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Full text of "Das homerische Epos aus den Denkmälern erläutert, archäologische Untersuchungen"

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http://www.archive.org/details/dashomerischeep00helb 


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1. RN ἵ j 
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ΟὙΠ6) ἢ N 
DAS 
HOMERISCHE EPOS 


DENKMÄLERN ERLÄUTERT. 


ARCHÄOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN 
ἽΝ 


W. HELBIG. 


ZWEITE VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE. 


MIT ZWEI TAFELN UND 163 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN. 


ΞΕ 


LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 


1887. 


᾽ UNS 


Das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen ist vorbehalten. 


ΕΣ 


Vorwort zur ersten Auflage. 


Nachdem der Verfasser im ersten Bande seiner „Beiträge zur alt- 
italischen Kultur- und Kunstgeschichte (Leipzig 1879)“ die archäolo- 
gischen Thatsachen zusammengestellt hatte, welche die älteste Kultur _ 
der Italiker vergegenwärtigen, war es zunächst seine Absicht die 
nächstfolgenden Stadien der italischen Entwickelung in entsprechen- 
der Weise zu behandeln. Doch überzeugte er sich bei einem Aufent- 
halte in Olympia von der Unmöglichkeit die hierauf bezügliche Unter- 
suchung zu einem befriedigenden Abschlufs zu bringen, bevor die 
ältesten in der Altis gefundenen Bronzen publiziert und allgemein zu- 
sänglieh gemacht worden wären. Unter solchen Umständen entschlofs 
er sich zur Verarbeitung des archäologischen Materials, welches er über 
die Kultur des homerischen Zeitalters gesammelt hatte. Ein derartiges 
Unternehmen steht in engster Beziehung zu den Gegenständen, welche 
der zweite Band der Beiträge behandeln wird, und darf recht eigent- 
lich als eine Vorarbeit dazu betrachtet werden. Eine der wichtigsten 
Fragen nämlich, welche in jenem Bande zur Erörterung kommen mülsen, 
betrifft das Kulturstadium, in welchem sich die Hellenen befanden, 
als sie die ersten Kolonieen im Westen gründeten. Dieses Stadium 
aber folgte unmittelbar auf dasjenige, welches durch das Epos ver- 
gegenwärtigt wird, und es ist klar, dafs für die Beurteilung des ersteren 
eine genaue Kenntnis der homerischen Kultur die unentbehrliche 
Grundlage abgiebt. 

Um der Darstellung ein allgemeines Interesse zu verleihen, durfte 
sich jedoch der Verfasser nicht darauf beschränken, die im Epos erwähn- 
ten Typen zu bestimmen, vielmehr mufste er sie auch in die historische 
Entwickelung einreihen. Besonders galt es, den Gegensatz zwischen 
der homerischen und der klassischen Kultur mit möglichster Schärfe 
darzulegen und hierdurch die falschen Vorstellungen zu berichtigen, 
mit denen der moderne Leser in der Regel an die Dichtung herantritt. 
Dieses Verfahren hatte freilich den Übelstand zur Folge, dafs die Be- 
handlung der einzelnen Teile ungleich ausfallen mulste. Die Haupt- 
richtungen, welche mit der hellenischen Blütezeit mafsgebend werden, 
sind ja allgemein bekannt und es bedurfte somit nur eines flüchtigen 
Hinweises, um dieselben in das Gedächtnis zurückzurufen. Dagegen 


VI Vorwort. 


sind wir noch weit entfernt von einer umfassenden Erkenntnis, wie 
sich der klassische Geist mit jedem einzelnen aus der früheren Epoche 
überkommenen Motive abfand, ob und inwieweit er damit ausscheidend 
oder assimilierend zu Werke ging. Dem Verfasser blieb in solchen 
Fällen nichts anderes übrig, als seine Auffassung des Vorganges in’ 
möglichster Kürze darzulegen und damit allerdings von dem ihm zu- 
nächstliegenden Zwecke abzuschweifen. 

Die Absicht, welche der Titel verkündet, hat das Buch nur in 
sehr beschränktem Sinne erreicht und der Leser wird ihm vielleicht 
keinen anderen zugestehen wollen als den von „archäologischen Rand- 
bemerkungen zum homerischen Epos“. Aber es war dem Verfasser 
trotz aller Mühe, die er sich gegeben, unmöglich einen anderen Titel 
ausfindig zu machen, der, einigermalsen kurz und zugleich dem In- 
halte des Buches genau entsprechend, sowohl den Verleger wie die 
Gelehrten, welche etwa die Absicht haben, das Buch zu eitieren, in 
jeder Weise befriedigt haben würde. 

Obwohl die erste Hälfte des Manuskriptes bereits im Juni des vorigen 
Jahres der Verlagsbuchhandlung zugestellt worden war, zog sich der 
Druck, da die Herstellung der Abbildungen auf mannigfache Schwierig- 
keiten stiels, bis zum Mai des laufenden Jahres hin. Unter solchen 
Umständen konnte es nicht ausbleiben, dafs während dieser Zeit 
allerlei erschien, was der Verfasser gern berücksichtigt hätte. Die 
hierauf bezüglichen Hinweise wurden, soweit es’ anging, in die Druck- 
bogen hineinkorrigiert oder, wenn dies nicht möglich war, in 
den Nachträgen gegeben. Milchhoefers Untersuchungen über „die 
Anfänge der Kunst in Griechenland“ erhielt der Verfasser unmittel- 
bar, nachdem er den ersten Teil seines Manuskriptes nach Leipzig 
abgesendet hatte. Er überlegte, ob er das Manuskript zurückfordern 
und in dasselbe eine eingehende Revision der Milchhoeferschen An- 
sichten nachtragen sollte, gewann aber die Überzeugung, dafs die 
ausführliche Polemik, welche jene Untersuchungen erfordern, von dem 
bestimmten Zwecke dieses Buches zuweit abführen würde, und ent- 
schlofs sich somit dazu, die Anschauungen des genannten Gelehrten 
in einem besonderen Aufsatze zu erörtern, der demnächst in Jahns 
Jahrbüchern erscheinen wird. 

Für mancherlei Mitteilungen bin ich dankbar den Herren Adalbert 
Bezzenberger, Johannes Dümichen, Grafen Giovanni Gozzadıni, Ignazio 
Guidi, Richard Lepsius, Ernesto Schiaparelli, Ludwig Traube, Georg 
Wissowa und Antonio Zannoni. Die Herren Ferdinand Dümmler und 
Christian Hülsen haben mich bei der Korrektur der Druckbogen auf 
das Liebenswürdigste unterstützt. 


Rom, 11. Mai 1884. 
W. Helbig. 


Vorwort. . vi 


Vorwort zur zweiten Auflage. 


So erfreulich für den Verfasser der rasche Vertrieb seines Buches 
war, so schwer fiel es ihm gerade jetzt, nachdem seine Studien 
eine andere Richtung genommen, eine neue Auflage zu veranstalten. 
Auf keinem Gebiete ist die Forschung heut zu Tage in so viel- 
seitiger Weise thätig, wie auf dem der ältesten Stadien, welche die 
Kultur im Gebiete des Mittelmeeres zurücklegte. So erschien denn 
zwischen dem Juni 1883, in dem das Manuskript der ersten, und dem 
August 1886, in dem dasjenige der zweiten Auflage zum Abschlufs 
gelangte, eine Reihe von Publikationen, welche den Verfasser dazu 
nötigten, mancherlei Zusätze zu machen und einzelne Teile seines 
Buches vollständig umzuarbeiten. Durch Schliemanns Troja (Leipzig, 
1884) wurde unsere Kenntnis der Niederlassungen von Hissarlik ver- 
vollständist. Ein anderes Buch desselben Forschers, Tiryns (Leipzig, 
1886) eröffnete eine neue Perspektive auf das Anaktenhaus und über- 
haupt die Architektur der vorhomerischen Zeit. Durch den dritten 
Band der Histoire de l’art von Perrot und Chipiez (Paris, 1885) 
erhielten wir zum ersten Male eine übersichtliche Zusammenstellung 
der phönikischen Denkmäler. Studniczka, Beiträge zur Geschichte 
der altgriechischen Tracht (Abhandlungen des archäol.-epigr. Seminars 
der Universität Wien, VI 1, Wien, 1886) brachte die Nachrichten, 
welche über die altgriechische Tracht vorliegen, in richtigen histo- 
rischen Zusammenhang und reihte darin auch die Tracht der home- 
rischen Epoche ein. Aufserdem wurde die homerische Frage von 
Wilamowitz-Moellendorff in den Homerischen Untersuchungen (Berlin, 
1884) in ebenso individueller wie geistreicher Weise behandelt. Es 
war keine leichte Aufgabe diese Fülle von neuem Material und von 
neuen Auffassungen in der knappen Weise zu verarbeiten, welche der 
Zweck dieses Buches nötig machte, und der Verfasser sieht voraus, 
dafs man gegen gewisse Teile seiner Darlegung den Vorwurf zu 
grolser Ausführlichkeit, gegen andere denjenigen zu grolser Kürze 
erheben wird. | 

Obwohl das Manuskript bereits im August des vorigen Jahres 
fertig vorlag, begann der Druck doch erst im Monat Dezember. In 
Folge dessen mufs ich es auch dieses Mal bedauern, dafs Mancherlei, 
was in dem Buche eingehende Berücksichtigung verdient hätte, erst 
während des Druckes erschien. Es gilt dies im besonderen für 
Furtwängler und Löscheke, mykenische Vasen (Berlin, 1886) ein Werk, 
welches eine vortreffliche Übersicht giebt über die Reste einer Kultur, 
die vor der Blüte des Epos in den östlichen Ländern des Mittelmeer- 
gebietes weit verbreitet war, ferner für den Aufsatz von Kroker über 


VII . Vorwort. 


die Dipylonvasen (Jahrbuch des deutschen archäologischen Instituts I, 
1880, p. 95—125) und für einen Bericht von Dümnler, in dem dieser 
Gelehrte eine den primitiven Resten von Hissarlik entsprechende 
Kultur auf Kypros nachgewiesen hat (Mittheilungen des deutschen 
arch. Instituts, athenische Abtheilung, XI, 1886, p. 209—262).. Ich 
habe auf dieses neue Material und die daraus gezogenen Schlüsse in 
aller Kürze in den Nachträgen hingewiesen. Hingegen schien es mir 
überflüssig eine besondere Polemik gegen Milchhoefer, die Anfänge 
der Kunst in Griechenland (Leipzig, 1883) beizufügen. Die in diesem 
Buche entwickelte Auffassung beruht im Wesentlichen auf der An- 
sicht, die sich Milchhoefer über die sogenannten Inselsteine gebildet. 
Diese Ansicht ist meines Erachtens von Rossbach in der Archäo- 
logischen Zeitung XLI (1885) p. 311—347 und in den Annali dell’ 
Instituto 1885 p. 188--222, wie von Dümmler in den Mittheilungen 
des arch. Inst., athenische Abtheilung XI p. 170—179 schlagend 
widerlegt worden. Studniczka hat in den Beiträgen zur Geschichte 
der altgriechischen Tracht p. 31 —38 die Vermutungen zurückgewiesen, 
welche Milchhoefer über die in der griechischen Urzeit gebräuch- 
liche Kleidung geäufsert, und gegen mancherlei andere Aufstellungen 
seines Buches in einer im XIV. Bande (neue Folge IV. Band) der 
„Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien“ (Wien, 
1584) veröffentlichten Rezension gerechtfertigte Bedenken erhoben. 

Der der ersten Auflage beigefügte 3. Exkurs „über Halimedes auf 
der caeretaner Amphiaraosvase“ durfte wegbleiben, da sich die Figur 
des Halimedes, nachdem Furtwaengler, Berliner Vasensammlung n. 
1655 erkannt, dafs sie als Greis charakterisiert ist, in die bekannte 
Kategorie der mit dem langen Chiton bekleideten älteren Männer 
einfügt. Der 4. Exkurs „über gemusterte Gewänder im Kultus“ 
wurde unterdrückt, weil das zugehörige Material zu umfangreich ge- 
worden ist, als dafs es sich in der Kürze behandeln liefse. 

Beiträge zu dieser zweiten Auflage haben mir die Herren Otto 
Benndorf, Adalbert Bezzenberger, Ferdinand Dümmler, Siegismund 
Fränkel, Max Ohnefalsch-Richter und Franz Studniczka geliefert. 
Dümmler und Studniczka halfen mir bei der Korrektur der Druck- 
bogen. Allen diesen Herren sei hiermit mein herzlicher Dank aus- 
gesprochen. 


Rom, 2. März 1887. 
W. Helbig. 


E Die: Anpaben des Epos... οι τς ER N ES ET 

MIR Diecphönikiseher Kunstındustrue 5,7: ala, 2 
III. Die archaische griechische und italische Kunst. ....... 
RY3 Das mordische Handwerk. so... .u2..:., Ir. me Be 

V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten .'. „U... ..0. 
VI. Die wichtigsten Fundgruppen im Westen .. . 2... 2... 

Das homerische Zeitalter. 
I. Tektonisches, 

ὙΠ ler Schutzmauern,. res mes DE Υ ΡΡμ δ5. TE: 
ὙΠ τ ένα 
IRRE Magen ee er ne ee ee 

πον ΠΕ ΟΠ ΠῸ u en Ὁ ἃ ΟΦ τς ΑΨ EIS CKESE TEN 

II. Die Tracht. 

RIeDieustolte der Kleider: „>. - 8.0... EEE NEN ΚΤΥ͂ΝΑ 
RIED Ποῖ πο der Männer: 0.0.14. τρις ο 
SIIESDeKlechıng der Eramen . u... 20 ei τ -ἰἀἙ 
XIV. Die Kopfktracht der Andromacbe,, οὖς. ....H2 2. N, 
XV. Über das Verhältnis der homerischen Tracht zur Ἐπ ΕΟ Ἢ ΡΩΝ 
DO Eee N N ee δ 

III. Die Schmucksachen. 

ΝΠ Hommoe undeTsthmiona ir ἔἐοπ ρος εἰς ςς ἐς Ὡς er 
VII. Die.Ohirinser ον 04°, ον A Balkan δ ἊΣ 
XiePDier Hatinadeln! τον ον Το τ αὶ N ΤΣ A 

BreHelikesr und Kalykesı. ne ἐπροδος 
IV. Die Bewaffnung. 
ΟΣ Bemschienen. und Panzer σ΄. τ, ἀν Ai SER ER 
Zt Der ἜΠΟΣ, AL 
PERL. Bl)er Sehllel τὰν τ προ >. τὶ ον - RN. =" 
BE τι ΠΟ La Ne ee Δ χὰ 
XXV. Über das Verhältnis der homerischen Bewaffnung zur orientalischen 
Indrklassischön τὸ mer tus RT a Te 
V, Geräte und Gefäfse. 
XXVl. Die Beile beim Bogenwettkampfe . . . . 2. 2 2 2 2 2 2 02.0 
RAVI. Dap Pompopelön * . πο τ 0, re A N, ©, 
DEN ΠῚ Das Earl 
AKILX. . Den Becher des Nestor - 257 3; 


ΤΈΣΣ Τὰ; 


Die Quellen. 


XXX. 
ΧΧΧΙ. 
XXXI. 


ΧΧΧΙΠ. 


Inhalt. 


vI. Die Kunst. 


FREADEROFBEOR IE ER a ρον το 
Der ssehild 685: ΘΠ]  .. . 2.2). Seas Te Ran 
Die Götterbilder. . ee... BA 
ΓΗ Se Ze E ἐς APR 
Exkurse. 
Über die Gründungszeit von Kyme . . . u 2a. Bl ... 
. Über die Metallbekleidung der Wände. . .. , 
Nachträge und. Verbesserungen su Sera une, 


Nachweis. der. Abbildungen... SR rer 
Verzeichnis der ausführlicher behandelten Stellen 
Griechisches Wortregister. 


Namen- und Sachregister 


Die Quellen. 


I. Die Angaben des Epos. 


Der ausschliefslich archäologische Zweck, den dieses Buch ver- 
folgt, entschuldigt es, wenn ich mich nicht ausführlich über die 
verwickelten Probleme verbreite, die man unter dem Namen der 
homerischen Frage zusammenfafst, sondern nur auf einige Thatsachen 
hinweise, die mit Sicherheit oder gröfster Wahrscheinlichkeit fest- 
gestellt sind!) und der von mir befolgten Methode zur Rechtfertigung 
dienen werden. Das Epos in der uns vorliegenden Gestalt ist das 
Werk mehrerer Jahrhunderte. Es entwickelte sich zunächst bei den 
kleinasiatischen Aeoliern und wurde dann fortgeführt von der ioni- 
schen Bevölkerung Kleinasiens und der Inseln. Einige Stücke ent- 
standen im Mutterlande. Es darf dies mit Sicherheit für den Schiffs- 
katalog”), mit grölster Wahrscheimlichkeit für ein in die Odyssee 
hineingearbeitetes Gedicht, welches den Sieg des Odysseus über die 
Freier behandelte, angenommen werden. Im Mutterlande war auch 
der Dichter zu Hause, der die uns vorliegende Odyssee compilierte. 
Die Ilias ist beträchtlich älter als die Odyssee, abgesehen vom Schiffs- 
kataloge und von der Doloneia, welche eines der in die Odyssee ein- 
gefügten Gedichte voraussetzt. Sie reicht nur mit ihren jüngsten 
Stücken bis ım das 8. Jahrhundert herab, während die Gedichte, aus 
denen die Odyssee zusammengearbeitet wurde, diesem und dem fol- 
genden Jahrhunderte angehören. Der Compilator der Odyssee lebte 
schwerlich vor der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts. Der epische 
Stil wurde in sehr früher Zeit fixiert und von den späteren Dichtern 
möglichst festgehalten. „Die homerischen Gedichte — so äufsert 
sich ein Forscher, der feines Gefühl für Poesie mit scharfer Kritik 
vereinigt?) — reden eine conventionelle Sprache, die nie und nirgend 


1) Ich schliefse mich vollständig der Auffassung an, die von Wilamowitz- 
Moellendorff, homerische Untersuchungen, Berlin 1884, entwickelt hat. 2) Niese, 
der homerische Schiffskatalog p. 48. Über die Zeit der Abfassung Niese, die Ent- 
wickelung der homerischen Poesie p. 228. 3) Von Wilamowitz-Moellendorff 
a. a. OÖ. p. 292. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 1 


92 Die Quellen. 


gesprochen war, die der Rhapsode selbst erst lernen mufste, aus der 
einzelne Wörter vielen Hörern, manchen Sängern unverstanden blieben, 
mit einem Aufputze herkömmlichen Beiwerkes, Vergleichungen und 
Formeln; das Epos ist formell von einer Volkspoesie viel weiter ent- 
fernt als der tragische Dialog..... Erklären aber kann man diesen 
auffälligen Charakter des Epos nur dadurch, dafs die uns erhaltenen 
epischen Gedichte von der Fixierung des epischen Stiles sehr weit 
entfernt liegen. Ununterbrochene Tradition und ununterbrochene 
Übung hat es fortgepflanzt aus einer Zeit, wo die Helden weder 
schrieben, noch kochten, noch ritten, bis in die Gegenwart, die selbst 
zwar die Sitten geändert hatte, aber wenn nicht von den Sitten der 
wirklichen Vorfahren, so doch von denen der epischen Heroen eine 
eben durch die Tradition des Epos genährte Vorstellung bewahrte, die 
von ihnen solche Anachronismen möglichst fern hielt“. Wenn diese 
Charakteristik richtig ist, so haben wir im Epos Altes und Neues 
neben einander zu gewärtigen. Die Hauptumrisse der Lebensformen, 
unter denen sich die Helden bewegen, sind allenthalben die von alters 
her überlieferten. Dagegen dürfen wir annehmen, dals die späteren 
Diehter zumal in der Detailschilderung, in längeren Reden, welche 
sie den Helden in den Mund legen, und in den Gleichnissen vielfach 
durch Eindrücke der sie umgebenden Welt bestimmt, dafs derartige 
Motive jüngeren Ursprungs von den Rhapsoden auch in die älteren 
Teile des Epos eingeschaltet wurden. Je lebhafter das Auffassungs- 
vermögen der jüngeren Dichter war, um so mehr werden sie geneigt 
gewesen sein, die conventionelle Überlieferung zu durchbrechen und 
ihren eigenen Geist zur Geltung zu bringen. Eine der merkwürdigsten 
Erscheinungen ist ın dieser Hinsicht ein verhältnismäfsig spätes, in 
die Odyssee eingefügtes Gedicht, welches Penelope in einer von der 
sonstigen Auffassung ganz verschiedenen Weise, nämlich als kokette 
Witwe schildert, die nicht abgeneigt ist, sich trösten zu lassen'). 
Die Charakteristik erscheint auf das wunderbarste der Natur ab- 
gelauscht. Ein besonders feiner Zug ist es, dafs der Dichter Pene- 
lope, als sie der Eurynome ihren Plan sich den Freiern zu zeigen 
vorträgt, albern lächeln läfst?), wie es zu allen Zeiten auch gescheite 
Frauen zu thun pflegen, wenn sie in reflectierter Weise darauf aus- 
gehen zu kokettieren. Eurynome wiederum benimmt sich als erfah- 
rene Kammerfrau, die auf die Gedanken ihrer Dame einzugehen und 
ihr nach dem Munde zu reden versteht. Sie empfiehlt der Penelope, 
bevor sie sich zu den, Freiern begiebt, Toilette zu machen und sich 


1) Od. XVII 158—303. Vgl. von Wilamowitz-Moellendorff a. a. ©. p. 29--- 34, 
2) Od. XVII 163: ἀχρεῖον δ᾽ ἐγέλασσεν. 


I. Die Angaben des Epos. 3 


zu schminken!) — letzteres ein Gebrauch, welcher nur an dieser Stelle 
des Epos Erwähnung findet. Es kann keinem Zweifel unterliegen, 
dafs der Dichter durch Eindrücke bestimmt wurde, die er bei intimem 
Umgange mit vornehmen Ionierinnen empfangen hatte. 

Besonders häufig kommen Motive, die dem conventionellen Stile 
des Epos zuwiderlaufen, in den Dichtungen vor, die sich um die Ilias 
und Odyssee gruppieren. In der kleinen llias schenkt Zeus dem 
Laomedon als Entschädigung für den Raub des Ganymedes einen 
goldenen Weinstock.’) Wir dürfen annehmen, dals die an den vorder- 
asiatischen Königshöfen herrschende Pracht die Phantasie der da- 
maligen Griechen lebhaft beschäftigte An mehreren jener Höfe 
gehörte ein aus Gold gearbeiteter Weinstock zu den Symbolen der 
Herrscherwürde.°) Darauf hin hat es der Dichter gewagt, dieses 
Motiv in den troischen Mythos einzuführen. Demselben Dichter 
entschlüpft ein Hinweis auf das Siegel,') einen Gegenstand, der dem 
sonst im Epos geschilderten Kulturapparat fremd ist. Ebenso steht 
es im Widerspruche mit der conventionellen epischen Schilderung, 
wenn der Dichter der Kyprien Blumenkränze erwähnt?) und den 
Palamedes Fischerei treiben läfst.‘) 

Die Periode, mit welcher es diese Untersuchungen zu thun haben, 
umfalst also einen Zeitraum von mindestens vierhundert Jahren. Die 
obere Grenze wird durch den Beginn der nach Kleinasien und den 
benachbarten Inseln gerichteten Kolonisation bezeichnet, die bis in 
das 11. Jahrhundert v. Chr. hinaufreicht, die untere durch die, wie 
es scheint, in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts fallende Com- 
pilation der Odyssee. Indes dürfen dabei auch noch spätere Produkte, 
wie einzelne homerische Hymnen, herangezogen werden, insofern sie 
an dem eonventionellen epischen Stile festhalten und somit ein älteres 
Kulturstadium vergegenwärtigen. 

Nachdem die Ilias und die Odyssee bereits seit mehreren Gene- 
rationen im wesentlichen die Gestalt erhalten hatten, in der sie uns 
vorliegen, wurden einzelne Stellen in tendenziöser Weise in die beiden. 
Dichtungen hineininterpoliert — ein Verfahren, an dem sich besonders 
die Athener zur Zeit des Peisistratos beteiligten.‘) Ein Buch, wel- 
ches darauf ausgeht, die Ilias und die Odyssee, wie wir sie lesen, 
durch die Denkmäler zu erläutern, muls auch diesen Stellen Rech- 


1) Od. XVII 172, 179, 192—194, 196. 2) Epicor. graecor. fragmenta ed. 
Kinkel Ip. 41 n.6. 3) Welcker, der epische Cyelus II p. 262—263. 4) Epicor. 
fragm. 1 p. 42 n. 8. 5) Athen. XV p. 682 EF. Epicor. fragm. I p. 16, p. 23 
n. 4. 6) Pausan. X 31, 2. Epicor. fragm. I p. 30 n. 18. 7) Von Wilamowitz- 
Moellendorff a. a. ©. p. 199 ft. 

18 


4 Die Quellen. 


nung tragen, wird aber, wenn die Untersuchung darauf führt, jedes- 
mal hervorheben, dafs es sich um Stücke handelt, die aus der Gesamt- 
masse des Epos heraustreten. 


Da die Typen der Kunstindustrie und des Handwerkes, deren das 
Epos gedenkt, den Zuhörern der Dichter allgemein bekannt waren, 
so werden sie nicht ausführlich beschrieben. Vielmehr begnügen sich 
die Dichter damit, diese Gegenstände durch knappe Hervorhebung 
der am meisten in die Augen springenden Eigentümlichkeiten zu 


vergegenwärtigen. Gilt es daher, eine deutliche Vorstellung von 


einem Kleidungsstücke oder einer Waffe der damaligen Griechen zu 
gewinnen, so kann dies nur mit Hilfe des archäologischen Materiales 
geschehen. Die antiken Bildwerke, welche Scenen aus dem troischen 
Mythos darstellen, sind für eine derartige Untersuchung ohne Wert, 


abgesehen von denjenigen, welche einer Epoche angehören, in die. 


noch einzelne Ausläufer der Kultur des homerischen Zeitalters herab- 
reichen. Archäologische Studien, wie sie bisweilen von modernen 
Malern mit zweifelhaftem wissenschaftlichen und ästhetischen Erfolge 
unternommen werden, waren den antiken Künstlern fremd. Wie es 
vielmehr in jedem lebenskräftigen Stadium der Kunstentwickelung 
der Fall zu sein pflegt, schilderten sie die mythischen Scenen in dem 
Geiste ihrer Epoche und stellten die Tracht, die Waffen, die Geräte 
unter den Formen dar, die sie in ihrer Umgebung zu sehen gewohnt 
waren. So wurden denn diese Gegenstände seit der Blütezeit in dem 
Stile behandelt, den wir als den klassischen zu bezeichnen pflegen. 
Die Gewandung begleitet in freiem Faltenwurfe die Formen des 
Körpers. Die Bestandteile der Rüstung, die Waffen, die Gefäfse 
zeigen die fein profilierten Typen, welche seit der Mitte des fünften 
Jahrhunderts v. Chr. zur Ausbildung kamen. In der Behandlung des 
Haares und des Bartes herrscht ein freies Prinzip. Eine von der 
Wirklichkeit abweichende Schilderungsweise zeigt sich nur darin, dafs 
infolge der von Generation zu Generation zunehmenden Begeisterung 
für die Schönheit des nackten menschlichen Körpers mancherlei mytho- 
logische Gestalten nackt dargestellt wurden, zunächst Männer, später 
auch Frauen. Wenn die Malerei, wie es bisweilen geschieht, einer 
Scene aus dem troischen Mythos einen architektonischen Hintergrund 
giebt, so pflegt sie mit Vorliebe die klassische Säulenhalle darzu- 
stellen.) Die Mauern von Troja erscheinen aus mächtigen, regel- 


1) Schon auf der Frangoisvase ist Thetis, die Braut des Peleus, dargestellt 
. . - des . .. 2 
in einem von einer Säulenhalle umgebenen tempelartigen Gebäude: Mon. dell 


I. Die Angaben des Epos. 5 


mälsig zugehauenen Quadersteinen- aufgeführt.) Zwar treten seit der 
Zeit Alexanders des Grofsen mancherlei Richtungen hervor, welche 
auf die Zersetzung des klassischen Stiles hinwirken. Da sie sich 
jedoch vorwiegend auf den Luxus des wirklichen Lebens beschränkten 
und die mythologische Darstellung höchstens in ganz nebensächlichen 
Motiven bestimmten, so erhielt sich der klassische Typus auf dem 
letzteren Gebiete beinahe ungetrübt bis zum Verfalle der antiken 
Kultur. Derselbe Typus wurde auch von den modernen Meistern 
angenommen, welche die Stoffe zu ihren Schöpfungen aus dem Epos 
entlehnten, und sie haben, da er den höchsten künstlerischen Anfor- 
derungen entspricht, hiermit in ästhetischer Hinsicht sicher den 
richtigen Weg eingeschlagen. Nichtsdestoweniger aber würden sich 
die Dichter des Epos angesichts der auf den troischen Mythos bezüg- 
lichen Kompositionen von Polygnot, Parrhasios und 'Theon, wie der 
von Flaxman, Genelli und Preller, eigentümlich berührt fühlen. Das 
Haus des Odysseus, die Tracht und der Schmuck der Helena, die 
Rüstung des schnellfülsigen Achill, die Becher, welche die übermütigen 
Freier schwingen — alle diese Dinge stellten sich ihrer Phantasie 
wesentlich anders dar, als sie von den hellenischen Künstlern der 
Blütezeit und den Modernen geschildert worden sind. 

Auch die Erklärungen der alten Grammatiker sind für unsere 
Untersuchung von sehr beschränktem Werte. Da sich die Lebens- 
formen der homerischen von denen der hellenistischen Epoche kaum 
in geringerem Grade unterschieden, als die des frühen Mittelalters 
von denen der Spätrenaissance, so eignete sich die Aufsenwelt, welche 
die alexandrinischen Gelehrten umgab, keineswegs zur Veranschau- 
lichung der in dem Epos erwähnten Typen. Hierzu kamen der der 
gesamten antiken Philologie eigentümliche Mangel an historischem 
Sinne und die Antipathie, welche der Stockphilolog zu allen Zeiten 
gegen jede Überlieferung, die nicht geschrieben ist, zu haben pflegt. 
Aristarchos und sein talentvollster Schüler Dionysios Thrax bekunden 
auch bei Interpretation von Stellen, die sich auf Kunstgegenstände 
beziehen, den gewohnten Scharfsinn, verschmähen es aber, bei den 
Denkmälern Rat einzuholen.”) Zudem war Alexandreia eine junge 
Stadt und demnach gewils arm an Kunstwerken, welche sich mit den 


Inst. IV T. LIV, LV; arch. Zeitg. 1850 T. XXIII, XXIV; Overbeck, Gal. heroischer 
Bildw. T. IX 1. 1) Helbig, Wandgemälde n. 1266; Bull. dell’ Inst. 1883 p. 128. 
2) Promathidas citierte bei seiner Erklärung der von Dionysios Thrax versuchten 
Rekonstruktion des nestorischen Bechers ein in Capua der Artemis geweihtes 
Gefäls (Athen. ΧΙ 489 B). Doch wird der kritische Wert dieser archäologischen 
Regung dadurch vermindert, dafs das in Capua befindliche Exemplar geradezu 
als der Becher des Nestor gezeigt wurde. 


6 Die Quellen. 


in dem Epos geschilderten berührten. Hätte die antike Philologie 
ihren Hauptsitz in Ephesos gehabt, wo das Artemision, oder auf 
Samos, wo das Heraion die archaische Entwickelung durch eine Fülle 
von Weihgeschenken veranschaulichte, dann würde vielleicht auch 
das monumentale Material die gebührende Berücksichtigung gefunden 
haben. 

Um eine riehtige Vorstellung von der äufseren Kultur des home- 
richen Zeitalters zu gewinnen, giebt es nur einen Weg. Wir müssen 
die Kunstentwickelungen und Fundschichten, die mit dieser Kultur 
in unmittelbarer oder mittelbarer Beziehung stehen, in das Auge 
fassen und innerhalb derselben nach Typen suchen, welche mit den 
Angaben des Epos übereinstimmen. Wären in dem Gebiete der 
äolischen und ionischen Städte Kleinasiens systematische Ausgrabungen 
unternommen worden, so würde sich die Untersuchung sehr verein- 
fachen lassen. Leider aber sind solche Ausgrabungen niemals an- 
gestellt worden und darf man kaum hoffen, dafs diesem Bedürfnisse 
in der nächsten Zeit Genüge geschehen werde Doch ist glücklicher 
Weise auch aufserhalb der Gegend, ın der das Epos entstand, Material 
genug vorhanden, welches sich für unsere Untersuchung verwerten 
läfst, und die Diehtung selbst giebt Fingerzeige, wo wir dasselbe zu 
suchen haben. 

Beachtenswert ist zunächt das Verhältnis, in dem die äufsere 
Kultur der damaligen Griechen zu der der anderen in den östlichen 
Ländern des Mittelmeergebietes ansässigen Völker stand. Das Epos 
enthält keine Andeutung, dafs sich die Griechen den letzteren gegen- 
über einer besonderen oder gar überlegenen Stellung bewulst waren. 
Vielmehr werden die Lebensformen, die Tracht, die Bewaffnung der 
Achäer, wie der Troer und ihrer Hilfsvölker im wesentlichen als 
übereinstimmend geschildert und die Dichtung weist nur in ganz 
vereinzelten Fällen auf nationale Eigentümlichkeiten hin. Die Genossen 
des Sarpedon werden einmal als ἀμιτροχίτωνες bezeichnet!) — ein 
Beiwort, welches vermutlich daraus zu erklären ist, dafs die Iykische 
Rüstung des mit Bronze beschlagenen Gürtels entbehrte, den die 
achäischen Krieger unter dem Panzer zu tragen pflegten. Wenn 
ferner die Thraker ἀκρόκομοι, Ἵ die euböischen Abanten ὄπυϑεν κομό- 
ovreg’) heilsen, so beweisen diese Epitheta, dafs sich die beiden 
Völker durch eigentümliche Haartrachten auszeichneten. Doch sind 
alle diese Besonderheiten von untergeordneter Bedeutung und nötigen 
keineswegs zu der Annahme erheblicher Kulturunterschiede. Was 


1) Il. XVI 419. Vgl. unsern XXI. Abschnitt. 2) I1.IV 533. Vgl. unsern 
XVI. Abschnitt. 3) D. II 542. Näheres hierüber im XVI. Abschnitte; 


I. Die Angaben des Epos. 1 


zunächst die Abanten betrifft, so waren sie Achäer und es spricht 
demnach alle Wahrscheinlichkeit dafür, dafs sie sich auf der gleichen 
Stufe der Civilisation befanden, wie die Mehrzahl ihrer Stammes- 
genossen. Jedenfalls ergeben die knappen Andeutungen des Schiffs- 
kataloges') eine Bewaffnungs- und Kampfesweise, welche mit der 
gewöhnlich in dem Epos geschilderten übereinstimmt. 

Ebenso wenig befremdet es, dafs die Lykier — abgesehen von 
dem, wie es scheint, fehlenden Leibgurte — in derselben Weise ge- 
rüstet und bewaffnet waren wie die Achäer.) Ja, wenn wir über- 
legen, dafs die älteste Civilisation in dem Mittelmeergebiete von 
Osten nach Westen vorschritt und dafs der Mythos den Lykiern die 
Einführung des Steinbaues in die Peloponnes zuschreibt,’) dann scheint 
es sogar, dafs dieses Volk in der Zeit, in der die Ionier die klein- 
asiatische Küste zu besiedeln anfingen, eine höhere Bildungsstufe ein- 
nahm, als das griechische. Auch haben die Lykier in der späteren 
Zeit mit der hellenischen Entwickelung im ganzen Schritt gehalten. 
Die Mannschaften, welche sie zu der Flotte des Xerxes stellten, trugen 
nicht nur Panzer, sondern auch Beinschienen?) — eine Deckung, 
welche nur bei wenigen barbarischen Völkern in Gebrauch war, aber 
schon in dem Epos das für die Achäer typische Epitheton (eöxvy- 
udeg) veranlafst hat. Auf dem im vierten Jahrhundert v. Chr. er- 
richteten Nereidenmonumente von Xanthos?) ist der Fürst der Lykier, 
wo er bei feierlichen Gelegenheiten als Satrap des Groflskönigs auf- 
tritt, persisch gekleidet,°) während die Darstellungen der Jagd, des 
Gastmahles und der Kampfscenen den Fürsten wie seine Leute in 
hellenischer Tracht oder Rüstung zeigen. 

Auffällig ist es dagegen, dafs das Epos auch die Thraker als den 
Achäern ebenbürtig behandelt. Nach der Anschauung, welche die 
Hellenen während der klassischen Epoche von den Thrakern hatten, 
waren sie ein barbarisches Volk, das sich im besonderen durch seine 
Trunksucht hervorthat) — ein Laster, welches der Dichter des 
 Rhesos®) sogar auf die Thraker des Mythos übertragen hat. Die 
Tracht und Bewaffnung der Mannschaften, welche dem Xerxes Heeres- 
folge leisteten, beschreibt Herodot’) in sehr anschaulicher Weise. 
Leider sind jedoch in dem Texte die Angaben, welche er über die in 

LH: ἥ 542—543. Vgl. Archilochos bei Plutarch, Theseus 5 (fragm. 4 Bergk). 
2) Es genügt, daran zu erinnern, dafs der Achäer Diomedes und der Lykier 
Glaukos einfach ihre Rüstungen tauschen (Il. VI 230 ff.) 3) Overbeck, Schrift- 
quellen n. 1, 3, 8. 4) Herodot VII 92. 5) Mon. dell’ Inst. X Τὶ XI-XVLI. 
6) Mon. dell’ Inst. X Τὶ XVI n. 167. Vgl. Michaelis, Ann. dell’ Inst. 1875 
p. 167—169. 7) Dilthey, Ann. dell’ Inst. 1867 p. 172—175. 8) 419, 438. 
9) VII 75. 


ὃ Die Quellen. 


Asien wohnhaften Thraker machte, ausgefallen. Die europäischen 
Thraker trugen nach seiner Schilderung Mützen aus Fuchspelz, Leib- 
röcke, gemusterte Überwürfe und hirschlederne Gamaschen; ihre Be- 
waffnung bestand aus kleinen Schilden, Wurfspiefsen und Dolchen. 
Ein ganz verschiedenes Bild dagegen stellt sich in dem Epos dar. 
Wie die Achäer kämpfen die Thraker auf Streitwagen!) und in 
eherner Rüstung,?) das Haupt bedeckt mit dem von einem Bügel 
(φάλος) gekrönten Helme.’) Wie die achäischen Helden zücken sie 
gewaltige Speere‘) und lange Schwerter.) Achill setzt bei den 
Leichenspielen des Patroklos das Schwert und den Panzer des Päoniers 
Asteropaios als Kampfpreise aus und rühmt die ausgezeichnete Arbeit 
beider Stücke.) Ares, dessen Lieblingsaufenthalt Thrakien ist, nimmt, 
als er die schwankenden Reihen der Troer zum Widerstande ermuntert, 
die Gestalt des thrakischen Führers Akamas an.”) Hätte ein attischer 
Dichter des 5. oder 4. Jahrhunderts einen Gott in der Gestalt eines 
Thrakers auftreten lassen, so würde er damit eine entschieden ko- 
mische Wirkung hervorgerufen haben. Noch in einem der jüngsten 
Lieder der Ilias, im der Doloneia, wird die militärische Ordnung, 
welche in dem Biwak des Rhesos herrscht, lobend hervorgehoben ’°) 
und die Ausrüstung der thrakischen Schar mit den glänzendsten 
Farben geschildert. Der Streitwagen des Rhesos ist mit Gold und 
Silber wohl beschlagen, seine goldene Rüstung ein Wunderwerk, 
würdig, nicht von Menschen, sondern von Göttern getragen zu wer- 
den.”) Ebenso preist der Dichter die Bewaffnung der Mannschaft.!®) 
Ein Becher, den Priamos als Gastgeschenk von den Thrakern erhalten, 
ist das Hauptstück unter den Gaben, durch welche der greise König 
den Leichnam des Hektor einlöst.'') Allerdings könnte man ver- 
muten, dals diese Gegenstände, da sie nicht ausdrücklich als Arbeiten 
von thrakischer Hand bezeichnet werden, aus dem Auslande impor- 
tiert seien. Doch bezeugt das Epos, dals zum mindesten ein Zweig 
der Metallotechnik, nämlich die Schwertfabrikation, in Thrakien selbst 
mit Erfolg gepflegt wurde; denn Achill- bezeichnet das herrliche 
Schwert, welches er dem Päonier Asteropaios abgenommen, ausdrück- 
lich als ein thrakisches'”) und ein thrakisches Schwert schwingt 
Helenos bei dem Kampfe um die Schiffe”) Wenn ferner der aus 


1) Od. X 49 von den thrakischen Kikonen: ἐπιστάμενοι, μὲν ἀφ᾽ ἴπ- 
av | ἀνδράσι μάρνασϑαι, καὶ ὅϑι yon πεζὸν ἐόντα. Streitwagen des Rhesos: 
ll. X 438; der des Rigmos: XX 487. 2) Der Panzer des Päoniers Asteropaios 
aus Erz mit zinnernem Rande: Il. XXIII 560, 561. Die goldene’ Rüstung des 
Rhesos: X 439. BR. 2,219, 4) Il. II 846, IV 533, XXI 155. 5) Il. XIII 
676, 577. 6) IL XXI 560, 807. ΠΟΥ͂ 462.) 8). X 402. ‚ol, X 
438—441. 10) Il. X 472. 11) 1. XXIV 234—238. 12) I. XXIII 808. 
13) I. XIII 577, 


I. Die Angaben des Epos. 9 


Thrakien herübergebrachte Wein den vor Troja lagernden Achäern 
mundet,') wenn Odysseus den Wein, den ihm Maron, der Apollo- 
priester von Ismaros, geschenkt, als einen überirdischen Trank preist, 
dessen wunderbarer Duft eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus- 
übt,?) so läfst dies auf einen hohen Standpunkt der thrakischen Agri- 
kultur schliefsen. Die Thatsache endlich, dais in der llias®) der 
thrakische Sänger Thamyras genannt wird, beweist, dals man der 
Bevölkerung jener Landschaft auch Leistungen auf geistigem Gebiete 
zuerkannte. Ebenso darf hierbei daran erinnert werden, dafs die 
Griechen in späterer Zeit den Sitz der Musen und die Heimat des 
mit ihnen eng verbundenen Orpheus in Pierien annahmen. Diese 
Anschauung wird doch wohl auf der Erinnerung beruhen, dafs dereinst 
in einer nördlichen Gegend, die später für eine barbarische galt, eine 
eigentümliche geistige Bewegung herrschte. Die Landschaften Emathia 
und Pieria bildeten nachmals den Kern des makedonischen König- 
reiches. Als sich zu Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. Alexandros, 
der Sohn des Königs Amyntas, an den olympischen Spielen beteiligen 
wollte, wurde er anfänglich als Barbar zurückgewiesen und erst zu- 
gelassen, nachdem er seinen argivischen Ursprung dargethan.‘) 

Der Einwand, dafs die Dichter, um die epische Schilderung har- 
monischer zu gestalten, von den Thrakern ein idealisiertes Bild ent- 
worfen hätten, ist unzulässig. Mag auch die hellenische Kolonisation 
der thrakischen Küste und der benachbarten Inseln erst nach Abschlufs | 
des grölsten Teiles des Epos begonnen haben, jedenfalls fand bereits 
während des homerischen Zeitalters ein reger Verkehr zwischen den 
kleinasiatischen Griechenstädten und dem südlichen Thrakien statt. 
Die Dichter wissen in dieser Gegend nicht schlechter Bescheid als 
in Kleinasien und dem eigentlichen Griechenland.) Sie kennen den 
schroffen Gipfel des Athos®) und die Schneegebirge, welche den Be- 
wohnern der chalkidischen Halbinsel den Horizont begrenzen.?) Die 
Päonier, die vielleicht nicht thrakischen, sondern illyrischen Stammes 
waren,°) werden von den Thrakern unterschieden und ihre Sitze, die 
damals weiter nach Süden herabreichten als in der späteren Zeit, 
genau angegeben.”) Selbst von dem jenseits des Haimos gelegenen 
Gebiete ist einige Kenntnis vorhanden. Zeus wendet seine Augen 


1) 1. IX 70—72. Vgl. VII 467. Die Ilias (VI 130—143) erzählt bereits 


den Mythos von Dionysos und dem Thraker Lykurgos. 2) Od. IX 196—211. 
Derselbe Wein war auch zur Zeit des Archilochos berühmt (Archil. bei Athen. 
I 30 F, fragm. 3 Bergk). 3) I. II 595—600. 4) Herodot V 22. 5) Die 


Stellen sind gesammelt von Buchholz, die homerischen Realien I p. 7985. 
6) Il. XIV 229. 7) D. XIV 227. 8) Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie 
p. 313 Anm. 1. 9) Il. II 848—850, XVI 288, XXI 152—156. 


10 Die Quellen. 


von der troischen Ebene, auf der die Schlacht tobt, rückwärts und 
blickt nach dem Lande der Rosse tummelnden Thraker, der des Nah- 
kampfes kundigen Myser, der trefflichen Hippemolgen, die sich von 
Milch nähren, und der Abier, der gerechtesten unter allen Menschen.') 
Diese europäischen Myser können nur die Bewohner der zwischen 
dem Haimos und dem Istros gelegenen Gegend gewesen sein, welche 
die Römer Moesia nannten.”) Die Hippemolgen sind offenbar die 
nördlich von dem Istros nomadisierenden Skythen, in deren Nahrung 
die Stutenmilch eine hervorragende Rolle spielte. Die die Abier be- 
treffende Angabe beruht vielleicht auf derselben Überlieferung wie 
die Erzählung des Herodot?) von den kahlköpfigen Orgiempäern, 
welche, nördlich von den Skythen wohnend, sich des Kriegshand- 
werkes enthielten, den umwohnenden Völkern die Streitigkeiten 
schlichteten und für heilig und unverletzlich galten. Es versteht 
sich, dafs die lonier dergleichen Anschauungen nur durch anhaltende 
Beziehungen zu der Bevölkerung Thrakiens gewinnen konnten. Dazu 
ist Handelsverkehr in dem Epos ausdrücklich bezeugt dadurch, dafs 
den Dichtern die thrakischen Schwerter bekannt sind,*) wie durch 
die Angabe, dafs Weinladungen aus Thrakien in das achäische Lager 
gebracht werden.’) Die begeisterte Schilderung des Weines von 
Ismaros®) macht den Eindruck, als habe sich der Dichter öfters an 
diesem Getränke erlabt. Der gefangene Priamide Lykaon wird von 
Achill oder Patroklos nach der der thrakischen Küste naheliegenden 
und von Thrakern bewohnten Insel Lemnos’) an Euneos, den Sohn 
des lason, verkauft.°) Endlich ist noch zu berücksichtigen, dafs auch 
auf der Ostseite der Propontis Thraker ansässig waren, nämlich 
die Thyner und Bithyner,”) mit denen die kleinasiatischen Griechen 
jedenfalls in Berührung treten mulsten. Wir dürfen demnach an- 
nehmen, dafs sich unter der Versammlung, vor der die Dichter ihre 
Lieder sangen, Leute befanden, die mit den Thrakern Handel getrieben, 
Becher geleert und Speerstöfse gewechselt hatten. Unter solchen 
Umständen durfte ein Dichter dieses Volk nimmermehr in einer der 
Wirklichkeit vollständig widersprechenden Weise schildern. Er würde 


1) 11. XII 3: αὐτὸς δὲ πάλιν τρέπεν ὄσσε φαεινώ, νόσφιν ἐφ᾽ ἱπποπόλων 
m , T m 5 5 ΓΑ \ “4 m ς » 
Θρῃκῶν καϑορώμενος αἶαν Μυσῶν τ᾽ ἀγχεμάχων καὶ ἀγαυῶν ᾿Ιππημολγῶν | γλα- 


κτοφάγων, “βίων τε, δικαιοτάτων ἀνϑιρώπων. 2) So urteilt schon Poseidonios 
bei Strabo VII 3 C. 295. 3) IV 23. 4) 11. XIII 577, XXIII 808. 5) Oben 
Seite 9 Anm. 1. 6) Oben Seite 9 Anm. 2. 7) Die Sintier, welche das 


Epos (Il. 1594, Od. VIII 294) als Bewohner dieser Insel erwähnt, waren Thraker. 
Ihr Name hat sich auch auf dem thrakischen Festlande erhalten: Thukyd. II 98. 
Strabo X p. 457, XII p.549. Steph. Byz. 8. v. Σιντία. Liv. XLII51. 8) 11.XXI 
40, 79; XXI 745, 746. 9) Kiepert, Lehrb. d. alten Geographie p. 99 und 106. 


I. Die Angaben des Epos. 11 


dadurch sein Publikum ebenso befremdet haben, wie Polygnot die 
Athener, wenn er die Perser, oder ein pergamenischer Künstler die 
kleinasiatischen Griechen, wenn er die Gallier als hellenische Hopliten 
dargestellt hätte. Besonders beachtenswert scheint es, dafs dieselbe 
Charakteristik der Thraker auch in der Doloneia festgehalten ist. 
Der Dichter geht entschieden darauf aus, seinem Liede durch Schil- 
derung absonderlicher Rüstungsstücke einen eigentümlichen Reiz zu 
geben.) Wäre ihm demnach die Kleidung, welche die Thraker zur 
Zeit der Perserkriege trugen, bekannt gewesen, so würde er gewils 
nicht ermangelt haben, sei es auch nur bei Schilderung der Mann- 
schaft des Rhesos, auf die Pelzmützen, die ledernen Gamaschen und 
die gemusterten Überwürfe hinzuweisen. Er thut dies aber nicht, 
beschreibt vielmehr die Ausrüstung des Königs wie die seines Gefolges 
in derselben Weise, in der das Epos die der Achäer zu schildern 
pflegt. ?) 

Die Faktoren, welche in so früher Zeit fördernd auf die Ent- 
wickelung der Thraker einwirkten, scheinen hinlänglich klar. Da 
dieses Land durch seine Lage in enge Beziehungen zu Asien gesetzt 
war und die Bevölkerung Kleinasiens vielfach nach Thrakien und die 
thrakische nach Kleinasien überflutete, so konnte es kaum ausbleiben, 
dafs die Thraker allerlei Kulturanregungen von den fortgeschritteneren 
Völkern des gegenüberliegenden Erdteiles erhielten. Aufserdem hatten 
sich Phönikier sowohl an der thrakischen Küste als auf den benach- 
barten Inseln angesiedelt.) Dafs sie Thasos besetzten und die Metall- 
schätze dieser Insel wie die des nahen Kontinents ausbeuteten, wird 
durch Herodot?!) auf das unwiderleglichste bezeugt. Dieser Schrift- 
steller sah auf der Insel noch das Heiligtum des tyrischen Melkart.’) 
Der Name der an der thrakischen Küste gelegenen Stadt Abdera 


1) S. besonders Il. X 29, 177, 257—259, 261—265, 334, 335. 2) Studniczka 
in der Zeitschrift f. d. österr. Gymn. 1886 p. 195 leitet diese Charakteristik der 
Thraker aus dem conventionellen Stile der epischen Schilderung (oben S. 1—2) ab 
und wendet gegen die von mir begründete Auffassung ein, dafs auch im Nibe- 
lungenliede den Hunnen gleiche Lebensformen zugeschrieben werden wie den 
Burgunden. Doch ist dieser Einwand nicht stichhaltig. Der österreichische 
Sänger, welcher in der zweiten Hälfte des 12. oder in der ersten des 13. Jahr- 
hunderts das Nibelungenlied dichtete, schilderte die Hunnen oftlenbar nach dem 
Bilde der damaligen Ungarn. Mancherlei Elemente oceidentalischer Bildung und 
rittermälsiger Sitte haben aber schon seit Ende des 10. Jahrhunderts unter dem 
Arpäden Stefan in Ungarn Eingang gefunden (Die österreichisch-ungarische 
Monarchie in Wort und Bild I p. 53 ff.). Also widersprach das Bild, welches 
der österreichische Dichter von dem Leben und Treiben in Ungarn entwarf, 
keineswegs den Anschauungen, die seine Landsleute von der Bevölkerung jener 
Gegend hatten. 3) Vgl. Movers, die Phönizier II 2 p. 273—286, 4) VI 47. 
Vgl. Skymnos, perieg. 660—663. 5) Herodot II 44, 


12 Die Quellen. 


kehrt als Bezeichnung eines phönikischen Hafenplatzes in dem süd- 
lichen Iberien wieder.!) Auf semitischen Einfluls läfst der Gebrauch 
der Beschneidung bei den um den Pangaios ansässigen Odomanten 
schlielsen.) Dem Verkehre mit den Kleinasiaten und den in ihrer 
Mitte angesiedelten Phönikiern verdankten die Thraker zum mindesten 
die Anregungen zu der Civilisation, welche ihnen das Epos zuschreibt. 
Inwieweit sie diese Anregungen selbstthätig ausnutzten, läfst sich 
schwer bemessen, zumal hinsichtlich des Handwerkes, da die monu- 
mentale Statistik ıhres Landes so gut wie unbekannt ist. Manches 
Prachtstück, welches die Ionier in den Häusern thrakischer Häupt- 
linge bewunderten, mag orientalisches Fabrikat gewesen sein. Be- 
richtet doch das Epos,°) dafs Thoas, König auf der von Thrakern 
bewohnten Insel Lemnos, von phönikischen Seeleuten einen kostbaren 
Krater zum Geschenk erhielt. Ebensowenig läfst sich die Möglich- 
keit in Abrede stellen, dafs die Schwerter, welche die Dichtung als 
thrakische bezeichnet, in den phönikischen Erzhütten auf Thasos oder 
am Pangaios geschmiedet waren. Jedenfalls aber war diese thrakische 
Kultur eine kurzlebige Treibhauspflanze. In der späteren Zeit haben 
sich davon nur vereinzelte Ausläufer erhalten, die Weinberge, welche 
das alluviale Hügelland bis hinauf zu den Abhängen des Rhodope- 
gebirges überzogen, der Dionysosdienst‘) und die Trunksucht, die, 
wie es scheint, stets zu einer nationalen Eigentümlichkeit wird, wenn 
rohe Horden urplötzlich den Einflufs eines Volkes erfahren, das 
über eine vorgeschrittene Civilisation und über berauschende Getränke 
verfüst. 

Übrigens ist ein ähnlicher Rückgang der äufseren Kultur auch 
in dem inneren Europa bemerkbar. Die mit orientalischen Orna- 
menten verzierten Bronzearbeiten, die sich in den mittleren und 
nördlichen Ländern unseres Erdteiles finden, beweisen, dals die Metallo- 
technik in diesen Gegenden während der vorklassischen Epoche auf 
einer beträchtlichen Höhe stand. Soweit die zum Teil sehr ver- 
worrene und schwer zugängliche paläoethnologische Litteratur ein 
Urteil verstattet, beginnt der Verfall dieser nordischen Bronzetechnik 


1) Strabo III C. 157. Stephan. Byz. 8. v. Ἄβδηρα. Plin. h. ἢ. III 8. Die 
bisher geläufige Ableitung von Samos (Samothrake, Σάμος Θρηϊκέη 1]. XIII 13) 
aus semitischem sama (*nna%S) „hoch sein“, Lemnos aus Kkb"nah „der weilse 
Glanz“ (Bochart, geographia sacra I, VIII col. 377 ff, und I, XII col. 398, Leyden 
1707. Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie p. 324) ist neuerdings bezweifelt 
worden. Vgl. Pauli, die vorgriechische Inschrift von Lemnos p. 42—43. 2) Ari- 
stoph. Acharn. 158, 161. 3) 1, XXIII 745. Dieser Thoas ist der Vater der 
Hypsipyle, der auch Il. XIV 230 erwähnt wird. 4) Vgl. Hehn, Kulturpflanzen 
und Hausthiere 3. Aufl. p. 65—66. 


I. Die Angaben des Epos. 13 


um dieselbe Zeit, während deren sich im Süden die klassische Civilisation 
zu entwickeln anfängt, und nimmt mit der vorschreitenden Ausbildung 
der letzteren stetig zu. Jedenfalls stand die Metallotechnik zur Zeit 
des Tacitus bei den Germanen und bei den östlich und nördlich von 
ihnen ansässigen Völkern auf einer ungleich tieferen Stufe als der- 
jenigen, welche durch jene Bronzegegenstände bezeugt wird. Das 
Material ist noch zu wenig gesichtet, als dafs man diesen Rücksehritt 
im einzelnen darlegen und erklären könnte. Doch liegt es nahe 
dabei neben anderen Ursachen auch an die verschiedene Weise zu 
denken, in der die Phönikier und nach ihnen die Griechen an den 
nördlichen Küsten des Mittelmeeres und im Pontos verkehrten. Die 
ersteren verfolgten ausschliefslich Handelszwecke und suchten dem- 
nach, wenn sie im fremden Lande verkehrten oder sich daselbst 
niederliefsen, ein friedliches Verhältnis zu der einheimischen Bevölke- 
rung aufrecht zu erhalten. Hierbei konnte die Kultur, welche die 
Phönikier mitbrachten, zunächst auf das Küstengebiet wirken und 
von da aus auch in das Binnenland hinein allerleı Ausläufer treiben. 
Dagegen waren die griechischen Niederlassungen nicht nur Handels-, 
sondern auch Ackerbaukolonieen. Die Occupation der gröfseren hier- 
für erforderlichen Landstrecken veranlafste in der Regel Konflikte 
mit den Eingeborenen und die Gedichte des Archilochos geben 
Zeugnis von den blutigen und langwierigen Kämpfen, welche zwischen 
den Pariern, als sie sich auf Thasos festgesetzt hatten und von hier 
aus die gegenüberliegende Küste zu unterwerfen trachteten, und den 
Thrakern entbrannten. Solange der friedliche Verkehr mit den Phö- 
nikiern dauerte, waren die Thraker in stetiger Beziehung zu der süd- 
lichen Oivilisation. Dagegen mulste diese Beziehung durch das feind- 
liche Verhältnis, in welches sie zu den Nachfolgern der Phönikier, 
den Griechen, traten, notwendig gestört werden. Hieraus ist es 
vermutlich zu erklären, dafs die Thraker nach dem Kulturanlauf, den 
sie genommen, wieder in einen barbarischen Zustand zurückverfielen. 
Andererseits leuchtet es ein, dafs solche an den Küsten stattfindende 
Vorgänge auf das Binnenland weiter wirkten. Zudem verwarf der 
ausgebildete klassische Geschmack die künstlerische Verarbeitung des 
Bernsteins und somit verlor das wichtigste Tauschobjekt, welches 
bisher der Norden dem Süden dargebracht hatte, seine Bedeutung. ') 
Endlich hat man hierbei auch die Völkerbewegungen zu berücksich- 
tigen, welche gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. auf der 
Balkanhalbinsel in der Richtung von Nord nach Süd stattfanden. 


1) Vgl. Helbig, osservazioni sopra il commereio dell’ ambra (Ace. dei Lincei 


a. CCLXXIV, 1876—77) p. 10 ss. 


14 Die Quellen. 


Die dorische Wanderung wurde, soweit wir den Zusammenhang von 
Ursache und Wirkung nordwärts verfolgen können, dadurch veranlafst, 
dafs die Thessaler Epeiros verliefsen und in die Landschaft einrückten, 
die seitdem ihren Namen führt. Eine derartige Auswanderung eines 
ganzen Volkes war gewils die Folge eines äulseren Druckes. Ver- 
mutlich wurden die Thessaler von illyrischen Stämmen vorwärts 
geschoben, die, nördlich von Epeiros ansässig, damals nach dem Süden 
vorzudringen anfingen. Ein Nachhall von diesen Reibungen scheint 
sich in der Telegonie erhalten zu haben, in der Odysseus, nachdem 
er nach Thesprotien gegangen und die dortige Königstochter Kallidike 
geheiratet, gegen die Bryger, die thrakischen Vettern der Phryger, 
einen Krieg führt, an dem sich auch die Götter beteiligen. Unter den 
Brygern, für die der thrakische Gott Ares kämpft und die während 
der historischen Zeit im nördlichen Makedonien salsen, haben wir an 
dieser Stelle wohl einfach die nördlichen Feinde, illyrische oder make- 
donische, der Thesproter zu verstehen.') Jedenfalls sind mancherlei 
Anzeichen vorhanden, dafs gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. 
Illyrier in die Apenninhalbinsel einbrachen, wo wir ihnen im Nord- 
westen unter dem Namen der Veneter, in Picenum unter dem der 
Liburner, im Südwesten unter dem der Messapier und Japygier be- 
gegnen.”) Die Illyrier werden ihrerseits wiederum durch Bewegungen 
aufgestört worden sein, welche unter den weiter im Norden hausen- 
den Stämmen stattfanden. Alles dies läfst darauf schliefsen, dafs 
damals im mittleren Huropa eine durchgreifende Völkerverschiebung 
erfolgte, wobei es angesichts der in historischer Zeit vorliegenden 
Schichtung der Völker nahe liegt, an die Einwanderung der Ger- 
manen zu denken. Man begreift, dafs durch einen derartigen Umsturz 
der Verkehr, welcher bisher den Norden mit dem Süden verbunden 
hatte, Störung erfahren und infolgedessen die Kultur des inneren 
Huropa Einbulse erleiden konnte. 

Übrigens bietet auch die moderne Geschichte zu der hückgange, 
welcher in der thrakischen Entwickelung erkennbar ist, mancherlei 
Analogieen. Es genügt an die Irländer zu erinnern, die während 
des fünften und sechsten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung die her- 
vorragendsten Pfleger der abendländischen Bildung waren, heutzutage 
dagegen zu den verkommensten Völkern der indoeuropäischen Rasse 
gehören. 

Nur an einer Stelle des Epos wird ein erheblicherer Kultur- 


1) Epicorum , graecor. fragm. coll. Kinkel p. 57. Vgl. von Wilamowitz- 
Moellendorff, homerische Untersuchungen p. 187. 2) Vgl. Ann. dell’ Inst. 1884 
p. 154—158. 


ge 


I. Die Angaben des Epos. 15 


unterschied hervorgehoben. Die Lokrer nämlich sind nicht mit ehernen 
Helmen, schön gekreisten Schilden und eschenen Speeren für den 
Nahkampf ausgerüstet, sondern halten sich im Hintertreffen und 
setzen von hier aus den Feinden mit Pfeilschüssen zu. Lediglich ihr 
Führer, Aias, des Oileus Sohn, kämpft, schwer gerüstet wie die übri- 
gen Helden, in erster Reihe.) Wenn die einzige Völkerschaft, der 
die Dichtung eine solche primitive Bewaffnung und Kampfesweise 
zuschreibt, eine griechische ist, so weist dies darauf hin, dafs 416 
Griechen während des homerischen Zeitalters, was die äulsere 
Kultur betrifft, nicht höher, sondern eher tiefer standen, als die 
übrigen um das nordöstliche Becken des Mittelmeeres ansässigen 
Völker. 

Mit dieser Auffassung stimmen die Andeutungen, welche das 
Epos hinsichtlich des Handwerkes giebt. 

Über die Weise, wie die damaligen Griechen das Handwerk 
betrieben, hat bereits Riedenauer?) im grolsen und ganzen richtig 
geurteilt. Mancherlei Thätigkeiten waren noch Sache des Hausfleilses, 
wie denn alle Angaben, welche das Epos über das Spinnen, das 
Weben und die Anfertigung der Kleider macht,’) in diesem Sinne 
lauten. Dagegen wurden gewisse Beschäftigungen, wie die des 
Maurers, Zimmermanns, Stellmachers, Tischlers, Riemers, Schmiedes 
und Goldarbeiters, bereits gewerbsmäfsig betrieben.) Indessen betei- 
lıgten sich an einigen dieser Beschäftigungen auch Personen, die 
aulserhalb der Zunft standen. Paris baut sein Haus zusammen mit 
den besten rexroveg ἄνδρες, die es in Troja gab.’) Odysseus führt 
mit eigener Hand ein steinernes Schlafgemach auf; ebenso arbeitet 
er das für dasselbe bestimmte Bett, das er mit Gold, Silber und 
Elfenbein schmückt und mit Riemen aus. rotem Leder bespannt.‘) 
Er verrichtete demnach jedenfalls Maurer- und Tischlerarbeit; denn, 
was 416 Riemen und Zieraten des Bettes betrifft, so nahm der Dichter 
vermutlich an, dafs sie fertig vorlagen und der König die ersteren 
nur festzunageln, die letzteren nur in das Holz ein- oder auf das Holz 
aufzulegen brauchte. Derselbe Odysseus zimmert sich auf der Insel 


1) Π. XIII 712—721. 2) Handwerk und Handwerker in den homerischen 
Zeiten p. 76 ff. 3) Die Hauptstellen Π. III 386—388. VI 289—293, 323—324, 
490—492. XXII 440-441, 511. Od. I 356—358. I 97 fi. IV 133—135. VI 
52—53. VII 234—235. XV 105. XVII 313—316. XXII 421—423. Nur in 
einem Gleichnisse der Ilias XII 433-435 wird die Zubereitung der Wolle als 
aufserhalb des Hauses von einer armen Frau vorgenommen erwähnt. Studniczka, 


Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht (Abh. d. archäol.-epigr. Seminars 
ἃ. Universität Wien VI 1) p. 42 Anm, 5 erkennt hierin mit Recht den Anfang 
einer handwerksmälsigen Beschäftigung. 4) Riedenauer a. a. O. p. 6—10. 


6) Il. VI 213. 6) Od. XXIII 190—201. 


10 Die Quellen. 


der Kalypso sein Flofs.!) Mit eigner Hand erbaut Eumaios aus un- 
behauenen Steinen sein Gehöfte und schneidet sich aus Rindsleder 
seine Sandalen zurecht.) Dazu war die Arbeitsteilung nur wenig 
vorgeschritten. Vielmehr wurden mancherlei Thätigkeiten, die sich 
später zu besonderen Gewerben ausbildeten, noch in derselben Werk- 
stätte geübt. Der Waffenschmied beschäftigt sich auch mit der 
Herstellung von Schmucksachen.”) Schilde aus Rindshaut, mit Metall- 
blech überzogen, werden in den Werkstätten sowohl des Riemers 
(σκυτοτόμος) wie des Waffenschmiedes (χαλκεύς) gefertist.*) Es fehlt 
noch an besonderen Bezeichnungen für die verschiedenen Arten der 
Lederarbeiter. Nicht einmal für den Gerber ist eine solche vor- 
handen. Die Stellmacher?) und Zimmerleute®) schlagen sich selbst 
das Holz. 

Fragen wir, inwieweit durch diese Betriebsweise die Güte der 
Produkte bedingt wurde, so wird die Antwort bei den einzelnen 
Thätigkeiten, je nach der grölseren oder geringeren Schwierigkeit 
der Technik, verschieden ausfallen. In der Weberei, die sich mit ein- 
fachen Mitteln und Handgriffen betreiben lälst, können Hausfrauen 
und Mägde Vortreffliches leisten, wiewohl die Erfahrung lehrt, dafs 
der häusliche Betrieb auch auf diesem Gebiete technische und stili- 
stische Fortschritte nur langsam und in beschränktem Malse verstattet. 
Über die Wirkungen der mangelnden Arbeitsteilung läfst sich kein 
Urteil a priori fällen. Nur soviel ist sicher, dafs der in dem Epos 
geschilderte Sachverhalt auf ein sehr primitives Stadium hinweist; 
denn zu allen Zeiten nimmt die Arbeitsteilung mit dem Vorschreiten 
der gewerblichen Entwickelung zu. Jedenfalls aber wirft es ein be- 
denkliches Licht auf das Niveau der damaligen Maurer-, Zimmer- 
und Tischlerarbeit, dafs sich damit, wie die oben angeführten Stellen 
beweisen, auch Laien befassen. Wir erfahren aus der Odyssee,?) dafs 
man bisweilen Vertreter nützlicher Künste von auswärts berief. 
Wenn hierbei aufser dem Wahrsager, Arzte und Sänger auch der 
τέχτων δούρων d. 1. der Zimmermann namhaft gemacht wird, so be- 
weist dies,. dafs geschickte Arbeiter dieser Art gesucht, also selten 
waren. 

Von der centralisierten und für einen grölseren Vertrieb thätigen 
Massenproduktion, die wir Industrie nennen, findet sich im Epos keine 
Spur. Nirgends wird ein griechisches Handwerksprodukt nach dem 
Fabrikorte bezeichnet, wie es in der"folgenden Periode, in der wir 


1) Od. V 234 ff. 2) Od. XIV 7—14, 23, 24. 8) I. XVIII 401, 478—613. 
4) I. VII 219-223, XII 294—297. 5) Il. IV 485, 486. 6) Il. XIII 389-391, 
XVI 482—484. 7) XVII 384. 


I. Die Angaben des Epos. ἢ] 


von chalkidischen Schwertern,'!) böotischen und argivischen Schilden,°) 
Krateren von Argos,?) Schalen von Teos*) und milesischen Woll- 
kleidern?) hören, häufig der Fall ist. Vielmehr scheint es, dafs der 
griechische Handwerker zur Zeit, als das Epos blühte, lediglich für 
den Bedarf seines Stadtgebietes arbeitete. Allerdings erzählt ein 
Dichter,°) der Lederarbeiter Tychios, der den Schild des Telamoniers 
Aias gefertigt, habe in Hyle gewohnt, woraus Riedenauer’) den 
Schlufs zieht, dafs böotische Schilde nach Salamis, der Heimat des 
Aias, exportiert worden seien. Sehen wir aber auch davon ab, dafs 
Aias nach der in den älteren Teilen des Epos mafsgebenden Über- 
lieferung gar nichts mit Salamis zu thun hatte, sondern aus einer 
anderen von Aeoliern bewohnten Gegend stammte, die sich nicht 
mehr feststellen läfst,‘) so scheint es immerhin sehr zweifelhaft, ob 
jener Dichter an die böotische Stadt Hyle dachte. Durch Herchers 
treffliche Untersuchungen®) ist der Beweis geliefert, dafs der räum- 
liche Hintergrund im Epos mit der gröfsten Freiheit behandelt wird, 
dafs Flüsse, Berge, Thäler, Gebäude, je nach dem Bedürfnisse der 
Handlung, erscheinen oder verschwinden. Demnach fragt es sich, ob 
nicht der Dichter den ihm geläufigen Ortsnamen Hyle!”) angewendet 
hat lediglich, um der Schilderung ein, individuelles Gepräge zu geben 
und ohne damit einen bestimmten geographischen Begriff zu ver- 
binden. Er war ja sicher, dafs keiner seiner Zuhörer an ihn die 
peinliche Frage richten würde, ob es wirklich in der Heimat des 
Telamoniers eine Ortschaft dieses Namens gäbe. 

Jedenfalls ist die Thatsache bedeutsam, dafs das Epos über den 
Export griechischer Handwerksprodukte zu fremden Völkern schweigt,'") 
dagegen öfters von Erzeugnissen ausländischen Gewerbfleilses berichtet, 


1) Alkaios bei Athen. XIV 627 A (fragm. 15 Bergk). Vgl. Büchsenschütz, 
die Hauptstätten des Gewerbefleilses p. 39 Anm. 2. 2) Das hohe Alter der 
Schildfabrikation in Argos (vgl. Büchsenschütz a. a: O. p. 39, Furtwängler, die 
Bronzefunde aus Olympia p. 80 und 93) erhellt daraus, dals Proitos und Akrisios 
als die Erfinder des Schildes bezeichnet werden (Pausan. II 25, 7). Die Böotier 
schrieben diese Erfindung dem Chalkos, Sohne des Minyerkönigs Athamas zu 


(Plin. VII 200. Vgl. O. Müller, Orchomenos p. 132). 3) Herodot IV 182. 
4) Alkaios bei Athen. XI 481 A (fragm. 43 Bergk). 5) Ihr Gebrauch wird 
bereits in der Gesetzgebung des Zaleukos beschränkt (Diodor XII 21). 6) 1. 


VII 220—223. 7) Handwerk und Handwerker p. 59. 8) Von Wilamowitz- 
Moellendorff, homerische Untersuchungen p. 244—247. 9) Homerische Aufsätze 
p. 2fl., p. 26 ff. 10) Eine Ortschaft desselben Namens lag im Gebiete der 
ozolischen Lokrer, eine andere auf Kypros (Steph. Byz. s. v. Ὕλη). 11) Die 
Griechen handeln nur mit Rohprodukten und Sklaven: der Taphierkönig Mentes 
führt Eisen nach Temese (Od. 1184). Sklavenhandel der Taphier (Od. XIV 452; 
XV 427—430). Die Freier wollen den Odysseus und Theoklymenos als Sklaven 
an die Sikeler verkaufen. (Od. XX 383). Die Achäer verhandeln vor Troja an 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. ῷ 


18 Die Quellen. 


die nach Griechenland eingeführt werden; denn es leuchtet ein, dafs 
die Griechen die Fabrikate, die sie aus dem Auslande bezogen, in 
gewissen Hinsichten für vorzüglicher hielten, als die eigenen, und in 
den betreffenden Industriezweigen die Überlegenheit der Fremden 
anerkannten. 

Dafs die thrakischen Schwerter von den damaligen Ioniern ge- 
schätzt und benutzt wurden, erhellt aus zwei bereits angeführten 
Stellen der Ilias.) Es versteht sich, dafs das thrakische Schwert 
des Asteropaios von Achill nicht als eine ethnologische Kuriosität, 
sondern als eine brauchbare Waffe zum Kampfpreise bestimmt wird. 
Wenn aufserdem der Troer Helenos mit einem thrakischen Schwerte 
kämpft, so dürfen wir annehmen, dafs dergleichen Waffen auch bei 
den Griechen gebräuchlich waren; denn die Dichter kennen, wie bereits 
hervorgehoben wurde, keinen Unterschied zwischen troischer und 
achäischer Bewaffnung. 

Über das Verhältnis ferner, in dem das Kunsthandwerk der 
Ionier zu dem der benachbarten Lydier und Karer stand, giebt der 
Vergleich, durch den der Anblick des verwundeten Menelaos ver- 
anschaulicht wird,?) einen beachtenswerten Wink. „Wie eine mäonische 
oder karische Frau, die an einem Wangenschmucke für ein Rofs 
arbeitet, Elfenbein rot färbt“ — so werden die weilsen Schenkel des 
Helden von Blut überspritzt. Wir ersehen hieraus, dafs sich die 
Lydier und Karer der Fabrikation polyehromer Elfenbeinarbeiten be- 
flissen und die Ionier in diesem Gewerbszweige. die Überlegenheit 
ihrer Nachbarn anerkannten. 

Der Dichter des 4. Gesanges der Odyssee geht augenscheinlich 
darauf aus, die Wohnung und das Leben des Menelaos mit möglichst 
glänzendem Luxus auszustatten. Zu dem Hausrate gehören auch 
Gegenstände ägyptischer Herkunft, zwei silberne Badewannen und zwei 
Dreifüfse, die Menelaos in Theben von Polybos, und eine goldene 
Spindel und ein silberner Spinnkorb, die Helena von der Gattin des 
Polybos als Gastgeschenk erhalten hat.?) 

Die gröfste Bewunderung jedoch bringen die Dichter den aus 
Phönikien stammenden Kunstprodukten entgegen. Von einem silbernen 
Krater, der bei den Leichenspielen des Patroklos als Kampfpreis aus- 


die Lemnier Erz, Eisen, Häute, Vieh und Sklaven — offenbar aus der Kriegs- 
beute (Il. VII 473—475. Vgl. XXI 40, 79; XXIII 745—747). 
1) XXI 560, 561; 807, 808. 2) 1]. IV 141: Ὡς δ᾽ ὅτε τίς τ᾽ ἐλέφαντα 


yo] olvı , M- \ > Kd has 2’ er x m ὃ" ἐν 
γυνὴ φοίνικι μιήνῃ | Mnovis ἠὲ Kasıoa, παρήϊον ἔμμεναι ἵππων" | κεῖται 
Δαλάμῳ, πολέες τέ μιν ἠρήσαντο | ἵππῆες φορέειν: βασιλῆϊ δὲ κεῖται ἄγαλμα, 
’ , , δ > m PEN - 

ἀμφότερον, κόσμος 9’ ἵππῳ ἐλατῆρί τε κῦδος | τοῖοί τοι, Μῆὲεάενέλαε, μιάνϑηην αἵματι 
μηροὶ | εὐφυέες κνῆμαί τ΄ ἠδὲ σφυρὰ κάλ᾽ ὑπένερϑεν. 8) Od. IV 125—132. 


EEE u ar nn 


I. Die Angaben des Epos. 19 


gesetzt wird, heifst es, er sei der schönste auf der ganzen Erde, da 
ihn die kunstfertigen Sidonier gearbeitet und die Phönikier über das 
Meer gebracht hätten.') Hierdurch wird die sidonische Kunstindustrie 
ausdrücklich als die hervorragendste anerkannt. Eine ähnliche Schätzung 
ergiebt sich aus einer Stelle der Odyssee,?) welche besagt, dafs ein 
silberner Krater, den der König der Sidonier, Phaidimos, dem Menelaos 
geschenkt, ein Werk des Hephaistos sei. Die sidonische Metallarbeit 
wird also des hellenischen Gottes, der alle Kunstfertigkeit vertritt, 
würdig befunden. Die schönsten Peploi, die sich in dem Schatze des 
Priamos befinden, sind von sidonischen Sklavinnen gewebt, die Paris, 
als er aus Griechenland zurückkehrte, nach Troja gebracht hatte.?) 
Der kunstreichste Panzer, dessen das Epos gedenkt, der des Aga- 
memnon, ist ein Geschenk des Königs Kinyras von Kypros,') stammt 
also ebenfalls aus phönikischem Kulturkreise. Die sidonische Sklavin, 
welcher der König von Syrie die Pflege seines Söhnchens Eumaios 
anvertraut hat, wird bezeichnet als herrlicher Arbeiten kundig (ἀγλαὰ 
ἔργ᾽ εἰδυῖα). 5) Ein phönikisches Schiff landet in der benachbarten 
Bucht; es gelingt den Schiffern sich mit ihrer Landsmännin in Ein- 
verständnis zu setzen; einer von ihnen geht in das Königshaus und 
bietet der Mutter des Eumaios ein aus Gold und Bernstein gearbei- 
tetes Halsband an; während sie das kostbare Stück mit begehrlichem 
Staunen mustert, entweicht die Sklavin aus dem Hause und bringt 
ihren Landsleuten als erwünschte Beute drei Becher, die sie gestohlen, 
und den Knaben Eumaios τη. 

Die Weise, in der die Phönikier damals in dem östlichen Becken 
des Mittelmeeres verkehrten, erhellt aus dieser wie aus anderen Er- 
zählungen des Epos mit hinreichender Deutlichkeit. Die verschmitzten 
Kaufleute besuchen die verschiedensten Gegenden, Ägypten,”) Kreta,) 
Lemnos,’) Ithaka!®) und die wohl mythische Insel Syrie.'') Durch 
kostbare Geschenke suchen sie sich der Gunst der Könige zu ver- 
sichern, in deren Gebiete sie verkehren.'”) Sie bleiben in den einzelnen 
Häfen bald längere,') bald kürzere Zeit, bis ihre Waren verkauft 
sind, und treiben nebenbei auch, wenn sich die Gelegenheit bietet, 
Diebstahl und Menschenraub. 

Wird schliefslich noch die Frage gestellt, ob die Dichter überall 
nach eigener Anschauung schildern und sich demnach jeder von ihnen 
erwähnte Zug zur Veranschaulichung der sie umgebenden Aulsenwelt 


1) D. XXIN 741—745. 2) IV 615—619. Die Verse sind wiederholt Od, 


XV 115—119. 3) Il. VI 289—292. 4). XI 198. 5) Od. XV 418, 
6) Od. XV 4151 7):Od. XIV 288. 8) Od. XIII 273. 9) D. ΣΤΡ 745. 
10) Od. XV 482. 11) Od. XV 410: 12) I. XXIII 745. 13) In der Bucht 


von Syrie bleiben sie ein volles Jahr (Od. XV 455). 


τῷ 


20 Die Quellen. 


verwenden läfst, so enthält das Epos im besonderen zwei Thatsachen, 
welche in dieser Beziehung Vorsicht empfehlen. Kein Grieche vor 
dem Massalioten Pytheas gelangte bis zu einem Grade nördlicher 
Breite, wo die Kürze der Sommernächte die Aufmerksamkeit eines 
Bewohners des Mittelmeergebietes erregen konnte.!) Nichts desto 
weniger hat aber ein Dichter?) diese Erscheinung in den Lästry- 
gonenmythos verflochten. Wie die Kunde hiervon schon in so früher 
Zeit zu den Griechen gelangte, ist schwer zu entscheiden. Die That- 
sache, dafs die Milesier um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. 
an der Nordküste des Pontos Faktoreien anlegten, nötigt zu der 
Voraussetzung, dafs sie schon vorher an dieser Küste verkehrten. 
Man könnte demnach vermuten, dafs die daselbst ansässigen Skythen, 
die ihrerseits wieder mit den weiter im Norden wohnenden Völkern 
Beziehungen unterhielten, den milesischen Schiffern baldigst, nach- 
dem diese mit ihnen zu verkehren anfingen, von dem wunderbaren 
Naturphänomen erzählt hätten. Doch darf dabei mit gleichem und 
vielleicht mit gröfserem Rechte an eine Vermittelung von Seiten der 
Phönikier gedacht werden, denen der von Gau zu Gau durch das 
mittlere Europa durchgehende Bernsteinhandel, mit dem sie schon 
in vorhomerischer Epoche Fühlung gewonnen hatten,?) mancherlei 
Nachrichten über die nordischen Länder zuführen mufste. Ähnlich 
verhält es sich mit den in der Ilias?) erwähnten Pygmäen. Wenn 
die Griechen in Afrıka eın Volk solcher Ellenmännchen annahmen, 
so beruht dies auf der Thatsache, dafs in den äquatorialen Gegenden 
dieses Erdteiles eine zwerghafte Menschenrasse wohnte, deren Reste 
Schweinfurth?) neuerdings in den südlich von den Monbuttu ansässigen 
Akka nachgewiesen hat. Ob jemals der Fuls eines Griechen jene 
(regend betreten hat, scheint fraglich. Keinesfalls kann dies vor der 
Herrschaft der Ptolemäer geschehen sein. Offenbar ‘hatte sich die 
Kunde von dem in dem mittleren Afrika wohnenden Zwergvolke durch 
den Elfenbeinhandel, an dem sich noch heute die Akka in lebhafter 
Weise beteiligen, nordwärts verbreitet und war schliefslich, etwa 
durch phönikische Vermittelung, bis in die ionischen Städte gelangt. 
Wenn aber die Dichter eine astronomische und eine ethnische Er- 
scheinung, die sie nur durch Hörensagen kannten, poetisch verwertet 


1) Vgl. Müllenhoff, deutsche Altertumskunde I p. 5—8. 2) Od. X 81—86. 
3) Bernsteinschmuck schon in den mykenäischen Schachtgräbern: Schliemann, 
Mykenae p. 235, 283, 353. Dafs dieser Bernstein aus der Ostsee stammt, ist 
gegenwärtig auch durch chemische Analyse bewiesen: Schliemann, Tiryns 
p. 425—432. — Ein aus Gold und Bernstein gearbeitetes Halsband wird von 
einem phönikischen Händler der Mutter des Eumaios zum Kaufe angeboten. 
S. oben S. 19 Anm. 6. 4) III 6. 5) Im Herzen von Afrika II p. 131—155, 


en π » ὐΨΜΌΝ ΡΝ 


II. Die phönikische Kunstindustrie. > 


haben, so fragt es sich, ob sie nicht bisweilen auch bei der Be- 
schreibung von Kunstwerken ähnlich verfuhren und ob nicht einzelne 
Züge in solchen Schilderungen bestimmt sind entweder durch Nach- 
richten, welche ihnen über den in den vorderasiatischen Kulturmittel- 
punkten herrschenden Luxus zugekommen waren, oder durch Erinne- 
rungen an das prachtreiche orientalisierende Leben, welches die 
Ahnen der kleinasiatischen Griechen vor der dorischen Wanderung 
in dem Mutterlande geführt hatten.!) 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 


Wenn das Epos, wie in dem vorigen Kapitel dargelegt wurde, 
die kostbarsten Kunstgegenstände ausdrücklich als Werke der Sidonier 
oder als aus phönikischem Kulturkreise stammend bezeichnet, so hat 
eine Untersuchung, die sich mit der Kunst des homerischen Zeitalters 
beschäftigt, den erhaltenen phönikischen Denkmälern in eingehender 
Weise Rechnung zu tragen. Doch gilt es hierbei zunächst eine An- 
sicht Brunns?) zu berichtigen. Nach der Auffassung meines ver- 
ehrten Lehrers wären die Phönikier nur in sehr beschränktem Malse 
künstlerisch thätig gewesen und hätten vielmehr als Kaufleute, welche 
den Verkehr zwischen dem Osten und dem Westen beherrschten, den 
Griechen während des homerischen Zeitalters vorwiegend Artikel aus 
den Fabriken des inneren Asiens zugeführt. Brunn?) vermutet, dafs 
diese Unproduktivität auch in späterer Zeit fortgedauert habe und 
dafs die bekannten, gröfstenteils aus dem 6. Jahrhundert stammenden 
Silbergefälse, deren figürliche Darstellungen ein eigentümliches Ge- 
misch von ägyptischem und assyrischem Stile aufweisen (z. B. Fig. 1 
und 2),*) nicht, wie sonst allgemein angenommen wird, von phöni- 
kischen Metallkünstlern, sondern von kyprischen Griechen, etwa unter 
phönikischer Oberleitung, gearbeitet seien. Dafs die Phönikier auch 
mit fremden Fabrikaten Handel trieben, ist zweifellos. Berichtet 
doch Herodot,’) dafs die phönikischen Kaufleute, welche die Io ent- 
führten, mit ägyptischen und assyrischen Waren nach Argos ge- 
kommen seien. Dasselbe Resultat ergiebt sich aus mancherlei bei 
den Ausgrabungen beobachteten Thatsachen, von denen ich nur eine 
besonders schlagende hervorhebe. Die ältesten Gräber der Italiker 
wie der Etrusker sind die sogenannten „tombe a pozzo“, cylinder- 


1) Vgl. hierüber den V. Abschnitt. 2) Die Kunst bei Homer p.7. 3) Δ. ἃ. 0. 
p. 17 und bei Langbehn, Flügelgestalten der ältesten griechischen Kunst p. 79. 
4) Ann. dell’ Inst. 1876 p. 199— 205. Bull. dell’ Inst. 1879 p. 251. Als Beispiele 
dienen Fig. 1 (nach Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 759 n. 543) und Fig. 2 
(nach Perrot Ill p. 97 n. 36), auf Seite 22 und 23. beide aus Praeneste. 5) 11. 


22 Die Quellen. 


ad id 


artige, vertikal in die Erde oder in den Felsboden eingearbeitete 
Gelasse, in denen ein die Asche eines verbrannten Leichnams ent- 
haltendes Gefäls beigesetzt ist, umgeben von allerlei Manufakten.') 
Dals diese Bestattungsweise im südlichen Etrurien schon in sehr 


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früher Zeit aufser Gebrauch kam, ergiebt sich, abgesehen von anderen 
Kriterien, aus der Thatsache, dafs sich in keiner der dortigen „tombe a 
pozz0“ ein sicher beglaubigtes hellenisches Fabrikat gefunden hat. Auf 
die „tombe a pozzo“ folgen ım südlichen Etrurien wie in Latium die 
sogenannten „tombe a fossa“, oblonge, ın die Erde oder den Felsen 
eingearbeitete Gruben, welche einen unverbrannten Leichnam ent- 
halten, der bald in einem rohen steinernen Sarkophage, bald einfach 


1) Ann, dell’ Inst. 1884 p. 111—112, 1885 p. 6—8. 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 23 


auf dem Boden des Grabes beigesetzt!) und ebenfalls von allerlei 
Gefälsen und Geräten umgeben ist.”) In den älteren südetruskischen 
Gräbern auch dieser Gattung finden sich keine hellenischen Import- 
artikel. Diese tauchen vielmehr erst in den jüngeren „tombe a fossa“ 


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Fig. 2. 


auf, deren Inhalt an Manufakten bereits zu demjenigen der ın den 
Felsen eingehauenen oder aus Steinen aufgemauerten Grabkammern 


1) Doch kann ich nicht umhin, die Frage aufzuwerfen, ob nicht in dem 
letzteren Falle eine Beisetzung in hölzernen Sarkophagen anzunehmen ist, deren 
vergängliches Material leicht der Beobachtung entgeht. 2) Ann. dell’ Inst. 
1884 p. 113—115, 1885 p. 8—9. Bull. 1885 p. 115 ff. Eine ausführliche Dar- 
legung der besonderen Entwickelung, die im inneren Etrurien stattfand, gehört 
nicht hierher. Nur sei soviel bemerkt, dafs in der chiusiner Nekropole die „tombe 
a fossa“ fehlen. Die „tomba a pozzo“ wurde daselbst allmählig erweitert und 


24 Die Quellen. 


(„tombe a camera“) hinüberleitet.‘) Nun haben sich in einer „tomba 
a pozzo“ der Nekröpole von Tarquinii ein smaltener Skarabäus mit 
dem Namen des Königs Ra-Xa-nofre Sebak-Hotep (13. Dynastie, un- 
gefähr 2100 v.Chr.)?) und ein aus dem gleichen Materiale gearbeitetes 
Figürchen der Göttin Sechet-Pacht-Bast”) gefunden, Gegenstände, 
welche von hervorragenden Ägyptologen als echt ägyptische Produkte 
anerkannt werden. Da nicht nur die „tombe a pozzo“ dieser Nekro- 
pole, sondern auch die älteren Gräber der folgenden Gattung, der 
sogenannten „tombe a fossa“, keine Spur hellenischen Verkehrs auf- 
weisen, so können jene Gegenstände unmöglich von Griechen ein- 
geführt sein. Also bleibt nur übrig, anzunehmen, dafs die ägyptischen 
Smaltarbeiten von Phönikiern nach Tarquinii gebracht sind, und 
diese Ansicht wird bestätigt durch die Perlen und durchbohrten 
Cylinder aus Glas oder Smalt,?), welche sich in demselben Teile der 
dortigen Nekropole gefunden haben. Mag es sich auch nicht mit 
Bestimmtheit entscheiden lassen, ob die einzelnen Exemplare in 
ägyptischen oder phönikischen Fabriken gearbeitet sind, immerhin 
wissen wir, dafs derartige Schmucksachen zu den Artikeln gehörten, 
durch welche die Phönikier den Verkehr mit barbarischen Völkern 
einzuleiten pflegten.?) 

Aufser mancherlei fremden Produkten brachten aber die Phönikier 
auch eine grolse Menge eigener Erzeugnisse auf den Markt und ihre 
industrielle Thätigkeit ist von Brunn entschieden unterschätzt worden. 


vervollkommnet zu dem Typus, den die toskanischen Ausgräber „tombe a ziro“ 
nennen. Vgl. Milani im Museo italiano di antichitä classica I p. 299—300, 
p. 304—307. Es sind tiefe brunnenartige Gelasse, welche ein grolses thönernes 
Dolium enthalten, in dem das Aschengefäls und die dasselbe begleitenden 
(Gegenstände geborgen sind. Auf diese „tombe a ziro“* folgen sofort die Grab- 
kammer. 1) Vgl. Bull. dell’ Inst. 1885 p. 115ff. 2) Bull. dell’ Inst. 1882 p. 211. 
Not. d. scavi com. all’ acc. dei Lincei 1882 p. 183. 3) Bull. dell’ Inst. 1882 
Ῥ. 214, 216. Not. ἃ. scavi 1882 T. XIIIbis 10, p. 185. 4) Bull. dell’ Inst. 1882 
p. 163, 214, 216; 1833 p. 116, p. 120 n. 17, 18. Not. d. scavi 1882 p. 146, 185. 
Alle in jenen Gräbern gefundenen Gegenstände, welche mit Sicherheit dem 
lokalen Handwerke zugeschrieben werden dürfen, und im besonderen die kera- 
mischen Produkte, zeigen ein höchst primitives Machwerk. Demnach sind die 
mit grofser technischer Vollendung gearbeiteten Bronzehelme (Bull. dell’ Inst. 
1882 p. 19—21, 41, 166, 175. Not. d. scavi 1881 T. V 23, p. 359-361; 1882 
T. ΧΠῚ 8 p. 162—164, p. 180, p. 188) und die bald mit bronzenen, bald mit 
eisernen Klingen versehenen Schwerter (Bull. dell’ Inst. 1882 p. 166, 167, 176, 
215. Not. ἃ, scavi 1882 T. XU 1 p. 165, T. XII 4 p. 180, p. 186) jedenfalls 
importierte und zwar, wie es scheint, phönikische Fabrikate. 5) Sky- 
lax. peripl. 112 berichtet, dafs die Phönikier den Bewohnern der Westküste von 
Afrıka Aldov Αἰγυπτίαν, ἃ. 1. Glas- oder Smaltwaaren, verhandelten. Vgl. Fröhner, 
la verrerie antique p. 4 und:5, 


ri 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 25 


Ich verzichte darauf, mich auf die goldenen und smaltenen Pracht- 
gefälse zu berufen, welche die Kefa, d. 1. die Phönikier,'!) auf ägypti- 
schen Denkmälern den Pharaonen als Tribut darbringen?); denn man 
könnte einwenden, dals diese Gefälse, da sie der Fabrikmarken ent- 
behren, möglicher Weise nicht in den phönikischen Städten gearbeitet, 
sondern aus mesopotamischen Fabriken bezogen seien. Jedenfalls 
ergiebt sich die Bedeutung der phönikischen Kunstindustrie auf das 
schlagendste aus den Büchern des alten Testamentes. Als Salomo 
seinen Plan, dem Jahwe einen Tempel zu erbauen, ausführen wollte, 
schlofs er einen Vertrag mit dem König Hiram von Tyros, damit 
dieser die dazu nötigen Künstler und Handwerker stelle. Infolge 
dessen arbeiteten an dem Gebäude Steinmetzen und Zimmerleute aus 
Tyros und Byblos (Gebal)°) und ein Tyrier, dessen Vater bereits ein 
bekannter Metallkünstler gewesen war, führte die für den Tempel 
erforderlichen Bronzearbeiten aus, die Säulen, das von zwölf Stier- 
figuren gestützte kolossale Becken, die auf Rädern rollbaren und mit 
Cherubim, Löwen, Palmen und Blumenornamenten reich verzierten 
Gestelle und die sonstigen für den Kultus nötigen Gefälse und Ge- 
räte.*) Die eingehenden und mehrfach wiederholten Beschreibungen 
beweisen, dafs diese Erzarbeiten auch noch in späterer Zeit Interesse 
und Bewunderung erregsten. Wenn demnach in Tyros gegen Ende 
des 11. Jahrhunderts, als diese Stadt der bedeutendste Handelsplatz 
in dem Gebiete des mittelländischen Meeres war, die Metallotechnik 
blühte, so scheint es ganz unglaublich, dafs die dortigen Künstler 
nur für den Bedarf ihrer Mitbürger und der benachbarten Fürsten 
und nicht auch für den überseeischen Export gearbeitet haben sollten. 
Offenbar war dieser aus den phönikischen Häfen stattfindende Export 
von Bronzewaaren die Ursache, weshalb Sidon im Epos als die erz- 
reiche (πολύχαλκος) } bezeichnet wurde. Ferner bezeugt Ezechiel in 
dem berühmten Kapitel, in dem er den Reichtum und den Handel 
der Tyrier schildert, auf das unzweideutigste, dafs in derselben Stadt 
um den Anfang des 6. Jahrhunderts die vielseitigste industrielle 
Thätigkeit herrschte. „Aram“ — so redet der Prophet°) die Stadt 
an — „handelte mit dir ob der Menge deiner Kunstarbeiten: Kar- 
funkel, roten Purpur und Buntgewirktes und weilse Leinwand und 


1) Brugsch, Geschichte Ägyptens p. 208—211. 2) Grab aus der Zeit des 
Königs 'Thutmes III bei Hoskins, travels in Ethiopia pl. 47 (zweite Reihe) 
p. 328—333; Wilkinson, the manners of the anc. Egyptians I (ed. Birch) pl. II A. 
Vortreffliche farbige Abbildungen der Gefälse bei Prisse d’Avennes, histoire de 
lart egyptien II, Art industriel, Tafel mit der Unterschrift „Vases du pays de 
Kafa, tributaire de Thoutmes III“. 3) I. Könige 5, 18. 4) I. Kön. 7, 13 ff.; 
II. Chron. 3 und 4. 5) Od. XV 425. 6) XXVII 16. 


26 Die Quellen. 


Korallen und Rubin brachten sie auf deine Märkte.“ Weiterhin!) 
heifst es: „Damaskos handelte mit dir um der Menge deiner Ar- 
beiten, ob der Menge all deiner Güter, mit Wein von Helbon und 
schimmernder Wolle.“ Dagegen erscheint der Import fremder Industrie- 
produkte nach Tyros als ein sehr beschränkter. Aus Javan, 'Tubal 
und Meschech werden eherne Geräte, aus Aram, wie die bereits an- 
geführte Stelle bezeugt, bunte Stoffe und Leinwand, aus Dedan Pferde- 
decken eingeführt. Haran, Kanne und Eden, drei Ortschaften, die 
wir in Mesopotamien zu suchen haben, sowie Saba, Assur und Kil- 
mad liefern Prachtgewänder, purpurne und gemusterte Mäntel und 
damastne Decken. Doch ist dieser Import unbedeutend gegenüber 
der Menge von Viktualien, wie Wein, Öl und Honig, und von Roh- 
stoffen, als da sind Metalle, Edelsteine, Elfenbein, kostbare Hölzer, 
welche die Tyrier nach den Angaben des Ezechiel aus den verschie- 
densten Gegenden bezogen. Wir dürfen annehmen, dals diese Roh- 
stoffe in den dortigen Fabriken verarbeitet und die Industrieprodukte 
auf tyrischen Schiffen nach allen Richtungen versendet wurden. Dals 
die Purpurfärberei,?) die Glasindustrie,”) die Bereitung von wohl- 
riechenden Salben und Ölen‘) und die Fabrikation der zur Auf- 
bewahrung der letzteren Stoffe dienenden alabasternen Büchsen und 
Fläschchen’) von den Phönikiern in groflsartigem Malsstabe betrieben 
wurde, steht durch eine ansehnliche Reihe von Zeugnissen fest und 
wird, denke ich, auch von Brunn nicht geleugnet werden. 

Was ferner die Vermutung betrifft, dafs die Silbergefälse, welche 
ägyptische und assyrische Elemente durcheinander mischen, griechi- 
schen Ursprunges seien, so wäre dieselbe haltbar, wenn es feststände, 
dafs alle diese Gefälse auf Kypros gearbeitet sind; denn die dort 
ansässigen Hellenen hatten bei den engen Beziehungen, in die ihre 
Insel durch die geographische Lage wie durch den Gang der Ge- 
schichte zu Mesopotamien und Ägypten gesetzt war, reichliche Gelegen- 
heit, die Kunst beider Länder kennen zu lernen und die Möglichkeit 
läfst sich nicht in Abrede stellen, dafs sie durch diesen Umstand 
und etwa noch durch Handelsrücksichten zur Ausbildung eines der- 
artigen gemischten Stiles bestimmt worden seien. Doch ist es ganz 
unwahrscheinlich, dafs alle diese Gefäfse aus kyprischen Werkstätten 
stammen. Schon die Thatsache, dafs sich eine ansehnliche Zahl 


1) XXVII 18. 2) Büchsenschütz, die Hauptstätten des Gewerbfleilses im 
Alterthum p. 83 ft. 3) Büchsenschütz a. a. O. p. 27—28; Fröhner, la verrerie 
antique p. 2—3, 18—24; Perrot et Chipiez, histoire de lart ΠῚ p. 733 f. 
4) Büchsenschütz a. a. OÖ. p. 95. Nach Skylax, peripl. 112 verhandelten die 
Phönikier den Bewohnern der Westküste von Afrika auch μύρον. 5) Plin. 
XXXVI 60, 61. Vgl. Abeken, Mittelitalien p. 269, Ann. dell’ Inst. 1876 p. 240 ft. 


II. Die phönikische Kunstindustrie. Ὁ 


derselben in Italien gefunden hat, ist geeignet, Verdacht gegen jene 
Annahme zu erwecken, da Kypros in der Geschichte des italienischen 
Handels nirgends bedeutsam hervortritt. Dazu kommt, dafs Renan') 
die phönikische Inschrift, welche auf einer, in einem praenestiner 
Grabe gefundenen Schale dieser Art?) eingraviert ist (oben Seite 23 
Fig. 2), für karthagisch hält, sowie dals die Affen, welche auf einem 
anderen, aus demselben Grabe stammenden Exemplare dargestellt sınd 
(oben Seite 22 Fig. 1), am meisten Gattungen entsprechen, die auf 
der Westküste Afrikas heimisch sind, nämlich dem Cynocephalus 
sphinx und gewissen Species des Papio (Mandrill).”) Besonders wichtig 
jedoch ist die Übereinstimmung, welche zwischen den in Rede stehen- 
den Silbergefälsen und Kunstprodukten herrscht, die sich ın den 
karthagischen Nekropolen der Insel Sardinien finden.*) Die beiden 
Denkmälergattungen berühren sich nicht nur in den Gegenständen 


1) Gazette archeologique 1877 p. 18. 2) Mon. dell’ Inst. X T. XXXII 1, 12; 
Gazette arch. 1877 pl. V; Perrot et Chipiez, histoire de l’art ΠῚ p. 97 n. 36; 
hiernach unsere Fig. 2 auf Seite 23. 3) Mon. dell’ Inst. X T. XXXI 1; Ann. 
1876 p. 226 not. 1; Perrot et Chipiez a. a. Ὁ. III p. 759 n. 543; hiernach unsere 
Fig. 1 auf Seite 22. 4) Über die sardinischen Altertümer hat unterdes Ebers 
in den Ann. dell’ Inst. 1883 p. 76—132 einen interessanten Aufsatz veröffent- 
licht. Er hält die von mir in den Ann. 1876 p. 215 ff. entwickelte Ansicht, dafs 
die Denkmäler ägyptischen und ägyptisierenden Stiles den Zeiten der karthagi- 
schen Herrschaft angehören, für zulässig, vermutet aber doch, dafs einzelne der- 
selben beträchtlich älter seien. Indes sprechen gegen diese Annahme die Fund- 
umstände. Solche Denkmäler sind nämlich in der vorkarthagischen Entwickelung, 
wie sie im besonderen durch die Nuragen und die ihnen zeitlich nahestehenden 
Funde veranschaulicht wird, nicht nachweisbar. Vielmehr erscheinen sie, abge- 
sehen von vereinzelten Exemplaren, die der Handel in das Innere der Insel 
geführt hat, ausschliefslich auf Nekropolen beschränkt, über deren karthagischen 
Ursprung kein Zweifel obwaltet. Diese Thatsache beweist auf das schlagendste, 
dafs jene Anticaglien erst durch die karthagische Occupation in Sardinien Ein- 
gang gefunden haben. Sollte daher die ägyptologische Wissenschaft dazu nötigen, 
‘einzelnen derselben ein höheres Alter zuzuschreiben, so bliebe nur die Annahme, 
dafs sich ein ansehnlicher Vorrat solcher Stücke in Karthago viele Generationen 
hindurch erhalten hat und ein Teil dieses Vorrates von den Karthagern, welche 
sich auf Sardinien niederliefsen, nach den dortigen Kolonieen mitgenommen 
wurde. Doch dürfte es schwer fallen für einen solchen Vorgang irgendwelche 
Analogie nachzuweisen. Ich kann demnach nicht umhin, an der von mir früher 
(Ann. dell’ Inst. 1876 p. 215 ff.) begründeten Ansicht festzuhalten, dals nämlich 
die karthagische Industrie auch in späterer Zeit fortfuhr mancherlei uralte 
ägyptische Typen getreu zu reproduzieren. Schliefslich sei hier noch daran er- 
innert, dafs sich an mehreren Stellen des südlichen Teiles der Insel und besonders 
bei Tharros (Spano, Bullettino arch. sardo I 1855 p. 84) unvollendete Skarabäen 
ägyptischen Stiles gefunden haben — ein Umstand, welcher beweist, dals die 
in den dortigen karthagischen Kolonien thätigen Steinschneider in diesem Stile 
arbeiteten. 


28 Die Quellen. 


der Darstellung und in den Typen der dargestellten Figuren,') son- 
dern auch hinsichtlich des Stile. Mag die Behandlung der Formen 
auf den älteren unter den Silberschalen trockener und weniger 
geschmeidig sein, jedenfalls zeigt sie auf den jüngeren Exem- 
plaren?) die engste Verwandtschaft mit dem Stile der sardinischen 
Fundstücke. Demnach wird ein unbefangener Beurteiler die Silber- 
gefälse einem älteren, die sardinischen Altertümer einem Jüngeren 
Stadium einer und derselben Kunstentwickelung zuschreiben. Wenn 
aber Brunn die ersteren für griechische Arbeiten hält, dann mufs er 
konsequenter Weise diese Annahme auch auf den verwandten Inhalt 
der sardinischen Nekropolen ausdehnen. Und dann ergiebt sich das 
merkwürdige Resultat, dafs die Griechen seit den letzten Jahrzehnten 
des 6. Jahrhunderts?) bis in das 3. Jahrhundert hinein beinahe den 
ganzen Kunstbedarf von Karthago und seinen Kolonieen deekten und 
sich dabei stets eines fremden Stiles bedienten — ein Resultat, wel- 
ches den damaligen politischen und kulturhistorischen Verhältnissen 
zu sehr widerspricht, um Glauben zu verdienen. 

Der Grund, welcher Brunn bestimmt, jene Silbergefälse griechi- 
schen Metallarbeitern zuzusprechen, ist die in ihren bildlichen Dar- 
stellungen herrschende freie Bewegung, die nach seiner Ansicht dem 
Charakter der orientalischen Kunst zuwiderläuft. Doch begeht er, 
indem er die Künste sämtlicher orientalischer Völker nach derselben 
Schablone beurteilt, einen Irrtum, der in der archäologischen Forschung 
schon mancherlei Verwirrung hervorgerufen hat. Die phönikische 
Kunst wurde durch ganz andere Verhältnisse bedingt, als die ägyptische 
und assyrische. Während im Nilthale und in Mesopotamien ein 
centralisierendes despotisches Regiment und die Gebundenheit der so- 
zıalen Verhältnisse die Ausprägung eines streng konventionellen Stiles 


1) Diese Berührungspunkte sind zusammengestellt in den Ann. dell’ Inst. 1876 
p. 218 und 219. 2) De Longperier, Musde Napoleon III. pl. X, XI; Cesnola-Stern, 
Cypern T. XIX; Rev. arch&ol. XVII (1877) p!. I= Cesnola-Stern T.LXVIi1. 3) Die 
Annahme von Unger im Rhein. Museum XXXVII (1882) p. 165—172, dafs die 
Karthager erst zwischen 383 und 379 v. Chr. auf Sardinien festen Fuls gefalst 
hätten, läfst sich durch den Inhalt der karthagischen Nekropolen der Insel 
schlagend widerlegen. Die Occupation mu/s spätestens in den letzten Jahr- 
zehnten des 6. Jahrhunderts erfolgt sein. Es genügt, daran zu erinnern, dafs 
sich in der Nekropole von 'Tharros mehrere korinthische, mit Tierfiguren bemalte 
Alabastra (Sammlung des Giudice Spano von Oristano) und drei schwarzfigurige 
Vasen (ungenügend publiciert und beschrieben von Crespi, Catalogo Chessa 
Tav. D. 1, 2 p. 62—69; genaue Zeichnungen im Apparate des archäologischen 
Institutes) gefunden haben. Der Stil der korinthischen Exemplare erscheint 
etwas lax, darf aber keinesfalls über das Ende des 6. Jahrhunderts herabgerückt 
werden; der der schwarzfigurigen Gefälse weist auf die erste Hälfte des 5. Jahr- 
hunderts hin. 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 29 


begünstigten, mulsten bei den Phönikiern alle Kulturbedingungen, 
das an Wechselfällen und Katastrophen reiche Städteleben, die Er- 
weiterung des Horizontes durch die Schiffahrt, die vielseitigen Handels- 
verbindungen, auch auf die Kunst lösend und lockernd einwirken. 
Wenn demnach die ägyptischen und assyrischen Typen auf jenen 
Silbergefälsen von einer freieren Bewegung durchdrungen sind, so 
braucht dies nicht auf ein griechisches Element zurückgeführt zu 
werden, sondern ist vollständig in der phönikischen Entwickelung 
begründet. Unter solchen Umständen sehe ich keinen Grund, die 
Ansicht zu ändern, die von mir vor zehn Jahren!) über diese Gefälse 
und die verwandten Kunstprodukte geäufsert wurde. Alle diese Stücke 
sind in phönikischen Werkstätten gearbeitet. Der für sie bezeich- 
nende ägyptisch-assyrische Mischstil herrschte nicht nur bei den öst- 
lichen Phönikiern, sondern, wie es die sardinischen Funde beweisen, 
auch bei den westlichen, nämlich in Karthago und seinen Kolonieen.?) 
Was sich von derartigen Denkmälern in den östlichen Ländern des 
Mittelmeergebietes findet, stammt aus Fabriken der an der chanaani- 
tischen Küste oder auf Kypros ansässigen Phönikier. Hinsichtlich 
der analogen Stücke dagegen, welche aus italischem Boden zu Tage 
kommen, liegt die Möglichkeit und sogar die Wahrscheinlichkeit vor, 
dafs sie in Karthago oder seinen Kolonieen gearbeitet und von dort 
nach Italien importiert sind. Für zwei im einem pränestiner Grabe 
gefundene Silberschalen wäre diese Annahme zur Evidenz gebracht, 
wenn die oben angeführten Vermutungen über den karthagischen 
Charakter der auf dem einen Exemplare eingravierten Inschrift und 
über die Gattung der auf dem anderen dargestellten Affen Bestätigung 
finden. 

Dafs die Phönikier schon in sehr früher Zeit mit den Etruskern 
und Latinern in Verbindung traten, erhellt aus mancherlei Zeugnissen 
der schriftlichen wie der monumentalen Überlieferung. Ja, es läfst 
sich beweisen, dafs sie mit den Etruskern früher verkehrten als die 
Hellenen und dafs sie das erste Volk waren, durch welches über- 
seeische Einflüsse nach dem südlichen Etrurien gelangten. Wenn 


1) Ann. dell’ Inst. 1876 p. 197 ff. 2) Mancherlei Berührungspunkte zwi- 
schen den Denkmälern der östlichen und denen der westlichen Phönikier sind 
von mir in den Ann. dell’ Inst. 1876 p. 215—219 zusammengestellt. Ihre Zahl 
läfst sich durch die jüngsten kyprischen Entdeckungen beträchtlich vermehren. 
So findet sich z.B. ein auf Kypros vorkommender OÖhrring (Cesnola-Stern, Cypern 
T. LIV 4 p. 417) häufig in den karthagischen Gräbern Sardiniens (z. B. Crespi, 
Catalogo Chessa T. II 15). Das Gleiche gilt für Darstellungen auf Skarabäen. 
Vgl. z. B. Cesnola-Stern T. LXXIX 1 und Della Marmora, sopra alcune anti- 
chita sarde T. A 59, Cesnola-Stern T. LXXX 15, 17 und Della Marmora a. a. 0, 
T. A 37, Cesnola-Stern T. LXXXT 25 und Della Marmora T. A 9. 


90 Die Quellen. 


die Hellenen Cäre mit dem semitischen Namen Agylla, ἃ. 1. Rund- 
stadt, benennen,') so haben sie diese Bezeichnung offenbar von 
Phönikiern angenommen, die vor ihnen die dortige Küste besucht 
hatten. Der Spuren, welche der phönikische Verkehr in dem ältesten, 
aus den sogenannten „tombe a pozzo“ bestehenden Teile der Nekro- 
pole von Tarquinii hinterlassen, wurde bereits gedacht.”) Ebenso 
fanden sich in den ältesten „tombe a fossa“, die in dieser Nekropole 
unmittelbar auf die „tombe a pozzo“ folgen, Skarabäen aus grün- 
lichem Smalte, deren nicht echt ägyptische, sondern nur ägyptisierende 
Darstellungen auf phönikischen Ursprung hinweisen.”) Bemalte Thon- 
gefälse, welche sich mit Sicherheit?) griechischen Fabriken zuschreiben 
lassen, treten erst in den jüngeren Gräbern dieser Gruppe auf. Der 
griechische Handel erscheint seitdem eine gewisse Zeit hindurch ent- 
schieden in der Zunahme begriffen. Dann folgt wiederum eine Periode, 
in welcher der phönikische Import einen erheblichen Aufschwung 
nahm — eine Periode, welche im besonderen durch den Inhalt des 
von Regulini und Galassi bei Cäre entdeckten Grabes?) und der 
sogenannten Grotta d’Iside bei Vulei®) veranschaulicht wird und mit 


1) Olshausen im Rheinischen Museum VII (1853) p. 333—334. 2) Oben 
Ss. 21—24. 3) Bull. dell’ Inst. 1881 Ὁ. 40, 1882 p. 174 τ. 15—18. 
Not. d. scavi 1882 p. 194. Ebenso finden sich in diesen Gräbern noch Schmuck- 
stücke aus Glas und Smalt, ähnlich den oben S. 24 erwähnten (Bull. 1883 
p. 122—123). 4) Nur in einer „tomba a pozzo“ der Nekropole von Tarquinii 
haben sich bemalte Vasen gefunden, nämlich zwei Exemplare, deren kugelförmige 
Behälter von roten Streifen umspannt sind, wozu auf dem einen noch ein Schema 
von quadratartigen Ornamenten kommt (Mon. dell’ Inst. XI T. LIX 18, 28; Ann. 
1883 p. 287, 288; Bull. 1883 p. 114, 117). Ein ähnliches Gefäls ist neuerdings 
aus der Nekropole von Visentium (Capodimonte am DBolsener See) und zwar 
ebenfalls aus einer „tomba a pozzo“* zu Tage gekommen (Bull. dell’ Inst. 1886 
p. 34 n. 7). In den auf die „tombe a pozzo“ folgenden „tombe a fossa“ (oben 
Seite 22—23) finden sich Thongefälse, die mit Streifen, geometrischen Ornamenten 
oder mit solchen und mit Figuren von Wasservögeln bemalt sind. Beispiele: 
Mon. dell’ Inst. X T. Xe 1—10, T. X4 21—23b. Doch läfst sich die Herkunft 
keiner dieser Vasengattungen bestimmen. Thongefälse von sicher griechischer 
Fabrik kommen erst in den jüngeren „tombe a fossa“ vor, deren Inhalt sich 
bereits mit dem der „tombe a camera“ (horizontal in den Felsen hineingearbeiteten 
Kammern) berührt. Es sind dies im besonderen Vasen, deren mit schwärzlicher 
oder bräunlicher Farbe auf weifslichem oder gelblichem Grunde ausgeführte 
Decoration aus parallelen horizontalen Streifen und aulfser diesen bisweilen aus 
Figuren laufender Vierfüfsler besteht. (Vgl. Helbig, die Italiker in der Poebene 
p. 84—86 und den VI. Abschnitt dieses Buches). Aufserdem finden sich in einzelnen 
(Gräbern dieser Gattung auch korinthische Vasen. Ann. dell’ Inst. 1884 p. 116; 
Bull. 1885 Ὁ. 121 II 4-6, p. 122 IV 3, V 7, p. 125 XII, p. 127 XVIL p. 212, 
p. 216. 5) Grifi, monumenti di Cere antica, Roma 1841; Museo gregoriano | 
T. XI, XV—XX, LXU—LXVI, LXXV—LXXVI, LXXXII-LXXXV. 6) Micali, 
mon. ined. T. IV, V 1—2, 6—8. 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 31 


Sicherheit in das 6. Jahrhundert v. Chr. zu setzen ist.') Freilich 
bleibt es ungewils, ob die Phönikier, welche die ersten Beziehungen 
mit den Etruskern anknüpften, gerade Karthager waren. Sollte aber 
auch dieser Verkehr anfänglich von anderen Phönikiern vermittelt 
worden sein, immerhin lassen die politischen Verhältnisse darauf 
schliefsen, dafs sich die Karthager seit der Mitte des 6. Jahrhunderts 
in lebhafter Weise daran beteiligten. Es lag damals im Interesse 
der Karthager wie der Etrusker, dem Vorschreiten der hellenischen 
Kolonisation ein Ziel zu setzen. So kämpften denn in dem Jahre 537 
die vereinigten Flotten der beiden Völker in den Gewässern von 
Corsica gegen die Phokäer, welche den Versuch gemacht hatten, sich 
in Alalia festzusetzen. Wenn demnach Aristoteles?) Allianz- und 
Handelsverträge zwischen Karthagern und Etruskern erwähnt, so hat 
man offenbar im besonderen diese Zeit in das Auge zu fassen. Jeden- 
falls scheint es unzweifelhaft, dafs die Zunahme der phönikischen 
Einfuhr, welche im 6. Jahrhundert zum Nachteil der griechischen in 
Etrurien bemerkbar ist, mit der politischen Annäherung zusammen- 
hängt, die damals zwischen Karthagern und Etruskern stattfand. 

Wie es scheint, wurde auch Latium von diesem Sachverhalte 
berührt.”) Polybios?) setzt den ältesten Handelsvertrag zwischen Kar- 
thago und Rom in das Jahr 509 v. Chr. Eine eingehende Behandlung 
der vielfach erörterten Frage, ob diese Datierung richtig ist, liegt 
unserer Untersuchung fern. Nur soviel sei bemerkt, dafs der 'That- 
bestand der Funde mit der Angabe des Polybios auf das beste über- 
einstimmt. Eine pränestiner Gräbergruppe nämlich, deren Inhalt sich 
vielfach mit dem des von Regulini und Galassi bei Cäre entdeckten 
Grabes berührt und demnach ebenfalls dem 6. Jahrhundert v. Chr. 
zuzuschreiben ist,°) beweist, dafs damals, wie in Etrurien, so auch in 
Latium der Markt von phönikischen Artikeln überschwemmt wurde. 
In einem der zugehörigen Gräber fand sich die bereits angeführte 
Silberschale mit der von Renan für karthagisch erklärten Inschrift.) 
Sollte aber auch die Vermutung dieses Gelehrten nicht stichhaltig sein, 
immerhin lag es unter den damaligen Verhältnissen dem Vororte der 
westlichen Phönikier besonders nahe, den Verkehr mit Latium ver- 
tragsmälsig zu regeln. 


1) Vgl. Ann. dell’ Inst. 1876 p. 226 ff. und unseren VI. Abschnitt. 2) Pol. 
III 9 (II p. 1280 Bekker): εἰσὶ γοῦν αὐτοῖς συνϑῆκαι περὶ τῶν εἰσαγωγίμων καὶ 


σύμβολα περὶ τοῦ μὴ ἀδικεῖν καὶ γραφαὶ περὶ συμμαχίας. 3) Vgl. Rheinisches 
Museum XXXVIII (1883) p. 540—546. 4) III 22. 5) Mon. Ann. 
Bull. dell’ Inst. 1855 p. XLV—XLVI. Archaeologia 41 1 (London 1867) pl. V 1, 2; 


VI 1; VII—XI p. 199—206. Mon. dell’ Inst. VIII T. XXVI, Ann. 1866 Tav. 
d’agg. GH p. 186—189; Mon. X T. XXXI—XXXII, Ann. 1876 p. 248—254; 
Mon. XI T. Il, Ann. 1879 Τὰν. d’agg. C p. 5—18. 6) 5. oben 3. 27 Anm. 1. 


32 Die Quellen. 


Die Denkmälerstatistik ist zu lückenhaft, um eine Beurteilung 
der latinischen Handelsverhältnisse während des 5. und 4. Jahr- 
hunderts v. Chr. zu ermöglichen. Dagegen beweist sie auf das 
schlagendste, dafs die phönikische Einfuhr in Etrurien seit dem Ende 
des 6. Jahrhunderts beträchtlich abnahm. Die dortigen Gräber, welche 
dem Ende dieses und den beiden folgenden Jahrhunderten angehören, 
enthalten neben Gegenständen lokaler Fabrik fast ausschliefslich Er- 
zeugnisse griechischer Industrie, unter denen die bemalten attischen 
Thongefälse am reichsten vertreten sind, hingegen nur sehr wenige 
phönikische Fabrikate. In Gräbern aus dem 5. Jahrhundert finden 
sich bisweilen goldene Ringe in Steigbügelform, deren Gravüren an 
den assyrischen Stil erinnern,') und Skarabäen aus grünem Jaspis mit 
ägyptisierenden Darstellungen.’) Da beide Gattungen von Anticaglien 
häufig in den karthagischen Nekropolen Sardiniens vorkommen,’) so 
dürfen wir mit Sicherheit annehmen, dafs die in Etrurien gefundenen 
Exemplare aus Karthago oder seinen Kolonien dorthin importiert sind. 
Aufserdem spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dafs die Ölfläschchen 
aus Alabaster, deren Gebrauch sich in Etrurien von dem 6. Jahr- 
hundert bis zur Kaiserzeit verfolgen lälst, wenigstens teilweise aus 
den berühmten phönikischen Parfümfabriken stamınen.*) Endlich wird 
es vielleicht mit der Zeit auch gelingen, gewisse Glasgefälse als phö- 
nikische Fabrikate auszuscheiden. 

Da jedoch die bisher besprochenen Kunstprodukte einer ver- 
hältnismäfsig späten Zeit angehören und auch die ältesten unter den 
Silbergefälsen höchstens in das 7. Jahrhundert hinaufreichen, so muls 
notwendig die Frage aufgeworfen werden, ob etwa ältere Denkmäler 
vorhanden sind, die über die phönikische Kunstübung in einer dem 
homerischen Zeitalter näher stehenden Epoche Aufschlufs geben. 

Wir haben hierbei zunächst einige Metallarbeiten zu berücksich- 
tigen, welche in den auf dem Burghügel von Mykenä entdeckten 
Schachtgräbern gefunden wurden und demnach älter sind, als der 
Einbruch der Dorier in die Peloponnes.°) Zu den künstlerisch aus- 


1) Micali, storia T. XLVI, 19, 21—23 (cf. vol. III p. 76); mon. ined. T. LIV 
12; Bull. dell’ Inst. 1882 p. 36 und 66. 2) Bull. dell’ Inst. 1878 p. 83—84, 
1880 p. 43—44. Vgl. auch Bull. 1878 p. 68, 1881 p. 91—92, 95—97. 3) Der- 
artige Goldringe sardinischer Provenienz, z. B. bei Crespi, Catalogo Chessa T. A 
15 p.22 n.4; Bull. dell’ Inst. 1882 p. 66—67. Die Skarabäen aus grünem Jaspis 
mit ägyptisierenden Darstellungen gehören bekanntlich zu den in diesen Nekro- 
polen am häufigsten vorkommenden Anticaglien. 4) In den Nekropolen der 
phönikischen Städte finden sich derartige Fläschchen, welche genau denjenigen 
italischer Provenienz entsprechen: Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 197—198. 
5) Vgl. unseren V. Abschnitt. 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 33 


gezeichnetsten Stücken dieser Provenienz gehört ein silberner Rinds- 
kopf mit goldenen Hörnern und einer goldenen Rosette über der Stirn.') 
Bereits Newton?) und Lenormant?) haben darauf hingewiesen, dafs 
die Wandmalereien eines der Zeit des Königs Thutmes III (nach 
Lepsius 1591—65 v. Chr.) angehörigen Grabes’) einen ganz ähnlichen 
Gegenstand unter den Tributen der Kefa d. 1. der Phönikier’) dar- 
stellen. Und eine andere Analogie bietet eine auf Kypros gefundene 
männliche Porträtstatue, welche die Büste eines Rindes auf der 
Linken hält.°) Hiernach dürfen wir annehmen, dafs die in Mykenä 
gefundene Silberarbeit aus einer phönikischen Fabrik stammt. Die 
Behandlung der Formen erscheint frei von allem Konventionellen, 
zeigt vielmehr einen fein gefühlten Naturalismus, derartig, dafs ein 
hervorragender Kenner der griechischen Kunst‘) kein Bedenken trug, 
darin eine griechische Arbeit aus dem 3. Jahrhundert 
v. Chr. zu erkennen. 

In einem anderen der mykenäischen Gräber fan- 
den sich zwei in Goldblech geprefste Figuren einer 
nackten Göttin, beide mit einer Taube auf dem 
Kopfe (Fig. 3), die eine aulserdem mit einer Taube 
neben jeder Schulter.) Milchhoefer”) und Lenor- 
mant!®) haben unabhängig von einander die Ver- 
mutung ausgesprochen, dafs die beiden Figuren Astarte 
darstellen, und hiermit entschieden das Richtige ge- 
troffen. Allerdings war der Kultus der Astarte bei- 
nahe allen semitischen Stämmen gemeinsam. Nichts al. 
destoweniger aber spricht die gröfste Wahrschein- Fig. 3. 
liehkeit für die Annahme der pönikishen tn, rin 
denn fünf ganz ähnliche Goldbleche, welche in zwei 
anderen jener Gräber gefunden wurden, stellen ein von Tauben um- 
gebenes Gebäude dar,'!) das an den besonders durch kyprische 
Münzen bekannten Aphroditetempel von Paphos!?) erinnert. Die 
> 


1) Schliemann, Mykenä p. 250, 251 n. 327, 328. 2) Essays on art and 
archaeology p. 293. 3) Les antiquites de la Troade II p. 23. 4) Hoskins, 
travels in Ethiopia pl. 47 p. 331. Vgl. oben Seite 25, Anm. 2. 5) Brugsch, 
Geschichte Aegyptens p. 208—211. 6) Döll, Sammlung Cesnola T. VI5n. 124; 
Cesnola-Stern, Cypern T. XXXVI. 7) Stephani, Compte rendu 1877 p. 37. 
8) Schliemann, Mykenä p. 209 n. 267, 268; Milchhoefer, die Anfünge der Kunst 
in Griechenland p. 8 n. 1. 9) Mittheilungen des deutschen arch. Institutes in 
Athen II (1877) p. 271. 10) Gazette archeologique IV (1878) p. 78—81. 
11) 2 Exemplare wurden in dem dritten (Schliemann a. a. OÖ. p. 306. n. 423; 
Milchhoefer, die Museen Athens p. 91°; Milchhoefer, die Anfänge der Kunst 
p. 8 n. 2), 3 in dem vierten Grabe gefunden (Milchhoefer a. a. Ὁ. p. 958). 
12) Millin, gal. mythol. pl. XLIII 171—173; Gerhard, ges. akad. Abhandl. T. XLI 2; 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 5) 


94 Die Quellen. 


Körperformen der Göttin sind an beiden Figuren mit einer auf- 
fälligen Weichheit, die Profile der Köpfe an beiden Exemplaren in 
abweichender, aber hier wie dort sehr individueller Weise behandelt. 
Ein Versuch zu stilisieren ist höchstens in der Bildung des Ge- 
schlechtsteiles erkennbar. Ebenso herrscht in der Bildung der den 
Tempel umgebenden Tauben ein laxes Prinzip, welches in entschie- 


N, \ ἢ 
ZINN: 


at fe mn 


Fig. 4. 


denem Gegensatze zu dem gewissermafsen heraldischen Typus steht, 
unter dem die gereifte ägyptische und mesopotamische Kunst Tier- 
figuren zu bilden pflegt. Wenn demnach jener silberne Rindskopt 
und die Goldbleche, wie es den Anschein hat, phönikische Fabrikate 
sind, so ergiebt sich, dafs die phönikische Kunst in der vor die dorische 
Wanderung fallenden Zeit eine naturalistische Richtung verfolgte. 
Aufserdem gehört hierher eine bronzene Schale, welche in einem 


Perrot et Chipiez III p. 120 n. 58. Die übrige Litteratur 5. Gazette arch. IV 
(1878) p. 812.12 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 35 


phönikischen Grabe bei Idalion auf Kypros gefunden wurde (Fig. 4)}). 
Ist auch der auf ihr dargestellte Reigentanz keineswegs sorgfältig 
ausgeführt, so beweisen doch die rundlichen Formen und die lebendige 
Bewegung der Figuren, wie die rohe Individualisierung ihrer Ge- 
sichter, dafs diese Reliefs mit dem anf den Silberschalen herrschen- 
den ägyptisch-assyrischen Mischstile nichts zu thun haben, sondern 
durch eine entschieden naturalistische 
Richtung bedingt sind. Auch in diesem 
Falle lassen die Fundumstände auf 
eine sehr frühe Zeit schliefsen; denn 
das Grab enthielt aufser jener Schale 
eine Lanzenspitze und eine Axt aus | 
Bronze sowie Thongefälse, die mit geo- 
metrischen Ornamenten bemalt sind 
und innerhalb der kyprischen Gruppe 
dieser Gattung zu den primitivsten 
Exemplaren gehören.”) Ferner ver- 
weise ich auf zwei bronzene Krieger- 
figuren, die sich in Phönikien gefunden 
und nach der unvollkommenen Weise 
ihres Gusses einem sehr alten Stadium 
der dortigen Metallurgie zuzuschreiben 
sind. In der einen,’) als deren Fund- 
ort Tortosa (Antarados) namhaft ge- 
macht wird (Fig. 5), herrscht die 
naturalistische Richtung vollständig 
unbeschränkt. Die andere,*) aus Lata- 
kieh stammend, zeigt in der Bildung 
des Gesichtes eine merkwürdig indivi- 
duelle Charakteristik, in dem Ausdrucke 
der Kniescheiben und der Wadenmuskeln 
dagegen bereits einen Versuch, wie es 
scheint nach assyrischem Muster, zu 
stilisieren. Für ihre Zeitbestimmung 
ist Longperier’s Bemerkung beachtens- εἰν ἦν 

wert, dafs die Haartracht an die von Semiten erinnert, welche auf 
1) Rev. archeol. XXIV (1872) pl. XXIV; Cesnola-Stern, Cypern T.IX p. 74; 
Perrot et Chipiez III p. 673 n. 482 (hiernach unsere Fig. 4); Holwerda, die 
alten Kyprier in Kunst und Kultur T. VII 20 p. 31—36. 2) Cesnola-Stern 
ἃ. ἃ. Ὁ. p. 74. Die Vasen sind abgebildet auf T. VII. 3) De Longperier, Musde 
Napoleon III pl. XXI 1; Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 405 n. 277; 


hiernach unsere Fig. 5. 4) De Longperier ἃ. ἃ. Ο. pl. XXI 2; Perrot et Chipiez 
III p. 430 n. 304. 


5* 


36 Die Quellen. 


ägyptischen Denkmälern der 13. Dynastie dargestellt sind. Soweit 
die Abbildung ein Urteil gestattet, zeigt auch eine dritte in Phönikien 
gefundene Bronzefigur, die einen Lyraspieler darstellt, eine entschieden 
naturalistische Bildung.) 

Endlich sind hierbei auch die Anfänge der griechischen Kunst 
zu berücksichtigen. Bei dem hohen Ansehen, in dem die phönikischen 
Kunstprodukte bei den Vorvätern der Hellenen standen,’) dürfen wır 
annehmen, dafs die ältesten künstlerischen Versuche der Griechen in 
der vielseitigsten Weise durch phönikische Vorbilder bestimmt wur- 
den und dafs sie die Abhängigkeit von diesen Vorbildern deutlich 
erkennen liefsen. Doch sucht man unter den Resten, welche sich 
aus jener Entwickelung erhalten haben, vergeblich nach einer Dar- 
stellung, die sich mit jenem ägyptisch-assyrischen Mischstile in Zu- 
sammenhang bringen liefse. Vielmehr weisen alle Denkmäler, die 
hierbei in Betracht kommen, auf eine naturalistische Kunstrichtung 
als Grundlage zurück. 

Es ist allgemein anerkannt, dafs die figürlichen Darstellungen der 
Vasengattung, die ὙΠ im besonderen durch die in Athen bei dem 
Dipylon gefundenen Exemplare kennen,?) zu den ältesten griechischen 
Leistungen dieser Art gehören. Keiner der Gelehrten, die sich mit 
diesen Vasen beschäftigt, hat daran gedacht, die auf ihnen wieder- 
gegebenen Typen von der ägyptisch-assyrischen Kunstweise abzuleiten. 
Vielmehr lauten die ausführlicher begründeten Ansichten dahin, dafs 
jene Typen entweder von den Vorfahren der Hellenen aus dem indo- 
europäischen Stadium mitgebracht oder von ihnen selbständig ge- 
staltet worden seien, bevor sie den Einflufs asiatischer Kunstübung 
erfuhren. Da die erstere Ansicht von dem Gelehrten, der sie aus- 
gesprochen, zurückgenommen worden ist,‘) so brauche ich auf die- 
selbe nicht einzugehen. Dagegen scheint es mir notwendig, mich 
mit der anderen Auffassung, nach welcher die auf jenen Vasen dar- 
gestellten Typen selbständige Schöpfungen des griechischen Geistes 
wären, in aller Kürze auseinander zu setzen. Es ist unnötig, die 
kulturhistorische Anomalie, welche sich bei dieser Annahme heraus- 
stellen würde, zu entwickeln, da die Vasenbilder selbst die Wider- 
legung ermöglichen. Eines der altertümlichsten Exemplare unter den 


1) Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 406 n. 278. Die im Alpheios 
gefundene, mit einer aramäischen Inschrift versehene Bronzeschale (Perrot et 
Chipiez III p. 783 n. 550) wage ich nicht in diese Reihe einzufügen, da allerlei 
stilistische Eigentümlichkeiten und, wie es scheint, auch der Charakter der Inschrift 
auf eine spätere Zeit hinweisen. 2) S. oben $. 18—19. 3) Mon. dell’ Inst. IX 
T. XXXIX, XL, Ann. 1872 p. 131—181. Vgl. unseren V. Abschnitt. 4) Ann. 
dell’ Inst. 1877 p. 395. 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 37 


Funden vom Dipylon ist ein kolossales Gefäfs, dessen Malereien einen 
Leichenzug darstellen.") Der Tote ruht auf einem mit zwei Pferden 
bespannten Wagen; vor den Pferden stehen Männer mit dem Schwerte 
umgürtet, hinter dem Wagen zehn klagende Frauen, welche die Arme 
erhoben und die Hände auf den Kopf gelegt haben; fünf ähnliche 
Frauengestalten sind in einem besonders umrahmten Streifen neben 
den Pferdeköpfen beigefügt. Der Maler hat alle diese Frauen nackt 
gebildet und dabei ihre Brüste in sehr nachdrücklicher Weise her- 
vorgehoben (Fig. 6). Eine solche Darstellungsweise kann unmöglich 


τε ----- - -- en Ge he τ τς nn un 


Fig. 6. Drei klagende Frauen auf einer Dipylonvase. 


das Resultat griechischer Anschauung sein. Die Erfahrung lehrt, dafs 
jede Kunst, welche sich selbständig und, ohne durch fremde Einflüsse 
bestimmt zu werden, entwickelt, zunächst darauf ausgeht, die reale 
Erscheinung möglichst getreu wiederzugeben. Schwerlich aber wird 
jemand die Behauptung wagen, dafs die griechischen Frauen zu der 
Zeit, in der jenes Gefäls gearbeitet wurde, nackt einhergegangen seien, 
oder dafs der damalige Sepulkralritus ein derartiges Auftreten erfordert 
habe. Vielmehr war offenbar der Einfluls einer fremden Kunst mafs- 
gebend,- welche Frauengestalten unter Umständen nackt darstellte. 
Und unwillkürlich denkt man hierbei an ähnliche Figuren, wie die 
in dem mykenäischen Grabe gefundenen Astartebilder.”) Die Über- 


1) Mon. dell’ Inst. IX T. XXXIX 1, XL 1; Ann. 1872 p. 142—144. 2) 5. 
oben 8. 33. 


38 Die Quellen. 


einstimmung beschränkt sich keineswegs auf die Nacktheit, sondern 
erstreckt sich auch auf wesentliche Eigentümlichkeiten in der Wieder- 
gabe des Körpers. Wie die Astartebilder haben die auf den Dipylon- 
vasen gemalten Figuren einen auffällig spitzen Gesiehtswinkel; hier 
wie dort sind Kopf und Beine in der Profil-, die Brust und der Bauch 
dagegen in der Vorderansicht wiedergegeben und die Beine, mit beiden 
Fülsen gleichmäfsig aufsetzend, parallel neben einander gestellt. Jeden- 
falls ergiebt sich eine vollständig organische Entwiekelung, wenn wir 
annehmen, dafs den figürlichen Darstellüngen auf den Thongefälsen 
eine ähnliche Kunstrichtung, wie sie durch jene Astartebilder vertreten 
ist, als Grundlage diente. 

Hiernach sind in der Geschichte der phönikischen Kunst zwei 
Perioden zu unterscheiden. In der ältesten Zeit herrschte eine natura- 
listische Richtung. Die Frage, ob diese Richtung von den Phönikiern 
selbständig ausgebildet wurde oder ob dabei Einflüsse aus Ägypten 
oder aus Chaldäa wirksam waren, Ländern, in denen die Kunst eben- 
falls mit einer möglichst getreuen Nachahmung der Natur begann,!) 
ist schwer zu beantworten und ihre Lösung für den bestimmten 
Zweck unserer Untersuchung gleichgiltis. In diesem Stadium be- 
griffen, bestimmte die phönikische Kunst die ersten bildnerischen 
Versuche der Griechen. Unterdes war in Ägypten wie in Meso- 
potamien allmählich ein konventioneller Stil zur Ausbildung gekommen. 
Die Phönikier konnten sich bei den vielfachen politischen und kom- 
merziellen Beziehungen, welche zwischen ihnen und den Bevölkerungen 
jener beiden Länder statt hatten, dem Einflusse dieser neuen Rich- 
tungen nicht entziehen und entlehnten nunmehr allerlei Elemente 
aus der typisch ausgeprägten ägyptischen und assyrischen Kunst. 
Wann diese zweite Periode begann, läfst sich nicht mit Sicherheit 
bestimmen. Allerdings wurden bereits von den tyrischen Künstlern, 
welche gegen Ende des 11. Jahrhunderts v. Chr. bei dem Bau und 
der Ausstattung, des salomonischen Tempels thätig waren, Typen; wie 
die Cherubim?), "verwendet, die auch der mesopotamischen Kunst ge- 
läufig waren. Doch wissen wir nicht, ob und in wie weit hierbei 
Entlehnung oder gemeinsames Eigentum der verschiedenen semi- 
tischen Stämme anzunehmen ist. Über die stilistische Ausdrucks- 
weise, deren Kenntnis das Problem lösen würde, läfst uns die Be- 
schreibung selbstverständlich im Dunkeln. Dagegen scheint es, dafs 


1) Über Agypten vgl. Perrot et Chipiez, histoire de l’art dans V’antiquite 
I p. 86 ff, p. 633 ff.; über Chaldäa Heuzey, les figurines antiques de terre cuite 
du Louvre pl. 2, p. 2, Perrot et Chipiez a. a. O. II p. 586 ff., besonders p. 594. 
2) I. Könige 6, 938. 99, 32, 35; 7, 29, 36. II. Chron. 8, 10—13. Vgl. Ann. dell’ 
Inst. 1876 Ρ. 208---209. 


II. Die phönikische Kunstindustrie. 39 


die damalige phönikische Kunst bereits Einflüsse aus dem Nilthale 
erfahren hatte; denn der salomonische Tempel stimmte in dem Grund- 
schema mit dem ägyptischen überein!) und ebenso weist die sehr 
eingehende Beschreibung der Säulenkapitäle des Vorhofes, die oben 
die Form einer Lotosblume hatten und deren Schwellungen mit Netz- 
werk überzogen und mit Granatschnüren eingefafst waren?), auf einen 
ägyptischen Typus hin.?) Jedenfalls bezeugen die vielfach angeführten 
Silbergefälse und die auf Sardinien gefundenen karthagischen Anti- 
caglien, dafs die mit ägyptischen und assyrischen Elementen thätige 
Richtung mindestens seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. eine weite 
Verbreitung gefunden hatte und nicht nur in der Kunst der östlichen, 
sondern auch der westlichen Phönikier herrschte. Indes bewahrten 
die Phönikier, wie es bei den eigentümlichen Bedingungen ihrer 
Entwickelung nicht anders. der Fall sem konnte, gegenüber den 
fremden Typen immerhin ihre Individualität und brachten sie mit 
einer freieren Charakteristik, als die Ägypter und Assyrer, zum Aus- 
druck. Aulserdem stirbt die ältere Richtung mit dem Aufkommen 
der jüngeren keineswegs ab, sondern geht öfters auf demselben Denk- 
male neben der letzteren her. Einen besonders bezeichnenden Beleg 
für diese Erscheinung bietet die Silberschale von Amathus.?) Die 
Belagerung, welche sich auf der äulsersten Zone entwickelt, ist mit 
auffälliger Freiheit und Lebendigkeit geschildert, während in den 
auf den beiden inneren Zonen dargestellten Götterfiguren und ge- 
flügelten Sphinxen das starre Prinzip ägyptischer und assyrischer 
Kunstweise vorwaltet. Ja in gewissen Produkten behauptet die freiere 
Richtung unumschränkt das Feld. Es gilt dies für eine bestimmte 
Gattung von Metallarbeiten, die in dem mehrfach erwähnten cäretaner 
Grabe?) besonders reich vertreten war. Ich begnüge mich auf goldene 
Schmuckstücke zu verweisen, wie einen Brustschild,°) zwei Armbänder”) 
und eine kolossale Fibula*) Die menschlichen wie die Tierfiguren 
zeigen innerhalb dieser Gattung durchweg eine sehr laxe Behand- 
lungsweise. Nichts destoweniger aber mufs eine derartige Kunst- 
richtung mit der ägyptische und assyrische Elemente mischenden 


1) De Saulcy, Vart judaique p. 196 ff.; de Vogüe, le temple de Jerusalem 
2,27%, 2) IL Könige 7, 15—20, 22, 41, 42. II. Chron. 3, 15—17; 4, 12, 13. 
3) De Vogüe a. a. O. p. 29ff. Vgl. pl. XIV. 4) Revue archeologique XXXI 
(1876) pl.I; Cesnola-Stern, Cypern T. LI; unsere Tafel 1. 5) Oben Seite 30 
Anm. 5. 6) Grifi, mon. di Cere T. I; Mus. Gregorian. I T.LXXXI, LXXXILI. 
7) Grifi T. UT 4; Mus. Gregorian. 1 T. LXXVI. 8) Grifi T.Il; Mus. Gregorlan, 1 
T.LXXXIV, LXXXV. Dafs dieses merkwürdige Stück eine Fibula ist, hat Mon- 
telius, Spännen frän Bronsäldern p. 147 (p. 145 Fig. 148) richtig erkannt. Vgl. 
Ann, dell’ Inst. 1885 p. 30. 


40 Die Quellen. 


gleichzeitig geübt worden sein; denn in jenem cäretaner wie in den 
verwandten pränestiner Gräbern‘) haben sich Exemplare beider Gat- 
tungen neben einander gefunden. Nach meiner Ansicht stammen 
auch die Gegenstände, in deren Dekoration eine freie Richtung 
herrscht, aus phönikischen Fabriken, wogegen Langbehn?) neuer- 
dings den Versuch gemacht hat, sie der Kunstindustrie der klein- 
asiatischen Dorier zuzuschreiben. Doch wird diese Frage, bei der 
eine ansehnliche Reihe von italischen Funden in Betracht zu ziehen 
ist, zweekmälsiger im zweiten Bande meiner „Beiträge zur altıta- 
lischen Kultur- und Kunstgeschichte“ Erörterung finden. Zudem ist 
ihre Beantwortung für den bestimmten Zweck des vorliegenden Buches 
ohne Belang. Mag nämlich jene Denkmälergattung phönikischen oder 
oriechischen Ursprungs sein, immerhin reicht sie hoch in das 6. Jahr- 
hundert hinauf und dieser Umstand berechtigt dazu, sie in dem einen 
wie in dem anderen Falle bei einer die homerische Kultur betreffen- 
den Untersuchung in das Auge zu fassen. 


III, Die archaische griechische und italische Kunst. 


Wie bereits bemerkt wurde, dürfen wir annehmen, dafs die 
griechische Kunst mit der Nachahmung der aus dem Morgenlande 
eingeführten Industrieprodukte begann und während der ersten Sta- 
dien ihrer Entwickelung den vielseitigsten orientalischen Einflüssen 
unterlag. Wann sich der nationale Geist energischer zu regen an- 
fing und den künstlerischen Erzeugnissen einen besonderen Stempel 
aufdrückte, ist schwer zu bestimmen. Nach allen Analogieen ging 
dieser Prozefs in unmerklichen Übergängen vor sich und wuchs die 
hellenische Kunst allmählich aus den orientalischen Vorbildern heraus.) 
/war lälst es sich beweisen, dafs die Hellenen schon im 7. Jahrhundert 
v. Chr. manche der fremden Typen in eigentümlicher Weise umbil- 
deten.*) Nichtsdestoweniger aber bleibt die asiatische Grundlage 
während des 7., 6. und selbst eines Teiles des 5. Jahrhunderts deut- 
lich erkennbar. Hat sich doch der orientalische Zopf, der Krobylos, 
in Attika bis beinah zur perikleischen Epoche behauptet.’) Erst um 


1) Innerhalb der letzteren ist der laxe Stil vertreten z. B. durch den Streifen 
aus Goldblech Mon. dell’ Inst. X T. XXXI2 5 und durch den Henkel Mon. dell’ 


Inst. XI T. II 9— 9, 2) Flügelgestalten der ältesten griechischen Kunst 
Ῥ. 794. Ὁ. 968. 3) Vgl. namentlich die trefflichen Bemerkungen von 


Löschcke, Arch. Zeit. 1881 p. 46—52. 4) Vgl. z. B. Furtwängler, die Bronze- 
funde aus Olympia p. 51 ff., Milchhoefer, Arch. Zeit. 1881 p. 289. 5) Thukyd. 
1 6, 2: καὶ οἵ πρεσβύτεροι αὐτοῖς τῶν εὐδαιμόνων διὰ τὸ ἁβροδίαιτον οὐ πολὺς 
χρόνος ἐπειδὴ χιτῶνάς τε λινοῦς ἐπαύσαντο φοροῦντες καὶ χρυσῶν τεττίγων ἐνέρσει 
πρωβύλον ἀναδούμενοι τῶν ἔν τῇ κεφαλῇ τριχῶν: ἀφ᾽ οὗ καὶ Ἰώνων τοὺς πρεσ- 


II. Die archaische griechische und italische Kunst. 41 


die Mitte des 5. Jahrhunderts wird die Zersetzung des barbarischen 
Elementes zu einer vollendeten Thatsache und findet der hellenische 
Geist einen in jeder Hinsicht selbständigen und eigentümlichen Aus- 
druck. Wenn demnach das Prinzip, welches während des homerischen 
Zeitalters in den importierten Kunstgegenständen, wie in der eigenen 
Produktion der Griechen herrschte, bis zur Blütezeit wirksam war, 
so sind wir berechtigt sämtliche Erzeugnisse der archaischen grie- 
chischen Kunst in den Kreis der Untersuchung zu ziehen, wobei es 
sich von selbst versteht, dafs ein Denkmal um so mehr Berücksich- 
tigung verdient, je näher sein Ursprung an die Entstehungszeit des 
Epos heranreicht. 

Aulserdem ist die italische und im besonderen die etruskische 
Kunst zu berücksichtigen. Die bildnerische Thätigkeit der Etrusker 
wurde in ihren ältesten Stadien sowohl durch phönikische — oder 
karthagische!) — wie durch hellenische Einflüsse, seit dem Ende 
des 6. Jahrhunderts fast ausschliefslich durch die letzteren bestimmt. 
Doch verhielt sie sich hierbei sehr konservativ und es pflegte eine 
geraume Zeit zu verstreichen, bis eine neue Richtung, die in der 
griechischen Kunst mafsgebend geworden war, auf die Etrusker zu 
wirken anfing. Als Belege für diese Erscheinung genügt es nur 
wenige besonders schlagende Thatsachen anzuführen. Allgemein an- 
erkannt ist, dals die mit Reliefs verzierten schwarzen Thongefäfse, 
die sogenannten vası 641 bucchero, die sich häufig in etruskischen 
Gräbern finden, zu den Erzeugnissen der lokalen Keramik gehören. 
Die älteste Gattung dieser Gefälse zeigt in der Dekoration, mag sie 
ornamentaler oder figürlicher Art sein, einen hocharchaischen Stil, 
in dem der asiatische Charakter vorwaltet, während nebenbei auch 
einzelne ägyptisierende Motive unterlaufen.) Nichtsdestoweniger 
reicht die Fabrik derartiger Gefäfse bis tief in das 5. Jahrhundert 
v. Chr. herab; denn Exemplare derselben finden sich in etruskischen 
Gräbern neben schwarz- und rotfigurigen attischen Vasen.) Das 
Gleiche gilt für Arbeiten aus Elfenbein oder Knochen, die mit 
grölster Wahrscheinlichkeit etruskischen Drechslern zugeschrieben 


βυτέρους κατὰ τὸ ξυγγενὲς ἐπὶ πολὺ αὕτη ἡ σκευὴ κατέσχεν. Der im Rheinischen 
Museum XXXVI (1881) p. 259 gemachte Vorschlag, τοὺς πρεσβυτέρους zu strei- 
chen und ᾿Ιώνων ἐπὶ πολύ zu konstruieren, scheint mir grundlos. Vgl. Comm. 
in honorem Mommseni p. 616 ff. Studniezka, Beiträge zur Geschichte der alt- 
griechischen Tracht (Abhandl. des archäol.-epigr. Seminars der Universität Wien 
VI 1) p. 18—20, p. 24—26. 1) Ich erinnere an den Becher mit Figuren von 
Patäken auf dem Kelche: Bull. dell’ Inst. 1879 p. 6. 2) Eine ägyptische 
Haartracht und einen ägyptisierenden Stil zeigen im besonderen die häufig an 
diesen Gefülsen angebrachten weiblichen Masken. 3) Bull. dell’ Inst. 1880 p. 248, 
1881 p. 271. Vgl. Ann. 1884 p. 143—145. 


42 Die Quellen. 


werden und deren figürliche Reliefs ebenfalls einen sehr alten Stil 
bekunden.!) Endlich sei hier auch noch der Steinplatten gedacht, 
mit denen die Bewohner von Tarquini in der ersten Hälfte des 
5. Jahrhunderts bisweilen die Eingänge vornehmerer Gräber schlossen.) 
Die darauf eingemeifselten Tierfiguren zeigen das streng typische 
Prinzip altasiatischer Kunstweise. 


Diese konservative Richtung erstreckt sich auch auf die Klei-- 


dung. In der ältesten Gruppe der cornetaner Grabgemälde, die un- 
gefähr bis gegen die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. herabreicht,?) 
treten die Frauen in einer altertümlichen Tracht auf, für die im 
besonderen eine hohe steife Haube bezeichnend ist. Wie ich im 
weiteren nachweisen werde, hat sich dieser Kopfschmuck aus Asien 
allmählich nach dem Westen verbreitet. Mag es zweifelhaft sein, 
ob er durch den Verkehr der Phönikier, der Chalkidier oder der 
Phokäer‘) in Italien eingeführt wurde, immerhin dürfen wır die auf 
jenen Grabgemälden dargestellte Kleidung, falls sie mit der epischen 
Schilderung übereinstimmt, zur Veranschaulichung der homerischen 
Tracht benutzen. 

In gewissen auf der Ostseite des Apennin gelegenen Gebieten 
hat sich nicht nur das Handwerk, sondern die Kultur überhaupt 
sehr langsam entwickelt, eine 'Thatsache, die offenbar damit zusam- 
menhängt, dafs der griechische Einfluls hier in ungleich geringerem 
(Grade wirkte, als in den westlich von dem Gebirge gelegenen Land- 
schaften.) Ich erinnere an die Hartnäckigkeit, mit der sich die 
barbarısche Neigung für den Bernsteinschmuck bei den in der Po- 
ebene ansässigen Etruskern, bei den Picentinern und weiter südlich 
bei den apulischen Völkerschaften behauptete.) Die in der Poebene 
geübte Kunst verwendete noch im 5. Jahrhundert v. Chr. uralte 
Motive, deren Ursprung zum Teil über die dorische Wanderung 


1) Mon. dell’ Inst. VI T. XLVI 1—4 (vgl. Ann. 1860 p. 472); Bull. 1882 


p. 338, 1883 p. 41—42. 2) Stackelberg und Kestner, Gräber von Corneto 
T. XXVII. Micali, storia T. LXVII 7. Semper, der Stil I p.435. Bull. dell’ Inst. 
1882 p. 47. Not. d. βοῶν. comm. all’ ace. dei Lincei 1881 p. 366. 3) Vgl. 


Helbig über den Pileus der alten Italiker (Sitzungsber. der bayer. Ak. d. Wiss. 
Sitzung der philos.-philolog. Klasse vom 6. Nov. 1880) p. 497 Anm. 1 und 
Ghirardini in den Not. ἃ. βοῶν. 1881 p. 366—67. 4) Herodot I 163: Οἷ δὲ 
Φωκαιέες οὗτοι ναντιλίῃσι μακρῇσι πρῶτοι Ελλήνων ἐχρήσαντο, καὶ τόν τε ᾿ἀδρίην 
καὶ τὴν Τυρσηνίην καὶ τὴν ᾿Ιβηρίην καὶ τὸν Ταρτησὸν οὗτοί εἰσι οἵ καταδέξαντες. 
Phokäische Münzen der ältesten Prägung haben sich in Volterra gefunden: Perio- 
dico di numism. IV p. 208, VI p. 55ff. Vgl. Deecke zu Ὁ. Müller, Etrusker 1 
p. 382. 5) Vgl. Helbig, die Italiker in der Poebene p. 119—122. 6) Helbig, 
osservazioni sopra il commercio dell’ ambra p. 15—17 (Ace. dei Lincei, a. OCLXXIV 


1876—77). 


III. Die archaische griechische und italische Kunst. 43 


hinaufreicht und die, mehr oder minder barbarisiert, wie es scheint 
auf dem Landwege, aus der Balkanhalbinsel in jene Gegend gelangt 
waren.') Unter den picentiner Nekropolen kennen wir am besten 
die von Tolentinum.’) Die bisher aufgedeckten Gräber reichen zum 
mindesten tief ın das 5. Jahrhundert v. Chr. herab, da sich in ein- 
zelnen derselben schwarzfigurige attische Vasen von ganz laxer Zeich- 
nung gefunden haben.) Trotz dieser späten Zeit aber tritt uns eine 
auffällig zurückgebliebene Kultur entgegen. Die Gräber der Krieger 
enthalten von Angriffswaffen nur Speere. Von metallenen Helmen, 
Panzern oder Beinschienen hat sich keine Spur gefunden. Die 
Schilde müssen in der Regel lediglich aus Holz oder Leder gearbeitet 
gewesen sein. Nur ein Grab enthielt zwei eiserne Randbeschläge, 
die möglicher Weise von Schilden herrühren.‘) So primitiv war 
demnach die Bewaffnung der Picentiner noch während des 5. Jahr- 
hunderts v. Chr.) Vor dem durch diese Gräber vergegenwärtigten 
Stadium befanden sich die Picentiner auf einer Kulturstufe®) ähnlich 
der, welche wir durch die Nekropole von Villanova bei Bologna und 
andere verwandte Reste kennen.‘) Durch welche Einflüsse sie in das 
jüngere Stadium, für das im besonderen der Gebrauch vieler eiser- 
nen Waffen und Werkzeuge bezeichnend ist, hinübergeleitet wurden, 
läfst sich vor der Hand nicht entscheiden. In der Denkmälerstatis- 
tik des östlichen Teiles der Apenninhalbinsel liegt eine Lücke vor, 
durch welche die Erkenntnis der dortigen Entwickelung beträchtlich 


1) Vgl. Ann. dell’ Inst. 1884 p. 164—165. 2) Bull. di paletnologia ita- 
liana V p. 198, VI p. 158—165. Not. ἃ. βοᾶν. 1880 p. 122, p. 262, p. 373—377. 
Ann. dell’ Inst. 1881 Tav. d’ agg. P, Q p. 214—220. 3) Bull. di pal. ital. VI 
p- 164, Ann. dell’ Inst. 1880 p. 243. 4) Ann. dell’ Inst. 1881 Tav. d’agg. Q1 
p. 217. Oder sind diese eisernen Reifen etwa Beschläge von Wagenrädern ? 
5) Nach Studniczka in der Zeitschrift für österr. Gymn. 1886 p. 196 liefse sich 
der in jenen Gräbern beobachtete Thatbestand auch daraus erklären, dafs die 
Männer nicht in der Kriegsrüstung, sondern im Stralsenanzuge beigesetzt wurden, 
zu dem auch noch bei Homer die Speere gehörten. Doch spricht hiergegen ein 
neuerdings bei San Ginesio in Picenum entdecktes Prachtgrab, in welchem dem 
Leichnam ein bronzener Helm, ein eisernes Schwert, ein Speer und ein Wurf- 
spiels mit eiserner Spitze beigegeben waren (Notizie degli scavi 1886 T. I 
p. 39—48). Dieser Mann war also sieher in der Kriegsrüstung beigesetzt. ' Der 
in Picenum ganz ungewöhnliche Reichtum des Grabes läfst auf eine sehr vor- 
nehme Persönlichkeit schliefsen. Wir dürfen demnach annehmen, dafs wie bei den 
Germanen (Tacit. Germania 6; ann. 11 14), so auch bei den alten Picentinern 
einzelne Vornehme vollkommener gerüstet und gewaffnet waren als die Masse 
des Polkes. 6) Ann. dell’ Inst. 1885 p. 62—63. Dieses Stadium ist z.B. durch 
die Nekropole von Monteroberto bei Jesi (Not. ἃ. scavi 1880 T. IX p. 343—348. 
Vgl. Bull. di paletn. ital. VII p. 90—96) vertreten. 7) Gozzadini, di un sepol- 
creto etrusco scoperto presso Bologna, Bol. 1854; intorno ad altre 71 tombe del 
sepolcreto etr. scop. presso Bologna, Bol. 1856. Vgl. unseren VI. Abschnitt, 


44 Die Quellen. 


erschwert wird. Das archaische Handwerk und Gewerbe der Taren- 
tiner ist nämlich so gut wie unbekannt, während das häufige Vor- 
kommen ihrer Münzen in Picenum!) beweist, dafs ihr Handel bis in 
diese Gegend hinaufreichte. Wenn einmal der älteste Teil der taren- 
tiner Nekropole der Untersuchung zugänglich geworden ist, dann 
wird es sich vielleicht herausstellen, dafs mancherleiı Waffen und 
Utensilien, die sich in den Gräbern von Tolentinum finden, aus Ta- 
rent stammen oder von picentiner Handwerkern nach eingeführten 
tarentiner Fabrikaten gearbeitet sind. Jedenfalls scheint es möglich, 
dafs diese Gräber altgriechische Typen enthalten. Wir dürfen dem- 
nach ihren Inhalt, wo er Berührungspunkte mit der epischen Schil- 
derung aufweist, ebenfalls für unsere Untersuchung verwerten. 
Ähnlich verhält es sich mit Resten, die in dem schwer zugäng- 
lichen Bereiche des Hochapennin entdeckt worden sind, wie z. B. 
den Gräbern von Alfedena (Aufidena) in dem Gebiete der Päligner.?) 
Da wir diese Gräber vor der Hand nur durch summarische Berichte 
kennen, so ist es schwer ihre Chronologie genauer zu bestimmen. 
Nur soviel läfst sich mit Sicherheit behaupten, dafs sie vor die Zeit 
fallen, in der die griechisch-römische Civilisation jene Gegenden be- 
rührte. Sollten sie aber auch in eine verhältnismäfsig späte Periode 
und selbst bis in das 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr. herabreichen, 
immerhin scheint es denkbar, dafs die dortige Bevölkerung, abge- 
schnitten von den gröfseren Verkehrsstrafsen, mancherlei Typen, die 
ihr in früher Zeit aus Tarent oder aus anderen griechischen Kolonieen 
zugekommen waren, viele Generationen hindurch festgehalten hat. 


IV. Das nordische Handwerk. 


Endlich hat unsere Untersuchung auch das nordische Handwerk 
zu berücksichtigen. Die erste Periode der mitteleuropäischen Bronze- 
technik wurde durch eine aus dem Südosten kommende Kulturströmung 
bedingt?) — eine wunderbare Thatsache, von der weder die historische 
Überlieferung noch eine Sage Kunde giebt, die aber nichtsdestoweniger 
durch die vergleichenden Analysen der modernen Paläoethnologie mit 
Sicherheit festgestellt ist. Dann folgt eine Periode, während deren 


1) Bull. dell’ Inst. 1882 p. 84 Anm. 1. 2) Not. d. scav. 1877 p. 115, 
p. 276—279, 1879 p. 320—325, 1882 p. 68—82, 1885 p. 344—392. 3) Vgl. im 
besonderen Worsaae, la colonisation de la Russie et du Nord scandinave et leur 
plus ancien &tat de civilisation in den M&moires de la societe des antiquaires du 
Nord 1872—77 p.73ff.; Montelius im Compte rendu du 7. congrös international 
d’arch£ologie et d’anthropologie (Stockholm 1876) I p. 491—509, derselbe, la Suede 
pr£historique (Stockholm 1874) p. 38 ff.; Sophus Müller, die nordische Bronzezeit, 
Jena 1878; Vndset, etudes sur l’äge de bronze de la Hongrie I, Christiania 1880. 


IV. Das nordische Handwerk. 45 


das mittlere Europa mancherlei Kultureinflüsse aus der Apenninhalb- 
insel erfuhr.') Diese Einflüsse beginnen bereits in der Zeit, während 
deren sich die italischen Völker in dem Stadium befanden, welches 
wir durch die Nekropole von Villanova bei Bologna?) und andere 
verwandte Grabstätten kennen, einem Stadium, das über den Anfang 
“der hellenischen Kolonisation des Westens hinaufreicht.) Als dann 
in dem weiteren Verlaufe der Entwickelung hellenische Städte an der 
sicilischen und campanischen Küste erstanden waren, wurden auch 
diese baldigst in den Verkehr hineingezogen, welcher die Apennin- 
halbinsel mit dem Norden verband.‘) In den ältesten griechischen 
Gräbern, die wir in Sicilien und Italien kennen, findet sich eine 
Gattung von Thonvasen, deren gelblicher Grund mit bräunlichen 
Streifenornamenten bemalt 150.) (Genau entsprechende Exemplare 
sind aus bayerischem Boden zu Tage gekommen.) Fragmente von 
Vasen korinthischen Stiles haben sich auf der im Starnbergersee ge- 
legenen Roseninsel gefunden.) Die bekannte bei Grächwyl in der 
Schweiz entdeckte bronzene Hydria?) ist eine archaische griechische 
und zwar, wie es scheint, eine, chalkidische Arbeit.) Eine gewisse 
Gattung von gerippten Cisten aus Bronzeblech'®) findet sich, im 
wesentlichen gleichartig, in der griechischen Nekropole von Kyme, 
in Gräbern der campanischen Osker, bei Allifae in Samnium,!') in 
Tarent,'?) auf der iapygischen Halbinsel,'?) in Apulien,'*) in Etrurien 
bei Vulci,'®)in Picenum,') der Pogegend'’) und an verschiedenen Stellen 


1) Vgl. im besonderen Vndset, das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa, 
Hamburg 1882 — wo in der Einleitung die einschlägige Litteratur zusammen- 
gestellt ist — und denselben in dem Bull. di paletnologia italiana VIII (1882) 
p. 36—44. 2) S. oben Seite 43 Anm. 7. 3) Vgl. hierüber unseren VI. Ab- 
schnitt. 4) Die meisten der in dem Folgenden angedeuteten Thatsachen haben 
in den Ann. dell’ Inst. 1880 p. 236—255 ausführliche Erörterung gefunden. 
5) Vgl. Helbig, die Italiker in der Poebene p. 84—86, Furtwängler, die Bronze- 


funde aus Olympia p. 47 und 51. 6) Lindenschmit, die Altertümer unserer 
heidn. Vorzeit, Band III, Heft VII, T. 3, 4. Über andere ähnliche Funde in 
Bayern: Ann. dell’ Inst. 1880 p. 237. 7) Beiträge zur Anthropologie und 
Vorgeschichte Bayerns I T. II 3—3b. Vgl. p. 3 n. 18, p. 6, p. 82. 8) Arch. 


Zeit. 1854 T. LXIII 1. Die übrige Litteratur in den Ann. dell’ Inst. 1880 p. 238 
not. 2. 9) Ann. dell’ Inst. 1880 p. 238—240. 10) Die bis zum Jahre 1879 
veröffentlichten Fundnotizen sind in den Ann. 1880 p. 240—255 zusammengestellt. 
Ich füge in den Anmerkungen nur die seitdem bekannt gewordenen - bei. 
11) Ann. dell’ Inst. 1884 p. 267. 12) Gazette archeologique VII p.93. 13) In 
der Nekropole von Rugge: Bull. dell’ Inst. 1881 p. 193—194. 14) In der 
Nekropole von Gnathia: Gazette arch. VII p. 93. 15) Ann. dell’ Inst. 1885 
p- 36—37 not. 3. 16) Ann. dell’ Inst. 1881 Tav. d’agg. P 7 p. 219, Bull. 
1882 p. 207—208. 17) Unterdes ist ein weiteres Exemplar bei Castelletto- 
Tieino (Notizie degli scavi 1885 T. I 1 p.27) und bei Este (Bull. dell’ Inst. 1882 
p. 81 not. 2) gefunden worden. 


46 Die Quellen. 


des mittleren Europa.') Sowohl während der ersten wie während der 
zweiten der im obigen bezeichneten Perioden ahmte die mitteleuro- 
päische Technik Vorbilder nach, welche aus dem höher civilisierten 
Süden importiert worden waren. Mochte hierbei auch der Typus 
der letzteren im Laufe der Zeit mancherlei Abwandlungen erfahren, 
immerhin sind diese nordischen Reproduktionen für unsere Unter- 
suchung von Wichtigkeit. Während nämlich im Mittelmeergebiete 
die Kulturphasen rasch aufeinander folgten und die für die einzelnen 
Phasen bezeichnenden Typen nur eine verhältnismälsig kurze Zeit 
im Gebrauche blieben, schritt die Entwickelung in dem mittleren 
Europa langsamer vorwärts und die einmal angenommenen Formen 
der Waffen und Geräte erhielten sich hier längere Zeit. Infolge dessen 
sind mancherlei Typen, welche aus dem Mittelmeergebiete nach dem 
Norden gelangten, in der letzteren Gegend durch zahlreichere Exem- 
plare vertreten, als in der ersteren. Ja, wir dürfen sogar annehmen, 
dals sich gewisse archaische Typen, die in dem Süden nicht mehr 
nachweisbar sind, in dem mittleren Europa erhalten haben, und 
gewinnen auf diese Weise die Berechtigung, die nordischen Fund- 
stücke zur Ergänzung des südlichen Denkmälermaterials zu ver- 
wenden. 

Auf diesen Überblick über die Entwickelungen, in denen wir Be- 
rührungspunkte mit der Kultur des homerischen Zeitalters zu gewärtigen 
haben, lasse ich eine Zusammenstellung der Fundgruppen folgen, die 
bei unserer Untersuchung besonders häufig Berücksichtigung finden 
werden. (Gegenüber einem übellaunigen Kritiker sei ausdrücklich be- 
merkt, dafs es nicht meine Aufgabe sein kann, das gesamte Material 
für eine Geschichte der vorklassischen griechischen Kunst zusammen- 
zustellen. Ebenso würde eine erschöpfende Behandlung jedes einzel- 
nen dieser Funde die Grenzen meines Buches überschreiten. Vielmehr 
beschränke ich mich darauf, im besonderen das zeitliche Verhältnis, 
in dem die einzelnen Gruppen zu dem Epos stehen, zu untersuchen 
und, soweit es angeht, zu bestimmen. Hierdurch wird die Dar- 


stellung an Knappheit und Präeision gewinnen; denn ich darf dann 


bei der Untersuchung der einzelnen Typen einfach auf die An- 


deutungen zurückverweisen, die in den beiden folgenden Kapiteln 
enthalten sind. 


1) Ganz neuerdings wurden 14 in einem Bronzebehälter geborgene Exem- 
plare bei Kurd (Ungarn, Tolnaer Comitat) im Kaposflusse gefunden: Wosinsky, 
etruskische Bronzegefälse in Kurd in der Ungarischen Revue VI (Budapest 1886), 
4. Heft. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 41 


V., Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 


Es bedarf keiner ausführlicheren Auseinandersetzung, um zu be- 
weisen, dafs die primitiven Niederlassungen, deren Reste Schliemann 
zu Hissarlik in der troischen Ebene entdeckte,') ungleich älter sind, 
als die homerischen Gedichte. Während in den letzteren keine Spur 
von dem Stadium, welches die Paläoethnologen mit dem Namen der 
Steinzeit bezeichnen, nachweisbar ist, hat sich in den troischen 
Schichten eine beträchtliche Menge von steinernen Werkzeugen — 
Äxten, Hämmern, Meifseln, Messern und Sägen — gefunden?) Da- 
gegen fehlten Schwerter und Fibulae (περόνη, πόρπη, Even), Gegen- 
stände, die in dem homerischen Zeitalter allgemein gebräuchlich 
waren, und Reste von Utensilien aus Eisen, einem Metalle, das öfter 
im Epos erwähnt wird) Die Bewaffnung jener Bevölkerung be- 
schränkte sich auf Speere, Pfeile und Dolche von sehr urtümlicher 
Ausführung. Während die Lanzenspitzen der homerischen Helden 
vermöge einer Röhre (αὐλός) auf den Schaft aufgepflanzt waren,‘) 
laufen die zu Hissarlik gefundenen bronzenen Lanzen- und Pfeilspitzen 
in eine Zunge aus, die in eine Spalte des Schaftes eingelassen 
wurde.) Die Drehscheibe muss im homerischen Zeitalter allgemein 
bekannt gewesen sein, da das Epos ihrer in einem Gleichnisse ge- 
denkt.‘) Hingegen sind die aus den troischen Niederlassungen stam- 
menden Thongefälse, abgesehen von ganz vereinzelten Ausnahmen, 


1) Schliemann, Troianische Alterthümer, Leipzig 1874; Atlas troianischer 
Alterthümer, Leipzig 1874; Ilios (Leipzig 1881) p. 240—655; Troja (Leipzig 1884) 
p. 33—216. Übrigens sind Reste einer ähnlichen Kultur auch aufserhalb Hissar- 
liks nachweisbar. Hier sei nur darauf hingewiesen, dafs kyprische Nekropolen, 
welche wie die von Alambra (Cesnola-Stern, Cypern p. 82 ff.) vor die phönikische 
Besiedelung fallen, ein Stadium bekunden, welches im wesentlichen dem durch 
die primitiven troischen Funde vergegenwärtigten entspricht — eine Thatsache, 
die Diimmler demnächst ausführlich darlegen wird. Vor der Hand vergleiche 
man das Repertorium für Kunstwissenschaft von Janitschek IX 2 p.200. 2) Z.B. 
Schliemann, Iios p. 270—271 ἢ. 83—89, p. 277 τ. 91—92, p. 279 τ. 93—98, 
p. 495—496 n. 656—677, p. 634—635 n. 1269—1281 (vgl. das Register p. 845 
u.d. W. Hämmer aus Stein, p. 870 Steinwerkzeuge, Streitäxte aus Stein); Schlie- 
mann, Troja: Register p. 451 u. d. W. Steinwaffen, Steinwerkzeuge. 3) 8. 
Buchholz, die homerischen Realien I 2 p. 355 ff. und unseren XXIV. Abschnitt. 
4) D. XVII 297. Vgl. unseren XXIV. Abschnitt. 5) Schliemann, Ilios p. 530 
n. 801—803, 805, p. 538 n. 815, p. 564 n. 931, 933, 942, 944, 946, p. 565 n. 955, 
957, p. 566 n. 968; Troja p. 101, p. 105 n. 33, p. 112. Ähnliche Lanzen- und 
Pfeilspitzen finden sich auf Kypros in der Nekropole von Alambra (vgl. die obige 
Anm. 1): Cesnola-Stern, Cypern T. XI (in der Mitte). 6) Il. XVII 600: ὡς 
ὅτε τις τροχὺν ἄρμενον ἐν παλάμῃσιν | ἑζόμενος κεραμεὺς πειρήσεται, alne ϑέῃσιν. 


48 Die Quellen. 


lediglich mit der Hand gearbeitet.) Während die Dichtung Kunst- 
sachen beschreibt, die mit einem reichen ornamentalen und figürlichen 
Schmucke versehen sind, erscheint die Dekoration der troischen Fund- 
stücke als eine sehr primitive. Besonders bezeichnend sind hierfür 
die Thongefäfse, deren Dekoration sich beschränkt auf einen einge- 
ritzten linearen Schmuck dürftigster Art und auf rohe Versuche, 
Teile des menschlichen oder tierischen Körpers plastisch auszu- 
drücken.°) Die Zahl der Gegenstände, welche auf weiter reichende 
Handelsbeziehungen hinweisen, ist sehr gering. Als sichere Zeug- 
nisse hierfür lassen sich nur allerlei Arbeiten aus Elfenbein an- 
führen,?) besonders Nadeln, Pfriemen und einige Fragmente, die nach 
Schliemanns Ansicht‘) von Lyren und Flöten herrühren. 

Die Reste von Hissarlik reichen somit in eine Epoche hinauf, in 
welcher das nordwestliche Kleinasien von der Kultur, die Chaldäa 
zum Ausgangspunkt hatte und sich von hier aus allmählich nach 
Norden und Westen verbreitete, nur in ganz oberflächlicher Weise 
berührt war. Als untere Zeitgrenze dürfen wir unbedenklich die 
äolische Besiedelung jenes Hügels annehmen, die im 11. oder 10. Jahr- 
hundert v. Chr. erfolgte und über den Schutt der primitiven Nieder- 
lassungen eine besondere, deutlich erkennbare Schicht abgelagert hat.°) 
Ein anderes chronologisches Kriterium bieten wie es scheint Ent- 
deckungen dar, die auf der Insel Thera gemacht worden sind.) 

Unter einer Pozzulanschicht, welche ein Ausbruch des in der 
Mitte der Insel gelegenen, gegenwärtig erloschenen Vulkanes abge- 
lagert, fand man Ruinen von aus unbehauenen Lavablöcken aufge- 
führten Wohnstätten und darin allerlei Hausgerät, besonders 'Thon- 
gefülse. Diese letzteren bekunden im Vergleich mit den troischen 
Exemplaren ein beträchtlich vorgeschrittenes Stadium. Die Verzie- 
rungen sind mit verschiedenen, zum Teil sehr lebhaften Farben 
aufgemalt. Die geometrischen Motive haben eine beträchtliche Ver- 
mehrung erfahren; ihre Syntax erscheint mamnigfaltiger und zeugt 
ın den meisten Fällen von einem richtigen Gefühle für Proportion 
und Symmetrie. Aufser den geometrischen kommen Ornamente von 


1) Schliemann, Troja p. 1—6, p. 38 ff., p. 183—184, p. 216. 2) Dumont 
et Chaplain, les c&ramiques de la Grece propre I p.9 und 12; Schliemann, Troja, 
kegister p. 458 u. ἃ. W. Vasen. Bemalte Thongefäfse fehlen in den primitiven 
Schichten (Schliemann, Tios p. 253, 256—257; Troja p. 152—153). Die Scherben 
mit aufgemalten geometrischen Ormamenten und geflügelten Sphinxen (Schlie- 
mann, Ilios p. 684 n. 1432—34; Troja p. 268; Dumont et Chaplain a. a. 0. 
p. 9 Fig. 20—21) wurden unter den Resten des äolischen Ilion gefunden. 
3) Schliemann, Ilios, Register p. 840 u. d.W. Elfenbein; Troja, Register p. 419. 
4) Ilios p. 473—475. 5) Vgl. besonders Schliemann, Ilios p. 684—687; Troja 
p. 217 ff. 6) Fouque, Santorin et ses eruptions p. 92—131. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 49 


Blättern und Blumen und, wiewohl selten, die Figuren von laufenden 
Vierfüfslern und von Vögeln vor.‘) Zugleich mit den Thongefäfsen 
wurden mancherlei steinerne Geräte, besonders Pfeilspitzen, Messer 
und Schabinstrumente aus Obsidian, gefunden?) — eine Thatsache, 
die wiederum zu dem Schlusse berechtigt, dafs die auf Thera ent- 
deckten Reste in die vorhomerische Epoche hinaufreichen. Dagegen 
war die Metallarbeit nur durch drei Stücke vertreten, nämlich durch 
eine kupferne Säge und durch zwei kleine offene Goldringe, die zu 
einem Halsschmucke gehört zu haben scheinen.) Fougque‘) nimmt 
an, dafs der vulkanische Ausbruch, welcher jene Wohnstätten begrub, 
ungefähr 2000 v. Chr. stattgefunden habe, eine Ansicht, die von 
Professor von Fritsch, einem anderen hervorragenden Gelehrten, der 
zugleich mit Fouque die geologische Beschaffenheit der Insel San- 
torin studierte, geteilt wird’) Wenn diese Ansicht richtig ist, so 
würden jene Wohnstätten wie ihr Inhalt vor diesen Termin fallen 
und die troischen Niederlassungen, die einem ungleich primitiveren 
Stadium angehören als die theräischen Funde, in noch ältere Zeit 
hinaufreichen. 

Über eine bei Ialysos auf Rhodos entdeckte Gräbergruppe®) fällt 
es schwer, ein endsiltiges Urteil abzugeben, so lange der Ausgra- 
bungsbericht und mehrere gerade der bezeichnendsten Fundstücke 
noch nicht publiziert sind. Nur über die Thongefäfse und die 
Schmuckgegenstände aus Glaspaste sind wir genauer unterrichtet.‘) 
Was die Thongefälse betrifft, so zeigen sie mancherlei Berührungs- 
punkte mit den theräischen, die engste Verwandtschaft aber mit 
den von Schliemann auf dem Burghügel von Mykenä gefundenen 
Exemplaren. Beachtung verdient der Umstand, dafs aus der rhodi- 
schen Nekropole zwei Gefälstypen, die sogenannte Bügelkanne*) und 
der Polypenkelch,”) zu Tage gekommen sind, die zu Mykenä in der 
ältesten durch die Schachtgräber gebildeten Schicht noch fehlen und 
erst in dem unmittelbar auf diese Gräber folgenden Stadium auf- 
treten.') Hiernach scheint es, dafs die Nekropole von lalysos wenig- 


1) Fouque a. a. Ο. pl. XXXIX—XLH p. 106—108, 112—114, 117, 120, 
122—127; Dumont et Chaplain, les ceramiques de la Grece propre I pl. I, Il 
p. 19—42. 2) Fouque a. a. O. p. 98, 105, 112, 121, 124, 125, 128. 3) Fouque 
a. a. OÖ. p. 105, 121. 4) Fouque a. a. Ο. p. 129. 5) Nach brieflicher Mit- 
teilung von F. Dümnnler. 6) Arch. Zeitung 1873 p. 104—105 ; Newton, essays 
on art p. 284 ff.; Gazette arch6ologique V (1879) pl. 26, 27 p. 202; Lenormant, 
les antiquites de la Troade II p. 34; Dumont et Chaplain, les c&ramiques de la 
Grece propre pl. HI p. 43—46, p. 60—61 Fig. 36. 7) Vgl. besonders Dumont 
et Chaplain a. a. O. pl. III p. 43—46, p. 52—54, p. 60—61 Fig. 36. 8) Du- 
mont et Chaplain ἃ. ἃ. Ὁ. pl. II 9. 9) Dumont et Chaplain pl. ΠΠ 1. 10) Das 
Kuppelgrab bei Menidi herausg. vom deutschen arch. Institute in Athen p. 48, 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 4 


50 Die Quellen. 


stens zum Teil einer jenem jüngeren Stadium parallelen Entwicke- 
lung angehört. Einen bestimmten zeitlichen Anhaltspunkt bietet 
die Thatsache, dafs sich darin ein Skarabäus mit dem Namen des 
Königs Amenophis III gefunden hat,') der im 16. Jahrhundert 
v. Chr. regierte. Indes geht die chronologische Untersuchung am 
besten von den mykenäischen Schachtgräbern aus, deren Inhalt dem 
der rhodischen Nekropole nahe steht, aber reicher und genauer be- 
kannt ist.) 

Ehe ich mich jedoch zu den Funden des griechischen Festlandes 
wende, sei noch auf eine wichtige Entdeckung hingewiesen, die bei 
Kameiros auf Rhodos stattgefunden hat”) Man entdeckte auf dem 
dortigen Burghügel zwei in den Felsen eingearbeitete Gelasse an- 
gefüllt mit Antieaglien, welche, soweit sie sich vermöge des Aus- 
grabungsberichtes identifizieren lassen, durchweg den Charakter einer 
orientalisch-ägyptischen Mischkunst zeigen und gewils gröfstenteils 
aus phönikischen Fabriken stammen. Vermutlich handelt es sich 
um beschädigte oder unbedeutende Weihgeschenke, die man aus 
Heiligtümern entfernt hatte, um für Schöneres und Wertvolleres Platz 
zu gewinnen. Da sich keines der Fundstücke mit Sicherheit für ein 
griechisches Produkt erklären läfst, so spricht alle Wahrscheinlich- 
keit dafür, dafs der Inhalt der beiden Depots aus der Epoche stammt, 
während deren die Phönikier auf Rhodos geboten. Ihrer Herrschaft 
wurde in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts von den dorischen 
Kolonisten ein Ende gemacht.) Demnach wird Löschcke recht haben, 
wenn er annimmt, dafs alle jene Anticaglien älter sind als dieses Ereignis. 

Wichtiger jedoch als alle bisher angeführten Funde sind für 
unsere Untersuchung die Gräber, die Schliemann auf dem Burg- 
hügel von Mykenä entdeckt πα. Alle Gelehrten, welche das 
Lokal und den Inhalt der Gräber durch eigene Anschauung kennen, 
sınd darüber einig, dafs dieselben ın vorhomerische Epoche hinauf- 
reichen. Wenn Stephani®) nachzuweisen versucht hat, dafs die 


1) Newton, essays on art p. 294; Gazette archeologique V (1879) p. 201—202. 
2) Auch bei Knossos auf Kreta haben sich Thongefäfse gefunden, welche dieser 
Entwickelung angehören. Doch ist ihre Zahl zu beschränkt, als dafs sich die 
Stellung, welche sie gegenüber den verwandten reichhaltigeren Gruppen ein- 
nehmen, genauer bestimmen liefse. Bull. de correspondance hellen. IV p. 124—127; 
key. arch&ol. XXI (1880) pl. XXIII p. 359—361; Dumont et Chaplain a. a. O. 
p. 64—66. 3) Vgl. Löscheke in den Mittheilungen des deutschen arch. Institutes 
in Athen VI p. 1-9. 4) Vgl. Movers, die Phönizier II 2 p. 256. δ) Schlie- 
mann, Mykenä p. 175 Η Vgl. Milchhoefer, die Museen Athens p. 86—98. Hier 
ist p. 104—105 auch der Inhalt des Grabes beschrieben, welches nach der Aus- 
grabung Schliemanns von der archäologischen Gesellschaft gefunden wurde. 
6) Compte-rendu 1877 p. 31—52. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 51 


mykenäischen Gräber vielmehr nordischen Völkern und etwa den 
Herulern, welche im 3. Jahrhundert n. Chr. in Griechenland einfielen, 
ihren Ursprung verdanken, so darf ich auf eine besondere Wider- 
legung dieser Ansicht verzichten. Offenbar war es der Mangel an 
Autopsie, welcher diesen durch Scharfsinn wie durch Gelehrsamkeit 
ausgezeichneten Archäologen irre führte. Ebenso wenig ist hier der 
Ort eine Übersicht über den reichen und mannigfaltigen Inhalt der 
Gräber zu geben, zu untersuchen, welche Gegenstände in der Pelo- 
ponnes, welche im Auslande gearbeitet sind, und innerhalb der 
letzteren phönikische, babylonische und etwa noch phrygische, 
lydische und karische Produkte auszuscheiden. Vielmehr beschränke 
ich mich darauf, die Kultur, welche durch die Gräber veranschau- 
licht wird, in ihren Hauptzügen mit der von den epischen Dichtern 
geschilderten zu vergleichen. Hierdurch werden zugleich alle Ein- 
wendungen beseitigt, die bei flüchtiger Betrachtung gegen den vor- 
homerischen Ursprung jener Gräber erhoben werden könnten. 
Betrachten wir zunächst den mykenäischen Sepulkralritus, so ist 
er von dem im homerischen Zeitalter gebräuchlichen verschieden. 
Nach den Schilderungen des Epos!) werden die Leichname auf einem 
Scheiterhaufen verbrannt, die übrig bleibenden Knochenreste ge- 
sammelt und in einem metallenen Gefälse geborgen. Dieses Gefäls 
wird in die Erde eingegraben und darüber der Grabhügel auf- 
geschüttet. Anders dagegen auf der Burg von Mykenä. Die dortigen 
Gräber bestehen aus oblongen, senkrecht in den Felsboden ein- 
gearbeiteten Schachten und enthielten vollständige Skelette. Ja, an 
einem der Skelette?) haben sich sogar vertrocknete Teile des Fleisches 
und der Muskeln erhalten, besonders an dem Kopfe, dessen Gesichts- 
typus noch heute im ganzen erkennbar ist. Allerdings ziehen Schlie- 
mann?) und Stamatakis‘) aus der Asche, welche über dem Boden 
und bisweilen über die Skelette selbst verbreitet war, wie aus den 
Spuren der Wirkung des Feuers und des Rauches, die sie an den 
Wänden der Gräber wahrnahmen, den Schlufs, dafs die Leichname 
in den Gräbern selbst einem dürftigen Feuer ausgesetzt und dem- 
nach unvollkommen verbrannt worden seien, und nimmt Stamatakis’) 


1) 8. besonders Il. VI 418—419, XXIII 139 ff., 253—257, XXIV 787—801; 
Od. XXIV 65—84. Nach der kleinen Ilias (Epicor. graecor. fragm. ed. Kinkel I 


p. 40 n. 3) liefs Agamemnon aus Groll den Leichnam des Telamoniers Aias 
nicht verbrennen sondern einsargen. Also galt es für einen Schimpf, wenn einem 
Toten die Verbrennung vorenthalten wurde. Vgl. Welcker, kleine Schriften 
II p. 291—292, p. 504 Anm. 271. 2) Schliemann, Mykenäü p. 341 n. 404. 
3) Schliemann a. a. O. p. 181, 192, 247, 334, 338. Vgl. auch Gladstone in der 
Vorrede p.XLI. 4) Mittheilungen des deutschen arch. Inst. in Athen ΠῚ p. 277. 


5) Mitth. ἃ. arch. Inst. in Athen Ill p. 277. 
4 ΕΠ 


52 Die Quellen. 


das gleiche Verfahren auch in dem unweit des argivischen Heraions 
entdeckten Kuppelgrabe an, welches ähnliche Erscheinungen aufwies. 
Doch sehe ich nicht ein, wie hierbei weitaus die meisten aus ganz 
dünnem Metallbleche gearbeiteten Gegenstände, mit denen die Leichen 
umgeben waren, vollständig unverletzt bleiben konnten, während 
doch eine mäfsige Hitze genügt, um dieselben zum Schmelzen zu 
bringen. Unter solehen Umständen scheint mir die Annahme Schlie- 
manns zweifelhaft und ich kann die Vermutung nicht unterdrücken, 
dafs jene Brandspuren vielmehr von Opfern herrühren. In Gräbern 
von Nauplia, deren Inhalt dem der mykenäischen nahe steht, fanden 
sich neben den Skeletten Thongefäfse, an denen Spuren von der 
Wirkung des Feuers sichtbar sind, und halbverbrannte Knochen von 
Schafen und Ziegen.') Lolling erkennt hierin, wie es scheint mit 
Recht, die Reste von Opfern und Köhler?) wirft die Frage auf,. ob 
nicht ähnliche Erscheinungen, welche in dem der gleichen Kultur- 
epoche angehörigen Grabe von Menidi beobachtet wurden, in der- 
selben Weise zu erklären seien. Für das homerische Zeitalter ist 
der Gebrauch von Totenopfern sicher bezeugt. Achill schlachtet, 
bevor er den Scheiterhaufen des Patroklos anzündet, neben demselben 
Rinder und Schafe, bedeckt den Toten mit dem Fette der Tiere und 
türmt um ihn die abgehäuteten Leiber auf.) Wurde ein Kenotaphion 
errichtet, dann schüttete man einen Grabhügel auf und schlachtete 
die Tiere daneben.‘) Hiernach scheint mir die Vermutung berech- 
tigt, dafs die Mykenäer nach Beisetzung der einzelnen Toten in 
dem (Grabe selbst Brandopfer darbrachten und die noch heilse 
Asche über den Leichnam ausstreuten, bevor er mit Steinen und 
Erde bedeckt wurde. Der in den dortigen Gräbern beobachtete 
Thatbestand erklärt sich unter Voraussetzung eines derartigen Ver- 
fahrens auf die natürlichste Weise. Zudem wird die Annahme, dafs 
die Leichen beigesetzt waren, durch die über andere verwandte Grab- 
anlagen vorliegenden Nachrichten bestätigt. Lolling schweigt in 
seinem Berichte über das Kuppelgrab von Menidi?) in Betreff der 
Leichenverbrennung und spricht sich in der Beschreibung der Nekro- 
pole von Nauplia entschieden für Beisetzung der Leichen aus.°) 
Ebenso äufsert sich Milchhöfer über die Gräber von Spata.’) Diese 
Urteile fallen um so schwerer ins Gewicht, als sie nach den myke- 
näischen Ausgrabungen abgegeben sind und wir annehmen dürfen, 


1) Mittheilungen des arch. Inst. in Athen V p.154—155. 2) Das Kuppel- 


grab bei Menidi, herausgeg. vom deutschen arch. Inst. in Athen p. 55. 3): 
XXIII 166—169. Vgl. Od. XXIV 66. 4) Od. I 291, Il 222. 5) Das Kuppel- 
grab bei Menidi p. 1—44. 6) Mittheil. V p. 153—154, p. 155 Anm. 1, p. 157, 


p. 162. 7) Mittheil. d. a. Inst. II p. 263. 


- 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 53 


dafs die Beobachtung der Berichterstatter durch das Auffällige der 
von Schliemann und Stamatakis vertretenen Ansicht geschärft war. 
Endlich scheint es auch beachtenswert, dafs die späteren Griechen 
in der vorhomerischen Epoche Beisetzung annahmen. Sie erkannten 
die Reste des Pelops,') des Theseus’) und der Ariadne?) in von Feuer 
unberührten Skeletten.) Auch Apollonios von Rhodos läfst die Ar- 
sonauten ihre Toten begraben.’) 

Eine besondere Betrachtung erfordert jedoch das oben erwähnte 
Skelett,°) an dem sich Teile von Fleisch und von Muskeln erhalten 
haben. Wie mir mehrere Naturforscher, die ich darum befragt, ver- 
sichern, läfst sich diese Erscheinung bei einem Leichnam, welcher 
gegen 3000 Jahre unter einer Schicht von Steinen und Erde gelegen 
hat, nur durch die Annahme einer künstlichen Konservierung erklären. 
Schliemann‘) vergleicht das Aussehen jenes Körpers richtig mit dem 
einer ägyptischen Mumie. Allerdings läfst sich die Sitte des Ein- 
balsamierens aulserhalb des Pharaonenreiches nicht mit Bestimmtheit 
nachweisen. Doch wissen wir, dafs in Asien von Alters her ähn- 
liche, die Erhaltung der Leichen bezweckende Gebräuche herrschten. 
Die phönikische Bestattungsweise scheint geradezu durch ägyptischen 
Einflufs bestimmt. Die steinernen und thönernen Sarkophage der 
östlichen wie der westlichen Phönikier: zeigen vielfach Formen, welche 
genau denen der hölzernen Mumiensärge entsprechen oder aus dem 
Typus der letzteren abgeleitet sind) Auch hat man in einzelnen 
dieser Sarkophage Reste von Leinwand und Seilen beobachtet, welche 
auf ein der Einbalsamierung entsprechendes Verfahren schliefsen 
lassen.’) Eine ähnliche Procedur scheint auch bei der Bestattung des 
Königs von Juda, Asa (944—904 v. Chr.), zur Anwendung gekom- 
men zu sein.!) Ferner wissen wir, dafs die Babylonier ihre Toten 
in Honig beisetzten,'') — ein Verfahren, das auch bei dem in Babylon 
sestorbenen Alexander dem Grofsen zur Anwendung kam!?) — und 
dafs es bei den Persern Sitte war, die Leichname mit einem Wachs- 
überzuge zu versehen.'?) Das eine wie das andere Verfahren bezweckte, 
die Leichen zu konservieren. Dafs ein Wachsüberzug den für den 


1) Pausan. V 13, 4 2) Plutarch, Thes. 36. 3) Pausan. II 23, 8. 
4) Das Gleiche gilt auch für die Leichname des Protesilaos (Herodot XI 120) 
und des Orestes (Herodot I 68). 5) Arg. IV 480, 1530—1534. 6) Oben 
S. 51 Anm. 2. 7) Mykenä p. 340. 8) Perrot et Chipiez, histoire de l’art III 
p. 138, p. 177—191. 9) De Longperier, Musde Napoleon ΠῚ Text zu pl. XVI. 
Renan, mission de Ph£nicie p. 421. 10) II. Chron. 16, 14. 11) Herodot I 198. 
Strabo XVI p. 746. Lucret. de rer. nat. ΠῚ 889. Varro bei Non. Marcell. de 
indiser. gener. p. 230, 25 ff. Vgl. hierfür und für das Folgende Roscher, Nektar 
und Ambrosia p. 56—58. 12) Statius, silv. III 2, 118. Vgl. Curtius, Alex. m. 
X 10. 18) Herodot I 140. Strabo XV p. 735. Cicero, Tusculan. 1 45. 


54 Die Quellen. 


Verwesungsprozels erforderlichen Zutritt der Lutt erschwert, leuchtet 
ein. Noch wirksamer jedoch mufste die Beisetzung in Honig sein, 
da nicht nur die in demselben enthaltenen Wachsteile die Luft ab- 
schliefsen, sondern der Zucker zugleich das Wasser aus den Geweben 
zieht und den Körper austrocknet. Wenn die Skythen die Leichen 
ihrer Könige mit Wachs überzogen,') so spricht alle Wahrschein- 
lichkeit dafür, dafs sie diesen Gebrauch aus Asien entlehnten. Doch 
sind Zeugnisse vorhanden, dafs auch die Griechen mit der in Rede 
stehenden Verwendung des Honigs und des Wachses vertraut waren. 
Als der spartanische König Agesipolis im Jahre 380 v. Chr. auf der 
Chalkidike dem Fieber erlegen war, wurde er in Honig geborgen und 
so nach Sparta gebracht.?) Über die Weise, in der der Körper des 
Königs Agesilaos aus Ägypten nach Sparta transportiert wurde, liegen 
zwei abweichende Berichte vor. Nach dem einen?) wurde auch dieser 
in Honig gelegt, wogegen der andere Bericht‘) dahin lautet, dafs man 
den Leichnam in Ermangelung des Honigs mit einem Wachsüber- 
zuge versah. Freilich sind diese Nachrichten für eine Untersuchung, 
die sich mit der griechischen Urzeit beschäftigt, von geringem Werte; 
denn sie lassen es zweifelhaft, ob jene Verwendung des Honigs und 
Wachses auf einer alten peloponnesischen Überlieferung beruhte oder 
erst in späterer Zeit von den Griechen erfunden oder aus Asien ent- 
lehnt wurde”) Um so wichtiger ist aber der Mythos von Glaukos, 
dem Sohne des Minos und der Pasiphae.) Der Knabe Glaukos fällt 
beim Spiele in einen Topf mit Honig. Wie bereits Preller’) richtig 
erkannt hat, ist dies eine Bezeichnung für den Tod, die auf der Sitte, 
die Leichname in Honig beizusetzen, beruht. Es ergiebt sich dem- 
nach, dafs die sepulkrale Beziehung des Honigs in uralter Zeit auf 
Kreta verständlich war. Ferner ist hierbei eine Erzählung des Hero- 
dot*) zu berücksichtigen. Der Perser Artayktes, welcher, als er im 
Heere des Xerxes gegen Griechenland zog, bei Eläus das Grab und 
den Hain des Protesilaos geplündert hatte, wurde 479 v. Chr. bei 
Sestos von den Athenern gefangen genommen. Als die ihn be- 
wachende Mannschaft gepökelte oder geräucherte Fische (ταρίχους) 
briet, ereignete sich ein Wunder. Die über dem Feuer liegenden 


1) Herodot IV 71. 2) Xenophon, hell. V 3, 19. 3) Diodor. XV 93. 
Eine ähnliche antiseptische Verwendung des Honigs ist auch in der römischen 
Kaiserzeit nachweisbar: Plin. VII 35, XXX 115. Colum. ΧΠ 10. 4) Corn. Nepos 
XVII Agesil. 7. Plutarch, Agesil. 40. 5) Doch verdient hierbei immerhin die 
Angabe des Herodot VI 58 Beachtung, dafs überhaupt die Gebräuche, welche bei 
der Bestattung der lakedäümonischen Könige zur Anwendung kamen, genau mit 
den bei den asiatischen Barbaren üblichen übereinstimmten. 6) Hygin, fab. 136. 
Apollodor, bibl. Π|Ι 3, 1. 7) Griech. Mythol. 113 p. 475. 8) IX 120. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 55 


Fische bewegten sich nämlich und zappelten wie frisch gefangene. 
Da sagte Artayktes zu dem Manne, der die Fische briet: „Fürchte 
nicht dieses Wunder; denn es ist nicht dir erschienen, vielmehr ver- 
kündet mir der in Eläus liegende Protesilaos, dafs er, obwohl todt 
und eingepökelt (τάριχος ἐών), von den Göttern die Macht hat sei- 
nem Beleidiger zu schaden“. Wenn hier der Leichnam, den man zu 
Eläus als den des Protesilaos verehrte, als τάριχος bezeichnet wird, 
so lälst dies darauf schliefsen, dafs er durch Salzlauge oder eine 
ähnliche Flüssigkeit künstlich konserviert war. Der in dem myke- 
näischen Schachtgrabe gefundene Leichnam fügt sich auf das unge- 
zwungenste in diese Reihe von Thatsachen ein. 

Nun ist es an und für sich recht wohl denkbar, dafs verschie- 
‘dene Völker unabhängig von einander darauf verfielen zumal mit 
vornehmen Toten, die längere Zeit ausgestellt blieben und deren Be- 
stattung unter besonderem Gepränge erfolgte, ein Konservierungs- 
verfahren vorzunehmen und wissen wir auch, dafs ähnliche Gebräuche 
bei den auf den canarıschen Inseln ansälsigen Guanchen, bei den Mexi- 
kanern, Peruvianern, den Bewohnern von Tahiti, Formosa, Tonkin und 
anderen Völkern herrschten,') die unmöglich Fühlung mit der Kultur 
der Mittelmeerwelt gehabt haben können. Nichtsdestoweniger aber 
spricht alle Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dafs die Leichen- 
konservierung, welche von Alters her bei den vorderasiatischen Völ- 
kern und in vorhistorischer Zeit bei den Griechen üblich war, von 
den letzteren aus Asien entiehnt wurde. Hierauf lassen schon die 
Gegenden schlieflsen, in denen wir ein derartiges Verfahren bezeugt 
finden. Die argolische Landschaft, aus welcher der mykenäische 
Leichnam stammt, war, wie die dortigen Mythen und Funde be- 
weisen, von den vielseitigsten orientalischen Einflüfsen berührt. Eläus, 
wo der mumifizierte Protesilaos verehrt wurde, lag am Hellespont 
in unmittelbarer Nähe von Kleinasien. Die Insel Kreta, auf der sich 
die Erinnerung an den alten Gebrauch ın dem Glaukosmythos er- 
halten hatte, spielte in dem Verkehre zwischen Vorderasien und dem 
Westen eine hervorragende Rolle. Jedenfalls findet die Annahme, 
dafs den Griechen bereits in der vorhomerischen Epoche ein der- 
artiges Verfahren geläufig war, eine schlagende Bestätigung in dem 
an drei Stellen des Epos vorkommenden Worte ταρχύειν.") Dasselbe 


1) Zoega, de origine et usu obeliscorum p. 268—269. 2) 2. 'VIL 788% 
ὄφρα E ταρχύσωσι καρηκομόωντες Ayauol. XVI 456, 674: ἔνϑα ἕ ταρχύσουσι 
κασίγνητοί τε ἔται τε | τύμβῳ τὲ στήλῃ τε" τὸ γὰρ γέρας ἐστὶ ϑανόντων. Dasselbe 


Wort kommt auch vor in der Anthol. pal. VII 176 und 537, sowie in den Epi- 
grammata graeca ex lapidibus collecta ed. Kaibel n. 549, 685 und 1083. Das 


Epigramm in der Anth. pal. VII 537 ist die Inschrift eines Kenotaphs und das 


56 Die Quellen. 


bedeutet „bestatten“ und ist offenbar nur eine andere Form des in 
der späteren Sprache gebräuchlichen Verbums regıyevew, welches 
das Einpökeln, Einmachen, Trocknen oder Einbalsamieren bezeichnet.‘) 
Wenn aber diese letztere Bedeutung, wie es unzweifelhaft scheint, 
die ursprüngliche ist, dann ergiebt sich, dafs die Griechen in der 
vorhomerischen Epoche mit den Leichen, welche damals nicht ver- 
brannt, sondern beigesetzt wurden, eine Art von Mumifizierung vor- 
nahmen. Mit der Zeit wurde dann das Wort von der bei der Be- 
stattung wichtigsten Operation auf die Bestattung überhaupt über- 
tragen und es behielt diese Bedeutung auch, als die Leichenverbrennung 
an die Stelle des bisher üblichen Begrabens getreten und hiermit 
jene Operation aufser Gebrauch gekommen war. Zudem scheinen 
auch in der epischen Schilderung Erinnerungen an das Konservie- 
rungsverfahren der Altvordern vorhanden zu sein. Auffällig ist es 
doch, dafs Hektor erst zweiundzwanzig Tage nach seinem Tode ver- 
brannt wird,?) und dafs der Leichnam des Achill siebzehn Tage 
ausgestellt bleibt”) Wenn ferner Thetis, um den toten Patroklos 
frisch zu erhalten, ihm Nektar nnd Ambrosia durch die Nase ein- 
träufelt,‘) so macht diese Schilderung keineswegs den Eindruck einer 
poetischen Fiktion, scheint vielmehr durch eine dunkele Ahnung be- 
stimmt, die dem Dichter von einem ähnlichen in der Wirklichkeit 
üblichen oder üblich gewesenen Verfahren vorschwebte. Höchst 
merkwürdig ist endlich die an zwei Stellen des Epos’) erwähnte 
Sitte, den Toten auf dem Scheiterhaufen mit Gefäfsen voll von Honig 
zu umgeben. Der Honig tritt in dem damaligen Leben weder als 
Nahrungs- oder Genufsmittel bedeutsam hervor, noch besitzt er Eigen- 
schaften, welche seine Beifügung aus praktischen Gründen, etwa um 
die Verbrennung der Leiche zu beschleunigen, hätten empfehlen 
können. Hiernach darf man recht wohl die Frage aufwerfen, ob jene 
Sitte nicht daraus zu erklären ist, dafs der Honig bei der während 
der vorhomerischen Epoche üblichen Beisetzung eine hervorragende 
Bedeutung gehabt hatte. 

Es würde zu weit führen das Verfahren des römischen Pollinc- 
tor, der den Toten zu salben, mit Binden zu umwickeln und über- 
haupt für die Collocatio herzurichten hatte) in den Kreis dieser 


Verbum ταρχύειν scheint daselbst die ursprüngliche Bedeutung zu haben; denn 
οὔνομα ταρχύσας (V.3) ist viel sinnvoller, wenn es übersetzt wird nicht „nur den. 
Namen bestattend“, sondern „den Namen durch das Bestatten erhaltend“. 
1) Vgl. Curtius, gr. Etym. 4. Aufl. p. 719. Roscher, Nektar und Ambrosia p. 59. 
2) . XXIV 31, 413, 664, 784. 3) Od. XXIV 63. A4)Il. XIX 88,389. - 5) 1. 
XXIII 170, Od. XXIV 68. 6) Salmasius not. 3 zu Vopiscus, divus Aurelianus- 
cap. 4. Hildebrand zu Apul. fragm. 9 II p. 637. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 57 


Untersuchung zu ziehen. Doch kann ich nicht umhin an eine merk- 
würdige Beobachtung zu erinnern, welche, falls sie Bestätigung findet, 
beweist, dafs eine der in den östlichen Ländern des Mittelmeer- 
gebietes üblichen Konservierungsprozeduren auch im alten Latium 
Eingang fand. Am nordöstlichen Abhange des Mons Albanus (Monte 
Cavo) zieht sich eine Nekropole hin, aus welcher die Regengüsse 
öfter Manufakten auf die darunter liegenden Campi d’Annibale herab- 
spülen. Nach den Frühjahrsregen des Jahres 1885 fand man da- 
selbst drei ägyptische Anticaglien. An zweien derselben, einem Sym- 
bole Ded und einem Figürchen des Dämons Amset, beide aus blauem 
Smalte gearbeitet, hat Erman') Reste von Binden erkannt, welche 
denen der ägyptischen Mumien entsprechen, und daraus den Schlufs 
gezogen, dafs, falls jene Anticaglien in der That, wie es den An- 
schein hat, aus der am Abhange des Mons Albanus gelegenen Nekro- 
pole stammen, in den dortigen Gräbern eine der ägyptischen ähnliche 
Bestattungsweise zur Anwendung gekommen ist. Ein unmittelbarer 
Einflufs aus dem Nilthale ist natürlich nicht anzunehmen. Dagegen 
scheint es recht wohl denkbar, dafs die östlichen oder westlichen 
Phönikier, deren Bestattungsritus, wie wir gesehen,’) dem ägyptischen 
nahe verwandt war, derartige Gebräuche in Italien einführten. So- 
weit unsere Kenntnis reicht, finden sich solche ägyptische oder ägyp- 
tisierende Anticaglien besonders häufig in italischen Gräbern, die dem 
6. Jahrhundert v. Chr. angehören.) Gerade in diese Zeit fällt aber 
der rege Verkehr zwischen Phönikiern und Latinern, von dem in 
unserem II. Abschnitte die Rede war, und es scheint demnach nicht 
unmöglich, dafs dabei auch ein ägyptischer Bestattungsgebrauch nach 
Latium übertragen wurde. 

Ebenso verzichte ich darauf die Leichenkonservierung in ihren 
späteren Ausläufern zu verfolgen und begnüge mich nur auf ein 
Beispiel dieser Art hinzuweisen. Nach dem Berichte des Tacitus‘) 
wurde Poppaea, die Gattin des Nero, nicht nach römischer Sitte ver- 
brannt sondern ihr Körper nach dem Gebrauche der fremden Könige 
(regum externorum consuetudine) mit wohlriechenden Substanzen an- 
gefüllt und so im Grabmale der Julier beigesetzt. Unter diesen 
fremden Königen sind gewils im besonderen die Herrscher der helle- 
nistischen Reiche zu verstehen. Wenn die Leichen derselben in 
künstlicher Weise konserviert wurden, so war dieser Gebrauch ver- 
mutlich durch das Beispiel bestimmt, welches die Babylonier bei der 


1) Bull. dell’ Inst. 1885 p. 182—183. 2) Oben Seite 53. 3) Ann. dell’ 
Inst. 1831 p. 119—120, 1876 p. 240—245; Bull. 1866 p. 179—180, 1886 p. 31—32. 
4) Ann. XVI 6. 


58 Die Quellen. 


Bestattung des grofsen Alexander gegeben hatten.‘) Doch ich kehre 
nach dieser Abschweifung wieder zu dem Vergleiche der durch die 
mykenäischen Schachtgräber veranschaulichten Kultur mit der im 
Epos geschilderten zurück. 

