Sch werde werben, was Eure Majeftät will,“
unterbrady fie der Cardinal mit einer fchlecht verklei⸗
deten Leidenfchaft.
„Sch fagte Ihnen alſo,“ fehnitt die Königin furz
ab, „Sie werden durch meine Schuld nit zu Grunde
gerichtet werden. Sie find für mich gut geflanden, ich
danfe Ihnen dafür, aber ich habe Mittel, meinen Ber:
binblichteiten zu entfprehen, fümmern Sie fi alfo
nicht mehr um diefe Angelegenheiten, welche von der
erſten Sablung nur mich angehen werden.“
„Damit die Sache beendigt fein möge, Madame,“
fprady der Cardinal, fi) verbeugend, „babe ich Eurer
Majeftät nur noch das Halsband anzubieten.“
38
Zu gleicher Zeit zog er aus feiner Tafche das
Etui und überreichte es der Königin.
Sie fhaute es nicht einmal an, was bei ihr ein
fehr großes Verlangen, es zu fehen, offenbarte, und
zitternd vor Freude legte fie es auf ein Arbeitstifchchen,
doc) fo, daß fie es unter ihrer Hand bebielt.
Der Bardinal verfuchte fodann einige Worte ber
Höflichkeit, welche fehr gut aufgenommen wurden, und
hierauf fam er auf das zurüd, was die Königin in
Betreff ihrer Berföhnung geiagt hatte.
Da fie fih aber gelobt haıte, die Diamanten nidt
in feiner Gegenwart anzufchauen, und da fle vor Bes
gierde, diefelben zu fehen, brannte, fo hörte fie ihn
nur noch zerfireut an.
Aus Zeritreuung überließ fie ihm auch ihre Hand,
die er mit entzüdter Miene füßte. Dann nahm er
Abichied, da er zu beengen glaubte, was ihn mit
Freude erfüllte. Gin einfacher Freund beengt nie, ein
Öleihgültiger noch viel weniger.
Das war der Berlauf diefer Zuſammenkunft, welde
alle Wunden im Herzen des Cardinals fhloß. Er vers
ließ die Königin begeiftert, tıunfen von Hoffnung, und
bereit, Srau von La Mothe für die Unterbandlung, die
fie fo glüdlich geführt, eine grengenlofe Danfbarfeit zu
beweifen.
Jeanne erwartete ihn in ihrem Wagen, Hunbert
Schritte von der Barriere; fie empfing die glühenbe
Betheurung feiner Freundſchaft.
„Nun,“ fagte fie nach dem erften Ausbruch diefer
Danfbarfeit, „werden Sie Richelieu oder Mazarin
fein? Hat Ihnen die öſterreichiſche Kippe Srmuthiauns
gen des Ehrgeites oder der Zärtlichkeit gegeben ? Sind
Sie in die Politik oder in die Intrigue verlegt?“
„Scherzen Sie nit, Gräfin, ich bin wahnfinnig
vor Glück.“
„Schon!“
39
„Stehen Sie mir bei, und in brei Wochen Tann
id ein Minifterium in den Händen haben.”
„zenfel! in drei Wochen; wie lange das ifl: der
Berfail ber erften Verbindlichte iten iſt auf vierzehn Tage
geſtellt
—— alles Glück kommt zugleich; die Königin
bat Geld, fie wird bezahlen; ich werde nur dag Ver⸗
dienſt der Abſicht haben. Das ift zu wenig, Gräfin,
auf Ehre, es ift zu wenig. Bott iſt mein Zeuge, daß
ich dieſe Verſoͤhnung gern um ben Preis von jünfmal
hunderttaufend Livres bezahlt hätte..
» „Seien Sie unbeforgt,“ unterbrad) ihn lächelnd
bie Gräfin, „Sie werden diefes DBerdienft neben den
anderen haben. Iſt Ihnen viel daran gelegen?“
„Ih geftehe, daß ich es vorzöge; wäre die Koͤni⸗
gin meine Shulönerin geworben...
„Monfeigneur, es ſagt mir Etwas, e8 werde Ihnen
biefe "Befriedigung. zu Theil werden. Sind Sie dar:
anf vorbereitet ?“
„Ich babe meine legten Güter verfaufen laſſen,
und für das nächſte Jahr meine Einfünfte und Pfrün-
den verpiändet.“
„Sie haben alfo die fünfmalhunderttauſend Livres?“
ch habe ſie; nur weiß ich nicht, wenn dieſe
Zahlung geleiſtet iſt, wie ich es nachher machen werde.“
„Diele Zahlung,“ riet Jeanne, „gibt uns ein Vier⸗
teljahr Kuhe. In drei Monaten, guter Bott! welche
Greiguiie fönnen da eintreten!”
Das ift wahr; doch ber König läßt mir lagen,
ich fol feine Schulden machen.“
„Ein Aufenthalt von zwei Monaten im Miniſte⸗
rium — Fri alle Ihre Schulden bereinigen.”
„D
„Gmpören Sie fich nicht. Wenn Sie es nicht
thäten, würden es Ihre Better thun.“
Sie haben immer Recht. Wohin gehen Sie?”
AIch will die Königin wieder‘ aufſuchen und in
40
Erfahrung bringen, welche Wirkung Ihre Gegenwart
gemacht hat.” "
„Sehr gut, ich Fehre nad Paris zurüd.“
„Warum? Sie wären heute Abend zum Spiel
gurüdgefommen, Das iſt gute Taktif; verlaffen Ele
den Platz nicht.“
„Ich muß leider bei einem Rendezvons fein, bas
ich diefen Morgen vor meinem Abgang erhalten Habe."
„Ein Rendezvous?“
„Bon ziemlih ernftler Natur, nach dem Inhalt
bes Billets zu urtheilen,, das man mir zugefchickt Hat.
Sehen Sie.“ -
„Eine männliche Handſchrift,“ fagte die Gräfe,
Und fie las:
un Monfeigneur, es will fi Jemand mit Ihnen
über die Beitreibung einer bedeutenden Summe be-
ſprechen. Diefe Perfon wird fi heute Abend bei
Ihnen, in Paris, einfinden, um die Ehre einer Audienz
zu erhalten.”“
„Anonym... Ein Bettler.“
„Nein, Gräfin, man fegt fi nicht mit heiterem
Herzen der Gefahr aus, von meinen 2enten durchge⸗
prügelt zu werben, weil man mich hintergangen Bat.
Ich weiß nicht warum, doch mir ſcheint, ich kenne diefe
Handſchrift.“
„Wohl denn! Monſeigneur; überdies wagt man
nie viel bei Leuten, welche Bed verfpreden. Das
Schlimmfte wäre, wenn fie nicht bezahlen würben.
Guten Tag, Monfeigneur.”
„Sräfln, ich rechne auf das Glück, Sie wieberzu⸗
en “u
„a! Monfeignenr, zwei Dinge!“
„Sprechen Sie.”
„Wenn Ihnen unerwartet eine große Summe ein-
nge ©”
i nun! Gräfin 9”
„Stwas Verlorenes; ein Bund! ein Schatz!
4
verfiehe Sie, Schlimme, Halbpart, nicht
Iner Trene, Monfeigneur!“
bringen mir Glück, Gräfin, warum follte
; nicht dafür Rechenſchaft tragen? Das wird
Nun das Andere?“
en Sie Laflen Sie fi nicht einfallen, die
underttaufend Livres anzugreifen.”
! feien Sie unbeforgt.” .
fie trennten ſich. Es fehrte der Kardinal
Atmofphäre himmliſcher Slüdfeligfeit nad
rüd.
Leben nahm für ihn in der That feit zwei
ein anderes Befiht an. War er nur vers
jyatte ihm die Königin mehr gegeben, als er
u hoffen gewagt hätte; war er ehrgeizig, fo
n noch mehr hoffen.
it von feiner rau geleitet, wurbe ber
8 Werkzeug eines Glückes, das fortan nichte
halten Fonnte. Der Prinz Louis fühlte fi
s er Hatte fo viel politifches Genie, als nicht
feinen Nebenbuhblern, er verftand die Frage
fferung, er verband die Beiftlichfeit mit dem
ı eine von den feſten Majoritäten zu bil:
re lange durch die Stärfe und das Recht res
ie Spiße diefer Reformbewegung bie Königin
ie er anbetete, und deren beftändig zuneh⸗
beliebtheit er in eine Bopularität ohne Blei:
anbelt hätte: das war der Traum bes Prä-
d diefen Traum konnte ein einziges zärtliches
Königin Marie Antoinette in eine Wirklich-
ndeln.
; verzichtete der Unbeſonnene auf feine leich⸗
‚der Weltliche machte fi zum Vhiloſophen,
ge wurbe ein unermüblicher Arbeiter. Es ifl
fe Aufgabe für die großen Charaktere, bie
42
Blaͤſſe der Schwelgereien mit ber Ermuüͤdung durch bes |
Studium zu vertaufchen. Portgezogen durch das Ge
fpann, das man den Ehrgeiz und die Liebe nennt, war |*
Herr von Rohan weit gegangen.
Er glaubte fi) fhon bei feiner Rückkehr nad
Paris beim Werke, verbrannte auf einmal eine Kiſte
voll Liebesbillets, rief feinen Intendanten, am Re
formen anzuorbnen, ließ durch einen Secretär Federn
ſchneiden, um Memoiren über die Bolitif Englandt .
zu fchreiben, die er vortrefflich verfland,-und, feit einer :
Stunde bei ber Arbeit, fing er an wieder in den
Befitz feiner ſelbſt zurüdzufehren, ale ihm der Ton
einer Klingel in feinem Gabinet verfündigte, es erw
feine ein wichtiger Befuch bei ihm.
Sin Huiffler trat ein.
„Wer ift da?“ fragte der Prälat.
„Die Berfon, welde diefen Morgen an Bons
feigneur geſchrieben hat.“
„Ohne zu unterzeichnen ?*
„Sa, Monfeigneur.” °
„Doch diefe Perfon hat einen Namen. Fragen
Sie diefelbe danach.“ ‘
Der Huiffter fam nah einem Augenblick zuräd
und meldete:
„Der Herr Graf von Gaglioftro.“
Der Brinz bebte.
„Sr trete ein.”
Der Graf trat ein, die Thüren fchloffen ſich wie:
der hinter ihm.
„Großer Bott!” rief der Cardinal, „was fehe ich 7
„Nicht wahr, Monfeigneur, daß ich mich kaum
verändert babe.“
„SR es möglidh...”" murmelte Herr von Roban,
„Joſevyh Balfamo lebendig, er, von dem man fagte, er
fei bei jenem Brande umgefommen. Joſeph Balfamo ...”
„Graf von Fönix lebendig, ja, Monfeigneur, und
lebendiger, als je.“
43
‚Aber, mein Herr, unter welchem Namen erfcheis
Sie denn? und warum haben Sie nicht den alten
ten?”
‚Gerade, Monfeigneur, weil er alt it und, vor
ı bei mir, fodann bei den Andern zu viele traurige
jefchwerliche Srinnerungen zurüdtruft. Ich fpreche
on Ihnen, Monfeigneur, hätten Sie Joſeph Bals
nicht von Ihrer Thüre gewiefen ?“
Ay? ob! nein, mein Herr, nein.“
Ind der Garbinal bot, immer noch erflaunt, Gas
ro richt einmal einen Stuhl an.
Dann bat Eure Eminenz mehr Gedächtniß und
heit, als alle Menſchen miteinander," fagte
oftro.
Mein Herr, Sie haben mir einft einen folgen
t geleiltet . . .“
Nicht wahr, Monfeigneur, ich babe mein Alter
verändert,“ unterbrady ihn Balfamo, „und ich bin
yönes Mufter der Reiultate meiner Lebenstropfen.”
Ich geftehe es, mein Herr, doch Sie find über
tenfchheit, Sie, der Sie fu freigebig das Bold
ie Geſundheit Allen fvenden.”
Die Geſundheit, ich leugne das nicht, Monfeig-
doch das Gold ... nein, oh! nein..."
Sie maden fein Gold mehr?“
Nein, Monfeigneur.”
Und warum nicht?”
Weil ich das lepte Theilcden von einem unerläß-
Singredienz verloren habe, das mir mein Lehrer,
je Alıhotas, nach feinem Abgange aus Aegypten
n hatte; es if dies das einzige Recept, welches
ht eigen beſaß.“ |
Er hat es behalten 3“
Mein, das heißt, ja, behalten oder mit in’s Grab
men, wte Sie wollen.”
Er if geſtorben?“
Ich habe ihn verloren.”
4
„Barum haben Sie nit das Leben bi
nes, des unumgänglich norhwendigen Berwi
ſes unumgänglich notbwendigen Recepts,
Sie, der Sie ſich feit Jahrhunderten lebendig
erhalten haben, wie Sie ſagen?“
„Weil ich Alles gegen die Krankheit,
Wunde vermag und nichts gegen den Unfall,
ohne daß man mich ruft.“
„Und es war ein Unfall, der die Tage ı
tas endigte? '
„Sie mußten es erfahren, da Sie mei
wußten.”
„Der Brand der Rue Saint:Elaude, b
Sie verfchwanden ?“
„Hat Althotas allein getöntet, oder der R
vielmehr, des Lebens müde, fterben.”
„Das iſt feltfam.“
„Nein, es ift natürlid. Sch Habe ı
hundertmal daran gedacht, ich follte zu leben
„Aber Sie haben dennoch auf dem Leber
„Weil ih mir einen Jugendzuftand n
welchem die fchöne Geſundheit, die Leidenic
Vergnügungen des Körpers mir noch einige £
verfchaften; Althotas dagegen hatte fich den
ftand gemäßlt.”
„Althutas mußte es machen, wie Sie.“
„Rein, er war ein tieier und erhaber
von allen Dingen diefer Welt wollte er nur
fhaft. Und diefe Jugend mit dem gebieterif
diefe Leidenfchaiten, diefe Bergnügungen hatt
der ewigen Befchauung abgelenft onfeigr
von Gewicht, daß man immer fieberfrei ifl
u denfen, muß man fich in einer unflörbar
hut abiorbiren können. Der Greis finnt I
als der junge Mann; wenn ihn die Traurigl
gie es auch fein Mittel mehr. Althotas
pfer feiner Ergebenheit für die Wiſſenſchaft
45:
wie ein Weltlicher, verliere meine Zeit und
Haus nichts. Ich bin eine Pflanze. Ich darf
en, eine Blume, ich lebe nicht, ich athme.“
'* murmelte der Bardinal, „mit dem wiebders
en Dann erftebt auch wieder mein ganzes
n. Sie geben midy jener Zeit zurüd, mein
die Zauberfraft Ihrer Worte, wo das Wun⸗
Ihrer Handlungen alle meine Fähigkeiten ver-
und in meinen Augen den Werih eines Ge⸗
erhöhten. Sie erinnern mid an die zwei
neiner Jugend. Wiſſen Sie, es find fiebenzehn
aß Sie mir erfdhienen.”
weiß es, wir haben Beide fehr abgenommen.
eur, ich bin fein Weifer mehr, fundern ein
GSie, Sie find nicht mehr ein ſchöner junger
ondern ein fchöner Fürſt. Erinnern Sie fidy,
eur, jenes Tages, wo id in meinem heute
Tapeten verjüngten Cabinet Ihnen’die Liebe
u verſprach, deren blonde Haare meine Seherin
atte?“
Cardinal erbleichte und erroͤthete dann plotzlich.
recken und- die Freude Hatten hinter einander
aͤge feines Herzens unterbrochen.
‚ erinnere mich,” fagteer, „body nur verworren.“
r wollen ſehen,“ ſprach Caglioftro lächelnd,
llen ſehen, ob ich noch für einen Zauberer
nnte. Warten Sie, daß ich mich in dieſem
ı feitftelle. *
dachte nad.
e blonde junge Perſon Ihrer Liebesträume,“
nad einem Stillfeyweigen, „wo ift fie? was
2 Ab! bei Gott, ich fehe fie; ja ... . nnd
ft haben fie heute geſehen. Mehr no, Sie
von ihr her.“
Cardinal drüdte eine eisfalte Hand auf fein
s Herz.
ein Her, fagte ex ſo leiſe, daß es Caglioſtro
rte, „ich bitte... .*
„Wollen Ste, daß wir von etwas Anderem
verfegte der Wahrfager mit höflihem Tone. „OB!
bin ganz an Ihren Befehlen, Monfeigueur. 56
Sie die © te, über wi zu verfügen,“
Und er Rredte ſich giemtic frei anf einem G
ans, deu der Garbinal ihm bezeichnen feit-%
Anfang dieſes intereffanten Gelpräces eo, ”
»
EVIL. sa
Der Glänbiger und der Cchuidnde; *
Der Garbinal ieh feinem Gafe mit einer —*
verbugten Mine
„Run!“ fagte * lioſtro, „va wir unfere Sehen
fchafı erneuert —— plaudern wir, u
e6 Ihnen beliebt .
„In,“ erwiederte der Pralat, der **
exholte, „je ſprechen wir von der Weit g, Wii
ie ic in meinem Briefe bezeichnet babe, Br
wahr, Gare Sminenz wünſcht eilig zu erfahren.
„Dh! das war ein Vorwand . . . fo venbe
wenigftens.“
„Rein, mein Herr, burdans nit; ed wer‘
freibane iofnt RG wohl ver Make, bewerthenl,
re [| e, e
werden, iu Betracht, daß es ch nm fünfmal Gun
taufend Livre⸗s handelt, und daß fünimal Gundertta
eiotee ei eine Summe finy.”
N weiche tel —*— a + — 7
men | rief tr .
Geht eine Iniägte Biäfe
37
a, Monfeigneur, die ih Ihnen geliehen habe,“
Balfamo; „ich fehe mit Bergnügen bei einem
en Fürften, wie Sie, ein fo gutes Gedächtniß.“
r Cardinal hatte den Schlag empfangen, er
einen Falten Schweiß von feiner Stirne nad
Bangen herabriejeln.
ch glaubte einen Augenblid,“ fagte er, indem
icheln ſuchte, „Joſeph Baliamo, der übernatürs
ann, habe feine Schulpforderung in fein Grab
— wie er meinen Schein in's Feuer ge⸗
atte.“.
donſeigneur,“ erwiederte der Graf mit ernſtem
das Leben von Joſeph Balſamo iſt unzerſtörbar,
dieſes Blatt Papier iſt, das Sie für vernichtet
er Tod vermag nichts gegen das Lebenselirir,
ser vermag nichts gegen den Ashbefl.“
ch verſtehe nicht,“ 38 der Cardinal, dem eine
ag vor den Augen vorüberzog.
ie werben verächen, Monfeigneur, befien bin
T.
jie fo?“
ndem Sie Ihre Unterfchrift erkennen.“
db er gab dem Prinzen ein zufammengelegies
und diefer rief, fogar che er es geöffnet:
tein Schein!”
a, Monieigneur, Ihr Schein,“ erwiederte Bas
mit einem leichten Lächeln, das noch durch eine
erbengung gemildert würde.
ie verbrannten ihn doch, ich fah die Ylamme
ch babe das Papier allerdings in’s Feuer ge⸗
aber, wie gefaat, Monfeigneur, der Zufall
daß Sie auf ein Stück Asbeft geichrieben hatten,
f gewößnliches Papier zu fchreiben, fo daß ich
Sa unverfehrt auf den verzehrten Kohlen ges
abe.“
„Mein Herr," ſprach der Garbinal mit
gewiften Stolz, denn er glaubte in der Vorw
des Sceins ein Zeichen von Mißtrauen zu
„mein Herr, glauben Sie mir, daß ich diefe €
eben fo wenig ohne diefes Papier geleugnet hätt
ih fie mit diefem Papier leugne.‘ Sie Hatteı
Unredt, daß Sie mich täufchten.”
„Ich, Sie täufchen? Ich Hatte nicht einen $
blick diefe Abficht, das ſchwöre ich Ihnen.“
„Sie haben mich glauben gemacht, das Unte
fei vernichtet.“
„Um Ihnen den ruhigen und glüdlichen Gen
fünfmal hundert taufend Livres zu laſſen,“ erw
Balfamo mit einer leichten Bewegung der Schu
„Aber, mein Herr,” fuhr der Cardinal fort, „N
haben fie zehn Jahre lang eine folde Summe
fegt gelafien ?“
„Monfeigneur, ich wußte, bei wen ich fie aı
hatte. Die Greigniffe, das Spiel, die Diebe
mi allmälig allee meiner Büter beraubt. *
aber wußte, daß ich diefes Geld in Sicherheit
fo wartete ich geduldig bis zum legten Augenbli
„Und der legte Augenblid ift gefommen ?“
„Ah! ja, Monieignenr.“
„SH, daß Sie di weder mehr gebulben,
warten koͤnnen?“
„Das iſt mir in der That unmöglich,” antı
Gaglioftro.
„Sie verlangen alfo Ihr Geld von mir zu
„Sa, Monfeigneur.”
„Schon heute?“
„Wenn es Ihnen beliebt?“
Der Garbinal beobachtete ein ganz von Bei
lung zudendes Stillfyweigen.
Dann ſprach er mit bebeuder Stimme:
„Herr Graf, die unglüdlichen Fürſten ber
improviſiren nicht fo zafche Vermögen, wie Ihr
die She über die iſter der Finſterniß und bes
gebietet.“
Ib! Monſeigneur, glauben Sie mir, ich würde
Summe nicht von Ihnen gefordert haben, hätte
bt vorher gewußt, daß Sie diefelbe befißen.“
$h babe fünfmal Hundert taufend Livres, ich?“
r Garbinal.
0,000 Kivres in Gold, 10,000 in Silber, das
e in Bankſcheinen.“
er Cardinal erbleichte.
Belche dort in jenem Schranfe von Boule find,”
Saglioflro bei.
>! mein Herr, Sie wiflen das?“
Ja, Monfeigneur, und id kenne aud alle bie
die Sie bringen mußten, um fich diefe Summe
Ichaffen. Ich hörte fogar fagen, Sie haben dies
{Id um feinen doppelten Werth gekauft.“
6 das iſt wahr.“
ob...
Doch?“ rief der unglückliche Prinz.
Dody ich, ich wäre feit zehn Jahren zwanzigmal
e vor Hunger oder in Berlegenheit neben diefem
: geftorben, das für mich eine Halbe Million
te, und dennoch habe ich, um Sie nicht zu beuns
n, gewartet. Ich glaube daher, daß wir jo unge⸗
uitt find, Monfeigneur.”
Anitt, mein Herr,“ rief der Prinz, „ob! fagen
it, wir feien quitt, da' Ihnen der Vortheil
mir fo großmüthig eine Summe von biefer Bes
g geliehen zu haben; quitt! ob! nein, nein! ich
ıd bleibe ewig Ihr Schuldner. Nur frage idy
derr Graf, warum Sie, der Sie feit zehn Jahren
Summe von mir zurüdverlangen Fonnten, ge-
jen haben? Seit zehn Jahren hätte ich zwan⸗
Gelegenheit gehabt, Ihnen diefes Geld zurüd-
n, ohne daß es mir fchwer gefallen wäre.”
Saldband der Königin, HL. 4 u
50
„Während Heute?“ ... fragte Caglioſtro.
Oh! Heute verberge ich Ihnen nit, daß
MWiedererflattung, die Sie fordern, denn nicht
Sie fordern fie?“
„Leider, Monfeigneur.“
„Mir gewaltig ſchwer fällt.“
Caglioſtro machte mit dem Ropf und ben €
tern eine Fleine Bewegung, welche bedeutete: War
len Sie, Monfeigneur, das ift fo und kann nid
ders fein.
„Aber Sie, der Sie Alles errathen,“ rie
Prinz, „Sie, der Sie im Grunde der Herzen w
Grunde der Scränfe zu lefen wiflen, was zur
noch viel fchlimmer iſt, Sie brauden ohne 3:
nicht erft zu erfahren, warum mir fo viel an t
Gelde liegt, und was der geheimnißvolle und 5
Gebraud if, zu dem ich es beftimme?“
„Sie irren fih, Monfeigneur,” erwiederte &ı
firo mit einem eiſigen Ton, „nein, ich habe kein
nung, und metne Geheimniffe haben mir genug
trübniffe, Tänfchungen und Jammer zugezogen, de
mich durchaus niht um die Geheimniffe Andere
fiimmere, wenn fie mich nicht intereifiren. &e
efirte mich, zu wiflen, ob Sie Geld hatten obı
Sie feines hatten, infofern ich von Ihnen zu fo
befugt war. Als ich aber einmal wußte, daß
hatten, lag mir wenig daran, zu erfahren, wozu
es beflimmten. Weberdies, Monfeigneur, wenn i
diefem Augenblid die Uriache Ihrer Berlegenheit n
würde fie mir vielleicht gewichtig genug und fo ach
werth erfcheinen, daß ich die Schwäde hätte, mod
uwarten, was mir unter ben gegenwärtigen Umſtä
ich wiederhole es Ihnen, den größten Nachtheil br
Ich ziehe es daher vor, nichts zu wiffen.”
„Db! mein Herr,“ rief der Gardinal, deffen (
und Empfindlichkeit diefe legten Worte wieder er
hatten, „glauben Sie wenigfiene n :, ic wolle
51
Mitleid in Beziehung auf meine perſoͤnlichen Verle⸗
jenheiten erregen; Ste haben ‚Ihre Interefien, fie find
vertreten und garantirt durch dieſen Schein, diefer
Schein ift von meiner Hand unterzeichnet, das ift ges
ug. Sie follen Ihre fünfmal hundert taufend Livres
ekommen.“
Caglioſtro verbeugte ſich.
„Ich weiß wohl,“ ſprach der Cardinal, verzehrt
on dem Schmerz, in einer Minute ſo viel mühſam
nfgehäuftes Geld zu verlieren, „ich weiß, daß dieſes
Bapier nur eine Anerkennung der Schuld iſt und feine
Berfallzeit für die Bezahlung beftimmt.“
„Eure Eminenz wolle mich entſchuldigen,“ erwies
erte der Graf, „ich berufe mich auf den Buchftaben
es Scheine und fehe hier geichrieben:
„„Ich befcheinige, von Herrn Sofeph Balfamo bie
Summe von 500,000 Livres empfangen zu haben, bie
ch ihm auf feine erfte Forderung zurücbezahlen werde.
„Unter, Louis von Rohan.““
Der Cardinal ſchauerte an allen feinen Gliedern;
r Batte nicht nur die Schuld, fondern auch die Worte,
n denen fie befcheinigt war, vergeflen.
„Sie fehen, Monfeigneur, daß ich nit das Un-
nögliche verlange,” fuhr Balfamo fort. „Sie können
icht, gut. Nur bevaure ih, daß Eure Eminenz zu
ergeflen fcheint, daß die Summe aus freien Stüden
on Joſeph Balfamo in einer bedeutungsvollen Stunde
egeben worden ift, und dies wem? Herrn von Rohan,
en er nicht kannte. Das ift, wie mir foheint, das
jenehmen eines vornehmen Mannes, das Herr von
toban, in jeder Hinficht ein fo vornehmer Mann, bei
er MWiedererflattung hätte nachahmen fünnen. Doch
zie dachten, das müßte nicht fo gefchehen, ſprechen wir
Ifo nicht mehr davon; ich nehme meinen Schein zurüd.
Jott befohlen, Monfeigneur.”
Nach diefen Worten legte Gagtioftre bas Papier
32
falt zufammen und fohidte fih an, es wieber in feine
Taſche zu fteden.
Der Cardinal hielt ihn zurüd.
„Herr Graf,” fagte er, „ein Rohan duldet nicht,
daß ihm irgend Semand in der Welt Kectionen in ber
Großmuth gibt. Weberdies wäre es hier ganz einfad
eine Lection der Redlichkeit. Ich bitte Sie, mein Herr,
geben Sie mir den Schein, damit ich ihn bezahle.“
ſchi Nun war es Caglioſtro, der ſeinerſeits zu zögern
ien.
Das bleihe Geſicht, die angefchwollenen Augen,
die bebende Hand des Cardinals Ichienen in der That
ein lebhaftes Mitleid in ihm zu erregen.
Der Cardinal, fo ſtolz er war, begriff dieſen guten
Gedanfen von Caglioſtro. Einen Augenblid Hoffte er,
es würde ein gutes Neiultat daraus hervorgehen. .
Blöglich aber verhärtete fich das Auge des Grafen,
eine Wolfe lief über feine gefaltete Stirn bin und er
ſtreckte die Hand und ben Schein gegen den Garbinal
aus.
Im Herzen getroffen, verlor Herr von Rohan
nicht einen Augenblid;; er wandte fi nach dem Schranfe,
den aglioftro bezeichnet hatte, und zog daraus ein
Bündel Anweifungen auf die Wafler: und Zorftfafle;
dann bezeichnete er mit dem Finger mehrere Säde
Silber und öffnete eine Schublade voll Gold.
„Herr Graf,” fagte er, „bier find Ihre fünfmal
hunderttaufend Livres; nur bin ich Ihnen au bdiefer
Stunde noch weitere zweimal hundert und fünfzig tau-
fenp Livres fchuldig, indem ich annehme, daß Sie Zins
aus Zins ausjchlagen, was eine noch viel beträcytlichere
Summe maden würde, Ich will die Rechnungen durch
meinen Intendanten ftellen laffen und Ihnen Sicherheiten
für diefe Bezahlung geben, wobel ih Sie bitte, mir
Zeit bewilligen zu wollen.”
„Nonſeigneur,“ erwieberte Gaglioftro, „ich habe
Herrn von Roban fünfmal Hundert taufend Livres ge
53
iehen. Herr von Rohan iſt mir fünfmal hundert tau⸗
md Livres fchuldig und nicht mehr. Hätte ich Inter⸗
Ben ziehen wollen, fo würde ich fie in dem Schein
usbedungen haben. Mandatar oder Erbe von Joſeph
Jalfamo , wie es Ihnen beliebt, denn Sojeph Balz
ımo iſt wohl todt, darf id nur die in der Schuld⸗
tfunde ausgefprodhenen Summen annehmen, Sie be-
ıhlen mir diefelben,, dafür fage ich Ihnen meinen ehr:
-bietigen Danf. Ich nehme alfo die Anmweifung an,
Ronfeigneur, unb da ich noch am heutigen Tage der
anzen Summe bedarf, fo werde ich das Bold und das
Silber, was ich Sie bereit zu halten bitte, abholen
n.“
Nach dieſen Worten, auf welche der Cardinal
ichts zu erwiedern mußte, ſteckte Caglioſtro das Bün-
el mit den Papieren in die Taſche, verbeugte ſich ehrs
urchtsvoll vor dem Bringen, in deſſen Hände er den
Schein legte, und entfernte ſich.
„Das Unglück,“ feufzte der Prinz, nad) dem Abs
ang von Caglioftro, „das Unglüd trifft nur mich, da
ie Königin zu bezahlen im Stande ift, und zu ihr
venigftens Fein unerwarteter Jufeph Balfamv kommen
sted, um einen Rüdftand von fünfmal hundert faufend
ivres zu fordern.
LVIII.
Haushaltungsrechnungen.
Es war zwei Tage vor ber erſten von ber Koͤni⸗
in beflimmten Zahlung. Herr von Calonne hatte fein
Berfprechen noch nicht gehalten. Seine Rechnungen
varen noch nicht vom König unterzeichnet.
Der Minifter hatte viel zu thun gehabt und das
urch die Königin ein wenig vergefien. Sie, ihrerfeits,
hlelt es aicht {rec Würbe angemeffen, das Gedi
miß des Gonteoleur ber Pinanzen aufjufeifgen,
j fe halte te, tete Mr
—— 7
em,
zu erfund! Re fuchte die Mittel, Herrn von
IM foredgen, ohne die Königin zu compromitti:
ihr ein Bidet folgenden Jahalts vom Miniker zulam:
„Diefen Abend „wird die Gage, miı-ber
Cure MajeRär guädigr beauftragt hat, im Kathe
tergeichnet werben, und bie Gelder werben —
bei *. Königin A
te ganze Helter:
Warle Antoinette urä,
nit mehr an den fo |
Mi:
einfamften Wücen fngeı
ten von aller materielle
fondern,
Sie ging noch wii
Grafen H’Rıtois fyayier
Rirtagsmaple in der €
Der 8
vom König fel
vor di jeriprungen,
Bereint
jergeben® bat biefer fein jchdı
tefenille mit feiner lacyenden Micı
und verbrießlic Eeipelie der Rön!
Bapier Schraffirungen, |
wie die guten Alten und.
bedenteten. J
55
Es war eine Manie des Königs, während ber
Kathofigungen zw zeichnen. Ludwig XVI. liebte es
nicht, den Leuten in's Geſicht zu fehen, er war fchüdhs
teen; eine Keder in feiner Hand gab ihm Sicherheit und
Haltung. Während er fi fo befhäftigte, konnte der
Redner feine Beweisgründe entwideln; der König, ins
dem er das Auge verfiohlen aufichlug, nahm da und
dort ein wenig euer mit feinen Bliden — gerade fo
viel, ale er brauchte, um. die Idee beurtheilend, den
Menſchen nicht zu vergeflen.
Sprad er —* und er ſprach gut, ſo benahm
ſeine Zeichnung ſeiner Rede jedes Ausſehen der An⸗
maßung: er brauchte feine Geberde mehr zu machen;
er fonnte nach Belieben ſich unterbrechen oder erwär=
men, ber Zug auf dem Papier erſetzte im Nothfall die
Zierrathen des Wortes.
Der König nahm alfo, feiner Gewohnheit gemäß,
die Feder, und die Minifter fingen an Entwürfe oder
dipfomatifche Noten vorzulefen.
Der König gab keine Sylbe von fi, er ließ bie
auswärtige Gorrefponbeng vorüber gehen, als begriffe
er fein Wort von diefer Art von Arbeit.
Aber man fam zum Detail der Rechnungen bes
Monats; er erhob das Haupt.
Herr von Calonne hatte einen Auffab in Bes
Kebung auf das für das folgende Jahr beabfichtigte
alehen eröffnet.
ſ Der König machte mit der größten Wuth Schraf⸗
rungen.
9 mmer entlebnen, ohne zu wiffen, wie man e8
zurückgeben wird,“ fagte er; „das ift doch ein Problem,
Berr von Balonne.”
„Site, ein Anlehen ift ein Aderlaß, den man an
tiner Duelle macht, das Wafler verfchwindet bier, um
yort im Ueberfluß ju firömen. Mehr noch. es ſieht fi
serboppelt durch die unterirdifchen Anpumpungen. Und
or Allem, fast zu ſagen, wie werden wir bezahlen,
%
müßte man fagen: wie und worauf werden: wir ent
Pe Paar a: Problem, von veu Eute
rach, iſt nicht: womit wird man
fondern : wi * wohl Glaͤubiger en sn
Der König trieb ‚feine Schraffirungen his *
undurchſichti wi Schwarz, doch er fü fein -
mehr 6 bet; fet ne Pa Ipradien son feld 0 Mi
NRacıdem von Galonne Peiner: ‚Blanı, un
dem Öntbeißch Piner Sollen, anseinan
nahm ber König den Entwurf und unter
: obwohl feufzend. dd ch
„Run, da wir Geld Haben, geben wie aus⸗ hi
Herr" von Galonne lachenb.
Der König ſchaute feinen Minifermit- eanche
mafle an und machte aus ber vaffirung ot
gehenren —ã “ GE: m.
err von Galonne gab ihm einen Ctat, wud
acha ten, Gratifieationen, ngen,
und Befoldungen beftchenp. sd‘
Die Arbeit war karz, gu
König wandte die Blätter = und eilte m
um, Ri > r al h aber bee a
ne on nu) viermal un
für ig! Wie kommt das?“ ;atofle
* Fk bie Feder zuben 8
ine Sie, ud —
emerfen, —8 Bei Sen reife hundert taufenb
—5 Artikel anf fünfmal hundert * fe
„Welcher Artikel , Generalcontr
„Der 36 fest ve ce BRajeRät bie Sanighe die —— *
ir
‚des TINN
zeihen Sie, Sire, pie Die Baht * * us
Sünfknal — ee
berholte 1. ver König. Eee muß ein
dert t —*
— * ——
57
In der vorigen Woche, nein, vor vierzehn Tagen
—* ih Ihrer Majeftät ihre drei Monate ausbezahlen
aſſen.“
„Sire, wenn die Königin Geld nöthig hat, und
nan weiß, wie Ihre Majetät Gebrauch davon macht,
o ift es nichts Außerordentliches ...“
„Nein, nein!" rief der König, — er fühlte näm=
ih das Bedürfniß, von feiner Sparſamkeit fprechen
u machen, um ber Königin einiges Beifallklatfchen
a verfchaffen, wenn fie in die Oper gehen würde —;
‚nie Königin will diefe Summe nicht, Herr von Ca:
onne. Die Königin bat mir gefagt, ein Schiff fei
nehr werth, als Iuwelen. Die Königin denft, wenn
Franfreich entlehne, um feine Armen zu ernähren, fo
nüffen die reichen Leute Frankreich borgen. Braucht
ie Königin diefes Geld, fo wird ihr Verdienſt größer
ein, wenn fie darauf wartet; und ich ſtehe Ihnen dafür,
‚aß fie warten wird.”
Die Minifter gelten viel Beifall diefem patrioti-
chen Erguß des Könige, den der göttliche Horaz in
tiefem Augenblid nicht Uxorius genannt hätte.
Nur Herr von Calonne, der die Berlegenheit der
ee. fannte, beharrte auf der Genehmigung des
oftens.
„Wahrhaftig,” ſprach der König, „Sie find mehr
ür uns intereffirt, als wir ſelbſt. Beruhigen Sie fich,
derr von Calonne.“
„Die Königin, Sire, wird mich beſchuldigen, ich
ei wenig eifrig für ihren Dienft gewefen.“
„Sch werbe Ihre Sache bei ihr vertheidigen.“
„Die Königin, Sire, verlangt nie, wenn fie nicht
uch die Nothwendigfeit gezwungen wird.“
„Hat die Königin Bebürfniffe, jo find fie, wie ich
offe, minder nebieterifch, als die der Armen, und das
oird fie zuerſt zugeflchen.“
„Site...
„Befagter Artikel...“ fprach der König entfchloflen.
Un er nahm die Feder von den Scha
„Sie durchſtreichen diefen Credit Klee
Her" von Galonne beftürzt. —
„Ich durchſtreiche ibm.“ antwortete 3*
majeRötifch. „Und es if mir, als —A
edle Stimme der Königin mir danfen, he Es
Herz fo gut erkannt.“
biet Ser: — Balonne bi Air Bi ie elven, 7
eſem denmũt n berfönlidgen Opfer zufrichen,
anterferrieb der Kö 9 alles Uebrige mit einen blinden
ertrauen
Und er zeichnete ein ſchdues Zebra, umgeben. ven
u und wiederholte:
Ich babe heute Abend fünfmal hundert tanfenb
Livres gewonnen, eim fdöner -Rönigsigg, Gere
Galonne; Gie werben dieſe gute Kunde ber Königin
überbringen, Sie werben ſehen; Gie werben m
„ich abe a enn ia Yhuen ni
diejes Bekenntniſſes vanben follte. Jedem u Tim
Verdienſten!“
„86 fei,“ erwiederte der König, „heben nu vi |
Sigung auf. . Genug der Arbeit, wenn Die Ar
iſt. — —** die Königin; gehen wir ihr a
gegen,
„Sire, ich bitte Eure M Berdfung:
ich habe —* — ajegit ee
Und er machte A fo ſchnell als will darqh Sei
Corridor aus dem Gtaube, N
Der König ging mutig um und gen *
Marie Autoinette entgegen, m
. auf ven des Grafen Fr kügend, im
ufe fan
t *5* ſagte ei wahr, Gie haben Anm
gu en Pa ergang aema f
” en ichen un ‚an * I
gute beit a ' “
*
59
„Beurtheilen Sie felbft, ich babe fünfmal Hundert
mfend Livres für Sie gewonnen.”
„Salonne bat Wort gehalten,“ dachte die Königin.
„Stellen Sie fih vor,“ fügte Ludwig XVI. bei,
Salonne hatte Sie für eine halbe Million auf den
redit gelegt.“
„Oh!“ machte Marie Antoinette Iächelnd.
„Und ih... . ich babe durchſtrichen. So find
infmal hundert taufend Livres mit einem Federfirich
ewonnen.”
„Wie, durchſtrichen?“ rief die Königin erbleichend.
„Gerade zu; das wird ungeheuer wohlthätig für
sie fein. Guten Abend, Madame, guten Abend.“
„Site! Sire!“
„Ich verfpüre gewaltigen Hunger und kehre in
eine Gemächer zmüd. Habe ich mein Abenpbrod
icht wohl verdient?“
„Sire, hören Sie doch!“
Doch Ludwig hüpfte und entfloh, ſtrahlend über
inen Scherz, und ließ die Königin erflaunt, flumm
nd beſtürzt zurüd.
„Mein Schwager ‚* "fagte fie endlich zum Grafen
Artois, „laflen Sie mir Herrn von Galonne holen,
ıhinter if ein ſchlimmer Streich.“
Gerade in diefem Augenblid brachte man der Kö:
Igin folgendes Billet des Minifters:
„Sure Majeftät wird erfahren haben, daß der
edit vom König verweigert worden if. Das ift un:
:greiflid, Madame, und ich habe mich frank und von
schmerz durchdrungen aus dem Rathe entfernt.“
„Leien Sie,” fagte fie, das Billet dem Grafen
Artois reichend.
„Und es gibt Leute, welche behaupten, wir vers
bleudern die Staatseinfünfte, meine Schwägerin,”
ef der Prinz. „Das ift das Verfahren. . .*
„Gines Chemanns,“ murmelfe die Königin. „Bus
a Abend, mein Schwager.“
60
„Empfangen Sie meine Beileidsbezeigungen, Tiebe
hwägerin; ich bin nun gewarnt, ich, der ich morgen
tlangen wollte.“
„Man hole mir Frau von La Mothe,“ fagte die
"önigin nach einem langen Nachfinnen zu Frau von
Rifery, „wo fie auch fein mag, und auf der Stelle.“
LIX.
Marie Antoinette, Königin. Frau von
La Mothe, Weib.
Der Courier, den man nach Paris an Frau von
La Mothe abfandte, fand die Gräfin oder fand fie
vielmehr nicht beim Bardinal von Rohan.
Jeanne hatte Seiner Eminenz einen Befud ge:
macht, fie hatte bier zu Mittag geſpeiſt, fie fpeifte Hier
zu Nacht und unterhielt fich mit ihm von der unfeligen
Nüderftattung, ale der Läufer anfragte, ob fich die
Gräfin bei Herrn von Roban befinde.
Der Portier, als ein gewandter Mann, erwieberte,
Seine Eminenz fei ausgefahren, und Frau von 8%
Mothe befinde fi nicht im Hotel, doch nichts fe
leichter, als ihr das fagen zu laflen, womit Ihre Ma
jetät ihren Boten beauftragt, ‚infofern fie wahrfcheinli«
diefen Abend in das Hotel fommen würde.
„Sie foll fich fo fchnell als möglich nach Verſaill
begeben,” fagte der Läufer, und er entfernte fi, na
dem er denfelben Auftrag in allen muthmaßlidyen T
micilen der nomadifchen Gräfin ausgeftreut hatte.
Doch faum war der Läufer weggenangen, als
Portier, der feinen Auftrag beforgte, ohne weit zu
hen, Frau von La Mothe durch feine Fran bei Hı
61
han, wo bie zwei Verbündeten nad Muße über
yaltbarfeit großer Geldſummen philofophirten,
ichtigen ließ.
e Gräfin begriff bei dieſer Mittheilung, es fet
db, daß fie fogleich abgehe. Sie verlangte ein
ute Pferde vom Cardinal, der fie felbft in eine
ohne Wappen feßte, und während er viele
ntare über diefe Botfchaft machte, fuhr die
po gut, daß fie in einer Stunde vor das
am.
wartete bier Jemand, um fie ohne Verzug bei
Antoinette einzuführen.
e Königin hatte fi in ihr Zimmer zurückgezogen.
ıchtdienft war abgethan und Feine Frau mehr
Gemächern, außer Frau von Mifery, welche im
Boudoir las.
wie Antoinette ftickte, oder gab ſich den Anfchein,
te fie, und horchte dabei mit unruhigem Ohr
8 Geräufch außen, als Jeanne auf fie zuftürzte.
6!” rief die Königin, „Sie find bier, defto
Eine Neuigfeit, Gräfin... .”
ine gute, Madame?”
eurtbeilen Sie. Der König hat die fünfmal
taufend Livres verweigert.”
eren von Calonne?“
dermann. Der König will mir fein Geld mehr
Dergleichen Dinge begegnen nur mir.”
ein Gott!“ murmelte die Gräfin.
as ift unglaublich, nicht wahr, Gräfin? Ver⸗
‚ die ſchon ausgefertigte Anweifung durchſtrei⸗
Doch, fprechen wir nicht mehr von dem, was
Sie werben fogleih nad Paris zurückkehren.“
ı, Madame.“
ıd dem Cardinal fagen, da er mit fo viel Hins
zu Werfe gegangen, um mir Bergnügen zu
fo nehme ich feine fünfmal hundert taufend
bis zum nächften Quartal an. Das ift ſelbſt⸗
füchtig von
er fei
LUH
„'
m.
Die 4
‚ober beleid
„Rein
„Rad.
Rohan nid
Es war ei
wiever gut
fend Livre
„Sch
tion, die n
Rüden de
Bichtigfet:
Goquetteri
band war
‚Das
ame Äre |
fragte . .
„Ich will dor Allem meine Ruhe, das Glück meis
es Haufes zu Rathe ziehen. Es brauchte nicht mehr,
18 diefe erfie Niederlage, um mir darzuthun, wie vies
en Berdrießlichkeiten ich mich auszufegen im Begriff
and, wie fruchtbar an Widermwärtigfeiten der Weg
yar, den ich gewählt Hatte. Gehen wir offen, gehen
yir frei, gehen wir einfady zu Werfe.“
„Madame!“
„Und um anzufangen, opfern wir unfere @itelfeit
uf dem Altar der Pflicht, wie Herr Dorat fagen würde.”
Dann murmelte fie mit einem Seufzer:
„Sb! das Halsband war doch fehr Fin I"
„Es ift noch fo.“
„Bon nun an iR es nur noch ein Haufen Steine für
nid. Mit den Steinen macht man, wenn man damit
efpielt bat, was die Kinder nah dem Mühlenfpiel
amit machen, man wirft fie weg, man läßt fie liegen.“
„Was will die Königin hiemit fagen ?”
„Die Königin will agen, liebe Öräfln, Sie wers
en da6 . . . von Herrn von Rohan mir überbrachte
tut zurüdnehmen und wieder zu den Sumwelieren
zöhmer und Boſſange tragen.“
„Es ihnen zurüdgeben ?“
„Allerdings.“
„Aber, Madame, Eure Majeſtät hat zweimal huns
ert und fünfzig tanfend Livres Angeld gegeben!”
„Dabei gewinne ich abermals jweimal hundert
nd fünfzig taufend Liores, und ich bin nun im Gin⸗
lang mit deu Rechnungen des Könige.“
„Madame! Madame!“ rief die Gräfin, „fo eine
3iertelsmitlion verlieren! Denn es kann gefchehen,
aß die Juweliere Schwierigteiten machen, die Gelder
nrückzugeben, über die fle verfügt haben werden.”
„Darauf zähle ich und ich überlaffe ihnen das
Ingeld unter der Bedingung, daß der Handel rüdgäns
ia wird. Seitdem ich dieſes Ziel erichaue, Gräfin,
üble ich mich viel leichter. Mit biefem Halsband
64
haben fich Bier die Sorgen, ber Verbruß, bie Angfl,
der Argwohn einquartiert. Nie hätten 'diefe Diamanten
Feuer genug gehabt, um alle die Thränen zu trocknen,
die ih in Wolfen über mir laften fühle. raͤfin, tra⸗
gen Sie mir dieſes Etui auf der Stelle fort. Die
Juweliere machen da ein gutes Geſchäaͤft. Zweimal
hundert und fünfzig taufend Livres Reufauf, das if
ein Gewinn; es ift der Nutzen, den fie an mir machten,
und dabei haben fie noch das Halsband. Ich denke,
fie werden fich nicht beflagen, und Niemand wird etwas
davon erfahren.” .
„Aber Herr von Roban, Madame?“
„Der Cardinal Hat nur in der Abficht, mir Ber
gnügen zu maden, gehandelt. Sie fagen ihm, es fei
mein DBergnügen, das Halsband nicht mehr zu Haben,
und wenn er ein Mann von Geiſt ift, fo wird er mid
verſtehen; ift er ein guter Prieſter, fo wird er mein
Benehmen billigen und mich in meinem Opfer bes
ftärfen.“
Su fprechend, reichte die Königin Jeanne das ger
fhloffene Etui. Diefe ſchob es fanft zurüd und fagte:
„Madame, warum wollen Sie e6 nicht verfucdgen,
noch eine Frift zu erlangen?” "
„Berlangen... nein !"
„sh habe gejagt erlangen, Madame.”
„Berlangen, Heißt fi) vemüthigen, Madame; ers
langen, heißt gebemüthigt werden. Ich würbe vielleicht
begreifen, da man fih für eine geliebte Perfon bes
muͤthigte, daß man fidy demüthigte, um ein lebenbes
Geſchoͤpf zu reiten, und wäre es nur fein Hund; doch
um das Net zu haben, dieſe Steine zu behalten,
welche brennen, wie die angezündete Kohle, ohne mehr
leuchtend und ebenfo dauerhaft zu fein, oh! Gräfin,
nie wird mich ein Rath beflimmen, das anzunehmen!
Tragen Sie das Etui fort, meine Liebe, tragen Sie
es fort.“
„Aber bedenken Sie, Madame, welden Lärmen
65
tiefe Juweliere wachen werben, aus Höflichkeit wenig«
ens, und um Sie zu beflagen. Ihre Zurüdweifung
sird Sie eben fo fehr dem Berbruß und der Nachrede
usfegen, als Ihre Binwilligung. Das ganze Publi:
am wird erfahren, daß Sie die Diamanten in Ihrer
zewalt gehabt haben.“
„Niemand wird e8 erfahren. Ich bin diefen Ju⸗
elieren nichts mehr ſchuldig; ich werde fie nicht mehr
mpfangen; es ift doch das Wenigfte, daß fie für meine
weimal Hundert und fünfzigtaufend Livres fchweigen ;
nd meine Feinde, ftatt zu fagen, ich Faufe für anderts
alb Millionen Diamanten, werden nun fagen, id
verfe mein Geld in den Handel. Das iſt minder un=
ngenehm. Tragen Sie es fort, Gräfin, tragen Gie
8 fort, und danfen Sie Herrn von Rohan für feine
irennblichfeit und feinen guten Willen.“
Und mit einer gebieterifchen Geberde reichte bie
tönigin das Etui abermals Jeanne, welche dieie Laft
A ohne eine gewiffe Bewegung in ihren Händen
ühlte.
„Sie haben Feine Zeit zu verlieren,” fuhr die Kö⸗
igin fort; „je weniger die Juweliere Unruhe haben
erden, deſto ficherer werden wir der Geheimhaltung
sin; fahren Sie rafch zurüd, und Niemand fehe das
tut. Begeben Sie ſich zuerft in Ihre Wohnung, denn
h befürchte, ein Beſuch bei Böhmer zu diefer Stunde
önnte Berbacht bei der Bolizei erregen, die ſich fichers
ih mit dem befchäftigt, was man bei mir thut; dann,
senn Ihre Rückkehr die Spione von der Fährte abge⸗
racht hat, gehen Sie zu den Juwelieren und bringen
Ste mir einen Empfangfchein von ihnen.“
ne Madame, es foll fo gefchehen, da Sie «6
ollen.“
Sie ſteckte das Etui unter ihr Mäntelchen, wobei
e dafür beforgt war, daß nichts den Umfang befjelben
errieth, und ieg in den Wagen mit all dem Gifer,
en die Benoifin ihrer Handlung forderte.
Das Haldband der Königin, UI. 5
66
Zuerft Tieß fie fih nad Haufe fahren und fchidte
den Wagen zu Herrn von Rohan zurüäd, um dem
Kutfher, der fie geführt, nichis von dem Geheimniß
zu enthüllen. Dann ließ fie fi umfleiden, um ein
minder elegantes und mehr für diejes nächtliche Unter:
nehmen geeignetes Gewand anzuthun. .
Ihre Kammerfrau fleidete fie rafh an, und be
merfte, daß fie während diefer Operation, welche ges
wöhnlich mit Der ganzen Aurmerfiamfeit einer Dame
von Hofe beehrt wurde, nachdenfend und zerftreut war.
Jeanne dachte in der That nicht an ihre Toilette,
fie ließ mit ſich maden, und richtete ihr Nachdenken
auf einen feltiamen, ihr von ber Gelegenheit eingeges
benen Öedanfen.
Sie fragte fih, ob der Garbinal nit einen
großen Behler begehe, wenn er die Königin diefen Schmud
zurückgeben lafle, und ob ber begangene Fehler nicht
eine Verminderung für das Glück herbeiiühren werde,
das Herr von Rohan träume, und weldyes zu erreichen
er, die kleinen Geheimniffe der Königin theilend, fi
fymeicheln fünne,
Tem Befehle von Marie Antoinette gemäß han⸗
bein, ohne fi mit Herrn von Rohan zu berathen, hieß
das nicht fih gegen die eriten Pflichten des Bünd-
niſſes verfehlen® Wurde der Sardinal, wenn er mit
allen feinen Mitteln am Ende, nicht lieber ſich felbk
verfaufen, als die Königin eines Gegenflands beranbt
laften, nady dem fie begehrt hatte?
„Ih Fann es nicht anders machen, als mich mi!
dem Cardinal berathen,” fagte Jeanne zu fich felbft.
„Vierzehnmal Hundert taufend Livres,“ fügte fie fr
ihrem Geiſte bei; „nie wird er viergehnmal Hunden
taufend Livres haben 1“
Dann wandte fie fih plößlich gegen ihre Kammer⸗
frau um und fagte:
„Behen Sie, Rufe.”
67
Die Rammerfrau gehorchte, und Frau von Ra
Mothe feste ihren geifligen Monolog fort.
„Welche Summe! weldy’ ein Vermögen, und wie
all die Glückſeligkeit, all der Glanz, den eine foldye
Summe verschafft, durch die Heine Schlange in Edel⸗
fteinen, welche in diefem Eini hier flammt, gut dar—⸗
geftellt find!“
Sie öffnete das Etui und verfengte fi die Augen
bei der Berühruug dieſer riefelnden Flammen. Sie
vg das Halsband aus dem Atlas, rollte es in ihren
Bingem, fhloß es in ihre zwei Fleinen Hände und
agte:
g „Bierzehnmal hundert taufend Livres, welche hierin
Raum haben, denn diefes Halsband hat wirklich einen
Geldwerth von vierzehnmal hundert taufend Liores,
und die Juweliere würden noch heute diefen Preis be—
zahlen.
„Gin feltfames Geſchick, das Jeanne von Valois,
der Betilerin, ber Unbefannten, geftattet; mit ihrer
Hand die Hand der Königin, der größten der Welt, zu
berühren, und auch in ihren Händen, allerdings für
eine Stunde, vierzgehnmal hundert taufend Livres zu bes
figen, eine Summe, die in dieſer Melt nie allein geht,
und die man ſtets durch bewaffnete Wächter oder durch
Garantien begleiten läßt, weiche in Frankreich nicht
geringer fein fünnen, als die eines Cardinals und einer
dnigin.
das Alles in meinen Fingern! Wie ſchwer das
ift und wie es leicht if |
„Um in Gold, dieiem Eoftbaren Metall, das Equi⸗
valent dieſes Kleinods fortzufchaffen, hätte ich zwei
Dferde nörhig; um es in Kaſſenbillets fortzufhaffen...
und werden die Kaffenbillets immer bezahlt ? muß man
nicht unterzeichnen, controliren ? Und dann ift ein
Billet Papier; das Feuer, die Luft, das Waſſer zer⸗
fören es. Gin Kaflenbillet Ya nicht in allen Ländern
Eurs; es verräth feinen Urſprung, es oflenbart den
68
Namen des Ausitellers, ven Namen feines Inhabers. Cit
Kaffenbillet verliert nach einiger Zeit einen Theil feine:
Werthes, oder feinen ganzen Wertf. Die Diamante
dagegen find die Harte Materie, welche Allem wider
hebt, und die Jedermann fennt, ſchätzt, bewundert un
fauft, in London, in Berlin, in Madrid, in Braftlie
fogar. Alle verftehen einen Diamant, einen Diaman
belonders von dem Schnitt und dem Waffer, wie mal
e8 in diefen findet! Wie fchön find fie! Wie bewun
derungswürdig find fie! Welche Gefammtmafle un
welche Einzelheit! Jeder von ihnen ift vielleicht pe
trennt, verhältnigmäßig mehr wertb, als alle mitein
ander.
„Do woran denke ich!” fagte fie plötzlich; „Fafle
wir raſch den Entſchluß, entweder den Gardinal anf
zufuchen, oder das Halsband, dem Auıtrage der Köni
gin gemäß, Böhmer zurüdzugeben.“
Sie erhob fih, immer in ihrer Hand die Dia
manten baltend, die fidh ermärmten unt glänzten.
„Sie werden alſo zu dem falten Juwelier zurüd
fehren. der fie abwägen und mit feiner Burſte pr
liren wird. Sie, die am Bufen von Marie Antoinet
glänzen fönnten... Böhmer wird zuerſt auffchreie
dann fih bei dem Gedanken, er habe den Nupen u
behalte die Waare, beruhigen. Ab! ich vergaß,
weldyer Korm full ih den Empfangſchein der Jun
liere abfaflen laflen? Das ift ernſter Natur, es
bei diefer Abfaflung mit viel Diplomatie zu Werke
gehen. Die Schrift darf weder Böhmer, nod
Königin, noch den Bardinal, noch mich verbin'
machen.
„Ich werde nie eine ſolche Urkunde allein en!
fen. Ich bedarf eines Rathes.
„Der GBardinal... Ob! nein Wenn der
dinal mid liebte oder reicher wäre und mir die
manten fchentte...“
Sie ſetzte fi auf ihr Sopha, die Diamant
Hand gewidelt, den Kopf brennend, voll verwors
Gedanken, die fie bald erfchrediten, halb von ihr
einer fieberhaften Energie zurüdgefloßen würben.
Bröglih warb ihr Auge ruhiger, feſter, mehr
in Bild des Geiſtes geheftet; fie gewahrte nicht,
die Minuten vergingen, daß Alles in ihr eine
n unerfchütterliche Haltung annahm; daß fie, jenen
pimmern ähnlich, die den Fuß in den Schlamm
jlüſſe gefeut haben, jebe Bewegung, die fie machte,
ch zu befreien, weiter hinabzog. Cine Stunde
ing in diefer ſtummen und tiefen Befchauung eines
imnißvollen Ziels.
Wonach fie langſam aufftand, erbleicht wie bie
Rerin durch die Infpiration, und ihrer Kammer:
läutete.
Es war zwei Uhr Morgens, ü
„Suden Sie mir einen Biacre,” fagte fie, „ober
Handwagen, wenn kein anderes Gefährt mehr
Die Dienerin fand einen Biacre, der in ber Vieille
du Temple fchlief.
Frau von La Mothe flieg allein ein und fchidte
Kammerfran zurüd.
Nah zehn Minuten hielt der Piacre vor ber
e des Bamphletfchreibers Retcaux von Billette.
LX.
Empfangfchein von Böhmer und die Ber
mp —— der Königin.
Das Reſultat dieſes nächtlichen Beſuchs bei dem
pbletichreiber Reteaur von Billette erfhien erft
ndern Tag, und zwar anf folgende Weife:
62
füchtig von mir, Gräfin, doch ih muß... . ich miß⸗
braude feine Güte.“
„AH! Madame,” murmelte Seanne, „wir find vers
foren. Der Herr Gardinal bat kein Geld mehr.“
Die Königin fprang auf, als wäre fie verwundet
oder beleidigt worden,
„Kein... Geld... mehr?” ftammelte fie.
„Madame, eine Schuldforderung, an die Herr von
Rohan nicht mehr dachte, ift an ihn geftellt worben.
Es war eine Ehrenſchuld, er hat bezahlt.“
„Bünfmal Hundert taufend Livres?“
„3a, Madame.“
„aber...
„Sein lestes Geld . . . Kein Mittel mehr.”
Die Königin hielt, wie beiäubt durch diefes Wins
glück, inne.
„Nicht wahr, ich bin wohl wach?“ fagte file dann.
„Mir begegnen alle diefe Berrechnungen? Woher wiſſen
Sie, Gräfin, daß Herr von Rohan fein Geld mehr hat?“
„Er erzählte mir diefen Unftern vor anderthalb
Stunden, Madame. Das Unglüd ift um ſo weniger
wieder gut zu macden, als diefe jünfmal Hundert taus
fend Livres das waren, was man den Boden der
Schublade nennt.”
6 Die Königin ſtützte ihre Stirne auf ihre beiden
ände.
„Man muß einen großen Entfchluß faflen,“ fagte fle.
„Was will bie Königin thun?“ dachte Jeanne.
„Sehen Sie, Gräfin, das iſt eine jurdytbare Lecs
tion, die mich dafür beftrafen wird, daß ich hinter dem
Rüden des Könige eine Handlung von mittelmäßiger
Wichtigkeit, von geringer Ehrfucht oder von gemeiner
Coquetterie begangen babe. Geſtehen Sie, dietee Hals
band war fein Bedürfniß für mich?“
„Das iſt wahr, Madame, doch wenn eine Königin
u „hre Bedürfniffe und ihren Geſchmack um Katl
ragte ...“
„Ih will dor Allem meine Ruhe, das Glück mei:
ſes Hauſes zu Rathe ziehen. Es braudyte nicht mehr,
18 diefe erfte Niederlage, um mir darzuthun, wie vies
en Derdrießlichteiten ich mid; auszufegen im Begriff
and, wie fruchtbar an Widermwärtigfeiten der Weg
var, den ich gewählt hatte. Gehen wir offen, gehen
ir frei, gehen wir einfach zu Werke.”
„Madamel”
„Und um anzufangen, opfern wir unfere Gitelfeit
uf dem Altar ber Pflicht, wie Herr Dorat fagen würde.“
Dann murmelte fie mit einem: Seufser:
„Oh! das Halsband war doch fehr Fin "
„Es ift noch fo.“
„Bon nun an ft es nur noch ein Haufen Steine für
ih. Mit den Steinen macht man, wenn man damit
efpielt bat, was die Kinder nach dem Mühlenfpiel
amit machen, man wirft fie weg, man läßt fie liegen.“
„Was will die Königin hiemit fagen ?"
„Die Königin will fagen, liebe Gräfin, Sie wers
en das . . . von Herrn von Rohan mir überbrachte
Hut zurüdnehmen und wieder zu den Suwelieren
Jöhmer und Boffange tragen.”
„Es ihnen zurückgeben ?"
„Allerdings.“
„Aber, Madame, Eure Majeftät hat zweimal hun⸗
ert und fünfzig taufend Livres Angel gegeben!“
„Dabei gewinne ich abermals zweimal hundert
nd fünfzig taufend Livres, und ih bin nun im Ein
ang mit deu Rechnungen des Könige.“
„Madame! Madame!“ rief die Gräfin, „fo eine
jiertelsmillion verlieren! Denn es kann gefchehen,
aß die Juweliere Schwierigfeiten machen, bie Gelder
irückzugeben, über die fie verfügt haben werden.“
„Darauf zähle ich und ich überlaffe ihnen das
‚ngeld unter der Bedingung, daß der Handel rädgän-
ig wird. Geitben ich Dietze Ziel erfchaue, Gräfin,
ible ich mich viel leichter. Mit diefem Halsband
64
haben fi Bier die Sorgen, der Verdruß, die Angi
der Argwohn einquartiert. Nie Hätten dieſe Diamante
euer genug gehabt, um alle die Thränen zu trodnen
die ich in Wolfen über mir laften fühle Gräfin, tra
gen Sie mir diefes Etui auf der Stelle fort. DI
Sumeliere machen da ein gutes Geſchäft. Zweima
hundert und fünfzig fauiend Livres Reufauf, das ii
ein Gewinn; es ift der Nutzen, den fie an mir machten
und dabei haben fie noch das Halsband. Ich vente
fie werden fidy nicht beflagen, und Niemand wird etwa
davon erfahren.”
„Aber Herr von Rohan, Madame?“
„Der Cardinal bat nur in der Abficht, mir Ber
gnügen zu machen, gehandelt. Sie fagen ihm, es fe
mein Bergnügen, das Halsband nicht mehr zu Haben
und wenn er ein Mann von Beilt if, fo wird er wid
verſtehen; ift er ein guter Priefter, fo wird er meiı
Penehmen billigen und mich in meinem Opfer be
arten.”
So fprechend, reichte die Rönigin Jeanne das ge
ſchloſſene Etui. Diefe ſchob es fanft zurüd und fag
„Madame, warum wollen Sie es nicht verfucer
noch eine Friſt zu erlangen?”
„Berlangen... nein !”
„Ich habe gejagt erlangen, Madame.“
„DBerlangen, beißt fi vemüthigen, Madame; -
langen, heißt gedemüthigt werben. Ich würde viellel
begreifen, da man fih für eine geliebte Perſon
mutbhigte, daß man fi demüthinte, um ein leber
Gefhörf au retten, und wäre es nur fein Hund; '
um das Recht zn haben, dieje Steine zu beha
welche brennen, wie die angezünbete Kohle, ohne ı
leuchtend und ebenſo dauerhaft zu fein, ob! @ı
nie wird mich ein Rath beflimmen, das anzuneh
wen Sie das Etui fort, meine Liebe, trager
es fort.”
„Aber bedenken Sie, Madame, welchen 2
65
Juweliere machen werben, aus Höflichkeit wenig«
und um Sie zu beflagen. Ihre Zurüdweifung
Sie eben fo fehr dem Berbruß und der Nachrede
en, als Ihre Einwilligung. Das ganze Publis
‚ird erfahren, daß Sie die Diamanten in Ihrer
+ gehabt haben.”
Riemanb wird es erfahren. Ich bin diefen Ju⸗
en nichts mehr ſchuldig; ich werde fie nicht mehr
ngen; es ift doch das Wenigſte, daß fie für meine
al Hundert und fünfzigtaufend Livres ſchweigen;
‚eine Feinde, flatt zu fagen, ih Faufe für anderts
Millionen Diamanten, werben nun fagen, ih
mein Geld in den Handel. Das iſt minder uns
hm. Tragen Sie e8 fort, Gıäfin, tragen Sie
t, und danfen Sie Herrn von Rohan für feine
lichkeit und feinen guten Willen.“
nd mit einer gebieterifchen Geberde reichte bie
in das Etui abermals Jeanne, welche dieie Laft
ohne eine gewifle Bewegung in ihren Händen
Sie haben Feine Zeit zu verlieren,” fuhr die Kös
fort; „je weniger die Suweliere Unruhe haben
ı, deſto ficherer werden wir der Geheimhaltung
fahren Sie raſch zurüd, und Niemand fehe das
Begeben Sie fich zuerft in Ihre Wohnung, denn
fürchte, ein Beſuch bei Böhmer zu diefer Stunde
Verdacht bei der Bolizei erregen, die ſich fichers
it dem befchäftigt, was man bei mir thut; dann,
Shre Rückkehr die Spione von ber Fährte abges
bat, gehen Sie zu den Juwelieren und bringen
ir einen Empfangfchein von ihnen.“
Ya, Madame, es foll fo gefchehen, da Sie «6
zie ſteckte das Etui unter ihr Maͤntelchen, wobei
für beſorgt war, daß nichts den Umfang deſſelben
tih, und icq in den Wagen mit all dem Gifer,
e Genoſſin ihrer Handlung forderte.
Salöband der Königin, MI. 5
66
Zuerft ließ fie ſich nach Haufe fahren und fchidte
den Wagen zu Herrn von Rohan zurüd, um dem
Kutfher, der fie geführt, nichis von dem Geheimniß
zu enthüllen. Dann ließ fie ſich umfleiden, um ein
minder elegantes und mehr für diefes nächtliche Unter
nehmen geeignetes Gewand anzuthun. .
Ihre Kammerfrau fleidete fie raſch an, und be
merfte, daß fie während diefer Operation, welche ge
wöhnlich mit der ganzen Aufmerfiamfeit einer Dame
von Dvie bechrt wurde, nachdenfend und zerftreut war.
Jeanne dachte in der That nicht an ihre Toilette,
fie ließ mit ſich machen, und richtete ihr Nachdenken
auf einen jeltiamen, ihr von der Gelegenheit eingeges
benen Gedanfen.
Sie fragte fih, ob der Garbinal nicht einen
großen Behler begehe, wenn er die Königin diefen Schmud
zurückgeben laife, und ob ber begangene Fehler nicht
eine Verminderung für das Glück herbeirühren werbe,
das Herr von Rohan träume, und welches zu erreichen
er, die feinen Geheimniffe der Königin theilend, fi
ſchmeicheln fünne,
Tem Befehle von Marie Antoinette gemäß hans
bein, ohne ſich mit Herrn von Rohan zu berathen, hieß
das nicht ſich gegen tie eriten Pflichten des Bünd⸗
nijles verfehlen? Mürde der Cardinal, wenn er mit
allen feinen Mitteln am Gnde, nicht lieber fih ſelbſt
verfaufen, als die Königin eines Gegenflands beraubt
laffen, nach dem fie begehrt hatte?
„Ih kann es nicht anders machen, als mich mit
dem Cardinal berathen,” jagte Jeanne zu fich felbfl.
„Bierzehnmal Hundert taufend Livres,“ fügte fie i
ihrem Geiſte bei; „nie wird er viergehnmal Kunden
taufend Livres haben 1”
Dann wandte fie fich plößlich gegen ihre Kammers
frau um und fagte:
„Behen Sie, Roſe.“
67
Die Rammerfrau gehorchte, und Frau von La
Mothe fegte ihren geiftigen Monolog fort.
„Welche Summe! weldy’ ein Vermögen, und wie
all die Glückſeligkeit, all der Glanz, den eine fulche
Summe verihafft, dur die Heine Schlange in Cdel⸗
feinen, weldye in dieſem Eiui bier flammt, gut dar:
geftellt find !“
Sie öffnete das Etui und verfengte ſich Die Augen
bei der Beruhruug diejer riefelnden Flammen. Sie
og das Hulsband aus dem Nılas, rollte e8 in ihren
Bingem, ſchloß es in ihre zwei Heinen Hände und
agte:
g „Bierzehnmal hundert taufend Livres, welche hierin
Raum haben, denn diefes Halsband hat wirklich einen
Geldwerth von vierzehnmal hundert taufend Liores,
und die Juweliere würden noch heute diefen Preis be=
ablen.
’ „Bin feltfames Geſchick, das Seanne von Balvis,
ber Betilerin, der Unbekannten, geitattet; mit ihrer
Hand die Hand der Königin, der größten der Welt, zu
berühren, und auch in ihren Händen, allerdings für
eine Stunde, vierzehnmal Hundert taufend Livres zu be:
fipen, eine Summe, die in diefer Melt nie allein geht,
und die man fleıs durch bewaffnete Wächter vder durch
Garantien begleiten läßt, weiche in Fıanfreich nicht
eringer fein können, als die eines Cardinals und einer
Önigin.
- „Das Alles in meinen Fingern! Wie fehwer das
ift und wie es leicht iſt!
„Um in Gold, dieiem Eoftbaren Metall, das Eyuis
valent diefes Kleinods fortzufchaffen, Hätte ich zwei
Pferde nörhig; um es in Kaffenbillets fortzufchaffen...
und werden die Kaflenbillets immer bezahlt ? muß man
nicht unterzeichnen, controliren? Und dann iſt ein
Billet Bapier; das Feuer, die Luft, das Wafler zer-
flören es. Ein Kaflenbillet Ya nicht in allen Ländern
Curs; es verraͤth feinen Urſprung, es offenbart den
68
Namen des Nusitellers, den Namen feines Inhabers. Ein
Kaffenbillet verliert nach einiger Zeit einen Theil feines
Werthes, oder feinen ganzen Werth. Die Diamanten
Dagegen find bie Harte Materie, welche Allem wider:
ſteht, und die Jedermann fennt, fchägt, bewundert und
fauft, in London, in Berlin, in Madrid, in Brafilien
fogar. Alle veritehen einen Diamant, einen Diamant
befonders von dem Schnitt und dem Waffer, wie man
es in diefen findet! Wie fchön find fie! Wie bewuns
derungsmwürbig find fie! Welche Geſammtmaſſe und
welche Binzelheit! Jeder von ihnen if vielleicht ge:
trennt, verhältnigmäßig mehr werth, als alle miteins
ander.
„Doch woran denfe ih!" fagte fie plötzlich; „faſſen
wir raich den Entfchluß, entweder den Bardinal auf
zufuchen, oder das Halsband, dem Auıtrage der Könis
gin gemäß, Böhmer zurüdzugeben.“
Sie erhob fih, immer in ihrer Hand die Dias
manten baltend, die fi erwärmten und glänzten.
„Sie werden alfo zu dem falten Juwelier zurück⸗
fehren, der fie abwägen und mit feiner Birſte po—
liren wird, Sie, die am Bufen von Marie Antoinette
glänzen fünnten... Böhmer wird zuerft auffchreien,
dann fi bei dem Gedanken, er babe den Nugen und
behalte die Waare, berubigen. AG! ich vergaß, in
welcher Form foll id den Empfangſchein der Juwe⸗
liere abfaffen laflen? Das iſt ernfler Natur, es if
bei diefer Abfaflung mit viel Diplomatie zu Werfe zı
neben. Die Schrift darf weder Böhmer, noch di
Königin, noch den Gardinal, noch mich verbindlis
machen.
„Ich werde nie eine ſolche Urkunde allein entwe
fen. Ich bedarf eines Rathes.
„Der WBardinal... Ob! nein Wenn der Gr
dinal mich liebte oder reicher wäre und mir die D’
manten fchenlte...”
Sie fegte fih auf ihr Sopha, die Diamanten
69
jre Hand gewidelt, den Kopf brennend, voll verwor⸗
wer Gedanken, die fie bald erfchrediten, bald von ihr
it einer fieberhaften Energie zurüdgeftoßen würden.
Plöglid ward ihr Auge ruhiger, feier, mehr
ıf ein Bild des Geiſtes geheftet; fie gewahrte nicht,
ı8 die Minuten vergingen, daß Alles in ihr eine
rtan unerfchütterliche Haltung annahm; daß fle, jenen
shwimmern ähnlich, die den Zuß in den Schlamm
er Flüſſe gefent haben, jede Bewegung, die fie machte,
m fi zu befreien, weiter binabzog. ine Stunde
rging in diefer ſtummen und tiefen Befchauung eines
:heimnißvollen Ziele.
Wonach fie lanafam aufftand, erbleicht wie bie
riefterin durch die Infpiration, und ihrer Kammer:
an läutete.
Es war zwei Uhr Morgens, .
„Suden Sie mir einen Fiacre,“ Tagıe fie, „ober
nen Sandwagen, wenn fein anderes Gefährt mehr
fl.
Die Dienerin fand einen Fiacre, der in der Bieille
ne du Temple Ichlief.
Frau von La Mothe flieg allein ein und fchidte
re Kammerfrau zurüd.
Nah zehn Minuten hielt der Fiacre vor ber
hüre des Pamphleiſchreibers Reteaux von Billette.
LX.
er Empfangfchein von Böhmer und die Vers
fehreibung der Königin.
Das Refultat diefes nächtlichen Befuchs bei dem
‚mphletfchreiber Reteaur von Billette erfölen erft
s andern Tag, und zwar auf folgende Weife:
Um fiede
Mothe ber Ki
ber - Juwelier
wer alſo ag
Summe von
Livres entf
Nunmehı
geanät, Hatte,
in ihr Abt
Aber in
Sein, erhie
and Tage m
oa ber [
qwifgen
erfien Rate g
Herr we
auf bem Qua
falgelt der er
gezuna Rattge
tere fein.
Aber da⸗
Segentheit 8
glädlig, ale
einen runden
bei dem Han!
feinen vornef
der Befri
Run!“ fi
Tungstermin,
71
„Monſeigneur, nein,“ antwortete Boͤhmer, „Ihre
Majeſtät konnte fein Geld geben. Sie wiſſen, daß Herr
von Balonne fi) vom König abgewiefen gefehen Bat;
die ganze Welt fpricht davon.”
„3a, die ganze Welt ſpricht davon, Böhmer, und
es ift gerade dieſe Abweifung, was mich bierherführt.“
„Doch Ihre Majeſtät ift vortrefflich und vom beften
Willen. Da fie nicht bezahlen konnte, fo hat fie bie
Schuld garantirt, und wir verlangen nicht mehr.“
„ah! deſto beſſer!“ rief der Cardinal, „die Schuld
garantirt, jagen Sie? Das ift fehr gut, doc... wie?“
„Auf die einfachfte und zartefte Weiſe,“ erwieberte
ber Juwelier, „auf eine ganz königliche Meife.“
„Dur die Bermittelung der geiftreichen Gräfln
vielleicht?“
Nein, Monfeigneur, nein. Frau von La Mothe
iſt nicht einmal erſchienen, und das hat uns ungemein
geſchmeichelt, Herrn Boſſange und mir.“
„Richt erſchienen! die Gräfin iſt nicht erſchienen?
Glauben Sie mir, daß fie von Bedeutung bei dieſer
Gache if, Herr Böhmer. Jede gute Eingebung muß
der Gräfin enifließen. Sie begreifen, ich benehme
hiedurch Ihrer Majeftät nichts.“
„Monfeigneur wird beurtheilen, ob Ihre Majeftät
zart und quf gegen uns gewefen iſt. Es hatten fi
Gerüchte über die Weigerung des Königs in Betreff.
der Anweifung der fünfmal Hundert taufend Livres
verbreitet; wir fchrieben an Frau von La Mothe.“
„Bann dies?“
„Geſtern, Monfeigneur.”
„Was antwortete fle?“
„Gure Gminenz weiß nichts davon?" fragte Böhmer
a einer unmerflichen Nuance ehrerbietiger Vertrau⸗
chkeit.
„Nein, ſeit drei Tagen habe ich nicht die Ehre
gehabt, die Frau Graͤfin zu ſehen,“ erwiederte der Prinz
als wahrer Prinz. |
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DM Frau von 2a PH erwicderte mie 1}
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Bir warteten alfo, Wenig ga ns B
erhielten wir von ber Kön et
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"la Brief! an Ele, Böhmer
der vielmehr eine — —E
Fee ja £ Er
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„Bür — Hundert und fünfzig baufend ”
vres, Rorelnierr fagte lichernd —e 7;
Tann haben .
hu Million
ewit Dinge ai
fa
73
„In drei Monaten fünfmal hundert tauſend Livres;
ben Reſt in einem halben Jahr.“
„Und... . die Intereſſen?“
„ob! Monfeignent ‚ ein Wort Ihrer Majeftät
verbürgt uns biefelben. „Machen wir,"“ fügt
Ihre Majeftät voll Güte bei, „machen wir dieſe
Angelegenheit unter uns ab;“" unter
und, Eure Gminenz begreift die Empiehlung; „„Sie
werden feinen Anlaß haben, es zu be-
rewen.““ Und fie unterzeichnet. Bon nun an, fehen
Sie, Monfeigneur, iR das für mich und meinen
Aflocie eine Ehrenſache.“
„SH bin nun quitt gegen Eie, Herr Böhmer,“
— der Cardinal entzückt; „bald ein anderes Ge⸗
„Wenn uns Cure Eminenz mit Ihrem Vertrauen
beehren wird ...“
„Doch bemerken Sie abermals hierin die Hand
dieſer liebenswürdigen Gräfin... .”
Wir ſind Frau von La Mothe ſehr dankbar,
Monfeigneur, und wir haben befchloffen, Herr Bofiange
und ich, für diefe Güte erfenntlicy zu fein, wenn une
das Halsband, völlig bezahlt, ‚wieder zu baarem Geld
gebracht Haben wird.“ i
„St! ft!" machte der Cardinal, „Sie haben mid
nicht begriffen.“
Und er kehrte zu feinem Wagen zurüd, geleitet
von den Ehrfurchtsbezeigungen des ganzen Haufes.
Man Tann nun die Larve aufheben. Kür Niemand
it der Schleier auf der Bildfäule geblieben. Was
Jeanne von La Mothe gegen ihre Wohlthäterin gethan,
Seder hat das begriffen, als er fie Die Feder des Pam:
phletichreibere Reteaux von Billette entlehnen fah.
Keine Unrube bei den Suwelieren, feine Bevenfklichfeiten
bei der Königin, feine Zweifel bei dem Garbinal mehr.
Drei Monate find der Ergründung bes Betrugs und
bes Verbrechens gegeben; in diefen drei Monaten wer⸗
75
tigfeit in einem folgen all der Ruin, bag der Ruin
der Schandpfahl und ein lebenslänglihes Befängniß
waren Sie verfchloß die Diamanten in das tieflte ihrer
Verſtecke und faßte den Entiyluß, ſich mit fo foliden
Bertheidigungsmwaffen, mit fo ſcharfen Angriffswaffen
zu verfeben, daß im alle eines Krieges diejenigen,
weldye fi im Kampfe zeigen würden, zum Boraus
verloren wären.
Zwifchen dem Berlangen des Cardinals, der immer
zu erfahren fuchen würde, zwifchen den Indiscretionen
der Königin, die immer fich rühmen würde, daß fle
ausgefhlagen habe, laviren, war eine furdhtbare Ges
fahr. Ein Wort zwiſchen der Königin und dem Gars
dinal ausgetaufht, und Alles war entdeckt. Jeanne
tröftete fi wieder dadurch, daß fie bevachte, verliebt
in die Königin, habe der Kardinal, wie alle Berlirbte,
eine Binde auf der Stirne und er würde folglich in
alle Fallen ſtürzen, die ihm die Lift unter einem Schat«-
ten von Liebe ftellen würde,
Doch diefe Falle mußte eine gefhidte Hand fo
bieten, daß die zwei Intereifirten darin gefangen würs
den. Entdeckte die Rönigin den Diebitahl, fo durfte
fie e8 nicht wagen, fich zu beflagen, entdeckte der Bar:
dinal den Betrug, fo mußte er ſich verloren fühlen. Es
war ein Meifterftreich gegen zwei Gegner zu vielen,
weldye zum Boraus die ganze Gallerie für ſich hatten.
Seanne wich nicht zurück. Sie gehörte zu jenen
unerfchrocdenen Naturen, welde das Böſe bis zum
Heldenmuth, das Gute bis zum Schlimmen treiben.
Ein einziger Gedanke befchäftigte fle von diefem Augen:
bli an, der, eine Zufammenfunft des Cardinals mit
der Königin zu verhindern.
So lange fle, Seanne, zwifchen ihnen flünde, war
nichts verloren, wechfelten fie Hinter ihr ein Wort, ſo
richtete diefes Wort bei Seanne das Glück der Zukunft
u runde, deſſen Gerüſte auf der Harmlofigfeit der
ergangenheit errichtet war.
76
„Sie werben fi nicht mehr fehen,” fagte fie. „Rie
r
„Aber,“ warf ſie ein, „der Cardinal wird die
Königin wiederſehen wollen; er wird Verſuche zu die⸗
fem Ende machen.
„Warten wir nicht, bis er es verfucht,“ dachte die
Schlaue; „geben wir ihm einen Gedanken ein. Er
wolle fie fehen; er bitte fie darum; er compromiltire
fih, indem er darum bittet.
„3a, dod wenn nur er compromittirt ift 2”
Diefer Gedanke verfegte fie in eine ſchmerzliche
Berlegenheit.
„Wäre er allein compromittirt, fo hatte die Kös
nigin ihre Zuflucht; fie fpricht fo laut, die Königin;
fie weiß fo gut den Betrügern eine Larve zu entreißen.
„Das ift zu thun? Damit die Königin nicht ans
fyuldigen kann, muß fie den Mund nicht öffnen können;
um biefen edlen und muthigen Mund zu fehließen, muß
man die Federn deſſelben durch die Initiative einer
Anklage niederbrüden.
„Bor einem Berichte feinen Diener eines Diebſtahls
zu bezüchtigen, wagt berjenige nicht, der durch feinen
Diener eines Verbrechens, welches fo entehrend ift, als
der Diebflahl, überwiefen werden fann. Wirb Herr
von Rohan in Beziehung auf bie Königin compromits
tirt, ſo ift es beinahe ficher, daß die önigin in Bes
jiehung auf Herrn von Rohan compromittirt werben
wird,
„Doch der Zufall nähere einander dieſe zwei
Perfonen nicht, in deren Interefle es liegt, biefes Ge⸗
heimniß zu entdecken.“
Jeanne wich Anfangs vor ber Unermeßlichfeit bes
Felſen zurüd, den fie über ihrem Haupte aufgehängt
hatte. So keuchend, erfchroden, anaflvoll, unter der
Drohung eines foldhen Sturzes leben!
Ya, doch wie diefer Angft entgehen? Durch bie
Verbannung, durch die Flucht! durch die Ueberfchaffung
77
emanten vom Halsband der Königin in ein
ı Land!
itfliehen! ein Leichtes. Eine gute Chaiſe bringt
iche in zehn Stunden zu Wege; der Raum
‚em jener foflbaren Schlafen der Königin; ber
nraum, den der Cardinal zwifchen ein Abends
nit feinen Breunden und fein Aufſtehen am
Tag legt. Die Landftraße entrolle fih vor
‚ fie biete ihr endlofes Pflaſter den brennenden
der Nofle, das genügt. Jeanne wird in zehn
n frei und unverfehrt fein.
„ch welches Nergerniß! welche Schmach! Ders
sen, obgleich frei; in Sicherheit, obgleich geächtet;
ift feine Frau von Stand mehr, es iſt eine
‚ eine den Gerichte Entwichene, welche bie Juſtiz
rreicht, aber bezeichnet, die das Bifen des Hen⸗
veil fie zu weit enıfernt if, nicht brandmarkt,
e öffentlihe Meinung zermalmt.
in. Sie wird nicht fliehen. Der Gipfel der
jenheit und der Bipfel der Gewandtheit find wie
sei Spigen des Atlas, die den Zwillingen ber
leihen. Der eine führt zum andern, der eine
ıfelben ‚Werth, wie der andere, Wer ben einen
‚eht den andern.
anne beſchloß, mit Berwegenheit zu bezahlen
bleiben. Sie befchloß dies befonders, als fie
Iglichkeit erfhaut hatte, zuifgen dem Garbinal
r Königin eine Solidarität der Augſt für dem
fhaffen, wo der Eine oder die Andere wahrs
: wollte, es fei ein Diebflahl innerhalb ihrer
ı Zreundfchaft begangen worden.
anne hatte fich gefragt, wie viel in zwei Jahren
nft der Königin und die Liebe des Garbinals
en würden; fie hatte ben Ertrag von biefen
lücken zu fechsmal hundert taufend Livres 0
wonach der Ueberbruß, die Ungnade und bie
78
Vernachläſſigung die Gunft und die Bevorzugung
nen laflen witıden,
„Sc gewinne bei meinem Plane fieben- bie
mal hundert taufend Livres,“ fagte die Gräfin z
bſt.
Man wird ſehen, wie dieſe tiefe Seele de
krümmten Weg zurücklegte, der zur Schande fi
zur Verzweiflung für die Andern auslaufen ſollt
„In Varis bleiben,“ faßte die Grüfin zuſan
„feſten Fußes dem ganzen Spiele der zwei Per
beiwohnen, ſie nur die meinen Intereſſen nützliche
ſpielen laſſen; unter den guten Augenblicken eine
die Ficht günſtigen Augenblick wählen, mag bie
von der Königin gegebener Auftrag oder eine Un
fein, die man im Yluge auffangen würde.
„Den Cardinal verhindern, ſich je mit Mari
foinette zu unterreden.
„Das ift bauptfählich die Schwierigfeit, da
von Rohan verliebt ift, da er Prinz ifl, da er mı
Dale im Jahr das Recht des Gintritts bei ber Ki
hat, und die Königin, coquette, hHuldigungsfüchtig,
dies danfbar gegen ven Cardinal, nicht entfliehen
wenn man fie auffudht.
„Das Mittel, dieſe zwei erhabenen Berfon
frennen, wird der Zufall liefern. Man wird bi:
eigniffe unterflügen, _
„Nichts wäre fu gut, fo gefhidt, als bi
Königin den Stolz anzuftadheln, der die Keuf
frönt. Es unterliegt feinem Zweifel, daß ein ı
lebhaftes Vordringen des Cardinals die zarte
empfindlihe Zrau verlegt. Naturen, wie bie dei
nigin, lieben die Huldigungen, fürchten aber dic
griffe und weifen fie juräd.
„sa, das Mittel ift unfehlbar. Indem man!
von Rohan räth, ſich frei zu erflären, wirb ma
Geifte der Königin eine Bewegung des Gele,
79
billens bewerfftelligen, welche für immer, nicht
xften von der Fürfin, fondern den Mann von
ıu, das Männchen vom Weibchen trennen wird.
eſem Brunde wird man Waffen gegen den Gar:
griffen Haben, deffen Manoeuvres man insgefammt
den Tage der Feindfeligkeiten laͤhmt.
But. Doc ich wiederhole, wenn man den Gar:
er Königin zumider macht, wirft man nur auf
ırdbinal; man läßt die Tugend der Königin
ı, das beißt, man befreit die Brinzeffin, und man .
r jene Freiheit ver Sprache, welche jede Antlage
ert und ihr das Gewicht des Anfehens verleiht.
Bas man braucht, iſt ein Beweis gegen Herrn
han und bie Königin; es ift ein zweifchneidiges
t, Das reis und linfs verwundet, das verwundet,
es aus der Scheide geht, das die Scheide felbft
idend verwundet.
Bas man braudt, ift eine Anklage, welche bie
n erbleihen, den Barvdinal erröthen machen muß,
beglaubigt, Seanne, die Bertraute der zwei
chuldigen, von allem Berbachte reinigt. Was
aucht, ift eine Bombination, hinter der Jeanne,
ter Zeit und geeigneten Ortes verfchangt, fagen
Klagt mich nicht an, oder ich Klage Bud an;
mie nicht zu Grunde, oder ich richte Euch zu
Laßt mir das Dermögen, ich werde Gudy die
ıffen.
a6 lohnt der Mühe, daß man fucht,“ dachte bie
Gräfin, „und ich werde fuchen. Meine Zeit
ir von heute an bezahlt.“
der That, Frau von La Mothe verfentte ih
Volfter , rüdte näher zu ihrem von einer mils
nne befchienenen Fenſter und ſuchte in Gegen⸗
ottes mit der Fackel Gottes.
22
„Wohl! Frau von La Mothe erwieberte mir bi
zwei Worte: „„ Warten Sie"
„Schriftlich.“
„Nein, Monfeigneur, mündlid. In unferm Brie|
baten wir Frau von La Mothe, Sie um eine Andien
zu eriuchen und die Königin darauf aufmerffam 3
machen, daß der Zahlungstermin herannahe.”
„Das Wort: Warten Sie, war ganz natürlich,
fagte ver Cardinal.
„Wir warteten alfo, Monfeigneur, und gefter
Abend erhielten wir von der Königin, durch einen feh
geheimnißvollen Kourier, einen Brief.”
„Ginen Brief! an Sie, Böhmer?“
„Dder vielmehr eine Berfchreibung in guter Form
Monfeigneur.”
„Laſſen Sie fehen.“
„Sb! kich würde fie Ihnen zeigen, hätten wir
mein. Aflocie und ich, nicht gefchworen, fie Nieman
fehen zu laffen.“
„And warum ?“
„Weil diefe Behutfamfeit uns von der Königi
felbft auferlegt worden ift; beurtheilen Sie, Ihre Ma
jeſtät empfiehlt ung Geheimhaltung.“
„Ah! das ift etwas Anderes; Sie find fehr glüd
lich, meine Herren SIuweliere, daß Sie Briefe von be
Königin befipen.“
„Kür dreizehnmal hundert und fünfzig taufend Li
vres, Monfeigneur,” fagte kichernd der Juwelier, „ma
Tann haben . . .“
„Zehn Millionen, und hundert Millionen bezahle
ewiſſe Dinge nicht,” erwieberte der Garbinal mi
Arengem Tone. „Sie haben alfo gute Garantie?”
„So gut als möglich, Monſeigneur.“
„Die Königin hat die Schuld anerkannt?“
„Sn gebührender Form.“
„Und macht ſich verbindlich, zu bezahlen... .“
73
„In drei Monaten fünfmal hundert tauſend Livres;
den Ref in einem halben Jahr.”
„Und . . . die Intereſſen?“
„DH! Monfeigneur, ein Wort "Ihrer Majeſtät
serbürgt uns biefelben. „Machen wir,“ fügt
Ihre Majeftät voll Güte bei, „machen wir diefe
Angelegenheit unter uns ab;““ unter
uns, Eure Eminenz begreift die Empfehlung; „„Sie
werden feinen Anlaß baben, es zu be-
treuen.” Und fie unterzeichnet. Don nun an, fehen
Sie, Monfeigneur, ift das für mich und meinen
Affocie eine Ehrenſache.“
„3 bin nun quitt gegen Eie, Herr Böhmer,“
fagte ber Cardinal entzüdt; „bald ein anderes Ges
„Wenn uns Eure Eminenz mit Ihrem Bertrauen
beehren wird...”
„Doch bemerken Sie abermals hierin die Hand
biefer liebenswürbigen Bräfin.. . .“
Wir find Frau von La Mothe fehr dankbar,
Monfeignenr, und wir haben befchloffen, Herr Bofiange
und ich, für diefe Güte erfenntlidh zu fein, wenn uns
das Halsband, völlig bezahlt, wieder zu baarem Geld
gebradt Haben wird.” i
„St! ſt!“ machte der Cardinal, „Sie haben mid
richt begriffen.“
Und er kehrte zu feinem Wagen zurüd, geleitet
on den Ehrfurchtsbezeigungen des ganzen Haufes.
Man kann nun die Larve aufheben. Kür Niemand
: der Schleier auf der Bildfäule geblieben. Was
anne von La Mothe gegen ihre Wohlthäterin gethan,
der hat das begriffen, als er fie bie Feder des Pam⸗
etfchreibers Neteaur von Billette entlehnen fah.
ne Unruhe bei den Suwelieren, feine Bevenflichfeiten
der Königin, feine Zweifel bei dem Cardinal mehr.
i Monate find der Ergründung des Betrugs und
Verbrechens gegeben; in biefen drei Monaten wers
-
75
t in einem ſolchen Fall der Auin, daß der Ruin
zchandpfahl und ein lebenslängliches Gefängniß
ı Sie verfhlog die Diamanten in das tieflte ihrer
ee und faßte den Entichluß, ſich mit fo foliden
eidigungsmwaffen, mit fo fcharfen Angriffswaffen
tfehen, daß im Falle eines Krieges diejenigen,
e fi) im Kampfe zeigen würden, zum Boraus
ren wären.
jwifchen dem Berlangen des Barbinals, der immer
iahren fuchen würde, awifchen Den Indiscretionen
önigin, die immer fi rühmen würde, daß fle
fhlagen babe, laviren, war eine furdtbare Ges
Gin Wort zwifhen der Königin und dem Gars
ausgetaufht, und Alles war entdeckt. Jeanne
te fich wieder dadurch, daß fie bedachte, verliebt
» Königin, habe der Gardinal, wie alle Berliebte,
Binde auf der Stirne und er würde folglich in
allen flürzen, die ihm die Lift unter einem Schats
on Liebe ftellen würde,
doch diefe Falle mußte eine geſchickte Hand fo
„ daß die zwei Sntereifirten darin gefangen würs
Entdedte die Rönigin den Diebitahl , fo durfte
nicht wagen, fich zu beflagen, entdeckte der Gar:
den Betrug, fo mußte er fih verloren fühlen. Es
in Meifterftreich gegen zwei Gegner zu fvielen,
: zum Voraus die ganze Gallerie für fich hatten.
jeanne wich nicht zurüd. Sie gehörte zu jenen
hrodenen Naturen, welde das Böſe bis zum-
nmuth, das Gute bis zum Schlimmen treiben.
inziger Bedanfe befchäftigte Re won diefem Augen:
an, der, eine Zuſammenkunft des Barbinals mit
‚önigin zu verbindern.
50 lange fie, Seanne, zwiſchen ihnen flünde, war
verloren, wechfelten fie inter ihr ein Wort, fo
te dieſes Wort bei Jeanne das Glück der Zukunft
runde, defien Gerüfle auf der Harmloſigkeit der
ingenheit errichtet war.
76
$ „Sie werben fich nicht mehr fehen,” fagte fie. „*
me 19
„Aber,“ warf fie ein, „ber Garbinal wird
Königin wiederfehen wollen; er wird Derfuche zu I
fem Ende madıen.
„Warten wir nicht, bis er es verfucht,“ dachte
Schlaue; „geben wir ihm einen Gedanfen ein.
wolle fie fehen; er bitte fie darum; er compromit:
fih, indem er darum bittet.
„Sa, doch wenn nur er compromittirt ift 2“
Diefer Bedankte verfegte fie in eine ſchmerzl
Berlegenheit.
„Wäre er allein compromittirt, fo Hatte bie !
nigin ihre Zuflucht; fie fpricht fo laut, die König
fie weiß fo gut den Betrügern eine Larve zu entreif
„Bas it zu thun? Damit die Königin nicht
fhuldigen fann, muß fie den Mund nicht öffnen koͤnn
um biefen edlen und muthigen Mund zu fchließen, n
man die Federn deſſelben durch die Initiative ei
: Anklage niederbrüden.
„Bor einem Berichte feinen Diener eines Diebfla
zu bezüchtigen, wagt derjenige nicht, der durdy ſei
Diener eines Verbrechens, welches fo entehrend ift,
der Diebflahl, überwiefen werden fann. Wird H
von Rohan in Beziehung auf die Königin compron
tirt, fo if es beinahe fiber, daß die Königin in &
3iehung auf Herrn von Rohan compromittirt wer:
wird,
„Doh der Zufall nähere einander biefe 3
Perfonen nicyt, in deren Interefie es liegt, biefes €
heimniß zu entdecken.“
Jeanne wich Anfangs vor der Unermeßlichfeit !
Felſen zurüd, den fle über ihrem Haupte aufgehä:
hatte. So keuchend, erfchroden, angfivoll, unter '
Drohung eines ſolchen Sturzes leben!
Sa, doch wie diefer Angft entgehen? Durch
Verbannung, durch die Flucht! durch die Ueberfchaffn
77
er Diamanten vom Halsband der Königin in ein
remdes Land!
Entfliehen! ein Leichtes. Eine gute Chaiſe bringt
ie Sache in zehn Stunden zu Wege; der Raum
on einem jener foflbaren Schlafen der Königin; ber
jwifchenraum, den der Cardinal zwifchen ein Abend-
cod mit feinen Freunden und fein Aufflehen am
ndern Tag legt. Die Landftraße entrolle fih vor
jeanne, fie biete ihr endlofes Pflafter den brennenden
güußen der Roſſe, das genügt. Jeanne wirb in zehn
Stunden frei und unverfehrt fein.
Doc welches Nergerniß! welche Schmach! Ver⸗
chwunden, obgleich frei; in Sicherheit, obgleich geächtet;
jeanne ift feine Frau von Stand mehr, es iſt eine
Diebin, eine dem Gerichte Entwichene, welche die Juſtiz
sicht erreicht, aber bezeichnet, die das Gifen des Hen⸗
ers, weil fie zu weit enıfernt ift, nicht brandmarft,
ıber die öffentliche Meinung zermalmt.
Nein. Sie wird nicht fliehen. Der Gipfel der
Berwegenheit und der Gipfel der Gewandtheit find mie -
eme zwei Spigen des Atlas, die den Zwillingen der
gleichen. Der eine führt zum andern, der eine
hat denfriben Werth, wie der andere. Wer den einen
icht, ſteht den andern.
Seanne beihloß, mit Berwegenheit zu bezahlen
ind zu bleiben. Sie befchluß dies befonders, ale fie
Me Möglichkeit erſchaut hatte, zwifchen dem Garbinal
und der Königin eine Solidarität der Angft für den
—* ſchaffen, wo der ine oder die Andere wahr⸗
en wollte, es ſei ein Diebflahl innerhalb ihrer
isnigen Breundfchaft begangen worden.
Seanne hatte fich gefragt, wie viel in zwei Jahren
be Gunſt der Königin und die Liebe des Garbinale
isitranen würden; fie hatte den Ertrag von biefen
Glücken zu fechsmal hundert taufend Livres ges
t, wonach ber Ueberdruß, die Ungnade und bie
76
„Sie werben fich nicht mehr fehen,” fagte fie. „Nie
r.
„Aber,“ warf ſie ein, „der Cardinal wird die
Königin wiederſehen wollen; er wird Verſuche zu die⸗
ſem Ende machen.
„Warten wir nicht, bis er es verſucht,“ dachte die
Schlaue; „geben wir ihm einen Gedanfen ein. Er
wolle fie fehen; er bitte fie darum; er compromiitire
fi), indem er darum bittet.
„Ja, doch wenn nur er compromittirt ift 2“
Diefer Gedanke verfeste fie in eine fchmerzliche
Berlegenheit.
„Wäre er allein compromittirt, fo hatte bie Kös
nigin ihre Zuflucht; fie fpricht jo laut, die Königin;
fie weiß fo gut den Betrügern eine Larve zu entreigen.
„Bas ift zu thun? Damit die Königin nit ans
feyuldigen Fann, muß fie den Mund nicht öffnen Fönnen;
um dieſen edlen und muthigen Mund zu fchließen, muß
man die Federn bdeffelben durch die Initiative einer
Anklage niederbrüden.
„Bor einem Gerichte feinen Diener eines Diebftahle
zu bezüchtigen, wagt derjenige nicht, ber durch feinen
Diener eines Verbrechens, welches fo entehrend ift, ale
der Diebflahl, überwiefen werden fann. Wird Herr
von Rohan in Beziehung auf bie Königin compromits
tint, ſo if es beinahe fidher, daß die Königin in Bes
ziehung auf Herrn von Rohan compromittiirt werben
wird,
mel
„Dog der Zufall nähere einander dieſe zwei
Perfonen nicht, in deren Intereſſe es liegt, biefes Ge⸗
heimniß zu entdecken.“
Jeanne wich Anfangs vor ber Unermeßlichfeit des
Selfen zurüd, den fie über ihrem Haupte aufgehängt
hatte, Sp keuchend, erfchroden, angflvoll, unter der
Drohung eines foldyen Sturzes leben!
Ya, doch wie diefer Angſt entgehen? Durch bie
Verbannung, durch die Flucht! durch die Ueberfchaffung
77
Diamanten vom Halsband der Königin in ein
‚es Land!
Entfliehen! ein Leichtes. Bine gute Chaiſe bringt
Sache in zehn Stunden zu Wege; der Raum
tinem jener koſtbaren Schlafen der Königin; ber
henraum, den der Cardinal zwifchen ein Abend-
mit feinen Freunden und fein Auffiehen am
n Tag legt. Die Landftraße entrolle fih vor
ne, fie biete ihr endlofes Pflafter den brennenden
n ber Roſſe, das genügt. Jeanne wird in zehn
ıden frei und unverjehrt fein.
Dod welches Aergernig! welche Schmach! Ber:
ınden, obgleich frei; in Sicherheit, obgleich geachtet;
ne ift feine Frau von Stand mehr, es iſt eine
in, eine den Gerichte Entwichene, welche die Juſtiz
erreicht, aber bezeichnet, die das Gifen des Hen⸗
weil fie zu weit entfernt ift, nicht brandmarkt,
die öffentlihe Meinung zermalmt.
Mein. Sie wird nicht fliehen. Der Gipfel der
yegenheit und der Gipfel der Bewandtheit find wie -
zwei Spigen des Atlas, die den Zwillingen ber
gleiyen. Der eine führt zum andern, der eine
yenfriben Werth, wie der andere. Wer ben einen
ſteht den andern.
Jeanne beſchloß, mit Berwegenheit zn bezahlen
zu bleiben. Sie befchloß dies befonders, ale fe
Möglichkeit erfhaut hatte, zwifchen dem Cardinal
der Königin eine Solidarität der Angft für den
zu fchaffen, wo der Eine oder die Andere wahrs
en wollte, es fei ein Diebſtahl innerhalb ihrer '
en Freundſchaft begangen worden.
Jeanne hatte ſich gefragt, wie viel in zwei Jahren
Yunft der Königin und die Liebe des Garbinals
agen würden; fie hatte den Ertrag von biefen
Blüden zu fechsmal hundert taufend Livres ges
t, wonad ber Weberbruß, die Ungnade und bie
79
riwillens bewerfftelligen, welche für immer, nicht
Sürften von der Fürſtin, fondern den Mann von
frau, dag Männchen vom Weibchen trennen wird.
diefem Grunde wird man Waffen gegen den Bar:
ergriffen Haben, defien Manoeuvres man insgefammt
woßen Tage der Feindſeligkeiten lähmt.
„But. Doch ich wiederhole, wenn man den Gar:
der Königin zuwider macht, wirft man nur auf
Bardinal: man läßt die Tugend der Königin
len, das heißt, man befreit die Brinzeffin, und man .
ihr jene Freiheit der Sprache, welche jede Antlage
htert und ihr das Gewicht des Anfehens verleiht.
Mas man braudt, ift ein Beweis gegen Herrn
ohan und die Königin; es iſt ein zweifchneidiges
vert, das rechts und linfs verwundet, das verwundet,
ı e8 aus der Scheide geht, das die Scheide felbft
neidend verwundet.
‚Bas man braucht, ift eine Anklage, welche bie
zin erbleichen, den Cardinal errötben machen muß,
e, beglaubigt, Seanne, die Bertraute der zwei
iſchuldigen, von allem Verdachte reinigt. Was
braucht, ift eine Gombination, hinter der Jeanne,
chter Zeit und geeigneten Ortes verſchanzt, fagen
Klagt mich nicht an, ober ich Klage Cuch an;
t mich nicht zu runde, oder ich richte Such zu
F Laßt mir das Vermögen, ich werde Cuch die
aſſen.
Das lohnt der Mühe, daß man ſucht,“ dachte die
fe Gräfin, „und ich werde ſuchen. Meine Zeit
mir von heute an bezahlt.“
in der That, Frau von La Mothe verſenkte fi
te Bolfter , rüdte näher zu ihrem von einer mils
Sonne befchienenen Fenſter und ſuchte in Gegen
Gottes mit der Tadel Gottes.
81
Dliva baute Luftfchlöffer in der Tiefe ihrer Be⸗
haufung in der Rue Saint⸗Claude, himärifche Schlöffer,
worin, man muß es geflehen, der arme Beauflre felten
feinen Platz fand.
Wenn fie am Morgen, geſchmückt mit allen Ans
nehmlichfeiten, womit Gaglioftro ihr Ankleidecabinet
ansgeftattet Hatte, die vornehme Dame fpielte und bie
Muancen der Rolle von Celimene burchging, lebte fie
nur für bie Stunde bes Tags, zu ber agliofro weis
mal in der Woche kam, um fih zu erkundigen, ob fte
das Leben leicht ertrage.
In ihrem fchönen Salon, inmitten eines wirklichen
Lurns und eines verfländigen Lurus, geftand dann die
Feine Creatur beraufcht id felbft, Alles in ihrem ver:
gangenen Leben fei Täufhung, Irrthum gewefen; im
Widerfpruche mit der Behauptung des Moraliften: Die
Tagend macht das Glück, fei es das Glück, was unfehl:
bar die Tugend made.
Leider fehlte es bei der Zufammenfeßung biefes
Släds an einem für feine Dauer unerläßlichen Element.
Diiva war glüdlih, aber Oliva langweilte fi.
Bücher, Gemaͤlde, muflfalifche Inftrumente hatten
: nicht hinreichend zerfireut. Die Bücher waren nicht
et genug, ober bie, welche es waren, Hatte fie zu
mell gelefen. Die Bemälde find immer daffelbe, wenn
in fie einmal angelpant bat, — Dliva urtheilt, und
ht wir, — und die muflfalifchen Inſtrumente haben
: einen Schrei und nie eine Stimme für die un
'ende Hand, die ihnen antiegt
Es iſt nicht zu leugnen, Olivda langweilte fi bald
iſam bei ihrem Slüd, und oft fehnte fie fich unter
Inen nach jenen guten, Eleinen, am Fenſter in ber
Danphine zugebrachten Morgen zurüd, da fie, bie
Be mit ihren Bliden magnetifirend, den Kopf
Vorübergehenden fidy erheben machte.
Ind welche füße Spaziergänge im Quartier Saints
ain, als, indem der —2 Bantoffel auf
SHaldband der Königin. III. 6
82
feinen Abſätzen um zwei Zoll einen Zuß von einer
wollüftigen Biegung erhöhte, jeder Schritt der Wanbs
lerin ein Triumph war und den Bewunderern einen
fleinen Schrei der Angft, wenn er ausglitichte, ober
des Derlangens, wenn fih nad dem Fuß das Bein
zeigte, entriß.
Das dachte die eingefchloffene Nicole. "Allerdings
waren die Agenten des Herrn Polizeilientenants furchts
bare Leute, allerdings hatte das Hofpital, in dem die
Meiber in einer ſchmutzigen Gefangenfchaft erftidken,
nicht den Werth der ephemeren und glänzenden Ginker
ferung ber Rue Saint:Claude. Doch wozu würbe es
dienen, Frau zu fein und das Recht der Frauen zu
haben, wenn man nicht zuweilen gegen das Bunte aufs
ftünde, um e8 in Böfes zu verwandeln, ober wenigftens
in Träume?
Und dann wird bald Alles ſchwarz für denjenigen,
welcher fi langweilt. Nicole bedauerte pie Abweſen⸗
beit von Beaufire, nachdem fie den Verluft ihrer Preis
beit beflagt Hatte. Geſtehen wir, daß nichts in der
Melt die Frauen ändert feit der Zeit, wo die Töchter
Judä am Borabend einer Liebesheirath ihre Jungfrau⸗
fhaft auf dem Berge beweinten.
Wir find zu einem Tage der Trauer, der Gereizt⸗
heit gelangt, an welchem Dliva, feit zwei Wochen jeder
Gefellfhaft, jedes Anblide beraubt, in die traurigfte
Periode des Uebels der Langweile eintrat.
Nachdem fie Alles erfchöpft, da fie es weber wagte,
an das Fenſter zu freien, noch auszugehen, fing fle
an ben Appetit des Magens zu verlieren, aber nicht
den ber Einbildungskraft, ber im Gegentheil in bems
ferben Maße fih verdoppelte, in welchem der andere
abnahm.
In diefem Augenblid moraliſcher Aufregung erhielt
fie einen an biefem Tage unerwarteten Be ud von
Gaglioftro.
Gr trat, wie dies feine Gewohnheit war, durch
83
tere Thüre des Hotel ein, ging durch ben nen
ten Garten in die Höfe und Flopfte an bie
ver Wohnung von Oliva.
er Sahläge, inbeflimmten Zwifchenräumen gethan,
Das verabredete Zeichen, daß die junge Frau bie
zurüdzeg, welche fie als Sicherheit zwiichen
einem mit Schlüffeln verfehenen Beſuche for⸗
ı müflen geglaubt hatte. ’
iva dachte, die Vorſichtsmaßregeln feien nicht
g, um eine Tugend zu bewahren, bie fie bei
ı &elegenbeiten läftig fand.
i dem von Gaglioftro gegebenen Signaf öffnete
Riegel mit einer Geſchwindigkeit, welche für
yürfniß, eine Unterredung zu haben, jengte.
haft wie eine Parifer Griſette, eilte fie den
m des edlen Kerfermeifters entgegen, ergriff
inde, mehr, um ihn zu fneipen, als um ihn zu
3, und rief mit einer gereizten, heifern, abges
Stimme: "
tein Herr, ich langweile mich; erfahren Sie das.“
glioftro ſchaute d mit einer leichten Kopfbewes
i.
te langweilen fi,” ſagte er, während er bie
vieder fchloß, „ach! meine Liebe, das iſt ein
6 Uebel.”
H mißfalle mir hier. Ich fterhe Hier.“
zahrhaftig!“ ®
3, ich Habe fchlimme Gedanken.“
ı! la!“ machte der Graf, indem er fie beiänftigte,
n einen Pudel befänftigt, „wenn Sie fi nicht
5 bei mir fühlen, fo rollen Sie mir darum
ı fehr. Bewahren Sie all Ihren Zorn für
en Polizeilieutenant, der Ihr Feind if.“
le bringen mich in DBerzweiflung mit Ihrer
tigkeit,“ fagte Dliva. „Ein guter Zorn, ein
‚fen iſi mir lieber, ale eine olhe Sanfibeit;
n 2
84
Sie finden das Mittel, mich zu beruhigen und bas
madt mich toll vor Wuth.“
„Geſtehen Sie, daß Sie ungerecht find,” erwiederte
Gaglioftro, indem er fi} fern von ihr mit jener Affec⸗
tation von Achtung oder von &leichgültigfeit niederfegte,
die ihm fo gut bei Dliva gelang.
„Sie brechen fehr nach Shrem Gefallen, Sie,“
fagte Dliva, „Sie gehen, Sie fommen, Sie athmen,
Ihr Reben befteht aus einer Anzahl von Bergnügungen,
die Sie fih wählen; ich vegetire in dem Raum, ben
Sie begrenzt Haben; ich athme nicht, ich zittere. Ich
erfläre Shnen, mein Herr, daß mir Ihr Beiſtand
unnüß ift, wenn er mich nicht zu flerben hindert.“
„Sterben! Sie!“ verfepte Tächelnd ber Graf,
„gehen Sie doch!“
„Ich fage Ihnen, daß Sie fich fehr fehlecht gegen
mich benehmen; Sie vergeffen, daß ich tief, leiden,
ſchaftlich Einen liebe,“
„Herrn Beaufire ?“
„Sa, Beauftre. Ich liebe ihn, fage ich Ihnen.
Ich denfe, ich habe es Ihnen nie verborgen. " Sie
Tonnten ſich nicht einbilden, ich würde meinen theuren
Beaufire vergeflen ?“ .
„Ih habe es fo wenig gedacht, daB ih Allem
aufbot, um Nachricht von ihm zu erhalten, und ich
bringe Ihnen.“
„Ah!“ machte Olive.
„Herr von Beaufire,“ fuhr Caglioſtro fort, „iR
ein reizender Junge.“
„Bei Gott!” rief Oliva, welche nicht fah, wohin
man fie führte.
