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Full text of "Das Häusliche leben der Europäischen kulturvölker vom Mittelalter bis zur zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts"

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Das Häusliche leben der 
Europäischen kulturvölker 



Alwin Schultz 



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FROM THE FUNÜ OF 



CHARLES MINOT 

ClaBB of 1828 



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HANDBUCH 



DER 



Mittelalterlichen und 
Neueren Geschichte. 



heuaus<tEgkbex von 

G.v.Below, und f. Meinecke, 

PROFESSOR AN DKR fXIVERSITÄT TOBIXGEX. PROFESSOR AX DER t'XIVERSITÄT STRASSBUR« 



ABTEILUNG IV: 

Hilfswissenschaften und Altertümer. 

A. Schultz 

DAS HÄUSLICHE LEBEN IM MITTELALTER. 




MÜNCHEN VSD BERLIN. 

DRUCK INI» VEHKA»; VON I{. OLDENBOrHG. 

1903. 



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Das Häusliche Leben 



DER 



EUROPÄISCHEN KULTURVÖLKER 

VOM 

MITTELALTEK 

ms zi;r 

ZWEITEN HÄLFTE DES XVIIL JAHEHUNDERTS. 



VON' 



D«- Alwin Schultz, 

PROFESSOR AX DKR DEUTSCHEN UMVERSITXT ZU PRAG. 




MÜNCHEN UND BERLIN. 

DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG. 

1903. 



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f Al-:3 In 1007 1 






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VORREDE. 



In diesem Buche soll versucht werden, einen kleinen Abschnitt 
der Sittengeschichte, allein das häusliche Leben (la vie privee) der euro- 
päischen Kulturvölker, darzustellen. Die Besprechung aller anderen 
Fragen, vor allem die über das Kriegswesen und alles, was damit zu- 
sammenhängt, ist von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen. 

Aber auch das so eng begrenzte Thema den Ansprüchen der 
Wissenschaft entsprechend zu behandeln, ist jetzt und voraussichtlich 
für lange Zeit noch unmöglich : es fehlen so gut wie alle Vorarbeiten. 
Erst wenn die Sittengeschichte der einzelnen Landstriche gründlich und 
erschöpfend dargestellt ist, erst dann ^nrd man, gestützt auf diese Mono- 
graphien, daran gehen können, die Sittengeschichte der einzelnen Völker, 
später auch der europäischen Kulturw^elt zu schreiben. Eine Schilderung 
des Lebens im frühen Mittelalter zu geben, ist bei der immerhin ge- 
ringen Zahl der überlieferten Denkmäler und Zeugnisse nicht schwer; 
etwas anderes ist es, sobald es sich um die Darstellung des 14. und 
15. Jahrhunderts handelt, für die eine unübersehbare Menge von Ur- 
kunden, die ihrer überwiegenden Zahl nach noch ungedruckt sind, 
berücksichtigt werden müssen. Und die Menge der schrifthchen Über- 
lieferung, der erhaltenen Denkmäler der Kunst und des Kunstgewerbes 
aus dem 16. bis 18. Jahrhundert ist so gewaltig, dafs ein Menschenleben 
nicht hinreichen würde, auch nur einen kleinen Abschnitt der Sitten- 
geschichte gründlich darzustellen. 

Es ist daher nur eine Skizze, die ich hier zu bieten imstande bin, 
deren Mängel mir selbst am besten bekannt sind. So habe ich z. B. 
hauptsächüch die deutschen Verhältnisse zu schildern versucht, weil mir 
von den Bearbeitungen der Sittengeschichte bei den anderen Völkern 
nur überaus wenige zur Verfügung standen. Im grofsen ganzen wird 
jedoch das entworfene Bild wohl den Verhältnissen entsprechen, denn 
wenn auch vielfache Verschiedenheiten nicht blofs unter den Völkern, 
sondern auch innerhalb der einzelnen Länder, und zwar in noch ungleich hö- 
herem Mafse als in der Gegenwart, vorhanden waren, so hat doch die Mode, 
der französische Einflufs schon damals vielfach nivellierend eingewirkt. 



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VI Vorrede. 

Die Zeit, die mir zur Ausführung dieser Arbeit gewährt wurde, war 
kurz bemessen, die Ausdehnung der Schilderung auf ein bestimmtes 
Mafs beschränkt, das nicht überschritten werden sollte. Schon aus 
diesem Grunde habe ich die Besprechung der mittelalterlichen Lebens- 
verhältnisse, die schon so oft und mit so viel Glück dargesteUt worden 
sind, kürzer gehalten, um für die Schilderung der neueren Zeit mehr 
Raum zu gewinnen. 

Die in Zeitschriften enthaltenen Aufsätze, die gewifs vielfach meiner 
Darstellung förderlich sein konnten, habe ich nicht benutzt, weil sie hier 
mir nicht in ausreichendem Mafse zur Hand waren. 

Hauptsächlich kam es mir darauf an, dem Leser dieses Buches die 
Gelegenheit zu bieten, sich durch eigene Anschauung eine Vorstellung: 
von den Erscheinungen der Vergangenheit zu verschaffen. Es wurde 
deshalb immer auf die Kunstdenkmäler verwiesen, die ja neben den 
Erzeugnissen des Kunstgewerbes eine so grofse, bisher lange nicht nach 
Gebühr gewürdigte Bedeutung für die Sittengeschichte haben; so bietet 
dies Buch gewissermafsen ein Stück angewandte Kunstgeschichte. 

Allein abgesehen von diesen Werken, die die Kunstgeschichte 
berücksichtigt, gibt es eine grofse Zahl von Gemälden, Kupferstichen, 
Holzschnitten, die auf Kunstwert keinen Anspruch erheben dürfen und 
die deshalb auch in den Kunstsammlungen nur selten und vereinzelt 
anzutreffen sind, trotzdem sie für die Sittengeschichte eine ganz hervor- 
ragende Wichtigkeit haben. Dafs ^ir von diesen wertvollen Darstellungen 
Gebrauch zu machen vermögen, verdanken wir Dr. Georg Hirth, 
der in seinem »KulturgeschichtUchen Bilderbuch /. (München o. J.) für die 
Untersuchungen über Sittengeschichte ein überaus dankenswertes Material 
geboten hat. Ich habe diese Nachweise von Bildern zu vermehren gesucht; 
jedoch wird in dieser Hinsicht noch ebensoviel zu ergänzen sein wie 
bei den Literaturzusammenstellungen. Es kommt ja auch hier nicht auf 
die absolute Vollständigkeit an, die zu erreichen mir unmöglich war, 
sondern darauf, dafs das Interesse für solche Studien angeregt wird. 

Wenn dann durch viele neue Untersuchungen die Skizze, die ich 
hier biete, ergänzt, verbessert oder ganz ersetzt wird, dann darf ich 
hoffen, mit meiner Arbeit doch etwas erreicht zu haben. 

Die zahlreichen Abbildungen, die, dank des freundlichen Entgegen- 
kommens der Verlagsbuch liandlung, dem Buche beigegeben werden 
konnten, sind von dem Verfasser ausgewählt und dienen allein zur Er- 
läuterung des in der Schilderung Dargestellten. Zu besonderem Dank 
bin ich dem Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, Herrn Dr. Hugo 
Graf, verpflichtet. 

Prag im April 1903. 

Dr. Alwin Schultz. 



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Inhaltsverzeichnis. 



I* Die Wohnung. seite 

Kinleitung 3 

I. Das Schlofs der Fürsten 5 

1. Im Mittelalter 5 

2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jhrhd. bis zum Ende des SOjäbr* Kri^es 22 

3. Die Scblofsgärten im 16. Jahrhundert 45 

4. Der Palastbau von 1650—1750 47 

5. Die Parkanlagen im 17. und 18. Jahrhundert 63 

n. Die Städte 65 

1. Die Befestigungen 65 

2. Die Strafsen der Städte 69 

3. Wasserleitungen, öffentliche Brunnen 75 

4. öffentliche Denkmäler 81 

5. Verschiedene öffentliche Bauten 82 

A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt 82 

a) Das Rathaus 82 

b) Andere städtische Verwaltungsgebäude 91 

B. Öffentliche Gebäude zur Unterhaltunjr der Bürger 96 

C. Zunfthäuser, Trinkstuben 96 

D. Wirtshäuser 97 

P:. Theater 99 

F. Spitäler 100 

G. Zuchthäuser 102 

H. Schulen und Universitäten 103 

J. Die Privathäuser . * 104 

K. Die Gärten der Bürger 143 

in. Das Dorf 146 

Die Wohnung der Bauern 146 

II. Die Familie. 

Einleitung 153 

I. Die Hochzeit 159 

a) Der Fürsten 159 

b) Der Bürger 166 

c) Der Bauern 172 



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Vni Inlialtsverzeichnis. 

Seite 

U. Entbindung und Taufe 173 

a) An den Fürstenhöfen 173 

b) Im Hause des Adels und des Bürgers 177 

c) Bei den Bauern 181 

in. Die Erziehung der Kinder 183 

a) An Fürstenhöfen 183 

b) Im Bürgerhause 199 

c) Die Erziehung bei den Bauern 218 

lU. Die Kleidung. 

1. Trachten bis zum Schlufs des 11. Jahrhunderts 221 

II. Trachten der Vornehmen des 12. und 13. Jahrhunderts 225 

lU. Das U. und 15. Jahrhundert 230 

IV. Das 16. Jahrhundert 237 

V. Das 17. Jahrhundert 247 

VI. Das 18. Jahrhundert 270 

VII. Kleidung der Bauern 291 

lY. Essen und Trinken, 

Einleitung 295 

I. Stunde des Essens 297 

II. Die fürtlichen Tafeln "... 299 

m. Mahlzeiten der Bürger 311 

IV. Mahlzeiten der Bauern 331 

y. Bescliftftiguug und Unterhaltung. 

I. Aufstehen und Schlafengehen, tägliche Beschäftigung der Fürsten .... 335 

II. Aufstehen der Bürger, die Beschäftigung der Hausfrau 337 

III. Unterhaltung an den Fürstenhöfen 346 

IV. Unterhaltungen der Bürger 360 

V. Unterhaltung der Bauern 400 

YL Tod und Begräbnis. 

Einleitung 405 

I. Tod und Begräbnis der Fürsten 408 

II. Begräbnis des Adels und der Bürger 414 

m. Die Grabdenkmäler 417 

IV. Tod und Begräbnis der Bauern 422 

Ergänzungen und Verbesserungen 425 

Sachregister 427 



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Die Wohnung. 



Schlofs. — Stadt. — Dorf. 



Schultz. Das häusliche Leben im Mittelalter. 



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EINLEITUNG. 



Das Leben der Vergangenheit ist der Gegenwart völlig fremd ge- 
worden, und alle wissenschaftlichen Untersuchungen werden nicht im- 
stande sein, uns ein der Wahrheit wirkhch entsprechendes Bild alter 
Zeiten zu entwerfen. Nur den ÄufserUchkeiten nach lernen wir jene 
längst vergangenen Jahre kennen, und mit dieser Einsicht werden wir 
uns begnügen müssen. Allein auch diese Äufserlichkeiten sind nicht 
ohne Interesse; wir sehen da, dafs vieles, was die heutige Zeit als ihre 
Schöpfung betrachtet hat, schon längst bekannt aber wieder vergessen 
war, und so gelangen wir zu einer gerechteren Wertschätzung der alten 
Zeit, die weder so vortrefflich noch so gering war, wie uns das manche 
Autoren einzureden versuchen. Die Leute der Vergangenheit haben alle 
die Tugenden gehabt, deren sich die Jetztzeit rühmt, aber auch alle die 
Leidenschaften und schlechten Neigungen, die wir in der Gegenwart 
antreffen. Nur die Form, in der sich diese allgemein menschhchen Be- 
strebungen äufserten, ist zum Teil eine andere geworden. Sie zu schildern, 
ist die Aufgabe, die diesem Buche gestellt wurde. 



Die zur Zeit der römischen Herrschaft vortrefflich angelegten und 
erhaltenen Heerstrafsen waren schon bald nach dem Sturze des römischen 
Kaiserreiches vemachläfsigt worden. Wohl kann man auch heute noch 
hie und da die Überreste dieser Strafsenanlagen wahrnehmen, und sie 
mögen auch ungepflegt lange noch der Zerstörung Widerstand geleistet 
haben, allein durchschnittlich befanden sich während des Mittelalters und 
weit über dasselbe hinaus die Strafsen in einem sehr traurigen Zustande. 
Die grofsen Heeres- und Handelsstrafsen ^) wurden immerhin noch einiger- 
mafsen ausgebessert und erhalten, jedoch waren auch sie voller Löcher, 
ausgefahren, kotreich in der nassen, staubig in der trockenen Jahreszeit, 
und noch viel schhmmer war es mit den Nebenwegen bestellt. Zwar 
wurden Zölle erhoben, deren Ertrag zur Erhaltung der Strafsen und 
Brücken verwendet werden sollte, indessen hören wir noch im 16. Jahr- 
hundert laute Klagen. So schrieb z. B. Paimigartner über den »übor- 
uiiflattigen bösen« Weg von Lucca nach Florenz (1582 22./Xn — 

^) GaCsner, Zum deutschen Strafsenwesen von der ältesten Zeit bis zur Mitte 
des 17. Jahrhunderts. Leipzig 1889. 

1* 



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4 Einleitung. 

Briefe S. 11), über den »überboefs mordweg, der alher (nach Frankfurt 
a/M.) von aller ortten ist« (1591 20./III und 1594 14./III — ib. 108, 191), 
über den bösen Weg zwischen Eger und Schlackenwald (1591 5./VI — 
ib. 112) u. s. w. Alle Reiseberichte sind voll von Klagen über den 
schlechten Zustand der Strafsen. 

Doch hat man schon im 13. Jahrhundert den Versuch gemacht, 
durch Pflasterung einzelner Wege, durch Belegen derselben mit Stein- 
platten, die in Kalk gebettet wurden — deshalb hiefsen diese Strafsen 
calciatae, chaussdes — mit einem Worte durch einen Kunststrafsenbau, 
wie ihn die Römer so vortrefflich anzulegen verstanden hatten, der Not 
einigermafsen Abhilfe zu schaffen, es bUeb aber bei belanglosen Ver- 
suchen. Erst das 18. Jahrhundert brachte eine durchgreifende Besserung: 
die französischen Kunststrafsen , für die seit 1716 eigene Baumeister 
»des ponts et chaussäes« vorgebildet wurden. Die Anweisungen des 
Schotten John London Mac Adam (1756 — 1836) wirkten auch auf 
Deutschland ein. Wenigstens die Staatschaussäen wurden jetzt sach- 
verständig in gutem Zustande erhalten, mit Baumreihen, Pappeln oder Obst- 
bäumen eingefafst; desto kläglicher war der Zustand der Nebenstrafsen. 

Während der ersten Jahrhunderte des Mittelalters dürfen wir uns da.s 
Land nicht besonders kultiviert vorstellen. In den von den Römern 
einst beherrschten Landstrichen ist die Bevölkerung auch nach den 
Stürmen der Völkerwanderung eine dichtere, die Bebauung der Felder 
eine ausgedehntere, allein in den Gegenden, wo die Römer nie festeMi 
Fufs gefafst hatten, da gibt es noch ausgedehnto Wälder, unbebaut-e 
Strecken; da waren Sümpfe und Moräste noch in dem Zustand, wie sie 
von Anbeginn her sich gebildet hatten. In diesen Wüsteneien siedelten 
sich die Klöster an; die Landesherren, die ihnen bereitwiUig umfang- 
reichen Grundbesitz schenkten, wufsten sehr wohl, dafs diese Kloster- 
gemeinden die Wälder ausroden, die Sümpfe austrocknen, einen geord- 
neten Feld- und Gartenbau einführen und auf wirtschaftlichem Gebiete 
der ganzen Landbevölkerung ein segensreiches, zur Nachahmung reizendes 
Beispiel bieten würden. Und damit waren, abgesehen von allem son- 
stigen Nutzen, die grofsen Strecken Unlandes reichlich bezahlt. Man 
mag mit Recht bezweifeln, ob die Mönche bei der Auswahl des Bau- 
platzes für ihre Kirche und Wohngebäude von einem lebendigen Sinn 
für landschaftliche Schönheit geleitet worden sind, Tatsache aber ist 
es, dafs sie immer mit sicherem Verständnis die schönsten Punkte in 
ihrem Besitze ausfindig machten und ihre Bauten da errichteten, wo 
weite Aussicht und landschaftliche Anmut auch heute noch unseren 
modernen Ansprüchen genügen. 

Durch diese Landstrecken führten die Strafsenzüge von einer 
Handelsstadt zur anderen ; die Burgen und Schlösser des Adels und der 
Fürsten waren in ihrer Nähe angelegt, kleine Orte und Dörfer durch 
Nebenwege mit ihnen verbunden; auf ihnen bewegte sich der gesamte 
festländische Verkehr der damahgen civilisierten Welt. 



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L Die Wohngebäude- 



I. Das SchloPs der Fürsten\) 

I. Im Mittelalter. 

über die Einrichtung und Anlage der mittelalterlichen Fürsten- 
]»aläste ist uns überaus wenig überhefert und das auch nur so unvoU- 
.ständig, dafs es kaum ausreicht, eine bestimmte Vorstellung von einem 
.solchen Baue zu gewinnen. Was darüber zu ermitteln ist, hat Heyne in 
seinem genannten Werke zusammengestellt. Es ist nur wahrscheinlich, dafs 
in rein germanischen Landen die Schlösser der Fürsten in ihrer ganzen 
Anlage dem Hause des bäurischen Hofbesitzers glichen, allein mit mehr 
Aufwand und Pracht erbaut waren, durch Geräumigkeit und Ausdehnung 
diese bescheideneren Bauwerke übertrafen ; dagegen dürften die Völker- 
schaften, welche auf dem von den Römern schon kultivierten Boden 
ihre Wohnsitze nahmen, vielfach die Form der römischen Paläste, 
Wohnhäuser, Villen nachgeahmt haben. Doch, so interessant diese 
Fragen sein mögen, es ist kaum eine Aussicht auf eine befriedigende 
Lösung vorhanden: die Denkmäler selbst sind untergegangen und die 
gelegentlichen Mitteilungen über sie erscheinen in jeghcher Hinsicht 
unzureichend. 

Einigermafsen sind wir über den Palast unterrichtet, den Karl der 
Grofse in Aachen erbaute, wo schon im 7. Jahrhundert sich ein Königs- 
öchlofs nachweisen läfst. Das Vorbild für diesen Palastbau fand Karl 
in dem Palaste des Theodorich zu Ravenna, der selbst nach dem Muster 
der kaiserlichen Residenz in Konstantinopel angelegt worden war^). 
Wir haben Beschreibungen von Karls Bau, und durch Ausgrabungen der 

*) Moritz Heyne. Das deutsche Wohnungswesen. (Lpz. 1899.) — Stephan i, 
-der älteste deutsche Wohnbaa und seine Einrichtung I. II. Lpz. 1902. 1903. — Kari 
^Simon, Studien z. romanischen Wohnbau in Deutschland (Studien z. deutschen Kunst- 
geschichte Heft 36) Strafsburg 1902. — Vgl. über venezianische Paläste P. G. Mol- 
menti, La vie priv6e ä Venise (Yen. 1882) 140 ff. 247 ff. 394 fP. 

*) Franz v. Reh er in den Abh. der hist. Klasse der Akademie der Wissen- 
schaften in München, Bd. XIX (München 1891). 



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6 I. Das Schlofs der Fürsten. 

Fundamente ist auch ein Anhaltspunkt gegeben, den Grundrifs im all- 
gemeinen zu rekonstruieren, wie dies Franz v. Reber getan hat, doch 
sind dies alles schwache Anhaltspunkte : das Gebäude selbst ist bei den 
Verwüstungen der Normannen schon früh gänzUch zerstört worden und 
allein die Palastkapelle, die zur Begräbnisstätte bestimmt, in der Anlage 
der Kirche St. Vitale zu Ravenna gleicht, ist allerdings halb ver- 
steckt von späteren Zu- und Anbauten, noch heute erhalten. Jeden- 
falls war das Schlofs ursprüngüch mit Festungswerken umgeben; das 
gebot schon die persönhche Rücksicht auf die Sicherheit des Kaisers. 
Dasselbe gilt von dem Palaste in Ingelheim, dessen Gröfse ausdrücklich 
hervorgehoben wird (mille aditus, reditus millenaque claustra domorum. 
Ermoldus Nigellus). Er ist bis auf wenige Ruinen ebenso zu Grunde 
gegangen, wie der Palast in Nimwegen. Mit den Gebäuden sind auch 
die Gemälde, die sie einst schmückten, der Zerstörung anheimgefallen. 
Schon die Langobardenkönigin Theodolinde hatte in ihrem Schlosse zu 
Monza Szenen aus dem Leben und der Geschichte ihres Volkes malen 
lassen, und so folgte auch in dieser Hinsicht Karl älteren Beispielen, als 
er im Palast zu Aachen seine Siege in Spanien darzustellen befahl und 
Ingelheim mit Wandgemälden ausschmückte, die die Taten der Helden 
des Altertums, der Griechen und der Römer, aber auch die Erfolge der 
christhchen Herrscher, des Constantin , Theodorich , der Franken ' und 
endlich des Kaisers selbst schilderten. 

Auf Karls Palastbauten können wir nicht näher eingehen, weil wir 
einzig und aUein auf Vermutungen angewiesen sind, aber auch über die 
nächstfolgende Zeit sind wir sehr schlecht unterrichtet. Von den Resi- 
denzen der Ottonen wissen wir so gut wie nichts, und wie der Palast 
Heinrichs I. in Merseburg beschaffen war, in dem er seine siegreiche 
Schlacht gegen die Ungarn malen liefs, entzieht sich jeder Beschreibung. 
Wohl mögen in der alten Salzburg noch Mauerreste auf die Ottonen- 
zeit zurückzuführen sein, an anderen Orten sich vereinzelte Teile von 
Burgruinen finden, die im frühen Mittelalter erbaut sein dürften, das 
gibt uns aber noch lange kein Bild, wie die Gebäude, die längst ver- 
schwunden sind, einst ausgesehen haben. 

Erst aus dem 12. Jahrhundert sind sowohl Denkmäler als auch 
ausführhche Beschreibungen, mit denen sich etwas anfangen läfst, in 
gröfserer Zahl erhalten.^) 

In Deutschland finden wir noch immerhin ansehnhche Reste vor 
von den Palastbauten, die auf Befehl des Kaisers Friedrich I. errichtet 
wurden. Das einst so prächtige Schlofs in Hagen au ist allerdings ver- 
schwunden, doch entschädigen noch Aufnahmen für den Verlust; vom 
Trifels bei Bergzabern (Elsafs) ist wenigstens der Hauptturm mit der 
Kapelle erhalten^). Gröfser und bedeutender sind die Überreste von 
dem Kaiserpalast zu Wimpfen am Berge, dem zu Gelnhausen*), zu 

») S. Karl Simon a. a. O. 47 ff. 

') Krieg von Hochfelden. Gesch. d. Militär-Architektur in Deutschlaiid (Statt- 
gart 1869) 275 e. 

') Handeshagen. Kaiserpalast von Gelnhaasen. Bonn 1832. 



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1. Im Mittelalter. 7 

Goslar und zu Eger^), dann das allerdings stark restaurierte Schlofs 
der Wartburg. Ja es sind in Deutschland viel bedeutendere Denkmäler 
des Palastbaues der Zerstörung entgangen^), als dies in Frankreich und 
ia ItaUen der Fall ist. Nehmen wir hierzu die in den französischen und 
deutschen Epen, in den historischen Schriften überUeferten Beschreibungen, 
so werden wir uns recht wohl eine Vorstellung von den Palästen der 
Kaiser, Könige und regierender Herren entwerfen können. 




BniK Trlfels in der uraprOnglichen Gestalt. (Nach A. v. Kssenwein.) 



Eine gewisse Gleichheit ist allen diesen Bauten des 12. und 13. Jahr- 
hunderts gemeinsam: der französische Stil ist auch für die Denkmäler 
der Zivilbaukunst ebenso mafsgebend, wie er den kirchUchen Monu- 
menten jenen eigenen Formencharakter aufgeprägt hat, den wir uns 
gewohnt haben als den romanischen und gotischen zu bezeichnen'). 

») B. Gruber. Die Kaiserburg in Eger. Prag 1864. 

«) Vgl. Schnaase, Gesch. d. bild. Künste im MA» (Düsseldorf 1872) 230 ff. 

*) Vgl. Viollet-le-Duc, Dictionnaire de l'Architecture fran9aise etc. (Paris 1864 
bis 68). Unter verschiedenen Schlagwörtern, besonders unter Architecture militaire 
(L 327 ff.), ChÄteau (HI. 68 ff.) u. s. w. — H. W. Schul«. Denkm. der Kunst des 
Mittelalters in ünteritalien. Dresden 1860. 



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I. Da« SchlofH der Fürsten. 




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1. Im Mittelalter. 