Im Epos verlautet nichts von dem in Mykenä ‚herrschenden Ge- 
brauche, die Gesichter der Toten mit Masken aus Goldblech zu be- 
decken?) Auch dieser Gebrauch weist wiederum auf orientalische 
Einflüsse hin. Die Gesichter ägyptischer Mumien sind bisweilen mit 
aus Gold getriebenen Masken überzogen, ein Verfahren, dessen 
älteste Beispiele bis zu den Zeiten der 18. Dynastie hinaufreichen.?) 
Die Anwendung goldener und thönerner Totenmasken hat man in 
phönikischen und karthagischen Gräbern beobachtet.‘) 

Überhaupt erscheint die mykenäische Kultur, soweit sie sich 
nach dem Inhalte der Gräber beurteilen läfst, ungleich üppiger und 
prunkvoller als die der homerischen Epoche. Die Diehtung schweigt 
über Zieraten aus Goldblech, wie sie auf den Gewändern der Myke- 
näer aufgenäht waren. Höchstens läfst sich eine Reminiscenz an 
eine derartige Tracht in dem merkwürdigen Ausdruck erkennen, dafs 
sich Zeus und Poseidon in Gold kleiden?) Ebenso fehlt es im 
Epos an jeglichem Hinweis auf goldene Brustschilde, wie die, mit 
welchen drei der mykenäischen Leichname geschmückt waren.) Auch 
dieses Motiv ist offenbar orientalischen Ursprunges. Goldene Brust- 
schilde mit Edelsteinen besetzt haben sich in ägyptischen Gräbern 
gefunden.) Ein ähnlicher Schmuck gehörte zu den Abzeichen des 
jüdischen Hohenpriesters®) Ein mit eingeprefsten Figuren und Orna- 
menten reich verziertes Exemplar, das aus dem von Regulini und 


1) Oben Seite 53. 2) Schliemann, Mykenä p. 229—230 τ. 304, p. 253—257 
n. 331, 332, p. 332 n. 474 (Overbeck, Geschichte der griechischen Plastik I? p. 34 
Fig. 4), p. 381 n. 473. Vgl. Benndorf, Antike Gesichtshelme und Sepulkral- 
masken p. 5—7. 3) Vgl. Benndorf a. a. O. p. 66. 4) Schliemann a.a. Ὁ. 
p. 437. Benndorf a. a. 0. p. 67. Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 464—465, 
p. 899, p. 900 n. 642, 643. In der zeitweise in Rom befindlichen Sammlung 
sardinischer Altertümer des vor einigen Jahren in Oristano gestorbenen Giudice 
Spano machte ich mir folgende Notiz: „Satyrartige bärtige Maske (Höhe 0, 20, 
Breite 0, 15) aus rotgelbem 'Thone mit Farbenspuren, nach der Etikette gefunden 
in einem Grabe von Tharros auf dem Gesichte eines Leichnams. Sie hat eine 
Stumpfnase, um den oberen Rand der Stirn ein niedriges Diadem und längs des 
(Gesichtsrandes eine Reihe von Löchern, die zur Einführung von Fäden dienten.“ 
5) Il. VIII 43, XIII 26: χρυσὸν δ᾽ αὐτὸς ἔδυνε περὶ χροΐ, γέντο δ᾽ ἱμάσϑλην. 
6) Schliemann, Mykenä p. 263, p. 345 n. 458, p. 346. 7) Ζ. Β. Mariette, notice 
des principaux monuments du Musde ἃ Boulaq. p. 261 n. 823 und 824 (aus dem 
Schmucke der Königin Aah-hotep, Ende der 17. Dynastie, ungefähr 17. Jahr- 
hundert v. Chr.). 8) Exod. XXVII 15—30, XXXIX 8—21. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 59 


Galassi bei Cäre entdeckten Grabe stammt,') scheint eine phönikische 
oder karthagische Arbeit. Soweit gegenwärtig unsere Kenntnis reicht, 
ist dieses altorientalische Motiv in der späteren griechischen Ent- 
wickelung nicht mehr nachweisbar — es sei denn, dafs man einen 
Ausläufer davon in der die Brust der Pallas bedeckenden Ägis er- 
kennen wolle Gerade die prachtvollsten unter den in den Gräbern 
enthaltenen Kunstprodukten finden in den Beschreibungen des Epos 
keine Analogie. Ich erinnere an die mit figürlichen Darstellungen 
reich verzierten bronzenen Schwert- und Dolchklingen?) und an den 
Griff, dessen goldene Parierstange die Form eines Drachen hat, an 
dem Augen und Schuppen durch wohl geschliffene und in den Gold- 
orund eingesetzte Stücke Berskrystall ausgedrückt sind.) Sollte 
man nicht annehmen, dafs die Dichter, falls ihnen ähnliche Pracht- 
stücke bekannt waren, diese Eindrücke für die epische Schilderung 
verwertet haben würden? Ebenso schweigen sie über geschnittene 
Steine und Siegelringe. Odysseus schliefst die Kiste, welche die Ge- 
schenke der Phäaken enthält, mit einem kunstreichen Knoten, ohne 
ein Siegel darauf zu drücken.) Der Fingerringe wird weder unter 
den Schmuckstücken, die Hephaistos fertigt’), noch unter den Ge- 
schenken gedacht, durch welche die Freier die Gunst der Penelope 
zu gewinnen trachten.‘) Dagegen enthielten die Gräber von Mykenä 
eine beträchtliche Anzahl geschnittener Steine und goldener Siegel- 
ringe.‘) Auch der Bergkrystall’) und der Alabaster,”) Steine, aus 
denen verschiedene in den Gräbern gefundene Gegenstände gearbeitet 
sind, werden in dem Epos nirgends erwähnt.!”) Dieses Stillschweigen 
kann bei einzelnen der aufgezählten Typen und Stoffe, schwerlich 
dagegen bei allen für zufällig erklärt werden. Wir dürfen somit aus 
dieser Vergleichung unbedenklich den Schlufs ziehen, dafs die Kultur 


1) Grifi, mon. di Cere T. I; Mus. Gregor. I 82, 83. Vgl. oben Seite 39—40. 
Ein ähnliches Exemplar hat sich nauerdings in einem Grabe von Targquinii ge- 
funden: Bull. dell’ Inst. 1885 p. 214. 2) ᾿ϑήναιον IX p. 162—169, X p. 309—320. 
Mittheil. ἃ. arch. Inst. in Athen VII (1882) T. VIII p. 241—250, VIII (1883) p. 3—4. _ 
Bull. de corr. hellöenique 1886 pl. I—IlIp. 341—356. 3) Schliemann a. a. Ὁ. p. 330 
n.451, 452. 4) Od. VIII 443—448. δ) Il. XVII 401. 6) Od. XVII 292—301. 
7) Geschnittene Steine: Schliemann p.233 n. 313— 315. Goldene Siegelringe: p. 258— 
259 n. 333—335, p. 402 n. 530, p. 409 n. 531. Viereckige goldene Siegel: p. 205 
n. 253—255. 8) Schliemann p. 231 n. 307, 308, p. 232 n. 309, 310, p. 243, 
p. 283, p. 330 n. 451, 452, p. 344 n. 456, 457. 9) Schliemann p. 242 n. 325, 
p. 253, p. 279 n. 352, p. 283 n. 356, p. 294 n. 375, p. 321 n. 445, p. 323, p. 324 
n. 447, p. 325, p. 327. 10) Es wären noch Glas (Schliemann p. 179, 184, 185) 
und Smalt (p. 278 n. 350, 351, p. 336, p. 377 n. 526) beizufügen, wenn nicht 
alle Wahrscheinlichkeit dafür spräche, dafs das homerische Wort κύανος blauen 
Glasflufs oder Smalt bezeichnet. Vgl. hierüber den VIII. Abschnitt. 


00 Die Quellen. 


der Mykenäer eine glänzendere Aufsenseite hatte, als die der home- 
rischen Griechen. Doch war dies nicht so sehr das Resultat selb- 
ständiger Entwiekelung, wie fremder Einflüsse. Die in den Gräbern 
gefundenen Kunstprodukte stammen zum gröfsten Teil aus orienta- 
lischen Werkstätten oder bekunden, wo die Annahme einer inländi- 
schen Fabrikation zulässig ist, deutlich die Abhängigkeit von den 
ausländischen Vorbildern. Nirgends finden wir eine Spur, dafs der 
griechische Geist die fremden Typen in eigentümlicher Weise um- 
gebildet hat. Soweit die Funde ein Urteil verstatten, erscheinen die 
Mykenäer recht eigentlich als Orientalen. War doch selbst ihre Be- 
stattungsweise durch orientalische Gebräuche bestimmt. Dagegen 
ist im homerischen Zeitalter eine Abnahme des fremden Elementes 
unverkennbar. Allerdings waren die Kunst und das Handwerk, wie 
wir im weiteren sehen werden, auch in dieser Epoche noch in- der 
vielseitigsten Weise von dem Oriente abhängig. Aber es sind doch 
schon mancherlei selbständige Regungen des nationalen Geistes be- 
merkbar. Was ferner die Sitten betrifft, so genügt es, daran zu er- 
innern, dafs sich der Sepulkralritus von dem in Mykenä gebräuch- 
lichen unterscheidet, indem die Verbrennung an die Stelle des 
Begrabens getreten war. 

Die Kultur, die ich der Kürze halber als die mykenäische be- 
zeichnet habe, da sie am glänzendsten durch die dortigen Funde ver- 
treten ist, war aber keineswegs auf das Gebiet des saronischen Golfes 
beschränkt, vielmehr lassen sich Denkmäler derselben ın dem ganzen 
östlichen Griechenland von Thessalien bis südwärts zu dem Eurotas- 
thale nachweisen. Es ist dies die Seite der Halbinsel, an der sich 
die Küste in zahlreichen Buchten und Häfen nach dem Osten zu 
öffnet und demnach den von dort herkommenden Bildungselementen 
besonders zugänglich war. Und zwar lassen die in den verschiedenen 
(regenden beobachteten Reste keine landschaftlichen Unterschiede 
erkennen, wie sie zu erwarten ständen, wenn jene Kultur auf 
griechischem Boden erwachsen und zur Blüte gelangt wäre, sondern 
zeigen allenthalben eine auffällige Übereinstimmung. Hieraus hat 
bereits Köhler!) richtig den Schlufs gezogen, dafs es sich um eine 
fremde Kultur handelt, die fertig nach Griechenland verpflanzt 
worden ist. 

Fragen wir nunmehr, auf welche Weise diese Übertragung zu 
erklären 561, so scheint die Voraussetzung von Handelsbeziehungen 
nicht ausreichend. Vielmehr mufs man notwendig annehmen, dafs 
sich Orientalen an verschiedenen Stellen des östlichen Griechenlands 


1) Das Kuppelgrab bei Menidi p. 53. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 61 


ansiedelten und der dortigen Bevölkerung ihre überlegene Kultur 
mitteilten. Dies war die Auffassung der Griechen, die durch die 
moderne Wissenschaft mancherlei Bestätigung empfangen hat. Die 
semitischen Kulte und Ortsnamen, denen wir in jener Gegend be- 
gegnen,') lassen sich doch nur durch die Annahme semitischer Nie- 
derlassungen erklären und ich halte die Ansicht von Brandis,?) dafs 
das böotische Theben zu diesen Niederlassungen gehörte, für noch 
nicht widerlest. Wenn demnach der Mythos von dem Phönikier Kad- 
mos auf einer historischen Grundlage beruht, so darf dasselbe mit 
gröfster Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Mythen vermutet werden, 
welche von den Einwanderungen des Danaos, Perseus und Pelops nach 
Arsolis berichten. Hermione und Epidauros waren nach Aristoteles?) 
karische Gründungen. 


Hiernach scheint es ganz natürlich, dafs die Lebensformen der 
Griechen in der Zeit, welche unmittelbar auf jene Einwanderungen 
folgte, ein orientalischeres Gepräge trugen, als in der homerischen 
Epoche, in der die fremden Bevölkerungselemente bereits ausgeschie- 
den oder assimiliert waren. Das primitive, aber hochbegabte und 
entwickelungsfähige Volk gab sich zunächst rückhaltslos den Reizen 
der überlegenen Civilisation hin, welche die Ankömmlinge aus dem 
Osten mitbrachten. Läfst doch auch: die griechische Entwickelung 
von dem homerischen Zeitalter abwärts deutlich erkennen, wie der 
orientalische Einflufs stetig abnimmt, bis er in der Blütezeit fast voll- 
ständig verschwindet. Wenn somit die Kultur, die uns in dem Epos 
entgegentritt, weniger orientalisch, malsvoller und einfacher erscheint, 
als die durch die mykenäischen Funde vertretene, so nähert sie sich 
durch diese Eigenschaften der hellenischen oder klassischen Periode 
und dies stimmt vortrefflich zu der Annahme, dafs sie jünger ist, 
als die mykenäische. 

In engem Zusammenhange mit den orientalischen Beziehungen 
steht auch die Erscheinung, dafs die Mykenäer in der Kenntnis, den 
Stein zu bearbeiten, den Griechen des homerischen Zeitalters über- 
legen waren. Wie durch sichere Beobachtungen festgestellt ist,‘) 
fallen zum mindesten gewisse Teile der aus polygonen Blöcken auf- 
geführten Burgmauer vor die Entstehung der Gräber. Aufserdem 


1) Duncker, Geschichte des Alterthums V° p. 42 ff. Vgl. auch Olshausen 
im Rhein. Mus. VIII (1853) p. 330—332. 2) Hermes II p. 259—284. Hiergegen 


Hermes XXI p. 106 Anm. 1. 3) Bei Strabo VIII 15 p. 374. Ebenso lautete die 
landläufige Überlieferung über Megara: Pausan. I 39, 5—6. 4) Arch. Zeit. 
XXXIV (1876) p. 197, XL (1882) p.402. Steffen, Karten von Mykenai p. 21—23. 


Adler bei Schliemann, Tiryns p. XXX—XXXII. 


02 Die Quellen. 


beweisen die zu den letzteren gehörigen Stelen,') dafs sich die My- 
kenäer darauf verstanden, ornamentale und figürliche Verzierungen 
aus dem Stein herauszumeilseln. In dem Epos dagegen ist nirgends 
von steinernen Befestigungen, sondern nur von Gräben, Erdwällen 
und Palissaden die Rede.) Grabstelen werden öfter erwähnt;’) doch 
findet sich keine Andeutung, dafs sie mit Skulpturen geschmückt 
gewesen wären. Die Ansicht, dafs die Griechen den Steinbau und 
die Steinskulptur von den Orientalen erlernt haben, wird gegenwärtig 
kaum mehr auf Widerspruch stofsen.‘) Wenn die Überlieferung be- 
richtet, dafs die Mauern von Mykenä und Tiryns und das mykenä- 
ische Löwenthor von den Kyklopen herrührten, als deren Heimat in 
der Regel Lykien namhaft gemacht wird,’) so läfst diese mythische 
Auffassung deutlich erkennen, wie fremdartig den späteren Griechen 
solehe Bauten erschienen, und nötigt zu der Annahme, dafs zwischen 
diesen und den späteren Steinbauten ein Abbruch der Entwickelung 
stattgefunden hat. Die Ursachen, welche diese Unterbrechung ver- 
anlafsten, lassen sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Es ist unbe- 
kannt, wie lange die orientalischen Einwanderer, welche sich in dem 
östlichen Griechenland angesiedelt hatten, der einheimischen Be- 
völkerung gegenüber ihre Nationalität und somit ihre überlegene 
Civilisation bewahrten. Nehmen wir an, dafs sie sich den. Eingebo- 
renen rasch assimilierten, dann konnten hierbei recht wohl mancher- 
leı Techniken, deren Kenntnis sie aus ihrer Heimat mitgebracht, in 
Vergessenheit geraten. Doch darf mit gleichem oder vielmehr, wie 
es nach allen historischen Analogieen scheint, mit grölserem Rechte 
an ein historisches Ereignis gedacht werden, welches das Fort- 
schreiten der Entwickelung in der bisherigen Bahn unterbrach — 
ein (Gesichtspunkt, der im weiteren eingehendere Erörterung fin- 
den wird. 

Übrigens scheint sich jener Rückschritt auch auf andere Zweige 
der Bauthätigkeit erstreckt zu haben. Wie wir im VIII. Abschnitte 
sehen werden, lassen die Angaben des Epos hinsichtlich der Her- 
stellungsweise des Estrichs und hinsichtlich der Dekoration des die 
Wände bedeckenden Kalkputzes auf ein weniger kunstvolles Ver- 
fahren schlielsen als dasjenige, dem wir in Bauten begegnen, die der 
gleichen Kulturepoche mit den mykenäischen Schachtgräbern an- 


re 
gehören. 


1) Schliemann, Mykenä p.58 n.24, p. 90, p. 91 n. 140, p. 97 n. 141, p. 100, 

p. 102, p. 103 n. 142. Milchhöfer, Anfänge der Kunst p. 36-n. 40, p. 74 n. 47. 

2) Vgl. den VII. Abschnitt. 3) Il. XI 371, XIII 437, XVI 457, 675; Od. XI 14. 
\ 


4) Vgl. im besonderen Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere, 3. Aufl. p. 119 ff. 
5) Overbeck, Schriftquellen ἢ. 1—26. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 63 


In anderen Hinsichten dagegen waren die Griechen des home- 
rischen Zeitalters fortgeschrittener als die Mykenäer. In den Schacht- 
gräbern hat sich keine Fibula und kein Rest eines eisernen Gegen- 
standes, wohl aber eine ansehnliche Zahl von steinernen Waffen und 
Werkzeugen gefunden. Es genügt, daran zu erinnern, dafs eines 
derselben nicht weniger als 35 aus Obsidian gearbeitete Pfeilspitzen 
enthielt.) Allerdings ist in italischen Gräbern, welche dem 5. und 
4. Jahrhundert v. Chr., also einer Epoche angehören, in der die so- 
genannte Steinzeit schon längst"zu Ende war, bisweilen eine Pfeil- 
spitze oder ein anderes Utensil aus Stein dem Leichnam als Amu- 
lett beigegeben.”) Doch verbietet die beträchtliche Menge der in 
dem mykenäischen Grabe gefundenen Exemplare diesen eine ähnliche 
Bedeutung beizulegen. Somit bleibt nur die Annahme offen, dafs 
die dortige Bevölkerung damals ihre Pfeile noch mit steinernen 
Spitzen bewehrte?) — eine Thatsache, welche auf das schlagendste 
beweist, dafs die Gräber ın vorhomerische Zeit hinaufreichen. 

Im Obigen wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, dafs die 
Verschiedenheit, welche zwischen der mykenäischen und der home- 
rischen Kultur obwaltet, durch ein historisches Ereignis veranlalst 
sei. Fragen wir nunmehr, ob zwischen die Zeit, in der die Griechen 
vom Orient aus die ersten Impulse, zu einer höheren Civilisation 
erhielten, und diejenige, in welcher das Epos entstand, ein Ereignis 
fällt, das mehr oder minder modifizierend auf den Gang der Ent- 
wickelung wirken mufste, so wird man unwillkürlich an die dorische 
Wanderung denken. Nach blutigen, mehrere Menschenalter hindurch 
dauernden Kämpfen gelang es den Doriern in dem grölsten Teile der 
Peloponnes festen Fuls zu fassen. Die ältere Bevölkerung wurde 
entweder zu einer hörigen herabgedrückt oder genötigt, die Sieger 
in ihre Städte aufzunehmen und mit ıhnen das Land zu teilen. 
Dieser Umsturz der bestehenden Verhältnisse, dessen Wirkungen 


1) Schliemann p. 189, p. 311, p. 313 n.435. Messer aus Obsidian fanden sich 
auch in dem bei dem argivischen Heraion entdeckten Kuppelgrabe (Mittheil. d. 
deutschen arch. Inst. in Athen. III p. 281 n. 16—20, p. 284 n. 35—45), Pfeilspitzen 
und Messer aus demselben Steine unter den Trümmern des auf der Oberburg von 
Tiryns gelegenen Palastes (Schliemann, Tiryns Ὁ. 88, p. 195—196 n. 104—111). 
2) Helbig, die Italiker in der Poebene p. 94 Anm. 3; Zannoni, gli scavı della 
Certosa T. XV 16—19 p. 66; Bull. di paletn. italiana VI p. 159. 3) Im 
Morgenlande scheint sich der Gebrauch steinerner Waffen lange Zeit neben dem 
metallener erhalten zu haben. Steinerne Beile befanden sich unter der Beute, 
welche König Thutmes III von seinen asiatischen Feldzügen zurückbrachte: Brugsch, 
Gesch. Ägyptens p. 344. Die Äthiopier, welche Xerxes gegen Griechenland 
führte, hatten Pfeile mit steinernen Spitzen: Herodot. VII 69. Vgl. Chabas, 
etudes sur l’ant. historique 2. ed. p. 129. 


04 Die Quellen. 


sich weit über die Grenzen der Peloponnes hinaus erstreckten, gab 
zugleich den Anstofs zu der griechischen Kolonisation. Zahlreiche 
Griechenscharen verliefsen, um der Bedrängnis zu entgehen, ihr Vater- 
land und suchten auf der kleinasiatischen Küste und den davor lie- 
genden Inseln eine neue Heimat. Während sie sich hier festsetzten 
und harte Kämpfe gegen die umwohnenden Barbaren ausfochten, 
entstanden in ihrer Mitte die ältesten Lieder des Epos. 

Ein durch mehrere Generationen währender Kriegszustand aber 
beeinträchtigt unter allen Umständen das stetige Fortschreiten des 
Wohlstandes und der Civilisation. Besonders nachteilig jedoch mulsten 
die Folgen in der Peloponnes sein, da die Eroberer entschieden auf 
einer tieferen Bildungsstufe standen als die Bevölkerung zum minde- 
sten des östlichen Teiles der Halbinsel. Die Heimat der Dorier war 
das den Olympos umgebende Bergland, also eine überseeischen- Bil- 
dungselementen schwer zugängliche Gegend. Der lakedämonische 
Staat, in dem sich die altdorische Überlieferung am reinsten und 
zähesten erhalten, bot eine Fülle primitiver Eigentümlichkeiten dar. 
Sparta war bis zur Zeit des Demetrios Poliorketes eine offene 
Stadt.) Ein dem Lykurgos zugeschriebenes Gesetz verordnete, dafs 
die Thüren der Häuser nur mit der Säge, die Decken nur mit dem 
Beile bearbeitet werden sollten.‘) Der altertümliche Schild, welcher 
des zum Durchstecken des Armes bestimmten Bügels entbehrte, wurde 
erst im 3. Jahrhundert v. Chr. von König Kleomenes abgeschafft.?) 
Das primitive spartanische Mädchenkleid und die berüchtigte schwarze 
Suppe machen ganz den Eindruck, als ob sie sich aus der indoeuro- 
päischen Urzeit erhalten hätten. 

Ähnlich verhielt es sich mit den Ätolern, welche sich dem Zuge 
der Dorier angeschlossen hatten und infolge dessen die Herrschaft 
über Elıs erwarben. Schon die westliche Lage ihrer Heimat nötigt 
dazu, ihnen eine primitive Kultur zuzuschreiben; denn wir dürfen es 
als sicher betrachten, dafs der Westen Griechenlands an Wohlstand 
und Civilisation beträchtlich hinter dem Osten zurückblieb. Das 
ithakesische Königshaus erscheint im Epos ärmlich und dürftig 
gegenüber dem spartanischen. Es genügt an das Staunen zu er- 
innern, welches Telemachos angesichts der Pracht empfindet, mit 
welcher das Megaron des Menelaos ausgeschmückt ist.) Bei den 
zu Olympia angestellten Ausgrabungen hat sich keine Spur von einer 
der mykenäischen entsprechenden Kultur gefunden; vielmehr weisen 

1) Pausan. 1 13, 6. Vgl. Helbig, die Italiker in der Poebene p. 134. 
2) Plutarch, Lycurg. 13. Die übrige Litteratur bei O. Müller, Dorier II p. 254. 
3) Plutarch, Kleomenes 11; Kritias bei Liban. or. 24 (περὶ δουλείας) 11 p. 86 
Reiske. Vgl. Ο. Müller ἃ. a. Ο. II p. 245. 4) Od. IV 44—47, 71—75. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 65 


die ältesten aufgefundenen Reste auf ein jüngeres Stadium hin. 
Noch zur Zeit des peloponnesischen Krieges gehörten die Ätoler zu 
den rohesten unter den hellenischen Völkerschaften. 'Thukydides!) 
verweist mit Vorliebe auf ihre Lebensformen, wenn er die Zustände 
der griechischen Urzeit veranschaulichen will. Von den Eurytanen, da- 
mals dem zahlreichsten und mächtigsten unter den ätolischen Stäm- 
men, berichtet er, dafs sie eine ganz unverständliche Sprache redeten 
und sich von rohem Fleische nährten.) Auf der Agora von Elis 
zeigte man einen urtümlichen Bau, der aus einem von eichenen 
Stützen getragenen Dache bestand, als Denkmal des Oxylos, welcher 
die Ätoler in die Peloponnes geführt hatte?) Während also in Ar- 
golis schon vor dem Einbruche der Dorier grofsartige Befestigungs- 
mauern und Grabmonumente aus Stein aufgeführt worden waren, 
schrieb die volkstümliche Überlieferung den nordischen Stämmen 
selbst nach Abschlufs der Wanderung eine derartige primitive Bau- 
weise zu — eine Auffassung, die in dem ältesten Tempel zu Olym- 
pia, dem Heraion, Bestätigung findet. Die Wände der Üella waren 
auf einem Sockel aus Porosquadern, wie es scheint, aus Lehmziegeln 
aufgeführt. Alles Übrige, die Säulen, die Anten, mit denen die 
Wände der Cella am Pronaos wie am Opisthodom verkleidet waren, 
die Umrahmung der Cellathür, die Decke der Cella wie diejenige der 
Hallen, bestand aus Holz. Als die hölzernen Säulen morsch zu 
werden anfingen, wurden sie nach und nach durch steinerne ersetzt.‘) 

Wenn sich demnach die nordischen Stämme auf einer sehr tiefen 
Bildungsstufe befanden, so war es unausbleiblich, dafs die in der 
Peloponnes herrschende Kultur durch ihre Eroberungszüge und durch 
ihren schliefslichen Sieg Abbruch erlitt und in ihrer Weiterentwicke- 
lung gehemmt wurde. Zudem beruhte diese Kultur, wie wir gesehen, 
auf den engen Beziehungen zum Morgenlande, die durch die Un- 
sicherheit, welche der lange währende Kriegszustand mit sich brachte, 
wie dadurch, dafs schliefslich ein anderer Stamm als bisher an der 
Ostküste der Peloponnes gebot, notwendig gestört werden mulsten. 
Andere Störungen wurden durch die griechische Kolonisation veran- 
lafst. Da die Phönikier seit dem Ende des 15. Jahrhunderts v. Chr. 
auf den Inseln des ägäischen Meeres allenthalben Niederlassungen 
oder Faktoreien angelegt hatten,’) so war ihr Verkehr mit Griechen- 
land bisher ein sicherer und bequemer gewesen; denn die von der 


1) 15, 3; ΠΙ 94, 4. Vgl. auch Herodot VI 127. 2) ΠῚ 94, 4. 3) Pausan. 
N1124, 7. 4) Pausan. V 16, 1. Vgl. Boetticher, Olympia p. 191 ff. Dörpfeld 
in den Historischen Aufsätzen, E. Curtius gewidmet p. 148—150. δ) Vgl. 
Movers, die Phönizier II 2 p. 129—132, p. 263. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos, D 


66 Die Quellen. 


chanaanitischen Küste nach dem östlichen Griechenland segelnden 
Schiffe fanden in geringen Entfernungen von einander Stationen vor, 
wo sie gefahrlos wie an dem eigenen Gestade anlegen konnten. Da- 
gegen änderte sich das Verhältnis, als die Griechen auf jenen Inseln 
festen Fufs falsten. Das Verfahren, welches sie gegen die Phönikier 
einschlugen, war nicht überall das gleiche. Aus lJalysos wurde die 
Mehrzahl der Phönikier von den dorischen Kolonisten vertrieben, 
einzelne Geschlechter dagegen in den Gemeindeverband aufgenommen 
und mit der Verwaltung gewisser Priestertümer betraut, die vermut- 
lich von alters her bei ihnen erblich waren.) Die auf Thera be- 
zügliche Überlieferung läfst darauf schliefsen, dafs die daselbst an- 
sässigen Phönikier in ein untergeordnetes politisches Verhältnis zu 
den griechischen Ansiedlern traten.) Auf Thasos scheinen die Parier 
das semitische Element in friedlicher Weise und allmählich assimi- 
liert zu haben.”) Doch war das Resultat dieser verschiedenen Vor- 
gänge das gleiche: die Phönikier hörten auf Herren der Ver- 
kehrsstrafse zu sein, welche von Asien nach Griechenland hinüber- 
führte. Ob die an der griechischen Ostküste ansässigen Orientalen 
damals noch Spuren ihrer ursprünglichen Nationalität bewahrt hat- 
ten, wissen wir nicht. Sollte dies aber der Fall gewesen sein, dann 
‘dürfen wir annehmen, dafs die Assimilierung an die einheimische 
Bevölkerung rasch zu einer vollendeten Thatsache wurde, nachdem 
die Verbindungsglieder mit der asiatischen Heimat verloren gegangen 
waren. Wenn die Überlieferung berichtet, dals Pelops mit vielen 
Schätzen aus Kleinasien nach Argolis gekommen sei und daselbst 
ein mächtiges Reich gegründet habe,') so liegt ihr die richtige Er- 
innerung zu Grunde, dafs die blühende Kultur, welche vor dem Ein- 
bruche der Dorier in jene Gegend herrschte, auf den Beziehungen 
zum Morgenlande beruhte. 

Jedenfalls ist es sicher bezeugt, dafs der Reichtum an Edelmetall 
ın der Peloponnes nach der dorischen Wanderung erheblich abnahm. 
Das Epos bezeichnet Mykenä als eine goldreiche (πολύχρυσος) ) 
Stadt und die dortigen Funde beweisen, dafs ihr dieses Epitheton 
während der Zeit der achäischen Herrschaft gebührte. Als dagegen 
die Spartaner in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts Gold zur 
Herstellung einer Apollostatue brauchten, mulsten sie, um dasselbe 
zu beschaffen, eigene Abgeordnete nach Sardes schieken.). 

Was andererseits die Äolier und Ionier, die nach Kleinasien 


1) Movers ἃ. ἃ. Ο. II 2 p. 249—257. 2) Pausan. III 1, 7—8. Vgl. Movers 
a. 2. OÖ. I 2 p. 267. 3) Movers a. a. Ὁ. II 2 p. 279. 4) 'Thukyd. I 9. 
5) Il. VII 180, ΧΙ 46, Od. III 305: πολυχρύσοιο ηυκήνης. 6) Herodot I 69. 
Pausan. III 10, 10. Vgl. Böckh, Staatshaush. 15 p. 6-7. 


ee 


EEE EN VE ον 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 67 


übersiedelten, betrifft, so entsprach die Kultur, die sie mitbrachten, 
vermutlich mehr oder minder der durch die mykenäischen Funde be- 
kannten. Doch mufste sie bei dieser Übertragung notwendig allerlei 
Abwandlungen erfahren. Wenn ım homerischen Zeitalter die Ver- 
brennung der Toten an die Stelle der früher üblichen Beisetzung 
‚getreten ist, so liegt der Gedanke nahe, dafs diese Sitte mit 
dem Aufgeben der Sefshaftigkeit auf heimischem Boden zusammen- 
hängt; denn Gefälse mit der Asche der Angehörigen konnten ohne 
Schwierigkeit bei Fahrten über die See oder bei Wanderungen zu 
Lande mitgenommen werden und eine Stelle des Ilias bezeugt aus- 
drücklich, dafs dies unter Umständen geschah.) Ferner mulste die 
Beschränkung, welche der phönikische Verkehr auf dem ägäischen 
Meere erfuhr, wie im Mutterlande, so auch in den Kolonieen zu einer 
Verminderung des orientalischen Einflusses führen. Endlich lag es 
den Griechen während des ersten Stadiums der Kolonisation, als es 
galt sich eine neue Heimat zu erkämpfen, gewils näher für das Not- 
wendige und Nützliche zu sorgen als daran zu denken, das Leben 
mit orientalischem Luxus zu schmücken. 

Mit den eigentümlichen Bedingungen, welche bei der Ansiede- 
lung in fremdem Lande mafsgebend waren, kann endlich auch der 
oben berührte Kückschritt im Steinbau zusammenhängen. War eine 
Schar von Äoliern oder Ioniern an der kleinasiatischen Küste ge- 
landet und hatte den Beschlufs gefalst an der betreffenden Stelle 
eine Niederlassung zu gründen, dann galt es zunächst möglichst 
rasch einen sicheren Zufluchtsort herzustellen. Der Bau von stei- 
nernen Mauern wie der, mit denen die Mykenäer und Tirynthier vor 
der dorischen Wanderung ihre Städte befestigten, hätte zuviel Zeit 
und Mühe erfordert. Man begnügte sich demnach damit, ähnliche 
primitive Befestigungswerke aufzuführen, wie sie im Epos geschildert 
sind, d. h. man zog einen Graben und benutzte die hierbei gewon- 
nene Erde zur Aufwerfung eines Walles, der vielleicht noch durch 
eine Reihe von Palissaden Verstärkung erhielt. Aufserdem dürfen 
wir es als wahrscheinlich betrachten, dafs die Ansiedler, wenn der 
Boden thonhaltig war, den Wall von Anfang an statt aus Erde aus 
Lehmzieseln aufführten?) oder mit der Zeit das Erdwerk durch eine 
aus solchen Ziegeln bestehende Mauer ersetzten. Diese Bauweise 


1),,V1L,383; ἀτὰρ κατακήομεν αὐτοὺς 
τυτϑὸν ἀποπρὸ νεῶν, ὥς κ᾿ ὀστέα παισὶν ἕκαστος 
οἴκαδ᾽ ἄγῃ, ὅτ᾽ ἂν αὖτε νεώμεϑα πατρίδα γαῖαν. 
2) In dieser Weise verfuhren noch im Jahre 429 v. Chr. die Peloponnesier vor 
Platää, als sie diese Stadt mit Belagerungsarbeiten umgaben: Thukyd. Il 78. 
Vgl. auch IV 67, 1. 


n* 
+) 


68 Die Quellen. 


reicht in Kleinasien wie in Griechenland in das höchste Altertum 
hinauf. Die Ausgrabungen von Hissarlik haben gezeigt, dals sämt- 
liche Mauern auf der dortigen Pergamos aus Lehmziegeln bestanden, 
sowohl die Wände der Häuser wie die starken Befestigungsmauern.') 
Im VIII. Abschnitte werden wir sehen, dafs die Lehmziegel bei.der 
Erbauung des Palastes von Tiryns, die ebenfalls noch vor die dori- 
sche Wanderung fällt, die vielseitigste Verwendung fanden. Anderer- 
seits ist es bekannt, dafs der Gebrauch dieses Materials in Griechen- 
land wie in Kleinasien auch noch während der späteren Zeit fortdau- 
erte, dafs Festungsmauern?) und bis in die römische Epoche hinein 
viele Wohnhäuser und auch einzelne öffentliche Gebäude aus Lehm- 
ziegeln aufgeführt wurden.) Hiernach dürfen wir annehmen, dafs 
diese Bauweise auch den Aoliern und loniern geläufig war, als sie 
die kleinasiatische Küste zu besiedeln anfingen. Soweit die aller- 
dings sehr spärlich fliefsende Überlieferung ein Urteil verstattet, 
haben die kleinasiatischen Griechen erst spät und, als die Blüte des 
Epos schon lange zu Ende war, steinerne Stadtmauern zu bauen an- 
gefangen. Milet war, als die Könige von Lydien Sadyattes (628—617 
v. Chr.) und Alyattes (617—560) gegen die Stadt Krieg führten, 
befestigt;t) doch wird nicht angegeben, ob die Wälle aus Stein, 
Lehmziegeln oder Erde bestanden. Die älteste Nachricht, welche 
bezeugt, dals eine ionische Stadt mit einem steinernen Mauerring 
umgeben wurde, weist erst auf die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. 
hin. Wie Herodot?) erzählt, befestigten die Phokäer, da sie sich 
von den Persern bedroht sahen, ihre Stadt in dieser Weise, indem 
sie dazu die Mittel verwendeten, die ihnen der griechenfreundliche 
König von Tartessos, Arganthonios, zur Verfügung gestellt hatte. 
Hieraus ergiebt sich, dafs die Stadt in der vorhergehenden Zeit ent- 
weder offen oder durch Werke geschützt war, die aus anderem Ma- 
teriale als aus Stein bestanden. Dafs auch die erstere Annahme zu- 
lässig ist, beweist der Bericht‘) über die Mafsregeln, welche von den 
loniern im Jahre 546 getroffen wurden, als Kyros Sardes eingenom- 
men hatte und Anstalt machte seine Herrschaft bis zur Küste aus- 
zudehnen. Herodot giebt ausdrücklich an, dafs damals die ionischen 


1) Schliemann, Troja, Register p. 434 u. d. W. Lehmziegel. Dörpfeld in 
den Historischen Aufsätzen, E. Curtius gewidmet p. 141—142. 2) So die Stadt- 
mauern von Mantineia (Xenoph. hell. V 2, 5. Pausan. VII 8, 5), Teile der 
athenischen Stadtmauer (Vitruv. II 8, 9. Plin. XXXV 172) und die langen zum 
Peiräeus führenden Mauern (C. J. A. II 1 n. 167), die Mauern der Burg von 
Thespiae (Ulrichs, Reisen in Griechenland Il p. 84). Uralte Lehmziegelmauern 
zu Eleusis: Πρακτικά 1884 p. 75 ff. 3) Vgl. hierüber Nissen, Pompeianische 
Studien p. 24 ff. Blümner, Technologie II p. 9—10. Dörpfeld a. a. Ο. p. 141—145. 
4) Herodot I 17. 5) I 163. 6) Herodot I 141. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 69 


Städte in aller Eile mit Mauern umgeben wurden. Also waren die 
meisten von ihnen damals vollständig befestigungslos. Ja nach eini- 
gen Stellen der epischen Schilderung, die in unserem VII. Kapitel 
Erörterung finden werden, scheint es sogar, dafs bereits den home- 
rischen Dichtern nicht nur befestigte, sondern auch offene Städte be- 
kannt waren. Mögen diese Zeugnisse vereinzelt sein und zum Teil 
der erwünschten Präcision entbehren, immerhin berechtigen sie da- 
zu, den Vorgang in der folgenden Weise aufzufassen: Die Kenntnis, 
gewaltige Befestigungsmauern aus behauenen Steinen anfzuführen, 
hatte bereits vor der dorischen Wanderung durch orientalischen Ein- 
fluls in einzelnen Gegenden des östlichen Griechenlands Eingang ge- 
funden. Ob sie verloren ging, weil sich die eingewanderten Orien- 
talen zu rasch der tiefer stehenden einheimischen Bevölkerung assi- 
milierten oder infolge der die Kulturentwickelung störenden dorischen 
Wanderung, läfst sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Jeden- 
falls machten die Äolier und Ionier, wenn ihnen diese Kenntnis bei 
ihrer Übersiedelung nach Kleinasien noch geläufig war, davon keinen 
Gebrauch, sondern schützten die neu gegründeten Niederlassungen 
nur durch Wälle aus Erde oder aus Lehmziegeln. Einmal daran 
gewöhnt, haben sie dann diese Befestigungsweise auch in der folgen- 
den Zeit festgehalten. Hatten sich die.Verhältnisse friedlich gestaltet, 
so liefs man die Wälle und Gräben verfallen; drohte Gefahr, dann 
wurden rasch neue Befestigungen aufgeführt. Und, da die Herstellung 
von Erd- und Lehmziegelwällen weniger Kosten und Mühe verur- 
sachte, als die einer steinernen Mauer, so mögen sich noch im Jahre 
546 einzelne unter den ionischen Bürgerschaften der ersteren Be- 
festigungsweise bedient haben. Jedenfalls beweist die auf Phokäa 
bezügliche Nachricht, dafs ein steinerner Mauerring noch um die 
Mitte des 6. Jahrhunderts als eine ungewöhnliche Leistung galt. 
Also sind die kleinasiatischen Griechen erst nach Ablauf mehrerer 
Jahrhunderte zu dem Materiale zurückgekehrt, mit dem ihre Vorfahren, 
ehe die Dorier in die Peloponnes einfielen, ihre Ortschaften befestigten. 

Dafs die von einer Kuppel überwölbten und durch einen offenen 
Gang oder Dromos zugänglichen Bauten, wie das sogenannte Schatz- 
haus des Atreus,') das bei dem argivischen Heraion?), das bei Orcho- 
menos in Boiotien?) und das bei Menidi in Attika gelegene Grab,‘) 

1) Blouet, expedition de Morde II pl. 66—71, p. 152—154; Mittheilungen 
des arch. Instituts in Athen IV p. 177—182. 2) Mittheilungen des arch. Inst. 


in Athen III p. 271—286; Milchhoefer, die Museen Athens p. 102%. 3) Schlie- 
mann, Orchomenos, Leipzig 1881; Adler bei Schliemann, Tiryns p. XLVI—XLVII. 
4) Das Kuppelgrab bei Menidi herausg. vom deutschen arch. Institute in Athen, 


Athen 1880; Milchhoefer a. a. ©. p. 105—106. 


70 Die Quellen. 


derselben Kulturepoche angehören wie die mykenäischen Schacht- 
ogräber, ist allgemein anerkannt. Doch bekundet die entwickeltere 
Konstruktion ein fortgeschritteneres Stadium und haben sich inner- 
halb des Grabes von Menidi zwei jüngere in den Schachtgräbern 
noch fehlende Typen von Thongefäfsen gefunden.') Ähnlich verhält 
es sich mit den sehr ärmlichen Gräbern von Nauplia?) und denen 
von Spata in Attika.’) Sie bestehen aus horizontal in den Felsen 
hineingearbeiteten Kammern, zu denen ein Dromos führt. Da sie in 
der Gliederung den Kuppelgräbern entsprechen und einige der Gräber 
von Nauplia die Tholos in roher Weise nachahmen,') so scheint es, 
dafs ihre Konstruktion durch diejenige des Kuppelgrabes bestimmt 
ist’) Auch weist der Inhalt im Vergleich mit dem der Schacht- 
gräber auf eine etwas spätere Zeit hin,°) wie denn in der Nekropole 
von Nauplia dieselben jüngeren Gefälsgattungen vorkommen, welche 
sich in dem Kuppelgrabe von Menidi gefunden haben.) Doch er- 
scheinen diese Unterschiede geringfügig gegenüber der Menge von 
Typen, welche dem Inhalte aller drei Arten von Grabanlagen ge- 
meinsam sind und deutlich eine und dieselbe Kulturentwickelung 
erkennen lassen. Wir dürfen annehmen, dafs diese Entwickelung in 
der Peloponnes durch die dorische Wanderung unterbrochen wurde, 
und das Ende der Wanderung für die dortigen Funde als untere 
Zeitgrenze festsetzen. Dagegen läfst sich dieses Kriterium nicht mit 
der gleichen Sicherheit für Attika verwenden. Da nämlich Attika 
von den Wellen, welche jene Völkerbewegung aufwarf, nur in ganz 
oberflächlicher Weise berührt wurde, so läfst sich die Möglichkeit 
nicht in Abrede stellen, dafs die rein orientalische Kulturphase da- 
selbst etwas länger dauerte. 

Ist diese Auffassung richtig, dann fallen die mykenäischen Gräber 
vor den Abschlufs der dorischen Eroberungen in der Peloponnes, der 
im 10. Jahrhundert v. Chr. erfolgte.) Unter den Versuchen, eine obere 
Zeitgrenze festzustellen, verdient im besonderen der Schlufls Beachtung, 
den Köhler”) auf die in den Schachtgräbern gefundenen Schwerter und 
Dolche'”) gegründet hat. Mag sich die Herkunft dieser Waffen nicht 


1) Das Kuppelgrab bei Menidi p. 48. 2) ᾿ϑήναιον VI p. 183—201, 
VII p. 517—526; Mittheilungen des arch. Inst. in Athen V p. 143—163. 8) A97- 
varov VI Taf. 1—6 p. 167—203; Mittheilungen des arch. Instituts in Athen II 
Ρ. 82—84, p. 261—276; Schliemann, Mykenä p. 431—437; Bulletin de correspon- 
dance hellenique I p. 261—264, II pl. XIII—-XIX p. 185—228; Milchhoefar, die 
Museen Athens p. 102—104. 4) Mittheilungen V p. 152. 5) Vgl. Das 
Kuppelgrab bei Menidi p. 52. 6) Vgl. Mittheilungen II p. 275; Dumont et 
Chaplain, les c&ramiques de la Grece propre p. 61—64. 7) Das Kuppelgrab 
bei Menidi p. 48. 8) Müllenhoff, deutsche Alterthumskunde I p. 58—60. 
9) Mittheilungen VII p. 248—251. 10) Oben 8. 59 Anm. 2. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. ve 


mit Sicherheit bestimmen lassen, immerhin spricht die gröfste Wahr- 
scheinlichkeit für eine phönikische Fabrik, wobei jedoch mit gleichem 
Rechte an die auf den Inseln des ägäischen Meeres wie an die in 
Chanaan ansässigen Phönikier gedacht werden darf. Jedenfalls sind 
sie nach ägyptischen Vorbildern gearbeitet, die der Zeit der ersten 
Ramessiden, also dem 15. oder 14. Jahrhundert v. Chr., angehören. 
Doch weist die im ganzen wohl verstandene Wiedergabe der ägyp- 
tischen Motive darauf hin, dafs der zeitliche Abstand zwischen den 
Vorbildern und den Nachahmungen kein sehr bedeutender war. Die 
mykenäischen Schachtgräber wären demnach etwa dem letzten Viertel 
des 2. Jahrtausends v. Chr. zuzuweisen. Älter sind die auf Thera 
entdeckten Niederlassungen. Die Beste von Hissarlik endlich reichen 
in eine altersgraue Epoche hinauf, in der Kleinasien nur ganz ober- 
flächlich von den Einflüssen der orientalischen Civilisation be- 
rührt war. 

Aufserdem ist hier noch der auf der Oberburg von Tiryns ge- 
legene Palast zu erwähnen, dessen Entdeckung ebenfalls Schliemann 
verdankt wird und der uns ein klares Bild von einem damaligen 
Anaktenhause giebt.) Dafs die Erbauung und Dekoration dieses 
Palastes in die Periode hinaufreicht, welche durch die dorische Wan- 
derung zum Abschluls gelangte, ist zweifellos. Dörpfeld?) hat aus- 
führlich dargelegt, wie die in jenem Gebäude gefundenen Reste von 
Wanddekorationen in Kunstsachen, die aus den mykenäischen Schacht- 
gräbern stammen, in der sculpirten Decke des Thalamos von Orcho- 
menos und in anderen derselben Kulturepoche angehörigen Denk- 
mälern die vielseitigsten Analogien finden. Besonders lehrreich für 
diesen Zusammenhang sind 
die durch Fig. 7—12 repro- 
duzierten Stücke. Figur 7 
giebt eine Platte aus hell- 
grünem Steine wieder, welche 
mit mehreren entsprechen- Fig. 7. 
den Stücken im Megaron jenes Palastes gefunden wurde und mit 
diesen ein M. 0,12 hohes Gesims bildete. Der Reliefschmuck dieser 
Platten besteht aus einem Spiralbande und blütenartigen Motiven, 
welche in die von den äusseren Rändern der Spiralen gebildeten 
Ecken einsetzen. Ein genau entsprechendes Ornament kommt häufig 
an Gegenständen vor, die aus den mykenäischen Schachtgräbern 
stammen.) In der vor dem Megaron gelegenen Halle fand man 


1) Schliemann, Tiryns, Leipzig 1886. 2) Bei Schliemann, Tiryns p. 338—350, 
9)» 


p. 395 —397. 3) Z. B. die Holzplatte bei Schliemann, Mykenae p. 175 n. 222, 
p. 189. Vgl. auch das Friesstück p. 110 n. 153. 


12 | Die Quellen. 


sieben zusammengehörige, reich verzierte Friesplatten aus Alabaster, 
welche durch unsere Figuren 8—10 veranschaulicht werden.') Figur 8 
giebt den Fries in seinem erhaltenen Zustande, Fig. 9 den Grundrifs 
im Verhältnis von 1:5, Fig. 10 eine Restauration des Frieses — 
alles nach Schliemann, Tiryns Tafel IV. Die gröfseren Platten haben 


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Fig. 8. 


eine Breite von M. 0,68, die kleineren von 0,43; ihre Höhe läfst 
sich, da die oberen Teile fehlen, nicht berechnen. Jede der schmä- 
leren Platten ist an der Unterfläche mit einem ziemlich glatten, 
M. 0,10 breiten Rande und einem 0,02 hohen, 0,07 breiten Zapfen 
versehen, welcher offenbar dazu diente, das Herabfallen der Platten 


9.430. 


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zu verhindern. Nach alledem mufs dieser Fries in einer gewissen 
Höhe an der Wand angebracht gewesen sein. Die Dekoration ist 
teilweise in Relief ausgeführt, teilweise durch eingelegten, blauen 
Glasfluss hergestellt.) Sie besteht aus ganzen und halben Rosetten 
und aus Spiralbändern, die durch zwei Reihen kleiner Rechtecke ein- 
geschlossen sind — alles dies Ornamente, welche für die Kunst der 
vor die dorische Wanderung fallenden Entwickelung bezeichnend sind. 
Die Rosette gehört zu den beliebtesten Ornamenten jener Epoche.’) 
Dem durch zwei Reihen kleiner Rechtecke eingefalsten Spiralbande 
begegnen wir an den Halbsäulen und Kapitälen, welche das soge- 
nannte Schatzhaus des Atreus schmückten.) Doch beschränkt sich 
die Übereinstimmung nicht nur auf die einzelnen Ornamente son- 
dern erstreckt sich auch auf die Weise, in der die Ornamente an- 
seordnet sind; denn in Mykenä haben sich zwei porphyrne Fries- 
stücke, von denen das eine durch Fig. 11,°) und im Kuppelgrabe von 
Menidi mehrere Smaltplättchen,°) von denen ein Exemplar durch 


Kig.29: 


1) Vgl. Dörpfeld ἃ. ἃ. Ὁ. p. 323—327. 2) Aus blauem Glasflusse bestehen 
sämtliche Rechtecke und die runden Stücke, welche in die Spiralbänder, wie 
diejenigen, welche in die Mittelpunkte der Rosetten eingesetzt sind. 8) 2.8. 
Schliemann, Mykenae p. 215 n. 281, p. 218 n. 284, p. 249---260 n. 327—328, 
p. 262 n. 336, p. 264 n. 337, p. 270 ἢ. 344. 4) Blouet, expedition de Moree 
II pl. 70; Murray, hist. of gr. sculpt. I p. 40 Fig.5. 5) Auch bei Schliemann, 
Mykenae p. 109 n. 151. 6) Das Kuppelgrab bei Menidi T. III 24. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 


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Fig. 10. Kyanosfries aus Tiryns. 


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74 Die Quellen. 


Fig. 12 wiedergegeben ist, gefunden, deren Dekoration in derselben 
Weise komponiert ist wie die des tirynthischen Frieses. 

Noch etwas schärfer wird die Erbauungszeit des Palastes 
durch eine Beobachtung Dümmlers!) bestimmt. Vergleichen wir 
nämlich die aus diesem Gebäude zu Tage gekommenen Vasen- 


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scherben mit der mykenäischen Keramik, so stellt es sich heraus, 
dals sie nicht mit den in den Schachtgräbern, sondern mit den 
aulserhalb derselben auf dem Burghügel gefundenen Exemplaren 
übereinstimmen. Hiernach scheint es, dafs der Palast etwas jünger 
ist als die Schachtgräber und dem Stadium an- 
gehört, welches in Mykenä durch die Kuppelgräber 
bezeichnet wird.?) 

Unter den vielen wichtigen Thatsachen, die 
sich bei den zu Tiryns unternommenen Grabungen 


ergeben haben, sei hier nur noch auf eine hin- 
gewiesen. Durch Schliemanns Fürsorge ist auch beinahe die ganze 
Mauer der dortigen Oberburg blofsgelegt worden.?) Hierbei hat es 
sich herausgestellt, dafs die Untermauer allenthalben von spitzbogen- 
förmig überwölbten Kammern und Korridoren durchzogen ist, die, 
wie es scheint, als Magazine gedient haben. Soweit gegenwärtig 
unsere Kenntnis reicht, sind ähnliche Anlagen nur in phönikischen 
Befestigungsmauern nachweisbar, nämlich in denjenigen der kartha- 
gischen Byrsa, von Thapsos, Hadrumetum, Utica und Thysdros.?) 
Diese Übereinstimmung liefert einen weiteren Beleg für die engen 
Beziehungen, in welchen die damalige Bevölkerung von Argolis zum 
Morgenlande stand. Niemand wird sich zu der Vermutung versteigen, 
dafs der Fürst von Tiryns einheimischen Künstlern Stipendien ge- 
währt habe, um Vorderasien zu bereisen und die dortigen Bauten 
zu studieren. Vielmehr bleibt nur die Alternative, dafs jene Mauer 
entweder von orientalischen Architekten, die nach Tiryns gekommen 


1) Mittheilungen des arch. Instituts, athen. Abth. XI (1886) p. 39. 2) Vgl. 
oben Seite 69—70. 3) Tiryns p. 353 ff., Plan n. 125. 4) Tiryns p. 372—374. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 75 


waren, oder von einheimischen Architekten, die deren Unterricht ge- 
nossen, gebaut ist. Für welche dieser beiden Annahmen man sich 
auch entscheiden mag, jedenfalls dürfen wir die Einwanderung orien- 
talischer Baumeister in Argolis als eine historische Thatsache be- 
trachten. 

Ich wende mich nunmehr zu einer Gräbergruppe, die öfters bei 
unserer Untersuchung berücksichtigt werden mufs, nämlich zu der 
beim athenischen Dipylon entdeckten.!) Dafs sie einer späteren Zeit 
angehört als die bisher besprochenen Funde, ist gegenwärtig all- 
gemein anerkannt.?) Es genügt daran zu erinnern, dafs in ihr bereits 
der jüngere Gebrauch der Verbrennung vorherrscht?) und dafs in 
Athen während des 7.) und, wie es scheint, sogar noch wäh- 
rend des 6. Jahrhunderts?) v. Chr. Thongefäfse im Gebrauche waren, 
welche den aus jenen Gräbern stammenden entsprachen. Da die zu- 
gehörigen Metallgegenstände nur ungenügend bekannt sind,°) so ist 
die Untersuchung vorwiegend auf die bemalten Vasen angewiesen, 
deren sich eine beträchtliche Menge gefunden hat. Ihr malerischer 
Schmuck stellt eine eigentümliche Richtung der geometrischen De- 
koration dar — eine Richtung, die man nach diesen Vasen kurz als 
den Dipylonstil zu bezeichnen pflegt. Doch haben sich derartige Thon- 
gefälse nicht nur in Attika, sondern auch an mehreren anderen Stellen 
des östlichen Griechenlands, aufserdem auf den Inseln des ägäischen 
Meeres, besonders auf Melos und Thera, und, wie es scheint, auch in 
Kleinasien und Nordafrika gefunden.) Hiernach ist anzunehmen, 
dafs sie nicht in Attika, dessen Industrie und Handel in der Epoche, 
der wir die Gräbergruppe vom Dipylon zuschreiben müssen, noch 


1) Mon. dell’ Inst. IX T. XXXIX, XL, Ann. 1872 p. 131—181. Vgl. Furt- 
wängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 9 ff. 2) Vgl. z. B. Furtwängler, die 
Bronzefunde aus Olympia p. 10. 3) Ann. dell’ Inst. 1872 p. 135, p. 147 n.47, 
48, p. 167. 4) Ann. dell’ Inst. 1880 p. 133; Mittheilungen des deutschen arch. 
Inst. in Athen VI p. 112. 5) Ann. dell’ Inst. 1878 p. 311, 312. In Olympia 
läfst sich die Sitte Bronzebeschläge mit eingravierten Mustern dieses geometri- 
schen Systems zu verzieren, bis zum Ende des 6. oder dem Anfang des 5. Jahr- 
hunderts herab verfolgen: Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 12. 
6) Ann. dell’ Inst. 1872 p. 136, p. 154—155. Goldene Diademe mit eingeprelsten 
Tierfiguren, die aus diesen Gräbern stammen, sind abgebildet bei Daremberg 
und Saglio, diet. des antig. p. 788 n. 933 und bei Curtius, das archaische Bronze- 
relief aus Olympia T. III 4 und 5, p. 16, ein Exemplar mit Kentauren und 
Kampfscenen in der Arch. Zeitung XLII (1884) T. IX 1 p. 102. Aulserdem 
fanden sich Skarabäen aus blauem Smalte. Sechs von mir in Athen gesehene 
Exemplare zeigten ein glattes und jeglicher Gravüre entbehrendes Feld. Drei 
Exemplare befinden sich im Berliner Museum: Milchhoefer, die Anfänge der 
griechischen Kunst p. 45. 7) Ann. dell’ Inst. 1872 p. 140, p. 151, p. 174; Furt- 
wängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 19. 


76 Die Quellen. 


sehr unbedeutend waren, sondern weiter im Osten, sei es auf den 
Inseln des ägäischen Meeres, sei es in Kleinasien, gearbeitet sind. 
Wenn demnach die gegenwärtig bekannten Fundnotizen auf eine 
Gegend hinweisen, welche mit derjenigen, in der die homerischen 
Gedichte entstanden, entweder zusammenfällt oder ihr wenigstens 
nahe liegt, so ist die Bestimmung des zeitlichen Verhältnisses, wel- 
ches zwischen den Vasen des Dipylonstiles und dem Epos obwaltet, 
für unsere Untersuchung von besonderer Wichtigkeit. Auch hat 
Hirschfeld!) bereits darauf hingewiesen, dafs die figürlichen Dar- 
stellungen dieser Gefälse mancherlei Berührungspunkte mit der epi- 
schen Schilderung darbieten. Der homerischen Sitte entsprechend 
sind die Männer auch im täglichen Leben mit dem Schwerte um- 
gürtet.?) Zu ihrer kriegerischen Ausrüstung gehören bereits die 
Beinschienen,?) welche das für die Achäer typische Epitheton (&üxvr- 
uıdeg) veranlalst haben. Die Malereien eines beim Dipylon gefun- 
denen Kruges*) stellen ein gelandetes Schiff dar, dessen Mannschaft 
gegen Krieger kämpft, die von der Landseite heraneilen. Offenbar 
hat die Schiffsmannschaft die Absicht am Strande einen Plünderungs- 
zug zu unternehmen und suchen die Bewohner der bedrohten Ort- 
schaften sie daran zu verhindern — also ein Vorfall, wie er sehr 
oft im Epos Erwähnung findet.) Wie die Leiche des Patroklos,f) ist 
ein auf dem Paradebette ausgestellter Toter”) vom Kopf bis zum 
Fufs mit einem Tuche verhüllt. Wie bei den Leichenspielen des 
Patroklos®) begegnen wir auf den Vasen vom Dipylon einem Wagen- 
rennen, das zu Ehren eines Toten stattfindet,”) und Dreifülsen, die 
als Kampfpreise ausgesetzt sind.') Von Jünglingen und Mädchen 
aufgeführte Reigentänze'') erinnern an eine entsprechende Darstellung 
auf dem Schilde des Achill.'’”) Hinsichtlich eines schachtelartigen- 
Gefälses, dessen Deckel und Behälter an den Rändern mit einander 
entsprechenden Löchern versehen sind und das vermöge eines durch 
diese Löcher gezogenen Bandes zugebunden wurde,!?) verweist Hirsch- 
feld'*) treffend auf den ähnlichen Verschlufs der Kiste, in der Odysseus 


1) Ann. dell’ Inst. 1872 p. 165 ff. 2) Mon. dell’ Inst. VIII T. XXXIX 1, 2. 
3) Mon. dell’ Inst. VIII T.XXXIX 1 (sie sind besonders kenntlich an den Figuren 
der beiden Wagenlenker). Vgl. Ann. 1872 p. 139 (2), p. 143, p. 145. 4) Arch. 
Zeitung XLIH (1885) T. VII 1 p. 131. 5) Od. III 73, 105, IX 38—61, 254, 
XIV 85—86, 221—234, XV 387, 427, XVII 423—444, XXI 18—19, XXIV 111—112. 
6) Il. XVIII 352. 7) Mon. dell’ Inst. VIIL T. XXXIX 3. 8) I. XXIII 262 £. 
9) Mon. dell’ Inst. VIII T. XXXIX 1. Vgl. Ann. 1872 p. 167. 10) Mon. dell’ 
Inst. VIII T.XXXIX 2. Dreifülse als Preise: Il. XXII 164, XXIII 259, 264, 513, 
702, 718. 11) Mon. dell’ Inst. VIII T. XXXIX 2, Arch. Zeit. XLIII (1885) 
T. VIH 2. 12) ID. XVIII 590 ff. 13) Mon. dell’ Inst. VII! T. XL 2. 
14) Ann. dell’ Inst. 1872 p. 150 n. 71. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 17 


die Geschenke der Phäaken barg.!) Andererseits aber zeigen die Ma- 
lereien dreier beim Dipylon gefundener Gefäfsscherben im Vergleich 
mit der im Epos geschilderten Kultur einen Unterschied, der von Hirsch- 
feld und Graser”) richtig bemerkt, aber nicht für die chronologische 
Frage verwertet wor- 
den ist. Sie geben 
nämlich Schiffe wie- 
der (Fig. 13,14), die 
mit einem Stachel 
(£ußoAog, rostrum) 
versehen und somit 
zum Seekampfe ausgerüstet 
sind.’) Ja auf einer dieser Va- 
sen war ein Seetreffen darge- 
stell. Wir sehen auf dem 
Bruchstücke ein mit einem 
Stachel bewehrtes Schiff, ın See 

dem zwei Männer mit dem Segel beschäftigt sind, während andere tot 
oder verwundet auf dem Verdecke liegen, andere von dem Verdecke ins 
Wasser stürzen.‘) Im Epos dagegen verlautet nichts von einer offen- 
siven Ausrüstung oder einem offensiven Gebrauche des Schiffskörpers; 
vielmehr dienen die Schiffe ausschliefslich als Transportmittel.) Dem- 
nach kann es keinem Zweifel unterliegen, dals die Gräbergruppe vom 


1) Od. VIII 443 ff. 2) Ann. dell’ Inst. 1872 p. 168, 178, 180. 3) Mon. 
VIII T. XL 3-—4 (hiernach die Fig. 13 und 14 wiedergegebenen Schiffsformen). 
Vgl. Ann. 1872 p. 152—153. — Hirschfeld in den Histor. Aufsätzen, E. Curtius 
gewidmet p. 355. Vgl. p. 364 Anm.1. 4) Mon. VIIIT.XL3. 5) Freilich hat man 
hierbei den typisch fixierten Stil der epischen Schilderung zu berücksichtigen 
(vgl. oben Seite 2—3). Auch kann ich die Frage nicht unterdrücken, ob nicht 
doch eine Episode der Odyssee die Existenz des Stachelschiffes voraussetzt. Es 
ist dies diejenige, welche von dem Anschlage der Freier gegen Telemachos 
handelt. Ein von Antinoos befehligtes Schiff kreuzt in dem Sunde zwischen 
Ithaka und Kephallenia, um das Schiff des aus der Peloponnes zurückkehrenden 
Telemachos zu überfallen (Od. IV 669—672, 842—847, XV 28—30, XVI 351— 357, 
364—370) — ein Unternehmen, welches ungleich natürlicher scheint, wenn das 
zum Angriff bestimmte Schiff mit einem Stachel bewehrt war. Übrigens gehört 
jene Episode zu den jüngeren Bestandteilen der Odyssee (Von Wilamowitz- 
Moellendorff, homerische Untersuchungen p. 98—103, p. 93). Hingegen nötigen 
die ξύστα ναύμαχα, kolossale Speere, mit denen die Achäer von den Schiffen 
herab gegen die Troer kämpfen (Il. XV 387—89, 677), keineswegs zu der An- 
nahme, dafs damals Seetreffen im eigentlichen Sinne des Wortes stattfanden. 
Vielmehr können diese Waffen, wie es nach jenen Stellen der Ilias geschieht, 
ausschlie[slich dazu gedient haben die Schiffe, welche bei einer Landung an 
einem fremden Gestade unter Umständen das einzige Bollwerk der Mannschaft 
waren, gegen Angriffe von der Landseite zu verteidigen. 


18 Die Quellen. 


Dipylon wenigstens zum Teil einer jüngeren Epoche als die Blüte 
des Epos angehört. 

Soweit unsere Kenntnis reicht, ist das älteste chronologisch be- 
stimmbare Denkmal, welches den Schiffsstachel aufweist, ein Relief 
aus dem Palaste des Sanherib zu Kujundschik,!) stammt also aus 
dem Ende des 8. oder dem Anfange des 7. Jahrhunderts. Dieses 
Relief stellt dar, wie die Bewohner einer am Meere gelegenen Stadt, 
die auf der Landseite von den Assyrern belagert wird, zu Schiffe 
das Weite suchen. Die Schiffe, in welchen die Flüchtlinge geborgen 
sind, zeigen zwei verschiedene Formen. Die einen, deren Verdeck 
eine beträchtliche Höhe erreicht, haben Mast und Segel und an dem 
senkrecht herabfallenden Vorderteile einen Stachel (Fig. 15). Die 


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Fig. 15. 


anderen sind niedriger, vorn wie hinten gleichmäfsig ausgeschweift 
und mast- wie stachellos (Fig. 16). Wenn das Lokal der auf dem 
Relief dargestellten Handlung, wie allgemein angenommen wird, an 
der chanaanitischen Küste zu suchen ist, dann ergiebt sich, dafs die 
Phönikier schon im 8. Jahrhundert v. Chr. eine gewisse Gattung von 
Schiffen mit dem Stachel ausrüsteten. Ob diese Erfindung, die in 
der weiteren Entwickelung des Seewesens eine hervorragende Bedeu- 
tung gewann, von den Phönikiern, den Griechen oder etwa den Karern 
gemacht wurde,?’) läfst sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. 


1) Layard, mon. of Nineveh pl. 71; Layard, Niniveh und seine Überreste 
(deutsch von Meilsner) Fig. 65%, 67; Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 34 
n. 8, 9 (hiernach Fig. 15 und 16). Vgl. Helbig, über den Pileus der alten Ita- 
liker (Sitzungsber. d. bayer. Akad. d. Wiss. 6. Nov. 1880) p. 530. 2) Die 
italische Überlieferung, dafs der Tyrrhener Pisäus (Plin. VII 209) die rostra er- 
funden habe, bedarf keiner Widerlegung. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 79 


Jedenfalls liegt der Gedanke nahe, dafs sie mit der Rivalität zusammen- 
hängt, welche durch die griechische Kolonisation zwischen den see- 
fahrenden Völkern des Mittelmeergebietes hervorgerufen wurde und 
den Abschlufs des Epos überdauerte. 

Aufserdem weist die grofse Menge, in der die Vasen des Dipylon- 
stiles auftreten, wie ihre weite Verbreitung auf eine spätere Zeit hin. 
In dem ersten Abschnitte wurde gezeigt, dafs die Griechen nach der 
Schilderung des Epos noch nicht zu einer industriellen Thätigkeit 
im eigentlichen Sinne des Wortes vorgeschritten waren und der Ver- 
trieb ihrer Handwerksprodukte sich noch auf das den Fabrikort 
umgebende Gebiet beschränkte. In der Epoche des Dipylonstiles 
dagegen war die Vasenfabrikation bei einer griechischen Bevölkerung, 


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die in Kleinasien oder auf den benachbarten Inseln wohnte, eine be- 
deutende Industrie und wurde mit den Erzeugnissen derselben ein 
weitreichender Handel getrieben. 

Hierzu kommt endlich noch eine Thatsache, die ganz neuerdings 
von Dümmler!) festgestellt worden ist. In den beim Dipylon ent- 
deckten Gräbern haben sich eiserne Waffen gefunden, mehrere 
Schwerter,?) blattförmige Lanzenspitzen, die mit der zum Einstecken 
des Schaftes dienenden Hülse versehen sind, und der Kopf einer 
Streitaxt, der auf einer Seite in eine vertikale Schneide, auf der ande- 


1) Dümmler hatte die Güte mir hierüber briefliche Mitteilung zu machen; 
er wird diesen Gegenstand demnächst ausführlich behandeln. 2) Diese 
Schwerter sind zwar aus Eisen gearbeitet, halten aber eine bereits in der Bronze- 
technik übliche Form fest. Zu ihnen gehört das in unserem XXIV. Abschnitte 
Fig. 131 publizierte Exemplar. Die von Dümmler festgestellte Fundnotiz wird 
dadurch bestätigt, dafs die gleiche Schwertform öfters auch in den Malereien 
der Dipylonvasen deutlich erkennbar ist (vgl. namentlich Arch. Zeit. XLII 
1885 T. VII). 


80 Die Quellen. 


ren in eine Spitze ausläuft.‘) Wie wir aber im XXIV. Abschnitte 
sehen werden, erwähnt die epische Erzählung nur bronzene Waffen, 
abgesehen von der eisernen Keule des Arkadiers Areithoos?) und der 
eisernen Pfeilspitze des Pandaros.”) Hiernach scheint es, dafs die 
Nekropole vom Dipylon zum mindesten jünger ist als die Epoche, 
in welcher der epische Stil seine typische Fixierung erhielt. 

Die Unterschiede, welche die Gräber vom Dipylon im Vergleich 
mit der vorhergehenden Schicht wahrnehmen lassen, sind für die Er- 
kenntnis der griechischen Entwickelung höchst lehrreich. Zwar haben 
sich auch in den ersteren orientaliche Kunstprodukte gefunden. Solche 
sind jedenfalls die smaltenen Skarabäen, wahrscheinlich auch die gol- 
denen Diademe, deren Tierfiguren sich durch ihre rundlichen Formen 
auffällig von der in den Malereien der Thongefäfse herrschenden 
geradlinigen Zeichnung unterscheiden.*) Aber der orientalische. Im- 
port erscheint ungleich geringer als in der früheren Periode. Viel- 
mehr beruht der eigentümliche Charakter der Gräber vom Dipylon 
im wesentlichen auf Produkten von griechischer Hand, nämlich auf 
den bemalten Thongefälsen. Allerdings ist der malerische Schmuck 
dieser Gefälse noch in vielen Hinsichten von orientalischen Motiven 
abhängig. Beinah alle Ormamente, welche der Dipylonstil verwendet, 
lassen sich in’ der vorhergehenden Periode nachweisen und auch in 
der Behandlung der menschlichen Gestalt ist der Einfluls eines orien- 
talischen Typus unverkennbar.) Jedoch hat der nationale Geist be- 
reits genügende Kraft gewonnen, um die fremden Elemente in indi- 
vidueller Weise zu verwenden. Die Syntax der Ornamente ist eine 
durchaus eigentümliche und berechtigt dazu, den Dipylonstil als eine 
besondere Richtung innerhalb der geometrischen Dekoration auszu- 
scheiden. Bezeichnend ist ferner die Auswahl unter den ornamen- 
talen Tierfiguren. Abgesehen von vereinzelten Ausnahmen,°) verzich- 
teten die Maler darauf, Löwen, Panther und Fabeltiere, deren Typen 
ihnen nur durch orientalische Kunstprodukte bekannt waren, darzu- 
stellen, sondern beschränkten sich auf solche Tiere, die sie täglich 


1) Sie ist dem bei Schliemann, Ilios p. 565 n. 958 publizierten, bronzenen 
Exemplare ähnlich, scheint also ebenfalls einen bronzenen Typus wiederzugeben. 


2) Il. VII 141, 144. 3) I. IV 123. Übrigens ist dieser Vers als spätes Ein- 
schiebsel verdächtig. Vgl. die Schol. z. d. St. und Beloch in der Rivista di filo- 
logia ed istruzione classica II (1873) p. 56—57. 4) Oben 8. 75 Anm. Ὁ. 
5) Oben S. 36—38. 6) Eine solche Ausnahme bilden die beiden einen Mann 


verschlingenden Panther oder Löwen auf der in der Arch. Zeitung XLIII (1885) 
ΤΟ VII 2 p. 134—139 publizierten Dipylonvase. Derartige Figuren sind offenbar 
aus den importierten @oldarbeiten (oben 8.75 Anm. 6) entlehnt, mit deren Typen 
sie auch die rundlichen Formen gemein haben. 


V. Die wichtigsten Fundgruppen im Osten. 81 


mit eigenen Augen zu beobachten Gelegenheit hatten, wie Pferde, 
Rinder, Hirsche, Rehe, Gänse oder Enten. Ja sie thaten noch einen 
weiteren Schritt in dieser Richtung, indem sie es unternahmen Scenen 
aus dem sie umgebenden menschlichen: Leben abzubilden. 

Die Grundbedingung, auf welcher diese neue Richtung beruhte, 
war offenbar der Gegensatz, in den die Griechen seit dem Beginne 
ihrer Kolonisation zu den Orientalen traten. Es leuchtet ein, dals 
dieser Gegensatz ihre Thatkraft steigern und die Ausbildung ihrer 
Individualität fördern mulste. Entwickelte sich doch unter dem Ein- 
drucke der Kämpfe und Abenteuer, welche die Griechen damals zu 
bestehen hatten, das Epos, das dem Inhalte wie der Form nach den 
nationalen Geist in der glänzendsten Weise offenbart. Nachdem hier- 
mit die Poesie, aus der umgebenden Aulsenwelt schöpfend, eine Fülle 
von prächtigen Bildern vor die Phantasie gezaubert hatte, schlug die 
bildende Kunst die gleiche Bahn ein. Ja sie that dies bereits vor 
Abschlufs der epischen Dichtung. Wenn in der Ilias’) Helena eine 
purpurne Diplax, an der sie webt, mit Kämpfen zwischen Achäern 
und Troern schmückt, so stellt sie Scenen aus der sie umgebenden 
Wirklichkeit dar. Wir dürfen demnach annehmen, dafs auch die da- 
maligen griechischen Frauen auf den Prachtgewändern, die sie web- 
ten, bisweilen Darstellungen aus dem gleichzeitigen Leben anbrachten. 
Freilich werden diese Leistungen, aus denen sich allmählich die grofse 
Industrie der milesischen Gewänder entwickelte, in formeller Hin- 
sicht vielfach von orientalischen Mustern abhängig gewesen sein, wie 
die nachmals berühmten Kunstwebereien auf Amorgos und Thera 
aller Wahrscheinlichkeit nach an phönikische Industrieen anknüpften, 
die vor Ankunft der griechischen Kolonisten auf den beiden Inseln 
blühten?) Mag man aber den Grad der Abhängigkeit noch so hoch 
veranschlagen, immerhin zeigt sich in der selbständigen Wahl der 
darzustellenden Gegenstände ein durchschlagender Fortschritt, dessen 
Erkenntnis zugleich für die Beurteilung der Vasen vom Dipylon frucht- 
bar ist. Alle Analogieen nämlich nötigen zu der Annahme, dafs das 
Prinzip, welches in dem malerischen Schmucke dieser Vasen herrscht, 
nicht von den Töpfern selbständig erfunden, sondern durch einen 
anderen Kunstzweig bedingt ist. Und zwar weisen die stilistischen 
Eigentümlichkeiten, wie Conze?) und Hirschfeld’) in überzeugender 
Weise dargethan haben, im besonderen auf die textile Kunst hin, 


1) III 125: ἡ δὲ μέγαν ἵστὸν ὕφαινεν | δέπλακα πορφυρέην, πολέας δ᾽ ἐνέ- 
πασσεν ἀέϑλους | Τρώων 9’ ἱπποδάμων καὶ ᾿ἀχαιῶν χαλκοχιτώνων. Vgl. Od. XV 
105, 126. 2) Movers, die Phönizier Il 2 p. 265, p. 268. 3) Zur Geschichte 
der Anfänge griechischer Kunst (Sitzungsber. d. Wiener Akademie 1870) p. 18. 
4) Ann. dell’ Inst. 1872 p. 157, p. 172. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 6 


82 Die Quellen. 


wie denn die Auswahl unter den aus der vorhergehenden Epoche über- 
kommenen Motiven geradezu durch die Bedürfnisse dieser Kunst 
bestimmt scheint. Wenn aber während der Blütezeit des Epos Ge- 
wänder nicht nur mit ornamentalem Schmucke, sondern auch mit 
Darstellungen aus dem gleichzeitigen Leben verziert wurden, so liegt 
der Gedanke nahe, dafs diese Richtung der Weberei die Grundlage 
war, auf der sich in der folgenden Epoche die entsprechende Deko- 
ration der Vasen vom Dipylon entwickelte. 


VI. Die wichtigsten Fundgruppen im Westen. 


Das älteste Stadium, welches die Italiker im ethnographischen 
Sinne des Wortes nach ihrer Einwanderung in die Apenninhalbinsel 
durehmachten, wird durch die Pfahldörfer veranschaulicht, von denen 
zahlreiche Reste in der Poebene entdeckt worden sind.!) Das Hand- 
werk stand während dieses Stadiums noch auf einer sehr niedrigen 
Stufe. Obwohl die Verarbeitung der Bronze bereits bekannt war, 
stellte man doch noch mancherlei Utensilien, besonders Äxte und 
Pfeilspitzen, aus Stein her; die Bronze wurde nicht geschmiedet, 
sondern nur gegossen; von der Verarbeitung des Eisens hat sich keine 
Spur gefunden. Bezeichnend für die Beschränktheit nicht nur der 
Metallotechnik, sondern des ganzen Kulturapparates ist die Thatsache, 
dafs unter den Resten der Pfahldörfer bronzene Heftnadeln (Fibulä)?), 
Armbänder, Halsbänder, Gürtelschnallen und Gürtelbeschläge vermilst 
werden. Hierauf folgt ein Stadium, welches erhebliche Fortschritte 
aufweist. Die primitive Steinmanufaktur hört auf; die Bronze wird 
nicht nur gegossen, sondern auch geschmiedet; einzelne eiserne Ge- 
genstände sind im Gebrauche; die Zahl der Schmucksachen und Uten- 
sılien erfährt eine erhebliche Vermehrung; eine geometrische Orna- 
mente verwendende Dekoration, von der in den Pfahldörfern höch- 
stens ganz rudimentäre Anfänge bemerkbar sind, gelangt allmählich 
zur systematischen Ausbildung. Die Italiker, die Etrusker?) und, wie 
es scheint, auch die illyrischen Veneter*) sind durch dieses Stadium 


1) Vgl. hierüber und über das Folgende Helbig, die Italiker in der Poebene; 
Leipzig 1879. 2) Undset im Bull. di paletnologia italiana IX (1883) p. 131—135 
hat es wahrscheinlich gemacht, dafs in den jüngsten Pfahldörfern, die bereits 
den Übergang zu dem folgenden Stadium vermitteln, einzelne bronzene Heft- 
nadeln im Gebrauch waren. Die Weise, in der Studniezka, Beiträge zur Geschichte 
der altgriechischen Tracht (Abhandl. d. archäologisch-epigraphischen Seminars 
der Universität Wien VI 1) p. 12 die Beobachtung Undsets nach Schliemann, 
Troja p. 55 Anm. 1 mitteilt, kann die Behandlung der Frage nur verwirren. 
3) Vgl. Ann. dell’ Inst. 1884 p. 108 ff., 1885 p. 6 ff. 4) Bull. dell’ Inst. 1881 
p. 75—76; Bull. di paletn. ital. IV p. 78—81, VI p. 81; Zannoni, gli scavi della 
Certosa p. 157—161; Notizie ἃ. scavi comm. all’ acc. dei Lincei 1882 p. 17—20. 


VI. Die wichtigsten Fundgruppen im Westen. 33 


durchgegangen; in ihm begriffen haben die beiden ersteren Völker 
den Apennin überschritten und den westlichen Abhang des Gebirges 
besiedelt. Die zahlreichen Reste, welche diese Entwickelung hinter- 
lassen hat, im einzelnen namhaft zu machen, würde zu weit führen 
und aufserdem überflüssig sein, da Undset!) eine vortreffliche Über- 
sicht der zugehörigen Funde gegeben hat. Vielmehr begnüge ich 
mich an die wichtigsten und reichhaltigsten Fundkomplexe zu erin- 
nern. In dem östlich vom Apennin gelegenen Gebiete wird das ın 
Rede stehende Stadium besonders durch zwei bei Bologna ausgegra- 
bene Nekropolen veranschaulicht, durch die von Villanova?) und die 
des Grundstückes Benacci.) Aus Etrurien gehören hierher zwei bei 
Chiusi entdeckte Gräbergruppen,') der älteste Teil der Nekropolen 
von Vetulonia?) und von Tarquini‘), sowie die von La Tolfa (bei 
Civitavecchia),‘) aus Latium der nördliche, ἃ. 1. älteste Teil der Ne- 
kropole von Alba longa.) 

In dieser Schicht, deren Bildung bereits begonnen hatte, bevor 
die Italiker und Etrusker in ihre historischen Sitze gelangten, macht 
sich eine höchst auffällige Thatsache bemerkbar. Es finden sich näm- 
lich darin mancherlei Utensilien, welche mit Exemplaren griechischen 
Fundortes in so auffallender Weise übereinstimmen,?) dafs die Ver- 


1) Ann. dell’ Inst. 1885 p. 32 ff. 2) Gozzadini, di un sepolcreto etrusco 
scop. presso Bologna Bol. 1855; intorno ad altre settantuna tombe del sepolereto 
etr. scop. presso Bologna Bol. 1856. 3) Bull. dell’ Inst. 1875 p. 50 #., 
p. 177—182, p. 209—216; Zannoni, gli scavi della Certosa p. 34—35, p. 112 ff. 
4) Die von Poggio Renzo: Revue arch. XXVII (1874) p. 209 ἢ, XXVIII (1874) 
p. 155 ff.; Gamurrini bei Conestabile, sovra due dischi in bronzo antico-italici 
(Mem. dell’ acc. di Torino Ser. II tom. XXVII) p. 28 not.5; Bull. dell’ Inst. 1875 
p. 216 ff. Die andere von Sarteano: Bull. 1879 p. 233—236. 5) Notizie degli scavi 
1885 p. 98—152. Die übrige Litteratur im Bull. dell’ Inst. 1885 p. 129 not. 1. 
6) Bull. dell’ Inst. 1882 p. 11—22, p. 40—42, p. 163—176, p. 209— 211, p. 213—216; 
Ann. 1884 p. 110 ff., 1885 p. 6ff.; Not. ἃ. scavi comm. all’ acc. dei Lincei 1881 p. 342 — 
362, 1882 p.136 ff. 7) Klitsche de la Grange, intorno ad alcuni sepolcreti arcaici 
rinv. presso Civitavecchia, Roma 5. d.; nuovi ritrovamenti paleoetnologici nei 
territorii di Tolfa e di Allumiere, Roma 1881; Not. ἃ. scavi 1880 p. 125—127, 
1881 p. 245—247; Bull. dell’ Inst. 1883 p. 209—212, 1884 p. 110—112, p. 189—192. 
8) Die wichtigste Litteratur über diese Nekropole s. bei Helbig, die Italiker in 
der Poebene p. 82 Anm. 3, was seit dem Jahre 1879 darüber erschienen ist, in 
den Ann. dell’ Inst. 1885 p. 48 not. 2. 9) Gewisse Typen von Heftnadeln 
kommen in Italien in vorhellenischen Schichten und in Griechenland vor. So 
hat sich die Fibula mit einfachem Bügel (Bull. di pal. ital. IV p. 106—110), die 
eine der ältesten der in Italien gebräuchlichen Gattungen ist (Bull. di pal. ital. 
IV p. 108), auch in Olympia (Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 37) 
und, aus Gold gearbeitet, bei Kition auf Kypros (Perrot et Chipiez, histoire de 
V’art III p. 831 n. 595) gefunden. Der Typus mit schlangenartig gewundenem 
und in der Mitte sich verdickendem Bügel ist in Villanova (Gozzadini, dı un 

6* 


84 Die Quellen. 


mutung, die betreffenden Typen seien unabhängig von einander so- 
wohl auf der Balkan- wie auf der Apenninhalbinsel entstanden, ent- 
schieden ausgeschlossen ist. Vielmehr werden wir zu der Annahme 
genötigt, dafs bereits damals Verkehr zwischen den beiden klassischen 
Halbinseln stattfand und Kulturobjekte aus der östlichen in die west- 
liche eingeführt wurden. Da sich einige von jenen Typen mit der 
homerischen Schilderung berühren, so kann ich der schwierigen Frage, 
wie man sich diese Beziehungen zu denken hat, nicht aus dem Wege 
gehen. 

Allerdings bezeugt die Odyssee,'!) dafs die Westgriechen schon 
vor Beginn der hellenischen Kolonisation nach dem gegenüberliegen- 
den Festlande hinüberfuhren. Doch konnte dieser unstete Verkehr 
unmöglich ausreichen, um die Bevölkerung Italiens in ein fortge- 
schritteneres Kulturstadium einzuführen und einer reichhaltigen und 
weit verbreiteten Fundschicht einen eigenartigen Stempel aufzudrücken. 
Zudem waren jene Fahrten der Westgriechen aus begreiflichen Grün- 
den nach den ihnen zunächst liegenden südöstlichen Küsten der Apen- 
ninhalbinsel gerichtet und gerade hier sind keine gröfseren Fund- 
komplexe aus dem angeführten Kulturstadium nachweisbar. 

Ebenso ist der Gedanke an etwaige Einflüsse der ältesten 
auf Sieilien oder in Unteritalien gegründeten Griechenstädte ausge- 
schlossen; denn es steht fest, dafs sich Italiker und Etrusker schon, 
bevor sie den Apennin zu überschreiten anfingen, in jenem Stadium 
befanden und niemand wird sich, denke ich, zu der Vermutung ver- 


sepolcreto etr. scop. presso Bologna T. VIII 1) und in Olympia (Furtwängler 
a. a. Ὁ. p. 38) nachweisbar, der Typus mit Knoten um den Bügel (Bull. di pal. 
ital. IV T. III 1, 3, 5, 7—9 p. 50—60) u. a. in der Nekropole Benacci, in dem 
Bronzefunde von ὃ. Francesco in Bologna (Bull. di pal. IV p.53) und in Mykenä 
(N. 3141* Stamatakis, gef. in dem Schutte, in 5 Meter Tiefe); ein Exemplar mit 
sieben sehr dicken Knoten im athenischen Polytechnion. Heftnadeln, aufderen Bogen 
drei Figuren von Wasservögeln (Enten?) aufgesetzt sind, wie sie sich in den Nekro- 
polen von Villanova (Gozzadini, di un sepolcreto etrusco scoperte presso Bologna 
T. VII 15), Benacei (Brizio, Monumenti della prov. di Bologna T. II 25) und 
Arnoaldı (Gozzadini, intorno aglı scavi fatti dal sig. Arnoaldi Veli T. XI 15) 
gefunden haben, stehen offenbar in Beziehung zu einem in Kameiros zu Tage 
gekommenen Typus, dessen Bogen nur mit einem solchen Vogel geschmückt 
ist (Perrot et Chipiez III p. 31 n. 594). Ähnliche Dolche aus vorhellenischer 
Epoche finden sich in Italien (Bull. di paletn. ital. II p. 44) wie in Griechenland 
(ibid. p. 52; ein Exemplar aus Amorgos: Mittheilungen des arch. Inst., athenische 
Abth. XI, 1886, Beil. 1 n. 6 p. 24). Für unsere Untersuchung sind unter diesen 
Typen besonders wichtig die spiralförmigen Lockenhalter, die halbmondförmigen 
asiermesser und die Bronzebeschläge breiter Gürtel (uire«ı), über die im XV. 
und XXI. Abschnitt ausführlich die Rede sein wird. 1) Besonders XXI 383, XXIV 
211, 307, 366, 389. Vgl. Müllenhoff, deutsche Alterthumskunde I p. 56—58. 


VI. Die wichtigsten Fundgruppen im Westen. 85 


steigen, dafs die beiden Völker erst nach Beginn der hellenischen 
Kolonisation an dem Gestade des Mittelmeeres eingetroffen wären. 

Wenn demnach jene Verbindungen zwischen der Balkan- und 
der Apenninhalbinsel in vorhellenische Epoche hinaufreichen, dann 
spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dafs sie auf dem Landwege, 
um den istrischen Meerbusen herum, stattfanden — eine Annahme, 
die um so glaublicher erscheint, als die mythische und die histo- 
rische Überlieferung einen solchen Verkehr deutlich genug bezeugen. 

Erstens gehört hierher der Bericht, den Diodoros,') vermutlich nach 
Ephoros, über die Rettung des Themistokles aus dem Lande der 
Molosser giebt: um der Auslieferung an die Lakedämonier zu ent- 
gehen, läfst sich der athenische Flüchtling von zwei jungen Ligyern, 
d. i. Ligurern, die sich des Handels halber bei den Molossern auf- 
hielten, in östlicher Richtung über das Gebirge führen und gelangt 
auf diese Weise unbehelligt nach Kleinasien. Da die älteren grie- 
chischen Schriftsteller den Namen der Ligyer in sehr weitem Sinne 
gebrauchen, so bleibt es allerdings zweifelhaft, ob die Führer des 
Themistokles Ligurer im ethnographischen Sinne des Wortes waren 
oder einer anderen in Oberitalien ansässigen Völkerschaft angehör- 
ten, wobei man zunächst an die illyrischen Veneter denken würde. 
Wie dem aber auch sei, jedenfalls ergiebt sich aus jener Erzählung, 
dafs Leute italischer Herkunft während der ersten Hälfte des 5. Jahr- 
hunderts v. Chr. im Inneren der Balkanhalbinsel verkehrten und da- 
selbst Weg und Steg kannten. 

Ein weiteres Zeugnis scheint in einem Berichte?) enthalten, der 
vermutlich auf Lykos von Rhegion zurückgeht. Zwischen der istri- 
schen Halbinsel und dem Gebiete der Mentores lag ein Delphion be- 
nannter Berg, von dessen Gipfel man bis zum schwarzen Meere sah, 
und in der Mitte zwischen beiden Meeren ein Ort, wo Markt gehalten 
wurde und vom Pontos die Waren von Lesbos, Chios und Thasos, 
vom Adria kerkyräische Amphoren zum Verkaufe kamen. Mag auch 
dieser Bericht ein halb mythisches Gepräge tragen, immerhin be- 
rechtigt er zu der Annahme, dafs der innere Teil der Balkanhalbinsel 
durch Handelsverkehr mit dem adriatischen Meere verbunden war, 
ähnlich wie die noch sagenhafter gehaltenen Angaben über den Pfad 
des Herakles auf eine alte die graischen Alpen durchschneidende 
Handelsstrafse schliefsen lassen.”) 


1) XI 56. Vgl. Volquardsen, Untersuchungen über die Quellen bei Diodor 
p- 60. 2) Aristot. de ineredibil. auscultation. 104 (Il p. 839 Bekker). Vgl. 
Müllenhoff a. a. O. p. 433. 3) Genthe, über den etruskischen Tauschhandel 
p. 8—9. 


86 Die Quellen. 


Ferner ist hierbei die Hyperboreersage zu berücksichtigen.!) 
Der Weg, auf welchem die Gaben der Hyperboreer nach Delos ge- 
langten, wird klar von der Nordspitze des adriatischen Meeres an. 
Von hier wurden sie nach Dodona, dem Italien zunächst liegenden 
Mittelpunkte altgriechischer Entwickelung, und von Dodona über 
Euböa und Tenos nach Delos gebracht. In der späteren Zeit er- 
folgte die Sendung von Gau zu Gau. Ursprünglich dagegen wurden 
die Gaben, wie die Sage berichtet, von zwei Jungfrauen und fünf 
Männern aus dem Hyperboreerlande nach Delos gebracht. Da der 
Name dieser Abgesandten περφερέες oder περφέρες auffällig an das 
lateinische perferre anklingt und die Hyperboreer durch mancherlei 
Angaben mit Italien verknüpft werden, so vermutet Niebuhr,?) dafs 
das Volk, welches die Entstehung dieses Mythos veranlafste, in Italien 
zu suchen sei. Hat er aber hiermit das Richtige getroffen, dann be- 
ruht die Hyperboreersage auf einem Verkehre, welcher in der Urzeit 
auf dem Landwege zwischen der Balkan- und Apenninhalbinsel 
stattfand. 

Auch darf in diesem Zusammenhange daran erinnert werden, 
dafs der Mythos die Argonauten, indem sie den Istros aufwärts fah- 
ren, aus dem Pontos in das adriatische Meer gelangen lälst, dafs 
Odysseus durch den Okeanos um die ἤπειρος herum in das Westmeer 
fährt) und dafs mancherlei mit dem troischen Kreise zusammen- 
hängende Mythen auf einen durch die Mitte der Balkanhalbinsel 
führenden Landweg hinweisen. Der Dichter der Telegonie erzählte, 
dafs sich Odysseus, nachdem er nach Ithaka zurückgekehrt war, in 
das innere Thesprotien begab und daselbst Haus und Hof, Weib und 
Kind gewann.) Eine Sage läfst die aus Troia zurückkehrenden Eu- 
böer den Landweg einschlagen und im nördlichen Makedonien bei 
Edessa eine Stadt gründen) Nach den Nosten gelangte Neoptole- 
mos durch Thrakien hindurch in das Land der Molosser.‘) Auch 
scheint es eine Sage gegeben zu haben, nach welcher Odysseus 
nicht zu Schiff sondern ebenfalls zu Lande durch Makedonien hin- 
durch nach Ithaka zurückkehrte.”) 

Endlich ergiebt sich auch aus der Vergleichung der beiden 
Sprachen, dafs die Ahnen der Griechen und die der Italiker dereinst 
in engen Beziehungen standen, aus welchem Grunde die Sprachge- 


1) Herodot IV 33. 2) Römische Geschichte I? p. 84—85. 3) Von 
Wilamowitz-Moellendorff, homerische Untersuchungen p. 166. 4) Epicor. 
graecor. fragm. ed. Kinkel Ip. 57; von Wilamowitz-Moellendorff a. a. ©. p. 187—189. 
5) Strabo X C. 449. 6) Epicor. gr. fragm. 1 p. 53; von Wilamowitz-Moellen- 
dorff a. a. Ὁ. p. 173. 7) Von Wilamowitz-Moellendorff a. a. Ο. p. 161—162, 
p. 173, Ä 


VI. Die wichtigsten Fundgruppen im Westen. 87 


lehrten bekanntlich eine gräco-italische Epoche annehmen. Der Ge- 
danke liegt nahe, dafs diese gräco-italische Epoche keine andere 
war, als die, während deren die Vorväter der Griechen im Nord- 
westen der Balkanhalbinsel, wo wir Dodona als ihren ältesten Mittel- 
punkt kennen, die der Italiker in dem benachbarten Teile der Apen- 
ninhalbinsel wohnten und beide Völker auf dem Landwege mit ein- 
ander verkehrten. Diese Epoche würde demnach italischerseits das 
durch die Pfahldörfer bezeichnete Stadium und von der folgenden 
Entwickelung das erste Stück umfassen, das Stück nämlich, welches 
die Italiker zurücklegten, bevor ihr Zusammenhang mit dem Bruder- 
volk gelöst wurde. Allerdings kennen wir gegenwärtig nur einen 
Typus, in dem sich der Kulturapparat der Pfahldörfler mit der pri- 
mitiven Industrie der Balkanhalbinsel berührt. Es ist dies ein rad- 
förmiges Schmuckstück aus Bronze, welches offenbar zur Krönung 
einer Haarnadel diente und sich ganz gleichartig in den italischen 
Niederlassungen wie zu Olympia gefunden hat.) Wenn sich aber 
ein den Pfahldörfern entsprechendes Stadium auf der Balkanhalbinsel 
noch nicht mit Bestimmtheit nachweisen läfst, so hat man zu be- 
denken, dals der nordwestliche Teil derselben, der hierbei zunächst 
in Betracht kommt, in ärchäologischer Hinsicht fast ganz unbekannt 
ist. Jedenfalls sind Spuren genug vorhanden, welche bezeugen, dafs 
zum mindesten die Westgriechen ein Stadium durchmachten, welches 
mehr oder minder demjenigen entsprach, das in Italien auf die Pfahl- 
dörfer folgte”) Da die Civilisation in dem Mittelmeergebiete von 
Osten nach Westen vorwärts schritt, so versteht es sich, dafs die 
Fortschritte zuerst auf der Balkanhalbinsel und von hier aus in 
Italien Eingang fanden. Der Zusammenhang, in dem die Ahnen der 
Hellenen und die der Italiker standen, wurde gelöst, als infolge von 
Völkerbewegungen, die in dem mittleren Europa stattfanden,’) die 
illyrischen Veneter in Italien einfielen. Doch wird diese und die mit 
ihr eng zusammenhängende chronologische Frage besser in dem 
zweiten Bande meiner „Beiträge zur altitalischen Kultur- und Kunst- 


1) Helbig, die Italiker in der Poebene p. 20 und 89; Furtwängler, die. 
Bronzefunde aus Olympia p. 41. Vgl. Ann. dell’ Inst. 1884 p. 121 not. 2; Bull. 
1885 p. 117, p. 124; Notizie degli scavi 1885 T. IX 29 p. 146, 1886 p. 10. Dafs 
diese radförmigen Schmuckstücke zu Haarnadeln gehörten, ist gegenwärtig über 
allen Zweifel erhaben. - Ein thönerner Porträtkopf, welcher einem chiusiner 
Aschengefäfse — einem sogenannten Canopus — als Deckel dient, zeigt ein 
solches Schmuckstück in das über den Nacken herabfallende Haar eingefügt: 
Museo italiano di antichitä classica I T. VIIII® 14b p. 311. In einem cornetaner 
Grabe fand sich ein derartiger Gegenstand neben dem Schädel des darin bei- 
gesetzten Leichnams: Bull. 1885 p. 117, p. 124. 2) S. oben Seite 83 Anm. 9. 
3) Vgl. oben Seite 13—14. 


88 Die Quellen. 


geschichte“ behandelt. Vor der Hand genügt es, nachgewiesen zu 
haben, dafs das Stadium, welchem die beiden bologneser und andere 
ihnen verwandte Nekropolen angehören, durch Einflüsse einer in 
alter Zeit auf der Balkanhalbinsel herrschenden Kultur bedingt 
ist. Hiermit sind wir berechtigt, den Inhalt aller dieser Nekro- 
polen, falls er Berührungspunkte mit der epischen Schilderung auf- 
weist, zur Veranschaulichung der homerischen Typen zu benutzen. 


Die Darlegung, wie sich die Italiker und die Etrusker, nachdem 
sie an dem Gestade des Mittelmeeres angelangt waren, durch den 
Verkehr mit den Phönikiern — oder Karthagern — und mit den 
Hellenen allmählich eine höhere Civilisation aneigneten, würde die 
Grenzen dieses Buches überschreiten. Dagegen kann ich nicht um- 
hin, auf die wichtigsten Fundkomplexe hinzuweisen, welche die Kul- 
tur vergegenwärtigen, die die Hellenen mitbrachten, als sie die ersten 
Niederlassungen auf der sicilischen und campanischen Küste grün- 
deten. Eine genaue Kenntnis dieser Kultur wäre für unsere Unter- 
suchung höchst erwünscht; denn wir dürfen annehmen, dafs die Ko- 
lonisation des Westens bald nach Abschlufs des gröfsten Teiles des 
Epos begann!) und dafs also die ältesten hellenischen Reste, welche 
in Italien und Sieilien nachweisbar sind, ein Stadium vergegenwärti- 
gen, das unmittelbar auf das homerische folgte. Besonders wichtig 
sind in dieser Hinsicht die Ausgrabungen, welche in den ältesten 
Teilen der Nekropolen von Kyme und von Syrakus stattgefunden 
haben. Da jedoch bei den kymäischen Ausgrabungen keine Proto- 
kolle aufgenommen wurden, so fällt es sehr schwer, den Inhalt der 
hierhergehörigen Gräber genau festzustellen?) Man ist vielfach dar- 
auf angewiesen, die Uhronologie der einzelnen Fundstücke lediglich 
nach ihren stilistischen Eigentümlichkeiten zu beurteilen. Aufserdem 
giebt der Vergleich oskischer, latinischer und etruskischer Gräber 
mancherlei Auskunft. In den Nekropolen dieser drei Völker finden 
sich nämlich öfters Industrieprodukte, die kymäischen Typen ent- 
sprechen.”) Läfst sich dann die Zeit des @rabes, welches einen solchen 
(Gegenstand enthält, einigermalsen bestimmen, so wird dadurch zu- 
gleich ein chronologisches Kriterium für die entsprechenden in Kyme 
gefundenen Exemplare gewonnen. Auf diese Weise ergiebt sich von 
dem Inhalte der ältesten kymäischen Gräber etwa folgendes Bild: 


1) Die irrtümliche Annahme, dafs die Gründung von Kyme über den An- 
fang des letzten Jahrtausends v. Chr. hinaufreiche, glaube ich am Ende dieses 
Buches, in dem I. Exkurse, widerlegt zu haben. 2) Wenige Zeilen hierüber 
bei Fiorelli, notizia dei vasi dipinti rinv. a Cuma p. VIII. 3) Vgl. besonders 
Bull. dell’ Inst 1878 p. 152 ff, Ann. dell’ Inst. 1880 p. 225 ff. 


VI. Die wichtigsten Fundgruppen im Westen, 89 


In grofser Menge hat sich darin die mehrfach!) erwähnte Gattung 
von Thongefäfsen gefunden, welche mit bräunlichen oder rötlichen 
Streifenornamenten, seltener mit laufenden Vierfüfslern bemalt sind.) 
Dagegen erscheint die Zahl der korinthischen Vasen verhältnismäfsig 
beschränkt. Wenn Raoul-Rochette?) eine Vasenscherbe, die sich an 
einer Stelle, an der verschiedene Gräber übereinander lagen, in un- 
terster Schicht fand und deren malerischer Schmuck aus parallelen 
Streifen, gebrochenen Linien und Hakenkreuzen besteht, für uralt 
und sogar für vorhellenisch hält, so zeigt ein Blick auf die Abbil- 
dung, dafs dieses Gefäls einer ziemlich jungen Gattung angehört, die 
besonders häufig in den griechischen Nekropolen auf Sicilien vor- 
kommt.) Ferner ist für das älteste Stadium der kymäischen Ent- 
wickelung die unklassische Neigung für Bernstein-°) und Glasschmuck‘®) 
charakteristisch. Unter den metallotechnischen Produkten begnüge 
ich mich eine bronzene Amphora hervorzuheben, deren Henkel die 
Form eines zwei Löwen fassenden Mannes haben.) Der primitive 
Stil beweist, dafs dieses Gefäls zum mindesten hoch in das 7. Jahr- 
hundert v. Chr. hinaufreicht, und dafs es zu den ältesten Produkten 


1) Oben Seite 30 Anm. 4, S. 45. 2) Das bekannteste, in Kyme gefundene 
Exemplar dieser Gattung ist die Lekythos mit der Inschrift der Tataie: Bull. 
nap. II (1843) T. II 2 p. 20—23. Über die technischen und stilistischen Eigen- 
tümlichkeiten wie über die Fundorte derartiger Gefälse sind Helbig, die Italiker 
in der Poebene p. 84—86, Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 47, 
p. 51 und Arch. Zeit. XLI (1883) p. 154—162 zu vergleichen. Der Behälter eines 
hierher gehörigen Kruges hat sich zu Tiryns gefunden: Schliemann, Tiryns p. 400 
n. 143. Nach Dümmler (ebenda p. 400) kommen solche Gefälse auch auf Aigina 
und zu Eleusis und zwar, wie mir derselbe Gelehrte brieflich mitteilt, in sehr 
tiefer Schicht vor. „Der sicherste Beweis für das hohe Alter dieser Gattung ist, 
dafs sich eine der Hauptformen derselben (Ann. dell’ Inst. 1877 Tav. d’agg. CD 1) 
zu Athen bereits unt@r Dipylonvasen und im Dipylonthon nachgebildet gefunden 
hat. Diese Gefäfse schliefsen somit unmittelbar an die mykenäischen an und 
sind den ältesten Dipylonvasen gleichzeitig“ (briefliche Mitteilung von Dümnnler). 
Wir kennen drei Salbgefäfse dieser Gattung, die nicht lediglich mit Ornamenten, 
sondern auch mit einer figürlichen Darstellung bemalt sind: 1. aus der Nekropole 
del Fusco bei Syrakus, Ann. dell’ Inst. 1877 Tav. d’agg. CD 2 p. 45 n. 7: Ein nackter 
Mann holt mit dem Schwerte zum Schlage gegen einen Löwen aus; 2. aus Nola, 
Arch. Zeitung XLI (1883) T. X 2 p. 159 (unsere Fig. 88 im XVI. Abschnitt): Zwei 
Löwen fallen einen Stier an, während die Hirten zur Abwehr herbeieilen; 3. aus 
Korinth, Arch. Zeit. XLI T.XI p.145: Herakles gegen Kentauren kämpfend. Die 
Darstellungen von 1. und 2. gehören zu denjenigen, welche über die dorische Wan- 
derung hinaufreichen. Vgl. Arch. Zeit. XLI p. 159—161. 3) M&moires d’arch6ologie 
compar6&e I pl. XI 9 p. 379 not. 4. 4) Z. B. in Syrakus: Ann. dell’ Inst. 1877 
Tav. d’agg. CD 9; in Selinus: Bull. della commissione di antichitä in Sieilia 
1872 T. IV 8 p. 14. 5) Helbig, osservazioni sopra il commercio dell’ ambra 
(Acc. dei Lincei, Anno CCLXXIV) p. 10 not. 4. 6) Ann. dell’ Inst. 1877 
p. 56 not. 2. 7) Ann. dell’ Inst. 1880 Τὰν. d’agg. W 2, 2», 


00 Die Quellen. 


griechischer Metallotechnik gehört, welche auf italischem Boden ent- 
deckt worden sind. 

Unter den sieilischen Funden müssen wir im besonderen eine in 
dem Grundstücke del Fusco bei Syrakus entdeckte Gräbergruppe') 
berücksichtigen. Ihr Inhalt ist in vieler Hinsicht dem des ältesten 
Teiles der kymäischen Nekropole verwandt. Auch hier haben sich 
zahlreiche mit Streifen und laufenden Vierfüfslern bemalte Thonge- 
füfse, aber nur wenige korinthische Vasen gefunden. Ein zu der er- 
steren Gattung gehöriges Salbfläschchen zeigt die seltene Erscheinung, 
dafs darauf eine menschliche Figur dargestellt ist, nämlich ein nack- 
ter Mann, der mit dem Schwerte einen Schlag gegen einen Löwen 
führt.) Die oben erwähnte Gattung, der Raoul-Kochette einen vor- 
hellenischen Ursprung zuschreiben wollte, ist durch eine bemalte 
Schachtel?) vertreten. Ebenso zeigt der Glasschmuck mit dem. ky- 
mäischen Analogieen.‘) Doch kommt in der syrakusaner Nekropole 
eine Art geometrisch verzierter Thongefälse vor,’) die in Kyme bis 
jetzt noch nicht nachgewiesen ist. Metallarbeiten haben sich nur in 
beschränkter Zahl und von wenig charakteristischem Typus gefun- 
den.) Als obere Zeitgrenze darf man für diese Gräber unbedenklich 
die Gründung von Syrakus im Jahre 734 v. Chr. annehmen. 

Eine höchst merkwürdige und ganz vereinzelte Erscheinung ist 
endlich ein Grab, welches in dem etwa 6 Kilometer südlich von 
‚Syrakus gelegenem Grundstücke Matrensa entdeckt wurde.‘) Die 
bienenkorbartige Form der in den Felsen eingearbeiteten Kammer 
und der in die letztere hineinführende Dromos?) erinnern an die alten 
Kuppelgräber.”) In der Kammer fanden sich zwei Thongefälse, die mit 
bräunlichen Ornamenten — unten parallelen Streifen, oben einem 
Schema von Ranken — auf glattem gelblichen Grunde verziert sind.!°) 
Sie verraten in Form,'') Technik und Dekoration eine nahe Verwandt- 
schaft mit Exemplaren, welche aus den mykenäischen Schachtgräbern 
und anderen ähnlichen Fundschichten stammen. Aufserdem enthielt 
die Grabkammer zwei Vasen aus schwärzlichem Thone,!?) die, wie 
mir Löscheke mitteilt, ebenfalls mit der mykenäischen Keramik in 


1) Ann. dell’ Inst. 1877 Tav. d’agg. A—D p. 87—56. 2) Ann. dell’ Inst. 
1877 Tav. d’agg. CD 2. Vgl. Seite 89 Anm. 2. 3) Ann. dell’ Inst. 1877 Tav. 


d’agg. CD 9. 4) Ann. 1877 p. 56 not. 2. 5) Ann. 1877 Tav. d’agg. CD 5. 
6) Ann. 1877 Τὰν. d’agg. AB 23—25 p. 41, p. 55—586. 7) Ann. 1877 Tav. 


d’agg. E p. 56—58. 8) Τὰν. d’agg. E 3. 9) Vgl. oben 8. 69—70. 10) Ann. 
dell’ Inst. 1877 Τὰν. d’agg. E 6, 7. 11) Furtwängler und Löscheke, mykenische 
Thongefälse T. HI 9—11. Am nächsten steht den sieilischen Exemplaren ein auf 
Kreta entdecktes Thongefäls, das sich gegenwärtig im Berliner Museum befindet 
(Furtwängler n. 20). 12) Ann. dell’ Inst. 1877 Tav. d’agg. Εἰ 4, 5. 


VI. Die wichtigsten Fundgruppen im Westen. 91 


engem Zusammenhange zu stehen scheinen. Da Syrakus keineswegs 
die älteste unter den Niederlassungen war, welche die Griechen im 
Westen anlegten, und die griechischen Reste, die sich an anderen 
Stellen Sieiliens und Italiens gefunden haben, durchweg auf ein jün- 
geres Stadium hinweisen, so scheint es mir zweifelhaft, ob jenes Grab 
den korinthischen Kolonisten zuzuschreiben ist oder in vorhellenische 
Epoche hinaufreicht. Bekanntlich hatten sich vor Eintreffen der Grie- 
chen Phönikier auf einzelnen der an der sieilischen Küste gelegenen 
Inselehen und der leicht zu verteidigenden Halbinseln angesiedelt, 
um Handel mit den Eingeborenen zu treiben und dem Fange der 
Purpurschnecke obzuliegen,') und deutliche Spuren lassen darauf 
schliefsen, dals eine phönikische Niederlassung auch auf Ortygia vor- 
handen war.) Hiernach fragt es sich, ob das Grab von Matrensa 
nicht von den auf Ortygia ansässigen Phönikiern oder von Sieulern 
herrührt, die den Einflufs derselben erfahren und von ihnen jene 
Thongefälse erhalten hatten. 

Schliefslich mufs ich hier noch einmal auf das von Regulini und 
Galassi bei Cäre entdeckte?) und die verwandten pränestiner Gräber‘) 
zurückkommen, da der Inhalt derselben in der folgenden Untersuchung 
besonders oft Berücksichtigung finden wird. Wenn diese Gräber von 
mir früher der zweiten Hälfte des. 7. oder der ersten Hälfte des 
6. Jahrhunderts v. Chr. zugeschrieben wurden’) so läfst sich ihre 
Chronologie doch wohl noch etwas schärfer bestimmen. Eine obere 
Zeitgrenze ergiebt sich aus drei mit etruskischen Inschriften ver- 
sehenen silbernen Schalen, die sich in dem cäretaner Grabe fanden.®) 
Da nämlich die Etrusker wie die Latiner das Alphabet von den 
Chalkidiern empfingen, so fallen Gräber, in denen Gegenstände mit 
etruskischen Inschriften vorkommen, selbstverständlich nach der Grün- 
dung der ersten chalkidischen Niederlassungen im Westen, also nach 
den dreifsiger Jahren des 8. Jahrhunderts v. Chr.”) Indes dürfen wir 
keineswegs annehmen, dafs sich die Etrusker, nachdem die ersten 
chalkidischen Schiffer bei ihnen gelandet waren, sofort auf die Schul- 
bank setzten und sich von den schriftkundigen Fremden die Buch- 
staben beibringen liefsen. Vielmehr leuchtet es ein, dafs die Ein- 
führung des Alphabetes in Etrurien erst das Resultat eines lange 
dauernden Verkehres war. Aufserdem blieb die Anwendung der Schrift 


1) Thukyd. VI 2, 6; Movers, die Phönizier II 2 p. 309 ff.; Olshausen im 
Rhein. Museum VIII (1853) p. 328; Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie 
Ῥ. 464—465. 2) Movers a. a. O. Π 2 p. 325—328. 3) Oben S. 30 Anm. 5. 
4) Oben $. 31 Anm. 5. 5) Ann. dell’ Inst. 1876 p. 226 ff. 6) Mus. Gregor. 
ET. LIU 7,8; 10: 7) Vgl. hierüber den ersten diesem Buche beigefügten 
Exkurs. 


92 Die Quellen. 


gewils zunächst auf Aufzeichnungen religiösen und politischen Inhaltes 
beschränkt und es verstrich eine geraume Zeit, bis sie im privaten 
Gebrauche Verbreitung fand. Die Nachrichten, welche über die Dauer 
der etruskischen Säcula vorliegen, lassen darauf schliefsen, dafs die 
Etrusker ihre Zeitrechnung erst im dritten Viertel des 7. Jahrhun- 
derts v. Chr. schriftlich fixierten.') Wenn demnach der cäretaner Fund 
bereits den privaten Gebrauch der Schrift bezeugt, so weist dies auf 
eine spätere Zeit hin. Also darf man das betreffende Grab kaum über 
den Anfang des 6. Jahrhunderts hinaufrücken. Diese Annahme wird 
bestätigt durch die Ausgrabungen, welche während der letzten Jahre 
in den Nekropolen von Tarquinii und von Vulci stattgefunden haben. 
Hierbei hat sich herausgestellt, dafs vor den Typus, welcher durch 
jenes cäretaner Grab bezeichnet wird, eine ansehnliche Reihe von 
Gräbern fällt, welche altgriechische Industrieprodukte und im beson- 
deren mit Streifen bemalte Thongefäfse enthalten.) Diese Schicht 
erscheint so mächtig, dafs wir in ihr notwendig das Werk von min- 
destens einer Generation erkennen müssen. Doch bleibt die ein- 
sehendere Auseinandersetzung hierüber besser dem zweiten Bande 
meiner „Beiträge zur italischen Kultur- und Kunstgeschichte“ vorbe- 
halten. Jedenfalls bekundet das cäretaner Grab eine analoge Situation 
wie der Bericht des Herodot?) über die Schlacht von Alalia, die im 
Jahre 537 v. Chr. geschlagen wurde, und über die darauf folgenden 
Ereignisse. Die in ägyptisch-assyrischem Mischstile ausgeführten 
Silberschalen‘) und andere in dem Grabe gefundene Kunstprodukte 
beweisen, dafs die Etrusker einen vielseitigen Handelsverkehr mit 
den Phönikiern oder Karthagern unterhielten. Andererseits ergiebt 
sıch aus den oben erwähnten etruskischen Inschriften, dafs vor der 
Zeit, welcher das Grab angehört, nachhaltige Beziehungen zwischen 
den Etruskern und den Griechen stattgefunden hatten. Ebenso sind 
in der Schlacht von Alalia die Etrusker und Karthager gegen die 
Griechen verbündet. Doch beweisen die auf die Schlacht folgenden 
Ereignisse, dafs diesem Bündnisse eine Periode vorherging, in der 
die Griechen einen nachdrücklichen Einflufs auf die Etrusker aus- 
übten. Die in der Seeschlacht gefangenen Phokäer wurden auf dem 
Markte von Cäre gesteinigt. Als hierauf eine Seuche ausbrach, be- 
fragten die Cäretaner das delphische Orakel, auf welche Weise jener 
Frevel zu sühnen sei. Wir ersehen hieraus, dafs die Etrusker be- 
reits vor dem Bündnisse mit den Karthagern den griechischen 


1) Censorin. de die natali XVII ὅ 55. Augustus bei Servius ad Vergil. ecl. 
IX 47. Vgl. Ann. dell’ Inst. 1876 p. 227—230. 2) Es sind dies im besonderen 
die jüngeren „tombe a fossa“, über die oben 8.30 einige Andeutungen gegeben 
wurden. 3) 1 165—167. 4) Ann. dell’ Inst. 1876 p. 201—202. 


VII. Die Schutzmauern. 93 


Apoll kennen und fürchten gelernt hatten, und dies war nur mög- 
lich, wenn sie vorher einen langen Verkehr mit den Griechen unter- 
hielten. | 

Nach dieser Übersicht über das einschlagende Material wende 
ich mich zur Betrachtung der Kunst- und Handwerksprodukte, die 
im Epos Erwähnung finden. Ich beginne mit einigen Andeutungen 
über die Architektur. Der Leser wird hierdurch eine Vorstellung 
von der Beschaffenheit der Bauten gewinnen, welche den Gestalten 
der Dichtung als Hintergrund dienten. 


Das homerische Zeitalter. 


I. Tektonisches. 


VII. Die Schutzmauern. 


Bereits im V. Abschnitte wurde darauf hingewiesen, dafs nach der 
dorischen Wanderung im Festungsbau der Griechen ein Rückschritt 
eintrat. Während die Mauern von Mykenä und Tiryns aus gewalti- 
sen Werksteinen aufgeführt sind, fehlt es im Epos an jeglichem Hin- 
weise auf steinerne Schutzmauern. 

Über die Weise, in welcher sich die Dichter der Ilias das Schiffs- 
lager der Achäer befestigt dachten, hat bereits Hirt!) im ganzen 
richtig geurteilt. Das Lager war von einem Graben umgeben, an 
dessen innerem Rande sich eine zusammenhängende Reihe von Pa- 
lissaden hinzog.”) Hinter dem Graben erhob sich ein Wall. Soweit 
uns die Dichtung über seine Konstruktion unterrichtet, bestanden die 
Fundamente aus Baumstämmen und Steinen,’) während die an dem 
Walle angebrachten Türme aus hölzernen Balken aufgeführt waren.‘) 
Wenn dies für die Türme ausdrücklich bezeugt ist, so versteht es 
sich, dafs die zwischen ihnen liegenden Wallstrecken, abgesehen von 
den für die Fundamente verwendeten Blöcken, nicht aus Stein, son- 
dern aus der Erde, welche man bei der Herstellung des Grabens ge- 
wonnen hatte, und aus Sparrenwerk bestanden. Nur unter dieser Vor- 
aussetzung erklärt es sich, wie Sarpedon mit der blofsen Hand eine 
Brustwehr herabreifsen und dadurch eine Bresche in den Wall legen 


1) Die Geschichte der Baukunst bei den Alten I p. 203—204. 2) OD. VIII 
343, IX 350, XV 1, XI 54ff., 63 ff. 3) U. XII 29, 259. 4) 1]. ΧΠ 36: 
κανάχιξε δὲ δούρατα πύργων | βαλλόμεν᾽... 


94 Tektonisches. 


kann.!) Eine derartige Befestigung galt für eine hervorragende Lei- 
stung; denn Poseidon fürchtet, dafs dadurch der Ruhm der Mauer 
verdunkelt werden würde, mit der Apoll und er die Stadt Troja um- 
geben hatten.) Hiernach können wir unmöglich voraussetzen, dafs 
sich die Dichter die troische Mauer als einen Steinbau vorstellten. 
Vielmehr ist die nächstliegende Annahme die, dafs sie dabei an ähn- 
liche Erd- und Holzwerke dachten, wie sie nach der Beschreibung 
des Epos das achäische Lager umgaben, oder an eine einfach aus 
Erde aufgeschüttete Mauer, wie diejenige, welche nach einer Stelle 
der Ilias die Troer und Pallas Athene aufführten, damit sie dem 
Herakles bei seinem Kampfe gegen das Meerungeheuer als Zufluchts- 
ort diene”) Höchstens darf man die Frage aufwerfen, ob etwa einer 
oder der andere Dichter als Material der troischen Mauer Lehmziegel 
annahm — ein Material, über welches bereits im V. Abschnitte?). das 
Nötige bemerkt wurde. Das gewichtigste Zeugnis jedoch bietet für 
diese Untersuchung die Schilderung von Scheria.’) Der Dichter ver- 
rät deutlich die Absicht, den Phäaken alle Kunstfertigkeiten zuzu- 
schreiben, die er in seiner Umgebung wahrgenommen oder von de- 
nen eine dunkele Kunde aus dem fernen Morgenlande zu ihm ge- 
drungen war. Wäre ihm demnach die Vorstellung einer steinernen 
Stadtmauer geläufig gewesen, so würde er gewils den gewaltigen 
Eindruck, den ein derartiger Bau macht, poetisch verwertet und sei 
es auch nur durch ein bezeichnendes Epitheton vergegenwärtigt 
haben. Er thut dies aber nicht, sondern giebt nur an, dafs die Mau- 
ern lang, hoch und mit Palissaden versehen waren. 

Eine ganz exceptionelle Erscheinung ist die eherne Mauer, welche 
die Insel des Aiolos umgab.‘) Da kein Zeugnis vorliegt, dafs die 
Griechen jemals Schutzmauern mit Metall bekleideten, so liegt es 
nahe anzunehmen, dafs diese Mauer frei erfunden ist, um den Be- 
griff der gröfsten Festigkeit zu veranschaulichen, wie denn die eherne 
Mauer vielfach von althebräischen und klassischen Schriftstellern in 
solchem Sinne bildlich gebraucht wird.‘) Indes läfst sich die Mög- 
lichkeit nicht in Abrede stellen, dafs hierbei eine dunkle Kunde von 
einem orientalischen Dekorationsmotive malsgebend war. Die me- 
dische Hauptstadt Ekbatana hatte nämlich sieben Mauerringe, von 


1) D. ΧΙ 397 ff. Vgl. Vers 258ff. 2) Il. VII 445ff. Vgl. XXI 446, 526. 
3) Π. XX 145: τεῖχος ἐς ἀμφίχυτον Ἡρακλῆος ϑείοιο. 4) Oben Seite 67—69. 
5) Od. VII 48: ϑαύμαξεν δ᾽ Ὀδυσσεὺς λιμένας καὶ νῆας ἐΐσας, | αὐτῶν 9’ ἡρώων 
ἀγορὰς καὶ τείχεα wengd, | ὑψηλά, σκολόπεσσιν ἀρηρότα, ἁαῦμα ἰδέσϑαι. Vgl. Vl 
9, 262. 6) Od. X 8: πᾶσαν (νῆσον) δέ τέ μιν πέρι τεῖχος | χάλκεον ἄρρηκτον, 
λισσὴ δ᾽ ἀναδέδρομε πέτρη. 7) 2. Β. Jeremias I 18. Aeschines c. Ctesiph. 84 
p. 65 St. Horaz, epist. I 1, 60. 


ὙΠ. Die Schutzmauern. 95 


denen der innerste mit vergoldeten, der nächstfolgende mit versil- 
berten Zinnen ausgestattet war!) — eine Thatsache, welche beweist, 
dafs in dem inneren Vorderasien Teile von Schutzmauern bisweilen 
mit Metallblech bekleidet wurden. 

Übrigens scheint es, dafs während des homerischen Zeitalters 
keineswegs alle Städte befestigt waren. 

Die Städte, welchen das Epos einen Mauerring zuschreibt, sind 
aulser Troja und Scheria folgende: Gortys,?) Tiryns,?) die kilikische 
wie die böotische Thebe,‘) Lyrnessos,’) Kalydon,°) die Stadt der Ku- 
reten,‘) also offenbar Pleuron, Pheia®) in Elis und die belagerte Stadt, 
die Hephaistos auf dem Schilde des Achill darstellt.) Ferner ruft 
der Telamonier Aias, als er bei dem Kampfe um die Schiffe die 
Achäer zur Abwehr ermahnt, denselben zu, es sei keine mit Türmen 
befestigte Stadt in der Nähe, in der sie die Verteidigung fortsetzen 
könnten,'®) und erinnert Nestor daran, wie die Altvordern durch ge- 
schlossenes Vorrücken gegen die Feinde Städte und feste Mauern 
bezwungen hätten.'') Dagegen scheinen sich die Dichter Ithaka, 
Pylos und Sparta als offene Ortschaften gedacht zu haben. Was 
Ithaka betrifft, so ist es doch sehr auffällig, dafs weder, als Tele- 
machos!?) und Odysseus”) von dem Gehöfte des Eumaios in die Stadt 
gehen, noch, als sich der letztere nach dem Freiermorde mit seinen 
Getreuen auf das Landgut des Laertes begiebt,!*) des Passierens eines 
Mauerringes gedacht wird. Und ebenso schweigt die Dichtung hier- 
über bei der Ankunft des Telemachos in Pylos'°) und in Sparta,'®) 
wie bei seiner Abfahrt aus der letzteren Stadt,!”) wiewohl der 
Hinweis auf den durch das Stadtthor durchrasselnden Wagen für 


1) Herodot I 98. Vgl. Perrot et Chipiez, hist. de lart II p. 237—289. 
Wenn Semper der Stil I p. 428 vermutet, dals die den Lelegern zugeschriebenen 
kyklopischen Mauern mit Metallblech bekleidet gewesen wären, so ist dies offen- 
bar nur ein gewagter Schluls, den er aus den Löchern gezogen, die bisweilen 
an den Blöcken dieser Mauern sichtbar sind (z. B. Texier, description de l’Asie 
mineure III pl. 147—149). 2) I. II 646: Γόρτυνά τε τειχιόεσσαν. sy DE 
559: Τίρυνϑά τε τειχιόεσσαν. 4) Die kilikische: Il. II 691 τείχεα Θήβης, VI416 
Θήβην ὑψίπυλον. Die böotische: Il. IV 378 ἱερὰ πρὸς τείχεα Θήβης, XIX 99 
ἐυστεφάνῳ ἐνὶ Θήβῃ; Od. XI 263 ’Aupiovd τε Ζῆϑόν τε, | οἱ πρῶτοι Θήβης ἕδος 
ἔχτισαν ἑπταπύλοιο, | πύργωσάν τ᾽, ἐπεὶ οὐ μὲν ἀπύργωτόν γ᾽ ἐδύναντο | ναιέμεν 
εὐρύχορον Θήβην, κρατερώ περ ἐόντε. 5) Achill bezeichnet es Il. XVI 57 als 
πόλιν εὐτείχεα. 6) Il. IX 573, 574, 588. 7) U. IX 552. 8)... 55: 
Φειᾶς πὰρ τείχεσσιν. 9) Π. XVII 514: τεῖχος μέν ῥ᾽ ἄλοχοί τε φίλαι καὶ 
νήπια τέκνα | δύατ᾽, ἐφεσταύτες, μετὰ δ᾽ ἀνέρες οὺς ἔχε γῆρας. 10) 1]. XV 737: 
οὐ μέν τι σχεδόν ἐστι πόλις πύργοις ἀραρυῖα. 11) Il. IV 808: ὧδε καὶ οὗ πρό- 
τεροι πόλιας καὶ τείχε᾽ ἐπόρϑεον. 12) Od. XVII 26—28. 13) Od. XVII 260. 
14) Od. XXIII 370—372. 15) Od. IL 1fl., XV 198. 16) Od. IV 1—2. 
17) Od. XV 145—183. 


90 Tektonisches. 


die epische Schilderung ein sehr wirksames Motiv gewesen sein 
würde.') 

Schliefslich sei hier noch bemerkt, dafs auch der damalige 
Stralsenbau auf einer recht tiefen Stufe stand. Das Pflaster, dessen 
Reste auf der Pergamos von Hissarlik zu Tage gekommen sind, wird 
als aus grossen Kalksteinplatten hergestellt bezeichnet.”) Dasjenige, 
welches auf jeder Seite die Schwelle des sogenannten Schatzhauses 
des Atreus umgiebt, besteht aus rauhen Platten weichen Kalksteins.”) 
Wenn das Epos von dem Pflaster, das auf Scheria die Agora be- 
deekte, nichts anderes zu berichten weils als dafs es aus herbeige- 
schleppten Steinen ausgeführt war,‘) so läfst dies im Vergleich mit 
den aus der vorhergehenden Epoche bekannten derartigen Leistungen 
zum mindesten nicht auf emen Fortschritt sondern eher auf einen 
Rückschritt schlielsen. 


VIII. Die Wohnhäuser. 


Dafs man Wohnhäuser aus zugehauenen Steinen erbaute, beweisen 
die Angaben, welche das Epos über die Gemächer, in denen die 
Söhne und Schwiegersöhne des Priamos wohnten,’) und über das 
Haus der Kirke macht.) Wenn es ferner in der Ilias heilst, dafs 
sich die Myrmidonen zur Schlachtordnung zusammenschlossen wie 
die Steine, aus denen ein Baumeister die Wand eines hohen Hauses 
aufführt,‘) so liegt es auf der Hand, dafs dieser Vergleich nur unter 
der Voraussetzung bearbeiteter Steine, deren Fugen scharf auf ein- 
ander passen, zutrifft. Dasselbe Material ist vermutlich auch für den 
Thalamos des Odysseus anzunehmen,’) da das den Steinen gegebene 


1) In dem V. Abschnitte (Seite 68—69) wurde gezeigt, dals ein ähnlicher 
Sachverhalt, wie er sich für die Städte des homerischen Zeitalters ergiebt, auch 
in der späteren Zeit nachweisbar ist. 2) Schliemann, Ilios p. 301, p. 303, 
p. 345—346; Troja p. 198—199. 3) Mittheilungen des deutschen arch. Inst. 
in Athen IV (1879) T. XII DD, p. 178. 4) Od. VI 266: ἔνϑα δέ τέ σφ᾽ ἀγορή, 
καλὸν Ποσιδήϊον ἀμφίς, | ῥυτοῖσιν λάεσσι κατωρυχέεσσ᾽ ἀραρυῖα. 5) Il. VI 242: 
AA ὅτε δὴ Πριάμοιο δόμον περικαλλέ᾽ ἵκανεν, | ξεστῇς αἰϑούσῃσι τετυγμένον — 
αὐτὰρ Ev αὐτῷ | πεντήκοντ᾽ ἔνεσαν ϑάλαμοι ἕεστοῖο λέϑοιο, | πλησίοι ἀλλήλων δε- 
δμημένοι" ἔνϑα δὲ παῖδες | κοιμῶντο Πριάμοιο παρὰ μνηστῇς ἀλόχοισιν. | κουράων 
δ᾽ ἑτέρωϑεν ἐναντίοι ἔνδοϑεν αὐλῆς | δώδεκ᾽ ἔσαν τέγεοι ϑάλαμοι ξεστοῖο λέίϑοιο,] 
πλησίοι ἀλλήλων δεδμημένοι" ἔνϑα δὲ γαμβροὶ | κοιμῶντο... Ob unter den ἕξεσταὶ 
αἴϑουσαι im Vers 242, die auch Il. XX 11 erwähnt werden, Stein- oder Holz- 
bauten zu verstehen sind, ist zweifelhaft. 6) Od. X 210, 253: .. . δώματα 
Κίρκης | ξεστοῖσιν λάεσσι, περισκέπτῳ ἐνὶ χώρῳ. 7) DO. XVI 212: ὡς δ᾽ ὅτε 
τοῖχον ἀνὴρ ἀράρῃ πυκινοῖσι λίϑοισιν | δώματος ὑψηλοῖο, βίας ἀνέμων ἀλεείνων. 
8) Od. ΧΧΠῚ 198: τῷ δ᾽ (um den Ölbaum) ἐγὼ ἀμφιβαλὼν ϑάλαμον δέμον, ὄφρ᾽ 
ἐτέλεσσα, | πυκνῇσιν λιυϑάδεσσιν, καὶ εὖ καϑύπερϑεν ἔρεψα. Wenn es von der 


VII. Die Wohnhäuser. 97 


Epitheton (πυκνῇσιν λιϑάδεσσιν) auf eine kompakte Schichtung 
schliefsen läfst und der Dichter, falls er an durch Mörtel verbundene 
Bruchsteine gedacht hätte, gewifs auch auf das Bindemittel hinge- 
wiesen haben würde. Doch scheint es nach den monumentalen 
Resten, dafs aufser den Werksteinen noch zwei andere Materialien 
zur Anwendung kamen, nämlich Lehmziegel und durch Mörtel ver- 
bundene Bruchsteine. Dafs sämtliche Mauern auf der Pergamos von 
Hissarlik aus Lehmziegeln bestanden, wurde bereits hervorgehoben.') 
Im Palaste von Tiryns sind die aufgehenden Hausmauern entweder 
ganz oder wenigstens in den unteren, unmittelbar auf den Funda- 
menten ruhenden Teilen aus durch Mörtel verbundenen Kalkbruch- 
steinen aufgeführt; der Mörtel besteht aus Lehm, dem Stroh oder 
Heu beigemischt ist. Zur Herstellung der oberen Mauerteile hat man 
sich bisweilen der Lehmziegel bedient.”) Sowohl der Bau mit Lehm- 
ziegeln wie der mit Bruchsteinen war auch nach Abschlufs des Epos 
in Griechenland und Kleinasien weit verbreitet. Bis in die römische 
Periode hinein wurden die meisten griechischen Wohnhäuser und 
selbst viele öffentliche Gebäude in der einen oder der anderen Weise 
aufgeführt. Wie es scheint, hing die Auswahl zwischen den beiden 
Materialien im wesentlichen von der geologischen Beschaffenheit des 
Bodens ab und es wurde demnach in‘ gebirgigen Gegenden der Bruch- 
stein, in der Ebene der Lehmziegel bevorzugt.) Wenn aber die bei- 
den Bauweisen sowohl in der Epoche, welche der Entstehung des 
Epos vorherging, wie in derjenigen, die darauf folgte, neben einander 
zur Anwendung kamen, so dürfen wir für das homerische Zeitalter 
den gleichen Sachverhalt voraussetzen. Allerdings finden Wände aus 
Lehmziegeln oder aus Bruchsteinen im Epos keine Erwähnung. Doch 
erklärt sich dies hinlänslich daraus, dafs den Dichtern ein Hinweis 
hierauf fernlag, da das Material bei beiden Bauweisen nirgends zu Tage 
trat, sondern durch Kalkputz, Inkrustationen aus Metallblech oder 
Kyanos und bisweilen vielleicht auch durch Holzgetäfel ver- 
deckt war. 

Hinsichtlich des Kalkputzes ist dieselbe Schlufsfolgerung be- 


Mauer der αὐλή des Eumaios heifst, dafs sie unten aus ῥυτοῖσι λάεσσι, oben aus 
Dornsträuchern bestand (Od. XIV 10), so ist wohl an unbehauene, ohne Binde- 
mittel über einander gelegte Steine zu denken, wie sie noch heutzutage im süd- 
lichen Europa zur Herstellung ländlicher Umfriedigungsmauern verwendet zu 
werden pflegen. Das Gleiche gilt für die κατωρυχέεσσι λίϑοισιν, welche bei der 
Beschreibung der αὐλή des Polyphemos erwähnt werden (Od. IX 185). 1) Oben 
S. 68. 2) Dörpfeld bei Schliemann, Tiryns p. 288—294. 3) Über die Lehm- 
ziegel siehe oben Seite 67—69, über den Bruchsteinbau Dörpfeld in den Histori- 
schen Aufsätzen, E. Curtius gewidmet p. 141. 


“ 
͵ 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 


98 Tektonisches. 


rechtigt, wie hinsichtlich der Bruchsteine und der Lehmziegel. Seine 
Anwendung reicht bei den orientalischen Völkern in das höchste 
Altertum hinauf.) Dafs sie sich in sehr früher Zeit nach dem 
Westen verbreitete, beweisen die uralten, auf Thera entdeckten 
Wohnhäuser.?) Die Wände eines grolsen, zu einem dieser Gebäude 
gehörigen Saales zeigten Reste eines mit Marmorsplittern vermischten 
Kalkputzes’) In einem anderen Gemache waren die Wände mit 
einem Lehmbewurfe und darüber mit bemaltem Kalkputze bedeckt.?) 
Demselben Verfahren begegnen wir auch im Palaste von Tiryns.’) 
Die reichliche Verwendung, welche diese Art von Putz in der späteren 
historischen Zeit fand, ist zu bekannt, als dafs sie einer besonderen 
Darlesung bedürfte. 

Auch kann ich die Vermutung nicht unterdrücken, dafs hierauf 
eine vielfach in verschiedenem Sinne erörterte Stelle des Odyssee 
zu deuten ist. Das Epos erwähnt mehrere Male wohlgeglättete 
Steine, welche auf den Marktplätzen oder vor den Königshäusern 
standen und den Königen oder Volksältesten, wenn sie Ratsversamm- 
lungen hielten oder Recht sprachen, als Sitze dienten.‘) Die vor 
dem Hause des Nestor befindlichen Steinsitze dieser Art werden in 
der Odyssee’) bezeichnet als λευκοί, ἀποστίλβοντες ἀλείφατος. Wenn 
Hehn®) diese Worte interpretiert „blank als wären sie mit Fett 
überzogen“, so wäre hierbei doch die Auslassung der Vergleichungs- 
partikel höchst auffällig. In der ersten Auflage dieses Buches’) 
schlug ich vor zu übersetzen „glänzend von Politur“. "AAsıpag würde 
dann die Masse bedeuten, mit der die Oberfläche des Steines behufs 
der Politur eingerieben war — eine Annahme, gegen die sich vom 
sprachlichen Standpunkte nichts einwenden läfst, wie denn Theokrit'®) 
durch das gleiche Wort das Pech oder Harz bezeichnet, mit dem an 
den thönernen Weinbehältern die Fugen des Deckels verschmiert 


1) Sie ist in Ägypten bereits unter der 18. Dynastie (16. und 15. Jahr- 
hundert) nachweisbar. Beispiele im Florentiner Museum n. 2470—2472. Vgl. 
3erend, principaux monuments du Musde de Florence p.3 ff. Über den Kalkputz bei 
den alten Babyloniern: Semper, der Stil I p. 325, 335 und Perrot et Chipiez, histoire 
pe lart II p. 273; bei den alten Hebräern: Leviticus XIV 41. 2) Oben Seite 48—49. 
3) Fouque, Santorin et ses eruptions p. 127. 4) Fouque a. a. Ὁ. p. 110—111. 
Die Wände eines auf Syra entdeckten Grabes, welches der gleichen Epoche wie 
die theräischen Funde anzugehören scheint, waren mit einer vierfachen Stucklage 
bedeckt: Revue arch@ologique VI (1862 ΠῚ p. 225; Mittheilungen des Instituts, 
athen. Abth. XI (1886) p. 34—35. 5) Dörpfeld bei Schliemann, Tiryns p. 338. 
6) 11. XVII 504. Od. III 406, VIII 6. 7) IIT 406 (von Nestor): ἐκ δ᾽ ἐλϑὼν 
κατ᾽ ἄρ᾽ ἕξετ᾽ ἐπὶ ξεστοῖσι Aldoıcw', | ol οἵ ἔσαν προπάροιϑε ϑυράων ὑψηλάων | 
λευκοί, ἀποστίλβοντες ἀλείφατος. 8) Kulturpflanzen und Hausthiere. 3. Aufl. 
Ρ. 90, 4. Aufl. p. 84. 9) Seite 69 Anm. 5. 10) Id. VII 146. 


VII. Die Wohnhäuser. 99 


wurden. Doch scheint mir gegenwärtig noch eine andere Erklärung 
zulässig. Im Palaste von Tiryns nämlich waren nicht nur die aus 
Kalkbruchsteinen oder Lehmziegeln aufgeführten Wände sondern bis- 
weilen auch die aus behauenen Steinen hergestellten Anten mit Kalk- 
putz überzogen.') Es fragt sich somit, ob nicht ἄλειφαρ an jener 
Stelle auf einen feinen, weilsglänzenden Kalkputz zu deuten ist. 

Schon die Bevölkerung, von der die alten theräischen Wohn- 
stätten herrühren, verstand sich darauf den Kalkputz zu bemalen. 
In dem bereits erwähnten Gemache?) waren die unteren Teile der 
Wände mit horizontalen, unter einander abwechselnden Streifen von 
rother, gelber, blauer und schwarzbrauner Farbe, die darüber befind- 
lichen Flächen mit rothen Blumenornamenten auf weilsem Grunde 
verziert.) Die Maler von Tiryns scheinen für die unteren Waänd- 
teile im wesentlichen an der durch die theräischen Entdeckungen 
bekannten Streifendekoration festgehalten zu haben“) Hingegen 
zeigten die oberen Teile der Wände eine Fülle der verschiedenartig- 
sten Ornamente, schuppenartige Motive, Spiralbänder, KRosetten, 
Blätter, Blumen, Seesterne, deren Typus und Anordnung sich schwer 
durch eine kurze Beschreibung vergegenwärtigen läfst.°) Besondere 
Beachtung verdient ein aus zwei Reihen von Spiralen gebildeter 
Fries, der oben von einfachen Streifen, unten von Streifen und einer 
Reihe von Rosetten eingefalst ist, also eine ähnliche Komposition 
aufweist wie die skulpirte Decke des Thalamos von Orchomenos.‘) 
Neben den ornamentalen kommen auch figürliche Motive vor, nament- 
lich häufig das einer geflügelten Sphinx.) Auf einem Fragmente 
sieht man einen vorwärts stürmenden Stier und darüber einen Mann, 
von dem es ungewifs ist, ob ihn der Maler auf dem Rücken des 
Tieres knieend oder daneben herlaufend darstellen wollte”) Obwohl 
nur fünf Farben, weils, schwarz, roth, blau und gelb, zur Anwendung 
gekommen sind, kann man es sich doch leicht vorstellen, was für 
einen eigentümlichen und reichen Eindruck die Wände jenes Palastes 
machten, als die Dekoration unverletzt war und die Farben ın ihrer 
ursprünglichen Frische erglänzten. Hätten die Dichter des Epos 
einen ähnlichen Wandschmuck gekannt, so würden sie gewils darauf 
hingewiesen haben. Die bunten Sphinxe mit ihren mächtigen, weit 
ausgespreizten Flügeln boten für die epische Schilderung ein sehr 
geeignetes und wirksames Motiv dar. Die ornamentale Wanddeko- 

1) Dörpfeld bei Schliemann, Tiryns p. 301. 2) Oben Seite 98, Anm. 4. 
3) Fouque, Santorin et ses eruptions p. 110—111. 4) Schliemann, Tiryns p. 349. 
p. 395—396 n.141. 5) Schliemann, Tiryns T. VIII—XI, p. 338—350, p. 395397. 
6) Tiryns T. V p. 340—341. 7) Tiryns T. VI, VII, XII p. 341—343, 345, 395 
8) Tiryns T. XIII p. 345— 348. 


mit 


100 Tektonisches. 


ration hätte sich vortrefflich durch das den Dichtern geläufige Epi- 
theton ποικίλος) vergegenwärtigen lassen. "Statt dessen werden den 
Gemächern (ὑπερώϊα oıyaAdevra)”) und Wänden (ἐνώπια παμφανόωντα) ") 
im Epos ausschliefslich Epitheta beigelegt, welche den Glanz der 
Oberfläche hervorheben und besser am Platze sind, wenn man sie 
nicht auf einen bunten sondern auf einen feinen einfarbigen Kalk- 
putz deutet. Hiernach scheint es, dafs die Bemalung der Wände 
zur Zeit, in der das Epos blühte, schlichter war als in der vorher- 
gehenden Periode. 

Doch kam statt des Kalkputzes bisweilen ein kostbareres Ver- 
kleidungsmaterial zur Anwendung. Man inkrustierte nämlich ganze 
Wände oder einzelne Teile derselben mit Metallblech, Elfenbein oder 
dem Stoffe, der im Epos χύανος heilst. Wenn in der Ilias das Haus 
des Poseidon einmal als golden) ein anderes Mal das des Hephai- 
stos als ehern?) bezeichnet wird, so läfst dies darauf schliefsen, dafs 
die Dichter an oder in den Häusern der beiden Götter Inkrustationen 
aus Metallblech annahmen. Doch sind diese Angaben sehr allgemein 
gehalten. Ziehen wir aulserdem noch den Umstand in Betracht, dafs 
jene Epitheta göttlichen Wohnungen beigelegt werden und die llias, 
wo vom Hause des Priamos oder eines anderen Sterblichen die Rede 
ist, niemals der metallenen Wandinkrustation gedenkt, so scheint es, 
dafs eine derartige Dekoration den Dichtern der Ilias nur wenig ge- 
läufig war und dafs sie dieselbe mehr vom Hörensagen, als durch 
eigene Anschauung kannten. Anders verhält es sich mit der Odyssee. 
(iebt man sich Rechenschaft, wie klar und ausführlich die Wand- 
verkleidungen im Megaron des Alkinoos geschildert und wie genau 
die einzelnen Bestandteile derselben lokalisiert sind,°) dann scheint 
es unzweifelhaft, dafs der Dichter ähnlich verzierte Wände zu be- 
wundern Gelegenheit gehabt hatte. Die Wände dieses Saales waren 
ihrer ganzen Länge nach mit Bronzeblech bekleidet, abgesehen von 
dem Simse oder Friese, welcher aus Kyanos bestand, während die 
Thüren einen Überzug aus Gold, die Schwelle aus Bronze, die Pfosten 
aus Silber hatten. In dem Megaron des Menelaos staunt Telemachos 
über den Glanz des Erzes, des Goldes, des Elektros oder Elektron, des 


1) Vgl. hierüber unsern XXX. Abschnitt. 2) Od. XVI 449, XVIII 206, 
XIX 600, XXI 428. 3) Il. VIII 435, XIII 261. Od. IV 42, XX 121. 4) 1]. 
XIII 21; Alyds, ἔνϑα τέ οἵ χλυτὰ δώματα βένϑεσι λίμνης, | χρύσεα μαρμαίροντα 


τετεύχαται, ἄφϑιτα αἰεί. 5) 11. ΧΥΠῚ 369: Ἡφαίστου δ᾽ ἵκανε δόμον Θέτις 
ἀργυρόπεζα | ἄφϑιτον ἀστερόεντα, μεταπρεπέ᾽ ἀϑανάτοισιν, | χάλκεον ὅν ῥ᾽ αὐτὸς 
ποιήσατο κυλλοποδίων. 6) Od. VII 86: χάλκεοι μὲν γὰρ τοῖχοι ἐληλέδατ᾽ ἔνϑα 


ern Di 2 \ FE: SQ» \ N 
καὶ eve, | ἐς μυχὸν ἐξ οὐδοῦ, περὶ δὲ ϑριγκὸς κυάνοιο" | χρύσειαι δὲ ϑύραι πυ- 
x ! ΄ x „ \> » 
κινὸν δόμον ἐντὸς ἕεργον" | σταϑμοὶ δ᾽ ἀργύρεοι ἐν χαλκέῳ ἕστασαν οὐδῷ, | ἀργύ- 
᾽ ς ’ 
ρεον δ᾽ ἐφ᾽ ὑπερϑύριον, | χρυσέη δὲ κορώνη. 


VII. Die Wohnhäuser. 101 


Silbers und Elfenbeins) — Materialien, die wir selbstverständlich 
an den Wänden anzunehmen haben. 

Um jedoch diese Beschreibungen in jeder Hinsicht richtig zu 
würdigen, müssen wir uns über zwei darin erwähnte Materialien klar 
werden, nämlich über den im Megaron des Alkinoos angebrachten 
Kyanos und über das Material, welches in der Rede des Telemachos 
durch den Genitiv ἠλέκτρου bezeichnet wird. Da die Bedeutung 
des Wortes «vavog bereits von Lepsius?) richtig dargelegt worden 
ist, so genügt es über die Untersuchung dieses Gelehrten eine 
kurze Übersicht zu geben, der ich nur einige wenige eigene Be- 
merkungen beifüge, die durch den bestimmten Zweck dieses Buches 
geboten sind. 

Kyanos wird in der Regel für blauen Stahl erklärt — eine An- 
nahme, die noch ganz neuerdings in Evans?) einen eifrigen Vertreter 
gefunden hat. Doch widerspricht ihr die Thatsache, dafs dieses 
Wort in der späteren griechischen Sprache stets eine andere Bedeu- 
tung hat. Es bezeichnet nämlich erstens den sonst σάπφειρος be- 
nannten Lasurstein (lapis lazuli), zweitens die blaue Ultramarinfarbe, 
welche durch Pulverisierung dieses Steines gewonnen wurde, und 
drittens Mineralien, deren man sich zur Nachahmung des Steines 
selbst oder des echten Ultramarins ‚bediente. Die klassische Stelle 
findet sich bei Theophrast in der Abhandlung über die Steine ($ 55). 
Dieser Schriftsteller unterscheidet zunächst zwischen selbstgewachse- 
nem d.i. natürlichem (κύανος αὐτοφυής) und künstlich hergestelltem 
(σκευαστός) Kyanos. Dafs unter dem ersteren der Lasurstein zu ver- 
stehen ist, ergiebt sich aus einer anderen Stelle derselben Abhand- 
lung ($ 39), wo als Eigentümlichkeit des natürlichen Kyanos die 
für den Lasurstein bezeichnenden Goldstäubchen angeführt werden. 
Theophrast fährt, nachdem er den Unterschied zwischen dem natürlichen 
und dem künstlichen Kyanos hervorgehoben, folgendermafsen fort: 
„Es giebt drei Arten des Kyanos, den ägyptischen, den skythischen 
und drittens den kyprischen. Der beste für die tieferen Farben ist 
der ägyptische, für die helleren der skythische. Der ägyptische ist 
künstlich zubereitet. Und die, welche über die Könige schreiben, 
berichten auch, welcher König zuerst, um den selbstgewachsenen 
nachzuahmen, den geschmolzenen Kyanos (x. χυτός) bereitet habe, 
und geben an, dafs von anderen und auch aus Phönikien ein Tribut 


1) Od. IV 71: φράζεο... | χαλκοῦ τε στεροπὴν κὰδ δώματα ἠχήεντα | χρυσοῦ 
τ᾽ ἠλέκτρου τε καὶ ἀργύρου ἠδ᾽ ἐλέφαντος. 2) Die Metalle in den ägyptischen 
Inschriften (Abhandl. d. Berl. Akademie 1871) p. 53—79, p. 117—118, p. 129—143. 
3) L’äge du bronze p. 14 ff. 


109 Tektonisches. 


von Kyanos geschickt werde, teils von ungebranntem, teils von ge- 
branntem (τοῦ μὲν ἀπύρου, τοῦ δὲ πεπυρωμένου).“ 

Durch Interpretation der ägyptischen Inschriften und Bildwerke, 
wie durch chemische Analysen, die er an ägyptischen Kunstgegen- 
ständen vornehmen liefs, ist es Lepsius gelungen alle die von dem 
griechischen Schriftsteller angeführten Gattungen genau zu bestim- 
men. Die verschiedenen Materialien, welche die Griechen κύανος 
nennen, werden auf den ägyptischen Inschriften durch das Wort 
xesbet bezeichnet. Der Lasurstein und die aus ihm gewonnene Ultra- 
marinfarbe heifsen yesbet-ma ἃ. 1. echter xesbet, bisweilen „guter xesbet 
aus Babylon“ oder „guter yesbet aus Tefrer (Teflel). Der Haupt- 
fundort des Lasursteines ist die Tartarei, namentlich das heutige 
Badaschkan. Von hier gelangte der kostbare Stein über Parthien 
und Medien nach Babylon und an die Küsten des Mittelmeeres. 
Tefrer oder Teflel wird nicht das Fundgebiet, sondern wie Babylon 
eine der. Zwischenstationen gewesen sein, welche der Lasurstein auf 
seinem Wege nach Ägypten berührte. Da nun das heutige Badasch- 
kan, wo sich die gröfste Menge des Lasursteines findet, von den 
nachherodoteischen griechischen Schriftstellern zu Skythien gerechnet 
wird, so scheint es zweifellos, dafs unter dem skythischen Kyanos 
des Theophrast eben dieses Mineral und die aus ihm gewonnene 
echte Ultramarinfarbe zu verstehen sind. 

Von dem echten yesbet wird in den ägyptischen Inschriften der 
gesbet-err-t ἃ. 1. der künstliche unterschieden, der dem χύανος δκευα- 
orög des Theophrast entspricht. Es war dies ein mit Kupfererzen, 
bisweilen auch mit Kobalt blau gefärbter Glasflufs, der den Lasur- 
stein nachahmte. Die Ägypter gossen oder schnitzten daraus kleine 
Figuren, Amulette, z. B. Skarabäen, und Schmuckstücke, wie Be. 
standteile von Halsbändern und Busengeschmeiden. Aufserdem zer- 
stiels man diesen Glasflufs und benutzte das blaue Pulver als Surro- 
gat für das echte Ultramarin — ein Verfahren, welches bereits unter 
den altmemphitischen Dynastieen nachweisbar ıst. Endlich wurden 
auch kleinere oder gröflsere Gegenstände aus Thon oder Stein mit 
blauer oder grünlicher xesbeimasse faienceartig überzogen und diese 
(regenstände kurzweg als aus yesbet gearbeitet bezeichnet. In näherer 
Beziehung zu unserer Untersuchung steht der Gebrauch mit der- 
artig emaillierten Ziegeln Teile der Wände zu bekleiden. Dafs auch 
dieser Gebrauch in die Zeiten der memphitischen Könige hinaufreicht, 
beweist die grolse Pyramide von Sakkarah, in welcher der Eingang 
einer Kammer durch mehrere Lagen blau glacierter Ziegel einge- 
falst 15. 

1) Perrot et Chipiez, histoire de l’art I p. 822—826. 


VIII. Die Wohnhäuser. 103 


Man pflegte dem Glasflusse, der zur Herstellung des unechten 
Ultramarins bestimmt war, eine ziegelartige Form zu geben. Diese 
Ziegel erscheinen auf den  Bildwerken übereinandergeschichtet und 
neben dem echten yesbet in den Schatzhäusern aufbewahrt. Da das 
Glas, um den Farbstoff in sich aufzunehmen, durch Feuer in einen 
flüssigen Zustand versetzt werden mulste, so bezeichnet Theophrast 
diese Art des Kyanos als χυτός oder πεπυρωμένος und nach dem 
Orte ihrer Erfindung als Αἰγύπτιος. Doch beweisen mancherlei Zeug- 
nisse, dals die ägyptische Erfindung schon in sehr früher Zeit in 
dem benachbarten Asien Eingang fand. Zu der Beute, welche der 
dritte Thutmes bei seinem Feldzuge in Mesopotamien machte, gehörte 
eine Quantität echten und vierundzwanzig ten (ein ägyptisches Ge- 
wicht) künstlichen gxesbeis. Auf den Wänden eines bereits erwähnten, 
der Zeit desselben Königs angehörigen thebanischen Grabes sehen 
wir die Kefa, d. 1. die Phönikier, wie sie sowohl echten gesbet als 
auch grofse blau gemalte Vasen, deren Material nur künstlicher 
xesbet gewesen sein kann, als Tribut darbringen') — eine Thatsache, 
durch welche die Angabe des Theophrast über den Kyanostribut der 
Phönikier eine schlagende Bestätigung findet. Dafs die Phönikier 
den unechten Kyanos auch künstlerisch verarbeiteten, ergiebt sich 
nicht nur aus den in jenem Grabe dargestellten Vasen, sondern auch 
aus einer grolsen Menge erhaltener phönikischer Anticaglien, unter 
denen ich nur an die smaltenen Götterfigürchen, Skarabäen und 
Salbfläschehen erinnere, die sich im besonderen auf Kypros und $ar- 
dinien finden. Ebenso ist der Gebrauch Teile der Wände mit blau 
glacierten Ziegeln zu inkrustieren in Chaldäa wie in Assyrien nach- 
weisbar.?) 

Der vom Feuer unberührte ᾿(ἄπυρος) Kyanos des Theophrast end- 
lich war offenbar der Farbstoff, der dem Glase beigemischt wurde, 
die Kupferlasur oder das Bergblau. Dieses Mineral kommt in Kry- 
stallen oder in mehr erdiger Form in der Nähe von Kupferlagern 
vor und es läfst sich aus ihm ein blaues Farbenpulver gewinnen, das 
jedoch infolge der Einwirkung der Luft auf das Kupfer leicht den 
Ton verändert — ein Übelstand, dem die Ägypter eben dadurch zu 
begegnen suchten, dafs sie die Kupferlasur mit Glasfluls verbanden 
und diesen pulverisiert als Farbstoff verwendeten. Da wir als Haupt- 


1) Oben Seite 25, Anm. 2. Wie mir Lepsius mitteilte, war über dem mit 
einer blauen Masse gefüllten Korbe vormals die Inschrift yesbet deutlich lesbar. 


2) Perrot et Chipiez, histoire de Vart II p. 296—309. HEmaillierte Ziegel mit 
verschiedenartigen Ornamenten auf blauem Grunde: de Longperier, Musce Napo- 
l&con III pl. IV. Simse und Sockel aus blau emaillierten Ziegeln an Bauten des 


Königs Sargon: Place, Ninive pl. 14—21, pl. 24, pl. 26—31. 


104 ᾿ Tektonisches. 


fundstätte des Kupfers in dem südöstlichen Gebiete des Mittelmeeres 
Kypros kennen und die Phönikier lange Zeit hindurch diese Insel 
unbeschränkt beherrschten, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, 
dafs der vom Feuer unberührte Kyanos, den die Phönikier nach 
Theophrast den Pharaonen lieferten, die im Bereiche der dortigen 
Bergwerke gefundene Kupferlasur war. 

Dies die wesentlichsten Resultate von Lepsius, gegen die sich 
höchstens der Einwand erheben läfst, dafs der Begriff des kyprischen 
Kyanos zu eng gefalst zu sein scheint. Wir haben gesehen, dafs die 
Phönikier schon in sehr früher Zeit die Kupferlasur mit dem Glase 
verbinden lernten und die hierdurch gewonnene blaue Masse in der 
vielseitigsten Weise künstlerisch verarbeiteten. Zeigte ihr Fabrikat 
im Vergleich mit dem ägyptischen besondere Eigentümlichkeiten, 
dann lag es nahe dasselbe als eine besondere Gattung zu betrachten 
und diese als kyprische zu bezeichnen, da der Farbstoff aus Kypros 
stammte und hier wohl auch Schmelzöfen vorhanden waren, in denen 
er sofort mit dem Glase verbunden wurde — letzteres eine Annahme, 
die um so wahrscheinlicher ist, als die Kupferlasur, wenn man sie 
längere Zeit im ihrem natürlichen Zustande beliefs und in diesem 
über die See transportierte, leicht die Farbe verändern konnte. Ent- 
schieden wird jedoch die Frage durch die Weise, in der sich Plinius') 
über das Kyanos benannte Material äufsert. Er giebt nämlich an, der 
beste Kyanos sei der skythische, dann komme der kyprische, zuletzt 
der ägyptische. Nach dem im Obigen Bemerkten ist unter dem sky- 
thischen Kyanos der echte Lasurstein zu verstehen, wogegen durch 
den kyprischen und ägyptischen nichts anderes bezeichnet werden 
kann als die blauen Glasflüsse, deren sich die Ägypter und Phöni- 
kier zur Nachahmung dieses Steines bedienten. Mag demnach Pli- 
nius irren, wenn er die Nachahmungen unter der gleichen Kategorie 
mit dem Minerale anführt, immerhin ergiebt sich aus seinen Worten, 
dafs kyprischer Kyanos nicht nur die Kupferlasur, sondern auch eine 
bestimmte Gattung des damit gefärbten Glasflusses hiefs. Diese 
Gattung kann aber keine andere gewesen sein als die aus phöniki- 
schen Fabriken stammende. 

Ks gilt nunmehr zu bestimmen, welche Art von Kyanos wir im 
Megaron des Alkinoos vorauszusetzen haben. Da der Lasurstein nur 
in kleinen Stücken gefunden wird, so ist zunächst die Annahme aus- 
geschlossen, dafs grölsere Wandstreifen mit Platten aus dieser Stein- 
art ınkrustiert worden wären. Vielleicht ist einer oder der andere 
(relehrte daraufhin geneigt sich jenen Sims oder Fries aus kleinen, 


1) Plin. b. n. XXXVI 119. 


VII. Die Wohnhäuser. 105 


durch Mörtel verbundenen Stücken Lasursteins zusammengesetzt zu 
denken. Da jedoch der Lasurstein im Altertum für ein seltenes und 
kostbares Material galt, so scheint es keineswegs glaublich, dafs 
jemals und irgendwo eine genügende Menge von Stücken beschafft 
werden konnte, um daraus einen umfangreicheren Bestandteil der 
Wanddekoration herzustellen. Ebensowenig darf an eine Bemalung 
mit Ultramarin oder einer dasselbe nachahmenden Farbe gedacht 
werden; denn der Dichter konnte einen solchen Sims oder Fries un- 
möglich als aus Kyanos bestehend bezeichnen. Also bleiben nur 
blauer Glasflufs oder Smalt übrig. Die mykenäischen') und die ihnen 
verwandten Funde bezeugen, dafs mancherlei aus diesen Materialien 
gearbeitete Gegenstände bei den Griechen schon in der vorhomeri- 
schen Epoche gebräuchlich waren. Es gehören dazu auch quadra- 
tische, oblonge oder kreisrunde Plättchen aus bläulichem oder grün- 
lichem Smalte, deren Dekoration verschiedene der für jenes Stadium 
bezeichnenden Ornamente aufweist”) Da weitaus die meisten dieser 
Plättehen mit Löchern oder Hülsen versehen sind und die gleichartig 
ornamentierten Stücke in demselben Grabe durch mehrere und bis- 
weilen recht zahlreiche Exemplare vertreten zu sein pflegen,?) so 
dürfen wir mit Sicherheit annehmen, dafs diese Plättchen, auf irgend- 
welcher Unterlage aneinander geheftet, friesartige Schemata bildeten. 
Allerdings bleibt es zweifelhaft, ob die in solcher Weise zusammen- 
gesetzten Friese gerade an den Wänden der Gräber angebracht 
waren. Vielmehr scheint die verhältnismäfsige Kleinheit der Plätt- 
chen eher auf hölzerne Sarkophage oder Kästen hinzuweisen. Aber 
auch in dem letzteren Falle sind jene Friese für unsere Untersuchung 
von Wichtigkeit; denn es bedurfte keiner besonders kühnen Phantasie, 
um dieselben von einem derartigen Gegenstand auf eine Wand zu über- 
tragen. Besonders nahe lag diese Übertragung, wenn die damaligen Grie- 
chen, was ja leicht geschehen konnte, von dem in Ägypten, Chaldäa und 
Assyrien üblichen Gebrauche, Teile der Wände mit blau emaillierten 
Ziegeln zu überziehen, Kunde erhalten hatten. Das wichtigste hier- 


1) In einem der Schachtgräber fanden sich mit Kobalt blau gefärbte, glä- 
serne Cylinder (Schliemann, Mykenae p. 183—184), in zwei anderen Gegenstände 
aus bläulichem Smalte (p. 278 n. 350, 351, p. 279, p. 336). 2) Ein aus dem 
Kuppelgrabe von Menidi stammendes Exemplar ist oben Seite 74 Fig. 12 abge- 
bildet. 3) Ein solches Exemplar wurde zu Mykenä nicht in einem Schacht- 
grabe, sondern in dem Schutte gefunden: Schliemann a. a. Ὁ. p. 128 n. 166 
(vgl. auch die Formen p. 121 und 122). Aus Menidi (oben $. 69) gehören hier- 
her: Das Kuppelgrab von Menidi T. III 12, 13, T.IV 3, 12, 13, 15, 17,19, ΤΩ͂Ν 
32, 43, 45. Aus Spata (oben 8.70): Bull. de correspondance hellönique II (1878) 
p. 192—204. Aus lalysos (oben 8. 49—50): Dumont et Chaplain, les c&ramiques 
de la Grece propre I p. 61 Fig. 36. 


100 Tektonisches. 


her gehörige Denkmal ist jedoch der in unserem V. Abschnitte”) be- 
schriebene, im Palaste von Tiryns entdeckte Fries, dessen Ornamente 
zum Teil aus eingelegter, blauer Glaspaste bestehen (Seite 73 Fig. 10). 
Er gehört dem der Entstehung des Epos unmittelbar vorhergehenden 
Zeitraum an, war an einer ähnlichen Stelle angebracht, wie der, an 
welcher der Dichter die Kyanosinkrustation im Megaron des Alkinoos 
annimmt, und besteht wenigstens zum Teil aus dem Materiale, das die 
Alten χύανος nannten. Nach alle dem scheint es mir unzweifelhaft, 
dafs der Kyanos, mit dem sich der Dichter die obersten Wandstreifen 
in jenem Saale überzogen dachte, für blauen Glasfluls oder Smalt zu 
erklären ist. 

Wie hinsichtlich des Kyanos hat Lepsius auch bei Erklärung 
des in der Rede des Telemachos vorkommenden Genitives ἠλέκτρου 
den richtigen Weg eingeschlagen,’) indem er darauf hinwies, dafs die 
ältere griechische Sprache zwischen ὃ NAsxroog, einem Substantive, 
das die bekannte Mischung von Gold und Silber, und τὸ ἤλεκτρον, 
welches den Bernstein bezeichnet, scharf unterscheidet. Fragen wir 
nunmehr, welches der beiden Substantive an jener Stelle der Odyssee 
anzunehmen sei, so wird jedermann zugeben, dafs der Voraussetzung 
einer Wandinkrustation aus Silbergold keinerlei Schwierigkeit ent- 
gegensteht. Hinsichtlich des Bernsteines dagegen leuchtet es ein, 
dafs mit diesem, da er nur in verhältnismälsig kleinen Stücken ge- 
funden wird, unmöglich gröfsere Teile der Wandfläche überzogen 
werden konnten. Da jedoch Telemachos nur sein Staunen über den 
in dem Megaron des Menelaos herrschenden Glanz äufsert, aber keine 
Andeutung darüber giebt, wo und wie die einzelnen Materialien an 
den Wänden angebracht waren, so bleibt immerhin die Möglichkeit, 
der Dichter habe sich den Bernstein nicht unmittelbar auf die Wand, 
sondern ın kleineren Stücken auf die Metallinkrustationen derselben 
aufgesetzt gedacht. Dals sich gegen eine solche Dekoration weder in 
archäologischer noch in ästhetischer Hinsicht etwas einwenden läfst, 
beweist ein in einem sehr alten pränestiner Grabe gefundener Brust- 
schild.?) Er besteht aus einer Platte blassen Goldes, die mit ein- 
geprelsten geometrischen Ornamenten und aufgesetzten runden und 
dreieckigen Bernsteinstücken verziert ist, wobei der dunkelbraune 
Bernstein einen höchst wirksamen koloristischen Gegensatz zu dem 
milden Glanze der metallenen Folie bildet. Wir müssen es demnach 
unentschieden lassen, ob der Dichter durch das fragliche Wort eine 


1) Seite 71—74. 2) Über die Metalle in den ägyptischen Inschriften 
p. 129 ft. 3) Archaeologia 41 1 (London 1867) pl. XIII 1 (vgl. oben Seite 31, 
Anm. 5). 


VIII. Die Wohnhäuser. 107 


Inkrustation aus Silbergold oder auf Metallblech aufgelegte Bernstein- 
ornamente bezeichnen wollte. 

Das im Epos geschilderte Inkrustationsverfahren ist, soweit unsere 
Kenntnis reicht, in dem alten Kulturlande zwischen Euphrat und 
Tigris entstanden und hat sich von hier aus allmählich nach dem 
Westen verbreitet. Die Bronzebekleidung in dem mykenäischen Kuppel- 
grabe, welches unter dem Namen des Schatzhauses des Atreus, wie 
in dem verwandten bei Orchomenos gelegenen Bau, der unter dem 
Namen des Schatzhauses des Minyas bekannt ist, aufserdem mancherlei 
Mythen und Angaben der Schriftsteller beweisen, dafs diese Dekora- 
tionsweise auf der Asien zugewendeten Ostseite Griechenlands schon 
vor der dorischen Wanderung zur Anwendung kam. Da jedoch die 
hierauf bezügliche Auseinandersetzung einen beträchtlichen Raum in 
. Anspruch nimmt, so habe ich sie in den zweiten diesem Buche bei- 
gefügten Exkurs verwiesen. Wenn die Ahnen der kleinasiatischen 
Griechen bereits in vorhomerischer Zeit die Wände von Pracht- 
bauten mit Metall bekleideten, diese Dekorationsweise dagegen den 
Diehtern der Ilias nur wenig geläufig war, so wird dies mit dem 
Rückschritte zusammenhängen, welchen der Einbruch der Dorier und 
die schwierigen Umstände, unter denen die Ansiedelung auf fremdem 
Boden vor sich ging, in dem Wohlstande und den tektonischen 
Leistungen der Griechen hervorriefen.') Während der etwas jüngeren 
Zeit, in der die hierher gehörigen Gesänge der Odyssee entstanden, 
scheinen sich die Verhältnisse bereits günstiger gestaltet und die 
Dichter Gelegenheit gehabt zu haben ihre Phantasie durch den An- 
blick kostbar inkrustierter Königssäle zu inspirieren. 

Mag es aber zweifelhaft sein, ob die Dichter der Ilias mit Metall 
inkrustierte Wände aus eigener Anschauung kannten, jedenfalls war 
es zu ihrer Zeit Gebrauch Thüren und Schwellen in dieser Weise zu 
verkleiden; denn dem Tartaros werden in der Ilias eiserne Thüren 
und eine eherne Schwelle zugeschrieben.) Man wird als reale Vor- 
bilder, welche diese Schilderung bedingten, nicht Thüren und Schwellen 
aus solidem Metalle, sondern hölzerne Thüren, die mit Eisenblech, 
und hölzerne oder steinerne Schwellen, die mit Bronzeblech überzogen 
waren, anzunehmen haben. In dem mehrfach erwähnten Grabe von 
Orchomenos zeigt die steinerne Schwelle des an den Kuppelraum an- 
stofsenden Thalamos Vertiefungen, welche ursprünglich, wie es scheint, 


1) Vgl. oben Seite 63 ff. 2) Il. VIII 14: χϑονός ἐστι βέρεϑρον, | ἔνϑα 
σιδήρειαί Te πύλαι καὶ χάλκεος οὐδός. In einem späten Einschiebsel der Theo- 
gonie 811 werden daselbst μαρμάρεαί re πύλαι καὶ χάλκεος οὐδός angenommen. 
Ein χάλκεος οὐδός auch im Hause des Alkinoos: Od. ὙΠ 83, 89 (oben Seite 100 
Anm. 6). 


108 Tektonisches. 


mit Bronze ausgefüllt waren.') Aufserdem ist in diesem Zusammen- 
hange das Epitheton χαλκοβατής zu berücksichtigen, welches in der 
Ilias viermal dem Hause des Zeus,’) in der Odyssee einmal dem 
Hause des Hephaistos®) und demjenigen des Alkinoos*) beigelegt 
wird. Wenn jenes Adjektiv, wie man vermutet hat,’) aus einem 
Substantive βάτος, welches die Schwelle bedeutet hätte, gebildet ist, 
so würde es ebenfalls auf eine mit Bronzeblech überzogene Schwelle 
hinweisen. Hingegen lautet die gewöhnliche Übersetzung „auf Erz 
stehend“ und es wäre, falls sie richtig ist, ein mit Bronzeblech be- 
legter Fufsboden anzunehmen — ein Gegenstand, der im weiteren 
Verlaufe der Untersuchung zur Erörterung kommen wird. Dafs das 
Verfahren hölzerne und lederne Gegenstände der verschiedensten Art 
mit Metallblech zu überziehen bereits zur Zeit, in der die Gedichte 
der Ilias entstanden, allgemein verbreitet war, ist bekannt. Von den 
Metallbeschlägen der Streitwagen und der Schilde wird im IX. und 
XXIII. Abschnitte die Rede sein. Wenn ferner in dem Epos Stäbe,) 
Scepter,”) Spindeln,°) Spulen,”) Speisekörbe'”) und Sessel!!) als golden, 
der Kasten, in dem Hephaistos sein Handwerkszeug aufbewahrt,'”) der 
Spinnkorb der Helena'?) und die Tische der Kirke'*) als silbern be- 


1) Schliemann, Orchomenos p. 29. Vgl. daselbst Fig. 7. 2) I. 1 426, 
XIV 173, XXI 438, 505. 3, Od. VITEB2T. 4) Od. XIII 4. 5) Düntzer in 
Höfers Zeitschrift II (1850) p. 108 und in Kuhns Zeitschrift für vergl. Sprach- 
forschung XII (1863) p. 3. 6) Od. XVI 172: ἦ καὶ χρυσείῃ ῥάβδῳ ἐπεμάσσατ᾽ 
᾿ϑήνη. ΧΧΙ͂Ν 2 (Hermes): ἔχε δὲ ῥάβδον μετὰ γερσὶν | καλὴν, χρυσείην. Daher 
das Epitheton des Hermes χρυσόῤῥαπις: Od. V 87, X 277, 331; hymn. ΠῚ (in 
Mercur.) 539, IV 117, 121, V' 335, XXX 8, 71T 14, 11'263; Od. XI 91, 56%. 
8) Od. IV 131: χρυσέην τ᾽ ἠλακάτην (der Helena). Χρυσηλάκατος Epitheton der 
Artemis: Il. XV1 183, XX 70; Od. IV 122; hymn. IV 16, 118, XXVIL 1. 9) Od. 
V 62 (Kirke): χρυσείῃ κερκίδ᾽ ὕφαινεν. 10) Od. V 355: χρύσεια κάνεια. Ein 
bronzener Korb (χάλκειον naveov) im Zelte des Nestor: I. XI 630. 11) Il. VII 
436: αὐταὶ (Hera und Athene) δὲ χρυσέοισιν ἐπὶ κλισμοῖσι καϑῖζον. VIII 442: 
αὐτὸς δὲ χρύσειον ἐπὶ ϑρόνον εὐρύοπα Ζεὺς | ἕζετο. XIV 238 (Hera verspricht 
dem Hypnos): καλὸν ϑρόνον ἄφϑιτον αἰεὶ, | χρύσεον. Χρυσόϑρονος Epitheton der 
Hera: D. I 611, XIV 153, XV 5; hymn. II (in Apoll. Pyth.) 127 (305), XII 1; der 
Artemis: U. IX 533) Od. V 123; der Eos: Od. X 541, XII 142, XIV 502, XV 56, 
250, XIX 319, XX 91, XXIII 244, hymn. III (in Mercur.) 326, IV (in Vener.) 218. 


Vgl. Od. XXI 198, XXIII 347, hymn. IV 226. 12) I. XXIO 412: ὅπλα τε 
πάντα | λάρνακ᾽ ἐς ἀργυρέην συλλέξατο, τοῖς ἐπονεῖτο. 13) Od. IV 125: Φυλὼ 


δ᾽ ἀργύρεον τάλαρον φέρε. Von diesem Talaros, einem Geschenke der Ägyptierin 
Alexandra, heilst es Vers 131: χρυσέην τ᾽ ἠλακάτην τάλαρόν 9’ ὑπόκυκλον ὕπασ- 
σεν, | ἀργύρεον, χρυσῷ δ᾽ ἐπὶ χείλεα κεχράαντο. Der Spinnkorb war also mit 
που. versehen, wie die Dreifülse des Hephaistos (Il. XVII 375: χρύσεα δέ op’ 
ὑπὸ κύκλα ἑκάστῳ πυϑμένι ϑῆκεν). Räder, in dieser Weise unter Gefälsen oder 
anderen Geräten angebracht, scheinen ein altphönikisches Motiv. Wir begegnen 
denselben an den Gestellen (ὑποϑήματα) im salomonischen Tempel: I. Könige 7, 


VII. Die Wohnhäuser. 109 


zeichnet werden, so dürfen wir auch hier annehmen, dafs die analogen 
Gegenstände der Wirklichkeit, welche die dichterische Schilderung 
bestimmten, in den meisten Fällen nicht aus solidem Metalle be- 
standen, sondern nur mit Metallblech überzogen waren. Jedenfalls 
gilt dies für die im Epos erwähnten goldenen Zügel,!) Schwert- 
gehänge,’) Gürtel?) und Sandalen,*) wie für die silbernen Schild- 
riemen (τελαμών).") Unsere Kenntnis derartiger Metallbeschläge und 
-überzüge hat neuerdings im besonderen durch die Ausgrabungen von 
Dodona und Olympia mannigfache Bereicherung erfahren und es ist 
das Material zu einer solchen Fülle angewachsen, dafs ich darauf 
verzichten muls, von dieser Denkmälergattung auch nur eine kurze 
Übersicht zu geben.‘) 

Dafs die Wände im homerischen Hause statt mit Kalkputz, Metall- 
blech oder Kyanos bisweilen mit Holzgetäfel bedeckt waren, läfst 
sich zwar nicht beweisen, muls aber doch als möglich betrachtet 
werden, seitdem Dörpfeld im Palaste von Tiryns an den Wänden des 
Badezimmers eine Bohlenverkleidung nachgewiesen‘) und an den- 
jenigen der vor dem Megaron gelegenen Halle die Existenz einer 
hölzernen Täfelung wahrscheinlich gemacht hat.°) 

Jedenfalls spielte das Holz ἴῃ dem damaligen Hausbau eine 
hervorragende Kolle. Wenn die Myrmidonen, als sie die Lagerhütte 


27—38. Räder und andere Fragmente von derartigen Gefälsen haben sich in 
Olympia gefunden: Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p.40. Eine roll- 
bare bronzene Räucherpfanne aus dem cäretaner Grabe Regulini-Galassi (oben 
Seite 30, Anm. 5 und Seite 90—92): Grifi, mon. di Cere T. VI 3, Mus. gregor. I 
T. XV 5, 6. Ein anderes Exemplar aus Veji: Archaeologia 41 I (London 1867) 
pl. IV 2 p. 206. Verwandt sind auch die in Italien wie im Norden vorkommenden 
sogenannten Kesselwagen: Genthe, über den etrusk. Tauschhandel p. 61 ff. 
Chantre, etudes pal&oethnol. dans le bassin du Rhöne, äge du bronze I p. 222 ff. 
Pigorini in Bull. di paletn. ital. III p. 59. Undset in den Verhandl. der Berl. 
anthropol. Gesellschaft 1883 p. 197—201. 14) Od. X 354: τραπέξας ἀργυρέας. 

1) Χρυσήνιος Epitheton der Artemis 1]. VI 205, des Ares Od. VIII 285. 
2) Od. XI 609: σμερδαλέος δέ οἵ ἀμφὶ περὶ στήϑεσσιν ἀορτὴρ | χρύσεος ἦν τελαμὼν, 
ἵνα ϑέσκελα ἔργα τέτυκτο, | ἄρκτοι τ᾽ ἀγροτεροί te σύες χαροποίτε λέοντες, | bowi- 
ναί TE μάχαι τε φόνοι τ᾿ ἀνδροχτασίαι τε. Näheres über diese Verse in unserem 
XXX. Abschnitt. Vgl. auch Il. XVII 597 (hier allerdings von bildlich dar- 
gestellten Figuren, nämlich von den Tänzern auf dem Schilde des Achill): 
μαχαίρας | εἶχον χρυσείας ἐξ ἀργυρέων τελαμώνων. 8). θα. δ: 
X 544. 4) Il. XXIV 340; Od. I 96, V 44: καλὰ πέδιλα | ἀμβρόσια χρύσεια. 
Χρυσοπέδιλος Epitheton der Hera: Od. XI 604; Hesiod. theog. 952. Zwei Sohlen 
aus Holz unten und an den Rändern mit Bronze beschlagen bei Micali, mon. 
ined. T.19 n. 9 p.108 und im Museo gregoriano 1 T. 58, 7. Ein ähnliches Paar 
wurde in einem spätestens dem Ende des 6. Jahrhunderts angehörigen cüre- 
taner Grabe gefunden: Bull. dell’ Inst. 1881 p. 161 n. 9, 10. 5) Il. XI 38, 
XVIII 480. 6) Vgl. im besonderen Curtius, das archaische Bronzerelief aus 
Olympia p. 10ff. 7) Bei Schliemann, Tiryns p. 262—263. 8) A. a. 0. p. 242, 


110 Tektonisches. 


des Achill bauten, die Wände aus Tannenstämmen und das Dach aus 
Stroh oder Schilf herstellten,!) so beweist dies freilich nichts für das 
ständige Wohnhaus, da jene Hütte nur für einen temporären Zweck 
erbaut wurde. Aber auch in den ständigen Wohnhäusern, mochten 
die Mauern aus Werksteinen, Bruchsteinen oder Lehmziegeln auf- 
geführt sein, haben wir mancherlei hölzerne Bauglieder vorauszusetzen. 
Wie im Palaste von Tiryns?) bestanden die Decken aus einem Ge- 
füge hölzerner Balken; denn das Epos weist an einer Stelle aus- 
drücklich auf die Tannenbalken der Decke hin.’) Ebenso spricht alle 
Wahrscheinlichkeit dafür, dafs sämtliche Säulen, Stützen (κίων) und 
Thürpfosten (oraduog), wie in jenem Palaste,*) aus Holz gearbeitet 
waren. Von den Thürpfosten im Megaron des Odysseus giebt das 
Epos’) an, dafs sie aus Kypressenholz gearbeitet, von denjenigen, 
welche sich im Megaron des Alkinoos befanden, dafs sie mit Silber- 
blech verkleidet waren.°) Die Thürflügel bestanden aus hölzernen 
Bohlen (σανίδες), die „wohl geglättet“ (ἐύξεσται), „wohl verbunden“ 
(κολληταί) und „fest gefügt“ (πυκινῶς ἀραρυῖαν) waren.‘) Die Thür- 
flügel (ϑύραιν) selbst werden an einer Stelle der Odyssee®) durch die 
beiden letzteren Epitheta, besonders häufig jedoch als „schimmernd“ 
(pasıvai?) bezeichnet — ein Attribut, aus dem man vielleicht auf 
eine Politur des Holzes schliefsen darf. Die eisernen Thüren, welche 
das Epos dem Tartaros,'”) und die goldenen, die es dem Megaron 
des Alkinoos zuschreibt,'') fanden bereits Erwähnung. Sie beweisen, 
dafs das Holz bisweilen mit Metallblech verkleidet wurde, während 
die elfenbeinernen Thüren, durch welche nach einer Stelle der Odyssee '?) 


1) D. XXIV 448—453. 2) Schliemann, Tiryns p. 312. 3) 0d,: XIX 37: 
ἔμπης μοι τοῖχοι μεγάρων καλαί τὲ μεσόδμαι | εἰλάτιναί τε δοκοὶ καὶ κίονες ὑψόσ᾽ 
ἔχοντες | φαίνοντ᾽ ὀφϑαλμοῖς ὡς εἰ πυρὸς αἰϑομένοιο. Nach der gewöhnlichen 
Ansicht (Buchholz, die homerischen Realien II 2 p.108—110) waren die μεσόδμαι 
transversale Balken, die sich zwischen den Längebalken der Decke, den δοκοί, 
hinzogen. Dörpfeld bei Schliemann, Tiryns p. 251 formuliert den Sachverhalt 
dahin, dafs unter μεσόδμαι die Balken, welche die Decke trugen, unter δοκοί die 
Balken, aus denen die Decke zusammengesetzt war, zu verstehen seien. 4) Schlie- 
mann, Tiryns p. 30%-310, p. 318—321. 5) Od. XVII 339: ite δ᾽ ἐπὶ μελίνου 
οὐδοῦ ἔντοσϑε ϑυράων, | κλινάμενος σταϑμῷ κυπαρισσίνῳ, ὅν ποτὲ τέκτων | ξέσσεν 
ἐπισταμένως καὶ ἐπὶ στάϑμην ἴϑυνεν. 6) Od. VII 89: σταϑμοὶ δ᾽ ἀργύρεοι ἐν 
χαλκέῳ ἕστασαν οὐδῷ. 7) Od. II 344 (vom Thalamos des Odysseus): κληϊσταὶ 
δ᾽ ἔπεσαν σανίδες πυκινῶς ἀραρυῖαι, | δικλίδες. XXI 137 (von der Thüre des 
Megaron): χλένας κολλητῇσιν ἐνξέστῃς σανίδεσσιν. 8) Od. XXI 194: κολλητὰς 
δ᾽ ἐπέϑηκα ϑύρας πυκινῶς ἀραρυίας. 11. IX 475: ϑαλάμοιο ϑύρας πυκινῶς ἀρα- 
ρυέας. 9) Θύραι φαειναί: Il. XIV 169. Od. 119, X 230, 256, 812, XXI45, ΧΧΠ 201. 
10) Il. VIII 15 (oben Seite 107, Anm. 2). 11) Od. VII 83, 88 (oben Seite 100, Anm. 6). 
12) Od. XIX 563. Dafs gesägtes Elfenbein allgemein bekannt war, ergiebt sich 
aus dem Vergleiche λευκοτέρην . . πριστοῦ ἐλέφαντος (Od. XVIII 197). Fraglich 


VIII. Die Wohnhäuser. 11| 


die trügerischen Träume durchgehen, auf Inkrustation mit Elfenbein- 
platten schliefsen lassen. 

Die Schwellen waren wie im Palaste von Tiryns!) aus Holz?) 
oder Stein?) gearbeitet. Wenn das Glätten einer hölzernen Schwelle 
in der Odyssee zweimal durch ξέω ausgedrückt wird,*) so nötigt 
dies keineswegs dazu, unter dem an zwei anderen Stellen?) erwähnten 
ξεστὸς οὐδός ebenfalls eine hölzerne Schwelle zu verstehen, da die 
von jenem Verbum abgeleiteten Adjektive im Epos sowohl von Holz- 
wie von Steinarbeit gebraucht werden.®) Dafs auch die Schwellen 
bisweilen einen Bronzeüberzug erhielten,?) wurde bereits bemerkt. 
Auch über die Instrumente, mit denen das Holz bearbeitet wurde, 
geben uns die Dichter einigen Aufschlufs. Man bediente sich dabei 
des Beiles (πέλεκυς) und eines Werkzeuges, welches das Epos oxe- 
παρνον benennt) beides Instrumente, die während des homerischen 


bleibt es, ob man Od. XIX δῦ (κλισίην... δινωτὴν ἐλέφαντι καὶ ἀργύρῳ) an 
einen mit Elfenbein und Silber belegten oder aus solidem Elfenbein gearbeiteten 
und mit Silber verzierten Lehnsessel zu denken hat. Der Griff des bronzenen 
Schlüssels Od. XXI 7 (κώπη δ᾽ ἐλέφαντος Enijjev) war offenbar aus solidem Elfen- 
bein hergestellt. 1) Schliemann, Tiryns p. 315. 2) Die Schwelle des Mega- 
ron des Odysseus wird Od. XVII 339 (oben Seite 110 Anm. 5) als aus Eschenholz 
(μέλινος οὐδός), die des Thalamos der Penelope Od. XXI 23 (οὐδόν τε δρύϊνον 
προσεβήσετο, τόν ποτε τέκτων | ξέσσεν ἐπισταμένως καὶ ἐπὶ στάϑμην ἴϑυνεν) als 
aus Eichenholz gearbeitet bezeichnet. 3) Steinern war die Schwelle des hei- 
ligen Bezirkes oder Tempels des delphischen Apoll. Il. IX 404: οὐδ᾽ ὅσα Adivog 
οὐδὸς ἀφήτορος ἐντὸς ἐέργει, | Φοίβου ᾿ἡπόλλωνος, Πυϑοῖ ἔνι πετρηέσσῃ. Od. VII: 
Πυϑοῖ ἐν ἠγαϑέῃ, ὅϑ᾽ ὑπέρβη Adivov οὐδόν. Ebenso die des Hauses des Zephyros. 
N. ΧΧΙΠ 202: βηλῷ ἔπι λυϑέω. Die Schwelle des Hauses des Eumaios wird 
Od. XVI 41 und die des Megaron des Odysseus XVII 30, XX 258, XXIII 88 als 
λάϊνος οὐδός bezeichnet. Dafs die Od. XVII 30 und XX 258 als steinern be- 
zeichnete Schwelle des Megaron identisch ist mit derjenigen, als deren Material 
Od. XVII 339 Eschenholz angiebt, unterliegt keinem Zweifel. Nach Dörpfeld bei 
Schliemann, Tiryns p. 257—258 wäre dieselbe Schwelle auch unter dem λάϊνος 
οὐδός Od. XXIII 88 zu verstehen. Die verschiedene Angabe des Materials liefert 
also einen deutlichen Beweis dafür, dafs die Dichter von dem Hause des Odysseus 
eine zum mindesten in manchen Einzelheiten verschiedene Vorstellung hatten. 
— Gerlach Philologus XXX (1870) p. 508, 512, 513 nimmt in dem Megaron des 
Odysseus einen vorspringenden steinernen Sockel, ein zenzidoue, am und identi- 
fiziert mit diesem den Adivog οὐδός Od. XVII 30, XX 258. Doch lälst sich die 
Annahme eines solchen Sockels weder aus dem Epos noch durch eine monu- 
mentale Analogie begründen und gegen den Versuch den Adivog οὐδός in der 
angegebenen Weise zu deuten spricht der-Umstand, dals dann der Gebrauch 
des Wortes οὐδός in zwiefachem Sinne allerlei Unklarheiten hervorrufen und die 
Ortsbestimmung in Od. XX 258 eine höchst ungenaue sein würde. 4) XVI 341 
(oben 8.110, Anm. 5), XXI 24 (die vorhergehende Anm.2). 5) Od. XVII 33, ΧΧῊ 72. 
6) Vgl. Ebeling, Lexicon homericum u. d.W. ξεστός, εὔξεστος und ἐύξοος. TI. 
VII 14; Od. VII 83, 89 (oben Seite 107 Anm. 2). 8) Od. V 234: δῶκέν ol πέλεκυν 


112 Tektonisches. 


Zeitalters nicht nur aus Bronze, sondern auch schon aus Eisen her- 
gestellt wurden.!) Das erstere erhält das Epitheton „auf beiden Seiten 
geschärft“ (ἀμφοτέρωϑεν dxayuevov),’) hatte also auf jeder Seite 
eine gleiche Schneide?) oder auf der einen Seite eine Schneide, auf 
der entgegengesetzten eine Spitze.‘) Es diente nicht nur zum Fällen 


μέγαν, ἄρμενον ἐν παλάμῃσιν, | χάλκεον, ἀμφοτέρωϑεν ἀκαχμένον" αὐτὰρ ἐν αὐτῷ 
στειλειὸν περικαλλὲς ἐλάϊνον, εὖ ἐναρηρός" δῶκε δ᾽ ἔπειτα σκέπαρνον ἐὔξοον᾽ ἦρχε 
δ᾽ ὁδοῖο] νήσου ἐπ᾽ ἐσχατιῆς, ὅϑι δένδρεα μακρὰ πεφύκει... 248: αὐτὰρ ὁ τάμνετο 
δοῦρα: ϑοῶς δέ οἵ ἤνυτο ἔργον. | εἴκοσι δ᾽ ἔκβαλε πάντα, πελέκκησεν δ᾽ ἄρα χαλκῷ, 
ξέσσε δ᾽ ἐπισταμένως καὶ ἐπὶ στάϑμην ἴϑυνεν. Allerdings bezieht sich diese Schilde- 
rung auf das ΕἼΟΙΒ, welches Odysseus auf der Insel der Kalypso baut. Doch dürfen 
wir es als gewils annehmen, dafs bei jeglicher Holzarbeit dieselben Werkzeuge 
in der gleichen Weise zur Anwendung kamen. 1) N. IV 485: αἴϑωνι σιδήρῳ. 
Od. IX 391: ὡς δ᾽ ὅτ᾽ ἀνὴρ χαλκεὺς πέλεκυν μέγαν ἠὲ σκέπαρνον | εἶν ὕδατι 
ψυχρῷ βάπτῃ μεγάλα ἰάχοντα | φαρμάσσων: τὸ γὰρ αὖτε σιδήρου γε κράτος ἐστίν. 
Ebenso bestehen aus Eisen die Schneiden der Beile, welche Achill bei den Leichen- 
spielen des Patroklos als Preise aussetzt (1. XXIII 850: αὐτὰρ ὁ τοξευτῇσι τίϑει 
ἰόεντα σίδηρον,  καδ᾽ δ᾽ ἐτίϑει δέκα μὲν πελέκεας, δέκα δ᾽ ἡμιπέλεκκα), wie die 
Beilköpfe, an welchen im Megaron des Odysseus der Bogenwettkampf vor- 
genommen wird (Od. XIX 578, 587, XXI 3, 75, 81, 97, 114, 127, 328, XXIV 
168, 177). 2) Od. V 235. Die Beile, welche nur eine Schneide hatten, hiefsen 
im Gegensatze hierzu ἡμιπέλεκκα d.i. Halbbeile: Il. XXIII 851 (die vorhergehende 
Anm. 1), 888. 3) Dieser Typus muls im Orient uralt sein, da er in’Syrien als Attribut 
des Gottes von Gabala (Lenormant, nouv. gal. myth. pl. XIV 16 p. 89), in Karien 
als Symbol des Zeus Labrandeus, in Kilikien als Symbol des Sandon von Tarsos 
vorkommt (Raoul-Rochette, m&emoires d’archeologie comp. I pl. IV 6, 7 p.195 fi.). 
Ein assyrisches Relief stellt Krieger dar, welche mit Beilen dieser Art die Palm- 
bäume der Feinde fällen (Layard, mon. of Niniveh pl. 76). Ein bronzenes Exem- 
plar dieser Gattung aus Kypros: Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 867 n. 634. 
Goldene Schmuckstücke, welche diesen Typus wiedergeben, haben sich in Lydien 
gefunden: Bulletin de correspondance hellenique III (1879) pl. IV, V p. 129—130; 
Collection H. Hoffmann (Paris 1886) pl. XX p.50 n. 3—5. Andere einschlagende 
Thatsachen hat Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 33—34 zusammen- 
gestellt. Doch beweisen wuchtige, zweischneidige Beilköpfe aus Bronze, die sich 
in Mykenä (Schliemann, Mykenä p. 125 n. 173), Tiryns (Schliemann, Tiryns 
p- 189 n. 100) und in anderen Gegenden Griechenlands (Me&moires des Anti- 
quaires du Nord n. 8. 1872—1877 p. 130 n. 4, 1878—83 p. 230 n. 1, 2) ge- 
funden haben, kleine goldene Votivbeile dieser Gattung, welche aus den myke- 
näischen Schachtgräbern (Schliemann, Mykenä p. 291 n. 368. Vgl. p. 252 
n. 329, 330), ähnliche bronzene, die zu Olympia aus tiefster Schicht zu Tage 
gekommen sind (Furtwängler, a. a. Ὁ. p.33; 8. Müller, den europaeiske Bronze- 
alders Oprindelse in der Saertryk af Aarboger for nord. Oldk., Kjebenhavn 1882, 
p. 329 Fig. 32), und andere zum Teil von Furtwängler ἃ. ἃ. 0. p. 34 angedeutete 
Gesichtspunkte, dafs das zweischneidige Beil sehr früh in Griechenland Eingang 
fand. Vgl. auch unseren XXVI. Abschnitt. 4) Ein bronzener Beilkopf dieser 
Art hat sich zu Hissarlik (Schliemann, Ilios p. 565 n. 958) gefunden. Ein bron- 
zenes Exemplar von der Insel Thermia: M&moires des Antiquaires du Nord ἢ. 5. 
1872—1877 p.130 n.3. Ein eisernes aus einem Dipylongrabe: oben Seite 79, 80 
Anm. 1. Ein solches Beil führt ein Gott, vermutlich der mesopotamische Donner- 


VII. Die Wohnhäuser. 113 


der Bäume,!) sondern auch zum Behauen des Holzes aus dem Groben.?) 
Das eigentliche Glätten geschah dann mit dem ox&x«ovov,?) einem 
Instrumente, dessen Beschaffenheit sich nicht näher bestimmen läfst, 
da die Dichtung darüber keine weitere Andeutung giebt als die, dafs 
es kleiner war als das Beil.) Ägyptische Denkmäler und die Gra- 


ey 
A / AN 
ὃ & 


Fig. 17. 


vüren karthagischer Skarabäen geben bisweilen ein zum Glätten des 
Holzes dienendes Instrument wieder. Es ist dies eine kleine Hacke, 
deren Schneide unter einem spitzen Winkel auf einen verhältnismälsig 
kurzen Stil aufgesetzt und entweder blattförmig gebildet oder unweit der 
Mitte leicht nach auswärts gebogen erscheint (Fig. 17).) Andererseits 


gott Raman, auf einem assyrischen Relief: Layard, mon. of Niniveh pl. 65; 
Perrot et Chipiez, histoire de lart Il p. 76 Fig. 13. Dasselbe ist auf dunkel- 
figurigen Vasen häufig den skythisch gekleideten Bogenschützen gegeben (z. B. 
Mon. dell’ Inst. IX T.IX, X). Beide Typen neben einander auf schwarzfigurigen 
Vasenbildern, welche Schmiedewerkstätten darstellen: Ber. ἃ. sächs. Ges. 4. Wiss. 
ΠΡΟ 1°. V92, Mon, dell® Inst. XI T. XxXVI 1. 1) Il. ΠῚ .60—62, XII 391, 
XXHI 114; Od. V 243. 2) Od. V 244 wird diese Thätigkeit ausgedrückt durch 
πελέκκησεν δ᾽ ἄρα χαλκῷ, also durch ein von weiexvg abgeleitetes Verbum. 
3) Es ergiebt sich dies aus Od. V 234—245 (Seite 111—112 Anm. 8). Odysseus hat 
von Kalypso ein Beil und ein σχκέπαρνον erhalten. Da er mit dem ersteren die 
Bäume fällt und zuhaut (πελέκκησεν), so kann das letztere nur zum Glätten der 
Balken gedient haben (245: ξέσσε δ᾽ ἐπισταμένως). Dasselbe doppelte Verfahren, 
das Fällen und das Glätten, wird ohne Angabe der Werkzeuge auch Od. XXIL 


195 beschrieben: καὶ τότ᾽ ἔπειτ᾽ ἀπέκοψα κόμην τανυφύλλου ἐλαίης, | κορμὸν δ᾽ 
ἐκ ῥίζης προταμὼν ἀμφέξεσα χαλκῷ | εὖ καὶ ἐπισταμένως. 4) Od. IX 391 (oben 


Seite 112, Anm. 1) wird der πέλεκυς als μέγας dem σκέπαρνον gegenübergestellt. 
Sollte die Ableitung des letzteren Wortes von σκάπ-τω richtig sein (Curtius, 
Grundz. d. gr. Etymologie 4. Ausg. p. 166 n. 109, p. 682. Vgl. indes p. 153 
n. 686), dann spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dals es ursprünglich ein 
primitives dem sogenannten Celte ähnliches Werkzeug bezeichnete, welches sich 
in der mannigfachsten Weise gebrauchen liefs, als Schaufel, Hacke, Beil wie 
als Meilsel. 5) Man findet über dieses Instrument einiges bei Chabas, &tudes 
sur l’antiquit6 historique 2. ed. p. 68—69, p. 305—306. Unsere Fig. 17 giebt 
ein ägyptisches Relief (Theben) nach Wilkinson-Birch, the manners and customs 
of the ancient Egyptians I p. 227 n. 60 wieder, 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. ὃ 


114 Tektonisches. 


heifst noch heutzutage in Griechenland oxex«gvı eine kleine scharfe 
Hacke, mit der die Zimmerleute die Balken glätten — ein Instru- 
ment, welches unsere Fig. 18° und 18” dureh drei Ansichten ver- 
gegenwärtigt. Ein bei Larisa in Thessalien gefundenes Relief, welches 
einen Zimmermann darstellt, der einen Balken „vermittels eines Hand- 
beils bearbeitet“,') ist leider noch unpubliziert. 
Welcher dieser Typen dem homerischen oxe- 
‚> zaovov am nächsten steht, läfst sich nicht ent- 
scheiden. 

Obwohl der Fufsboden (δάπεδον, οὖδας) als 
„künstlich zubereitet“ (rvxrög)?) und einmal so- 
gar als „fest“ (χραταύτεδος }"} bezeichnet wird, 
mufs seine Solidität nichtsdestoweniger zu wün- 
schen übrig gelassen haben. Als es gilt behufs 
des Bogenwettkampfes die zwölf Beile im Me- 
garon des Odysseus aufzustellen, reilst Telemachos 
mühelos eine Furche in den Estrich, rammt die 
Beile hinein und befestigt sie, indem er Erde 
darum aufhäuft.*) Ebenso ist der Boden nach 
dem Kampfe mit den Freiern allenthalben auf- 

gewühlt, so dafs ıhn Telemachos und die 
beiden Hirten mit Schurfinstrumenten ebnen 
müssen.) Hiernach kann der Estrich nur 
aus gestampfter Erde oder aus einer über den 
Erdboden ausgebreiteten Lehmschicht bestan- 
den haben. 
Im Vergleich mit der vorhergehenden 
Epoche bezeichnet dies wiederum einen Rück- 
ie ΔΘ. schritt. Im sogenannten Schatzhause des Atreus 
ist der Boden mit gestampftem Lehm, „vielleicht einer künstlichen 


1) Mittheilungen des arch. Instituts, athenische Abtheilung XI (1886) p. 53 
n. 26. 2) Od. IV 627, XVII 169: ἐν τυκτῷ δαπέδῳ. 3) Od. XXIII 46: κρα- 
ταίπεδον οὖδας. 4) Od. XXI 120: πρῶτον μὲν πελέκξας στῆσεν, διὰ τάφρον 
ὀρύξας | πᾶσι μίαν μακρήν, καὶ ἐπὶ στάϑμην ἴϑυνεν, | ἀμφὶ δὲ γαῖαν ἔναξε (vgl. 
unseren XXVI. Abschnitt). Breusing in Fleckeisens Jahrbüchern für cl. Philo- 
logie XXXI (1885) p. 99—100 hält einen so wenig soliden Fulsboden für unmög- 
lich und vermutet daher, Telemachos habe aus Erde, die in das Megaron herein- 
gebracht worden sei, einen kleinen Damm aufgehäuft und in diesen die Beile 
eingerammt. Aber der Dichter hätte dann doch notwendig auf das Hereinbringen 
der Erde und das Aufwerfen des Dammes hinweisen müssen. Aufserdem hat 


Breusing Od. XXII 455 (5. die folgende Anmerkung) übersehen — eine Stelle, 
durch welche die geringe Festigkeit des Bodens auf das Schlagendste bezeugt 
wird. 5) Od. XXII 455: Alorooıcıv δάπεδον πύκα ποιητοῖο δόμοιο | ξῦον. Vgl. 


Fabricius, de architeetura graeca comm. epigr. p. 70. 


ὙΠ]. Die Wohnhäuser. 115 


Mischung aus Kalk, Thon und Lehm“, überzogen.!) Ähnlich scheint 
es sich mit dem Boden des Kuppelgrabes von Menidi zu verhalten.?) 
Das unweit des argivischen Heraions entdeckte Kuppelgrab hat einen 
Estrich aus Lehm und Kieseln.?) Einer besonders sorgfältigen Her- 
stellungsweise begegnen wir im Palaste von Tiryns.*) In einigen 
Gemächern besteht der Estrich aus einer Mörtelschicht, die über eine 
aus Erde und Lehm gemischte Unterlage verbreitet ist. In anderen 
Räumen hat man über eine gleiche Unterlage eine doppelte Mörtel- 
schicht gelegt, zunächst eine dickere, weniger feste und darüber eine 
dünnere, solidere. Kleine Kieselsteine sind dem Estrich namentlich 
in Räumen beigemischt, in denen er den Einflüssen der Witterung 
besonders ausgesetzt war, wie im grofsen Männerhofe und in der 
grolsen Vorhalle. In den Wohnräumen pflegen diese Steinchen zu 
fehlen und der Boden hat daher eine glattere Oberfläche. Alle diese 
Fufsböden sind von einer. Festigkeit, die zu den Angaben, welche das 
Epos über den im Megaron des Odysseus befindlichen Estrich macht, 
in entschiedenem Widerspruche steht. In einigen Räumen des Pa- 
lastes ist der Estrich sogar verziert. Er zeigt in der vor dem Megaron 
gelegenen Halle ein eingeritztes Muster von Quadraten und Oblongen.”) 
Ein ähnliches Muster schmückt den Boden des Megaron, wo sich 
auf den Vierecken noch Spuren roter, auf den sie trennenden Streifen 
Reste blauer Farbe erhalten haben.°) Rote geometrische Ornamente 
auf gelbem oder weilsem Grunde bemerkt man in dem sich westlich 
von dem Badezimmer erstreckenden Korridor,‘) Spuren roter Farbe 
in einem der an diesen Korridor anstofsenden Zimmer,°) ähnliche 
Spuren und aulserdem eingeritzte Linien in dem sogenannten Megaron 
der Frauen.”) Wären den Dichtern des Epos derartig verzierte Fuls- 
böden bekannt gewesen, so würden sie gewils an der einen oder der 
anderen Stelle darauf hingewiesen haben, sei es auch nur durch das 
Epitheton ποικίλος, durch welches sich der Charakter jener Fulsböden 
in der treffendsten Weise veranschaulichen liefs.'”) 

Eine besondere Betrachtung erfordert der goldene Fufsboden, auf 
dem sich die Götter nach einer Stelle der Ilias!') um Zeus versammeln. 
Ob wir hierin lediglich ein Gebilde der Phantasie zu erkennen haben, 


1) Mittheilungen des deutschen arch. Inst. in Athen IV (1879) p. 177. 
2) Das Kuppelgrab von Menidi herausg. vom deutschen arch. Inst. in Athen p. 46. 
3) Mittheil. d. arch. Inst. in Athen III (1878) p. 277. 4) Dörpfeld bei Schlie- 
mann, Tiryns p. 313—314. 5) Dörpfeld a. a. O. p. 242—243. Vgl. die Re- 
stauration des Grundrisses p. 237 n. 113. 6) Dörpfeld a. a. ὦ. p. 255-—256 
#116. 7) Dörpfeld a. a. Ὁ. p. 266—267. 8) Dörpfeld a. a. Ὁ. p. 267. 
9) Dörpfeld a. a. O. p. 274. 10) Vgl. hierüber unseren XXX. Abschnitt, 


11) N. IV 1: οἵ δὲ ϑεοὶ πὰρ Ζηνὶ καϑήμενοι ἠγορύόωντο | χρυσέῳ ἐν δαπέδω. 
g* 


110 Tektonisches. 


scheint fraglich, da solche Fufsböden in sehr früher Zeit bei den 
vorderasiatischen Völkern nachweisbar sind. Im und um den salo- 
monischen Tempel, dessen Bau und Dekoration bekanntlich von einem 
tyrischen Künstler geleitet wurde, war der Boden mit Gold belegt,!) 
und eine ähnliche Pracht herrschte im Tempel des Bel zu Babylon.?) 
Dafs der asiatische Gebrauch auch von den Griechen angenommen 
wurde, davon ist vielleicht eine Spur in dem alten Ernteliede, der 
Eiresione,?) erhalten. Die Sänger wünschen der Herrin des Hauses, 
dem sie sich nahen, sie möge weben, auf Elektros wandelnd. Der 
letztere Ausdruck würde, falls man ihn nicht wie das deutsche „auf 
harten Thalern wandeln“ in bildlichem Sinne versteht, beweisen, dafs 
ein mit Silbergold belegter Fulsboden zur Zeit, in der jenes Lied 
entstand, als das Kennzeichen einer glänzenden Haushaltung betrachtet 
wurde. Jedenfalls bezeugt ein hoch in das 6. Jahrhundert v.- Chr. 
hinaufreichendes chiusiner Grab,*) dafs die Sitte, Fufsböden mit Metall 
zu bekleiden schon sehr früh in Etrurien Eingang fand. In diesem 
Grabe war ein Segment des Bodens mit oblongen, an den Rändern 
zusammengenagelten Bronzeblechen bedeckt, denen Reihen von recht- 
winkelig über einander gelegten eisernen Stäben als Unterlage dienten; 
die Dekoration der Bleche hatte sehr gelitten; doch liefsen einige 
Stücke ein lotosartiges Ormament asiatisierenden Stiles erkennen.’) 
Wenn hiernach der in der Ilias erwähnte goldene Fulsboden auf ein 
reales Vorbild hinweist, so darf hieraus keineswegs der weitere 
Schlufs gezogen werden, dafs damals solche Fufsböden in den ioni- 
schen Städten gebräuchlich waren. Vielmehr sprechen zweierlei Ge- 
sichtspunkte gegen diese Annahme. Erstens nämlich wird ein goldener 
Fufsboden im Epos nur einmal erwähnt und an dieser Stelle nicht 
der Wohnung eines Sterblichen, sondern dem Versammlungsorte der 
(sötter zugeschrieben. Zweitens ist bei der Schilderung der Häuser 
des Menelaos und Alkinoos, welche von den Dichtern mit der grölsten 
Pracht, die sie kennen, ausgestattet werden, von einem solchen 


m Könige 6, 30: Auch überzog er den Fuflsboden mit Gold, im Innern 


und draufsen. 2) Avienus, descer. orbis 1200: Stat maxima Beli | aula quoque, 
argento domus Indo et dente nitescit, | aurum tecta operit, sola late contegit 
aurum. 3) Hom. epigr. XV 10: αὐτὴ δ᾽ ἱστὸν ὑφαίνοι En’ ἠλέκτρῳ βεβαυῖα. 


Der von Lepsius, die Metalle in den ägyptischen Inschriften (Abhandl. d. Berl. 
Ak. 1871) p. 129 ff. richtig erkannte Unterschied zwischen ὁ ἤλεχτρος, welches 
die Mischung von Gold und Silber, und τὸ ἤλεκτρον, das den Bernstein bezeichnet, 
hat bereits oben Seite 106 Erwähnung gefunden. Jedenfalls ist, wenn man den 
Vers der Eiresione auf einen Fulsboden bezieht, ein Überzug aus Silbergold an- 
zunehmen, da sich der Bernstein wegen seiner Zerbrechlichkeit und der Kleinheit 
der Stücke, in denen er gefunden wird, für eine derartige Verwendung in keiner 
Weise eignet. 4) Mon. dell’ Inst. X T. 49%, Ann. 1877 Tav. d’agg. UV 
p- 397— 410. 5) Bull. dell’ Inst. 1874 p. 205. 


VII. Die Wohnhäuser. 117 


Schmucke keine Rede. Hiernach scheint es, dafs der Dichter jenes 
Liedes der Ilias einen goldenen Fuflsboden nicht aus eigener An- 
schauung, sondern nur durch Gerüchte kannte, welche über den Luxus 
orientalischer Prachtbauten nach Ionien gelangt waren. 

Aufserdem muls ich in diesem Zusammenhange noch einmal auf 
das den Häusern des Zeus, Hephaistos und Alkinoos beigelegte Epi- 
theton xaAxoßarng') zurückkommen. Sollte die gewöhnliche Über- 
setzung, welche „auf Erz stehend“ lautet, richtig sein, so würde dieses 
Adjektiv auf einen mit Bronze belegten Fufsboden, ähnlich dem des 
soeben erwähnten chiusiner Grabes hinweisen. 