„Sung und hübſch.“
„Nicht wahr?“
„Bol Einbildungsfraft.”
„Voll Zeuer ... in wenig brutal gegen mid.
Doch ... wer gut liebt, züchtigt gut.“
85
„Sie fpredden goldene Worte. Ste Haben ebenfo
viel Gemüth, als Beift, ebenfo viel Geiſt, als Schöu«
heit, und ich, der ich das weiß, der ich mich für jede
Schönheit der Welt intereffire, — das ift eine Manie, —
ich Habe daran gedacht, Sie Beaufire näher zu bringen.”
„Das war vor einem Monat nicht Ihre Idee,“
fagte Dliva mit einer gezwungenen Miene lächelnd.
„Hören Sie doch, mein liebes Kint, jeder galante
Mann, der eine hübfche Perſon ficht, ſucht ihr zu
gefallen, wenn er frei ift, wie ich es Bin. Sie werden
jedoch geftehen, daß, wenn ich Ihnen ein Bischen ben
Hof gemacht habe, dies nicht lange gedauert, nicht fo?“
„Das ift wahr,” erwiederte Dliva in demfelben
Ton, „höchſtens eine Biertelftunde.“
„Es war fehr natürlich, daß ich abließ, da ich
fah, wie fehr Sie Herrn von Beaufire liebten.“
„Oh! fpotten Sie meiner nicht.“
„Rein, auf Ehre; Siehaben mir fehr widerftanden.”
Ohl! nicht wahr?“ rief Oliva, entzückt, auf frifcher
That des Widerſtands ertappt worden zu fein. „Sa,
gefehen Sie, das ich widerfianden habe.“
„Das war die Bolge Ihrer Liebe,“ bemerfte
Gaglioftro phlegmatifch. \
„Doch die Ihrige,“ entgegnete Dliva, „fle war
nicht fehr sähe
„Ich bin weder alt genug, noch häßlich genug,
noch dumm genug, noch arm genug, um die Weigeruns
en oder die Chancen einer Niederlage zu ertragen,
abdemoifelle; Sie hätten ſtets Herrn von Beauflre
mir vorgezogen, das habe ich gefühlt, und ich habe
meinen Entichluß gefaßt.”
„Ah! nein, nein!” rief die Coquette. „Das herr⸗
liche Buͤndniß, das Sie mir vorgefähjlagen, Sie wiflen
wohl, das Recht, mir den Arm zu geben, mid) zu bes
fuhen, mir in allen Ehren den Hof zu maden, war
das nicht ein Kleiner Reft von Hoffnung?”
Und indem fie diefe Worte ſprach, verfengte die
86
Treulofe mit ihren zu lange müßig gewefenen Augen
den Befuch, der fih in der Falle gefangen hatte.
„SH muß es befennen,“ erwiederte Caglioſtro,
—8* find von einem Scharffinne, dem nichts wider⸗
e “u .
Und er ftellte fih, als fiylüge er die Augen nieder,
um nicht von dem doppelten Flammenſtrom verzehrt zu
werden, ber aus den Bliden von Oliva hervorfprang.
„Kommen wir auf Beauflre zurüd,” fagte fie, ges
reizt durch Die Inbeweglichfeit des Grafen; „was macht
er, wo ift er, der theure Freund?“
Da ſchaute fie Caglioſtro mit einem Reſte von
Scüdternheit an und erwiederte:
8* ſagte, ich habe Sie mit ihm vereinigen
wollen.“
„Rein, Sie ſagten das nicht,” murmelte fie mit
Beratung; „boch da fie es mir fagen, fo nehme ich
es für gelagt an. Fahren Sie fort. Warum haben
Sie ihn nicht gebracht? Das wäre liebreich gewefen.
Er ift frei, er... ."
„Weil,“ antwortete Baglioftro, ohne ſich über diefe
Ironie zu wundern, „weil Herr von Beaufire, der iR
wie Sie, der zu viel Geiſt befigt, fih auch eine kleine
Angelegenheit mit der Polizei gemacht hat.“
„Auch!“ rief Oliva erbleichend, denn diesmal ers
fannte fie das Gepräge der Wahrheit.
„Auch,“ wiederholte Kaglioftro artig.
„Was hat er gemacht?” ftammelte die junge Fran.
„Einen reizenden Schelmenftreih, ein Außerft
geiftreiches Stückchen, ich nenne das einen brolligen
Einfall; aber die verdrießlichen Leute, Herr von Erosne
um Beifpiel, Sie wiffen, wie fchwerfällig er if, dieſer
Ser „yon Grosne; nun! fie nennen das einen Diebs
„Gin Diebſtahl!“ rief Dliva erfchruden; „mein
Gott!“
87
„Ah! ein hübſcher Diebſtahl! das beweiſt, wie viel
Geſchmack dieſer arme Beaufire für ſchoͤne Dinge hat.“
PR ri Her ... mein Her... er ift ver
aftet?“
„Nein, doch er iſt fignalifirt.“
Sie ſchwören mir, daß er nicht verhaftet iſt, dag
er teine Gefahr Läuft?“
„Ich Tann Ihnen wohl ſchwoͤren, daß er nicht ver⸗
haftet iſt; was aber den zweiten Punkt betrifft, da be-
fommen Sie mein Bort nicht. Sie fühlen, mein
liebes Kind, daß man, wenn man fignalifitt iſt, vers
folgt oder wenigftens aufgefucht wird, und daß Herr
von Beauflre mit feiner Geſtalt, mit feiner Haltung,
mit allen feinen wohlbefannten Gigenichaften, wenn er
fih zeigte, fogleich von den Leithunden von Herrn
von Erosne gewittert würde. Bedenken Sie ein wenig,
welchen Netzzug Herr von Erosne machen würde... .
Sie durdy Herrn von Beauſire, und Herrn von Beauſire
buch Sie feftnehmen . . ."
„Dh! ja, ja, er muß fich verbergen! Armer Junge!
Sy will mi auch verbergen. Laflen Sie mich aus
Frankreich fliehen, mein Herr. Suden Sie mir diefen
Dienft gu.Teiften ; benn fehen Sie, eingefchloffen, erftict,
würde ich hier nicht dem Verlangen wiberftehen, eines
Tages eine Unvorſichtigkeit zu begehen.”
„Bas nennen Sie Unvorfidhtigfeit, meine Liebe?”
„Mich zeigen, mir ein wenig Luft geben.“
„Mebertreiben Sie nicht, meine Freundin. Sie
find ſchon ganz bleih, und Sie werden am Erde Ihre
Ihöne Geſundheit verlieren. Herr von -Beauflre würde
fie nicht mehr lieben. Nein, nehmen Sie fo viel Luft,
als Sie wollen, bewirthen Sie fih damit, daß Sie
einige menfchliche Geſtalten vorübergehen fehen.“
„Dh! rief Dliva, „nun find Sie gegen mich auf-
ebracht, und Ste werben mich auch verlaflen. Ich bin
hnen vielleicht befchwerlich 3“
80
LXI.
Die Gefangene.
Während dieſer geiſtigen Bewegungen der Gräſfin,
während ihrer Träumerei, ereignete ſich eine Scene
anderer Art in der Rue Saint:Elaude, dem von Jeanne
bewohnten Haufe gegenüber.
Herr von Bagliofro Hatte, wie man ſich erinnert,
. in bas ehemalige Sotel von Balfamo die flüchtige, von
der Polizei von Herrn von Erosne verfolgte Oliva
einquartiert. .
Sehr in Angft, hatte Me. Dliva mit renden
die Gelegenheit, zugleich der Polizei und Beanſitre zu
entfliehen, angenommen ; ſie lebte alfo zurüdgezogen,
verborgen, pitteend in der geheimnißvollen Wohnung;
welche fo viele furchtbare Dramen, ach! furchtbarer,
ale das tragisfomifhe Abenteuer von Mlile. Ricole
Legay, beherbergt hatte.
Caglioſtro hatte jede Fürſorge, jede Zuvorkommen⸗
heit fuͤr ſie gehabt; es fam der jungen Frau füß vor,
von diefem vornehmen Herrn beichügt zu werben, ber
nichts verlangte, aber viel zu hoffen fchien.
Und was hoffte er? das fragte ſich umſonſt die
Klausnerin.
Für Mile. Dliva war Herr von Gaglioflro , der
Beaufire gebändigt und über die Bolizeiagenten geflegt
hatte, ein rettender Bott. Er war aud ein fehr vers
liebter Liebhaber, da er refpectirte.
Denn die Gitelfeit von Oliva erlaubte ihr nicht,
ju glauben, Caglioſtro habe eine andere Abſicht mit
br, als fie eines Tages zu feiner Geliebten zu machen.
Es ift eine Tugend für die Frauen, welche keine
haben, zu grauben, man Fönne fle ehrfurchtevoll lieben.
Das Herz iſt fehr verwelft, fehr dürr, fehr todt, das
nicht mehr auf die Liche zählt, und auf bie Achtung,
welche der Liebe folgt.
81
Dliva baute Auftfchlöffer in der Tiefe ihrer Bes
haufung in der Aue Saint:Claude, himärifche Schlöffer,
worin, man muß es geftehen, der arme Beauflre felten
feinen Plab fand.
Wenn fie am Morgen, geſchmückt mit allen An-
nehmlichfeiten, womit Gaglioftro ihr Ankleivecabinet
ausgeftattet Hatte, die vornehme Dame fpielte und bie
Nuancen ber Rolle von Gelimene durchging, lebte fie
nur für die Stunde des Tags, zu der Conttoftro zwei⸗
mal in der Woche kam, um ſich zu erkundigen, ob ſie
das Leben leicht ertrage.
Sn ihrem Ichönen Salon, inmitten eines wirklichen
Luxus und eines verftändigen Luxus, gefland dann die
fleine Ereatur beraufcht id ſelbſt, Alles in ihrem ver
gangenen Leben ſei Täufchung, Irrthum geweſen; im
Widerfpruche mit ver Behauptung des Moraliften: Die
Tagend macht das Glück, fei es das Glück, was unfehl:
bar die Tugend mache.
Leider fehlte es bei der Zufammenfeßung biefes
Glücks an einem für feine Dauer unerläßlichen Element.
Oliva war glüdlidh, aber Dliva langweilte fich.
Bücher, Semälde, muflfalifche Inftrumente hatten
fie nicht hinreichend zerſtreut. Die Bücher waren nicht
frei genug, oder die, welche es waren, Hatte fie zu
ſchnell gelefen. Die Gemaͤlde find immer daſſelbe, wenn
man fie einmal angefchaut Kat, — Dliva urtheilt, und
nicht wir, — und bie muflfalifchen Inſtrumente haben
nur einen Schrei und nie eine Stimme für bie un-
wiffende Hand, die ihnen antiegt
Es ift nicht zu leugnen, Oliva langweilte fi bald
rauſam bei ihrem Gluͤck, und oft fehnte fie fich unter
sänen nach jenen guten, Eleinen, am enfter in ber
Aue Dauphine zugebrachten Morgen zurüd, ba fle, die
Straße mit ihren Blicken magnetifirend, ven Kopf
alfer Borübergehenden fiy erheben machte.
Und welde rüpe Spaziergänge im Duartier_ Saint:
Germain, als, indem der zierliche Pantoffel auf
"Dad Salsband der Königin. III. 6
82
feinen Abſätzen um zwei Bol einen Fuß von einer
wollüftigen Biegung erhöhte, jeder Schritt der Wanbs
lerin ein Triumph war und den Bewunderern einen
Heinen Schrei der Angft, wenn er ausglitichte, ober
des Berlangens, wenn fih nad dem Fuß das Bein
zeigte, entriß.
Das dachte die eingefchlofiene Nicole. Allerdings
waren bie Agenten des Herrn Polizeilientenants furcht⸗
bare Leute, allerdings hatte das Hofpital, in dem bie
Weiber in einer ſchmutzigen Gefangenſchaft erſticken,
nicht den Werth der ephemeren und glänzenden Einter-
ferung der Rue Saint:Claude. Doch wozu würbe e6
dienen, Frau zu fein und das Necht der Frauen zu
haben, wenn man nicht zuweilen gegen das Bunte aufs
flünde, um es in Böfes zu verwandeln, ober wenigſtens
in Traume?
Und dann wird bald Alles ſchwarz für denjenigen,
welcher fi langweilt. Nicole bedauerte die Abweſen⸗
beit von Beaufire, nachdem fie den Verluft ihrer reis
heit beflagt Hatte. Geftehen wir, daß nichts in der
Melt die Frauen ändert feit der Zeit, wo die Töchter
Judä am Borabend einer Liebesheirath ihre Jungfrau⸗
ſchaft auf dem Berge beweinten.
Wir find zu einem Tage ber Trauer, der Gereizt⸗
heit gelangt, an welchem Dliva, feit zwei Wochen jeder
Gefellfhaft, jedes Anblids beraubt, in die traurigfte
Periode des Uebels der Langweile eintrat.
Nachdem fie Alles erfchöpft, da fie es weber wagte,
an das Fenfter zu treten, noch auszugehen, fing fie
an den Appetit des Magens zu verlieren, aber nicht
ben ber Einbildungskraft, ber im Gegentheil in dem⸗
ferben Maße fidh verboppelte, in welchem ber andere
abnahm.
In diefem Augenblick moralifcher Aufeegun erhielt
fie einen an biefem Tage unerwarteten ed yon
Gaglioftro.
Gr trat, wie dies feine Gewohnheit war, durch
83
bie hintere Thüre des Hotel ein, ging durch den neu
angelegten Garten in die Höfe und Flopfte an die
Läden der Wohnung von Dliva.
Dier Saläge inbeftimmten Zwifchenräumen gethan,
waren das verabrebete Zeichen, daß die junge Frau die
Niegel zurüdzeg, welche fie als Sicherheit zwiſchen
ihr und einem mit Schlüffeln verfehenen Befudye for⸗
dern zu müflen geglaubt hatte.
Dliva dachte, die Borfihtsmaßregeln ſeien nicht
unnötbig, um eine Tugend zu bewahren, die fie bei
gewiſſen Gelegenheiten läftig fand.
Bei dem von Eaglioftro gegebenen Signal: öffnete
fie die Riegel mit einer Beichwindigfeit, weldde für
ihr Bebürfniß, eine Unterredung zu haben, jengte.
Lebhaft wie eine Barifer Griſette, eilte fie den
Schritten des edlen Kerfermeifters entgegen, ergriff
feine Hände, mehr, um ihn zu fneiyen, ale um ihn zu
liebfofen, und rief mit einer gereizten, heifern, abge⸗
ſtoßenen Stimme:
„Mein Herr, ich langweile mich; erfahren Sie das.“
Baglioftro fchaute e mit einer leichten Kopfbewe⸗
gung an.
„Sie langweilen fih,” fagte er, während er bie
Thüre wieder fhloß, „ach! meine Liebe, das ift ein
haͤßliches Uebel.“
„Ich mißfalle mir bier. Ich fterbe hier.“
„Wahrhaftig!“ *
„Ja, ich habe ſchlimme Gedanken.“
„La! la!“ machte der Graf, indem er fie beiänftigte,
wie man einen Pudel befänftigt, „wenn Sie fi nicht
behaglich bei mir fühlen, fo grollen Sie mir darum
nit zu fehr. Bewahren Sie all Ihren Zorn für
den Herrn Polizeilieutenant, der Ihr Zeind if.“
„Sie bringen mid in Berzweiflung mit Ihrer
Kaltblütigkeit,“ fagte Oliva. „in guter Zorn, ein
Aufbranfen ift mir lieber, ale eine olde Sanftheit;
4
Sie finden das Mittel, mid zu vernhigen und das
macht mid — vor Muth.”
Sie, daß Sie ungerecht And,” erwiehee
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„Sie fprechen goldene Worte. Sie haben ebenfo
viel Gemüth, als Beift, ebenfo viel Geiſt, ale Schoͤn⸗
heit, und ich, der ich das weiß, der ich mich für jede
Schönheit der Welt intereifire, — das ift eine Manie, —
ich Habe daran gedacht, Sie Beaufire näher zu bringen.“
„Das war vor einem Monat nicht Ihre see,“
fagte Dliva mit einer gezwungenen Miene lächeln.
„Hören Sie doch, mein liebes Kint, jeder galante
Mann, der eine hübfche Perfon ficht, fucht ihr zu
efallen, wenn er frei ift, wie ich es Bin. Sie werben
er geftehen, daß, wenn ich Ihnen ein Bischen den
Hofgemacht habe, dies nicht lange gedauert, nicht fo?“
„Das ift wahr,” erwiederte Dliva in demfelben
Ton, „höchſtens eine Viertelſtunde.“
„Es war fehr natürlih, daß ich abließ, da ich
fah, wie fehr Sie Herrn von Beaufire liebten.“
„Sb! fpotten Sie meiner nicht.“
„Nein, auf Ehre; Siehaben mir fehr widerſtanden.“
„Oh! nicht wahr?” rief Dliva, entzückt, auf frifcher
That des Widerſtands ertappt worden zu fein. „Sa,
geſtehen Sie, das ich widerftanden habe.“
„Das war die Folge Ihrer Liebe,“ bemerkte
Gaglioftro phlegmatifch. \
„Doch die Ihrige,“ entgegnete Oliva, „fle war
nicht fehr gäbe."
„J in weder alt genug, noch häßlich genug,
noch dumm genug, noch arm genug, um die Weigerun⸗
en oder die Chancen einer Niederlage zu ertragen,
ademoiſelle; Sie hätten ſtets Herrn von Beauflre
mir vorgezogen, das habe ich gefühlt, und ich habe
meinen Entichluß gefaßt.”
„Ah! nein, nein!” rief die Coquette. „Das herrs
lie Bündniß, das Sie mir vorgefählagen, Sie wiflen
wohl, das Recht, mir den Arm zu geben, mich zu bes
fuhen, mir in allen Ehren ben Hof zu maden, war
das nicht ein Feiner Reit von Hoffnung ?“
Und indem fie diefe Worte fprach, verfengte die
86
Treulofe mit ihren zu lange müßig gewefenen 9
den Befuch, der fih in der Balle gefangen hatte.
„SH muß es befennen,” erwiederte Cagli
„Sie find von einem Scarffinne, dem nichts x
e
Und er ftellte fich, als fchlüge er die Augen n
um nidyt von dem doppelten Flammenſtrom verzef
werden, der aus den Bliden von Dliva hervorfyp
„Kommen wir auf Beauftre zurüd,” fagte fi
reizt durch die Inbeweglichfeit des Orafen; „was
er, wo ift er, der theure Freund?“
Da fchaute fie Caglioſtro mit einem Reftı
Schüdhternheit an und erwieberte:
„sh fagte, ih Habe Sie mit ihn verei
en.”
„Rein, Sie fagten das nicht,“ murmelte fi
Verachtung; „doch da fie es mir fagen, fo nehn
es für gefant an. Fahren Sie fort. arım
Sie ihn nicht gebraht? Das wäre liebreich ger
@r if frei,er. . ."
„Weil,“ antwortete Eaglioftro, ohne ſich über
Ironie zu wundern, „weil Herr von Beaufſire, d
wie Sie, der zu viel Beift befigt, fih aud eine |
Angelegenheit mit der Polizei gemacht hat.“
„Auch!“ rief Dliva erbleichend, denn diesm:
fannte fle das Gepräge der Wahrheit.
„Auch,“ wiederholte Kaglioftro artig.
„Was hat er gemacht?“ ftammelte die junge '
„Binen veigenden Schelmenftreih, ein ä
geitreichee Stüddyen, ih nenne das einen dro
infall; aber die verdrießlichen Leute, Herr von C
um Beifpiel, Sie wiflen, wie fchwerfällig er ift,
ert don Erosne; nun! fie nennen das einen !
ahl.
„Bin Diebſtahl!“ rief Oliva erſchrocken;,
Gott!“
woll
87
„Ad! ein hübſcher Diebſtahl! das beweift, wie viel
Geſchmack diefer arme Beaufire für fchöne Dinge hat.“
; FR ae Herr ... mein Herr... er if ver
after?”
„Rein, doch er iſt fignalifirt.“
- „Gie fohwören mir, daß er nicht verhaftet ift, dag
er keine Gefahr Läuft?”
„Ich Tann Ihnen wohl fhwören, daß er nicht ver-
haftet if; was aber ben zweiten Punkt betrifft, da be-
fommen Sie mein Wort nicht. Sie fühlen, mein
liebes Kind, daß man, wenn man fignaliflrt ift, vers
folgt oder wenigftens aufgefucht wird, und daß Herr
von Beaufire mit feiner Geſtalt, mit feiner Haltung,
mit allen feinen wohlbefannten Gigenichaften, wenn er
Ach zeigte, fogleih von den Leithunden von Herrn
son Grosne gewittert würde. Bedenken Sie ein wenig,
weligen Nebzug Herr von Erosne machen würde .. .
Gie durdy Herrn von Beaufire, und Herrn von Beaufire
durch Sie feftnehmen . . .“ 0
„Sb! ja, ja, er muß fich verbergen! Armer Junge!
Ich will mich auch verbergen. Laflen Sie mid aus
Tranfreich fliehen, mein Herr. Suchen Sie mir diefen
Dienſt leiſten; denn ſehen Sie, eingeſchloſſen, erſtickt,
würde ich hier nicht dem Verlangen widerſtehen, eines
Tages eine Unvorſichtigkeit zu begehen.“
„Was nennen Sie Unvorſichtigkeit, meine Liebe?“
„Mich zeigen, mir ein wenig Luft geben.“
„Webertreiben Sie nicht, meine Zreundin. Sie
And ſchon ganz bleidh, und Sie werden am Erde Ihre
Ihöne Geſundheit verlieren. Herr von -Beauflre würde
fie nicht mehr lieben. Nein, nehmen Sie fo viel Luit,
als Sie wollen, bewirthen Sie fi damit, daß Sie
einige menfchliche Beftalten vorübergehen fehen.”
„Dh! tief Dliva, „nun find Sie gegen mich auf-
ebracht, und Sie werden mich auch verlaflen. Sch bin
hnen vielleicht befchwerlich %“
88
„Sch! find Sie toll? Warum follten Sie mir bes
ſchwerlich fein?“ ſprach der Graf mitjeinem eifigen Ernſt.
„Weil... ein Mann, der Geihmad für eine
Frau hat, ein fo bedeutender Mann, wie Sie, ein fo
fhöner Herr, wie Sie es find, berechtigt if, in Zora
zu gerathen, Ekel zu befommen, felbft wenn eine Tolle,
wie ich, ihn abweift. Oh! verlaffen Ste mid nicht, ridys
ien Sie mich nit zu runde, faffen Sie keinen Haß
gegen mich, mein Herr!” rief die junge Fran.
Und eben fo erfhroden, als fie coquette gewefen
war, fchlang fie ihren Arm um den Hals von
Caglioſtro.
„Arme Kleine!“ ſagte dieſer, indem er einen ken⸗
ſchen Kuß auf die Stirne von Oliva hauchte, „wie ſie
bange hat! Haben Sie keine ſo abſcheuliche Meinung
von mir, meine Tochter, Sie liefen Gefahr, ich
habe ihnen einen Dienſt geleiſtet; ich hatte Ideen mit
Ihnen, ich bin davon zurückgekommen, doch das iſt das
Ganze. Ich habe Ihnen nicht mehr Haß zu bezeigen,
als Sie mir Dankbarkeit zu bieten haben. Ich habe
für mid) gehandelt, Sie haben für ſich gehandelt, wir
find quitt.“
„Dh! mein Herr, wie viel Güte, welch ein ebels
müthiger Mann find Sie!“
Und Oliva legte mei Arme ſtatt eines einzigen
auf die Schultern von Caglioſtro.
Doch diefer fchaute ie mit feiner gewöhnlichen
Ruhe an und ſprach:
„Sie fehen wohl, Dliva, trügen Sie mir nur ihre
Liebe an, ih . . .“
„Nun?“ fragte fie ganz +
„Trügen Sie mir nun Ihre anbetungswäürbige
Perfon an, ih würde fie zurüdweifen, fo fehr liebe ich
es, nur wahre, reine und von allem Intereſſe freie
Gefühle einzuflößen. Sie haben mid für intereffict
gehalten. Sie find in Abhängigfeit von mir gerathen.
Sie halten fi für verbunden; ich würde glauben, Sie
89
banfbar, als gefühlvoll, mehr erfihroden,
: bleiben wir, wie wir find. Ich erfülle in
ht Ihren Wunſch. Ich komme allen ihren
zuvor.“
ließ ihre Arne fallen und entfernte ſich be⸗
»müthigt, bethört durch dieſe Großmuth won
worauf fie nicht gerechnet Hatte.
alfo,” fagte der Graf, „es ift alfo abge:
e liebe Dliva, Sie werden mich als Freund
Sie werben alles Zutrauen zu mir haben,
fi meines Haufes, meiner Börfe, meines
ienen, und . . .”
ch werde mir jagen, es gebe Menfchen auf
welche weit erhaben über allen denjenigen,
abe fennen lernen.”
ſprach diefe Worte mit einem Zauber und
e, welche einen Zug in diefe eherne Seele
deren Körper man einſt Balfamo
Frau if gut,” dachte er, „wenn man in
ite berührt Hat, welche dem Herzen ents
ih Oliva nähernd:
biefem Abend an werben Sie den oberfien
Haufes bewohnen. Es ift dies eine Wohs
nd aus drei als Obfervatorium angebradh-
n, über dem Boulevard und der Rue Saints
ie Senfler gehen auf Menilmontant und
Ginige Perfonen werden Sie dort fehen
3 find friedliche Nachbarn, fürchten Sie dies
Brave Leute ohne Verbindungen, ohne
er das, was Sie fein dürften. Laſſen Sie
en fehen, doch ohne daß fie ſich ausfegen,
r8, ohne daß Sie fidy jedem Borübergehenden
ı die Rue Saint:Claude wird zuweilen von
ı von Herrn von Grosne durchforſcht; dort
wenigftens Sonne haben.“
90
Dliva klatſchte freudig in ihre Hänbe.
„Soll ih Sie dahin führen ?” fragte Caglioſt
„Diefen Abend?“
„Bewiß, diefen Abend. Iſt Ihnen das läftig?
Dliva ſchaute Caglioftro tief an. Cine un
ftimmte Hoffnung fehrte in ihr Herz oder vielmehr
ihren eitlen und verborbenen Kopf zurüd.
„Sehen wir,“ fagte fie.
Der Graf nahm im Borzimmer eine Later
öffnete felbft mehrere Thüren, flieg, von Oliva gefol
eine Treppe hinauf und gelangte zum dritten St
in die von ihm bezeichnete Wohnung. Sie fand I
felbe gan ausgeftattet, ganz blühen», ganz wohnlid
„Man follte glauben, ich wäre Hier erwartet w
den,“ Ionte fie.
„Nicht Sie,“ erwiederte der Graf, „Tondern I
der ich die Ausſicht von diefem Pavillon liebe und
bier ſchlafe.“
Der Blick von Oliva nahm die falben, bligen!
Tinten an, welche oft die Augenfterne der Katzen fürbı
Ein Wort entfland auf ihren Lippen, Gagliof
hielt es durch die Aeußerung zurüd:
„Es wird Ihnen an nichts fehlen, Ihre Kamm
jungfer wird in einer Biertelftunde bei Ihnen fe
Bute Nat, Mademoiſelle.“
Und er verihwand,, nachdem er eine tiefe, bu
F gFreundliches Lächeln gemilderte Verbeugung gema
atte.
Die arme Gefangene ſank, beſtürzt, vernichtet, ı
as Im einem zierlichen Alcoven für he bereit fleße:
e
„Sch begreife durchaus nichts von dem, was:
wiberfährt,“ murmelte fie, mit den Augen dem wirfl
für fle unbegreiflichen Manne folgend.
— |. — —
d1
—*
s LAU. |
Das Obfervatorium.
RNiva legte fily nad dem Abgang der Kammer:
x, welde ihr Gaglioftro ſchickte, zu Bett.
Sie fchlief wenig, die Gedanken aller Art, welche
hrer Unterredbuug mit dem Grafen entitanden,
ihr nur wache Träume, fchlaftrunfene Beängfti-
n; man ift nicht lange Zeit glüdlih, wenn man
ch und zu ruhig if, nachdem man zu arm ober zu
t geweſen war.
Hiva beklagte Beauflre, fie bewunderte ben
n, den fie nidt begriff, fie hielt ihn nicht für
tern, fie hatte ihn nicht im Berbacht der Unem:
ichfeit. Sie hatte gewaltig bange, von einem
ven während ihres Schlafes beunruhigt zu werben,
as geringfle Geräuſch des Bodens verurfachte
je jeder Romanhelvin, welche in dem Nord⸗
me fchläft, befannte Aufregung.
Rit dem Morgenroth entflohen die Schredniffe,
nicht ohne Reiz waren... Wir, die wir une
fürchten, Heren Beaufire Argwohn einzuflößen,
önnen wohl behaupten, daß Nicole die Stunde
llkommnen Sicherheit nicht ohne einen Reſt cos
n Mergers erblidte. Eine unüberfegbare Nuance
den Binfel, der nicht unterzeichnet hat: Watteau,
de Feder, die nicht unterzeichnet hat: Marivaur
Srebillon Sohn.
Im Tage erlaubte fie fich zu fchlafen, fie genoß
die Wolluft, in ihrem buftenden Zimmer bie
ınen Strahlen der aufgehenden Sonne einzus
i, die Vögel auf der Fleinen Terrafle hinfaufen
en, wo ihre Flügel mit teijenbem Geraͤuſch die
r der Roſenſtöcke und die Blüthen des fpanifchen
Ins ftreifter
92
Und es war fpät, fehr fpät, da fie aufftand, ale
zwei bis drei Stunden eines füßen Schlafes auf ihren
Augenlidern gelaftet hatten, als fie, gewiegt zwifchen
dem Lärmen der Straße und der weichen Lähmung
der Ruhe, fich flarf genug fühlte, um wieder die Bes
Inegung zu ſuchen, zu ftarf, um müßig und liegend zu
eiben.
Dann lief fie in allen Winkeln ihrer neuen Woh—⸗
nung umher, in der ber unbegreifliche Sylphe, der
Unwiffende, nicht einmal eine Fallthüre Hatte finden
fünnen, um mit ben Ylügeln ſchlagend um das Bett
u gleiten, und es hatten doch die Sylphen in jener
Bit, dem Grafen von Gabalis fei es gedanft, nichts
von ihrem unfchuldigen Rufe verloren.
Dliva erichaute die Reichthümer ihrer Wohnung
in ber infachheit des Unvorhbergefehenen. Diefe
Meiberhaushaltung war Anfangs ein Männermobiliar
geweien. Man fand bier Alles, was das Leben geliebt
maden fann, man fand hier befonders den hellen Tag
und die frifche Luft, welche die Kerker in Bärten vers
wandeln würden, wenn je die Luft und bas Licht in
ein Srfängnib drängen.
Die kindiſche, das heißt die vollfommene Freude
fhildern, mit der Oliva auf die Terraffe lief, fi auf
die Platten, mitten unter die Blumen und Moofe, legte
einer Natter ähnlich, weldye aus ihrem Neſte kommt,
wir würden es fiherlih thun, hätten wir nicht Ihr
Grftaunen zu malen, fo oft ihr eine Bewegung eim
neues Scyaufpiel enthüllte,
Anfangs, wie wir gefagt, liegend, um nicht von
Außen gefehen zu werben, betrachtete fie durch das
Gitter des Balcon die Bipfel der Bäume auf ben
Buulevards, die Häufer des Duartier Popincourt,
einen nebeligen Ocean, deſſen ungleiche Wogen ſich zu
ihrer Rechten aufthürmten.
Don Sonne übergoflen, das Ohr auf das Geräuſch
der, allerdings etwas —B auf dem Boulevard rol⸗
nl 93
nden Wagen gefpannt, blieb fie fo fehr glüdlich zwei
Stunden lang. Sie frühflüdte fogar Shocolade, die
jre Kammerjungfer ihr vorfegte, und las eine Zei-
ıng, ehe fie daran dachte, auf die Straße zu ſchauen.
Das war ein gefährliches Vergnügen.
Die Leithunde von Herrn von Erosne, diefe
ienfchlichen Hunde, welche die Nafen im Winde jagen,
nannten fie fehen. Welch ein furdhtbares Erwachen
ach einem fo fügen Schlafe !
Dog diefe Horizontale Lage konnte nicht fort:
ähren, fo gut fie war. Nicole erhob fih auf einen
Mlenbogen. .
Und nun ſah fie die Nußbäume von Menilmon-
ınt, die großen Bäume des Friedhofs, die Myriaden
on Häufern von allen Karben, welche am Abhange des
Jerges von Charonne bis zu den Chaumont-Bügeln
nter grünem Geſträuche oder auf gypsartigem mit Heibes
raut und Difteln befleivetem Geſtade emporragten.
Da und dort auf den Wegen, ſchmalen am Halſe
er Bergchen wogenden Bändern, auf ben Yußpfaden
er Weingärten, auf ben weißen Straßen, traten Eleine
ebende Weien hervor, Bauern auf ihren Efeln trabend,
finder auf das Feld, das man ausgätete, gebüdt,
Binzerinnen die Traube in der Sonne entblößend.
die Ländlichkeit entzüdte Nicole, die immer nad) der
hönen Gegend von Taverney geſeufzt hatte, ſeitdem
e diefe Gegend verkaflen, um ſich nad dem erfehnten
zaris zu begeben.
Endlich aber war fie des Landes fatt, und ba fie
tne bequeme und fichere Stellung in ihren Blumen
enommen hatte, da fie zu fehen verftand, ohne daß fie
zefahr Lief, gefehen zu werden, fo fenkte fle ihre Blicke
on dem Berge nach dem Thal, vom entfernten Horizont
u den Häufern gegenüber.
Ueberall, das heißt in dem Raume, den drei Häufer
mfaſſen förnen, fand Dliva die Fenſter geſchloſſen
der wenig « swechend. Hier drei Stockwerke bewohnt
94
!
von alten Rentiers, welche Käfige außen anhingen &
oder Kaben innen fütterten; dort vier Stodwerle, von
denen nur ber Auvergnat, der oberfie Bewohner, in
den Bereich des Geſichtes kam ... die anderen Mieths⸗
leute fchienen abwefend, irgendwohin nad) bem Lande
verreiſt. Endlih, ein wenig zur Linken, im britten
Haufe, gelbe feidene Borhänge, Blumen, unb wie
um bdiefes Wohlbehagen zu meubliren, ein weicher
Lehnftuhl, der am Fenfter feinen Traumer ober feine
Träaumerin zu erwarten fchien.
Dliva glaubte in dieſem Zimmer, beflen ſchwarze
Dunkelheit die Sonne hervorhob, etwas wie einen m
regelmäßigen Bewegungen wanbelnden Schatten zu ber
merfen.
Sie beſchränkte hierauf ihre Ungebuld, verbar
fi noch befier, als fie es bis jegt geihan Hatte, rie
ihre Kammerjungfer und knüpfte mit ihr ein Geſpräch
an, um Abwechſelung in die Bergnügungen der Gins
famfeit durch die der Gefellfhaft eines benfenden und
befonders ſprechenden Geſchöpfes zu bringen.
Doch die Kammerjungfer war gegen alle Uebers
lieferungen jurüdhaltene. Sie wollte wohl ihrer Ge⸗
bieterin Belleville, Charonne und den Bere sLachalfe
erklären. Sie fagte die Namen ber Kirchen Gaint-
Ambroife und Saint-Laurent; fie bezeichnete in krum⸗
mer Linie das Boulevard und feine Neigung zum rech⸗
ten Ufer der Seine; als aber bie Brage aut die Nach⸗
barn fiel, fand bie KRammerjungfer ein Wort. Gie
fannte viefelben nicht mehr, als ihre Bebieterin.
Das helldunkle Zimmer mit den gelben feibenen
Borhängen wurde Dliva nicht erflärt. Nichte über
den wandelnden Schatten, nichts über den Lehnſtuhl.
Hatte Dliva nicht die Befriedigung, ihre Nach⸗
barin zum Voraus zu kennen, fo konnte fie fih wenig-
ſtens verfprechen, ibre Befanntfchaft durch fich felb
zu machen. Sie ſchickte alfo ihre zu verfchwiegene
95
En weg, um fi ohne Zeugen ihrer Forſchung
zu .
3 die Gelegenheit ließ nicht auf fich warten. Die
ichbarn fingen an ihre Thüren zu öffnen, ihre Siefta
ch dem Mahle zu machen, fidh zum Spaziergange auf
io Blace Royale oder auf dem Chemin Bert anzu:
en.
Dliva zählte fie. Es waren ſechs, gut aflortirt in
:er Unäbnlichfeit, wie es fi für Leute geziemt, die
» die Rue Saint⸗Claude zur Wohnflätte gewählt
en.
Dliva bradte einen Theil des Tages damit zu,
ß fie ihre Geberden betrachtete und ihre Gewohn⸗
iten ſtüdirte. Sie ließ Alle die Revue paffiren, mit
ısuahme bes erwähnten Schatten, der, ohne fein Ge⸗
pt zu zeigen, ſich in den Lehnſtuhl beim Fenſter bes
aben hatte und in eine unbeweglihe Träumerei vers
wfen- war.
Es war eine Frau. Sie hatte ihren Kopf ihrer
zarfünftlerin überlaffen, welche in anderthalb Stun:
n auf dem Schädel und den Scläfen eines von
sen babylonifchen Gebäuden errichtete, in welche die
ineralien, die Begetabilien fommen, und worein aud
siere gefommen wären, hätte fig Leonard darein ge
iſcht und hätte eine rau jener Zeit eingewilligt
is ihrem Kopfe eine Arche Noah mit ihren Bewoh⸗
en zu machen.
n als diefe Tran frifiet, gepndert, weiß an
ss und Spitzen war, \guartierte Fe fih wieder in
ren Lehnfiuhl ein, den Kopf getragen von Kiffen,
elche Hart genug waren, baß dieſer I des Körpers
6 Gleichgewicht des ganzen Körpers Bielt und dem
tonumente bes Haares unberührt zu bleiben geflattete,
me eine Angf vor Erdbeben, weldye die dlage
füttern Tonnten.
Diefe unbewegliche Zrau glich jenen indiſchen auf
re Sitze gefeilten Göttern, denn in Folge ber Starrheit
»
des Gedankens rolite bas Auge allein in
—
na
s Geiftes allein ben Dieaf des Yaols:
Dliva bemerkte, wie ſehr diefe Dame, fe’
Gabi war, wie tebt {fr Fuß, anf den Hanse
ſters geſtellt und in einem Heinen Bantoffel we
Atlas tiae gefhantelt, zart und Aunreih war. Gie |
erte die Rundung des Armes und bie bes
ven Schnurleib und das Morgengewanb 3
21 fe vs * aber gan han »auffel, has u
auf ein un tes, unbeimuetı
gefbanzten Gebankens, eines fo gebieteri (
te, daß cf
3 °Diefe Iran, welde wir erlannt haben, w
fie Diva nicht zu erkennen vermochte, —*
man kdunte ſie ſehen. Ihren FJenſtern
Rp nie ein Bene: geöffnet. Das son
von Gagliohro Hatte nie, trob ber Blumen,
- gefunden. K oe der He fe At
eben, irgen and fein
eben‘ von den Malern, bie es wi
n nie ein lebendes Weſen am
—
ee —1 — gen don 0 tofro im
5
9
‚en Be a ri * Andrei
i
fe; 7 fe —A *
ehle yo — won
=
ihre Die Dame 355 I fe Lab er d
—— — 5 — ie habſch⸗ Berfon von HE
a Saften.
Pe x ver Schoͤnheit, Spmpaigie 1
97
iſamkeit, im Alter, in ber Langweile, wie viele
nde, um zwei Seelen mit einander zu verfnüpfen,
fi vielleicht in Folge der geheimnißvollen, unwider⸗
lichen und unüberfeßbaren Gombinationen der Ge⸗
de ſuchten.
Seitdem Dliva biefe nachfinnende Einſame per
en Hatte, konnte fie ihr Auge nicht mehr von ihr
machen.
Es lag eine Art vou moralifcher Reinheit in dieſer
ziehung der Frau zur Fran. Diefe Zartheiten find
vöhnlicher, als man im Allgemeinen glaubt, unter
ı unglüdliden Geichöpfen, deren Körper der
npfagent in den Functionen bes Lebens gewor=
ı ift.
Arme Berbannte aus dem geifligen Parabies,
nen fie fih nach den verlorenen Gärten und ben
heinden Engeln zurüd, die fih unter ben myſtiſchen
Hatten verbergen.
- Dliva glaubte eine Schwefter ihrer Seele in der
önen Klausnerin zu fehen. Sie baute einen Roman
nlih ihrem Roman auf, denn fie bildete fich ein,
8 arme Mädchen, man Fönne nicht Hübfch, elegant
n und in der Rue Saint:-Claude verlsren wohnen,
ne ein großes Unglüd im Grunde feines Lebens oder
“ fchwere Bangigfeit im Grunde feines Herzens zu
ben.
Als fie ihre romantifche Zabel gut von Erz und
iamanten gefchmiebet Hatte, ließ fi Dliva, wie alle
ısnahmsweifen Naturen, durch ihre Feerei entführen,
: nahın Flügel, um im Raum ihrer Befährtin ent-
gen zu eilen, der fie, in ihrer Ungebuld, Hätte Flügel,
e die Iheigen, wachfen fehen mögen.
Dod die Dame mit dem Monument rührte fi
Gt, fe ſchien auf ihrem Stuhle zu fchlummern.
wei Stunden waren vergangen, ohne daß file um
nen Brad aus ihrer Linie gewichen war.
Das Salsband der Königin. II. 7
8,
Dliva war iu ie Hätte für 4
ober r Beauflre des Entgege
mens_gehabt, dat annte hatte,
Des Krieges x Bärtligplelt
Haß übergehend, 8 fie aehmumı
Genfer; zehnmal Igel aus dem
terwerf auf, und ielegraphiſch
berden. welche da ertzeuge don
von Grosne, we Bonlevarb obı
Ende der Rue Saint. Claude gegangen wäre, unfı
erſchaut und zum @egenflanb einer ſcharfen bus
famfeit gemacht hätte.
Endlich tam Nicole dazu, daß fie RG il
die Dame mit den ſchonen legten babe alle gr
berben wohl gefehen, alle ihre Signale wohl ber
aber fie veraßte biefelben; fie fei eitel ober ein!
einfältig! mit fo feinen, geiftreichen Augen, mi
fo fo, beneptigen Buß, einer fo nuruhigen Hand!
Gitel, ja; eitel, wie es in biefer Zeit eine
vom gaben del gegen eine Bürgerlide fein kom
Diva, welche in der Boyiognomie der jungen
alle Eharaftere der Mrifofratie erfannte, ichi⸗
fei Beifärtig — folglich unmoͤglich zw beivegen.
te ver;
—A iehenen Bihmaler den Biden
deud, fepte fie ch wieder in bie — —
die untergeende Sonne, um in die ©
Saunen —8 gefälliger Geſpi⸗ mb
aus adelig, auı zu, aud gepubert, au ca
wie bie vornehm| Er Damen, ſich doc berüßten,
einen Yet und TE A
jebenden Berührungen den Kuß des des
Kuß der Liebe ermi — *
Nicole bedachte nicht, Pr diefe Bei 5
tige Jeanne von Baloi6, Gräfin von La Mı
die feit bem vorhergehenden Tag einer Ennta|
9
Daß diefer Gedanke zum Zweck hatte, Marie Ans
inette und den Gardinal von, Rohan zu verhindern,
h zu fehen.
Daß ein noch größeres Inte fie heiſchte, daß der
ardinal, während er die K abgefondert nicht
ehr ſah, feſt glaubte, er fe mer, und fich folg⸗
ch mit dieſer Bifion begnü aufhörte, den wirf:
hen Anblid zu verlangen.
Ernñe Gedanken, ſehr 'gerashte Entihuldigungen
x Diefe Vertiefung einer jungen Frau, day fie zwei
dılide Stunden hindurch den Kopf nicht bewegte.
Hätte Nicole dies Alles gemußt, fie würde fidh
icht aus Zorn unter ihre, Blumen geflüchter haben,
Eie hätte nicht, indem fie fich hineinfegte, vom
alcon einen Topf mit Gfchwurz geflogen, der mit
nem furchtbaren Lirmen in die öde Straße hinabfiel.
Erſchrocken ſchaute Oliva fchnell, welchen Schaden
e wohl angerichtet habe.
Die in Gedanken verſunkene Dame erwachte bei
m Geräuſch, ſah den Topf auf dem Pflafter und flieg
yn der Wirfung zur Urſache auf, das heißt ihre Augen
iegen vom Bflafter der Straße zu der Terrafle des
aufes auf.
Und fe fah Dliva.
Als fie dieielbe fah, fie fie einen heftigen Schrei
us, einen Schrei des Schreckens, einen Schrei, der
it einer rafchen Bewegung ihres ganzen, kurz zuvor
och fo Reifen und eifigen Körpers endigte.
Die Augen von Dliva und die diefer Dame begegne-
un fidy endlich, beiragıen fih, durchdrangen einander.
Jeanne rief zuerft:
„Die Königin !“
Dann murmelte fie, indem fie die Hände und die
Stirne faltete, ohne daß fie fih zu rühren wagte, aus
— ‚Re fönnte die jeltfame Erſcheinung entfliehen
7 ich fuchte ein Mittel, Die | iR es. “
+
“ 3
v⸗
Im biefem Auger
fi, und fle waundte
Austauſch des Erty H.
„Sie haben !" fagte ex.
Dlivaderlie| Balcon.
„run.
„Die zwei Rachba
Bon dem alugenbiid an, we
ſchaut Hatten, Rellte ich Dliva,
die Anmuth ihrer Nachbarin, nie
tete fie diefelbe, und indem fie
ihren Blumen umwandfe, erwie
Lächeln jedes Lächeln, das man a
Eaglioftro, als er fie befuchl
Taffen, I bie größte Umficht zu
"felondere" Halten Gie nilpt
Hatte er gefagt. B
Diefes Bart war wie ein I
Haupt von Dliva geiallen, die fd
figung aus den Geberden und &r
madıte.
Nicht zur Vachbarſchaft Hal
diefer reigenden Frau zuwenden
gend und fo fanft waren, bei
eine Verführung enthielt, e6 Bi
einen 1elegrapbligen Rosenwechfel
das fchöne Wetter zu unterhalten,
Freundin breden. Denn die Winbildungs!
Dlioa lief dergefalt, daß Jeanne fipon für |
tereffanter: und thenrer Gegenſtand war,
101
Die Dudmäuferin antwortete ihrem Befchüker,
e würbe fi) wohl hüten, ihn ungehorfam zu fein,
nd nichts unternehmen, um Mt' der Nachbarſchaft in
jerbindung zu treten. Doch ögipar nicht fo bald weg⸗
egangen, als fie fih fo aufs Balcon einrichtete,
aß fie die ganze Aufmerffamieit ihrer Nachbarin in
Infprudy nahm. *
Dieſer, man kann es wo glauben, war nichts
‚eber; denn das erfte Entgegenftommen, das man ihr
achte, erwiederte fie mit Grüßen und mit Kuß-
Anden.
Dliva entſprach nach ihren beften Kräften biefen
:ebenswürbigen Zuvorfommenheiten, fie bemerfte, daß
ie Unbefannte das Fenfter nicht mehr verließ, und
aß fie, immer aufmerffam, um entweder ein Lebewohl
u fenden, wenn fie wegging, vder einen guten Morgen,
venn fie zurüdfam, alle ihre Liebesfähigfeiten auf
em Balcon von Dliva concentrirt zu haben fchien.
Auf einen ſolchen Zuftand der Dinge mußte raſch
in Annäherungsverfuch folgen.
Man vernehme, was geichah.
Als Caglioſtro zwei Tage nachher zu Dliva Fam,
eflagte er fich über einen Beſuch, der im Hotel von
iner unbefannten Perſon gemacht worden fei.
„Wie fo?" fragte Dliva, ein wenig erröfhend.
„Ja,“ ermwiederte der Graf, „eine fehr hübfche,
unge, elegante Dame ift erfchienen und hat mit einem
Jedienten gefprochen, den fie durch ihr beharrliches
äuten herbeigesogen. Sie fragte dieſen Menfchen,
ver die junge Perfon fein möchte, die den Pavillon
es dritten Stodes, Ihre Wohnung, meine Theure,
nne hätte. Diefe Frau bezeichnete ficherlich Sie. ‚Sie
yollte Sie fehen. Sie fennt Sie alfo; fie bat Ab-
:hten auf Sie; Sie find alfo entdeckt? Nehmen Sie
ich in Adht, die Polizei bat weiblihe Spione, wie
nännliche Agenten, und id) fage Ihnen zum Voraus,
102
daß ich es Herrn von Croene nicht abſchlagen Tann,
Sie herauszugeben, ın er Gie von mir forberk® -
i reden, erfannte ſchaeli de⸗
wußte ihr unendlich Dat
‚ und entichloffen,, ihr Dies
Rehenden Wittel zu .bewels
durch alle in ihrer
fen, verlellte fie fi Ar dem Orafen.
„Sie zittern nid fagte Gaglioro.
„Niemand hat mich gefehen,“ erwieberte Kite,
„Alfo wollte man,niht Sie befugen?“ .
434 denfe nicht.”
„Dod, um zu erraiben, daß eine Bram im biefem
Balin — nghmen Sie ſich in Act, nehmen
ie fi in A "
„@i! Here Graf,“ entgeguete Dliva, „wie. Minute
ich fürdten? Hat man mid geichen, was iM nigt
glaube, fo wird man mich nicht mehr fehen, uab wein
man mich fähe, fo wäre es von fern, denn mit
wahr, das Haus iſt undurchdringlich 3“ —
Undurchdringiich, ganz arg
Graf, „denn wenn man nicht die I
was nicht fehr bequem ift, oder d
mit einem Gchlüffel, wie der mein
u leicht ÜR, infofern ig ihn
laffe
Lei dieſen Worten zeigte er d
ihm zum @inttitte dur) die Hintere
Da ig aber,“ fuhr er fort, „da ft
bei habe, Cie in’6 Berberben zu hürzeı
Sclüffel Niemand leihen, und da Ih
daraus erwücfe, daß Sie in die Hä
Grosne fielen, fo_werden Gie Ihre
Hettern laffen. Gie find alſo gewa
— xichien Sie Ihre Sache ſo ei
liebt.
Dliva ergoß fi in Bethenrung
beeilte ft den Grafen jur Thüre
103
was ihr nicht ſchwer wurde, da er nicht zu beharrlich
zu bleiben fuchte.
Am andern Morgen war fie von fehs Uhr an
auf dem Balcon; fie athmete die reine Luft der benachs
barten Hügel ein und ſchoß neugierige Blicke nad
den geichloffenen Fenſtern ihrer artigen Freundin.
Diefe, welche gewöhnlich erft gegen elf Uhr er-
wachte, zeigte ſich, ſobald Oliva erfhien. Es war
jogar, als lauerte fie hinter den Borhängen auf die
Belegenheit, fich fehen zu laffen.
Die zwei Frauen grüßten fih, und Seanne legte
ich vor ihr Benfter hinaus und ſchaute nach allen
Seiten, ob fie Jemand hören fünnte,
Niemand erfchien. Nicht nur die Straße, fondern
auch die Fenfter der Häufer waren verlaflen.
Sie hielt nun ihre beiden Hände in Form eines
Spradrohres vor ihren Mund und fagte mit einer
yibrirenden und getragenen Betonung,. welche fein
Schreien ift, aber weiter geht, als der Schall der
Stimme, zu Dliva:
„Sch wollte Sie befuchen, Madame.”
„St!“ madte Dliva, indem file erfähroden zus
rückwich.
Und ſie legte einen Finger auf ihre Lippen.
Jeanne tauchte ihrerſeits hinter ihre Vorhänge,
m Glauben, es ſei eine indiscrete Perſon zugegen;
‚och ſogleich erſchien ſie wieder, beruhigt durch das
rächeln von Nicole.
„Man fann Sie alfo nicht beſuchen?“ fragte fie.
„Leider nein!” antwortete Diiva mit der Geberde.
„Warten Sie,” fagte Jeanne. „Kann man Briefe
ın Sie richten ?"
„Dh! nein,“ rief Dliva erfähroden.
Jeanne dachte einige Augenblidfe nad.
„Dliva, um ihr für ihre zarte Theilnahme zu
anken, fandte ihr einen reizenden Kuß zu, ben Jeanne
*
ppelt zurüdgab; wonach fie ihr Genfer ſchloß
ee fagte fi, ihre Freundin Gabe ein neues
tittel efanden, das Schaffen ihrer Stnbiibungstzaft
abe fi in ihrem legten Blicke geoffenbart.
Jeanne kehrte in der That nach zwei Stunden w
:üd; tie Sonne ſtrahlte in ihrer gan anjen Kraftz des
Bilafter der Straße glühte wie ber Sand Spaniens
währen bes Zu
Dliva fah ihre Nachbarin an ihrem Fenſter mil
einer Arabran erfcheinen. Jeanne bebentete ihr lachend
durch ein Zeichen, fie möge auf die Geite treten.
Dliva gehorchte, wie ihre Gefährtin lachend, uub
flüchtete ſich Hinter ihren Laden.
Seanne zielte forgfältig und ge eine Heine Sicierne
Kugel ab, welde leiver, flal-_ über den Balcen' zu
fliegen, an einer der eifernen Elanam anpralite um
auf die Straße fiel.
Dliva fließ einen Schrei des Berbruffes am
Seanne zudte ent die Achſeln, ſuchte einen Ran
in a en, aut ber Straße und verſchwand bay
auf einige M
Dliva baute, vorgebeugt, vom Balcon hin⸗
eine Art von Lumpenſammler rechts und Ih
fuhend vorüber: ſah er oder fa Fr R, dt die Au
in der Goſſe? Oliva mußte es nid veibarg |
um telbr nicht gefehen zu werben.
Der zweite yr von — war glädfi,
Ihre Armbruf ſchleuderte getren Aber den We
in das Zimmer von Nicole eine zweite Sul,
welche ein in folgenden Worten abgefaßtes Billel
widelt war:
„Sie intereffiren mi, ſchoönſte Dame.
Sie teizenb und liebe Sie nur, da —FR Eng '
Sie find alfo eine Gefangene? Wiſſen S X
es vergebens verſucht habe, Sie zu. —*
der Zauberer, der Sie mit ſchar den Augen 5
105
ni Ihnen nähern laſſen, baß ich Ihnen fagen
|, was ih an Sympathie für ein armes Opfer der
ınnei der Männer empfinde?
„Ich habe, wie Sie, die Einbildungsfraft, um
ıen reundfchaften zu dienen. Wollen Sie meine
ındin fein? Es fcheint, Sie fünnen nicht auss
n; dod Sie fönnen ohne Zweifel fchreiben, und
ch ausgehe, wann ich will, warten Sie, bis id
r ihrem Balcon vorüberfomme, und werfen Sie mir
: Antwort zu. '
„Würde das Spiel mit der Armbruft gefährlich
man entdedte es, fo wählen wir ein Mittel, Leichter
orrefpondiren. Laflen Sie von Ihrem Balcon in
Abenddämmerung einen Knäuel Bindfaden herab-
jen; befeſtigen Sie Ihr Billet daran, ich werde dann
meinige daran fnüpfen, das Sie hinaufziehen
en, ohne gefehen zu werben.
„Bedenken Sie, baß ih, wenn Ihre Augen feine
er find, ein wenig auf die Zuneigung zähle, die
mir eingeflößt haben, und daß wir Beide das
tall befiegen werden.
„Ihre Freundin.“
„RS. Haben Sie Jemand mein erfles Billet aufs
n ſehen?“
Seanne unterzeichnete nicht; fie hatte fogar ihre
dichrift gänzlich verftellt. .
Dliva bebte vor Freude, als fie diefes Billet er:
. Sie antwortete mit folgenden Zeilen:
„Sch liebe Sie, wie Sie mich lieben. Sch bin
‚er That ein Opfer der Bosheit der Männer. Doch
enige, welcher mich hier zurüdhält, ift ein Bes
ger und fein Tyrann. Er beſucht mich insgeheim
nal des Tags. Ich erkläre Ihnen dies Alles fpäter.
I Heraufziehen des Billets am Ende eines Fadens
nir lieber, als die Armbruft.
„Ad! nein, ich Faun nicht ausgehen: ich bin unter
loß und Riegel, doch das ift zu meinem Beſten.
106
5! wie viele Dinge häfte ich Ihnen zu fagen, wäre
y je fo alüklidy, mit Ihnen zu plaudern. Es gibt
» viele Kinzelnheiten, die man nicht fchreiben fann.
„Ihr erftes Billet if von Niemand aufgehoben
worden, wenn nicht von einem fchmugigen Lumpen⸗
fammler, der vorüberging, doc ſolche Leute können
nicht lefen, und für fie it Blei Blei.
Ihre Freundin
Oliva Legay.
Oliva unterzeichnete mit allen ihren Kräften.
Sie machte der Oräfin das Zeichen des Abwickelns
eines Fadens. Sie wartete dann, bis der Abend kam,
und ließ den Knäuel auf die Straße hinabrollen.
Jeanne war unter dem Balcon, ergriff den Faden
und nahm das Billet ab, lauter Bewegungen, welde
ihre Gorrefpondentin an dem Raden, der als Reiter
diente, bemerfte, und fehrte in ihr Haus zurüd, um
zu lefen.
Nach einer halben Stunde knüpfte fie an bie be:
glückende Schnur ein Billet folgenden Inhalte:
„Man thut Alles, was man will ... Sie werben
nicht unabläflig beradt, da ih Sie immmer allein
fehe ... Sie müflen alſo alle Freibeit haben, di
Leute zu empfangen, vder vielmehr ſelbſt auszugeben
Mie wird Ihr Haus gefhloflen? mit einem Schlüſſel
Mer hat dieien Echluffel? nicht wahr, der Dann, dr
Sie befuht? Bewacht er dieien Sclüffe fo bar
nädig, daß Sie ihn nicht entwenden oder einen Abdrı
davon nehmen fünnen? ... &s handelt fih nicht darn
Böſes zu thun, fondern Ihnen einige Stunden '
Breiheit, ſüße Spaziergänge am Arme einer Freun
zu verfchaffen, die Sie über all Ihr Unglüd trö
und Ihnen mehr geben wird, als Sie verloren ha’
Es handelt ſich ſogar, wenn Sie durchaus mollen,
die gänzliche Kreiheit. Wir wollen dieſen Gegeni
bei der eriten Zuiammenfunft, die wir haben we
in allen feinen Einzelnheiten verhandeln.“
17
Hiva veridlang dieſes Billet. Sie fühlte das
r der Unabbängıgfeit zu ihrer Range, die Wolluſt
rbotenen Arudt zu ibrem Herzen emrortleigen.
5ie hatte bemeift, Daß der Grat, fo oft er au
ntrat, wobei er ibr bald ein Buch. bald ein
brachte, feine Blenvlaterne auf ein Arbeitetifch:
tellte und icinen Schlüſſel auf die Laterne legte.
5ie bielt zum Voraus ein Stud gefnetetes Wachs
‚ mit dem fie den Abvrud eines Schlüſſels bei
riten Beſuche von Caglioſtro nahm.
Nefer wandte nicht ein einziges Mal deu Kopf
pihrend fie Diele Operation bewerfrelligte, ſchaute
"dem Ba'con die neu erfcleflenen Blumen an.
fonnie alſo ohne en ihr Borhaben durdys
[8 der Grat weqgg en war, lieg Dliva in
Schachtel den Abtrud des Schlüſſels hinab, den
e mit einem fleinen Billet empfing.
nd fhon am andern Tag gegen Mittag fchleus
sie Armbruf, ein außerordeniliches und hurtiges
, das gegen die Gurzejpondenz mit dem Faden
ar, was der Tefegraph gegen den Courrier zu
it, fchleuderte, fagen wir, die Armbruft ein
baefastes Billet:
Meine Thenerjte, heute Abend um elflihr, wenn
‚af weggegangen fein wird, fommen Sie herab; Sie
die Riegel zurüd und befinden fih in den Armen
‚en, welche fi nennt Ihre zärtliche Freundin.“
liva bebte vor Freude mehr, als fie es je bei
irtlichſten Billets vom Gilbert im Frühling ber
Liebe und der erften Rendezvous gethan.
sie ging um elf Uhr hinab, ohne daß fie irgend
Argwohn bei dem Grafen bemerkt Hatte. Sie
ınten Seanne, die fie zärtlich in die Arme fchloß,
en auf dem Boulevard ſtehenden Wagen fleigen
ınd ganz betäubt, ganz bebend, ganz berauidht,
fie mit ihrer Sreundin eine Spazierfahrt von
108
zwei Stunden, während welcher Geheinmiſſe, Porn
Entwürfe für die Zukunft ohne Unterlaß zwiſchen den
zwei Gefährtinnen ausgetaufcht a
Jeanne rieth zuerſt Dliva, nach — zuruͤck⸗
zukehren, um keinen Verdacht bei ihrem Beichäger zu
erregen. Sie hatte erfahren, daß diefer Beſchüger
Gaglioftro war. Sie fürdtete den erhabenen ‚GR
—8 Mannes und fah nur Sicherheit für ihre Biläne
im tiefften Geheimniß.
Dliva hatte ſich ’ ne Rüdhalt erſchlofſen; Bean⸗
ſire, ade Polizei, fie Hatte Alles geflanden.
Jeanne get ab A, für ein, ohne Biffen fei feiner .: de
milie, mit einem @eliebten lebendes Fräulein
Die Bine wußte die Andere —*
nichts: ſo war die be je vreundſchaft N
diefen zwei. Frauen befi
Bon biefem Tage an Hatten fie weber bie Sim
bruft, noch den Faden mehr nöthig. Jeanne hatte Ideen
etüffl. Sie ließ Dliva nad ihrer Laune herab⸗
ommen
Ein feines Abendbrod, eine geheime S lerfahri
waren bie Koͤder, am denen ſich Dliva une fangen.
lie *7.
— „Entdeckt Herr von Caglioſtro nichts?" fragte.
Seanne zuweilen ängftlich. . J
„Er! in der That, wenn ich es ee
würbe & ade nicht glauben wollen ,” erwieberte
Tage machten aus biefen nädhtlidden Gais
weichungen eine Gewohnheit, ein —— unb mehe
noch, ein Vergnügen. Nach Verlauf von A ag x
fand fih der Name von Seanne noch viel
den Lippen von Dliva, ale ſich je ber vor ð
und der von Beaufire darauf gefunden hatten.
d
109
LXIV.
Das Nendezwons,.
Kaum war Herr von Charny auf feinen Gütern
ngefommen, faum hatte er ſich nach den erſten Be⸗
hen in feine Wohnung eingefchloffen, als ihm der
rzt Niemand mehr zu empfangen und das Zimmer
ı hüten .verorbnete, was mit einer foldhen Strenge
usgeführt wurde, daß nicht ein Bewohner des Kan⸗
ns den Helden des Seetreffens mehr erblidte, welches
> viel Lärmen durch ganz Frankreich gemacht Hatte,
‚ährend alle junge Mädchen ihn zu fehen fuchten, meil
e anerfannt tapfer war an ihn ſchön nannte.
Charny war indeffi t fo krank an Körper,
[8 man glaubte. Er hat ein Uebel im Herzen und
m Kopf, und guter Gott! welch ein Uebel... . einen
harfen, unabläiftgen, unbarmherzigen Schmerz, ben
Schmerz einer Erinnerung, welcher brannte, ven Schmerz
ines Beklagens, welcher zerriß.
Die Liebe ift nur ein Heimweh: der Abwefende
eweint ein ideales Paradies, ftatt ein materielles
Baterland zu beweinen.
Herr von Charny hielt es nicht drei Tage ans.
Bürhend, alle feine Träume durch die Unmöglichkeit
ntfräjtet, durch den Raum zu nichte gemacht zu fehen,
ieß er die von und erwähnte Verordnung des Arztes
en ganzen Kanton durdjlaufen; dann übertrug Olivier
ie Bewachung feiner Thüren einem erprobten Diener
ınd ritt in der Nacht aus feinem Sclofle auf einem
ehr fanften und fehr rafhen Pferde weg Nach acht
Stunden war er in Berfailles, woer ein Feines Haus
yinter dem Park durch die Bermittelung feines Kammer:
zieners miethete.
Diefes Haus, das feit dem tragiſchen Tob von
sinem von den abeligen Jägermeiftern, der fih den
110
Hals abgefchnitten, verlaffen war, fagte Charny vor:
trefflih zu, denn er wollte fid) bier mehr verbergen,
als auf feinen Gütern.
Es war anitündig ausgeflattet, hatte zwei Thüren,
von denen die eine auf eine öde Straße, die andere auf
die Runvdallee des Parkes ging, und von den Yenftern
gegen Süden funnte Charny in die Hagen.bucenalleen
fhauen, denn dıe Keniter, deren Läden fi umgeben
von Weinreben und Epheu öffueten, waren nur Tbüren
eines fur Seden, der in den füniyliden Vark hätte
ſpringen wollen, etwas erhabenen Erdgeſchoſſes.
Diefe damals ſchon etwas feltene Nachbarfchaft
war das Privilegium, das man einem SJagdinfpector
gegeben hatte, damit er ohne Mühe das Tammild und
die Faſanen Seiner Majekät bemachen konnte.
Man ftellte fih, wenn man nur dieſe heiter
von einem fräftigen Grün umrahmten Fenſter ſah,
den ſchwermüthigen Sägermeifter vor, wie er ſich an
einem Herbflabend mit den Ellenbogen auf das in
der Mitte fügte, während die Hirſchlühe ihre fihlanfen
Beine auf dem dürren Laub fradyen ließen und auf
dem von Bäumen umfclofjenen Raſen unter einen
falben Strabl der untergebenren Sonne fpielten. .
Diefe Sinfamfeit gefirl Charny vor allem Anderer
* dies Liebe für die Landſchaft war, werten wir ba'
eben.
Sobald er eingerichtet, fobald Alles gut verfchlofl
war und fein Bedienter die ehrerbielige Neugierde !
Nachbarſchaft getilgt hatte, fing Charny, vergefl
wie er vergaß, ein Leben an, das ichon in ber 9
Seven beben machen wird, weldyer in feinem Er'
wallen geliebt oder von der Liebe hat fprechen bon
In weniger als vierzehn Tagen kannte er
Gewohnheiten des Schloſſes, die der Wachen, er fi
die Stunten, zu denen der Bogel aus den %
trinft, zu denen der fcheue Damhirſch den fcheuen
vorſtreckend vorüberzieht. Er wußte die guten St
siergänge der Königin oder ihrer Damen, den
ck der Runden, er lebte mit einem Wort von
denjenigen, welche in dieiem Trianon, dem
einer wahnfinnigen Anbetungen, lebten.
die Jahreszeit ſchön war, da die milden, duf⸗
ächte mehr Freiheit feinen Augen und mehr
nte Traumerei feiner Seele gaben, fo bıachte
Theil derfeiben unter den —2 ſeines
zu, lauſchte auf die entiernten Geräuſche,
m Balafte famen, und folgte durch die Deff-
m Blätterwerf dem Spiel der bis zur Stunde
afengehens in Bewegung gefepten Lichter.
> genügte ihm das Fenſter nicht mehr. Er
ntiernt von diefem Geräuſch und Dielen Lich»
icher,, zu diefer Stunde Niemand zu begegnen,
nden, nicht Wachen, ſprang er von feinem
ıf den Rafen hinab und fudte die föhliche,
wlihe Wolluf, bis an den Saum des Bes
: geben, auf die Grenze, welche den dichten
vom glänzenden Mondſchein trennt, um von
Silhouetten zu befragen, welche ſchwarz und
ater den weißen Borhängen der Königin hin⸗
diefe Art fah er fie alle Tage, ohne daß fie
rfannte fie auf eine Biertelmeile, wenn fie,
n Damen oder mit einem ihr befreundeten
wandelnd, mit ihrem chinefifhen Sonnen:
ielte, der ihren großen, mit Blumen verzierten
‚üßte.
. Gang, feine Haltung fonnte ihn täufchen.
: alle Kleider der Königin auswendig und
itten unter den Blättern den großen grünen
f mit Bändern von einem gewäflerten Schwarz,
ırch eine feufch verführerifche Körperbewegung
2
ß.
wenn die Erſcheinung verſchwunden war, wenn
der Abend, bie Spazi
den Statuen bes Saul
biefes geliebten Echa:
tam Sharny zu feinen
fern durch eine Deffn
genust hatte, das gl;
inigin, hernach das
lebte er von der Erl
er von ber Bewegun
hatte.
Gines Abende, ı
war, als er zwei Str
an bie abweienden &
von den Sternen fal
auf den Gphenblätter
im Begriff, fein Jen
u begeben; da Hirı
Nhäglern an fein DE
tungepoften zuräd un
Die Stunde war
in ben von Berfailles
wunberte fh, daß e
nicht gewöhnt war.
Diefes wiberfpär
dene vom Park, un
vom Haufe von Olivi
etwa_an großen Jagdi
zulaſſen. &
Tharnij bemerkti
nicht ſprachen; fie f
Ale, die ſich unter
beizog.
Sie Baumflämn
verfleideten hinreiche
fie im Borübergehen
Meberbies büdteı
Kopf und beſchleunig
113
erworren im Schatten. Nur erfannte er am Raufchen
flatternden Röde zwei Srauen, beren feidene Man:
a an den Imweigen hinftreiften.
Diefe Frauen, indem fle ſich um die große, dem Fenſter
Charny gegenüber liegende Allee wandten, wurden
ı freiften Mondſtrahl umbüllt, und Charny hätte
sabe einen Schrei freudigen Erftaunens ausgefloßen,
er bie Haltung und den Kopfpuß von Marie Ans
vette, fowie den untern Theil ihres Gefichtes trotz
düfteren Refleres vom Schilde des Hutes erkannte.
> Hielt eine fchöne Rofe in der Hand.
Mit bebendem Herzen ließ fi Eharny von feinem
ıfter herab in den Barf gleiten. Er lief auf dem
afe, um fein Geräufch zu machen, verbarg ſich dabei
ter den dickſten Bäumen, und folgte mit dem Blick
. zwei Grauen, welche jede Minute langfamer gingen.
Was follte er thun? Die Königin hatte eine Be-
iterin; fie lief feine Gefahr. Oh! warum war fie
bt allein! er hätte den Foltern getrogt, um ſich ihr
nähern und auf den Knieen zu ihr zu fagen: Ich
be Sie! Oh! warum war fie nicht von einer unge:
tren Gefahr bebroht, er hätte fein Leben Hingeworfen,
ı diefes koſtbare Leben zu retten!
Mährend er, taufend tolle ZärtlichFeiten träumend,
dies Alles dachte, fanden die zwei Wanblerinnen
lich File; die Bine, die Kleinere, fagte ein paar
orte zu ihrer Befährtin und verließ fie.
Die Königin blieb allein; man fah pie andere
me ihren Bang gegen ein Ziel befchleunigen, das
any noch nicht errieth. Die Königin, welde mit
em Fleinen Zuß auf den Sand klopfte, lehnte fi
einem Baum an und hüllte fih fo in ihre Man-
e, daß fie fogar den Kopf mit der Kapuze bedeckte,
(de einen Augenblic zuvor in weiten ſeidenen Falten
f ihren. Schultern wogte.
Als fie Eharny allein und fo träumerifh ſah,
Das Salöbend der Königin. III. 8
115
arum hatte er verborgen gewartet? Warum Hatte
ı die Königin durch ihre Begleiterin holen laffen,
tt felbf zu ihm zu gehen?
Charny hätte beinahe den Kopf verloren. Er
nnerte ſich indefien, daß fich die Königin mit geheim:
zvoller Politik befchäftigte, daß fie oft Intriguen mit
ı deutſchen Höfen anfnüpfte, Berbindungen, auf
ide der König eiferfüchtig war” und die er ftrenge
bot.
Bielleicht war diefer myfteriöfe Eavalier ein Cours
r aus Berlin oder Schönbrunn, ein abeliger Herr,
: eine geheime Botichaft überbracdhte, eine von ben
stichen Figuren, wie Ludwig XVI feine mehr in
tfailles fehen wollte, feitvem der Kaiſer Sofeph II.
Frankreich einen Curſus der Philoſophie und der
tifchen Politif zum Nugen feines Schwagers, bes
erchriftlichften Königs zu machen fidy erlaubt Hatte.
Der Eisbinde ähnlich, welche der Arzt auf eine
m Fieber glühende Stirne anwendet, erquidte diefe
ee Dlivier, den armen Dlivier, gab ihm den Ber-
nd wieder und befchwicdhtigte das Delirium feines
ten Zornes. Die Königin beobachtete übrigens eine
tung voll Anftand und fogar voll Würde,
Drei Schritte entfernt flehend, unruhig, aufmerks
n, lauernd, wie die Freundinnen oder die Duennen
. den Bartien von zwei männlichen und zwei weibs
yen Perſonen von Watteau, flörte die Begleiterin
ch ihre dienfteifrige Angft Herrn von Charny in
nem ganz feufchen Vifiren. Doch es ift ebenfo ge⸗
wlich, bei politifchen Rendezvous ertappt zu werben,
I es befchämend ift, bei Liebesrendezvous ertappt zu
den. Und nichts gleicht mehr einem Verliebten,
ein Berfchwörer. Beide Haben denfelben Mantel,
jeibe Empfindlichkeit des Ohrs, diefelbe Unficherheit
: Beine. |
Charny Hatte nicht viel Zeit, diefen Betrachtungen
Yzuhängen. Die Begleiterin verließ ine Stellung
und durchbrach van Beil,
eine Bewegung, als
erhielt ohne Bieifel (em aba
Gharny verfedte RG Hinter
Sicherich würde die Gruppe, fı
in Brüden an ihm vorüberkon
wrädgalten, die Gnomen und
ſchos, fei es der Erde, ſei es
Briten, bie mar as Gingige, mu
In diefem Augenblit glaubt
von heller Muance an ber tönigl
geten a, (den; ber Gavalier
6 zum Grafe, erhob Ah dann
furhtsvollen Bewegung und ——
digkeit feines Abgangs ließe |
bezeiäinen.
Dod er wurde in feinem |
terin der Königin au jehalten ,
Heinen Sanel, Turüdeie and ihı
Salto, m mit aite Stimme. das 2
Barten Sie!“
&s war ein fehr gehorfamer Saratin, Dane
blieb a den Steile Ari en und wartele, .
Eharny fah nun bie zwei Frauen, Ki
Arm haltend, zwei Saritte v 2. feinen v.
übergehen; bie buch bem
Suft machte bie Shannfice in —*
dar Sünden von Eharny wog
ie fühlte den Wohlgerni den er bei der Bielgle
pda gewohnt wat: Gil fenfrant mit Befeba_ von
miſcht — eine doppelte ae — feine Gimme
und I Beinnerung,
Frauen Ingen vorfl
3 Mi: * . bern
um Band — ahead ee N *
der Königin bis zur Thüre za mehr —
117
: küßte mit Leidenfchaft, mit Wahnflnn eine ganz
ifche, balſamiſche Rofe, welche ficherlich diejenige
ar, deren Schönheit Charny bemerft hatte, als die
'önigin in den Park eintrat, und die er fo eben den
‚änden jeiner Fürftin batte entfallen fehen.
Eine Rofe, ein Kuß auf diefe Rofe! Handelte
fi um Botfchaft und Staatsgeheimnifle?
Eharny wäre beinahe von Sinnen gefommen. Er
ar im Begriff, auf diefen Menſchen loszuftürzen und
im bie Blume zu entreißen, als die Begleiterin der
önigin wiebdererfhien und dem Unbekannten zurief:
„Kommen Sie, Monfeigneur.”
Charny glaubte, ein Prinz von Geblüt fei gegen
ärtig, und lehnte fih an einem Baume an, um nicht
alb todt auf den Rafen zu finfen.
Der Unbekannte eilte auf die Seite, woher bie
stimme fam, und verfhwand mit der Dame...
LXV.
Die Hand der Königin.
Als Charny, von diefem furdhtbaren Schlag ganz
rmalmt, in feine Wohnung zurüdgefehrt war, fand
: feine Kräfte mehr gegen das neue Unglüd, das ihn
af.
So Hatte ihn die Vorfehung nad Berfailles zu-
icfgeführt, ihm viefes Eoftbare Verſteck gegeben, einzig
nd allein, um feiner Giferfucht zu dienen und ihn
nem von der Königin mit Hintanfegung aller ehelichen
teblichteit, aller königlichen Würde, aller Liebestreue
sgangenen Verbrechen auf die Spur zu bringen.
Es ließ fi nicht bezweifeln, der fo im Parke
mpfangene Mann war ein neuer Liebhaber. Im Zieber
118
ver Nacht, im Delicium |
Gharny vergebens zu U
Rofe erhalten, fei ein 4
nur ein Pfand geheimer
zu fehr gefährbenden Br
Rits konnte gegei
. gewinnen, Ss⸗ blieb dei
brig, als fein eigenes
u fragen, warum er fl
— ſo völlig leiden
Mit ein wenig Ra
als den Infinet zu begr
boten hatte,
Juden Beftighen $
Handlung augenblidlih
lichen Ratur hervor, un
puls gegeben hat, iſt wi
menfegung ber @ewohn:
ihren Höfen Brad von
Ticpfeit getrieben, Hattı
Ed Ir a, weil
fürftin nichts angingen,
gend, feine Liebe zeigte,
mitrirend, ich verrieth,
iR eine ſchlechie Stellu
überweifen will. J
Hatte er nicht gehandelt, fo war öles
weil er, um einen mit dem Töniglie
geehrten Mann anzugehen, Gefahr laut
einen gehäffigen, abgeſchmackten Gireit,.
von lnterhalt au verfallen, was. die
verziehen hätte.
Das Wort Monfelgneut, am Bade von
ligen Begleiterin Hingefe leubert, war ferner glei
eine heilſame wenn and) fyäte Warnung, weich⸗ Ehe:
indem fie ihm gerade in feiner
Augen öffnete, gerettet hatte. Was wäre ans |
*
ch
£
119
geworben, wenn er, ben Degen gegen biefen Mann in
der Hand, ihn Hätte Monfeigneur nennen hören? Und
welches Gewicht nahm nicht fein Fehler an, indem es
von einer fo großen Höhe herabfiel ?
Dies waren die Gedanken, welche Charny während
der ganzen Nacht und der erften Hälfte des folgenden
Tages in Anfprud nahmen. Sobald die Mittagfunde
gefhlagen hatte, war der vorhergehende Tag nichts
mehr für ihn. Es blieb nur noch die fieberhafte, vers
jehrende Erwartung ber kommenden Nacht, während
welcher vielleiht andere Dffenbarungen ericheinen
würden.
Mit welcher Bangigkeit ftellte fich der arme Charny
an das Fenſter, das, der einzige Aufenthalt, der uns
überfchreitbare Rahmen feines Lebens geworben war.
Betrachtete man ihn unter den Weinranfen, hinter den
im Laden angebrachten Löchern, denn er befürchtete,
fehen zu lafien, daß biefes Haus bewohnt war, betradhs
'ete man ihn in diefem Viereck von Bichenholz nnd
wünem Laubwerk, hätte man nicht glauben follen, es
yare eines von den alten Portraits verborgen unter
en Borhängen, welche ven Ahnen in den alten Herren
infern die fromme Sorge der Familien zuwirft ?
Es fam der Abend und brachte unferem glübenben
päher die büfteren Wünfche und die tollen Gebanfen. .
Die gewöhnlichen Geräuſche fchienen ihm neue
deutungen zu haben. Er erblickte in der Ferne bie
nigin, welche mit einigen Yadeln, die man ihr
antrug, liber die Freitreppe fehriit. Die Haltung
Königin fam ihm nachdenkend, unficher, ganz bewegt
der Aufregung der Nacht vor.
Allmälig erloſchen alle Lichter vom Dienfte. Der
k füllte fih mit Stillfchyweigen und Kühle. Sollte
nicht glauben, die Bäume, welde ſich bei Tage
engen, zu flrogen, um den Bliden zu gefallen und
Borübergehenden zu liebfofen, arbeiten in ber
, wenn Niemand fie flieht und Niemand fle berührt,
wurde
"ine Zodesbläfe überKrömte Die Bi
en ale er a m namen in der «
e amen mu ten ai
fe am Lane vorher gemacht hatten, und gingen zı
unter ben Wenflern von Gherny vorüber. 9
Er ſprang wie am vorhergehenden Tage Hin
fo bald fie fern genug waren, baß ſie ihn la =
hören Eonnten, und während er hinter jevem ein we
diden Bann ging, fpwur er Ah, King, Rast, ua
121
findlih zu fein; nicht zu vergeflen, daß er der Unter-
han und fiedie Königin; daß er ein Dann, das heißt
ur Ehrfurdt verbunden, daß fie eine Frau, das heißt
erechtigt, Rüdfihten zu verlangen.
Und da er feinem ungeflümen, flets zum Ausbruch
eneigten Charafter mißtraute, fo warf er feinen Degen
inter einen Holderbufh, der einen Kaftanienbaum
mgab.
Mittlerweile waren die zwei Damen zu demfelben
rt wie am Tage zuvor gelangt. Aud wie am vor
ergebenden Tage erfannte Charny die Königin, und
ice umhüllte ihre Stirne mit ihrer Caleche, während
ie dienfteifrige Freundin aus feinem Verſteck den Un⸗
tHannten holte, den man Monfeigneur nannte.
Diefes Verſteck, was war e8? das fragte fidh
Harny. Wohl lag in der Richtung, welche die Ges
illige nahm, der Apollo:Badefaal, befhügt von ben
oben Hagebuchen und dem Schatten feiner marmornen
ilafter; doch wie Eonnte ſich der Unbefannte bier
sehergen? wo Fam er herein ?
Charny erinnerte fi), daß auf diefer Seite des
sarfes eine Eleine Thüre vorhanden war, ähnlich ber,
elhe die Damen öffneten, um zum Rendezvous zu
ımmen. Der Unbefannte hatte ohne Zweifel einen
schlüffel zu diefer Thüre. Er fehlüpfte hier durch bis
ı den Apollo» Bädern und wartete, bis man ihn holte.
Alles war auf.diefe Art feftgeftellt; dann entfloh
Ronfeigneur durch diefelbe Thüre nad feiner Unters
dung mit der Königin.
Eharny erblickte nad) einigen Minuten den Mantel
nd den Hut, wie er esam Tage vorher gefehen Hatte.
Diesmal ging der Unbekannte auf die Königin
icht mehr mit der ehrfurchtsvollen Zurüdhaltung zu;
e kam mit großen Schritten, ohne daß er zu laufen
agte, doch ſchneller gehend wäre er gelaufen.
An ihren großen Baum angelehnt, feste fich die
önigin auf den Mantel, den diefer neue Raleigh für
122
fie ausbreitete, und während die wachſame Freundin
wie am Tage vorher lauerte, Eniete der verliebte Herr
auf das Moos nieder und fing an mit einer leiden
ſchaftlichen Geſchwindigkeit zu reden.
Einer verliebten Schwermuth preisgegeben, neigte
die Königin das Haupt. Charny hörte die Worte des
Gavaliers nicht, aber die Melodie. Die Rede hatte
das Bepräge der Poefle und der Liebe. Jede von ben
Betonungen ließ fich in eine glühende Bethenrung
überjegen.
Die Königin antwortete nichts. Der Unbelannte
verdoppelte indeffen die Liebfofung feiner Reben; zus
weilen fam es Charny, dem elenden Gharny, vor, ale
follte das Wort, in jenes harmonifche Schauern ges
hüllt, verfländlich werden, und dann würbe er vor Wurf
und @iferfucht fterben. Doch nichts, nichts. In dem
Augenblid, wo die Stimme fidy aufflärte, zwang eine bes
zeichnende Geberde der horchenden DBegleiterin ben leis
denichaftlichen Rebner, den Klang feiner Elegien zu
dämpien.
Die Königin beobadhtete ein hartnädiges Gtills
ſchweigen.
Bitten auf Bitten häufend, was Charny aus der
vibrirenden Melodie ſeiner Bepßungen errieth, erhielt
der Andere nur die ſüße Einwilligung des Stillſchwei⸗
gens, eine ungenügende Gunſt für die glühenden Lippen
welche die Liebe zu trinken angefangen haben.
Doch plöglie entfhlüpften der Königin ein paa
Morte. Man muß es wenigftens glauben. Sehr uı
terdrückte, jehr erſtickte Worte, da fie der Unbekann
allein vernommen hatte; doch faum Hatte er fie u
nommen, als er im Uebermaß feines Entzüdens,
daß er fich felbft hörbar machte, ausrief:
f apanf, o meinen Danf, ſüße Majefät! Mor
a ve"
Die Königin verbarg ihr ſchon fo gut verborg:
Gefiht vollends gänzlich.
123
Charny fühlte einen eifigen Schweiß, — den To:
desſchweiß, Iangfam in fehweren Tropfen, von feinen
Schläfen berabfließen.
Der Unbekannte hatte die beiden Hände der Königin
gegen ſich ausftreden fehen. Er nahm fie in bie feis
nigen und brüdte einen fo langen und zärtlidden Kuß
darauf, daß Charny während feiner Dauer den Schmerz
aller Martern Eennen lernte, welche die wilde Menfch-
heit den höllifhen Barbareien geflohlen hat.
Als diefer Kuß gegeben war; erhob fih die Köni-
gin rafch und ergriff den Arm ihrer Gefährtin.
Beide entflohen, wie am Tage vorher, an Eharny
vorüber.
Der Unbefannte entfloh ebenfalls, und Charny, der
den Boden nicht hatte verlaffen fünnen, an den ihn bie
Lähmung eines unſäglichen Schmerzes gefeflelt hielt,
vernahm unbeftimmt das gleichzeitige Geräufch zweier
Thüren, die man wieder fchloß.
' Wir werden es nicht verfuchen, die Lage zu ſchil⸗
dern, in der ſich Charny nach diefer gräßlichen Ents
bedung befand.
Die Nacht verging für ihn in wüthenden Gängen
durch den Park, durch die Alleen, benen er in Ber:
zweiflung ihre firafbare Mitfchuld zum Vorwurf machte.
Einige Stunden lang wahnfinnig, fand Charny
feine Bernunft erſt wieder, als er in feinem blinden
Lauf an den Degen fließ,. den er weggeworfen hatte,
am nicht in Berfuchung zu gerathen, fich defielben zu
bedienen.
Diefe Klinge, die ihm zwiichen die Beine Fam
und feinen all verurfachte, rief ihn plöglih zum
Gefühl feiner Stärke, wie zu dem feiner Würde zurück.
Ein Mann, der einen Degen in feiner Kauft fühlt,
fann nur, wenn er nody wahnwißig ift, fi damit
burchbohren, oder den durchbohren, welcher ihn belei=
digt Hat: er hat weder mehr das Recht, ſchwach zu
fein, noch das, Furcht zu haben.
Charny wurbe wieder, m
Rarker Geift, ein räftiger Köıy
wahnfinnigen Läufe, bei benen
rannte, und sing gerabe und |
von ben Tritten. der zwei Braneı
durchfurchte Allee.
@r wollte den Plag beſuche
feflen hatte. Die noch nlebergebr
ihm fein Ungläd und bas Glüc
u feufgen, Ratt die Dünfe b
Kin Gehirn auffleigen zu laffen
die Natur biefer verborgenelt Lie
ſchaft der Berfon nad, die biefe
Er unlerſuchte die Tritte db
mit berfelben Aufmerkfamfeit,
terfuchung der Fährte eines wi
gegangen wäre. Gr elanie
pollosBäbern. Er fah, inden
erkletterte, @inbräde von Pfer
heerung im @rafe.
„Er tommt von dort her!
Berfailles, fondern von Paris,“
Tommt allein, und morgen wirl
man ihm gelagt bat: Morgen.
„Bis dahin verfeplingen wir
bie Thränen, die meinem Anz,
Blut, das in Wellen aus meine
„Morgen wird der Ichte T
wenn nicht, fo bin ic ein Beige
Sachte, fachte," ſprach
fein erg Hopfte, wie ber Reiter
Hiße geräth, anf den Hals Mloy
die Prüfung noch nicht beendigt
Nach diefen Worsen fehautı
umher und wanbte bie Mugen v
et das Fenſter der tremlofen
fehen befürdptete; benn biefes
ein neuer Bleden geweſen.
125
yentet nicht in der That ein beleuchtetes Fenſter
ohntes Zimmer? und warum fo lügen, wenn
3 Recht der Unverfhämtheit und der Ehrlofig-
‚wenn man eine fo geringe Entfernung zwifchen
orgenen Schande und dem öffentlichen Aergers
idzulegen bat? .
3 Fenſter der Königin war erleuchtet.
lauben zu macden, fie fei zu Haufe, während
defellfchaft eines Liebhabers im Parfe umher:
zahrhaftig das ift Keufchheit ohne allen Nugen!“
arny, der feine Worte mit einer bittern Ironie
ie ift zu gut, dieſe Königin, daß ſie ſich fo
ns verftellt. Allerdings befürchtet fie vielleicht,
emahl zu ärgern.“
Charny, indem er fi} die Nägel in das Fleifch
fhlug mit gemefienen Schritten wieder den
dh feinem Haufe ein.
ie haben gefagt: Morgen,” fügte er bei, nad:
über den Balcon geftiegen war. „Ja, mor⸗
. für alle Welt, denn morgen werben wir zu
n Rendezvous fein, Madame !“
LXVI.
Frau und Königin.
: andere Tag bradyte diefelben Berlegenheiten,
Leiden herbei.
Thüre öffnete ſich beim Testen Schlage vor
ht. Die zwei Frauen erfchienen. °
war, wie in den arabifchen Mährchen, die Be⸗
feit der Genien, welde den Talismanen zu
ter Stunde gehorditen.
arny Hatte alle feine Entſchluͤſſe gefaßt; er
‚118
der Racht, im Delirium feiner
Eharny vergebens zu überrei
Rofe erhalten, fei ein Botſch⸗
nur ein Pfand geheimer Meberi
zu fehr gefährbenden Brief zu
Nichte konnte gegen ven
. gewinnen. Ss blieb dem arn
übrig, als fein eigenes Bench
u fragen, warum er ſich in |
inglüde fo völlig leidend ver
Mit ein wenig Rachdenl
als den Inſtinct zu begreifen;
boten hatte,
Ju den Beitighen Krifen
Handlung augenblidli ans t
lien Ratur hervor, und biefe
puis gegeben hat, iR nichts U
menfegung der Gewohnheit w
ihren —R Grad von Geſch
Tigpfeit getrieben, Hatte Cha
war dies ber Ball, weil ihn
Fürftin nichts angingen, weil
gend, feine Liehe zeigte, weil «
mittirenb, fi verrieth, und b
iR eine ſchlechte Stellung be
überweifen will.
Hatte er nicht gehandelt,
weil er, um einen mit dem
geehrten Mann anzugeben, &
einen gehäffgen, abgeihmadt
von Hinterhalt zu verfallen,
verziehen hätte.
Das Wort Monfeiguent, ai de von der
ligen Begleiterin Hingefpleubert, war ferner
eine heilfame, wenn auch fbäte Barnun; meine hau
indem fie ihm gerade im felter Ba
Augen öffnete, gerettet Hatte. Was wäre and: iie
au
ven, wenn er, den Degen gegen biefen Mann in
and, ihn hätte Monfeigneur nennen hören? Und
s Gewicht nahm nicht fein Fehler au, indem es
ner fo großen Höhe herabfiel?
ies waren die Gedanken, weldye Charny während
nzen Nacht und der erften Hälfte des folgenden
in Anfprud nahmen. Sobald die Mittagſtunde
gen hatte, war der vorhergehende Tag nichts
ür ihn. Es blieb nur noch die feßerhafte, vers
re Srwartung ber fommenden Naht, während
e vielleiht andere Offenbarungen erfcheinen
1.
Hit weldyer Bangigfeit ſtellte fidh der arme Charny
: Zenfter, das, der einzige Aufenthalt, der uns
reitbare Rahmen feines Lebens geworben war.
htete man ihn unter den Weinranfen, hinter ben
den angebrachten Löchern, denn er befürchtete,
u laffen, daß diefes Haus bewohnt war, betradhs
an ihn in diefem Biere von Eichenholz und
ı Laudwerf, hätte man nicht glauben follen, es
eines von den alten Portraits verborgen unter
hängen, welche den Ahnen in den alten Herren
n die fromme Sorge der Familien zuwirft?
8 fam der Abend und brachte unferem glühenben
r die düfteren Wünſche und die tollen Gedanken.
ie gewöhnlichen Geräufche fchienen ihm neue
tungen zu haben. Er erblidte in der Ferne bie
in, welde mit einigen Fadeln, die man ihr
rug, über die Freitreppe ſchritt. Die Haltung
nigin fam ihm nachdenfend, unſicher, ganz bewegt
rt Aufregung der Nacht vor.
llmälig erloſchen alle Lichter vom Dienfle. Der
üllte fih mit Stillfcyweigen und Kühle. Gollte
icht glauben, die Bäume, welde ſich bei Tage
ıgen, zn ftrogen, um ben Bliden zu gefallen und
orübergehenden zu liebkoſen, arbeiten in der
wenn Niemand fie fieht und Niemand fie berührt,
120
an der Wiederherftellung ihrer Sriiche, ihrer We
rüche und ihrer Gefchmeidigfeit? Die Bäume un
Pflanzen fchlafen in der That wie wir.
Charny Hatte die Stunde bes Nendezvoni
Königin wohl behalten. Es kolug Mitternadht.
Das Herz von Eharny wäre bald in feiner !
gebrochen. Er drüdte fein Fleifh an das Gel
des Fenfters, um die Schläge zu erftiden, weldye
und geräufhvoll wurden. „Bald,“ fagte er zı
felbft, „bald wird die Thüre fih öffnen, werds
Riegel klirren.“
Nichts Hörte den Frieden des Gehölzes.
Charny wunderte fih dann, daß er zum ı
Mal daran dachte, zwei Tage ‚hinter einander |
diefelben Creigniſſe nicht vor; nichts fei verbinpli
diefer Liebe, wenn nicht die Liebe felbit, und bieje
wären fehr unflug, welde, fo flarfe Gewohnheiten
Fr nit zwei Tage Hinbringen Fönnten,
zu fehen.
„Ein geheimes Abenteuer,” dachte ECharny, „
fih die Tollheit darein mifcht.“
Sa, es war eine unbeftreitbare Wahrheit, die
nigin würde nit am andern Tag die Unvorfidt
vom vorhergehenden wiederholen.
Ploötzlich klirrten die Riegel und die Fleine 9
wurde geöffnet.
Bine Todeshläffe überfirömte die Wangen
Dlivier, als er die zwei Damen in der Kleidun,
vorhergehenden Nacht erblidte.
„Wie muß fie verliebt fein!“ murmelte er.
Die zwei Damen madıten daflelbe Manoeuvre
fie am Tage vorher gemacht hatten, und gingen
unter den Benflern von Charny vorüber.
Er fprang wie am vorhergehenden Tage 5
fu bald fie fern genug waren, daß fie ihn nicht
hören fonnten, und während er hinter jedem ein u
diden Baum ging, ſchwur er fi, Hug, flarl, u
121
ih zu fein; nicht zu vergefien, daß er der Unter:
und fie die Königin; daß er ein Mann, das heißt
Shrfurcht verbunden, daß fie eine Frau, das heißt
tigt, Rüdfichten zu verlangen.
Und da er feinem ungeflümen, flets zum Ausbrud
gten Eharafter mißtraute, fo warf er feinen Degen
A einen Holderbufh, der einen Kaftanienbaum
Mittlerweile waren die zwei Damen zu bemfelben
wie am Tage zuvor gelangt. Aud wie am vor⸗
henden Tage erfannte Eharny die Königin, und
umhüllte ihre Stirne mit ihrer Galeche, während
ienfteifrige Freundin aus feinem Verſteck den Un,
nten holte, den man Monfeigneur nannte.
Diefes Verſteck, was war es? das fragte fi
ny. Wohl lag in der Richtung, welche die Ge⸗
e nahm, der Apollo:Badefaal, befhügt von den
ı Hagebuchen und dem Schatten feiner marmornen
ter; doch wie Eonnte fi der Unbefannte hier
tgen? wo fam er herein ?
Sharny erinnerte fi, daß auf diefer Seite bes
es eine Eleine Thüre vorhanden war, ähnlich ber,
e die Damen öffneten, um zum Rendezvous zu
en. Der Unbefannte Hatte ohne Zweijel einen
iffel zu diefer Thüre. Er fchlüpfte hier durch bis
n Apollo⸗Bädern und wartete, bis man ihn holte.
Alles war auf.diefe Art feitgeftellt; dann entfloh
jeigneur durch diefelbe Thüre nad) feiner Unters
ıg mit der Königin.
Tharny erblickte nad) einigen Minuten den Mantel
ven Hut, wie er esam Tage vorher gefehen hatte.
Diesmal ging der Unbekannte auf die Königin
mehr mit der ehrfurcdhtsvollen Zurüdhaltung zu;
m mit großen Schritten, ohne daß er zu laufen
>, doch fchneller gehend wäre er gelaufen.
An ihren großen Baum angelehnt, feste ſich die
gin auf den Mantel, den diefer neue Raleigh für
122
fie ausbreitete, und während die wahfame Freun
wie am Tage vorher lauerte, kniete ber verliebte H
auf das Moos nieder und fing an mit einer leid
ſchaftlichen Geſchwindigkeit zu reden.
Einer verliebten Schwermuth preisgegeben, nei
die Königin das Haupt. Charny hörte die Worte
Gavaliers nicht, aber die Melodie. Die Nebe he
das Bepräge der Poeſte und der Liebe. „Jede von
Betonungen ließ fich in eine glühende Bethenr:
überjegen.
Die Königin antwortete nichts. Der Unbelan
verdoppelte indeffen die Liebfofung feiner Reben;
weilen fam es Charny, dem elenden Charny, vor,
follte das Wort, in jenes barmonifhe Schauern
hüllt, verftändlich werden, und dann würde er vor W
und Eiferſucht ſterben. Doch nichts, nichts. Im i
Augenblid, wo bie Stimme fidy aufflärte, zwang eine
zeichnende Geberde der horchenden Begleiterin den
denichaftlichen Nebner, den Klang feiner Elegien
dampien.
Die Königin beobachtete ein hartnädiges Gt
ſchweigen.
Bitten auf Bitten häufend, was Charny aus
vibrirenden Melodie feiner Deugungen errieth, erh
der Andere nur die füße Einwilligung des Stillichn
gens, eine ungenügende Gunſt für die glühenden Lipy
welche die Liebe zu trinten angefangen haben.
Doch plöglidy entfhlüpften der Königin ein p
Morte. Man muß es wenigftens glauben. Sehr
terdrückte, jehr eriticdte Worte, da fie der Unbelan
allein vernommen hatte; doch kaum hatte er fie ı
nommen, als er im Uebermaß feines Gntzüdens,
taß er fich felbft hörbar machte, ausrief:
f ꝓDank, o meinen Dank, ſüße Majeſtät! Mor
a ve"
Die Königin verbarg ihr fon fo gut verborge
Befiht vollends gänzlich.
123
Charny fühlte einen eifigen Schweiß, — den To:
desſchweiß, Iangfam in fchweren Tropfen von feinen
Scläfen Berabjließen.
Der Unbekannte hatte die beiden Hände der gFonigin
gegen ſich ausſtrecken ſehen. Er nahm fie in die ſei
nigen und drüdte einen fo langen und zärtlichen Kuß
darauf, daß Eharny während jeiner Dauer den Schmerz
aller Martern Eennen lernte, welche die wilde Menfch:
beit den höllifden Barbareien geftohlen bat.
Als diefer Kuß gegeben war; erhob fidy die Köni-
gin raſch und ergriff ven Arm ihrer Gefährtin.
Beide eniflohen, wie am Tage vorher, an Charny
vorüber.
Der Unbekannte entjloh ebenfalls, und Charny, der
den Boden nicht hatte verlafien können, an den ihn bie
Lähmung eines unſäglichen Schmerzes gefeflelt hielt,
vernahm unbeflimmt das gleichzeitige Geräuſch zweier
Thären, die man wieder ſchloß.
Wir werden es nicht verfuchen, die Lage zu ſchil⸗
dern, in der fih Charny nach diefer gräßlichen Ents
deckung befand.
Die Nacht verging für ihn in wüthenden Gängen
durch den Park, durdy die Alleen, benen er in Ber:
zweiflung ihre ſtrafbare Mitfchuld zum Vorwurf machte.
Einige Stunden lang wahnfinnig, fand Eharny
feine Bernunft erſt wieder, als er in feinem blinden
Lauf an den Degen fließ, den er weggeworfen hatte,
am nicht in Verſuchung zu gerathen, fich deſſelben zu
bedienen.
Diefe Klinge, die ihm zwiſchen die Beine Fam
und feinen Ball verurfacdhte, rief ihn plöglich zum
Gefühl feiner Stärfe, wie zu dem feiner Würde zurück.
Ein Mann, der einen Degen in feiner Kauft fühlt,
fann nur, wenn er noch wahnwißig iſt, fi damit
bucchbohren, oder den durchbohren, weicher ihn belei⸗
bigt Hat; er hat weder mehr das Recht, ſchwach zu
fein, noch das, Furcht zu haben.
arte Geh, cn Haha Ana. Gr annhra |
jarter Geif, ein de un
BE
tannte, umb ging gerade un! !
von den Zritten Ser wei Granen umb bed Unbefam
durchfurchte Allee.
Gr wollte den Llaßz befude
ſeſſen hatte. Die noch ni jebr
ihm fein Ungläd und das Glüc
ju fenfzen, fatt die Dünfte d
jein Gehirn auffleigen zu laffen
die Natur biefer verborgenen Lie
fait der Berfon nach, die biefe
Er unterfudhte die Tritte d
mit berfelben Aufmerkfamteit, :
terfuchung der Fährte eines wi
jegangen wäre. Gr erkannte
pollosBäbern. Er fah, Inder
erkletterte, Ginbräde von Pfeı
heerurg im Graſe.
n@e kommt von dort ker!
Berfailles, fondern von Paris,“
tommt allein, umb morgen wirl
fehen befürchtete; denn dieſes
ein neuer leden gewefen. '
125
Bedeutet nicht in der That ein beleuchtetes Fenfter
ein bewohntes Zimmer? und warum fo lügen, wenn
man das Recht der Unverfhämtheit und der Ehrlofig-
feit bat, wenn man eine fo geringe Entfernung zwifchen
der verborgenen Schande und dem öffentlichen Aergers
niß zurüdzulegen bat? :
Das Benfter der Königin war erleuchtet.
„Blauben zu maden, fie fei zu Haufe, während
fie in Gefellfchaft eines Liebhabers im Parke umber-
lauft! Wahrhaftig das ift Keufchheit ohne allen Nugen!“
- Kr FZharny, der ſeine Worte mit einer bittern Ironie
abſtie
„Sie iſt zu gut, dieſe Königin, daß ſie ſich ſo
gegen uns verſtellt. Allerdings befürchtet fie vielleicht,
ihren Gemahl zu ärgern.“
Und Eharny, indem er ſich die Nägel in das Fleifch
drückte, fchlug mit gemeflenen Schritten wieder den
Weg nach feinem Haufe ein.
„Sie haben gefagt: Morgen,” fügte er bei, nach⸗
dem er über den Balcon geftiegen war. „Sa, mor⸗
.ı gen!... für alle Welt, denn morgen werben wir zu
| vier beim Rendezvous fein, Madame !"
ey
{
E LXVI.
Frau und Königin.
bt. Der andere Tag brachte diefelben Berlegenheiten,
an! biefelben Leiden herbei.
in Die Thüre öffnete ſich beim letzten Schlage vor
da Mitternacht. Die zwei Frauen erfchienen. -
- Es war, wie in den arabifchen Mährchen, die Be-
alt ichfeit der Genien, weldje den Talismanen zu
tee Stunde gehorchten.
w ° Gharny Hatte alle feine Entfchlüffe gefaßt; er
a6 5
wolte an Bieten 9
nen, ben die Königii
Getreu feinen
ihm nicht verkörpert
Bäumen verber; en
erreicht, wo fei
getroffen waren, In
Die Gefährtin
won. die Mpollo:Bä
Eine furdtbarı
fpmetterte Gharny,
Revligfeit Hatte er "
koͤnnte fo weit gegen
Läcelud und Ei
ya at a
err fie mit offenen
Sie trat, eben
Das eiferne Gitter |
Die Gefährtin
eine ganz gerbrödelt
fäule an.
Charny Hatte fe
vermodten einem fo
In dem Augenblid,
Bertraute der Könl,
Iarven, zu erkennen,
fie zu erfiden viele
der Strom nach ſet
und eerſtickte ihn.
rößelte einen Eat
Ruhe der vor ben
Rellten Schiliwage
Eine innere Blu
die E wieber geöffu... =... -or--
Gharny wurde dur bie Aix des
die Beuchtigkeit der Erde, durch den le
127
ruck feines eigenen Schmerzes in’s Leben zurüdge:
ufen.
Er erhob ſich ſtrauchelnd, erkannte die Dertlich«
eit, feine Lage, erinnerte fi und fuchte.
Die Schildwache war verfchwunden, fein Geräuſch
achte fi hörbar. Es ſchlug zwei Uhr auf einem
kirchthurme von Berfailles, und dies beiehrte ihn, daß
eine Ohnmacht lange gedauert habe.
Ohne allen Zweifel hatte die gräßliche Viſton ver:
chwinden müflen: Königin, Liebhaber, Beyleiterin
atten Zeit gehabt, zu fliehen. Charny konnte fidy
tevon überzeugen, indem er über die Mauer ſchaute
nd bie Feilen Spuren des Abgangs eines Reiters
rblidte.
Diefe Spuren und die Brüche einiger Zweige in
er Umgegend der ApollosBüder bildeten bie ganze
leberführung des armen Charny.
Die Naht war ein langes Delirium. Am Mor:
en hatte er fich nicht bernhigt. :
Blei wie ein Todter, um zehn Jahre gealtert,
ief er feinen Kammerdiener und ließ fih in ſchwar⸗
en Sammet Eleiven, wie ein Reicher vom Bürgerftand.
Düfter, ſtumm, alle feine Schmerzen verfhhlingend,
ing er nah dem Schloffe Trianon in dem Augenblid,
3 Pre abgelöft worden war, baß heißt gegen
ehn Uhr.
Die Königin trat aus der Kapelle, wo fie bie
Nefie gehört hatte.
Auf ihrem Wege neigten ſich ehrfurdhtsvoll die
Töpfe und die Degen.
Eharny fah einige Frauen roth vor Aerger, weil
fe fanden, daß die Königin ſchön war.
Schön, in der That, mit ihren ſchönen auf den
Schläfen emporgehaltenen Haaren, ihrem Gefichte mit
ven zarten Zügen, ihrem lächelnden Munde, ihren er-
rübelen, aber von einer fanften Klarheit glänzenden
ugen.
lotzlich erblicdi
Sie Kal und |
von fi
Veannd büdte
während biefe König
Unglüd las. Sie
Rrengem Zone:
36 glankt, €
von Sant"
in von
wine er mit karz
Sie blieb erden
entging.
em 9
len
!
u deren as
vertraulich mit Gen
Gharny bebte.
Unruhig über bi
— —5* 8
gun —X bi
Dann drehte ©
Aubiren.
Rechte und Linl
deeſen Manoenvre d
ollte er ben
fe. " Armer Junge
Ku ‚fe lehrie ¶
derem Tı
‚De befinden €
‚Sehr gut, Ma
gut als Gut Majel
Und er verbengte ſich auf eine Art, daß er du
129
PH mehr erfchredte, als er fie in Erflaunen ge⸗
gt hatte.
„Dahinter ift Etwas," fagte die anfmerffame
eanne.
„Wo wohnen Sie denn gegenwärtig?“ fuhr die
önigın fort.
„In Verfailles, Madame,” erwiederte Olivier.
„Seit wie lange ?”
„Seit drei Nächten,” ſprach der junge Mann, in
m er mit dem Blid, wit der Geberde und mit der
stimme einen Nachdruck auf diefe Worte legte.
bt Die Königin, offenbarte keine Bewegung; Jeanne
bbte.
„Haben Sie mir nicht etwas zu ſagen?“ fragte
e Königin Charny mit einer engelifhen Sanftmuih.
„Oh! Madame,” erwiederte diefer, „ich Hütte
urer Majeftät nur zu viel zu fagen.”
„Kommen Sie!" fprah Marie Antoinette un⸗
füm.
„Baden wir,” dachte Jeanne.
Die Königin ging mit großen Schritten nach ihren
emächern. Jedermann folgte ihr nicht minder bewegt. °
Was Frau von La Mothe providenziell vorfam,
ar der Umſtand, daß Marie Antoinette, um den Ans
bein zu vermeiden, als fuchte fie unter vier Augen
ı fein, mehrere PBerfonen ihr zu folgen aufforberte.
Mitten unter diefe Perſonen fchlüpfte Seanne.
Die Königin trat in ihr Gemach und entließ Frau
on Mifery und ihren ganzen Dienft.
Es war ein mildes, verfchleiertes Weiter; bie
5jonne burchdrang die Wolfen nicht, doch fie ließ ihre
Bärme und ihr Licht Durch ihre dichte weiße und blaue
ütterung flefern.
Die Königin öffnete das Benfter, das auf eine
line Terrafie ging; fie ſetzte fih an ihr von Briefen
eladenes Arbeitstifchchen und wartete.
Dad Haldband der Königin. III.
130
Die Perfonen, weldye ihr gefolgt waren, beg
altmänig ihren Wunſch, allein ju fein, und en
ten ich.
Ungeduldig, vom Zorn verzehrt, zerfnitterte €
feinen ut zwifchen feinen Händen.
„Sprechen Sie! fprechen Sie!” fagte die Kön
„Sie fiheinen fehr beunruhigt zu fein, mein Her
„Wie werde ich anfangen?“ fagte Eharny
ganz laut dachte; „wie werde ich e8 wagen, bie
die Treue, die Majeftät anzuklagen?“
„Wie beliebt?“ rief Marie Antoinette, indı
fih lebhaft und mit einem flammenden Blid
wanbte.
„Und dennoch werde ich nur fagen, was ich gı
babe,” fuhr Charny fort.
Die Königin erhob ſich und ſprach mit kaltem
„Mein Herr, es ift noch fehr früh am Mı
daß ich Sie für betrunken halte; und dennoch nı
Sie hier eine Haltung an, die fih fchlecht für
terne Edelleute geziemt.'
Sie erwartete, ihn durch diefe verädhtliche A
niedergefchmettert zu fehen. Doch er fuhr unb
lich fort:
„Im Ganzen, was Ift eine Königin? ein
Und ich, was bin ich? ein Mann ebenfowohl, al
Untertban.”
„Mein Herr !“
„Madame, verwirren wir nicht das, was ich !
fagen muß, durch einen Zorn, der auf eine Tı
auslaufen würde. Ich glaube: Ihnen bewiefen 3
ben, daß ich Ehrfurcht für die Fönigliche Majeftät |
ich befürchte, bewiefen zu Haben, daß ich eine ı
finnige Liebe für die Perfon der Königin hegte. 3
Sie auch Ihre Wahl: auf weldde von Beiden, aı
Königin vder die Frau, full dieſer Anbeter die Aı
der Schande oder der Unredlichteit werfen ?“
Ei
131
„Herr von Charny,“ rief die Königin, indem fie
erbleichend auf den jungen Mann zufchritt, „entfernen
Sie ſich nit von hier, fo werde ih Sie Ha meine
Wachen wegjagen laffen.” s
„Sch will Ihnen alfo, che ich weggejagt werde,
fagen, warum Sie eine unwürbige Königin und eine
Frau ohne Ehre find,” rief Charny trunfen vor Wuth.
„Seit drei Nächten folge ich Ihnen in Shrem Barker!“
Statt fie, wie er es hoffte, unter diefem furdht-
baren Schlage aufipringen zu fehen, fab Eharny nur,
daß die Königin das Haupt erhob und fi ihm
näherte. “
„Herr von Eharny.” fagte fie, feine Hand ergrei-
fend, „Sie find in einem Zufland, der mein Mitleid
erregt; nehmen Sie fih in Adıt, Ihre Augen funfeln,
Ihre Hand zittert, Bläffe bedeckt ihre Wangen, all ihr
nalen fließt nach Ihrem Herzen. „Sie leiden, foll ich
rufen ?“
„sch habe Sie gefehen,“ wiederholte er Falt, „ges
fehben mit dem Wann, als Sie ihm die Rofe gaben;
gefehen mit dem Mann, als er Ihnen die Hände Füßte;
gefehen, als fie mit ihm in die ApollosBäder ein=
traten.”
Die Königin fuhr mit einer Hand über ihre
Stirne, als wollte fie fich verfichern, daß fie nicht
ſchlafe.
„5Herr von Charny,“ ſprach ſie, „ſetzen Sie ſich,
denn Sie werden umfallen, wenn ih Sie nicht halte,
fegen Sie ſich, fage ich Ihnen.” .
Eharny fank in der That in einen Lehnftuhl, die
Königin feste fih zu ihm auf ein Tabvuret, nahm
feine beiden Hände, ſchaute ihm big in den Grund feiner
Seele und fprady:
„Seien Sie ruhig, befhwichtigen Sie den Geiſt
und das Herz und wiederholen Sie mir, was Sie ſo
eben geſagt haben.“ g*
+‘
132
„Ob! wollen Sie mich töbten* murmelte ber Uns
sr
— Sie mich Sie befragen. Sen wars N
Sie on Ihren Gütern zurüdgelehrt?“
„Seit vierzehn Tagen.”
Wo wohnen Sie?“
„Im Haufe, des Jagermeiſters, das ch —XR
gemiethet habe.“
„Ah! ja, das Hans des; Sebhmörbers, an der
Grenze des Barte?“ *
Charny bejahte durch eine Geberde. 2
„Ste ſprechen von einer Perſon, die Sie mit ade
geiehen hätten ?“
Gabe‘ „Ich ſpreche zunächſt von Ihnen, die ich beſete⸗
„Wo dies?“ Ber
„Sm Varke.“ J
"Zu welcher Stunde, an welchem Tag?“ “
„Um Mitternacht, am Dienflag znm erſten sul"
„Sie haben mid gefehen?”
„Wie ih Sie jet fehe, und ih Habe eu‘ Ye
jenige gefehen, weldye Sie begleitete.“
„&s begleitete mich Jemand? Würden ie diefe
Perſon erfennen?”