03 

i4 



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10 



I. Das Öchlofs der Fürsten. 



Wir werden also den Palastbau im allgemeinen ins Auge zu fassen 
haben und, was ja ungefähr zutrifft, annehmen, dafs in allen Ländern 
der abendländischen Christenheit diese Paläste im grofsen Ganzen nach 
denselben Grundideen angelegt waren. Die Befestigungen dieser Palast- 
bauten wollen wir nur kurz erwähnen, obsehon sie bei weitem den Bau- 




Dle Wartburg. Nach Oiiginalzeichnung d. Architekten Chr. Pelp In Kisenach. 

meistern wichtiger waren als die für die Burgherrschaft errichteten 
Wohngebäude. Es kann immer als ein unbestrittener Grundsatz ange- 
sehen werden, dafs erst die Festigkeit der Burg in Betracht kommt, 
dann erst man für die Bequemhchkeit der Bewohner Sorge trägt. Indessen 
sind diese Befestigungen so oft schon eingehend besprochen worden^), 

*) S. ViuUet-le-Duc, a. a. 0. — Höf. Leben «I. p. 7 ff. — A. v. Essenwein. Die 
romanische und die gotische Baukunst. I. Kriegsbaukunst Darmstadt 1889); ü. Der 
Wohnbau (Darmstadt 1892), [Durm. Hdb. d. Architektur. H. 4. Heft 1 u. 2.] 



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1. Im Mittelalter. H 

dafs es genügt, kurz die wichtigsten Formen derselben hier zu er- 
wähnen. 

Was die Anlage der Hofburgen anbetrifft, so können wir zwei ver- 
schiedene Dispositionen unterscheiden, je nachdem die Feste für sich 
allein im Freien erbaut ist oder einen Teil einer städtischen Fortifikation 
bUdet. In letzterem Falle ist ursprüngUch zuerst das feste Schlofs da- 
gewesen, unter dessen Schutze sich dann Leute angesiedelt haben ; aus 
dieser Häusergruppe hat sich mit der Zeit eine Stadt entwickelt, die 
nun selbst mit Gräben, Mauern und Türmen geschützt werden mufs. 
Die Herrenburg dient dann als Kernwerk (das Reduit) der ganzen 
Festungsanlage. So ist es etwa in Nürnberg gewesen, wo die städtische 
Befestigung sich an die der kaiserüchen Burg anschlofs. Immer aber 
ist die Burg älter als die Stadt 

Die Sicherheit der Burg erheischte, dafs sie leicht zu verteidigen 
war. Man wählte deshalb Plätze aus, die im Moor gelegen, nur schwer 
zugängUch sich erwiesen, auf steilen Felsspitzen, die wenn möghch nur 
von einer Seite erstiegen werden konnten, an Flufsgabelungen, da dann 
von zwei Seiten das Wasser die Bestürmung unmögUch machte. Vom 
Bauterrain hängt es ab, ob die Burg eine oder mehrere Ringmauern 
erhält. Vor der Mauer ist der Graben so tief wie möghch ausgeschachtet, 
wenn es anging, mit Wasser gefüllt. Über den Graben führt am Tore 
die Zugbrücke, die, aufgezogen, die Annäherung an die Mauer unmögUch 
macht. Die Mauern sind mit Türmen befestigt, die ungefähr immer einen 
Pfeilschufs voneinander entfernt sind. Das Tor ist zu weiterer Sicher- 
heit noch mit einem Fallgatter (Cataracta) zu verschUefsen. Diese ganze 
Fortifikationskunst stammt von den Römern ; die Burgenbaumeister lernten 
sie aus den Werken des Vitruvius und des Flavius Vegetius Renatus. 
Sind zwei Ringmauern vorhanden, so dafs nach der Erstürmung der ersten 
nun erst die zweite wieder erobert werden mufste, so waren zwischen 
den beiden die Wirtschaftsgebäude erbaut, die zum Schlosse gehörten, 
die Wohnungen der Soldaten, wenn sie nicht in den Türmen unter- 
gebracht waren, die Scheunen, Vieh- und Pferdeställe, der Hühnerhof — 
kurz, es sah in einer solchen Vorburg (Faubourg) ähnlich wie auf einem 
Gutshof aus, nur dafs des Raummangels wegen alles mehr zusammen- 
gedrängt war. In der inneren Burg aber befand sich die Wohnung des 
Schlofsherren und das.Kemwerk der ganzen Anlage, der grofse feste 
Hauptturm, der als letzte Zufluchtsstätte im Falle einer Eroberung an- 
gesehen wurde. 

In diesem grofsen Turme hatten früher die Herren der Burg selbst 
ihre Wohnung gehabt und in England zumal, aber auch in Frankreich 
war der Gebrauch auch später noch festgehalten worden. Solch ein 
Wohnturm wird gewöhnhch Donjon genannt. Jedoch war es kaum 
möghch, sich in diesen festen, aber doch auch engen Räumen behaghch 
einzurichten und so suchte man, wenigstens so lange keine Kriegsgefahr 
drohte, in hölzernen Häusern Unterkunft, die geräumig, auch der 
Bequemhchkeit gemäfs eingerichtet, jedoch im Falle der Belagerung 
schnell abgebrochen oder niedergebrannt werden konnten. Aus diesen 



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12 



I. Das Schlofs der Fürsten. 



provisorischen Holzhäusern entwickeln sich und zwar ini 12. Jahr- 
hundert die steinernen Palasbauten, die nun auch mit aller Kunst, die 
jene Zeit ja in so hohem Mafse besafs, ausgeschmückt wurden. Mit 
diesen Gebäuden wollen wir uns nun etwas eingehender beschäftigen. 

Die Wohnräume der Herrschaft lagen, wie ^^ir sagen würden, im 
Hochparterre; im Erdgeschofs war die Küche und was zur Wirtschaft 
gehörte, untergebracht. Zu dem oberen Geschofs stieg man mit einer Frei- 
treppe hinauf und gelangte durch das oft mit Skulpturen geschmückte Portal 
in einen Korridor, der durch weite geghederte Fenster mit zierlichen Säulen 
gut erhellt war. In diesem Korridor oder in dieser Gallerie verbrachte die 
Familie des Schlofsherrn die schönen Tage, wie in einer italienischen Loggia 




RitterHoal a. d. Schlosse tu Marburg in Hessen. 

gegen Sonne und Zug geschützt, aber doch die frische Luft ungestört 
geniefsend. Aus der Laube, deren Fenster übrigens sowenig wie die 
übrigen im Palaste angelegten verglast sind, vielmehr Schnee und Regen 
den unbehindertsten Zutritt liefsen, gelangen wir in den Saal, der für 
alle möglichen Zwecke bestimmt war. Hier versammelte der Fürst seine 
Getreuen zur Beratung, hier wurde gespeist, getanzt und, wenn es an 
Raum für die Gäste fehlte, geschlafen, auch diente der Saal der Herr- 
schaft zum ständigen Aufenthalt. Man mag in einigen Fällen mehrere 
Säle zur Verfügung gehabt haben, wie z. B. in der Wartburg, und dann 
konnte einer speziell als Speisesaal dienen ; allein oft ist das gewifs nicht 
vorgekommen. Der Saal war mit Stein oder Bäcksteinfliefsen gepflastert, 
4lie Wände an ihrem oberen Teile gemalt, mit historischen Darstellungen 
aus der griechischen Sage und Geschichte, aus dem Trojanerkriege, den 



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1. Im MittelHltor. 



13 




LHiidprafenhftiis der Wartbiiix bei Eiseniich. 



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14 



I. Das Schlofs der Fürsten. 



Abenteuern Alexander des Grofsen u. s. w. geschmückt, der untere Teil 
war gewöhnlich ohne jede weitere Verzierung und wurde bei festlichen 
Gelegenheiten mit prächtigen Teppichen, die an Gestellen längs der 
Wand aufgehangen waren, wirkungsvoll dekoriert. Diese Wandteppiche 
aber hob man für gewöhnhch sorgsam in Kästen auf. So geschmückt mufste 
ein solcher Festsaal ohne Zweifel einen recht schönen AnbUck gewähren, 
zumal an einem hellen Somimertage. Denn am Winterabend war es in 
dem Saale um so weniger behaghch. Der Kamin, mochte auch mit 
der Feuerung noch so wenig gespart werden, verbreitete doch nur in 
seiner allernächsten Nähe einige Wärme: deshalb sind die Ehrenplätze, 
im Gelnhauser Schlosse noch sichtbar, dicht an der Feuerstätte. Wer 
nicht das Recht hatte, nahe am Feuer Platz zu nehmen, fror ganz 

erbärmUch. Rauchte der Ka- 
min, dann muTsten die Fen- 
ster geöffnet werden und es 
drang erst recht die Winter- 
kälte in den schon schwach 
erwärmten Saal. Die Be- 
leuchtung wird auch für ge- 
wöhnlich nicht die hellste 
gewesen sein, mochte selbst 
bei Festfeiern alles von 
Lichtstrahlen. Aber Wachs- 
kerzen waren teuer, und zu 
viele wird man auch an 
den Höfen nicht an Werk- 
tagen angebrannt haben. Da 
bleibt nur die Beleuch- 
tung mit Talglichtem — und die hat durch ihre Helligkeit sicher 
keinen geblendet — oder man zündete Fackeln an, die allerdings 
Licht verbreiteten, aber auch einen unerträghchen Qualm verursachten. 
Öllampen kommen nicht in Betracht, weil sie wie die altrömischen nur 
aus einer Ölschüssel und aus einer Tülle für den Docht bestehen, wenig 
leuchten aber oft rauchen und übel duften. 

Am schhnmisten aber war es mit den Fenstern bestellt. Gewifs, 
sie sehen mit ihren skvdpierten Säulen sehr stattüch aus, jedoch ihnen 
fehlt die Verglasung, die im 12. Jahrhundert in den Kirchen schon 
ganz gewöhnhch war. Trat schlechtes Wetter ein, so mufste man den 
Regen, den Schnee, die Kälte eben ertragen, denn wenn man die Fenster- 
läden schlofs, dann war es finster. Dafs man kleine LichtöfEnungen in 
lue Läden schnitt und mit geöltem Pergament verklebte, half doch nur 
sehr wenig. Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts werden diese 
LichtöfEnungen verglast, nehmen an Gröfse zu ; dann ist der ganze obere 
Teil des Fensters mit Glasscheiben ausgesetzt, während der untere noch 
mit Holzläden geschlossen wird; endhch gegen Anfang des 16. Jahr- 
hunderts wird das ganze Fenster mit den bekannten runden oder sechs- 
eckigen Butzenscheiben verglast, die grünhch oder grau, mit Schlieren 




Schlote Münzenbei? in der Wetterau. 



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1. Im Mittelalter. 15 

durchzogen, einen freien Ausblick fast unmöglich machten. Und in 
Palästen wie in Bürgerhäusern gibt es nur einfache Fenster : die Doppel- 
fenster hat erst das 19. Jahrhundert allgemein eingeführt. 

Im Winter mögen die Burgbewohner ein sehr trauriges Dasein 
geführt haben, deshalb ist der Jubel, mit dem sie das warme Wetter 
begrüfsen, auch echt und kommt ihnen wahrlich von Herzen. 

Neben dem Saale oder den Sälen gibt es nun auf jeder Burg eine 
Menge von Zimmern, Gaden, die, wenn sie heizbar waren, den Namen 
Kemenaten (camerae caminatae) erhielten. Diese Zimmer werden wahr- 
scheinlich nicht mit Kaminen erwärmt, sondern mit Öfen, die in ihrer 
Form an die altbekannten Backöfen anknüpfen. (Vgl. M. Heyne, 
a. a. O. 120 fE.) Eine Fortbildung dieses Ofens ist der Kachelofen, 
d. h. der ursprünglich aus viereckigen* Töpfen (Kacheln) auf gemauerte 
Heizapparat, welcher an die seit alter Zeit gebrauchten Gluttöpfe, die mit 
glühenden Kohlen gefüllt waren, anknüpft. Ganz klar ist diese Sache 
keineswegs, aber so viel steht fest, dafs man im 14. Jahrhundert schon 
künstlerisch verzierte Ofenkacheln benutzte, wie die bei der Ausgrabung 
der Burg Tannenberg (an der Bergstrafse) gemachten Funde beweisen.^) 
Es ist deshalb immerhin wahrscheinUch, dafs Versuche mit solchen Kachel- 
öfen schon viel früher begonnen haben. 

Die Kemenaten dienten als Schlafkammern für den Herrn und 
seine Gemahlin, für die Kinder, die Gäste u. s. w. Ebenso scheint der 
Hausherr ein Privatzinuner für seinen ausschliefshchen Gebrauch gehabt 
zu haben (die heimliche); wir würden es heute Arbeitskabinett nennen. 
Was die Ausstattung mit Möbeln anbelangt; so war dieselbe selbst an 
Fürstenhöfen incht besonders kostbar. 

Im Saale standen längs der Wände Bänke. Die Efstische dagegen 
wurden erst, wenn die Zeit des Mahles nahe war, hineingetragen, d. h. 
die Böcke (Schrägen) aufgestellt und die Tischplatten auf dieselben 
aufgelegt. Sobald die Mahlzeit vorüber war, trug man die Tische wieder 
hinaus: die Tafel wurde aufgehoben. Ihre reichere Ausgestaltung hätte 
sich kaum gelohnt. Dagegen sind die Bänke mannigfach verziert, die 
Füfse (Spenden) und die Lehnen werden zierlich gedrechselt und mit 
bunter Malerei noch besonders dekoriert. Das Holz spielt kaum eine 
Rolle, da es fast gar nicht zur Geltung gelangt; man kann da alles 
Material verwenden, das der Tischler in seiner nächsten Nähe zur Ver- 
fügung fand. Die Bänke haben einen Brettersitz und werden niu* durch 
aufgelegte Kissen etwas bequemer gestaltet. Noch elastischer wurde die 
Bank, wenn statt der harten Bretter ein aus Stricken gebildeter Sitz 
verwendet wurde (Span-betten). 

Je mächtiger der Fürst, desto grofsartiger war sein Palast. Minder 
luxuriös sind die Wohnungen kleinerer Dynasten eingerichtet und gar 
einfach haben wir uns die Ausstattung der kleineren Adelsburgen vor- 
zustellen, die in unübersehbarer Menge längs der grofsen Handels- 

*) J. H. V. Hefner-Alteneck u. J. W. Wolf, die Burg Tannenberg und üire Aus- 
J?nibttngen. 1850. 



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16 



I. Das Schlofs der Fürsten. 







Das Louvre zu Paris zur Zeit Karls V. (Nach VioIlet-le-Duc.) 



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1. Im Mittelalter. 



17 



strafsen zunächst zu deren Schutz und Sicherheit angelegt wurden, 
später sich noch erhebüch vermehrten und oft genug den Raubrittern 
als sichere Zufluchtsorte dienten. Hatte man schon bei der Anlage der 




Hof des Schlosses in Meissen. 

Fürstenpaläste die Bequemüchkeit der Wohnrämne wenig berück- 
sichtigt, so kommt sie bei den Burgen der Ritterschaft überhaupt kaum 
in Betracht: sie hat sich gänzUch den Rücksichten der Befestigung 
unterzuordnen. Künstlerisch bieten diese Burgen überaus wenig; meist 

Schultz , Das h&nsliche Leben im Mittelalter. 2 



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Gpogle 



18 I. Daß Schlofs der Fürsten. 

sind sie aus Feldsteinen aufgebaut und, was an Hausteinzieraten ehedem 
vorhanden war, ist längst fortgeschleppt worden. Schon aus diesem 
Grunde ist es überaus schwer, die Entstehungszeit eines Burgbaues mit 
Sicherheit festzustellen. 

Im 14. und 15. Jahrhundert werden keine Fürstenpaläste erbaut, 
die sich mit den Schlössern Kaiser Friedrichs I. vergleichen lassen, und 
wie selten und wie kurze Zeit hatte der grofse Kaiser in diesen seinen 
Prachtbauten geweilt. Das Louvre wird in Paris (s. S. 16) errichtet, das 
später im 16. Jahrhundert dem Neubau Pierre Lescots weichen mufste. In 
Deutschland erbaut Karl IV. seinen Palast auf dem Karlstein, dessen 
Kapellen von Juwelen (Halbedelsteinen) noch heute funkeln, allein von 
der Pracht der Wohngemächer können wir uns kaum eine Vorstellung 
machen; wahrscheinlich hatte der bigotte Herrscher auch nur die 
Sicherheit der Reichskleinodien und seiner erlesenen Reüquiensammlung 
im Auge. Das Hochschlofs in Marienburg gibt uns ein interessantes 
Bild einer . Ordensburg. Ein gutes Beispiel aber eines Fürstenschlosses 
gibt uns der Palast in Meifsen, der architektonisch mit aller Pracht des 
ausgehenden Mittelalters ausgestattet ist (s. S. 17). 

Die besseren Stuben sind gewöhnhch mit Holztäfelungen an den 
Wänden ausgestattet, die durch Schnitzereien und Bemalung noch wirk- 
samer sich ausnahmen. Ein schönes Beispiel bieten die unter Erzbischof 
Leonhard von Keutschach (1495 — 1519) eing(3richteten Fürstenzimmer 
auf dem Schlosse Hohensalzburg.^) 

Die Möbel der Schlösser sind nun meist aus dem festen dauerhaften 
Eichenholz gefertigt, nicht völhg mehr bemalt, sondern mit Wachs getränkt, 
ohne aufdringhche Glätte, nach architektonischen Prinzipien aufgebaut 
und mit ornamentalen wie figürhchen Schnitzereien aufs reichste und 
geschmackvollste verziert. Feste, auf geschnitzten Schrägen ruhende 
Tische, Bänke und Stühle gleichfalls schön gestaltet. Über den Stühlen 
der Herrscher liebt man einen Baldachin aus Stoff aufzuhängen oder 
ihn aus Holz zu zimmern. Es scheint, dafs man sich gegen das Herab- 
fallen von Staub von der Decke schützen wollte, denn an den Betten 
bringt man die gleichen Baldachine aus Stoff oder aus massiver Tischler- 
arbeit an. Wahre Meisterstücke des Kunsthandwerks sind die zaMreich 
erhaltenen Schränke, Truhen, Kästen und Laden. Die Farbe ist nur 
zu Hilfe genommen die Formen schärfer hervorzuheben. Die Bänke 
werden wohl auch noch verwendet und mit Hilfe von Kissen zum 
Sitzen und Schlafen bequemer gemacht, indessen braucht man immer 
mehr den bewegüchen Stuhl und Schemel, die in den verschiedensten 
Formen gebildet werden. Das beliebteste Material bietet das Eichen- 
holz, doch \rird namentÜch zu grofsen Schränken auch das Holz der 
Esche, das durch seine geflammte Maserung sehr wirkungsvoll erscheint, 
gebraucht. Die Tischplatten werden bei Luxusmöbeln gern mit figürlichen 
Malereien dekoriert. Eine solche Platte hat z. B. Hans Holbein d. J. 
gemalt (jetzt im Museum zu Zürich). Auch die Platten des Solenhof ener 

*) Abgeb. u. a. in meinem »Deutschen Leben des 14, u. 15. Jahrhunderts c. 
Leipzig u. Prag 1892. Fig. 101. 



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Im Mittelalter. 



19 



Kalksteins finden Verwendung; man pflegt dann die einförmige Fläche 
durch eingeätzte figürliche Darstellungen zu beleben. Ein solcher Tisch 
ist noch in dem Germanischen Museum zu Nürnberg erhalten. Schreib- 
tische mannigfaltigster Einrichtung werden gefertigt ; die Tischler in den 
Städten wie Hamburg, Lü- 
beck führen den Namen 
Kontormacher. Einen sehr 
wohlerhaltenen Schreib- 
tisch besitzt z. B. die 
Sammlung von Basel.^) In 
den Zimmern treffen wir 
aufser den Tischen, Stüh- 
len und Bänken kairni ein 
anderes Möbelstück, höch- 
stens noch das Wasch- 
schränkchen und dann die 
gegen Ende des Mitt<el- 
alters immer häufiger ge- 
brauchten Spiegel , etwa 
noch Gemälde, Porträts, 
Genredarstellungen , Hei- 
ligenbilder, hier und da 
auch eine Uhr. Die grofsen 
Schränke sind in den ge- 
räumigen Fluren oder in be- 
sonderen Kanmiern unter- 
gebracht. In den Speisesälen dürfen die ansehnlichen Anrichttische, 
Kredenzen, Büffets nicht fehlen, die durch den Aufbau des stattüchen 
Silbergerätes einen wirksamen Schmuck erhalten. Da ist bei festUchen 
Gelegenheiten aufgestellt, was das Haus an Kostbarkeiten besitzt : silberne 
und vergoldete Schüsseln, Kannen, Flaschen, Pokale und Becher, die 
zierHchen Trinkschiffe, Tafelaufsätze versclüedenster Form, Kunstleistungen 
der Goldschmiede und Emailleure. Auf die Einzelnheiten wird bei der Be- 
Besprechung der fürstlichen Prunkmahle noch besonders eingegangen 
werden. In den Miniaturen, zumal der burgundischen Buchmalerei, finden 
wir zahlreiche Abbildungen so reich geschmückter Kredenzen. 

Die Waschschränckchen waren in den Wohnzimmern gewöhnUch 
neben der Tür aufgestellt; auf einem niederen Schrank stand die Wasch- 
schüssel; an der Wand hing das zinnerne oder kupferne Wassergefäfs, 
aus dem man, sobald der Hahn geöffnet war, das Wasser auf die Hände 
strömen liefs; ein oft scliön gesticktes Handtuch über (ünem Wand- 
gestell hing in bequemer Nähe. 

In den Wohnungen reicher und vornehmer Leute ist der Kamin 
noch immer anzutreff(ui. Auf dem Borde desselben standen HeiUgen- 
figürchen, waren Kerzenhalter u. s. w. angebracht. Die Kaminwandungen 




Kamill in Saint-Antoniu (Tarn et Garonne) nach Viollet-le-Duc.) 



^) M. Heyne, Kunst im Hause. (Basel 1881). Taf. XU. 



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20 



I. Das Schlofs der Fürsten. 



wurden durch Bildhauer aufs reichste dekoriert. Vor dem Kamin steht 
gewöhnlich eine mit Polstern belegte Bank, auf der die Herren und 
ihre geehrten Gäste Platz nehmen. 




Gotischer Ofen im Schlosse zu Hohensalzburg. 

Während im Norden der Kamin beliebt blieb, hat man in Süd- 
deutschland den Ofen zu würdigen gewufst. Die Kacheln wurden mit 
Reliefs, Wappen, Darstellungen aus der biblischen Geschichte oder der 
Legende verziert und durch bunte Emailfarben der Effekt noch wesent- 
lich verstärkt. Ein musterhaft schönes Beispiel der Töpferkunst de^ 



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1. Im Mittelalter. 21 

Mittelalters bildet der gelbglasierte Riesenofen von 1504 in den Fürsten- 
zimmern zu Hohensalzburg. Einfacher ist der Ofen in den Kaiser- 
zimmern zu Meran. 

Die Spiegel sind gröfser als die im 12. und 13. Jahrhundert zum 
Handgebrauch bestinmiten, etwa 15, höchstens 20 cm im Durchmesser; 
jedoch ist das Spiegelglas nicht flach, sondern konvex gewölbt, etwa 
wie ein Kugelabschnitt. Wie sehr eine solche Form des Spiegels das 
Spiegelbild verzerren mufste, ist leicht zu ermessen, doch hat man bis 
ins 16. Jahrhundert von diesen Konvexspiegeln Gebrauch gemacht. Ein 
wohlerhaltenes Exemplar in dem Münchener Nationalmuseum. 

Die Wände sind mit gewirkten oder gestickten Teppichen bedeckt, 
die den Raum zwischen der Täfelung und der Decke ausfüllen.^) Zumal 
in Frankreich und in Burgund hat man während des 15. Jahrhunderts 
mit diesen Wandteppichen einen grofsen Luxus getrieben; Karl der 
Kühne nahm sogar in den Krieg prächtige Vorhänge, Meisterwerke der 
niederländischen Teppichweberei mit, die später nach der Schlacht von 
Granson in die Hände der Schweizer fielen und heute noch im Bemer 
Museum zu sehen sind. 

An den mit Teppichen behängten Wänden fand sich nur schwer 
ein Platz für Gemälde. Und doch haben sich in den Palästen des 
14. Jahrhunderts auch StafEeleigemälde befunden, wie Inventare u. s. w. 
bezeugen. Diese Bilder sind von den tüchtigen niederländischen Meistern 
ausgeführt, die den Geschmack des Nordens während des 15. Jahr- 
hunderts bestimmen, von Jan van Eyck und seinen Schülern und 
Nachfolgern: Porträts, Genredarstellungen, Szenen aus der heiligen 
Geschichte. In Italien malt Sandro Boticelli seine Primavera für den 
Palast der Medici, und Andrea Mantegna schmückt mit seinen Fresken 
die Camera de' Sposi des Lodovico Gonzago zu Mantua. 