Um das Bild des homerischen Hauses zu vervollständigen, ist 
schliefslich noch zweierlei zu berücksichtigen. Nicht nur im Megaron 
des Odysseus?) und des Alkinoos,?) sondern auch im Thalamos der 
Nausikaa®) befand sich ein Herd, auf dem alltäglich gebraten wurde, 
und für den Abzug des Rauches war so schlecht gesorgt, dafs die 
im Megaron des Odysseus aufbewahrten Waffen darunter litten.°) 
Der Rauch des Herdes wie der des Kienholzes, durch welches man 
die Gemächer bei Anbruch der Nacht erleuchtete und erwärmte,°) 
mulste mit der Zeit die Wände und Decken schwärzen, wie denn die 
Decke im Hause des Priamos‘) und das Megaron des Odysseus?) aus- 
drücklich als „rulsig“ («id«Aodeıg) bezeichnet werden. Hiernach hat 
man anzunehmen, dafs die Räume des homerischen Wohnhauses in 
der Regel einen Hintergrund von dunklen und dumpfen Lokaltönen 
abgaben. Ferner war es mit der Reinlichkeit nicht zum besten be- 
stellt. Auf dem Boden des Megaron, in dem die Freier der Penelope, 
die Blüte der achäischen Jugend, schmausten und zechten, lagen 
allerlei Reste der kurz vorher geschlachteten Tiere, wie Kuhfülse und 
Rinderfelle, herum.”) Da die Speisen in demselben Saale zubereitet 
wurden und der Abzug des Rauches, wie bereits bemerkt, zu wün- 
schen übrig lies, so haben wir uns die Luft stark von Küchendunst 
durchdrungen vorzustellen. Doch störte dies die damaligen Griechen 
keineswegs in ihrem Behagen. Vielmehr bereitete ihnen der Duft 
des Fettdampfes ein besonderes Vergnügen, derartig dafs dıe Inten- 
sität dieses Geruches von den Dichtern des Epos geradezu als der 
Vorzug eines wohlbestellten Hauses hervorgehoben wird.'”) Ist doch 


1) Oben Seite 108. 2) Vgl. namentlich Od. XVII 43 ff, XX 123, XXI 
176, 181, XXI 71, 89. 3) Od. VI 183. 4) Od. VII 7—13. 5) Od. XVI 
288—290, XIX 17—20. 6) Od. XVII 307: αὐτέκα λαμπτῆρας τρεῖς ἵστασαν ἐν 
μεγάροισιν, | ὄφρα φαείνοιεν" περὶ δὲ ξύλα κάγκανα ϑῆκαν, | ade πάλαι, περίκηλα, 
νέον κεπκεασμένα χαλκῷ | καὶ δαΐδας μετέμισγον. Vgl. XVII 343, XIX 68 ff. 
7) N. II 414: Πριάμοιο μέλαϑρον | αἰϑαλόεν. 8) Od. XXI 239: αὐθϑαλόεντος 
ἀνὰ μεγάροιο μέλαϑρον. 9) Od. XX 299, XXII 362—364. 10) 1]. VIII 549: 


118 ἰ Tektonisches. 


auch für die unsterblichen Götter der bei den Opfern aufsteigende 
Fettdampf ein Hochgenulfs.') Aufserdem war vor dem Hause des 
Odysseus ein Misthaufen aufgetürmt, der dem mit Ungeziefer bedeckten 
Hunde Argos als Ruheplatz diente,”) und ebenso befand sich im 
Hofe des Priamos ein Misthaufen.?) Ziehen wir alle diese Umstände 
in Betracht, so ergiebt sich für das homerische Königshaus eine 
Atmosphäre, die feinere Geruchsnerven gewils in höchst widerwärtiger 
Weise berührt haben würde. 

Unter den in den Häusern vorhandenen Möbeln werden besonders 
häufig die Sessel erwähnt. Die dafür gebräuchlichen Ausdrücke sind 
ϑρόνος und χλισμός, an zwei Stellen‘) χλισίη. Der Dichter des 
24. Buches der Ilias?) braucht ϑρόνος und χλισμός als Synonyme, wo- 
gegen andere Stellen®) auf zwei unter einander verschiedene Arten 
von >Sesseln hinweisen. Besonders deutlich ist dies im 1. Buche der 
Odyssee,‘) wo erzählt wird, wie Telemachos Athene, die unter der Ge- 
stalt des Mentes das Megaron betreten hat, auf einen ϑρόνος niedersitzen 
läfst, während er für sich selbst einen κλισμός heranrückt. Hiernach 
scheint es, dafs der durch das erstere Wort bezeichnete Sitz, da er 
dem Gaste eingeräumt wird, als der vornehmere galt. Diese Annahme 
findet eine schlagende Bestätigung darin, dafs die Sessel der Götter, 
abgesehen von einer einzigen Stelle) im Epos durchweg #oovoı 
heilsen.”) Aufserdem läfst sich mit ihr auch der Vers, in welchem 
der κλισμός als Göttersitz erwähnt wird, ın Einklang bringen. Nach- 
dem Iris im Auftrage des Zeus der Here und Athene verboten hat 
den Achäern zu Hilfe zu kommen, kehren die beiden Göttinnen in 
den Olymp zurück und lassen sich unter den anderen Göttern auf 
goldenen χλισμοί nieder. Hierauf trifft Zeus ein und nimmt auf einem 
goldenen ϑρόνος Platz.'”) Der Gedanke liegt nahe, dafs der Dichter 
dem Göttervater einen solchen Sessel zugeschrieben hat, um ihn da- 
durch vor den übrigen Göttern auszuzeichnen. Das einzige dem 
ϑρόνος beigelegte Epitheton, welches eine formale Eigentümlichkeit 


» 


κνίσην δ᾽ ἐκ πεδίου ἄνεμοι φέρον οὐρανὸν εἴσω | [ἡδεῖαν. Od. ΧΙ 869: καὶ τότε 
μὲ κνίσης ἀμφήλυϑεν ἡδὺς ἀντμή. X 10: χνισσῆεν δέ τε δῶμα (des Aiolos) περι- 


στεναχίζεται αὐλῇ. 1) D, I 66, IV 49, VII 549551, IX 500,. XXIV 70. 
2) Od. XVII 291 ff. Vgl. Philologus XXX (1870) p. 506. 3) Il. XXIV 640. 
Vgl. 164. 4) Od. IV 123, XIX 55. 5) Vers 515 heilst es von Achill: ἀπὸ 


ϑρόνου ὦρτο, 597: ἕζετο δ᾽ ἐν χλισμῷ πολυδαιδάλῳ, ἔνϑεν ἀνέστη. Vgl. auch 
Il. ΧΙ 623 (ἐς κλισίην ἐλϑόντες ἐπὶ κλισμοῖσι καϑῖζον) mit 645 (ἀπὸ ϑρόνου ὦρτο 
φαεινοῦ). 6) Od. I 145, III 389, X 233, XV 134, XVII 86, 179, XX 249, 
XXIV 385: κατὰ κλισμούς τε ϑρόνους τε. 7) 180: αὐτὴν δ᾽ ἐς ϑρόνον εἷσεν 
ἄγων, ὑπὸ λῖτα πετάσσας .... παρ᾽ δ᾽ αὐτὸς κλισμὸν ϑέτο ποικίλον. 8) I. VII 
136. 9) Il. 1 536, VIII 199, 442, XIV 238, XV 124, 142, 150, XVII 389, 422, 
XX 62; Od. V 86, 195, X 314, 366; hymn. I (in Apoll. Del.) 9. 10) Il. VIII 442. 


VIII. Die Wohnhäuser. 119 


hervorhebt, ist ὑψηλός „hoch.“') Zwei andere Eigenschaften ergeben 
sich aus den Versen, welche den Tod des Antinoos schildern.?) Anti- 
noos sitzt vor seinem Tische und ist gerade im Begriffe, den Becher 
zum Munde zu führen, als er vom Pfeile des Odysseus in die Kehle 
getroffen wird. Wie die übrigen Freier haben wir ihn uns auf einem 
ϑρόνος sitzend zu denken.°) Zum Tode verwundet lehnt er sich seit- 
wärts, läfst den Becher fallen und stöfst, mit den Fülsen zuckend, 
den vor ihm stehenden Tisch um. Wenn der Dichter weder angiebt, 
dafs der Sessel umschlägt, noch dafs der Freier von ihm herabstürzt, 
so dachte er sich den Vorgang offenbar so, dafs der Sessel stehen 
blieb und Antinoos auf ihm, mit dem Oberkörper zusammenbrechend, 
verendete. Hiernach muls der ϑρόνος ein festes Untergestell und 
hohe Seitenlehnen gehabt haben. Wollen wir aus diesen Einzelheiten 
ein Gesamtbild gewinnen, so ist im besonderen der Umstand zu berück- 
sichtigen, dals wie die homerische so auch die spätere Sprache die 
Sitze der Götter fast ausschliefslich als ϑρόνοι bezeichnet.) Es genügt 
hierfür, an den Thron des amykläischen Apoll’) und denjenigen des 
olympischen Zeus°) zu erinnern. Wir sind über diese wie über die Sessel 
anderer Götterbilder hinreichend durch Beschreibungen der Schrift- 
steller und durch Bildwerke unterrichtet. Alle diese Sessel hatten ein 
festes viereckiges Untergestell, eine Rücklehne, welche mindestens 
bis zum Nacken, und Seitenlehnen, die mindestens bis zum Brust- 
kasten der Götterfigur emporreichten. Als Bei- 
spiel diene das Reversbild einer unter Hadrıan 
in Elis geschlagenen Münze, welches die Statue 
des olympischen Zeus wiedergiebt und den Bau 
des Thronos mit hinreichender Deutlichkeit ver- 
gegenwärtigt (Fig. 19)%). Da alle derartigen 
Sessel eine beträchtlich hohe Rücklehne haben, 
so palst auf sie das Epitheton ὑψηλός. Aulser- 
dem leuchtet es ein, dafs die Schilderung, welche das Epos vom 

Tode des Antinoos entwirft, unter der Voraussetzung eines solchen festen, 

mit hohen Lehnen versehenen Stuhles vollständig zutreffend ist. Wer 

hierfür noch einen besonderen monumentalen Beleg verlangt, betrachte 
das unter Fig. 20 reproduzierte Bild einer auf Kypros gefundenen, 


Fig. 19. 


1) Od. VIII 422: ἐλϑόντες δὲ καϑῖζον Ev ὑψηλοῖσι ϑρόνοισιν. 232) Od. XXI 
8—20. 3) Gleich darauf heilst es 21: τοὶ δ᾽ ὁμάδησαν μνηστῆρες . .. ἐχκ δὲ 
ϑρόνων ἀνόρουσαν. 4) Dieser Gesichtspunkt ist bereits von Milani im Museo 
italiano di antichitä elassica I p. 312 not. 1 richtig geltend gemacht worden. 
5) Pausan. III 18, 9. Vgl. Klein in den Archäol.-epigr. Mitth. aus Oesterreich IX 
p. 147, p.166 ff. 6) Pausan. V 11. 7) Die diese Münze betreffende Litteratur ist 
von Overbeck, Geschichte der gr. Plastik 15 p. 467 Anm. 18 zusammengestellt, 


120 Tektonisches. 


phönikischen Vase.!) Der Maler hat zwei Männer wiedergegeben, 
die sich auf Stühlen der uns gegenwärtig beschüftigenden. Gat- 


Fig. 20. 


tung in halb liegender Stellung behaglich hinstrecken,?) in einer 
Stellung, bei welcher sie es nur der Konstruktion des Stuhles ver- 


1) Nach Perrot et Chipiez, histoire de Part II p: 711 n. 523. 2) Der 
Annahme von Perrot a. a. Ὁ. p. 712, der Maler habe die beiden Figuren sitzend 
wiedergeben wollen und sei nur aus U ngesc hick auf eine derartige Darstellungs- 
weise verfallen, kann ich nicht be ıpflichten. Bei der Weise seiner Zeichnung 
war es für ihn viel leichter einen aufrechten Oberkörper und stramme Extremi- 


täten auszudrücken, als einen halbliegenden Oberkörper und schlaff herab- 
hängende Glieder. 


VII. Die Wohnhäuser. 121 


danken, wenn sie nicht vom Sitzbrette herabfallen oder mit dem 
Stuhle umschlagen. 

Betrachten wir nunmehr die Beiworte, welche über die Mate- 
rıale, aus denen diese Stühle gearbeitet wurden, Aufschlufs geben, so 
weist ξεστός „geglättet“') auf Holz hin. Ebenso lassen sich σιγαλόεις 
und gaeıvög, welche einmal als Epitheta eines und desselben ϑρόνος 
. vorkommen,’) auf den Glanz des geglätteten und mit Fett gebohnten 
Holzes beziehen. Besonders häufig wird jedoch der ϑρόνος als χρύσειος 
„golden“ bezeichnet.) Wir haben darunter vermutlich nicht ein 
aus solidem Metall gearbeitetes, sondern ein hölzernes, mit Metall- 
blech überzogenes Möbel zu verstehen und dürfen als monumentale 
Analogie einen in einer sehr alten chiusiner Grabkammer gefunde- 
nen Stuhl*) anführen, welcher, abgesehen davon, dafs die Seitenlehnen 
weniger hoch und solid sind, dem Typus entspricht, der im obigen 
mit dem homerischen ϑρόνος identifiziert wurde. Da dieser Stuhl 
aus Bronzeblech gearbeitet ist, dessen Stärke nicht ausreicht, um 
das Gewicht eines darauf sitzenden Menschen auszuhalten, so kann 
er nur für sepulkrale Zwecke bestimmt gewesen sein. Doch giebt 
er offenbar einen im damaligen Leben gebräuchlichen Stuhl wieder, 
den wir uns nach allen Analogien aus Holz gearbeitet und mit 
Bronzeblech überzogen zu denken haben. Ein anderes Epitheton 
ἀργυρόηλος „mit silbernen Nägeln versehen“) beweist, dafs der home- 
rische ϑρόνος bisweilen durch silberne Nägel gefestigt, vielleicht 
auch an einzelnen Stellen lediglich des Schmuckes halber mit solchen 
Nägeln beschlagen war.‘) Auch dieses Verfahren läfst sich durch 
den chiusiner Stuhl veranschaulichen. Die Bleche, aus denen er be- 
steht, werden durch grosse Bronzenägel zusammengehalten, während 
kleine nagelkopfartige Erhöhungen, die aus dem Bronzebleche her- 
ausgetrieben sind, zu der Dekoration gehören, die sich an den Stützen 
der Rücklehne herabzieht. Endlich entspricht auch die Thatsache, 
dafs der chiusiner Stuhl mit einem linnenen Tuche bedeckt war, der 
homerischen Sitte; denn das Epos erwähnt an vier Stellen‘) den 

1) Od. XVI 408: ἐπὶ ξεστοῖσι ϑρόνοισιν. 2) Od. V 86: ἐν ϑρόνῳ ἵδρύσασα 
φαεινῷ, σιγαλόεντι. --- ϑρόνος φαεινός 1]. XI 645, XIX 422, Od. ΝῊ 169. 3) Oben 
Seite 108 Anm. 11. 4) Ann. dell’ Inst. 1878 Tav. d’agg. Q 15, 1P p. 296—297. 
5) Il. XVII 388; Od. VII 162, VII 65, X 314, 366, XXI 341; hymn. IV (in 
Vener.) 165. 6) Vgl. hierüber den XXIX. Abschnitt. 7) Od. 1 130 (oben 
Seite 118 Anm. 7). VII 95: ἐν δὲ ϑρόνοι περὶ τοῖχον ἐρηρέδατ᾽ ἔνϑα καὶ ἔνϑα, 
ἐς μυχὸν ἐξ οὐδοῖο διαμπερές, Erd” ἐνὶ πέπλοι | λεπτοὶ ἐύὔννητοι βεβλήατο, ἔργα 
γυναικῶν. X 352: ἡ μὲν ἔβαλλε ϑρόνοις ἔνι δήγεα καλά, | πορφύρεα καϑύπερϑ', 
ὑπενέρϑε δὲ λῖθ᾽ ὑπέβαλλεν. ΧΧ 150: ἔν τε ϑρόνοις εὐποιήτοισι τάπητας | βάλλετε 
πορφυρέους. Einmal ist dieser Gebrauch auch für den κλισμός bezeugt. 11. IX 200: 
εἶσεν δ᾽ ἐν κλισμοῖσι τάπησί re πορφυρέοισιν. Vermutlich war auch der wollene 
Teppich (τάπης μαλακοῦ ἐρίοιο), welcher der Helena zugleich mit dem Lehnsessel 


122 Tektonisches. 


Gebrauch, über die ϑρόνοι, damit der Sitz weicher sei, Decken aus- 
zubreiten. Auf dem chiusiner Stuhle stand ein bronzenes Gefäls mit 
Leichenasche. Der Gedanke, auf dem diese Anordnung beruhte, ist 
hinlänglich klar. Der Stuhl symbolisierte denjenigen, auf dem der 
Lebende zu sitzen pflegte; im Grabe aufgestellt, trug er das die 
Reste des Toten bergende Gefäls. 

Was ferner den χλισμός betrifft, so muls er nach der Bildung 
des Wortes ein Sessel gewesen sein, an dem die Lehne besonders 
in die Augen sprang. Das ihm im Epos beigelegte Epitheton 
xovosıog!) lälst wiederum 
auf ein mit Metallblech 
überzogenes Holzgestell, 
ein anderes Epitheton ποι- 
κίλος 7 auf ornamentalen 
Schmuck schliessen. Wenn 
endlich 'Telemachos mit 
eigener Hand einen κλισμός 
an den ϑρόνος heranrückt, 
auf dem sein Gast Platz 
genommen,°) so beweist 
dies, dals der erstere Sessel 
verhältnismässig leicht be- 
wegbar war. Will man, 
gestützt auf so dürftige 
Andeutungen, überhaupt 
eine Vermutung über die 
Form des χλισμός wagen, 
so liegt es am nächsten 
Sessel ins Auge zu fassen, 
welche sich in chiusiner „tombe a ziro“*) finden, wo sie ebenfalls Aschen- 
gefässen als Untersätze dienen.’) Zur Veranschaulichung dieser Gattung 
diene ein aus Thon gearbeitetes Exemplar, das sich zu Chiusi im Museo 
degli 451} (Fig. 21)°) befindet. Das Untergestell aller dieser Sessel 


(κλισίη) in das Megaron nachgetragen wird (Od. IV 123—124), zur Bedeckung 
des Sitzes bestimmt. Dafs das Od. VII 97 den πέπλοι beigelegte Epitheton λεπτός 
auf Leinwand hinweist, wird im XI. Abschnitte gezeigt werden. Ob *As Od. I 
130 und X 353 eine Bastmatte oder eine linnene Decke bezeichnet, ist ungewils. 
Vgl. auch hierüber den XI. Abschnitt. 1) Il. VIII 436. 2),,Od: 11322 VCH 
den XXX. Abschnitt. 3) Od. I 132 (oben Seite 118 Anm. 7). 4) Oben 
Seite 23—24 Anm. 2. 5) Vgl. hierüber Milani im Museo italiano di antichitä 
classica I (1885) p.289 ff. Dals sich dieser Typus auch in späterer Zeit erhalten 
hat, beweist der im Palazzo Corsini befindliche Marmorsessel: Mon. dell’ Inst. 
XI T. IX, Ann. 1879 p. 312 ff.; Bull. 1843 Ὁ, 68. 6) Nach Museo italiano 


VII. Die Wohnhäuser. 123 


ist rund und verhältnismälsig niedrig, die Lehne, welche den Sitz 
beinahe vollständig umspannt und nur auf der Vorderseite eine 
schmale Öffnung läfst, solid und von einer ansehnlichen Höhe. Diese 
Sessel sind aus Bronzeblech') oder Thon?) gearbeitet, offenbar nach 
Vorbildern, die aus mit Metallblech belestem Holze bestanden. Dafs 
auch die thönernen Exemplare durch metallotechnische Leistungen 
bestimmt sind, beweist der Stil ihrer Ornamente, wie die aus dem 
Thone herausgedrückten Nagelköpfe, welche auf die zur Befestigung 
des Metallbleches dienenden Nägel zurückweisen. Also ergiebt sich 
für die Vorbilder aller dieser Exemplare ein Metallüberzug, wie ihn 
das Epitheton χρύσειος vergegenwärtigt. Lehne und Untergestell 
sind häufig mit geometrischen Ornamenten geschmückt,’) welche, 
wie sich im XXX. Abschnitte herausstellen wird, dem Begriffe von 
ποικίλος entsprechen. » 

Zur Ausstattung der Anaktenwohnungen gehörten auch Bade- 
wannen (ἀσάμινϑος).) In dem prachtreichen Hause des Menelaos 
befanden sich zwei aus Silber, die Menelaos von dem ägyptischen 
König Polybos als Gastgeschenk erhalten hatte.) Doch läfst das 
am häufigsten der Badewanne beigelegte Epitheton ἐύξεστος „wohl 
geglättet“) auf ein anderes Material als Metall schliefsen. Da 
ἐύξεστος ım Epos allenthalben zur Bezeichnung hölzerner Gegenstände 
dient,’) so liegt es am nächsten an hölzerne Badewannen zu denken. 
Indes stöfst diese Annahme bei eingehenderer Prüfung auf eine 
Schwierigkeit. Die klassischen Völker haben nämlich zur Herstellung 
srölserer Behälter das Holz in ungleich beschränkterem Malse ver- 
wendet als die Barbaren und die Modernen. Es genügt daran zu 
erinnern, dafs die hölzerne Tonne bei Griechen und Römern gegen- 
über dem thönernen Dolium und der thönernen Amphora eine ganz 
untergeordnete Rolle spielte) und nur in Kolonialgebieten nach- 
weisbar ist, wo die klassischen Völker in unmittelbarer Berührung 
mit Barbaren standen.) Dazu kommt noch der Umstand, dafs die 
einzige Badewanne, die wir aus einer der Blütezeit des Epos nahe 
liegenden Zeit kennen, nicht aus Holz, sondern aus Thon gear- 


dan else T,- VII 10: Vgl. 528. 1) Z. B. Bull. dell’ Inst. 1883 p. 194. 
Mus. ital. I T. VIII 9, 9% p. 327. 2) Z. B. Mus. ital. 1 p. 308—309, T. VIII 10 
p. 323 (unsere Fig. 21 auf Seite 122), T. XII1p. 315, T. ΧΙ 2 p. 316, T. XIII 2 p. 318. 
3) Z. B. Mus. ital. IT. XII 1—3. 4) I1. X 576; Od. III 468, IV 48, 128, VIII 
450, 456, X 361, XVII 87, 90, XXIII 163, XXIV 370. 5) Od. IV 128: ög Me- 
νελάῳ δῶκε δύ᾽ ἀργυρέας ἀσαμίνϑους. 6) Il. X 576; Od. IV 48, XVII 81: ἐς 
δ᾽ ἀσαμίνϑους βάντες ἐυὐξέστας λούσαντο. 7) Ebeling lexicon homerieum u.d.W. 
8) Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere 3. Aufl. p. 508—511, 4. Aufl. p. 470— 472. 
9) So bei den Massalioten: Caesar de bello eiv. II 11. 


124 Tektonisches. 


beitet ist. Im Palaste von Tiryns, der bekanntlich ein besonderes 
Badezimmer enthielt, hat sich auch das Fragment einer aus grobem 
rothen Thone geformten Wanne gefunden. Es läfst auf einen Be- 
hälter schliefsen, dessen Form im ganzen derjenigen der modernen 
Badewannen entsprach und der oben mit einem vorkragenden Bande, 
auf jeder Seite mit einem starken horizontalen Griffe versehen war. 
Der rothe Thongrund ist mit weilsen Ormamenten bemalt. Parallele, 
horizontale Streifen schmücken die Aufsenseite und die obere Rand- 
fläche, vertikale Streifen den erhaltenen Henkel; die Innenseite zeigt 
oben eine Gruppe von drei horizontalen Streifen und darunter Spi- 
ralen.') Es leuchtet ein, dafs solche umfangreiche ovale Behälter 
nicht mit der Drehscheibe gearbeitet, sondern mit der Hand geformt 
und dann mit einem Schabinstrumente geglättet wurden — ein Ver- 
fahren, welches vollständig dem Epitheton ἐύξεστος entspricht. Es 
fragt sich somit, ob nicht die wohlgeglätteten Badewannen, deren 
das Epos gedenkt, aus Thon gearbeitet waren. 

Die Andeutungen, welche das Epos über die niedrigeren lehnen- 
losen Sessel (dipoos);) die Schemel (Fonvvs,’) opeirg,)‘) die Tische 
(τράπεζα) und die Betten (λέχεα) ") macht, sind zu dürftig, als dafs 


1) Schliemann, Tiryns T. XXIV e, p. 158, p. 263—264. 2) D. III 424, 
VI 354, XXIV 578; Od. IV 717, XVII 330, 602, XIX 97, 101, 506, XX 259, 387, 
XXI 243, 392, 420, XXIV 408. 3) Der ϑρόνος war in der Kegel von einem 
ϑρῆνυς begleitet (I. XIV 238—241, XVII 389—390; Od. I 131, X 314—315, 
366—367. Vgl. XVII 409, 462, 504). Das Gleiche gilt für den κλισμός (Od. IV 
136). An der χλισίη der Penelope war der Schemel festgeschlagen (Od. XIX 55: 
κλισίην... ἥν more τέκτων | ποίησ᾽ ᾿Ικμάλιος, καὶ ὑπὸ ϑρῆνυν ποσὶν ἧκεν | προσ- 
φυέ᾽ ἐξ αὐτῆς). Vor dem oben Seite 121—122 besprochenen chiusiner Lehnsessel 
wurde ein zerquetschtes, aus Bronzeblech ausgeführtes Möbel gefunden (Ann. 
dell’ Inst. 1878 Tav. d’agg. Q 1%), in welchem ich einen Schemel erkannte (Bull. 
1877 p. 195, Ann. 1878 p. 257). Doch hat es sich bei der Restauration heraus- 
gestellt, dafs dieses Möbel vielmehr einen Tisch symbolisierte. Vgl. Milani im 
Museo italiano di antichita classica I p. 312 not. 4. 4) Od. AV 23T, XV 
394. 5) Das Epitheton δινωτός weist auf die sorgfältige Drechselarbeit hin. 
Il. III 391: ἐν ϑαλάμῳ καὶ δινωτοῖσι λέχεσσιν. Für ein anderes Epitheton τρητός 
„durchbohrt“ ist eine befriedigende Erklärung noch nicht gefunden. N. III 448, 
Od. III 399, VII 345, X 12: ἐν τρητοῖς λεχέεσσιν. Il. XXIV 720: τρητοῖς ἐν λε- 
χέεσσι. Od.1440: παρὰ τρητοῖσι λέχεσσι. Das älteste uns aus klassischem Kultur- 
kreise erhaltene Bett wurde in dem von Regulini und Galassi bei Caere entdeckten 
Grabe (oben Seite 30 Anm. 5, Seite 91—93) gefunden: Grifi, mon. di Cere T.IV 6, 
Mus. gregor. IT. XVI8. Die Lagerfläche besteht aus einem Gefüge sich kreuzender 
jronzestreifen. Auf eine ähnliche Konstruktion weisen die gekreuzten Linien hin, 
welche die Oberfläche eines auf einer Dipylonvase dargestellten Totenbettes 
überziehen: Mon. dell’ Inst. IX T. XXXIX 1. Wenn Braun, Ruinen und Museen 
Roms Ὁ. 784 n. 2 vermutet, dafs das homerische Epitheton τρητός auf die zwi- 
schen den Bronzegurten vorhandenen Öffnungen zu deuten sei, so widerspricht 


IX. Die Wagen. 125 


sie sich zu erhaltenen oder auf Bildwerken dargestellten Exemplaren 
in Beziehung setzen liefsen. Hingegen erhalten wir ziemlich genaue 
Auskunft über einen für das Kriegswesen wichtigen Zweig der Tek- 
tonik, nämlich über den Bau der Streitwagen. Daher verlasse ich 
nunmehr das Königshaus und lade den Leser ein, mir auf die 
troische Ebene zu folgen, wo soeben die beiden feindlichen Heere 
gegen einander anrücken, voran die die Führer tragenden Streit- 
wagen, in zweiter Linie das Fufsvolk.') 


IX. Die Wagen. 
(ὥρμα, ἅρματα, ὄχεα, δίφροςο). 

Der Gebrauch der Streitwagen läfst sich in Ägypten und in dem 
benachbarten Vorderasien bis zu den ersten Jahrzehnten des 17. Jahr- 
hunderts hinauf verfolgen?) und gewann während der folgenden Zeit 
in beiden Ländern mit jeder Generation an Bedeutung.’) Als der 
zweite Ramses im 14. Jahrhundert gegen die Chetiter zu Felde zog, 
bildeten die Streitwagen die Hauptstärke in seinem Heere wie in 
dem seiner Gegner. Die chetitische Abteilung, welche dem Pharao bei 
Kadesch einen Hinterhalt stellte, war nach der in der Handschrift des 
Pentaur erhaltenen Dichtung von nieht weniger als 2500 Gespannen 


dem der Umstand, dafs diese Öffnungen nicht durch Bohren, sondern durch das 
kreuzweise Übereinanderlegen der Gurte hervorgerufen sind. ΤΠ 297 
XXIII 133. Wenn Il. VI 46-52, als die Griechen aus dem Lager ausrücken, 
zuerst das Fulsvolk und dann erst die Wagen den Graben passieren, so erklärt 
sich dies aus der bedenklichen Nähe des siegreichen Feindes. Die auf den Wagen 
befindlichen Krieger waren, während der Übergang über den Graben stattfand, 
so gut wie kampfunfähig und würden, falls sie von den Troern angegriffen 
worden wären, die empfindlichsten Verluste erlitten haben. Daher entsprach es 
den Regeln einer rationellen Taktik das Fulsvolk vorauszuschicken, damit dieses 
den Übergang der Wagen und ihre Auffahrt jenseits des Grabens gegen einen 
plötzlichen Überfall decke. Über die Verwendung der Streitwagen ist nunmehr 
auch Albracht, Kampf und Kampfschilderung bei Homer (Naumburg a. S. 1886) 
p. 13ff. zu vergleichen. 2) Bereits König Aahmes I (nach Lepsius 1684—1659 
v. Chr.), der Ägypten von den Hyksos befreite, zog auf einem Streitwagen zu 
Felde: Chabas, &tudes sur l’antiquite historique 2. ed. p. 422. Ja es scheint, dals 
dieser Gebrauch bei den benachbarten vorderasiatischen Völkern in noch ältere 
Epoche hinaufreicht und die Ägypter ihn von den letzteren entlehnt haben: 
Brugsch, Geschichte Ägyptens p. 273 ff.; Ebers, Ägypten und die Bücher Mose’s I 
p. 221; Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere 3. Ausg. p. 28, p. 32-33, 4. Ausg. 
p- 26, p. 30—31. Jedenfalls war der Streitwagen, als Thutmes 1 (1646—1625) 
seinen mesopotamischen Feldzug unternahm, bei der Bevölkerung der Kuphrat- 
gegend (Naharina) weit verbreitet: Chabas a. a. Ὁ. p. 441; Brugsch, Geschichte 
Ägyptens p. 235, 39, p. 236. 3) Thutmes ΠῚ (1591—65) erbeutete bei seinem 
ersten syrischen Feldzuge nicht weniger als 924 feindliche Streitwagen: Brugsch 
a. a. OÖ. p. 303. 


190 Tektonisches. 


begleitet.) Die Bildwerke von Ibsambul?) vergegenwärtigen in leben- 
digster Weise das grofsartige Schauspiel des Zusammenpralles der 
beiden feindlichen Geschwader.’) 

Bei dem vielfachen Verkehre, welcher seit der Mitte des zweiten 
Jahrtausends zwischen dem südwestlichen Vorderasien und dem öst- 


N 


Η 


στῶ χα το; ;:.:.:... 5... τόρ: Ἔτσ; 


Fig. 22. 


lichen Griechenland stattfand, verbreitete sich der orientalische Ge- 
brauch baldigst nach der Peloponnes. Und zwar mufs dies, da 
Streitwagen auf den mykenäischen Grabstelen dargestellt sind,') schon 
vor der dorischen Wanderung geschehen sein. Jedenfalls war die 
Kampfesweise der homerischen Helden in der vielseitigsten Weise 
durch die Streitwagen (ὥρμα, ἅρματα, ὄχεα, δίφρος) bedingt, wie dies 
auch von den Diehtern des Epos nachdrücklich hervorgehoben wird.?) 
Die Wagen bringen die Krieger rasch von einer Stelle des Schlacht- 
feldes auf die andere und beschleunigen die Flucht wie die Verfol- 


gung. Kämpft ein Krieger zu Fufs, so ist der Lenker darauf be- 


1) Brugsch a. a. OÖ. p. 504 und 506. 2) Rosellini, mon. dell’ Egitto 1 
T. CHI—CX. 3) Die Kunde von der Bedeutung der ägyptischen Wagenmacht 
drang auch bis zu den homerischen Sängern. N. IX 383 (von dem ägyptischen 
Theben): αἴϑ᾽ ἑκατόμπυλοί εἰσι, διηκόσιοι δ᾽ ἀν᾽ ἕκάστην | ἀνέρες ἐξοιχνεῦσι σὺν 


ἵπποισιν καὶ ὄχεσφιν. 4) Schliemann, Mykenae p. ὅ8 n. 24, vgl. p. 90; p. 91 
n. 140, vgl. p. 92; p. 97 n. 141, vgl. p. 100—102 (hiernach unsere Fig. 31 auf 
Seite 137). δὴ Besonders Od. XVII 263: ἵππων τ᾿ ὠκυπόδων ἐπιβήτορας, ol κε 


τάχιστα | ἔκριναν μέγα νεῖχος ὁμοιΐου πολέμοιο. 


IX. Die Wagen. 191 


dacht den Wagen in möglichster Nähe zu halten. Der Wagen dient 
recht eigentlich als Ausfalls- wie als Rückzugsort.!) 

Betrachten wir zunächst die Angaben, welche das Epos über die 
Konstruktion dieser Fuhrwerke macht, so ergeben sich im wesent- 
lichen folgende Eigensehaften: 

Die Streitwagen waren sehr leicht gebaut. Sie fahren über das 
Schlachtfeld dahin, ohne durch die umherliegenden Toten und Waf- 
fenstücke aufgehalten zu werden) und setzen selbst über Gräben ;?) 
Eumelos, dem beim Rennen das Joch gebrochen ist und die 
Pferde durchgegangen sind, zieht seinen Wagen mit den Hän- 
den durch die Bahn bis zum Ablaufsorte;t) ja Diomedes über- 
lest sogar, ob er nicht den Wagen des Rhesos auf den Schul- 
tern aus dem Biwak der Thraker hinaustragen soll.’) Ferner 
hatten die Streitwagen eine Axe,°) also zwei Räder.) Auf der 
Axe ruhte der Wagenstuhl (dipoog)°), der aus einem Trittbrette 
und einer dieses umgebenden Brüstung (ἐπιδιφριάς})"} bestand. Die 
Andeutungen, welche das Epos über seine Herstellungsweise giebt, 
weisen auf Holzarbeit,'!”) Flechtwerk,!!) und Metallbeschlag'’) hin. An 
dem Wagenstuhl befand sich die &vrv&,'?) ein gekrümmter und des- 
halb aus besonders biegsamem Holze'*) gearbeiteter Stab, der ent- 


1) Die Hauptstellen: Il. V 108, 249, 329, XI 339—342, 488, XIII 385, 
535538, 657, XIV 430, XV 456, XVI 864 ff, XVII 130, 500-502, 613—615, 699. 
2) D. XI 534-537, XX 499502. Vgl. XX 394. 3) Il. VIII 179, XII 110—113, 
XVI 380. 4) N.XXIUI 533. 5). X 505. Vgl. auch U. XXIII 533. 6) Il. V 838: 
ἔβραχε φήγινος ἄξων. 11. ΧΠΠ80. 7) 1]. ΥἹ 42: αὐτὸς δ᾽ ἐκ δίφροιο παρὰ τρόχον 
ἐξεκυλίσϑη πρηνὴς ἐν κονίῃσιν. 8) Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes wird 
die eines niedrigen lehnenlosen Sessels gewesen sein (oben Seite 124 Anm. 2). Von 
diesem wurde es zunächst auf das Trittbrett des Wagenstuhles, dann auf den 
ganzen Wagenstuhl und von diesem schliefslich auch als pars pro toto auf den 
Wagen übertragen. In der letzteren Bedeutung wird es z. B. I. V 193, X 305, XVII 
436 gebraucht. 9) Il. X 475. 10) 11. XVI 402: ἐὐξέστῳ ἐνὶ δίφρῳ. Od. IV 590: 
δίφρον &ü&oov (Dies auch Hesiod. scut. Herc. 352). 11. II 390; 20800v ἅρμα. 
N. XIX 395: κολλητὸν ποτὶ δίφρον. Il. IV 366, XI 198, XXIII 286, Od. XVII 
117: ὥρμασι κολλητοῖσιν (Hesiod. scut. Here. 309: ἅρματα κολλήεντ᾽). 11. V 
193: δίφροι πρωτοπαγεῖς. Der Wagenmacher heilst ἁρματοπηγὸς ἀνήρ: 1]. IV 485. 
11) I. XXIII 335: ἐὐπλέκτῳ ἐνὶ δίφρῳ: ΧΧΠῚ 436: δίφρους τ᾽ ἀναστρέψειαν 
ἐυπλεκέας (Hesiod. scut. Herc. 306: ἐὐπλεκέων ἐπὶ δίφρων, 370: εὐπλεκέων 
δίφρων, 63: πλεχτοῖσιν ὑφ᾽ ἅρμασι). 12) Il. ΧΧΠῚ 503: ἅρματα δὲ χρυσῷ πεπυ- 
κασμένα κασσιτέρῳ τε. X 438: ἅρμα δὲ οἵ χρυσῷ τε καὶ ἀργύρῳ εὖ ἤσκηται. 
I. IV 226, X 322, 393, hymn. IV (in Vener.) 13: ἄρματα ποικίλα χαλκῷ. Vgl... 
V 239, XII 537, XIV 431, Od. III 492, XV 145, 190: ἄρματα ποικίλα. 1]. X 501: 
ποικίλου ἐκ δίφροιο. Il. VIII 320, XXIII 509: δίφροιο... . παμφανόωντος. Hymn, 
V (in Cerer.) 19: χρυσέοισιν ὄχοισιν, 375: χρ. ὄχεσφιν, 481: ὥρμασι χρυσείοισι (des 
Hades). Hymn. IX 4: παγχρύσεον ἅρμα (der Artemis). 13) Il. V 262, 322, 728, 
XI 535 (= XX 500), XXI 38. 14) Der Priamide Lykaon schneidet zu diesem 
Zwecke die Schöfslinge eines wilden Feigenbaums ab: Il. XXI 3638. 


128 Tektonisches. 


weder der Brüstung als Rahmen diente oder an ihr eine Art von 
Geländer bildete; an ihm wurden, wenn der Wagen stillstand, die 
Zügel angebunden.'!) Da sich ferner die dem Streitwagen beigeleg- 
ten Epitheta χαμπύλος und ἀγχύλος") nur auf den Hauptbestandteil 
desselben, nämlich den Wagenstuhl, beziehen können, so ist an dem 
letzteren eine krumme Brüstung anzunehmen. Dafs sie verhältnis- 
mälsig niedrig war, ergiebt sich daraus, dafs Wagenlenker über ıhr 
an dem Unterleibe verwundet werden.) Wiewohl in den Schilde- 
rungen, welche das Epos von den Kämpfen entwirft, nur von zwei 
Rossen gezogene Wagen erwähnt werden, scheinen den Dichtern 
doch auch Einspänner bekannt gewesen zu sein. Erstens sagt Aga- 
memnon einmal‘) vor Beginn der Schlacht, an diesem Tage werde 
manches Kriegers Rofs beim Ziehen des Wagens in Schweils geraten. 
Zweitens ist in einem Gleichnisse?) von einem Rosse die Rede, ‚wel- 
ches seinen Herrn in eiligem Laufe über das Gefilde fährt. Endlich 
heilst es von Achill, dafs er anstürmt wie ein Rols, das bei einem 
Wettlaufe mit dem Wagen leicht über das Gefilde dahin eilt.) Diese 
Vergleiche erscheinen ungleich natürlicher unter der Voraussetzung, 
dafs neben den Zweigespannen auch Einspänner im Gebrauche waren. 
Wenn die Dichter bei den Kampfschilderungen nur die ersteren auf- 
treten lassen, so erklärt sich dies hinlänglich daraus, dafs hierdurch 
der Phantasie ein prächtigeres Bild vergegenwärtigt wurde. 

An die Zweigespanne fügte man bisweilen ein Beipferd (r«o1j0008)') 


1) Il. V 262, 322: ἐξ ἄντυγος ἡνία τείνας. 2) 1. 281: καμπύλον ἅρμα 
(so auch Hesiod. scut. Herc. 324); VI 88: ἀγκύλον ἄρμα. 3). 111, XI ;398, 
XVI 463. 4) Il. 11 390: ἰδρώσει δέ τευ ἵππος ἐΐξοον ἅρμα τιταίνων. Sl; 
XXIII 517: ὕσσον δὲ τροχοῦ ἵππος ἀφίσταται, ὅς ῥά τ᾽ ἄναχτα | ἕλκῃσιν πεδίοιο 
τιταινόμενος σὺν ὄχεσφιν" | τοῦ μέν τε ψαύουσιν ἐπισσώτρου τρίχες ἄκραι | οὐραῖαι" 
ὁ δέ τ᾽ ἄγχι μάλα τρέχει, οὐδέ τι πολλὴ | χώρη μεσσηγὺς, πολέος πεδίοιο ϑέοντος. 
6) 1. XXII 22: σευάμενος ὥσϑ'᾽ ἵππος ἀεϑλοφόρος σὺν ὄχεσφιν, | ὅς δά τε ῥεῖα 
ϑέῃσι τιταινόμενος πεδίοιο. Vgl. auch XI 58: ἐνθ᾽ οὔ κεν ῥέα ἵππος ἐὔτροχον 
ὥρμα τιταίνων | ἐσβαίη. 7) Il. VIII 80—88. XVI 152, 467—475: 6 δὲ Πήδασον 
οὔτασεν ἵππον | ἔγχεϊ δεξιὸν ὦμον" ὁ δ᾽ ἔβραχε ϑυμὸν ἀΐσϑων. κὰδ δ᾽ ἔπεσ᾽ ἐν 
κονίῃσι μαχὼν, ἀπὸ δ᾽ ἔπτατο ϑυμύς. | τὼ δὲ διαστήτην, κρίκε δὲ ξυγὸν, ἡνία δέ 
σφιν  σύγχυτ᾽, ἐπειδὴ κεῖτο παρήορος ἐν κονίῃσιν. τοῖο μὲν Αὐτομέδων δουρι- 
κλυτὸς εὕρετο τέχμωρ᾽ | σπασσάμενος τανύηχες ἄορ παχέος παρὰ μηροῦ, | ἀΐξας 
ἀπέκοψε παρήορον οὐδ᾽ ἐμάτησεν. | τὼ δ᾽ ἰϑυνϑήτην, ἐν δὲ δυτῆρσι τάνυσϑεν. Die 
in diesen Versen geschilderte Handlung ist vielfach und auch von Grashof, über 
das Fuhrwerk bei Homer und Hesiod p. 36 Anm. 35, falsch aufgefafst worden. 
Grashof nimmt die Lesart des Viectorianischen Scholiasten ἐν δὲ ῥυτῆρι τάνυσϑεν 
an und erklärt diese Worte dahin, dafs Automedon, nachdem das Joch zer- 
brochen sei, die beiden Jochpferde notdürftig an die Deichsel (ῥυτήρ für ῥυμός) 
selbst angespannt habe. Jedoch kann noine δὲ ζυγόν nicht „es zerbrach das 
Joch“, sondern nur „es krachte das Joch“ (infolge des Auseinanderprallens der 


IX. Die Wagen. 129 


an, welches, an eines der Jochpferde oder an das Joch selbst an- 
gekoppelt,') ohne zu ziehen, nebenher lief.) Dafs es mit einem Zügel 
versehen war, scheint mir gewils, da sonst der Wagenlenker ihm 
gegenüber nicht die geringste Macht gehabt haben würde. Dieses 
Beipferd schreckte die Feinde durch Beifsen und Ausschlagen und 
wurde vermutlich, wenn eines der Jochpferde gefallen war, sofort an 
dessen Stelle eingespannt.) 

Durch den Vergleich der Denkmäler lassen sich diese Umrisse 
in manchen Einzelheiten ausführen. 

Wenn alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dafs die Ägypter 
den Gebrauch des Streitwagens aus demselben Kulturgebiete wie die 
Griechen, nämlich aus dem südwestlichen Vorderasien, entlehnten,?) 
so dürfen auch die ägyptischen Bildwerke in den Kreis unserer Unter- 
suchung gezogen werden. Sie zeigen im wesentlichen drei Arten 
von Streitwagen, die sich jedoch nicht immer scharf scheiden lassen, 
sondern vielfach durch Übergangstypen unter einander verbunden 
sind.) Zur Veranschaulichung dienen unsere Figuren 22,23 und 24, 


scheu gewordenen Jochpferde) bedeuten. Aufserdem würde der Dichter nach 
allen Analogieen der epischen Schilderung das Verfahren, durch welches Auto- 
medon die Pferde an der Deichsel befestigte, beschrieben und sich nicht auf die 
Andeutung der vollendeten Thatsache beschränkt haben. Offenbar sind die 
Worte ἐν δὲ ῥυτῆρσι τάνυσϑεν zu übersetzen: „die Pferde richteten sich in den 
Zügeln‘“, welche letzteren durch das Scheuen der Jochpferde in Verwirrung ge- 
raten waren (ἡνία δέ σφιν | σύγχυτ᾽). Wie sich aus Il. XXIII 323 οὐδέ ἕ Andeı | 
ὕππως τὸ πρῶτον τανύσῃ βοέοισιν ἱμᾶσιν (vgl. 1]. III 261, 311: κατά δ᾽ ἡνία τεῖνεν 
ὀπίσσω) ergiebt, ist τανύειν der technische Ausdruck für die ordnungsmälsige 
straffe Zügelung der Pferde. Die Annahme, dafs unter den ῥυτῆρες die Zügel 
zu verstehen seien, findet eine Stütze darin, dals sie bei Hesiod. scut. Herc. 308 
ῥυτά heilsen. 1) Der technische Ausdruck für diesen Verband war παρηορίαι. 
N. VII 87: ὄφρ᾽ ὁ γέρων ἵπποιο παρηορίας ἀπέταμνεν. XVI 152: ἐν δὲ παρηο- 
ρίῃσιν ἀμύμονα Πήδασον ἴει. 2) Wenn Menelaos dem Telemachos drei Rosse 
und einen schöngeglätteten Wagen anbietet (Od. IV 590), so weist die Dreizahl 
auf zwei Jochpferde und ein Beipferd hin. Zwei Jochpferde und zwei Beipferde 
wären an dem Wagen des Hektor (Il. VIII 185—191) anzunehmen, wenn man 
nicht mit Aristarchos (vgl. Lehrs de Aristarchi studiis Hom. 2. ed. p. 195) den 
Vers 185, in dem Hektor vier Pferde namhaft macht, streichen will. Jedenfalls 
zogen an dem Wagen nur zwei Pferde; denn Hektor redet die Pferde, als er 
sie zur Eile antreibt, im Dual an (ἀλλ᾽ ἐφομαρτεῖτον καὶ σπεύδετον). Im übrigen 
werden Viergespanne nur erwähnt an Stellen, welche als spätere Einschiebsel 
verdächtig sind, in einem Gleichnisse, Od. XIII 81—83, und vielleicht auch in 
der konfusen Rede des Nestor, Il. XI 698-702, wo man bei den τέσσαρες ἀϑλο- 
φόροι ἵπποι αὐτοῖσιν ὄχεσφιν, die Neleus nach Elis schickt, unwillkürlich an die 


olympischen Spiele denkt. 3) Vgl. Schlieben, die Pferde des Altertums 
p. 157—160. 4) Oben Seite 125, Anm. 12. 5) Eine Zusammenstellung der 


wichtigsten Typen giebt Textor de Ravisi, etudes sur les chars de guerre egyptiens 
im Congres provincialdes orietalistes francais, &gyptologie, 1. bull., 2. vol. p.439— 464. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos, υ 


130 Tektonisches. 


welche drei, der Zeit des zweiten Ramses angehörige Streitwagen 
wiedergeben.) Der Unterschied beruht im besonderen auf der Kon- 


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1) Fig. 22 auf Seite 126: ägyptisches Zweigespann aus der Darstellung der 
Schlacht bei Kadesch (oben Seite 125) nach Rossellini, mon. dell’ Egitto I (mon. 
reali) T. CIII. Fig. 23: Wagen des zweiten Ramses nach Rossellini a. a. 0. IT. CH. 
Fig.24: Wagen desselben Königs nach Rosellini a. a. ©. II (mon. civili) T.CXX]1 2. 


IX. Die Wagen. 131 


struktion des Wagenstuhles. Bei der einen Gattung (Seite 126 Fig. 22) 
ist die Brüstung vollständig geschlossen; bei der anderen (Seite 130 
Fig. 23) hat sie auf beiden Seiten eine Öffnung, die oben durch ein 
der homerischen ävrv& entsprechendes Geländer begrenzt wird; bei 
der dritten (Fig.24) endlich erscheint sie zu einem schmalen Streifen 
zusammengeschrumpft, welcher nur die Vorderseite des auf dem 
Wagen stehenden Kriegers deckt und unten um das Trittbrett herum- 
läuft; das Geländer oder die &vrv& reicht von den beiden oberen 


Ecken der schmalen Schutzwand nach rückwärts und greift, eine Kurve 
bıldend, in die beiden Enden des das Trittbrett umgebenden Streifens 
ein. Der Wagenstuhl war offenbar im wesentlichen aus Holz ge- 
arbeitet. Doch beweisen die Nägelreihen, welche häufig an den Rän- 
dern der Brüstung sichtbar sind (Fig. 24), der Charakter der die 
Brüstung schmückenden Ornamente und endlich auch bestimmte An- 
gaben der Inschriften,!) dafs das Holz bisweilen mit Metall be- 
schlagen wurde. | 
Die Wagen der gegen den zweiten Ramses kämpfenden Chetiter 
(Fig. 25 und 26)?) haben durchweg eine vollständig geschlossene 


1) Ein bronzener Wagen des Königs Thutmes III: Brugsch, Gesch. Ägyptens 
p. 300; ein goldener und ein bronzener des vierten Amenhotep (Chunaten): 
Brugsch a. a. Ὁ. p. 429, p. 431. Metallene Wagenornamente und -inkrustationen 
erwähnt der bekannte im Papyrus Anastasi 1 erhaltene Brief: Textor de Ravisi 
ὃ. ἃ. Ὁ. p.464. 2) Rosellini, 1 monumenti dell’ Egitto I (mon. realı) T. CIHI—CX, 


τς 
9 


132 Tektonisches. 


Brüstung, die sich von der in derselben Weise konstruierten ägyptischen 
(Seite 126 Fig. 22) dadurch unterscheidet, dafs sie nicht nach hinten zu 
anschwillt, sondern unter einer einfachen Kurve nach dem Trittbrette 
herabreicht. Die Weise, in der die Künstler die Brüstung charak- 
terisiert haben, läfst deutlich erkennen, dafs sie Holzarbeit darstellen 
wollten. Indes weisen auch hier Nägelreihen und Scheiben, die un- 
weit der Vorderseite des Wagenstuhles aufgenagelt sind,') auf eine 
Verstärkung des Bretterwerkes durch Metallbeschläge hin. Jedenfalls 


Fig. 25. 


reicht der Gebrauch, die Wagen mit Metall zu inkrustieren, bei der 
Bevölkerung des südwestlichen Vorderasiens in sehr frühe Zeit hinein; 
denn ägyptische Inschriften berichten, dafs bereits Thutmes II 
(1591—65) bei den Feldzügen, die er gegen die in Syrien und Meso- 
potamien ansässigen Rutennu oder Lutennu unternahm, Wagen aus 
Gold und aus Silbergold erbeutete,?) wie dafs er von verschiedenen 


Vgl. auch Wilkinson-Birch, the manners of the anc. Egyptians I p. 259 n. 5. 
Unsere Fig. 25 und 26 geben zwei Gespanne aus der Darstellung der Schlacht 
bei Kadesch (oben Seite 125) nach Rosellini a. ἃ. Ὁ. I T. CIII wieder. 1) Dals 
wir. uns diese Scheiben aus Metall gearbeitet zu denken haben, ergiebt sich mit 
besonderer Deutlichkeit aus dem Vergleiche einer auf einem assyrischen Relief 
(Perrot et Chipiez, histoire de art. II p. 105 Fig. 26) dargestellten Belage- 
rungsmaschine, deren Wände durch dichte Reihen ähnlicher Gegenstände gefestigt 
erscheinen. 2) Lepsius, die Metalle in den ägyptischen Inschriften (Abhandl. 
der Berl. Akademie 1871) p.48 u.51; Brugsch, Geschichte Ägyptens p. 300—303. 


IX. Die Wagen. 133 


vorderasiatischen Völkerschaften mit Gold, Silber oder Bronze be- 
schlagene Wagen als Tribut erhielt.!) Als sich die Israeliten im 
13. Jahrhundert unter Josua und den Richtern in Chanaan festsetzten, 
vermieden sie den Kampf mit den in der Ebene ansässigen Stämmen, 
weil sie sich vor den eisernen Streitwagen derselben fürchteten.?) 

Die assyrischen Streitwagen?) zeigen durchweg eine solide Tafel- 
wand, deren Ornamente wiederum die Eigentümlichkeiten des Metall- 
stiles erkennen lassen. Der Stuhl erinnert auf den älteren Denk- 
mälern (Fig. 27 und weiter 
unten Seite 143 Fig. 37) %) 
an den geschlossenen ägyp- 
tischen (Fig. 22), nur dafs 
der Rand der Brüstung 
nach der Vorderseite zu 
leicht gesenkt ist und hin- 
ten geradlinig herabfällt. 
In der späteren Zeit (Fig. 
28)°) dagegen verfolgt der 
obere Rand eine im gan- IN | 
zen horizontale, der des 


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den beiden Ecken aufwärts a 
gebogen. Zugleich gewinnt N 
der Wagenstuhl an Breite EIN 


wie an Höhe, indem die 
Brüstung die Krieger bis 
zum Unterleibe deckt, während sie früher nur bis zur Mitte der 
Oberschenkel emporreichte. Ferner sind an dem älteren Typus die 
Deichsel und der Wagenstuhl durch ein Gestell verbunden, das von 
der Spitze der ersteren nach der Vorderseite des letzteren herüber- 
reicht und, wie es scheint, aus hölzernen Stäben bestand, über die 
reich ornamentierte linnene oder wollene Stoffe ausgespannt waren. 
Auf den jüngeren Denkmälern dagegen erscheint dieses Gestell durch 
eine einfachere stangenartige Vorrichtung ersetzt. Derartige Vorrich- 
tungen, denen wir auch an griechischen Wagen begegnen werden, waren 
offenbar durch das Gesetz des ungleicharmigen Hebels bestimmt. Der 
kürzere Arm, d. 1. die Verbindung zwischen Deichsel und Wagenstuhl, 


Fig. 26. 


1) Lepsius a. a. O. p. 40; Brugsch a. a. O. p. 305, 309, 310, 315. 2) losua 
XVIH 16, Richter I 19, IV 3. 3) Vgl. Layard, Nineveh and its remains Il 
chap. 4. 4) Fig. 27 nach Layard, the mon. of Nineveh pl. 28; Fig. 37 nach 
Layard a. a. O. pl. 16. 5) Nach Layard a. a. Ο. pl. 72. 


184 Tektonisches. 


wirkte stärker als der längere, d.i. die Deichsel. Deichsel und Joch 
wurden dadurch gewissermalsen suspendiert und lasteten nicht mehr 
auf den Pferden, die infolgedessen ihre ganze Kraft auf das Ziehen 
verwenden durften. 

Die assyrischen Wagen werden in der Regel von zwei Rossen 
gezogen, neben denen häufig, dem homerischen Gebrauche entsprechend, 


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Fig. 27. 


ein Beipferd herläuft (Fig. 27)'). Doch kommen aulser den Zwei- 
BeDRu auch Einspänner vor.?) 


1) Das einzige Bildwerk, welches über die Bespannungsweise der assyrischen 
Streitwagen einige Aufklärung giebt, ist ein Relief, welches den Übergang eines 
assyrischen Heeres über einen Flufs und dabei auch die Einschiffung der Streit- 
wagen darstellt (Layard, mon. of Niniveh pl. 16). Leider haben die auf den 
Schiffen befindlichen Wagen gröfstenteils sehr gelitten. Doch zeigt einer dieser 
Wagen neben der Deichselspitze deutlich einen für zwei Pferde bestimmten Joch- 
balken. Dieser Wagen also wurde jedenfalls von nur zwei Pferden gezogen 
und, falls man ein drittes Pferd beifügte, so lief dasselbe nur als Beipferd neben- 
her; denn Zugstränge sind auf keinem assyrischen Denkmale nachweisbar. 
Allerdings stellt ein anderes Relief (Perrot et Chipiez, histoire de l’art II p. 100 
Fig. 23) einen auf drei Zugpferde berechneten Wagen dar. Die Deichsel hat 
nämlich die Form einer zweizinkigen Gabel, deren Spitzen in die Axe eingreifen, 
während an jeder der beiden Zinken unweit der Stelle, wo sie sich vereinigen, 
ein nach auswärts gerichtetes Joch angebracht ist. Offenbar zog ein mittleres 
Pferd an der Gabel, die beiden äufseren an den von der Gabel auslaufenden 
Jochen. Doch beweist der über der Axe angebrachte Lehnsessel, dafs dieses 
Fuhrwerk kein Kriegs-, sondern ein Paradewagen war. 2) Place, Nineve 
pl. 50, pl. 51 n. 3—4, pl. 60 n. 1; Perrot et Chipiez a. a. O. II p. 491 Fig. 221. 


IX. Die Wagen. 135 


Ein recht alter Typus des phönikischen Streitwagens wird durch 
Malereien kyprischer Vasen veranschaulicht (Seite 136 Fig. 29)'). Der 
Wagenstuhl entspricht hinsichtlich der Form wie hinsichtlich der Pro- 


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portionen dem älteren assyrischen (Fig.27). Ob die darauf angebrach- 
ten halbkreisförmigen Motive eine metallene, auf das Holz aufgelegte 
Schuppendecke oder ein durchbrochenes Geländer darstellen sollen, 
ist bei der nachlässigen Ausführung schwer zu entscheiden. Ebenso 
bleibt es zweifelhaft, ob wir einen Ein- oder einen Zweispänner an- 
zunehmen haben. Allerdings hat der Maler nur ein Pferd wieder- 
gegeben. Andererseits aber erkennt man in den Händen des Lenkers 
deutlich ein doppeltes Zügelpaar. Hiernach fragt es sich, ob der . 
Maler nicht doch ein Zweigespann darstellen wollte und die Wieder- 
gabe des hinteren Pferdes nur deshalb unterliels, weil es durch das 
vordere verdeckt war. Einen späteren Typus lernen wir durch die 
öfters herangezogenen Silberschalen?) kennen (8.137 Fig.30.)’) Soweit 

1) Z. B. Kyprische Vase im British Museum: Perrot et Chipiez, histoire 
de l’art III p. 715—720 n. 527, 528, hiernach unsere Fig. 29. 2) Oben Seite 21, 
Anm. 4 und Seite 26—29. 3) Mus. gregor. I T. LXII 2, 3, T. LXIV 2, δὲ 
Mon. dell’ Inst. X T. XXXI 1 (hiernach unsere Fig. 30) = Perrot et Chipiez III 
p. 759 n. 543. 


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136 Tektonisches. 


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IX. Die Wagen. 137 


die Kleinheit der Bilder ein Urteil ermöglicht, scheint er hinsicht- 
lich der Konstruktion des Stuhles dem jüngeren assyrischen Wagen 
(Fig. 28) verwandt, hat aber niedrigere Räder als dieser. 

Die Ausführung der mykenäischen Grabstelen!) ist zu roh, als 
dafs sich daraus eine deutliche Vorstellung von dem Streitwagen ge- 
winnen lielse, der vor der dorischen 
Wanderung in der Peloponnes ge- 
bräuchlich war. Die darauf darge- 
stellten Fuhrwerke erscheinen als 
zweirädrige Einspänner, deren Stuhl 
so niedrig ist, dals er den Krieger 
kaum bis zur Mitte der Unterschenkel 
deckt. Indes läfst sich die Mög- 
lichkeit nicht in Abrede stellen, dafs 
die Charakteristik der Wagen als Einspänner statt als Zweispänner 
lediglich dem Ungeschicke der Bildhauer zuzuschreiben ist. Die am 
besten erhaltene unter diesen Grabstelen wird durch unsere Fig. 31?) 
reproduziert. Was der unmittelbar hinter dem Wagenstuhle sichtbare 
keilförmige Gegenstand bedeuten soll, ist nicht mit Sicherheit zu be- 


stimmen. Da jedoch auf ägyptischen, assyrischen und phönikischen Denk- 
mälern (Fig. 22—24, 27, 30, 37) öfters Bogen, Köcher oder Streitäxte 
an dem Wagenstuhle befestigt erscheinen, so liegt die Vermutung ἡ 
nahe, dafs der mykenäische Steinmetz einen Köcher, ein breites Messer 
oder einen ähnlichen Gegenstand, dessen Wiedergabe an dem Wagen- 
stuhle seine Kräfte überstieg, einfach hinter demselben dargestellt 
hat — ein Auskunftsmittel, das in der archaischen griechischen Kunst 
mancherlei Analogieen fände. Aufserdem ist hier noch ein aus einem 
der Schachtgräber stammendes goldenes Siegel zu erwähnen, dessen 


1) Oben Seite 62, Anm. 1. 2) Nach Schliemann, Mykenae p. 97 n. 141. 


198 Tektonisches. 


Gravierung einen Bogenschützen darstellt, der zu Wagen einem 
Hirsche nachsetzt.‘) Das Gefährt erscheint deutlich als ein zwei- 
rädriges Zweigespann charakterisiert; soweit die Kleinheit der Dar- 
stellung ein Urteil gestattet, ist die Brüstung, die den Jäger bis zum 
Ansatze des Unterleibes deckt, hinten und vorn etwas höher, als auf 
den beiden Seiten. 

Auf den Vasen des Dipylonstiles?) sind keine Kriegs-, sondern 
nur Rennwagen dargestellt. Doch dürfen auch diese bei unserer Un- 
tersuchung berücksichtigt werden. Solange nämlich die Streitwagen 


1: ος 
F 1g. 32, 


bei den Griechen im Gebrauch blieben, dienten dieselben sowohl für 
den Kampf wie für die Spiele. Es genügt, daran zu erinnern, dafs 
die achäischen Könige bei den Leichenspielen des Patroklos mit den- 
selben Gespannen, mit denen sie sonst in die Schlacht fahren, die 
Kennbahn zurücklegen. Als dann der Streitwagen abkam, bewahrte 
das für die Wettfahrten bestimmte Fuhrwerk lange Zeit den Typus 
des ersteren. Auf den archaischen griechischen Bildwerken zeigen 
beide Gattungen die gleiche Form.) Ja wir dürfen annehmen, dafs 
die Künstler nunmehr beı der Darstellung von Streitwagen durch 
das Vorbild der Wagen bestimmt wurden, die sie in der Rennbahn 
zu sehen gewohnt waren. Hiernach sind wir berechtigt auch bildliche Dar- 

1) Schliemann a. a. Ο. p. 259 n. 334. 2) Oben Seite 75—80. 3) Es 
genügt, an die cäretaner Amphiaraosvase zu erinnern, auf der der Streitwagen 


des Amphiaraos dieselbe Form hat, wie die Wagen, mit denen bei den Leichen- 
spielen des Pelias um die Wette gefahren wird (Mon. dell’ Inst. X T. IV, V). 


IX. Die Wagen. 139 


stellungen der letzteren Gattung zum Vergleiche heranzuziehen, zumal 
wenn sie in eine der homerischen nahe liegende Zeit hinaufreichen. 
Auf den Dipylonvasen kommen zwei verschiedene Arten von 
Rennwagen vor, deren Beurteilung jedoch wiederum durch die Roheit 
der Ausführung sehr erschwert wird. Wir begegnen einerseits 
einem Zweigespanne (Fig. 32)'). Der Wagenstuhl hat eine auffällig 
niedrige oblonge Form und ist auf der dem Betrachter zugekehrten 


Fig. 33. 


Seitenfläche mit sich kreuzenden Linien bedeckt; an der Vorder- wie 
an der Rückseite erhebt sich ein hufeisenförmig gebogenes Geländer 
(ἄντυξ). Wenn unter dem Stuhle zwei Räder nebeneinander sicht- 
bar sind, so scheint dies auf einen vierrädrigen Wagen hinzuweisen. 
Doch haben wir auch hier die Möglichkeit zu erwägen, dafs .der 
Maler, da die Wiedergabe zweier sich mehr oder minder deckender 
Räder für ihn zu schwierig war, die beiden häder einfach nebenein- 
ander gestellt hat. Jedenfalls ist es seinem Ungeschicke zuzuschrei- 
ben, wenn der Lenker auf dem Rande des Wagenstuhles oder auf 
einer den letzteren bedeckenden Fläche zu stehen scheint. In der 
Wirklichkeit stand er natürlich auf dem Trittbrette. Der andere auf 
den Dipylonvasen dargestellte Wagen (Fig. 35)°) ist deutlich als 


1) Nach Mon. dell’ Inst. IX T. XXXIX 1. 2) Nach Ann. dell’ Inst. 1872 
Tav. d’ age. J. 


140 Tektonisches. 


zweirädriger Einspänner charakterisiert. Auf der Vorderseite des 
Trittbrettes erhebt sich eine Brüstung, welcher der Maler eine son- 
derbare dreieckige Form gegeben hat, während ihr Rand in der 
Wirklichkeit gewils eine Kurve bildete. Sie besteht aus einem Rah- 
men, dessen Öffnung mit sich kreuzenden Streifen angefüllt ist. Die 
Deichsel erscheint, ähnlich wie an dem jüngeren assyrischen Wagen 
(Fig. 28), vermöge einer Stange oder eines Strickes mit dem Rah- 
men der Brüstung verbunden. Aufserdem verdienen hier noch zwei 


zu Tiryns gefundene Vasenscherben, deren Malereien auf eine spätere 
Entwickelung der im besonderen durch die mykenäischen Ausgra- 
bungen bekannten Keramik hinweisen, Beachtung, weil auf ihnen 
deutlich Einspänner dargestellt sind. Über die Konstruktion des 
Wagens geben sie keinen Aufschlufs, da die Stücke, auf denen die 
Wagen wiedergegeben waren, fehlen.') 

. Wenden wir uns nunmehr zu den Denkmälern des fortgeschrit- 
teneren archaischen Stiles (Fig. 34)?), so bekunden die auf ihnen dar- 
gestellten Wagen ein ähnliches Streben den Stuhl zu erleichtern, 
wie wir es in Ägypten wahrgenommen haben.?) Der Stuhl hat auf 
der Vorderseite eine Brüstung, welche die auf dem Trittbrette ste- 
henden Personen bis zu den Knieen oder bis zum Unterleibe deckt. 


1) Schliemann, Tiryns T. XIV p. 116—117 (unsere Fig. 51 im XH. Abschnitt), 
T.XV a. p. 101. 2) Diese Figur giebt den auf der Frangoisvase dargestellten 
Wagen des Zeus wieder nach Mon. dell’ Inst. IV T. LIV, LV. Doch ist die 
Durchzeichnung von Herrn Milani angesichts des Originals revidiert und in meh- 
reren Einzelheiten berichtigt worden. 3) Oben Seite 131 Fig. 24. 


IX. Die Wagen. 141 


Von ihr ausgehend reicht die ἄντυξ in einer eleganten Kurve 
nach rückwärts und bildet auf diese Weise eine Art von Geländer, 
welches auf jeder Seite durch eine vertikale, breitere‘) oder schmä- 
lere?) Latte mit der Brüstung oder mit dem das Trittbrett umgeben- 
den Rande verbunden ist. Ähnlich wie 
an dem jüngeren assyrischen Streitwagen 
(Fig. 28) und an dem auf einer Dipylon- 
vase dargestellten Rennwagen (Fig. 33) 
pflegt die Deichsel mit dem Wagenstuhle 
durch eine stangenartige Vorrichtung?) oder 
durch ein Seil*) verbunden zu sein. 

Da endlich die Etrusker, wie im III. Ab- 
schnitte gezeigt wurde, lange Zeit hindurch 
mancherlei altgriechische Typen festge- 


halten haben, so sei hier noch auf die ΤῈ 
Wagen hingewiesen, welche in den Wand- re 
: a 
malereien eines cornetaner Grabes?) dar- 2 
5} 


gestellt sind (Fig.35 und 36).%) Wir sehen 
Jünglinge mit den Vorbereitungen zu einer 
Wettfahrt beschäftigt, die zu Ehren des in 
dem Grabe beigesetzten Toten stattfinden 
soll. Der Maler hat bei Ausführung der Wa- 
gen die Konstruktion der auf dem Trittbrette angebrachten Brüstung ın 
besonders anschaulicher Weise wiedergegeben. Man erkennt deutlich 
einen mehrfach gekrümmten Rahmen, über dem ein Gefüge 510} 
kreuzender Riemen oder Leisten aufgespannt ist. 

Fragen wir nunmehr, welche von den in dieser Übersicht ange- 


Fig. 35. 


1) So z. B. an dem Wagen des Hektor auf der korinthischen Vase Mon. 
Ann. Bull. dell’ Inst. 1855 T. XX. 2) So z.B. an dem Wagen des Amphiaraos 
auf der korinthischen Vase Mon. dell’ Inst. X T. IV, V. 3) So an den Ge- 
spannen der Francoisvase (oben Seite 140 Fig. 34), auf schwarzfigurigen attischen 
Gefäfsen, z. B. Gerhard, auserl. Vasenbilder IV T. 250. Auf der in der Arch. 
Zeit. XLIII (1885) p. 129 abgebildeten Dipylonvase scheint, soweit die nach- 
lässige Ausführung ein Urteil gestattet, sowohl eine Stange wie ein Seil von der 
Deichselspitze nach dem Wagenstuhle hinüberzureichen. 4) Dafs der Künstler 
ein Seil darstellen wollte, ist zweifellos z. B. auf der korinthischen Vase Mon. 
dell’ Inst. X T.4, 5 (am Wagen des Amphiaraos), wie auf rotfigurigen attischen 
Vasen strengen Stiles z.B. auf der campanaschen Troilosvase Mon. dell’ Inst. X 
T. 22, 2, am Wagen des Dionysos auf der Schale des Euxitheos Mon. X T. 23, 
24 (hiernach unsere Fig. 39 auf 8.150). 5) In der sog. Tomba delle bighe: Kestner 
und Stackelberg, Gräber von Corneto T. 1 ff.; Micali, storia T. LXVIIl; Museo gre- 
gor. 1 101; Canina, Etruria maritima II T. LXXXV; Hittorf, l’architecture poly- 
chrome pl. XIX 2. 6) Nach Kestner und Stackelberg a. a. O. T. XVI 
und XVII. 


142 Tektonisches. 


führten Formen zur Veranschaulichung des homerischen Streitwagens 
geeignet sind, so wird zunächst durch die dem letzteren beigelegten 
Epitheta καμπύλος und dyxvAog!) die Annahme eines viereckigen 
Wagenstuhles, wie er auf einer Dipylonvase (Fig. 32) vorkommt, 
ausgeschlossen. Dagegen passen diese 
Epitheta auf alle übrigen Gattungen 
und zwar am besten auf die Wagen 
der Ägypter (Fig. 22, 23) und der 
Chetiter (Fig. 25, 26), auf die Ein- 
spänner einer Dipylonvase (Fig. 33), 
auf die von der archaischen hellenischen 
Kunst dargestellten Streit- und Renn- 
wagen (Fig. 34) und auf die Rennwagen 
Fig. 86. des cornetaner Grabes (Fig. 35, 36), 
da die Kurve an allen diesen Typen 
nicht nur in der Biegung der Brüstung, sondern auch in dem 
Verlaufe ihres Randes zur Erscheinung kommt. Wenn ferner das 
Epos die Wagenstühle als „wohlgeflochtene‘“ bezeichnet,*) so findet 
diese Eigenschaft monumentale Belege in der Weise, wie die Wagen- 
brüstung auf den Dipylonvasen (Fig. 32, 33) und in dem etruski- 
schen Grabe (Fig. 35, 36) behandelt ist; denn es leuchtet ein, dals 
die sich kreuzenden Linien oder Streifen, welche die Brüstung über- 
ziehen, nichts anderes als ein Geflecht ausdrücken können. Dafs 
dieses Geflecht bisweilen aus Riemen bestand, erhellt aus der Be- 
schreibung des Wagenstuhles der Hera, von dem es heilst, dafs er 
mit goldenen und silbernen Riemen überspannt war.) Und zwar 
braucht man hierbei keineswegs an mit Metallblech überzogene Rie- 
men zu denken, da ein bereits erwähntes, in einem cäretaner Grabe 
gefundenes Bett, dessen Oberfläche aus einem Gefüge sich kreuzender 
Bronzestreifen besteht,?) zu der Schilderung des Dichters eine schla- 
gende Analogie darbietet. 
Indes mufs neben dieser Art von Wagenstuhl noch eine andere 
gebräuchlich gewesen sein. Wenn nämlich der Wagen des Diomedes 
als mit Gold und Kassiteros’) wohl gefestigt bezeichnet wird,) so 


1) Oben Seite 128, Anm. 2. 2) Oben Seite 127, Anm. 11. 3) Il. V 722: 
χαμπύλα κύκλα, | χάλκεα ὀχτάκνημα, σιδηρέῳ ἄξονι ἀμφίς. | τῶν ἤτοι χρυσέη ἴτυς 
ἄφϑιτος, αὐτὰρ ὕπερϑεν  χάλκε᾽ ἐπίσσωτρα προσαρηρότα, ϑαῦμα ἰδέσϑαι" | πλῆμναι 
δ᾽ ἀργύρου εἰσὶ περίδρομοι ἀμφοτέρωθεν. | δίφρος δὲ χρυσέοις καὶ ἀργυρέοισιν 
ἱμᾶσιν | ἐντέταται, δοιαὶ δὲ περίδρομοι ἄντυγές εἰσιν. | τοῦ δ᾽ ἐξ ἀργύρεος ῥυμός 
πέλεν. 4) Grifi, mon. di Cere T. IV 6; Mus. gregor. I T. XVI 8. Vgl. oben 
Seite 124, Anm. 5. 5) Vgl. hierüber den XXI. Abschnitt. 6) Il. XXIII 503 
(oben Seite 127, Anm. 12). 


IX. Die Wagen. 143 


bezieht sich diese Angabe selbstverständlich auf den Hauptbestand- 
teil des Fuhrwerkes, also auf den Stuhl. Es bedarf aber keiner be- 
sonderen Auseinandersetzung, um zu begreifen, dals eine Wagen- 
brüstung, die aus ineinander geflochtenen Strieken oder ledernen 
Riemen bestand, unmöglich durch 
Metallbeschlag Verstärkung erhal- 
ten konnte. Ebenso ist der Gedanke 
an eine lediglich aus Metallstreifen 
zusammengesetzte Brüstung aus- 
geschlossen, da die Worte des 
Dichters auf einen Kern schliefsen 
lassen, der durch das Metall ge- 
festigt wurde. Dagegen erscheint 
die Beschreibung vollständig zu- 
treffend, wenn man sie auf eine 
hölzerne, mit Metall beschlagene 
Tafelwand bezieht. Da diese Weise, 
den Wagenstuhl zu verstärken, bei 
den Vorderasiaten mindestens bis 
in das 16. Jahrhundert v. Chr. hin- 
aufreicht,') so wird die Thatsache, 
dals das gleiche Verfahren den 
Griechen des homerischen Zeitalters geläufig war, niemand befrem- 
den. Ebenso wenig läfst sich die leichte Beweglichkeit, welche wir 
den Streitwagen nach der epischen Schilderung zuerkennen müssen, 
gegen die Annahme einer Metallinkrustation geltend machen. Auch 
der assyrische Streitwagen hatte trotz seines Metallbeschlages ein 
verhältnismäfsig geringes Gewicht; denn auf einem Relief, welches 
den Übergang eines assyrischen Heeres über einen Flufs und die 
Einschiffung der Streitwagen darstellt, sehen wir, wie jeder Wagen 
von nur zwei Männern getragen wird (Fig. 37). 

Aufser der Brüstung waren vielleicht auch noch andere Teile 
des homerischen Wagens mit Metall beschlagen oder aus solidem 
Metalle gearbeitet. Das Epos?) berichtet, dafs an dem Wagen der 
Hera die Deichsel aus Silber und die Axe aus Eisen gearbeitet waren 
und dafs die Räder bronzene Speichen, goldene Felgen, silberne Na- 
ben und bronzene Beschläge hatten. Diese Schilderung wird. ge- 
wöhnlich für ein Spiel der dichterischen Phantasie gehalten. Doch 
finden zum mindesten einzelne der Angaben des Dichters in dem 


Fig. 37. 


1) Oben Seite 125. 2) I. V 722-729 (oben Seite 142, Anm. 3). Eine 
eherne Axe (χάλκεος ἄξων) hat der Wagen des Poseidon: Il. XIII 30, 


144 Tektonisches. 


archäologischen Materiale Analogieen. In Ägypten wurden die Axen 
und die Räder häufig aus massivem Metalle hergestellt, oder die höl- 
zernen Felgen der letzteren durch bronzene oder eiserne Beschläge 
gefestigt; ebenso erhielt die Deichsel bisweilen einen metallenen 
Überzug.!) Die beiden Räder eines Wagens, dessen Reste in einem 
dem 6. Jahrhundert v. Chr. angehörigen capuaner Grabe gefunden 
wurden, sind aus massivem Eisen gearbeitet.”) Eiserne, in bronzene 
Löwenköpfe auslaufende Axen hatte ein vierrädriger, bei Perugia ent- 
deekter Wagen.?) Die hölzerne Brüstung war an beiden Fuhrwerken 
mit Bronzeblech überzogen, dessen getriebene Reliefs einen hoch- 
archaischen Stil bekunden. 

Es gilt nunmehr mit Hilfe der Denkmäler zu untersuchen, wie 
die doppelte &vrv& an dem Wagen der Hera?) und der Plural zu er- 
klären ist, in dem das Wort bisweilen bei Beschreibung eines und 
desselben Wagens gebraucht wird.) Hinsichtlich des Wagens der 
Hera vermutet Grashof,) die zweite ἄντυξ sei der obersten parallel 
etwa in der Mitte der Brüstung angebracht gewesen, um der letzte- 
ren grölsere Festigkeit zu geben. Doch findet eine derartige An- 
ordnung auf den Bildwerken keine Analogie. Demnach scheint es 
mir unzweifelhaft, dafs, wo einem und demselben Wagen mehrere 
ἄντυγες zugeschrieben werden, darunter die Geländer zu verstehen 
sind, welche von der Brüstung auf beiden Seiten rückwärts nach 
dem Trittbrette herabreichen (Fig. 24, 34). Zudem erscheint die 
Angabe des Dichters,’) dafs die doppelte ἄντυξ um den Wagen- 
stuhl herumläuft, nur unter dieser Voraussetzung vollständig zu- 
treffend. 

Wenn wir endlich angesichts einiger Stellen der Ilias die Frage 
aufwarfen,®) ob etwa im homerischen Zeitalter neben den Zweige- 


1) Textor de Ravisi, etudes (oben Seite 129, Anm. 5) p.452—454. 2) Bull. 
dell’ Inst. 1874 p. 245 n. 8. Vgl. Ann. 1880 p. 223 Anm. 1. Dieser Wagen ist 
wahrscheinlich, wie die meisten in diesem Grabe gefundenen Metallarbeiten (Ann. 
1880 p. 225 ff.), aus der benachbarten Griechenstadt Kyme nach Capua importiert. 
3) Vermiglioli, saggio di bronzi etruschi trov. nell’ agro perugino, Perugia 1813; 
Micali storia T. XXVII—XXXI; Inghirami, mon. etr. ser. ΠῚ T. XXIIT—XXXVII; 
Millingen, anc. ined. mon. II pl. 14; Denkm. d. a. Kunst I T. LIX 297, 298. 
Hinsichtlich mancher dieser Fragmente scheint es allerdings zweifelhaft, ob sie 
von dem Wagen oder von anderen Gegenständen herrühren. Der Kandelaber 
und das bronzene Becken (Vermiglioli ἃ. ἃ. 0. T.II 9, 16) haben selbstverständ- 
lich mit dem ersteren nichts zu thun. Die Axen sind abgebildet bei Vermiglioli 
a. a. OÖ. T. I 19 p. 105 und Inghirami a. a. OÖ. T. XXIL XxXVI 3. 4) D. V 
728 (oben Seite 142, Anm. 3). 5) I. XI 535, XX 500, XXI 38. So auch bei 
Hesiod. scut. 64. 6) Über das Fuhrwerk bei Homer und Hesiod p. 98. 7) Π. 
V 728: δοιαὶ δὲ περίδρομοι ἄντυγές εἰσιν. 8) Oben Seite 128, 


IX. Die Wagen. 145 


spannen auch Einspänner gebräuchlich waren, so gewinnt diese An- 
nahme durch Betrachtung der Denkmäler an Wahrscheinlichkeit, da 
solche Gespanne vielleicht auf den mykenäischen Grabstelen (Fig. 31) 
und auf einem kyprischen Gefälse (Fig. 29), sicher auf einer Dipy- 
lonvase (Fig. 33), auf zwei zu Tiryns gefundenen Vasenscherben!) 
und auf assyrischen Reliefs?) dargestellt sind. 

Aulser für den Streitwagen wurden die Worte ἅρμα. ἄρματα) 
und δίφρος") auch für einen leichten Wagen gebraucht, dessen man 
sich für Fahrten friedlicher Art und im besonderen für Reisen be- 
diente. Über seine Konstruktion giebt das Epos keinen näheren 
Aufschlufs. Wir erfahren nur, dafs der Wagen, auf dem Telemachos 
und Peisistratos von Pylos nach Sparta fuhren, mit einer eigıvg,‘) 
ἃ. i., wie es scheint, mit einem geflochtenen Wagenkorbe versehen 
war. Dieser letztere muls einen beträchtlichen Umfang gehabt haben, 
da in ihm die Geschenke des Menelaos, ein Peplos, ein Trinkbecher 
und ein silberner Mischkessel, Platz finden. Aulserdem war er ver- 
mutlich mit einem Sitzbrette versehen; denn wir dürfen kaum an- 
nehmen, dafs die beiden Jünglinge während der zweitägigen Fahrt‘) 
fortwährend standen. 

Die Angaben, welche das Epos über die Lastwagen (ἄμαξα, 
ἀπήνη) 5) macht, sind zu allgemein gehalten, als dafs sie sich durch 
bestimmte bildliche Darstellungen veranschaulichen liefsen. Diese 
Fuhrwerke hatten vier Räder”) und wurden von.Maultieren oder Rin- 
dern!®) gezogen. Priamos lälst auf seine ἄμαξα eine πείρινς auf- 
binden,!!) in die vermutlich die für Achill bestimmten Geschenke hin- 


1) Oben Seite 140, Anm. 1. 2) Oben Seite 134, Anm. 2. 3) N. XXIV 
440. 4) Od. III 473, 492, IV 42, XV 47, 145, 190, XVII 117. 5) I. III 262, 
310, 312, XXIV 322, 701; Od. III 481, 483. 6) Od. XV 131. Vgl. Vers 51 
und 75. Einen geflochtenen Wagenkorb hat ein zweirädriger, von vier Rindern 
gezogener Transportwagen der Tekkri auf den Reliefs von Medinet-Abu: 
Rosellini, mon. dell’ Egitto I (mon. reali) T. 127; Chabas, etudes sur T’antiquite 
historique 2. @d. p. 314 pl. II. 7) Od. II 485—497, XV 185—194. 8) Dals 
die beiden Worte Synonyme sind, ergiebt sich im besonderen daraus, dafs 
der Wagen der Nausikaa Od. VI 57, 69, 73, 75, 78, 88 ἀπήνη, im Verse 73 
dagegen ἄμαξα heilst. 9) Il. XXIV 324: τετράκυκλον ἀπήνην; Od. IX 241: 
ἄμαξαι | ἐσϑλαὶ τετράκυκλοι. Nach Analogie dieses Epithetons wie der des ὑπό- 
κυκλος (ἃ. 1. unten mit Rädern versehenen) τάλαρος der Helena (Od. IV 131. vgl. 
oben Seite 108, Anm. 13) scheint es unzweifelhaft, dafs die ἀπήνη εὔκυκλος (Od. 
VI 58, 70) nicht einen schön gekreisten, sondern einen mit schönen Kreisen, 
d.i. Rädern (Il. V 722: καμπύλα κύκλα, XXIV 340: κύκλου ποιητοῖο), versehenen 
Wagen bezeichnet. Vgl. Il. VIII 438, XI 58: ἐΐτροχον ἅρμα, ΧΧΙΝ 150, 179, 
189, 266, 711; Od. VI 72: ἄμαξαν ἐΐτροχον. 10) Maultiere: Il. XXIV 150, 179, 
189, 266, 277, 324, 350, 362, 442, 471, 690, 697, 702; Od. VI 37, 68, 72, 73, 82, 
88, 111, 253, 261, 317. Rinder: Il. XXIV 782. Vgl. VII 333, 426. 11) Il. XXIV 
190, 267. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 10 


146 Tektonisches. 


eingelegt wurden. Das Obergestell dieser Wagen hiefs ὑπερτερίη. ἢ) 
An der ἀπήνη der Nausikaa war dasselbe so umfangreich, dafs darin 
die Wäsche der gesamten Haushaltung transportiert werden konnte. 

Werfen wir schliefslich noch einen Blick auf den Anspann, so 
beweist das Epos zunächst, dafs der damalige Wagen der Zugstränge 
entbehrte — eine Eigentümlichkeit, die er mit allen Einspännern 
und Zweigespannen gemein hat, deren bildliche Darstellungen zum 
Vergleiche herangezogen wurden”) Bei einem Bruche der Deichsel 
bleibt der Wagen stehen und die beiden Pferde laufen, noch durch 
das Joch verbunden, von dannen.”) Bricht dagegen das Joch, wie 
es an dem Wagen des Eumelos geschah,*) so geht jedes Pferd ein- 
zeln durch und der Wagen bleibt ebenfalls stehen. Wären Zug- 
stränge vorhanden gewesen, dann würden die Pferde in dem ersteren 
Falle den leichten Wagen mit sich fortgerissen, in dem letzteren 
Falle dagegen, wenn sie, wie die Stuten des Eumelos, nach verschie- 
denen Richtungen auseinander prallten, den Wagen notwendig um- 
geworfen haben. 

Das Joch bestand aus festem Holze,’) das jedoch, da dem Wagen 


1) Od. VI 70. Vgl. Plato, Theaet. 207 A. 2) Anders verhielt es sich mit den 
Viergespannen. Dafs die beiden äulseren Pferde an Strängen zogen, darf schon aus 
ihrem Namen σειραῖοι, σειραφόροι, παράσειροι (equi funales) geschlossen werden. 
Vel. Schlieben,die Pferde des Altertums p. 159. Der im Museo gregoriano befind- 
liche, vermutlich etruskische Rennwagen (Visconti, Mus. Pio-Cl. VT. BI, II) zeigt 
die zur Befestigung der Zugstränge bestimmten Vorrichtungen an den Aufsenseiten 
des Stuhles unmittelbar über der Axe. Hingegen können die Stränge, welche sich 
an den Viergespannen archaischer Bildwerke (z. B. Seite 140 Fig. 34) nach dem 
Wagenstuhle rückwärts erstrecken, keine Zugstränge gewesen sein. Erstens 
nämlich erscheinen sie, auch wenn die Pferde schreiten oder laufen, niemals 
straff angespannt, wie es bei Zugsträngen der Fall sein würde. Zweitens reichen 
dieselben, soweit die Bildwerke über ihre Anordnung Aufschlufs geben, in das 
Innere des Wagenstuhles hinein. Es leuchtet aber ein, dafs Zugstränge unmög- 
lich in dieser Weise befestigt werden konnten; denn sie würden beim Ziehen 
den Wagenstuhl nach vorn zu abwärts gerissen und das Stehen auf dem 
Trittbrette unmöglich gemacht haben. 3) D. VI 38: ἔππω γάρ οἷ ἀτυζο- 
μένω πεδίοιο | ὄζξῳ ἔνι βλαφϑέντε μυρικίνῳ, ἀγκύλον &oue | ἄξαντ᾽ ἐν πρώτῳ 
ῥυμῷ αὐτὼ μὲν ἐβήτην | πρὸς πόλιν. ΧΥ͂Ι 810: πολλοὶ δ᾽ ἔν τάφρῳ ἐρυσάρματες 
ὠκέες ἵπποι  ἄξαντ᾽ ἐν πρώτῳ ῥυμῷ λίπον ὥρματ᾽ ἀνάκτων. 4) D. ΧΙ 
392: ἵππειον δέ οἵ (dem Eumelos) ἦξε ϑεὰ Euyov' αἷ δέ οἵ ἵπποι | ἀμφὶς ὁδοῦ 
δραμέτην, ῥυμὸς δ᾽ ἐπὶ γαῖαν ἐλύσϑη, wo ἀμφίς in der Bedeutung „gesondert“ 
adverbial gebraucht ist (vgl. Π. XII 345: ἀμφὶς φρονέοντε, XV 709; Od. I 54, 
XIX 220) und der Genitiv von δραμέτην abhängt, ähnlich wie in ϑεῖν πεδίοιο 
(Il. XXIV 264; Od. III 476) und in πρήσσειν ὁδοῖο (I. XXIV 264; Od. XV 47, 
219). Demnach ist zu übersetzen: die Stuten liefen getrennt ihres Weges. Vgl. 
Grashof, über das Fuhrwerk bei Homer und Hesiod. p.35. 5) An dem Wagen 
des Priamos war das Joch aus Buchsbaumholz gearbeitet: I. XXIV 269. 


IX. Die Wagen. 147 


der Hera!) und dem des Helios?) ein goldenes Joch zugeschrieben 
wird, bisweilen mit Metall beschlagen gewesen zu sein scheint.”) Es 
wurde unweit der Spitze der Deichsel aufgelegt,*) wo die letztere 
möglicher Weise mit Metall beschlagen oder ähnlich wie an den auf 
den Dipylonvasen dargestellten Wagen (Fig. 32, 35) mit einer keilförmi- 
gen Schwellung versehen war.’) 

Über die Weise, in der das Joch an der Deichsel befestigt wurde, 
geben die Verse Aufschlufs, welche schildern, wie die Söhne des 
Priamos den Wagen ihres Vaters anschirren. Freilich hat man hier- 
bei zu berücksichtigen, dafs sich diese Schilderung auf eine ἄμαξα 
bezieht, also auf einen schweren vierrädrigen Wagen, der unter Um- 
ständen gröfsere Lasten zu transportieren hatte®) und dessen Geschirr 
demnach möglicher Weise anders beschaffen war als dasjenige des 
Streitwagens. Die betreffenden Verse lauten (I. XXIV 266 ff.): 


ἐκ μὲν ἄμαξαν ἄειραν ἐΐτροχον ἡμιονείην. 

\ - ΄, \ - > 2 2) w 
καλὴν πρωτοπαγῆ,. πείρινϑα δὲ δῆσαν En αὐτῆς, 
κὰδ δ᾽ ἀπὸ πασσαλόφι Evyov ἥρεον ἡμιόνειον, 
πύξινον ὀμφαλόεν. εὖ οἰήκεσσιν ἀρηρός" 

210 ἐκ δ᾽ ἔφερον ξυγόδεσμον ἅμα ξυγῷ ἐννεάπηχυ. 
καὶ τὸ μὲν εὖ κατέϑηκαν ἐὐξέστῳ ἐπὶ ῥυμῶ, 
een ἔπι πρώτῃ, ἐπὶ δὲ κρίκον ἕστορι βάλλον, 

\ 2 δ If ” a] 3 \ > \ ” 
τρὶς ὃ ἑκάτερϑεν ἔδησαν EN ὀμφαλὸν, αὐτὰρ ἕπειτα 
ἑξείης κατέδησαν, ὑπὸ γλωχῖνα δ᾽ ἔχκαμψαν. 


Über die vom Dichter erwähnten Bestandteile des Wagens wie 
des Geschirres kann kein Zweifel obwalten.”) Der ἕστωρ ist der un- 
weit der Deichselspitze angebrachte Spannnagel, der χρίκος der am 
Joche befestigte Ring, welcher, um das Joch mit der Deichsel zu 
verbinden, über den Spannnagel gelegt wurde, das ζυγόδεσμον der 
Riemen, welcher neben Jochring und Spannnagel dazu diente das 
Joch auf der Deichsel festzuhalten. Der ὀμφαλός (275) ist an der 


1) ΠΟῪ 729: αὐτὰρ ἐπ᾽ ἄκρῳ (Sc. ῥυμῷ) | δῆσε χρύσειον καλὸν ξυγὸν, ἐν δὲ 
λέπαδνα | κάλ᾽ ἔβαλε, γρύσει᾽ "| ὑπὸ δὲ ζυγὸν ἤγαγεν Ἥρη | ἵππους. 2) Hymn. 
hom. XXXI 15. 3) Eiserne Joche werden erwähnt von Jeremias 28, 14 und 
Jesus Sirach 28, 24. 4) Il. V 729 (oben Anm. 1), XXIV 272: πέξῃ ἔπι πρώτῃ. 
5) In der späteren Zeit gab man der Deichsel vielfach eine figürlich verzierte 
Spitze. Eine Amphora, deren Malereien einer jüngeren Richtung der geometri- 
schen Dekoration angehören, zeigt eine in einen Tierkopf auslaufende Deichsel 


(Furtwängler, Beschreibung der Berliner Vasensammlung p. 9 n. 56). An dem 
im Museo gregoriano befindlichen, vermutlich etruskischen Rennwagen (Visconti, 
Mus. Pio-Cl. T. B II 5) ist an der Deichselspitze ein bronzener Sperberkopf an- 
gebracht. 6) Oben Seite 145, Anm. 8—11. 7) Vgl. Grashof, über das Fuhrwerk 


bei Homer und Hesiod p. 37 ff. 


τὸς 


10 


148 Tektonisches. 


Aufsenfläche des Joches anzunehmen, das auch vorher (269) als ὀμφα- 
λόεν bezeichnet wird. Er mufs eine knopfartige, in der Mitte des 
Joches angebrachte Erhöhung gewesen sein, wie wir ihr häufig an 
ägyptischen (Fig. 22),') chetitischen (Fig. 25) und assyrischen (Fig. 
27) Jochen begegnen. Auch die vom Dichter geschilderte Handlung 
ist in ihren Hauptzügen klar. Die Jünglinge legen das Joch unweit 
der Spitze auf die Deichsel (ἐὐξέστῳ ἐπὶ ῥυμῷ, πέξῃ ἔπι πρώτῃ), 
werfen den Jochring (χρίκος) über den Spannnagel (ἕστωρ) und ver- 
binden dann Joch und Deichsel durch dreimaliges Umbinden des neun 
Ellen langen Jochriemens ($vyodsouov). Nichtsdestoweniger aber 
bietet die Stelle mancherlei grammatische Schwierigkeiten dar. Man 
erwartet nach dem auf ζυγόν bezüglichen ro μέν (271) ein auf ζυγό- 
δεσμον zurückweisendes ro de oder eine ähnliche Wendung und kommt 
unwillkürlich auf den Gedanken, dafs vor Vers 273 ein durch. τὸ de 
oder ähnlich eingeleiteter Satz ausgefallen ist, welcher beschrieb, wie 
die Jünglinge den Jochriemen, um damit Joch und Deichsel zu ver- 
binden, an die untere Wölbung der Deichselspitze anlegen. Jeden- 
falls ist ξζυγόδεσμον als Objekt von ἔδησαν (273) wie von χατέδησαν 
(274) vorauszusetzen. Im Verse 274 endlich befremdet das Adverb 
ἑξείης. Bei der Schärfe, mit der das Epos zu schildern pflegt, er- 
wartet man hier vielmehr ein Substantiv, welches den Gegenstand 
oder die Stelle bezeichnete, an der die nach dreimaligem Umbinden 
übrig bleibenden Enden des Jochriemens festgebunden wurden. 

Der Versuch die Beschreibung des Dichters durch Bildwerke 
zu erläutern wird im besonderen dadurch erschwert, dafs die archa- 
ische Kunst fast ausschliefslich Viergespanne und zwar in der Sei- 
tenansicht wiedergiebt. Da hierbei die Jochpferde gröfstenteils durch 
das dem Betrachter zunächst befindliche Tier bedeckt sind, so ge- 
statten diese Darstellungen keine zusammenhängende Übersicht über 
die Vorrichtungen, welche das Joch mit der Deichsel verbanden, son- 
dern lassen von ihnen nur einzelne Stücke erkennen. Sie zeigen 
häufig oberhalb der Stelle, an der wir das Joch zu gewärtigen haben, 
einen Nagel und einen mit der oberen Wölbung um denselben gelegten 
Ring (Seite 140 Fig. 34).?) Leaf”) hat mit Recht in dem ersteren Gegen- 


1) Wilkinson-Birch, the manners and customs of the ancient Egyptians I p. 229 
n. 61. 2) Auf der Francgoisvase sind dieser Nagel und dieser Ring beinahe an 
allen Viergespannen deutlich erkennbar (vgl. Seite 140 Fig. 34), aulserdem z.B. auf 
der bei Vulci gefundenen Phineusschale, die, wie es scheint, in einer ionischen 
Fabrik während der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts gearbeitet ist (Mon. dell’ 
Inst. X T.8; Heidelberger Festschrift zur 21. Philologenversammlung p. 118, 119. 
Vgl. daselbst von Duhn p. 109—124), ferner bei Gerhard, auserl. Vasenbilder IV 
T. 310, T. 311, T. 314 n.2, T.315 n. 2. Der Nagel allein ist sichtbar z. B. bei 


en. 


Υ 


IX. Die Wagen. 149 


stande den Spannnagel (ξστωρ), in dem letzteren den Jochring (κρέκος) 
erkannt. Die Weise, wie er, auf dieser Grundlage fufsend, das 
homerische Geschirr rekonstruiert, wird besser als durch eine ausführ- 
liche Beschreibung durch beifolgende Skizze (Fig. 38)') verdeutlicht. 
Ich habe dagegen zweierlei einzuwenden. Erstens kommt das Joch 
bei dieser Restauration unter der Deichsel zu stehen, während es 
nach ausdrücklicher Angabe des Epos sowohl am Streitwagen?) wie 
an der &uc&ae”) auf die Deichsel gelegt wurde. Weiter scheint mir 


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Hig. 58.7 


Leaf den Omphalos falsch aufgefafst zu haben. Er indentifiziert ıhn 
mit dem keilförmigen Gegenstande, der auf archaischen Bildwerken 
häufig zwischen den Jochpferden unmittelbar hinter den Hälsen her- 
vorragt,*) und stattet demnach in seiner Restauration, da der Om- 
phalos nach dem Epos auf dem Joche angebracht war, das letztere 
mit einem ähnlichen Gegenstande aus. Ich will kein Gewicht darauf 
legen, dafs ein Grieche einen derartigen Keil nimmermehr ὀμφαλός 
benannt haben würde; denn es wäre ja möglich, dafs der betreffende 
Gegenstand zur Zeit, in welcher der 24. Gesang des Ilias gedichtet 
wurde, eine andere Form hatte, auf welche die Bezeichnung ὀμφαλός 
passte, und erst später zu dem keilförmigen Typus umgebildet wurde, 


Gerhard, auserl. Vasenb. IV T. 250, T.251 n. 2, auf der Schale des Oltos und 
Euxitheos Mon. dell’ Inst. X T.23, 24 (hieraus unsere Fig. 39 auf Seite 150), auf 
der Troilosvase Mon. dell’ Inst. X T. 22 n. 2. 3) Im Journal of hellenie stu- 
dies V (1884) p. 185 ff. 

1) Nach Leaf a. 8. Ο. p. 189. 2) Il. V 728 (vom Streitwagen der Hera): 
τοῦ δ᾽ ἐξ ἀργύρεος δυμὸς πέλεν: αὐτὰρ ἐπ᾽ ἄκρῳ | δῆσε χρύσειον καλὸν ξυγόν. 
3) I. XXIV 271—272. 4) Vgl. oben Seite 140 Fig. 34. Besondere Beispiele 
anzuführen scheint überflüssig, da dieses Motiv beinahe an allen von der ar- 
chaischen Kunst dargestellten Wagen sichtbar ist. 


150 Tektonisches. 


den die Denkmäler zeigen. Auf das schlagendste jedoch wird die 
Vermutung Leafs dadurch widerlegt, dals es sich bestimmt beweisen 
läfst, dafs jener Keil nichts mit dem Joche zu thun ‚hatte. Wir haben 
darin vielmehr das obere, zwischen den Jochpferden hervorragende 
Ende der Deichsel zu erkennen. Um sich von der Richtigkeit dieser 
Annahme zu überzeugen, genügt es die auf Dipylonvasen dargestell- 
ten Wagen (Seite 138, 139 Fig.32, 33)') zu vergleichen. Der Verlauf der 
Deichsel liegt hier klar vor Augen: die Stange erscheint unweit des 
oberen Endes aufwärts gebogen und läuft in ein ähnliches keilför- 


Fig. 39. 


= 


miges Motiv aus, wie es auf späteren Vasenbildern zwischen den 
Jochpferden hervorrast.?) 

Die so gebildete Deichselspitze erscheint auf archaischen Denk- 
mälern häufig durch ein Seil mit dem oberen Teile des Wagenstuhles 
verbunden (Fig. 39)) Leaf hat, obwohl er den Omphalos falsch 
auffalste, gewils den richtigen Weg eingeschlagen, indem er jenes 
Seil zu dem ξζυγόδεσμον in Beziehung setzte. Doch müssen wir uns, 
um hierüber ins Klare zu kommen, zunächst von dem Verfahren, 
welches der Dichter mit diesem Riemen vornehmen läfst, genaue 
Rechenschaft geben. Grashof,*) der hierüber am ausführlichsten ge- 


1) Vgl. auch das in der Arch. Zeit. XLIII (1885) p. 139 als Vignette ab- 
gebildete Fragment. 2) Dafs das obere Ende der Deichsel auch noch in sehr später 
Zeit diese Form bewahrte, beweist die bei Canosa gefundene Patroklosvase: Mon. 
dell’ Inst. VIIII T. 32—33. 3) Beispiele oben Seite 141, Anm. 14. Unsere 
Fig. 39 giebt den Wagen des Dionysos aus der Schale des Euxitheos verkleinert 
nach Mon. dell’ Inst. X T. 23, 24 wieder. 4) Über das Fuhrwerk bei Homer 
und Hesiod p. 38. 


IX. Die Wagen. 151 


handelt, falst dieses Verfahren folgender Mafsen auf: Nachdem der 
Jochriemen mit seiner Mitte vor dem Jochring (zoixog) an die Deich- 
selspitze angelegt worden war, nahm man die beiden Enden rechts 
und links (ἑκάτερϑεν) übers Kreuz nach dem Knopfe (ἐπ᾿ ὀμφαλόν) 
des Joches hinauf, schlang sie um den Knopf und zog sie ebenso 
hinter dem Ringe wieder hinab; dieses Herumschlingen wurde drei- 
mal (τρίς) wiederholt und schliefslich die noch übrig bleibenden En- 
den des Riemens neben dem Spannnagel oder an diesem selbst fest- 
gebunden (ἑξείης κατέδησαν). Gegen die Weise, in der Grashof das 
dreimalige Umbinden des Riemens auffafst, läfst sich kaum etwas 
einwenden, wohl aber dagegen, dafs er die schliefsliche Befestigung 
der übrig bleibenden Enden in unmittelbarer Nähe der Stelle an- 
nımmt, an welcher das Umbinden erfolgt war. 

Das ξυγόδεσμον hatte nach der Angabe des Dichters die an- 
sehnliche Länge von neun Ellen. Wollen wir aber auch der 
Deichsel und dem Joche des damaligen Wagens die grölste denk- 
bare Stärke zuerkennen, beinahe neun Ellen des Riemens konn- 
ten bei dreimalisem Umbinden um die beiden Stücke unmöglich 
aufgebraucht werden. Aufserdem spricht alle Wahrscheinlichkeit 
dafür, dafs die Deichsel und das Joch aus verhältnismälsig dünnen 
Holzstangen bestanden. Einerseits nämlich ergiebt sich aus dem 
Epos,!) dafs die eine wie das andere nicht selten zerbrach. Anderer- 
seits zeigen die archaischen griechischen Denkmäler durchweg 
eine auffällig dünne Deichselstange. Wenn sie uns über die Stärke 
des Joches keinen Aufschlufs geben, so dürfen wir die That- 
sache geltend machen, dafs das Joch auf altorientalischen Bild- 
werken, wo es deutlich erkennbar ist, stets als ein sehr dünner, 
bogenartig gekrümmter Stab behandelt erscheint,’) dafs es auch an 
den in einem cornetaner Grabe gemalten Rennwagen eine sehr leichte 
Konstruktion erkennen läfst (oben Seite 141,142 Fig. 35,36). Nehmen 
wir an, dafs bei dreimaligem Umbinden eines neun Ellen langen 
Jochriemens um eine Deichsel und ein Joch von ähnlich geringer 
Stärke 2/, Ellen aufgebraucht wurden, so ist das gewils nicht zu 
knapp bemessen. Hiernach wären am Geschirre des Priamos von dem 
Jochriemen immer noch zwei mindestens 35V, Ellen lange Enden übrig 
geblieben, die unmöglich neben der Deichselspitze, sondern nur ın 
beträchtlicher Entfernung von ihr befestigt werden konnten. Ich ver- 


1) Oben $. 146, Anm. 3—4. 2) Vgl. die ägyptischen Joche bei Wilkinson- 


Birch, the manners and customs of the ancient Egyptians 1 p. 227 n. 60, p. 229 
n. 61, p.236 n.68, das Joch am Wagen eines Rutennu oder Lutennu (Kollektiv- 
name der in Syrien und Mesopotamien ansässigen Völkerschaften) bei Wilkinson 


a.a.0.p.230 π. 68, die assyrischen Joche bei Layard, the mon. of Nineveh pl. 16. 


152 Tektonisches. 


mute demnach mit Leaf, dafs diese Enden nach dem Wagenstuhle 
hinübergespannt und an der Brüstung desselben festgebunden wurden. 
Der statische Vorteil, welcher sich hierbei ergab, wurde bereits bei 
Besprechung ähnlicher, an dem assyrischen Wagen nachweisbarer 
Vorriehtungen erläutert.) Das Adverb ἑξείης scheint, wie bereits 
Leaf”) vermutet hat, verdorben. An seiner Stelle wird ursprünglich 
ein den späteren Griechen nicht mehr geläufiges Substantiv gestanden 


Fig. 40. 


haben, welches einen Teil der Wagenbrüstung oder einen an der 
letzteren angebrachten Halter bezeichnete. 

Nach der Beschreibung des Dichters erhielten die überschüssigen 
Enden des ‚Jochriemens, nachdem sie angebunden worden waren, eine 
weitere Festigung dadurch, dafs man sie unter einer Spitze oder unter 
einem Haken umbog. Der hierfür gebrauchte Ausdruck (ὑπὸ γλωχῖνα 
δ᾽ ἔχαμψαν) ist jedoch zu allgemein gehalten, als dafs man eine Ver- 
mutung über die betreffende Vorrichtung wagen könnte. Auch das 


1) Oben Seite 133—134. 2) Journal of hell. studies V p. 189—190. 


IX. Die Wagen» 155 


archäologische Material giebt hierüber keinen Aufschlufs. Doch mache 
ich der Vollständigkeit halber auf eine korinthische Vase aufmerksam, 
auf welcher der Streitwagen des Hektor am oberen Rande der Brüstung 
einen, wie es scheint, um ein Charnier beweglichen Haken zeigt, der mög- 
licherweise zu einem ähnlichen Zwecke gedient haben kann (Fig. 40).') 

Schliefslich füge ich, um die von mir begründete Auffassung zu 
verdeutlichen, noch einige Skizzen bei. 

Fig. 41 stellt die Deichsel mit dem in ihr steckenden Spannagel 
dar. Die Form, 
die ich ihr ge- 
geben, ist da- 
durch gerechtfer- 
tigt, dafs dieselbe 
auf den griechi- 
schenDenkmälern 
von den Dipylon- 
vasen bis zu den grolsgriechischen Gefälsen herab als die gewöhn- 
liche erscheint.) 

Fig. 42: das Joch. Für die Form kgnn ich nicht einstehen, da 
das Joch auf keinem Denkmal der archaischen griechischen Kunst 
deutlich erkennbar ist. Die in der Mitte angebrachte Wölbung ist 
der Omphalos. Ob der Joch- 
ring gerade an der Stelle nn tar 
ΟΠ angebracht war, an der ich a) ΣΝ 
ıhn wiedergegeben, bleibt ungewils.. Man kann ihn mit gleichem 
Rechte etwas weiter unten in der Mitte des vertikalen Jochrandes 
annehmen. 

Fig. 45 verdeutlicht die Weise, 
in der ich mir das Joch durch Um- 
legen des Jochringes (xo(xos) um 
den Spannnagel (ἕστωρ) auf der 
Deichsel befestigt denke. 

Fig. 44 endlich zeigt, wie nach 
Umlegen des Jochringes (d) um den 
Spannnagel (6) das ζυγόδεσμον (fff) dreimal um das Joch (bb) ge- 
bunden und die überschüssigen Enden an dem Wagenstuhle befestigt 
wurden. 

Übrigens bleibt es zweifelhaft, ob der Gebrauch diese Enden 
am Wagenstuhle zu befestigen während des homerischen Zeitalters 


Fig. 43. 


1) Nach Mon. Ann. Bull. dell’ Inst. 1855 T. 20 2) Oben Seite 150, 
Anm. 2. Dafs diese Deichselform auch beim vierräderigen Wagen zur Anwen- 
dung kam, beweist die Dipylonvase Mon dell’ Inst. VIII T. 39. 


154 Tektonisches. 


allgemein üblich war. Jedenfalls fehlte eine solche Verbindung an 
den Streitwagen, welche stehen blieben, während die Pferde nach 
einem Deichselbruch, noch durch das Joch verbunden, durchgingen.') 
Auch auf den archaischen Denkmälern sind vielfach Streit- und 
Rennwagen dargestellt, welche jeglicher Verbindung zwischen der 
Deichselspitze und dem Stuhle entbehren.”) Dasselbe ergiebt sich 
für den vierräderigen Wagen aus den Nachrichten, welche über 
den gordischen Knoten vorliegen. Dieser Knoten war bekannt- 


4 
4 Fig. 44. 


lich das Riemengefüge, welches am Wagen (ἅμαξα) des Gordios 
Joch und Deichsel umgab. Wenn überliefert ist, dafs der Anfang 
und das Ende des Riemens unsichtbar waren,’) und Aristobulos?) 
berichtet, Alexander der Grofse habe nach Entfernung des Spann- 
nagels das Joch mit dem darum liegenden Riemen einfach von der 
Deichsel abgezogen, so kann der Riemen keine Verbindung mit dem 
Wagenstuhle gehabt haben; denn in diesem Falle würden die an dem 
letzteren befestigten Enden sichtbar gewesen sein und Alexander 
hätte, um das Joch von der Deichsel abzuziehen, nicht nur den 
Spannnagel entfernen, sondern auch die Enden des Riemens von 
der Stuhlbrüstung ablösen müssen. 

Wie das Epos bezeugt,’) kam es häufig vor, dafs die Deichsel 
unmittelbar an der Spitze abbrach. Es leuchtet ein, dafs bei der 
von mir nachgewiesenen Anordnung ein Bruch an dieser Stelle be- 
sonders leicht stattfinden konnte, da die Widerstandskraft der 


1) Seite 146, Anm. 3. 2) Vgl. z.B. die Dipylonvase Mon. dell’ Inst. VIII 
T. 39 (Seite 138 Fig. 32), die korinthischen Vasen Mon. dell’ Inst. X T. 3, 4 (die 
bei den Leichenspielen des Pelias laufenden Viergespanne) und Mon. Ann. Bull. 
1885 T. 20 (unsere Fig. 40). 3) Arrian. anab. II 3, 7: ἦν δὲ ὁ δεσμὸς ἐκ 
φλοιοῦ κρανέας καὶ τούτου οὔτε τέλος οὔτε ἀρχὴ ἐφαίνετο. 4) Arrian. anab. II 
3, 1. 5) I. VI 38—41, XVI 370—371 (oben Seite 146, Anm. 3). 


IX. Die Wagen. 155 


Stange daselbst durch das Eintreiben des Spannnagels geschwächt 
und zugleich durch den Druck des darauf liegenden Joches stark in 
Anspruch genommen war. 

Die Pferde wurden an das Joch angeschirrt durch breite lederne 
Gurte (Aenedve'), die um ihren Bug herumreichten. Diese Zugbänder 
waren, wenn man die Tiere unter das Joch führte, bisweilen schon 
an dem letzteren befestigt;?) in anderen Fällen dagegen wurden sie 
erst umgelegt, als die Pferde bereits unter dem Joche standen.°) 
Wenn das zum Gespanne des Priamos gehörige Joch als „wohl mit 
Haken oder Klammern (oinxeg) versehen“ bezeichnet wird,*) so sind 
hierunter vielleicht metallene Haken oder Klammern zu verstehen, 
welche zur Befestigung der Zugbänder dienten.) Grashof‘) hingegen 
erkennt darin Vorrichtungen, welche das Abgleiten der über dem 
Joche hergehenden Zügel nach den Seiten hin verhüten sollten, Vor- 
richtungen, welche sich den Ringen vergleichen lassen würden, die 
auf ägyptischen (Fig. 23)°) und assyrischen Denkmälern (Fig. 27) zu 
dem gleichen Zwecke nicht an dem Joche, aber an den die Hälse 
der Pferde bedeckenden Schabracken angebracht sind. Wenn derselbe 
Gelehrte?) vermutet, dafs das Zugband vermittelst eines zwischen 
den Vorderbeinen des Pferdes durchreichenden Riemens mit einem 
nahe an den Schulterblättern um den Leib geschnallten Gurt ver- 
bunden gewesen sei, so hat er, obwohl das Epos weder jenes Kiemens 
noch des Bauchgurtes gedenkt, entschieden Recht; denn ohne eine 
derartige Verbindung würde das Zugband heraufgerutscht sein und 
dem Pferde den Hals zugeschnürt haben. Allerdings zeigen assyrische 
Reliefs, welche das Pferdegeschirr in sehr ausführlicher Weise ver- 
gegenwärtigen, nur einen Brustgurt (8.135 Fig.28). Da jedoch die Poly- 
chromie in der assyrischen Skulptur eine hervorragende Rolle spielte,”) 
so fragt es sich, ob nicht gewisse Einzelheiten lediglich durch die 
Farbe angedeutet waren und infolge dessen mit der Zeit unkenntlich 
geworden sind. | 

Das Joch wurde, ähnlich wie es in Ägypten und in Assyrien 


1) I. V 730 (oben Seite 147, Anm. 1), XIX 392: ἵππους δ᾽ Αὐτομέδων re’ 
καὶ Ἄλκιμος ἀμφιέποντες | ξεύγνυον᾽ ἀμφὶ δὲ καλὰ λέπαδν᾽ ἕσαν, ἐν δὲ χαλινοὺς] 
γαμφηλῇς ἔβαλον. 2 Mer Ve ϑὺ  151:: 8) Il. XIX 393. 4) I. XXIV 269 
(oben Seite 147). 5) Man kann sich die Sache so denken, dals das Joch 
mit Haken versehen war, in die an den Brustriemen befestigte Ringe ein- 
griffen, oder umgekehrt. Auf die eine wie die andere Vorrichtung palst der 
Ausdruck, welcher Il. V 730 von der Befestigung dieser Riemen an das Joch 


gebraucht wird: ἐν δὲ λέπαδνα | καλ᾽ ἔβαλε, χρύσεί᾽. 6) A. ἃ. 0. ν. 87. 
7) Aufserdem z. B. auch an dem Gespanne des zweiten liamses bei Rosellini, 
mon. dell’ Egitto I (mon. reali) T. LXXXIV. 8) A. a. OÖ. p. 39. 9) Perrot 


et Chipiez, histoire de l’art Il p. 653—661. 


150 Tektonisches. 


(Fig. 22, 27, 28) zu geschehen pflegte, an einer verhältnismäfsig 
hohen Stelle aufgelegt, derartig, dafs es die Mähnen der Pferde zu- 
sammenhielt; denn das Epos berichtet, dafs, wenn ein Pferd den 
Kopf senkt, die Mähne aus dem Geschirre herausfällt und zu beiden 
Seiten des Joches herabhängt') — wo unter den beiden Seiten natür- 
lich die beiden Vorderseiten des Joches zu verstehen sind. 

Das Gebils (χαλινός)") war an einem Riemen befestigt, der über 
die Backenknochen und den Kopf herumreichte und in der späteren 
griechischen Sprache κορυφαία) heilst. Das Epos gedenkt dieses 
Riemens nirgends, bezeugt aber seine Existenz durch den an einer 
Stelle der Ilias?) erwähnten elfenbeinernen Wangenschmuck, der doch 
nur an einem längs der Backen des Pferdes hinlaufenden Riemen an- 
gebracht werden konnte. Auf ägyptischen?) und assyrischen Bildwerken 
(8.126 Fig. 23, 5.194 Fig. 27) erscheint dieser Riemen häufig mit einem 
reich ornamentierten Plättchen geschmückt, von dem es allerdings 
zweifelhaft ist, ob wır dasselbe gerade aus Elfenbein oder aus einem an- 
deren Materiale gearbeitet zu denken haben. Der sich über die Backen 
erstreckende Riemen wurde durchkreuzt von einem anderen, der um 
die Stirn und den Ansatz des Halses herumlief. Das öfters den 
Pferden beigelegte Epitheton yovodunvxsg‘®) beweist, dals er ἄμπυξ 
hiefs und bisweilen, sei es auch nur auf der Stirnseite, mit Gold- 
blech überzogen war. Die Zügel (via) endlich bestanden aus rinds- 
ledernen Riemen (ßosoı iucdvres),'‘) als deren Schmuck aufgenähte 
Elfenbeinplättchen®) und Goldbeschläge”) namhaft gemacht werden. 

Kürzer als über das Fuhrwesen darf ich mich über die Schiffe") 
fassen. Da nämlich keine Denkmäler vorhanden sind, welche über 
den inneren Bau der Schiffe Aufschlufs geben, so hat sich die 
Untersuchung auf die äufsere Form derselben zu beschränken. 


1) 11. XVII 436: ὡς μένον ἀσφαλέως περικαλλέα δίφρον ἔχοντες, | οὔδει Evı- 
σκίμψαντε καρήατα... 489... ϑαλερὴ δὲ μιαίνετο χαίτη | ξεύγλης ἐξεριποῦσα 
παρὰ ζυγὸν ἀμφοτέρωϑεν. XIX 405: ἄφαρ δ᾽ ἤμυσε καρήατι" πᾶσα δὲ χαίτη | 
ξεύγλης ἐξεριποῦσα παρὰ ξυγὸν οὖδας ἵκανεν. Vgl. XXIII 288---284. Ζεύγλη be- 
zeichnet hier offenbar den ganzen, zum Anschirren (ζεύγνυμι) dienenden Apparat, 
also zugleich das Joch und die von ihm auslaufenden Riemen. 2) DU. XIX 
393 (oben Seite 155, Anm. 1). 3) Pollux, onom. I 147. 4) Il. IV 141: ὡς 
δ᾽ ὅτε τίς τ᾽ ἐλέφαντα γυνὴ φοίνικι μιήνῃ | Mnovis ἠὲ Κάειρα, παρήϊον ἔμμεναι 
ἵππων. 5) So z. Β. an den Pferden des zweiten Ramses bei Rosellini, mon. 
dell’ Egitto I T. LXXXIV. 6) Il. V 358, 363, 720, VII 382: χρυσάμπυκας 
ἵππους. T) U. XXIII 324 (oben Seite 128—129, Anm. 7). 8) I. V 583: ἡνία 
λεύκ᾽ ἐλέφαντι. 9) 1]. VI 205, Od. VIII 285 (oben Seite 109, Anm.1). 10) Vgl. 
hierüber im besonderen Grashof, über das Schiff bei Homer und Hesiod (Düssel- 
dorf 1834) p. 8ff. und Brieger im Philologus XXIX (1870) p. 193—210. 


X. Die Schiffe. 157 


X. Die Schiffe. 


Vollständig klar ist die Bedeutung des Adjektives ὀρϑόκραιρος 
„mit aufrecht stehenden Hörnern versehen“, welches sowohl den Rin- 
dern!) wie den Schiffen?) beigelegt wird und sich in dem letzteren 
Falle nur auf ein hornartig emporsteigendes Vorder- und Hinterteil 
beziehen kann. Ebenso leuchtet es ein, dafs dieses Epitheton, auf 
das Schiff angewendet, nur dann zutreffend war, wenn die beiden 
Schifisenden, wie die Hörner des Rindes, die oleiche Höhe hatten. 


Derartig gebaut waren die Fahrzeuge der Nordvölker,?) welche im 
13. Jahrhundert v. Ohr. einen Angriff auf Agypten unternahmen, aber 
von dem dritten Ramses sowohl zu Lande wie zur See zurück- 
geschlagen wurden — Völker, deren Heimat, wie es scheint, 
ın Kleinasien anzunehmen ist. Die Vorder- und die Hinterteile 
ihrer Schiffe sind gleich hoch; das eine wie das andere be- 
steht aus einem dicken Balken, der nach auswärts unmerklich 


1) D. VIII 231, XVII 573; Od. XII 948; Hymn. III (in Mercur.) 220: βοῶν 
ὀρϑοχραιράων. Vgl. Hymn. II (in Mercur.) 209: βουσὶν ἐὐκραίρῃσιν; Aeschyl. 
suppl. 300: ἐπ᾽ εὐκραίρῳ βοΐ. 2) 1]. XVII 3, XIX 344: προπάροιϑε νεῶν ὀρϑο- 
κραιράων. Vgl. Grashof, über das Schiff bei Homer und Hesiod p. 17; Doeder- 
lein, homerisches Glossarium Il p. 201—202. Die sonstige Literatur über das 
Wort findet man bei Ebeling, Lexicon Homericum II 5. v. ὀρϑόκραιρος. 8) Ro- 
sellini, mon. dell’ Egitto I (mon. reali) T. CXXXI (hieraus ist unsere Fig. 45 
entnommen); Champollion, mon. de l’Egypte III pl. COXXII; Chabas, &tudes sur 
l’antiquite prehistorique 2. 64. pl. 1 p. 309—313. 


158 Tektonisches. 


gesenkt ist und oben in einen Vorsprung endet, dessen Form an die 
eines Vogelkopfes erinnert (Fig.45)'). Ebenso haben an den stachel- 
losen phönikischen Schiffen, die auf einem bereits erwähnten, im 
Palaste des Sanherib gefundenen Relief dargestellt sind, beide Enden 
die gleiche Höhe; doch erheben sie sich hier nicht geradlinig über 
dem Wasserspiegel, sondern unter einer eleganten, oben ausgeschweiften 
Kurve (Seite 79, Fig. 16).”) 

Fragen wir nunmehr, ob das Schiff des homerischen Zeitalters 
dem ersteren oder dem letzteren Typus näher verwandt war, so geben 
hierüber die Adjektive κορωνίς und ἀμφιέξλισσα den erwünschten Auf- 
schlufs. Das erstere?) kommt in der späteren griechischen Literatur?) 
als Epitheton der Rinder vor und bezieht sich in diesem Falle offen- 
bar auf die krummen Hörner. Substantivisch gebraucht, bezeichnet 
es ferner die krumme Linie, durch welche in den antiken Ausgaben 
griechischer Tragödien das Abtreten des Chores oder eines Schau- 
spielers und der Wechsel der Scene angemerkt wurden, sowie den 
Schnörkel, mit dem die Schreiber ein Buch oder den Abschnitt eines 
Buches abzuschliefsen pflegten.°) Nnjeg xoowvideg ist demnach zu 
übersetzen durch „die krummen Schiffe“ Allerdings palst diese Be- 
zeichnung auf mancherlei Teile und auch auf die Rippen und den 
Bauch des Schiffes. Doch würde der Hinweis auf die Beschaffenheit 
solcher einzelner Teile den Prinzipien zuwiderlaufen, welche die 
Dichter des Epos bei der Wahl der Epitheta zu befolgen pflegen. 
Die Epitheta vergegenwärtigen das Wesentliche in der Erscheinung 
des Gegenstandes, den sie charakterisieren sollen; sie heben demnach 
niemals nebensächliche Eigenschaften hervor, sondern ausschliefslich 
solche, welche nachdrücklich auf das Auge wirken und dem Gegen- 
stande seinen besonderen Typus verleihen. Hiernach dürften etwaige 
Versuche das Adjektiv χορωνίς auf die Krümmung der Rippen 
oder des Bauches®) zu beziehen, schwerlich Billigung finden. Die 


1) Das vogelkopfartige Motiv scheint ein Vorläufer des γηνίσκος zu sein. 
2) Vgl. oben Seite 78—79. 3) Nnvoi κορωνίσι(ν): 1]. I 170, II 392, IX 609, 
XI 228, XV 597, XVII 58, 338, 439, XX 1, XXII 508, XXIV 115, 136. Noyeooı 
rogwvicı(v): Il. II 771; Od. XIX 182, 193, XXII 465. 4) In dem Idyll. incert. 
IX (Theoer. XXV) 151: ἐπὶ βουσὶ κορωνίσι. Archiloch. im Etym. m. p. 530, 27; 
Etym. gud. p. 339, 31 (fragm. 38 Bergk): βοῦς ἐστὶν ἡμῖν ἐργάτης ἐν οἰκίῃ | κο- 
owvög. Verwandt ist das den Rindern im Epos gegebene Epitheton ἕλιξ, welches, 
wie es scheint, ebenfalls „krummgehörnt‘“ bedeutet: (I. IX 466, XV 633, XXI 
448, XXIII 166; Od. I 92 und sonst. Vgl. im besonderen Hymn. ΠῚ (in Mercur.) 
192: βοῦς. ... negdeoow ἕλικτάς. 5) Vgl. Gardthausen, griech. Paläographie 
p- 277; Birt, das antike Buchwesen p. 102, 444, 468. 6) Auf den Bauch des 
Schiffes wird dieses Epitheton von Doederlein, homerisches Glossarium II p. 47 
bezogen. 


X. Die Schiffe. 159 


Form der Rippen war nämlich nur für die in dem Fahrzeuge 
selbst befindlichen Personen wahrnehmbar. Was aber die Krümmung 
des Bauches betrifft, so trat diese Erscheinung, mochte das Schiff 
auf der See dahinsegeln oder auf den Sand gezogen sein, gewils zurück 
hinter dem Eindrucke, welchen der ganze Schiffskörper mit seinen 
hoch emporragenden Enden hervorrief. Das Epitheton kann somit 
nur die gebogene Linie vergegenwärtigen, welche der Umrils eines 
solchen Schiffskörpers dem Auge darbot. Ist dies aber richtig, so 
ergiebt sich eine Form, welche der vorn wie hinten gleichmälsig aus- 
geschweiften des phönikischen Schiffes näher steht, als derjenigen des 
Fahrzeuges der Nordvölker, an dem die beiden Enden eine gerad- 
linige Richtung verfolgen. 

Die schlagendste Bestätigung für diese Annahme bietet jedoch 
das Epitheton ἀμφιέλισσα..) Dieses nur im Femininum vorkommende 
Adjektiv?) ist aus demselben Stamme wie das Verbum ἑλίσσω ge- 
bildet und demnach zu übersetzen durch „auf beiden Seiten gewunden“ 
oder „auf beiden Seiten ausgeschweift“.”) Eine besondere Wider- 
legung der früher herrschenden Ansicht, dafs es „auf beiden Seiten 
gerudert“ bedeute, kann ich mir ersparen, da diese Ansicht, aufser 
von Düntzer,*) von allen neueren Erklärern verworfen worden ist.?) 
Ebensowenig brauchen Vermutungen, wie die, dafs das Epitheton 
auf die Rippen oder auf den Bauch des Schiffes®) zu beziehen sei, 
ausführlicher erwogen zu werden; denn es sprechen dagegen dieselben 
Gesichtspunkte, die bei Erörterung des Adjektives χορωνές geltend 
gemacht wurden, und aufserdem noch die Erfahrung, dafs die aus dem 
Stamme ἕλικ abgeleiteten Worte niemals eine einfache Krümmung, 
wie sie von den Rippen oder dem Bauche eines Schiffes gebildet wırd, 
sondern stets eine mehrfach gebogene oder ausgeschweifte Kurve be- 
zeichnen.”) Hiernach kann sich das Epitheton ἀμφιέλισσα auf nichts 

1) Neög ἀμφιελίσσης: Od. VII 252, X 156, XII 368, XV 283, XXI 390. 
Nies ἀμφιέλισσαι: Od. VI 264, IX 64. Νέες ἀμφιέλισσαι: 1]. XII 174, XV 549; 
Od. VII 9. Νῆας ἀμφιελίσσας: N. II 165, 181, IX 683, XVII 260. Νέας ἀμφι- 
sAlooag: Il. XVII 612; Od. III 162, X 91, XIV 258, XVII 427. 2) Das Mascu- 
linum würde ἀμφιέλιξ gelautet haben. Vgl. Lobeck, paralip. gramm. graecae 
p. 472—473. 3) Vgl. im besonderen Grashof, über das Schiff bei Homer und 
Hesiod p.17 und Murray in den Anmerkungen zu Butcher und Lang, the Odyssey 
done into english prose 2. ed. p. 413—414, der dieses Epitheton durch den 
Vergleich mit den Schiffen der Völker des Nordens zu veranschaulichen sucht. 


4) Neue Jahrbücher für Philologie 69 p. 607. 5) Vgl. hierüber Grashof a. a. 0. 
p: 17. 6) So Doederlein, hom. Glossarium II p. 41. Ganz vereinzelt steht die 
Ansicht von Ahrens in der Zeitschr. für Alterthumswissenschaft 1836 p. 8230 n. 7, 
dals ἀμφιέλισσαι wie ἔϊσαν und ἔοικε von einer Wurzel FAur abzuleiten und 
durch „auf beiden Seiten passend“ zu übersetzen sei. 7) Vel. Curtius Grund- 


züge ἃ. gr. Etymologie 4. Aufl. p. 361 n. 527. 


100 ΠΣ ΟΣ ΗΒ 


anderes beziehen als auf die ausgeschweiften Schiffsenden, wie dies 
auch von beinahe allen neueren Erklärern anerkannt wird. Es palst 
also genau auf ein Schiff, welches wie das zum Vergleich heran- 
gezogene phönikische ein oben ausgeschweiftes Vorder- und Hinter- 
teil hatte. Auch stimmt das Resultat, dafs die Schiffe des homerischen 
Zeitalters der letzteren Gattung ähnlicher waren als den Schiffen, auf 
denen die Völker des Nordens gegen Ägypten fuhren, auf das beste 
mit dem chronologischen Verhältnisse überein; denn die Blüte des 
Epos liegt der Zeit des Sanherib, welcher die bildlichen Darstellungen 
der phönikischen Gattung angehören, näher als dem 13. Jahrhundert 
v. Chr., in welchem jene Nordvölker Ägypten bedrohten. 

Hierdurch findet auch die bereits im V. Abschnitte begründete 
Annahme, dafs die Schiffe des homerischen Zeitalters der Rostra ent- 
behrten, eine weitere Bestätigung. Es leuchtet nämlich ein, dafs ein 
unter einer Kurve emporsteigender Vorderbug zum Anrennen eines 
feindlichen Fahrzeuges keineswegs geeignet war, da die hervorragen- 
den Teile bei dem Zusammenstofse notwendig beschädigt werden 
mulsten. Die seekundigen Völker des Mittelmeergebietes haben diese 
Schwierigkeit richtig erkannt und ihr bei dem Baue der Stachelschiffe 
in verschiedener Weise zu begegnen versucht. Die phönikischen Bau- 
meister, welche zur Zeit des Königs Sanherib thätig waren, schlossen 
den Vorderbug dieser Fahrzeuge durch eine glatte senkrechte Wand 
ab (Seite 78 Fig. 15). Eine andere nicht weniger zweckmälsige Bau- 
weise zeigen die auf den Dipylonvasen 
(Seite 77 Fig. 13, 14) und den ihnen 
verwandten Denkmälern (Fig. 46)') dar- 
gestellten Stachelschiffe, indem hier der 
Vorderbug unter einer leicht konkaven 
Fläche nach dem Wasserspiegel abfällt. 
Bei der einen wie der anderen Kon- 
struktion hatte der Sporn vollständig 
freien Spielraum und war die Möglichkeit ausgeschlossen, dafs der 


Fig. 46. 


Vorderbug beim Anpralle beschädigt wurde. 

Durch den Nachweis der Form des homerischen Schiffes wird 
der Hintergrund der Ilias um einen charakteristischen Zug bereichert. 
Stände der Leser auf der Höhe des Ida und überschaute von hier 
aus den troischen Strand, wie er sich der Phantasie der Dichter 


1) Dieses Schiff ist eingraviert auf einem in Böotien bei Theben gefundenen 
bronzenen Diadem, dessen figürlicher und ornamentaler Schmuck einen dem der 
Dipylonvasen nahe verwandten Stil bekundet: Ann. dell’ Inst. 1880 Tav. d’agg. 
α 1—3 p. 124 ff. Vgl. unseren XXX. Abschnitt. 


X. Die Schiffe. 161 


darstellte, so würde zunächst das formen- und farbenreiche Bild’ des 
achäischen Lagers seinen Blick auf sich ziehen. Weit und breit ist 
das Gefilde mit Blockhäusern!) bedeckt, deren gelbe mit Stroh oder 
Schilf bedeckte Dächer einen scharfen koloristischen Gegensatz zu 
den grauen, von der Hitze ausgetrockneten Holzbalken der Wände 
bilden; hie und da funkelt der Metallbeschlag eines mit der Deichsel 
an eine Aulsenwand .angelehnten Streitwagens?) unter dem grellen 
Lichte der Sonne; auf den Stralsen, welche das Lager durchschneiden, 
bewegen sich in buntem Gewimmel die Achäer, kriegerischen wie 
friedlichen Beschäftigungen nachgehend. Mehr nach dem Strande zu 
wird das Bild ruhiger. Weithin erstreckt sich die Düne und auf 
ihrem weifslichen Sande stehen in mehreren langen Reihen hinter- 
einander geordnet die Schiffe. Die kühn geschwungenen Enden ragen 
dräuend empor und heben sich mit ihrem dunklen Tone”) von dem 
tiefblauen Gürtel des Meeres und von dem durchsichtigen lıcht- 
setränkten Azur des kleinasiatischen Himmels ab. 

Es gilt nunmehr die Erscheinungsweise der menschlichen Ge- 
stalten zu vergegenwärtigen, durch welche wir diese Landschaft be- 
lebt zu denken haben. 


II. Die Tracht. 


Um das historische Verständnis der homerischen Tracht zu er- 
leichtern, sei hier zunächst auf einige Thatsachen hingewiesen, welche 
die Geschichte der griechischen Tracht überhaupt betreffen und die 
neuerdings Studniezka,‘) zunächst unabhängig von den einschlagenden 
Stellen des Epos, richtig dargelegt hat. 

Die Tracht der Griechen wie der meisten indoeuropäischen Völ- 
ker scheint während der Urzeit aus einem wollenen Zeugstücke, das 
um den Körper gelegt und unweit der Schultern genestelt wurde, 


1) I. XXIV 448—456. 2) 11. VII 435; Od.IV 42. 3) Die Schiffe hatten einen 
im ganzen schwarzen Anstrich, der vermutlich aus flüssigem Pech bestand. Daher 
die Epitheta μελαίνη und κυανόπρωρος oder κυανοπρώρειος, wo κύανος offenbar die- 
selbe Farbe bezeichnet wie μέλας (vgl. besonders Od. XIV 308 und 311, wo dasselbe 
Schiff μελαίνη und gleich darauf κυανόπρωρος heilst). Dagegen waren die Seiten 
des Vorderteiles rot angestrichen (Tl. II637; Od. IX 125: νέες μιλτοπάρῃοι. Od. ΧΙ 
124, XXIII 271: ν. φοινικοπαρήους). Dieser Gebrauch wurde vielleicht dadurch ver- 
anlafst, dafs es bei der gleichen Form der beiden Schiffsenden zweckmälsig schien 
eines derselben durch eine besondere Farbe zu markieren, was z. B. bei dem gegen- 
seitigen Ausweichen der Schiffe nützlich sein konnte. 4) Beiträge zur Ge- 
schichte der altgriechischen Tracht (Abhandlungen des archäol.-epigraph. Semi- 
nars der Universität Wien VI 1) p. 1—30. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 11 


162 Die Tracht. 


und-aus einem hosenartigen Schurze bestanden zu haben.') In sehr 
früher Zeit jedoch und schon vor Entstehung des Epos trat an die 
Stelle des Schurzes der Chiton, ein genähter Leibrock, den man an- 
zog und der keiner festigenden Zuthat bedurfte. Dieses Kleidungs- 
stück wurde aus semitischem Kulturkreise nach Griechenland ver- 
pflanzt. Χιτών, neuionisch χυϑών. ist aus einem semitischen Sub- 
stantive gebildet, welches Leibrock bedeutet und im Hebräischen, wie 
es scheint, kuttonet — wohl das Femininum zu einem nicht vorhan- 
denen kuttöon —, im Syrischen kuttin, in anderen aramäischen Dia- 
lekten vermutlich kittün oder kittünithä lautete?) Dieses Substantiv 
hängt offenbar zusammen mit dem die Leinwand bezeichnenden Worte, 
welches im Aramäischen unter den Formen kettän oder kittän, im 
Arabischen als kattän oder kittän vorkommt.?) Hiernach dürfen wir 
annehmen, dafs jene Leibröcke nach dem Stoffe benannt, also aus 
Leinwand gearbeitet waren. Dafs die Griechen dieses orientalische 
Kleidungsstück und das Wort dafür schon in vorhomerischer Epoche 
erhielten, ergiebt sich daraus, dals das Substantiv χιτών in der epi- 
schen Sprache allgemein gebräuchlich ist. Da dasselbe jedoch von 
den Dichtern nur zur Bezeichnung der männlichen Tracht verwendet 
wird, so scheint es, dafs damals nur die Männer den genähten, orien- 
talischen Leibrock trugen, die Frauen dagegen noch an dem älteren 
Gewande festhielten, welches umgelegt und genestelt wurde. Stud- 
niezka hat hierüber durch die richtige Erklärung einer vielfach er- 
örterten Stelle des Herodot?) das erwünschte Licht verbreitet. Die 
Erzählung des Herodot lautet in aller Kürze folgendermafsen: Von 
einer unglücklichen Expedition, welche die Athener gegen Aigina 
unternommen hatten, kehrte nur ein Mann nach Athen zurück und 
wurde von den Frauen der bei der Expedition Gebliebenen mit den 
Heftnadeln ihrer Himatien zu Tode gestochen. Infolgedessen ver- 
ordneten die Athener, dafs ihre Frauen von nun an nicht mehr do- 
rısche Kleidung, sondern linnene ionische Chitone tragen sollten, die 
keiner solchen gefährlichen Nadeln bedurften. Der Schriftsteller fügt 
noch bei, dafs die Kleidung, welche zu seiner Zeit als die dorische 
bezeichnet wurde, ursprünglich den Frauen aller griechischen Stämme 
gemeinsam gewesen und die sogenannte ionische karischen Ursprungs 
sei. Das Unternehmen der Athener gegen Aigina wird mit gröfster 
Wahrscheinlichkeit m der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts ange- 


1) Studniczka a. a. O. p. 76—77, p. 82—83. 2) Movers, die Phönizier 
II 1 p. 97. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere 3. Ausg. p. 146, 4. Ausg. 
p. 137. Nöldeke bei Studniczka a. a. 0. p. 15—16. 3) Nöldeke a. a. O. p. 15. 
4) V 82—88. 


Die Tracht. 163 


nommen. Wir dürfen demnach voraussetzen, dafs die attischen Frauen 
um jene Zeit das bisher übliche, sogenannte dorische Gewand aufzu- 
geben und sich ionisch zu kleiden anfingen. Aufserdem lassen sich 
aus den Namen der beiden Trachten zweierlei Schlüsse ziehen. Wenn 
die jüngere den Namen der ionischen führt, so beweist dies, dafs sie 
aus Jonien nach Griechenland gelangte und demnach bei den ioni- 
schen Frauen früher im Gebrauch war als bei den attischen. Anderer- 
seits muls sich die ältere Tracht, da sie von den Schriftstellern des 
5. Jahrhunderts als dorische bezeichnet wird, bei den Dorierinnen 
erhalten haben, nachdem sie von den Ionierinnen und Athenerinnen 
aufgegeben worden war, wie denn auch aus dem Berichte des Hero- 
dot!) erhellt, dafs zur Zeit dieses Schriftstellers die Frauen zu Korinth, 
Arsos und auf Aigina dorische Kleidung trugen. Endlich verdient es 
noch besondere Beachtung, dafs Herodot dem dorischen Gewande den 
linnenen ionischen Chiton gegenüberstellt; denn wir dürfen daraus 
entnehmen, dafs das erstere aus einem anderen Stoffe und zwar aus 
Wolle gearbeitet war. 

Neben den Thatsachen, welche sich aus der Erzählung des 
Herodot für die Geschichte der griechischen Frauentracht ergeben, 
stehen die Angaben, welche Thukydides?) über die Entwicke- 
lung der Männertracht macht. Er .berichtet, die Athener seien 
zuerst unter den Griechen von einer barbarischen zu einer weich- 
licheren Lebensweise übergegangen; erst vor kurzem hätten ın Athen 
die bejahrten Männer aus den wohlhabenden Klassen aufgehört linnene 
Chitone zu tragen und das Haar in künstlicher Weise anzuordnen; 
die älteren Leute unter den Ioniern hätten wegen ihrer Stamm- 
verwandtschaft mit den Athenern lange an derselben Mode festgehalten; 
die zu seiner Zeit übliche mafsvolle Kleidung sei zuerst bei den 
Lakedämoniern in Aufnahme gekommen und hiermit bei diesen zuerst 
der Unterschied beseitigt worden, der bisher hinsichtlich der Tracht 
zwischen Reichen und Armen geherrscht habe. Wenn hier Thuky- 
dides die ionische Mode aus Attika ableitet, statt den umgekehrten 
Weg anzunehmen, so ist dieser Irrtum bei den Anschauungen, welche 
die Athener über ihr Verhältnis zu den ionischen Kolonien hatten, leicht 
begreiflich. Im übrigen läfst sich gegen seine Darlegung nichts ein- 
wenden. Sie unterscheidet drei Kulturperioden. Die älteste barba- 
rische, für welche der allgemeine Gebrauch des Waffentragens be- 
zeichnend war, hatte sich, wie der Schriftsteller im vorhergehenden 
angiebt, bei gewissen in der Kultur zurückgebliebenen Völkerschaften 
von Hellas, bei den Epeiroten, Akarnanen, Aetolern uud Lokrern, bis 


1) V 87, 88. 2) 1 6, 2 (oben Seite 40 Anm. 5). 


104 Die Tracht. 


auf seine Zeit erhalten. Die zweite Periode der weichlicheren Lebens- 
weise trat mit geordneten städtischen Zuständen ein. Für die Männer- 
tracht dieser Periode war im besonderen der linnene Chiton bezeich- 
nend, der, wie bereits bemerkt, schon vor Entstehung des Epos, also 
mindestens 300 Jahre, bevor der entsprechende weibliche Chiton in 
Attika eingeführt wurde, zu den Griechen gelangt war und in Ionien 
und Attika von den älteren Männern aus den wohlhabenden Klassen 
bis gegen die Mitte des 5. Jahrhunderts getragen wurde. Die An- 
gabe, dafs die mafsvolle Kleidung der dritten Periode zuerst in Lake- 
dämon aufkam, läfst darauf schliefsen, dafs der linnene Chiton auch 
bei dorischen Stämmen Eingang gefunden hatte — eine Angabe, die, 
wie wir im XII. Abschnitte sehen werden, in den Denkmälern Be- 
stätigung findet. Wann die dritte Periode in Lakedämon begann, 
läfst sich nicht mit Sicherheit bestimmen. In Athen erfolgte der 
Umschwung bald nach den Perserkriegen. Die Männer gaben nun- 
mehr den linnenen Chiton auf und nahmen den wollenen an, wobei 
der Name χιτών für den letzteren beibehalten wurde. In der atti- 
schen Frauentracht dagegen war der Wechsel weniger durchgreifend; 
vielmehr gingen in ihr seit der Mitte des 5. Jahrhunderts der dorische 
und der ionische Chiton neben einander her. 

Es fragt sich nunmehr, wie sich die Andeutungen, welche das Epos 
über die Tracht giebt, mit diesen sicher beglaubigten Thatsachen ver- 
einigen lassen. Wenn ich im folgenden bei einer das homerische Zeitalter 
betreffenden Untersuchung die Ausdrücke „dorisches und ionisches Ge- 
wand“ brauche, also Ausdrücke, die erst in beträchtlich späterer Zeit 
aufkamen, so thue ich es im Interesse der Kürze und weil diese Be- 
zeichnungen allgemein verständlich sind. Der Leser halte nur fest, 
dafs unter dorischem Himation oder Chiton ein viereckiges Zeugstück, 
das um den Körper gelegt und unweit der beiden Schultern genestelt 
wurde,') unter dem ionischen Chiton dagegen ein genähtes hemd- 
artiges Gewand zu verstehen ist, welches man anzog. Doch beruhte 
der Unterschied der beiden Gewänder nicht nur auf der Form, son- 
dern auch auf dem Stoffe, indem das dorische aus Schafwolle, das 
ionische aus Leinwand hergestellt zu werden pflegte. Ich betrachte 
demnach zunächst die Stellen des Epos, welche über die Stoffe, aus 
denen damals die Kleider gearbeitet wurden, Aufschluls geben. 


1) Das Nähen kam dabei, wie wir im weiteren sehen werden, nur inso- 
fern zur Anwendung, als dadurch bisweilen die seitliche Öffnung geschlossen 
wurde. 


XI. Die Stoffe der Kleider. 165 


XI. Die Stoffe der Kleider. 


Mehrfache Angaben des Epos beweisen, dafs die Verarbeitung 
der Schafwolle weit verbreitet war. An einer Stelle der Odyssee!) 
heifst es, dafs veilchenfarbene Wolle die Spindel der Helena umgab. 
Wir müssen es dahingestellt bleiben lassen, ob darunter künstliche 
Veilchenfarbe oder die Naturfarbe dunkler Schafwolle zu verstehen 
ist. Für die erstere Annahme spricht die im spartanischen Königs- 
hause herrschende Pracht, für die letztere der Umstand, dafs die 
Wolle der Schafe des Polyphem durch das gleiche Epitheton be- 
zeichnet wird.) Die Verarbeitung der Wolle war eine der Haupt- 
beschäftigungen der zahlreichen Mägde, die zu einem wohlbestellten 
Haushalte gehörten.) Man arbeitete daraus Teppiche,') Bettdecken?) 
und Mäntel (χλαῖνα), für welche letzteren mit Vorliebe Stoffe, die 
eine zottige Oberfläche hatten, verwendet wurden.) Doch finden sich 
auch Angaben, welche auf ein anderes Material schliefsen lassen. 
Wenn es von dem Chiton, den Odysseus bei seinem Aufbruche nach 
Troja trug, heifst, er sei weich wie die Schale einer trockenen Zwiebel 
und leuchtend wie die Sonne,’) und das weilse Schleiertuch (χρή- 
δεμνον) der Hera ebenfalls mit der Sonne verglichen wird,‘) so passen 
diese Angaben keineswegs auf wollene Stoffe, deren Oberfläche stets 
mehr oder minder rauh und niemals glänzend ist. Das Gleiche gilt 
für das Adjektiv σιγαλόεις „glänzend“,”) welches die Dichter zweimal 
einem Chiton,!®) aufserdem den Gewändern (εἵματα) 1) überhaupt und 
besonders häufig den Decken (6n1yea)'”) beilegen, für Aumagög „tett- 
slänzend“'?), welches als Epitheton des Schleiertuches (καλύπτρη, 
κρήδεμνον) 1) vorkommt, und für doydpeog „weilsglänzend“, wie das 


1) IV 135: ἠλακάτη τετάνυστο ἰοδνεφὲς εἶρος ἔχουσα. 2) Od. IX 426: 
(ὄϊες) ἰοδνεφὲς εἶρος ἔχοντες. 3) Il. III 387, 388. Od. XVII 316, XXII 429. 
Vgl. Il. XII 433—435. 4) Od. IV 124: τάπητα μαλακοῦ ἐρέοιο. 5) Od. 1 448: 
(Telemachos schläft) κεκαλυμμένος olög ἀώτῳ. 6) 1]. X 133: χλαῖναν περονή- 
σατο φοινικόεσσαν, | διπλῆν, ἐκταδίην, οὔλη δ᾽ ἐπενήνοϑε λάχνη. — Χλαῖνα οὔλη: 
Il. XXIV 646; Od. IV 50, 299, VII 338, X 451, XVII 89, XIX 225. 7) Od. 
XIX 232: τὸν δὲ χιτῶν᾽ ἐνόησα περὶ χροὶ σιγαλόεντα, | οἷόν Te χρομύοιο λοπὸν 
κάτα ἰσχαλέοιο" | τὼς μὲν ἔην μαλακός, λαμπρὸς δ᾽ ἦν ἠέλιος ὥς. Vgl. auch 
Hymn. XXXI 13 (vom Chiton des Helios): καλὸν δὲ περὶ χροὶ λάμπεται ἔσϑος | 
λεπτουργές, πνοιῇ ἀνέμων. 8) Il. XIV 185: λευκὸν δ᾽ ἦν ἠέλιος ὥς. 9) Die 
währscheinlichste Annahme ist die, dafs σιγαλόεις zu σίαλον Geifer, σέαλος Fett 
gehört. Vgl. Curtius, Grundzüge ἃ. gr. Etymologie 4. Aufl. p. 599 und Studniczka, 
Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 50 Anm. 43. Andere An- 


sichten bei Ebeling, Lexicon homericum II p.276 u. ἃ. W. 10) Od. XV 60, 
XIX 232. 11) Il. XXII 154; Od. VI 26; Hym. hom. IV (in Venerem) 85, 164, 
12) Od. VI 38, XI 189, XIX 318, 337, XXIII 180. 13) Von der Wurzel Aım, 


von der auch ἀ-λείφ-ω: Curtius, Grundzüge 4. Aufl. p. 266. 14) Il. XXII 406: 


166 Die Tracht. 


Hauptgewand (φᾶρος) der Kalypso und Kirke heilst.') Dagegen 
scheinen alle diese Bezeichnungen vollständig zutreffend, wenn wir 
sie auf linnene Stoffe beziehen, die sich bekanntlich durch Weichheit 
wie durch milden Glanz auszeichnen. Besondere Beachtung verdienen 
hierbei zwei Stellen der Ilias, an denen von dem Schleiertuche %der 
Helena die Rede ist.?) Dieses Tuch wird an der ersten Stelle?) durch 
ἀργεννῇσι ὀθϑόνῃσιν, an der zweiten‘) durch ἑανῷ ἀργῆτι φαεινῷ 
bezeichnet. Dafs die ὀϑόναι linnene Stoffe waren, wird sich spä- 
ter ergeben. Demnach ist es sicher, dafs 416 Epitheta ἀργεννός 
und ἀργής, die wiederum auf einen weilsen Glanz hinweisen, an 
diesen beiden Stellen einem linnenen Kleidungsstücke beigelegt sind. 
Auch vnydreog, welches als Epitheton des Chitons,?) des Schleier- 
tuches (zondeuvov)‘) und der Windel (φᾶρος) ) vorkommt, scheint 
wie σιγαλόεις und λιπαρός die Bedeutung eines fettigen Glanzes ge- 
habt zu haben.°) Endlich gehört hierher auch λεπτός „fein“. Wenn 
dieses Adjektiv, wie Hehn’) offenbar mit Recht annimmt, von λέπειν 
„schälen“ abzuleiten ist, so mufls es ursprünglich eine Bezeichnung 
für Pflanzenfaserstoffe gewesen sein. Auch dürfen wir die Stoffe, 
denen es im Epos beigelegt wird, mit Sicherheit oder Wahrschein- 
lichkeit für linnene erklären. An einer Stelle der Ilias!) kommt 
λεπτός als Epitheton eines Betttuches vor, das der Dichter ausdrück- 
lich als aus Leinwand gearbeitet bezeichnet. Linnene Gewänder sind, 
wie wir weiter unten sehen werden, unter den λεπταὶ 690vaı zu ver- 
stehen, welche die auf dem Schilde des Achill dargestellten tanzenden 
Mädchen tragen.) Wenn ferner das Leichentuch (φᾶρος), welches 
Penelope für Laertes webt, λεπτόν heilst,'”) so spricht alle Wahr- 
scheinlichkeit für die Annahme eines linnenen Stoffes. Erstens näm- 


λιπαρὴν ἔρρυψε καλύπτρην. Od. I 334, XVI 416, XVII 210, XXI 65: λιπαρὰ 
»ondsuve (vgl. XIII 388). I. XVII 328: Χάρις λιπαροκρήδεμνος. Hymn. V (in 
Cerer.) 25, 438: Ἑκάτη λιπαροκρήδεμνος, 459: “Pen λιπαροκρήδεμνος. 1) Od. V 
230, X 543: αὐτὴ δ᾽ ἀργύφεον φᾶρος μέγα Evvvro νύμφη, | λεπτὸν καὶ χαρίεν. Über 
das φᾶρος der Frauen ist unser XIII. Abschnitt zu vergleichen. 2) Vgl. hier- 
über unseren XIII. Abschnitt. 3) ΠῚ ΠῚ: 4) II 419. 5) D-U 43. 
6) I. XIV 185. 7) Hymn. I (in Apoll. Del.) 122. 8) Schmalfeld in Fleck- 
eisens Jahrbüchern f. cl. Philologie Suppl. VIII p. 293—295 stellt das Wort zu 
der Sanskritwurzel snih, die in verschiedenen Gestaltungen fette oder ölige 
Feuchtigkeit bezeichnet. Vgl. Curtius a. a. O. p. 318 und Studniczka a. a. O. 
p. 51 Anm. 45. 9) Kulturpflanzen und Hausthiere 3. Aufl. p. 521, 4. Aufl. 
p. 481. 10) I. IX 660: στόρεσαν λέχος... κώεά τε ῥῆγός τε λίνοιό τε λεπτὸν 
ἄωτον. 11) Il. XIX 594: αἵ μὲν λεπτὰς ὀϑόνας ἔχον, οἵ δὲ χιτῶνας | εἴατ᾽ 
εὐννήτους, ἦκα στίλβοντας ἐλαίῳ. 12) Od. II 95, XIX 140, XXIV 130. Das- 
selbe Epitheton hat auch das Hauptgewand (φᾶρος) der Kalypso und Kirke 
(Od. V 231, X 544), wie die Windel, in die der Knabe Apoll eingewickelt wird 
(Hymn. I in Apoll. Del. 121: σπάρξαν δ᾽ ἐν φάρεϊ λευκῷ, | λεπτῷ, νηγατέῳ. 


XI. Die Stoffe der Kleider. 167 


lich berichtet das Epos, dafs dieses Tuch, nachdem es vom Webstuhl 
abgenommen und gewaschen worden ist, wie die Sonne und der 
Mond erglänzt‘) und pafst ein derartiger Vergleich, wie bereits 
bemerkt wurde, nicht auf einen wollenen Stoff, wohl aber auf 
Leinwand. Zweitens scheint es, dafs die Toten damals ausschliefs- 
lieh in linnene Stoffe eingehüllt wurden.?) Wenn daher Andromache 
klagt, dafs der Leichnam des Hektor nackt bei den Schiffen der 
Achäer liegen werde, während doch in seinem Gemache viele εἵματα 
λεπτά TE καὶ χαρίεντα vorhanden seien,?) so scheint das erstere Epi- 
theton absichtlich gewählt, da es sich eben um Gewänder handelt, 
die für eine Bestattung dienen sollten. Dafs linnene Panzer‘) und 
Betttücher?) gebräuchlich waren, ist im Epos ausdrücklich bezeugt. 
Von besonderer Wichtigkeit ist jedoch für unsere Untersuchung eine 
auf die 690vaı bezügliche Stelle. 

In dem siebenten Gesange der Odyssee®) wird das Treiben der 


1) Od. XXIV 147: 209” ἡ φᾶρος ἔδειξεν, ὑφήνασα μέγαν ἵστόν, | πλύναο᾽, 
ἠελίῳ ἐναλίγκιον ἠὲ σελήνῃ. 2) Vgl. Studniczka, Beiträge zur Gesch. d. alt- 
griechischen Tracht p. 88 ff. 3) I. XXII 508—511. 4) “ινοϑώρηξ 1]. II 529, 830. 
5) Il. IX 661 (oben Seite 166, Anm. 10). Od. XIH 73: κὰδ δ᾽ ἄρ᾽ Ὀδυσσῆϊ 
στόρεσαν ῥῆγός Te λίνον te. 117: πρῶτον Ὀδυσσῆα γλαφυρῆς ἐκ νηὸς ἄειραν | αὐτῷ 
σύν τε λίνῳ καὶ ῥδήγεϊ σιγαλόεντι. Vermutlich gehört hierher auch das nur im 
Dativ und Accusativ vorkommende λιτί, λῖτα. Hehn Kulturpflanzen und Haus- 
thiere 3. Aufl. p. 521, 4. Aufl. p. 481 stellt es nach Potts Vorgang zu „ahd. 
linta, ags. und altn. ind die Linde, altn. lindi der Gürtel; das Lind in deutschen 
Mundarten so viel als Bast, Lindschleilser in der älteren Sprache gleich Seiler 
(Grimm RA. 8.261 und 520). Von dem deutschen Lind kann das lateinische 
linteum nicht getrennt werden.“ Hiernach würde Aıri, λῖτα (für λιντί, Alvre) ur- 
sprünglich eine Matte aus Lindenbast, später ein Gewebe aus Pflanzenfaserstoffen 
bedeutet haben. Im Epos bezeichnet es Decken, mit denen der Schonung halber 
die in der Remise befindlichen Wagen bedekt werden (Il. VII 441: ἄρματα δ᾽ 
ἂμ βωμοῖσι͵ tive, κατὰ λῖτα πετάσσας), Decken, welche man allein oder zugleich 
mit einem darüber ausgebreiteten purpurnen ῥῆγος auf die Sitze der ϑρόνοι 
legte (Od. I 130, X 353. Oben Seite 121, Anm. 7), das Tuch, in welches der 
tote Patroklos (Il. XVIII 352: ἐν λεχέεσσι ϑέντες ξἑανῷ Ari κάλυψαν ἐς πόδας 
ἐκ κεφαλῆς, | καϑύπερϑε δὲ φάρεϊ λευκῷ) und dasjenige, in welches das seine 
Asche enthaltende Gefäfs eingehüllt wird (Il. XXIII 254: ἐν κλισίῃσι δὲ ϑέντες 
ἑανῷ Aut κάλυψαν). Mag man die Möglichkeit zugeben, dafs dieses Wort 
N. VII 441, Od. I 130 und X 353 noch die ursprüngliche Bedeutung einer Bast- 
matte haben kann, jedenfalls wird diese Annahme Il. XVII 352 und XXIII 254 
durch das Epitheton &«vög „schmiegsam“ (vgl. den XIII. Abschnitt) ausgeschlossen. 
Ziehen wir aufserdem noch den Umstand in Betracht, dafs es sich an den beiden 
letzteren Stellen um Tücher handelt, die bei einer Bestattung dienen (vgl. die 


obige Anm. 2), so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dafs hier unter Au 
ein linnenes Tuch zu verstehen ist. 6) Od. VII 105: αἵ δ᾽ ἱστοὺς ὑφόωσι καὶ 

m vr Ν ὦ» ’ ὁ , Ne 
ἠλάκατα στρωφῶσιν | ἥμεναι, οἷά Te φύλλα μακεδνῆς αἰγείροιο" | καιροσέων ὃ 


ὀϑονέων ἀπολείβεται ὑγρὸν ἔλαιον. | ὅσσον Φαίηκες περὶ πάντων ἴδριὲς ἀνδρῶν | 


168 Die Tracht. 


Mägde im Hause des Alkinoos geschildert. Nachdem berichtet worden 
ist, dafs die einen Getreide mahlen, die anderen weben und spinnen, 
folgt der Vers: 


καιροσέων δ᾽ ὀϑονέων ἀπολείβεται ὑγρὸν ἔλαιον. 


Καιροσέων ist die von Aristarchos gebilligte Lesart, während in 
anderen Texten χροσσωτῶν „mit Troddeln versehen“ überliefert war. 
Mag die Form der Endung eine ungewöhnliche sein,') so kann doch 
über die Bedeutung des Wortes kein Zweifel obwalten. Καῖρος oder 
καίρωμα nämlich hiefs nach übereinstimmender Angabe der alten Er- 
klärer und Lexikographen die Vorrichtung, welche unsere Weber den 
Kamm nennen, das ist die Fäden oder das Gefüge von Fäden, mittelst 
deren die beiden Fädenreihen des Aufzuges auseinandergehalten wer- 
den, um sie vor Verwirrung zu bewahren und dem Einschlag be- 
quemen Durchgang zu schaffen.”) Das aus diesem Substantive ge- 
bildete Eigenschaftswort weist also darauf hin, dafs das betreffende 
Gewebe reichlich mit solchen Vorrichtungen versehen war. Hiernach 
tropfte das Öl nicht, wie einige Gelehrte?) annehmen, von den Klei- 
dern, welche die Mägde am Leibe trugen, herab, sondern von den 
Geweben, an denen sie arbeiteten. Mit dieser Annahme stimmt auch 
der Zusammenhang, in dem sich jener Vers findet. Im Vorhergehenden 
ist nicht von den Kleidern, sondern von den Thätigkeiten der Mägde 
und zwar zuletzt vom Weben und Spinnen die Rede. Wenn an- 
dererseits der Dichter im folgenden die Kunstfertigkeit hervorhebt, 
die Athene den Phäakenfrauen verliehen hat, so muls der unmittelbar 
vorhergehende Vers etwas aufsergewöhnliches von den Arbeiten, mit 
denen sie beschäftigt sind, berichten. Somit ergiebt sich aus dieser 
Schilderung, dals man bei der Herstellung gewisser Gewebe die Fäden, 
um sie geschmeidig und glänzend zu machen, mit Öl benetzte. Auf 
dasselbe Verfahren weist auch eine Stelle der Ilias!) hin. Wenn es 


νῆα ϑοὴν ἐνὶ πόντῳ ἐλαυνέμεν, ὡς δὲ γυναῖκες | ἱστὸν τεχνῆσσαι" πέρι γάρ σφισι 
δῶκεν ᾿4ϑήνη | ἔργα τ᾽ ἐπίστασϑαι περικαλλέα καὶ φρένας ἐσϑλάς.Ἡ 1) Vermut- 
lich hat Bergk im Philologus XVI (1860) p. 578—581 Recht, wenn er annimmt, 
dafs diese Schreibart ein Rest alter Orthographie ist, der in καιρουσσέων, Genitiv 
pluralis fem. von καιρόξις, umzuschreiben wäre. 2) Hertzberg im Philologus 
XXXII (1874) p.8—9. Ich verzichte darauf die καῖρος betreffenden Erklärungen 
und Glossen noch einmal abdrucken zu lassen, da sie sowohl von Hertzberg 
a. a. OÖ. wie in Ebelings Lexicon homericum u. d. W. καιροσέων zusammen- 
gestellt sind. 3) So im besonderen Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere 
3. Aufl. p. 149, 4. Aufl. p. 140. 4) Il. XIX 594 (oben Seite 166, Anm. 11). 
Übrigens scheint es verstattet στίλβοντας ἐλαίῳ durch ein Zeugma sowohl auf 
die Chitone der Jünglinge wie auf die ὀθϑόναι der Mädchen zu beziehen und 
somit die Appretur durch das Öl wiederum bei den ὀϑόναι anzunehmen, 


XI. Die Stoffe der Kleider. 169 


daselbst heifst, dafs die Chitone der auf dem Schilde des Achill dar- 
gestellten Tänzer leicht von Öl erglänzen, so wollte der Dichter 
hiermit offenbar ausdrücken, dafs die Gewänder den Glanz, den ihnen 
die beim Weben angewendete Appretur mit Öl verliehen, bewahrt 
hatten.) Eine derartige Anwendung des Öles ist aber in der Wollen- 
weberei ohne Analogie, wogegen sich die Leinweber noch heutzutage, 
um die Fäden glatt und geschmeidig zu machen, nicht nur der 
Schlichte, sondern neben dieser auch des Öles bedienen.?) Die ὀϑόναι 
waren demnach linnene Gewebe. Aufserdem verdient hierbei noch 
die Angabe Beachtung, dafs die Phäakenmägde nicht wie Chryseis, 
Kalypso und Kirke stehend?) sondern sitzend (ἥμεναν V. 106) arbeiten. 
Der älteste Webeapparat gestattet nur ausnahmsweise die Arbeit im 
Sitzen‘) und ist nach dem Urteil einer technischen Autorität zur 
Herstellung leinwandartiger Stoffe ungeeignet.°) Hingegen erfordert 
der eigentliche Webstuhl das Sitzen und lassen sich an ihm auch 
solche Stoffe herstellen. Wenn daher die Mägde im Gegensatz zu 
dem sonst im Epos geschilderten Gebrauche sitzend arbeiten, so lälst 
dies auf den eigentlichen Webstuhl schliefsen, der die Herstellung 
linnener Gewebe ermöglichte. Dals ὀϑόνη in der späteren Sprache 
ausschliefslich für linnene Stoffe gebraucht wurde, scheint unzweifelhaft. 
Empedokles®) bezeichnet die weilse Hornhaut des Auges durch λεπταὶ 
ὀϑόναι — ein Vergleich, der nur unter der Voraussetzung eines 
feinen linnenen Stoffes zutrifft. Ebenso benennt Demokrit‘) die 
Zeugstreifen, mit denen die Öffnungen des behufs der Bienenerzeugung 


1) Eine derartige Appretur wird auch bei Plutarch, Alex. m. 36 erwähnt. 
Als Alexander der Grofse Susa eingenommen hatte (331 v. Chr.), fand er daselbst 
eine Menge von Purpurgewändern vor, welche seit 190 Jahren von Fabrikanten 
der Stadt Hermione (in Argolis) dem persischen Hofe geliefert worden waren, 
aber durchweg die ursprüngliche Farbe bewahrt hatten, eine Erhaltung, die 
daraus erklärt wurde, dafs diese Gewänder eine βαφή von Honig und Öl erhalten 
hätten. Beachtung verdient auch eine Möglichkeit, die Petersen bei Studniczka 
a. a. Ὁ. p. 51 Anm. 45 angedeutet hat, dafs nämlich das zweimal Gewändern 
beigelegte Epitheton νεκτάρεος (Il. ΠῚ 385, XVIII 25), falls νέκταρ in der That 
ursprünglich Honig bedeutet (Roscher, Nektar und Ambrosia p. 38 ff., 67 ff., Lexi- 
con d. Mythol. p. 279 ff.), auf eine Appretur mit Honig hinweist. 2) Hertzberg 
im Philologus XXXII p.8. Dafs die griechischen Walker gebrauchte Gewänder 
mit Öl auffrischten, ergiebt sich aus Machon bei Athen. XIII 582 D. Vgl. von 
Leutsch im Philol. XV p. 329. 3) Il. I 31; Od. V 62, X 222, 226, 254: ἱστὸν 


ἐποιχομένη. 4) Studniezka Beiträge zur Gesch. d. altgriech. Tracht p. 49 
Anm. 38. 5) Karabadek bei Benndorf und Niemann, Reisen im südwestlichen 
Kleinasien I p. 19. 6) Fragm. περὶ φύσεως 11 322—323 ed. Stein: ὡς δὲ τότ᾽ 


ἐν μήνιγξιν ἐερμένον ὠγύγιον πῦρ | λεπτῇς εἶν ὀθόνῃσιν λοχάξετο κύκλοπα κούρην. 
7) In den Geopon. XV 2 8 25 (fragm. 1. III p. 252 ed. Mullach): ἀποπεφράχϑω 
πᾶς τοῦ βοὺς πόρος ὀϑόναις καϑαραῖς καὶ λεπταῖς πίσσῃ κεχρισμέναις. 


170 Die Tracht. 


getöteten Stieres zu verbinden sind. Bei anderen Schriftstellern) 
heilst 696vn das selbstverständlich aus Leinwand gearbeitete Segel. 
Das Deminutiv 6®6vi« bezeichnet ebenfalls Segel,’) Verbandlaken, 
die doch nur aus Leinwand bestanden haben können ‚) und wie die 
ὀϑόναν im Epos eine besondere Art von Frauenkleidern. Mögen .die 
Gelehrten schwanken, ob unter den letzteren baumwollene oder linnene 
Gewänder zu verstehen seien, so sprechen schon die Fabrikorte dieser 
ὀϑόνια für die Annahme linnener Stoffe. Soweit nämlich unsere 
Kenntnis reicht, wurden solche Gewänder in Ägypten und auf der 
früh von den Phönikiern kolonisierten und später von den Kartha- 
gern in Besitz genommenen Insel Melite (Malta) fabriziert.‘) Der 
Anbau und die Verarbeitung der Baumwolle hatten aber in dem 
Nilthale eine ganz untergeordnete Bedeutung’) und sind in phöniki- 
schem Kulturkreise nirgends sicher bezeugt, wogegen wir die Lein- 
weberei als einen blühenden Industriezweig der Agypter, der Phönikier 
und der. phönikischen Kolonien kennen.°) Wenn nach alledem die 
ὀϑόναι des homerischen Zeitalters linnene, mit Öl getränkte Gewebe 
waren, so dürfen wir ähnliche Stoffe für die Gewänder voraussetzen, - 
denen Epitheta wie σιγαλόξις oder λιπαρός beigelegt werden; denn 
die beiden Epitheta bezeichnen gerade einen fettigen Glanz, wie ihn 
die im Epos geschilderte Appretur der Leinwand mitteilen mulste. 
Die Ansichten der Sprachgelehrten schwanken, ob das Wort 
ὀϑόναν eine indoeuropäische Bildung‘) oder aus einer orientalischen 
Sprache entlehnt 561.) Sollte die letztere Annahme richtig sein, so 
würden die Griechen die feinen linnenen Stoffe, die sie mit diesem 
Namen bezeichneten, zunächst durch den phönikischen Handel er- 


1) Lucian, lupiter tragoedus 46. Pollux I 103. 2) Pseudo-Demosth. or. 47 


p. 1146. Polyb. V 89, 2. 3) Aristoph. Acharn. 1176. 4) Die Stellen bei 
Blümner, die gewerbliche Thätigkeit der Völker des klassischen Alterthums 
p. 9—10, 126. 5) Blümner a. a. ©. p. 10. 6) Leinweberei in Ägypten 


Blümner a. ἃ. Ο. p. 6ff., in Phönikien p. 19, 21, 23, auf Kypros p. 53, in Tarsos 
p. 30, in Karthago p. 4, auf Sardinien p. 126, in Spanien p. 129—130, 133. 
Novius bei Non. p. 530, 8 (Com. lat. ed. 2 Ribbeck p. 265, 70): supparum purum 
Melitensem, linteum. Allerdings ist hier Melitensem Konjektur für das sinnlose 
belliensem. Wenn sie aber, wie es den Anschein hat, richtig ist, dann enthält 
dieses Fragment ein ausdrückliches Zeugnis dafür, dafs die melitäischen Kleider 
aus Leinwand gearbeitet waren. Vgl. Studniczka a. a. OÖ. p. 90 Anm. 68. 
7) Nach Fick, Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen 1 
p. 209, p. 767 von der Wurzel vadh „binden, winden, kleiden“. 8) Nach 
Movers, die Phönizier Il 3 p. 319 und in Ersch und Grubers Encyklopädie 
3. Sektion, 24. Teil u. d. W. Phönizien p. 358 wäre es gebildet aus dem semi- 
tischen Worte, welches im Hebräischen 7128 lautet und in dieser Sprache den 
Faden oder das Gespinnst (Proverb. Salomon. VII 16) bezeichnet. Vgl. A. Müller 
in Bezzenbergers Beiträgen zur Kunde der indogermanischen Sprachen I p. 294. 


XII. Die Kleidung der Männer, 211 


halten haben. Andererseits aber beweist die genaue Kenntnis, welche 
die Dichter hinsichtlich der Herstellungsweise der ὀϑόναι bekunden, 
dals solche Stoffe bereits unter ihren Augen in den ionischen Städten 
gearbeitet wurden. Es wäre somit anzunehmen, dafs sich die Ionier 
schon in sehr früher Zeit die orientalische Technik aneigneten — 
eine Voraussetzung, die nichts Auffälliges hat. Vielmehr lag den 
Griechen die Nachahmung fremder linnener Stoffe besonders nahe, 
da sie von alters her mit der Verarbeitung des Flachses vertraut 
waren. Diese neuerdings angezweifelte Thatsache ergiebt sich aus 
mancherlei Gesichtspunkten!) und unter anderem auch aus dem linnenen 
Faden, den das Epos die Aisa oder Moira spinnen läfst;”) denn es 
leuchtet ein, dafs das Walten der Schicksalsgöttin nicht durch einen 
_ modernen Importartikel, sondern nur durch ein Material, das vermöge 
einer langen Überlieferung ehrwürdig geworden war, symbolisiert 
werden konnte. 


XII. Die Kleidung der Männer. 


Die gewöhnliche Tracht der Männer”) bestand aus dem Chiton 
und einem Mantel, der gewöhnlich Chlaina, bisweilen Pharos*) heilst 
und dem Kleidungsstücke entsprach, welches die späteren Griechen 
Himation zu nennen pflegten.’) Die Zeitworte, durch welche die 
Dichter das Anziehen des Chitons ausdrücken — δύω, δύνω, ἐνδύω. 
ἐνδύνω) — weisen auf eine Art von Hemd hin, in das man hinem- 
schlüpfte. Da nirgends etwas darüber verlautet, dafs der Chiton 
durch Heftnadeln (περόνη, πόρπη, Evern)‘) zusammengesteckt worden 
wäre, so dürfen wir annehmen, dafs er keiner festigenden Zuthat be- 


1) Vgl. Studniezka a. a. O. p. 45fl. 2) Il. XX 127: ὕστερον αὖτε τὰ πεί- 
σεται ἅσσα οἵ Aloa | γεινομένῳ ἐπένησε λίνῳ, ὅτε μιν τέκε μήτηρ. Od. VII 197: 
ἅσσα οἵ Alca κατὰ Κλῶϑές τε βαρεῖαι | γιγνομένῳ νήσαντο λίνῳ. 11]. XXIV 209: 
τῷ δ᾽ ὥς ποϑι Μοῖρα κραταιὴ | γεινομένῳ ἐπένησε λίνῳ, ὅτε μιν τέκον αὐτή. 
3) Die in’ diesem Abschnitte dargelegte Auffassung gründet sich zum Teil auf 
die Resultate, die Studniezka, Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht 
Kap. IV p. 55 ff. gewonnen hat. 4) Il. II 43, VIII 221. Od. III 467, VI 214, 
VII 234, VIII 84, 88, 392, 425, 441, XII 67, XVI 118, XXIII 155, XXIV 277. 
Hymn. VI 5. 5) Aristoph. av. 493 und 498 braucht χλαῖνα und ἱμάτιον ge- 
radezu als Synonyme. Andere einschlagende Stellen bei Becker Charikles ΠῚ" 
p. 184. 6) 1. XVII 416: δῦ δὲ χιτῶν. XXIII 739: δύσαντο χιτῶνας. — Od. 


XV 60: σπέρχόμενός ῥα χιτῶνα περὶ χροὶ σιγαλόεντα | δῦνεν. — N. V 736, VII 
387: ἡ δὲ χιτῶν᾽ ἐνδῦσα Διὸς νεφεληγερέταο. — 11. II 42: ἕξετο δ᾽ ὀρϑωϑιεὶς, 
μαλακὸν δ᾽ ἔνδυνε χιτῶνα. Χ 21: ὀρϑωϑεὶς δ᾽ ἔνδυνε περὶ στήϑεσσι χιτῶνα. 
131: ὡὃς εἰπὼν ἔνδυνε περὶ στήϑεσσι χιτῶνα. Das Ausziehen des Chitons wird 


durch περιδύω und ἐκδύνω ausgedrückt. I. ΧΙ 100: ἐπεὶ περίδυσε χιτῶνας. Od. 
1 437: μαλακὸν δ᾽ ἔκδυνε χιτῶνα. 7) Vgl. den XIX. Abschnitt. 


172 Die Tracht. 


durfte, sondern durch Nähte zusammengehalten war. Er gehörte also 
zu der Tracht, welche die späteren Griechen als die ionische bezeich- 
neten — eine Tracht, die sich von der dorischen eben dadurch unter- 
schied, dafs bei ihr keine Heftnadeln nötig waren.') Soweit die An- 
gaben des Epos einen Schlufls gestatten, scheint es auch, dafs der 
Chiton damals aus der für die ionische Gattung bezeichnenden Lein- 
wand bestand. Im vorhergehenden Abschnitte wurde gezeigt, dafs 
die Beschreibung des Chitons, den Odysseus bei seinem Aufbruche 
nach Troja trug,?) und Epitheta wie σιγαλόεις und vermutlich auch 
vnydrsog, die an anderen Stellen dem Chiton beigelegt werden,’) auf 
eine glatte glänzende Oberfläche hinweisen, wie sie linnenen Stoffen 
im Gegensatze zu wollenen eigentümlich ist, dafs die von Öl glän- 
zenden Chitone der auf dem Schilde des Achill dargestellten Tänzer 
nur unter der Voraussetzung linnener Gewebe eine befriedigende Er- 
klärung finden.) Aufserdem verdient die Thatsache Beachtung, dafs 
das Epos nirgends eines gemusterten Chitons gedenkt. Sie erklärt 
sich, wenn der damalige Chiton aus Leinwand gearbeitet war, in 
der natürlichsten Weise; denn die Flachsfaser hat zu den meisten 
Färbemitteln nur eine geringe Affinität und ist demnach für die Bunt- 
weberei wenig geeignet,’) weshalb auch die alten Orientalen wie die 
Griechen den linnenen Stoffen mit richtigem Gefühle den weilsglän- 
zenden Ton des gebleichten Flachses zu lassen pflegten. Endlich 
muls ich in diesem Zusammenhange noch einmal auf die Etymologie 
von χιτών zurückkommen. Wie im obigen®) dargelegt wurde, ist 
dieses Wort aus einem semitischen Substantive gebildet, welches 
einen linnenen Leibrock bezeichnet, und haben die Griechen solche 
Kleider und das Wort für dieselben schon in vorhomerischer Epoche 
aus dem Orient erhalten. Wenn demnach die importierten Leibröcke 
aus Leinwand bestanden, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, 
dafs die Griechen, als sie ihrerseits ähnliche Röcke zu produzieren 
anfingen, zunächst auch an dem Stoffe, aus dem die fremden Vor- 
bilder gearbeitet waren, festhielten — eine Annahme, die um so 
näher liegt, als wir wissen, dals die Griechen von alters her mit der 
Verarbeitung des Flachses vertraut waren.‘) In je frühere Zeit also 
die Erwähnung eines Chitons hinaufreicht,‘ umsomehr sind wir be- 
rechtigt als Stoff desselben Leinwand vorauszusetzen. 

Während das Epos bei den Beschreibungen weiblicher Toilette 
des Gürtels gedenkt,®) schweigt es hierüber, wo es sich um männ- 


1) Oben Seite 162. 2) Oben Seite 165, Anm. 7. 3) Oben Seite 165—166. 
4) Oben Seite 169. 5) Semper, der Stil I p. 129 ff. 6) Seite 162. 7) Seite 171. 
8) Il. XIV 181; Od. V 231, X 544, XI (245); hymn. IV (in Vener.) 164, 255, 282. 
Vgl. den folgenden Abschnitt. 


XII. Die Kleidung der Männer. 173 


liche Bekleidung handelt. Nur an einer Stelle!) wird angegeben, 
dafs ein Mann im friedlichen Leben den Gürtel umlegt, nämlich 
Eumaios, als er aus seinem Hause hinausgeht, um zwei Schweine zu 
schlachten. Hiernach scheint es, dafs die Männer 
den Chiton in der Regel gürtellos trugen und 
ihn nur gürteten, wenn es eine schwerere Arbeit zu 
verrichten galt. Auch auf den ältesten griechi- 
schen Bildwerken erscheint der Chiton, besonders 
der lange, in der Regel ungegürtet (z. B. unsere 
Fig. 41). Dafs man sich zum Ring- und 
Faustkampf gürtete, ist selbstverständlich und 
im Epos ausdrücklich bezeugt.?) Über die zur 
Kriegsrüstung gehörigen Gürtel wird im XXI. 
Abschnitte die Rede sein. 

Die Chitone waren von verschiedener Länge. 
Dafs diejenigen, welche von den Kriegern unter 
dem Panzer getragen wurden, nicht einmal die 
Oberschenkel vollständig bedeckten, ergiebt sich 
aus den Versen des Ilias,*) welche schildern, 
wie die Schenkel, Waden und Knöchel des 
durch den Gürtel getroffenen Menelaos von 
Blut überströmt werden -„gleichwie Elfenbein, 
welches eine mäonische oder karische Frau rot 
färbt“. Nichts nötigt zu der Annahme, dafs 
dieser kurze Chiton lediglich auf die Kriegs- 
rüstung beschränkt und der Friedenstracht fremd 
gewesen 561. Da vielmehr im Epos nirgends etwas 
darüber verlautet, dafs die Helden, wenn sie sich 
rüsten,?) den Chiton gewechselt hätten, so ist anzunehmen, dafs der Krie- 
ser in der.Regel den Panzer über den Chiton anlegte, den er gerade am 
Leibe trug. Alle Wahrschemlichkeit spricht dafür, dafs wir uns Odys- 
seus, während er bei den Wettspielen der Phäaken gegenwärtig war, mit 
einem derartigen kurzen Chiton bekleidet zu denken haben; denn 
Laodamas würde, wenn jenes Gewand bis über die Kniee herabge- 
reicht hätte, kaum im stande gewesen sein, über die Schenkelbildung 


1) Od. XIV 72: ὡς εἰπὼν ξωστῆρι Hong συνέεργε χιτῶνα, | βῆ δ᾽ ἴμεν ἐς 
συφεούς. 2) Es ist die Figur des Peleus aus einem von Heydemann, grie- 
chische Vasenbilder T. 6, 4 publizierten Vasenbilde, hier reproduziert nach Stud- 
niczka, Beiträge p. 66 n. 14 (auch bei Böhlau, quaestiones de re vestiaria Grae- 
corum Ὁ. 33 Fig. 10). 3) Il. XXIII 685, 710. Od. XVIII 30, 67, 76; XXIV 89. 
4) IV 141 (oben Seite 18, Anm. 2). 5) Vgl. besonders Il. XV 113—120, XVI 
130 ff., XIX 364 ff., XXIII 813. 


114 Die Tracht. 


des Helden ein Urteil zu fällen.) Ebenso müssen wir dem Tele- 
machos, der sich auf sein Bett setzt und den weichen Chiton aus- 
zieht,?) einen mäfsig langen Chiton zuerkennen, da es auf der Hand 
liegt, dafs ein bis zu den Fülsen herabreichender Leibrock nicht im 
Sitzen sondern nur im Stehen ausgezogen werden konnte. Allerdings 
rührt das erste Buch des Odyssee, in dem sich jene Stelle findet, von 
dem dürftig begabten Flickpoeten her, der die uns vorliegende Odyssee 
aus mehreren älteren Dichtungen zusammenarbeitete.?) Aber wir haben 
doch kein Recht ihn geradezu für blödsinnig zu erklären, was der 
Fall sein würde, wenn er eine absolut unmögliche Handlung ge- 
schildert hätte. 

Jedoch war aulser dem kurzen, die Oberschenkel nicht voll- 
ständig bedeekenden Chiton im friedlichen Leben noch ein anderer, 
längerer gebräuchlich. Eurykleia bemerkt die Narbe, die Odysseus 
über dem Knie hat, erst, als sie ihm die Fülse wäscht;‘) Odysseus 
zeigt den beiden Hirten diese Narbe, indem er das darüber fallende 
(Gewand zur Seite schiebt;?) erst, als sich Odysseus zum Faustkampf 
mit Iros gürtet, nehmen die Freier die kräftige Schenkelbildung des 
Mannes wahr.) Hiernach mufs der Chiton, den der in einen Bettler 
verwandelte Held trug,?) mindestens bis zu den Knieen herabgereicht 
haben. Sonst würden die unteren Teile der Oberschenkel und die 
daran befindliche Narbe schon vorher sichtbar gewesen sein. Indefs 
nötigen diese Stellen keineswegs zu der Annahme eines die Beine 
vollständig bedeckenden Gewandes. Vielmehr darf mit gleichem Rechte 
ein bis etwas über die Kniee herabreichender Chiton vorausgesetzt 
werden, wie ihn z. B. vier männliche Figuren tragen, die auf einem 
im Alpheios gefundenen, bronzenen Brustpanzer eingraviert sind 
(Fig. 48).°) 

Die meisten antiken wie modernen Gelehrten wollen einen bis 
zu den Fufsknöcheln herabreichenden Leibrock in dem χιτὼν τερ- 
μιόεις erkennen, der einmal in der Odyssee”) und ein anderes Mal in 
den Werken und Tagen des Hesiod!’) erwähnt wird, an welcher letz- 


1) Od. VIII 134: φυήν γε μὲν οὐ κακός ἐστιν, μηρούς te Ἀνήμας te καὶ 
ἄμφω χεῖρας ὕπερϑεν | αὐχένα τὲ στιβαρόν. 2) Od. I 437: ἕξετο δ᾽ ἐν λέκτρῳ, 
μαλακὸν δ᾽ ἔκδυνε χιτῶνα. 3) Von Wilamowitz-Moellendorff, homerische 
Untersuchungen p. 228. Jenem Verse der Odyssee hat nach Kirchhoff und 
Wilamowitz p. 8 Il. II 42 als Vorbild gedient. 4) Od. XIX 450, 467—468. 
5) Od. XXI 221: ὡς εἰπὼν ῥάκεα μεγάλης ἀποέργαϑεν οὐλῆς. 6) Od. XVII 74. 
7) Od. XIII 434. 8) Bull. de correspondance hellenique VII (1883) pl. 1---1Π 
p. 1—5; unsere Fig.48. 9) Od. XIX 241: καὶ οἵ ἐγὼ χάλκειον ἄορ καὶ δίπλακα 
δῶκα καλήν, πορφυρέην καὶ τερμιόεντα χιτῶνα. 10) 537: καὶ τότε ἕσσασϑαι 
ἔρυμα χροὺς, ὥς σὲ κελεύω, | χλαῖνάν τε μαλακὴν καὶ τερμιόεντα χιτῶνα. 


XII. Die Kleidung der Männer. 175 


teren Stelle der Dichter den Bauern empfiehlt für den Winter eine 
weiche Chlaina und einen χιτὼν τερμιόεις anzuziehen. Indefs beruht 
diese Erklärung auf einer sehr unsicheren Grundlage, nämlich auf 
der Annahme eines Substantives τέρμις, welches Fuls bedeutet habe 
und möglicher Weise eben dieser Erklärung zu Liebe erfunden ist. 
Besser begründet scheint eine von Düntzer!) angedeutete und von 
Studniezka?) weiter ausgeführte Vermutung, die sich darauf stützt, 
dass τέρμα in der späteren Sprache, wo es vom Gewande gebraucht 
wird, den Rand oder Saum bezeichnet. Τερμιόεις würde dann nach 
Analogie von τειχιόδξις, ϑυσανόεις u. a. die Bedeutung „mit einem 


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Fig. 48. 


Rande (oder mehreren Rändern) versehen“ haben und ein χιτὼν τερ- 
μιόεις ein Leibrock sein, an dem der Rand oder die Ränder scharf 
in die Augen sprangen. Man kann demnach dieses Epitheton auf 
einen linnenen Chiton deuten, der oben wie unten mit einem breiten, 
dreifach gegliederten Rande versehen ist, wie ihn z. B. der Seite 173 
Fig. 47 abgebildete Peleus trägt. Studniezka denkt dabei an einen 
die Halsöffnung umgebenden Rand, wie er gewöhnlich am ionischen - 
linnenen Chiton erkennbar ist, einen Rand, der aufser der dekora- 
tiven auch eine struktive Bedeutung haben konnte, indem er die zahl- 
reichen Falten eines stoffreichen Rockes dicht zusammenfafste.) 
Die einzige ausdrückliche Erwähnung des langen Chitons, wie 


1) In seiner Ausgabe der Odyssee zu XIX 242 und in Kuhns Zeitschrift 


ἈΠῸ 17 Anm. *. 2) A. a. Ο. p. 58—59. 3) Z. B. Rhomaides-Cavvadias, 
die Museen Athens T, II—-IV; Bull. de correspondance hell@nique ΠῚ (1879) 


pl. 17; Arch. Zeitung XXXVIII (1880) T. 6; Ann. dell’ Inst. 1847 'Tav. d’agg. F, 


110 Die Tracht. 


er in späterer Zeit für die Ionier bezeichnend war, findet sich an 
einer Stelle des Ilias.!) Es werden daselbst unter den achäischen 
Völkerschaften, welche dem gegen die Schiffe vordringenden Hektor 
Widerstand leisten, auch die den Chiton nachschleppenden lonier 
(Ἰάονες ἑλκεχίτωνες) erwähnt, unter denen, wie sich aus dem Folgen- 
den ergiebt, die von Menestheus geführten Athener zu verstehen sind. 
Das Epitheton ist in diesem Zusammenhange nicht glücklich gewählt; 
denn wir dürfen unmöglich annehmen, dafs jemals hellenische Krieger 
mit dem langen Chiton bekleidet zu Felde zogen. Über das Alter 
jener Verse mögen die Homerforscher entscheiden. Da ein Athener 
seine Landsleute niemals als Ionier bezeichnet haben würde,?) so 
können sie nicht zu den Interpolationen gehören, die zur Zeit des 
Peisistratos aus athenischem Kulturkreise in das Epos Eingang fan- 
den.) Vielmehr scheinen sie beträchtlich älter und von einem Klein- 
asiaten herzurühren, der die Athener zu den loniern rechnete und, 
indem er ihre Krieger als ἑλκεχίτωνες bezeichnete, dem Stolze auf 
seine Nationaltracht an wenig passender Stelle Ausdruck gab. Aufser- 
dem gehört hierher eine Schilderung im Hymnos auf den delischen 
Apoll, einem Gedichte, dessen Kern gewils in eine verhältnismälsig 
frühe Epoche hinaufreicht. Der Dichter gedenkt am Schlusse des 
Festes, welches zu Ehren des Apoll auf Delos gefeiert wird, und 
schildert, wie dazu'die den Chiton nachschleppenden lonier mit ihren 
Frauen und Kindern von allen Seiten zusammenströmen.*) Eine 
nähere chronologische Bestimmung muls ich freilich auch in diesem 
Falle den Fachgelehrten überlassen. 

Um so wichtiger ist eine zweimal in der Ilias wiederkehrende 
Beschreibung, die jedenfalls zum älteren Bestande des Epos gehört 
und deren Bedeutung von Studniczka°) richtig erkannt worden ist. 
Als sich Athene zum Kampfe rüstet, läfst sie ihren Peplos herab- 


1867 Tav. d’agg. D, 1869 Tav. d’agg. IK. Während der klassischen Epoche ist 
dieser Rand nicht nachweisbar. Doch taucht er wieder auf in der pergamenischen 
und in der archaistischen Skulptur. Vgl. Brunn im Jahrbuch der kgl. preufs- 
Kunstsammlungen V (1884) p. 238—239. 1) XIII 685: ἔνϑα δὲ Βοιωτοὶ καὶ 
Ἰάονες ἕλκεχίτωνες |... . σπουδῇ ἐπαΐσσοντα νεῶν ἔχον. 2) Der Ansicht von 
Wilamowitz-Moellendorff a. a. ©. p. 249 Anm. 14, dafs Menestheus in Athen keine 
feste Stätte gehabt habe, widerspricht eine schwarzfigurige attische Vase, deren 
strenger Stil noch auf das 6. Jahrhundert zurückweist und auf der der. patriotische 
Maler neben der Figur des Menestheus die Inschrift ὁδὲ Meveoteög beigefügt 
hat (Furtwängler, Beschreibung der Berliner Vasensammlung n. 1737). 3) Oben 


Seite 3. 4) Hymn. I 146: ἀλλὰ σὺ 4ήλῳ, Φοῖβε, μάλιστ᾽ ἐπιτέρπεαι ἦτορ, | 
ἔνϑα τοι ἑλκεχίτωνες Ἰάονες ἠγερέϑονται | αὐτοῖς σὺν παίδεσσι καὶ αἰδοίῃς ἀλό- 
χοισιν. 5) Beiträge zur Gesch. d. altgriechischen Tracht p. 59—61 und in der 


Zeitschrift f. d. österr. Gymn. 1886 p. 199. 


XII. Die Kleidung der Männer. ἢ 1 


gleiten und zieht den Chiton des Wolkensammlers Zeus an.!) Falls 
sich der Dichter und seine Zuhörer Zeus in einem kurzen Chiton 
dachten, so würde die gleiche Tracht auch für Athene vorauszusetzen 
sein. Die jungfräuliche Göttin würde demnach in kurzem Chiton 
und zum mindesten mit nackten Unterschenkeln vor der Phantasie 
der damaligen Griechen gestanden und zu der Erscheinungsweise, 
unter der man Frauen und Mädchen zu sehen gewohnt war, einen 
entschiedenen Gegensatz dargeboten haben.’) Hingegen fällt diese 
Schwierigkeit weg, wenn wir annehmen, dals dem Zeus und somit 
auch der Athene ein langer Chiton zugeschrieben wurde. Also scheint 
es, dafs der Gebrauch eines solchen Gewandes bis in die Blütezeit 
des Epos hinaufreicht. 

Immerhin aber dürfen wir annehmen, dafs dieser Gebrauch ein 
beschränkter und an ähnliche Bedingungen geknüpft war, wie die- 
jenigen, welche sich aus der Betrachtung der ältesten griechischen 
Bildwerke ergeben. 

Die Annahme, dafs der lange Chiton jemals bei irgend einem 
griechischen Stamme allgemein gebräuchlich gewesen 861, lälst sich 
‚nicht nur nicht beweisen, sondern wenigstens für die Epochen, über 
deren Sitten wir durch Bildwerke unterrichtet sind, sogar bestimmt 
widerlegen. Soweit die Denkmäler einen Schlufs verstatten, dürfen 
wir annehmen, dafs Männer und Jünglinge, wenn sie darauf ange- 
wiesen waren sich ungehindert zu bewegen, sei es im Felde, sei es 
auf der Jagd, sei es bei körperlichen Übungen, niemals den langen 
Chiton trugen. Innerhalb der Vasen geometrischer Dekoration’) kennen 
wir bis jetzt nur ein Beispiel dieser Tracht, nämlich auf einer Am- 
phora, die aus einem am westlichen Abhang des Hymettos entdeckten 
Grabe stammt und, dem Gebrauch der späteren griechischen Kunst 
entsprechend, einen lang bekleideten Wagenlenker zeigt.*) Hingegen 
ist der lange Chiton auf den alten melischen?) und rhodischen‘) Ge- 
fäfsen nicht nachweisbar; doch kann dieser Umstand zufällig sein, 
da auf den gegenwärtig bekannten Exemplaren, abgesehen etwa von 


1) Il. V 734, VIII 385: πέπλον μὲν κατέχευεν Eavov πατρὸς ἐπ᾽ οὔδει, 
ποικίλον, ὃν δ᾽ αὐτὴ ποιήσατο καὶ κάμε χερσὶν, | ἡ δὲ χιτῶν᾽ ἐνδῦσα Aug νεφε- 
ληγερέταο | τεύχεσιν ἐς πόλεμον ϑωρήσσετο δακρυόεντα. 2) Eine mit dem kurzen 
Kriegerchiton bekleidete Pallas läfst sich bis jetzt mit Bestimmtheit nur auf 
einer den chalkidischen verwandten Vase (Heydemann, die Vasensammlungen 
des Museo nazionale zu Neapel p. 661 n. 120) nachweisen. Vgl. Studniezka in 
der Zeitschrift für österr. Gymnasien 1886 p. 199 Anm.2. 3) Oben Seite 75 #. 
4) Furtwängler, Beschreibung der Berliner Vasensammlung p.9 πὶ, ὅθ. 5) Conze, 
melische Thongefälse T. 2—4. 6) Salzmann, ndcropole de Camiros pl. 53. 
Verhandlungen der 23. Philologenversammlung in Hannover T. 1. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 12 


118 Die Tracht. 


dem auf einer melischen Vase dargestellten kitharspielenden Apoll,) 
keine der Figuren vorkommt, für die der lange Chiton in der wei- 
teren Kunstentwickelung typisch zu sein pflegt. 

Den ältesten monumentalen Beleg für den Gebrauch des langen 
Chitons bei den kleinasiatischen Ioniern, in deren Mitte das Epos 
seine Blütezeit durchmachte, bieten die überlebensgrofsen Sitzbilder, 
welche längs der Strafse aufgestellt waren, die von dem milesischen 
Hafen nach dem didymäischen Apolloheiligtume führte.) Es befinden 
sich darunter mehrere männliche Portraitstatuen, die mit dem langen 
Chiton bekleidet sind. Die Entstehungszeit einer dieser Statuen, 
welche inschriftlich bezeichnet ist als ein Weihgeschenk des Chares, 
Herrschers von Teichiussa,°) läfst sich annähernd bestimmen. Sie mufs 
nach dem Beginne der persischen Herrschaft, die das Aufkommen 
solcher kleinen Despoten möglich machte, aber vor dem ionischen 
Aufstande, der den Wohlstand der Milesier für lange Zeit vernichtete, 
also zwischen 546 und 500 v.Chr. gearbeitet sein.*) Doch läfst der 
hocharchaische Stil darauf schliefsen, dafs ihre Ausführung der oberen 
Zeitgrenze näher steht als der unteren. Von den anderen lang- 
bekleideten Männerfiguren, die an derselben Strafse gefunden wurden, 
scheint eine?) der des Chares gleichzeitig, zwei®) etwas jünger. Eine 
vierte?) zeigt namentlich in dem Faltenwurfe, der in dürftigster Weise 
durch eingemeifselte Umrisse angedeutet ist, einen noch primitiveren 
Stil. Aufserdem gehört hierher der mit einem langen Chiton be- 
kleidete Dionysos auf der bei Vulei gefundenen Phineusschale,°) die, 
wie es scheint, in einer ionischen Fabrik etwa während der zweiten 
Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. gearbeitet ist. 

Auf den chalkidischen Vasen’) kommt der lange Chiton nur sehr 
selten vor. Er ist dem Minos gegeben, der dem Kampfe zwischen 
Theseus und dem Minotauros beiwohnt,!®) einem Alten (Polybos), der 
bei einem Auszuge von Kriegern zugegen ist,'!) und dem Mopsos und 


1) Conze a. a. OÖ. T. 4. 2) Newton, hist. of discoveries at Halicarnassus, 
Cnidus and Branchidae pl. 74, 75, Band Il 2 p. 548—553, p. 777 ff.; Rayet et 
Thomas, Milet pl. 25—26; Overbeck, Gesch. d. gr. Plastik I? p. 93—96; Yurt- 
wängler in den Mitth. d. arch, Institutes in Athen VI (1881) p. 180. 3) Newton 
a. a. Ο. pl. 74 links; Rayet et Thomas a. a. O. pl. 25. 4) Kirchhoff, Studien 
zur Geschichte des gr. Alphabets, 3. Aufl. p. 17—19. 5) Newton pl. 74 rechts. 
6) Newton pl. 75, die 2. und A. von links. 7) Newton pl. 75, die 3. von links; 
Rayet et Thomas pl. 26. 8) Mon. dell’ Inst. X T. 8; Heidelberger Festschrift 
zur 21. Philologenversammlung p.118, 119. Vgl. daselbst von Duhn p. 109—124. 
9) Vgl. Kirchhoff, Studien zur Geschichte des gr. Alphabets, 3. Aufl. p. 110—113; 
Klein, Euphronios p. 31—34, 2. Aufl. p. 64—72; Ann. dell’ Inst. 1879 p. 145, 146; 
Arch. Zeit. 1881 p. 36 Anm. 33; Jahrbuch des arch. Inst. I 1886 S. 89—94. 
10) Mon. dell’ Inst. VI T. 15. 11) Gerhard, auserl. Vasenb. III T. 190, 191. 


XI. Die Kleidung der Männer. 179 


zwei Greisen, welche mit ihm dem Ringkampfe zwischen Peleus und 
Atalante zusehen.) Auf einem vierten Exemplare scheint der auf 
der Kline ruhende Adrastos mit dem langen Chiton bekleidet zu 
sein,?) wiewohl hier der den unteren Teil der Figur bedeckende Mantel 
eine bestimmte Entscheidung unmöglich macht. 

Unter den attischen Gefäfsen, welche dem ältesten Stadium des 
schwarzfigurigen Stiles angehören, ist im besonderen das gestalten- 
reichste, die Francoisvase,’) ins Auge zu fassen. Der Maler hat den langen 
Chiton allen den Göttern gegeben, welche heranziehen, um Peleus 
und Thetis bei ihrer Hochzeit zu beglückwünschen. Unter ihnen 
sind deutlich erkennbar Zeus, Dionysos, Hermes, Ares, Hephaistos 
und Nereus.*) Aufserdem erscheint in derselben Scene der Bräutigam 
Peleus lang bekleidet. Die gleiche Tracht ist auf dem die Flucht 
des Troilos darstellenden Streifen für Priamos und Antenor und in 
der Darstellung des χορός, den Theseus und die von ihm Geretteten 
aufführen, für den den Reigen leitenden Theseus zur Anwendung ge- 
kommen. Auf den sonstigen attischen Gefälsen verwandter Art er- 
scheint der lange Chiton typisch für Zeus,?) Poseidon,°) Dionysos’) und 
Apoll,®) in was für Situationen diese Götter auch dargestellt sein 
mögen. Ferner kommt er vor bei Männern vorgerückten Alters, 
welche sich nicht mehr mit Kampf oder körperlichen Übungen be- 
fassen,”) bei solchen, die an Festmahlen teilnehmen oder Opfer dar- 
bringen, bei zünftigen Flötenspielern,'”) Wagenlenkern, welche in der 
Schlacht oder in der Rennbahn die Rosse zügeln,'') und bei Kampf- 


1) Gerhard a. a. O. ΠΤ T. 237. 2) Ann. dell’ Inst. 1839 Tav. d’agg. P; 
Overbeck, Gal. T. 3 n. 4; Arch. Zeitg. 1866 T. 206. 3) Mon. dell’ Inst. IV 
T. 54, 55; Arch. Zeit. 1850 T. 23—24; Overbeck, Gal. T.9 n. 1, T. 15 π. 1; 
Ann. dell’ Inst. 1869 Tav. d’agg. D. 4) Dieser auf dem Fragmente Ann. dell’ 
Inst. 1869 Tav. d’agg. D. 5) Mon. dell’ Inst. II T. 44; VI Τὶ, 56 n. 2, 3; 
VIII T. 55 (vgl. Arch. Zeitg. 1876 p. 108 ff.); Arch. Zeitg. 1858 T. 114 n. 2 
p. 166—168; Panofka, Musde Blacas pl. 19; Heydemann, griech. Vasenb. T. 1 
n. 4. 6) Mon. dell” Inst. III T. 45; VI T. 56 n. 2; wohl auch VIII T. 55 (die 
2. Figur r. von Zeus, in der Heydemann Rhein. Mus. n. F. XXXV p. 465, 466 
Hades erkennt); Panotka, Musede Blacas pl. 19. 7) Mon. dell’ Inst. VI 
T. 56 n. 2, 3; VIII T. 55; Panofka, Musede Blacas pl. 19. 8) Mon. dell’ Inst. 
II T. 44; VIII T. 55; wahrscheinlich auch Arch. Zeitg. 1858 T. 114 n. 2 
p. 166—168. 9) Oeneus bei dem Kampfe zwischen Herakles und Nessos: Mon. 
dell’ Inst. VI T. 56 n. 4; Bull. dell’ Inst. 1881 p. 165. Zwei Greise bei dem 
Aufbruche des Kallias: Mon. dell’ Inst. III T.44. Zwei Greise bei einem Kampfe 
um einen Leichnam: Bull. dell’ Inst. 1881 p. 164. 10) Arch. Zeitg. 1881 T. 3 
n. II und VI, Wenn auf derselben Vase der den Komos begleitende Flötenspieler 
(n. IV) nackt auftritt, so erklärt sich dies hinlänglich daraus, dals der Komos 
nicht zu den solennen Teilen der Festfeier gehört. 11) So der des Kallias auf 
der Vase Mon. dell’ Inst. III T. 44 und der auf dem bekannten archaischen 


12* 


180 Die Tracht. 


richtern.) Auf der Schale des Archikles und Glaukytes?) tragen 
ihn die athenischen Jünglinge, die bei dem Kampfe zwischen Theseus 
und dem Minotauros gegenwärtig sind. Nur in vereinzelten Fällen 
erscheint Hermes damit ausgestattet, einmal bei der Geburt der 
Pallas,?) ein anderes Mal bei der Befreiung des Prometheus,‘) ein 
drittes Mal bei dem Überfalle des Troilos.’) Aufserdem ist hier 
als mit langem Purpurchiton bekleidet noch ein kürzlich auf der 
athenischen Akropolis gefundenes Standbild zu erwähnen, dessen Stil 
auf die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts hinweist, wie es scheint das 
Porträt eines vornehmen Atheners.°) 

Betrachten wir nunmehr die aus dorischem Kulturkreise stam- 
menden Denkmäler, so stellen archaische Reliefs, welche sich in dem 
Gebiete von Sparta finden, den heroisierten Verstorbenen regelmälsig 
im langen Chiton dar.) Die gleiche Tracht hat Studniczka°) für das 
Idol des amykläischen Apollon nachgewiesen. Auf den korinthischen 
Vasen und Votivtäfelchen (Pinakes) kommt sie im wesentlichen unter 
den gleichen Bedingungen vor wie auf den chalkidischen und alt- 
attischen Gefäfsen. Auch hier erscheint der lange Chiton typisch 
für Poseidon,’) für Männer vorgerückten Alters,'") Teilnehmer an 
Festmahlen,'') Wagenlenker'”) und zünftige Flötenspieler.!”) Ferner 


Relief bei Schöll, Mitth. aus Griechenland T. 2 n. 4. Vgl. Conze in den Memor. 
dell’ Inst. II p. 419. 1) Arch. Zeitg. 1881 T. 3 n. V; Bull. dell’ Inst. 1881 
p. 164. 2) Mon. dell’ Inst. IV T. 59; Gerhard, auserl. Vasenb. III T. 235, 236. 
3) Mon. dell’ Inst. VIIII T. 55. 4) Arch. Zeitg. 1858 T. 114 n. 2 p. 166—168. 
5) Overbeck, Gal. T.15 n.2. 6) Erwähnt im American Journal of Arch. 1886 p. 63. 
Mir liegt eine Skizze von Studniezka vor. 7) Mittheil. ἃ. arch. Inst. in Athen II 
(1877) T. 20, 22—24 p. 443—474; VII (1882) T.7 p.160—173. 8) In der Zeitschrift 
f. österr. Gymn. 1886 p.199 Anm. 3 durch Vergleich von Pausanias III 19, 2 mit 
Gardener, Types of greek coins pl. XV 28. 9) Furtwängler, Berliner Vasensamm- 
lung n. 347—462, 474—537, 563 (?), 787, 789, 796. 10) Priamos bei dem 
Auszuge der Troer: Mon. Ann. Bull. dell’ Inst. 1855 T. 20. Priamos und ein 
bejahrter Troer bei dem Auszuge des Troilos: Arch. Zeitg. 1863 T. 175 p. 58—66. 
Öeneus bei dem Kampfe zwischen Herakles und Nessos: Mus. gregorian. II 
T. 28 n. 22. Ein Greis bei dem Auszuge des Amphiaraos: Micali, storia T. 95. 
Inghirami, vası fittili IV T. 305. Mon. dell’ Inst. X T. 4, 5, hier mit der Bei- 
schrift „Halimedes“. Dafs die letztere Figur nicht, wie es nach der Abbildung 
scheint, einen Jüngling darstellt, sondern durch Bartstoppeln als Greis charakte- 
risiert ist, hat Furtwängler, Berliner Vasensammlung n. 1655 p. 207 richtig er- 
kannt. Zwei Greise bei einem Zweikampfe: Mus. gregor. IIT.28n.1?2. 11) Raoul- 
Rochette, choix de peintures p.73. 12) So die Helden, welche bei den Leichen- 
spielen des Pelias um die Wette fahren: Mon. dell’ Inst. X T. 4, 5; Inghirami, 
vasi fittili IV T. 307. Baton Wagenlenker des Amphiaraos: Mon. dell’ Inst. X 
T. 4, 5; Inghirami a. a. Ο. IV T. 305. Der des Herakles: Mon. dell’ Inst. III 
T. 46 n. 2; Welcker, alt. Denkm. III T. 6. Andere Wagenlenker: Heydemann, 
Vasens. zu Neapel n. 685. 13) Raoul-Rochette, choix de peintures p. 73. 


XI. Die Kleidung der Männer. 181 


sind damit bekleidet die Heroen, welche den Leichenspielen des Pelias 
zusehen,') Hades?) und auf der Thersandrosvase?) Agamemnon, wel- 
cher, das Scepter in der Hand, einer Eberjagd beiwohnt, ohne jedoch 
an derselben teilzunehmen. 