„Borhin fam es mir vor, als fähe ih fe We
Doch ich will es nicht behaupten. Nur die Haltung
ähnlich; was das Geſicht betrifft, fo verbirgt man.te,
wenn man foldye Verbrechen begeht.“
„But!“ fagte die Königin mit Buße: GSie haben
meine —2— n nicht erkannt, aber mich
„Dh! Sie, Madame, ich habe Sie —* ...
Wie! ie, ih Sie nit?“
8 „gie fließB vor Nerger mit dem Fuß auf ven
oden.
„Und... ber Geführte,“ fagte fie, „berjenige,
welchem ich eine Nofe gegeben Haben .. den beun Gie Gaben
mich eine Roſe geben ſehen?“
133
„sa: dieſer Gavalier, wie fonnte ich ihn ein-
Holen ?”
„Sie Fennen ihn jedoch?“
„Man nennt ihn Dionfeigneur; das it Alles, was
ich weiß.“
Die Königin flug fich mit gebrängter Wuth vor
die Stirne und rief:
„Fahren Sie fort; am Dienftag Habe ich eine
Rofe gegeben... und am Mittwoch?“
„Am Mittwod haben Sie Ihre beiden Hände zu
Tüffen gegeben.“
„Oh!“ murmelte fie, indem fie ſich in die Hände biß.
„Am Donnerfag endlich, geſtern?“
„Geſtern haben Sie anderthalb Stunden mit die—
fem Daun in der Apollo-Grotte zugeßraht, wo Sie
Ihre Begleiterin allein gelaflen Hatte.“
Die. Königin fand ungeſtüm auf.
„Und... Sie... haben mih ... gefehen?
fagte fie jede Syibe abſtoßend.
Charny Hub eine Hand zum Himmel empor, um
zu fchwören.
„Oh! ... er fhwört !” rief die Königin ebenfalls
von der Wuth fortgeriffen.
Eharny wiederholte feierlih feine anklagende
Geberve.
„Mi? mich?” fagte die Königin, indem fie fi
an den Bufen Fluvfte, „mich haben Sie gefehen ?“
„3a, Sie, am Dienflag trugen Sie Ihr grünes
Kleid mit goldmoirirten Streifen; am Mittwoch Ihr
Kleid mit blauem und roftiarbigem Altwerf. Geſtern
Shr braungelbes Kleid, das Sie an hatten, als ich Ihnen
zum eriten Dale die Hand füßte. Sie waren es! Sie
waren es! Ich flerbe vor Schmerz und Scham, indem
ih Ihnen auf mein Leben, auf meine Ehre, aufmeinen
Goit fage, Sie waren ed, Madame! Sie waren es!“
Die Königin ging mit großen Schritten auf der
134
Zerraffe auf und ab, ohne ih bar
daß fie ihre feitfame Aufregung bie
ließ, welche Re von unten mit den A
„Wenn id einen @id thäte, fag
and bei meinem Sohne, bei meinen
Ich habe einen Bott, mie Gie!...
mir nidt!... er würde mir nicht gl
Charny neigte das Hanpt,
„Wahnfinniger!“ fügte die König:
voll Önergie Die Hand fgüttele und
in ıhr Zimmer zog. „&6 if alfo
BolluR, die Wolluf, eine unfuldi
anzuklagen; «6 if alio ein machtiges
eine Königin zu entehren..: Glan
ich Dir füge, daß nicht ich es bin,
Haft, glanbk Du, wenn ich auf Ebrin
feit drei Tagen nach neun Uhr nit
bin? Soll ih Dir durch meine 8
König, der mich hier gefehen, bewe
nit anderswo fein fonnte? Neir
nicht! er glaubt mic nidt!*
„I babe geichen!“ erwieberte
„O6!“ vier plöglic die König:
weiß! In mir nicht ſchon diefe g
dung in's Gefibt geichleudert worber
nit auf dem Ball der Oper, dem
miß bereitend, gefehen? Kat ma
Mesmer in Gef den Reupiscigen
maͤdchen eim Wergerniß gebend, gi
we ie woßl, Gie, der. Gie Ad |
yaben ?“ 5
„Madame, zu jener Beit Habe {
weil ich nicht "daran glaubte.
fglagen, meil id daran glaubte.“
Die Königin. hob ıfre durd) die
zen Arme zum Himmel empor, zwı
nen rollten von ihren Wangen auf ihren Bufen!
135
„Mein Gott,“ ſprach fie, „ſchicke mir einen Ge:
ınfen, der mich rettet. Diefer bier foll mich nicht
rachten, o mein Gott!“
Eharny fühlte ih bis in den Grund des Herzens
ırch dieies einiache und Fräftige Gebet gerührt. Er
rbarg feine Augen in feine beiden Hände.
Die Königin dachte einen Augenblick ftillfchweigend
ch, dann ſprach fie:
„Mein Herr, Sie find mir eige Genugtbuung
huldig. Vernehmen Sie die, weldye ich von Ihnen
wbere: Drei Nächte hinter einander haben Sie nıid)
ı meinem Barf in Geiellfchaft eines Mannes gefehen.
zie wußten jedoch, daß man ſchon Mißbrauch von der
‚ehnlidyfeit gemacht, welche irgend eine Frau im Ge:
cht und im Gang mit mir, der unglüdlichen Rönigin,
at; doch da Sie lieber glauben wollen, ich fei es,
elche in der Nacht herumlaufe, da Sie fagen werden,
4 fei es, ſo kehren Sie in den Park zu derfelben
Stunde zurüd, fehren Sie mit mir dahin zurüd. Bin
h es, die Sie geftern gefehen, fo werden Sie mid
othwendig heute nicht mehr fehen, da ich bei Ihnen
sin werde. Iſt es eine Andere, warum fullten wir fie
it einander nicht wiederfehen? Und wenn wir fie
hen... Ah! mein Herr! wie werden Sie bedauern,
‚as Sie mich Alles fo eben leiden gemacht haben ?”
Charny preßie fein Herz mit beiden Händen und
rwieberte: \
„Sie thun zu viel für mih, Madame; ich ver:
iene den Tod; fchmettern Sie mich micht durch Ihre
Site nieder.”
„DH! ich werde Sie mit Beweifen niederfchmet-
ern,” fagte die Königin, „nicht ein Wort zu irgend
jemand. Dieien Abend um zehn Uhr; erwarten Sie
or der Thüre der Sägermeifterei, .was ich, „um
Sie.zu überzeugen, beſchloſſen haben werde. Geben
Sie, mein betr, und lafien Sie außen nichts fihtbar
verden.”
Plotzlich erblidte
Sie —8 und gab vınn
von fi.
Tharny büdte ben Kopf
während — a, run
Unglüd las. Sie kam auf
Rrengem Tone:
FRI) glaubte, Sie wären ı
KA
in von dort jöfchtt, Mad
wie er mit Kurzem, ahnen =
R —— blieb Pr fiehen, fe, tut
entging.
Na Austauf von Bi —*
—— a Re Lo) ;
Morgen, Gräfin,“ faı
au Sram. von 2a Mothe. Und *
vertraulich mit den ad am. "
Char bebte.
Unrublg über — eine ar Kon re —
Aufn wandte Frau von La
Gharny folgte ihr, wie es Be he
but itte, bi6 Re ihm moch einmal ihr Gefiche
dem drehte er ſich um fie, 55*—
ſtudir
"Et
in" " fe Gehe gu iüm gerät nad fragte wien
"ale ,
Sehr at Daten oh Du —
gut 316 Gurt Majekät”
Und er verbengte Ach anf eine Axt, daß an
fe.
derem
129
FR mehr erfehredte, als er fie in Erflaunen ge-
gt hatte.
„Dahinter ift Etwas,” fagte die auſmerkſame
eanne.
„Wo wohnen Sie denn gegenwärtig?“ fuhr die
önigın fort.
„Sn Berfailles, Madame,” erwiederte Dlivier.
„Seit wie lange ?"
„Seit drei Nächten,” ſprach der junge Mann, in
m er mit dem Blid, mit der Geberde und mit der
‚stimme einen Nachdruck anf diefe Worte legte.
b Die Königin. offenbarte feine Bewegung; Jeanne
be.
„Haben Sie mir nicht etwas zu fagen?” fragte
ie Königin Eharny mit einer engelifchen Sanftmuth.
„Dh! Madame,” erwiederte diefer, „ich Hätte
urer Majeftät nur zu viel zu fagen.”
aaa ommen Sie!" fprah Marie Antoinette un-
eftüm.
„Wachen wir,” dachte Jeanne.
Die Königin ging mit großen Schritten nach ihren
Jemächern. Iedermann folgte ihr nicht minder bewegt. °
Was Frau von La Mothe providenziell vorfam,
ar der Umftand, daß Marie Antoinette, um den An⸗
bein zu vermeiden, als fuchte fle unter vier Augen
ı fein, mehrere Perfonen ihr zu folgen aufforberte.
Mitten unter diefe Perſonen ſchlüpfte Seanne.
Die Königin trat in ihr Gemach und entließ Frau
on Mifery und ihren ganzen Dienft.
Es war ein mildes, verfchleiertes Weiter; die
sonne durchdrang die Wolfen nicht, doch fie ließ ihre
zärme und ihr Licht durch ihre dichte weiße und blaue
ütterung fiefern.
Die Königin öffnete das Fenſter, das auf eine
eine Terraffe ging; fie feste fih an ihr von Briefen
eladenes Arbeitstifchchen und wartete,
Das Haldband der Königin. II.
/
130
Die Perfonen, weldhe ihr gefolgt waren, begriffen
allmälig ihren Wunſch, allein zu fein, und entfern
ten ich.
Ungebuldig, vom Zorn verzehrt, zerfnitterte Charny
feinen —* zwiſchen feinen Händen.
„Sprechen Sie! ſprechen Sie!" fagte bie Königin:
„Sie fcheinen fehr beunruhigt zu fein, mein Herr?“
„Wie werde ich anfangen?” fagte Charny, ber
ganz laut dachte; „wie werde ich es wagen, die Ehre,
die Treue, die Majeität anzuklagen ?“
„Wie beliebt?” rief Marie Antoinette, indem fle
fi) lebhaft und mit einem flammenden Blick um⸗
wandte. .
„Und dennoch werde ich nur fagen, was ich gefehe
babe,” fuhr Charny fort.
Die Königin erhob fih und ſprach mit Faltem Ton:
„Mein Herr, es ift noch fehr früh am’ Morgen,
dag ich Sie für betrunken halte; und dennoch nehmen
Sie hier eine Haltung an, die fi ſchlecht für nüch⸗
terne Edelleute geziemt.'
Sie erwartete, ibn durch diefe verächtliche Anrede
niedergefchmettert zu fehen. Doch er fuhr unbeweg⸗
liy fort:
„Sm Ganzen, was ift eine Königin? ein Weib.
Und ich, was bin ich? ein Mann ebenfowohl, als ein
Untertbhan.“
„Mein Herr!"
„Madame, verwirren wirnicht bas, was ich Ihnen
fagen muß, durd einen Zorn, der auf eine Tollheit
auslauien würde. Ich glaube Ihnen bewiefen zu has
ben, daß ich Ehrfurcht für die Fönigliche Majeftät hegte;
ih befürdte, bewiefen zu haben, daß ich eine wahns
finnige Liebe für die Perfon ber Königin hegte. Treffen
Sie aud Ihre Wahl: auf welche von Beiden, auf die
Königin oder die Frau, full diefer Anbeter die Anflage
der Schande oder der Unredlichteit werfen ?“
131
„Herr von Charny,“ rief die Königin, indem fie
erbleichend auf den jungen Mann zufchritt,.gentjernen
Sie ſich nit von bier, fo werde ich Sie Mech meine
Machen wegjagen laffen.” s
„Ich will Ihnen alfo, ehe ich weggejagt werde,
fagen, warum Gie eine unwürbige Königin und eine
Frau ohne Ehre find,” rief Charny trunfen vor Wuth.
„Seit drei Nächten folge ih Ihnen in Ihrem Parke!“
Statt fie, wie er es hoffte, unter diefem furdht-
baren Schlage auffpringen zu fehen, ſah Charny nur,
daß die Königin das Haupt erhob und fih ihm
näherte. ”
„Herr von Eharny.” fagte fie, feine Hand ergrei-
fend, „Sie find in einem Zufland, der mein Mitleid
erregt; nehmen Sie fih in Acht, Ihre Augen funfeln,
Ihre Hand zittert, Bläffe bededt ihre Wangen, all ihr
Blut fließt nad) Ihrem Herzen. „Sie leiden, foll ich
rufen ?“
„sh habe Sie gefehen,” wiederholte er Falt, „ges
fehen mit dem Dann, als Sie ihm die Roſe gaben;
‚gefehen mit dem Dann, als er Ihnen die Hände füßte;
gefehen, als fie mit ihm in die ApollosBäder einz
traten.”
Die Königin fuhr mit einer Hand über ihre
ale als wollte fie fich verfichern, daß fie nicht
chlafe.
— „Herr von Charny,“ ſprach fie, „ſetzen Sie ſich,
denn Sie werden umfallen, wenn ich Sie nicht Halte,
fegen Sie fich, fage ich Ihnen.“ .
Eharny fanf in der That in einen Lehnftuhl, die
Königin fepte fih zu ihm auf ein Tabvuret, nahm
feine beiden Hände, ſchaute ihm bis in den Grund feiner
Seele und ſprach:
„Seien Sie ruhig, befchwichtigen Sie den Geiſt
und das Herz und wiederholen Sie mir, was Sie fo
eben gefagt haben.” g*
‘
132
„oh! wollen Sie mid) tödten]“ murmelte ber Un:
glückliche.
„Lafſſen Sie mich Eie befragen. Seit wann find
Sie von Ihren Gütern zurückgekehrt?“
„Seit vierzehn Tagen.“
„Wo wohnen Sie?“
„Sn Haufe des Jägermeifters, das ich ausdrudlich
gemiethet habe. “
„Ah! ja, das Haus bee; Selbfimörders, an ber
Grenze des Parts?“
Charny bejahte durch eine Geberde. "
„Sie fpredhen von einer Perſon, die Sie mit mir
geiehen hätten *"
b „Ich ſpreche zunächſt von Ihnen, die ich geſehen
e.“
„Wo dies?“
„Im Parke.“
„Zu welcher Stunde, an welchem Tag?“
„Um Mitternacht, am Dienftag zum erſten Mal.“
Sie haben mich geſehen?“
‚Wie ich Sie jept fehe, und ich habe auch dies,
jenige gefehen, welche Sie begleitete.“
„Es begleitete mih Semand ? Würden Sie dieſe
Perſon erfennen?”
„Borbin fam es mir vor, als fühe ich fie hier;
doch ich will es nicht behaupten. Nur die Haltung if
ähnlich ; was das Geficht betrifft, fo verbirgt man es,
wenn man foldye Verbrechen begeht.“
„Gut!“ fagte die Königin nit Ruhe; „Sie haben
meine Begleiterin nicht erkannt, aber mich...
„Dh! Sie, Madame, ich habe Sie gefehen ...
Wie! fehe ih Sie nicht?“
Sie ſtieß vor Nerger mit dem Fuß auf ben
Boden.
„Und... der Gefährte,” fagte fie, „derjenige,
welchem ich eine Nofe qrgeben habe... denn Sie haben
mich eine Roje geben fehen ?“
133
„Sa: dieſer Gavalier, wie fonnte ih ihn ein-
olen 2”
„Sie fennen ihn jedoch?“
5 rt nennt ihn Monfeigneur; das it Alles, was
weiß.“
Die Königin ſchlug fid) mit gedrängter Wuth vor
ie Stirne und rief:
„Bahren Sie fort; am Dienftag Habe ich eine
tofe gegeben... und am Mittwoch?“
„Am Mittwoch haben Sie Ihre beiden Hände zu
iffen gegeben.“
„Dh!“ murmelte fie, indem fie ſich in die Hände biß.
Am Donnertag endlich, geſtern?“
„Geſtern haben Sie anderthalb Stunden mit dies
m Mann in der Apollo-Grotte zugebradht, wo Sie
ihre Begleiterin allein gelaffen hatte.”
Die. Königin itand ungeſtüm auf.
„Und... Sie... haben mih ... gefehen?
ıgte fie jede Sylbe abſtoßend.
Charny Hub eine Hand zum Himmel empor, um
ı fchwören.
„Oh! ... er fhwört !” rief die Königin ebenfalls
on der Wuth fortgeriffen.
Charny wiederholte feierlih feine anflagende
Jeberve.
„Mich? mich?“ fagte die Königin, indem fie fi
n den Bufen klopfte, „mich haben Sie geſehen?“
„Sa, Sie, am Dienftag trugen Sie Ihr grünes
feid mit goldmoitirten Streifen, am Mittwoch Ihr
Heid mit blauem und roft'arbigem Aſtwerk. Geſtern
hr braungelbes Kleid, das Sie an hatten, als ich Ihnen
ım eriten Male die Hand füßte. Sie waren es! Sie
aren es! Ich flerbe vor Schmerz und Scham, indem
h Ihnen auf mein &ıben, auf meine Ehre, auf meinen
jvit fage, Sie waren ed, Madame! Sie waren es!"
- Die Königin ging mit großen Schritten auf der
134
Zerrafle auf unb ab, ohne ſich dar
daß fie ihre ſeitſame 9 fregung di
ließ, welche K von unten mit den 9
„Benn einen @id thäte, fag
and bei meinem Sohne, bei meiner
Id habe einen Bott, wie Gie!...
mir nicht!... er würde mir mit g
Eharny neigte das Hanpt.
„Wahn fnnig per!“ fügte die König
voll Energie die Hand fdättele und |
in ihr Zimmer z09. „@s ift alfe
Bolur, die Wolluf, eine unfauldi
anzuflagen; es if alio ein madhtiget
eine Königin zu entehren..: lau
ich Dir füge, daß nicht ich es bin,
Haf, plandf Du, wenn ich auf Goria
feit drei Tagen nad nenn Uhr nidt
bin? Soll id Dir durch meine 9
König, der mich hier geſehen, bewi
nicht anderswo fein fonnte? Melı
nit! er glaubt mic nicht!“
„Ich habe gefehen!“ eriwieberte
„Ob!“ riet plöglich die König
weiß! IR mir nit fon diefe g
dung in’6 @efibt geidleudert worber
nichi auf dem Ball der Oper, ben
miß bereiten, gef Sat mi
Mesmer in Ga den Neugierigen
märgen ein Mergerniß gebenb, gı
wiſſen es wohl, Sie, der. Gie Rh |
haben?“ .
„Madame, zu jener Zeit Habe {
weil ich nit daran glaubte. Hei
flagen, weil ich daran glaubte.“
Die Königin. hob ıpre durd) bie
ren Arme zum Himmel empor, zwi
nen tollten von ihren Wangen auf |
135
Mein Gott,“ ſprach fie, „ſchicke mir einen Ges
1, der mich rettet. Diefer hier foll mich nicht
ten, o mein Gott!“
zharny fühlte fi bis in den Grund des Herzens
dieſes einiadhe und Fräftige Gebet gerührt. Er
rg feine Augen in feine beiden Hände.
die Königin dachte einen Augenblick ftillfchweigend
dann fprady fie: -
Mein Herr, Sie find mir else Genugtbuung
ig. Vernehmen Sie die, welchẽ ih von Ihnen
e: Drei Nächte hinter einander baben Sie mid
inem Park in Gefellfchaft eines Mannes gefehen.
mußten jedoch, daß man ſchon Mißbraudy von der
licyfeit gemacht, welche irgend eine $rau im Ges
und im Gang mit mir, der unglüdlichen Königin,
doch da Sie lieber glauben wollen, ich fei es,
e in der Nacht berumlaufe, da Sie fagen werben,
tes, fo fehren Sie in den Park zu bderfelben
de zurüd, fehren Sie mit mir dahin zurüd. Bin
3, die Sie geftern gefehen, fo werden Sie mid
vendig heute nicht mehr fehen, da ich bei Ihnen
werde. Iſt e8 eine Andere, warum follten wir fie
inander nicht wiederfehen? Und wenn wir fie
... Ah! mein Herr! wie werden Sie bedauern,
Sie mich Alles fo eben leiden gemacht haben ?"
Sharny preßte fein Herz mit beiden Händen und
derte:
‚Sie thun zu viel für mich, Madame; ich ver-
ben od; fchmettern Sie mich micht durch Ihre
nieder.”
„Dh! ich werde Sie mit Beweiſen niederfchmet-
“ fagte die Königin, „nicht ein Wort zu irgend
ınd. Dieien Abend um zehn Uhr; erwarten Sie
der Thüre der Sägermeifterei, ‚was ich, „um
zu überzeugen, beichluffen haben werde. Gehen
mein Herr, und laffen Sie außen nidhts fichtbar
en.”
136
Charny fniete, ohne ein Wort zu fagen
und entfernte fich fodann.
Am Ende des zweien Salon ging er un
lich unter dem Blicke von Jeanne vorüber, die
den Augen verſchlanqg und ſich bereit hielt,
erten Ruf ber Königin bei Ihrer Majeftät
teten.
In dem bei ung erſcheinenden „Weltpansrama”
37 - 90. Bändchen) ift erfchienen und in allen Buchhand⸗
ungen zu haben:
Heife inSenegambien.
luf Befehl der franzöftfchen Regierung in den
Jahren 1843 und 1844 audgeführt durch die
yerren Huard-Beſſiniers, Jamin, Raf-
fenel u. A., beichrieben
von
Anne Raffenel.
Meberfegt von C. U. Schmitt.
Vier Baͤndchen. Preis 48 fr, over 16 Nar.
Mit geipanntem Sntereffe fah Frankreich, ſah Eu⸗
„pa ben Ergebniffen diefer Expedition entgegen; mit
ußerſter Beharrlichkeit und Aufopferung wurde fie von
en damit Beauftragten trog aller Schwierigfeiten aus⸗
führt. Der fchlimmfte Feind aller Europäer in jenen
degenden, das ungefunde Klima, nöthigte Zwei ber
‚eifenden, mitten auf dem Wege umgufehren; die übrigen
rei feßten nur um fo unverbrofiener das angefangene
3erf fort. Auf dem Senegal, dem Faleme, dem Gambia,
irch Galam, Bondu, Bambuf, Woolli, ziehen die un⸗
fhrodenen Wanderer trog Empörung, Sturm, Sonnen-
:and, trog Krankheit, Hunger und Durft; nicht die
braufende Strömung des durch Felfen eingeengten Fe
nicht die waflerlofe Wüfte von Woolli vermag
Schritte zu hemmen. Fern von jeder romantifchen
fhmüdung bietet das Tagebuch diefer Wanderun
mannigfachften Stoff zur Unterhaltung dar. Reife
niffe, Schilderung von Gegenden, lebendige Darft:
und Befchreibung der verfchiebenen Nationen unb
Abftufungen, eine genaue Eharafterifirung der Me
Fulahs, Peuls, Toufouleurs, Mandingos, GEr
Laobes ꝛc., untermiſcht mit anziehenden Volksſagen
Alles kann nicht verfehlen, das Intereſſe des leſelu
Publikums zu erwecken und zu befriedigen. Allein
der eigentliche Gelehrte, der geographiſche und ı
biftorifhe Forſcher wird dieſes Werk gewiß nicht
reiche Ausbeute aus der Hand legen. Die Befchre
vieler bis jeßt noch gar nicht ober nicht genau beke
Pflanzen, die ſorgfältigſte Berüdfichtigung ber in
fanten geologifchen Berhältniffe, Die Angaben der ı
tiven Entfernungen und der Wegrichtung, gebe:
Merk einen ächt wiffenfchaftlichen Werth. Bine hu
jüttlich sreligiöfe Weltanfchauung leuchtet überall
und zeigt fich befonders in den ganz neuen An
und Borfchlägen, die der Verfaſſer in Betreff der
verei und ihrer endlichen Befeitigung entwidelt.
Stuttgart, im Marz 1850,
Franckh'ſche Verlagshant
Ä Das |
elletriftifche Ausland.
Kabinetsbiblisthek
der
elaffifchen Romane aller Nationen.
ser”
1318Stes bis 1321fes Bändchen.
Denkwürdigkeiten eines Arztes.
Zweite Abtheilung.
Das Balsband der Königin.
Zwölftes His fünfzehntes Bändchen.
Jedes Bändchen koſtet 6 Kreuzer oder 8 Reugroſchen
Stuttgart.
Berlag ver Frauckh'ſchen Buchhandlung.
- 18%.
Dust vr 8. $ 2 mm muttenbeng In Bi
ienkwürdigkeiten eines Arztes.
Don
Alegander Dumas.
Zweite Abtheilung.
Das Halsband der Könfgin.
Zwölftes bis fünfzehntes Bänpchen.
Ausdem Franzöſiſchen
von Ä
Dr. Auguft Boller.
— ö—
Stuttgart.
Berlag der Frauckh'ſchen Buchhandlung .
1850.
LXVIL
Weib und Damon.
ne hatte die Unruhe von Eharny, die Beforgniß
in, den Eifer Beider, eine Unterredung ans
‚bemerkt.
eine Frau von der Stärke von Jeame war
‚ als es brauchte, um viele Dinge zu errathen;
n nicht nöthig, beizufügen, was ſchon alle
riffen hat.
dem durch Gaglioftro zwifchen Zrau von 2a
nd Dliva veranlaßten Zufammentreffen fann
vie der lebten drei Tage der Commentare ent⸗
er Königin zurüdgefehrt, horchte, beobachtete
fie wollte auf dem Befihte von Marie An⸗
ie Beweiſe von dem erfennen, was fie arg⸗
die Königin war feit einiger Zeit gewohnt,
t zu mißtrauen. Sie ließ nichts durchſchauen.
var alfv auf die Mutfmaßungen befchränft.
n hatte fie einem von ihren Ladeien befohlen,
n Charny zu folgen. Der Diener fam zurüd
ete, Herr von Charny fei an einem Haufe
des Parkes in der Nähe der Hagebuchen ver:
l,
unterliegt feinem Zweifel mehr,“ badhte
„diefer Menſch if ein Verliebter, er Alles
at.” u"
(dband der Königin, IV. 41”
136
Cbarny Fniete, ohne ein Wort
und entfernte fid) fodann. ,
Am Ende des zweien Salon gin
lich unter dem Blide von Jeanne pord
den Augen verſchlang und ſich bereit
erien Ruf bes Königin bei Ihter
treten.
In dem bei uns ericheinenden „Weltpansrama”
87— 90. Baͤndchen) ift erſchienen und in allen Buchhand⸗
ungen zu haben:
Reiſe inSenegambien.
Auf Befehl der franzöfiichen Regierung in den
Sahren 1843 und 1844 audgeführt durch die
Jerren Huard-Beſſiniers, Jamin, Raf⸗
fenel u. A., beſchrieben
von
Anne Raffenel.
Ueberſetzt von C. A. Schmitt.
"Biey Bändchen. Preis 48 tr. over 16 Nur.
Mit geſpanntem Intereffe fah Frankreich, fah Eu-
opa ben Ergebniffen diefer Expedition entgegen; mit
ußerfter Beharrlichfeit und Aufopferung wurde fle von
en damit Beauftragten troß aller Schwierigfeiten aus⸗
eführt. Der fchlimmfte Feind aller Europäer in jenen
begenden, das ungefunde Klima, nöthigte Zwei ber
teifenden, mitten auf dem Wege umzufehren; die übrigen
rei festen nur um fo unverbrofiener das angefangene
Berk fort. Auf dem Senegal, dem Faleme, dem Gambia,
urh Galam, Bondu, Bambuf, Woolli, ziehen die un
fchrodenen Wanderer troß Empörung, Sturm, Eonnen-
rand, trog Krankheit, Hunger und Durft; nicht die
Das |
lletriſtiſche Ausland.
Kabinetsbibliothek
der
affifchen Homane aller Nationen.
en 1 z 2 Zu 2000
1818Stes bis 182Iſtes Bändchen.
Denkwürdigkeiten eines Arztes.
Zweite Abtheilung.
Das Balsband der Königin.
Zwölftes bis fünfzehntes Bäudchen.
des Bändchen koſtet 6 Kreuzer over B Reugroſchen
Stuttgart.
Berlag der Frauckh'ſchen Buchhandlung.
⸗ 418%.
Drad ver 8. Hefbaeruierei Be Betienlerg in Guligent,
nkwürdigkeiten eines Arztes.
Bon
Alegander Dumas.
Zweite Abtheilung.
Das Halsband der Königin.
Zwölftes bis fünfzehntes Bändchen.
Aus dem Sranzdftigen
von |
Dr. Auguft Boller.
— BI —
Stuttgart,
Berlag der Frauckh'ſchen Buchhandlung ·
1850.
2
LXVII.
Weib und Dämon.
Jeanne hatte die Unruhe von Charny, die Beſorgniß
der Königin, den Kifer Beider, eine Unterredung ans
zufnüpfen, bemerkt.
Zür eine Frau von der Stärfe von Jeame war
dies mehr, als es brauchte, um viele Dinge zu errathen;
wir haben nicht nöthig, beizufügen, was ſchon alle
Melt begriffen Hat.
Nach dem durch Baglioftro zwifchen Frau von La
Mothe und Dliva veranlaßten Zufammentreffen fann
be Komödie der legten drei Tage der Commentare ent-
ehren.
Zu der Königin zurüdgefehrt, horchte, beobachtete
Jeanne; fie wollte auf dem Geſichte von Marie Anz
— die Beweiſe von dem erkennen, was ſie arg⸗
wohnte.
Doch die Königin war ſeit einiger Zeit gewohnt,
aller Welt zu mißtrauen. Sie ließ nichts durchſchauen.
Seanne war alfo auf die Muthmaßungen befchränft.
Schon hatte fie einem von ihren Xadeien befohlen,
Herrn von Eharny zu folgen. Der Diener fam zurüd
und meldete, Herr von Charny fei an einem Haufe
am Ende des Parkes in der Nähe der Hagebuchen ver:
ſchwunden.
„Es unterliegt keinem Zweifel mehr;,“ dachte
Jeanne, „dieſer Menſch iſt ein Verliebter, per Alles
geſehen hat.“ wi
Das Haldband der Königin, IV. 1 _
2
Sie hörte die Königin zu Frau von Miiery
agen:
ſag „Ich fühle mich ſehr ſchwach, meine liebe Miſery,
und ich werde mich heute Abend um acht Uhr zu Betie
legen.“
Und als die Ehrendame fragend in fie drang, fügte
die Königin bei.
„Ich werde Niemand empfangen.“
„Das iſt flar genug,“ fagte Jeanne zu fidh felbit,
„eine Mahnfinnige, die das nicht begreifen würde.“
Einer heftigen ®emüthsbewegung in Yolge ber
Scene, die fie mit Charny gehabt, preisgegeben, ents
ließ die Königin bald ihr ganzes Gefolge. Jeanne
wünfchte ſich hierüber zum erſten Mal, feitdem fie bei
Hofe eingetreten, Glüd.
„Die Karten find vermengt,“ fagte fie; „nad
Paris! Es in Zeit, aufzulöfen, was ich gemacht habe.“
Und fie fuhr fogleich von Verjuilles weg.
Nach ihrem Haufe in der Aue Saint-Claude ges
führt, fand fle bier ein herrliches Geſchenk in Silber
zeug, das der Garvinal an demfelben Morgen gefgidt
atte.
’ Nachdem fie diefem Geſchenk, vbaleih es werth⸗
voll war, nur einen gleichgültigen Blid gegönnt Hatte,
fhaute fie hinter ihrem Vorhange nach Dliva, deren
Fenſter noch nicht geöffnet waren. Dliva ſchlief ohne
Zweifel ermüdet; e8 herrfchte eine fehr große Hige an
diefem Tay.
Jeanne ließ fih zum Garbinal fahren, ben fie
ſtrahlend, aufgeblafen, unverfchämt vor Freude und Stolz
fand: au feinem reihen Schreibtifche, einem Meiſterſtück
von Boule, figend, zerriß er und ſchrieb er abermals,
ohne mude zu werden, einen Brief, der immer wieder
anfing und nie endete,
Bei der Meldung feines Kammerdieners rief ber
Cardinal:
„Dieſe theure Graͤfin!“
3
Und er ftürzte ihr entgegen.
Seanne empfing die Küfle, mit denen der Prälat
re Arme und ihre Hände bedeckte. Sie febte fid
quem, um fo gut als möglidy das Geſpräch auszu-
ten.
Monfeigneur begann mit Betheuerungen feiner
anfbarfeit, denen es nicht an einer aufrichtigen Be⸗
dtſamkeit mangelte.
Jeanne unterbrach ihn und fagte:
„Willen Sie, daß Sie ein zartfühlender Liebhaber
id, Monjeigneur, und daß ich Ihnen danke?“
„Barum ?“
„Nicht wegen des reizenden Geſchenkes, das Sie
ir diefen Morgen haben zuftellen laffen, fondern weil
ie fo vorfichtig gewefen, e8 mir nicht in das Fleine
aus zu ſchicken. Wahrhaftig, das iſt zartfühlend.“
„Bei wem fann man von Zartgefühl ſprechen, wenn
ht bei Ihnen?” erwiederte der Cardinal.
„Sie find fein glüdiiher Mann,” fagte Jeanne;
Sie find ein triumphirender Gott.“
„Sch geftehe es, und das Glück erfchredt mid;
; beengt mich; e8 macht mir den Anblid der anderen
tenfchen unerträglich. Sch erinnere mich der heidniſchen
abel von SIupiter, der feiner Strahlen müde.“
Jeanne lächelte.
„Sie fommen von Berfailles?" fragte er gierig.
„30.
„Sie haben fie gefehen?“
„Ich . . . komme fo eben von ihr. . .*
„Sie hat... bat... nichts geſagt?“
„Ei! was foll fie ſagen?“
„Berzeihen Sie; es ift nit mehr Neugierde, es
t Muth.” .
„Fragen Sie mich nicht.“
„Dh! Graͤfin.“ nn
„Nein, fage ich Ihnen.“ a
„Wie Sie das anfündigen! man von glauben,
ne 7
!
4
Kan man Sie flieht, Ste bringen eine fchlimme Nach⸗
richt.”
„Monfeigneur, heißen Sie mich nicht ſprechen.“
„Sräfin! Gräfin... .“
Und der Gardinal erbleichte,
„Ein zu großes Glück,“ fagte er, „gleicht dem
Eulminationspunfte eines Glüdsrades, neben feinem
höchſten Punkt ift der Anfang der Abnahme Dod
ſchönen Sie mich nicht, wenn ein Unglüd obwaltet;
nicht wahr . . . es waltet feines ob!“
„Ich werde das im Begentheil ein fehr großes
Glück nennen, Monfeigneur,” erwiederte Jeanne.
„Das? ... was denn?.. . was wollen Gie das
mit fangen? welche Sade if ein Glück?“
rat entdeckt worden zu fein," erwieberte Jeanne
roden.
„Sb! ...“ rief lächelnd der Kardinal. „Mit Bors
fichtsmaßregeln, mit dem Berflande zweier Herzen und
eines Weiftes . . .”
„Ein Beift und zwei Herzen, Monfeigneur, vers
hindern die Augen nie, im Blätterwerf zu ſehen.“
„Man bat geſehen!“ rief Herr von Rohan ers
ſchrocken.
„Ich habe alle Urſache, es zu glauben.“
„Dann . . . wenn man geſehen bat, hat man auch
erfannı 3"
„Oh! daran denfen Sie nit, Monfeigneur; wenn
man erfannt hätte, wenn fidy diefes Geheimniß in der
Gewalt von irgend Jemand befände, fo wäre Jeanne
von Valois fhon am Ende der Welt, und Sie, Sie
müßten todt fein.“
„Das ift wahr, Gräfin: mit all diefem Zögern,
mit all diefem abſichtlichen Schweigen röften Sie mid
am Keinen euer. Dan bat gefehen, gut... bod
man bat Leute in einem Park fpazieren gehen fchen,
iſt das nicht erlaubt?"
„Bragen Sie den König.”
„Der König weiß!“
„Sch wiederhole Shnen noch einmal, wenn ber
König wüßte, wären Sie in der Baftille und ich im
Hoſpital. Doch da ein vermiedenes Unglüd fo viel
werth ift, als zwei verheißene Glüde, fo fomme ich,
um Ihnen zu fagen: verfuhen Sie Gott nicht nod
einmal.”
„Wie beliebt?” rief der Cardinal; „was bebeuten
Shre Worte, theure Gräfin?“
„Begreifen Sie diefelben nicht?“
„Ich fürchte.
„Ich Hätte bange, wenn Sie mich nicht be—
ruhigten.“
„Was muß ich zu dieſem Ende thun?“
„Richt mehr nach Berfailles gehen.”
Der Cardinal machte einen Sprung.
„Bei Tage?" fagte er lächelnd.
„Zuerſt bei Tage, und dann bei Nacht!“
Der von Rohan bebte und Tieß bie Hand der
Gräfin los.
„Unmoͤglich,“ fagte er.
„Nun ift die Reihe an mir, Ihnen in’s Geficht
zu ſchauen,“ fprady fie, „Sie haben, glaube ich, gefagt,
unmöglihd. Warum unmöglich?"
„Zeil ich im Herzen eine Liebe habe, die Aur
mit meinem Leben endigen wird.”
„Sch bemerfe es," unterbrach ironifch die Grafin,
„und um fehneller zum NRefultat zu gelangen, beharren
Sie darauf, nady dem Parfe zurüdzufehren. Ja, wenn
Sie dahin zurüdfehren, wird Ihre Liebe nur mit Ihrem
Leben endigen, und beide werden mit einem Schlage
abgelhnitten werben,”
„Welche Beängftigungen, Gräfin. . Sie, die
geftern noch fo muthig waren?”
„Ich Habe ven —* der Thiere. Ich fürchte
nichts, 5 lange nicht eine Gefahr vorhanden iſt.“
6
„SH, ih Habe den Muth meines Gefchlechtes.
Ich bin nur glücklich in Gegenwart der Gefahr ſelbſt.“
„Sehr gut; duch dann erlauben Sie mir, Ihnen
zu ſagen ...“
Nichts, Gräfin, nichts,“ rief der verliebte Prälat,
„das Dpfer iſt gebracht, der Würfel liegt, den Tor,
wenn man will, oder die Liebe! Ich werde nach Ber:
failles zurückkehren.“
„Sanz allein”
„Sollten Sie mid verlaffen?” erwiederte Herr
von Rohan im Tone des Vorwurfs.
„Ich, zuerft.“
„Sie wird fommen.”
„Sie täuichen fi, fie wird nicht FOmmen.“
„Haben Sie mir das etwa von ihrer Seite an-
zufündigen ?” fragte zitternd der Cardinal.
„Das ift der Streih, ten ich feit einer halben
Stunde für Sie zu ſchwächen ſuchte.“
„Sie will mid nicht mehr fehen?*
„Nie, und ich bin es, die es ihr geratben Hat.“
„Madame,“ fprach der Vrälat mit innigem Tone,
„es it ſchlimm von Shnen, das fie das Mefler in ein
Herz bohren, weiches Sie als ſo zart kennen.“
„88 wäre noch viel jcylimmer von mir, Mon:
feigneur, wenn ich zwei tolle Geichöpfe in Grmangelung
eines guten Rathes fih ins Verderben flürzen Liege.
Ich gebe den Rath, benüge ihn, wer da will.”
„Sräfin, Gräfin, eher ſteiben.“
„Das it Ihre Sache, und es it leicht.“
„Sterben, um zu fterben,” ſprach der Cardinal
mit Dumpfer Stimme, „das Ende des Verdammten if
mir lieber. Gefegnet jei die Hölle, wo ih meine Miüts
ſchuldige finden werde.“
„Frommer Prälat, Sie blaephemiren,“ ſagte bie
Gräfin; „Unterthan, Sie entthronen Ihre Koönigin!
Mann, Sie ſtürzen eine Frau in's Verderben.“
ww 7
Der Cardinal faßte die Gräfin hei der Hand und
:ief wie in einem Delirium:
„Geſtehen Sie, daß fie Ihnen das nicht gefagt
yat, und daß fie mich nicht fu verleugnen wird ?“
„Sch fpreche zu Ihnen in ihrem Namen.”
„Sie verlangt eine Frift.“
„Nehmen Sie e8, wie Sie wollen, doch beobachten
Sie ihren Befehl.“
„Der Park ift nicht der einzige Drt, wo man fidh
eben fann, es gibt taufend fidherere Drte... Die
tönigin ift ja zu Ihnen gefommen ?“
„Monfeigneur, nicht ein Wort mehr; ich trage ein
ödtliches Gewicht in mir, das Ihres Geheimniffes.
sch fühle mid) nicht ſtark genug, es lange zu tragen.
Bas die Indiscretionen, was der Zufall, was die Bös—
ilfigfeit Ihrer Feinde nicht thun, werden die Gewif-
ensbiſſe thun. Sehen Sie, ich weiß, daß fie fühig
t, dem König in einem Augenblick der Berzweif:
ıng Alles zu geſtehen.“
„Suter Gott! ift es möglich,” rief der Bardinal,
fie würde das thun!”
„Wenn Sie fie fähen, fie müßte Ihr Mitleid er-
gen |”
g Der Cardinal ſtand haſtig auf.
„Was iſt' zu thun?“ ſagte er.
b „Man muß ihr den Troſt des Stillſchweigens
eben.“
„Sie wird glauben, ich habe ſie vergeſſen.“
Jeanne zuckte die Achſeln.
„Sie wird mich beſchuldigen, ich ſei ein Feiger.“
„Feige, um fie zu retten, nie!“
„Verzeiht eine Frau, daß man ſich ihrer Gegen⸗
art beraubt?“
„Beurtheilen Sie dieſe nicht, wie Sie mich beur⸗
eilen würden ...“
SH halte fie für groß und flarf. Sch Liebe fie
egen ihres Muthes und ihres edlen Herzens. Gie
kann alfo auf mich zählen, wie ih auf fl
werde. Sch will fie ein legtes Mal fehen;
meinen ganzen Gedanken erfahren, und was fi
dem fie mich angehört hat, enticheidet, werbe
füllen, wie ich es bei einem heiligen Gelübde
Seanne fland auf.
„Wie es Ihnen beliebt. Gehen Sie, nur
Sie allein gehen. Ich Habe den Schlüffel zu
in die Seine geworfen, als ich heute zurüdfehn
werden alfo nah Ihrem Belieben nah Bi
eben, während ich nach der Schweiz oder na
and abreife. Se weiter ich von der Bombe
bin, deſto weniger werde ich ihr Zerplagen für
„Gräfin, Sie würden mich verlafien! DI
Gott, mit wem würde ich dann von ihr fpreche
Seanne erinnerte fi bier der Scenen v
lière; nie hatte ein wahnftnnigerer Valère eiı
fhmigteren Dorine bequemere Erwieberungen g:
„Haben Sie nicht den Park und die (
fagte Jeanne, „Sie werden file den Namen Xı
lehren.”
„Sräfin, haben Sie Mitleid. Ich bin
weiflung,” rief der Prälat mit einem aus dem
Fervorgegängenen Ausdrud.
„Nun wohl!” ſprach Jeanne mit der gan
Energie des Wundarztes, der die Ampyutatio
Gliedes entfcheidet; „find Sie in Berzweiflun;
von Rohan, fo laffen Sie fih nicht zu Ki
verleiten, welche gerährlicher als das Pulver,
Pet, als der Tod! If Ihnen fo viel an dief
gelegen, fo erhalten Sie fidy diefelbe, ſtatt
Brunde zu richten, und wenn es Ihnen nicht t
an Herz und an Gedächtniß gebricht, wagen
nicht, diejenigen in Ihren Ruin Hineinzuziehen
Ihnen aus Freundfchaft gedient haben. Id
nit mit dem Feuer. Schwoͤren Sie mir,
Schritt zu thun, um bie Königin zu fehen 3
"9 \
u fehen, hören Sie? ich fage nicht, fie innerhalb vier:
ehn Tagen von heute an zu fprechen; fhwören Sie
as, fo bleibe ich, und werde Shnen noch dienen können.
sind Sie entſchloſſen, Allem zu trogen, um mein Ber:
ot und das ihrige zu übertreten ? ıch werde es erfah:
en, und zehn Minuten nachber reife ih ab! Sie
werden fich herausziehen, wie Sie fünnen.”
„Das ift gräßlich,“ murmelte der Gardinal, „der
Sturz ift zerfchmetternd; von diefem Glück herabfallen!
)h! ich werde darüber flerben.“
„Sehen Sie doch,” flüfterte ihm Jeanne in’s Ohr,
Sie liebten ohnedies nur aus Gitelkeit.“
„Heute aus wahrer Liebe,” entgegnete der Kardinal,
„So leiden Sie alfo Heute; das ift eine Beringung
es Standes. Auf, Monfeigneur, entfcheiden Sie fi;
leibe ih Hier? bin ih auf dem Wege nad Lau:
inne?“
„Bleiben Sie, Gräfin, aber finden Sie nur ein
hmerzſtillendes Mittel. Die Wunde iſt zu gräßlich.“
„Schwören Sie mir, zu gehorchen?“
„Bei meinem Worte als Rohan.”
„But! Ihr fchmerzftillendes Mittel ift gefunden.
ch verbiete Ihnen die Zufammenkfünfte, aber ich ver-
iete Shnen die Briefe nicht.“
„Wahrhaftig!” rief ver Wahnfinnige, wieder belebt
urch diefe Hoffnung. „Ich werde fchreiben können?“
„Berfuchen Sie e8.“
„Und... file würde mir antworten ?”
Sch werde es verfuchen.”
Der Eardinal verfchlang mit Küffen die Hand von
eanne. Er nannte fie feinen Schugengel.
Er mußte ſehr lachen, der Dämon, der im Herzen
er Bräfin wohnte.
10
LXVIU.
Die Nacht.
An demfelben Tage, gegen vier Uhr Abende, hielt
ein Dann zu Pferde am Saume des Parks, hinter den
Apollo:Bädern.
Diefer Reiter machte eine Vergnügenepromenabe im
Schritt; nachdenkend wie Hyppolit, ſchön wie diefer, ließ
feine Hand die Zügel auf dem Halfe des Roſſes fchwanfen.
Er hielt, wie gelagt, an der Stelle an, wo Herr
von Rohan jeit drei Tagen fein Pferd anhalten ließ.
Der Boden war ganz dur die Hufeifen zerfiampft
und er jah die jungen Zweige rings um die Eiche abge:
jreffen, an deren Stamm das Thier angebunden gewefen.
Der Reiter flieg ab.
„Das ift ein fehr verwüſteter Platz,“ fagte er.
Und er näherte fih der Mauer.
„Bier find die Spuren vom Hinauffteigen; Bier
it eine fürzlich geöffnete Thüre. Das hatte ich mir
gedacht.
„Man Hat nicht den Krieg mit den Indianern
der Savannen geführt, ohne fih auf die Spuren von
Thieren und Menichen zu veritehben. Seit vierzehn
Tagen aber ift Herr von Charny zurüdgefehrt; feit
vierzehn Tagen hat ih Herr von Charny nicht gezeigt.
Tiefe Thüre ift es, weldbe Herr von Charny zu feinem
Eintritt in Berfailles gewählt bat.”
So ſprechend feufzte der Reiter geräufhvoll, als
tiffe er fi feine Seele mit diefem Seufier aus.
„Kalten wir dem Nächften fein GOlück,“ murmelte
er, während er eine nach der andern die genannten
Spuren auf dem Rajen und an den Mauern betrachtete.
„Was Gott dem Einen gibt, verweigert er dem Andern.
Nicht umjonft macht Bott Glückliche und Unglüdlide;
jein Mille jei gepriefen.
11
„Man müßte aber einen Beweis haben. Um: wels
chen Breis, durch welches Mittel ihn erlangen?
„Oh! nichts iſt einfacher. Im Gebüſche, in der
Nacht, vermöchte man einen Menfchen nicht zu ents
deefen, und von feinem Berfterfe aus vermöchte er die
jenigen zu fehen, welche hierher Fommen. Heute Abend
werde ih im Gebüfche fein.”
Der Reiter nahm die Zügel feines Pferdes zufam-
men, flieg langfam auf und verfchwand, ohne den
Shritt feines Roffes zu befhleunigen, an der Ede der
auer.
Charny aber Hatte fich, den Befehlen der Königin
gehorchend, in feiner Wohnung eingefchloffen und er-
wartete eine Botfchaft von ihr.
Es wurde Nacht, nichts erihien. Statt an dem
Senfter des Pavillon zu lauern, das auf den Park
aing, lauerte Charny in demielben Zimmer an dem
Fenſter, das auf die Eleine Gaſſe ging. Die Königin
hatte gefagt: bei der Thüre der Jägermeifterei; aber
Kenfter und Thüre in diefem Pavillon, das war nur
Eines, nur Erdgeſchoß, und die Hauptiache, daß man
Alles fehen konnte, was vorging.
Er befragte die tiefe Nacht und hoffte von einer
Minute zur andern den Galopp eines Reiters oder
den hafligen Schritt eines Läufers zu hören.
Es ſchlug halb elf Uhr Nachts. Die Königin hatte
Eharny hintergangen. Sie hatte im erften Augenblick
der Ueberraſchung ein Zugeftändniß gemacht. Beſchämt
hatte fie verfprochen, was ihr zu halten nie möglich
war, und fie hatte — ein geiftreicher Gedanfe — ver:
fproden mit dem Bemwußtjein, daß fie nicht Halten
würde.
Mit jener Reichtigkeit des Argwohns, welche die
heftig verliebten Leute charafterifirt, machte es fi
Charny ſchon zum Vorwurf, daß er fo leichtgläubig
gewefen. on:
„Wie Eonnte ich,“ rief er, „ich, ber ich geichen,
12
Lügen glauben und meine Leberzeugung, meine Gewiß⸗
heit einer albernen Hoffnung opfern ?“
Er entwickelte mit Wut diefen düfteren Gedanken,
ale das Geräuſch einer Hand voll Sand, die man an
das andere Fenfter warf, feine Aufmerkfamteit er:
regte und ihn nach der Seite des Parkes laufen
machte.
Er ſah nun, in einem weiten ſchwarzen Mantel,
unten bei den Hagebuchen des Parfes eine weibliche
Geftalt, welde gegen ihn ein bleiches, ängftlicyes Ges
ficht erhob.
Charny konnte einen Schrei der Freude und zus
glei des Bedauerns nicht unterbrüden. Die rau,
die ihn erwartete, die ihn rief, war die Königin!
Mit einem Sprunge fegte er zum Fenſter hinaus
und fiel gerade vor die Königin nieder.
„Eh! Sie find da, mein Herr? Das if ein
Glück!“ fagte mit leiſer Stimme un) ganz bewegt
Marie Antoinette; „was machten Sie denn?”
„Sie! Sie! Madame! . . Sie ſelbſt? iſt es mög:
li?” erwiederte Charny.
„Wurteten Sie fo?”
„Sch wartete auf der Seite der Bafle.“
„Konnte ich durch die Gaſſe fommen, während es
jo einfach ift, dur den VBarf zu kommen ?*
„Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, ich würde Eie
fehen, Madame,” ſprach Eharny mit einem Ausdrud
leidenſchaftlicher Danfbarfeit.
Marie Antoinette unterbrach ihn:
„Bleiben wir nicht Hier; es ift Hier fo hell: Haben
Eie Shren Degen ?”
„Gut! .. Wo fagen Sie, baß bie Leute Kereins
gefommen, die Sie geſehen?“
„Dur diefe Thüre.“
„Und zu weldher Stunde?”
„Jedes Mal um Mitternacht.”
13
„Es ift kein rund vorhanden, daß fie Heute
(bend nicht auch Fommen follten. Sie haben mit
Niemand gefprochen ?“
„Mit Niemand.” 0
„Sehen wir in’s Gebüſch und warten wir.“
„Dh! Eure Majeftät . . ."
Die Königin ging voran und machte mit ziemlich
FA Schritt ein Stück Weges in umgefehrter
ichtung.
„Sie begreifen wohl," fagte fie ploͤtzlich, ale
yollte fie dem Gedanken von Eharny entgegenfommen,
‚Sie begreifen, daß ich mir das Vergnügen gemacht
abe, die Sadhe dem PBolizeilieutenant zu ergäblen.
Seitdem ich mich beflagt, hätte mir Herr von Erosne
chon müflen Gerechtigkeit widerfahren laffen. Wenn
ie Sreatur, die meinen Namen ufurpirt Hat, nachdem
te fich eine Aehnlichfeit mit mir angemaßt hatte, noch
richt verhaftet, wenn bdiefes ganze Geheimniß noch
ıicht aufgeklärt ift, fo fühlen Sie wohl, daß zwei
Brände odwalten: entweder die Unfähigkeit von Herrn
von Grosne, — was nicht der Fall ift, — oder fein
Zufammenwirfen mit meinen Feinden. Mir fcheint es
iber fchwierig, daß man fich bei mir, in meinem Parke,
ie ſchmähliche Komödie erlauben foll, die Sie mir
yezeichnet haben, ohne eines unmittelbaren Beiftands
‚der einer ftiflfchweigenden Genoſſenſchaft ficher zu fein.
Darum fcheinen mir diejenigen, welche fich deſſen
chuldig gemacht haben, gefährlich genug zu fein; daß
ch mich bei der Sorge, fle zu entlarven, nur auf mid
elbft verlaffee Was denfen Sie davon ?“
„Sch bitte Eure Majeftät um Grlaubnig, ben
Mund nicht mehr zu öffnen. Ich bin in Berzweiflung;
ch babe noch Befürdtungen, und ich habe feinen
Berdacht mehr.“
. „Sie find wenigftens ein redlicher Mann,” fagte
ie Königin lebhaft, „Sie wiflen die Dinge in’s Ge:
ſicht zu jagen; das ift ein Verdienſt, welches hie und
14
da die Unfchuldigen verwunden fann, wenn man fi
in Beziehung auf fie täufchtz aber eine Wunde Heilt.“
„zb! Madame, es fchlägt elf Uhr: ich zittere.”
„Berfihern Sie fih, daß Niemand bier ift,“ fagte
die Königin, um ihren Gefährten zu entfernen.
Charny gehorchte. Er lief in den Gebüfchen ums
her bis zu den Mauern.
„Niemand,“ ſprach er, als er zurüdfam.
„Wo it die Scene vorgeiallen, die Sie erzählten ?“
„Madame, in diefem Augenblid, als ich von meiner
Nachforſchung zurüdfehrte, habe ich einen furchtbaren
Etreih in's Herz befommen. Ich erblidte Sie an
derfelben Stelle, wo ich in den vergangenen Nüchten
die falfhe Königin von Franfreich ſah.“
„Hier!“ riet die Königin, indem fie fih mit Ekel
von der Stelle entfernte, die fie einnahm.
„Unter diefem Kaitanienbaume, ja, Madame.“
„Dann bleiben wir nicht hier, mein Herr,“ fagte
Marie Antoinette, „denn wenn fie hierher gefommen
find, fo werten fie wieder hierher kommen.“
Charny folgte der Königin in eine andere Allee.
Sein Herz fchlug fo ttarf, daß er das Geräuſch der
Thüre, die fich öffnen würde, nicht zu hören befürchtete.
Schweigiam und ſtolz, wartete fie auf die Gr:
fyeinung des lebenrigen Beweiſes ihrer Unfchuld.
58 ſchlug Mitternacht. Die Thüre öffnete ſich nicht.
Es verging eine halbe Stunde, während welcher
Marie Antoinette Charny mehr als zehnmal fragte, ob
die Betrüger fehr vünftlich bei jedem von ihren Nen-
dezvous geweſen feien?
(58 ſchlug drei Viertel nach Mitternacht auf Saint:
Louis von VBerfailles.
Die Königin ftampfte vor Ungeduld mit dem Fuße.
„Zie werden feben, daß fle Beute nicht fommen,“
fagte fie; „Felde Unglücksfälle widerfahren nur mir!“
Und während fie diefe Worte ſprach, ſchaute fie
Charny an, als fuchte fie Streit mit ihm, hätte fie in
15
feinen Augen ben geringfien Schimmer von Triumph
oder Ironie entdedt.
Aber in demfelden Maße erbleichend, in welchem
fein Verdacht in ihm wiederfehrte, beobachtete er eine
fo ernfte und Ih nermürhige Haltung, daß fein Geficht
gewiß in dieſem Augenblid der Wiederſchein der feelen-
reinen Geduld der Märtyrer und der Engel war.
Die Königin nahm ihn beim Arm und führte ihn
zu dem Kaftanienbaum, unter dem fie ihren erften
Haft gemacht Hatten.
„Sie jagen,” flüfterte fle, „Hier fei es gewefen,
wo Sie diefe Leute gejehen?“
„Hier, auf diefer Stelle, Madame.”
„Hier hat die Frau dem Mann eine Rofe gegeben?“
„sa, Eure Majeftät.”
Die Königin war fo ſchwach, fo angegriffen von
vem langen Verweilen in diefem feuchten Barf, daß fie
ih an den Stamm des Baumes anlehnte und den Kopf
wf ihre Bruſt finfen ließ.
Allmälig bogen ſich ihre Beine; er gab ihr den
(rm nicht; fie fiel vielmehr auf das Gras und das
Roos, als daß fie ſich darauf feste.
Er blieb unbeweglidy und duͤſter.
Sie drüdte ihre beiden Hände auf ihr Geficht und
jarny konnte nicht eine Thräne diefer Königin zwifchen
en langen, weißen Fingern herabgleiten ſehen.
Plöglich erhob fle den Kopf und fprad:
„Mein Herr, Sie haben Recht; ich bin verurtheilt.
hatte verfprochen, heute zu beweifen, daß Sie midy
eumdet; Gott will es nicht; ich beuge mid.“
„Madame...“ murmelte Charny.
„Ich habe gethan,“ fuhr fie fort, „was feine Frau
teiner Stelle gethan Hätte. Ich ſpreche nicht von
yinnen. Oh! mein Herr, was ift eine Königin,
fie nit einmal über ein Herz gebieten fann?
ift eine Königin, wenn fle nicht einmal die Werth:
ng eines redlichen Mannes erlangt? Oh! mein
16
Herr, helfen Sie mir menigftens aufftehen, dami
gehen fann; verachten Sie mich nicht bis zu e
Orade, daß Sie mir Ihre Hand verweigern.”
g end flürzte wie ein Wahnfinniger auf
niee.
„Madame,“ fagte er, während er mit feiner S
auf die Erde fohlug, „nicht wahr, wenn ich nich
Unglüdflicher wäre, der Sie liebt, Sie würden
vergeben?“
„Sie!” rief die Königin mit einem bittern
lächter, „Sie! Sie lieben mich, und Sie halten
für ſchändlich! ...“
„Oh! ... Madame.”
„Sie! ... Sie, der Sie ein Bebächtniß E
müßten, Sie beichuldigen mich, ich habe Hier eine !
dort einen Kuß, dort meine Liebe einem andern 9
a! ... Mein Herr, feine Lüge, Sie lieben
nicht!“
„Madame, dieſes Geſpenſt war da, dieſes Gel
einer verliebten Königin. Da auch, wo idy bin,
das Gefvenft des Geliebten. Reiben Sie mir das
aus, da dieſe zwei böllifhen Bilder in meinem H
leben und es verzehren.”
Cie nahm feine Hand und zug ihn mit
exaltirten Geberde zu fid.
„Sie haben geſehen ... Sie haben gehört
Nicht wahr, ih war es fiherlih?* ſprach fie mi
ftifter Stimme. ... „Ob! ih war es, fuchen
nichts Anderes. Nun wohl! wenn ich auf eben b:
Plage, unter eben dieſem Kaſtanienbaum flpend,
ih war, Sie zu meinen Füßen, wie der Andere
wenn ich Shnen die Hand drüde, wenn ih Si
meine Bruft ziehe, wenn ich Sie in meine Arme nı
wenn ich Ihnen fage: Ich, die ich dies Alles dem
dern gethan Habe, nicht wahr? ich, die ich baflelbe
Andern gefagt babe, nicht wahr? wenn ich 2
fage: Herr von Eharny, ich liebte, ich Liebe und ı
. 17
nur ein einziges Weſen auf der Welt lieben... . und
das find Sie! ... Mein Gott! mein Gott] wird das
enügen, um Sie zu überzeugen, daß man nicht
——— iſt, wenn man im Herzen, mit dem Blute der
Kaiſerinnen, das göttliche Feuer einer Liebe wie dieſe hat?”
Charny fließ einen Seufzer aus, ahnlich dem eines
DVerfcheidenden. Die Königin, indem fie fo mit ihm
ſprach, hatte ihn mit ihrem Athem berauſcht; er hatte
fie fprechen gefühlt, ihre Hand hatte anf feiner Schulter
ebraunt, ihre Bruft hatte fein Herz verfengt, der
Yihem Hatte feine Lippen verzehrt.
„Laflen Sie mid Gott danken,” flüfterte er.
„SH! wenn ich nicht an Bott dächte, dächte ich zu
viel an Sie.”
Sie erhob fih langfam; fie Heftete auf ihn zwei
Augen, deren Thränen die Flammen ertränften.
„Wollen Sie mein Leben?” fagte er ganz verwirrt.
Ste ſchwieg einen Augenblid, ohne daß fie ihn
anzufchauen aufhörte.
„Beben Sie mir Ihren Arm,“ fagte fie, „und
führen Sie mi überallhin, wohin die Anderen
gegangen find. Zuerft hier... hier, wo eine Rofe
gegeben wurde... .”
Sie zog unter ihrem Kleide eine noch von dem
Feuer, das ihre Bruſt verfengt, warme Rofe hervor
und fprady:
„Nehmen Ste!“
Er athmete den balfamifchen Duft der Blume ein,
und verfchloß fie in feiner Bruft.
„Hier,“ fagte fie, „hier hat bie Andere ihre Hand
zum Kuffe gegeben.”
„Shre beiden Hände!” ſprach Charny ſchwankend
und trunfen in dem Aupenblid, wo ſich fein Geftcht in
den brennenden Händen der Königin eingefchloffen fand.
„Das ift ein gereinigter Plab,” fagte die Königin
mit einem anbetungswürdigen Lächeln. „Sind Sie
num nicht in die Apollo: Bäder gegangen ?“
Das Haldband der Königin, IV. 2
18
Gharny blieb, als wäre ber Himmel auf feinen
Kopf gefallen, erftaunt, Halb tobt ftehen.
„Das ift ein Ort,” fagte die Königin heiter, „wo
ich nie anders, als bei Tage eintrete. Sehen mir
mit einander die Thüre, durch welche der Liebhaber der
Königin entfloh.“
Freudig, leicht, am Arme des glüdlidhiten Mannes
hängend, den Gott k gefegnet, fchritt fie, beinahe lau:
fend, über den Rafen hin, der das Gebüſch von der
Nuntmauer trennte. So famen fie an die Thüre, vor
welcher man die Spuren der Pierbehufe fa.
„Es ift hier, außen,” fagte Charny.
„Ich habe alle Schlüffel,” erwiederte die Königin.
„Oeffnen Sie, Herr von Charny, wir wullen uns uns
terrichten.”
Sie gingen hinaus und büdten fi, um zu fehen;
der Mund trat aus einer Wolfe hervor, als wollte er
fie in ihren Nachforſchungen üben.
Der weiße Strahl hing fich zärtliy an dem ſchönen
Geſichte der Königin an, die fih horchend und im
Geſträuche umherſchauend auf den Arm von Charny
ützte.
b Als ſie wohl überzeugt war, ließ fie Charny zurück⸗
fchren, indem fie ihn mit einem faniten Drude an ſich zog.
Die Thüre ſchloß ſich wieder Hinter ihnen.
Es fchlug zwei Uhr.
„Sute Nacht,“ fagte fie. „Kehren Sie in Ihre
Mohnung zurüd. Morgen.”
Eie drüdte ihm die Hand und entfernte ſich, ohne
eine Wort mehr, raſch unter den Hagebuchen, in ber
Richtung des Schloſſes.
Jenfeite der Thüre, die fie gefchloffen Hatten,
erheb ih ein Mann mitten aus dem Geſträuche und
verſchwand unter den Bäumen länge der Straße.
Tiefer Mann trug bas Beheimnig der Königin
mit ſich Torf,
LXKX.
Der Abfchied.
Die Königin fand am andern Morgen ganz lächelnd
und ganz fehöu auf, um zur Meffe zu gehen.
Sr Machen hatten Beichl, Jedermann zu ihr
fommen zu laffen. &6 war ein Sonntag, und Ihre
Majeſtät Hatte beim Erwachen gejagt: .
„Das tit ein fchöner Tag; es ift heute gut leben.“
Sie fhien auch mit mehr Bergnügen, als gewöhn-
li, ven Wohlgeruch ihrer Lieblingsblumen einzuath-
men; file zeigte ſich freigebiger in dem Geſchenken, die
fie bewilligte; fie beeiferte fi), mehr ihre Seele in die
Nähe Goties zu bringen.
Sie hörte die Mefle ohne Zerfireuung, und hatte
nie ihren majellätifchen Kopf fo tief gebüdt.
Während fie mit Inbrunft betete, fcyaarte ſich die
Menge, wie an den andern Sonntagen, auf dem Wege
von den Gemächern zur Kapelle zutammen, und felbft
ie Stufen ber Treppen waren bevedt mit Gavalieren
nd Damen. Unter den legtern glänzte befcheiden, aber
egant gekleidet, Frau von La Mothe.
Und in dem doppelten Spalier, das die Edellente
'deten, fah man rechts Herrn von Charny, dem viele
ı feinen Freunden zu feiner Benefung , zu feiner
ckkehr und befonders zu feinem firahlenden Gefichte
ick wünſchten.
Die Gunſt iſt ein feiner, durchdringender Wohlge⸗
‚ er vertheilt fih mit einer ſolchen Leichtigkeit in
2uft, daß von ben Kennern lange vor der Deffnung
Räucherpfännchens das Aroma erfannt, beftimmt
jefhägt wird. Dlivier war erft feit ſechs Stun⸗
er Freund der Königin, aber ſchon nannte fi
nann den Xreund von Dlivier.
zährend er alle dieſe Glückwünſche X der guten
20
Miene eines wahrhaft feligen Menfchen hinnahm und,
um ihm mehr Ehre und Freundſchaft zu erweifen, die
ganze Linfe des Spaliers zur Rechten überging, gewahrte
Dlivier, genöthigt, feine Blicke auf der Öruppe, bie
ihn umſchwärmte, umherlaufen zu laflen, allein ſich
gegenüber ein Gefiht, deſſen büftere Bläffe und Un:
rent ihm mitten unter feiner Beraufchung
auffiel.
Er erfannte Philipp von Taverney, ber, in feine
Untform eingezwängt, die Hand am Griffe feines Degens
elt.
Ceit den Höflichfeitsbefuchen, die der Lebtere im
Borzimmer feines Gegners gemacht, feit der Cinſperrung
von Charny durch den Doctor Louis hatte Fein Zuſam⸗
menhang zwifchen den zwei Nebenbuhlern flattgefunden.
Charny, als er Philipp fah, der ihn ruhig, ohne
Mohlwollen und ohne Drohung anfchaute, begann mit
einem Gruße, den ihm Philipp von fern erwiederte.
Hierauf fagte Dlivier, indem er mit feiner Hand
durch die Gruppe fhnitt, die ihn umgab:
„Verzeihen Sie, meine Herren... laſſen Sie
mich eine Pflicht der Höflichkeit erfüllen.“
Und er burdhfchritt den zwiſchen dem Spaliere
rechts und dem Spaliere links liegenden Raum, nnd
ging gerade auf Philipp zu, der ſich nicht rührte.
„Herr von Taverney,“ fagte er, während er no
artiger, als das erſte Mal, grüßte, „ich mußte Ihnen
für den Antheil danken, den Sie an meiner Geſundheit
zu nehmen die Güte hatten, doch ich bin geſtern eril
bier angekommen.”
Philipp erröthete und fchaute ihn an, dann ſchlug
er die Augen nieder.
„Mein,“ fuhr Charny fort, „ich werbe bie Ehre
haben, Ihnen morgen Ihren Beſuch zurüdzugeben, und
ich hoffe, Sie hegen keinen Groll mehr gegen mich.”
„Durchaus nicht, mein Herr,“ erwiederte Philipp.
Charny war im Begriff, feine Hand auszuſtrecken,
21
zhilipp die feinige darauf legte, als die Trom⸗
Anfunft der Königin verfündigte. \
ie Königin fommt, mein Herr,“ ſprach langſam
„ ohne daß er die freundfchaftliche Geberde von
erwiedert hatte.
> er punftirte diefe Worte durch eine mehr
üthige, als falte Berbeugung.
ı wenig erflaunt, beeilte ſich Charny, zu feinen
n im Spalier links zurüdzufehren. -
ilipp feinerfeits blieb, als ob er Schildwache
> Königin näherte fih, man fah fie Mehreren zus
Bittfchriften nehmen oder abnehmen laflen, denn
n hatte fie Charny erichaut, und nicht mehr
Blide von ihm mit jenem verwegenen Mutbe,
bei ihren Freundfchaften die Zügel ſchießen
b den ihre Beinde Unverfhämtheit nannten,
», ſprach fie ganz laut die Worte:
itten Sie heute, meine Herren, bitten Sie, ich
te heute nichts abzufchlagen.“
arny war bis in die Tiefe des Herzens durch⸗
. von dem Ausdrud, von dem Sinn diefer Zau⸗
e. Er bebte vor MWonne, und dies war fein
Dank gegen die Rönigin.
slich wurde dieſe ihrer füßen, aber gefährlichen
ung durch das Geräuſch eines Trittes, durch
ı einer fremden Stimme entzogen.
r Tritt knarrte zu ihrer Linfen auf der Platte, .
egte, aber ernſte Stimme fpradı:
tadame ...“ j
e Königin erblidte Philipp; fie vermochte eine
:wegung des Erſtaunens nit zu unterdrüden,
fih fo zwifchen diefe zwei Männer geftellt ſah,
en den einen zu fehr und den andern nicht
zu lieben fie fih vielleiht zum Borwurf
tet Herr von Taverney,“ rief fie vafch fi)
[4
2 B
gie „ers u ‚Haben Rich etwas uerh
"auf der Stelle, u
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Zone, „treten Sie ein
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eine Untnbe, fo oft e
wänfdt. Sie find vo
Ei} iamilie. Bernhi
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während der Scene mit
#b Philipp, da er fah
Königin in ihre pr
niert: —
tabame,
—2 daß ig den
1 68 IR eine M
a! ja, Eure M
23
„Dh! mein Gott!" fagte Marie Antoinette, die ben
eitern Ton wieder annahm, der Philipp fo unglüdlich
sachte, „Sie haben gefagt: ah! Ich Arme, die ich
in! würde eine Spanierin ausrufen, Herr von Taverney
at gefagt: ach!“
„Madame,“ erwiederte Philipp mit ernflem Tone,
zwei Worte werden Eure Majeftät fo vollftändig be-
ubigen, daß nicht nur Ihre edle Stirne ſich heute
icht bei der Annäherung eines Taverney verfchleiern,
ondern daß fie ſich nie mehr durch die Schuld eines
‚averney Maiſon⸗Rouge verichleiern wird. Heute noch,
Radbame, wirb ber legte diefer Bamilie, dem Eure
Najeftät einige Gunſt zu bewilligen die Gnade gehabt
at, verfhwinden, um nie mehr an den franzöflichen
of zurüdzufehren.”
Alsbald warf die Königin die freudige Miene von
ch, die fie als Hülfsmittel gegen die muthmaßlichen
Jemüthsbewegungen bei diefer Zufammenfunft anges
ommen hatte.
„Sie gehen!” rief fie.
„3a, Eure Majeftät.“ r
„Sie... au!“
Philipp verbeugte ſich und erwiederte:
„Meine Schwefter bat fchon den Kummer gehabt,
fure Majeftät zu verlaffen; ich, ich war ber Königin
och viel mehr unnüß, und ich gehe.“
Die Königin febte filh ganz unruhig bei dem Ge⸗
anfen, daß Andree ihren Abichied auf immer am Tage
ach einem Zufammenfein bei Louis verlangt hatte, wo
jerrn von Charny das erfte Anzeichen des Gefühles,
as man für ihn hegte, zu Theil geworden war.
„Seltfam!” murmelte fie träumerifch, und fie fügte
in Wort mehr bei.
Philipp blieb ſtehen wie eine marmorne Bildfäule,
nd wartete auf die Geberde, die ihn entlaflen follte.
Die Königin erwachte plößlich aus ihrer Erflarrung.
„Wohin gehen Sie?" fragte fie.
e
24
„Sch will mich zu Herrn von Lapeyroufe begeben.“
„Herr von Lapeyroufe tft in dieſem Augenblide in
Neu-Foundland.“
„Ich habe alle Anſtalten getroffen, um zu ihm zu
gelangen.“
„Sie wiſſen, daß man ihm einen gräßlichen Tod
geweiſſagt hat?“
„Sräßlich, das weiß ich nicht,“ entgegnete Philipp,
„doch einen fchnellen Tod, das ift mir befannt.“
„Mnd Sie reifen"
Er lächelte mit feiner fo edlen und fo fanften
Schönheit.
„Gerade darum will ich Lapeyrouſe nachfolgen,“
agte er.
Die Königin verſank abermals in ihr banges Still⸗
ſchweigen.
Philipp wartete noch einmal ehrfurchtsvoll.
Die ſo edle und ſo muthige Natur von Marie An⸗
toinette erwachte verwegener, als je.
Sie ſtand auf... trat auf den jungen Mann zu
und ſprach zu ihm, indem fie ihre weißen Arme auf
ihrer Bruft kreuzte:
„Warum gehen Sie?“
„Weil ich ſehr reifegierig bin,“ antwortete er mit
fanitem Tone.
„Aber Sie Haben fhon die Reife um die Welt
gemadht,” entgegnete die Königin, bie fi einen Augen,
blid durch dieie heldenmüthige Ruhe bethören ließ.
„Die neue Welt, ja, Madame,“ fuhr Philipp fort,
„doch nicht um die alte und die neue Welt zufammen.”
Die Königin machte eine Geberde des Nergers
und wiederholte, was fie au Andree gefagt Hatte:
„Kifernes Geſchlecht, Hählerne Herzen, die Taverney.
Ihre Schweiter und Sıe, Sie find zwei furchtbare Leute,
Freunde, die man am Ende haßt. Sie gehen, nicht
um zu reifen, denn Sie find deſſen müde, fondern um
mich zu verlaflen. Ihre Schweiter wurde, wie fle jagte,
25
teligion beinfen, fie verbirgt ein Feuerher
Ale. Kurz, fie wollte gehen, und fie i
Gott made fie glüdlid. Sie, Sie, der
(ih fein könnten, Sie gehen nun au...
Ihnen vorhin, die Taverney bringen mir
onen Sie uns, Madame; wenu Bure Majeflät
ı hätte, befjer in unfern Herzen zu fuchen, fo
eine grenzenloje Brgebenheit darin fehen.“
en Sie,“ rief die Königin zornig, „Sie find
er, Ihre Schwefter ift eine Philofophin, uns
Geſchöpfe; fie ſtellt fih die Welt wie ein
vor, wo man nur unter ber Bedingung Eins
‚ daß man zu den Heiligen gehöre; Sie Halten
für die Hölle, in welche nur die Teufel ein-
nd Sie Beide haben die Welt geflohen: das
l Sie darin das finden, was Ste nicht fuchen;
re, weil Sie nicht darin finden, was Sie
Jabe ich Recht? Ei! mein lieber Herr von
lafien Sie die menſchlichen Befchöpfe unv J
ein; verlangen Sie von den königlichen
r, daß fie die unvollfommenften von den
en Gefchlechtern feien; ſeien Sie buldfam,
Sie vielmehr nit je güchtiße
Jetonte diefe Worte mit zu viel Leidenfchaft.
pp war im Vortheil.
yame,“ fagte er, „die Selbſtſucht iſt eine
wenn man fich derfelben bedient, um feine
n zu erheben.“
e Antoinette erröthete.
3, was ich weiß,” fagte fie, „if, daß ich
ebte, und daß fie mich verlaſſen hat; daß ich
de auf Sie hielt, und dag Sie mich ebenfalls
Es ift demüthigend für mid, zwei fo voll:
Berfonen . .. ich ſcherze nicht, mein Herr...
8 verlaffen zu fehen.“
t8 Tann eine Berfon demüthigen, die fo
erhaben it, wie Sie,” erwiederte Taverney Falt; „bie
Beſchämung erreicht Hohe Stirnen, wie Die Ihrige, nicht.“
„Ich ſuche mit aller Sorgfalt, was Sie hat ver⸗
letzen können,“ fuhr die Königin fort
„Nichts, nichts Hat mich verlegt,“ erwiederte Phi⸗
lipp lebhaft.
„Ihr Grad ift beflätigt worden; She Glück if im
beiten Zuge; ich zeichnete Sie aus .
„Ich wieberhole Burer Majeflät, daß mir nichts
bei Hufe mißfällt.”
„Und wenn ih Ihnen fagte, Sie follen bleiben ...
und wenn ich es Ihnen befehlen würbe? .
„Sch hätte den Schmerz, Eurer Majeftät mit einer
Meigerung zu antworten.“
Die Königin verfenfte fi zum britten Mal in
jene ftillfeyweigende Zurüdhaltung, die für ihre Logif
das war, was bei dem ermübdeten echter die Handlung
Fi durch die er jeinen Gegner aus der Lage zu Bringen
ucht.
Und da fie aus diefer Ruhe immer durch einen
unerwarteten Schlag heraustrat, fo fagte fie, indem fie
ihren flaren Bli auf Philipp heftete:
„Es ift vielleicht Jemand hier, der Ihnen mißfaͤllt?
Sie find argwöhniſch.
„Niemand mißfältt mir.”
„Ich glaubte, Sie ftünden ſchlecht ... mit einem
Gavalier ... mit Herrn von Sharny . .. den Sie
im Duell verwundet haben .. fagte bie Königin,
fih flufenmeife belebend. „Und da es einfach if, das
man die Leute flieht, die man nicht liebt, fo werben
ie, fobald Sie die Rüdfehr von Herrn von ‚Sharny
bemerft, den Hof zu verlaflen gewünſcht haben.“
Philipp antwortete nicht.
Die Königin, die fih in Beziehung auf dieſen fo
reblichen, fo wadern Mann täufchte, glaubte es mit
einem gewöhnlichen Eiferfüchtigen zu thun zu haben.
Sie verfolgte ihn ohne Schonung.
27
„Sie wiffen erſt feit Heute, daß Herr von Charny
zurückgekommen ift,“ fuhr fie fort. „Sch ſage, feit
heute? und heute verlangen Sie Ihren Abfchied
von mir?“
Philipp wurde mehr bleifarbig, als bleid. So
angegriffen, fo mit Füßen getreien, erhob er fich
grauſam.
„Madame,“ ſagte er, „es' iſt wahr, ich weiß bie
Rückkehr von Herrn von Charny erft feit heute; nur
ft es länger, als Eure Majeftät denkt, denn ich habe
Herrn von Charny gegen zwei Uhr Morgens an ber
Barfthüre getroffen, welche mit den Apollo-Bäbdern iu
Berbindung fteht.“
Die Königin erbleichte ebenfalls, und nachdem fie
mit einer Bewunderung, gemiſcht mit Schreden, die
olltommene Höflichkeit betrachtet hatte, die der Edel⸗
nann in feinem Zorne behielt, murmelte fie mit er:
oſchener Stimme:
ge mein Herr, gehen Sie, ich halte Sie nicht
urüd.“
Philipp verbeugte fi zum legten Mal und ging
it langſamem Schritte weg.
Die Königin fiel, wie vom Blitze getroffen, in
ıen Lehnftuhl und rief:
„Frankreich, du Land ber edlen Herzen!”
LXX.
Die Eiferfucht des Eardinals.
Indefien hatte der Kardinal drei Nächte aufeinan=
gen fehen, die fehr verfchieden von denen waren,
» Kr Ginbildungskraft unabläffig fi wieder
n ließ. N
Keine Nachricht von irgend Jemand, Feine Hoff⸗
nung auf einen Beſuch. Diefe Todesftille nach ber
Aufregung der Leidenfhaft war die Dunfelheit eines
Kellers nach dem heitern Sonnenlicht.
Der Gardinal fehmeichelte fih Anfangs der Hof:
nung, feine Geliebte, ein Weib, bevor fie Königin,
wolle fennen lernen, welcher Natur die Liebe wäre,
die man ihr bezeigte, und ob fie nach der Prüfung wie
vor derfelben gefiele. in ganz männlidhes Gefühl,
deffen Körperlichkeit eine zweifchneidige Waffe wurbe,
die den Cardinal fehr ſchmerzlich verwundete, wenn fie
fi gegen ihn wandte. 0
Als er nichts kommen fah und nichts hörte, als
das Stillfchweigen, wie Herr Delille fagt, da befürds
tete der Unglüdliche in der That, diefe Prüfung fet für
ihn felbft ungünflig gewefen. Hievon rührte eine Angk,
eine Bangigfeit her, von der man ſich feinen Degrif
machen fann, wenn man nit an ben allgemeinen
Nervenfchmerzen gelitten hat, welche aus jeder nad
dem Gehirn ausmündenden Fiber eine Yeuerfchlange
machen, die fih durch ihren eigenen Willen krümmt
oder abfpannt.
Dieſes Mipbehagen wurbe dem Garbinal unerfräg-
lich; er ſchickte zehnmal in einem halben Tage in bie
Mohnung von rau von La Mothe, zehnmal nad
Verſailles.
Der zehnte Eilbote brachte ihm endlich Jeanne,
welche dort Charny und die Königin bewachte und ſich
innerlich zu diefer Ungeduld des Cardinals, ver fie bald
den günftigen Erfolg ihres Unternehmens zu verbanfen
haben follte, Glück wuͤnſchte.
Der Gardinal, als er fie fah, brach los:
„Miet“ rief er, „Sie leben mit diefer Ruhe!
Wie! Sie willen, daß idy auf der Folter bin, und Sie,
die Eie ſich meine Freundin nennen, laflen diefe Folter
bis zum Tode gehen!“
„Ei! Monfeigneur,” erwieberte Jeanne, „Webulb,
senn’s beliebt. Was ich in Berfatlles fern von Ihnen
hat, ift viel nüplicher, ale das, was Sie hier nach
ir verlangend machten.”
„Man ift nicht in diefem Grade graufam,” fagte
Seine Ercellenz, befänftigt burdy die Hoffnung, Nach⸗
ichten zu erhalten. „Sprechen Sie, was fagt man,
vas thut man dort?”
„Die Abwefenheit ift ein fchmerzliches Hebel, mag
tan nun in Paris oder in Berfailles daran leiden.”
„Das entzüdt mich, und ich danke Ihnen dafür;
r..2.*
„Aber?“
„Beweiſe!“
„Oh! guter Gott,“ rief Jeanne, „was jagen Sie
a, Monfeigneur! Beweife! ... Sind Sie wohl
ei Bernunft, Monfeigneur, daß Sie von einer Frau
3eweife von ihren Fehlern verlangen?“ ‚
„Ich verlange Feine Urkunde für einen Prozeß,
zräfin; ich verlange ein Liebespfand.”
„Mir Scheint,” erwiederte fie, nachdem fie Seine
Ircellenz auf eine gewifie Weife angefchaut halte,
She werden fehr anſpruchsvoll, wenn nicht fehr ver-
eßlich.“
„Oh! ich weiß, was Sie mir ſagen wollen...
h weiß, daß ich mich für fehr befriedigt . . . für fehr
eehrt halten müßte; doch beurtheilen Sie mein Herz
urch das Ihrige, Gräfin... Wie nähmen Sie es auf,
venn Sie fo, nachdem Sie den Anſchein der Gunſt
ehabt, auf die Seite geworfen würden?“
„Sie haben, glaube ich, gefagt, den Anfchein ?“
rwiederte Seanne mit demſelben fpöttifchen Tone.
„SH! es ift gewiß, Sie können mid) ungeftraft
hlagen, Gräfin, es if" wahr, nichts berechtigt mich,
rich zu beklagen; doch ich beilage mich ...“
„Monfeigneur, ich Fann nicht für Ihre Unzufrie⸗
enheit verantwortlich fein, wenn fie nur [eichtiertige
zründe Hat, oder wenn fie gar Feine Gründe hat.“
be
30
„Sräfin, Sie behandeln mich ſchlecht.“
„Monfeigneur, ich wieberkole Ihre Worte, Ih
folge Ihrer @rörterung.”
„Snfpiriren Sie fi durch fid ſelbſt, ſtatt mir
meine Tollheiten vorzuwerfen; helfen Sie mir, fatt |
mich zu martern.”
„Sch kann Ihnen nicht da helfen, wo ich nichts zu
thun fehe.“ |
„Sie fehen nichts zu thun?“ fagte der Kardinal,
indem Harn) jedes Mort einen Nachdruck legte.
„Nichts.“
„Wohl! Madame,“ rief Herr von Rohan voll
Heftigfeit, „es jagt vielleicht nicht Jedermann, was
Sie fagen.“
„Ach! Monfeigneur, nun find wir bis zum Zorn
gelangt, und wir verftehen ung nicht mehr. Eure Er⸗
cellenz wird mir verzeihen, wenn ich ihr dies bemerke.“
„Zum Zorn! ja... Ihr böfer Wille treibt mid
dazu, Gräfin.“
keit — Sie berechnen nicht, ob dies Ungerechtig⸗
eit iſt ?“
„Oh! nein! Wenn Sie mir nicht mehr dienen, ſo
iſt dies der Fall, weil Sie es nicht mehr anders machen
konnen, das ſehe ich wohl.“
„Sie beurtheilen mich gut; warum klagen Sie
mich dann an?“
„Weil Sie mir die ganze Wahrheit ſagen müßten,
Madame.“
ch We Wahrheit! ich Habe Ihnen die gejagt, welche
ih weiß.“
„Sie fagen mir nicht, daß die Königin eine Treu⸗
loſe, eine Coquette ift, daß fie die Leute anfpornt, fie
anzubeten, und daß fie biefelben hernach ber Verzweif⸗
lung überantwortet.“
Jeanne ſchaute ihn mit erflaunter Miene an.
„Erklären Sie ſich,“ fagte fie zitternd, nicht vor
Angit, ſondern vor Freude.
31
Sie hatte in ber That in der Eiferſucht des Bars
einen Ausgang erblidt, den ihr die Umſtände
cht nicht gegeben hätten, um aus einer fo ſchwie⸗
Lage herauszufommen.
Geſtehen Sie mir,” fuhr der Kardinal fort, der
mit feiner Leidenſchaft rechnete, „geftehen Sie mir,
te Sie, daß die Königin fich weigert, mich zu ſehen.“
Ich fage das nicht, Monfeigneur.”
Geſtehen Sie, daß fie, wenn fie mich nicht mit
vollen Willen zurüdfößt, was ich immer noch
mich aus dem Befitze fest und fern von ſich Hält,
icht itgend einen andern Liebhaber zu beunruhigen,
m meine Huldigungen Verdacht erregt haben.“
Ah! Monfeigneur,” rief Seanne mit einem fo
:eichen Tone, daß fie noch vielmehr errathen ließ,
» verbergen wollte.
Hören Sie mi,” fagte der Kardinal, „als ich
Majeftät zum legten Male fah, glaubte ich im
che gehen zu hören.”
Tollheit!”
Und ich werde Alles tagen, was ich muthmaße.“
Sagen Sie nit ein Wort mehr, Monfeigneur,
leidigen die Königin, und überbies, wenn es wahr
wenn fle fo unglücklich wäre, daß fie die Ueber:
ng eines Liebhabers befürchten müßte, was ich
glaube, wären Sie ungerecht genug, ihr ein Ver⸗
n aus der Vergangenheit zu machen, bie fie Ihnen
Ipfer bringt?“
Die Vergangenheit! die Zergangenheit Das iſt
roßes Wort; aber es fällt, Gräfin, wenn dieſe
ngenbeit noch die Gegenwart ift und die Zukunft
ur“ j
Pfui! Monfeigneur; Sie fprechen mit nüry..als
en Ste mit einem Mäfler, dem Ste vorwerfen
n, er habe Sie zu einem ſchlechten Gefchäfte ver:
» Ihr Argwohn, Monfeigneur, iſt fo verlegend für
dnigin, daß er es am Ende auch für mich wird.“
4
24
„Ich will mich zu Herrn von Lapeyroufe begeben.“
„Herr von Lapeyroufe tft in dieſem Nugenblide in
Neu-Foundland.“
„Ich habe alle Anſtalten getroffen, um zu ihm zu
gelangen.“
„Sie wiſſen, daß man ihm einen gräßlichen Tob
geweiffagt hat?“
„Sräßlich, das weiß ich nicht,” entgegnete Philipp,
„doch einen fchnellen Tod, das ift mir befannt.“
„And Sie reifen?“
Er lächelte mit feiner fo edlen und fo fanften
Schönpeit.
„Gerade darum will ih Lapeyroufe nachfolgen,“
agte er.
Die Königin verfanf abermals in ihr banges Gtills
ſchweigen.
Philipp wartete noch einmal ehrfurchtsvoll.
Die fo edle und fo muthige Natur von Marie Aus
foinette erwachte verwegener, als je.
Sie fland auf... trat auf den jungen Mann zu
und ſprach zu ihm, indem fie ihre weißen Arme auf
ihrer Bruit kreuzte:
„Warum gehen Sie?“
„Weil ich jehr reifegierig bin,“ antwortete er mit
fanitem Tone.
„Aber Sie Haben fhon die Reife um bie Welt
gemadyt,“ entgegnete die Königin, die ſich einen Augen»
blick durdy dieie heldenmüthige Ruhe bethören ließ.
„Die neue Welt, ja, Madame,“ fuhr Bhilipp fort,
„doch nicht um die alte und die neue Welt zufammen.“
Die Königin machte eine Geberde des Mergers
und wirderholte, was fie zu Andrée gefagt Hatte:
„Eiſernes Gefchlecht, Hählerne Herzen, die Taverney.
Ihre Schweiter und Sıe, Sie find zwei furchtbare Leute,
Freunde, die man am Ende habt. Sie gehen, nit
um zu reifen, denn Sie find defien müde, fondern um
mich zu verlaflen. Ihre Echweiter wurde, wie fie jagte,
25
on der Religion berufen, fle verbirgt ein Feuerher
nter der Aſche. Kurz, fie wollte gehen, und fie i
egangen. Gott made fie glüdlid. Sie, Sie, der
5ie glüdlich fein Fönnten, Sie gehen nun au...
h fagte Ihnen vorhin, die Taverney bringen mir
nglüd!” .
„Schonen Sie uns, Madame; wenu Bure Majeftät
ie Gnade hätte, befler in unfern Herzen zu fuchen, fo
yürde fie eine grenzenloje @rgebenheit darin ſehen.“
„Hören Ste," rief die Königin zornig, „Sie find
in Quäfer, Ihre Schwefter ift eine Philofophin, uns
nögliche Geſchöpfe; fie ſtellt fih die Welt wie ein
Jaradies vor, wo man nur unter ber Bedingung Eins
ritt finde, daß man zu den Heiligen gehöre; Sie Halten
ie Welt für die Hölle, in welche nur die Teufel ein«
reten; und Sie Beide haben die Welt geflohen: das
fine, weil Sie darin das finden, was Ste nicht fuchen;
a8 Andere, weil Sie nicht darin finden, was Sie
ıhen. Habe ich Neht? Ei! mein lieber Herr von
-averney, laſſen Sie die menſchlichen Geſchöpfe unvolls
ommen fein; verlangen Sie von den Föniglichen Bas
vilien nur, daß fie die unvollfommenften von den
ıenfchlichen Geſchlechtern feien; feien Sie buldfam,
ber feien Sie vielmehr nicht telbRtüchtig..
Sie betonte diefe Worte mit zu viel Leidenfchaft.
Philipp war im Bortheil.
„Madame,“ fagte er, „die Selbſtſucht iſt eine
ugend, wenn man ſich derfelben bedient, um feine
‚nbetungen zu erheben.“
Marie Antoinette erröthete.
„Alles, was ich weiß,“ fagte fie, „iſt, daß ich
ndree liebte, und daß fie mich verlaffen hat; daß ich
roße Stüde auf Sie hielt, und daß Sie mich ebenfalls
erlaffen. Es if demüthigend für mich, zwei fo voll:
smmene Perfonen ... ich fcherze nicht, mein Herr...
wein Haus verlaflen zu ſehen.“
„Nichte Tann eine Perſon demüthigen, die fo
26
erhaben ift, wie Sie,” erwieberte Taverney kalt; „bie
Beſchämung erreicht Hohe Stirnen, wie die Ihrige, nicht." |
„Ich ſuche mit aller Sorgfalt, was Sie hat vers
legen fünnen,“ fuhr die Königin fort.
Ki ‚richte, nichts hat mich verlegt,“ erwiederte Phi |
pp leb
„Ihr Grad ift beftätigt worden; Ihr Glück if im
beften Zuge; ich zeichnete Sie aus
„Sch wiederhole Eurer Majeflät, daß mir nichte
bei Hofe mißfällt.“
„Und wenn ich Ihnen fagte, Sie follen bleiben ...
und wenn ich es Ihnen befehlen würde? ...
„Ich hätte den Schmerz, Eurer Majeftät mit einer
Meigerung zu antiworten.“
Die Königin verfenfte fi zum dritten Mal in
jene ftillfyweigende Zurüdhaltung, die für ihre Logif
das war, was bei dem ermüdeten Yechter die Handlung
ift, durch die er jeinen Gegner aus der Lage zu bringen
t.
Und da fie aus bdiefer Ruhe immer durch einen _
unerwarteten Schlag heraustrat, fo fagte fie, indem fe
ihren flaren Blid auf Philipp heftete:
„Es ift vielleicht Jemand bier, der Shnen mißfällt?
Sie find argmöhnifch.“
„Niemand mißfällt mir.“
„Ich glaubte, Sie flünden ſchlecht ... mit einem
Gavalier... mit Herrn von Charny . den Sie
im Duell verwundet haben...“ fagte die Königin,
ſich ftufenweife belebend. „Und da es einfach iſt, daß
man die Leute flieht, die man nicht liebt, ſo werden
Sie, ſobald Sie die Rüdfehr von Herrn von ‚Sharny
bemerft, den Hof zu berlaflen gewünfcht Haben.“
Philipp antwortete nicht.
Die Königin, die fi in Beziehung auf diefen fo
reblichen, jo wadern Mann täuſchte, glaubte es mit
einem gemöhnlichen Giferüchtigen zu ihun zu haben.
Eie verfolgte ihn ohne Schonung.
27
Sie wiſſen erft feit Heute, daß Herr von Eharny
gefommen iſt,“ fuhr fie fort. „Ich ſage, feit
f ‚und heute verlangen Sie Ihren Abſchied
ir”
3hilipp wurde mehr bleifarbig, als bleich. So
eiffen, fo mit Füßen getreien, erhob er fi
ım.
Madame,” fagte er, „es’ift wahr, ich weiß bie
ehr von Herrn von Charny erft feit Heute; nur
länger, als Eure Majeftät denft, denn ich habe
von Charny gegen zwei Uhr Morgens an ber
hüre getroffen, welche mit den Apollo-Bädern iu
ndung fteht.“
Yie Königin erbleichte ebenfalls, und nachdem fie
iner Bewunderung, gemifht mit Schreden, »ie
mmene Höflichkeit betradytet Hatte, die der Edel⸗
in feinem Zorne behielt, murmelte fie mit ers
ıer Stimme:
But, mein Herr, gehen Sie, ich halte Sie nicht
zhilipp verbeugte ſich zum letzten Mal und ging
ingſamem Schritte weg. '
Yie Königin fiel, wie vom Blitze getroffen, in
Lehnſtuhl und rief:
Frankreich, du Land der edlen Herzen!“
LXX.
Die Eiferfucht des Eardinals.
indefien hatte der Barbinal drei Nächte aufeinans
(gen fehen, die fehr verfchieben von denen waren,
(lee Ginbildungsfraft unabläffig fih wieder
n LieB. ° N
‘x
28
Keine Nachricht von irgend Jemand, Feine Hoff:
nung auf einen Beſuch. Diefe Todesftille nach der
Aufregung der Leidenfhaft war die Dunkelheit eine
Kellers nach dem heitern Sonnenlidt.
Der Barbinal ſchmeichelte fih Anfangs der Hoff:
nung, feine Geliebte, ein Weib, bevor fie Königin
wolle fennen lernen, welcher Natur die Liebe wäre,
die man ihr bezeigte, und ob fie nach der Prüfung wie
vor derfelben geflele. in ganz männliches Gefühl,
deſſen Körperlichfeit eine zweifchneidige Waffe wurde,
die den Cardinal fehr fohmerzlich verwundete, wenn ſie
fih gegen ihn wandte.
Als er nichts fommen ſah und nichts Härte, ale
das Stillfchweigen, wie Herr Delille fagt, da befürch—
tete der Unglüdliche in der That, diefe Prüfung fei für
ihn felbft ungünſtig geweſen. Hievon rührte eine Angüt,
eine Bangigfeit her, von der man fich feinen —A
machen kann, wenn man nicht an den allgemeinen
Nervenichmerzen gelitten Hat, weldde aus jeder nad
dem Gehirn ausmündenden Fiber eine Peuerfchlange
machen, die fih durch ihren eigenen Willen krümmt
oder abfpannt.
Diefes Mißbehagen wurde dem Cardinal unerfräg:
li; er fchidte zehnmal in einem halben Tage in bie
Mohnung von Frau von La Mothe, zehnmal nad
Verfailles.
Der zehnte Eilbote brachte ihm endlich Seanne,
welche dort Charny und die Königin bewachte und fi
innerlich zu dieſer Ungeduld des Cardinals, der fie bald
den günitigen Erfolg ihres Unternehmens zu verbanfen
haben ſollte, Süd wünfdte.
Der Cardinal, als er fie fah, brach los:
„Miet“ rief er, „Sie leben mit diefer Ruhe!
Wie! Sie willen, daß ich auf der Folter bin, und Sie,
bie Sie ſich meine Kreundin nennen, laffen dieſe Folter
bis zum Tode geben!”
„Ei! Monfeigneur,“ erwiederte Seanne, „Geduld,
senn’s beliebt. Was ich in Verfatlles fern von Ihnen
hat, ift viel nüglicher, als das, was Sie hier nach
tir verlangend machten.“
„Man ift nicht in diefem Grade graufam,” fagte
Seine Ercellenz, befänftigt durch die Hoffnung, Nach⸗
ichten zu erhalten. „Sprechen Sie, was fagt man,
oas thut man dort?“
„Die Abwefenheit ift ein fhmerzliches Uebel, mag
ıan nun in Paris oder In Berfailles daran leiden.”
„Das entzüdt mid, und ich danke Ihnen dafür;
„Aber?”
„Beweiſe!“
„Dh! guter Bott,” rief Jeanne, „was Tagen Sie
a, Monfeigneur! Beweife! ... Sind Sie wohl
ei Bernunft, Monfeigneur, daß Sie von einer Frau
zeweiſe von ihren Fehlern verlangen?” ,
„Ich verlange Feine Urkunde für einen Prozeß,
zräfin; ich verlange ein Liebespfand.”
„Mir fcheint,” erwiederte fie, nachdem fie Seine
Ircellenz auf eine gewifie Weife angefchaut Halte,
en fehr anſpruchsvoll, wenn nicht fehr ver-
e „"
„hl ih weiß, was Sie mir fagen wollen...
H weiß, daß ich mich für fehr befriedigt . . . für fehr
eehrt halten müßte; doch beuriheilen Sie mein Her
uch das Ihrige, Gräfin... Wie nähmen Sie es auf,
yenn Sie fo, nachdem Sie den Anfchein der Gunſt
ehabt, auf die Seite geworfen würden?“
„Sie haben, glaube ich, gefagt, den Anfchein ?”
ewiederte Jeanne mit demſelben fpöttifchen Tone.
„Dh! es ift gewiß, Sie fünnen mid) ungeflraft
hlagen, Bräfin, es ifb wahr, nichts berechtigt mich,
ich zu beflagen; doch ich beflage mid... . “
„Monfeigneur, ich Fann nicht für Ihre Unzufrie⸗
enheit verantwortlich fein, wenn fie nur Teichtiertige
Sründe Hat, oder wenn fie gar Beine Gründe hat.“
ber
30
„Gräfin, Ste behandeln mich fchlecht."
„Monfeigneur, ich wieberkole Ihre Worte, IH ,
folge Ihrer Crörterung.“ |
„Snfpiriren Ste fih durch fi felbft, ſtatt mir
meine Tullheiten vorzuwerfen; helfen Sie mir, ſtatt
mid) zu martern.” |
r * kann Ihnen nicht da helfen, wo ich nichts u
un ehe.”
„Sie fehen nichts zu thun?“ fagte der Karbinal,
indem er auf jebes Wort einen Nachdrud legte.
„Nichte.“
„Wohl! Madame,” rief Herr von Rohan voll
Heftigfeit, „es jagt vielleicht nicht Jedermann, was
Sie ſagen.“
„Ach! Monfeigneur, nun find wir bie zum Zorn
gelangt, und wir verftehen uns nidyt mehr. Gure Er⸗
cellenz wird mir verzeihen, wenn ich ihr dies bemerke.
„Zum Zorn! ja... Ihr böfer Wille treibt mid)
dazu, Gräfin.”
kei ind Sie berechnen nit, ob dies Ungerechtig⸗
eit it?“
„Dh! nein! Wenn Sie mir nicht mehr dienen, fo
itt Dies der Fall, weil Sie es nicht mehr anders machen
fönnen, das fehe ich wohl.“
„Sie beurtheilen mid gut; warum Tagen Gie
mich dann an?”
„Weil Ste mir die ganze Wahrheit fagen müßten,
Madame.“
m ie Wahrheit! ich Habe Ihnen die gefagt, welde
ich weiß.”
„Sie fagen mir nicht, daß die Königin eine Treu |
loſe, eine Coquette ift, daß fie die Leute anfpornt, fe |”
anzubeten, und baß fie diefelben hernach der Verzweif⸗
lung überantwortet.”
Jeanne ſchaute ihn mit erflaunter Miene an.
„Srflären Sie ſich,“ fagte fie zitternd, nicht vor
Angit, ſondern vor Freude.
31
zie hakte in der That in der Eiferſucht des Car⸗
einen Ausgang erblickt, den ihr die Umftänte
cht nicht gegeben hätten, um aus einer fo ſchwie⸗
Lage herauszufommen.
deftehen Sie mir,” fuhr der Garbinal fort, der
mit feiner Leidenſchaft rechnete, „geflehen Sie mir,
e Sie, daß die Königin fich weigert, mich zu fehen.“
Ich Sage das nicht, Monfeigneur.“
Beftehben Sie, daß fie, wenn fie mich nidht mit
vollen Willen zurückſtößt, was ih immer noch
mich aus dem Befitze fest und fern von ſich Hält,
ht irgend einen andern Liebhaber zu beunruhigen,
n meine Huldigungen Verdacht erregt haben.“
Ah! Monfeigneur,” rief Seanne mit einem fo
eihen Tone, daß fie noch vielmehr errathen ließ,
verbergen wollte.
hören Sie mich,“ fagte der Garbinal, „als ich
Najeftät zum legten Male fah, glaubte ih im
he gehen zu hören.“
dollheit!“
Ind ich werde Alles Tagen, was ich muthmaße.“
Sagen Sie nicht ein Wort mehr, Monfeigneur,
leidigen die Königin, und überdies, wenn es wahr
wenn ſie fo unglüdli wäre, daß fie die Ueber:
9 eines Liebhabers befürchten müßte, was ich
laube, wären Sie ungerecht genug, ihr ein Ber:
ı aus der Vergangenheit zu machen, bie fie Ihnen
Ipfer bringt?”
Die Bergangenheit! die ergangenbeit! Das ift
oßes Wort; aber es fällt,
ıgenheit noch die Gegenwart ift und die Zukunft
Pfui! Monfeigneur; Sie ſprechen mit nfiry..als
n Sie mit einem Mäkler, dem Ste vorwerfen
1, er habe Sie zu einem ſchlechten Gefchäfte vers
‚ Ihr Argwohn, Monfeigneur, ift fo verlegend für
nigin, daß er es am Ende aud für mich wird.“
q
räfin, wenn biefe _
32
„Dann, Gräfin, beweifen Sie mir... .“
„Ah! Monfeigneur, wenn Sie diefes Wort wieber-
holen, fo nehme ich die Beleidigung für meine Rechnung.“
„Kurz! ... liebt fie mich ein wenig?“
„Da gibt es etwas ganz Binfaches, Monfeigneur,”
fagte Jeanne, indem fie auf den Tiſch des Garbinals
und auf das darauf fiehende Schreibzeng deutete.
a Sie ſich dorthin und fragen Sie bie Königin
e .
Der Cardinal ergriff voll Entzücken die Hand von
Jeanne und rief:
„Sie werden ihr das Billet zuſtellen ?“
„Wenn ich es ihr nicht zuſtellte, wer würde es denn
fonft übernehmen ?“
„Und... Sie verfprechen mir eine Antwort?”
„Wenn Sie feine Antwort befämen, wie würben
Sie erfahren, woran Sie fih zu Kalten Haben ?“
„Ob! fo ift es gut, Bräfln, fo liebe ih Sie.“
„Nicht wahr ?" Tagte fie mit ihrem feinen Lächeln.
Er fegte fih, nahm die Feder und fing einen Brief
an. Herr von Rohan hatte eine berebte 44*8 einen
leichten Brief; doch er zerriß zehn Blätter, che er ſich
felbft gefiel.
„Wenn Sie immer fo fortmachen, werben Sie
nie zum Ziele fommen,“ fagte Jeanne.
„Sehen Sie, Sräfln, ich mißtraue meiner Zärts
lichkeit; fie überfirömt unwillfürlih und würbe vielleicht
bie Rönigin ermüden.“
“ verſetzte Jeanne mit Ironie, „wenn Sie
ihr als Politiker ſchreiben, fo wird fle Shnen mit
euem diplomatifchen Billet antworten. Das iR Ihre
ade.”
„Sie haben Recht, und Sie find eine ächte Frau
nach Beift und dern. Hören Sie, Gräfin, warum
follten wir ein Geheimniß für Sie haben, da Gie das
unfere befigen ?“
Sie lächelte.
33
„Es ift wahr,” fagte fie, „Sie haben mir wenig
zu verbergen.”
„Lefen Sie über meine Schulter, lefen Sie fo
fchnell, als ich fchreiben werde; denn mein Herz brennt,
meine Feder wird das Bapier verzehren.”
Er ſchrieb in der That; er fehrieb einen Brief fo
lühend, fo toll, fo voll von Liebesvorwürfen und ge⸗
—328— Betheuerungen, daß, als er geendet hatte,
Jeanne, die ſeinen Gedanken bis zur Unterſchrift folgte,
zu ſich ſelbſt ſagte:
„Er hat geſchrieben, was ich ihm zu dictiren nicht
gewagt haͤtte.“
Der Cardinal überlas ſein Billet und fragte dann
„Iſt es fo gut?”
„Wenn die Königin Sie liebt,“ erwiederte bie
Berrätherin, „fo werden Sie fie morgen fehen; nun
aber verhalten Sie ſich ruhig.“
„Bis morgen, ja.”
„Ich verlange nicht mehr, Monfeigneur.“
Sie nahm das verflegelte Billet, ließ fi von
Monfeigneur auf die Augen füffen, und fehrte gegen
Abend nad Haufe zurüd. Ausgekleidet, erfrifcht, fing
fie Hier an nachzudenfen.
Die Lage war fo, wie fie fich diefelbe feit ihrem
erften Auftreten verfprochen hatte.
Noch zwei Schritte, und fie war am Ziel.
Wen von Beiden war es beffer zum Schilde zu
wählen: die Königin oder ben Cardinal?
Diefer Brief des Cardinals verfegte ihn in bie
Unmöglidhfeit, je Frau von La Mothe an dem Tage
anzuflagen, wo fie ihn nöthigen würde, die für das
Halsband fhuldige Summe zurüdzubezahlen.
Angenommen, der Cardinal und die Königin wür⸗
den ſich fehen, um fich zu verfländigen, wie follten fie
es wagen, Fran non fa Mothe, die Berwahrerin eines
fo ärgerlicen Geheimnifies, zu Grunde zu richten?
Dad Balsband der Königin. IV. 3
34
Die Königin würbe feinen Lärmen machen und
ı den Haß des GBardinals glauben, der Garbinal
yirde an die Coquetterie der Königin glauben, doc
ie Debatte, wenn eine entflünde, würde bei gefchluffenen
Ehuren Nattfinden, und nur bearygwohnt würde Frau
von Ya Mothe dirfen Borwand ergreifen, nm fid, die
fhöne Summe von anderthalb Millionen realificend, ans
dem Baterlande zu verbannen.
Der Cardinal wurde wohl wiflen, Seanne babe
diefe Brillanten genommen, die Königin würde es wohl
errathın; doch wuzu follte es ihnen nüpen, eine Anger
legenheit ruchbar zu maden, weldye jo eng mit ber
des Parks und der Apollo-Bäder in Verbindung ge:
bradyt war?
Nur genügte nidyt ein Brief, um biefes ganze
Bertheidigungsiyfem fersufellen; der Cardinal hatte
gute Federn, er würde fieben= bis achtmal fchreiben. .
Was die Königin betrifft, wer weiß, ob fie nit
mit Herrn von Charny Waffen für Jeanne von La
Mothe ſchmiedete?
So viele Wirrfale und Umwege liefen im ſchlinm⸗
ſten Ball auf eine Flucht aus, und Jeanne ſetzte ſchor
zum Voraus ihre Stufen über einander,
Zuerst Verfall des Termine, Anzeige ber Juweliere.
Die Königin ging gerade zu Herrn von Rohan.
ie
Durch die Bermittelung von Jeanne, das war uns
vermeidlih. Jeanne benadprichtigte den Cardinal um
forderte ihn auf, zu bezahlen.
Meigerte er fih . . . Drohung, bie Briefe zu ver
öffentliyen; er bezahlte.
Nach geleifteter Bezahlung feine Gefahr meh
Mas den öffentliyen Lärm betrifft, fo blieb nad »
Intriguenfrage auszubeuten. In biejem VPunkte vo
fummene Befriedigung. Die Ehre einer Königin u
eines Kircheniürfien um den reis von anderth
Millionen, das war noch zu wohljeil. Jeanne glau
3)
zu fein, fie würde drei Millionen bekommen,
fe wollte.
nd warum war Seanne ihrer Sache in Beziehung
> Jutriguenfrage fu fiher?
teil der Gardinal der Ueberzeugung lebte, er
rei Nächte hinter einander bie Königin in den
hen von Berfailles gefehen ... und weil feine
der Erde dem Cardinal beweilen würde, er
ich ge äuſcht ... Weil ein einziger Beweis des
j6 übrig blieb, ein lebendiger, unverwerflicher
8, den aber Jeanne aus der Debaite zu entfernen
griff ſtand.
ei dieſem Punkte ihres Nachfinnens angelangt,
eanne an das Fenfter und erblidte Oliva, ganz
ig, ganz neugierig auf ihrem Balcon.
88 iſt an uns Beiden,” dachte Jeanne, indem fie
Jerährtin zärtlich grüßte.. . .
ie Gräfin machte Oliva das verabredete Zeichen,
:» am Abende herabfomme.
anz freudig, nachdem fie diefe officielle Mitthei-
thalten, fehrte Oliva in ihr Zimmer zurüd, und
e verſank wieder in ihr Nachdenken.
as Werkzeug zerbrechen, wenn es nicht mehr bies
nn, das ift Die Gewohnheit aller Leute der In⸗
; nur foheitert Die Mehrzahl derfelben, entweder,
fie dieies Werkzeug fo zerbrechen, daß es einen
r ausflößt, der das Geheimniß verräth, oder ins
e es unvollfländig genug zerbrechen, daß es noch
a zu dienen vermag. .
eanne dachte, ganz dem Vergnügen, zu leben, zus
‚, würde fi die Eleine Dliva nicht zerbrechen
ohne einen Seuizer von fi zu geben.
tan mußte nothwendig für fle eine Fabel erfinnen,
beflimmte, zu fliehen; eine ‚andere, die ihr fehr
iu fliehen geflattete.
te Schwierigfeiten erhoben fi auf jedem Schritt;
ewifle Geiſter⸗ ſinden ein ebenfo gro es Desgnügen
\
36
daran, die Schwierigkeiten aufzulöfen, ale anbere, bie
Roſen mit Füßen zu treten.
Dliva, fo fehr fie über die Geſellſchaft ihrer neuen
Treundin entzüdt war, war doch nur beziehungeweife
darüber entzüdt, das Heißt, infofern fie dieſe Verbin⸗
dung durch die Scheiben ihres Gefängniſſes erfchaute,
fand fie diefelbe koſtbar.
Doch die aufrichtige Nicole verbarg ihrer Freun⸗
din nicht, der lichte Tag, die Spazierfahrten im hellen
Sonnenfchein, kurz alle die Wirflichkeiten des Lebens
wären ihr lieber gewefen, als die nächtlichen PBromes
naden und das erdichtete Königthum.
Die Beinahe des Lebens waren Seanne, ihre Lieb:
fofungen und ihre Vertraulichkeit, die Wirklichkeiten
des Lebens waren Geld und Beaufire.
Seanne, welde diefe Theorie gründlih ſtudirt
hatte, gelobte fich, diefelbe bei ber erſten Gelegenheit
anzuwenden,
Indem fie fich zufammenfaßte, gab fie als Thema
ihrer Unterrebung mit Nicole die Notäwendigfeit,
den Beweis ber flraibaren im Parf von Berfailles
begangenen Betrügereien ganz und gar verfchwindben
zu maden.
Die Nacht brach ein, Dliva kam herab. Jeanne
erwartete fie vor der Thür.
Beide gingen wieder die Rue Eaint: Claude bis
zu dem verödeten Boulevard Hinauf, wo fie ihren
Magen erreichten, den fie, um befler mit einander
fprechen zu fünnen, im Schritt auf dem Wege fahren
ließen, welcyer fich Freisförmig nach Vincennes zieht.
Nicole war wohl eingehüllt in ein einfaches Kleid
und in eine weite Caleche, Seanne war ale Briferte
gekleidet, und Niemand vermochte fie zu erfennen.
Man hätte zu diefem Behufe überdies in den Wagen
tauchen müften, und die Polizei allein war hiezu befugt.
Mine aber hatte bis jegt Verdacht bei der Bolizei
erwedt.
37
Dabei trug dieſer Wagen, ſtatt nur glatt zu fein,
an feinen Füllungen das Wappen der Balois, eine
beachtenswerthe Schildwache, deren Verbot zu durchbre⸗
chen oder zu überfchreiten die Gewaltthat eines Agenten
nie gewagt hätte.