Die luxuriöse Einrichtung beschränkt sich auch im späteren Mittel- 
alter nur immer auf einige Paradezimmer, den Empfangssaal, den 
Speisesaal, etwa noch das Privatkabinett und die Schlafstube des Schlofs- 
herrn: alle anderen Räume müssen wir uns sehr einfach möbliert vor- 
stellen. Das Schlafzimmer aber ist immer der Gegenstand besonderer 
Pflege gewesen. Das grofse Familienbett ist ziemüch hoch ; ein niederer 
Kasten, in dem Wäsche bewahrt wird, dient als Staffel, wie er beim 
Aus- und Ankleiden als Sitz benutzt wird. Entweder hat nun, wie schon 
gesagt, die Bettstelle einen festen hölzernen Baldachin^) oder an der Decke 
ist mit Stricken oder Ankern ein viereckiger Rahmen befestigt, der in 
seiner Gröfse den Dimensionen des Bettes entspricht. Dieser Rahmen 
ist mit Stoff überspannt und auf den drei freien Seiten hängt er als 
Überschlag weit hinunter. Am Rahmen sind aber auch lang herab- 
reichende Vorhänge angebracht, die bei Tage zusammengezogen und in 
einen Knoten verschlungen werden, des Nachts dagegen das Bett völlig 
verhüllen. Gewöhnlich, nach den Bildern der Zeit zu urteilen, sind 



>) Abb. z. B. bei Heyne, Kunst im Hause. Taf. HI, IV, V. 
•) Ebendas. Taf. XI. — Deutsches Leben Fig. 140, 141. 



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22 I- Das Schlofs der Fürsten. 

diese Gardinen wie der ganze Baldachin aus leichtem Seidenstoff 
gefertigt, rot und mit grüner Seide gefüttert.^) 

In dem Schlalzimmer befinden sich gewöhnlich nur wenige Möbel- 
stücke : Laden, in denen Kleider und Wäsche bewahrt werden 2), ein mehr 
oder minder reich mit Schnitzereien verziertes Betpult, hin und wieder 
auch ein paar Bliunen in Töpfen oder in Vasen. Ein Andachtsbild, 
wenigstens ein Kruzifix dürfte wohl niemals gefehlt haben. Im 14. Jahr- 
hundert dienen für die Hausandacht die aus Elfenbein geschnittenen 
Diptychen und Triptychen, die in Troyes fabrikmäfsig angefertigt wurden. 
Elfenbeinstatuetten der hl. Jungfrau u. s. w. ; die Minderbemittelten haben 
kleine gemalte Klappaltäre, die je nach Bedürfnis geöffnet und geschlossen 
werden konnten. Aus dem 15. Jahrhundert sind noch Prachtstücke 
solcher Hausaltäre erhalten ; ich erinnere nur an die beiden im BerUner 
Museum bewahrten Altäre des Rogier van der Weyden, des Altares von 
Miraflores und des Johannesaltares, dann an den kleinen Dresdener Altar 
von Albrecht Dürer. Man täte gut, bei der Besprechung der mittelalterUcheri 
Altarbilder immer darauf zu achten, ob sie für den Gebrauch der Kirche 
zur Aufstellung auf einem geweihten Altare bestimmt waren, oder ob 
sie nur als Andachtsbilder zu dienen hatten. Die feinere detaillierter«* 
Arbeit war für diese Werke immer noch in höherem Grade geboten. 
Vielleicht hat man auch Bildnisse teuerer Angehöriger in der Schlaf- 
kammer an die Wand gehängt, die im 15. Jahrhundert so beliebten Holz- 
schnitte und Kupferstiche, welche nicht nur Heiligenbilder vorstellten, 
sondern oft mit keckem, etwas freiem Humor entworfen waren, ang(^- 
klebt oder mit Nägeln angeheftet. 

2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert bis zum Ende 
des Dreifsigjährigen Krieges. 

Durch die Vorherrschaft, welche der italienische Baustil im Laufo 
des 16. Jahrhunderts erlangte, ist auch die Form der Palastbauten wesent- 
lich umgebildet worden. Die Bedeutung der Fortifikation tritt mehr in 
den Hintergrund; sind die Schlösser, wenn sie auf dem Lande liegen, 
auch gegen einen Handstreich befestigt, so haben sie doch nicht xnehr 
ausschliefsHch als Festungen zu dienen. Mancher Dynast, manche Ritter 
geben ihre auf den Bergzinken erbauten Burgen auf und erbauen sich 
am Fufse des Berges ein neues, mehr behagUches und bequemes Schlofs, 
das sich unbeirrt durch die Rücksichten der Befestigung nach Bedürfnis 
ausdehnen und strecken darf. In Frankreich werden im 16. Jahrhundert 
rniter Ludwig XH. die Königspaläste zu Blois, Amboise, unter Franz I. 
die zu Chambord, zu Fontainebleau, zu Paris das Louvre u. s. w. 
erbaut, die Adelsschlösser zu Chenonceau, zu Azay-le-Rideau, da*? 
von Jean Bullant (c. 1515 — 1578) für den Connetable de Montmorency 
erbaute Schlofs Ecouen in der Nähe von Paris, das Palais der Diane 
de Poitiers zu A n e t und zahllose andere errichtet, originelle Schöpfungen, 

1) Deutßches Leben. Fig. 136—139. 

«) Ebend. Fig. 146—148. — M. Heyne, a. a. 0. Fig. Vm, IX, X. 



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2. Schlofs- und J^alastbau vom 16. Jalirhundert etc. 



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24 



I. Das Schlofs der Füreten. 




in denen die Kunstformen 
der Italiener niit den An- 
sprüchen der Franzosen (Tür- 
men, Zinnen, hohe steile 
Dächer mit Dachfenstern , 
reich verzierte Schornsteine^) 
zu einem anziehenden Gan- 
zen verschmolzen sind. Das 
ausgezeichnete Kupferrverk 
des Androuet du Cerceau 
(Les plus excellents bätimenti? 
de la France. Paris 1576 u. 
1579.) gibt uns in sehr in- 
struktiven Abbildungen eine 
klare Vorstellung von dem 
Aussehen dieser Paläste, ehe 
Zerstörung, Umbauten u. s. w. 
sie vernichtet oder entstellt 
haben. Die unter der Regie- 
rung Heinrichs IV. entstan- 
denen Schlofsbauten (Palais 
du Luxembourg) sind viel 
einfach er, schmuckloser: Roh- 
ziegel - Konstruktionen mit 
Sandsteinquadern und Tür- 
und Fenstereinrahmungen 
aus gleichem Material; nur 
die hohen Schieferdächer 
sind noch festgehalten. Die 
Pracht der Innenräume ent- 
schädigt für die Kahlheit der 
Aufsenarchitektur: in der er- 
sten Hälfte des 16. Jahrhun- 
derts hatten das Aufsere und 
das Innere der Gebäude sich 
noch völlig entsprochen. 

Grofse Repräsentations- 
säle sind je nach Bedürfnis 
in gröfserer oder kleinerer 
Zahl angelegt, mit Marmor, 
Stucco lustro, mit buntfar- 
bigen Malereien aufs reichste 
ausgestattet. Im grofsen Saale 

*) Über Schornsteine vgl. J. Beckmann, Bey träge zur Geschichte der Erfin- 
dungen. Lpz. 1780 ff. — n. 441 ff. Er citiert Garzoni, piazza universale. (In Venzia 
1610), der mitteilt, dafs die Schornsteinfeger, Spazzacanmiini, meist aus Oberitalien aas 
der Landschaft um die Seen herkonmien. 



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2. JSchlofs- und Palastbaii vom 16. Jahrhundert etc. 25 

des Stettiiier Schlosses wird mit neun Kaminen und noch einigen Öfen ein- 
geheizt. (Ph. Hainhof er, Reisetageb. 1617. Balt. Studien IL 2. S. 41.) Aber 
«ranz besonders charakteristisch sind die langen geräumigen Galerien, in 
denen der Hof sich versammelte. Sie knüpfen wohl an die Lauben- 
j^änge des 12. und 13. Jahrhunderts an. Aus der Galerie tritt man 
in die weiten und hohen Säle, in denen die Könige selbst sich auf- 
tiielten. In den Galerien pflegte man die Kunstschätze, die man besafs, 
zur Schau zu stellen, die Gemälde, die Skulpturen. So kann man bald 
von Gemäldegalerien reden. Oder man liefs sie durch ausgezeich- 
nete Maler ausschmücken wie im Schlosse zu Fontainebleau und im 
Palais du Luxembourg, für das Rubens seine Gemälde aus dem Leben 
Heinrichs IV. schuf. Stuckverzierungen, Vergoldungen und Malerei 
trugen dazu bei, die Pracht dieser grofsen Empfangssäle zu vermehren. 

Mit noch gröfserem Luxus sind die Räume ausgestattet, in denen 
iler König selbst sich aufhielt, die verschiedenen Speise-, Tanz-, Gesell- 
schaftssäle, das Schlafzimmer des Königs und seiner Gemahlin, sowie 
<ler Angehörigen des Königlichen Hauses. Architekten, Bildhauer und 
Maler hatten da gemeinsam gearbeitet, diese Gemächer mit all' der Kunst, 
über die sio geboten, auszuschmücken. Die Wände sind mit kostbaren 
Teppichen behängt, die Szenen aus der heiligen und profanen Geschichte 
darstellen, <lie Kamine werden mit Bildwerken belebt; nur eins fehlt 
nach unsenn Geschmack: das reiche Ameublement. Die Räume erscheinen 
uns kahl und leer : einige Bänke, wenn auch reich geschnitzt, Lehnsessel 
für die vornehmen Herrschaften, Schemel (Tabourets) für die Damen des 
niederen Adels, selten, wenn es nicht gerade die Notwendigkeit erheischte, 
v'm Tisch. Und doch weifs der Tischler bewunderungswerte Kunstwerke 
zu schaffen: Tischplatten mit Intarsien aus Elfenbein und Ebenholz, 
die beliebten Schmuckschränkchen (Cabinets), an deren Herstellung oft 
noch der Goldschmied beteiligt war, der die gravierten Platten, die 
Emails etc. lieferte. Die verschiedenen kleinen Luxusschränke sind in 
Eichenholz von Künstlerhand geschnitzt, allein es gilt als Grundsatz, 
dafs die Säle und Zimmer für die Besucher bestimmt sind und nicht 
mit überflüssigen Möbeln vollgestopft werden dürfen. 

Bei aller Pracht fehlte in den Königsschlössern manches, was uns 
als unbedingt erforderlich erscheint. Wer über diese Fragen sich unter- 
richten will, findet in dem Anhange zu Alfred Franklins Kapitel über 
Hygiene (La Vie Privee d'autrefois. Paris 1890) genügende Auskunft. 
Hier mag nur darauf hingewiesen werden, dafs in den französischen 
Königsschlössern und nicht minder in den spanischen eine uns unbegreif- 
liche Unsauberkeit herrschte, dafs die Besucher sich Freiheiten gestat- 
teten, die sich heute einer in dem ärmsten Hause nicht erlauben würde. 
Die Folge davon war, dafs bei all' dem Luxus die Räume der Paläste 
von üblen Gerüchen erfüllt erschienen; die Leute waren aber daran 
gewöhnt und fanden nichts daran auszusetzen. 

In Frankreich war die italienische Renaissance durch den Hof 
heimisch gemacht worden : die Bürger hatten sich lange ablehnend gegen 
diese fremdartige Kunst gezeigt, an dem heimischen Stile festgehalten 



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26 



I. Das Schlofs der Fürsten. 



und z. B. noch im 17. und 18. Jahrhundert den Dom in Orleans im 
reingotischen Geschmacke bauen lassen : in Deutschland sind es zuerst die 
reichen Kaufleute, die ihre Stadthäuser in dem neuen Stile anlegen lassen ; 
erst nach ihnen wenden sich auch die deutschen Fürsten der neuen 
Mode zu. Sobald dies aber geschehen ist, beeifern sie sich alle, ihre 
engen und unbequemen Wohnungen in den festen Burgen mit lichten, 
geräimiigen und behagUchen Palästen zu vertauschen. Nur der deutsche 
Kaiser tut nichts für seine persönhche BequemHchkeit. Karl V. ist wohl 




i:äkxa; 



Hof im Schlosse Hartenfels bei Torgan. 



kaum je in der Lage gewesen, längere Zeit in einer Stadt zu verweilen 
und so konnte ihm wenig daran hegen, ob ein Schlofs wohnhch war 
oder nicht, allein auch Ferdinand I. und seine Nachfolger haben kaum 
etwas für ihre persönliche Bequemlichkeit getan. Dagegen baut der 
Kurfürst von Sachsen sein Schlofs in Dresden im neuen Stile um und 
legt bei Torgau das reizende Schlofs Hartenfels, eine Perle deutscher 
Frührenaissance an; der Kurfürst von Brandenburg läfst das Berliner 



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2. Schlofs- und Palastbaii vom 16. Jahrhundert etc. 



27 



Schlofs dem modernen Geschmack gemäfs errichten, in Mecklenburg 
entsteht das Schlofs in Wismar und so liefsen sich Hunderte, ja Tausende 
von Schlössern — wenn wir die der kleinen Dynasten und des Adels 
mitzählen — anführen. Zuerst sind es itaüenische Baumeister und 
deutsche Architekten, die in Italien ihre Kunst erlernt haben, denen man 




Treppe im Schlosse zu Mergenthefm. 

die Ausführung jener Schlofsbauten anvertraut, und die von ihnen errich- 
teten Paläste tragen deshalb noch immer den Stempel oberitalienischer 
Kunst ; um die Mitte des Jahrhunderts wird aber der krause überladene, 
oft geschmacklose Stil Mode, wohl durch niederländische Einwirkung, 
den man bis vor kurzem als den der deutschen Renaissance über Gebühr 
gepriesen hat. Dieser künstlerische Schwulst erinnert an den Stil des 
sonst so geistreichen Johann Fischart. 



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28 



I. Das Schlofs der Fürsten. 



Der deutsche Schlofsbau knüpft an die Burganlagen an. Die hohen 
dicken Türme sind jetzt mit den Zwiebelhelmen — der wälschen Haube — 
bedeckt, die Mauern mit zahlreicheren Fenstern durchbrochen, und auf 
deren Schmuck ist zuweilen auch einige Aufmerksamkeit verwendet 
worden. Die Portale hat man jedoch fast immer mit Säulen und archi- 
tektonischer Gliederung ausgezeichnet, Wappen, Porträts der Erbauer 
mit Vorliebe an ihnen angebracht. Inschriften durften nicht fehlen. 
Die Dächer der Gebäude sind hoch, mit verzierten Dachfenstern belebt. 
Eine besondere Vorliebe hat man für die Wendeltreppen, die ja auch 
in Frankreich kunstreich angelegt werden. Es genüge, an die schöne 
Stiege im Schlosse Hartenfels (Torgau) zu erinnern. 




Schlofs Aschaffenburg lea'i-ieiS. 

Ein vorzügücher Repräsentant dieser Stilrichtung ist das Heidel- 
berger Schlofs (Otto-Heinrichsbau, Friedrichsbau), das aber jedenfalls in 
der Ruine sich schöner darstellt, als zur Zeit, da es noch unverletzt war. 
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts und in der Zeit bis zum Beginne des 
Dreifsigj ährigen Krieges tritt dann eine etwas schüchtere, formenstrengere 
Architekturform hervor (Schlofs in München, in Aschaffenburg) 
u. s. w. Eigen ist allen diesen Schlofsanlagen, dafs der Hof mit Arkaden 
umgeben ist, die je nach der Höhe des Baues in mehreren Geschossen 
übereinander sich erheben. Diese ofEenen Korridore vermitteln den Zu- 
gang zu den Wohnräumen. Was in Italien allenfalls sich als praktisch 
bewährte, pafste nach Deutschland keineswegs ; die Arkaden waren zugig, 
feucht, im Winter von dem hineingewehten Schnee, im Sommer vom 
Regen. Man hat da dem malerischen Effekt die praktische Anlage 
geopfert. 



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2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert otc. 



29 



Betrachten wir nun, welche Räume im 16. und 17. Jahrhundert in 
jedem Schlosse gröfser oder geringer anzutreffen waren ^) und folgen wir 
zunächst der Schilderung, die Wenck von dem Dresdener Schlosse gibt. 
Da interessiert uns vor allem die Kunstkammer (S. 34), die Kurfürst 
August (1553 — 86) angelegt hat^). Im ersten Saale sah man Goldschmiede- 
arbeiten, Werkzeuge, Drechslerleistungen, Instrumente, Trinkgeschirre ; 
ein gemalter Stanambaum hatte hier seinen Platz gefunden. Im dritten 
Saale waren Tische, Schränke, Kabinette aufgestellt. An den Wänden 
hingen Gemälde von Albrecht Dürer, Tizian, Tintoretto, Lukas Kranach, 
Rubens, »Concheten«, (wolil Gilles Coignet in Hamburg 1540 — 99), Lukas 
von Leyden, »Barmisano« (Parmeggianino) etc. Im vierten Saale fand 
man mathematische Instrumente, Orgeln, Tubus ; an den Wänden Karten, 




Der schöne Hof auf Plai^enbnrg. 

Zeichnungen. Saal V enthielt: Spiegel, gestickte Bilder, Porzellangefäfse, 
Porträts der Potentaten, heidnische Historien von Dürer, Kranach, 
Falckinberg (Martin Falkenberg geb. zu Mecheln, f z^ Frankfurt 1636), 

*) Vgl. die treffliche Schilderung, die Hugo Schmerber in seiner Studie über 
das deutsche Schlofs und Bürgerhaus im 17. u. 18. Jahrhdt. (Strafsburg 1902) gibt. 

«) Einen Überblick über den Inhalt der Dresdener Kunstkammer, 1627 verfafst, 
gibt uns Martin Zeiler in seinem Handbuche I. 475. Ausführlich bei Ph. Hainhofer. 
Das Münchener Antiquarium (1611) schildert Philipp Hainhofer in seinen Reisen 
(a. a. O. 71), die Bibliothek (81) und die Kunstkammer (S. 84 ff.) Auf die Besprechung 
der Gemälde geht er aber nicht ein und gedenkt ihrer nur beiläufig, viel mehr 
interessieren ihn die Kuriositäten. Dagegen erwähnt er die »Conterfett, sonderlich in 
der höhin der Bäpst und grofser Potentaten Conterfette « Das Sanmieln von Bild- 
nissen war damals überaus beliebt; die Fürsten tauschten ihre Porträts miteinander 
aus. Eine sehr grofse Sammlung besafs Erzherzog Ferdinand in Ambras. Diese noch 
im kaiserlichen Museum zu Wien bewahrte Kollektion hat Kenner im Jahrb. d. Kunst- 
sanmil. d. ah. Kaiserhauses eingehend geschildert. 



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30 I. t)a8 Schlofs der FQrgten. 

Barmasen, Schürer (?). Saal VI: Naturalien, indianische Arbeiten; an 
den Wänden Jagden, Conterfaite. Saal VII: Statuen von allerhand 
Material »Michel Angelo Buonarotta, Johann de Bolognia, Paul von 
Vian (Vianen aus Utrecht, berühmter Ciseleur des 17. Jahrhunderts), Carl 
de Caesar (?), (Adrian de) Friese, Walther, Hegewald, Hilliger« ; Arbeiten 
aus Elfenbein, Kirschkernen, Uhren. Ferner die zwölf römischen Kaiser 
von Tizian und Landschaften der Niederiänder und Polen (?). Die Lust 
am Sammeln von Raritäten aller Art, und zu ihnen zählten auch die 
Kunstwerke, ist in jener Zeit allgemein verbreitet. Fürsten wie Bürger 
legen Kunstsammlungen an, der eine kostbarer, der andere bescheidener. 
Bekannt ist die Kunstsammlung, die Erzherzog Ferdinand 1523 — 95 im 
Schlosse Ambras bei Innsbruck zusammenbrachte, sowie die des Kaisers 
Rudolf IL, welche er auf dem Hradschin zu Prag aufstellte und die 
Sammelleidenschaft des bayerischen Kurfürsten Maximihan , anderer 
weniger bedeutender Kunstliebhaber gar nicht zu gedenken. Aber wie 
gesagt, auch die Kunstwerke wurden mehr ihrer Seltenheit, ihrer sonder- 
baren Form wegen geschätzt, zählten zu den Raritäten, wie die ge- 
schnitzten Kirschkerne und andere Künsteleien, wie die Versteinerungen, 
Mifsgeburten, Edelsteine, Erzstufen und was mehr da vorhanden war, 
nicht zu vergessen die von den hohen Herren und ihren Verwandten 
gedrechselten Kunstwerke.^) Die Künstler des 16. Jahrhunderts hatten 
häufig ihre Stoffe der römischen Mythologie entnommen, imi schöne 
nackte Männer und Weiber malen zu können. Das erregte schon damals 
den Zorn der Ultramontanen. Der treffliche Arzt von Hall in Tirol, 
Hippolyt Guarinonius 2), kennt recht wohl die Künstler seiner Zeit und 
der Vergangenheit; er spricht (S. 231) von Christoff Schwartz und von 
Tutianus und Tintoretus, wie Fisch art in seiner Geschichtskhtterung 
(S. 17) an Gestalten erinnert »wie sie Dantes in der fegfewrigen Höllen 
beschreibet, Jott (Giotto) und Michelangel im Jüngsten Gericht malen.* 
Aber das Nackte ist dem braven Guarinonius sehr verdächtig »allhier 
ein jeder verstendiger gar leicht erachten unnd schätzen kan, was von 
jenen Gesellen zu halten, welche die guten, keuschen GottseUgen Ge- 
mähln, die uns an Zucht und Ehr, an tugent und frombkeit, eyfer und 
andacht mahnen und antreiben, in ihren Kirchen, Häusern, Zimmern, 
ja vor ihren Augen nit leyden mügen, sonder trewlofs und verlogener 
weifs für Abgöttisch schelten und aufssehreyen, die nackenden Weibs 
oder Manns gemahln aber, die Gottlosen, Ileydnischen, verfluchten, 
Hurischen, entblösten Venus, Götzen und Bilder, das nackend blind 
Hurenkind Cupido, die nackenden Pallades, Junones, Fortunas, die 
nackenden Göttin, so sich waschen und baden, und ein jede besondere 
Leibsgebärden zu mehrer anzeigung thun, die abenthewrischen unkeuschen 

*) Der Herzog von PoTDiuern zeigt 1617 Hainhof er ein (yastnim doloris Impera- 
toriß Rndolphi gloriosae inemoriae von einem Mailänder, der zu Stettin lebt, gearbeitet, 
oine wandelnde Prozession, im Fiifse ein Musikwerk, in den vier Eck türmen das 
T^ben Christi und die vier Kardinaltugenden. Ein Paradies »in ain grosen, runden 
oben zugespizeten (ilafa« (Ph. Hainhof er, Reisetagel) — Balt. Studien H. 2. S. 41.) 

'^ Dit* Grewel der Verwüstung menschlichen Geschlechts etc. Jngolstadt 
1610. 



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2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert etc. 31 

Satyros, die Heydnischen Huren und Ehebrecherin Latonam, Ledam, 
welliche von dem Abgott Jove in gestalt eines Schwans beschlaffen, und 
ander tausenten Kebfs und unschambaren Weiber gemähl, die mügen 
diese Gesellen wohl allenthalben leyden und seynd nicht Abgöttisch, die 
sein wol recht und billig, die sein wol lustig, bässierlich und ehrüch«. 
(II. c. 20. S. 225.) 

Guarinonius weifs nicht, dafs die allerkatholischeste Majestät, 
Philipp II. von Spanien, mit Vorliebe solche Bilder gesammelt hat; er 
ist so von Eifer erfüllt, dafs er noch einmal seinem Zorn Luft machen 
mufs. »Inmafsen ich unter andern auff dem ansehenlichen Reichstag 
Anno 1597 zu Regenspurg in meiner Jugend gesehen und uns etUche 
Jüngling nit wenig darob geärgert, daselbst ein Kunstführer (der aber 
verstehe : ein Brunstführer) unter andern vilen unschambaren Gemahlen 
etUch Taflen mit Lebens Gröfs Bilder, daselbst die Eheleute gantz ent- 
blöfster ein ander auff dem Schofs sassen und die üppigsten Kufs und 
Gebärden anzeigten, benebens der Cupido mit einer brennenden Fackel 
beystunde, als were solche Fackel fax Hymenae.<^ Der gröfste Teil der 
Kunstfreunde jedoch war nicht der Ansicht des frommen Tirolers ; selbst 
Kaiser Rudolf fand an den oft recht freien Gemälden seiner Hofmaler 
Bartholomäus Spranger und Josef Heintz Wohlgefallen. 

Im Dresdener Schlosse befand sich über der Kunstkammer seit 
1616 die Anatomie, in der man ausgestopfte Tiere sah (Wenck 39) und 
die Bibhothek (41.) 