Endlich gehört hierher noch die Gruppe bemalter Vasen, als 
deren bedeutendstes Exemplar wir die Arkesilasschale kennen. Alle 
Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dafs diese Gefäfse in Kyrene ge- 
arbeitet sind; jedenfalls weisen die Inschriften auf eine dorische Fabrik 
hin.) Auf der Arkesilasschaled) sind mit dem langen Chiton be- 
kleidet der König Arkesilas und der Beamte, welcher die Träger der Sil- 
phionsäcke überwacht, auf anderen Exemplaren Zeus‘) und ein Kitharöd.”) 
Wären alle Gefäfse dieser Gattung publiziert oder genau beschrieben, so 
würden sich vielleicht noch mehr Beispiele der gleichen Tracht ergeben.°) 

Die Resultate, welche sich aus dieser Übersicht herausstellen, 
stimmen vortrefflich zu den bereits erwähnten Angaben, welche Thu- 
kydides’) über die Geschichte der altgriechischen Männertracht macht, 
und bieten für dieselben zugleich mannigfache Ergänzungen dar. Wenn 
der athenische Geschichtsschreiber den linnenen Chiton als bezeich- 
nend hervorhebt für die weichlichere Lebensweise, die mit geordneten 
städtischen Zuständen eintrat, so kann es nach dem Zeugnisse der 
Denkmäler keinem Zweifel unterliegen, dafs darunter der lange 
Chiton zu verstehen ist, der uns gegenwärtig beschäftigt. Der Be- 
richt des Thukydides läfst darauf schliefsen, dafs diese Tracht 
auch in Lakedämon Eingang gefunden hatte. Hiermit stimmt es, 
dafs wir dem langen Chiton auf Denkmälern nicht nur aus ioni- 
schem, sondern auch aus dorischem Kulturkreise begegnen, näm- 
lich auf spartanischen Reliefs, am Idole des amykläischen Apollon, 


1) Mon. dell’ Inst. X T. 4, 5; Inghirami, vasi fittiliı IV T. 307. 2) Arch. 
Zeitg. 1859 T. 125 n. 3 p. 34—37. Die Bedenken gegen die Echtheit dieses 
Gefälses (Bull.. dell’ Inst. 1875 p. 116) sind gegenwärtig beseitigt. Vgl. Furt- 
wängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 100 Anm. '3. 8) Denkm. d. a. Kunst 
I T.3 n.18. 4) Löschcke, de basi quadam prope Spartam reperta p.12ff. Klein, 
Euphronios p. 36, 2. Aufl. p. 75—77. Arch. Zeitg. 1880 p. 185—186, 1881 p.215— 250. 
Milchhoefer, die Anfänge der Kunst in Griechenland p. 171—183. Mittheilungen d. 
arch. Inst., athenische Abth. XI (1886) p. 90—92. ’4ey. ἐφημ. IV (1886) p. 127. 
5) Welcker, alte Denkm. III T. 34, Arch. Zeitg. 1881 p. 217 n. 1. 6) Arch. Zeitg. 
1881 T.12 n.3 p.218 n.11. Vgl. Mittheilungen ἃ. arch. Inst., athenische Abth. XI 
(1886) p. 90. 7) Arch. Zeitg. 1881 p. 217 n. 9. 8) Ich verzichte darauf eine 
Übersicht über die langbekleideten Männergestalten zu geben, welche auf den 
jüngeren bereits in das 5. Jahrhundert v.Chr. hineinreichenden Denkmälergattungen 
vorkommen; denn es würde dies von dem bestimmten Zwecke meiner Unter- 
suchung zu weit abführen und die von mir aufgestellten Kategorieen nur um 
einige Gestalten bereichern, dagegen keine wesentlich neuen Kategorieen ergeben. 
9) 16, 2ff. Vgl. oben Seite 163—164. 


182 Die Tracht. 


auf korinthischen Vasen und auf Exemplaren der durch die Arke- 
silasschale bezeichneten Gattung. Ferner ergiebt sich aus unserer 
Übersicht, dafs der Gebrauch dieses Gewandes bei den Ioniern, Athe- 
nern und Doriern im wesentlichen den gleichen Beschränkungen unter- 
lag. Der lange Chiton erscheint zunächst typisch für Männer vor- 
gerückten Alters und vornehmen Standes — eine Kategorie, in die 
sich auch Zeus, Poseidon und Hades als die obersten unter den Göt- 
tern und wegen ihres reiferen Alters einfügen.) Auch diese That- 
sache stimmt zu den Angaben des Thukydides, nach denen jenes 
Gewand die Tracht von älteren Leuten aus den wohlhabenden 
Ständen (πρεσβύτεροι τῶν εὐδαιμόνων) war. Aulserdem beweisen die 
Denkmäler, dafs der lange Chiton von jung und alt als Pracht- und 
Festgewand getragen wurde. Diese Bedeutung erhellt im besonderen 
aus dem korinthischen Gefäfse, auf dem die den Leichenspielen des 
Pelias zuschauenden Heroen durchweg lang bekleidet sind, und in 
noch augenfälligerer Weise aus der Francoisvase, auf der sämt- 
liche an der Hochzeit teilnehmende Götter und unter diesen selbst 
Ares, Hephaistos und Hermes,?) im langen Chiton auftreten, obwohl 
sonst der kurze für die beiden ersteren typisch ist und, von seltenen 
Ausnahmen abgesehen,?) auch dem Hermes eigentümlich zu sein 
pflegt. Wenn hiernach jener Chiton ein Festkleid war, so scheint es 
ganz natürlich, dafs sich Ionier, die ihr Portrait dem didymäischen 
Apoll, und Athener, die das ihrige der Burggöttin weihten, in einem 
solchen Gewande darstellen liefsen, dafs dasselbe von Berufsklassen, 
die in mehr oder minder enger Beziehung zum Kultus standen, wie 
Priester,*) Kitharöden, Flötenspieler und Wagenlenker, nicht nur 


1) Derselbe Gesichtspunkt palst auch auf Dionysos. Da jedoch dieser Gott 
als Spender des Weines bei jeder Festfeier eine hervorragende Rolle spielt, so 
kann sein langer Chiton auch als festliches Gewand aufgefalst werden. 2) Be- 
zeichnend ist es, dafs Hermes auf derselben Vase, wo er dem festlichen Kreise 
entrückt und bei der Verfolgung des Troilos gegenwärtig ist, seine gewöhnliche 
Tracht, den kurzen Leibrock, trägt. 3) Oben Seite 180, Anm. 3—5. Die 
feierliche Tracht ist in diesen Fällen vermutlich aus der Eigenschaft des Hermes 
als ϑεῶν κήρυξ zu erklären (Hesiod. theog. 939, op. 80; Aeschyl. Agam. 515, 
Choeph. 123). Wenn die attischen Jünglinge, welche auf der Schale des Archikles 
und Glaukytes (oben Seite 180, Anm. 2) dem Kampfe zwischen Theseus und 
dem Minotauros beiwohnen, den langen Chiton tragen, so soll dies vielleicht auf 
den sakralen Charakter der zum Opfer geweihten Jugend hinweisen. Möglich 
jedoch, dafs der Maler an den viel gefeierten Chorreigen dachte, den Theseus 
nach seinem Siege mit den Geretteten aufführte, und deshalb mit einer in der 
antiken Kunst häufigen Prolepsis das festliche Gewand schon in der unmittelbar 
vorhergehenden Scene zur Darstellung brachte. 4) Z. B. Michaelis, der Par- 
thenon T. 14, V n. 34; Mittheilungen des deutschen arch, Institutes in Athen 
[V (1879) T. Ip. 41, 


ΧΙ. Die Kleidung der Männer. 183 


während der vorklassischen Periode, sondern auch noch später fest- 
gehalten wurde, dafs endlich der lange Chiton in dem Kostüme der 
tragischen Bühne für eine Reihe von Rollen typisch blieb.!) Wo 
dagegen keiner der angeführten Gesichtspunkte in Betracht kommt, 
zeigt die archaische Kunst allenthalben einen kurzen Chiton. Dieser 
war die Alltagstracht zum mindesten der jungen Leute und wurde 
auch von gereiften Männern da getragen, wo es galt sich frei und 
rasch zu bewegen, sei es im Kampfe, sei es auf der Jagd, sei es bei 
gymnastischer oder handwerklicher Thätigkeit.?) Die wenigen An- 
deutungen, welche das Epos über den Chiton giebt, lassen auf einen 
ähnlichen Sachverhalt schliefsen. Die Krieger und im friedlichen 
Leben der Jüngling Telemachos sind kurz bekleidet. Hingegen schei- 
nen sich die Dichter Zeus als den vornehmsten unter den Göttern 
mit einem bis zu den Fufsknöcheln herabreichenden Chiton gedacht 
zu haben, wie ıhn die älteren Ionier aus den wohlhabenden Ständen 
zu tragen pflegten. Wenn endlich die gegen Hektor kämpfenden 
Athener einmal ᾿Ιάονες ἕλκεχίτωνες heilsen, so wurde der Verfasser 
dieses Verses nicht durch den Eindruck bestimmt, den die einheimische 
Landwehr oder das in seiner Heimat herrschende Alltagsleben darbot, 
sondern durch die Vorstellung ionischer Volksältester oder eines ioni- 
schen Festes. Vermutlich schwebte ihm ein ähnliches Bild vor, wie 
dem Dichter des Hymnos auf den Apoll, als er zum Schlusse der 
delischen Festversammlung gedenkt,?) oder dem Asios*) bei der Schil- 
derung des Festes der Hera, bei dem .die Samier, wie er sich aus- 
drückt, „mit ihren schneeweilsen Chitonen weithin den Erdboden be- 
decken.“ 

Wenn der unter dem Panzer getragene Leibrock an zwei Stellen 
der Ilias στρεπτὸς χιτών) heilst, so weist dieses Epitheton, wie es 


1) Vgl. im besonderen Strabo ΧΙ c. 530, 12 und die bei Bernhardy, griech. 
Litt. II? p. 30 und 31 abgedruckten Stellen. Auf den Bildwerken sind die tra- 
gischen Schauspieler, welche Männer vornehmen Standes unter friedlichen Ver- 
hältnissen darstellen, stets mit dem langen Chiton bekleidet: Wieseler, 
Theatergeb. T. 4 n. 12, T.7—9 n. 1, T. 13 n. 2, A 24. Mon. dell’ Inst. XI T. 13. 
Mittheilungen d. arch. Inst. in Athen VII (1882) T. 14. 2) Deshalb giebt 
die archaische Kunst bisweilen Göttern, für die sonst der lange Chiton typisch 
zu sein pflegt, den kurzen, wenn diese Götter an heftig bewegten Handlungen 
teilnehmen. So sind auf schwarzfigurigen Gefälsen und auf rotfigurigen strengen 
Stiles Zeus und Poseidon bei dem Gigantenkampfe gegen den sonstigen 
Gebrauch beinahe stets kurz bekleidet (Overbeck, Kunstmythologie, Atlas T. 4 
n. 3, 9, 12, T.5 n. 1®, 1°. Eine Ausnahme ist der im langen Chiton kämpfende 
Poseidon T. 5 n. 12). 3) Hymn. I (in Apoll. Del.) 145 ff. 4) Bei Athen. 
XI 525F. 5) V 113: αἷμα δ᾽ ἀνηκόντιξε διὰ στρεπτοῖο χιτῶνος. ΧΧΙ 30: δῆσε 
δ᾽ ὀπίσσω χεῖρας ἐτμήτοισι ἵμᾶσιν, | τοὺς αὐτοὶ φορέεσκον ἐπὶ στρεπτοῖσι χιτῶσιν. 


Das Adjektiv ist gebildet von στρέφειν „drehen“. Vgl. Od. Il 426, XV 291: 


184 ᾿ Die Tracht. 


scheint, auf eine besonders starke Torsion der Fäden hin, die eine 
wellige Kräuselung des Stoffes zur Folge hatte, wie wir sie häufig 
auf Denkmälern an linnenen ionischen Chitonen wahrnehmen. Man 
kann es demnach mit Studniezka!) durch „wohlgezwirnt“ übersetzen. 
Der Versuch in dem στρεπτὸς χιτών einen Kettenpanzer zu erkennen 
wird im XXI. Abschnitte Widerlegung finden. 

Der kurze Chiton der Krieger wird an einer Stelle der Odyssee, ?) 
wie bereits ein alter Erklärer”) und unter den modernen Studniczka®) 
richtig erkannten, durch &öu« bezeichnet. Der in einen Bettler ver- 
wandelte Odysseus erzählt dem Eumaios, er habe einmal vor Troia 
mit Odysseus und Menelaos in einem Hinterhalte gelegen; während der 
Nacht habe es angefangen zu frieren; seine Kameraden hätten, be- 
kleidet mit Chiton und Chlaina, ruhig geschlafen; er selbst dagegen 
hätte thörichter Weise seine Ohlaina im Lager gelassen, da er kein 
Frostwetter erwartete, und sei ausgerückt σάκος οἷον ἔχων καὶ ζῶμα 
φαεινόν“. Da die Kälte gegen Morgen zunimmt, so teilt er dem 
Odysseus mit, er fürchte zu erfrieren, weil er keine Chlaina habe, son- 
dern nur mit dem Chiton bekleidet (οἰοχέτων) sei. Wenn der Er- 
zähler angiebt, dafs er, während die Anderen durch Chiton und Chlaina 
geschützt gewesen seien, nur Schild und ζῶμα gehabt habe, wenn er 
sich weiterhin beklagt, er habe keine Chlaina sondern sei nur mit dem 
Chiton bekleidet, und er schliefslich diesem Übelstande dadurch ab- 
hilft, dafs er sich die Chlaina des Thoas aneignet, so muls ζῶμα hier 
notwendig den Chiton bezeichnen. Ζῶμα war vermutlich das Wort 
für den Schurz, den die Griechen vor Einführung des Chitons unter 
der Chlaina trugen.?’) Es scheint demnach recht wohl denkbar, dafs 
dieses Wort gelegentlich für den gegürteten Chiton gebraucht wurde, 
der mit der Zeit jenen Schurz ersetzte — eine Übertragung, die be- 
sonders nahe lag, wenn es sich um einen kurzen Waffenrock handelte. 
Ähnlich wie mit ζῶμα scheint es sich mit dem an einer Stelle der 
OÖdyssee®) erwähnten ζῶστρα zu verhalten. Athene fordert Nausikaa 
auf, Alkinoos um einen Wagen zu bitten, um die Kleider zur Wäsche 
zu fahren:‘) 


ἕλκον δ᾽ ἵστία λευκὰ Eüoroenroicı βοεῦσιν ἃ. 1. mit aus Lederstreifen zusammen- 
gedrehten Tauen. Il. XV 463: ἐϑστρεφέα νευρὴν ἐν ἀμύμονι τόξῳ. Od. IX 421: 
Eüorgep£soor λύγοισιν. X 167: πεῖσμα .... ἐῦστρεφές. XIV 346: ὅπλῳ Eüoresgpeäi. 
XXI 408: ἐὐστρεφὲς ἔντερον οἷός (von der Darmsaite der Phorminx). Il. XIII 
599, 716: ἐὐστρόφῳ olög ἀώτῳ (von der Schleuder). 1) Beiträge zur Geschichte 


der altgriechischen Tracht p. 63—64. 2) Od. XIV 482: ἀλλ᾿ ἑπόμην σάκος 
οἷον ἔχων καὶ ζῶμα φαεινόν. 3) Schol. zu Od. XIV 482: νῦν προφανῶς ζῶμα 
τὸν χιτῶνά φησιν. 4) A. a. ΓΟ p. 70. 5) Oben Seite 162. 6) VI 38. 


7) Od. VI 60—65. 


XII. Die Kleidung der Männer. 185 


ἄμαξαν Epyonkiocı, ἥ κεν ἄγῃσιν 

ζῶστρά τε χαὶ πέπλους καὶ ῥήγεα σιγαλόεντα. 
Da hier die Hauptgewänder der Frauen (πέπλοι) erwähnt werden, 
da Athene im vorhergehenden der Kleider gedenkt, die der zukünf- 
tige Gatte der Nausikaa nötig haben würde, da Nausikaa unmittelbar 
darauf, als sie dem Alkinoos ihre Bitte vorträgt, daran erinnert, dafs 
für ihn selbst wie für ihre fünf Brüder ein reichlicher Vorrat frisch 
gewaschener Gewänder wünschenswert 561,5) und sie später aus den 
Kleidern, die sie an das Meer gebracht, dem Odysseus einen Chiton 
und einen Mantel mitteilt,?) so hat man an jener Stelle auch einen 
Hinweis auf Männerkleider zu gewärtigen. Ein solcher ist aber vor- 
handen, wenn wir die ζῶστρα mit dem Scholiasten auf Chitone be- 
ziehen. 

Da die Griechen, wie im obigen‘) gezeigt wurde, den linnenen 
Chiton aus dem Morgenlande entlehnten, so ist hier noch die für die 
Geschichte des Stiles wichtige Frage zu erörtern, ob sie zugleich mit 
jenem Gewande auch eine im Orient übliche Herrichtung der Lein- 
wand annahmen. 

Die Kenntnis die Leinwand durch kreppartiges Weben oder durch 
steifende Mittel und durch Bügeln in künstliche Falten zu legen reicht 
bei den orientalischen Völkern in das’ höchste Altertum hinauf. Den 
Ägyptern war sie bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. geläufig; denn 
künstlich gefältelt erscheint der linnene Schurz (Schenti) des Snefru, 
ersten Königs der vierten Dynastie, auf dem Relief von Maghara auf 
der Sinaihalbinsel.°) Das Gleiche gilt für den langen linnenen Leib- 
rock — wohl die Kalasiris des Herodot®) —, in dem seit der acht- 
zehnten Dynastie, also seit dem 17. Jahrhundert v. Chr., die Pha- 
raonen und ihre Grofswürdenträger bei feierlichen Gelegenheiten auf- 
zutreten pflegen.”) Uralte chaldäische Denkmäler, mehrere Cylinder, °) 
eine männliche Porträtfigur”) und zwei bei Tello gefundene, weibliche 
Sitzbilder,!") beweisen, dafs die Bevölkerung von Mesopotamien schon 
in sehr früher Zeit mit einer derartigen Herrichtung der Leinwand 
vertraut war. Künstlich gefältelten linnenen Gewändern begegnen 
wir auf phönikischen Denkmälern.'') In dieser Weise ist auch auf 

1) Vgl. den XIII. Abschnitt. 2) Od. VI 60-68. 3) Od. VI 141, 
VII 234. 4) Seite 162. 5) Lepsius, Denkmäler aus Aegypten Abth. II Bl. 2a. 
Ein ägyptisches Bügelholz bei Wilkinson-Birch, the manners and customs of the 
ancient Egyptians I p. 185 n. 15. 61421; 81; 7) Z. B. Lepsius a. a. O. 
Abth. III Bl. 109, 115, 118. 8) Perrot et Chipiez, histoire de l’art II p. 86 n. 17, 
p. 97 n. 20, p. 647 n. 314, p. 678 n. 353. 9) De Longperier, Musde Napoleon 
III pl. 15; Perrot et Chipiez 11 p. 606 n. 296. 10) Perrot et Chipiez II p. 599 
n. 289, p. 600 n. 290. ‚Vgl. auch den altchaldäischen Sonnengott Samas auf 
dem Relief von Sippara p. 211 n. 71 und das Relief p. 554 n. 257. 11) Künst- 


186 Die Tracht. 


einem bei Askalon gefundenen Basaltrelief der Schurz (Schenti) einer 
männlichen Figur behandelt, die vermutlich einen moabitischen König 
darstellt (Fig. 49).') 
Auf den griechischen 
Bildwerken läfst sich 
die conventionelle Fäl- 
telung allerdings erst 
verhältnismälsig spät 
nachweisen. Unter den 
gegenwärtig bekann- 
ten Skulpturen, an 
denen sie deutlich er- 
kennbar ist, scheinen 
die ältesten zwei zu 
den milesischen Sitz- 
bildern gehörige Sta- 
tuen, nämlich die des 
Chares,?) deren Aus- 
führung, wie bereits 
bemerkt,kurznach dem 
Jahre 546 v.Chr. fällt,?) 
und eine andere ihr 
hinsichtlich des Stiles 
nahe verwandte Por- 
trätfigur.‘) Dielangen, 
offenbar linnenen Chi- 
tone, mit denen die 
beiden Figuren beklei- 
det sind, zeigen auf 
der Vorderseite einen 
aus vertikalen Fält- 
chen gebildeten Streifen, der von der Halsöffnung bis an den 


lich gefältelt ist, wie es scheint, der Schurz der uralten Bronzefigur von 
Latakieh (oben Seite 35, Anm. 4), sicher der des Torso von Sarepta (De 
Longp£rier, Musde Napoleon pl. XVII 1; Perrot et Chipiez II p. 428 n. 302) und 
der des Löwentödters auf der Stele von Amrit (Perrot III p. 413 ἢ. 283). Künst- 
lich gefältelte Chitone auf phönikischen Elfenbeinreliefs: Perrot et Chipiez II 
p. 222 n. 80, p.533 n. 247; an kyprischen Statuen z. B. Perrot III p. 538 n. 364, 
p. 547 n. 372. Sehr häufig kommen derartige Gewänder auf den öfters erwähnten 
Silbergefälsen vor (oben Seite 21 Anm. 4). Vgl. unsere Fig. 2 auf Seite 23. 1) De 
Longperier, Musde Napoleon III pl. 28; Perrot III p. 443 n. 316. 2) Newton, 
hist. of discov. at Halicarnassus pl. 74 links; Rayet et Thomas, Milet pl. 25. 
3) Oben Seite 178. 4) Newton a. a. O./pl. 74 rechts. 


XII. Die Kleidung der Männer. 187 


unteren Rand des Gewandes herabreicht. An zwei anderen eben- 
falls sehr alten Skulpturen, einer auf Samos entdeckten Statue der 
Hera') und einem weiblichen Sitzbilde attischen Fundorts,?) ist der 
Chiton allenthalben mit vertikalen Falten überzogen — eine Anord- 
nung, die an Statuen und auf Reliefs vorgeschrittenen archaischen 
Stils unendlich oft wiederkehrt. In der Vasenmalerei begegnen wir 
den ersten mehr oder minder gelungenen Versuchen derartige Ge- 
wänder darzustellen auf den jüngeren schwarzfigurigen Gefälsen, wo- 
gegen die rotfigurige Technik von Anfang an die hierfür nötigen 
Ausdrucksmittel vollständig beherrscht und während des archaischen 
Stadiums beinahe ausschliefslich künstlich gefältelte Chitone wieder- 
giebt. Wenn jedoch die künstliche Fältelung auf den griechischen 
Bildwerken nicht vor dem 6. Jahrhundert nachweisbar ist, so wird 
hierdurch keineswegs die Möglichkeit ausgeschlossen, dafs die Grie- 
chen schon in früherer Zeit mit diesem Verfahren vertraut waren. 
Die individuelle Entwickelung der griechischen Plastik beginnt erst 
zu Anfang des 6. Jahrhunderts und gewils mulsten eine lange An- 
schauung und vielseitige Übung vorhergehen, bis die Bildhauer der- 
artige Motive in Marmor auszudrücken wagten. Was ferner die Vasen- 
maler betrifft, so verfuhren sie bis zur Ausbildung der schwarz- 
figurigen Technik in der Wiedergabe der Einzelheiten sehr sparsam 
und fühlten sich demnach gewils nicht bewogen eine Erscheinung zu 
vergegenwärtigen, deren Ausdruck bei der Kleinheit der darzustellen- 
den Figuren erhebliche Schwierigkeiten verursachte. Um so bedeut- 
samer scheint es, dafs Bildhauer und Vasenmaler, sowie sie den Ein- 
zelheiten in eingehenderer Weise Rechnung zu tragen im stande waren, 
von dieser Fähigkeit sofort Gebrauch machten, um künstlich gefäl- 
telte Gewänder wiederzugeben. Hiernach scheint die Vermutung nicht 
zu kühn, dafs jene Fältelung den Griechen bereits bekannt war, bevor 
ihre Kunst dieselbe darzustellen unternahm, nnd dafs sie zugleich 
mit dem orientalischen linnenen Chiton bei ihnen Eingang fand. 
Ist dies richtig, dann haben wir uns den homerischen Chiton ähn- 
lich wie die auf altorientalischen und archaischen griechischen Bild-. 
werken dargestellten Leibröcke mit einem Gefüge künstlicher Falten 
überzogen zu denken. 

Den Chiton allein trug der Grieche des homerischen Zeitalters 
nur zu Hause. Schickte er sich an auszugehen, so legte er darüber 
einen Mantel an, der gewöhnlich Chlaina, seltener Pharos heilst. Der 
für das Anlegen des Mantels vorkommende Ausdruck „er warf ıhn 


1) Bull. de correspondance hellenique IV (1880) pl. 13, 14. 2) Le Bas, 
voyage archeologique pl. 3,1; von Sybel, Katalog der Sculpturen zu Athen πὶ 5001. 


188 Die Tracht. 


über die starken Schultern“ — ἐπὶ στιβαροῖς βάλετ᾽ ὥμοις ὃ) — weist auf 
die sogenannte symmetrische Manteltracht hin, bei der die beiden oberen 
Zipfel des oblongen Zeugstückes über beide Schultern in gleicher Länge 
nach vorwärts gezogen wurden — eine Anordnung, welche auf den archa- 
ischen griechischen Denkmälern zwar nicht die allein üb- 
liche aber doch die gewöhnliche 150.) (Vgl. unsere 
Figuren 47 und 50.)?) Aus dieser Anordnung erklärt 
sich auch das einmal der Chlaina des Nestor beigelegte 
Epitheton &xradım.*) Es vergegenwärtigt, wie der 
schmiegsame Stoff glatt ausgebreitet die Schultern und 
den Rücken des Helden umgiebt. Will man mir be- 
hufs einer möglichst treuen Wiedergabe die Bildung 
eines neuen Wortes gestatten, so würde ich vorschlagen 
zu übersetzen „die streckliche Chlaina“.°) 

Das Substantiv χλαῖνα scheint aus der Wurzel 
xAı- gebildet, welche die Bedeutung „erwärmen“ hat,®) 
und demnach mit χλιχίνω zusammenzugehören.”) Diese 
Ableitung stimmt sowohl mit dem Zwecke überein, zu 
dem die Chlaina in der griechischen Tracht über- 
haupt diente, als auch mit Attributen wie ἀνεμο- 
σχεπής ), a@AsEcveuog”) und ähnlichen, die ihr im Epos beigelegt 


1) Od. XV 61: καὶ μέγα φᾶρος ἐπὶ στιβαροῖς βάλετ᾽ wuoıs. Vgl. Od. XIII 
224: δίπτυχον ἀμφ᾽ ὥμοισιν ἔχουσ᾽ εὐεργέα λώπην. Hymn. VII 5: φᾶρος δὲ 
περὶ στιβαροῖς ἔχεν ὥὦὥμοις | πορφύρεον. 2) Auf den alten spartanischen 
Grabstelen (Mittheilungen des arch. Inst. in Athen II 1877 T. XXff.), auf dem 
im Alpheios gefundenen Panzer (oben Seite 176 Fig. 48) und auf anderen archa- 
ischen Denkmälern, die Boehlau, quaestiones de re vestiaria Graecorum p. 33 ff. 
zusammengestellt hat, erscheint der Männermantel nur über eine Schulter 
geworfen. 3) Fig. 50 aus Gerhard, etruskische und campanische Vasenbilder 
T. 3 nach Studniczka, Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 66 
n. 15. 4) Il. X 133: χλαῖναν περονήσατο φοινικόεσσαν, | διπλῆν, ἐκταδίην, οὔλη 
δ᾽ ἐπενήνοϑε λάχνη. 5) Die von Studniczka, Beiträge p. 75 vorgeschlagene 
Übersetzung „ausbreitbar“ ergiebt einen verwandten Sinn. Doch irrt dieser Ge- 
lehrte, wenn er das Epitheton darauf deutet, dafs die Chlaina nicht nur doppelt 
umgelegt (διπλῆ. Vgl. weiter unten Seite 189), sondern auch in ihrer ganzen 
Ausdehnung getragen und unter Umständen als Lagerdecke verwendet werden 
konnte. Eine so selbstverständliche Eigenschaft der doppelten Chlaina bedurfte 
keiner besonderen Erwähnung. Aufserdem würde ein Hinweis hierauf in das 
Bild des Helden, wie es vom Dichter entworfen ist, eine unzugehörige Nüance 
hineinbringen. 6) Fick, vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Spra- 
chen 118 p. 84. 7) Studniczka, Beiträge p. 73. Die gleiche Wurzel liegt auch 
in dem synonymen yAav-/-s und mit labialem Nasal in der thessalisch-aeolischen 
Form χλαμ-ύ-ς vor: Curtius, Grundzüge 4. Aufl. p. 536. G. Meyer, griech. Gram- 
matik $ 256 p. 227. Studniczka a. a. O. p. 73. 8) Il. XVI 224: χλαινάων 7’ 
ἀνεμοσκεπέων. 9) Od. XIV 529: ἀμφὶ δὲ χλαῖναν ξἑέσσατ᾽ ἀλεξάνεμον, μάλα πυκνήν. 


XII. Die Kleidung der Männer. 189 


werden.) Als wärmendes Kleidungsstück war die Chlaina aus 
Schafwolle gearbeitet, wie denn auch von derjenigen des Nestor 
ausdrücklich angegeben wird, dafs sie mit krausen Wollzotteln be- 
deckt war,’) und das Adjektiv „kraus“ (οὔλη) häufig als Epitheton 
der Chlaina vorkommt.’) Auf Wolle weist auch der Umstand hin, 
auf den wir später zurückkommen werden, dafs nämlich umfang- 
reichere Mäntel dieser Art nicht nur mit ornamentalen sondern auch 
mit figürlichen Mustern geschmückt waren; denn eine derartige De- 
koration lief, wie wir gesehen haben,*) den Bedingungen der Leine- 
weberei zuwider. 


Es gab zweierlei Arten von yAeivaı, einfache und doppelte, wie 
auch auf den archaischen griechischen Denkmälern gröfsere und klei- 
nere Mäntel neben einander hergehen.?°) Die ersteren heifsen ἁπλοΐδες 
χλαῖναι. wogegen die andere Gattung durch χλαῖνα διπλῆ) oder — 
mit abweichender Bildung des Multiplikativs®) — durch dimAuE?) be- 


.1) Vgl. Od. XIV 520: ἐπὶ δὲ χλαῖναν βάλεν αὐτῷ | πυκνὴν καὶ μεγάλην, 7 οἵ 
παρεκέσκετ᾽ ἀμοιβάς, ἕννυσϑαι, ὅτε τις χειμὼν ἔκπαγλος ὄροιτο. Vgl. Hesiod. op. 537 
(oben Seite 174, Anm.10). 2) 11.X 134 (oben Seite 188, Anm.4). 3) Oben Seite 165, 
Anm.6. 4) Oben Seite 172. 5) Innerhalb der korinthischen Gefälsmalerei würde 
der einfachen Chlaina entsprechen z.B. der kurze Mantel des Hippotion auf der 
cäretaner Amphiaraosvase (Mon. dell’ Inst. X T. IV, V), der doppelten der 
weite Mantel des Priamos in einem den Auszug des Hektor darstellenden Vasen- 
bilde (Mon. Ann. Bull. 1855 T. XX). Die chalkidischen Vasenmaler haben das 
erstere Kleidungsstück dem Perseus (Gerhard, auserl. Vasenb. IV T. CCCXXI), 
drei mit Speeren bewaffneten Männern, welche dem Ringkampfe zwischen Peleus 
und Atalante zusehen (Gerhard a. a. OÖ. ΠῚ Τὶ CCXXXVII, den umfangreicheren 
Mantel dagegen zweien mit dem langen Chiton bekleideten Alten, die bei dem- 
selben Kampfe zugegen sind (Gerhard a. a. O. ΠῚ T. CCXXXVID), und auf der 
Adrastosvase (oben Seite 179, Anm. 2) dem Adrastos, Polyneikes und Tydeus 
gegeben. Auf der Frangoisvase (oben Seite 179, Anm. 3) sind mit dem kurzen, 
der einfachen Chlaina entsprechenden Mantel die attischen Jünglinge, die an 
dem von Theseus geleiteten Chorreigen teilnehmen, und in der Troilosdarstellung 
Apoll bekleidet, wogegen sich die umfangreicheren Mäntel des Bräutigams Peleus 
und der zur Hochzeit heranziehenden Götter der doppelten Chlaina vergleichen 
lassen würden. Vgl. Boehlau, quaestiones de re vestiaria Graecorum p. 33. 
6) I. XXIV 229: ἔνϑεν δώδεκα μὲν περικαλλέας ἔξελε πέπλους, δώδεκα δ᾽ 
ἁπλοΐδας χλαίνας, τόσσους δὲ τάπητας, | τόσσα δὲ φάρεα καλὰ, τόσους δ᾽ ἐπὶ 
τοῖσι χιτῶνας. Die beiden letzten Verse sind wiederholt Od. XXIV 276. MI. 
X 134 (oben Seite 188, Anm. 4). Od. XIX 225: γλαῖναν πορφυρέην οὔλην ἔχε 
δῖος Ὀδυσσεύς, | διπλῆν: αὐτὰρ οἵ περόνη χρυσοῖο τέτυκτο | αὐλοῖσιν διδύμοισι. 
8) 7. Schmidt in Kuhns Zeitschrift XVI p. 480 verwirft, wie es scheint mit 
Recht, die geläufige Ableitung von πλέκειν und nimmt an, dals δύπτλαξ aus διπλός 
mit dem Sekundärsuffix «x gebildet sei, wonach δίπλαξ zu διπλοῦς sich verhalten 
würde wie ἐριβώλαξ zu ἐρέίβωλος. 9) Il. III 126: ἡ δὲ μέγαν ἱστὸν ὕφαινεν, 
δίπλακα πορφυρέην. ΧΧΙΠ 440: ἀλλ᾽ ἣγ᾽ ἱστὸν ὕφαινε μυχῷ δόμου ὑψηλοῖο | δί- 
πλακὰ πορφυρέην. Od. XIX 241: δίπλακα δῶκα | καλὴν πορφυρέην. 


190 Die Tracht. 


zeichnet wird. Die beiden letzteren Benennungen sind nicht so sehr 
aus den doppelten Dimensionen, wie aus einer eigentümlichen Art des 
Anlegens zu erklären, über welche eine Stelle der Odyssee!) Auf- 
schlufs giebt. Der jugendliche Hirt, in dessen Gestalt Athene dem 
Odysseus erscheint, trägt um die Schultern eine doppelt gefaltete, 
schön gearbeitete λώπη. Offenbar ist hier λώπη wie in der späteren 
Sprache λῶπος ein allgemeiner Ausdruck für Gewand, den der Dichter 
zur Bezeichnung des sonst χλαῖνα benannten Mantels verwendet hat.?) 
Wie das Beiwort δώττυχος beweist, lag der Stoff doppelt gefaltet um 
die Schultern. Also war die χλαῖνα διπλῆ oder δίσλαξ ein umfang- 
reicher Mantel, der je nach Bedürfnis in seiner ganzen Längenaus- 
dehnung oder auch durch Zusammenfalten auf den Umfang einer ein- 
fachen Chlaina reduziert getragen werden konnte.’) Die letztere An- 
ordnung lag besonders nahe, wenn es den Körper unbehindert zu .be- 
wegen galt. Sie ist an mehreren archaischen Skulpturen deutlich er- 
kennbar®) und unter anderen auch am Oinomaos des olympischen 
Östgiebels,?) einer Statue, die bei dieser Untersuchung besonders Er- 
wähnung verdient, weil an ihr der Mantel nach der im Epos be- 
zeugten Weise symmetrisch umgelest ist. 

Zum Zusammenstecken der Chlaina diente eine Heftnadel (περόνη, 
πόρπη). ἢ Indels bleibt es zweifelhaft, ob die Chlaina stets oder auch 
nur in der Regel genestelt getragen wurde, da auf den archaischen 
griechischen Denkmälern genestelte Mäntel und solche, die einfach 
um die Schultern geworfen sind, neben einander vorkommen. Jeden- 
falls mulste die Chlaina zusammengesteckt werden, wenn man die Arme 
unbehindert gebrauchen wollte. Daher scheint es nicht zufällig, wenn 
das Epos an zwei Stellen?) einer durch eine Heftnadel gefestigten 
χλαῖνα διπλῆ gedenkt, also eines Mantels, welcher, doppelt umgelest, 
eine freiere Bewegung gestattete.e An mehreren Stellen des Epos wird 
die Heftnadel nicht ausdrücklich erwähnt, muls aber nach dem Zu- 


1) XIII 224: δίπτυχον ἀμφ᾽ ὦμοισιν ἔχουσ᾽ εὐεργέα λώπην. 2) Studniczka, 
Beiträge p. 74 verweist richtig auf Hipponax fragm. 3 (Bergk) und das der alt- 
attischen Gerichtsprache angehörige λωποδύτης. 3) Die von Aristarchos Schol. 
I. III 126 gegebene Erklärung δίπλαξ χλαῖνα, ἣν ἔστι διπλῆν ἀμφιέσασϑαι erweist 
sich demnach als richtig. Vgl. Lehrs de Aristarchi stud. hom. 2. ed. p. 193. 
4) Vgl. Studniczka, Beiträge p. 78 ff. 5) Ausgrabungen zu Olympia I 1875—76 
T. XVI. Wie mir Studniczka mündlich mitteilt, gehört der auf der athenischen 
Akropolis gefundene kalbtragende Hermes (Arch. Zeit. 1868 T. 187; Overbeck, 
(Gesch. ἃ. griechischen Plastik 15. p. 146 Fig. 25) nicht ‚hierher, da das Motiv, 
welches Studniczka, Beiträge p. 78 auf einen doppelt gelegten Mantel deutete, 
am Originale vielmehr als ein plastisch ausgedrückter Saum kenntlich ist. 
6) Vgl. unseren XIX. Abschnitt. 7) 1. X 133 (oben Seite 188, Anm. 4). 
Od. XIX 226 (oben Seite 189, Anm. 7). 


ΧΠ. Die Kleidung der Männer. 191 


sammenhange vorausgesetzt werden. Als Eumaios zur Nachtwache 
aufbricht, legt er eine Chlaina und darüber ein Ziegenfell um.!) Der 
in einen Bettler verwandelte Odysseus ist mit einem Chiton, einem 
zerlumpten Mantel (ῥάκος) nnd darüber mit einem Hirschfell be- 
kleidet.”) Hier wie dort müssen wir uns den Mantel notwendig ge- 
nestelt denken, da er sich sonst unter dem Felle bei jeder Bewegung 
verschoben haben würde. Das Gleiche gilt für den Mantel, den Odys- 
seus trug, als er, von Kalypso entlassen, auf dem Flosse seine Heimat 
zu erreichen suchte.°) Wenn der Dichter angiebt, dafs die duftigen 
Gewänder, mit denen Kalypso den Helden vor seiner Abfahrt be- 
kleidet, ihn, nachdem das Flofs geborsten ist, am Schwimmen hin- 
dern,*) so sind unter jenen Gewändern natürlich Chiton und Mantel 
zu verstehen. Ein einfach um die Schultern geworfener Mantel würde 
infolge der Bewegungen, die Odysseus beim Steuern und beim Richten 
der Segel machte, notwendig herabgeglitten sein. Also müssen wir 
uns den Mantel genestelt denken, wie die Schiffer auch später ihr 
palliolum zu tragen pflegten.?) Die Stelle, an der die Nestelung er- 
folgte, hing natürlich von der Weise ab, in welcher der Mantel an- 
gelegt war. Bei der im Epos bezeugten symmetrischen Anordnung 
befand sich die Heftnadel in der Mitte des oberen Brustrandes. 

Als Farben der Chlaina werden Rot‘) und Purpur‘) namhaft ge- 
macht. Die letztere Farbe, der wir auch an dem φᾶρος genannten 
Männermantel,®) an Decken,?) Laken!®) und am Balle der Nausikaa 
begegnen!) weist wiederum auf orientalischen Einflufs zurück; denn 
es ist allgemein anerkannt, dafs die Griechen mit dem Purpur durch 
phönikische Vermittelung vertraut wurden.'”) Doch treten die Zeit- 
genossen der epischen Dichter durch die Vorliebe, welche sie für diese 
Farbe hatten, keineswegs in Gegensatz zu den Griechen der Blüte- 
zeit, da der Purpur zu den orientalischen Elementen gehörte, die 
der klassische Geschmack festhielt und sich assimilierte. 


1) Od. XIV 529: ἀμφὶ δὲ χλαῖναν ἕέσσατ᾽ ἀλεξάνεμον, μάλα πυκνήν, | ἂν 
δὲ νάκην Eher’ αἰγὸς ἐϊτρεφέος, μεγάλοιο. 2) Od. XII 484: ἀμφὶ δέ ww ῥάκος 


ἄλλο κακὸν βάλεν ἠδὲ χιτῶνα |... ἀμφὶ δέ μιν μέγα δέρμα ταχείης ἕσσ᾽ ἐλάφοιο 
ψιλόν. 5. Θὰ. τ 92:0 4) Od. V 321, 343, 372. 5) Plautus, miles 
glor. 4, 4, 43. Vgl. Studniczka, Beiträge p. 75. 6) Il. X 133, Od. XIV 500, 
XXI 118: χλαῖνα φοινικόεσσα. 7) Od. IV 115, 154: χλαῖναν πορφυρέην. XIX 
225: χλαῖναν πορφυρέην οὔλην ἔχε δῖος Ὀδυσσεύς, | διπλῆν. 11. II 126 (oben 
Seite 81, Anm.1). Il. XXII 441, Od. XIX 241: δέπλακα πορφυρέην. 8) I. VII 
221; Od. VII 84; hymn. VII 5, 6. Vgl. Od. XIII 108. 9) Τάπητες: 1]. IX 
200 (oben Seite 121, Anm. 7); Od. XX 151 (oben Seite 121, Anm. 7). Ρήγεα: 
N. XXIV 645; Od. TV 298, VII 337, X 353. 10) Πέπλος: 11. XXIV 796. 
11) Od. VII 373. 12) Vgl. Büchsenschütz, die Hauptstätten des Gewerb- 


fleilses p. 83 ff. 


192 Die Tracht. 


Die umfangreichere Diplax wurde bisweilen mit Mustern verziert. 
Andromache brachte auf einem solchen Gewande, dessen Grundfarbe 
purpurn war, Ornamente an, die der Dichter ϑρόνα ποικίλα nennt.) 
Da die Urbedeutung des Wortes ϑρόνα „Gras“, „Kraut“ oder „Halm“ 
zu sein scheint,?) die späteren griechischen Dichter damit heilsame 
wie giftige Kräuter bezeichnen,?) Hesychios endlich und die Scho- 
liasten dieses Substantiv durch &v9n „Blumen“ erklären,*) so liegt es 
nahe auf jener Diplax blumenartige Verzierungen anzunehmen ähnlich 
denen, welche auf den aus den mykenäischen Schachtgräbern und 
verwandten Fundschichten stammenden Vasen vorkommen.’) Doch 
widerspricht dieser Annahme die Thatsache, dals derartige Ornamente 
nirgends als Gewandschmuck nachweisbar sind. Mit gröfserem Rechte 
könnte man demnach an rosettenartige Motive denken, wie sie z. B. 
einen Chiton auf dem mehrfach erwähnten, im Alpheios gefundenen 
Brustpanzer (oben Seite 175 Fig. 48)°) verzieren. Aber die von der. 
archaischen griechischen Kunst dargestellten Gewänder zeigen in der 
Regel geometrische und nur ganz ausnahmsweise vegetabile Orna- 
mente‘), welche letzteren ja auch den Bedingungen einer primitiven 


1) I. XXI 440: ἀλλ᾽ ἤγ᾽ ἱστὸν ὕφαινε μυχῷ δόμου ὑψηλοῖο | δίπλακα πορ- 
φυρέην, ἐν δὲ ϑρόνα ποικίλ᾽ ἔπασσεν. Vgl. Wustmann im Rhein. Museum XXIII 
(1868) p. 238. 2) Curtius, Grundzüge d. griech. Etymologie 4. Aufl. p. 492 
stellt es zusammen mit sanskrit trna-s Gras, Kraut, Halm, got. thaurnu-s, ksl. 
truna Dorn. 3) Theokrit, id. I 59. Nikandros, theriac. 493 (vgl. die Schol. 
zu diesem Verse), 936; alexipharm. 155. Lykophron, Alexandra 674, 1138, 1313. 
4) Hesych. ϑρόνα: ἄνϑη.. καὶ τὰ ἐκ χρωμάτων ποικίλματα Κύπριοι. Derselbe 
τρόνα ἀγάλματα. ἢ ῥδάμματα ἀνϑινά. Scholl. zu I. XXII 440 und Theokrit, id. 
II 59. Über das Hervorgehen der Aspirata aus der Tenuis: Curtius, Grundzüge 
4. Aufl. p. 492. 5) Vgl. Studniczka, Beiträge p. 55 Anm. 60. 6) Oben 
Seite 174, Anm. 8. 7) Die ältesten Beispiele finden sich auf der Frangoisvase, 
auf der das Gewand der mittleren Moira (auf dem Hauptstreifen; Abschnitt XIII 
Fig. 54), das des Theseus (im oberen Streifen) und das der auf einem der Henkel 
dargestellten sogenannten persischen Artemis mit Palmettenstreifen verziert sind. 
Ebenso kommen Palmetten- und Lotosstreifen in der polychromen Gewänder- 
dekoration der archaischen, auf der athenischen Akropolis gefundenen Skulpturen 
vor, so am Überschlag des sogenannten Xoanon (Ἐφημερὶς ἀρχαιολογική 1886 
p. 132; genau beschrieben im American Journal of archaeology 1886 p. 63 ἡ. 10), 
am Hals- und Schulterbunde der ’Epnu. &ey. 1883 T.8 (in der Mitte) publizierten 
weiblichen Figur (Mitteilung von Studniczka), an Kopfbinden z. B. ’Epnu. «ey. 
1883 T. 5, 6 p. 41 n. 10. Ferner gehören hierher zwei Fragmente aus den 
Adnväg yoval, einer Komödie des in der perikleischen Epoche thätigen Her- 
mippos. Fragm. comicor. gr. ed. Meincke II 1 p. 380 ff. n. 3 und 4: Καιροσπά- 
Inrov ἀνθέων ὕφασμα καινὸν Ὡρῶν | λεπτοὺς διαψαίρουσα πέπλους ἀνϑέων γέ- 
μοντας. Es scheint, dafs sich Athena in dieser Komödie unmittelbar nach ihrer 
Geburt mit der Herstellung von mit Blumenmustern geschmückten Peploi be- 
schäftigte. Vgl. R. Schneider, die Geburt der Athena (Abhandl, des archäol.- 


‘ 


XI. Die Kleidung der Männer. 193 


Weberei in ungleich geringerem Grade entsprechen, als die ersteren. 
Zudem ist schon vielfach darauf hingewiesen worden, dafs die ἀνϑινὰ 
ἱμάτια und ähnliche in der späteren Sprache vorkommende Ausdrücke 
nicht mit Notwendigkeit auf ausschliefslich vegetabilische Muster zu 
deuten sind.) Demnach scheint es geraten, das homerische Wort 
ϑρόνα im weiteren Sinne als Ornamente überhaupt zu fassen und 
hiermit die Möglichkeit offen zu halten, dafs darunter auch geometrische 
Verzierungen zu verstehen sind. 

Helena schmückte eine Diplax, an der sie webte, mit figürlichen 
Darstellungen, nämlich mit Kämpfen zwischen Troern und Achäern?) 
— eine Dekoration, deren kunstgeschichtliche Bedeutung bereits in 
unserem V. Abschnitte?) gewürdigt wurde. Der Gebrauch Mäntel 
mit figürlichen Darstellungen zu versehen erscheint weniger befrem- 
dend, wenn wir überlegen, dafs diese Gewänder damals symmetrisch 
umgelegt zu werden pflegten.*) Der Stoff fiel hierbei schlicht über 
den Rücken herab und gestattete dem Auge den Überblick über die 
sich darauf entwickelnden Bilder. 

Fragen wir nunmehr nach dem Verhältnisse, in welchem das 
Pharos zur Chlaina stand, so treten zwei Unterschiede im Epos deut- 
lich hervor. Während die letztere nicht nur von den Vornehmen, 
sondern auch von Leuten niederen Standes, wie z. B. dem Sauhirten°) 
und seinen Gesellen®) und von den Dienern der Freier’) getragen 
wird, begegnen wir dem Pharos nur bei Volkskönigen. Ferner 
muls sich das Pharos vor der Chlaina durch einen gröfseren Umfang 
ausgezeichnet haben, da der letzteren niemals, dem ersteren dagegen 
häufig das Epitheton „grofs“ (μέγα) beigelegt wird.) Einen dritten 
Unterschied hat Studniczka”) wahrscheinlich gemacht. Während 
nämlich die Chlaina aus Schafwolle gearbeitet war, scheint das Pharos 
aus Leinwand bestanden zu haben. Die Dichter brauchen das Wort 
φᾶρος nicht nur für den von den Männern getragenen Mantel, der 
uns gegenwärtig beschäftigt, sondern auch für Frauenkleider'’) und 
für Laken der verschiedensten Art, als da sind Windeln,'') Tücher, 
die zur Einhüllung der Leichen,'?) wie solche, die zur Herstellung 


epigr. Seminars ἃ. Universität Wien) p. 7. Gewänder mit vegetabilischen Mustern 


werden erst häufiger auf bemalten Vasen — zusammengestellt von Stephani 
C. r. 1878 et 79 p. 98ff. —, welche dem 4. und dem folgenden Jahrhundert 
angehören. 1) Marquardt, das Privatleben der Römer II? 2 p. 533. 2) 1]. Il 
125 (oben Seite 81, Anm. 1). 3) Seite 81—82. 4) Oben Seite 187—188. 
5) Od. XIV 529. 6) Od. XIV 514. 7) Od. XV 331. 8) II. II 43, VII 
221; Od. VIII 84, XV 61. 9) Beiträge p. 87 fl. 10) Od. V 230, X 543 
(oben Seite 166, Anm. 1). Vgl. den folgenden Abschnitt. 11) Hymn. I (in 


Apoll. Del.) 121 (oben Seite 166, Anm. 12). 12) Od. II 93—99, XIX 138—145, 
XxIV 129—138, 147—148 (oben Seite 167, Anm. 1). 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos, 13 


194 Die Tracht. 


von Segeln!) dienten. Also wird dieses Wort ursprünglich Stücke 
eines bestimmten Stoffes bezeichnet haben und dann auf Kleider und 
Laken, die aus diesem Stoffe bestanden, übertragen worden sein. 
Jener Stoff kann aber kein anderer gewesen sein als Leinwand. Diese 
allein eignete sich zur Herstellung von Segeln. Ebenso leuchtet. es 
ein, dafs neugeborene Kinder besser in glatte, linnene, als in rauhe, 
wollene Windeln eingewickelt werden. Über die Leichentücher und 
im besonderen dasjenige, welches Penelope für Laertes webte, wurde 
bereits im XI. Abschnitte?) das Nötige bemerkt und daselbst auch 
hervorgehoben, dafs die Epitheta &eyugeog”) und λεπτός), welche dem 
Pharos der Kalypso und Kirke, λεπτός und, wie es scheint, auch 
vnydreog, die der durch φᾶρος bezeichneten Windel beigelegt wer- 
den,°) auf Leinwand hinweisen. Aufserdem gehört hierher auch das 
Adjektiv ἐὐπλυνής „wohl gewaschen“, welches viermal als Epitheton 
des von Odysseus getragenen Pharos vorkommt.°) Da das Waschen 
wollenen Stoffen, abgesehen von der Reinlichkeit, die wir als selbst- 
verständlich betrachten dürfen, keine besonders in die Augen sprin- 
senden Reize mitteilt, so mülste dieses Epitheton bei einem wollenen 
Mantel notwendig befremden. Hingegen scheint es bei einem linnenen 
Stoffe vollständig am Platze, da ein solcher nur, wenn er gehörig 
gewaschen ist, die ihm eigentümlichen Vorzüge, die Glätte und den 
milden Glanz, offenbart. Wenn endlich das Pharos der Männer einige 
Male als purpurn bezeichnet wird,’) so schlielst dies die Möglichkeit 
darunter ein linnenes Gewand zu verstehen keineswegs aus, da Simo- 
nides von Keos°?) ein rot gefärbtes Segeltuch erwähnt, wie sie noch 
heute von albanesischen und chioggiotischen Schiffern gebraucht wer- 
den. Nach alledem stellt sich jenes Gewandstück als ein umfang- 
reicher linnener Mantel heraus, der so kostbar war, dals er nur von 
vornehmen Leuten beschafft werden konnte, und der auch insofern 
zu den Luxuskleidern gehörte, als er seinem Stoffe nach dem Zwecke 
des Obergewandes, den Körper gegen Kälte zu schützen, gar nicht 
oder nur in beschränktem Grade genügte. 

Endlich mufs hierbei noch der Ursprung des Wortes φᾶρος be- 
rücksichtigt werden. Während χλαῖνα eine echt griechische Bildung 
zu sein scheint,”) fehlt es für φᾶρος innerhalb des indoeuropäischen 
Sprachschatzes an einer befriedigenden Etymologie. Wenn die Lin- 
guisten'”) die an und für sich naheliegende Ableitung von φέρειν 


1) Od. V 258. 2) Seite166. 3) Seite 165—166. 4) Seite 166. 5) Seite 166. 
6) Od. VIII 392, 425, XIII 67, XVI 173. 7) 1. VII 221; Od. VII 84; Hymn. 
VI 5,6. Vgl. Od. XIII 108. 8) Fragm. 54 Bergk. 9) Oben Seite 188. 
10) Curtius, Grundzüge 4. Aufl. p. 107, p. 301 (wo das deutsche „Tracht“ von 


XI. Die Kleidung der Männer. 195 


vorgeschlagen haben, so spricht hiergegen der Umstand, dafs φᾶρος 
nicht ausschlielslich für ein Gewand, welches man am Leibe trug, 
sondern auch für Laken der verschiedensten Art gebraucht wurde 
— ein Umstand, der, wie wir gesehen, darauf schliefsen läfst, dafs 
es ursprünglich Stücke eines bestimmten Stoffes bezeichnete. Anderer- 
seits scheint es ganz unglaublich, dafs ein Substantiv für Luxus- 
gewänder, wie es die φάρεα genannten Kleider waren, aus dem Ver- 
bum φέρειν gebildet worden sei, das eine ganz allgemeine Bedeutung 
hatte und auf alle möglichen Kleidungsstücke anwendbar war. Stud- 
niczka,') dem die letztere Schwierigkeit nicht entgangen ist, nimmt 
daher an, dals φᾶρος aus einer fremden Sprache entlehnt sei. Er 
vergleicht ein ihm von dem Ägyptologen Dr. Krall nachgewiesenes 
altägyptisches Wort, welches p(h)aar oder p(h)äär lautete und ein 
bei der Einwickelung der Leichen gebrauchtes Stück Zeug bedeutete. 
Dafls dieses Zeug aus Leinwand bestand, unterliest nach dem im 
Nilthale üblichen Bestattungsritus keinem Zweifel. Studniezka ver- 
mutet, das griechische Wort sei aus dem ägyptischen gebildet und 
die unweit des Nildelta gelegene Insel Pharos habe ihren Namen 
deshalb erhalten, weil sie den Griechen als der Exportplatz der gleich- 
namigen Stoffe und Gewänder bekannt gewesen sei. Ob die Griechen 
die ägyptischen Stoffe und mit ihnen das dieselben bezeichnende 
Wort unmittelbar aus Ägypten oder durch semitische Vermittelung 
bezogen hätten, wagt er nicht zu entscheiden, ist aber geneigt, 
das erstere anzunehmen, weil jene Benennung der Insel nur den 
Griechen geläufig gewesen und demnach wohl auch von ihnen 
erfunden sei. Mag auch die Annahme einer direkten Entlehnung be- 
denklich scheinen, weil es an einer schlagenden Analogie dafür ge- 
bricht, dafs eine Gegend nach einer aus ihr bezogenen Ware benannt 
worden wäre, immerhin ist die Ähnlichkeit eines altägyptischen Sub- 
stantives, welches ein Stück Leinwand bezeichnet, mit dem griechi- 
schen φᾶρος beachtenswert. Doch scheinen über den Ursprung dieses 
Wortes noch andere Vermutungen zulässig, wie denn Herr Dr. Sieg- 
mund Fraenkel eine semitische Etymologie vorschlägt. Er schreibt 
mir hierüber folgendermafsen: „Im Hebräischen und Arabischen gilt 
eine Wurzel dfar (afar) „bedecken“; davon wird im Hebräischen afer 
(I. Kön. 20, 38) „eine Kopfbinde“ (LXX τελαμών) abgeleitet. Im 
Aramäischen bestehen von derselben Wurzel ἡ 77 (syr. Bibel «πα. 8,27), 


„tragen“ verglichen wird). Vanicek, Etymolog. Wörterbuch p. 596. Fick, Verglei- 
chendes Wörterbuch 15 p. 165 und in Bezzenbergers Beiträgen zur Kunde der 
indogerm. Sprachen I p. 244. 1) Beiträge p. 88—90. Nach der Ansicht des- 
selben Gelehrten p. 90—91 liegt dasselbe Lehnwort auch im lateinischen supparus 
vor (sub wie in subsericus „halbseiden“). 

13* 


196 Die Tracht. 


Übersetzung des hebr. öföd, jedenfalls „Gewand“; "ἀγα = κωνοπεῖον;: 
ma ferä „Kopfbedeckung“ (daraus bekanntlich μαφύριον. Vgl. Sachs, 
Beiträge zur Sprach- und Alterthumsforschung s. v.). Es wäre eine 


aramäische Grundform etwa als * ὁ für(ä) anzusetzen, die im arabischen 
gifära „Decke“ (in verschiedenem Sinn gebraucht) ihr Äquivalent 
fände. Der Einwand, dafs im Aramäischen an erster Stelle etwa 
noch ein 5 (Gajin) gestanden hat, wird durch das Hebräische, das 
schon den schwächsten Hauchlaut (Alef) zeigt, widerlegt. Das Auf- 


| 
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oh 


Ὁ 
In 


ETRSHTKTIONSNSNSTEN 


geben dieses (nur halb oder gar nicht vokalisierten) Lautes im Grie- 
chischen darf nicht sehr befremden.“ Die Beurteilung der von Stud- 
niczka wie der von Fraenkel vorgeschlagenen Etymologie muls not- 
wendig den Sprachgelehrten überlassen bleiben. Immerhin haben wir 
die Berechtigung gewonnen, in φᾶρος ein Lehnwort zu erkennen und 
anzunehmen, dafs die damit bezeichneten Zeuge und Gewänder an- 
fünglich aus der Fremde zu den Griechen importiert wurden. Dieser 
Sachverhalt stimmt vortrefflich zu der im obigen begründeten An- 
nahme, dafs jene Gewänder kostbare Luxuskleider waren. 

Statt des Mantels diente unter Umständen ein Tierfell. Be- 


ΧΙ. Die Kleidung der Männer. 197 


sonders reich an Angaben, welche diesen Gebrauch bezeugen, ist die 
Doloneia, in der Agamemnon und Diomedes ein Löwen-, Menelaos 
ein Panther-, Dolon ein Wolfsfell anlegt.') Paris zieht in die Schlacht, 
bewaffnet mit Bogen, Schwert und zwei Speeren, ein Pantherfell über 
den Schultern.”) Soweit die epische Beschreibung einen Schlufs ge- 
stattet,?) wurden auch diese Felle, wie die Mäntel, symmetrisch um- 
gelegt. Vermutlich fielen sie nicht frei über den Rücken herab, 
sondern waren fest um den Leib gelegt, ähnlich wie die archaischen 
Bildwerke die Löwenhaut des Herakles und die Fellbekleidung anderer 
Figuren wiedergeben. Unter den uns bekannten griechischen Denk- 
mälern, welche diese Tracht darstellen, ist, das älteste eine bemalte 
Vase geometrischer Dekoration, deren Fragmente sich zu Tiryns ge- 
funden haben (Fig. 51).*) Als wei- 
tere Beispiele mögen eine der Fran- 
coisvase entnommene Figur des 
Hermes, an der das Fell unweit 
der Taille durch zwei palmettenför- 
mige Broschen zusammengehalten 
erscheint (Fig. 52),°) und ein auf 
einer rhodischen Schale darge- 
stellter Krieger (Fig.53)°) dienen. 

Personen niederen Standes be- 
snügten sich mit minder seltenen 
Fellen. Des Ziegenfelles, welches 
Eumaios für die Nachtwache anlegte,’) und des Hirschfelles, das der 
in einen Bettler verwandelte Odysseus über dem Mantel trug,°) wurde 
bereits gedacht. Hesiod”) giebt für die Winterzeit den Rat zu- 
sammengenähte Felle neugeborener Zicklein als Regenmantel zu be- 
nutzen. Nach einem der Hymnen!®) trägt Pan als ländlicher Gott 
das Fell eines Luchses über dem Rücken. 


1) Π. Χ 23: ἀμφὶ δ᾽ ἔπειτα δαφοινὸν ἑέσσατο δέρμα λέοντος. 29: παρδαλέῃ 
μὲν πρῶτα μετάφρενον εὐρὺ κάλυψεν. 177: ὁ δ᾽ ἀμφ᾽ ὥὦμοισιν ἑἕέσσατο δέρμα 


λέοντος. 334: ἕσσατο δ᾽ ἔκτοσϑεν ῥινὸν πολιοῖο λύκοιο. 2) 1. II 17: παρδα- 
λέην ὥμοισιν ἔχων καὶ καμπύλα τόξα | καὶ ξίφος" αὐτὰρ ὁ δοῦρε δύω κεκορυϑμένα 
χαλκῷ | πάλλων ᾿Δργείων προκαλίξζετο πάντας ἀρίστους. 3) Es ergiebt sich aus 


dem Plural ὥμοισιν Il. ΠῚ 17 (die vorhergehende Anm. 2), X 177 (die vorher- 
gehende Anm. 1). 4) Schliemann, Tiryns T. XIV p. 116; hiernach unsere Fig. 51. 
5) Nach Studniczka, Beityäge p. 72 Fig.19. 6) Journal of hellenic studies 1884 
pl. XLIII; unsere Fig. 53 nach Studniczka a. a. Ὁ. p. 72 Fig. 18. 7) Od. XIV 
530 (oben Seite 191, Anm.1). 8) Od. XIII 436 (oben Seite 191, Anm, 2). 9) Op. 
543—545. 10) XIX 23: λαῖφος δ᾽ ἐπὶ νῶτα δαφοινὸν | λυγκὸς ἔχει. 


198 Die Tracht. 


XIII. Die Kleidung der Frauen. 


Das Hauptstück der Frauenkleidung heifst im Epos £avog!) 
(εἱανός). πέπλος.) an zwei Stellen der Odyssee φᾶρος.) Das 
erste Wort, dessen « kurz ist, gehört offenbar zu der Wurzel, die 
im Sanskrit vas lautet und „anziehen“ bedeutet. Dasselbe gilt, 
wie es scheint, auch für das gleichlautende Adjektiv, obwohl das- 
selbe langes α hat,°) ein Adjektiv, welches im Epos als Epitheton 
von πέπλος. *Aig?) und κασσίτερος) vorkommt und als solches 
nur die Bedeutung von „bekleidend“, „umhüllend“ ἃ. 1. „schmieg- 
sam“ haben kann. Für πέπλος ist eine befriedigende Etymologie 
noch nicht gefunden. Studniczka”) hat die verschiedenen hierüber 
geäulserten Vermutungen zusammengestellt und selbst eine neue 
beigefügt, nach welcher πέπλος unter Beduplizierung von einer 
Wurzel πλὸ abzuleiten wäre, welche der des lateinischen palla, 
pallium entspräche. Die Wahrscheinlichkeit, dals φᾶρος ein Lehn- 
wort ist, wurde im vorhergehenden Kapitel!°) dargelegt. 

Das Epos beweist auf das deutlichste, dafs der Heanos, der 
Peplos und das Pharos keine Obergewänder waren, sondern unmittel- 
bar auf dem Leibe getragen wurden. Hera zieht, nachdem sie sich 
gewaschen, gesalbt und gekämmt hat, den Heanos an und legt um 
ihn den Gürtel.) Wenn ferner Pallas, als sie sich zum Kampfe 
rüstet, ihren Peplos auf die Erde gleiten lälst und den Chiton des 


1) I. III 385, XIV 178, XXI 507. Hymn. hom. V (in Cererem) 176. Dafs 
ἑανός 1]. III 419 nicht das Hauptsewand, sondern das Schleiertuch der Helena 
bezeichnet, wird sich im weiteren herausstellen. 2.1 ΧΥΡῸ: 3) Diese 
Bedeutung hat das Wort sicher Il. V 315, 338, 734, VI 90, 271, 289, 302, VIII 
385; Od. VI 38 (oben Seite 185), XV 105, 124, XVIIl 292; Hymn. IV (in 
Venerem) 86, V (in Cererem) 182, 277, aufserdem in folgenden Epitheta: &Axsor- 
πεπλος ΤΙ. VI 442, VII 297, XXII 105. εὔπεπλος Il. V 424, VI 372, 378, 383, 
XXIV 769; Od. VI 49, XXI 160; Hesiod. theog. 273. κροκόπεπλος N. VII 1, 
XIX 1, XXIII 227, XXIV 695; Hesiod. theog. 273. κυανόπεπλος Hymn. V (in 
Cerer.) 360; Hesiod. theog. 406. τανύπεπλος Il. III 228; Od. IV 305, XII 375, XV 
171, 363; Batrachom. 36; Hesiod. fragm. XII. Alle Wahrscheinlichkeit spricht 
dafür, dafs auch unter den πέπλοι, welche zu den von Priamos dem Achill dar- 
gebrachten Geschenken gehören (Il. XXIV 229), Kleider zu verstehen sind, die 
für die im Lager des letzteren befindlichen Frauen bestimmt waren, wie Helena 
dem Telemachos einen Peplos schenkt, den seine zukünftige Gattin tragen soll 
(Od. XV 104—107, 123—127). 4) Od. V 230, X 543: αὐτὴ δ᾽ ἀργύφεον φᾶρος 
μέγα Evvvro νύμφη, | λεπτὸν καὶ χαρίεν. 5) Curtius, Grundzüge 4. Aufl. 
p. 379—380. 6) D. V 734, VIII 385. 7) 11. XVII 352, XX0]1 252° 8) 18, 
XVIIH 613. 9) Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 92—93. 
10) Seite 195—196. 11) I. XIV 178: ἀμφὶ δ᾽ ἄρ᾽ ἀμβρόσιον ἑανὸν ἕσαϑ', ὅν 
οἵ Adnvn | ἔξυσ᾽ ἀσκήσασα, ride δ᾽ ἐνὶ δαίδαλα πολλά .... ξώσατο δὲ ζώνην. 


XII. Die Kleidung der Frauen. 199 


Zeus anzieht,') so leuchtet es ein, dafs das Gewand, welches sie 
ablegt, ın der weiblichen Tracht dem von den Männern getragenen 
Chiton entsprach. Im Hymnos auf Aphrodite?) wird der Peplos als 
Hauptgewand der Göttin namhaft gemacht. Kalypso und Kirke 
legen, nachdem sie ihre Lager verlassen, das Pharos an, gürten das- 
selbe und werfen das Schleiertuch (καλύπτρη) über das Haupt, während 
sich Odysseus gleichzeitig mit Chiton und Chlaina bekleidet. ?) 

Dafs der Heanos bis zu den Fülsen herabreichte, beweist eine Stelle 
im Hymnos auf Demeter:*) die Töchter des Keleos machen sich eilig 
auf, um Demeter zu ihrer Mutter zu führen, und ziehen dabei, um 
nicht im Laufen gehindert zu werden, ihren Heanos empor. Die 
gleiche Länge ergiebt sich für den Peplos aus dem häufig im Epos 
vorkommenden Epitheton &AxesimemAog „den Peplos nachschleppend“°) 
wie aus der im Hymnos auf Demeter‘) enthaltenen Angabe, dafs der 
dunkle Peplos um die schlanken Füfse der Göttin flattert. Obwohl 
für das Pharos kein bestimmtes Zeugnis vorliegt, dürfen wir doch 
nach Analogie des Heanos und Peplos annehmen, dafs auch dieses 
Gewand bis zu den Füfsen herabreichte. 

Der Heanos’) und der Peplos®) waren nach ausdrücklichen An- 
gaben des Epos durch Heftnadeln zusammengehalten, wogegen über 
das Pharos nichts dergleichen verlautet. 


1) I. V 734, VIII 385 (oben $. 177, Anm. 1). 2)IV 86. 3) Od. V 230, 
X 543: αὐτὴ δ᾽ ἀργύφεον φᾶρος μέγα Evvvro νύμφη, | λεπτὸν καὶ χαρίεν, περὶ 
δὲ ζώνην βάλετ᾽ ἰξυῖ | καλὴν, χρυσείην, κεφαλῇ δ᾽ ἐφύπερϑε καλύπτρην. Studniczka 
a. a. Ο. p. 95 irrt, wenn er Hesiod, op. 198 hierher rechnet. Der Dichter erzählt, 
wie Aidos und Nemesis die Erde verlassen und sich auf den Olymp begeben 
λευκοῖσιν φαρέεσσιν καλυψαμένω γρόα καλόν. Da sich der Dichter unmöglich 
die beiden Göttinnen, so lange sie auf der Erde wandelten, nackt gedacht haben 
kann, so ist hier unter dem φᾶρος offenbar das Schleiertuch (κρήδεμνον, καλύπτρη) 
zu verstehen, welches die Göttinnen, der damaligen Sitte entsprechend, beim Auf- 
bruche anlegen. Da dieses Wort ursprünglich ein Stück linnenen Stoffes bezeichnet 
(oben Seite 193—194), so durfte es ohne Bedenken auf das Schleiertuch übertragen 
werden, das nichts anderes war als ein viereckiges Stück aus solchem Stoffe. 
Dafs χρώς im Epos nicht nur die nackte, sondern auch die vom Gewande be- 
deckte Haut bezeichnet, beweist die häufig vorkommende Angabe, dafs die Hel- 
den die Rüstung über den χρώς anlegen (z. B. Il. IX 596, XVII 210, XIX 233), 
während sie doch unter dem Panzer einen Chiton trugen (oben Seite 173, 183), 
aufserdem zwei Stellen in den Hymnen, nämlich IV (in Vener.) 162, über welche 
im XX. Abschnitte ausführlicher die Rede sein wird, und VI 14. Ebenso hat 
κόλπος, wie wir in einem späteren Teile dieses Abschnittes sehen werden, sowohl 
die Bedeutung des nackten wie die des vom Gewande bedeckten Busens,. 
4) V 176: ὡς αἱ ἐπισχόμεναι ἑανῶν πτύχας ἵμεροέντων | ἤϊξαν κοίλην κατ᾽ ἀμαξι- 
τόν. 5) Il. VI 442, VII 297, XXI 106: Τρῳάδας ἑλκεσιπέπλους. 6) V 182: 
ἀμφὶ δὲ πέπλος | κυάνεος δαδινοῖσι ϑεῆς ἐλελίζετο ποσσίν. 7) 1. XIV 178—180, 
8) I. V 424—425; Od. XVII 292—294. 


900 ' Die Tracht. 


Dies sind die wichtigsten Thatsachen, welche sich für das Haupt- 
gewand der Frauen unmittelbar aus der Dichtung ergeben. Durch 
glückliche Kombinationen und im besonderen durch Vergleichung 
eines eigentümlichen Gewandschlulses, den er auf der Francoisvase 
nachgewiesen, ist es Studniezka') gelungen, die Angaben der Dichter 
zu ergänzen und die wesentlichen Eigenschaften des homerischen 
Frauengewandes in historisch wie sachlich befriedigender Weise fest- 
zustellen. In der ersten Auflage dieses Buches vertrat ich die An- 
sicht, dafs jenes Gewand ein mit Armlöchern versehenes Hemd ge- 
wesen sei, das in der Mitte der Brust einen mit Heftnadeln zu- 
sammenzusteckenden Schlitz gehabt habe. Diese Ansicht ist jetzt 
nicht mehr haltbar. Vielmehr kann ich, was den Schnitt des home- 
rischen Frauengewandes betrifft, nicht umhin die Resultate Studniezkas 
anzunehmen. 

Für die Beurteilung des Peplos ist es zunächst von Wichtigkeit, 
dals dieses Wort ähnlich verschiedene Bedeutungen hat wie φᾶρος. ") 
Es bezeichnet nicht nur das Hauptgewand der Frauen, sondern auch 
Decken, welche über Streitwagen?) und Sessel (ϑρόνοι) ) ausgebreitet 
werden, aufserdem die purpurnen Laken, in welche die Troer das 
goldene, die Asche des Hektor bergende Gefäls einwickeln.°) Hier- 
nach scheint die ursprüngliche Bedeutung die eines viereckigen Zeug- 
stickes gewesen zu sein und die Übertragung des Wortes auf das 
Hauptgewand der Frauen würde sich auf das natürlichste erklären, 
wenn jenes Gewand nicht wie der Männerchiton ein genähtes Hemd 
war, welches angezogen, sondern ein viereckiges Zeugstück, wel- 
ches umgelegt wurde, wie das dorische Himation oder der dorische. 
Chiton.°) Eine schlagende Bestätigung erhält diese Annahme durch 
das ausdrückliche Zeugnis des Epos, dafs der Peplos wie der Heanos 
der Heftnadeln bedurfte, die eben zum Zusammenstecken des um- 
gelegten Zeugstückes dienten. An dem Peplos, den Antinoos der 
Penelope schenkte, befanden sich zwölf goldene Heftnadeln (περόναι). 
Vom Heanos der Hera heilst es, dafs er κατὰ στῆϑος““ mit goldenen 
Heftnadeln (govosing ἐνετῇσι) zusammengesteckt wurde.°) Die irrige 


1) Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 92 ΠῚ 2) Oben 
Seite 193—194. 3) 1. V 193: ἕνδεκα δίφροι | καλοὶ πρωτοπαγεῖς νεοτευχέες᾽" ἀμφὶ 
δὲ πέπλοι | πέπτανται. 4) Od. VIl 96 (oben Seite 121, Anm. 7). 5) Il. XXIV 
795: καὶ τάγε (ὀστέα) χρυσείην ἐς λάρνακα ϑῆκαν ἑλόντες, | πορφυρέοις πέπλοισι 
καλύψαντες μαλακοῖσιν. 6) Vgl. oben Seite 161—164. 7) Od. ΧΥΤΠ 292: ’Avrı- 
νόῳ μὲν ἔνεικε μέγαν περικαλλέα πέπλον, | ποικίλον: ἐν δ᾽ ἄρ᾽ ἔσαν περόναι 
δυοκαίδεκα πᾶσαι | χρύσειαι, κληΐσιν ἐὐγνάμπτοις ἀραρυῖαι. 8) IL. XIV 178%: 
ἀμφὶ δ᾽ ἄρ ἀμβρόσιον ἑανὸν ἕσαϑ'᾽ ὅν οἵ Adıjvn | 2800’ ἀσκήσασα, τίϑει δ᾽ ἐνὶ 
δαίδαλα πολλά" | χρυσείῃς δ᾽ ἐνετῇσι κατὰ στῆϑος περονᾶτο. 


XIH. Die Kleidung der Frauen. 201 


Ansicht, die ich in der ersten Auflage über das homerische Frauen- 
gewand entwickelt, beruhte im besonderen auf der letzteren Stelle. 
Ich übersetzte κατὰ στῆϑος „auf der Brust“ und nahm deshalb einen 
Schlitz an, der sich längs der Mitte der Brust herabzog und daselbst 
durch Heftnadeln geschlossen wurde. 
Doch bemerkt Studniezka!) mit Recht, 
dals κατά ἴῃ jenem Verse ebenso gut 
die Bedeutung von „gegen — hin“ oder 
„an“ haben kann. Sollte daher in der 
archaischen Kunst ein gegen die Brust 
hin oder an ihr genesteltes Frauengewand 
vorkommen, so hat unsere Untersuchung 
dasselbe in erster Linie zu berücksich- 
tigen. Und in der That ist es Stud- 
niczka?) gelungen, eine derartige Neste- 
lung an den Gewändern mehrerer, auf 
der Francoisvase dargestellten Frauen- 
figuren nachzuweisen. Sie erscheint be- 
sonders deutlich auf dem Hauptstreifen 
an den Gewändern zweier der Moiren 
(Fig. 54).?) Man gewahrt hier unter- 
halb der rechten Schulter eine schräge, 
von drei kürzeren Querstrichen durch- 
schnittene Linie, die unten in ein rhom- 
boidisches, knopfartiges Motiv ausläuft. 
Sie steht offenbar in Beziehung zu dem 
von der Schulter herabreichenden, halbkreisförmigen Gegenstande, auf 
dem eine zweite Linie sichtbar ist, welche die gleiche Richtung verfolgt 
wie die darunter wiedergegebene. Einmal hierauf aufmerksam gemacht, 
wird man keinen Anstand nehmen in dem halbkreisförmigen Gegenstande 
den behufs der Nestelung vom Rücken nach vorn gezogenen Rand des 
Gewandes und in den Linien die die Nestelung vollziehende Heftnadel 
zu erkennen. Die von drei Querstrichen durchschnittene Linie, welche 
unterhalb des Gewandzipfels angebracht ist, giebt den Bügel, die 
einfache, auf dem Zipfel selbst angedeutete Gerade vielleicht die 
durch das Gewandende durchgestofsene Nadel wieder. Ja wir dürfen 


sogar den Versuch wagen, den Nadeltypus zu bestimmen, den der 
Maler darstellen wollte. Soweit gegenwärtig unsere Kenntnis der- 
artiger Utensilien reicht, sind dabei im besonderen silberne Heft- 


1) A. a. O.p. 97. 2) Α. ἃ. Ο. p. 89—100. 3) Fig. 54 nach Studniczka, 
Beiträge p. 98 Fig. 28. 


202 Die Tracht. 


nadeln ins Auge zu fassen, die sich in sogenannten „tombe a fossa“ 
der Nekropole von Tarquinii gefunden haben, also in Gräbern, die 
mindestens hoch in das 6. Jahrhundert v. Chr. hinaufreichen.!) Ihr 
Typus wird durch unsere 
Figuren 55 und 56 ver- 
gegenwärtigt. Das erstere 
Exemplar, auf das bereits 
Studniezka?) hingewiesen 
hat, ist mit Filigranorna- 
menten aus Blafsgold geschmückt und stammt aus der reichsten 
„tomba a fossa“, die in jener Nekropole entdeckt wurde, aus der so- 
genannten „tomba del guer- 
riero“ (Fig. 55),’) das an- 
dere (Fig. 56)‘) aus einem 
bereits im Altertum geplün- 
derten Grabe derselben Gat- 
tung. Da der Bügel mit drei 
Querstäbchen versehen ist und er an der hückseite, wo die schliefs- 
lich in die Nadel auslaufende Kurve beginnt, breiter wird, so erinnern 
diese Exemplare, von vorn gesehen, an die von dem Maler der 
Francoisvase angedeutete Form. In noch höherem Grade gilt dies 
jedoch für eine ganz neuerdings in einer „tomba a fossa“ gefundene 
silberne Heftnadel, die einen ähnlichen Typus zeigt wie die soeben 
besprochenen Exemplare, auf deren Bügel aber da, wo 
die abwärts reichende Kurve beginnt, ein längliches, 
knopfartiges Motiv aufgesetzt ist.°) Leider kann ich 
keine Abbildung davon geben, da die Nadel stark oxy- 
diert war und infolge davon bald nach ihrer Ausgrabung 
zerbröckelte. 

Eine ähnliche Nestelung wie die Moiren zeigen auch 
andere auf der Francoisvase dargestellte Figuren, so 
im obersten Streifen Atalante, an der die Heftnadeln 
auf beiden Schulterstücken erkennbar sind (Fig. 57),°) die von einem 
Seilen umschlungene Nymphe im Gefolge des Hephaistos, Hippo- 


Fig. 56. 


1) Oben Seite 22—23. 2) A.a.O. p. 100. 3) Mon. dell’ Inst. X t. Xb 7, 
7%, (hiernach unsere Fig. 55), Ann. 1874 p. 259. Vgl. Ann. 1885 p. 17. 4) Sie 
befindet sich im Museo municipale von Corneto. Ähnliche Exemplare aus Bronze 
haben sich in der Nekropole von Suessula (Cancello) — z. B. im römischen Museo 
preistorico n. 32638 — und von Visentium (Capodimonte am Bolsener See) ge- 
funden. Nahe verwandt ist die bronzene Fibula mit vier in knopfartige Motive 
auslaufenden Querstäbchen, die aus denselben Nekrolopen zu Tage gekommen 
ist. 18 Exemplare fanden sich bei Suessula: Notizie degli scavi 1878 T. V 10 p. 107. 
5) Bull. dell’ Inst. 1886 p. 89 n. 2. 6) Nach Studniczka, Beiträge p. 99 Fig. 31. 


XIH. Die Kleidung der Frauen. 203 


dameia im Reigen des Theseus, die unmittelbar hinter Apoll befind- 
liche Nymphe (Fig. 58)') und Rhodia in der Darstellung des Troilos- 
mythos. Da die Gewänder aller dieser Figuren nach der Brust zu 
(κατὰ στῆϑος) mit Heftnadeln zusammengesteckt 
sind, so stimmen sie genau mit der Angabe, 
welche das Epos über den Heanos der Here 
macht. Nichts nötigt zu der Annahme, dafs 
die Nestelung am Peplos, für den sie eben- 
falls ausdrücklich bezeugt ist, in anderer Weise 
stattgefunden habe. Wir dürfen demnach mit 
Aristarchos?) &avöog und πέπλος einfach für 
Synonyme erklären und die beiden Worte auf 
ein Gewand beziehen, welches demjenigen ent- 
sprach, das die späteren Griechen dorisches 
Himation oder dorischen Chiton nannten. 

Das um den Körper gelegte und durch 
Heftnadeln genestelte Zeugstück, aus dem dieses 
Kleid bestand, war ursprünglich auf der einen 
Seite offen (z. B. Fig. 58*),”) während die 
Öffnung in späterer Zeit, wie die Denkmäler 
bezeugen, meistens zugenäht wurde. Wenn 
das Epos berichtet, der Peplos, den Antinoos en 
der Penelope schenkte, sei mit zwölf Heftnadeln versehen gewesen, ‘) 
so erklärt sich die ansehnliche Zahl der Nadeln unter der Voraus- 
setzung eines solchen Gewandes in der 
naturgemälsesten Weise: die Säume 
waren nicht zugenäht, sondern durch 
Heftnadeln geschlossen. Mit Recht ver- 
weist Studniczka°) auf den Chiton, in 
dem der Maler eines korinthischen Pınax 
Pallas dargestellt hat (Fig. 59).°) Das 
Örnament, welches sich in vertikaler 
Richtung über den unteren Teil dieses 
(Gewandes erstreckt, macht in der That 
den Eindruck, als habe ihm ein durch 
eine Reihe von Heftnadeln geschlossener Schlitz als Vorbild ; 


Fig. 58a. 


- 


’e- 


1) Nach Studniczka a. a. OÖ. p. 98 Fig. 29. 2) Scholl. zu 11. XIV 178, 
XVI 9. Vgl. Lehrs, de Aristarchi stud. homerieis 2. ed. p. 193. 3) Fig. 588: 
Polyxena auf einer von Raoul-Rochette, mon. indd. pl. 49, 1P und Gerhard, 
etr. und camp. Vasenb. E 2 publizierten Schale des Xenokles. Vgl. Studniezka 
a. a. Ο. p.109—110 und p. 6—9. 4) Od. XVIII 293 (oben Seite 200, Anm. 7). 


5). 3,00. p: 96. 6) Nach Studniczka, Beiträge p. 96 Fig. 27. 


904 Die Tracht. 


dient. Doch scheint der Schlitz am homerischen Frauengewande 
nicht immer geschlossen, sondern bisweilen, wenigstens in seinem 
unteren Teile, offen gewesen zu sein. Für diese Annahme spricht 
die Schilderung, wie Aphrodite ihren von Diomedes 
niedergestreckten Sohn Aeneas durch Vorhalten des 
Peplos zu decken sucht;') denn es leuchtet ein, dafs 
sich durch ein auf der einen Seite offenes Kleid eine 
ungleich vollständigere Deckung erzielen liefs, als durch 
ein ringsum geschlossenes. Endlich kommt unter der 
Voraussetzung eines dem dorischen Chiton entsprechen- 
den Gewandes auch die zweimal wiederkehrende Schil- 
derung, wie Athene, als sie sich zum Kampfe rüstet, 
ihren Peplos herabgleiten läfst,”) zu vollem Ver- 
ständnis, da ein solches Gewand, nachdem die Heft- 
nadeln, welche es unweit der Schultern zusammenhalten, 
herausgezogen worden sind, recht eigentlich an dem 
Körper herabgleitet. 


Ebenso lassen sich die auf die Frauentracht bezüglichen Epi- 
theta mit dieser Auffassung in Einklang bringen. Das den Troerinnen 
beigelegte Epitheton ἑλκεσίπεπλος „den Peplos nachschleppend “°) 
mufs nicht notwendig auf ionische Kleidung, sondern darf mit 
gleichem Rechte auf eine der dorischen entsprechende bezogen wer- 
den. Es genügt, daran zu erinnern, dafs der dorische Ohiton mehrerer 
auf der Francoisvase dargestellter Frauenfiguren mit dem hinteren 
Saume den Boden berührt, während die Fülse unbedeckt bleiben 
(Seite 201 Fig. 54, Seite 203 Fig. 58). Dieser letztere Umstand 
erläutert wiederum die homerischen Beiworte ἐύσφυρος, ) καλ- 
Alopvoog’) und τανύσφυρος. welche beweisen, dals unter dem da- 
maligen Frauengewande die Fufsknöchel sichtbar waren. Da ferner 
das dorische Gewand die Arme vollständig blofs liefs, so palst auf 
eine damit bekleidete Frau auch das Epitheton AevawAsvog „weils- 
armig“.”) 


Nahe verwandt mit ἑλκεσίπεπλος scheint das häufig den Frauen 


1) Il. V 315: πρόσϑε δέ οἵ πέπλοιο φαεινοῦ πτύγμ᾽ ἐκάλυψεν, | ἕρκος ἔμεν 
Pelewv ... Vgl. 335 ff. 2) Il, V 734, VIII 385: πέπλον μὲν κατέχευεν Eavov 
πατρὸς ἐπ᾽ οὔδει. 3) Il. VI 442, VII 291, XXII 105: Τρῳάδας ἑλκεσιπέπλους. 
4) Hesiod, Theog. 254, 961; scut. Herc. 16, 86. 5) Il. IX 557, 560, XIV 319; 
Od. V 333, XI 603; hymn. V (in Cerer.) 453, XV 8, XVII 19; Hesiod. theog. 
3854, 507, 526, 950. 6) Hymn. V (in Cerer.) 2, 77. Vgl. auch ἀργυρόπεξα 
„mit silberglänzenden Fülsen“, ein häufiges Epitheton der Thetis. 7) Ebeling, 
Lexicon homericum u. d. W. 


XII. Die Kleidung der Frauen. 205 


beigelegte Epitheton τανύπεπλος..) Gegen die von Studniezka?) vor- 
geschlagene Übersetzung durch „mit ausgedehntem, weitem Peplos 
bekleidet“ läfst sich sprachlich nichts einwenden, wohl aber der Um- 
stand, dafs solche weite Gewänder in der ältesten griechischen Kunst 
fehlen. Ich möchte daher die Auffassung jenes Gelehrten mit der 
Modifikation annehmen, dafs der Verbalbegriff nicht auf die Breite, 
sondern auf die Längenausdehnung des oblongen Zeugstückes, aus 
dem der Peplos bestand, zu beziehen ist. Τανύπεπλος wäre dann 
zu übersetzen „den Peplos weithin erstreckend“ und es würde somit 
eine ähnliche Eigentümlichkeit veranschaulichen wie ἑλχεσίπεπλος. 
Hinsichtlich der Farbe des Peplos herrschte eine grofse Mannig- 
faltigkeit. Hos dachte man sich, vermutlich bestimmt durch das 
goldige Leuchten der Morgenröte, in einem safranfarbigen Peplos.°) 
Wenn die griechische Bezeichnung des Safrans χρόχος, wie es den 
Anschein hat, nach einem semitischen Worte gebildet ist, das im 
Hebräischen karköm lautet,*) so weist der Gebrauch derartig ge- 
färbter Gewänder wiederum auf orientalischen Einflufs hin. Doch 
bezeichnet dieser Gebrauch ebensowenig wie derjenige purpurner Ge- 
wänder einen Gegensatz zu dem Geschmacke der klassischen Epoche, 
der wie die Purpur- so auch die Safranfarbe festhielt und ın der 
vielseitigsten Weise verwendete.°) Die trauernde Demeter ıst mit 
einem schwarzblauen Peplos bekleidet.°) Wenn derjenige der Aphro- 
dite „schimmernder als der Glanz des Feuers“ (pasıvöregog πυρὸς 
αὐγῆς) heifst,”) so läfst dies auf eine hochrote Farbe schliefsen. Ver- 
breiteter jedoch als die einfarbigen scheinen die gemusterten Frauen- 
kleider gewesen zu sein. Das Epos bezeichnet die πέπλοι häufig als 
bunte oder über und über bunte (ποικίλος. παμποίκιλος 7) und 
hebt an zwei Stellen?) die ποικίλματα eines solchen Gewandes hervor. 
Von dem Heanos der Here heifst es, dafs Athene ihn mit vielen 
Zierraten (δαίδαλα πολλά) geschmückt habe.) Im XI. Ab- 


1) Epitheton der Thetis D. XVIII 385, 424, der Helena Il. III 228, Od. IV 
305, XV 171, den Ktimene Od. XV 363, der Lampetie Od. XII 375. Auch beı 
Hesiod, scut. 83 und fragm. XII. 2) Beiträge zur Gesch. d. altgriechischen 
Tracht p. 117. 8) ᾿Ηὼς κροκόπεπλος: 1]. VIII 1, XIX 1, XXIII 227, XXIV 69. 
Hesiod, theog. 273, 358 legt dieses Epitheton der Graie Enyo und der Okeanide 
Telesto bei. 4) Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere. 3. Aufl. p. 227, 4. Aufl, p. 212. 
5) Vgl. Becker, Charikles III? p. 178, p.178, p. 202—203. 6) Hymn. V (in Cerer.) 
182—183 (oben Seite 199, Anm. 6), 360: παρὰ μητέρα κυανόπεπλον. Hesiod. theog. 
406: Antw κυανόπεπλον. 7) Hymn. IV (in Vener.) 86. 8) D. V 735, VII 
385; Od. XVII 293: πέπλον ποικίλον. 9) Il. VI 289; Od. XV 105: πέπλοι 
παμποέκιλοι. 10) Il. VI 294, Od. XV 107 (πέπλος): ὃς κάλλιστος ἔην ποικέλ- 
μασιν ἠδὲ μέγιστος, | ἀστὴρ δ᾽ ὡς ἀπέλαμπεν. 11) Il. XIV 178: ἀμφὶ δ᾽ ἄρ᾽ 
ἀμβρόσιον ἑανὸν Load”, ὅν ol ᾿ἀϑήνη | ἔξυσ᾽ ἀσκήσασα, τίϑει δ᾽ ἐνὶ δαίδαλα πολλά. 


206 Die Tracht. 


schnitte!) wurde hervorgehoben, dafs die Leinwand ihrer Natur nach 
wenig zur Buntweberei geeignet ist. Wenn demnach das πέπλος 
oder ἕανός genannte Gewand häufig mit Mustern verziert war, so 
dürfen wir annehmen, dafs es in der Regel aus Schafwolle bestand 
und also mit dem dorischen Chiton nicht nur die Form, sondern 
auch den Stoff gemein hatte.?) 

Hingegen weisen die Epitheta, welche dem φᾶρος genannten 
Frauenkleide beigelegt werden,?) wie wir bereits im XII. Abschnitte 
gesehen‘) deutlich auf Leinwand hin. Ob sich dieses Gewand vom 
Peplos oder Heanos nicht nur durch den Stoff, sondern auch durch 
den Schnitt unterschied und etwa ein dem ionischen Chiton ent- 
sprechender, genähter Rock war, ist schwer zu entscheiden. Zu 
Gunsten einer derartigen Auffassung lielse sich der Umstand geltend 
machen, dafs das Epos, wo vom Pharos die Rede ist, niemals. der 
Heftnadeln gedenkt. Aber es kann dies wohl zufällig sein. Immer- 
hin sprieht gegen die Annahme eines genähten Kleides die That- 
sache, dals φᾶρος nicht nur ein Frauenkleid, sondern auch einen 
Männermantel und zu den mannigfachsten Zwecken dienende Laken 
bezeichnet?) — eine Thatsache, die sich auf das natürlichste erklärt, 
wenn jenes Frauenkleid ein oblonges Zeugstück war, das wie der 
Peplos oder Heanos um den Körper gelegt wurde. Eine jüngere 
Stelle der Ilias®) beweist, dafs auch die unter dem Namen der ὀϑόναι 
bekannten linnenen Stoffe‘) zu Frauenkleidern verarbeitet wurden, 
giebt aber über den Typus dieser Kleider keine Auskunft. 

Während der genähte Chiton der Männer der Gürtung nicht 
bedurfte, mulste das um den Körper gelegte Frauengewand not- 
wendig durch einen Gürtel (ζώνη) zusammengehalten werden. Auch 
findet der Gürtel bei allen ausführlicheren Beschreibungen der Frauen- 
toilette Erwähnung.?) Die Schilderung, wie Athena den Chiton des 
Zeus anlegt,?) hätte Studniezka!®) nicht als Ausnahme von dieser 
Regel anführen sollen. Die Göttin macht eben keine weibliche 


1) Seite 172. 2) Es schlielst dies natürlich nicht aus, dals die πέπλοι genannten 
Decken bisweilen aus Leinwand gearbeitet waren, was, wie es nach den Bei- 
worten scheint, für die Od. VII 97 erwähnten anzunehmen ist (oben Seite 121, 
Anm. 7 und Seite 166). 3) Od. V 230, X 543 (oben Seite 166, Anm.1) 4) Oben 
Seite 165—166. 5) Oben Seite 193—194. 6) Il. XVIIl597 (die tanzenden Mädchen 
und Jünglinge auf dem Schilde des Achill): αἵ μὲν λεπτὰς ὀϑόνας ἔχον, οἵ δὲ 
χιτῶνας | εἴατ᾽ ἐῦννήτους ἧκα στίλβοντας ἐλαίῳ. 7) Oben Seite 167—171. 8) Man 
vergleiche besonders 1], XIV 178 ff. (oben Seite 198, Anm. 11), Od. V 231, X 544 
(oben Seite 199, Anm. 3), XI [245], hymn. IV (in Vener.) 164, 255, 282. Dazu 
kommen die auf den weiblichen Gürtel bezüglichen Epitheta βαϑύξωνος, ἐύξω- 
νος, καλλίζωνος (unten Seite 210—211). 9) Il. V 734, VIII 385 (oben Seite 177, 
Anm. 1). 10) A. a. ὍΣ p. 119. 


XIII. Die Kleidung der Frauen. 207 


Toilette, sondern legt einen männlichen Chiton und kriegerische 
Rüstung an, von der es selbstverständlich war, dafs dazu ein doppelter 
Gürtel, der ξωστήρ und die uiren, gehörte.!) Ζῶσαι wird von Hesiod?) 
für das Ankleiden der. Pandora gebraucht. 

Wenn die Gürtel der Kalypso und Kirke als golden bezeichnet wer- 
den,°) so läfst dies auf mit Goldblech belegte Riemen schliefsen. Eine 
genauere Angabe ist nur über den Gürtel der Hera vorhanden, von dem 
das Epos berichtet, dafs er mit hundert Fransen oder Troddeln (ϑύσανοι) 
versehen war.‘) Auch über diesen Schmuck hat Studniezka°) richtiger 
geurteilt als ın der ersten Auflage der Verfasser, dem freilich das 
wichtigste, hierher gehörige Denkmal, der im Alpheios gefundene 
Panzer (Seite 175 Fig. 48),°) damals noch nicht bekannt sein konnte. 
Die Erklärung hat auszugehen von der Schilderung der Aigis:”) 


τῆς ἑκατὸν ϑύσανοι παγχρύσεοι ἠερέϑονται, 
πάντες ἐνπελεχέες, ἑκατόμβοιος δὲ ξκαστοο. 


Diese von der Aigis herabhängenden, aus Golddraht geflochtenen 
ϑύσανοι waren offenbar ein Besatz von Fransen oder Troddeln, 
welche die spätere griechische Kunst zu Schlangen umbildete. Noch 
Herodot®) braucht für diesen Schlangensaum dasselbe Substantiv, 
während er an einer anderen Stelle”). die linnene, unten mit Fransen 
versehene Kalasiris der Ägypter als einen χιϑὼν ϑυσανωτός bezeichnet. 
Hiernach sind auch die ϑύσανοι am Gürtel der Hera für Fransen 
oder Troddeln zu erklären, die man sich, wie die an der Aigis an- 
gebrachten, aus Goldfäden gedreht oder nach Mafsgabe einer in einem 
mykenäischen Schachtgrabe gefundenen Troddel '’) aus dünnen Gold- 
blechstreifen zusammengesetzt denken kann. Offenbar ist dieser 
Schmuck orientalischer Herkunft. Die alten Assyrer machten‘ von 
Fransen und Troddeln den vielseitigsten Gebrauch. Beinah alle Ge- 
wänder zeigen auf ihren Denkmälern am unteren Rande einen Be- 
satz von Troddeln. Schärpenartige mit mehr oder weniger langen 
Fransen besetzte Umwürfe gehörten zu den Abzeichen des Königs 
und der Grofswürdenträger.'!) Bisweilen kommen auch mit Fransen 
besetzte Gürtel vor.'?) Als Beispiel diene ein Relief (Fig. 60),'?) 
welches den König Assurnazirpal nach glücklich vollbrachter Jagd 


1) Vgl. den XXI. Abschnitt. 2) Op. 72: ξῶσε δὲ καὶ κόσμησε ϑεὰ γλαυ- 


κῶπις ᾿4ϑήνη. 3) Od. V 232, X 545 (oben Seite 199, Anm. 3). 4) I. XIV 
181: ξώσατο δὲ ζώνην ἑκατὸν ϑυσάνοις ἀραρυῖαν. 5) A. a. OÖ. p. 121—123 
6) Oben Seite 174, Anm. 8 7) 1]. Π 448. 8) IV 189. 9) II 81. 10) Schlie- 
mann, Mykenae p. 348 n. 461. 11) Z. B. Perrot et Chipiez, histoire de art 
II p. 99—101 n. 22—24, p. 109 n. 29, p. 631 n. 304. 12) Z. B. Place, Ninive 
et l’Assyrie III pl. 46, 3. Perrot et Chipiez Il p. 455 n. 205. 13) Nach Perrot 


et Chipiez I p. 455 n. 205. 


N 


Die Tracht. 


Ya ayy u ὃς 


\ 
INA, 
ANNO 


XII. Die Kleidung der Frauen. 209 


opfernd darstellt und auf dem die beiden Musiker, die mit ihrem 
Saitenspiele die heilige Handlung begleiten, mit derartigen Gürteln 
ausgestattet erscheinen. Dafs die orientalische Troddel schon während 
der vorhomerischen Epoche in Griechenland eingeführt wurde, beweist 
das oben erwähnte, aus einem mykenäischen Schachtgrabe stammende 
Exemplar. Weil diese Troddel neben einem Schwerte gefunden wurde, 
vermutet Schliemann,') sie sei an dem Schwerte und etwa an dem 
Griffe desselben befestigt gewesen. Doch ist eine solche Verzierung 
der Schwerter weder auf altorientalischen noch auf sriechischen 
Denkmälern nachweisbar. Ich halte es demnach für wahrscheinlich, 
dafs auch diese Troddel zu einem Gürtel gehörte. In einem anderen 
mykenäischen Schachtgrabe fanden sich drei Nachbildungen von mit 
Fransen versehenen Schärpen, die eine aus buntem Smalte,?) die bei- 
den anderen aus Alabaster gearbeitet.’) Ein zu Mykenae sefundenes 
Gefäls, dessen Malereien an diejenigen der Dipylonvasen‘) erinnern, 
zeist Krieger, deren Chi- 


tone am unteren Rand ὡς = 
es 2 ἘΠ] τ τῶ ἢ are Ἶ 
a Ur Re 


mit Fransen besetzt sind.’) ER net zen 
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Unter den Figuren, welche ἢ)" ae 
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Kitharspieler und eme Frau \ ENDEN 
mit einem Gürtel aus- nr 
gestattet, von dessen un- 3 
terem Rande lange Fransen Ga 

oder Troddeln herabhängen 

(Seite 175 Fig. 48)°%) — also einem Gürtel, welcher genau dem 
im Epos der Hera zugeschriebenen entspricht. Endlich sei hier noch 
auf die Fragmente eines silbernen Gürtels hingewiesen, welche sich 
in einem Grabe bei Marion auf Kypros gefunden (Fig. 61).Ὁ) 


Fig. 61. 


1) Mykenae p. 349. 2) Schliemann a. a. O. p. 278 n. 351. Vgl. p. 279— 
280. 3) Schliemann ἃ. ἃ. Ο. p. 279 n. 352. Vgl. p. 280. 4) Oben Seite 75—82. 
5) Schliemann a. a. Ὁ. p. 153 n. 213. Solche Chitone finden sich auch häufig 
auf den Gefäfsen der im besonderen durch die Arkesilasschale bekannten Gattung 
(oben Seite 181, Anm. 4) und denjenigen des Vasenmalers Amasis, was viel- 
leicht in beiden Fällen auf ägyptischen Einfluls zurückzuführen ist (Studniezka 
in der ᾿Εφημερὶς ἀρχ. 1886 p. 127—128). 6) Oben Seite 174, Anm. 8. 7) Unsere 
Fig. 61 giebt eines dieser Fragmente und ein zugehöriges Glöckchen wieder 
nach einer Photographie, die ich F. Dümmler verdanke. Soweit diese Photographie, 
die nicht nach dem Originale, sondern nach einem Aquarelle aufgenommen ist, 
ein Urteil gestattet, weisen Stil wie Technik auf eine phönikische Metallarbeit 
hin. Auffällig ist hierbei die Kopfbildung der Greifen, die nach dem bisher 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos, 14 


210 Die Tracht. 


“ 


An dem unteren Rande sind kleine, ebenfalls aus Silber gearbeitete 
Glöckchen angebracht, deren Form und Anordnung offenbar durch 
einen Troddelbesatz bestimmt ist. Man kann es sich leicht vor- 
stellen, wie sehr derartige Gürtelbesätze den Eindruck der Körper- 
formen beeinträchtigten, und begreift daher, dafs der geläuterte 
griechische Geschmack das orientalische Motiv verwarf.!) 

Auf die Gürtung beziehen sich die Epitheta βαϑύξωνος.") ἐύξω- 
vos?) und κχαλλίξζωνος. Die Ansicht einiger alten Erklärer, dafs 
das erstere auf eine barbarısche Frauentracht hinweise, wird durch 
eine Stelle der Ilias?) widerlegt. Kleopatra, die Gattin des Meleagros, 
also eine Griechin, beschwört ihren Gemahl die bedrängte Stadt 
Kalydon zu retten. Indem sie die Greuel schildert, welche die Frauen 
und Kinder bei der Einnahme einer Stadt zu erdulden haben, bezeichnet 
sie die ersteren als βαϑύξωνοι, legt also die durch dieses Epitheton 
veranschaulichte Eigenschaft den Griechinnen von Kalydon bei.°) Die 
wahrscheinlichste Erklärung ist die von Studniczka’) vorgeschlagene, 
nach welcher βαϑύξωνος den tiefen Einschnitt vergegenwärtigt, den eine 
enge Gürtung an dem Körper hervorruft. Je tiefer dieser Einschnitt 
ist, um so schlanker erscheint die Taille. In freier Übersetzung liefse 
sich demnach jenes Epitheton mit „durch schlanke Taille aus- 
gezeichnet“ wiedergeben. Dafs dieser Körperteil den Formensinn der 
damaligen Griechen beschäftigte, ergiebt sich aus der berühmten 
Stelle”), an welcher die Taille des Agamemnon mit derjenigen des 
Ares verglichen wird. Die scharf angezogenen Gürtel, mit denen die 


bekannten Materiale, wie Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 51 ff. 
dargelegt, vielmehr eine Erfindung der hellenischen Kunst zu sein schien. Wir 
haben demnach anzunehmen, entweder, dafs die Ansicht Furtwänglers durch 
den kyprischen Gürtel widerlegt ist, oder dafs der phönikische Metallkünstler, 
der jenes Stück arbeitete, bei der Wiedergabe der Greifen durch hellenischen 
Einflufs bestimmt wurde. 1) Doch läfst der Umstand, dafs Leonidas von 
Tarent Anth. pal. VI 202 eine εὐθύσανος ζώνη erwähnt, darauf schliefsen, dafs, 
wie viele andere orientalische Motive, so auch der Fransengürtel während der helle- 
nistischen Epoche wiederum in Gebrauch kam. Vgl. die späte attische Vase bei 
Dumont et Chaplain, les ceramiques de la Grece pl.38. 2) Π.ῚΧ 594, Od. IH 154, 
Hesiod. fragm. XCII 4: βαϑυξώνους τε γυναῖκας. Hymn. V (in Cerer.) 95: 
βαϑυξζώνων Te γυναικῶν, 161: μητρὶ βαϑυξώνῳ Meravsion, 201: βαϑυζώνοιο 
δ υγατρός (Persephone). 3) D. I 429, VI 467, IX 366, 590, 667, XXIII 261, 
760; hymn. V (in Cerer.) 212, 234, 243, 255. Hesiod. scut. 31, fragm. OXXXVIII 
4) Il. VII 139: καλλίζωνοί τε γυναῖκες. 1], XXIV 698, Od. ΧΧΙΠ 147: καλλι- 
ζώνων Te γυναικῶν. Hymn. I (in Apoll. Del.) 154: καλλιξζώνους τε yvvalnas. 
Hymn. II (in Apoll. Pyth.) 268: καλλίζωνοί τε ϑύγατρες. 5) Il. IX 594. 
6) Hiermit stimmt es, dals der Dichter des Hymnus auf Demeter dieses Epi- 
theton der Persephone, Metaneira und überhaupt den Frauen giebt. 5. die 
obige Anm. 2. 7) A. a. ©. p. 120—121. 8) 11. 11479. 


XIII. Die Kleidung der Frauen. 211 


Frauen bereits auf den Dipylonvasen,!) den Gefälsen verwandten 
Stiles?) und überhaupt auf den altgriechischen Bildwerken dargestellt 
sind, beweisen, dafs eine schlanke Taille während der unmittelbar auf 
die homerische folgenden Entwickelung als eine Schönheit galt, und 
nichts steht der Annahme im Wege, dafs diese Geschmacksrichtung in 
die vorhergehende Zeit hinaufreicht. Die Frage, ob ἐύξζωνος und 
καλλίζωνος auf die Schönheit der Taille oder des Gürtels zu beziehen 
sind, ist schwer zu entscheiden. Wenn Studniczka°?) zu Gunsten der 
ersteren Auffassung den Umstand geltend macht, dafs beide Adjektive 
nicht nur vornehmen, sondern auch Frauen niederen Standes *) bei- 
gelegt werden, so hat man zu bedenken,: dafs die Dichter mit dem 
Schatze glänzender Epitheta, der zu ihrer Verfügung stand, in sehr 
freier Weise verfuhren. 

Endlich ist in diesem Zusammenhange noch des gemusterten 
Riemens (κεστὸς ἱμάς), der den Liebeszauber der Aphrodite enthielt, 
zu gedenken. Die Erklärer verstehen darunter in der Regel einen 
Gürtel,’) wogegen sich bei scharfer Interpretation der betreffenden 
Verse‘) ein wesentlich verschiedener Gegenstand herausstellt. Auf- 
fällig ist es schon, dafs sich der Dichter nicht der für den weiblichen 
Gürtel gewöhnlichen Bezeichnung ζώνη.) sondern des Wortes ἱμάς 
„Riemen“ bedient. Ferner hat man ‘zu beachten, dafs Aphrodite den 
fraglichen Gegenstand von ihrer Brust ablöst, während es doch fest- 
steht, dafs sich die Griechinnen bis gegen die Mitte des 5. Jahr- 
hunderts nicht unmittelbar unter der Brust, sondern weiter unten, 
oberhalb der Hüften, gürteten.°) Here endlich, als sie den ἱμάς ın 
Empfang genommen, legt ihn keineswegs als Gürtel an, sondern birgt 
ihn, der Weisung der Aphrodite folgend, in ihrem Kolpos, d. ı., wie 
wir im weiteren sehen werden, in dem Hohlraume, welcher durch 
die zwischen den beiden Brüsten vorhandene Einsenkung und das die 
Brust bedeckende Gewand gebildet wird. Hiernach ist die vom 
Dichter gebrauchte Bezeichnung im präeisesten Sinne aufzufassen und 


1) Vgl. besonders Mon. dell’ Inst. IX T. XXXIX 2. 2) Ein höchst be-. 
zeichnendes Beispiel bei Schliemann, Tiryns T. XVlIa p. 103—105. 3) A. a. 0. 
p. 121. 4) ᾿Εὔξωνος heilst die Wärterin des Astyanax Il. VI 967, καλλίξωνοι 


die Mägde des Odysseus Od. XXIII 147. 5) Vgl. besonders Ann. dell’ Inst. 
1842 p. 50—53; Doederlein, homerisches Glossarium II1'P.*216; 6) 11. XI\ 


214 (Aphrodite): ἢ καὶ ἀπὸ στήϑεσφιν ἐλύσατο κεστὸν ἱμάντα | ποικίλον, ἔνϑα τε 
οἵ ϑελχτήρια πάντα τέτυχτο. Darauf sagt sie zu Hera 219: τῇ νῦν, τοῦτον ἱμάντα 
τεῷ ἐγκάτϑεο κόλπῳ, | ποικίλον, eine Aufforderung, der die Gattin des Zeus nach- 
kommt 221: μειδήσασα δ᾽ ἔπειτα En ἐγκάτϑετο κόλπῳ. Vgl. Schol. Il. XIV 214 
und Lehrs, de Aristarchi studiis hom. 2.ed. p.193. 7) Oben Seite 206, Anm. 8. 
8) Flasch in den Ann. dell’ Inst. 1873 p. 18. Petersen in den Archüol.-epigraph. 
Mittheilungen aus Oesterreich V (1881) p. 2—13. 
14” 


919 Die Tracht. 


ein gemusterter Riemen anzunehmen, den Aphrodite im irgend wel- 
cher, nicht näher zu bestimmenden Weise an der Brust trug. Es 
handelt sich also nicht um ein Toilettenstück, sondern um ein Zauber- 
mittel. Gelehrte, welche auf diesem Gebiete bewanderter sind als 
ich, werden im stande sein anzugeben, ob ein derartiger Gebrauch 
eines mit Ornamenten oder Zeichen versehenen Riemens anderweitig 
Analogieen findet. Das mit xevreo verwandte Beiwort!) läfst auf 
eingestochene oder eingeritzte Muster schliefsen, wie sie zu allen 
Zeiten am Lederzeug zur Verwendung kommen — eine Annahme, 
mit der sich auch das andere Epitheton ποικίλος „gemustert“?) im 
Einklang bringen lälst. 

Es bleibt noch das dreimal den Troerinnen beigelegte Epitheton 
βαϑύκολπος χὰ besprechen. Aristarchos,*) Otfried Müller?) und 
Doederlein®) nehmen an, dafs dadurch eine barbarische Frauentracht 
bezeichnet werde. Mag aber dieses Adjektiv in unserem auf Aristar- 
chos zurückgehenden Texte des Epos ausschliefslich als Epitheton 
der Troerinnen vorkommen, so berechtigt dies keineswegs zu der von 
jenen Gelehrten vertretenen Ansicht. Wie bereits im I. Abschnitte’) 
hervorgehoben wurde, kennen die Dichter keinen Unterschied zwischen 
achäischen und troischen Lebensformen. Aulserdem hiefsen Bas v- 
xoAxoı in der von Zenodotos veranstalteten Ausgabe der Ilias?) die 
Musen und in den homerischen Hymnen haben dieses Epitheton die 
Nymphen?) und Okeaniden.!°) Wir dürfen demnach annehmen, dafs 
das Adjektiv βαϑύκολπος unter dem Eindrucke der die Dichter des 
Epos umgebenden, griechischen Frauenwelt gebildet ist. Wenn 
Aristarchos!!) und die modernen Erklärer'!?) dasselbe auf einen tief 
über den Gürtel herabgezogenen Bausch des Peplos deuten, so spricht 
hiergegen der Umstand, dafs eine derartige Anordnung des Gewandes 
auf den ältesten griechischen Denkmälern fehlt.'”) Aufserdem hat 


1) Kuhns Zeitschrift für vergl. Sprachforschung VII p.88, VII p. 151, p. 354. 
Zu vergleichen ist der πολύκεστος ἵμάς (11. 11T 371), welcher dem Paris als Sturm- 
riemen dient. Vgl. Studniczka, Beitr. p. 123, Anm. 89. 2) Vgl. unseren XXX. Ab- 
schnitt. 3) Il. XIX 122, 339, XXIV 215. 4) Etym. m. p. 185, 33,41; Schol. I. II 
484, XVII 339, XXIV 215, Od. III 154; Eustath. z. Od. III 154 p. 1462, 3. Vgl. Lehrs, 
de Aristarchi stud. hom. 2. ed. p. 111—112. 5) Handbuch der Archäologie 8 339, 3. 
6) Homerisches Glossarium III p. 117 τ. 2112. 7) Seite 6 ff. 8) Sein Text 
gab Il. II 484 Μοῦσαι Ὀλυμπιάδες βαϑύκολποι (dies auch bei Pindar Pyth. I 12) 
statt Μοῦσαι Ὀλύμπια δώματ᾽ ἔχουσαι (Schol. Il. XVII 339, XXTV 215. Vgl. 
Lehrs a. a. Ὁ. p. 112). Il. V 424 las Plutarch (symp. 9, 2, 3) Ayeiddov βαϑυ- 
κόλπων statt des gewöhnlichen 4. εὐπέπλων. 9) IV (in Vener.) 257. 10) V 
(in Cerer.) 5. 11) S. die obige Anm. 4. Aufserdem Lehrs, de Aristarchi 
stud. hom. 2. ed. p.150. 12) Besonders Böckh zu Pindar. Ol. Ill 36 (II? p. 140) 
und Stark zu Hermann, griech. Privatalterth. 2. Aufl. p. 169 Anm. 21. 13) Die 


ΧΙΠΠ. Die Kleidung der Frauen. 213 


Studniezka') dargelegt, dafs das Substantiv κόλπος an allen Stellen 
des Epos, an denen es vorkommt, eine andere Erklärung zuläfst. 

KoAnog bezeichnet wie lateinisch sinus und deutsch Busen im 
allgemeinen die Einbuchtung. Alle drei Worte haben eine analoge 
Entwickelung der Bedeutung erfahren. Am weiblichen Körper be- 
zeichnen sie ursprünglich die Einsenkung zwischen den beiden Brüsten, 
dann die ganze Brust, in welchem letzteren Sinne sie auch von der 
männlichen Brust gebraucht werden. Sie können hierbei unter Um- 
ständen auch das die Brust bedeckende Gewand einbegreifen — ein 
Gebrauch, für welchen Studniezka?) als treffende Analogie den deut- 
schen Ausdruck „eine ordenbedeckte Brust“ anführt, während die 
Orden doch nicht die Brust selbst, sondern den darüberliegenden Teil 
des Rockes bedecken. Vom Gewande allein werden κόλπος und sinus 
nur dann gebraucht, wenn es wirklich eine Bucht d.i. einen Bausch 
bildet. Betrachten wir nunmehr die einschlagenden Stellen des Epos, 
so ergiebt sich, dafs keine derselben dazu nötigt unter χόλπος einen 
Bausch des Gewandes zu verstehen, dafs sie sich vielmehr alle unter 
der Voraussetzung, dafs dieses Wort die nackte oder die vom Gewande 
bedeckte Brust bezeichnet, in der ungezwungensten Weise erklären. 

Die ursprüngliche Bedeutung hat κόλπος offenbar an der Stelle 
der Ilias,?) an welcher es heifst, dafs Here den ihr von Aphro- 
dite eingehändigten, den Liebeszauber enthaltenden Riemen in ihrem 
κόλπος birgt. Hiermit kann nur die zwischen den beiden weiblichen 
Brüsten vorhandene Einsenkung gemeint sein, die freilich erst durch 
das Hinzutreten des Gewandes für eine derartige Bergung geeignet 
wurde. Die Handlung erscheint, wenn wir der Göttin ein dem dori- 
schen Chiton entsprechendes Gewand zuerkennen, vollständig natür- 
lich. Um den Riemen an die angegebene Stelle zu bringen, brauchte 
Hera nicht einmal das Gewand aufzunesteln, sondern sie konnte ihn 
durch die unter der Achsel befindliche Öffnung durchschieben. 

Das Gleiche gilt für eine Schilderung der Odyssee.‘) Als die Wär- 
terin des Eumaios zu ihren sidonischen Landsleuten entweicht, nımmt 
sie drei Becher mit, die sie ὑπὸ χόλπῳ birgt. Κόλπος kann an dieser 
Stelle nur den Busen bedeuten. Wenn die Magd die drei Becher 
unter dem Busen birgt, so hat man an den beträchtlichen Hohlraum 
zu denken, der bei gegürtetem dorischen Gewande, auch wenn es 
nicht über den Gürtel zu einem Bausche emporgezogen war, unter 
den Brüsten entstand und der, ohne dafs das Gewand aufgenestelt 


ältesten Beispiele finden sich auf korinthischen Vasen: Boehlau, quaestiones de 
re vestiaria Graecorum p. 68—70. 1) A. a. O. p. 101-—104. 2) A. 2.0. 
p. 102. 3) Il. XIV 219, 223 (oben Seite 211, Anm. 6). 4) Od. XV 469: ἡ 
δ᾽ αἶψα τρί᾽ ἄλεισα naranedıpao ὑπὸ κόλπῳ | ἔκφερεν. 


214 Die Tracht. 


zu werden brauchte, durch die seitliche Öffnung leicht zugäng- 
lich war. 
Ferner gehören hierher die Verse, welche schildern, wie Hekabe 
den Hektor beschwört von dem Kampfe mit Achill abzustehen:!) 
μήτηρ δ᾽ αὖϑ᾽ ἑτέρωθεν ὀδύρετο δακρυχέουσα. 
κόλπον ἀνιεμένη. ἑτέρηφι δὲ μαζὸν ἀνέσχεν. 


Κόλπον ἀνιεμένη τοὺ hier zu übersetzen „den Busen herausthuend“ 
d. i. „entblöfsend“. Bereits Aristonikos?) hat dies richtig erkannt 
und dabei auf Od. II 299 verwiesen: 
εὗρε δ᾽ ἄρα μνηστῆρας ἀγήνορας Ev μεγάροισιν. 
αἶγας ἀνιεμένους σιάλους DW εὕοντας ἐν αὐλῇ, 

wo αἶγας ἀνίεσϑανι nur bezeichnen kann „die Ziegen aus der Haut 
herausthun“ ἃ. 1. „abhäuten“, das Verbum also eine ganz ähnliche Be- 
deutung hat wie die an jener Stelle der Ilias angenommene. Über- 
setzen wir χόλπον ἀνιξεμένη durch „den Busen entblöfsend“, so steht 
die Schilderung mit der Annahme eines dem dorischen entspre- 
chenden Gewandes im besten Einklange. Hekabe nestelt mit der 
einen Hand das Gewand auf, eine Handlung, die so selbstverständlich 
war, dals es keinen besonderen Hinweises darauf bedurfte; mit der 
anderen Hand (ἑτέρηφι) hebt sie die eine ihrer Brüste (μαξόν), die 
hierbei vollständig entblöfst worden ist, empor, indem sie ihren Sohn 
bei der Brust, die ihn gestillt, beschwört seines Lebens zu schonen. 
Wenn dagegen die Dichter berichten, dafs die χόλποι der Althaia, 
während sie den Hades und die Persephone gegen ihren Sohn Mele- 
agros anruft, von Thränen benetzt werden,°?) dafs sich Astyanax, vor 
dem Helmbusche seines Vaters erschreckend, zum κόλπος seiner Wär- 
terin zurückwendet,*) dafs Neoptolemos den Astyanax, um ihn gegen 
den Boden zu schmettern, der Wärterin ἐκ κόλπου nimmt,?) so ist 
hier überall ein vom Gewande bedeckter Busen vorauszusetzen; denn 
die Dichter können sich doch unmöglich Althaia und die Wärterin 
des Astyanax mit nacktem Oberkörper gedacht haben. Dieselbe Be- 
deutung ist aus demselben Grunde an drei Stellen im Hymnos auf 
Demeter®) anzunehmen, an denen es heifst, dafs Metaneira, ihr jüngstes 


1) D. XXI 79—80. 2) Schol. Il. XXI 80. 3) 1], IX 569: κικλήσκουσ᾽ 
Aldnv καὶ ἐπαινὴν Περσεφόνειαν, | πρόχνυ καϑεξζομένη, δεύοντο δὲ δάκρυσι κόλποι. 
4) 11. VI 467: ἂψ δ᾽ ὁ πάϊς πρὸς κόλπον ἐδξώνοιο τυϑήνης | ἐκλίνϑη ἰάχων. 
5) Kleine Ilias Fragm. 18 (Epicor. gr. fragm. ed. Kinkel I p.46): παῖδα δ᾽ ἑλὼν 
ἐκ κόλπου ἐυπλοκάμοιο τιϑήνης  δῖψε ποδὸς τεταγὼν ἀπὸ πύργου. 6) Hymn. V 
(in Cerer.) 180: ἧστο παρὰ σταϑμὸν τέγεος πύκα ποιητοῖο | παῖδ᾽ ὑπὸ κόλπῳ 
ἔχουσα. 231: ὡς ἄρα φωνήσασα ϑυώδεϊ δέξατο κόλπῳ | γερσίν τ᾽ ἀϑανάτῃσι. 
238: yolson’ ἀμβροσίῃ, ὡσεὶ ϑεοῦ ἐκγεγαῶτα, | ἡδὺ καταπνείουσα καὶ ἐν κόλποισιν 
ἐχουσα. 


XII. Die Kleidung der Frauen. 215 


Kind unter dem κόλπος haltend, vor dem Thore ihres Hauses sitzt, 
dafs Demeter den Knaben, um seiner zu warten, an ihren duftigen 
κόλπος nimmt, dafs sie ihn mit Ambrosia salbt, indem sie ihn ἐν 
κόλποισι hält. 

Hiernach ist über die Bedeutung von βαϑύχολπος kein Zweifel 
möglich. Dieses Adjektiv weist auf einen weiblichen Busen hin, wel- 
cher zwischen den beiden Brüsten eine tiefe Einsenkung hat und an 
dem infolgedessen die beiden Brüste stark hervorspringen. Es scheint 
kaum noch nötig als Bestätigung hierfür eine Stelle des Aischylos!) 
anzuführen, an welcher es heilst, dafs Antigone und Ismene ἐρατῶν 
ἐκ βαϑυκόλπων στηϑέων ihrem Schmerze Ausdruck geben werden — 
eine Stelle, an welcher das fragliche Adjektiv überhaupt keine andere 
Bedeutung haben kann. BasvxoAnog ist also zu übersetzen durch 
„vollbusig“ oder mit Vols durch „mit schwellendem Busen“.’) Ein 
derartiges Epitheton entspricht vollständig dem Schönheitssinne der 
damaligen Griechen, denen, wie das Epos”) deutlich erkennen lälst, 
nicht zarte, ätherische, sondern hochgewachsene, üppige Frauentypen 
gefielen. 

Aulfser dem &avog, πέπλος oder φᾶρος genannten Hauptgewande 
gehörte zu der weiblichen Tracht noch ein mantelartiges Schleier- 
tuch, welches die Frau überwarf, wenn sie sich zum Ausgehen an- 
schickte. Die dafür gebräuchlichen Worte sind χρήδεμνον (χρή- 
deuve),*) καλύπτρη) und #dAvuue,°) von denen, wie Ameis’) treffend 
bemerkt, das erstere auf die Stelle hinweist, an welcher jenes Tuch 
gewöhnlich getragen wurde,°) die anderen beiden die Wirkung ver- 

1) Septem 863: οὐκ ἀμφιβόλως | οἶμαί σφ᾽ ἐρατῶν ἐκ βαϑυκόλπων | στηϑέων 
ἤσειν ἄλγος ἐπάξιον. 2) Dafs der Hinweis auf eine solche Eigentümlichkeit 
dem Geiste des Epos entsprach, ergiebt sich aus Il. ΠῚ 397, wo die στήϑεα ἵμε- 
ρόεντα der Aphrodite hervorgehoben werden. In der kleinen Ilias liels Menelaos, 
als er im Begriffe war seine ungetreue Gattin zu töten, angesichts des nackten Bu- 
sens derselben das Schwert fallen: Epicor. graecor. fragm. ed. Kinkellp.45 n. 16. 
3) Od. VI 151: ᾿Δρτέμιδί σε ἔγωγε, Διὸς κούρῃ μεγάλοιο, εἶδός τε μέγεϑ'ός τὲ 
φυήν τ᾽ ἄγχιστα ἐΐσκω. Οα. ΧΠῚ 288, XVI 157 (Athene): δέμας δ᾽ ἤϊκτο γυναικὶ" 
καλῇ τε μεγάλῃ τε καὶ ἀγλαὰ ἔργ᾽ εἰδυίῃ. Ähnlich Od. XV 418. Od. V 215 
sagt Odysseus zu Kalypso: οἶδα καὶ αὐτὸς | πάντα μάλ᾽, οὔνεκα σεῖο περίφρων 
Πηνελόπεια | εἶδος ἀκιδνοτέρη μέγεθός τ᾽ εἴσαντα ἰδέσϑαι. XVII 195: καί μιν 
μακροτέρην καὶ πάσσονα ϑῆκεν ἰδέσϑαι. XVII 249: ἐπεὶ περίεσσι γυναικῶν. 
εἶδός τε μέγεϑός τε ἰδὲ φρένας ἔνδον ἐΐσας. Od. XX τὸ: Ἥρη δ᾽ αὐτῇσιν περὶ 
πασέων δῶκε γυναικῶν | εἶδος καὶ πινυτήν, μῆκος δ᾽ ἔπορ᾽ Ἄρτεμις ἁγνή. 
4) Κρήδεμνον: 1. XIV 184, XXI 470; Od. V 346, 351, 373, 459, VI 100. Kor 
δεμνα: Od. I 334, XVI 416, XVII 210, XXI 65; hymn. V (in Cerer.) 41. Καλλι- 
κρήδεμνος: Od. IV 623. Διπαροκρήδεμνος: 11. XVII 382; hymn. V (in Üerer,) 
25, 438, 459. 5) Il. XXII 406; Od. V 232, X 545; hymn. V (in Cerer.) 197. 
Hesiod. theog. 574. 6) I. XXIV 93; hymn. V 42. 7) Zu Od. V 2832. 
8) Κρήδεμνον von κάρ, κάρα und δέω. Curtius, Grundzüge 1. Aufl. p. 233 n. 264. 


216 Die Tracht. 


gegenwärtigen, die das Tuch ausübte. Dafs alle drei Substantive dasselbe 
Gewandstück bezeichnen, ergiebt sich im besonderen aus dem Hym- 
nos auf Demeter. Als die Göttin den Schrei ihrer von Hades ent- 
führten Tochter vernimmt, wird sie von heftigem Schmerz ergriffen, 
zerreilst die κρήδεμνα, die über ihren ambrosischen Locken liegen, 
und wirft ein dunkles κάλυμμα um beide Schultern.) Diese Schil- 
derung ist offenbar so zu verstehen, dafs Demeter in ihrem Schmerz 
anstatt des Schleiertuches, das sie gewöhnlich trägt, ein anderes an- 
legt, welches durch seine dunkle Farbe die Trauer der Göttin be- 
kundet, wie auch Thetis, als sie sich zu Zeus begiebt, als Zeichen 
des Schmerzes, den ihr das Leid ihres Sohnes Achill einflölst, ein 
tiefschwarzes κάλυμμα umwirft.”) Jenes κάλυμμα der Demeter heilst 
in einem späteren Verse desselben Hymnos’) χαλύπτρη. Also sind 
xondsuvov, καλύπτρη und χάλυμμα Synonyme. 

Das durch die drei Substantive bezeichnete Tuch war in der Regel 
über den Hinterkopf gezogen?) und hing, das Gesicht freilassend, über 
Rücken und Schulter herab. Nur ausnahmsweise, wenn sie unerkannt 
bleiben?) oder sich trauernd von der Aufsenwelt abschliefsen wollten, °) 
bedeckten die Frauen damit das Gesicht. Hatten sie Eile, so legten sie 
das Tuch nicht über den Hinterkopf, sondern warfen es um die Schul- 
tern, wie es Demeter thut, als sie aufbricht, um ihre Tochter zu suchen.) 
Galt es den Körper frei zu bewegen, wie z. B. beim Ballspiele,°) so 
wurde das Tuch abgelegt. Frauen, die von heftigem Schmerze 
ergriffen sind, werfen es von 510}. Da das Tuch, wenn es in nor- 
maler Weise getragen wurde, lose auf dem Kopfe lag, so mulste es, 
um sein Herabgleiten zu verhindern, ın der Regel zum mindesten 
mit einer Hand festgehalten werden.'”) Und zwar schrieb die damals 
herrschende Anstandsregel den Frauen, wenn sie mit Männern ver- 


1) 40: ἀμφὶ δὲ χαίταις | ἀμβροσίαις κρήδεμνα δαΐζετο χερσὶ φίλῃσι, | κυάνεον 
δὲ κάλυμμα κατ᾽ ἀμφοτέρων βάλετ᾽ ὥμων. 2) D. XXIV 98: ὡς ἄρα φωνήσασα 
κάλυμμ᾽ ἕλε δῖα ϑεάων κυάνεον, τοῦ δ᾽ οὔτι μελάντερον ἔπλετο ἔσϑος. 3) 197: 
ἔνϑα καϑεξζομένη προκατέσχετο χερσὶ καλύπτρην" | δηρὸν δ᾽ ἄφϑογγος τετιημένη 
ἧστ᾽ ἐπὶ δίφρου. 4) 1]. XIV 184: κρηδέμνῳ δ᾽ ἐφύπερϑε καλύψατο δῖα ϑεάων. 
Od. V 232 (βάλετο): κεφαλῇ δ᾽ ἐφύπερϑε καλύπτρην. X 545: κεφαλῇ δ᾽ ἐπέϑηκε 
καλύπτρην. Hymn. V (in Cerer.) 182: στεῖχε κατὰ κρῆϑεν κεκαλυμμένη. Hesiod, 
theog. 574: κατακρῆϑεν δὲ καλύπτρην, | δαιδαλέην, χείρεσσι κατέσχεϑε, ϑαῦμα 
ἰδέσϑαι. 5) Il. ΠῚ 419 (Helena): βῆ δὲ κατασχομένη ἑανῷ ἀργῆτι φαεινῷ, | 
σιγῇ, πάσας δὲ Τρωὰς λάϑεν. 6) Hymn. V (in Cerer.) 197 (5. die obige 
Anm. 8). 7) Hymn. V 42 (die obige Anm. 1). 8) So die Gefährtinnen 
der Nausikaa Od. VI 100. 9) 1. XXII 406 (Hekabe): τίλλε κόμην, ἀπὸ δὲ 
λιπαρὴν ἔρρυψε καλύπτρην | τηλόσε. XXIL 470 (Andromache): τῆλε δ᾽ ἀπὸ κρατὸς 
βάλε.... κρήδεμνόν 9’, ὅ ῥά οἵ δῶκε χρυσέη ᾿ἀφροδίτη. 10) Hesiod, theog. 
575 (die obige Anm. 4). 


ΧΠῚ, Die Kleidung der Frauen. 217 


kehrten, vor, das Tuch neben der Wange nach vorwärts gezogen zu 
halten — eine Regel, die, wie die archaischen Bildwerke beweisen, !) 
auch in späterer Zeit malsgebend blieb. In dieser Weise hielt Pene- 


Fig. 61. 


lope ihr Schleiertuch, als sie sich den Freiern zeigte.”) Die Schönheit 
der Frau wurde hierdurch nicht im geringsten beeinträchtigt; viel- 


1) Artemis auf einer Vasenscherbe: Conze, melische Thongefälse, Vignette 
von p. V. Eine bei einem Zweikampfe gegenwärtige Frau: Conze a. ἃ. Ὁ. T. 3. 
Frauen auf spartanischen Grabstelen: Mittheilungen des arch. Inst. in Athen II 
T. 20, 22—24, VII T. 16. Eriphyle auf einer korinthischen Vase: Mon. dell’ 
Inst. X T.4, 5. Thetis als Braut auf der Frangoisvase (oben Seite 4, Anm. 1). 
Helena gegenüber dem Menelaos auf dunkelfigurigen Vasen: Overbeck, Gal. 
T. 26, 1—3; Mus. gregorian. II T. 49, 2; unsere Fig. 62. Vgl. Löschcke, de 
basi quadam prope Spartam reperta p. 7. 2) Od. I 334, XVI 416, XVIII 210, 
XXI 65: ἄντα παρειάων σχομένη λιπαρὰ κρήδεμνα. 


218 Die Tracht. 


mehr erhielt das Profil durch das vorgezogene Tuch eine geeignete 
Folie und kam zugleich die Form des Armes auf das nachdrücklichste 
zur Geltung. 

Dafs die Epitheta, welche das Epos dem zondsuvov!) und 
der χαλύπτρη“) beilegt, auf linnene Stoffe hinweisen, wurde be- 
reits im XI. Abschnitte?) dargelegt. An einer Stelle’) wird das 
Schleiertuch geradezu als Leinenzeug, ὀϑόναι, bezeichnet. Als Iris sich 
zu Helena begiebt, um sie zu veranlassen von der Stadtmauer aus 
die beiden Heere anzusehen, findet sie dieselbe in ihrem Megaron 
am Webstuhle beschäftigt. Nachdem die Göttin ihre Aufforderung 
an Helena gerichtet und ihr 
Sehnsucht nach dem Jugend- 
gemahl eingeflölst hat, hüllt 
sich Helena sofort in ἀργενναὶ 
ὀϑόναν und eilt Thränen ver- 
gielsend aus dem Gemache. 
Da sie vorher unmöglich 
nackt, sondern nur mit Hea- 
nos, Peplos oder Pharos be- 
kleidet gedacht werden kann, 
so müssen wir hier die όὀϑύ- 
ver mit Ameis auf das 
Schleiertuch beziehen, das 
Helena nach damaliger Sitte 
beim Ausgehen anlegt. Wenn 
das gleiche Gewandstück an 
einer anderen Stelle desselben 
Gesanges’) durch ἑανῷ ἀρ- 
γῆτι φαευνῷ bezeichnet wird, 
so hat dies bei der allgemeinen Bedeutung des Substantives ἑανός eben- 
sowenig Auffälliges, wie wenn das κάλυμμα der Thetis ἔσϑος heilst.°) 
Zudem wird die Identität jener ὀϑόναιν mit dem an der anderen Stelle 
erwähnten ἑανός durch die Verwandtschaft der den beiden Substan- 
tiven beigelegten Epitheta bestätigt. Auch bei diesem Kleidungs- 
stücke scheint man der Leinwand in der Regel die natürliche Farbe 
gelassen zu haben; denn die Epitheta heben beinahe durchweg den 
weilsen Glanz hervor und nur an zwei im obigen angeführten Stellen’) 


1) Nnydreog 1]. XIV 185. Λιπαρός 5. die vorhergehende Anm. 2) ΛΜιπαρός 
Il. ΧΧΠ 406. Vgl. λιπαροκρήδεμνος (oben S. 165—166, Anm. 14). 3) Seite 165—166. 
4) 11. III 141: αὐτίκα δ᾽ ἀργεννῇσι καλυψαμένη ὀϑόνῃσιν | ὡρμᾶτ᾽ ἐκ ϑαλάμοιο. 


Uber die ὀϑόναι oben Seite 167—170. 5) 419 (oben Seite 166). 6. 
XXIV 94 (oben Seite 216, Anm. 2). Vgl. Studniczka, Beiträge p. 127. 7} 1} 


XIV. Die Kopftracht der Andromache. 219 


wird ein schwarzblaues χάλυμμα erwähnt. Die archaischen Bildwerke 
geben dieses Gewandstück sehr oft wieder. Sie stellen sowohl Frauen 
dar, bei welchen das Schleiertuch vom Hinterkopfe einfach über 
Rücken und Schulter herabhängt (Fig. 61°),') als auch solche, welche 
dasselbe wie Penelope, während sie sich den Freiern zeigt, mit der 
einen Hand neben der Wange vorgezogen halten (Fig. 62).?) 
Merkwürdig kompliziert ist der Kopfschmuck, der im 22. Buche 
der Ilias der Andromache zugeschrieben wird. Da er besonderen 
Gesichtspunkten unterliegt, so widme ich ihm ein eigenes Kapitel. 


XIV. Die Kopftracht der Andromache, 


Als Andromache den Tod des Hektor vernimmt, wirft sie, von 
Verzweiflung ergriffen, ihren Kopfschmuck weit von 510}: 
τῆλε δ᾽ ἀπὸ κρατὸς βάλε δέσματα σιγαλόεντα, 
ἄμπυκα, κεκρύφαλόν T’ ἠδὲ πλεχτὴν ἀναδέσμην 
κρήδεμνόν 9᾽, ὃ ῥά οἵ δῶκε χρυσέη "Apoodirn. 
Da die Dichter keinen Unterschied zwischen 
achäischer und troischer Sitte kennen, so ist es 
zunächst gewils, dals ein ähnlicher Kopfschmuck 
auch von den damaligen lonierinnen getragen wurde. 
Ebensowenig kann über drei der von dem Dichter 
namhaft gemachten Toilettenstücke ein Zweifel ob- 
walten. Der Ampyx ist ein metallenes Diadem') ähnlich dem, welches 
an einer anderen Stelle der Ilias?) Stephane heilst, der Kekry- 


Fig. 69. 


XXIV 93 (oben Seite 216, Anm. 2); hymn. V (in Cerer.) 42 (oben Seite 216, 
Anm.1). 1) Z.B.: Eine Frau auf einer Vase von Melos: Conze, melische Thon- 
gefälse T. 3. Helena auf einer spartanischen Basis: Ann. dell’ Inst. 1861 Tav. 
d’agg. C2; Löscheke, de basi quadam prope Spartam reperta n.1 p. 7 ἢ; unsere 
Fig. 618 auf Seite 217. Die drei Göttinnen auf der Schale des Xenokles: Raoul- 
Rochette, mon. ined. pl.49,1; Overbeck, Gal. T. 9, 2. 2) Beispiele oben Seite 


217, Anm. 1. Unsere Fig. 62 aus Museo gregoriano II T. 49, 2. 3) I. XXI 
468— 470. 4) Hymn. hom. VI 5: τὴν δὲ χρυσάμπυκες Ὧραι | δέξαντ᾽ 
ἀσπασίως, περὶ δ᾽ ἄμβροτα εἵματα ἕσσαν" | κρατὶ δ᾽ ἐπ᾿ ἀϑανάτῳ στεφάνην 


εὔτυκτον ἔϑηκαν | καλὴν, χρυσείην. Hiernach war der Ampyx aus Gold gearbeitet. 
Vgl. denselben Hymnus v. 12 und Hesiod. theog. 916: Μοῦσαι χρυσάμπυηες. 
Über dieses Adjektiv als Epitheton der Pferde ist oben Seite 156 die Rede 
gewesen, 5) XVII 597. Das Adjektiv Züorepavog kommt als Epitheton 
der Artemis (Il. XXI 511), der Mykene (Od. II 120), der Aphrodite (Od, VII 267, 
288, XVII 193; Hymn. IV 6, 175, 287) und der Demeter (Hymn. V 224, 307, 
384, 470) vor. Vgl. Hesseling, de usu coronarum apud Graecos (Lugd. Bat. 1886) 
p. 17ff. Da der Hymnus VI 5 (s. die vorhergehende Anm.) den Horen goldene 
Ampykes, der Aphrodite dagegen eine goldene Stephane zuschreibt, so scheint 
es, dafs die letztere für einen glänzenderen und vornehmeren Kopfschmuck galt. 


920 Die Tracht. 


phalos") eine Haube, das Kredemnon, wie im vorhergehenden Abschnitte 
gezeigt wurde, ein mantelartiges Kleidungsstück, das gewöhnlich über 
den Kopf gezogen getragen wurde, aber das Gesicht frei liefs.?) 
Gröfsere Schwierigkeiten verursacht dagegen die Bestimmung der 
πλεκτὴ ἀναδέσμη. 
Da die beiden Worte nach ihrer Etymologie einen gefloch- 
tenen Gegenstand bezeichnen müssen, welcher entweder selbst in 
die Höhe gebunden ist oder etwas in die Höhe bindet,?) so pflegt 
man darin eine Vorrichtung zum Aufbinden des Haares zu erkennen.) 
Wer jedoch in unbefangener Weise die betreffenden Verse der Ilias 
prüft, wird sich sofort von der Unhaltbarkeit dieser Ansicht über- 
zeugen. Da nämlich Andromache eine Haube (Kekryphalos) trug, 
so versteht es sich, dafs diese Haube das Haar zum gröfsten Teile 
bedeckte, dafs also ein Band oder Bändergefüge, welches die Haare 
unter der Haube aufband, wenig oder gar nicht sichtbar sein konnte. 
Dagegen muls die πλεχτὴ ἀναδέσμη. da sie nach dem vorhergehenden 
Verse zu den δέσματα σιγαλόεντα gehörte, ein augenfällises Toiletten- 
stück gewesen sein. | 
Ebensowenig befriedigt der Versuch Böttigers’) den fraglichen 


Vermutlich ist der Ampyx das schmale Diadem, welches z. B. schon auf den alten 
melischen Vasen (Conze, melische Thongefälse T. 4) vorkommt, die Stephane 
dagegen das hohe Diadem, mit dem alte Idole (z. B. Panofka, Teracotten des 
Museums zu Berlin T. 1 n. 2, 3; Gerhard, ges. ak. Abhandlungen T. 22 τ. 1,5. 
Vgl. die Köpfe aus Megara Hyblaia in dem Bull. della comm. di antichitä in 
Sicilia 1872 T. In. 1,3, T. ΤῊ τ, 9, 10) und besonders häufig Frauenköpfe 
ausgestattet sind, welche archaischen Stirnziegeln als Mittelpunkte dienen. 
1) Die indoeuropäischen Etymologieen von κεχρύφαλος findet man bei Ebeling, 
Lexicon homericum u. d. W. zusammengestellt. Die befriedigendste Vermutung 
scheint die, dafs das Wort unter Beifügung des Suffixes -«4og aus dem redupli- 
zierten Stamme #evp gebildet ist, ähnlich wie ἴξαλος, φέψαλος, βάταλος. Mai- 
ναλος, Πέϑιαλος. Vgl. Studniezka, Beiträge zur Geschichte der altgriechischen 
Tracht p. 129. Herr Dr. Siegmund Fraenkel hat die Güte mir über diese Frage 
folgende Mitteilung zu machen: „Auch κεκρύφαλος könnte man vielleicht für die 
Semiten in Anspruch nehmen. Karkaf heilst im Aramäischen „Schädel“ und eine 
Ableitung davon in der Form Karkaflä existiert im Jüdisch-Aramäischen, wo es 
allerdings „Schädelhaut,“ „Schädeldecke“ zu bedeuten scheint. Ein solches Wort 
kann aber sehr wohl auch „Kopfhülle“ bedeutet haben, nnd von Karkaflä ist 
dann, wenn man noch volksetymologische Anlehnung an κρύπτειν annimmt, der 
Weg nicht weit zu κεκρύφαλος.“" 2) Oben Seite 216. 3) Bopp, ver- 
gleichende Grammatik III? p. 177 ff.; Zeitschrift f. vergl. Sprachforschung X 
p. 452; G. Curtius, Studien z. griech. und lat. Grammatik V p. 64. 4) Heyne 
ad Homeri carmina II p. 533, VIII p. 344; Friedreich, die Realien in der Iliade 
und Odyssee 2. Aufl. p. 239. Ganz unbestimmt gefafst ist die Bemerkung des 
Schol. Il. XXI 469: ἀναδέσμη δὲ λέγεται σειρὰ ἣν κύκλῳ περὶ τοὺς κροτάφους 
ἀναδοῦνται. καλεῖται δὲ ὑπ’ ἐνίων καλαυδάκη (καλυνδεύκη V., calantica Heyne 
VIII p. 844). 5) Kleine Schriften Ill p. 294. 


XIV. Die Kopftracht der Andromache. 221 


Gegenstand durch die Haartracht einer im Dresdner Antikenkabinet 
befindlichen Bronzefigur') zu veranschaulichen. Die Haube dieser 
Figur ist an der Rückseite des Kopfes geöffnet und die aus der 
Öffnung herausquellende Lockenmasse an dem äufsersten Ende ver- 
mittels eines Bändehens in ein kleines zopfartiges Büschel zusammen- 
gefalst. Ein solches Bändchen soll nach Böttigers Ansicht die πλεχτὴ 
ἀναδέσμη gewesen sein. Erstens jedoch scheint es bedenklich eine 
Figur vorgeschrittenen Stiles wie die Dresdner einer die homerische 
Sitte betreffenden Untersuchung zu Grunde zu legen. Zweitens stellt 
sich jenes Bändchen keineswegs als das hervorstechende Toilettenstück 
dar, auf welches die Dichtung hinweist. Drittens ergiebt sich aus 
den betreffenden Versen, dafs die πλεχτὴ ἀναδέσμη hastig und mit 
einem Griffe von dem Haupte herabgerissen werden konnte, wogegen 
die Entfernung jenes Bändchens nur mittels einer zeitraubenden Ope- 
ration, nämlich durch Aufknüpfen, möglich war. 

Wenn endlich Gladstone und Schliemann?) an ein goldenes Stirn- 
band denken ähnlich den in dem troischen Schatze und in den myke- 
näischen Gräbern gefundenen Exemplaren, so spricht hiergegen der 
Umstand, dafs das Adjektiv πλεχτή „geflochten“ auf solche aus Gold- 
blech getriebene Streifen in keiner Weise pafst. Vielmehr würde ein 
homerischer Dichter diese Stirnbänder durch das Wort ἄμπυξ be- 
zeichnet haben. 

Dagegen fallen alle Schwierigkeiten weg, wenn wir altetruskische 
Denkmäler zu Rate ziehen.”) Auf den ältesten Grabgemälden von 
Targuinii und anderen etruskischen Bildwerken archaischen Stiles 
tragen die Frauen eine hohe steife kegelförmige Haube, welche das 
Haupt vollständig bedeckt und von dem Haare nur längs der Stirn 
einen schmalen Streifen frei läfst. Oberhalb der Stirn ist die Haube 
entweder von einer gefältelten Zeugbinde (Fig. 63—65)*) oder von 
einem metallenen Diadem (Fig. 66)°) umgeben, in der Höhe des 
Scheitels von einem dieken wulstigen Bande, welches die Haube an 
den Schädel festdrückt und zugleich plastische und koloristische 
Abwechselung in den steifen Zeugtrichter bringt (Fig. 63—65)°). Ein 


1) Montfaucon, l’antiquite expliquee I 2 T. 213, 1; Hettner, Bildwerke des 
k. Antiquariums zu Dresden 2. Aufl. p. 114, 438. 2) Schliemann, Ilios 
p. 507—511 n. 685—687; Mykenae p. 287; Gladstone im der Vorrede dazu 
p. XXIV; Abbildungen p. 285 n. 358. 3) Vgl. oben Seite 41—42. 4) So z. B. 
Mon. dell’ Inst. VIII T. 13 n. 1 (hiernach Fig. 63) und 5 (Fig. 65); T. 14 n. 1" 


(Fig. 64). 5) So z. B. in der cornetaner Tomba del Barone: Micali, storia 
T. 67; Mus. Gregor. I T. 100; Canina, Etruria marittima 11 T. 86; Hittorf, lV'ar- 
chiteeture polychrome T. 19 n. 8; Stackelberg und Kestner, Grüber von Cormeto 
T. 28—33; hieraus unsere Fig. 66. 6) Z. B. Mon. dell’ Inst. VIII T. 13 n. 1; 


12,14:n..18. 


222 Die Tracht. 


mantelartiges Kopftuch ist entweder um die Schultern geworfen 
(Fig. 64, 65)') oder über die Haube emporgezogen (Fig. 63, 66) und 
fällt in dem letzteren Falle, das Gesicht freilassend, zu beiden Seiten 
des Hauptes herab.”) Auf den ersten Blick leuchtet es ein, dafs diese 
Kopftracht drei Bestandteile mit derjenigen der Andromache gemein- 


Fig. 65. Fig. 66. 


sam hat. Die Haube entspricht dem Kekryphalos, das metallene 
Diadem, welches neben der Zeugbinde als Stirnschmuck vorkommt, 
dem Ampyx, das mantelartige Kopftuch dem Kredemnon. Angesichts 
dieser Übereinstimmung fragt es sich, ob nicht der vierte Bestand- 
teil der etruskischen Kopftracht, nämlich das wulstige Band, welches 
die Haube in der Höhe des Scheitels umgiebt, mit der plekte Ana- 
desme zu identifizieren ist. Und in der That zeigt dieses Band alle 
Eigenschaften, welche sich für die letztere aus dem Epos ergeben. 
Es erscheint als ein Gegenstand von nachdrücklicher dekorativer 
Wirkung. Da es die Haube umgab, so konnte es mit einem Griffe 
zugleich mit der Haube von dem Kopfe entfernt werden. Da das 
Band endlich an einer hohen Stelle der Haube angebracht war, so 
stimmt hiermit die Etymologie des Substantives Anadesme. Das 
Gleiche gilt für das Adjektiv; denn die etruskische Kunst charakte- 
risiert jenes Band öfters als aus verschiedenen in einander gewun- 
denen oder geflochtenen Zeugstreifen bestehend (Fig. 65).?) Ist hier- 
mit die πλεχτὴ ἀναδέσμη richtig erkannt, so stellt sich zugleich in 
bestimmterer Weise der Typus des homerischen Kekryphalos heraus. 
Man darf sich den letzteren keineswegs als eine leichte, die Kopf- 
formen in organischer Weise begleitende Haube denken, wie sie auf 
Denkmälern der Blütezeit vorkommt, eine Kopfbedeckung, bei der 
jenes Band nirgends nachweisbar ist und bei der es eine stilistische 
Dissonanz darstellen würde. Vielmehr war der Kekryphalos der da- 


1) Z. B. Mon. dell’ Inst. VIII T. 13 n. 5; T. 14 n. 1@. 2) Z. B. Mon. 
dell’ Inst. VIII T. 13 n. 1. 3) Z. B. Mon. dell’ Inst. VIII T. 13 n. 3; Micalı, 
storıa T.:29 ἢ 221 0,3, W330: 1, Ὁ; 


XIV. Die Kopftracht der Andromache. 223 


maligen Ionierinnen eine hohe steife Haube, ähnlich der, mit welcher 
in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. die Frauen der 
Lukumone von Tarquinii prunkten. Wie in der Regel die Etruske- 
rinnen das mantelartige Kopftuch, trug Andromache das Kredemnon 
über die Haube gezogen; denn sie rifs das letztere zugleich mit 
dem Ampyx, der Haube und der πλεκτὴ ἀναδέσμη von dem Haupte 
herab. 

Wenn irgend ein Motiv der homerischen Tracht weist dieser 
komplizierte Kopfschmuck durch seinen gebundenen und ganz un- 
klassischen Stil auf einen orientalischen Ursprung hin. Da jedoch 
diese Frage von mir ausführlich an einer anderen Stelle behandelt 
worden ist,!) so genügt es einige wenige Thatsachen hervorzuheben, 
die von besonderer Wichtigkeit sind und zu dem Zwecke dieses Buches 
in näherer Beziehung stehen. 

Ein ähnlicher komplizierter Kopfschmuck wurde in Asien seit 
uralter Zeit sowohl von Männern wie von Frauen getragen. Zu der 
Amtstracht des jüdischen Hohenpriesters gehörte eine Haube, die wir 
uns nach allen Analogieen des asiatischen Stiles gewifs hoch und 
steif zu denken haben, und ein goldenes Stirnband; eine purpurblaue 
Schnur war an dem letzteren befestigt und um die Haube geschlungen.?) 
Seine Kopftracht bestand demnach wie die der Andromache aus 
Kekryphalos, Ampyx und πλεχτὴ ἀναδέσμη. Dals die Jüdinnen bei 
vollständiger Toilette eine hohe Haube trugen, erhellt aus mehreren 
Stellen des alten Testamentes,’) deren eine‘) auch des die Haube 
umgebenden goldenen Stirnblattes gedenkt. Da die Tracht der alten 
Hebräer in der vielseitigsten Weise durch die benachbarten phöni- 
kischen Städte beeinflufst wurde, so spricht von Haus aus alle Wahr- 
scheinlichkeit dafür, dafs analoge Kopfbedeckungen auch bei den 
Phönikiern üblich waren. Und in der That sind mit einer hohen 
steifen Mütze männliche Portraitstatuen ausgestattet, die sich auf 
Kypros gefunden haben und, indem sie Elemente ägyptischen und 
assyrischen Stiles durcheinander mischen, die Eigentümlichkeiten der 
jüngeren phönikischen Kunstweise zur Schau tragen.°) Eine ähnliche 


1) Helbig, über den Pileus der alten Italiker in den Sitzungsberichten der 
Münchener Ak. d. Wiss., philosoph.-philol. Cl. 1880 p. 527—548. 2) Bxod. 
XXVII 36, 37, XXIX 6, XXXIX 28, 30, 31. Die übrigen Priester tıugen die 
Haube ohne weiteren Schmuck; Exod. XXVIII 40, XXIX 9; Levit. VIII 13. 
3) Judith X 3; Jesaias III 20, 23;. Jesus Sirach VI 30. 4) Jesus Sirach VI 30. 
5) Z. B. Cesnola-Stern, Cypern T. 27, 28, 80 n. 5, 40 n. 1. Eine ähnliche Kopf- 
bedeckung zeigen auch andere kyprische Denkmäler, z. B. primitive Thonfiguren 
von Kriegern und Reitern (Cesnola-Stern T. 37 n. 2, 3, T, 39 ἢ. 2, 4, p. 125, 
vgl. p. 82; Gazette archeol. 1878 p.108, 109), ein Relief (Cesnola-Stern T. 96, 3), 


224 Die Tracht. 


Mütze, in einem Falle unten mit .einer Binde umwunden, kehrt als 
Kopftracht von Männern wieder auf vier phönikischen Silberschalen, 
von denen zwei auf Kypros,!) die anderen beiden in Italien?) gefun- 
den wurden. Wenn die letzteren beiden Exemplare aus Karthago 
oder seinen Kolonieen stammen, wofür alle Wahrscheinlichkeit spricht,’) 


' 
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4 


που παν τι τον SIE 
ἘΞ 


— =) / 
Πη IR 
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dann ergiebt sich, dafs eine derartige Tracht nicht nur bei den öst- 
lichen, sondern auch bei den westlichen Phönikiern gebräuchlich war. 
Mancherlei Thatsachen beweisen, dafs auch die phönikischen Frauen 


zwei Sarkophage (T. 18, T. 44), ein Skaraboid (Cesnola-Stern T. 79, 8, Gaz. 


arch&ol. 1878 p. 107). 1) Revue archeol. XXXI (1876) T. 1, Cesnola-Stern 
T. 51 (hier die mit der Binde umwundene Mütze). Rev. arch. XXXII (1877) 
T. 1, Cesnola-Stern T. 66, 1. 2) Mon. dell’ Inst. VIII T. 44, 1 (vgl. Bull. 


1874 p. 285); X T. 31, 1 = Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 97 n. 36, 
wiederholt durch Fig. 1 auf unserer Seite 22. 3) Vgl. oben Seite 29—32, 


XIV. Die Kopftracht der Andromache. 225 


eine ähnliche Kopfbedeckung trugen. Eine hohe Haube gehörte zu 
den Attributen der kyprischen Aphrodite.!) Kyprische Bildhauer’) 
und Thonkünstler?) statten damit Frauen aus, die, wie es scheint, 
zu Ehren derselben Göttin einen Tanz aufführen 


(5. 224 Fig. 67)'). Endlich gehört hierher auch ein = 
bereits erwähntes assyrisches Relief (S. 78 Fig. 15).°) se 
Die darauf dargestellten Frauen, die mit gröfster 
Wahrscheinlichkeit für Phönikierinnen erklärt wer- 

den, tragen eine hohe steife Haube, die von mehreren 
horizontalen Streifen, sei es Borten, sei es Bändern, ἘΣ μα 


durchschnitten wird, und über der Haube ein man- 
telartiges Kopftuch (Fig. 68), also eine Tracht, welche mit jener 
der Andromache die auffälligste Ähnlichkeit darbietet. Weibliche 
Thonidole reifarchaischen Stiles, die sich zu Assos,°) und ganz 
primitive, die sich zu Tiryns (8. 226 Fig. 69)°) gefunden, beweisen, 


1) Z.B. Cesnola-Stern T.12. Lajard, recherches sur le culte de Venus pl. 20. 
Clarac, musde de sculptures IV pl. 560 B n. 1283 A. Paciaudi, mon. pelopon. II 
p. 130. Vgl. Bernoulli, Aphrodite p.29 ff. Dieses Attribut findet sich auch noch 
bei Darstellungen der Göttin aus griechisch-römischer Epoche: Arneth, die Gold- 


und Silbermonumente in Wien T. S VII 90. 2) Perrot et Chipiez, histoire 
de l’art III p. 587 ἢ. 399. 3) Heuzey, catalogue des figurines antiques de 
terre cuite du Louvre I p. 200 n. 248—250. 4) Gruppe aus Kalkstein nach 


Perrot a. a. Ὁ. p. 587 n. 399. 5) Oben Seite 78, Anm. 1. 6) Sie befinden 
sich im Museum von Konstantinopel und in einer Privatsammlung zu Smyrna. 
7) Schliemann, Tiryns Ὁ. 173 n. 83 (hiernach unsere Fig. 69), p. 177 τ. 87. 
Das letztere Idol läfst, wie es scheint, am untern Rande der Haube auch 
eine Art von Ampyx erkennen. — Die Einwürfe, welche Studniezka, Beiträge 
zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 128—131 gegen die im obigen 
dargelegte Auffassung erhebt, halte ich für verfehlt. Wenn dieser Gelehrte an- 
nimmt, dafs die vom Dichter aufgezählten Gegenstände der ohnmächtig hinsin- 
kenden Frau vom Haupte fallen, so beruht dies auf einer ungenauen Interpre- 
tation des betreffenden Verses. Τῆλε δ᾽ ἀπὸ κρατὸς βάλε bedeutet nicht „es 
fielen ihr vom Haupte,“ sondern „sie warf vom Haupte weit weg“, wie es in 
derselben Situation von Hekabe heilst UERXTI 406): ἀπὸ δὲ λιπαρὴν ἔρριψε 


καλύπτρην τηλόσε. Hiermit ist die Ansicht Studniezkas — die sich übrigens 
auch mit seiner eigenen Auffassung nicht vereinigen lälst — beseitigt, dals die 


πλεχτὴ ἀναδέσμη ein Band gewesen sei, welches die Haare unter der Haube äuf- 
band; denn die Entfernung eines solchen Bandes erforderte Zeit und Mühe, 
während es sich von selbst versteht, dafs die verzweifelte Andromache ihren 
Kopfschmuck hastig, mit einem Griffe, herabrifs und von sich warf. Wenn ferner 
derselbe Gelehrte behauptet, der Kekryphalos sei ein kleines, meist wohl einfach 
viereckiges Kopftuch gewesen, welches haubenartig umgelegt wurde, wogegen die 
die Kopfform organisch begleitende Haube, welche die Kunst der klassischen 


Epoche Personen giebt, die gewissermalsen im Neglig@ erscheinen, #epakr περὶ 
“ὦ. . ıp » . χ . τὴ ᾿ er ͵ EP 
$erog geheilsen habe, so beruht diese Auffassung auf einer falschen Grundlage, 


.“. ως Ω . 3 . ει [ἢ Δ] Ω ΩΓ 
nämlich auf der Voraussetzung, die κεφαλὴ περίϑετος bei Aristoph. Thesmoph. 257 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos, 15 


2926 Die Tracht. 


dafs eine hohe Haube auch in griechischem Kulturkreise gebräuch- 
lich war. 

Hinsichtlich allerlei anderer Fragen, welche diese Kopftracht 
betreffen, aber dem bestimmten Zwecke dieses Buches ferne liegen, 
verweise ich auf die oben!) angeführte Abhandlung. 

Wenn übrigens der Kekryphalos 
und die πλεκτὴ ἀναδέσμη. die doch 
der Gestalt ein höchst eigentüm- 
liches Gepräge verleihen mufsten, 
nur an eimer Stelle des Epos Er- 
wähnung finden, so kann dies kaum 
dem Zufalle zugeschrieben werden. 
Besonders wichtig ist für diese 
Frage die sehr ausführliche Schil- 
derung, welche der Dichter des 
14. Gesanges der Ilias”) von der 
Toilette der Hera entwirft. Die 
Thatsache, dafs der Kekryphalos 
hierbei unerwähnt bleibt, läfst mit 
Sicherheit darauf schliefsen, dafs 
die Göttin nach der Vorstellung des 
Dichters keine Haube aufsetzte, son- 
dern das Kredemnon unmittelbar 
über den Kopf zog. Hiernach ist 
anzunehmen, dafs entweder die 
hohe Haube bei den damaligen Jonierinnen nicht allgemein ge- 
bräuchlich war oder dafs die Kopftracht während des Zeitraumes, in 
dem die verschiedenen Teile des Epos entstanden, nicht immer die 
gleiche blieb. 


suatällimiinnm.ns = 


XV. Über das Verhältnis der homerischen Gewandung zur 
klassischen. 
Für die Tracht, welche in der griechischen Blütezeit aufkam 
und die wir die klassische zu nennen pflegen, ist es bezeichnend, dafs 
der Stoff die Formen des Körpers mit freiem Faltenwurfe begleitet 


müsse einfach jene Nachthaube bedeuten. Doch ist es ganz undenkbar, dafs ein 
allgemein gebräuchliches Gewandstück wie die Nachthaube durch einem so kom- 
plizierten Ausdruck bezeichnet worden sei. Vielmehr mufs unter den beiden 
Worten notwendig ein absonderlicher Gegenstand verstanden werden, etwa eine 
Vorrichtung, welche raffinierte Frauen vor dem Schlafengehen behufs der Kon- 
servierung sei es der Haare, sei es des Teeints oder zu ähnlichen Zwecken an- 
legten. 1) Seite 223, Anm. 1. 2) U. XIV 170—1886. 


XV. Uber das Verhältnis der homerischen Gewandung zur klassischen. >27 


und alle drei Schönheitsmomente, Proportion, Symmetrie und Rich- 
tung, gleichmäfsig zur Geltung bringt. Da dieses Prinzip in jeder 
Hinsicht zu der geistigen Richtung stimmt, welche seit den Perser- 
kriegen malsgebend zu werden anfing und dann baldigst das ganze 
griechische Leben durchdrang, so dürfen wir es von Haus aus als 
wahrscheinlich betrachten, dafs die klassische Tracht mit jener Be- 
wegung und aus ihr heraus entstand und sich demnach wesentlich 
von derjenigen des homerischen Zeitalters unterschied. Auch läfst 
sich dies bestimmt beweisen. 

Betrachten wir zunächst das Verhältnis, welches zwischen dem 
männlichen Chiton der beiden Epochen obwaltete, so ist vor allem 
die Thatsache zu berücksichtigen, dafs der homerische Chiton aus 
Leinwand,') der klassische aus Schafwolle bestand. Die wollenen 
Stoffe waren der mit der Blütezeit aufkommenden Richtung besonders 
günstig, da sie in höherem Grade als alle anderen ein reizvolles freies 
Faltenspiel ermöglichten. Doch läfst auch die Lemwand freie Falten 
zu, wiewohl sie an ihr nicht die Mannigfaltigkeit und Schönheit: er- 
reichen wie an den wollenen Stoffen. Wird die Frage gestellt, ob 
der linnene Chiton im homerischen Zeitalter nach einem solchen 
Prinzipe behandelt war, so mufs ich zunächst auf die im obigen?) 
begründete Vermutung zurückkommen, dafs der Gebrauch die Lein- 
wand in künstliche Falten zu legen bis in jene Epoche hinaufreicht. 
War der damalige Chiton künstlich gefältelt, dann versteht es sich, 
dafs er im schroffsten Gegensatze zu dem freien Stile der klassischen 
Gewandung stand. Sollte sich aber auch jene Vermutung als unhalt- 
bar erweisen, selbst dann sind wir genötigt einen wesentlichen Unter- 
schied anzunehmen. Das Faltenspiel des klassischen Chitons beruhte 
nicht zum geringsten Teile darauf, dafs der Stoff über oder unter 
dem Gürtel mehr oder minder emporgezogen zu werden pflegte. Der 
homerische Chiton entbehrte dieses Faltenspiels, da er im friedlichen 
Leben gewöhnlich gürtellos getragen wurde. Will man ihm daher 
keine konventionelle Anordnung zuerkennen, so bleibt nur die An- 
nahme, dafs er ein vollständig stilloses Kleid war, welches schlicht. 
und sackartig an dem Körper herabhing — ein Kleid, das auf einen 
Athener der perikleischen Epoche einen entschieden barbarıschen Kin- 
druck gemacht haben würde. 

Ein ähnlicher Unterschied tritt in der Manteltracht der beiden 
Epochen hervor. Wie im XII. Abschnitte?) gezeigt wurde, weisen 
die Angaben des Epos auf die sogenannte symmetrische Manteltracht 
hin, bei welcher die beiden oberen Zipfel des viereckigen Zeugstückes 


1) Oben Seite 172. 2) Seite 185—187. 3) Seite 187—188. 


15” 


2928 Die Tracht. 


in gleicher Länge über die Schultern nach vorwärts gezogen waren 
und die Hauptmasse des Stoffes über den Rücken herabhing. Während 
der klassischen Epoche hingegen legte der Grieche, wenn er sich im 
friedlichen Leben zum Ausgehen anschickte, den Mantel zunächst 
über die linke Schulter, zog ihn dann längs des Rückens über den 
rechten Arm hinüber oder unter dem Arme hinweg und warf ihn 
schliefslich über die linke Schulter oder den linken Arm.!) Es leuchtet 
ein, dafs die symmetrische Anordnung, zumal wenn der Mantel eine 
geringe Breite hatte, eine Brechung des Stoffes nur in ganz be- 
schränktem Mafse gestattete, wogegen die später übliche Weise des 
Umlegens einen ebenso individuellen wie reichen Faltenwurf ermög- 
lichte. Für die wunderbare künstlerische Wirkung, welche sich hier- 
mit erzielen liefs, sei im besonderen auf die im lateranischen Museum 
befindliche Statue des Sophokles verwiesen.”) Ja wir dürfen noch 
einen Schritt weiter gehen und behaupten, dafs die Griechen des 
homerischen Zeitalters beim Anlegen des Mantels durch scharfes 
Anziehen der über die Schultern reichenden Zipfel den Faltenwurf 
möglichst ausschlossen. Die archaischen Bildwerke lassen, wenn sie 
symmetrisch umgelegte und genestelte Mäntel wiedergeben, durch- 
weg auf ein derartiges Verfahren schliefsen. Aufserdem ist hierbei 
an die mit Kampfscenen geschmückte Diplax der Helena®) zu er- 
innern; denn man begreift, dafs eine solche Dekoration um so klarer 
zur Geltung kam, je straffer der Mantel den Rücken umspannte und 
je schlichter er weiter unten herabfiel. 

Was ferner die homerische Frauentracht betrifft, so hatte der 
Peplos oder Heanos allerdings die von alters her überlieferte Form 
bewahrt‘) und Studniezka°) behauptet mit Recht, dafs hinsichtlich 
der Form kein prinzipieller Gegensatz zwischen diesem Gewande und 
dem dorischen Chiton der klassischen Epoche vorhanden war. 
Nichtsdestoweniger aber ist auch hier ein bedeutsamer gradueller 
Unterschied in dem Faltenwurfe anzunehmen. Um sich hiervon zu 
überzeugen, braucht man nicht die archaischen Bildwerke heran- 
zuziehen, sondern sich nur deutliche Rechenschaft zu geben von den 
Wirkungen, welche die Weise, in der die Frau des homerischen 
Zeitalters ihr Gewand nestelte und gürtete, auf die Entwickelung des 
Stoffes ausüben mulste. Während der klassischen Epoche wurde der 
dorische Chiton auf beiden Schultern zusammengesteckt und fiel 
zwanglos über Brust und Rücken herab. Dagegen zog die homerische 


1) Becker, Charikles III? p. 171. 2) Benndorf und Schöne, die antiken 
sildwerke des lateranischen Museums ἢ. 237. 3) 11. III 125—128 (oben 
Seite 81, Anm. 1). 4) Oben Seite 200 ff. 5) Beiträge zur Geschichte der alt- 
griechischen Tracht p. 12, 114—117. 


rn 


XV. Uber das Verhältnis der homerischen Gewandung zur klassischen. 2929 


Griechin, wenn sie ihren Peplos festigte, die beiden oberen Ränder 
über die Schulter nach dem Busen herunter und vollzog die Neste- 
lung auf der Brust.') Bei dem Vorwärtsziehen wurde das den 
Rücken bedeckende Stück straff angezogen und hiermit an diesem 
Teile des Gewandes selbstverständlich ein freier Faltenwurf aus- 
geschlossen, während zugleich die in scharfer Spannung auf die 
Brust herabreichenden Gewandenden den plastischen Eindruck der 
Schultern und des Busens verkümmerten. Ferner begegnen wir während 
der klassischen Epoche keinem Zeugnisse, dals man einen besonderen 
Wert auf eine schlanke Taille gelegt habe. Vielmehr erscheint der 
Gürtel seit der Blütezeit auf allen Bildwerken locker umgelegt und 
gewährt somit den die Taille umgebenden Teilen des Gewandes den 
nötigen Spielraum sich frei zu entfalten. Hingegen beweist das im 
Epos den Frauen beigelegte Epitheton βαϑύξωνος.) dafs während 
des homerischen Zeitalters eine schlanke Taille für eine besondere 
Schönheit galt, was notwendiger Weise zur Folge hatte, dafs sich 
die Frauen damals eng gürteten, wie es auf den archaischen Bild- 
werken der Fall ist. Hierbei lag das Gewand knapp an Rücken und 
Taille an und gestattete eine beschränkte Faltenbildung höchstens 
in den unteren herabfallenden Teilen. Wenn endlich die ältere 
archaische Kunst in der Wiedergabe der Falten sehr sparsam ver- 
fuhr, so berechtigt dies zu dem Schlusse, dafs die Falten den da- 
maligen Künstlern als nebensächliche Motive erschienen. Diese 
Auffassung mufs natürlich in dem Charakter der Tracht, die sie 
darstellten, begründet gewesen sein. Wir dürfen demnach zum min- 
desten annehmen, dafs die Falte damals nicht die hervorragende 
Rolle spielte wie in der klassischen Gewandung. 

Ein weiterer Unterschied betrifft die Farbe der Gewänder. Wie 
im XIII. Abschnitte gezeigt wurde, erwähnt das Epos häufig bunte 
und über und über bunte (ποικίλος, παμποίκιλος) Peplen und hebt 
an dem Heanos der Hera hervor, dafs Athena denselben mit vielen 
Zierraten (δαίδαλα πολλά) geschmückt habe.”) Hiermit tritt der 
damalige Geschmack im entschiedenen Gegensatz zu demjenigen 
der klassischen Epoche. Die einfarbigen Stofle sind die allein 
würdige Bekleidung des Menschen; denn nur unter diesen kommen 
die Formen des Körpers zu klarer Geltung, während sie durch das 
Linienspiel gemusterter Zeuge gekreuzt und getrübt werden, Daher 
haben die Hellenen während der Blütezeit, als ihr Schönheitssinn 
die höchste Reife erreicht hatte, gemusterte Gewänder nur in be- 
schränktem Mafse und unter bestimmten Bedingungen zugelassen. 


1) Oben Seite 200 ff. 2) Oben Seite 210— 211. 3) Oben Seite 205. 


230 Die Tracht. 


Dagegen herrschte nicht nur während der homerischen, sondern über- 
haupt während der ganzen vorklassischen Epoche eine verschiedene 
Geschmacksrichtung. Bezeugen doch die bemalten Vasen von der 
besonders durch die Funde vom Dipylon bekannten -Gattung an bis 
zu den schwarzfigurigen Gefälsen strengen Stiles herab deutlich die 
Vorliebe für reich ornamentierte Leibröcke.') Einen besonders an- 
schaulichen Beleg hierfür bietet die Francoisvase, auf der nicht nur 
mit ornamentalen, sondern auch mit figürlichen Mustern verzierte 
(ewänder dieser Art dargestellt sind. Der Peplos einer der Moiren 
zeigt Streifen von geflügelten Kossen oder Greifen (oben Seite 201 
Fig. 54), derjenige einer Hore ähnliche Streifen und aulserdem eine 
Vogelfigur.”) Geflügelte Itosse, ebenfalls streifenartig angeordnet, 
schmücken den langen Chiton des den Chorreigen anführenden 
Theseus. ἢ 


1) Weibliche Chitone mit gewürfelten Mustern auf einer Dipylonvase: Mon. 
dell’ Inst. VIII T. 39, 2; mit gewürfelten und mit karrierten Mustern auf 
melischen Vasen: Conze, melische Thongefälse T. 3, 4; ein schuppenartiges Muster 
bei Conze ἃ. ἃ. Ο. T.4 und am Chiton einer Frau, die auf dem im Alpheios ge- 
fundenen Panzer dargestellt ist (oben Seite 175 Fig. 48). Ein weibliches, zu Tiryus 
sefundenes Thonidol mit karriertem Chiton: Schliemann, Tiryns T. XXV c. — 
Stephani C. r. 1878 et 79 p. 49—103 hat mit gewohnter Gelehrsamkeit eine 
Zusammenstellung antiker Kleidermuster gegeben, die jedoch an Übersichtlich- 
keit gewinnen würde, wären darin die verschiedenen Epochen und die verschie- 
denen Arten der Gewänder, Leibröcke und Umwürfe, schärfer auseinander ge- 
halten. 2) Mon. dell’ Inst. IV T. 54, 55, 56; Arch. Zeitung 1850 T. 23, 24; 
Overbeck, Gal. T. 9, 1. 3) Mon. dell’ Inst. IV T. 56; Arch. Zeitung 1850 T. 23, 
24. Der Chiton der Leto ist auf einer gewils sehr alten schwarzfigurigen Schale 
in der Mitte von einem mit Löwen und geflügelten Sphinxen verzierten Streifen 
durchschnitten: ’Epnueeis &ey. 1883 T. 3 p. 53—58. Eine archaische weibliche 
Statue, gefunden auf der athenischen Akropolis, zeigt parallel dem Halsstreifen 
die gemalte Darstellung eines Wagenrennens: Ἔφ. &ey. 1883 p. 44 n. 26. Der 
Peplos des Palladions ist auf einer rotfigurigen Schale mit den Figuren dreier 
Wettläufer und dreier Tänzer verziert: Ἔφ. ἀρχ. 1884 T. 5, 3 p. 123, 1886 
p. 131. Wenn freilich Herakleides von Sinope bei Athen. XII 512 c (Fragm. 
hist. gr. ed. Müller II p. 200) berichtet, die Marathonskämpfer hätten purpurne 
Himatien und bunte Chitone (ποικίλους χιτῶνας) getragen, so ist die auf die 
Chitone bezügliche Angabe sicher falsch, da wir wissen, dals gerade zur Zeit 
der Perserkriege der weilse linnene Chiton in Attika allgemein üblich war. Vgl. 
Studniczka, Beiträge p. 25 Anm. 75. Ob sich eine Stelle des Sophron (bei 
Athen. Il 48 c (Σώφρων δὲ στρουϑωτὰ ἑλίγματά φησιν ἐντετμημένα. Vgl. Ahrens, 
de dial. dorica p. 472, 68) auf Leibröcke oder Umwürfe bezieht, ist ungewils. 
Bei dem Adjektiv στρουϑωτός „mit Vögeln verziert“ denkt man unwillkürlich 
an die Wasservögel, welche zu den beliebtesten Motiven der geometrischen 
Dekoration gehören, an die Schwäne und Gänse, welche auf den Tierstreifen 
melischer, korinthischer und attischer Vasen vorkommen, und an die Schwäne, 
die der asiatisierende Stil der hellenistischen Epoche bisweilen zur Verzierung 
von Kleiderborten verwendet. Vgl. Stephani C. r. 1878 et 79 p. 108 Anm. 2, 


XV. Über das Verhältnis der homerischen (Gewandung zur klassischen. 931 


Da die Vorliebe für bunte Gewänder auch bei anderen indo- 
europäischen Völkern und im besonderen bei den Kelten!) nach- 
weisbar ist, so könnte man geneigt sein in dieser das vorklassische 
Griechentum beherrschenden Geschmacksrichtung einen Ausläufer indo- 
europäischer Barbarei zu erkennen. Doch spricht alle Wahrschein- 
lichkeit dafür, dafs auch hierbei vorwiegend orientalische Einflüsse 
malsgebend waren. 

Die Griechen waren während der ältesten Stadien ihrer Kultur- 
entwickelung wie auf anderen Gebieten, so auch hinsichtlich der 
Färbung der Gewandstoffe in der vielseitigsten Weise vom Morgen- 
lande abhängig. Man erinnere sich, dals sie den schon im home- 
rischen Zeitalter allgemein beliebten Purpur?) und, wie es scheint, 
auch die Safranfarbe’) durch phönikische Vermittelung kennen 
lernten. Wenn ferner das Epos?) berichtet, die schönsten Peploi, die 
sich im Schatze des Priamos befanden, seien von sidonischen Skla- 
vinnen gearbeitet, die Paris, als er aus Griechenland zurückkehrte, 
nach Troia gebracht hatte, so wird hierdurch die phönikische Kunst- 
weberei ausdrücklich als der einheimischen überlegen anerkannt. 
Hiernach dürfen wir es von Haus aus als wahrscheinlich betrachten, 
dafs auch die reich gemusterten Gewänder und Teppiche, welche von 
alters her zu den berühmtesten Artikeln der orientalischen Industrie 
gehörten?) und in dem phönikischen Handel eine hervorragende Rolle 
spielten,°) auf die altgriechische Weberei einwirkten. 

Diese Annahme findet in mancherlei Thatsachen Bestätigung. Die 
ältesten Buntweber, welche die hellenische Überlieferung namhaft macht, 
sind Akesas und Helikon.”) Wenn sie in der Regel als Kyprier bezeichnet 
werden,°®) so weist dies auf ein Kulturgebiet hin, welches besonders 


1) Die Hauptstellen: Strabo IV 4 e. 197; Diodor. V 30; Cassius Dio LXX 2; 
Vergil. Aen. VII 659, 660. Vgl. Böttiger, kleine Schriften ΠῚ p. 39 ff. Die 
Sprachvergleicher stellen ποικ-ίλος zu skr. pec-as Gebilde, pegala-s künstlich 
gebildet, bunt. Curtius, Grundzüge 4. Ausg. p. 164; G. Meyer, griech. Gramm. 
8 184, p. 170. 2) Oben Seite 191, Anm. 12. 3) Oben Seite 205, Anm. 4. 
4) Il. VI 289—292. 5) Über die babylonischen Fabrikate dieser Art: Movers, 
die Phönizier ΠῚ 1 p. 260—263; Büchsenschütz, die Hauptstätten des Gewerb- 
fleifses im Alterthum p. 60—61. Über die assyrischen: Perrot et Chipiez, 
histoire de l’art II p. 769—776. Über die phönikischen: Movers in der Ency- 
klopädie von Ersch und Gruber 3. Sektion, 24. Theil u. d. W. Phönizien p. 375— 
376; Büchsenschütz a. a. Ὁ. p. 61—62. 6) Movers, die Phönizier III 1 
p. 258—263. 7) Overbeck, Schriftquellen ἢ. 385—387. Vgl. Völkel, archäol. 
Nachlafs p. 118 ff.; Julius, über die Agonaltempel p. 17 ff. 8) Abweichend 
von der gewöhnlichen Überlieferung wird bei Zenob. proverb. 156 (p. 22 Leutsch) 
als Vaterstadt des Akesas Patara in Lykien, als die des Helikon Karystos auf 
Euböa angegeben — auch dies Städte, die innerhalb der Bahnen lagen, auf 
denen sich der asiatische Einflufs nach dem Westen verbreitete. 


232 Die Tracht. 


dazu beigetragen hat orientalische Elemente nach dem Westen zu 
verbreiten. In dem Ägyptier Pathymias, der mit ihnen zusammen 
genannt wird,!) haben wir vermutlich den Vertreter einer in ägypti- 
sierendem Stile thätigen phönikischen Industrie zu erkennen. Auch 
in der späteren hellenischen Kunstweberei ist der orientalische Ein- 
flufs noch deutlich erkennbar. Auf dem berühmten Teppich, welchen 
der Sybarite Alkimenes oder Alkisthenes anfertigte oder anfertigen 
liefs, war die Hauptdarstellung, die, wie es scheint, auf die Eingangs- 
scene der Kyprien zu deuten ist, oben durch einen Streifen von 
Fabeltieren, der den Typus von Susa nachahmte, unten durch einen 
Tierstreifen persischen Stiles abgeschlossen.?) Selbst während der 


1) Athen II 48b. 2) Aristot. de mirabil. auscult. 96 (II p. 838 ed. 
Bekker): Alnıneveı τῷ Συβαρίτῃ φασὶ κατασκευασϑῆναιν ἱμάτιον τοιοῦτον τῇ 
πολυτελείᾳ, ὥστε προτίϑεσϑαι αὐτὸ ἐπὶ Μακινίῳ τῇ πανηγύρει τῆς Ἥρας, εἰς ἣν 
συμπορεύονται πάντες ᾿Ιταλιῶται, τῶν TE δειχνυμένων μάλιστα πάντων ἐκεῖνο 
ϑαυμάξεσϑαι" οὗ φασι κυριεύσαντα “Π΄ονύσιον τὸν πρεσβύτερον ἀποδόσϑαι Καρχη- 
δονίοις ἑἕχατὸν καὶ εἴκοσι ταλάντων. ἦν δ᾽ αὐτὸ μὲν ἁλουργές, τῷ δὲ μεγέϑει 
πεντεκαιδεχάπηχυ. ἑἕἑκατέρωϑεν δὲ διείληπτο ξῳδίοις ἐνυφασμένοις, ἄνωϑεν μὲν 
Σούσοις, κάτωϑεν δὲ Πέρσαις" ἀνὰ μέσον δὲ ἦν Ζεὺς, Ἥρα, Θέμις, ᾿4ϑηνᾶ, ᾿4πόλ- 
λων, ᾿ἀφροδίτη. παρὰ δὲ ἕκάτερον πέρας ᾿Δλκιμένης ἦν, ἕκατέρωϑεν δὲ Σύβαρις. 
Athen. XII 541a. Vgl. Stephani C. r. 1865 p. 53, 1878 et 79 p. 104. Da die 
Gröfse auf 15 Ellen d. 1. ungefähr 6,93 Meter angegeben wird, so kann dieses 
Himation kein Mantel, sondern nur ein Teppich gewesen sein, in welcher Be- 
deutung ἱμάτιον auch bei Diodor. XIV 109, Aelian. var. hist. VIH 7, Jamblich. vita 
pythag. 21 p. 216 Kiessling vorkommt. Vgl. Herodot. IV 23. Aus einer brieflichen 
Mitteilung Benndorfs entnehme ich Folgendes: „Die Darstellung erklärt sich aus 
der Expositionsscene der Kyprien (Epicor. graec. fragm. ed. Kinkel I p. 17, 
p. 20—21): Rath des Zeus und der Themis über den trojanischen Krieg, im 
Beisein von Hera, Athena und Aphrodite, die zum Parisurtheil aufbrechen. 
Apoll ist anwesend als Orakelgott und Nachfolger der Themis im Besitze des 
delphischen Orakels, wie auf einem oft besprochenen unteritalischen Vasenbilde 
(Benndorf, griechische und sicilische Vasenbilder p. 78). Die Figuren des 
Donators oder des Verfertigers und der Lokalgottheit erklären sich von selbst.“ 
Wenn diese anspreıhende Erklärung richtig ist, fällt es allerdings schwer an 
der bisher geläufigen Annahme festzuhalten, dafs jener Teppich vor 510 v. Chr., 
dem Jahre, in dem Sybaris zerstört wurde, gearbeitet sei. Vielmehr scheint der 
Inhalt der Darstellung auf eine nach der Malerei des Polygnot fallende Ent- 
wickelung hinzuweisen. Ebenso palst der persische Tierstreifen besser auf das 
5. als auf das 6. Jahrhundert, wiewohl hierbei die Möglichkeit zu berücksich- 
tigen ist, dafs sich der Schriftsteller in der Bezeichnung des Stiles ungenau 
ausgedrückt hat. Allerdings werden auch nach der Zerstörung der Stadt 
Sybariten als in ihrer alten Heimat und im Gebiete von Metapont ansässig 
erwähnt (Strabo VI p. 263, p. 264; Livius XXVI 39). Doch müssen diese 
späteren Sybariten, da die Überlieferung von ihnen nicht mehr als den Namen 
berichtet, eine sehr untergeordnete Bedeutung gehabt haben und es scheint 
demnach wenig glaublich, dafs in ihrer Mitte ein so hervorragendes Kunstwerk, 
wie jener Prachtteppich, entstanden sei. 


΄ 


ΠΟ ΡΞΒΩ 


XV. Über das Verhältnis der homerischen Gewandung zur klassischen. 233 


klassischen Epoche galten in Griechenland orientalische Teppiche 
und Gewänder als kostbare Luxusartikel.) Euripides beschreibt aus- 
führlich das Zelt, welches Ion aufschlug, damit es den von Xuthos 
eingeladenen Delphiern als Speisesaal diene, und bezeichnet die Tep- 
piche, die hierbei zur Verwendung kamen, als Wunderwerke.”) Es 
gehören dazu auch asiatische Teppiche, auf denen Seeschlachten, aus 
menschlichen und tierischen Elementen zusammengesetzte Misch- 
gestalten und Jagdscenen dargestellt waren.?) Wenn die Erzeugnisse 
der orientalischen Buntweberei von den Athenern noch zu einer Zeit, 
in der ihre Kunst das Höchste geleistet hatte, geschätzt wurden, so 
kann man es sich leicht vorstellen, in wie hohem Grade sie während 
des homerischen Zeitalters das Entzücken der Griechen erregen und 
was für einen nachhaltigen Einflufs sie auf die damalige ionische 
Weberei ausüben mufsten. Endlich hat man noch zu bedenken, dafs 
der homerische Peplos oder Heanos ein viereckiges Zeugstück war‘) 
und sich das Muster eines orientalischen Teppichs ohne Schwierig- 
keit auf ein solches übertragen liefs. 

Die eingehendere Darlegung der erheblichen Beschränkungen, 
welche der Gebrauch gemusterter Leibröcke seit dem 5. Jahrhun- 
derte erfuhr, würde von dem bestimmten Gegenstande unserer Unter- 
suchung zu weit abführen. Ich begnüge mich daher, hierüber nur 
wenige Andeutungen zu geben. Aus nahe liegenden Gründen hielt 
man die von alters her überlieferte Dekorationsweise bei den für 
den Kultus bestimmten Gewändern fest. Dagegen wurde in der 
Tracht des Alltagslebens ein anderes Prinzip malsgebend. Zunächst 
verlautet nichts darüber, dafs während der klassischen Epoche figür- 
lich verzierte Leibröcke getragen wurden. Man erkannte richtig, 
dafs figürliche Darstellungen bei dem damals üblichen freien Falten- 
wurfe nicht zu klarer Entwiekelung kommen konnten, dals sie selbst 
bei strengster Stilisierung das Auge zu sehr auf sich gezogen und 
den Gesamteindruck der Gestalt abgeschwächt haben würden. Was 
ferner die ornamentalen Muster betrifft, so bringen die Vasenmaler 
der klassischen Zeit, wenn sie den damals gewöhnlichen, in freien 
Falten brechenden Chiton darstellen, solche Muster verhältnismäfsig 
selten an und diese sind dann mit solcher Zartheit behandelt, dafs 
sie die Wirkung der Gestalt keineswegs beeinträchtigen. Indefs 
kommt auf einzelnen Vasenbildern, die der zweiten Hälfte des ὃ. und 

1) Vgl. Stephani €. r. 1866 p. 145—146; 1878 et 79 p. 105. 2) Ion 1142: 
ϑαύματ᾽ ἀνθρώποις ὁρᾶν. Vgl. Ronchaud, la tapisserie dans lantiquite p. 127 ff. 
3) Ion 1158: τοίχοισιν δ᾽ ἔπι} ἤμπεσχεν ἄλλα βαρβάρων ὑφάσματα, | εὐηρέτμους 
ναῦς ἀντίας Ελληνίσιν, | καὶ μιξόϑηρας φῶτας ἱππείας τ᾽ ἄγρας | ἐλάφων λεόντων 
τ᾽ ἀγρίων ϑηράματα. 4) Oben Seite 200 ff. 


234 Die Tracht. 


dem Anfange des 4. Jahrhunderts angehören, neben dem in freien Falten 
brechenden Chiton eme Gattung vor, bei der die Schwere und Steif- 
heit des Stoffes jeglichen Faltenwurf ausschliefst.) Die Thatsache, 
dafs derartige Chitone bisweilen mit einem nachdrücklich wirkenden 
ornamentalen Muster verziert sind, scheint ganz geeignet die für den 
damaligen Geschmack aufgestellte Regel zu bestätigen. Hatte man 
nämlich einmal aus praktischen Rücksichten, die sich unserer näheren 
Beurteilung entziehen, Leibröcke aus einem Stoffe hergestellt, der 
die Körperformen nicht zur Geltung kommen liefs, so lag es nahe 
das Auge für den unorganischen Charakter des Gewandes durch ein 
reiches und farbenprächtiges Muster zu entschädigen. 


Absichtlich habe ich diese Betrachtung auf die Leibröcke be- 
schränkt, da die mantelartigen Gewänder besonderen Gesichtspunkten 
unterliegen. Dafs auch die Mäntel während des homerischen Zeit- 
alters mit Mustern versehen wurden, ergiebt sich aus der Diplax, 
welche Andromache mit Örmamenten,”) und aus derjenigen, die 
Helena mit Darstellungen von Kämpfen zwischen Troern und Achäern 
verzierte.”) Bei dem letzteren Gewande denkt man unwillkürlich an 
die im obigen‘) erwähnten asiatischen Gewänder und Teppiche, die 
mit figürlichen Mustern, Fabeltieren, Jagd- oder Kampfscenen reich 
verziert waren. Allerdings beweist der auf der Diplax der Helena 
angebrachte Bilderschmuck, dafs die damalige ionische Kunstweberei 
die freraden Vorbilder nicht mehr schlechthin kopierte, sondern in 
der Wahl der fisürlichen Darstellungen bereits selbständig verfuhr. 
Immerhin aber verrät eine derartige Verzierung einen orientalisieren- 
den Geschmack, von dem sich die Hellenen, wo es sich um die Her- 
stellung prachtreicher Mäntel handelte, niemals vollständig eman- 
zipiert haben. 


Durchmustern wir die Überlieferung, welche über die Weise 
vorliegt, in der die Griechen während der klassischen Epoche die 
als Kleidungsstücke gebrauchten Mäntel verzierten, so fehlt es aller- 
dings an jeglicher Angabe, dafs hierbei figürliche Darstellungen 

1) Mit einem derartigen Chiton sind z. B. bekleidet: Apoll Mon. dell’ Inst. 
IX T. 28; zwei Krieger, ein bejahrter Mann und ein Herold Millingen, anc. uned. 
mon. T. 21, 22; Hephaistos Elite ceramogr. I pl. 43, 46, 46 A, 47. Wir dürfen 
annehmen, dals auch die häufig in den Tempelinventaren erwähnten χιτῶνες 
orözzıvor (C. IL A. I 2 n. 571 Col. IB fr. a 8, 10; n. 758 Col. II 9, 10, 15, 
27, 47; n. 759 Col. I 5, 6, 10, 20; n. 760 B 19; n. 762 Col. I 2,5; n. 763 
Col. 1 15—17, 20. G. Curtius, Inschriften und Studien zur Geschichte von Samos 
p. 10 n. 20) und die aus Haaren gefilzten Kleider (τρέχαπτον Curtius a. a. O. 
p. 10 n. 37; Meineke, fragm. com. graec. II 1 p. 503) des freien Faltenwurfes 
entbehrten. 2) Il. XXII 440—441 (oben Seite 192, Anm. 1). 3), Do 
125—128 (oben Seite 81, Anm. 1). 4) Seite 231, Anm. 5. 


XV. Uber das Verhältnis der homerischen Gewandung zur klassischen. 235 


Verwendung gefunden hätten.') Aber Aristophanes?) und Plato°) 
bezeugen ausdrücklich, dafs bunt gemusterte Himatien zu ihrer Zeit 
ein beliebter Gegenstand des Toilettenluxus waren. Hinsichtlich der 
Verzierung der mantelartigen Gewänder tritt also die klassische 
Epoche zu der vorhergehenden nicht in denselben schroffen Gegen- 
satz wie hinsichtlich der Verzierung der Leibröcke. Der Grund dieser 
Erscheinung scheint hinlänglich klar. Der klassische Geschmack ver- 
langte, ‘dafs das Gewand in organischer Weise die Körperformen be- 
gleite und Alles, was den Eindruck der letzteren beeinträchtigte, 
möglichst vermieden werde. Es leuchtet ein, dafs diese Anforderung 
bei dem Chiton, der unmittelbar auf dem Leibe getragen wurde, in 
konsequenterer Weise zur Geltung kommen mulste, als bei einem 
mantelartigen Kleidungsstücke, welches in loserer Beziehung zum 
Körper stand und auf dem infolge dessen ein den Eindruck der 
Formen abschwächendes Muster weniger störend wirkte als auf dem 
Chiton. Immerhin beweist. die schriftliche wie die bildliche Über- 
lieferung, dals jene bunt gemusterten Himatien während der klassischen 
Zeit aulsergewöhnliche Luxuskleider waren und dafs auch bei den 
Mänteln einfarbige Stoffe vorherrschten, die höchstens durch ver- 
schieden abgetönte Kanten ihren Abschluls erhielten. Erst um die 
Zeit Alexanders des Grolsen, als die Hellenen aufs neue zu asiati- 
sieren anfingen, fanden reich gemusterte Gewänder wiederum eine 
weitere Verbreitung. Bezeichnend ist es, dafs der grolse König 
selbst mit einem farbenreichen Überwurfe prunkte, der als ein Werk 
des alten Kunstwebers Helikon galt.) Von den bunten Pracht- 
kleidern, welche während der hellenistischen Periode im Bazare von 
Ephesos käuflich waren, giebt der Bericht eines Zeitgenossen, des 
Ephesiers Demokritos, einen anschaulichen Begriff.°) Seit der 


1) Mantelartige Gewänder, die zum Kultus in Beziehung standen, unter- 
lagen begreiflicher Weise einem anderen Prinzipe. Wenn z. B. auf einem Becher 
des Hieron die bei der Abfahrt des Triptolemos gegenwärtige Demeter einen 
Mantel trägt, der mit allerlei Ornamenten und aufserdem mit Figuren von 
Wagenlenkern, geflügelten Rossen, Vögeln und Delphinen reich verziert ist (Mon. 
dell’ Inst. IX T. 43), so vermutet Kekul& (Ann. 1872 p. 227) mit Recht, dals 
der Maler durch die Erinnerung an ein im eleusinischen Kultus gebräuchliches 
Gewand bestimmt wurde. Ebenso gehört in den Kreis der sakralen Garderobe ein 
mit Pferden und Delphinen geschmückter Mantel, der auf einer Schale desselben 
Vasenmalers einem hermenartigen Idol des Dionysos umgehangen ist (Gerhard, 
Trinkschalen und Gefälse I T. 4, 5. Vgl. Mus. Borb. XII T. 22). 2) Plut. 530: 
οὔτ᾽ ἱματίων βαπτῶν δαπάναις κοσμῆσαι ποικιλομορφῶν. 8) De republ. VII 
p. 557 C. 4) Plutarch, Alex. magn. 32. 5) Bei Athen. XII 525 CD. Die Zeit 
dieses Demokritos und der Charakter seiner Schriftstellerei sind von Studniczka, 
Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 22 Anm. 64 richtig be- 


236 | Die Tracht. 


Alexanderepoche zeigen die Vasenbilder eine Fülle von reich ge- 
musterten Gewändern und zwar nicht nur von Mänteln, sondern auch 
von Chitonen. 

Der Gürtel der Hera und die Kopftracht der Andromache be- 
dürfen keiner weiteren Erörterung. Wie im obigen!) gezeigt wurde, 
handelt es sich hier wie dort um ein barockes orientalisches Motiv, 
das im schrofisten Gegensatze zu der klassischen Richtung stand. 

Also hat es sich herausgestellt, dafs die homerische Tracht auf 
das vielseitigste durch orientalische Binflüsse bedingt und ihr Stil, 
wo sich derselbe bestimmen läfst, ein gebundener war. Die letztere 
Thatsache veranlalst mich noch einmal auf den linnenen Chiton der 
Männer zurückzukommen. Wollen wir nicht annehmen, dafs dieses 
Kleid aus der sonst in der Tracht herrschenden Richtung vollständig 
heraustrat, so haben wir auch ihm einen konventionellen Stil. zuzu- 
erkennen. Die im XII. Abschnitte begründete Vermutung, dafs der 
damalige Chiton künstlich gefältelt war, würde demnach mit dem 
Prinzipe, welches sich für die übrigen Kleider ergeben hat, aufs 
beste übereinstimmen. Soll der Chiton mit jenem Prinzipe in Ein- 
klang gebracht werden, so ist aulser der künstlichen Fältelung nur 
noch eine Anordnung denkbar. Man könnte nämlich annehmen, 
dafs er mit seinem oberen Teile knapp an dem Körper anlag und 
somit eine ähnliche stilistische Erscheinung darbot wie das eng ge- 
gürtete Hauptgewand der Frauen.’) Jedenfalls findet die Auffassung, 
welche ich hinsichtlich der homerischen Gewandung begründet, eine 
schlagende Bestätigung in der damals üblichen Haar- und Barttracht. 
Auch in dieser herrschte, wie wir ım folgenden Abschnitte sehen 
werden, ein streng gebundener, durch asiatische Einflüsse be- 
dinster Stil. 


XVI. Die Kosmetik. 


Mancherlei Angaben des Epos lassen darauf schlielsen, dafs die 
Ionier des homerischen Zeitalters lange Haare trugen. Sehr häufig 
wird den Achäern das Epitheton κάρη xoudwvreg”’) beigelegt. Von 


stimmt worden. Demokritos erwähnt auch Gewänder, die mit aufgenähten 
OÖrnamenten aus Goldblech verziert waren: (eine ἀκταία) καταπέπασται δὲ γρυ- 
σοῖς κέγχροις᾽" οἵ δὲ κέγχροι νήματι πορφυρῷ πάντες εἰς τὴν εἴσω μοῖραν ἅμματ᾽ 
ἔχουσιν ἀνὰ μέσον. Die gewöhnliche attische Bezeichnung für solche hier κέγχροι 
genannte goldene Aufsatzstücke ist πασμάτια: C. 1. A. I 2 n. 758 Col. II 6, 
n. 759 Col. I 2. Vgl. Böckh, Stassshaushalt II? p. 254. Ihr Gebrauch in der 
Alexander- und der hellenistischen Epoche ist im besonderen durch südrussische 
Funde bezeugt: Stephani C. r. 1865 p. 9—10. 1) Seite 207— 210, Seite 219 ff. 
2) Oben Seite 210—211. 3) 1.1111, 28, 51, 65, 323, 443, 472, ΠΙ 43, 79, IV 261, 268, 


XVI. Die Kosmetik. 333 


den Helden, welche bei den Leichenspielen des Patroklos um die 
Wette fahren, heilst es, dafs ihre Haare im Winde flattern.') Mehr- 
fach ist die Sitte bezeugt, das abgeschnittene Haar Göttern?) oder 
geliebten Toten?) zu weihen. Das Haar, welches sich Achill am 
Scheiterhaufen des Patroklos abschneidet, heifst „blühend“ (τηλε- 
ϑόωσα). ἡ Wenn die Dichtung angiebt,?) dafs Paris auf sein Haar 
stolz war, so haben wir uns dasselbe selbstverständlich lang zu denken. 
Das Gleiche ergiebt sich für Zeus aus den berühmten Versen:®) 


ἀμβρόσιαι δ᾽ ἄρα χαῖται ἐπερρώσαντο ἄνακτος 

κρατὸς ἀπ᾽ ἀϑανάτοιο" μέγαν δ᾽ ἐλέλιξεν Ὄλυμπον. 
Ebenso wird Apoll im Epos als ἀχερσεχόμης ἃ. 1. „mit unbeschnit- 
tenem Haar“ und in einem homerischen Hymnos®) als „die breiten 
Schultern von Locken umhüllt“ (χαίτῃς εἰλυμένος εὐρέας ὥμους) 
bezeichnet. Die Thatsache, dafs die Männer”) auf den archaischen 
Bildwerken stets mit langen und zwar in der Regel bis zur Mitte 
der Schulterblätter!®) herabreichenden Haaren dargestellt sind, be- 
weist, dafs sich diese Sitte auch nach dem homerischen Zeitalter 
durch mehrere Jahrhunderte erhalten hat. Und zwar wurde dieses 


VII 85, 328, 442, 448, 459, 472, 476, VIII 53, 341, 510, IX 45, XIII 310, XVII 
6, 359, XIX 69; Od. I 90, I 7, XX 277.‘ Einmal, Od. II 408, wird dieses 


Epitheton den ἑταῖρον des Odysseus beigelegt. 1) ID. XXIII 367: χαῖται δ᾽ 
ἐρρώοντο μετὰ πνοιῇς ἀνέμοιο. 2) ΤΣ XXI 146. 3) Il. XXIII 46, 135, 141, 
152; Od. IV 198, XXIV 46. 4) 1. XXIII 142. 5) Il. II 54: οὐκ ἄν τοι 


χραίσμῃ κίϑαρις τά τε δῶρ᾽ ᾿ἀφροδίτης,] 7 TE κόμη τό τὲ εἶδος, ὅτ᾽ ἐν κονίῃσι 
μιγείης. Ebenso muls der Ziegenhirt Melanthios mit langem Haare gedacht 
werden; da ihn Eumaios und Philoitios an den Haaren in den Thalamos zurück- 
schleifen. Od. XXII 187: ἔρυσάν τέ uw εἴσω | κουρίξ. 6) 1.1529. 7) Π. ΧΧ 39; 
hymn. I (in Apoll. Del.) 134. Vgl. Hesiod. fragm. COXXV Göttling, 148 Rzach. 8) II 
(in Apoll. Pyth.) 272. Vgl. die Schilderung des lason bei Pindar, Pyth. IV 82. 
9) Jünglingsgestalten zeigen auf korinthischen Gefälsen bisweilen ein etwas 
kürzeres Haar, so der jüngere Aias Ann. dell’ Inst. 1862 Tav. d’agg. B. 10) Die 
seltenen Ausnahmen von dieser Regel erklären sich entweder durch die Nach- 
lässigkeit des Vasenmalers oder durch technische Schwierigkeiten. Wenn auf 
einem bekannten Teller von Kameiros (Verhandl. der 23. Vers. deutscher Phi- 
lologen, Hannover 1865, T. 1 p. 37 ff.; Salzmann, necropole de Camiros pl. 53) 
an den Figuren des Menelaos, Hektor und Euphorbos der Ausdruck des langen 
Haares, welches unter den hinteren Helmrändern herabfallen mülste, vermilst 
wird, so ist dies bei der primitiven Roheit der Ausführung nicht zu verwundern. 
Hat sich doch der Maler nicht einmal bemülsigt gefühlt, die Finger und Zehen 
der drei Gestalten anzudeuten. Ebenso fehlt die Andeutung des langen Haares 
an der Figur des behelmten Achill auf einer korinthischen Vase (Ann. dell’ Inst. 
1862 Tav. d’agg. B). Offenbar fiel es dem Maler schwer bei einer Figur von 
kleinen Dimensionen die braunen Haarmassen von dem braunen Halse zu schei- 
den. Indes hat derselbe Maler bei dem gegen Achill kämpfenden Hektor die langen 
Haare durch eine in den Hals eingeritzte Linie angedeutet. 


238 Die Tracht. 


lange Haar, soweit die Denkmäler ein Urteil verstatten, stets in 
künstlicher Weise angeordnet. | 


Fig. 70. 


An den Ephebenstatuen von Orchomenos (Fig. 70),') Thera?) 
und Tenea (Fig. 71)’?) wie in der Regel an den von der älteren 


1) Ann. dell’ Inst. 1861 Tav. d’agg. E 1; Overbeck, Gesch. d. gr. Plastik 
1? p. 88 Fig. 8; unsere Fig. 70. 2) Schöll, archäol. Mittheilungen T. IV 6; 
Overbeck a. a. Ὁ p. 89 Fig. 9. 3) Mon, dell’ Inst. IV T. 44; Overbeck 
a. a. Ὁ. p. 91 Fig. 10; unsere Fig. 71. Studniczka, Beiträge zur altgriechischen 
Tracht p. 60, Anm. 13 verwirft die Schlüsse, die ich aus diesen Statuen ge- 
zogen, indem er behauptet, dafs an der Weise, in der die Bildhauer das Haar 
charakterisiert, die primitive Stilisierung einen grofsen Anteil gehabt habe. 
Eine erschöpfende Behandlung dieser Frage würde die Grenzen meines Buches 
überschreiten und scheint überflüssig, da Studniczka selbst anerkennt, dafs jene 
Charakteristik zum Teil auf der Wirklichkeit fulst. Ich begnüge mich daher 
nur einen Gesichtspunkt hervorzuheben, den Studniezka aulser Acht gelassen 
hat und welcher den Gebrauch, den ich von jenen Statuen gemacht, hinlänglich 
rechtfertigt. Nehmen wir an, dafs die Bildhauer jener Statuen eine natürliche 
Lockenfülle in stilisierter Weise wiedergegeben hätten, so ergiebt sich für ihre 
Zeit eine Haartracht, die sich zu derjenigen der weiteren Entwickelung in keine 
organische Beziehung setzen läfst. Um nicht zu weit von dem bestimmten 
Zwecke meiner Untersuchung abzuschweifen, beschränke ich die Betrachtung 
auf Attika. Die attischen Denkmäler, welche in das 6. Jahrhundert v. Chr. 
hinaufreichen, wie die Francoisvase und die Gefälse des Exekias, zeigen am 
Hinterkopfe der Männer einen zierlichen Haarschopf, der oben wie es scheint 
durch eine metallene Spirale, unten in der Regel durch ein Band zusammen- 
gehalten ist. In der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts trat an die Stelle des 
Schopfes ein geflochtener Zopf, der in verschiedener Weise um das Haupt 
herumgelest wurde (Mittheilungen des arch. Inst. in Athen VIII, 1883, T. XI, 
XII). Studniczka wird sich wohl nicht zu der Behauptung versteigen, dals an 
jenen Schöpfen und Flechten die Stilisierung „einen grofsen Anteil“ gehabt 
habe, sondern zugestehen, dafs die Künstler die zu ihrer Zeit herrschende Mode 
wiedergegeben haben. Steht dies fest, dann muls in dem Stadium, welches 
der Schopftracht vorherging, notwendig ebenfalls eine konventionelle Anordnung 
des Haares vorausgesetzt werden; denn es ist undenkbar, dals die Sitte von 


XVI. Die Kosmetik. 239 


Vasenmalerei dargestellten Männer- und Jünglingsfiguren (Fig. 72)") 
erscheint es auf der Vorderseite des Kopfes bis zur Mitte der Stirn 
herabgekämmt, wogegen die den Scheitel und den Hinterkopf be- 
deckenden Massen, um 
das Ohr herumgelest, 
die Richtung nach 
dem Nacken verfolgen. 
Diese Massen sind an 
den Statuen von Or- 
chomenos und Thera 
in steife vertikal her- 
abfallende Locken zer- 
lest, an der von Tenea 
in horizontaler Richtung gewellt. Die ersteren beiden Statuen zeigen 
längs der Stirne eine Reihe spiralartiger Löckchen, die von Tenea an 
derselben Stelle ein vertikal gekräuseltes Toupet. Aus begreiflichen 
Gründen haben die älteren Vasenmaler in 
der Regel auf den Ausdruck solcher De- 
tails verzichtet. Nichtsdestoweniger aber be- 
merkt man auf einzelnen Gefälsen, auf denen 
Figuren von gröfseren Dimensionen ‘und in 
sorgfältigerer Ausführung dargestellt sind, 
Versuche, die künstliche Frisur wenigstens 
anzudeuten. Wenn z. B. ein korinthischer 
Vasenmaler?) den Umrifs der über den Nacken 
herabfallenden Haarmassen durch eine ge- 
wellte Linie ausdrückte (Fig. 73), so beab- Fig. 72. 
sichtigte er hierdurch offenbar eine ähn- 

liche Anordnung wiederzugeben wie der Bildhauer der Statue von 
Tenea. Doch liegt es mir fern die verschiedenen Haartrachten der 
archaischen Epoche im einzelnen zu erörtern.”) Jedenfalls ergiebt 


Tre 


Fig. 71. 


dem natürlich fallenden Haare sofort zu dem komplizierten Schopfe übersprang. 
Jene konventionelle Anordnung aber kann, soweit unsere Monumentalkenntnis 
reicht, keine andere gewesen sein als das verschiedenartig disponierte Locken- 
system, welches wir an den Ephebenstatuen von Orchomenos, Thera und Tenea 
wahrnehmen. Die von mir angenommene Entwickelung findet eine schlagende 
Analogie in der modernen Zeit. Während der Periode Ludwigs XIV wurde das 
natürliche Haar künstlich gelockt oder eine gelockte Perrücke getragen; dann 
folgte die Mode die Haare am Hinterkopf in einen Schopf zusammenzufassen 
und in einem Beutel zu bergen; in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts 
trat an die Stelle des Schopfes der geflochtene Zopf. 1) So bei Apoll auf 
einer alten auf Melos gefundenen Vase: Conze, melische Thongefülse T. 4; hier- 
aus Fig. 72. 2) Mon. dell’ Inst. X T. 4, 5; hieraus Fig. 73. 3) Vgl. Mit 


240 Die Tracht. 


sich aus Angaben des Thukydides!) und Herakleides von Sinope?) 
wie aus der Betrachtung der Bildwerke, dafs eine künstliche An- 
ordnung des Haares in Athen bis kurz vor der perikleischen Epoche 
üblich war. Die freie Haartracht, die für die klas- 
sische Epoche bezeichnend ist, erscheint erst an 
Skulpturen, die zu Myron und Pheidias in Be- 
zıehung stehen, und auf rotfigurigen Vasen freien 
Stiles. 