Dliva fing bamit an, daß fie Jeanne mit Küffen
bedeckte, und diefe erwiederte diejelben mit Wucher.
„Oh! was habe ih mich gelangweilt,” fagte
Oliva, „ih fuhte Sie, ih rief nah Ihnen.“
„Unmöglih, meine Sreundin, ich konnte Sie un:
möglidy befuchen, ich wäre eine zu große Gefahr ge⸗
laufen, und hätte Sie aud einer ſolchen preisges
„Wie dies?” fragte Nicole erflannt.
„Bine furchtbare Befahr, meine Kleine, worüber
ich noch zittere.“
„Dh! erzählen Sie mir das geſchwinde?“
„Sie wiften, dag Sie hier viele Feinde haben?”
„Leider, ja!“
„Und daß Eie, um fi zu zerfireuen, auszugehen
wünſchten?“
„Wozu Sie mir ſo freundſchaftlich verholfen
aben.”
’ „Sie wiffen auch, daß ich Ihnen von jenem Mund-
ſchent ſprach, der etwas verrüdt, aber fehr angenehm
und in die Königin verliebt ift, weldyer Sie ein wenig
gleichen.“
„Sa, ich weiß das.”
„Sch hatte die Schwäde, Ihnen eine unfchnldige
Unterhaltung vorzufchlagen, die darin befand, daß
wir uns über den armen Jungen luflig maden und
ihn fo myflificiren wollten, daß er an eine Laune der
Königin für ihn glauben follte.”
„Ad!“ feufste Dliva.
„Ih erinnere Sie nicht an bie zwei erfien Pro⸗
menaden, die wir in der Naht im Garten von Ber:
faifles in Geſellſchaft diefes armen Zungen machten.”
30
„Sräfin, Sie behandeln mich fchlecht.“
„Donfeigneur, ich wiederhole Ihre Worte. Ich
folge Ihrer Erörterung.“
„Snfpiriren Ste fih durch fi ſelbſt, flatt mir
meine Tollheiten vorzuwerfen; helfen Sie mir, ſtatt
mid) zu martern.”
„SH Fann Ihnen nicht da helfen, wo ich nichte zu
thun fehe.“
„Sie fehen nichts zu thun?“ fagte der Cardinal,
indem er auf jedes Wort einen Nachdrud legte.
Nichte.”
„Wohl! Madame,” rief Herr von Rohan voll
Heftigfeit, „es jagt vielleicht nicht Jebermann, was
Sie fagen.“
„Ah! Monfeigneur, nun find wir bie zum Zorn
gelangt, und wir verftehen ung nicht mehr. Eure Er;
cellenz wird mir verzeihen, wenn ich ihr dies bemerfe.“
„um Zorn! ja... Ihr böfer Wille treibt mid
dazu, Gräfin.“
„Und Sie berecinen nit, ob dies Ungerechtig⸗
keit iſt ?“
„Oh! nein! Wenn Sie mir nicht mehr dienen, ſo
iſt dies der Fall, weil Sie es nicht mehr anders machen
können, das ſehe ich wohl.“
„Sie beurtheilen mich gut; warum klagen Sie
mich dann an?“
„Weil Sie mir die ganze Wahrheit ſagen müßten,
Madame.“
ich „Die Wahrheit! ich habe Ihnen die geſagt, welche
ich weiß.“
„Sie fagen mir nicht, daß die Königin eine Treu:
lofe, eine Coquette ift, daß fie die Leute anfpornt, fe
anzubeten, und daß fie diefelben hernach der Verzweif—⸗
lung überantwortet.”
Jeanne fchaute ihn mit erflaunter Miene an.
„Erklären Sie fi,” fagte fie zitternd, nicht vor
Angſt, ſondern vor Freude.
3
Sie halte in der That in der Eiferfucht des Bars
dinals einen Ausgang erblickt, den ihr die Umftänte
vielleicht nicht gegeben hätten, um aus einer fo ſchwie⸗
rigen Lage herauszufommen.
„Geſtehen Sie mir,“ fuhr der Garbinal fort, der
mehr mit feiner Leidenfchaft rechnete, „geftehen Sie mir,
ich bitte Sie, daß die Königin fich weigert, mid) zu ſehen.“
„3% Tage das nicht, Monfeiyneur.“
„Geſtehen Sie, daß fie, wenn fie mich nicht mit
isrem vollen Willen zurüdfößt, was ich immer noch
hoffe, mich aus dem Befige fest und fern von fi hält,
um nicht irgend einen andern Liebhaber zu beunrubigen,
bei dem meine Huldigungen Verdacht erregt haben.“
„Ab! Monfeigneur,” rief Seanne mit einem fo
honigreichen Tone, daß fie noch vielmehr errathen Tieg,
als fie verbergen wollte.
„Hören Sie mich,“ fagte der Cardinal, „als ich
Shre Majefät zum legten Male fah, glaubte ih im
Gebüfche gehen zu hören.”
„zollheit!“
„Und ich werde Alles fagen, was ih muthmaße.“
„Sagen Sie nicht ein Wort mehr, Monfeigneur,
Sie beleidigen die Königin, und überdies, wenn es wahr
wäre, wenn fie fo unglücklich wäre, daß fle die Ueber:
wachung eines Liebhabers befürchten müßte, was ich
nicht glaube, wären Sie ungerecht genug, ihr ein Ver⸗
brechen aus ber Bergangenheit zu machen, bie fie Ihnen
zum Opfer bringt?”
„Die Bergangenheit! die Bergangenheit! Das ift
ein großes Wort; aber es fällt, Bräfin, wenn dieſe
Pr ri noch die Gegenwart if und die Zukunft
ein !
„Pfui! Donfeigneur; Sie fprechen mit mir, als
fpräden Sie mit einem Mäkler, dem Ste vorwerfen
würben, er habe Sie zu einem fchlechten Gefchäfte ver⸗
anlaßt. Argwohn, Monfeigneur, iſt fo verlegend für
die Königin, daß er es am Ende aud für mich wird.“
32
„Dann, Gräfin, beweifen Sie mir. . .”
! Monfeigneur, wenn Sie dieſes Wort wieder
„Ah
holen, fo nehme ich Die Beleidigung für meine Rechnung.“
„Kurz! ... liebt fie mich ein wenig?“
„Da gibt es etwas ganz Binfaches, Monſeigneur,“
fagte Jeanne, indem fie anf den Tiſch des Garbinals
und auf das darauf ſtehende Schreibzeng bentete.
PATH Sie fi dorthin und fragen Sie die Königin
e u
Der Garbinal ergriff voll Entzüden die Hand von
Jeanne und rief:
„Sie werden ihr das Billet zuftellen ?“
„Wenn ich es ihr nicht zuftellte, wer würbe es denn
fonft übernehmen ?"
„Und... . Ste verfprechen mir eine Antwort?“
„Wenn Sie feine Antwort befämen, wie würben
Sie erfahren, woran Sie fi zu halten haben ?”
„Ob! fo ift es gut, Sräfln, fo liebe ih Sie.“
„Nicht wahr ?" Tagte fie mit ihrem feinen Lächeln.
Gr fegte fih, nahm die Feder und fing einen Brief
an. Herr von Rohan hatte eine berebte Feder, einen
leichten Brief; doch er zerriß zehn Blätter, che er ih
ſelbſt gefiel.
„Wenn Sie immer ſo fortmachen, werden Sie \
nie zum Ziele fommen,” fagte Jeanne.
„Sehen Sie, Sräfln, ich mißtraue meiner Zärt
lichkeit; fie überfirömt unwillfürlid und würbe vielleicht
die Königin ermüden.”
„AH!” verfepte Seanne mit Ironie, „wenn Gie
ihr als Politiker fehreiben, fo wird fie Ihnen mit
einem biplomatifchen Bilfet antworten. Das iſt Ihre
ache.“
„Sie haben Recht, und Sie find eine ächte Frau
nad Geiſt und dern. Hören Sie, Gräfin, warum
follten wir ein Geheimniß für Sie haben, da Gie bas
unfere befigen ?“
Sie lächelte.
33
„Es iſt wahr,” fagte fie, „Sie haben mir wenig
ı verbergen.”
„Leſen Sie über meine Schulter, lefen Sie fo
hell, ale ich fchreiben werde; denn mein Herz brennt,
eine Feder wird das Bapier verzehren.”
Er fchrieb in der That; er fchrieb einen Brief fo
lühend , fo toll, fo voll von Liebesvorwürfen und ge⸗
ihrdenden Betheuerungen, daß, als er geendet hatte,
eanne, die feinen Gedanfen bis zur Unterfchrift folgte,
a fih felbft fagte:
„Er hat geichrieben, was ich ihm zu dictiren nicht
swagt hätte.“
Der Barbinal überlas fein Billet und fragte dann
eanne:
„Iſt es fo gut?“
„Wenn bie Königin Sie liebt,“ erwieberte die
jerräfherin, „fo werden Sie fie morgen fehen; nun
ber verhalten Sie ſich ruhig.“
„Bis morgen, ja.“
„Sch verlange nicht mehr, Monfeigneur.“
Sie nahm das verflegelte Billet, ließ fih von
Ronfeigneur auf die Augen küſſen, und fehrte gegen
ibend nad Haufe zurüd. Ausgefleidet, erfrifcht, fing
e bier an nachzudenken.
Die Lage war fo, wie fie fich diefelbe feit ihrem
rften Auftreten verfprochen Hatte.
Noch zwei Schritte, und fie war am Ziel.
Ben von Beiden war es befler zum Schilde zu
yahlen: die Königin oder den Cardinal?
Diefer Brief des Cardinals verfegte ihn in die
Inmöglichfeit, je Zrau von La Mothe an dem Tage
nzuflagen, wo fie ihn nöthigen würde, bie für das
dalsband fchuldige Summe zurüdzubezahlen.
Angenommen, der Cardinal und die Königin wür-
ven ich fehen, um fich zu verfländigen, wie follten fie
gen, 3 va La Mothe, die Berwahrerin eines
je Argerlicen jeimniffes, zu Grunde zu richten?
Ded Salsbano ver Königin. IV. 3
34
Die Königin würbe feinen Lärmen machen unb
an den Haß des Gardinals glauben, der Cardinal
würde an die Coquetterie der Königin glauben, doc
Die Debatte, wenn eine entflünde, würde bei gefchloflenen
Thurn Hattfinden, und nur bearygwohnt würde Frau
von ka Mothe dirfen Vorwand ergreifen, um fid), die
fdyöne Summe von anderthalb Millionen realıficend, aus
dem Baterlande zu verbannen.
Der Cardinal würde wohl wifien, Jeanne habe
diefe Brillanten genonmen, die Königin würbe e6 wohl
errathen; Doch wozu follte es ihnen nügen, eine Ange
legenheit ruchbar zu machen, welche 10 ep mit ber
des Parks und der Apollo:Bäder in Verbindung ge:
bradyt war?
Nur genügte nicht ein Brief, um dieſes ganje
Bertheidigungsiyftem fersuftellen; der Cardinal hatte
gute Federn, er würde fieben= bis achtmal fchreiben.
Was die Königin betrifft, wer weiß, ob fie nit
mit Herrn von Charny Waffen für Jeanne von La
Mothe ſchmiedete?
So viele Wirrfale und Umwege liefen im ſchlimm⸗
fien Ball auf eine Flucht aus, und Jeanne fepte fcher
zum Voraus ihre Stufen über einander.
Zuerst Verfall des Termins, Anzeige der Juweliere.
Die Königin ging gerade zu Herrn von Roban.
ie
Durd die Bermittelung von Jeanne, das war um.
vermeidlih. Jeanne benadyrichtigte den Garbinal and
forderte ihn auf, zu bezahlen.
Meigerte er fih .. . Drohung, die Briefe zu vers
öffentlichen ; er bezahlte.
Nach geleifteter Bezahlung feine Gefahr weht.
Mas den Öffentliyen Lärm betrifft, fo biieb noch die
Intriguenfrage auszubeuten.. In viefem Punkte voll:
fummene Befriedigung. Die Ehre einer Königin um
eines Kircheninrfien um den Preis von anderthald
Millionen, das war noch zu wohljeil. Jeanne
35
fiher zu fein, fie würde drei Millionen befommen,
wenn fie wollte.
Und warum war Jeanne ihrer Sache in Beziehung
auf die Jutriguenfrage fo fidher?
Meil der Cardinal der Ueberzeugung lebte, er
habe drei Nächte hinter einander die Königin in den
Gebüſchen von BVerfailles gefehen . . . und weil feine
Macht der Erde dem arpdinal beweiien würde, er
habe fi geäuiht ... Weil ein einziger Beweis des
Berrugs übrig blieb, ein lebendiger, unverwerflicher
Beweis, den aber Jeanne aus der Debaite zu entfernen
im Begriff ſtand.
Bei dieſem Punkte ihres Nachfinnens angelangt,
trat Jeanne an das Fenſter und erblidte Oliva, ganz
unruhig, ganz neugierig auf ihrem Balcon.
„Es iſt an uns Beiden,” dachte Seanne, indem fie
ihre Berährtin zärtlich grüßte ...
Die Gräfin machte Oliva das verabredete Zeichen,
daß ſte am Abende herabkomme.
Ganz freudig, nachdem fie dieſe officielle Mitthei—
lung erhalten, kehrte Oliva in ihr Zimmer zurück, und
Jeanne verſank wieder in ihr Nachdenken.
Das Werkzeug zerbrechen, wenn es nicht mehr die⸗
nen fann, das ift die Gewohnheit aller Xeute der In
trigue; nur fcheitert Die Mehrzahl derfelben, entweder,
indem fie dieſes Werkzeug fü zerbrechen, daß es einen
Seufzer ausflößt, der das Geheimniß verräth, oder ins
dem file es unvollfländig genug zerbrechen, daß es noch
Andern zu dienen vermag.
Jeanne dachte, ganz dem Vergnügen, zu leben, zus
ethan, würde fid die Eleine Dliva nicht zerbrechen
affen, ohne einen Seuizer von fich zu geben.
Man mußte nothiwendig für fie eine Fabel erfinnen, -
bie fie beſtimmte, zu fliehen; eine .andere, die ihr fehr
gern zu flichen geftattete.
Die Schwierigkeiten erhoben ſich auf jenem Schritt;
doch gewifle Beiftemfinden ein ebenfo gro 2 ergnügen
36
daran, die Schwierigfeiten aufzulöfen, als andere, bie
Roſen mit Füßen zu treten.
Dliva, fo fehr fie über die Gefellichaft ihrer neuen
Freundin entzüdt war, war doch nur beziehungsweife
darüber entzüdt, das Heißt, infofern fie dieſe Verbin⸗
dung durch die Scheiben ihres Befängniffes erfchante,
fand fie diefelbe koſtbar.
Doch die aufrichtige Nicole verbarg ihrer Freun⸗
din nicht, der lichte Tag, die Spazierfahrten im hellen
Sonnenſchein, kurz alle die Wirflichfeiten des Lebens
wären ihr lieber gewefen, als die nächtlichen Bromes
naden und das erdicdhtete Königthum.
Die Beinahe des Lebens waren Seanne, ihre Lieb-
fofungen und ihre Vertraulichkeit ; die Wirflichkeiten
des Lebens waren Geld und Beaufire.
Seanne, welche diefe Theorie gründlih flubirt
hatte, gelobte fich, dieſelbe bei der erſten Gelegenheit
anzuwenden,
Indem fie fih zufammenfaßte, gab fie als Thema
ihrer Unterredung mit Nicole die Nothwendigfeit,
den Beweis der flraibaren im Barf von Berfailles
begangenen Betrügereien ganz und gar verjchwinden
zu madıen.
Die Nacht brach ein, Dliva kam herab. Seanne
erwartete fie vor der Thür.
Beide gingen wieder die Rue Eaint:Efaube bis
zu dem verödeten Boulevard hinauf, wo fie ihren
Wagen erreichten, ben file, um befier mit einander
fpreyen zu fünnen, im Scdritt auf dem Wege fahren
ließen, welcher fich Freisfürmig nach Vincennes zieht.
Nicole war wohl eingehüllt in ein einfaches Kleid
und in eine weite Caleche, Jeanne war als Brifette
gefleivet, und Niemand vermochte fie zu erkennen.
Man hätte zu diefem Behufe überdies in den Wagen
tauchen müffen, und die Bolizei allein war hiezu befugt.
Nichte aber hatte bis jegt Verdacht bei der Polizei
erweckt.
37
Dabei trug diefer Wagen, ftatt nur glatt zu fein,
n feinen Füllungen das Wappen der Valois, eine
sadhtenswerthe Schildwache, deren Verbot zu durchbre⸗
ven ober zu überfchreiten vie Gewaltthat eines Agenten
ie gewagt hätte.
Dliva fing damit an, daß fie Ieanne mit Küffen
sdeckte, und diefe erwiederte diefelben mit Wudher.
„Oh! was habe ih mich gelangweilt,“ fagte
HTiva, „ih fuchte Sie, ih rief nach Ihnen.“
„Unmöglid, meine $reundin, ich konnte Sie un:
öglich befuchen, ich wäre eine zu große Gefahr ge⸗
fen und hätte Sie auch einer ſolchen preisges
ben.”
„Wie dies?” fragte Nicole erflaunt.
„Eine furchtbare Gefahr, meine Kleine, worüber
h noch zittere.“
„Dh! erzählen Sie mir das geſchwinde?“
„Sie wiffen, daß Sie hier viele Feinde haben ?“
„Leider, ja!“
„Und daß Sie, um fich zu zerfireuen, auszugehen
ünſchten?“
„Wozu Sie mir ſo freundſchaftlich verholfen
aben.”
„Sie wiffen audh, daß id) Ihnen von jenem Mund-
benf ſprach, der etwas verrüdt, aber fehr angenehm
nd Pin die Königin verliebt iſt, welcher Sie ein wenig
‚eichen.”
„Sa, ich weiß base.”
„Sch Hatte die Schwäche, Ihnen eine unfchuldige
nterbaltung vorzufchlagen, die darin beftand, daß
fr uns über den armen ungen luſtig machen und
n fo myflificiren wollten, daß er an eine Laune der
önigin für ihn glauben follte.“
„Ah!“ feufzte Dliva.
„Ih erinnere Sie nicht an die zwei erflen Pro:
enaden, die wir in der Naht im Garten von Ber:
illes in Geſellſchaft diefes armen Sungen machten.”
38
Dliva fenfzte abermals.
„Sn dieſen zwei Nächten fpielten Sie Ihre fleine
toffe ſo gut, daB unfer BBerliebter die Sache im
$rnite nahm.“
„Das war vielleicht ſchlimm,“ fagte Oliva Teife;
„denn in der That, wir täufchten ihn, und er verdient
es nicht: es iſt ein reigender Gapalier.”
„Nicht wahr?“
„Sb! ja.“
„Doh warten Sie, hierin lient das Schlimme
nicht. Daß Sie ihm eine Roſe gefchenft haben, daß
Sie ih Majeſtät nennen ließen... daß Sie ihm
Ihre Hand zum Küffen gaben, das find muthwillige
Streihe.... . Aber... . meine Eleine Dliva, es fcheint,
das iſt noch nicht Allee.“
Oliva erröthete fo fehr, daß Jeanne es Hütte ohne
die tiefe Nacht nothwendig bemerken müflen. Als Frau
von Geiſt fchaute fie allerdings den Weg, und nicht
ihre Gerährtin an. "
„Wie ...“ flammelte Nicole, „in welcher Hins
ücht ... . it Das noch nicht Alles?“
„Es fund eine dritte Zujammenfunft flatt,* ers
wiederte Jeanne.
„Sa,“ fagte Oliva zögernd; „Sie wiflenes, da Sie
dabei waren.”
„Verzeihen Sie, liebe Freundin, ich war, mie
immer, in der Entfernung und lanerte, oder gab mir
den Anichein, als lauırte ih, um Ihrer Nolle mebr
Mahrheit zu verleihen. Ih babe alſo werer gehört,
noch gefeben, was in jener Grotte vorgegangen ifl.
Ich weiß nur das, was Sie mir Davon erzählt haben.
Sie erzählten mir aber, als Sie zurüdfamen, Eie
jeien fvagieren negangen, Sie haben geplaudert, und
die Mofen und die Handküſſe haben ihr Spiel fortges
ſetzt. Ih, meine Rleine, glaube Alles, was man
mir faut.”
„Nun denn! ... aber... ." machte zitternd Oliva.
39
„Nun denn! meine Liebenswärbigfte, es ſcheint,
nfer Narr fagt mehr davon, als ihm die vorgebliche
önigin bewilligt hat.“ |
Mas 2u
„Es fcheint, beraufcht, betäubt, verwirrt, rühmte
: fi), von der Königin einen unverwerflichen Beweis
etheilter Liebe erhalten zu Haben. Diefer arme Teufel
t entichieden ein Narr.”
„Mein Bott! mein Gott!“ murmelte Oliva.
„Es ift ein Narr, fchon weil er lügt, nicht wahr?”
„Gewiß.“ fammelte Oliva.
„Sie würden ſich nicht einer fo furchtbaren Ge⸗
ihr haben ausſetzen wollen, ohne es mir zu ſagen,
reine liebe Kleine” _
Dliva fhauerte vom Scheitel bis zu den Zehen.
„Weihe Wahrfcheinlichfeit Kat es,” fuhr die
ırchtbare Freundin fort, „daß Sie, die Sie Herrn
jeaufire lieben, und die Sie midy ale Gefährtin bes
ben, daß Sie, der Herr Graf von Caglioſtro den
of macht, defien Bemühungen Sie zurürfweifen, daß
sie aus Laune diefem Narren das Necht geben. .
u ...ſagen ... Nein, er bat den Kopf verloren,
as laſſe ih mir nicht nehmen.“
„Nun,“ rief Nicole, „was für eine Gefahr ift
tebei, fprechen Sie?“
„Bemerfen Sie wohl, wir haben es mit einem
tarren zu thun, der nichts fürchtet und nichts ſchont.
50 lange es fih nur um eine geichenkte Rofe, um
inen Hanbfuß handelte, da war nichts zu fagen; eine
dönigin hat Roten in ihrem Parf, fle Hat Hände zur
jerfügung aller ihrer Unterthanenz, doch wenn es wahr
‚are, daß bei der dritten Zufammenfunft... . Ach!
h ladye nicht mehr, feitdem ich Diele Idee habe.”
Dliva fühlte, wie fi ihre Zähne aus Angft an
nander preßten,
„Bas wird dann gefchehen, meine gute Freundin 3”
'agte fie.
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peter „einem Toten D holen Si 3
Sie haben vier reale I einem |
41
m! Ich fage Unvorfihtigteit, bemerken Sie das
.. abgefehen davon, daß er argwöhnen wird.”
Rein Gott! Ste haben Recht.“
dehr noch: das Gerücht von diefer Sade wirb
breiten, die Nachforfcyungen der Beamten wer⸗
yenklichfeiten bei Ihrem Beſchützer erregen. Wer
b er Ste nit, um fich bei Hofe angenehm zu
ß usliefern wird.“
) 14
tehmen Sie an, er jage Sie ganz einfach weg,
rd dann aus Ihnen werben?“ ö ß
ch weiß, daß ich verloren bin.“
nd Herr Beauſire, wenn er dies erfährt?“ ſagte
dangſam, die Wirkung dieſes letzten Streiches
·
iva ſprang auf. Mit einem heftigen Stoß zer⸗
:e das ganze Gebäude ihrer Friſur.
ir wird mich umbringen, Ob! nein, ich werde
IbR tödten.“
inn wandte fie fich gegen Jeanne um und fagte
ı Verzweiflung:
sie fönnen mich nicht retten, nein, da Sie ſelbſt
n find.“ "
ch habe,” erwiederte Seanne, „tief in der Bicarbie '
itchen, einen Pachthof. Wenn man, ohne ges
u werden, biefen Zufluchtsort, ehe der Lärm
be erreichen Tönnte, fo bliebe vielleicht noch eine
eit.“
(ber dieſer Narr, er kennt Sie, er wird fie wohl
:n.”
»H! wenn Sie ieogegangen wenn Sie vers
‚ wenn Gie unfindbar waren, würbe ich den
nicht mehr fürchten. Ich würde ganz laut zu
gen: „„Ste find ein Narr, da Sie foldye Dinge
ten, beweifen Sie diejelben,”“ was ihm unmög:
re; und ganz leife würde ich zu ihm fagen:
find ein Schurke !""
42
„Ih werde abreifen, wann und wie es Ihnen
beliebt,” ſprach Dliva.
„Ich glaube, das iſt vernünftig," erwieberte
Seanne.
„Sol ich ſogleich gehen?“
„Nein, warten Sie, bis id alle Anftalten für
einen günftigen Erfolg getroffen habe. Berbergen Sie
ſich, zeigen Sie fib nicht, nidyt einmal mir. Berfleiven
Sıe fc fogar, wenn Sie in Ihren Spiegel ſchauen.“
„sa, ja, zählen Sie auf mid, theure Freundin.”
„Und um anzufangen, fehren wir nah Hanfe
jurüd: wir haben einander nichts mehr zu ſaqen.“
„Kehren wir zurüd. Wie viel Zeit brauchen Sie
zu Ihren Vorbereitungen?”
„sh weiß es nicht; doch merfen Sie wohl auf
Gines: von jegt bis an den Tag Ihrer Abreiſe werde
ih mich nicht mehr an meinem Fenfter zeigen. Wenn
Sie mid daran fehen, fo rechnen Sie darauf, daß
Ihre Abreife noch an demfelben Tage Hattfinden folL*
„Sa; ich danfe, meine liebe Freundin.“
Sie fehrten langfam nach der Rue Saint⸗Glande
zurüd, Dliva wagte es nicht mehr, mit Jeanne zu
fprechen, Jeanne fann zu tief nad, um mit Oliva zu
ſprechen. Als fie an Ort und Stelle waren, umaımten
fie ſich; Oliva bat demüthig ihre Freundin um Bers
zeihung für alles Unglüd, das fie durch ihre Unbefons
nenheit verurfacht habe.
„Ih bin Weib, und mit jeder weiblichen Schmäde
vertraut, ſprach Frau von La Mothe, ben römifchen
Dichter parodirend. “
43
LXXI.
Die Flucht.
Mas Dliva verfprocdhen hatte, hielt fie.
Was Jranne verfprochen batte, that fie.
Schon am andeın Tage hatte Nicole ihr Dafein
vor Jedermann verborgen, Niemand fonnie errathen,
daß fie in dem Hauie der Rue Saint:@laude wohnte.
Beſtändig Hinter einem Vorhang oder hinter einem
Windichiim verborgen, beftändig die Fenſter verhängend,
den Sonnenftrahlen zum Trug, welche diejelben freudig
angriffen.
Seanne, die ihrerfeits alle Auftalten traf, ba fie
wußte, der andere Tag müßte den Berfall der erften Zah:
lung von fünimal bunderttaufend Livres herbeiführen.
Seanne richtete fih fo ein, daß fle Feine empfindlidye
Stelle für den Augenblid, wo die Bombe plagen würde,
hinter ſich ließ.
Diefer furchtbare Augenblick war das legte Ziel
ihrer Beobachtungen.
Sie hatte die Alternative einer Flucht, welde
leicht zu bewerfitelligen, weife berechnet, doch diefe Flucht
war die beflimmtefte Anklage.
Bleiben, unbeweglich bleiben, wie der Duellant
unter dem Streiche des Gegners; bleiben mit ber
Chance, zu fallen, aber audy mit der Shance, feinen
Gegner zu tödten: das war der Entfchluß der Gräfin.
Darum zeigte fie fih fchon am andern Tage nach
ihrer Zufammenfunft mit Dliva gegen zwei Uhr an
ihrem Fenſter, um der falıdhen Königin zu bezeichnen,
es fei am Abend für fie Zeit, das Weite zu ſuchen.
Die Zreude und zugleich den Schreden von Oliva
zu fchildern, wäre nicht möglich, Nothwendigkeit, zu
fliehen, bebeutere Gefahr, Möglichkeit, zu fliehen, bes
dentete Retiung.
4
Sie fandte Jeanne einen beredten Kuß zu und
traf dann ihre Vorbereitungen, wobei fie in ihr Päd:
hen ein wenig von den Foftbaren Gffecten ihres Be⸗
ſchützers legte.
Jeanne verfhwand, nachdem fie das Signal ges
geben hatte, aus ihrer Wohnung, um ſich mit dem
luffuchen des Wagens zu befchäitigen, den man mit
hem theuern Geſchicke von Mille. Nicole betrauen
önnte.
Und dies war dann Alles — Alles, was der nen⸗
aterigfte Beobachter unter den gewöhnlich bezeichnenden
Merkmalen des Einverfländniffes ber zwei Freundinnen
hätte entmengen fönnen.
Gefchloffene Vorhänge, geichloffene Fenſter, fpät
umbherirrendes Licht. Hernach irgend ein Streifen nnd
Raufhen, einige geheimnißvolle Beräufche, einiges
Ppwerfen, worauf der Schatten mit dem Stillſchweigen
olgte.
Es ſchlug elf Uhr auf Saint-Paul, und der Wind
des Fluſſes trug die düſter abgemeſſenen Schläge bis
nad) der Rue Saint:Elaude, ale Jeanne in bie Rue
Saint:Louis mit einer Poſtchaiſe, beipannt mit vier
fräftigen Pferden, Fam.
Gin auf dem Bode diefer Chaife figender, in einen
Mantel gehüllter Mann bezeichnete dem Boftillon die
Ndrefie.
Seanne zog biefen Mann am Eaume feines Mans
an und ließ ihn an der Ede der Rue du Roi dore
alten.
Der Mann ſprach mit feiner Gebieterin.
„Der Wagen bleibe hier, mein lieber Herr Reteaux,“
fagte Jeanne, „eine halbe Stunde wird genügen. Ich
werde Jemand hierher führen, der einfteigen wird, und
Sie laffen, doppelte Trinfgelder bezahlend, nach meinem
Heinen Haufe in Amiens fahren.” .
„Sa, Frau Gräfin.“
45
„Dort übergeben Sie diefe Berfon meinem Meier
Fontaine, welcher weiß, was er zu thun hat.“
„sa, Madame.”
„Ih vergaß . . . Sie find bewaffnet, mein lieber
Herr Reteaur?“
„Sa, Madame.“
„Diefe Dame ift von einem Narren bedroht... .
Man wird fie vielleicht unter Weges fefinehmen wols
ne...
„Was fol ih dann thun?“
„Sie werben auf Jeden, der Sie in Ihrer Fahrt
aufhalten will, Feuer geben.”
„But, Madame.“
„Sie haben zwanzig Louisb’or Belohnung für das
Bewußte von mir verlangt, ich gebe Hundert dafür und
bezahle die Reiſe, die Sie nach England machen wers
den, wo Sie mich vor Ablauf von drei Monaten zu
erwarten haben.”
„But, Madame.“
„Hier find die Hundert Louisd'or. Ich fehe Sie
ohne Zweifel nicht mehr, denn es if flug für Sie,
Saint = Balery zu erreichen und ſich fugleiy nad
England einzufciffen.”
„Zahlen Sie auf mich.“
„Es ift Ihretwegen.“
„Es iſt unſertwegen,“ ſagte Herr Reteaux, der
Graͤfin die Hand küſſend. „Ich warte alſo.“
„Und ich werde Ihnen die Dame zufchicen.“
Meteaur flieg in die Chaife an den Plak von
Seanne, und diefe eilte mit leichtem Fuße in die Rue
Saint:Elaude und flieg die Treppe ihres Haufes hinauf.
Alles fchlief in dieſem unſchuldigen Quartier.
Seanne zündete felbft die Rerie an, welche über den
Balcon emporgehalten, für Oliva das Signal, hinab:
zugehen, fein i
Es if ein Mädchen von Borficht,” fagte bie
Gräfin zu fih ſelbſt, als fie das Fenſter dunkel ſah.
ollte.
un Wo
—XRX
Jeanne hob und ſenkte dreimal ihre Kerze.
Nichts. Aber es kam ihr vor, als hörte fie e
wie einen Seutzer oder ein ja, unmerflidy unter
Blätterwerk des Fenſters bervor in die Luft
ſchleudert.
„Sie wird ohne Zweiſel hinabgehen, ohne
etwas anzuzünden,“ ſagte Jeanne zu ſich; „das if
Uebel.“
Und ſie ging ſelbſt auf die Straße hinab.
Die Thüre wurde nicht geöffnet. Oliva hatt«
ohne Zweitel mit einigen läſtigen Päcken beſchwer
„Die Alberne,“ fagte die Gräfin murrend;
viel Zeit gebt wegen einiger Besen verloren.“
Nichts kam. Jeanne ging bis zu der Thür
genübrr.
Nichte. Eie hielt ihr Ohr an bie breitför
eifernen Nägel und horchte.
b So verging eine Viertelſtunde; es ſchlug Halb,
Ihr
Seanne fchritt bis zum Bonlerart, um von
zu fehen, ob fih die Zeniter erleuchteten.
Es fam ihr vor, als fähe fie eine fanfte
in dem leeren Raum der Blätter unter den dopy
Vorhängen hins und hergeben.
„Dein Gott! mas madt fie! was madıt fle
—*— Elende! Sie hat vielleicht das Signal nich
ehen.“
„Auf! Muth, wir wollen wieder hinauigehen.
Und fie flieg in der That wieder in ihre $
nung hinauf, um noch einmal den Telegraph
Kerzen ipielen gu laflen.
Kein Zeichen antwortete auf die ihrigen.
„Tie Scelmin,” fagte Jeanne zu fih ſelbſt,
rend fie voll Wuth ihre Manchetten zerfnitterte,
Schelmin muß krank fein und ſich nit rühren füı
Dh! mas ıf daran gelegen? lebendig oder todt
fie Heute Abend breiten.“
4
e ging abermals mit der Haft einer verfolgten
die Treppe hinab. Sie hielt in ihrer Hand den
el, der fo oıt Dliva die nächtliche Freiheit ver-
yatte.
dem NAugenblid, wo fie diefen Edhlüffel in
yloß des Haufes ſtecken wollte, hielt fie inne.
3enn Jemand oben bei ihr wäre?“ dachte bie
nmöglich, ich werde die Stimmen hören, und
noch Zeit jein, wieder herabzugehen. Wenn
ıand auf der Treppe begegnete... Oh!”
e wäre anf diefe gefährliche Annahme hin bei-
rüdgewichen.
8 Geräufh des Stampfens ihrer Pferde auf
ıllende Pflaſter beftimmie fie.
hne Beiahr nichts Großes,” fagte Jeanne. „Mit
it nie Gefahr!“
d fle drehte den Schlüffel in dem fchwerfälligen
und öffnete die Thüre.
inne fannte die Dertlichfeiten: ihr Berfland würde
jelben geoffenbart haben, jelbit wenn fie fi,
jeden Abend auf Dliva wartete, nicht Rechen
avon gegeben hätte.
e Treppe war linfs, Seanne eilte auf bie
in Geräufch, Fein Licht, Niemand.
e m fo auf den Ruheplatz der Wohnung
cole.
er, unter der Thüre, fah man einen beleuchteten
n; bier, hinter der Thüre, hörte man das Geraͤuſch
aftigen Schrittes,
uchend, aber ihren Athem erſtickend, horchte
Dan prach nit. Dliva war alfo allein,
„ſie räumte ohne Zweifel zufammen.
e war alfo nicht Franf und es handelte fich nur
: Berzögerung.
anne kratzte fachte an dem Holze der Thüre,
48
„zliva! Oliva!“ fagte fie; „Freundin!
Freundin!“
Tie Schritte nüäherten fi auf dem Teppich).
„Oeffnen Sie! öffnen Sie!" fagte Jeanne 5
Die Thüre wurde geöffnet, eine Lichtfluth
frömte Jeanne, und dieſe fand einem Mann |
über, der einen breiarmigen Leuchter in ber
hielt. Sie itieß einen furchtbaren Schrei auı
verbarg ihr Geficht.
„Oliva!“ fagte diefer Mann. „Sind S
nit?“
Und er hob fachte den Ueberwurf der Bräfl:
„Die Frau Gräfin von La Mothe,“ rief e
einem Tone bewunderungswürbig natürlichen
ftaunens,
„Herr von Caglioſtro!“ murmelte Seanne
fend und einer Ohnmacht nahe.
Unter allen den Gefahren, welde Seanne
vorausfegen fünnen, war dieſe der Gräfin nie e
nen. Sie zeigte ſich nicht fehr furdtbar von A
an, aber wenn man ein wenig nachbachte, went
ein wenig bie düſtere Miene und die tiefe Verſt
dieſes feltfamen Mannes beobachtete, mußte die @
ſchrecklich erſcheinen.
Jeanne hätte bald den Kopf verloren, fie
zurüd und hatte große Luft, ſich von oben bie 2
hinab zu flürzen.
Caglioſtro reichte ihr artig die Hand und I
ein, ſich zu fegen.
„Welchem Umſtande babe ich die Ehre Ihre
fudhes zu verdanten, Madame?“ fagte er mit fi
Stimme,
„Dein Herr... .” Rammelte bigSnteigandt
ihre Augen nit von denen des Grafen losn
fonnte, „ih fam ... ich fuchte.. . .*
„Erlauben Sie, Madame, daß ich Flingle, un
jenigen von meinen Leuten zu befirafen, weld
49
Ungefchictheit gehabt haben, eine Frau von Ihrem
Rang allein eintreten zu laſſen.“
Jeanne zitierte und hielt den Grafen bei der
Sand zurüd.
„Sie müflen,” fuhr diefer unftörbar fort, „Sie
müffen zu biefem Tölpel von einem Deutfchen gerathen
jein, der mein Portier ift und fich betrinft. Er wird
Sie nicht erfannt und feine Thüre, ohne etwas zu
hun, ohne etwas zu fagen, geöffnet Haben, und
nachdem er fie geöffnet, ift er wohl wieder einges
ſchlafen.“
Ich bitte, ſchelten Sie ihn nicht,“ erwiederte freier
vie Graͤſin, welche bie Falle nicht ahnete.
„Nicht wahr, er hat geöffnet, Madame?”
3% glaube, ja... Aber Sie haben mir ver-
Iprochen, ihn nicht zu fchelten.”
Ich werde mein Wort halten,“ erwieberte laͤchelnd
‚er Star. „Doch wollen Sie nun die Güte haben,
ich zu erklären.“
Sobald einmal die Sache fo fland, fobald man
jeanne nicht mehr im Verdacht hatte, daß fie felbft
ie Thüre geöffnet, konnte fie über die Beranlaflung
ara lügen, was fie zu thun auch nicht
verfehlte.
„Ich kam,“ fagte fie fehr raſch, „ich fam, um Sie
ber Be Gerüchte um Rath zu fragen, bie im
Imla d.*
„Welche Gerüchte, Mabame?“
„Sch bitte, bebrängen Ste mic) nicht,” erwiederte
seanne fich zierend, „mein Schritt ift fehr zarter
tatur.”
„Suche! ſuche!“ dachte Caglioſtro; „ich Habe ge»
unben.“
„Sie find ein Freund Seiner Eminenz des Herrn
Sarbinals von Rohan,“ ſprach Jeanne.
„Ah! ah! nicht ſchlecht,“ dachte Caglioſtro. „Gehe
Das HSalsband der Königin. II. 4
50
bis an das Ende des Fadens, den ih in der Hand
habe. Doch weiter, das verbiete ich Dir.“
„Ich ftehe in der That ziemlich gut mit Seiner
Eminenz,“ fprad er,
„Und ich,” fuhr Jeanne fort, „ich wollte mich bei
Ihnen erfundigen über... ."
„Ueber?“ fragte Caglioſtro mit einer Färbung
von Sronie.
„Ich habe Ihnen gefagt, meine Stellung ſei fehr
zarter Natur, mein Herr, machen Sie feinen Mißbrauch
tavon. Es kann Ihnen nicht unbefannt fein, daß mir
Herr von Rohan einige Zuneigung bezeigt, und id
wollte wiffen, bis auf welchen Brad ich darauf zählen
fann, daß... Ah! mein Herr, Sie lefen, wie man
Iost, in der dichteften Finſterniß der Beifter und ber
erzen.“
No ein wenig Helle, Madame, damit ich beffer
in der Finfterniß Ihres Herzens und Ihres Beiftes zu
lefen vermag.”
Mein Herr! man fagt, Seine Eminenz liebe an:
derswo ... Seine Eminenz liebe hohen Drtes ...
Man fagt ſogar ...“
Hier Beftele Gaglivftro auf Seanne, welche bei⸗
nahe rückwärts gefallen wäre, einen Blick voll von
igen.
„Madame,“ fagte er, „ich leſe in ber That in ber
Finſterniß; aber um gut zu lefen, muß ich unterkägt
werben. Wollen Sie auf olgende ragen antworten:
„Wie kommt es, bag Sie mich bier aufgefudt
Haben? Ich wohne nicht Hier.“
Jeanne bebte.
„Wie find Sie hier hereingelommen? Denn es gibl
weder einen Portier, noch Bedienten in biefem il
Des Hotels.
„Und wenn Sie nicht mich ſuchten, wen ſuchten
Sie dann?
„Sie antworten mir nicht ?" ſagte Caglioſtro zu
51
ver zitternden Gräfin; „ich will alſo ihren Verſtand
interſtützen.
„Sie, ſind mit einem Schlüſſel hereingekommen,
ven ich Hier in Ihrer Taſche fühle.
„Sie wollten hier eine junge Frau auffuchen, die
ch aus reiner Gutmüthigfeit bei mir verbarg.”
Seanne ſchwankte wie ein entwurzelter Baum.
„Und wenn dem fo wäre?“ ſprach fie ganz leife,
‚welches Verbrechen Hätte ich begangen? Iſt es einer
frau nicht erlaubt, eine andere Zrau zu befuchen ?
Daben Sie die Güte, fie zu rufen, fie wird Shnen
agen, ob unfere Freundſchaft nicht zugugeftehen ift.. .“
„Madame,“ unterbrach fie Caglioftro, „Sie jagen
hir ty ‚ weil Sie wohl wiffen, daß fle nicht mehr
vier iſt.“
„Daß fle nicht mehr bier iſt! ...“ rief Jeanne
rfhroden. „Dliva ift nicht mehr hier?“
„Oh!“ verſetzte Caglioſtro, „Sie wiflen vielleicht
iicht, daß fle abgereift ift, Sie, die Ste bei der Ents
übrung geholfen haben ?“
„Bel der Entführung! ich!” rief Jeanne, die wies
er Hoffnung indie. „Dan Hat fie entführt, und Sie
efchuldigen mich?”
Ich thue mehr, ich überweife Sie,” ſprach
Sagliofro,.
„DBeweifen Sie!” rief unverfhämt die Gräfin.
in stioteo nahm ein Papier vom Tifch und zeigte
8 ihr:
„Mein Herr und edler Bönner,“ ſagte das an
Sagliofro gerichtete Billet, „verzeihen Sie mir, daß
ch Sie verlaſſe; doch vor Allem liebte ih Herrn
zeauſire; er kommt, er entführt mich, ich folge ihm.
eben Sie wohl. Empfangen Sie den Ausdrud meiner
Yankbarkeit.”
„Beaufire! ...“ fagte Jeanne wie verfteinert,
Beanflre:. . . Er, der die Ädreſſe von Dliva_ nicht
mpte !“ 44
32
„Oh! doch, Madame,” erwiederte Caglioſtro, indem
er ihr ein zweites Papier zeigte, das er aus feiner
Tafche zog; „sehen Sie, ich babe diefes Papier auf
der Treppe aufgehoben, als ich hierherfam, um meinen
täglichen Befudy zu machen. Diefes Papier wird aus
der Tafhe von Herrn Beauflre gefallen fein.“
Die Grafin las bebend:
„Herr von Beaufire wird Mademoifelle Oliva in
der Rue Saint : Claude, an der Ede des Boulevard,
finden. Er wird fie finden und auf der Stelle weg»
führen. Es ift Zeit.“
„Oh!“ machte die Bräfin, das Papier zerfnitternd.
„Und er hat fle weggeführt,“ fprach Falt Bagliofiro.
„Aber wer hat diefes Billet gefchrieben?”
„Sie augenfcheinlich, Sie, die aufrichtige Freundin
von Dliva.”
„Aber wie ift er Hier bereingefommen ?” rief
Seanne, indem fie voll Wuth den unempfinblidgen
Grafen anfchaute.
„Kann man nicht mit Ihrem Schlüffel eintreten?"
fragte Caglioſtro.
„Da ich ihn habe, Hat ihn Here Beauflire nid.“
„Wenn man einen Schlüffel Hat, kann man auf
zwei haben,” erwieberte Gaglıoflro, der Gräfin in's
Geficht ſchauend.
„Sie haben da überweiſende Stücke,“ erwiederte
am die Gräfin, „während ih nur Verdacht
abe.“
„Oh! ich habe auch, und zwar einen Berbadht, der
fo viel werth ift, ale der Ihrige, Madame.“
Sy fprechend, entließ er fie mit einer unmerflichen
Geberde.
Sie zögerte nicht, hinabzugehen, doch dieſe verödete
Treppe entlang, die, als ſie heraufgegangen, finſter
gewefen war, fand fie zwanzig Kerzen angezündet und
zwanzig Bedienten aufgeftellt, vor denen fie Gaglioftro
53
aut und zu wiederholten Malen Frau Gräfin von La
Mothe nannte.
Sie trat aus dem Haufe, Wuth und Rache ſchnau⸗
send, wie der Bafilisk Feuer und Gift ſchnaubt.
LXXI.
Der Brief und der Empfangfchein.
Am Tage naher war die lebte Friſt der von der
Königin feibft den Sumelieren Böhmer und Boffange
yeftimmten Bezahlung.
Da das Schreiben Ihrer Majeftät Borfiht em:
pfahl, fo warteten fie, bis ihnen die fünfmal Hundert
taufend Livres gebracht würden.
Und da es bei allen Kaufleuten, fo reich fie auch
jein mögen, eine wichtige Sache um einen Ginzug von
fünfmal hundert taufend Livres ift, fo hielten bie
Nffvcies einen Empfangſchein von der fchönften Hand-
Ichrift des Hauſes bereit.
Der Stein blieb unnügß: Niemand Fam, um ihn
gegen die fünfmal Hundert taufend Livres auszutaufchen.
Die Naht verging fehr graufam für die Juweliere
in der Grwartung eines beinahe unwahrſcheinlichen
Boten. Doch die Königin Hatte fo außerordentliche
Ideen; fie mußte fidh verbergen: ihr Bote würde viel-
leicht erfi nad Mitternacht fommen.
Die Morgenröthe des andern Tages enttäufchte
Böhmer und Boffange in ihren Chimären. Böhmer
faßte feinen Entichluß, und begab ſich nach Berfailles
in einem Wagen, in deflen Hintergrund fein Affocie
auf ihn wartete,
Er verlangte beider Königin eingeführt zu werben.
Man antwortete ihm, wenn er nicht einen Audienzbrief
hätte,. Fönnte es nicht fein. j
—2
55
Böhmer glaubie, e8 fei irgend Jemand verborgen,
die Königin befürdte, gehört zu werden. Er nahm
alfo eine Miene des Einverfändniffes an und erwies
derte umherſchauend:
„3a, Madame!”
„Bas fuchen Sie da?“ fagte die Königin erſtaunt.
Ein wenig bebrüdt durch diefe Verftellung, ant-
wortete er nichts.
„Daflelbe Gehtimnig, wie neulich; ein Gefchmeide
gu verfaufen,” fuhr die Königin fort, „ein unvergleich-
ihes Stüd? Oh! erfhreden Sie nicht fo; es ift
Niemand bier, der uns hören Fünnte.“
„Dann . . .“ murmelte Böhmer.
„Nun, dann! was?“
„Dann darf ich Ihrer Majeftät ſagen ...“
Sagen Sie gefchwinde, mein lieber Böhmer.“
Der Suwelier näherte fi) mit einem anmuthigen
Lächeln und ſprach, feine etwas gelben, aber ganz
wohlwollenden Zähne zeigend:
„Ich darf Ihrer Majeftät fagen, daß die Königin
geftern vergeffen hat.“
„DBergefien! worin?“ fragte bie Königin erflaunt.
„Darin, daß geftern der... . Termin war ...“
„Der Termin? ... welcher Termin?“
„Dh! ich bitte Eure Majeftät um Verzeihung, wenn
ich mir erlaube... Sch weiß wohl, daß es eine
Unbefcheidenheit if. Vielleicht iſt die Königin nicht
vorbereitet. Das wäre ein großes Unglüd, aber...”
„Ah! Böhmer, ich begreife nicht ein Wort von
Allem, was Sie mir da fagen. Erklären Sie ſich doch,
mein Lieber.” .
„Eure Majeftät hat es aus dem Gedaächtniß ver-
loren, das ift ganz natürlih, mitten unter allen ben
Sorgen und Geſchaͤften.“
„Was habe ich aus dem Gedäͤchtniß verloren?”
„Es war geftern der erfle Termin der Bezahlung
des Halsbandes,“ antwortete Böhmer fhüchtern.
un
Yu
„Sie haben aliv Ihr Halsband verfauft?”
„Aber... .” verfegte Böhmer, ber die Kör
ganz eritaunf anfchaute, „aber mir fcheint, ja.“
„Und diejenigen, an welche Sie es verfauft, 5
Sie nicht bezahlt, mein armer Böhmer; das ift ſchl
Diefe Leute müſſen es machen, wie ich e8 gemacht f
wenn fie das Halsband nicht Faufen fönnen, ſo m
fie Ihnen daſſelbe zurückgeben und Ihnen die Abſch
zahlung überlaffen.“
„Wie beliebt?“ flammelte der Juwelier, wi
fchwanfte, dem unvorfidtigen Reiſenden ähnlich,
einen Sunnenfli auf den Kopf befommen „
erweift mir Ihre Majeftät die Ehre zu ſagen?“
„Mein armer Böhner, ich jage, wenn Ihnen
Käufer Ihr Halsband zurüdgeben, wie ih es J
zurückgegeben habe, das heißt, indem fie Ihnen zwe
hundert taujend Livres Reukauf laffen, fo Haben
zwei Millionen nebft dem Halsband.”
„Sure Majettät ...“ rief Böhmer, von Edi
triefend, „Cure Majeftät fagt wohl, fle habe miı
Halsband zurüdgegeben 2”
„Ja wohl, ich fage das," erwiererte die Kör
ganz ruhig. „Was haben Sie?"
„Wie!“ uhr der Juwelier fort. „Eure Ma
leugnet, das Halsband gefauft zu haben?“
„Ab! was für eine Komödie fpielen wir da,” fi
die Königin mit jtrengem Tone. „Iſt diefes verbai
Haleband beitinmt, immer Jemand den Kopf verl
zu machen?"
„Aber,“ verfegte Böhmer, an allen feinen Si.
zitternd, „mir ſchien, als hätte ih von dem M
Gurer Majeſtät felbit gebört, Sie haben mir zur
gegeben. Gure Majeſtät hat gefagt, das Dian
halsband zurüdgegeben.”
Tie Ronigin ſchaute Böhmer, die Arme freu
an und ſprach;
„Zum Glücke habe ich hier etwas, womit ich
57
Gedächtniß auffrischen kann, denn Sie find ein fehr
vergeßlicher Menſch, Herr Böhmer, um Ihnen nidie
unangene meres zu ſagen.“
ie ging gerade auf einen Arbeitstiſch zu, zog aus
demſelben ein Papier hervor, öffnete es, durdflog es
und reichte es dann langfam dem unglüdlichen Böhmer.
„Der Styl tft ziemlich klar, wie mir fcheint,“
fagte fie. Und fie ſeßte ſich, um den Juwelier, während
er las, befler anzufchauen. j
Das Geficht von dieſem drückte zuerft bie völligfte
Ungläubigfeit und dann flufenweije den furchtbarften
Schrecken aus.
„Run!“ fagte die Königin, „Sie erkennen biefen
Schein, der in fo guter Form bezeugt, daß Sie bag
Halsband zurüderhalten; und wenn Sie nidht auch
vergeffen haben, daß Sie Böhmer heißen... .“
„Aber, Madame,“ ftammelte Böhmer, zugleich vor
Wuth und Angft erſtickend, „ich habe diefen Echein
nicht unterzeichnet.”
Die Königin wid, den Juwelier mit ihren flams
menden Augen niederfchmetternd, zurüd und rief:
„Sie leugnen |“
„Durdhaus ... Ich Habe, und müßte ich für
meine Freiheit mein Leben laflen, das Halsband nie
zurüderhalten, vdiefen Schein nie unterzeichnet. Wäre
der Block hier, ſtünde der Henfer bier, ich würde aber-
mals wiederholen: nein, Sure Majeftät, diefer Empfang:
fein ift nicht von mir.“
„Mein Herr,” fagte die Königin leicht erbleichend,
„dann habe ich Sie alfo betrogen, dann habe ich alſo
Ihr Halsband ?“
Böhmer fuchte in feinem Portefeuille und 309
ein Bapier heraus, das er ebenfalls der Königin über:
reichte.
„Madanıe,” fagte er mit ehrerbietiger, aber durch
die Aufregung bebender Stimme; „ih glaube nicht,
daß Eure Majeftät, wenn file mir das Halsband hätte
58
zurückgeben wollen, diefe Schuldurfunde hier gefd
haben würde.”
„Aber was für ein Besen iſt denn das?“ ı
Königin, „Ich habe das nicht gefchrieben! X
meine Handſchrift?“
„Es ift unterzeichnet,” entgegnete Böhmer ger
„Marie Antoinette von Branfreic
Sie find verrüdt! bin ih von Franfreidf
ih nit Erzherzogin von Oeſterreich? IR er
albern, daß ich das gefchrieben Haben foll?
Sie doch, Herr Böhmer, die Falle ift zu plump,
Sie das Ihren Fälſchern.“
„Meinen Bälfchern ...“ ſtammelte ber Iu
der beinahe in Ohnmacht fiel, als er diefe Morte
„Sure Majeltät Hat mich, Böhmer, im Verdach!
„Sie haben wohl mih, Marie Antoinett
Verdacht?” verfegte Marie Antoinette voll Stol
„Aber diefe Schrift,“ entgegnete aberma
Juwelier, auf das Bapier deutend, das fie imme
in ihren Händen hielt.
„Und diefer Empfangſchein?“ ſagte fie, a
Papier deutend, das er nicht von ſich gelaffen 5
Böhmer war genöthigt, fih auf einen Lel
zu flügen; der Boden wirbelte unter ihm. Gr a
die Luft in großen Wogen ein, und die Purpe
des Schlags erfegte die Keichenbläffe der Ohnm
„Beben Sie mir meinen Schein zurück,“ fa
Königin, „ih Halte ihn für gut, und nehmen Gi
Schrift, unterzeichnet Antvinettevon Franf
ber Staatsanwalt wird Ihnen fagen, was das wer
Und fie warf ihm die Verfchreibung zu, m
fie ihm den Schein aus ben Händen geriffen
wandte jih um, ging in ein anftoßendes Zimme
überließ ſich allein den Unglüdlihen, ber gar
Gedanken mehr hatte und, gegen jede Etiyuel
einen Lehnſtuhl ſank. Nah einigen Minuten
in denen er fi wieder ein wenig erholte, flü
59
aanz betäubt aus dem Gemach und ſuchte Boffange auf,
dem er das Abenteuer fo erzählte, daß er bei feinem
Aſſocié in Verdacht gerieth.
Doch er wiederholte fo gut und fo oft feine Aus-
fage, daß Boflange anfing, feine Perrüde auszureißen,
während Böhmer feine Haare ausriß, was für bie
BVorübergehenden, die ihren Blick in den Wagen taud:
Ai : zugleich das frhmerzlichfte und komiſchſte Schau⸗
piel war,
Da man jeboch nicht einen ganzen Tag im Wagen
zubringen Fann, da man, nachdem man fi Haare oder
Perrücke ausgerifien, die Hirnfchale findet, und da
unter der Hirnfchale Gedanken find oder fein follen,
ſo fanden die zwei Juweliere für aut, ſich zu verbinden,
um, wenn es möglich wäre, die Thüre der Königin zu
fprengen und etwas einer Erklärung Aehnliches zu
erlangen.
Sie gingen nad dem Sclofle zu, in einem Zu⸗
fland, daß fle Mitleid erregen mußten, ale ihnen einer
von den Officianten der Königin begegnete, der den
@inen oder den Andern von Ihnen zu berufen Hatte.
Man denke fi ihre Freude und den Eifer, mit dem
fie gehordhten.
Sie wurden ohne Verzug eingeführt.
— nn ne
LXXIM.
König Tann ich nicht, Prinz inag ich nicht
9 Ra bin ie. 8 ich ’
Die Königin ſchien ungeduldig zu warten; fie rief
auch, ſobald fie die Sumeliere erblidte:
„AH! Hier ift Herr Boflange; Sie haben Berflär-
fung genommen, Böhmer, deſto beffer.*
Böhmer Hatte nichts zu fagen; er dachte viel.
60
Das Beſte, was man in einem folchen Kalle tun Tann,
it, durch die Geberde zu verfahren, Böhmer warf fi
Marie Antoinette zu Füßen.
Die Beberde war ausdrudsvolf.
Boffange ahmte ihn als fein Affocie nad.
„Meine Herren,” ſprach die Königin, „ich bin nun
ruhig und werde mich nicht mehr argeın. Es ift mir
überdies ein Gedanfe gefommen, der meine @efühle
in Beziehung auf Sie ündert. Es unterliegt feinem
Zweifel, daß wir, Sie und ich, bei diefer Angelegenheit
durch ein Kleines Geheimniß hintergangen worden find,
. welches fein Geheimniß mehr fiir midy if.“
„Ah! Madame,” rief Böhmer, begeiftert durch dieſe
Morte der Königin, „Sie haben mid alfo nicht mehr
im Berdadht, van ih... OH! es ift abfcheulih auss
zujprechen, das Mort Bälfcher . . . “
„Es ift eben fo Hart für mich, daffelbe zu hören,
als fur Sie, e8 auszuſprechen,“ erwiederte die Königin,
„nein, ich Babe Sie nicht mehr im Verdacht.“
„Eure Majeftät bat aber Jemand im Verdacht?“
„Beantworten Sie mir meine Tragen. Sie fagın,
Sie haben die Diamanten nidt mehr?“
„Wir haben fie nicht mehr,“ antworteten gleids
zeitig die Juweliere,
„(8 hat für Eie feinen Werth, zu erfahren, wem
ih das Geſchmeide für Sie übergeben habe, das if
meine Sache ... Haben Sie... bie Frau Gräfin
von La Mothe nicht geſehen?“
„Verzeihen Eie, Madame, wir haben fie geſehen.“
„Und fie hat Ihnen nichts... in meinem Auftrage
übergeben 2”
„Mein, Madame, die Frau Gräfin Hat uns nur
geſagt: „„Warten Sie.“ "
„Wer bat Ihnen aber die Verfchreibung von mir
überbradht ?”
„Die Verſchreibung? ...“ erwiederte Böhmer;
„das Parier, das Eure Majeſtät in den Hunden gehabt
61
®
mat, iſt uns in der Nacht von einem unbekannten
Boten überbracht worden.“ '
"Und er zeigte die falfche Schrift.
„Ab! ah!” rief die Königin, „gut; Sie fehen, daß
ie Schrift nicht unmittelbar von mir fommt.“
Sie läutete; ein Bedienter erſchien.
„Man laffe die Frau Gräfin von La Mothe zu
tir rufen,” ſprach die Königin ruhig.
„Und,“ fuhr fie dann mit derfelben Ruhe fort,
Sie haben Niemand gefehen, Sie haben Herrn von
dohan nicht gefehen ?“
„Herrn von Rohan? Doch, Madame, er hat ung
efucht und fich erkundigt... . “
„Sehr gut; gehen wir nicht weiter; fobald ber
Jerr Cardinal von Rohan abermals bei diefer Anges
rgenheit betheiligt ift, hätten Sie Unrecht zu ver⸗
weifeln. Ich errathe. Als Frau von La Moihe das
Bort: Warten Sie! zu Ihnen fagte, wollte fie...
tein, ich errathe nichts, ich will nichts errathen ...
Suchen Sie nur den Herrn Garbinal auf und erzählen
Sie ihm, was Sie mir gefagt haben; verlieren Sie
eine Zeit und fügen Sie bei, ich wiſſe Alles.”
Wiederbelebt durdy diefe Fleine Flamme der Hoff:
ung, wechfelten die Juweliere unter einander einen
ıiinder ängfllichen Bil.
Boflange allein, der fein Wort anbringen wollte,
yagte es, leife zu fagen, die Königin habe jedoch einen
ilſchen Smpfangfchein in ihren Händen, und eine
sälfehung fei ein Verbrechen.
Marie Antoinette faltete Die Stirne und erwieberte:
„Es ift wahr, wenn Sie das Halsband nicht zus
üderhalten haben, fo bildet dieſe Schriit eine Zälfchung. _
)oh um die Fälſchung nachzuweiſen, ift es unerläßlidh,
aß ich Sie mit der Berfon confrontire, die ich Ihnen
ie Diamanten zurüdzugeben beauftragt habe.“
„Wann Eure Majeftät will,” rief Boffange, „wir
Heuen das Licht nicht, wir ehrlichen Handelsleute.“
‘
54
Grftaunt, unruhig, blieb er beharrlich, und ba er
feine Leute fannte, da er das Talent Hatte, ba und dort
in den Vorzimmern einen Fleinen, für ihn unnügen
Stein anzubringen, ſo begünftigte man ihn fo, daß man
ihn auf den Weg Ihrer Majehät ftellte, wenn fie von
ihrem Spaziergange in Trianon zurüdfommen würde,
Noch ganz bebend von ihrer Zufammenfunft mit
Charny, wo fie fih zur Liebenden gemacht Hatte, ohne
Beliebte zu werden, fehrte in der That Marie Antoinette,
das Herz voll Freude und den Geift ganz frablend,
zurüd, als fie das ein wenig zerfnirfchte, jedoch ehr⸗
furchtsvolle Geſicht von Böhmer erblidte.
Sie lächelte ihm zu, was er auf die glücklichſte
Meije deutete, und er wagte es, um einen Augenblick
Nudienz zu bitten, die Königin bewilligte ihm dies
auf zwei Uhr, das heißt, nad ihrem Mittagsmahle.
Gr überbrachte dieſe vortrefflihe Kunde Boffange;
diefer wartete auf ihn in einem Wagen; an einem
Fluſſe leivend, hatte er Ihrer Majeflät kein unfreund⸗
liches Geſicht zeigen wollen.
„Es if fein Kveitel,“ fagten fie zu einander, indem
fie fidy die geringften Grberden, die kleinſten Worte von
Marie Antoinette auslegten, „es unterliegt feinem
Zweifel, Ihre Majeftät Hat in ihree Scublape die
Summe, die fie geitern noch nicyt befommen fonnte;
fie hat gefagt, um zwei lihr, weil fie um zwei Ußr
allein jein wird.“
Und fie fragten fih, wie die Rameraben in ber
Kabel, vb fie die Summe in Billeıis, in Gold, oder in
Silber wegbringen würden.
Es fchlug zwei Uhr, ter Juwelier war an feinem
Fe man führte ihn in das Boudoir Ihrer Majes
at ein.
„Was haben Eie wieder, Böhmer,“ fragte bie
Königin, fobald fie ihn von fern erblicdte, „wollen Eie
mir von Jumelen ſprechen? Sie wiffen, Sie haben
Ungluͤck?“
59
Böhmer glaubie, e8 fei irgend Jemand verborgen,
e Königin befürchte, gehört zu werden. Er nahm
fo eine Miene des Einverfländnifles an und erwies
rte umberfchauend:
„Sa, Madame!“
„Was fuchen Sie da?“ fagte die Königin erftaunt.
Ein wenig bebrüdt durch diefe Verftellung, ant-
ortete er nichts.
„Daflelbe Gehtimnig, wie neulich; ein Gefchmeide
ı verkaufen,” fuhr bie Königin fort; „ein unvergleich-
bes Stud? OH! erfhreden Sie nicht fo; es if
iemand hier, der uns hören koönnte.“
„Ber Termin? ... welcher Termin ?”
Ohl ich bitte Eure Majeftät um Berzeihung, wenn
5 mir erlaube ... Sch weiß wohl, daß es eine
nbefcheidenheit if. Vielleicht iſt die Königin nicht
orbereitet. Das wäre ein großes Unglüd; aber...”
„Ab! Böhmer, ich begreife nicht ein Wort von
‚Uem, was Ste mir da fagen. Grflären Sie fi doch,
rein Lieber.”
„Eure Majeftät hat es aus dem Gedächtniß ver-
ren, das ift ganz natürlich, mitten unter allen den
sorgen und Gefchäften.“
„Bas habe ich aus dem Gedächtniß verloren?”
„&s war geftern der erfle Termin der Bezahlung
es Halsbandes,” antwortete Böhmer jhüchtern.
36
„Sie haben alio Ihr Halsband verkauft?“
„Aber...“ verfegte Böhmer, ber bie Königiz
ganz erſtaunt anſchaute, „aber mir fcheint, ja.“
„Und diejenigen, an welche Sie es verkauft, haben
Sie nicht bezahlt, mein armer Böhmer; das ift ſchlimm.
Diefe Leute müſſen es machen, wie ich es gemacht babe;
wenn fie das Halsband nicht Faufen Fönnen, fo müſſen
fie Ihnen daffelbe zurückgeben und Ihnen die Abſchlags⸗
zahlung überlaffen.“
„Wie beliebt?“ ftammelte der Juwelier, welcher
fhwanfte, dem unvorfichtigen Reifenden ähnlich, der
einen Sonnenflih auf den Kopf befommen. „Bas
erweiit mir Ihre Majeflät die Ehre zu fagen?”
„Mein armer Böhmer, ich jage, wenn Ihnen ze
Käuſer Ihr Halsband zurüdgeben, wie ich es JZhuek
zurückgegeben babe, das heißt, indem fie Ihnen zweimal
hundert taujend Livres Reukauf laffen, ſo Haben Gie
zwei Millionen nebft dem Halsband.”
„Eure Majeltät ...“ rief Böhmer, von Schweiß
triefend, „Sure Majeftät fagt mohl, fie Habe mir das
Haleband zurüdgegeben ?"
„Sa wohl, ich fage das,“ erwiederte bie Königin
ganz rubig. „Was haben Sie?“
„Wie!“ uhr der Juwelier fort. „Eure Majefät
leugnet, das Halsband gefauft zu haben?“
„Ab! was für eine Komödie jpielen wir da,” fprad
die Königin mit firengem Tone. „Ir diefes verbammte
Halsband beitimmt, immer Jemand den Kopf verlieren
zu machen?”
„Aber,“ verfeste Böhmer, an allen feinen Gliebern
zitternd, „mir ſchien, als hätte ih von dem Dlunbe
Gurer Majeſtät felbit gebört, Sie haben mir zurüds
gegeben. Gure Majeſtät hat gefagt, das Diamant
Yalsband zurüdgegeben.“
Tie Komgin ſchaute Böhmer, die Arme freugend,
an und iprach:
„Zum Glücke habe ich hier etwas, womit ich Ihr
57
Bedächtniß auffrifchen kann, denn Gie find ein fehr
ergeßliher Menfh, Herr Böhmer, um Ihnen nidhie
Inangenehmeres zu jagen.”
ie ging gerade auf einen Arbeitstifch zu, 309 aus
eınjelben ein Papier hervor, öffnete es, durchflog es
nd reichte es dann langſam dem unglüdlichen Böhmer.
„Der Styl iſt ziemlich Ear, wie mir fcheint,“
agte fie. Und fle fegte fi, um den Juwelier, während
r la6, beſſer anzufchauen. 4
Das Geficht von diefem drückte zuerft bie völligſte
Ingläubigfeit und dann flufenweije den furcdhtbariten
Schreden aus.
„Run!“ fagte die Königin, „Sie erkennen biefen
Schein, der in fo guter Form bezeugt, daß Sie das
Jalsband zurüderhalten, und wenn Sie nit aud
ergefien Haben, daß Sie Böhmer heißen... .*
„Aber, Madame,” ftammelte Böhmer, zugleih vor
Buth und Angſt erftidend, „ich habe diefen Schein
icht unterzeichnet.”
Die Königin wi, den Suwelier mit ihren flams
ıenden Augen niederfcymetternd, zurüd und rief:
„Sie leugnen!“
„Durhaus ... Ich Habe, und müßte ich für
veine Freiheit mein Leben laflen, das Halsband nie
urücderhalten, diefen Schein nie unterzeichnet. Wäre
er Bio Hier, ſtünde der Henfer bier, ich würde aber⸗
tale wiederholen: nein, Sure Majeftät, diefer Empfang:
Hein ift nicht von mir.”
„Mein Herr,” fagte die Königin leicht erbleichend,
dann habe ih Sie alfo betrogen, dann habe ich alſo
‚he Halsband?“ _
Böhmer ſuchte in feinem Bortefeuille und 309
n Bapier heraus, das er ebenfalls der Königin über:
eichte.
„Madane,” fagte er mit ehrerbietiger, aber durch
ie Aufregung bebender Stimme; „id glaube nicht,
aß Sure Majeftät, wenn file mir das Halsband hätte
20
zurückgeben wollen, dieſe Schuldurkunde hier ge
haben würde.“
„Aber was für ein Fetzen iſt denn das?“
Königin. „Ih Habe das nicht geſchrieben!
meine Handſchrift?“
„Gs ift unterzeichnet,” entgegnete Böhmer 3
„Marie Antoinette von Frankre
Sie find verrüdt! bin ih von Franukreie
ich nicht Erzherzogin von Oeſterreich ? IR
albern, daß ich das gefchrieben Haben foll?
Sie doch, Herr Böhmer, die Falle ift zu plun
Sie das Ihren Fälfchern.”
„Meinen Fälſchern . . .* flammelte ber
der beinahe in Ohnmacht fiel, als er Diele Wor
„Eure Majeftät hat mich, Böhmer, im Verda
„Sie haben wohl mid, Marie Antoin
Verdacht?” verfepte Marie Antoinette vol S
„Aber diefe Schrift,“ entgegnete aberr
Juwelier, auf das Bapier deutend, das fie im:
in ihren Händen hielt.
„Und diefer Empfangſchein?“ fagte fie,
Papier deutend, das er nicht von fi gelaflen
Böhmer war genöthigt, fih auf einen !
zu flügen; der Boden wirbelte unter ihm. Gı
die Luft in großen Wogen ein, und bie Pu:
des Schlags erfepte die Keichenbläffe der Ohn
„Beben Sie mir meinen Schein zurüd,“
Königin, „ih halte ihn für gut, und nehmen (
Schrift, unterzeichnet Antvinettevon Fra
der Staatsanwalt wird Ihnen jagen, was base n
Und fie warf ihm die Verfchreibung zu,
fie ihm den Schein aus den Händen gerifl
wandte fih um, ging in ein anftoßendes Zim:
überließ ſich allein den Unglüdlichen, ber g
Sedanfen mehr hatte und, gegen jede Etiq
einen Lehnftuhl ſank. Nach einigen Minute
in denen er ſich wieder ein wenig erbolte,
59
ganz betäubt aus dem Gemach und fuchte Boffange auf,
dem er das Abenteuer fo erzählte, daß er bei feinem
Affocie in Verdacht gerieth.
Dod er wiederholte fo gut und fo oft feine Aus⸗
fage, daß Boflange anfing, feine Perrüde auszureißen,
während Böhmer feine Haare ausrig, was für die
Borübergehenden, die ihren Bli in den Wagen taudjs
ten, zugleich das fohmerzlichfte und komiſchſte Schau⸗
fpiel war.
Da man jedoch nicht einen ganzen Tag im Wagen
zubrinaen fann, da man, nachdem man filh Haare oder
Perrücke ausgeriffen, die Hirnfchale findet, und da
unter der Hirnſchale Gedanfen find oder fein follen,
ſo fanden die zwei Suweliere für aut, fi) zu verbinden,
um, wenn es möglich wäre, die Thüre der Königin zu
fprengen und etwas einer Erklärung Aehnliches zu
erlangen.
Sie gingen nad dem Sclofle zu, in einem Zus
ftand, daß fle Mitleid erregen mußten, ale ihnen einer
von den Dfficianten der Königin begegnete, der den
Ginen oder den Andern von ihnen zu berufen hatte.
Man denke fih ihre Freude und den Eifer, mit dem
fie gehorchten.
Sie wurden ohne Verzug eingeführt.
— —— —
LXXIII.
König kann ich nicht, Prinz mag ich nicht
0 hen bin ie. ich
Die Königin ſchien ungeduldig zu warten; ſie rief
auch, ſobald fie die Juweliere erblickte:
„Ah! hier iſt Herr Boſſange; Ste Haben Berflär-
kung genommen, Böhmer, deſto beſſer.“
Böhmer Hatte nichts zu ſagen; er dachte viel.
58
zurückgeben wollen, dieſe Schuldurkunde bier gefchrieben
haben würde.”
„Aber was für ein Fetzen iſt denn das?“ rief bie
Königin, „Ich habe das nicht gejchrieben! Iſt das
meine Handſchrift?“
„&8 iſt unterzeichnet,“ entgegnete Böhmer zernichtel.
„Marie Antoinette von Franfrei...
Sie find verrüdt! bin ih von Frankreich? Bin
ih nicht Erzherzogin von Oeſterreich? IR es nicht
albern, daß ich das gefchrieben Haben fol? Gehen
Sie doch, Herr Böhmer, die Falle ift zu plump, fagen
Sie das Ihren Fälſchern.“
„Meinen Fälſchern . . .“ flammelte der Juwelier,
der beinahe in Ohnmacht fiel, als er dieſe Morte hörte.
„Eure Majeftät hat mich, Böhmer, im Verdacht?“
„Sie Haben wohl mih, Marie Antoinette, im
Verdacht?” verfegte Marie Antoinette voll Stolz.
„Aber diefe Schrift,” entgegnete abermals ber
Juwelier, auf das Papier deutend, das fle immer nod
in ihren Händen hielt.
„Und diefer Empfangfchein?” fagte fie, auf das
Papier deutend, das er nicht von fich gelaflen Hatte.
Böhmer war genöthigt, fih auf einen Lehnſtuhl
zu flügen; ber Boden wirbelte unter ihm. Gr athmete
die Luft in großen Wogen ein, und die Burpurfarbe
des Schlags erfepte die Leichenbläffe der Ohnmacht.
„Beben Sie mir meinen Schein zurüd,” fagte bie
Königin, „ih Halte ihn für gut, und nehmen Gie Ihre
Schrift, unterzeichnet Antoinette von Frankreich,
der Staatsanwalt wird Ihnen ſagen, was das werth IR.“
Und fie warf ihm die DVerfchreibung zu, nachdem
fie ihm den Schein aus den Händen gerifien Hatte,
wandte ſich um, ging in ein anftoßendes Zimmer, und
überließ ſich allein den Unglüdlicyen, ber gar feinen
Sedanfen mehr hatte und, gegen jebe Etiquette, in
einen Lehnituhl ſank. Nach einigen Minuten jedody,
in denen er ſich wieder ein wenig erholte, flürzte er
59
anz betäubt aus dem Gemach und ſuchte Boflange auf,
m er das Abenteuer fo erzählte, daß er bei feinem
ſſocié in Verdacht gerieth.
Doch er wiederholte fo gut und fo oft feine Aus⸗
ıge, daß Boffange anfing, feine Perrüde auszureißen,
ährend Böhmer feine Haare ausriß, was für die
orübergehenden, die ihren Blick in den Wagen tauch⸗
2 zugleich das ſchmerzlichſte und Eomifchfte Schau:
iel war,
Da man jebod nicht einen ganzen Tag im Wagen
ıdrinaen Tann, da man, nachdem man ſich Haare oder
‚errüde ausgeriffen, die Hirnfchale findet, und da
nter der Hirnſchale Gedanken find oder fein follen,
) fanden die zwei Juweliere für aut, ſich zu verbinden,
m, wenn es möglich wäre, die Thüre der Königin zu
rengen und etwas einer Erklärung Nehnliches zu
langen.
Sie gingen nad dem Schlofle zu, in einem Zu⸗
and, daß fle Mitleid erregen mußten, als ihnen einer
on den DOfficianten der Königin begegnete, der ben
inen oder den Andern von ihnen zu berufen hatte.
Ran denfe fi ihre Freude und den Eifer, mit dem
e gehorchten.
Sie wurden ohne Berzug eingeführt.
LXXIII.
König kann ich nicht, Prinz mag ich nicht
Hohan bin ie. ’
Die Königin fehlen ungeduldig zu warten; fie rief
ach, fobald fie die Juweliere erblidte:
„AH! Hier iſt Herr Boffange; Sie Haben Berflär-
Ing genommen, Böhmer, defto befjer.“
Böhmer Hatte nichts zu fagen; er dachte viel.
60
Das Beile, was man in einem folgen Falle thun kann,
ift, Durch die Geberde zu verfahren; Böhmer warf fid
Marie Antoinette zu Füßen.
Die Geberde war ausdrudsvolf.
Boffange ahmte ihn als fein Aſſocié nad.
„Meine Herren,” ſprach die Königin, „ich bin nun
ruhig und werde mich nicht mehr ärgern. GEs ift mir
überdies ein Gedanke gefommen, der meine Gefühle
in Beziehung auf Eie ändert. Es unterliegt feinem
Zweifel, daß wir, Sie und ich, bei diefer Angelegenheit
durdy ein Fleines Geheimniß hintergangen worden find,
. weldhes fein Geheimniß mehr für mich iſt.“
„Ah! Madame,” rief Böhmer, begeiftert durch diefe
Morte der Königin, „Sie haben mid alfo nicht mehr
im Verdacht, dan ih... . OH! es ift abjcheulich aus⸗
zufprechen, das Wort Fäljcher . . .
„Es ift eben fo hart für mich), daffelbe zu Hören,
als für Sie, e8 auszuſprechen,“ erwieberte die Königin,
„nein, ich Babe Sie nicht mehr im Verdacht.“
„Sure Majeftät bat aber Semand im Verdacht ?"
„Beantworten Sie mir meine Fragen. Sie fagen,
Sie haben die Diamanten nicht mehr?“
„Wir haben fie nicht mehr,” antworteten gleich
jeitig die Juweliere,
„(8 bat für Cie feinen Werth, zu erfahren, wem
ih das Gefchmeide für Sie übergeben habe, das if
meine Eade.... Haben Sie... die Frau Bräfin
von La Mothe nicht geſehen?“
„Berzeihen Cie, Madame, wir haben fie gefchen.“
„Und fie hat Ihnen nichts... in meinem Auftrage
übergeben ?“
„Nein, Madame, die Frau Gräfin Hat uns nur
gejagt: „„Warten Sie.” “
„Mer bat Ihren aber die Verſchreibung von mir
überbradyt?”
„Die Verſchreibung? ...“ ermwicderte Böhmer;
„das Barier, das Eure Majeſtät in den Hunden gehabt
61
®
bat, it uns in der Nacht von einem unbekannten
Boten überbracht worden.“
"Und er zeigte die falſche Schrift.
„Ah! ah!” rief die Königin, „gut; Sie fehen, daß
die Schrift nicht unmittelbar von mir fommt.“
Sie läutete; ein Bedienter erfchien.
„Man laffe die Frau Gräfin von La Mothe zu
mir rufen,” ſprach die Königin ruhig.
„Und,“ fuhr fie dann mit derfelben Ruhe fort,
„Sie haben Niemand gefehen, Sie haben Herrn von
Rohan nicht gefehen ?”
„Heren von Rohan? Doch, Madame, er hat ung
befucht und fidy erfundigt ... . “
„Sehr gut; gehen wir nicht weiter; fobald der
Herr Cardinal von Rohan abermals bei diefer Ange:
legenheit beteiligt ift, hätten Sie Unredht, zu vers
zweifeln. Sch erratbe. Als Frau von La Mothe das
Wort: Warten Sie! zu Ihnen fagte, wollte fie...
Nein, idy errathe nichts, ich will nichts errathen ...
Suden Sie nur den Herrn Garbinal auf und erzählen
Sie ihm, was Sie mir gefagt haben; verlieren Sie
feine Zeit und fügen Sie bei, ich wifle Alles.”
Wiederbelebt durch diefe fleine Flamme der Hoff:
nung, wechfelten die Juweliere unter einander einen
minder aͤngſtlichen Blid.
Boſſange allein, der fein Wort anbringen wollte,
wagte es, leife zu fagen, die Königin habe jedoch einen
falſchen Empfangichein in ihren Händen, und eine
Faͤlſchung fei ein Verbrechen.
Marie Antoinette faltete Die Stirne und erwieberte:
„Es ift wahr, wenn Sie das Halsband nicht zus
rüderhalten haben, fo bildet dieſe Schriit eine Faͤlſchung.
Doch um die Zälfhung nachzumweifen, ift es unerläßlidy,
daß ih Sie mit der Berfon confrontire, die ih Ihnen
die Diamanten zurüdzugeben beauftragt habe.”
„Bann Eure Majeftät will,” rief Boflange, „wir
ſcheuen das Licht nicht, wir ehrlichen Handelsleute.“
60
Das Beite, was man in einem ſolchen Kalle thun Tann,
ift, durch die Geberde zu verfahren; Böhmer warf fi
Marie Antoinette zu Füßen.
Die Gebeide war ausdrudsvoll.
Boffange ahmte ihn als fein Aſſocié nad.
„Meine Herren,“ ſprach die Königin, „ich bin nun
ruhig und werde mich nicht mehr ärgern. Es ift mir
überdies ein Gedanfe gekommen, der meine Gefühle
in Beziehung auf Sie ändert. Es unterliegt feinem
Zweifel, daß wir, Sie und ich, bei dieſer Angelegenheit
durch ein Fleines Geheimniß hintergangen worden find,
... mweldes fein Geheimniß mehr für mich ifl.“
„Ah! Madame,” rief Böhmer, begeiftert durch dieſe
Morte der Königin, „Sie baben mich alfo nicht mehr
im Berdadht, daß ich .. . OH! es ift abfcheulich auss
zufprechen, dag Wort Bälfcher ...“
„Es ift eben fo Bart für mich, baffelbe zu hören,
als für Sie, es auszuſprechen,“ erwieberte die Königin,
„nein, id Habe Sie nicht mehr im Berdadht.“
„Eure Majeftät bat aber Jemand im Verdacht?“
„Beantworten Sie mir meine Bragen. Sie fagen,
Sie haben die Diamanten nicht mehr?“
„Wir haben fie nicht mehr,” antworteten gleich⸗
zeitig die Juweliere.
„Es hat für Sie feinen Werth, zu erfahren, wem
ih das Geſchmeide für Sie übergeben habe, das ill
meine Sade ... Haben Sie... die Frau Gräfin
von La Mothe nicht geſehen?“
„Berzeihen Sie, Madame, wir haben fie gelden
„Und fie hat Ihnen nichts... in meinem Auftrage
übergeben ?”
„Nein, Madame, die Frau Gräfin Hat uns nur
gejagt: „„Warten Sie.“ “
„Wer bat Ihnen aber die Verfchreibung von mir
überbradyt?”
„Die Berfhreibung? ...“ erwiederte Böhmer;
„das Papier, das Bure Majeftät in den Hünden gehabt
61
)
Bat, if uns in der Nacht von einem unbefannten
Boten überbracht worden.“
"Und er zeigte die falſche Schrift.
„Ab! ah!“ rief die Königin, „gut; Sie fehen, daß
die Schrift nicht unmittelbar von mir fommt.”
Sie läutete; ein Bedienter erſchien.
„Man lafle die Frau Gräfin von La Mothe zu
mir rufen,“ ſprach die Königin ruhig.
„Und,” fuhr fie dann mit derſelben Ruhe fort,
„Sie Haben Niemand gefehen, Sie haben Herrn von
Rohan nicht gefehens“
„Herrn von Rohan? Doch, Madame, er hat uns
beiucht und fich erkundigt... . “
„Sehr gut; gehen wir nicht weiter; fobald der
Garbinal von Rohan abermals bei diefer Anges
legenheit betheiligt ift, hätten Sie Unredt, zu vers
weifeln. Ich erraihe. Als Frau von La Mothe das
ort: Warten Sie! zu Ihnen fagte, wollte fie...
Kein, ich errathe nichts, ich will nichts errathen .. .
uchen Gie nur ben Herrn Garbinal auf und erzählen
Gie ifm, was Sie mir gefagt haben; verlieren Sie
feine Zeit und fügen Sie bei, ich wiffe Alles.“
Wiederbelebt durch diefe fleine Flamme ber Hoff:
nung, wechfelten die Suweliere unter einander einen
minder ängfllichen Blid.
Boflange allein, der fein Wort anbringen wollte,
wagte es, leife zu jagen, die Königin habe jedody einen
falſchen Empfangſchein in ihren Händen, und eine
Faͤlſchung fei ein Verbrechen.
Marie Antoinette faltete die Stirne und erwieberte:
„Ge ift wahr, wenn Sie das Halsband nicht zus
rüderhalten haben, fo bildet dieſe Schri't eine Fälſchung.
Doch um bie Faͤlſchung nachzuweiſen, ift es unerläßlich,
daß ich Sie mit der Berfon confrontire, die ih Ihnen
die Diamanten zurüdzugeben beauftragt habe.“
„ Eure Majeftät will," rief Boflange, „wir
ſcheuen das Licht nicht, wir ehrlichen Handelsleute.“
.
)
„Dann holen Sie das Licht beim Herrn Carb
er alein fann Ihnen in diefer ganzen Sache Aufflä
geben.”
„Und Eure Majeftät erlaubt ung, ihr die Ant
zu überbringen?” fragte Böhmer.
„Sch werde vor Ihnen unterrichtet fein,“ eriwie
die Königin, „und ich werde Sie aus diefer Berle
heit gieben. Gehen Sie.“
ie entließ die Juweliere, und als fie weggega
waren, gab fie fih ihrer ganzen Unruhe Hin und fd
Eilboten auf Eilboten an Frau von La Mothe,
Mir werben ihr nicht in allen ihren Nachforſt
gen und in allen VBermuthungen folgen, wir verl
fie im ®egentheil, um raſcher mit den Juwelieren
fu fehr erjehnten Wahrheit entgegenzulaufen.
Der Bardinal war je — und las mit ı
unbefchreibligen Wuth ein Briefchen, das ihm |
von La Mothe fo eben, wie fie fagte, von Berfa
efhidt batte. Der Brief war hart und benahm
ardinal jede doffnung; er forderte ihn auf, an n
mehr zu denfen; er verbot ihm, vertraulich in Verſa
wieberzuerfcheinen; er appellirte an feine Bieder
daß er unmöglid gewordene DBerbindungen
wieder anzufnüpfen fuche.
Der Prinz fchäumte, während er biefen 9
noch einmal las; er buchftabirte die Gharaftere e
um den andern; er ſchien von dem Papier Recyenf
über die Härten zu verlangen, mit denen ihn eine g
fame Hand belaftete.
„Goquette, launenbaft, treulos!“ rief er in fü
Verzweiflung, „oh! ich werde mich rächen!”
Er häufte fodann alle Armfeligfeiten auf, w
bie ſchwachen Herzen in ihren Liebesfchmerzen erleich
aber die nicht von der @igenliebe heilen.
„Hier,“ fagte er, „bier find vier Briefe, di
mir gefchrieben bat, und von benen ber eine in
ungerechter if, als der andere. Sie hat mid
Laune genommen! Das ift eine Demülhigung, bie ich
ihr kaum verzeihen würbe, wenn fie mich nicht einer
neuen Laune opferte.“
Und ber getäufdhte Unglückliche las abermals mit
der Inbrunſt der Hoffnung alle diefe in ihrer Strenge
durch einen Bogen von unbarmherzigen Berhältniffen
gefüsten Briefe.
Der lepte war ein Meifterwerf barbarifcher Grau:
famfeit, das Herz des armen Cardinals war davon
Heilen durchloͤchert, und dennoch liebte er in einem
e, daß er fi, aus Widerſpruchsgeiſt, daran ergößte,
wieder und wieder dieſe ihm, nach der Angabe von Frau
vorn La Mothe, aus Berjailles überbrachten Falten Un—
bar vrz keiten zu leſen.
In dieſem Augenblick erſchienen die Juweliere in
ſeiucem Hotel. Er war ſehr erſtaunt, daß fie, trotz bes
Berbots, fo hartnädig Einlaß bei ihmbegehrten. Dreimal
jagte er feinen Kammerdiener hinaus, der zum vierten
al feinen Angriff mit der Aeußerung erneuerte, bie
Gerren Böhmer und Boffange haben erflärt, fle wür:
ben nur weggehen, ‚wenn man fie durch Gewalt dazu
jwänge.
„Was foll das bedeuten?“ dachte der Kardinal.
„Sie mögen eintreten.”
Sie traten ein. Die verflörten Geſichter zeugten
von bem heftigen Kampf, den fie moralifch und för:
perlich auszuftehen gehabt Hatten. Waren die Un⸗
Tüdlicyen bei einem von den Kämpfen Steger geblieben,
o hatten fie dagegen in dem andern eine Niederlage
erlitten. Nie waren mehr aus dem Geleiſe gebrachte
Köpfe berufen geweien, vor einem Kirchenfürften zu
functioniren.
„Bor Allem,“ rief der Garbinal, als er fie fah,
„was foll diefe Brutalität, meine Herren Juweliere? ift
man Ihnen etwas ſchuldig?“
Der Ton diefes Eingangs verwandelte die zwei
Affocies vor Schrecken in Bis,
vr
„Fangen die Scenen von burt wieder an!“
Böhmer aus dem Augenwinfel zu feinem V
deten.
„Sb! nein, nein,“ erwieberte der Leptere,
er feine Perrüde mit einer fehr Friegerifche
wegung zurecht richtete, „ich, meinerfeits, bin aı
Stürme gefaßt.“
Und er machte einen faft drohenden Schritt,
rend der Flügere Böhmer zurückblieb,
Der Cardinal hielt He für Narren und fa
ihnen unummwunden.
„Monfeigneur,” ſprach Böhmer in feiner
ameiflung, jede Sylbe mit einem Seufzer zerhı
„Berechtigfeit! Barmherzigfeit! verfchunen Si
mit Ihrer Wuth und zwingen Sie uns nid
Achtung gegen ben größten, erhabenften Fürſt
verlegen.“
„Meine Herren,” fagte der Barbinal, „en
find Sie feine Narren, und dann wird man Si
Fenſter hinauswerfen, oder Sie find Narren, unt
wirft man Sie ganz einfach vor die Thüre U
e."
„Monfeigneur, wir find Feine Narren, wi
beſtohlen!“
„Bas geht das mich an; ich bin nicht Bı
lieutenant.“
„Aber Sie haben das Halsband in Ihren
den gehabt, Monfeigneur,” entgegnete Böhmer fc
jene. „Ste werben gerichtlide Ausſage machen.
werden ...“
„Ich habe das Halsband gehabt?” verfept
Prinz. „Das Halsband iſt alfo geflohlen worden
„3a, Monſeigneur.“
„Run! was jagt die Königin?“ rief der Gar
mit einer Bewegung lebhafter Theilnahme.
„Die Königin at une zu Ihnen gefhidt,
feigneur.*
— de bie REEhfG yon ghrer Majefät,
adıen, meine Tmen Leute 3«
„Sie bermöge es, Onfeigneur; Sie fönnen
fagen, was man damit gethan Hay.“
„Ich 2°
„Sewiß.“
„Rein lieber Herr Böhmer, Sie Fönnten Diefe
Epradıe egen mid füßten, wenn ich bei der Räuber:
Jane wire bie der Königin das Balebant geſtoh
af.”
„Rigt ber Königin iſt das Öalsbanp geſtohlen
Werben,“
Mein Bott!
wem u
Die Kön sin leugnet, eg 2 Ihrem Befige gehabt
—D
IE Daben.”
_ nBier fie Tengnet 2« fagte fJögernd der Cardinal ;
„Sie Haben doch eine bandſchriß⸗ von ihr gu
„Öle fagt, bie andſchrift ſei falfdy.«
5 meine Berren, Sie verlieren den Kopf!“
47 Gardinat,
e Eardinal“
N] Balsband der Königin, iv,
66
„Bald ... Zwei Fälfchungen . . . Ind Gie
fagen, ich wiſſe das wohl %“
„Sicherlich, da Sie gefommen find, um uns in
dem zu beitätigeen, was ung rau von La Mothe ges
fagt batte; denn Sie, Sie wußten, daß wir das
Halsband wirklich verfauft hatten, und daß es in den
Händen der Königin war.”
„Ab! ah!” fagte der Cardinal, während er mit
einer Hand über feine Stirn fuhr, das find, wie mir
fyeint, fehr ernite Dinge. Berfländigen wir une ein
wenig. Deine Operationen mit Ihnen waren fols
ende.” .
8 „Gut, Monſeigneur,“
„Zuerſt durch mich für Rechnung Ihrer Majeſtät
gemachter Ankauf eines Halsbandes, auf welches ich
Ihnen zweimal Hundert und yünfzig tauſend Livres be⸗
zahlt habe.“
„Das iſt wahr, Monſeigneur.“
„Dann von der Königin unmittelbar unterſchrie⸗
bener Verfauf, Sie haben mir das wenigſtens gefagt,
mit Terminen duch fie beftimmt und auf die Veraut⸗
wortlichfeit ihrer Unterichrint ?“
„Ihrer Unterſchrift ... Sie fagen, es frei die
Unterfchriit der Königin, nicht wahr, Monfeigneur $*
„Zrigen Eie fie mir!“
„Hier iſt fie.”
Die Juweliere zugen die Berfchreibung aus ihrem
Portefeuille. Der Caidinal warf einen Blick daranf.
„Ei! Sie find Kinder!” rief er. „Marie Ans
toinette von Sranfreih... St die Königim
nicht eine Tochter des Hauſes Oeſterreich? Sie find
brirogen: die Schritt und die Unterzeichnung, Alles
it jalſch!“
„Aber Frau von La Mothe muB den Fälicher und
den Tieb fennen.“ riefen die Juweliere ganz außer fid.
Die Wahrheit diefer Behauptung wirkte ſchlagend
auf den Gardınal.
67
ofen wir ran von La Mothe,“ fagte er fehr
igt.
Dr läutete, wie es die Königin gethan Hatte.
ine Leute flürzıen zur Berfolgung von Jeanne
ren Wagen nod nicht fern fein fonnte.
e Herren Böhmer und Boffange Fauerten fi
‚ wie Hafen im Lager, in die Berfprechungen
aigin und wiederholten:
30 ift das Halsband? wo ift das Halsband?“
ie werden mich taub machen,” fagte der Bars
hr ärgerlich. Weiß ich, wo Ihr Halsband if?
be es gelbft der Königin übergeben, mehr weiß
t.“
Ya Halsband, wenn wir fein Geld bekommen!
isband!“ wiederholten die zwei Kaufleute.
Reine Herren, das geht mich nichts an,” jchrie
rdinal außer fih und nahe daran, feine zwei
ger aus der Thüre zu werfen.
ran von La Mothe, die Frau Gräfin,” fchrieen
e und Boffange, heifer durdy ihr verzweifeltes
ner, „file ift es, die uns zu runde geridy:
rau von La Mothe ift von einer Nedlichfeit,
zu verbädtigen ich Ihnen verbiete, wenn Sie
a meinem Haufe frumm und lahm gefdhlagen
wollen.”
tin Schuldiger ift doch da,” entgegnete Böhmer
glihem Tone, „Dirfe zwei Fälſchungen find von
» gemadt worden?“
Htwa von mir?” rief Herr von Rohan Hofs
Ronfeigneur, das wollen wir gewiß nicht fagen.“
tun alſo?“
Ronfeigneur, im Namen des Himmels, eine Er⸗
Barten Sie, bis ich felbit eine habe.“
5%
60
Das Beſte, was man in einem folgen Kalle thun Fanı
ift, durch Die Geberde zu verfahren; Böhmer warf flı
‚Marie Antoinette zu Füßen.
Die Geberde war ausdrudsvoll.
Boflange ahmte ihn als fein Affocie nad.
„Meine Herren,” ſprach die Königin, „ich bin nu
ruhig und werde mich nicht mehr ärgern. Ge ift mi
überdies ein Gedanke gefommen, der meine Gefüh
in Beziehung auf Sie ändert. Es unterliegt Feine:
Zweifel, daß wir, Sie und ich, bei dieſer Angelegenhe
durdy ein Fleines Geheimniß Hintergangen worden fin!
... meldes fein Geheimniß mehr für midy if.”
„Ah! Madame,” rief Böhmer, begeiftert durch Die:
Worte der Königin, „Sie haben mich alfo nicht mel
im Veidacht, daß ich ... . Ob! es ift abfcheulich aus
zufprechen, das Wort Fälſcher ...“
„Es ift eben fo Bart für mich, daſſelbe zu höre
als für Sie, es auszuſprechen,“ erwieberte die Königfı
„nein, ich babe Sie nicht mehr im Verdacht.“
„Eure Majeftät bat aber Jemand im Verdacht?
„Beantworten Sie mir meine Fragen. Sie ſager
Sie haben die Diamanten nicht mehr ?“
„Wir haben fie nicht mehr,“ antworteten gleid
zeitig die Juweliere.
„Es hat für Sie feinen Werth, zu erfahren, weı
ih das Geſchmeide für Sie übergeben habe, das i
meine Sade.... Haben Sie... die Frau Gräfi
von La Mothe nicht arfehen?“
„Verzeihen Sie, Madame, wir haben fie gelchen.
„Und fie hat Ihnen nichts... in meinem YAuftrao
übergeben ?“
„Nein, Madame, die Frau Gräfin Hat uns mu
gejagt: „„Warten Sie.”
„Wer hat Ihnen aber die Berfchreibung von mi
überbracht?“
„Die Vwerſchreibung ...“ erwiederte Böhmer
„das Papier, das Cure Majeſtät in den Händen gehal
61
N)
Bat, if uns in der Nacht von einem unbekannten
Boten überbracht worden.“
"Und er zeigte die falfche Schrift.
„Ah! ah!“ rief die Königin, „gut; Sie fehen, daß
die Schrift nit unmittelbar von mir fommt.”
Sie läutete, ein Bedienter erfchien.
„Man lafle die Frau Gräfin von La Mothe zu
mir rufen,” ſprach die Königin ruhig.
„Und,“ fuhr fie dann mit derfelben Ruhe fort,
„Sie haben Niemand gefehen, Sie haben Herrn von
Rohan nicht gefehen?“
„Heren von Rohan? Doch, Madame, er hat ung
beſucht und ſich erkundigt... . “
„Sehr gut; gehen wir nicht weiter; fobald ber
Herr Cardinal von Rohan abermals bei diefer Ange:
legenheit betheiligt ift, Hätten Sie Unrecht, zu vers
zweifeln. Ich erraihe. Als Frau von La Mothe das
Bort: Warten Sie! zu Ihnen fagte, wollte fie...
Mein, idy errathe nichts, ich will nichts errathen .. .
Suchen Sie nur ben Herrn Cardinal auf und erzählen
Sie ihm, was Sie mir gefagt haben; verlieren Sie
feine Zeit und fügen Sie bei, ich wiſſe Alles.“
MWiederbelebt durdy diefe fleine Zlamme ber Hoff:
nung, wechfelten die Suweliere unter einander einen
minder ängfllichen Blid.
Boflfange allein, der fein Wort anbringen wollte,
wagte es, leife zu fagen, die Königin habe jedoch einen
falſchen Empfangichein in ihren Händen, und eine
Faͤlſchung fei ein Verbrechen.
Marie Antoinette jaltete die Stirne und erwieberte:
„Es ift wahr, wenn Sie bas Halsband nicht zus
rüderbalten Haben, fo bildet dieſe Schritt eine Zälfchung.
Doch um die Fälſchung nachzumweifen, if es unerläßlid),
bag ih Sie mit der Berfon confrontire, die ich Ihnen
die Diamanten zurüdzugeben beauftragt habe.“
„Wann Eure Majeftät will,” rief Boſſange, „wir
ſcheuen das Licht nicht, wir ehrlichen Handelsleute.“
62
‘
„Dann holen Sie das Licht beim Herrn Cardinal
er allein fann Ihnen in diefer ganzen Sache Aujklärung
eben.“
s „Und Eure Majeftät erlaubt ung, ihr die Antwor
zu überbringen?“ fragte Böhmer.
„Ich werde vor Ihnen unterrichtet fein,” erwiedert
die Königin, „und ich werde Sie aus diefer Berlegen:
heit ziehen. Gehen Sie.“
Sie entließ die Juweliere, und als fie weggeganger
waren, gab fie fi) ihrer ganzen Unruhe hin und ſchickt
Eilboten auf Eilboten an Frau von La Mothe.
Wir werden ihr nicht in allen ihren Nachforſchun
nen und in allen VBermuthungen folgen, wir verlaffe
fie im Gegentheil, um raicher mit den Juwelieren dei
fo fehr erfehnten Wahrheit entgegenzulaufen.
Der Cardinal war jr Haufe und las mit eine
unbefchreibligen Wuth ein Briefen, das ihm Yraı
von La Mothe jo eben, wie fie fagte, von Berfailler
efhirft hatte. Der Brief war hart und benahm den
Sardinal jede Soffnung; er forderte ihn auf, an nicht:
mehr zu denfen; er verbot ihm, vertraulich in Verfaillen
wiederzuerſcheinen; er appellirte an feine Biederfeit
daß er unmöglich gewordene Verbindungen nid
wieder anzufnüpfen fuche.
Der Prinz ſchäumte, während er dieſen Br
noch einmal las; er buchitabirte die Charaftere eir
um den andern; er fhien von dem Papier Rechenfd
über die Härten zu verlangen, mit denen ihn eine gr
ſame Hand belaftete.
„Soquette, launenbait, treulos!” rief er in fı
Verzweiflung, „oh! ich werde mich rächen!“
Er bäufte fodann alle Armfeligfeiten auf, r
bie fhwachen Herzen in ihren Liebesfchmerzen erleir
aber bie nicht von ber @igenliebe heilen.
„Hier,* fagte er, „bier find vier Briefe,
mir gefchrieben Hat, und von denen der eine
ungerechter iſt, ale der andere. Sie hat m
3%
se genommen! Das ift eine Demüthigung, die ich
faum een würbe, wenn fie mich nicht einer
n Laune opferte.“
Und ber getäufchte Unglüdliche las abermals mit
Inbrunft der Hoffnung alle diefe in ihrer Strenge
) einen Bogen von unbarmherzigen Berhältniffen
'sten Briefe.
Der legte war ein Meifterwerk barbarifcher Graus
eit, das Herz des armen Garbinals war davon
yfam burchlöchert, und dennoch liebte er in einem
de, daß er fih, aus Widerſpruchsgeiſt, daran ergößte,
er und wieder diefe ihm, nach der Angabe von Frau
La Mothe, aus Verſailles überbracdhten falten Un-
geil feiten zu leſen.
n biefem Augenblick erfchienen die Suweliere in
we Hotel. Er war fehr erflaunt, daß fie, troß bes
988, fo hartnädig Einlaß bei ihm begehrten. Dreimal
: er feinen Kammerdiener hinaus, der zum vierten
feinen Angriff mit der Aeußerung erneuerte, bie
en Böhmer und Boflange haben erklärt, fie wür:
nur weggehen, wenn man fle durch Gewalt dazu
e.
ae fol das bebeuten ?“ dachte der Kardinal.
mögen eintreten.”
Sie traten ein. Die verflörten Geſichter zeugten
dem heftigen Kampf, den fie moralifch und för:
5 auszuflehen gehabt Hatten. Waren bie Un⸗
lichen bei einem von den Kämpfen Steger geblieben,
itten fle dagegen in dem andern eine Niederlage
en. Nie waren mehr aus dem Geleiſe gebrachte
e berufen geweien, vor einem Kirchenfürſten zu
ioniren.
‚Bor Allem,” rief der Cardinal, als er fle ſah,
fol diefe Brutalität, meine Herren Juweliere? ift
Ihnen etwas ſchuldig?“
Der Ton dieſes Eingangs verwandelte bie zwei
les vor Schreden in Eis,
. 64
„Hangen die Scenen von dort wieder an?” ſagt
Bihmer aus dem NAugenwinfel zu feinem Berbün:
deten.
„eh! nein, nein,“ erwiederte der Letztere, inben
er feine Berrüde mit einer fehr friegerifchen Be.
wegung zurecht richtete, „ich, meinerfeits, bin auf allı
Stürme gefaßt.“
Und er machte einen fa drohenden Schritt, wäh:
rend der klügere Böhmer zurücblieb,
Der Cardinal Hielt fie für Narren und fagte er
ihnen unummwunden.
„Monſeigneur,“ ſprach Böhmer in feiner Ber:
zweiflung, jede Eylbe mit einem Seuizer zerhadend
„Gerechtigkeit! Barmherzigfeit! verfgonen Sie und
mit Ihrer Wuth und zwingen Sie uns nicht, bie
Achtung gegen den größten, erhabenften Würften zu
verlegen.”
„Deine Herren,” fagte der Kardinal, „entweber
find Sie feine Narren, und dann wird man Gie zum
Beniter binauswerfen, oder Sie find Narren, und bann
mirnt man Sie ganz einfach vor bie Thüre. Wählen
ie.“
„Monfeigneur, wir find Feine Narren, wir fint
beftohlen !“
„Was geht das mih an; ich bin nicht Polizei
lieutenant.“
„Aber Sie haben bas Halsband in Ihren Hüı
den gehabt, Monfrigneur,” entgegnete Böhmer ſchluc
zend. „Sie werden gerichtliche Ausjage machen. €
werden . . .*
‚I babe das Halsband gehabt?“ verfegte '
Prinz. „Das Halsband iſt alfo geftohlen worden?
„3a, Monieigneur.“
„Nun! was jagt bie Königin ?“ rief der Garbi'
mit einer Bewegung lebhafter Theilnahme.
„Die Königin hat uns zu Ihnen geſchickt, 9
ſeigneur.“
65 >
„Das if fr liebenswürdig von Ihrer Majeftät.
Doch was kann ich hiebei machen, meine armen Leute?“
„Sie vermögen Alles, Monfeigneur; Sie können
fagen, us, man damit gethan hat.“
„Bewiß.
„Mein lieber Herr Böhmer, Gie Könnten biefe
Sprache gegen mich führen, wenn ich bei der Räuber:
—55 wi re, bie der Königin das Halsband geflohs
„Riät der Königin iſt das Halsband geftohlen
„Mein Bott! wen denn?“
, „Die Königin leugnet, es in ihrem Beflge gehabt
— „Wie! ſie leugnet?“ fagte zögernd der Cardinal;
Sie Haben doch eine Sandfäritt von ihr Y*
„GSie ſagt, die Handſchrift ſei falſch.“
| meine Herren, Sie verlieren den Kopf!“
BR, & Gardinal.
Es ec wahr?" fagte Böhmer zu Boflange, und
biefer antwortete mit einer dreifachen Beipflichtung.
„Die Königin,“ ſprach der Cardinal, „die Königin
elengnet, weil Jemand bei ihr war, als Sie mit
r ——
mad, Monfeigneur, doch das iſt noch nich
„Was denn noch?“
„Die Königin Hat nicht nur gelengnel fie bat
sit aur behauptet, die Berfchreibung fet falich ; ſon⸗
verm ſie Hat uns andy einen Schein von uns gezeigt,
in dem bezengt wird, daß wir das Halsband zurüdges
nommen haben.“
„Binen Schein von Ihnen? .. . Und diefer Schein?“
var falſch, wie der andere; Gie willen das wohl,
Gerr Sarbinal.“
Dead Baloband der Königin. IV. 5
66
„Ball ... Zwei Fälfchungen . . . Und Gie
fagen, ich wiffe das wohl?“
„Sicherlich, da Sie gefommen find, um uns in
dem zu beitätigeen, was ung Frau von La Mothe ges
fagt hatte; denn Sie, Sie wußten, daß wir das
Halsband wirflid verfauft hatten, und daß es in den
Händen der Königin war.“
„Ah! ah!" fagte der Kardinal, während er mit
einer Hand über feine Stirn fuhr, das find, wie mir
fcheint, fehr ernite Dinge. Berftändigen wir uns ein
wenig. Meine Operativnen mit Shnen waren fols
ende.” .
„Gut, Monfeigneur,“
„Zuerft durch mich für Rechnung Ihrer Majefät
gemachter Anfauf eines Halsbandes, auf welches ich
Ihnen zweimal Hundert und jünizig tauſend Livres be⸗
zahlt habe.“
„Das it wahr, Monfeigneur.”
„Dann von der Königin unmittelbar unterfchries
bener Berfauf, Sie baben mir das wenigftens gefagt,
mit Terminen durch fie beftimmt und auf die Berants
wortlichfeit ihrer Unterſchriſt 2“
„Ihrer Unterſchrift ... Sie fagen, es fri die
Unterjchriit der Königin, nicht wahr, Monſeigneur?“
„Zeigen Eie fie mir!“
„Hier ift fie.”
Die Juweliere zogen die Verfchreibung aus ihrem
Portefeuille. Der Bardinal warf einen Blid darauf.
„Ei! Sie find Kinder!” rief er. „Marie Ans
toinette von Frantreih... IR die Königin
nicht eine Tochter des Haufes Deiterreih ? Gie find
betrogen: die Schrift und die Unterzeichnung, Alles
it falſch!“
„Aber Frau von La Mothe muß den Fälicher und
den Dieb fennen.” riefen die Juweliere ganz außer ſich.
Die Wahrheit diefer Behauptung wirkte fcylagend
auf den Gardınal.
67
„Rufen wir Frau von La Mothe,” fagte er fehr
unrubigt.
Und er läutete, wie es die Königin gethan Hatte.
Seine Leute flürzıen pur Verfolgung von Seanne
rt, deren Wagen noch nicht fern fein fonnte.
Die Herren Böhmer und Boffange fauerten fi
ıdeflen, wie Hafen im Lager, in die Berfprechungen
er Königin und wiederholten:
„Bo ift das Halsband? wo iſt das Halsband?“
„Sie werden mich taub machen,“ fagte der Bar:
Inal ſehr ärgerlich. Weiß ich, wo Ihr Halsband if?
ch babe es ſelbſt der Königin übergeben, mehr weiß
y night.“
„Das Halsband, wenn wir fein Geld befommen!
a8 Halsband!” wiederholten die zwei Kaufleute.
„Meine Herren, Das geht mich nichts an,” ſchrie
er Bardinal außer fih und nahe daran, feine zwei
Häubiger aus der Thüre zu werfen.
„Hrau von La Mothe, die Frau Gräfin,” fchrieen
Yöhmer und Boffange, heifer durch ihr verzweifeltes
bejammer, „fie it es, die ung zu Grunde gerich—
et bat.”
„Beau von La Mothe iſt von einer Medlichfeit,
yelche zu verdächtigen ich Ihnen verbiete, wenn Sie
it in meinem Haufe frumm und lahm gefchlagen
erden wollen.”
„Sin Schuldiger ift doch da,” entgegnete Böhmer
it Haglihem Tone, „dirfe zwei Fälſchungen find von
jemand gemacht worden?”
„Etwa von mir?“ rief Herr von Rohan hof—⸗
artig.
Monſeigneur, das wollen wir gewiß nicht ſagen.“
„Run alſo?“
„Wonfeigneur, im Namen des Himmels, eine Er⸗
lärung.”
„Warten Sie, bis ich felbft eine habe.“
5%
68
„Aber, Monfeigneur, was follen wir der Königin
antworten? denn Ihre Majeftät ſchreit ebenfo laut
gegen und.“
„Und was fügt fig?” .
„Die Königin fagt, Sie oder Frau von La Mothe
haben das Halsband, nicht fie.”
„Wohl denn!” ſprach der Kardinal, bleihivor Scham
und Zorn, „fagen Sie der Königin, dab... . Nein,
fagen Sie ihre nichts ... Genug des Aergerniſſes.
Doch morgen... . morgen, hören Sie, halte ih das
Amt in der Kapelle von Berfailles; fommen Sie, Sie
werden fehen, wie ich mich der Königin nähere, wie
ich fie frage, ob fle das Halsband nicht in ihrem Bes
fite Habe, und Sie werden dann hören, was fie ants
wortet; leugnet fie mir gegenüber, dann, meine Herren,
bin ich Roban, und ich werde bezahlen!“
Und nad diefen Worten, die er mit einer Größe
ſprach, von der die einfache Profa feinen Begriff geben
fann, entiieß der Prinz die zwei Kaufleute, und diefe
TE rückwärts, fih mit den Ellenbogen berührend,
naus.
„Morgen alſo,“ ftammelte Böhmer no, „nicht
wahr, Munfeigneur ?”
„Morgen Bormittag um elf Uhr in der Kapelle
von Berfailles,“ antwortete ber Cardinal.
LXXIV.
Fechtkunſt und Diplomatie.
Am andern Tag gegen zehn Uhr Fam in Verfailles
ein Magen mit dem Wappen von Herrn von Bres
euil an.
Diejenige von unfern Lefern, welche fich ber Befchichte
69
von Balfamo und von Bilbert erinnern, werben nicht
vergeffen haben, daß Herr von Breteuil, ein Nebens
bubler und perfönlicher Keind von Herrn von Rohan,
feit langer Zeit auf jede Selegenheit lauerte, um feinem
Feinde einen tödtlichen Schlag beizubringen.
Die Diplomatie if der Fechtkunſt in der Hinfidht
fehr überlegen, daß bei leßterer Wiffenichaft ein Gegen⸗
Roß in einer Secunde gegeben fein muß, während bie
Diplomaten fünfzehn Sahre und mehr, wenn es fein
muß, Haben, um den Schlag, den ſie zurüdgeben, zu
combiniren und fo tödtlich als möglich zu machen.
Herr von Breteuil hatte den König eine Stunde
vorher um eine Audienz bitten laffen, und er fand Seine
Mafekät, als fie fi) gerade ankleiden ließ, um zur
Mefle dı gehen.
„Gin herrliches Wetter!” fagte Ludwig XVI. ganz
Beiter, als der Diplomat in fein Cabinet eintrat, „ein
wahres Mariä:Himmelfahrts:Wetter; fehen Sie, es ift
feine Wolfe mehr zu erſchauen.“
„Sire, ich bin troftlos, daß ich Ihrer Ruhe eine
Wolfe bringen muß,“ erwiederte der Minifter.