Von den Festsälen, von den kurfürstlichen Privatgemächern spricht 
Wenck gar nicht, erwähnt aber als zum Schlosse gehörig das in nächster 
Nähe gelegene Kantzley-Haus (50), das von Christian 1586 begonnene 
Stallgebäude mit der Rennbahn (53), die Rüst- und Sattelkammer, das 
Zeughaus, erbaut 1559—63 (S. 62), das Jägerhaus 1568—1617 (S. 65), 
das an Stelle des Ballhauses 1664 errichtete Komödienhaus (S. 68), das 
Ballhaus von 1668 (S. 69), die Hof- Apotheke 1581 — 1609 (S. 69), die 
Hofbrauerei, das Goldhaus (Probierhaus S. 70), das Reithaus von 1618, 
abgebrochen und 1672 — 77 neu gebaut (S. 71), das Schiefshaus von 1620, 
(neu gebaut 1672 — 73), das Münzgebäude von 1556, Löwenhaus 1612^), 
Klepper- (Kutschpferde-) Stall, Pro^dant-Haus von 1588, Inventions-Haus, 
das Boy-Haus, der Pulvertmui, das Salzhaus, Giefshaus, Rofsmühle (die 
für die Besatzung mahlt (S. 72), das Lusthaus von 1617, die Laboratoria, 
wo der sächsische Marmor geschhffeii wird, das Kuffen-, Wagen-, Fraü- 
Mutter-Haus (S. 73), der Kurfürstin Haus 1612 und das Amts-Haus (S. 74). 

*) In München wird ein Löwenpaar gehalten, das man täglich mit 22 Pfund 
Kindfleisch füttert (Ph. Ilainhofer a. a. O. S. 81). Schon die Fürsten des Mittelalters 
hatten seltene Tiere gern l.>eses8en, sie sogar bei ihren Reisen mit sich geführt (Höf. 
Leben *I 450 ff.) Die Liebe der französischen Monarchen zu merkwürdigen Tieren hat Alfr. 
Franklin in den beiden Bänden Les Animaux* X u. XX seiner Vie privee d'autrefois 
i^Paris 1897 und 1899) geschildert. Bereits Heinrich I besafs eine Menagerie ; Philipp 
August hatte in Vincennes eine Tiersammlung. Aus Vincennes wurden die Tiere zur 
Zeit Ludwigs XIII. nach Versailles gebracht. Ludwig XIV. erbaut ein grofsartiges 
Menageriegebäude. Die Pariser durften am Sonntiige der Pfingstwoche dieselbe besich- 
tigen. Im Oktober 1789 wurde sie geplündert, die Tiere in den Jardin des Plantes gebracht. 



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32 



1. Das Schlofs der Fürsten. 



Zum Besitze des Kurfürsten gehört dann noch das Kurfürst I. 
Gartenhaus und Fasan-Haus, der Kurfürstl. Fischhof, Blumengarten, 
itaUenische Garten, der Falkenhof etc. (S. 84.) 

Die Mehrzahl dieser Gebäude hat für uns kein besonderes Interesse ; 
es genügt, ihr Vorhandensein festzustellen. Indessen einige Bauten haben 
auch eine gewisse künstlerische Bedeutung. Von den Ballhäusern, in 




Lusthaiis zu Stuttgart. 

denen das Ballspiel als gesunde kräftigende Leibesübung betrieben 
wurde, wird später noch zu sprechen sein, imd die Komödienhäuser sind 
erst spät gegen Ende des 17. Jahrhunderts errichtet worden, dagegen 
gehören der Zeit vor dem Dreifsigjährigen Kriege noch die Lusthäuser ^) 

*) Das älteste Lusthaus in Deutschland ist wohl das Belvedere zu Prag, das 
Paolo della Stella für Ferdinand I. c. 1534 begonnen hat, eines der wenigen G^ebäade 
dieser Art, die noch unverletzt erhalten sind. Das neue Lusthaus in Stuttgart 1580 
bis 1593 durch Georg Beer erbaut, ist 1846 abgebrochen worden, um Platz für das 
neue Theater zu schaffen. Wenigstens hat man genaue Pläne des Bauwerkes auf- 
genommen, so dafs man sich von demselben doch noch eine klare Vorstellung 
machen kann. 



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2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert etc. 



83 



an, die bestimmt waren, als Schauplatz von Maskeraden und Unter- 
haltungen aller Art zu dienen. Die Säle des Schlosses waren mehr für 
die offiziellen Festfeiern berechnet; im Lusthause finden die intimeren 
Unterhaltungen der Hofgesellschaft statt. 

Das Dresdener Lusthaus auf der Jungfernbastei ist nach Lübke 
unter Christian L (1586 — 91) begonnen, nach 1617 vollendet worden; ein 
Blitzschlag zerstörte dies prächtige Gebäude 1747. Schon vorher war 
im grofsen Garten ein neues Lusthaus (1679 — 80) erbaut worden. Dies 
Palais ist bekanntlich heute noch vorhanden. 




Ltuthaus im grofsen Saale zu Dresden. Saalansicht. 



Was nun die Einrichtung der Schlösser anbelangt, so ist dieselbe» 
von dem Einflüsse der italienischen Architekten nur wenig berührt 
worden. Sie ist im grofsen ganzen dieselbe, wie sie im 15. Jahr- 
hundert gewesen war, nur dafs die Zierformen dem modernen Geschmacko 
zu entsprechen hatten. Es bleibt die Vorliebe für die Holztäfelung der 
Wand. Sie reicht höher hinauf als früher, bedeckt oft die ganze Wand- 
fläche bis zur Decke und ist architektonisch reich gegliedert mit Säulen, 
Pilastem, mit Simswerk aller Art, oft auch wie in dem Schlosse der 
• Brixener Fürstbischöfe in Velthurns (1580—87) mit kösthchen Intarsien 
geschmückt. Die Decke ist mit Stuckornamenten belebt; Vergoldungen 
und Bemalung tragen dazu bei, den Effekt zu erhöhen. Oder die Holz- 
decke der Säle und Zimmer ist mit kräftigen, oft recht schwerfäUigen 



Schultz, Das h&usliche Leben im Mittelalter. 



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34 



I. Das Schlofjs der Forsten. 



Täfelungen geschmückt. Ein Prachtstück dieser allerdings überladenen, 
aber doch wirksamen Innenarchitektur bietet ims der goldene Saal des 
Schlosses Bücke bürg. 

Wo man keine Vorliebe für die Holztäfelungen der Wände hatte, 
weil hinter der Verschalung sich leicht Mäuse und Ratten, Ungeziefer 
aller Art einnisteten, da verwendet man Wandteppiche wie der Bischof 
von Eichstätt Johann Konrad von Gemmingen bei dem von EUas Hol! 
geleiteten Neubau des Schlosses Wilibaldsburg, in der Kapelle wollte 
»nichts täfem, vil weniger durch Zug imd Balcken darein richten, sonder 
aQein Gesümbs und tapezereyen darein zu henckhen«.^) 




LuBthans im grofsen Garten zu Dresden. 



In Lauingen^) und in München selbst hatte man die Herstel- 
lung künstlerisch trefflicher Wandteppiche wohl gelernt. Der spätere Kur- 
fürst Maximiüan I. hatte 1604 eine Teppichfabrik unter Leitung des 
Jan de Biest gegründet. Schon 1615 wurde indessen der Betrieb der- 
selben wiederum eingestellt. 1613 sah Hainhofer im Schlosse zu München 
die seiden- und goldgewirkten Tapeten, die 12 Monate und bayerische 
Historien, beide in dieser Fabrik gewirkt (a. a. O. 210). Das Münchner 
Nationalmuseum, vor allem aber die kgl. Schlösser, enthalten noch vor- 
zügliche Proben dieser von Wilhelm V. gepflegten Industrie. Andere 
Wandteppiche bezog man aus den Niederlanden, wo diese Kunst, wie 
bekannt, schon seit langer Zeit eine Heimstätte gefunden hatte. 



*) Phil. Hainhofers Reisen etc. (1621) hgg. v. Chr. Häutle. 
Ver. f. Schwaben u. Neuburg. Vm. Augsb. 1881. S. 25. 

') Eugene Müntz. La Tapisserie. Paris, Quantin. S. a. 



Ztschr. d. Histor. 



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• . Tg ^i^yL» 



2. Schlols- und Palastbau vom 16. Jahrhundert etc. 



35 



Die Malerei nahm man bei der Ausschmückung der Paläste gleich- 
falls in Anspruch. Cyriakus Spangenberg klagt in seinem Hoffarts- 
TeufEel (fol. CCCLXXII*) über die »Welsche arbeyt von gebeuwen, 
gemälden«, über »Welsch imd Niederländische gemälde« und in der 
Abtei, ^.welche Gargantua baut (Fischart, Geschichtskhtterung 446), waren 
schöne Galerien und »umbgäng, welche auff beiden Seiten mit schönen 
Historien, emblematis, einplümungen, Devisen, Medeien (Medaillen), 
zeychen, Thaten und geschichten auff gut Michelangehsch, Holbenisch, 
Stimmerisch , Albrechtdürerisch , Luxmalerisch , Bockspergerisch , Jost 
Ajnmisch bemalet war, wie der Königin Haufs zu London.« Michel- 
angelo, Hans Holbein d. J., Albrecht Dürer sind bekannt. Tobias 
Stimmer wurde 1539 zu Schaffhausen geboren und starb 1582 in Strafs- 
burg. Luxmaler ist wahrscheinüch Lukas Kranach. Hans Bocksberger 




SchloA Heiligenbeig. Saal. 

aus Salzburg war als Fassadenmaler berühmt, imd Jost Amman, geboren 
zu Zürich 1539, gestorben in Nürnberg 1591, galt als der hervorragendste 
Illustrator seiner Zeit. 

Wenn auch verwahriost, finden sich auf dem Schlosse Trausnitz 
bei Landshut (in Bayern) noch Reste der reizenden farbigen Aus- 
schmückung, in Sälen und Zimmern, auf der mit Karnevalsbildern 
gezierten Narrentreppe. Unter den Malern ist Friedrich Sustris, ein 
Niederländer, zu nennen, der 1579 — 1580 auf der Trausnitz beschäftigt war. 

Besonders trug dazu bei, die Festräume stattUcher auszustatten, der 
Umstand, dafs man es gelernt hatte, gröfsere Glasscheiben herzustellen. 
Noch waren sie allerdings sehr teuer, aber Fürsten konnten sich diesen 
Luxus schon gestatten. So ist Ph. Hainhof er (a. a. O. S. 29) 1611 ganz 
begeistert auf der Wiübaldsburg von :>den schönen hellen fenstem von 

3* 



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36 I. Das« Schlofs der Fürsten. 

grossen Crystallinen gläsern (dass es inn der stuben scheinet, es seye 
nichts vor, und dass man mit dem Kopf will dardurch aufsf ahren). « 

Zahlreiche Gemächer sind in einem Fürstenschlosse des 16. Jahr- 
hunderts unbedingt erforderüch: Vorsäle, in denen die Trabanten und 
Wachen sich aufhalten — in München waren zwei solche Säle zu durch- 
schreiten, im ersten standen IQO Trabanten, im zweiten 100 Karabiner, 
ehe man in das Gemach kam, in dem der Herzog seine Räte empfing 
(Hainhofer a. a. O. S. 59), dann folgen die Speisesäle, die Gesellschafts- 
räüme, die Schlafzimmer der Herrschaft und ihrer Angehörigen. Auch 
für Fremdenzimmer war reichUch gesorgt. :^Die Gastzimmer gehn (im 
neuen Münchener Schlosse) mehrer theüs inn hof der lenge nacheinander 
hinab, allzeit die stuben mit schönen Öfen und die Cammern an einander: 
jedes gemach hat noch ein junges gemächlein, darein bagagi zubehalten. 
Alle Zimmer gehen durch, immer ainss inss .ander, und hat iedes noch 
seinen aussgang auf einen langen gang. Es hat auch iede thür inn 
die durchgehende Zimmer zwen rigel, auf dass wenn mehr herrschaften 
einlosieret sein, iede Ihr Zimmer gegen der andern könde verschlossen 
halten und nit dann auf dem gang zusammen kommen« (Hainhofer 
a. a. O. 69). Herzog Maximilian beherbergte in seinem Schlosse nur 
Fürsten, kaiserüche und königüche Gesandte, die andern Gesandten 
wurden gegenüber dem Schlosse im Gesandtenhaus einquartiert (ebendas. 
S. 77); für hohen fürsthchen Besuch richtete man besondere Staats- 
gemächer ein (ebendas. S. 210). 

Dann baute man gern zur Erlustigung zumal im heifsen Sommer 
Grotten, die aus rohen Steinen aufgetürmt, durch fliefsendes Wasser 
kühl gehalten, mit Tannen bepflanzt, eine Art Wüdnis vorstellten, 
natürhch nur eine höfisch zulässige Naturwüchsigkeit. In dem neuen 
Bau, der von Wilhelm V. 1578 erbaut wurde und in dem der Herzog 
auch seit seiner Abdankung residierte, der jetzigen Maxburg in München, 
sind die Zimmer des Fürsten weifs gemalt oder mit Strohtapeten bedeckt, 
die Fenster mit Tenten (wohl Marquisen) versehen, »dafs die Sonnen 
nit hinein kan und doch der lufEt durch gehet« (P. Hainhofer a. a. O. 
S. 62). Die Grotte aber ist von Felsen erbaut, mit Tannen und anderen 
Bäumen bepflanzt; aus dem Felsen quillt ein Quell, der einen Fisch- 
weiher büdet. Bleierne Schlangen, Kröten, Krebse liegen im Wasser. 
Die Decke ist aus Reisig und Gesträuch geflochten. Das ist die »wild 
ächtige construction«. In der Wand steckt ein Zapfen; wenn man 
den herauszieht, sieht man den Stadtturm und kann auf dessen Uhr 
die Stunde erkennen »und ist dises dafs Merckhzeichen diser grotten«. 
Über dem Wasser ist eine kleine Loggia, ein Brett liegt auf Klötzen, 
und zwölf Stühle aus Stroh und Reisig stehen für die Besucher bereit 
(Ph. Hainhofer a. a. O. S. 64 fE.). 

Das Ameublement der fürstlichen Gemächer ist von seltener Pracht. 
In dem Speisesaale ist an der langen Tafel der Platz des regierenden 
Herrn durch den Baldachin bezeichnet (Ph. Hainhofer S. 59), in einer 
andern Tafelstube ist im Tische ein Musikwerk verborgen ; man braucht 
nur einen der Nägel herauszuziehen, dann setzt sich die Walze in 



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2. Scblofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert etc. 



37 



Bewegung und so kann man verschiedene Stücke spielen lassen (ebend. 
:S. 69). In den Gesellschafts- und Wohnräumen standen die kostbaren, 
mit seltenem Geschmack hergestellten Tische, deren Platten mit Malereien 
wie die von Hans Sebald Beham für den Kardinal von Brandenburg 
1534 ausgeführten (jetzt im Louvre zu Paris), mit Holzintarsien, mit 
Einlagen von Silber und Elfenbein in Ebenholz verziert waren. Im 
17. Jahrhundert weifs man die Platten aus Steinmosaik (pietra dura) zu 
schätzen, die in Florenz so ausgezeichnet angefertigt wurden. Wahre 
Kabinettsstücke des Kimsthandwerks sind damals von den Nürnberger 
xmd Augsburger Tischlern und Goldschmieden geschaffen worden. Einige 
Proben sind noch heute in dem Nationalmuseum zu München, im 
historischen Museum zu Dresden zu finden. Aber die eigentüchen Kost- 
barkeiten sind längst zu Grunde gegangen. Einen so künstlerisch ver- 
zierten Schreibtisch, mit silbernen Figuren, gravierten und emailKerten 
Silberplatten, Gold und Edelsteinen verziert, ein Werk des Augsburger 
Goldschmiedmeisters Jungmayer, besafs 1611 der Fürstbischof von Eich- 
stätt, Johann Konrad von Gemmingen; er kostete 6000 fl., ein zweiter 
Schreibtisch aus desselben Meisters Werkstätte war 2000 fl. wert (Hain- 
hofer a. a. O. S. 28 u. 32). 

Aufser den für den praktischen Gebrauch bestimmten Möbeln, zu 
denen auch die Kabinette zu rechnen sind, da man in ihnen Kostbarkeiten, 
Perlen und Edelsteine, Medaillen und kleinere Kunstwerke, Schmuck etc. 
bewahrte, liebte man besonders die für eine bestimmte Person und 
ihren Geschmack angefertigte Kunstleistungen. Zu dieser Art von 
Kunstwerken ist der berühmte Pommersche Kunstschrank zu zählen, 
der unter Leitung des hier schon so oft genannten Philipp Hainhofer 
für den Herzog Philipp H. von Pommern 1617 in Augsburg angefertigt 
wurde. Der Schrank kam durch Erbschaft 1681 an den Kurfürsten 
von Brandenburg und 

befindet sich jetzt im Tss^^sssss^^s^^sssm 

Kunstgewerbe - Museum 
in Berlin. Juhus Lessing 
hat in dem Jahrb. der 
kgl. priv. Kunstsamm- 
lungen IV, S. 3, Berl. 
1883 und V, S. 42, 145, 
Berl. 1884, eine aus- 
führliche Beschreibung 
dieses Meisterstückes 
deutschen Kunsthand- 
werks gegeben. Zu 
diesen Kabinettstücken 
der Kunstindustrie sind 
Auch die elfenbeinernen 
Münzschränke zu zäh- 
len, die ChristophAnger- HoUschnltt aus der Hypnerotomachla des PoUphUuB 
mayer (f 1633) 1618 für (Venetüs, Aldus ManutluB, 1499.) 




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38 I- I>a8 Schlofs der Fürsten. 

Maximilian von Bayern anfertigte (Nationalmus. zu München). Endlich 
wäre noch der jetzt verlorene Meierhof zu nennen, den Hainhofer für 
seinen pommerschen Gönner ausführen liefs. So wurde im 16. Jahr- 
hundert und vor dem Beginne des Dreifsigjährigen Krieges das profane 
Kunstgewerbe in Deutschland von den Fürsten und allen, die es ilmen 
nachtun wollten, so tatkräftig und nachdrückhch gefördert, wie dies 
weder vorher noch später je geschehen ist. 

Das Hauptmöbel in den Schlafzimmern ist das grofse, geräumige 
Bett. Der Betthimmel wird entweder aus Holz konstruiert und zeigt 
dann ein von vier Säulen getragenes Hauptgesims oder die Säalchen 
tragen einen mit StofE überzogenen Baldachin. Vorhänge haben wohl 
nie gefehlt. Die Betten sind Meisterstücke der Tischlerkunst, mit 
Schnitzereien verziert, vergoldet, gemalt,^) aus Ebenholz mit Alabaster- 
einlagen gefertigt etc. In den Kammern stehen dann die grofsen, 
architektonisch aufgebauten, mit Intarsien geschmückten Schränke, die 
kleinen geschnitzten oder mit sonstigen Zieraten dekorierten, auf hohen 
Füfsen stehenden Stollenschränkchen, Truhen imd Laden aller Art. Die 
blank verzinnten Beschläge geben allen diesen Einrichtungsstücken einen 
eigenen Glanz und Reiz. 

In Norddeutschland bleiben auch jetzt noch die Kamine beliebt 
und manche derselben sind durch die geschmackvolle Gestaltung des 
Mantels zu wahren Kunstwerken geworden; im Süden liebt man mehr 
die Öfen, deren buntemaillierte Kacheln mit ihren Reliefs dazu beitragen, 
den farbigen Effekt der Räume wirksam zu erhöhen. »Inn einer stuben 
daran steht ain schöner, vilfärbiger, von Hafenwerk künsthch gemahlter 
ofen, an welchem der gantze passion, schöne Mayenkrüeg und diser 
ofen wol zu sehen ist« (Hainhofer a. a. O. 106). In den Gewerbemuseen 
findet man zahlreiche Proben der Töpferkunst jener Zeit. 

Die Wände der Säle und Zimmer aber sind noch mit Gemälden, 
Spiegeln, Wandleuchtern u. s. w. belebt. 

Besonders hatte man seine Freude an schönen Bildnissen der 
Vorfahren, seiner Angehörigen und Freunde, ja seinen eigenen Porträts. 
Albrecht Dürer hatte den Kurfürsten Friedrich den Weisen, den Kaiser 
MaximiUan gemalt. Bernhard Strigel war einer der Hofmaler Maximihans. 
Wie viele Bilder der sächsischen, brandenburgischen Kurfürsten sind 
aus der Werkstätte Lukas Kranachs d. Ä. hervorgegangen. Die Mark- 
grafen von Baden hatten an Hans Baidung Grien einen ausgezeichneten 
Bildnismaler. In Bayern arbeitete Barthel Beham, der unter anderen 
Werken das schöne Porträt des Pfalzgrafen Otto Heinrich (Augsburg) 
geschaffen hat. Dafs eine Menge zum Teil recht tüchtiger Porträtmaler 
im 16. Jahrhundert in Deutschland tätig waren, ist ja allgemein bekannt. 
Dann aber waren es mythologische Darstellungen, die der hohen Gesell- 
schaft jener Zeit gefielen und die in den Sälen eine gern gesehene Zier 
bildeten. Allerdings auf diesem Gebiete hatte Deutschland wenig Meister 
aufzuweisen, man mufste schon mit den Arbeiten des Lukas Kranach, 



*) Hainhofer a. a. O. 106: Inn der Cammer steht ein stattliche Betstatt, alles 
Teigult und mit schönen gemfthlen gezieret. 



J 



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2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert etc. 39 

des Hans von Aachen, des Josef Heinz fürlieb nehmen, wenn man 
nicht die Werke niederländischer Meister wie des Franz Floris oder des 
Bartholomäus Spranger vorzog. So viel steht fest, sowohl an protestan- 
tischen wie an katholischen Höfen sah man gern schöne Menschen- 
gestalten, bekleidet so wenig wie mögUch. 

Auf den Fluren und Korridoren legten zahlreiche Jagdtrophäen, 
besonders mächtige Hirschgeweihe, von den Erfolgen der fürstüchen 
Nimrode Zeugnis ab. Auch gemalte Jagdstücke, wie sie z. B. der ältere 
Kranach in seiner Jugend schuf, fanden da ihren Platz. 

Der wirksamste Schmuck des Speisesaales ist das grofse, in mehreren 
Staffeln aufgebaute Büffet, die Kredenz, auf der die goldenen und 
silbernen Tafelgeräte prangten: Die grofsen silbernen, oft vergoldeten 
Schüsseln, mit getriebenen Reliefs oder mit gravierten Darstellungen 
oft vergoldet oder emailliert, die Handbecken und die zugehörigen Giefs- 
kannen, die mannigfaltig gestalteten Trinkgefäfse, riesige Deckelpokale, 
Humpen und Becher, gravierte, mit Silber montierte Nautilusbecher, 
Meisterwerke deutscher und niederländischer Goldschmiedekunst. 

Besonders hervorzuheben wären die kunstvoll ausgeführten Tafel- 
aufsätze, von denen nur überaus wenige noch vorhanden sind. Zu den 
schönsten Proben gehört der Tafelaufsatz aus der Werkstätte des Wenzel 
Jamnitzer, der ehedem der Stadt Nürnberg gehörte, dann im Besitz des 
Bankiers Merkel, später des Barons Karl Rothschild in Frankfurt a.M. war. 
Die damalige Zeit hat eine entschiedene Vorliebe für etwas zwei- 
deutige Darstellungen; solche Gebilde erregten nicht nur keinen Anstofs 
sondern wurden auch von Männern wie von Frauen gern gesehen. 
Fisch art deutet nur an, welch sonderbare Formen man den Trink- 
geschirren gegeben hat. »Wifst ihr nicht, wie ihr zu Zeiten seit bei 
höfischen zechen gewesen, da man euch zu einem Willkomm mit einer 
schönen kälichfecundeten Red ein schön, grofs gebeuchet, wunderfremd 
gebofsiret, schrecklich trinkgeschirr , welches die Lateiner futile vas 
heisen, forgestellet, das man gleich alle teller und platten vor euch hat 
müsen wegräumen, und darnach, wann man in die sprüng kommen, 
die mutwilUgste Geschirr herfür gesucht: Als gedichte Armprost, Jung- 
frauschülin, silberbeschlagene Bundschuh, gewachtett stiffel. Polnische 
Sackpfeiffen, Bären, Leyren, Lautenkübel, Kübel, Lauten, Narrenkappen, 
beknöpfft Tolchen, Windmülen, Sauärs, Lastwagen, Lastschiff, nackende 
Megdlein, Bübelein, Hänlin, Gifsfässer, hafen, onruhige Lufftvogel, 
gemese Dannzapffen, die nicht stehen sine ponere, sondern gehn wollen, 
Feusthammer, Weinfevvr speiende Büchsen und andere dergleichen seh öne 
muster« (GeschichtskUtterung, N. Ausg., S. 18). 