Fragen wir nunmehr, ob jenes konventionelle 
Prinzip bis in die homerische Epoche hinauf- 
reichte, so hat diese Annahme schon a priori 
alle Wahrschemlichkeit für sich. Es wurde bewiesen, dafs in der 
damaligen Tracht ein gebundener Stil herrschte.) Nun stelle man 
sich einen Achäer vor, bekleidet mit dem linnenen Chiton, der. ent- 
weder künstlich gefältelt ist oder eng an dem Oberkörper anliegt, 
und mit. dem symmetrisch angeordneten, scharf über den Rücken 
gespannten Mantel. Fällt bei ihm das Haar schlicht und kunstlos 
herab etwa wie an den Statuen der gefangenen Dacier, dann ent- 
steht gegenüber dem Typus der Kleidung eine Dissonanz, wie wir 
sie unmöglich einem Volke zutrauen dürfen, das auf poetischem Ge- 
biete ein so feines Stilgefühl bekundet. Wenn demnach Athene das 
Haupt des Odysseus mit Locken verschönert?) 


Fig. 73. 


κὰδ δὲ κάρητος 
οὔλας ἧκε κόμας, ὑακινθίνῳ ἄνϑει ὁμοίας, 

so hat der Diehter wahrscheinlich nicht an natürlich fallende Locken 
gedacht, wie sie das Haupt der vatikanischen Odysseusstatue um- 
geben, sondern an künstlich disponierte Haarmassen, ähnlich denen, 
die auf archaischen Bildwerken dargestellt sind. Indes können wir 
diese allgemeinen Stilbetrachtungen, die für die exakte Forschung 
doch nur einen bedingten Wert haben, auf sich beruhen lassen, 
da das Epos ausdrücklich auf künstliche Anordnungen des Haares 
hinweist. 

Wenn die euböischen Abanten ὄπιϑεν κομόωντες) heilsen, so dürfen 
wir mit den antiken Gelehrten) annehmen, dafs es bei ihnen Sitte war, 


theilungen des arch. Inst. in Athen VIII (1883) p. 246 ff., IX (1884) p. 232 ft. 
1) 1 6, 20 (oben Seite 40, Anm. 5). 2) Bei Athen. XII 512 Ο: κορύμβους δ᾽ 
ἀναδούμενοι τῶν τριχῶν χρυσοῦς τέττιγας περὶ τὸ μέτωπον καὶ τὰς κόῤῥας (80 
richtig Birt, Rhein. Mus. XXXII, 1878, p. 626 statt κόμας) ἐφόρουν. 8) Oben 
Seite 227 ff. 4) Od. VI 230, XXI 157. 5) 11. II 542. 6) Archemachos 
bei Strabo X c. 465, 6. Plutarch, Theseus 5. Die Ansichten über den Ursprung 
dieser Sitte lauteten verschieden. Die einen behaupteten, die Abanten hätten 
sie von den Arabern, d.i. von den mit Kadmos nach Euböa gekommenen 


XVI. Die Kosmetik. 241 


das Haar vorn zu scheeren, am Hinterkopfe dagegen lang wachsen 
zu lassen. Das umgekehrte Verfahren war bei den Thrakern üblich, 
die im Epos!) als ἀκρόκομοι bezeichnet werden. 

Ferner schilt Diomedes den Paris, der ihn aus einem Hinterhalte 
durch einen Pfeilschufs verwundet hat, mit folgenden Worten: 

τοξότα, λωβητὴρ. κέρᾳ ἀγλαὲ., παρϑενοπῖπα.Ἷ) 

Wenn κέρᾳ ἀγλαέ gewöhnlich übersetzt wird durch „mit dem Bogen 
prunkend‘“, so sind die Schwächen dieser Erklärung hinlänglich klar.) 
Erstens nämlich wird κέρας im Singular nirgends für den Bogen 
gebraucht.*) Zweitens hat ἀγλαός überall die Bedeutung „glänzend, 
herrlich, ausgezeichnet“, niemals die von ἀγαλλόμενος. „prunkend“. 
Besonders schwer aber fällt es ins Gewicht, dals κέρᾳ ἀγλαέ nach 
jener Deutung im wesentlichen denselben Gedanken ausdrücken 
würde, wie τοξότα. In jeder Hinsicht zutreffend scheint dagegen 
eine bereits im Altertum aufgestellte Erklärung, nach welcher χέρας 
einen Zopf oder eine Flechte bezeichnet,°) eine Bedeutung, in welcher 
dieses Wort auch von einem der Blüte des Epos nahe stehenden 
Ionier, nämlich von Archilochos, gebraucht wird.°) Diese Erklärung 
scheint um so berechtigter, als an einer anderen Stelle der Ilias‘) 
der Stolz des Paris auf sein schönes Haar ausdrücklich hervorgehoben 
wird. Hiernach ist χέρας offenbar eine an den Enden spiralartig 
umgebogene Flechte, wie sie nicht selten auf archaischen Bildwerken 
orientalischer wie oceidentalischer Arbeit vorkommt.) Als Beleg 


Phönikiern (Strabo X p. 447, 8), oder den Mysern angenommen. Nach anderen 
wären sie von selbst darauf verfallen, um den Feinden im Handgemenge das 
Anfassen der Haare unmöglich zu machen. 1) Il. IV 533. Vielleicht bezieht 
sich auf diese thrakische Haartracht das Fragment des Archilochos (KEtym. 
magn. s. v. ἐγκυτί p. 311, 40, fragm. 36 Bergk): χαίτην ἀπ᾽ ὥμων ἐγκυτὶ κεχαρ- 


μένος. 2) ID. XI 385. 3) Vgl. z. B. Ameis, Anhang zu Homers Nias IV 
p- 92. 4) Der Plural bezeichnet Od. XXI 395 die Hörner, aus denen der 
Bogen zusammengesetzt war. 5) Schol. I. XI'385. Schol. Od. XXIV 81. 


Etym. m. 8. v. xdo« (p. 490, 24), κάρη (p. 491, 14), κέρας (p. 504, 42 und 55), 
κόρσοιφος (p. 531, 27). Etym. gud. 5. v. κάρα (p. 298, 41), κειρέον (P. 309, 38), 
κείρειν (p. 311, 31), κέρας (p. 315, 40 und 50). Hesych., Zonar. p. 1192: κέρας 
... Held. Orion p. 80, 24; p. 83, 9. Apoll. soph. lex. p. 98, 11. Juvenal. sat. 
XIII 165: madido torquentem cornua cirro. ὅθεν. ad Vergil. Aen. XII 89: cornua 
autem sunt proprie eineinni. Anderes bei Ebeling lex. hom. s. v. κέρας. 6) Schol. 
Od. XXIV 81: οἵ νεώτεροι κέρας τὴν συμπλοκὴν τῶν τριχῶν ὁμοίαν κέρατι" τὸν 
κεροπλάστην ἄειδε Γλαῦκον, Ἀρχίλοχος (fr. 59 Bergk, wo die übrige Litteratur 


zusammengestellt ist). 7) Π. III 55 (oben Seite 237, Anm. 5). δ) Köpfe mit 
Flechten dieser Art finden sich z. B. auf chetitischen Inschriften: Harry Rylands, 
the inscribed stones from Jerabis, Hamath, Aleppo (Transact. of the soe. bibl 
arch. vol. VII), auf den beiden Inschriften von Jerabis (ohne Nummer); auf 


ς 
9,2 


“ 9 r Θ } m 
einem in Attika gefundenen, goldenen Diadem: Arch. Zeitung 1584 ᾿ 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 16 


242 Die Tracht. 


diene unsere Fig. 74, welche einen vielleicht aus Griechenland 
stammenden Thonhenkel wiedergiebt, auf dem dieses Motiv in beson- 
ders typischer Weise durchgebildet 180.) 

Endlich werden dem Troer Euphorbos, dem Sohne des Panthos, 
beigelegt: 

πλοχμοί 9’ οἵ χρυσῷ TE καὶ ἀργύρῳ ἐσφήκωντο.") 

also Flechten oder Locken, welehe durch goldene und silberne Halter 
zusammengefafst waren. Die Haartracht, auf welche der Dichter hin- 
weist, lälst sich durch 
Beobachtungen veran- 
schaulichen, die man in 
etruskischen Gräbern ge- 
macht hat.”) Die ältesten 
dieser Gräber gehören 
der Epoche an, in der 
die Bestattung an die 
Stelle der bisher üblichen 


Verbrennung zu treten an- 


Fig. 74. 


fing, und reichen zum min- 
desten hoch in das 7. Jahrhundert v. Chr. hinauf, wogegen die jüngsten 
etwa dem zweiten Drittel des 5. Jahrhunderts anzugehören scheinen. 


p. 102; auf incusen Silbermünzen von Tarent: Carelli, num. Italiae vet. T. 105 
n. 44; auf einer schwarzfigurigen sog. tyrrhenischen Amphora: Micali, storia 
T. 77, 78; sehr häufig auf etruskischen Vasen aus schwarzem Thone (vası di 
bucchero): z. B. Micali a. a. O0. T. 21 n.5; T.25 n. 2. 1) Diesen Henkel, dessen 
Thon eine schwarzgraue Farbe hat, die an der Oberfläche in eine grünliche 
Nüance überspielt, habe ich zugleich mit der in den Mon. dell’ Inst. IX 
T.5 n. 2 publizierten Vase in Civitavecchia bei einem Trödler gekauft, der 
angab, beide Stücke von einem griechischen Schiffskapitän erhalten zu haben. 
Furtwängler, Beschreibung der Vasensammlung des Berliner Antiquariums p. 191 
n. 1615 (vgl. denselben in den Histor. und philol. Aufsätzen E. Curtius gewidmet 
p. 192) registriert ihn unter den etruskischen Bucchero-Vasen mit Hochreliefs. 
Ich bin aufser Stande, diese Auffassung bestimmt zu widerlegen, mufs aber 
doch bemerken, dafs mir eine ähnliche Qualität des Thons innerhalb jener 
Vasengattung niemals vorgekommen ist. 2) XVII 52. Der Scholiast: οἱ ὑπὸ 
χρυσοῦ καὶ ἀργύρου συνεσφιγμένοι ἦσαν. Ahnlich Eustath. z. ἃ. St. p. 1099, 
56—63. Etym. m. 5. v. ἐσφηκωμένον p. 385, 5: ἀντὶ τοῦ ἐσφιγμένοι ἦσαν, 
ἐδέδεντο. Schol. Il. XVII 402: κάλυκας" ἐμφερῆ δόδοις" οἵ δὲ δακχτυλίους" οἵ δὲ 
χρυσᾶς σύριγγας, αἱ τοὺς πλοκάμους περιέχουσιν, ὥς φησιν (1. XVIL 52) “οἱ 
χρυσῷ τε καὶ ἀργύρῳ ἐσφήκωντο.᾽ Eusthath. ad N. XVII 400 p. 1204, 22: οἵ 
δὲ χρυσᾶς εἶπον σύριγγας, ὡς οἷον σωληνίσχους, αἷς πλόκαμοι περιέχονται. ϑυ]ά. 
und Phot. κάλυκας" σύριγγας. 3) Ich habe ausführlich hierüber gehandelt in 
den Commentationes in honorem Mommseni p. 619 ff. Figur 76 giebt ein gol- 
denes in einem cäretaner Grabe (angeblich in dem von Regulini und Galassi 
entdeckten; vgl. oben Seite 30, Anm. 5, Seite 90—92) gefundenes Exemplar 


XVI. Die Kosmetik. 243 


Neben der Stelle, auf der der Kopf des Leichnams ruhte, finden sich 
öfters Spiralen aus Bronze, Silber oder Gold (Fig. 75 76) und zwar 
gewöhnlich eine auf jeder Seite der un- 
teren Kinnbacken.!) Da bei einem der- 
artigen Typus unmöglich an Ohrringe 
gedacht werden kann,?) so bleibt nach ΕΞΞ- = 
der Fundstelle nichts anderes übrig als a le 

die Spiralen zu dem Haare in Beziehung zu setzen und anzunehmen, 
dals durch sie die in der archaischen Epoche gebräuchlichen Locken 


Fig. 77. Fig. 78, Fig. 79. 


oder Zöpfe gefestigt wurden. Ähnliche Spiralen haben sich auch in 
Griechenland und zwar in Böotien (Fig. 77—79) und zu Olympia 


nach Mus. gregor. I T. LXXV 8, Fig. 75 ein zusammengehöriges Paar (eben- 
falls aus Gold) wieder, das aus einer „tombe a fossa“ der Nekropole von Visen- 
tium (Capodimonte am Bolsener See) stammt (Bull. dell’ Inst. 1886 p. 27). 
1) Zu den hierauf bezüglichen Angaben, die ich in den Commentationes zusammen- 
gestellt, kommen mehrfache neuerdings gemachte Beobachtungen, welche jene 
Fundstelle bestätigen. Bologna, Gräbergruppe Arnoaldi Veli: Notizie di scavi 
com. all’ acc. dei Lincei 1881 p. 84. Orvieto, in einer „tomba a fossa“: Bull. 
dell’ Inst. 1878 p. 227. Visentium, in einer „tomba a fossa“: Bull. dell’ Inst. 
1886 p. 27; reproduziert Fig. 75. Corneto, in „tombe a fossa“: Not. ἃ. scavi 
1882 p. 196 n. 1, Bull. 1885 p. 117—118, p. 127; in einer dem 6. Jahrhundert 
v. Chr. angehörigen Grabkammer: Bull. 1882 p. 45. 2) Den Versuch Heyde- 
manns (Gigantomachie auf einer Vase aus Altamura p. 5) diese Erklärung zu 
verteidigen habe ich im Bull. dell’ Inst. 1882 p. 17 zurückgewiesen. Nur im 
Vorübergehen sei hier eines thönernen Aschengefälses — eines sogenannten 
Canopus — gedacht, der sich neuerdings im Gebiete von Chiusi gefunden 
(Museo italiano di antichitä classica I T. VIIII® 14, 14% p. 311—313. Vgl. auch 
Not. di scavi 1884 p. 383—384 und Bull. dell’ Inst. 1885 p. 118 not. 1). Der 
weibliche Porträtkopf, der ihm als Deckel dient, hat in jedem Ohre eine zwie- 
fach gewundene Spirale aus dünnem, rundem Bronzedrahte. Wenn Studniczka, 
Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 114, Anm. 66 darauf hin 
behauptet, die von mir für Lockenhalter erklärten Spiralen seien neulich als 
Öhrgehänge zu Tage gekommen, so beweist der Vergleich der Abbildungen, 
16* 


944 Die Tracht. 


gefunden.!) Die Annahms, dafs solche metallene Lockenhalter während 
des homerischen Zeitalters üblich waren, wird niemanden befremden, 
da der Gebrauch derartiger Utensilien bereits in vorhomerischer Epoche 
nachweisbar ist. Bei Schliemanns troischen Ausgrabungen kamen 
viele kleine goldene Oylinder zu Tage, welche, 
an der Rückseite offen, vorn in horizontaler 
Richtung mit parallelen Schwellungen ver- 
ziert sind und in einen biegsamen Stift aus- 
laufen (Fig. 80, 81).?) Sie können zu nichts 
anderem als zur Festigung von Locken gedient haben, indem die 
Haare durch die an der Rückseite angebrachte Öffnung in den Cylin- 
der eingeführt und dieser vermöge des Stiftes an ihnen festgedrückt 
wurde. Aufserdem fanden sich bei denselben Ausgrabungen 
plumpe Spiralen, die aus einem nur zweimal gewundenen 
Goldstreifen bestehen (Fig. 82) und bereits von Schlie- 
mann als Lockenhalter erkannt wurden.’) Die Schacht- 
gräber von Mykenae endlich enthielten goldene Spiralen,*) 
die denjenigen böotischen und italischen Fundortes nahe verwandt 
sind und nur einen etwas primitiveren Eindruck machen, da der 
Metalldraht weniger regelmäfsig gedreht ist (Fig. 83). Es ergiebt 
sich somit, dafs die Bevölkerung des nordwestlichen 
Kleinasiens und der den argolischen Golf umgebenden 
Landschaft schon lange Zeit vor Entstehung des home- 
rischen Epos das Haar in Locken oder Flechten zer- 
legte und diese mit metallenen Haltern festigte. Wenn 
ein solcher Gebrauch in den östlichen Ländern des 
Mittelmeergebietes in ein so hohes Altertum hinaufreicht, so findet 
hierdurch zugleich das frühe Auftreten desselben in Italien seine 
Erklärung. Die im obigen angeführten Gräber nämlich aus der 
Periode, in welcher die Beerdigung üblich zu werden anfıng, sind 


Fig. 82. 


dafs die Spiralen des Canopus mit denjenigen, die ich in diesem Abschnitte 
behandle, absolut nichts zu thun haben, sondern einer anderen Gattung an- 
gehören. 1) Bronzene Exemplare aus Böotien zu Athen im Varvakion, Kata- 
log XAAK. 169, 422, 526. Hiernach unsere Fig. 77—79. Der durch Fig. 79 
wiedergegebene Typus ist durch zwei zusammengehörige Exemplare vertreten. 
Exemplare von Olympia: Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 39. 
2) Schliemann, Atlas trojanischer Alterthümer T. 196 n. 3512—3541, 3544—3561, 
3566— 3568, T. 207—209 (unsere Fig. 80 nach T. 196 n. 3546); Hios p. 514 
ἢ, 694, 695, 698—702, p. 515 n. 754—764, p. 559 n. 906, 907, 910 (nach der 
letzteren Nummer unsere Fig. 81). Vgl. Schliemann, Troja p. 115—116 n. 39. 
3) Schliemann, Ilios p. 554 n. 878 (hiernach unsere Fig. 82), 880. Vgl. p. 555. 
4) Schliemann, Mykenae p. 401 n. 529 (die beiden mittleren Stücke, deren eines 
durch unsere Fig. 83 reproduziert ist), vielleicht auch p. 165 n. 220. 


XVI. Die Kosmetik, 245 


zwar die ältesten, welche über die Verwendung der Spiralen Auf- 
schlufs geben, aber nicht die ältesten, in denen solche Utensilien 
vorkommen. Vielmehr haben sich bronzene Spiralen auch in Brand- 
gräbern gefunden,') welche vor die Einführung der Beerdigung und 
vor den Verkehr mit den hellenischen Kolonieen fallen. Es scheint 
somit, dals diese Spiralen zu den Typen gehören, welche, bevor die 
Hellenen den Westen zu besiedeln anfingen, auf dem Landwege aus 
der Balkan- in die Apenninhalbinsel eingeführt wurden.?) 

Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dafs noch eine andere 
Stelle der Ilias auf eine entsprechende Tracht zu beziehen ist. Es 
heifst nämlich von Amphimachos, dem Führer der Karer?) 


ὃς καὶ χρυσὸν ἔχων πόλεμόνδ᾽ ἴεν, MNÜTE κούρη. 


Bereits die alten Erklärer‘) haben diese Schilderung mit dem Haar- 
schmucke des Buphorbos verglichen und angenommen, dafs mit dem 
Golde die Lockenhalter gemeint seien. 

Andererseits tritt die homerische Sitte bei dieser Auffassung 
wiederum in organischen Zusammenhang mit derjenigen der folgenden 
Periode. Langes und künstlich angeordnetes Haar gilt auch bei den 
späteren Schriftstellern als eine Eigentümlichkeit des altionischen 
Luxus. Agathon’) bezeichnet die langen Locken geradezu als „Zeugen 
der Üppigkeit“. Eine altpersische Inschrift,®) welche die Völker auf- 
zählt, die dem Könige Dareios, dem Sohne des Hystaspes, gehorchten, 
führt unter ihnen auch die flechtentragenden lonier an. Der horm- 
artig angeordneten Flechte, welche die lonier κέρας nannten, wurde 
bereits gedacht.”) Ähnlich waren vermutlich die von Sophron®) er- 
wähnten χορῶναι, ein Wort, mit dem gekrümmte oder gebogene 
Gegenstände, wie das äufserste Ende des Bogens und der Pflug- 
deichsel und das Hinterteil des Schiffes, bezeichnet wurden. Ein 
Fragment des Archilochos?) bezeugt, dafs im besonderen die ionischen 
Krieger auf die langen Locken’ stolz waren. Die Athener führten die 
Sitte das Haar am Hinterkopfe lang zu tragen auf Theseus zurück 


1) Bull. dell’ Inst. 1882 p. 16—18, 169, 170, 172, 176. 2) Vel. oben 
Seite 82—87. Übrigens hat sich der Gebrauch der metallenen Lockenhälter 
auch zu den mitteleuropäischen Barbaren verbreitet. Vgl. z. B. von Sacken, 
Grabfeld von Hallstatt T. XVII 16 p. 74 und 75. 3) Il. II 872. 4) Schol. 
Il. II 872. 5) Bei Athen. XII 528 Ὁ: κόμας ἐκειράμεσϑα μάρτυρας τρυφῆς. 
6) Spiegel, die altpersischen Keilinschiften 2. Aufl. p. 119 und p. 219 u. ἃ. W. 
Takabara. 7) Oben Seite 241—242. 8) Schol. Il. XI 385: κορώνας 
ἀναδούμενοι (fragm. 97 Ahrens). 9) Fragm. 60 Bergk: οὐ φιλέω μέγαν στρα- 
τηγὸν οὐδὲ διαπεπλιγμένον, | οὐδὲ βοστρύχοισι γαῦρον οὐδ᾽ ὑπεξυρημένον. Das 
letztere Participium bezieht sich offenbar auf den Gebrauch, die Oberlippe zu 
rasieren, der weiter unten Erörterung finden wird. 


2406 Die Tracht. 


und nannten diesen Schnitt Θησηΐο. Von dem Smyrnäer Magnes, 
dem Geliebten des Gyges, wird überliefert, dafs sein üppiges Haar 
durch einen goldenen Halter zu einem Schopfe zusammengefalst war.?) 
Der Dichter Asios?) sagt von den das Herafest feiernden Samiern, 
ihre Haare seien zierlich gekämmt und der Wind bewege ihre durch 
goldene Fesseln zusammengehaltenen Flechten oder Locken. Hierzu 
kommen die Angaben des Thukydides‘) und Herakleides von Sinope,?) 
dafs Ionier und Athener bis ἴῃ das 5. Jahrhundert v. Chr. hinein 
Schöpfe (κρώβυλος) trugen, die mit goldenen Cicaden (τέττιγες) gefestigt 
waren. Diese von verschiedenen Schriftstellern erwähnten und ver- 
schieden benannten Haarhalter können‘ keine anderen Gegenstände 
gewesen sein, als metallene Spiralen, ähnlich denen, welche an dem 
Haupte des Euphorbos erglänzten und in griechischen und italischen 
Gräbern gefunden worden sind. ; 
Was für die männliche Haartracht bewiesen ist, gilt natürlich 
auch für die weibliche. Der moderne Leser wird bei der „schön- 
lockigen“ Artemis, Kirke oder Kalypso‘) an eine freie Lockenfülle 
denken ähnlich der, welche den Kopf der sogenannten Arethusa auf 
syrakusaner Münzen umspielt. Erstens aber ist die ursprüngliche 
Bedeutung des von πλέκω „flechten“ abgeleiteten Substantives πλό- 
#ewog‘) nicht „Locke“, sondern „Flechte“. Und diese Bedeutung hat 


1) Plutarch, Theseus 5. Vgl. oben Seite 240, Anm. 6. 2) Nicol. Damasc. VII 
62 (fragm. hist. gr. ed. Müller ΠῚ p. 395): κόμην τρέφων χρυσῷ στροφίῳ κεκορυμβω- 
μένην. 8) Bei Athen. VII 525 F. Vgl. Rhein. Mus. XXXIV (1879) p. 485—486. 
4) I 6, 2 (oben Seite 40, Anm. 5). 5) Bei Athen. XII 512 C (oben Seite 240, 
Anm. 2). Über die τέττιγες vgl. Commentationes in honor. Mommseni p. 616—626, 
Rhein. Mus. XXXIV (1879) p. 484—487. Das diese Frage betreffende Material 
hat neuerdings Vermehrung erfahren durch eine Angabe in dem Inventar des 
Schatzes der samischen Hera. C. Curtius, Inschriften zur Gesch. von Samos 
p. 11, 51: αὕτη ἔχει τέττιγας ἐπιχρύσους" ἐν[λε]ίπει τῶν τεττίγων τριῶν καὶ τῶν 
ἐνῳδίων. Wenn hier von einer mit vergoldeten τέττιγες versehenen Herastatue 
die Rede ist, an der drei τέττιγες fehlen, so widerspricht dies entschieden der 
von Conze, Memor. dell’ Inst. II p. 416 vertretenen Ansicht, die τέττιγες seien 
Haarnadeln gewesen, welche in eine goldene Cicade ausliefen. Die Angabe 
nämlich, dafs an der Statue drei τέττιγες fehlen, läfst mit Sicherheit auf eine 
beträchtliche Zahl solcher Gegenstände schliefsen. Eine gröfsere Menge von 
Haarnadeln aber wäre abnorm, wogegen wir an einer archaischen Coiffüre recht 
viele Zopf- oder Lockenhalter annehmen dürfen. Fanden sich doch in einem zu 
dem ältesten Teile der cornetaner Nekropole gehörigen Brandgrabe, das nur 
eine Aschenurne, also die Reste nur eines Leichnames enthielt, nicht weniger 
als 7 der in Rede stehenden bronzenen Spiralen: Bull. dell’ Inst. 1882 p. 176. 
6) Für die zahlreichen Stellen, an denen die Epitheta ZörAonauos, Zürkonawis, 
καλλιπλόκαμος, λιπαροπλόκαμος vorkommen, verweise ich auf Ebeling, Lexicon 
homericum. 7) Curtius, Grundz. d. gr. Etymologie 4. Ausg. p. 164 n. 103. 


XVI. Die Kosmetik. 247 


das Wort entschieden im 14. Gesange der Ilias,') wo die Toilette 
geschildert wird, die Hera macht, bevor sie sich zu Zeus auf den 
Ida begiebt. Nachdem die Göttin ihr Haar sorgfältig gekämmt, flicht 
sie daraus schimmernde ambrosische Flechten (πλοκάμους). Hiernach 
bestand ihre Coiffüre nicht aus frei fallenden Locken, sondern aus 
einem künstlichen Gefüge von Flechten. Zweitens beweist der auf 
das Gold des Amphimachos bezügliche Vers der Ilias, wenn die im 
obigen?) vorgetragene Erklärung richtig ist, dafs auch die Frauen 
ihr Haar durch Anwendung metallener Utensilien in konventioneller 
Weise anordneten. Zudem war ein freier Lockenfall schon deshalb 
unmöglich, weil das weibliche Haar reichlich mit wohlriechenden 
Ölen getränkt und hierdurch an der natürlichen Entfaltung gehindert 
wurde. Sagt doch der Dichter eines homerischen Hymmos,°) dafs von 
dem Haare der Hestia fortwährend flüssiges Öl herabtropfe. Endlich 
hat man zu bedenken, dafs die Entwickelung der weiblichen Haar- 
tracht auf den Bildwerken mit der der männlichen vollständig glei- 
chen Schritt hält und ein freies Prinzip hier wie dort erst seit der 
Blütezeit zum Durchbruch kam. 

Wenn die Haartracht eine streng typische war, dann dürfen wir 
dasselbe von dem Barte annehmen. Dazu beweisen die in den myke- 
näischen Schachtgräbern gefundenen goldenen Masken,*) die offenbar 
die Portraits der Verstorbenen darstellen sollen, dafs die Bewohner von 
Argolis schon vor der dorischen Wanderung den Bart in konventio- 
neller Weise behandelten. An dem am besten erhaltenen Exemplare 
erscheint der Backenbart zu einer halbkreisartigen Form verschnitten 
und sind die Spitzen des Schnurrbartes starr emporgerichtet in einer 
Weise, die auf die Anwendung einer steifenden Pomade schliefsen 
läfst.) Andererseits ergiebt sich aus der Betrachtung der griechischen 
Bildwerke, dafs die konventionelle Behandlung des Bartes bis zur 
Blütezeit herabreichte. Wenn demnach eine derartige Geschmacks- 
richtung in der der Entstehung des Epos vorhergehenden wie in der 
darauffolgenden Epoche herrschte, so spricht alle Wahrscheinlich- 
keit dafür, dafs sie auch während des homerischen Zeitalters mals- 
gebend war. 

Diese Auffassung wird auf das schlagendste bestätigt -dureli die 


1) XIV 175: ἰδὲ χαίτας | πεξαμένη, χερσὶ πλοκάμους ἔπλεξε φαεινοὺς, | κα- 


λοὺς ἀμβροσίους ἔκ κράατος ἀϑανάτοιο. 2) Oben Seite 245. 3) XXIV 3: 
ἀεὶ σῶν πλοκάμων ἀπολείβεται ὑγρὸν ἔλαιον. Vermutlich ist auch das den Flechten 
der Hera beigefügte Adjektiv φαεινός (I. XIV 176), das Epitheton der Ate 
λιπαροπλόκαμος (Il. XIX 126) und die Charakteristik der Diener der Freier ἀεὶ 


δὲ λιπαροὶ κεφαλὰς καὶ καλὰ πρόσωπα (Od.XV 332) aus der Salbung zu erklären. 
4) Oben Seite 58, Anm. 2. 5) Schliemann, Mykenae p. 332 n. 474. 


248 Die Tracht. 


überraschende Thatsache, dafs sich die Zeitgenossen der homerischen 
Dichter des Rasiermessers bedienten. In der Ilias nämlich kommt 
der sprichwörtliche Ausdruck vor ἐπὶ ξυροῦ ἵσταται ἀκμῆς ἃ. i. „es 
steht auf der Schneide eines Rasiermessers“ — ein Ausdruck, der 
von kritischen Momenten gebraucht wird, :in denen eines Haares 


Fig. 85. 


Breite den Ausschlag geben kann. Nestor ruft den von den Troern 
hart bedrängten Achäern zu:') 
νῦν γὰρ δὴ πάντεσσιν ἐπὶ ξυροῦ ἵσταται ἀκμῆς 
ἢ μάλα λυγρὸς ὄλεϑρος ᾿4χαιοῖς ἠὲ βιῶναι. 
Über die Gattung von Rasiermessern, welcher dieses Sprichwort 
seinen Ursprung verdankt, kann kein Zweifel obwalten. In Griechen- 
land?) wie in Italien?) finden sich bronzene Rasiermesser, deren 


Klingen halbmondförmig gestaltet sind (Fig. 84, 85), eine Gattung, 


1,211, X 478; 2) Dumont hat ein in Attika gefundenes bronzenes Exem- 
plar notiert: Ann. dell’ Inst. 1874 p. 258. Ein athenischer Kunsthändler zeigte 
mir im Jahre 1875 zwei bronzene und drei eiserne Exemplare als auf den Inseln 
des ägäischen Meeres gefunden. Doch kann ich dieses Zeugnis nicht mehr als 
vollgültig anerkennen, seitdem ich in Erfahrung gebracht, dafs jener Händler 
bisweilen Antiquitäten in Italien erwirbt und dieselben darauf als in Griechen- 
land gefunden verkauft. 3) Fig. 84: bronzenes Rasiermesser aus Cervetri (bei 
F. Martinetti) in der halben Gröflse des Originales; Fig. 85: drei Exemplare, 
welche aus cornetaner „tombe a pozzo“ (oben Seite 21—22) stammen, in einem 
Viertel der Originalgröfse. — Ein Verzeichnis der italienischen Fundstellen 
solcher Rasiermesser giebt Gozzadini, intorno agli scaviı fatti dal sig. Arnoaldi 
Veli p. 59—91. Seitdem sind ähnliche Exemplare zu Tage gekommen in fol- 
genden Gegenden: bei Montebelluna (Not. d. scav. com. all’ acc. dei Lincei 1883 
Ρ. 108) und Este (Not. ἃ. βοᾶν. 1882 Τὶ IV 52 p. 22) im Gebiete der Veneter, 
bei Piacenza (Ann. dell’ Inst. 1885 p. 61), bei Imola (Not. d. scavi 1886 p. 119e), 
bei S. Egidio al Vibrata (Not. ἃ. scavi 1878 p. 27) und Tolentinum (Not. d. 
scavi 1883 T. XVI 1 p. 336) in Picenum, bei Cesi in Umbrien (Bull. dell’ Inst. 
1881 p. 212 n. 7), in den Nekropolen von Interamna (Terni, Not. d. scavi 1886 
p- 10, p. 252. p. 258), von Visentium am Bolsener See (Not. d. scavi 1886 p. 297, 
p- 299, p. 309), von Vetulonia (Falchi, gli avanzi di Vetulonia sul poggio di 
Colonna p. 22, 23; Not. d. scavi 1885 T. [X 28), von Tarquinii (Bull. dell’ Inst. 


XVI. Die Kosmetik. 249 


die in Italien bereits in Schichten auftritt, welche noch keine Spur von 
hellenischen Einflüssen bekunden.!) Angesichts eines solchen Typus 
kommt das in Rede stehende Sprichwort erst zu 
vollem Verständnis; denn es läfst sich kein Gegen- 
stand denken, auf dem es schwerer fiele, festen 
Fuls zu fassen, als die zugleich haarscharfe und 
krumme Klinge jener Messer. Allerdings gehört 
das zehnte Buch der Ilias, die Doloneia, in dem 
sich die angeführten Verse finden, zu den jüngeren 
Teilen des Epos. Überlegt man jedoch, dafs 
jener sprichwörtliche Ausdruck nicht eher ent- 
stehen konnte, als bis das Rasiermesser durch 
langen Gebrauch vollständig geläufig geworden 
war, so leuchtet es ein, dafs die Griechen dieses 
Werkzeug schon beträchtliche Zeit vor der Ent- 
stehung der Doloneia kennen mufsten. 
Untersuchen wir nunmehr, in welcher Weise 
die Ionier der homerischen Epoche das Rasier- 
messer benutzten, so spricht alle Wahrscheinlich- 
keit dafür, dals sie damit den Schnurrbart ent- 
fernten. Bei den Ägyptern läfst sich die Sitte, 
die Oberlippe und die Backen zu rasieren und nur Fig. 860. 
einen Kinnbart stehen zu lassen, bis zu den ältesten 
Denkmälern zurückverfolgen, die uns von diesem Volke erhalten sind. 
Und ebenso beweisen die ägyptischen Bildwerke, dafs der Gebrauch, 
die Oberlippe zu rasieren, schon in sehr früher Zeit bei den Völkern 
Vorderasiens Eingang fand. Bereits in dem Grabe des Chnumhotep 


᾿ 


1882 p. 17, 18, 19, 162, 165, 171, 175; 1883 p. 121; Mon. XI T. LX 22, Ann. 
1883 Tav. d’agg. R 3 p. 292; Not. d. scavi 1881 T. V 5—7 p. 349) und in den 
primitiven zu Rom auf dem Esquilin entdeckten Gräbern (Ann. dell’ Inst. 1884 
p. 137 not. 4). Dals diese Messer zum Rasieren dienten, ist vom Verfasser Im 
neuen Reich 1875 I p. 14—15 und von Gozzadini, intorno agliı scavi Arnoaldi 
Veli p. 54-56 ausführlich begründet worden. Beizufügen wäre noch, dafs die 
Klinge des Rasiermessers auch in späterer Zeit eine ähnliche Halbmondform 
hatte. Es genügt auf das Rasiermesser des Kairos (Arch. Zeitg. 1875 T.I) und 
auf ein Exemplar römischen Fundortes zu verweisen, welches durch die Feinheit 
der eisernen Klinge wie dadurch, dafs der knöcherne mit Reliefs verzierte Griff 
höchstens mit drei Fingern angefafst werden kann, ebenfalls deutlich als Rasier- 
messer kenntlich ist (Bull. dell’ Inst. 1878 p. 97). Endlich läfst die Beschreibung, 
welche Martial ep. XI 58, 9 von dem Etui des Rasiermessers giebt, deutlich auf 
eine krumme Klinge schlielsen: 

sed fuerit curva cum tuta novacula theca, 

frangam tonsori crura manusque simul, 


1) Vgl. oben Seite 83—88. 


250 Die Tracht. 


der im 24. Jahrhundert v. Chr. unter König Usurtasen II die höchsten 
Würden bekleidete, sind Amu, ἃ. 1. Vorderasiaten, dargestellt, welche 
in das Nilthal einwandern und dem Chnumhotep Geschenke dar- 
bringen: sie haben alle kurze, unter dem Kinne zugespitzte Backen- 
bärte, keiner einen Schnurrbart.!) Es würde zu weit führen . die 
einzelnen asiatischen Völker namhaft zu machen, die auf ägypti- 
schen Denkmälern mit rasierter Oberlippe abgebildet sind.?) Viel- 
mehr sei nur darauf hingewiesen, dafs zu ihnen auch die Phöni- 
kier (Kefa) gehören, deren Vertreter auf einer der Zeit des dritten 
Amenophis (15. Jahrhundert) angehörigen Säuleninschrift von Soleb 
ohne Schnurrbart, aber mit keilförmigem Kinnbarte dargestellt ist 
(Fig. 80). Dafs die Phönikier diesen Gebrauch auch in späterer 
Zeit festhielten, ergiebt sich aus den mehrfach angeführten Silber- 
gefälsen,‘) aus Thonfiguren chanaanitischen Fundortes?) und. aus 
kyprischen Porträtstatuen, welche die für die jüngere phönikische 
Kunst bezeichnende Mischung ägyptischer und assyrischer Elemente 


1) Lepsius, Denkm. Abth. II Bl. 131—133; Perrot et Chipiez, histoire de 
art Ip. 154 n. 98. Vgl. Brugsch, Geschichte Ägyptens p. 147 ff. So auch die 
Amu bei Lepsius a. a. OÖ. Abth. III Bl.97 ἃ, 109 (Zeit des Königs Amenophis IV). 
2) So auch die kutennu oder Lutennu (Kollektivname für syrische Stämme) in 
dem mehrfach erwähnten, der Zeit des dritten Thutmes angehörigen Grabe: 
Hoskins, travels in Ethiopia pl. 48 p. 331—333; Wilkinson-Birch, the man- 
ners of the ancient Egyptians I pl. ΠΡ p. 38 (oben Seite 25). Aulserdem 
gehören hierher Lepsius, Abth. ΠῚ Bl. 61: die Männer des Nordostens, ἃ, 1. 
Asiaten, über denen Amenophis II (16. Jahrh. v. Chr.) die Keule schwingt. Lepsius 
III Bl. 76: der Vertreter des Nordlandes, d. 1. Asiens, unter dem Sessel des 
Königs Amenophis III; weiter unten am Sockel gebundene Semiten. Lepsius III 
Bl. 116: Tribut bringende Rutennu oder Lutennu. III Bl. 129: einige der Ver- 
treter des Nordlandes (Asiens), über die Sethos I die Keule schwingt; gebundene 
(Gefangene, worunter ein Vertreter von Pun (südliches Arabien und Somalaküste) 
und einer von Naharina (Mesopotamien). III BI. 131 a: ähnliche gebundene Ge- 
fangene (Sethos I). Wilkinson-Birch, the manners of the ancient Egyptians 
I p. 259: die Khita (Chetiter) n. 5, die Amauru (Amoriter?) n. 6, die Remenen 
(Armenier?) n. 7, die Kanana (Chanaaniter) n. 8. 3) Lepsius, Denkm. Abth. 
III Bl. 88a (erster Schild von links). Vgl. Chabas, &etudes sur P’antiquite histo- 
rique 2. ed. p. 121. 4) Schalen gefunden auf Kypros: de Longperier, Musee 
Napoleon II pl. 10, 11. Revue archeologique XXXI (1876) pl. 1, p. 26 ff., 
Cesnola-Stern, Cypern T. 51, unsere Tafel I. Rev. arch. XXXII (1877) pl. 1; 
Cesnola-Stern a. a. O. T. 66. Schale gefunden bei Salerno: Mon. dell’ Inst. IX 
T. 44, 1 (vgl. Bull. 1874 p. 285). Schalen gefunden bei Caere: Grifi, Mon. di 
Cere T. 10, 1; Mus. gregor. 1 T. 65, 2 (hier ist diese Bartbehandlung an einem 
der in dem zweiten Gürtel dargestellten Reiter sichtbar); Grifi, ἃ. ἃ. Ὁ. T. 10, 2; 
Mus. gregor. IT. 65, 1 (bei einer Figur in dem mittleren Kreise). Gefässe von 
Präneste: Mon. dell’ Inst. X T. 31, 1; Perrot et Chipiez, histoire de l’art III 
p. 759 n. 543; unsere Fig. 1 auf S. 22. Mon. dell’ Inst. X T. 33, 42. 5) De 
Longperier, Musde Napoleon Ill pl. 23, 24, 1. 


XVI. Die Kosmetik. 251 


aufweisen.) König Eschmunazar von Sidon ist auf dem Deckel seines 
Sarkophages mit einem nach ägyptischer Weise behandelten Kinn- 
barte und sonst vollständig rasiert dargestellt.?) 

Hiernach kann es nicht befremden, wenn dieser Gebrauch schon 
in sehr früher Zeit in Griechenland Eingang fand. Der zu Tiryns 
gefundene Kopf eines altertümlichen Thonidols (Fig. 87) 
zeigt einen rund verschnittenen Wangen- und Kinnbart, 
aber keine Spur eines Schnurrbartes.”) Schnurrbart- 
losen, aber mit langen spitzen Kinnbärten ausgestat- 
teten Männern begegnen wir auf Denkmälern, deren 
Stil an den der Dipylonvasen erinnert, nämlich auf 
Bronzereliefs böotischer Provenienz*) und auf einer be- 
malten Vase, deren Scherben in Mykenae entdeckt wur-- ἰαῆβε: 
den.?) Dieselbe Barttracht findet sich auf Gefäfsen der Fig. 87. 
Gattung, für welche die Malerei von Streifen und lau- 
fenden Vierfüfslern bezeichnend zu sein pflegt.°) Wir sehen auf einer 
Lekythos dieser Gattung Hirten oder Jäger damit ausgestattet, welche 


Fig. 88. 


einem von zwei Löwen angegriffenen Stiere beispringen (Fig. 88).‘) 
Ein anderes Exemplar zeigt Kentauren ohne Schnurrbart, aber mit 
langem Kinnbarte.®) Wenn sich der Maler selbst die Kentauren, zu 
deren Charakter eine derartige Verfeinerung in entschiedenem Wider- 
spruche steht, mit rasierter Oberlippe vorstellte, so beweist dies, wie 
sehr sein Auge an eine solche Behandlung des Bartes gewöhnt war.”) 
In ähnlicher Weise hat der mutmalslich kleinasiatische Töpfer Arısto- 


1) Döll, Sammlung Cesnola T. 1 4, 11—3, T. Π 4, 6, 9, T. VII 9, T. VII 
1—10; Cesnola-Stern, Cypern T. 21—23, 27, 80 n. 1—3, 6, T. 40 n. 1. 2) De 
Longperier a. a. Ο. pl. 16; Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 138 n. 86. 
3) Schliemann, Tiryns p. 180 n. 93; hiernach unsere Figur 87. 4) Ann. 
dell’ Inst. 1880 Tav. d’agg.H 1. 5) Schliemann, Mykenae p.153 (n. 213)—158, 
p.161 n. 214. 6) Vgl. oben Seite 30, Anm. 4; Seite 45 und 89. τ) Arch. Zeitg, 
ΧΙ] (1883) T. 10, 2; hiernach unsere Figur 88. 8) Arch. Zeitg. XLI T. 10, 1. 
9) In dieser Weise ist, wie es scheint, auch ein Kentaur auf einer primitiven 
Vase von Kameiros dargestellt: Salzmann, nderopole de Camiros pl. 39. 


252 Die Tracht. 


nophos!) Odysseus (Fig. 89) und seine Genossen, der Maler eines 
alten auf Melos gefunden®n Gefälses”) Apoll (oben Seite 239 Fig. 72) 
dargestellt. Die Betrachtung der chronologisch folgenden Denkmäler 
beweist, dafs die Sitte, die Oberlippe zu rasieren, bei den verschie- 
densten griechischen Stämmen herrschte. Wir 
begegnen ihr auf dem Friese eines alten Tem- 
pels in der äolischen Stadt Assos.?) Aus ent- 
schieden ionischem Kulturkreise gehören hier- 
her die Figuren des Agamemnon und Tal- 
thybios auf einem samothrakischen,‘) die des 
Hermes auf einem thasischen Relief,?) Phineus, 
die Boreaden, Dionysos und vier Seilene — 
für welche letztere dasselbe gilt, was soeben 
über die Kentauren bemerkt wurde — auf einer bereits mehrfach 
erwähnten ionischen Schale vulcenter Fundortes.°) Auf diese Mode 
weist auch der lJonier Archilochos hin, wenn er ausruft, er wolle 
als Feldherrn keinen Stutzer, der mit langen Locken renommiere 
und unter der Nase rasiert sei.‘) Auf den gegenwärtig bekannten 
chalkidischen Gefäfsen®) ist kein Beispiel eines Schnurrbartes nach- 
weisbar. Nicht nur Götter, wie Zeus und Typhon,’) und Heroen, 
wie Herakles, Iolaos,!®) Minos, Theseus,!!) Adrastos'?) und Peleus, "Ὁ 
sondern auch wiederum die Seilene'*) sind lediglich mit Backen- und 
Kinnbart dargestellt. Das Gleiche gilt für die Figuren des Aigisthos 
und Orestes auf einem bei Ariccia entdeckten Relief’) und einem 
bei Capua gefundenen, aus Bronze getriebenem Kopfe, der einem 
Weinsiebe als Hülle dient!) — beide Denkmäler, wie es scheint, 
Arbeiten der campanischen Kymäer. Unter den archaischen attı- 
schen Skulpturen zeigen diese Bartbehandlung die auf der Akropolis 
sefundene Statue des kalbtragenden Hermes!) und ein marmorner 


Fig. 89. 


1) Mon. dell’ Inst. VIIIL T. 4. Vgl. Klein, Euphronios p. 35 Anm. 1; Vasen mit 
Meistersignaturen 2. Aufl. p. 27 und Bolte, de monum. ad Odysseam pertinentibus 
p. 2—5. 2) Conze, melische 'Fhongefässe T. 4. 3) Mon. dell’ Inst. III T. 34. 
4) Denkm. ἃ. ἃ. Κα. 1 T.X139. Vgl. Kirchhoff, Studien zur Gesch. ἃ. gr. Alphabets 
3. Aufl. p.31—33. 5) Rev. archeol. XII (1865) pl. 24, 25 p. 438—444; arch. Zeitg. 
1867 T. 217 p. 1—14; Fröhner, notice de la sculpture antique n. 9—11 p. 32—41. 
6) Mon. dell’ Inst. X T. 8. Vgl. oben Seite 178, Anm. 8. 7) 8. oben Seite 245, 
Anm. 9. 8) Oben Seite 178, Anm. 9. 9) Gerhard, auserl. Vasenb. III T. 237. 


10) Gerhard a. a. O0. I T. 95, 96, IV T. 323. 11) Mon. dell’ Inst. VI T. 15. 
12) Oben Seite 179, Anm. 2. 13) Gerhard a. a. O. ΠῚ T. 237. 14) Roulez, 
choix de vases peints du Musde de Leyde pl. 5. 15) Overbeck, Gal. T. 28 


n. 8; Arch. Zeitg. 1849 T. 1. Vgl. von Duhn, Ann. dell’ Inst. 1879 p.156 not. 1 
und in den Verhandlungen der 35. Philologenversammlung zu Trier p. 150. 
16) Ann. dell’ Inst. 1880 Tav. d’agg. V 1 p. 232 ff. 17) Arch, Zeitg, 1864 


XVI. Die Kosmetik. 253 


Porträtkopf.') Auch auf den ältesten attischen Gefäfsen ist sie die 
vorherrschende?); doch kommen auf einzelnen Exemplaren, wie auf der 
Frangoisvase?) und auf der Schale des Archikles und Glaukytes,*) 
schnurrbartlose und schnurrbärtige Gestalten neben einander vor.) 

Wenden wir uns nunmehr zur Betrachtung der Dorier, so ist 
die Sitte, die Oberlippe zu rasieren, für den konservativsten dorischen 
Staat, für Sparta, sicher bezeugt. Die Ephoren befehlen beim An- 
tritte ihres Amtes den Bürgern, die Schnurrbärte zu rasieren und 
den Gesetzen zu gehorchen®) — eine Nachricht, die in zwei archaischen 
Denkmälern spartanischen Fundortes, einem Thonrelief”) und einer 
Bronzefigur (Fig. 90),°) welche Krieger mit Backen- aber ohne Schnurr- 


T. 187; Overbeck, Geschichte der griech. Plastik I? p. 146 Fig. 25. In derselben 
Weise ist der Gott bisweilen auch auf bemalten Vasen dargestellt. Beispiele in 
den folgenden Anm. 2, 3 und5. 1) Monuments grecs publ. par l’association pour 
l’encouragement des etudes grecques 1878 pl. 1; Kayet, monuments de art 
antique 1 livr. 3 pl. II. 2) Z. B. Arch. Zeitg. XL (1882) T. 9 (wohl das 
älteste mit einer figürlichen Darstellung geschmückte attische Gefäls, welches 
bekannt ist): Perseus. Mon. dell’ Inst. VIII T. 55: Zeus, Hermes, Hephaistos, 
Dionysos. Benndorf, griech. u. sicil. Vasenbilder T. ΧΙ 5: Poseidon. Gerhard, 
etr. u. camp. Vasenb. T.10; Bull. dell’ Inst. 1879 p. 227, 228: die kalydonischen 
Jäger. Gerhard, etr. u. camp. Vasenb. T. 13: Odysseus und Menelaos. Roulez, 
vases de Leyde pl. 10: Theseus, Hermes, Astydamas, Minos. Bull. dell’ Inst. 1881 
p. 163, 164: Krieger, Greise, ein Reiter, zwei Kampfrichter. 3) Oben Seite 179, 
Anm. 3. Ohne Schnurrbart sind dargestellt die kalydonischen Jäger, Peleus, 
Diomedes, Aias, die Schiffsleute des Theseus und, wie es scheint, Dionysos, 
schnurrbärtig Zeus, Hermes, Hephaistos, die Seilene und Kentauren. 4) Mon. 
dell’ Inst. IV T. 59; Gerhard, auserl. Vasenb. III T. 235, 236. 5) Auch die 
jüngere schwarzfigurige Vasenmalerei zeigt Ausläufer dieser Bartbehandlung. 
2. B. Gerhard, griech. u. etr. Trinkschalen T. 4, 5: Zeus, Apoll, Hermes, Posei- 
don, Herakles und verschiedene Krieger. Elite ceram. I pl. 62: Zeus, Apoll, 
Hermes. Gerhard a. a. O. T. 2, 3: Herakles. Mon. dell’ Inst. X T. 48: Wett- 
läufer. Gerhard, etr. u. camp. Vasenb. T. 3: Kitharöd. Salzmann, necropole 
de Camiros pl. 57, 2: Männer, welche einem Gaukler zusehen. Häufig ist Hermes 
in dieser Weise dargestellt, z.B. Gerhard, auserl. Vasenb. I T. 10, 13, 17, 55, 66; 
arch. Zeitg. 1868 T. 9, 10. In der rotfigurigen Vasenmalerei dagegen finden 
sich nur vereinzelte Beispiele einer rasierten Oberlippe, z. B. bei Eurytion auf 
einer Schale des Euphronios (Mon. ined. publ. par la seetion frangaise de l’Inst. 
arch. T.16, 17. Vgl. Klein, Euphronios p.8 n. 1; 2. Aufl. p. 11 n. 1, p. 53—58) 
und an dem angeblichen Pluto bei Gerhard, auserl. Vasenb. 1 T.46. 6) Plutarch, 
Cleomenes IX: διὸ καὶ προεκήρυττον οἵ ἔφοροι τοῖς πολίταις εἰς τὴν ἀρχὴν εἶσι 
όντες, ὡς ᾿Δριστοτέλης φησί, κείρεσϑαι τὸν μύστακα καὶ προσέχειν τοῖς νόμοις, ἵνα 
μὴ χαλεποὶ ὦσιν αὐτοῖς. ΟἿ. Plutarch, de sera num. vindieta IV p. δῦθ; Proclus 
ad Hesiod. opp. 722 p. 323 Gaisf.; Rose, Aristoteles pseudepigr. p. 492. 7) Le 
Bas, voyage archeol. en Gröce pl. 105; Mittheilungen des deutschen arch. Inst. 
in Athen II (1877) p. 318 n. 19. 8) Mittheil. des arch. Inst. in Athen Ill 
(1878) T. I 2 p. 16—18. Die Verse des Antiphanes, welche das spartanische 


954 Die Tracht. 


bart darstellen, eine monumentale Bestätigung findet. Einer ähn- 
lichen Behandlung des Bartes begegnen wir auf einem archaischen 
Bronzerelief, das auf Kreta gefunden wurde.!) Unter 
den korinthischen Gefäfsen zeigen die, welche den 
altertümlichsten Eindruck machen ?) durchweg Män- 
ner mit glatter Oberlippe; der Schnurrbart kommt 
erst vor auf Exemplaren, die einer jüngeren Epoche 
anzugehören scheinen.”) Innerhalb der ebenfalls 
dorischen Gattung, deren berühmtestes Stück die 
Arkesilasschale ist,*) herrscht ausschliefslich die 
erstere Darstellungsweise.’) Endlich kommt sie auch 


Leben beschreiben (Athen. IV 143 A; fragm. com. gr. ed. 
Meineke ΠῚ p. 22), sind verdorben: 

ἀπόλαυε Tod ζωμοῦ. ῥόφει, τοὺς βύστακας 

μὴ καταφρόνει, μηδ᾽ ἕτερ᾽ ἐπιζήτει καλά, 

ἐν τοῖς δ᾽ ἐκείνων ἔϑεσιν ἴσϑ' ἀρχαϊκός. 
Die Worte „verachte nicht die Schnurrbärte‘“ sind hier ent- 
schieden unsinnig. Da sich nämlich die damaligen Athener 
die Schnurrbärte wachsen liefsen, so können die letzteren 
doch unmöglich von Antiphanes als besondere spartanische 
Eigentümlichkeit angeführt werden. Dazu schweigen die 
auf das 5. und 4. Jahrhundert bezüglichen Angaben darüber, 
dals die Spartaner Schnurrbärte getragen hätten, heben 
dagegen nachdrücklich ihre langen Kinnbärte hervor (Ari- 
stoph. vesp. 476, Lysistrat. 1073; Plato bei Meineke fragm. 
com. I 2 p. 656 n. II; Plut. Lysand. 1, Agesil. 30). Hier- 
nach scheint es, dafs sich bei ihnen die Sitte, die Oberlippe 
zu rasieren, bis zur Zeit des Antiphanes erhalten hat und dafs nach βύστακας 
ein Vers ausgefallen ist, in dem dieses Gebrauches gedacht und aufserdem auch 
eine andere Unannehmlichkeit berührt wurde, welche der nach spartanischer 
Sitte Lebende nicht verachten durfte (un καταφρόνει), ἃ. ἢ. über sich ergehen 
lassen mulste. 1) Ann. dell’ Inst. 1880 Tav. d’agg. T; Milchhoefer, die An- 
fänge der Kunst in Griechenland p. 169. 2) Mon. Ann. Bull. dell’ Inst. 1855 
T. 20. ’Mon: VITA ΧΡ 3: : Arch." Zeitg!1873 2175 Mica, tra 
T. LXXII 2. Gazette archeologique VI (1880) p. 104. Vgl. auch den Pinax bei 
Furtwängler, Berliner Vasensammlung n. 764. Bezeichnend ist es, dals zwei ur- 
alte Typen, nämlich der schlangenfülsige Gott (Elite e&ram. III pl. 31, 32 B. Salz- 
mann, necropole de Camiros pl.31. Vgl. Bull. dell’ Inst. 1874 p. 59 not. 1) und 
die bärtige harpyienartige Figur (z.B. de Longperier, Musde Napoleon IH pl. 64) 
auf korinthischen Vasen stets mit glatter Oberlippe dargestellt sind. 3) Z.B. 
Mon. dell’ Inst. VI T. 33; de Longperier, Musde Napoleon UI pl. 71, 72. Mon. 
dell’ Inst. X T. 4, 5. 4) Oben Seite 181, Anm. 4. 5) Ohne Schnurrbart: 
Arkesilas und zwei seiner Arbeiter (Welcker, alte Denkm. 1Π| T. 34), Atlas (Denkm. 
d. a. Kunst II T. LXIV 825), Zeus (Arch. Zeitung 1881 T. 12, 3. Vgl. oben 
Seite 181, Anm. 6), Herakles, die Kentäuren und zwei Zecher (Arch. Zeitg. 1881 
T.12, 1), Odysseus und Polyphem (Overbeck, Gal. T. XXXI 4. Mon. dell’ Inst. 
X T. 53, 2. Vgl. Bolte, de monum. ad Odysseam pertinentibus p. 5—7), ein 
langbekleideter Mann (Arch. Zeitg. 1881 T. 13, 5), ein Reiter (Micali, storia 


XVI. Die Kosmetik. 255 


auf den ältesten uns bekannten monumentalen Produkten der etruski- 
schen Kunst vor.') Indes reicht der Gebrauch des Rasierens auf der 
Apenninhalbinsel in eine viel ältere Epoche hinauf, da das halbmond- 
förmige Messer bereits in Schichten auftritt, welche noch keine 
Spur von überseeischen Einflüssen aufweisen.”) Doch sind wir bei dem 
Mangel bildlicher Darstellungen aufser stande zu entscheiden, ob die 
Italiker und Etrusker schon damals wie später damit die Oberlippe 
oder andere Teile des Gesichtes rasierten. 

Überdies scheint das Epos selbst Zeugnis davon abzulegen, dafs 
die Helden mit glatter Oberlippe gedacht wurden. Keine Bedeutung 
zwar möchte ich der Thatsache beilegen, dafs die homerische Sprache 
einer besonderen Bezeichnung für den Schnurrbart entbehrt und nur 
die Worte γενειάς und ὑπήνη verwendet,’) deren Etymologie auf 
den dem Kinne entspriefsenden Haarwuchs hinweist. Ebenso wenig 
durchschlagend erscheint es mir, dafs bei der Charakteristik von Greisen‘) 
nur das graue Haupt und das graue Kinn hervorgehoben werden. 
Anders steht es dagegen mit den Versen, welche schildern, wie Athene 
dem in einen Bettler verwandelten Odysseus seine ursprüngliche Ge- 
stalt wiedergiebt.’) Berührt von dem goldenen Stabe der Göttin 
gewinnt der Held seinen kräftigen dunklen Teint wieder; seine Kinn- 
backen werden voll und elastisch; ein schwarzblauer Bart entwickelt 
sich auf dem Kinne: 

κυάνεαι δ᾽ ἐγένοντο γενειάδες ἀμφὶ γένειον. 
T. LXXXVII 2), ein Jäger (Micali, mon. ined. T. XLII 1). 1) Polychromer 
Thonsarkophag aus Caere: Mon. dell’ Inst. VI T. 59; de Longperier, Musee Na- 
pol&on III pl. 90. Polychrome Ziegelplatten aus Caere: Mon. dell’ Inst. VI T. 30; 
de Lonperier a. a. 0. pl. 83. Vgl. Micali, storia T. 22, 28, 31, 51; mon. ined. 
T.36. In eine noch frühere Epoche als diese Denkmäler reichen hinauf Porträt- 
masken aus Bronzeblech, welche sich in den ältesten „tombe a ziro“ (oben 
Seite 23—24, Anm. 2) der chiusiner Nekropole an den Aschengefälsen befestigt 
finden, und die in den jüngeren „tombe a ziro“ vorkommenden, sogenannten 
Canopen ἃ. i. thönerne oder bronzene Aschengefälse, deren Deckel die Form 
von Porträtköpfen haben. Sowohl jene Masken (Museo italiano di antichitä 
classica I t.X 1 p.293) wie die Porträtköpfe der Canopen (Mus. ital. I t. VIII 
1 p. 311, t. XI 3 p. 301, t. XI 4 p. 313. Daremberg et Saglio, dietionnaire des 
antiquites p. 668 Fig. 784; Mus. ital. I p. 334) zeigen bisweilen eine rasierte 
Öberlippe. 2) Oben Seite 82—87, Seite 248, Anm. 3. 3) Od. XV1 176: 
κυάνεαι δ᾽ ἐγένοντο γενειάδες ἀμφὶ γένειον. So Aristarchos. Andere lasen ἐϑει- 
ράδες statt γενειάδες. Vgl. Lehrs, de Arist. stud. hom. 2. ed. p. 115. — 11. XXIV 
347, Od. X 278: πρῶτον ὑπηνήτῃ. 4) D. XXI Τά: ἀλλ᾽ ὅτε δὴ πολιόν TE κάρη 
πολιόν τε γένειον, αἰδῶ τ᾽ αἰσχύνωσι κύνες κταμένοιο γέροντος. XXIV 516: 
οἰκτείρων πολιόν τε κάρη πολιόν ve γένειον. Hymn. IV (in Vener.) 228: αὐτὰρ 
ἐπεὶ πρῶται πολιαὶ κατέχυντο ἔϑειραι | καλῆς ἐκ κεφαλῆς εὐηγενέος τε γενείου. 
5) Od. XV1175, 176. Auch Od. ΧΙ 319—320, wo von dem Mannbarwerden der Aloıden 
die Rede ist, wird nur des Flaumes gedacht, der sich auf ihrem Kinne entwickelt. 


256 Die Tracht. 


Erwägt man die Schärfe, welche der epischen Schilderung eigentüm- 
lich zu sein pflegt, dann mufs es auffallen, dafs der Dichter nur des 
Kinnbartes gedenkt und über den Schnurrbart schweigt, der doch 
den Typus des Gesichtes in ungleich höherem Grade bedingt, als 
jener. Dagegen ist die Schilderung vollständig zutreffend, wenn sich 
der Dichter den Odysseus mit einem Kinn- aber ohne Schnurrbart 
dachte, wie ihn der kleinasiatische Vasenfabrikant Aristonophos (oben 
Seite 252 Fig. 89)') und dorische Gefäfsmaler?) dargestellt haben. 

Ebenso wird es manchen Leser befremden, dals wie die Männer 
im homerischen Zeitalter vom Basiermesser Gebrauch machten, so 
sich die Frauen damals bereits schminkten. In einem allerdings 
verhältnismäfsig späten Gedichte?) empfiehlt Eurynome der Penelope, 
als diese ihren Eintschlufs sich den Freiern zu zeigen kundgegeben 
hat, sich vorher zu waschen und Schminke auf die Wangen zu legen.*) 
Penelope lehnt dies ab, wird aber, nachdem sie unmittelbar darauf 
eingeschlummert ist, von Athene mit dem ambrosischen Schönheits- 
mittel geschmückt, mit dem sich Aphrodite einreibt, wenn sie zum 
lieblichen Chore der Chariten geht.°) Zu diesem Schönheitsmittel 
mufs auch weilse Schminke (etwa ψιμύϑιον, cerussa, Bleiweils) gehört 
haben; denn Penelope erhält dadurch einen Teint, der weilser er- 
scheint als gesägtes Elfenbein.) Da der Gebrauch der Schminke 
bei den orientalischen Völkern in das höchste Altertum hinaufreicht?) 
und er in Etrurien bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. nachweisbar 
ist,°) so hat es nichts Auffälliges, wenn wir ihm gegen Ende des 8. 
oder zu Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr., um welche Zeit jenes 
Gedicht entstanden zu sein scheint,”) bei den Ionierinnen begegnen. 
Er steht keineswegs im Gegensatze zu der klassischen Sitte. Viel- 
mehr wissen wir, dals die Frauen in Athen und in anderen grölseren 
griechischen Städten auch während der Blütezeit ihrem Teint durch 
Schminke nachzuhelfen pflegten.!”) 


1) Oben Seite 252, Anm. 1. 2) Oben Seite 245, Anm. 5. 3) Od. XVII 
158—303. Vgl. oben Seite 2—3. 4) Dals XVII 172 ἐπιχρίσασα παρείας und 
179 ἐπιχρίεσϑαι ἀλοιφῇ nicht auf Salben, sondern auf Schminken zu deuten ist, 
hat von Wilamowitz-Moellendorff, homerische Untersuchungen p. 32 richtig er- 
kannt. 5) XVII 192: κάλλεϊ μὲν οἵ πρῶτα προσώπατα καλὰ κάϑηρεν | ἀμβροσίῳ, 
οἵῳ περ ἐὐστέφανος Κυϑέρεια | χρίεται, εὖτ᾽ ἂν iM Χαρίτων χορὸν ἱμερόεντα. 
6) 196: λευκοτέρην δ᾽ ἄρα μιν ϑῆκε πριστοῦ ἐλέφαντος. 7) Allerlei hierüber 
in Schenkels Bibel-Lexicon V p. 234. 8) Die Schäufelchen aus Elfenbein oder 
Knochen, welche sich in einem dem 6. Jahrhundert v. Chr. angehörigen caere- 
taner (Bull. dell’ Inst. 1881 p. 161 n.6, 7) und in anderen etruskischen Gräbern 
(Bull. 1883 p. 42) gefunden haben, können zu nichts anderem gedient haben als 
zum Auftragen der Schminke. 9) Wilamowitz-Moellendorff a. a. Ὁ. p. 34, 
10) Becker, Charikles I? p. 297—300. Marquardt, Privatleben der Römer Il? p. 788. 


XVI. Die Kosmetik. 257 


Hingegen tritt ein Unterschied zwischen dem homerischen und 
dem klassischen Zeitalter darin hervor, dafs während des ersteren 
das Reinlichkeitsbedürfnis nicht nur hinsichtlich des Hauses,!) son- 
dern auch hinsichtlich des Körpers weniger entwickelt war. Der 
Gebrauch des Bades erscheint im Epos als eine aufsergewöhnliche 
Handlung, der man sich vorwiegend nach gröfseren Strapazen, wie 
Kämpfen?) oder längeren Reisen,?) unterzog. Als Hera, um Zeus auf 
dem Ida zu besuchen, eine besonders sorgfältige Toilette macht, be- 
ginnt sie damit, dafs sie ihren Körper mit Ambrosia von jeglichem 
Schmutze reinigt.) Während der hellenischen Blütezeit, in welcher 
der tägliche Gebrauch des Bades Regel war, würde ein Dichter 
nımmermehr darauf verfallen sein, einen solchen Zug bei einer ähn- 
lichen Schilderung beizufügen. Nur in der idealisierenden Schilderung 
des Lebens der Phäaken?) und in einzelnen jüngeren Liedern des 
Epos®) finden sich hinsichtlich des Bades Äufserungen, welche eine 
Annäherung an die klassische Weise bekunden. 

Einen eigentümlichen Gegensatz zu dem schwach entwickelten 
Reinlichkeitsbedürfnis bildet die Vorliebe für stark riechende Parfüms. 
Hera salbt sich mit wohlriechendem Öle, dessen Duft Himmel und 
Erde durchdringt.”) Aphrodite wird auf Kypros von den Chariten 
mit dem unsterblichen Öle gesalbt, wie es den ewigen Göttern an- 
haftet.3) Wohlriechendes Öl gehörte neben Gold, Bronze, Kleidern 
und edlem Weine zu den Vorräten eines ansehnlichen Haushaltes.”) 
Man salbte sich damit nach dem Bade oder nachdem man sich ge- 
waschen.!) Als Nausikaa zum Meeresufer fährt, erhält sie von ihrer 
Mutter eine goldene Lekythos voll von Öl; sie und ihre Gefährtinnen 
salben sich damit, nachdem sie sich am Strande gebadet; das Öl- 


1) 8. oben Seite 117—118. 2). V 905, X 574 ff, XIV 6, XXII 442—444, 
XXIH 40, 44. Od. IV 252, ΧΧΙΠ 131, 142, 154. 3) Od. III 464 ff., IV 481, 
VI 219 ff., X 360—365, 450, XVII 88. Gewissermalsen als Vorbereitung zur 
Reise dieien die Bäder Od. V 264, VIII 449—456. Dals das Bad vorwiegend 
als Stärkungsmittel aufgefafst wurde, ergiebt sich im besonderen aus Od. X 360: 
ἔς δ᾽ ἀσάμινϑον ἕσασα 16᾽ ἐκ τρίποδος μεγάλοιο | ϑυμῆρες κεράσασα, κατὰ κρατός 
τε καὶ ὥμων, | ὄφρα μοι ἐκ κάματον ϑυμοφϑόρον εἵλετο γυίων. 4) Il. XIV 170: 
ἀμβροσίῃ μὲν πρῶτον ἀπὸ χροὺς ἵἱμερόεντος | λύματα πάντα κάϑηρεν, ἀλείψατο δὲ 
λίπ᾽ ἐλαίῳ, | ἀμβροσίῳ ἑδανῷ τό δά οἵ τεϑυωμένον ἦεν" | τοῦ καὶ κινυμένοιο Juög 


κατὰ χαλκοβατὲς δῶ | ἔμπης ἐς γαῖάν τε καὶ οὐρανὸν ἵκετ᾽ ἀτμή. 5) Od. 
VIII 249. 6) Od. XIX 320—322, XXIV 254—255. 7) D. XIV 171—174. 
8) Od. VIII 364—365, wiederholt hymn. IV (in Vener.) 61—62. 9) Od. II 339. 
10) Il. X 577; Od. III 466, IV, 49, 252, VIII 454, X 364, 450, XVII 88, XIX 
320, 505, XXIII 154, XXIV 366. Aus Beobachtungen, die man bei dem Bade 
machte, erklärt sich die Angabe Il. II 754, dafs sich der in den Peneios fallende 
Flufs Titaresios mit dem Wasser jenes nicht mischt, sondern oben schwimmt wie 


ΟἹ (ἠύτ᾽ ἔλαιον). 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos, 


17 


258 Die Tracht. 


fläschehen wird hierauf dem Odysseus übergeben und dieser freut 
sich darüber, nach so langer Entbehrung wieder einmal des Genusses 
der Salbung teilhaftig zu werden.') Mehrfach ist der Gebrauch, die 
Toten zu salben bezeugt.”) Patroklos pflegte die Mähnen der un- 
sterblichen Rosse des Peliden mit Öl zu tränken.?) Unter solchen 
Umständen ist es begreiflich, dafs Gemächer*) und Gewänder,?) wie 
mehrfache Epitheta bezeugen, von Wohlgerüchen durchdrungen waren 
— eine Eigenschaft, die ihre gute Seite hatte, da hierdurch Motten 
und Mäuse‘®) von den Gewändern ferngehalten und zugleich die 
üblen Gerüche paralysıert wurden, welche der Fettdampf und der 
Düngerhaufen in dem homerischen Hause verbreiten mufsten.?) 

Offenbar wurde diese Neigung der damaligen Griechen für wohl- 
riechende Salben und Öle durch orientalische Einflüsse bestimmt. Die 
Bücher des alten Testamentes bezeugen, dafs mit solchen Artikeln 
in Vorderasien von alters her ein raffinierter Luxus getrieben wurde 
und ihre Anwendung daselbst den gleichen Bedingungen unterlag 
wie bei den Ioniern des homerischen Zeitalters.) Es scheint dem- 
nach wohl möglich, dafs die kostbaren Öle, welche die Phantasie der 
epischen Dichter inspirierten, zum Teil nicht in den ionischen Städten 
hergestellt, sondern von den Phönikiern eingeführt waren.”) Die phö- 
nikischen Parfümerien haben ihren Ruf das ganze Altertum hindurch 
bewahrt und ihre Produkte wurden in grofser Menge auch zu primi- 
tiven Völkern ausgeführt. 1) 


1) Od. VI 79, 96, 219, 227. 9) Π. XVI 670, 680, XVIII 350, XXIII 186, 
XXIV 582, 587; Od. XXIV 45. 3) I. XXIII 281. 4)Il. 382: ϑαλάμῳ εὐώδεϊ 
κηώεντι. Hymn. Ill (in Mercur.) 65: εὐώδεος ἐκ μεγάροιο. --- Od. III 121: ϑαλά- 
μοιο ϑυώδεος. Vgl. Hymn. V (in Cerer.) 244, 288. — Il. VI 288, Od. XV 99: ἐς 
Pchauov κηώεντα. XXIV 191: ἐς ϑάλαμον κηώεντα κέδρινον — wo jedoch das Epi- 
theton „duftig“ vielleicht auf das Cedernholz zu beziehen ist, aus dem das Ge- 
mach aufgeführt oder womit es getäfelt war. 5) Od. V 264: εἵματα ϑυώδεα. 
Hymn. II (in Apoll. Pyth.) 6: ἄμβροτα εἴματ᾽ ἔχων τεϑυωμένα. Hymn. V (in 
Cerer.) 231: ϑυώδεϊ κόλπῳ. — 11. VI 483: κηώδεϊ κόλπῳ. — Hymn. V (in Cerer.) 
277: ὀδμὴ δ᾽ ἱμερόεσσα ϑυηέντων ἀπὸ πέπλων | σκίδνατο. --- Hymn. ΠῚ (in Mercur.) 
237: σπάργαν᾽ ἔσω κατέδυνε ϑυήεντ᾽ ... In einem Fragmente der Kyprien wird 
geschildert, wie die Chariten und Horen die Gewänder der Aphrodite in Blumen- 
düfte tauchen: Athen. XV 682e. Xenophanes bei Athen. XII 526b bezeichnet 
die Kolophonier als ἀσκητοῖς ὀδμὴν χρίμασι δευόμενοι. 0) Batrachomyom. 182. 
7) Oben Seite 117—118. 8) Salbung nach dem Bade z. B. Ezechiel 16, 9, 
Judith 10, 3. Salbung des Haares: Psalm. 133, 2. Das Unterlassen der Salbung 
ein Zeichen der Trauer: II. Sam. 14,2; Daniel 10, 3. Stark parfümierte Gewänder: 
Psalm. 45, 8. Parfümierte Bettdecken: Sprüche Salom. 7,16. Ausführlicheres hier- 
über bei Schenkel, Bibel-Lexicon V p. 674—-675. In Ägypten salbte man sich an 
Festtagen: Brugsch, Gesch. Ägyptens p. 308. 9) Vgl. Hehn, Kulturpflanzen uud 
Hausthiere 3. Aufl. p. 90, 4. Aufl. p. 84—85. 10) S. oben Seite 26, Anm. 4, 5. 


Die Tracht. 259 


Schliefslich sei hier noch darauf hingewiesen, dafs der gebundene 
Stil, der sich für die homerische Tracht ergeben hat, im besten Ein- 
klange mit der sonstigen Kultur steht. Da eine erschöpfende Be- 
handlung dieser Frage von dem mir am nächsten liegenden Zwecke 
zu weit abführen würde, so beschränke ich mich auf die Hervor- 
hebung einiger besonders schlagender Thatsachen, die jedem aufmerk- 
samen Homerleser sofort einleuchten werden und demnach keiner 
ausführlicheren Darlegung bedürfen. 

Dafs die epische Sprache, in der sich der Geist der damaligen 
Griechen am glänzendsten offenbarte, ein konventionelles Kunst- 
produkt war, wurde bereits hervorgehoben.!) Aber auch die im Leben 
übliche Rede war keineswegs eine naturwüchsige. Da die sprachliche 
Fertigkeit hoch geschätzt wurde und es als eine Hauptzierde des 
Mannes galt, wenn er sich vor der Volksversammlung, bei der Be- 
ratung und bei der geselligen Unterhaltung in dieser Hinsicht her- 
vorthat,”) so wurden schon damals die Knaben wie in den Waffen, 
so auch in der Rede unterrichtet.”) Die Weise dieses Unterrichts 
ist leider unbekannt. Doch geben die im Epos enthaltenen Reden 
und Gespräche gewils einen annähernden Begriff von dem Resultate. 
Wir ersehen daraus, dafs der mündliche Verkehr, je nach der ver- 
schiedenen Situation, durch verschiedene, typisch festgestellte Regeln 
bestimmt war. Was zunächst die Ansprache betrifft, so lassen sich 
im Epos drei Arten unterscheiden. Bei vertraulichem Verkehre und, 
wenn die Umstände möglichste Kürze empfehlen, reden die Helden 
einander einfach in der zweiten Person oder unter Beifügung des 
Namens oder Patronymikons an. Ebenso bedient sich der Vornehmere 
gegenüber Leuten niederen Ranges und der Vorgesetzte gegenüber 
seinen Untergebenen in der Regel‘) einfach der zweiten Person oder 
des Namens. Wenn dagegen Helden einander ferner stehen oder ein 
ehrendes Entgegenkommen geboten zu sein scheint, so pflegen sie 
ein Attribut wie „Göttlicher“, „Göttergleicher“, „Zeusentsprossener“, 
„von Zeus Ernährter“, „Herrlicher“, „Hochberühmter“ oder „Held“ 
(δῖος, ϑεοείκελος, διογενής, διοτρεφής. φαίδιμος, ἀγακλεής, ἥρως) ) 
beizufügen. Soll endlich eine besonders nachdrückliche Wirkung 


Die hervorragende Bedeutung, welche der Parfümerieenhandel im Orient noch 
während der römischen Kaiserzeit hatte, erhellt besonders aus dem Steuertarif 


von Palmyra: Hermes XIX (1884) p. 506—507, p. 514. 1) Oben Seite 1—2. 
2) Die Hauptstellen: Il. IX 443, XX 248—250. Od. Ill 124—125, VIII 168—175, 
XI 367—368, 511—512, XIII 298, XIV 419—420. 3) Il. IX 442: τοὔνεκά μὲ 
προέηκε διδασκέμεναι τάδε πάντα, μύϑων τε δητῆρ᾽ ἔμεναι πρηχτῆρά τὲ 
ἔργων. 4) Z. Β. Il. I 85, 322. Od. VII 180, XVI 69, XVII 345, 393, 576, 
XVII 164, 178 u. s. w. 5) Man sehe die zahlreichen Stellen in Ebelings 


Lexicon homericum u. d. W. 
17° 


200 Die Tracht. 


erzielt werden oder ist die Situation eine aufsergewöhnlich bedeu- 
tungsvolle, dann wird die Rede durch einen Hexameter eingeleitet, 
der die hervorstechendsten Ruhmestitel der Person, an welche die 
Rede gerichtet ist, in pomphafter Weise zusammenfalst. Beinahe für 
alle hervorragenderen Gestalten des Epos ist ein solcher Vers vor- 
handen, der, wo das Bedürfnis vorliegt, typische Verwendung findet. 
Freilich haben die späteren Dichter mit diesen Versen, deren pracht- 
voll wogender Gang und Wohllaut den Zuhörern imponierte, man- 
cherlei Mifsbrauch getrieben und es sind einzelne derselben auch in 
die älteren Teile des Epos an unrechter Stelle eingeschaltet worden. 
Nichtsdestoweniger aber sind die Stellen, an denen jene Verse voll- 
ständig an ihrem Platze erscheinen, zahlreich genug, um die Be- 
dingungen zu erkennen, unter denen man sich ursprünglich ähnlicher 
Anreden bediente. Einige Beispiele mögen zur Erläuterung dieses 
Sachverhaltes dienen. 

Aus begreiflichen Gründen kommen Ansprachen dieser Art häufig 
vor, wo es gilt das Wohlwollen jemandes zu gewinnen. Deshalb wird 
Hypnos von Hera, als sie ihn zu dem gefährlichen Unternehmen den 
Zeus einzuschläfern bestimmen will, angeredet:') 


Schlaf, du Herrscher der Ewigen all’ und der Sterblichen alle. 


Ebenso macht Odysseus gegenüber Alkinoos, von dessen Gunst 
sein Schicksal abhängt, reichlichen Gebrauch von der Ansprache: 


Herrscher Alkinoos, du vor allen Mannen berühmter. 5) 
Wenn derselbe als Bettler Penelope zu wiederholten Malen 
OÖ ehrwürdiges Weib des Laertiaden Odysseus 


nennt,°) so stimmt dies vortrefflich zu seiner Rolle. 

Einen verwandten Zweck verfolgen derartige Ansprachen, wenn 
sie an Personen gerichtet werden, denen man einen Wunsch abschlägt, 
einen unliebsamen Vorschlag macht oder die man zu tadeln unter- 
nimmt. So leitet Hypnos an der bereits angeführten Stelle seine 
ablehnende Antwort ein durch 


Here, erhabene Göttin, gezeugt vom gewaltigen Kronos.*) 


Euphorbos nennt den Menelaos, als er an ihn das unverschämte 
Ansinnen stellt ihm den Leichnam des Patroklos preiszugeben, 


Atreus’ Sohn, Menelaos, du Göttlicher, Völkergebieter.°) 


Als Patroklos sich anschickt dem Achill Vorwürfe zu machen wegen 


1) 11. XIV 233: Ὕπνε, ἄναξ πάντων τε ϑεῶν πάντων τ᾽ ἀνϑρώπων. 2) Od. 
VIII 382, 401, IX 2, XI 355, 378, XII 38: AAnlvos κρεῖον, παντῶν ἀριδείκετε 
λαῶν. 3) Od. XIX 165, 262, 336, 583: ὦ γύναι αἰδοίη Δαερτιάδεω Ὀδυσῆος. 
4) Il. XIV 243: Ἥρη, πρέσβα ϑεὰ, ϑύγατερ μεγάλοιο Κρόνοιο. 5) I. XVII 12: 
Argsiön Μενέλαε, διοτρεφὲς, ὄρχαμε λαῶν. 


Die Tracht. 261 


der Härte, die er gegenüber den bedrängten Achäern bekundet, 
redet er ıhn an: 
O Achill, Peleus’ Sohn, du herrlichster aller Achäer.!) 


In diesen Fällen soll die ehrende Ansprache gewissermalsen den 
Eindruck der darauffolgenden unangenehmen Mitteilung abschwächen. 
In anderen Fällen dient sie dazu, jemanden, den man vorher getadelt 
hat, zu versöhnen. Agamemnon hat Odysseus gescholten, weil seine 
Mannschaft nicht rechtzeitig zum Kampfe fertig ist und der letztere 
die Beschuldigung zurückgewiesen. Hierauf beginnt der Heerkönig 
die Rede, durch welche er seinen Tadel zurücknimmt, mit den Worten: 

Zeusentsprossner, Laertes’ Sohn, listreicher Odysseus.?) 


Vielfach dienen die rühmenden Prädikate dazu das Lob, welches 
jemandem gespendet wird, zu verstärken. So nennt z.B. Agamemnon 
den Teukros, als er ihm die Anerkennung für die von ihm bewiesene 
Tapferkeit ausspricht, 

Teukros, teueres Haupt, Telamonier, Völkergebieter.°) 


Wenn Hektor den Telamonier vor dem Zweikampfe 
Aias, Telamons Sohn, erhabener Völkergebieter 
anredet,*) so erklärt sich dies aus der gehobenen Stimmung, die ihm 
der bedeutungsvolle Moment, und aus der Achtung, die ihm sein 
Gegner einflölst. 

Bisweilen wird auch ein Held durch die ıhn verherrlichende An- 
sprache an seine Pflicht gemahnt. Athene wendet sich an Odysseus 
mit dem für ihn typischen Verse, als sie ıhn bestimmen will, der 
schmählichen Flucht der Achäer Einhalt zu thun,?) ebenso Diomedes, 
als er den vor den Troern davon eilenden Helden zum Stehen zu 
bringen versucht. ®) 

Endlich finden sich solche Ansprachen allenthalben, wo die 
Situation einen gewissermafsen offiziellen Charakter hat und die 
Redenden sich demnach bewogen fühlen den Personen, mit denen 
sie zu thun haben, alle gebührende Ehre zu erweisen. So beginnt 
Nestor die Rede, durch welche er den Heerkönig auffordert den Be- 
fehl zum Ausrücken zu geben, mit den Worten: 

Atreus’ Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon.‘). 
Besonders bezeichnend für diesen Gebrauch sind die Teile der Ilias, 
welche schildern, wie die Könige der Achäer über die an Achill ab- 
zusendende Gesandtschaft beraten,°) wie die Gesandten mit Achill 

1) Π. XVI 21: ὦ ᾿ἀχιλλεῦ, Πηλέος υἱὲ, μέγα φέρτατ᾽ "Ayaımv. 2) N. IV 
358: Διογενὲς Λαερτιάδη, πολυμήχαν᾽ Ὀδυσσεῦ. 3) N. VIII 281: Τεῦκρε, φίλη 
κεφαλὴ, Τελαμώνιε, κοίρανε λαῶν. 4) 11. VII 234: Alav διογενὲς Τελαμώνιε, 
κοίρανε λαῶν. 5) ΠΕΡῚ 173. 6) Il. VII 93. 7) I1. II 434: Argeidn κύδιστε, 
ἄναξ ἀνδρῶν Δγαμέμνων. 8) 11.1X 89—181. Hierher gehören die Verse 96 und 108, 


202 Die Tracht. 


verhandeln,!) wie sich Agamemnon und Achill in feierlicher Weise 
versöhnen.?) Die Reden, die hierbei gehalten werden, sind voll von 
einzelnen rühmenden Beiworten und beginnen beinahe regelmälsig 
mit Versen, welche die Bedeutung des angeredeten Helden hervorheben. 
Wenn demnach die Ansprache im Epos je nach der verschie- 
denen Situation verschiedenen Regeln unterliegt, so dürfen wir einen 
ähnlichen Konventionalismus auch im Verkehre des realen Lebens 
voraussetzen. Der wohl erzogene Grieche des homerischen Zeitalters 
mulste wissen, in welchen Fällen er eine Person nur mit dem Namen 
oder Patronymikon anzureden, in welchen er ein rühmendes Epitheton 
beizufügen und in welchen Fällen er seine Rede durch eine Reihe 
slänzender Titel einzuleiten hatte. Auch enthält das Epos ein schla- 
sendes Zeugnis dafür, dafs das letztere Verfahren von den damaligen 
Griechen bei bestimmten Gelegenheiten und in bewulster Weise an- 
gewendet wurde. Als es gilt die Führer der Achäer zur nächtlichen 
Beratung zusammenzubringen, sagt Agamemnon zu Menelaos: 


Rufe sie an auf dem Weg und ermuntere alle zu wachen! 
Nenn’ auch jeden nach seinem Geschlecht, mit dem Namen des Vaters, 
Rede preisend sie an und sei nicht stolz in dem Herzen.?) 


Offenbar sind hiermit die prunkhaften Anreden gemeint, die uns im 
vorhergehenden beschäftigt. Agamemnon selbst geht mit dem guten 
Beispiel voran, indem er sich gleich darauf an Nestor wendet mit 
den Worten: 

Nestor, Neleus’ Sohn, du gewaltiger Ruhm der Achäer.‘) 


Dafs derartige Ansprachen zu der natürlichen Einfachheit der klassı- 
schen Sitte im schroffsten Gegensatz stehen, liegt auf der Hand und 
findet eine schlagende Bestätigung darin, dafs sie von den späteren 
Griechen mit Vorliebe parodiert wurden. Der Geist, welcher aus 
ihnen spricht, erscheint ungleich verwandter demjenigen, der in den 
Titulaturen der Pharaonen oder der Könige von Assur herrscht, als 
der ungezwungenen Weise, in welcher ein schlichter athenischer 
Bürger oder Metöke mit dem grofsen Perikles verkehrte.’) Und un- 
willkürlich kommt man auf den Gedanken, dafs die homerische Sitte 


1) Il. IX 223—655. Man sehe die Verse 229, 308, 434, 607, 624, 644. 
2) 11. XIX 55-275. Man sehe 78, 146, 155, 199, 216. 8) I. X 67: φϑέγγεο 
δ᾽ m rev ἴἤγσϑα, καὶ ἐγρήγορϑαι ἄνωχϑι, | πατρόϑεν ἐκ γενεῆς ὀνομάζων ἄνδρα 
ἕκαστον, | πάντας κυδαίνων: μηδὲ μεγαλίξεο ϑυμῷ. 4) 11. X 87: ὦ Νέστορ 
Νηληϊάδη, μέγα κῦδος Ayaıav. 5) Allerdings redete Nikias, als es galt die 
Blokade der Syrakusaner zu durchbrechen, die einzelnen ihm untergebenen Trier- 
archen mit ihrem Namen, wie mit demjenigen des Vaters und der Phyle an 
(Thukyd. VII 69, 2). Aber zwischen dieser Weise und den pomphaften Anreden, 
auf welche das Epos schlielsen läfst, ist ein gewaltiger Abstand vorhanden. 


h 
| 


Die Tracht. 263 


in dieser Hinsicht durch die blumenreiche Sprache beeinflufst wurde, 
in welcher sich die phönikischen Kaufleute und die Führer a 
Karawanen, welche aus dem inneren Vorderasien nach der Seeküste 
gelangten, dem Wohlwollen der äolischen und ionischen Volkskönige 
empfahlen. 

Eine ähnliche Richtung, wie sie in jenen Ansprachen hervortritt, 
bedingt auch vielfach den weiteren Gang der vor gröfseren Versamm- 
lungen gehaltenen Reden. Die Helden lieben es, sich bei solchen 
Gelegenheiten gegenseitig zu rühmen, wobei sie in der Regel einen 
hochtrabenden, gewissermafsen pathetischen Ton anschlagen. Es ge- 
nügt an die Worte zu erinnern, die Nestor bei Beginn der Beratung, 
welche die achäischen Könige behufs der Versöhnung des Achill 
pflegen, an Agamemnon richtet: 


Atreus’ Sohn, ruhmvollster, gebietender Fürst Agamemnon. 
Mit dir mach’ ich das End’ und den Anfang, da du so vielen 
Völkern als Herrscher gebeutst und Zeus dir verliehen das Scepter 
Und die Gesetze, damit für ihr Wohl mit Weisheit du sorgest.') 


Auch laufen dabei starke Übertreibungen unter, wie denn Asamemnon 
zu Nestor sagt, dals, wenn er zehn dem letzteren gleiche Berater 
im Heere der eher hätte, die Stadt des Priamos baldigst fallen 
würde. ?) 

In der Unterhaltung nimmt diese die Form einer kon- 
ventionellen Höflichkeit an, einer Höflichkeit, die, wie Wilamowitz°) 
richtig bemerkt, an die in der ritterlichen Gesellschaft des Mittel- 
alters herrschende „Courtoisie“ erinnert. Telemachos, das Muster 
eines wohlerzogenen Fürstensohnes, sagt zu seinem Wirte Menelaos, 
als dieser ihn zu längerem Bleiben auffordert: 


Selber ein ganzes Jahr würde gern ich bei dir verweilen, 
Ohne dafs Sehnsucht mich nach Haus und den Eltern befiele; 
Denn mich freut es, zu horchen auf deine Red’ und Erzählung, 
Inniglich | 


Doch das Geschenk, das du giebst, ich werd’ es halten als Kleinod.') 
Überhaupt gehörte es zum guten Tone, den Personen, mit denen 
man verkehrte, angenehme Dinge zu sagen.”) Die Weise, in der 


1) Il. IX 96: Aresiön κύδιστε, ἄναξ ἀνδρῶν ’Aydweuvov, | ἐν σοὶ μὲν λήξω, 
σέο δ᾽ ἄρξομαι, οὔνεκα πολλῶν λαῶν ἐσσὶ ἄναξ, καί τοι Ζεὺς ἐγγυάλιξεν" 
σκῆπτρόν τ᾽ ἠδὲ ϑέμιστας, ἵνα σφίσι βουλεύῃσϑα. 2) Il. II 370—374. 3) Home- 


rische Untersuchungen p. 91, Anm. 3. 4) Od. IV 595—598, 600: δῶρον δ᾽ 
ὕττι κέ μοι δοίης, κειμήλιον ἔστω. 5) Ζ. B. Π. XXIII 792, 890—891, XXIV 
376—377; Od. IV 63, 160, 204—206, VI 150—169, VIII 382—384, XI 367—369, 


XIII 297298, 232, XVII 416, XIX 108 ff. 


264 Die Tracht. 


Odysseus gegenüber Kalypso seine Sehnsucht nach der Heimat ent- 
schuldigt, streift nahe an das heran, was wir Galanterie nennen: 


Zürne darum mir nicht, o Göttin. Selber ja weils ich, 

Dafs im Vergleiche mit dir die sinnige Penolopeia 
Unbedeutend in Formen und Wuchs dem Blicke sich darstellt; 
Denn eine Sterbliche ist sie und du blühst ewig in Jugend.!) 


Wie sehr die damalige ionische Gesellschaft passend angebrachte 
und wohl gewendete Komplimente zu schätzen wulste, erhellt aus 
der Befriedigung, mit der solche Äufserungen von den Personen des 
Epos entgegengenommen werden.?) 

Allerdings war jene konventionelle Stilisierung der Rede nur 
ein Firnifs. Wie das Epos deutlich erkennen läfst, geben Männer 
und Frauen dieselbe auf, wenn sie vertraulich oder leidenschaftlich 
werden, und offenbaren dann in rückhaltsloser Weise ihr individuelles 
Denken und Fühlen. Aber es ist doch für den damaligen Zeitgeist 
bedeutsam, dals es besonderer Umstände bedurfte, um die freie 
Menschlichkeit zu unmittelbarer Geltung zu bringen. Die Entwicke- 
lung, welche die Griechen von dem gebundenen Stile befreite, kam 
wie auf anderem so auch auf diesem Gebiete erst im fünften Jahr- 
hundert zum Abschlufs. 

In engem Zusammenhange mit den im bisherigen erörterten 
Erscheinungen steht die strenge Etikette, welche die Gesellschafts- 
formen beherrschte. Der Ionier des homerischen Zeitalters wahrte 
eifersüchtig seine Würde.°) Durch Rang oder Alter ausgezeichnete 
Personen hatten den Vortritt?) und Vortrunk°) vor tiefer stehenden 
oder jüngeren. Waren die Tischgenossen in Megaron versammelt 
und nahte ein vornehmer Gast, dann gebot die Sitte aufzustehen, 
ihm entgegenzugehen und den Becher darzureichen.°) Der Hausherr 
oder dessen Vertreter nahm den Gast bei der Hand und führte ihn 
zu dem für ihn bestimmten Sitze.”) Gegenüber einem weiblichen 


1) Od. V 215: πότνα ϑεά, μή μοι τόδε χώεο. οἶδα καὶ αὐτὸς | πάντα μάλ᾽, 
οὔνεκα σεῖο περίφρων Πηνελόπεια | εἶδος ἀκιδνοτέρη μέγεϑός T’ εἴσαντα ἰδέσϑαι. 
2) Z. B. D. XXIII 795. Od. ΠῚ 387. 3) Vgl. besonders Il. XVIL 567—568» 
XXIII 647—650. Od. II 53. Sehr bezeichnend ist die Genugthuung, mit der 
sich Nausikaa als Tochter des Phäakenkönigs zu erkennen giebt und über die 
Wohnung und das Leben ihrer Eltern berichtet: Od. VI 196—197, 300—309. 
4) D. IX 192, 657, XIV 134, XIX 248. Od. III 386, VIII 46, 421. 5) Od. III 
49—50. 6) I. 1 533—535, IX 193— 200, 670—671, XI 777—778, XXIII 203. 
Vgl. auch D. XVII 382—384. Od. XIV 48, XV 285—286, XVI 42. Wenn Il. 
XXIV 98—102, wo das Eintreffen der Thetis in dem Olymp geschildert wird, 
die Angabe fehlt, dafs die Götter aufstehen, so ist dies vielleicht nicht zufällig, 
da 'Thetis als Nereide einen untergeordneten Rang einnahm. 7) 1. 1X0200; 
ΧΙ 778. Od. I 130, IH 37, 416. Wenn dem Herolde des Priamos nicht von 


Die Tracht. 265 


Besuche lag ein entsprechendes Entgegenkommen der Hausfrau ob.) 
Wenn der Ankömmling ein unbekannter Fremder war, so galt es als 
guter Ton ihm zunächst zu essen zu geben und erst, nachdem er 
sich gesättigt, zu fragen, wer er sei, woher er komme, was er wolle.?) 
Telemachos und Peisistratos werden, als sie sich im Hause des 
Menelaos zur Ruhe begeben, in ceremoniöser Weise von einem 
Herolde nach dem Schlafgemache geführt;?) einen Herold giebt 
Alkinoos dem Odysseus bei, als dieser zum Strande herabgeht, um 
das Schiff zu besteigen, das ihn in seine Heimat bringen soll.*) 

Dich zu betrinken galt als anstöfsig.’) Der Dichter des dritten 
Buches der Odyssee®) berichtet mit einer Art von Grausen, dafs die 
Achäer zu der Versammlung, welche die Atriden nach der Einnahme 
von Troja einberufen hatten, betrunken kamen, während mancher 
Moderne es ganz natürlich finden wird, dafs Truppen, die nach langen, 
harten Kämpfen endlich den Sieg errungen haben, etwas über den 
Durst trinken. 

Die verheiratete Frau hatte zwar eine Stellung in der Gesell- 
schaft. Sie weilte in dem Männersaale, wenn ıhr Gatte seine Ge- 
nossen?) oder auch Fremde°) bewirtete, und war bei Opferfesten 
gegenwärtig, die von ihren Angehörigen aulserhalb des Hauses ver- 
anstaltet wurden.”) Aber auch sie unterlag einer komplizierten 
Etikette. Hochgestellte Frauen durften sich nur in Begleitung von 
Dienerinnen öffentlich zeigen.'”) Als Andromache, von Todesangst 
ergriffen, auf die Stadtmauer eilen will, um nach Hektor zu sehen, 
unterläfst sie nicht zwei ihrer Mägde zur Begleitung aufzufordern. '') 
Selbst in ihrem eigenen Hause ist Penelope, wenn sie sich in den 
Männersaal zu den Freiern begiebt, stets von zwei Dienerinnen um- 
geben.!?) Sie hält dabei das Schleiertuch neben der Wange vorgezogen’) 
— auch dies eine Anstandsregel der damaligen Zeit, über die bereits 
in unserem XIII. Abschnitte!*) das nötige bemerkt wurde. Helena ist, 
als sie den Männersaal betritt, in dem gerade ihr Gatte den Tele- 


Achill selbst, sondern von Automedon und Alkimos die Honneurs gemacht wer- 
den (Il. XIX 577—578), so ist dies offenbar aus der untergeordneten Stellung 
des Mannes zu erklären. 1) Il. XVII 389, XXIV 101. 2) Od. IH 67 fi. IV 
60—62. Erst am zehnten Tage fragt Jobates den Bellerophon nach dem Zwecke 
seiner Reise: Il. VI 175. Dieselbe Anstandsregel herrschte auch bei den Kelten: 
Diodor. V 28. Der brutale Polyphem läfst sie natürlich unberücksichtigt: Od. 
IX 251 ff. 3) Od. IV 301. 4) Od. XIII 64. 5) Od. XIV 463—466, XXI 
293— 294. Οἰνοβαρής als Schimpfwort: Π. 1 225. 6) Od. III 139. 7) Od. VI 


305, XI 335. 8) Od. IV 121. 9) Od. III 450—451. 10) Π. ΠῚ 143. 
11) Π. XXII 450. 12) Od. I 331, XVI 413, XVII 198, 207, 211, ΧΧῚ 
61, 66. 13) Od. I 334, XVI 416, XVIII 210, XXI 65. 14) Oben 


Seite 216— 218. 


200 Die Schmucksachen. 


machos und Peisistratos bewirtet, von nicht weniger als drei Diene- 
rinnen begleitet, von denen die eine der Herrin den Sessel, die zweite 
den zur Bedeckung des letzteren dienenden Teppich, die dritte das 
Spinngerät nachträgt.') Zwei Dienerinnen schlafen als Ehrenwache 
im 'Thalamos der Jungfrau Nausikaa.?) Obwohl von zahlreichen Ge- 
spielinnen begleitet, bittet die letztere doch den Odysseus nicht zu- 
gleich mit ihr die Stadt zu betreten, da es ihr übel ausgelegt wer- 
den würde, wenn sie sich öffentlich in Gesellschaft eines fremden 
Mannes zeige.?) 

Dürfte ich weiter ausholen, so könnte ich noch manche andere 
Erscheinungen verwandter Art nachweisen. Doch werden die von mir 
gegebenen Andeutungen genügen, um zu erkennen, wie stark das 
damalige griechische Leben von konventionellen Elementen durch- 
setzt war. Es ist demnach nicht zu verwundern, dals dieses Element 
auch in der Tracht zur Geltung kam; denn die Tracht ist stets mehr 
oder minder durch die Richtung bestimmt, die in der gleichzeitigen 
Kulturentwickelung den Ton angiebt. 

Es gilt nunmehr einen Blick auf die damals gebräuchlichen 
Schmucksachen zu werfen, durch die im besonderen die Erscheinungs- 
weise der Frauen einen sehr eigentümlichen und von dem klassischen 
verschiedenen Typus erhielt. 


II. Die Schmucksachen. 


Nach den Angaben, welche das Epos über den phönikischen 
Handel überhaupt?) und im besonderen über den Hormos macht, 
den ein sidonischer Schiffer der Mutter des Eumaios anbietet,?) dürfen 
wir voraussetzen, dafs die Schmucksachen, deren sich die Griechen 
während des homerischen Zeitalters bedienten, zum Teil von den Phö- 
nikiern eingeführt waren. Andererseits aber weisen mehrfache Zeug- 
nisse darauf hin, dafs derartige Gegenstände auch in den ionischen 
Städten gefertigt wurden. Die Dichter haben von der Arbeit in 
Edelmetall und den dabei zur Anwendung kommenden Werkzeugen 
und Handgriffen einen deutlichen Begriff. In Pylos giebt es schon 
einen Mann Namens Laerkes, der die Goldschmiedekunst gewerbs- 
mälsig betreibt und demnach als χρυσοχόος bezeichnet wird.°) Leider 


1) Od. IV 123—125. 2) Od. VI 18. 3) Od. VI 273 ff. 4) 5. oben 
Seite 18—19. 5) Od. XV 459—460. 6) Od. II 425: εἷς δ᾽ αὖ χρυσοχόον 
Λαέρκεα δεῦρο κελέσϑω | ἐλϑεῖν, ὄφρα βοὸς χρυσὸν κέρασιν περιχεύῃ. 482: Made 
δὲ χαλκεὺς | ὅπλ᾽ ἐν χερσὶν ἔχων χαλκήϊα, πείρατα τέχνης, | ἄκμονά τε σφῦραν τ᾽ 
εὐποίητόν τε πυράγρην, | οἷσιντε χρυσὸν εἰργάζετο" ἦλϑε δ᾽ ᾿4ϑήνη | ἱρῶν ἀντιόωσα. 
γέρων δ᾽ ἱππηλάτα Νέστωρ χρυσὸν dog’: ὁ δ᾽ ἔπειτα βοὺς κέρασιν περέχευεν | 
ἀσκήσας, ἵν᾽ ἄγαλμα ϑεὰ κεχάροιτο ἰδοῦσα. Ebenso gelobt Diomedes 1]. X 294 


Die Schmucksachen. 267 


ist die Arbeit, die der. Dichter ihn ausführen läfst, von sehr ein- 
facher Art und demnach für die Geschichte der Technik von geringer 
Bedeutung. Laerkes vergoldet nämlich die Hörner der Kuh, welche 
Nestor der Athene gelobt hat. Wenn der Dichter dieses Verfahren 
durch die Worte χρυσὸν περιχεύειν ausdrückt, so hat man hierunter 
nicht etwa Feuervergoldung zu verstehen, die, soweit meine Kennt- 
nis reicht, in der archaischen Epoche niemals zur Anwendung ge- 
kommen ist.') Vielmehr bestand das Verfahren darin, dafs das Gold 
mit dem Hammer in ganz dünne Plättchen geschlagen und diese um 
die Hörner herumgelegt wurden. Zudem hätte Laerkes, wenn er die 
Vergoldung auf flüssigem Wege ausführte, mit Feuer und Blasebalg 
arbeiten müssen. Er that dies aber nicht, sondern bediente sich des 
Ambofs, des Hammers und der Zange d.h. er legte das Goldstückchen 
auf den Ambofs, hielt es auf diesem mit der Zange fest und schlug 
es mit dem Hammer breit. Die Worte βοὸς χέρασιν περίχευεν sind 
demnach nicht zu übersetzen durch „er gols Gold um die Hörner“, 
sondern durch „er legte Gold um die Hörner“.?) Dieselbe Ausdrucks- 
weise wird in dem gleichen Sinne an zwei Stellen der Odyssee”) ge- 
braucht, welche eine höhere Leistungsfähigkeit der damaligen Gold- 
schmiedekunst bezeugen, als die soeben erörterten Verse. „Wie ein 
kundiger Mann, den Hephaistos und Pallas Athene mannigfache 
Kunst gelehrt haben, Gold um Silber lest und anmutige Werke voll- 
endet“, so verbreitet Pallas Athene Anmut über die Gestalt des 
Odysseus. Also hatten die Dichter einen deutlichen Begriff von der 
Weise, in der die Goldschmiede einen silbernen Grund durch auf- 
seschlagenes Goldplatt nüancierten — ein Verfahren, wie es z.B. an 
mehreren der bekannten phönikischen Silberschalen‘) zur Anwen- 
dung gekommen ist. In dem 18. Buche der Ilias?) endlich werden 
die Vorbereitungen, welche Hephaistos behufs der Herstellung des 
Schildes des Achill trifft, mit einer Anschaulichkeit geschildert, wie 


der Athene eine Kuh zu opfern, χρυσὸν κέρασιν περιχεύας. 1) Die Unter- 
suchung, wann die Vergoldung mit Hilfe des Quecksilbers oder Borax auf- 
gekommen ist, muls notwendig einer technischen Autorität vorbehalten bleiben. 
Theophrast (de lapid. $ 26) kennt bereits die Boraxvergoldung, Plinius (n. h. 
XXXIIU 64, 65, 92, 93) sowohl diese wie das Quecksilberverfahren: 2) Περι- 
χέευν wird auch an einer anderen Stelle, Il. XXI 319, von einem trockenen 
Stoffe, nämlich dem Sande gebraucht, χέευν I. VI 147 von den trockenen 
Blättern, D. XIX 222 von den beim Mähen fallenden Getreidehalmen, διαχέδιν 
Od. II 456 vom Zerstücken des Opfertieres, καταχέειν vom Peplos (oben 3. 204, 
Anm. 2). 3) Od. VI 232, XXIII 159: ὡς δ᾽ ὅτε τις χρυσὸν περιχεύεται ἀργύρῳ 
ἀνὴρ | ἴδρις, ὃν Ἥφαιστος δέδαεν καὶ Παλλὰς ᾿Αϑήνη, | τέχνην παντοίην, χαρίεντα 
δὲ ἔργα τελείει, | ὡς ἄρα τῷ κατέχευε χάριν κεφαλῇ ve καὶ ὥὦμοις. 4) Oben 
Seite 21, Anm. 4. 5) Besonders Vers 468—472. 


268 Die Schmucksachen. 


sie nur denkbar ist, wenn der Dichter das in einer Goldschmiede- 
werkstätte herrschende Treiben mit eigenen Augen beobachtet hatte. 

Ich beginne die Betrachtung der damals üblichen Schmuck- 
sachen mit den Busen- und Halsgeschmeiden. 


XVII. Hormos und Isthmion. 


Der Hormos'!) war nicht ein den Hals umschliefsendes Band, 
sondern fiel vom Nacken über die Brust herab und entfaltete sich 
demnach im besonderen auf der Büste. Dieser Sachverhalt ergiebt 
sich auf das schlagendste aus zwei Stellen der homerischen Hymnen. 
An der einen?) wird geschildert, wie die Horen Aphrodite „an dem 
zarten Nacken und der silberweilsen Brust“ mit goldenen Hormoi 
behängen. An der anderen’) heilst es, dafs die Liebesgöttin schöne 
soldene Hormoi um den Hals trägt und „an der zarten Brust. wie 
von Mondschein erglänzt“. Auch sind derartige auf die Büste herab- 
reichende Halsbänder auf orientalischen (Fig. 91, 92),*) altgriechischen?) 
und etruskischen‘®) Denkmälern dargestellt und entsprechende Exem- 
plare haben sich in etruskischen Gräbern gefunden, deren Inhalt Be- 
rührungspunkte mit der homerischen Kunst darbietet.’) 

Als Material der Hormoi wird Gold und Bernstein namhaft ge- 
macht.) Allerdings könnte es, da an den betreffenden Stellen nur der 


τα 


1) D. ΧΥΙΠ 401. Od. XV 460, ΧΥ͂ΠΙ 295. Hymn. hom. I (in Apoll. Del.) 


103, IV (in Vener.) 88, VI 11. 2) VI 10: δειρῇ δ᾽ ἀμφ᾽ ἁπαλῇ καὶ στήϑεσιν 
ἀργυφέοισιν | ὕὅρμοισι χρυσέοισιν ἐκόσμεον, οἷσί περ αὐταὶ ραν κοσμείσϑην χρυ- 
σάμπυλες. 3) IV 88: ὅρμοι δ᾽ ἀμφ᾽ ἁπαλῇ δειρῇ περικαλλέες ἦσαν, | καλοὶ, 


χρύσειοι, παμποίκιλοι, ὡς δὲ σελήνη  στήϑεσιν ἀμφ᾽ ἁπαλοῖσι ἐλάμπετο, ϑαῦμα 
ἰδέσϑαι. Hiermit stimmt auch die beträchtliche Länge des Hormos, welchen 
Iris der Eileithyia verspricht in dem Hymn. hom. 1103: μέγαν ὅρμον, χρύσεον, 
ἠλέκτροισι ἐερμένον, ἐννεάπηχυν. 4) 2. B. an einem chaldäischen Idol der 
Istar: Heuzey, les figurines du Louvre pl. Il; Perrot et Chipiez, hist. de Yart I 
p. 82 Fig. 16. An kyprischen Astartefiguren: Cesnola-Stern, Cypern T. 50, 3 
p. 235 (hiernach unsere Fig. 91), T. 45. Gerhard, ges. akad. Abhandlungen 
T. XLVII. Eine kyprische Votivfigur mit 3 Hormoi: Perrot et Chipiez a. a. O. 
III p. 257 n. 196; hiernach unsere Fig. 92. 5) So an einer archaischen Frauen- 
figur aus Kameiros: Salzmann, necropole de Camiros pl.15. An einem thönernen 
weiblichen Idol aus Tanagra: Heuzey, les figurines du Louvre pl. XVII 4. 
Sicilisches Idol mit drei Hormoi: Kekule, die Terracotten von Sicilien T. I 1. 
Eine der Moiren mit einem Hormos auf der Frangoisvase: Oben Seite 201 Fig. 54. 
Der Hormos, den Eriphyle auf einer korinthischen Vase (Mon. dell’ Inst. X 
T. IV, V A) in der Hand hält, hat eine Länge, die beinahe einem Drittel der 
Körperhöhe entspricht, ebenso der von einer Leidtragenden gehaltene auf einem 
anderen korinthischen Gefäfse (Ann. dell’ Inst. 1864 Tav. d’agg. OP). 6) Micali, 
mon. ined. T. XXVI3. 7) Z. B. Grifi, mon. di Cere T. II 2, 3; Mus. gregor. 
I T. LXVU 3—5, T. LXXVIH 1. Mon. dell’ Inst. VI T. XLVIb. Mus. gregor. I 
T. LXXR 5, ΤΙ σὲ 8) Od. XV 460: γρύσεον ὄρμον ἔχων, μετὰ δ᾽ 


XVII. Hormos und Isthmion, 269 


Dativ ἠλέχτροισι vorkommt, zweifelhaft scheinen, ob darunter 
Silbergold oder Bernstein zu verstehen ist.) Doch nötigen in die- 
sem Falle sprachliche wie archäologische 
Gründe zu der Annahme des letzteren. 
Erstens nämlich steht das Wort Gold an 
jenen Stellen im Singular, ἠλέχτροισι da- 
gegen im Plural. Es fehlt aber an jeglicher 
Analogie dafür, dafs der Name eines Me- 
talles, im Plural gebraucht, Stücke des 
betreffenden Metalles bezeichnen könne. 
Hingegen ist dieser Gebrauch bei einem 
den Bernstein bezeich- 
nenden Worte vollstän- 
dis logischh da das 
fossile Harz eben in 
Stücken gefunden wird. 
Zweitens würde die 
Zusammenstellung von 
Gold und Silbergold, 
da sich das letztere 
von dem ersteren nur 
durch eine etwas blas- 
sere Farbe unterschei- 
det, keinen dekorativen 
Effekt erzielt haben, 
wogegen sich der Bern- 
stein vermöge seiner 
dunkelroten oder brau- 
nen Farbe und vermöge 
seiner Durchsichtigkeit 
in der wirksamsten 
Weise von umgebendem 
Golde abhebt. Endlich 
haben sich auch in alt- 
etruskischen Gräbern 
Busengeschmeide ge- 
funden, die aus Gold und Bernstein zusammengesetzt sind.?) Das hervor- 


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Fig. 92. 


ἠλέκτροισι ἔερτο. XVII 295: ὅρμον δ᾽ Εὐρυμάχῳ πολυδαίδαλον αὐτίχ᾽ Evsınev | 
χρύσεον, ἠλέκτροισιν ἐερμένον, ἠέλιον ὥς. Hymn. hom. I 103 (oben Seite 268, 
Anm. 3). Vgl. Lepsius, die Metalle in den aegyptischen Inschriften (Abhand- 
lungen der Berl. Ak. ἃ. Wissenschaften 1871 phil.-hist. Klasse) p. 129—143, 
1) Vgl. oben Seite 106—107. 2) Z.B. Grifi, mon. di Cere T. ΠῚ 3; Mus. gregor, 


9210 ᾿ Die Schmucksachen. 


ragendste Exemplar dieser Art, aus einem mehrfach erwähnten caere- 
taner Grabe stammend,!) besteht aus ovalen Stücken Bernsteins, deren 
Längendurchmesser etwa 6 Centimeter beträgt; sie sind um die 
Peripherie herum in goldene Streifen gefalst, auf denen ein in 
Punktierarbeit (lavoro a granaglia) ausgeführter Mäander angebracht 
ist (Fig. 93). 

Es begreift sich leicht, dafs das Hellenentum der Blütezeit ein 
derartiges Geschmeide, welches die klare Entwickelung der Formen 


der Büste beeinträchtigte, verwarf und nur ein schmales, eng an 
dem Halse anliegendes Band zuliefs. 

Dagegen scheint das Isthmion?) ein Urahn des klassischen Hals- 
bandes gewesen zu sein. Da nämlich das Substantiv loduög, aus 
dem ἔσϑμιον gebildet ist, einen engen oder schmalen Gegenstand 
und unter anderm auch den Hals, die Kehle, den Schlund?) be- 
zeichnet, so stimmt dies mit der Auffassung der alten Erklärer,?) 


I T. LXVO 3—5, T. LXXVI 1. Ein Halsband, zusammengesetzt aus silbernen 
Cylindern und aus Perlen aus Elektron (ἃ. 1. der Legierung) und Bernstein, gefunden 
bei Tarquinii: Mon. dell’ Inst. X T.XXIIP6 (Ann. 1875 p. 225 n.6), ein anderes 
ähnliches aus Caere: Bull. 1874 p. 56 n. 3. 1) 'Grii, mon. .di Cere’T. II 3; 
Mus. gregor. I T. LXVII 3—5, T. LXXVII 1; unsere Fig. 93. Vgl. oben Seite 30, 
Anm. 5 und Seite 91—93. 2) Od. XVII 300: ἴσϑμιον ἤνεικεν ϑεράπων περι- 
καλλὲς ἄγαλμα. 3) Galen, comm. in. aphorism. Hippocratis XXVI (Vol. XVII 2 
p. 632 Kühn): παρίσϑμια φλεγμονὰς τῶν κατὰ τὸν ἰσϑμὸν χωρίων. ἀκούειν δὲ 
νῦν ἰσϑμὸν χρὴ τὸ μεταξὺ τοῦ στόματός τε καὶ τοῦ στομάχου μόριον ἃ. 1. den Teil 
zwischen Mund und Kehle. Die Schol. Od. XVII 300 und Eustath. p. 1847, 44 
erklären ἐσϑμός durch τράχηλος. 4) Schol. Od. XVII 300: ἔσϑμιον) ἰσϑμὸς ὁ 
τράχηλος. ἴσϑμιον οὖν περιτραχήλιον κόσμον περιπεπλεγμένον, οὐ μέντοι κοσμή- 


XVII. Die Ohrringe. 271 


dafs das Isthmion nicht wie der Hormos auf die Brust herab- 
gehangen, sondern den Hals umgeben habe. Zudem gehört ein dem 
Umfange des Halses entsprechender entweder glatter oder geriefelter 
Metallreif in dem südlichen Europa (Fig. 94)!) wie im Norden?) zu 
den ältesten Schmucksachen und es spricht demnach nichts dagegen 
der homerischen Epoche ein solches Halsband zuzuschreiben. 


XVIII. Die Ohrringe. 


Mit der Erklärung der Epitheta der Ohrringe, der ἕρματα τρί. 
yAnva μορόεντα.) haben sich schon die alten Grammatiker in sehr 
eingehender Weise beschäftigt. Die einen schrieben τρίγληνα 
"wogdevre oder τρίγλην᾽ ἀμορόεντα und legten dem letzteren Adjek- 
tive die Bedeutung „unverwüstlich“ bei,*) wonach dasselbe einem 


ματά τινὰ ἐκκρεμάμενα, καὶ ἄλλως. περιτραχήλιον, ἔνϑεν καὶ παρίσϑμια. διαφέρει 
δὲ τοῦ ὅρμου. τὸ μὲν γὰρ προσέχεται τῷ τραχήλῳ, 6 δὲ ὄρμος κεχάλασται. Vgl. 
Eustath. p. 1847, 49—51. 1) Bronzene Reifen dieser Art finden sich auf der 
Apenninhalbinsel bereits in vorhellenischen Schichten (oben Seite 83—88) z. B. 
in der Nekropole von Villanova: Gozzadini, di un sepolcreto etr. scop. presso 
Bologna T. VII 28. Ein Exemplar aus Oppeano (bei Verona): Bull. di paletn. 
ital. IV T. VII 1 p. 118. Andere aus Bismantova: Bull. di paletn. ital. ὙΠ] 
T. VI1, 2 (unsere Fig. 94 nach n. 1 in °/, der Originalgrölse). Eines aus Caere: 
Mon. dell’ Inst. X T. XXIII® 1. Ausführlichere Zusammenstellungen im Bull. di 
pal. IV p. 118—120, VIII p. 122—124. Vgl. auch Friederichs, kleinere Kunst 
p. 124 n. 533— 535%. Übrigens sind mit ähnlichen Halsbändern auf etruskischen 
Denkmälern auch männliche Figuren ausgestattet: z. B. Gerhard, etruskische 
Spiegel I T. 74, T. 83. Vgl. Stephani, Compte-rendu 1874 p. 173. Goldene 
Exemplare kommen häufig in skythischen Gräbern des südlichen Rufslands vor: 
Antiquites du Bosphore eimmerien pl. VIII 1, 2 (n. 1 aus einem Krieger-, ἢ. 2 
aus einem Frauengrabe); Stephani, Compte-rendu 1876 pl. IV 6 p. 156, 1877 
pl. II 6 p. 224 (vgl. 1876 p. XVII), 1877 p. 221, Anm. 1 (vgl. 1876 p. XX) — 
alle diese aus Männergräbern; Recueil d’ant. de la Scythie publi& par la comm. 
imp. archeologique, livr. 2 (St. Petersbourg 1873) pl. XXXVII 2, 4, 7, 9, wo- 
von n. %2 einen weiblichen (vgl. p. 107), n. 4 und 9 einen männlichen Leichnam 
(p. 110, p. 90) schmückten. Ein bronzenes Exemplar an einem männlichen Leich- 
name: Recueil d’ant. de la Scythie p. 102. 2) Z. B. von Sacken, Grabfeld 
von Hallstatt T.XVI 22. Lindenschmit, Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit 
Bd. I Heft VII T. 5. Friederichs, kleinere Kunst p. 122 n. 527—532. Bekannt- 
lich gehört dieser Gattung auch die gallische Torques an. 3) I. XIV; 182: 
ἐν δ᾽ ἄρα ἕρματα ἧκεν düronrosı λοβοῖσιν | τρίγληνα μορύόεντα᾽ χάρις δ᾽ ἀπελάμ- 
nero πολλή. Od. XVII 297: ἕρματα δ᾽ Εὐρυδάμαντι δύω ϑεράποντες ἕνεικαν | 
τρίγληνα, μορόεντα᾽ χάρις δ᾽ ἀπελάμπετο πολλή. — Bei den ἄνϑεμα benannten 
Ohrringen der Aphrodite (Hymn. hom. VI 8: ἐν δὲ τρητοῖσι Aoßoicıw | ἄνϑεμ᾽ 
ὀρειχάλκου χρυσοῖό τε τιμήεντος) hat man offenbar an Ohrringe mit rosettenartig 
stilisierten Blumen zu denken, ähnlich denen, mit welchen zwei archaische 
attische Marmorköpfe (Ἔφημ. ἀρχαιολ. 1883 T. 5, 6) ausgestattet sind. 4) Schol, 
N. XIV 183; Apollon. lex. hom. p. 113, 30 Bekker. 


>12 Die Schmucksachen. 


anderen homerischen Beiworte, nämlich ἄφϑιτος, entsprechen würde. 
Aristarchos dagegen las τρίγληνα μορόεντα und erklärte das zweite 
Adjektiv durch „mühsam gearbeitet“.!) Doch sind beide Erklärungen 
unhaltbar, die erstere, weil bei einem aus μόρος und dem « priva- 
tivum gebildeten Adjektive die Endung osıg ohne Analogie dastehen 
würde, die letztere, weil μόρος das Geschick und im besonderen das 
unheilvolle Geschick, den Untergang, aber niemals Mühe oder Sorg- 
falt bedeutet.”) Unter den Erklärungsversuchen der Modernen ver- 
dient im besonderen ein Vorschlag von Ernesti?) Beachtung. Dieser 
Gelehrte leitet μορόεντα von dem Substantive μόρον ab, welches die 
Brombeere und die Maulbeere bezeichnet, und schliefst demnach auf 
Ohrringe, die mit beerenartigen Ornamenten, etwa geschnittenen 
Steinen von dunkler Farbe, verziert gewesen wären. Vom sprach- 
lichen Standpunkte läfst sich hiergegen nichts einwenden. Ebenso 
ist ein beerenartiges Ornament an einem goldenen Ohrringe recht wohl 
denkbar. Nur wäre dabei der Gedanke an Edelsteine auszuschliefsen, 
da sich in dem Epos keine Hindeutung auf einen derartigen Schmuck 
findet.*) Was ferner das Epitheton τρίγληνα betrifft, so vermutete 
Apion,?) es bedeute „wert den Augapfel (yAyvn) zu beschäftigen“ 
wobei die Dreizahl, wie öfters, in verstärkendem Sinne aufzufassen 
wäre. Doch widerspricht dieser Vermutung der Umstand, dafs das 
Wort eines verbalen Bestandteiles, welcher den Begriff des Ein- 
wirkens ausdrückt, entbehrt. Ungleich glaublicher dagegen scheint 
die von Heliodoros°®) vertretene Ansicht, dafs die Ohrringe mit drei 
an Augäpfel erinnernden Ornamenten versehen waren. ToiyAnva würde 
dann dem Substantive τριόττιον oder τριοττίς entsprechen, mit dem 
die Attiker eine bestimmte Gattung von Ohrgehängen bezeichneten 
und das Eustathios,”) vermutlich nach dem Vorgange des Heliodoros, 
ausdrücklich als Analogon anführt. Nur als ein Kuriosum sei noch 
die Ansicht eines alten Erklärers erwähnt, die dahin lautete, dafs 
die Verzierung der Ohrringe in den Figuren der drei Chariten be- 
standen hätte.°) Als Grundlage diente offenbar ein Vers der Ilias,”) 
in welchem γλήνη in der Bedeutung „Mädchen“ gebraucht ist. Hier- 


1) Schol. Od. XVII 298; Eustath. I. XIV 183 p. 964, 40; Lehrs de 
Aristarchi stud. hom. 2. ed. p. 152. 2) Vgl. Goebel, de epithetis hom. in δὶς 
desinentibus p. 35—36. 3) Vgl. Heyne, Homeri carmina VI p. 562. 4) Vgl. 
oben Seite 59. 5) Apollon. lex. hom. p. 154, 26; Hesych. s. v. τρίγληνα. Schol. 
N. XIV 183. Eustath. I. XIV 183 p. 964, 36. 6) Apollon. lex. hom. p. 154, 
24. Schol. Il. XIV 183, Od. XVIII 298. Eustath. Il. XIV 183 p. 964, 38. 7) Zu 
Il. XIV 183 p. 964, 38. Vgl. Pollux onomast. V 98: τριοπὶς δὲ ὕρμου εἶδος, 
τρεῖς ὥσπερ ὀφϑαλμοὺς χρεμαστοὺς ἔχοντος, wo für τριοπίς vielleicht τριοττίς zu 
lesen ist. 8) Schol. Π, XIV 183. Kustath. p. 964, 38 ff. 9) VIII 164. 


XVII. Die Ohrringe. 213 


aus schlofs der Grammatiker, τρίγληνα könne „mit drei Mädchen- 
figuren versehen“ bedeuten. Veranlafst durch die Dreizahl wie 
durch den Umstand, dafs auf τρίγληνα μορόεντα die Worte χάρις δ᾽ 
ἀπελάμπετο πολλή folgen, verstieg er sich dann zu der weiteren Ver- 
mutung, die angenommenen drei Mädchenfiguren seien die der Cha- 
riten gewesen. Eine so abenteuerliche 
Kombination bedarf keiner besonderen 
Widerlegung. Es genügt darauf hinzu- 
weisen, dafs sich die mythologische Dar- 
stellung während des homerischen Zeit- 
alters eben erst zu entwickeln anfing, 
dafs also eine ornamentale Verwendung von Götterfiguren in dieser 
Periode undenkbar ist. 

Unter den erhaltenen antiken Ohrgehängen kenne ich nur zwei 
Gattungen, welche sich zur Veranschaulichung der beiden Epitheta 
benutzen lassen. Es ist dies einerseits der Typus, den die italienischen 
Antiquare wegen seiner an einen gewölbten Koffer erinnernden Form 
„orecchino a baule“ zu benennen pflegen (Fig. 95, 96).1) An dem 
vorderen Rande sind nämlich öfters in gleichmäfsigen Entfernungen 
von einander drei goldene Kugeln angesetzt — eine Verzierung, welche 
an das Epitheton τρίγληνα d.i. „mit drei Augäpfeln versehen“ er- 
innert. Die Wölbung der Goldplatte ferner ist mit kugel- oder linsen- 
förmigen Ornamenten bedeckt, die, zumal wenn sie, wie es häufig 
der Fall ist, einen Überzug von Goldkörnchen (lavoro a granaglia) 
haben, in der That den Vergleich mit Brombeeren oder Maulbeeren 
nahe legen und somit dem Epitheton μορόεντα entsprechen. Jeden- 
falls ist dieser Typus sehr alt; denn ein Paar solcher Ohrringe fand 
sich in einem caeretaner Grabe, dessen Inhalt an bemalten Vasen 
spätestens auf das Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. hinweist.?) 

Doch ist aufser diesem Typus noch ein anderer?) zu berück- 
sichtigen, der sich, soweit gegenwärtig unsere Kenntnis der Funde 


1) Verschiedene Varianten dieses Typus sind abgebildet im Museo gre- 
gorian. I T. LXXI (1. und 2. Reihe von oben) und T. LXXIV (vorletzte Reihe 
von unten). Unsere Fig. 95 und 96 geben zwei bei Cervetri gefundene Exem- 
plare (Sammlung Augusto Castellani) in natürlicher Grölse wieder. 2) Bull. 
dell’ Inst. 1881 p. 160. Vielleicht noch etwas älter ist das in einer vulcenter 
„Tomba a fossa“ (vgl. oben Seite 22—23) enthaltene Paar: Bull. 1831 p. 245. 
Ein anderes Paar dieses Typus fand sich in einem orvietaner Grabe, in dem 
während des 5. Jahrhunderts v. Chr. mehrfache Beisetzungen erfolgten (Bull. 
1881 p. 272), drei Exemplare in der obersten Schicht der Nekropole von Visen- 
tium (Capodimonte am Bolsener See), einer Schicht, die spätestens bis zur Mitte 
des 5. Jahrhunderts v. Chr. herabreicht (Bull. dell’ Inst. 1886 p. 23). 3) Ver- 
schiedene Varianten dieses Typus im Mus. gregor. I T. LXXI (in den vier 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 18 


914 Die Schmucksachen. 


reicht, bis hoch in das 5. Jahrhundert hinauf verfolgen läfst (Fig.97,98).') 
An dem Reifen sind neben einander zwei vertikal herabreichende 
goldene Linsen angelötet, während eine dritte Linse in den Zwischen- 
raum eingreift, den ihre Peri- 
pherieen unten offen lassen.?) 
Nichts lag näher als diese 
Linsen, deren Dreizahl, wenn 
der Ohrring von vorn oder 
von hinten betrachtet wurde, 
sofort in die Augen springen 
mulste, mit drei Augäpfeln zu 
vergleichen. . Andererseits ist an der unteren Peripherie jeder dieser 
Linsen eine aus Goldkügelchen zusammengesetzte Pyramide angebracht, 
deren Struktur an die kugelförmigen Schwellungen der Beeren. er- 
innert, auf die das Epitheton μορόεντα hinweist. 


Fig. 97. 


XIX. Die Heftnadeln. 
(περόνη. πόρπη. Ever.) 

Der (Gegenstand, welcher auf Deutsch Heft- oder Sicherheits- 
nadel, auf Lateinisch fibula heifst, wird im Epos durch die Worte 
περόνη. πόρπη und Evern bezeichnet. 

Die einfachsten und am häufigsten vorkommenden Typen der anti- 
ken Heftnadel bestehen bekanntlich aus Bügeln, welche auf der einen 
Seite in eine biegsame Nadel, auf der anderen in einen Haken oder 
Kanal auslaufen, der die Nadel aufnimmt, nachdem sie durch das zu festi- 
sende Gewand durchgesteckt worden ist. Die Andeutungen, welche das 
Epos über die περόνη giebt, lassen deutlich auf ein derartiges Utensil 
schliefsen. Dafs die περόνη mit einer Nadel versehen war, ergiebt 
sich aus der Spottrede, welche Athene gegen die von Diomedes ver- 


untersten Reihen) und T. LXXII (in den drei untersten Reihen). 1) Fig. 97 
nach Mon. dell’ Inst. VI T.XLVId; Fig. 98: ein bei Cervetri gefundenes Exemplar 
in der Sammlung Augusto Castellani. Die Exemplare Mon. dell’ Inst. VIT.XLVId 
und T. XLVII g, g* fanden sich in einem cornetaner Grabe zusammen mit 
elfenbeinernen Inkrustationen von hocharchaischem Stile, die in den Mon. dell’ 
Inst. VI T. XLVI 1—4 publiziert sind (vgl. oben Seite 41—42), und mit einem 
rotfigurigen Krater, über den wir leider nichts näheres wissen: Ann. dell’ Inst. 
1860 p. 473. Ein anderes Exemplar desselben Typus stammt aus einem 
bereits Seite 273, Anm. 2 erwähnten, orvietaner Grabe: Bull. dell’ Inst. 1881 
p. 272. 2) So der einfachste Typus dieser Gattung: Mon. dell’ Inst. VI 
T. XLVId; unsere Fig. 97. Bisweilen erscheint die Zahl der Linsen vermehrt: 
z. B. vier an unserer Fig. 98, fünf an einem cornetaner (Mon. dell’ Inst. VI 
T. XLVU g*), mindestens sieben an einem bei Kurion auf Kypros gefundenen 
Exemplare (Cesnola-Stern, Cypern T. 54). 


ἀν ΣΧ Δ[ 


rim 


XIX. Die3Heftnadeln. 275 


wundete Liebesgöttin führt. Sie sagt, Aphrodite habe einer Achäerin 
Liebe zu einem Troer einflöfsen wollen und sich, indem sie dieselbe 
geliebkost, an einer goldenen περόνη geritzt.!) Zu wiederholten Malen 
wird die περόνη als Gewandhalter angeführt.?) Ja es ist aus diesem 
Substantive schon ein Verbum περονάω gebildet, welches das Fest- 
stecken des Gewandes?) und im übertragenen Sinne das Durehbohren 
mit dem Speere‘) bezeichnet. Von den περόναι des Peplos, den An- 
tinoos der Penelope schenkte, heifst es, dafs sie mit #Anidsg ἐὔΐγναμπτοι 
versehen waren.’) Offenbar hat man hierunter, wie bereits die alten Er- 
klärer richtig erkannten) die zur Aufnahme der Nadelspitzen bestimm- 
ten Haken oder Kanäle zu verstehen. Da nämlich das Substantiv κληΐς 
in der homerischen Sprache nicht lediglich den Schlüssel, sondern auch 
andere zum Auf- oder Abschliefsen dienende, hakenartige Gegenstände 
bezeichnet,’) so scheint es ganz natürlich, dafs dieses Wort auch 
auf die die Nadelspitze der Fibula einschliefsende Hülse übertragen 
wurde. Zudem palst das Epitheton „wohl gekrümmt“ auf keinen 
Teil der Fibula so gut als auf das gebogene Metallblech, aus dem 
die Kanäle bestanden. Andererseits entspricht es dem Geiste der 
epischen Schilderung, wenn der Dichter nicht die Nadeln, sondern 
die zu ihrer Bergung bestimmten Kanäle hervorhebt, da die letzteren 
viel nachdrücklicher auf das Auge wirkten als die zum gröfsten Teile 
durch sie verborgenen Nadeln. 

Eine andere Bezeichnung für die Heftnadel ist πόρπη. Wenn 
Doederlein?) annimmt, πόρπη bedeute den schnallenartigen Teil, περόνη 
dagegen die Nadel der Fibula, so ist diese Unterscheidung zwar 
etymologisch richtig,'!") aber dem praktischen Gebrauche fremd. Die 


1) D. V 424: τῶν τινὰ καρρέξουσα ᾿ἡχαιϊάδων εὐπέπλων πρὸς χρυσέῃ 
περόνῃ καταμύξατο χεῖρα ἀρανήν. 2) Od. XVII 293, XIX 220 ff, 256. 3) Π.Χ 
133, XIV 180. 4) Il. VII 145, XII 397. Für den späteren Sprachgebrauch 
sind im besonderen Sophokles O.R. 1265 ff., Euripides Phoen. 805, Herodot V 87 
zu vergleichen. 5) Od. XVII 293: ἐν δ᾽ ἄρ᾽ ἔσὰν περόναι δυοκαίδεκα πᾶσαι] 
χρύσειαι, κληΐσιν ἐὐγνάμπτοις ἀραρυῖαι. Vgl. oben Seite 203. 6) Schol. Od. 
XVII 294: κληϊσιν) καταλλεῖσιν, εἰς ἃς καϑίεσαν τὰς περόνας. Ebenso Eustath. 
Ῥ. 1847, 35—37. 7) Die Thürriegel: I. XXIV 455, Od. 1442. Das Schlüssel- 
bein: Il. V 146, 579, XVII 309, XXI 117 (nach Eustath. zu Il. V 144 p. 403, 
89... 40 ἀπὸ τοῦ κλείειν καὶ συνδεῖν ὦμον καὶ αὐχένα καὶ νῶτον). Die Vor- 
richtungen, mit denen man die Ruder umgab, um ihr Abgleiten zu verhindern: 
Grashof, das Schiff bei Homer und Hesiod p. 19—20; Doederlein, hom. Glossa- 
rium III p. 119. 8) Hephaistos schmiedet Il. XVII 401: πόρπας re γναμπτάς 
9 ἕλικας κάλυκάς τε καὶ ὅρμους. Hymn. hom. IV (in Venerem) 102 ff. (Anchises 
entkleidet die Aphrodite): κόσμον μέν ol πρῶτον ἀπὸ χροὸς εἷλε φαεινὸν, | πόρπας 


τε γναμπτάς 9’ ἕλικας κάλυκάς τε καὶ ὕρμους. 9) Homerisches Glossarium | 

p. 242—243 n. 374, II p. 126 n. 650. 10) Studniezka, Beiträge zur Geschichte 

der altgriechischen Tracht p. 113 Anm. 66 weist mit Recht darauf hin, dals 
18* 


210 Die‘ Schmucksachen. 


alten Grammatiker erklären bald πόρπη durch περόνη. bald περόνη 
durch πόρπη und das eine wie das andere Wort durch den Hinweis 
auf das lateinische fibula.') Hierzu kommen noch bestimmte Stellen, 
welche beweisen, dafs πόρπη die Nadel einbegreift. In der Hekabe 
des Euripides?) nämlich stechen die Troerinnen dem Polymestor mit 
ihren πόρπαι die Augen aus und der Prolog der Phönissen’) läfst 
den Oidipus die Blendung ebenfalls mit aus Gold getriebenen πόρπαι 
vollziehen. Die letztere Stelle liefert uns zugleich einen weiteren 
Beleg für die Identität dieser Gegenstände mit den περόναι, indem 
an einer anderen Stelle derselben Tragödie,*) wie in dem König 
Oidipus des Sophokles,°) dasselbe Utensil περόνη genannt wird. 
Ebensowenig haltbar ist eine von den alten Lexikographen°®) an- 
geführte Annahme, die περόνη sei eine Nadel, welche das Gewand 
auf der Schulter, die πόρπη dagegen eine solche, welche dasselbe auf 
der Brust zusammenhalte; denn Huripides?) gebraucht das Wort 
πόρπαμα für ein an der Schulter zusammengestecktes chlamysartiges 
Gewand. 

Wenn endlich Gerlach®) vermutet, περόνη und πόρπη hätten 
sich durch Form oder Grölse unterschieden und das erstere häufiger 
vorkommende Wort bezeichne den gebräuchlichsten Typus, nämlich 
die kleine mit glattem Bügel versehene Fibula, das letztere einen 
anderen von grölseren Dimensionen, etwa die Spiralbrosche, über die 
im folgenden Abschnitte die Rede sein wird, so fehlt es an jeglichem 
Grunde für diese Annahme. Was die Spiralbrosche betrifft, so wird 
sich vielmehr die Wahrscheinlichkeit ergeben, dafs sie mit den home- 
rischen ἕλικες zu Identifizieren ist. 

Aufser durch περόνη und πόρπη wurde die Heftnadel auch durch 
das Substantiv &vern bezeichnet.”) 

Wie ein Blick auf jede einigermalsen vollständige Sammlung 
antiker Metallarbeiten lehrt, hatte die Heftnadel im Altertum die 
verschiedenartigsten Formen.'’) Es gilt demnach zu untersuchen, ob 


das πόρπη nächstverwandte Wort πόρπαξ die halbkreisförmige Handhabe des 
Schildes bedeutet. Also verhalten sich περόνη und πόρπη ähnlich zu einander 
wie die deutschen Synonyme Heftnadel und Spange. 1) Suid. περόνη" πόρπη. 
Derselbe: πόρπη ἡ παρὰ Ῥωμαίοις φίβλα. Hesych. περόναι" πόρπαι. Etym. m. 
p. 665, 31; p. 683, 40. Phot. πόρπη: pißAe. 2) 1170. 3) 60. 4) 805. 
5) 1269. 6) Pollux VII 54. Οὗ Hesych. und Phot. s. v. σχιστός.Ἡ 7) Elektra 
820. Aufserdem würden die ἐπωμίαι περόναι bei Lucian. Amor. 44 einen 
unerträglichen Pleonasmus enthalten. 8) Philologus XXX (1870) p. 498. 
9) 11. XIV 180: χρυσείῃς δ᾽ ἐνετῇσι κατὰ στῆϑος περονᾶτο. Vgl. oben S.200—203. 
Das von ἐνέημι „einlassen, einstecken“ gebildete Wort findet sich nur noch bei 
Kallımachos Fragm. 194. Vgl. Callimachea ed. Schneider II p. 417—418. 
10) Eine lehrreiche Zusammenstellung der wichtigsten Typen findet man bei 
Montelius, Spännen frän Bronsäldern, Stockholm 1880—1882. 


XIX. Die Heftnadeln. 277 


sich hinsichtlich der während des homerischen Zeitalters üblichen 
Typen Näheres feststellen läfst. 

Wenn Athene spottweise sagt, die von Diomedes verwundete 
Liebesgöttin habe sich an einer goldenen περόνη geritzt,!) so beweist 
dies die Existenz einer Fibula, bei der die Nadelspitze offen lag, 
wogegen eine Stelle der Odyssee?) auf eine andere Konstruktion 
schliefsen läfst. Der Dichter schildert die goldene περόνη. mit der 
Odysseus, als er gegen Troja auszog, seine purpurne Chlaina zu- 
sammensteckte. Sie war mit doppelten Röhren (αὐλοῖσιν διδύμοισι) 
versehen und mit einer Gruppe geschmückt, welche einen Hund dar- 


stellte, der zwischen den Vorderpfoten ein zappelndes Hirschkalb 
hielt.”) Was der Dichter mit den doppelten Röhren meinte, läfst sich 
durch eine Gattung von Heftnadeln veranschaulichen, die gegenwärtig 
durch fünf in Italien gefundene Exemplare vertreten ist. Alle fünf 
sind auf der Vorderseite mit Reihen aufgesetzter Figuren von Sphinxen 
geschmückt (Fig. 99). Drei‘) stammen aus der pränestiner Gräber- 
gruppe, für deren Inhalt das häufige Vorkommen phönikischer oder 
karthagischer Industrieprodukte bezeichnend ist.’) Ein viertes Exemplar 
wurde in einem alten caeretaner Grabe,°) ein fünftes angeblich in der 
römischen Campagna’) gefunden. Zwei der pränestiner Fibulae sind, 
abgesehen von den Goldpünktchen, welche die Gliederung der auf- 


1) Il. V 424 (oben Seite 275, Anm. 1). 2) Od. XIX 225: χλαῖναν πορ- 
pvoenv οὔλην ἔχε δῖος Ὀδυσσεύς, | διπλῆν. αὐτάρ οἵ περόνη χρυσοῖο τέτυκτο | 
αὐλοῖσιν διδύμοισι. πάροιϑε δὲ δαίδαλον ἦεν" | ἐν προτέροισι πόδεσσι κύων ἔχε. 


ποικίλον ἕλλόν., | ἀσπαίροντα λάων: τὸ δὲ ϑαυμάξεσκον ἅπαντες, | ὡς οἵ χρύσεοι 
ἐόντες ὁ μὲν Ads νεβρὸν ἀπάγχων, | αὐτὰρ ὁ ἐκφυγέειν μεμαὼς ἤσπαιρε πόδεσσιν. 
3) Über die bildliche Darstellung wird im XXX. Abschnitte die Rede sein. 
4) Ein Exemplar kam bei den von dem Fürsten Barberini angestellten Aus- 
grabungen zu Tage und befindet sich gegenwärtig in der barberinischen Biblio- 
thek: Archaeologia 41 I (London 1867) pl. VIL3 p. 201 n.1. Die beiden anderen 
stammen aus dem von den Gebrüdern Bernardini entdeckten Grabe und sind 
mit den übrigen darin gefundenen Gegenständen in das Museum Kircherianum 
übergegangen: Mon. dell’ Inst. X T. XXXI 6, 7. Vgl. Ann. 1876 p. 249—250. 
5) Oben Seite 31, Anm. 5. 6) Bull. dell’ Inst. 1866 p. 178, 179; Archaeologia 
41 I (London 1867) p. 203 Anm. 7) Archaeologia 41 I p. 203 Anm, 


278 Die Schmucksachen. 


gesetzten Sphinxe hervorheben, aus Silber, die anderen drei aus Gold 
gearbeitet. Da die Fibulae in dem Zustande, in dem sie entdeckt 
wurden, keine Spur von einer Nadel erkennen liefsen, so schien es 
unbegreiflich, wie dieselben zur Festigung eines Gewandes gebraucht 
werden konnten. Doch fand diese Schwierigkeit neuerdings dadurch 
ihre Lösung, dafs eines der pränestiner Exemplare zerbrach und somit 
einen Einblick in das innere Gefüge verstattete (Fig. 100).1) Hierbei 
stellte sich folgende Konstruktion heraus: Diese Fibulae bestehen aus 
zwei Teilen, deren jeder in drei leicht gekrümmte Ausläufer (abc) 
endet. Der mittlere Ausläufer (Ὁ) ist an beiden Teilen lediglich 


I 
| 2 
Er = 


Fig. 100. 


dekorativ, wogegen die beiden äufseren (ac) an dem einen Teile in 
Nadeln enden, an dem anderen hohl und somit geeignet sind die 
Nadeln in sich aufzunehmen. Die Nadeln wurden durch die zu 
befestigenden Kleiderränder durchgestofsen und dann in die Hülsen 
des anderen Teiles der Fibula eingeführt. Schliefslich verband man 
die beiden Teile vermöge der an der unteren Seite einander 
entsprechenden Ösen (d) und Heftel (6). Wie man sieht, ist diese 
Konstruktion eine höchst zweckmälsige, die wohl verdiente von den 
modernen Juwelieren nachgeahmt zu werden. Jedenfalls machte sie 
Verletzungen, wie sie Athene an der erwähnten Stelle der Ilias andeutet, 


unmöglich, da die Nadelspitzen in den Hülsen geborgen waren. Ähn- 
lich haben wir uns die περόνη des Odysseus zu denken; denn die 
αὐλοὶ δίδυμον können, wie bereits die alten Erklärer?) richtig er- 


1) Diese Fibula befindet sich im Museum Kircherianum. Die Rückseite, 
welche die Konstruktion besser erkennen läfst, als die Vorderseite, ist ab- | 
gebildet Ann. dell’ Inst. 1879 Tav. d’agg. C 9. Unsere Fig. 100 reproduziert | 
dieses, Fig. 99 das andere in demselben Grabe gefundene Exemplar. Doch sind, | 
um die Erkenntnis der Konstruktion zu erleichtern, die beiden Teile aus- | 
einander genommen dargestellt. 2) Schol. Od. XIX 227: αὐλοῖσιν διδύμοισι] | 
ἀνατάσεσι δυσὶ πρὸ τῆς χλαμύδος, 6 ἐστιν εἰς τὸ ἔμπροσϑεν μέρος τῆς χλαμύδος | 
ἐπάνωϑεν τῆς πόρπης ἐξημμένους B. αὐλοῖσι] ῥάβδοις εὐθείαις, εἰς ἃς | 
κατακλείονται ai περόναι. διδύμοισι) διπλαῖς, ἢ συμφυέσι περόναις V. | 


XX. Helikes und Kalykes. 279 


kannten, auf nichts anderes gedeutet werden als auf die zur Bergung 
der Nadelspitzen dienenden Röhren oder Hülsen und sind demnach 
den im obigen!) besprochenen xAnioıw ἐὐγνάμπτοις nahe verwandt. 


XX. Helikes und Kalykes. 


Den einzigen Anhaltspunkt für die Erklärung dieser schwer zu 
bestimmenden Gegenstände, die nur an einer Stelle des Epos?) er- 
wähnt werden, giebt der homerische Hymnos auf Aphrodite.”) Der 
Dichter schildert, wie Anchises die Aphrodite entkleidet, um mit ihr 
das Beilager zu vollziehen. Der Jüngling nimmt der Göttin zu- 
nächst die Porpai, Helikes, Kalykes und Hormoi ab; dann löst er 
ihr den Gürtel und zieht ihr das schimmernde Gewand aus. Die 
antiken wie die modernen Gelehrten haben hinsichtlich der Helikes 
und Kalykes auf alle denkbaren Schmucksachen geraten. Die Helikes 
werden für Kopfbänder, Anhängsel der Hormoi, Ohrringe, Arm- 
bänder oder Fingerringe erklärt.) Gerlach,’) der zuletzt und am 
ausführlichsten über diesen Schmuckgegenstand gehandelt hat, geht 
aus von der Grundbedeutung des Wortes und schliefst demnach auf 
metallene Spiralen, die als Armbänder, Fingerringe oder Locken- 
halter®) dienten und aus griechischen, italischen und nordischen 
Funden genügend bekannt sind. Die gleiche Unsicherheit herrscht 


1) Seite 203 und 275. 2) Ilias XVII 401. Hephaistos schmiedet, 
als er bei Eurynome und Thetis Aufnahme gefunden hat: πόρπας re γναμπτάς 
8. ἕλικας ndAvndg TE καὶ ὅρμους. 3) Hymn. hom. IV (in Venerem) 86 ff. Der 
Dichter schildert die Aphrodite, als sie sich dem Anchises naht: πέπλον μὲν 
γὰρ ἕεστο φαεινότερον πυρὸς αὐγῆς, | εἶχε δ᾽ ἐνγνάμπτας (so Baumeister für 
ἐπιγναμπτάς der Handschriften) ἕλικας κάλυκάς τὲ φαεινάς" | ὅρμοι δ᾽ ἀμφ᾽ 
ἁπαλῇ δειρῇ περικαλλέες ἦσαν | καλοὶ, χρύσειοι, παμποίκιλοι. | Ebenda 162 fi, 
Anchises entkleidet die Göttin, um mit ihr das Beilager zu vollziehen: κόσμον 
μέν οἵ πρῶτον ἀπὸ χροὸς εἶλε φαεινὸν | πόρπας τὲ γναμπτάς 9° ἕλικας κάλυκάς 
τε καὶ ὕρμους. | λῦσε δὲ οἵ ξώνην, ἰδὲ εἵματα σιγαλόεντα | ἔκδυε καὶ κατέϑηκεν 
ἐπὶ ϑρόνου ἀργυροήλου | Ayxlons. 4) Schol. 11. XVII 401: ἕλικας] ἤτοι οἵ 
σύνδεσμοι τῆς κεφαλῆς ἢ κόσμος ἀπὸ τῶν ὅρμων ἐξηρτημένος. κάλυκας] ἐμφερῆ 
δόδοις᾽ οἵ δὲ δαχτυλίους" οἵ δὲ ἐνώτια' οἵ δὲ χρυσᾶς σύριγγας, αἵ τοὺς πλοχάμους 
περιέχουσιν, ὥς φησιν „ol χρυσῷ TE καὶ ἀργύρῳ ἐσφήκωντο““ (Il. XVI 53). 
Eustath. p. 1150 21—23: ἕλικες ἐνώτια ἢ ψέλλια παρὰ τὸ εἰς κύκλον ἑλίσσεσϑαι. 
Κάλυκες δὲ δακτύλιοι δόδων, φασὶ, κάλυξιν ἐμφερεῖς, οἵ δὲ χρυσᾶς εἶπον σύριγγας, 
ὡς οἷον σωληνίσκους, αἷς πλόκαμοι περιέχονται (vgl. p. 1394, 42). Apollon. lex. 


hom. p. 66, 17: ἕλικας... κόσμου τι γένος. οἵ μὲν δακτυλίους ποιούς, οὃς 
δρακοντώδεις καλοῦσιν, οἵ δὲ ἐνώτια, ἃ καλοῦσιν ἑλιχτήρια, οἵ δὲ τὰ περὶ τοὺς 
καρποὺς ψέλια. Hesych. 5. v. ἕλικες" ... ἢ ἐνώτια. ἢ ψέλλια. ἢ δακτύλιοι. Der- 
selbe 5. v. κάλυξ'... καὶ τὸ ἐνώτιον. καὶ ἡ χρυσὴ σῦριγξ ἡ τοὺς πλοκάμους 
περιέχουσα. Derselbe 5. v. κάλυκαςθ᾽ . .. περιτραχηλίους κόσμους. Etym. magn. 
p. 486, 38: κάλυξ. . . καὶ τὸ ἐνῴτιον. 5) Philologus XXX p. 490. 6) Vel. 


oben Seite 242 —245. 


280 Die Schmucksachen. 


hinsichtlich der Kalykes, die auf Fingerringe, Ohrringe oder Locken- 
halter gedeutet werden, während Gerlach,') an der Grundbedeutung 
des Wortes festhaltend, darin kelchförmige Krönungen von Haar- 
nadeln erkennt. Doch lassen sich alle diese Erklärungsversuche aus 
dem Zusammenhange je- 
ner Stelle widerlegen. 
Armbänder, Finger- und 
Ohrringe konnten doch 
wahrlich bei dem Zwecke, 
zu dem Anchises die Göt- 
tin entkleidet, an ihrem 
Platze belassen werden 
und ebenso lag kein Grund 
vor, Aphrodite durch Ab- 
nahme der Kopfbänder oder Lockenhalter zu decoiffieren. Wenn 
ferner Gerlach die Kalykes für Haarnadeln erklärt, so wäre erstens 
die Benennung der Nadel nach dem Ornamente des Knopfes eine 
höchst auffällige Anwendung der pars pro toto. Zweitens würde 
dann die Schilderung in ganz abnormer 
Weise von den am Peplos angebrachten 
Fibulae zu dem Kopfschmucke abspringen 
um dann wiederum zu den über den Busen 
herabfallenden Hormoi zurückzukehren. 
Der Vermutung endlich, die Helikes seien 
Anhängsel der Hormoi gewesen, wider- 
spricht die Thatsache, dafs der Dichter 
zwischen Helikes und Hormoi unterscheidet 
und die beiden Worte durch Einfügung 
der Kalykes von einander trennt. 
Jedenfalls liegt es nach der in dem Hymnos geschilderten Hand- 
lung am Nächsten, anzunehmen, dafs die Helikes wie die Kalykes 
am Peplos angebracht waren und entfernt werden mulsten, sollte 
der Peplos ausgezogen werden. Diese Voraussetzung mufs demnach 
jeglichem Erklärungsversuche als Grundlage dienen. Überlegen 
wir nunmehr, dafs Helix wörtlich übersetzt Windung bedeutet, 
so liegt es nahe, dabei an eine Gattung bronzener?) Spiralbroschen 
zu denken, die sich in Griechenland (Fig. 101, 102),?) Italien 


Fig. 101. 


Fig. 102. 


1) Philologus XXX p. 490—491. 2) Soweit meine Kenntnis reicht, ist 
aus Gold gearbeitet nur ein kleines Exemplar, das bei Caere gefunden sein soll 
und vormals der Campanarischen Sammlung angehörte. Es ist publiziert Im 
neuen Reich 1874 I auf der zu p. 721 ff. gehörigen Tafel Fig.2. 3) Eine Übersicht 
über das Vorkommen dieses Typus giebt Marchesetti, la necropoli di Κ΄. Lucia 


XX. Helikes und Kalykes. 281 


(Fig. 103)') und in dem mittleren Europa?) finden und zu den älte- 
sten Typen der Schmiedetechnik zu gehören scheinen. Das Epitheton 
„gekrümmt“ (yvaunrdg) oder „wohlgekrümmt“ (ἐύγναμπτος) palst 
vortrefllich auf einen Schmuckgegenstand, bei dessen 
Herstellung es besonders darauf ankam, durch ge- 
schickte Krümmung des Metalldrahtes zwei oder 
mehrere Spiralen herzustellen. Hiernach dienten 
die Helikes, falls ich sie richtig gedeutet, wie die 
πόρπαι und περόναι, zum Zusammenstecken des 
Gewandes. Wenn der Peplos der Aphrodite sowohl 
durch πόρπαι wie durch ἕλικες geschlossen war, so 
läfst sich die Weise, wie sich der Dichter die beiden Arten von Ge- 
wandhaltern angebracht dachte, natürlich nicht mit Sicherheit be- 
stimmen. Vielleicht nahm er an, dafs das Gewand unweit der beiden 
Schultern mit Spiralbroschen, der Seitenschlitz?) dagegen mit Fibulae 
zusammengesteckt war. Doch kann er auch den umgekehrten Sach- 
verhalt vorausgesetzt und die Fibulae oben, die Spiralbrochen an dem 
Schlitze angenommen haben.) 


(Trieste 1886) p. 52—54. Exemplare aus Olympia: Furtwängler, die Bronzefunde 
aus Olympia, p. 37. Unsere Fig.101 giebt ein Exemplar megarischer Provenienz, 
Fig. 102 ein anderes bei Theben gefundenes wieder, beide in zwei Drittel der Ori- 
ginalgröfse. , Das erstere befindet sich in einer athenischen Privatsammlung, das 
letztere im Varvakion (y«Ax.n. 182). 1) In Italien findet sich dieser Typus bereits 
in vorhellenischen Schichten (oben Seite 81—87), z. B. in cornetaner „tombe a pozzo“ 
(Seite 21—22): Bull. dell’ Inst. 1882 p. 210, Not. d. scavi com. all’ acc. dei Lin- 
cei 1882 T. XIII bis 14 (hiernach unsere Fig. 103 in der Hälfte der Originalgröfse) 
p-183; in der Nekropole von Monteroberto (oben Seite 43, Anm. 6): Not. ἃ. βοᾶν. 
1880 T.IX 6, 13; in einem sehr alten bei Catanzaro entdeckten Grabe: Bull. di 
paletn. ital. VIII T.IV 2 p. 95. In den Gräbern von Suessula finden sich solche 
Broschen (Not. d. βοῶν. 1878 T. VI n.2, 4, 5 p. 107; n. 2 und 4 besser bei Mon- 
telius, Spännen frän Bronzäldern p. 192 Fig. 197 und p. 191 Fig. 196) bereits 
zusammen mit Gegenständen, welche Exemplaren kymäischer Provenienz ent- 
sprechen: Bull. dell’ Inst. 1878 p. 152ff. Sehr häufig sind sie in Unteritalien, 
besonders in Apulien: Angelucei, gli ornamenti spiraliformi in Italia (Torino 
1876) p. 4ff., wo jedoch auch Exemplare aus Umbrien (p. 9 not.) und aus Pice- 
num (p. 6 not. 1) notiert sind. Vgl. auch Montelius a. a. Ὁ. p. 188 Fig. 192, 
193, p. 189 Fig. 194, p. 190 Fig. 19. 2) Von Sacken, Grabfeld von Halstatt 
T. XII 9, 10. Lindenschmit, Alterthümer unserer heidn. Vorzeit Bd. I Heft III 
T. VI, Heft IX T. I 8, 9, T. II 1, 2; Bd. II Heft XI T. I 7. Kemble, horae 
ferales pl. XII 1, 2. Marchesetti a. a. O. p. 52—53. 3) Oben Seite 203. 
4) Studniczka, Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 114 Anm. 66 
hält die früher geläufige Ansicht, nach welcher die ἕλικες spiralförmige Arm- 
bänder oder Ohrringe gewesen seien, für wahrscheinlicher als die von mir im 
obigen begründete und erhebt gegen meine Darlegung folgende Einwände. „Auch 
steht ja ἀπὸ χροός, was ungenau wäre, wenn der ganze κόσμος am Gewande 


282 Die Schmucksachen. 


Was dagegen die Kalykes betrifft, so scheint mir eine nähere 
Bestimmung derselben vor der Hand unmöglich, Da das Wort ur- 
sprünglich Kelch bedeutet, so würde diese Bezeichnung auf einen 
Schmuckgegenstand passen, der häufig in etruskischen Gräbern vor- 
kommt, die dem Ende des 6. oder den ersten 
Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts anzugehören 
scheinen.) Es ist dies ein eigentümlich ge- 
wundener Goldstengel, der auf der einen Seite 
in ein knospenartiges Ornament ausläuft (Fig. 
1045}). Da sich solche Goldstengel in den 
Gräbern paarweise neben oder innerhalb des 
Brustkastens der Skelette zu finden pflegen, so spricht alle Wahrschein- 
lichkeit dafür, dafs sie in irgendwelcher Weise an dem Gewande oder 
an einem über das Gewand reichenden Schmuckgegenstande ange- 
bracht waren. Doch wäre mit dem Versuche, dieselben mit den 
homerischen Kalykes zu identifizieren, nicht viel gewonnen, da wir 
von ihrer Anordnung und von dem Zwecke, zu dem sie dienten, 
keinen deutlichen Begriff haben. 


» Δ ἢ 9 
HA 
ἥ 

N I; 


Fig. 104 a. Fig. 104 Ὁ. 


Fassen wir die in den letzten zehn Abschnitten gewonnenen 
Resultate zusammen, so ergiebt sich von den Gestalten des Epos eine 


selbst angebracht zu denken wäre. Und der öewog wenigstens, den die Göttin 
(V. 88) ἀμφ᾽ ἁπαλῇ δειρῇ trägt, diente nicht zur Befestigung des Kleides. Sehr 
auffällig wäre endlich auch die besondere Erwähnung der ἕλικες, wenn sie nur 
ein spezieller Fall der vorher genannten πόρπαι wären“. Dem auf ἀπὸ xooös 
gegründeten Einwande bin ich bereits oben Seite 199, Anm. 3 begegnet. Der 
Hormos lag nicht nur um den Nacken, sondern fiel auf die Büste herab (oben 
Seite 268); also war seine Entfernung nötig, wenn die Göttin ihres Peplos ent- 
ledigt werden sollte. Die Spiralbroschen und die mit Bügeln versehenen Heft- 
nadeln dienten zwar zu dem gleichen Zwecke, zeigen aber einen so verschiedenen 
Typus, dafs der Dichter recht wohl darauf verfallen konnte, die beiden Gattungen 
neben einander namhaft zu machen. Den Hinweis auf den pythagoräischen 
Spruch Mullach Fragm. philos. gr. I p. 507, 37 χρυσὸν ἐχούσῃ μὴ πλησίαξε ἐπὶ 
τεκνοποιίᾳ hätte sich Studniczka füglich ersparen können; denn dieser Spruch hat 
mit der in dem homerischen Hymnus geschilderten Situation nichts zu thun, son- 
dern warnt vor der Heirat mit einer allzureichen Frau, deren Übermut dem Manne 
wie den Kindern lästig werden kann. Ähnliche Äufserungen bei Hermann-Blümner, 
Lehrbuch der griech. Privatalterthümer p. 267. 1) Bei den Ausgrabungen, 
die ich persönlich zu beobachten Gelegenheit hatte, sind derartige Schmuck- 
stücke nicht zu Tage gekommen. Doch versicherten mir alle Scavatori, die ich 
darum befragt, dals sie sich in Gräbern, welche schwarzfigurige Vasen enthalten, 
und an der oben angegebenen Stelle finden. Unsere Fig. 104%b giebt ein gol- 
denes bei Caere entdecktes Exemplar wieder, das sich gegenwärtig in der 
Sammlung Augusto Castellani befindet. 


Die Tracht. 283 


‚Vorstellung, die sich von der bisher geläufigen wesentlich unter- 


scheidet. Der Moderne, wenn er z. B. die Schilderung!) liest, wie 
Helena auf der Stadtmauer zu den troischen Greisen tritt, wird sich 
diese Scene etwa nach Mafsgabe des Parthenonfrieses vergegenwärtigen 
und in der Tracht und dem Schmucke allenthalben ein mafsvoll freies 
Prinzip annehmen. Ein ganz anderes Bild stand dagegen vor der 
Phantasie des Dichters, der jene wunderbare Schilderung erfand: 
Priamos und die troischen Greise tragen lange, linnene Chitone und 
rote oder purpurne, zum Teil mit reichen Mustern verzierte Mäntel, 
die sich scharf von dem schneeweifsen Grunde der Untergewänder 
abheben. Auf dem Mantel des Königs entwickelt sich ein figürliches 
Muster, etwa eine ὙΠ lien Nirgends gewahrt man das 
freie, mannigfaltige Faltenspiel der klassischen Epoche. Die linnenen 
Chitone sind entweder künstlich gefältelt oder liegen mit den oberen 
Teilen eng an dem Körper an, während sie unten schlicht herab- 
fallen; die Mäntel sind symmetrisch umgelest, scharf über die Schul- 
tern nach vorwärts gezogen und gestatten eine freie Bewegung des 
Stoffes nur an den unteren Enden. Die an der Oberlippe rasierten 
Gesichter erscheinen eingerahmt durch keilförmige Kinnbärte, auf 
beiden Seiten durch Flechten, die längs der Wangen herabfallen und 
vielleicht durch goldene Spiralen gefestigt sind. Ebensowenig ent- 
spricht Helena den klassischen Vorstellungen: ein bunter reich ge- 
musterter Peplos, der einen feinen stark riechenden Parfüm aushaucht, 
umgiebt, eng gegürtet, den mächtigen Körper; in scharfer Spannung 
reichen die oberen Gewandränder über die Schultern nach dem Busen 
herab und sind daselbst auf jeder Seite mit einer goldenen Heftnadel 
gefestigt; über die Büste zieht sich der Hormos, an dem der dunkel- 
rote Bernstein einen scharfen koloristischen Kontrast zu den goldenen 
Bestandteilen darbietet. Das Haar erscheint künstlich in Flechten 
disponiert. Der Kopf wird vielleicht überragt von einer hohen steifen 
Haube (κεχρύφαλος), die in der Mitte von. einem bunten wulstigen 
Bande, der πλεχτὴ dvadsoun, umgeben ist, während auf der Vorder- 
seite der goldene Ampyx erglänzt. Entweder von der Haube oder 
unmittelbar von dem Scheitel fällt das Schleiertuch (κρήδεμνον. κα- 
λύπτρη) über Schultern und Rücken herab und giebt, aus weilsglän- 
zender Leinwand gearbeitet, dem Farbengewimmel und Metallgeglitzer, 
welches auf der Vorderseite des Peplos herrscht, eine eine 
ruhige Folie. Allenthalben sieht man Konvertieneile Formen und 
eine bunte Farbenpracht, welche an den Orient erinnern, nirgends die 
freie Würde und mafsvolle Harmonie des echten Hellenentums, 


1) 11. ΠῚ 145160. 


284 Die Bewaffnung. 


Dieses Bild möge der Untersuchung über den Charakter der da- 
maligen Kleider und Schmucksachen als Abschlufs dienen. Es gilt 
nunmehr von der gleichzeitigen Kriegsrüstung die richtige Vorstellung 
zu gewinnen. 


IV. Die Bewaffnung. 


XXI. Beinschienen und Panzer. 
Da es schwer fiel den gepanzerten Körper zu beugen, so legte 
der antike Krieger zuerst die Beinschienen und dann den Panzer an, 
eine Reihenfolge, für welche das Epos mehrfache Zeugnisse bietet.') 


Die Beinschienen waren im homerischen Zeitalter bereits so all- 
gemein üblich, dafs das Adjektiv ἐκνήμιδες von den Dichtern als 
typisches Epitheton für die Achäer gebraucht wird. Sie waren ge- 
wöhnlich aus Bronze gearbeitet?) und an den unteren hervorkragen- 
den Enden bisweilen mit einer silbernen Einfassung versehen.”) 

Eine besondere Betrachtung erfordern die Beinschienen des Achill, 
welche nach zwei Angaben der Ilias?) aus χασσίτερος bestanden. Da 
dieses Wort in der späteren griechischen Sprache das Zinn bezeichnet, 
so ist die nächstliegende Annahme die, dafs die epischen Dichter 
dasselbe in der gleichen Bedeutung gebrauchten. Jedoch mufs die 
Verarbeitung des Zinnes zu Beinschienen notwendig befremden; denn 
dieses Metall ist wegen seiner Weichheit zur Herstellung von Rüstungs- 
stücken ganz ungeeignet. Dazu kommt noch, dafs die Dichtung’) 


1) 11. III 330, XI 17, XVI 131, XIX 369: κνημῖδας μὲν πρῶτα περὶ nvnunoıv 
ἔϑηκεν | καλὰς, ἀργυρέοισιν ἐπισφυρίοις ἀραρυίας" | δεύτερον αὖ ϑώρηκα περὶ 
στήϑεσσιν ἔδυνεν. 2) Il. VII 41: γαλκοκνήμιδες Ayaıot. 3) 8. die vorher- 
gehende Anm. 1. Vofs übersetzt nicht unpassend „mit silberner Knöchel- 
bedeckung“. 4) Il. XVIII 613, XXI 592. 5) 1]. XXI 592: ἀμφὶ δέ μιν κνημὶς 


XXI. Beinschienen und Panzer. 285 


die Beinschiene des Peliden, als sie von dem Speere des Agenor ge- 
troffen wird, furchtbar erklingen läfst, während bekanntlich das Zinn, 
wenn es angeschlagen wird, nur einen dumpfen Ton von sich giebt. 
Ahnliche Schwierigkeiten stellen sich beinahe überall heraus, wo das 
Epos von Arbeiten aus κασσίτερος berichtet.") Wenn einige Gelehrte?) 
deshalb annehmen, dafs dieses Wort nicht ausschliefslich das Zinn, 
sondern auch das Werkblei bezeichnet habe, so ist hiermit nicht viel 
geholfen, da das letztere Metall noch weicher und demnach für den 
in Rede stehenden Zweck noch ungeeigneter ist als das erstere.?) 
Vielleicht sind die aus κασσίτερος gearbeiteten Gegenstände, von denen 
das Epos berichtet, zum Teil Gebilde der dichterischen Phantasie. . 
Wir dürfen annehmen, dafs während des homerischen Zeitalters reines 
Zinn aus seinen fern gelegenen Fundstätten nur selten und in ge- 
rıngen Quantitäten nach Kleinasien und Griechenland gelangte. *) 
Es scheint demnach möglich, dafs die Dichter des seltenen Metalles 
nur gedachten, um ihrer Schilderung den Reiz des Wunderbaren zu 
verleihen und ohne sich von den Eigenschaften des Zinnes deutliche 
Rechenschaft zu geben. Sollen jene Beinschienen aus χασσίτερος 
zu einem in der Wirklichkeit denkbaren Rüstungsstücke in Bezug 
gesetzt werden, so bleibt nur der Ausweg, dabei an verzinnte Bein- 
schienen zu denken.°) 


νεοτεύχτου κασσιτέροιο σμερδαλέον κονάβησε. 1) Es gilt dies für Il. XI 34, 
wo dem Schilde des Agamemnon zwanzig Omphaloi aus κασσίτερος zugeschrieben 
werden, wie für Il. XXIII 503 (oben Seite 127, Anm. 12), wo es heilst, dafs der 
Wagen des Diomedes mit Gold und κασσίτερος beschlagen ist. Es leuchtet ein, 
dafs sich das weiche Zinn weder zur Herstellung von Omphaloi, welche die 
Widerstandskraft des Schildes vermehren sollten, noch zum Beschlage eines 
Wagenstuhles eignet (vgl. oben Seite 142—143). Ebenso auffällig ist die Angabe, 
dafs auf dem Schilde des Achill der Zaun des Weinberges aus κασσίτερος, die 
Rinder aus dem gleichen Stoffe und aus Gold gearbeitet waren (ll. XVIII 565, 
574); denn das Zinn würde neben dem in derselben Beschreibung erwähnten 
Silber (Vers 577) vollständig wirkungslos gewesen sein. Endlich finden zinnerne 
Omphaloi, Wagenbeschläge und die vom Dichter der Schildbeschreibung erwähnte 
Verwendung dieses Metalles in dem monumentelen Materiale keine Analogie. 
Über die Schichten aus Bronze, κασσίτερος und Gold, aus denen der Schild des 
Achill zusammengesetzt war (ll. XX 269—272), ist der XXIII. Abschnitt zu ver- 
gleichen. 2) So Beckmann, Geschichte der Erfindungen IV p. 346 ff. und Rie- 
denauer, Handwerk und Handwerker in den homerischen Zeiten p. 112—113, 
p. 206—207. 3) Vgl. Lenz, Mineralogie der Griechen und Römer p. 6 Anm. 13. 
4) Vgl. von Baer, historische Fragen mit Hülfe der Naturwissenschaften beant- 
wortet p. 329 ff. 5) In ähnlicher Weise lassen sich auch andere Gegenstände 
auffassen, die das Epos als aus κασσίτερος gearbeitet bezeichnet, nämlich die 
Omphaloi auf dem Schilde des Agamemnon (Il. XI 34), der Rand, welcher um 
den bronzenen Panzer des Asteropaios herumgelegt war (ll. XXIII 561, 562), 
vielleicht auch die Streifen, die den Panzer des Agamemnon überzogen (1.X120, 


286 Die Bewaffnung. 


Der Panzer ferner reichte so weit herab, dafs durch ihn der 
sröfste Teil des Unterleibes bedeckt wurde, und mufs unverhältnis- 
mälsig weit gewesen sein; denn das Epos berichtet, dafs Stölse, 
welche gegen die Mitte des Bauches geführt werden, die diese Stelle 
schützende Bronzeplatte zerschmettern,') wie dafs Krieger, wenn 
ihr Panzer von einem Geschofse durchbohrt wird, innerhalb des Pan- 
zers mit dem Körper ausweichen und auf diese Weise der Verwun- 
dung entgehen. 5) 

Beide Eigentümlichkeiten lassen sich durch die archaischen grie- 
chischen Bildwerke veranschaulichen. Die auf ihnen dargestellten 
Panzer reichen mindestens bis zu den oberen Rändern der Hüftkno- 
chen herunter und stehen von den Körperteilen, die sie bedecken, 
beträchtlich ab.°) 

Für die Frage, wie die aus Bronze getriebenen Platten (γύαλα), 
aus denen der homerische Panzer bestand, angeordnet waren, ist 
eine Stelle der Ilias?) von besonderer Wichtigkeit. Wenn es da- 
selbst heifst, dafs Achill den Priamiden Polydoros, während er 
vorüberflieht, am Rücken trifft, „wo die goldenen Gürtelhalter in 
einander griffen und der Panzer doppelt war“, so beweist dies, dafs 


Vgl. hierüber unseren XXX. Abschnitt) und die Beschläge am Wagen des Dio- 
medes (Il. XXIII 503. Oben Seite 127, Anm. 12). Als monumentale Analogie 
wülste ich nur einen in der Nekropole von Allifae (in Samnium) gefundenen 
bronzenen Gürtelbeschlag anzuführen, an dem sich Spuren einstmaliger Ver- 
zinnung erhalten haben: Ann. dell’ Inst. 1884 p. 246. Dals die homerischen 
Griechen den κασσίτερος zu schmelzen verstanden, scheint sich aus Il. XVIIL 474 
zu ergeben. 1). XIII 372, 398, 506, XVII 313, 519. Vgl. V 615—616, XIM 
567—568, XVI 465, XVII 519. 2) 1]. III 358, VII 252: καὶ διὰ ϑώρηκος πολυ- 
δαιδάλου ἠρήρειστο᾽ | ἀντικρὺ δὲ παραὶ λαπάρην διάμησε χιτῶνα | ἔγχος" ὁ δ᾽ 
ἐκλίνϑη καὶ ἀλεύατο κῆρα μέλαιναν. 3) Vgl. z. Β. die Seite 254 Fig. 90 ab- 
gebildete lakonische Kriegerfigur und das chalkidische Vasenbild auf Seite 284 
Fig. 105. 4) I. V 99, 189, VII 314, XIII 507, 587, XV 530, XVII 314. Vgl. 
Schol. Il. V 99; Hesych. s. v. γύαλον; Lehrs, de Aristarchi stud. hom. 2. ed. 
p. 106—107. Daher heifst der ϑώρηξ κραταιγύαλος (ll. XIX 361), χάλκεος (1. 
ΧΠῚ 372, 398, XXIII 561). Vgl. Il. IV 448, VII 62: γαλκεοϑώρηξ. XIII 265: 
Poonneg λαμπρὸν γανόωντες. ΧΙΠ 341: αὐγὴ χαλκείη... ϑωρήκων TE νεοσμήκτων. 
XVII 610: ϑώρηκα φαεινότερον πυρὸς αὐγῆς. 5) 1]. XX 418: τὸν βάλε μέσσον 
ἄκοντι ποδάρκης δῖος ᾿Δχιλλεὺς, | νῶτα παραΐσσοντος, ὅϑι ξωστῆρος ὀχῆες | χρύσειοι 
σύνεχον καὶ διπλόος ἤντετο ϑώρηξ᾽ | ἀντιχρὺ δὲ διέσχε παρ᾽ ὀμφαλὸν ἔγχεος αἰχμή. 
Dals diese Stelle auch erreichbar war, wenn der Krieger dem Gegner die Vorder- 
seite zukehrte, ergiebt sich aus der Schilderung, wie Menelaos von Pandaros 
verwundet wird. I. IV 132: αὐτὴ (Pallas) δ᾽ αὖτ᾽ ἴϑυνεν, ὅϑι ζωστῆρος ὀχῆες | 
χρύσειοι σύνεχον καὶ διπλόος ἤντετο ϑώρηξ. | Ev δ᾽ ἔπεσε ζωστῆρι ἀρηρότι πικρὸς 
ὀΐστός" | διὰ μὲν ἂρ ζωστῆρος ἐλήλατο δαιδαλέοιο | καὶ διὰ ϑώρηκος πολυδαιδάλου 
ἠρήρειστο | μίτρης 9’ ἣν ἐφόρει ἔρυμα χροὺς, ἕκρος ἀκόντων, | 7 οἵ πλεῖστον ἔρυτο" 
διαπρὸ δὲ εἴσατο καὶ τῆς. ᾿ 


XXI. Beinschienen und Panzer. 287 


die Ränder zweier Platten längs einer der Schmalseiten des Leibes 
an einander stiefsen. Hiernach scheint es, dafs der damalige Panzer 
aus zwei Bronzeplatten bestand, von denen die eine die Brust, die 
andere den Rücken deckte und die an den unteren Rändern wie unter 
und über den Schultern durch Heftel, Schnallen oder Schleifen an 
einander befestigt waren — eine Anordnung, zu welcher auch der 
Ausdruck λύειν ϑώρηκα) „den Panzer lösen“ stimmt.?) 

Unter der Rüstung trug man den Chiton.?) Da an zwei Stellen‘) 
den Kriegern ein χιτὼν στρεπτός zugeschrieben wird, so haben einige 
antike und moderne Erklärer?) hierin den aus metallenen Ringen 
zusammengefügten Harnisch erkennen wollen, den die späteren grie- 
chischen Schriftsteller ϑώραξ ἁλυσιδωτός (lorica amnulata) nennen. 
Doch läfst sich diese Vermutung aus dem Epos selbst widerlegen. 
Der Pfeil des Pandaros trifft den Diomedes an dem γύαλον des 
Panzers und dringt durch dieses in die rechte Schulter ein.) Als 
hierauf Sthenelos den Pfeil aus der Wunde herauszieht, quillt das 
Blut aus dem στρεπτὸς χιτών heraus.) Die Erwähnung des γύαλον 
beweist hier auf das unzweideutigste, dafs der Panzer des Diomedes 
nicht aus Ringen, sondern aus Platten zusammengesetzt war. Wie 
im XII. Abschnitte) dargelegt wurde, ist unter dem στρεπτὸς χιτών 
vielmehr ein unter dem Panzer getragener Leibrock zu verstehen, an 
dem die Torsion der Fäden besonders in die Augen sprang, und das 
Adjektiv etwa durch „wohlgezwirnt“ zu übersetzen. Dieses unter der 
Rüstung befindliche Kleidungsstück meint Agamemnon, als er betet, 
Zeus möge ihm verstatten, den vom Erze durchbohrten Chiton des 
Hektor an der Brust zu zerreilsen,”) und Hektor, als er den ver- 
wundeten Patroklos höhnt, Achill habe ihm wohl geboten, nicht eher 
zu den Schiffen zurückzukehren, bis er den blutigen Chiton des 
Hektor an der Brust zerrissen.) Der Sinn beider Stellen ist von 


1) N. XVI 804 (Apoll entwaffnet den Patroklos): λῦσε δέ οἵ ϑώρηκα. 
IV 215: λῦσε δέ οἵ ζωστῆρα παναίολον ἠδ᾽ ὑπένερϑεν | ζῶμά re καὶ wirgnv, wo 
ζῶμα, wie wir sehen werden, den unteren Panzerrand bezeichnet. 2) Ein 
solcher Panzer war von Polygnot in der Lesche der Knidier zu Delphi dar- 
gestellt. Er wird von Pausanias X 26, 5 ausdrücklich als ein altertümlicher 
Typus bezeichnet und folgendermafsen beschrieben: δύο ἦν χαλκᾶ ποιήματα. τὸ 
μὲν στέρνῳ καὶ τοῖς ἀμφὶ τὴν γαστέρα ἁρμόξον, τὸ δὲ ὡς νώτου σκέπην εἶναι" 
γύαλα ἐκαλοῦντο: τὸ μὲν ἔμπροσϑεν τὸ δὲ ὄπισϑεν προσῆγον, ἔπειτα περόναις 
συνῆπτον πρὸς ἄλληλα. 3) Il. II 416, III 359, V 118, VII 253 (oben Seite 286, 
Anm. 2), XI 100, 621, XVI 841, XXI 31. 4) ΠΟῪ 113, XXI 31. δ) Apollon, 


soph. lex. hom. p. 145, 21 (Bekker). Baerwinkel, de heroum Homericorum arma- 
tura (Arnstadt 1839) p.24—25. Friedreich, die Realien in der lliade und Odyssee 
ΡΟ /6) DO. Vi:99, 189, + ον υ118ι 8) Seite 183—184. 9) I. II 416: 


“Entögeov δὲ χιτῶνα περὶ στήϑεσσι δαΐξαι | χαλκῷ ῥωγαλέον. 10) 11. XVI 840: 


288 Die Bewaffnung. 


Studniezka') schärfer bestimmt worden, als es bisher geschehen war. 
Da nämlich die dem Chiton beigelegten Attribute die Verwundung 
voraussetzen, so kann das Verbum nicht das Durchbohren des Chi- 
tons mit der Waffe bedeuten. Vielmehr weist es auf den Gebrauch 
hin, nach welchem der Sieger den gefallenen Gegner nicht nur der 
Rüstung beraubte, sondern ihn auch durch Ausziehen oder Zerreilsen 
des Chitons schmählich entblöfste.”) Wenn endlich Idomeneus den: 
ehernen Chiton des Alkathoos durchsticht?) und die Krieger häufig 
als yaAxoyirwveg bezeichnet werden,') so ist „der eherne Chiton“ an 
diesen Stellen gewils nur ein poetischer Ausdruck für den Panzer. 
Eine ständige Beigabe des ehernen Panzers war der ζωστήρ ge- 
nannte Gürtel.?) Er diente zu einem doppelten Zwecke. Erstens 
vermehrte er 416 Widerstandskraft des Panzers an der Stelle, an der 
es die weichen Teile des Unterleibes zu schützen galt. Zweitens er- 
hielt dadurch der untere Verschlufs der Metallplatten, aus denen der 
Panzer zusammengesetzt war, eine grölsere Solidität — eine Vor- 
sichtsmalsregel, die umso näher lag, als jene Platten tief herab- 
reichten und ihr Verschlufs demnach leicht durch die Bewegungen 
der Hüften gelockert werden konnte. Dals der ξωστήρ auf der 
Aufsenseite und um den unteren Rand des Panzers festgeschnallt 
wurde, ergiebt sich aus den Versen, welche die Verwundung des 
Menelaos schildern. Der Pfeil des Pandaros trifft den Helden an 
dem ξωστήρ, durchbohrt diesen, dann den Panzer und schliefslich die 
unter dem letzteren liegende wiren.°) Nach dieser Schilderung, die 
an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läfst, kann es keinem 
Zweifel unterliegen, dafs an einer anderen Stelle, wo es heilst, dafs 
der Speer des Iphidamas den Agamemnon an der ζώνη ϑώρηκος 
ἔνερϑεν trifft, die Spitze aber durch den Anprall an den ζωστήρ um- 
gebogen wird,‘) die Worte ϑώρηκος ἔνερϑεν zu verstehen sind nicht 


πρὶν Ἕκτορος ἀνδροφόνοιο | αἱματόεντα χιτῶνα περὶ στήϑεσσι δαΐδξαι. 1) Bei- 
träge zur Geschichte der altgr. Tracht p. 64. 2) Vgl. Il. XI 100 (Agamemnon 
läfst zwei von ihm getötete Troer liegen): στήϑεσσι παμφαίνοντας, ἐπεὶ περίδυσε 
χιτῶνας. 3) 11, XII 489: χιτῶνα | χάλκεον. 4) Die Achäer z. B. Il. 1 371, 
Π 47, 163, 187, 437, 111 127, 131, 251, IV 199 und sonst häufig, die Epeier Il. IV 
537, XI 694, die Boiotier XV 330, die Kreter Il. XIII [255], die Troer V 180, 
XVII 485. Hiernach ist das Wort synonym mit χαλκεοϑώρηξ (Il. IV 448, VIII 
62). Ein ähnlicher, aber noch viel kühnerer Ausdruck ist der Adivog χιτών, der 
Il. III 57 für die Steinigung oder vielmehr, wie Studniczka, Beiträge zur Ge- 
schichte der altgr. Tracht p. 62 nach Hartel vermutet, für den Steinhaufen 


gebraucht wird, der das Grabmal des Gesteinigten bildete. 5)» Il. IV 182; 
135, 213, 215, V 539, 615, VI 219, VII 305, X 77, XI 236, XII 189, XVII 
519, 578, XX 414. 6) Il. IV 137 (oben Seite 286, Anm. 5). Vgl. 185, 


216 (oben Seite 287, Anm. 1). 7) U. XI 234: ’Ipidauog δὲ κατὰ ζώνην, 


XXI. Beinschienen und Panzer. 289 


„unter dem Panzer“, sondern „unten am Panzer“, wie bereits die alten 
Erklärer richtig erkannten.') Das Epitheton z«vaioAog?) bezeugt, 
dals der ζωστήρ bisweilen verziert war. Zwei Stellen?) weisen auf 
einen roten, eine andere?) auf einen mit Silber beschlagenen Gürtel 
hin. Die älteren Vasenmaler deuten dieses Rüstungsstück öfter durch 
zwei parallele Striche oder Streifen an, deren Zwischenräume bis- 
weilen durch gebrochene Linien, Kreise oder andere Ornamente aus- 
gefüllt sind.?) Gewisse schmale Streifen aus Bronzeblech, welche sich 
in Griechenland wie in Italien finden,°) mögen zum Teil als Beschläge 
solcher um den Panzer gelester Gürtel gedient haben. 

Unterhalb der Rüstung und unmittelbar auf dem Chiton dagegen 
wurde ein breiter, mit Erz beschlagener Gurt, die μέτρη, getragen, ‘) 


Fig. 106. 


dessen oberer Teil vom Panzer bedeckt war, während der untere frei 
lag. Nach dieser Stelle, wo der Unterleib von der wre umgürtet 
ist, lenkt Pallas den Speer des Diomedes gegen Ares.) Dazu weist 
das Epitheton «loAowireng?) auf Verzierungen hin, die bei einem voll- 
ständig von dem Panzer bedeckten Gegenstande ein höchst überflüssiger 


ϑώρηκος ἔνερϑεν, | νύξ᾽, ἐπὶ δ᾽ αὐτὸς ἔρεισε, βαρείῃ χειρὶ πιϑήσας οὐδ᾽ 
ἔτορε ζωστῆρα παναίολον, ἀλλὰ πολὺ πρὶν | ἀργύρῳ ἀντομένη, μόλιβος ὡς, ἐτρά- 
ner αἰχμή. 1) Schol. I. XI 284. Vgl. Lehrs, de Aristarchi studiis hom. 
2. ed. Ὁ. 128. 2) Il. IV 215, X 77, XI 236 (Seite 288—289, Anm. 7). 8) 1]. 
VI 219, VII 305: ἕξ. φοίνικι φαεινόν. 4) Il. XI 237 (Seite 288—289, Anm. 7). 
5) Besonders deutlich ist die Behandlung dieses Gürtels an der oben Seite 254 
Fig. 90 abgebildeten lakonischen Kriegerfigur. Die auf dem Gürtel sichtbaren 
kreisförmigen Gegenstünde sollen offenbar Buckel darstellen, die aus dem Bronze- 
blech herausgetrieben waren. 6) Z. B. in Olympia: Furtwängler, die Bronze- 
funde aus Olympia p. 34—36. Besonders häufig finden sich solche Streifen in 
apulischen Kriegergräbern: Friederichs, kleinere Kunst p. 230 ff.; Angelucci, ri- 
cerche preistoriche e storiche nell’ Italia meridionale p. 5 Fig. 1 und derselbe, 
un sepolero di Ordona, in der Zeitung la Capitanata 1574 n. 126 Fig. 5. Ahn- 
liches auch im Norden: von Sacken, Grabfeld von Hallstatt T. IX—XI 1; 
Lindenschmit, Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit Bd. II Heft II T. 3. 
7) 11. IV 137 (Seite 286, Anm, 5), 187, 216: wirenv, τὴν χαλκῆες κάμον ἄνδρες. 
δ ΙΝ 8) Il. V 856: ἐπέρεισε δὲ Παλλὰς ᾿4ϑήνη | νείατον ἐς κενέωνα., ὅϑι 
ζωννύσκετο μίτρην. 9) ΤΠ ΤΟΥ͂. 


Heibig, Erläuterung des homerischen Epos. 19 


290 Die Bewaffnung. 


Luxus gewesen sein würden. Das in Rede stehende Rüstungsstück 
läfst sich vortrefflich veranschaulichen durch breite, in der Regel mit 
geometrischen Ornamenten geschmückte Gürtelbeschläge aus Bronze, 
die sich an vielen Stellen des Mittelmeergebietes,') z. B. auf Euböa 


— 


ee u CE πσι ne = 
WE ME EZ 


| 


Fig. 107. Fig. 108. 


(Seite 289 Fig. 106), bei Mantua, Este (Fig. 107), Bologna, im ältesten 
Teile der Nekropole von Tarquinii (Fig. 108), zu Rom und auch jen- 
seits der Alpen gefunden haben.?) Da die oberen und unteren Ränder 


1) Eine Übersicht der bekannten Exemplare und ihrer Fundorte giebt Orsi, 
sui centuroni italici della 1. etä del ferro, parte I, in den Atti e Memorie della 
r. Deputazione di storia patria per le provincia di Romagna Ill. serie, vol. III 
fasc. I—II, Modena 1885. 2) Euböa: Bröndsted, bronzes of Siris pl. VII p. 42 
(hiernach Fig. 106 auf Seite 289); Guhl und Koner, das Leben der Griechen und 
Römer I p. 262 Fig. 266. — Mantua: Bull. di paletn. ital. VII p. 194. — Este: 
Ann. dell’ Inst. 1882 Tav. d’agg. R. 2 (hiernach unsere Fig. 107) p. 106—108, 
p. 115 (vgl. Notizie d. scavi 1882 p. 97, 98). Not. d. scav. 1882 T. IV 23 p. 22, 
T. VII 26 p. 28. — Bologna, in der Nekropole Benacci (oben Seite 83, Anm. 3): 
Brizio, Monumenti della prov. di Bologna T. II 11. Not. d. scav. 1882 p. 158. 
Fragmente solcher Beschläge gehören auch zu der im Inneren der Stadt bei 
S. Francesco entdeckten Niederlage von Bronzegegenständen: Brizio a. a. Ὁ. 
p. 21. Zannoni, gli scavi della Certosa p. 450. — Corneto, in „tombe a pozzo“ 
(oben Seite 21—22): Mon. dell’ Inst. XI t. 59, 4%b; Ann. 1883 p. 286 n. 4 δ }Ὀ; 
Bull. dell’ Inst. 1882 p. 164, 1883 p. 115 n. 4. Not. d. scav. 1882 T. XIII 19 
(hiernach unsere Fig. 108) p. 157. Andere Exemplare in „tombe a fossa“ (oben 
Seite 22— 23): Ann. dell’ Inst. 1883 Tav. d’agg. R 2 p. 292; Bull. dell’ Inst. 
1883 p. 122. — Rom: ein unweit des Amphitheatrum castrense gefundenes 
Exemplar bei Caylus, recueil d’antiquites V pl. XCVI 1 p. 264. — Bei Brom- 
berg: Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1876, Sitzung 
vom 20. Mai, T. XVII 3. — Da eine cornetaner „tomba a pozzo“, in der ein sol- 
ches Gürtelblech gefunden wurde (Bull. dell’ Inst. 1882 p. 164), keine Waffen 
enthielt, so nimmt Ghirardini, Not. d. scav. 1882 p. 159 an, es sei darin die 
Asche einer Frau beigesetzt und jener Gürtel ein weibliches Toilettenstück ge- 
wesen. Doch hat man zu bedenken, dafs in dem betreffenden Teile der Nekro- 
pole von Tarquinii eiserne Angriffswaffen nachgewiesen sind und sich eine eiserne 
Lanzenspitze, wenn sie vom Roste zerfressen ist, leicht der Beobachtung ent- 
zieht. In einem anderen cornetaner Grabe derselben Gattung, welches einen 


XXI. Beinschienen und Panzer. 291 


bei allen diesen Exemplaren eine nach der Mitte zu anschwellende 
Kurve bilden, so können sie unmöglich von Gürteln herrühren, die 
wie der ζωστήρ über der Rüstung getragen wurden; denn diese 
mulsten naturgemälser Weise die gleiche gradlinige Begrenzung haben 
wie die untere Kante des archaischen Panzers. Aufserdem ist der 
Umfang der Bronzestreifen für derartige Gürtel viel zu beschränkt. 
Dagegen ergiebt sich ein in jeder Hinsicht zweckmäfsiges Rüstungs- 
stück, wenn wir darin Beschläge von Gürteln erkennen, welche, wie 
die wiron, um den Unterleib zu schützen, unmittelbar über dem Chiton 
oder der Tunica getragen wurden.!) Das hohe Alter dieses Gegenstan- 
des erhellt daraus, dals solche Beschläge in Italien bereits in vor- 
hellenischen Schichten,?) wie in der Nekropole Benacei (bei Bologna) 
und in cornetaner „tombe a pozzo“, vorkommen. Und zwar läfst die 
Thatsache, dafs keines dieser Gräber neben den Gürtelbeschlägen Reste 
eines metallenen Panzers enthielt, darauf schliefsen, dafs die Krieger, 
deren Asche in jenen Gräbern beigesetzt war, einen derartigen Gurt als 
einzigen ehernen Schutz trugen. Das den Genossen des Sarpedon ge- 
sebene Epitheton auıroogirwveg?) erklärt sich am natürlichsten durch 
die schon von den meisten alten Erklärern vertretene Annahme, dafs 
die lykische Rüstung der μίσρη entbehrte. Auch bei den Griechen 
scheint dieser Gurt bald nach Ablauf der homerischen Epoche aufser 
Gebrauch gekommen zu sein; denn er ist auf keinem griechischen 
Bildwerke nachweisbar; vielmehr zeigen bereits die ältesten Vasen- 


bilder unter dem Panzer nichts weiter als das darunter herabreichende 
Stück des Chitons.?) 


derartigen Gürtelbeschlag enthielt (Bull. 1883 p. 113—117), wurden ebenfalls keine 
Waffen, aber zwei bronzene Beile (Bull. 1883 p. 115 n.16, 17) und ein eisernes 
Messer (p. 116) gefunden, also Gegenstände, die doch eher auf einen Mann als auf 
eine Frau hinweisen. Sollten übrigens auch derartige Gürtel in Tarquinii von den 
Frauen getragen worden sein, dann dürften wir immerhin annehmen, dafs dieser 
Typus aus der männlichen Tracht entlehnt ist. 1) Den beiden im obigen ange- 
deuteten Gesichtspunkten hat Orsi a.a.O. p. 60 keine Rechnung getragen, wenn 
er in den breiten Bronzegürteln nicht die w/ren, sondern den ξωστήρ (oben δ᾽. 238 —. 
289) erkennt. 2) Oben Seite 82—88. 3) Il. XVI 419: ἀμιτροχίτωνας ἑταίρους, 
wozu die Scholien zu vergleichen sind. 4) In einem Grabe der Nekropole von 
Allifae (in Samnium) fand sich ein aus zwei Bronzeplatten bestehender Panzer, be- 
gleitet von zwei bronzenen Gürtelbeschlägen: Ann. dell’ Inst. 1884 p. 267268, Lei- 
der sind wir über diese Beschläge nicht genau genug unterrichtet, um bestimmeu 
zu können, ob sie zu einander in einem ähnlichen Verhältnisse standen wie der 
ξωστήρ und die wren. Möglich scheint es immerhin, dafs sich in dem konser- 
vativen Samnium der alte Gebrauch einen Gürtel über und einen anderen unter 
dem Panzer zu tragen lange Zeit erhalten hat. — Leaf, der im Journal of hellenie 
studies IV (1883) p. 73—82 über den homerischen Panzer und seine Zuthaten 
gehandelt hat, ist zu Resultaten gelangt, die im wesentlichen mit den meinigen 


de 


19" 


909 Die Bewaffnung. 


Es bleibt noch die Bedeutung zu besprechen, welche das Wort 
ξῶμα an zwei Stellen der Ilias!) hat. Einige alte Erklärer, unter 
denen der der hadrianischen Epoche angehörige Grammatiker Tele- 
phos namhaft gemacht wird,’) erkannten darin ein von den Weichen 
nach den Knieen herabreichendes Anhängsel des Panzers, also offen- 
bar jenes Gefüge von Leder- oder Zeugstreifen (πτερύγιον), welches 
durch Statuen aus hellenistischer und griechisch -römischer Epoche 
allgemein bekannt ist. Wären jedoch diese Troddeln, die der Gestalt 
des Kriegers ein höchst eigentümliches Gepräge verliehen, den Dich- 
tern des Epos bekannt gewesen, so würden die ausführlicheren Be- 
schreibungen von Rüstungen, wie derjenigen des Achill und Aga- 
memnon, gewils irgendwelchen Hinweis darauf enthalten. Aufserdem 
kommt der Troddelgurt erst auf verhältnismäfsig späten Denkmälern 
vor, nämlich auf heliefs vorgeschrittenen archaischen Stiles und auf 
rotfigurigen Vasen. Die älteste Skulptur, welche ihn darstellt, dürfte 
die Grabstele des Atheners Aristion?) sein. Jedenfalls ist Aristarchos*) 


übereinstimmen. Nur hinsichtlich der μέσρη hat er eine abweichende Auffassung 
begründet. Er nimmt an, dafs dieses Rüstungsstück noch auf archaischen Vasen- 
bildern dargestellt sei, und erkennt dasselbe m dem schurzartigen Streifen, wel- 
cher, die Oberschenkel eng umschlielsend, unter dem Panzer hervorragt. Nach 
meiner Ansicht ist dieser Gegenstand nichts anderes als der untere Teil des 
Chitons. Da die wien nach ausdrücklicher Angabe des Epos (Il. IV 187, 216: 
τὴν χαλκῆες κάμον ἄνδρες) von dem Schmiede gearbeitet war, so muls sie not- 
wendig aus Bronze bestanden oder wenigstens einen bronzenen Überzug gehabt 
haben. Dies ist aber unmöglich von jenem schurzartigen Gegenstande anzu- 
nehmen; denn derselbe würde, falls er aus einem festen Stoffe bestand, jede 
freie Bewegung der Oberschenkel unmöglich gemacht haben. 1) M.-IV 187, 
216. Über das ξῶμα in Od. XIV 482 wurde bereits im ΧΙ]. Abschnitte Seite 184 
das Nötige bemerkt. Was für einen Gurt das Wort ζῶμα in dem bekannten 
Fragmente des Alkaios bei Athen. XIV 627 A (fragm. 15 Bergk) bezeichnet, ist 
ungewils. 2) Für die Kenntnis der alten Erklärungen sind im besonderen 
folgende Stellen wichtig: 1. Schol. Il. IV 133: ὅτι καϑ' ὃν τόπον ἐζώννυντο, 
διπλοῦς ἦν ὁ ϑώραξ, καϑὺ ὑποβέβλητο τῷ στατῷ ϑώρακι τὸ λεγόμενον ζῶμα, κα- 
ἡ ῆκον μέχρι τῶν γονάτων ἀπὸ τῶν λαγόνων. 2. Schol. Marc. 480 ad 1]. IV 188: 
Τήλεφος γάρ φησι τὸ ἀπὸ τοῦ αὐχένος ἄχρι ὀμφαλοῦ ϑώρακα καλεῖσϑαι, τὸ δ᾽ 
ἀπὸ λαγόνων ἄχρι χνημῶν ζῶμα. 3. Schol. Il. ΓΝ 187: ὅτι τοῦ ζώματος μνησϑεὶς 
παραλέλοιπε τὸν ϑώρακα, ὥστε ἀπὸ μέρους τὸ ὕλον δεδηλῶσϑαι. 4. Schol. U. X 
77: ἡ διπλῆ ὅτι δοκοῦσί τινες ταὐτὸν εἶναι ζῶμα καὶ ξωστῆρα᾽ οὐκ ἔστι δέ. ἀλλὰ 
ζῶμα καλεῖ τὸ συναπτόμενον τῇ μίτρᾳ ὑπὸ τὸν στατὸν ϑώρακα, τὸ δὲ ἔξωϑεν συν- 
δέον πάντα ζωστῆρα. 5. Apollon. lex. hom. p. 81, 19 (Bekker): ζῶμα δὲ καὶ 


αὐτὸς ὁ ϑώραξ κατὰ "Agloraoyov. 3) Schöll, arch. Mittheilungen T. 1 p. 28; 
Rhein. Mus. IV (1846) T. I p. 4; Archäol. Zeitg. 1860 T. 135; Overbeck, Gesch. 
der Plastik 18 p. 150 n. 26. 4) Die Auffassung des Aristarchos ergiebt sich 


deutlich aus Apollon. lex. hom. p. 81, 19 (in der vorhergehenden Anm. 2 n.5). 
Wenn Lehrs, de Aristarchi studiis hom. 2. ed. p. 121—122 ihm vielmehr die im 
Schol. Il. X 77 (in der vorherg. Anm. 2 n.4) ausgesprochene Ansicht zuschreibt, 


XXI. Beinschienen und Panzer. 293 


dem wahren Sachverhalte nahe gekommen, indem er annahm, dafs 
die epischen Dichter ζῶμα als pars pro toto für den Panzer gebraucht 
hätten. Diese Auffassung beruht offenbar auf dem Vergleiche der drei 
Stellen, welche sich auf die Verwundung des Menelaos beziehen. An 
der ersten!) heifst es, dafs der Pfeil des Pandaros durch ξωστήρ, 
ϑώρηξ und wiron durchdringt. Als dann Agamemnon über die Ver- 
wundung seines Bruders erschrickt, ruft ihm Menelaos zu, er möge 
sich beruhigen; der ζωστήρ, das ζῶμα und die wiren hätten die Kraft 
des Geschosses geschwächt.?) Dieselben drei Bestandteile löst end- 
lich Machaon, als es gilt die Wunde des Menelaos zu verbinden.°) 
Jeder unbefangene Beurteiler wird zugeben, dafs der Panzer, den die 
erste Stelle ausdrücklich hervorhebt, an den beiden letzteren nicht 
übergangen werden durfte. Wenn hiernach die Grundbedeutung des 
Wortes ζῶμα die eines in der Gürtelgegend befindlichen Teiles des 
Panzers gewesen sein mufs, so wird ein mit den Denkmälern ver- 
trauter Leser sofort an den vorkragenden Rand denken, welcher den 
archaischen griechischen Panzer auf der unteren Seite abschliefst 
und um den der Gürtel (ξζωστήρ) herumgelegt ist.‘) Alle Wahr- 
scheinlichkeit spricht dafür, dals ζῶμα an den beiden angeführten 
Stellen der Ilias diese Gürtelkante des Panzers bezeichnet; denn 
Menelaos wurde gerade da, wo wir diese Kante anzunehmen haben, 
von dem Pfeile getroffen und es leuchtet ein, dafs, wenn es galt 
eine Bauchwunde zu verbinden, vor allen Dingen der am unteren 
Rande des Panzers angebrachte Verschluls gelöst werden mulste.?) 


so liegt hierfür wie für die Streichung der Worte τῇ μίτρᾳ nach συναπτόμενον 
kein zwingender Grund vor. 1) I. IV 132 (oben Seite 286, Anm. 5). 2)1. 
IV 185: ἀλλὰ πάροιϑεν | εἰρύσατο ξωστήρ re παναίολος ἦδ᾽ ὑπένερϑεν  ξζῶμά τε 
καὶ μίτρη, τὴν χαλκῆες κάμον ἄνδρες. 3) 11. IV 215: λῦσε δέ οἵ ξωστῆρα πα- 
ναίολον 10” ὑπένερϑεν | ξῶμά τε καὶ μίτρην, τὴν χαλκῆες κάμον ἄνδρες. 4) Vgl. 
z. B. die lakonische Kriegerfigur Seite 254 Fig. 90. 5) Die Weise, in der 
Studniezka, Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 67—70 die 
drei Stellen behandelt hat, scheint mir mifslungen. Dieser Gelehrte findet 
es auffällig, dafs der Chiton nirgends erwähnt wird, und zieht daraus den 
Schluls, ζῶμα bedeute den altertümlichen Schurz (oben Seite 161—162), den 
Menelaos statt des Chitons trage. Mit dieser Annahme ist die zweite Stelle 
(I1.IV 185—187, die vorhergehende Anm. 2) unvereinbar, an der Menelaos sagt, 
der ξωστήρ, das ξῶμα und die wiren hätten ihn geschützt; denn hierbei durfte 
der Panzer, der ja dem Unterleibe den Hauptschutz gewährte (ll. XIII 459: 
χιτῶνα | χάλκεον, ὕς οἵ πρόσϑεν ἀπὸ χροὸς ἤρκει ὄλεϑρον) unmöglich übergangen 
werden. Um sich diese Verse vom Halse zu schaffen, vermutet Studniczka, dals 


sie einer jüngeren Einschaltung angehören, „welche um die ausführliche erste 
Schilderung des Weges, den der Pfeil genommen (Il. IV 132—139, oben S. 286, 
Anm. 5), nicht zu wiederholen, die kürzere nachfolgende (Il. IV 215—216, s. die 
vorhergehende Anm. 3) an die Stelle setzte, ohne zu bemerken, dals dort etwas 


wesentlich anderes beschrieben wird“. Eine derartige kühne Vermutung würde 


904 : Die Bewaffnung. 


Aufser dem schweren ehernen Panzer wird auch ein leichterer 
aus Leinwand erwähnt, jedoch nur in dem Schiffskataloge, der jeden- 
falls zu den jüngsten Bestandteilen des Epos gehört.!) Der Dichter 
dieses Verzeichnisses giebt das Epitheton λυνοϑώρηξ ἅ. 1. „mit einem 
linnenen Panzer gewappnet“ dem Lokrer Aias und unter den Bundes- 
genossen der Troer dem Mysier Amphios.?) Wenn der Panzer des 
jüngeren Aias auf einer rhodischen Schale gegen den sonst üblichen 
Gebrauch weils gemalt ist,?) so fragt es sich, ob nicht der Maler 
den linnenen Panzer darstellen wollte, der jenem Helden im Schiffs- 
kataloge zugeschrieben wird. 


nur dann gerechtfertigt sein, wenn alle Prämissen der Beweisführung vollständig 
gesichert wären. Dies gilt aber keineswegs für die von Studniezka geltend ge- 
machte Auffassung. Wenn der Chiton an der ersten (Il. IV 132—139) und 
an der zweiten Stelle (Il. IV 185—187) übergangen wird, so ist der Grund da- 
von der, dafs der Chiton nicht zu den den Unterleib schützenden Bestand- 
teilen gehörte, auf die es in jenem Zusammenhange ankam. Ebensowenig war es 
nötig ihn an der dritten Stelle (Il. 1V 215—216) namhaft zu machen; denn der 
Dichter zählt hier die Bestandteile auf, die Machaon löst, um die Wunde des 
Menelaos zu untersuchen, und durfte es dabei als selbstverständlich betrachten, 
dafs der Arzt schliefslich den über den Unterleib herabfallenden Chiton empor- 
hob. Ferner irrt Studniczka, wenn er hehauptet, dafs sich die dritte Stelle im 
besten Einklange mit seiner Erklärung befände. Ein Schurz, wie er ihn anninmt, 
würde selbstverständlich auf dem blofsen Leibe und unter der μίτρη getragen 
worden sein, wogegen die vom Dichter angewendete Wortstellung zu der 
Annahme nötigt, dafs sich das ζῶμα über der uiren befand. Ganz sonderbar 
ist endlich die Behauptung Studniczkas, dafs es an jener Stelle unnötig gewesen 
sei den Panzer zu erwähnen, da dieser am unteren Rande keinen anderen Ver- 
schlufs als den durch den umliegenden ξωστήρ gehabt habe und somit der Hin- 
weis auf das Aufschnallen des &woryje zugleich das Öffnen der Panzerplatten 
vergegenwärtige. Alle aus zwei Metallplatten bestehenden Panzer, die ich ge- 
sehen, sowohl die antiken wie die aus dem Mittelalter und aus der Renaissance- 
epoche sind am unteren Rande mit Vorrichtungen versehen, welche zum Zu- 
sammenhalten der Platten dienen. Bei dem archaischen Panzer war ein solider 
Verschlufs an dieser Stelle besonders nötig, da die Platten tief herabreichten 
und ihr Gefüge auch den Bewegungen der Hüften Widerstand leisten mulste 


(oben Seite 286). 1) Niese, der homerische Schiffskatalog als historische 
(uelle betrachet p. 56—59 und derselbe, die Entwickelung der homerischen Poesie 
p. 202— 203, p. 228—229. 2) Il. I 529, 830. Reste eines linnenen Panzers, 


vermutlich phönikischer oder karthagischer Arbeit, aus einer cornetaner „tomba 
a fossa“ (oben Seite 22—23): Mon. dell’ Inst. X T. XP 3 (wahrscheinlich gehört 
hierzu auch T. X4 6, 10). Vgl. Ann. 1874 p. 257—258. 3) Journal of hellenic 
studies V (1884) pl. XL p. 235. 