„O5!“ rief der König, deflen heitere Miene ſich
verbüflerte, „der Tag fängt ſchlimm an; was gibt es?“
„Sire, ich bin fehr in Verlegenheit, wie ih Ihnen
das erzählen foll, um fo mehr, als es nicht zum Ge⸗
fhäftstreife meines Minifteriums gehört. Es ift eine
Art von Diebftahl, und das wäre eine Sache des Pos
lizeilieutenants.“
„Ein Diebftahl! ... Sie find Siegelbewahrer,
und die Diebe begegnen am Ende immer der Juſtiz.“
„Bohl, Sire, vernehmen Sie, wie fih die Sache
verhält: Sure Majettät hat wohl von einem Diamantens
balsband fprechen hören?“
„Das von Herrn Böhmer?“
„sa, SEire.“
„Das, welches die Königin ausgefchlagen hat?“
„Sanz richtig.”
70
„Eine Zurückweifung, die mir ein fhönes Schiff
eingetragen hat, den Suffren,“ fagte der König, fich
die Hände reibend.
„Run, Sire,“ ſprach der Baron von Bretenuil,
unempfindli für alles Schlimme, was er zu thun im
Begriffe war, „diejes Halsband ift geflohlen worden.“
„Ah! das it ein Unglück!“ rief der König, „Es
war ıheuer, doch die Diamanten find fennbar. Sie
zerfchneiden hieße die Frucht des Diebſtahls verlieren.
Man wird fle ganz laflen, und die Polizei wird fie
wieder auffinden .. .* '
„Sire,“ unterbrach der Baron von Breteuil, „das
it Fein gewöhnlidher Diebflahl. Es vermifchen fich
damit Gerüchte.“
„Gerüchte? wie full ich das verfichen 2“
„Sire, man behauptet, die Königin babe das
Halsband behalten.”
„Wie, behalten? In meiner Gegenwart hat fie
es auegefchlagen, ohne es nur anfchauen zu wollen.
Albernheiten, Tollheiten, Baron; die Königin Hat das
Halsband nicht behalten.”
„Sire, ih habe mich nicht des geeigneten Wortes
bedient; die Verleumdungen find ftets fu blind in Be⸗
ziehbung auf Fürften, daß ver Ausdruck für Föniglicdhe
Dhren au verlegend if. Das Wort behalten... .“
„Ah! Herr von Breteuil,” fprach mit einem Lücheln
der Rünig, „ich denke, man behauptet nicht, die Königin
habe das Halsband geftohlen.” '
Nein,” erwiederte lebhaft Herr von Breteuil,
„man fagt, bie Königin habe den von ihr abgebrocdhenen
Handel wieder aufgenommen; man fagt, und ich brauche
Eurer Majeftät nicht zu wiederholen, wie fehr meine
Ehrfurcht und meine Ergebenheit diefe ſchändlichen
Muthmaßungen verachten, man fagt, die Juweliere
haben von Ihrer Majeftät der Königin einen Schein,
in welchem bezeugt fei, daß fle das Halsband behalte.”
Der König erbleichte.
71
„Man fagt das?” wiederholte er. „Was fagt man
niht? Doch im Ganzen fegt mich das in Erſtaunen.
Hätte die Königin das Halsband unter der Hand ger
fauft, fo würde ich es nicht tadeln. Die Königin ift
ein Weib, das Halsband war ein feltenes, wunderbares
Stud. Die Königin fann, Gott fei Dank, anderthalb
Millionen für ihre Toilette ausgeben, wenn fle es
gewollt hat. Ich werde es billigen, und fie wird nur
darin Unrecht gehabt haben, daß fie mir ihren Wunſch
verfchwiegen. Doch e8 geziemt jich nicht für den König,
fih in biefe Sache zu miſchen; fie neht den Maun an.
Der Mann wird feine Frau fchmälen, wenn er will
oder wenn er kann; ich erfenne Niemand das Necht
u, dazwifchen zu treten, nicht einmal mit einer üblen
achrede.“
Der Baron verbeugte ſich vor dieſen fo edlen und
fo Fräftigen Worten des Königs. Aber Ludwig XVI.
hatte nur den Anfchein der Fetigteit. Einen Augen—
— gzachdem er fie gezeigt, wurde er ſchwankend,
unrubig.
„Und dann,“ fuhr er fort, „was furechen Sie von
einem Diebflahl? ... . Wenn ein Diebitahl flattgefuns
den hätte, fo wäre das Halsband, wie mir fcheint,
— in den Händen ber Königin. Wir wollen logiſch
ein!”
„Sure Majeftät bat mich durch ihren Zorn eiskalt
gemacht,.umd ich konnte nicht vollenden .. . “
„Sy! mein Zorn! ... ich zornig!.. . Was das
beirifft, Baron... Baron!“
Und der gute König lachte geräufchvoll.
„Bahren Sie fort und fagen Sie mir Alles;
fagen Sie mir fogar, die Königin habe das Halsband
an Suden verfauft.e Arme Frau, fie braucht oft Geld,
und ich gebe ihr nicht immer.”
„Das wollte ich nerade Eurer Majeftät zu fagen
bie Ehre haben. Die Königin hatte vor zwei Monaten
durch Herrn von Ealonne fünfmal hundert taufend Livres
72
forbern laſſen, und Eure Majeftät hat ſich geweigert,
zu unterzeichnen.“
„Das ift wahr.”
„Wohl, Sire, diefes Geld follte, wie man ſagt,
dazu dienen, das erfte Quartal von den von der Kös
nigin beim Ankauf des Halsbandes unterzeichneten
Terminen zu bezahlen. Da die Königin fein Geld
hatte, fo weigerte fie fich, zu bezahlen.”
„Nun?“ fragte der König, allmälig intereffirt, wie
es gefchieht, wenn auf den Zweifel ein Anfang von
MWahrfcheinlichkeit folgt.
„Sire, hier fängt die Gefchichte an, die mir mein
Eifer Eurer Majeſtaͤt zu erzählen befichlt.“
„Wiel Sie fagen, die Gefchichte fange bier an;
mein Gott! was iſt e8 benn?“ rief der König, fo feine
Berlegenheit vor den Augen bes Barons verrathend,
der von da an im Vortheil blieb.
„Site, man fagt, die Königin habe ſich an Jemand
gewendet, um Geld zu befommen.“
„An wen? an einen Suden, nicht wahr?“
„Nein, Sire, nicht an einen Juden.“
„Si, mein Bott! Sie fagen mir das mit einer
feltfamen Miene, Breteuil. Ob! gut, ich errathe; eine aus⸗
wärtige Intrigue: die Königin Bat das Geld von ihrem
Bruder, von ihrer Bamilie verlangt. Oeſterreich ftedt
dahinter.”
Man weiß, wie empfindlich der König in Betreff
des Wiener Hofes war. "
„Das wäre beſſer,“ erwiederte Herr von Bretenil.
„Wiel das wäre beſſer? Aber von wem hat denn
die Königin Geld verlangen können?“
„Site, ih wage es nicht ...“
„Sie fegen mich in Erflaunen, mein Herr,“ ſprach
der König, indem er das Haupt erhob und wieber
feinen Föniglichen Ton annahm: „Sprechen Sie auf
der Stelle, wenn’s beliebt, und nennen Sie mir ben
Geldleiher.“
|
73
„Herr von Rohan, Sire.“
„Wie! Sie erröthen nicht, mir Herrn von Rohan,
den ruinirieften Mann dieſes Königreichs, zu nennen!“
„Site ...“ fagte Herr von Breteuil, die Augen
niederfchlagend.
„Das if eine Miene, die mir mißfaͤllt,“ fügte der
König bei, „und Ste werden ſich ſogleich erklären, mein
Herr Giegelbewahrer.”
„Rein, Sire; um feinen Preis der Melt; denn
nichts würbe mich zwingen, ein die Ehre meines
Königs und die meiner Souverainin bloßftellendes Wort
von meinen Lippen fallen zu Lafien.”
Der König faltete die Stirne.
„Bir fleigen ſehr tief hinab, Herr von Breteuil;
diefe Bolizeimeldung ift ganz gefchwängert von ben
Dünften des Pfuhls, von dem fie ausgeht.“
„Site, jede Berleumdung bünftet tödtliche Miasmen
aus, und darum müflen die Könige die Luft rein
machen, und zwar durch" große Mittel, foll nicht ihre
Ehre durch dieſe Gifte, felbft auf dem Throne, umge⸗
bracht werden.”
„Herr von Rohan,“ murmelte der König; „welche
Fe ... Der Cardinal läßt alfo
agen? ...“
„Sire, Eure Majeftät wird fi überzeugen, baß
Herr von Rohan Unterredungen mit den Juwelieren
gößnier geb Boffange gehabt hat, daß die Sache des
Ankaufs Yon ihm geordnet worden iſt, daß er die Zah:
Inngebebingungen angenommen und feftgeftellt Hat.“
„Wahrhaftig!“ rief der König, ganz bebend vor
Zorn und GBiferjucht.
„Es if dies eine Thatfache, welche das Fleinfte
Berhör erweilen wird. Ich mache mich hiezu gegen
Eure Najeſtät anheiſchig.“
„Sie ſagen, Sie machen ſich hiezu anheiſchig?“
one ückhalt, unter meiner Berantwortlichkeit,
74
j Der König ging rafh in feinem Gabinet auf
und ab.
„Das find furchtbare Dinge,“ fagte er; „ja, doch
in dem Allem fehe ich den Diebflahl noch nicht.“
„Site, die Juweliere haben, wie fie behaupten,
einen von der Königin unterzeichneten Schein erhalten,
— das Halsband muß in den Händen ber Königin
ein,”
„Ah!“ rief der König in einem Ausbruche der
Hoffnung ; „fie leugnet! Sie fehen wohl, daß fie leugnet,
Breteuil.” i
„Ei! Sire,,habe ich je Eure Majeflät glauben
laffen, ih wiffe nicht, dab die Königin unſchuldig?
Sullte ich fo beflagenswerth fein, daß Bure Majeſtät
nicht fähe, was Alles an Ehrfurcht und Liebe für die
Reinfte der Frauen in meinem Herzen If?"
„Sie Klagen alio nur Herrn von Rohan an?"
„Sire, der Anfchein räth ...“
„&ine fchwere Anfchuldigung, Baron.“
„Welche vielleicht vor einer Unterfudung fallen
wird; doch die Unterfuchung ift unerläßlich. Bedenken
Sie doch, Sire, daß die Königin das Halsband nicht
zu haben behauptet; daß die Jumeliere es an die
Königin verfauft zu Haben behaupten; daß fih das
Halsband nicht miederfindet, und daß das Wort
Diebſtahl vom Volk zwifchen dem Namen von Herrn
von Rohan und dem gebeiligten Namen der Königin
ausgeſprochen worden if.“
„Ss ift wahr, es ift wahr.” fagte ber König ganz
verwirrt; „Sie haben Recht, Breteuil, diefe ganze Sache
muß aufgeflärt werden.”
„Durchaus, Sire.“
„Mein Gott! was geht dort in der Gallerie vor?
ir Bag, nicht Herr von Rohan, der fih in die Kapelle
egibt?“
„Sire, Herr von Rohan kann ſich noch nicht in
die Kapelle begeben. Es iſt noch nicht elf Uhr; und
75
ann hätte Herr von Rohan, der Heute das Amt hält,
in priefterliches Gewand an. Gr ift es nicht, der |
ort geht. Eure Majeſtät Hat noch über eine Halbe
ziunde 31 verfügen.”
„Bas foll ih dann than? mit ihm fprechen? ihn
mmen laffen ?"
„Nein, Eirez erlauben Sie mir, Eurer Majeflät
nen Nath zu geben; machen Sie die Sade nicht
achbar, ehe Eie mit Ihrer Majeſtät der Königin ge:
sıochen haben.” .
„3a, fle wird mir die Wahrheit fagen.”
„Zweiieln wir nicht einen Augenblid daran, Sire.“
„Hören Eie, Baron, fommen Sie hierher und
ıgen Eie mir unverhohlen, ohne Milverung, jede That:
ıche, jeden Kommentar.“
33 babe Alles in dieſem Portefeuille auseinan⸗
ergeſetzt, mit den Beweiſen zur Bekräftigung.“
„An's Geſchäft alſo; warten Sie, daß ich die Thüre
eines Cabinets ſchließen laſſe; ih hatte dieſen Mor:
m zwei Andienzen, ich werde fie verſchieben.“
Der König gab feine Befehle, feste fih bann
jeder und warf einen legten Blick durd das Fenſter.
„Diesmal,“ fagte er, „it ed gewis ver Gardinal;
bauen Eie.“
Herr von Breteuil fand auf, trat an's Feniter
nd erblidte Herrn von Rohan, der im großen Ge:
ante eines Cardinals und Grzbiihois fich nach dem
jemache wandte, das für ihn beftimmt war, fo oft er
na seierlidhes Amt in Verſailles hielt.
„Endlich if er da,” rief der König fich erhebenp.
„Deo beſſer,“ jagte Herr von Breteuil, „die Er—⸗
ärung wird feinen langen Aufichub erleiden.”
Und er fing an den König mit allem Gifer eines
Rannes zu unterweifen, der einen Andern zu Grunde
ichten will.
Eine böllifche Munft hatte in seinem Bortefenille
les zufammengeflellt, was den Garbinal erbrüden
76.
fonnte. Der König fah wohl die Beweife der Schuld
von Herrn von Rohan ſich auf einander häufen, aber
er verzweifelte, daß er nicht fo fchnell die Beweife der
Unſchuld der Königin fommen fab.
Er ertrug ungebuldig feit einer Viertelſtunde biefe
Marter, als plöglih Rufe in der anftoßenden Gallerie
ertönten.
Der König horchte, Herr von Bretenil unterbrach
fi) im Leſen.
Ein Oificier fragte an der Thüre des Cabinets.
„Was gibt es?” fragte der König, bei dem feit
der Offenbarung von Herren von Breteuil alle Nerven in
Bewegung gefept waren.
Der Offieier trat ein.
„Sire, Ihre Majeftät die Königin bittet Eure
Majeftät, zu ihr fommen zu wollen.“
„Es gibt etwas Neues,“ ſprach der König ers
eichend.
„Bielleicht,” fagte Breteuil.
„Sch gehe zur Königin,” rief der König. „Ers
warten Sie mid bier, Herr von Breteuil.”
„Wir ftehen der Entwidelung nahe,“ murmelte
Herr von Bretenil.
LXXV.
Edelmann, Cardinal und Königin.
Sn der Stunde, wo Herr von Breteuil beim
König erichienen war, hatte Herr von Charny, bleich,
bewegt, ſich eine Audienz bei der Königin erbitten laflen.
iefe kleidete fih an; fe ſah dur das Fenſter
ihres Boudoir, das auf die Ter ging, Charny, der
demüthig eingeführt zu werben verlangte,
Marie Antoinette ertheilte Befehl, ihn eintreten
zu laſſen, als er faum fein Geſuch ausgefprochen hatte.
Denn fie gab dem Bedürfniſſe ihres Herzens nach;
deun fle fagte fi mit einem edlen Stolz, eine reine
und munkörperliche Liebe, wie die feinige, habe das
Gintrittsreht zu jeder Stunde felbft in den Palaſt der
Königinnen.
' harny trat ein, berührte zitternd bie Hand,
die ihm die Königin reichte, und Sprach mit erflichter
Stimme:
„AH! Madame, wel ein Unglück!“
„Was haben Sie denn?“ rief die Königin erblei-
hend, als fie ihren Freund fo bleich fah.
Madame, wiflen Sie, was ip fo eben erfahren
babe? wiffen Sie, was man fagt? wiffen Sie, was
ber Eönig vielleicht weiß, oder was er morgen erfahren
wird“
Sie fhauerte im Gedanken an die Nacht Feufcher
Wonne, wo vielleiht ein eiferfüchtiges, feindfeliges
Br fie mit Charny im Parke von Berfailles gejehen
a
e.
„Sagen Sie Alles, ich bin ſtark,“ erwiederte ſie,
eine Hand auf ihr Herz drückend.
Madame, man ſagt, Sie haben ein Halsband
von Böhmer und Boffange gefauft.“
Ich Habe es zurüdgegeben,“ entgegnete raſch
Marie Antoinette.
„Hören Sie, man fagt, Sie haben es nur fcheins
bar zurädgegeben. Sie Baben es bezahlen zu koͤnnen
geglaubt, der König habe Sie dadurch daran verhindert,
daB er ed verweigert, eine Anweifung von Herrn von
Calonne zu unterzeichnen; dann haben Sie fih an
Jemand gewendet, um Gelb zu finden, und biefer Je⸗
mand fei Ihe Beliebter.”
„Sie!“ rief die Korigin mit einer Bewegung
erhabenen Vertrauens. „Sie! mein Herr; und laflen
Sie diejenigen fagen, welche das fagen. Der Titel
78
eines Geliebten ift für Sie feine Beleidigung, welde
fo füß zu fchleudern, als der Freundestitel eine füße,
fortan zwifchen und Beiden geheiligte Wahrheit ift.“
Sharny hielt, ganz verwirrt durdy die männliche
und fruchtbare Beredfamfeit, welche aus der wahren
Liebe entfirömt, wie der weſentliche Wohlgeruch aus
dem Herzen jeder edelmüthigen Frau, inne.
Doch der Zwifcyenraum, den er zwiıchen die Worte
der Königin und eine Cıwiederung von ihm feste,
a epelie die Bangigfeit von Marie Antoinette, und
ie riet:
„Wovon wollen Sie fpredden, Here von Charny?
Die Berleumdung bat eine Sprade, die ich nie ver:
ſtehe; baben Sie diefelbe veritanden ?“
„Marame, wollen Sie mir eine ununterbrocene
Aufmerfiamfeit fchenfen, denn die Sade if fehr erniter
Natur. Geftern ging ich mit meinem Oheim, Herrn
von Sufften, zu den Hofjuwelieren Böhmer und
Boſſange; mein Oheim harte nämlih Diamanten von
Indien mitg bracht und wollte fie fyägen laflen. Man
fprahy von Allem und von Allen. Die Juweliere ers
zählten dem Herrn Bailli eine abſchenliche Geſchichte
mit den Gommentaren der Feinde Eurer Majeſtät.
Madame, idy bin in Berzweiflung: haben Sie das
Halsband gefauft, fo fagen Sie es mir; haben Sie «6
nıcht bezahlt, jo fagen Sie es mir aud. Aber laflen
Sie mid nicht glauben, Herr von Rohan habe es
bezahlt.“
„Herr von Rohan!“ rief die Koͤnigin.
„Ja, Herr von Rohan, derjenige, welcher für den
Liebhaber der Königin gilt; derjenige, von welchem
die Königin Geld enilehnt; derjenige, den ein Unglüds
licher, weldyen man Herrn von Charny nennt, im
Parke von Verfailles der Königin Hat zulächeln, vor
der Königin hat niederfnieen, ber Köniyin bat die
Hand füflen fehen; derjenige... .*
„Mein Herr,“ rief Marie Antoinette, „glauben
79
ich nicht mehr da bin, fo ift dies fo, weil
sicht lieben, wenn ich da bin.“
* erwiederte der junge Mann, „es waltet
he Gefahr ob; ich komme weder um DOffeys
noch um Muth von Ihnen zu fordern, ich
m Sie anzuflehen, Sie mögen mir einen
ten.“
n 6ie mir vor Allem, welde Gefahr
be Gefahr! Madame, ein Wahnfinniger iſt
r fie nicht erräth. Der Cardinal, indem er
Königin verbürgt, indem er für die Königin
ichtet fe zu Grunde. Ic fpreche Hier nicht
tödtlichen Mißvergnügen, das Herrn von
ı Bertrauen, wıe das, weldyes Sie Herru
ı eingeflößt, verurfachen fann. Nein. An
ymerzen ftirbt man, aber man beflagt ſich
yer.”
find verrückt!“ entgegnete Marie Antoinette
sin nicht verrüdt, Madame, aber Sie find
‚ Sie find verloren. Ich habe Sie im Part
. Ich fagte es Ihnen wohl. Ich Hatte mich
ſcht. Heute ift die gräßliche, die tödtliche
an's Tageslicht gefummen ... Herr von
mt ſich vielleiht .. . “
'önigin ergriff Charny beim Arm und wies
it unausfprechiicher Bangigkeit:
nfinniger! Wahıfinniger! glauben Sie an
jlauben Sie an Schatten, glauben Sie an
jliye; aber, in des Himmels Namen! nad)
ih Ihnen gefagt habe, glauben Sie nicht,
ildig! ... Schulig! Diefes Wort würde
:inen Haufen glühender Kohlen fpringen
Shuldig... mit... Ich, die ich nie an
t habe, ohne Gott zu bitten, er möge mir
jigen Gedanken verzeihen, den ich eim
12
fordern laffen, und Eure Majeftät Hat ſich geweigert,
zu unterzeichnen.“
„Das ift wahr.“
„Wohl, Sire, diefes Geld follte, wie man fagt,
dazu dienen, das erfie Quartal von den von der Kös
nigin beim Ankauf des Halsbandes unterzeichneten
Terminen zu bezahlen. Da die Königin fein Geld
hatte, fo weigerte fie fich, zu bezahlen.”
„Nun?“ fragte ber König, allmälig intereffixt, wie
es gefchieht, wenn auf den Zweifel ein Anfang vou
Wahrſcheinlichkeit folgt.
„Sire, bier fängt die Gefchichte an, die mir mein
Eifer Eurer Mafeftät zu erzählen befichlt.“
„Wiel Sie fagen, die Geſchichte fange bier an;
mein Gott! was ift es denn?“ rief der König, fo feine
Derlegenheit vor den Augen bes Barons verrathend,
der von da an im Bortheil blieb.
„Sire, man fagt, die Königin habe fi an Jemand
gewendet, um Geld zu befommen.“
„An wen? an einen Juden, nicht wahr?”
„Nein, Sire, nit an einen Juden.“
„Ei, mein Bott! Sie fagen mir das mit einer
feltfamen Miene, Breteuil. OB! gut, ich errathe; eine auss
wärtige Intrigue: die Königin hat das Geld von ihrem
Ay von ihrer Familie verlangt. Deflerreich ſteckt
dahinter.“
Man weiß, wie empfindlich der Könkg ig Betreff
des Wiener Hofes war. ”
„Das wäre beſſer,“ erwiederte Herr von Bretenil.
„Wiel das wäre befier? Aber von wen hat denn
die Königin Geld verlangen können?“
„Site, ih wage es nicht ...“
„Sie fegen mich in Erftaunen, mein Herr,“ ſprach
ber König, indem er das Haupt erhob und wieder
veinen königlichen Ton annahm: „Gpredden Gie auf
der Stelle, wenn’s beliebt, und nennen Sie mir ben
Geldleiher.“
13
„Herr von Rohbau, Sire.“
„Bie! Sie erröthen nicht, mir Herrn von Roban,
ven ruinirteſten Mann diefes Königreichs, zu nennen!“
„GSire . . .* fagte Herr von Bretenil, die Augen
niederfchlagend.
Das iſt eine Miene, die mir mipfällt,” fügte ber
König bei, „und Sie werden ſich fogleich erklären, mein
Herr Giegeibewahrer.“
„Rein, Sire; um feinen Preis der Welt; denn
site wärbe mich zwingen, ein die Ehre meines
Könige und die meiner Souverainin bloßflellendes Wort
von meinen Lippen fallen zu laſſen.“,
Der König ialtete die Stirne.
„Bir fleigen ſehr tief hinab, Herr von Breteuil;
diefe Bolizeimeldung ift ganz gefchwängert von den
Dünften des Pfuhls, von dem fie ausgeht.“
„Site, jede Berleumdung dünftet tödtliche Miasmen
aus, und barum müflen die Könige die Luft rein
machen , und zwar durch große Mittel, Toll nicht ihre
Ehre durch diefe Biite , felbft auf dem Throne, umges
bracht werden.“
„Herr von Rohan,“ murmelte der König; „welche
Fr ... Der Gardinal läßt alfo
n!..."
“ „Sire, Eure Majeftät wird fich überzeugen, daß
Herr von Rehau linterredungen mit den Juwelieren
Böhmer ger Hoflange gehabt hat, daß die Sache des
Aufanfs Won ihm georbnet worden iſt, daß er die Zah:
Inugsbebingungen angenommen und feftgeftellt Hat.“
„Wahrhaftig!“ rief der König, ganz bebend vor
Zorn und Eiferjudht.
„Es iR dies eine Thatfacdhe, welche das Fleinfte
Verhör erweiien wird. Ich mache mich hiezu gegen
Inte Rajeſtät anheiſchig.“
„Sie ſagen, Sie machen fi hiezu anheiſchig?“
MDhne Rückhalt, unter meiner Verantwortlichkeit,
re."
5
74
Der König ging rafh in feinem abinet auf
und ab.
„Das find furdhtbare Dinge,” fagte er; „ja, doch
in dem Allem fehe ich den Diebftahl noch nicht.“
„Sire, die Juweliere haben, wie fie behaupten,
einen von der Königin unterzeichneten Schein erhalten,
Ein das Halsband muß in den Händen der Königin
ein,”
„AH!“ rief der König in einem Ausbruche ber
Hoffnung ; „fe leugnet! Sie fehen wohl, daß fle leugnet,
Breteuil.”
„Ei! Sire, habe ih je Eure Majeflät glauben
laffen, ih wiſſe nit, af die Königin unfhuldig?
Sullte ich fu beflagenswerth fein, dag Eure Majeſtät
nicht fähe, was Alles an Ehrfurcht und Liebe für die
Keinfte der Frauen in meinem Herzen iſt?“
„Sie flagen alio nur Herrn von Rohan an?”
„Sire, der Anfchein räth ...“
„Bine fchwere Anfchuldigung, Baron.”
„Welche vielleicht vor einer Unterfuhung fallen
wird; doch die Unterfuchung ift unerläßlih. Bedenken
Sie doch, Sire, daß die Königin das Halsband nicht
zu haben behauptet; daß die Juweliere es an bie
Königin verfauft zu haben behaupten; das ſich das
Haleband nicht wiederfindet, und daß das Wort
Diebitahl vom Bolf zwifchen dem Namen von Herrn
von Rohan und dem geheiligten Namen dez Königin
ausgeſprochen worden if.“
„Ss ift wahr, es ift wahr.“ fagte ber König ganz
verwirrt; „Sie haben Recht, Breteuil, Diefe ganze Sache
muß aufgeklärt werden.“
„Durchaus, Sire,“
„Mein Gott! was gebt dort in der Ballerie vor?
in Bas nicht Herr von Rohan, der fih in die Kapelle
egibt?“
„Sire, Herr von Rohan kann ſich noch nicht in
die Kapelle begeben. Es iſt noch nicht elf Uhr; und
75
ann hätte Herr von Rohan, der heute das Amt Hält,
sin priefterliches Gewand an. Er ift es nicht, der _
ort geht. Eure Majeflät hat noch über eine halbe
Stunde 3u verfügen.”
„Bas foll ih dann thun? mit ihm fprechen? ihn
ommen laſſen?“
„Rein, Sire; erlauben Sie mir, Eurer Majeftät
inen Rath zu geben; maden Sie die Sache nicht
uhbar, ehe Sie mit Ihrer Majeſtät der Königin ge:
procdhen Haben.” .
„Sa, fie wird mir die Wahrheit fagen.”
„Zweifeln wir nicht einen Augenblid daran, Sire.“
„Hören Sie, Baron, fommen Sie hierher und
ıgen Eie mir unverhohlen, ohne Milderung, jede That:
ıche, jeden Commentar.“
da babe Alfes in diefem Portefeuifle auseinan
ergefeßt, mit den Beweifen zur Befräftigung.“
„An's Geſchäft alfo; warten Sie, daß ich die Thüre
eines Babinets fchließen laſſe; ich Hatte diefen Mor:
en zwei Audienzen, ich werde fie verjchieben.”
Der König gab feine Befehle, feste fih dann
sieder und warf einen legten Bli durch das Fenfter.
„Diesmal,“ fagte er, „iit es gewiß der Cardinal;
hauen Sie.“
Herr von Bretenil fland auf, trat an’s Fenſter
nd erblidte Herrn von Rohan, der im großen Ge:
sande eines Cardinals und Erzbifchofs fi) nach dem
demache wandte, das für ihn beftimmt war, fo oft er
in feierliches Amt in Berfailles Hielt.
„Endlich iR er da,” rief der König fich erhebend.
„Deko befier,” fagte Herr von Breteuil, „die Er⸗
lärung wird feinen langen Aufſchub erleiden.”
Und er fing an den König mit allem Eifer eines
Rannes zu unterweifen, ber einen Andern zu Grunde
ichten will.
Cine hölliſche Kanſt hatte in feinem Portefenille
(Mes zufammengeflellt, was den Cardinal erbrüden
76
fonnte. Der König fah wohl die Beweiſe der Schuli
von Herrn von Rohan fi auf einander häufen, abe
er verzweifelte, daß er nicht fo ſchnell die Beweife dei
Unfchuld der Königin kommen fah.
Er ertrug ungebuldig feit einer Biertelftunde dieſt
Marter, ale plötzlich Rufe in der anftogenden Balleriı
ertönten.
Der König horchte, Herr von Breteuil unterbrad
fi im Lefen.
Ein Oificier fragte an der Thüre des Cabinets.
„Was gibt es?“ fragte der König, bei dem fet:
der Offenbarung von Herrn von Breteuil alle Nerven iı
Bewegung geſetzt waren.
Der Officer trat ein.
„Site, Ihre Majeftät die Königin bittet Eur
Majeſtät, zu ihre fommen zu wollen.“
„Ss gibt etwas Neues,” ſprach der König er:
bleichend.
„Vielleicht,“ ſagte Breteuil.
„Ich gehe zur Königin,“ rief der König. „Er:
warten Sie mid bier, Herr von Breteuil.“
„Wir ſtehen der Entwidelung nahe,“ murmelt:
Herr von Breteuil.
LXXV.
Edelmann, Cardinal und Königin.
Sn der Stunde, wo Herr von Breteuil beim
König erfchienen war, hatte Herr von Charny, bleich,
bewegt, fich eine Audienz bei der Königin erbitten laſſen.
iefe Heidete fih an; fe 4 durch das Fenſter
ihres Boudoir, das auf die Ter ging, Charny, der
demuͤthig eingeführt zu werden verlangte.
71
Marie Antoinette eriheilte Befehl, ihn eintreten
zu laſſen, als er faum fein Geſuch ausgefprochen hatte.
Denn fie gab dem Bedürinifie ihres Herzens nach;
denn fie fagte fi mit einem edlen Stolz, eine reine
und unkörperliche Liebe, wie die feinige, habe das
Eintrittsrecht zu jeder Stunde felbft in den Palaft der
Königinnen.
Sarny trat ein, berührte zitternd die Hand,
vie Ihm die Königin reichte, und Sprach mit erſtickter
me?
„Ag! Madame, welch ein Unglück!“
„Was haben Sie denn?” rief die Königin erblei-
Hemd, ale fie ihren Freund fo bleich fah.
Madame, wiflen Sie, was id fo eben erfahren
babe? wiflen Sie, was man fagt? wifien Sie, was
ber Axis vielleicht weiß, oder was er morgen erfahren
wird“
Sie fehauerte im Gedanken an die Nacht Feufcher
Wonne, wo vielleiht ein eiferfüchtiges, feinpfeliges
Auge fie mit Charny im Parke von Berfailles gefchen
tt
e.
„Sagen Sie Alles, ich bin ſtark,“ erwiederte ſie,
eine Hand auf ihr Herz drückend.
„Madame, man fagt, Sie haben ein Halsband
von Böhmer und Boflange gefauft.”
Ich Habe es zurückgegeben,“ entgegnete raſch
Marie Antoinette.
„Hören Sie, man fagt, Sie haben es nur ſchein⸗
bar zurädgegeben. Sie haben es bezahlen zu können
geglaubt, der König habe Sie dadurch daran verhindert,
4 er es verweigert, eine Anweiſung von Herrn von
Calonne zu unterzeichnen, dann haben Sie ſich an
Jemand gewendet, um Gelb zu finden, und dieſer Je⸗
mand fei Ihr Beliebter.“
Sie!“ rief die Königin mit einer Bewegung
erhabenen Vertrauens. „Sie! mein Herr; und laflen
Sie diejenigen jagen, welche das fagen. Der Titel
78
eines Geliebten iſt für Sie feine Beleidigung, welche
fo füß zu fchleudern, als der Freundestitel eine füße,
fortan zwiſchen uns Beiden geheiligte Wahrheit ift.“
Sharny hielt, ganz verwirrt durdy die männliche
und frudtbare Beredſankeit, melche aus der wahren
Liebe entfirömt, wie der wefentliche Wohlgeruch aus
dem Herzen ivder edelmüthigen Fran, inne.
Doc der Zwifchenraum, den er zwiichen bie Worte
ber Königin und eine Eiwiederung von ihm feßte,
verdoppelte die Bangigfeit von Marie Antoinette, und
ie tiert:
ſ „Wovon wollen Sie ſprechen, Herr von Charny?
Die Verleumdung bat eine Sprade, die ich nie vers
ſtehe; baben Sie diefelbe veritanden ? zu
„Marame, wollen Sie mir eine ununterbrocdene
Aufmerfjamfeit Ichenfen, denn die Suche iſt fehr ernſter
Natur. Geftern ging ich mit meinem Obeim, Herrn
von ÖSuffeen, zu den Hofjuwelieren Böhmer und
Boſſange; mein Oheim hate nämlih Diamanten von
Indien mitg bracht und wollte fie fchägen laflen. Dan
fprah von Allem und von Allen. Die Jumeliere ers
zählten dem Herrn Bailli eine abſchenliche Geſchichte
mit den Gommentaren der Feinde Eurer Majrflät.
Madame, ich bin in Berzweiflung: haben Sie Das
Halsband gefauft, fo fagen Sie es mir; haben Sie es
nıcht bezahlt, ſo fagen Sie es mir auch. Aber laflen
Sie mih nicht glauben, Herr von Rohan habe es
zahlt.”
„Herr von Rohan!“ rief die Königin.
„3a, Herr von Rohan, derjenige, welcher für den
Liebhaber der Königin gilt: derjenige, von welchem
bie Königin Geld enılehnt; berjeniae., den ein Unglück⸗
liher, welchen man Herrn von Charny nennt, im
Parke von Verſailles der Königin hat zulächeln, vor
der Königin hat niederfnieen, ver Köniyin Hat die
Hand füflen jehen; derjenige... .
„Mein Her,“ tief Marie Antoinette, „glauben
79
Sie, wenn ich nicht mehr da bin, 0 if, dies fo, weil
Sie mich nicht lieben, wenn ich da bin.‘
„DH!“ erwiederte der junge ann, „es waltet
eine dringliche Gefahr ob; ich komme weder um Offen⸗
herzigfeit, noch um Muth von Shnen zu fordern, ich
komme, um Sie anzuflehen, Sie mögen mir einen
Dienſt leiſten.“
„Sagen Sie mir vor Allem, welche Gefahr
dies in 3“
„Welche Gefahr! Madame, ein Mahnfinniger iſt
der, welcher fie nicht erräth. Der Cardinal, indem er
ſich für die Königin verbürgt, indem er für die Königin
bezahlt, richtet fie zu runde. Ich ſpreche Hier nicht
von dem tödtlichen Mißvergnügen, das Herrn von
Eharny ein Bertrauen, wıe das, weldes Sie Herrn
von Rohan eingeflößt, verurfachen fann. Nein.
ſolchen Schmerzen flirbt man, aber man beflagt *
nicht darüber.“
„Bir! find verrückt!“ entgegnete Marie Antvinette
jorn
Kr bin nicht verrückt, Madame, aber Sie find
ungludlidy, Sie find verloren. Ich babe Sie im Park
gehen . . . Ich fagte es Ihnen wohl. Ich hatte mich
nicht getäufcht. Heute iſt die gräßliche, die tödtliche
Wahrheit an's Tageslicht gefommen 0. Her von
Rohan rühmt fidy vielleicht .
Die Königin ergriff Eharny beim Arm und wies
derholte mit unausipredy:icher Bangigkeit:
„Bahnfinniger! MWahıfinniger! glauben Sie an
den Has, glauben Sie an Schatten, glauben Sie an
das Unmöglicyhe ; aber, in des Himmels Namen! nad)
dem, was id $hnen gefagt habe, glauben Sie nicht,
ih fei ſchuldig!... Schuldig! Dieles Wort würde
mich in einen Haufen glühender Kohlen, fpringen
machen. Gchuldig... mit... Sch, die id nie an
Sie gebacht Habe, ohne Bott zu bitten, er möge mir
biefen einzigen Gedanken verzeihen, ben ich ein
80
Verbrechen nannte. Oh! Here von Eharny, wenn Sie
nicht wollen, daß ich heute verloren, morgen tobt bin,
fagen Sie mir, Sie beargwohnen midy nicht, oder fliehen
Sie fo weit, daß Sie nicht einmal das Beräufch mei:
nes Sturzes im Augenblid meines Todes hören.” -
Dlivier rang voll Angft die Hände und rief:
„Hören Sie mid an, wenn ich Ihnen einen wirfs
famen Dienft leiften foll.”
„Sin Dienf von Ihnen!“ rief die Königin, „von
Shnen, der Sie graufamer find, ale meine Feinde;
... denn meine Feinde fhuldigen mid nur an, wäh.
rend Sie Verdacht gegen mich hegen! Ein Dienfl
von Seiten des Mannes, ber mid verachtet, nie... .
mein Herr, nie!...”
Diivier näherte ſich der Königin, nahm ihre Hank
in die feinige und ſprach:
„Sie werden wohl fehen, daß ich fein Mann bin,
ber feufzt und weint; die Augenblide find koſtbar; dieſen
Abend wäre es zu fpät, um zu thun, was uns zu thun
übrig bleibt. Wollen Sie mid von der Verzweiflung
retten, indem Sie fi felbft von der Schande retten ?’
„Mein Herrl . . .
„SH! im Angeficht des Todes werbe ich mein
Worte nicht mehr ängſtlich abwägen. Wenn Sie mid
nicht Hören, fage ich Ihnen, fo find wir heute Abent
Beide geflorben, Sie aus Scham, ich, weil ich Eii
habe flerben fehen.“
„Mein Herr!“
„Gerade auf den Feind los, Madame! wie ir
unjeren Schlachten! gerade der Gefahr entgegen! gerad
in den Top! Gehen wir mit einander, ich al6 dei
unbefannte, aber muthige Soldat, Sie mit der Majekät
mit der Stärke, in das dichteſte Kampfgemenge. Unter
liegen Sie, wohl, dann werden Sie nicht allein fein
Hören Sie, Madame, fehen Sie in mir einen Brude
... Sie brauden vielleicht. . Geld, um. . . da
Halsband zu bezahlen?“
81
Sie e icht
„zengnen Sie es nicht.”
„Sch ſage Ihnen...”
ab „Sagen Sie nicht, daß Sie das Halsband nicht
ſaben.“
„sh ſchwöre Ihnen...”
„Schwören Sie nit, wenn Sie wollen, daß ich
Sie noch liebe.“
„Dlivier!“
„&6 bleibt Ihnen ein Mittel, zugleich Ihre Ehre
mb meine Liebe zu reiten. Das Halsband koſtet ſechs⸗
ehn mal Hundert taufend Livres, Sie haben zweimal
ſundert und fünfzig taufend bezahlt; hier find anderthalb
Rillionen, nehmen Sie diefelben.“
„Bas iſt das?“
„Saunen Sie nicht, nehmen Sie und bezahlen Sie.“
„Ihre Güter verlauft! Dlivier! Ihre Güter von
nr erfauft unt beridhtigt! Sie berauben fih um
ıeinetwillen! Sie find ein gutes und ebles Herz, und
werde nicht mehr um die Geſtändniſſe bei einer ſolchen
be feilſchen. Dlivier, ich Liebe Sie!“
„Nehmen Eie an?”
„Nein; doch ich liebe Sie!“
„Herr von Rohan wird alfo bezahlen? Bedenken
jie wohl, Madame, das ifl feine Großmuth mehr von
brer Seite, fondern eine Braufamfeit, die mich zu
open brüdt. Sie nehmen vom Cardinal an?”
„Schi Gehen Gie doch, Herr von Eharny! Ich
n bie Königin, und wenn ich meinen Unterthanen
iebe ober Bermögen gebe, fo nehme ich doch nie an.”
„Was werben Sie denn thun?“
„Ste follen mir mein Benehmen vorjchreiben.
zas [ag Sie, daß Herr von Rohan denkt?“
„Er denkt, Gie feien feine Beliebte.“
„Sie ind Hart, Dlivier ... . ”
ehe, wie man im Angefiht des Todes
g*
Des Gelibkuh der Königin, IV. 6
82
„Was fagen Sie, daß die Juweliere denken?“
„Da die Königin nicht bezahlen Fünne, fo we
Herr von Rohan bezahlen.”
„Was fagen Sie, daß man im Publitum in Bet
des Halsbandes denkt?“
„Daß Sie es haben, daß Sie es verborgen bab
daß Sie es erſt zugeflehen werben, wenn es bezahlt
entweder durch den Garbinal, in feiner Liebe für €
oder durch den König, in feiner Furcht vor d
Aergerniß.“
„But; und Sie, Charny, Ihrerſeits, ich ſche
Ihnen in's Geficht und frage Sie: Was halten
eben? Scenen, die Sie im Parke von Verſail
eſehen?“
s „Nadame, ich glaube, daß Sie Ihre Unſchuld
beweifen nöthig Haben,” erwieberte energifch der würd
Edelmann.
Die Königin wifchte ſich den Schweiß ab, der ı
ihrer Stirne floß.
„Der Prinz Louis, Garbinal von Rohan, Br:
almofenier von Frankreich!“ rief die Stimme ei
Huiifler im Borgemad.
„Er!“ murmelte Charny.
„Sie find nach Wünfchen bedient,“ ſagte
Königin.
„Sie wollen ihn empfangen “
„3 war im Begriff, ihn rufen zu laſſen.“
„Aber ih...”
„Treten Sie in mein Bouboir und laflen Sie
Thüre ein wenig offen, um gut zu hören.“
„Madame!
„Behen Sie geſchwinde, der Garbinal kommt!“
Sie ſchob Herrn von Charny in das Zimmer, d
fie ihm bezeichnet hatte, zog die Thüre fo viel, ı
nothig an und ließ den Cardinal eintreten.
err von Rohan erſchien auf der welle t
Gemaches; er war glänzend in feiner pr efterlich
Tracht. Hinter ihm, in einer gewiffen @ntfernung,
erblickte man ein jablreiiee Beholge. befien Kleider
glängten, wie das ihres Bebieters.
nter diefen gebüdten Leuten konnte man bie
Herren Böhmer und Boflange wahrnehmen, die ein
wenig, verlegen in ihren Galakleidern ausfahen.
ie Königin ging dem Garbinal entgegen und
verfuchte Dabei ein Lächeln, das jedoch bald auf ihren
£ippen erkarb.
Louis von Rohan war ernft, fogar traurig. Er
Fr bie Ruhe des muthigen Mannes, der fämpfen
ol, die unmerkliche Drohung des Prieſters, der zu
verzeihen haben Fann.
Die Königin bezeichnet ihm durch die Geberbe ein
Tabonret; der Cardinal biieb ftehen.
„Madame,“ Tagte er, nachdem er ſich fidhtbar
itternd verbeugt, „ich Hatte mehrere wichtige Dinge
urer Majentt mitzutheilen, die es ſich zur Aufgabe
macht, meine Gegenwart zu vermeiden.“
„Ich!“ entgegnete die Königin, „ich vermeide Sie
fo wenig, Herr Barbinal, daß ich im Begriff war, Sie
rufen zu laflen.“
Der Bardinal warf-einen Blick nad dem Bouboir
unb fengte dann mit leifer Stimme:
„Bin ich allein mit Eurer Majeftät? Habe ih das
Recht, mit voller Freiheit zu fprechen ?“
„Sn voller Freiheit, Herr Cardinal; thun Sie fi
feinen Zwang an, wir find allein.“
Und ihre Stimme ſchien ihre Worte dem im an«
Koßenden Zimmer verborgenen Edelmann zufenden zu
wollen.
Sie weidete fi mit Stolz an feinem Muthe und
an ber Sicherheit, welche von den erfien Worten an
ber ohne Zweifel fehr aufmerffame Charny haben
würbe.
Der Garbinal faßte feinen Cutſchluß. Er rüdte
das Tabonret zum Lehnfluhl der Königin, um fi
84
fo fern als mögli) von ber Doppelthüre zu be—
finden.
„Das find viele Vorbereitungen,” rief die Königin,
Heiterkeit heuchelnd.
„Ich weiß nicht ...“ fagte der Cardinal.
„Ich weiß nicht?“ wiederholte die Königin.
„Wird der König nicht kommen?“ fragte Herr
von Rohan.
„Fürchten Sie fich weder vor dem König, noch vor
irgend Jemand,“ erwiederte lebhaft Marie Antoinette.
„Dh! vor Ihnen habe ich bange,” verfehte ber
Gardinal mit bewegter Stimme.
„Ein Grund mehr, ich bin nicht fehr furchtbar;
fpreyen Sie in wenigen Worten, fprechen Sie mit
lauter und vernehmlicher Stimme, ich liebe die Offen—
herzigfeit, und wenn Sie mid fihonen, werde ich
glauben, Sie feien fein Mann von Ehre. Oh! feine
Geberden mehr; man hat mir gefagt, Sie haben Be:
ſchwerden gegen mid. Spreden Sie, ich liebe den
Krieg, ih bin von einem Blut, das nicht erfchridt!
Sie au, ih weiß es wohl. Was haben Sie mir
vorzuwerfen?“
Der Cardinal ſtieß einen Seufzer aus und ſtand
auf, als wollte er die Luft des Zimmers in größerem
Umfange einfaugen: endlich Herr feiner felbfi, begann
er mit folgenden Worten.
LXXVI.
ErPlärungen.
Tie Königin und der Garbinal befunden fidh er-
wähnter Maßen einander von Angeſicht zu Angeſicht
gegenüber, Charny Eonnte im Babinet auch das geringfle
85
dort der Sprechenden hören, und die auf beiden
seiten fo ungebuldig erwarteten Grflärungen follten
lich beginnen.
„Madame,“ ſagte ber Cardinal, ſich verbeugend,
en was in Beziehung auf unjer Halsband
orgeht!“
ein, mein Herr, ich weiß es nicht, und es ift
tier lieb, wenn ich es von Ihnen erfahre.”
„Barum beihränft mid) Eure Majeität feit langer
it Darauf, daß ich midy ihr nur durch DBermittelung
tistheilen kann? Warum, wenn fie einen Brund tes
Janes gegen mich hat, bezeigt fie es mir nicht, indem
e es mir erflärt?“
„Ich weiß nicht, was Sie hiemit fagen wollen,
jerr Gartinal, und ich habe feinen Grund, Sie zu
aſſen. Dod das it, alaube ich, nicht ter Gegenfland
nferer Unterredung. Wollen Eie mir aljo über das
nglüdlidhe Halsband eine beitimmte Ausfunft geben,
nd vor Allem ... wo it Yıau von La Mothe?“
„Ih war im Begriff, dies Eure Majeflät zu
tagen.“
„Berzeihen Sie, wenn Jemand wiffen kann, wo
tan von La Mothe ift, fo find Sie es, Herr Kardinal,
laube ich.“
„Ih, Madame, aus welchem Grunde?“
„Sb! ich bin nicht hier, um Befenntniffe enigegens
unehmen, Herr Gardinal, ich muß Frau von ta Mothe
othwendig fprechen, ich habe fie ruien lanen, man hat
ie zehnmal in ihrem Haufe gejucht, fie hat nicht ge=
ntwortet. Dieſes Berfchwinden ift feltfanm, das werten
Sie zugeflehen.”
„Ich wundere mich audy über dieſes Verichwinben,
Ratame, denn id babe Frau von La Mothe bitten
affen, zu mir zu fommen; fie bat mir ebenfo wenig
jeantwortet, als Gurer Majeität.“
„Dann laflen wir die Gräfin, mein Herr, und
vrechen wir von und.“
„Ob! nein, Madame, i
——————— Gi kur Ban
lien Berbadht bei mir erg: m Eure Bes
— — warf mir emſige Bewerbu — * ke Gmf der
Gräfin vor,”
nd gar nihte Baia
mein —S— ein fo
alle Smpkndligteiten en re Te
würde i® verqweifele®
sehe — sehe begreifen,
FH wir aafatıen, zus nie
tel Kub Dap-wir une nit
87
Alles aufklären... . fie findet ſich nicht; nun denn!
laffen Sie mid Muthmaßungen an die Stelle dunfler
Thatfachen jepen: Frau von La Mothe hat das Halss
band zurüdgeben wollen. Sie, beflen, ohne Zweifel
wohlmollende, Manie es immer war, midy das Halsband
faufen zu laflen, Sie, der Sie es mir brachten, mit
bem Anerbieten, für mich zu bezahlen, ein Aner⸗
eten .. .”
„Das Eure Majeftät [ehr hart ausgeſchlagen Kat,“
fiel der Cardinal mit einem Seufzer ein.
Nun wohl! ja, Sie beharıten bei der firen Idee,
daß Ich Im Befge des Halsbandes bleiben follte, und
werben es ben Juwelieren nicht zurüdgegeben haben,
in ber Abt, das Geſchmeide mich bei irgend einer
Gelegenheit wiebernehmen zu laflen. Zrau von La Mothe
war wach, fie, welche mein Widerfireben, weldye die
Unmöglichkeit, in der ich mich in Betreff des Bezahlens
kefand, und meinen unerfchütterlichen Entfchluß , das
Galsband mir nicht ohne Selb zu erwerben, Fannte;
Fran von La Mothe hat aus Eifer für mich mit Ihnen
confpirirt, und heute fürchtet fie meinen Zorn und
jet ſich nicht. Iſt es fo? Habe ich die Sache mitten
ber Finſterniß wiederanfgebaut? fagen Sie ja.
Laien Sie mid Ihnen diefen Leichtfinn, diefen Unge⸗
horſam gegen meine fürmlichen Befehle vorwerfen,
Sie werben mit einem Berweife davon kommen, und
Alles if dann abgethan. Ich thue mehr, ich verfpreche
Ihnen die Berzeifung von Frau von La Mothe, fle
trete ans ihrer Reue hervor. Doch ich bitte, Klarheit,
mein Herr, ich will nicht, daß in dieſem Augenblid ein
Schatten über meinem Leben ſchwebe, ich will nicht,
hören Sie wohl!”
* DH on hane biete Bose mit ne folgen
bhaftigkeit gefprochen , fie hatte fie fo Fräftig betont,
* ae fie Hatte weder unterbrechen Fünnen,
noch wollen, doch Sobald fie aufgehört, fagte er, einen
Seufzer unterdruͤckend:
88
„Madame, ich will alle Ihre Muthmaßungeı
wiebern. Nein, ich beharrte nicht bei der Spee,
müßten das Halsband befommen, in Betracht, da
der feften Ueberzeugung lebte, es fei in Ihren Häı
Nein, ich habe durchaus nicht mit Frau von Fa V
in Betreff diefes Halsbands confpirirt; nein, ich
es ebenfo wenig, als es die Juweliere haben, alı
wie Sie jagen, Sie haben.”
„Das ift nicht möglich,” rief die Königin
erflauntz; „Sie haben das Halsband nicht?“
„Rein, Madame.”
„Sie haben Frau von La Mothe nicht gera
außer dem Allem zu bleiben ?“
„Nein, Madame.”
„Sie verbergen fie nicht?“
„Nein, Madame.”
„Sie wiffen nicht, was aus Ihr geworben ift'
„&benfo wenig als Sie, Madame.”
„Aber wie erklären Sie fi dann das,
gefchieht?
„Madame, ich bin genöthigt, zu gefteben, da|
es mir nidht erkläre. UÜUberdies ifl das nicht das
Mal, daß ich mich bei der Königin beflage, nicht
ihr verftanden worden zu fein.“
„Wann tft dies fhon vorgefommen? Ich erin
mid nicht.“
„Madame, Haben Sie die Gnade, in Geda
noch einmal meine Briefe zu durchleſen.“
„Ihre Briefe:“ rief die Königin erflaunt. ,
haben mir gefchrieben ?“
hatt „Zu ſelten, Madame, für Alles, was ich im He
a e “u ‘
Die Königin erhob ſich und ſprach:
„Mir fcheint, wir täufchen uns Beide; end
wir raſch diefen Scherz. Was fprechen Sie
Driefen, und mas haben Sie auf dem Herzen odeı
89
Herzen, ih weiß nicht genau, wie Sie das fo eben
gefagt haben?“
„Mein Gott! Madame, ih habe mich vielleicht
binreißen laflen, das Geheimniß meiner Seele zu laut
auszuſprechen.“
„Welches Geheimniß? Sind Sie denn bei geſun—
dem Verſtand, Herr Cardinal?“
„Madame!“
„Sb! laffen wir die Aueflüchte ... Sie fprechen
wie ein Menſch, der mir eine Falle ftellen oder mich
vor Zeugen in Berwirrung bringen will.”
„Ich ſchwoöre Ihnen, Madame, dag ich nichts gefagt
babe... . Horcht wirklich Jemand?“
„Nein, mein Herr, taufenpmal nein, es ift Niemand
da... erklären Sie fi alfo, jedoch vollftändig, und
genn Sie im Befige Ihrer Vernunft find, beweifen
e es.“ .
Dh! Madame, warum iſt Frau von La Mothe
nicht da? Sie, unfere Freundin, würde mir, wenn
nicht die Zuneigung, dod das Gedächtniß Eurer Ma:
jelät wiedererweden helfen.“
„Unfere Breundin? meine Zuneigung? mein
Gedaͤchtniß? Ich falle aus den Wolfen.” .
„Ah! Madame, ich bitte Sie,” rief der Barbinal,
empört burch den fcharfen Ton der Königin, „Ichonen
Eie mid. Es flieht Ihnen frei, nicht mehr zu lieben,
aber beleidigen Sie nicht.”
„Ah! mein Gott!“ rief die Königin erbleichend,
„ah! mein Gott! was fagt diefer Mann!”
„Sehr. gut!” fuhr Herr von Roban fort, der ſich
in bemfelben Maße belebte, in dem der Zorn brudelnd
in ihm flieg; „fehr gut! Madame, ich glaube discret
und zurüdhaltend genug gewefen zu fein, daß Sie mid
nicht mißhandeln follten; ich werfe Ihnen aud nur
unbebeutende Benadjiheiligungen vor. Ich begehe das
Unrecht, Daß ich Anfprüche made, denn ich hätte wiflen
follen, daß, wenn eine Königin gefagt hat: ich will
”
nicht mehr, dies ein ebenfo gebieterifches Befep il
91
„Mein Gott!“
„Hätte ich es gewagt, Sie zu bitten, mir dieſe
Rofe bier zu bringen! Eine angebetete Rofe! eine
verfluchte Roſe! eine unter meinen Küſſen verborrte,
verfengte Roſe!“
„Mein Gotth“
„Habe ich Sie genöthigt, am andern Tage herab:
zufommen nnd mir Ihre beiden Hände zu geben, deren
Daft unabläflig mein Gehirn verzehrt und mich wahn⸗
finnig madıte? Sie Haben Recht mit Ihren Vorwürfen!“
„Dh! genug! genug!“
„Hätte ich es endlich in meinem wuͤthendſten Stolze
gewagt, mir jene dritte Nacht mit dem weißen Himmel,
mit dem füßen Schweigen, mit ber treulofen Liebe zu
träumen!“
Mein Herr! mein Herr!” rief die Königin, vor
dem Garbinal zurüdweichend, „Sie blasphemiren!”
„Mein Gott!“ ſprach der Bardinal, die Augen
zum Himmel auffchlagend, „Du weißt, ob ich, um forts
während von biefer betrügerifchen Frau getiebt zu
werben, meine Büter, meine Freiheit, mein Xeben bins
gegeben Hätte!“
„Mein Herr, wenn Sie dies Alles behalten wollen,
fo werden Sie hier aufder Stelle fagen, daß Sie midh
au Grunde zu richten fuchen; daß Sie alle diefe Ab⸗
fchenlichkeiten erfunden haben; daß Sie nicht in ber
Racht nach Berfailles gefommen find ...“
Ich bin dahin gekommen,“ erwieberte hochherzig
der Garbinal.
„Sie And ein Mann des Todes, wenn Gie dieſe
Gprade behanpten.“
„Ein Rohan lügt nicht. Sch bin dahin gefommen.”
Her von Rohan, Herr von Roban, im Namen
des Simmels, fagen Sie, Sie haben mich nicht im
Barke gefeben ... .“
„3 werbe flerben, wenn es fein muß, wie Sie
mich fo eben bedrohten; aber ich Habe nur Sie im
92
Parke von BVerfailles gefehen, wohin mich Frau von
La Mothe führte.”
„Noh ein Mal,” rief die Königin leichenbleich
und zitternd, „nehmen Sie zurück?“ j
„Nein!“
„Zum zweiten Male, fagen Sie, Sie haben biefe
Schaͤrzlickteit gegen mich angezettelt!“
„Nein!“
„Zum letzten Male, Herr von Rohan, geſtehen
Sie zu, daß man Sie ſelbſt getäuſcht haben kann, daß
dies Alles eine Verleumdung, ein Traum, die Unmög⸗
lichkeit, ich weiß nicht was, war; aber geſtehen Sie,
daß ich unfehufbig bin, daß ich es fein kann?“
„Nein.
Po Königin erhob ſich furchtbar und feierlich und
prach:
„Sie werden es alſo mit der Gerechtigkeit des
Königs zu thun haben, da Sie die Gerechtigkeit Gottes
verwerfen.“
Der Cardinal verbeugte fih, ohne ein Wort zu
agen.
Die Königin läutete fo heftig, daß mehrere von
ihren Frauen zugleich eintraten.
„Man melde Seiner Majeftät, ih bitte ihn, er
möge mir die Ehre erweiien, zu mir zu fommen,” ſprach
fie, indem fie fih die Lippen trocknete.
Der Befehl wurde fogleich vollzogen. Zu Allem
entfchloffen, blieb der Kardinal unerjchroden in einer
Ede des Zimmers.
Marie Antoinette ging zehnmal zu der Thüre bes
Boudoir, ohne einzutreten, als ob fie zehnmal, nachdem
fie diefelbe verloren, ihre Bernunft vor diefer Thüre
wieberfände.
Es waren nicht zehn Minuten in biefem furdhts
baren Scenenwechſel vergangen, ale der König, die
San in feinem Spigenjabot, auf der Schwelle
erichien.
93
Man ſah immer noch in der Tiefe der Gruppe
außen die angftvolle Miene von Böhmer und Boffange,
die den Sturm witterten.
LXXVII.
Die Verhaftung.
Kaum erfchien der König auf der Schwelle des
Gabinets, als ihn die Königin mit einer außerordent⸗
lichen ®elänflgfeit anrief.
„Site,“ ſagte fie, „der Herr Cardinal von Rohan
bier jagt ganz unglaublihe Dinge; wollen Sie ihn
bitien, Ihnen diefelben zu wiederholen.“
Bei diefen unerwarteten Worten, bei diefer plötz⸗
lihen Anrede erbleichte der Gardinal. Die Lage war
in der That fo feltfam, daß der Prälat zu begreifen
aufhörte. Konnte er, der angebliche Liebhaber, ſeinem
König wiederholen, Eonnte er, der ehrerbietige Unter:
than, erflären, was er Alles an Rechten auf die Kö⸗
nigin und auf die Frau zu haben glaubte?
Doch der König wandte fih an ben Bardinal, der
in feine Betrachtungen verfunfen war, und fagte:
„Richt wahr, in Betreff eines gewiſſen Halsbands,
mein Herr, haben Sie mir unglaubliche Dinge zu fagen
unb Habe ich unglaubliche Dinge zu hören? Sprechen
Sie alfo!“
Herr von Rohan faßte auf der Stelle jeinen Ent:
ſchluß; von zwei Schwierigfeiten würde er die geringfte
wählen, von zwei Angriffen würbe er den für den König
und die Königin ehrenvollften über ſich nehmen, und
follte man ihn unfluger Weile in die zweite Gefahr
verfegen, nan denn! dann würbe er wie ein muthiger
Renn, wie ein beherzter Ritter barans hervorgehen.
94
„In Betreff des Halsbande, ja, Sire,“ mur
melte er.
„Aber, mein Herr,“ ſagte der König. „Sie habe
alſo das ‚Halsband gekauft?“
„Rein...
„Sa oder nein?“ rief Marie Antoinette.
Der Cardinal ſchaute die Königin an und an
wortete nicht.
„Sa oder nein?” wiederholte fie. „Die Wahrhei
mein Herr, die Wahrheit; man verlangt von Ihne
nichts Anderes.”
Herr von Rohan wandte den. Kopf ab und ermwiı
berte nichts.
„Da Herr von Rohan nicht antworten will, an
worten Sie, Madame,” ſprach der König, „Sie müfle
eiwas von dem Allem wiflen. Haben Sie diefes Halı
band gefauft, ja oder nein?“
„Nein!“ fagte die Königin mit Kraft.
Herr von Rohan bebie.
„Das ift das Wort einer Königin!” rief feierli
der König; „haben Sie wohl barauf Acht, He
Cardinal.“
Herr von Rohan ließ ein Lächeln ber Verachtun
über feine Lippen gleiten.
„Sie fagen nichts!“ rief ber König.
„Worüber Flagt man mid an?“
„Die Juweliere fagen, fe haben ein Halsban
verfauft, an Sie oder an die Königin. Sie zeige
einen Schein von Ihrer Majeftät.“
„Der Schein ift falſch!“ ſprach die Königin.
„Die Juweliere,“ fuhr der König fort, „behaupte
in Ermangelung der Königin fei ihnen Bürgihaft dur
Berbindlichfeiten geleiftet worden, die Sie ubernomme
haben, Herr Garbinal.”
„Ich weigere mich nicht, zu bezahlen,” ſprach be
Garbinal. „Es muß bies die Wahrheit fein, da «
die Königin fagen läßt.“
95
Und ein zweiter Blick, noch verachtender ale der
erfie, ſchloß feinen Sag und feinen Gedanken.
Die Königin fihauerte. Diele Beratung des
Garbinale war für fle feine Beleidigung, da fie biefelde
nit verbiente, fondern das mußte die Rache eines
ehrlichen Mannes fein, nnd darüber erfchrat fie.
„Hein Herr Cardinal,“ fagte der König, „es bleibt
nichtsdeſtoweniger in dieſer —8 eine Faälſchung, welche
bie ae ber Königin von Frankreich gefährs
a [
„Sine andere —— rief die Königin, „und
faun das einem Edelmann beigemeſſen werden? Dieſe
iR es, welche behauptet, die Jüweliere haben das Hals⸗
band inrüderpalten..
„Ss ſteht der Königin frei, mir die beiden Fäls
ſchnugen zuzuſchreiben,“ ſprach Herr von Rohan mit
. vemfelben Ton, „ob man eine gemacht, ob man zwei
fabricirt Bat, worin liegt der Unterſchied?“
Die Königin wäre vor Entrüftung beinahe los⸗
gebrochen, der König hielt fie durch eine Geberde
jurück.
Nehmen Sie ſich in Acht,“ ſagte er zu dem Bar:
binal, „Sie en Ihre Lage 8 mein‘ Herr. Ich
Ioge, veoptfertigen Sie fh, und Sie fehen aus, ale
e an.”
Ger Gardinal dachte einen Augenblid nad; dann,
als erläge er unter der Wucht der geheimnißvollen
Berleumdung, bie feine Ehre zufammenpreßte, rief er:
„Mi rechtfertigen ... . unmöglich |”
Mein Herr, es find Leute da, welche fagen, es
fet ihnen ein Halsband geftohlen worden; indem Sie
ſich Pag „mraden, zu bezahlen, geflehen Sie zu,
d % ...“
Wer wich es glauben?“ verfeßte ber Barkinal
mit kolzer Berachtung.
- „Daun, mein Herr, wenn Gie nicht annehmen,
baß man dies glaube, wird man boch glauben . . .”
Und ein Bebeı
fo freunntige @ ei
von u. a 8*
was gefiel ne Ic ie
Halsband zig
manten in der
follte, beres at
Bort ber
Haupt Bee der,
Bier Yagte * ee
jngte
—*—
„Die Sireit — bei zuifgen wiſch Ipnin
— 38 Tepe Sir Dem Lk Mal Haken
9
von Roban erhob das Haupt und erbleichte.
fol das bedeuten?“ fragte der Rönig unruhig.
ame...“ murmelte der Kardinal erfchroden.
feine Rüdfiht, feine Furcht, feine Schwäche
den Mund verfchließen, id babe bier in
verzen Beweggründe, die mich veranlaflen
neine Unſchuld auf einem öffentlichen Plage
1.
Unſchuld!“ entgegnete der König. „Wer
aeffen oder fhändlich genug, Eure Majefät
a, dieſes Wort aus zuiprechen!“
flehe Sie an, Madame” ſagte der Cardinal.
Sie fangen an zu zittern. Ich hatte alfo
athen, Ihre Komplotte lieben die Dunfelheit!
lichten Tag! Sire, fordern Sie den Herrn
auf, Ihnen zu fagen, was er mir fo eben auf
age geſagt hat.”
yame! Madame!” rief Herr von Roban,
Sie fi in Acht, Sie überfchreiten die
'
: beliebt?“ entgegnete der König voll Stolz.
icht fo mit der Königin? Ich vente, nicht ich.“
s iR es gerade,“ fagte Marie Antoinette.
re Garbinal fpricht fo zur Königin, weil er
t dazu zu baben glaubt.“ -
‘, mein Herr!“ murmelte der König, der
ich geworden.
“ rief die Königin mit VBeradhtung, „er!“
: Herr Caidinal hat wohl Beweiſe?“ fragte
g, indem er einen Schritt auf den Prinzen
r von Rohan hat Briefe, wie er behauptet!”
e Köniuin.
rechen Sie, mein Herr!" rief der König.
? Xbelel⸗ rief die Koͤnigin voll Hefiigkeit.
iefe.“
Asband der Königin. IV. T
96
Und ein Beben des Zorns verflörte das gewöhnlich
fo freundliche Geſicht des Königs.
„Sire,” erwiederte der Bardinal, „ich weiß nichts
von dem, was man fagt; ich weiß nichts von dem,
was gefchiehtz ich Fann nur verfichern, daB ich das
Halsband nicht gehabthabe; ich weiß nur, daß bie Dias
manten in der Gewalt von Jemand find, der fih nennen
follte, der es nicht will, und der mich nöthigt, ihm bas
Mort der Schrift zu fagen: Das Böſe falle auf das
Haupt deffen, der e8 begangen Hat.”
Bei diefen Worten madte die Königin eine Bes
wegung, um ben Arm des Königs zu nehmen. Doch
diefer jagte zu ihr:
„Die Streitigfeit findet zwifchen Ihnen und ihm
ftatt. Ih frage Sie zum letzten Male: haben Sie
das Halsband?“
„Nein! bei der Ehre meiner Mutter! beim Leben
meines Sohnes!” antwortete Marie Antoinette.
Boll Freude nach diefer Erflärung, wandte ſich ber
König gegen den Barbinal und —*8*
„Dann iſt es eine Angelegenheit zwiſchen den
Gerichten und Ihnen, mein Herr... wenn Sie es nicht
etwa vorziehen, es meiner Gnade anheimzuftellen.“
„Die Onade der Könige ift für die Schuldigen
gemacht, Site," antwortete der Cardinal; „ich ziehe
ihr die Gerechtigfeit der Menfchen vor.“
„Sie wollen nichts geitehen?“
„sh Habe nichts zu fagen.”
„Aber, mein Herr,” rief die Königin, „Ihr Schwei⸗
gen läßt meine Ehre im Spiel!“
Der Cardinal fchwieg.
‚. „Wohl denn!” fuhr die Königin fort, „ich werde
nicht fchweigen ; diefes Stillichweigen verwundet mid;
es bezeigt eine Großmuth, die ich nicht haben will.
Griahren Sie, Sire, daB das ganze Verbrechen bes
Herrn Garbinals nicht in dem Berfaufen oder Stehlen
des Halsband befteht.“
7
T von Roban erhob das Haupt und erbleichte.
as joll das bedeuten?“ fragte ver Rönig unruhig.
adame|...” murmelte der Kardinal erfchroden.
bh! feine Rückſicht, keine Furcht, feine Schwäche
ir den Mund verfchhließen, ich habe hier in
Herzen Beweggründe, die mich veranlaflen
‚ meine Unſchuld auf einem öffentlichen Blage
fen.
hre Unſchuld!“ entgegnete ber König. „Wer
ermeſſen oder jchändlich genug, Gure Majenät
igen, dieſes Wort ausjniprechen!”
& flebe Sie an, Madame!“ fagte ber Cardinal.
h! Sie fangen an zu zittern. Ich hatte alfo
errathen, Ihre Komplotte lieben die Dunfelheit!
a lichten Tag! Sire, fordern Sie den Herrn
lauf, Ihnen zu fagen, was er mir jo eben auf
Bıage geſagt hat.“
Ravdame! Madame!” rief Herr von Rohan,
u Sie fh in Adt, Sie überfchreiten vie
Ru. .
Bie beliebt?" entgegnete der König voll Stolz.
ipricht fo mit der Königin? Ich dente, nicht ich.“
)a6 iR «6 gerade, fagte Marie Antoinette.
zerr Gardinal fpricht fo zur Königin, weil er
echt dazu zu baben glaubt.“
5ie, mein Herr!” murmelte ber König, ber
bleidy geworden.
ir!“ rief die Königin mit Verachtung. „er!“
Der Herr Caidinal Hat wohl Beweile?“ fragte
inig, indem er einen Schritt auf den Prinzen
herr von Rohan Kat Briefe, wie er behauptet!”
die Köntuin.
Eprechen Sie, mein Herr!” rief der König.
Die Briefe!“ rief die Königin voll Heftigfelt.
Briefe.”
Salſband der Königin. IV. 7
Der Garbinal ie? mit der Hand ber —X
den Ehweiß eisfalte Gtirne und Ichien Bst
a ie m Bel Geföpfe fo viel eh —X
en Fön
—
fort, sabe unter dem
‚ohmuth belehte. „; — Gardingl hat abe
te
a Be me, Haben ie Mitleid!" zief der. ab
* un — der Cardinal.
ie 35 der hy — . \
ui we hr ea Baltın. .. ei haben
ne un von Gen — langfam oa⸗ Seal
9
ba Gie nuſchulbig find, Helfen Sie uns die Schuldigen
Änden.“
Dead der Garbinal, nachdem er cinen letzten Blid
gefcpleutert, drehte den Rücken und freuzte die Arme.
„Bein Herr,“ ſprach der beleidigte König, „Sie
werben ſich in die Baſtille begeben.“
So gekleidet?“ entgegnete er, „in meinem pries
Berligen Gewande? vor dem ganzen Hofe? Wollen
Sie bedenken, Gire, das Aergerniß ift ungeheuer. Es
wird nur um fo fchwerer für das Haupt fein, auf
weldyes es einft fällt.“
„Ich will es fo,“ fprady der König fchr aufgeregt.
Das if ein ungerehter Schmerz, deu Sie vor
ber Seit einen Präiaten ausflehen laffen, Sire, und
die Folter vor der Anflage, das int nicht geſetzlich.“
„Ge muß fo fein,“ ſprach der König, indem er
bie Thhre des Gemachs öffnete, um mit den Augen |
Jemand zu ſuchen, dem er feinen Befehl erteilen fönnte.
von Breteuil war da, feine gierigen Augen
hatten in der Eraltation ter Königin, in der Aufregung
Yes Königs, in der Haltung des Cardinals den Unters
gang eines Yeindes errathen.
Der König hatte nicht fo bald leiſe mit ihm zu
prechen aufgehört, als der Siegelbemahrer, ſich bie
Yanctionen des Kavitäns der Garde anmaßend, mit
iner donnernden Stimme, welche bis in den Hinters
ramb ber Ballerien wiederhallte, ausriei:
"„Berhartet den Herrn Cardinal!“
Herr von Rohan bebte. Das Gemurmel, das er
ter den Gewölben hörte, die Bewegung der Höflinge,
wraſche Ericheinen der Leibwaden gaben Dieter
ene einen Gharafter finfterer Borbedeutung.
Der Cardinal ging an der Königin vorbei, obne
ſu grüßen; was das Blut der ſtolzen Kürflin fochen
Ye. Gr verbeugte fih ſehr demüthig vor dem
ig and nahm, als er an Herrn von Bretenil vers
fam, einen fo geſchickt nuancirtem Ausbrud bes
100
Mitleivs an, bag der Baron glauben mußte, er ha
fih nicht genug gerächt.
@in Lieutenant von der Leibwache irat fchüdhte
auf den Gardinal zu und ſchien von ihm die Beflät
gung des Befehls zu fordern, den er gehört hatte.
„Ja, mein Herr,” fagte Heir von Rohan, „ja, i
bin verhaftet.”
„Sie werden den Herrn in fein Zimmer führ:
und erwarten, was ich während der Mefle beichließe
ſprach ver Kenig unter einer Todesſtille.
Der König blieb, bei geöffneten Thären, allein-b
der Königin, während der Cardinal, dem der Lieutena
von der Leibwache, den Hut in der Hand, voranjdrii
fi langfam durch die Ballerie entfernte.
„Madame,“ fprach der König feuchend, denn
hatte nur mit großer Mühe an fidy gehalten, „S
wiflen, daß dies auf ein öffentliches Urthril, das heif
auf ein Aergerniß hHinausläuft, unter dem die Ehre d
Schuldigen fallen wird.“
„Meinen Dank!“ rief die Königin, voll Innigfe
dem Rönig die Hände drüdend; „Sie baben das einzi,
Mittel, mich zu rechtfertigen, gewühlt.“
„Sie danfen mir!“
„Bon ganzer Seele. Sie haben ale König geha
delt, ih als Königin; glauben Sie mir!”
„Es ift gut,” ermwiederte der König, von ber le
ha'teſten Freude erfüllt. „Wir werden endlihd Genu
thbuung für alle diefe. Gemeinheiten erhalten. °
einmal für allemal die Schlange durch Sie und bu
midy zertreten, dann werden wir hoffentlich ruh
leben.”
Er füßte die Königin auf die Stirne und kehr
in feine Gemaͤcher zurüd.
Am Ende der Ballerie hatte Herr von Rob:
Döhmer und Boſſange garfunden, die einander ba
obnmächtig in den Aımen lagen. Dann, einige Schrit
davon, erblidte der Gardinal feinen ‚Läufer, de
101
erſchrocken über diefes Unglück, auf einen Blick feines
Herrn lauerte.
„Mein Herr,” fagte ber Kardinal zu dem Officier,
ber ihn führte, „den ganzen Tag hier zubringend werde
ih viele Menfchen in Unruhe verfegen: kann ich nicht
meinem Haufe verfündigen, daß ich verhaftet bin?“
„DH! Monfeigneur, unter der Vorausſetzung, daß
Sie Niemand flieht,“ erwiederte der junge Officier.
Der Cardinal danfte, dann fpradh er ein paar
Worte deuntſch mit feinem Läufer und ſchrieb einige
Zellen auf ein Blatt Bapier, das er aus einem Meß⸗
budye riß.
Und Hinter dem Officier, welcher lauerte, um nicht
überrafcht zu werden, rollte der Cardinal das Blatt
jufammen und ließ es fallen.
R 59 folge Ihnen, mein Herr,” fagte er zu dem
er.
Sie verfhwanden in der That Beide.
Der Läufer warf fi) auf das Bapier, wie ein
Geier auf feine Beute, eilte aus dem Schlofle, ſchwang
fh auf fein Pferd und entfloh gegen Paris. '
Der Cardinal Fonnte ihn durdy eines von ben
Fenſtern ber Treppe, die er mit feinem Führer hinab⸗
Rieg, auf den Feldern fehen.
„Sie Hürzt mi in’s DBerberben,” murmelte er,
„idy rette fiel Für Sie, mein König, handle ih; um
Deinetwillen, mein Bott, der Du den Beleidigern zu
verzeihen befiehlſt, um Deinetwillen vergebe ich ben
Andern . . . Bergib mir!”
102
LXXVIII.
Die Protocolle.
Kaum war der König ganz glücklich in
mad) zurüdgefehrt, Faum hatte er den Beiehl
von Rohan in die Baflille zu führen, unte:
als der Graf ron Provence erſchien, der be
Gintritt in das Cabinet Herrn von Breteuil
machte, bie diefer, troß feiner Ehrfurcht un
guten Willens, nicht verſtehen Fonnte.
Doch nicht an den Siegelbewahrer waı
Zeichen gerichtet; der Prinz vervielfältigte fie
Abficht, die Aufmerffamfeit des Könige, der,
er feinen Befehl abfaßte, in den Spiegel ſah,
zu ziehen.
Der Bein) verfehlte feinen Zweck nicht, de
erblickte die Zeichen und fragte ſeinen Bruder,
er Herrn von Breteuil weggeſchickt hatte:
«har madıten Sie Herrn von Breteuil £
„ud: re..."
„Diele Lebhaftigfeit der &eberben, dieje g
Miene haben eiwas zu bedeuten ?”
„Allerdings, aber... *
„Es ſteht Ihnen frei, nicht zu fpreche
Bruder ‚”. verfeßte der König mit einer gereizte
„Sire, ich habe fo eben die Verhaftung t
Gardinals von Rohan erfahren.“
„Nun! in welder Dinfiht, mein Brud«
biefe Nachricht eine folche Aufregung bei Ihn:
faden? Scheint Ihnen Herr von Rohan nicht
Habe ich Unrecht, felbit den Mächtigen zu fch
„Unrecht? nein, mein Bruder, Sie hal
Unrecht. Das iſt es nicht, was ich fagen wil
„Ih hätte mid fehr gewundert, Herr (
Provence, wenn Sie den Proceß gegen die
103
einen Menſchen gewinnen ließen, der fie zu entchren
ſucht. Ich bin fo eben bei der Königin gewefen, mein
Bruder, ein Wort von ihr hat genügt...“
„Dh! Site, Gott foll mich behüten, daß ich bie
Königin anfiage, das wiſſen Sie wohl. Ihre Majeftät
... meine Schwägerin bat feinen ergebeneren Freund,
als mich. Wie oft ift es mir im Begentheil gefchehen,
daß ich fie vertheidigt habe, und zwar, es fei Dies ohne
Borwurf gefagt, fogar gegen Sie.”
„Wahrhaftig, mein Bruder, Flagt man fle denn
fo oft an?“ |
„Ich Habe Unglück, Site, Sie paden mid bei
jedem von meinen Worten... . Ich wollte nur fagen,
die Königin felbf würde mir nicht glauben, wenn ich
am ihrer Unſchuld au zweifeln fchiene.“
So fpenden Sie fid, mit mir Beifall zu der Des
müthigung, bie ich ven Cardinal erbulden Tafle, zu dem
Wrocch, ber daraus hervorgehen muß, zu dem Nergerniß,
das. allen den Berleumdungen ein Ziel ftedlen foll, die
mau fich gegen eine einfache rau von Hofe nicht
erlauben wärbe, während Seder fih zum Echo derſelben
in machen wagt, weil die Königin, wie fie fagen,
ber allen biefen Erbärmlichkeiten ſtehe.“ -
„Sa, Sire, ich billige ganz und gar das Benehmen
Eurer Majeſtaͤt, und id) —* in Betreff des Halsbandes
gehe Alles auf's Beſte.“ |
„Bei Bott! mein Bruder, nichts Tann klarer fein.
Gicht man nicht von hier Herrn von Rohan jich der
vertrauten Freunbfchaft der Königin rühmen, in ihrem
Namen einen Handel für Diamanten abfchließen, bie
fie ausgeſchlagen, und fagen laflen, diefe Diamanten
feien von der Königin oder bei der Königin genommen
worden... das iſt ungehenerlich und, wie fie bemerfte:
was würde man fagen, wenn ich Herrn von Rohan
jum Zeilnehmer bei dieſem geheimnißvollen Handel
e
„Sire!“
104
„Und dann wiſſen Sie nit, mein Bruder, baß
nie eine Berleumdung auf halbem Wege ftehen geblieben
ift, daß die Leichtfertigfeit von Herrn von Rohan
die Königin compromittirt, daß die Erzählung vieler
Keichtfertigkeiten fie entehrt?“
„Dh! ja, mein Bruder, ja, Sie haben fehr Net
— was die Angelegenheit mit dem Halsbande
etrifft.“
„Nun!“ fragte der König erſtaunt, „gibt es noch
eine andere Angelegenheit?“
„Site . . . die Königin mußte Ihnen fagen ...“
„Mir fanen . . . was denn?”
„Sire, Sie wollen midy in Berlegenheit bringen,
die Königin muß Ihnen nothwendig gejagt haben...”
„Was denn, mein Herr? was benn ?“
„AH! die Brahlereien von Herrn von Roban? fein
abfichtlihes Schweigen, der vorgebliche Briefwechfel ?“
„Rein, Site, nein.”
„Was alfo? die Unterredungen, welche die Königin
Herrn von Rohan in der fraglihen Halsbandſache bes
willigt haben ſoll ?“
„Nein Site, das iſt es nicht.“
„Sch weiß nur fo viel,“ fprad der König, „baß
ih zu der Königin ein unbegrenztes Bertrauen habe,
welches fie durch den Adel ihres Charafters verdient.
Es war Ihrer Majeftät leicht, nichts von dem, was
vorgeht, zu fagen. Es war ihr leicht, zu bezahlen
oder Andere bezahlen zu laffen, zu bezahlen oder fagen
zu laſſen; die Königin, die diefe Geheimniſſe, —**
u Aergerniſſen wurden, ploͤtzlich im Laufe aufhielt,
bat mir bewiefen, daß fie an mich appellire, ehe fle
an das ganze Publikum appellicen würde. Mich hat
die Königin rufen laflen, mir wollte fie die Gorge,
ihre Ehre zu rächen, anvertrauen. Sie hat mich zum
Beichtiger, zum Richter genommen, bie Königin Kat
mir folglich Alles gefagt.“
105
„Run wohl,” erwieberte der Graf von Provence,
ninder verlegen, als er es hätte fein follen, weil er
ühlte, daß die Ueberzeugung des Königs weniger feft
var, als er dies zur Schau ftellen wollte, „Sie machen
ıbermals meiner Zreundfchaft, meiner Ehrfurcht für
ie Königin, meine Schwägerin, den Proceß; wenn
Sie gegen mich mit diefer Empfindlichfeit verfahren,
o werde ich Ihnen nichts mehr jagen, denn ich, der
ch vertheidige, muß befürchten, für einen Zeind oder
'inen Anfläger gehalten zu werden. Und dennoch fehen
Sie, wie ſehr Sie fi in diefer Hinfiht gegen die
dogik verfehlen. Die Bekenntniſſe der Königin haben
Sie fon dahin geführt, daß Sie eine Wahrheit finden,
ie meine Schwägerin vertheidigt. Warum wollten
Sie nicht, daß man in Ihren Augen andere Klarheiten
jlänzen ließe, bie noch viel mehr geeignet wären, bie
janze Unschuld unferer Königin zu offenbaren $”
„Mein Bruder,” erwiederte ber König verlegen,
‚Sie beginnen immer mit Imichweifen und Krümmuns
jen, in denen ich mich verliere.”
„Dratorifhe Borfichtsmaßregeln, mein Bruder, in
Ermangelung von Wärme. Ad! ich bitte Eure Ma:
ieRät um Berzeihung, es ift das ein Erziehungsfehler
vei mir. Gicero bat mich verdorben.“
Mein Bruder, Cicero ift immer nur tdrübe,
venn er eine ſchlimme Sache vertheidigt; Sie haben
‚ne „gute, feien Sie um ber Liebe Gottes willen
Har.
„Mich in meiner Sprechmeife fritifiren Heißt mich
mw Stillfchweigen verurtheilen.“
„Ah! ja, irritabile genus rhetorum , das fogleidy
mn Hitze geräth,“ rief der König, beihört durch diefes
yerfchmiste Weſen des Grafen von Brovence, „zur
Eache, Advocat, zur Sache! was wiflen Sie mehr,
ıle mit die Königin gefagt hat?”
„Mein Bott! Site, Nichts und Alles. Grörtern
vir zuerſt das, was bie Königin gefagt hat.“
106
„Die Königin hat mir gefagt, fie befiße das Hals:
band nidyt.“
„But.“
„Sie hat mir gefagt, fie habe den Schein ber
Juweliere nicht unterzeichnet.“
„But.
„Sie hat mir gefagt, Alles, was fih auf eine
Anordnung mit Herrn von Rohan beziehe, fei eine von
ihren Feinden erfundene Unwahrheit.“
„Sehr gut, Sire.”
„Sie behauptet endlich, nie habe fie Herrn von
Rohan das Recht gegeben, zu glauben, er fei mehr,
als einer ihrer Untertbanen, mehr, als ein Bleichgül-
tiger, mehr, als ein Unbekannter.“
„Ah! ... fie hat das gefagt?*
„Und zwar mit einem Tone, ber feine Erwieberung
zuließ, denn der Cardinal hat nichts erwiedert.“
„Somit, Sire, ba der Bardinal nichts erwiederte,
befennt er fih als Lügner, und durch diefen Widerruf
gibt er anderen Gerüchten Recht, welche über gewifle
von der Königin gewiffen Perfonen zugeftandene Bes
vorzugungen im Umlauf find.“
„Si, mein Butt! was denn noch?“ rief der König
entmutbigt.
„Etwas ganz Albernes, wie Sie fehen werben.
Sobald erwielen ift, daß Herr von Rohan nicht mit
der Königin fpazieren gegangen . . .*
„Wie!“ ſprach der König, „man fagt, Herr von
Rohan fei mit der Königin fpayieren gegangen?“
„Was durch die Königin ſelbſt, Sire, und durch
die Widerrufung von Herrn vun Rohan völlig Lügen
geftraft worden if; doch fobald fich dies erwielen bat,
mußte man, wie Sie wohl begreifen, ſuchen — bie
Bosheit hat ch deſſen auch nicht enthalten — wie es
fomme, daß die Königin bei Nacht im Parke von Ders
failles frazieren gegangen.”
107
„Bei Nacht! im Barfe von Berfailles! ... die
Königin?. ..“
„Und mit wem fie ſpazieren gegangen,” fuhr kalt
ver Graf von yrovenc! fort.
„Mit wen? ...“ murmelte der König.
„ewig... And nicht Aller Augen auf das ges
richtet, was eine Königin thut? find diefe Augen, die
der Glanz des Tages oder der Blanz der Majellät nie
blendet, nicht noch viel fcharffichtiger, wenn es fich
darum bandeit, in der Nacht zu ſehen?“
Aber, mein Bruder, nehmen Sie ſich in Acht.
Sie fagen da ſchändliche Dinge.“
„Site, ich wiederhole, And ich wieberhufe mit
einer ſolchen Enträßung, daß ich, defien bin ich ficdher,
— Majeftät zur Entdeckung der Wahrheit antreiben
„Wie, mein Herr! man ſagt, die Königin fei bei
Nacıt, in Geſellſchaft . . im Parfe von Berfailles
Ipagieren ge gana gen!“
Richt in Geſellſchaft, Sire, mit einer Perſon
allein... Oh! wenn man fagte, in Geſellſchaft,
danz wäre e6 nicht der Mühe werth, daß wir daranf
achteten.“
Der König brach ploͤtzlich los:
„Sie werden mir beweiſen, was Sie wiederholen,
und zu dieſem Ende beweiſen Sie, was man geſagt bat.“
„Dh: das iſt zu leicht,” erwiederte Herr von Pro⸗
vence. „Es find vier Zeuaniffe da: das erfte ift das
meines Fagdfapitäng, der die Königin zwei Tage, oder
vielmehr zwei NRüchte hintereinander aus dem Parke
von Berfailles durch die Thüre der Jägermeifterei hat
herausgeben jehen; hier ift der Titel, er iſt mit feiner
Unterſchrift verfehen, lefen Sie.“
Der König nahm zitternd das Papier, las es und
gab es dann feinem Bruder zurüd.
„Sie werden ein intereffanteres fehen, Sire:
Ä iR von bem Nachwaͤchter, der in Trianon aufgeftellt if
108
: erflärt, die Nacht fei gut geweien, ein Schuß fei
fallen, ohne Zweifel von Wildfhügen im Walde von
ıtory; in den Parfen fei es ruhig geblieben, aus-
jenommen an dem Tag, an welchem die Königin
mit einem Gavalier, dem fie den Arm gegeben, ſpa⸗
Ko gegangen. Sehen Sie, das Protocol iſt aus⸗
ührlich.“
Der König las abermals, ſchauerte und ließ feine
Arme an feinem Leib berabfallen.
„Der dritte Zeuge,“ fuhr unſtörbar der Herr Graf
von Provence fort, „ir ein Bortier vom Oſtthor.
Diefer Mann bat die Königin gefehen und erfannt, in
dem Augenblick, wo fie durch die Thüre der Jägermeis
fterei herausfam. Er fagt, wie die Königin gefleidet
geweien, fehen Sie, Sire; er fagt aud, von fern habe
er den Cavalier, der Ihre Majeftüt gerade verlaffen,
nicht zu erfennen vermocht, doch feiner Haltung nad
babe es ihm gefchienen, es fei ein Officier gewefen.
Diefes Protocoll iſt unterzeichnet. Er fügt etwas
Sintereffantes bei, nämlich, die Anwefenheit der Königin
fünne nicht in Zweifel gezogen werden, weil Ihre
Majeftät von Frau von La Motbe, einer Freundin ber
Königin, begleitet gewefen fei.“
„Einer Freundin der Königin!“ rief wüthend de
König. „Ja, es fteht hier fo, Freundin der Königin '
„Seien Sie deshalb einem ehrlichen Diener niı
böfe, Sire, er fann nur eines Uebermaßes von Ei
befchuldigt werden, er if beauftragt, zu hüten, ı
hütet, zu wachen, und wacht.
„Der legte,“ fuhr der Braf von Provence f
„ſcheint mir der flarfle von allen. Er ift vom Schlo
meifter beauftragt, nachzuſehen, ob alle Thüren
Thore, nachdem man Retraite gefchlagen, gut gefch!
feien. Diefer Mann, Enre Majeflät fennt ibn, be:
die Königin mit einem Gavalier in die Apollos!
eintreten gefehen zu haben.“
Bleich und feinen Groll erflidend, vi
109
a6 Papier aus den Händen bes Srafen und
evon Brovence fuhr nichtödefloweniger während
ſens fort:
iR wahr, Frau von La Mothe war außen,
anzig Schritte von den Bädern entiernt, und
gin blieb nur ungefähr «ine halbe Stunde
aale.”
er der Name des Cavaliers,“ rief der König.
re, er it in dem Berichte nicht genannt, und
ajeſtät muß fi zu diefem Behuie die Mühe
ein letztes Gertificat, das ich hier habe, zu
en; es if von einem Korfiwart, der hinter
amaner bei den Apollo⸗Bädern auf dem Ans
ir." '
ıstirt vom andern Tag.” fagte ver König.
. Site, und er hat die Königin aus dem Park
e fleine Thüre hervoıfommen nnd hinansihauen
e führte ih am Arme von Herrn von Charny.“
a Arme von Herrn von Charny,“ rief der König
bnfinniy vor Zorn und Scham, „gut... . gut.
Sie hier auf mid, Graf, wir werden endlich
heit er'abren.
der König flürzte aus feinem Babinet.
LXXIX.
Eine legte Anfchuldigung.
dem Augenblid, wo der König das Zimmer
igın verlaffen hatte, lief diefe nad dem Bou⸗
, Herr von Eharny Alles zu hören im Stande
: öffnete die Thüre, Echrte fogleich wieder zurüd
4
110
und ſchloß die ihres Gemachs. Dann fiel fie, ale wäre
fie zu ſchwach gewefen, ſolchen Stößen zu mwiderflehen,
in einen Lehnſtuhl und erwartete ſtillſchweigend, was
Herr von Charny, ihr furchtbarſter Richter, über fie
beſchließen würde.
Doch fie wartete nicht Tange, der Graf fam traus
tiger und bleicher, al& er je gewefen, aus dem Neben⸗
zimmer heraus.
„Nun?“ fagte fle.
„Madame ,” erwiebderte er, „Sie fehen, daß fi
Alles dem widerfegt, daß wir Freunde feien. Wenn es
nicht meine Ueberzeugung iſt, was Sie verlegt, io wird
e8 fortan das öffentliche Gerücht fein; bei dem Aergerniß,
das heute geicheben, ift feine Ruhe mehr für midy, fein
Waffenſtillſtand mehr für Sie. Erbitterter nach diefer
erftien Wunde, die fie Ihnen beigebracht haben, werden
die Feinde auf Eie niederflürgen, um Ihr Blut je
a wie es die Müden anf der verwundeten Bazelle
thun.”
„Sie fuchen fehr lange ein natürliches Wort und
fönnen feines finden,“ jaste Ihmermütbig die Königin.
„Ich glaubte Burdr Mafeflät nie Änlaß gegeben
zu baben, einen Verdacht gegen meine Öffenbersigfeit
zu hegen; ift fie zuweilen loegebrochen, ſo geſchah es
mit zu viel Härte, und ich bitte darob um Verzeihung.“
„Was ich alſo gemacht habe,” verfegte die Konigin
fehr bewegt, „diefer Lärm, viefer gefährliche Angriff
egen einen der voruehmiten Herren tes Reiches, meinı
—66 mit der Kirche erflärt, mein Ruf den Lei
deufchaften des Barlaments ausgrfegt, dies Alles genüg
Ahnen nit. Ich ſpreche nicht von dem für imm
beim König erichütterten Vertrauen, Sie dürfen fi
nit darum befümmern, nidt wahr? Der Köni
was if das... ein Gatte!“
Und fle lächelte mit einer foldyen Bitterkeit, d
bie Thränen ihren Augen entflürzten.
„Oh!“ rief Eharıy, „Sie find die edelfte,
111
Re der Frauen. Wenn ih Ihnen nicht auf
antworte, wie mid mein Herz dazu zwingt,
der Fall, weil ig mid Allem untergeoidnet
» ich dieſes erhabene Herz nicht dadurch, daß
Blag darin verlange, zu entheiligen wage.”
"von Ebaray, Sie halten mich für ſchuldig?“
ame...”
r von Charny, Sie haben den Worten des
Glauben geſchenkt ?“
ame!“
re vom Charuy, ich iordere Sie ani, mir zu
elchen Ginvind anf Gie bie Haltung von
ı Roban gemadt hat?”
muß fagen, Madame, Herr von Roban if
WBahnfinniger geweien, wie Gie es ihm
em, noch ein fchwader Menſch, wie man dies
zunte: er iR ein überzeungter Maunn, er if
‚ der Sie liebte, der Sie liebt und in biefem
k das Opfer eines Irrthams iR, der ihn
‚gang führen wird, and Gie...”
ju einer unvermeiblidden Schmach.“
a Gott! vor mir erhebt fi ein broßendes
enes verhaßte Weib, Fran von La Mothe,
dwunden if, als ihre Zeugſchaft uns Alles,
re, Sicherheit für die Zukunft wiedergeben
e "ram iR der böfe Genius Ihrer Berfon,
: Geißel des Königreiches; dieſe Iran, die
ıger Weiſe zur Theilnahme an Ihren Ges
and leider vielleigt auch an Ihrer innigen
heit zugelaflen haben ... .”
ne Gchrimniffe, meine Bertraulichkeit, ab!
ip bitte Sie!” riei die Königin.
ame. ber Gardinal hat klar genug geſagt and
bewieſen, daß Gie mit ihm Berabredung in Bes
ıf den Ankauf des Halsbandes geivoffen hatten.“
112
„Ah! ... Ste kommen hierauf zurüd, Herr von
Eharny,“ fagte die Königin erröthend.
"Werzeiben Sie, Sie fehen wohl, ih bin ein mins
ter edles Herz, als Sie, Sie ſehen wohl, id bin
unwürdig, berufen zu fein, Ihre Gedanken zu kennen.
Ich ſuche zu mildern, und ich reize auf.“
„Hören Sie, mein Herr,“ ſprach die Königin, zu
einem mit Stolz gemifchten Zorne zurüdfehrend, „was
der König glaubt, fann alle Welt glauben; ich werde
nicht leichter für meine Fıeunde als für meinen Gemahl
"fein. Mir fcheint, es fann ein Mann eine Krau nicht
gern fehen, wenn er nicht Adytung für dieſe Frau hegt.
Ich ſpreche nicht in Beziehung auf Sie,“ unterbrach
fie ſich lebhaft: „id bin Fein Weib, ich bin eine
Königin, Sie find fein Dann, fondern ein Richter
für mic.“
Charny verbeugte fich fo tief, daß die Königin bie
Genugthuung und die Demüthigung dieſes getreuen Uns
terthans hinreichend finden mußte. Plötzlich ſprach fie:
„Ich hatte Ihnen gerathen, auf Ihren Gütern zu
bleiben; das war ein weifer Blan. Bern vom Hofe,
dem Ihre Bewohnheiten, Ihre Biederkeit, Ihre Uners
fahrenheit, erlauben Sie mir, dies zu fagen, widers
ſprechen, fern vom Hofe hätten Sie die Berfonen, die
Ihre Rolle auf diefem Theater fpielen, beffer gewürdigt.
Man muß die optiihe Täuihung wahren, Herr von
Charny, man muß feine Schminfe und feine hohen
Abſätze vor der Menge feitba:ten. Gine zu raſch ıur
Herablaffung geneigte Königin habe ich es vernadhläfflgt,
bei denjenigen, welche mich liebten, das blendende Zaus
berwerf des Königthums zu unterhalien. Ah! Herr
von Gharny, die @lorie, welche eine Krone um bie
Stirne der Königinnen zeichnet, überhebt fle der Reufchs
heit, der Sanftmuth, des Geiſtes und des Herzens
befonderse. Man ift Königin, mein Herr, man heirſcht,
wozu dient e6, ſich lieben zu machen?"
„Sch vermödhte Ihnen nicht zu fagen, Madame,
113
h mir die Strenge Eurer Majeftät thut,” erwies
iharny fehr bewegt. „Ich konnte vergeflen, daß
eine Königin waren, doch laflen Sie mir bie
tigfeit widerfahren, daß ich nie vergeflen habe,
en bie erfte derSrauen, welche würbig meiner
und meiner...”
Follenden Sie nit, ich bettle nit. Sa, id
8 gefagt, eine Abwefenheit ift für Sie noth:
. Ge fant mir etwas, Ihr Name werde am
ei dem Allem ausgeſprochen werben.”
Rabame, unmöglich I“
5ie fagen, unmöglih! Ei! denken Sie doch an
icht derjenigen, welche feit ſechs Monaten mit
Nube, meinem Leben fpielten. Sagten Gie
ber Herr Barbinal fei überzeugt, er handle
e eines Irrthums, in den man ihn verfenft?
igen, welche ſolche Ueberzeugungen bewerfftelligen,
jen, welche ſolche Iyrthümer veranlaffen, find
mug, Ihnen zu beweilen, Sie feien ein unrebs
Unterthan für den König und für mid ein
licher Freund. Diejenigen, welche fo glücklich
lſche erfinnen, entdeden ſehr leicht die Wahrheit!
en Sie keine Zeit, die Gefahr iſt ernſt; ziehen Sie
F Ihre Güter zurüd, fliehen Gie das Aergerniß,
6 dem Ranpke entfpringen muß, den man mir
wird; mein Geſchick foll Sie nicht fortreißen,
mfbahn ſoll ſich nicht verloren gehen. Sch, die
itt fei Dan, die Unfchuld und die Stärke habe;
e ich feine Flecken an meinem Leben habe; id,
entichloffen bin, wenn es fein muß, meine Bruſt
en, um meinen Feinden die Reinheit meines
3 zu zeigen; ich werde wiberfiehen. Für Gie
vier ber Ruin, die DBerleumbung, ber Kerker
tt. Tragen Sie diefes fo hochherzig gebotene
nieder fort; nehmen Sie die Berficherung mit
ı8 nicht eine von den edelmüthigen Bewegungen
Satöband der Koͤnigin. IV. 8
114
Ihrer Seele mir entgangen ift; daß nicht einer Ihr
Zweifel mich verlegt, daß nicht eines Ihrer Leiden miı
alt gelaffen hat; reifen Sie und ſuchen Sie anderem:
was Shnen die Königin von Franfreich nicht mel
geben fann: den Glauben, die Hoffnung, das Glüc
Bon jetzt an, bis Paris die Verhaftung des Cardinal
weiß, bis das Parlament zufammenberufen ift, bie di
Zeugfchaften beigebracht find, rechne ich ungefähr vie
zehn Tage. Reifen Sie! Ihr Oheim hat zwei Schif
in Cherbourg und in Nantes bereit liegen; wählen Gi:
aber entfernen Sie fi) von mir. Ich bringe Unglüd
entfernen Sie fih von mir. Ich Bing nur an Einen
in diefer Welt, und da es mir entgeht, fo fühle ti
mich verloren.”
Nach diefen Worten fland bie Königin auf ur
ihien Charny die Entlaffung zu geben, welde b
Audienzen endigt.
Er näherte fi ihr eben fo ehrfurchtsvoll, ab:
rafcher, und ſprach mit bebender Stimme:
„Eure Majeftät hat mir fo eben meine Pflid
vorgefchrieben. Nicht auf meinen Gütern, nicht auße:
bald Frankreich ift die Gefahr, in Berfailles IR e
wo man Sie beargwohnt, in Paris, wo man S
richtet. Es ift von Gewicht, Madame, daß jeder Bei
dacht verſchwinde, daß jeder Spruch eine Reditfertigun
fei, und da Sie feinen reblicheren Zeugen, keine en
fhloffenere Stüße zu haben vermödhten, fo bleibe id
Diejenigen, welche fo viele Dinge wiflen, Madam
werden fie fagen. Aber wir werben wenigflens b«
für Leute von Herz unſchätzbare Glück haben, unfe:
Feinde von Angeficht zu Angeficht zu fehen. Sie mög
zittern vor ber Majefät einer unfchuldigen König:
und vor dem Muthe eines Mannes, der befier iſt, ai
fie. Sa, ich bleibe, Mabame, und glauben Sie, Eu:
Majeſtät Hat nicht nöthig, mir länger ihre Gedanke
zu verbergen; fie weiß wohl, daß ich nicht fliche; f
weiß wohl, daß ich nichts fürchte; fie weiß auch woh
115
fe, um mich nicht mehr zu chen, nicht nöthig Hat,
, in die Berbannung zu fhiden. Oh! Madame,
fern verftehen ſich die Herzen, von fern find die
alhmnungen gluhen als von der Nähe. Sie wollen,
ih reife, um Ihretwillen, nicht meinetwegen;
n Sie unbelorgt; nahe genug, um Ihnen beizuftehen,
Sie zu vertheidigen, werde ich doch nicht im Stande
„Sie zu beleidigen oder Ihnen zu ſchaden. Nicht
r, Sie haben mid nicht gefehen, als ich acht Tage
ı Hundert Klafter von Ihnen entiernt wohnte, jeden
er Schritte bewahrte und in Ihrem Leben lebte?
ı wohl! es wird diesmal ebenfo fein, denn ich kann
en Willen nicht vollziehen, ich fann nicht reifen!
erdieß ... . was ift Ihnen daran gelegen? Werden
an mich denken?“
Sie machte eine Bewegung, welche fie von bem
jen Manne entfernte, und erwiederte:
„Wie es Ihnen beliebt ... Doch Sie haben mid
iffen, Sie follen fidy nie in meinem Worte täufchen,
bin keine Coquette, Herr von Charny; fagen, was
venkt, denken, was fie fagt, das ift das Privilegium
r wahren Königin! ich bin fo. Eines Tags, mein
e, Habe ih Sie unter Allen auserwählt. Irgend
as zog mein Herz zu Ihnen hin. Es dürſtete mich
einer flarfen und reinen Zreundfchaft, ich Habe
dies wohl fehen laffen, nicht wahr? Heute iſt es
E mehr ebenfo, ich denke nicht mehr, was ich dachte.
» Geele ift feine Schwefter der meinigen mehr. Ich
Ihnen ebenfo offenherzig: ſchonen wir einander.“
„Se ift aut, Madame,“ ſprach Charny, „nie glaubte
Sie haben mid erwählt, nie glaubte ih... Ah!
ame, ich widerſtehe tem Gedanken nit, Sie zu
ieren. Madame, ich bin trunfen vor Eiferfucht und
kl. Madame, ich werde es nicht ertragen, daß Sie
Ihr Herz entziehen, es gehört mir, Sie haben
nir geſchenkt, nur mit meinem Leben wird man
nie nehmen. Seien Sie Weib, jeien Sie gut,
116
mißbraudhen Sie nicht meine Schwäche, denn €
haben mir fo eben meine Zweiiel vorgeworien ı
fömeitern mich in dieſem Augenblid® mit den Ihriy
nieder.” N
„Kinderherz, Weiberherz ... ih foll auf €
zählen! ... Was für fchöne Bertheidiger find wir
einander! Schwader! oh! ja, Sie find es; und i
ah! ich bin nicht flärker, ale Sie.“
„Ih würde Sie nidht lieben, wären Sie ande
als Sie find.“
„Wie!“ rief fie mit einem lebhaften, Teidenfch«
lihen Ausdruck, „diefe verfludte Köntyin, diefe ver
rene Königin, diefe Frau, weldye ein Parlament rich
wird , welche die öffentlihe Meinung verurtheilen ı
ein König, ihr Gatte vielleicht, fortjagen wird, bi
rau findet ein Herz, das fie liebt!“
„Einen Diener, der fie verehrt und ihr alles B
feines Herzens im Austaufch einer Thräne bietet,
fie fo eben vergoß.”
„Diefe Frau,“ rief die Königin, „ift gefegnet,
iR Rolz, fie if die erfle der Frauen, fie ift die glı
lichte von allen, diefe Frau iſt zu —8 Her ı
Charny, ich weiß nicht, wie fih diefe Iran befla;
Eonnte, verzeihen Sie ihr.“
Charny fiel zu den Füßen der Königin und Fü
fie in einem reliaiöfen Liebesentzüden.
In diefem Augenblid öffnete fih die Thüre
geheimen Ganges, und der König blieb zitternd ı
wie vom Blige getroffen auf der Schwelle fichen.
Er hatte den Mann, den Herr von Provence
fyuldigte, zu den Füßen ber Königin überraſcht.
117
LXXX.
Die Heirathsbitte,
Die Königin und Charny wechielten einen Blid
fo voll Angft und Schreden, daß ihr graufamfter Feind
in dieſem Augenblid Mitleid mit ihnen gehabt hätte.
Eharny erhob fi langſam und verbeugte ſich vor
km König mit einer tiefen Ehrfurcht.
an 1a) das Herz von Ludwig XVI. heftig unter
ven Spitzen ſeines Jabot fchlagen.
h!“ ſagte er mit dumpfer Stimme, ... „Hert
von Charny!“
Der Grafantwortete nur durch eine neue Verbeugung.
Die Königin fühlte, daß fie nicht ſprechen Eonnte,
uud taß fie verloren war.
Der König fuhr mit einer unglaublichen Maß-
haltung fort:
„Herr von Charny, es iſt nichts Weniger als
egrenvoll für einen Edelmann, auf dem Berbreden des
Hiebſtahls ertappt zu werden.“
„Diebftabl!" murmelte Charny.
„Diebſtahl!“ wiederholte die Königin, weldye noch
au ihren Obren die furdytbaren Anjchuldigungen in
Betreff des Halsbands zifchen zu hören glaubte und
vermuthete, der Braf follte befledt werben, wie fie.
„3a,“ fprach der König, „vor der rau eines
Andern niederfnieen, ift ein Diebſtahl; und wenn diefe
Frau eine Königin ift, mein Herr, fo nennt man dies
a6 Verbrechen der Majeltätsbeleidigung; ich werde
Ihnen das durch meinen Siegelbewahrer fagen laflen.“
Der Graf wollte ſprechen, er wollte feine Unfchuld
keiheuern, doch, ungeduldig in ihrer Großmurh, wollte
6 die Königin nicht dulden, daB man einer Unwürdig⸗
fit ven Mann befchuldigte, den fie lichte; fie kam ihm
in Hülfe und fagte raſch:
118
„Site, Sie find, wie mir fcheint, auf einem Wege
ihlimmer Berdachte und ungünftiger Muthmaßungen;
diefe Verdachte, diefe vorgefaßten Meinungen treffen
falſch, das muß ich Ihnen bemerfen. Ich febe, daß die
Ehrfurcht die Zunge des Grafen fefjelt; doch ich, die
ich fein Herz aus dem Grunde fenne, werde ihn nicht
anflagen laffen, ohne ihn zu vertheidigen.“
Hier hielt fie inne, erfchöpft durch ihre Aufregung,
erichroden über die Lüge, die fie zu finden genüıhigt
fein ſollte, verwirrt endlich, weil fle Diefelbe nicht fand.
Doc diefes Zögern, das ihr, dem folgen Geile
der Königin, felbit verhaßt vorfam, war ganz einfach
die Rettung der Frau. In dieſen gräßlichen Treffen,
wo häufig um die Ehre und das Leben derjenigen,
welche man ertappt Hat, gefpielt wird, genügt eine
gewonnene Minute, um zu retten, wie eine verlorene
Secunde genügt hatte, um in’6 Verderben zu ſtürzen.
Einzig und allein durch den Inſtinkt hatte bie
Königin die Gelegenheit des Aufſchubs ergriffen; fle
hatte den Verdacht des Königs plöglich im Laufe auf:
gehalten; fie hatte feinen Geiſt irre geleitet und ben
des Grafen befeftigt. Diefe entfcheidenden Minuten
haben rafche Flügel, auf denen die Ueberzeugung eines
Eiferfüchtigen fo fern weggetragen wird, daß Ye fid
beinahe nie wieder einfindet, wenn fle nicht der Schuß
dämon der Liebesneidifchen auf den feinigen zurüdträgt.
„Werden Sie mir zufällig fagen, * erwieberte
Ludwig XVI., der von der Rolle des Könige in die
Rolle des beängftigten Gatten fiel, „werden Sie mit
fagen, ich babe Herrn von Charny niht vor Ihnen
fnieen fehen, Madame? Um aber nieverzufnieen, ohne
aufgehoben zu werden, muß ...“
„Muß, mein Herr!” fprady die Königin mit firengem
Tone, „muß ein Unterthan der Königin von Sranfreid
eine Gnade von diefer zu erbitten haben ... Das if,
glaube ih, ein Ball, der ziemlich Häufig bei Hofe
vorfommt.”
119
6; „Eine Gnade von Ihnen erbitten!“ rief ber
önig.
„Und zwar eine Gnade, die ich nicht bewilligen
fonunte,“ fuhr die Königin fort, „font wäre Herr von
: Gharny nicht fo dringlich geweien, das fchwöre ich
Ionen, und ich hätte ihn fehr rafch mit ber Freude
aufgehoben, nach feinen Wünfchen einem Edelmann zu
willfaßren, den ich ganz befonders Hoch ſchätze.“
Gharny athmete.. Das Auge des Königs war
unentfchieden geworden; feine Stirne entwaffnete fi
ellmälig von ber ungewöhnlichen Drohung, welche dieſe
Ueberraſchung zu ihr auffteigen gemacht hatte.
Mittlerweile fuhte Marie Antoinette, fuchte fie
mit ver Wuth, zu einer Lüge genöthigt zu fein, mit
dem Schmerz, nichts Wahrfcheinliches zu finden.
Indem fie fih unfähig befannt, dem Grafen bie
Gnade zu bewilligen, um die er nachſuchte, hatte fie
bie Reugierbe des Königs in Feſſeln zu fhlagen geglaubt,
fe Hatte geglaubt, das Berhör würde hiebei flehen
bleiben. Sie tüufchte ſich: jede andere Frau märe,
weniger Starrheit an den Tag legend, geſchickter geweien,
aber für fie war es eine gräßliche Marter, vor dem
Mann, den flelichte, zu lügen. Sich unter dem elenden
amd falfchen Lichte des Komödienbetrugs zeigen hieß
alle dieſe Falſchheiten, alle diefe Ränke, alle diefe
Mansenvres der Intrigue des Parks durch eine ihrer
Schaͤndlichkeit entfprechende Entwidelung fchließen; es
hieß beinahe ſich firafbar zeigen; es war fchlimmer,
als der Tod.
Gie zögerte noch; fie würde ihr Leben gegeben
haben, hätte Charny die Liige gefunden; doch er, ber
tedliche Edelmann, konnte es nicht, er dachte nicht
einmal daran. Er befürchtete in feinem SZartgefühle
zu 8 nur zur Vertheidigung der Königin geneigt zu
nen.
Bas wir hier in vielen Zeilen, in zu vielen Zeilen
- vielleicht, obgleich die Lage furchtbar ift, ſchreiben, eine
120
halbe Minute genügte für die brei Perſonen dieſer
Scene, um es zu fühlen und auszubrüden.
Marie Antoinette wartete, au den Lippen bes
Königs hängend, auf die Frage, welche endlich vortrat.
„Spredyen Sie, Madame, fagen Sie, welche Bnabe
es ift, die, von Herrn von Charny vergebens nachgefucht,
dieſen dazu gebracht hat, daß er vor Ihnen niederkniete.“
Und ale wollte er die Härte biefer argwöhnifchen
Frage mildern, fügte der König bei:
„Sch bin vielleicht glüdlicher, ale Sie, Mabame,
und Herr von Eharny wird nicht nöthig Haben, vor
mir niederzufnieen.”
„Site, ih habe Ihnen ſchon gelagt,‘ Herr von
Eharny verlange eine unmöglidhe Sache.“
„Nennen Sie mir diefelbe wenigkens.“
„Was kann man auf den Knieen erbitten?“ fagte
die Königin zu fi felbf, ..... „was kann man von
mir erflehen, was zu bewilligen unmöglih if}...
oh! mein Butt!“
„Ih warte,“ fprad der König.
„Site, die Bitte von Herrn von Charny if ein
Bamiliengeheimmniß.”
„Es gibt Feine Geheimniſſe für mich, für dem
König, für ihn, der Herr feines Reiches, der Yamiliens
vater und intereffirt ift bei der Ehre, bei der Sicherheit
aller feiner Unterthanen, die feine Kinder find, felbR,“
fügte Ludwig mit einer furdhtbaren Würde bei, „ſelbſt
wenn diefe entarteten Kinder die Ehre und die Sicher⸗
beit ihres Baters antaften.”
- . Die Königin fprang unter diefer bräuenden Bes
fahr auf.
„Herr von Eharny',” rief fie, den Geiſt verſtoͤrt,
die Hand zitternd,, „Herr von Charny wollte von mir
verlangen . . .“
„Was denn, Madame?“
„Bine Erlaubniß, um zu beirathen.”