Unzweideutiger spricht sich Guarinonius über diese Sitte aus 
(S. 711). Die Vollsaufer haben »Bestialische Trinckgeschirr ihnen aus- 
erkoren und anstatt der Gläser, der Crystallen, der silbern Becher aufs 
den Filtzhüten, Stümpffen, Schuhen, Handschuhen, Stiften, Ja (O zarte 
Kurtzweil) aufs den Bruntz- und Saichkachlen und dergleichen schönen 
lustigen Gefässen einander zutrincken.« Er fügt hinzu, »dafs die Sauff- 
geschirr selbsten Bestien seyn, da man ja zu solcher bestiaUschen Übung 



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40 I- I>as Schlofs der Fürsten. 

eben Geschirr in Bestien Form sonders Fleifs darzu, wie man bey den 
Goldschmiden allerley Form findet und anfrümbt als Beeren, Löwen, 
Eulen, Katzen.« Er bezeichnet »als die vierte Bestialitet, dafs nit allein 
in Form der Bestien, sondern auch der Überbestien die Triack- 
geschirr, Gläsern, Erden und Silbern gemacht und mit solcher Unscham- 
barkeit gebraucht werden, dafs sich ehrliche Augen darob rümpffen und 
das Angesicht erröten mufs. Solche schöne Form der Sauffgeschirr icli 
schäm halber nit nennen dar£E noch solle.« An einer anderen Stelle 
(S. 228) klagt er darüber »das man in den Gärten, in Lustheusem und 
fast allenthalben bey den Bronnen die nackenden Abgöttinen und zu aller 
Kurtzweil sogar auff Trinckgläsern und andern Geschirren haben mufs, Als 
etwan der Gottlofs Hehogabalus pflegte, wellicher aufE seinen silbern und 
güldenen Geschirr die aller unschambarsten Bildnussen hat stechen lassen, 
damit sambt unter dem sauffen der Üppigkeit nit vergessen werde.« ^) 

Auch die protestantischen Sittenprediger eifern gegen den Luxus 
der kostbaren Geschirre. Cyriacus Spangenberg kommt in seinem >Hof- 
farts-Teufel« mehrmals auf diese Verschwendung zurück. Er tadelt 
Theatr. diabol. (foL CCCCXLV^) »den grossen pracht und uberflufs mit 
den seltzamen, sonderlichen, grossen, prechtigen trinckgeschirren, die 
mehr zum pracht, aufs fürwitz, zimi schaw und schein, Jtem aufs lauter 
unartiger fleischlicher woUust als aufs noth und zur notdurfft gebraucht 
werden, Als denn jetzt auch seyn 4ie grossen weiten Kannen, Gleser, 
Becher hoch und weit, dafs man sich darinne baden imd erseuffen 
möchte.« Und weiter (fol. CCCCXLIX^): »Ihr trincket den guten Wein 
nicht aufs gemeinen trinckgefessen, sondern jr habet ewre sonderliche 
Schalen darzu, gleich wie wir jetzund die grossen silbern Kannen, becher, 
seltzame schöne Gleser etc., das noch alles wol hingienge, denn man 
mufs ja etwas haben, daraufs man trincket. Aber wozu dienet der fürwitz 
und Kindische, Heydnische, auch wol zum theil Sewische Wollust, 
dafs man seufft aufs Theereimern, hüten, sehnen etc. Item dafs man 
macht Armborste, Büchsen zu trinckgeschirren . . . Item man macht 
rocken, weifEen, spindein und andere Weibische dinge daraufs man 
seufEet . . . Item Schuch und Stifel macht man, daraufs zu trincken.« 
^>(foI. CCCCL*). Zu solchem geprenge dienen nu fast wol hohe, weite 
• Silberne xmd Güldene Becher, Kannen und was mehr ist, die da weid- 
lich umb den Tisch her gehen, dafs wo • jr 10. über Tisch sitzen 15. 
oder 20. Becher, Kannen, Gleser und ander beyleufferlein für in stehen, 
solt nu das nicht demut seyn, fo weifs ichs nicht. Fürsten, Herrn liesse 
man wol billich jren schätz an solchem geschmeide, wenns gleichwol eine 
masse were, alzu grossen pracht und uberflufs mit solchen dingen ist 
auch nielit recht, sonderlich wenns Fürsten dem Keyser, und Graffen den 

») Vgl. Brantöme, oeuvres (Par. 1787). — Dames Galantes (des cocas) S. 35: J'ay 
connu un Prince de par le monde, qui fit bien mieux, car il achepta d'un orfövre 
nne fort belle couppe d'argent dor6, comme pour un chef d'oeuvre et grande sp^ciaut^, 
. . . oü estoient taill^es bien gentiment et subtilement an burin plasieurs figures d'Aretin, 
de rbomme et de la femme, et ce au bas etage de la couppe; et au dessus et au 
haut plusieurs aussi en diverses manieres de cohubitations de bestes . . . Cette couppe 
estoit rhonneur du buffet de ce Prince. — Das Weitere mag man nachlesen. 



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2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert etc. 41 

Fürsten, die schlechten gemeinen Edelleut den Gräften und der Bürger 
dem Edehnann und schier der ßawr dem Bürger wil nachthun; das 
taug warlich gar nicht und ist Unordnung und schedlich am gut und 
macht halTs bey den höhern.« Matthaeus Friderich hat als Anhang 
seines Sauffteuffels (1555) einen »SendbriefE an die vollen Brüder« ver- 
fafst. Da lesen wir (Theatr. diabol. fol. CCCXXXIIj^i) : »So braucht man 
auch nicht mehr gebührliche und gewöhnüche Trinckgefäfs, sonder aufs 
Schüsseln, Töpffen, Saltzirichen, KefsnepfEen, Becken, Handbecken, Hand- 
fessern, Fischpfannen, Kacheln. Item aufs Hüten, Schuhen unnd so 
noch was ärgers ist, feufft man einander zu. Unnd ich achte, so es noch 
lenger stehen sol, so werden sie einander aufs Seutrögen (so es anders 
nicht geschehen ist) zusauffen . . . Also hat man auch den Willkomm 
erfunden, damit man die Leut empfahen und den lieben Gast (dem man 
kein andere Ehr kan thun, man mache jn denn als ein Sauw voll) wil 
fröüch machen, den darff keiner nidersetzen, er sauJBft jn denn zu vor 
gar aufs.« Wie grofs aber diese Willkommsbecher waren, zeigt eine 
Geschichte, die Hans von Schweinichen S. 91 erzählt: »(1576) Auf den 
Morgen gab der Graf (Johann von Nassau in Dillenburg) mir den Will- 
kommen. Wann ich aber den ersten Abend das Lob hatte bekommen, 
dafs ich des Herrn Grafen Diener alle vom Tische hätte weggesoffen, wollt 
sich der Graf (jedoch heimüch) an mir rächen mit dem Willkommen, 
welcher von 3 Quarten Wein war.« 

In den fürstlichen Schatzkammern, in den Museen, zumal in den 
Gewerbemuseen sind noch die geringen Überreste dieser Fülle von 
Edelmetall anzutreffen; der überwiegend gröfsere Teil ist längst ein- 
geschmolzen und zerstört worden. 

Neben den Gold- und Silbergefäfsen, die einst die Kredenzen fürst- 
licher Paläste schmückten, sind noch hervorzuheben die kösthchen Email- 
geräte: Waschbecken und Giefskannen, Doppelbecher, Konfektschalen, 
Kuchenteller etc. aus den Werkstätten der Meister von Limoges. Deutsche 
Adelsfamilien bestellten da ihren Bedarf an Geräten und Uefsen auch ihr 
Familienwappen auf dieselben malen. So finden sich im Münchener Na- 
tionalmuseiun Emaillen mit dem Wappen der Familie von Tucher. 

Glasgefäfse fehlten nicht, deutsche Fabrikate; die grofsen Past- 
gläser, mit dem Wappen des Reichs und seiner Kurfürsten, mit oft 
recht unzweideutigen Darstellungen verziert, Trinkgefäfse in abenteuer- 
licher Form u. s. w. Thomas Platter erzählt: »Hernach koufft uns ein 
gutter Frind Heinrich Billing ein glafs, was geformiert wie ein stifell«.^) 
Kostbarer aber sind die venezianischen Trinkgläser (J. Fischart, 
Gesch. -Klitt. S. 74), wunderbar fein geblasene Meisterwerke, diese 
Flügelgläser, Millefiori-, Petiiietgläser, die schon im 16. Jahrhundert als 
sehr kostbar galten. Hans von Schweinichen war 1575 mit seinem 
Herrn zu Augsburg bei Marcus Fugger eingeladen. »Es war ein Cre- 
denztisch aufgeschlagen durch den ganzen Saal, der war mit goldenen 
Credenzen besetzt und merklichen schönen Venedischen Gläsern, welches, 

*) Thomas und Felix Platter, zwei Autobiographien, hgg. v. A. Fechter. Basel 
1840. S. 69. 



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42 



I. Das SchlofH der Fürsten. 



wie mau saget, weit über eine Tonne Goldes würdig sein sollte. lei 
stund J. F. G. (Ihrer Fürstlichen Gnaden) vor dem Trank. Nun ^ab dei^ 
Herr Fugger J. F. G. ein Willkommen, welches von dem scliönsteu 
Venedisclien Glas ein Schiff war, künstlich gemacht. Wie ich es nun 
vom Schanktisch nehme und über den Saal gebe, battc* ich neue Scbuh€ 
an und gleite, falle mitten im Saal auf den llückeii. gicfse mir dtMi \V»-iii] 




Imvid Tcniers «l. .1. Markt (Tt'ilslück). (.Münclu'n, Alli- IMtuikntliek ■ 

auf den Hals, und weil ich ein neu roth danmiasteii Kleid anhatte, ward] 
es mir gar zu Schaden. Das schöne Schiff aber ging auch in viel 
Stücke. Ob nun wohl unter der Hand und männiglich ein grofs Ge- 
lachter ward, so ward ich doch hernach bericht, dafs Herr Fugger] 
gesaget, er wolle dasselbige Schiff mit 100 Gulden gelöset habem 
(hgg. v. H. Österley, Breslau 1878, S. 77). Noch im 17. Jahrhundert er-j 
freuten sich die venezianischen Gläser der wohlverdienten Beliebtheit; 
ein Gemälde Da\id Teniers d. J. in der Müncbener Alten Pinakothek 




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ii 



2. Schlofs- und Palastbau vom 16. Jahrhundert etc. 



43 



(Saal V, No. 923) zeigt uns, dafs diese gebrechlichen Kunstwerke selbst 
auf Jahrmärkten feilgeboten wurden.^) 

Kostbarer als die Glasgefäfse waren die aus Bergkristall gearbeiteten 
Geschirre, die dann von Künstlern mit Reliefs, Ornamenten aller Art, er- 
haben oder vertieft ge- 
schnitten, verziert, von 
Goldschmieden in Gold 
und Silber montiert 
wurden. Lange Zeit 
verstand man das Glas 
nicht so klar wie den 
Bergkristall herzustel- 
len. Als man gegen 
Ende des 16. Jahrhun- 
derts endüch auch die- 
ses lernte, verlieren die 
Kristallgefäfse an Wert. 
Die böhmische Glasin- 
dustrie wird unter Ru- 
dolf II. ins Leben ge- 
rufen ; tüchtige Stein- 
schneider leiten die 
Glasschleifer an. 

Besonders wertvoll 
erschienen die aus dem 
Hom des Rhinozeros 
geschnittenen Trinkge- 
fäfse, die in Gold mon- 
tiert, mit Edelsteinen 
und Emaillen deko- 
riert,^) schon deshalb so 
teuer bezahlt wurden, 
weil man glaubte, dafs 
in einem so kostbaren 
Becher eine Vergiftung 
des Trunkes sofort zu 
erkennen sei. Und vor 
der Giftmischerei hatte 
man im 16. u. 17. Jahr- 
hundert eine vielleicht 
übertriebene, aber doch 

auch gegründete Furcht. (Vgl. Ph. Hainhoier Reisetageb. 1617. Balt. 
Stud. II, 2, S. 30.) Endüch wären noch die farbenprächtigen MajoUken 




Hendrik von Baien, Der Winter. OLünchen, Alte Pinakothek.) 



*) Vgl. auch das Gemälde von Hendrik van Baien. Alte Pinakothek, ('abinet XIII, 
No. 711. 

•) Abg. z. B. in meiner Einführung in das Studium der neueren Kunstgeschichte. 
Prag etc. 1887. Taf. VI. 



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44 I- ^^ Schlofs der Fürsten. 

zu nennen, die aus Italien eingeführt wurden. Diese Schüsseln und Teller, 
Vasen und Kannen sind wohl kaum in Gebrauch genommen worden, waren 
immer nur dazu bestimmt, als wirksame Dekorationen zu dienen. Wurden 
sie aber wirkhch verwendet, dann dienten sie nur als Kuchenschüsseln, 
Konfektschalen u. s. w. Auch solche Kunstwerke haben die reichen 
Leute in Deutschland in Italien eigens für sich bestellt und mit iliren 
Wappen zieren lassen. Das Germanische Museum zu Nürnberg besitzt 
z. B. zwei Urbino-Teller, die das Wappen der Familie von Krefs zeigen.^) 

Seit man gelernt hatte, das Tafelglas durch Blasen herzustellen, 
waren auch gröfsere Planspiegel angefertigt worden. Doch mufstea die- 
selben immer noch in bescheidenen Dimensionen gehalten sein, da 
gröfsere Scheiben bei dem Blasen zu dünn und deshalb zu gebrechlich 
wurden. Die besten Spiegel bezog man aus Venedig und Murano. 

Mit der Beleuchtung war es aber noch immer sehr schlimm 
bestellt. Zwar hingen von den Decken schön geformte Kronleuchter 
herab ^), waren Stand- und Wandleuchter in Menge vorhanden, doch 
konnte immer nur die Frage sein, ob man Wachskerzen verwenden 
wollte — und die waren selbst in jener Zeit sel\f teuer — oder ob man 
sich mit Talghchtern begnügte. TalgUchter aber konnte man auf den 
Kronleuchtern schon aus dem Grunde nicht brennen, weil es da rdcht 
mögUch war, sie mit der Lichtputze (abbreche) immer rechtzeitig zu 
schneuzen. Bei grofsen FestHchkeiten mag das Schlofs wohl von zahl- 
losen Wachskerzen erleuchtet gewesen sein, für gewöhnUch begnügte 
man sich mit einfachen Talghchtern. Man war noch zu Beginn des 
19. Jahrhunderts nicht gewöhnt, grofse Ansprüche zu machen. In der 
Familie der späteren Malerin Caroline Bardua wurde nur ein Lieht 
gebrannt, bei dem die Mutter las, die Töchter arbeiteten; nur wenn 
Besuch kam, zündete man zwei, ja vier Talghchter an.*) 

Zu einem deutschen Fürstenschlosse des 16. Jahrhunderts gehörten 
unbedingt stattUche Kellereien. »Also was hilfEt mich«, sagt Fischart einmal 
in seiner Geschichtskhtterung, :&wann man mir das grofse Fafs auf dem 
Schlofs zu Thübingen, die Kellerei zu Schaffhausen und die Berg- 
gebärnde alte Fuder zu Murbach weiset, wenn man mir nicht auch Wein 
vom heifsen Sommer daraufs also zu versuchen gibt, dafs ich die Keller- 
stig nicht mehr finden kan: ^-iewol die Leut, die es eim weisen, selbs 
so verstendig sein und wissen, dafs einer den Babst nimmer on ein 
zwenfingerigen HerrgottseseUgen segen sihet. Ich weifs wol, wie es 
dem Poeten (Nicodemus Frischlin 1547 — 1590) gieng aufE der Hochzeit 
zu Studgarten, im Kellerstüblin, da ihm das new Fafs anlacht, welchs 
hielt der Fuder zwenzig siben. welche im recht die Reiff antrieben. 
Grandgusier liefs auch einen Weinkeller in einen Felsen hawen, in 
welchem er etlich tausend Fuder Wein ohn Fafs erhielte, besser als ein 



>) A. V. Essenwein, kunst- and kultargeschichtliche Denkmäler des Crermanischen 
Museums o. O. u. J. (1877), Taf. LXXXXII, vgl. auch Tai. LXXXXI. 

«) Ebend. Taf. LXXIQ. 

^ Jugendlebeh der Malerin Caroline Bardua (1781—1864), hgg. v. Walter Schwan. 
Breslau 1874, 8. 43. 



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3. Die Schlofsgärten im 16. Jahrhandert 45 

Bischofi von Würtzburg, der solches auch unterstunde, oder der zu 
Trier auff dem Schlofs Ehrnbrechtstein«. Es gab berühmte Kellereien 
in Penig (Sachsen),. Landshut (Bayern), Würzburg, den Schlofskeller 
zu Königsberg (Preufsen), zu Friedberg in der Wetterau, den Spital- 
keller zu Efslingen. Grofse Fäfser zeigte man in Heidelberg^), Grü- 
ningen bei Halberstadt, auf den Schlössern zu Tübingen^) und Königs- 
stein^) (Sachsen), in der Pleifsenburg zu Leipzig, im Kloster Erbach, 
im Bischofsschlofs zu Speier (M. Zeiller, Hdb. I, 441). 

Die meisten Schlösser der kathohschen Fürsten sind mit besonderen, 
für die Religionsübung der fürstlichen Familie und ihres Hofstaates 
bestimmten Kapellen versehen; auch in den Palästen protestantischer 
Herrscher fehlten sie selten. Sie sind bei den Katholiken reich mit 
kostbaren Reliquien aller Art ausgestattet, mit Geräten von künstlerisch 
voDendeter Form versehen. Hainhofer schildert (a. a. O. S. 67) die 
Schlofs- und die reiche Kapelle des Münchener Schlosses. Die herr- 
lichen Kunstarbeiten der reichen Kapelle sind bekanntUch noch heute 
zugänglich. Ein Prachtstück ist die aus Gold und Edelsteinen gefertigte 
Reiterstatue des hl. Georg, die unter Herzog Wilhelm angefertigt, unter 
Maximilian verändert worden war. ♦ Die Edelsteine, Diamanten und 
Rubine wurden auf 60000 Gulden geschätzt (Hainhofer a. a. O. S. 69 
und 157). Ein Kunstwerk aus Gold, Email, Edelsteinen, ähnhch dem 
berühmten goldenen Röfsl zuAltötting, aus Frankreich stammend und 
Anfang des 15. Jahrhunderts gefertigt, besafs die Jesuitenkirche zu 
Ingolstadt. Es stellte die hl Jungfrau dar, zu deren Füfsen ein Ritter 
kniete (Hainhof erj a. a. 0. S. 173). Dies seltene Denkmal altfranzösischer 
Emaillierkunst wurde 1801 eingeschmolzen. 

3. Die Schlofsgärten im 16. Jahrhundert. 

Aus den Abbildungen in Androuet du Cerceaux schon genannten 
Werke »Les plus excellents bätiments de la France« kann man über 
das Aussehen der Schlofsgärten einiges erfahren. Die Anlage zeigt uns das 
in regelmäfsige geometrische Figuren zerlegte Gartenareal, wenige Bäume, 
dagegen ausgedehnte überwachsene Laubengänge. Häufig hat man Irr- 
gärten, Labyrinthe, angeordnet, deren Wege von hohen Laubwänden 
eingefafst, in den im Innern ausgesparten Raum und aus demselben 
wieder hinausführten. Verschnittene Baimihecken und Bäume, bunt- 
farbige Teppichbeete sind im holländischen Geschmacke angelegt. 

Und älmlich sind die deutschen Gärten angeordnet, ebenso steif, 
mit den gleichen Laubengängen etc. So zeigt uns die Abbildung 
den von Salomon de Caus entworfenen Schlofsgärten zu Heidel- 

Das Heidelberger FaTs ursprünglich 1591 unter dem Pfalzgrafen Johann Casimir 
erbaut, dann unter Kurfürst Karl Ludwig (1617—80) erneuert und 1728 wiederhergestellt 
Cnrios. (Vulpius) VH, 52. — Abb. von 1608 im Kulturg. Bilderb. m. N. 1521. 

■) Curios. Vn. 54. 

') Ebend. Vn. 53. AuTserdem im Schlofskeller zu Aschaffenburg und 
Würzburg, im Kloster zu Salmansweiler. 



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46 I- I^as Schlofs der Fürsten. 

berg.^) In derselben Art waren auch die Schlofsgärten in München entworfen, 
die uns Hainhofer beschreibt. Einen Hauptschmuck dieser Gärten bilden 
die zahbeichen in ihnen aufgestellten bronzenen und marmornen Figiiren, 
die mit weifsem Sand bestreuten Wege, die mit Steinen und Hecken 
eingefafsten Beete, die Wasserbecken, Springbrunnen (S. 73 fE.). In dem 
Garten der Herzogin Marie Maximiliane sind fünf Sommerhäuser. »Imm 
vierten Sommerhaufs ist ain brett; wann man ainen vexieren will, stellt 
man Ihn darauf und weiset ihm inn der höhe die gemählte, ain anderer 
thut ein tritt auf ain eisen, dardurch dafs brett ledig wird und ihn 
hinunder inn das wasser schupfft, dafs er bifs über die Knüe darinnen« 
{S. 108). In dem Garten steht dann noch ein Lusthaus, das einen mit 
Gemälden geschmückten Saal, eine heizbare Stube, eine Kammer ent- 
hält. In einem Nebenhause ist das »Frawenzimmer« untergebracht. 
Eine Voliäre für Vögel, ein Pfauengarten, Ställe für Geflügel, Hunde. 
»In ainem Soounerhaus springt ain röhr Kasten mit 50 Röhren, hat 
ein hübsch Wildbad daran und ist ein lustiges wesen zur recreationc 
{S. 106). 

Im Garten des Bischofs von Eichstätt sah Hainhofer 1611 >Rosen, 
Lilien, Tolepon« (S. 25), im Münchener Schlofsgärten »auf stöckhen 
schöne grofse nägelscherben (d. h. Blumentöpfe mit Nelken) stehen mit 
Ihren ümbrelen oder hütten für die Sonne und dafs Wetter« (S. 73). Die 
Tulpen sollen von Busbeck um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Deutsch- 
land eingeführt und zuerst in Prag kultiviert worden sein. Konrad 
Gessner sah 1559 die erste Tulpe im Garten des Augsburger Senators 
Heinrich Herwart (Curios. V, 348), der zwei Jahre vorher die Zwiebel 
aus Konstantinopel erhalten hatte (Curios. III, 363, Beckmann, Beitr. 
z. Gesch. d. Erf. I, 223 II, 549). Die Tuberosen sind erst 1594 aus 
Indien nach Europa gekommen, die Kaiserkrone kennt schon Cluaius 
(Charles Lecluse 1525—1609), ebenso die AmarylUs (ebend. IH, 296 ff.). 
Berühmt waren die Gärtner Vespasien Robin, der im Dienste 
Heinrichs IV. von Frankreich stand, und Emanuel Sweert, der die 
Gärten KaiserRudolfs II. pflegte.^) 

In dem Garten am Stettiner Lusthause, »welcher sehr grofs, mit 
gar langen gruen überzogenen Gängen öder pergolis (under welchem 
man auch mit der Kutschen fähret und wegen ihrer Länge hüpsche 



*) Kultarg. Bilderbuch IV. N. 2055 Stich von Matth. Merian. — Einen Grarten in 
der Vorstadt von Heidelberg hinter der Peterskirche legte Otto Heinrich ebenfalls an, 
ebenso in Weinheim. Curios. 11. 238. — Garten am Lusthause zu Stuttgart, gest. von 
Matth. Merian. Kulturg. Bilderbuch m, N. 1586. — S. den Stich von Hans Bol. 
Ebendas. HI. N. 1148. 

■) Über das Alter der Blumenzucht vgl. J.Beckmann a. a. O. HI. 296 ff.; Tube- 
rosen, 1594 aus Ostindien importiert; Kaiserkrone wird aus Persien Mitte des 
16. Jahrhunderts über Konstantinopel nach Wien gebracht. Amaryllis kommt 1593 
aus Südamerika, die Guernsey- Lilie (Amaryllis famiensis) Anfang des 17. Jahr- 
hunderts aus Japan, die Ranunkel Ende des 16. Jahrhunderts aus der Levante ttber 
Konstantinopel. Welche Blumen gerade beliebt sind, zeigen uns die Gemälde der 
grofsen Blumenmaler: des Jan Brueghel d. Alt. (1568 — 1625), des Daniel Seghers (1690 
bis 1661). Abraham Mignon (1640-1679), Jan van Huysum (1682—1749). 



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4. Der Palastbau von 1650—1750. 47 

Perspective!) abgeben) verweilt Hainhofer 1617 als Gast des pommerischen 
Herzogs (Balt. Studien II. 2. S. 40). 

Welche Liebe zu schönen Blumen die vornehmen Herren jener 
Zeit hegten, beweist das Unternehmen des Bischofs von Eichstätt, Joh. 
Konrad von Gemmingen, der seine Blumen in Nürnberg malen und in 
Kupfer stechen liefs. Das Werk wurde unter dem Titel »Hortus 
Eystettensis« 1613 in Nürnberg veröffentHcht (Hainhofer a. a. 0. 19, 
26 ff.). Das Buch kostete ihm gegen 3000 Gulden; wöchentlich wurde 
eine oder zwei Schachteln mit Blumen an den Apotheker Beseler in 
Nürnberg geschickt und von ihm dem Maler übergeben. Der Bischof 
besafs an 500 Varietäten von Tulpen (S, 28). Für sein Bilderwerk 
interessierten sich lebhaft die Herzoge Wilhelm V. von Bayern und 
Philipp II. von Pommern. Als Hainhofer 1617 Stettin besucht, sieht 
er beim Herzog :?^das Evstetisch illmninierte Blumenbuch «^ (Balt. Stud. 
TI, 2, S. 30). 