XXII. Der Helm. 295 


XXII. Der Helm. 
(xuven, κόρυς, πήληξ, τρυφάλεια). 

Da das für den Helm am häufigsten gebrauchte Wort κυνέη 
ursprünglich Hundsfell bedeutet, so müssen wir annehmen, dafs die 
Vorväter der Hellenen, wie noch in historischen Zeiten die Barbaren 
des mittleren Buropas, ihre Köpfe durch Tierfelle schützten, deren 


Fig. 109. Fig. 111. 


schreckhafter Eindruck vermutlich durch das dräuende Gebifs ver- 
ınehrt war.') Doch beweisen Epitheta wie y«Axsıog,”) εὔχαλκος, ἢ 
πάγχαλκος oder παγχάλκεος ,1) yaAxjong,) gaAroreonos,°) welche das 
Epos dem Helme beilegt, dafs dieser Gebrauch in der homerischen 
Epoche bereits abgekommen war und die Hauptbestandteile des 
Helmes damals aus Bronze gearbeitet wurden. Der Helm des Hektor 
heilst reintvuyog „dreischichtig.“”) Also verstand man sich darauf 
die Helmkappe, um ihre Festigkeit zu vermehren, aus mehreren über 
einander gelegten Schichten herzustellen — ein Verfahren, welches 
durch altgriechische zu Olympia gefundene Helme veranschaulicht 
wird, die aus einer dreifachen Bronzeschicht bestehen, einer stärkeren 
in der Mitte und je einer dünneren über und unter derselben.°) Ferner er- 
hellt aus unzweideutigen Angaben der Dichter, dafs der Helm die Stimm’) 


1) Der in seinem Garten arbeitende Laertes trägt eine Mütze aus Ziegen- 
fell (αἰγείην κυνέην Od. XXIV 231). Noch in den späteren Zeiten war die κυνῆ.. 
die gewöhnliche Kopfbedeckung der Landleute. Vgl. Ὁ. Müller, Dorier II p. 40; 
Welcker, praef. ad Theogn. p. XXXV. 2) Il. XII 184, XX 398: χαλκείη κόρυς. 
3) I. VII 12: στεφάνης εὐχάλκου. Vgl. ΧΙ 96: στ. χαλκοβάρεια. 4) Kuven 
πάγχαλκος: Od. XVII 378, XXII 102. 5) Kvven χαλκήρης: 1]. ΠῚ 316, XXIII 
861, Od.X 206, XXII 111, 145. Κόρυς χαλκήρης: 1]. Χ1Π 714, XV 535. 6) Κυνέη 
χαλκοπάρῃος: 1]. ΧΙ 183, XVII 294, XX 397. Κόρυς χαλκοπάρῃος: Od. XXIV 523. 


7) Il. XI 352: ἐρύκακε γὰρ τρυφάζλεια | reimtvyos αὐλῶπις. 8) Furtwängler, 
die Bronzefunde aus Olympia p. 77. 9) 11. IV 459, VI 9: τόν ῥ᾽ ἔβαλε πρῶτος 
κόρυϑος φάλον ἵπποδασείης" | ἐν δὲ μετώπῳ πῆξε. 11. ΧΙ 95: μετώπεον ὀξέι 


δουρὶ | νύξ᾽, οὐ δὲ στεφάνη δόρυ οἵ σχέϑε χαλκοβάρεια. ΧΥῚ 795 (der von 


296 Die Bewaffnung. 


und die Schläfe!) bedeckte, sowie aus den Beiworten χαλκο- 
πάρῃος  υπὰ αὐλῶπις,  ἀαίβ er über die Wangen herabreichte und 
mit Öffnungen für die Augen versehen war. Dagegen blieb der 
unterste Abschnitt des Halses unbedeckt; denn das Epos berichtet 
von Verwundungen an dieser Stelle, ohne beizufügen, dafs eine 
schützende Metallplatte von der Waffe durchschlagen wird.t) Als 
Sturmband diente ein um das Kinn herumreichender Riemen, dessen 


Patroklos getragene Helm des Achill): ἀλλ᾽ ἀνδρὸς θείοιο κάρη χαρίεν re μέτω- 
πον | ῥύετ᾽ ᾿ἀχιλλῆος. 1) Il. XII 576: Ζηΐπυρον δ᾽ Ἕλενος ξίφει σχέδον ἤλασε 
κόρσην | Θρηϊκίῳ, μεγάλῳ, ἀπὸ δὲ τρυφάλειαν ἄραξεν. ΧΙ] 805: ἀμφὶ δέ οἵ 
κροτάφοισι φαεινὴ σείετο πήληξ. XV 608: ἀμφὶ δὲ πήληξ | σμερδαλέον κροτάφοισι 
τινάσσετο μαρναμένοιο. XV 647: ἀμφὶ δὲ πήληξ | σμερδαλέον κονάβησε περὶ 
κροτάφοισι πεσόντος. XIII 188, XVII 611: κόρυϑα κροτάφοις ἀραρυῖαν. Od. 
XVII 378: καὶ κυνέη πάγχαλπος, ἐπὶ κροτάφοις ἀραρυῖα. XXI 102: καὶ κυνέην 
πάγχαλκον, ἐπὶ κροτάφοις ἀραρυῖαν. 2) Oben Seite 295, Anm. 6. 3) 4ὐλῶ- 
πις τρυφάλεια: Il. V 182, XI 353, XIII 530, XVI 795. Dieses Adjektiv wird von 
antiken wie von modernen Gelehrten in zwiefacher Weise erklärt, nämlich ent- 
weder „mit Visierlöchern versehen“ (so Hesych. s. v. αὐλῶπις" εἶδος περικεφα- 
λαίας, παραμήκεις ἐχούσης τὰς τῶν ὀφϑαλμῶν ὀπάς; Etym. magn. p. 170, 4 5. v. 
αὐλῶπις" κοιλόφϑαλμον) oder „hochröhrig“ ἃ. 1. „mit einer hohen den Busch tra- 
genden Röhre versehen“ (so Etym. m. p. 170, 3: αὐλίσκον ἔχουσα, καϑ' οὗ πή- 
yvvraı ὃ λόφος: Apollon. lex. hom. Ὁ. 47, 24; Schol. U. V 182, XI 353; Eustath. 
ad Il. V 182 p. 537, 2, ad Il. XI 353 p. 849, 7). Die letztere Erklärung ist 
am ausführlichsten von Ameis iu den Neuen Jahrb. f. Philol. 73 p. 223 ver- 
teidigt worden. Die Erwägungen, auf Grund deren er die Deutung auf Visier- 
löcher verwirft, sind im wesentlichen die folgenden: αὐλός bezeichnet überall 
eigentlich oder bildlich die Röhre; die Visierlöcher sind nirgends in dem Epos 
erwähnt; Sophokles (bei Hesych. 5. v. αὐλῶπιν; tragicor. gr. fragm. rec. Nauck 
p. 243 n. 727) legt das Epitheton αὐλῶπις einem langen Speere (τὴν μακρὰν 
αὐλῶπιν) bei. Aber Visierlöcher, die in einem aus mehreren Bronzeschichten 
gearbeiteten Helme (oben Seite 295) angebracht sind, lassen sich doch recht 
wohl als αὐλοί bezeichnen. Ferner mufs der homerische Helm, da er die Ge- 
sichter so vollständig bedeckte, dafs die Helden dadurch unkenntlich wurden 
(weiter unten Seite 297), notwendig Visierlöcher gehabt haben, mögen sie auch 
in dem Epos nicht ausdrücklich erwähnt werden. Mit dem sophokleischen Frag- 
mente ist wenig anzufangen, da wir seinen ursprünglichen Zusammenhang nicht 
kennen. Jedenfalls spricht gegen die von Ameis vertretene Ansicht die Erfah- 
rung, dafs durch die homerischen Epitheta stets Erscheinungen vergegenwärtigt 
werden, welche nachdrücklich auf das Auge wirken und für den betreffenden 
Gegenstand besonders bezeichnend sind (vgl. oben Seite 158). Dies läfst sich 
aber keineswegs von jener metallenen Röhre behaupten, da dieselbe unter dem 
Helmbusche als ein Motiv von ganz nebensächlicher Bedeutung erschien. Unter 
solchen Umständen halte ich die Übersetzung von αὐλῶπις durch „mit Visier- 
löchern versehen“ für die richtige. Vergleichen läfst sich der Name αὐλωπίας 
oder αὐλωπός, den eine Fischgattung wegen der stark vorspringenden Augen- 
ränder führte (Oppian, hal. I 256). 4) 11. XIV 465: τὸν ῥ᾽ ἔβαλεν κεφαλῆς τε 
καὶ αὐχένος ἐν συνεοχμῷ, | νείατον ἀστράγαλον. XVI 332, 337: ὁ δ᾽ ὑπ᾽ οὔατος 
αὐχένα ϑεῖνεν. Vgl. VI 12, XIII 671, XVI 587, 606, ΧΥΠῚ 617. 


ΧΧΙ Der Helm, 297 


Epitheton (πολύκεστος) auf eingestochene oder eingeritzte Ornamente 
schliefsen läfst.') Die Angabe endlich, dafs der Helm bei heftigen 
Bewegungen um die Schläfe hin und her schwankt,?) beweist, dafs 
wie der Panzer so auch der Helm verhältnismäfsig weit war. 

In der späteren Zeit wurden die Backenschirme bekanntlich aus 
besonderen Stücken gearbeitet und mit Vorrichtungen versehen, ver- 
möge deren sie emporgeklappt oder zurückgeschoben werden konnten. 
Da die Dichtung hierüber schweigt, so ist anzunehmen, dafs in der 
homerischen Epoche Kappe und Schirme aus einem Stücke getrieben 
waren und die letzteren unbeweglich an der ersteren festsalsen, wie 
es bei den ältesten erhaltenen griechischen Helmen der Fall ist 
(Fig. 109—111).?) Von dem Gesichte war unter einem derartigen 
Helme nur wenig zu sehen. Wir können uns vorstellen, wie die 
Augen der Helden unter den beiden Öffnungen unheimlich funkel- 
ten, eine Erscheinung, welche die Dichter bisweilen nachdrücklich 
hervorheben.*) Aufserdem wird in der Ilias?) darauf hingewiesen, 
wie Aias, als er zu dem Zweikampfe mit Hektor aus den Reihen 
der Achäer heraustritt, unter dem Helme düster lächelt. Ja die Be- 
deckung des Gesichtes durch den Helm ging soweit, dafs die Helden 
im Schlachtgetümmel einander nur an äufseren Eigentümlichkeiten, 
wie an der Rüstung oder an den Streitrossen, erkannten. Während 
Diomedes die Reihen der Troer lichtet, überlegen Aeneas und Pan- 
daros, wer wohl der furchtbare Gegner sein möge, und endlich äulsert 
Pandaros, dafs Helm, Schild und Gespann auf den Sohn des Tydeus 
schliefsen lassen.°) Kebriones erkennt den Telamonier Aias an dem 
gewaltigen Schilde.) Patroklos, im Begriffe den Achäern zu Hülfe 
zu kommen, bittet den Achill ihm seine Rüstung zu leihen, da die 


1) N. IH 371: ἄγχε δέ μιν πολύκεστος ἱμὰς ἁπαλὴν ὑπὸ δειρὴν, ὅς οἵ ὑπ᾽ 
ἀνϑερεῶνος ὀχεὺς τέτατο τρυφαλείης. Vgl. oben Seite 212. 2) D. XIII 805, 
XV 609, 648 (oben Seite 296, Anm. 1). Vgl. XX 162, XXII 314. 5) u 
Dodwell, class. tour II p. 330. Blouet, expedition de Morde I pl. 74 Fig. 1. 
Kemble, horae ferales pl. XII 3 (Helm von den Argivern aus korinthischer Beute 
nach Olympia geweiht; die übrige Litteratur bei Roehl, inscript. gr. antiquissimae 
p. 16 n. 32). Ausgrabungen von Olympia I T. XXXI (hiernach unsere Fig: 111). 
Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 77. Della Marmora, voyage en 
Sardaigne pl. XXXIV 3, vol. II p. 504 (hiernach unsere Fig. 109, 110). 4) 1. 
III 342, XXIII 815 (von Paris und Menelaos und von Aias und Diomedes, die 
sich zum Zweikampfe anschieken): δεινὸν δερκόμενοι. 1]. VIII 349 (von Hektor, 
als er die Achäer über den Graben treibt): Γοργοῦς ὄμματ᾽ ἔχων. 1. ΧΗ 466 
(von Hektor, der in das Lager der Achäer einbricht): πυρὶ δ᾽ 0008 δεδήει. 
Hymn. XXXI 9 (von Helios): σμερδνὸν δ᾽ ὅγε δέρκεται ὅσσοις | χρυσέης ἐκ κόρυϑος. 
5) I1. VII 212: μειδιόων βλοσυροῖσι προσώπασι. 0) 1]. V 175 M., 181 αἰ ΝΥ A ον. 1. 
ΧΙ 525, 526. 


298 Die Bewaffnung. 


Feinde dann glauben würden, der schreckliche Pelide nehme wieder 
an dem Kampfe teil, und, als er in der Rüstung des Achill ausrückt, 
halten ihn die Troer in der That für den letzteren.) 

In der Vasenmalerei kommen Helme dieser Art, welche eine 
besonders vollständige Deckung gewähren, häufig auf dunkelfigurigen 


Gefäfsen vor (Fig. 112), die nach Stil 


und Technik eine in sich abgeschlossene 
I Gruppe bilden und sich bis jetzt nur in 
EI R der Nekropole von Öaere gefunden haben.?) 


Die früher von mir vertretene Ansicht, 
dafs diese Vasen in Üaere gearbeitet seien, 
ist nicht mehr haltbar, seitdem es fest- 


ἘΞ τ: Ὁ steht, dals ein Exemplar aus einem spä- 
ΠΠΞ δὰ testens dem Ende des 6. Jahrhunderts 
v. Chr. angehörenden Grabe stammt;?) 
N denn ihre vorgeschrittene Technik würde 

νὰ 


gegenüber dem primitiven Stadium, in 
Fig. 112. welchem sich die damalige etruskische 
Gefälsplastik befand, eine ganz abnorme 
Erscheinung darstellen. Vielmehr ist diese Gattung von Vasen einer 
hellenischen Fabrik des 6. Jahrhunderts v. Chr. zuzuschreiben. 
Fraglich bleibt es, ob der homerische Helm aufser den Wangen- 
schirmen noch einen Nasenschutz hatte. Jedenfalls scheinen zwei 
Stellen der Ilias auf einen Typus ohne derartige Deckung hinzu- 
weisen. Der Speer des Diomedes trifft den Pandaros an der Nase 
neben dem Auge,*) der des Menelaos den Peisandros an dem oberen 
Ende des Nasenrückens.°) Beide Stellen enthalten keine Andeutung, 
dafs die Lanzenspitze, bevor sie in die Haut eindringt, einen die 
Nase deckenden Bronzestreifen durchschlägt. Dieses Stillschweigen 
ist umso auffälliger, da an der zweiten Stelle sogar das Krachen 


ΖΞ 


des getroffenen Nasenknochens hervorgehoben wird und da wir wissen, 
dafs die griechischen Waffenschmiede schon in sehr früher Zeit auf 
die Festigung des Nasenschirmes eine besondere Sorgfalt verwendeten, 
indem sie ihn aus dickeren Bronzeschichten herstellten, als die übri- 
sen Teile der Helmkappe.°) Hiernach scheint es ın der That, dafs 
sich die Dichter den Helm des Pandaros und den des Peisandros 


1) ID. XVI 41, 278%, 2) Ann. dell’ Inst. 1863 Tav. d’agg. E (hieraus ist 


unsere Fig. 112 entnommen). Vgl. p. 210—232. 3) Bull. dell’ Inst. 1881 
Plön. 18 4) 11. V 290, 291. 5) 11. XIII 615: ὁ δὲ προσιόντα (ἤλασε) 
μέτωπον | ῥινὸς ὕπερ πυμάτης" λάκε δ᾽ ὀστέα, τὼ δέ οἵ ὄσσε | πὰρ ποσὶν αἷμα- 
τόεντα χαμαὶ πέσον ἐν κονίῃσιν. 6) Furtwängler, die Bronzefunde aus 


Olympia p. 77. 


XXII Der Helm. 299 


ohne Nasenschirm dachten. Indes wird hierdurch keineswegs die 
Möglichkeit ausgeschlossen, dafs es auch Helme mit Nasenschirmen 
gab, wie denn auf den ältesten griechischen Vasenbildern neben ein- 
ander Helme vorkommen, die lediglich mit Backenschirmen und solche, 
die mit Backen- und Nasenschirmen versehen sind.!) 

Wenden wir uns nunmehr zur Betrachtung des pdAog,?) so kann 
derselbe nichts anderes gewesen sein als der Bügel, welcher sich 
über die Mitte der Helmkappe von dem Hinterkopfe nach der Stirne 
zu erstreckte.”) Es war dies der widerstandsfähigste Teil des Helmes, 


1) So tragen z. B. auf der von Conze, melische Thongefäfse T. III publi- 
zıierten Vase die beiden kämpfenden Hopliten lediglich mit Backenschirmen 
versehene Helme, wogegen der am Boden liegende Helm auch einen Nasenschirm 
hat. Indes hat man hierbei zu bedenken, dafs sich der Nasenschirm bei den 
beschränkten Dimensionen der auf den Vasen dargestellten Figuren nur schwer 
zu deutlichem Ausdruck bringen liefs. Deshalb werden die Maler vielfach ab- 
sichtlich auf seine Wiedergabe verzichtet haben. 2) ΠΕΡῚ 362) 1V7 459/078; 
ΧΠῚ 132, XVI 216, 338. Das Wort entspricht genau dem skr. hvdras „Bogen, 
Bügel“ (Gr. φ = skr. lv; z.B. φη--μί skr. hva „rufen‘), welches beruht auf 
hvar „schief gehen, sich beugen, umfallen, niederbeugen.* 8) So haben schon 
alte Erklärer (Schol. Il. XII 132 φάλοισι" συρίγγια ἐπὶ τῶν μετώπων εἰς ἃ κα- 
ϑίενται οἵ λόφοι... φάλοι μέν τὰ προμετωπίδια ἐπαναστήματα, ὧν καὶ ὁ λόφος 
ἔχεται), dann auch Buttmann, Lexilogus II p. 240 und Goebel im Philologus XVII 
Ῥ. 213—215 (der letztere auf der von ihm angenommenen Ableitung des Wortes 
von der Wurzel ge? fulsend) im ganzen richtig geurteilt. Auf die vielen falschen 
Ansichten, die vor Erscheinen des Lexilogus geäulsert worden sind, brauche ich 
nicht einzugehen, da sie durch Buttmann ausführliche Widerlegung gefunden 
haben. Unbegreiflich ist, dafs Rüstow und Köchly, Geschichte des gr. Kriegs- 
wesens p. 9, die überzeugende Darlegung dieses Gelehrten unberücksichtigt ge- 
lassen haben. Wenn sie in dem φάλος den Stirnschirm des Helmes erkennen, 
so sprechen dagegen die Beiworte ἀμφίφαλος und τετράφαλος, da es unmöglich 
Helme mit zwei oder vier Stirnschirmen gegeben haben kann. In der weiteren 
Auseinandersetzung wird dann diese Erklärung stillschweigend fallen gelassen 
und ohne irgendwelehe Begründung angenommen, die φάλοι seien identisch mit 
den gleich zu besprechenden φάλαρα und bezeichneten wie diese die Seiten- 
schirme oder überhaupt die an dem Helme angebrachten Schirme. Demnach sei 
eine κυνέη τετράφαλος oder τετραφάληρος ein vierschirmiger d. ἢ. mit Stirn-, 
Nacken- und Wangenschirmen versehener Helm. Eine derartig verworrene Aus- 
einandersetzung hat keinen Anspruch auf eine besondere Widerlegung. Fröhlich 
endlich in Virchows Archiv für Pathologie LXVIIL (1876) p. 387, 388 erkennt in 
den φάλοι richtig Bügel, irrt aber, wenn er annimmt, dafs der oder die φάλοι 
anders als in der Richtung von dem Hinterkopfe nach der Stirn auf der Helm- 
kappe angebracht gewesen wären, dals die κυνέη ἀμφίφαλος einen Helm mit 
kranzförmigem Randbügel, die τετράφαλος einen Helm mit vier Bügeln bezeichne, 
die von den Schläfen, dem Nacken und der Stirn ausgehend auf dem Scheitel 
zusammengetroffen wären. Diese Annahmen finden in den Denkmälern, die bei 
der Untersuchung über die homerische Rüstung zu berücksichtigen sind, keine 
Analogie und gründen sich, wie wir im weiteren sehen werden, auf die falsche 


900 | Die Bewaffnung. 


an dem bisweilen die Klingen zersplitterten!) und der sogar Schläge 
der Streitaxt aushielt.”) Da Speere, welche den φάλος treffen, durch 
den letzteren in die Stirn eindringen?) und bei einer eng geschlossenen 
Aufstellung die φάλον der Hintermänner, wenn diese den Kopf vor- 
wärts neigen, die der Vordermänner berühren,*) so ist anzunehmen, 
dafs die Bügel nach vorn wie nach hinten weit herabreichten. Aufser- 
dem bezeugt das Epos ausdrücklich, dafs der Helmbusch (λόφος) auf 
dem φάλος auflag.’) Beide Eigentümlichkeiten werden durch alt- 
griechische Denkmäler veranschaulicht. Der auf ihnen am häufigsten 
vorkommende Helm zeigt einen Bügel, der vorn bis zur Stirngegend, 
hinten bis zum Ansatze des Nackenschirmes herabreicht und in den 
der Busch- eingesetzt ist.) 

Einige altgriechische Bildwerke, welche behelmte Köpfe in der 
Vorderansicht darstellen, scheinen bei flüchtiger Betrachtung einen 
Helm wiederzugeben, auf dem der Bügel, entsprechend den eristae 
transversae der römischen Centurionen,’) die Kappe der Quere nach, 
nämlich von einem Ohre zu dem anderen, überzog. Eine solche 
Anordnung zeigt z. B. einer der Helme des dreiköpfigen Geryoneus 
auf einer chalkidischen Amphora.°) Indes ist diese Darstellungsweise 
vermutlich nur dadurch veranlafst, dafs es den Vasenmalern mit ihren 
beschränkten Mitteln unmöglich war, Bügel und Busch in der bei 
der Vorderansicht erforderlichen Verkürzung zu deutlichem Ausdrucke 
zu bringen. Ebenso wird es aus einer technischen Schwierigkeit zu 
erklären sein, wenn an tarentiner Thonfiguren bisweilen nur der Bügel 
in der Vorder-, der Busch dagegen in der Seitenansicht wiedergegeben 
ist;”) denn die Formen waren nicht tief genug, um den Ausdruck 
eines Motives zu gestatten, welches, wie der in der Vorderansicht 
dargestellte Helmbusch nach hinten zu weit ausgreifen mulste. 


Vorstellung, die sich Fröhlich von den φάλαρα gebildet hat. 1) 1], ΠῚ 862, 
363, XVI 338. 2) I. XII 614. 5) I.IV 459, VI 9 (oben Seite 295, Anm. 9). 
4) Il. XIII 131, XVI 215: ἀσπὶς ἄρ᾽ ἀσπίδ᾽ ἔρειδε, κόρυς κόρυν, ἀνέρα δ᾽ ἀνήρ᾽] 
ψαῦον δ᾽ ἵππόκομοι κόρυϑες λαμπροῖσι φάλοισιν | νευόντων" ὃς munvol ἐφέστασαν 
ἀλλήλοισιν. 5) Il. XIII 614 (Peisandros schwingt gegen Menelaos die Streit- 
axt): ἤτοι ὃ μὲν κόρυϑος φάλον ἤλασεν ἵπποδασείης | ἄκρον ὑπὸ λόφον αὐτόν. 
Die enge Beziehung zwischen dem φάλος und λόφος erhellt auch aus Il. X 257, 
wo es heifst, dafs Thrasymedes dem Diomedes leiht: κυνέην... ταυρεέην, ἄφαλον 


τε καὶ ἄλλοφον, 7 Te καταῖτυξ | κέκληται. 6) Vgl. z. Β. Seite 284 Fig. 105 
und Seite 298 Fig. 112. 7) Archäolog.-epigr. Mittheilungen aus ÖOstreich V 


ΤΟΝ p. 206. Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung des römischen Heeres T. XII 9. 
8) Gerhard, auserl. Vasenb. IV T. CCCXXII. 9) Arch. Zeitg. XL (1882) p. 310 
n. 36, p. 313 n. 46. So auch der Busch eines en face dargestellten Reiters auf 
einem bronzenen bei Fermo gefundenen Schildschnabel: Not. d. βοῶν. com, all’ 
acc. dei Lincei 1881 p. 165. 


XXII. Der Helm. 901 


Aufser dem mit einem Bügel versehenen Helme bedienten sich 
aber die Griechen des homerischen Zeitalters auch solcher, welche, 
um die Widerstandskraft zu vermehren, mit zwei (ἀμφέφαλος) ἢ) oder 
vier (tTerodpaAog)”) Bügeln ausge- 
stattet waren. Auf vier Bügel weist 
auch das Wort τρυ-φάλεια hin, vor- 
ausgesetzt, dals man es richtig aus 
τετρυ-φάλεια abgeleitet hat.”) Die 
Annahme, dafs sich diese Bügel pa- 
rallel über die Kappe erstreckten,?) 
ist an und für sich wahrscheinlich 
und wird durch erhaltene Helme be- 
stätigt. Ein Bronzehelm, welcher 
von zwei in dieser Weise angeord- 
neten Bügeln überzogen ist (@ugi- 
φαλος), hat sich zu Olympia,?) ein 
anderer im inneren Samnium (Fig. 113),°) ein dritter in der Nekro- 
pole von Hallstatt,?) ein vierter in einer der letzteren verwandten 


Fig. 113. 


1) Il. V 743, XI 41: κρατὶ δ᾽ ἐπ᾽ ἀμφίφαλον κυνέην ϑέτο τετραφάληρον. 
2) Π. XXII 314 (von dem Helme des Achill): κόρυϑι. .. φαεινῇ τετραφάλῳ. 
XII 384: ϑλάσσε δὲ τετράφαλον κυνέην. 8) Vgl. (τε)γτράπεξα, τάρες --- τέτταρες. 
Τετρυ- würde dem lateinischen quadru entsprechen. Vgl. Fick in Bezzenbergers 
Beiträgen zur Kunde der indogermanischen Sprachen I p. 64—65; J. Schmidt in 
Kuhns Zeitschrift XXV (1881) p. 47. 4) Wenn der Verfasser des Lexilogus 
II p. 242 in der ἀμφίφαλος κυνέη einen Helm erkennt, dessen Phalos sich von 
der Mitte der Kappe nicht nur nach vorn, sondern auch nach dem Hinterkopfe 
zu erstreckt habe, so widerspricht dieser Ansicht die Überlegung, dafs der hier- 
bei vorausgesetzte einfache Phalos, d. h. ein Bügel, der nur die Vorderseite des 
Helmes deckt, auf keinem antiken Denkmale vorkommt und eine stilistische 
Ungeheuerlichkeit sein würde. Nach der von mir begründeten Auffassung ent- 
spricht die Bildung ἀμφέφαλος genau der von ἄμφωτος (Od. ΧΧΗ 10: ἄλεισον 
ἄμφωτον). Wie das letztere Adjektiv einen auf jeder Seite mit einem Henkel 
versehenen Becher bezeichnet, so das erstere einen Helm, dessen Kappe auf 
jeder Seite von einem Bügel überzogen ist. Ist aber ἀμφέφαλος in dieser Weise 
richtig erklärt, dann fällt auch die Ansicht von Goebel (Philol. XVII Ῥ. 214, ᾿ 
215), dafs die κυνέη τετράφαλος ein Helm mit einem aus vier über einander 
gelegten Metallschichten bestehenden Bügel gewesen sei. Goebel (a, a. Ö. 
p. 218) verweist, um ἀμφίφαλος zu erklären, auf den stephaneartigen Schirm, 
wie er z. B. den Helm der Pallas aus dem Aeginetengiebel umgiebt. Aber ein 
derartiger Schirm kommt auf den ältesten griechischen Denkmälern nicht vor 
und aufserdem ist es doch ganz undenkbar, dafs dasselbe Wort φάλος ın der 
homerischen Sprache so ganz verschiedene Dinge, wie den auf der Helmkappe 


Ἂ . \.n2e τ ir 1a 
angebrachten Bügel und jenen Schirm, bezeichnet habe. 5) Furtwängler, die 
Bronzefunde aus Olympia p. 77. 6) Gegenwärtig in der Sammlung Bour- 


guignon zu Neapel. 7) Von Sacken, Grabfeld von Hallstatt T. VIII 5. 


302 Die Bewaffnung. 


krainischen Grabstätte!) gefunden. Aufserdem ist Memnon auf zwei 
rotfigurigen Schalen strengen Stiles mit einer xvven ἀμφίφαλος aus- 
gestattet (Fig. 114).”) Wenn die Maler die beiden Bügel auf dem 
en face dargestellten Helme in der Profilansicht wiedergegeben haben, 
so wurden sie hierzu vermutlich durch die glei- 
chen Schwierigkeiten veranlafst, welche den Maler 
der im obigen erwähnten Geryoneusvase zu einer 
analogen Anordnung des einfachen φάλος be- 
stimmten. 

Die spätere griechische Kunst hat die φάλοι 
figürlich durchgebildet. Es genügt an die Sphinx, 
welche den Helm der Athena Parthenos des Phei- 
dias krönte, und die anderen auf demselben 
Helme angebrachten Figuren zu erinnern.?). 

Eine besondere Art, den Busch auf die Helm- 
kappe aufzusetzen, ergiebt sich aus der Schilderung des Kampfes 
zwischen Meges und Dolops.*) Als jener den letzteren mit dem Speere 
an dem oberen Ende des Helmes trifft, bricht der Busch ab und fällt 
in den Staub. Diese Beschreibung kann sich unmöglich auf den im bis- 
herigen erörterten Helm beziehen ; denn es leuchtet ein, dafs der den Busch 
tragende Bügel, in dem die Widerstandskraft der Kappe kulminierte, 
in soliderer Weise befestigt war, als dafs er durch einen Lanzenstols 
hätte abgelöst werden können. Dagegen erscheint die Schilderung 
vollständig zutreffend, wenn wir einen Helm annehmen, an dem der 
Busch von einer auf die Kappe aufgesetzten Bronzeröhre gestützt 
war. Diese Röhre konnte leicht zerschmettert und hierdurch der 
Busch abgelöst werden. Aufserdem scheint die im Epos häufig vor- 
kommende Angabe, dafs der Busch furchtbar von dem Helme herab- 
nickt,°) besonders ausdrucksvoll unter Voraussetzung eines Busches, 


Fig. 114. 


1) Von Hochstetter, die neuesten Gräberfunde von Watsch und St. Marga- 
rethen in den Denkschr. d. Wiener Akademie, mathemat.-naturwiss. Classe, XVII, 
Wien 1883, p. 20 (180) Fig. 13. Ein fünftes Exemplar dieser Art befindet sich, ohne 
Provenienzangabe, im Museo gregoriano des Vatican. 2) Gerhard, Trinkschalen 
und Gefälse 1 T. D (hiernach unsere Fig. 114). Mon. dell’ Inst. XI T.33. Ein ähn- 
licher Helm auch auf der Troilosschale des Euphronios: Klein, Euphronios 2. Aufl. 
p- 213—222. 3) Schreiber, die Athene Parthenos des Phidias (Abhandl. ἃ. sächs. 
Ges. d. Wiss. Bd. VIII) p. 593; Mittheilungen des deutschen arch. Institutes in 
Athen VIII (1883) p. 291—315. Vgl. aufserdem Ann. dell’ Inst. 1874 tav. d’agg. 
K p. 46—48. 4) Il. XV 535: τοῦ δὲ Μέγης κόρυϑος χαλκήρεος Immodwoeing | 
κύμβαχον ἀκρότατον νύξ᾽ ἔγχεϊ ὀξυόεντι, | ῥῆξε δ᾽ ἀφ᾽ ἵππειον λόφον αὐτοῦ" 
πᾶς δὲ χαμᾶξε | κάππεσεν ἐν κονίῃσι, νέον φοίνικι φαεινός. 5) Il. VI 469 
(Astyanax fürchtet sich vor Hektor): ταρβήσας χαλκόν τε ἰδὲ λόφον ἱππιοχαί.- 
την, δεινὸν ἀπ᾿ ἀκροτάτης κόρυϑος νεύοντα νοήσας. Π 337, ΧΙ 42, Od. ΧΧΗ 
124: δεινὸν δὲ λύφος καϑύπερϑεν ἔνευεν. Il. ΧΧΙῚ 814: κόρυϑι δ᾽ ἐπένενε φαεινῇ, 


XXII Der Helm. 303 


der auf einer hohen schmalen Stütze angebracht war und somit durch 
jede Wendung des Kopfes in Bewegung versetzt wurde. Die Gra- 
vierungen zweier in mykenäischen Schachtgräbern gefundenen Siegel 
(Fig. 115)') beweisen, dafs ein derartiger Helm bereits vor der dori- 
schen Wanderung gebräuchlich war. Auf den archaischen Vasen- 
bildern?) kommt er sehr oft neben dem im vorhergehenden bespro- 
chenen Helme vor, dessen Busch an einem die Kappe | 
überziehenden Bügel befestigt ist — ein Umstand, wel- 
cher dazu berechtigt, beide Gattungen auch in der ho- 
merischen Epoche anzunehmen. 

Wenn es in der Ilias?) heifst, dafs von dem mit zwei 
Bügeln versehenen Helme (ἀμφίφαλος) des Agamemnon der Busch furcht- 
bar herabnickt, so hat man sich vermutlich die den Busch tragende 
Röhre zwischen den beiden Bügeln auf die Kappe aufgesetzt zu denken. 

Wie die Denkmäler beweisen, wurde auch jene Röhre verdop- 
pelt und hierdurch ein mit zwei Büschen versehener Helm erzielt. 
Die beiden Röhren erscheinen auf den Bildwerken in verschiedener 
Weise angeordnet. Die eine Weise wird im besonderen durch die 
mehrfach erwähnte chalkidische Amphora?) veranschaulicht. Hier 
sind die behelmten Köpfe des Glaukos (Seite 284 Fig. 105) und Leo- 
dokos en face dargestellt und die Röhren auf jedem der beiden Helme, 
gegen einander convergierend, an den Schläfenseiten angebracht, der- 
artig, dals sie wie die Hörner von dem Haupte eines Rindes von 
der Kappe emporragen. Auf anderen Vasenbildern?) dagegen, welche 
Helme dieser Art im Profile wiedergeben, steht die eine Röhre auf 
der Vorder-, die andere auf der Rückseite der Kappe (Fig. 116). 


ILL A 


ug. 115. 


τετραφάλῳ. καλαὶ δὲ περισσείοντο ἔϑειραι | χρύσεαι, ὃς Ἥφαιστος ἵει λόφον 
ἀμφὶ ϑαμειᾶς. 1) Das eine bei Schliemann, Mykenae p. 202 n. 254; unsere 
Fig. 115. Leider ist die Weise, in der der Helmbusch aufsitzt, weder bei Schlie- 
mann noch in unserem Holzschnitte zu scharfem Ausdrucke gekommen. Auf 
dem Original erkennt man deutlich eine oben gekrümmte Röhre, auf deren 
krummen Teile der Busch aufsitzt, also eine Anordnung ähnlich der, welche 
z. B. auf der Vase des Aristonophos (Mon. dell’ Inst. VIII T. IV; unten Seite 313 
Fig. 120) und häufig an assyrischen Helmen sichtbar ist. Das andere Siegel bei 
Schliemann p. 259 n. 335, wo der Helm des mit dem viereckigen Schilde be- 
wehrten Kriegers auf das klarste die Röhre zeigt. 2) Z. B. auf dem chalki- 
dischen Vasengemälde, dessen Mittelgruppe Seite 284 Fig. 105 abgebildet ist. 
3) I. ΧΙ 41: κρατὶ δ᾽ ἐπ᾽ ἀμφίφαλον κυνέην ϑέτο τετραφάληρον | ἵππουριν" δει- 
νὸν δὲ λόφος καϑύπερϑεν ἔνευεν. 4) Die Mittelgruppe Seite 284 Fig. 105. So 
auch der Helm eines gegen Dionysos kämpfenden Hopliten auf einer rotfigurigen 
Vase bei Gerhard, auserl. Vasenbilder I T. 51, 4 und der der Pallas auf phöni- 
kischen Münzen bei de Luynes, numismatique des satrapies pl. XVIn. 49—51 
p. 93. 5) Gerhard, auserl. Vasenb. II T. 107 (Geryoneusamphora des Exekias). 
Mon. dell’ Inst. 1 T. 34; VI, VII T. 78 (hieraus unsere Fig. 116). 


304 Die Bewaffnung. 


‚Diese letztere Darstellungsweise ist, wie es scheint, nur dadurch ver- 
anlafst, dafs es sehr schwierig war, einen solchen Helm in der Profil- 
ansicht zu deutlichem Ausdrucke zu bringen, da hierbei die dem 
Betrachter zunächst befindliche Röhre die andere deckte. Jedenfalls 
scheint die auf dem chalkidischen Gefäfse sichtbare Anordnung die 
zweckmälsigere; denn die Röhren konn- 
ten, in dieser Weise aufgesetzt, Hiebe 
abfangen, die von der Seite gegen den 
Scheitel geführt wurden. Auch sind 
antike Bronzehelme erhalten, welche eine 
ähnliche Anordnung der beiden Röhren 
zeigen.') 

Die φάλαρα werden nur einmal im 
Epos erwähnt, nämlich in der Schilde- 
rung, wie der Telamonier Aias die 
Schiffe der Achäer verteidigt. Sein 
Helm erklingt von dem Anprall der 

s feindlichen Geschosse und zwar wird 
ae er fortwährend an den wohl gearbei- 

teten φάλαρα getroffen.”) Da dieses Wort in der späteren Sprache die 
metallenen Buckel, welche das Riemenzeug der Pferde verzierten,?) 
zu bezeichnen pflegt, so versucht Buttmann?) dasselbe in der epischen 


1) In der gleichen Weise wie auf dem chalkidischen Vasenbilde sind die 
beiden Röhren an einem in der Basilicata gefundenen Bronzehelme angeordnet: 
Kemble, horae ferales pl. XII 4. Verwandt sind auch vier aus Unteritalien 


stammende Helme; doch zeigen sie drei Röhren, eine gerade in der Mitte und 


auf jeder Seite der letzteren eine schräge, nach aufsen gerichtete, waren also 
mit drei Büschen ausgestattet: Lindenschmit, Alterth. uns. heidn. Vorzeit I 
Heft ΠῚ T. II 1, 7, 8; die Alterthümersammlung in Carlsruhe, herausgeg. von 
dem grofsherzogl. Conservator der Alterthümer T. 15 und 16; A. Ancona, le 
armi, le fibule, e qualche altro cimelio della sua collezione (Milano 1886) 
n.8. 2) U. XVI 105: πήληξ βαλλομένη καναχὴν Eye, βάλλετο δ᾽ dei | 
κὰπ φάλαρ᾽ εὐποίηϑ᾽ -“ ὁ δ᾽ ἀριστερὸν ὦμον ἔκαμνεν, ἔμπεδον αἰὲν ἔχων 
σάκος αἰόλον. Statt χὰπ φάλαρ᾽ las Aristarchos (Schol. Π. XVI 105) καὶ 
φάλαρ΄. 3) Vgl. im besonderen Stephani C. r. 1865 p. 164—175. 4) Lexi- 
logus II p. 243—246. Die wichtigsten Erklärungen der alten Grammatiker: 
Schol. Il. XVI 105: φάλαρα τὰ κατὰ τὸ μέσον τῆς περικεφαλαίας μικρὰ ἀσ- 
πιδίσκια ἅτινα κόσμου χάριν ἐπιτίϑενται. Schol. I. XVI 106: φ. δὲ τὰ κατὰ 
τὰς παρειὰς ἐπιπίπτοντα μέρη... ὡς δὲ ὁ Θρᾷξ, 6 ἑἕκατέρωϑεν αὐτῆς (Sc. τῆς 
πήληκος) κόσμος. Schol. Il. V 743: οἵ ἐν ταῖς παραγναϑίσι κρίκοι, δι’ ὧν αἵ 
παραγναϑίδες καταλαμβάνονται τῆς περικεφαλαίας. Etym. magn. 5. ν. paid 
p. 787, 9: τὰς προμετωπίδας, τοὺς ἀσπιδίσκους, τὴν κύόσμησιν τὴν κατὰ τὸ 
μέτωπον τῶν ἵππων ἢ τὰ τῶν γνάϑων σκεπάσματα. Vgl. Etym. Gud. 5. v. 
Φαλαρίτης p. 549, 40, Photius und Suidas 5. v. φάλαρα, Eustath. zu Il. V 743 
p. 601, 10 ff.; zu Il. XII 389 p. 910, 805-39: zu Il. XVI 106 p. 1048, 30—33. 


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XXI. Der Helm. 305 


Schilderung auf einen möglichst ähnlichen Gegenstand zu beziehen 
und vermutet daher, es seien damit die auf dem Helmbande ange- 
brachten Metallschuppen gemeint. Indes schweigt die einzige Stelle 
des Epos,') an der des Sturmriemens gedacht wird, von einer Schuppen- 
decke, bezeichnet vielmehr den Riemen als πολύκεστος d. 1. „mit 
eingestochenen oder eingeritzten Ornamenten versehen“.?) Sollte aber 
dieser Einwand nicht für durchschlagend erachtet werden, so beruht 
die Annahme Buttmanns jedenfalls auf einem falschen Begriffe von 
der Form des damaligen Helmes, der, wie im obigen nachgewiesen 
wurde, die Wangen bedeckte und somit von dem um das Kinn herum- 
reichenden Bande nur einen ganz kurzen Streifen blofs liefs. Jeder- 
mann sieht ein, dafs es sehr schwierig war einen mit einem der- 
artigen Helm ausgerüsteten Krieger, in welcher Stellung er sich auch 
befinden mochte, gerade an diesem Riemenstücke zu treffen. Und 
besonders schwierig mulste dies bei Aias sein, der von einem Schiffe 
herab gegen die andrängenden Troer kämpfte; denn der Kopf des 
Helden war hierbei naturgemäfser Weise nach unten gerichtet und 
infolge dessen der unter den Wangenschirmen hervorgehende Riemen 
fast ganz durch das Kinn verborgen. Wollen wir aber den Troern 
die sonderbare Caprice zutrauen, dafs sie sich gerade eine so schwer 
erreichbare Stelle zum Zielpunkt erkoren, dann berichtet der Dichter, 
ohne auf das Eingreifen einer Gottheit hinzuweisen, ein doppeltes 
Wunder, erstens, dafs die Troer fortwährend jene Stelle trafen, 
zweitens, dafs von den vielen Speeren, die an das Helmband des 
Aias anschlugen, keiner abglitt und in den Hals des Helden ein- 
drang. Goebel?) hat diese Mängel der Buttmannschen Erklärung 
zum Teil richtig erkannt. Wenn er jedoch seinerseits den φάλος und 
die φάλαρα für Synonyme hält und annimmt, das letztere Wort be- 
zeichne mehrere auf der Helmkappe aufliegende Bügel, so stölst 
diese Erklärung auf eine zwiefache Schwierigkeit. Wie sich näm- 
lich im weiteren*) herausstellen wird, ist das Adjektiv τετραφάληρος 
aus dem Substantive φάλαρα gebildet und bedeutet „mit vier φάλαρα 
versehen“. In der Ilias?) aber wird ein und derselbe Helm zweimal 
sowohl als ἀμφίφαλος d. 1. „mit doppeltem Bügel ausgestattet“ wie 


Die Erklärung auf Backenschirme wird weiter unten Seite 306 Widerlegung 
finden. Der anderen Ansicht, die φάλαρα seien die die Backenschirme halten- 
den Ringe gewesen, ‚widerspricht die Thatsache, dals an dem damaligen Helme 
Kappe und Schirme aus einem Stücke gearbeitet waren (oben Seite 297). Uber 
die Deutung auf Schildchen, welche auf der Stirnseite, oder Schmuckstücke, die 
auf den beiden Nebenseiten des Helmes angebracht waren, vergleiche man 
weiter unten Seite 307. 1) D. III 371 (oben Seite 297, Anm. 1). 2) Oben 
Seite 212, Anm. 1. 3) Philologus XVIII p. 217—218. 4) Seite 308. 
5) V 743, XI 41 (oben Seite 301, Anm. 1). 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 20 


906 Die Bewaffnung. 


als τετραφάληρος bezeichnet. Hiernach müssen die φάλον und die 
φάλαρα wesentlich verschiedene Gegenstände gewesen sein. Aulser- 
dem fällt es schwer zu begreifen, wie ein Wort, welches in der 
homerischen Sprache den Helmbügel bezeichnete, von den späteren 
Griechen auf einen so heterogenen Gegenstand wie den Metall- 
schmuck der Pferdegeschirre übertragen werden konnte. Dieselbe Er- 
wägung spricht auch gegen die Annahme von Fröhlich,') die φάλαρα 
seien die schienenartigen Fortsetzungen der φάλοις ἃ. 1. die von der 
Helmkappe auslaufenden Nacken- und Wangenschirme, gewesen. Zu- 
dem wird hierbei eine am unteren Rande mit horizontalen Bügeln 
umgebene Helmkappe vorausgesetzt, für 
die es in der ältesten griechischen Kunst 
an jeglicher Analogie gebricht. Dagegen 
fallen alle Schwierigkeiten weg, wenn wir 
in den φάλαρα Metallbuckel erkennen, die 
aus der Helmkappe herausgetrieben oder 
auf ihr festgenietet waren. Eines der älte- 
sten Denkmäler, welches einen derartigen 
Buckel deutlich zum Ausdruck bringt, ist 
ein phönikisches Salbfläschehen (Fig. 117) 
mit dem Namen des Pharaonen Uahabra 
(griechisch Apries; 599—569 v. Chr.). 

er Dieses Gefäfs hat die Form eines be- 
helmten Kopfes. Der Helm ist mit Wangen- und Nacken- 
schirmen und unmittelbar an dem vorderen Ende des Bügels mit 
einer knopfartigen Erhöhung versehen.”) Unter den erhaltenen 
Bronzehelmen verweise ich auf das bereits angeführte, in dem inneren 
Samnium gefundene Exemplar (Seite 301 Fig. 113), auf fünf glocken- 
förmige Sturmhauben, von denen sich zwei zu Rom im Museo preisto- 
rico,’) drei zu Mailand befinden,*) und auf zwei Sturmhauben, welche 
die Form einer Jokeymütze haben, die eine gefunden in Etrurien,?) 
die andere bei S. Ginesio (in Picenum).°) Alle diese Exemplare 
haben einen Buckel auf jeder Seite der Kappe, dasjenige von S. Gi- 
nesio aulserdem drei Buckel auf jedem der beiden beweglichen 


1) In Virchows Archiv für Pathologie LXVIIL (1876) p. 392, 393. 2) Heuzey 
in der Gazette arch. VI pl. 28, 2 (p. 147 ff.) und les figurines de terre-cuite du 
Louvre pl. 7, 2; Perrot et Chipiez, histoire de l’art II p. 676 n. 484; hiernach 
unsere Fig. 117. 3) Die eine n. 22097 gefunden bei Corropoli, die andere 
n. 28869 gefunden bei Monte Giorgio (Provinz von Ascoli Piceno). 4) A. Ancona, 
le armi, le fibule e qualche altro. cimelio della sua collezione (Milano 1886) n. 4 
(gefunden in den Marche), n. 8 (erworben in Rom), n. 9 (erworben in Florenz). 
5) Mus. gregorian. I T.XX1I 1. 6) Notizie degli scavi comm. all’ acc. dei 
Lincei 1886 t. I2 p. 44. 


XXII. Der Helm. 307 


Wangenschirme.') Ein im neapler Museum befindlicher Bronzehelm?) 
zeigt deren drei auf der Vorderseite unweit des unteren Randes. Je 
drei sieht man an den Helmkappen von fünf Kriegern, die auf dem 
bekannten aus der Nekropole von Felsina (Bologna) stammenden 
Bronzeeimer dargestellt sind.?) Da das Relief die Figuren im Profil 
wiedergiebt, so hat man drei entsprechende Buckel auf der ent- 
gegengesetzten unsichtbaren Seite zu gewärtigen, also Helme mit 
sechs solchen Buckeln anzunehmen. Der pileusförmige Helm eines 
auf einer unteritalischen Vase dargestellten Kriegers ist am unteren 
Rande mit einer diehten Reihe kleiner runder Erhöhungen überzogen.*) 
Eine auf der Gurina gefundene, zinnerne Pallasfigur zeigt deren zwei 
auf der Vorderseite des Helmes, dessen Form derjenigen des mehrfach 
erwähnten, aus Samnıum stammenden Exemplares (Seite 301 Fig. 113) 
entspricht.°) Die Rosette, mit welcher der Helm einer bereits öfter 
angeführten lakonischen Bronzefigur auf jeder Seite verziert ist,®) 
scheint ein ornamentaler Rest der im homerischen Zeitalter üblichen 
Buckel. Da die Geschosse besonders häufig an solche aus der Helm- 
kappe hervorragende Buckel anschlagen mufsten, so halte ich es 
für wahrscheinlich, dafs die φάλαρα des Aias ähnliche zugleich zur 
Festigung wie zum Schmucke des Helmes bestimmte Gegenstände 
waren. Demnach sind unter den .bisherigen Erklärern die alten 
Grammatiker, welche in den φάλαρα Schildchen erkannten, die auf der 
Stirnseite, oder Schmuckstücke, die auf den Schläfenseiten der Helm- 
kappe angebracht waren, der Wahrheit am nächsten gekommen. ‘) 
In der späteren Sprache bezeichnet dasselbe Wort, wie bereits be- 
merkt wurde, den Metallschmuck der Pferdegeschirre und, von den 
Römern übernommen (phalerae), im besonderen die ornamentierten 
Metallscheiben, welche die römischen Soldaten als Dekorationen er- 
hielten und an Riemen befestigt über dem Panzer trugen.°) Diese 


1) Ein neuerdings bei Bologna gefundener Bronzehelm hat einen Buckel auf 
jedem der beiden Backenschirme (Not. d. scavi 1881 p. 214), ebenso ein Exemplar 
in der Sammlung Ancona (Ancona ἃ. ἃ. Ὁ. π. 10). 2) Cataloghi del Museo di Na- 
poli, armi antiche n. 10. 3) Zannoni, sugli scavi della Certosa di Bologna 
DI XXRIV 7; Bull. di’ pal. ital. VI T. VO 9. 4) Arch. Zeitung 1877 T. ὅ 
p. 21. 5) Meyer, Gurina T. XI 17 p. 50—51. 6) Mittheilungen des deutsch, 
arch. Institutes in Athen III (1878) T. I 2; die Vorderansicht oben Seite 254 
Fig. 90. Einen Buckel hat ein bei Canosa gefundener Helm auf der Mitte 
der Vorderseite: Millin, description des tombes de Canose pl. 11 3, 4. Ein bei 
Lokroi gefundenes Exemplar zeigt auf der Stirnseite eine Reihe kleiner Buckel, 
die jedoch hier nur eine ornamentale Bedeutung haben: Millin a. a. Ὁ. p. 44; 
Mus. Borb. V T. XXIX 2. 7) S. oben Seite 304, Anm. 4. 8) Vgl. ©. Jahn, 
die Lauersforter Phalerae p. 2ff. Stephani C. r. 1865 p. 165, Anm. ἢ, Nah 
verwandt sind auch die χαλκοφάλαρα δώματα bei Aristoph. Acharn. 1072, bei 


20* 


908 Die Bewaffnung. 


Begriffe treten zu dem, welcher sich für das homerische Wort er- 
geben hat, in organische Beziehung, wenn als Grundbedeutung die 
eines runden metallenen Aufsatzstückes angenommen wird. Aischylos') 
endlich bezeichnet durch φάλαρον das obere aufrecht stehende Ende 
der Tiara des Perserkönigs, also einen zum Mindesten der Form 
nach entsprechenden Gegenstand. Ä 

Dasselbe Substantiv scheint auch in dem Adjektive τετραφάληρος 
enthalten, welches in der Ilias zweimal als Epitheton eines Helmes 
vorkommt.’) Buttmann?) freilich verzweifelt daran dieses Adjektiv 
mit den φάλαρα an dem Helme des Aias in Einklang bringen zu 
können. Er beruft sich daher auf das den Wogen beigelegte Epi- 
theton φαληριόων.) das, wie er meint, die Vergleichung mit dem 
Helme und seinem weilsen Busche sehr ungezwungen vor Augen 
führt, und schliefst hieraus, φάληρος sei entweder ein Name des 
Busches oder ein Beiwort desselben gewesen. Doch brauche ich auf 
diese Vermutung nicht einzugehen, da sie auf der im obigen wider- 
lesten Auffassung der φάλαρα beruht. Waren dagegen die φάλαρα, 
wie ich nachgewiesen zu haben glaube, Metallbuckel, welche die 
Helmkappe festigten und verzierten, dann findet die xvven τετρα- 
φάληρος eine vollständig angemessene Erklärung. Es war dies ein 
mit vier Buckeln, d. i. zweien auf jeder Seite, versehener Helm, ein 
Typus, der keineswegs befremdet, da wir antike Exemplare mit drei 
Buckeln auf jeder Seite kennen. Auch liegt, wie schon von Göbel?) 
richtig bemerkt worden ist, kein Grund vor das Epitheton der Wogen, 
φαληριόων,. etymologisch von φάλαρα zu trennen. Wer das Mittel- 
ländische Meer bei stürmischem Wetter gesehen hat, wird beobachtet 
haben, wie sich die Wellen, zumal in der Nähe des Strandes, öfters 
in bogenartiger Weise auftürmen und, wenn sie umschlagen, kuppel- 
förmige Erhöhungen bilden.) Es fragt sich somit, ob κύματα κυρτὰ 
φαληριόωντα nicht zu übersetzen ist „die sich krumm aufbuckelnden 
Wogen‘“. 

Schliefslich gilt es noch einem Einwurfe zu begegnen, welcher 
von archäologischer Seite gegen diese Auffassung der φάλαρα er- 
hoben werden könnte. Solche Buckel nämlich sind an den erhaltenen 


denen man an bronzene Buckel zu denken hat, mit denen die Balkenköpfe oder 
die Thüren beschlagen waren. 1) Pers. 661: βασιλείου τιάρας φάλαρον πιφαύ- 
χων. 2) 1. V 743, ΧΙ 41 (5. oben Seite 301, Anm. 1). Φαάλαρα steht zu 
τετραφάληρος wie τέκμαρ ZU τεχμήριον. 8) Lexilogus II p. 246—247. 4) 1. 
XI 798: κύματα παφλάζοντα πολυφλοίσβοιο ϑαλάσσης, | κυρτὰ φαληριόωντα, πρὸ 
μέν τ᾽ ἄλλ᾽, αὐτὰρ ἐπ᾽ ἄλλα. 5) Philologus VIII p. 216. 6) Eine ähnliche 
Erscheinung wird in dem Gleichnis Il. [IV 422—426 geschildert durch die Worte: 
ἀμφὶ δὲ τ᾽ ἄκρας | κυρτὸν (κῦμα) ἐὸν κορυφοῦται. 


᾿ς 


XXI. Der Helm. 309 


altgriechischen Helmen, die feste Wangenschirme haben und somit 
dem homerischen Typus am nächsten stehen, bis jetzt noch nicht 
nachgewiesen. Doch hat man hierbei zweierlei zu berücksichtigen. 
Erstens reicht unter den erhaltenen Exemplaren wohl keines bis in 
die homerische Epoche hinauf. Während der auf den Abschlufs des 
Epos folgenden Zeit machte sich, wie wir im XXV. Abschnitte sehen 
werden, die Tendenz geltend, die Küstungsstücke zu erleichtern und 
in organischer Weise den Körperteilen, zu deren Bedeckung_ sie 
dienten, anzupassen. Es scheint demnach wohl möglich, dafs die 
Griechen in der späteren Entwickelung darauf verzichteten, die 
Helmkappe durch die Beifügung solcher Buckel zu beschweren. 
Zweitens scheinen die meisten erhaltenen Helme der in Rede stehen- 
den Gattung nicht für den kriegerischen Gebrauch, sondern für 
Votiv- oder Sepulkralzwecke bestimmt gewesen zu sein.) Das 
antike Handwerk beschränkte sich aber bei solchen Arbeiten in 
der Regel auf die Wiedergabe der wesentlichen Bestandteile, also, 
wenn es galt einen Helm zu reproduzieren, auf die Wiedergabe 
der Kappe und der von ihr ausgehenden Schirme. Zeigt doch auch 
keiner der zahlreichen Helme jener Art, die sich in Griechen- 
land gefunden haben, den die Kappe festigenden und den Busch auf- 
nehmenden Bügel (pdAog) oder Reste von einer den Busch stützen- 
den Röhre.?) 

Der Helmbusch bestand nach den Angaben der Dichtung ge- 
wöhnlich aus Rofshaaren.’) Diese waren bisweilen künstlich ge- 
färbt, so auf dem Helme des Dolops, dessen Busch als rot bezeichnet 


1) Eine seltene Ausnahme bildet in dieser Hinsicht ein mit Stirn- und 
Wangenschirmen versehener Bronzehelm, der bei Ordona (Herdoniae) in Apulien 
gefunden wurde. Er gehört der Gattung an, bei welcher der Busch von einer 
bronzenen Röhre gestützt war, deren unterer Ansatz sich erhalten hat. Dals 
er im Kampfe gedient hat, beweist eine Spalte, die sich über die Kappe 
hinzieht und durch eine antike Reparatur geschlossen ist: Angelucei, un se- 
polero di Ordona, in der Zeitung La Capitanata 1874 n. 126 Fig. 5. 2) Die 
Exemplare bei Lindenschmit, die Altertümer unserer heidn. Vorzeit Bd. I Heft 3 
T. II 7, 8 und A. Ancona, le armi, le fibule e qualche altro cimelio della sua 
collezione (Milano 1886) n. 5 gehören nicht zu der im obigen besprochenen 
Gattung, sondern geben Helme mit emporgeschobenen Schirmen wieder. Doch 
sind diese Schirme nicht beweglich, sondern aus einem Stücke mit der Kappe 


earbeitet — ein deutliches Zeichen, dafs auch diese Exemplare nicht zum 
kriegerischen Gebrauche, sondern zu Votiv-, Sepulkral- oder Paradezwecken 
dienten. 3) Daher heilst der Busch ἵππιοχαίτης (ll. VI 469) oder ἵππειος 


λόφος (ll. XV 537), der Helm immovgıs (Il. ΠῚ 337, VI 495, ΧΙ 42, XV [481], 
XVI 138, XIX 382, Od. XXII 124), immörowos (I. XII 339, XIII 182, XVI 216, 
338, 797), ἱπποδάσεια (Il. ΠῚ 369, IV 459, VI 9, XIII 614, 114, XV 535, XVII 
295, Od. XXII 111, 145). 


310 Die Bewaffnung. 


σῖγα. ἡ Hephaistos umgab den Helmbusch des Achill auf den beiden 
Aufsenseiten mit einer dichten Lage von Goldfäden.?) 

Die Andeutungen des Epos reichen nicht aus, um zu entscheiden, 
ob die στεφάνη ἡ ein mit Nacken- und Wangenschirmen versehener 
Helm, wie der bisher besprochene, oder eine besondere etwa der 
Sturmhaube entsprechende Gattung war.) Sollte die erstere An- 
nahme richtig sein, so würde dieses Wort ursprünglich die den 
Kopf umgebenden Schirme’) bezeichnet haben und dann als pars 
pro toto auf den Helm übertragen sein. Jedenfalls bezeugt die Dichtung, 
dals die στεφάνη aus Erz gearbeitet war und die Stirn bedeckte.®) 

Endlich sei hier noch dreier Helmtypen gedacht, welche im 
10. Gesange der Ilias, in der Doloneia, erwähnt werden. Als Diomedes 
und Odysseus aufbrechen, um die Anschläge der Troer auszukund- 
schaften, erhält der erstere von Thrasymedes, einem der Führer der 
vor dem Schiffslager aufgestellten Wache, einen bügel- und busch- 
losen Helm, den man, wie der Dichter beifügt, χαταῖτυξ nannte. 
Meriones, ein anderer Befehlshaber der Wachmannschaft, leiht dem 
Odysseus eine lederne Sturmhaube, die im Inneren durch Riemen, 
auswendig durch Filz gefestigt und auf beiden Seiten mit Schweins- 
hauern verziert ist.‘) Dem Kundschafter der Troer, Dolon, wird 
von demselben Dichter eine Haube aus Marderfell beigelegt.?) Es 
leuchtet ein, dafs sich Kopfbedeckungen dieser Art für den Vorposten- 
und Kundschafterdienst vortrefflich eigneten, da sie weder durch 
Metallglanz noch durch einen wehenden Busch die Aufmerksamkeit 
auf sich zogen. Doch hat man zu beachten, dals der Gesang, in 
dem diese Schilderungen enthalten sind, zu den jüngsten Bestand- 
teilen des Epos gehört und mancherlei Züge enthält, welche in den 
übrigen Gesängen keine Analogie finden. Aulserdem geht der Dichter, 
wie bereits bemerkt wurde,”) entschieden darauf aus, seinem Liede 
durch Schilderung ungewöhnlicher Rüstungsstücke einen besonderen 
Reiz zu verleihen. 


1) Π. XV 538: νέον φοίνικι φαεινός. 2) Il. XIX 382—383, XXI 315— 
316 (oben Seite 302, Anm. 5). 3) Il. VII 11: “Ἕχτωρ δ᾽ ᾿Ηϊονῆα Bar’ Eyyei 
ὀξυόεντι | αὐχέν᾽ ὑπὸ στεφάνης εὐχάλκου, λῦσε δὲ γυῖα. X 30: Menelaos, im 
Begriffe den Agamemnon des Nachts in seinem Zelte aufzusuchen, setzt sich 
eine στεφάνη χαλκείη auf. 11. XI 96 (oben Seite 295, Anm. 9). 4) Solche 
Sturmhauben finden sich häufig in etruskischen Gräbern des 5. Jahrhun- 
derts v. Chr. Z. B. Mus. Gregor. I T. XXI. Dieser Gattung gehört auch der 
Tyrrhenerhelm an, den Hieron I von Syrakus nach der Schlacht bei Kyme in 
Olympia weihte: Kemble, horae ferales pl. XII 1; die übrige Litteratur bei 
Roehl, inscript. gr. antiquissimae p. 146 n. 510. 5) In dieser ursprünglichen 
Bedeutung „Helmkranz“ könnte das Wort Il. VIL 12 gefalst werden. 6) D. VII 
12 (s. die vorherg. Anm. 3), X 31, XI 96 (oben Seite 295, Anm. 9). ΠΝ 
255 ff. 8) Il. X 335: κρατὶ δ᾽ ἐπὶ κτιδέην κυνέην. 9) Oben Seite 11. 


XXI. Der Schild. >11 


XXIII. Der Schild. 
(ἀσπίς. σάκος, λαισήϊον). 


Die Untersuchung über die im homerischen Zeitalter gebräuch- 
lichen Schilde geht am besten von einer Zusammenstellung der Typen 
aus, die hierbei besonders ins Auge zu fassen sind. 

Auf den aus den mykenäischen Schachtgräbern stammenden 
figürlich verzierten Kunstgegenständen kommen zwei Arten von 
Schilden vor, ein stark gewölbter ovaler, der den Krieger von dem 
Kinne bis zu den Fülsen deckt (Seite 303 Fig. 115; Seite 313 
Fig. 119),') und ein anderer, ebenfalls beinahe mannshoher, der sich 
der viereckigen Form nähert (weiter unten Seite 326 Fig. 125)). Der 
erstere Typus zeigt zweierlei Varianten: er ist in der Regel, ähnlich 
wie der spätere böotische Schild, mit Ausschnitten versehen, die es 
offenbar dem Krieger ermöglichen sollten, durch sie hindurch die 
Stölse unter möglichst sicherer Deckung zu führen (Fig. 119); in 
einem Falle dagegen hat der Schildrand einen ununterbrochenen Ver- 
lauf (Seite 303 Fig. 115). Zwei anderen Formen begegnen wir auf 
bemalten Gefälsen, welche einer späteren Richtung der im beson- 
deren durch die mykenäischen Ausgrabungen bekannten Keramik 
anzugehören scheinen. Eine Vasenscherbe, die auf dem Burghügel 
von Mykenae unter den Ruinen der südlich von den Schachtgräbern 
gelegenen kyklopischen Häuser gefunden wurde, zeigt vier auf dem 
Marsch begriffene Krieger mit Schilden, deren Höhe ungefähr zwei 
Fünfteln der Körperlänge entspricht und die mit einem halbmond- 
förmigen Ausschnitt versehen sind.) Auf einem anderen zu Tiryns 
gefundenen Fragmente verwandter Art (oben Seite 196 Fig. 51) sehen 
wir zwei Krieger, welche auffällig kleine Rundschilde, deren Durch- 
messer kaum die Länge des Vorderarmes erreicht, vorgestreckt halten.) 
Die auf den Dipylonvasen’) dargestellten Schilde (oben Seite 138 
Fig. 32, Seite 139 Fig. 33)°) hingegen erinnern in der Regel an die- 
jenigen, mit denen auf den Reliefs von Ibsambul die gegen den 


1) So auf dem goldenen Siegel bei Schliemann, Mykenae p. 202 n. 254. 
(oben Seite 303 Fig. 115), auf dem Sardonyx p. 233 n. 313 (Fig. 119), auf der 
Dolchklinge im ᾿ϑήναιον Bd. X Tafel zu p. 309 ff. A 1, bei Milchhoefer, die 
Anfänge der Kunst p. 145 n. 64 und im Bull. de correspondance hellenique 
1886 pl. II 3 (weiter unten Seite 326 Fig. 125). 2) So auf dem Siegelringe 
bei Schliemann a. a. Ὁ. p. 259 n. 335 und auf der in der vorigen Anmerkung 
citierten Dolchklinge. 3) Schliemann, Mykenae p. 153 n. 213. 4) Schlie- 
niann, Tiryos T,. XIV p. 116—117. 5) Vgl. oben Seite 75—82. 6) Mon. 
dell’ Inst. VIII Τὶ XXXIX 1, T. XL 4, Ann. dell’ Inst. 1872 Tav. d’agg. 12. 
Offenbar wollten die Maler Schilde ausdrücken, welche längs der Seite oder 
über den Rücken herabhängen. 


312 e Die Bewaffnung. 


zweiten Ramses kämpfenden Chetiter ausgestattet sind (oben Seite 132, 
133, Fig. 25, 26). Ihre Form würde nämlich eine ovale sein, wäre 
nicht auf jeder Seite ein grofser kreisartiger Ausschnitt angebracht, 
dergestalt, dafs der mittlere Teil des Schildes auf einen ganz schmalen 


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Fig. 118. 


Streifen beschränkt erscheint; ihre Höhe entspricht etwa der halben 
Körperlänge. Ein einfach kreisrunder Schild kommt auf den Dipylon- 
vasen'!) und den ihnen verwandten Gefälsen?) verhältnismälsig selten, 
häufig dagegen auf den späteren Denkmälern vor. Wir begegnen einem 


1) Bis jetzt ist dieser Schild nur auf zwei Exemplaren nachgewiesen: Arch. 1 
Zeit. XLIII (1885) p. 139. 2) Furtwängler, Beschreibung der Berliner Vasen- 
sammlung Ὁ. 9—10 n. 56. 


XXIII. Der Schild. 313 


solchen auf dem bereits mehrfach erwähnten Gefäfse des Aristonophos 
(Fig. 120)') sowie auf alten Vasen aus Melos?) und Rhodos?). Eine 
kreisrunde oder eine ganz unmerklich elliptische Form 
haben auch die ältesten in Griechenland und in Italien 
(Fig. 118 und Seite 322 Fig. 123) gefundenen Schilde, 
die jedoch, da sie durchweg aus sehr dünnem Bronze- 
bleche bestehen, nicht zu kriegerischem Gebrauche, 
sondern zu Votiv- oder Sepulkralzwecken gearbeitet 
scheinen.*) Der Durchmesser dieses kreisrunden oder 
leicht elliptischen Typus schwankt in der Regel 
zwischen einem Drittel und drei Fünftel der Körperlänge. Jedoch 
machen eine Ausnahme hiervon drei Schilde auf der Vase des 


Fig. 119. 


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1008) 
β 1}. 
[7 
U 


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ΩΣ ΖΖΖΖΑΖΖ 7). Gh ILL 77 αμζζξ ΧΩ 
Fig. 120. 


Aristonophos. Die Malereien dieses Gefälses stellen ein Ruder- 
schiff (μακρὰ ναῦς) und ein Segelschiff (ἄκατος) unmittelbar vor 


1) Mon. dell’ Inst. VIII T. IV. Vgl. oben Seite 252, Anm. 1. 2) Conze, 
melische Thongefälse T. II. 3) Verhandlungen der 23. Philologenversammlung ° 
zu Hannover (Leipzig 1865) T. 1 p. 37—43; Salzmann, necropole de Camiros 
pl. 53. 4) Leicht elliptische argivische Schilde (Durchmesser (0,80 > 1) aus 
Olympia: Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 79—80. Dagegen sind 
die Exemplare italischer Provenienz durchweg kreisrund. Eine Zusammen- 
stellung dieser Schilde findet man im Museo italiano di antichitä classica Il 
p. 102—108, p. 126 not. 1. Z. B. Schilde aus’ Präneste: Mon. dell’ Inst. VIII 
T. XXVI 4—6 (n. 5 auch in der Archaeologia 41 I pl. IX 1); Durchm. 0,72, 
0, 58, 0,60. Aus Tarquinii: Mon. dell’ Inst. X T. X 1 (die Rückseite ist durch 
unsere Fig. 123 auf Seite 322 reproduziert), Ann. 1874 p. 252; Durchm. 0,66. 
Aus Caere: Grifi, mon. di Cere T. XI 1, 3; Mus. gregor. 1 Τὶ XVIII—XX. Der 


514 ἷ Die Bewaffnung. 


Beginn des Kampfes ἀν.) Die Besatzung beider Fahrzeuge ist 
mit kreisrunden Schilden ausgerüstet. Während aber die Schilde 
der Bemannung des Ruderschiffes den gewöhnlichen etwa der halben 
Körperlänge entsprechenden Durchmesser haben, reichen sie bei den 
auf dem Segelschiffe befindlichen Kriegern von den Wangen bis zu 
der Mitte der Waden herab (Fig. 120). Jedoch mufs dieses Vasen- 
bild bei unserer Untersuchung mit grofser Vorsicht benutzt werden. 
Erstens nämlich hat man zu bedenken, dafs es die Mannschaft eines 
Schiffes ist, welche die kolossalen Schilde führt, und dafs die Aus- 
rüstung einer solchen anderen Bedingungen unterliegt als die von 
Kriegern, welche zu Lande kämpfen. Zweitens scheint es bei der 
höchst nachlässigen Ausführung möglich und sogar wahrscheinlich, 
dafs der Maler die Kreise der Schilde nur aus Bequemlichkeit er- 
weiterte, um dadurch an der Wiedergabe der darunter hervorragen- 
den Körperteile zu sparen. Betrachten wir endlich die korinthischen, 
chalkidischen und altattischen Vasen, so erscheint auch auf diesen 
ein kreisrunder Schild, dessen Durchmesser etwa ein Drittel der 
Körperlänge beträgt, als die gewöhnliche Schutzwaffe. Doch kommt 
neben diesem ein ovaler vor, der den Körper von dem Kinne bis zu 
den Knieen deckt und dessen langer Durchmesser etwas mehr als 
doppelt so lang ist als der kurze. Und zwar wird dieser Schild im 
besonderen Kriegern von hervorragender Bedeutung, die in erster 
Reihe kämpfen, beigelegt.”) Zwei ähnliche Typen waren gleichzeitig 
auch bei den Assyrern im Gebrauche.?) 

Fragen wir nunmehr, welche von den in dieser Übersicht an- 
geführten Gattungen den homerischen Kriegern zuzuschreiben seien, 
so dürfen zunächst die mit Ausschnitten versehenen Schilde unberück- 
sichtigt bleiben. Es leuchtet nämlich ein, dafs diese Ausschnitte die 
Deckung wie den Angriff in der vielseitigsten Weise bedingten: wären 
sie daher an den damaligen Schilden vorhanden gewesen, so würden 
die Dichter ihrer gewils bei einer oder der anderen der vielen im 


Durchmesser des Mus. gregor. I T. XVII 1 abgebildeten Exemplares beträgt 
0, 825, T. XVII 2: 0,925, T. XIX 1: 0,85, T. XIX 2: 0,885, T. XX 1: 0,825, 
T. XX 2: 0,92 (unsere Fig. 118 nach T. XVII 2). Aus Etrurien (genauere Pro- 
venienz unbekannt): die Alterthümersammlung in Carlsruhe T. 9; Durchm. 0,85. 
Aus 5. Anatolia di Narco (Gebiet von Spoleto): Museo italiano di antichitä 
classica II p. 102; Durchm. 0,51. 1) Vgl. die Verhandl. d. 35. Philologen- 
versammlung zu Stettin (Leipz. 1881) p. 168—170. 2) So z. B. auf der be- 
kannten chalkidischen Amphora, deren Mittelbild oben Seite 284 Fig. 105 
wiedergegeben ist. Vermutlich beziehen sich auf einen ähnlichen Typus die 
Verse des Tyrtaios XI 23: μηρούς re κνήμας τε κάτω καὶ στέρνα καὶ ὦμους | 
ἀσπίδος εὐρείης γαστρὶ καλυψάμενος. 3) Ζ. Β. Layard, a second series of the 
mon. of Nineveh pl. 35, 37, 42, 43. 


ΧΧΠΙ. Der Schild. 15 


Epos enthaltenen Kampfschilderungen gedenken. Ebenso ist der vier- 
eckige Typus auszuschliefsen, da die zahlreichen auf den Schild be- 
züglichen Beschreibungen und Epitheta, die im folgenden Erörterung 
finden werden, nirgends auf eine solche Form hinweisen. Die Unter- 
suchung hat es demnach nur mit dem kreisrunden oder leicht ellip- 
tischen und dem hohen ovalen Schilde zu thun. Und es wird sich 
herausstellen, dafs beide Gattungen neben einander im Gebrauche 
waren. 

Am häufigsten wird der ἀσπίς das Epitheton πάντοσ᾽ Zion!) 
beigelegt. Indes gewährt dasselbe, da es ungewils ist, ob dadurch 
ein auf allen Seiten gleicher ἃ. 1. kreisrunder oder ein allenthalben 
passender ἃ. 1. deckender?) Schild bezeichnet wird, über die Form 
keinen Aufschluls; denn es leuchtet ein, dafs sich die letztere Er- 
klärung sowohl mit der Annahme eines runden wie eines ovalen 
Schildes vertragen würde. Mit vollständiger Sicherheit ergiebt sich 
dagegen die Existenz einer kreisrunden Schutzwaffe daraus, dafs 
die epische Sprache die Schildfläche,°) die Schichten, aus denen der 
Schild zusammengesetzt,*) und die Gürtel, in die seine Oberfläche 
gegliedert war,’) durch das Wort xuxAog „Kreis“ bezeichnet und 
der ἀσπίς das Epitheton εὔκυκλος „wohl mit Kreisen (Gürteln) ge- 
schmückt“®) beilegt. 

Neben diesem kreisrunden mufs aber auch ein ovaler Schild im 
Gebrauche gewesen sein. Die ἀσπίς erhält einmal das Epitheton 
zoönvexng!) d.i. „bis zu den Fülsen herabreichend“. Als ferner Hektor 
von dem Schlachtfelde eilig nach Troja geht und dabei den Schild 
auf dem Rücken trägt, schlägt ihn der mit Leder gefütterte innere 
Rand oben an den Nacken und unten an die Fufsknöchel.°) Also 


1) I. III 347, 356, V 300, VII 250, XI 61, 434, XII 294, XIII 157, 160, 
405, 803, XVII 7, 517, XX 274, XXII 581, XXIII 818. Vgl. Zeitschrift für Alter- 
thumswissenschaft 1836 p. 817—820. 2) Hiernach wäre die Bedeutung der- 
jenigen der ἀσπὶς ἀμφιβρότη (N. II 389, XII 402, XX 281) nahe verwandt. Die 
Beziehung auf einen ovalen Gegenstand würde in den νῆες ἐΐσαι Bestätigung 
finden, wenn hierunter, wie es den Anschein hat, die gleichmälsig gebauten 


Schiffe zu verstehen sind. Vgl. Philologus XXIX (1870) p. 195. 8) D. XI 
297 (von der ἀσπίς des Sarpedon): χρυσείῃς ῥάβδοισι διηνεκέσιν περὶ κύκλον. 
Vgl. über diese schwierige Stelle unseren XXX. Abschnitt. 4) Il. XX 280: 


διὰ δ᾽ ἀμφοτέρους ἕλε κύκλους ἀσπίδος ἀμφιβρότης d. h. der Speer schlug durch 
beide Schichten, welche an der getroffenen Stelle über einander lagen. 68) 1]. ΧΙ 
33: ἣν πέρι μὲν κύκλοι δέκα χάλκεοι ἦσαν. 6) I. V 453, 797, XII 426, XII 
715, XIV 428. Zu dieser Erklärung nötigt die Analogie der ἀπήνη εὔκυκλος, 
worunter ein mit schönen Kreisen d. 1. Rädern versehener Wagen zu verstehen 
ist. Vgl. oben Seite 145, Anm. 9. 7) 1]. XV 645: στρεφϑεὶς γὰρ μετόπισϑεν 
ἐν ἀσπίδος ἄντυγι πάλτο, | τὴν αὐτὸς φορέεσκε ποδηνεκέ᾽, ἕρκος ἀκόντων" | τῇ ὃγ 
ἐνὶ βλαφϑεὶς πέσεν ὕπτιος. 8) Il. VI 111: ἀμφὶ δέ μιν σφυρὰ τύπτε καὶ 


316 Die Bewaffnung. 


gab es Schilde, deren Höhe beinah der Körperlänge entsprach. Es 
leuchtet aber ein, dafs eine dieser Höhe entsprechende Ausdehnung 
nach den Seiten vollständig unnütz gewesen sein und nur die Be- 
weglichkeit des Schildes, auf die es besonders ankam, erschwert 
haben würde. Demnach können jene beinah mannshohen Schilde 
unmöglich eine kreisrunde, sondern nur eine ovale Form gehabt 
haben. Es ergiebt sich somit ein Typus ähnlich dem, welcher auf 
einem der mykenäischen Siegel (oben Seite 303 Fig. 115) dargestellt 
ist. Wenn auf der Vase des Aristonophos kreisrunde Schilde vor- 
kommen, deren Durchmesser nahezu der Körperlänge gleichkommt 
(Fig. 120), so wurde bereits bemerkt,') dafs diese Darstellung für 
unsere Untersuchung kein sicheres Zeugnis abgiebtt. Zudem 
würde die Annahme einer so ungeheuerlichen Schutzwaffe in keiner 
Weise zu dem Bilde stimmen, welches die Dichter von dem Treiben 
auf dem Schlachtfelde entwerfen. Allerdings berichtet das Epos bis- 
weilen, dafs die Helden unter der Wucht des Schildes litten.?) Doch 
sind sie im stande, sich damit rasch zu bewegen und sogar grölsere 
Strecken im Laufe zurückzulegen.’) So verfolgt Achill den Apoll, der 
die Gestalt des Agenor angenommen hat, weithin durch das Gefilde, 
während sich die versprengten Troer hinter die Mauern retten.*) 
Dreimal legen Achill und der vor ihm fliehende Hektor in eiligem 
Laufe den Weg um die troischen Mauern zurück.°) Der Telamonier 
Aias springt bei der Verteidigung der Schiffe von einem Verdeck 
auf das andere, gleichwie ein vier Rosse tummelnder Gaukler sich 
von dem Rücken eines Pferdes auf den eines anderen schwingt.‘) 
Vielfach heben die Dichter das rasche Anstürmen der Helden her- 
vor’) — alles dies Bewegungen, die undenkbar sind, wenn der 
linke Arm durch eine unförmliche Scheibe beschwert war, deren 
Breite beinahe der Körperlänge entsprach. Zu demselben Resultate 
führen auch alle ausführlicheren Angaben über Verwundungen und 
über die verschiedene Weise, in der sich die Krieger mit dem Schilde 


αὐχένα δέρμα κελαινὸν, | ἄντυξ 7) πυμάτη ϑέεν ἀσπίδος ὀμφαλοέσσης. 1) Oben 
Seite 314. 2) 11. II 388: ἰδρώσει μέν τευ τελαμὼν ἀμφὶ στήϑεσσιν ἀσπίδος 
ἀμφιβρότης. V 795: ἰδρὼς γάρ www ἔτειρε ὑπὸ πλατέος τελαμῶνος | ἀσπίδος 
εὐκύκλου" τῷ τείρετο, κάμνε δὲ χεῖρα, ἂν δ᾽ ἴσχων τελαμῶνα κελαινεφὲς αἷμ᾽ 
ἀπομόργνυ. XII 109: ἄλλ᾽ ἤτοι Τελαμωνιάδῃ πολλοί τε καὶ ἐσϑλοὶ | λαοὶ ἕπονϑ᾽ 
ἕταροι, ol οἵ σάκος ἐξεδέχοντο, | ὁππότε μὲν κάματός Te καὶ ἵδρὼς γούνατ᾽ ἵκοιτο. 
XVI 106: ὁ δ᾽ ἀριστερὸν ὦμον ἔκαμνεν, | ἔμπεδον αἰὲν. ἔχων σάκος αἰόλον. 
3) I. V1514, ΧΙ 468 ff, XII 754—755, ΧΥ͂ΤΙ 119, 189, 267. 4) I. XXI 601---Θ0ῦ. 
5) Il. XXII 144—166. 6) Il. XV 676—6886. 7) Sie drücken dies besonders 
häufig durch das Verbum ἐπορούω aus: z.B. Il. IV 472, V 432, XI 256, XV 
520, 525, 579, XVI 320, XXI 144, 392. Oder durch ἀΐσσω: Il. XV 694; Od. 
XXI 90. Oder durch ἐπαΐσσω: z. B. I. III 369, V 98, 235, 323, 584, X 345, 


ΧΧΠΙ. Der Schild. 317 


decken. Es genügt, einige besonders schlagende Stellen hervorzu- 
heben. Während Aeneas vor dem Leichnam des Pandaros steht, den 
Speer fällend und sich mit dem Schilde deckend, schleudert Dio- 
medes gegen ihn einen Feldstein und verwundet ihn damit am 
Schenkel.') Hätte Aeneas einen kreisrunden Schild mit einem bei- 
nahe der Körperlänge entsprechenden Durchmesser geführt, dann 
wäre der Schenkel selbstverständlich geschützt und eine Verwundung 
an diesem Teile unmöglich gewesen. Ebenso wird die Annahme einer 
derartigen Deckung ausgeschlossen durch Schilderungen, wie Krieger, 
während sie sich eine Blöfse geben, unter dem Schilde in den Bauch,?) 
neben ihm in die Brust?) oder in die Seite‘) oder über dem Schilde 
an Brust oder Schulter?) getroffen werden. Vielmehr lassen alle 
diese Angaben auf einen kreisrunden Schild von mälsigem Umfange 
oder einen ovalen schliefsen, dessen Breite nicht ausreichte, um den 
"Körper unter allen Umständen zu decken. Hingegen scheint der 
Ausdruck ὑπασπίδια προποδίξζων oder ὑπασπίδια προβιβάς. ἡ der 
von Kriegern gebraucht wird, die, sich vorsichtig hinter dem Schilde 
bergend, gegen den Feind vorgehen, besonders zutreffend bei einem 
hohen ovalen Schilde.”) Das Gleiche gilt für die Stellen, an denen 
das σάκος mit einem Turme verglichen wird;°) denn in ähnlicher 
Weise, wie ein Turm die Besatzung bis zur Höhe des Halses deckt, 
schirmt der hohe ovale Schild den Krieger von dem Kinne bis zu 
den Füfsen. Wie man aber auch hierüber urteilen mag, jedenfalls 
sind dieser Gattung zuzurechnen die ἀσπὶς ποδηνεκής des Mykenäers 
Periphetes,.der stürzt, indem er sich beim Umwenden an den Schild- 
rand stölst,”) und die ἀσπίς, welche, während sie längs des Rückens 
des Hektor herabhing, mit dem oberen Rande an den Nacken, mit 
dem unteren an die Fufsknöchel des Helden anschlug.'") 

Wenn demnach ein beinahe mannshoher, ovaler und ein mäfsıg 
srolser, kreisrunder Schild neben einander im Gebrauche waren, so 
scheint die Vermutung nahe zu liegen, dafs die beiden Arten durch die 
Worte ἀσπίς und σάκος unterschieden worden seien. Doch erscheint 


XI 191, ΧΠῚ 513, 546. Vgl. auch Il. XII 158: κοῦφα ποσὶ προβιβάς.ς 1) 11.V 
300—306. 2) I. XI 424. 3) D. XVI 312, 400: στέρνον γυμνωϑέντα παρ᾽ 
ἀσπίδα. ἈἋἀἅ4) D. IV 468: πλευρὰ, τά οἵ κύψαντι παρ᾽ ἀσπέδος ἐξεφαάνϑη, | 
οὔτησε ξυστῷ χαλκήρει. 5) Π. XIV 412; Od. XXI 219. 6) Π. XII 156—158, 
807, XVI:609. 7) An zweien der betreffenden Stellen, nämlich Il. XIII 157 
und 803, hat die ἀσπίς das Epitheton πάντοσ᾽ ion. Wenn demnach die im 
obigen angedeutete Auffassung richtig ist, so wird die Frage, ob dieses Epi- 
theton durch „kreisrund“ oder „allenthalben passend“ zu übersetzen sei, zu 
Gunsten der letzteren Annahme entschieden. 8) Il. VII 119, XVI 485, XVII 
128: φέρων σάκος ἠῦτε πύργον. 9) 1]. XV 645—648 (oben Seite 315, Anm. 7). 
10) Il. VI 117 (oben Seite 315, Anm. 8). 


318 Die Bewaffnung. 


diese Annahme nach dem epischen Sprachgebrauche als unhaltbar, 
da die beiden Worte an mehreren Stellen entschieden als Synonyme 
gebraucht werden. Es genügt darauf hinzuweisen, dafs Thetis den 
Schild des Achill ἀσπίς benennt und derselbe unmittelbar darauf 
durch σάκος bezeichnet wird.') i 
Von der Form wenden wir uns zur Konstruktion der Schilde. 
Sie bestanden aus mehreren über einander genähten Rindshäuten und 
waren auf der Aufsenseite in der Regel mit Bronze beschlagen.?) 
Das δάκος des Telamoniers Aias hatte sieben Lagen aus Stierhaut 
und darüber eine achte aus Bronzeblech.?) Vierschichtig heilst das 
σάκος des Teukros*) und dasjenige, welches Odysseus bei dem Kampfe 
gegen die Freier führte?) Wenn Hephaistos bei Herstellung des 
Schildes des Achill fünf Schichten übereinanderlegt, von denen die 
beiden obersten aus Bronze, die mittlere aus Gold, die beiden unter- 
sten aus Kassiteros bestehen,®) so ist diese an die modernen Schiffs- 
panzer erinnernde Konstruktion selbstverständlich ein Phantasie- 
gebilde des Dichters; denn ein aus mehreren Metallschichten zu- 
sammengesetzter Schutz wäre gegenüber den damaligen Angriffs- 
waffen vollständig überflüssig gewesen und kein Arm würde im stande 
sein, einen solchen Schild zu regieren. Ähnlich verhält es sich mit 
der ἀσπίς des Nestor, die, wie Hektor vernommen hat, ganz aus 
Gold bestand, sowohl sie selbst wie ihre Bügel.”) Das reale Vorbild, 
welches diese Schilderung bestimmte, kann höchstens ein Schild ge- 


1) I. XVIII 458 und 478. Σάκος heilst dieser Schild auch an allen übri- 
gen Stellen, nämlich Il. XVIII 608, 609, XIX 372, 379, XX 258—261, 268, XXI 
290, 313. 2) Die Hauptstellen: I. XIII 406: τὴν ἄρ᾽ ὅγε ῥινοῖσι βοῶν καὶ νώ- 
ροπι χαλκῷ | δινωτὴν φορέεσκε; XII 808: ἀσπίδα πάντωσ᾽ ἐΐσην | δινοῖσιν πυκι- 
νὴν, πολλὸς δ᾽ ἐπελήλατο χαλκός; XVIL 492: βοέῃς εἰλυμένω ὥμους | αὔῃσι στε- 
ρεῇσι" πολὺς δ᾽ ἐπελήλατο χαλκός. Über I1.XII 294—297 ist der XXX. Abschnitt 
zu vergleichen. Die technischen Ausdrücke für die Schichten sind πτύχες (Il. VII 
247, ΧΥ ΠῚ 481, XX 269— 272), κύκλοι (I. XX 280; oben Seite 315, Anm. 4) und viel- 
leicht auch fudvreg (Od. XXII 186: ῥαφαὶ δὲ λέλυντο ἱμάντων). Hierzu kommt noch 
das Adjektiv τετραϑέλυμνος vierschichtig. 1]. ΧΥ 478, Od. ΧΧΤ 122: σάκος τετρα- 
ϑέλυμνον. 8) 1]. VII 219: σάκος ἠῦτε πύργον, | χάλκεον ἑπταβόειον, ὅ οἵ Τύχιος 
κάμε τεύχων, |... ὅς οἵ ἐποίησεν σάκος αἰόλον ἑπταβόειον, ταύρων ξατρεφέων, 
ἐπὶ δ᾽ ὄγδοον ἤλασε χαλκόν. Vgl. VII 245—248, ΧΙ 545. 4) 11. XV 479. 
5) Od. XXII 122. 6) Il. XVIII 481, XX 267: οὐδὲ τότ᾽ Αἰνείαο δαΐφρονος ὄβρι- 
μὸν ἔγχος | ῥῆξε σάκος" χρυσὸς γὰρ ἐρύκακε, δῶρα ϑεοῖο. | ἀλλὰ δύω μὲν ἔλασσε 
διὰ πτύχας, αἵ δ᾽ ἄρ᾽ ἔτι τρεῖς | ἦσαν, ἐπεὶ πέντε πτύχας ἤλασε κυλλυποδίων, | 
τὰς δύο χαλκείας, δύο δ᾽ ἔνδοϑι κασσιτέροιο, | τὴν δὲ μίαν χρυσέην" τῇ ῥ᾽ ἔσχετο 
μείλινον ἔγχος. Über κασσίτερος vgl. oben Seite 284—285. 7). DIT 192: 
ἀσπίδα Νεστορέην, τῆς νῦν κλέος οὐρανὸν ἵκει, | πᾶσαν χρυσείην ἔμεναι, κανόνας 
te καὶ αὐτήν. (Goldene Schilde bei den Syrern von Damaskos: IH. Samuel 8, 7; 
König Salomo läfst grölsere und kleinere Votivschilde aus Gold arbeiten: I. Kö- 
nıge 10, 16—17. 


ΧΧΠΙ. Der Schild. 319 


wesen sein, dessen Oberfläche statt der gewöhnlich üblichen Bronze 
mit Goldblech überzogen war. 

Dafs die gröfste Widerstandskraft in der Mitte des Schildes lag, 
ist an und für sich wahrscheinlich und findet ausdrückliche Bestäti- 
gung in der Angabe, dafs Achill die domig des Aeneas an dem Rande 
trifft, wo der Bronzebeschlag und der Lederschutz am dünnsten sind.') 
Diese nach der Peripherie zu stattfindende Verdünnung wurde offen- 
bar dadurch erzielt, dafs die Durchmesser der über einander genähten 
Häute von aufsen nach innen und die Stärke der Metallbeschläge 
von der Mitte nach dem Rande zu allmählich abnahmen. Infolge 
dessen gliederte sich die Oberfläche in ein mittleres Rund, welches 


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Fig. 121. 


von der obersten am wenigsten umfangreichen Schicht gebildet war, 
und in konzentrische Gürtel, indem jede der folgenden Schichten mit 
einem breiteren oder schmäleren Rande unter der unmittelbar dar- 
überliegenden hervorragte — eine Gliederung, die auf mehreren sehr 
alten Bronzeschilden italischer Provenienz in ornamentaler Weise fest- 
gehalten ist (oben Seite 312 Fig. 118, unten Seite 322 Fig. 123.°) 
In der Mitte der Aufsenseite war der Omphalos angebracht,”) in 
der Regel eine starke runde Bronzeplatte, die sich durch mehrere 
erhaltene Exemplare veranschaulichen läfst (Fig. 121, 122).*) Der 


1) D. XX 275: ἄντυγ᾽ ὕπο πρώτην, 7 λεπτότατος ϑέε χαλκὸς, | λεπτοτάτη δ᾽ 
ἐπέην δινὸς βοός. 2) Z. Β. Mus. gregor. I T. XVIH-—XX, Mon. dell’ Inst. VII 
T. XXVI 4-6; X T. X 1—2. 3) ‘Aonig ὀμφαλόεσσα: Il. IV 448, VI 118, VII 
62, XI 259, 424, 457, XII 161, XIII 264, XVI 214, XIX 360, XXII 110; Od. XIX 
32. Σάκος ἐπομφάλιον: Il. VII 266. 4) Als Belege mögen unsere Fig. 121 und 122 


320 Die Bewaffnung. 


Schild des Agamemnon') hatte nicht einen, sondern einundzwanzig 
Omphaloi, nämlich zwanzig aus Kassiteros,’) die sich der Dichter 
offenbar auf den konzentrischen Gürteln der Schildoberfläche verteilt 
dachte, und in der Mitte einen aus Kyanos, worunter vermutlich eine 
mit blauem Glasflusse oder Smalte überzogene Bronzescheibe zu ver- 
stehen ist.”) Vergleichen läfst sich ein in Dänemark gefundener 
Bronzeschild, dessen Mitte ein gröfserer Omphalos einnimmt, während 
kleinere rund herum auf der Schildfläche angebracht sind.*) 

Die ἀσπὶς τερμιόεσσα des Patroklos?) war, wenn die im XII. Ab- 
schnitte®) von diesem Epitheton gegebene Erklärung richtig ist, ein 
Schild, an dem der Rand besonders in die Augen sprang. Ob dieser 
Rand lediglich eine ornamentale oder auch eine struktive Bedeutung 
hatte, läfst sich nicht entscheiden. Jedenfalls lag es nahe den Schild 
um die, Peripherie herum zu verstärken, da die Schichten, aus denen 
er bestand, hier die geringste Dichte hatten.) Von dem dreifachen 
schimmernden Rande, den Hephaistos um den Schild des Achill legte?) 
wird im XXX. Abschnitte die Rede sein. 

Die Frage ferner, wie der Schild gehandhabt wurde, steht ın 
engem Zusammenhange mit den im obigen hinsichtlich der Form 
und der Grölse der Schilde gewonnenen Resultaten. Ehe wir jedoch 
zur Behandlung dieser Frage übergehen, gilt es zunächst, die beiden 
verschiedenen Methoden, mittelst deren die Alten den Schild hand- 


dienen. Fig. 121: bronzener Schildnabel, gefunden in den Abruzzen. Durch- 
messer: M. 0,19. Die in der Mitte befindliche Scheibe (Durchm.: M. 0,067), in 
der das für die Aufnahme des Nagels oder der Spitze bestimmte Loch sichtbar 
ist, besteht aus einem besonders gearbeiteten Bronzestücke. Gezeichnet bei 
Herrn Sambon in Neapel. — Fig. 122: bronzener Schildnabel, gefunden bei Cer- 
vetri: Sammlung des Herrn Brüls in Rom. Durchmesser: M. 0,25. Als das 
Stück erworben wurde, waren an dem Rande noch Fragmente der umgebenden 
bronzenen Schildfläche erhalten. Der Omphalos des bei Corneto gefundenen und 
Mon. dell’ Inst. X T. X 1, 2 (die Rückseite S. 322 Fig. 123) publizierten Schil- 
des ist doppelt gegliedert und läuft in eine kleine Spitze aus. Eine mächtige 
Spitze ist in der Mitte eines bronzenen Rundschildes angebracht, der bei Ama- 
thus auf Kypros in demselben Grabe mit der auf unserer Taf. I abgebildeten 
Silberschale gefunden wurde: Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 871 
Fig. 639. 1) Il. XI 32: ἀσπίδα ϑοῦριν, | καλὴν, ἣν πέρι μὲν κύκλοι δέκα χάλ- 
κεοι ἦσαν, | ἐν δέ οἵ ὀμφαλοὶ ἦσαν ἐείκοσι κασσιτέροιο | λευκοὶ, ἐν δὲ μέσοισιν 
ἔην μέλανος κυάνοιο. | τῇ δ᾽ ἐπὶ μὲν Γοργὼ βλοσυρῶπις ἐστεφάνωτο | δεινὸν δερκο- 
μένη, περὶ δὲ Ζεῖμός τε Φόβος τε. 2) Vgl. oben Seite 284—285. 3) Vgl. oben 
Seite 101—106. 4) Atlas de l’archeologie du Nord (Copenhague 1857) BV1; 
Worsaae, Nordiske Oldsäger ἃ. Museum 1 Kiöbenhavn p. 41 n. 203; Conestabile, 
sopra due dischi antico-italici p. 21 (Mem. dell’ acc. di Torino, serie II, tom. 
XXVIN). 5) I1.XV1802: αὐτὰρ ἀπ᾽ ὥμων | ἀσπὶς σὺν τελαμῶνι χαμαὶ πέσε τερ- 
μιόεσσα. 6) Oben Seite 174—175. 7) Π. ΧΧ 275—276 (oben Seite 319, Anm. 1). 
8) Il. XVII 479: περὶ δ᾽ ἄντυγα βάλλε φαεινήν, | τρίπλακα μαρμαρέην. 


XXIII. Der Schild. 321 


bar machten, in das Gedächtnis zurückzurufen. Soweit unsere Kennt- 
nis reicht, hatten die ältesten Schilde nur eine Handhabe, aber keinen 
zum Durchstecken des Armes dienenden Bügel. Zu dieser Gattung 
gehören die beinahe mannshohen auf den mykenäischen Anticaglien 
dargestellten Schilde.) Nehmen wir an, dafs dieselben mit einem 
Armbügel versehen waren, so mufste dieser Bügel selbstverständlich 
in der Mitte der inneren Wölbung angebracht werden. Hierbei wäre 
aber die Längenausdehnung des Schildes nicht nur unnütz, sondern 
sogar im höchsten Grade unzweckmälsig gewesen; denn der Schild 
würde, da sich sein Mittelpunkt in der gleichen Höhe befand wie 
der Ellenbogen des gekrümmten Armes, den unteren Teil des Kör- 
pers blofs gelassen, dagegen den Kopf um ein Beträchtliches über- 
ragt und hiermit dem Krieger die Aussicht versperrt haben. Diese 
an und für sich einleuchtende Auffassung läfst sich durch das mehr- 
fach erwähnte 'mykenäische Siegel (Seite 303 Fig. 115) verdeutlichen. 
Wer sich Rechenschaft giebt von der Weise, in welcher der eine der 
beiden darauf dargestellten Krieger den kolossalen Schild hält, wird 
sofort erkennen, dafs die Entfernung von der Schulter bis zu dem 
Mittelpunkte der inneren Schildwölbung viel zu grols ist, als dafs 
angenommen werden dürfte, der Arm sei gebogen und durch einen 
Bügel durchgesteckt. Dagegen scheint diese Darstellungsweise voll- 
ständig zutreffend unter der Voraussetzung, dafs der Arm abwärts 
gestreckt ist und die Hand in einen in der Mitte des Schildes ange- 
brachten Bügel eingreift. 

Soweit die Bildwerke ein Urteil gestatten, waren die Schilde 
aller orientalischen Völker, der Ägypter (Seite 126 Fig. 22),?) 
Chetiter (Seite 132, 133 Fig. 25, 26),°) Assyrer‘) und Phönikier,°) 
lediglich mit-einer solchen Handhabe versehen. Ferner. gehört hier- 
her eine bereits mehrfach erwähnte, zu Tiryns gefundene Vase 
(Seite 196 Fig. 51).°) Es sind darauf zwei Krieger dargestellt, 
jeder einen kleinen Rundschild vor sich haltend. Schon der be- 
schränkte Umfang dieser Schilde schliefst die Annahme, dafs sie so- 
wohl eine Handhabe wie einen Armbügel gehabt hätten, entschieden 


1) Oben Seite 311, Anm.1. 2) Eine grofse Zahl von deutlichen Beispielen 
findet man in den Schlachtbildern bei Rosellini, monum. dell’ Egitto I T. 102—110. 
3) Oben Seite 131, Anm. 2. 4) Und zwar handhabten die Assyrer in dieser 
Weise nicht nur den hohen ovalen (z. B. Layard, mon. of Nineveh pl. 69, 72; 
a second series of the mon. of Nineveh pl.19, 29, 34, 37, 42), sondern auch den 
mäfsig grofsen runden Schild (z. B. Layard, mon. of Nineveh pl. 29, 62, 63, 66, 


99 


68, 75, 76, 78, 79; a second series of the mon. of Nin. pl. 18, 20—22, 31, 39, 42). 


5) Diese Weise der Handhabung ist besonders deutlich bei den beiden einander 
gegenüberstehenden Kriegern auf dem silbernen Krater in den Mon. dell’ Inst. X 


T. XXXII 42. 6) Oben Seite 197, Anm. 4. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 21 


322 Die Bewaffnung. 


aus. Aufserdem läfst die Weise, in der der Maler die linken Arme 
der Krieger behandelt hat, deutlich erkennen, dafs der Unterarm 
nicht durch einen Bügel durchgesteckt ist, sondern die Hand in eine 
Vorrichtung eingreift, welche wir auf der Rückseite des Schildes und 


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Fig. 123. 
zwar in der Mitte derselben vorauszusetzen haben. Ebenso sind 
bronzene Rundschilde, die aus alten etruskischen (Fig. 123)') und 
umbrischen?) Gräbern stammen, wie sämtliche bronzene Exemplare, 


1) Mon. dell’ Inst. X T. X 1 (hiernach unsere Fig. 123). Dasselbe ist auch 
für den vulcenter Schild im Mus. gregorian. I T. XXI 4 anzunehmen, falls sich 
nicht der Zeichner absichtlich auf die Wiedergabe nur eines Bügels beschränkt 
hat. 2) Es gilt dies für das Exemplar von S. Anatolia di Narco (bei Spoleto): 


Museo italiano di antichita classica Il p. 102. 


ΧΧΠΙ. Der Schild. 323 


die sich im mittleren und nördlichen Europa gefunden haben,!) ledig- 
lich mit einer Handhabe ausgestattet. Wenn endlich diese altertüm- 
liche Weise, den Schild zu regieren, wie es den Anschein hat,?) von 
den Spartanern bis in das 3. Jahrhundert v. Chr. festgehalten wurde, 
so dürfen wir vermuten, dafs dieselbe während der ältesten Zeit bei 
allen griechischen Stämmen verbreitet war. Dafs es jemals Schilde 
ohne irgendwelche Handhabe gegeben habe, ist undenkbar. Allerdings 
berichtet Herodot,?) dafs der Schild ursprünglich nur vermöge des 
über Nacken und Schultern reichenden Tragriemens regiert worden 
sei. Doch leuchtet es ein, dafs dieser Schriftsteller, als er den Sach- 
verhalt in solcher Weise formulierte, entweder von dem altertüm- 
lichen Gebrauch keinen deutlichen Begriff hatte oder sich unklar 
ausgedrückt hat. 

Neben dem im bisherigen besprochenen nur mit eimer Handhabe 
versehenen Schilde fand allmählich ein anderer Verbreitung, der mit 
zwei Bügeln ausgestattet war, einem, der zum Durchstecken des 
Armes diente, und einem zweiten, in den die Hand eingriff — eine 
Neuerung, welche die Griechen den Karern zuschrieben.*) Soweit 
ich die Denkmäler kenne, kommt dieser mit Armbügel und Hand- 
habe versehene Schild zum erstenmal in den Reliefs von Ibsambul 
vor, welche den Feldzug des zweiten. Ramses gegen die Chetiter dar- 
stellen. Und zwar sind damit nicht die Krieger ägyptischer Natio- 
nalität, sondern nur die wie es scheint aus Kleinasien stammenden 
Schardana ausgerüstet, die als Fremdenlegion im ägyptischen Heere 
dienten (ὃ, 324 Fig. 124). Doch mufs dieser Schild sehr früh in 
Griechenland Eingang gefunden haben, da er bereits auf sehr alten 
Vasen von Melos®) und Rhodos’) deutlich erkennbar ist. Jedenfalls war 


1) Lindenschmit, Alterth. unserer heidn. Vorzeit Bd. I Heft XIT.I4, 5; 
Bd. III Heft VII T. II; Beilage zu Bd. III Heft I p. 16. Vgl. Kemble, horae 
ferales pl. XI; Genthe, der etruskische Tauschhandel p. 57. 2) Oben Seite 64, 
Anm. 3. Auf dem spartanischen Relief bei Le Bas, voyage arch. en Grece pl. 105 
ist es deutlich erkennbar, dafs der rechts vom Betrachter dargestellte Krieger 
den Schild nur vermöge der Handhabe regiert. 3) I 171: τέως δὲ ἄνευ ὀχάνων 
ἐφόρεον τὰς ἀσπίδας πάντες ol περ ἐώϑεσαν ἀσπίσι χρέεσϑαι, τελαμῶσι σκυτένοισι 
οἰηκίζοντες, περὶ τοῖσι αὐχέσι τε καὶ τοῖσι ἀριστεροῖσι ὥμοισι περικείμενοι. 4). Die 
Erfindungen, welche von den Alten den Karern zugeschrieben werden, sind die 
des doppelten Schildbügels, der Schildzeichen, Schildnabel, Beinschienen und 
Helmbüsche. Die Hauptstellen: Herodot I 171; Strabo XIV ὁ. 661; Schol. 
N. VII 193; Schol. Thucyd. VI 8; Etym. m. p. 489, 36; Etym. gud. p. 297, 41; 
Plin. h. n. VII 200. 5) Rosellini, mon. dell’ Egitto I T. CI (hieraus unsere 
Fig. 124); Chabas, &tudes sur l’antiquite historique 2. ed. p. 360; Gazette arch6o- 
logique VII (1881—82) p. 135. Vgl. Brugsch, Geschichte Ägyptens p. 578 und 
bei Schliemann, llios p. 823—826. 6) Conze, melische Thongefälse T. III. 
7) Auf dem Teller von Kameiros, oben Seite 237, Anm. 10. 

21” 


324 Die Bewaffnung. 


er, soweit unsere Kenntnis reicht, seit dem 6. Jahrhundert in allen 
griechischen Heeren, das spartanische ausgenommen,!) die gewöhn- 
liche Schutzwaffe. 

Nach Darlegung dieser beiden verschiedenen Weisen den Schild 
zu handhaben können wir zur Betrachtung der einschlagenden Stellen 
des Epos übergehen. Der Schild des 
Idomeneus war nach der Angabe der 
Dichtung mit zwei κανόνες versehen ;) 
von dem des Nestor hat Hektor ge- 
hört, dafs er ganz aus Gold bestände, 
sowohl der Schild selbst wie die x«- 
voveg.’) Wenn einige antike wie mo- 
derne Gelehrte in diesen κανόνες Quer- 
hölzer erkennen, an denen der Trag- 
riemen (τελαμών) des Schildes befestigt 
gewesen wäre,‘) so leuchtet es ein, 
dafs diese Riemenhalter bei einer kur- 
zen Bezeichnung eines Schildes kaum 
eine besondere Erwähnung verdienten 
und es jedenfalls viel näher lag, statt 
ihrer die ungleich wichtigere Vorrich- 
tung hervorzuheben, vermöge deren 
der Schild gehandhabt wurde. Ähn- 
lich verhält es sich mit einem anderen 
Erklärungsversuche, welcher dahin lau- 
tet, die χανόνες seien Querstäbe ge- 
wesen, welche zur Ausspannung der Rindshäute gedient hätten, 
aus denen der Schild zusammengesetzt war.”) Auch diese Quer- 
stäbe würden eine struktive Einzelheit sein, welche für die Cha- 
rakteristik und die Wertschätzung des Schildes nur eine ganz 
nebensächliche Bedeutung haben konnte. Aufserdem scheint es 
zweifelhaft, ob das hierbei vorausgesetzte Verfahren in der That 
zur Anwendung gekommen ist; denn unter den zahlreichen An- 
gaben, welche das Epos über die Schilde macht, läfst sich keine 


ὰ 
1% 
ik πῳ 


Fig. 124. 


1) Oben Seite 64, Anm. 3. 2) I. ΧΠῚ 406: τὴν ἄρ᾽ ὅγε ῥινοῖσι βοῶν 
καὶ νώροπι χαλκῷ | δινωτὴν φορέεσχε, δύω κανόνεσσ᾽ ἀραρυῖαν. 31:1 «VI 
192 (oben Seite 318, Anm. 7). 4) Hesych. κανών... καὶ wi τῆς ἀσπίδος 


ῥάβδοι, ἀφ᾽ ὧν ὃ τελαμὼν ἐξῆπτο. Ähnlich urteilt Friedreich, die Realien in 
der Iliade und Odyssee p. 367, der jedoch annimmt, dafs von diesen Quer- 
spangen, wie er sie bezeichnet, die eine zugleich zum Durchstecken des Armes, 
die andere als Handgriff gedient habe. 5) Ebeling, Lexicon Homericum 5. v. 
κανών n. 1. 


XXIH. Der Schild. 325 


mit Sicherheit oder. Wahrscheinlichkeit auf derartige Querstäbe 
beziehen. Endlich heifst es von dem Schilde des Nestor aus- 
drücklich, derselbe habe ganz aus Gold bestanden, sowohl der Schild 
selbst wie die χανόνες. Man würde sich daher, um jene Erklärung 
aufrecht zu erhalten, zu der höchst mifslichen Annahme entschliefsen 
müssen, dafs der Dichter eine Vorrichtung, die er an dem ledernen 
Schilde kannte, auf den von ihm angenommenen, aus solidem Metalle 
gearbeiteten übertragen habe. 

Dagegen fallen alle Schwierigkeiten weg, wenn wir in den x«- 
vöveg den Armbügel und den Handgriff des Schildes erkennen — 
eine Erklärung, welche schon durch die Zweizahl der dem Schilde 
des Idomeneus zugeschriebenen χανόνες nahe gelegt wird. Wie im 
obigen gezeigt wurde, waren Schilde mit doppeltem Bügel bereits 
im 14. Jahrhundert v. Chr. bei einer mutmafslich kleinasiatischen 
Völkerschaft, bei den Schardana, gebräuchlich. Hiernach hat es durch- 
aus nichts Auffälliges, wenn eine derartige Schutzwaffe schon im 
homerischen Zeitalter bei den kleinasiatischen Griechen Eingang ge- 
funden hatte. Beweist doch das Epos zur Genüge, dafs andere Be- 
standteile der Kriegsrüstung, die, wie der doppelte Schildbügel, für 
karische Erfindungen galten, nämlich der Helmbusch, der Schildnabel 
und die Beinschienen,') den- damaligen Ioniern allgemein geläufig 
waren. Ebensowenig stölst die von mir begründete Erklärung auf 
sprachliche Schwierigkeiten. Wenn nämlich das Wort xavov, wie 
es den Anschein hat, aus x&vvn, ursprünglich κάνη, „Schilf“ gebildet 
ist,?) so ergiebt sich als Grundbedeutung die eines Rohres oder 
hohlen Stabes. Diese Bedeutung palst aber vortrefflich auf die Schild- 
bügel; denn für die Herstellung derselben waren metallene Röhren 
ungleich geeigneter als etwa Metallstreifen, da diese leicht in den 
Arm und die Hand hätten einschneiden können. Nach alledem scheint 
es mir unzweifelhaft, dafs die κανόνες den doppelten Schildbügel be- 
zeichnen’). Ä 

Offenbar waren es Schilde von mäfsigem Umfange, welche ver- 
möge dieses doppelten Bügels gehandhabt wurden. Dagegen gilt für 
die beinahe mannshohen Schilde, deren das Epos gedenkt, dasselbe, 
was im obigen über die ähnlichen auf den mykenäischen Anticaglien 


1) Die Stellen oben Seite 323, Anm. 4. 2) Hehn, Kulturpflanzen und 
Hausthiere 3. Ausg. p. 265; 4. Ausg. p. 247. 3) Einige antike Erklärer (Schol. 
Il. VID 193; Eustath. p. 707, 58—61, p. 905, 51—53; Etym. m. p.489, 36; Etym. 
gud. p.294, 41) erkennen zwar in den κανόνες Vorrichtungen, welche zur Hand- 
habung des Schildes dienten, irren aber darin, dafs sie annehmen, diese Vor- 
richtungen seien von denjenigen, deren Erfindung den Karern zugeschrieben 


wurde, verschieden gewesen. 


326 Die Bewaffnung. 


dargestellten bemerkt wurde.') Diese kolossalen Schilde können 
keinen Armbügel gehaht haben, sondern wurden lediglich vermöge 


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der Handhabe regiert. Wenn demnach 
im homerischen Zeitalter die alter- 
tümliche Handhabe und der jüngere 
Doppelbügel neben einander im Ge- 
brauche waren, so erklärt es sich 
auch, warum an dem Schilde des Ido- 
meneus die Zweizahl der χανόνες her- 
vorgehoben wird. Es gab eben da- 
mals nicht nur Schilde, die zwei, 
sondern auch solche, die einen κανών 
hatten. 

Es bleibt noch der Tragriemen 
(τελαμών)") zu besprechen. Er war 
besonders notwendig an dem hohen 
ovalen Schilde, dessen Wucht sich 
ohne ihn schwerlich mit der die 
Handhabe anfassenden Linken hätte 
bewältigen lassen. Bei dem kleineren 
Rundschilde mag er vorwiegend dazu 
gedient haben, die Schutzwaffe, wenn 
man sie nicht brauchte, längs des 
Körpers herabhängen zu lassen — 
ein Verfahren, auf welches ich im 
weiteren zurückkommen werde. Über 
die Weise, in der der Tragriemen an 
dem Schilde angebracht wurde, giebt 
das Epos keinen Aufschlufs. Ein in 
einem cornetaner (Seite 322 Fig. 123) 
und ein in einem umbrischen Grabe’) 
sefundener Bronzeschild waren, wie es 
scheint, mit zwei sich kreuzenden 
Riemen versehen, deren Enden in die 
vier auf der inneren Fläche einander 


1) Seite 3231. 2) I. II 388, Υ 796, 
XII 401, XIV 404, XVI 803, XVII 480. 
Die Schildriemen des Agamemnon und 
Achill waren ἀργύρεοι (Il. XI 38, XVII 
480) d.h. mit Silber beschlagen. Vgl. oben 
Seite 109. 3) Museo italiano di antichitä 
classica II p. 102—104. 


XXIH. Der Schild. 327 


entsprechenden schnallenartigen Vorrichtungen eingriffen.!) Dagegen 
zeigen die anderen Denkmäler, welche bei dieser Untersuchung zu 
berücksichtigen sind, dem im Epos gebrauchten Singular entsprechend, 
nur einen Riemen. An den ägyptischen Schilden erscheint er in 
schräger Richtung angebracht und sein oberes Ende unweit der Mitte 
der inneren Fläche befestigt; er wird bald über der linken,?) bald 
über der rechten Schulter?) getragen. Eine schräge Richtung hat 
er auch an den Schilden zweier auf einer mykenäischen Dolchklinge 
(Fig. 125)*) dargestellten Löwenjäger; doch ist er hier an einem 
etwas höher gelegenen Punkte angebracht und bei beiden Figuren 
über die linke Schulter gelest. Auf derselben Schulter ruhte er auch 
nach der Beschreibung, die Herodot?) von dem altertümlichen Schilde 
entwirft. Hingegen weist die einzige Angabe, welche das Epos über 
die Lage dieses Riemens macht, auf die rechte Schulter hin: Dio- 
medes, der an dieser Schulter von Pandaros verwundet worden ist, 
leidet unter dem Drucke des Schildriemens und lüftet den letzteren, 
um das aus der Wunde quellende Blut abzutrocknen.°) Offenbar 
wechselte der Riemen seinen Stützpunkt je nach den verschiedenen 
Bewegungen, die mit dem Schilde gemacht wurden.‘) Wir dürfen 
annehmen, dafs der Krieger, wenn er kampffertig dem Feinde gegen- 
über trat, zunächst den Schild gerade vor sich hielt,”) wobei der 
Riemen auf dem Nacken ruhte. Galt es hierauf nach links zu pa- 
rieren, so glitt der Riemen selbstverständlich auf die rechte Schulter 
hinüber, auf die linke dagegen, wenn der Schild nach rechts bewegt 
wurde. Beabsichtigte der Krieger einen Stofs, Wurf oder Hieb zu 
vollführen, so war es zweckmäfsig, die rechte Schulter von der 
Wucht des Schildes zu entlasten und den Riemen somit auf den 


1) Die im Museo italiano II p. 104 geäufserte Vermutung, dals diese 
Riemen dazu gedient hätten den Schild zu fassen, nachdem die Hand infolge 


eines Stofses den Bügel losgelassen, bedarf keiner Widerlegung. 2)72.B, 
Wilkinson-Birch, the manners of the anc. Egyptians I p. 199 n.1. 3) Wil- 


kinson a. a. Ὁ. I p. 200 n. 25. 4) Oben Seite 311, Anm. 1. 5) 1 171 (oben 
Seite 323, Anm. 3). 6) ΠΟΥ͂ 795—797 (oben Seite 316, Anm. 2). Vgl. Vers 98.. 
Die Schilderung Il. XIV 404, wie Hektor den Aias trifft, τῇ ῥα δύω τελαμῶνε 
περὶ στήϑεσσι τετάσϑην, ἤτοι ὁ μὲν σάκεος, ὃ δὲ φασγάνου ἀργυροήλου, lülst es 
zweifelhaft, ob der Schildriemen und das Schwertgehäng übereinander lagen 
oder sich in der Mitte der Brust kreuzten. 7) Il. VII 238: 020” ἐπὶ δεξιὰ, οἵδ᾽ 
ἐπ᾽ ἀριστερὰ νωμῆσαι βῶν | ἀξαλέην, τό wol ἐστι ταλαύρινον πολεμίξειν. 8) In 
dieser Weise hält Aias den Schild, als er zum Zweikampfe gegen Hektor aus 
den Reihen der Achäer heraustritt. D. VII 224: τὸ (σάκος) πρόσϑε στέρνοιο φέ- 
ρων Τελαμώνιος Αἴας | στῆ 6d μάλ᾽ Ἕκτορος ἔγγυς. Ebenso Sarpedon, als er gegen 
die Mauer des Schiffslagers vorgeht. Il. XII 294: αὐτέκα δ᾽ ἀσπίδα μὲν πρόσϑ᾽ 
ἔσχετο πάντοο᾽ ἐΐσην. Vgl. Il. ΧΠῚ 157, 802, ΧΧ 162, XXI 581, XXI 313. 


328 Die Bewaffnung. 


Nacken zu werfen. Derselbe Riemen diente auch dazu den Schild 
an dem Körper herabhängen zu lassen. So pflegten die Krieger, wenn 
sie flohen, den Schild herumzuwerfen, der dann, an dem Tragriemen 
herabhängend, den Rücken deckte!) — ein Vorgang, der durch die 
Verse, welche den Sturz des Mykenäers Periphetes schildern,?) be- 
sonders deutlich veranschaulicht wird. Ebenso hing der Schild an 
dem Tragriemen über den Rücken des Hektor herab, als der Held 
vom Schlachtfelde nach Troja eilte.?) 

Übrigens leuchtet es ein, dafs die Handhabung des beinahe 
mannshohen Schildes, mochte auch seine Wucht durch den Tragriemen 
gemildert werden, ein schweres Stück Arbeit war und dafs grofse 
Kraft und Gewandtheit dazu gehörte, um das kolossale Oval rasch 
nach den verschiedenen Richtungen zu bewegen, von denen her die 
feindlichen Stöfse oder Würfe erfolgten.*) Auch ohne die ausdrück- 
lichen Zeugnisse des Epos?) könnten wir uns vorstellen, wie empfind- 
lich der durch das Gewicht des Schildes gespannte Tragriemen unter 
der Glut der Südsonne die Schultern der Krieger drückte, wie der 
Schweifls unter ihm in Strömen über Brust und Rücken herabrieselte, 
und wir begreifen, dafs sich die Helden während der Schlacht zeit- 
weise den Schild abnehmen liefsen und ausruhten.°) Unter dem 
Eindrucke der Anstrengungen, welche die Führung des Schildes er- 
forderte, wurde das Adjektiv ταλαύρινος ὅ „schildtragend“®) oder „aus- 


1) Π. XI 545: στῆ δὲ ταφὼν, ὄπιϑεν δὲ σάκος βάλεν ἑπταβόειον. 2) XV 
645—648 (oben Seite 315, Anm.7). 3) Il. VI 117—118 (oben Seite 315, Anm. 8). 
Dieses Herabhängen des Schildes wird z. B. durch folgende Darstellungen ver- 
anschaulicht: Zwei kämpfende Krieger auf einem in einem mykenäischen Schacht- 
grabe gefundenen Sardonyx bei Schliemann, Mykenae p. 233 n. 213; unsere 
Fig. 119 auf Seite 313. Zwei Löwenjäger auf einer mykenäischen Dolchklinge 
oben Seite 326 Fig. 125; Wagenlenker auf Dipylonvasen in den Mon. dell’ 
Inst. VIII T. XXXIX 1 (hieraus unsere Fig. 32 auf Seite 138), T. XL 4, Ann. 
dell’ Inst. 1872 Τὰν. d’agg. J 2 (hieraus Fig. 33 auf Seite 139). Krieger auf dem 
Marsche, Scherbe eines den Dipylonvasen verwandten, zu Mykenae gefundenen 
Gefälses bei Schliemann, Mykenae p. 153 n.213. Die assyrischen Krieger pflegten, 
wenn sie auf dem Marsche begriffen waren, den hohen ovalen Schild längs des 
Rückens (z. B. Layard, a second series of the mon. of Nineveh pl. 35), den 
mälsig grolsen kreisrunden dagegen längs der Seite (z.B. Layard ἃ. ἃ. Ο. pl. 29, 
35) herabhängen zu lassen. Bei einem auf dem Nereidenmonument von Xanthos 
dargestellten Bogenschützen hängt der Schild längs der linken Seite herab (Mon. 


dell’ Inst. X T. XIII 4, Ann. 1875 p. 76). 4) Il. VII 238 (oben Seite 327, 
Anm. 7). 5) Oben Seite 316, Anm. 2. 6) 11. XIII 709—711 (oben Seite 316, 
Anm. 2). 7) ταλαύρινος wahrscheinlich aus reA«a—Foıwo—g: Curtius, Grundz. 


d. gr. Etym. 4. Aufl. p. 553; Kuhn, Zeitschr. f. vgl. Sprachforsch. XVII (1868) 
p. 225—226. Über die Ansichten der antiken Gelehrten vgl. Lehrs, de Aristarchi 
stud. hom. 2. ed. p. 308—310. 8) Vgl. Hymn. hom. VII 1: %Aees ... . φέρασπι. 


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XXIV. Die Angriffswaffen. 329 


dauernd in dem Tragen des Schildes“ gebildet, ein Adjektiv, welches 
häufig als Epitheton des Kriegsgottes Ares vorkommt.') 

Dies sind die wichtigsten Thatsachen, welche sich hinsichtlich 
der Schilde der namhaften Helden feststellen lassen. Aufserdem wer- 
den im Epos noch die λαισήϊα als eine besondere, von den donideg 
verschiedene Gattung erwähnt.?) Ihr ständiges Epitheton πτερόεντα 
beweist, dafs sie im Gegensatz zur ἀσπίς oder zum σάκος leicht be- 
weglich waren. Jedoch gedenken die Dichter dieser Gattung nur da, 
wo sie den Zusammenstols der beiden feindlichen Schlachtordnungen 
schildern, und legen das λαισήϊον keinem der Krieger bei, welche 
als individuelle Gestalten aus der Masse heraustreten. Hiernach ist 
anzunehmen, dafs jene leichteren Schilde nicht von den Führern, 
sondern nur von den Mannschaften getragen wurden. Das Wort 
Acıoniov scheint verwandt mit λάσιος „rauh“.”) Wenn diese An- 
nahme richtig ist, dann liegt die Vermutung nahe, dafs die so be- 
nannten Schilde des Bronzeüberzuges entbehrten und einfach aus 
rohem Leder gearbeitet waren, wie dies von den λαιδήϊα der Kilikıer, 
welche dem Xerxes Heeresfolge leisteten, ausdrücklich bezeugt ist.‘) 


xXXIV. Die Angriffswaffen. 


Man erwartet vielleicht, dafs ich diesen Abschnitt durch eine 
Betrachtung darüber einleite, wann und woher der Gebrauch des Eisens 
bei den Griechen Eingang gefunden hat. Wer jedoch das einschlagende 
Material und die darauf bezügliche Litteratur einigermalsen kennt, 
wird begreifen, dafs es unmöglich ist, die Untersuchung lediglich auf 
das griechische Volk zu beschränken und dafs die Behandlung der 


Frage in ihrem ganzen Zusammenhange die Grenzen dieses Buches 


weit überschreiten würde. 

Beloch5) hat neuerdings den Versuch gemacht das Epos für diese 
Frage zu verwerten. Er nimmt an, dafs, als die älteren Lieder des 
Epos gedichtet wurden, lediglich die Bronze, während der Entstehungs- 
zeit der jüngeren dagegen neben der Bronze auch das Eisen bekannt 


1) Il. V 289, XX 78, XXII 267. — I. VO 239: ταλαύρινον πολεμίξειν. 2) N. 
V 452, ΧΙ 425: δήουν ἀλλήλων ἀμφὶ στήϑεσσι βοείας | ἀσπίδας εὐκύκλους λαισήϊά 
τε πτερόεντα. Die zuerst von Ὁ. Müller, Dorier II p. 241 Anm. 2 ausgesprochene 
und dann oft wiederholte Ansicht, die λαισήϊα πτερόεντα seien runde, unten mit 
einer Schutzdecke versehene Schilde gewesen, ähnlich denen, die häufig auf 
rotfigurigen Gefälsen vorkommen, ist von Michaelis, Ann. dell’ Inst. 1875 p. 76 
schlagend widerlegt worden. 3) Curtius, Grundzüge d. gr. Etymologie 4. Aufl. 
p. 366 n. 537; Doederlein, homerisches Glossarium p. 364—365. 4) Herodot 
VII 91: λαισήϊά re εἶχον ἀντ᾽ ἀσπίδων, ὠμοβοέης πεποιημένα. 5) In der Rıvista 
di filologia ed istruzione classica ἢ (1873) p. 49—62. 


330 Die Bewaffnung. 


war, und scheidet die in den älteren Liedern vorkommenden Verse, 
welche des Eisens gedenken, als spätere Einschiebsel aus. Mögen 
aber auch diese Athetesen zum Teil unbegründet sein,!) jedenfalls 
hat Beloch durch eine tabellarische Übersicht den Beweis geliefert, 
dafs das Eisen in den älteren Teilen des Epos seltener erwähnt wird 
als in den jüngeren. Schon das Zahlenverhältnis, welches sich in 
dieser Hinsicht für die Ilias und die Odyssee herausstellt, ist in hohem 
Grade bezeichnend. In der ersteren ist 279 Mal von Bronze, 23 Mal 
von Eisen die Rede, wogegen sich in der letzteren das Verhältnis 
wie 80 zu 25 gestaltet. Innerhalb der Ilias enthält die zahlreichsten 
Erwähnungen des Eisens das jedenfalls einer späteren Zeit angehörige 
Lied, welches die Leichenspiele des Patroklos behandelt.?) Hiernach 
ergiebt sich für die älteren Gesänge ein Verhältnis ähnlich dem, 
welches in Italien während des Stadiums herrschte, das die italie- 
nischen Paläoethnologen als die prima epoca del ferro zu bezeichnen 
pflegen — ein Stadium, dem die Grabstätten von Villanova, Benacei 
(bei Bologna), der älteste Teil der cornetaner Nekropole und andere 
verwandte Funde angehören.”) Die Zahl der aus Eisen gearbeiteten 
Gegenstände erscheint hier überall verschwindend klein gegenüber der 
Fülle der bronzenen. Dagegen lassen die jüngeren Teile der Dichtung 
deutlich erkennen, dals, mag auch noch immer die Bronze weitaus 
überwiegen, doch die Verwendung des Eisens eine erhebliche Zu- 
nahme erfahren hat. 

Auffällig ist der Umstand, dafs im Epos ungleich häufiger von 
eisernen Werkzeugen als von eisernen Waffen die Rede ist. Wir 
hören zu wiederholten Malen von Beilen,*) aufserdem von Mes- 


1) So sehe ich keinen Grund dem Gleichnisse Il. IV 482—487, in welchem 
(485) das Eisen erwähnt wird, der Erzählung des Nestor von dem die eiserne 
Keule schwingenden Areithoos Il. VII 137—146 und dem auf das Ablöschen des 
Stahles bezüglichen Gleichnisse Od. IX 391—393 (oben Seite 112, Anm. 1) einen 
späten Ursprung zuzuschreiben. Ebenso wenig ist Anstols zu nehmen an den 
eisernen Schlachtmessern, welche Il. XXIII 30 erwähnt werden. Der Anfang 
dieses Gesanges ist gewils alt und keineswegs, wie es Beloch thut, mit der Be- 
schreibung der Leichenspiele in eine Kategorie zu werfen. Dagegen hat Beloch 
entschieden Recht, wenn er innerhalb der älteren Teile der Ilias IV 123 (vevonv 
μὲν μαζῷ πέλασεν, τόξῳ δὲ σίδηρον) und XVII 34 (δείδιε γὰρ μὴ λαιμὸν 
ἀποτμήξειε σιδήρῳ) für spätere Einschiebsel erklärt. An dem ersteren Verse 
haben bereits die alten Erklärer (Schol. Il. IV 123), an dem letzteren Jacob, 
über die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 314 und Benicken in den Jahrb. 
f. classische Philologie 109 p. 154 Anstofs genommen. 2) DRIN 177,264, 
834, 850, wogegen Vers 30, da er nicht zur Beschreibung der Spiele gehört, 
anderen Gesichtspunkten unterliegt (vgl. die vorhergehende Anmerkung‘. 3) Oben 
Seite 83. 4) Oben Seite 112, Anm. 1. Bronzene Beile: Il. XIII 180, 612 (Streit- 
axt des Peisandros), XXIII 118; Od. V 234—236 (oben Seite 111—112, Anm. 8). 


XXIV. Die Angriffswaffen. 9091 


Β611,}) einer Axe?) und einer Kette?) aus diesem Metalle. Ferner sagt 
Achill von der eisernen Scheibe, die er als Preis für die Diskoswerfer 
aussetzt, dafs, wer dieselbe gewönne, fünf Jahre lang Material genug 
für seine Schäfer und Pflüger haben würde®), eine Äufserung, die 
entschieden befremden mufs, da man von seiten des Peliden vielmehr 
einen Hinweis auf die kriegerische Verwertung des Eisens erwarten 
würde. Sehen wir ab von dem verdächtigen Verse, welcher dem Pfeile 
des Pandaros eine eiserne Spitze zuschreibt,’) so wird im ganzen 
Epos überhaupt nur eine Waffe ausdrücklich als aus Eisen gearbeitet 
bezeichnet, nämlich die Keule des Arkadiers Areithoos.°) Indes steht 
hierzu im merkwürdigem Gegensatze die Thatsache, dafs in zwei 
jüngeren Gesängen der Odyssee bereits die sprüchwörtliche Redens- 
art, dafs das Eisen den Mann anzieht,’) vorkommt. Hiernach muls 
in der Zeit, in welcher diese Verse entstanden, der Gebrauch eiserner 
Waffen viel weiter verbreitet gewesen sein, als es nach den sonstigen 
Angaben der Dichter scheinen könnte. Dieser Widerspruch ist offen- 
bar aus dem konventionellen Stile der epischen Schilderung®) zu er- 
klären. Als die ältesten Lieder gedichtet wurden, waren eiserne 
Waffen entweder gar nicht oder nur selten im Gebrauche und unter 
dem Eindrucke dieses Sachverhaltes erhielt die Schilderung des 
Kampfes und der dazu gehörigen Gegenstände ihre typische Form. 
In der späteren Zeit dagegen gewannen die eisernen Waffen eine 
weitere Verbreitung. Doch hielten die Dichter im grolsen und ganzen 
an dem in den älteren Liedern vorgebildeten poetischen Apparate fest 
und nur in einzelnen Fällen entschlüpften ihnen Züge, welche durch 
die fortgeschrittenere Entwickelung ihrer eigenen Zeit bestimmt waren. 

Mögen übrigens auch die eisernen Werkzeuge und Waffen, 
deren sich die damaligen Griechen bedienten, zum Teil importierte 


Od. XXIH 196 ist unter dem Worte γαλκῷ wohl das σκέπαρνον zu verstehen 
(oben Seite 111—112). 1) D. XXIH 30: πολλοὶ μὲν βόες ἀργοὶ ὀρέχϑεον ἀμφὶ 
σιδήρῳ | σφαξόμενοι. Ein Messer oder Meilsel aus Eisen (γλύφανον πολιοῖο σιδήρου) 
im Hym. III (in Merc.) 41; vgl. 109. Dagegen werden bronzene Messer Il. I 236, 
III 292, 394, Od. XII 173 erwähnt. 2) Il. V 723 (oben Seite 142, Anm. 8). 
Dagegen hat der Wagen des Poseidon einen χάλκεος ἄξων: 1]. XIII 30. 3) Od. 
I 204: οὐδ᾽ εἴ πέρ te σιδήρεα δέσματ᾽ ἔχῃσιν. 4) 1]. XXIII 831—835. δ) 1]. IV 
123. Vgl. oben Seite 330, Anm. 1. 6) Σιδηρείη κορύνη: 1]. VII 141, 144. 
7) XVI 294, XIX 18: αὐτὸς γὰρ ἐφέλκεται ἄνδρα σίδηρος. Nach den Alexandrinern 
(Schol. Od. XVI 281) ist die Stelle im XIX. Buche die ältere und die im 
XVI. Buche eine Nachahmung derselben, eine Ansicht, welche auch von den 
meisten neueren Erklärern geteilt wird, wogegen Kirchhoff, die Composition der 
Odyssee p. 163 ff. das Verhältnis in umgekehrter Weise auffalst. Il. XVII 34 
bleibt am besten unberücksichtigt, da der Vers als ein späteres Einschiebsel ver- 
dächtig (oben Seite 330, Anm. 1) und es aufserdem ungewils ist, ob daselbst 
σίδηρος ein Schwert oder ein Messer bezeichnet. 8) Oben Seite 1—2. 


992 Die Bewaffnung. 


Ware gewesen sein, jedenfalls bezeugt die Weise, in der sich Achill 
über die von ihm als Kampfpreis ausgesetzte eiserne Scheibe äufsert,') 
wie ein in der Odyssee vorkommendes Gleichnis, welches auf das 
anschaulichste das Ablöschen (pagudoosıv) des Stahles vergegen- 
wärtigt,”) dafs die kleinasiatischen Griechen bereits vor Abschlufs 
des Epos mit der Verarbeitung des Eisens vertraut waren. 

Ich beginne die Betrachtung der homerischen Waffen mit dem 
Schwerte (ξίφος, φάσγανον, ἄορ). Sehen wir ab von einem wie es 
scheint spät in die llias eingeschalteten Verse, in dem ein eisernes 
Schwert oder Messer erwähnt wird,?) und von den Stellen, welche 
im allgemeinen auf den Gebrauch eiserner Waffen hinweisen,*) so 
begegnen wir im Epos lediglich bronzenen Schwertern.?) 

Die Klinge war zweischneidig (ἀμφήκης, ἀμφοτέρωϑεν ἀκαχ- 
μένος) und muls, da sie sowohl zum Stechen wie zum Hauen. ge- 
braucht wurde,’) eine beträchtliche Länge gehabt haben, wie denn 
auch das Schwert die Epitheta μέγας) und revvniang’) erhält. Als 
Material der Scheide wird einmal Silber,'®) ein anderes Mal Elfen- 
bein!) namhaft gemacht. Zweimal hören wir von einem silbernen 


Griffe. 1?) 


1) I. XXIII 831-835. 2) Od. IX 391-393 (oben Seite 112, Anm. 1). 
3) I. XVIII 34 (oben Seite 330, Anm. 1). 4) Oben Seite 331, Anm. 7. 5) Z.B. 
Il. III 335, XVI 136, XIX 373; Od. X 262: ξίφος χάλκεον. Od. XXI 80: φάσγανον 


χάλκεον. Od. ΝΠ] 403: ἄορ παγχάλκεον. 6) Il. X 256: φάσγανον ἄμφηκες. 
N. XXI 118, Od. XVI 80, XXI 341: ξίφος ἄμφηκες. Od. XXI 79: φάσγανον 
ὀξύ χάλκεον ἀμφοτέρωϑεν ἀκαχμένον. 7) Im Epos weisen ungleich mehr 


Stellen auf Schwerthiebe als auf Schwertstiche hin. Die ersteren sind folgende: 
Il. V 80-82, 146147, 584, X 455-457, 484, 489, XI 109, 146, 240, 261, XI 
192, XIII 203, 576, 614, XIV 496-498, XVI 115, 332, 338-340, 474, XX 475, 
481—482, XXI 20—21; Od. X 440, XXII 97, 328. Dagegen berichten von Stichen 
nur folgende Stellen: Il. IV 531, XII 147, XIV 26, XV 278, XVI 637, XVII 731, 
XX 459, 469, XXI 117, 180; Od. XXII 98. 8) Z. B. D. 1194: μέγα ξίφος; 
V 146, XX 459: ξίφει μεγάλῳ; XV 712: ξίφεσιν μεγάλοισι; XVI 115: πλῆξ᾽ 
ἄορι μεγάλῳ; XXI 306: φάσγανον 680, τὸ οἵ ὑπὸ λαπάρην τέτατο μέγα TE 
στιβαρόν τε. 9) Π. XIV 385: δεινὸν ἄορ τανύηχες ἔχων ἐν χειρὶ παχείῃ | 
εἴκελον ἀστεροπῇ; ΧΥΙ 473; Od. X 439, ΧΙ 231. Od. XXI 448: ξίφεσιν τανυή- 
κεσιν. Vgl. Π. VII 77, XXIV 754, Od. IV 257: τανυήκεϊ χαλκῷ. 10) As RUrBir 
κουλεὸν ἀργύρεον. Zwei Dolche mit silbernen Scheiden, jedenfalls importierte 
Ware, fanden sich in einem sehr alten pränestiner Grabe (vgl. oben Seite 31): 
Mon. dell’ Inst. X T. XXXI 4, 5; Ann. 1876 p. 249; Bull. di paletn. ital. IX 
T. II 11,12. 11) Od. VIII 403: ἄορ παγχάλκεον, ᾧ ἔπι κώπη | ἀργυρέη, κολεὸν 
δὲ νεοπρίστου ἐλέφαντος | ἀμφιδεδίνηται. In einem sehr alten Grabe bei Veji, 
dessen Inhalt dem des mehrfach erwähnten caeretaner Grabes (oben Seite 30, 
Anm. 5 und Seite 91—93) nahe verwandt ist, fanden sich zwei eiserne Schwerter 
mit Scheiden aus Elfenbein, das schachbrettartig mit Bernsteinstücken eingelegt 
ist: Archaeologia 41 I T.VI2 p.199. 12) ᾿ἀργυρέη κώπη: 1]. 1219, Od. VIII 403. 


XXIV. Die Angriffswaffen. 333 


Eines der häufigsten Beiworte des Schwertes ist ἀργυρόηλος 
„mit silbernen Nägeln beschlagen“.') Fragen wir, an welchem Teile 
des Schwertes diese Nägel anzunehmen sind, so ist zunächst eine 
Stelle der Odyssee?) zu berücksichtigen. Odysseus erzählt, wie er 
beim Herannahen des Teiresias das ξίφος ἀργυρόηλον, mit dem er 
bisher die Schatten von dem Opferblute abgewehrt, in die Scheide 
stiefs. Da hier das Schwert und die Scheide als besondere Gegen- 
stände angeführt werden, so läfst dies darauf schliefsen, dafs die 
silbernen Nägel nicht an der letzteren, sondern an dem Schwerte 
selbst angebracht waren, und es fragt sich nunmehr, ob wir sie an 
dem Griffe oder an der Klinge vorauszusetzen haben. Eine Reihe 
von Stellen spricht entschieden für die erstere Annahme. Hektor 
schenkt nach seinem Zweikampfe mit Aias dem letzteren sein mit 
silbernen Nägeln beschlagenes Schwert und überreicht ihm dasselbe 
mit der Scheide und der schön geschnittenen Koppel.”) Ebenso über- 
giebt der Phäake Huryalos dem Odysseus sein ξίφος ἀργυρόηλον.) 
Sehr oft berichtet das Epos, wie die Helden das ξίφος ἀργυρόηλον 
umhängen.’) Da die Klingen, während die Schwerter dargereicht oder 
umgehangen wurden, selbstverständlich in der Scheide staken und 
demnach unsichtbar waren, so bleibt nur die Möglichkeit die Nägel 
an dem Griffe anzunehmen. Indes könnte ein sophistischer Kritiker 
hinsichtlich dieser Stellen den Einwand erheben, dafs die Dichter 
das Adjektiv ἀργυρόηλος möglicher Weise nur als typisches Epı- 
theton für das Schwert und ohne Rücksicht auf die gerade ge- 
schilderte Handlung gebraucht hätten. Glücklicher Weise ist aber 
eine Angabe®) vorhanden, welche jeglichen derartigen Einwurf aus- 
schlielst: „Agamemnon Kg sein Schwert um die Schultern; an ihm 
funkelten goldene Nägel; darum aber lag die silberne Scheide, mit 
goldenen Tragringen versehen.“ Offenbar waren die hier erwähnten 
goldenen Nägel an derselben Stelle angebracht wie die silbernen, 
welche das in Rede stehende Epitheton vergegenwärtigt. Da der 
Dichter sie erwähnt, bevor er zur Beschreibung der Scheide über- 
seht, so können sie Bicht zum Schmucke der letzteren gehört haben. 
Ebenso ist der Gedanke an die Klinge ausgeschlossen, da diese, als 


1) D. I 45, III 334, 361, VII 303, XIII 610, XVI 135, XIX 372, Od. vıu 
406, 416, X 261, XI 97: En ἀργυρόηλον. 1]. XIV 405, xx 807: φάσγανον 
Baar: Vgl. über dieses Epitheton auch unseren XXIX. Abschnitt. 2) Od. ΧΙ 
91: ἐγὼ δ᾽ ἀναχασσάμενος ξίφος ἀργυρόηλον, | κουλεῶ ἐγκατέπηξ᾽ . 3) 1. VII 303: 
ὃς ἄρα φωνήσας δῶκε ξίφος ἀργυρόηλον, σὺν κολεῷ Te φέρων καὶ ἐϊτμήτω 
τελαμῶνι. 4) Od. VII 406: ὡς εἰπὼν ἐν χερσὶ rider ξίφος ἀργυρόηλον. 
5) I. II 45, III 334, XVI 135, XIX 372. Od. VII 416, X 261. 6) I. XI 29: 
ἀμφὶ δ᾽ ἄρ᾽ ὦμοισιν βάλετο ξίφος" ἐν δέ οἵ ἧλοι | χρύσειοι πάμφαινον, ἀτὰρ 
περὶ κουλεὺὸν ἦεν | ἀργύρεον, χρυσέοισιν ἀορτήρεσσιν ἀρηρός. 


354 | Die Bewaffnung. 


Agamemnon das Schwert umhing, in der Scheide geborgen war. 
Also bleibt für die Nägel kein anderer Platz als der Griff übrig. 

Suchen wir nunmehr das homerische Schwert 
durch erhaltene Exemplare zu veranschaulichen, 
so sind im besonderen vier Gattungen antiker 
Bronzeschwerter und -dolche zu berücksichtigen. 
Die eine dieser Gattungen wird gebildet durch 
Schwerter, welche sich in den mykenäischen 
Schachtgräbern gefunden haben (Fig. 126, 127).') 
Die zweischneidigen Klingen, die unmittelbar 
über dem Griffe schmäler zu werden anfangen, 
"haben eine Länge von mindestens 80 Centi- 
metern. Die Angel des Griffes ist aus dem- 
selben Stücke wie die Klinge gearbeitet und 
besteht aus einem flachen Streifen, welchen 
man, um einen runden und handlichen Griff zu 
erzielen, mit irgend welchem Beschlage, sei es 
aus Holz, sei es aus Knochen, versah. Dieser 
Beschlag war, wie es scheint, bisweilen mit 
ornamentiertem Goldbleche überzogen.?) Da sich 
neben einigen der Klingen aulser den Stücken 
Goldbleches auch durchbohrte Kugeln aus Ala- 
baster fanden, so vermutet Schliemann,?) dafs 
diese den betreffenden Schwertern als Knäufe 
gedient hätten. Jedenfalls waren die Beschläge 
der Griffe mit goldenen Nägeln befestigt. Und 
zwar reicht gewöhnlich ein Nagel durch die 
Angel des Griffes, zwei durch den benachbarten 
Ansatz der Klinge (Fig. 126).*) Doch kommen 
auch Exemplare vor, welche drei Nägel in der 
Angel wie in dem Ansatze der Klinge zeigen 
(Fig. 127).°) 

Mag aber auch ein solcher Beschlag mehr oder minder dem- 
jenigen entsprechen, auf den die Beschreibung des Schwertes, weiches 
sich Agamemnon umhängt, und das Epitheton ἀργυρόηλος hinweisen, 


Fig. 126. Fig. 127. 


1) Schliemann, Mykenae p. 323, 326. Nicht identische aber ähnliche 
Exemplare von Amorgos: M&moires des Antiquaires du Nord n. 5. 1878—83 
p: 231: n.'12, 16; 2) Mykenae p. 308—310, p. 315. 3) A. a. O. p. 323—325 
n. 445 (p. 321), n. 447—449 (p. 324). 4) Α. ἃ. Ο. p. 325 und 350. Vgl. n. 445 
(p. 321), n. 466 (p. 350); 8. Müller, den europaeiske Bronzealders ÖOprindelse 
(Saertryk af Aarboger for nord. Oldk. 1882) p. 283 Fig. 1 (hiernach unsere 
Fig. 126). 5) 8. Müller a. ἃ. Ο. p. 283 Fig. 2 (hiernach unsere Fig. 127). 


XXIV. Die Angriffswaffen. 335 


nichtsdestoweniger scheint es unzulässig diese Exemplare zur Ver- 
anschaulichung des homerischen Schwertes zu benutzen. Eine hierbei 
zu berücksichtigende Thatsache wurde bereits im V. Abschnitte an- 
gedeutet. Die hervorstechendste Eigentümlichkeit der mykenäischen 
Schwerter und Dolche ist der reiche 
figürliche und ornamentale Schmuck, 
mit dem die Klingen mehrerer Exem- 
plare versehen sind.') Hätten die 
Dichter ähnliche Prachtstücke ge- 
kannt, dann würden sie dieselben 
gewils für die poetische Schilderung 
verwertet haben. Doch findet sich 
im Epos nirgends ein Hinweis 
auf irgendwelche Dekoration der 
Schwertklinge. Somit spricht alle 
Wahrscheinlichkeit dafür, dafs die 
damals gebräuchlichen Waffen an- 
derswo zu suchen sind als in der 
mykenäischen Gruppe. Noch durch- 
schlagender ist ein anderer Um- 
stand. Während nämlich das Schwert 
nach der epischen Schilderung so- 
wohl zum Stechen wie zum Hauen 
diente, scheinen die langen schmalen 
in den Schachtgräbern gefundenen 
Klingen ausschliefslich auf den Stich 
berechnet — eine Annahme, welche 
in den Bildern mehrerer aus den- 
selben Gräbern stammender Siegel °) 
Bestätigung findet. Man erkennt deutlich, dafs die Schwerter, mit denen 
die auf diesen Siegeln dargestellten Krieger oder Jäger bewaffnet sind, 
derselben Gattung angehören wie die in Rede stehenden Exemplare. 
Keine der Gravierungen aber zeigt ein Beispiel, dafs mit diesem 
Schwerte ein Hieb vollführt wird. Vielmehr gebrauchen es die Krieger 
wie die Jäger durchweg als Stofswafte. ' 
Ähnlich verhält es sich mit einer Gattung, von der sich em 
Exemplar auf Amorgos in vorhellenischer Schicht’) zwei in Attika‘) 


Fig. 128. Fig. 129. 


1) Oben Seite 59, Anm. 2. 2) Schliemann, Mykenae p. 202 n. 253, 254 
(unsere Fig. 115 auf Seite 303), p. 253 n. 313 (unsere Fig. 119 auf Seite 313), 
p. 253 n. 335. 3) Mittheilungen des deutschen arch. Institutes, athenische 
Abtheilung XI (1886) p. 24, Beilage 1 n. 6. 4) M&moires des Antiquaires du 
Nord n. 5. 1878—1883 p. 230 n. 8, 9. „Eiserne Schwerter ähnlicher Art haben 


336 | Die Bewaffnung. 


gefunden haben!) und die in Italien wie im mittleren Europa häufig 
vorkommt.?) Die zweischneidige Klinge und der Griff, dessen unteres 
Ende eine halbkreisartige Form hat, sind aus verschiedenen Bronze- 
stücken gearbeitet. Die erstere ist an der Stelle, wo sie aus dem 
Griffe hervorgeht, sehr breit, fängt aber dann sofort an 
schmäler zu werden, dergestalt, dafs sie beinahe die Form 
eines spitzwinkligen Dreiecks darbietet. Sie setzt in eine 
am Griffe angebrachte Rinne ein und ist daselbst mit Nä- 
seln befestigt, welche durch die Ausladung des Griffes durch- 
geschlagen und, der Form des letzteren entsprechend, in 
einem Halbkreise disponiert sind (Fig. 128, 129). Die Zahl 
der Nägel beläuft sich gewöhnlich auf fünf, sechs oder acht. 
Doch kennen wir einen in den Abruzzen gefundenen Dolch, 
an dessen Griff zwei Nägelreihen angebracht sind, von denen 
die äuflsere aus nicht weniger als fünfzehn, die innere aus 
elf Nägeln besteht.’) Waren die Nägel oder zum mindesten 
die Nagelköpfe nicht wie die Klinge und der Griff aus Bronze, 
sondern aus einem anderen Material, etwa aus Silber, ge- 
arbeitet, so mulsten sie eine höchst nachdrückliche dekora- 
tive Wirkung ausüben und entsprachen somit vollständig der 
Erscheinung, welche durch das Epitheton ἀργυρόηλος ver- 
gegenwärtigt wird. Doch waren auch diese Waffen aus- 
schliefslich für den Stofs berechnet. Es ergiebt sich dies 
nicht nur aus der Form der Klinge, sondern auch aus der 
Weise ihrer Befestigung. Hätte man nämlich damit ge- 
hauen, so stand zu befürchten, dafs die Klinge durch den 
seitlichen Anprall aus der Rinne, in die sie eingelassen war, 
herausgelöst würde. 


Es bleiben somit noch zwei Gattungen von bronzenen 
Schwertern zu besprechen, die nahe verwandt und durch 
mancherlei Übergangstypen unter einander verbunden er- 
scheinen. Die eine ist auf griechischem Boden durch ein aus Mykenae 
(Fig. 130)*) und ein aus Olympia?) stammendes Exemplar vertreten. 


Fig. 130. 


sich in Gräbern von Kurion auf Kypros gefunden.“ Mittheilung von Ohnefalsch- 
Richter. 1) Ein weiteres Exemplar griechischer Provenienz ist im Bullet. di 
paletn. ital. II p. 52 notiert. 2) Bull. di pal. ital. I T.Ip. 44 ff. (unsere Fig. 128 
und 129 nach T. I 1 und 2); Bull. dell’ Inst. 1881 p. 36—37; Undset, etudes sur 
l’äge de bronze de la Hongrie I p. 146 ff. Auf der Apenninhalbinsel kommt dieser 
Typus besonders häufig in den Abruzzen und in der Gegend von Parma und 
Reggio d’Emilia vor. 3) Bull. di pal. ital. II p. 51. 4) Schliemann, Mykenae 
p. 167 n. 221; Undset, etudes sur l’äge de bronze I p. 148 Fig. 29; S. Müller, 
den europaeiske Bronzealders Oprindelse (oben Seite 334, Anm. 4) p. 319 Fig. 24; 
hiernach unsere Fig. 130. 5) 8. Müller a. a. O. p. 325 Fig. 27 (vgl. Ὁ. 322). 


XXIV. Die Angriffswaffen. 551 


Das erstere wurde nicht in den Schachtgräbern, sondern in der über 
den Burghügel verbreiteten Erdschicht gefunden, gehört also einer 
späteren Zeit an als die Gräber. Es hat eine Länge von 60 Centi- 
meter; die zweischneidige Klinge und die Angel des Griffes bestehen 
aus einem Stücke; da die Klinge verhältnismäfsig breit ist und 
erst unweit der Spitze schmäler wird, so dürfen wir an- 
nehmen, dals sie sowohl auf den Hieb wie auf den Stich 
berechnet war; in dem Handstücke der Angel sind vier, 
auf jeder Seite der Schwellung, welche den Übergang zur 
Klinge vermittelt, zwei Nietlöcher angebracht; also waren 
die hölzernen, knöchernen oder elfenbeinernen Streifen, durch 
deren Auflegung die flache Angel die nötige Rundung er- 
hielt, mit acht Nägeln festgeschlagen. Ähnliche Eigen- 
schaften zeigt das in Olympia gefundene Exemplar. Da der 
obere Teil der Angel fehlt, so läfst sich die Länge dieses 
Schwertes nur annähernd auf einen Meter berechnen; auf 
jeder Seite der Schwellung der Klinge ist ein Nietloch, ein 
drittes an dem unteren erhaltenen Teile der Angel sicht- 
bar. Aufserdem dürfen wir im diese Gattung bronzene 
Schwerter einbegreifen, die in Oberitalien bereits in vor- 
hellenischen Schichten!) vorkommen und sich von den Exem- 
plaren griechischer Herkunft im wesentlichen nur durch die 
unvollkommenere Technik unterscheiden.”) Endlich muls 
hier noch ein zu Athen gefundenes 72 Öentimeter langes 
Schwert erwähnt werden, das zwar aus Eisen gearbeitet 
ist, aber offenbar den in Rede stehenden Bronzetypus wieder- 
giebt (Fig. 191). Nach den von Dümmler eingezogenen 
Erkundigungen stammt es aus einem der beim Dipylon entdeckten 


Fig. 131. 


Gräber.*) Da die Angel von stark erhabenen Rändern umgeben ist, 
stellt dieser Typus den Übergang zu der anderen, nah verwandten 
Gattung dar, welche im Osten durch bronzene Schwerter vertreten 
ist, die sich in der Nekropole von lalysos auf Rhodos,’) in einem 
korinthischen Grabe‘) und auf Kerkyra (Fig. 132)°) gefunden haben. 
Ein Fragment eines ähnlichen Exemplares aus Korinth: M&moires des Anti- 
quaires du Nord n. 5. 1878—83 p. 231 n. 14. „Eiserne Schwerter dieses Typus 
haben sich auf Kypros gefunden, eines in einem phönikischen Grabe bei Kurion, 
ein anderes in einem griechischen Grabe bei Marion.“ Mittheilung von Ohne- 
falsch-Richter. 1) Oben Seite 83—88. 2) Derartige Exemplare z. B. bei 
Pellegrini, di un sepolereto preromano scop. a Povegliano veronese (Verona 1878) 
T. IH 1, 2; Bull. di paletn. ital. IX T. II 7, 15, p. 83—85. Vgl. Bull. dell’ 
Inst. 1880 p. 36. 3) Undset, &tudes I p. 149 Fig. 30; hiernach unsere Fig. 131. 
4) Oben Seite 79, Anm. 2. 5) Undset, etudes 1 p. 151. 6) Undset a. a. Ὁ 
p. 151. 7) Undset pl. XVII 2 p. 150, 151; hiernach unsere Fig. 132. 


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Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 


998 Die Bewaffnung. 


Bezeichnend für diese Gattung ist die Eigentümlichkeit, dafs der 
Knauf eine kuppel- oder giebelartige Form hat und die die Angel 
umgebenden Ränder unten gewöhnlich zu einer kleinen 
abwärts gekrümmten Parierstange verlängert erschei- 
nen.') Diese Schwerter haben in der Regel eine Länge 
von ungefähr 75 Centimeter und stimmen hinsichtlich 
der Form der Klinge mit denen der unmittelbar vor- 
her besprochenen Gattung überein. Ähnliche Exem- 
plare kommen häufig in Unteritalien vor, nur dafs an 
diesen die Parierstange wenig entwickelt ist und bis- 
weilen fehlt”) Ebenso verhält es sich mit den zuge- 
\ hörigen Dolchen, von denen sich einer in der den 

mykenäischen Burghügel bedecekenden Erdschicht,°) 
viele Exemplare in Unteritalien gefunden haben (Fig. 133).*) 

Von allen Gattungen, die bei dieser Untersuchung zu berück- 
sichtigen sind, entsprechen die beiden zuletzt beschriebenen am 
meisten den Andeutungen, die das Epos über das Schwert 
giebt. Die zweischneidigen Klingen sind bei beiden Gat- 
tungen von ansehnlicher Länge und auf den Hieb wie 
auf den Stich berechnet. Dadurch, dafs sich die Köpfe der 
an den Griffen angebrachten Nägel mit ihrem Metallglanze 
von dem stumpferen Tone des Beschlages abhoben, ergab 
sich ein dekorativer Effekt ähnlich dem, welchen die Be- 
schreibung des Schwertes des Agamemnon und das Epitheton 
ἀργυρόηλος vergegenwärtigen. 

Für die Erklärung eines anderen Epithetons μελάν- 
δετος „schwarz gebunden“, welches im Epos°) nur einmal 
dem Schwerte beigelegt wird, hat bereits Gerlach‘) mit 
Recht auf eine eigentümliche Art von Bronzeschwertern 
hingewiesen, die im mittleren und nördlichen Europa häufig 


Fig. 132. 


1) Auch das zu Dodona gefundene Bronzeschwert bei Carapanos, 
Dodone et ses ruines pl. LVIT 1 p. 102 und 135 scheint einen ähn- 
lichen Griff gehabt zu haben. 2) Bull. dell’ Inst. 1881 p. 36; Bull. 
di paletn. ital. VII p. 31, p. 59, IX T. ΠῚ 6 p.99 ff. Ein solches bei 
Aquila gefundenes Schwert: Bastian und Vols, die Bronzeschwerter 
des Museums zu Berlin T. XII 6; auf derselben Tafel 7?b ein ähn- 
| liches Exemplar unbestimmter italienischer Herkunft. 3) Schlie- 

Fig. 13. mann, Mykenae p. 191 n. 238. 4) Undset, etudes I p. 149 Fig. 31, 

hiernach unsere Fig. 133. 5) Il. XV 713: πολλὰ δὲ φάσγανα καλὰ 

μελάνδετα κωπήεντα, | ἄλλα μὲν ἐκ χειρῶν χαμάδις πέσον, ἄλλα δ᾽ ἀπ᾽’ ὥὦμων. 

Vgl. Hesiod, scut. Herc. 221: ὥὦμοισιν δέ μιν ἀμφὶ μελάνδετον ἄορ ἔκειτο | γάλ- 

“20V ἔχ τελαμῶνος. Euripid. Orest. 821, Phoeniss. 1109, fragm. Eurysth. bei 
Pollux X 145 (p. 377 n. 374 Nauck). 6) Philologus XXX p. 502. 


XXIV. Die Angriffswaffen. 339 


vorkommt. Der Griff besteht aus einem bronzenen Stabe, der in 
gleichmäfsigen Entfernungen von kleinen bronzenen Scheiben um- 
geben ist (oben Seite 335 Fig. 128). Es versteht sich, dafs die 
zwischen den Scheiben vorhandenen Öffnungen, um den Griff hand- 
lich zu machen, ursprünglich ausgefüllt waren, sei es mit Bindfaden,') 
sei es mit Holz, sei es mit einer harzartigen Masse.’) Eine helle 
Farbe aber wäre bei diesen Füllstücken unzweckmäfsig gewesen, 
da sie durch die Berührung der Hand notwendig schmutzig wer- 
den mulsten. Vielmehr lag es nahe ihnen von Haus aus einen 
dunkelen Ton zu geben. Wenn dies geschah, erschien der Schwert- 
sriff, indem sich die dunkelen Streifen der Füllung von den glän- 
zenden Rändern der Bronzescheiben abhoben, in der That wie mit 
dunkelen Bändern umgeben, zeigte also eine Erscheinung, die voll- 
ständig der Bedeutung des homerischen Epithetons entspricht. Die 
schon an und für sich wahrscheinliche Annahme, dafs sich diese 
Art von Griff aus dem südlichen Europa nach dem Norden verbreitet 
hat,?) ist gegenwärtig gesichert, da sich ein mit einem solchen Griffe 
versehener Dolch bei Castione in der Provinz Parma gefunden hat 
(Seite 335 Fig. 128).°) 

Die Schwertkoppel (τελαμών,) ἀορτήρ ἡ bestand aus einem 
ledernen Riemen,?) der, da er einmal als golden, ein anderes Mal als 
silbern®) bezeichnet wird, bisweilen einen Metallbeschlag gehabt 
haben mufs. Obwohl es im Epos nirgends ausdrücklich bezeugt ist, 
dürfen wir .doch annehmen, dafs dieser Riemen über die rechte 
Schulter reichte, dergestalt, dafs das Schwert an der linken Seite 
herabhing. Erstens nämlich wäre es sehr schwierig gewesen ein 
Schwert von so beträchtlicher Länge, falls dasselbe an der entgegen- 
gesetzten Seite getragen wurde, aus der Scheide zu ziehen. Zweitens 
zeigen die archaischen griechischen Bildwerke”) das Schwert stets an 
der linken Seite. 

An der Schwertscheide war bisweilen ein Messer (μάχαιρα) be- 
festigt,!%) wie am Hirschfünger der heutigen Jüger. 


1) Bull. di paletn. ital. Il p. 62. 2) Madsen, antiquites prehist. du 
Danemark, l’äge du bronze p. 10. 3) Vgl. oben Seite 44—46. 4) Bull. di 
paletn. ital. I T. 12 p. 47. 5) Il. VII 304, XIV 404, XVIII 598, XXIII 825; 
Od. XI 610, 614. 6) Od. XI 609. Il. XI 31 (oben Seite 333, Anm. 6) da- 
gegen scheint dieses Wort, da es hier im Plural gebraucht wird, vielmehr die 
Vorrichtungen, Ringe oder Haken, zu bezeichnen, durch die der τελαμών an der 
Schwertscheide befestigt war. 7) 1]. VII 304, XXI 825: ἐὐτμήτω τελαμῶνι. 


8) Oben Seite 109, Anm. 2. Streifen aus Goldblech, die in einem der myke- 
näischen Schachtgräber gefunden wurden, rühren nach Schliemann von Über- 
zügen von Schwertriemen her: Schliemann, Mykenae p. 381 n. 354. 9) So 
schon die Vasen vom Dipylon: Mon. dell’ Inst. VII T. ὃν. 10) 11. 111 271, 


.}».} 
De 


340 Die Bewaffnung. 


Der Speer (ἔγχος, ἐγχείη. αἰχμή, ἄκων, δόρυ, μελίη) bestand aus 
einem in der Regel aus Eschenholz') gearbeiteten Schafte, der an 
beiden Enden mit einer ehernen?) Spitze versehen war. Die eine der 
Spitzen diente zum Angriffe, die andere, welche οὐρίαχος ἡ oder σαυρω- 
10‘) hiefs, dazu, den Speer, wenn man seiner nicht bedurfte, in die 
Erde zu sto[sen. Die erstere war nicht, wie die bronzenen Lanzen- 
spitzen, die sich in den primitiven troischen Niederlassungen und in 
anderen verwandten Schichten gefunden haben,°) mittelst einer an 
dem unteren Ende angebrachten, zungenartigen Verlängerung in eine 
Spalte des Schaftes eingelassen, sondern, wie bereits ein aus einem 
mykenäischen Schachtgrabe stammendes Exemplar,°) mittelst einer 
höhre (αὐλός) auf den Schaft aufgesetzt.) An dem Speere des 
Hektor war diese bronzene Köhre an ihrem unteren Ende durch einen 
goldenen Ring (z6oxng) geschmückt und gefestigt.) Wenn ferner 
derselbe Speer als 11 Ellen ἃ. 1. ungefähr 5 Meter lang bezeichnet 
wird, so ist anzunehmen, dafs die Speere überhaupt eine ansehnliche 
Länge hatten.) Über die Form der für den Angriff bestimmten 
Spitze giebt das Epos keinen Aufschlufs und es bleibt somit zweifel- 
haft, ob wir uns dieselbe vierkantig oder blattförmig und zweischneidig 
zu denken haben.!") Durch das häufig den Speeren beigelegte Epi- 


XIX 252: ᾿Δτρείδης δὲ ἐρυσσάμενος χείρεσσι μάχαιραν, | 7 οἵ πὰρ ξίφεος μέγα 
κουλεὸν αἰὲν ἄωρτο. Vielleicht gehört hierher auch das Messer, mit dem Pa- 
troklos den Pfeil aus der Wunde des Eurypylos herausschneidet: I. XI 844. 
1) Daher die Bezeichnung μελέη, μείλινον ἔγχος, μείλινον δόρυ. Vgl. z.B. Il. XVI 
143, XIX 390, XX 277, XXI 162, XXII 133, 328; Od. XXII 259, 276. 2) Daher 
das häufig vorkommende ἔγχος χάλκεον, ἀκαχμένον ὀξέϊ χαλκῷ Od. XX 127; 
δόρυ κεκορυϑμένον χαλκῷ 1]. III 18; μελίη εὔχαλκος 1]. XX 322; u. χαλκοβαρής 
N. XXI 328; Od. ΧΧΠ 259, 276; δόρυ χαλκοβαρές Od. XI 532; δ. χαλκῆρες I. V 
145, VI 3, XI 742, XIX 53, Od. V 309, XIII 267, XXII 92; ἐγχείη χαλκήρης 
D. XIX 534, XX 258, Od. IX 55, XI 40. 3) Π. XIII 443, XVI 612, XVII 528, 
4) Il. X 153. 5) Oben Seite 47. 6) Schliemann, Mykenae p. 320 n. 441. 
7) 1. XVII 295: ἤρικε δ᾽ ἱπποδάσεια κόρυς περὶ δουρὸς ἀκωκχῇ,  πληγεῖσ᾽ Eyyel τὲ 
μεγάλῳ καὶ χειρὶ παχείῃ, | ἐγκέφαλος δὲ παρ᾽ αὐλὸν ἀνέδραμεν ἐξ ὠτειλῆς  αἷμα- 
τόεις. Schliemann, Ilios p. 532 hat die archäologische Bedeutung dieser Stelle 
zuerst richtig erkannt. 8) 1]. VI 319, VIII 494; ἔγχος ἔχ᾽ ἑνδεκάπηχυ᾽ πάρουϑ᾽ε 
δὲ λάμπετο δουρὸς | αἰχμὴ χαλκείη, περὶ δὲ χρύσεος ϑέε möonng. In der kleinen 
Ilias Fragm. 5 (Epicor. graecor. fragm. ed. Kinkel I p. 41) von dem Speere des 
Achill: ἀμφὶ δὲ πόρκης | χρύσεος ἀστράπτει καὶ ἐπ᾽ αὐτῷ Ölngoog ἄρδις. 9) Da- 
her πελώριον ἔγχος D. V 594, VIII 424, μακρὸν ἔγχος 1]. V 45, δόρυ μακρόν 
N. ΧΠῚ 168, ἔγχος μέγα 1]. XVII 296, δόλιχον ἐ. 1]. IV ὅ88, VII 255 und das 
häufig vorkommende δολιχόσκιον 2., das am natürlichsten erklärt wird durch 
„eine einen langen Schatten werfende Lanze“. 10) Der erstere Typus findet 
sich häufig in Griechenland und ist in Olympia der vorherrschende, wogegen die 
blattförmige Lanzenspitze hier seltener vorkommt: Furtwängler, die Bronzefunde 
aus Olympia p.77—78; 5. Müller, den europaeiske Bronzealders Oprindelse (oben 


XXIV. Die Angriffswaffen. 341 


theton ἀμφίγυος 1) läfst sich diese Frage nicht entscheiden, da es un- 
gewils ist, ob man dasselbe durch „mit zwei Spitzen (d.i. die zum 
Angriffe und die zum Einstofsen in den Boden dienende) versehen“ 
oder aber durch „zweischneidig“ zu übersetzen hat.?) 

Länger als die in der Feldschlacht gebräuchlichen Speere waren 
diejenigen, mit denen die Achäer ihre Schiffe gegen die Troer ver- 
teidigten.°) Nach der Schilderung des Epos sprang der Telamonier 
Aias bei diesem Kampfe von einem Verdecke zum anderen und stiefs 
gegen die Feinde mit einem Speere, dessen Länge nicht weniger als 
. 22 Ellen d. 1. ungefähr 10 Meter betrug und der nicht aus einem, 
sondern aus mehreren durch Klammern oder Pflöcke zusammengehal- 
tenen Stücken bestand.) 

Die Pfeile hatten eine dreischneidige (roı- 
yAoyıv),’) mit Widerhaken (ὄγκοι) ) versehene 
bronzene Spitze’) — ein Typus, der durch bron- 
zene Pfeilspitzen veranschaulicht wird, die sich 
häufig in Griechenland finden?) und von denen 
unsere Fig. 134 ein aus Megalopolis stammen- 
des Exemplar wiedergiebt. 

Die Streitaxt (ἀξίνη) wird nur an zwei 
Stellen des Epos erwähnt. Der Troer Peisan- 
dros trug eine solche unterhalb des Schildes 
befestigt und führte damit einen Schlag gegen den Helm des Mene- 
laos.?) Streitäxte (ἀξέναν) und Beile (meAexseg) wurden bei dem 


Seite 334, Anm. 4) p. 323—327. In Italien dagegen findet sich beinahe aus- 
schliefslich die letztere Form und sind vierkantige Speerspitzen sehr selten. 
1) I. XII 147, XIV 26, XV 278, 386, 712, XVI 637, XVII 731; Od. XVI 474, 
XXIV 527. 2) Die erstere Erklärung wird z. B. von Ameis zu Od. XVI 474 
und Goebel, de epith. hom. in εἰς desinent. p. 22, die letztere von Doederlein, 
hom. Glossarium I p. 83 π᾿ 120 und von G. Hermann zu Soph. Trachin. 502 
vertreten. Ob unter der δώιροος ἄρδις in Fragm. 5 der kleinen Ilias (oben 
Seite 340 Anm. 8) eine zweischneidige Spitze oder zwei neben einander aus dem 
Schafte hervorragende Spitzen (vgl. den zu Mykenae gefundenen Bronzedolch, 
aus dessen Griffe zwei parallel zu einander stehende Klingen herausw achsen bei ἢ 
Schliemann, Mykenae p. 191 n. 238) zu verstehen sind, lälst sich schwer .ent- 
scheiden. 3) N. XV 387: οἵ δ᾽ ἀπὸ νηῶν ὕψι AN ἐπιβάντες | μακροῖσι 
ξυστοῖσι, τά δά σφ᾽ ἐπὶ νηυσὶν ἔκειτο | ναύμαχα, κολλήεντα, κατὰ στόμα εἵμένα 
χαλκῷ. 4) I. XV 677: νώμα δὲ ξυστὸν μέγα ναύμαχον ἐν παλάμῃσιν, | κολλητὸν 


βλήτροισι, δυωκαιεικοσίπηχυ. 5) Il. V 898, XI 507. 6) Il. IV 151, 214. 
7) D. XV 465, Od. XXI 423: ἰὸς χαλκοβαρής. XII 650, 662: χαλκήρε᾽ ὀϊστόν. 
Od. I 262: ἰοὺς... χαλκήρεας. Eine eiserne Pfeilspitze wird nur in einem wie 
es scheint spät eingeschalteten Verse, Il. IV 123, erwähnt (oben Seite 330, 
Anm. 1). 8) Vgl. Furtwängler, die Bias benıde aus Olympia p. 78 9) DI. XII 


611: ὁ δ᾽ ὑπ᾽ ἀσπίδος εἴλετο καλὴν | ἀξίνην εὔχαλκον, ἐλαΐνω ἀμφὶ πελέκκῳ, | 


942 : Die Bewaffnung. 


Kampfe um die Schiffe geschwungen.') Eine nähere Bestimmung der 
Formen dieser Waften ist unmöglich, da das Epos hierüber nicht die 
geringste Andeutung giebt. Doch dürften dabei dieselben Typen in 
Betracht zu ziehen sein, welche bereits bei Erörterung des πέλεχυς 
und des ἡμιπέλεκκον zusammengestellt wurden,°) und aufserdem etwa 
noch die Streitaxt, welche auf einer selinuntischen Metope in der 
Hand einer Amazone dargestellt ist?) und in unserem XXVI. Ab- 
schnitt eingehendere Berücksichtigung finden wird. 


XXV. Über das Verhältnis der homerischen Kriegsrüstung zur 
orientalischen und klassischen. 


Über die Rüstung, deren man sich in Griechenland vor der dori- 
schen Wanderung bediente, geben die mykenäischen Schachtgräber nur 
ungenügenden Aufschluls. Es haben sich nämlich darin ausschliefs- 
lich Angriffswaffen, Speere und Schwerter, aber keine Reste von 
Schutzwaffen gefunden. Alle Wahrscheinlichkeit spricht jedoch dafür, 
dafs den damaligen Mykenäern zum mindesten aus Metall getriebene 
Helme und mit Metall beschlagene Schilde geläufig waren; denn der 
Gebrauch solcher Schutzwaffen reicht bei der Bevölkerung Vorder- 
asiens in eine uralte Zeit hinauf‘) und es wäre bei den vielfachen 
Beziehungen, welche seit der Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. das 
südwestliche Vorderasien mit dem östlichen Griechenland verbanden, 
sehr auffällig, wenn derselbe nicht baldigst auch in der letzteren 
Gegend Eingang gefunden hätte. Haben doch die Mykenäer infolge 
dieses Verkehrs bereits vor der dorischen Wanderung den Streit- 
wagen angenommen,?) dessen Einbürgerung selbstverständlich mit 
ungleich gröfseren Schwierigkeiten verbunden war als die irgend- 
welchen Rüstungsstückes. Aufserdem sind hierbei noch die bildlichen 
Darstellungen der in den Schachtgräbern gefundenen Siegel zu be- 
rücksichtigen. Sie lassen deutlich metallene Helme und mit Metall 
beschlagene Schilde erkennen,°) liefern also einen schlagenden Beweis 
dafür, dals sich eine Bevölkerung östlichen Ursprunges, die zu den 


μακχρῷ ἐξέστῳ. 1) Il. XV 111: ὀξέσι δὴ πελέκεσσι καὶ ἀξίνῃσι μάχοντο | καὶ 
ξίφεσι μεγάλοισι. 2) Oben Seite 112, Anm. 2 und 8. 3) Serradifalco, anti- 
chita della Sieilia II T. XXXIV; Benndorf, die Metopen von Selinunt T. VII; 
unten Seite 352 Fig. 139. 4) König Thutmes III (1591—65) erbeutet im Lande 
/ahi (Phönikien) „5 eiserne Sturmhauben“: Brugsch, Geschichte Ägyptens p. 318. 
Dem Philistäer Goliath werden ein eiserner Helm, ein bronzener Schuppenpanzer 
und ein bronzener Schild zugeschrieben: I. Samuel 17, 5, 6. 5) Oben Seite 126. 
6) Schliemann, Mykenae p. 202 n. 254 (unsere Figur 115 auf Seite 303), p. 259 
n. 335. { 


XXV. Über das Verhältnis d. hom. Kriegsrüstung zur oriental. u. klassischen. 343 


Mykenäern in besonders nahen Beziehungen stand, derartiger Schutz- 
waffen bediente. Ja es scheint sogar, dafs die damalige Kriegsrüstung 
der Mykenäer mehr oder minder der auf den Siegeln dargestellten 
entsprach. Die Übereinstimmung, welche zwischen den von den 
Stempelschneidern wiedergegebenen Schwertern und den bronzenen 
in den Schachtgräbern gefundenen Exemplaren obwaltet, wurde bereits 
hervorgehoben.') Andererseits steht die auf den Siegeln dargestellte 
Rüstung zu der homerischen in Beziehung, da beiden zwei sehr be- 
zeichnende Stücke gemeinsam sind, nämlich der beinahe mannshohe 
ovale Schild?) und der Helm, dessen Busch von einem Metallstabe 
gestützt wird.”) Wenn demnach in den Schachtgräbern Reste von 
Schutzwaffen vermifst werden, so ist dies vermutlich daraus zu er- 
klären, dafs die Toten nicht in der Kriegsrüstung, sondern in der 
festlichen Friedenskleidung beigesetzt wurden. Die Beigabe von Speeren 
und Schwertern steht hiermit im besten Einklange, da Speer und 
Schwert auch noch während des homerischen Zeitalters zu der All- 
tagstracht gehörten. 

Wird aber die Rüstung, welche die Griechen vor der dorischen 
Wanderung trugen, durch die in den Schachtgräbern gefundenen 
Siegel vergegenwärtigt, dann war sie auf einen metallenen Helm und 
einen mit Metall beschlagenen Schild beschränkt. Keines der Siegel 
läfst deutlich einen metallenen Panzer erkennen und sicher ist, dafs 
alle auf diesen Anticaglien dargestellten Krieger der Beinschienen 
entbehren. Hiernach wäre die im Epos geschilderte Panoplie, die 
nicht nur aus Helm und Schild, sondern auch aus einem ehernen 
Panzer und ehernen Beinschienen bestand, von den Griechen erst 
nach der dorischen Wanderung angenommen worden. Der harte 
Kampf um das Daseiv, welchen die Auswanderer bei ihrer Nieder- 
lassung in der Fremde zu führen hatten, mulste sie notwendig zu 
einer möglichsten Verstärkung ihrer Wehrhaftigkeit veranlassen. Jeden- 
falls war die Annahme der Panoplie wiederum ein Schritt, durch 
welehen die Griechen aus dem Kulturkreise, der bisher ihre Lebens- 
formen bestimmt hatte, heraustraten; denn eine so vollständige 
Rüstung, wie sie von den Kriegern des homerischen Zeitalters und - 
später von den hellenischen Hopliten getragen wurde, ist den alten 
Kulturvölkern des Orients stets fremd geblieben und zum mindesten 
haben die Beinschienen bei keinem derselben allgemeinere Verbreitung 
gefunden. Wenn der Milesier Aristagoras, als er den spartanischen 
König Kleomenes zum Kriege gegen die Perser zu bestimmen sucht, 
hervorhebt, dafs die Perser vorwiegend mit dem Bogen und mit 


1) Oben Seite 335. 2) Oben Seite 316. 3) Oben Seite 303. 


944 : Die Bewaffnung. 


kurzen Speeren kämpfen und nicht gewappnet, sondern mit Mützen 
und Hosen bekleidet in das Feld ziehen,!) so läfst sich Ähnliches 
hinsichtlich der Kriegsrüstung sämtlicher orientalischer Völker im 
Vergleiche mit der hellenischen behaupten. Freilich bleibt es un- 
gewils, ob die Griechen die Rüstungsstücke, durch welche die Panoplie 
ihren Abschlufs erhielt, selbständig erfanden oder etwa einzelne der- 
selben von den kleinasiatischen Völkern entlehnten, mit denen sie 
durch die Besiedelung der dortigen Küste in Berührung traten. Die 
Überlieferung bezeichnet die Karer als die grofsen Neuerer auf dem 
Gebiete des Kriegswesens und schreibt ihnen die Erfindung der Bein- 
schienen, der Schildzeichen, des doppelten Schildbügels, des Schild- 
nabels und des Helmbusches χὰ. Allerdings sind solche Angaben 
mit grofser Vorsicht aufzunehmen. Wird jedoch den Zügen Rech- 
nung getragen, unter denen uns die Karer während der ältesten 
historisch hellen Zeit entgegentreten, so läfst sich die Wahrschein- 
lichkeit, dafs jene Überlieferung auf einem realen Sachverhalte be- 
ruht, kaum in Abrede stellen. Von der Zeit des Archilochos bis 
gegen Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. finden wir die Karer an 
den verschiedensten Stellen des Mittelmeergebietes als Lanzknechte, 
die den Krieg handwerksmälsig, bald in fremdem Solde, bald auf 
eigene Hand, betreiben.’) Sie verfolgten also eine Lebensrichtung, 
welche naturgemälser Weise auf eine möglichste Vervollkommnung 
der Kriegsrüstung hinwirken mulste. Jedenfalls lassen mancherlei 
Worte dunkeler Herkunft, durch welche die epische Sprache Waffen 
und Bestandteile der Rüstung bezeichnet, wie ἄορ, ἀσπίς und δάκος, 
darauf schliefsen, dafs die Griechen auch auf diesem Gebiete von 
fremden Einflüssen nicht unberührt blieben.*) 

Durch die Annahme der Panoplie wurde die Entwickelung der 
hellenischen Nationalkraft mächtig gefördert. Man kann es sich leicht 


1) Herodot V 49, 3. 2) Die Stellen oben Seite 323, Anm. 4. 3) Be- 


sonders Archilochos im Schol. ad Platon. Lachet. p. 322 (fragm. 23 Bergk): καὶ. 


δὴ ᾿πίκουρος ὥστε Κὰρ κεκλήσομαι. Karische Söldner im Heere des ersten Psam- 
metichos und des Apries (Uahabra): Herodot II 152, 154, 163. Karische Leib- 
wache des Amasis: Herodot Il 154. Karer im Dienste des Onesilos, Königs von 
Salamis auf Kypros (um 500 v. Chr.): Herodot V 112. Vgl. Strabo XIV p. 661. 
4) Wenn die Sprachvergleicher behaupten, dafs ἄορ aus der Wurzel svar „hängen“ 
gebildet und das Schwert hiermit als etwas Hängendes oder Angeknüpftes be- 
zeichnet sei, so scheint mir dies doch eine starke Zumutung an den gesunden 
Menschenverstand. Vgl. die Namen Χρυσαορίς u. a. in Karien: Bezzenberger, Bei- 
träge X p. 171 n. 347. Ebensowenig überzeugend ist die Zusammenstellung von 
σάκος mit σάττω, σάγη, σάγος (Curtius, Grundzüge der griech. Etymologie 4. Ausg. 
p. 661) und die Ableitung von ἀσπίς aus der Wurzelform omıd, wobei man ver- 
mutlich an das Ausdehnen oder Ausbreiten (σπίξζειν = ἐκτείνειν) der ledernen 
Schichten denken soll (Fick in Kuhns Zeitschrift XXV, 1874, p. 111 n. 6). 


XXV. Über das Verhältnis d. hom. Kriegsrüstung zur oriental. u. klassischen. 345 


vorstellen, wie der Schutz, den eine derartige Rüstung gewährte, das 
Selbstvertrauen der Krieger gegenüber einer unvollkommener ge- 
wappneten Mannschaft steigern und die Feinde einschüchtern mulste. 
So begegnen wir denn auch, als die Überlieferung klarer und aus- 
führlicher zu werden anfängt, mancherlei Nachrichten, welche be- 
zeugen, wie die militärische Überlegenheit der Hellenen und Karer 
von den alten Kulturvölkern des Orients anerkannt wurde. Die 
Hauptstärke des ägyptischen Heeres beruhte unter den Königen 
Psammetichos und Apries (Uahabra) auf ionischen und karischen 
Söldnerscharen') und auch König Amasis, obwohl er seine Erhebung 
auf den Thron einer nationalen Reaktion verdankte, hielt sich nichts- 
destoweniger eine aus loniern und Karern zusammengesetzte Leib- 
wache.?) Der Mytilenäer Antimenidas, Bruder des Alkaios, diente 
mit Auszeichnung in dem Heere des Nebukadnezar.’) Der gewaltige 
Eindruck, den der in bronzener Rüstung starrende Hoplit auf die 
orientalische Phantasie machte, erhellt deutlich aus der Geschichte 
des Psammetichos. Als Psammetichos vor seinen Mitkönigen in die 
Sümpfe geflohen war, verkündete ein Orakelspruch, dafs er Rache 
nehmen werde, wenn eherne Männer aus der See aufgestiegen wären. 
Dieser Spruch ging in Erfüllung, als schwerbewaffnete Ionier und 
Karer an dem saitischen Gestade landeten und, von Psammetichos 
in Sold genommen, die ihm feindlichen Könige besiegten.*) 

Fragen wir schliefslich noch nach dem Verhältnisse, in dem die 
homerische Rüstung zu der klassischen stand, so hat man zunächst 
zu beachten, dafs der letzteren zwei für die erstere bezeichnende 
Stücke, nämlich die μίσρη und der beinahe mannshohe ovale 
Schild,°) fehlten. Und zwar müssen beide Stücke bald nach Ablauf 
des homerischen Zeitalters aufser Gebrauch gekommen sein, da sie 
weder in der unmittelbar auf das Epos folgenden Poesie erwähnt 
noch von der archaischen griechischen Kunst dargestellt werden. Um 
dieselbe Zeit haben die im eigentlichen Griechenland und in Klein- 
asien ansässigen Hellenen auch den Streitwagen aufgegeben‘) — 


1) Herodot II 152, 154, 163. 2) Herodot II 154. 3) Alkaios fragm. 33 
Bergk. Vgl. Strabo XII p. 617. 4) Herodot II 152. 5) Oben Seite 289— 291. 
6) Oben Seite 315 ff. 7) Dagegen ist der Gebrauch der Streitwagen bei den 
kyprischen Griechen noch im Jahre 498 v. Chr. nachweisbar (Herodot V 113). 
Nach Xenophon, cyrop. VI 1, 27 scheint es sogar, dals die Kyrenäer daran noch 
im 4. Jahrhundert v. Chr. festhielten. Doch fragt es sich, ob nicht Xenophon, 
indem er den bis zur Zeit des älteren Kyros im persischen Heere gebräuchlichen 
Streitwagen durch Vergleich mit dem kyrenäischen veranschaulicht, dabei an 
den Wagen dachte, dessen sich die Kyrenäer zu seiner Zeit bei Wettfahrten be- 
dienten. Wenn die kyprischen und möglicher Weise die kyrenäischen Griechen 
ungleich länger als ihre in dem Mutterlande und in Kleinasien ansässigen 


346 Die Bewaffnung. 


eme Thatsache, die mit Sicherheit daraus gefolgert werden darf, dafs 
die ganze Litteratur des 7. und 6. Jahrhunderts und, was besonders 
bedeutsam ist, auch die kriegerische Dichtung des Archilochos, Al- 
kaios und Tyrtaios dieser Kampfesweise nirgends gedenkt. So lange 
ein Wagen den Krieger in den Kampf trug und ihm auf dem Schlacht- 
felde als Ausfalls- und Rückzugsort diente,') war die Last des unge- 
heuerlichen Schildes erträglich. Als dagegen die Mannschaften zu 
Fufs oder zu Pferd ausrückten,”) mufste man notwendig darauf be- 
dacht sein das Gewicht der Schutzwaffen zu erleichtern und dies führte 
naturgemäfs zur Abschaffung jenes Schildes. 

Im übrigen dürfen wir annehmen, dafs die homerische Rüstung 
in stilistischer Hinsicht mehr oder minder der auf den archaischen 
Vasengemälden dargestellten entsprach. Mögen auch einzelne Mängel 
in der Wiedergabe der Rüstungsstücke von dem Ungeschicke der 
Maler herrühren, immerhin werden die sorgfältiger durchgeführten 
Exemplare einen im ganzen richtigen Begriff von der Erscheinungs- 
weise der gleichzeitigen Krieger geben. Sie zeigen Gestalten, welche 
sich wesentlich von den hellenischen Hopliten der Blütezeit unter- 
scheiden. Während an den letzteren Helm und Panzer die Ent- 
wickelung der Körperformen in organischer Weise begleiten und alle 
Bestandteile der Rüstung mit ihren feinen Profilen den Eindruck 
nicht nur der Widerstandskraft, sondern auch der gröfstmöglichen 
Leichtigkeit machen, gewahren wir auf jenen Vasen plumpe Gehäuse, 
die nur den Hauptformen des Körpers Rechnung tragen und im Ver- 
gleich mit der Statur des Kriegers unverhältnismälsig voluminös und 
wuchtig erscheinen. Und doch hatte die griechische Metallotechnik 


Stammesgenossen die archaische Kampfesweise bewahrten, so ist dies wohl 
daraus zu erklären, dafs sie es fortwährend mit orientalischen Heeren zu thun 
hatten, in denen das Geschwader der Streitwagen nach. wie vor eine hervor- 
ragende Rolle spielte. Es gilt dies auch für das persische Heer. Der ältere 
Kyros führte bei seiner Organisation desselben ein von dem bisherigen verschie- 
denes Modell des Streitwagens ein und widmete der Ausbildung dieser Waffe 
die grölste Sorgfalt: Xenoph. cyrop. VI 1, 17, 27--30. Wagengeschwader der 
Inder, Baktrer, Kaspier und Libyer im Heere des Xerxes: Herodot VII 86. Vgl. 
Aeschyl. Pers. 46. Sichelwagen in den Heeren des jüngeren Kyros und des 
Artaxerxes II Mnemon.: Xenoph. anab. 1 7, 10; 8, 10. Im Heere des Dareios III 
Kodomannos: Arrian, anab. 1 8, 6; 11, 7. 1) Oben Seite 127. 2) In der 
Überlieferung, die bis zu einem gewissen Grade als geschichtlich betrachtet 
werden darf, weist die älteste Erwähnung der Reiterei auf den ersten messeni- 
schen Krieg, also auf die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr., zurück. Es 
wird berichtet, dafs die Zahl der Berittenen auf Seite der Lakedämonier wie 
der Messenier nicht einmal fünfhundert betrug und diese Truppen so gut wie 
nichts ausrichteten, weil die Peloponnesier damals schlechte Reiter gewesen 
seien. Pausan. IV 7, 2; 8, 4. 


Geräte und Gefälse. 347 


zwischen der Epoche, in der das Epos zum Abschlufs kam, und der- 
jenigen, in welcher man anfing Thongefäfse mit Kampfscenen zu be- 
malen, bereits eine längere Entwickelung zurückgelegt und es war 
die Waffenfabrikation mehrere Menschenalter hindurch in verschiedenen 
griechischen Städten als Spezialität und in grofsem Malsstabe be- 
trieben worden.!) Hiernach scheint es, dafs wir uns die Helme und 
Panzer, welche von den Zeitgenossen der homerischen Sänger getragen 
wurden, sogar noch eckiger und ungefügiger zu denken haben als 
die auf den ältesten Vasenbildern dargestellten. 


V. 6eräte und Gefäfse. 


Die Angaben, welche das Epos über die Hausgeräte macht, sind 
in der Regel zu dürftig, als dafs sie sich zu erhaltenen oder bildlich 
dargestellten Exemplaren in bestimmtere Beziehung setzen liefsen. 
Auch hier hat man fast durchweg die Wahl unter einer ansehnlichen 
Zahl von Typen, deren Zusammenstellung die Grenzen dieses Buches 
weit überschreiten und doch nur zu schwankenden Begriffen führen 
würde. Wenn z. B. jemand die Frage stellte, wie die im homerischen 
Zeitalter gebräuchlichen Dreifüfse beschaffen gewesen seien,?) so 
könnte ich keine weitere Auskunft geben als die, dafs auch bei ihnen 
der altphönikische Gebrauch Räder unterzusetzen in Anwendung kam’) 
und dafs die damaligen Dreifülse, so weit das gegenwärtig bekannte 
Material ein Urteil gestattet, nur zwei Henkel (οὔατα) hatten; denn 
der dreihenklige Typus ist erst gegen das Ende des 6. Jahrhunderts 
v. Chr. nachweisbar.‘) Doch würde die Aufzählung solcher Einzel- 
heiten den Leser in hohem Grade ermüden. Ich glaubte ıhm dem- 
nach einen Dienst zu erweisen, wenn ich mancherlei derartiges ın 
den Anmerkungen untergebracht und durch die Verteilung in homöo- 
pathische Dosen geniefsbarer gemacht habe. Nur über sehr wenige 
Hausgeräte läfst sich eine zusammenhängende Untersuchung mit 
einiger Hoffnung auf Erfolg führen. Es sind dies die Beile, an denen 
das von Penelope veranstaltete Bogenschielsen vorgenommen wurde, 
das Pempobolon und die Trinkgeschirre. 


1) Oben Seite 17, Anm. 1 und 2. 2) Die Hauptstelle Il. XVIII 373: 
τρίποδας γὰρ ἐείκοσι πάντας ἔτευχεν | ἑστάμεναι περὶ τοῖχον ἐδσταϑέος μεγάροιο, | 
χρύσεα δέ σφ᾽ ὑπὸ κύκλα ἑκάστῳ πυϑμένι ϑῆκεν ... οἵ δ᾽ ἤτοι τόσσον μὲν ἔχον 
τέλος, οὔατα δ᾽ οὔπω | δαιδάλεα προσέκειτο" τά ῥ᾽ ἤρτυε, κόπτε δὲ δεσμούς. Unter 
den πυϑμένες sind die Stützen des Dreifulses zu verstehen, worüber der XXIX. 
Abschnitt zu vergleichen ist. 3) Vgl. oben Seite 108, Anm. 18, 4) Furt- 
wängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 17. 


948 | Geräte und Gefälse. 


XXVI. Die Beile beim Bogenwettkampfe. 


Eine der schwierigsten Stellen im Epos ist die, welche das von 
Penelope veranstaltete Axtschielsen beschreibt. Die Worte der Pene- 
lope!) lauten in sinngetreuer Übersetzung folgendermafsen: „Ich will 
jetzt einen Wettkampf veranstalten mit den Beilen, die jener (Odys- 
seus) in seinem Gemache der Reihe nach hinstellte wie Schiffskiel- 
halter,?) zwölf an der Zahl; darauf trat er eine weite Strecke hinweg 
und schnellte den Pfeil hindurch. Nunmehr werde ich den Freiern 
folgenden Wettkampf auftragen: wer am leichtesten die Sehne in 
den Bogen einspannt und durch alle zwölf Beile hindurchschielfst, 
dem will ich folgen“ Wenn die antiken’) und modernen*) Erklärer 
in der Regel annehmen, die Beilschneiden seien ohne Stiel derartig 
in den Boden gesteckt worden,?) dafs die offenen Öhre in gerader 
Linie hinter einander standen, so ist diese Ansicht von Goebel®) in 
überzeugender Weise widerlegt worden. Es genügt, auf die schlagendste 
der von ihm erhobenen Einwendungen hinzuweisen. Wollen wir näm- 
lich selbst zugeben, dafs die Beilschneiden, wie Faesi vermutet, zwei 
Fufs lang gewesen sein könnten, so war es nur möglich durch ihre 


1) Od. XIX 572: νῦν γὰρ καταϑήσω ἄεϑλπον, | τοὺς πελέκπεας, τοὺς κεῖνος ἐνὶ 
μεγάροισιν ἑοῖσιν | ἵστασχ᾽ ἑξείης, δρυόχους ὥς, δώδεκα πάντας" | στὰς δ᾽ ὅ γε 
πολλὸν ἄνευϑε διαρρίπτασκεν ὀϊστόν. | νῦν δὲ μνηστήρεσσιν ἄεϑλον τοῦτον ἐφήσω᾽ 
ὃς δέ ne ῥηΐτατ᾽ ἐντανύσῃ βιὸν ἐν παλάμῃσιν, | καὶ διοϊστεύσῃ πελέκεων δυοκαί- 
dere πάντων, | τῷ κεν ἅμ᾽ ἑσποίμην. Die Verse 577—581 sind wiederholt XXI 
75—79. Dem Inhalte des Verses καὶ διοϊστεύσῃ πελέκεων δυοκαίδεκα πάντων 
(XIX 578, XXI 76) entspricht in verschiedener Fassung διοϊστεῦσαί Te σιδήρου 
(XIX 587), διοϊστεύσειν Te σιδήρου (XXI 97, 127), διοϊστεύσω τὲ σιδήρου (XXI 114), 
διὰ δ᾽ ἧκε σιδήρου (XXI 328), διὰ δ᾽ ἀμπερὲς ἦλϑε ϑύραζξε | ἰὸς χαλκοβαρής (XXI 
422, 428). 2) Breusing in Fleckeisens Jahrbüchern für cl. Philologie 131 
(1885) p. 96 giebt an, in der philologischen Rundschau II p. 1460 nachgewiesen 
zu haben, dafs unter den δρύοχοι nicht Kielhalter, sondern die Spanten oder 
Rippen des Schiffes zu verstehen seien. Da mir die philologische Rundschau 
unzugänglich ist, bin ich aulser Stande ein Urteil über diese Erklärung zu fällen. 
Für die uns in diesem Abschnitte beschäftigende Frage, welches der Typus der 
bei dem Wettkampfe gebrauchten Beile gewesen sei, ist es übrigens ganz gleich- 
gültig, ob δρύοχοι Kielhalter oder Schiffsrippen bedeutet. 3) Schol. Od. XIX 
578, XXI 422. Eustath. ad Od. XIX 574 p. 1879, 6f#., XXI 420—422 p. 1915, 
38 ff. 4) So Ameis zu Od. XIX 574. Auf den Versuch, diese Annahme zu 
rechtfertigen, der neuerdings in Fleckeisens Jahrbüchern XXXI (1885) p. 97 f. 
gemacht worden ist, brauche ich nicht einzugehen, da sich die Voraussetzung 
auf der er beruht, nämlich die Vermutung, dafs Telemachos die Beile in einen 
von ihm aus Erde aufgetürmten Damm eingerammt habe, oben Seite 114, Anm. 4 
als irrig herausgestellt hat. 5) Od. XXI 120: πρῶτον μὲν πελέκξας στῆσεν, 
διὰ τάφρον ὀρύξας | πᾶσι μίαν μακχρήν, καὶ ἐπὶ στάϑμην ἴϑυνεν, | ἀμφὶ δὲ γαῖαν 
ἔναξε. 6) Jahrbücher für cl. Philologie 118 (1876) p. 169—173. 


XXVI. Die Beile beim Bogenwettkampfe. 949 


Öhre durchzuschiefsen, wenn sich der Schütze platt auf den Bauch 
legte. Nach der ἀν ὩΣ der Penelope pflegte aber Odysseus bei 
dieser Übung zu stehen und, als er seine Kunst vor den Freiern 
zeigt, schielst er „gerade von dem Sessel aus, wo er sals.')“ Sollten 
die Öhre in die Ziellinie eines sitzenden oder stehenden Mannes fallen, 
so mulsten sie mindestens einen Meter über dem Boden erhaben sein 
und die Axtköpfe demnach, selbst wenn wir ihr Stielloch unmittelbar 
an dem der Schneide gegenüberliegenden Ende voraussetzen, eben- 
falls eine Länge von mindestens einem Meter haben. Doch sieht 
jedermann ein, dafs derartige kolossale und wuchtige Axtköpfe zu 
den Unmöglichkeiten gehören. Also ist anzunehmen, dafs die Beile 
mit den Stielen in den Estrich eingerammt waren. 

Über ihre nähere Beschaffenheit geben die Verse, welche das 
Gelingen des Kunststückes schildern,?) einen Fingerzeig: 


πελέκεων δ᾽ οὐκ ἤμβροτε πάντων 

πρώτης στειλειῆς, διὰ δ᾽ ἀμπερὲς ἦλϑε ϑύραξε 

ἰὸς χαλκοβαρής -- 
Verse, die ebenfalls von Goebel richtig beurteilt worden sind. Da 
die uns erhaltenen Erklärungen der antiken Grammatiker?) von der 
ım obigen widerlesten Vorstellung ausgehen, dafs der Pfeil durch die 
Stiellöcher hindurchgeschossen wurde, so dürften sie füglich unbe- 
rücksichtigt bleiben. Indes kann ich nicht umhin darauf einzugehen; 
denn die Grammatiker haben hierbei dem Worte στειλειή, auf dessen 
Interpretation es besonders ankommt, eine falsche Bedeutung unter- 
geschoben. Obwohl nämlich dieses Wort nach seiner Etymologie*) 
nur den Stiel bezeichnen kann und στελεά in der späteren Litteratur 
ausschliefslich diese letztere Bedeutung hat,’) wird es von ihnen 
nichtsdestoweniger auf das Stielloch gedeutet°) — eine ganz will- 
kürliche Erklärung, die offenbar nur durch den falschen Begriff von 
der Aufstellungsweise der Beile veranlalst ist. Wollte man aber auch 
zugeben, dafs στειλενή das Stielloch bezeichnen könne, so ist hiermit 


1) Od. XXI 419: ἕλκεν νευρὴν γλυφίδας τε, | αὐτόϑεν ἐκ δίφροιο καϑήμενος, 
ἧκε δ᾽ ὀϊστόν | ἄντα τιτυσκόμενος. 2) Od. XXI 421—423. 3) S. Seite 348, 
Anm. 3. 4) Die Form στειλειή steht zu στειλειόν Stiel (Od. V 236) wie πλευρή 
zu πλευρόν, ἄκρη zu ἄκρον, δρεπάνη zu δρέπανον, ἠλακάτη zu ἠλάκατον, νευρή 
zu νεῦρον. Vgl. Goebel ἃ. a. Ο. p. 172. 5) Apoll. Rhod. IV 954: κορυφῆς ἔπι 
λισσάδος ἄκρης  ὀρϑὺς ἐπὶ στελεῇ τυπίδος βαρὺν ὦμον ἐρείσας | Ἤφαιστος ϑηεῖτο. 
Nicand. theriac. 386: ἐπεὶ σκυταλῆς μὲν ὅσον σμινύοιο τέτυκται | στειλειῆς πάχετος, 


τῆς δ᾽ ἕλμινϑος πέλει ὄγκος. Aeneas, comm. poliorcet. 18 (p. 4ὅ, 1 Hercher): καὶ 
παρὰ μὲν τῷ χαλκεῖ ἐνεβλήϑη στελεύν. 6) Hesych. στειλειή τοῦ πελέκυος ἡ ὁπή, 
εἰς ἣν ἐντίϑεται τὸ ξύλον. Vgl. Etym. m. p. 126, 23. Moeris lex. p. 254 ed. Pier- 


son 8. v. στειλειή. KEustath. ad. Od. ΧΧΙ 420 p. 1915, 36. 


350 Geräte und Gefäfse. 


nicht viel geholfen, da sich dann grammatische Schwierigkeiten heraus- 
stellen. Man hätte dann zu übersetzen: „vom ersten (ἃ. 1. dem dem 
Schützen zunächst befindlichen) Stielloche anfangend verfehlte er 
keine der Äxte.“ Diese Übersetzung ist aber unzulässig, weil ein 
den Begriff des Anfanges ausdrückendes Zeitwort fehlt, von dem der 
Genitiv πρώτης στειλενῆς abhängen mülste. Aufserdem erscheint hier- 
bei der Ausdruck πελέχεων δ᾽ οὐκ ἤμβροτε πάντων „er verfehlte 
nicht alle Äxte“ in unerträglicher Weise geschraubt. Dagegen fallen 
alle diese Schwierigkeiten weg, wenn orsılsır) in der sicher bezeugten 
Bedeutung „Stiel“ ge- 
falst und der Genitiv 
πελέχεων VON πρώτης 
στειλειῆς abhängig ge- 
macht wird. Es ist dann 
zu übersetzen: „und nicht 
verfehlte er sämtlicher 
Äxte äufserstes Stiel- 
ende“ ἃ. ἢ. der Pfeil 
streifte das obere Stiel- 
ende sämtlicher Äxte. 
Hiernach ergiebt sich ein 
Beilkopf, welcher unweit 
des oberen Stielendes mit 
einer Öffnung versehen 
war, derartig, dafs ein 
durch diese Öffnung durchfliegender Pfeil den Stiel streifen mulste. 

Suchen wir diesen Typus durch die Denkmäler zu veranschau- 
lichen, so sind zunächst bronzene Beile auszuschliefsen, welche ver- 
einzelt im südlichen (Fig. 135),') sehr häufig dagegen im mittleren 
und nördlichen Europa (Fig. 136, 137) vorkommen.?) Sie gehören der 
Gattung an, welche die Paläoethnologen Paalstab zu benennen pflegen, 
und sind auf der einen oder auch auf beiden Seiten mit einer Öse 
versehen, die offenbar zum Aufhängen des Beiles diente. Wir kennen 


Fig. 135. Fig. 156. Fig. 137. 


1) Ein Exemplar aus Sardinien: Notizie d. scavi comm. all’ acc. dei Lincei 
1882 T. XVIII 24 p.310 (hiernach unsere Fig. 135). Ich notierte mir zwei ähn- 
liche bronzene Beile in der Sammlung des Giudice Spano von Oristano. Exem- 
plare aus rätischem Gebiete: Oberziner, 1 Reti T. ΠῚ 5, 10, 11, 16. 2) Linden- 
schmit, Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit Bd. 1 Heft I T. IV 44, 45, 49, 
50, Heft II T.II 1—12. Kemble, horae ferales pl. IV 27—29, pl. V 4—19, 21—30. 
Hampel, antiquites prehistoriques de la Hongrie T.V 2, 5, T. XIV 16—18. Evans, 
l’äge du bronze p. 95—104, p. 111, 112, p. 118—156 (unsere Fig. 136 und 137 
nach p. 96 Fig. 76 und p. 104 Fig. 87). 


XXVI. Die Beile beim Bogenwettkampfe. 351 


darunter auch Exemplare von beträchtlicher Gröfse, deren Ösen weit 
genug sind, um mit einem dünnen Pfeile hindurch zu schielsen. 
Doch sprechen gegen die Vermutung, dafs sich die epische Schilde- 
rung auf einen derartigen Typus beziehe, im besonderen zweierlei 
Gründe. Erstens nämlich erscheinen jene Ösen an den Beilköpfen 
nur als ganz äufserliche Zuthaten. Demnach würde der Dichter, falls 
‚er annahm, dafs es galt den Pfeil durch ähnliche Vorrichtungen hin- 
durchzuschnellen, das Kunststück nicht im allgemeinen als ein Durch- 
schiefsen durch die Beile oder durch das Eisen bezeichnet, sondern 
auf die Ösen hingewiesen haben. Zweitens sind die Ösen an einer 
von dem Stiele entfernten Stelle der Beilköpfe angebracht und konnte 
somit ein durch sie hindurchfliegender Pfeil unmöglich den Stiel be- 
rühren, wogegen die Dichtung den letzteren von dem Pfeile gestreift 
werden lälst.!) 

Soweit meine Kenntnis reicht, lassen sich mit der epischen 
Schilderung nur zwei Beiltypen in Einklang bringen, deren einer von 
Goebel,?) der andere von Murray?) in den Kreis der x 
Untersuchung gezogen worden ist. Der erstere (Fig. 138) ) 
entspricht der Bipennis, welche die griechische Kunst seit 
der Alexanderepoche häufig den Amazonen beilegt. Der 
zweischneidige Axtkopf ist oben und unten mit einem 
kreisförmigen Ausschnitte versehen. Das Kunststück hätte 
demnach darin bestanden, dafs der Pfeil durch die oberen 
Öffnungen der zwölf Axtköpfe hindurchgeschossen wurde, 
ohne von der geradlinigen durch die Reihe der Öffnungen bezeich- 
neten Flugbahn abzuweichen. Wie Goebel hervorhebt, ist der Ver- 
oleich mit den δρύοχοι unter der Voraussetzung solcher Beile beson- 
ders zutreffend. Da nämlich dieses Wort, wo der Zusammenhang 
ein Urteil gestattet, die Holzblöcke zu bezeichnen scheint, auf die 
man beim Schiffsbau den Kiel stützte‘) so würde sich als Tertium 
comparationis nicht nur die geradlinige Aufstellung, sondern auch 
die Form ergeben; denn die oberen Hälften der Axtköpfe mit ihren 
kreisförmigen Ausschnitten erinnern in der That an die gabelförmigen 


Fig. 138. 


1) Eine ähnliche zum Aufhängen dienende Vorrichtung ist auch an der 
Streitaxt anzunehmen, die Peisandros unterhalb des Schildes befestigt trug. 
11. XII 611: ὁ δ᾽ ὑπ᾽ ἀσπίδος εἵλετο καλὴν | ἀξίνην. 2) Jahrbücher für cl. 
Philologie 113 p. 171. 3) In den Anmerkungen zu Bucher and Lang, the 
Odyssey done into english prose 2. ed. p. 420. 4) Vgl. im besonderen Ari- 
stoph. Thesmophor. 52. Plato, Timaeus p. 81 B. Apollon. Rhod. I 723. Archi- 
melos bei Athen. V p. 209 ec. Polyb. 1 38, 5. Suid. s. v. dodoyor ... τὰ στὴ 


ρίγματα τῆς πηγνυμένης νεώς. Eustath. ad Od. XIX 574 p. 1879, 8: δρύοχοι μὲν 


γὰρ ξύλα, ἐφ᾽ ὧν ἡ τρύπις ἵσταται. 


352 | Geräte und Gefälse. 


ge 


Kerben der Schifiskielhalter. Wir begegnen auf den Denkmälern bis- 
weilen Beilen dieser Gattung, bei denen der Stiel nur um ein weniges 
über den oberen Ausschnitt hervorragt.'!) Also konnte ein durch 
solche Ausschnitte hindurch fliegender Pfeil, den Angaben des Epos 
entsprechend, die oberen Stielenden (πρώτης στει- 
Asıng) streifen. Jedenfalls ist der in Rede stehende 
Typus uralt. Es genügt daran zu erinnern, dafs der 
mit kreisförmigen Ausschnitten versehene Beilkopf 
als Ornament auf altlydischem Goldschmucke vor- 
kommt?) und dafs sich kleine bronzene Votivexem- 
plare derselben Art zu Olympia in tiefster Schicht 
gefunden haben.°) 

| Murray dagegen nimmt an, dafs sich die epische 
Beschreibung auf eine Axt beziehe ähnlich der, mit 
welcher auf einer archaischen Metope von Selinunt 

Baron eine Amazone bewaffnet ist (Fig. 139).) Der Me- 
tallkeil, aus dem der Axtkopf besteht, erscheint auf der einen Seite, 
wo die breite Schneide offenbar fragmentiert ist, abwärts gebogen 
und berührt mit dem hinteren Ende des umgebogenen Stückes den 
Stiel. Es leuchtet ein, dafs die hierdurch gebildete Öffnung zum 
Durchschiefsen geeignet ist,5) wie dafs ein durch die Öffnung hin- 
durchfliegender Pfeil das oberste Stielende streifen konnte. Aller- 
dings hat dieses Beil keine Ähnlichkeit mit einem Schiffskielhalter. 
Doch wird jedermann zugeben, dafs die geradlinige Aufstellung als 
Tertium comparationis vollständig genügt. 