„Wahrhaftig!“ rief der König, zuerſt bermbigt;
121
ber fogleich wieder in feine eiferfüchtige Bangig-
rüdfinfend, fagte er, ohne zu bemerken, wie
e arme dran litt, daß fie dieſe Worte gefpruchen,
eich Charny durch das Leiden der Königin war:
tun! in wiefern ift es denn unmöglich, daß Herr
yarny heirathet? Iſt er nicht von gutem Adel?
e nicht ein ſchönes Bermögen? IR er nit
und fhön? Wahrhaitig, um ihm nicht Zutritt
er Bamilie zu geben, um ihn auszufchlagen,
nan rau ift, muß man Prinzeffin von Geblüt
erheirathet fein; ich fehe nur dieſe zwei Gründe,
eine Unmöglichkeit denkbar machen. Sagen Sie
fo den Namen der Frau, Madame, welde Herr
jJarny gern heirathen möchte, und ift fie weder
. einen, noch in dem andern Fall, fo flehe ih
baß ih die Schwierigkeit Heben werde... . um
zu gefallen.”
Ingezogen durch die immer mehr wachſende Ges
fortgerifien durch die Folge ihrer erflen Lüge,
die Königin mit Kraft:
Rein, mein Herr, nein, e8 gibt Schwierigfeiten,
ie nicht befiegen fönnen. Die, welche uns in
ıch nimmt, iſt von dieſer Art... *
Bin Grund mehr, daß ich erfahre, was dem König
lich iſt,“ unterbrach fie Ludwig XVI. mit dumpfem
barny fchaute die Rönigin an; fie fehien dem
n nahe. Er Hätte einen Schritt gegen fie ges
der König hielt ihn durch feine Unbeweglichkeit
... Mit welddem Rechte Hätte er, der nichts
efe Frau war, feine Hand und feinen Beiſtand
gen angeboten, bie ihr König und ihr Gatte
Welches ift die Macht, gegen bie der König Feine
imkeit hat?“ fragte fie fih. „Mein Bott! noch
jvee, dieſe Hülfel”
löglich durchzuckte ein Schimmer ihren Geil.
122
„Ab! Bott felbft ſchickt mir diefe Hülfe,“ murmelte
ſie. „Diejenigen, welche Gott gehören, fünnen ihm
nicht genommen werben, nicht einmal durch den König.“
yann erhob fie das Haupt und ſprach zu Lud⸗
„Site, diejenige, welche Herr von Gharny gern
heirathen möchte, ift in einem Kloſter.“
„ah!“ vief der König, „das iſt ein Grund; es ift
in der That fchwierig, Gott fein But zu nehmen, um
es den Menſchen zu geben. Aber es ift feltfam, daß
Herr von Eharny fo jchnell diefe Liebe gefaßt Hat: nie
bat Jemand mit mir davon geſpröchen, nicht einmal
fein Oheim, der Alles von mir erlangen faun. Wer
if die Frau, die Sie lieben, Herr von Charny, fagen
Sie es mir, idy bitte Sie.“
Die Königin fühlte einen flehenden Schmerz.
Sie follte einen Namen aus dem Munde von Olivier
fommen bören, fie follte die Dual diefer Liebe erdulden,
und wer weiß, ob nicht Charny einen einft geliebten
Namen, eine noch blutende Erinnerung an die Wer:
nangenheit, oder einen Namen, der der Keim einer
Liebe, eine unbeſtimmte Hoffnung auf die Zukunft, zu
nennen im Begriff war. Um bien furchtbaren Schlag
nicht zu empfangen, fam Marie Antoinette zuvor nnd
tief plöglich:
„Sire, Sie fennen diejenige, weldye Herr von
Charny zu heirathen verlangt, es iſt . . . es iſt Fräus
lein Andree von Taverney.“
Charny gab einen Schrei von fi und verbarg
fein Geſicht in feinen beiden Händen.
Die Königin drüdte ihre Hand an ihr Herz und
wäre beinahe ohnmächtig in ihren Lehnftuhl gefallen.
„Fräulein von Taverney,“ wiederholte der König,
„Bräulein von Taverney, die fih nah Saints Denis
zurüdgezogen bat?“
Kon’ a, Sire,“ antwortete die Königin mit ſchwachem
one.
wig
123
„Sie Hat aber noch nicht das Gelübde abgelegt,
fo viel ich weiß?” abeeles
„Doch fie muß es thun.“
„Wir werden babei eine Bedingung ftellen,” fagte
der König. „Warum follte fie übrigens das Gelübde
ablegen 7 fügte er mit einem legten Sauerleig von
Mißtrauen bei.
„Ste if arm... Sie haben nur ihren Bater
bereichert,” ſprach Marie Antoinette mit hartem Zone.
„Das if ein Unrecht, das ich wieder gut machen
werde. Herr von Charny liebt fie...”
Die Königin bebte und warf Charny einen gierigen
Blick zu, als wollte fie ihn anflehen, daß er leugne.
Charny fchaute Marie Antoinette flarr an und
antwortete nicht.
„Wohl!“ ſagte der König, der dieſes Stillſchweigen
für eine ebrfurchtsvolle Beiſtimmung nahm, „und ohne
Zweifel Itebt Sräulein von Taverney Herrn von Eharny?
Ich werde Fräulein von Taverney ausfleuern; ich gebe
ihr die fünfmal hundert taufend Livres, die ich eines
Tags, für Sie, Herrn von Ealonne abfchlagen mußte.
Danfen Gie der Rönigin, Herr von Charny, daß fie
bie Güte gehabt hat, mir diefe Sache zu erzählen und
fo das Slüd Ihres Lebens zu fichern.“
Charny machte einen Schritt vorwärts und vers
bengte ſich wie eine bleiche Bilpfäule, der Gott durch
ein Wunder einen Augenblid das Leben gegeben hätte,
„DH! das ift wohl der Mühe werth, daß Sie nody
einmal nieberfnieen,” fagte der König mit jener leichten
Nuance von platten Spott, der zu ofl bei ihm den
traditionellen Adel feiner Ahnen verminderte.
Die Königin bebte und reichte mit einer freiwillis
en Bewegung dem jungen Mann ihre beiden Hände.
& fniete vor ihr nieder und drüdte auf dieſe ſchönen
eisfalten Hände einen Kuß, in dem er feine Seele
aushauchen zu bärfen Bott anflehte.
„Auf!“ ſprach der König, „überlafien wir num der
124
Königin die Sorge für Ihre Angelegenheiten, Eommen
Sie, mein Herr, fommen Sie.”
Und er ging fehr rafch voran, fo daß ſich Charny
auf der Schwelle umdrehen und den unansfprechlichen
Schmerz diejes ewigen Abſchieds fehen Fonnte, den ihm
die Augen der Königin zufandten.
Die Thüre fchloß ſich wieder zwifchen ihnen, eine
fortan unüberfteiglidde Schranfe für unſchuldige Liebe.
—. ——. -.
LXXXI.
Saint s Denis,
Die Königin war Allein und in Verzweiflung.
So viele Schläge trafen fie zugleich, daß fle nicht mehr
wußte, von weldyer Seite der heftigſte Schmerz kam.
Nachdem fle eine Stunde in diefem Zufland des
Zweifel und der Niebergefchlagenheit geblieben war,
Togte fie fih, es fei Zeit, einen Ausgang zu fuchen.
Die Gefahr wuchs. Stolz auf einen über den Anfchein
davon getragenen Sieg, würde ſich der König beeilen,
das Gerücht zu verbreiten. 8 fünnte geſchehen, daß
bieies Gerücht auswärts fo aufgenommen würde, daß
der ganze Bortheil des begangenen Betrugs verloren
wäre.
Diefer Betrug, ach! wie ſehr machte ſich ihn bie
Königin zum Vorwurf; wie gern hätte fie das eniflos
ene Wort wieder zurüdgenommen, wie gern hätte fe,
Kb Andree, das chimärifche Glück entzogen, das biefe
vielleicht ausfchlagen würde.
Hier erhob da in der That eine andere Schwies
rigfeit. Der Name Andree hatte Alles vor dem König
gerettet. Aber wer Fonnte für diefen launenhaften,
unabhängigen, eigenwilligen Geiſt fichen, den man
125 _
räulein von Taverney nannte? wer konnte darauf
äihlen, daß dieſe ftolze Berfon ihre Freiheit, ihre
zukunft zu Bunften einer Königin entäußern würde,
ie fie wenige Tage zuvor als Feindin verlaflen hatte?
Was würde dann geichehen ? weigerte ſich Andree,
nd dies war wahrfcheinlich, fo flürzte das ganze Lü⸗
engerüfte ein. Die Königin würde eine Sntrigantin
on mittelmäßigem Geifte, Charny ein flacher Ciciobeo,
ad in eine Anklage verwandelt, nahm die Berleumdung
ie Berhältniffe eines unzweifelhaften Ehebruchs an.
Marie Antoinette fühlte, wie ihr Verſtand bei dieſen
Jetrachtungen fiy verwirrte, fie hätte beinahe ihrer
Nöglichkeit nachgegeben; fie fenfte ihren brennenden
topf in ihre Hände und wartete.
Wem fi) anvertrauen? Wer war denn die Freundin
er Königin? Frau von Lamballe? Oh! die reine
ernunit, die Falte, unbeugfane Vernunft! Warum diefe
ungfräuliche Cinbildungékraft verfuchen, welche über-
ies die Hofdamen nicht würden verfiehen wollen? knech⸗
iſche Schmeichlerinnen der Wohlfahrt, zitternd bei dem
Jauche der Ungnade, vielleicht geneigt, eine Lection
hrer Königin zu geben, während fie eines Beiſtands
edürfen würde.
Es blieb nur Fräulein von Taverney felbfl. Das
sar ein Diamantherz, defien Beichlüffe das Glas zers
hneiden Tonnten, defien unbeflegbare Beftigfeit, deſſen
iefe Reinheit aber allein mit den großen Schmerzen
iner- Königin fympathifiren Fonnten.
Marie Antoinette würde alfo Andrée auffucdhen.
Sie würde derfelben ihr Unglück auseinanderfegen und
e anflehen, file möge fi aufopfern. Ohne Zweifel
yürde ſich Andree weigern, denn fie gehörte nicht zu
enjenigen, welche ſich Untermürfügteit einflößen laffen;
oh almälig dur ihre Bitten befänftigt, würde fie
achgeben. er weiß übrigens, ob man nicht einen
— bewirken könnte? ob der König nicht, bes
chwichtigt durch die fcheinbare Einwilligung ber beiden
126
Verlobten, am Ende vergäße? Eine Neife würde dann
Alles in’s Reine bringen. Charny, Andree, indem fie
fih auf einige Zeit entfernten, bis die Hyder der Vers
leumdung feinen Hunger mehr hätte, fönnten jagen laffen,
fie haben fih gütlih ihr Wort zurüdgegeben, und
Niemand würde errathen, baß Dielee Heirathsproject
ein Spiel gewefen.
So wäre die Freiheit von Fräulein von Taverney
nicht gefährdet worden; die von Gharny würde feine
größere Sntäußerung erleiden. Es gäbe für die Königin
nicht mehr den gräßlichen Gewiſſenobiß, zwei Griftenzen
der Selbſtſucht ihrer Ehre geopfert zu haben, und doch
wäre diefe Ehre, in der die ihres Gemahls, die ihrer
Kinder mit eingefchloffen, nicht angegriffen: fie würde fie
unbefledt an die zukünftige Königin von Frankreich
übertragen.
Dies waren ihre Betrachtungen.
So glaubte fie Alles zum Voraus ausgeglichen
zu haben, Wohlanftand und Privatinterefien. Man
mußte wohl mit biefer Beftigfeit der Logik in Gegen⸗
wart einer fo furdhtbaren Gefahr fchließen. an
mußte fi wohl mit allen Beweisftüden gegen eine
Gegnerin bewaffnen, welche fo fchirer zu befämpfen,
wie Fräulein von Taverney, wenn fle auf ihren Stolz
und nicht auf ihr Herz hörte.
Als fie vorbereitet war, entfhloß fie fih, aus⸗
zugehen. Wie oft hätte fie gern Charny ermahnt,
einen falfhen Schritt zu machen, aber fie wurde bavon
durch die Idee abgehalten, es belauern fie ohne Zweifel
Spione; Alles werde auf ihrer Seite in einem foldyen
Augenblick ichlecht auegelegt ; und fle hatte den geraden
Sinn, die Ergebenheit und Entſchloſſenheit von Charny
genugfam erprobt, um überzeugt zu fein, er würde
Alles gutheißen, was fie zu thun für geeignet erachtete.
Es wurde drei Uhr; das Mittagsmahl in großer
Geremonie, die Borftellungen, die Beſuche; die Königin
empfing alle Welt mit einem beitern Geſicht und einer
127
reunblidhfeit, bie ihrem wohlbefannten Stolze nichts
enahm. Sie war fogar bemüht, gegen diejenigen,
velche fie als ihre Feinde betrachtete, eine Feſtigkeit
u jeigen, die gewöhnlich den Schuldigen wenig ans
e
Nie war der Andrang fo groß bei Hofe geweien;
ie hatte die Neugierde fo tief in den Zügen einer
Bönigin in Gefahr gewühlt. Marie Antoinette bot
lllem Trotz, fchmetterte ihre Feinde nieder, beraufchte
hre Freunde, verwandelte die Bleichgültigen in Gifrige,
ie Eifrigen in Enthufiaften, und erfchien fo fehön und
9 groß, daß der König hierüber öffentlich feine Glücks
yünfche gegen fie ausſprach.
Dann, als Alles wohl beendigt war, legte fie ihr
efohlenes Lächeln niever und kehrte zu ihren Erinne:.
ungen, das heißt zu ihrem Schmerz, allein, ganz allein
n der Welt, zurüd; fie wechfelte ihre Toilette, nahm
inen grauen Hut mit blauen Bändern und Blumen,
in Kleid von mauergrauer Seide, flieg in ihren Wa⸗
en und ließ fich, ohne Leibwachen,. nur mit einer ein-
igen Dame, nad Saint-Denis führen.
. &s war die Stunde, wo die Nonnen, in ihre
wellen zurückgekehrt, vom befcheidenen Geräufch des
löfterlichen Speifefaals zum Stilfehweigen der Mebis
‚kionen übergingen, denen fie fi vor dem Abendgebet
ngaben. \
Die Königin Tieß Fräulein Andree von Taverney
8 Spradzimmer rufen.
Kcnieend, in ihr Nachtgewand von weißer Wolle
ehüllt, betrachtete Andree aus ihren Wenftern ben
Rond, der hinter den großen Linden aufging, und in
tefer Poeſie der beginnenden Nacht fand fie das Thema
» allen den inbrünftigen, leidenfchaftlichen Gebeten,
ie fie zu Erleichterung ihrer Seele an Gott fandte.
Sie tranf mit langen Zügen ben unabhelflichen
Schmerz der freiwilligen Abweſenheit. Diefe Marter
R nur, arten Seelen bekannt; fie iſt zugleich eine
10
Dual und ein Vergnügen. Cie gleicht, was das £
betrifft, allen gewöhnliden Schmerzen. Sie läufi
eine Wolluft aus, welche nur diejenigen fühlen für
die das Glück dem Stolz zu opfern wifien.
Andree batte aus freien Stücken den Hof verla
aus freien Stüden hatte fie mit Allem gebrochen,
ihre Liebe unterhalten fonnte. Stolz wie Eleoy
hatte fie nicht einmal die Idee ertragen fünnen,
von Charny habe an eine andere Frau gedacht,
wäre biefe Frau die Königin felbft.
Kein Beweis für fie von diefer für eine U:
glübenben Liebe. Sicherlich hätte die eiferfür
ndree aus diefem Beweiſe die ganze Ueberzeu
gezogen, die ein Herz bluten maden fann. Hat:
aber nicht Herrn Charny gleichgültig an ihr vor:
Bee fehen? Hatte fie nit die Königin im Der
ehabt, fie nehme für ſich, ohne Zweifel unſchuldig
uldigungen und die Bevorzugung von Charny?
ozu Sollte es fortan nügen, in Berfaille
bleiben? Um Gomplimente zu erbetteln? um die 9
lefe des Lächelns zu machen? um von Zeit zu Zeit
einem angebotenen Arm, mit einer berührten Hant
geſpeiſt werben? wenn bie Königin auf der
menade ihr die Artigkeiten von Eharny leihen w:
weil bie Königin in diefem Augenblid nit im Si
war, fie für ſich zu behalten?
Nein, eine feige Schwäche, Fein Vergleich
diefe Roifhe Seele. Das Leben mit ber Liebe un!
Bevorzugung, das Klofter mit ber Liebe und dem
wundeten Stol;.
„Nie! nie!“ wieberbolte fi bie Rolge Ant
„derjenige, welchen ih im Schatten liebe, iſt für
nur eine Wolfe, ein Portrait, eine @rinnerung; d
verlegt mich nie, er lächelt immer mir zu, er IA
nur mir zu.“
Darum hatte fie fo viele Nächte in Schme
aber frei zugebradht; darum zog Andree, glüdlich
129
enn fie fich fchwach fand, zu verfluchen, wenn
altirte, die freiwillige Abwefenheit, welche
nverfehriheit ihrer Liebe und ihrer Würde
Zühigfeit vor, einen Mann wiederzuiehen,
Bte, weil fie gezwungen war, ihn zu lieben.
überdies, dieſe ftummen Beſchauungen der
ve, dieſe göttlichen Entzüdungen des einfamen
das war viel mehr das Leben für die unhäne
ee, als die leuchtenden Feſte in Berfailles
othwendigkeit, fih vor Nebenbuhlerinnen zu
ınd die Furcht, das in ihrem Hetzen einges
Beheimniß an das Tageslicht entichlüpfen zu
Kbend des St. Ludwigs, Felertages fuchte alfo
ae in Saint-Denis auf. und fie fand
isch.
meldete wirklich Andrée, die Königin jet
mgefommen, das Kapitel empfange fie im
prachzimmer, und Ihre Majeftät habe nad
ı Complimente gefragt, ob man Fräulein von
ſprechen koͤnnte.
ſeltſame Erſcheinung! es bedurfte nicht mehr
ze, ein durch die Liebe erweichtes Herz, daß
Wohlgeruch entgegenſprang, der von Verſailles
m... einem Wohlgeruch, den fie am Tage
rflucht, einem Wohlgeruch, der in demfelben
tbaver wurde, in dem er fidy mehr entfernte,
ie Alles, was ſich verbunftet, wie Alles, was
st, koſtbar wie die Liebe.
: Königin!“ murmelte Andree, „die Königin
Denis! Die Königin, die mich ruft!“
ſchwinde, beeilen Sie ſich,“ eıwienerte man ihr.
beeilte fi in der That, fie warf auf ihre
ı die lange Mante der Nonnen, befefligte um
iten Rod den wollenen Gürtel, und folgte,
en Blick in ihren kleinen Spiegel zu thun,
tnerin, welche fie geholt Hatte.
lsband der Königin. IV.
122
„Ab! Sott felbft ſchickt mir dieſe Hülfe,“ murmelte
fie. „Diejenigen, welche Bott gehören, fünnen ihm
nicht genommen werden, nicht einmal durch den König.“
ann erhob fie das Haupt und ſprach zu Lud⸗
wig XVI.:
„Site, diejenige, welche Herr von Charny gern
heirathen möchte, ift in einem Klofter.“
„Ah!“ vief der König. „das ift ein Grund; es iſt
in der That ſchwierig, Gott fein Gut zu nehmen, um
e8 den Menſchen zu geben. Aber es ift feltfam, daß
Herr_von Charny fo ſchnell diefe Liebe gefaßt hat: nie
hat Jemand mit mir davon gefprochen, nicht einmal
fein Oheim, der Alles von mir erlangen fann. Ber
ift die Frau, die Sie lieben, Herr von Charny, fagen
Sie es mir, idy bitte Sie.“
Die Königin fühlte einen flehenden Schmerz.
Sie follte einen Namen aus dem Munde von Dlivier
fommen hören, fie follte die Dual diefer Liebe erdulden,
und wer weiß, ob nicht Charny einen einft geliebten
Namen, eine noch biutende Erinnerung an bie Ber:
gangenheit, oder einen Namen, der der Keim einer
Liebe , eine unbeflimmte Hoffnung auf die Zufunft, zu
nennen im Begriff war. Um bieten furchtbaren Schlag
nicht zu empfangen, fam Marie Antoinette zuvor und
rief plotzlich:
„Site, Sie kennen diejenige, weldye Herr von
Gharny zu heirathen verlangt, es iſt . . . es If Fräus
lein Andree von Taverney.”
Charny gab einen Schrei von ſich und verbarg
fein Geficht in feinen beiden Händen.
Die Königin drüdte ihre Hand an ihr Herz und
wäre beinahe ohnmädtig in ihren Lehnftuhl gefallen.
„Fräulein von Taverney,“ wiederholte der König,
„Fräulein von Taverney, die fih nah Saints Denis
zurüdgezogen bat?“
Kon a, Sire,“ antwortete die Königin mit ſchwachem
one.
123
„Sie hat aber noch nicht das Gelübde abgelegt,
fo viel ih weiß?"
„Do fie muß es thun.“
„Wir werden dabei eine Bedingung ftellen,” fagte
der König. „Warum follte fie übrigens das Gelübde
ablegen“ fügte er mit einem legten Sauerteig von
Mißtrauen bei.
„Sie it arm... Sie haben nur ihren Bater
bereidyert,“ fprad Marie Antoinette mit hartem Tone.
„Das ift ein Unredht, das ich wieder gut machen
werde. Herr von Charny liebt fie...”
Die Königin bebte und warf Charny einen gierigen
Blick zu, als wollte fie ihn anflehen, daß er leugne.
Charny fchaute Marie Antoinette flarr an und
antwortete nicht.
„Wohl!“ fagte der König, der dieſes Stillſchweigen
für eine ehrfurchtsvolle Beiſtimmung nahm, „und ohne
Zweifelliebt Fräulein von Taverney Herrn von Charny?
Id werde Fräulein von Taverney ausfteuern; ich gebe
ihr die fünfmal hundert taufend Livres, die ich eines
Tags, für Sie, Herrn von Calonne abfchlagen mußte.
Danfen Sie der Königin, Herr von Charny, daß fie
die Güte gehabt hat, mir dieſe Sache zu erzählen und
fo das Glück Ihres Lebens zu ſichern.“
Charny machte einen Schritt vorwärts und vers
beugte fich wie eine bleiche Bilpfäule, der Gott durch
ein Bunder einen Augenblid das Leben gegeben hätte,
„DH! das ift wohl der Mühe wertb, daß Sie noch
einmal niederfnieen,” fagte der König mit jener leichten
Nuance von plattem Spott, der zu oft bei ihm den
traditionellen Adel feiner Ahnen verminderte.
Die Königin bebte und reichte mit einer freiwillis
gem Bewegung dem jungen Mann ihre beiden Hände.
re Fniete vor ihr nieder und drückte auf diefe ſchönen
eisfalten Hände einen Kuß, in dem er feine Seele
aushauchen zu bärfen Bott anflehte.
„Auf!“ ſprach der König, „überlaffen wir nun der
124
Königen die Sorge für Ihre Angelegenheiten, kommen
Sie, mein Herr, kommen Sie.“
Und er ging fehr raſch voran, fo das fih Charny
auf der Schwelle umdrehen und den unausſprechlichen
Schmerz dieſes ewigen Abfchieds fehen Eonnte, den ihm
die Augen der Königin zufandten.
Die Thüre fchloß fich wieder zwifchen ihnen, eine
fortan unüberfteiglige Schranfe für unfchuldige Liebe.
LXXXI.
Saint : Denis.
Die Königin war Allein und in Berzweiflung.
So viele Schläge trafen fie zugleich, daß fle nicht mehr
wußte, von welcher Seite der heftigfte Schmerz fam.
Nachdem fie eine Stunde in diefem Zufland des
Zweifels und der Niedergefchlagenheit geblieben war,
jagte fie ih, es fei Zeit, einen Ausgang zu fuchen.
Die Gefahr wuchs. Stolz auf einen über ben Anfcyein
davon getragenen Sieg, würde fi) der König beeilen,
das Gerücht zu verbreiten. Es fünnte gefchehen, daß
dieies Berudht auswärts fo aufgenommen würde, baf
ber ganze Bortheil des begangenen Betrugs verloren
wäre
Diefer Betrug, ad! wie fehr machte fi ihn bie
Königin zum Vorwurf; wie gern hätte fie has eniflo:
ene Wort wieder zurüdgenommen, wie gern hätte fle,
— Andrée, das himärifche Glück entzogen, das dieſe
vielleicht ausichlagen würde.
Hier erhob ia in der That eine andere Schwies
rigfeit. Der Name Andree hatte Alles vor dem König
gerettet. Aber wer Eonnte für diefen launenhaften,
unabhängigen, eigenwilligen Geiſt fichen, den man
125 _
räulein von Taverney nannte? wer fonnte baranf
bien, daß diefe folge Perfon ihre Freiheit, ihre
ufunft zu Gunſten einer Königin entäußern würde,
e fie wenige Tage zuvor als Feindin verlaflen hatte?
Mas würde dann geichehen ? weigerte ſich Andree,
nd dies war wahrfcheinlich,, fo flürzte das ganze Lü-
mgerüfte ein. Die Königin würde eine Intrigantin
in mittelmäßigem Geifte, Charny ein flacher Bicisbeo,
ad in eine Anklage verwandelt, nahm die Berleumdung
e Berhältniffe eines unzmweifelhaften Ehebruchs an.
Marie Antoinette fühlte, wie ihr Verſtand bei biefen
jetrachtungen fidy verwirrte; fie hätte beinahe ihrer
löglichfeit nacdhgegeben; fie ſenkte ihren brennenden
'opf in ihre Hände und wartete.
Dem fich anvertrauen? Wer war denn bie Freundin
er Königin? Frau von Lamballe? Oh! die reine
jernunit, die Ealte, unbeugfame Vernunft! Warum diefe
ıngfräuliche Cinbildungskraft verfuchen, welche übers
ies die Hofdamen nicht würden verfiehen wollen? knech⸗
ſche Schmeichlerinnen ver Wohlfahrt, zitternd bei dem
auche der Ungnade, vielleicht geneigt, eine Lection
wer Königin zu geben, während fie eines Beiſtands
edürfen würde.
Es blieb nur Fräulein von Taverney ſelbſt. Das
ar ein Diamantherz, defien Beichlüffe das Glas zers
hneiden konnten, deſſen unbeſiegbare Feſtigkeit, deſſen
efe Reinheit aber allein mit den großen Schmerzen
ner. Königin fympathifiren konnten.
Marie Antoinette würde alfo Andrée aufſuchen.
jie würde berfelben ihr Unglück auseinanderfegen und
e anfleben, fle möge ſich aufopfern. Ohne Zweifel
ürde fi) Andree weigern, denn fie gehörte nicht zu
njenigen, welche fich Unterwürfigfeit einflößen laflen;
ich a mätig buch ihre Bitten befänftigt, würde fie
ichgeben. er weiß übrigens, ob man nicht einen
ufſchub bewirfen könnte? ob der König nicht, bes
hwichtigt durch die fcheinbare Einwilligung der beiden
126
Verlobten, am Ende vergäße? Eine Reife würde danı
Alles in's Reine bringen. Charny, Andree, indem flı
fih auf einige Zeit entfernten, bis die Hyder der Ber:
leumbung feinen Hunger mehr hätte, könnten fagen laſſen
fie haben fih gütlid ihr Wort zurüdgegeben, unt
Niemand würde errathen, daß dietee Heiratheprojec
ein Spiel gewefen.
So wäre bie Freiheit von Fräulein von Taverner
nicht gefährdet worden; die von Charny würde fein
größere Entäußerung erleiden. Es gäbe für die Königir
nicht mehr den gräßlichen Gewiſſensbiß, zwei Eriftenzer
der Selbftfucht ihrer Ehre geopfert zu haben, und doch
wäre diefe Ehre, in der die ihres Gemahls, bie ihre:
Kinder mit eingefchloffen, nicht angegriffen: fie würde für
unbefledt an die zukünftige Königin von Branfreid
übertragen.
Dies waren ihre Betrachtungen.
So glaubte fie Alles zum Boraus ausgeglichen
zu haben, Wohlanftand und Privatinterefien. Man
mußte wohl mit diefer Beftigfeit der Logik in Gegen:
wart einer fo furdtbaren Gefahr ſchließen. an
mußte fiy wohl mit allen Beweisftüden gegen eine
Gegnerin bewaffnen, weldye fo ſchwer zu befümpfen,
wie Fräulein von Taverney, wenn fie auf ihren Stol:
und nicht auf ihr Herz hörte.
Als fie vorbereitet war, entfchloß fie fi, aus:
zugehen. Wie oft hätte fie gern Charny ermahnt,
einen falfhen Schritt zu machen, aber fie wurde davon
durch die Idee abgehalten, es belauern fie ohne Zweifel
Spione; Alles werde auf ihrer Seite in einem ſolchen
Augenblid ichlecht auegeleat und fie hatte ben geraden
Sinn, die Brgebenheit und Entfchloffenheit von Charny
nenugfam erprobt, um überzeugt zu fein, er würde
Alles gutheißen, was fie zuthun für geeignet eradhtete.
Es wurde drei Uhr; das Mittagemahl in großer
Geremonte, die Borftellungen, die Beſuche; die Königin
empfing alle Welt mit einem heitern Geſicht und einer
127
Sreunblichfeit, bie ihrem wohlbefannten Stolze nichte
benahm. Sie war fogar bemüht, gegen diejenigen,
welche fie als ihre Feinde betrachtete, eine Feſtigkeit
u zeigen, die gewöhnlich den Echuldigen wenig ans
eht
Nie war der Andrang ſo groß bei Hofe geweſen;
nie hatte die Neugierde fo tief in den Zügen einer
Königin in Gefahr gewühlt. Marie Antoinette bot
Allem Troß, fchmetterte ihre Feinde nieder, beraufchte
ihre Freunde, verwandelte die Bleichgültigen in Gifrige,
die Bifrigen in Enthuflaften, und erichien fo ſchön und
fo groß, daß der König Kierüber öffentlich feine Glück⸗
wünſche gegen fie ausſprach.
Dann, als Alles wohl beendigt war, legte fie ihr
befoglenes Lächeln nieber und fehrte zu ihren Erinne⸗
rungen, das heißt zuihrem Schmerz, allein, ganz allein
in der Welt, zurüd; fie wechfelte ihre Toilette, nahm
einen grauen Hut mit blauen Bändern und Blumen,
ein Kleid von mauergrauer Seide, ftieg in ihren Wa:
gen und ließ fich, ohne Leibwachen, nur mit einer ein
jigen Dame, nach Saint-Denis führen.
Es war die Stunde, wo die Nonnen, in ihre
Zellen zurückgekehrt, vom beicheidenen Geräufch des
klöſterl ichen Speifefaals zum Stillſchweigen der Mebis
— übergingen, denen fie ſich vor dem Abendgebet
nga .
Die Königin ließ Fräulein Andree von Taverney
in’s Sprachzimmer rufen.
Knieend, in ihr Nachtgewand von weißer Wolle
ehälft, betrachtete Andree aus ihren Fenſtern ben
ond, der hinter den großen Linden aufging, und in
biefer Boefte der beginnenden Nacht fand fie das Thema
zu allen den inbrünftigen, leidenfchaftlichen @ebeten,
die fie A Erleichterung ihrer Seele an Gott fanbte.
Sie trank mit langen Zügen den unabhelflichen
Schmerz der freiwilligen Abweſenheit. Diefe Marter
iſt ur Rarken Geelen bekannt; fie iſt zugleich eine
129
men, wenn fie ſich ſchwach fand, zu verfluchen, wenn
ſich eraltirte, die freiwillige Abmefenheit, welche
er die Unverfehribeit ihrer Liebe und ihrer Würde
5, der Fühigfeit vor, einen Mann wiederzuiehen,
n fie haßte, weil fie gezwungen war, ihn zu lieben.
Und überdies, biete ftummen Befchauungen der
inen Liebe, dieſe göttlichen Entzücdungen des einfamen
raumes, das war viel mehr das Leben für die unhäns
ge Andre, als die leuchtenden Feſte in Berfailles
id die Nothwendigkeit, fih vor Nebenbuhlerinnen zu
ugen, und bie Furcht, das in ihrem Herzen einges
bloffene Geheimniß an das Tageslicht entjchlüpfen zu
Am Abend des St. Ludwigs: Feiertages fuchte alfo
ie Königin Andree in Saint-Denis auf und file fand
e traͤumeriſch.
Man meldete wirklich Andree, die Königin ſei
» eben angelommen, das Kapitel empfange fie im
roßen Sprachzimmer, und Ihre Majeftät habe nad
em erfien Komplimente gefragt, ob man Fräulein von
averney fprechen koͤnnte.
Eine ſeltſame Erſcheinung! es bedurfte nicht mehr
ke Andrée, ein durch die Liebe erweichtes Herz, daß
ediefem Wohlgeruch entgegenfprang, der von Berfailles
n ihr fam. .. einem Wohlgerudh, den fie am Tage
orher verflucht, einem Wohlgeruch, der in demſelben
Raße koſtbarer wurde, in dem er fidy mehr entfernte,
oſtbar wie Alles, was ſich verdunftet, wie Alles, was
ich vergiöt, koſtbar wie die Liebe.
„Die Königin!” murmelte Andree, „die Königin
» Satnt-Denis! Die Königin, die mich ruft!”
„Geſchwinde, beeilen Sie fidy,” erwiederte man ihr.
Sie beeilte fih in der That, file warf auf ihre
Biäultern die lange Mante der Nonnen, befeftigte um
hren weiten Rod den wollenen Gürtel, und folgte,
ine einen Blick in ihren Fleinen Spiegel zu thun,
ver Bförtnerin, welche fie geholt Hatte.
Das Halöband der Königin, IV.
130
the unbert Sc: eitte Bew,
ale FA Fed gt — Fr fe fe. Ta
—— u, ——
get va —— *
averney. Die Köni * Mu aa das Kloher
SaintsDenis befugt? em! 17
Die Königin iR asian Tr ee ij
ich liebe die Königin nicht *
„Rube, flimme Route, die were S⸗u ”
Belt ht ſel wenigſtene Ieuiht, vet ”
aebören.“
131
Königin blieb allein mit Anbree, deren Herz
ig ſchlug, daß man es ohne das langfamere
der Unruhe einer alten Uhr Hätte hören
v
% LXXXI.
Ein todtes Herz.
Königin begann das Geiprädh, das war in
! mein Fräulein, wiflen Sie, daß Sie als
nen feltfamen Eindrud auf mich maden.“
rede antwortete nicht.
ve alte Befährtin,“ fuhr die Königin fort,
ir die Welt, in der wir Andere noch leben,
zu ſehen, ift wie ein ernfler Rath, den uns
ʒibi. Sind Sie nicht meiner Anficht, mein
idame,“ erwiederte Andrée, „wer würde ſich
Curer Majeſtät Rathichläge zu geben? Der
ſt wird die Königin nicht eher, als an dem
nachrichtigen, wo fie ihn annimmt. In der
ie follte er e8 anders machen?“
irum?“
idame, weil eine Königin, durch die Natur
habenheit, dazu beftimmt ift, in diefer Welt
unvermeidlichen Nothwendigfeiten zu erdulden.
vas ihr Leben verbeſſern fann, hat fie; Alles,
Anderen, ihre Laufbahn ihr verfchönern helfen
mmt eine Königin Anderen.“
Königin machte eine Bewegung bes Erftaunens.
d das ift ein Recht,“ fügte Andree haftig bei;
jeren, das iſt für eine Königin eine Echaar
erthanen, deren Leben, Ehre und Güter ben
132
Fürften green Leben, Ehre und ai, es moralifce ober
materielle, And alfo das @igenthum ber ger König innen.“
„Das And Lehren, bie mic in Erkauuen fegen,®
forah langfam Marie —— — „Gie machen
einer GSonveränin in dieſem La: X eine
wen ai er A er und das aus
eintager Bürger an,
Andree? aber ehe an an unbe
lagen — 3 hei KAP waren?”
„Cure MajeRät hatte die Güte, diefe Brage am
mid au richten, ale ich fe verlieh,” erwicherte Andre,
Re Batte, Wie war Hogmälhig and zuge
sine * [71 f — * Auf we
and U
Bee, — vn
Ge Bat weiß, wohl, —X die me E77}
wir ar nee
133
bin, und er ſelbſt klagt mich vielleicht des Leichtfinns,
der Launenhaftigkeit fogar an.“
„Mein Bruter ift ein zu ehterbietiger Unterthan,
um die Königin anzuflagen,” entgegnete Andree, die
ihre Gtaxzheit zu behaupten ſich bemühte.
—88 ſah wohl, fie müßte fidy verdächtig
machen, n fie die Doſis Honig, welche den Cerberus
bänbigen follte, vermehren würde, Sie hielt mitten
in ihren Zuvorfommenheiten inne und fagte:
- „Ges if immerhin gewiß, daß ich, als ich nady
Saints Denis fam, um mit Madame zu fprechen, Sie
fehen und Ihnen die Berfiherung geben wollte, ich ſei
von nahe wie von fern Ihre Freundin.”
Andree fühlte dieſe Nuance; fie befürchtete, diejes
nige , welche ihr fchmeichelte, beleidigt zu Haben; fie
Sefürdhtete noch viel mehr, ihre fchmersliche Wunde
Nahen ſtets hellſehenden Auge einer Frau enthüllt
iu haben.
„Fure ba Ya überfeyüttet mich mit Ehre und
Freude,” fagte fie traurig.
„Sprechen Sie nicht fo. Andree,” erwieberte bie
Königin, indem fle ihr die Hand drückte; „Sie zerreißen
mir das Herz. Wie! es foll nidyt gefagt werden, eine
elende Königin könne eine Freundin haben, fünne über
eine Seele verfügen, fünne mit Vertrauen ihre Augen
auf reigenden Augen, wie die Ihrigen, ruhen laflen,
obne im runde diefer Augen das Intereſſe oder den
Groll zu vermuthen! Sa, ja, Andrée, beneiden Sie
diefe Königinnen, biefe Herrinner der Güter, der Ehre
und bes Tebens Aller. Oh! ja, fie find Königinnen;
ob! ja, fie befigen das Gold und das Biut ihrer Voͤl⸗
fer, doch das Herz! nie! nie! Sie fönnen es nicht
nehmen, und man muß es ihnen fchenfen.”
„3 verfihere Sie, Madame,” ſprach Andree,
erfchnttert durch dieſe warme Anrede, „ich habe Eure
Mafjekät fo fehr geliebt, als ich je in biefer Welt
lieben werbe.“
SS foregenb errötfete fe uud meinte das Gent
„Sie . . . haben mid... geliebtl“ rief bie
Königin, diefe Worte anffengeb, „Ele Then mic
nit mehr“
„Di! Metamet-
verlange nihts von Ri
PR ſei das — — das fe — —1*—
en Ele mein berg wit an,“ vief Marse
jagen Gie mel nit an,“
Lebhait, „e0_{R tobt.“ 010
We Herz iR te
„Ihr den fei tı
nur id} allein werRehe
vorbin glänzend und
ſchaoterne und But
meine Augen haben
EN 19 Kite € ‘
fein febe
Gititeite vr Bat
jeven Tag Gläd
mihht Arenger, ald er.
—— ac an #6 im Sit“
„Ich umfafle mit Wonne das * der
——WM al mehr A
den HE der Welt Sinzieht?“
i Fu cn Bette dadhte voll Uingf die Rinigin, am
a Hier Een baralkt Dr abe,
„Bir wollen fe
au ſich felbh; —2 Br — nee
135
meine Bufust ; zu ben Bitten. OH! fie zu bieiem Ende
bitten, fie bitten, Herrn von Charny anzunehmen ...
gütiger Himmel! muß ich fo unglüdlich fein!“
„Andree,“ fagte Marie Antoinette, ihre Aufregung
beherrfchen», „Sie haben Ihre Zufriedenheit in Worten
au eiprodgen, die mir die Hoffnung rauben, welche ich
gefaßt Hatte.”
„Welche Hoffnung, Madame?”
"Sprechen wir n &t mehr davon, wenn Sie ent:
fjieden find, wie Sie es fo eben gefchienen haben .
Ag! Das war für mich ein Schatten von Vergnügen,
er iR entflohen! Iſt nicht Alles ein Schatten für
mich! Denten wir nicht mehr daran.”
„Ah! Madame, gerade, weil Sie ‚hieraus eine
Befrlebigung ziehen follen, fpreden Sie.“
ozu poll es nüßen? Sie haben fidh von ber
— age, nicht wahr?“
un
hl gan at meinem freien Willen.“
„Und ie wünfchen fih &lüd zu dem, was Sie
Recht als je.“
„Sie fehen wohl, daß es überflüfftg ift, mich free.
** ⁊ laffen. Gott if jedoch mein Zeuge, daß ich
le glaubte, ig) würde Sie glücklich machen.“
a Sie Undanfbare, die Sie mid anflagten!
Doch heute haben Sie andere Freuden erſchaut, Sie
kennen befler, ale ich, Ihren Geſchmack um Ihren
Beruf. Ich verzichte‘.
„Ab! Madame, erweifen Sie mir die Ehre, mir
etwas Näheres ; u ſagen.“
6 a zus [3 (ehr einfach , ich wollte Sie an den
"
M er v Fa Andree mit einem Lächeln voll Ditterfeit,
„il an ben Hof zurüdfchren .. . mein Bott!
nein h at Madame, n'- “en at “
ungebo fm gegen Eure m
ih füllte Ra a
* en m „En '
vor ih auf die Knie. wol durch ihre @i
fürct die Wunde Hin) , wie fe ve Greundfgaft u
dem Gtolze gefälan J *77
Madame.“ fi
bei Hofe gemacht .
der Richtigen, aus um.
hten, ai
maf »-= Rranen bie
den m hen
denwen ver ‚
Dererlafen -
vun, de laflın in —F
.e thruon wi Bidet anf
: Gtaw, en {uy Ihnen vor, Hlagen weite, Bietet ai
den Demärbiguugen, über Lie @ie Ra —
Die Heirath, um bie es | er zen —X
der vornehmften Pranen treiget“
«gie ‚Helralp!” 35* IA —X
te ſiagen e0 aus,‘ freue bie Rämigin, fa
mehr Ami
ja, ii CH 1
Rx ——— Im ber Bü
u
137
„Ich fchlage es aus, Madame, Ich fchlage es aus.”
Marie Antoinette bereitete fich nun mit einer un,
geheuren Herzensangſt vor, das Blehen zu beginnen.
Andrée warf fich quer durch in dem Augenblick, wo fie
unentichloffen, zitternd, verwirrt auffland, ohne aud)
nur das erſte Wort ihrer Rede feftzuhalten.
„Madame,“ fagte fie, die Königin an ihrem Kleide
zurüdhaltend, denn fie glaubte ſie weggehen zu fehen,
„haben Sie die hohe Gnade, mir den Diann zu nennen,
der midy zur Geiährtin annehmen würde; ich habe fo
fehr in meinem Leben durch die Demüthigung gelitten,
daß der Name dieies edelmüthigen Mannes . . .”
Und fie lächelte mit einer ſtechenden Ironie und
fuhr dann fort:
„Der Balfam fein wird, den ih fortan auf alle
Bunden meines Stolzes legen werde.“
Die Königin zöuerte, Doch es war für fie eine
Nothwendigkeit, die Sache bis zum Ende zu treiben.
„Herr von Charny,“ ſprach fie mit traurigem,
gleichgüiltigem Tone.
„Herr von Charny |” rief Andree mit einem furcht⸗
baren Ausbrud, „Herr Dlivier von Charm!”
„Herr Dlivier, ja,” erwieberte die Königin, ins
—* ge das Mädchen ganz verwunderungsvoll ans
aute.
„Der Neffe von Heren von Suffren?” fuhr Andree
fort, deren Wangen fih mit Burpur übergoflen, deren
Augen glänzten wie Sterne,
„Der Neffe von Herrn von Suffren,“ antwortete
die Königin, immer mehr ergriffen von der Verän⸗
derung, bie in den Zügen von Andree vorging.
„Wie, Madame, mit Herrn Dlivier wollen Sie
mich verheirathen?”
„Mit ihm ſelbſt.“
„Und... er willigt ein?“
„Sr bittet um ihre Hand.”
"Opt ich gebe fie ihm, ich gebe fie ihm,“ rief
138
Andree entzüct, toll, „Mich hat er alfo geliebt! ..
mich liebt er, wie ich ihn liebte!“
Die Königin wich leichenbleih und zitternd ı
einem bumpfen Seufzer zurüd, fie war nahe dar
vernichtet in einen Lehnſtuhl zu füllen, während
wahnfinnige Andree ihr die Kniee, das Kleid Fü
und abwechfelnd ihre Hände mit Thränen befeuch
und mit glühenden Küffen verfengte.
„Bann gehen wir ?" ſagte fie endlich, ale das W
in ihr auf die erflidten Schreie, auf die Seufzer |
gen Eonnte. ’
„Kommen Sie,“ murmelte die Königin, welde
Leben entfliehen fühlte, und ihre Shre reiten wol
ehe fie farb.
Sie ftand auf, Küste fih auf Andrée, deren br
nende Lippen ihre eisfalten Wangen fudyten, und w
rend das Mädchen Anflalten zu ihrer Abreile tı
ſprach mit einem Schluchzen bie unglüdliche- Fürf
diejenige, welche das Leben und die Ehre von drei
Millionen Unterthanen befaß :
„Mein Gott! ift es nun genug ber Leiden für
einziges Herz.
„Und dennoch muß ich Dir danken, mein Gol
fügte fie bei, „denn Du retteft meine Kinder vor
Schande, Du gibt mir das Recht, unter meltı
königlichen Mantel zu flerben! ...“
LXXXIII.
Worin es fich erklärt, warum der Baroı
fett wurde.
Während die Königin über das Schickſal
Fräulein von Taverney in Saints Denis entichied,
fhleunigte Philipp, das Herz zerriffen von Allem d
139
been was er entdeckt hatte, die Vorkehrungen
‚Dreite.
oldat, ber in der Welt umberzulaufen ge:
;raucht nie lange, um zu paden und feinen
| anzuziehen. Aber Philipp hatte mächtigere
be, als jeder Andere, um ſich raſch von
zu entfernen; er wollte nicht Zeuge von der
ihen und nahe bevorflehenden Schande ber
iner einzigen Leivenfihaft, fein.
ſah ihn auch eifriger als je befchäftigt,
e fatteln zu lafien, Fine Gewehre zu laden
m Mantelfad Alles hufammenzubäufen, was
teftes befaß, um das Leben der Gewohnheit
ı, und als er dies Alles beendigt, ließ er
Taverney, dem Bater, melden, er babe mit
schen.
leine Greis kam von Berfailles zurüd;
e nach feinen beften Kräften feine mageren
einen rundlicyen Bauch trugen. Der Baron
drei bis vier Monaten fett, was ihm einen
eh, der ficy leicht begreifen läßt, wenn man
iß die große Rundung bes Leibes bei ihm
al einer vollfommenen Zufriedenheit fein
Mfommene Zufriedenheit von Taverney iſt ein
viele Sinne in fi fließt.
‚aron fam alſo ganz heiter von feiner Pros
ch dem Schloß zuiüd. Er hatte am Abend
il an dem Scandal des Tages genommen.
errn von Breteuil gegen Herrn von Rohan
Herrn von Soubife und Herrn von Gué⸗
n Herrn von Breteuil; Herrn von Provence
Rönigin; Herrn d'Artois gegen Herrn von
er hatte Hundert Berfonen gegen hundert
und nicht einer für Jemand. Gr Hatte
the an Bosheiten und kleinen Schaͤndlich⸗
100
feiten Aingefammelt und kehrte ganz glädli mit dem
— feinem Mebienten erfuße
inte 10n zu Diner, berdlgeitt ec, ren
a dm warten, ganzen Siuheplat,
Beſuch von
um den Petlenhen een, nen
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Abreife vı
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und feine
haltend. \
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ſqhod Che
141
nen Berfen. Dann _fehrte er zu feinem Sohn zurüd
d fagte mit leifer Stimme:
„Bewunderungswürdig! bewunderungswürdig!“
„Sie fpenden mir viel Lob, mein Herr, ohne daß
} weiß, woburd ich es verdient babe,” ermwieberte
hilipp mit Faltem Tone.
„Ab! ah! ah!“ rief der Greis, fi auf den Hüfs
n wiegenb.
„Benn nicht etwa dieſe Heiterfeit durch meine
breiſe verurſacht wird, die Sie von mir befreit, mein
Oh! ob! oh! .. lachte der alte Baron aus
ner andern Tonart. „La! la! ärgere Dich nicht vor
dire, es if nicht der Mühe werth, Du weißt wohl,
N ie „mic nicht von Dir bethören lafle.. . Ab!
" ilipp kreuzte die Arme und „fragte fih, ob diefer
Igeis nicht im Hirn verrüdt würde.
„Dethören, wodurch?“ fragte er.
"Durch D Deine Abreife,, bei ont! bildet Du Dir
ma "ein, id) glaube an Deine Abreiſe?“
„Sie glauben nicht daran?“
56 wiederhole Dir, Champagne ift nicht mehr
ier, ärgere Dich nicht mehr; überdies geftehe ich, daß
a feinen andern Entſchluß zu faſſen hatteſt, und Du
iſſeſt ihn, das iſt gut.“
Mein Herr, Sie fehen mich in einem Grade in
rflaunen ..
„Ja, es ih ziemlich wunderbar, daß ich dies ers
athen babe; aber was willſt Du, Philipp, es gibt
einen Menſchen, der neugieriger iſt, als ich, und wenn
* neugierig bin, ſuche ich; es gibt keinen Menſchen,
lücklicher iſt, als ich, im Finden, wenn ich ſuche;
F abe alſo gefunden, daß Du Dir den Anſchein ibft,
16 wollte Du abreifen, und ich wünfdhe Dir Glück
iezu.“
A 77
BON gebe mir ben Anfchein 4" rief Philipp Ar
gerlich.
Der Greis näherte fi ihm, berührte die Bruf
bes jungen Mannes mit feinen Bingern, weldye f
fnochig, wie die eines Todtengerippes, und ſprach imme
vertraulidher:
„Bei meinem Chrenwort, ich bin feft überzeug
ohne diefes Ausfunftsmittel war Nlles entdeckt. D
greifit die Sache zu rechter Zeit an. Höre, morgen wär
es zu ſpät gewefen. Gehe geichwinde, mein Sohn, geh
gefhwinde.“
„Mein Herr,“ ſprach Philipp mit eifigem Ton
„ich berheure Ihnen, daß ich nicht ein Wort, nidyt ei
einziges Wort von Allem dem, was Gie mir zu fage
mich beehren, verſtehe.“
„Wo wirſt Du Deine Pferde verbergen?“ fuhr de
Greis fort, ohne unmittelbar zu antworten; „Du ba
eine Stute, welche fehr leicht zu ertennen ifl; nimı
Did in Acht, daß man fie nicht Hier fieht, währen
man glauben wird, Du feift .. . Ab! wohin reife
Du dem Anfcheine nach?”
$ „Ich gehe nach Taverney Matfons Rouge, mel
err.”
„But ... fehr gut ... Du fell Di, co
inget Du nah MaifunsRouge .. . Niemand wi
—* hierüber Klarheit verſchaffen ... Oh! fehr q
Dog fei vorfihtig; es find fehr viele Augen auf E
Beide gerichtet.“
„Auf uns Beide! ... Wen meinen Sie denn
„Ste if unaeftüm, fichft Du,“ fuhr ver &
fort. „Ste Hat Ausbrücdhe des Zorn, durch w
fie Alles zu Grunde zu richten im Stande if. N
Did in Acht! fei vernünftiger, als fie.“
„Ah! in der That,“ rier Bhilivp mit einem bur
Zorn, „ich denfe, Sie beluftigen ſich auf meine K
was nidyt liebreich if, das ıchwöre ich Ihnen,
nicht gut ifl, denn Sie fegen mich, betrubt und ı
143
n, ber Unannehmlichfeit aus, bie Achtung
zu verlegen.“
ie wohl, die Achtung; ich ſpreche Dich davon
if groß genug, um unfere Angelegenheiten
n, und Du entledigkt Dich derfelben fo gut,
ir Achtung einflößeft. Du bift der Geronte,
e Eiourdi; gib mir eine Adreffe, an weldye
se Nachricht zufommen laſſen Tann, follte fidy
ngendes ereignen.”
» Taverney, mein Herr,” fprah Philipp im
ber Greie kehre endlich zu feinem gefunden
zurüd.
Du gibR mir eine fhöne Adreſſe! ... nad
anf achtzig Meilen. Du bildet Dir ein,
Dir einen wichtigen, dringenden Rath zukom⸗
fien babe, werde ih mich damit belufligen,
mriere auf der Landftraße nad) Taverney der
nlichfeit wegen umbringe? Ich fage nicht, Du
die Adrefle von Deinem Haufe im Park geben,
meinen Emiſſairen dahin folgen oder meine
fennen könnte, aber wähle eine dritte Adreſſe,
tfernnng von eiuer Viertelſtunde; Du baft
göfraft ... . was Teufels, hat man für feine
gethan, was Dun gethau Haft, fo ift man
von Mitteln.“
Haus im Bart, Liebſchaft, Einbildungsfraft!
t, wir fpielen Räthfel, nur behalten Sie die
ur “
tenne fein fchrofferes und verfchlofieneres Thier,
iR,“ rief der Bater voll Merger, „ih kenne
Ten Zurüdhaltung verlegender IR. Sollte man
ben, Du habeſt bange, von mir verrathen zu
Das wäre ſeltſam!“
n Herr!“ rief Philipp außer ſich.
iſt aut! es ift aut! behalte Deine Geheimniſſe
bebalte das Geheimniß der von Dir gemies
m Jägermeifterei für Dich.“
1m
185
rührte die Zufriedenheit, welche feit einigen Wochen
den Bauch von Herrn von Taverney rundete.
Als Philipp diefen neuen Sumpf von Schändlich⸗
feit entdedt hatte, ſchauderte er, da er ſich durch tag
einzige Weſen barein verfenkt ſah, das mit ihm ge⸗
meinſchaftliche Sache für die Ehre hätte machen müflenz
doch der Schlag war fo heftig geweſen, daß er betäubt,
finmm blieb, während der Baron mit mehr Eifer als
je Iamapie
„Sieht Du, Du Haft da ein Meifterflüd gemacht,“
tagte er, „Du haft alle Welt von der Fährte abgebracht.
Diefen Abend fagten mir fünfzig Augen: Es iſt Rohan.
Hundert fagten mir: Es ift Charny. BZweihundert
fagten mir: Es ift Rohan und Charny! Nicht ein
einziges hat mir gejagt: Es ift Taverney. Ich wieders
hole Dir, Du hat ein Meifterfiüd gemacht, und es ift
das Wenigſte, baß ich Dir mein Compliment hierüber
ausfprecye... Uebrigens gereicht das Dir wie ihr zur
Ehre, mein Lieber. Ihr, weil fie Did) genommen Bat,
Dir, weil Du fie haͤltſt.“
In dem Augenblid, wo Philipp, durch dieſen lebten
Zug wäthend gemadt, mit einem verzehrenden Blick
den unbarmberzigen Öreis niederichmetterte, mit einem
Bl, dem Borfpiele des Sturmes, vernahm man das
Raſſeln eines Wagens im Hof des Hotels, und gewiſſe
Gerauſche, ein gewiſſes Hin- und Hergehen von ſelt⸗
ſamem Gharafter lenkten die Aufmerkfamfeit von Philipp
nach Außen.
Man hörte Ghampagne rufen:
„Dos Fränlein! es ift das Fräulein!“
Und mehrere Stimmen wiederholten:
Be —— gu fragte T lch
e, das ein?" fragte Taverney, „welches
Fräulein iR da?“
. „Ge if meine Schweſter,“ murmelte Philipp, als
ee Audrée erfannte, bie aus dem durch das Licht des
Bortier beleuchteten Wagen flieg.
Das Saloband der Königin. IV. 10
146
„Deine Gäweher!" wiederholle der Sreis ...
„Andıee . . . IR c6 möglich?“
at hätt ns
— satten nu sun
„Bnädiger Herr,“ feste FA — Sekus
34 —2
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au fprehen.“
"Biehen wir ihr ,“ tief der Grie,
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aufdie tr | Mohnuna zug ü
führte,
147
Zu feiner Rechten war ein anderer Heiner Salon,
durch den man in ben großen eintrat.
Philipp Fam zuerfi in das Boudoir, wo ihn feine
Schweiter erwartete. Er hatte in der Flur feine Schritte
verdoppelt, um früher in den Armen dieſer theuren Ges
fährtin zu fein.
Sobald er die Doppeltküre des Salon geöffnet
hatte, nahm ihn Andree beim Halfe und umarmte ihn
mit einer freudigen Miene, an welche diefer traurige
Liebende, dieſer unglüdliche Bruder feit langer Zeit
nicht mehr gewöhnt mar.
„Bütiger Himmel! was begegnet Dir denn?“ fragte
der junge Mann Andree,
„Etwas Glückliches!.. oh! etwas fehr Glückliches,
mein Bruder!“
„Und Du kommſt zurüd, um es mir mitzus
theilen ?“.
„Ich komme für immer zurück!“ fagte fie mit einem
Entzüden bes Glücks, das aus ihrem Ausrufe einen
fyallenden Schrei machte.
„geile, Schweterchen, leiſe,“ fagte Philivp; „das
Täfelwerk dieſes Hauſes ift nicht an die Freude ge-
wöhut, und dann ift dort, oder wird ſogleich dort in
dem Salon Jemand fein, der Dich hören könnte.“
„Semand, wer denn?“ fragte Andree.
„Horde,“ erwiederte Philipp.
„Der Herr Graf von Charny,“ meldete der Ladei,
Dfivier aus dem Kleinen Saale in den großen eins
führend.
„Sr! er!“ rief Andree, ihre Liebfofungen bei ihrem
Bruder verboppelnd, „Oh! ich weiß wohl, was er
bier will.“
„Du weißt es?”
„Ic weiß es fo gut, daß ich die Unorbnung in meis
‚nem Anzug wahrnehme, und daß ich, da ich ven Augen
Ni vorherfehe, wo ich ebenfalls in ben Balon werde
148
eintreten müffen, um bort mit meinen Ohren zu hören,
was Herr von Charny zu Sagen beabfidhtigt ...“
„Sprichſt Du im Ernfte, meine liebe Andree ?“
„Höre, höre, Philipp, und laß mich in mein
Zimmer binaufgehen. Die Königin hat mich ein wes
nig fchnell zurüdgeführt; ich will mein Klofterneglige
gegen ein Gewand ... gegen ein Brautgewand vers
taufchen.“
Und nad diefen Worten, die fie leife und in Be:
leitung eines freudigen Kufles zu Philipp ſprach, ver-
hwand Andree Leicht und braufend auf der Treppe,
die nach ihrer Wohnung führte
Bhilipp blieb allein, legte feine Wange an bie
Thüre, welche das Boudoir mit dem Salon verband,
und horchte.
Der Graf von Eharny war eingetreten. Gr ging
langfam auf und ab und fchien mehr nachzufinnen, als
zu warten.
Herr von Taverney, der Vater, trat ebenfalls ein
und begrüßte den Grafen mit ausgezeichneter, wenn
auch gezwungener Artigfeit.
„Welchem Umftande,“ fagte er, „verbante ich die
Ehre diejes unerwarteten Befudhes, Herr Grai? in jedem
Fall glauben Sie mir, daß ih im höchſten Maße dars
über erireut bin.“
„Sch komme, wie Sie fehen, in Geremonie, mein
Herr, und ich bitte Sie. mich zu entichuldigen, wenn
ich meinen Oheim, den Herrn Bailli von Suffren, nicht
mitgebracht habe, wie ich es hätte thun follen.“
„Wie!“ Rammelte der Baron, „ich entfchuldige Gie,
mein lieber Herr von Charny.“
„Sch weiß, es wäre dies ber Schidlichkeit gemäß
gemeien, bei der Bitte, die ich Ihnen vorzutragen im
egriffe bin.“
„Eine Bitte?”
„Ih habe die Ehre,” ſprach Charny mit einer
Stimme, welche die Aufregung beherrfchte, „ich babe
149
die Ehre, um die Hand von Fräulein Andree von Ta⸗
verney, Ihrer Tochter, zu bitten.“
Der Baron machte gleihiam einen Eprung in
feinem Lehnſtuhl. Er riß funfelnd die Augen auf, welche
jedes von den Worten, die der Graf von Charny ges
fprochen, zu verfchlingen fchienen.
„Meine Tochter!” murmelte er, „Sie verlangen
Andree von mir zur Frau?“
„3a, Herr Baron; wenn nicht etwa Fräulein von
le einen Widerwillen gegen diefe Verbindung
uhlı?“
„Ab!“ dachte der Greis, „Acht Philipp ſchon fo
body in der Bunft, das einer jeiner Nebenbuhler viefe,
feine Schweſter heirathend, benügen will? Meiner
Treu, das iſt auch nicht ſchlecht gefpielt, Herr von
Charny.“
Und mit einen Lächeln erwiederte er laut:
„Diefes Geſuch iſt fo ehrenvoll für unſer Haus,
Herr Graf, daß ich ihm, was mich betrifft, mit großer
Freude eniſpreche, und da mir daran gelegen iſt, daß
Sie eine vollſtändige Ginwilligung von hier mit—⸗
a fo werde ich meine Tochter benachrichtigen
aflen ... .”
„Mein Herr,“ unterbrady ihn der Graf mit Faltem
Tone, „Gie machen fih eine unnöthige Mühe. Die
Königin bat die Gnade gehabt, Zıäulein von Taverney
hierüber zu befragen, und die Antwort des Bräuleine
iR günftig für mich geweſen.“
„AH!“ rief der Baron, immer mehr erflaunt, „es
iR die Königin... .”
„Die fi zu diefem Behufe nach Saints Denis bes
geben hat, ja, mein Herr.“
Der Baron fland auf und ſprach:
„Herr Graf, ih babe Sie nur noch von dem,
was die Lage von Fräulein von Taverney betrifft, im
. Kenntniß zu fegen. Sc babe hier oben die Urfunden
vom Bermögen ihrer Mutter, Sie heirathen Fein
12
„Ich gebe mir ben Anſchein 4" rief Philipp ker
aerlic.
143
ie ich bin, ber Unannehmlichfeit aus, die Achtung
:gen Gie zu verlegen.“
„Ah! ja wohl, die Achtung; ich ſpreche Dich davon
ei, Du biſt groß genug, um unfere Angelegenheiten
ı betreiben, und Du enıledigft Dich derfelben fo gut,
iß Du mir Achtung einflößeft. Du bift der Geronte,
b bin der Etourdi; gib mir eine Adreſſe, an welche
h Dir eine Nachricht zufommen laffen kann, follte ſich
was Dringendes ereignen.”
„Rad Taverney, mein Herr,” ſprach Philipp Im
Hauben, ber reis kehre endlich zu feinem gefunden
jerflande zurüd.
„Gi! Du gibt mir eine fchöne Adreſſe! ... nad
averney, auf achtzig Meilen. Du bildet Dir ein,
enn ich Dir einen wichtigen, dringenden Rath zufom:
ıen zu lafjen babe, werde ich mich damit beluftigen,
aß ich Eouriere auf der Landftraße nach Taverney der
Babrfcheinlichteit wegen umbringe? Ich fage nit, Du
ur mir die Adrefie von Deinem Haute im Park geben,
weil man meinen Emiffairen dahin folgen oder meine
ioreen erkennen fönnte, aber wähle eine dritte Adrefle,
ı der Entfernung von einer Viertelſtunde; Du Haft
!inbildungsfraft . . . was Teufels, hat man für feine
iebihaft getan, was Du gethan Haft, fo ift man
in Mann von Mitteln.”
„Ein Haus im Bart, Liebfchaft, Einbildungsfraft!
Rein Herr, wir fpielen Räthfel, nur behalten Sie die
zchlüſſel für ſich.“
„Ich kenne kein ſchrofferes und verſchloſſeneres Thier,
ls Du biſt,“ rief der Vater voll Aerger, „ich kenne
Hines, deſſen Zurückhaltung verletzender iſt. Sollte man
icht glauben, Du habeſt bange, von mir verrathen zu
erden? Das wäre ſeltſam!“
„Mein Herr!" rief Philipp außer ſich.
„Es ift qut! es if qut! behalte Deine Geheimniſſe
ir Dich; bebalte das Geheimniß der von Dir gemies
beten alten Jägermeifterei für Dich.“
—e$ |
14
„Ih babe bie Jägermeißerei aemieigel? tl" -;
185
üßrte bie Zufrievenheit, welche feit einigen Wochen
en Bauch von Herrn von Taverney rundete,
Als Philipp diefen neuen Sumpf von Schänblichs
sit entdeckt hatte, fchauderte er, da er ſich durch tag
Ingt e Weſen darein verſenkt fah, das mit ihm ge:
ie nfihaftliche Sache für die Ehre hätte machen müflen;
od der Schlag war fo heftig gewefen, daß er betäubt,
in blieb, während der Baron mit mehr Eifer als
e ſchwatzte.
„Siehſt Du, Du Haft da ein Meiſterſtück gemacht,“
agte er, „Du haft alle Welt von der Fährte abgebracht.
Yiefen Abend fagten mir fünfzig Augen: Es ift Rohan.
yundert fagten mir: Es ift Charny. Zweihundert
agten mir: Es iſt Rohan und Charny! Nicht ein
inziges hat mir gefagt: Es ift Taverney. Ich wieder»
ole Dir, Du haft ein Meifterflüd gemacht, und es ift
as Wenigfte, daß ih Dir mein Kompliment hierüber
usſpreche... Uebrigens gereicht das Dir wie ihr zur
ihre, mein Lieber. Ihr, weil fie Dich genommen hat,
Yir, weil Du fie hältſt.“
In dem Augenblid, wo Philipp, durch dieſen Testen
ng wüthend gemacht, mit einem verzehrenden Blick
en unbarmberzigen Greis niederfchmetterte, mit einem
Mid, dem Borfpiele des Sturmes, vernahm man das
taffeln eines Wagens im Hof des Hotels, und gewiſſe
zeräuſche, ein gewifles Hin- und Hergehen von felts
er Byarafieı lenften die Aufmerkfamfeit von Philipp
a ußen.
Man hörte Champagne rufen:
„DIS Fräulein! es ift das Fräulein!“
Und mehrere Stimmen wiederholten:
„Das Fräulein!“
„Wie, das Fräulein?” fragte Taverney, „welches
fräulein if da"
„Es ift meine Schweſter,“ murmelte Philipp, als
? Andrde erfannte, bie aus dem durch das Licht des
Bortier beleuchteten Wagen flieg.
Das Galöband der Königin. IV. 10
186
„Deine Ecmefter!“ inieberholte ver Seid...
„Andiee .. . IR c6 mögliT“
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147
Zu feiner Nechten war ein anderer Fleiner Salon,
irch den man in den großen eintrat.
Philipp Fam zuerfi in das Boudoir, wo ihn feine
hwefter erwartete. Er hatte in der Flur feine Schritte
rboppelt, um früher in den Armen diefer theuren Ges
hrtin zu fein.
Sobald er die Doppeltküre des Salon geöffnet
ıtte, nahm ihn Andree beim Halfe und umarmte ihn
it einer freudigen Miene, an melde diefer traurige
ebende, dieſer unglüdliche Bruder feit langer Beit
ht mehr gewöhnt mar.
„Bütiger Himmel! was begegnet Dir denn?” fragte
e junge Mann Andree,
„Eiwas Glückliches!.. ob! etwas fehr Gluͤckliches,
ein Bruder!“
„Und Du kommſt zuräd, um es mir mitzus
eilen ?”.
„Ich komme für immer zurüd!” fagte fie mit einem
ntzüden des Glücks, das aus ihrem Ausrufe einen
yallenden Schrei machte.
„Leife, Schweterchen, leiſe,“ fagte Philipp; „das
ifelwerk dieſes Haufes ift nicht an die Freude ge-
zhnt, und dann iſt dort, oder wird fugleich dort in
m Salon Semand fein, der Did hören fönnte.”
„Semand, wer denn?” fragte Andree.
„Horche,“ erwiederte Philipp.
„Der Herr Graf von Charny,“ meldete der Lackei,
livier aus dem kleinen Saale in den großen ein⸗
rend.
’ „Er! er!“ rief Andree, ihre Liebkoſungen bei ihrem
‚uber uerboppelnd. „Sb! ich weiß wohl, was er
er will.”
„Du weißt es?”
„Ich weiß es fo gut, daß ich die Unorbnung in meis
m Anzug wahrnehme, und daß ich, da ich ven Augens
ck vorherſehe, wo ich ebenfalls in ben Salon werde
148
eintreten müflen, um bort mit meinen Ohren zu hören,
was Herr von Charny zu fagen beabfichtigt . . .”
„Sprichſt Du im Ernfte, meine liebe Andree ?”
„Höre, höre, Bhilipp, und laß mich in mein
Zimmer binaufgehen. Die Königin hat midy ein wes
nig fchnell zurüdgeführt; ich will mein Klofterneglige
gegen ein Gewand ... gegen ein Brautgewand vers
taufchen.“
Und nad) diefen Worten, die fie leife und in Be:
leitung eines freudigen Kufles zu Philipp ſprach, ver-
wand Andrée leicht und braufend auf der Treppe,
die nah ihrer Wohnung führte
Bhilipp blieb allein, Iegte feine Wange an bie
Thüre, welche das Boudoir mit dem Salon verband,
und horchte.
Der Graf von Eharny war eingetreten. Er ging
langfam auf und ab und fchien mehr nacdhzufinnen, ale
zu warten,
Herr von Taverney, der Bater, trat ebenfalls ein
und begrüßte den Grafen mit ausgezeichneter, wenn
auch gezwungener Artigkeit.
„Welchem Umftande,“ fagte er, „verbante ich die
Ehre viejes unerwarteten Beſuches, Herr Grai? in jedem
Fall glauben Sie mir, daß ih im höchſten Maße dars
über erıreut bin.”
„Sch komme, wie Sie fehen, in Beremonie, mein
Herr, und ich bitte Sie. mich zu entichuldigen, wenn
ich meinen Oheim, den Herrn Bailli von Sufften, nicht
mitgebracht habe, wie ich es hätte thun follen.“
„Wie!“ Rammelte der Baron, „ich entſchuldige Gie,
mein lieber Herr von Charny.“
„Ich weiß, es wäre dies ber Schicklichkeit gemäß
eweien, bei der Bitte, bie ich Ihnen vorzutragen im
egriffe bin.”
„Sine Bitte?“
„Ih habe die Ehre,“ ſprach Charny mit einer
Stimme, welche die Aufregung beherrfchte, „ich Habe
149
e Ehre, um die Hand von Fräulein Andree von Ta⸗
rney, Ihrer Tochter, zu bitten.”
Der Baron machte gleihiam einen Eprung in
inem Lehnſtuhl. Er riß funfelnd die Augen auf, welche
bes von den Worten, die der Graf von Charny ges
rochen, zu verfchlingen fchienen.
„Meine Tochter!" murmelte er, „Sie verlangen
ndree von mir zur Frau?“
„Sa, Herr Baron; wenn nicht etwa Fräulein von
averneh einen Widerwillen gegen diefe Verbindung
„Ah!“ dachte der Greis, „Acht Philipp fchon fo
ich in der Gunſt, daß einer feiner Nebenbuhler viefe,
ine Schwefter heirathend, benügen will? Meiner
ren, das ift auch nicht fchlecht gefpielt, Herr von
barny.“
Und mit einen Lächeln erwiederte er laut:
„Diefes Geſuch ift fo ehrenvoll für unfer Haus,
err Graf, daß ich ihm, was mich betrifft, mit großer
reude entfpredhe, und da mir daran gelegen ift, daß
te eine vollffändige Ginwilligung von Hier mits
Amen, fo werde ich meine Tochter benachrichtigen
fin... .“
„Mein Herr,” unterbrach ihn der Graf mit kaltem
one, „Sie maden fidh eine unnöthige Mühe. Die
önigin hat die Gnade gehabt, Fräulein von Taverney
ierüber zu befragen, und die Antwort des Fräuleins
t günftig für mich aewefen.“
„AH!“ rief der Baron, immer mehr erflaunt, „es
| die Königin. . .”
„Die ih zu diefem Behufe nad) SaintsDenis bes
ben hat, ja, mein Herr.“
Der Baron fland auf und fprad:
„Herr Graf, ih habe Sie nur noch von bem,
as die Lage von Fräulein von Taverney betrifft, im
enntniß zu fegen. Sch habe hier oben die Urfunden
m Bermögen ihrer Mutter, Sie heirathen Fein
150
reiches Mädchen, Herr Graf, und ehe Sie etwas ab:
ſchließen ...“
„Unnöthig, Herr Baron,” unterbrach ihn Charny
trocken. „Ich bin reich für Zwei, und Fraͤulein von
Taverney gehört nicht zu den Frauen, um die man
handelt. Doch es iſt für mich unerläßlich, die Frage,
die Sie für Ihre Rechnung behandeln wollten, für die
meinige zu behandeln.”
Gr hatte kaum dieſe Worte geſprochen, als fid
die Thüre des Boudoir öffnete und Philipp bleicy, ver-
flört, eıne Hand in feiner Weite, die andere krampfhaft
gefchloffen, erſchien.
Charny begrüßte ihn ceremoniös und empfing einen
ähnlichen Gruß.
„Mein Her,” ſprach Philipp, „mein Vater hatte
Recht, Ihnen eine Unterredung über die Familienrech⸗
nungen vorzufchlagen; wir haben Ihnen beide Auf:
Härungen zu geben. Während der Herr Baron in jein
Zimmer hinauf geht, um die Bapiere zu holen, von
denen er jbrach, werde ich die Ehre haben, die Frage
mit Ihnen mehr im Einzelnen zu verhandeln.“
Und mit einem Blide unabweisbarer Autorität
fhicfte Philipp den Baron weg, der fih mit großem
Mißbehagen entfernte, da er einen Duerftrich vorherfah.
Philipp begleitete deu Baron bis an die Ausgangs:
tbüre des fleinen Salon, um ficher zu fein, daß dieſes
Zimmer Iger blieb. Er ſchaute auch in das Bonboir,
kreuzte, nachdem er fich überzeugt hatte, daß er von
Niemand gehört werden fonnte, als vom Grafen, dies
fem gegenuber die Arme und ſprach:
„Herr Graf, wie fommt es, daß Cie es wagen,
die Hand meiner Echweiter zu verlangen ?“
Dlivier wich zurück und erröthete. Bhilipp aber
fuhr fort:
„Etwa, um befier Ihre Liebichaft mit der Frau zu
verbergen, welche Sie verfolgen, mit der Frau, die Gie
151 *
tebt? Damit man, wenn man Sie verheirathet fleht,
sicht lagen fönne, Sie haben eine Beliebte?“
„Wahrhaftig, mein Herr . . .“ flammelte Charny
ſchwankend, niedergefchmettert.
„Etwa,“ fügte Philipp bei, „bamit Sie, der Batte
tiner Frau geworden, weldye zu jeder Stunde in die
Nähe Ihrer Beliebten Eommen wird, mehr Leichtigkeit
haben, fie zu fehen, dieſe angebetete Geliebte?“
„Mein Herr, Sie überfihreiten die Grenzen.“
„Es geſchieht vielleicht, und ich glaube das eher,“
fuhr Philipp ſich Charny nähernd fort: „es geſchieht
ohne Zweifel, damit ih, Ihr Schwager geworden,
nicht enthülle, was ich von Ihrer vergangenen Xieb-
Ihaft weiß “
„Was Ste wiflen,” rief Charny erfchroden, „neh⸗
men Sie ſich in Acht, nehmen Sie fih in Acht!“
„Ja,“ fagte Philipp ſich belebend, „das Haus
des Jägermeifterd von Ihnen gemiethet; Ihre geheim-
nißvollen Spaziergänge im Parke von Berfailles . . .
in der Nadıt . . . Ihre Händedrüde .. . Ihre Seuf-
zer, und befonders jener zärtliche Austaufch von Bilden
an ber Heinen Thüre des Parks. . .“
„Mein Herr, im Namen des Himmels... . mein
Herr, ‚Sie wiſſen nichts, fagen Sie, daß Sie nichts
iſſen.
Ich weiß nichts!“ rief Philivp mit einer blutigen
Ironie. „Wie follte ich nichts wiſſen, ich, der ich im
Geſtraͤuche vor der Thuͤre der Apollo-⸗Bäder verborgen
war als Sie der Königin den Arm reichend herauss
traten.”
Charny machte Zwei Schritte, wie ein Menſch,
der auf den Tod getroffen ift und eine Stüge um fid
her ſucht.
Philipp ſchaute ihn mit einem finftern Stillſchwei⸗
gen an. Gr ließ ihn leiden, er ließ ihm durch diefe
vorübergehende Marter die Stunden unausſprechlicher
Wonne fühnen, die er ihm zum Vorwurfe machte.
ur
152
She zu on Fanen gufommenfinter
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Sit Hatte gutes geairt und wat in —8
153 *
Philipp lief zum Schrei in den kleinen Salon.
erblickte den Leib des Barons von Taverney, den
e Offenbarung der Liebe der Koͤnigin für Charny
den Ruin aller ſeiner Hoffnungen niedergeſchmettert
e.
Vom Schlage getroffen, hatte der Baron den letz⸗
Seufzer von ſich gegeben.
Die Weiſſagung von Caglioſtro war in Erſüllung
angen.
Philipp begriff Alles, felbft die Schmach diefes
es, verließ Hinfeweigend den Leichnam und fehrte
ven Salon zu Charny zurüd, der, zitıernd und ohne
er ed zu berühren wagte, vieles kalte, lebloſe
ne Maͤdchen betrachtete.
Die zwei offenen Thüren ließen die zwei Körper
hauen, welche gleichfam fymmetrifh an dem Orte
a, wo fie der Schlag diefer Enthüllung getroffen
i
e.
Die Augen angefchwollen, das Herz Fochend, hatte
lipp den Muth, das Wort zu nehmen und zu Herrn
Charny zu fagen:
„Der Herr Baron von Taverney ift fo eben geftorben.
u ihm bin id) das Haupt der Familie. Wenn Frans
. von Taverney wieder zum Leben kommt, fo gebe
fie Ihnen zur Che.“
Charny fchaute den Leichnam des Barons mit Ent:
a, den Körper von Andree mit Verzweiflung an.
Philipp riß ſich die Haare mit beiden Händen aus,
ſchlenderte zum Himmel einen Ausımf, ber das
3 Gottes auf feinem ewigen Thron bewegen mußte.
„Sraf von Charny,“ fagte er, nachdem er ben
irm in feinem Innern befhwichtigt hatte, „ich übers
me dieſe Berbindlichkeit im Namen meiner Schwefter,
mich nicht Hört: fie wird ihr Glück unferer Königin
m, und ich werde vielleiht eines Tags glüdlich
ug fein, für fle mein Leben Hinzugeben. Gott
154
beiohlen, Herr von Charny; Gott befohlen, m
Schwager.“
Nach diefen Worten grüßte Philipp Olivier, |
nicht wußte, wie er ſich entfernen follte, ohne an ein
von den Opfern vorbeizufommen, Hub Andree auf,
wärmte fie in feinen Armen und madte fo den X
für den Grafen frei, wonach diefer durch das Boud
verfchwand.
LXXXV.
Tach dem Drachen die Natter.
Es ift Zeit für uns, daß wir zu ben Berfor
unferer Befchichte zurüdfehren, welche die Nothwend
feit und bie Intrigue fowohl, als die hiſtoriſche Wal
heit auf den zweiten Plan verwiefen haben.
Dliva ſchickte ih an, für Rechnung von Jear
zu fliegen, als Beauflre, der nad) der Wiedererlangu
von Nicole feuchte, durch eine anonyme Nachricht
Kenntniß geſetzt, fih bis in ihre Arme geleitet {
und fie von Caglioſtro entführte, während Herr Rete
von Billette vergebens in der Rue du Roi⸗De
wartete.
Um das glüdliche Liebespaar, das zu entded
Herr von Erosne ein fo großes Intereffe hatte, wie
aufzufinden, ließ Frau von La Mothe alle ihre v
frauten Leute in's Feld ziehen.
Sie wollte lieber, wie man leicht begreift, fel
über ihrem Geheimniß wachen, ale e6 den Hänt
Anderer überlafien, und zur guten Durchführung I
Angelegenheit, die fie vorbereitete, war «6 unerläßli
daß Nicole nicht auigefunden werden konnte.
Es läßt fih die Angft nicht ſchildern, die fie an
zuſtehen hatte, als jeder von ihren Emiffiren 1
155
jeiner Rückkehr ihr meldete, die Nachforſchungen feten
vergeblich geweſen.
Sn diefem Augenblid erhielt fie, verborgen, Befehl
auf Befehl, vor der Königin zu erfcheinen und über
en in Beziehung auf das Halsband Rebe
u ſtehen. oo
Berfchleiert, reifte fie nächtlicher Meile nad Bar:
jur-Aupe ab, wo fie ein Abfteigequartier hatte, und
auf Ummegen, ohne erkannt worden zu fein, bier ans
gelangt, nahm fie fi Zeit, ihre Lage unter ihrem
wahren Lichte in’s Auge zu faflen.
Sie gewann fo zwei bis drei Tage, nur mit fi
allein, und fie gab fih die Zeit, und mit der Zeit die
Etärfe, durch eine folide innere Beiefligung das Ge:
bäude ihrer Berleumdungen zu behaupten.
Zwei Tage der Giniamfeit waren für dieſe tiefe
Seele der Kampf, nah deſſen Beendigung der Körver
und der Gein gebändigt fein müßten, nach dem das gebors
fame Gewiſſen fi nicht mehr, ein gefährliches Werf-
zeug, negen die Schuldige umfehren würde, nach dem
das Blut die Gewohnheit angenommen hätte, um das
Herz zu freifen, ohne je zum ®:fihte aufzufleigen, um
hier die Scham oder die Ueberraſchung zu verrathen.
Der König, die Rönigin erfuhren ihren Aufenthalt
in Bar⸗ſur⸗Aube erit in dem Augenblid, wo fie fhon
jum Kriegführen vorbereitet war. Sie ſchickten einen
tigemen Boten ab, um fie zu holen. Da erfuhr fie die
Berhaitung des Cardinals.
Sede Andere, als fie, wäre durch dieſe Fräftige
Dffenfive niedergeichmetiert worden ; doch Jeanne hatte
nichts mehr zu Ichonen. Was war eine Frriheitsirage
in der Wagſchale gegen Fragen über Leben und Tod,
die ſics jeden Tag darin anhäuften?
Als fie die Einferferung des Bardinals und ben
he, den die Königin gemacht hatte, berechnete
€ :
„Die Königin hat ihre Schiffe verbrannt, fie kann
156
unmöglich auf die Vergangenheit zurüdfommen. 5
fie fih weigert, fi mit dem Cardinal zu vergle
und die Juweliere ja bezahlen, ſpielt fie quitt
doppelt. Das beweift, daß fie ohne mid) rechnet
nicht vermuthet, welche Kräfte ich zu meiner
fügung babe.“
Aus diefen Stüden war die Rüflung gen
welche Jeanne trug, als ein Mann, halb Geir
halb Bote, plöglich vor ihr erfchien und ihr anfün!
er fei beauftragt, fiean den Hof zurückzubrin
Der Bote, welder beauftragt war, fie an
Hof zurüdzubringen, wollte fie unmittelbar
König führen; doch mit jener uns befannten Gew:
heit fagte Seanne:
hain ein Herr, nicht wahr, Sie lieben die
n g n 4
„Zweifeln Sie daran, Frau Gräfin?“ erwie
der Bote.
„Nun wohl! im Namen diefer reblichen Liebe
der Ehrfurcht, welche Sie für die Königin hegen
fhwöre ih Sie, mich zuerft zu der Königin zu füh
Der Offizier wollte Einwendungen machen.
„Ste wiffen ficherlich beffer als ih, um was e
handelt,” fprady die Gräfin. „Sie werden baheı
greifen, daß eine geheime Unterredung der Königin
mir nuerlaͤßlich if.“
Ganz jufammengefnetet von den verleumberi
Ideen, welche die Luft von Berfailles feit meh:
Monaten verpefteten, glaubte der Bote, der Köı
wirkli einen Dienſt zu leiften, wenn er Frau
La Mothe zu ihre führte, ehe er fie dem König yı
Man denke fi den Hochmuth, das ſtolze Ben
fein der Königin, als file dieiem Dämon geger
fand, den fie noch nicht kannte, deſſen ſchändli
treulofen Einfluß auf ihre Angelegenheiten fie
wohl muthmaßte. Man dente fi Marie Antotı
eine noch troftlofe Wittwe ihrer Liebe, die dem Ae
157
‚war, Marie Antoinette niebergefchmettert
tleidigung einer Anklage, die fie nicht
mnte, man denke fih Marie Antoinette
fie ih nach fo vielen Leiden anſchickte,
den Kopf der Schlange zu feßen, welde
tte.
benfte Verachtung, der fchlecht bewältigte
5 der Frau gegen die Frau, das Gefuͤhl
teichlichen Mebergewichts der Lage, dies
Jaffen von einer der Gegnerinnen. Ein
Seheimniflen, ein Geiſt voll von Speen, die
zum legten Anftifter, die® war die zweite
ampfes. Die Königin begann damit, daß
ı zwei von ihren Zrauen, mit gefenftem
Menen Lippen und langfamer feierlicher
!intreten ließ. Frau von La Mothe fagte,
zwei rauen erblidte, zu ſich ſelbſt:
as find zwei Zeugen, die man fogleid
ird.“
dlich ſind Sie da, Madame!” rief die
ın findet Sie endlich!“
erneigte fih zum zweiten Mal.
bergen fid alfa?“ fragte die Königin voll
bergen, Madame! nein, Madame,“ er⸗
nne mit einer fanften, Taum tönenden
ob die durch die fönigliche Majeftät ber:
Bemüthsbewegung allein ihren gewöhns
yämpite; „wenn ich mich verborgen hätte,
ı mid nicht gefunden haben.”
» aber doch davon gelaufen? Nennen Sie
Ihnen beliebt.“
st, ich babe Paris verlaflen, ja, Mas
eine Erlaubniß?“
ürchtete, Ihre Majeſtät würde mir bem
ı nicht bewilligen, deſſen ich bedurfte, um
18
meine Angelegenheiten in Barsfur-Aube zu orkmen,
wo ig mid feit fee Zu ufbie, io min de
Bertl.hrer LIT — —— ie
ja) jo
muß es D
nothwendi hc ya ei % * Nagmäre
einer Abweienheit vi Tagen in {9 zu fepen. — 23*
‚Sie haben de Madame; warum haben *
eine Berweigerung des urlande von mir gefkrätet?
159
Hain, „wiſſen Sie, daß Herr von Rohan in ber
tan bat es mir gefagt, Madame.” ‘
‚ie erratben wohl, warum?”
ınne fchaute feſt die Königin an, wandte fid
gen bie Frauen, deren Gegenwart fie zu beengen
und erwieberte:
h weiß es nicht, Madame.“
te wiffen jedoch, daß Sie uns von einem Hals:
fprocyen haben, nicht wahr ?“
on einem Diamanthalsband; ja, Madame,”
ad daß Sie mir von Seiten des Barbindg ein
ven vorgefhlagen haben, um das Halsband
l u
as ift wahr, Madame.“
abe ich das Abkommen angenommen ober aus:
en?"
ure Majeſtät hat es ausgefchlagen.“
h!“ machte die Königin mit einer Mifchung
friedenheit und Erſtaunen.
jre Majeftät Hat fogar eine Abſchlagszahlung
mal hundert taufend Livres gegeben,” fügte
e
ut... und hernach?“
ernach Kat Ihre Majeftät, da fie nicht bezablen
weil ihr von Herrn von Balonne das Geld
ert worden war, das Etui den Juwelieren
und Boffange zurüdgefchidt.“
urch wen zurüuͤckgeſchickt?“
urch mich.“
id Sie, was haben Sie gethan?“
h,“ erwiederte langſam Jeanne, die das ganze
: der Worte fühlte, welche fie auszufprechen im
war, „ih babe die Diamanten dem Herru
l gegeben.“
em Deren Cardinal!“ rief die Königin, „und
4
160
FAR wenn’s beliebt, flatt fie den Jumelieren zuz:
ellen ?"
Feadame, weil ich Herrn von Rohan, der ſich fı
dieſe Sache, die Eurer Majeſtät gefiel, intereſſirt
verletzt hätte, würde ich ihm nicht die Gelegenhe
geboten haben, ſie ſelbſt zu beendigen.“
„Aber wie kommt es, daß Sie einen Empfanı
fein von den Jumwelieren erhalten haben?“
„Herr von Rohan hat mir benfelben übergeben.‘
„Doch der Brief, den Sie dem Juwelier, als tän
er von mir, eingehändigt haben follen ?”
„Herr von Rohan bat mid, ihn zu beftellen.“
„@s ift alfo Herr von Roban, der fich übern
und immer in dieſe Sache gemiſcht Hat,” rief d
Königin.
„Sch weiß weder, was Eure Majeftät hiemit fag.
will, noch in was fih Herr von Rohan gemifcht Hat
erwiederte Jeanne mit zerftreuter Miene.
„Sch fage, der Empfangſchein der Juweliere ſei falfch
„Falſch!“ rief Jeanne voll Unfcyuld, „oh! Madame
„Sch fage, die vorgebliche Verfchreibung für di
Halsband, welche ich unterzeichnet Haben foll, ſei falſch
„Oh!“ rief Seanne, ſcheinbar noch mehr erſtaun
als das erſte Mal.
„Ich fage endlich,“ fuhr die Königin fort, „es f
nothwendig, Sie mit Herrn von Rohan au confrontire
damit wir Aufklärung über biefe ganze Sache erhalten
„Sonfrontiren! Warum ift es nothwendig, Madam
mich mit dem Herrn Garbinal zu confrontiren ?“
„Re tetöf hat es verlangt.”
[2 r
„Er ſuchte Sie überall.“
„Madame, das ift unmöglich.“
„Er wollte Ihnen, wie er fagte, beweifen, daß ©
ihn hintergangen haben.“
„Dh! Madame, zu biefem Ende verlange ich di
Gonfrontation.“
—
161 .
„Sie wird Hattfinden, Madame, das dürfen Gie
‚sen. Gie leugnen alfo, zu wiflen, wo pet
d if?“
„Wie follte ih es wiſſen?“
„Sie leugnen, den Herrn Garbinal bei gewifien
triguen unterflügt zu haben?“
„Enre Majeftät hat jedes Recht, ihre Ungnabe
"mid gu werfen, aber feines, mich zu beleidigen.
ı bin eine Balois, Madame.”
„Der Herr Gardinal Hat vor dem König Verleum⸗
ae, die er auf ernſten Bafen ruhen zu
en hofft.“
„Ih verſtehe nicht.”
Der Cardinal hat erflärt, er Habe mir gefchrieben.“
ane fchaute der Königin in's Geſicht und ants
stete nidhte.
„Hören Sie mi?“ fagte die Königin.
„sh Höre, ja, Eure Majeſtaͤt.“
„Und was antworten Sie?“
„Sch werde antworten, wenn man mich mit beur
ren Garbinal confrontirt bat.“
„Dis dahin, wenn Sie bie Wahrheit wiflen, helfen
und.
„Die Wahrheit it, daß mich Eure Majeflät ohne
laß erniedrigt und ohne Grund mißhandelt.“
„Das iR feine Antwort.“
Ich werde hier Feine andere geben, Madame.”
Feaux⸗ ſchaute die zwei Frauen noch einmal an.
Die Königin begriff, aber ſie gab nicht nad. Die
ugierde konnte nicht die Oberhand über die menfchs
‚e Achtung gewinnen. In den Berfchweigungen von
une, in ihrer zugleich demüthigen und frechen Hals
ig drang die Dreiftigfeit durch, welche aus einem
angten Geheimniſſe entfpringt. Diefes Geheimniß
te die Königin vielleicht durch die Milde erkaufen
men. Aber He wies ein foldyes Mittel als ihrer
würbig von {
. 162
Here on Bkohan IR In bie Befiie gahrad
won weil er zu Bi fpregen melte,“
* —* are at
Fr nit — wel fe a
en u yerfte ihre —* iin su, uni
f wi — kümmert.
——
DL. faule — — —⏑⏑—⏑⏑—
163
anſtoßende Zimmer und fchlug voll Heftigfeit bie
Thüren zu.
„Nachdem ich ben Drachen beftegt habe, eich
wohl die Natter zertreten,“ fagte fie.
„Ich kann ihre Spiel auswendig, und ich glaube,
daß ich gewonnen habe,“ dachte Seanne.
LXXXVI.
Wie es kam, daß Herr von Beaufire, während
er den Hafen jagte, felbjt von den Agenten
von Herrn von Crosne gejagt wurde.
Frau von La Mothe wurde nach dem Willen der
Königin eingefperrt.
ein Erſatz fonnte angenehmer für den König fein,,
ber dieſe Frau inflinftartig haßte. Der Prozeß über
das Halsband wurde mit all der Muth inftruirt, mit
welher zu Grunde gerichtete Kaufleute, die fih aus
ver Berlegenheit zu ziehen hoffen, Angeflagte, die der
Auflage entgehen wollen, und volfsthümliche Richter
m Werke gehen fünnen, weldye in den Händen die
Ehre oder das Leben einer Königin haben, abgefehen
von der @itelfeit oder dem Parteigeiſt. J
Es war nur ein Schrei durch ganz Frankreich.
Anden Ruancen diefes Schreies vermochte die Königin
ipre Barteigänger oder ihre Feinde zu erfennen und zu
äblen.
u Seitdem er eingeiperrt war, verlangte Herr von
Roban dringend, mit Frau von La Mothe confrontirt
n werben. Diefe Befriedigung wurde ihm gewährt.
Brinz lebte in der Baftille wie ein vornehmer
Herr in einem Haufe, das er gemiethet. Außer der
Freiheit wurde ihm auf fein Verlangen a bewilligt.
1
164
Der Prozeß Hatte von Anfang geringfügige Ders
hältnkge angenommen, in Berreff des Standes der
angeſchldigten Perſonen. Man wunderte fi, wie ein
Rohan des Diebitahls angeklagt werden konnte. Die
Dfficiere und der Gouverneur ber Baftille bezeigten
auch dem Cardinal jede Ehrfurcht, jede dem Unglüd
ſchuldige Achtung. Yür fie war er fein Angeflagter,
fundern ein in Ungnade Gefallener.
Das wurde noch ganz andere, ale es fih im
PBublifum verbreitete, Herr von Rohan falle ale Opfer
der Intriguen des Hofes. Es mar nidht mehr Eym;
pathie für den Prinzen, fondern Begeifterung.
Und Herr von Rohan, einer der Erften unter den
Edlen des Reiches, begriff nicht, daß ihm die Liebe dee
Bolfs einzig und allein dadurd zufam, baß er durch
Edleres, als er, verfolgt wurde. Herr von Rohan,
das legte Opfer des Derpotismus, war der That nad
einer der erften Revolutionäre von Frankreich.
Seine Unterrevdung mit Frau von La Mothe wart
durch einen merfwürdigen Umſtand bezeichnet. Der
Gräfin, der man, fo oft es fih um bie Königin ban-
delte, leife zu ſprechen geflattete, gelang es, zum ar:
dinal zu fagen: °
„Bntfernen Sie Jedermann, und id) werde Ihnen
die Aufklärungen geben, die Sie haben wollen.“
Da verlangte Herr von Rohan allein zu fein unt
mit leifer Stimme zu fragen.
Man verweigerte es ihm, aber man ließ feiner
Gonfulenten fiy mit der Bräfin beiprecdyen.
Mas das Halsband betrifft, fo erwiederte fie. fie
wife nicht, was daraus geworden, aber man hätte er
wohl ihr geben fünnen.
Und als der Conſulent, betäubt von der Frechheit
diefer Frau, darüber auffchrie, fragte fie ihn, ob der
Dienſt, den fle der Königin und dem Bardinal geleifet,
nicht eine Million werth fel.
Der Advocat wiederholte biefe Worte dem Garbinal,
165
erbleichte, neigte das Haupt und errielh,
: in die Schlinge diefer höllijchen Bogelfäpgerin
en war.
0 wenn er fchon daran dachte, den Lärm
Angelegenheit, weldyer die Königin zu Grunde
e, zu erftiden, fo trieben ihn feine Freunde au,
»indfeligfeiten nicht zu unterbrechen.
dan wandte ihm ein, feine Ehre fei im Spiele;
idle fi um einen Diebſtahl; ohne einen Sprud
arlaments wäre die Unfchuld nidyt erwielen.
m aber diefe Unfhuld zu beweifen, mußte man
eziehungen bes Cardinals zu der Königin und
b das Berbrechen von diefer beweifen.
ſei dieſer Betrachtung erwiederte Seanne, fie
die Königin ebenfo wenig anflagen, ale ben
sal, wenn man fie aber beharrlich für das Hals⸗
erantwortlich machte, fo würde fie thun, was fle
Inn wollte, das heißt, fie würde beweifen, bie
in und ber Gardinal haben ein Intereſſe dabei,
: Lüge zu befchuldigen.
Is man diefe Schlüffe dem Cardinal mittheilte,
te der Prinz feine ganze Verachtung gegen dies
, weldye davon ſprach, fie wolle ihn fo opfern.
zte bei, er begreife bie auf einen gewiffen Grad
enehmen von Jeanne, aber er begreife das der
in durchaus nicht.
er Königin überbragt und mit Gommentaren
a, erzürnten biefe Worte Marie Antoinette und
n fie aufipringen. Sie wollte dann, baß ein
eres Berbör auf die geheimnißvollen Theile diefes
ſes gelenkt werben jollte. Die große Beſchwerde
htlichen Zufammenfünite erjchien nun, enthäfft
iteften Lichte vor ten Berleumdern und Nerig⸗
sachern.
a fab fi aber die unglüdlice Königin ſchwer
t.... Jeanne behauptete, das, wovon man ihr
nicht zu Tennen, und zwar vor den Leuten ber
Köni, —X vn A es 23* wer
m ,
“ Meat Ta ade, Kon werte 14 fun."
ihr bie Kae ‚einer Heldin gegeben und
bebten, ind SBretecslirn benistben,
uno Ych Teln Sukraktlonhriäne 3 wagen Dir Berhtee
der Gräfe
deten und
Bohlgernd
Amoivhär
jan
theidiger,
Die 9
Diamant!
geRoblen
% ae,
—*8
et !
Base 1a
en Biel
er
au drehen
167
geſchloſſen, der feinen andern Ausgang hatte
Schande.
ließ ſich nicht nieberfchlagen; fie befhloß, zu
der König unterflügte fie.
Minifterium untertügte fie auch und zwar
feinen Kräiten. Die Königin erinnerte ſich,
von Rohan ein ehrlicher Mann und unfähig
e Frau zu Grunde zu richten. Sie erinnerte
: Sicherheit, ale er zu den Rendezvous in
3 zugelaſſen worden zu fein ſchwur.
ſchloß daraus, der Cardinal fei nicht ihr
arer Feind, und er habe wie fie nur ein
der Ehre bei der Frage.
lentte von da an den Prozeß mit aller Ans
gegen die Gräfin; und man ſuchte auf bas
die Spuren bes verlorenen Halsbande.
Debatte über die Befchuldigung chebrecherifcher
annchmend, warf die Königin auf Jeanne
:fchmetternde Anflage des Betrugs und bes
5 zurüd.
—* gegen die Gräfin, die Vorgänge in
heren Leben, ihre erfie Armuth, ihre feltiame
; der Adel nahm diefe Zufallsprinzeiftn nicht
olk Fonnte fie nicht als fein Eigenthum zurüds
das Volk haßt inftinktartig die Abenteurer,
t ihnen nicht einmal den glüdlichen Erfolg.
ie bemerfte, daß fie einen faliben Weg ein=
hatte, und daß die Königin, indem fie id
ge unterzog, indem fie der Zucht vor dem
icht wid, den Barbinal aufforderte, fie nach⸗
daß diefe zwei reblichen Perfonen am Ende
ndigen und das Licht finden würden, und daß,
na file unterlägen, dies in einem fo furchtbaren
fhehen müßte, daß fie unter ſich die arme
ois zermalmten, diefe Prinzeifin einer geſtoh⸗
lion, die fie nicht einmal bei der Hand hatte,
lichten zu beſtechen.
168
Man war fo weit, als eine neue Epifode e
bie das Angeſicht der Dinge veränderte.
Herr von Beaufire und Mademoiſelle Oliva
glüklih und reich in einem Landhaufe, ale eine
ber gnädige Herr, der Madame allein gelafim
um auf die Jagd zu gehen, in die Gefelliha:
zwei von ben Agenten gerieth, weldye Herr von (
durch ganz Frankreich verzettelte, um eine Entwic
diefer Intrigue zu erlangen.
Die zwei Liebenden wußten nichi® von dem
in Paris vorging; fie dachten nur an fid
Mademoifelle DOliva wurde fett wie ein Wieft
einem Speicher, und Herr Beauſtre hatte, mi
Glüd, jene unruhige Neugierde verloren, das
fheidende Merkmal der Raubvögel wie der Rau
fchen, den Charafter, ben die Natur den Binen uı
Andern für ihre Erhaltung gegeben hat.
Beaufire war, wie nen t, an diefem Tage c
Hafenjagd gegangen. Er hieß auf einen Flug
hühner, was ihn quer über eine Straße zu
veranlaßte. So fand er, etwas Anderes fuchen
er hätte fuchen follen, was er nicht fuchte.
Die Agenten fuchten auch Dliva, und fie
Beaufire. Das find die gewöhnlichen Launen der
Einer von diefen Spürhunden war ein 9
von Geiſt. Als er ihn erfannt Hatte, machte cı
ihn ganz ungeſchlacht zu verhaften, was nichts
tragen Baer würde, folgenden Entwurf mit
Gefährten:
„Beaufire jagt, er ift alfo ziemlich reich und zi
frei; er bat vielleicht fünf oder ſechs Lonisd'or
ner Tafche, aber er kann möglicher Weife drei bi
hundert Louisd’or in feiner Behanfung haben; d
wir dort ein und feßen wir ihn auf Löfegelv.
Paris zurückgebracht, wird uns Beauflre nur 5
Livres eintragen, wie jeder gewöhnliche Yang
wird uns noch ausſchelten, daß wir das Gefi
169
wegen einer unbebentenden Perfon überfüllt haben.
Machen wir aus Beanflre eine perjünliche Speculation.“
Sie fingen an Nebhübner zu jagen wie Herr
Beaufire, Hafen wie Herr Beaufire, und indem fie den
Hund aufmunterten, wenn es dem Hafen galt, und durch
den Klee trieben, wenn es dem Rebhuhn galt, verließen
fie ihren Mann nicht um eine Sohle.
Beauſire, ale er die Fremden fah, die ſich in die
Jagd miſchten, war Anfangs fehr erftaunt, dann fehr
zornig. Er War eiferfühtig auf fein Wildpret gewor:
den, wie jeder aute Strohjunfer; er war aber auch
argmöhnifhy in Betreff neuer Befanntichaften. Statt
dieſe Jünger, die ihm der Zufall gab, felbft zu befra-
gen, ing er gerade auf einen Feldſchützen zu, den er
anf der Ebene fand, und beauftragte ihn, bie Herren
zu fragen, warum fie auf diefem Gute jagten.
Der ersfpüpe erwieberte, er fenne die Herren
nicht ale in der Gegend zu Haufe, und fügte bei, es
jei fein Wunſch, fie in ihrer Jagd zu unterbrechen,
was er auch that. Doch die zwei Aremden erwieberten,
fe jagen mit ihrem Freunde, dem Herrn bort.
So bezeichneten fie Beaufire. Der Feldſchütze
füßrte fe zu ihm, trog alles Verdruſſes, dem dieſe
Gonfrontalion dem edlen Jäger bereitete.
„Herr von Linville,“ fagte er, „biefe Herren be-
haupten. fie jagen mit Ihnen.“
„Mitmir!” riefBeaufire aufgebracht; „ah! ja wohl.“
„Wie!“ fagte einer von den Agenten leife zu ihm,
„Sie Heißen alfo auch Herr von Linville, mein lieber
Beaufire?“
Beaufire bebte, er, ber feinen Namen fo gut in
diefer Gegend verbarg.
Gr ante den Agenten, dann beflen Gefährten
wie ein betretener Menſch an, glaubte unbeflimmt dieſe
Geſfichter zu erkennen, undentließ, um die Dinge nicht
zu verſchlimmern, den Yeldichügen mit der Agwierkung,
er nehme die Jagd biefer Herren auf ſich æ
170
„Sie kennen fie alſo?“ fragte der Feldſchütze.
„Sa, wir haben-uns erfannt,” erwiederte einer
von den Agenten.
Beaufire fand fi nun, fehr verlegen, wie er mit
ihnen fprechen follte, ohne fich zu gefährden, ben zwei
Jägern gegenüber.
„Bieten Sie uns ein Frühſtück an, Beanſire,“
fagte der Gewandtere von ben beiden Agenten, „in
Shrem Haufe.”
„Sn meinem Haufe! aber... .” riefeBeaufire.
„Sie werden nicht fo. unhöflich gegen uns fein,
Beaufire . . .“
Beaufire hatte den Kopf verloren, er ließ fi mehr
führen, als er führte,
Die Agenten, ſobald fie das Eleine Haus erblidten,
lobten feine @leganz, feine Lage, die Bäume, Pie
Ausfiht, wie es Leute von Geſchmack thun mußten,
und Beaufire Hatte auch in der That einen reigenden
Ort gewählt, um fein Liebesneft darein zu feßen.
Es war ein Thal mit vielen Baumgruppen und
von einem Flüßchen durdhichnitten; das Haus erhob
fih auf einer Anhöhe gegen Often. Gin Schilderhans,
eine Art von Glockenthurm ohne Glocke, diente Beaufire
als Dbfervatorium, um die Gegend an Tagen des
Spleen zu überfchauen, wenn feine roſigen Ideen vers
welften und er in jedem über feinen Pflug gebüdten
Adersmann einen Alguazil erblidte.
Nur auf einer Seite war biefes Gebäude lachend
und fichtbar, auf der andern verfchwand es unter den
Baumgruppen und den Erhöhungen des Terrain.
„Wie gut ift man da innen verborgen!” fagte einer
von den Agenten mit Bewunderung zu ihm.
Beaufire bebte bei dem Scherz und trat zuerfi in
fein Haus, unter dem Gebell der Hofhunde.
Die Agenten folgten ihm mit vielen Geremonien.
171
LXXXVI.
Die Enrteltauben werden inden Käfig gebracht.
Dabei, daß er durch die Hofihüre eintrat, Hatte
Beaufire feine Idee: er wollte Lärm genug erregen,
um Dliva darauf aufmerffam zu machen, daß: fie auf
ihrer Hut fein folte. Ohne etwas von der Halsbande
Angelegenheitsgu wiffen, wußte Beaufire genug Dinge
in Betreff der Sache des Balls, der Oper und ber
Kufe von Mesmer, daß er bange hatte, Oliva Fremden
zu zeigen.
Gr handelte vernünftig, denn die junge Frau,
weldye leichtfertige Romane auf dem Sofa ihres Fleinen
Salon las, hörte die Hunde bellen, fchaute in den
Hof und fah Beaufire mit Begleitern, was fie abhielt,
ihm wie gewöhnlich entgegen zu gehen.
Zum Unglüd waren diefe zwei Turteltauben nicht
außer dem Bereiche der Beiersflauen. Man mußte das
Frühſtück beftellen, und ein ungefchidter Diener — die
Leute vom Lande find Feine Frontins — fragte zwei⸗
oder dreimal, ob er die Befehle von Madame einholen
follte.
Bei diefem Wort fpigten die Spürhunde bie Ohren.
Sie verfpotieten Beaufire angemefien über biefe vers
borgene Dame, deren Gefellfhaft für einen @inflebler
die Würze aller Glückſeligkeit ſei, welche bie Eins
famfeit und das Geld verleihen.
Zeanſire ließ fih verfpotten, aber er zeigte Oliva
nicht.
Man trug ein reichlihes Mahl auf, dem die
Agenten Ehre anthaten. Man trank viel und brachte
oft die Gefundheit der abwelenden Dame aus.
Beim Nachtiſch harten fi) die Köpfe erhigt, bie
Herren von ber Polizei dachten, es wäre unmenfchlich,
die Folter diefes Wirthes noch mehr zu verlängern,
und brachten das Geſpräch geſchickt darauf, welches
gnügen es guten Herzen gewähre, alte Befannte wii
zufinden.
Worauf Beauftre, während er ein Fläfchchen
Liqueur von den Infeln entpfropfte, die zwei Unbefan
fragte, an welchem Orte und unter welchen Umftäi
er mit ihnen zufammengetroffen fei.
„Wir waren, fagte der Bine von ihnen, |
waren die Freunde von einem Ihrer Verbündeten
Zeit eines Eleinen Geſchäftes, das Sie in Thei
mit Mehreren machten, des Geſchäftes mit der yı
giefiſchen Gefandtichaft.”
Beaufire erbleihte. Wenn foldye Angelegenh
berüßrt werden, glaubt man immer ein Stridenv
den Falten feines Halsbandes zu fühlen.
„Ab! wahrhaftig," fagte er, zitternd vor !
legenheit, „und Sie fommen und verlangen von
für Ihren Freund ...“
„In der That, das ift eine Idee,“ ſprach Teifı
Alguazil zu feinem Kameraden, „bie Einführung
fo ein ehrlicheres Ausfehen. Bine Wiedererflat
im Namen eines abwefenden Freundes fordern, da
moraliſch.“
„Mehr noch. Damit find alle Rechte auf
Uebrige vorbehalten,“ erwiederte der Freund des
raliſchen mit einem ſüß-ſauren Lächeln, das Beaı
vom Scheitel bis zu den Zehen beben machte.
„Alſo?“ fagte er.
„Dein lieber Herr Beauſire, e8 wäre ung
angenehm, wenn fie Einem von uns den Theil uni
Freundes zurüdgeben würden. Ich glaube, fo ı
zehn taufend Livres.“
„Wenigflens, denn man ſpricht nicht von den
tereſſen,“ ſagte der Kamerad voſitiv.
„Meine Herren,“ erwiederte Beauſire, dem
Feftigkeit diefer Korderung die Kehle zufammenfchn:
„man bat nicht zehn taufend Livres bei ſich auf dem Laı
&
173
„Das verficht fi, Tieber Herr, und wir forbern
* de⸗ Möogliche. Wie viel können Sie ſogleich
geben?“
„Ich habe fünfzig bis ſechzig Louisd'or, nicht mehr.“
„Bir fangen damit an, daß wir fie nehmen, und
werden Ihnen tür Ihre Höflichkeit danfen.“
„Ab!“ dachte Beaufire, entzückt über ihre Bereit-
willigfeit, „fe find von fehr guter Befchaffenheit. Soll:
ten fie etwa fo fehr bange vor mir Haben, als ich vor
ihnen babe? Verſuchen wir es.“
Und er überlegte fih, daß diefe Herren, follten
fie ſehr laut fchreien, es nur dahin brädten, daß fie
fh ale Mitfcyuldige von ihm befennen würden, und
daß dies für die Provinzbehörden eine fchlechte Ems
pfehlung wäre. Beaufire fchloß, dieſe Leute würden
fi ufrieben erklären und ein vollfommenes Still-
jyweigen beobachten.
Sn feinem unvorfihtigen Bertrauen ging er fo
weit, daß er es bereute, ihnen nicht dreißig Louisd'or
ſtatt ſechzig angeboten zu haben; aber er gelobte ſich,
nachdem er die Summe gegeben, fich fehr raſch diefer
Leute zu entlebigen.
‚Er machte die Rechnung ohne feine Bäfte; dieſe
befanden ſich fehr wohl bei ihm; fie genoflen jene felige
Zufriedenheit, welche eine angenehme Berbauung vers
ſchafft; fie waren gut für den Augenblick, weil fi
fireng dan fie angeftrengt hätte.
„Es if ein reizender Freund, dieſer Beaufire,“
fagte der Bofltiv zu feinem Kameraden. „Sechzig
Louisb’or, die er uns gibt, find Lieblich zu nehmen.”
„Ih will fie Ihnen jogleich geben,“ rief der Wirth
erſchrocken, als er feine Säfte in backhifche Vertraulichs
keiten ausbrechen ſah.
„Es hat keine Eile,“ erwiederten die zwei Freunde.
Doch, doch, mein Gewiſſen wird nur frei fein,
wenn ich Sie bezahlt Habe. Man ift delicat, oder man
iR es nicht.“
174
Und er wollte fie verlafien, um das Gelb zu Hole
Doch dieſe Herren hatten Gerichtspienergewoh
heiten, eingewurzelte Gewohnheiten, die man ſchw
verliert, wenn man fie einmal angenommen hat. Die
Herren mußten fid nicht von ihrer Beute zu trenne
wenn fie diejelbe einmal in den Händen Hielten. €
laßt der gute Jagbhund fein verwundetes Feldhuhn n:
los, um es dem Jäger zu übergeben.
Der gute Gerichtspiener ift derjenige, welcher, wer
einmal der Bang gemadt iſt, diefen weder mehr n
dem Finger, noch mit dem Auge verlüßt. Er weiß
genau, wie launenhaft das Schidfal gegen die Jäg
it und wie fehr das, was man nicht mehr ferhä
fih entfernt.
Mit einem bewunderungswürbigen Enfemble rief
auch Beide, fo fehr fie betäubt waren:
„Herr Beauflire! mein lieber Beaufixe!
Und fie Bielten ihn am Flügel feines Rodes v
grünem Tuch zurüd.
„Was gibt es?“ fragte Beaufire.
„Haben Sie die Güte, verlaffen Sie uns nicht
erwiederten fie, während fie ihn zum Nieverfig
nöthigten.
„Aber wie foll ich Ihnen denn das Geld gebe
wenn Sie mich nidht Hinanfgehen lafien ?“
„Wir werden Sie begleiten,“ antwortete der 9
fitiv mit einer erſchrecklichen Zärtlichkeit.
„Es it... es if das Zimmer meiner Frau
entgegnete Beaufire.
iefes Wort, das er als eine Binwendung |
fracdhtete, der nicht widerfprochen werden fünnte, w
für die Shirren der Funfe, der das Feuer an >
Pulver legte.