4. Der Palastbau von 1650—1750. 

Die Blütezeit des Palastbaues dauert etwa hundert Jahre und fällt 
zusammen mit der höchsten Entwicklung des absoluten Herrschertums. 
Für den Herrn sind die Steuern des Volkes da; wie er über dieselben 
verfügt, wie er sie verwendet, darüber hat er allein zu entscheiden, 
denn wenn auch, wie in Württemberg, die Stände ein Recht hatten, über 
die Finanzen des Staates zu wachen, so wurde dies Recht eben nicht 
beachtet. Es beginnt eine Zeit, die für die Entwicklung der Baukunst 
von allergröfster Bedeutung ist. Die Fürsten bauen ihre Paläste, und 
was der Bau kostet, soll er ihren Ansprüchen genügen, kommt nicht in 
Betracht; als Louis XIV. die Rechnungen über die Baukosten von Ver» 
saiUes verbrannte, wollte er auch der Nachwelt die Kontrolle seiner 
Ausgaben unmögUch machen. 

Frankreich geht mit seinem Beispiele voran, wie es ja in den 
hiindert Jahren, die uns hier beschäftigen soUen, in ganz Europa den 
Ton angibt, und Frankreich selbst ist wieder verkörpert in seinen 
Königen, Ludwig XIV. und XV. Den Wünschen imd Ansprüchen 
der Herrscher gemäfs sind auch ihre Paläste entworfen und ausgeführt 
worden. 

Dadurch, dafs Ludi^dg XIV. es erreichte, den früher oft so wider- 
spenstigen Adel an seinen Hof zu fesseln, erwuchs für ihn auch die 
Verpflichtung, diesen Adel in seinen Schlössern zu empfangen und zu 
unterhalten, durch prachtreiches Auftreten und blendendes Zeremoniell 
die Untertanen zur Verehrung ihres Souveräns zu zwingen. Und diesen 
Zwecken der täghchen Repräsentierung entsprachen die alten Paläste, 
zumal die Pariser, das Louvre und die Tuilerien, in keiner Weise, wohl 
aber das von Leveau und Mansart erbaute Schlofs von Versailles, 
aufsen trotz seinen mächtigen Dimensionen in seiner architektonischen 
Erscheinung eher unbedeutend, zurückhaltend, feierUch, aber kaum 
gewinnend, im Innern mit verschwenderischer Kunst, mit aUem RafEine- 
ment, dessen der französische Barockstil fähig ist, ausgestattet. Aber 



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f. Das Schlofs «icr Fürnten. 




1 



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4. Der I'ivlastbau von 1650—1760. 



49 




Galerie des Glaces im Schlosse von Versailles. 



Schultz, Das hünsliche Leben im Mittelalter. 



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I. J>a8 Schlofs der Fürsten. 



VOM dieser Praelit hatte nur, wer das Schlofs betreten durfte, eine 
Ahnung; für die Menge genügte die strenge, abweisende Aufsenseite. 
Alles, die grofsen (lalerien, die Thronsäle, ja die Schlafzimmer des 
Königspaares ist auf die Repräsentation berechnet, bestimmt, täglich 
den französischen Adel und zahllose Fremde zu empfangen, vor denen 
der König mit unvergleichlicher Kunst seine Rolle als souveräner 
Herrscher spielte. Die Maler unter Leitung des grofsen Charles Lebrun, 




Salle de TOell-de-Boeuf im Schlosse zu Versailles. 

die Bildhauer tun ihr Bestes, in jeder denkbaren Form den Ruhm und 
die Herrlichkeit des Königs zu verkünden. 

So lang(^ Ludwag XIV. jung war und Gefallen daran fand, sich so 
bewundern zu lassen, genügte ihm das Versailler Schlofs, in dem er 
seit 1672 residierte; als er aber älter und bequemer wurde, zog er sich 
gern in kleinere Palais zurück, in denen die Repräsentation seiner 
Würde nicht so hohe Anforderungen an ihn stellte. Schon 1676 erbaut 
Jules Hardouin Mansart für Mme. de Maintenon das kleine Palais im 
Park von Versailles, das grofse Trianon [im Gegensatz zu dem kleinen 
Trianon, das Jacques- Ange Gabriel (1710 — 82) für Ludwig XV. 1745 
errichtete]. 16H2 wurde dann wieder von Mansart das Schlofs Marly 
begonnen. In diesen kleinen Palais erholte sich der König von den 
Anstrengungen, welche die Tage von Versailles ihm auferlegten. 



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4. Der Palastbaii von 1650—1750. 



51 



Die Einrichtung der Paläste ist auf /ien Effekt berechnet. Marmor 
und Stuck, Malereien und Vergoldungen, schwere, ernst gefärbte Gobe- 
lins^), die Szenen aus dem klassischen Altertum vorführten, alles das 
macht einen imponierenden Eindruck. Und auch die schwer vergoldeten 
Möbel mit aller ihrer Kostbarkeit lassen den Gedanken an ein behag- 
liches Ausruhen nicht aufkommen. Auch sie haben ihren Anteil an 
dem imposanten Ausstattungsstücke, das zu Ludwigs XIV. Zeiten in 
Versailles vor der bewundernden Welt gespielt wurde.^) Ludwig XV. 
hat keine Neigung, grofse Monumentalbauten zu unternehmen. Manche 
praktische Gründe mö- 
gen dabei mitgewirkt 
haben. Er legt weniger 
Wert auf die grofsen 
Schaustellungen als 
auf Bequemlichkeit. 
An Stelle der grofsen 
Festsäle treten die Sa- 
lons, in denen sich 
eine kleine ausge- 
wählte Gesellschaft 
verhältnismäfsig un- 
gezwungen bewegte. 
Auch bei den Palast- 
bauten aus der Zeit 
Ludwigs XV. ist das 
Aufsere streng und 
ohne Anmut; im In- 
nern hat der Rokoko- 
stil das feierhche, im- 
posante Barocco ver- 
<lrängt. Alles ist licht 

imd hell, an Stelle der schweren Gobelins treten nach und nach die lichten 
Seidentapeten mit ihren Schäferbildern und Chinoiserien. Ganze Wand- 
flächen werden mit Spiegeln bekleidet, die zumal das Kerzenlicht viel- 
fach reflektieren, und die Ornamentik des Rokoko mit ihren unberechen- 
baren Capricen, ihren Spalieren, oft. unsymmetrisch angeordnetem Blatt- 
werk, ihren Gruppen von zierüchen Putti, zusammen mit den Gemälden 
von Watteau, Francjois Boucher, Natoire, das gibt ein Ganzes, dessen 
Unvernunft ein Architekt der klassischen Schule verwerfen, ein Morahst 
vielleicht auch unsittlich nennen kann, aber das trotz alledem noch 
heute einen b(\stochend liebenswürdigen Eindruck auf uns hervorbringt. 

*) Sebastien Leclerc, Galerie des Gobelins. Kulturg. Bilderb. V. N. 2855. 

•) Grofse Spiegel tragen dazu bei, das festliche Aussehen der Räume zu erhöhen. 
Die Spiegelindustrie war in Frankreich 1634 durch Eustache Grandmont eingeführt 
worden und 1688 hatte Abraham Thevart das Privileg erhalten, Spiegel zu giefsen; 
es gelang ihm, Gläser herzustellen, die über 60 Zoll Höhe und 40 Zoll Breite, ja bis 
84 Zoll zu 50 Zoll erreichten (1,62 m : 1,07 m; 2,27:1,35 m. - L. Beckmann Beitr. z. 
Gesch. d. Erf. in 529 ff.) 

4* 




Innendekoration im Hot«l de Villars zu Paris. 



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52 



I. Das Schlofs dar Fürsten. 



Im Einklang mit dieser leicht^en, ja wenn wir wollen: leichtfertigen 
Architektur steht das Ameublement. Weiche Polstermöbel, Ottomanen. 
Chaiselongues, Fauteuils, treten an Stelle der harten und steifen Stühle und 
Bänke die man immer erst mit Kissen belegen mufste, wenn man nicht zu 
hart sitzen wollte. An Stelle der Kabinetts treten die Kommoden. Jetzt 
erst werden kostbare ausländische Hölzer zur Tischlerarbeit verwendet: 
Rosenholz, später Mahagoni (Acajou) und Palisander. Treffliche Kunst- 
tischler erwerben sich einen Weltrui, wie Andr^ Charles Boulle (1642 
bis 1732), aus dessen Werkstatt die zierlichen Möbel hervorgingen, dit* 
nach Art der alten Intarsia mit Einlagen von Holz, vergoldetem Messing. 
Schildpatt dekoriert waren. Mit diesen Boullearbeiten konkurrierten die 




Nymphenburg. Festsaal im Schlollie. 

Erzeugnisse der holländischen Tischler, die Möbel herstellten, welcho 
ganz mit Schildpatt fourniert waren. Die französische Tischlerei aber 
hat in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirklich Meisterwerke 
geschaffen. 

Das Beispiel der französischen Könige fand nun in allen Ländern 
der Christenheit bereitwdUige Nachahmung. Seit 1752 baut Ludovico 
Vanvitelli (1700 — 1773) den Palast zu Caserta, der schon seiner grofs- 
artigen Treppenanlage wegen Bewunderung verdient. Das Schlofs, in 
Madrid entwarf nach dem Brande von 1734 Filippo Juvara; Juan Bau- 
tista Sachetti leitete dann nach eigenem Plane von 1737 an den Bau. Der 
Winterpalast zu Petersburg wdrd seit 1754 von dem itahenischen Archi- 
tekten Rastrelü aufgeführt. Diese Denkmäler mögen nur kurz hier er- 
wähnt sein, ausführlicher sollen die deutschen Fürstenpaläste besprochen 
werden. 



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4. Der Palastbau von 1650—1750. 



53 



Nirgends hat das Beispiel Frankreichs so mächtig eingewirkt wie 
in Deutschland. Schon im 12. und 13. Jahrhundert war die französische 
:Sprache, die französische Kunst und Mode in Deutschland herrschend 
<^ewesen; in noch viel höherem Grade wurde sie es nach Beendigung 




Pavillon vom Zwinger zu Dresden. 

Jes Dreifsigjährigon Krieges. Die zahllosen kleinen Dynasten Deutschlands 
beeiferten sich, so gut es ihnen eben gelingen wollte, Ludwig XIV. nach- 
zuahmen, natürlich nicht in seinen unbestreitbaren grofsen Eigenschaften, 
sondern in seiner Prachtliebe und sonst in noch manchem, was sie mit 
ihren bescheidenen Mitteln allenfalls auch ausführen konnten. Jeder von 
-den Fürsten mufste seinen Palast haben, die geistUchen wie die weltUchen. 
In Berlin wird von Schlüter und Eosander von Goethe das Schlofs 
4^rweitert; ein grofses Palais will August der Starke in Dresden errichten; 



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54 



I. Das Schlofs der Pursten. 



nur der Vorhof desselben, der berühmte Zwinger, wird nach Danifl 
Pöppelmanns genialem Entwürfe ausgeführt. In der Nähe Münchens 
sind italienische Architekten tätig, BarelH, der die Pläne zum Schloss*' 
Nymphenburg entwirft und den Bau 1663 beginnt, und Zuccali, von 




Schlofs zu Bnichsal, Festsoal. 

<lem die Pläne für das Schlofs Schleifsheim (1700 — 1704) herrühren. 
Solche grofsartige Bauten erfordern natürüch bedeutende Geldmittel; 
wenn dieselben nicht zur Verfügung stehen, mufs man mit Surrogaten 
fürlieb nehmen. Aber ein grofses Schlofs zu haben, das erforderte di»" 
Würde des Fürsten. So baut der Herzog von Braunnschweig sein 
Schlofs Salzdahlum (1688 — 1697) aus Fachwerk auf, das, einst seiner 



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4. Palastbautcn von 1650— 17r)0. 



55 



herrlichen Gemäldegalerie wegen berühmt, nach 1811 völlig abgebrochen 
wurde. In Württemberg wird das grofse Palais zu Ludwigsburg (seit 
1704) zum grofsen Teile nach den Entwürfen von Donato Giuseppe 
Frisoni gebaut. Auch der deutsche Kaiser wall in Wien ein Schlols 
haben, das den An- 
sprüchen der neuen 
luxuriösen Zeit ent- 
spricht. Schon unter 
Leopold I. war ein 
Teil der alten Burg, 
der diu-ch Brand ge- 
litten hatte (1663), im 
neuen Geschmack von 
Carnevale angelegt 
worden. Den Plan zu 
einem Neubau der 
Burg entiÄ'arf Johann 
Bernhard Fischer von 
Erlach (1650—1723); 
allerdings gelangte nur 
ein Teil zur Ausfüh- 
rung: die Winterreit- 
schule und die Hof- 
bibliothek , die viel- 
leicht unter Leitung 
vom Sohne des Mei- 
sters 1723—26 erbaut 
wurde. Bekanntlich 
sind bei dem jetzigen 
Neubau der Burg die 
Pläne Fischers von 
Erlach zu Grunde ge- 
legt worden. Seine Ent- 
würfe zum Schlosse 
von Schönbrunn sind 
nur zum Teil bei dem 
Ausbau berücksichtigt 
worden. Es sollten hier 

selbstverständUch nur einige der wichtigeren Schlofsbauten namhaft ge- 
macht werden; dafs eine grofse Anzahl sich noch aufzählen lielse, braucht 
nicht erst hervorgehoben zu werden. . Alle die hier erwähnten Schlösser 
sind im Stile des Barocks und ^zwar der italienischen Richtung gemäfs 
ausgeführt, freihch mit gröfseren oder geringeren selbständigen Umbil- 
dungen. Den originellsten Eindruck macht inuner Pöppelmanns Meister- 
werk, der Zwinger in Dresden. Ein kulturgeschichtlich bemerkenswertes 
Gebäude ist das Orangerieschlofs in der Au zu Kassel (1701 — 1711) 
aufgeführt und besonders das Marmorbad, das 1702 beendet wurde. Das 




CJalerie im Strhlosse Ludwigsburg. 
(Württemberg.) 



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I.' Das Schlofs' cför Füi*sten. 



Aufsere dieses Baues ist durchaus nüchtern und reizlos, um so intere.s.santer 
erschehien die Marmorskulpturen des Inneren, die Reliefs und Statuen, 
die der französische Bildhauer Pierre Fran(,-ois .Monnot (UiHO -17:^0) ere- 





Biiyrcuth, Kreniitape. Oberes Schlofs. Chinesischt's Zimmer. 

schaffen hal. Ein hemerkenswertc^s Denkmal eines lippi^^cu kleinen 
Serenissimus ! 

Ini Rokokostile wurden dann eine Reihe von Schlössern erl>aut. 

deren einige hier Erwähnung verdienen. Der Fürsthischof von Würz- 



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4. Der Palastbau von 1650—1750. 



57 



])urg, Philipp Franz von Sehönborn (1719 — 24), beginnt den prächtigen 
Bau des Residenzschlosses (1720 — 44). Sein Baumeister ist Job. Balthasar 
NcHunjtnn, der zumal in dem Treppenhause ein Meisterwerk ersten- 




Xymphenhnrg. Schliifkabinet in der Amalienbiirg. 



Ruiges geschattVn hat. Für den Fürstbischof von Si)eier, Damian Hugo von 
Schönborn, entwarf dersel)>e Meister das Schlols zu Bruchsal (1722 — 70). 
Noch ein Palais eines Kirchenfürsten, des Kurfürst(»n von Köln Clemens 
August (1724- ()1), wäre zu ncMuien: das zu Brühl bei Bonn (1725 — 70). 



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I. Das Pchlofa der Fürsten. 




4. Der Palastbau von 1650—1760. 



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60 I- Das Schlofs der Fürsten. 

Wie uns J. B. von Rohr in seiner Einleitung zur Ceremoniel 
Wissenschaft (Berlin 1729) mitteilt, war in dem Schlosse des Fürsten 
jeder Streit und Hader streng verpönt: die Störung des Burgfriedens 
wurde aufs nachdrückhchste bestraft. Auch Beschädigungen am Gebäude 
und Möbeln, vor allem Diebstähle waren mit harten Strafen bedroht 
Das Schlofs wurde deshalb bewacht; es sind besondere Garden mit 
dieser Obliegenheit betraut. Am liebsten nimmt man Schweizer zur 
Leibwache; war es zu teuer sie anzuwerbffn, so kleidete man die aus 
Landeskindern ausgewählten Garden in Schweizeruniformen. Die Auf- 
sicht über das Schlots hat der Ober-Landbaumeister oder ein Intendant; 
ein Inspecteur-General, der Schlofshauptmann hat im Schlosse seine Woh- 
nung. Unter dem Hofmarschallamte stehen die Hoftapeziere, Hofmaler 





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Garten des Helvcdere zu Wien. 



u. s. w., unter dem Leibmedicus die Apotheke und was zu ihr gehört, 
der Hofgrottier hat die Grotten zu besorgen u. s. w. Über die Einfahrt der 
Karossen in den inneren Schlolshof gibt es besondere Reglements. 

Im Schlosse selbst wohnen einige der Hofoffizianten, Sonst gewöhn 
lieh nur die Hofdamen und die Pagen. 

In der unteren Etage sind die Dienstgemächer, Silberkammer. 
Küche, Konditorei etc. untergebracht; im Keller ist Wein und Bier. 
Vorrat aller Art bewahrt. Statt der alten W^endeltreppen liebt man 
jetzt breite, helle, mit Statuen geschmückte Treppen. Im Schlosse zu 
Dresden wie in dem zu Altenburg sind Aufzüge (ascenseurs) für den 
Kurfürsten von Sachsen und den Herzog von Sachsen-Gotha erbaut 
Auch diese Bequemlichkeiten hatten die Franzosen zuerst erfunden. 
Schon um 1649 benutzte Mazarin einen solchen Lift. Die Maschinerie 
wurden dann noch verbessert imd fand vielfach in Paris, VersaiUef^. 
Ohantilly etc. Anwendung.^) 

») Alfr. Franklin. I.a vie privee d'autrefois. Les Repas (Paris) p. 99 Anin 6. 



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4. Der Palastbau von 1650—1750. 



61 




Schlofs Nymphenlnirp. Frontansicht. 

Reich ausgeschmückt sind die Schlofskapellen. In den Vorzimmern 
befinden sich kostbare Möbel und Tapeten; je näher man den fürst- 
lichen Privatgemächern kommt, desto schöner und statthcher ist die 
Einrichtung. Da gibt es Audienzgemächer, Neben -Audienzgemächer, 
Paradezimmer, Retiraden, d. h. Zimmer, in die der Fürst, wenn er 
ungestört bleiben wollte, sich zurückzog; in allen Räumen sind Tische, 
Spiegel, Gueridons und Gueridonetten, Kronleuchter, Wandleuchter von 
kostbarer Arbeit zu finden. In den Tafelzinamern ist das Buiet mit 
den prunkvollen Geräten aufgestellt; zuweilen werden auch Fontänen 




Schlors NymphenbiLTgr- Parkanlage. 



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62 



I. Das Schlofs der Fürsten, 



und Rafraichier-Wasser in den Räumen gar artig angebracht. Merk- 
würdig ist die Beschreibung, die der v. Rohr § 25 von den Tischen gibt 
<lie serviert aus dem unteren Geschosse in die Speisezimmer hinauf- 
gezogen werden. Die Erfindung dieser Konfidenztafel schreibt er dem 
verstorbenen kgl. pohlischen und kurfürstl. sächsischen Modelhneister 
Andreas Gärtner^) zu (121). 

Die deutschen Schlösser sind nicht so leicht zugängUch wie die 
französischen. »Daselbst können die Frembden in den meisten Zimmern 
des Schlosses zu Versailles nicht nur frey und ungehindert aus- und 
eingehen, ob gleich die Wache da stehet, sondern auch selbst in des 
Königs Schlaf -Gemach.- In den Privatgemächern deustcher Fürsten 




Nymphonbiirg. Die AmalienburR:. 

soll man sich, w(nin sie aus besonderer Gunst gezeigt werden, angemessen 
betragen, nicht sich auf die Fürstlichen Lehn-Sessel und Fauteuils 
niedersetzen und \n dem Besehen weiter gehen, als einem vergünstiget 
oder von dem, der die Fremden herum führet, gezeiget ^ird«. 

In einigen Schlössern gestattet man es nicht, dafs in die Schlofs- 
gemäclier die Spazierstöcke (aus spanischem Rohr) mitgebracht werden: 
vor den fürstlichen Zimmern hat man sie unbedingt abzulegen. Nicht 
ein jeder Kavalier darf sich des Nachts die Treppe hinauf mit Fackeln 
leuchten lassen. An die Türen anzuklopfen ist unstatthaft: man darf 
nur mit den Nägehi kratzen. Streng vorgeschrieben ist, wer von 
dem Hofstaate in die verschiedenen Gemächer eintreten darf. Unter 
Kaiser Joseph I. erhielten in die letzte Anticamera nur Grafen Zutritt; 
in die »Retraiten und Retiraden« einzutreten ist niemandem erlaubt 

J. A. Donmlorff, Geschichte der Erfindungen. Quedlinb. u. Leipz. 1818. V. 511. 



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5. Die Parkanlajrcn im 17. und 18. Jahrliundert. 63 

uiifser fürstlichen Personen, die sich am Hofe aufhalten, Gesandten, 
jL^rofsen Ministern. In § 37 bespricht der Verfasser die Veränderungen, 
lue seit 50 bis 60 Jahren in der Ausstattung der Schlösser Eingang 
gefunden haben. Jetzt (1729) sind manche Herren nicht zufrieden mit 
den Möbeln aus Frankreich, Itahen, Holland und England, sie lassen 
sie aus der Türkei, aus China kommen. 

Aufser den Schlössern haben die Fürsten auch Lusthäuser, in denen 
wieder eine andere Etikette herrscht z. B. : darf kein Kavaher mit dem Degen 
<^rscheinen; ein Versehen wird mit einem grofsen Glas Wein gebüfst. 
Die Anordnung der Lusthäuser ist verschieden, einige bestehen 
aus einem grofsen Pavillon, den kleinere umgeben (Nyniphenburg). In 
dem grofsen wohnt vder Fürst mit seiner Gemahlin oder mit derjenigen, 
die sie als Gemahlin lieben«. In anderen ist in der Mitte ein acht- 
vcldger Saal für Assembl^en-Ballette ; rings herum sind die Zimmer 
ijruppiert, die miteinander in Verbindung stehen. Zuweilen haben die 
Lusthäuser flache Dächer, die als Altane verwendet werden können. Hof- 
]>lätze werden mit Terrassen, Statuen, Orangerien, Fontänen geschmückt; 
die Haupttreppe hat Balustraden, das Treppenhaus ist mit Fresko- 
malereien dekoriert (Würzburg). In den Zimmern sind Kamine, auf 
denen Porträts, en bas relief stehen; »vor den Spiegeln liegen bifs- 
weilen marmorne oder andere geschnitzte, nackte Venus-Bilder, die mit 
ungemeiner Kunst verfertiget <. In manchen Schlössern (Charlottenburg) 
gibt es »Porcellain-Gemächer oder Cabinettes, in w^elchen die schönsten 
von Porcellain aufsteigenden Zierrathen anzusehen, an grofsen Töpffen, 
Vasen, Schüsseln, Aufsätzen, Th^-, Chocolade-, Catte- Services mit da- 
zwischen gestellten Spiegeln, Indianischen Urnen, Pagoden nach einer 
schönsten Ordnung und mit besonderer Magnificenze < . Gärten mit 
Haupt- und Nebenfontänen, dazu gehören »Reservoirs, Aqueducs, 
Fontainen, Grotten«. Bei den Grotten findet man Kaskaden, »mancherley 
Jets d'eau« zur Kühlung. Hier speisen zuweilen die Herrschaften ; aucli 
Badezimmer sind vorhanden, Tiergärten, Parks mit Alleen, Statuen, Kas- 
kaden, Voliferen, Fischteichen; in den Kanälen liegen Schiffe bereit. 

Die Eremitagen, »nach Art der Einöden, wie verfallen« angelegt, 
4^nthalten aufser der Kapelle eine Schlafkammer, Küche, Garten- und 
Studierstube; die Gemälde stellen religiöse Sujets dar. Die Orangerie- 
häuser und Gärten gehören zu einem fürsthchen Lustpark; endlich darf 
ein Jagdhaus nicht fehlen. Das des Herzogs von Savoyen, die Veneria, 
wd besonders beschrieben. 

5. Die Parkanlagen im 17. und 18. Jalirliunjdert. 

Dem feierhchen Aussehen der Schlossfassaden entsprach nun die 
Anlage der Parke, die die Gärten der früheren Zeit völlig verdrängten. 
Vor dem Schlosse stehen die Orangerien, die im Winter in geschützte 
Räume gebracht werden mufsten. Diese steifen und feierhchen Bäumchen 
in ihren grüngestrichenen Holzkübeln passen sehr wirkungsvoll zur ge- 
samten Architektur. Auf die Blumenkultur legt man keinen Wert mehr. 