Schliefslich hat man noch dem Umstande kechnung zu tragen, 
dafs die bei dem Bogenschiefsen dienenden Beile im Epos ausdrück- 
lich als eiserne bezeichnet werden.®) Wenn demnach die Beilköpfe, 
auf die sich die Dichtung bezieht, aus einem Metalle gearbeitet 


Ἶ 


ann N 
1; 
ν 


...-----ὦ 
΄ 


1) So bei den Beilen von Amazonen auf römischen Thhonreliefs (Campana, 
opere in plastica T. LXXIX) und pompeianischen Wandmalereien (Pitt. d’Erco- 
lano V 69 p. 311; Mus. Borbon. VI 3; Helbig, Wandgemälde n. 1248). Häufiger 
freilich erscheint der Stil zu einer Spitze verlängert, welche die Höhe der oberen 
Spitzen des Axtausschnittes erreicht und bisweilen sogar zwischen den letzteren 
herausragt (z. B. auf den Sarkophagen bei Overbeck, Gal. her. Bildw. T. XXI 1, 
3, 8) — dieses eine Anordnung, welche selbstverständlich das Durchschiefsen 
der Öffnung mit dem Pfeile sehr erschwerte oder sogar unmöglich machte. 
2) Bull. de correspondance hellenique III (1879) pl. IV p. 129. 3) S. Müller, 
den europaeiske Bronzealders Oprindelse in der Saertryk af Aarbgger for nord. 


Oldk., Kigvenhavn 1882, p. 329 Fig. 33. 4) Serradifalco, antichita della 
Sıcılia II Τὶ XXXIV; Benndorf, Metopen von Selinunt T. VII (hieraus unsere 
Fig. 139). 5) Sie eignete sich auch dazu, die Streitaxt aufzuhängen. Vgl. 


oben Seite 351, Anm. 1. 6) Oben Seite 348, Anm. 1. 


XXVI. Das Pempobolon. 353 


waren, welches nur ausnahmsweise den Einflüssen der Zeit widersteht, 
so haben wir keineswegs zu gewärtigen, dafs jener Typus unter den 
erhaltenen Beilen zahlreich vertreten sei. Von dem Doppelbeile ist, 
soweit meine Kenntnis reicht, weder ein zum wirklichen Gebrauche 
bestimmtes bronzenes noch ein eisernes Exemplar nachweisbar. Von 
der durch die selinuntische Metope vergegenwärtigten Gattung kenne 
ich nur zwei stark oxydierte eiserne Exemplare. Sie wurden in 
einem orvietaner Grabe gefunden, welches aufser ihnen drei mit Tier- 
streifen bemalte korinthische Amphoren enthielt und demnach dem 
6. Jahrhundert v. Chr. anzugehören scheint.') 


XXVII Das Pempobolon. 


Während bei Opfern, welche Chryses und Nestor darbringen, 
die in Fett gehüllten und mit Fleischstückchen belegten Schenkel- 
knochen verbrannt werden, stehen die jungen Leute dabei mit zeu- 
πώβολα, ἃ. 1. fünfzinkigen Gabeln, in den Händen.?”) Diese zeu- 


πώβολα werden vortrefflich veranschaulicht durch erhaltene bronzene 


Gabeln, welche in eine zur Aufnahme eines hölzernen Stieles be- 
stimmte Hülse auslaufen. Die gegenwärtig bekannten Exemplare 
scheiden sich in eine ältere und eine jüngere Gattung. Die erstere 
ist bis jetzt nur durch ein im chiusiner Municipalmuseum’) auf- 
bewahrtes und zwei zu Bologna gefundene Exemplare bekannt, von 
denen das eine der bei S. Francesco entdeckten Niederlage primitiver 
Bronzegeräte angehört,') das andere aus dem ältesten Teile der Nekro- 
pole Arnoaldi Veli stammt (Fig. 140ab).’) Alle drei haben sehr 
beschränkte Dimensionen, indem die chiusiner Gabel nur M. 0,13, die 
von $. Francesco 0,15, die in der Nekropole Arnoaldi gefundene gar 
nur 0,052 lang ist. Die chiusiner Gabel hat fünf, die beiden bologne- 
sischen sieben Zinken, welche an dem chiusiner Exemplare um einen 
an der Hülse angebrachten kreisrunden, an dem arnoaldıschen um 
einen an der Hülse angebrachten elliptischen Reifen gruppiert sind, 
während sie an dem bei S. Francesco gefundenen Exemplare an eine 


1) Leider bin ich durch eigentümliche Verhältnisse vor der Hand verhindert, 
über diese Ausgrabung Näheres mitzuteilen. 2) 11.1463, Od. 1Π 460: νέοι δὲ 
παρ᾽ αὐτὸν ἔχον πεμπώβολα χερσίν. Vgl. Apollon. lex. hom. p. 129, 29: πέντε 
ὀβελίσκοι τριαινοειδεῖς ἐκ μιᾶς λαβῆς. Hesych. πεμπωβύλους᾽ πέντε ὁβε- 
λίσκους ἐκ μιᾶς λαβῆς συνεχομένους τριαινοειδῶς. Das Wort ist gebildet aus 
πέμπε (äolisch für πέντε) und ὀβελός. 3) Nummer 354 des Inventars. 
4) Not. d. scav. com. all’ ace. dei Lincei 1877 p. 5. p. δῦ ἢ. Bull. di paletn. 
ital. III p. 18—19. Cartaillhac, materiaux 1877 ἢ. 6 p. 249. Archivio per l’an- 
tropologia VII, 1877, p. 228 — 242. 5) Gozzadini, intorno agli scavi fattı dal 
sig. Arnoaldi Veli p. 72. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 23 


354 Geräte und Gefälse. 


Verlängerung der Hülse ansetzen. Die jüngere Gattung (Fig. 141ab) 
kommt vereinzelt im Gebiete von Bologna!) und in Picenum,?) sehr 
häufig dagegen im eigentlichen Etrurien vor.) Die Länge der ihr 
angehörigen Exemplare schwankt, soweit die von mir angestellten 
Messungen reichen, zwischen M. 0,28 und 0,35. Die Zinken setzen 
an einen runden heifen an; ihre Zahl beläuft sich entweder, genau 


Fig. 140b. 


dem homerischen πεμπώβολον entsprechend, auf fünf, oder auf sieben. 
Aufserdem sind die Exemplare dieser Gattung an dem dem Reifen 
benachbarten Ende der Hülse noch mit einem rechtwinklig zu der 
letzteren stehenden Stäbchen versehen, das in einen Knauf, Ring 
oder Stachel ausläuft und an welches zwei bis fünf kleinere Zinken 
ansetzen.*) 


1) Ein eisernes Exemplar mit fünf äufseren Zinken fand sich auf dem Piano di 
Setta (Nebenfluls des Reno) in einem Grabe, dessen Inhalt dem der Nekropole 
von Marzabotto und der bologneser Certosa entsprach (nach brieflicher Mitteilung 
von Zannoni), ein bronzenes mit sieben Zinken bei Servirola (bei Sanpolo d’Enza, 
Provinz Reggio): Zannoni, glı scavi della Certosa T. LXXIU 19. 2) Mehrere 
Exemplare fanden sich in der Nekropole von Offida: Bull. di paletn. ital. II p.21—22. 
Ein Exemplar gefunden bei Tolentino in der Sammlung Silveri-Gentiloni da- 
selbst. 3) Corneto: Dennis, the cities and cemeteries of Etruria I? p. 411; 
Bull. dell’ Inst. 1869 p. 172. Vulei: Mus. gregor. I T. XLVI 1, 3, 4, ein Exem- 
plar mit 5, zwei mit 7 äufseren Zinken; Bull. dell’ Inst. 1840 p. 59. Chiusi: 
ein Exemplar mit 5 und eines mit 7 Zinken im Municipalmuseum, ein Exemplar 
mit 5 Zinken in der Sammlung Giov. Brogi. Fojano: zwei mit 5 Zinken (Bull. 
dell’ Inst. 1879 p. 247). In der Sammlung Faina zu Orvieto ein Exemplar mit 
5 und eines mit 7 Zinken. In Perugia drei Exemplare mit 7 Zinken im Muni- 
cipalmuseum, eines mit 5 Zinken in der Sammlung Guardabassi. Im Florentiner 
Museum: ein Exemplar mit 7 Zinken aus Telamone, zwei mit 5, eins mit 7 Zinken 
ohne Provenienzangabe. In der Sammlung Chigi in Siena: zwei mit 5, zwei mit 
7 Zinken. 4) Nicht weniger als fünf innere Zinken hat das bei Bologna auf 
dem Piano di Setta gefundene Exemplar (die vorhergehende Anm. 1). 


XXVI. Das Pempobolon. 309 


Die Erklärung der italienischen Ciceroni, dafs diese Geräte, die 
in keiner einigermalsen vollständigen Sammlung antiker Bronze- 
geräte zu fehlen pflegen, Folterwerkzeuge gewesen seien, mit denen 
die Heiden das Fleisch der christlichen Märtyrer zerrissen hätten, 
bedarf keiner besonderen Widerlegung. Ebensowenig stichhaltig scheint 
mir eine von Alessandro Castellani!) vorgeschlagene Deutung. Der- 


Fig. 141a. Fig. 141b. 


selbe erinnert daran, dafs die neapolitanischen Fischer noch heute 
ähnliche Gabeln als Leuchten bei dem nächtlichen Fischfange be- 
nutzen, indem sie Werg in die durch die Zinken gebildete Höhlung 
hineinstopfen und dieses anzünden. Doch widerspricht der Annahme, 
dafs die antiken Exemplare zu dem gleichen Zwecke gedient hätten, 
die Thatsache, dafs solehe bronzene Gabeln nicht nur an der Meeres- 


1) Bei Friederichs, kleinere Kunst und Industrie p. 358. 
953* 


356 Geräte und Gefälse. 


küste, sondern auch im Binnenlande und zwar im Gebiete von Bo- 
logna,'!) wie im inneren Etrurien und Picenum?) vorkommen. Aufser- 
dem weisen die Umstände, unter denen sie in den Gräbern gefunden 
werden, nicht auf ein Werkzeug eines bestimmten Berufes, sondern 
auf ein allgemein gebräuchliches Hausgerät hin. Soweit nämlich die 
bisherigen Beobachtungen reichen, finden sich diese Gabeln stets 
zusammen mit Utensilien, welche in der Küche oder beim Mahle 
zur Anwendung kamen, als da sind Roste, Feuerzangen und -schaufeln, 
Simpula, Cola u. ἃ. Demnach hat bereits Schulz‘) in ihnen ein 
Küchengerät erkannt und Dennis’) dafür den Namen xoedyoa „Fleisch- 
zange“ vorgeschlagen. Offenbar brauchte man sie, um den Braten auf 
oder über dem Roste festzuhalten, ihn davon abzuheben, das Koch- 
fleisch aus dem Kessel herauszuholen und zu ähnlichen Zwecken, 
wobei das der jüngeren Gattung eigentümliche Stäbchen und die von 
ihm auslaufenden Zinken den Fleischstücken innerhalb der durch die 
äulseren Zinken gebildeten Höhlung einen weiteren Halt gaben. Eine 
schlagende Bestätigung erhält diese Annahme durch eine rotfigurige 
Vase strengen Stiles, die sich im Berliner Museum befindet.°) Es 
ist darauf dargestellt, wie Medeia in Gegenwart einer Tochter des 
Pelias einen zerhackten Widder durch Aufkochen in einem Dreifuls- 
kessel verjüngt. Der Widder ist im Begriffe aus dem Kessel heraus- 
zuspringen; die Peliade, welche ım der Rechten noch das Schwert 
hält, mit dem das Tier zerstückt worden ist, bekundet ihr lebhaftes 
Erstaunen über das Wunder; Medeia macht mit der erhobenen Linken, 
wie es scheint, eine Zaubergeberde und hält in der gesenkten Rechten 
eime der fünfzinkigen Gabeln, die uns in diesem Abschnitte beschäf- 
tigen (Fig. 142). Bei den Opfern, wie sie das Epos schildert, 
eigneten sich diese Gabeln vortrefflich dazu, um das Auseinander- 
fallen der verschiedenen Stücke, aus denen das Brandopfer bestand, 
und ihr Herabgleiten von dem Altare zu verhüten. Der Versuch, 
das homerische Pempobolon durch jene bronzenen Gabeln zu ver- 
anschaulichen, scheint um so berechtigter, als derartige Utensilien in 
Italien aus sehr alten Schichten zu Tage kommen. Der Bronzefund 
von 8. Francesco’) und der Teil der Nekropole Arnoaldi Veli,°) aus 
welchen zwei Exemplare der älteren Gattung stammen, fallen vor 
den Beginn des hellenischen Verkehrs.”) Die jüngere Gattung findet 


1) Oben Seite 354, Anm. 1. 2) Bei Vulei, Chiusi, Fojano: oben Seite 354, 


Anm. 3; bei Offida und Tolentino: oben Seite 354, Anm. 2. 3) Bull. dell’ 
Inst. 1869 p. 172, 1879 p. 247. 4) Bull. dell’ Inst. 1840 p. 59. 5) The cities 
and cemeteries of Etruria I? p. 411. 6) Furtwängler, Beschreibung der Berl. 


Vasensammlung p. 510 n. 2188. 7) Seite 353, Anm. 4. 8) Seite 353, Anm. 5. 
6) Oben Seite 83—88. 


XXVII. Das Pempobolon. 357 


sich, soweit gegenwärtig unsere Kenntnis reicht, in Gräbern, welche 
schwarzfigurige Vasen vorgeschrittenen und rotfigurige strengen Stiles 


er 
—_ Ὁ ς 


Fig. 142. 


enthalten, also spätestens der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. 
angehören.) 
Endlich ist hierbei noch eine Angabe des Eustathios?) zu be- 


1) Bull. dell’ Inst. 1879 p. 247. 2) Zu 1]. 1 463 p. 135, 40: φασὶν of 


358 Geräte ind Geile, 


rücksiehtigen, die derselbe, wie er ausdrücklich hervorhebt, aus alter 
Quelle geschöpft hat.!) Er berichtet nämlich, dafs sich die Hellenen 
im allgemeinen dreizinkiger, die äolischen Kymäer dagegen fünf- 
zinkiger Fleischgabeln bedienten. Die Stadt Kyme an der campa- 
nischen Küste galt aber für eine gemeinsame Gründung der ionischen 
Chalkidier und äolischen Kymäer.’) Aufserdem läfst es sich beweisen, 
dafs diese Stadt mindestens schon im 6. Jahrhundert v. Chr. eine 
srolse Menge von bronzenen Gefälsen und Geräten nach Etrurien 
exportierte.°) Will man der Angabe, dafs sich an ihrer Gründung 
auch äolische Kymäer beteiligten, Glauben schenken,*) so liegt der 
Gedanke nahe, dafs die fünfzinkige Gabel von den Aeoliern aus 
der kleinasiatischen Heimat mitgebracht und ihr häufiges Vorkommen 
in Etrurien aus dem Verkehre zu erklären ist, den die campanischen 
Kymäer mit den Etruskern unterhielten. Hiernach würde dieses 
Utensil in Zusammenhang mit der Gegend treten, in der die ho- 
merischen Gedichte entstanden, und es würde somit der Versuch das 
Pempobolon des Epos durch die in Etrurien gefundenen Exemplare 
zu veranschaulichen auch in historischer Hinsicht gerechtfertigt er- 
scheinen. ; 


xXXVIII Die Trinkgeschirre. 


Fig. 143. 


Fig. 145. 


Das in den homerischen Gedichten am häufigsten erwähnte Trink- 
gefäls ıst das δέπας ἀμφικύπελλον, wofür bisweilen auch die kürzeren 
Bezeichnungen δέπας und κύπελλον gebraucht werden.’) Aus ihm 


παλαιοὶ ὡς οἵ μὲν ἄλλοι τρισὶν ἔπειρον ὀβελοῖς, οἱ λέγοιντο ἂν τριώβολα᾽ μόνοι δὲ 
οἵ Κυμαῖοι, Αἰολικὸν δὲ οὗτοι ἔϑνος, πεμπωβόλοις ἐχρῶντο. ἔστι δὲ ἡ τοῦ πεμ- 
πωβόλου λέξις Αἰολική, καϑὰ καὶ ἡ χρῆσις. πέμπε γὰρ οἵ Αἰολεῖς τὰ πέντε 
φασίν... ἔοικε δὲ τὸ παρὰ τοῖς Κυμαίοις τοῦτο πεμπώβολον δαλχτύλοις πτύου 
λικμητικοῦ ἢ ὀδοῦσι τριαίνης, οἷς ἐνεπείρετο τὸ ὀπτώμενον. Einer dreizinkigen 
Fleischgabel bedienten sich die alten Hebräer: I. Samuel 2, 13. 1) Das Nächst- 
liegende ist hierbei der Gedanke an Ephoros. Vgl. unseren I. Exkurs. 2) Strabo 
V p. 243. 3) Oben Seite 88, Anm. 3. 4) Vgl. hierüber unseren I. Exkurs. 
5) Die Identität von δέπας und δέπας ἀμφικύπελλον ergiebt sich z. B. aus 
Il. XX111 196 ff., wo der Becher, aus dem Achill den Windgöttern spendet, Vers 196 
als δέπας, 219 dagegen als δέπας ἀμφικύπελλον, und aus Od. III 35 ff., wo der 
Becher, den Peisistratos dem Telemachos und seinem Begleiter darbringt, in 
den Versen 41 und 51 durch das erstere Wort, 63 dagegen durch das letztere 


ΧΧΥΤΙ. Die Trinkgefälse. 359 


tranken die Helden und aus ihm spendeten sie den Göttern. Auch 
liegen Zeugnisse vor, dafs der Wein mit demselben Gefüfs aus dem 
Krater geschöpft wurde.) 

Die alten Grammatiker, die über dieses Trinkgeschirr mancher- 
lei Untersuchungen angestellt haben, leiteten, soweit unser Wissen 
reicht, χύπελλον von χύπτω „beugen“ oder κυφός „krumm“ ab 
und gelangten, indem sie den Begriff der Beugung oder Krümmung 
bald auf den Behälter, bald auf den Rand, bald auf die Henkel 
bezogen, zu den verschiedenartigsten Resultaten.) Die einen ver- 
muteten, ἀμφικύπελλον bezeichne τὸ ἀμφοτέρωϑεν κυπτόμενον d. 1. 
einen Becher, dessen Wände auf allen Seiten gleichmälsig gebogen 
wären.°) Dagegen erklärten andere κύπελλον für ein ποτήριον ἔσω 
κεχυφός, ἀμφικύπελλον demnach für ein Trinkgefäls, dessen Rand 
auf allen Seiten einwärts gebogen 8561.) Aristarchos endlich suchte 
die Krümmung in den Henkeln und erkannte somit in dem du- 
φικύπελλον einen beiderseits mit krummen Henkeln versehenen 
Becher — eine Vermutung, der mehrere andere Grammatiker bei- 
stimmten.®) Wie wir im weiteren sehen werden, hat diese‘ Ver- 
mutung, wiewohl auch sie von einer entschieden falschen Etymologie 
ausgeht, sachlich das Richtige getroffen oder ist wenigstens der Wahr- 
heit am nächsten gekommen. 


bezeichnet wird. Dafs ferner δέπας ἀμφικύπελλον und κύπελλον synonym sind, 
erhellt aus dem Vergleiche von Il. 1 584 und 596, Od. XX 153 und 253. Das 
Gleiche gilt endlich auch für δέπας und κύπελλον: Il. XXIV 285 und 305. Vgl. 
Athen. ΧΙ 482 E. 1) Il. III 295, XXIII 218—221. 2) Kurze Übersichten über 
die verschiedenen Erklärungen bei Athen. XI 482 E, im Etymolog. magnum 
5. v. ἀμφικύπελλον p. 90, 39 ff. und bei Apollon. lexicon homericum 8, v. &ugı- 
κύπελλον (p. 25, 18 Bekker) und κύπελλον (p. 105, 24). 3) Schol. Od. III 63: 
δέπας ἀμφικύπελλον] τὸ ἀμφοτέρωϑεν κυπτόμενον. Schol. Od. XII 57: τὸ 
περιφερές, τὸ πανταχόϑεν κεκυφός. Schol. Od. XX 153. Athen. XI 482 E: 
ἀπὸ γὰρ κυφότητος τὸ κύπελλον ὥσπερ καὶ τὸ ἀμφικύπελλον (vgl. Eustath. zu 
Od. XV 120 p. 1775, 24, p. 1776, 38). Etym.m. p. 90, 42: τὸ ἐκ περιφερείας κυφόν. 
Hesych.: ἀμφικύπελ(λ)ον περιφερὲς ποτήριον. Apoll. lex. p. 25: ἀμφικύπελλον ἀμ- 
φίκυρτον, οἷον περικεκυφωμένον, ὕπερ ἴσον τῷ κεκυρτωμένον. Um den Begriff 
der Rundung vollständig zu machen, wurden dem Becher die Henkel abge- - 
sprochen. Athen. XI 482 F: ΖΣειληνὸς δέ φησι “κύπελλα ἐχπώματα σκύφοις 
ὅμοια, ὡς καὶ Νίκανδρος ὁ Κολοφώνιος". Hesych. κύπελλον" εἶδος ποτηρίου 
ἀώτου. 4) Eustath. zu 1]. 1 596 p. 158, 41 f., zu Od. I 142 p. 1402, 26 ff. 
5) Etym. m. 8. v. ἀμφικύπελλον (p. 90, 44): ᾿Δρίσταρχός φησι onualvew τὴν 
λέξιν τὴν διὰ τῶν ὥτων ἑἕκατέρωϑεν περιφέρειαν. Athen. ΧΙ c. 34 p. 783 Β: 
Παρϑένιος δὲ διὰ τὸ περικεκυρτῶσϑαι τὰ ὠτάρια. κυφὸν γὰρ εἶναι τὸ κυρτόν. 
Derselbe ΧΙ c. 65 p. 482 F: ἀμφέκυρτα ἀπὸ τῶν ὦτων. Eustath. zu Od. XV 120 
p. 1776, 36: Παρϑένιος δὲ (ἀμφικύπελλον) διὰ τὸ περικεκυρτῶσϑαι τὰ ὠτάρια. 
Aniketos ebenda p. 1776, 88: ἀπὸ γὰρ κυφότητος κύπελλον καὶ ἀμφικύπελλον, 


ὡς οἷον κυρτὸν καὶ ἀμφέκυρτον ἀπὸ τῶν ὦτων. 


360 Geräte und Gefäfse. 


Wenden wir uns nunmehr zur Betrachtung der modernen 
Erklärungsversuche, so meint Winckelmann,') das depas amphi- 
kypellon sei ein Trinkgeschirr gewesen, welches wie das bekannte 
corsinische Silbergefäfs?) aus einem inneren Becher und einer den- 
selben einschliefsenden metallenen Decke bestanden habe. Mag sich 
aber auch diese Annahme sprachlich durch den Vergleich von du- 
φιϑέατρον rechtfertigen lassen, jedenfalls widerspricht ihr die That- 
sache, dafs derartige Becher in dem älteren Denkmälervorrate fehlen. 
Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dafs diese Trennung des Be- 
hälters von der ihn umgebenden toreutisch bearbeiteten Hülle erst 
in der Alexanderepoche aufkam, in der die Herstellung kostbarer 
Metallgefülse in gröfserem Mafsstabe und mit gröfserem Raffinement 
geübt wurde, als früher. 

Schliemann°) ferner identifizierte das homerische Trinkgeschirr 
anfänglich mit einem bei den troischen Ausgrabungen zu tage ge- 
kommenen Goldgefälse.‘) Doch kann dasselbe, da der Behälter schmal 
und auf jeder Seite mit einem schnauzenartigen Ausläufer versehen 
ist, unmöglich als Trink-, sondern nur als Gulsgefäls gedient haben. 
Später entschied sich derselbe Gelehrte’) für einen zweihenkligen 
Becher, von dem zahlreiche Exemplare zu Hissarlik,°) wie in den 
mykenäischen Schachtgräbern‘) gefunden wurden, und hat hiermit, wie 
sich im weiteren herausstellen wird, entschieden das Richtige getroffen. 

Im übrigen verdient unter den Versuchen der Modernen nur 
noch eine Vermutung, die Buttmann®) und Frati”) unabhängig von 
einander aufstellten, eine eingehendere Betrachtung. Aristoteles!) 


1) Geschichte der Kunst des Alterthums Buch XI Kap.I$ 15. 2) Michaelis, 
das corsinische Silbergefäss, Leipzig 1859. 3) Atlas trojan. Alterthümer p. 54. 
4) Atlas trojan. Alterth. T. 202 n. 3603», T. 203, 203%; Ilios Ὁ. 518 n. 772, 773. 
Bereits Giseke in den Jahresberichten über die Fortschritte der Alterthums- 
wissenschaft III. Band, 2. und 3. Jahrg., 1874—75, 1. Abth. p. 98—99 hat diese 
Vermutung mit Recht zurückgewiesen. 5) Mykenae p. 130, p. 267 n. 339 
(unsere Fig. 145), p. 270 n. 344 (unsere Fig. 144), p. 272 n. 346 (unsere Fig. 157 
auf Seite 371), p. 398 τ. 528, p. 402; aulserdem in Gottschalls „unsere Zeit“ 
1880 p. 811; llios p. 338—342. 6) Z. B. Atlas troj. Alterth. T. 35 n. 8722, 
T. 39 n. 942, T. 40. n. 972, 976, T. 41 n. 990, 992, T. 42 n. 1005, 1007, 1008, 
T. 43 n. 1018, 1021, 1027, T. 45 n. 1090, 1092, 1094. Unsere Fig. 143 nach 
T. 40 n. 976. 7) Mykenae p. 267 n. 339 (hiernach unsere Fig. 145), p. 270 
n. 344 (hiernach Fig. 144), p. 272 n. 346 (hiernach unsere Fig. 157 auf Seite 371), 
p. 398 n. 528. 8) Lexilogus I? p. 160—162. 9) Bei Gozzadini, di un sepol- 
creto etr. scoperto presso Bologna p. 18 (T. HI 9, 18; hiernach unsere Fig. 146a, 
146b). Vgl. Gozzadini, intorno ad altre settantuna tombe del sepolcreto scop. 
presso Bologna p. 5. 10) Hist. animal. IX 40 (I p. 6242, 7 ed. Bekker): αἵ δὲ 
ϑυρίδες καὶ ai τοῦ μέλιτος καὶ τῶν σχαδόνων Auplorouoı: περὶ γὰρ μίαν βάσιν 
δύο ϑυρίδες εἰσίν, ὥσπερ ἡ τῶν ἀμφικυπέλλων, 1 μὲν ἐντὸς ἡ δ᾽ ἐκτός. Die 


XXVIN. Die Trinkgefäfse. 90] 


vergleicht die durch eine horizontale Fläche gesonderten Zellen der 
Bienen mit ἀμφικύπελλα. Die beiden genannten Gelehrten nehmen 
an, dals hiermit das gleichnamige homerische Trinkgeschirr gemeint 
sei, und Frati verweist auf henkellose Thongefäfse, die sich in der 
Nekropole von Villanova (bei Bologna) gefunden!) und, der Angabe 
des Aristoteles entsprechend, vermöge eines in der Mitte oder unweit 
der Mitte angebrachten Bodens in zwei Behälter geteilt sind, von 
denen jeder zur Aufnahme einer Flüssigkeit geeignet ist (Fig. 146a, 
146b). Indes stellen sich dem Versuche, das homerische δέπας du- 
φικύπελλον nach der Angabe des Aristoteles und den bolognesischen 
Thongefälsen zu rekonstruieren, unüberwindliche Schwierigkeiten ent- 
gegen. Erstens nämlich würde der Gebrauch eines derartigen Doppel- 
bechers den Griechen des homerischen Zeitalters doch nur dann nahe 
gelegen haben, wenn es bei den Gastmählern Sitte gewesen wäre, 
zweierlei Weine zu trinken — eine Sitte, welche an keiner Stelle 
des Epos Erwähnung findet und der primitiven Einfachheit des da- 
maligen Menu zuwiderläuft. Zweitens sind Gefälse jener Art für 
mancherlei Verrichtungen, die mit dem homerischen δέπας ἀμφι- 


Stelle ist citiert von Eustath. zu N. 1596 p. 158, 45ff. . 1) Abbildungen 
dieses Typus bei Gozzadini, di un sepolcreto etr. scop. presso Bologna T. ΠῚ 
9, 18, wonach unsere Fig. 1468, 146b; Gozzadini, intorno aglı scavi fattı dal 
sig. Arnoaldi Veli T. III 2; de Mortillet, le signe de la croix p. 64 Fig. 31, 
p. 166 Fig. 91; Issel, l’uomo preistorico in Italia p. 833 Fig. 65; Crespellanı, 
del sepolereto scoperto presso Bazzano T. III 1. Gefälse dieser Art treten zum 
ersten Male auf in der zweiten Periode der Nekropolen von Villanova und 
Benacei (vgl. Zannoni, gli scavi della Certosa p. 109—115) und kommen auch 
in anderen ΕΗ ΕΝ Grabstätten vor (de Luca, Tagliavini, Stradella della 
Certosa, Arnoaldi Veli, Arsenal), welche vor den Import griechischer Vasen 
fallen. Statistische Uhersichten: Gozzadini, intorno agli scavi Arnoaldı Veli 
25 ff.; Zannoni, gli scavi della Certosa p. 236—237. Eines der jüngsten Ge- 
fäfse dieser Art scheint ein Exemplar, das mit eingeprelsten Figuren von 
Kriegern, Hirschen und Sphinxen geschmückt ist und unter der von der Via 
S. Isaia nach der Certosa führenden Strafse gefunden wurde, wo Reste vor- 
handen sind, die der älteren Arnoaldischen Gruppe entsprechen: Gozzadini, di 
due sepoleri e di un frammento ceramico della necropoli felsinea p. 6, 7 (Atti 
della deput. di storia patria dell’ Emilia n. s. vol. VI parte I Modena 1881). 
Aufserhalb des bolognesischen Gebietes sind ähnliche bei Bazzano (west- 
lich von Bologna, an der Grenze der Provinz Modena) zu Tage gekommen. Sie 
stammen aus einer Nekropole, welche alle drei Perioden aufweist, in die 
sich die vorklassischen bolognesischen Funde einteilen lassen: Crespellani, del 
sepolereto scop. presso Bazzano T. ΠῚ 1 p. 8. Westlich vom Apennin wurde, 
soweit meine Kenntnis reicht, nur ein verwandtes Exemplar gefunden und zwar 
bei Chiusi. Es unterscheidet sich von den bisher besprochenen im besonderen 
dadurch, dafs an der einen der beiden Öffnungen zwei einander gegenüber- 
Ende, knopfartige Erhöhungen — keine Henkel — angebracht sind, die zur 
Handhabung des Gefälses dienten: Bull. dell’ Inst. 1884 p. 178 8—179. 


362 Geräte und Gefäfse. 


κύπελλον vorgenommen wurden, ganz ungeeignet. Man kann es 
sich leicht vorstellen, wie schwierig es gewesen sein würde den 
Wein damit aus dem Krater zu schöpfen.!) Das Gefäls mulste 
zu diesem Zwecke mit der ganzen Hand an dem Rande des oberen 
Behälters gefalst und dann, da der Widerstand der in dem unteren 
Behälter enthaltenen Luft zu überwinden war, gewaltsam in die 
Flüssigkeit hinabgedrückt werden, wobei die Hand mit Wein 
benetzt worden wäre. Andere Schwierigkeiten stellen sich her- 
aus, wenn wir uns von der Weise Rechenschaft geben, in der 
das Epos die Spende und die Begrüfsung eines nach begonnenem 


τ: προτοῦ ἡ κων ὑ σας te 


IISPFII SL 


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un a 


2 KERN τὰ 


-- 
σὰ πὸ τ᾿ 


Fig. 1468 Fig. 146}. 


Mahle eintreffenden Gastes beschreibt. Bei der Spende machte ein 
und dasselbe δέπας ἀμφικύπελλον die Runde in der Versammlung.?) 
Trat ein neuer Gast ein, so begrülsten ıhn die bereits anwesenden, 
indem sie ihm die mit Wein gefüllten Becher darboten; der An- 
kömmling nahm einen der Becher, leerte ihn und gab ihn dann 
demjenigen zurück, von welchem er den Becher erhalten hatte.?) 
Die Schwierigkeit, einen henkellosen Doppelbecher in dieser Weise 
herumzureichen, ist so einleuchtend, dafs sie keiner besonderen Dar- 
legung bedarf. Aufserdem werden solche Gefäfse naturgemäfs mit 
beiden Händen umspannt,*) wogegen mehrere Stellen des Epos be- 
zeugen, dals man das δέπας ἀμφικύπελλον mit einer Hand an- 
falste.?) Endlich scheint es sogar zweifelhaft, ob die umbrischen 


1) Oben Seite 359, Anm. 1. 2) Od. IT 35f. 3). XV 86, XXIV 101, 
102. 4) Nach einer brieflichen Mitteilung Gozzadinis schwankt der innere 
grölste Durchmesser dieser Gefälse zwischen M. 0,124 und 0,15, der kleinste 
(ἃ. 1, der Durchmesser der Stelle, wo sich der Behälter am meisten verengt) 
zwischen 0,075 und 0,121. 5) Z.B. Od. XIII 57: Aonın δ᾽ ἐν χειρὶ ride 


ΧΧΥΤΙ. Die Trinkgefäfse. 363 


oder etruskischen Töpfer, welche die bei Bologna gefundenen Ge- 
fälse formten, in der That Doppelbecher herstellen wollten. Wir 
kennen nämlich zahlreiche Exemplare, welche in der äufseren Form 
jenen Doppelbechern entsprechen, aber keine Doppelbecher sind, in- 
dem der Boden nicht in der Mitte des Behälters, sondern unweit des 
unteren Randes einsetzt. Es fragt sich somit, ob nicht jenes Herauf- 
rücken des Bodens lediglich ein technischer Notbehelf war. In dem 
urtümlichen Stadium der Keramik, welchem die bolognesischen Exem- 
plare angehören, war es gewils sehr schwierig Gefälse dieser Art, 
deren Wände eine ansehnliche Höhe erreichen, zu brennen und die 
Töpfer mögen öfters die unangenehme Erfahrung gemacht haben, 
dafs die Wände beim Brennen Sprünge erhielten. Dagegen wurde 
diese Gefahr beseitigt, wenn der Boden in der Mitte des Behälters 
angebracht wurde und die Wände nach oben wie nach unten zu 
gleichmälsig stützte.) Und zwar scheint die Vermutung, dafs die 
Doppelbecher nur dieser technischen Schwierigkeit ihren Ursprung 
verdanken, um so berechtigter, als alle Exemplare aus Gräbern 
stammen; denn es ist bekannt, dafs sich die alten Handwerker, wenn 
sie für sepulkrale Zwecke arbeiteten, mancherlei derartige Erleich- 
terungen gestatteten. 

Wenn andererseits Aristoteles die Form der Bienenzellen durch 
den Vergleich mit einem Doppelbecher veranschaulicht, den er ἀμ- 
φικύπελλον benennt, so beweist dies nur soviel, dafs zu seiner Zeit 
und in seiner Umgebung unter diesem Namen ein Doppelbecher 
geläufig war. Dagegen bleibt es ungewils, ob dieses Gefäls ın 
irgendwelcher formaler Beziehung zu dem gleichnamigen ım Epos 
erwähnten stand und ob der Schriftsteller eine solche Beziehung 
voraussetzte. Sollte aber auch Aristoteles das ihm bekannte du- 
φικύπελλον für einen direkten Abkömmling des homerischen gehalten 
haben, so würde diese Auffassung keine sicherere Gewähr bieten, 
als Ansichten, welche Haupt oder Müllenhoff über den Pfellel oder 
andere schwer zu bestimmende Stoffe äufsern, die in der mittelhoch- 
deutschen Diehtung erwähnt werden. Hier wie dort handelt es sich 
um Vermutungen, die wir, wenn ihnen triftige Gründe widersprechen, 
unbedenklich verwerfen dürfen. Jener Auffassung steht aber die ım 
obigen nachgewiesene Thatsache entgegen, dafs der von Aristoteles 
erwähnte Doppelbecher keineswegs den Anforderungen entsprach, 
welche die Ionier des homerischen Zeitalters naturgemälser Weise 
an das δέπας ἀμφικύπελλον zu stellen berechtigt waren. Aufserdem 


δέπας ἀμφικύπελλον; ΧΧΙ 17: δέπας δέ οἵ ἔκπεσε χειρός. 1) Vgl. Zannoni, 
gli scavi della Certosa di Bologna p. 333 not. 4. 


364 Geräte und Gefälse. 


wird die Bedeutung, welche Buttmann und Frati dem Namen bei- 
legen, dadurch abgeschwächt, dafs das Wort χύπελλον, welches in 
der epischen Sprache mit δέπας ἀμφικύπελλον synonym ist, in an- 
deren griechischen Dialekten ein von dem aristotelischen verschie- 
denes Trinkgeschirr bezeichnet. Die Kyprier benannten hiermit einen 
zweihenkligen, die Kreter einen zwei- oder vierhenkligen Becher.') 
Bezeichnungen aber, die den auf Kypros ansässigen Hellenen ge- 
läufig waren, fallen bei unserer Untersuchung zum mindesten gleich 
schwer oder vielmehr noch schwerer ins Gewicht als eine von Aristo- 
teles gebrauchte, da ihre Sprache mancherlei Berührungspunkte mit 
der epischen bewahrt hatte.?) 

Wenn demnach die aristotelische Stelle keinen bestimmten Auf- 
schlufs darbietet, so bleibt nichts anderes übrig als die homerischen 
Gedichte selbst zu befragen und zu untersuchen, ob etwa diese einen 
festen Anhaltspunkt darbieten. Und es ergiebt sich in der That aus 
dem Epos eine wichtige Eigentümlichkeit des δέπας ἀμφικύπελλον, 
die bereits von einzelnen antiken Grammatikern?) und unter den 
Modernen von Schliemann?) richtig erkannt wurde. Zu den drei 
Synonymen δέπας, κύπελλον und δέπας ἀμφικύπελλον kommt nämlich 
als viertes ἄλεισον. In der Odyssee (III 35 ff.) wird der Becher, den 
der Sohn des Nestor, Peisistratos, dem Telemachos und der Athene, 
die den letzteren in der Gestalt des Mentor begleitet, bei ihrem Ein- 
treffen in Pylos darreicht, zweimal (Vers 41 und 51) δέπας. einmal 
(63) δέπας ἀμφικύπελλον und zweimal (50 und 53) ἄλεισον benannt. 
Aufserdem erhellt die Identität des δέπας mit dem üAsıoov aus 
Odyssee XXII 9 und 17, indem daselbst der Becher des Antinoos das 
eine Mal (17) durch das erstere, das andere Mal (9) durch das 
letztere Wort bezeichnet wird. Das Substantiv ἄλεισον hat hier das 
Epitheton ἄμφωτον „mit zwei Henkeln versehen.“ Also bezeichnen 
die vier Synonyme einen zweihenkligen Becher.°) 


1) Athen. XI p.483 (u.d.W. κύπελλον): Σιμάριστος δὲ τὸ δίωτον ποτήριον 
Κυπρίους, τὸ δὲ δίωτον καὶ τετράωτον Κρῆτας. Eustath. zu Od. XV 120 
p. 1776, 38: λέγει δὲ καὶ (Aniketos) ὡς καὶ Κύπριοι οὕτω φασὶ τὸ δίωτον πο- 
τήριον. 2) Vgl. hierüber Deecke und Siegismund bei G. Curtius, Studien zur 
gr. und lat. Grammatik VII (1875) p. 262; Breal, sur le dechiffrement des 
inscriptions cypriotes p. 16, 17 (Journal des savants Aoüt et Sept. 1877); Ahrens 
im Philologus XXXV p. 36 und 49. Eine Parallele hierzu bietet die Thatsache, 
dafs die Kyprier bis zu Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. an dem Gebrauche 
der Streitwagen festhielten (oben Seite 345, Anm. 7). 3) So die von Athen. 
XI 24 p. 783 A und XI 65 p. 482 E, F excerpierten Grammatiker. Sie stützten 
sich dabei, wie ich es im folgenden thun werde, auf Od. III 35 ff. und XXII 
9, 17. 4) Mykenae p. 130; Ilios p. 339. 5) Offenbar beruht die oben 
Seite 359, Anm. 5 angeführte Ansicht des Aristarchos, dals das δέπας ἀμφικύ-- 


ΧΧΥΤΠ. Die Trinkgefäfse. 365 


Niemand wird, denke ich, den Versuch machen dieses Resultat 
mit der auf die aristotelische Stelle und die bolognesischen Thon- 
gefälse gegründeten Auffassung zu vereinigen und einen auf jeder 
Seite mit einem Henkel versehenen Doppelbecher anzunehmen. Erstens 
fehlt ein derartiger Typus innerhalb des archäologischen Materiales, 
in welchem doch das während des homerischen Zeitalters übliche 
Trinkgeschirr irgendwelche Spur hinterlassen mufste. Zweitens werden 
die oben angedeuteten Schwierigkeiten, welche der Annahme eines 
Doppelbechers entgegenstehen, durch die Voraussetzung von Henkeln 
nur zum Teil beseitigt, wie es denn einleuchtet, dafs ein solcher 
Becher, auch wenn er Henkel hatte, als Schöpfgefüfs höchst un- 
praktisch gewesen sein würde. Vielmehr können jene vier Synonyme 
nichts anderes als einen einfachen zweihenkligen Becher bezeichnen.') 


πελλὸν ein mit krummen Henkeln versehener Becher gewesen sei, auf den 
von mir an zweiter Stelle herangezogenen Versen der Odyssee (XXII 9, 17). 
1) Wie in dem δέπας ἀμφικύπελλον einen Doppelbecher, hat man in der dugi- 
ϑετος φιάλη (1. XXI 270: πέμπτῳ δ᾽ ἀμφίϑετον φιάλην ἀπύρωτον ἔϑηκεν:; 
615: πέμπτον δ᾽ ὑπέλειπετ᾽ ἄεϑλον,  ἀμφίϑετος φιάλη) eine Doppelschüssel er- 
kennen wollen und das Adjektiv dahin erklärt, dafs sowohl der eine wie der 
andere Behälter nach Belieben als Basis gebraucht werden konnte (so der Ver- 
fasser des Artikels ἀμφύϑετος in Ebelings lexicon homericum. Übersichten der 
antiken Erklärungen bei Athen. XI 501. Vgl. Schol. Il. XXIII 92, 243, 270; 
Apoll. lex. hom. p. 163, 11; Eustath. p. 1298, 36). Doch ist der Zweck einer 
solchen Doppelschüssel ebensowenig verständlich wie der eines Doppelbechers. 
Offenbar haben bereits antike Erklärer das Richtige getroffen, indem sie in der 
ἀμφίϑετος φιάλη ein zweihenkliges Gefäls erkannten, welches an beiden Henkeln 
angefalst und auf diese Weise hingesetzt werden konnte (Athen. XI 501 A; 
Schol. Il. XXIII 270) — eine Erklärung, welche in dem ἀμφιφορεύς (IM. XXI 
92, 170; Od. II 290, 349, 379, IX 164, 204, XII 105, XXIV 74) d. 1. einem 
Gefäls, welches getragen wird, indem man es an zwei einander gegenüber- 
stehenden Henkeln anfafst, eine schlagende Bestätigung findet. Dazu wird im 
23. Buche der Ilias das Gefäls, welches zur Aufnahme der Asche des Patroklos 
dient, zweimal als χρυσέη φιάλη (243, 253), einmal dagegen als χρύσεος du- 
φιφορεύς (92) bezeichnet. Mag auch der letztere Vers von Aristarchos ge- 
strichen worden sein (vgl. Lehrs im Rhein. Mus. XVII, 1862, p. 481), immerhin 
beweist er, dafs den Ioniern in einer der Entstehung des Epos naheliegenden 
Zeit zweihenklige φιάλαι geläufig waren. Andererseits ergiebt sich aus diesen 
Stellen, dafs das Wort φιάλη in der epischen Sprache eine andere Gefülsgattung 
bezeichnet als in der späteren. Die späteren Schriftsteller nämlich benennen 
damit eine flache schildförmige Schale oder Schüssel (vgl. besonders Aristot. 
rhet. III 4; poet. 21). Doch leuchtet es ein, dafs eine solche weder als Aschen- 
gefäls dienen noch als ἀμφιφορεύς bezeichnet werden konnte. Vielmehr muls 
die homerische φιάλη ein bauchiges Gefäls gewesen sein, welches sich zur Auf- 
nahme flüssiger oder leicht zerstreubarer Stoffe eignete und, wie das Epitheton 
ἀπύρωτος ἃ. i. „noch nicht vom Feuer berührt‘ (I. XXIII 270. Vgl. 1. IX 122: 
ἀπύρους τρίποδας) beweist, auch zum Kochen gebraucht wurde. Die homerische 
Sitte, die Asche der Toten in solchen Gefälsen aufzubewahren, findet Analogieen 


500 Geräte und Gefälse. 


Mit dieser Annahme stimmt die Denkmälerstatistik, welche be- 
weist, dals ein solcher Becher sowohl während der der Entstehung 
des Epos vorhergehenden wie während der unmittelbar darauf fol- 
genden Epoche in Kleinasien und Griechenland das verbreitetste 
Trinkgefäfs war. In der ersteren Epoche ist dieser Typus vertreten 


|) Ill N) ὴ 


Fig. 148. 


durch Exemplare, welche sich zu Hissarlik (Seite 358 Fig. 143),') auf 
Thera (Fig. 147),?) bei Jalysos (Fig. 148, 149),?) auf Kos‘) 
und in den mykenäischen Schachtgräbern (Seite 358 Fig. 144, 145)°) 
gefunden haben. Für die auf das homerische Zeitalter folgende 
Periode sei daran erinnert, dafs Sappho°) die Götter aus Karchesia, 


in den cornetaner ‚„tombe a pozzo“ (Notizie ἃ. scavi 1882 T. XII 14. Mon. dell’ 
Inst. XI T. LIX 1, Ann. 1883 p. 286, 1; Bull. dell’ Inst. 1883 p. 113—114; 1884 
p. 13. Vgl. oben Seite 21—22), wie in den „tombe a ziro‘ (Bull. 1883 p. 195. 
Vgl. oben Seite 23, Anm. 2), und in den ältesten Kammergräbern (Mon. dell’ 
Inst. X T. XXXVIIH2 4; Ann. 1878 Τῶν. d’agg. Q 1?) der chiusiner Nekropole, 
in denen häufig bronzene Amphoren als Aschengefälse verwendet vorkommen. 
1) Oben Seite 360, Anm. 6. Vgl. Seite 47—48. 2) Dumont et Chaplain, les 
ceramiques de la Grece propre I pl. II 7 (hiernach unsere Fig. 147). Vgl. oben 
Seite 48—49. 3) Dumont et Chaplain a. a. O. I pl. HI ı und 12 (hiernach 
unsere Fig. 148 und 149). Vgl. oben Seite 49—50. 4) Dumont et Chaplain 
a. a. Ὁ. Ip. 45. 5) Oben Seite 360, Anm. 7. Vgl. oben Seite δῦ ἢ. 6) Bei 
Athen. XI 475 A (fragm. 50 Bergk). Die Hauptstellen über die Form des 


ΧΧΥΤΠ. Die Trinkgefäfse. 367 


also zweihenkligen Bechern, trinken läfst. Drei Becher dieser Art, 
zwei aus bemaltem Thone (Fig. 150, 151), der dritte aus Silber 
(Fig. 152), fanden sich in dem ältesten 
Teile der griechischen Nekropole von Ka- 
meiros.!) Das silberne Exemplar ist am 
Rande vergoldet und erinnert somit an 
die Beschreibung, welche das Epos von 
dem Krater, den Menelaos von dem Könige 
der Sidonier als Gastgeschenk empfing,?) und von dem Spinnkorbe der 
Helena entwirft.”) Von beiden Gefäfsen heilst es, dafs sie aus Silber ge- 
arbeitet, am Rande aber vergoldet waren. Mehrere zweihenklige Becher 


Fig. 150. 


Fig. 151. ; Fig. 152. 


aus Thon haben sich in dem ältesten gegenwärtig bekannten Teile 
der Nekropole von Syrakus gefunden (Fig. 153, 154).) Ahnlichen 


Formen begegnen wir auch unter den ältesten thönernen Trink- 


Fig. 153. Fig. 154. 


gefälsen, welche die Griechen an die Etrusker verhandelten (Fig. 155, 
156).°) Einer der hierher gehörigen Typen, ein Becher mit hohen 
vertikalen Henkeln, wie ihn z. B. das silberne, aus Kameiros stammende 
Exemplar (Fig. 152) veranschaulicht, wurde von den etruskischen 


Karchesion bei Athen. ΧΙ 474 E und Macrob. sat. V 21. 1) Salzmann, n&cro- 
pole de Camiros pl.2 (unsere Fig. 152), 33 (unsere Fig. 150), 38 (unsere Fig. 151). 
2) Od. IV 615, XV 115: κρητῆρα τετυγμένον" ἀργύρεος δὲ | ἔστιν ἅπας, χρυσῷ δ᾽ 
ἐπὶ χείλεα κεκράανται. 3) Od. IV 131 (oben Seite 108, Anm. 13). 4) In 
der Nekropole des Grundstückes del Fusco (oben Seite 90): Ann. dell’ Inst. 1877 
Τὰν. d’agg. AB 3, 4, 7—13, CD 4, 5, 7; unsere Fig. 154 nach Tav. d’agg. AB 
10, Fig. 153 nach Tav. d’agg. CD 5. 5) Ann. dell’ Inst. 1878 Tav. d’agg. 
R 8 (hiernach unsere Fig. 156). Urlichs, zwei Vasen ältesten Stils n. 2, Würz- 
burg 1874 (hiernach unsere Fig. 155). Mon. dell’ Inst. IX T. 4. 


368 Geräte und Gefäfse. 


Töpfern während des 6. und 5. Jahrhunderts v.Chr. häufig in schwarzem 
Thone (buechero nero) nachgeahmt.') Beachtenswert ist der Um- 
stand, dafs dieser Typus im griechischen Kultus stets den hervor- 
ragendsten Platz behauptet hat. Auf Grabdenkmälern sind Priester 
dargestellt, welche einen solchen Becher als Abzeichen ihrer Würde 
in der Hand halten.) Er erscheint als das ständige Attribut des 
weinspendenden Gottes Dionysos.?) Auf spartanischen!) und taren- 


"ἡ 


᾿ > Pat 
Y τὰς ac 


tiner’) Sepulkralreliefs ist der heroisierte Verstorbene damit aus- 
gestattet. In der späteren Sprache heilst ein derartiger Becher 
Kantharos oder Karchesion, während ein Zeitgenosse der homerischen 
Dichter ihn δέπας ἀμφικύπελλον oder ἄλεισον benannt haben würde. 
Es liegt auf der Hand, dafs sich ein solches Gefäls für alle Ver- 
richtungen eignet, welche mit dem homerischen Becher vollzogen 
wurden. Mit einem einfachen zweihenklisen Becher konnte der Wein 
ohne Schwierigkeit aus dem Krater geschöpft werden; ein solcher 
Becher liefs sich, indem man ıhn an einem Henkel anfalste, bequem 
mit einer Hand regieren; er machte bei der Libation die Runde und 
wurde von den beim Mahle vereinigten Gästen einem neuen An- 
kömmlinge dargebracht, indem ihn der Überreichende an dem einen 
Henkel hielt, der Empfangende an dem anderen Henkel anfalste. 


1) Z. B. Exemplare aus Corneto: Bull. dell’ Inst. 1882 p. 46; 1885 p. 78, 
p. 81 n. 7, p. 126 n. 7, 8, p. 211 n. 7, p. 214. Aus Oriolo romano: Not. d. scavi 
1884 p. 345. Aus Vulci: Bull. 1883 p. 39. Aus Orvieto: Bull. 1881 p. 271. Aus 
Formello (bei Veji): Not. d. scav. comm. all’ acc. dei Lincei 1882 p. 294. Doch 
scheinen gewisse Exemplare, wie die von Noel des Vergers, l’Etrurie et les 
Etrusques III pl. XVII 2, pl. XIX 1 publizierten, nicht durch griechische, , 
sondern durch phönikische oder karthagische Vorbilder bestimmt. 2), 2205 
auf der Stele des Lyseas: Mitteilungen d. arch. Inst. in Athen IV (1879) T. I 
p. 41; auch auf Vasenbildern z. B. Gerhard, antike Bildwerke T. LI. 3) Plin. 
XXXII 150: C. Marius post victoriam Cimbricam cantharis potasse Liberi 
patris exemplo traditur. Macrob. sat. V 21. Ein archaisches Dionysosidol mit 
Kantharos: Mon. dell’ Inst. VI T. 37. Über die Form: ©. Jahn, Beschreibung 
der Vasensammlung König Ludwigs p. XCIX. 4) Mitteilungen d. archäol. 
jnst. in Athen II (1877) T. XX, XXIII, XXIV; VII (1882) T. VII p. 160—173. 
5) Archäol. Zeitg. XL (1882) p. 293—295 n. 16—19. 


ΧΧΥΤΙ. Die Trinkgefäfse. 369 


Wie ein Bliek auf die diesem Abschnitte beigefügten Figuren 
lehrt, zeigen die in vorklassischer Epoche üblichen zweihenkligen 
Becher mancherlei Verschiedenheiten. Die Behälter unterscheiden 
sich hinsichtlich des Umfanges wie hinsichtlich der Tiefe; die Henkel 
setzen bald vertikal, bald horizontal an; die Höhe wie die Stärke 
des Fufses bietet die mannigfachsten Nüancen dar; einige Exemplare 
entbehren des Fufses. Doch reichen die dürftigen Andeutungen, auf 
die sich die epische Schilderung beschränkt, nicht aus, um zu be- 
stimmen, welcher oder welche von diesen Typen den Dichtern ge- 
läufig waren. Nach allem, was wir von dem gleichzeitigen Stile 
wissen, läfst sich nur soviel behaupten, dafs die damaligen Becher 
verhältnismälsig schwerfällige Formen und eckige Umrisse hatten. 
Wenn Flaxman den Freiern der Penelope flache, elegant profilierte 
Schalen in die Hände giebt, so begeht er entschieden einen archäo- 
logischen Schnitzer; denn solche stilistisch umgebildete und ver- 
feinerte Abkömmlinge der homerischen δέπα ἀμφικύπελλα sind erst 
unter den jüngeren schwarzfigurigen Vasen, also nicht vor den letzten 
Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts v. Chr., nachweisbar. 

Es bleibt noch die etymologische Frage zu erörtern. Georg 
Curtius!) vergleicht κύπ-ελλον mit xUr-n Höhle und cup-a Kufe. 
Hiernach würde ἀμφικύπελλον einen mit zwei Höhlungen versehenen 
Becher bezeichnen und sich somit der von Buttmann und Frati an- 
senommene Typus ergeben, den ich als unzulässig nachgewiesen zu 
haben glaube. Unter solchen Umständen gilt es zu untersuchen, ob 
sich nicht jene Bildung in einer anderen, mit dem von mir ge- 
wonnenen hesultate übereinstimmenden Weise erklären läfst. Und 
dies scheint in der That der Fall zu sein. Wenn nämlich die home- 
rischen Gedichte und der Thatbestand der Funde darauf hinweisen, 
dafs das δέπας ἀμφικύπελλον ein zweihenkliger Becher war, so liest 
es nahe dabei an die Wurzel χαπ-, cap-ere zu. denken. Wie die La- 
teiner aus dieser Wurzel cap-ulus „Griff, Henkel“, cap-i-s (Stamm 
capid) „gehenkelte Schale“, die Umbrer cap-i-f „gehenkelte Schale“, 
so können die Griechen in einem sehr alten Stadium ihrer sprach- 
lichen Entwickelung daraus recht wohl ein Substantiv * κυπ- ἕλη (vel. 
vep-eAn) „Henkel“ gebildet haben. Das v würde äolische Eigentüm- 
lichkeit sein und sich demnach ἢ χυπ-έλη zu κώπη „Griff, Henkel“ 
verhalten wie κύπη zu κάπη; πίσυρες “ὰ τέσσαρες. πρύτανις ZU πρό. 
ἀμύμων zu μῶμος. Aus ἢ χυπ-έλη wurde dann ein Adjektiv χυπέλ- 


1) Grundzüge der gr. Etymologie 4. Ausg. p. 158. 2) Man könnte 
noch χελύνη (äolisch), χελώνη (Curtius, Grundzüge ἃ. gr. Etym. 4. Ausg. 
p. 199 n. 188) und Κύμη, κώμη (Gelbke in Curtius’ Studien zur gr. u. lat. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 94 


370 Geräte und Gefäfse. 


10-9, κύπελλος (vEl. φύλλον folium, ἄλλος alius) „gehenkelt“ und aus 
diesem ἀμφικύπελλος „auf beiden Seiten gehenkelt“ abgeleitet. Ist 
diese Etymologie, wie es den Anschein hat, zulässig,') dann stimmt 
sie vollständig zu dem durch unsere Untersuchung gewonnenen Re- 
sultate. Andererseits erklärt es sich leicht, wie dasselbe Wort zur 
Zeit des Aristoteles ein anderes Gefäls und zwar einen mit zwei Be- 
hältern versehenen Becher bezeichnen konnte. Schon in der epischen 
Sprache wird das Adjektiv κύπελλον unter Auslassung von δέπας 
substantivisch gebraucht und die Vermutung liegt nahe, dafs dieses 
Substantiv allmählich die Bedeutung „Becher“ erhielt, ohne Rück- 
sicht darauf, ob der Becher Henkel hatte oder nicht, in welchem 
Falle es ganz natürlich scheint, dafs Aristoteles das Wort ἀμφικύ- 
zeAAov zur Bezeichnung eines mit zwei Behältern versehenen Gefälses 
gebrauchte. 

Für das synonyme ἄλεισον hat bis jetzt noch niemand eine einiger- 
malsen befriedigende Etymologie vorgeschlagen.”) Der Ursprung 
dieses Wortes ist vielleicht nicht ım der indoeuropäischen, sondern 
in der semitischen Sprachenfamilie zu suchen. 

Es bleibt noch der Becher des Nestor zu besprechen, dem ich, 
da seine Beschreibung eine ungewöhnlich ausführliche ist und sie auf 


Gramm. II p. 23) beifügen. Das Substantiv cupa, durch welches Cato de 
re rustica 21 den Griff der Ölmühle bezeichnet, übergehe ich absichtlich, da 
die Quantität unbekannt und somit die Möglichkeit zu erwägen ist, ob nicht 
die Lateiner dasselbe aus dem griechischen κώπη gebildet haben. 1) Eine 
andere Etymologie, die aber ebenfalls mit dem von mir gewonnenen Resultate 
stimmt, wird von Bezzenberger vorgeschlagen, den ich in dieser Frage um Aus- 
kunft gebeten. Derselbe schreibt mir darüber folgendermalsen: „Die Verbin- 
dung von κύπελλον mit capere ist mir des v wegen ein klein wenig anstölsig; 
in den mit dem letzteren sicher verwandten Wörtern ist a fest (got. haban, 
lett. kampt u. 5. w.) und die Berufung auf ἀμύμων, πίσυρες, πρύτανις U. 5. W. 
beseitigt das Bedenkliche nicht, da diese Wörter in andere Kategorieen gehören, 
als ein aus *%«z- entstandenes κύπελλον. Trotzdem ist jene Etymologie nicht 
geradezu zu verwerfen; soll sie aufrecht erhalten werden, so würde ich sie 
durch einen Hinweis auf κυπασσίς, beruhend auf κυπασσο --- -- lat. capitiu— m 
stützen. Ich möchte jedoch fragen, weshalb man ἀμφικύπελλον nicht mit zwei- 
bügelig (Bügel = Henkel) übersetzen kann. Dann würde die Wurzel von κύ- 
πελλον in lett. kuprs = ahd. hovar Buckel, lit. kümpis krumm, ahd. hubil 
Hügel u. 5. w. stecken. Die Verbindung mit κύπη, cüpa u. 5. w. hätte dann 
doch durchaus nichts Anstölsiges. Das suffixale AA in κύπελλον ist noch nicht 
befriedigend erklärt; man kann es so auffassen, wie es von Ihnen geschehen ist.‘ 
2) Die Ableitungen der alten Grammatiker von λεῖος glatt oder von ἅλις, weil 
man aus diesem Becher zur Genüge trinken könne (Asklepiades von Myrleia bei 
Athen. XI c. 24 p. 783 B; Aniketos ebenda p. 783 C; Apollon. soph. lex. hom. 
p. 23, 8; Pollux, onom. VI 16, 97; Etym. magn. p. 61, 19ff.; Schol. Od. III 50) 
bedürfen keiner Widerlegung. 


XXVIIII. Der Becher des Nestor. 371 


eine an keiner anderen Stelle des Epos erwähnte formale Bigentüm- 
lichkeit hinweist, ein besonderes Kapitel widme. 


XXVIIII. Der Becher des Nestor. 


Die hierauf bezüglichen Verse (I. X1 632 ff.) lauten: 
πὰρ δὲ δέπας περικαλλὲς, ὃ οἴκοϑεν ἦγ᾽ ὁ γεραιὺς. 
χρυσείοις ἥλοισι πεπαρμένον᾽ οὔατα δ᾽ αὐτοῦ 
τέσσαρ᾽ ἔσαν. δοιαὶ δὲ πελειάδες ἀμφὶς ἕκαστον 
χούσειαι νεμέϑοντο, δύω δ᾽ ὑπὸ πυϑμένες ἦσαν. 
ἄλλος μὲν μογέων ἀποκινήσασκε τραπέξης 
πλεῖον ἐὸν, Νέστωρ δ᾽ ὃ γέρων ἀμογητὶ ἄξιρεν. 


Seitdem die systematische Kritik und Interpretation der home- 
rischen Gedichte begonnen, haben sich Gelehrte wie Künstler viel- 
fach mit dieser Beschreibung beschäftigt. Sie wurde von Aristarchos 
mit gewohnter Schärfe analysiert.') Dionysios Thrax liefs aus Mitteln, 
welche seine Schüler zusammengeschossen hatten, eine Reproduktion 
des Bechers herstellen, die der Herakleiote Promathidas ausführlich 
erläuterte.) Von dem Toreuten Apelles sind mancherlei Bemerkungen 


1) Schol, Il. XI 632. 2) Athen. XI 489 A, Β. 


24* 


372 Geräte und Gefäfse. 


über die Technik und die formalen Elemente dieses Bechers erhalten.') 
Asklepiades von Myrleia schrieb darüber eine besondere Monographie, 
betitelt περὶ τῆς veorogidog, aus der Excerpte bei Athenaios?) vor- 
liegen. 

Um eine richtige Vorstellung von dem Typus dieses Bechers zu 
gewinnen, gilt es zunächst sich über die beiden an dem unteren Teile 
des Gefälses befindlichen πυϑμένες klar zu werden. Schon mehrere 
der alten Erklärer haben richtig erkannt, dafs das Wort in diesem 
Zusammenhange nicht „Boden“, sondern nur „Fufs“ oder Stütze be- 
deuten kann — eine Bedeutung, in welcher es Ilias XVIII 375°) nach- 
weisbar ist. Dagegen herrschten verschiedene Ansichten darüber, 
wie man sich diesen doppelten Fufs oder diese doppelte Stütze zu 
denken habe. Einige Gelehrte, wie Asklepiades von Myrleia, nahmen 
einen zwiefach gegliederten Fufs an, dessen oberes Glied an den Be- 
hälter ansetzte oder aus dem Behälter herausgetrieben war, während 
das untere den Fufs im eigentlichen Sinne des Wortes oder das 
Piedestal des Gefälses bildete‘) Doch erscheint diese Erklärung 
gegenüber der plastischen Einfachheit der epischen Schilderung sehr 
sezwungen. Einen richtigeren Weg schlug Aristarchos°) ein, indem 


1) Athen. XI 488 C, D. 2):Athen. XI 488 ff.. ausgeschrieben von Eustath. 
zu D. XI 633 ff. (III p. 869 ff); Athen. XI 498F, 503 E. 3) Hephaistos im 
Begriffe Dreifülse zu schmieden: χρύσεα δὲ σφ᾽ ὑπὸ κύκλα ἑκάστῳ πυϑμένι ϑῆκεν 
d.h. er brachte goldene Räder unter jeder Dreifufsstütze an (vgl. oben Seite 108, 
Anm. 13). Eine verwandte Bedeutung hat das Wort in πυϑμέν᾽ ἐλαίης (Od. XII 
122, 372, XXIII 204), wo es den unteren Teil des Stammes bezeichnet. In der 
Bedeutung eines Gefälsfulses kommt es in Schatzverzeichnissen des Parthenon 
aus Ol. 86, 3 (434/3) und Ol. 86, 4 (433/2) vor (0. I. A. Ip.73a 6 und b, 6; 
Michaelis, der Parthenon p. 296 1 d): καρχήσιον χρυσοῦν τὸν πυϑμένα ὑπάργυρον 
ἔχον. 4) Athen. XI 488F, 489 A. Diese Ansicht muls älter als Asklepiades 
und schon dem Aristarchos bekannt gewesen sein, da der letztere Schol. I. XI 
632 (οὐχ ἕτερον ἐξ ἑτέρου 5. die folgende Anmerkung) offenbar dagegen pole- 
misiert. 5) Das Schol. Il. XI 632 lautet mit einigen offenbar richtigen Ver- 
besserungen von Lehrs, de Arist. stud. hom. 2. ed. p. 198 folgendermalsen: τὴν 
κατασκευὴν τοῦ ποτηρίου ’Aoloragyog τοιαύτην εἶναί φησι πρῶτον μὲν περίμηκες 
αὐτὸ εἶναι καὶ δύο πυϑμένας ἔχειν, οὐχ ἕτερον ἐξ ἑτέρου, ὥς τίνες (vgl. die vor- 
hergehende Anm.), ἀλλ᾽ ἑκατέρωϑεν" τῶν τεσσάρων ὥτων οὐκ ἐξ ἴσου τὰ διαστή- 
ματα εἶναι, ἵνα μὴ κατὰ πόσιν ἐναντίον τοῦ στόματος λαμβάνηται, ἀλλ᾿ ἕκατέρω- 
ϑὲεν τοῦ ποτηρίου δύο καὶ δύο. τούτων δὲ ἄπτεσϑαι μικρὰν πελειάδα μίαν ἕκα- 
τέρωϑεν, ἀντεστραμμέναι δέ εἰσιν αὑταῖς, ἀνὰ μέσον δὲ αὖ τούτων δύο. κατὰ γὰρ 
ἕχαστον τῶν ὥτων τοσαύτας φησίν (nämlich der Dichter). εἶναι γὰρ ὡσεὶ φιάλην 
κοίλην, ὥστε ταῖς δύο χερσὶν ὑπολαμβάνοντας τῶν ὥτων προσλαμβάνεσϑ'αι (zum 
Munde führen). Ein ganz abenteuerlicher Rekonstruktionsversuch wird von 
Eustath. p. 869, 29 ff, angeführt: ein Becher bestehend aus zwei mit den Wänden 
aneinanderstolsenden Kelchen, von denen jeder einen besonderen Fuls und zwei 
besondere Henkel hatte; der Typus wird durch den Vergleich mit dem Buch- 


XXVIII. Der Becher des Nestor. 313 


er in den beiden πυϑμένες Stützen erkannte, die auf jeder Seite unter 
dem Behälter angebracht waren. Auf dieser Ansicht des Aristarchos 
beruhte offenbar die Rekonstruktion, welche sein Schüler Dionysios 
Thrax versuchte. Die darüber erhaltenen Bemerkungen des Proma- 
thidas!) lassen auf einen Becher schliefsen, dessen Kelch mit zwei 
schrägen keulenartigen Stützen versehen war. Als monumentaler Be- 
leg wurde ein ähnliches Gefäls angeführt, das sich in dem bei Capua 
gelegenen Dianatempel befand und daselbst als Becher des Nestor 
gezeigt wurde. Aristarchos und sein talentvollster Schüler sind ent- 
schieden der Wahrheit am nächsten gekommen. 

Stützen nämlich, wie sie von den beiden Gelehrten angenommen 
wurden, sind an Metallgefäfsen aus der dem homerischen Zeitalter un- 
mittelbar vorhergehenden, wie der unmittelbar darauf folgenden Epoche 
nachweisbar. In einem der mykenäischen Schachtgräber hat sich ein 
goldener Becher gefunden, der in mehr als einer Hinsicht an die home- 
rische Beschreibung erinnert (Seite 371 Fig. 157).?) Sein Fuls wird ge- 
bildet von einem Cylinder, der auf einer scheibenförmigen Basis ruht. 
Die beiden Henkel gehen da, wo sie an den unteren Rand des Kelches 
ansetzen, in Stützen über, welche bis zur Basis herabreichen und an 
dieser mit Nägeln festgeschlagen sind. Andererseits beweisen etrus- 
kische Funde, dafs die Beifügung solcher Stützen auch nach dem 
homerischen Zeitalter fortdauerte. In einem caeretaner Grabe näm- 
lich, dessen Inhalt an griechischen Vasen auf die letzten Jahrzehnte 
des 6. Jahrhunderts v. Chr. hinweist, haben sich zwei ähnliche Becher 
aus getriebenem Bronzebleche gefunden (Fig. 158, 159). Bei beiden 
wird der Behälter in der Mitte von einer sich nach oben zu verjüngen- 
den Röhre getragen und aufserdem auf den Seiten gestützt von ver- 
tikalen Streifen aus Bronzeblech, welche am unteren Rande des Be- 
hälters und an der Basis des Fulses mit Nägeln festgeschlagen sind. 
Der gröfsere der beiden Becher (Fig. 158), dessen Höhe 0,33 Meter 
beträgt, hat zwei solche Stützen, deren jede mit dem getriebenen Re- 
lief einer sich emporbäumenden Schlange geschmückt ist; an dem 
kleineren, nur 0,28 Meter hohen Exemplare (Fig. 159) hingegen wird 
der Behälter von drei durch eingeschlagene Punkte nüancierten Bronze- 
streifen gestützt. Die etruskische Keramik hat das von der Metallo- 
technik ausgebildete Motiv dieser Stützen sehr oft an den schwarzen 


staben ὦ veranschaulicht. Wenn Eustathios diese Monstruosität dem Aristarchos 
zuschreibt, dessen Urteil offenbar im ganzen getreu in dem obigen Scholion 
wiedergegeben ist, so läfst sich dies nur aus der bekannten Nachlässigkeit des 
Kompilators erklären. Vgl. Lehrs a. a. Ὁ. p. 33 und 199. 1) Athen. XI 489 B. 
2) Schliemann, Mykenae p. 272 n. 346; unsere Fig. 157. 3) Bull. dell’ Inst, 
1881 p. 163 π. 12, 13. 


374 Geräte und Gefäfse. . 


Thongefäfsen, den sogenannten Vası di bucchero, reproduziert.) Es 
kann keinem Zweifel unterliegen, dals wir uns die πυϑμένες an dem 
Becher des Nestor als ähnliche Stützen zu denken haben, wie sie an 
dem mykenäischen Goldbecher und an den in etruskischen Gräbern 
sefundenen bronzenen und thönernen Gefäfsen angebracht sind. Wenn 
der Dichter nur der Stützen gedenkt, über den Fuls aber schweigt, 
so entspricht dies vollständig der Tendenz der epischen Schilderung, 


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nur die besonders bezeichnenden Eigentümlichkeiten hervorzuheben. 
Dazu wulsten die alten Ionier, dals ein mit solchen Stützen versehener 
Becher einen Fuls hatte, und ergänzten den letzteren in ihrer Phan- 
tasie, wenn der Dichter auf die Stützen hinwies. Beachtenswert ist 
es auch, dafs die hierher gehörigen etruskischen Exemplare durch- 
weg sehr ansehnliche Dimensionen haben, wie ja auch an dem Becher 
des Nestor die Schwere besonders hervorgehoben wird. 

Hiernach scheint es kaum noch nötig die modernen Gelehrten, 
welche bei ihrer Rekonstruktion das Wort πυϑμήν in der Bedeutung 
„Boden“ fassen, besonders zu widerlegen. Weil der Becher nach 
ihrer Meinung zwei Böden hatte, schliefsen Heyne?) und Otfried 
Müller?) auf einen Doppelbecher ähnlich dem, welcher früher für 


1) Vgl. z. B. Micali, storia T. XXI 1; mon. ined. T. XXVI 1, 2. 2) Zu 
1. XI 632 (Vol. I p. 632. Vgl. VI p. 230). 3) In Böttigers Amalthea III p. 25. 
Vgl. p. 273. 


XXVIII. Der Becher des Nestor. 375 


das δέπας ἀμφικύπελλον gehalten wurde!) — eine ganz verkehrte 
Annahme, da für diesen Typus ein beiden Behältern gemeinsamer 
Boden bezeichnend ist, während doch der Becher des Nestor, wenn 
πυϑμήν richtig durch „Boden“ übersetzt wird, zwei Böden haben 
würde, Schliemann?) ferner, welcher die Deutung auf einen Doppel- 
becher mit Recht verwirft, sucht die Annahme eines doppelten 
Bodens durch das von ihm in Mykenae ausgegrabene Goldgefäls zu 
rechtfertigen (Fig. 157). Da nämlich der Fufs desselben in eine 
scheibenförmige Basis ausläuft, so vermutet er, der Dichter habe, 
wenn er dem Becher des Nestor zwei Böden zuschreibt, damit einer- 
seits den Boden des Behälters und andererseits den Boden, d. i. die 
Basis, des Fulses gemeint. Doch wäre die Betonung der selbstver- 
ständlichen Thatsache, dafs der Behälter eimen Boden hat, höchst 
überflüssig und der Hinweis auf ein so nebensächliches und wenig in 
die Augen springendes Motiv, wie es der Abschlufs des Fulses ist, 
dürfte in der epischen Schilderung schwerlich eine genügende Ana- 
logie finden. Lassen wir aber auch diese Bedenken fallen, jedenfalls 
scheint es unmöglich, dals die Zuhörer des Dichters die Stelle in dem 
von Schliemann angenommenen Sinne verstanden. Wir kennen sil- 
berne und elfenbeinerne Kelche aus dem Mittelalter und der Neuzeit, 
deren Füfse, wie es an dem mykenäischen Goldbecher der Fall ist, 
in eine scheibenartige Basis auslaufen. Angenommen, ein moderner 
Dichter schildere einen solchen Kelch etwa in folgender Weise „der 
Kelch ist reich mit Jagdscenen geschmückt; unten hat er zwei Böden“, 
so würde die Bedeutung der beiden Böden selbst einem Sammler, der 
eine ansehnliche Serie derartiger Gefälse besitzt und den betreffenden 
Typus täglich vor Augen hat, rätselhaft bleiben. 

Während sich die πυϑμένες am Becher des Nestor in der un- 
gezwungensten Weise als Stützen erklären lassen, scheint es unmög- 
lich über die Disposition und die Form der vier von goldenen Tauben- 
paaren umgebenen Henkel eine bestimmte Vorstellung zu gewinnen. 
Einige antike Erklärer?) nahmen auf jeder Seite des Behälters zwei 
über einander befindliche Henkel an und führten als monumentale 
Belege korinthische Hydrien an, deren Eigentümlichkeiten wir leider 
nicht kennen. Sie dachten dabei vermutlich an vertikale Henkel, 
welche das Durchstecken des Zeige- und Mittelfingers von der Seite 
ermöglichten. Nach einer anderen Ansicht?) waren auf jeder Seite 
zwei horizontale Henkel neben einander gestellt, deren Umrisse der 
Form des Buchstabens ὦ entsprachen und in welche die Finger von 


1) Oben Seite 360—364. 2) Mykenae p. 273—275. 3) Athen. XI 488}. 
4) Schol, Il, XI 632, 634, 


376 Geräte und Gefälse. 


oben eingriffen. Der Toreut Apelles') endlich leugnete die Existenz 
von vier Henkeln und nahm nur zwei vertikale Henkel an; doch habe 
jeder derselben aus zwei Stäben bestanden, die sich an dem unteren 
und dem oberen Rande des Behälters vereinigten, und diese vier 
Stäbe seien von dem Dichter als vier Henkel bezeichnet. Bei den 
beiden ersteren Rekonstruktionsversuchen würden die Tauben zu jeder 
Seite der vier Henkel, bei dem des Apelles an der Stelle, wo sich die 
obere Vereinigung der Henkelstäbe vollzog, Platz finden. Indes lassen 
sich hinsichtlich der Anordnung und Form der Henkel noch andere 
Möslichkeiten denken. Jedenfalls findet ihre Verzierung durch Tauben- 
figuren in dem mykenäischen Goldbecher (Fig. 157) eine schlagende 
Analogie. 

Aufserdem sind hier noch zwei thönerne Becher anzuführen, 
welche in der Nekropole von Nicosia auf Kypros gefunden wurden 
und die wir leider nur durch eine kurze Beschreibung?) kennen. Da 
diese Nekropole eine ähnliche Kultur bekundet wie die Reste der 
primitiven troischen Niederlassungen,?) so dürfen wir annehmen, dafs 
die kyprischen Gefälse einer älteren Epoche angehören als das aus 
dem mykenäischen Schachtgrabe stammende Exemplar. Jeder dieser 
Becher ist, wenn ich die Beschreibung richtig verstehe, mit zwei senk- 
recht auf dem Rande einander gegenüberstehenden, napfartigen Hen- 
keln versehen und der sich zwischen den beiden Henkeln erstreckende 
Gefälsrand auf jeder Seite durch ein aufgesetztes Taubenpaar verziert. 

Wenn endlich das Epos angiebt, dafs der Becher des Nestor 
mit goldenen Nägeln besetzt war, so haben schon die Alten die Frage 
aufgeworfen, ob diese Nägel als festigende und ornamentale Elemente 
zugleich oder lediglich als ornamentale aufzufassen seien.*) Die Ent- 
scheidung wird besonders dadurch erschwert, dals die Beschreibung 
über das Material, aus dem der Becher gearbeitet war, keine An- 
deutung enthält. Nehmen wir Silber- oder Bronzeblech an, so ist 
zum mindesten ein Teil der Nägel nicht nur ornamental, sondern 
auch struktiv verwendet gewesen, nämlich zur Festigung des Metall- 
bleches, aus dem das Gefäls zusammengeschlagen war. Indes wird 
hierdurch die Annahme nicht ausgeschlossen, dafs der Becher aulser- 
dem auch mit lediglich ornamentalen Nägelgruppen ausgestattet war. 
Jedenfalls ist die ornamentale Verwendung kleiner Bronzenägel in 
Italien uralt und dieser Schmuck scheint zu den Motiven zu gehören, 
welche bereits vor Beginn der hellenischen Kolonisation auf dem 


1) Bei Athen. XI 488 D, E. 2) In Janitscheks Repertorium für Kunst- 
wissenschaft IX (1886) p. 200. 3) Oben Seite 47, Anm. 1. 4) Athen. XI 
488 B, C. 


ΧΧΥΠΙΠ. Der Becher des Nestor. BIN 


Landwege in die Apenninhalbinsel Eingang fanden.') In der Nekro- 
pole von Casinalbo modenese, deren Inhalt an die aus den italischen 
Pfahldörfern stammenden Handwerksprodukte erinnert, haben sich 
thönerne Gefälse gefunden, die mit einer Reihe von in den feuchten 
Thon eingedrückten Nägeln verziert sind.”) Eine ähnliche Dekoration 
zeigen thönerne Anhängsel aus der Nekropole Benacei bei Bologna,?) 
eine Schale aus der verwandten Grabstätte von Savignano,*) sowie 
zwei Krüge und das Dach einer Hüttenurne, die aus dem ältesten 
Teile der Nekropole von Tarquinii zu Tage gekommen sind.) Ferner 
gehören hierher ein thönernes Anhängsel, welches bei Imola,°) und 
Gefälse, die in einem bei Verona entdeckten Grabe gefunden wurden.‘) 
Thongefäfse, an denen Gruppen bronzener Nagelköpfe geometrische 
Ornamente darstellen, sind für einen bestimmten Teil der Nekropole 
von Este charakteristisch.°) Aus dem Gebiete der Veneter verbreitete 
sich diese Dekorationsweise nordwärts bis nach Steiermark, wo sich 
ähnliche Gefäfse bei Maria Rast gefunden haben.”) 

Ebenso reicht eine entsprechende Verzierung hölzerner Gegen- 
stände in sehr frühe Zeit hinauf. In dem ältesten Teile der Nekro- 
pole von Tarquinii fanden sich mit bronzenen Nagelköpfen besetzte 
Holzarbeiten, nämlich ein zierliches Schächtelchen!®) und eine Schale, '') 
mehrere ähnliche Schalen im einem etwas jüngeren Grabe derselben 
Nekropole.'”) Da sie gegenüber den mit ihnen zusammen gefundenen 
keramischen Produkten, die wir mit Sicherheit dem lokalen Hand- 
werke zuschreiben dürfen, eine sehr vorgeschrittene Technik bekunden, 


1) Oben Seite 83—88. 2) Bull. di paletn. ital. VI p. 189; Crespellani, 
scavi del Modenese (1880) T. II 11. Crespellani, di alcuni oggetti delle terre- 
mare modenesi p. 2 und 3 (Annuario dei naturalisti di Modena, anno XV fase. 
IV, 1881) will Spuren solcher Nägel sogar an einigen in modeneser Pfahldörfern 
gefundenen Thonarbeiten wahrgenommen haben. 3) Zannoni, gli scavi della 
Certosa p. 162. Vgl. p. 199. 4) Crespellani, di un sepolcreto preromano ἃ 
Savignano sul Panaro T. 15, 6 p. 6. 5) Aus „tombe a pozzo“ (oben Seite 
21—22): Bull. dell’ Inst. 1882 p. 83 not. 2, p. 170, 171. Notizie ἃ. scavi 1882 
T. XIII bis 15, p. 176, p. 182. 6) Bull. dell’ Inst. 1882 Ὁ. 83 not. 2. 7) No- 
tizie d. scavi 1878 p. 80. 8) Bull. dell’ Inst. 1881 p. 76, 1882 p. 83; Ann. 
1882 p. 111, p. 113; Notizie d. scavi 1882. T. IV 1, 2, 6, 9, 10 p. 20. Eine 
ebenso verzierte thönerne Tierfigur aus Este: Ann. dell’ Inst. 1882 Τῶν. d’agg. 
Brit 9.105. 9) Not. d. scavi 1878 p. 80. 10) Bull. dell’ Inst. 1882 p. 172 
(in einer „tomba a pozzo“. Vgl. oben Seite 21—22). 11) Bull. dell’ Inst. 1884 
p. 14 n. 2 (ebenfalls in einer „tomba a pozzo“). 12) Mon. dell’ Inst. X Τὶ. Χὰ 
Fig. 2, 2°2, 3, 7, Ann. 1874 p. 263 (in einer „tomba a fossa“. Vgl. oben 
Seite 22—23). Fragmente ähnlicher Gefälse fanden sich auch in einem der 
pränestiner Gräber (Bull. 1876 p. 129), für deren Inhalt das häufige Vorkommen 
von phönikischen oder karthagischen Industrieprodukten bezeichnend ist (oben 
Seite 31, Anm. 5). 


378 Geräte und Gefälse. 


so sind sie offenbar nicht in Etrurien gearbeitet, sondern aus frem- 
den und zwar, wie es scheint, phönikischen (oder karthagischen) Fabri- 
ken nach Tarquinii importiert. Sie erinnern an die mit Nägeln be- 
schlagenen Holzarbeiten, deren das Epos gedenkt: an das mit goldenen 
Nägeln beschlagene Scepter des Achill!) und die mit silbernen Nägeln 
beschlagenen Sessel.”) | 

Nur als ein Kuriosum sei schliefslich noch die eigentümliche 
Ansicht erwähnt, welche der Toreut Apelles hinsichtlich der am 
Becher des Nestor angebrachten Nägel vertrat.”) Er leugnete näm- 
lich die Verwendung wirklicher Nägel, nahm vielmehr an, es seien 
darunter die kleinen, an Nagelköpfe erinnernden Erhöhungen zu ver- 
stehen, welche die archaische Technik mit dem Bunsen aus dem Metall- 
bleche heraustrieb. Diese Dekorationsweise, welche Apelles durch 
Hinweis auf. korinthische Erzarbeiten zu veranschaulichen suchte, 
kommt häufig an bronzenen Sphyrelata vor, die sich in sehr alten 
italischen Gräbern finden.) Doch widerspricht der Annahme einer 
solchen Dekoration an dem Becher des Nestor das von dem Dichter 
gebrauchte Zeitwort (χρυσείοις ἥλοισν πεπαρμέν ον), welches die 
Nägel ausdrücklich als selbständige und von aulsen in den Becher 
hineingetriebene Bestandteile bezeichnet. 

Nachdem hiermit ein Überblick über die Kleider, die Schmuck- 
sachen, die Waffen und, soweit es anging, über die Hausgeräte der 
damaligen Ionier gewonnen worden ist, wende ich mich zur Betrach- 
tung der ornamentalen und figürlichen Motive, welche bei der De- 
koration dieser Gegenstände zur Anwendung kamen. 


1) N. I 245: σκῆπτρον... χρυσείοις ἥλοισι πεπαρμένον. 2) Oben 
Seite 121, Anm. 5. 3) Bei Athen. XI 488C. Derartige Erhöhungen sind: in 
der That an einem in Korinth gefundenen rätselhaften Geräte aus Goldblech 
sichtbar: Lindenschmit, Altertümer uns. heidn. Vorzeit, Band I Heft 10 T.IV 2. 
4) Bronzene Sphyrelata mit derartigen Verzierungen kommen bereits in den 
ältesten Gräbern („tombe a pozzo“) der Nekropole von Tarquinii vor. Vgl. 
oben Seite 21—22. Ich erinnere beispielshalber an die bronzenen Helme: No- 
tizie ἃ. scavi com. all’ acc. dei Lincei 1881 T. V 23 p. 359—361, 1882 T. XII 
8 p. 162—165, p. 180; Bull. dell’ Inst. 1882 p. 19—21, p. 41, p. 166, p. 175 
(vgl. Ann. dell’ Inst. 1883 Τῶν. d’agg. N 2 p. 188—191, Τὰν. d’agg. Ri 
p. 292 n. 1); ferner an die bronzenen Aschengefälse, welche oben Seite 365— 
366, Anm. 1 angeführt wurden. Vgl. auch Mon. dell’ Inst. X T. Xa 1—4, 
TaXIPR 7 


XXX. Die Dekoration. 379 


VI. Die Kunst. 


XXX. Die Dekoration. 


Der Inhalt der mykenäischen Schachtgräber") wie der ver- 
wandten Nekropolen?) giebt ein klares Bild von der Dekoration, 
welche vor der dorischen Wanderung im östlichen Griechenland 
und auf den Inseln des ägäischen Meeres üblich war. Wir ersehen 
daraus, dafs damals zwei Systeme nebeneinander hergingen, von 
denen das eine geometrische, das andere vegetabilische Ornamente 
und aulserdem Löwen, Panther und phantastische Tiergestalten ver- 
wendet.°) Beide Systeme erfuhren im weiteren Verlaufe der Ent- 
wickelung mancherlei Abwandlungen und Bereicherungen, haben aber 
beide auch nach der homerischen Epoche geraume Zeit ihren eigen- 
tümlichen Charakter bewahrt. Man erinnere sich, dafs die Fabri- 
kation der Dipylonvasen, deren Malereien eine besondere Richtung 
der geometrischen Dekorationsweise darstellen, den Abschlufs des 
Epos überdauerte,') dafs derartige Gefälse in Attika noch während 
des siebenten und vielleicht sogar noch während des sechsten Jahr- 
hunderts v. Chr. im Gebrauche blieben’) und dafs sich die Anwen- 
dung einer verwandten Dekoration in Olympia bis zum Ende des 
sechsten oder dem Anfange des fünften Jahrhunderts herab verfolgen 
läfst‘) Die Thatsache, dals sich das andere System, für welches 
vegetabilische Ornamente, Löwen, Panther und phantastische Tier- 
gestalten bezeichnend sind, bis in das fünfte Jahrhundert hinein erhalten 
hat, ist zu bekannt, als dafs sie einer besonderen Darlegung bedürfte. 
Wenn demnach die beiden Systeme sowohl vor wie nach der home- 
rischen Epoche neben einander zur Anwendung kamen, so ist der 
gleiche Sachverhalt für diese Epoche selbst anzunehmen. Allerdings 
suchen wir im Epos vergeblich nach einer Beschreibung, welche ein 
Schema der geometrischen Dekoration mit vollständiger Deutlichkeit 
erkennen liefse. Doch erklärt sich dies hinlänglich daraus, dafs es 
unmöglich war, derartige aus Gruppen von Linien, Dreiecken, Kreisen 
u. 8. w. zusammengesetzte Muster durch die knappen Andeutungen 
zu vergegenwärtigen, auf welche sich die epische Poesie beschränken 
mufls. Immerhin scheinen einzelne Schilderungen und Epitheta be- 
sonders zutreffend, wenn sie auf geometrische Motive bezogen werden. 


1) Oben Seite 50 ff. 2) Oben Seite 49 ff. 3) Vgl. im besonderen 
Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 43. 4) Oben Seite 75—82. 
5) Oben Seite 75, Anm. 4 und 5. 6) Oben Seite 75, Anm. 5. 


380 Die Kunst. 


Dies gilt zunächst für die schwierige auf den Schild des Sarpedon 
bezügliche Stelle der Ilias (XII 294 ff.): 
αὐτίκα δ᾽ ἀσπίδα μὲν πρόσϑ᾽ ἔσχετο πάντοσ᾽ ἐΐσην. 

καλὴν χαλκείην ἐξήλατον., ἣν ἄρα χαλκεὺς 

ἤλασεν. ἔντοσϑεν δὲ βοείας ῥάψε ϑαμειὰς 

χρυσείῃς ῥάβδοισι διηνεκέσιν περὶ κύκλον. 
Schon die alten Grammatiker haben verschiedene Versuche gemacht 
den letzten Vers in logische grammatische Verbindung mit den vor- 
hergehenden zu bringen — Versuche, von denen jedoch kein einziger 
befriedigt.') 

Wenn ein antiker Erklärer annimmt, χρυσείῃς ῥάβδοισι stehe 
hier für ῥαφαῖς ῥαβδοειδέσιν, ἃ. 1. stabförmige Näte, so fehlt es 
an jeglicher Analogie für ein derartiges Überspringen der Bedeu- 
tung. Ebensowenig zulässig ist die Vermutung, dafs die ῥάβδοι hier 
die Bügel (κανόνες) "}) bezeichnen, vermöge deren der Schild ge- 
handhabt wurde. Erstens nämlich kann von diesen nicht gesagt 
werden, dafs sie sich über den Kreis des Schildes erstrecken (δὲ- 
ηνεχκέσιν περὶ κύκλον). Zweitens ist es ganz undenkbar, dafs die 
beiden Bügel genügten, um die Lederschichten zu festigen, oder bei 
der Festigung derselben auch nur eine hervorragende Rolle gespielt 
hätten. Endlich würde das Zeitwort ῥάπτειν bei dieser Erklärung 
die allgemeinere Bedeutung „festigen“ haben, in der es nirgends 
nachweisbar ist. Dieses letztere Bedenken spricht auch gegen den 
Versuch, in den χρυσείῃς δάβδοισι goldene Leisten zu erkennen, 
welche auf der unteren Seite mit Nägeln besetzt waren, die dann 
zum Festschlagen des Leders gedient hätten. Ein vierter Vorschlag 
lautet dahin die Werte ἔντοσϑεν δὲ βοείας ῥδάψε ϑαμειάς als Paren 
these aufzufassen und zeoixvxAov, als ein Wort, zu lesen, wobei 
sich ein Rundschild herausstellen würde, auf dessen äulserem Kreise 
goldene Leisten gleichwie Sehnen angebracht waren. Doch wäre ein 
Adjektiv περίκυκλος in passivem Sinne gebraucht und mit einem in- 
strumentalen Dativ verbunden ohne Analogie. Angesichts dieser 
Schwierigkeiten scheint es mir unzweifelhaft, dafs die Überlieferung 
des Textes verworren ist. Vermutlich fehlen vor Vers 297 ein oder 


1) Schol. Il. XII 296, 297: βοείας δάψε χρυσείῃς ῥάβδοισι] ἀντὶ τοῦ ἔρραψε 
τὰς βοείας ῥαφαῖς ῥαβδοειδέσιν ὡσανεὶ φλεψίν. τὸ δὲ περίκυκλον ἄμεινον δύο 
ποιεῖν, περὶ καὶ κύκλον, ἵνα ἦ περὶ τὸν τὴς ἀσπίδος κύκλον. οὕτως καὶ ὃ ᾽4σκα- 
λωνίτης. Kustath. zu Il. XII 294 (p. 905, 50 ff.) wiederholt die an erster Stelle 
gegebene Erklärung und führt dann fort: ἕτεροι δὲ ῥάβδους τοὺς κανόνας ἐνόησαν, 


οἷς αἴ ἀσπίδες τότε ἀνείχοντο — eine Erklärung, gegen die im weiteren zu 
Vers 295 gerechtfertigte Bedenken vorgebracht werden, 2) Vgl. oben 


Seite 321—326. 


XXX. Die Dekoration. 381 


zwei Verse, in denen die Aufsenseite des Schildes beschrieben war 
und an die dann die Worte χρυσείῃς ῥάβδοισι διηνεκέσιν περὶ κύκλον 
anknüpften. Der Inhalt des ausgefallenen Stückes kann beispielshalber 
folgender gewesen sein: „aufserhalb aber brachte der Schmied in 
der Mitte einen goldenen Omphalos an und verzierte die Fläche“ — 
hier schlöfse sich der erhaltene 297. Vers an — „mit goldenen 
Leisten, welche sich über den Kreis des Schildes erstreekten“. 
Jedenfalls mufste der Dichter, nachdem er der auf der Innenseite 
des Schildes befindlichen Lederschichten gedacht hatte, auch auf die 
Beschaffenheit der viel wesentlicheren Aufsenfläche hinweisen. Und 
hier sind goldene Leisten, welche auf der nur selten und dann nur 
‚ teilweise sichtbaren Innenseite ein höchst überflüssiger Luxus gewesen 
wären, durchaus an ihrem Platze. Es ergiebt sich hiermit eine Ver- 
zierung ähnlich den sich radienartig von dem Mittelpunkte nach der 
Peripherie erstreckenden Streifen, mit denen die geometrische Deko- 
ration häufig kreisrunde Gegenstände, wie Schilde,!) Schildnabei,?) 
phaleraartige Brustbroschen®) und bullaähnliche Anhängsel‘) von 
Haisbändern oder Busengeschmeiden, versieht. Die Verwirrung des 
Textes wird ihren Grund darin gehabt haben, dafs ein derartiges 
Ornament den späteren Generationen unbekannt war. 

Zweitens ist in diesem Zusammenhange der Panzer des Agamem- 


1) So die Schilde primitiver Kriegerfiguren aus Thon, die sich auf Kypros 
sefunden: Cesnola-Stern, Cypern T.XXXIX ἢ. 2, 4; ferner der Schild einer sar- 
dinischen Bronzefigur, die offenbar der Zeit der karthagischen Herrschaft an- 
gehört: Pais, la Sardegna prima del dominio romano (Acc. dei Lincei Anno 
CCLXXVIN T. V 9 p. 93. Zu vergleichen sind auch die auf einer Dipylonvase 
dargestellten Rundschilde, deren Dekoration aus vier blattförmigen Motiven be- 
steht, die sich radienartig von dem Mittelpunkte nach der Peripherie erstrecken: 
Arch. Zeitung XLIII (1885) p. 131 Vignette. 2) So die Omphaloi der caere- 
taner Schilde im Mus. gregoriano I T. XVIIH 1, 2 (hiernach unsere Fig. 118 auf 
Seite 312), XIX 1, XX und des etruskischen Schildes in den Alterthümern in 
Carlsruhe herausg. von dem grofsherzogl. Conservator T. 9 und das oben Seite 
319 Fig. 121 abgebildete Exemplar aus den Abruzzen. 3) So die Mittelstücke 
zweier bronzener Brustbroschen (Bull. dell’ Inst. 1877 p. 54) von Alba Fucens 
(Conestabile, sovra due dischi antico-italici T. I) und eine Bronzebrosche. von 
Monteroberto in Picenum (Not. ἃ. βοῶν. comm. all’ acc. dei Lincei 1880 T. IX 7 
p. 345). 4) Z. B. Mon. dell’ Inst. X T. XXIII® n. 6b, Ann. 1875 p. 225, 226 
(aus Corneto. Die Bulla aus Silber, das aufliegende Rund aus Elektron). Man 
vergleiche auch die runden goldenen Aufsatzstücke bei Schliemann, Mykenae 
p. 195 n. 241 und p. 365 n. 481, auf denen sich sechs blattförmige Zierrate ra- 
dienartig von dem Centrum nach der Peripherie erstrecken, die goldenen Knopf- 
überzüge ebenda p. 304 n. 414, 415, 417, 419, die grolsen Rosetten auf der in 
den Mon. dell’ Inst. VIII T. XXXIX 1 publizierten Dipylonvase, einen runden 
Serpentin attischer Provenienz, auf dem eine radienartig gegliederte Dekoration 
eingeschnitten ist: Ann. dell’ Inst. 1885 Τὰν. d’agg. GH 1 p. 188—189, 


980 Die Kunst. 


non sowie der silberne Beschlag seines Schildriemens (teAau@v)') 
zu betrachten.”) Der Panzer, der ein Geschenk des Kypriers Kinyras 
war, hatte zehn Streifen aus schwarzem Kyanos, d. 1. Glasflufs oder 
Email,?) zwölf aus Gold und zwanzig aus Kassiteros und auf jeder 
Seite drei ebenfalls aus Email searbeitete Schlangen, welche sich, 
Regenbogen vergleichbar, nach der Halsöffnung emporstreckten. Den 
Beschlag des Schildriemens schmückte eine dreiköpfige Schlange aus 
Email, welche in einer zweiköpfigen, die auf dem Henkel eines 
chalkidischen Kruges angebracht ist,*) eine monumentale Ana- 
logie findet. 

Über die Verzierung des Panzers hat bereits Lepsius?) im gan- 
zen richtig geurteilt. Offenbar schwebte dem Dichter ein Panzer vor, 
dessen Brust- und Rückenstück aus einer besonderen Platte gear- 
beitet®) und jedes mit einundzwanzig Streifen versehen war, die wir 
uns, wie sich im weiteren herausstellen wird, der Länge nach in den 
bronzenen Grund eingelest zu denken haben. Das Zahlenverhältnis 
der verschiedenartigen Streifen entspricht dem Gesetze, welches jedes 
Volk, dessen Farbensinn ein normaler ist, bei Zusammenstellung von 
drei oder mehreren Farben zu beobachten pflegt — einem Gesetze, 
welches wir von ägyptischen Schuppenpanzern, die im Grabe des 
dritten Ramses (12. Jahrhundert v. Chr.) dargestellt sind,’) bis zu den 
Sarafans der heutigen russischen Bäuerinnen herab verfolgen können. 
Eine Farbe bildet nämlich den Grund und läfst die beiden anderen 
nirgends in unmittelbare Berührung geraten. Auf dem Panzer des 
Agamemnon war die Grundfarbe durch die Streifen aus Kassiteros 
gebildet, also weils. Bezeiehnen wir diese Streifen durch a, die gol- 
denen durch db, die schwarzen aus Glasfluls oder Smalt gearbeiteten 
durch 6, so ergiebt sich naturgemäls folgende Anordnung: baca baca 
baca baca bacab, also 10 Streifen aus Kassiteros (a), 6 aus Gold 
(Ὁ), 5 schwarze (ὁ). Dieses Gefüge von Streifen wurde sowohl auf 
der Vorder- wie auf der Rückseite des Panzers (ἑκάτερϑε) von drei 
sich emporbäumenden Schlangen durchschnitten. Die Gliederung des 


1) Vgl. oben Seite 326—328. 2) Il. XI 24: τοῦ (ϑώρηκος) δ᾽ ἤτοι δέκα 
οἶμοι ἔσαν μέλανος κυάνοιο | δώδεκα δὲ χρυσοῖο καὶ εἴκοσι κασσιτέροιο" | κυάνεοι 
δὲ δράκοντες ὀρωρέχατο προτὶ δειρὴν | τρεῖς ἑκατέρϑ'᾽, ἴρισσιν ἐοικότες. ... 38 


τῆς δ᾽ (ἀσπίδος) ἐξ ἀργύρεος τελαμὼν ἦν: αὐτὰρ ἐπ᾽ αὐτοῦ | κυάνεος ἐλέλικτο 
δράχων, κεφαλαὶ δέ οἵ ἦσαν | τρεῖς ἀμφιστρεφέες, ἕνὸς αὐχένος ἐχπεφυυῖαι. 
3) Oben Seite 101--- 100. 4) Journal of hellenie studies V (1884) p. 239. 
5) Die Metalle in den ägyptischen Inschriften (Abhandl. der Berl. Akademie 1871) 
p. 130—132. 6) Vgl. oben Seite 286—287. 7) Rosellini, mon. dell’ Egitto Il 
(mon. eivili) T. CXXI 17 (vgl. Text II 3 p. 230); Wilkinson-Birch, the manners 
of the anc. Egyptians I p. 221 n. 53°. 


XXX. Die Dekoration. 383 


Raumes in Streifen ist ganz im Geiste der geometrischen Dekoration 
und ebenso kommt die nicht nur auf dem Panzer, sondern auch auf 
dem Schildriemen angebrachte Schlange bisweilen auf Thongefäfsen 
vor, deren Malereien dem gleichen Systeme angehören.') Hinsicht- 
lich der Bewegung, in der die Schlangen auf dem Panzer wieder- 
gegeben waren, lälst sich die bekannte spartanische Basis vergleichen, 
auf der zwei sich emporbäumende Schlangen einander gegenüber 
gestellt sind.) Aufserdem darf an die mit Schlangen verzierten 
Stützen des oben Seite 374 Fig. 158 publizierten caeretaner Bronze- 
bechers und an ein in Olympia gefundenes Paar bronzener Beinschienen 
erinnert werden, von denen jede als Reliefschmuck eine ähnlich 
bewegte Schlange zeigt.”) Wenn endlich der Panzer des Agamem- 
non als das Gastgeschenk eines Kypriers bezeichnet wird, so scheint 
es ein merkwürdiges und vielleicht nicht zufälliges Zusammentreffen, 
dafs die Schlange auf geometrisch dekorierten Vasen, die sich auf 
Kypros gefunden haben,*) vorkommt und dafs auch die reichliche 
Verwendung des Kyanos nach derselben Richtung hinweist; denn 
Kypros war die Hauptfundstätte der Kupferlasur, deren man sich 
zur Herstellung des unechten Kyanos zu bedienen pflegte, und der 
kyprische Kyanos galt im Altertume für den besten nach dem 
ägyptischen.°) 

Über die Technik, in der sich der Dichter die Dekoration des Panzers 
ausgeführt dachte, erhalten wir Aufschlufs durch bronzene Schwert- 
und Dolchklingen®) und einen silbernen Becher,’) die sich in myke- 
näischen Schachtgräbern, wie eine bronzene Schwertklinge, die sich 
auf der Insel Thera gefunden.°) Die Klingen sind teils mit orna- 
mentalen teils mit figürlichen Darstellungen, der Becher mit einem 
streng stilisierten Blumengefälse verziert. Und zwar besteht die 
Dekoration aus dünnen, ausgeschnittenen Goldblättchen, die in den 
vertieften Metallgrund eingelegt und auf denen allerlei Einzelheiten 


1) Auf zwei in Attika gefundenen Vasen des Dipylonstiles: Ann. dell’ Inst. 
1872 p.139 n.15; Collignon, catalogue des vases peints du musee de la societe 
arch. d’Athenes p. 9 num. 42 und not.1. Aulserdem kommt die Schlange auch 
auf geometrisch verzierten kyprischen Thongefälsen vor: Cesnola-Stern, Cypern 
T. XIV 4, 5 p. 88 und 365. 2) Ann. dell’ Inst. 1861 Tav. d’agg. C; Löschcke, 
de basi quadam prope Spartam reperta obs. archaeologicae Fig. 3. 3) Archäol, 
Zeitg. 1879 p. 160 n. 309; Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 78. 
Auch auf der Stimseite dreier im Neapler Museum befindlichen Bronzehelme 
sind zwei Schlangen einander gegenübergestellt: Cat. del Museo’ di Napoli, armi 
antiche n. 1—3. 4) S. die vorhergehende Anm. 1. 5) Vgl. oben Seite 104. 
6) Oben Seite 59, Anm. 2. Ein Exemplar auf Seite 326 Fig. 125. 7) Mit- 
theilungen d. arch. Inst. in Athen VIII (1883) T. I p. 1—6. 8) Memoires de 
la societ6 des Antiquaires du Nord ἢ. 5. 1878—83 pl. VIII p. 234, 


984 Die Kunst. 


mit dem Grabstichel hervorgehoben sind; um einen gröfseren Farben- 
reichtum zu erzielen, hat man dem Golde durch verschiedene Le- 
gierungen drei verschiedene Töne gegeben, einen weilslichen, einen 
gelben und einen rötlichen; aufserdem kommt noch ein schwarz- 
glänzendes Email zur Anwendung, welches, zumal wenn es durch 
eingelegte Goldblättchen nuanciert ist, eine sehr nachdrückliche kolo- 
ristische Wirkung hervorruft.') Offenbar haben wir uns am Panzer 
des Agamemnon das schwarze Email (μέλας κύανος), das Gold und 
den Kassiteros, aus dem die Streifen, und das Email, aus dem die 
Schlangen bestanden, wie an jenen Klingen und jenem Silberbecher 
in den vertieften Metallgrund eingelegt zu denken und in dem an 
erster Stelle erwähnten Material ein schwarzgländes Email zu erkennen, 
wie es an denselben Gegenständen Verwendung gefunden hat. Wenn 
die sechs auf dem Panzer und die auf dem Schildriemen angebrachte 
Schlange einfach als aus Kyanos ausgeführt bezeichnet werden, so 
ist hierunter wohl nicht schwarzes Email zu verstehen, da sich 
die den Panzer überziehenden Schlangen in diesem Falle ‚unmöglich 
von den aus dem gleichen Materiale gearbeiteten Streifen abgehoben 
haben könnten. Vielmehr scheint hierfür blaues Email angenommen 
werden zu müssen, wie es den Sims oder Fries im Saale des Alkinoos 
überzog.”) Allerdings ist ein solches an den Metallarbeiten, die wir 
zum Vergleiche herangezogen, nicht nachweisbar. Doch bezeugt ein 
mehrfach erwähntes, thebanisches Grabgemälde, welches darstellt, 
wie die Kefa dem dritten Thutmes ihren Tribut bringen,”) dafs die 
Kunst Metall durch blaues Email zu nuancieren den Phönikiern schon 
im 16. Jahrhundert v. Chr. geläufig war; denn gelb gemalte, also 
coldene Gefälse, welche zu ihrem Tribute gehören, zeigen blaue Orna- 
mente, die deutlich auf die Anwendung eines solchen Materiales 
schliefsen lassen. | 

Ferner scheinen auf geometrische Ornamente hinzuweisen 
die ϑρόνα ποικίλα, mit denen Andromache eine Diplax ver- 
ziert,‘) und die Adjektive ποικίλος oder aumoinıkog, von 
denen das erstere mehrfach Rüstungen,°) Schilden,°) »Streit- 


1) Mittheilungen ἃ. arch. Inst. in Athen VII p. 242-244, VIII p. 3—4. 


2) Od. VII 87. Oben Seite 101—105. 3) Oben Seite 25, Anm. 2. Über das 
hohe Alter einer derartigen Verwendung des Emails vgl. Virchow, das 
Gräberfeld von Koban p. 137 ff. 4) Il. ΧΧΙ 441 (oben Seite 192, Anm. 1). 


5) Il. II 327, IV 432, X 504: ποικίλα τεύχεα. 1]. VI 504, XI 396, XII 
181, XIV 181: τεύχεα ποικίλα χαλκῷς. 1. X 75: ἔντεα ποικίλα. I. XVl 
134: ϑώρηκα ποικίλον ἀστερόεντα. Man hat sich diese Ornämente in das 
3ronzeblech eingelegt, eingeprelst, eingeritzt oder aus demselben herausgetrieben 
zu denken. 6) I. X 149, Od. XVI 149: ποικίλον σάκος, wobei vermutlich an 
aus dem Bronzeüberzug herausgetriebene Ornamente zu denken ist, wie sie 


XXX. Die Dekoration. 385 


wagen!) und Sesseln,?) das letztere den Busengeschmeiden (Bewog),) das 
eine wie das andere den Peploi?) beigelegt wird. Diese Adjektive ent- 
sprechen dem Begriffe des geregelten Bunten, in welcher Weise Conze°) 
treffend den Charakter der geometrischen Dekoration bezeichnet. Auch 
zeigen die auf den ältesten griechischen Denkmälern dargestellten 
Gewänder®) wie die ältesten erhaltenen Schilde’) und Busen- 
seschmeide°) keine anderen als geometrische Ornamente. 

Endlich ist hier noch die dreifach gegliederte Verzierung (ἄντυξ 
τρίπλαξ) zu erwähnen, mit welcher Hephaistos den Schild des Achill 
umgab.”) Löscheke!®) geht aus von der früher geläufigen Ansicht, 
nach welcher roinAc& aus πλέκειν gebildet 
ist und „dreifach geflochten“ bedeutet,'') und 
erkennt somit in der ἄντυξ τρίπλαξ ein 
Flechtornament, das auf den ältesten in 
Griechenland wie in Italien gefundenen 
Bronzeschilden häufig als Randverzierung 
vorkommt,'”) während die Fläche der ita- 
lischen Exemplare mit geometrischen Mo- 
tiven dekoriert ist. Dieses Ornament erscheint bisweilen wie aus 
drei Strähnen geflochten, die durch zwei parallele Reihen von Nägeln 
auf der Unterlage befestigt sind (Fig. 160),'?) und entspricht in diesem 
Falle genau dem Begriffe, den das Adjektiv reimA«& nach jener Ety- 
mologie vergegenwärtigt. Doch spricht die gröfsere Wahrscheinlich- 
keit für eine andere, neuerdings begründete Annahme, dafs nämlich 
τρίπλαξ nichts mit πλέκειν zu thun hat, sondern unter Beifügung 


Fig. 160. 


durch die Seite 313, Anm. 4 angeführten, in Italien gefundenen Schilde vergegen- 
wärtigt werden (vgl. Fig. 118 auf Seite 312 und Fig. 123 auf Seite 322). 1) Oben 
Seite 127, Anm. 12. 2) Od. I 132: κλισμὸν ποικίλον. 3) Hymn. IV (in Vener.) 
89 (oben Seite 268, Anm. 3). 4) Oben Seite 205, Anm. 8, 9. 5) Zur Ge- 
schichte der Anfänge der griechischen Kunst (Wien 1870) p. 14 (Sitzungsber. d. 
Wiener Ak. LXIV p. 518). 6) Vgl. oben Seite 205—206. 7) Man sehe die oben 
Seite 313, Anm. 4, angeführten Bronzeschilde italischen Fundortes und Fig.118 auf 
Seite 312, Fig.123 auf Seite 322. 8) Oben Seite 268--270. 9)1. XVIH 479: περὶ δ᾽ 
ἄντυγα βάλλε φαεινὴν, | τρίπλακα μαρμαρέην. 10) Archäol. Zeitung XLI (1883) 
p.159. 11) Vgl. oben Seite 189, Anm. 8. 12) Argivische Votivschilde dieser Art 
zu Olympia gefunden: Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 79—80, p. 93. 
Exemplare aus Dodona: Carapanos, Dodone et ses ruines pl. XLIX 20, 22. Exem- 
plare aus Etrurien: Grifi, mon. di Cere antica Τὶ, ΧΙ] 8; Mus. gregor. I T. XVII 2 
(hiernach unsere Fig. 118 auf Seite 812), XIX 2, XX 2; Alterthümer in Carls- 
ruhe T. 9. 13) Besonders deutlich ist diese Anordnung an dem Fragmente 
bei Carapanos a. a. OÖ. pl. XLIX 22 (hiernach unsere Fig. 160). Dagegen er- 
scheint das Ornament gewöhnlich als nur aus zwei Strähnen geflochten charak- 
terisiert. Ein kompliziertes Gefüge zahlreicher Strähne ist an dem Fragmente 
bei Carapanos pl. XLIX 20 sichtbar. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 25 


380 Die Kunst. 


des Sekundärsuffixes «x aus τριπλός gebildet ist.!) Hiernach würde 
dieses Adjektiv „dreifach“ bedeuten und die ἄντυξ τρίπλαξ nicht 
mehr mit Notwendigkeit für eine dreifach geflochtene Randverzie- 
rung zu erklären sein. Vielmehr darf man dabei mit gleichem 
Rechte an drei glatte oder mit Ornamenten versehene Metallstreifen 
‚ denken, welche längs der Peripherie der Schilde neben einander 
herliefen.?) Ebenso ist die Möglichkeit zu erwägen, dafs die beiden 
Worte auf einen aus drei übereinander gelegten Metallstreifen be- 
stehenden Rand hinweisen — eine Annahme, zu der sich der Scho- 
last?) und die meisten modernen Erklärer*) bekennen. Wie bereits 
bemerkt wurde,°) lag es nahe den Schild an der Peripherie, wo er 
am dünnsten war, durch Auflegung eines soliden Randes zu ver- 
stärken. 

Ungleich deutlicher jedoch als das geometrische tritt im Epos 
das andere System hervor, welches vegetabilische Ornamente, Löwen 
und Panther verwendet. Wenn Becken und Mischkessel das Epı- 
theton ἀνϑεμόεις ἃ. 1. „blumig“ erhalten,®) so weist dasselbe offen- 
bar auf rosettenartig stilisierte Blumen hin, wie sie bereits auf den 
aus den mykenäischen Schachtgräbern stammenden Metallarbeiten 
vorkommen‘) und von den korinthischen Vasenmalern häufig zur 
Füllung des Grundes verwendet werden. Im besonderen sei an einen 
zu Mykenae gefundenen goldenen Becher erinnert, dessen Kelch von 
einer symmetrischen Reihe solcher Blumen umgeben ist (oben Seite 358 
Fig. 144). 

Eine besondere Betrachtung erfordert die an der Aufsenseite 
(πάροιϑε) der Fibula des Odysseus angebrachte Gruppe, welche einen 
Hund darstellte, der zwischen den Vorderpfoten ein zappelndes Hirsch- 
kalb hielt.) Da der Dichter über ihre Ausführung schweigt, bleibt 
es zweifelhaft, ob wir uns diese Gruppe in das Gold eingraviert 
oder eingeprelst oder aber als Rundwerke aufgesetzt zu denken 
haben, ähnlich wie die geflügelten Sphinxe (Seite 277 Fig. 99) 
an den Exemplaren, welche zur Veranschaulichung der der Fibula 
des Odysseus zugeschriebenen αὐλοὶ δίδυμοι benutzt wurden.”) Eine 


1) Oben Seite 189, Anm. 8. 2) Man vergleiche z. B. die drei neben 
einander hinlaufenden Perlenstäbe auf dem Seite 322 Fig. 123 abgebildeten 
Schilde. 3) Der Scholiast zu Il. XVII 479 erklärt reinian« durch τρίπτυχυν 


„dreifach geschichtet“. 4) Besonders Graslof, das Fuhrwesen bei Homer 
und Hesiod p. 28 Anm. 24. 5) Seite 320. 6) ἀνϑεμόεις λέβης: 1]. ΧΧΙΠ 


885, Od. III 440. — Od. XXIV 275: κρητῆρα πανάργυρον ἀνϑεμόεντα. Vgl. 1]. 
Π 467: ἐν λειμῶνι Σκαμανδρίῳ ἀνϑεμόεντι. N. II 695: Πύρασον ἀνϑεμόεντα. 
Über die ἄνϑεμα benannten Ohrringe (Hyımn. VI 9) wurde bereits oben Seite 271, 
Anm. 3 das Nötige bemerkt. 7) So an dem oben Seite 33 besprochenen silbernen 
Rindskopfe. 8) Od. XIX 226—231 (oben Seite 277, Anm. 2). 9) Seite 277—279. 


XXX. Die Dekoration. 387 


genau entsprechende Komposition ist auf keinem archaischen Bild- 
werke orientalischer oder oeeidentalischer Herkunft nachweisbar. 
Wohl aber findet die Zusammenstellung des Hundes und des Hirsch- 
kalbes Analogieen in einer Reihe von Kunstgegenständen, deren 
Dekoration im wesentlichen derjenigen der Dipylonvasen entspricht, 


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Fig. 161. 


zugleich aber auch einzelne der für das andere System bezeichnen- 
den Typen und im besonderen Löwenfiguren verwendet.') Innerhalb 
dieser Mischgattung begegnen wir bisweilen Hunden, welche Hirsch- 
kälbern nachsetzen. War aber eine solche Darstellung geläufig, so 
lag es der dichterischen Phantasie nahe 
genug, die beiden Tiere in einem vorge- 
schritteneren Momente aufzufassen und zu 
einer Gruppe zu vereinigen, wobei die ur- 
alte orientalische Darstellung des den 
Stier oder Hirsch anfallenden Löwen ein 
sehr geeignetes Vorbild darbot.?) Doch 
hat man hierbei noch zweierlei andere Mög- 
lichkeiten ins Auge zu fassen. Auf archaischen Denkmälern sind häufig 
Löwen dargestellt im Begriffe Hirsche zu zerreifsen. Ihre Charakteristik 
läfst bisweilen an Deutlichkeit zu wünschen übrig‘) und es: scheint 
demnach recht wohl glaublich, dafs diese Tiere unter Umständen 
für Hunde gehalten wurden. Die andere Möglichkeit ist die, dafs 
der Diehter an die bekannte Gruppe des einen Hirsch zerreifsenden 
Greifes (Fig. 161, 162),*) dachte und den Greif, da das später ge- 


Fig. 162. 


1) Dieser Klasse gehört z. B. die bei Theben in Böotien gefundene und in 
den Ann. dell’ Inst. 1880 Τὰν. d’agg. G. publizierte Fibula an. Andere Denk- 
mäler der gleichen Art sind in denselben Annali p. 131—132 zusammengestellt. 
2) Vgl. Usener, de Iliadis carmine quodam phocaico (Bonnae 1875) p. Sf. 
3) 2. B. Denkmäler der alten Kunst I T, XV 58. Notizie ἃ. scavi 1886° p. 41 
Fig. A, p.:42 Fig. Ὁ. 4) Fig. 161: eine assyrische Kleiderborte (Layard, the 


or*# 
25 


388 Die Kunst. 


läufige Wort yovy ın der damaligen griechischen Sprache noch nicht 
vorhanden war, Hund (κύων) nannte. Dafs der Greif den Griechen 
des homerischen Zeitalters bekannt war, dürfen wir als sicher an- 
nehmen; denn er kommt bereits auf Denkmälern vor, die aus, den 
mykenäischen Schachtgräbern') und anderen über die dorische Wan- 
derung hinaufreichenden Fundschichten?) stammen, und gehörte zu 
den Lieblingsgegenständen der phönikischen?) wie der archaischen 
griechischen Kunst. Das Wort γρύψ scheint verhältnismäfsig spät 
in die griechische Sprache Eingang gefunden zu haben. Wir be- 
gegnen demselben zum ersten Male in den Arimaspeia des Aristeas,®) 
einem Epos, das nicht vor der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. 
entstanden ist.) Da nun die Griechen den ihnen von Alters her be- 
kannten Greif in der vorhergehenden Epoche irgendwie benannt haben 
müssen, so liegt es nahe dabei an das Wort κύων zu denken, durch 
welches noch die attischen Dichter des 5. Jahrhunderts die Sphinx, 
die Hydra, die Harpyien und andere Ungeheuer bezeichnen. °) 
Ferner mufls das Gorgoneion zu den im homerischen Zeitalter 
gebräuchlichen Typen gehört haben. In der Ilias”) heifst es, dafs 
auf dem Schilde des Agamemnon die glotzäugige Gorgo, schrecklich 
blickend, und darum Deimos und Phobos angebracht waren. Furt- 
wängler®) nimmt mit Recht Anstofs daran, dafs der Dichter über 
den Stoff, aus dem die drei Schreckbilder gearbeitet waren, wie über 
ihre Anordnung keinerlei Andeutung giebt, während er die Rüstung 
des Agamemnon ım übrigen auf das eingehendste und genaueste 
schildert. Dagegen geht jener Gelehrte entschieden zu weit, wenn 
er die beiden auf die Schreckbilder bezüglichen Verse für ein spätes 
Einschiebsel erklärt, welches für die Beurteilung der homerischen 
Kunst vollständig wertlos sei. Jedenfalls beweist die Schilderung 
der Aegis”) auf das schlagendste, dafs den damaligen loniern bild- 


mon. of Nineveh pl. 43) nach Perrot et Chipiez, hist. de l’art Il p. 774 τ. 447. 
Das gesprengelte Fell des angegriffenen Tieres lälst deutlich auf ein Damm- 
hirschkalb schliefsen; ob die abweichende Bildung des Geweihs einem Irrtume 
des Bildhauers oder absichtlicher Stilisierung zuzuschreiben ist, wage ich nicht 
zu entscheiden. Fig. 162: Chalcedon mit dem Namen des Akestodaros in kyprischer 
Schrift nach Perrot et Chipiez II p. 652 n.462. 1) Ζ. Β. drei Greife aus Goldblech: 
Schliemann, Mykenae p. 205 n. 261, ein anderer ebenda p. 211 n. 272 = Milchhoefer, 
die Anfänge der Kunst p. 10n.6. 2) Ζ. Β. ein geschnittener Stein mit einem Greife 
aus dem Kuppelgrabe von Menidi (oben Seite 69): Das Kuppelgrab bei Menidi ΤῸ V1 2. 
3) Furtwängler, die Bronzefunde aus Olympia p. 49—50. 4) Herodot IV 13. Pausan. 
I 24, 6. 5) Niebuhr, kleine Schriften I p. 361. Bergk, griech. Literatur- 
geschichte I p. 99. 6) Aischylos fragm. 232 Nauck und Sophokles Oed. rex - 
391 benennen in dieser Weise die Sphinx. Weiteres bei Brunck zu der letzteren 
Stelle. 7) 1], XI 36, 37 (oben Seite 320, Anm. 1). 8) Die Bronzefunde aus 
Olympia p. 59 Anm. 2. 9) 11. V 188: ἀμφὶ δ᾽ ἄρ᾽ ὦμοισιν βάλετ᾽ αἰγίδα 


XXX. Die Dekoration. 389 


liche Darstellungen der Gorgo geläufig waren. Nach der Angabe 
des Epos befanden sich an der Aegis Eris, Alke, die grausige 
Ioke und das Haupt der Gorgo, des furchtbaren Ungeheuers, furcht- 
bar und entsetzlich, das Wunder des aegishaltenden Zeus. Wenn 
Furtwängler!) annimmt, es seien hier allerlei der Aegis innewohnende 
Kräfte aufgezählt, deren künstlerischer Ausdruck dem Dichter keines- 
wegs im NSinne gelegen hätte, so kann man dies hinsichtlich der 
Eris, Alke und loke als möglich zugeben. Anders verhält es sich 
dagegen mit der Gorgo. Schon die Thatsache, dafs dieselbe plastisch 
bestimmt als Haupt vor der Phantasie dieses Dichters wie des- 
jenigen der Nekyia?) stand, läfst mit Sicherheit darauf schliefsen, 
dafs das Gorgoneion bereits im homerischen Zeitalter als eine 
schreckliche Maske dargestellt und dekorativ verwendet wurde.?) 
Zudem ist es bekannt, dafs derartige Schreckbilder zu den ältesten 
Typen gehörten, welche die griechische Kunst zu bilden unternahm‘) 
Ein steinernes Medusenhaupt, das Pausanias?) zu Argos bei dem 
Heilistume des Kephisos sah, galt für ein Werk der Kyklopen, also 
für ein Denkmal, dessen Ursprung vor den Beginn der zusammen- 
hängenden historischen Überlieferung fiel. 

Nach allen Analogieen dürfen wir annehmen, dafs das Gorgoneion 
aus einem altorientalischen Typus abgeleitet ist, mag es auch noch nicht 
gelungen sein den letzteren mit Sicherheit nachzuweisen.) Die der 
Blüte des Epos am nächsten stehende Kunst bildete dasselbe, wie es 
scheint, als eine weibliche Maske mit glotzenden Augen, breiter auf- 
seworfener Nase und einem verzogenen, aber nur wenig geöffneten 
Munde (Fig. 163).”) In der weiteren Entwickelung und zwar vermutlich 


ϑυσσανόεσσαν, | δεινὴν, ἣν πέρι μὲν πάντη φόβος ἐστεφάνωται, | ἐν δ᾽ Ἔρις, ἐν 
δ᾽ Alu, ἐν δὲ κρυόεσσα "Iwan, | ἐν δέ τε Γοργείη κεφαλὴ δεινοῖο πελώρου, 
δεινή τε σμερδνή τε, Διὸς τέρας αἰγιόχοιο. 1) A. ἃ. Ο. p. 59 Anm. 3. 2) Od. 
ΧΙ 634: μή μοι Γοργείην κεφαλὴν δεινοῖο πελώρου } ἐξ Aldew πέμψειεν ἀγαυὴ 
Περσεφόνεια. 3) Es leuchtet ein, dafs unter dieser Voraussetzung auch der 
Vergleich der Augen des kämpfenden Hektor mit denen der Gorgo (ll. VIII 
349: Γοργοῦς ὄμματ᾽ ἔχων) ungleich wirksamer war. Indes bin ich bei der 
plastischen Gestaltungskraft, über welche die Dichter verfügten (vgl. hierüber 
den XXXIH. Abschnitt), weit entfernt diesen Gesichtspunkt als ein sicheres 
Kriterium zu betrachten. 4) Milchhöfer in der Archäol. Zeitung XXXIX 
(1881) p. 285 ff. Nach den Gewährsmännern des Pausanias 1 43, 8. galt für die 
älteste griechische Skulptur eine Gruppe auf dem Grabe des Koroibos zu Megara. 
Sie stellte den Koroibos dar, wie er die Poine tötete, welche letztere wir uns 
offenbar als ein gorgonenartiges Ungeheuer zu denken haben. Mancherlei Re- 
flexe derartiger Schreckgestalten sind in der etruskischen Kunst nachweisbar. 


Vgl. Körte in der Archäol. Zeitg. XXXV (1877) p. 110 ff. 5) ΤΟ EIER 
oben Seite 62. 6) Vgl. Langbehn, Flügelgestalten der ältesten griechischen 


Kunst p. 121—133; Milchhöfer a. a. Ὁ. p. 287—289. 7) Vgl. Milchhöfer 


390 Die Kunst. 


im siebenten Jahrhundert wurde dieser Typus umgearbeitet. Der 
Mund erscheint nunmehr zu einem grälslichen Grinsen weit geöffnet; 
die Zunge ist herausgesteckt; aus den Mundwinkeln ragen furcht- 
bare Hauzähne hervor — alles dies Abänderungen, die darauf aus- 
singen, der Maske einen lebensvolleren und zugleich schrecklicheren 
Charakter zu verleihen.) 

Endlich entnahm die dekorative Kunst des home- 
rischen Zeitalters ihre Motive bisweilen auch aus dem 
menschlichen Leben. Der Kampfscenen, welche Helena 
auf einer Diplax anbrachte,?) wurde bereits gedacht und 
daraus der Schluls gezogen, dals die damalige Kunstweberei ver- 
wandte Gegenstände zur Darstellung brachte.?) 

Ehe ich zu dem figurenreichsten der im Epos erwähnten Kunst- 
werke, nämlich dem Schilde des Achill, übergehe, sind noch einige 
Beschreibungen zu betrachten, bei denen man an den Einfluls statua- 
rischer Werke gedacht hat. Es sind dies die goldenen Mädchen, auf 
die sich Hephaistos stützt,‘) die goldenen und silbernen Hunde, welche 
vor dem Hause des Alkinoos zu jeder Seite des Einganges aufgestellt 
waren,) und die goldenen Jünglingsfiguren, die in demselben Hause 
als Fackelhalter dienten.®) 

Die Frage, ob und in wie weit diese Schilderungen durch künst- 
lerische Anschauung bestimmt seien, ist vielfach in verschiedenem 
Sinne beantwortet worden. 

Den Mädchen des Hephaistos legt der Dichter, obwohl er sie 
als golden bezeichnet, auch Bewegung, Verstand, Sprache und die 


Fig. 163. 


a. a. Ὁ, p. 289—290. Unsere Fig. 163 gibt den Typus einer kleinasiatischen 
Elektronmünze nach Gardner, the types of greek coins pl. IV 5 (vgl. Six, de 
Gorgone p. 60—61 n. 18) wieder. Ahnlich ist das Gorgoneion bisweilen auch 
auf den früher Athen zugeschriebenen, aber wahrscheinlich in Chalkis geschla- 
senen Silberstücken behandelt: Cousinery, voyage dans la Macedoine II pl. 4 
n. 8 (p. 125). Vgl. E. Curtius im Hermes X p. 225 ff. Ich bin weit entfernt zu 
behaupten, dafs diese Münzen die ältesten erhaltenen Denkmäler seien, welche 
das Gorgoneion darstellen. Wohl aber scheint es nach allen Analogien, dafs 
der auf ihnen wiedergegebene Typus älter als der mit geöffnetem Munde und 
herausgesteckter Zunge und somit der älteste ist, den wir vom Gorgoneion 
kennen. 1) Milchhöfer ἃ. ἃ. Ο. Ρ. 291. 2) 1]. ΠΠ] 125—128 (oben Seite 81, Anm. 1). 
3) Seite 81—82, Seite 193, Seite 234. 4) 1. XVII 417: ὑπὸ δ᾽ ἀμφίπολοι ϑώοντο 
ἄνακτι | χρύσειαι, ξωῇσι νεήνισιν εἰοικυῖαι. | τῇς ἐν μὲν νόος ἐστὶ μετὰ φρεσὶν, ἐν δὲ 
καὶ αὐδὴ | καὶ σϑένος, ἀϑανάτων δὲ ϑεῶν ἄπο ἔργα ἴσασιν. 5) Od. 1191: χρύ- 
σειοι δ᾽ ἑἕκάτερϑε καὶ ἀργύρεοι κύνες ἦσαν, | οὺς “Ἤφαιστος ἔτευξεν ἰδυίῃσι πρα- 
πίδεσσιν, | δῶμα φυλασσέμεναν μεγαλήτορος ᾿ἡλκινόοιο, | ἀϑανάτους ὄντας καὶ 
ἀγήρως ἤματα πάντα. 6) Od. VII 100: χρύσειοι δ᾽ ἄρα κοῦροι ἐϊδιμήτων ἐπὶ 
βωμῶν ἕστασαν αἰϑομένας δαΐδας μετὰ χερσὶν ἔχοντες, | φαίνοντες νύκτας κατὰ 
δώματα δαιτυμόνεσσιν. 


XXX. Die Dekoration. 391 


Fähigkeit herrliche Arbeiten zu verrichten bei. Wenn man früher 
annahm, dafs diese Schilderung durch selbständige, statuarische 
Figuren bedingt sei, und in den geistigen und physischen Eigen- 
schaften der Mädchen eine poetische Umschreibung der in der plasti- 
schen Darstellung zu Tage tretenden Lebensfülle erkennen wollte, 
so ist diese Auffassung von Petersen!) endgültig widerlegt wor- 
den. In die Umgebung des kunstfertigen Gottes, der wandelnde 
Dreifüfse schafft und dessen Blasebälge auf seinen Wink arbeiten 
oder ruhen,’) pafst vollkommen das Wunder goldener und doch leben- 
der Dienerinnen. Die Mädchen des Hephaistos sind also Phantasie- 
gebilde und gehören in die gleiche Kategorie wie die erzfülsigen und 
feuerschnaubenden Stiere, die derselbe Gott dem Aietes schenkte, 
eine Angabe, aus der doch niemand den Schlufs ziehen wird, dafs 
die Griechen zur Zeit der Entstehung des kolchischen Mythos das 
Tierstück gekannt hätten. 

Was ferner die vor dem Hause des Alkinoos befindlichen, gol- 
denen und silbernen Hunde betrifft, so sind plastisch gebildete Hunde 
als Thürhüter in keiner der Kunstentwickelungen nachweisbar, welche 
zu derjenigen der homerischen Epoche in unmittelbarer oder mittel- 
barer Beziehung stehen. Vielmehr dienten hiefür bei den Ägyptern 
Sphinxe, bei den Chaldäern Stiere oder Löwen,?) bei den Assyrern 
die bekannten aus Menschenköpfen und Tierleibern zusammengesetzten 
Mischgestalten und bisweilen auch Löwen,*) bei den Phönikiern 
Sphinxe®) oder Löwen.°) Die archaische griechische Kunst verwendete 
zu dem gleichen oder zu ähnlichen Zwecken die Figuren von Pan- 
thern oder Leoparden, Sphinxen, Greifen und Löwen. Man erinnere 
sich der mykenäischen Panther- oder Leopardengruppe, die allerdings 
nicht wie die von dem Dichter beschriebenen Hunde neben, sondern 
über dem Thore angebracht 150,1) der marmornen Sphinxe und Greife, 
welche ın der Stadt der Borystheniten das Haus des .Skythenkönigs 
Skyles umgaben,°) und der Löwenpaare, welche vor den Eingängen 


1) Kritische Bemerkungen zur ältesten Geschichte der griechischen Kunst 
(Ploen 1871) p. 29ff. 2) D. XVII 375—378, 470—473. 8) Perrot et Chipiez, _ 
hist. de l’art II p. 274. 4) Perrot et Chipiez a. a. OÖ. 1 p. 280—281. 5) Renan, 
mission de Phenicie pl. XXXI 1, LIk, LVI, LVIL 1 p. 701—702. 6) Renan 
a. a. ©. pl. XII, XIII p. 72, pl. XXXII 3; Perrot et Chipiez, histoire de l’art II 
p. 152 n. 95, p. 438 n. 312, p. 396—397. 7) Denkm. d. a. Kunst IT. 11; 
Archäol. Zeitung 1865 T. 193. 8) Herodot IV 79. Reihen solcher Tiere wur- 
den von den Etruskern häufig zur Dekoration von Grabdenkmälern verwendet, 
welche aus einer runden Terrasse und einem sich über derselben erhebenden 
Hügel bestehen und, soweit gegenwärtig unsere Kenntnis reicht, dem Ende des 
6. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. angehören. Die Tier- 
figuren sind hier auf der Plattform der Terrasse längs der Peripherie auf- 
gestellt. Löwen, geflügelte Sphinxe und Greife an dem unter dem Namen der 


392 Die Kunst. 


altgriechischer!) wie etruskischer?) Gräber gefunden werden. Man 
könnte demnach vermuten, dafs die Vorstellung jener von der Kunst 
als Thorschmuck verwendeten Tierfiguren und diejenige des Hundes, 
welcher in der Wirklichkeit den Eingang hütet, im Geiste des Dichters 
zusammengeflossen seien. Nichtsdestoweniger scheint noch eine 
andere Auffassung zulässig, durch welche die epische Beschreibung 
mit den Denkmälern in Einklang gebracht wird. Im obigen?) wurde 
bewiesen, dals die Griechen im homerischen Zeitalter den Greif 
kannten, und die Vermutung aufgeworfen, dafs sie ihn damals durch 
das Wort χύων bezeichneten. Das Gleiche gilt für die Sphinx. Auch 
diese kommt auf Denkmälern griechischen Fundortes vor, welche über 
die dorische Wanderung hinaufreichen,?) wie auf solchen, welche der auf 
den Abschlufs des Epos folgenden Epoche angehören. Sie heilst 
κύων noch bei Aischylos und Sophokles°?). Da nun Sphinxe von der 
ägyptischen und phönikischen, Sphinxe und Greife von der archai- 
schen griechischen Kunst als 'Thorschmuck verwendet wurden, so 
fragt es sich, ob nicht unter den Hunden, welche das Epos als Thür- 
hüter des phäakischen Königshauses erwähnt, Sphinxe oder Greife 
zu verstehen sind. Wenn ihnen der Dichter Leben, Unsterblichkeit 
und ewige Jugend zuschreibt, so ist dies nicht zu verwundern, da sie 
eben Werke des Hephaistos waren. 

Hinsichtlich der im Hause des Alkinoos befindlichen goldenen 
Fackelträger läfst schon die Angabe, dafs sie auf wohlgebauten Basen 


Cucumella benannten vulcenter Grabe: eine mangelhafte Restauration bei Noel 
des Vergers, l’Etrurie et les Etrusques ΠῚ pl. XX, eine ganz ungenaue bei Ca- 
nina, l’Etruria marittima T. ΟΥ̓́Τ; eine Skizze des Monumentes, wie es in den 
dreissiger Jahren aussah, und allerlei Einzelheiten desselben bei Micali, storia 
T. LXII 1—4 (III. p. 103—104). Löwen auf der Plattform eines ähnlichen caere- 
taner Grabes: Canina a. a. Ὁ. T. LXIX. Geflügelte Sphinxe an einem ähn- 
lichen cornetaner Grabe: Canina a. a. Ο. ΤΠ, LXXXIX 2. 1) Offenbar diente 
zu diesem Zwecke der in der milesischen Nekropole gefundene Löwe: Rayet et 
Thomas, Milet pl. 22. 2) So z. B. vor dem von Campana entdeckten vejenter 
Grabe, das mindestens hoch in das 6. Jahrhundert v. Chr. hinaufreicht: Micali, 
mon. ined. p. 368; Canina, l’Etruria marittima T. XXXIV 2; Canina, Tantica 
citta di Vejı T. XXVII. Beispiele aus Vulci: Canina, l’Etruria marittima T. CX 
12, 13. Ein Löwenpaar über dem 'Thore eines caeretaner Grabes: Canina, l’Etr. 
mar. T. LXXII. 3) Seite 388. 4) 4. B. sechs Sphinxe aus Goldblech, 
sefunden in einem der mykenäischen Schachtgräber: Schliemann, Mykenae 
p. 213 n. 277; Milchhöfer, die Anfänge der Kunst p. 10 n. 7. Sphinxe auf 
Kunstsachen aus den Gräbern von Spata (oben Seite 70): Bull. de correspon- 
dance hellänique I pl. XVII 1, 2, pl. XVII 1. Auf Smaltblättchen und Elfen- 
beinarbeiten aus dem Grabe von Menidi (oben Seite 69): Das Kuppelgrab von 
Menidiı T. V 44, 45, T. VIII 4, 10. In der tirynthischen Wandmalerei: oben 
Seite 99, Anm. 7. Auch die phönikische Kunst hat die Sphinx häufig dar- 
gestellt: oben Seite 391, Anm. 5. 5) Oben Seite 392, Anm. 5. 


XXX. Die Dekoration. 393 


(Evduntov ἐπὶ βωμῶν) standen, darauf schliefsen, dafs die Beschrei- 
bung durch statuarische Vorbilder bedingt ist. Aufserdem findet 
das Motiv dieser Figuren in der bildenden Kunst mancherlei Ana- 
logieen. Brunn!) verweist auf eine in einem chiusiner Grabe ge- 
malte Frau, die ein Thymiaterion auf dem Haupte trägt.) Noch 
näher steht jedoch der epischen Schilderung ein etruskisches Thy- 
miaterion archaischen Stiles, dem eine den Schaft in der Linken 
haltende Jünglingsfigur, als Stütze dient.”) Da die menschliche Ge- 
stalt von der orientalischen Kunst seit uralter Zeit häufig als tragen- 
des Glied, wie als Stütze von Sesseln und Baldachinen und zu ähn- 
lichen Zwecken, verwendet wurde,*) so steht der Annahme nichts ım 
Wege, dafs derartige Geräte oder wenigstens Nachrichten über die- 
selben schon während der homerischen Epoche in die ionischen 
Städte gelangt waren. Immerhin weist auch die Beschreibung der 
Fackelträger nicht auf selbständige plastische Werke, sondern auf 
dekorativ verwendete Figuren zurück. 

Schliefslich haben wir hier noch eine Stelle zu betrachten, welche 
zu einer Dichtung gehört, die erst zur Zeit der Peisistratiden von 
einem der orphischen Theologie huldigenden, attischen Poeten in die 
Odyssee eingeschaltet worden 150.) Diese Dichtung schildert den 
Goldbeschlag des von Herakles getragenen Wehrgehänges als mit 
Bären, Ebern und Löwen wie mit Kampfscenen verziert,°) wobei der 
zweite, auf die Kampfscenen bezügliche Vers offenbar aus der Theo- 
gonie entlehnt ist.‘) Ein derartiger Bilderschmuck stimmt hinsicht- 
lich seiner Anordnung und der Hauptsache nach auch hinsichtlich 
seines Inhaltes zu den Prinzipien, welche zur Zeit, in der jene Dich- 
tung entstand, in der dekorativen Kunst mafsgebend waren. Wir haben 
uns die Darstellungen in Streifen angeordnet zu denken und dürfen 
korinthische, chalkidische und altattische Vasen vergleichen, auf 
denen Tierstreifen und Streifen mit Kampfscenen neben einander 
hergehen. Nur in einer Hinsicht weicht die Beschreibung von den 


1) Die Kunst bei Homer p. 5. 2) Mon. dell’ Inst. VT. XVIn. IH. 
3) Panofka, Antiques du cabinet Pourtales pl. XL. Vgl. auch Mus. gregor. 1 
T. LV 1, 2,'5, 7; Micali, storia T. XL 3—5. 4) Semper, der Stil I p. 272— 
274; Friederichs, die philostrat. Bilder p. 215 Anm. 4; Archäol. Zeitg. XXXIV 
(1876) p. 114; Mittheilungen des archäol. Instituts in Athen VII (1882) p. 11— 
12. Eines der ältesten Beispiele dürfte die chaldäische Kanephore bei de Long- 
perier, Musde Napoleon III pl. I und Perrot et Chipiez Il p. 536 n. 243 sein. 
5) Od. ΧΙ 566—631. Vgl. von Wilamowitz-Moellendorff, hom. Untersuchungen 
p. 142, p. 199— 226. 6) Od. ΧΙ 610: χρύσεος ἦν τελαμὼν, ἵνα ϑέσκελα ἔργα 
τέτυχτο, | Kontor τ᾽ ἀγρότεροί TE σύες χαροποί τε λέοντες, | ὑσμῖναί τὲ μάχαι τὲ 
φόνοι τ᾽ ἀνδροχτασίαι τε. 7) Theog. 228. Vgl. von Wilamowitz a. a. Ὁ, 


Nachträge p. VIII—IX. 


394 Die Kunst. 


gleichzeitigen Denkmälern ab. Während nämlich Eber und Löwen 
zu den von der damaligen Dekoration am häufigsten dargestellten 
Tierfiguren gehören, läfst sich die ornamentale Verwendung des Bären 
auf keinem orientalischen, griechischen oder italischen Kunstwerke 
archaischen Stiles mit Sicherheit nachweisen.‘) Der Bilderschmuck 
der erhaltenen Goldbeschläge, welche sich dem in der Odyssee ge- 
schilderten vergleichen lassen, ist öfters mit einem sehr stumpfen 
Stempel eingeprefst und infolge dessen die Gattung der dargestellten 
Tiere nicht immer deutlich erkennbar.?) Es fragt sich somit, ob 
nicht etwa der Dichter mehr oder minder unklar ausgedrückte Tier- 
figuren, die er auf irgend welchem Goldbeschlage gesehen hatte, 
irrtümlich für Bären hielt. Wie ‘jedoch Wilamowitz?) richtig be- 
merkt, hat ein Dichter das Iecht, die Kunstwerke, die er erfindet, 
dichterisch zu behandeln und darf er demnach auch Motive beifügen, 
die als künstlerisch darstellbar vor seiner Phantasie standen. Unter 
solchen Umständen lag die Einführung des Bären um so näher, als 
die Griechen durch mancherlei Mythen mit diesem Tiere vertraut 
waren und die Athener die Bärin als das der Artemis Brauronia und 
Munychia heilige Tier kannten.‘) j 

Dem Schilde des Achill mufls wegen der mannigfachen Fragen, 
die daran anknüpfen, notwendig ein besonderer Abschnitt gewidmet 
werden. Zunächst gilt es die Beschreibung des Dichters durch eine 
kurze Inhaltsangabe in das Gedächtnis zurückzurufen. 


1) Der Angabe, dals in den, wie es scheint, sehr roh ausgeführten Wand- 
malereien eines alten chiusiner Grabes geflügelte Bären dargestellt seien (Bull. 
dell’ Inst. 1874 p. 227), kann ich nicht eher Glauben schenken, als bis ich die 
betreffenden Darstellungen mit eigenen Augen geprüft habe, was gegenwärtig 
unmöglich ist, da das Grab unmittelbar nach seiner Entdeckung wieder zu- 
geschüttet wurde. — Ein Tier, in dem man einen Bären erkennen will (Friederichs- 
Wolters, Bausteine p. 71), ist auf dem Harpyienmonumente von Xanthos unter 
dem Sessel des den Helm in Empfang nehmenden Gottes dargestellt. Doch ge- 
hört dieses Tier, da es offenbar ein Symbol des Gottes ist, nicht zu der 
im obigen besprochenen dekorativen Gattung. Dasselbe gilt für die Bären, 
welche auf einer zu Nimrud gefundenen phönikischen Bronzeschale (Layard, a 
second series of the mon. of Nineveh pl. 66; Perrot et Chipiez, histoire de Τ᾽ εὐ 
II p. 751 n. 408; unsere Tafel II) als landschaftliche Staffage auftreten. 2) Ich 
notierte mir in einer athenischen Privatsammlung: „Zwei Streifen aus Gold- 
blech (Stirnbänder?), gefunden beim Dipylon zusammen mit bemalten 'Thon- 
gefälsen geometrischen Stiles; auf beiden sind mit einem ganz stumpfen Stempel 
Tierfiguren eingeprelst, deren Gattung sich nicht immer erkennen läfst; auf 
dem einen (Höhe 0,035) ein Löwe, ein kind, Rehe und andere undeutliche 
Tiere, auf dem anderen (H. 0,02) weidende Hirsche, ein Hund (?) und mehrere 
andere unbestimmbare Vierfülsler.“ 3) A. a. Ὁ. Nachträge p. IX. 4) Her- 
mann-Stark, Lehrbuch der gottesdienstl. Alterthümer $ 60, 2, $ 62, 19. Vgl. 
von Sybel, Katalog der Sculpturen zu Athen n. 7045. 


XXXI. Der Schild des Achill. 395 


XXXI. Der Schild des Achill. 


Hephaistos beginnt damit auf dem Schilde Erde, Himmel, Meer, 
Sonne, Vollmond und die Gestirne zu bilden. Dann fügt er Scenen 
aus dem menschlichen Leben bei, die in zwei Cyklen zerfallen, der 
eine auf das städtische, der andere auf das ländliche Leben bezüg- 
lich. Der erstere erscheint wiederum antithetisch gegliedert: eine 
Stadt ist im Frieden, eine andere in Kriegsnot dargestellt. Dasselbe 
Streben durch Gegensätze zu wirken tritt auch in der Schilderung 
der friedlichen Stadt hervor, indem hier die Lust einer Hochzeit 
und der Ernst einer Gerichtssitzung einander gegenübergestellt 
werden. Weniger kenntlich ist diese Tendenz in der Beschreibung 
der belagerten Stadt. Indes hat man vielleicht mit Petersen") die 
Hirten, welche arglos, die Syrinx blasend, ihre Herden nach dem 
Flusse treiben, als Gegenbild zu der Belagerungs- und Kampfesscene 
aufzufassen. Die Beschreibung des ländlichen Treibens scheidet sich, 
wie Brunn?) richtig erkannt hat, nach den Jahreszeiten in Bilder des 
Pflügens, der Getreideernte, der Weinlese und des Hirtenlebens. 
Jedes dieser Bilder ist wiederum durch Gegensätze belebt. Die 
Pflüger arbeiten angestrengt; doch wird jeder, nachdem er eine 
Furche vollendet, am Ende des Ackerfeldes von einem Manne 
empfangen, der ihn mit einem Trunke Weines erquickt. Das Ge- 
treide wird gemäht und die Garben gebunden, während der König 
dabeisteht, auf sein Scepter gestützt, erfreut über das günstige Er- 
sebnis der Ernte, und Herolde und Frauen für die Schnitter das 
stärkende Mahl bereiten. In der Mitte der mit der Weinlese be- 
schäftigten Arbeiter steht ein Knabe, der sie durch Kitharspiel und 
den Gesang des Linosliedes ergötzt. Andererseits ist auch dem mühe- 
loseren Treiben der Hirten ein gegensätzlicher Zug beigefügt, indem 
zwei Löwen einen Stier anfallen und die Hirten zur Abwehr nötigen. 
Auf die Beschreibung der ländlichen Scenen folgt die eines Beigen- 
tanzes, der von Jünglingen und Mädchen aufgeführt wird und den 
ein Sänger mit seinem Liede und mit Kitharspiel begleitet. Diese 
bunten Bilder aus dem menschlichen Leben umgab eine Darstellung 
des Flusses Okeanos, die sich längs des dreifachen Randes (ἄντυξ 
τρίπλαξ) } entwickelte. 

Offenbar wollte der Dichter durch den Bilderschmuck, den er 
beschreibt, die Welt und das menschliche Leben nach den Anschau- 
ungen seiner Zeitgenossen vergegenwärtigen. Die wesentlichen Be- 


1) Kritische Bemerkungen zur ältesten Geschichte der griechischen Kunst 
12. 2) Rhein. Mus. V (1847) p. 341. 3) Vgl. oben Seite 385. 


396 Die Kunst. 


dingungen, welche das Leben der damaligen Jonier bestimmten, treten 
im Epos mit solcher Deutlichkeit hervor, dafs es nur eines flüchtigen 
Hinweises bedarf, um sie in das Gedächtnis zurückzurufen.') Die mate- 
rielle Existenz beruhte fast ausschliefslich auf Ackerbau, Viehzucht 
und Weinbau.?) Die Ehe°®) und eine geordnete Rechtspflege!) galten 
für die Hauptgrundlagen des socialen und politischen Organismus, 
fröhliche Mahlzeiten, Kitharspiel und Beigentanz für die höchsten 
(renüsse, welche ein gesegnetes Leben den Sterblichen darbot.’) Unter- 
brochen wurde dies friedliche Dasein bisweilen durch feindliche An- 
griffe, welche die Bürger nötigten zu den Waffen zu greifen und ihr 
Gebiet oder gar ihre Stadt zu verteidigen.°) Wie man sieht, hat der 
Dichter alle diese Lebensbeziehungen durch charakteristische Scenen 
vergegenwärtigt. Da jedoch die Erkenntnis, in wie weit wir seine 
Beschreibung als zutreffend und erschöpfend betrachten dürfen, nicht 
nur für die Kulturgeschichte, sondern auch für die künstlerische 
Würdigung des Bildereyklus von der grölsten Wichtigkeit ist, so kann 
ich nicht umhin eine hierauf bezügliche Bemerkung Murrays’) einer 
eingehenden Betrachtung zu unterziehen, selbst auf die Gefahr hin 
hiermit zeitweise von dem diesem Buche zunächst liegenden Zwecke 
abzuschweifen. Murray findet es nämlich auffällig, dafs der Dichter 
nirgends auf die Schiffahrt und den Kultus hinweist. Stellen wir 
die Frage, ob die Schilderung deshalb für lückenhaft zu erklären 
561, so kann die Antwort hinsichtlich der Schiffahrt nur verneinend 
lauten. 

Offenbar wollte der Dichter ein Lebensbild entwerfen, welches 
den Erfahrungen und Anschauungen der Durchschnittsmasse seiner 
/uhörer entsprach. Hierin aber konnte die Schiffahrt keinen Platz 
finden; denn diese hatte, da die damaligen Jonier überseeischen 
Handel nur in sehr beschränktem Mafse trieben,°) für die Mehrzahl 
der Bevölkerung gewifls nur eine ganz untergeordnete Bedeutung. 
Soweit das Epos einen Schlufls verstattet, war es nur eine geringe 


1) Besonders bezeichnend ist hierfür Od. IX 105 — 115, wp es von den Kyklopen 
heifst, dafs sie weder Getreide- noch Weinbau treiben und ihnen Volksver- 
sammlungen und BRechtssatzungen unbekannt sind. 2) Die verhältnismäfsig 
hohe Stufe, auf welcher die Bodenkultur der damaligen Jonier stand, er- 
hellt im besonderen aus Il. V 87—92, XXI 257—262; Od. IX 131—135, XVII 
297—299. 3) Il. IX 340—342, 399; Od. VI 180—185. 4) Besonders 1. XVI 
386—392; Od. IX 112, XIX 111. 5) Od. VIII 248: αἰεὶ δ᾽ ἡμῖν δαίς ve φίλη 
κίϑαρίς τε χοροί τε. IX 5: οὐ γὰρ ἔγωγέ τί φημι τέλος χαριέστερον εἶναι | ἢ 


ὕτ᾽ ἐδφροσύνη μὲν ἔχῃ κάτα δῆμον ἅπαντα. | δαιτυμόνες δ᾽ ἀνὰ δώματ᾽ ἀκουά- 
ζωνται ἀοιδοῦ, | ἥμενοι EEeing, παρὰ δὲ πλήϑωσι τράπεζαι τι. 5. W. 6) Zub: 
Od. XVII 470—473, XXI 18—19, XXIV 111—113. 7) Hist. of greek sculpture 
p. 45. 8) Oben Seite 16—18. 


ΧΧΧΙ. Der Schild des Achill. 397 


Minorität, in deren Leben das Schiff eine hervorragendere kolle spielte, 
nämlich unruhige Gesellen, welche das Meer befuhren, um Beute zu 
machen und sich dadurch rasch zu bereichern.') Dagegen safsen 
weitaus die meisten der Bürger, solange es anging, ruhig auf ihrer 
Scholle, den Arbeiten und den Genüssen eines friedlichen Lebens 
hingegeben”) Wenn Eumaios das Treiben der Beutegänger als ein 
unheimliches bezeichnet,?) so ist dies gewils der Ausdruck der 
öffentlichen Meinung, welche damals in den ionischen Städten 
herrschte. Die seekundigen Phäaken*) widersprechen dieser Auf- 
fassung in keiner Weise, da sie eben von der Dichtung als ein 
Wundervolk geschildert werden. Jedenfalls enthält das Epos 
mancherlei Angaben, welche bezeugen, dafs man sich nur ausnahms- 
weise und notgedrungen zu Seefahrten entschlols. Die Reise des 
Telemachos nach Pylos gilt für ein höchst gewagtes Unternehmen 
und erregt bei seinen Angehörigen die grölste Besorgnis.°) Dem 
Menelaos zerbricht das liebe Herz, als ihm Proteus mitteilt, dals er 
von der Insel Pharos nach der Nilmündung fahren müsse, um daselbst 
den Unsterblichen Opfer darzubringen.°) Odysseus, als er sich dem 
Eumaios gegenüber für einen Kreter ausgiebt, erzählt, die Arbeit 
und das Leben im Hause seien ihm zuwider gewesen, vielmehr habe 
er stets Schiffe, Kämpfe, Speere und Pfeile geliebt, traurige Dinge, 
welche für die anderen Menschen grauenerregend wären.‘) An einer 
anderen Stelle®) sagt er, der Hunger bereite den Menschen unsäg- 
liche Übel und seinethalben würden auch die Schiffe zur Meerfahrt 
gerüstet. Selbst der unsterbliche Gott Hermes erweist sich als 
wasserscheu, indem er zu Kalypso sagt:”) „Wer möchte freiwillig 
so unsäglich viele Salzflut durchlaufen?“ Die Abenteuerlust der da- 
maligen Jonier wird von den meisten modernen Geschichtsschreibern 
überschätzt. Bezeichnend für ihre geringe Kriegslust ist schon die 


1) Od. XIV 83—88, 222— 234. 2) Längere Entfernung vom Hause gilt 
für etwas Abnormes oder geradezu für ein Unglück: 1]. II 292—294; Od. ΠῚ 
313—315. Hingegen wird das ruhige Leben zu Hause als das höchste Glück 
gepriesen: Od. I 217—220. 3) Od. XIV 83—88. 4) Od. VI 270—273, VI 
84- 86, 109, 321—328, VIII 253, 556-563. 6) Od. II 271 ff., 363 ff, IV 663— 
666, 701 Εἰ, 731 ff., XIII 417—419, XVI 23—24, 142—145, 346—347, XVII 41—43. 
6) Od. IV 481-484. 7) Od. XIV 222: ἔργον δέ μοι οὐ φίλον ἔσκεν | οὐδ᾽ 
οἰκωφελίη, ἥτε τρέφει ἀγλαὰ τέκνα, | ἀλλά μοι αἰεὶ νῆες ἐπήρετμοι φίλαι ἦσαν | 


καὶ πόλεμοι καὶ ἄκοντες ἐΐξεστοι καὶ ὀϊστοί, | λυγρά, τάτ᾽ ἄλλοισίν γε καταριγηλὰ 
πέλονται. 8) Od. XVII 286: γαστέρα δ᾽ οὔπως ἔστιν ἀποκρύψαι μεμαυῖαν, | 
οὐλομένην, ἣ πολλὰ κάκ᾽ ἀνϑρώποισι δίδωσιν, | τῆς ἕνεκεν nal νῆες ἐύξυγοι ὁπλί. 
ζονται | πόντον ἐπ᾽ ἀτρύγετον, κακὰ δυσμενέεσσι φέρουσαι. Vgl. Od. VII 138— 
189. 9) Od. V 100: τίς δ᾽ ἂν ἑκὼν τοσσόνδε διαδρέίμοι ἁλμυρὸν ὕδωρ | 
ἄσπετον; 


398 Die Kunst. 


Mühe, die es dem Agamemnon kostet, den Feldzug gegen Troja zu 
Stande zu bringen; der König selbst begiebt sich mit Menelaos nach 
Ithaka, um Odysseus zur Teilnahme zu überreden;') Nestor und 
Odysseus unternehmen eine förmliche Werbefahrt durch ganz Griechen- 
land.?) Bietet dann ein König seine Mannschaft auf, so fehlt es nicht 
an Versuchen sich der Heeresfolge zu entziehen. Das Epos berichtet 
von Strafen, welche hiergegen verhängt werden.) Echepolos schenkt 
dem Agamemnon eine schöne Stute, damit er ihn zu Hause lasse.*) 
Unter den sieben Söhnen des Myrmidonen Polyktor wird einer aus- 
gelost, der dem Achill nach Troja folgen mufs.°) Von der wilden 
Heldengröfse, welche den Kriegern der germanischen Volkspoesie 
eigentümlich ist, denen das Dreinschlagen als solches die höchste 
Lust bereitet, findet sich bei den Achäern keine Spur. Der Kampf 
ist für sie nicht Zweck, sondern Mittel zum Zwecke‘) und er wird 
bisweilen auch von den hervorragendsten Helden als ein höchst lästiges 
Geschäft "empfunden, welches nur dann erträglich scheint, wenn ein 
entsprechender Lohn zu erwarten steht.) Es herrscht in dieser 
Hinsicht bereits die klassische Sinnesweise, der nichts ferner liegt 
als alles Planlose. Was für ein Aufwand von Mitteln ist nötig, um 
die Achäer nach dem Zwiste zwischen Agamemnon und Achill 
wiederum zum Ausrücken zu bestimmen!?®) Ein trügerischer von 
Zeus gesendeter Traum verheifst dem Agamemnon den Sieg, wenn 
er am folgenden Tage gegen die Troer schlüge. Hierauf beschliefst 
der Atride nach Übereinkunft mit den anderen Königen die Stimmung 
der Achäer zu erkunden. Er macht deshalb dem versammelten 
Kriegsvolke unter höchst drastischen Ausdrücken den Vorschlag die 
Belagerung aufzuheben und flüchtig nach Hause zurückzukehren. 
Dieser Vorschlag wird von der Versammlung nicht mit Indignation, 
sondern mit gröfstem Beifall aufgenommen und Athene mufs sich 
ins Mittel legen, damit er nieht zur Ausführung kommt. Sind dann 
die Achäer ins Feld gerückt, so zeigen sie bisweilen eine bedenkliche 
Nervosität. Man erinnere sich der panischen Schrecken, welche ur- 
plötzlich das ganze Heer befallen und ein allgemeines Ausreilsen zur 


1) Od. XXIV 115—118, 2). X 270, 3) Il. XIII 669. 4) Il. XXIII 
296. 5) Il. XXIV 400. Vgl. auch Od. XV 238—239. 6) Für den berech- 
tigtsten Kampf gilt der, welcher zur Verteidigung der Vaterstadt (Il. XII 243, 
XV 497—499, XVII 157—158; Od. XVII 470—473) oder, um erlittenes Unrecht, 
Raub der Herden oder Zerstörung der Saaten, zu rächen, unternommen wird 
(Il. I 152—157). 7) D. IX 315—322, XVI 494; Od. XII 262—264, XIV 222— 
234, Stellen, welche beweisen, dals bei einem Angriffskriege die Beute das 
Hauptziel war. 8) 11. IT 5ff, Bezeichnend ist auch die Freude, welche Achüer 
wie Troer empfinden, als der Krieg durch den Zweikampf zwischen Menelaos 
und Paris beendigt werden soll: Il. III 112, 298, 320. 


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XXXT. Der Schild des Achill. 399 


Folge haben.') Die packende und anschauliche Weise, in der solche 
Scenen geschildert sind, läfst deutlich darauf schliefsen, dafs die 
Dichter, wenn sie in den Reihen ihrer Mitbürger dem Feinde gegen- 
überstanden, ähnliche Erfahrungen an sich selbst oder an ihren 
Kameraden gemacht hatten.?) Auch gilt es keineswegs für eine 
Schande, wenn Krieger in gefährlichen Momenten ihre Furcht rück- 
haltslos zeigen. Als die Troer in das Schiffslager eingedrungen sind, 
weinen die Achäer, weil sie glauben, dafs nunmehr ihr Verderben 
sicher sei.°) Odysseus erzählt, wie die Könige der Achäer, als sie 
im hölzernen Pferde eingeschlossen waren, aus Angst weinten und 
an allen Gliedern zitterten.*) Einen geradezu komischen Eindruck 
macht es, wenn der Dichter des Hymnos auf Ares’) den Kriegsgott 
anfleht, die schlimme Feighejt von seinem Haupte zu verscheuchen 
und ihm Mut einzuflöfsen, und mit dem Wunsche schliefst, es möge 
ihm vergönnt sein friedlich zu leben, dem Getümmel der Feinde ent- 
ronnen.°) So nervös angelegten Naturen lag nichts ferner als aus 


1) Besonders Il. VIII 75ff., 97—98, XI 544ff., XV 320-327, XVII 597; 
Od. XIV 268—270, XVII 437—439, XXIV 533—536. Vgl. auch Od. XXIV 48—50. 
Ebenso verhält es sich mit den Troern: Tl. XV 1-4, XVI 656—659, XVII 
228— 231, 247—248. 2) Man beachte auch die drastische Schilderung, welche 
Idomeneus Il. XIII 279—283 von einem feigen Krieger entwirft. 3) I. AU] 
88. 89. 4) Od. ΧΙ 525—526. Vel. auch I. V 2348---9560, XVII 238—245, 
XIX 262. Die vergnügliche Weise, in der sich Archilochos fragm. 6 Bergk über 
seine Flucht und den Verlust seines Schildes äufsert, beweist, dafs die Jonier 
auch nach der Blüte des Epos an dieser Auffassungsweise festhielten. 
5) VIII 11. Ähnlich verhält es sich mit den Versen Il. IV 419-421, wo der 
Dichter, nachdem er geschildert, wie Diomedes in voller Rüstung von dem 
Wagen herabspringt, beifügt, dafs selbst ein mutiger Mann bei diesem Anblicke 
von Furcht ergriffen werden würde: ὑπό κεν ταλασίφρονά πὲρ δέος εἷλεν. Val. 
auch Il. XII 343—344. 6) Studniezka schreibt in der Zeitschrift für d. österr. 
Gymn. 1886 p. 206 über die obigen Bemerkungen, die sich auf den geringen 
Mut der damaligen Jonier beziehen, folgendermalsen: „Das Fehlen der Seefahrt 
in diesem Weltgemälde giebt Anlafs zu einem lehrreichen Exkurse (p. 292 ff.) 
über den Rückgang von Mut und Thatenlust bei den homerischen Griechen 
gegenüber der Heroenzeit. Aber der Exkurs erklärt nicht, was er soll. Der 
Krieg, der auf dem Schilde eine bedeutende Rolle spielt, war dem „nervösen“ 
Ionier doch nicht minder unangenehm als die Seefahrt“. Angesichts dieses Ur- 
teils scheint es mir geboten den Zusammenhang meiner Argumentation in aller 
Kürze zu rekapitulieren. Ich erkläre den Umstand, dafs die Schiffahrt in der 
Schildbeschreibung übergangen ist, daraus, dafs sie für die Mehrzahl der dama- 
ligen Jonier keine Bedeutung hatte. Es gehört physischer Mut dazu, um See- 
abenteuer zu bestehen. Dafs diese Eigenschaft bei den Joniern nur schwach 
entwickelt war, beweist ihre geringe Kriegslust. Ich wülste nicht, was sich gegen 
diese Schlufsfolgerung einwenden liefse. Wenn der Landkrieg in der Schild- 
beschreibung eine Rolle spielt, so erklärt sich dies daraus, dals die damaligen 
Griechen wider ihre Neigung durch die Verhältnisse genötigt waren, sich bis- 


400 Die Kunst, 


Abenteuerlust Beutefahrten nach Weise der Wikinge zu unternehmen. 
Vielmehr befafste man sich damit nur ausnahmsweise, wenn die Not 
dazu drängte oder die Hoffnung auf einen reichlichen Gewinn die 
Bedenken überwog. Hiernach scheint es ganz logisch, dafs ein Dichter, 
welcher die hauptsächlichsten Lebensbedingungen seiner Landsleute 
vergegenwärtigen wollte, von der Schiffahrt und den mit ihr verbun- 
denen Abenteuern Abstand nahm. 

Beiläufig sei bemerkt, dafs sich die im bisherigen angedeuteten 
Eigenschaften der damaliger Jonier zum gröfsten Teil aus der der 
Entstehung des Epos vorhergehenden Geschichte erklären lassen. Wir 
dürfen es als ein Gesetz aufstellen, dafs der physische Mut und die 
Thatenlust eines Volkes mit dem Alter seiner Kultur und der Menge 
der Erfahrungen, die es macht, stätig abnehmen. Bevor aber das 
Epos geschaffen wurde, hatten die Vorfahren der kleinasiatischen 
Griechen bereits ein Stadium üppiger orientalisierender Civilisation 
zurückgelegt; sie wurden durch den Einbruch der Dorier in dieser 
Entwickelung gestört, aus ihrer Heimat vertrieben und zeitweise 
in ihrer Kultur wie ın ihrem Wohlstande empfindlich geschädigt.!) 
Ein solches Schicksal mufste notwendig einen nachhaltigen Ein- 
druck ım Volksbewulstsein hinterlassen und dahin wirken, dafs 
das jugendliche Ungestüm einer mehr nachdenklichen Richtung Platz 
machte. 

Nach dieser Abschweifung wende ich mich zu der dem Zwecke 
dieses Buches näher liegenden Frage, wie nämlich das Verhältnis 
der Schildbeschreibung zu der bildenden Kunst aufzufassen ist.’) 

Weitaus die meisten Gelehrten nehmen an, dafs der Beschreibung 
ein wirklicher Schild zu Grunde liege, und halten es demnach für 
möglich den Bilderschmuck desselben zu rekonstruieren — eine An- 
sicht, die am eingehendsten und sorgfältigsten von Welcker?) und 
Brunn®) begründet worden ist. Andere dagegen, von denen ich 
Schnaase,°) Bursian,®) Friederichs’) und Matz®) namhaft mache, 
erklären die Beschreibung lediglich für ein Gebilde der poetischen 
Phantasie; der Dichter habe die Scenen, die er schildert, frei er- 


weilen damit zu befassen — eine Nötigung die hinsichtlich der Schiffahrt nicht 
vorlag. 1) Vgl. oben Seite 63—67. 2) Die ältere Litteratur hierüber ist 
zusammengestellt von Clemens, de Homeri clipeo Achilleo, Bonnae 1844. 8) Zeit- 
schrift für Gesch. der alten Kunst I p. 553—573. 4) Rheinisches Museum V 
(1847) p. 340—342; die Kunst bei Homer (Abhandlungen der bayer. Ak. d. W. 
I. Cl. XI. Bd. III. Abt.) p.8—17. 5) Geschichte der bildenden Künste II? p. 114. 
6) Griechische Kunst p. 397 (in der Encyklopädie von Ersch und Gruber, Theil 82). 
7) Die philostratischen Bilder p. 117—119, 223— 227, 8) Philologus XXXI 
(1872) p. 614—619. 


XXXI. Der Schild des Achill. 401 


funden ohne Rücksicht darauf, ob sie darstellbar seien und sich aus 
ihnen ein künstlerisches Ganze bilden liefse; höchstens sei er hie 
und da gewissermafsen unbewulst durch oberflächliche Reminiscenzen 
an Kunstwerke bestimmt worden. Neuerdings hat Petersen!) in 
umsichtiger Weise und mit scharfer Kritik den Versuch gemacht, 
das Einseitige der beiden Ansichten auf das richtige Mafs zurück- 
zuführen. 

Die Gliederung der Fläche, auf welcher wir den Bilderschmuck 
anzunehmen haben, ist hinlänglich klar. Da der Schild des Achill 
aus fünf Schichten zusammengesetzt war,?) so ergiebt sich ın der 
Mitte ein Rund und um dasselbe herum vier konzentrische Gürtel.) 
Nur bei einem Motive ist der Platz bezeichnet, nämlich dem Okeanos, 
dessen Darstellung sich längs des Schildrandes hinzog.*) Doch er- 
halten wir hierdurch einen Fingerzeig auch über die Anordnung der 
anderen Bilder. Wenn nämlich die Beschreibung, wie wir voraus- 
setzen dürfen, eine und dieselbe Richtung verfolgte, so mulfste sie, 
da sie mit dem Rande abschliefst, in der Mitte beginnen und von da 
nach der Peripherie vorschreiten. Hiernach verzierte die zu Anfang 
erwähnte kosmische Darstellung den in der Mitte des Schildes befind- 
lichen Kreis und entwickelten sich die. Bilder aus dem menschlichen 
Leben von der Mitte nach dem Rande zu in derselben Reihenfolge, 
in der sie von dem Dichter aufgezählt werden. Also liegt der Ge- 
danke nahe, diese Bilder auf den das mittlere Rund umgebenden Gür- 
teln zu verteilen, auf dreien, wenn man annimmt, dafs der Okeanos 
den vierten ἃ. 1. äufsersten Gürtel vollständig, auf vieren, wenn er 
nur den äufsersten Saum dieses Gürtels füllte. 

Inwieweit in dieser Anordnung ein künstlerisches Princip herrscht, 
ist besonders von Petersen°) in beinah erschöpfender Weise darge- 
legt worden. Die Schilderung des städtischen und die des ländlichen 
Lebens zerfallen beide in mehrere verschiedene Bilder und enthalten 
eine Fülle von mannigfach bewegten Figuren. In dem auf das Land- 
leben folgenden Reigentanze haben wir zwar eine geringere Mannig- 
faltigkeit der Motive, aber ebenfalls eine lebhafte Bewegung voraus- 
zusetzen. Also scheint es ein echt künstlerischer Gedanke diese 
Scenen durch einheitliche und ruhige Darstellungen zu begrenzen, 
wie es das kosmische Mittelbild und der Okeanos waren. Durch die 
Wahl des Mittelbildes ist zugleich eine andere, die äulsere Anordnung 


1) Kritische Bemerkungen zur ältesten Geschichte der griechischen Kunst 
p. 11—17. 2) I. XVII 481: πέντε δ᾽ ἄρ᾽ αὐτοῦ ἔσαν σάκεος πτύχες. Vgl. 
XX 267—272. 3) Vgl. oben Seite 319. 4) Il. XVII 607: ἐν δ᾽ ἐτίϑει πο- 
ταμοῖο μέγα σϑένος Aneavoio | ἄντυγα παρ᾽ πυμάτην σάκεος πύκα ποιητοῖο. 5) A. 
a. Ὁ, p. 12—13. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 26 


402 Die Kunst. 


der Komposition betreffende Schwierigkeit umgangen. Werden die 
Scenen aus dem menschlichen Leben auf den das mittlere Rund um- 
gebenden Gürteln angenommen, so hat man sich die letzteren voll 
von Figuren zu denken, die mit den Köpfen gegen den Mittelpunkt, 
mit den Fülsen gegen die Peripherie oder auch umgekehrt gerichtet 
sind. Das Mifsliche, im Centrum derartig verzierter Gürtel eine von 
menschlichen Figuren getragene Handlung wiederzugeben, leuchtet 
besonders ein, wenn wir die bekannten phönikischen Silberschalen 
vergleichen, deren Innenseiten eine ähnliche Gliederung, nämlich in 
der Mitte einen Kreis und um diesen herum koncentrische Gürtel, 
aufweisen. Es ist unmöglich das mittlere Rund einer solchen Schale 
mit der figürlichen Darstellung vollständig auszufüllen, da in diesem 
Falle die menschlichen Gestalten mit den zusammenstofsenden Köpfen 
ein wirres Durcheinander bilden würden. Die phönikischen Metall- 
künstler haben diese Schwierigkeit richtig erkannt und auf zwei ver- 
schiedenen Wegen zu umgehen versucht. Bisweilen geben sie den 
Figuren des Mittelbildes eine von denjenigen der Gürtel verschiedene 
Richtung, indem sie die ersteren auf einer den unteren Teil des 
Kreises durchschneidenden Sehne anordnen.') Wird dagegen auch in 
der Mitteldarstellung die konzentrische Richtung der Figuren festge- 
halten, so ist in dem Centrum ein leerer Raum ausgespart und dieser 
durch ein Ornament ausgefüllt.”) Bei dem ersteren Verfahren wirkt die 
abweichende Anordnung der mittleren Figuren entschieden als Disso- 
nanz. Ebensowenig aber konnte es dem Dichter rätlich scheinen das 
andere Verfahren einzuschlagen und ein Ornament oder ein Symbol, 
wie etwa das Gorgoneion,’) zum Mittelpunkte zu machen, da ein sol- 
ches aus dem den Bildereyklus beherrschenden Gedanken heraus- 
treten würde. Dagegen war die kosmische Darstellung hiefür sowohl 
der Idee wie der Form nach glücklich gewählt. Während sich auf 
den umliegenden Gürteln das menschliche Leben entwickelt, ver- 
gegenwärtigt das Mittelbild den Weltkörper, auf welchem, und die 
Gestirne, unter welchen dieses Leben stattfindet. Dem Inhalte nach 
über ein Ornament hinausgreifend, aber doch streng typischen Cha- 
rakters gab eine solche Darstellung innerhalb der lebendig bewegten 
Figurenbilder nicht nur einen ruhigen, sondern auch einen formell 

1) So z. B. de Longperier, Musde Napoleon ΠῚ pl. XI. Cesnola-Stern, Cy- 
pern T. LXVI. Mus. gregor. I T. LXIV 1, T. LXV—LXVI. Mon. dell’ Inst. X 
T. XXXI 1; Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 759 n. 543; unsere Fig. 1 
auf Seite 22. Mon. X T. XXXII 1; Perrot III p. 97 n. 36; unsere Fig. 2 auf S. 23. 
2) Vgl. z.B. die Schale von Idalion (oben Seite 34 Fig. 4); die auf unserer Taf. I 
abgebildete Schale von Amathus, ferner de Longp£rier a. a. O. pl. X; Cesnola-Stern 
a. a. 0. T. XIX, LVI, LXIX 4; Perrot et Chipiez II p. 743 n. 407. 3) Vgl. 
oben Seite 388—390. 


XXXI. Der Schild des Achill. 403 


klaren Mittelpunkt ab. Endlich ist hierbei noch die Stelle zu berück- 
sichtigen, welche der Reigentanz zwischen den städtischen und länd- 
lichen Scenen und dem Okeanos einnimmt. Über die Weise, in der 
eine unfreie Kunst, wie sie allein bei dieser Untersuchung in Betracht 
kommt, einen derartigen Gegenstand zu behandeln pflegt, geben eine 
phönikische Bronzeschale (oben Seite 34 Fig. 4)'), die Reliefs, welche 
auf einem zu Athen gefundenen, goldenen Diadem eingeprefst sind?) 
und altgriechische Vasenbilder?) die nötige Auskunft. In den Be- 
wegungen herrscht ein so strenger Parallelismus, dafs die Reihe der 
tanzenden Figuren beinahe den Eindruck eines ornamentalen Schemas 
macht. Denken wir uns den von dem Dichter geschilderten Reigen- 
tanz in ähnlicher Weise dargestellt, so bildet er ein organisches 
Übergangsglied von der bunten Bewegtheit der städtischen und länd- 
lichen Bilder zu der typischen Ruhe des Okeanos. 

Wenn demnach der dreifache Rand, der sich längs desselben 
hinziehende Okeanos, das Mittelbild und die Reihenfolge der Scenen 
vom Centrum nach der Peripherie zu in der Beschreibung deutlich 
erkennbar sind und diese Anordnung auf die Beobachtung künst- 
lerischer Prinzipien schliefsen läfst, so ergiebt sich, dafs der Dichter 
von der Gliederung des Bildereyklus, den er schildert, zum mindesten 
eine allgemeine Vorstellung hatte. Dagegen berechtigt die Weise, 
in der die Beschreibung gefalst ist, keineswegs zu der Annahme, dafs 
er einen in allen Einzelheiten durchgeführten Entwurf im Kopfe trug 
oder gar, dafs er einen in der Wirklichkeit existierenden Schild zu 
Grunde leste. 

Was zunächst die letztere Annahme betrifft, so läfst sie sich auf 
archäologischem Wege bestimmt widerlegen. Wir sind über die an- 
tiken Schildverzierungen durch die Schriftsteller und die Denkmäler 
hinlänglich unterrichtet. Die Motive, welche hierbei zur Anwendung 
kamen, scheiden sich in drei Gattungen, die jedoch bisweilen in ein- 
ander übergreifen, nämlich erstens in Apotropaia, zweitens in Bilder, 
welche in verschiedenartiger Weise die kriegerische Bestimmung des 
Schildes hervorheben, drittens in solche, die sich auf das Vaterland oder 


1) Die von Idalion (oben Seite 34 Fig. 4). 2) Arch. Zeitung XLII (1884) 
DRS pP. 99-101. 3) Eine Vase vom Dipylon: Mon. dell’ Inst. VIII 
T. XXXIX 2. Vgl. auch Arch. Zeitung XLII (1885) T. 8, 2 p. 135—136. Eine 
zu Tiryns gefundene Vasenscherbe verwandten Stiles: Schliemann, Tiryns 
T. ΧΥΠ ἃ p. 103—105. Eine bemalte Vase eigentümlicher Art, welche aus dem 
unter dem Namen der Grotta d’ Iside bekannten vulcenter Grabe stammt: 
Micali, mon. ined. T. IV A. Die Frangoisvase: Mon. dell’ Inst. IV T. LVII; 
archäol. Zeitg. 1850 T. XXIII G. Die cornetaner Tritonschale: Mon. dell’ Inst. 
XI T. XLI. Man vergleiche auch den Reigentanz auf dem im Alpheios gefun- 
denen Panzer: oben Seite 174, Anm. 8. 


26* 


404 Die Kunst. 


die Individualität des den Schild führenden Kriegers beziehen.) Der 
von dem Dichter beschriebene Bilderceyklus läfst sich in keine dieser 
Kategorien einfügen. Hätten ferner während des homerischen Zeitalters 
in den ionischen Städten ähnliche figurenreiche Schilde existiert, so 
würde man nach allen Analogieen anzunehmen haben, dafs sie aus dem 
Orient eingeführt oder von griechischer Hand nach orientalischen Vor- 
bildern gearbeitet waren. Bei den orientalischen Völkern aber, deren 
Kunstübung hierbei unmittelbar oder mittelbar in Betracht kommt, 
bei den Phönikiern, Agyptiern, Babyloniern und Assyrern, ist nichts 
Ähnliches nachweisbar. Das Gleiche gilt für die archaische Kunst 
der Griechen. Pausanias erwähnt in den Beschreibungen, die er von 
dem Inhalte der in seiner Periegese berücksichtigten Heiligtümer giebt, 
mancherlei Schilde, die gewils in ein hohes Altertum hinaufreichen,?) 
darunter aber keinen, der sich hinsichtlich des Reichtums der Bilder 
mit dem: des Achill vergleichen liefse. Ebenso beschränkt sich die 
attische Vasenmalerei, die seit Ausbildung der schwarzfigurigen Tech- 
nik die Einzelheiten mit grofser Ausführlichkeit behandelt, bei Dar- 
stellung des Schildschmuckes auf ein Symbol, eine Figur oder höch- 
stens eine Gruppe. Mögen ihr hierbei durch den beschränkten Raum 
Schranken gezogen gewesen sein, immerhin stünde zu erwarten, dafs 
die Maler, hätten sie figurenreiche Prachtschilde gekannt, zum min- 
desten Reflexe derartiger Eindrücke wiedergegeben haben würden,?) 
wie sie ja figürliche Gewandmuster anzudeuten wissen.*) Erst der 
Schild der Athena Parthenos’) läfst sich bis zu einem gewissen 
Grade mit der homerischen Beschreibung vergleichen, wiewohl 
auch dieser an Fülle der Darstellungen beträchtlich hinter der 
letzteren zurücksteht; denn der Amazonenkampf, mit dem Pheidias 
die Aufsenseite jenes Schildes schmückte, war eine in sich abgeschlos- 
sene Komposition, während das Epos einen umfangreichen Cyklus 
figurenreicher Kompositionen vergegenwärtigt. Endlich widerspricht 
der Annahme, dafs sich die Beschreibung auf einen wirklich vorhan- 
denen Schild bezieht, der improvisierende Charakter der epischen 
Schilderung, wie er durch die bereits angeführten Untersuchungen 
Herchers ©) in das richtige Licht gestellt worden ist. Wenn die troische 


1) Vgl. Fuchs, de ratione, quam veteres artifices in clipeis imaginibus ex- 
ornandis adhibuerint (Gott. 1852) p. 16 ff. 2) Vgl. besonders IV 16, 7, V119, 4. 
3) Die am reichsten verzierten Schilde, welche ich innerhalb der archaischen 
Kunst kenne, sind die einer Geryoneusstatue, welche im Temenos des Apoll 
bei Athienu auf Kypros gefunden wurde (Commentationes in honor. Mommseni 
p. 673—693). Auf jedem der drei Schilde dieser Statue sind drei Figuren er- 
kennbar: Döll, Sammlung Cesnola T. VII 8; Cesnola-Stern, Oypern T. XXXIV 1. 
4) Oben Seite 230. 5) Michaelis, der Parthenon p. 268, 269, 283—284. 
6) Oben Seite 17, Anm. 9. 


XXXI. Der Schild des Achill. 405 


Ebene, die Insel Ithaka und das Haus des Odysseus nicht nach einem 
bestimmt fixierten Plane behandelt, sondern die lokalen Einzelheiten 
allenthalben aus den Bedürfnissen der Handlung heraus gestaltet 
werden, dann scheint es unglaublich, dafs sich ein Dichter bei einer 
Beschreibung, die nicht weniger als 131 Verse füllt, sklavisch an ein 
bestimmtes Vorbild gebunden haben sollte. 

Wie Matz!) richtig hervorhebt, ist mit diesem freien Verfahren 
auch die Annahme schwer vereinbar, dafs sich der Dichter von dem 
Bilderschmuck einen eingehenden Entwurf ausgearbeitet habe. Zu- 
dem wäre ein solcher Entwurf eine ganz überflüssige Mühewaltung 
gewesen, da er in der Beschreibung nirgends hervortritt. Nur von 
dem den Rand umflutenden Okeanos ist der Platz bezeichnet, wogegen 
alle übrigen Schilderungen durch Ausdrücke eingeleitet werden,?) 
welche jeglichen Hinweises auf die Gliederung der betreffenden Bil- 
der entbehren. Zwar werden die Zuhörer, als der Dichter mit der 
kosmischen Darstellung anhob, diese sofort als Mittelbild erkannt 
und hieraus das Vorschreiten der Beschreibung von dem Centrum 
nach der Peripherie zu gefolgert haben. Doch reichte die Erkenntnis 
der Reihenfolge der zwischen dem Mittelbilde und dem Okeanos ge- 
schilderten Scenen selbstverständlich nicht aus, um von der Anord- 
nung derselben eine deutliche Vorstellung zu gewinnen. Es ist mög- 
lich und sogar wahrscheinlich, dafs der Dichter diese Bilder auf den 
das mittlere Rund umgebenden Gürteln annahm. Aber er weist mit 
keinem Worte auf diese Disposition hin, sondern reiht die Bilder 
einfach aneinander. Somit bleibt, sollen diese Bilder räumlich ge- 
sondert und gegliedert werden, nur ein sehr unsicheres Merkmal 
übrig, nämlich der Inhalt, der es verstattet, eine Reihe von Scenen 
als auf das städtische, eine andere als auf das ländliche Leben be- 
züglich zusammenzufassen, Gruppen, an die sich dann die einheit- 
liche Darstellung des Reigentanzes anschliefst. Eın moderner Gelehrter, 
der die Schildbeschreibung in seinem Studierzimmer wiederholt liest 
und analysiert, mag wohl darauf hin den Versuch machen, ob sich 
etwa die Bilder nach ihrem logischen Zusammenhange auf die ver- 
schiedenen Gürtel verteilen lassen. Doch hat man zu bedenken, dafs 
die Lieder des Epos nicht für ein lesendes, sondern für ein zuhören- 
des Publikum bestimmt waren. Es hiefse den Zuhörern wahrlich zu 
viel zumuten, sollten sie während des Vortrages eine gewisse Beihe 
von Scenen sofort als zusammengehörig erfassen, sich ein Bild da- 


1) Philologus XXX1 (1872) p. 617. 2) 483: ἐν μὲν γαῖαν ἔτευξ᾽. 490: ἐν 
δὲ δύω ποίησε πόλεις. 541: ἐν δ᾽ ἐτίϑει νειὸν μαλακήν. 550: ἐν δ᾽ ἐτίϑει τέμενος 
βαϑυλήϊον. 561: ἐν δ᾽ ἐτίϑει σταφυλῇσι μέγα βρίϑουσαν ἀλωήν. 573: ἐν δ᾽ ἀγέ- 
Anv ποίησε. 587: ἐν δὲ νομὸν ποίησε. 590: ἐν δὲ χορὸν ποίκιλλε. 


406 Die Kunst. 


von machen und dieses auf einem bestimmten Gürtel entwickelt 
vorstellen, sollten sie, wenn der Dichter zu der Schilderung eines 
anderen Cyklus überging, dies sofort bemerken und nunmehr ihre 
Aufmerksamkeit auf die Rekonstruktion eines zweiten Gürtels kon- 
centrieren. Das Anhören des Liedes würde dann kein Vergnügen, 
sondern eine Arbeit und zwar eine recht anstrengende Arbeit gewesen 
sein. Aber konnte nicht der Dichter zu Anfang der Beschreibung 
jedes Bildes die Stelle bezeichnen, an der er dasselbe angenommen 
wissen wollte? Auch dies hätte wenig genützt, da seine Zuhörer die 
knappen Andeutungen, auf die er sich beschränken mulste, über der 
Lebensfülle der darauf folgenden Schilderungen baldigst vergessen 
haben würden. Der Dichter hatte also vollständig recht, wenn er 
auf ein Verfahren verzichtete, von dem keine Wirkung zu hoffen war, 
und lediglich den Bedingungen seiner Poesie Rechnung trug: er 
reihte die Scenen ohne bestimmte Lokalangabe einfach aneinander 
und genügte somit dem Hauptzwecke des epischen Vortrages, lebens- 
volle Bilder vor die Phantasie zu zaubern. Jede einzelne Schilderung 
wirkte in dieser Weise. Die Zuhörer gaben sich in naiver Weise 
der Freude an der glänzenden Bilderreihe hin, die an ihrem Geiste 
vorüberzog, und dachten nicht daran, inwieweit sich alle diese Scenen 
gliedern und zu einem künstlerischen Ganzen vereinigen liefsen. Als 
endlich die Fülle der Darstellungen durch den den Rand umflutenden 
Okeanos ihren Abschlufs erhielt, haftete in ihrer Phantasie die all- 
gemeine Vorstellung eines wunderbaren Schildes, dessen formen- und 
farbenprächtiger Schmuck den Himmel und die Erde, die Freuden 
und die Leiden des Menschengeschlechtes vergegenwärtigte. | 

Wenn demnach der Dichter von der Gliederung der Scenen, die 
er zwischen dem Mittelbilde und der äufsersten Darstellung, dem 
Okeanos, beschreibt, keinen deutlichen Begriff geben wollte und konnte, 
so ist es unmöglich zu beurteilen, ob und inwieweit er selbst hier- 
von eine klare Vorstellung hatte. Der einzige Umstand, welcher bei 
dieser Frage geltend gemacht werden kann, ist die Stelle, welche 
der Reigentanz zwischen den städtischen und ländlichen Scenen und 
dem Okeanos einnimmt. Da diese Anordnung, wie im obigen be- 
merkt wurde, auf die Durchführung eines künstlerischen Prinzipes 
schliefsen läfst, so scheint es in der That, dafs dem Dichter eine 
mehr oder minder bestimmte Anordnung der Hauptgruppen vor- 
schwebte, dafs sich nach seiner Vorstellung das bunte Leben der 
städtischen und ländlichen Scenen um das kosmische Mittelbild herum 
entwickelte und diese Scenen wiederum von dem Reigentanz umgeben 
waren, dessen schematische Darstellung zu der typischen Ruhe des 
Ökeanos hinüberleitete. Doch liegt zwischen einer solchen allge- 


XXXI. Der Schild des Achill. 401 


meinen Vorstellung und einem förmlichen Entwurfe ein beträcht- 
licher Abstand. Wollen wir aber auch die Möglichkeit zugeben, dafs 
eine im wesentlichen ausgeführte Komposition vor dem geistigen 
Auge des Dichters stand, so fehlen uns die Mittel, dieselbe zu re- 
konstruieren; denn die Beschreibung giebt, wie gesagt, über die Glie- 
derung des Bilderschmuckes keinen genügenden Aufschlufs. Dazu 
kommt noch, dafs die Beschreibung nicht von einem Periegeten, 
sondern von einem Dichter und zwar von einem epischen Dichter 
herrührt. Es ist das Recht, ja die Pflicht des echten Epos, alles zu 
lebendigen Vorgängen zu gestalten. Der Dichter war somit, auch 
wo er ein Bildwerk zu Grunde legte, darauf angewiesen, den der Zeit 
nach einheitlichen Moment der Darstellung in eine Erzählung, d..i. 
in eine Aufeinanderfolge von Handlungen, aufzulösen. Es leuchtet 
ein, dafs die Bestimmung des bildlich dargestellten Momentes hier- 
durch in hohem Grade erschwert und subjektiven Auffassungen der 
weiteste Spielraum eröffnet wird. Indes sind diese Schwierigkeiten 
von Petersen!) in so schlagender Weise dargelegt worden, dafs es 
mir überflüssig scheint, darauf noch einmal ausführlicher zurückzu- 
kommen. Wollte man aber auch die Rekonstruktionsversuche als 
berechtigt anerkennen, immerhin würde ihr Wert für die Kunst- 
geschichte nur ein bedingter sein, da es sich nicht um einen von 
einem Künstler dargestellten, sondern von einem Dichter erfundenen 
Bildereyklus handelt. 

Indes erfindet ein Dichter niemals schlechthin Neues, sondern 
schafft mehr oder minder bewulst nach Erscheinungen, welche die 
ihn umgebende Wirklichkeit darbietet. Wenn demnach während des 
homerischen Zeitalters keine figurenreichen Prachtschilde vorhanden 
waren, so fragt es sich, auf was für realen Gegenständen dann seine 
Beschreibung beruht. Wie im obigen wahrscheinlich gemacht wurde,?) 
gab es damals Schilde, deren Bronzeüberzug mit geometrischen Orna- 
menten versehen war. Man könnte also vermuten, dafs der Dichter 
diesen schlichten Schmuck zu einer bilderreichen Dekoration gestei- 
gert habe. Jedoch scheint auch die Annahme zulässig, dafs seine 
Phantasie durch andere Kunstgegenstände angeregt wurde, welche 
hinsichtlich der Gliederung den damaligen Schilden entsprachen, aber 
mit figürlichen Darstellungen reich verziert waren. Unwillkürlich 
denkt man hierbei an die mehrfach erwähnten phönikischen Silber- 
schalen,’) deren Bilderschmuck sich auf einem mittleren Runde und 
auf koncentrischen Gürteln entwickelt — ein Gedanke, der umso 
näher liegt, als das monumentale Material für die Übertragung von 


1) A.a.0. p.13—16. 2) Seite 880---881, 384-—385. 3) Oben S. 21, Anm. 4. 


408 Die Kunst. 


Schalendekorationen auf Schilde einen schlagenden Beleg bietet. Wir 
kennen assyrische Bronzeschalen, deren Innenseiten mit drei kon- 
centrischen, um eine rosettenartige Verzierung herumlaufenden Tier- 
streifen verziert sind.') Dieselben Motive kehren in der gleichen 
Anordnung auf bronzenen Votivschilden wieder, die sich in Armenien 
sefunden, aber nach den darauf angebrachten Keilinschriften eben- 
falls in Mesopotamien gearbeitet zu sein scheinen.”) Perrot?) ver- 
mutet mit Recht, dafs diese Dekoration von entsprechenden Schalen 
entlehnt ist. 

Es tritt nunmehr die Frage an uns heran, in welcher Technik 
sich der Dichter den von ihm beschriebenen Bilderschmuck ausge- 
führt dachte. Auf den phönikischen Silberschalen, welche die Gliede- 
rung dieses Schmuckes bestimmt zu haben scheinen, sind die figürlichen 
und ornamentalen Verzierungen entweder einfach graviert oder leicht 
aus dem Metall herausgetrieben und dann mit dem Grabstichel über- 
sangen. Aulserdem zeigen mehrere Exemplare eine aufgelegte Ver- 
soldung, welche biweilen das ganze Gefäfs, bisweilen einzelne Teile 
desselben überzieht. Doch ist hierbei auch die Technik zu berücksich- 
tigen, die wir durch Schwert- und Dolchklingen und einen Silberbecher 
die aus den mykenäischen Schachtgräbern stammen, wie durch ein auf 
Thera gefundenes Schwert kennen.t) Diese Technik, die bereits bei Be- 
sprechung des Panzers des Agamemnon zum Vergleiche herangezogen 
wurde, bestand darin, dafs dünne ausgeschnittene Goldplättchen und 
schwarzglänzendes Email in den vertieften Metallgrund eingelegt wur- 
den.?) Fragen wir, auf welche der beiden Techniken die Schild- 
beschreibung schliefsen lälst, so ist damit, dafs die Figuren des Ares 
wie der Pallas nebst ihren Gewändern,°) die Hirten,’) zum Teil die 
Rinder®) und die von den tanzenden Jünglingen an silbernen Riemen 
getragenen Schwerter”)-als golden bezeichnet werden, nichts anzu- 
fangen; denn man kann hierbei mit gleichem Rechte an aufgelegte 
Vergoldung wie an eingelegtes Goldblatt denken. Anders verhält es 
sich dagegen mit den Angaben, dafs die Erde des Ackerfeldes, ob- 
wohl aus Gold gearbeitet, schwarz aussah,'”) dafs die Trauben in der 
Darstellung der Weinernte die gleiche Farbe hatten,'!) dafs der den 


1) Layard, a second series of the mon. of Nineveh pl. 60; Perrot et Chipiez, 
histoire de l’art II p. 743 n. 407. 2) Perrot et Chipiez a. ἃ. Ὁ, II p. 756 n. 415. 
Vgl. auch den kretischen Votivschild in den Mittheil. d. Inst. in Athen X p. 66. 
3) A.a.0. II p.756. 4) Oben Seite 59, Anm. 2, Seite 383, Anm.7, 8. 5) Oben 
Seite 383—384. 6) 517: ἄμφω χρυσείω, χρύσεια δὲ εἵματα ξἕσϑην. OLE 
χρύσειοι δὲ νομῆες ἅμ᾽ ἐστιχόωντο βόεσσιν. 8) 574: αἵ δὲ βόες χρυσοῖο τετεύ- 
χατο κασσιτέρου τε. 9) 597: μαχαίρας | εἶχον χρυσείας ἐξ ἀργυρέων τελαμώνων. 
10) 548: ἡ δὲ μελαίνετ᾽ ὄπισϑεν, ἀρηρομένῃ δὲ ἐῴκει, | χρυσείη περ ἐοῦσα" τὸ δὴ 
περὶ ϑαῦμα τέτυκτο. 11) 562: μέλανες δ᾽ ἀνὰ βότρυες ἦσαν. 


ΧΧΧΙ. Der Schild des Achill. 409 


« 


Weinberg umgebende Graben aus Kyanos bestand.!) Sie beweisen, 
dafs der Dichter auf dem Schilde Email annahm und zwar läfst sich 
die schwarze Farbe ohne Schwierigkeit auf das schwarzglänzende 
Email beziehen, welches wir als eines der wirksamsten Mittel des 
Intarsiaverfahrens kennen. Hiernach dürfen wir annehmen, dafs dem 
Dichter, wenigstens in gewissen Teilen seiner Beschreibung, die letz- 
tere Technik vorschwebte. 

Über den Kassiteros, aus dem der den Weinberg umgebende 
Zaun und zum Teil die Rinder gearbeitet waren, wurde bereits im 
XXI. Abschnitte?) das Nötige bemerkt. 

Von der Teehnik wende ich mich zu den auf der Schildfläche 
angebrachten Verzierungen. 

Unzweifelhaft ist es zunächst, dafs der Dichter, wenn er dem 
Schilde einen dreifachen Rand (ἄντυγα φαεινὴν τρίπλακα μαρμαρέην) 
zuschreibt, durch einen zu seiner Zeit üblichen Schildrand bestimmt 
wurde.?) 

Ebenso läfst die Beschreibung der figürlichen Scenen vielfach 
den Einflufs von bildlichen Darstellungen, die der Dichter gesehen, 
erkennen — ein Einflufs, der mit besonderer Deutlichkeit in der 
Schilderung der belagerten Stadt zu Tage tritt. 

Die betreffenden Verse®) lauten in sinngetreuer Übersetzung 
folgendermalsen: „Um die andere Stadt lagerten zwei Volksheere 
glänzend in Waffen. Zwiefach war ihre Absicht, entweder die Stadt 
zu zerstören oder alles ın zwei Teile zu teilen, was die liebliche Stadt 
an Besitz in sich schliefst. Diese jedoch — d. 1. die Städter — gaben 
noch nicht nach, sondern rüsteten sich heimlich zu einem Hinterhalte.“ 
Hieran schliefst sich die Beschreibung, wie die Herden der Belagerer 
von den Städtern überfallen werden, wie die Belagerer, als sie den 
Lärm vernehmen, aus der Volksversammlung zu Hilfe eilen und 
infolgedessen zwischen den beiden Heeren die Schlacht entbrennt. 
Friederichs?) nimmt mit Recht an, dafs unter den beiden die Stadt 
umlagernden Heeren nicht etwa das der Belagerer und das der Städter, 
sondern zwei verschiedene Belagerungsheere zu verstehen sind. Ebenso 
ist die in jenen Versen erwähnte Güterteilung von demselben Ge- 
lehrten richtig beurteilt worden: während das eine Heer auf die 
Zerstörung der Stadt dringt, will sich das andere damit begnügen, 

1) 564: ἀμφὶ δὲ nvavenv κάπετον, περὶ δ᾽ ἕρκος ἔλασσεν | κασσιτέρου. 
2) Oben Seite 284—285. 3) Oben Seite 385—386. 4) 509: τὴν δ᾽ ἑτέρην 
πόλιν ἀμφὶ δύω στρατοὶ εἵατο λαῶν | τεύχεσι λαμπόμενοι. δίχα δέ σφισιν ἥνδανε 
βουλὴ, | ἠὲ διαπραϑέειν ἢ ἄνδιχα πάντα δάσασϑαι, | κτῆσιν ὕσην πτολίεϑρον ἐπή- 
ρατον ἐντὸς ἐέργοι" οἵ δ᾽ οὔπω πείϑοντο, λόχῳ δ᾽ ὑπεϑωρήσσοντο. 5) Die 
philostratischen Bilder p. 223—225, 


410 Die Kunst. 


dals die Städter den Belagerern die Hälfte ihrer Güter abtreten. 
Allerlei Spuren lassen darauf schliefsen, dafs die Dorier bei ihren 
Eroberungen in der Peloponnes, wie die verschiedenen griechischen 
Stämme, welche Kleinasien und die benachbarten Inseln kolonisierten, 
der Bevölkerung, die sie vorfanden, bisweilen ähnliche Bedingungen 
auferlegten.') Und auch während des homerischen Zeitalters schei- 
nen die kriegführenden Parteien zuweilen derartige Verträge abge- 
schlossen zu haben, wie denn Hektor in der Ilias?) überlegt, ob er 
etwa den Achill durch Abtretung der Hälfte des troischen Besitzes 
beschwichtigen könne. 

Wiewohl jedoch Friederichs den Sinn jener Verse vollständig 
richtig erkannt hat, irrt er nichtsdestoweniger, indem er annimmt, 
dafs die auf die belagerte Stadt bezügliche Episode von dem Dichter 
frei erfunden sei. Er äulfsert sich hierüber folgendermalsen:?) „Zwei 
feindliche Heere umschliefsen eine Stadt, es ist also höchste Not 
drinnen — so erzählt der Diehter, um die That der Städter noch 
herrlicher zu machen. Aber die beiden Heere sind uneins, man 
schwankt zwischen harten und milderen Vorschlägen, zwischen Zer- 
störung und Güterverteilung. Den Moment, da die Feinde beraten, 
also die Stadt in Ruhe lassen, benutzen die Städter; eben um die 
That der Belagerten möglich zu machen, erfand der Dichter die Be- 
ratung der Feinde“ Wenn diese Inhaltsangabe der poetischen Dar- 
stellung genau entspräche, würde sich in der That eine wohl zusam- 
menhängende Erzählung ergeben und der Annahme, dafs dieselbe von 
dem Dichter frei erfunden sei, nichts im Wege stehen. Indes hat 
Friederichs die von ihm angenommene Motivierung ganz willkürlich 
in die Stelle hineininterpretiert. Das Hauptmoment in der Entwicke- 
lung der Ereignisse ist nach seiner Ansicht die Beratung, welche die 
beiden Heere abhalten, da durch diese die Aufmerksamkeit von der 
Stadt abgelenkt und den Bürgern der Ausfall ermöglicht werde. 
Wollte jedoch der Dichter die Handlung in dieser Weise motivieren, 
dann mufste er gleich zu Anfang die Volksversammlung scharf her- 
vorheben. Er thut dies aber nicht, sondern giebt nur an, dafs die 
Absichten der beiden Heere gegenüber der Stadt verschieden waren. 
Wenn die Zuhörer hieraus folgern sollten, dafs ein Kriegsrat abge- 
halten werde, um die verschiedenen Ansichten auszugleichen, so hiels 
dies doch ihrem Abstraktionsvermögen zuviel zumuten. Erst zwanzig 


1) Derartige Verträge sind anzunehmen, wenn in einer Stadt die ältere 
Bevölkerung oder einzelne Geschlechter derselben eine grölsere oder geringere 
Menge von politischen Rechten bewahrt hatten. 2) XXI 118—120. 3) A. 
a. ©. p. 225. 


XXXI Der Schild des Achill. 411 


Verse später erwähnt der Dichter die Volksversammlung, indem er 
berichtet, dafs die Belagerer, aufgeschreckt durch den von den Her- 
den her schallenden Lärm, von dem Versammlungsplatze den Hirten 
zu Hilfe eilen, und zwar erfolgt diese Erwähnung in ganz unvor- 
bereiteter und unerwarteter Weise; denn die Zuhörer konnten un- 
möglich erraten, dafs jene Versammlung mit den verschiedenen Ab- 
sichten der beiden Heere zusammenhängt, von denen lange vorher die 
Rede gewesen war. Also ist der folgerichtige und klare Zusammen- 
hang der Handlung, welchen Friederichs voraussetzt, nicht vorhanden. 
Aufserdem mülste man doch nach allen Erfahrungen der Kriegs- 
geschichte annehmen, dafs der Dichter, falls er, wie Friederichs ver- 
mutet, die Bedrängnis der Städter nachdrücklich hervorheben wollte, 
den beiden Belagerungsheeren nicht verschiedene, sondern einen ein- 
heitlichen Plan zugeschrieben haben würde. Dagegen erklärt sich 
das Auffällige der Schilderung in der ungezwungensten Weise, wenn 
wir mit Murray!) voraussetzen, dafs sie durch ein Bildwerk bestimmt 
wurde, welches die Belagerung einer Stadt darstellte und das Be- 
lagerungsheer zu beiden Seiten der Stadt gruppierte. Die auf unserer 
Tafel I abgebildete phönikische Silberschale von Amathus giebt ein 
Beispiel dieser Anordnung. Die belagerte Stadt bildet den Mittel- 
punkt des auf dem äufsersten Gürtel angebrachten Bildes; von der 
rechten Seite rücken die Feinde zum Angriff heran; auf der linken 
hat der Sturm bereits begonnen und suchen Leichtbewaffnete auf 
Sturmleitern die Mauern zu ersteigen, während hinter ihnen andere 
damit beschäftigt sind, die Pflanzungen der Städter zu zerstören.?) 
Offenbar schwebte dem Dichter ein Bildwerk vor, auf dem das Be- 
lagerungsheer in ähnlicher Weise in zwei Gruppen geteilt war. Dieser 
Umstand veranlalste zunächst die sonderbare Annahme zweier Be- 
lagerungsheere und hierauf weiter bauend verfiel dann der Dichter 
auf den noch sonderbareren Gedanken den beiden Heeren verschiedene 
Absichten zuzuschreiben. | 

Auf die Belagerung folgt der Kampf um die Herden. Dafs auch 
die letztere Episode durch Reminiscenzen an Bildwerke bestimmt ist, 
wird sich im weiteren als wahrscheinlich ergeben, wiewohl wir aulser 
stande sind für die ganze Scene eine in jeder Hinsicht zutreffende 
Analogie aus dem Denkmälervorrate beizubringen. Sollte aber auch 
die Schilderung des Kampfes vollständig frei erfunden sein, jedenfalls 
mulste diese Scene mit der vorher beschriebenen in Verbindung ge- 


1) Hist. of greek sculpture p. 49. 2) Der technische Ausdruck hierfür ist 
δενδροκοπεῖν. Vgl. Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere 3. Ausg. p. 111—114; 
4, Ausg. p. 104—106,. 


412 Die Kunst. 


bracht werden. Naturgemälser Weise verfiel der Dichter hierbei aus 
der Beschreibung in die Erzählung. Er mufste erklären, wie die 
Krieger, die vorher die Stadt umlagerten, nunmehr mit dem Feinde 
handgemein geworden sind. Ganz in dem Geiste seiner Dichtungs- 
gattung improvisierte er zu diesem Zwecke ein lebendig bewegtes 
Bild, nämlich die Volksversammlung, welche sich auflöst, als der 
Kampfeslärm von den Herden zu ihr dringt. In gewissen Teilen der 
Schilderung war seine Phantasie durch die ihm vorschwebenden Bild- 
werke gebunden. Wo es dagegen galt die bildlich dargestellten 
Handlungen durch Erzählung zu verbinden, hatte sie freien Spiel- 
raum. Durch die Erkenntnis dieser zwiefachen Elemente, welche 
den Dichter bestimmten, finden die Eigentümlichkeiten seiner Schilde- 
rung eine ganz naturgemälse Erklärung. 

Brunn!) hat für die Schildbeschreibung eine Reihe von Parallelen 
aus assyrischen Reliefs beigebracht und mit Recht behauptet, dafs 
diese Reliefs auch hinsichtlich der Vortragsweise geeignet sind die 
dem Dichter bekannten Bildwerke zu veranschaulichen. Da jedoch 
die damaligen Jonier die von den Phönikiern eingeführten Kunst- 
sachen vor allen anderen schätzten und wir annehmen dürfen, dafs 
ihre eigene künstlerische Produktion auf das vielseitigste durch die 
letzteren beeinflulst wurde,?) so scheint es geboten, besonders Denk- 
mäler aus phönikischem Kulturkreise zum Vergleiche heranzuziehen. 
Und in der That zeigen dieselben mit der Beschreibung mancherlei 
Berührungspunkte, die zum Teil schon von Murray?) richtig erkannt 
worden sind. Der auf der Schale von Amathus dargestellten Be- 
lagerung wurde bereits gedacht. Wie auf dem Schilde des Achill 
ist auf einem phönikischen oder karthagischen Silberkrater, der aus 
einem pränestiner Grabe stammt,*) eine Weinernte, auf einer schon 
mehrfach erwähnten Bronzeschale von Idalion (oben Seite 34 Fig.4)?) 
ein Reigentanz dargestellt. 