Ihre brütende Unzufriedenheit — ein Gericht
diener {ft immer über etwas unzufrieden — nahm ei
Form, einen Körper, eine Urjache an.
175
„AH!“ rief der Erfte von den Agenten, „warum
bergen Sie ung Shre Frau?”
„sa, find wir nicht präfentabel?“ fagte ber Zweite.
„Wenn Sie wüßten, was man für Gie geihan
‚ wären Sie artiger,“ fprach der Erſte.
„Und Sie würden uns Alles geben, was wir ver-
gen,“ fügte keck der Zweite bei.
„Ab! Sie flimmen einen fehr Hohen Ton an, meine
een,“ fagte Beaufire.
„Wir wollen Deine Zrau fehen,” erwiederte ber
„Und ich, ih erkläre Ihnen, daß ih Sie hinaus:
fen werbe,* entgegnete Beaufice, ftark durch ihre
mkenheit.
Sie antworteten ihm mit einem ſchallenden Ge⸗
ter, das ihn Hätte klug machen müſſen. Er trug
ı feine Rechnung, wurde hartnäckig und rief:
„Run follt Ihr auch nicht einmal das Geld be-
ımen, das ich Euch verfprochen habe, und Ihr wer:
Euch aus dem Staube machen.”
Sie lachten noch furcdhtbarer, als das erfle Mal,
‚ Zitternd vor Zorn, ſprach Beaufire mit erflicter
mme:
„Ich begreife Euch, Ihr werdet Lärm machen und
schen; doch wenn Ihr fprecht, flürzt Ihr Euch in’s
:derben, wie mich.“
Sie lachten fortwährend unter fih, der Spaß
ı ihnen treffli vor. Das war ihre einzige Antwort.
Beaufire glaubte fie durch einen Kraftſtreich zu
hrecken und flürzte nach der Treppe, nicht wie ein
nich, der Louisd'or holen will, fondern wie ein
thender, ber eine Waffe holen will. Die Sbirren
den vom Tifche auf, liefen, ihrem Grundſatz ge⸗
\, Beaufire nach und legten ihre breiten Hände an ihn.
Diefer ſchrie, eine Thüre öffnete fih, und. eine
m erfchien ängklih, erſchrocken auf der Schwelle
Zimmer des erften Stodes. oo
174
Und er wollte fie verlafien, um das Gelb zu |
Doch diefe Herren hatten Gerichtspienerge!
heiten, eingewurzelte Gewohnheiten, die man |
verliert, wenn man fle einmal angenommen hat.
Herren wußten fi) nicht von ihrer Beute zu trı
wenn fie diejelbe einmal in den Händen hielten.
läßt der gute Jagbhund fein verwundetes Feldhuh
los, um es dem Jäger zu übergeben.
Der gute Gerichtödiener iſt derjenige, welcher,
einmal der Bang gemadht if, diefen weder meh
dem Finger, noch mit dem Auge verläßt. Er wı
genau, wie launenhaft das Schidfal gegen bie
R und wie fehr das, was man nicht mehr fe
fih entfernt.
Mit einem bewunderungswürbigen Enfemble
auch Beide, fo fehr fie betäubt waren:
„Herr Beaufire! mein lieber Beaufire!
Und fie Hielten ihn am Ylügel feines Rode
grünem Tuch zurüd.
„Was gibt es?“ fragte Beauftre.
„Haben Sie die Güte, verlaffen Sie ung ı
erwiederten fie, während fie ihn zum Niede
nötbigten.
„Aber wie foll ich Ihnen denn das Geld
wenn Sie mich nicht hinaufgehen lafien ?”
„Wir werden Sie begleiten,” antwortete de
fitiv mit einer erfchredlichen Zärtlichkeit.
„Es if... es if das Zimmer meiner 9
entgegnete Beaufire.
Diefes Wort, das er als eine Einwendun
trachtete, der nicyt widerfprochen werben Fünnte,
für die Shirren der Zunfe, der das Feuer aı
Pulver legte.
Ihre brütende Unzufriedenheit — ein Bei
diener ift immer über etwas unzufrieden — nahn
Form, einen Körper, eine Urfache an.
175
„Ah!“ rief der Erfte von ben Agenten, „warum
verbergen Sie uns Ihre Frau?“
Kr find wir nicht präfentabel?” fagte der Zweite.
„Wenn Sie wüßten, was man für Sie geihan
bat, wären Sie artiger ,“ ſprach der Erfte.
„Und Gie würden uns Alles geben, was wir ver-
langen,“ fügte keck der Zweite bei.
„Ah! Sie ſtimmen einen fehr Hohen Ton an, meine
Herren ‚“ fagte Beaufire.
„Wir wollen Deine Frau ſehen,“ erwieberte ber
Gbirre Bofltiv.
„Und ih, ih erlläre Ihnen, daß ih Sie hinaus:
werbe,” entgegnete Beaufire, ſtark durch ihre
Trunkenheit.
Sie antworteten ihm mit einem ſchallenden GOe⸗
laͤchter, das ihn hätte klug machen müſſen. Er trug
dem feine Rechnung, wurde hartnädig und rief:
„Run follt Ihr auch nicht einmal das Geld be:
fommen, das ich Endy verfprochen habe, und Ihr wer:
bet Euch aus dem Staube machen.”
Gie lachten noch furchtbarer, als das erſte Mal.
Sitternd vor Zorn, ſprach Beaufire mit erflidter
Stimme:
„Ich begreife Euch, Ihr werdet Lärm machen und
fprechen; doch wenn Ihr ſprecht, flürzt Ihr Euch in’s
Berderben, wie mich.”
Sie lachten fortwährend unter fih, der Spaß
fam ihnen treffli vor. Das war ihre einzige Antwort.
Beauſitre glaubte fie durch einen Kraitftreich zu
erſchrecken und flürzte nach der Treppe, nicht wie ein
Menſch, der Louisd’or holen will, fondern wie ein
Wüthender, der eine Waffe holen will. Die Shirren
fanden vom Tifche auf, liefen, ihrem Grundſatz ge⸗
treu, Beauflre nach und legten ihre breiten Hände an ien.
Diefer fchrie, eine Thüre öffnete fih, und eine
Fran erfchien ängklih, erfchroden auf der Schwelle
der Zimmer des erften Stodes.
176
Als fie diefe Frau fahen, Liegen fie Beaufire los
und fließen auch einen Schrei aus, dod einen Schrei
der Freude, des Triumphs, wilder Craltation.
Sie hatten diejenige getroffen, welche fo fehr der
Königin von Frankreich glich.
Beaufire glaubte fie einen Augenblid durch bie
Erfheinung einer Frau entwaffnet, aber er war bald
graufam enttäufcht.
Der Pofitiv näherte fih Mile. Oliva und ſprach
mit einem, in Rüdfiht auf die Achnlicyfeit, zu wenig
bölflicden Ton:
„Ahl ah! ich verhafte Sie.“
„Sie verhaften!“ rief Beauſire; „und warum ?“
„Weil uns Herr von Grosne den Befehl gegeben
hut,“ erwieberte der andere Agent, „und weil wir iu
Dienften von Herrn von Crosne find.”
Hätte der Blitz zwiihen dem Liebespaare einges
ſchlagen, es wäre weniger darüber erfhroden, ale über
diefe Erklärung.
„So ift es, wenn man fidh nicht artig benimmt,“
fagte ver Bofltiv zu Beaufire.
„Du haft Recht, Legrigneur; benn wenn Beauſire
artig gewefen wäre, hätte er und Madame gezeigt, und
wir hätten Madame mit allem Anftaud feſtgenommen.“
Beauftre drüdte feinen Kopf in feine Hände. Er
dachte nidht einmal daran, daß feine zwei Dienfiboten,
ein männlicher und ein welblicher, dieje Scene, welde
en auf den Stufen vorging, unten von ber Treppe
örten.
Gr hatte eine Idee; fie lächelte ihn an: fle ers
frifchte ihn fogleich.
„Ihr feid gefommen, um mid zu verhaften ?“ fagte
er zu den Agenten.
‚Nein, das ift Zufall,” antworteten fle naiver
eife.
„Bleichviel. Ihr Eonntet mich verhaften und für
ſechzig Louisd’or Tießet ihre mich in Breiheit.“
177
„DB! nein, es war unfere Abficht, noch ſechszig
„Und wir haben nur ein Wort,“ fuhr der Andere
fort; „für Hundert und zwanzig Louisd'or laffen wir
Sie auch frei.”
„Aber... Nadame?“ fragte Beaufire zitternd.
„Ah! Madame... das iſt etwas Anderes,“ ant⸗
wortete der Bofltiv.
„Madame if zwei Hundert werth, nicht wahr?“
ſagte Beauſtre haſtig.
Die Agenten fingen wieder das furchtbare Gelächter
un, das Beanfice diesmal leider begriff.
„Drei hundert . . .* fagte er, „vier Hundert...
taufend Lonisd'or ... Ich gebe Euch taufend Louisd'or,
aber Ihr werbet fie frei kafen.“
vr Hie Angen von Beauftre funkelten, während er ſo
Ihr antwortet nicht,” fagte er; „Ihr wißt, daß
ih Geld Habe, und Jir wollt mich bezahlen laflen.
Das iſt nur zu billig. Ich gebe zwei taufend Louisd'or,
acht und vierzig taufend Livres, ein Bermögen für Cuch
Beide, aber laßt ihr die Freiheit.
zoſi Du liebſt fie alſo ſehr, dieſe Frau?“ fragte der
o
v.
Nun war die Reihe zu lachen an Beauſitre, und
ieſes hoͤhniſche Gelächter war fo erfchredlich, es malte
o ſcharf die verzweifelte Liebe, die biejes verwelfte
herz verzehrte, daß die zwei Sbirren bange davor be⸗
amen und ſich entichlofien, Borfichtsmaßregeln zu ers
teifen, um den Ausbrud der Verzweiflung zu ver-
neiden, die man in dem irren Auge von Beaufire las.
Sie nahmen jeder ein Paar Piflolen aus ver
kaſche, Hielten fle Beauflre auf die Bruft, und einer
‚on ihnen fagte:
„Richt —* hundert tauſend Thaler würden wir
ieſe Frau zurückgeben. Herr von Rohan bezahlt uns
Das Halöband der Königin. IV. 12
173
fünfmal Hundert taufend Livres und die Königin ein
Million.”
Beauftre fhlug die Augen zum Simmel mit eine
Ausdrud auf, der jedes andere Thier, als einen Al
guazil, erweicht hätte.
„Sehen wir,” fagte der Bofltiv. „Sie müflen ei
Wägelchen, irgend etwas Nollendes hier haben: laſſe
Sie diefes Gefährt für Madame anfpannen; wir fin
ihr das wohl ſchuldig.“
„Und da wir gute Teufel find, fo wollen wir Feine
Mißbrauch von unferer Gewalt maden: Man nimm
Sie der Form wegen auch mit; unter Weges wende
wir die Augen ab, Sie fpringen vom Gefährt heral
und wir bemerfen es erſt, wenn Sie taufend Schrit:
Vorfprung haben. IR das ein gutes Benehmen, wie?
Beaufire antwortete nur:
„Wohin fie geht, werde ich gehen. Ich verlaffe f
nie in diefem Leben.”
„Dh! weder in biefem, noch in dem andern!“ füg
Dliva eisfalt vor Schreden bei.
„Defto beſſer!“ ſprach der Bofltiv, „je mehr ma
Da von Grosne Gefangene zuführt, defto mel
acht er.”
Eine Biertelftunde nachher fuhr der Wagen m
er gelingenen Liebespaar und feinen Begleitern vo:
aufe ab.
LXXXVIU.
Herr von Erosne.
Man kann fich denken, welche Wirfung diefer Fan
auf Herren von Crosne hervorbrachte.
Die Agenten erhielten wahrfcheinlich bie Millio
— — _
179
nicht, auf die fie hofften, doch man hat allen Grund,
anzunehmen, daß ſie befriedigt wurden.
8 der Polizeilieutenant die Hände zum Zeichen
ver Zufriedenheit fich mohl gerieben hatte, begab er fidy
nach Berfailles in einem Magen, dem ein anderer hers
metiſch verfchlofiener Wagen folgte.
Es war am Morgen nad) dem Tag, an welchem
der Bofttiv und fein Freund Nicole in die Hände des
Bolizeichef übergeben hatten.
Herr von Erosne ließ feine zwei Wagen in Trianon
einfahren, flieg aus dem, welchen er inne hatte, und
übergab ben andern ber Obhut feines erften Schreibers.
Gr ließ ſich zur Königin führen, von der er fi
fogleich eine Audienz in Trianon erbeten hatte.
Die Königin, welche feit einem Monat wohl darauf
bedacht war, nichts zu vernachläffligen, was von Seiten
bee Bolizei fam, eniſprach fogleich der Bitte des Mi⸗
niſters; fie begab fih ſchon am Morgen in ihr Lieblings-
haus, und zwar mit Fleiner Begleitung, falls Geheim⸗
haltung nöthig wäre.
Sobald Herr von Brosne bei ihr eingeführt, er⸗
Iannte fie an feiner ſtrahlenden Miene, daß die Nach⸗
richten gut waren.
Die arme Frau! feit geraumer Zeit fah fie um
ih her nur düſtere und zurüdhaltende Gefichter.
Ein Klopfen der Freude, das erfte feit dreißig
Tagen, bewegte ihr durch fo viele tiefe Erfchütterungen
verwundetes Herz. .
; Der Beamte, nachdem er ihr die Hand gefüßt,
pr
ad:
„Madame, Hat Ihre Majeftät in [Trianon ein
Zimmer, wo fie, ohne gefehen zu werben, fehen fann,
: was vorgeht ?“
— 22—
„SH Habe meine Bibliothek,“ antwortete die Kö-
nigin; „hinter den Berfchlägen habe ich Köcher in
meinem Imbißſalon machen laflen, Ind aumeilen, wäh:
1
172
und brachten das Geſpraͤch geſchickt darauf, welches Ver⸗
en es guten Herzen gewähre, alte Befannte wieder:
uftinden.
— Worauf Beaufire, während er ein Fläfchchen mit
Liqueur von den Infeln entpfropfte, die zwei Unbefannten
fragte, an welchem Orte und unter welchen Umſtänden
er mit ihnen zufammengetroffen fei.
„Wir waren, fagte der Bine von ihnen, „wir
waren die Freunde von einem Ihrer Verbündeten zur
Zeit eines Heinen Geſchäftes, das Sie in Theilung
mit Mehreren machten, des Geſchäftes mit der portu—
giefiihen Geſandtſchaft.“
Beaufire erbleihte. Wenn foldye Angelegenheiten
berübrt werden, glaubt man immer ein Stridende in
den Falten feines Halsbandes zu fühlen.
„Ah! wahrhaftig,” fagte er, zitternd vor Ver⸗
legenheit, „und Sie fommen und verlangen von mir
für Ihren Freund ...“
„In der That, das ift eine Idee,“ fprach leiſe der
Alguazil zu feinem Kameraden, „bie Einführung hat
fo ein ehrlicheres Ausfehben. Bine Wiedererflattun
im Namen eines abwefenden Freundes fordern, das H:
moralifch.“
„Mehr noh. Damit find alle Rechte auf das
Uebrige vorbehalten,“ erwiederte der Freund des Mos
ralifyen mit einem füß:fauren Lächeln, das Beaufire
vom Scheitel bis zu den Zehen beben machte.
„Alſo?“ fagte er.
„Dein lieber Herr Beaufire, es wäre uns alfo
angenehm, wenn fie Ginem von uns den Theil unieres
Freundes zurüdgeben würden. Ich glaube, fo etwa
zehn taufend Livres.“
„Wenigftens, denn man fyricht nicht von den Ins
tereſſen,“ fagre der Kamerad pofltiv.
„Meine Herren,“ erwieberte Beaufite, dem bie
Geftigfeit diefer Korderung bie Kehle zujammenfchnürte,
„man hat nicht zehn taufend Livres bei fich auf dem Lande.“
%
173
„Das verfteht fi, lieber Herr, und wir forbern
une has Möglihe. Wie viel fönnen Sie ſogleich
eben ?”
„Ich habe fünfzig bis fechzig Louisd'or, nicht mehr.“
„Bir fangen damit an, daß wir fie nehmen, und
werben Ihnen tür Ihre Höflichkeit danken.“
„AH!“ dachte Beaufire, entzückt über ihre Bereit:
willigfeit, „fie find von fehr guter Befchaffenheit. Soll:
ten fie etwa fo fehr bange vor mir Haben, als ich vor
ihnen habe? Berfuchen wir es.“
Und er überlegte fih, daß diefe Herren, follten
Re fehr laut fchreien, es nur dahin brächten, daß fie
ſich als Mitfchuldige von ihm befennen würden, und
daß dies für die Provingbehörden eine fchlechte Em⸗
pfehlung wäre. Beaufire fchloß, dieſe Leute würden
fi ufeieden erflären und ein vollfommenes Still-
fyweigen beobachten.
In feinem unvorfichtigen Bertrauen ging er fo
weit, daß er es bereute, ihnen nicht dreißig Kouisd’or
ſtatt ſechzig angeboten zu haben; aber er gelobte fidh,
nachdem er die Summe gegeben, fich fehr raſch diefer
Lente zu entlebigen.
‚Er madıte die Rechnung ohne feine Gäͤſte; dieſe
befanden fidy ſehr wohl bei ihm; fle genoffen jene felige
Zufriedenheit, welche eine angenehme Berbauung vers
(haft; fie waren gut für den Augenblick, weil fi
fireng dan fie angeftrengt hätte.
„G6 ift ein reizender Freund, biefer Beaufire,“
fagte der Bofltiv zu feinem Kameraden. „Sechzig
Lonisd'or, die er uns gibt, find lieblicy zu nehmen.“
„Ih will fie Ihnen fogleich geben,“ rief der Wirth
chrocken, als er feine Säfte in bacchiſche Bertraulichs
feiten ausbrechen ſah.
„@6 Hat keine Eile,” erwieberten die zwei Freunde.
„Do, do, mein Sewiffen wird nur frei fein,
wenn dee bezahlt Habe. Man ift delicat, oder man
iſt es t.“
174
Und er wollte fie verlaffen, um das Geld zu Holen.
Doch diefe Herren hatten Gerichtspienergewohns
heiten, eingewurzelte ®ewohnheiten, die man fchwer
verliert, wenn man fie einmal angenommen hat. Diefe
Herren wußten ſich nicht von ihrer Beute zu trennen,
wenn fie diejelbe einmal in den Händen hielten. So
läßt der gute Jagbhund fein verwundetes Feldhuhn nur
los, um e8 dem Jäger zu übergeben.
Der gute Gerichtspiener iſt derjenige, weldyer, wenn
einmal der Bang gemacht iſt, diefen meder mehr mit
dem Finger, nody mit dem Auge verläßt. Er weiß zu
genau, wie launenhaft das Schidfal gegen die Jäger
it und wie fehr das, was man nicht mehr feſthäaͤlt,
fih entfernt.
Mit einem bewunderungswürbigen Enfemble riefen
auch Beide, fo fehr fle betäubt waren:
„Herr Beaufire! mein lieber Beaufire!
Und fie bielten ihn am Flügel feines Rodes von
grünem Tuch zurüd.
„Was gibt ea?“ fragte Beaufire.
„Haben Sie die Güte, verlafien Ste uns nicht,”
erwiederten fie, während fie ihn zum Niederſitzen
nöthigten.
„Aber wie foll ich Ihnen denn das Selb geben,
wenn Sie mid nicht hinaufgeben laflen ?*
„Wir werden Sie begleiten,“ antwortete ber Pos
fitiv mit einer erfchredlichen Zärtlichkeit.
„Es it... es if das Zimmer meiner rau,”
entgegnete Beaufire.
iefes Wort, das er als eine Einwendung bes
trachtete, der nidyt widerfbrochen werben könnte, war
für die Shirren der Funfe, der das Yeuer an das
Pulver legte.
Ihre brütende Unzufriedenheit — ein Berichtes
diener iſt immer über etwas unzufrieden — nahm eine
Form, einen Körper, eine Urſache an.
175
„Ah!“ rief der Erfle von den Agenten, „warum
erbergen Sie uns Ihre Frau?“
8 find wir nicht präſentabel?“ ſagte ber Zweite.
Benn Sie wüßten, was man für Sie geihan
at, wären Sie artiger,“ ſprach der Erfte.
„Und Sie würden uns Alles geben, was Wir ver-
angen,“ fügte keck ber Zweite bei.
„Ah! Sie flimmen einen fehr hohen Ton an, meine
zerren,“ fagte Beaufire.
„Wir wollen Deine Frau ſehen,“ erwieberte der
Sbirre Bofltiv.
„Und ich, ich erfläre Ihnen, daß ih Sie hinaus:
serfen werde,“ entgegnete Beaufire, flark durch ihre
‚runfenheit.
Sie antworteten ihm mit einem fchallenden Ge⸗
ichter, das ihn Hätte Flug machen müflen. Er trug
em feine Rechnung, wurde hartnädig und rief:
„Run follt Ihr auch nicht einmal das Geld be-
ommen, das ich Cuch verfprohen habe, und Ihr wer:
et Euch aus dem Staube machen.“
Sie lachten noch furcdhtbarer, als das erſte Mal.
Zitternd vor Zorn, ſprach Beaufire mit erflicdter
Stimme:
„Ich begreife Euch, Ihr werdet Lärm machen und
zrechen; doch wenn Ihr fprecht, flürzt Ihr Euch in’s
jerderben, wie mich.“
Sie lachten fortwährend unter fih, der Spaß
ım ihnen trefflih vor. Das war ihre einzige Antwort.
Beaufire glaubte fie durch einen Kraitftreich zu
tfchreden und ſtürzte nach der Treppe, nicht wie ein
Kenſch, der Louisd’or holen will, fondern wie ein
Büthender, der eine Waffe holen will. Die Shirren
anden vom Tifhe auf, liefen, ihrem Grundſatz ge⸗
en, Beaufire nach und legten ihre breiten Hände an (en.
Diefer fchrie, eine Thüre öffnete fih, und. eine
jan erfchien ängſtlich, erichroden auf. der Schwelle
er Zimmer bes erſten Stodes. rn
176
Als fie diefe Frau fahen, ließen fie Beaufire los
und fließen au einen Schrei aus, doch einen Schrei
der Sreude, des Triumphs, wilder @raltation.
Sie hatten diejenige getroffen, welche fo fehr ber
Königin von Frankreich glich.
Beauflre glaubte fie einen Augenblid durch bie
Erſcheinung einer Frau entwaffnet, aber er war bald
graufam enttäufcht.
Der Pofitiv näherte ſich Mile. Dliva und fprad
mit einem, in Rüdfiht auf die Achnlichkeit, zu wenig
bölflicden Ton:
„Ahl ah! ich verhafte Sie.”
„Sie verhaften!“ rief Beauſtre; „und warum?“
„Weil uns Herr von Grosne den Befehl gegeben
hut,“ erwieberte der andere Agent, „und weil wir in
Dienften von Herrn von Erosne find.”
Hätte der Blitz uiien dem Liebespaare einges
fhlagen, e8 wäre weniger darüber erfhroden, ale über
diefe Erklärung.
„So ift es, wenn man fi nicht artig benimmt,“
fagte der Bofltiv zu Beauſtre.
„Du haft Recht, Legrigneurs; denn wenn Beauflre
artig geweien wäre, hätte er und Madame gezeigt, und
wir hätten Madame mit allem Anftand feſtgenommen.“
Beauftre drüdte feinen Kopf in feine Hände, Wr
dachte nicht einmal daran, daß feine zwei Dienfiboten,
ein männlicher und ein welblicher, dieje Scene, welde
Den auf den Stufen vorging, unten von der Treppe
örten.
Er Hatte eine Idee; fie lächelte ihn an: fle ers
friſchie ihn ſogleich.
„Ihr ſeid gefommen, um mid zu verhaften ?“ ſagte
er zu den Agenten.
‚Nein, das iſt Zufall,” antworteten fie naiver
eife.
„Sleichviel. Ihr Eonntet mich verhaften und für
ſechzig Louisd'or ließet ihr mich in Freiheit.“
177
„Ob! nein, es war unfere Abficht, noch ſechszig
„Und wir haben nur ein Wort,“ fuhr ber Andere
et; „für Hundert und zwanzig Lonisp’or laflen wir
sie auch frei.”
„Aber ... . Madame?" fragte Beaufire zitternd.
„Ah! Madame... das ift etwas Anderes,” ants
ortete der Poſitiv.
„Madame if zwei hundert werth, nicht wahr?“
igte Beauſire haſtig.
Die Agenten fingen wieder das furchtbare Gelächter
1, das Beauſire diesmal leider begriff.
„Drei Hundert . . .* fagte er, „vier Hundert...
mfend Lonisd'or... Ich gebe Euch tauſend Louisd'or,
bee Ihr werdet fie frei laſſen.“
Zie Augen von Beauſire funkelten, während er ſo
rach:
Ihr antwortet nicht,“ fagte er; „She wißt, daß
h Geld Habe, und Ihr wollt mich bezahlen laflen.
as ift nur zu billig. Ich gebe zwei taufend Lonisd’or,
bt und vierzig taufend Livres, ein Bermögen für Cuch
eide, aber laßt ihre die Freiheit.
you liebt fle alfo fehr, diefe Frau?“ fragte der
v
Run war bie Reihe zu lachen an Beauflre, und
efes Hößnifche Belächter war fo erſchrecklich, es malte
ſcharf die verzweifelte Liebe, die dieſes verwelfte
erz verzehrte, daß bie zwei Sbirren bange bavor be-
men und fich entfchlofien, Borfichtsmaßregeln zu ers
eifen, um den Ausbruch der Berzweiflung zu ver-
tiven, bie man in dem irren Ange von Beauffte las.
Sie nahmen jeder ein Paar Piflolen aus ver
ıfche, hielten fle Beaufire auf die Bruft, und einer
n ihnen fagte:
„Nicht für Hundert taufend Thaler würden wir
fe Frau zurückgeben. Herr von Rohan bezahlt ung
Das HBaldband der Königin. IV. 12
178
fünfmal Hundert taufend Livres und die Königin
Million.”
Beauftre fchlug die Augen zum Himmel mit e
Ausdrud auf, der jedes andere Thier, als einen
guazil, erweicht hätte.
„Sehen wir,” fagte der Pofltiv. „Sie müfler
Wägelchen, irgend etwas Rollendes hier haben: I
Sie diefes Gefährt für Madame anfpannen; wir
ihr das wohl ſchuldig.“
„Und da wir gute Teufel find, fo wollen wir Eı
Mißbrauch von unferer Gewalt mahen: Man ni
Sie der Form wegen auch mit, unter Weges we
wir die Augen ab, Sie fpringen vom Gefährt h
und wir bemerken es erfi, wenn Sie taufend Sd
Vorſprung haben. IR das ein gutes Benehmen, vw
Beaufire antwortete nur:
„Wohin fie geht, werde ich gehen. Ich verlaf
nie in diefem Leben.”
„Dh! weder in diefem, noch in dem andern!“
Dliva eisfalt vor Schrecken bei.
„Deſto beſſer!“ fprach der Pofltiv, „je mehr
— von Crosne Gefangene zuführt, deſto
acht er.“
Eine Viertelſtunde nachher fuhr der Wagen
dem gefangenen Liebespaar und feinen Begleitern
Haufe ab.
LXXXVIII.
Herr von Crosne.
Man fann fidh denken, weldge Wirkung diefer '
auf Herrn von Grosne hervorbrachte.
Die Agenten erhielten wahrfceinlich die Mi
179
nicht, anf die fie hofften, doch man hat allen Grund,
anzunehmen, daß ſie befriedigt wurden.
Als der Polizeilieutenant die Hände zum Zeichen
ver Zufriedenheit fih wohl gerieben Hatte, begab er ſich
nach Berfailles in einem Magen, dem ein anderer hers
metiich verſchloſſener Wagen folgte.
Es war am Morgen nach dem Tag, an welchem
der Poſitiv und fein Freund Nicole in die Hände des
Polizeichef übergeben hatten.
err von Grosne ließ feine zwei Wagen in Trianon
| | einfa ren, ſtieg aus dem, welchen er inne hatte, und
übergab ben andern der Obhut ſeines erſten Schreibers.
Gr ließ fi zur Königin führen, von der er fi
fogleich eine Audienz in Trianon erbeten hatte.
Die Königin, welche feit einem Monat wohl darauf
bedacht war, nichts zu vernachläffigen, was von Seiten
ber Polizei fam, entiprady fogleidy der Bitte des Mi-
uiſters; fie begab ſich ſchon am Morgen in ihr Lieblings:
haus, und zwar mit Fleiner Begleitung, falls Geheim⸗
. Baltung nöthig wäre.
Sobald Herr von Erosne bei ihr eingeführt, er⸗
kannte fie an feiner ſtrahlenden Miene, daß die Nad:
richten gut waren.
Die arme Frau! feit geraumer Zeit fah fie um
fih her nur düftere und zurüdhaltende Gefichter.
Ein Klopfen der Freude, das erfte feit dreißig
Tagen, bewegte ihr durch fo viele tiefe Erſchütterungen
verwunbdetes Herz. .
ſ Der Beamte, nachdem er ihr die Hand geküßt,
prag:
ad:
„Madame, Hat Ihre Majeflät in !Trianon ein
Zimmer, wo fie, ohne gefehen zu werben, ſehen fann,
was vorgeht ?“
„Sch Habe meine Bibliothek,” antwortete die Kö-
nigin; „hinter den Berfchlägen habe ich Köcher in
meinem Imbißſalon machen laflen, Und sumeilen, wäh:
1
180
rend ih vefperte, beluftigte ich mid mit Fran v
Lamballe und Fräulein von Taverney, ale id f
hatte, damit, daß ich die Eomifchen Grimaflen |
Nobe Vermond betrachtete, wenn er auf ein Pamph
ftieß, in dem von ihm die Rede war.“
„Sehr gut, Madame. Ich babe nun unten ehı
Magen, den ich möchte in das Schloß einfahren lafl
ohne daß der Inhalt diefes Wagens von irgend !
mand, außer Eurer Majeftät, gefehen würbe.”
„Das geht ganz leicht,“ erwieberte die Königi
„wo iſt Ihr Wagen?“
„sm erfien Hof, Madame.”
Die Königin läutete; es fam Jemand, um il
Befehle in Empfang zu nehmen.
„zaflen Sie den Wagen, den Ihnen Herr x
Crosne bezeichnen wird, in das große Beftibule e
fahren,” fprah Marie Antoinette „und fchließen €
die beiden Thüren diefes Beftibule, fo daß es fin]
darin iſt, und Niemand fehe vor mir die Euriofltät
die mir Herr von Erosne bringt.”
Der Befehl wurde vollzogen. Man mußte, v
mehr als die Befehle, die Launen der Königin zu
fpectiren. Der Wagen fuhr unter das Gewölbe
der Wohnung der Barden und ergoß feinen Inhalt
das düſtere Beftibule.
„Madame, ſprach Herr von Grosne, „wol
Sie nun mit mir in Ihren Imbißfalon fommen u
Befehl geben, daß man meinen Schreiber mit de
Hr er in bie Bibliothek bringen wird, eintre:
& t.“
Zehn Minuten nachher fpähte die Königin bebe
hinter ihren Fächern.
Sie fah in die Bibliothek eine verfchleierte €
ftalt eintreten; der Schreiber nahm ihr den Schle
ab, und die Königin ftieß, ale fie biefelbe erfann
einen Schrei des Schredens aus. Ge war Dli
| war Marie
dieſe auidenn
181
eieibet in eines vun ben Coſtuͤmen, welche Marie
utoinette am meiſten liebte,
Sie hatte ein grünes Kleid mit breiten ſchwarz⸗
moiritten Schleifen, die hohe Friſur, welche die Koͤ⸗
— bevorzugte, Ringe den ihrigen ähnlich, Pan⸗
to
eln von 128 nem Atlas mit ungeheuren Abſätzen: es
ntoinette ſelbſt, abgefehen vom Blute der
Gäfaren, weläe Die bewegliche plebejiihe Flüffigfeit
aller Bollüſte von Herrn Beauflre erſetzte.
Die Königin glaubte ſich in einem entgegenge⸗
jegten Spie el zu e eben; fie verfchlang mit den Augen
Was fagt At Gure Majeftät von diefer Aehnlichkeit?“
frag te nun Herr Crosne triumphirend über die Wirkung,
bier er hervorgebracht Hatte.
„sh fage . . . ich fage, mein Herr,“ ftammelte die
| Königin ganz verwirrt... „Ah! Dlivier,“ dachte fie,
„warum find Sie nicht ba?“
„Was will Eure Majeſtaͤt?“
"Nichte, mein dert, nichts, wenn nicht, daß der
König wobl erfahre .
„Unb daß Herr yon Provence fehe, nicht wahr
Madame?”
„Ah! meinen Dank, Herr von Croene, meinen
Daf ... Doch was wird man mit diefer ran
machen?“
„Schreibt man diefer Frau Alles zu, was geichehen
iR?“ "feagte Herr von Crosne.
„Ste haben wohl die Fäden diefes Complotts gu
„Ungefähr, Madame.”
„Und Herr von Rohan?“
Herr von Roban weiß noch nichts.“
‚öp! 14 rief die Königin, ihr Geſicht in ihren Händen
' verbergend, „diefe Frau, mein Herr, das fehe ich wohl,
iſt der name Irrthum des Cardinale.“
fein, Madame, doch wenn es der Irrthum des
i Gordinals ar fo if e8 das Verbrechen eines Andern.”
182
„Suchen Sie, mein Herr, Sie haben die Ehre de
Haufes Frankreich in Ihren Händen.”
„Und glauben Sie mir, Madame, fie ift wohl ve
ſorgt,“ erwiederte Herr von Erosne.
„Der Prozeß?” fragte die Königin.
„Sf im Gange. Meberall leugnet man; doch ü
erwarte den günftigen Augenblid, um das Ueberführung
mittel, das fie in Ihrer Bibliothek haben, in’s Feld 3
ellen.”
r „Und Frau von La Mothe?”
„Sie weiß nicht, daß ich diefes Mädchen geiunde:
und bezüchtigt Caglioſtro, er habe dem Gardinal di
Kopf erhigt, bis er den Berftand verloren,”
„Und Herr von Gaglioftro ?“
„Herr von Eaglioftro, den ich befragen ließ, 5
—F verſprochen, mich noch dieſen Morgen zu b
uchen.
„Das ift ein gefährlider Mann.“
„Gr wird ein nüglicher Mann fein. Bon ein:
Schlange wie Frau von La Mothe geflohen, wird ı
das Sift verfchluden und uns Gegengift geben.“
„Sie hoffen auf Offenbarungen 7
„Ih bin fell davon überzeugt.”
„Wie fo, mein Herr? oh! fagen Sie mir Alle:
was mich beruhigen fann.” -
„DBernehmen Sie meine Gründe, Mabame: Fra
von La Mothe wohnte in der Rue Saint:Glaude . . .
„Sch weiß es, ich weiß es,“ erwiederte die Königi
erröthend.
„Fa, Eure Majeftät erwies diefer Frau die Ehr
wohlthätig gegen fie zu fein.”
„Sie hat midy gut dafür belohnt, nicht wahr?..
Sie wohnte alfo in der Rue Saint-Claude?“
„Und Herr von Caglioſtro wohnt gerade gegeı
über.”
„Und Sie vermuthen ?“ j
„Daß, wenn ein Geheimniß für das Eine ob
|
|
183
für ba6 Andere von biefen beiden Nachbarn ſtattge⸗
funden bat, dieſes Geheimniß dem Binen wie dem —*
dern gehören muß . . . Doch verzeihen Sie, Madame,
es iR bald die Stunde, zu der ich in Paris Herrn von
Gagliofiro erwarte, und um nichts in der Welt möchte
ig dieſe Erklärungen verzögern.“
„Gehen Sie, mein Herr, gehen Sie, und feien Sie
noch einmal meiner Dankbarkeit verfichert.”
„Endlich,“ rief fie ganz in Thränen, ale Herr von
Grosne wegge angen war, „endlich beginnt meine Recht⸗
fertigung. Fi werde meinen Triumph auf allen Ge⸗
ſichtern lefen. Das bes einzigen Freundes, welche mich jo
gerne beweifen möchte, daß ich unfchuldig bin, dieſes
allein werde ich nicht ſehen!“
. Mittlerweile flog Herr von Grosne nad Paris
und Fam nach Haufe, wo ihn Herr von Gaglioftro ers
wartete.
Diefer wußte Alles feit dem vorhergehenden Tag.
Gr ging zu Beanflre, deſſen Zufludytsort er Fannte, um
ihnn anzutreiben, Frankreich zu verlaffen, als er ihn auf
der Straße zwifchen den zwei Agenten im Wagen er=
bfidte. Dliva war ganz befchämt und ganz in Thränen
zerfließend im Hintergrund verborgen.
Beanfire fah den Grafen, der fi in feiner Poſt⸗
chaiſe freuzte, und erfannte ihn. Der Gedanke, diefer
gehe imnißvolle und mächtige Herr könnte ihm von
einigem Auen fein, änderte plöglich feinen Entſchluß,
Oliva nie zu verlaffen.
Gr wiederholte den Agenten den Borfchlag einer
Entweichung, den fie ihm gemacht. Sie nahmen hun⸗
dert Lonish’or an und ließen ihn frei, trotz der Thränen
von Nicole.
Beaufire umarmte indeffen feine Beliebte und fagte
ihr in’s Ohr:
„Hofe . . . id will an Deiner Rettung arbeiten.”
Und er enteilte mit fräftigen Scritten in ber
Richtung der Straße, welche Baglivftro verfolgte.
181
Diefer halte fhon angehalten; er brauchte Beaufire
nicht mehr zu ſuchen, da Beaufire zurüdfam. Es war
ihm dienlich, anf Beauflre zu warten, wenn biejer zu:
weılen fih nachlaufen machte.
Gaglioftro wartete alfo feit einer halben Stunde
an der Biegung ber Straße, als er den unglüdlichen
Liebhaber von Dliva bleich, athemlos, Halb tobt ans
kommen fah.
Beim Anblick des flehenden Wagens flieg Beaufire
den Freudenfchrei des Schiffbrüchigen aus, ber ein
Brett berührt.
„Was gibt es, mein Kind?“ fagte der Graf, ins
dem er ihm zu fich einfteigen half.
Beaufire erzählte ihm feine ganze Flägliche Ge⸗
ſchichte; Caglioſtro Hörte ihn ſtillſchweigend an und
fpra dann:
„Sie ift verloren.“
„Wie fo?“ rief Beaufire.
Gaglioftro erzählte Beaufire, was er nicht wußte,
nämlich die Intrigue ber Rue Saintesßlaude und die
von Berfailles.
Beauftre wäre beinahe in Ohnmacht gefallen.
„Retten Sie fie,“ ſprach er im Wagen auf die
Kniee finfend, „und ich gebe fie Ihnen, wenn Sie
Dliva immer noch lieben.“
„Mein Freund,“ entgegnete Gaglioftro, „Sie And
in einem Irrthume begriffen, ich babe Mademoifelle
Oliva nie geliebt; ich hatte nur einen Zwed, den,
fie dem ausſchweiſenden Leben zu entziehen, weldyes
Sie mit ihr führten.“
„ber ...“ verſetzte Beaufire erftaunt.
„Sie wundern ſich hierüber? Erfahren Sie, daß
ich einer von den Vorſtehern einer Geſellſchaft für
ſittliche Reform bin, deren Zweck es iſt, den Laſter
Alles zu entreißen, was Ausfichten auf Heilung bieten
fann. Ich hätte Dliva geheilt, Indem ich fie Ihnen
wegnahm, und darum habe ich le Ihnen weggenommen,
185
Bie fage, ob fie je von meinem Munde ein Wort ber
Balanterie gehört hat; fie fage, ob meine Dienfe
üdgt immer uneigennügig gepeſen find!“
„Gin Grund mehr, mein Herr, retten Sie fie!“
„Ih will es wohl verfuchen; doch das hängt von
nen ab.”
„Berlangen Sie mein Leben von mir.“
„sh werde nicht io viel verlangen. Kehren Sie
nit m’r nah Baris zurüd, und wenn Gie Punkt für
Bunft meine Borfchriften befolgen, fo werden wir viel-
ve Ihre Beliebte reiten. Sch Felle hiebei nur eine
= u
„Beige, mein Herr?”
„I werde fie Ihnen fagen, wenn wir zu mir
».Baris zurädiommen.“
„eb! ih unterfchreibe zum Voraus; doch fie wies
erichen! fie wieberfchen!“
„Daran dente ich gerade; che zwei Stunden ver-
sehen, werden Gie Lliva wieberfehen.”
„Und fie umarmen?”
„Ih zähle darauf; mehr no, Sie werden Ihr
ıgen, was ih Ihnen zu fagen beabfidhtige.“
Gagliohro flug mit Beaufite wieder ben Weg
u.
Zwei Stunden nachher, es war dies am Abend,
atte er den Wagen ber Agenten eingeholt.
Und eine Stunde fpäter etkaufte ich Beaufire um
unfzig Lonisb’or von den beiden Agenten das Recht,
* n umarmen und ihr die Aufträge des Grafen
zzußü
Die Agenten bewunderten dieſe leidenſchaftliche
iebe. Sie veriprachen fi fo etwa Tünfzig Lonisd'or
uf jeder BoRfletion.
Branfire erſchien jedoch nicht mehr, und die Ehaife
on Gaglioſtro führte ihn raſch nah Paris, wo ſich
» viele Ereianiffe vorbereiteten,
Dies mı n wir dem Leſer nothwendig mitthei⸗
186
lien, ehe wir ihm Herren von Gaglivftro im Geſpräche
mit Herrn von Grosne zeigen.
Nun aber Fünnen wir ihn in das abinet bes
Polizeilieutenants einführen.
* + *
Herr von Erosne wußte von Caglioſtro Alles, was
ein gewandter Polizeilieutenant von einem in Frank⸗
reich wohnenden Dann wiffen kann, und das will nicht
wenig fagen. Er fannte alle feine früheren Namen,
er Fannte alle feine Geheimniſſe als Aldyemift, ale
Magnetiſeur und als Wahrfager, er fannte die Ans
ſprüche, die er auf Allgegenwart, auf furtwährende
Miedergeburt madhte, und betrachtete ihn ale einen
vornehmen Charlatan.
Herr von Crosne war ein flarfer Geiſt, mit allen
Mitteln feines Amtes vertraut, bei Hofe wohl ange
fbrieben, gleichgültig gegen die Gunſt, die ſich nicht
mit feinem Stolz vertrug, ein Mann, auf den nidt
Jeder, der da wollte, Einfluß zu üben vermochte.
Diefem konnte Gaglioftro nicht, wie Herrn von
Nohan, noch vom hermetifhen Ofen Heiße Louisd'or
anbieten; diefem hätte Gaglivftro nicht das Ende einer
Piftvle geboten, wie Balfamo Herrn von Gartines;
von diejem hatte Balfamo nicht mehr eine Lorenza zu:
rücguforbern, fondern Eaglioftro Hatte Nechenfchaft ab:
zulegen.
Darum hatte der Graf, flatt die Ereigniffe abzu:
warten, fih von dem Beamten eine Audienz erbitten
zu müflen geglaubt.
Herr von Crosne fühlte den Vortheil feiner Gtel:
lung. Caglioſtro fühlte das Peinliche der feinigen
und war bemüht fih daraus zu befreien. Bei dieſer
offen gefpielten Schachpartie fand ein Einſatz flatt, den
einer von den Spielern nicht muthmaßte, und dieſer
Spieler war nicht Herr von Croene.
187
Diefer Tannte, wie gefagt, von Caglioſtro nur
den Gharlatan, der Adept war ihm völlig unbefannt.
An den Steinen, weldye die Philofophie auf dem Wege
der Monarchie ausfäte, haben fich fo viele Leute nur
geflogen, weil fie diefelben nicht fahen.
Herr von Erosne erwartete von Herrn von Ga=
glioſtro Enthüllungen über das Halsband, über die
Händel von Frau von La Mothe; hierin lag fein
Nachtheil. Doc, er Hatte das Net, zu befragen, zu
verhören, einzuferfern, und dies war feine eberlegenheit.
Er empfing den Grafen wie ein Mann, der fein
Gewicht fühlt, aber der es nicht an Höflichkeit gegen
irgend Jemand fehlen lafien will, nit einmal gegen
einen Parvenn.
Gaglioftro bewachte fih. Gr wollte nur vorneh⸗
mer Herr bleiben, feine einzige Schwäche, von der er
glaubte, er müfle fie vermuihen laffen.
„Mein Herr, fagte der Polizeilieutenant zu ihm,
Gie Haben fidy eine Audienz von mir erbeten. Ich
omme ausdrücklich von Dertnilles, um fie Ihnen zu
geben.”
„Mein Herr, ichdachte, Sie hätten ein Intereffe, mich
über das, was vorgeht, zu befragen, und als ein Mann,
der Ihr ganzes Verdienſt und die ganze Bedeutung
Ihrer Bunctionen fennt, bin ich zu Sönen gekommen.”
„Sie befragen?" verfegte der Beamte, Erſtaunen
ge „worüber denn? und in welcher Eigen⸗
u „Mein Herr, ſprach Herr Caglioſtro gerade her⸗
aus, „Sie befhäftigen ſich fehr viel mit Frau von La
Mothe und dem Berfchwinden des Halsbande.“
Sollten Sie e8 gefunden haben?” fragte Herr
von Grosne beinahe fpöttifch.
„Rein,“ antwortete der Graf mit ernflem Tone.
„Aber wenn ich es nicht gefunden habe, fu weiß id
body wenigftens, daß Frau von La Mothe in der Rue
Saint:Elaube wohnte.“
189
(mein Herr, ein Schlaufopf, ben fie nicht
iſſen ...“
ewiſſer Beaufire vielleicht,“ erwiederte der
zlücklich, wohlunterrichtet zu erfcheinen.
Sie fennen ihn, das ift erſtaunlich,“ ſprach
mit Bewunderung, „fehr gut, mein Herr,
noch mehr Wahrfager, als ih. Eines Tage
Beaufire die Arme mehr geichlagen und bes
tte, als gewöhnlich, flüchtete fie fih zu mir
mich um meinen Schutz. Ich bin gut, ich
rgend einen Winkel in einem meiner Ho⸗
Ihnen! ... Sie war bei Ihnen?” rief der
ſtaunt.
rdings,“ erwiederte Caglioſtro, ebenfalls Er⸗
»ucheind, „warum ſollte ich fie nicht bei mir
nen haben? ich bin Junggeſelle.“
:r lachte mit einer fo geſchickten Treuherzigs
Herr von Grosne völlig in's Garn ging.
Shnen!” wiederholte er; „barum haben alfo
nten fo fehr gefucht, um fie zu finden.“
‚ gelucht!” rief Eaglioftre. „Man fucdhte bie
‚at fie denn etwas geihan, was ich nicht
ı, mein Herr, nein; ich befchwöre Sie, fah⸗
ort.
mein Gott! ich bin zu Ende. Ich quartierte
r ein, das if das Ganze.“
ı, mein Herr Graf, das ift nicht das Ganze,
orhin den Namen Oliva mit dem Namen
von La Mothe zu verbinden ſchienen.“
wegen der Nachbarſchaft.“
ft noch etwas Anderes, Herr Öraf.. . Sie
rt umfonft gefagt, ran von La Mothe und
9a feien Nachbarinnen geweſen,“
das bezieht fi auf einen Umſtand, welchen
zutheilen unnüß wäre. Man muß nicht dem
190
erften Beamten des Königreihs Hirngefpinnfle eines
müßigen Rentier erzählen.”
„Sie intereffiren mi, mein Herr, und zwar mehr
ale Sie glauben; denn diefe Dliva, von der Sie ſa—
gen, Sie haben fie bei fi) aufgenommen, habe ich in
der Provinz gefunden.“
„Sie haben fie gefunden ?”
„Mit Herren von Beaufire.”
„Sch vermuthete es,” rief Caglioſtro. „Sie war
mit Beaufire? Ab! fehrgut, fehr gut! Ich muß Frau
von La Mothe Abbitte thun.“
„Wie? was wollen Sie damit fagen?“ fragte Herr
von Brosne.
„SH fage, mein Herr, nachdem ich einen Augen:
blild Frau von La Mothe im Verdachte gehabt, fafte
ich ihr volltändige Genugthuung wiberfahren.“
„Im Verdacht! worüber ?“
„Suter Bott! Sie hören alio gebuldig all dieſes
Geſchwätze an? Nun denn! fo erfahren ©ie, daß in
dem Augenblick, wo ich Hoffnung Hatte, diefe Dliva
zu beſſern, fie zur Arbeit und zur Rechtſchaffenheit zu:
rüdzuleiten ... ich beichäftige mi mit der Sitt-
lichkeit ..... Semand gekommen ift und fie mir ents
führt bat.“ '
„Sie Ihnen entführt! aus Ihrem Haufe?“
„Aus meinem Haufe.”
„Das if ſeltſam.“
„Nicht wahr? Und id Hätte mid verbammen
lafien, daß es Frau von La Mothe geweien fei. Woran
hängen die Urtheile der Welt!“
Herr von Grosne näherte ſich Caglioſtro und ſprach:
„Ich bitte Sie, erflären Sie fh umfländlicher.“
„Sb! mein Herr, nun, da Sie Dliva mit Beaufire
gefunden haben, wird mich nichts mehr aui den Ge⸗
danfen an Frau von La Mothe, an ihre Beſtrebungen,
an ihre Zeichen, an ihre Borrefpondenzen bringen.“
„Mit Dliva?"
191
„Ja wohl.“
„Frau von La Mothe und Dliva waren im Bins
erſtaͤndniß?“
Bollkommen.“
„Gie ſahen Ah?"
„Grau von La Mothe hatte Mittel gefunden, Dliva
ede Nacht ansgehen zu laflen.“
„Jede Nacht! find Sie deflen ſicher?“
„Eo fiher ale ein Menfch defien, was er gehört
at, fein Tann.“
„Dh! mein Herr, Sie fagen mir da Dinge, die
& mit taufend Livres für jedes Wort bezahlen würde.
Beides Glück für mid, daß fie Gold machen.“
Ich made feines mehr, mein Herr, es war zu
euer.”
„Doch Gie find der Freund von Herrn von Rohan?”
„3 glaube es.“
„Aber Sie müflen wiflen, wie viel dieſes Intriguen-
lement, das man Frau von La Mothe nennt, Antheil
u feiner ärgerlichen Angelegenheit bat?”
„Rein, ich will das nicht wiflen.“
„Do, Sie wiflen vielleicht die Folgen der Spa⸗
ergänge, weldye Dliva und Frau von La Mothe mit
„ander gemadyt haben?”
„Dein Herr, es gibt Dinge, welche der Fluge
dann immer nicht zu wiflen fucen muß,“ erwieberte
aglioftro ſpruchreich.
„Sch werde nur noch die Ehre haben, Sie Bines
ı fragen,“ fagte Iebhaft Herr von Grosne. „Haben
sie ife, daB Frau von La Mothe mit Dliva
wrefponbirte?”
„Hundert.“
Belche?“
„Billets von Frau von La Mothe, bie fie zu Dliva
it einer Armbruft fehleuderte, weldye man ohne Zwei-
I in ihrer Wohnung finden wird. Um ein Gtüd
lei gewidelt, Haben mehrere von diefen Billets das
192
Ziel nicht erreicht. Sie fielen auf die Straße, w
einige bavon von meinen Leuten oder von mir au
„Oh! fie find von einer ſolchen Unfhuld, daß iı
mir fein Bedenken daraus madte, und daß ich bei
balb feinen Borwurf von Seiten von Fran von 2
Mothe zu verdienen glaubte.“
„Und. . . bie Beweife des Einverfländniffes, de
Rendezvous ?"
„Tauſend.“
„Ich bitte Sie, geben Sie mir einen einzigen.
„Den beſten. Es ſcheint, daB es Frau von 2
Mothe leicht war, in mein Haus einzutreten, wı
Dliva zu befuchen, denn ich habe fie dort am demſel
ben Tage gefehen, an dem bie junge Frau verfchwand.
„Am vdemfelben Tage ?"
„Alle meine Leute haben fie gefehen, wie ich.“
„Ab! ... und was wollte de wenn Dliva ven
fhwunden war?"
„Das fragte ich mich auch ſogleich, und ich konnt
es mir nicht erklären. Ich hatte Frau von La Motb
aus einer Poftchatfe ausfleigen fehen, welde in be
Rue du Roi⸗Dors wartete. eine Lente hatten dieſe
Magen lange auf derfelben Stelle Halten fehen, un
mein Gedanke, ih muß es geflehen, war, Frau vo
La Mothe welle fih Oliva beigefellen.”
„Sie ließen gewähren?“
„Warum nicht? Es iſt eine mildherzige unb von
Schickſal begünftigte Dame, diefe Frau von La Mothı
Sie wird bei Hofe empfangen. Warum follte ich fi
verhindert haben, mich von Dliva zu befreien? Ja
hätte Unrecht gehabt, wie Sie fehen, da fle mir eiı
Anderer entführte, um fie abermals zu verberben.”
„AH!“ fagte Herr von Crosene tief nachfinnend
„Mile. Dliva war bei Ihnen einquartiert?“
|
vr.
|
193
„Sa, mein Herr.“
„Ab! Mile, Dliva und Frau von La Mothe kann⸗
ten ih, fahen fi und gingen mit einander aus?“
„sa, mein Herr,”
„AH! Frau von La Mothe ift an dem Tage der
Entführung von Dliva bei Ihnen gefehen worden?“
„Sa, mein Herr.“
„AH! Sie dachten, die Gräfin habe ſich das Maͤd⸗
chen beigefellen wollen ?”
„Bas follte ich Anderes denken ?-
„Aber was hat Frau von La Mothe gefagt, als
fe Oliva nicht mehr bei Ihnen fand %“
„Sie fam mir fehr beunruhigt vor.
„Gie vermuthen, biefer Beaufire habe fie ents
rt |
Ich vermute es einzig und allein, weil Sie
mir tagen, daß er fie wirklich entführt, ſonſt würde
ich nichts vermuthen. Dieſer Menfch wußte die Woh⸗
uunB go Dliva nicht, wer Fann fie ihm genannt
ent”
’ „Dliva felbf.“
„sch glaube nicht, denn ftatt fi von ihm aus
meinem Hanije entführen zu laffen, wäre fie felbft von
mir zu ibm entflohen, und ich bitte Sie, zu glauben,
daß er nicht in mein Hotel hereingefommen wäre, hätte
ihm nicht Frau von La Mothe einen Schlüffel zuftels
len laffen.“
„Sie Hatte einen Schlüffel ?“
„Es läßt ſich nicht daran zweifeln.“
„Ich bitte, an welchem Tage entführte man fie F"
fragte Herr von Grosne, plöglich erleuchtet durch die
*
el, die ihm Caglioſtro ſo geſchickt reichte.
„DH! mein Herr, darin werde ich mich nicht täus
ſchen, es war gerade an dem Tage vor dem Feſte des
heiligen Ludwig.“
„So iR es,“ rief der Poltzeilieutenant, „fo ift es!
Dad Balbband der Königin. IV. 13
194
mein Herr, Sie haben dem Staat einen ausgezeichneten
Dienft geleiitet.“
„Das macht mich fehr glüdlich.“
„Und Sie werden den gebührenden Danf dafür
erhalten.“ _
„Bor Allem durch mein Gewiſſen,“ fagte ber Graf.
Herr von Crosne verbeugte fich.
„Darf ich auf die Niederlegung der Beweiſe, von
denen Sie ſprechen, hoffen?” fagte er nod.
„Mein Herr, ich gehorche den Gerichten in allen
LXXXIX.
Herr von Breteuil,
Während Herr von Grosne diefe Unterrebung mit
Gaalivitro hatte, erihien Herr von Breteuil in der
Baſtille im Auftrage des Königs, um Hexen von Rohan
zu befragen.
Die Zufammenfunft zwifchen diefen zwei Feinden
drohte Hürmifch zu werden. Herr von Breteuil fannte aber
den Stolz von Herin von Rohan; er hatte ihm eine Rache
abgewonnen, weldye furdtbar genug wat, daß er fi
fortan an ein hörliches Verſahren halten konnte. Gr
war mehr ale hoͤflich. Herr von Rohan weigerte id,
zu antworten.
195
Der Giegelbewahrer blieb beharrlich; doch Herr
m Rohan erklärte, er werde fih auf die Maßregeln
zlaffen, welche das Parlament und feine Richter
fchlöffen.
Herr von Breteuil mußte ſich vor dem unerſchütter⸗
hen Willen des Angeklagten zurüdsziehen.
Gr ließ Frau von La Mothe zu fih rufen, welde
ven mit der Abfaffung ihrer Denfwürdigfeiten befhäftigt
ar; fie gehordhte voll Eifer.
Herr von Breteuil erflärte ibr unummwunden ihre
ge, die fie befier als irgend Jemand fannte. Sie
stwortete, fie habe Beweife von ihrer Unfchuld, die
e liefern werde, wenn es nöthig fei. Herr von Bres
nil bemerkte ihr, nichts könne dringlidyer fein.
Die ganze Zabel, weldye Jeanne componirt hatte,
ıb fie nun preis; es waren immer biefelben Snfinnas
onen gegen alle. Welt, diefelbe Behauptung, die Faͤl⸗
hungen, bie man ihr zum Vorwurf made, rühren,
e wifle nicht, woher. .
Sie erklärte au, da das Parlament die Sache
ı die Hände genommen, fo werde fie nichts abfolut
Jahres mehr, außer in Gegenwart des Gardinals und
ach den Anfchuldigungen, die er auf ihr laften machen
ürde, fprechen.
Herr von Breteuil fagte ihr fodann, der Garbinal
iſſe Alles auf ihr laften.
„Alles?“ verſetzte Jeanne, „ſelbſt den Diebflahl?“
„Selb den Diebitahl.” _
„Wollen Sie dem Herrn Bardinal erwiedern,“
rad; Jeanne mit falten Tone, „ich laſſe ihn ermahnen,
icyt länger ein fo ſchlechtes Vertheidigungsſyſtem zu
ehaupten.“
Und dies war Alles. Doch Herr von Breteuil
ihlte ſich nicht befriedigt. Er braudte einige geheime
inzelgeiten. Er brauchte für feine Logif den Aus
uch der Urfachen, welche den Barbinal zu fo großen
Jerwegenheiten gegen bie Königin, —* Koͤnigin
196
em folden Zorn gegen den Garbinal geführt
alten. .
Er brauchte die Erläuterungen aller der vom
Herrn Graien von Provence gefammelten und in den
Zuftand öffentlicher Gerüchte üdergegangenen Protvocolle.
Der Siegelbewahrer war ein Mann von Beil,
er verftand es, auf den Charafter einer Frau zu wirs
fen; er verfpradh Frau von La Mothe Alles, wenn fie
unummunden Semand bezüdhtiate.
„Nehmen Sie fih in Acht,“ ſprach er zu ihr,
„indem Sie nichts fagen, bezüdhtigen Sie die Königin;
nehmen Sie fih in Acht, wenn Sie hiebei beharren,
werden Sie als der Majeftätsbeleidigung fchuldig vers
urtheilt; das iſt die Schande, das iſt der Strang.“
„Ich Elage die Königin nicht an,“ erwieberte Jeanne;
„doch warum klagt man mid an?“
„Sy bezüchtigen Sie Jemand,“ fprad der unbengs
fame Breteuil; „Sie haben nur diefes Mittel, um fi
frei zu machen.”
Sie verfhloß fh in ein kluges Stillichweigen,
und dieie erfte Zuiammenfunit von ihr und dem Gies
gelbewahrer hat:e fein Refultat.
Sindeflen verbreitete ſich das Gerücht, es Haben fi
Beweife erhoben, die Diamanten feien in England
verfauft worden, wo man Herrn Reteau von Billette
durch die Agenten von Herrn von Vergennes verhaftere.
Der erfte Sturm, den Jeanne aushalten hatte,
war furchtbar. Mit Reteau confrontirt, den fle mr
ihren Berbündeten bis zum Tod Halten mußte, hötte
fie diefen zu ihrem Schreden ganz demüthig geitehen,
er fei ein Fälſcher, er babe einen Bmpfangıdhein für
die Diamanten, einen Schulpbrief der Königin geichries
ben und zugleich die Unterſchrift der Juweliere und
Ihrer Majeſtät nerälfcht.
Berragt, aus welchem Beweggrunde er dieſe Ver⸗
brechen begangen, antworteie er, es ſei auf das Ber⸗
langen von Frau von La Mothe geſchehen.
nn — —
a DU — — — — — ——
197
Berwirrt , wüthend , vertheibigte fie ſich wie eine
Böwin; fie behauptete, Herrn Reteau von Billette nie
geichen, nie gefannt zu haben. Doch bier erhielt fie
jwei barte Stöße: zwei Zengniſſe fhmetterten fie nieder.
Das erſte war das eines von Herrn von Crosne
aufgefundenen Fiacrefutfchers, welcher erflärte, er habe
an dem von Reteau bezeichneten Tag und au ber von
ibm genannten Stunde eine fo gefleitete Dame nad
der Aue Montmartre geführt.
Diefe Dame, welche fiy mit fo vielen Geheimniflen
umgab. wer fonnte es fein, fie, tie ber Kuticher im
DOueartier du Marais aufgenommen, wenn nidt Frau
von 2a Motbe, die in der Rue Saint-Claude wohnte.
Undpas die Bertraulichkeit betrifft, weldye zwiſchen
biefen 3 Schuldgenoſſen beftand, wie ließ fie ſich leugs
nen, wenn ein Zeuge behauptete, er habe am Tage vor
dem Lubwigefehe auf dem Bed einer Poſtchaiſe, aus
ber Frau von La Mothe ausgeſtiegen, Herrn Reteau
son Billeite gefehen, welcher an feinem bleichen, ängſt⸗
ligen Geſichte kenntlich.
Der Zeuge war einer von den erſten Dienern von
Herrn von Gagliofiro.
Diefer Rame machte Jeanne auf'pringen unb trieb
fe zum Aeußerfien. Sie verbreitete fi in Anflagen
gegen Gaglioftro, von dem fie erflärte, er babe durch
feine Herereien und Zaubermittel den Geiſt des Cardi⸗
nal von Rohan geblendet und dieſem fo Rrafbare Bes
banfen gegen die königliche Majeſtät einges
Dies war der erfie Ring von ber Kette ber Bes
jähtigung des Ghebrudye.
Herr von Rohan verthbeibigte fih; indem er
Gagliofro vertheidigte. Gr leugnete Alles, was
. Begiehung ani die Königin Hatte. Er Iengnete fo
&
bartuädia, daß Jeanne, außer fi, zum erfien Mal
bie Bezüdtigung einer wahnfinnigen Liebe des Cardi⸗
nals für die Königin ausſprach.
198
Herr von Caglioſtro verlangte ſogleich
zu werden, was er auch erhielt, um für fei
gegen Jedermann zu bürgen. Ankläger u
entflammten fi, wie dies gefchieht, bei
Hauche der Wahrheit, und bie öffentlid
nahm unmittelbar Partei für den Gardina
Gaglioftro gegen die Königin.
Da geſchah es, daß diefe unglüdlidhe |
ihre Beharrlichfeit in Berfolgung des P
greiflich zu machen, die an den König über
lichen Spaziergänge erftatteten Berichte ver
ließ, und, hierüber an Herrn von Crosne
biefen auiforderte, zu erflären, was er wuß
Geſchickt berechnet, fiel der Schlag a
und hätte fie beinahe auf immer vernichtet.
Der Berbörrichter forderte in vollem 3
rath Herrn von Rohan auf, zu erflären, ı
den Promenaden in den Gärten von Berfi
Der Cardinal erwiederte, er verfteh
lügen und berufe ſich auf das Zeugniß vor
La Mothe.
Diefe Teugnete, daß je Promenaden
Theilnafme oder nach ihrem Willen vorgefoi
Sie erflärte für Lügen die Protocol
richte, welche ausfagten, fie fei in den
Geſellſchaft der Königin oder in Befellfcha‘
dinals erichienen.
Diefe Erflärung ſprach die Unſchuld d
aus, wäre es möglich aewefen, an die Wori
Diebſtahls und der Fälſchung bezüdhtigt«
glauben. Doch von diefer Seite fommend
Rechtfertigung ein Act der Beiälligfeit zu
die Königin ertrug es nicht, auf diefe We
fertigt zu werben.
Als Seanne am Stärffien ſchrie, fie fei
licher Weile im Garten von Berfailles erfc
nie habe file etwas von den Privatangelege
199
sigin nnd des Cardinals gefchen oder eriahren, ta
‚Hien Dliva, ein lebendiges Zeugniß, das Pie
Reinung veränderte und das ganze Gerüfte der von
er Sräfin aufgehäuften Rügen zeriörte.
Wie wurte fe nicht unter den Trümmern begraben,
sie erhob fie ſich wieder gehäſſiger und ſchrecklicher
Is je?! Bir erflären uns dieſe Ericheinung nur durch
bren Willen, wir erflären uns dieſelbe nur turch den
nieligen Einfluß, der fih an Marie Antoinette anhing.
Dliva mit dem Gardinal confrontirt, welch ein
urchtbarer Schlag! Herr von Rohan, endlich bemer:
end, daß er auf eine fchändliche Weiſe betrogen worden
sar, diejer Mann voll Zartgefübt und voll edler Lei—
enfchaflen, entdeckend, DaB eine Abenteurerin in Ber:
indung mit einer Spitzbübin ihn dahin gebradjt, rap
re ganz laut die Königin von Franfreich veradtet
atte, eine Fran, die er liebte und die nicht ſchuldig
var!
Die Wirfung diefer Erſcheinung auf Herrn von
Roban wäre, wenn wir wollten, die pramatifchfte und
ewichtigſte Scene diefer Angelegenheit, würden wir
icht, indem wir uns der Geſchichte näberten, in den
toth, in das Blut und das Entfegen fallen.
Als Herr von Rohan Dliva, diefe Königin von
er Etraßenede, ſah und fih ter Rofe, des Hände:
rucks und der Apollo:Bäder erinnerte, da erbleichte er,
md er hätte all jein Blut zu den Züßen von Marie
Antoinette vergoffen. würde er fie in diefem Augenblid
ın ber Seite der Andern geliehen haben.
Weldye Berzeihungen, melde Gewiſſensbiſſe fprangen
ns feiner Seele hervor, um mit feinen Thränen hin—
ugeben und die legten Stufen vieles Thrones zu
einigen, wo er eines Tags feine Geringfhägung mit
em Beklagen einer verachteten Liebe ergoflen Hatte.
Doch auch diefer Troſt war ihm veriagt; doch er
onnte bie Identität von Dliva nicht annehmen, ohne
ich zu geftehen, er liebe die wahre Königin; doch das
200
Geftindniß feines Irrthums ſelbſt war eine Anfchuldis
gung, eine Befleckung. Er ließ Jeanne Alles leugnen
und fchwieg.
Und ale Herr von Breteuil mit Herrn von
Erosne Jeanne nöthigen wollte, ſich weiter zu erflären,
ſprach fie:
„Das befte Mittel, zu beweiſen, daß die Königin
nicht in der Nacht im Harfe fpazieren gegangen, if,
eine Frau zu zeigen, bie der Königin gleicht und be:
haubtet, fie fei im Parf gewefen. Man zeigt fie; es
ift gut.“
Diefe ſchändliche Infinuation Hatte günfligen Erfolg,
fie entfräftete noch einmal die Wahrheit.
Als aber Dliva in ihrer treuherzigen Augſt alle
@inzelheiten angab und alle Beweife lieferte, als fie
nichts ausließ, als fle es dabin brachte, daß man ihr
viel mehr glaubte, als der Gräfin, da nahm Seanne
ihre Zuflucht zu einem verzweifelten Mittel: fie geftand.
Sie geftand, fie habe den Cardinal nach Berfailles
geführt, Seine Eminenz habe um jeden Preis die Kös
nigin ſehen und ihr die Berfiherung feiner ehrfurchts⸗
vollen Zuneigung geben wollen ; fie geſtand, weil fie
hinter ſich eine ganze Bartei fühlte, die fie nicht Hatte,
wenn fie fih in die Verneinung verſchloß; fie geftand,
weil fie, indem fle bie Königin anſchuldigte, alle Yeinde
der Königin, und ihre Zahl war groß, zum Beiſtand
für fi) gewann.
Da wechfelten zum zehnten Mal die Rollen in
diefem hölfifhen Prozeß: der Cardinal fpielte die eines
Betbörten, Dliva die einer ohne Poefle und ohne Sinn
Proftiituirten, Jeanne die einer Intrigantin; fie konnte
fi feine beffere wählen.
Doch um dieien nieberträchtigen Blan gelingen I
machen, mußte die Königin auch eine Rolle darin
ſpielen; man gab ihr die gehäfftafte, die verworfenſte,
die die Fönigliche Würde am meiften an den Branger
ftellende, die Rolle einer unbefonnenen Goquelte, einer
201
irifette, welche Myftificationen anzeitelt. Marie An
inette wurde Dorimene, wie fie mit Srofine gegen
eren Jourdain, Gardinal, fi) verichwört.
Seanne erklärte, diele Promenaden haben mit dem
utheißen von Marie Antoinette flattgeiunden, welche
nter einer Hagenbuche verborgen, zum Sterben ladyenp,
ıf die leidenſchaftlichen Reden des verliebten Herrn
a Rohan gehorcht.
Dies wählte zur letzten Verſchanzung die Diebin,
elche nicht mehr wußte, wo fie ihren Diebitahl ver:
ergen follte; dies war der Fünigliche Mantel, gemacht
er Ehre von Maria Therefia und Maria Les;
neTa.
Die Königin erlag diefer letzten Anjchuldigung,
mn fie konnte ihre Falfäheit nicht beweifen, fie fonnte
e nidyt beweifen, weil, auf das Aeußerſte getrieben,
eanne erklärte, fie würde alle von Herrn von Rohan
a die Königin gefchriebenen Liebesbriefe veröffentlichen,
nd weil fie in der That diefe von einer wahnfinnigen
lebe glühenden Briefe befaß. .
Sie fontte es nicht, weil Mademoifelle Dliva,
elche von Seanne in den Park geführt worden zu
in behauptete, feinen Beweis hatte, daß Jemand
Inter den Hagenbuchen gehorcht oder nicht gehorcht.
Endlich Fonnte die Königin ihre Unfchuld nicht
eweiſen, weil zu viele Verſonen ein Intereſſe hatten,
jefe fhändlichen Lügen ‚für die Wahrheit zu nehmen.
XC.
Eine letzte Hoffnung verloren.
Bei der Wendung, welche Jeanne der Sache ges
eben Hatte, wurbe ed, wie man ficht, unmöglich), bie
Bahrheif zu entdecken.
202
Auf eine unverwerfliche Weife durdy zwanzig von
alaubmwürdigen Perſonen herrührenden Zeugfchaften dei
Gntwendung der Diamanten überwieien, Fonnte fid
Jeanne nicht entfchließen, für eine gemeine Diebin zı
gelten. Sie bedurfte der Schande von irgend Jemant
an der Seite der ihrigen. Sie überredete ſich, dei
Lärm von dem Scandal in Berfailles werde fo gut
ihr, der Gräfin von fa Mothe, Verbrechen übertäuben
daß, würde fie verurtheilt, der Spruch die Königin vo
aller Welt treffen müßte. -
Ihre Berechnung war geſcheitert. Die Königin
indem fle offen die Debatte über die doppelte Angeles
genheit annahm, der Gardinal, indem er fich feinem
Verhör, den Richtern und dem Scandal unterzog,
raub:en ihrer Beindin die Glorie der Unſchuld, die fr
mit allen ihren beuchlerifchen Zurückhaltungen zu ver:
golden fich gefallen Hatte.
Aber eine feltfame Erfhheinung! Das Publifum
follte vor feinen Augen einen Prozeß fich entrollen
feben, in dem Niemand unfchuldig wäre, feibft nid
diejenigen, weldye tie Gerichte freifprehen würden.
Nach zahllofen Eunfrontationen, in denen der Gar
dinal beftändig abi und artig blieb, ſelbſt gege
Jeanne, in denen fih Jeanne heftig und ſchädlich gege
Alle zeigte, war die öffentliche Meinung im Allgeme
nen und die der Richter ins Beſondere unwiderrufi!
feftgeftellt.
Alle Zwifchenfälle waren beinahe unmöglith
worden, alle Offenbarungen waren erfhörft. Sea
bemerfte,, daß fie feine Wirfung auf ihre Richter '
vorgebracht hatte.
Sie faßte in der Stille des Kerfers alle
Kräfte, alle ihre Hoffnungen zufammen.
Bon Allem, was Herrn von Breteull umgab
ihm diente, fam Jeanne der Rath zu, die König
fyunen und den Bardinal mitleidelos zu verlafle
Bon Allem, was mit dem Gardinal in Verü
203
’, eine mächtige Familie, für bie volksthümliche
ye parteiiihe Richter, eine an Mitteln fruchtbare
Hichfeit, fam Frau von La Mothe der Rath au,
solle Wahrheit zu fagen, die Intriguen des Hofes
ntlarven und den Lärm auf einen Brad zu treiben,
Daraus eine für die gefrönten Häupter töbtliche
ubung erfolgte.
Diefe Partei ſuchte Jeanne einzufchüchtern, fie
e ihr abermals vor, maß fie nur zu gut wußte,
eige ſich nämlid die Mehrzahl der Richter auf die
e des Gardinals, fie werde ohne Ruben in dem
Hf fcheitern und in Stüde gehen, und man Tügte
halb verloren wie fie fei, wäre es befler für de,
wegen der Sache der Diamanten veruriheilen zu
a, als Berbrechen der Majekätsbeleidigung auf⸗
bren, ein biutiger Schlamm, entfhlummert im
nde der Bendalgefegbücher, den man nie an bie
fläche eines Prozefies rufe, ohne audy zugleich den
auffleigen zu machen.
Diefe Partei fhien ihres Sieges gewis. Sie
ed. Die Begeiflerung des Bolfs gab fih mit
e zu Gunſten des Cardinals fand. Die Männer
mdeıten feine Geduld und die Frauen feine Dis⸗
»n. Die Männer waren darüber entrüftet, daß
isn fo ſchändlich hintergangen; die Frauen wollten
iyt glauben. Dliva, obgleich fie lebte, erikirte
ine Anzahl Leute mit ihrer Achnlidyfeit und ihren
indniſſen gar nicht, oder wenn fie erifirte, fo
fie die Königin ausprüdlih Tür dieſen Umſtand
ıden.
Jeanne überlegte dies Alles. Ihre Advocaten felbft
eßen fie, ihre Richter verhehlten ihren Wider:
n nidt; die Rohan belafteten fie fräftig; die
liche Meinung verachtete fie. Sie beidhloß einen
n Schlag zu thun, um ihren Richtern Unruhe,
Zreunden des Cardinals Angſt einzuflößen, und
204
dem öffentlichen Haß Federkraft gegen Marie Antoinette
zu verleihen.
Ihr Mittel in Beziehung auf den Hof follte fols
gendes fein:
Glauben machen, fie habe fortwährend die Königin
nefhont, und fie würde Alles entfchleiern, wenn man
fie auf das Aeußerſte triebe.
In Beziehung auf den Barbdinal müßte fie glauben
machen, fie behaupte ihr Stillfchweigen nur, um feine
Zartheit nachzuahmen; doch fobald er fpräche, würbe
fie, durch dieſes Beifpiel befreit, auch fprechen, und alle
Beide würden zugleich ihre Unſchuld und die Wahrheit
enthüllen.
Das war wirkflid nur ein Snbeariff ihres Bes
nehmens während der Inftruction des Prozefles. Doch
es ift nicht zu leugnen, alle befannte Berichte lafien
fih durch neue Würzen verjüngen. Man vernehme,
was die Gräfin erfann, um ihre zwei Stratageme aufs
zufrifchen.
Sie fchrieb einen Brief an die Königin, einen
Brief, deffen Ausdrücke allein feinen Character und
feine Tragweite enthüllen fünnen:
„Dadame,
„Was meine Lage auch Peinliches und Hartes hat,
es iſt mir doch nicht eine Klage entſchlüvft. Alle
Winfelzüge und Scleichwege, deren man fich bedient,
um mir Gefländniffe au erpreffen, haben nur dazu
beigetragen, mich au beftärfen in dem Entſchluß, meine
Gebieterin nicht bloßzuftellen.
„So fehr ich aber überzeugt bin, daß meine Bes
barrlihfeit und meine Verſchwiegenheit mir
die Mittel erleichtern müflen, ber Berlegenheit an ents
kommen, in der ich mich befinde, fo befenne ich doch,
daß die Anftrengungen der Familie des Sklaven
(die Königin nannte fo den Gardinal in den Tagen
ihrer Berföhnung) mich befürchten lafien, daß ich ihr
Opfer werbe.
205
„Gine Tange Haft, Gonfrontationen, welche Fein
be nehmen, die Scham und die Verzweiflung , daß
mid eines Verbrechens bezücdhtigt * deſſen ich
»t ſchuldig bin, Haben meinen Muth geſchwächt,
» ip Habe bange, es könnte meine Standphaftigfeit
vielen gleichzeitigen Schlägen erliegen.
„Madame vermag mit einem Wort diefer unglüds
en Angelegenheit ein Ziel durch die DVermittelung
ı Herrn von Breteuil zu feßen, der ihr in den Augen
Minifters (der König) die Wendung zu geben
Stande ift, die ihm fein Verſtand einflüflern wird,
ıedaß Madame aufirgend eine Weife bloß:
Reltt if. Die Furcht, ich dürfte genöthigt fein,
les zu enthüllen, veranlaßt midy zu dem Schritt,
‚ich beute in der Meberzeugung thue, Madame werde
Beweggründe berüdfihtigen, die mich zwingen,
ine Zuflucyt hiezu zu nehmen, und fie werde Befehle
en, mich der fchmerzlichen Lage zu entziehen, in
ich mich befinde.
Ich bin mit tiefer Ehrfurcht Eurer Majeftät unters
migfte Dienerin,
„Bräfin Balois von La Mothe.”
Seanne hatte, wie man flieht, Alles berechnet.
Entweder würde der Briefan die Königin gelangen
b fie durch die Beharrlichfeit, die er, nach Io vielen
serfirichen,, bezeichnete, erfchreden, und dann würde
, die Königin, die des Kampfes müde fein müßte,
fchließen, der Sache durch die Zreiluffung von Jeanne
ı Ende zu machen, da ihre Haft und ihr Prozeß
yts herbeigeführt.
Oder, was noch viel wahrfcheinliher und durch
8 Ende des Briefes ſelbſt darge han ift, oder Jeanne
bite in feiner Hinficht auf den Brief, und das if
ht zu erweilen: denn fu in den Prozeß hinein vers
it, Eonnie die Königin nichts aufhalten, ohne ſich
bt zu verurtheilen. Es ift alſo augenicheinlich, daß
206
Jeanne nie darauf gerechnet Hatte, der Brief würde
der Königin übergeben werben.
Sie wußte, daß alle ihre Wächter dem Gouver⸗
neur der Baftille, das Heißt, Herrn von Breteuil, er:
geben waren. Sie wußte, daß alle Welt in Franfreidh
aus der Halsband-Sade eine ganz politifhe Specus
lation machte, was feit den Parlamenten von Herrn
von Mauveou nicht mehr geſchehen. Es war gewiß,
daß der Bote, den fie mit diefem Briefe beauftragte,
follte er ihn nicht dem Gouverneur geben, benfelben
für fih oder für die Richter von feiner Meinung bes
halten würbe. Sie hatte endlich Alles fo eingerichtet,
daß dieier Brief, in irgend welche Hände fallend, darin
einen Sauerteig von Haß, Verachtung unb Unehrer
bietigfeit gegen die Königin nieberlegte.
Zu gleicher Zeit, da fie bieten Brief an bie Kös
nigin fyrieb, faßte fie einen anderen an den Gars
dinal ab:
„Ih kann nicht begreifen, Monfeigneur, warum
Sie ſich hartnädig weigern, klar zu ſprechen. Mir
ſcheint, Sie fünnen nichts Befferes thun, als unferen
Richtern ein unbegrenztes Bertrauen gewähren: unfer
Loos würde fich glücklicher geftalten. Sch meines Theile,
ich bin entfchloffen, zu fyweigen, wenn Sie mir nicht
beiftehen wollen. Doch warum fprechen Sie nicht?
Erflären Sie alle Umftände dieſer geheimnißvollen
Nngelegenheit, und ich fhwöre Ihnen, daß ich Alles
beftätige, was Sie behaupten werden; bedenfen Eie
wohl, Herr Cardinal, wenn idy es auf mich nehme,
zuerft zu ſprechen, und Sie in Nbrede ziehen, was ich
fagen dürfte, fo bin ich verloren, ſo werde ich der
Nache von derjenigen nicht entgehen, welde uns
aufopiern will.
„Doh Sie haben nichts Aehnliches von meiner
Seite zu befürchten, meine Grgebenheit if Ihnen bes
fannt. Sollte fie unverföhnlich fein, fo wäre Ihre
Sache immer die meinige; ich würde Alles opfern, um
207
5ie den Wirfungen ihres Hafles zu entziehen, ober
njere Ungnade wäre eine gemeinfchaftlicye.
„N.S. Ich habe einen Brief an fie gefchrieben,
er fie hoffentlich beflimmen wird, wenn nidyt die
Rahrheit zu fagen, doch wenigftens uns nicht zu ers
rüden, une, die wir uns fein anderes Berbredhen
orzumwerfen haben, als unfern Irrthum oder unfer
Stillfchweigen.“
Diefer Eunftlicde Brief wurde von ihr dem Gar:
inal bei ihrer legten Eonirontation im großen Spradh-
immer der Baftille übergeben, und man fah den Cars
inal in Gegenwart einer folchen Frechheit erröthen,
en beben. Er ging hinaus, um Athem zu
öpfen.
Der Brief an die Königin wurde in bemfelben
Iugenblid von der Gräfin dem Abbe Lefel, dem Al:
hufenier der Baftille, eingehändigt, der den Cardinal
n das Spradygimmer begleitet hatte und den Intereflen
er Rohan ergeben war.
„Mein Herr,” fagte fie zu ihm, „Sie können,
ndem Sie diefen Auftrag vollziehen, eine Aenderun
m Scdidfal von Herrn von Rohan und in dem mei-
igen herbeiführen. Nehmen Sie Kenntniß von dem,
vas er enthält. Sie find ein durd feine Pflichten zur
Berfchwiegenheit verbundener Mann. Sie werden fehen,
aß ih an der einzigen Thüre angeflopft babe, wo
vier, der Herr Cardinal und ich, Hülfe fuchen Fönnen.
Der Almofenier weigerte fid.
„Sie fehen nur mich als Geiſtlichen,“ erwieberte
r, „Ihre Majeflät wird glauben, Sie haben meinen
Rathichlügen gemäß gefchrieben, und Sie haben mir
Illes geftanden; ich fann nicht dazu einwilligen, daß
ch mich in's Verderben ſtürze.“
„Nun wohl!“ ſprach Jeanne, am Gelingen ihrer
liſt verzweifelnd, während fie jedoch den Cardinal
meh die Einſchüchterung zwingen wollte, „Tagen Sie
em Herrn Barbinal, es bleibe mir ein Mittel, meine
“
208
Unfhulb zu beweifen, das, daß ich die Briefe leſen
lafje, die er an die Königin gefchrieben hat. Es widers
firebte mir, von diefem Mittel Gebrauch zu machen;
doch in unferem gemeinichaftlichen Intereſſe werde ich
mich hiezu entfchließen.“
Und ale fie den Almofenier über biefe zsohun en
erfchroden ſah, verſuchte fie es gum legten Mal, ihm
ihren furchtbaren Brief an die Königin in die Hand
zu fchieben.
„Nimmt er den Brief,” fagte fle zu ſich ſelbſt,
„fu bin ich gerettet, weil ich ihn dann in voller Sigung
frage, was er damit gemadıt, ob er ihn der Königin
übergeben und fie aufgefordert habe, darauf FF ants
worten; bat er ihn nicht übergeben, fo if die Königin
verloren; das Zögern der Rohan wird ihr Verbrechen
und meine Unfcyuld bewiefen haben.“
Doch kaum Hatte der Abbe Lekel den Brief in ben
Händen, fo gab er ihr denfelben zurüd, ale ob er ihn
brennete.
„Nehmen Eie fi in Acht, daß Sie feine Gefahr
laufen,” ſagte Seanne bleich vor Zorn, „ich habe den
Brief der Königin in einem Umſchlag unter der Adreſſe
von Brau von Mifery verborgen.“
„Sin Grund mehr!” rief der Abbe, „zwei Berfonen
würden das Geheimniß erfahren. Bin doppeltes Motiv
des Unwillens für die Königin. Nein, nein, ich thue
es nicht.“
Und er ftieß die Ringer der Gräfin zurüd.
„Bemerfen Sie wohl,” faate fie, „Sie bringen
mich dazu, daß ih von den Briefen von Herrn von
Rohan Gebrauch madye.”
„But,“ ermwiederte der Abbe, „machen Sie davon
Gebrauch, Madame.“
„Aber,“ ſprach Jeanne zitternd vor Wuth, „ba
ih Ihnen erfläre, daß ber Beweis eines geheimen
Driefmechfels mit Ihrer Majefät auf einem Schaffot
209
en Kopf des Cardinals fallen macht, fleht es Ihnen
rei, zufagen: But!... Ich werde Sie gewarnt haben.“
Die Thüre öffnete fih wieder, der Cardinal er-
chien ſtolz und zornmuthig auf der Schwelle und rief:
„Laſſen Sie auf einem Schaffot das Haupt eines
toßan fallen, Madame, es wird nicht das erſte Mal
ein, Laß die Baftille dieſes Echaufpiel gefehen hat.
doch da dem fo if, erkläre ich Ihnen, daß ich dem
Schaffot, auf das mein Kopf rollt, nichts zum Vor⸗
ourfe machen werde, wenn ich nur das Gerüſte fehe,
mf dem man Sie als Diebin und Fälfcherin brand-
sarfen wird. Kommen Sie, Abbe, fommen Sie.“
Nach diefen niederfchmetternden Worten wandte
r Seanne den Rüden zu, ging mit dem Almofenier
inans und überließ der Wuth und ber DBerzweiflung
tiefe Unglückliche, welche Feine Bewegung machen Eonnte,
hne fich tiefer in den Koth zu fleden, in dem fie bald
anz verſinken follte.
XCI.
Die Taufe des kleinen Veaufire.
Frau von La Mothe hatte ſich in allen ihren Be⸗
echnungen geirtt. Gaglioftro irrte ſich in feiner.
Kaum in der Baflille, bemerkte er, daß ihm ber
Borwand gegeben war, enblidh offen auf den Unter:
ang biefer Monarchie hinzumirfen, die er feit fo vie-
en Jahren durch den Slluminismus und bie verborgenen
Arbeiten untergrub.
Sicher, in nichts überwieſen zu werden, zu der
für feine Abſichten günſtigſten Entwickelung gelangt,
hielt er gewiſſenhaft ſein Verſprechen gegen alle Welt.
Dad Haldband der Königin. IV. 14
210
Er bereitete vie Materialien vor zu dem von
batirten berüchtigten Brief, der einen Monat ı
Epoche erfcheinend, die wir erreicht haben, d
Stoß des Sturmbods gegen die alten Mau
Baftille war, die erſte Feindſeligkeit der Rev
der erfte materielle Angriff, der dem vom 14.5
vorherging.
Sn diefem Brief, worin Gaglioftro, nad
König, Königin, Cardinal, öffentliche Agio:
Grunde gerichtet Hatte, Herrn von Breteuil, i
ſönlichung der minifteriellen Tyrannei, das V
bereitete, drüdte fich unfer Zerflörer alfo aus:
„Sa, ich wiederbole es frei, nachdem id
Sefangener gefagt habe, es gibt fein Verbrech
nicht durch ſechs Monate in der Baftille abgebü
Es fragte mich Jemand, ob ih je nah Fı
zurüdfehren werde? Sicherlich, antwortete ich,
der Bedingung, daß die Baftille eine ı
lie Bromenade geworben ifl. Es fei
Wille Ihr habt Alles, was man braucht, um gli
fein, Ihr Branzofen: einen fruchtbaren Bod
mildes Klima, ein gutes Herz, eine reigende Hı
Genie und einen zu Allem fauglidyen Anftant
Gleichen in der Kunft, zu gefallen, ohne M
den andern Künften; es fehlt Euch, meine 5
nur ein Bunft, ber, fiher zu fein, in Eure
zu ſchlafen, wenn Ihr unſträflich.“
Gaglioftro Hatte fein Wort au Dliva <
Diefe war ihrerfeits gewiſſenhaft treu. Es ent
ihr fein Wort, das ihren Gönner bloßftellte. E
nur unfelige Geftändniffe für Frau von La Mi
ftellte auf eine unummwundene und unverwerflic
ihre unſchuldige Theilnahme an einer Myft
heraus, bei der es, nach ihrer Ausſage, aı
unbelannten Gavalier abgefehen war, den r
unter dem Namen Louis bezeichnet Hatte.
Mährend der Zeit, die für die Gefangen:
211
Schloß und Riegel und in den Verhören verlaufen
war, batte Diiva ihren theuren Beaufire nicht wieder
gefehen, fie war jedoch nicht ganz von ihm verlaffen,
und fie befaß, wie man fehen wird, von ihrem Be:
liebten ein Andenken, das fi Dido wünſchte, als fle
träumend ſprach: „Ad! wenn es mir vergönnt wäre,
Br meinem Schooße einen Fleinen Ascan fpielen zu
eben!“
Sm Monat Mai des Jahres 1786 wartete ein
Mann mitten unter den Armen auf den Stufen bes
Bortals von Saint-Baul in der Rue Saint-Antoine.
Er war unruhig, keuchend, und ichaute, ohne bie
Augen abwenden zu fönnen, in ber Richtung der
Baſtille.
Sn feine Nähe ſtellte ſich ein Mann mit langem
Bart, einer von den deutfchen Dienern von Baglioftro,
derjenige, welchen der Graf als Kämmerer bei feinen
gebeimntbvolien Aufnahmen im alten Haufe der Rue
aints&laude benüste.
Diefer Mann hemmte die ftürmifche Ungebulb von
Beaufire und fagte leife zu ihm:
„Warten Sie, warten Sie, fie werben kommen.“
„AH!“ rief der unruhige Mann, „Sie find es!"
Und da das fie werden kommen, wie es fcheint,
den unruhigen Mann nicht befriebigte, ba diefer mehr
als vernünftig an gefticuliren fortfuhr, fagte ihm der
Dentfche in's Ohr:
„Herr Beaufire, Sie machen fo viel Lärm, daß
ans die Polizei fehen wird. Mein Herr verfprady
Söhnen Nachrichten, ich gebe Ihnen.“
„Beben Sie, geben Sie, mein Freund.”
„Leile.... Die Mutter und das Kind befinden
ih wohl.“
„Ob! 05!“ riefBeaufire in einem unbefchreiblichen
Entzjüden, „fe ift entbunden! fie ift gerettet!”
Sa, mein Herr; doch ich bitte, treten Sie auf
die Geite.“ ne
212
„Bon einem Mädchen?”
„Nein, mein Herr, von einem Knaben.”
„Deſto beffer! Oh! mein Breund, wie glüdlidy bi
ich, wie glüdlih bin ih! Danfen Sie Ihrem Herr:
fagen Sie ihm, mein Leben, Alles, was ich habe, g
höre ibm.”
„Ja, Herr Beaufire, ja, ich werbe ihm das fage
wenn id ihn fehe.“
„Mein Freund, warum fagten Sie mir vorhin...
Doch nehmen Sie diefe zwei Louisd'or.“
„Sch nehme nur von meinem Herrn an.“
digen! h! verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht bele
igen.“
„Ich glaube es. Doch Sie ſagten mir? ...“
„Ah! ich fragte Sie, warum Sie vorhin ausg
rufen: „„Sie werden kommen ?*" Wer wird fomme:
wenn’s beliebt?"
„Sch meinte ven Wundarzt der Baſtille und Fra
die Hebamme, welde Mile. Dliva entbunde
aben.”
„Sie werben hierher fommen? Barum ?“
„Um das Kind taufen zu laffen.“
„Ich werbe mein Kind fehen!“ rief Beauſtre, fprir
gend wie ein Verzückter. „Sie fagen, ich werbe be
Sohn von Dliva fehen? Hier, fogleich ?“
„Hier, fogleidh: doch ich bitte Sie inftänbig, mi
Bigen Sie fi; ſonſt werden Sie die paar Agenten vı
Herrn von Grosne, die ich unter den Lumpen bief
Bettler verborgen errathe, entveden und wittern, be
Sie mit den Gefangenen der Baftille in Verbindur
geftanden find. Sie flürzen fi in’s Ververben ur
gefährden meinen Herrn.”
„Oh!“ rief Beaufire mit der Religion der Gh
furcht und der Danfbarfeit: „eher fterben, als eir
Silbe ausſprechen, welche meinem Wohlthäter ſchade
könnte. Ich werde erſticken, wenn es fein muß, abı
ich fage nichts mehr. Sie fommen nit! ...“
213
Geduld!“
Beanfire näherte fich dem Deulſchen und fragte, die
Jände jaltend:
„Jit fie ein wenig glüdlid dort ?“
„Bollfommen gluͤcklich,“ erwiederte der Andere.
Ch! Hier fommt ein Ziarre.“
„3a, ja.“
„Gr hält an.”
„Ih fche Weißes, Eyigen ...“
„Tab Taufzeug des Kindes.”
„Suter Bott!” rief Beauiire.
Und er war genöthigt, jih an eine Säule anzu:
nen, um nicht zu wanfen, als er aus dem Fiacre
ie Hebamme, ten MWundarzt und einen Schließer der
zaſtille ausfleigen fah, der bii dieſer Veranlaſſung als
euge biente. ‘
Als dieje drei Perfunen vorübergingen, geriethen
ie Bettler in Bewegung und näjelten ihre Forde⸗
ungen.
Man ſah nun ſeltſamer Weiſe den Pathen und die
zathin dieſe Clenden mit dem Ellenbogen ſtoßend
yeiter ſchreiten, während ein Fremder, vor Freude
einend, feine Münze und jeine Thaler unter fie vers
heilte.
Als dann ber Fleine Zug in der Kirche eingetreten
var, trat Beanfire hinter ihnen mit den Prieflern und
en Rengierigen ein und fuchte fich den beiten Plag
n der Sacriflei aus, wo das Sacrament der Tauſe
ollgegen werden follte.
obald der Priefter die Hebamme und den Wund⸗
rat erfannte, weldye ſchon mehrere Male unter ähn⸗
hen Umständen feine Dienite in Ariprudh genommen
atten, nickte er ihnen freundlich lächelnd zu.
Beaujire grüßte und lächelte mit vem Briefer.
Die Thüre ſchloß fi, der Pirieſter nahm feine
'tder und fing an in fein Regiiter die facramentlichen
214
Dhrafen zu fchreiben, welche ben Act der Ginregiftrirung
ilden.
Als er nach) dem Namen und Vornamen bes Kin:
des fragte, antwortete der Wunbarzt:
„Es ift ein Knabe, mehr weiß ich nicht.“
Und ein Gelächter punftirte diefes Wort, das Beau:
fire nicht fehr ehrerbietig vorkam.“
„Es hat doch einen Namen, und wäre es der irgend
eines Heiligen.”
„Sa, 88 war ber Wille ber Demoifelle, daß es
den Namen Touflaint?) befommen folle.“
„Dann hat es den aller Heiligen!” fagte der Priefter
lachend über fein Wortfpiel, was die Sacriftei mit einer
neuen Heiterfeit erfüllte.
Beaufire fing an die Geduld zu verlieren, doch ber
weife Einfluß des Deutfchen hielt ihn noch zurüd. Er
bewältigte ſich.
„Nun!“ fagte der Priefter, „mit dieſem Vornamen,
mit allen Heiligen als Patronen, fann man eines Baters
entbehren. Schreiben wir: „Es iſt uns heute ein
Kind männlihen Geſchlechts, geboren geflern in ber
Baftille, vorgewiefen wurden ; Sohn von Nicole Oliva
Legay und von . . . Vater unbefannt.”"
Beaufire fprang wüthend an die Seite des Prieſters,
pacte ihn beim Fauſtgelenke und rief:
„Touffaint Hat einen Bater, wie er eine Mutter
hat! Er hat einen zärtlichen Bater, der fein Blut nicht
verleugnen wird. Ich bitte Sie, fehreiben Sie, daß
Touffaint, geftern geboren von Nicole Dliva Legay, der
Sohn von dem hier gegenwärtigen Jean Baptifte Touffaint
von Beaufite it!“
Man denke fid) das Erftaunen des Priefters, das
des Vathen und das der Ratbin. Die Feder entfiel den
Händen des Grften, das Kind wäre beinahe aus den
Armen der Hebamme gefullen.
*) ie Heilige.
215
Beaufire empfing es in den feinigen, bebedite es
! gierigen Küffen und ließ auf bie Stirne des armen
einen die erſte Taufe, die heiligſte in diefer Welt
& der, welche von Bott kommt, die Taufe der väter:
ben Tränen fallen.
Obgleih an dramatifche Scenen gewöhnt und trog
} den wahren Boltairianern diefer Zeit anflebenden
eptichömus, waren die Anweſenden gerührt. Der
iefter allein behauptete feine Kaltblütigfeit und zog
Vaterſchaft in Zweifel, Vielleicht ärgerte es ihn,
5 er feine Schreibereien wieder anfangen mußte.
Doch Beaufire errieth die Schwierigfeit; er legte
f den Taufflein drei Louisd'or, welche viel befer.,
; feine Thränen, fein Baterrecht begründeten und
ne Slaubwürdigfeit glänzen machten,
Der Briefter verbeugte fih, bob die zwei und
zenzig Livres auf und durchſtrich die zwei Säge, die
ſpottend in fein Regifter eingefchrieben Hatte.
„Nur, mein Herr,” fagte er, „nur, ba bie Er⸗
zung bes Herrn Wundarztes der Baftille und der
au Egopin eine förmliche gewefen ift, werden Sie
: Güte haben, felbft zu ſchreiben und au beurfunbden,
B Sie fi als Vater diefes Kindes ertlären.“
„Sch!“ tief Beaufire, in der höchften Freude, „ich
iede mit meinem Blute fchreiben.“
Und er ergriff die Feder voll Begeifterung.
„Nehmen Sie fih in Acht,” fagte ganz leife zu
n der Schließer Guyon, der feine Rolle als bedenk⸗
yer Mann nicht vergeflen hatte. „Ich glaube, mein
ber Herr, Ihr Name Elingt fchlecht an gewiflen Or⸗
; es iſt gefährlich, ihn in bie öffentlihen Regiſter
zuſchreiben mit einem Datum, das zugleich den Be⸗
is von Ihrer Gegenwart und den von Ihrem Um⸗
ıg mit einer Angeflagten gibt.”
„Ich danke für Ihren Rath, Freund,“ erwieberte
anfire mit Stolz; „er ift der eines redlichen Mannes
217
n den Hals, cin Befchenf, das für die Wöchnerin be:
immt war, und öffnete, flolz wie Xenophon bei feinem
erühmten Rüdzug, die Thüre der Sacriftei, entſchloſſen,
icht die geringfte Liſt zu gebrauchen, nicht die Eleinfte
Jorfichtsmaßregel zu nehmen, um den Sbirren zu ent:
ehen, ſollte er fulche finden, welche entartet genug
ären, ihn in diefem Augenblick feſtnehmen zu wollen.
Die Gruppen der Beitler hatten die Kirche nicht
erlaſſen; Beaufire, hätte er fie fünnen mit jefteren
augen anfchauen, würde vielleicht unter ihnen den bes
ichtigten Bofttiv, den Urheber feines Unglüds, er:
ınnt haben, doch nichts rührte fi. Die neue Aus:
yeilung, welche Beaufire machte, wurde mit maßlofen:
Bott vergelt e8,” aufgenommen, und der glüdlidhe
Jater ging von Saint-Paul mit allem Anfchein eines
wehrten, auserforenen, gefegneten, von allen Armen
es Kirchſpiels umfchmeichelten Edelmanns weg.
Die Taufzeugen entfernten ſich ebenfalls und kehr⸗
u, ganz verwundert über dieſes Abenteuer, zu dem
iacre zurüd.
Beaufire belauerte fie von der Ede der Rue Cul⸗
we: Salut: Gatherine, fah fie in den Wazen fleigen,
arf feinem Sohn ein paar bebende Küffe zu, und als
in Herz fi völlig ergoflen hatte, als der Fiacre aus
inen Augen verfchwunden war, dachte er, er müßte
eder mehr Bott, noch die Polizei verfuchen, und wandte
ch nach einem Zufluchtsort, ver nur ihm allein, Caglioſtro,
nd Herrn von Grosne befannt war.
Das heißt, Herr von Crosne hatte fein Wort auch
halten und Beauſire nicht beunruhigen laffen.
Als das Kind in die Baflille zurüdlam und Frau
hopin Dliva fo viele erftaunlihe Abenteuer mitge-
eilt Hatte, fledte diefe an ihren dickſten Finger den
ing von Beauſire, fing auch an zu weinen, Füßte ihr
ind, für das man ſchon eine Amme ſuchte, und
gte:
218
„Nein, Herr Gilbert, ein Schüler von Herrn
Rouſſeau, behauptete einft, eine gute Mutter müfle ihr
Kind ſelbſt ftillen, ich werde meinen Sohn ftillen; ich
will wenigftens eine gute Mutter fein.”
— nn —
XCII.
Das Schemelchen.
Es war endlich nad langen Debatten der Tag
gefommen, wo der Sprucd des Parlamentshofes durch
fe des Generalanwalts hervorgerufen werben
ollte.
Die Angeklagten, mit Ausnahme von Herrn von
Rohan, waren in die Eonciergerie gebracht worden, um
dem Sigungsiaale, der um fieben Uhr jeden Morgen
geöffnet wurde, näher zu fein.
Vor den Richtern, bei denen der erſte Präfldent
d'Aligre den Vorfig führte, war die Haltung ber An:
geflagten beſtändig biefelbe geblieben, welche fie wäh:
rend der Inftruction gewefen war.
Dliva treuherzig und ſchüchtern; Caglioftro ruhig,
erhaben und zumeilen firahlend im jenem myſtiſchen
Glanze, mit dem er fih fu gern umgab.
Villeite verlegen, niedrig und weinend.
Seanne unverfhämt, das Auge funfelnd, immer
drohend und giftig.
Der Bardinal einfach, träumerifh und in eine
Erſchlaffung verfunfen.
Seanne hatte fehr fchnell die Gewohnheiten der
Gonciergerie angenonmen und durdy ihre bunigfüßen
Schmeicheleien und ihre Heinen Geheimniffe ſich die
Gewogenheit der Boncierge des Palaftes, ihres Mannes
und ihres Sohnes errungen.
219
Auf diefe Art Hatte fie fi das Leben angenehmer
ab die Berbindungen leichter gemacht. Der Affe braucht
mmer mehr Plab ale der Hund, der Intrigant mehr
I6 der ruhige Geiſt.
Die Debatten lehrten Frankreich nichts Neues.
[6 war immer baflelbe mit Frechheit von der einen
ber der andern der zwei Perfonen, die man anfdhuls
igte und die fich gegenieitig anſchuldigten, geftohlene
alsband.
Zuwiſchen dieſen beiden entſcheiden, wer ber Dieb,
ie6 war der ganze Prozeß.
Der Geiſt, der die Branzofen immer zu Ertremen
ihrt und fie namentlich zu jener Zeit dazu führte,
atte einen andern Prozeß auf den erſten gepfropft.
Es handelte fi darum, zu erfahren, ob die Kös
igin Recht gehabt, daß fie den Cardinal hatte ver-
er „jaflen und ihn vermeflener Unhöflichfeiten be-
ächtigte.
Zür Jeden, der in Frankreich über Politik raifone
irte, bildete diefer Anhang bei dem Prozeß bie wahre
zache. Hatte Herr von Rohan der Königin fagen zu
önnen geglaubt, was er ihr gefagt, in ihrem Namen
anbeln fönnen, wie er es gethan; war er ber geheime
lgent von Marie Antoinerte gemwefen, ein Agent, den
ıan verleumdet hatte, fobald die Sade Aufiehen 8
sat? Mit einem Wort, hatte bei dieſem Zwiſchenfall
er begünfligte Gardinal in gutem Glauben, als ein
aniger DBertrauter, der Königin gegenüber gehandelt?
Hatte er in guiem Glauben gehandelt, jo war bie
tönigin alfo ichuldig aller jener Bertraulichfeiten,
[br der unſchuldigen, welche fie geleugnet, und welche
etanden zu Haben Frau vun La Mothe infinuirte,
Ind dann, als Geſammtſumme in ven Augen der Meis
ung, welche nichts fchont, find Vertraulichkeiten un⸗
Yuldig, die man feinem Gatten, jeinen Miniftern und
'inen Unterthanen zu leugnen genöthigt iſt?
Dies iſt der Prozeß, den die Schlüffe des General:
221
ch verehrte Princip der Unfehlbarfeit des Thrones
erichritten worden wären.
Doch nur vierzehn Räthe traten völlig der Meis
na des GBeneralprocurators bei, und von da an
rrfchte eine Spaltung in der Berfammlung.
Man ichritt zum lebten Verhöre, eine beinahe uns
se Förmlichkeit bei foldyen Angeklagten, da es den
ve hatte, Geftändniffe vor dem Spruch hervorzu:
fen, und da weder Friebe, noch Waffenſtillſtand von
n erbitterten Gegnern zu erlangen war, welde
on feit fo geraumer Zeit fampften. Es war weniger
ce eigene Freifprehung, was fie forderten, ale die
rurtheilung ihrer Gegenpartei.
Dem Gebrauche gemäß hatte der Angeflagte vor
nen Richtern auf einem hölzernen Stühlen ſitzend
ericheinen,, auf einem demüthigen, niedrigen, ſchmaͤh⸗
ben, durch die Berührung der Angeflagten, welche von
fem Gite aus nad dem Schaffot gegangen waren,
tehrten Schemel.
Hierhin feßte fih der Faͤlſcher Villette, der mit
nen Thränen und feinen Gebeten um Gnade flehte.
Er erklärte, was man fchon weiß, nämlich, er fei
mibig der Faͤlſchung, fchuldig der Genoſſenſchaft mit
anne von La Mothe. Er bezeugte, feine Rene, feine
ewiſſensbiſſe feien fchon für ihn eine Straie, weldye
» Richter zu entwaffnen im Stande fein follte.
Diefer intereffirte Niemand. Er war nur und
ſchien nur als ein Spitzbube. Vom Gerichtshof ent:
hen, Echrte er flennend in feine Zelle in der Concier—⸗
rie zurüd. Nah ihm erfchien am Eingange bes
aales Fran von La Mothe, geführt von dem Be:
hteſchreiber Fremyn.
Sie war gekleidet in eine Mantille und eine Che⸗
fe von Linonsbatifle, hatte eine Haube von Gaze
ne Bänder; eine Art von weißer Gaze bevedte ihr
eſicht; fie trug ihre Haare ohne Puder. Ihre Be:
222
genwart machte einen lebhaften Cindrud auf d
fammlung.
Schon hatte fie die erfte von ben Beihimr
welche ihr vorbehalten, auszuftehen gehabt: ma
fie über die fleine Treppe gehen laſſen, wie die
nen Verbrecher.
Die Hige des Saales, das Geräufch der Ge
die Bewegung der Köpfe, welche in allen Rid
wogten, fingen an fie zu beunrubigen; ihre
fhwanften einen Moment, als wollten fie ſich
Spiegelung von diefem ganzen Geſammtweſen geı
Nun Fibrte fie derfelbe Gerichtsfchreiber,
bei der Hand hielt, ziemlich raich zu dem im
punfte des Halbkreiſes ſtehenden Schemelchen,
nem Ffleinen unheimlichen Blocke ähnlich, der
den Schaffoten erhebt.
Bei dem Anblide dieſes entehrenden Sig«
man für fie beflimmte, für fie, die ſtolz dara
ſich Valois zu nennen und in ihren Händen d
fhi einer Königin von Franfreich zu halten, eı
Jeanne von La Mothe und warf einen zurnige
umber, als wollte fie die Richter einfchüchtern,
diefe Beihimpfung erlaubten; doch da fie über
feften Willen und Neugierde flatt des Mitlei
der Barmherzigkeit traf, fo drängte fie ihre w
Entrüſtung in ihr Inneres zurüd und feßte ſich
um nidyt das Ausfehen zu haben, als fiele fie ı
Schemel.
Man bemerkte in den Verhören, daß fiı
Antworten all die Unbeftimmtheit gab, aus
Gegner der Königin am meiften Nugen zur 2
digung ihrer Sache hätten ziehen können. Sie
nichts ſcharf aus, als die Verficherungen ihrer U:
und nöthigte den Präfldenten, eine Frage an |
bie @riftenz ber Briefe zu richten, von denen
hauptete, fie feien vom Garbinal an die Köni
223
ſchrieben worden, fu wie auch derer, welche die Köni⸗
gin an den Cardinal gefchrieben Haben follte.
Alles Gift der Schlange verbreitete fi in ber
Antwort auf diefe Frage.
Seanne fing damit an, daß fie beiheuerte, es fei
ihre inniger Wunſch, die Königin nicht bloßzuftellen,
und fügte dann bei, Niemand fönne diefe Zrage befler
beantworten, als der Gardinal.
„Bordern Sie ihn auf,” ſprach fie, „diele Briefe
ober die Abichriften davon zu produciren, damit man
fie vorlefen und Ihre Neugierde befriedigen fann. Ich,
was mich betrifft, vermöchte nicht au behaupten, ob
biefe Briefe vom Cardinal an die Königin, oder von
ber Königin an den Cardinal gefchrieben find; ich finde
biefe zu frei und zu vertraulich von einer Fürſtin an
einen Unterthan; ich finde jene zu unebrerbietig als
von einem Unterihan an eine Königin gerichtet.”
Das tiefe, furdtbare Stillichweigen, welches auf
diefen Angriff folgte, mußte Seanne bemweifen, daß
fie nur ihren Feinden Abſcheu, ihren Parteigängern
Schrecken, ihren unpartetifchen Richtern Mißtrauen
eingeflößt hatte. Sie verließ indeſſen den Schemel mit
der füßen Hoffnung, der Cardinal würde nah ihr
darauf ſitzen. Diet Rache genügte ihr fo zu fagen.
Wie wurde ihr aber, als fie fi) umwandte, um zum
legten Mal diefen Stuhl der Schmach zu betrachten,
auf den fie einen Rohan nad ihr niederzufißen zwang,
als fie den Schemel nicht mehr fah, den auf Beich!
bes Barlamentshoies die Gerichtsdiener verfhwinten
gemacht und durch einen Lehnftuhl erſetzt hatten!
Gin Gebrülle der Wuth entſtroͤmte ihrer Bruſt; fie
fprang aus dem Saal und biß fich mit einer wahren
Raſerei in die Hände.
Ihre Strafe begann. Der Cardinal Fam langfam
herbei, er war aus einem Wagen geftiegen, man hatte
das aroße Thor für ihn geöffnet.
Zwei Gerichtédiener, zwei Gerichtöfchreiber be⸗
224
gleiteten ihn, der Gouverneur der Baftille ging an
jeiner Geite.
Bei feinem Eintritt erhob fi ein langes Gemur⸗
mel des Mitgefühle und der Achtung von den Bänfen
des Parlamentshoies. Es wurde durch einen mächtigen
Zuruf von Außen eriwiedert. Tas war das Volk, das
den Angeflagten begrüßte und feinen Richtern empfahl.
Der Bring Louis war bleich und fehr bewegt.
Angethban mit einem langen Galakleide, erſchien er
mit der Ehrfurcht und der Untermwürfigfeit, welche ein
Angeflagter den Richtern ſchuldig iſt, beren Gerichts⸗
barfeit er annimmt und anruft.
Man bezeichnete dem Cardinal, defien Augen fi
auf den Umkreis zu richten ange gebabt hatten, einen
Lehnftuhl, und nachdem ihn der Präſident begrüßt
und ein ermuthigendes Wort zu ihm geſprochen hatte,
bat ihn der ganze Hof, fih zu fegen, mit einem Wohl:
wollen, das die Bläffe und die Bemüthserfcyütterung
des Angeklagten verboppelte.
Als er das Wort nahm, erregten feine zitternde,
von Seufzern gehemmte Stimme, feine getrübten Aus
gen, feine demüthige Haltung ein tiefes Mitleid bei
den Berfammelten. Er erklärte fidy Iangfam, bewegte fidh
mehr in Entſchuldigungen, als in Beweifen, in Bit:
ten, als in Schlußfetten, und ale er, der beredte Mann,
plöglih inne hielt, brachte er durch diefe Lähmung
feines Geiftes und feines Muthes eine mächtigere Wir:
fung hervor, als alle VBertheidigungsreben und Bes
weisführungen.
Dann erfchien Dliva; das arme Müdchen fand wie:
der den Schemel, Viele Leute bebten‘, als fie biefes
lebendige Ebenbild der Königin auf dem Gige ber
Schande fahen, den Jeanne von La Mothe eingenoms
men hatte; tiefes Geſpenſt von Marie Antoinette, der
Königin von Franfreih, auf dem Schemel der Dies
binnen und Zälfcherinnen erfchredte die hitzigſten Ver⸗
tolger der Monarchie. Doch das Schaufpiel lockte
25
ud) Mehrere an, wie das Blut, das man ben Tiger
often laͤßt.
Man fagte fih überall, die arme Dliva habe
» eben in der Kanzlei ihr Kind verlafien, das fie
iſlte, und als die Thüre fich geöffnet, hatte auch das
zewimmer des Sohnes von Heern Beaufire ſchmerzlich
an Sunften feiner Mutter plaidirt.
Nach Dliva erſchien Caglioſtro, der am mindeften
on Allen Schuldige. Man hieß ihn nicht ſitzen, ob⸗
leich man den Lehnſtuhl in der Nähe des Schemels
eibehalten hatte.
Der Barlamentshof hatte eine Furcht vor der Ber:
heidigungerede von Caglioſtro. Gin Anfchein von
zerhör abgefchnitten dur das: „es iſt gut!“ des
zräſidenten d'Aligre entiprady den Bedürfniffen ver For:
salitäten.
Und nun verfündigte der Parlamentshof, die De-
atten feten geſchloſſen und die Berathung beginne.