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(>4 



I. Dns Sehloi's der Fürsten. 



J)(Mi (leschmaek helierrseht der grofse (rartenkünstlcr Amlre Ij- 
Nötre (161;^ — 1700), der den Park von Versailles, (.'haiitilly, Triaiion u. s. w. 
anlegt.^) Die schuurgraden Avenueti mit üihmi Taxusliecken und Statuen- 
schmuck, belebt durch Wasserbecken, mit Fontänen und Skulpturen, 
bieten überaus wirkungsvolle Ausblicke, wie man sich ja in dem Parkt- 
von Nymphen bürg, allenfalls auch von SchleifslKMni überzeugen kann. 
Kleine Theehäuschen und sonstige Bauanlagen werden für intimer^ 
Geselligkeit verwendet, so im Nymphenburger Parke die Pagodoiiburir 
(1716) und die ßadenburg (1718), vor allem das reizende ]N)kok<»- 
schlölschen, die Amalienburg, das Meisterwerk des Fran^ois Cuvillie- 
(1698—1768). 

') Dezallier (VArgenville, la theorie et la pratiqiie du jardina^re Paris 1709. — 
Vgl. H. Jäger, Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt. Berlin 1887. — Ahbildunn 
vom Garten des Palais Cardinal (Royal) zu Paris. Kulturh Bilder))uch IV, X. 1864. 

— Vom Schlosse de Fresnes bei Paris IV, N. 2058, gest. von Caspar Merian. — Von 
Israel Silvestre sind gestochen die Ansicht vom Garten des Palais d'Orleans (^ibid. V, 
N. 2347), vom Jardin de Monsieur Renard aux Tuilleries 1658 (ib. V, X. 2348), von 
der Grotte in SaintCloud (V, N. 2349), von <lem Springbrunnen in Ijsini en Brie 
(N. 2350), von Fontainebleau iV. X. 2351, 2352, 2353), Garten des Schlosses Liencourt 
(V. N. 2566, 2568, 2570, 2571, 2572, 2572), Springbrunnen in Fontainebleau ^\. X. 2579\ 
Garten des Schlosses Raincy (V. N. 2587). Xach Jean Rigaud, die Promenade de 
Luxembourg (ib. VI. X. 3135) und die Wasserkünste von Saint-Cloud (ib. VI. X. 313^J . 

— Romain de Ilooghe, holländische Parkanlage (e))end. V. X. 2843). 




Nymphenbui^. Die Pagodenhnrfir. 



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II. Die Städte. 



Auch unter den Städten müssen mr die grofsen Hauptstädte 
der Länder, Provinzen, die Reichsstädte von den kleineren Orten und 
gar von den Flecken und Weilern unterscheiden. Was von den erst- 
genannten Orten gilt, darf man keineswegs auf die Kleinstädte über- 
tragen. Wir werden aber in dieser Darstellung einzig und allein die 
Verhältnisse der Grofsstädte ins Auge fassen, da über das Leben jener 
unbedeutenden Ortschaften zu wenig Berichte vorliegen. 

Nach unserer heutigen Anschauung sind allerdings auch die Haupt- 
städte des Mittelalters und der nächsten Jahrhunderte kaum unter die 
grofsen zu zählen. Was wir über ihre Einwohnerzahl ermitteln können, 
läfst sie nach modernen Begriffen recht klein und unbedeutend erscheinen. 

Nach Jastrow (die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittel- 
alters und zum Beginn der Neuzeit. Berlin 1886) hatte im 15. Jahr- 
hundert Nürnberg und Strafsburg eine Einwohnerzahl von 16 — 17000, 
bis 20000, Frankfurt a. M. und Basel 15000 und weniger, Rostock 14000; 
dagegen Dresden nur 5000 imd Meifsen gar 2000 Bewohner. Zu Anfang 
des 16. Jahrhunderts ist Augsburg auf gegen 60000 Einwohner zu schätzen. 
Kurz vor dem Dreifsigjährigen Kriege ist Nürnberg mit 40 — 50000, 
Breslau, das im 16. Jahrhundert schon 40000 Bewohner gehabt hatte, 
mit 30000, ebenso Strafsburg mit 30000 in Anschlag zu bringen, Leipzig 
mit 15000, Berlin mit 14000, Brandenburg a. H. und Frankfurt a. O. 
mit 10000, Stendal mit 8000, Prenzlau und Ruppin mit 6 — 700 Ein- 
wohnern zu berechnen. 

I. Die Befestigungen. 

Jede Stadt jedoch, die auf einige Bedeutung Anspruch erhob, ob 
grofs ob klein, ist befestigt, von Mauern und Gräben umgeben imd 
nach den bewährten Regeln des Vitruvius und des Vegetius gegen die Ge- 
fahren einer Belagerung geschützt. Auf die verschiedenen Befestigungs- 
methoden des Mittelalters einzugehen, ist hier wohl nicht am Platze; 
auch sind dieselben schon wiederholt dargestellt worden.^) Meist sind 
diese Mauern der Zeit zum Opfer gefallen und aus dem frühen Mittel- 
alter ist kaum eine Befestigung noch in leidhchem Zustand erhalten. 

«) Z. B. Deutsches Leben d. 14. u. 15. Jhdts., 8. 17 fl. 
Schultz, Das häusliche Leben im Mittelalter. 5 



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66 



II. Die Städte. 



Vielleicht rühren die Überreste der alten Stadtmauer von Verona, 
die an der Via Paltone sichtbar sind und sich durch den Gräten- 
verband (appareil en aretes) auszeichnen, noch aus der Zeit der Ost- 
goten her; der Clara- oder Römerturm in Köln dürfte aus dem 6. Jahr- 




Holstentor zu Lübeck. 

hundert herrühren, ein Werk der Franken sein.^) In Südfrankreich 
könnte die Fortifikation von Carcassonne noch, dem 12., die von 
Aigues-Mortes dem 13. Jahrhundert angehören.^) 

*) Abgab, bei A. v. Essen wein, Die Ausgänge der klassischen Baukunst in 
J. Burm, Hdb. d. Architektur. Darmst. 1886. Ö. 124 Fig. 176. 

*) VgL VioUet-le-Buc, Dictionnaire s. v. Architecture militaire. 



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1. Die Befestigangen. 



67 



In Deutschland werden wir solche frühe Denkmäler meist vergeblich 
suchen; die wenigen Überreste des Nürnberger Mauerringes stammen 
aus dem 14. und 15. Jahrhundert, und derselben Zeit dürften die Be- 
Befestigungen, die Luzern von der Landseite schützen, angehören. Diese 




Tor in Bordeaux. 

Art von Mauern gewährten gegen die schweren Geschütze keine hin- 
reichende Sicherheit und so hat schon Albrecht Dürer die Anlage von 
Bastionen u. s. w. befürwortet. In seinem Sinne ist die Stadtfestung von 
Seh äff hausen, der TurmMunot, (1564 — 82) erbaut. Dagegen rühren die 
bekannten Batterie-Türme von Nürnberg, am Frauen-, Lauf er- und Spittler- 
tore, nicht von A. Dürer sondern von dem Stadtbaumeister Georg ünger 



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68 n. Die Städte. 

(t 1559) her. Grofsen Ruhmes erfreute sich im 16. Jahrhundert <iie 
italienische Befestigungskunst; italienische Kriegsbaumeister werden nach 
Frankreich, nach Deutschland berufen und tragen erfolgreich dazu bei, 
den italienischen Baustil diesseits der Alpen zu verbreiten. Die weitere 
Entwicklung der Befestigungskunst, die neuitalienischen, die nieder- 
ländischen (Coehom), die französischen Verbesserungen hier hervor- 
zuheben, würde von dem eigentUchen Thema zu weit abführen. 

In die Stadt selbst gelangte man, sobald mittels einer Zugbrücke 
der Graben überschritten war, durch die stark befestigten Tore. Auch 
diese Bauwerke sind meist abgetragen worden, als die Städte die ihr 
Wachstimi beschränkenden Pestungsmauern niederlegten, und nur wenige 
solche Denkmäler sind durch rechtzeitiges Einschreiten Sachverständiger 
noch gerettet worden. Nur in seltenen Fällen dürften einige Stadttore, 
wenn man von dem grofsartigen Denkmale spätrömischer Befestigungs- 
kunst, der Porta nigra, in Trier absieht, noch bis ins 13. Jahrhundert 
zurückzudatieren sein; vielleicht gehören einzelne Teile des Aachener 
Marschiertores dieser früheren Zeit an^) und unter den erhaltenen Tor- 
burgenanlagen Kölns dürften einige wohl auch aus dem Anfang des 
13. Jahrhunderts herrühren. Zahlreicher sind die Denkmäler aus dem 
15. Jahrhundert erhalten. In den Städten der Altmark treffen "wir da 
die geschmackvoll in Backstein ausgeführten Torbauten von Stendal und 
Tangermünde, von Brandenburg a. d. Havel, in Lübeck das im- 
posante Holfitentor (1477), in Prag den reichgeschmückten Pulverturm 
(stark restauriert) und die beiden die Moldaubrücke beherrschenden 
Brückentürme, den von der Altstadt (1451) und den entsprechenden auf der 
Kleinseite. Seltener sind die reichgeschmückten Stadttore in der ersten 
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Eins der merkwürdigsten dürfte das Jeru- 
salemer Tor in Büdingen bei Gelnhausen (1543) sein; in seiner Bau- 
form macht sich noch der gotische Stil deutUch bemerkbar.^) Zur vollen 
Geltung ist der Renaissancestil bei dem Baue des grofsartigen hohen 
Tores zu Dan zig gelangt. Unter den in Frankreich aus dem Mittelalter 
erhaltenen Toren ist besonders das von Bordeaux beachtenswert. In 
Italien hatten Meisterwerke der Festungstore geschaffen San Michele 
in der Porta Nuova und Porta Stuppa zu Verona, Michelangelo in der 
Porta Pia zu Rom. Die niederländischen Festungsbaumeister hebten es 
auch, die Toranlagen künstlerisch zu gestalten und kein geringerer als 
Peter Paul Rubens selbst entwarf die Fassade des Scheidetores zu 
Antwerpen. Mehr als Triumphbogen ist die Porte Saint Denis in Paris 
gedacht, die 1671 — 72 der grofse Architekt FranQois Blondel zum 
Andenken an die Siege in Flandern und der Franche-Comtä erbaute. 
Das Königstor zu Stettin, 1718 — 28 errichtet, zeigt die Abhängigkeit von 
dem französischen Vorbilde. Ebensowenig ist das Brandenburger Tor 
in Berlin eigentlich als ein Stadttor im Sinne früherer Jahrhunderte an- 



») Franz Bock. Rheinlands Baudenkm. des MA. 3. Serie (Köln o. J. c. 1870), 
die mittelalterlichen Befestiirungs werke Aachens. 

*) Abgeb. bei Ernst Förster, Denkmäler deutscher Kunst. II. 



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2. Die Strafsen der Städte. 69 

zusehen, es bildet nur den monumentalen Abschlufs der Linden. Dagegen 
ist das von Nobile erbaute Burgtor in Wien tatsächlich als Festungs- 
tor angelegt. 

2. Die Strafsen der Städte. 

Die Zugbrücke überschreitend, gelangen wir durch das Torhaus 
nun in die innere Stadt, und da sind es vor allem die Strafsen, die 
unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, nicht durch ihre VortrefEUch- 
keit, sondern vielmehr durch ihren verwahrlosten Zustand^) bemerkenswert. 

Die so überaus verständige Art, wie die Römer ihre Strafsen 
angelegt, sauber gepflastert, mit Steigen für die Fufsgänger versehen, 
für die gehörige Abwässerung gesorgt, alle diese Errungenschaften alter 
Kultur waren im Mittelalter in Vergessenheit geraten, ja wir können 
behaupten, dafs selbst in unserer Zeit noch nicht allerorten die Voll- 
kommenheit der Stadtanlagen erreicht ist, die die Römer überall als 
unerläfslich ansahen: gute Strafsen, Wasserleitungen, öffentliche Bäder 
u, s. w. In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters scheint man sich 
um die städtischen Strafsen gar nicht gekümmert zu haben; man über- 
hefs sie allen Einwirkungen der Witterung: bei Regen und Tauwetter 
bildeten sie einen bodenlosen Morast, den die Fufsgänger nur auf 
Steckelschuhen, auf künstlich gelegten Steinen überschreiten konnten. 
Aller Unrat wurde auf die Strafse geworfen ; selbst in Paris trieben sich 
die Schweine auf ihr herum. 1131 lief in einer Vorstadt (in der Rue 
du Martroi) ein Schwein dem Pferde des fünfzehnjährigen Sohnes von 
Ludwig dem Dicken, Philipp, in die Beine ; der Prinz wurde abgeworfen 
und starb an den Folgen dieses Sturzes am 13. Oktober. Das trug 
aber keineswegs dazu bei, die Übelstände zu beseitigen. Man war an 
den Schmutz in Paris so sehr gewöhnt; leitete man doch Lutetia von 
lutum ab und übersetzte den lateinischen Namen mit Schmutzstadt. 

Von dem Pestgestank ^) in den Strafsen können wir uns eine Vor- 
stellung machen, wenn wir bei Rigordus lesen, dafs der König Philipp 
August, der doch an die Ausdünstung seiner Residenz gewöhnt sein 
mufste, 1185 ohnmächtig wurde, als er am Fenster seines Palastes stand 
und vorüberfahrende Karren den Strafsenschmutz aufwühlten. Infolge 
dieser Erfahrung befahl der König den Bürgern, die Strafsen der Stadt 
mit harten und festen Steinen zu pflastern. Nur einige wenige Sti;afsen 
wurden so gepflastert und zwar mit grofsen Steinplatten, drei bis vier 
Fufs im Quadrat und mehr als einen Fufs dick; Reste dieses Pflasters 
sind tief unter dem jetzigen Strafsenniveau wiederholt in Paris auf- 
gefunden worden. Aber bald war der Zustand der Strafsen der alte; 
die Pflasterung wurde nicht ausgebessert und besonders die Gewohnheit, 

») Alfred Franklin, la vie priv^e d'autrefois (la Hygiene). Paris 1890. — 
A. Schultz, d. höfische Leben i. Zeit der Minnesinger «I. (Lpz. 1889) S 120 S, — 
A. Schultz, Deutsches Leben im 14. u. 15. Jahrhundert. Prag u. Lpz. 1892. S. 21 ff. 
— Hüllmann, Städtewesen des Mittelalters. Bonn 1825—29. 

*) Vgl. über das Folgende Alfr. Franklin, La Vie priv^e d'autrefois (la Hygiene.) 
Paris 1890. 



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70 n. Die Städte. 

all und jeden Unrat und Kot auf die Strafse zu werfen, blieb ungestört, 
so dafs noch nach mehr als eineinhalb Jahrhunderten die alten Klagen 
über die Unwegsamkeit und Unsauberkeit der Strafsen vollauf berechtigt 
waren. Und doch hatte man schon zur Zeit Ludwigs IX. des Heiligen 
einen Strafsenaufseher (Voyer), der zahlreiche Naturalsteuern von den 
Händlern und Krämern erhob. Die entsetzUchen Verwüstungen, welche 
die Seuche des schwarzen Todes in Paris anrichtete, veranlafsten 1348 
den König Johann U., die Bürger zur Reinigung der Strafsen zu ermahnen ; 
die Schweine, die sich gegen die Verordnung auf der Strafse herum- 
trieben, sollten die Diener vom Chätelet töten dürfen; sie behielten 
für sich den Kopf, das übrige wurde an die Spitäler abgeliefert. Die 
Besitzer sollten die Strafse vor ihren Häusern fegen lassen; es wurde 
ihnen nahegelegt, auch für ihre Pflasterung zu sorgen. In der Ver- 
ordnung vom 30. Januar 1350 wurde alles das noch einmal wiederholt, 
nur gedenkt man der Ausräumer der Senkgruben (vidangeurs oder 
maistres fifi) und nimmt sie gegen jede Beleidigung in Schutz. Wie die 
1356 und 1374 erneuten Bekanntmachungen zeigen, fanden alle diese 
Verordnungen wenig Beachtung. Einzelne Hausbesitzer hatten Karren 
zur Abfuhr des Unrates gemietet, aber man lud den Schmutz auf der 
Place Maubert ab, so diesen Marktplatz völüg verpestet wurde; 138H 
erschien eine neue Bekanntmachung. Es wird über den schlechten 
Zustand des Pflasters sowie über die ekelerregende Unsauberkeit der 
Strafsen geklagt und alle Hausbesitzer, selbst die GeistUchen und die sonst 
Privilegierten, werden aufgefordert, den Schmutz vor ihren Häusern fort- 
zuschaffen und das Pflaster auszubessern. Wieviel diese Edikte genutzt 
haben, zeigt am besten der Umstand, dafs sie 1392, 1393, 1395 wieder- 
holt werden mufsten. Die Kosten der Abfuhr wurden geregelt. 1399 
befahl der König, dafs Bürger, GeistUche, selbst Prinzen von Geblüt 
für Instandhaltung und Reinigung der Strafse vor ihren Häusern zu 
sorgen hatten. 

Das erreichte man nun allenfalls, allein dafür häufte sich auf den 
öffentüchen Plätzen der Schmutz; die Anwohner der Seine warfen ein- 
fach alles in den Fluls und verpesteten ihn so, dafs Karl VI. 1404 
drohte, ihn auf Kosten der Bürger reinigen zu lassen. So wird noch 
wiederholt während des 1 5. Jahrhunderts die Sauberhaltung der Strafsen 
eingeschärft, augenscheinlich ohne Erfolg. Doch hatte man im 15. Jahr- 
hundert begonnen, die Abwässer durch Kanäle in die Seine zu leiten. 

Unter Franz I. wurde 1531 in Anbetracht der verheerenden Peet- 
seuche die Pflasterung und Reinigung der Strafsen, die Abfuhr der Un- 
sauberkeiten geregelt, zugleich den Hausbesitzern bei Strafe befohlen, 
Anstandsorte und Senkgruben in ihren Häusern herstellen ^ zu lassen. 
Noch strengere Geldstrafen, ja körperUche Züchtigung drohte das Edikt 
vom November 1539 an. Es sollte nicht aller Unrat auf die Strafse 
geworfen werden; unsaubere Flüssigkeiten sind in die Kanäle zu tragen 
und ein Eimer reines AVasser nachzuschütten, damit der Unrat um so 
schneller fortgespült wird. Ein Parlamentsedikt vom 4. Juni 1536 verbietet 
ausdrückhch, Unsauberkeiten durchs Fenster auf die Strafse zu schütten. 



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2. Die Strafsen der Städte. 71 

Um 6 Uhr früh und um 3 Uhr nachmittags fuhren die Gemüll- 
wagen durch die Strafsen; jeder Hausbesitzer hatte Sorge zu tragen, 
dafs der Unrat zum Mitnehmen bereit war. Die Polizisten sollten 
täglich sich überzeugen, dafs auf den Strafsen alles in Ordnung war. 

Die grofsen Steinplatten, die man im 12. Jahrhundert angewendet 
hatte, scheinen sich nicht bewährt zu haben, man verwendete erst 
kleinere Steine (50 — 60 cm im Quadrat, 16 — 19 cm dick) und zu Anfang 
des 15. Jahrhimderts Würfel von 6 — 7 Zoll. Ja man kennt eine Art 
von Macadampflaster, das unter dem Namen »Pav^ de la Ligue« 
bekannt ist. 

Der Gestank der ofEenen Kanäle verpestet aber Paris bis ins 
17. Jahrhundert. Ein Fortschritt war es wenigstens, als 1644 die Fuhr- 
leute der Ausräumearbeiten bei Strafe angehalten wurden, im Sommer 
lun 6, im Winter um 7 Uhr früh mit ihren Verrichtungen fertig zu 
sein. Die Pflasterung wurde unter Ludwig XIV. verbessert, und grofse 
Verdienste erwarb sich um die Reinhchkeit der Stadt der bekannte 
Polizeileutnant Nicolas de la Reynie. Allein trotz alledem schüttete 
man aus den Fenstern den auf der Strafse Vorübergehenden allerlei Unrat 
auf den Kopf; da für öffentliche Bedürfnisanstalten nur unzureichend 
gesorgt war, war auf den Strafsen die Unreinlichkeit nicht zu beseitigen, 
selbst der Palast des Louvre war, wie ein Bericht von 1682 beweist, 
voller Unsauberkeit. Ein gut Teil dieser unerträglichen Zustände liegt 
au der auch sonst oft bewiesenen schlechten Gewohnheit der damahgeii 
Gesellschaft. In Spanien war selbst der vom König bewohnte Palast 
nicht vor ekelhaften Verunreinigungen gesichert.^) Die Vermehrung 
öffentlicher Anstandsorte (Garderobes) half wenigstens einigermafsen diesen 
Übelständen ab. 

Im 18. Jahrhundert waren die Strafsen von Paris trotz aller Edikte 
noch immer sehr schmutzig; in der Mitte der Fahrbahn flofs der übel- 
riechende Rinnstein. Wer nicht von seinen Ausdünstungen zu sehr 
belästigt sein wollte, rnufste dicht an den Häusern gehen (le haut du 
pavö); vor den Güssen aus den Fenstern war man da aber erst gar 
nicht sicher. Indessen wurde die Kanalisation und das Pflaster ver- 
bessert; das aus Sandstein würfeln von 7 — 8 Zoll, sollte nach Voltaires 
Aufserung das beste sein. 

Die Dachrinnen hatten bisher das Regen wasser direkt in den Rinn- 
stein geschüttet: gegen Ende des 18. Jahrhunderts verwendet man Abfall- 
rohre: das Regenwasser, das aus ihnen strömt, wäscht, ehe es in den 
Rinnstein fällt, einen Teil des Strafsenpflasters. Erst 1782 w^erden 
Trottoirs nach engüschem Muster angelegt; das Besprengen der Strafsen 
hatte schon um 1761 Pierre Outrequin eingeführt; gegen Anfang des 
19. Jahrhunderts werden öfEenthche Water-Closets übUch. 

Ich habe an der Hand der trefflichen Schilderung von Alfred 
Franklin die Pariser Strafsen ausführlicher besprochen, weil Paris eine 
Grofsstadt ist, im 13. Jalirhundert schon 120000, im 14. Jahrhundert 

>) K. Jasti, Biego Velasquez. Bonn 1888. — H. 219. 



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72 n. Die Städte. 

150000, zu Beginn des 17. Jahrhunderts 200000, Anfang des 18. Jahr- 
hunderts eine halbe MilUon Einwohner hatte. Von Paris, der angestaunten 
Weltstadt, wird man einen Schlufs auf die Strafsen in den französischen 
Provinzialstädten machen können. Aber auch die Übelstände, die in 
anderen Ländern hinsichtlich der Strafsenpoüzei sich bemerkUch machten, 
mufs man dann gerechter und bilüger beurteilen. 

In Mantua hatte man 1229 mit der Pflasterung begonnen ; 1242 
wurde der Marktplatz von Verona gepflastert. 

D e u ts ch land ^) war ziemHch zurückgeblieben : eine der Städte, deren 
Strafsen am frühesten gepflastert wurden, ist Prag (1331). In Nürnberg 
entschlofs man sich erst 1368 dazu; verlier war bei Regenwetter auf 
seinen Strafsen ein unergründlicher Morast.^) Jedoch man mufs nicht 
glauben, dafs viele Strafsen und Plätze der Pflasterung teilhaftig wurden : 
solche Verbesserungen liefs man zunächst nur den Hauptstrafsen, durch 
die die Stadt passierenden Wagenzüge gingen, angedeihen. Bern (1399), 
Begensburg (1400), Augsburg (1416) folgten dem Beispiele Nürnbergs; 
in Breslau pflasterte man 1406 auf der Sandinsel. Die kleinen Städte 
entschlossen sich endüch auch dazu; in Landshut begann man 1494. 
Indessen in Tuttlingen war es so schmutzig, dafs man dem Kaiser 
Friedrich von einem Besuche abriet, und in Reutlingen ist er 1485 am 
28. August beinahe samt seinem Pferde im Strafsenkot versunken. In 
Breslau war bis 1534 der Neumarkt ungepflastert. ^) 1559 wird das Pflaster 
in Dresden auf das gleiche Niveau gebracht; die Bauern, die Holz vom 
Amte erhalten, müssen umsonst Steine in die Stadt mitbringen.'*) 1561 
wird der Platz vor dem Rathaus zu Köln neu gepflastert: man hatte 
sich den Meister Adrian aus Antwerpen kommen lassen.^) 

Im Gegensatz zu Paris waren die deutschen Städte gewöhnlich mit 
Feldsteinen gepflastert. 

Auch in Deutschland waren die Strafsen sehr unsauber. Schweine 
liefen auf ihnen herum — es war selbst in Nürnberg den Beckem und 
Pfragnern gestattet, 10 Stück zu halten, in Frankfurt a. M. den Beckem 
(14. Jahrh.) 2 — 6 : (1365 den Beckern im Rate 8, den anderen nur 4). 
Ja die Schweinekoben hatte man nach der Strafse hin untergebracht, 
und dieser Umstand trug sicher nicht dazu bei, die Luft in der Stadt 
zu verbessern. In Breslau wurde erst 1495 befohlen, diese Schweine- 
ställe an den Strafsen und am Ringe zu beseitigen, verboten, die Tiere 
bei Strafe frei auf der Gasse herumlaufen zu lassen, doch mufste das 
Gesetz noch 1515 aufs neue eingeschärft werden und bei dieser Gelegen- 
heit wurde die Konfiskation der an hohen Festtagen, z. B. am Fron- 
leichnamsfeste, auf der Strafse betroffenen Schweine angedroht. Die 
Einwohner waren gewöhnt, allen Unrat des Hauses auf die Gasse zu 



») Höf. Leben «U, 120 ff.; Deutsches Leben im 14. und 15. Jahrhundert S. 21 ff. 
— J. Beckmann Beyträge z. Geschichte der Erfindungen. Lpz. 1788. U. 335 ff. 
•) Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit 1875. Sp. 209 ff. 
») Nie. Pol, Hemerolog. Jul. 2*2. 
*) Wenck, 483. 
*) Buch Weinsberg H, 113. 