Auch eine Lekythos‘) der Gattung, für welche die Bemalung 
mit Streifen und laufenden Vierfülslern bezeichnend zu sein pflegt, ἢ) 
darf in diesem Zusammenhange berücksichtigt werden; denn es ist 
allgemein anerkannt, dafs diese Gattung von 'Thonvasen in engster 
Beziehung zu altorientalischen Metallgefäfsen steht.°) Auf jener Leky- 
thos ist ein Bild gemalt, welches in allem Wesentlichen mit einer 
von dem Dichter geschilderten Episode übereinstimmt (oben Seite 251 


” 


1) Die Kunst bei Homer p. 12—14. 2) Vgl. oben Seite 18—19, Seite 
36—38. 3) Hist. of greek sculpture p. 51—53. 4) Mon dell’ Inst. X 
T. XXI. _ 5) Oben Seite 35, Anm. 1. 6) Archäol. Zeitung XLI (1883) 


T. 10, 2; hiernach unsere Fig. 88. 7) Vgl.oben Seite 30, Anm. 4 und Seite 89. 
, - \ Ὕ “-᾿ 
8) Archäol, Zeitg. XXXIX (1881) p. 46 ff., XLI (1883) p. 159—160, 


XXXI. Der Schild des Achill. 413 


Fig. 88): zwei Löwen fallen einen Stier an, während Hirten mit 
Speer und Bogen herbeieilen, um die Raubtiere zu verscheuchen.') 

Für das kosmische Mittelbild verweist Brunn?) auf babylonische 
und assyrische Cylinder. Doch finden sich auch hierfür Analogieen 
auf phönikischen Bildwerken. Ein Skaraboid von Kurion?) zeigt 
oben die Sonne und den Mond und deutet darunter das feuchte Ble- 
ment durch eine Barke, die Erde durch streng stilisierte Pflanzen 
an. Der geflügelte Sonnendiskos und der Mond sind auf einer phöni- 
kischen Silberschale (oben Seite 22 Fig. 1)*) über einer Opferscene dar- 
gestellt. Hin zu Mykenae gefundenes goldenes Siegel von orientalischer 
Arbeit?) stellt oben Sonne und Mond dar, während darunter ange- 
brachte Wellenlinien, wie es scheint, das Meer andeuten — eine Dar- 
stellung, angesichts deren bereits Schliemann an das Mittelbild des 
Schildes dachte. Ich halte es nicht für unmöglich, dafs einmal eine 
phönikische Schale zu Tage kommt, deren mittlerer Kreis wie auf dem 
Schilde mit einer Gruppe von Himmelskörpern geschmückt ist. Kennen 
wir doch bereits zwei zu Nimrud gefundene phönikische Bronze- 
schüsseln, deren Reliefschmuck die Erde mit Bergen, Thälern, Bäumen 
und Tieren, wie aus der Vogelperspektive gesehen, wiedergiebt 
(Taf. 11). Endlich stimmen die phönikischen Metallkünstler mit 
dem Dichter auch darin überein, dafs sie die figürlichen Scenen mit 
mancherlei landschaftlichen Motiven ausstatten. Diese Darstellungs- 
weise hängt mit dem breiten chronikenartigen Vortrage zusammen, 
welcher allen orientalischen und von orientalischen Einflüssen be- 
stimmten Kunstübungen eigentümlich zu sein pflegt, und man er- 
kennt deutlich, dafs eine derartige Kunst auf die Schildbeschreibung 
eingewirkt hat. 

Selbstverständlich ist es möglich und sogar wahrscheinlich, dafs 
der Dichter, auch wo seine Schilderung durch Bildwerke bestimmt 
war, nichtsdestoweniger Motive eigener Erfindung beifügte. Hier- 
durch wird die Beurteilung, ob wir bei jenen Bildwerken ausschliefs- 
lich an phönikischen Import oder auch an Produkte der beginnenden 
griechischen Kunstübung zu denken haben, in hohem Grade er- 


1) I. XVIII 579: σμερδαλέω δὲ λέοντε δύ᾽ ἐν πρώτῃσι βόεσσιν ταῦρον ἐρύ- 
γμηλον ἐχέτην᾽ ὁ δὲ μακρὰ μεμυκὼς | ἕλκετο τὸν δὲ κύνες μετεκίαϑον ἠδ᾽ αἰξηοί. 
2) A. ἃ. Ο. p.14. Man sehe z.B. Lajard, recherches sur le culte de Venus pl. I 
16, pl. IV: Sonne, Mond und Sterne über den Betenden. De Voguö im Journal 
asiatique 1867 p. 152: der Mond, die fünf Planeten und die Sonne neben der 
Göttin Anat (Anaitis). 3) Cesnola-Stern, Cypern T. LXXX n. 11 p. 339. 
4) Oben Seite 402, Anm.1. 5) Schliemann, Mykenae p. 402 n. 530 (vgl. p. 408); 
Archäol. Zeitg. XLI (1883) p. 169. 6) Layard, a second series of the mon. of 
Nineveh pl. 61 (Perrot et Chipiez Il p. 742 n. 406) und 66 (hiernach unsere T. II) 


414 Die Kunst. 


schwert. An zwei Stellen erwähnt die Beschreibung Gestalten aus 
der griechischen Mythologie. Den Städtern, welche zum Hinterhalte 
ausrückten, schritten Ares und Pallas Athene voran, beide golden 
und mit goldenen Gewändern bekleidet, deutlich als Götter kennt- 
lich, da die Menschen in kleineren Dimensionen als sie dargestellt 
waren.‘) An dem Kampfe um die Herden beteiligten sich Eris, Ky- 
doimos und die verderbliche Ker, die einen frischverwundeten und 
einen unverwundeten Mann gefafst hielt und einen toten an den Fülsen 
durch das Schlachtgetümmel schleifte; sie trug um die Schultern ein 
von Männerblut gerötetes Gewand; die Schreckgestalten tummelten 
sich und kämpften wie Sterbliche und rissen sich gegenseitig die 
Leichname aus den Händen.?) Nehmen wir an, dafs der Dichter 
diese mythologischen Figuren bildlich dargestellt gesehen hat, so 
ergiebt sich zweierlei, erstens, dafs er auch durch Bildwerke von 
griechischer Hand beeinflulst war, zweitens, dafs die Griechen in 
der Zeit, der die Schildbeschreibung angehört, schon die ersten An- 
läufe zur mythologischen Darstellung genommen hatten. Doch scheint 
jene Annahme hinsichtlich der Gestalten des Ares und der Pallas 
zum mindesten zweifelhaft. Da das Epos beide Gottheiten an den 
Kämpfen zwischen den Achäern und Troern teilnehmen läfst, so lag 
es nahe genug ihre Gestalten in die Beschreibung eines kriegerischen 
Auszuges einzuschalten. Auch konnte der Dichter, wenn er irgend- 
wo vergoldete oder aus eingelestem Goldblatte gearbeitete Figuren 
gesehen hatte, eine derartige Technik um so leichter auf Ares 
und Pallas übertragen, als das Epos an anderen Stellen?) angiebt, 
dafs sich Götter mit Gold bekleiden oder wappnen. Endlich ist 
auch die übermenschliche Gröfse der Götter eine den Dichtern ganz 
seläufige Vorstellung.) Was dagegen die bei der Schlacht gegen- 
wärtigen Dämonen betrifft, so erscheint die Angabe, dafs sie sich 
tummeln und kämpfen wie Sterbliche, ungleich natürlicher, wenn 
man annimmt, dafs jene Ungeheuer nicht nur als poetische Ge- 
bilde, sondern plastisch ausgeprägt vor der Phantasie des Dichters 
standen. Zudem scheinen solche Schreckgestalten, wie bereits be- 


1) ID. XVII 516: ἦρχε δ᾽ ἄρα σφιν ’Aong καὶ Παλλὰς ᾿4ϑήνη, | ἄμφω χρυ- 
σείω, χρύσεια δ᾽ εἴματα ἔσϑην, | καλὼ καὶ μεγάλω σὺν τεύχεσιν, ὥστε Dem περ, | 
ἀμφὶς ἀριξζήλω- λαοὶ δ᾽ ὑπ᾽ ὀλίζονες ἦσαν. 2) I. XVII 535: &v δ᾽ "Eoıs, 
ἐν δὲ Κυδοιμὸς ὁμίλεον, ἐν δ᾽ ὀλοὴ Κὴρ, | ἄλλον ξωὸν ἔχουσα νεούτατον, ἄλλον 
ἄουτον, | ἄλλον τεϑνηῶτα κατὰ μόϑον ἕλκε ποδοῖν": εἷμα δ᾽ ἔχ᾽ ἀμφ᾽ ὥὦμοισι 
δαφοινεὸν αἵματι φωτῶν.  ὡμίλευν δ᾽ ὥστε ζωοὶ βροτοὶ ἠδ᾽ ἐμάχοντο, | νεχρούς ᾿ 
τ᾽ ἀλλήλων ἔρυον κατατεϑνηῶτας. 3) I. VIII 48, XII 25 (oben Seite 58, 
Anm. 5). 4) Das Haupt der Eris berührt den Himmel: Il. IV 443. Der von 
Athene niedergestreckte Ares bedeckte eine Strecke von sieben Plethra: 
D. XXI 407. 


XXXI. Der Schild des Achill. 415 


merkt wurde,') zu den ältesten figürlichen Typen der griechischen 
Kunst zu gehören und es darf zum mindesten ein Typus aus diesem 
Kreise, das (Gorgoneion, mit Sicherheit dem homerischen Zeitalter 
zugeschrieben werden.’) Hiernach ist es zwar nicht gewils, aber doch 
wahrscheinlich, dafs dem Dichter bei der Beschreibung des Kampfes 
um die Herden ein griechisches Bildwerk vorschwebte. 

Fassen wir diese einzelnen Resultate zusammen, so ergiebt sich 
folgende Auffassung: der Schild als Ganzes ist ein Gebilde der 
poetischen Phantasie. Dagegen sind die Beschreibungen der einzelnen 
Dcenen vielfach durch bildliche Darstellungen bestimmt. Man hat 
diese Darstellungen vorwiegend auf den von den Phönikiern impor- 
tierten Metallgefäfsen oder auf griechischen Nachahmungen der letz- 
teren anzunehmen. Doch war, wie es scheint, daneben auch die 
Erinnerung an griechische Bildwerke wirksam, in denen der nationale 
Geist bereits einen individuellen Ausdruck gewonnen hatte. Was die 
Anordnung der Dekoration betrifft, so ist es gewils, dafs das kos- 
mische Mittelbild und der den Rand umgebende Okeanos fest lokali- 
siert vor der Phantasie des Dichters standen, wogegen es ungewils 
bleibt, inwieweit er eine klare Vorstellung von der Disposition der 
Scenen hatte, welche er zwischen jenen beiden Darstellungen be- 
schreibt. 

Mufs somit der Schild des Achill aus der Reihe der griechischen 
Bildwerke gestrichen werden, immerhin ist er für die Beurteilung 
der griechischen Kunstentwickelung von Wichtigkeit. Der Gedanke 
des Dichters sich die Welt und das Menschenleben in einem umfang- 
reichen, in sich abgeschlossenen Bildercyklus geschildert vorzustellen, 
ist eines grolsen Künstlers würdig. Ferner verraten die auf das 
Leben bezüglichen Schilderungen ein offenes Auge für alle Seiten 
des menschlichen Treibens und die Fähigkeit die Erscheinungen nicht 
nur zu erfassen, sondern auch zu sichten und zu ordnen. Durch 
die treffend gewählten Scenen wird gewissermafsen der Mikrokosmos 
der damaligen ionischen Welt vergegenwärtigt. Dabei erweist sich 
der Dichter bereits als Meister in einem der wirksamsten Darstellungs- 
mittel der griechischen Kunst, nämlich in der Antithese. Doch be- 
schränkt sich sein Talent nicht auf das rein ideelle Gebiet, sondern 
er besitzt auch die Fähigkeit zum mindesten einzelne der Bilder, aus 
denen er die Dekoration zusammensetzt, nach ästhetischen Gesichts- 
punkten anzuordnen. Somit ist die Beschreibung des Schildes ein 
glänzendes Denkmal der künstlerischen Begabung des Dichters. Vor 
seinem geistigen Auge stand ein inhaltreicher Bildereyklus, von 


— 


1) Oben Seite 389, Anm. 4. 2) Vgl. oben Seite 388—390. 


410 Die Kunst. i 


einer einheitlichen Idee durchdrungen und wenigstens zum Teil künst- 
lerisch gegliedert. Aber weder der Dichter noch irgend einer seiner 
Zeitgenossen war im stande einer derartigen Konzeption eine plastische 
Form zu geben. Vielmehr bedurfte es noch der Arbeit mehrerer 
Menschenalter, bis die griechische Kunst die hierfür erforderlichen 
Mittel erwarb. Das älteste sicher beglaubigte Denkmal, welches einen 
ähnlichen Ideenreichtum nach ähnlichen Prinzipien zur Darstellung 
brachte, war, soweit unsere Kenntnis reicht, der Kasten des Kypse- 
los, dessen Herstellung mindestens ein Jahrhundert nach Abschlufs 
des Epos erfolgte. Hätte der Dichter in einer Epoche vorgeschritte- 
nerer Kunstübung gelebt, so wäre er vielleicht ein grofser Künstler 
geworden und würde sein Name neben denen des Polygnot oder 
Pheidias genannt werden. 


‚ XXXIL. Die Grötterbilder. 


Alle ım bisherigen besprochenen Schilderungen beziehen sich 
auf Gegenstände der dekorativen Kunst. Fragen wir nunmehr, ob 
während des homerischen Zeitalters aulser solchen dekorativen auch 
monumentale Kunstwerke vorhanden waren, so muls die Antwort 
entschieden verneinend lauten. Das Epos gedenkt nirgends eines 
Bildwerkes, welches auf eine selbständige künstlerische Wirkung 
berechnet wäre. Diesem Satze widerspricht es keineswegs, dafs in 
der Ilias’) ein Idol der troischen Athene erwähnt wird. Vielmehr hat 
man zu bedenken, dafs ein Kultusbild nicht einem rein ästhetischen, 
sondern in erster Linie dem religiösen Bedürfnisse zu genügen hat 
und dafs jugendliche Völker, die von dem Glauben an die Gottheit 
erfüllt sind, nicht so sehr ein Bild derselben, als ein symbolisches 
Zeichen ihrer Gegenwart verlangen. Liegen doch mannigfache Zeug- 
nisse vor, dafs die Griechen, bevor die bildliche Darstellung der 
Götter üblich wurde, ihre Andacht vor Steinen, Steinpfeilern oder 
Holzpfählen verrichteten und dafs auch nach Einführung der Idole 
derartige Symbole in einzelnen Heiligtümern die Mittelpunkte des 
Kultus blieben.?) 

Ferner fragt es sich, ob die Idole, welche sich während des 
homerischen Zeitalters in den ionischen Städten befanden, Arbeiten 
von griechischer Hand waren. Wie in Italien wurden auch in Klein- 
asien und in Griechenland die Götter ursprünglich ohne anthro- 
pomorphisches Bild und ohne Tempel verehrt. Auf der Pergamos 


1) 11. VI 90: πέπλον... ϑεῖναι Adnvalng ἐπὶ γούνασιν Münduoıo. 273: 
τὸν ϑὲς Adıwalng ἐπὶ γούνασιν ἠὐκόμοιο. 808: ϑῆκεν Adnvalng ἐπὶ γούνασιν 
ἠὐκόμοιο. 2) Overbeck in den Ber. ἃ. sächs. Ges. d. Wiss. 1864 p. 121 ff. 


XXXII Die Götterbilder. 417 


von Hissarlik hat sich keine Spur eines Tempels gefunden und 
ebensowenig ist ein solcher nachweisbar unter den Bauten, welche 
vor der dorischen Wanderung zu Mykenae und Tiryns aufgeführt 
wurden.') Man betete und opferte damals in Hainen, die bisweilen 
eingefriedigt, bisweilen offen waren und als einziges Werk von 
Menschenhand einen Altar enthielten — ein Gebrauch, über den im 
besonderen die Ausgrabungen von Olympia und auf Kypros inter- 
essante Aufschlüsse gegeben haben.”) Die Weihgaben wurden an 
den Altären befestigt, auf den Stufen derselben niedergelegt oder 
an den umstehenden Bäumen aufgehangen. Erst in einer späteren 
Zeit begann die Verehrung von in Tempeln aufgestellten Götter- 
bildern.) Und zwar scheint auch diese Neuerung durch orienta- 
lische Einflüsse bestimmt. Dafs eine derartige Kultusform bei den 
Ägyptern, Chaldäern und Phönikiern in das höchste Altertum hinauf- 
‚reicht, ist allgemein bekannt. Aufserdem werden die ältesten in 
Griechenland befindlichen Tempel von der Überlieferung ausdrück- 
lich als orientalische Gründungen bezeichnet und nach derselben 
Richtung weisen die ältesten Idole, über deren Bildung wir einiger- 
malsen genau unterrichtet sind.*) 

Andererseits steht es fest, dafs die Griechen, welche sich in 
Kleinasien und auf den benachbarten Inseln niederliefsen, vielfach 


1) Adter bei Schliemann, Tiryns p. VIII. 2) Curtius, die Altäre von Olympia 
(Abhandl. der Berl. Akademie 1881) p. 9—12. Wie mir Herr Ohnefalsch-Richter 
brieflich mitteilt, kann er auf Kypros nicht weniger als 28 solcher tempelloser 
Heilistümer nachweisen. Derselbe Gelehrte schreibt mir: „Ich grub 1885 in 
Dali einen noch weiter blofszulegenden heiligen Bezirk an, in dem offenbar die 
Sitte die Weihgeschenke an den daselbst befindlichen Bäumen aufzuhängen 
überwog. Es fanden sich dabei Masken von Menschen wie von Tieren mit 
Löchern, die zum Aufhängen dienten.‘ 8) Wenn im Hymn. I (in Apoll. Del.) 
76, 143, und II (in Apoll. Pyth.) 43, 67 Tempel und Hain des Apollo neben ein- 
ander erwähnt werden, so läfst dies darauf schlielsen, dafs die ältesten Tempel in 
Hainen angelegt wurden und sich demnach die jüngere Kultusweise unmittelbar an 
die ältere anschlols, wie es auch in der Altis der Fall war. 4) Der Aphrodite- 
tempel auf Kythere, den die Überlieferung als das älteste Heiligtum dieser Göttin 
in Griechenland bezeichnete, galt für eine phönikische Gründung (Herodot I 105; 
Pausan. 115,5, III 23, 1). Das darin befindliche Schnitzbild stellte die Göttin 
bewaffnet dar (Pausan. ΠΠ| 23, 1), unter welcher Gestalt die Astarte zu Sidon, auf 
Kypros und zu Karthago verehrt wurde (Movers, die Phönizier II 2 p. 270— 272). 
In die gleiche Kategorie gehört das uralte Schnitzbild der gerüsteten Aphrodite 
im Tempel der Aphrodite Areia zu Sparta (Pausan. III 15, 10, III 17,5. Vgl. 
Movers a. a. O. p. 272). Wenn Pausanias I 42, 5 berichtet, dals zwei alte aus 
Ebenholz gearbeitete Idole des Apoll, die sich zu Megara im Tempel dieses 
Gottes befanden, ägyptischen Holzbildern glichen, so wird man darin phöni- 
kische Arbeiten ägyptisierenden Stiles zu erkennen haben. Vgl. auch Pausan, 
2719, 18: II 24, 3. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 27 


418 Die Kunst. 


Kulte der daselbst einheimischen Bevölkerung annahmen. So über- 
nahmen die Dorier, die sich zu Lindos auf Rhodos festsetzten, den 
Kultus einer orientalischen Göttin, deren Tempel und Idol auf Danaos 
oder seine Töchter zurückgeführt wurden und der die Griechen den 
Namen der Athene beilegten.) Der semitische Ursprung des zu 
Jalysos verehrten Poseidon erhellt daraus, dafs die Überlieferung den 
Kadmos als Gründer seines Heilistumes bezeichnete und das Priester- 
tum auch unter dorischer Herrschaft in bestimmten Familien phöni- 
kischer Abkunft erblich blieb.”) Ebenso galt der didymäische Apoll 
für eine Gottheit, deren Kultus über den Beginn der ionischen Kolo- 
nisation hinaufreichte.°) Ferner gehören hierher die semitische 
Mondgöttin, welche die Ephesier unter dem Namen der Artemis 
anbeteten,*) und der ebenfalls semitische Priapos, dessen Kultus in 
den am Hellespont und an der Propontis gelegenen Griechenstädten 
eifrig gepflegt wurde.’) Der in Erythrä verehrte Herakles war der 
tyrische Melkart; denn das Idol stellte den Gott nach phönikischer 
Auffassung dar, wie er, auf einem Flosse stehend, sich anschickt 
seine Reise von Tyros nach dem Westen anzutreten.°) Da Pausanias 
dieses Idol als ein ägyptisches bezeichnet, so dürfen wir darin ein 
phönikisches Werk ägyptisierenden Stiles erkennen. Dafs die lonier 
auf Thasos von den dortigen Phönikiern den Kultus des Melkart an- 
nahmen, wurde bereits bemerkt.’) Die ionischen Kolonisten, welche 
Herakleia am Pontos gründeten, machten das Grab des Idmon, d. 1. 
des Adonis, zum Mittelpunkte der Stadt,°) nahmen also ebenfalls 
einen daselbst vor ihrer Ankunft bestehenden Kultus an. | 
Dafs bei der Übernahme solcher fremden Kulte das von alters 
her vorhandene Götterbild festgehalten wurde, ist an und für sich 
wahrscheinlich und findet in mancherlei Zeugnissen Bestätigung. Die 
zu Erythrä verehrte Heraklesfigur kann nach den Angaben des 
Pausanias nichts anderes als ein phönikisches Idol gewesen sein. 
Ebenso zeigt das älteste auf ephesischen Münzen dargestellte Artemis- 
bild’) deutlich einen asiatischen Typus und weist die Charakteristik 
des Priapos noch in der späteren griechischen Kunst, dem Inhalte 
wie der Form nach, auf eine orientalische Grundlage zurück. Wenn 
endlich das Athenebild zu Lindos für eine Stiftung des Danaos oder 
seiner Töchter galt, so läfst dies ebenfalls auf eine altertümliche 


1) Herodot II 182; Diodor V 58; Apollodor, bibl. Π 1, 4. Vgl. Movers, 
die Phönizier II 2 p. 254—255. 2) Diodor V 58. Vgl. Movers a. a. O. p. 252. 
3) Pausan. VII 2, 6. 4) GCurtius, Ephesos p. 6—7, p. 36. 5) Movers 
a. a. OÖ. p. 295—297. 6) Pausan. VII 5, 3. 7) Oben Seite 11. 8) Schol. 
Apollon. Rhod. II 843. Vgl. Movers a. a. Ὁ. p. 301—302. 9) Curtius, Ephesos 
TE 


XXXI. Die Götterbilder. 419 


ungriechische Arbeit schliefsen. Nach alledem dürfen wir annehmen, 
dafs die während des homerischen Zeitalters in den ionischen 
Städten vorhandenen Idole wenigstens zum Teil nicht von griechi- 
scher Hand gearbeitet, sondern aus alten einheimischen Kulten über- 
nommen waren. | 

Obwohl das Epos nur eines Götterbildes, nämlich desjenigen der 
troischen Athene, gedenkt, scheint es doch, dafs die Dichter solche 
Bilder auch in anderen Heilistümern voraussetzten. Wie im obigen 
gezeigt wurde, fand der griechische Kultus ursprünglich in Hainen 
und erst später in Tempeln statt. Es leuchtet aber ein, dafs die Ein- 
führung des letzteren Gebrauches durch die anthropomorphische Vor- 
stellung, dafs die Gottheit ihr Wohnhaus haben müsse,') bestimmt 
wurde und dafs diese Vorstellung besonders nahe lag, wenn die Gott- 
heit durch ein greifbares Kultusobjekt vergegenwärtigt war. Also 
darf man es — abgesehen von ganz vereinzelten Ausnahmen, die 
sich einer eingehenderen Beurteilung entziehen’) — als Regel auf- 
stellen, dafs jeder Tempel ein Kultusobjekt enthielt, und demnach in 
jedem Heiligtum, welches die Dichter durch das Wort vnds „Wohnung“ 
bezeichnen, zum mindesten ein Symbol oder, wie in dem troischen 
Tempel der Athene, ein Götterbild annehmen. Überblicken wir aber 
alle auf Kultusstätten bezüglichen Angaben des Epos, so stellt es 
sich heraus, dafs der ältere bild- und tempellose und der jüngere in 
Tempeln stattfindende Gottesdienst nebeneinander hergingen, jedoch 
in der Weise, dafs der erstere ungleich verbreiteter war, als der 
letztere. 

Wie das Epos berichtet, waren dem Zeus auf dem 148,5) der 
Aphrodite zu Paphos?) und dem Spercheios im Gebiete der Myr- 
midonen?) ein heiliger Bezirk und ein duftender Altar geweiht. Hätten 
die Diehter in diesen Bezirken einen Tempel angenommen, so 
würde es ihnen viel näher gelegen haben diesen hervorzuheben als 
den Altar. Ebenso spricht Odysseus‘) vom Altare des delischen 


1) Der troische Tempel der Athene wird Il. VI 89 geradezu als ἱερὸς 
δόμος bezeichnet. 2) Aus griechischem Kultuskreise wülste ich nur den bild- 
losen Tempel der Ganymeda zu Phlius anzuführen: Pausan. Il 13,3. Vgl. Curtius, 
Peloponnesos II p. 472. 3) Il. VIII 47: Ἴδην δ᾽ ἵκανεν πολυπίδακα, μητέρα 
ϑηρῶν, | Γάργαρον: ἔνϑα δέ οἵ τέμενος βωμός τε ϑνήεις. Vgl. Il. XXI 170, 171. 
Der Priester dieses Heiligtumes, Onetor, wird Il. XVI 604 erwähnt. 4) Od. 
VII 363. Dagegen wird im Hymn. IV (in Vener.) 58 das paphische Heiligtum 
bereits als νηός bezeichnet. 5) Il. XXIII 148. Auch der Dichter des Hymn. 
II (in Apoll. Pyth.) 206 läfst den Apoll, als er seinen Kult in dem Gebiete der 
Quelle Telphusa einführt, nur einen Altar in einem baumreichen Haine anlegen. 
6) Od. VI 162—163. Auch im Hymnos I (in Apoll. Del.) 87—88 schwört Leto, 
dafs Apoll auf Delos einen Altar und einen Hain haben werde, Dagegen ist an 


me 2 


27 


420 Die Kunst. 


Apoll und der darüber emporragenden Palme, ohne einen Tempel 
oder ein Idol zu erwähnen. Sehr ausführlich und anschaulich ist die 
Schilderung des Haines (ἄλσος) der Nymphen auf Ithaka:') von 
einem hohen Felsen, auf dem der Altar der Nymphen steht, stürzt 
eine kalte Quelle herab, die unten künstlich gefafst ist; um’ den 
Felsen herum breitet sich ein kreisförmiger Hain von Pappeln aus. 
Da ein Tempel und Idole der Nymphen die Physiognomie der Land- 
schaft in der nachdrücklichsten Weise bedingt haben würden, so 
beweist das Stillschweigen des Dichters hierüber, dafs er sich den 
Hain tempel- und bildlos dachte.”) Von dem vor der Stadt der Phäaken 
gelegenen Haine der Athene wird angegeben,?) dafs er von einer 
Quelle durchströmt und von einer Wiese umgeben war. Auch hier 
verlautet kein Wort von einem Tempel oder einem Idole, obwohl es 
besonders nahe lag, darauf hinzuweisen, als Odysseus, bei dem Haine 
angelangt, sein Gebet an die Göttin richtet. Als ähnliche tempel- 
und bildlose Heiligtümer haben wir den Hain des Apoll zu Ismaros,*) 
den desselben Gottes auf Ithaka?) und den des Poseidon zu Onche- 
stos®) aufzufassen. Ferner gehören hierher die Eiche des dodo- 
näischen Zeus‘) und eine andere demselben Gotte geheiligte Eiche, 
welche die Dichter als im troischen Gefilde befindlich erwähnen.®) 
Agamemnon rühmt sich, auf seiner Fahrt nach Troja allenthalben, 
wo er einen Altar des Zeus vorfand, das Fett und die Schenkel- 
knochen von Rindern verbrannt zu haben.”) Als Aigisthos die Kly- 
tämnestra heimgeführt, verbrennt er auf den heiligen Altären der Götter 
viele Schenkelknochen von Opfertieren und hängt viele Kleinodien, Ge- 
webe und Gold, auf'”) — letzteres ein Ausdruck, bei dem man unwill- 
kürlich an den besonders durch die olympischen und kyprischen Aus- 
srabungen bekannten Gebrauch, die Weihgeschenke an den Altären 


anderen Stellen (52, 56, 76, 80) bereits von dem Tempel die Rede. 1) Od. 
XVII 205—211. 2) Vergleichen läfst sich folgende mir von Herrn Ohnefalsch- 
Richter gütigst mitgeteilte Notiz: „Ich wies 1885 bei Lithrodonta die Verehrung 
einer Quelle unter freiem Himmel durch eine Ausgrabung nach. Die Quelle 
entspringt an einer steilen Bergwand. Keine Spur von einem Bilde oder einem 
Tempel. Die Wallfahrer legten an der heiligen Quelle Lampen und Münzen 
nieder“, 3) Od. VI 291, 292, 321. 4) Od. IX 200: ὦκει γὰρ ἐν ἄλσεϊ δὲεν- 
δρήεντι | Φοίβου ᾿Ζπόλλωνος. 5) Od. XX 278: ἄλσος ὕπο σκιερὸν ἑκατηβόλου 
᾿“πόλλωνος. 6) I. II 506: Ὄγχηστόν ὃ᾽ ἱερὸν, Ποσιδήϊον ἀγλαὸν ἄλσος. Vgl. 
Hymn. IH (in Apoll. Pyth.) 52, III (in Merc.) 186, 187. 7) 00: 21V 228. 
XIX 297. 8) Il. V 693: ὑπ᾽ αἰγιόχοιο Jıög περικαλλέϊ φηγῷ. VII 60: φηγῷ 
ἐφ᾽ ὑψηλῇ πατρὸς Διὸς αἰγιόχοιο. Vgl. VII 22, XI 170. 9) VIII 238—240. 
Ein Altar des Zeus stand auch im Lager der Achäer (I. VIII 251. Vgl. XI 
808) und im Hofe des Odysseus (Od. XXII 379). 10) Od. III 273: πολλὰ δὲ 
μηρί Zune ϑεῶν ἱεροῖς ἐπὶ βωμοῖς, | πολλὰ δ᾽ ἀγάλματ᾽ ἀνῆψεν, ὑφάσματά TE 
χρυσόν τε. 


XXXII. Die Götterbilder. 421 


oder den sie umgebenden Bäumen aufzuhängen, denken wird. Be- 
sonders deutlich jedoch tritt die ältere Kultusweise in der Schilderung 
des Opfers hervor, welches die Achäer zu Aulis darbringen:') sie 
opfern an einer Quelle auf heiligen Altären unter einer schönen Pla- 
tane, unter der herrliches Wasser entspringt. Wenn die Dichter an 
keiner dieser Stellen einen Tempel erwähnen, so kann dies unmög- 
lich zufällig sein; denn sie pflegen sonst, wenn sie von Opfern oder 
Weihungen berichten, die einer in einem Tempel verehrten Gottheit 
dargebracht werden, den Tempel nachdrücklich hervorzuheben.”?) Die 
zweimal im Epos’) erwähnte steinerne Schwelle des delphischen 
Apoll nötigt zum mindesten nicht zur Annahme eines Tempels, da 
sie mit gleichem Rechte auf den Peribolos des heiligen Raumes be- 
zogen werden kann. Ebenso ist es fraglich, ob in den Versen, 
welche berichten, dafs sich Athene in das feste Haus des Erechtheus 
begiebt,') der unter dem Namen des Erechtheion bekannte Tempel 
auf der athenischen Akropolis oder noch das früher ohne Zweifel an 
dieser Stelle befindliche Königshaus des der Göttin nahestehenden 
Heros gemeint ist. Übrigens sind diese Verse für die Beurteilung der 
der Blüte des Epos gleichzeitigen Kultur ohne Bedeutung, da sie zu 
den Stellen zu gehören scheinen, welche der athenische Patriotismus 
zur Zeit der Peisistratiden in das Epos interpolierte.?) 

Jedenfalls ist die Zahl der Heiligtümer, welche ausdrücklich als 
Tempel (νηός) bezeichnet werden, eine sehr beschränkte. Wir hören 
von zwei solchen in Ilios, einem der Athene, in dem das oben er- 
wähnte Idol stand,°) und einem anderen des Apoll.‘) Ferner wird 
ein Tempel desselben Gottes auf Chryse®) und an einer Stelle, die, 
wie es scheint, wiederum zur Zeit der Peisistratiden, in einen der 
Jüngsten Teile des Epos, nämlich in den Schiffskatalog, eingeschaltet 
worden ist,”) der Tempel der athenischen Burggöttin, das Erech- 


1) 11. II 305: ἡμεῖς δ᾽ ἀμφὶ περὶ κρήνην ἱεροὺς κατὰ βωμοὺς | ἔρδομεν 
ἀϑανάτοισι τεληέσσας ἑκατόμβας, | καλῇ ὑπὸ πλατανίστῳ, ὅϑεν ῥέεν ἀγλαὸν ὕδωρ. 
Auch Anchises im Hymn. IV (in Vener.) 100 gelobt der Aphrodite keinen Tempel, 
sondern nur einen Altar: σοὶ δ᾽ ἐγὼ ἐν σκοπιῇ, περιφαινομένῳ ἐνὶ χώρῳ, | βωμὸν 
ποιήσω, ῥέξω δέ τοι ἱερὰ καλά. 2) Il. VI 98, 214: καί οἵ ὑποσχέσϑαι δυοκαί- 
dena βοῦς ἐπὶ νηῷ | ἤνις ἠκέστας ἱερευσέμεν. VI 808: δυοκαίδεκα βοῦς ἐνὶ νηῷ | 
ἤνις ἠκέστας ἵερεύσομεν. VI 88: καὶ κρεμόω προτὶ νηὸν ᾿ἡπόλλωνος ἑκάτοιο. 
3) Il. IX 404: οὐδ᾽ ὅσα λάϊνος οὐδὸς ἀφήτορος ἐντὸς ἐέργει | Φοίβου ᾿ἡπόλλωνος, 
Πυϑοῖ ἔνι πετρηέσσῃ. Od. VIII 19: ὥς γάρ οἵ χρείων μυϑήσατο Φοῖβος ᾿ἡπόλλων᾿ 
Πυϑοῖ ἐν ἠγαϑέῃ, ὅϑ᾽ ὑπέρβη λάϊνον οὐδόν. 4) Od. VII 81: δῦνε δ᾽ ᾿Ερεχϑῆος 
πυκινὸν δόμον. 5) Von Wilamowitz-Moellendorff, homerische Untersuchungen 
p. 247249. 6). VI 88, 274, 29. TI. V 446, VII 83. Vgl. Il. V 448: 
ἐν μεγάλῳ ἀδύτῳ. 8) 11. I 39. 9) Il. II 549. Vgl. von Wilamowitz a. a. O. 
p. 217249. 


422 Die Kunst. 


theion, erwähnt. Hierzu kommt der Vorschlag, den Eurylochos auf 
Thrinakie seinen Gefährten macht, dem Helios als Sühne für die zu 
schlachtenden Rinder einen reichen Tempel zu geloben.') Die An- 
gabe endlich, dafs der göttergleiche Nausithoos bei Gründung, der 
Phäakenstadt Tempel erbaut habe,?) ist für die Beurteilung des in 
der Wirklichkeit vorliegenden Sachverhaltes von sehr geringem Werte, 
da die Dichtung entschieden darauf ausgeht jene Stadt als eine wunder- 
bare und über die gewöhnlichen Verhältnisse erhabene darzustellen. 

Wenn demnach die Zahl der Kultusstätten, in denen überhaupt 
Götterbilder denkbar sind, eine verhältnismälsig geringe war, wenn 
ferner für eine Anzahl derselben noch die Möglichkeit in An- 
schlag zu bringen ist, dafs sie kein Idol, sondern nur ein pri- 
mitives Kultussymbol enthielten, so ergiebt sich die Wahrscheinlich- 
keit, dafs damals nur wenige Götterbilder im eigentlichen Sinne des 
Wortes existierten. Wie im obigen°) nachgewiesen wurde, waren 
diese Bilder zum Teil asiatische Arbeiten. Ob sich die Griechen 
schon damals mit der Herstellung von Idolen befalsten, ist zweifel- 
haft. Man erinnere sich, dafs eine einigermafsen klare Überlieferung 
über die hellenische Plastik nicht viel über den Anfang des 6. Jahr- 
hunderts v. Chr. hinaufreicht — eine Thatsache, die doch sehr auf- 
fällig sein würde, falls die Bildschnitzerei in den griechischen Städten 
während der vorhergehenden Zeit als ein bedeutenderer Kunstzweig 
gepflegt worden wäre. Jedenfalls können die ersten griechischen 
Versuche dieser Art höchstens Nachahmungen asiatischer Idole ge- 
wesen sein und ihr Kunstwert darf nur sehr gering veranschlagt 
werden, wie denn auch mancherlei Nachrichten den ungeheuer- 
lichen Eindruck veranschaulichen, den die primitiven Xoana auf die 
späteren Griechen machten.*) Endlich ist hierbei noch das Ver- 
hältnis zu berücksichtigen, welches in der ganzen griechischen Ent- 
wickelung zwischen der Poesie und der bildenden Kunst obwaltet, 
Auch in Perioden, in denen die letztere die Mittel der Darstellung 
vollständig beherrschte, folgte sie den von der Poesie gegebenen An- 
regungen niemals sofort, sondern stets nach geraumer Zeit. Eine 
den griechischen Anschauungen entsprechende, vollendet menschliche 
Götterwelt wurde aber erst durch das Epos geschaffen. Demnach würde 

1) Od. ΧΙ 346. 2) Od. VI 9: ἀμφὶ δὲ τεῖχος ἔλασσε πόλει, καὶ ἐδεί- 
ματο οἴκους, | καὶ νηοὺς ποίησε ϑεῶν, καὶ ἐδάσσατ᾽ ἀρούρας. 3) Oben 
S. 311 - 312. 4) Der Metapontiner Parmeniskos, der das Lachen erlernen wollte, 
lachte zum erstenmale, als er das ungeheuerliche Schnitzbild im Letotempel 
auf Delos sah: Semos bei Athen. XIV 614b. Die Töchter des Proitos wurden 
mit Wahnsinn gestraft, weil sie sich über das Schnitzbild der Hera im Tempel 
zu Argos lustig gemacht hatten: Apollodor. bibl. II 2, 2. 


XXXI. Die Götterbilder. 428 


die Annahme, dafs die Kunst, sowie die ersten Lieder des Epos erklungen 
waren, die Götter nach dem Vorgange der Dichtung in nationalem 
Sinne gestaltet habe, gegenüber der ganzen weiteren Entwickelung 
eine entschiedene Anomalie ergeben. Wie vielmehr die Erfindung 
des den Schild des Achill schmückenden Bildereyklus und die ältesten 
analogen Leistungen der griechischen Kunst mindestens durch ein 
Jahrhundert von einander getrennt sind, so wird auch eine ansehn- 
liche Zeit verflossen sein, bis die Kunst es unternahm den von den 
epischen Dichtern geschaffenen Göttergestalten einen entsprechenden 
plastischen Ausdruck zu verleihen. 

Übrigens wird durch die Angaben, welche das Epos über die 
Tempel macht, zugleich die im obigen angedeutete Vermutung be- 
stätigt, dafs sich der Tempel und, wie wir beifügen dürfen, das 160] 
aus dem Osten nach dem Westen verbreitete. Die Dichter erwähnen 
Tempel in Troja und auf Chryse, also in dem östlichen Teile des 
Mittelmeergebietes; dagegen schweigt die Odyssee über die Existenz 
von Tempeln auf der weit im Westen gelegenen Insel Ithaka und 
enthält nur eine Angabe, welche den Tempelbau zu dieser Insel in 
Beziehung bringt, nämlich den Vorschlag des Ithakesiers Eurylochos 
dem Helios einen Tempel zu geloben. 

Über die Beschaffenheit des Idoles der troischen Athene giebt 
die Dichtung leider keinen deutlichen Aufschlufs. Doch weist die 
Angabe, dafs die Priesterin Theano der Göttin den Peplos auf die 
Kniee legt,!) entschieden auf ein Sitzbild hin, eine Darstellungs- 
weise, welche bei den weiblichen Idolen die gewöhnliche gewesen zu 
sein scheint und auch an sehr alten Pallastypen”) nachweisbar ist. 
Vielleicht sind unter dem Eindrucke solcher Sitzbilder die häufig 
Göttinnen beigelegten Epitheta ἐύΐϑρονος ἢ und χρυσόϑρονος  οπὺ- 
standen. Die Bildung des letzteren lag besonders nahe unter der 
Voraussetzung, dals sich der mehrfach bezeugte Gebrauch gewisse 
Teile der Idole mit Metallblech zu überziehen’) auch auf die Sessel 


derselben erstreckte. 


1) D. VI 93, 273, 303 (oben Seite 416, Anm. 1). Vgl. Strabo XII p. 601, 
2) Sitzbilder waren alte Idole der Pallas in Phokaea, Massalia, Rom und Chios 
(Strabo XIII p. 601), wie die von Endoios gearbeiteten Statuen der Göttin, von 
denen sich vermutlich eine in Athen erhalten hat (Overbeck, Gesch. d. Plastik 
15 p. 116—117, p. 145—147. Zeitschr. f. österr. Gymn. 1886 p. 683 ff.). Ebenso 
stellte das älteste Idol der Hera im Heraion zu Argos die Götterkönigin sitzend 
dar: Pausan. Il 17,5. 3) ᾿Εύϑρονος Ἦώς: Il. VIII 565, Od. VI 48, XV 495, XVII 497, 
XVII 318, XIX 342. 4) Χρυσόϑρονος, Epitheton der Hera, Artemis und Eos: 
oben Seite 108, Anm. 11. Vgl. auch Sappho fr. I 1: ποικιλόϑρον᾽, ἀϑάνατ᾽ "Apoo- 
dıra. 5) Herodot I 182; Diodor I 23; Pausan. IX 12, 3. Vgl. Bötticher, 
Baumkultus p. 230. 


494 Die Kunst. 


Aufserdem gehört noch in den Kreis der sakralen Plastik ein 
Kunstwerk, welches in einem der jüngsten Gesänge der Ilias,') in der 
Schildbeschreibung, erwähnt wird. Der Dichter vergleicht den Reigen- 
tanz, welchen Hephaistos auf dem Schilde des Achill anbringt, mit 
demjenigen, den Daidalos zu Knossos für die schönlockige Ariadne 
arbeitete. Offenbar weist er hiermit auf eine zu seiner Zeit be- 
rühmte, plastische Darstellung eines Reigens hin, welche zu Knossos 
der Ariadne geweiht war, wobei unter der letzteren nicht die von 
Theseus geraubte Heroine der späteren Sage, sondern die Göttin zu 
verstehen ist, die auf Kreta als Gattin des Dionysos verehrt wurde. 
Sowohl in den östlichen Ländern des Mittelmeergebietes wie in 
Italien war es seit uralter Zeit Sitte in den Heilistümern Figuren 
oder Gruppen aus Thon, Bronze oder weichem Steine zu weihen, 
welche die zu Ehren der Gottheit vorgenommenen Handlungen dar- 
stellten. Durch Figuren von Rindern und Schafen wurden die Tier- 
opfer, durch Reiter und Wagen die Wettrennen und Wettfahrten, 
durch Flöten- und Lyraspieler die musikalischen Aufführungen und 
durch plastische Darstellungen von Reigentänzen die χοροί ver- 
anschaulicht. Wir kennen den letzteren Gebrauch im besonderen 
durch primitive Bronzen, die sich zu Olympia,?) und durch Exem- 
plare aus Thon?) und aus Kalkstein (oben Seite 224 Fig. 67),') die 
sich auf Kypros gefunden haben. 


XXXIII. Überblick. 


Fassen wir die einzelnen im bisherigen gewonnenen Resultate 
zusammen, so stellt sich uns das Bild einer Übergangsepoche dar, 
in der die verschiedenartigsten Richtungen unvermittelt neben ein- 
ander hergehen. Einerseits begegnen wir noch mancherlei Aus- 
läufern eines barbarischen Zustandes. Die Reinlichkeit des Hauses 
wie des Körpers läfst zu wünschen übrig und die Feinheit des 
(reruchsinnes scheint infolge dessen noch wenig entwickelt. Ebenso 
ist die Kost von einer urtümlichen Einfachheit. Sie besteht unter 
normalen Verhältnissen aus dem Fleische der Herdentiere und aus 
Brot. Der Geflügel- wie der Gemüsekost wird im Epos nirgends 
gedacht. Die Fische, welche seit dem Anfange des 5. Jahrhunderts 
in Syrakus und bald darauf auch in Athen und in anderen helle- 


1) Il. XVII 590: ἐν δὲ χορὸν ποίκιλλε περικλυτὸς ἀμφιγυήεις, | τῷ ἴκελον 
οἷόν ποτ᾽ ἐνὶ Κνωσῷ εὐρείῃ | “Ιαίδαλος ἤσκησεν καλλιπλοκάμῳ ᾿ἡριάδνῃ. 2) Furt- 
waengler, die Bronzefunde aus Olympia p. 24—25. 3) Oben Seite 225, Anm. 3. 
4) Oben Seite 225. 


ΧΧΧΠΙ. Überblick. 425 


nischen Städten für die leckerste Speise galten, sind noch verachtet 
und, nur von dem heftigsten Hunger gepeinigt, verstehen sich die 
Genossen des Odysseus auf der Insel des Helios,') wie die des Me- 
nelaos, während sie durch die Windstille auf Pharos zurückgehalten 
werden,”) zu dem Entschlusse, durch Fischnahrung ihr Leben zu 
fristen.”) Hinsichtlich der Weise die Städte zu befestigen sind die 
Griechen des homerischen Zeitalters, wenn ich den Sachverhalt richtig 
beurteilt, in ein barbarisches Stadium zurückverfallen: sie schützen 
ihre Ortschaften nicht mehr, wie es im Mutterlande vor der dori- 
schen Wanderung geschehen war, durch steinerne Mauern, sondern 
durch Werke aus Erde, Lehmziegeln und Holz. 

In schroffstem Gegensatze zu diesen primitiven Eigentümlich- 
keiten stehen die vielfachen Verfeinerungen, welche der Einflufs der 
überlegenen Civilisation des Ostens in das griechische Leben eingeführt 
hatte. Die Kleidung, der Schmuck, die Behandlung des Haares und 
des Bartes zeigen ein vorwiegend orientalisches Gepräge. Das Haupt- 
gewand der Frauen, der Peplos, hat zwar die von alters her über- 
lieferte, nationale Form bewahrt, aber in vielseitigster Weise den 
Einflufs der vorderasiatischen Buntweberei erfahren. Aus dem süd- 
westlichen Vorderasien stammt der Gebrauch die Wände mit Me- 
tallblech, Elfenbein und Smalt zu inkrustieren und wohl auch 
die Neigung starkriechende Parfüms in überreichlichem Mafse zu 
verwenden. Die kostbarsten Gewänder und Gefälse, die sich in den 
Häusern der Volkskönige befinden, sind von den Phönikiern ein- 
geführt und die griechischen Leistungen auf künstlerischem Gebiete 
durchweg mehr oder minder von orientalischen Vorbildern abhängig. 
Würde ein moderner Leser des Epos durch Zauberhand urplötzlich 
in das Megaron eines ionischen Basileus versetzt, in dem ge- 
rade ein homerischer Sänger ein neu erfundenes Lied vortrüge, so 
würden der konventionelle Stil und die,bunte Farbenpracht, die sich 
allenthalben dem Blicke darstellen, ihm den Eindruck erwecken, 


1) Od. XI 329—331. 2) Od. IV 368—369. 3) Wenn im Gegensatze 
hierzu öfters Gleichnisse aus dem Kreise der Fischerei vorkommen (Il. V 487, 
XVI 406- 409, XXIV 80-82; Od. X 124, XII 251—254, XXII 384—388), so läfst 
sich dies daraus erklären, dafs das niedere Volk, welches des Viehbesitzes ent- 
behrte, bereits angefangen hatte, die für jedermann erreichbaren Tiere des Was- 
sers als Nahrungsmittel zu benutzen, wogegen, wer über Herdenvieh verfügte, von 
dem Basileus bis zum Sauhirten, an der von alters her gewohnten Fleisch- 
nahrung festhielt. Vielleicht sind auch diese Gleichnisse, welche in so auf- 
fälligem Widerspruche zu den erzühlenden Teilen des Epos stehen, später ein- 
geschaltet. Jedenfalls finden sich Angaben, welche auf eine weitere Verbreitung 
der Fischerei hinweisen, nur in einem jungen Gesange der Odyssee (XIX 113) 
und an einer Stelle der Kyprien (oben Seite 3, Anm. 6). 


426 XXXII. Überblick. 


als ob er sich nicht vor einer griechischen Versammlung, sondern viel- 
mehr zu Niniveh am Hofe des Sanherib oder zu Tyros im Palaste 
des Königs Hiram befände. 

Ebenso ist das Kriegswesen durch orientalische Einflüsse be- 
stimmt. Wie bei den Ägyptern und den vorderasiatischen Völkern 
rasseln die vornehmeren Krieger auf Streitwagen in das Feld und 
dieses Gefährt spielt beim Angriff, beim Rückzuge wie bei der Ver- 
folgung eine hervorragende Rolle. Dagegen haben die damaligen 
Ionier hinsichtlich der Weise den Körper zu schützen, bereits eine 
besondere Entwickelung eingeschlagen, indem sie eine Rüstung an- 
nahmen, welche zu der der späteren hellenischen Hopliten in engster 
Beziehung stand. Doch ist jene Rüstung, soweit unsere Kenntnis 
reicht, unter den Produkten des damaligen Handwerks die einzige 
wichtigere Erscheinung, durch welche die Griechen des homerischen 
Zeitalters in entschiedenen Gegensatz zu den orientalischen Völkern 
traten. 

Die Weise des Verkehrs und überhaupt die Formen der Gesell- 
schaft sind noch unfrei und geschnörkelt. Selbst die Sprache des 
Epos, in dem die damaligen Griechen das herrlichste Denkmal ihres 
Dichtens und Trachtens hinterlassen haben, ist eine konventionelle. 
Aber unter dieser Hülle regt sich bereits mächtig der eigentümlich 
hellenische Geist. 

Ein Grundzug der hellenischen oder klassischen Sinnesweise, die 
Abneigung gegen alles Planlose, tritt im Epos bereits mit voll- 
ständiger Deutlichkeit hervor. Echt hellenisch sind ferner das feine 
Verständnis und die glühende Begeisterung für physische Schönheit. 
Die Dichter haben nicht nur ein Auge für die Gesamtwirkung der 
Gestalt und für auffällige Erscheinungen, wie schöne weilse Arme, 
sondern auch für Einzelheiten, die sich leicht der Beobachtung ent- 
ziehen, wie die feine Bildung der Fufsknöchel.') In der provenga- 
lischen und mittelhochdeutschen Dichtung sucht man vergeblich nach 
einem Beispiele, dafs ein solches Detail Berücksichtigung gefunden 
habe. Die Poesie keines anderen Volkes hat eine Gestalt geschaffen, 
welche in dem gleichen Grade wie Helena die dämonische Gewalt 
der Schönheit vergegenwärtigt. Und diese ästhetische Würdigung 
beschränkte sich nicht nur auf jugendlich blühende Gestalten, son- 
dern erstreckte sich auch auf die würdevolle Erscheinung des Alters. 
Wenn Achill das schöne Antlitz des vor ihm sitzenden Priamos be- 


1) ᾿Εὔσφυρος, καλλίσφυρος, τανύσφυρος sind häufige Epitheta der Frauen. 
Oben Seite 204, Anm. 4—6. Il. IV 147 werden die σφυρὰ καλά des Menelaos 
hervorgehoben. 


XXXII. Überblick. 427 


wundert,!) so empfindet er ähnlich wie die Athener, als sie anord- 
neten, dafs die schönsten Greise als ϑαλλοφόροι, d. 1. mit Ölzweigen 
in den Händen, an dem panathenäischen Festzuge teilnehmen sollten.?) 
Selbst von dem Kultus des Nackten, der in der weiteren Entwicke- 
lung so bedeutsam hervortritt, zeigt das Epos die ersten Spuren. 
Als Achill den Hektor getötet und seiner Rüstung beraubt hat, 
treten die Achäer heran und staunen über die Schönheit des nackt 
daliegenden Leichnams.”) Sie haben also bereits ein ähnliches ästhe- 
tisches Gefühl, wie es mehrere Jahrhunderte später die athenischen 
Landwehrmänner bei Platää angesichts des gefallenen persischen 
Reitergenerals Masistios bekundeten.*) Priamos sagt, dafs es nichts 
auf sich habe, wenn ein erschlagener Jüngling nackt daliege, da alles, 
was er dem Betrachter zeige, schön sei, wogegen ein Greis in der 
gleichen Lage einen schmählichen Anblick darbiete.’) Ein Zeit- 
genosse des Sophokles könnte sich hierüber kaum in anderer Weise 
geäulsert haben. Doch ist diese Richtung während des homerischen 
Zeitalters lediglich abstrakt und übt auf die Sitte keinerlei Ein- 
wirkung aus. Noch gilt es als schimpflich, wenn sich der Mann 
auch unter Männern nackt zeigt.‘) Noch gürtet man bei dem Ring- 
und Faustkampfe das Gewand um die Lenden.‘) Erst in der 15. 
Olympiade wagte es der ‘Megarer Orsippos bei dem Diaulos den 
Schurz fallen zu lassen.°) 

Auch die epische Schilderung offenbart beinah allenthalben einen 
echt hellenischen Geist. Allerdings begegnen wir noch einigen un- 
geheuerlichen Gestalten, wie dem hundertarmigen Briareos,’) den 
neun Klafter langen und neun Ellen breiten Riesen Otos und 
Ephialtes“) und der Skylla mit ihren zwölf Füfsen, sechs Hälsen 
und sechs Köpfen, deren jeder mit einer dreifachen Reis von Zähnen 
ausgestattet ist.'') Aber es waren dies Vorstellungen, welche, wie es 
scheint, zum Teil durch orientalische HKinflüsse bestimmt, zur Zeit, 
in der das Epos entstand, bereits in dem Volksbewulstsein Wurzel 
geschlagen hatten und demnach von den Dichtern nicht modifiziert 
werden durften. Sehen wir von diesen vereinzelten Fällen ab, dann 
erscheint die Schilderung sowohl der Handlungen wie der Gestalten 


1) 11. XXIV 631: αὐτὰρ ὁ ΖΔαρδανίδην Πρίαμον ϑαύμαξεν ’Ayılkevg, | εἰσορόων 
ὄψιν T’ ἀγαϑὴν καὶ μῦϑον ἀκούων. 2) Die Stellen bei Michaelis, der Par- 
thenon p. 330—331 n. 201— 205. 3) Il. XXII 369: ἄλλοι δὲ περίδραμον υἷες 
᾿Δχαιῶν, | οἱ καὶ ϑηήσαντο φυὴν καὶ εἶδος ἀγητὸν |"Errtogos. 4) Herodot IX 25. 
5) I. XXII 71—76. Die Stelle ist nachgeahmt von Tyrtaios Il 10, 21---80. 
6). II 262. 7) 1. XXIII 683, 710; Od. XVII 30, 67, 76. 8) Pausan. 
I 44, 1. C.1.G. I n..1050. Ngch einer anderen Überlieferung that dies der 
Lakedämonier Akanthos: Dionys. Hal. VII 72. Vgl. Ο. Müller, die Dorier 1] 
p. 260 Anm. 1. 9)1.1403. 10) Od. XI 306-311. 11) Od. XII 85—92 


428 XXXIN. Überblick. 


mafsvoll, scharf und plastisch, also klassisch im höchsten Sinne des 
Wortes. Die Typen der vornehmeren Götter und Helden stehen 
bereits mit wunderbarer Präcision ausgeprägt vor der Phantasie der 
Dichter. Ich erinnere an die Verse,') in denen Agamemnon , be- 
zeichnet wird als 


Ähnlich an Augen und Haupte dem blitzesfrohen Kronion, 
Ares am Gürtel und oben an mächtiger Brust dem Poseidon, 


an die Charakteristik der achäischen Könige, wie sie sich aus dem 
Gespräche ergiebt, das Priamos und Helena auf der troischen Stadt- 
mauer führen,”) endlich an die berühmten Verse, welche schildern, 
wie Zeus der Thetis die Gewährung ihrer Bitte zunickt.’) Keine 
andere Volkspoesie hat in dem gleichen Grade wie das homerische 
Epos der bildenden Kunst vorgearbeitet. Wir begegnen sogar in den 
verschiedenen Teilen der Dichtung hinsichtlich der Auffassung der 
einzelnen Charaktere Abwandlungen, die zu denen, welche die Götter- 
ideale in den verschiedenen Perioden der griechischen Kunst durch- 
machten, die schlagendsten Analogieen darbieten. In der llias tritt 
Helena als eine dämonische Gestalt auf, deren Schönheit wie eine 
elementare Naturkraft wirkt.‘) Dagegen ist sie in der Odyssee den 
menschlichen Verhältnissen näher gerückt; sie erscheint hier weich- 
herzig, neugierig, schalkhaft, eine schöne liebenswürdige Frau, die 
sich einiger Jugendsünden bewulst ist, aber dafür mildernde Um- 
stände zuerkennt.’) Unwillkürlich denkt man hierbei an die ver- 
schiedene Weise, in der die hellenischen Künstler im 5. und im 
4. Jahrhundert v. Chr. die Hera auffafsten, an den energischen und 
beinahe Furcht erregenden Ausdruck des farnesischen Kopfes der 
Göttin®) .und an die milde Hoheit der Hera Ludovisi. Der Dichter 
der Schildbeschreibung endlich erfindet sogar einen in sich ab- 
geschlossenen und von einer einheitlichen Idee durchdrungenen 
Bildereyklus und versteht es denselben in seiner Phantasie, sei 
es auch nur zum Teil, nach ästhetischen Prinzipien zu gliedern. 
Alle diese Thatsachen bekunden eine eminente Begabung für die 
bildende Kunst. Aber die damaligen Griechen waren noch nicht 
fähig den künstlerischen Ideen in Thon, Metall oder Stein eine 
entsprechende Form zu verleihen. Es verstrich mehr als ein Jahr- 
hundert, bis die griechische Kunst einen ähnlichen Bildereyklus, wie 


1) 1]. II 477: ὄμματα καὶ κεφαλὴν ἴκελος il τερπικεραύνῳ, | Ἄρεϊ δὲ ξώνην, 
στέρνον δὲ Ποσειδάωνι. 2) D. III 161—242. 3) Il. I 528: Ἦ καὶ κυανέῃσιν 
ἐπ᾿ ὀφρύσι νεῦσε Κρονίων"  ἀμβρόσιαι δ᾽ ἄρα χαῖται ἐπερρώσαντο ἄναλτος | 
κρατὸς ἀπ᾿ ἀϑανάτοιο: μέγαν δ᾽ ἐλέλιξεν Ὄλυμπον. 4) Besonders Il. III 
154—160. 5) Od. IV 138-146, 184, 259 -264, 277—279, XV 125—129. 
6) Mon. dell’ Inst. VII T. 1. 


XXXII. Überblick. 429 


er von dem Dichter der Schildbeschreibung erfunden worden war, 
zur Darstellung brachte. Noch länger dauerte es, bis die scharfe 
Individualisierung erreicht wurde, mit der im Epos die hervorragen- 
deren Träger der Handlung gezeichnet sind. Die gewaltige Macht- 
fülle des Zeus, wie sie durch die angeführten Verse der Ilias so 
wunderbar veranschaulicht wird, fand erst in der olympischen Statue 
des Pheidias einen kongenialen Ausdruck. Suchen wir nach Ana- 
logieen für die Weise, in der das Epos eine charaktervolle Häfslich- 
keit, wie die des Thersites!) oder des Heroldes Eurybates,’) und 
landschaftliche Hintergründe, wie die Grotte der Kalypso’?) und die 
Bucht des Phorkys,*) schildert, so treten Richtungen, welche ähn- 
liche Aufgaben in verwandtem Sinne behandeln, gar erst in der 
Kunst der Alexander- und Diadochenperiode hervor. 


1) 1. I 216-219 2) Od. XIX 246. 3) Od. V 57—74. 4) Od. XII 
96--112. 


I. Exkurs. 


Über die Gründungszeit von Kyme. 
(Zu Seite 88.) 


Wenn Eusebios!) die Gründung von Kyme in das Jahr 1049 v. Chr. 
setzt, Strabo*) diese Stadt für die älteste aller im Westen angelegten 
griechischen Kolonieen erklärt und Vellejus Patereulus?) ihre Gründung 
sogar vor der äolischen Besiedelung Kleinasiens annimmt, so hat bereits 
Niebuhr‘) an der Richtigkeit dieser Angaben gezweifelt und es ist Zeit, 
dals endlich einmal eine Datierung beseitigt werde, welche alle Merk- 
male der Unzuverlässigkeit zur Schau trägt und in der italischen Kultur- 
geschichte die heilloseste Verwirrung anrichtet. Erstens sprechen hier- 
segen die Bedingungen der primitiven griechischen Schiffahrt, nach denen 
es ganz unglaublich erscheint, dafs die erste Niederlassung, welche die 
Hellenen im Westen gründeten, gerade an der von dem Mutterlande am 
weitesten entfernten Stelle angelegt worden sei. Will man zweitens der 
Angabe Glauben schenken, dafs Chalkidier unter Megasthenes und klein- 
asiatische Kymäer unter Hippokles die Stadt gemeinsam gegründet 
hätten,?) so ‚weist ein derartiges planmälsiges Vorgehen eher auf ein 
vorgerücktes Stadium als auf den Beginn der nach dem Westen gerich- 


1) Chron. ed. Schöne II p. 60 u. 61. 2) V p. 243. 3) IA 4) Röm. 
Geschichte I? p. 161, III p. 204 ff. 5) Strabo V c. 243. Neuerdings hat sich 
in einem altgriechischen Grabe der campanischen Kyme folgende Inschrift ge- 
funden: HYMTYTEIKLUNEITOYTEILENOSHYTY (Notizie degli scavi 1884 p. 352— 
356). Der Herausgeber hat darin Eigentümlichkeiten des äolischen Dialektes 
erkannt — eine Annahme, welche, wenn sie richtig wäre, die Überlieferung be- 
stätigen würde, dafs sich kleinasiatische Kymäer an der Gründung der campani- 
schen Stadt beteiligt. Aber Bezzenberger schreibt mir über jene Inschrift folgender- 
malsen: „Dagegen dals der Dialekt der Inschrift üolisch sei, spricht 1) der spiritus 
asper vor HYTY, 2) das ἡ von ΤΕ] und KUNEI. Im Hinblick auf die letztere 
Thatsache könnte man nur schwanken, ob die Inschrift attisch oder ionisch sei. 
jerücksichtigt man aber die Ausführungen Kirchhoffs Alph.? 107 ff., so ergiebt 
sich mit vollkommener Sicherheit der ionische Dialekt. Der Auslaut von HYTY 
spricht nicht hiergegen, da wir ἀπύ als lesbisch, arkadisch und kyprisch und 
κατύ als arkadisch kennen und ὑπά (cf. κατα) elisch und lesbisch war (cf, 
Sappho 2, 10). Sicher ist ὑπύ, das bisher unbekannt war, keine specifische 
Dialektform, sondern ὑπό- ὑπύ (und ebenso ἀπό-ἀπύ, κατά-κατύ) ist ein „doublet 
syntaxique‘“, das in jeder griechischen Mundart erscheinen könnte.“ 


Über die Gründungszeit von Kyme. 431 


teten Kolonisation hin. Drittens würde im Gebiete von Kyme, wenn der 
Ursprung dieser Stadt über das Ende des zweiten Jahrtausends hinauf- 
reichte, eine Fundschicht nachweisbar sein, die mehr oder minder den 
mykenäischen Schachtgräbern') oder dem vorhellenischen Grabe entspräche, 
welches bei Syrakus in dem Grundstücke Matrensa aufgedeckt worden 
ist.”) Es wäre verfehlt, hierbei die Möglichkeit geltend zu machen, dafs 
die dortige Denkmälerstatistik lückenhaft sei; denn es haben bei Kyme 
umfangreichere Ausgrabungen stattgefunden als in irgend einer griechi- 
schen Nekropole des Westens.”) Die ältesten Fundstücke aber weisen 
durchweg auf ein verhältnismälsig junges Stadium hin und entsprechen 
mehr oder minder denjenigen, welche aus den ältesten griechischen Grä- 
bern auf Sicilien zu Tage kommen. Ferner verdient die Angabe des 
Aristoteles!) Beachtung, dafs die Chalkidier Kolonien auf Sicilien und in 
Italien gegründet hätten zur Zeit, als sie von den Hippoboten beherrscht 
waren. Die Abschaffung des Königtums und sein Ersatz durch ein 
oligarchisches Regiment, wie es in Chalkis dasjenige der Hippoboten war, 
reichen in keinem griechischen Staate über das 8. Jahrhundert hinauf. 
Also kann Kyme nach der dem Aristoteles vorliegenden Überlieferung 
frühestens in diesem Jahrhundert gegründet worden sein. Endlich weils 
auch Thukydides,?) der seine auf Sicilien und Italien bezüglichen An- 
gaben offenbar aus einer trefflichen Quelle schöpfte,°) nichts von dem 
hohen Alter jener Stadt, sondern scheint Naxos auf Sicilien für die erste | 
westliche Niederlassung der Griechen zu halten. 

Jedenfalls beweist das Schwanken der Angaben, welche über die Chro- 
nologie von Kyme vorliegen, dafs in der späteren Zeit hierüber keine 
bestimmte Überlieferung existierte. Diese Thatsache aber nötigt keines- 
wegs zu der Annahme, dafs sich der Ursprung der Stadt in dem Dunkel 
der Urzeit verlor, sondern läfst sich ungleich natürlicher in anderer 
Weise erklären. Kyme nämlich erlag bereits in den zwanziger Jahren 
des 5. Jahrhunderts v. Chr. den Angriffen der Osker. Wenn hierbei, wie 
es leicht geschehen konnte, die Eponymenliste in Verwirrung geriet, so 
fehlten den Gelehrten, welche sich später mit der kymäischen Geschichte 
beschäftigten, und so auch den alexandrinischen Chronographen die Mittel 
die Gründungszeit der Stadt genau zu bestimmen und es war hiermit für 
willkürliche Ansätze freier Spielraum geschaffen. Alle Wahrscheinlichkeit 
spricht dafür, dafs Ephoros diesen Umstand benutzte, um den Ursprung 
von Kyme in eine möglichst alte Zeit hinaufzurücken. Dieser Geschichts- 
schreiber war in der gleichnamigen kleinasiatischen Stadt geboren und 
that bei dem unbegrenzten Enthusiasmus, den er für seine Vaterstadt hegte, 


1) Oben Seite 50 ff. 2) Oben Seite 90-91. 3) Vgl. hierüber und das 
Folgende oben Seite 88—91. 4) Bei Strabo X c. 447. δλη ἀνθ 8 ἢ 
6) Freilich ist es ungewils, ob diese Quelle, wie Wölfflin, Antiochos von Syrakus 
und Coelius Antipater p. 1—12 annimmt, gerade Antiochos von Syrakus ge- 
wesen sei. Man darf mit gleichem Rechte an Hellanikos oder Hippys von 
Rhegion denken. Vgl. von Wilamowitz-Moellendorfi, Kydathen p. 121 Anm. 37 
und im Hermes XIX p. 442 Anm. 1. 


432 I. Exkurs: 


sein Möglichstes, dieselbe in seinem Geschichtswerke in den Vordergrund 
zu rücken und zu verherrlichen — ein Verfahren, welches ihm mancherlei 
Spott von anderen Schriftstellern eintrug.') Ob die Angabe, dafs sich an 
der Gründung der campanischen Stadt auch kleinasiatische Kymäer betei- 
ligten, auf historischer Überlieferung oder nur auf einem Schlusse beruht, 
der, möglicherweise von Ephoros selbst, aus dem gleichlautenden Namen 
gezogen wurde, ist schwer zu entscheiden.”) Wie dem aber auch sei, jeden- 
falls lag für Ephoros, wenn es ihm verstattet war, die campanische zu 
seiner Vaterstadt in Beziehung zu setzen, die Versuchung nahe, der ersteren 
einen möglichst alten Adel anzudichten; denn die äolische Kyme gewann 
einen neuen Ruhmestitel, wenn die Annahme Verbreitung fand, dals sie 
sich an der ersten hellenischen Gründung im Westen beteiligt und dieser 
den Namen gegeben habe. Sicher ist, dafs Strabo in dem auf die cam- 
panische Stadt bezüglichen Abschnitte im besonderen den Ephoros benutzt 
hat. Er citiert ihn nicht παν, sondern berichtet auch über die Grün- 
dung der Stadt ganz im Geiste dieses Historikers, der wegen der aus- 
führlichen Weise, in der er Wanderungs- und Gründungsgeschichten zu 
erzählen pflegte, berühmt war.*) Hiernach scheint die Vermutung nicht 
zu kühn, dafs auch die Angabe, Kyme sei die älteste griechische Kolonie 
im Westen, aus Ephoros entnommen ist. Jedenfalls entspricht die Fassung 
der Stelle?) ..οἵ δὲ τὸν στόλον ἄγοντες, ᾿Ἱπποκλῆς ὃ Κυμαῖος καὶ Μεγασϑέ- 
νης 6 Χαλκιδεὺς, διωμολογήσαντο πρὸς σφᾶς αὐτούς, τῶν μὲν τὴν ἀποικίαν 
εἶναι, τῶν δὲ τὴν ἐπωνυμίαν““ mit ihrer rhetorischen Antithese dem Stile 
des Schülers des Isokrates,°) während die gehobene Stimmung, die sich 
darin äulsert, an den Lokalpatriotismus des kymäischen ‚Geschichtschrei- 
bers erinnert. 

Andererseits waren in der späteren Zeit alle Bedingungen vorhanden, 
um das hohe Alter der campanischen Kyme glaublich erscheinen zu lassen. 
Da die Erinnerung an den bedeutenden Einfluls, den diese Stadt auf die 
Entwickelung Mittelitaliens ausgeübt hatte, lebendig geblieben war, wurde 
Kyme mit der Urgeschichte Latiums und zwar mit der von den sicilischen 
Griechen erfundenen Version, welche den Aeneas nach Latium kommen 
liels, in Verbindung gebracht. Man nahm an, dafs Aeneas vor seiner Lan- 
dung in Latium Kyme besucht habe.’) Die Gründung Roms wurde min- 
destens seit dem Beginne der römischen Litteratur um die Mitte des 
8. Jahrhunderts v. Chr. angesetzt und die Zeit, welche zwischen der Lan- 
dung der Troer und diesem Ereignisse verstrich, nach der im zweiten 
Jahrhunderte geläufigen Erzählung auf drei Generationen berechnet.*) 
Nach diesen Ansätzen würde also Kyme bereits im 9. Jahrhundert exi- 
stiert haben. Ein noch höheres Alter jedoch mufste man dieser Stadt 


1) Strabo XIH c. 623. Vgl. Volquardsen, Untersuchungen über die Quellen 
bei Diodor p.59. 2) Vgl. hierüber Beloch, Campanien p. 147—148. 3) V c. 244. 
4) Polyb. IX 1,4. 5) V e.243. 6) Hinsichtlich der Ausdrucksweise sind nahe 
verwandt die Fragmente des Ephoros bei Müller, fragm. hist. gr. I p. 234 n. 2 
und 5, p. 249 n. 64. 7) Vergil, Aen. VI 1 ff. Ovid, metam. XIV 101 ff. 
8) Vgl. Mommsen, röm. Chronologie 2. Ausg. p. 151—153. 


Über die Metallbekleidung der Wände. 433 


zuschreiben, als in der augusteischen Epoche die albanische Königsliste 
zurecht gemacht und dadurch die Ankunft des Aeneas in eine frühere 
Zeit, als die bisher angenommene, hinaufgerückt worden war.') Hier- 
nach scheint es vollständig begreiflich, dafs Vellejus Paterculus die cam- 
panische Stadt sogar für älter hielt als die gleichnamige kleinasiatische. 
Es ist das Recht, ja die Pflicht der historischen Kritik solche künstlich 
zurecht gemachte Datierungen zu verwerfen. Wir haben die Gründung 
von Kyme nicht mehr als einen vereinzelten Vorläufer der nach dem 
Westen gerichteten hellenischen Kolonisation aufzufassen, sondern in den 
Zusammenhang dieser Bewegung einzureihen. Wenn demnach die ältesten 
hellenischen Niederlassungen auf der Ostküste Siciliens in den dreilsiger 
Jahren des 8. Jahrhunderts v. Chr. angelegt wurden, so weist die geo- 
graphische Lage von Kyme darauf hin, dals diese Stadt nicht älter, 
sondern eher etwas jünger ist als jene. 


II. Exkurs. 


Über die Metallbekleidung der Wände. 
(Zu Seite 107) 


Da sich die Metalle einerseits durch Festigkeit und andererseits 
durch Dehnbarkeit auszeichnen, so lag der Gedanke nahe genug, Gegen- 
ständen, die aus weicheren Stoffen gearbeitet waren, durch einen metallenen 
Überzug Widerstandsfähigkeit und zugleich Schmuck zu verleihen. Man 
braucht demnach keineswegs anzunehmen, dafs dieses Verfahren in einer 
bestimmten Gegend erfunden und von hier aus weiter verbreitet worden 
sei. Vielmehr konnten verschiedene Völker unabhängig von einander auf 
die einfacheren und nächstliegenden Anwendungen der Metallinkrustation 
verfallen. Dagegen fragt es sich, ob diese Annahme zulässig ist hin- 
sichtlich des im Epos erwähnten Gebrauches gewisse Teile der Archi- 
tektur und auch Wände mit Metallblech zu überziehen. 

Ein zum mindesten verwandtes Verfahren ist im Nilthale bereits 
zu den Zeiten des alten Reiches nachweisbar. In dem Berliner Papyrus I 
erzählt ein ägyptischer Flüchtling Namens Saneha, der nach langem 
Aufenthalte in der Fremde, vom Pharao Amenemhat I (12. Dynastie, 
.3. Jahrtausend v. Chr.) begnadigt, in die Heimat zurückgekehrt war, 
seine Lebensgeschichte und beschreibt darin auch seine Totenstatuette, 
die dereinst in seinem durch königliche Gnade ausgeschmückten Grabe 
Platz finden sollte. Diese Statue bestand aus Gold, wogegen der um 
die Lenden gelegte Schurz (schenti) aus asem, ἃ. i. Silbergold (Elektron),?) 
gearbeitet war.”) Es leuchtet ein, dafs diese Verwendung des Silber- 

1) Mommsen a. a. O. p. 156 ff. 2) Lepsius, über die Metalle in den 
ägyptischen Inschriften (Abhandl. d. Ak. zu Berlin 1871) p. 43—49. 8) Lepsius, 
Denkm. Bd. XII Abth. VI T. 104—107; Maspero, melanges d’archeol. egyptienne 
2%. IV, 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 28 


454 I. Exkurs: 


goldes zu dem architektonischen Inkrustationsverfahren, mit welchem sich 
dieser Exkurs beschäftigt, in naher Beziehung steht. In noch höherem - 
Grade gilt dies jedoch für den Gebrauch, die oberste Spitze oder das 
Pyramidion der Obelisken mit Metallblech zu überziehen. Dafs dieser 
Gebrauch bereits im alten Reiche üblich war, beweist der von Usurtasen I, 
dem Nachfolger des soeben erwähnten Amenemhat I, zu Heliopolis er- 
richtete Obelisk, an dessen Spitze noch verschiedene arabische Schrift- 
steller einen mit eingeritzten Figuren versehenen Bronzeüberzug wahr- 
nahmen.) 

Dagegen berichten die Inschriften des neuen Reiches von Metall- 
inkrustationen, welche in allem wesentlichen den im Epos beschriebenen 
entsprechen. Sehr häufig werden darin mit Metall bekleidete Thüren er- 
wähnt. Doch genügt es, da Dümichen?) bereits eine ansehnliche Zahl 
derartiger Zeugnisse zusammengestellt hat, nur einige besonders bezeich- 
nende Beispiele hervorzuheben. Die älteste Erwähnung einer metallenen 
Thürbekleidung findet sich, soweit mein Wissen reicht, in einer Inschrift, 
welche von den Arbeiten berichtet, die Thutmes III (16. Jahrhundert v. Chr.) 
im Tempel von Karnak ausführen liels.”) Es heilst daselbst: „Sein Thor 
vom Holze des Landes Chont (oder Chontsche), beschlagen mit Kupfer 
(Bronze?), und der in das Schild eingefafste Königsname auf ihm aus 
dsemgolde.“ Eine andere Stelle desselben Textes lautet folgendermalsen: 
„Es hat errichten lassen seine Majestät das grolse Thor, gefertigt aus 
echtem Holze des Baumes as, beschlagen mit Gold, zusammengefügt 
durch Schwarzkupfer .... und der in das Schild eingefalste Königsname 
auf ihm in dsemgolde, Gold und Schwarzkupfer.“*) Über den Tempel, 
den Ramses II zu Abydos dem Osiris erbaute, berichtet die Bauinschrift: 
„Hergestellt wurde von ihm das Portal aus dunklem Steine, die Thür- 
flügel zusammengefügt durch Kupfer und beschlagen mit dsemgolde.“?) 
Von Ramses III heilst es in einer Tempelinschrift von Medinet-Habu:°) 
„Er hat es ausgeführt zu seinem Andenken für seinen Vater Amon-Ra, 
den Gebieter von Theben; errichtet hat er den Tempel für Millionen von 
Jahren aus dem herrlichen festen Sandstein, seine Portale von Granit, 
dem dunklen Steine, die Thürflügel aus echtem Holze des Baumes a5 vom 
Lande Hotepohet, beschlagen mit äsemgolde.“ Es leuchtet ein, dafs alle 
diese mit Metall bekleideten Thüren auf demselben tektonischen Prinzipe 


1) "Abd-al-Latif (p. 60—61 ed. White) und Maqrizi (Khitat ed. egiz. 1 
p. 229—230) berichten dies aus einem Werke des Säfi‘ Ὁ. “Ali (gestorben 1330). 
Vgl. de Sacy, relation de l’Egypte par Abdullatif p. 225—226. Derselbe Bronze- 
überzug wird auch von dem Geographen Jägüt erwähnt (Wüstenfeld, geographi- 
sches Wörterbuch Ill p. 763). 2) Zeitschrift für ägyptische Sprache 1872 
p. 102—105. 3) Die Inschrift ist in dem mir unzugänglichen Werke „Karnak“ 
von Mariette veröffentlicht. Ich verdanke diese wie die folgenden Übersetzungen 
der Güte Herrn Dümichens. 4) Von einer Harfe, welche Thutmes III in dem- 
selben Tempel weihte, heilst es: „eine Harfe kostbar ausgelegt mit Silber,. Gold, 
Lapislazuli, Malachit(?) und allerlei kostbaren Steinen“. 5) Brugsch, recueil 
[ 12, 1; Lepsius a. a. O. p. 48. 6) Dümichen, histor. Inschriften II T. 47, 16; 
Lepsius a. a. Ὁ. p. 101. 


Über die Metallbekleidung der Wände. 435 


beruhten wie die ähnlichen im Epos erwähnten, nämlich die eisernen 
Thüren des Tartaros!) und diejenigen am Hause des Alkinoos, die nach 
der Angabe der Dichtung goldene Flügel und silberne ΡΩΝ hatten.) 

Dagegen begegnen wir in Ägypten nur wenigen Zeugnissen, welche 
von metallenen Wandinkrustationen Kunde geben und sich somit den Be- 
schreibungen vergleichen lassen, die das Epos von den Sälen des Alki- 
noos®) und Menelaos?) entwirft. Herr Dümichen, den ich in dieser Frage 
um Auskunft gebeten, konnte mir nicht mehr als zwei hierauf bezügliche 
Inschriften nachweisen. Die eine berichtet von dem grofsen Tempel, den 
Sethos I zu Abydos erbaute.’) Es heilst daselbst von einem Korridor: 
„errichtet aus Stein, belegt mit Gold, als ein Bauwerk für eine Unend- 
lichkeit von hundertundzwanzigjährigen Perioden.“ Die andere Inschrift, 
die sich zu Theben befindet, enthält keinen Königsnamen, scheint aber 
nach der Vermutung Dümichens der Zeit des dritten Ramses anzugehören.°) 
Die betreffende Stelle lautet in der mir von demselben Gelehrten mit- 
geteilten Übersetzung folgendermafsen: „Angeordnet wurde für den Vater 
Amon ein grolser Festsaal; er wurde ausgelegt mit gutem Golde, die 
Säulen verziert mit äsem, die unteren Ränder mit Silber.“ 

Eine ungleich hervorragendere Rolle als in Ägypten spielte jedoch 
die metallene Wandbekleidung in Mesopotamien. Das gebräuchlichste 
Baumaterial waren in dieser Gegend von alters her die Lehmziegel.‘) 
Um den aus diesem vergänglichen Materiale aufgeführten Gebäuden 
Wetterbeständigkeit, Festigkeit gegen äulsere Gewalten und Schmuck 
zu verleihen, mulsten die Wände innen wie aulsen mit einer soliden 
Kruste überzogen werden. Die Wahl der hierbei zu verwendenden 
Stoffe hing natürlich von dem Zwecke ab, dem die Wand zu genügen 
hatte. Kam es besonders auf Festigkeit an, so führte man die Inkru- 
station aus Stein aus, wogegen, wenn das dekorative Bedürfnis vor- 
waltete, Metall, Elfenbein, glasierte Ziegel oder kostbares Holzgetäfel zur 
Anwendung kamen. Hiernach leuchtet es ein, dafs in dem alten Kultur- 
lande zwischen Euphrat und Tigris besonders günstige Bedingungen vor- 
handen waren, um die Wandinkrustation, aus welchem Materiale sie auch 
bestehen mochte, zur Entwickelung und systematischen Ausbildung zu 
bringen. Es fragt sich somit, ob wir nicht doch Mesopotamien als den 
Ausgangspunkt dieses Verfahrens zu betrachten und die metallenen Wand- 
bekleidungen, denen wir im Nilthale begegnen, auf asiatischen Einfluls 
zurückzuführen haben. Wie im obigen bemerkt wurde, lälst sich ein 


1) Il. VII 15 (oben Seite 107, Anm. 2). 2) Od. VII 88—90 (oben 
Seite 100, Anm. 6). 3) Od. VII 86—87 (oben Seite 100, Anm. 6). 4) Od. 
IV 71—73 (oben Seite 101, Anm. 1). 5) Mariette, Abydos 1. 6) Dümichen, 
histor. Inschriften II T. 56. Wie mir der Verfasser mitteilt, ist auf der be- 
treffenden Tafel die Angabe, dafs die Inschrift aus Theben stammt, ausgefallen. 
Deshalb wird diese Inschrift in der Regel wie die der unmittelbar vorhergehen- 
den und folgenden Tafeln als in Dendera befindlich eitiert (so von Lepsius 
a. a. OÖ. p. 45). 7) Vgl. hierüber und über das Folgende Perrot et Chipiez, 
hist, de l’art II p. 113 ff., 154 ff. 


28 + 


450 II. Exkurs: 


solches Verfahren in der ägyptischen Architektur nicht vor der Zeit des 
ersten Sethos nachweisen. Es ist aber unzweifelhaft, dafs die ägyptische 
Kunst und im besonderen die Dekoration, seitdem der dritte Thutmes 
siegreich bis zum Euphrat vorgedrungen war, mancherlei Elemente aus 
Asien entlehnte.') Ja es scheint sogar, dafs von dort nicht nur. die 
metallene Wandbekleidung, sondern auch die metallene Thürbekleidung 
stammt, deren ältestes Beispiel unter dem dritten Thutmes nachweis- 
bar ist; denn die ägyptischen Inschriften bezeichnen das hierfür ver- 
wendete Erz bisweilen ausdrücklich als asiatisches.”) Jedenfalls erscheint 
die metallene Wandbekleidung in Asien ungleich verbreiteter als in 
Ägypten. 

Im Tempel des Bel zu Babylon waren die Wände mit Silber und 
Elfenbein, das Dach und der Fufsboden mit Gold überzogen.) Die dortige 
Burg, deren Erbauung der Semiramis zugeschrieben wurde, enthielt nach 
Ktesias*) eherne Zimmer (δίαιται χάλκεαι), wogegen Philostratos?) an- 
giebt, dafs die Wände der Zimmer und Hallen mit Silber oder Gold 
oder mit aus Goldfäden gewebten Teppichen bedeckt waren und das 
Dach aus schimmernder Bronze bestand. Taylor entdeckte in einem 
chaldäischen Terassenbau ein Zimmer, dessen Wände einen Überzug aus 
Goldblech hatten.®) Vergoldete Ziegel”) und Fragmente reich ornamen- 
tierter Elfenbeininkrustationen wurden zu Nimrud im Palaste des Assur- 
nazirpal gefunden.°) In dem bei Chorsabad ausgegrabenen Palaste des 
Sargon war ein Zimmer des Harems mit Streifen aus Bronzeblech in- 
krustiert, auf denen in getriebener Arbeit Menschen- und Tierfiguren dar- 
gestellt sind.”) Die Pfosten des Haremthores hatten die Form von 
Palmstämmen, die aus Holz geschnitzt und mit Bronze überzogen waren.'”) 
Fragmente von Inkrustationen aus Bronzeblech, die dereinst zur Verzie- 
rung eines Zimmers oder eines grölseren Möbels gedient hatten, kamen 
aus Mosul in den pariser Kunsthandel; ihre getriebenen Reliefs, deren 
Stil auf das 9. Jahrhundert v. Chr. hinweist, scheinen Ereignisse aus 
der Regierung des Königs Salmanassar II darzustellen.'') Dürfen wir 
den Übersetzungen der Assyriologen Glauben schenken, so werden Me- 
tall- und Elfenbeininkrustationen auch auf babylonischen Keilinschriften 
erwähnt. '?) 


1) Vgl. im besonderen von Sybel, Kritik des ägyptischen Ornaments, Mar- 
burg 1883. 2) Allerlei Beispiele in der Zeitschrift für ägyptische Sprache 
1872 p. 102—105. 3) Avien, descr. orbis 1200 (oben 8. 116, Anm. 2). Vgl. 
Dionys. Perieg. 1007—1008. 4) Bei Diodor II 8. 5) Vita Apoll. Tyan. I 25 ’ 
$ 34: τὰ δὲ βασίλεια χαλκῷ μὲν ἤρεπται καὶ ἀπ᾽ αὐτῶν ἀστράπτει, ϑάλαμοι δὲ 
χαὶ ἀνδρῶνες καὶ στοαί, τὰ μὲν ἀργύρῳ, τὰ δὲ χρυσοῖς ὑφάσμασι, τὰ δὲ χρυσῷ 
αὐτῷ καϑάπερ γραφαῖς ἠγλάισται. 6) Taylor, notes on Abou-Sharein p. 407 
(Journal of the r. asiatie society XV). Vgl. Perrot et Chipiez, hist. de P’art II 
p. 312—313. 7) Layard, Niniveh II p. 264 n. 1. 8) Perrot et Chipiez, hist. 
de Yart II p. 313 —316. 9) Place, Ninive et l’Assyrie pl. 72. 10) Place 
2. 19,0. Ph Id 11) Gazette archeologique 1878 pl. 22—24 p. 119 fl. 
12) Nebukadnezar sagt auf einer zu Babylon gefundenen Inschrift nach Lenor- 


Über die Metallbekleidung der Wände. 437 


Dafs eine entsprechende Dekorationsweise den Phönikiern geläufig 
war, ergiebt sich aus der Beschreibung des salomonischen Tempels, dessen 
Bau und Ausschmückung bekanntlich von einem tyrischen Künstler ge- 
leitet wurde. Das die Wände bedeckende Getäfel aus ÜCedernholz war 
allenthalben mit Goldblech überzogen.') Wenn ferner Ezechiel?) von 
dem Könige von Tyros sagt: „kostbares Gestein ist die Decke seines 
Palastes, Karneol, Topas und Diamant und Gold“, so ist gewils auch 
hierbei an kostbare Wandinkrustationen zu denken”) Es scheint dem- 
nach nicht unmöglich, dafs die Angaben des Vergil*), nach denen der 
Tempel der Juno, d. i. der Astarte, in Karthago mit ehernen Schwellen, 
Balken und Thüren versehen war, auf einer richtigen Überlieferung 
beruhen. 

Die jüdische Stiftshütte ist nach den neuesten Forschungen’) eine 
historische Fiktion, die darauf abzielte das Volk Gottes vor Erbauung des 
salomonischen Tempels mit einem Centralheilistum auszustatten. Doch 
versteht es sich, dafs der Erfinder dieser Fiktion durch ihm bekannte 
architektonische Vorbilder bestimmt wurde. Die hölzernen Wände hatten 
nach der im Exodus enthaltenen Beschreibung auf der Aulsen- wie auf 
der Innenseite einen Überzug aus Goldblech,®) ebenso die Säulen, welche 
den inneren, wie die, welche den äulseren Vorhang trugen; die ersteren 
ruhten auf silbernen, die letzteren auf ehernen Basen;‘) aus Erz bestan- 
den auch die Basen der Säulen des Vorhofes;°) eine eherne Bekleidung 
hatte der hölzerne Altar.”) Auch in den Inkrustationen des von Salomo 
erbauten Palastes spielte nach Josephus,'”) der für seine Beschreibung be- 
sondere, von den Büchern des alten Testamentes verschiedene Quellen 
benutzt zu haben scheint, das Gold eine hervorragende Rolle. Besonders 
beliebt war jedoch in Judäa und dem benachbarten Samaria die Wand- 
bekleidung mit Elfenbeinplatten, deren milder Glanz eine sehr geeignete 


mant, manuel d’histoire ancienne de l’orient II p. 233: jai recouvert d’or la 
charpente du lieu de repos de Nebo. Les traverses de la porte des oracles ont 
ete plaquees d’argent. J’ai ineruste d’ivoire les montants, le seuil et le linteau 
du lieu de repos. J’ai recouvert d’argent les montants en cedre de la porte de 
la chambre des femmes. 1) Namentlich I. Könige 6, 22, II. Chron. 3, 4, 5 
und 8. Joseph. antiq. iud. VIII 3, 2: τοὺς δὲ τοίχους nedeivaıg διαλαβὼν σανίσι 
χρυσὸν αὐταῖς ἐνετόρευσεν, ὥστε στίλβειν ἅπαντα τὸν ναόν. Vgl. ebenda 3, 3 über 
die Vergoldung der Thüren und des Daches: συνελόντι δ᾽ εἰπεῖν, οὐδὲν εἴασε τοῦ 
ναοῦ μέρος οὔτε ἔξωϑεν οὔτε ἔνδοϑεν, ὃ μὴ χουσὸς ἦν: aulserdem 8, 9. 
2) XXVII 13. 3) Die goldene Säule im Tempel des Melkart in Tyros 
(Herodot II 44) lasse ich unerwähnt, da es ungewils ist, ob sie einen höl- 
zernen Kern hatte oder massiv oder durch Hohlgufs hergestellt war. Ebenso 
verhält es sich mit den Säulen im Tempel des Melkart zu Gades, die nach 
Strabo III p. 170 aus Bronze, nach Philostratos, vita Apollon. V 5 aus einer 
Legierung von Gold und Silber bestanden. 4) Aen. 1 428ff. 5) Wellhausen, 
Prolegomena zur Geschichte Israels, 2. Ausg. der Geschichte Israels I p. 40 ff. 
6) Exod. XXV 10, 11. Eine ausführlichere Wiederholung dieser Beschreibung 
findet sich Exod. XXVI 15—30. Vgl. Joseph. ant. iud. ΠῚ ὁ, 5. 7) Exod. 
XXVI 32, 37. 8) Exod. XXVI 11, 17. 9) Exod. XXVII 1, 2. 10) Ant. 
iud. VII 5, 2. 


438 Il. Exkurs: 


Folie für die brünetten Töchter Sems darbot. Bereits in den Psalmen 
wird eines Elfenbeinhauses') gedacht; ein solches erbaute König Ahab 
von Israel;”) die gleiche Dekorationsweise erwähnt der Prophet Amos?) 
(8. Jahrhundert v. Chr.), wo er die Üppigkeit der vornehmen Samari- 
taner geilselt. 

Die südlichste Gegend, bis zu welcher wir diese Dekorationsweise 
verfolgen können, ist Jemen, der uralte Mittelpunkt des orientalischen 
Spezereienhandels. In der Königsburg von Sabä, der Hauptstadt des 
„glücklichen Arabiens“‘, waren Thüren, Decken und Wände mit Elfenbein, 
Gold, Silber und Edelsteinen bedeckt.*) Ein anderer ausführlicherer Be- 
richt°) giebt an, dals zum Schmucke der Decken und Thüren goldene 
mit Edelsteinen besetzte Schalen dienten. Man denkt hierbei an die reich 
ornamentierten Schalen, welche öfters an den Behältern und Deckeln alt- 
jüdischer Sarkophage angebracht sind,°) wie an die bronzenen, schild- 
artigen Gegenstände, die in alten cornetaner Grabkammern gefunden wur- 
den und kaum zu etwas anderem gedient haben können als zur Füllung 
von Thür- oder Deckenfeldern.‘) 

In westlicher Richtung verbreitete sich die Metallinkrustation aus 
Mesopotamien zu den Medern und Persern. Der vergoldeten und versil- 
berten Zinnen, welche sich an den Mauern von Ekbatana befanden, wurde 
bereits gedacht.°) Der dortige Palast war vorwiegend aus Cedern- und 
Cypressenholz aufgeführt; doch trat dieses edle Material nirgends zu 
Tage, vielmehr waren die Tragbalken, die Felder der Decken wie die 
Säulen allenthalben mit Gold- und Silberblech überzogen und auch die 
Bedachung durch Silberplatten hergestellt.) Ein derartiges Bild schwebte 


1). 45, 9. 2) I. Könige 22, 39. 8). 8. τ: 4) Strabo XVI p. 778: 
καὶ γὰρ ϑυρώματα καὶ τοῖχοι καὶ ὀροφαὶ δι᾽ ἐλέφαντος καὶ χρυσοῦ καὶ ἀργύρου 
λιϑοκολλήτου τυγχάνει διαπεποικιλμένα, 5) Diodor. IIl 47: τὰς δ᾽ ὁροφὰς καὶ 


ϑύρας χρυσαῖς φιάλαις λιϑοκολλήτοις καὶ πυκλχναῖς διειληφότες. Agatharchides 
de mari erythraeo 102 (Geogr. gr. minores ed. Müller I p. 190): κίονάς τὲ ποῖ- 
λοὺς αὐτοῖς φησὶ κατεσκευάσϑαι ἐπιχρύσους TE καὶ ἀργυροῦς, πρὸς δὲ καὶ τὰς 
ὀροφὰς καὶ ϑύρας φιάλαις λιϑοκολλήτοις ἐξειλῆφϑαι πυκναῖς. 6) Bull. archeo- 
log. du Musede Parent p. 21ff. Rev. arch. XXV (1873) p. 398 ff. Vgl. XXVI 
(1873) p. 302 ff. 7) Abbildungen: Mus. Gregor. I 38, 1—4; Micali, storia 
T. XLI 1—3 (vgl. ΠῚ p. 63); Müller, Denkm. ἃ. a. K. I 60, 303. Vgl. Bull. dell’ 
Inst. 1829 p. 8, 150; Abeken, Mittelitalien p. 387; O. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. 
d. Wiss. 1854 p. 49; Bull. dell’ Inst. 1866 p. 237. Leider giebt nur ein Bericht 
(Bull. dell’ Inst. 1829 p. 151) über die Umstände, unter denen sich solche Gegen- 
stände vorfinden, nähere Auskunft. Ihm zufolge wurden in einem cornetaner 
+rabe elf Exemplare (vgl. Bull. 1829 p. 8) wie Schüsseln übereinander ge- 
schichtet gefunden. Es beweist dies deutlich, dafs sie nicht zur Ausschmückung 
jenes Grabes dienten, sondern dem Toten beigegeben waren, damit er sie zur 
Verzierung seiner im Jenseits angenommenen Wohnung verwende. Da/ls ähn- 
liche Schilde auch in Griechenland gebräuchlich waren, ergiebt sich aus einem 
in der Peloponnes aufgefundenen Exemplare: Benndorf, antike Gesichtshelme 
und Sepulkralmasken T. XVII. 8) Oben $. 95, Anm. 1. 9) Polyb. X 27, 
10: Οὔσης γὰρ τῆς ξυλίας ἁπάσης κεδρίνης καὶ κυπαριττίνης, οὐδεμίαν αὐτῶν γε- 
γυμνῶσϑαι συνέβαινεν, ἀλλὰ καὶ τὰς δοκοὺς καὶ τὰ φατνώματα καὶ τοὺς κίονας 


Über die Metallbekleidung der Wände. 439 


dem Aischylos') vor, als er die Wohnung des Perserkönigs durch die 
Worte χρυσεόστολμοι δόμοι bezeichnete. Eine ähnliche Dekoration wie jener 
Palast hatte der Tempel, den Artaxerxes II Mnemon (405—359) zu Ek- 
batana der Anaitis erbaute.?) 

Dürfen wir dem Philostratos?) Glauben schenken, so ist die Metall- 
inkrustation selbst in dem fernen Indien zur Anwendung gekommen. Wie 
dieser Schriftsteller berichtet, waren in Taxila, der Residenz des Königs 
Poros, die Wände eines Tempels mit ehernen Platten bedeckt und auf 
denselben in Niello Scenen aus dem Kriege zwischen Alexander dem 
Grofsen und Poros dargestellt. 

Plinius®) endlich berichtet, dals ein kolchischer König Saulakes, ein 
Nachkomme des Aietes, seine Gemächer aus Gold, die Balken, Säulen und 
Pilaster aus Silber hergestellt habe. Wenn dieser Angabe irgendwelcher 
historischer Wert zuzuerkennen ist, dann wäre die Metallinkrustation so- 
gar bis in die unwirtliche Kolchis verpflanzt worden. 

Für ihre Verbreitung in Kleinasien liegt, abgesehen von den im 
VIII. Abschnitte besprochenen Schilderungen des homerischen Epos, nur 
ein sehr spätes Zeugnis vor. In einem Epigramme des Bianor?’) näm- 
lich, welches das Erdbeben, das im Jahre 17 n. Chr. Sardes zerstörte, 
zum Gegenstand hat, wird diese Stadt bezeichnet als „die Gyges- 
und Alyattesstadt, die einst mit Goldplatten den uralten Fürstensaal 
bedeckte.“ 

Jedenfalls fand das Inkrustationsverfahren in sehr alter Zeit und 
schon vor der dorischen Wanderung‘®) auf der Asien zugewendeten Ost- 
seite Griechenlands Eingang. 

Das bei Mykenae gelegene und unter dem Namen des Schatzhauses 
des Atreus bekannte Grab zeigt in den Steinen, aus denen die Kuppel 
aufgemauert ist, Reihen von bronzenen Nägeln oder Nagellöchern, welche 
sich von dem unteren Rande konzentrisch nach dem höchsten Punkte des 
Gewölbes erstrecken, während andere ähnliche Reihen, parallel zu einander 
verlaufend, das Gewölbe in horizontaler Richtung durchschneiden.’) Es 
ist allgemein anerkannt, dals diese Nägel zur Festigung von Bronze- 
blechen dienten, wie sich denn auch Fragmente einer solchen Inkrustation 
auf dem Boden des Grabes gefunden haben.) Wenn am Gemäuer des 
inneren Thorwegs die Nägel kleiner und ihre Reihen dichter sind, so hat 


τοὺς ἐν ταῖς στοαῖς περιστύλοις, τοὺς μὲν ἀργυραῖς, τοὺς δὲ χρυσαῖς λεπίσι περι- 


ειλῆφϑαι, τὰς δὲ κεραμίδας ἀργυρᾶς εἶναι πάσας. 1) Pers. 159. 2) Polyb. 
X 27, 12. Vgl. Beros. fragm. 16 (Fragm. hist. gr. ed. Müller II p. 509). 3) Vit. 
Apoll. II 20. 4) Plin. XXXIII 52. 5) Anth. pal. IX 423 (II p. 150 ed. 


Jacobs). Vielleicht gehört hierher auch ein Iydisches Grab, über welches Pro- 
kesch, Erinnerungen aus Ägypten und Kleinasien III p. 180 folgendermalsen 
berichtet: „die Wände, aulsen und innen, sind fein abgeplättet und haben viele 
seichte Fintiefungen, ein Beweis, dals sie verkleidet waren.“ 6) Oben 
Ss. 69— 71. 7) Mure im Rhein. Mus. VI (1838) p. 270; Schliemann, Mykenae 
p. 49 ff.; Thiersch in den Mittheilungen des deutschen archäol. Institutes in 
Athen IV (1879) p. 178—179. 8) Mure a. a. OÖ. p. 272; Archäol. Zeitg. 1862 


440 II. Exkurs: 


Mure!) hieraus vielleicht mit Recht geschlossen, dafs an dieser Stelle ein 
feineres Material, sei es Gold- oder Silberblech, sei es Elfenbein, die 
Wand bedeckte. Reste der aus verschiedenfarbigen Steinen bestehenden 
Inkrustation der Eingangsfassade haben sich bis auf den heutigen Tag 
an der ursprünglichen Stelle erhalten.”) Nach Adlers Ansicht?) war .die 
kleine zweiflügelige Thür zwischen dem Kuppelraume und dem vier- 
eckigen Gemache und vermutlich auch die Schwelle des ersteren Raumes 
mit stärkeren Erzplatten überzogen. 

Eine Erinnerung an derartige Bauten hat sich in dem Danaemythos 
erhalten. Wenn nach diesem Mythos Akrisios seine Tochter vor den 
Nachstellungen des Zeus in einem ehernen Thalamos birgt,*) so hat man 
dabei an einen ähnlichen unterirdischen mit Bronze verkleideten Bau 
wie den von Mykenae zu denken. Vielleicht gehört in diesen Kreis 
auch das eherne Fafs, in dem sich Eurystheus vor Herakles verkriecht, 
und dasjenige, in welches .die Aloiden den Ares einsperren.°) Nach 
Hesiod®) waren während der Heroenzeit eherne Häuser gebräuchlich. 
Auf einem Hügel bei Aulis zeigte man eine eherne Schwelle als Rest 
der Lagerhütte des Agamemnon, welche dereinst an dieser Stelle ge- 
‘ standen haben sollte”) Die delphische Überlieferung berichtete, dafs 
der dortige Apollotempel, bevor ihn Trophonios und Agamedes aus Stein 
aufführten, ein eherner Bau gewesen sei.°) Im attischen Demos Kolonos 
war der Weg, der zum Hades herabführen sollte, durch eherne Stufen 
zugänglich. ”) 

In dem bei Orchomenos gelegenen und unter dem Namen des Schatz- 
hauses des Minyas bekannten Grabe waren die Wände nicht, wie bisher 
angenommen wurde, mit Platten aus Metallblech überzogen. Vielmehr 
scheint es nach neueren Beobachtungen, dafs die Kuppel einen aus ein- 
zelnen bronzenen Rosetten bestehenden Schmuck hatte. Die Löcher, welche 
zur Befestigung dieser Schmuckstücke dienten, erscheinen in horizontalen 
Reihen, die etwa 60 Centimeter von einander entfernt sind, über die 
sanze Kuppel verteilt. Jede Rosette war so angebracht, dals sie gerade 
über dem Zwischenraum zweier Rosetten der unter und über ihr befind- 
lichen Reihe stand. Um die Thür des Thalamos scheinen, nach den er- 
haltenen Bohrlöchern zu schlielsen, drei Reihen von Rosetten angebracht 
gewesen zu sein.') 


p. 8295. Vgl. Christ und Lauth, Führer durch das Antiquarium in München 
p. 39. Doch nimmt Adler bei Schliemann, Tiryns p. XLIV an, dafs nicht die 
ganze Kuppel, sondern nur die fünfte und neunte Steinschicht derselben mit 
Erz bekleidet waren. 1) A.a. O. p. 274. 2) Blouet, expedition de Morde 
II pl. 70, 71; Thiersch a. a. Ὁ Ὁ. 179—182. 3) A. a. Ὁ. p. XLIV. 4) So- 
phocl. Antigone 944—947. Horaz, carm. III 16. Pausan. II 23, 7. δὴ DV. 
387. Boettiger, Amalthea I p. 123; Müller, Dorier II p. 256. Vgl. jedoch Klein, 
Euphronios 2. Aufl. p. 92 ff. 6) Opp.. 150: χάλκεοι δὲ τε οἶκοι. 1) Pausan. 
IX 19, 7. Vgl. Bursian, Geographie von Griechenland I p. 218. 8) Pausan. 
X5,11. 9) Soph. Oed. Col. 1591. 10) Schliemann, Orchomenos p. 25, p. 29—31. 
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Sitzung vom 26. Juni 
1886 p. 379. 


Über die Metallbekleidung der Wände. 441 


- Übrigens wurde die altasiatische Dekoration von den Griechen auch 
nach dem homerischen Zeitalter angewendet. Wie Pausanias') berichtet, 
erbaute der Tyrann Myron, nachdem er in der 33. Olympiade (648 v. Chr.) 
beim Wagenrennen gesiegt hatte, zu Olympia das Schatzhaus der Sikyonier 
und liefs darin zwei Thalamoi, den einen dorischen, den anderen ionischen 
Stiles, anbringen. Der Schriftsteller fügt bei, er habe sich durch eigene 
Anschauung überzeugt, dafs diese Thalamoi aus Erz gearbeitet waren. 
Seine Angaben sind durch die neuerdings ausgegrabenen Reste des Schatz- 
hauses berichtigt worden.”) Dieses Gebäude kann unmöglich zur Zeit des 
Myron, im 7. Jahrhundert v. Chr., aufgeführt sein. Vielmehr weisen die 
erhaltenen Bauglieder, die Inschrift und die an den Quadern angebrachten 
Setzmarken frühestens auf das Ende des 6. Jahrhunderts hin. Da sich aufser- 
dem an den Wänden nicht die geringste Spur von Bronzebekleidung gefunden 
hat, so können die von Pausanias erwähnten Thalamoi keine Gemächer, son- 
dern nur transportable, mit Erz inkrustierte Schreine oder ähnliche Gegen- 
stände gewesen sein. Ferner hat sich zu Olympia östlich von dem früher so- 
genannten Leonidaion, etwa M.0.30 unter dem hellenischen Niveau und 
einen Meter unter der römischen Anlage, ein Fragment einer mit geometri- 
schen Ornamenten verzierten Bronzeinkrustation gefunden, die nach der be- 
trächtlichen Länge (M. 0,298) des erhaltenen Stückes eine architektonische 
Verwendung, etwa als Thürpfostenbekleidung, gehabt haben mufs.”) Doch 
ist diese Inkrustation in späterer Zeit ihrem ursprünglichen Zwecke ent- 
fremdet und das erhaltene Fragment zur Eingravierung einer vermutlich 
eleischen Inschrift verwendet worden, deren sprachliche Eigentümlichkeiten 
spätestens auf das Ende des 7. Jahrhunderts hinweisen.‘) 

Endlich ist hier noch der eherne Tempel der Athena Chalkioikos zu 
erwähnen, den Gitiadas zu Sparta erbaute oder bei einer Restauration 
neu dekorierte.”) Die Frage, ob die von Pausanias beschriebenen, bronzenen 
Reliefs mythologischen Inhaltes an dem Idole der Göttin oder an den 
Wänden des Tempels angebracht waren, lälst sich nicht mit Bestimmtheit 
entscheiden, wiewohl die letztere Annahme die grölsere Wahrscheinlichkeit 
für sich hat. Ebenso sind die Nachrichten über die Zeit des Gitiadas 
sehr verworren. Wenn Brunn mit Recht annimmt, dafs dieser Künstler 
das Ende des dritten messenischen Krieges (455 v. Chr.) erlebte, dann 
ist die von ihm ausgeführte Dekoration unter den hellenischen Leistungen 
dieser Art für lange Zeit die letzte, von der wir Kunde haben; denn so- 
weit unser Wissen reicht, kam das altasiatische Verfahren in der Arechi- 


E.V 19,2. 2) Archäol. Zeitg. 1881 p. 66, 170—172. Aufnahme: Die 
Ausgrabungen von Olympia IV (1878—79) T. 33. Das Gebäude heilst hier noch 
Schatzhaus der Karthager — eine Benennung, welche durch die später gefun- 


dene Inschrift (Arch. Zeitg. 1881 p. 170 n. 394; Roehl, inscript. gr. antiquiss. 
p. 172 τι. 27 c) berichtigt worden ist. Vgl. Boetticher, Olympia p. 214—216; 
Klein in den Arch. epigr. Mitth. aus Österr. IX p. 170—172. 3) Arch. Zeitg. 
1881 p. 78, 91—94. 4) Arch. Zeitg. 1881 p. 78 n. 382, p. 93. 5) Pausan. 
II 17,2, Brunn, Gesch. ἃ. gr. Künstler I p. 114—115; die Kunst bei Homer 
p. 49—50. Vgl. jedoch Klein a. a. O. p. 169—170. 


442 II. Exkurs: 


tektur der Blütezeit niemals zur Anwendung, sondern wurde erst wieder 
aufgenommen, als das makedonische Schwert den Griechen Vorderasien 
eröffnet hatte und infolgedessen die griechische Kunst aufs neue mancher- 
lei orientalische Einflüsse erfuhr. 

Durch die hellenischen Kolonieen, die auf Sieilien und in Unteritalien 
gegründet worden waren, fand das Inkrustationsverfahren auch auf der 
Apenninhalbinsel Eingang. Beinahe alle dadurch erzielten Leistungen, 
welche in altgriechischem Kulturkreise nachweisbar sind, finden in Latium 
und Etrurien schlagende Analogieen. Wie das Epos von metallenen 
Schwellen und Thüren berichtet,') hatten die ältesten römischen Tempel 
limina und valvae ex aere, das Haus des Camillus aerata ostia.?) Varro°) 
leitet den Namen der in der servianischen Mauer angebrachten Porta 
Raudusculana von der Bronzebekleidung ab. Die reicher verzierten Thore 
und Thüren dieser Art werden veranschaulicht dureh die mit asiatisieren- 
den Reliefs geschmückten Steinplatten, mit denen bisweilen in der Nekro- 
pole von Tarquinii die Eingänge vornehmerer, dem 5. Jahrhundert v. Chr. 
angehöriger Grabkammern zugesetzt sind;*) denn diese Reliefplatten lassen, 
wie Semper°) richtig bemerkt, deutlich die Nachahmung bronzener Sphy- 
relata erkennen. Eine bronzene Aedicula, deren Stiftung die Römer dem 
Numa zuschrieben, befand sich ursprünglich in dem vor der Porta Capena 
gelegenen Haine der Camenen und wurde, als sie daselbst vom Blitze 
getroffen worden war, zunächst im Tempel des Honos und der Virtus, 
später in dem des Hercules Musarum aufbewahrt.) Der römische Janus- 
tempel war mit Bronze bekleidet.) In etruskischen Gräbern, die zum 
Teil schon dem 6. Jahrhundert v. Chr. angehören, finden sich häufig 
Platten oder Streifen aus Bronzeblech, verziert mit ormamentalen oder 
figürlichen Reliefs archaischen Stiles.?) Die Nagellöcher, mit denen bei- 
nahe alle Stücke dieser Art versehen sind, und Holzreste, die bisweilen 
an der Rückseite festsitzen, beweisen, dafs diese Bleche zur Bekleidung 
von hölzernen Möbeln, wie Laden, Sesseln oder ähnlichen, gedient haben. 
Freilich liegt bei solchen transportablen Gegenständen wo nicht die Wahr- 
scheinlichkeit so doch die Möglichkeit vor, dafs sie aus ausländischen, sei 
es griechischen, sei es karthagischen, Fabriken stammen, und sie sind 
daher bei einer Untersuchung über die italische Kunst mit Vorsicht zu 
benutzen. Wie man aber auch hierüber urteilen mag, jedenfalls hat der 
. Gebrauch gewisse Teile der Architektur mit Bronze zu bekleiden schon 


1) Oben S. 107, Anm. 2; S. 100, Anm. 6. 2y Plın. XXXTIE 137 Prisei 
limina etiam ac valvas in templis ex aere factitavere.... Camillo inter crimina 
obiecit Sp. Carvilius quaestor quod aerata ostia haberet in domo (vgl. Plutarch, 
Camill. 12). Liv. X 23, 11: aenea in Capitolio limina (296 v. Chr. = 458 u. c.). 
Vgl. Jordan, Topographie der Stadt Rom I 2 p. 14. 3) De ling. lat. V 163: 
porta Raudusculana quod aerata fuit. Vgl. Jordan a. a. Ὁ. 1 1 p. 237, Anm. 66, 
p. 250, Anm. 6. 4) Oben Seite 42, Anm. 2. 5) Der Stil I p. 435—437. 
6) Servius zu Vergil, Aen. I 8. Vgl. Preller, röm. Mythologie II? p. 130. 
7) Procop. goth. I 25 p. 375. Vgl. Jordan a. a. Ὁ, 12 p. 352. 8) Z. B. Mus, 
Gregor. I 17, 2; 18, 2; 39. 


Über die Metallbekleidung der Wände. 445 


sehr früh in Etrurien Eingang gefunden. In einem chiusiner Grabe, das 
spätestens der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. zugeschrieben werden 
kann, bildete ein etwa 25 Centimeter hoher Streifen aus Bronzeblech, der 
um die unteren Wandränder herumlief, eine Art von Sockel.') Ein anderes 
ungefähr gleichzeitiges Grab derselben Nekropole enthielt den bereits be- 
sprochenen bronzenen Fufsboden.”) Andere Berichte bezeugen die Bronze- 
bekleidung für eine chiusiner?) und eine cornetaner‘) Grabkammer, leider 
ohne über die Beschaffenheit und Anordnung der betreffenden Dekoration 
eingehenderen Aufschluls zu geben. In einem chiusiner Grabe fanden 
sich allerlei Fragmente von Goldblech, das nach der Ansicht der bei der 
Ausgrabung gegenwärtigen Personen ursprünglich zur Inkrustation der 
Wände gedient hatte.°) 

Endlich läfst ein nur in einem sehr knappen Auszuge erhaltener 
Bericht des Polybios darauf schlielsen, dals das altasiatische Verfahren 
sogar bei den fernen Iberern zur Anwendung kam. Athenaios®) spricht 
über die im Hause des Menelaos herrschende Pracht und führt als Ana- 
logie dafür eine Beschreibung an, die Polybios von dem Hause eines 
iberischen Häuptlings entworfen hatte. Da in der Odyssee die kostbare 
Wandinkrustation als die bezeichnendste Eigentümlichkeit des spartanischen 
Königshauses hervorgehoben wird’) und die ausdrückliche Angabe des 
Polybios, der Iberer habe die Üppigkeit der Phäaken nachgeahmt, auf 
das ähnlich geschmückte Haus des Alkinoos°®) hinweist, so liegt die Ver- 
mutung nahe, dafs die Wände des Gemaches, in dem sich der Häuptling 
und sein Gefolge an dem nationalen Getränke, dem Biere, gütlich thaten, 
mit glänzendem Metallbleche überzogen waren. Übrigens ist das Auf- 
treten dieser Dekorationsweise in dem südlichen Spanien nicht so wunder- 
bar wie es beim ersten Eindrucke erscheinen mag. Schon im 12. Jahr- 
hundert v. Chr. hatten die Phönikier daselbst Faktoreien angelegt.”) 
Uralt und weit berühmt war der Tempel, den sie in Gades dem Melkart 
erbauten. Wenn es ausdrücklich bezeugt ist, dafs die Säulen dieses Tem- 
pels aus Metall bestanden, 1) so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, 
dals auch die Wände mit einem ähnlichen Schmucke versehen waren. 
Jedenfalls wissen wir, dals die benachbarten Iberer den Kultus des tyri- 
schen Gottes annahmen und dabei genau an dem phönikischen Ritus fest- 
hielten.'') Ferner trieben die Samier im 7.,'?) die Phokäer im 6. Jahr- 
hundert v. Chr.'”) einen einträglichen Handel mit der Bevölkerung von 
Tartessos. Funde, die neuerdings im nördlichen Portugal gemacht worden 
sind, beweisen auf das schlagendste, dafs die Bewohner dieser fernen 
Gegend schon in sehr früher Zeit mit der Kultur, die in den östlichen 
Ländern des Mittelmeergebietes blühte, Fühlung hatten.'*) Es scheint 


1) Bull. dell’ Inst. 1874 p. 205. 2) S. oben ὃ. 116, Anm. 5. 3) Lanzi, 


saggio di lingua etrusca Il p. 266. 4) Vermiglioli, opuse. I p. 7. 5) Den- 
nis, cities and cemeteries of Etruria Il? p. 353. 6) I 166 7) Od. IV 
71—73 (oben 8. 101, Anm. 1). 8) Od. VII 86—90 (oben ὃ. 100, Anm. 6). 


9) Movers, die Phönizier II 2 p. 146 ff. 10) Oben $. 437, Anm. 3. 11) Arrian, 
anab. II 16. 12) Herodot IV 152. 13) Herodot 1 163. 14) Virchow im 


444 Il. Exkurs: Über die Metallbekleidung der Wände. 


demnach recht wohl denkbar, dafs die altasiatische Dekorationsweise durch 
phönikische oder hellenische Vermittelung bis zu den Barbaren der iberi- 
schen Halbinsel verpflanzt wurde. 


Compte rendu de la 9. session du congres international d’anthropologie et 
d’archeologie (Lisbonne) pl. I, II p. 647 ff. Man sehe namentlich das Bronze- 
blech mit dem oben Seite 335—386 besprochenen Flechtornamente auf pl. II 13 
(vgl. p. 659). Andere der dort gefundenen Denkmäler zeigen Ornamente, welche 
an diejenigen der aus den mykenäischen Schachtgräbern stammenden Kunst- 
sachen erinnern: Virchow a. a. Ὁ. p. 653, p. 655, p. 660. 


Nachträge. 


Zu Seite 47, Anm. 1. Über die ältesten kyprischen Nekropolen ist 
nunmehr ein vortrefflicher Bericht von Dümmler in den Mittheilungen 
des arch. Instituts, athenische Abth. XI (1886) p. 209 ff. erschienen. 

Zu Seite 49—50. Der Charakter der Nekropole von lJalysos ist 
gegenwärtig, soweit es nach den Protokollen Biliottis möglich war, fest- 
gestellt von Furtwängler und Löscheke, Mykenische Vasen p. 1—18, 
Taf. A—E: Atlas Taf. I—-XI Löscheke Vorwort p. VI bringt einen 
weiteren Grund für die Annahme bei, dafs diese Nekropole, wie die 
von Nauplia und von Spata und das Kuppelgrab von Menidi (oben 
Seite 70), jünger ist als die mykenäischen Schachtgräber: es fehlen näm- 
lich daselbst Vasen, deren Dekoration mit stumpfer, völlig glanzloser 
Farbe ausgeführt ist, eine Gattung, die in den Schachtgräbern häufig vor- 
kommt und als eine Weiterentwickelung der durch noch ältere Funde 
(Hissarlik, die ältesten kyprischen Nekropolen, die vorgriechischen Insel- 
gräber) bekannten Keramik betrachtet werden darf. 

Zu Seite 50ff. Über die Schachtgräber und die unmittelbar darauf 
folgenden mykenäischen Schichten ist nunmehr zu vergleichen Löschcke in 
der Vorrede zu Furtwängler und Löschcke, Mykenische Vasen p. VIft. 

Zu Seite 75. Eine der vom Dipylon entsprechende Gruppe von 
Gräbern ist neuerdings zu Athen auf der Südseite der Peiräeusstrasse 
entdeckt worden. Die Anlage der Gräber scheint derjenigen der „tombe 
a fossa“ (oben Seite 22—23) zu entsprechen. Es gehen darin Verbrennung 
und Beerdigung neben einander her. Auch hier fanden sich neben zahl- 
reichen bemalten Vasen der Dipylongattung eiserne Waffen, nämlich schwere 
Schwerter und Lanzenspitzen (oben Seite 70 --- 80). Cartault in den Mo- ᾿ 
numents grecs publies par l’association pour l’encouragement des &tudes 
greeques en France II (1882—1884) p. 41—42. 

Zu Seite 758. Über die Dipylonvasen sind nunmehr Kroker in dem 
Jahrbuche des deutschen arch. Institutes I (1886) p. 95 ff. und Löschcke 
im Vorworte zu Furtwängler und Löscheke, mykenische Vasen p. XI—XII 
zu vergleichen. Kroker bringt zwei weitere Thatsachen bei, welche be- 
weisen, dafs die Dipylonvasen jünger sind als die Blüte des Epos. Es 
kommen nämlich darauf bereits Reiter (Jahrbuch I p. 97 P, p. 121) und 
Viergespanne (Jahrb. I p.96 B, p. 121) vor (vgl. oben Seite 129, Anm. 2). 
Ferner macht Kroker (Jahrb. I 97 ff.) die Annahme wahrscheinlich, dals 


440 ᾿ς Nachträge. 


die für die Dipylongattung bezeichnenden nackten Frauengestalten aus der 
ägyptischen Kunst und zwar aus Reliefs entlehnt sind, welche Scenen 
aus dem Totenkultus wiedergeben und auf denen die die Landgüter des 
Verstorbenen personifizierenden Frauengestalten zuweilen ganz nackt, meist 
so gut wie nackt dargestellt sind. Doch bleibt es zweifelhaft, ob diese 
Entlehnung unmittelbar aus ägyptischem Kulturkreise oder vielmehr durch 
phönikische Vermittelung stattfand. 

Zu Seite 77. Auch in den an der Peiräeusstralse entdeckten Grä- 
bern haben sich Vasen der Dipylongattung mit Darstellungen von Stachel- _ 
schiffen gefunden: Cartault a. a. Ὁ. pl. 4, p. 44 Fig. 1. 

Zu Seite 90. Über das Grab von Matrensa sind nunmehr Furt- 
wängler und Löschcke a. a. Ὁ. p. 47 zu vergleichen. Die in den Ann. 
dell’ Inst. 1877 Tav. d’agg. E 6 publizierte Vase stimmt fast genau mit 
dem von den beiden Gelehrten auf T. XIV 90 abgebildeten er 
kyprischer Provenienz überein. 

Zu Seite 107. Die Schwelle des Thalamos in dem Grabe von Or- 
chomenos gehört nach neueren Beobachtungen erst der römischen Zeit an: 
Verhandlungen der Berl. Gesellschaft für Anthropologie, Sitzung vom 
26. Juni 1886, p. 377.d. 

Zu Seite 137. Nahe verwandt den auf den mykenäischen Grabstelen 
dargestellten sind Wagen auf bemalten Vasen, die einem jüngeren Sta- 
dium der im besondern durch die mykenäischen Funde bekannten Keramik 
angehören: Furtwängler und Löschcke a. a. Ὁ. p. 27—29. Vgl. Mitthei- 
lungen des arch. Inst., athenische Abtheilung XI p. 235. 

Zu Seite 178 und 186. Die Gründe, welche Kirchhoff (gr. Alph. 
3. Aufl. p. 17—19, 4. Aufl. p. 20) für die Annahme geltend macht, 
dals die Statue des Chares nach dem Jahre 546 v. Ohr. gearbeitet 
sein müsse, scheinen mir bei näherer Betrachtung nicht durchschlagend. 
Das Substantiv ἀρχός braucht nicht notwendig auf einen Tyrannen, 
sondern darf mit gleichem Rechte auf den höchsten Beamten der Ge- 
meinde oder auf einen Aesymneten gedeutet werden. Wollen wir aber 
auch zugeben, dals es einen Tyrannen bezeichne, so nötigt nichts zu 
der Annahme, dafs solche kleine Despoten erst seit dem Beginn der 
Perserherrschaft (546) hätten aufkommen können. Thrasybulos war be- 
reits um das Jahr 600 v. Chr. Tyrann von Milet (Plass, die Tyrannis 
bei den alten Griechen p. 226—228). Polykrates scheint sich schon in 
den sechziger Jahren des 6. Jahrhunderts auf Samos zum Tyrannen auf- 
geworfen zu haben (Plass a. a. Ὁ. p. 235—236). Derartige Vorgänge 
konnten recht wohl die politische Entwickelung auch in den kleineren 
Städten beeinflussen. Ist hiermit das Jahr 546 als obere Zeitgrenze be- 
seitigt, so spricht nach dem gegenwärtigen Stande der Kunstgeschichte 
alle Wahrscheinlichkeit dafür, dafs die Statue des Chares nicht der 
zweiten, sondern der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts angehört, wogegen 
sich, wie es scheint, auch von epigraphischer Seite nichts einwenden läfst. 
Vgl. G. Hirschfeld im Rheinischen Museum N. F. XLII p. 216 ff. 

Zu Seite 225. Den Denkmälern, welche den Gebrauch der hohen 


Nachträge. 441 


steifen Haube in griechischem Kulturkreise bezeugen, ist beizufügen ein 
bei Tegea gefundenes weibliches Thonidol: Nuove memorie dell’ Instituto 
di corrispondenza archeologica T. VI 3 p. 76. 


Zu Seite 225—226, Anm. 7. Ich habe die Bemerkungen, welche 
Studniczka, Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 125— 131 
über die Kopftracht der Andromache macht, in einem Punkte milsver- 
standen. Nach seiner Ansicht war die πλεχτὴ ἀναδέσμη nicht, wie ich 
im obigen angab, ein Band, welches die Haare unter der Haube aufband, 
sondern eine Mitra, d. i. eine Binde, die das Kopftuch, welches er unter 
κεκρύφαλος versteht, um das Haupt festband. 


Zu Seite 209, Anm. 5. Diese auch S. 251 Anm. 5, 5. 311 Anm. 3, 
S. 328 Anm. 3 erwähnte Vase ist besser als bei Schliemann, Mykenae 
p. 153 n. 213, p. 161 n. 214 publiziert bei Furtwängler und Löschcke, 
mykenische Vasen T. XLII, XLIlI p. 68— 70. 


Zu Seite 274. „Ich fand 1. J. 1885 in einem frühphönikischen Grabe 
bei Tamassos einen mächtigen Ohrring aus Blalsgold mit drei Kugeln, 
ähnlich dem Exemplare bei Helbig, das homerische Epos 1. Aufl. p. 187 
Fig. 58 (= 2. Aufl. p. 274 Fig. 97).“ Mitteilung von Ohnefalsch-Richter. 


Zu Seite 321—323. Auch sardinische Bronzefiguren zeigen häufig 
einen kleinen Rundschild, der nur vermöge eines in der Mitte der Rück- 
seite angebrachten Bügels gehandhabt wird: z. B. Perrot et Chipiez, 
Ristoirs; de, Vart. IV (Ὁ. 66. n..52, p. 67 n. 53, 54, p. 68. n. 57, »..70 
n. 60. Ebenso ein Krieger auf einer zu Ikonion in Lykaonien befind- 
lichen Grabstele: Texier, description de l’Asie mineure II pl. 103 p. 148— 
149; Perrot et Chipiez IV p. 741 n. 359. 


Seite 328, Anm. 3 lese man statt bei Schliemann, Mykenae p. 233 
n. 213 bei Schliemann ... n. 313. 

Zu Seite 341, Anm. 2. Der Speer des auf der soeben erwähnten 
lykaonischen Stele wiedergegebenen Kriegers ist mit zwei gabelartig neben 
einander gestellten Spitzen versehen. 

Zu Seite 376. Einer der beiden kyprischen Becher ist nunmehr in 
einem mir noch nicht zugänglich gewordenen Hefte der Revue arch£o- 
logique VIII (1886) und in den Mittheilungen d. arch. Inst., athenische 
Abth. XI, III. Beilage n. 6 5. 209 (vgl. ebenda p. 240) publiziert. Er 
hat Kelchform und wurde an der den Behälter tragenden Stütze ange- 
fafst. Die beiden auf dem Rande angebrachten napfartigen Gegenstände 
sind keine Henkel, sondern sollen offenbar Näpfe wiedergeben, die zu den 
beiden Tauben in Beziehung stehen. 

Zu Seite 408. Milchhoefer, die Anfänge der Kunst in Griechenland 
p. 146 bezieht Il. XVIII 548 nicht auf schwarzes Email, sondern auf 
eine dunkle Farbe des Goldes, wie sie auf den mykenäischen Dolch- 
klingen vorkommt. 

Zu Seite 424. Über Ilias XVII 590—593 ist nunmehr Kuhnert, 
Daidalos im XV. Supplementbande der Jahrbücher für el. Philologie 
Ρ. 205—208 zu vergleichen. Er versteht, wie ich, unter χόρος die pla- 


448 Nachträge. 


stische Darstellung eines Reigentanzes, erklärt aber die Verse 591—592, 
in denen Daidalos erwähnt wird, mit Recht für eine späte Interpolation. 

Zu Seite 430, Anm. 5. Über die Inschrift aus Kyme teilen mir 
Dümmler und Studniezka Folgendes mit: „Der nach den Angaben des 
Herausgebers offenbar vollständig erhaltene Text ist so zu lesen: ὑπὺ τῇ 
κλίνῃ τουτεὶ ληνὸς ὕπυ (wie ἔνε = ἔνεστι), das heilst: „Unter der Kline 
hier ist ein Grab darunter“. Anvög, welches sonst Cisterne oder Kelter- 
grube bedeutet, im Sinne von Grabgrube bezeugen Grammatiker und In- 
schriften (Index zu €. I. Gr. p. 154), hauptsächlich solche aus dem der 
Chalkidike benachbarten Thessalonike. κλίνη heilst auch in der Not. d. 
scavi 1884 p. 356 veröffentlichten kymäischen Inschrift das Grabmal. Es war 
ohne Zweifel eine zum Sitzen eingerichtete Grabplaite, wie sie in Athen 
mit ganz ähnlichem Namen τράπεζα genannt wurde (5. Brückner, Attische 
Grabstelen 5. 1f.) Diese τράπεζαι sind ohne Zweifel in den sargähnlichen 
Marmorplatten zu erkennen, welche beim Dipylon in beträchtlicher‘ Zahl 
zu Tage kamen, z. B. Salinas, Mon. sepoler. presso la S. Trinita Tf. L, B 
und IV, F' 5. 12. Darauf wurden manchmal, wie auf wirkliche Tische, 
marmorne Grabvasen gestellt. Auf bemalten Grablekythen erscheinen die- 
selben Platten auch als Sitze für die vor Grabstelen Trauernden. Wenn 
sich jene kymäische Kline in der senkrechten Innenwand eines Hütten- 
grabes gefunden hat, so kann sie zu diesem Zwecke nur später verwendet 
worden sein. Das beweist das Vorhandensein der Inschrift an sich und 
noch mehr ihr Inhalt: sie macht auf das Vorhandensein des Grabes auf- 
merksam, muls also an seiner Oberfläche sichtbar gewesen sein.“ Die 
Inschrift ist auch bei Kirchhoff, Stud. zur Gesch. des gr. Alphab.* S. 121 
abgedruckt. 


Mit dem silbernen Kasten, in dem Hephaistos seine Werkzeuge birgt 
(Il. XVIII 412: ὅπλα τε πάντα | λάρνακ᾽ ἐς ἀργυρέην σύλλεξατο), und mit 
dem goldenen, welcher zur Aufnahme der Asche des Hektor dient (I. XXIV 
795: καὶ τά γε χρυσείην ἐς λάρνακα ϑῆκαν ἑλόντες,  πορφυρέοις πέπλοισι 
καλύψαντες μαλακοῖσιν), lälst sich ein viereckiges, kastenförmiges Aschen- 
gefäls vergleichen, das bei Vetulonia in einem grolsen, dem 6. Jahrhundert 
angehörigen Grabe gefunden wurde. Die Wände sind aus Bronze gear- 
beitet und mit Silberblech überzogen, welches mit Tierfiguren in getriebener 
Arbeit verziert ist. Die darin enthaltenen Knochenreste waren, ähnlich 
wie es die Ilias hinsichtlich der Reste des Hektor berichtet, in Leinwand 
eingewickelt: Bull. dell’ Inst. 1886 p. 244. 


Nachweis der Abbildungen. 


Taf. I. Phönikische Silberschale von Amathus; nach Cesnola-Stern, Cypern 
T, 51: 8. 39, 250 Anm. 4, 402, 411. 

Taf. II. Phönikische Bronzeschale von Nineveh; nach Layard, a second series 
of the mon. of Nineveh pl. 66: S. 394, Anm. 1, 413. 


Fig. 1 (ὃ. 22): Phönikische Silberschale aus einem praenestiner Grabe; 
nach Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 759 n. 543: 8. 21, 27, 29, 135 
224 Anm. 2. 

Fig. 2 (8. 23): Phönikische Silberschale mit einer, wie es scheint, karthagi- 
schen Inschrift aus einem praenestiner Grabe; nach Perrot et Chipiez Ill p. 97 
n. 36: 8. 21, 27, 29, 402. 

Fig. 3 (ὃ. 33): Goldenes Astartebild aus einem mykenäischen Schachtgrabe 
(Originalzeichnung in natürlicher Grölse): ὃ. 33, 34, 37, 38. 

Fig. 4 (ὃ. 34): Phönikische Bronzeschale von Idalion auf Kypros; nach Perrot 
et Chipiez III p. 673 n. 482: ὃ. 35, 403. 

Fig. 5 (ὃ. 35): Phönikische Bronzefigur von Tortosa; nach Perrot et Chipiez 
Hip. 4059.,277::8,'35. 

Fig. 6 (ὃ. 37): Drei klagende Frauen auf einer Dipylonvase (Originalzeich- 
nung in natürlicher Grölse): S. 36—37. 

Fig. 7 (8. 71): Ornamentierte Steinplatte aus dem Palaste von Tiryns; nach 
Schliemann, Tiryns T. IV: S. 71. 

Fig. 8 (S. 72): Fries aus Alabaster mit Kyanosornamenten in seinem erhal- 
tenen Zustande, aus dem Palaste von Tiryns; nach Schliemann, Tiryns T. IV: 
S. 72—74. 

Fig. 9 (ὃ. 72): Grundrifs dieses Frieses; nach Schliemann T. IV: S. 72. 

Fig. 10 (8. 73): Restauration dieses Frieses; nach Schliemann T. IV: 
S. 72—74. 

Fig. 11 (ὃ. 74): Porphyrfries aus Mykenae; nach Schliemann T. IV 8. 72. 

Fig. 12 (S. 74): Smaltplättchen aus Menidi; nach Schliemann T IV: S. 74. 

Fig. 13, 14 (ὃ. 77): Stachelschiffe auf Dipylonvasen; nach Mon. dell’ Inst. IX 
T, 40: 8. 77—78, 160. 

Fig. 15 (ὃ. 78): Phönikisches Stachelschiff auf einem Relief von Kujundschik; 
nach Perrot et Chipiez III p. 34 n. 9: 5. 78, 160. 

Fig. 16 (ὃ. 79): Stachelloses phönikisches Schiff auf einem Relief von Kujund- 
schik; nach Perrot et Chipiez Ill p. 34 n. 8: 5. 78, 158, 159, 160. 

Dip: 178.118): Ägyptisches Relief (Theben), die Werkstätte eines Stell- 
machers darstellend; nach Wilkinson-Birch, the manners and customs of the 
ancient Egyptians I p. 227 n. 60: 8. 113. 

Fig. 18%, 18» (S. 114): Modernes σκεπάρνι: S. 114. 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos. 29 


450 Nachweis der Abbildungen. 


Fig. 19 (8.119): Münze von Elis mit der Statue des olympischen Zeus; nach 
Overbeck, Gesch. ἃ. griech. Plastik 15 p. 258a: S. 119. 

Fig. 20 (ὃ. 120): Phönikische Vase von Kypros; nach Perrot et Chipiez II 
p. 711 n. 523: 8. 119—121. 

Fig. 21 (ὃ. 122): 'Thönerner Lehnsessel aus einem chiusiner. Grabe; nach 
Museo italiano di antichitä classica I T. VIII 10: 5. 122—123. 

Fig. 22 (8. 126): Ägyptischer Streitwagen aus den Reliefs von Ibsambul; 
nach Rosellini, mon. dell’ Egitto (mon. reali) I T. 103: 8. 129 —131, 137, 
142, 148, 156. 

Fig. 23 (S. 130): Streitwagen des Königs Ramses II aus den Reliefs von 
Ibsambul; nach Rosellini a. a. O. I T. 102: S. 129—131, 137, 142, 155, 156. 

Fig. 24 (S. 131): Streitwagen desselben Königs nach Rosellini a. a. Ὁ. II 
(mon. eivili) T. 122, 2: S. 129—131, 137, 144. 

Fig. 25, 26 (5. 132, 133): Streitwagen der Chetiter aus den Reliefs von Ib- 
sambul; nach Rosellini a. a. OÖ. I T. 103: S. 131-—132, 142, 148. 

Fig. 27 (ὃ. 134): Assyrischer Streitwagen aus einem Relief von Nimrud; 
nach Layard, the mon. of Nineveh pl. 28: S. 133—134, 135, 137, 148, 155, 156. 


Fig. 28 (8.135): Assyrischer Streitwagen aus einem Relief von Kujundschik ; 
nach Layard a. a. O. pl. 72: 8. 133, 141, 155, 156. 

Fig. 29 (8.136): Phönikischer Streitwagen auf einer kyprischen Vase; nach 
Perrot et Chipiez III p. 717 n. 528: 5. 135, 145. 

Fig. 30 (ὃ. 137): Phönikischer Wagen auf einer zu Praeneste gefundenen, 
phönikischen Silberschale; nach Mon. dell’ Inst. X T. 31, 1: S. 135, 136, 137. 


Fig. 31 (8. 137): Streitwagen auf einer mykenäischen Grabstele nach Schlie- 
mann, Mykenae p. 97 n. 141: S. 137, 145. 

Fig. 32, 33 (S. 138, 139): Rennwagen auf Dipylonvasen nach Mon. dell’ 
Inst. X T. 39, 1 und Ann. 1872 Tav. d’agg. I: S. 138—140, 141, 142, 145, 
147, 150. 

Fig. 34 (8.140): Wagen des Zeus auf der Francgoisvase nach Mon. dell’ Inst. 
IV T. 54, 55 (revidiert von Herrn Milani): S. 140—141, 144, 148 Anm. 2, 
149 Anm. 4. 

Fig. 35, 36 (S. 141, 142): Etruskische Rennwagen aus einem cornetaner 
Grabgemälde nach Kestner u. Stackelberg, Gräber von Corneto T. 17 u. 16: 
ΤΥ 181. 

Fig. 37 (ὃ. 143): Assyrischer Streitwagen, von zwei Männern getragen, aus 
einem Relief von Nimrud; nach Layard, the mon. of Nineveh pl.16: S. 133, 134 
Anm. 1, 137, 143. 

Fig. 38 (S. 149): Restauration des homerischen Anspanns nach Leaf im 
Journal of hellenic studies V (1884) p. 189: S. 148—150. 

Fig. 39 (S. 150): Gespann des Dionysos auf der Schale des Oltos und Euxi- 
theos, verkleinert nach Mon. dell’ Inst. X T. 23, 24: S. 150. 

Fig. 40 (5. 152): Gespann des Hektor auf einer korinthischen Vase; nach 
Mon. Ann. Bull. dell’ Inst. 1855 T. 20: S. 153. 

Fig. 41 (S. 153): Deichsel und Spannnagel (ἕστωρ) des homerischen Wa- 
gens: 98. 153. 
| Fig. 42 (S. 153): Joch mit Jochring (κρίκος): S. 153. 

Fig. 43 (ὃ. 153): Skizze zur Verdeutlichung, wie das Joch durch Umlegen 
des Jochringes (κρέκος) um den Spannnagel (ἕστωρ) auf der Deichsel befestigt 
wurde: S. 153. 

Fig. 44 (S. 154): Skizze, wie der Jochriemen (ζυγόδεσμον) dreimal um das 


Nachweis der Abbildungen. 451 


Joch herumgelegt und die überschüssigen Enden am Wagenstuhle befestigt 
wurden: ὃ. 153. 

Fig. 45 (ὃ. 157): Schiff der von Ramses ΠῚ zurückgeworfenen Nordvölker 
aus den Reliefs von Medinet-Habu; nach Rosellini, mon. dell’ Egitto I (mon. 
zeali) 1.131: 5: 109: 

Fig. 46 (ὃ. 160): Stachelschiff, eingraviert auf einem bei Theben in Böotien 
gefundenen Diadem aus Bronze; nach Ann. dell’ Inst. 1880 Tav. d’agg. @ 2: 
Ὁ. 160, 225. 

Fig. 47 (S. 173): Peleus auf einer schwarzfigurigen Vase; nach ϑξανάπι οὶ 
Beiträge zur Geschichte der altgriechischen Tracht p. 66 Fig. 14: 5. 178, 175, 188. 

Fig. 48 (S. 175): Figürliche Darstellung, die auf einem im Alpheios gefun- 
denen, bronzenen Brustpanzer eingraviert ist; nach Bull. de correspondance helle- 
nique VII (1883) pl. II: S. 174, 192, 207, 209. 

Fig. 49 (ὃ. 186): Basaltrelief aus Askalon, vermutlich einen moabitischen 
König darstellend; nach Perrot et Chipiez III p. 443 n. 316: 5. 185—186. 

Fig. 50 (ὃ. 188): Kitharspieler auf einer schwarzfigurigen Vase; nach Stud- 
niezka a. a. O. p. 66 Fig. 15: S. 188. 

Fig. 51 (S. 196): Zwei Krieger vor einem Wagen, Vasenscherbe aus Tiryns; 
nach Schliemann, Tiryns T. XIV: S. 140, 197. 

Fig. 52 (8.197): Hermes auf der Francoisvase; nach Studniczka ἃ. ἃ. Ο. p. 72 
Fig. 19: 8. 197. 

Fig. 53 (8.197): Krieger auf einer rhodischen Schale; nach Studniczka ἃ. ἃ. Ο. 
ΠΝ ΣΕΥ ΤΡ ΝΒ ΤΟΥ: 

Fig. 54 (8. 201): Die drei Moiren auf der Frangoisvase; nach Studniczka 

ἘΠ 984R10 28:8. 201 1: 

Fig. 55 (8. 202): Silberne Heftnadel mit Pilisranornamenten aus Blalsgold, 
gefunden in einer cornetaner „tomba a fossa‘“; nach Mon. dell Inst. X T. xb 
7, 72: 8. 202. 

Fig. 56 (8. 202): Silberne Heftnadel aus einer anderen cornetaner „tomba a 
fossa“; Originalzeichnung: S. 202. 

Fig. 57 (ὃ. 202): Atalante auf der Francoisvase; nach Studniczka a. a. O. 
p. 99 Fig. 31: $. 202. 

Fig. 58 (ὃ. 203): Nymphe auf der Francoisvase; nach Studniezka a. a. O. 
p. 98 Fig. 29: 8. 203. | 

Fig. 58% (S. 203): Polyxena auf einer Schale des Xenokles; nach Raoul-Ro- 
chette, mon. ined. pl. 49, 1b: S. 203. 

Fig. 59 (8. 204): Pallas auf einem korinthischen Pinax; nach Studniezka 
a.2.0. p. 96 Fig. 27 (jetzt auch Denkm. ἃ. Inst. 1886 T. 7, 15): S. 203. 

Fig. 60 (8. 208): König Assurnazirpal nach der Jagd opfernd; assyrisches : 
Relief nach Perrot et Chipiez, histoire de l’art II p. 455 n. 205: 8. 207. 

Fig. 61 (S. 209): Fragment eines silbernen Gürtels, gefunden bei Marion 
auf Kypros; das Clich& reproduziert eine nach einem Aquarell aufgenommene 
Photographie, die F. Dümmler zu meiner Verfügung gestellt: S. 209—210. 

Fig. 61% (S. 217): Menelaos und Helena auf einer spartanischen Basis; im 
ganzen nach Ann. dell’ Inst. 1861 Tav. d’agg. Ο 2, aber revidiert nach Löschcke, 
de basi quadam prope Spartam reperta n. 1: S. 219. 

Fig. 62 (S. 218): Helena und Menelaos; schwarzfigurige attische Vase im 
Museo gregoriano; nach Mus. gregor. II T. 49, 2: S. 217—219. 

Fig. 63 (8. 219): Frauenkopf aus der cormetaner „tomba dei vasi dipinti“; 
nach Mon. dell’ Inst. IX T. 13, 1: S. 221—223. - 

29* 


459 Nachweis der Abbildungen. 


Fig. 64 (S. 222): Frauenkopf aus der cornetaner „tomba del vecchio‘“; nach 
Mon. dell’ Inst. IX T. 14, 12: S. 221—223. 

Fig. 65 (S. 222): Frauenkopf aus der „tomba dei vasi dipinti“; nach Mon. 
dell’ Inst. I T. 13, 5: S. 221—223. 

Fig. 66 (8.222): Frauenkopf aus der cornetaner „tomba del Barone‘“; nach 
Kestner und Stackelberg, Gräber von Corneto T. 30%: S. 221—223. ' 

Fig. 67 (S. 224): Drei Frauen, welche nach der Musik eines Flötenspielers 
einen Reigentanz aufführen; Kalksteingruppe aus Kypros; nach Perrot et Chipiez, 
histoire de l’art III p. 587 n. 399: S. 225, 424. 

Fig. 68 (S. 225): Kopf einer Phönikierin aus einem Relief von Kujundschik; 
nach Layard, the mon. of Nineveh pl. 71: S. 225. 

Fig. 69 (S. 226): Weibliches Thonidol aus Tiryns; nach Schliemann, Tiryns 
pP. 137 2.832 8. 225. 

Fig. 70 (ὃ. 238): Kopf der Ephebenstatue von Orchomenos; nach Ann. dell’ 
Inst. 1861 Τῶν. d’agg. E 1: S. 238—239. 

Fig.71 (ὃ. 239): Kopf der Ephebenstatue von Tenea; nach Overbeck, Gesch. 
d. gr. Plastik P°’p. 91 Fig. 10: 8. 239. 

Fig. 72 (ὃ. 239): Kopf des Apoll auf einer Vase von Melos; nach Conze, 
melische Thongefälse T. 4: 5. 239, 252. 

Fig. 73 (S. 240): Kopf des Pheres auf einer korinthischen Vase; nach Mon. 
dell’ Inst. X T. 4, 5: 8. 239. 

Fig. 74 (8. 242): Henkel aus schwarzgrauem Thone, gegenwärtig im Berliner " 
Museum; er wurde vom Verfasser in Civita vecchia zugleich mit der in den 
Mon. dell’ Inst. IX T. 5 n. 2 publizierten Vase bei einem Trödler gekauft, der 
angab, beide Stücke von einem griechischen Schiffskapitän erhalten zu haben. 
Öriginalzeichnung in natürlicher Grölse: 5. 242. 

Fig. 75 (S. 243): Ein Paar zusammengehöriger, goldener Lockenhalter, aus 
einer „tomba a fossa“ von Visentium; nach einer Originalzeichnung in natürlicher 
Grölse: S. 243. 

Fig. 76 (ὃ. 243): Goldener Lockenhalter, angeblich aus dem von Regulini 
und Galassi bei Caere entdeckten Grabe; nach Mus. gregor. I T. 75, 8: S. 243. 

Fig. 77—79 (8. 243): Bronzene Lockenhalter aus Böotien, zu Athen im Var- 
vakion (Katalog der Bronzen ἢ. 169, 422, 526). Originalzeichnungen in natür- 
licher Grölse: 8. 243. 

Fig. 80—82 (S. 244): Goldene Lockenhalter von Hissarlik; nach Schliemann, 
Atlas troianischer Alterthümer T. 196 ἢ. 3546; llios p. 559 n. 910, p. 554 n. 878: 
5. 244. 

Fig. 83 (S. 244): Goldener Lockenhalter aus einem mykenäischen Schacht- 
grabe; nach Schliemann, Mykenae Ὁ. 401 n. 529: S. 244. 

Fig. 84 (S. 248): Bronzenes Rasiermesser aus Caere, bei F. Martinetti. Ori- 
ginalzeichnung in der Hälfte der natürlichen Grölse: S. 248—249. 

Fig. 85 (8. 248): Drei bronzene Rasiermesser aus cornetaner „tombe ἃ 
pozzo“ (vgl. oben S. 21—22); Originalzeichnungen; '/, der natürlichen Grölse: 
S. 248—249. 

Fig. 86 (8. 249): Kefa (Phönikier) auf der Säuleninschrift von Soleb; nach 
Lepsius, Denkm. Abtheil. III Bl. 888: S. 249. 

Fig. 87 (ὃ. 251): Kopf eines thönernen Idols aus Tiryns; nach Schliemann, 
Tiryns p. 180 n. 93: 5. 251. 

Fig. 88 (8. 251): Altgriechisches Vasenbild nach Arch. Zeitung XLI (1883) 
T. 10, 2:8. 251, 412—413. 


Nachweis der Abbildungen. 453 


Fig. 89 (S. 252): Kopf des Odysseus auf der Vase des Aristonophos: nach 
Mon. dell’ Inst. IX T. 4: S. 252. | 

Fig. 90 (8. 254): Bronzene Kriegerfigur, bei Sparta gefunden; nach den Mit- 
theilungen ἃ. arch. Inst. in Athen ΠῚ (1878) T. 1 n. 2: 5. 254. 

Fig. 91 (S. 269): Thönerne Astartefigur, gefunden bei Amathus; nach Cesnola- 
Stern, Cypern T. 50, 3: 8. 268. 

Fig. 92 (ὃ. 269): Kyprische Votivfigur aus Kalkstein nach Perrot et Chipiez, 
histoire de l’art III p. 257 n. 196: 5. 268. 

Fig. 93 (ὃ. 270): Bernsteinoval in Gold gefalst, Bestandteil eines Busenge- 
schmeides, aus dem von Regulini und Galassi bei Caere entdeckten Grabe; nach 
Mus. gregor. I T. LXVII 4: S. 270. 

Fig. 94 (8.270): Bronzenes Halsband aus Bismantova, ®/, der Originalgröfse; 
nach Bull. di paletn. ital. VIII T. 6 n. 1: S. 271. 

Fig. 95, 96 (ὃ. 273): Zwei goldene Ohrringe aus Caere, Sammlung Augusto 
Castellani; Originalzeichnungen in natürlicher Grölse: 8. 273. 

Fig. 97 (ὃ. 274): Goldener Ohrring aus einem cornetaner Grabe; nach Mon. 
dell’ Inst. VI T. 46 d: 5. 273— 274. 

Fig. 98 (ὃ. 274): Goldener Ohrring aus Caere, Sammlung Augusto Castellani; 
Originalzeichnung in natürlicher Gröfse: 8. 273—274. 

Fig. 99 (ὃ. 277): Silberne Fibula mit goldener Punktierarbeit, gefunden bei 
Praeneste; der Abbildung ist der Stich in den Mon. dell’ Inst. X T. XXXI 7 zu 
Grunde gelegt: S. 277—279. 

Fig. 100 (8. 278): Silberne Fibula (Rückseite), gefunden bei Praeneste; nach 
Ann. dell’ Inst. 1879 Τὰν. d’agg. Ο 9: 8. 277—279. 

Fig. 101 (8.280): Bronzene Spiralbrosche aus Megara, in einer athenischen 
Privatsammlung; Originalzeichnung ; °/, der natürlichen Gröfse: S. 280—281. 

Fig. 102 (ὃ. 280): Bronzene Spiralbrosche gefunden bei Theben, zu Athen im 
Varvakion (Katalog der Bronzen ἢ. 182); Originalzeichnung; °/, der natürlichen 
Grölse: S. 230— 281. 

Fig. 103 (S. 281): Bronzene Spiralbrosche aus einer cornetaner „tomba ἃ 
pozzo“; in der Hälfte der Originalgröfse nach Not. ἃ. scav. 1882 T. XII bis 14: 
Ὁ. 281. 

Fig. 1048» (S. 282): Goldener Schmuckgegenstand, gefunden bei Caere; 
Sammlung Augusto Castellani; Originalzeichnung in natürlicher Grölse: S. 282. 

Fig. 105 (ὃ. 284): Kampf um den Leichnam des Achill, Mittelgrüppe eines 
chalkidischen Vasenbildes, verkleinert nach Mon. dell’ Inst. I T. 51: 8. 286, 297, 
300 Anm. 6, 303. 

Fig. 106 (ὃ. 289): Bronzener Gürtelbeschlag aus Euböa; gröfste Höhe M. 0,112; 
Länge 0,295; nach Bröndsted, bronzes of Siris pl. ὙΠ: 5. 290. 

Fig. 107 (8. 290): Bronzener Gürtelbeschlag aus Este; gröfste Höhe M. 0,37; 
nach Mon. dell’ Inst. 1882 Tav. d’agg. R 2: S. 290. 

Fig. 108 (ὃ. 290): Bronzener Gürtelbeschlag aus einer cornetaner „tomba 
a pozzo“; Länge M. 0,39, gröfste Höhe 0,12; nach Not. ἃ. βοῶν. 1882 Τὶ XIII 
19: 8. 290. 

Fig. 109, 110 (5. 295): Bronzener Helm gefunden bei Sant’ Antioco auf Sar- 
dinien; nach Della Marmora, voyage en Sardaigne pl. XXXIV 3: 8. 297. 

Fig. 111 (5. 298): Bronzener Helm aus Olympia; nach den „Ausgrabungen 
von Olympia“ I T. XXXI: S. 297. 

Fig. 112 (8. 298): Kriegerkopf aus einem dunkelfigurigen Vasenbilde; nach 
Ann. dell’ Inst. 1863 Τὰν. d’agg. E: S. 298, 300 Anm. 6. ; 


454 Nachweis der Abbildungen. 


Fig. 113 (S. 301): Bronzehelm aus dem inneren Samnium, gegenwärtig zu 
Neapel in der Sammlung Bourguignon; Höhe M. 0,17; Originalzeichnung: 8. 301. 

Fig. 114 (ὃ. 302): Kopf des Memnon auf einer rotfigurigen Schale strengen 
Stiles; nach Gerhard, Trinkschalen und Gefälse I T. Ὁ: S. 302. 

Fig. 115 (ὃ. 303): Goldenes Siegel aus einem mykenäischen Schachtgrabe; 
Originalzeichnung in natürlicher Gröfse: S. 303, 311, 316. 

Fig. 116 (ὃ. 304): Kopf des gegen die Giganten kämpfenden Zeus auf einer 
ionischen Amphora; nach Mon. dell’ Inst. VI, VII T. LXXVII: S. 303. 

Fig. 117 (8. 306): Salbfläschehen mit dem Namen der Pharaonen Uahabra; 
nach Perrot et Chipiez, histoire de l’art III p. 676 n. 484: S. 306. 

Fig. 118 (S. 312): Bronzeschild aus einem caeretaner Grabe nach Mus. gregor. 
I T. XVII 2: S. 313, 319, 381 Anm. 2, 384—385 Anm. 6, 385 Anm. 12. 

Fig. 119 (ὃ. 313): Geschnittener Sardonyx aus einem mykenäischen Schacht- 
grabe; Originalzeichnung in natürlicher Gröfse: S. 311. 

Fig. 120 (S. 313): Krieger auf der Vase des Aristonophos nach Mon. dell’ 
Inst. IX T. IV: S. 313—314. 

Fig. 121 (S. 319): Bronzener Schildnabel aus den αυτά πη: in der Samm- 
lung Bourguignon; Durchmesser M. 0,19; Originalzeichnung: S. 319, 381 Anm. 2 

Fig. 122 (ὃ. 319): Bronzener Schildnabel, gefunden bei Caere; gegenwärtig 
zu Rom in der Sammlung des Herrn Brüls; Durchmesser M. 0,25: 5. 319. 

Fig. 123 (S. 322): Rückseite eines bronzenen, in einem cornetaner Grabe ge- . 
fundenen Schildes ; nach Mon. dell’ Inst. X T. X 1: S. 322, 323, 326, 327. 

Fig. 124 (8. 324): Figur eines Schardana aus den Reliefs von Ibsambul; nach 
Rosellini, mon. dell’ Egitto I T. CI: S. 323. 

Fig. 125 (S. 326): Bronzene Dolchklinge mit eingelegter Arbeit aus einem 
mykenäischen Schachtgrabe; nach Adrjvaıov Band X Taf. zu p. 309 ff. A 1: 
So 514} 89: 

Fig. 126, 127 (ὃ. 334): Bronzene Schwerter aus mykenäischen Schachtgrä- 
bern; nach S. Müller, den europaeiske Bronzealders Oprindelse (Saertryk af πον 
böger for nord. Oldk. 1882) p. 283 Fig. 1, 2: 8. 334. 

Fig. 128 (S. 335): Bronzener Dolch, fuer bei Castione dei Marchesi in 
der Provinz Parma; '/, der Originalgröfse; nach Bull. di paletnologia italiana 11 
2: 95.950 

Fig. 129 (8.335): Bronzener Dolch des gleichen Fundortes; ἡ, der Original- 
grölse; nach Bull. di pal. ital. II T. Iı: S. 335. 

Fig. 130 (ὃ. 8380): Bronzenes Schwert, M. 0,60 lang, gefunden auf dem Burg- 
hügel von Mykenae; nach S. Müller, den europaeiske Bronzealders Oprindelse 
(Saertryk af Aarbager for nord. Oldk. 1882) p. 319 Fig. 24: S. 336—337. 

Fig. 131 (S. 337): Eisernes Schwert, M. 0,72 lang, gefunden zu Athen in 
einem der beim Dipylon entdeckten Giher, nach Undset, etudes sur l’äge du 
bronze I p. 149 Fig. 30: S. 79 Anm. 2, 8. 337. 

Fig. 132 (ὃ. 338): Griff eines auf Kerkyra gefundenen bronzenen Schwertes; 
τς der Originalgröfse; nach Undset a. a. O. pl. XVII 2: 5. 337—338. 

Fig. 133 (ὃ. 338): Bronzener Dolch aus Unteritalien; im Museum zu Kopen- 
hagen; '/, der Originalgrölse; nach Undset a. a. Ὁ. p. 149 Fig. 31: 5. 338. 

Fig. 134 (S. 341): Bronzene Pfeilspitze aus Megalopolis; natürliche Gröfse; 
gezeichnet in einer athenischen Privatsammlung: 8. 341. 

Fig. 135 (S. 350): Bronzenes Beil, gefunden bei Nuragus auf Sardinien; Y, 
der Originalgröfse; nach Not. d. scavi comm, all’ acc. dei Lincei 1882 T. XVII 
42: ὃ. 350—351. 


Nachweis des Abbildungen. 455 


Fig. 136 (ὃ. 350): Bronzenes Beil, gefunden bei Brassington in der Graf- 
schaft Derby; Länge M. 0,152; nach Evans, l’äge du bronze p. 96 Fig. 76: 
Ὁ. 350—351. 

Fig. 137 (ὃ. 350): Bronzenes Beil, gefunden bei West-Buckland in der 
Grafschaft Somerset; Länge M. 0,16; nach Evans a. a. O. p. 104 Fig. 87: 
Ὁ. 350—351. 

Fig. 138 (S. 351): Amazonenbeil nach Jahns Jahrb. ἢ el. Philologie 113 p. 171: 
Ὁ. 351—352. 

Fig. 139 (S. 352): Amazonenbeil auf einer selinuntischen Metope; nach Benn- 
dorf, Metopen von Selinunt T. VII: S. 352. 

Fig. 140%b (S. 354): Bronzene Fleischgabel aus der Nekropole Arnoaldi Veli 
(bei Bologna); natürliche Gröfse; Originalzeichnung; S. 353—354, 356. 

Fig. 1412b (8. 355): Bronzene Fleischgabel aus Vulei, gegenwärtig im Museo 
gregoriano; Länge M. 0,33; nach Mus. gregor. IT. XLVII 1: S. 354—358. 

Fig. 142 (S. 357): Medeia, ein Pempolon in der Hand, auf einer attischen 
Vase des Berliner Museums; Originalzeichnung: S. 356. 

Fig. 143 (ὃ. 358): Thönerner Becher aus Hissarlik; nach Schliemann, Atlas 
trojanischer Alterthümer T. 40 ἢ. 976: S. 366. 

Fig. 144 (S. 358): Goldener Becher aus einem mykenäischen Schachtgrabe; 
Höhe ungefähr M. 0,15; nach Schliemann, Mykenae p. 370 ἢ. 344: S. 366. 

Fig. 145 (ὃ. 358): Goldener Becher aus einem mykenäischen Schachtgrabe; 
Höhe ungefähr M. 0,11; nach Schliemann, Mykenae p. 267 n. 339: S. 366. 

Fig. 1468» (5. 362): 'Thönerner Doppelbecher aus Villanova (bei Bologna): 
Höhe M. 0,185; nach Gozzadini, di un sepolcro etrusco scoperto presso Bologna 
T. III 9, 18: 5. 361—363, 365. 

Fig. 147 (ὃ. 366): Thönerner Becher aus Thera; Höhe M. 0,125; nach Dumont 
et Chaplain, les ceramiques de la Grece propre I pl. I 7: 8. 366. 

Fig. 148 (ὃ. 366): Thönerner Becher aus lalysos; Höhe M. 0,20; nach Dumont 
et Chaplain a. a. O. pl. IH 1: 8. 366. 

Fig. 149 (ὃ. 366): Thönerner Becher aus lalysos; Höhe M. 0,33; nach Dumont 
et Chaplain a. a. O. pl. III 12: S. 366. 

Fig. 150 (ὃ. 367): 'Thönerner Becher aus Kameiros; Höhe M. 0,105; nach 
Salzmann, necropole de Camiros pl. 33: S. 367. 

Fig. 151 (S. 367): Thönerner Becher aus Kameiros; Höhe M. 0,15; nach Salz- 
mann ἃ. a. Ο. Ρ]. 88: 5. 867. 

Fig. 152 (S. 367): Silberner Becher mit goldenem Rande aus Kameiros; Höhe 
0,09; nach Salzmann a. a. O. pl. 2: 5. 367. 

Fig. 153 (8. 367): Thönerner Becher aus der Nekropole Del Fusco bei Syra- 
kus; Höhe M. 0,052; Durchmesser der Öffnung 0,12; nach Ann. dell’ Inst. 1877- 
av, dase«- CD 5:8.x867. | 

Fig. 154 (S. 367): T'hönerner Becher aus derselben Nekropole; Höhe M. 0,063; 
Durchmesser der Öffnung 0,08; nach Ann. dell’ Inst. 1877 Tav. d’agg. AB 10: 8. 367. 

Fig. 155 (5. 368): Thönerner Becher aus Vulci; Höhe M. 0,15; nach Urlichs, 
zwei Vasen ältesten Stils (Würzburg 1874) n. 2: S. 368. 

Fig. 156 (8. 368): Thönerne Schale aus einem bei Chiusi entdeckten Grabe; 
Durchmesser — die Henkel einbegriffen — 0,18; nach Ann. dell’ Inst. 1878 Tav. 
d’agg. R. 8: S. 368. 

Fig. 157 (8. 371): Goldener Becher aus einem mykenäischen [Schacht- 
grabe; Originalzeichnung in der Hälfte der natürlichen Grölse: S. 360 Anm, 7, 
373—375, 376. 


450 Nachweis der Abbildungen. 


Fig. 158 (S. 374): Bronzener Becher aus einem caeretaner Grabe; Höhe M. 0,33; 
Öriginalzeichnung: S. 373, 383. 

Fig. 159 (S. 374): Bronzener Becher aus einem caeretaner Grabe; Höhe M. 0,28; 
Öriginalzeichnung: 8. 373. 

Fig. 160 (ὃ. 385): Fragment eines bronzenen Schildrandes; natürliche Gröfse; 
nach Carapanos, Dodone et ses ruines pl. XLIX 22: 5. 385. 

Fig. 161 (8.387): Kleiderborte auf einem assyrischen Relief; nach Perrot et 
Chipiez, histoire de l’art II p. 774 n. 447: 8. 387. 

Fig. 162 (ὃ. 387): Chalcedon mit dem Namen Akestodaros in kyprischer 
Schrift; nach Perrot et Chipiez III p. 652 n. 462: 5. 387. 

Fig. 163 (ὃ. 390): Kleinasiatische Elektronmünze; nach Gardner, the types 
of greek coins pl. IV 5: S. 389. 


Verzeichnis der ausführlicher behandelten Stellen. 


llias. VIII 494—497 8. 340 

I 463 8. 253 ff. IX 570 8. 214 
I 528—530 5. 237 IX 594 5. 210 
II 305—308 8. 421 IX 404 8. 111 Anm. 3 
II 416 3. 287 X 133—134 $. 188 
II 448-449 8. 207 X 173,.174 8. 2481. 
II 479 3. 210 XI 19—28 S. 382 ff. 
1 872 8..245, 247 ΧΙ 29—31 8. 333 
IIT 125—128 8. 81, 228, 234, 390 ΧΙ 32—40 8. 320 
III 141, 419 3. 218 ΧΙ 41 3. 301, 308 
III 145—160 9. 282—284 XI 234—237 5. 288—289 
ν᾽ ἃ 1|ι5- 117 XI. 385 S. 241—242 
IV 123 8. 330 Anm. 1 XI 632—637 8. 371 ff. 
IV 132-138, 185—187, 215—216 8. 286 ΧΗ 294-297 8. 380—381 

Anm. 5, 288, 293 XIII 406—407 5. 324—325 
IV 141—142 8. 18, 156, 173 XIII 798—799 8. 308 
IV 533 8. 241 XIV 170—186 8. 226 
V 113 8. 297 XIV 170-178 8. 257 
Υ 315—318, 335—339 8. 204 XIV 175 177 8247 
Υ 424-495 $. 275, 277 XIV 178—180 5. 198, 200—202, 205 
V 722—731 85. 143, 147, 149 Anm. 2, XIV 181 5. 207 ff. 

155 Anm. 1 und 5 XIV 182 183 8.271 
Υ 734 8. 177, 198—199, 204 XIV 184—185 3. 165 
V 738—742 8. 207, 389 XIV 214—223 S. 211—212, 213 
V 743 8. 301, 308 XV 535—538 8. 302 
V 795—798 8. 327 XV 645-647 8. 315, 317, 328 
V 856857 3. 289 XVI 105—107 8. 304—308 
VI 90—93, 270, 303, 5. 416, 423 XVI 212 8. 96 | 
VI 117 —118 8. 315, 317, 328 XVI 467—475 8. 128—129 Anm. 7 
VI 319 $. 340 XVI 802 5. 320 
VI 467 8. 214 XVII 52 8. 242 
2717219 255.5. 17 XVII 295—297 S. 340 
VII 303—304 5. 333 XVIII 34 S. 330 Anm. 1 
VII 333 5. 67 XVII 373—377 8. 108 Anm. 13, 347 
VII 14 8. 107 Anm. 2 
VIII 47—48 5. 419 XVII 401 8. 279 ff. 
VIII 192—203 5. 318, 324—325 XVII 417—420 S. 385 ff., 390—391 


VII 385 8. 177, 198—199, 204 XVIII 478—608 8. 318, 424 


458 Verzeichnis der ausführlicher behandelten Stellen. 


XVIII 479-480 8. 385, 409 
XVIII 481 S. 318 Anm. 2 
XVII 590—593 5. 424 

XVII 595—596 S. 168—169 
RR IO67 27280318 

XX 275 S. 319 

XX 280—281 5. 315, 318 Anm. 2 
XX 413—416 8. 286 

XXI 592—593 5. 285 

XXII 80 S. 214 

XXII 441 5. 192, 234 

XXII 468—470 S. 219 fl. 

XXIII 392—393 S. 146 Anm. 4 
XXIII 831—835 S. 331 

XXIV 98—94 3. 216, 218 
XXIV 266—274 S. 1471. 


Odyssee. 


I 437 8. 174 

II 299 S. 214 

ΠΙ 41,250, 51, 52,63 8..564 
II 273-274. 802420 

III 406—408 $. 98—99 


III 425, 426, 432—438 S. 266-—267 


III 460 8. 353 Ν᾿ 

IV 7173 8.1002 101, 106-107 
IV 131-132 8. 108 Anm. 13, 367 
IV 469 8. 213 

IV 615—616 3. 367 

V 234—245 8. 111—112 

V 321. 8. 191 

VI 9—10 8. 422 

VI 38 8. 184—185 

VI 162—163 3. 419—420 

VI 230-231 $. 240 

VI 232-235 8. 267 

VI 266 - 267 8. 96 

VI 291-292, 321 8. 420 

VII 44-45 8. 94 

VII 86-90 3. 100, 105—106, 435 
VII 91-94 8. 390-392 ἃ 

VII 100-103 8. 390, 392—393 
VII 105—111 8. 167 ff. 

VII 80 $. 421 

IX 391—393 $. 112, 332 

X 3-4 8. 94 

ΧΙ 97—98 5. 333 

XI 609—612 8. 393—394 

XI 636 $. 389 

XIII 224 8. 190 


XIV 482 S. 184 

XV 115—116 S. 367 

XV 460 8. 268—270 

XV 469 8. 269 

VI 176°8.255 

XVI 294 S. 331 

XVII 30, 33978. 7 Aum3 
XVII 205—211 S. 420 

XVII 158—303 5. 2—3, 256 
XVII 292—294 S. 200 ff., 275 
XVIII 295—296 S. 269 
XVIl 297—298 8. 271 
XVIlI 300 S. 270—271 

AN IB 

XIX 225 S. 189 

XIX 226—231 S. 277, 386—388 
XIX 232—235 Ξ. 165, 172 
XIX 242 8. 174—175 

XIX 572—579 S. 348 ff. 

ΧΧ 258 8. 111 Anm. 3 

XXI 120-1238. 114 

XXI 421—424 S. 3494. 
XXI 8—20 8. 119 

XXI τ 8 368 

XXIII 88 5. 111 Anm. 3 
XXIII 157—158 S. 240 
XXI 159-161 S. 267 
XXIII 193—194 S. 96. 


Kypria. 
Eingangsscene Ὁ. 232. 
Kleine Ilias. 
Fragm. 5 S. 340 
Fragm. 18 S. 214. 
Hymnen. 
IV 87, 163 8. 279 
V 40-42, 197 8. 216 
V 187, 231 8. 214. 


Hesıod. 
Op. 198 8. 199. 


Archilochos. 


Schol. Od. XXIV 81; fragm. 59 Bergk 


S. 241 
Fragm. 60 Bergk S. 245, 252. 


Antiphanes. 


Bei Athen IV 143 A; fragm. com. gr. 
ed. Meineke III p. 22 5. 253—254 


Anm. 8. 


Griechisches Wortregister. 


Die Eigennamen stehen in dem folgenden Namen- und Sachregister. 


᾿Δγκύλον ἄρμα 128, 142 ἁπλοῖς 189 

ἀγλαός 241 ἄπυρος, ἀπύρωτος 365 Anm. 1 
αἰϑαλόεις 117 ἀργεννός 166, 218 

αἰολομίτρης 289 ἀργής 166, 218 

αἰχμή 840 -- 841 ἀργυρόηλος 121, 333 ff. 
ἁκερσεκόμης 237 ἀργύφεος 165, 194 

ἁκρόκομοι 6 ἄρμα, ἄρματα 126 ff. 

ἄκων 340—341 ἀσάμινϑος 123 

ἄλεισον 364, 370 ἀσπίς 811 ff., 344 

ἄλειφαρ 98 ἀσπὶς ἀμφιβρότη 315 Anm. 2 
ἀλεξάνεμος 188 ἀσπὶς εὔκυκλος 315 

ἄλσος 420 ἀσπὶς ὀμφαλόεσσα 319 Anm. 3 
ἄμαξα 145—146 ἀσπὶς πάντοσ᾽ ἐΐση 315, 317 Anm. 7 
ἀμιτροχίτωνες 6, 291 ἀσπὶς ποδηνεκής 315, 317 
ἀμορόεις 271—272 ἀσπὶς τερμιόεσσα 320 

ἄμπυξ 156, 219 αὐλή 97 

ἀμφήκης 332 αὐλοὶ δίδυμοι 277—279 
ἀμφίγυος 841 αὐλός 41, 840 

ἀμφιέλισσα 158—160 αὐλῶπις 296. 

ἀμφίϑετος φιάλη 365 Anm. 1 Βαϑύξωνος 210- -211, 229 


ἀμφικύπελλον 5. δέπας ἀμφικύπελλον βαϑύκολπος 212 ff. 
ἀμφίφαλος 299 Anm.3, 301, 302, 303, 305 * βάτος 108 
ἀμφίχυτον τεῖχος 94 βηλός 111 
ἀμφιφορεύς 365 Anm. 1 βόεοι ἵμάντες 156 
ἀμφοτέρωϑεν ἀκαχμένος 112, 882 βωμός 393. 
ἄμφωτος 804 

ἀναδέσμη 5. πλεχτὴ ἀναδέσμη 
ἀνεμοσκεπής 188 

ἄνϑεμα 271 Anm. 3 


Tevsıas 255 
yAoyis 147, 152 
γναμπτός 279, 281 


ἀνϑεμόεις 386 γρύψ 388 

ἐδ ἐμόν 198 γύαλον 286—287. 

ἀνιέναι 214 ΖΙαίδαλα 205, 229 

ἄντυξ 127, 131, 139, 141, 144, 385, 395 δάπεδον 114 

ἀξίνη 341 δέπας 358, 364 

ἄξων 143—144 δέπας ἀμφικύπελλον 358 fl. 
ἄορ 332 ff., 344 δέσματα σιγαλόεντα 219 ff. 
ἀορτήρ 339 διπλὴ χλαῖνα 189, 190 


ἀπήνη 145—146 δίπλαξ 189, 192, 193, 228 


460 Griechisches Wortregister. 


δίπτυχος 190 ϑυήεις 258 Anm. 5 
δίφρος 127 Anm. 8, 124 fl. Don 110 
δολιχόσκιος 340 Anm. 8 “ἁγύσανος 207 

δόρυ 340—341 ἁυώδης 358 Anm.5. 


δρύοχοι 348 


Ἰάονες ἑλκεχίτωνες 176, 183 
δύω, δύνω 171. 


ἵμάς 211—212, 296—297 


“Eavos 198, 223—229, 233 ἰσϑμιον 270. 

ἐγχείη, ἔγχος 340—341 Καῖρος, καίρωμα 168 
εἴανός 198, 228- 929 καλλίξωνος 210 

ἐΐση 159 Anm. 6 καλλίσφυρος 204, 426 
ἐχτάδιος 188 καιροσέων 168 

ἔλαιον 247, 257 —258 κάλυκες 279, 282 

ἕλικες 276, 279—281 κάλυμμα 215 f. 
ἑλκεσίπεπλος 199, 204 καλύπτρη 165, 199, 215 ff. 
ἑλκεχίτωνες 176 καμπύλος 128 

ἔμβολον 78, 160 κανόνες 324—326, 380 
ἐνεταί 200, 276 κάρη κομόωντες 236 
ἐνώπια παμφανόωντα 100 καρχήσιον 866-- 867 
ἐπιδιφριάς 127 κασσίτερος 142, 198, 284- 285, 320, 382, 
ἐπομφάλιος 319 Anm. 3 409 

ἕρματα 271 ff. ᾿ς χκαταϊτυξ 310 

ἕστωρ 147—153 καταχεύειν 204 Anm. 2, 267 Anm. 2, 3 
ἐύΐγναμπτος 275, 279, 281 κατωρυχέεσσι λίϑοισιν 97 
ἐύξωνος 210 κέγχροι 286 

ἐύϑρονος 428 κεχαρύφαλος 219 ff. 
ἐυκνήμιδες 7, 76, 284 κέρᾳ ἀγλαός 241 

εὔκυμκλος 145 Anm. 9 κέρας 241 

ἐύξεστος 110, 123, 124, 127 κεστὸς ἱμάς 211- 219 
ἐύξοος 127 Anm. 10, 128 Anm. 4 „no 414 

ἐυπλεκής 127 Anm. 11 κηώδης 258 Anm. 5 
eurrAentog 127 Anm. 11 κηώεις 258 Anm. 4 
ἐυπλυνής 194 κίων 110 

ἐύσφυρος 204, 426 nAnideg 275, 279 
εὔχαλκος 295. κλίνη 448 

Ζεύγλη 156 Anm. 1 κλισίη 118 

ξυγόδεσμον 147—153 μλισμός 118 ff., 122 ff. 
ξυγόν 146 ff. nvnuldeg 284—285 

ξῶμα 184, 292—293 ic ρους 

ξώνη 206 ff., 211 πολλητός 110, 127 Anm. 10 
ἑωστήρ 288—289, 293 κόλπον ἀνιεμένη 214 
ξῶστρα 184—185. κόλπος 211, 218 Τ᾿ 


κόρυς 295 ff. 
κορυφαία 156 
κορῶναι 245 
κορωνίς 158—159 


Ἤλεχτρον, ἤλεκτρος 101, 106, 116, 269 
ἧλοι 333, 376—378 
ἡμιπέλεκκα 112 Anm. 1, 2, 342 


ἡνία 156. κρεάγρα 356 

Θησηΐς 246 κρήδεμνον 165, 215 ff. 
ϑρῆνυς 124 κρίκος 147—153 
ϑρόνα ποικίλα 192, 193, 384 κροκόπεπλος 205 


ϑρόνος 118 ff. κρόκος 205 


Griechisches Wortregister. 461 


κρωβύλος 40, 246 
κυανοπρώρειος 161 Anm. 3 
κυανόπρωρος 161 Anm. 3 
κύανος 100 ff., 320, 382—384 
κύμλα 145 Anm. 9 

wunkog 315 

κυνέη 259 ff. 

κύπελλον 359, 364, 369— 370 
κύων 388, 392. 


Acivog οὐδὸς 111 

λαισήϊα 329 

λαμπτήρ 117 Anm. 6 
λέπαδνα 155 

λεπτός 166, 167, 194 
λευκός 165 

λευκώλενος 204 

λέχεα 124 

ληνός 448 

λινοϑιώρηξ 294 
λιπαροπλόκαμος 247 Anm. 3 
λιπαρός 165, 170 

"Als 198 

λίστρον 114 

λόφος 300, 302 f., 809. 310 
λώπη 190. 


Mexcıea 339 

μέλαϑρον 117 

μελάνδετος 338— 339 

μελίη 340—341 
μιλτοπάρῃος 161 Anm. 3 
μίτρα 83—84 Anm. 9 
uiren 289—291, 345 
μορόεις 271— 274. 

ΙΝεύω 302—303 

νηγάτεος 166, 172, 194 
νῇες ἐΐσαι 159 Anm. ὁ 
νηός 419 ff. 

Zeorjg αἰϑούσῃσι 96 Anm. 5 
Esorol λίϑοι 98 

ξεστός 121 

ξέω 111 

ξίφος 332 ff 

ξυρόν 248 ff. 

ξυστὰ ναύμαχα 77 Anm. 5. 
Ὄγκοι 341 

ὀϑόναι 166, 168 fl., 206, 218 
ὀϑόνια 170 

οἴηκες 147, 155 

ὀμφαλόεις 147, 148 


ὀμφαλός 147—153 

ὄπιϑεν κομόωντες 6, 240 

ὀρϑόκραιρος 157 

ὕρμος 268— 270, 385 

οὔατα 347 

οὖδας 114 

οὐδός 107, 111 

οὔλη λάχνη 165 

οὔλη χλαῖνα 189 

οὐρίαχος 340—341 

ὄχεα 125 ff. 

Πάγχαλκεος, πάγχαλκος 295 

παμποίκιλος 205, 229, 384 

παναίολος 289 

παντόσ᾽ ἐΐση 5. ἀσπίς 

παράσειρος 146 Anm. 2 

παρηορίαι 129 Anm. 1 

παρήορος 128 

πασμάτια 236 

πέξη 147, 148 

πεϑίρινς 145, 147 

πέλεκυς 111, 112 Anm. 1—3, 341—342 

πεμπώβολον 353 f. 

πέπλος 19, 185, 198 Τ᾿, 228— 229, 231, 233 

περίκυκλος 380 

περιχεύειν 267 

περονάω 275 

περόνη 190, 200, 274 ff. 

περφέρες, περφερέες 86 

πήληξ 295 ff. 

mAsntı), ἀναδέσμη 220 ff., 447 

πλόκαμος 246—247 

πλοχμός 242 

ποδηνεκής 315, 317 

σοικίλματα 205 ; 

ποικίλος 100, 115, 122, 127 Anm. 12, 192, 
205, 212, 229, 230, 384 

πολύκεστος 212 Anm. 1, 297, 305 

πολύχαλκος 25 

πολύχρυσος 66 

nöonng 340 

πόρπη 190, 214 

πρωτοπαγής 127 Anm. 10 

πτερύγιον 292 

πτύχες 318 Anm. 2 

πυϑμήν 108 Anm. 13, 347 Anm. 2, 372, 
374—375 

πυχνῇσιν λιϑάδεσσιν 97 

ῥάβδοι 380 

δάκος 191 


402 


ῥήγεα 165 

ὅυμός 148, 147 ff. 

δυτήρ 128—129 Anm. 7 
ὀυτοῖσι λάεσσι 96. 

Σάκος 811 Ε΄ 317, 344 

σάκος ἐπομφάλιον 319 Anm. 8 
σάκος ἠῦτε πύργον 317 

σάκος τετραϑέλυμνον 318 Anm. 2 
Σάμος Θρηϊκίη 12 Anm. 1 
σανίδες 110 

σάπφειρος 101 

σαυρωτήρ 340—341 

σειραῖοι 146 Anm. 2 

σίδηρος 80, 112, 329—332 
σιγαλόεις 121, 165, 170, 172 
σκέπαρνον 111, 113, 114 
σκῆπτρον 108, 378 

σκυτοτόμος 16 

σταϑιμός 110 

στειλενή, στελεά 349—350, 352 
στεφάνη 219, 310 

στρεπτὸς χιτών 183 —184 
σύριγγες 242 Anm. 2 

σφέλας 124 

σφηκόω 242. 

Τάλαρος 108 Anm. 13 
ταλαύρινος 328 

τανυήκης 332 

τανύπεπλος 205 

τανύσφυρος 214, 426 
ταριχεύειν, ταρχύειν 55—56 
τεῖχος ἀμφίχυτον 94 

τεῖχος χάλκεον 94 

τέχτονες ἄνδρες 15 

τέχτων δούρων. 10 

τελαμών (des Schildes) 109, 326 ff. 
τελαμών (des Schwertes) 339 
τερμιόεις 174—175 
τετραϑέλυμνος 318 Anm. 2 
tergcnvnlog 145 Anm. 9 


τετραφάληρος 299 Anm. 3, 305, 306, 308 


τετράφαλος 299 Anm. 3, 301 
τέττιγες 246 

τοξότης 241 

τράπεξα 124, 448 

τρητὰ λέχεα 124 Anm. 5 
τρίγληνος 271—274 
τριγλώχιν 341 

τριόττιον, τριοττίς 272 


Griechisches Wortregister. 


τρίπλαξ 385, 395 
τρίπτυχος 295 
τρυφάλεια 295 ff., 301 
tuntov δάπεδον 114. 
Ὑπασπίδια 317 
ὑπερτερίη 146 

ὑπερώϊα σιγαλόεντα 100 
ὑπήνη 255 


ὑπόκυκλος 108 Anm. 18, 145 Anm. 9 


ὑψηλός 119 

Φαεινός 110, 121 

φάλαρα 304—308 

φαληριόωντα 308 

φάλος 8, 299302, 305, 306, 309 
φαρμάσσειν 332 


φᾶρος 166, 187 ff., 191, 193 —194, 198, 


200, 206 
φάσγανον 332 ff. 
φιάλη 365 Anm. 1 
φοινικοπάρῃος 161 Anm. 3 


Χαλινός 156 

χάλκειος 295 

χάλκεον τεῖχος 94 
χάλκεος οὐδός 107, 111 
χαλκεύς 10 

χαλκήρης 295 
χαλκοβατής 108, 117 
χαλκοπάρῃος 295, 296 
χαλκός 329, 330 
χαλκοχίτωνες 288 


χιτών 162 Ε΄, 171 Ε΄, 227, 236, 287—288 


χιτὼν στρεπτός 183—184, 287 
— τερμιόεις 174—175 

χλαῖνα 169, 187 1. 193 
χλαῖνα ἁπλοίς 189 

χλαῖνα διπλῆ 189 

χορός 395, 401, 403, 424, 441-- 448 
χρυσάμπυξ 156 

χρύσεα δώματα 100 
χρύσειος 121—123 
χρύσεον δάπεδον 115—117 
χρυσηλάκατος 108 
χρυσήνιος 109 Anm. 1 
χρυσόϑρονος 108, 423 
χρυσοπέδιλος 109 Anm. 4 
χρυσόρραπις 109 Anm. 6 
χρυσός 245 

χρυσοχόος 266. 


Namen- und Sachregister. 


Aahmes I 125 Anm. 2. 

Abanten 6, 7, 240 

Abdera 11 

Abier 10 

Achilleus, sein Schild 318, 395 ff. 

Aegis 207, 389 

Aegypten 18 

— Rasieren daselbst 249 

Aegyptische Anticaglien 24, 57 

Aegyptische Gewänder 185 

Aegyptische Kunst 28, 98 Anm. 1 

Aegyptischer Kyanos 101—104 

Aesyptische Schilde 321 

Aegsyptische Wagen 129—131, 133, 137, 
144, 148, 155, 156 

Aegyptisierender Stil 35, 38, 232, 418 

Affen 27 

Agamemnon, seine Rüstung 19, 320 

Agathon 245 

Agesilaos 54 

Agesipolis 54 

Asylla 30 

Aias der Lokrer 15 

Aias der Telamonier 17 

— sein Schild 318 

Aiolier 48 

Aiolos 94 

Aisa 171 

Aitoler 64, 65 

Akesas 231—232 

Akka 20 

Alabaster 59 

Alalia, Schlacht bei 92 

Alba longa, Nekropole 83 

Alexander der Grolse 53, 58, 235, 439 

Alexandreia 5 

Alfedena s. Aufidena 

Alkaios 346 

Alke 389 


Alkimenes 232 

Alkinoos, seın Haus 100 ff., 435, 443 

Alkisthenes 232 

Allifae 45 

Altattische Vasen 179—180, 253 

Alyattes 68 

Amathus, Silberschale von dort T. 1, 39, 
250 Anm. 4, 402, 411 

Amazonen 351, 352 

Ambrosia 56 

Amenophis III 50 

Amphimachos 245 

Amset 57 

Amu 250 

Anaitis 439 

Andromache, ihre Kopftracht 219 ff., 236 

Anspann 146—156 

Antimenidas 345 

Antiochos von Syrakus 431 Anm. 6 

Antiphanes 253-254 Anm. 8 

Apelles 371, 376, 378 

Aphrodite Areia 417 Anm. 4 

— Ihr Heiligtum zu Paphos 33, 419 

Apoll, amykläischer 119, 180 

— didymäischer 178, 182, 418 

Aram 25 

Ares 14, 414 

Archaische griechische Kunst 40 ff. 

Archilochos 13, 241, 245, 252, 344, 346 

Areithoos, seine Keule 80 

Argivische Industrieprodukte 17 

Argonauten 86 

Aristagoras 343 

Aristarchos 5, 212, 359, 371, 372 

Aristion 292 

Aristonophos 251—252, 256, 313, 316 

Aristoteles 31, 360, 363 

Arkesilasschale 181, 254 

Artayktes 54—55 


404 


Artemis Brauronia 394 

— ephesische 418 

— Munychia 394 

Asa 53 

Asios 183, 346 

Asklepiades von Myrlea 372 

Assyrische Bewaffnung 314 

Assyrische Kunst 28 

Assyrische Wagen 133—137, 143, 155, 156 

Astarte 33, 37—38 

Asteropaios 8, 18 

Athena Chalkioikos 441 

— Parthenos 302, 404 

Athene, troische 416, 423 

Atreus, sog. Schatzhaus desselben 69, 
72, 96, 107, 114, 439—440 

Aufidena (Alfedena) 44 

Axe 148- 144 

Axt 8. Beil: 


Babylon, Burg 436 

Babylon, Tempel des Bel 436 
Babylonien 53, 57 
Babylonische Gewänder 185 
Babylonischer Stuck 98 Anm. 1 
Bad 257 

Badewanne 18, 123, 124 

Bär 394 

Bart 247 ft. 

Baumwolle 170 

Beil 111—112, 341—342, 348 ff. 
Beinschienen 76, 284—285, 343 
Beipferd 133 

Beltempel 116, 436 

Benacci, Nekropole s. Felsina 
Bergblau 103 

Bergkrystall 59 

Bernstein 13, 42, 89, 268—269 
Bernsteinhandel 20 
Beschneidung 12 
Bestattungsgebräuche 51 ff. 
Betten 124 

Bipennis 351 

Bithyner 10 

Blumenkränze 3 

Böotische Schilde 17 
Bogenwettkampf 348 ff. 
Bologna s. Felsina 

Bronze 82, 112 

Bronzetechnik, nordische 12—13 
Bruchstein 97 


Wort- und Sachregister. 


Brustschilde 58 
Bryger 14 
Byrsa 74 


Caere (Cervetri) 30 

Caere, Grab Regulini-Galassi 30, 39, 58— 
59, 91- 98, 109 Anm.13, 124 Anm. 5, 270 

— Grab vom Ende des 6. Jahrhunderts 
109 Anm. 4, 298, 373 

Canopus 87 Anm. 1 

Celt 113 Anm. 4 

Chaldäa 38, 417 

Chalkidier 17, 42, 45, 358, 430 ff. 

ChalkidischeV asen 178—179, 300, 303, 393 

Chares 178, 186, 446 

Chariten 272 

Cherubim 25, 38 

Chesbet 102 

Chetiter 125, 323 

— ihre Schilde 321 

— ihre Wagen 131—133, 142, 148 | 

Chiton 162 ff., 171 ff., 227, 236, 287—288 

Chiusiner Gräber 23—34 Anm. 2, 116, 
122, 365—366 Anm. 1, 393, 443 

Chiusiner Sessel 121, 122 Fig. 21 

Chlaina 187 ff. 193 

Chnumhotep 249 

Cisten, bronzene 45 

Collocatio 56 

Corneto 5. Tarquinii 

Corsinischer Sessel 122 Anm. 5 

Cynocephalus Sphinx 27 


Damaskos 26 

Danae 440 

Danaos 418 

Ded 57 

Deichsel 147 ff. 

Delos 86 

Delphion 85 

Demokritos von Ephesos 235 

Diodor 85 

Dionysios Thrax 5, 371, 373 

Dionysosdienst 12 

Dipylongräber 36 ff., 75—82, 112 Anm. 4, 
337, 44 

Dipylonvasen 36—38, 75—79, 124 Anm.5, 
138—140, 160, 209, 211, 230, 251, 
811-815. 2579: , 381 Anm.» 387, 
403 Anm. 2, 445—446 

Dodona 86—87, 109 

Dolche 59, 83—84 Anm. 9, 335 ff. 


Namen- und Sachregister. 


Doloneia 1, 8, 11, 248—249 

Dorier 63 ff. 

Dorische Kleidung 162—164, 200, 206 
Drehscheibe 47 

Dreifülse 347. 


Einbalsamieren 53 ff. 
Einspänner 128, 134, 145, 146 
Eiresione 116 

Eisen 47, 82, 112, 329—332, 352—353 
Eiserne Beile 112 

Eiserne Thüren 107 

Eiserne Waffen 79—80 
Ekbatana 94, 438 

Elfenbein im Epos 110, 111, 425 
in Chanaan 437—438 

in Etrurien 41—42 

in Hissarlık 48 

in Mesopotamien 435 

in Tyros 26 
Elfenbeinhandel 20 

Elis, Münze 119 Fig. 19 
Ephesos 235, 418 

Ephoros 85, 431—432 
Erdwerke 62, 93—94 
Erechtheion 421 

Eris 389, 414 

Erythrae 418 

Eschmunazar 251 

Estrich 62 

Etrusker 29—31, 82, 83 
Etruskische Kunst 41 
Etruskische Tracht 42 
Etruskische Wagen 141—142, 151 
Euböer 86 

Euneos 10 

Eumelos 127, 146 

Euphorbos 242 

Eurybates 429 

Eurytanen 65 

Ezechiel 25—26. 


Falten 226 ff. 

Farbe der Kleider 231 ff. 

Felsina(Bologna) Bronzeeimer von dort 307 

— Nekropole Arnoaldi Veli 353 

— Nekropole Benacci 83, 290, 291, 330, 
361 Anm. 1 

— Nekropole von Villanova 43, 45, 
83—84, 330, 361 

— Ripostiglio von S. Francesco 353 

Fettdampf 117—118 


Helbig, Erläuterung des homerischen Epos, 


465 


Fibula s. Heftnadel 

Fingerringe 59 

Fischerei 3, 424—425 

Flechten 241 ff. 

Francoisvase 4 Anm. 1, 140, 179, 182, 
197, 201—204, 253, 403 Anm. 2 

Franse 207 

Fufsboden aus gestampfter Erde 114—115 

— aus Metall 115—116. 


Gades 443 

Gebils 156 

Gemusterte Gewänder 229 ff. 

Geometrische Dekoration 82, 177, 193, 
379 ff. 

(Germanen 14 

Geschnittene Steine 59 

Gitiadas 441 

Glasarbeiten 24, 26 

Glaukos 54, 55 

Goldarbeiter 266 

Gordischer Knoten 145 

Gorgoneion 388—390, 402, 415 

Gortys 95 

Götterbilder 416 ff. 

Grabstelen 62, 137, 145, 446 

Grächwyler Hydria 45 

Graeco-italische Epoche 87 

Grammatiker, ihre Erklärungsweise 5 

Greif 387—388, 391, 392 

Griechische Vasen mit Streifen und Vier- 
fülslern 30 Anm 4, 45, 89, 251, 412 

Guanchen 55 

Gürtel 109, 172—173, 206 ff., 227, 229, 
236, 288 ff. 


Hadrumetum 74 
Haimos 9, 10 
Halimedes 180 Anm. 10 
Haube 42 
Heftnadel (Fibula) 39, 47, 63, 82, 83 
Anm. 9, 171, 199 ff., 206, 274 ff. 
Helena 426 
Helikon 231—232, 235 
Helm 295 ff, 342—343 
Hephaistos, sein Haus 100 
— seine Metallarbeiten 59, 395 ff. 
Hera, ihr Wagen 147 
— samische 183, 187 
Heraion, argivisches 69, 115 
Heraion zu Olympia 65 
30 


400 Namen- und Sachregister. 


Herakleides von Sinope 230 Anm. 2, 240, Karchesion 366, 368 


246 Karer 18, 323, 325, 344, 345 
Herakles 85, 418. Vgl. Melkart Karthager 27, 92 
— sein Schwertgehäng 393 Karthagische Altertümer auf Sardinien 
Hermes in langem Chiton 180, 182 27, 28, 32,39 
— kalbtragend 252 Karthagische Kunst 88 -- 40 
Hermippos 192 Anm. 7 Karthagischer Handel mit Italien 31 
Hippemolgen 10 Kefa 25, 33, 250, 384 
Hippoboten 431 Kelten 231 
Hippokles 430, 432 Ker 414 
Hiram von Tyros 25 Kesselwagen 108—109 Anm. 13 
Hirschkalb 387 Kilikische λαισήϊα 329 
Hissarlik (Troja) 47, 48, 71, 96, 97, 109 Ε΄, Kinyras 19 
112 Anm. 4, 244, 360, 417 Kittün 162 
Hohepriester 58, 223 Kleomenes 64 
Holzbau 109 ff. Körbe 108 
Honig bei der Bestattung 51 ff. Korinthische Vasen 30 Anm. 4, 180—182, 
Hormos 268—270, 385 239, 254, 393 
Hunde 387—388, 390—392 Kosmetik 236 ff. 
Hyle 17 Kratere von Argos 17 
Hyperboreer 86. Kreta 54, 55 


Krobylos 40 

Kupferlasur 103, 104 

Kuppelgräber 52, 69— 70, 72, 74, 96, 107, 
114, 115, 439, 440 

Kureten 95 


lalysos 66, 418 

— Nekropole 49—50, 337, 445 
Janustemipel 442 

Japygier 14 


Iberer 443 

Idalion, Schale von 34—35, 403 Kuttön 162 

Idmon 418 Kuttonet 162 

Idole 416 ff. Kyanos 72 ff., 100 ff. 
Jemen 438 Kydoimos 414 
Nlyrier 14 Kyklopen 62, 389 


Kyme, Kymäer 45, 88—100, 144 Anm. 2, 


Inkrustation der Wände 100 ff., 433 ff. 
252, 358, 430 ff., 448 


Interpolationen im Epos 3 


Joch 146 ff. Kypria 3 

Joke 389 Koprier 2 

Jonische Tracht 162—164, 172, 178, 189, Kyprischer Kyanos 101, 104 
206, 245 Kypros 19, 26—27, 445 

Irländer 14 Kyros 68. 

Ismaros 9, 10 Laerkes 266 

Istros 86 Laistrygonen 20 

Italiker 82, 83, 87 Lastwagen 145 ff. 

Ithaka 19, 95. Lasurstein 102 

Kadesch 125, 130 Anm.1, 131—132 Anm.2 La Tolfa, Nekropole 83 

Kadmos 61 Lehmziegel 67— 69, 94, 97, 425 

Kalkputz 62, 97—98 Lehnsessel 118 ff. 

Kameiros 50 Leinwand 162 ff., 172, 185—187,193—194 

Kairos 248—249 Anm. 3 206, 218, 227, 294 

Kalasıris 185 Lemnos 10, 12 

Kalydon 95 Liburner 14 


Kantharos 368 Ligyer 85 


Lindos 418 


Linnener Chiton 162— 163, 165 —166,172ff. 


Linnene Stuhldecken 121—122 
Löwenthor 62 

Lokrer 15 

Lydier 18 

Lykaon 10, 127 Anm. 14 
Lykier 6, 7, 62 

Lykos von Rhegion 85 
Lykurgos 64 

Lyrnessos 95. 


Magnes 246 

Mantel 227—228 

Mäoner 18 

Maron 9 

Masken s. Totenmasken 

Maurer 15 

Megasthenes 430, 432 

Melite 170 

Melkart 11, 418, 437 Anm. 3, 443 


Menelaos, sein Haus 18, 64, 100—101, 


106—107, 435, 443 


Menidi, Kuppelgrab daselbst 52, 69, 72, 


105 Anm. 3, 114, 445 
Mentores 85 
Messapier 14 
Metallbeschlag der Wagen 142—143 


Metallinkrustation der Wände 100—101, 


106—107, 425 
Milesier 20 
Milesische Sitzbilder 178, 186, 446 
Milesische Wollkleider 17 
Milet 68 


Minyas, sog. Schatzhaus desselben 69, 


71, 99, 440, 446 
Misthaufen 118 
Moesia 10 

Moira 171 
Molosser 85 

Mons Albanus 57 
Monte Cavo 57 
Mumien 58 
Musen 9 


Muster auf Gewändern 81—82, 172, 192 


—193, 205 —206, 230 
— figürliche 81—82, 193, 230 
— geometrische 193, 384 
— vegetabilische 192 


Namen- und Sachregister. 467 


Mykenäische Kuppelgräber 69, 72, 74, 
96, 107, 114, 439—440 

— Masken 58, 247 

— Schachtgräber 32 ff., 50 ff., 70, 71, 
112 Anm. 3, 192, 207, 209, 221, 244, 
247, 334, 342, 373, 376, 379, 386, 445 

— Siegel 59, 137, 303, 311, 316, 321, 
335, 342—343 

— Steinbauten 61—62 

— Stelen 62, 137, 145, 446 

— Streitwagen 137, 145 

Myrmidonen 96 

Myron von Sikyon 441 

Myser 10. 


Nägel 121, 376—377 

Nauplia, Nekropole daselbst 52, 70, 445 
Nektar 56 

Neoptolemos 86 

Nestor, sein Becher 5 Anm.1, 371—378 
— sein Schild 318, 325 
Nereidenmonument von Xanthos 7 
Nordisches Handwerk 44 ff. 

Nordvölker 157. 


Obsidian 49, 63 

ÖOdomanten 12 

Odysseus, sein Chiton 165, 172, 174 
— seine Fibula 277—279, 386—388 
— sein Haus 64, 114 

Okeanos 401, 403, 405, 406 
Ohrringe 243 Anm. 1, 271 ff., 447 
Öl 26, 168—169, 257 —258 

Olympia 64, 88 -- 84 Anm. 9 
Ölympischer Zeus 119 

Omphalos 147 ff. 

Örchomenos, Ephebenstatue 238 

— Kuppelgrab 69, 71, 99, 440, 446 
Örgiempäer 10 

Orpheus 9 

Ortygia 91 

Örvieto 5. Volsinii 

Oxylos 65. 


Paeligner 44 
Paeonier 9 
Panoplie 343 ft. 
Panzer 286 ff. 
Parfüms 257—258 
Parier 13 


Mykenäische Becher 366, 373 ff., 383, 408 Paris, sein Haar 241 
— Dolche und Schwerter 59, 70, 383, 408 Patäken 41 Anm. 1 


30 * 


408 


Pathymias 232 

Pelops 61, 66 

Penelope 2—3, 217, 219, 256, 265 

Peplos 193 ff., 228—229, 231, 233, 385 

Persische Bestattungsgebräuche 53 

— Rüstung 343 

Perseus 61 

Pfahldörfler 82, 87 

Pflaster 96 

Phäaken 94, 257, 397, 422 

Phalerae 307 

Pharos 195 

Pheia 95 

Phineusschale aus Vulci 178, 252 

Phönikier 11—13, 42, 53, 65—66, 91—93, 
170, 417 

Phönikische Astarte 33—34, 37— 38 

— Idole 417, 418 

— Kunstindustrie 21 ff. 

— Metallarbeiten 19, 21—29, 32—36, 39, 
71, 92, 267, 407, 408, 412, 413 

Phönikischer Handel 18—19, 21 ff., 443 

Kyanos 101, 104, 384 

Schiffe 78, 160 

— Schilde 321 

— Streitwagen 135 —137 

Tracht 223—225, 250251 

Phokäa 68, 69, 443 

Phokäer 42, 92 

Phryger 14 

Picenum 14, 42—44, 354 

Pieria 9 

Pleuron 95 

Pollinetor 56 

Poppaea 57 

Poros 439 

Porta Raudusculana 442 

Poseidon, sein Haus 100 

Praeneste, Gräber mit phönikischen Fa- 
brikaten 31, 40 

Praenestiner Brustschild 106 

Priamos, sein Wagen 145, 147—153 

Priapos 418 

Promathidas 371 

Protesilaos 54 — 55 

Psammetichos 345 

Purpur 26, 191, 194 

Pygmäen 20 

Pylos 95 

Pytheas 20. 


Namen- und Sachregister. 


Quaste s. Troddel. 


Ra-Xa-nofre Sebak-Hotep 24 

Radförmiges Schmuckstück 87 

Räder unter Gefälsen 108—109 Anm. 13 

Raman 112—113 Anm. 4 

Ramses Il 125, 130, 131, 155 ‘Anm. 7, 
323, 434 

Ramses ΠῚ 157, 382, 434, 435 

Rasieren, Rasiermesser 248 ff. 

Reigentanz 35, 76, 395, 401, 403, 424 

Rhesos 7, 8, 11, 127 

Rindskopf aus Mykenae 33 

Ringe 59 

Rostra 77, 160. 


Sabae 438 

Sadyattes 68 

Saecula 92 

Safran 205, 231 

Salamis 17 

Salben, Salbung 26, 257—258 

Salomonischer Palast 437 

Salomonischer Tempel 25, 38, 
Anm. 13, 116, 437 

Samier 443 

— ihre Tracht 183 

Samothrake 12 Anm. 1 

Samothrakisches Relief 252 

Sandalen 109 

Sandon 112 Anm. 3 

Sanherib 78, 160 

Sardes 439 

Sardinien s. Karthagische Altertümer 

Sarpedon 93 

— sein Schild 380—381 

Saulakes 439 

Scepter s. σχῆπτρον 

Schachtgräber s. Mykenäische Schacht- 
gräber 

Schale des Archikles und Glaukytes 
180, 253 

Schalen von Teos 17 

Schardana 323, 325 - 

Schatzhaus des Atreus s. Atreus 

Schemel 124 

Scheria 94, 96. Vgl. Phäaken 

Schiffe 77-79, 157 ff. 

Schiffskatalog 1 

Schiffslager 93 

Schiffsstachel 77— 79, 160 


39, 108 


Namen- und Sachreeister. 


Schild 64, 811 ff., 342—343, 345, 384, 

‚ 385, 386, 447 

Schild des Achill s. Achill 

Schild des Aias s. Aias 

Schild des Sarpedon s. Sarpedon 

Schilde argivische 17 

— böotische 17 

— spartanische 64 

Schlange 373, 382, 383 

Schmied 16 

Schminke, Schminken 3, 256 

Schmucksachen 266 ff. 

Schnurrbart 249 ff. 

Schurz 162, 184 

Schutzmauern 93 ff. 

Schwarze Suppe 64 

Schwelle 107, 111, 421, 442 

Schwerter 47, 332 ff., 342 

— chalkidische 17 

— mykepnäische 59, 70, 383, 408 

— thrakische 8, 10, 18 

Sechet-Pacht-Bast 24 

Seesterne 99 

Sessel 108, 118 ff., 385 

Sıdon 25 

Sidonier 19 

Siegel 3, 59 

Silberschalen 92, 93, 160, 402, 408 ff. 

Skythen 10, 20, 54 

Skythischer Kyanos 101, 102 

Smalt 24, 72, 101—106 

Smaltfigürchen 24, 57 

Snefru 185 

Sophron 245 

Spannnagel 147 ff. 

Sparta 64, 95 

Spartaner 66, 323 

Spartanische Bestattungsgebräuche 54 

Spartanische Reliefs 180 

Spartanisches Bartreglement 253 — 254 

Spata, Gräber daselbst 52, 70, 105 Anm.3, 
445 

Speer 47, 340—341, 342 

Sphinx 99, 391—392 

Spindel 18, 108 

Spinnkorb 18, 108 

Spiralen für die Haare 242—245 

Spule 108 

Stäbe 108 

Stadtmauern 67—69, 93 ff. 


469 


Steinbau 61—62, 67—69, 425 

Steingeräte 47, 49, 63, 82 

Stellmacher 16 

Stier 99 

Stiftshütte 437 

Streitwagen 8, 125ff., 342, 345—346, 
385, 427 

Stuck 97—100 

Stuhl 118 ff. 

Sybaris 232 

Syrakus 

— Nekropole del Fusco 90 

— Nekropole Matrensa 90—91, 446 

Syrie 19. 


Tarent 44, 45 

Tarentiner Reliefs 368 

Tarquinii, Nekropole 24, 30, 83, 92, 443 

ägyptische Fabrikate daraus 24 

Grabgemälde 42, 221—223 

Heftnadeln 202 

— phönikische Fabrikate 30 

tombe a fossa 22—23, 24, 30, 92 

Anm. 2, 202, 243 Anm. 1, 290, 377 

. Anm. 12 

— tombe a pozzo 21—22, 24, 30, 248 
Anm. 3, 290, 291, 365—366 Anm. 1, 
377 Anm. 5, 9, 11 

Tartaros 107, 435 

Tataia 89 Anm. 2 

Tauben 33, 375—376 

Telegonie 14, 86 

Telemachos 64,-95 

Tempel 416 ff. 

des Bel 116, 436 

des Melkart 11, 418, 437 Anm. 3, 443 

zu Jerusalem s. Salomonischer Tempel 

— zu Paphos 33 

Tenea, Ephebenstatue 238 

Teos, Schalen 17 

Thallophoren 427 

Thamyras 9 

Thapsos 74 

Thasisches Relief 252 

Thasos 11, 12, 13, 66 

Theben, das ägyptische 126 Anm. 3 

— das böotische 61, 95 

T'hemistokles 85, 95 

Theophrastos 101— 102 

Thera 66 

— Ephebenstatue 238 


-— 


ATO Namen- und Sachregister. 


Thera, primitive Niederlassungen 48—49, Tyros, Melkarttempel 437 Anm. 3 


71, 98, 99 
Thersites 423 
Thessaler 14 
Thoas 12 
Tholos s. Kuppelgrab 
Thraker, Thrakien 6 ff. 


Thrakische Schwerter s. unter Schwerter 


Thrakischer Wein 9, 10 


Thukydides 65, 163-164, 181- 189, 


240, 246 
Thüren 107, 110—111, 434, 436 


Thutmes Ill 33, 125 Anm.3, 381, 434, 436 


Thyner 10 
Thysdros 74 
Tierfell 196 — 197 
Tiryns 62, 95, 417 


— der dortige Palast 68, 71—75, 97 


106, 109, 110, 111, 115, 124 
Tisch 108, 124 
Tischler 15 
Tolentinum 43 
Tombe a fossa s. Tarquinii 
Tombe a pozzo s. Tarquinii 


Tombe a ziro 23-24 Anm 2, 122, 365 Wohnhäuser 96 ff. 


—366 Anm. 1 
Totenmasken 58, 247 
Troddel 207 
Tychios 17 
Tyros 25—26 
— Königspalast 437 


Tyrtaios 346. 


Ultramarin 102, 103 
Utiea 74. 


Vasen mit Streifen und Vierfüfslern s. 
Griechische Vasen 
Vasen vom Dipylon s. Dipylonvasen 
Vasi di bucchero 41, 368, 374 ὶ 
Veneter 74, 82, 85, 87 . 
Vetulonia, Nekropole 83 | 
Verbrennung 51, 67, 75 
Viergespanne 129 Anm. 2, 445 
Villanova s. Felsina | 
Volsinii (Orvieto) 273 Anm. 2, 274 
Anm. 1. 959 ᾿ 
Vulei, Gräber daselbst 30, 45, 92, 273 


59, Anm. 2 


Wachs 53 

Wagen 125 ff. 
Weberei 16 
Weinstock, goldener 3 
Werkblei 285 


Wolle 162 ἢ", 206. 


Zenodotos 212 
Zimmermann 16 
Zügel 109, 156 
Zugstränge 146. 


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