Ye Menge verlief fih langſam in den Straßen und
mf den Duais, mit dem Borfage, in der Nacht wieder:
ufommwen, um das Urtheil zu hören, das bald, wie
aan fagte, ausgefprochen werden würde.
XCIII.
Von einem Gitter und einem Abbé.
Nach Beendigung der Debatten, nach dem Wieder⸗
all des Berhöres und den Erfchütterungen des Sche—
nels wurden alle Befangenen für diefe Nacht in der
Borciergerie einquartiert.
Die Menge ftellte fih, wie gefant, am Abend in
tillſchweigenden, obgleich belebten Gruppen auf bem
Dab Halsband der Königin. IV - 15
226
Plage vor dem Palaft auf, um friſch die Kunde von
dem Spruch zu erhalten, fobalb er gefällt wäre.
In Baris find jeltfamer Weife die großen Ge⸗
heimniffe gerade diejenigen, welche die Menge kennt,
ehe fie in ihrer ganzen Entwidelung zu Tage gegans
gen find.
Die Menge wartete alfo, mit Anis vermifchte
Lafrize genießend, deren Hauptalimentation ihre wan⸗
dernven Lieferanten unter dem erſten Bogen des Pont
au Change fanden.
Es war heiß. Die Juniwolfen rollten fchwerfällig
übrreinander wie Wirbel von dichtem Rauch. Der
Himmel glänzte am Horizont in bleichen, zudenpen
Beuern.
Während der Kardinal, welchem die Bunft, auf
den die Thürme mit einander verbindenden Terraflen
fpazieren gehen zu dürfen, bewilligt worden war, fi
mit Gaylioftro über den wahrfcyeinliden Erfolg ihrer
gegenfeitigen Dertheidigung unterhielt; währen» Dliva
in ihrer Zelle ihr fleines Kind liebfofte und in ihren
Armen wiegte; während Reteau, mit frodenem Auge
und die Nägel zwifchen feinen Zähnen, in Gedanken die
ihm von Herrn von Brosne verſprochenen Thaler zählte
und fie ale Geſammtſumme dem Monat Befangentayaft,
den ihm das Parlament verſprach, gegenüberftellte, ver:
ſuchte e8 Seanne, weldye fih in die Stube der Gons
cierge, Frau Hubert, zurüdgezogen hatte, ihren brens
nenden Geil mit ein wenig Geräufh, mit ein wenig
Bewegung zu zeritreuen.
Dieie Stube war fehr hoch bis zu ihrer Dede,
weit und geräumig wie ein Saal, geplattet wie eine
Gallerie, und am Quai durd ein gewölbtes Fenſter
erleuchtet. Die Fleinen Scheiben dieſes Fenſters fingen
den grösten Theil des Lichtes auf, und, ale ob man
felbit in diefem Zimmer, das freie Menjchen bewohnten,
die Freiheit Hätte erſchrecken müflen, verdoppelte ein
ungeheures, eifernes, außen unmittelbar au ben Schei⸗
227
ebradytes Gitter die Dunkelheit durch die
uzung der Stangen und der bleiernen Streifen,
n jede Slasraute eingerahmt war.
Licht, das diefes doppelte Sieb dämpfte, war
gemildert für das e der ®efangenen. Es
bite von den frechen ahlen der freien Sonne
hatte nichts, um diejenigen zu verlegen, welche
aus fonnten. Es gibt in allen Dingen, ſelbſt
Hlimmen, die der Menſch gemadyt hat, wenn
‚ diefer Wieverherfieller des Gleichgewichts
dem Menfchen und Bott, darüber gegangen ift,
Harmonten, welche mildern und einen Webers
n Schmerz zum Lächeln geflatten.
diefer Stube lebte Frau von La Mothe, feits
im die Gonciergerie eingefverrt war, in Geſell⸗
e Concierge, ihres Sohnes und ihres Mannes.
te fih bei diefen Leuten beliebt gemacht; fie
ittel gefunden, ihnen zu beweifen, die Königin
höchften Maße firaibar. Es müßte ein Tag
wo in derfelben Stube eine andere Boncierge,
eid ergriffen bei dem Unglüd einer Gefangenen,
unfhuldig halten würde, weil fle diefelbe ge⸗
gt fähe, und dieje Gefangene würde die
ein.
ı von La Mothe vergaß alſo, — fie ſelbſt fagte
ı der Geſellſchaft diefer Concierge und ihrer
n ihre fchwermüthigen Gedanken und bezahlte
e gute Laune die Öerfälligfeiten, die man gegen
Als Jeanne an diefem Tag, dem Schluffe
ngen. zu den guten 2euten zurüdfam, fand fie
forgenvoll und verlegen.
ıe Nuance war diefer ſchlauen Yrau gleiche
fie hoffte bet einem Nichts, fie gerieth über
Unruhe. Bergebens verfudhte fie es, Frau
ie Wahrheit zu entreißen, fie und die Ihrigen
en fi in nicytsfagende Allgemeinheiten.
diefem Tage erblidte Seanne au einer Ecke
228
des Kamin einen Abbe, der von Zeit zu Zeit ein
Tifchgenoffe des Haufes war. Es war ein ehemaliger
Secreiaire vom Hotmeifter des Grafen von Provence. Ein
Mann von einfachen Manieren, fatyrifcy mit Maßhaltung,
mit Allem, was den Ser betraf, wohl vertraut, war
er, geraume Zeit vom Haufe von Fiau Hubert ab:
wefend, wieder beftändig geworden, feit der Anfunit
von Frau von La Mothe in der Eonciergerie.
Es waren auch ein paar höhere Beamte des Pa⸗
laftes da; man fchaute Frau von La Mothe viel an;
man fprady wenig.
Sie ergriff heiter die Initiative und fagte:
„Ich bin jet überzeugt, man fpricht lauter da
oben, als wir Bier fpredyen.“
Gin ſchwaches Bemurmel der Beiſtimmung, vom
Boncierge und feiner rau herrührend, erwiederte allein
diefe Herausforderung.
„Oben?“ verfepte der Abbe, den Unwiſſenden fpie-
lend. „Wo dies, Frau Gräfin?“
„Sn dem Saale, wo meine Richter ſich berathen,“
antwortete Seanne.
„Dh! ja, ja,” fagte der Abbe.
Und es trat wieder das frühere Stillſchweigen ein.
„Ich glaube, meine heutige Haltung hat eine gute
Wirkung hervorgebracht?” fragte fie. „Sie müflen das
wiffen, nicht wahr ?"
„3a. Madame,” antwortete fhüchtern der Concierge.
Und er ftand auf, ale wollte er das Gefpräch ab:
brechen.
„Was iſt Ihre Meinung, Herr Abbé?“ ſagte Jeanne.
„Gewinnt meine Angelegenheit nicht ein gutes Anſehen?
Man fvricht feinen Beweis aus.”
„Ss if wahr, Madame, Sie haben audy viel zu
hoffen,” erwiederte der Abbe,
„Nicht wahr?“ rief fe,
„Bedenken Sie jedoch,“ fügte der Abbe bei, „daß
der König..."
229
„Run! was wird der König thun?“ fragte Jeanne
voll Heitigfeit.
„Ei! Madame, der König fann nicht wollen, daß
man ihn Lügen ſtraft.“
„Er würde alfo Herrn von Rohan verurtheilen
laſſen ... das ift unmöglich.®
„Es ift allerdings fchwierig,” antwortete man von
allen Seiten.
„Und wer in dieſer Sache Herr von Rohan fagt,
fagt auch Gräfin von La Mothe,” fügte fie eiligft bei.
„Nein, nein, Sie maden fih eine SUufion,-
Madame,” entgegnete der Abbe. „Ein Angellagter
wird freigefprochen werden. Sich denke, Sie werden es
fein, und hoffe es ſogar. Doch es wird nur Biner
fein. Der König braudyt einen Schuldigen, was follte
fonft aus der Königin werden?”
„Das iſt wahr,“ ſprach Jeanne, verwundert, daß
man ihr widerſprach, felbft bei einer Hoffnung, die fie
nur heuchelte. „Der König braudt einen Schuldigen.
er dann ift Herr von Rohan ebenfo gut, als ich,
hiefür.“
Gin für die Gräfin erſchreckliches Stillſchweigen
trat nach dieſen Worten ein.
Der Abbsé unterbrach es zuerſt.
„Madame,“ ſagte er, „der Koͤnig hegt keinen Groll,
und iſt ſein erſter Zorn befriedigt, ſo wird er nicht
mehr an die Vergangenheit denken.“
„Was nennen Sie denn einen befriedigten Zorn?“
fragte Jeanne ironiſch. „Nero hatte feine Zornanfaälle,
wie Titus die feinigen hatte.”
„Srgend eine Berurtheilung,” antwortete haftig
der Abbe, „das ift eine Befriedigung.”
„Irgend eine!... mein Herr,“ rief Jeanne, „welch
ein abfcheuliches Bort!... Es iſt zu unbeflimmt.
irgend eine... . das heißt Alles fagen.“
„oh! ich ſpreche nur von einer Einfperrung in
ein Kloſter,“ erwiederte kalt der Abbe; „das iſt nach
230
den Gerüchten, die Im Umlanfe find, der Bebante, dem
der Rönig in Beziehung auf Sie am lichten beige ⸗
freten, fein —7 — bieſca a it einem
jeanne jefen Mann mi Gäpreden
an PR alsbald ber gttendfen Groltstion Piag
magte.
„Cinföließung in ein Kioker!“ fagte fl
heißt — durch bie —E —E
Tod; ein graufame
erfceinen wird. Die
nicht wahr? Die
und ber Gorrectione:
der Schmad, gen
während bie en
Den Tod auf der €
gewählt haben wert
zu befrafen, daß i
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ohne es {u dulden,
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Hand diefer Aurie; man fah das Blut iger Stimme
durch die Nie dev Hant Rlepen, Die Ba arieien Hai
") In yee · war in ven æianera as Ginfperien auf Sebendgelt,
231
Die Eoncierge warf fidy weinend in ihre Arme. Man
feste fie in einen Lehnftuhl und begoß fie mit Riedy-
wafler und Eiſtg. Sie war nad) gräßlihen Convul⸗
fionen ohnmächtig geworben.
Als fie wieder zu fih fam, dachte der Abbe, fie
e.
erſtick
„Seht,“ ſagte er, „dieſes Gitterwerk fängt das
Licht und die Luft auf, Iſt es nicht möglich, die
arme ran athmen zu laflen ?“
Alles vergeflend, lief nun Frau Hubert an einen
Scäranf, der beim Kamin fland, zog einen Schlüffel
Vi welcher ihr zum Deffnen dieſes Bittere diente, und
ogleich ſtrömten die Luft und das Leben in Wogen in
die Stube.
„Ah!“ rief der Abbe, „ich wußte nicht, daß fidh
Diefes Bitter mit Hülfe eines Schlüffelse öffnen läßt.
Mein Gott! warum foldye Vorfichtsmaßregeln!”
„Es if der Befehl,“ erwiederte die Koncierge.
„Sa, ich verftehe,“ fagte der Abbe mit einer mar-
firten Abfichtlichfeit, „dieſes Fenſter iſt nur ungeführ
fieben Fuß vom Boden und geht auf den Quai. Wollten
Gefangene aus dem Innern der Gonciergerie durdy
Ihre Stube entweichen, fo fänden fie die Freiheit, ohne
anf einen Schließer oder eine Schildwache zu flogen.”
—— erwiederte der Concierge.
Der Abbé bemerkte aus dem Augenwinkel, daß
Frau von La Mothe gehörig verſtanden, daß fie ſogar
gebebt und fogleicdh, nachdem fie die Worte des Abbe
anfgefaßt, die Augen zu dem nur mit einem meffingenen
Kuopf verfchloffenen Schrank aufgefchlagen Hatte, in
weldyem die Boncierge den Schlüffel des Gitters ver-
wahrte.
Das war genug für ihn. Seine Gegenwart fchien
von feinem Nuten mehr zu fein, und er nahm Abſchied.
Er £ehrte jedoch noch einmal um, wie die Theater-
perfonen, bie fi) einen falfchen Abgang machen, und
fagte:
232
„Wie viel Leute find auf dem Pla! Die ganze
Menge drängt fi mit ſolchem Ungeflüm nad dem
VBalafte zu, daß nicht eine Seele mehr auf bem
Quai ift.“
Der Concierge beugte fih hinaus.
„Ss ift wahr,” beftätigte er.
„Denft man nidt, “ hr der Abbe fort, ale ob
ibn Frau von La Mothe nicht bören fünnte, — uud
fie hörte ihn fehr gut, — „glaubt man nidyt, der
Sprud werde in der Nacht gerällt werden? Nein,
nicht wahr?“
„Sch denke nicht, daß das Urtheil vor morgen früß
gefprochen werden wird,” fagte der Boncierge.
„Nun wohl!“ fügte der Abbe bei, „feien Gie bes
müht, diefe arme Frau von fa Mothe ein wenig ruhen
zu laffen. Nach fo vielen Erfchütterungen muß fle der
Ruhe bedürfen.“
„Wir werben uns in unfer Zimmer zurüdzichen
und Madame bier in dem Lehnfluhl laſſen,“ fagte ber
brave Eoncierge zu feiner Frau, „wenn fie fih nicht
etwa zu Bette legen will.”
Seanne erhob ſich und begegnete dem Auge des
Abbe, der anf ihre Antwort lauerte.
Sie ftellte fidh, als entfchliefe fie wieder.
Da verſchwand der Abbe und der Koncierge und
feine Frau gingen auch weg, nachdem fie das Bitter
wieder gefchluffen und den Schlüffel an feinen Plag
gelegt hatten.
Evbald Jeanne allein war, öffnete fie die Augen.
„Der Abbe räth mir, zu fliehen,” dachte fie.
„Kann man mir Elarer fowohl die Notwendigkeit der
Flucht, als das Mittel Hiezu bezeichnen! Mich mit der
Bernrtheilung vor dem Spruche der Richter bedrohen,
das fommt von einem Freunde, der mich antreiben will,
meine Freiheit au fuhen, das fann nicht von einem
Barbaren fein, der mich beleidigt.
„Um zu fliehen, brauche ih nur einen Schritt zu
233
machen; ich öffne diefen Schranf, dann diefes Bitter,
und bin auf dem verödeien Duni.
„Berövet, ja!... Niemand; der Mond jelbft
verbirgt Äh in den Wolken.
„Bliehen!.... Oh! die Freiheit! Das Slüd,
meine Reichthümer wiederzufinden . . . das Glück,
meinen Feinden alles Böfe zurüdzugeben, was fie mir
geifan Haben!“
Sie Rürzte nah dem Schranf und ergriff ben
ESchlüſſel. Schon näherte fie fih tem Sclofle des
Gittere.
Blöglih glaubte fie auf der ſchwarzen Linie der
Fräßung ber Brüde eine ichwarze Beitalt zu fehen,
welsge bie eintönige Regelmäßigfeit unterbrady.
„Ein Mann ift dort im Schatten!” fagte fie; „ber
Abbe vielleicht; er wacht über meiner Flucht; er wartet,
„m mir Beifland zu leiften. Ja, doch wenn es eine
Galle wäre, menn ih, auf den Quai hinabgeſtiegen,
ergriffen, auf der That der Entweichung ertappt würde?
.. . Die Entweihung, das if das Geftändniß des
Berbredyens, wenigitens das Zugefläntniß der Furcht!
Wer entweicht, flieht vor feinem Bewiflen. ... . Woher
fommt diefer Nenſch? ... Er fcheint mit Herrn von
Vrovence in Berbindung zu fleben. ... Wer fagt mir,
vaß er nicht ein Emiffär der Königin oder der Rohbau
8? ... Wie tbener würde man auf diefer Seite einen
jalſchen Schritt von mir bezahlen... 3a, es lauert
Jemand bort!
„Mich ein paar Etunden vor dem Spruch Hichen
machen? Konnte man das nicht jrüher, wenn man
mir wirklich bat dienen wollen? Mein Bott! wer weiß,
ob meinen Feinden nicht ſchon die Runde von meiner
im NRathe der Richter befchlofenen Freiſprechung zuge⸗
fommen if? wer weiß, ob man nicht diefen für die
Königin furchtbaren Schlag mit einem Beweiſe oder
einem Geſtändniß meiner Schuld parisen will. Das
234
Geſtändniß, der Beweis, das wäre meine Flucht. Ich
werde bleiben!“
Bon diefem Augenblid an war Jeanne überzengt,
fie fei einer Falle entgangen. Sie lädyelte, richtete
ihren fchlauen, Fühnen Kopf auf, ging mit ficherem
Schritt auf den kleinen Schranf am Kamin zu und
legte den Schlüffel des Gitters wieder hinein.
Dann jeste fie fi in den Lehnftuhl zwiſchen dem
Licht und dem Fenfter, und beobachtete von ferne, wäh:
rend jie fich flellte, als fchliefe fie, den Schatten bes
laueruden Mannes, der, ohne Zweifel des Wartens
müde, endlich auiftand und mit dem erften Schimmer
der Morgennämmerung, um halb drei Uhr, da’ das
Auge das Waſſer des Fluffes zu unterfcheiden anfing,
verſchwand.
XCIV.
Der Spruch.
N)
Am Morgen, als alle Geräufche wieder erwachten,
als Paris wieder Leben annahm uud einen neuen Ring
an den Ringen ber Kette des vorhergehenden Tages ber
feltiate, Huffte die Gräfin, die Kunde von einer Frei⸗
fprehung würde plöglicy mit der Freude und den Glüd⸗
wünfchen ihrer Freunde in ihr Gefängniß bringen.
Hatte fie Freunde! ah! das Vermögen, der Credit
bleiben nie ohne Gefolge, und Seanne war doch rei
und mächtig geworben: fie hatte empfangen, fie bat
gegıben, ohne fih auch nur den alltäglichen Fremd
gemacht zu haben, der den andern Tag nad einer Un
anade verbrennen muß, was er den vorhergehenden
Tag beichmeichelt Hat.
Nber nad ihrem Triumph, den fie erwartete, würde
235
Berteigänger , Anhänger haben, fie würde Be?
er, fie würde Neider Haben.
iefe geſchäftige Woge von Leuten mit freubigem
e erwartete fie vergebens in die Stube des Bons
Hubert eindringen zu fehen.
on der Unbeweglichfeit einer überzeugten Berfon,
die Arme zu fich kommen läßt, ging Jeanne,
ar bie Abfcbuffigfeit ihres Characters, zu einer
en Unruhe über.
id da man fidy nicht immer verftellen kann, fo
fie ſich nicht einmal bei ihren Wächtern die
‚ ihre Gindrüde zu verbergen.
6 war ihr nicht geftattet, hinauszugehen, um
erkundigen, doch fie hielt ihren Kopf an ein
ner, und bier horchte fie angftvoll, Eeuchend,
e Geräuſche des benachbarten Plabes, auf die
(he, die fh in einem verworrenen Gemurmel
m, nachdem fie die Manern des alten Palaſtes
eiligen Ludwig durchdrungen hatten.
anne hörte jodann nicht einen Lärmen, fondern
vahren Ausbruch von Bravo’s, von Schreien, von
enden Füßen und Fatfchenden Händen, etwas
Ingewöhnlicyes, Braufendes, was fie erfchredte,
e hatte nicht das Bewußtſein, man bezeuge für
viel Sympathie.
iefe lärmenden Salven wiederholten fidy zweimal
achten Beräufchen anderer Art Platz.
6 fam ihr vor, als wäre es auch ein Beifall,
a ruhiger Beifall, der ebenfo rafch flarb, ale er
a war.
ald wurden die Borübergehenden auf dem Quai
der, als ob ſich die Gruppen bes Plaszes auf⸗
und im Binzelnen ihre zerfireuten Maſſen ab-
n.
Bin herrlicher Tag für den Cardinal,“ fagte ein
ber des Beneralanwalıs, auf dem Pflafter der
ng hüpfend.
Gefländniß, der Beweis, das wäre meine Jlacht. IE
werbe bleiben!“
Bon dief l
fie fei eine wc
ißren fhlanen, Fühn-..
Het ben Sl Dee
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Licht und d [201
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Tauernden una. der
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1
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an ben Bin; Kette
feinte, hoffte Me Sri
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235
Barteigänger,, Anhänger haben, fie würbe Be?
re, fie würde Neider haben.
fe geichäftine Woge von Leuten mit freudigem
erwartete fie vergebens in die Stube des Bons
mbert eindringen zu fehen.
ı der Unbeweglichkeit einer überzeugten Berfon,
ie Arme zu fich fommen läßt, ging Seanne,
e die Abfhüfligfeit ihres Characters, zu einer
rn Unruhe über.
, da man fich nicht immer verftellen kann, fo
ie fih nicht einmal bei ihren Wächtern die
ihre Eindrüde zu verbergen.
war ihr nicht geftattet, Hinauszugehen, um
rfundigen, doch fie hielt ihren Kopf an ein
ker, und hier horchte fie angftvoll, keuchend,
Geraäuſche des benachbarten Plabes, auf die
be, die fih in einem verworrenen Gemurmel
i, nachdem fie die Mauern des alten Palaſtes
ligen Ludwig durchdrungen hatten.
mne hörte fodann nicht einen Lärmen, fondern
ahren Ausbruch von Bravo’s, von Schreien, von
ıden Füßen und Hatfchenden Händen, etwas
ıgewöhnliches, Braufendes, was fie erfchredte,
hatte nicht das Bewußtiein, man bezeuge für
el Symyatbie.
fe lärmenden Salven wiederholten ſich zweimal
iten Geräufchen anderer Art Pla.
fam ihr vor, als wäre es auch ein Beifall,
. ruhiger Beifall, der ebenfo raſch farb, als er
war.
[Id wurden die Borübergehenden auf dem Quai
ver, als ob ſich die Gruppen des Plases auf:
nd im Einzelnen ihre zerftreuten Maſſen ab-
in herrlicher Tag für den Cardinal,“ fagte ein
er des Generalanwalts, auf dem Pflafter der
g hüpfend.
236
* Und er warf einen Stein in den Fluß mit jer
Geſchicklichkeit des jungen Pariſers, der viele v
feinen Tagen dieſer der Schleuder der Alten entlehnt
Leibesübung gewidmet Hat.
„Bür den Cardinal,“ wiederholte Jeanne.
iſt alfo Nachricht da, daß der Kardinal freigefprocdhen
Ein Tropfen Galle, ein Tropfen Schweiß fiel v
der Stirne von Jeanne.
Sie fehrte haftig in die Stube zurüd und frag
die Frau Hubert:
„Madame, Madame, was höre ich fagen: w«
it ein Glüd für ven Barbinal? Ichbitte, w
itt denn ein Glück?“
„sh weiß es nicht,” erwiederte dieſe.
Jeanne ſchaute ihr Scharf in’s Geſicht und fügte bi
„Haben Sie die Güte, Ihren Mann zu fragen
Die Concierge gehorchte aus Befälligkeit, u
Hubert antwortete von Außen:
„Ich weiß es nicht!“
Ungeduldig, bebend, blieb ſie einen Augenbl
mitten im Zimmer ſtehen und rief:
„Was meinten die Vorübergehenden mit ihr
Worten? man taäuſcht ſich nicht in ſolchen Orakel
Sie ſprachen ſicherlich vom Prozeß.“
„Vielleicht,“ erwiederte die mildherzige Hube
„vielleicht wollten ſfie nur ſagen, wenn Herr von Rob
freigeſprochen worden, fo werde dies ein fchöner T
für ihn fein.“
„Sie glauben, man werbe ihn freifprechen?“ x
Seanne, ihre Finger Erampfhait zufammenpreffend.
„Das kann wohl gefchehen.”
„Aber ich?“
Dh Sie, Madame ... Sie wie er; warı
Sie nicht?“
„Eine feltiame Borausfehung,” murmelte Scan
Und fie flellte fich wieder an die Scheiben.
„Madame,“ ſprach der Concierge, „Sie hab
237
Unrecht, fo Aufregungen zu ſuchen, die Ihnen unver:
Rändlih von Außen zufommen. Glauben Sie mir,
bleiben Sie ruhig, bis Ihr Confulent oder Herr Fremyn
fommen, um Ihnen vorzulefen ...“
„Den Spruch . . . Nein! nein!“
Und fie horchte.
Eine Frau ging mit ihren Freundinnen vorüber. Sie
hatten Feſthauben, einen großen Strauß in der Hand. Der
Geruch von diefen Rofen flieg wie ein foflbarer Balfam
zu Seanne empor, welche Alles von unten einathmete.
„Er foll meinen Strauß haben ‚” rief diefe Frau,
„und nody hundert andere, der liebe Mann! oh! wenn '
ich fann, werde ich ihn umarmen.“
„Und ih auch,“ fagte eine Gefährtin.
iet ind mich, mich an er umarmen,” ſprach eine
ritte.
„Wen meinen fie?" dachte Jeanne.
„ah! er if ein fehr fchöner Mann, Du bift nicht
ekel,“ fügte eine lebte von den Freundinnen bei.
Und Alles ging vorbei.
„Abermals dieſer Kardinal! immer er!“ murmelte
Seanne. „Er iſt freigefprochen, er ift freigefprochen !”
Und fie ſprach diese Worte mit fo viel Entmuthigung
und zugleich Sicherheit, daß der Concierge und feine
Frau, entichloflen, nicht mehr einen Sturm, wie den
am vorhergehenden Tag zu veranlaflen, gleichzeitig ihr
zuriefen::
— „GSi! Madame, warum wollen Sie nit, daß
bien arme Mann losgefprodhen und in Freiheit gefegt
wird ?“
Jeanne fühlte den Schlag, fie fühlte befonders
die Beränderung ihrer Wirthe, und fagte, da fle nichts
von ihrer Sympathie verlieren wollte:
„Dh! Sie verfiehen mid nit. Ach! Halten Sie
mid für fo neidifch oder für fo boshaft, daß ich mei⸗
nem Unglüdegeführten das Schlimme wünſche? mein
Gott! er werde freigefprochen, ver Herr Garbinal; oh
II
ja, er werde freigefprocdhen. Aber endlich möchtı
doch erfahren... . Glauben Sie mir, meine Freu
es ift die Ungeduld, was mich jo macht.“
Hubert und feine Frau ſchauten einander an,
wollten fie die Tragweite von dem, was fie zu fı
im Begriffe waren, ermeflen.
Ein fahler Blitz, der unwillfürlic aus den U:
von Seanne bervorfprang, hielt fie zurüd, ale fie
den Entſchluß faßten.
„Sie fagen mir nichts?” rief fie, ihren %
wahrnehmen.
„Bir wiffen nichts,” erwiederten fle leife.
Sn diefem Augenblid rief ein Befehl Hubert
feiner Wohnung. Die Goncierge, weldye mit Je
allein blieb, verſuchte es, ſie zu zerfireuen; es
vergebens, alle Sinne der Gefangenen, ihr ga
Verſtand waren außen durch die Geräuſche, d
die Athemzüge in Anſpruch genommen, bie fie
ee das Fieber verzehnfachten Empfängtid
auffapte.
Ploͤtzlich entſtand ein gewaltiger Lärm, eine r
tige Bewegung auf dem Pla. Die Menge firı
bis auf die Brüde, bis auf den Quai zurüd, und
mitdergeftaltcompacten, dergeftalt wiederholten Schr:
daß Jeanne auf ihrem Beobadyıungepouflen darüber b
Diele Schreie hörten nicht auf: fie waren an e
offenen Wagen gerichtet, deſſen Pferde, weniger d
die Hand des Kutichere, als durch die Menge zu:
gehalten, faum im Kleinen Schritt gingen.
Die Menge bevrängte, umſchloß fie und trug
Ende auf ihren Schultern, aui ihren Armen Pf
Wagen und zwei Perfounen, welche der Wagen entt
In den großen Strahlen der Sonne, unter ei
Blumenregen, unter einem ®ewöibe von Blätter:
das taufend Hände über ihren Köpfen bewegten,
fannte die Gräfin dieſe zwei Männer, welche bie
geifterte Menge beraufchte.
239
Bleich über feinen Triumph, erfchroden über feine
oltsthümlichfeit, blieb der Bine ernft, betäubt, zittern.
rauen fliegen bis auf die Felgen feiner Räber, riffen
ine Hände an fi, um fie mit Küſſen zu verzehren,
id machten fih mit gewaltigen Schlägen die engen
iner Mandyetten flreitig, die fie mit den frifcheiten
nd feltenften Blumen bezahlt Hatten. ‘
Andere, die noch glüdlicher, waren mit den Ladeien
inten auf den Wagen geftiegen; fie entfernten unmerk⸗
ch die Hinderniffe, die ihrer Liebe im Wege waren,
ıhmen den Kopf des vergötterten Mannes, drückten
nen ehrfurchtsvollen und zugleich finnlichen Kuß dar:
af und machten dann neuen Glücklichen Blab. Diefer
ngebetete Mann war der Bardinal von Rohan,
Friſch, freudig, funfelnd, erhielt der Zweite einen
inder lebhaften, aber verhältnißmäßig eben fo ſchmei⸗
elgaften Empfang. Man belohnte ihn mit Freuden⸗
hreien und Bivats; die Frauen theilten fi in den
ardinal, die Männer riefen: „Es lebe Caglioſtro!“
Diefe Truntengeit brauchte eine halbe Stunde,
m über den Bont-au-Change zu gelangen, und Jeanne
folgte bis zu ihrem hoöchſten Punkte die Triumpha—
wen. Sie verlor nicht den Fleinften Umitand.
Diefe Kundgebung des öffentlichen Enthuflasmus
ie die Opfer der Königin, denn ſo nannte man fie,
währte Jeanne einen Augenblick der Freude.
Doch plöglich fagte fie:
„Wie! fie find Schon frei; ſchon find für fie bie
örmlichfeiten erfüllt, und ich, ich weiß nichts ; warum
(gt man mir nichts?“
Ein Schauer erfaßte fie.
Sie hatte neben ſich Frau Hubert gefühlt, welche,
illſchweigend, aufmerffam auf Alles, was vorging,
cd begriffen haben mußte, und feine Erflärung gab.
Seanne wollte eine unerläßlich gewordene Grflärung
euorrufen, als ein neuer Laärmen ihre Aufmertfamfeit
:gen ben Pont⸗au⸗Change 309.
240
Ein Fiaere, umgeben von Leuten, fuhr ebenfalls
den Abhang der Brüde hinauf.
In dieſem Fiacre erfannte Jeanne, lächelnd und
ihr Kind dem Volke zeigend, Oliva, welche auch weg:
fuhr, frei und toll vor Freude über die ein wenig un:
gebundenen Scherze, über die dem frifchen, appetitlichen
Mädchen zugefandten Küſſe. Das war allerdings
plumper Weibrand, doch mehr als genügend für Mile,
Dliva, diefer Weihrauch, den die Menge überfanbte,
als legtes Relief von dem dem Garbinal gebotenen
e
fte.
Mitten auf der Brüde wartete eine Poſtchaiſe.
Herr Beauflire verbarg ſich darin hinter einem feiner
Freunde, der allein fich der öffentlichen Bewunderung
zu offenbaren wagte. Er machte Dliva ein Zeichen,
und diefe flieg mitten unter Schreien aus, die ſich ein
wenig in Geziſche verwandelt hatten. Aber was ift
für gewiffe Schaufpieler das Ziſchen, wenn man fie
mit Wurfgefchoffen bearbeiten und von der Bühne jagen
onnte.
Als Dliva in die Chaiſe geftiegen war, fiel fie in
die Arme von Beanftre, der fle zum Erfliden mie
eine Beute an fidy drückte, über eine Meile nicht mehr
loslich, fie mit Thränen und Küffen überfirömte und
nicht athmete bis Saint-Denis, wo man bie Pferde
wechfelte, ohne von der Polizei beläfigt worben
u fein.
Als Seanne alle diefe Leute frei, gludlich, gefeiert
fah, fragte fie fih, warum fie allein Feine Nachrichten
erhalte.
„Aber ich! ich!“ rief fie, „Durch welche ausgefuchte
Graufamfeit eröffnet man mir nicht den Spruch, der
mich betrifft?" .
„Beruhigen Sie fih, Madame,” ſprach Hubert
eintretend, „beruhigen Sie fi.”
„Es iſt nicht möglih, daß Sie nichts wiffen,“
241
ih, Sie ſehen, wie fehr ich leid de.“
„Madame, es iſt uns niederen Dfficianten des
jefängnifles verboten, die Sprüche zu offenbaren, deren
Greffiers der Höfe zukommt.“
8 te ge fo gräßlih, daß Sie es nicht
agen,” rief Seanne in einem Ausbrudh von Wuth,
ꝛx dem Gonrierge bange machte und ihn die Er—
merung der Scenen -vom vorhergehenden Tag ah:
en
„Rein,” fagte er, „beruhigen Sie fih, beruhigen
ste Ach“
„Sprechen Sie doch.”
„Werden Sie geduldig fein und mich nicht ge-
ihrden ?
39 gelobe es Ihnen, ich fchwöre es Ihnen,
den Sie.
„Run wohl: der Garbinal if freigefprochen.”
47 weiß es.”
„Herr von Caglioſtro osgefprochen. “
„Sch weiß es! ich weiß es!“
„Alle. Dliva von der Anklage entbunden.”
Weiter? weiter?“
"Herr Reteau von Billette ift verurtheilt .
Seanne bebte.
cr den Baletrenl ;
„Geduld, Ziabame, Geduld. Iſt es das, was
zie berſprochen haben?“
38 bin geduldig; reden Sie! Ich?“
Zur Verbannung,“ ſprach mit ſchwacher Stimme
r en die Augen abwenden.
Dad Haldband der Königin. IV.
242
Ein Blig der Freude glänzte in den Augen ber
Gräfin, ein Bliß der fo —* erloſch, als er er—
ſchieuen war.
Dann ſtellte fie fh, als fiele fie mit einem ge:
waltigen Schrei in Ohnmacht, und flürzgte rüdwärte in
die Arme ihrer Wirthin.
„Was wäre geichehen, wenn ich ihr die Wahrheil
gejagt bätte,” flufterte Hubert feiner Frau in's Ohr.
„Die Verbannung,” dachte Jeanne, einen Nerven:
anfall heuchelnd, „das ift die Freiheit, das if der
Reichthum, das ift die Rache, das iſt, was ich ge:
träumt ... Ich Habe gewonnen !”
XCV.
Die Erecution.
Jeanne erwartete immer, daß ber vom Goncierge
versprochene Gerichtsfchreiber Fame, um ihr ben gegen
fie gerällten Spruch vorzulefen.
Da fie die Bangigfeiten des Zweifels nicht mehr
batte, und kaum die der Bergleihung, das heißt dee
Stolzes behielt, fagte fie in der That zu fih felof:
„Was ift mir daran gelegen, mir, einem, id} benfe,
gebiegenen Geift, daß Herr von Rohan minder ſchul⸗
dig erachtet worden ift, als ich ?“
„Bin ich es, über die man die Strafe eines Feb:
lers verhängt? Nein. Wäre ich gebührender Maßen
von aller Welt als Valois anerfannt worden, hätt
ih, wie dies beim Herrn Gardinal ber Ball geweſen
it, ein ganzes Spalier von Prinzen und Herzogen,
welche durch ihre Haltung, durch ihren Flor an den
Degen, dur ihre Trauerbinden flebten, am Wege
aufgeftellt gehabt, ich glaube nicht, daB man ber
243
armen Gräfin von La Mothe eiwas verweigert haben
würde, und ficherlih hätte man, in Vorausſetzung
dieſer vornehmen Supplif, der Abfümmlingin ber Bas
lois, die Schmady des Schemels erfpart.
„Doh warum fih mit Dieier ganzen Vergangen⸗
heit beſchäftigen, welche todt iſt? Sie iſt nun bes
endigt, dieſe große Angelegenheit meines Lebens. Auf
eine zweideutige Weiſe in die Welt geſtellt, auf eine
zweideutige Weiſe am Hof geſtellt, der Gefahr aus⸗
geſetzt, vom erſten von oben kommenden Hauch nieder⸗
geworfen zu werden, vegetirte ich nur, ich kehrte viel⸗
leicht zu dem urſprünglichen Elend zurück, das die
ſchmerzliche Lehrzeit meines Lebens geweſen iſt. Nun
nichts Aehnliches mehr.
„Verbannt, ich bin verbannt! das heißt, ich habe
das Recht, meine Million in meiner Caſſe mitzuneh⸗
men, unter den Pomeranzenbäumen von Sevilla oder
von Agrigent im Winter, in Deutſchland oder in England
im Sommer zu leben; das heißt, jung, ſchoͤn, berühmt
und im Stande, meinen Prozeß ſelbſt zu erflären, wird
midy nichts abhalten, zu leben, wie es mir beliebt,
fei es mit meinem Mann, wenn er, wie id, vers
bannt ift, und ich ihn frei weiß, fei es mit den Freun⸗
den, welche das Glück und die Jugend immer geben!
„Und,” fügte Jeanne in ihre glühenden Gedan-
fen verloren bei, „man fomme dann und fage mir,
mir, der Veruriheilten, mir, der Berbannten, wir,
der armen Gedemüthigten, ich fei nicht reicher als
die Königin, ich fei nicht geehrter als die Königin,
ich fei nicht mehr freigeiprochen als die Königin; denn
es banbelte fich bei ihr nur um meine Berurtheilung.
Dem Löwen ift nichts am Erdenwurm gelegen. Ges
handelte fich darum, Herrn von Rohan zu verurtheilen,
und Herr von Rohan ift freigefprochen.
„Wie werben fie ſich nun benehmen, um mir den
Spread zu bezeichnen, wie au, um Fr aus dem
1
24
Königreich zu führen? Werben fie ſich an einer Kran
dadurch rächen, daß fie fü
Strafe unterwerfen! R
übergeben, um mi and
man mir Öffentli jagen:
Be |
Ind gutmäthig,“ fora
nichtmehr. Eu: gel
das muter ihren Balconı
rang es ach s tie
a6 it wahrer Sein!
ihr unmittelbarer Yeind,
Unterftügung ber öffentlic
und da es mir gelungen i
Jeanne war fo weit,
nungen. ie
wi ihrer m
Ingland, man war im Gı
nerung an Keteau von A
dern ihsen Geiſt durchznd
. „Armer Junge,” k
Lächeln, „er hat für |
immer für bie Gäßmunge:
im philoſophiſchen Sinne,
wendigfeiten entüchen, er
der ene, mit an
„Armen, gebrei
heute feine —E
verſchwoͤrungen, und Bol
der Aaelt Fr
prügeln, von ſen
von Verſtegen; mit eineı
machen wollen, 177
bes Verſandes it der
teit, mit dem Geife des
and bie Gtärke, Wie viel
245
ı in der Schöpfung von der giftigen Milbe an bie
ım Scorpion, dem erflen der Kleinen, der fich bei
mn Menfchen gefürchtet macht. Alle diefe @ebrecdhs
chteiten wollen ſchaden, aber fie haben nicht bie Ehre
6 Kampfes; man tritt fie nieder.“
Und Seanne begrub mit diefem bequemen Ge:
tänge ihren Genoſſen Reteau, feit entfchloffen, ſich
ach dem Bagno zu erfundigen, in dem der Elende
ngefverrt wäre, um auf der Reife nicht dahin zu ges
iben, um nicht einem Unglüdlichen die Demüthigung
azuthun, ihm das Glüd einer alten Bekannten zu zei⸗
ꝛn. Seanne hatte ein gutes Herz.
Sie nahm Heiter ihr Mahl mit dem Concierge
nd feiner Frau ein. Diefe aber Hatten ihre Heiterfeit
zllig vergeflen; fie gaben fidy nicht einmal die Mühe,
re Bellemmung zu verbergen. Seanne fchrieb ihre
älte der Berurtheilung zu, deren Begenftand fie war.
ie machte ihnen eine Bemerkung hierüber. Sie
ntworteten, nichts fei fo fchmerzlich für fie, ale der
nblick der Perfonen nach einem gefüllten Urtheil.
Jeanne war im Grunde ihres Herzens fo glüdlich,
ı that ihr fo wehe, ihre Freude verbergen zu müflen,
iß ihre die Gelegenheit, allein, irei mit ihren Gedanken
ı bleiben, nur Fehr angenehm fein fonnte. Sie beab⸗
htigte nad) dem Mittagefien zu verlangen, nad
wem Simmer zurüdfehren zu dürfen.
ie fehr war fie erftaunt, als der Concierge
ubert beim Nadhtiih das Wort nahm und mit einer
:zwungenen Beierlichfeit, welche bei feinen Reben ans
ae durchaus nicht feine Gewohnheit war, zu ihr
rad :
„Madame, wir haben den Befehl, die Perfonen,
zer deren Schidial das Parlament entfchieden, nicht
ı der Kerfermeifterei zu behalten.“
„But,“ dachte Jeanne, „er kommt meinen Wüns
hen entgegen.“
Und fie fland auf und erwieberte:
246
„Ih möchte Sie nicht zu einer Meberiretung Ihrer
Vorſchriften veranlaffen . . . Das hieße die Guͤte, bie
Sie für mid gehabt haben, fchlecht erfennen . . . Sch
fehre alfo in mein Zimmer zurüd.“
Sie fhaute das Ehepaar an, um die Wirfung
ihrer Worte zu beobachten. Hubert drehte einen Schlüffel
in feinen Fingern Hin und ber. Die Goncierge wandte
ihren Kopf ab, als wollte fie eine neue Bewegung ihres
Gemüths verbergen.
„Aber wohin wird man denn fommen, um mit
den Spruch zu verlefen, und wann wird man fommen?“
fragte die Gräfin.
„Man wartet vielleicht, bis Madame in ihrem
Zimmer it,“ antwortete Hubert Haftig.
„Er entfernt mich entſchieden,“ Dachte Jeanne.
Und ein unbeftimmtes Gefühl der Bangigfeit machte
fie beben, doch faum in ihrem Herzen erfchienen, vers
dunftete es wieder.
Seanne flieg die drei Stufen hinauf, welche von
diefer Stube in den Gang der Kanzlei führten.
Als Frau Hubert die Gräfin weggehen ſah, eilte
fie auf fie zu und ergriff ihre Hände, nidyt mit GEhr⸗
furcht, nicht mit wahrer Freundfchaft, nicht mit jener
Empfindungsfülle,. die den, welcher fie bezeigt, und
den, welcher der Gegenftand derfelben ift, ehrt, ſondern
mit einem Grguß tiefen Mitleids, der der verfländigen
Seanne, ihr, die Alles bemerfte, nicht entging.
Diesmal war der Eindrud fo ſcharf, daB Jeanne
fich geitand, der Schrecken erfafle fie; doch ber Schreden
wurde abgefchüttelt, wie fie die Bangigfeit abgefchüttelt
hatte, und aus der bis an den Rand von ber Freude
und der Hoffnung angefüllten Seele vertrieben.
Seanne wollte fi von Frau Hubert die Urſache
ihres Mitleids erflären laſſen; fle öffnete den Mund
und flieg wieder zwei Stufen herab, um eine von den
Fragen, die fo entfchieden und fräitig wie ihr Geiſt,
zu ſtellen. Do fle Hatte Feine Zeit dazu. Hubert
247
nahm fie, weniger hoöflich als lebhaft, bei der Hand und
öffnete die Thüre.
Die Sräfin fah fih im Bange. Acht Schügen von
der Bogtei warteten bier. Worauf warteten fie? das
fragte ſich Jeanne, als fie diefelben erblidte. Doch die
Thüre des Concierge war ſchon wieder aefchloffen. Bor
den Schügen fland einer von den gewöhnlichen Schließern
des Befüngniffes, derjenige, welcher die Gräfin jeden
Abend in ihr Zimmer zurüdrührte.
Dieſer Menſch fchritt der Gräfin voran, als Wollte
er hr ven Weg zeigen.
„Ich gehe in mein Zimmer zurück?“ fagte bie
Gräfin mit dem Tone einer Frau, welde vefien, was
fie fagt, gern fidher fcheinen möchte, aber zweifelt.
4 Madame,” erwiederte der Schließer.
‚ Jeanne faßte das eiferne_ Geländer an und flieg
binter dem Wann hinauf. Sie hörte die Schützen,
welche einige Schritte von ihr entfernt ziſchelten, aber
Ah nicht von der Stelle rührten.
Beruhigt, ließ fie fi in ihr Zimmer einfperreh und
daunlkte fogar freundlich dem Schließer. Diefer entfernte fid.
Seanne fah ſich nicht fo bald frei und allein, als
ihre Freude ausichweifend hervorbrach, eine Freude,
zu lange burdy die Larve gefnebelt gewefen war,
unter der fie heuchleriſch ihr Geſicht beim Goncierge ver:
borgen hatte. Diefes Zimmer der Gonciergerie war ihr
Behäliniß, das Behältniß eines einen Augenblid durch
die Menſchen gefefielten wilden Thieres, weldhes eine
£aune Gottes abermals in den freien Raum der Welt
verjegen follte.
nd in feiner Höhle oder in feinem Behältnig, wenn
es finftere Nacht ift, wenn fein Geräufch dem gefangenen
Zhiere die Wahfamkeit feiner Hüter verfundigt, wenn
fein feiner Geruch feine Spur in der Umgegend erkennt,
beginnen dann die Sprünge biefer wilden Natur. Es
tet feine Blieder, um fie für die Bewegungen der er⸗
warteten Unabhängigkeit gefhmeidig zu machen. Dann
Sqhreie, di t LE
Kenne das En —5—
hörte bie
ei
re ee —
8 „Bi Bar d * * vor Me
Bu gi ge dat" Te Felge Ve cdfe mit (af
ve —
anne wolle ıniz folgen,“ ide 3
des Raͤthſ
Ueberbies wurde der. Schliefer deinglich; er ſquu⸗
249
telte feine Schlüfjel wie ein Menfh, der in Erman⸗
gelung guter Gründe einen Befehl entgegenhält.
„Warten Sie ein wenig auf mid,” fagte Ieanne,
„Sie fehen, daß ich mid ſchon ausgekleidet hatte, um
ein wenig zu ruhen; ich bin in den legten Tagen fo
fehr ermubet.“
„Ich werde warten, Madame, aber bebenfen Sie,
dag Herr Doillot Eile hat.“
Seanne ſchloß ihre Thüre, z0g ein etwas frifcheres
Kleid an, nahm eine Mantille und ordnete rafch ihre
Haare. Ste braudite Feine fünf Minuten zu diefen Vor⸗
bereitungen. Ihr de fagte ihr, Herr Doillot bringe
den Befehl, auf ber Stelle abzugeben, und das Mittel,
Frankreich auf eine zugleich discrete und bequeme Weiſe
zu durdhreifen. Ja, die Königin hatte daran denken
müflen, daß ihre Feindin fo bald als möglich wegge:
führt würde. Die Königin, nachdem man den Sprud
gefällt, mußte darnach tradhten, dieſe Feindin fo wenig
als möglich zu reizen, denn ift der Panther gefeflelt ge-
fährlih, wie muß man ihn erſt fürdten, wenn er frei
iR? In diefen glüdlihen Gedanken gewiegt, flog Seanne
mehr, als fie ging, hinter dem Sölieger, der fie die
Heine Treppe hera geben Jieß, auf der man fie ſchon
in den Sigungsfanl geführt Hatte. Do flatt bie zu
diefem Saale zu gehen, flatt fich links zu wenden, um
in die Kanzlei einzutreten, wandte fih der Schließer
nach einer Kleinen Thüre rechte.
„Wohin gehen Sie denn?“ fragte Jeanne, „bie
Kanzlei ift dort.“
„Kommen. Sie, fommen Sie, Madame,” fagte mit
Soni füßem Tone der Schließer, „hier erwartet Sie Herr
ot.“
Er trat zuerſt ein und 309 die Gefangene nadı,
welche geraͤuſchvoll die äußeren Riegel diefer dicken Thüre
hinter Ei ſchließen hörte.
unt, doch ohne noch etwas in der Finfterniß zu
fehen, wagte es Jeanne nicht mehr, ihren Wächter zu fragen.
250
Sie machte ein paar Schritte und blieb dann flehen.
Ein bläuliches Licht verlieh der Stube, in ver fie fich be:
fand, das Ausfehen vom Innern eines Grabes.
Die Helle drang oben von einem alterthümlichen
Gitterwerk durch Spinnengewebe und eine hundertfache
Lage uralten Staubes ein, und nur einige bleiche Strah:
len gaben den Wänden ein wenig von ihrem Widerfchein.
Seanne fühlte plötzlich die Kälte, fie fühlte bie
Feuchtigkeit des Kerkers; fie errieth etwas Entſetzliches
in den flammenden Augen des Schließers.
Indeſſen fah fie noch nichts, als diefen Mann; er
allein mit der Gefangenen nahm in dieſem Augenblid
das Innere dieſer vier Wände ein, welche ganz mit
Grün überzogen von dem Wafler, das ſich überall aus:
fhwisten, ganz fhimmelig vom Durchzug einer Luft, weldhe
die Sonne nie erwärmt hatte.
„Mein Herr,“ fagte fie nun, den Einvrud tes
Schredens beherrfchend , ver fie ſchauern machte, „was
thun- wir Beide hier? Wo tft Herr Doillot, den Sie mid
fehen zu lafien mir verfprochen haben?“
Der Schließer antwortete nicht; er wandte fi um,
als wollte er nahfchauen, ob die Thüre, durch die fie
eingetreten waren, feit gefchloflen fei.
Seanne folgte biefer Bewegung voll Angſt. Es
fam ihr der Gedanke, fie habe es, wie in ben
ſchwärzlichen Romanen jener Zeit, mit einem von den
Kerkermeiſtern zu thun, welche, in wilder Liebe für ihre
eingeferferten Frauen entbrannt, an dem Tage, wo ihnen
ihre Beute durch die offene Thüre ihres Käfige entgehen
foll, fich zu Tyrannen ver fh önen Gefangenen madıen
und ihre Liebe im Austaufch gegen die Freiheit antragen.
Jeanne war ſtark, fie fürchtete ſich nicht vor den
Ueberfällen, fie hatte nicht die Schamhaftigkeit der Seele.
Shre Einbildungsfraft kämpfte mit Vortheil gegen die
ſophiſtiſchen Launen ber Herren Grebillon Eofn und
Louvet. Sie ging mit lächelnrem Auge gerade auf den
Schließer zu und fagte:
251 “
freund, was verlangen Sie von mir? Haben
18 zu fagen? Die Zeit einer Befangenen,
Freiheit nahe fteht, iſt eine koſtbare Zeit.
‚ um mit mir zu fpredden, einen fehr un⸗
et der Zuſammenkunft gewählt zu haben?“
ließer antwortete nicht, weil er nicht begriff.
an bie Ede des niebrigen Kapiv⸗ und
ge Sie noch einmal: was machen gie?”
irchtete, es mit einem Narren zu thun zu
Kin auf Herrn Doillot.“ %
pf fchüttelnd entgegnete Ieanne:
den mir zugeftehen, bag Herr Doillot,
e Briefe von Berfailles mitzutbeilen
b fein Aubfengginmer ſchlecht wählt.
mih unmöglih hier warten Inffen. Es
yereg.“ ,
yatte fie diefe Worte geſprochen, als eine
ie nicht bemerkt hatte «ihr gegenüber fi
eine von den runden Fallthüren, vr
von Holz und Eifen, welche, wenn ſie ſich
‚grund, den fie verinrgen, öffnen, ein kabba⸗
d ausfchneiden, in defien Mittelpunkt Menſch
ft durch Zauberei lebendig zu fein feinen.
iefer Thüre waren in der That Stufen, die
ſchlecht beleuchteten Gorridor voll Wind
nften, und jenfeits diefes Corridors erſchaute
einen Augenblid fo ſchnell wie der Bi
ı auf die Sehen erhob, einen Raum aͤhnli
ein Pla mißt, und in dieſem Raum
Rännern und Beibern mit funkeinden Yugen.
r wiederholen, es war dies für Jeanne mehr
ıls ein Blick; fie Hatte nicht einmal Beit,
aft davon zu geben. Bor ihr, auf einem
252
lan, der viel näher war, als der erwähnte Plap,
ſchienen drei Perſonen, die legte Stufe herauffteige
Hinter diefen Perfonen, ohne Zweifel von den unteı
Stufen, erhoben fi vier DBajonette, weiß und ſche
unheimlichen Kerzen ähnlich, welche diefe Scene hät
beleuchten wollen.
och die runde Thüre ſchloß fih wieder. Die t
Männer. traten allein in den Kerfer ein, in dem '
Seanne befand.
Diefe ging von einem Erflaunen zum andern, o
vielmehr von der Unruhe zum Schreden üßer.
Den Schließer, den fie einen Augenblick zuvor für
tete, ſuchte fie nun auf, um feinen Schuß gegen bie Un
fannten zu haben.
Der Schließer Ichnte fih an die Wand des Kerf
an und zeigte durch dieſe Bewegung, daß er paffi
Zuſchauer deſſen, was geſchehen follte, bleibeg wı
und müfle.
Jeanne warde angerebet, ehe ihr der Gebanfe, t
Wort in nehmen, gefommen war.
Einer von den drei Männern, der jüngfle, fing ı
Er war ſchwarz gekleidet, Hatte feinen Hut auf t
Kopf und drehte in feiner Hand wie die Sfytale
Alten geiötofiene Papiere Hin und Ber.
„Madame,“ fagte ner Unbekannte, „Sie find Jear
von Saint-Remy von Balois, Gattin pon Marie %
toine Nicolas Grafen von La Mothe ?“
„Sa, mein Heer,” erwieberte Jeanne.
„Sie find geboren in Bontette am 22. Juli 175€
„Sa, mein Herr.“
„Sie wohnen in Paris in ber Rue NeuvesSaı
Gilles?“
„Sa, mein Herr ... Doch wozu richten Sie
diefe Fragen an mid?”
„Madame, es thut mir leid, dag Sie mid n
erfennen; ich bin der Gerichtsfchreiber des Hofes.“
„Ich erkenne Sie.“
„Dann kann ich meine Functionen in meiner @igen-
haft, die Sie anerkannt haben, vollziehen.”
„Ich bitte, einen Augenblid ... Wollen Sie mir
agen, wozu Sie Ihre Bunctionen verpflichten ?“
„shnen den Spruch vorzulefen, der gegen Sie in
er Sikung vom 31. Mai 1786 gefällt worden % 2
2
nd
Jeanne bebte. Sie lieg einen Blid voll i
eit und Mißtrauen umbherlaufen. Nicht ob
hreiben wir als zweites das Wort Mißtrauen,
as mindge Farke ercheinen dürfte. Jeanne ſchNerte
on einer miſäglichen Angſt; fie entzündete, um auf-
umerfen, eigPaar in der Finernig fum barer Augen.
„Sie ſind der Kanzleiſchreiber Brei“ ſagte fie;
‚doch wer find dieſe beibe Oyeen, Ihre Gehülfen?“
Der Berichtsichreiber Wollte antworten, als ber
Shlieger, feinem Worte zuborfommend, auf ihn zueilte
ınd ihm die von einer Angft oder einem berebten Mit:
eid erfüllten Worte zuflüfterte:
„Sagen Sie es ihr nicht.“ —
Jeanne hörte dies; fie ſchaute die zwei Männer
wmfmerffamer an, als fie es bis dahin gethan hatte.
Sie wunderte ſich, als fie den eifengrauen Rod und die
ifernen Knöpfe des Ginen, das behaarte Wamms und
‚ie Belzmüge des Andern ſah; die feltfame Schürze,
velche die Bruſt des Letzteren bedeckte, erregte die Auf:
nerffamfeit von Jeanne; diefe Schürze ſchien an ver-
chiedenen Stellen verbrannt, an andern mit Blut und
nit Del befledt.
Sie wi zurüd. Es war, als böge fie fih, um
inen fräftigen A u nehmen.
Der Gerihtsf@eiber näherte fi ihr und fprad:
„Knieen Sie nieder, Madame.”
„Sch, niederfnieen!“ rief Seanne; „nieberfnieen! ich!
. . id, eine Balois, niederfnieen.“ ;
„So Iautet der Befehl, Madame,“ ſprach der Ge⸗
ichteſgfeiver fih verbeugend.
„Aber, mein Herr,“ entgegnete Jeanne mit einem
254
unfeligen Lächeln, „was fallt Ihnen ein? ih muß Sie
alfo das Sefeß lehren. Man Iniet nur nieder, um öffent:
lihe Abbitte zu thun?“
„Run! Madame?"
„Run! mein Herr, man thut nur Abbitte in Folge
eines Spruchs, der zu einer entehrenden Strafe verur⸗
theilt. Die Verbannung iſt, fo viel ich weiß, Feine ent:
ehrende Strafe im franzöfifchen Geſetz?“
„Madanıe, ih habe Ihnen nicht gefagt, Sie feien
zur Verbannung verurtheilt,“ fprach der Gerichtsſchreiber
mit einer tiefen Traurigfeit.
„Nun!“ zief Ieanne ausbrehend, „wozu bin id)
denn verurtheilt?“
„Das werden Eie erfahren, wenn Sie den Spruch
anhören, und um ihn anzuhören, wollen Sie damit
anfangen, daß Sie niederfnieen.”
„Nie, nie!“
„Madame, das ift der erfte Artikel meiner In:
ſtructionen.“
„Nie, nie, ſage ich Ihnen.“
„Madame, es iſt geſchrieben, wenn die Verurtheilte
fich weigere, nieberzufnieen . . .”
„Run ?"
„Eo werde fie die Gewalt dazu zwingen.”
„Die Gewalt! gegen eine Frau!“
„Sine Frau darf eben fo wenig als ein Mann ber
dem König und der Gerechtigkeit fehuldigen Achtung
ermangeln.“
„Und ber Königin! nit wahr ?” rief Jeanne wüthent,
„denn ich erfenne wohl hierin die Hand Eines feint:
feligen Weibes.“ j
„Sie haben Unredt, die Königin anzuflagen, Ma-
dame. Ihre Majeſtät hat feinen Antheil an ber Ab-
faffung der Sprüde des PBarlamentshofes. Auf, Ma:
game, erfparen Eie uns die Mihmendigfeit, Gewalt zu
debrauchen; auf die Kniee!“
„Nie! nie! nie!“
, 255 !
Der Gerichtöfchreiber rollte fein Papier zufammen
und zog aus feiner weiten Tafche ein fehr dickes, das
er in der Vorausficht deffen, was gefchah, in Referve hielt.
Und er las den vom Generalanwalt an die öffent:
liche Gewalt erlaffenen Befehl, die widerfpänfiige Ans...
geflagte zum Niederfnieen zu zwingen, um der Ge⸗
rehtigfeit Genüge zu leiften. nn
Jeanne ftemmte Fi in eine Ede des anne
an und forderte mit dem Blicke die öffentlihe Gewalt
heraus, von der fie glaubte, e8 feien die Bajonette, die
fi) auf der. Treppe vor der Thüre erhoben hatten.
Doch der Gerichtsfchreiber ließ dieſe Thüre nicht
öffnen, er machte den erwähnten zwek Männern ein
Zeichen, und biefe näherten, fi ruhig, wie jene unter-
fegten, unerfchütterlichen Ktiegsmafchinen, mit denen
man eine Mauer bei Belagerungen angreift.
Ein Arm von jedem diefer Männer padte Jeanne
unter der Schulter und zog fie mitten in den Saal, troß
ihres Gefchreis, trotz ihres Brüllens.
Der Gerichtsfchreiber ſetzte ſich unempfindlich und
artete.
Jeanne fah nicht, daß fie, um fich fo fehleppen zu
laffen, hatte zu drei Bierteln nieverfnieen müflen. Ein
Wort des Gerichtsfchreibers machte fie darauf aufmerffam.
„Es ift gut fo,” fagte er..
Sogleich fpannte fi die Weder ab, Jeanne fprang
zwei Fuß vom Boden in den Armen der Männer, bie
fie hielten.
„&s if Se unnütz, daß Sie fo freien,” fagte
w
der Gerichtsſchre „denn man hört Ste außen nicht,
und dann werd ie die Lefung des Spruches nicht
hören, die ich Ihnen machen muß.“
„Erlauben Sie, daß ich flehend höre, und ich werbe
ſiulſchweigend A rief Jeanne keuchend.
„Sobald die Schuldige zum Staupbefen verurtheilt
wird,” ſprach der Gerichtsſchreiber, „ift die Strafe ent-
ehrend und zieht die Kniebeugung nad fich.“
256
„zum Staupbefen!” brüflte Jeanne. „Zum Staups
bejen! Ah! Elender! Zum Staupbefen, fagen Sie?" ..
Und diefe Schreie wurden fo gemaltin,bab eden Schlie⸗
Ber, den Gerichtsfchreiber und die zwei Gehülfen betäubten,
und daß dieſe Keute den Kopf verlierend, wie Trunfene, die
Materie durch die Materie bändigen zu wollen anfingen.
Da warfen fie fih auf Jeanne und ſuchten fie
nieberzuziehen, doch fie wideritand fiegreih. Ste wollten
fie die Kniee biegen machen, aber fie ftemmte ihre Mus:
feln an wie ftählerne Klingen.
Sie blieb in der Luft in den Händen biefer Männer
fhweben und bewegte ihre Hände und ihre Füße fo,
daß fie ihnen graufame Wunden beibradjte.
Sie theilten fih in bie Arbeit; einer von ihnen
hielt ihr die Füße wie in einem Schraubflod; die zwei
Anderen hoben fie an den Bauftgelenfen auf und riefen
dem Gerichsfchreiber zu:
„Lefen Sie, Iefen Sie immerhin ihren Sprud, Herr
Gerichtsfchreiber, fonft werden wir mit diefer Wüthenden
nie zu Ende fommen!“
„Nie werde ich einen Spruch lefen laflen, der mid
zur Ghrlofigfeit verurtheilt,“ rief Jeanne, ſich mit einer
übermenſchlichen Stärke firaubenn. Und fie verband
bie That mit der Drohung und übertäubte die Stimme
des Gerichtsſchreibers durch ein Gebrüll und durch
Schreie von einer ſolchen Schärfe, daß fie nit ein
Mort von dem, was er vorlag, hörte.
Nach beendigter Lefung legte er feine ‘Papiere wieber
aufamnmıen und ftedte fie in feine Tafche. .
Als Jeanne glaubte, er habe geendigt, ſchwieg fie
und fuchte wieder Kräfte zu fammeln, um diefen Männern
abermals zu trogen. Sie ließ auf das Gebrülle ein
Gelächter folgen, was noch wilder war.
„Und,“ ch der Gerichtsfchreiber gelaflen mit ber
berfommlihen Formel fließend, „und es wird ber
Spruch auf dem Plage der Erecutionen im Juſtizhofe
des Palaſtes vollzogen werben!”
257
„Oeffentlich!“ brüllte die Unglüdlihe.. .. „OH!“
„Meifter von Paris, ich überantworte Euch diefes
ib,“ vollendete der Gerichtsfchreiber, indem er fih an
Mann mit der ledernen Schürze wandte.
„Wer ift diefer Mann ?" fragte Ieanne in einem
ten Parorismus der Angft und der Wuth.
Der Henker,” antwortete mit einer Berbeugung ber
richnefähreiber, während er feine Manchetten zuredht
‚tete.
Kaum hatte der Gerichtsfchreiber dieſes Wort ge:
ochen, als fi die zwei Henker der Gräfin bemädhtig-
und fie aufhoben, um fie nah der Gallerie zu
gen, welde fie bemerkt hatte. Wie mäflen darauf
zichten, zu ſchildern, wie fie fih zur Wehr feßte.
fe Brau, melde im gewöhnlichen Leben über eine
yramme in Ohnmacht fiel, ertrug beinahe gegen eine
unde die Mißhandlungen und Schläge der beiden
nfer; fie wurde bis zur äußeren Thüre geichleppt,
ıe daß fie einen Augenblid das gräßlichfte Gefchrei
ı fi) zu geben aufgehört hatte.
enfeits dieſer Pforte, wo die verjammelten Soldaten
Menge im Saum hielten, erfchien plöglidh der Fleine
f, genannt der Juftizhof, mit den zwei bis breitaufend
Ichauern, welche die Neugierde feit den Vorbereitungen
d ber Grridtung des Schaffots herbefgelodt Hatte.
Auf einer ungefähr acht Fuß hohen Eſtrade erhob
‚ ein fehwarzer Pfahl mit eifernen Ringen verfehen
d überragt von einer Schrift, welche der Gerichts⸗
reiber, ohne Zweifel auf Befehl, unleferlih zu maden
nüht gewefen war.
Diefe Eitrade Hatte Fein Geländer, man flieg auf
ee Leiter ebenfalls ohne Geländer zu ihr hinauf.
e einzige Ginfafjung, die man hier bemerkte, waren
Bajonette dee Schugen. Sie ſchloſſen den Zugang
e ein Gitter mit glänzenden Spigen.
Als die Menge fah, daß die Thüren des Palafles
‚ öffneten, und dag die Gommifjäre mit ihren Stäbs
Dad Haldband der Königin. IV. "47
258
chen fanıen, daß der Gerichtsfchreiber, mit feinen Papiere
in ber Hand herbeifchritt, fing fie ihre mwellenförmic
Bewe gung an, welche ſie dem Meere ähnlich macht.
Von allen Seiten erſchollen die Rufe: „Hier komm
ſie! hier kommt ſie!“ mit wenig ehrenvollen Beiwörter
für die Verurtheilte, und da und dort mit wenig freunt
lien Bemerkungen für die Richter.
Denn Ieanne hatte Recht, fie hatte fih feit ihre
Perurtheilung eine Bartei gemacht. Leute, die fie zw:
Monate vorher verachteten, hatten fie wieter In Ghre
eingejegt, ſeitdem fie fih als Gegnerin der König:
aufgeworfen.
Herr von Crosne hatte Alles vorhergeiehen. Di
erftien Reihen dieſes Schaufpielfaales waren von eine
Parterre beſetzt, das denjenigen ergeben, welde d
Koſten des Schaufpiels bezahlten. an bemerfte hie
bei breitfehultrigen Agenten, die für den Garbinal vo
Rohan eifrigften Weiber. Man hatte Mittel gefunde:
für die Königin die gegen die Königin erwedten Leider
Ihaften des Zorns zu benügen. “Diejenigen dog«
welche Herrn von Roban aus Antipathie gegen Mar
Antoinette fo ftark Beifall zugeklatfcht hatten, zifchte
oder pfiffen Frau von La Mothe aus, welche fo unklu
— war, ihre Sache von der des Cardinals abzu
ondern.
Folge hievon war, daß hei ihrer Geiheinung ai
dem Fleinen Plage bie wüthenden Schreie: Mſede
La Mothe! Ho! die Fälfcherin,“ die Mehrzal
bildeten und den fräftigften Lippen entitromten.
Es geihah au, dag diejenigen, welde ihr Mi
leid für Jeanne oder ihre Entruͤſtung gegen den Sprud
ber ſie traf, auszubrüden verfudhten, für Feinde di
Cardinals von den Damen der Halle, für Beinde d
Königin von den Agenten gehalten und in biefer Doppel
ten Gigehfchaft von den beiden Geſchlechtern mißhande
wurden, welche bei Behauptung ber Erniebrigung vo
Frau von La Mothe intereffirt waren. SIeanne wa
259
mit ihren Kräften zu Ende, aber noch nicht mit ihrer
Wuth; fie hörte auf zu freien, weil fich ihre Schreie
in der Geſammthei der Geräufche und des Kampfes
verloren. Doch mit ihrer ſcharfen, vibrirenden, metal-
liſchen Stimme, ſchleuderte fie ein paar Worte unter
die Menge, welche wie durch einen Zauber alles Ge⸗
murmel Talln machten.
„Wißt Ihr, wer ich bin!” fagte fie, „wißt Se, dag
ih vom BI Iute Eurer Könige bin. Wißt Ihr, daß man
in mir nigt eine Schuldige, ſondern eine Rebenbublerin
* aͤgt. Richt nur eine Nebenbuhlerin, ſondern eine
enoffin!“
{ec wurbe fie zu rechter Zeit durch das Geſchrei
ber verfändigften Agenten von Herren von Grosne unter-
Aber fie Hatte, wenn nit bie Theilnahme, doch
wenigſtens bie eugierbe erregt, und bie Neugierde bes
Volks iR ein Durft, der geſtillt werben will.
„Ja,“ wiederholte fie, „eine Genoffin! Wan be-
aft — — welche fie genau wußte, bie
— ed»
„Rehmen Si fich in Acht,“ ſagte ihr der Gerichts⸗
in’s
Sie wandte ſich um, der Henker Hielt eine Peitſche
in ber Hand.
Bei diefem Anblid zetgat Jeanne ie Rede, ihren
Haß, ihren Wunſch, die Menge für fi zu gewinnen;
Re ſah nur noch die Schande, fie fürchtete nur wo
mer.
‚Önabe: Gnade!“ rief fie mit einer herzzerreißenden
wi ungeheures Gezifhe übertönte ihr Wlehen.
Jeann: Hammerte fi, vom Schwindel ergriffen, an bie
Ruiee des Henkers an, und es gelang ihr, feine Hand
faſſen. ie er hob den andern auf und
SR die Beitfhe weich auf die Schultern der Gräfin
17”
260
Da ereignete fih etwas Unerhörtes, diefe Frau,
welche der Förperlihe Schmerz vielleicht niedergeworfen,
gefehmeidig gemacht, gezähmt hätte, erhob fi, als fie
tab, daß man fie ſchonte; fie flürzte fi) auf den Andern,
auf den Gehülfen, und ſuchte ihn auf den Boden zu
f&hleudern, um ſich von Schaffot herab auf den Plag
zu werfen. Plötzlich wid fie zurüd.
‚_ Diefer Mann hielt in der Hand ein geröthetes
Eifen, das er fo eben aus glühenden Kohlen gezogen
hatte. Er hob dieſes Eifen auf, und bie verzehrende
Hitze, die ed ausftrömte, machte Jeanne unter einem
wilden Gebrülle zurüdipringen.
„Gebrandmarkt!“ rief He. ‚„gebrandmarkt !“
Alles Volk antwortete auf ihren Schrei duch einen
nit minder furdtbaren Schrei.
„Sa! ja!” brüllten dreitaufend Stimmen.
vau gülfer“ ftöhnte Jeanne ganz verwirrt, indem
fie die Stride, mit welden man ihre Hände gebunden
hatte, zu zerreißen fuchte.
Zu gleicher Zeit fchligte der Henker, der es nicht
öffnen fonnte, das Kleid der Gräfin auf, und während
er mit einer zitternden Sand den jerfehten Stoff auf
die Seite ſchob, fuchte er das glühende Eiſen zu nehmen,
das ihm fein Gehülfe darbot.
Doch Ieanne flürzte fih auf diefen Mann, und
machte ihn beftändig zurückweichen, denn er wagte es
nicht, fie zu berühren, fo daß ber Henker, daran vers
zweifelnd, daß er das unfelige Werkzeug nehmen fönnte,
zu horchen anfing, ob fi in ven Reihen der Menge
eine Verfluhung gegen ihn erhöbe. Die Gitelfeit hatte
fih feiner bemaͤchti gt.
Die Menge fing an die fräftige Vertheidigung biefer
Grau zu bewundern und bebte von einer bumpfen Uns
eduld; der Gerichtsfhreiber war die Leiter hinabge⸗
Hiegen, bie Soldaten betrachteten diefes Schaufpiel: es
herrfchte eine Unordnung, eine Verwirrung, die einen
bedrohlichen Anblick bot.
261
„Macht ein Ende!” rief eine Stimme, welche aus
er erfien Reihe der Menge hervorfam.
‚Eine gebieteriihe Stimme, die der Henker ohne
weifel erfannte, denn mit einem Fräftigen Anſatz warf
r Jeanne zurüd, drüdte fie nieder, und bog mit feiner
inken Hand ihren Kopf auf die Seite.
Sie erhob ſich glühenvder als das Eiſen, mit bem
e bedroht war, und rief mit einer Stimme, weldhe den
anzen Tumult des Plabes, alle Berwünfchungen ber
ngeſchickten Henker beherrfchte:
„Feige Franzoſen, Ihr vertheidigt mich nicht, Ihr
ißt mich martern!“
„Schweigen Sie!” rief der Gerichtsfchreiber.
„Schweigen Sie!” rief der erſte Gommiffär.
„Ih, [hweigen!... AH! ja wohl!“ ſchrie Jeanne,
was wird man mir thun? ... Sa, wenn ich biefe
zichmach erbulbe, ift e8 meine Schuld . . .“
„Ah! ah! ah!“ rief die Menge, die fih im Sinn
ieſes Bekenntniſſes täufchte.
„Schweigen Sie!“ wiederholte der Gerichtsſchreiber.
„sa, meine Schuld,“ fuhr Jeanne ſich krümmend
et, „denn wenn ich hätte fprechen wollen . . .”
„Schweigen Sie!" ſchrieen Gerichtsſchreiber, Com⸗
riſſaͤre und Henker.
„Denn id Alles hätte ſagen wollen, was, ich über
e Königin weiß... .. nun, id wäre gehenft, ich wäre
icht entehrt.“
Sie konnte nicht mehr fprechen, denn ber Bom-
iffär fprang auf das Schaffot, gefolgt von Agenten,
elche die Clende Enebelten und fie ganz zudend, ganz
equetſcht, das Geſicht angefchwollen, bleifarbig, Biutend,
a zwei Denfern ubergaben, von denen der eine fein
Ipfer abermals nieberbog zu_gleicher Zeit ergriff er
as Eifen, das ihm fein Gehuͤlfe zu reichen vermochte.
Joch Jeanne benügte wie eine Natter die Unzulaͤnglich⸗
it diefer Hand, die ihr Genick preßte; fie fprang zum
sten Mal auf, wandte fi mit einer wüthenpen Gabe
254
unfeligen Lächeln, „was fällt Ihnen ein? ih muß Sie
alfo das Geſetz lehren. Man kniet nur nieder, um öffent:
lie Abbitte zu thun?“
„Run! Madame?”
„Run! mein Herr, man thut nur Nbbitte in Folge
eines Spruch, der zu einer entehrenden Strafe verur:
theil. Die Verbannung tft, fo viel ich weiß, Feine ent:
ehrende Strafe im franzofiihen Geſetz?“
Madanıe, ih Habe Ihnen nicht gefagt, Sie feien
zur Berbannung verurtheilt,“ ſprach der SGericgisfchreiber
mit einer tiefen Traurigfeit.
„Nun!“ xief Ieanne ausbrehend, „wozu bin ich
denn verurtheilt?“ =
„Das werden Eie erfahren, wenn Sie den Sprud;
anhören, und um ihn anzuhören, wollen Sie damit
anfangen, dag Sie niederfnieen.”
„Nie, nie!“
„Madame, das ift der erfle Artikel meiner In⸗
ſtructionen.“ +
„Nie, nie, fage ich Ihnen.“
„Madame, es ift gefchrieben, wenn die Verurtheilte
fi) mweigere, niederzufnieen . . .“
„Run ?”
„So werde fie die Gewalt dazu zwingen.”
„Die Gewalt! gegen eine Frau!”
„Eine Frau darf eben fo wenig als ein Mann ber
dem König und der Gerechtigkeit fehuldigen Adhtung
erntangeln.“
„Und ber Königin! nit wahr ?" rief Jeanne wüthent,
„denn ich erkenne wohl hierin die Hand eines feint:
feligen Weibes.“ "
„Sie haben Unrecht, die Königin anzuflagen, Ma:
dame. Ihre Majeftät hat Feinen Antheil an der Ab-
faſſung der Sprüche des PBarlamentshofes. Auf, Ma:
game, eriparen Cie uns die Nihwendigkeit, Gewalt zu
debrauden; auf die Kniee!“
„Nie! nie! nie!“
255
Der Gerichtsfchreiber rollte ſein Papier zufammen
und 309 aus feiner weiten Taſche ein fehr dickes, das
er in ber Borausficht defien, was gefhah, in Reſerve hielt.
Und er las den vom Generalanwalt an bie öffent-
Lie Gewalt erlafienen Befehl, die widerſpänſtige Ans
geflagte zum Niederfnieen zu zwingen, um ber Ge-
rechhtigfeit Genüge zu leiften.
Seanne ftemmte FF in eine Ede des Gefängnifies
an und forderte mit dem Blicke die öffentlihe Gewalt
heraus, von der fie glaubte, e8 feien die Bajonette, bie
fih auf der Treppe vor der Thüre erhoben hatten.
Dod der Gerichtsfchreiber ließ dieſe Thüre nicht
öffnen, er machte den erwähnten zwei- Männern ein
Zeichen, und dieſe näherten fih ruhig, wie jene unter:
fegten, unerf&hütterlichen Kriegsmajchinen, mit denen
man eine Mauer bei Belagerungen angreift.
Ein Arm von jedem diefer Männer padte Ieanne
unter der Schulter und zog fie mitten in den Saal, troß
ihres Bereit, troß ihres Brüllens.
Der Gerichtsfchreiber ſetzte ſich unempfindlich und
rtete.
Jeanne ſah nicht daß fie, um ſich fo ſchleppen zu
laſſen, hatte zu drei Vierteln niederknieen müſſen. Ein
Wort des Gerichtsſchreibers machte ſie darauf aufmerkſam.
„Es iſt gut fo,” ſagte er..
Sogleich ſpannte ſich die Feder ab, Jeanne ſprang
zwei Fuß vom Boden in den Armen der Männer, die
fie hielten.
„Es ift m unnüß, daß Sie fo ſchreien,“ fagte
wa
der Gerichtsſchre „denn man hört Sie außen nidt,
und dann werd ie die Lefung des Spruches nicht
hören, die ich Ihnen machen muß.“
„Grlauben Sie, daß ich flehend höre, und ich werde
ſtillſchweigend zuhorchen,“ rief Jeanne nd.
„Sobald die Schuldige zum Staupbefen verurtheilt
wird,” ſprach der Gerichisfchreiber, „it die Strafe ent:
ehrend und zieht die Kniebeugung nad fich.“
256
„um Staupbefen!“ brüflte Seanne. „Zum Staups
beſen! Ah! Elender! Zum Staupbefen, fagen Sie?“ ..
Und diefe Schreie wurden fo gewaltig, daß fie den Schlie:
Ber, den Gerichtsfchreiber und die zwei Gehülfen betäubten,
und daß diefe Leute den Kopf verlierend, wie Trunfene, bie
Materie durch die Materie bändigen zu wollen anfingen.
Da warfen fie fih auf Jeanne und ſuchten fie
nieberzugieben, doch fie wideritand fiegreih. Sie wollten
fie bie Kniee biegen machen, aber fie ſtemmte ihre Mus:
feln an wie ftählerne Klingen.
Sie blieb in der Luft in den Händen diefer Männer
ſchweben und bewegte ihre Hände und ihre Füße fo,
daß fie ihnen graufame Wunden beibradhite.
Sie theilten fi in die Arbeit; einer von ihnen
hielt ihr die Füße wie in einem Schraubflod; die zwei
nderen hoben fie an den Fauſtgelenken auf und riefen
dem Gerihsichreiber zu:
„Leſen Sie, Iefen Sie immerhin ihren Spruch, Herr
Gerichtsfchreiber, fonft werden wir mit diefer Wüthenden
nie zu Ende fommen!“
„Nie werde ich einen Spruch lefen lafien, ber mid
zur Ghrlofigfeit verurtheilt,“” rief Jeanne, fi mit einer
ubermenfhlihen Stärke ſträubend. Und fie verband
die That mit der Drohung und übertäubte die Stimme
des Gerichtsfchreiberse durch ein Gebrüll und durch
Schreie von einer folhen Schärfe, daß fie nicht ein
Mort von dem, was er vorlas, hörte.
Nach beendigter Lefung legte er feine Papiere wieber
zufammen und fledte fie in feine Taſche.
Als Jeanne glaubte, er habe geendigt, ſchwieg fie
und juchte wieder Kräfte zu famımeln, um biefen Männern
abermals zu troßen. Sie ließ auf das Bebrülle ein
Gelächter folgen, was noch wilder war.
„Und,“ ch der Gerichtsfchreiber gelafien mit ber
hberfümmliden Bormel fließend, „und es wird ber
Sprud auf dem Plage der Brerutionen im Juſtizhofe
bes Palaftes vollzogen werden!”
257
entlich!“ brüllte die Unglüdlihe... „OH!“
ter von Paris, ich überantworte Cuch diefes
Ilendete der Gerichtsfchreiber, indem er fih an
mit der ledernen Schürze wandte.
ift diefer Mann ?" fragte Jeanne in einem
:orismus der Angft und der Wuth.
denker,“ antwortete mit einer Verbeugung ber
treiber, während er feine Manchetten zurecht
ı hatte der Gerichtsfchreiber dieſes Wort ges
ils ſich die zwei Henker der Bräfin bemädhtig-
ne aufhoben, um fie nad der Gallerie zu
seldhe fie bemerkt Hatte. Wie müſſen darauf
zu ſchildern, wie fie fih zur Wehr ſetzte.
u, welche im gewöhnligen Leben über eine
: in Ohnmacht fiel, ertrug beinahe gegen eine
ie Mishandlungen und Schläge der beiden
ne mwurbe bis zur äußeren Thüre geichleppt,
fie einen Augenblid das gräßlichfte Geſchrei
u geben aufgehört hatte.
its diefer Pforte, wo die verfammelten Soldaten
im Saum hielten, erſchien plöglidh der Fleine
nnt der Juftizhof, mit ben zwei bis dreitaufend
1, welche die Neugierde feit den Vorbereitungen
trrichtung des Schaffots herbeigeloedt hatte.
iner ungefähr acht Buß hohen Efirade erhob
warzer Pfahl mit eifernen Ringen verjehen
agt von einer Schrift, welche der Berichtes
‚hne Zweifel auf Befehl, unleferlih zu machen
weſen war.
Eitrade Hatte Fein Geländer, man flieg auf
er ebenfalls ohne Geländer zu ihr hinauf.
e Ginfafjung, die man hier bemerkte, waren
ette der Schugen. Sie ſchloſſen den Zugang
itter mit glänzenden Spigen.
ie Menge fah, daß die Thüren des Palaſtes
'n, und daß die Commiſſäre mit ihren Stäbs
dband ter Königin. IV. 17
258
chen kamen, daß der Gerichtsfchreiber, mit feinen Papiere
in der Hand Herbeifchritt, fing fie ihre wellenfürmig
Bemegung an, melde fie dem Meere ähnlich macht.
son allen Seiten erfchollen die Rufe: „Hier fomm
fie! hier kommt fie!” mit wenig ehrenvollen Beiwörter
für die Berurtheilte, und da und dort mit wenig freunt
lien Bemerfungen für die Richter.
Denn Ieanne hatte Recht, fie Hatte fich feit ihre
Berurtheilung eine Partei gemadt. Leute, die fie zwe
Monate vorher veradhteten, hatten fie wieter in Ghre:
eingejegt, feitdem fie fih als Gegnerin der Königi:
aufgeworfen.
Herr von Grosne hatte Alles vorbergejehen. Di
erftien Reihen diefes Scyaufpielfaales waren von einer
Parterre befeßt, das denjenigen ergeben, welde ti
Koſten des Schaufpiels bezahlten. an bemerfte hie
bei breitfchultrigen Agenten, die für ven Gardinal vo:
Rohan eifrigften Weiber. Man hatte Mittel gefunder
für die Königin die gegen die Königin ermwedten Leiden
[haften des Zorns zu benügen. Diejenigen foga:
welche Herrn von Roban aus Antipathie gegen Mari
Antoinette fo ftark Beifall zugeflaticht Hatten, zifchte
oder pfiffen Frau von La Mothe aus, weldhe fo unklu
eweſen war, ihre Sache von der des Cardinals abzu
Pondern.
Folge Hievon war, daß bei ihrer Erſcheinung au
vem fleinen Plage tie wüthennen Schreie: „Niede
La Mothe! Ho! die Fälſcherin,“ die Mehrzak
bildeten und den Fräftigiten Lippen entitrömten.
Es geſchah auch, daß diejenigen, welche ihr Mil
leid für Seanne oder ihre Entrüftung gegen ben Spruch
ber ſie traf, auszudruͤcken verjuchten, für Feinde be
Cardinals von den Danıen ter Halle, für Feinde be
Königin von den Agenten gehalten und in biefer doppel
ten Eigehfhaft von den beiden Geſchlechtern mißhandel
wurden, welche bei Behauptung ber @rniebrigung vot
Frau von La Mothe intereffirt waren. Jeanne wa
259
mit ihren Kräften zu Ende, aber noch nicht mit ihrer
Wuth; fie hörte auf zu ſchreien, weil ſich ihre Schreie
in der Sefanmtheit der Geräuſche und des Kampfes
verloren. Doch mit ihrer fcharfen, vibrirenden, metal-
liſchen Stimme, fchleuberte fie ein paar Worte unter
die Menge, welche wie durch einen Zauber alles Ge⸗
murmel fallen machten.
‚. „Bit Ihr, wer ich bin!“ fagte fie, „wit Ihr, ba
ih vom Blute Eurer Könige bin. Wißt Ihr, daß man
in mir nit eine Schuldige, fondern eine Nebenbuhlerin
Ihlägt. Richt nur eine Nebenbuhlerin, ſondern eine
enoffin!”
ter wurde fle zu rechter Zeit durch das Geſchrei
ber verflänbigften Agenten von Herrn von Grosne unter-
wenigſtens bie
brochen.
Aber fie hatte, wenn nicht die Theilnahme, doch
eugierde erregt, und die Neugierde bes
Bolks iſt ein Durft, der geftillt werben will.
Kür) FE » BL, Zu BE
an.
IT HRMN KK air
.| Haß, ihren Wunſch, die
„3a,“ wiederholte fie, „eine Genoffin! Man be-
in mir biejenige, welche fie genau wußte, bie
niffe von... .’
Nehmen Sie fih in Acht,“ jagte ihr der Gerichts⸗
ber in’s Ohr.
Sie wandte fi um, der Henker Hielt eine Peitſche
ber Hand.
Bei dieſem Anblid vergaß Seanne ip Mede, ihren
enge für fi zu gewinnen;
fe fah nur noch die Schande, fie fürdtete nur noch
„ * Gnade!” rief fie mit einer herzzerreißenden
Gtimme.
Ein ungeheures Geziſche ubertönte ihr Wlehen.
Jeanne Flammerte fid), vom Schwindel ergriffen, an bie
Auiee des Henkers an, und es gelang ide, Yeine Hand
Ber; Doch er bob den andern auf und
bie
fallen,
im
Beitfche weich auf die Schultern der Gräfin
17”
261
„Macht ein Ende!“ rief eine Stimme, melde aus
ser erftien Reihe der Menge hervorkam.
Bine gebieteriihe Stimme, die der Henker ohne
Zweifel erfannte, denn mit einem Eräftigen Anſatz warf
er Jeanne zurüd, drüdte fie nieder, und bog mit feiner
linken Hand ihren Kopf auf die Seite.
Sie erhob fih glühender als das Eiſen, mit bem
fie bedroht war, und rief mit einer Stimme, welche den
ganzen Tumult des Platzes, alle Verwünſchungen der
ungeichidten Henker beherrfchte:
„Beige Sranzofen, Ihr vertheidigt mich nicht, Ihr
laßt mid martern!”
en Sie!” rief der Gerichtsfchreiber.
„Schweigen Sie!” rief der erfte Gommiffär.
„sh, fhmweigen!... Ab! ja wohl!“ fchrie Seanne,
„was wird man mir thun? ... Sa, wenn ich dieſe
Schmach erdulde, ift es meine Schuld . . .”
„Ab! ah! ah!" rief die Menge, die fih im Sinn
biefes Bekenniniſſes täufchte.
„Schweigen Sie!“ wiederholte der Gerichtsſchreiber.
„sa, meine Schuld,“ fuhr Jeanne fih krümmend
fort, „denn wenn ih hätte ſprechen wollen . . .”
„Schweigen Sie!" ſchrieen Gerichtsfchreiber, Com⸗
mifjäre_ und Genter. .
„Wenn ich Alles Hätte ſagen wollen, was ich über
die Königin weiß... . nun, id) wäre gehenkt, ih wäre
nit entehrt.“
Sie fonnte nicht mehr fprechen, denn ber Tom⸗
miffär fprang auf das Schaffot, gefolgt von Agenten,
welche die Elende Enebelten und fie ganz zudend, ganz
geauetjät, das Gefiht angefchwollen, bleifarbig, blutend,
zwei Henfern übergaben, von denen der eine fein
Dpfer abermals nieberbog ; zu_gleicher Zeit ergriff er
das Eiſen, das ihm fein Gehulfe zu reihen vermochte.
Seanne benützte wie eine Natter die Unzulänglid)-
Zeit diefer Hand, die ihr Genick preßte; fie fprang zum
letzten Mal auf, wandte fih mit einer wüthenden Freude
262
im, und bot ihre Bruft dem Henker, indem fie ihn
mit einen: herausfordernden Auge anſchaute, fo daß
das unfelige Werkzeug, das fih auf ihre Schulter ſenkte,
fie am rechten Bufen traf und feine rauchende, vers
zehrende Furche in das lebendige Fleiſch einprüdkte,
was dem Opfer, trotz bes Knebels, ein Gebrülle entriß,
dem feine Intonation gleihfommt, welche die menfd:
liche Stimme hervorzubringen im Stande ifl.
Seanne fanf unter ihrer Schmach zufammen. Sie
war befiegt. Ihre Lippen ließen feinen Ton mehr ent:
ihlüpfen, ihre Glieder Hatten Fein Beben mehr; dies⸗
mal war fle wirflih ohnmädhtig.
Der Henker trug fie, gleihjam auf feiner Schulter
entzwei gebogen, fort und flieg mit ihr mit unfidherem
Tritt die Leiter der Schande hinab.
Auch flumm, mochte es nun billigen, mochte es
beftürzt fein, verlief fi das Volk durch die vier Aus:
gänge des Plapes erft, nachdem es Hinter Jeanne die
Thüren der Gonciergerie hatte ſchließen, nachdem es das
Schaffot langfam, Stüd für Stüd, hatte zerflören fehen,
nachdem es 6 verfichert halte, e8 gebe feinen Epilog
bei tem furdtbaren Drama, defien Borftellung das
Parlament ihm geboten.
Die Agenten überwacdhten Alles bis auf die lepter
Gindrüde der Anmefenden; ihre erften Einfhärfunge:
wurden fo Klar auegefproden, daß es Tollheit gemeie
wäre, irgend eine Ginwendung ihrer mit Knäütteln ur
Hanbſchellen bewaffneten Logik entgegenzufegen.
Die Einwendung, wenn eine vorfam, war gelaf
und ganz innerlid. Allmälig nahm der Plag fe
gewöhnlihe Ruhe wieder an. Nur hatten am E
ter Brücke, als fih ber ganze Haufe zerfireut, ;
Männer, zwei junge und bedächiliche Männer, welche
ebenfalls entfernten, folgendes Gefpräd mit einant
„Iß es wirklich Yrau von La WMothe, die
Henker gebrandmarft hat? Glauben Sie es, 9
miltan?“
tan fagt es, doch ich glaube es nicht,“ erwieberke
Bere von den zwei Sprecdhenden.
ht wahr, Sie find der Meinung, daß fie es
12° fagte der Andere, ein Heiner Mann mit
r Miene, mit einem Auge rund und leuchtend
; der Nachtvögel, mit furzem, fehmierigem Haar,
vahr, es ift nicht Frau von La Mothe, die man
markt hat? Die Stügen diefer Tyrannen haben
itfehuldige verfhont. Eie haben, um Marie
tte von ber Anklage zu entlaften, eine Mile.
gefunden, die fih als proftituirt befannte; fie
auch eine falfhe Frau von La Mothe haben
onnen, die fi als Betrügerin befannte. Sie
mir fagen, es fei da die Brandmarfung .. .
tomödie bezahlt dem Henfer, Komodie bezahlt dem
das ift nur theurer!“
t Begleiter diefes Mannes horchte ben Kopf
Er lächelte, ohne zu antiworten.
Jarum antworten Sie nicht?“ fragte ber häßliche
Rann; „billigen Eie meine Anfidht nit?”
8 heißt viel thun, e8 anzunehmen, daß man am
jebrandmarft wird,” erwiederte er; „die Komödie,
Sie ſprechen, fcheint mir nicht erwiefen. Sie
hr Arzt, ale ih, und Sie hätten das verbrannte
riechen muͤſſen. Ich geftehe, ein unangenehmes
n “u
ine Gelbfache, habe ich Ihnen gefagt: man be⸗
ine Berurtheilte, welche wegen irgend giner
Sache gebrannmarkt würde, man bezahlt fie
baß fie drei_bis vier pomphafte Phraſen ſagt,
sebelt man fie, wenn fie im Begriff iſt, zu vers
, welchen
nen nicht
a. Sie es
am
ı, la, la,“ rief phlegmatiſch Derjeni
'arimilian genannt hatte, „ich werde
eſem Boden folgen, er ift nicht folib.
m!” fpradh der Andere, „dann w
‚ wie bie übrigen Maulaffen, Sie
264
Ende fagen, Sie haben rau von La Mothe brant
marken jehen. Das find fo Ihre Saunen. Vorhi
drückten Sie fi) nit fo aus, denn Sie fagten pofitiv
„„Ich glaube nicht, dag es Frau von La Mothe tft, bi
man gebranbmarki hat.““
„Nein, ich glaube es noch nicht,“ erwiederte lächeln
der junge Mann, „doch es ift auch Feine von jenen Ber
urtheilten, die Sie nennen.“
„Wer ift es denn, fprechen Sie, wer tft die Perſon
die man hier auf dem Platze flatt der Frau von 8
Mothe gebrandmarkt hat?“
„Es ift die Königin!“ fagte der junge Mann, m
fharfem Tone zu feinem unheimlichen Gefährten, un
er punktirte diefe Worte mit feinem unerklärbare
ädheln.
Der Andere wid laut lachend und biefem Scher;
Beifall klatſchend zurüd, dann fchauteer umher und riet
„Adieu, Robespierre.“
„Adieu, Marat,“ erwiederte der Andere.
Und fie trennten ſich.
XCV.
Die Hochzeit.
Am Tage dieſer Erecution, gegen Mittag, kam be
König aus feinem Gabinet in Berfallles heraus, un
man fah ihn Herrn von Provence mit den hart aus
gefprodhenen Worten entlafien:
„Mein Herr, ich wohne Heute einer Hochzeitmefi
bei. Spredhen Sie mir nidt von Ehe —8
Ehe; das wäre ein ſchlimmes Vorzeichen für die Ber
lobten, die ich liebe und befchügen werbe.“
Der Graf von Provence faltete laͤchelnd die Stirne
265
yerbeugte‘ ſich tief vor feinem Bruder und fehrte in
eine aͤcher zurüd.
Seinen Weg mitten unter den in ben Gallerien
grhreuten Höflingen verfolgen, lächelte der König dem
inen zu und ſchaute den Andern ſtolz am, je nachdem
t fe günftig, oder als Widerfacher in der Angelegen-
— in der das Parlament das Urtheil gefaͤllt, geſehen
a
Er kam bis in den viereckigen Salon, in welchem
ie Königin ganz geſchmückt im Kreiſe ihrer Chrendamen
ınd ihrer Cdelleute verweilte.
lei unter ihrer Schminke, hörte Marie Antoinette
mit einer geheudhelten Aufmerffamkeit auf die freund-
ihen Fragen, welche Frau von Lamballe und rau
von Galonne über ihre Geſundheit an fie richteten.
Doch oft fhaute fie verftohlen nad) der Thüre,
ſuchend wie Eine, die vor Berlangen, zu ſehen, brennt,
nd fi) abwendend, wie Eine, die gefi zu haben
ittert
„Der König!” rief einer von den Huiffiere. Und
ı einer Woge von Spisen und Stidereien unb von
cht, fah fie Ludwig XVI. eintreten, deſſen erſter Blick
n der Schwelle des Salon aus auf fie gerichtet war.
Die Königin ſtand auf und machte drei Schritte
en den König, der ihr liebreich die Hand Füßte.
„Sie find heute ſchön, Madame, wunderſchön,“ fagteer.
Sie lädelie traurig und ſuchte noch einmal mit
n Auge unter der Menge den unbefannten Pant,
dem wir gefagt, fie fuhe ihn.
„Unfere Jungen Berlodten find nicht da?“ fragte
Yönig. „Mir fcheint, die Mittagsftunde wird fog
en.”
Sire,“ erwieberte die Königin mit einer fo heftigen
ngung, dag ihre Schminke aufjprang und flellens
abfiel, „Herr von Charny ift allein angefommer;
tet —*— Gallerie, dag ihm Cure Majeflät ein⸗
ı befehle.” .
— —
Fr ne ER AR
bie mer —8 wieberheite der Kdal
—EXEX
267
r der König mit flarfer Stimme fort, „hat
randmarkt ?”
efem Augenblid muß es gefchehen fein,”
er Siegelbewahrer.
uge der Königin funfelte. Gin bilfigenves
urchfreifte den Saal.
ird den Herrn Gardinal ärgern, wenn er
B man feine Genoffin gebrandmarft hat,”
Fi XVI. mit einer zähen Strenge, die man
ngelegenheit nie an ihm wahrgenommen
ach diefem Morte feine Genoffin, an
lagten gerichtet, den Tas Parlament frei-
nach diefem Worte, welches das Idol der
ndmarfte, nad) diefem Worte, das als Dieb
r einen.der erſten Kirchenfürften, einen ber
dfifhen Prinzen verbammte, ließ der König,
: eine feierliche Ausforderun iſtlichkeit
en Parlamenten, dem Volke ugſandt um
ner Frau zu behaupten, ein Auge flammend
Zorn und jener Majeflät umberlaufen, wie
in Sranfreich gefühlt, ſeitdem fih die Augen
XIV. zum ewigen Schlafe gefchlofien
tin Gemurmel, nit ein Wort der Beis
urde dieſer Rache zu Theil, die der König
ihm, welde zur Entehrung der Monardjie
yatten. Dann näherte er —* der Königin,
ichte ihm ihre beiden Hände mit dem Erguß
Dankbarkeit.
ıfelben Augenblick erſchienen am Ende ber
äulein von Taverney, weiß von Gewaͤndern
aut, weiß von Angefiht mie ein Geſpenſt,
von Taverney, der ihr feine Hand gab.
fam mit raſchen Schritten, die Blide uns
Bufen Feuchend, herbei; fie ſah nicht, fie
; die Hand ihres Bruders verlich ihr die
Muth und gab ihr die Richtung.
268
Die Menge der Höflinge lächelte, als die 2
vorüberfam. Alle Frauen nahmen Pla hinter
Königin, alle Männer flellten fidh Hinter den Köni—
er Bailli von Sufften, der Dlivier von Chi
an der Hand hielt, Fam Andree und ihrem Bı
entgegen, begrüßte fie und vermifchte ſich dann mil
Gruppe der Treunde und Verwandten.
Philipp fchritt weiter, ohne daß fein Auge
von Dlivier begegnet war, ohne daß ber Drud fı
Binger Andree benadgrichtigt hatte, daß fle ihren .
erheben müſſe.
‚ As er vor den König gelangt war, brüdı
feiner Schwefter die Hand, und dieſe öffnete, wie
galvanifirte Todte, ihre großen Augen und ſah Ludwig }
der ig voll Güte zulädyelte.
ie verbeugte fi unter dem allgemeinen Gemu
Pi Anweſenden, welche fo ihrer Schönheit Bi
pendeten. - / '
„Mein Fräulein,“ fprady der König, indem «
bei der Hand nahm, „Sie mußten das Ende Ihrer Tı
abwarten, um Herrn von Gharny zu heirathen;
id Sie nit erſucht, die Heirat zu befchleunigen
würde Ihnen Ihr zukünftiger Gatte, troß feiner
eduld, vielleicht noch einen Monat Auffhub gef
Baben: doch Sie leiden, wie ich höre, und das iſt
fehr leid; aber id) muß mir das Glück guter Edel
fihern, die mir dienen wie Herr von Gharny; Bi
Sie ihn nicht heute geheirathet, fo wohnte ich I
Hochzeit nicht bei, da id) morgen mit der Königin
Reife dur Frankreich antrete. So aber werbe
das DBergnügen haben, Ihren Heirathevertrag heut
unterzeichnen und Sie in meiner Kapelle getrau
fehen. Begrüßen Sie bie Königin, mein Bräuleln,
banfen Sie ihr, denn Ihre Majeftät if fehr
gegen Sie.
Zu gleicher Zeit führte er felhf Andree zu D
Antoinette.
;
Diefe hatte ſich, die Kniee zittern, Die Hände eis⸗
kalt, erhoben. Sie wagte es nit, die Augen aufzus
ſchlagen, und fah nur etwas Weißes, was fi ihr
näherte und ſich vor ihr verneigte.
Das war das Hocdhzeitkleid von Andree.
‚ Der König gab fog eich die Hand der Braut Philipp
zurũck, reichte die feinige Marie Antoinette und ſprach
mit lauter Stimme:
* Kapelle, meine en 36
e ganze Menge ging ftillfhweigend hinter Ihren
Majelläten, um ihre Fiäpe zu ne men
Die Mefie begann alsbald. Die Königin hörte fie,
auf Ihe Detpult gebeugt, den Kopf in ihren Händen
aben, an. Sie betete mit ihrer ganzen Seele, mit
allen ihren Kräften; fie fandte zum Himmel fo glühehbe
Gelũbde empor, daß der Hauch ihrer Lippen die Spuren
ihrer Thraͤnen verzehrte.
lei und fon, die Laft aller Blide auf fi
fühlend, war Herr von Eharny ruhig und muthig, wie
er es am feinem Bord gewefen, inmitten der Flammen⸗
wirbel und Orkane der englifhen Geſchütze.
Das Auge auf feine Schwefter geheftet, die er
beben und wanfen ſah, ſchien Philipp bereit, diefer den
Beiſtand eines Wortes, einer Geberde des Trofles oder
ber Freundſchaft zu leiften.
Doch Andree verleugnete fi nicht, fie blieb, den
Kopf erhoben, jede Minute an ihrem Fläſchchen mit
Salzen riehend, fterbend und ſchwankend wie die Flamme
einer Wachskerze, aber aufrecht und beharrlich lebend
durch die Stärke ihres Willens.
Diefe richtete Feine Gebete an den Himmel, diefe
that Feine Gelũbde für die Zukunft, fie hatte nichts zu
hoffen, nichts zu fürchten; fie war nichts für die Men-
chen, nichts fur Gott.
Ais der Priefer ſprach, als bie Glocke ertönte, als
um fie ber. das göttliche Myfterium in Erfüllung ging,
da fagte fie zu ha felbft :
210
„Bin ih auch eine Chriſtin? Bin ih ein We
wie die anderen, ein Geſchöpf den anderen ähnlü.
Haft Du mid für das Mitleid gemacht, Du, den m
den erhabenen, unumfchränften Gott, den Gebieter a
Dinge nennt? Du, den man vorzugsweife gerecht ner
und der Du mich immer beftraft Haft, ohne daß ih
gefündigt. Du, den man ben Gott des Friedens ı
der Liebe nennt, und dem ich es verdanfe, daß i
der Bangigfeit, im Sorn, in der blutigen Rache le
Du, dem ich es verbanke, daß ich zum tobtlichften Fe
den einzigen Mann habe, den ich geliebt hätte!
Nein,“ fuhr fie fort, „nein, die Dinge dieſer A
und bie Gefepe Gottes gehen mid nichts an. Di
Zweifel bin ich, ehe ich geboren, verfludht geweſen u
bei meiner Geburt außer das Sefet geftellt worden.‘
Dann zu ihrer fchmerzlidden Vergangenheit zuri
fehrend murmelte fie:
„Seltfam! feltfam! Es ift hier in meiner N
ein Mann, befien Name, wenn er nur ausdgefprod
wurde, mid vor Glück fierben machte. Hätte m
biefer Mann um meiner felbft willen verlangt, ich w
gendthigt gewefen, mich zu feinen Füßen zu wälzen ı
ihn wegen meines Fehlers von Einft, wegen Dei:
Vehlers, mein Gott, um Berzeihung zu bitten! I
ber Mann, den ich anbetete, würde mid vielleicht Fo
geftoßen haben. Heute heirathet mi diefer Ma:
und er wird mich auf beiden Knieen um Berzeiht
bitten. Seltfam! ob! ja, fehr feltfam!“
In diefem Augenblid traf die Stimme bes Prieſt
an ihr Ohr. Sie fprad:
„Sacques Olivier von Sharm, nehmen Sie Me
Andree von Taverney zur Batlin!“
„Ja,“ antwortete mit feiter Stimme Dlivier.
Und Sie, Marie Andree von Taverney, nehn
Eie Facques Olivier von Charny zum Gatten?“
„Sa,“ antwortete Andree mit einer beinahe will
211
Betonung, weldhe die Rönigin fhauern und mehr als
eine- Frau in der Berfammlung beben machte.
Dann fiedte Charny den gebenen Ring an den
Singer feiner Frau, und diefer Ring glitt daran zurüd,
ohne — Andree die Hand, die ihr denſelben bot, ges
3 Rand ber König auf. Die Mefie war be⸗
endigt. Alle Höflinge begrüßten in der Gallerie das
neue Ghepaar.
Her von Suffren nahm, als er zurüdiehrte, die
Hand feiner Nidite, e⸗ verfpradh ihr im Namen von
Dlivier alles lud, das fie verdiente.
Andrẽe dankte dem Bailli, ohne fi einen Augen
blick u entrunzeln, und bat nur ihren Oheim, fie raſch
F De — um ihm danken zu können, denn
faßtte
ihr Ft Like ee überfirömte eine furchtbare Bläffe
ihr
Der Bailli durchſchritt den großen Salon und
führte Andree zum König. Diefer fügte fie auf Die
©tirne und rad:
„Brau Gräfin, gehen Sie zur Königin ; Ihre
Majehät win Ihnen ihr Hochzeitgeſchenk geben.
Nach tiefen Worten, die er für außer liebreich
hielt, zog ſich der König, gefolgt vom ganzen Hofe,
* und ließ die Reuvermählte verwirrt, in Ber-
am Arm von Philipp.
— murmelte fie, „das iſt zu viel, das iſt zu
viel, Philipp ! Mir fchten doch, ich habe genug erbulbet.“
— Philipp leiſe, mod biefe Prüfung,
„Rein, nein!” erwiederte Andrée, „ih vermöchte es
nicht Die Kräfte eines Weibes find begrangt; vielleicht
werde ich thun, was man von mir verlangt; doch bes
denke, —5 — wenn ſie mit mir ſpricht, wenn ſie
mich beglũckwünſcht, fo werde ich ſterben.“
„Du wirft ſter ben, wenn es fein muß, meine theure
212
Schweſter,“ fagte der junge Mann, „und '
Du glücklicher ſein als ich, denn wie gern
todt.
Er ſprach dieſe Worte mit einem ſo d
fo ſchmerzlichen Ausdruck, daß Andrée, ale
von einem Stachel zerriſſen, vorwärts flürz
Königin drang.
livier ſah fe vorübergehen; er trat an
zurüd, um nicht ihr Kleid ju ftreifen.
Er blieb allein im Salon mit Philipp,
Haupt, wie fein Schwager, und erwartete dei
der Unterrebung, welche die Königin mit An
follte.
Diefe fand Marie Antoinette in ihrem groß
Trotz der Jahreszeit, im Monat Juni, he
Königin euer anzünden laflen; fie faß in il
Ruhl, den Kopf zurüdgemworfen, die Augen
die Hände gefaltet wie eine Todte.
Sie bebte vor Kälte.
Frau von Mifery, weldhe Andree einge
zog bie Thürvorhänge zu, ſchloß die Thüre
das Gemach.
Zitternd vor Aufregung und Zorn, zi
vor Schwähe, wartete Andree mit nieberg
Augen, dag ein Wort Fr ihrem Herzen fäme,
auf die Stimme der Königin, wie der Beru
das Beil wartet, das fein Leben durchſchneid
Hätte Marie Antoinette den Mund
Augenblid geöffnet, Andree würde, geläh
war, unterlegen fein, bevor fie begriffen oder ;
Eine Minute, ein Jahrhundert viefes
Leidens verging, ehe die Königin eine Be
macht hatte.
— ſtand ſie auf, indem ſie ihre
die Arme ihres Lehnſtuhles ſtützte, und nahn
Tiſch ein Papier, das ihre wankenden Fin
Male entſchlüpfen ließen.
meuraa —ıwo on
ausm,
Dann fhhritt fie wie ein Schatten, ohne daß man
ein anderes Geräuſch, als das Streifen ihres Kleides
auf dem Teppich hörte, die Arme gegen Andree aus⸗
geſtreckt, auf diefe zu und überreichte ihr das Papier,
ohne ein Wort zu’ fpredhen. %
Zwifchen diefen beiden Herzen war das Wort über-
Hüffig: die Königin hatte nicht nöthig, das Verſtändniß
von Andree hervorzurufen; Andree fonnte nicht einen
Au nd an ber Eeelengröße von Marie Antoinette
weifeln.
3 Jede Andere hätte vermuthet, die Königin werde
ihr ein miches Leibgedinge, die Urkunde einer Guter:
fhenfung, oder das Patent einer Stelle bei Hofe bieten.
Andree errieth, daß das Papier etwas Anderes enthielt. _
Sie nahm es und las, ohne fid) von der Stelle zu rühren
auf der fie ftand.
„Andree,” Hatte die Königin gefchrieben, „Sie
haben mic, gerettet. Meine Ehre fommt mir von Ihnen
zu, mein Leben gehört Ihnen. Im Namen biefer ähre,
die Sie fo viel Fojtet, fchwöre ich Ihnen, daß Sie mi
Ihre Schweiter nennen können. Berfuchen Eie es, Sie
werden mich nicht erröthen fehen.
„Ich lege dieſe Schrift in Ihre Hände; es ift das
Pfand meiner Dankbarkeit; es ift die Mitgift, die ich
Shnen fchenfe.
„Ihr Herz ift das ebelfte von allen Herzen; es wirb
mir Danf wifien für das Gefchenf, das ich Ihnen biete.
„Unterz: Marie Antoinette
yon Defterreih Lothringen.“
Andree ſchaute ihrerfeits die Königin an. Sie fah
ihre Augen mit Thränen befeuchtet, fie fah fie, den Kopf
zurüdgeworfen, auf eine Antwort warten.
Sie durchſchritt langfam das Zimmer, verbrannte
an bem beinahe erloſchenen Beuer das Billet der Königin,
verbeugte fi tief, ohne ein Wort zu fprechen, und ver:
ließ das Gabinet. ;
8
274
Prarie Antoinette machte einen Schritt, um fie auf:
zuhalten oder ihr zu folgen; aber die unbeugfame
Gräfin, welche die Thüre offen ließ, Fehrte wierer zu
ihrem Bruder in den anftoßenden Salon zurüd.
Philipp rief Charny, nahm feine Hand und legte
fie in die von Andree, während auf der Echwelle des
Gabinets, hinter dem Thürvorhange, den fie mit dem
Arm auf die Seite fhob, die Königin dieſer fehmerz-
lichen Scene. beiwohnte.
Charny ging wie der Bräutigam des Todes, ben
feine leichenbleihe Braut wegführt; ev ging und fchaute
rückwärts nad) dem blafien Gefichte von Marie Mintoinette,
die ihn Schritt für Schritt auf immer verſchwinden fah.
Cie glaubte e8 mwenigftend.
Vor dem Thore des Schlofjes murteten zwei Reiſe—
wagen. Andree ftieg in den eriten. Als Charny ſich
anſchickte ihr zu folgen, fagte die neue Gräfin:
„Mein Herr, Sie reifen, glaube ih, nad der
Picardie ab.“ ...
„sa, Madame,” erwiederte Charnn.
„Und ih, ich reife nach der Gegend, wo meine
Mutter geftorben it, Herr Graf. Gott beiohlen!“
(Sharny verbeugte fih, ohne zu antworten. Die
Pferde führten Andree allein fort.
„Bleiben Sie bei mir, um mir anzufünbigen, taß
Eie mein Feind find?” fagte nun Tlivier zu Philipp.
„Nein, Here Graf,” erwiederte diefer: „Sie find
nicht mein Feind, da Sie mein Schwager find.”
Tlivier reichte ihm die Hand, flieg in ten zweiten
Magen und fuhr ebenfalls weg.
Philipp, ter allein geblieben, rang einen Augenblid
mit ter Bangigfeit der Verzweiflung die Hänte und
ſprach dann mit erflidter Stimme:
„Mein Gott, behältit Du denen, welche ihre Prlicht
auf Erben ihun, ein wenig Breude im Simmel vor?
Freude,” wiederholte er verbüftert, indem er zum legten
Male nad) dem Schloffe fchaute, „ich ſpreche von Breube:..
275
Mom!... Diejenigen allein dürfen auf ein anderes
Leben hoffen, welche dort oben die Herzen, die fie liebten,
finden werben. Niemand liebt mich hienieven, ich habe
niht einmal, wie fie, die Süßigfeit, ten Tod zu
wünſchen!“
ann warf er zum Himmel einen Blick ohne
Galle empor, einen ſanften Vorwurf des Ehriſten, deſſen
Glauben wankte, und verſchwand, wie Andree, wie Charny,
im legten Wirbel des Sturmes, ter einen Thron ent:
wurzelte und fo viel Ehre und fo viel Liebe zermalmt
hatte. 4
Ende des Halsbands der Königin.*)
>
*) Es if von Alerander Tumas eine demnädft
ericheinende Kortfegung ver Denfwürdigfeiten eines
Arzies: Ange Pitou, angefündig.. Ange Pitou
wird die dritte Abtheilung tiefer Tenfwürbdigfeiten mit
der Erflürmung der Baitille beginnen, womit fid) der
Tag feiner Anfunft in Baris, ver 14. Juli 1789, ver:
mitt. Ange Pitou ift ver Milhbruter des Briwers
von Andree von Tavernen und ven Gilberr, welche wir
alle drei in dieſer Bortiegung mit einem Intereſſe wieder
finden, das bei jedem ter ſich rafch folgenden Ereigniſſe
wächst, denn vom 14. Juli 1789 an handelt es fich
um andere Fragen, als um ein Halsband. Auf bie
Idylle folgt die blutige Tragödie.
Diefe dritte Abtheilung wird tie ſechs Jahre
von 1789 bis 1794, das heißt, von der Einnahme der
Ale bis zum Ende der Schrechenstegierung um:
anen.
276
Dann fommen nad) und nad: das Dir:
das Ratferreich und die Neftauration; alle
ber Mitzeit werden fo in Scenen belebt durd
geheure Talent von Alerander Dumas ı
unferen Augen vorübergehen.
Die deutfhe Bearbeitung wird aud ir
dem Original auf den Werfen folgen. Der
er U
4 726,370
ini I 7