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2. Die StrafHen der Städte. 73 

werfen. In gemssem Sinne waren da die Schweine immerhin nicht 
ohne Nutzen. In Krakau hat man schon im 14. und 15. Jahrhundert 
Verordnimgen über die Bereinigung der Strafsen erlassen, in dem Mühl- 
dorfer Stadtrechte aber mid ausdrücklich bestimmt, dafs ohne Erlaubnis 
der Bürger und des Richters der Mist nur 14 Tage lang auf dem 
Markte hegen bleiben darf. Als eine vortreffliche Einrichtung wird es 
in einem 1490 abgefafsten Lobgedicht auf Nürnberg gepriesen, dafs da 
tägUch ein Knecht die toten Säue, Hunde, Katzen, Hühner und Ratzen 
auf der Strafse sammelt und vor das Tor der Stadt hinausträgt. 

In Berlin sah es noch im 17. Jahrhundert schlimm aus. Als 1624 
der Kurfürst die Reinigung der Strafsen befahl, antwortete der Rat, 
das gehe nicht an, weil die Bürger mit Feldarbeit beschäftigt wären. 
1650 erging ein neuer Befehl, die grofsen Kehrichthaufen an der Peters- 
kirche fortzuschaffen; seit 1671 mufste jeder Bauer, der nach Berlin 
zum Markte kam, eine Fuhre Unrat wieder mit hinausschaffen. Bis 
1641 hatten die Bürger ihre Schweineställe unter den Fenstern an der 
Strafse; der Schmutzerei wurde erst ein Ende gemacht als 1681 der 
grofse Kurfürst den Bürgern das Mästen der Schweine verbot.^) 

In den seit dem 13. Jahrhundert in Schlesien, Böhmen, Preufsen 
neu angelegten Städten hat man die Strafsen nach einem gewissen 
System immer schnurgerade abgesteckt, grofse Marktplätze in regelmäfsigen 
Quadraten vorgesehen. Seit dem 14. Jahrhundert bei der Erweiterung 
der Städte ist man jedoch zum Teil von diesen Grundsätzen abgewichen : 
die Verlängerungen der alten geraden . Strafsen verlaufen krumm je 
nach Bedürfnis. In den alten Städten wie Köln, Hildesheim, Prag hat 
man auf eine regelmäfsige Führung der Strafsen überhaupt verzichtet. 
Des Nachts wurden sie mit Ketten versperrt : es brauchte in der Finsternis 
niemand in der Stadt fahren, zumal da ja die Stadttore seit der Dunkel- 
heit längst geschlossen waren. 

Für die Sicherheit sorgte der Nachtwächter, der wie in Chemnitz 
1488 im Sotomer von 10 Uhr abends bis 3 Uhr früh, im Winter von 
1 — 5 Uhr seines Amtes waltete, an den Kreuzwegen alle Stunden aus- 
rief und zur Bewahrung des Feuers aufforderte. 2) Die Hunde mufsten 
nach der Nürnberger Verordnung von 1430 eingesperrt werden, damit 
sie nicht auf der Gasse sich herumtreibend die Nachtruhe der friedlichen 
Bürger störten, die ohnedies durch das Lärmen der Nachtschwärmer, 
die Serenaden verüebter Jünglinge oft genug bedroht wurde. 

Die Strafsen waren des Nachts absolut finster, wenn nicht der 
Mond die Beleuchtung übernahm. Wer bei einbrechender Dunkelheit 
durch die Gassen gehen mufste, liefs sich mit Fackeln oder Wind- 
lichtem vorleuchten oder trug sich selbst eine Laterne. 1662 erhielt 
in Paris ein Abbate Laudati das PriAdleg, Fackeln imd Laternen 
gegen Entgelt zu vermieten.^) Eine Strafsenbeleuchtung ist in Paris 
erst 1667 angeordnet worden, da die früheren Befehle von 1524, 1553, 

«) Beckmann, Beitr. z. Gesch. d. Erf. II, 360, Leipz. 1788. 

•) Vgl. Beckmann, Beitr. z. Gesch. d. Erf. IV. 128 ff. 

*) Beckmann, Beitr. z Gesch. d. Erf., Leipzig 1786, I, 72. 



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74 n. Die Städte. 

1558 ohne Erfolg waren ^); man erhellte ein wenig die Gassen durch 
Laternen, in denen Talglichter brannten. Erst um die Mitte des 18. Jahr- 
hunderts wurde Paris ca. 1766 mit Reverbfere-Laternen beleuchtet (ebend. 
I, 75; II, 526); sie hingen an quer gespannten Ketten mitten in der 
Strafse, strahlten ihr Licht wohl in die Ferne; aber gerade unmittelbar 
unter der Laterne war es um so dunkeler. Nur wenn hoher Besuch in 
der Stadt verweilte, hat man Laternen schon im Mittelalter vor deu 
Häusern ausgehängt. Auf städtische Kosten wurden bei Bränden an den 
Eckhäusern Laternen oder in eisernen Brandkörben Kienspäne zur Be- 
leuchtung angezündet. In London sind Verordnungen über die Be- 
leuchtung schon von 1414 vorhanden, doch scheint erst 1668 dieselbt* 
geordnet zu sein; jeder Hauswirt hatte zwischen 6 Uhr abends und 
11 Uhr eine Laterne auszuhängen. Erst 1736 und 1739 wurde die Be- 
leuchtung durchgeführt. In Amsterdam gibt es 1669 öffentliche Strafsen- 
laternen, in Hamburg 1675, in Berlin seit 1679, in Wien seit 1687 
(seit 1776 Kugellampen), in Hannover 1696, in Leipzig 1702, in 
Dresden 1705 (Neustadt 1728), in Frankfurt a. M. 1707, in Cassel 
1721, Halle 1728, Braunschweig 1765.^) 

Wenn es in den Hauptstädten Deutschlands so schlimm mit der 
Sauberkeit der Strafsen bestellt war, so ist es leicht, sich eine Vor 
Stellung von den Verhältnissen einer kleinen Stadt zu machen. 1610 
veröffentlicht Hippolyt Guarinonius seine berühmten »Grewel der 
Verwüstung«. Er hat wohl seinen Wohnort, Hall in Tirol, im Auge, 
wenn er (S. 503) von den xSecrethäusern gegen die Gassen oder nechst hinder 
der Hausthiern« erzählt, mitteilt, wie aller Unrat in den Rinnstein oder 
aus den Fenstern auf die Gasse geschüttet wird, wie grofs und klein 
auf offener Strafse sich erleichtern, wie die Düngerhaufen bei den 
Bürgern, die Vieh halten, bis zum Frühling vor den Häusern oder auf 
dem Marktplatze liegen bleiben (S. 504 — 515).^) 



>) Ebend. I, 72 ff. 

*) Beckmann a. a. 0. I, 80 ff. Als Beckmann den Aufsatss schrieb (1780) ent- 
behrte Rom noch jegUcher Beleuchtung. 

») Vgl. Le Moyen de parvenir. s. 1. e. a. 16* p. 134. Es pays d'Alsassie en an 
endroit assez beau, si vous n'y avez este, cela ne vous servira ä rien de le vous decrire, 
pource que vous n'y cognoistrez rien, et si vous y avez estö c'est assez, cele ^oum 
emportuneroit de le rapporter, sinon allez-y : La les dames sont assez libres, mala wkget* 
et pour le bien faire paroistre, elles ne pissent, qu'une fois la semaine et c'est au 
Vendredy qu'elles s'assemblent au matin toutes par bandes ce qu'il fait estrangement 
moult bien voir, et selon leur dignit^z s'en vont en pisserie, conmie on va k la foire, 
dequoy elles n'ont plus de honte que les fenmies de bien, qui monstrent l'appanage 
de leur fessier aux eaux de Pougues. Que c'est que de coustumes des pays, on ne 
le trouveroit pas bon icy, et la il est delectable ; Ainsi qu'^s villes de Normandie oü 
plusiers en leur pochette gauche portent un mouchoir pour le cul ainsi qu'en la droite 
un pour le nez. Estans arriv^es ces femmes au Heu de la pisserie ou pissoti^re eilet« 
se disposent commes des montagnes d'Angleterre, chacune oü eile est y gardant dig 
nitez, prerogatives et honneur .... en cette commodit^ abondamment, joyeasement et 
ä la copieuse et benigne descharge des reins elles vuident leurs vessies et pissent tant 
que cette riviere en est faitte et continuäe .... Que s'il y a des femmes qui ne savent 
pas bien pisser, on les envoye ä Genäve d'autant que la il y a plusieurs heiles escoles 
oü on apprend ä pisser et chier en public et en compagnie. 



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3. Wasserleitungen, öffentliche Brunnen. 75 

In Nürnberg hatte man allerdings schon im 15. Jahrhundert 
7 öffentliche Bedürfnisanstalten, die alle Jahre einmal um Martini 
geräumt wurden. Die »Nachtmeister« (Guarinonius nennt sie »Nacht- 
kunig oder Nachtstüerling«) sind verpflichtet, den Dung in die Pegnitz 
zu werfen. Noch vor Menschengedenken waren die Aborte der an der 
Pegnitz gelegenen Häuser ohne Senkgruben, einfach auf den Flufs 
angewiesen, und dasselbe fand z. B. auch in Breslau statt, wo die Ohle 
die Stelle der Pegnitz zu vertreten hatte. In Breslau hatte man aber 
schon im Jahre 1476 einen Bader um 10 Mark gestraft, der Unrat in 
die Ohle und Mist in die Oder geschüttet haben sollte.^) 

In Berlin wurde der neue Markt erst 1679, die Königsstrafse 1684 
gepflastert, die Stechbahn war noch 1679 ungepflastert. 2) 

In Frankreich und Deutschland beginnt mit dem 16. Jahrhundert 
wenigstens für die gröfseren Städte eine Besserung der unerträgUcheii 
Übelstände, die während des Mittelalters allerorten anzutreffen waren, 
im Norden dagegen hat man erst im 16. Jahrhundert alles das zu 
durchleben, was in anderen Ländern schon mehr öder weniger über- 
wunden war. Wir besitzen ein treffhches Werk von Troels Lund^), 
dem wir folgende Notizen entnehmen. Die Pflasterung wurde in Dänemark 
und Norwegen erst im 16. Jahrhundert und zwar von Holland aus ein- 
geführt, und die Strafsen zeichneten sich gleichfalls durch Schmutz und 
Unsauberkeit aller Art aus; die Plage der auf den Strafsen sich herum- 
treibenden Schweine und der herrenlosen Hunde war wie in den Städten 
Deutschlands nur schwer zu beseitigen; auch die nach der Strafse zu 
gelegenen Klosets und deren Reinigung gab zu vielen Übelständen Ver- 
anlassung. 

Die Numerierung der Häuser ist erst im 18. Jahrhundert angeregt 
worden*); früher begnügt man sich, die Strafse zu nennen, die Nach- 
barn oder die Gegenüber zu bezeichnen. Viele Häuser, zumal seit dem 
15. Jahrhundert, tragen auch einen Namen und dann ist das ent- 
sprechende Bildwerk recht sichtbar an dem Hause angebracht. 

3. Wasserleitungen, öffentliche Brunnen. 

Dafs bei der in den Strafsen und wohl nicht minder in den 
Häusern herrschenden Unreinlichkeit, auch infolge der von den in der 
Stadt gelegenen Begräbnisplätzen ausgehenden Infektion das Trinkwasser 
schlecht und ungesund wurde, liegt auf der Hand. Noch im 18. Jahr- 
hundert wird in Paris über das ungeniefsbare Wasser geklagt.^) Um 
diesen Übelständen abzuhelfen, hatten einige Städte — Prag zwar selbst im 
Jahre 1903 nicht — Wasserleitungen angelegt, um reines trinkbares 

») S. B. Klose, Breslau in Script. Rer. Siles. III, 69, Bresl. 1847. 

*) Beckmann a. a. 0. II, 351. 

') Das tägliche Leben in Skandinavien während des 16. Jahrhunderts, Kopen- 
hagen 1882. 

*) Vgl. Alfred Franklin. La vie privee d'autrefois. Vari^t^s Parisiennes (Paris 
1901), Kap. I-VL) 

*) Franklin a. a. O. 171. 



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76 n. Die Städte. 

Wasser von aufsen den Bürgern zuzuführen. .Italien war mit dem guten 
Beispiele vorangegangen: Mailand beginnt den Bau der Leitung 1179, 
Siena 1193, dann folgt Cremona 1233, Como 1257, Modena 1259, 
Parma 1233 und 1285, später Bologna und Verona. Auch in London 
versuchte man es 1236, und in Paris traf man gleiche, wenn auch lange 
nicht ausreichende Vorkehrungen. Die Wasserleitung hatte aber nicht 
allein den Zweck, Trinkwasser zu liefern, sondern sie sollte auch zur 
Spülung der Kanäle benutzt werden. Zu diesem Zwecke leitete man 
1292 in Colmar ein nahegelegenes Flüfschen durch die Stadt.*) In Zittau 
wird die Wasserleitung 1374 erbaut, in Nürnberg mufs sie schon 1362 vor- 
handen gewesen sein, da in diesem Jahre mit der Errichtung des schönen 
Brunnens begonnen wurde. Die W^asserversorgung von Bern ist gleichfalls 
alt, bereits 1393 ins Werk gesetzt. Sieben Rohrbrunnen hat man 1416 in 
Augsburg dem Gebrauche übergeben. Wurde nun mittels eines Hebe- 
werkes das Gefäll des Wassers so verstärkt, dafs es in die Häuser 
geleitet werden konnte, dann war es auch mögUch, Springbrunnen und 
beständig sprudelnde Rölirbrunnen anzulegen. Wenn man allerdings 
das oft arg verunreinigte Flufswasser zu diesem Zwecke verwendete, 
dann war wenig gewonnen. So wollte der berühmte Ingenieur Salomon 
de Caüx 1621 die Stadt Paris durch Zuleitung von Seinewasser reinigen 
und zugleich öfEentliche Brunnen an schickUchen Plätzen mit diesem 
Wasser versehen. 

In Breslau gab es bereits 1479 eine Wasserkunst, durch die das 
Oderwasser in die Stadt geleitet wurde. 1514 waren so fast alle Strafsen 
mit fliefsendem Wasser versorgt. Diese Wasserhebewerke werden im 
16. und 17. Jahrhundert noch vergröfsert.^) Dresden erhielt erst 1542 
Hochquellwasser; in diesem Jahre wurde das »Hochplauische Wasser« 
durch den kurf. sächsischen Oberzeug- und Braumeister Kaspar Wierand 
in die Stadt geleitet.') 

Einer der ältesten monumentalen Springbrunnen ist, wie es scheint, 
in der Ruine des Klosters Heisterbach noch erhalten; er mag aus 
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts herrühren. Noch älter sind 
die interessanten Brunnenöftnungen der venezianischen Zisternen. In 
Siena ist die Fontebranda bereits 1248 von Giovanni di Stefano 
künstlerisch gestaltet worden; die Fönte Gaja ist 1402 — 19 durch den 
grofsen Bildhauer Jacopo della Quercia erbaut worden. Die Wasser- 
leitung von Perugia hatte 1254 Plenerio begonnen, und der Brunnen 
Fönte Maggiore war von Niccolö Pisano und seinem Sohne Giovanni 
wie diwch andere Bildhauer zu einem hervorragenden Kunstwerke 
gestaltet worden. Erst im 16. Jahrhundert werden dann wieder grofse 
schmuckreiche Brunnen errichtet wie die Fontana Pretoria zu Palermo 
(1550), die Fontana del Duomo zu Messina, welche Giovanni Angelo 
Montorsoli 1547 — 51 arbeitete, der Oceanusbrunnen im Giardino Boboli 
zu Florenz von Giovanni da Bologna und desselben Meisters Neptuns- 

>) Vgl. Hüllmann, Städtewesen IV, 39 fF. 
") Nie. Pol, Hemerologium, Ang. 10 u. s. w. 
^) Wenck, Dresden, S. 19. 



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3. Wasserleitungen, öffentliche Brunnen. 



7T 



brunnen zu Bologna (1563), die Fontana delle Tartarughe des Taddeo 
Landini zu Rom (1585). Ein Meisterwerk vornehmer Brunnenfassung 
ist die Fontana Trevi zu Rom von Nicola Salvi (1735 — 62) ausgeführt. 

Frankreich hat aus äl- 
terer Zeit viel weniger Monu- 
mentalbrunnen aufzuweisen. 
Der gegenüber dem Hospital 
zu Provins erbaute gehört 
wohl noch dem 12. Jahrhun- 
dert an^), aber aus den letz- 
ten Jahrhunderten des Mittel- 
alters sind nur unbedeutende 
Überreste, wenn wir VioUet- 
le - Duc Glauben beimessen 
dürfen, erhalten. Berühmt 
ist die Fontaine des Inno- 
cents zu Paris, 1551 von 
dem berühmten Baumeister 
Pierre Lescot errichtet und 
von Jean Goujon mit ausge- 
zeichneten Skulpturen ge- 
schmückt. 

Zahlreiche künstlerisch 
geschmückte Bruimen sind in 
Deutschland erhalten. Der 
bekannte schöne Brunnen in 
Nürnberg gehört noch dem 
14. Jahrhundert an. Von 
dem Originalwerke sind nur 
Trümmer noch vorhanden; 
was heute auf dem Markt- 
platze zu sehen ist, wurde 
in den ersten Jahrzehnten 
des 19. Jahrhunderts erneu- 
ert. Dagegen ist der kleine, 
aus Blei gegossene Brunnen 
vor dem Rathause zu Braun - 
schweig alt. Das zierliche 
Kunstwerk ist, wie eine In- 
schrift besagt, 1408 gefertigt 
worden. Den italienischen 

Brunnen von Siena und Perugia ähnelt der von Kuttenberg in 
Böhmen 1495 erbaute. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ist der Zieh- 
brunnen im Dome zu Regensburg, 1511 der Springbrunnen im Chore 
des Freiburger Münsters, 1463 oder 1470 der Monumentalbrunnen 




Briiiiuei) iu IreiburK i. Br. 



») Viollet-le-Duc, Dict. de l'Arch. V, 529. 



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78 



n. Die Städte. 



ZU Rottenburg vollendet worden. Der von Georg Syrlin in Ulm 1482 
erbaute Fischkasten, der inschriftlich 1481 angelegte Brunnen in Luzern 
gehören zu den wenigen Denkmälern des 15. Jahrhunderts, deren Her- 
stellungszeit präzis zu bestimmen ist; die Entstehungszeit der gotischen 
Brunnenbauten in Freiburg i. Br., in Urach u. a. a. O. war bisher 

nicht zu ermitteln. 1508 
wurde auf dem Wein- 
markte in Luzern, 
1509zu Schwäbisch- 
H a 1 1 ein Brunnen noch 
im spätgotischen Stile 
errichtet , aber früh 
findet der italienische 
Renaissancestil gerade 
bei dieser Art von Denk- 
mälern Anwendung. 
Wilhelm Rem meldet 
in seiner Augsburger 
Chronik, dafs 1512 sbei 
sant Martin ain rotter 
marmelstainer rörka- 
sten gemacht wurde : 
es was darvor ain hult- 
ziner gewest« und dafs 
man gleiche Brunnen 

1514 bei S. Lienhart, 

1515 bei dem Weber- 
haus, bei S. Ulrich 
und bei »unser frauen 
Brüdern <i: erbaute. Si- 
cher ist der 1526 unter 
dem Kardinal Albrecht 
von Brandenburg in 
Mainz ausgefülirte Ju- 
denbrunnen schon im 
Renaissancestil gehal- 
ten. Reizend zumal 
sind die zahlreichen 
Säulenbrunnen in der 
Schweiz; auf den Säu- 
len steht irgend eine Figur z. B. in Basel und Bern ein Dudelsack- 
bläser ; das den Säulenschaft umgebende Friesband zeigt im Relief einen 
Bauern tanz auf einem Kinderreigen dargestellt. Auf einer der Berner 
Brunnensäulen sitzt ein Bär, dem ein Helm aufgestülpt ist, auf einer 
anderen steht der bekannte Kindüfresser. Ähnlich scheint der Markt- 
brunnen von Bietigheim in Schwaben komponiert (1549); auf der Säule 
steht die Statue des Herzogs Ulrich von Württemberg. Das gleiche 




Tugendbrunnen zu Nürnberg, von Benedikt Wurzelbauer. 



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3. Wasserleitungen, öffentliche Brunnen. 



79 



Standbild bekrönt den Marktbrunnen von Sindol- 
fingen, der 1544 erbaut, 1583 erneuert wurde, 
während der Marktbrunnen zu Leonberg (1566) 
imt der des Herzogs Christoph geschmückt ist. 
In Weil der Stadt zeigt der Marktbrunnen von 
1537 das Standbild des Kaisers Karl V. Ich glaube, 
dafs es sich empfehlen würde, bei modernen Brunnen- 
anlagen auf diese hübschen Ideen zurückzugreifen. 

Andere Brunnen, die weder durch ihre Archi- 
tektur noch durch die zierenden Bildwerke sich 
auszeichnen, erhalten im 16. Jahrhundert vielfach 
oine künstlerische Bedeutung durch ihre oft den 
ganzen Brunnen wie eine Laube überdeckenden 
künstüch geschmiedeten Gitter. Eins der schönsten 
ist noch heute auf dem kleinen altstädter Ring in 
Prag zu sehen. 

Grofs ist der Kunstwert aller dieser hübschen 
Denkmäler kaum anzuschlagen, und sicher hat der 
im übrigen arg überschätzte Brunnen zu Nürnberg, 
den der Erzgiefser Pankraz LabenwolfE mit dem 
Gänsemännchen zierte, ungleich mehr zu bedeuten. 
Auch der kleine Brunnen im Nürnberger Rathause, 
von demselben Meister herrührend (1557), kann als 
♦•in wohlgelungenes Kunstwerk angesehen werden. 
Dagegen stehen wir dem vielgerühmten Tugend- 
l)runnen, an der Lorenzer-ICirche zu Nürnberg, den 
Benedikt Wurzelbauer 1589 vollendete, mit geteilten 
Empfindungen gegenüber. Das Ganze ist hübsch, 
die Einzelfiguren aber zeigen arge Maniriertheit. 
An ein ähnüches Kunstwerk denkt Fischart, wenn 
tT in der Geschichtskhtterung (449) erzählt: »ein 
herrlicher Pronnen von Albaster: Und daraufE die 
drey Gracia oder Gnadgöttin mit dem Cornucopi- 
.schen Cereshömern des Überflusses eins guten Jars. 
Und gaben Wasser aus Brüsten, mund, oren, äugen, 
und andern öfnungen des Leibs«. Über einen 
Springbrunnen, den Georg Laben wolf für den König 
von Dänemark gegossen hatte, schreibt Magdalena^ 
Behem am 25. Dezember 1582 an ihren Bräutigam 
Bartholomäus Paumgärtner ^) : »Da hat mon im 
graben bey dem fichsbag ein gewaltig werck eines 
springenden prunens auf gericht von lautter mes- 
.sing mit vil reren und springen. Das haben wir 
gesehen, wierst an zweifei wol darvon gehert haben, 
weil es hie gemacht ist worn und dem Kinchg von Denemark sol gehern.« 
Von grofsartiger Schönheit jedoch sind die drei Monumentalbrunnen von 

>) Briefwechsel 8. 15. 



lrt*»'J 



! 



Brunnen zu Basel. 



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80 



U. Dio Städto. 



Augsburg: der etwas überladene Augustusbrunnen von Hubert Ger- 
hard (1590), der viel trefflichere Herkulesbrunnen von Adrian de Vries 




Adrian de Vries, Herkulesbrunnen zu Augsburg. 



(1596) und der Merkursbrunnen (1599) desselben Meisters. Diese drei 
Denkmäler sind wohl das Schönste, was Deutschland auf diesem Grebiete 
aufzuweisen hat. Seit dieser Zeit bis auf die jüngste Periode ist kaum 



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4. Öffentliche Denkm&ler. gl 

ein nennenswerter .städtischer Brunnen in Deutschland erbaut worden. 
Die Augsburger Brunnen wurden durch ein Hebewerk gespeist, welches 
in dem Wasserturme sich befand. Paul Hentzner besuchte im Mai 
1600 Augsbiu-g und bewunderte den Augustusbrunnen.^) Er fügt 
hinzu: Videtur quoque machina tnisatilis, ubi per tubos plumbeos aqua 
in altum truditur et in quoddam receptaculum recipitur, ex quo denique 
aqua per totam lu-bem perducitur, vulgo der Wasserthurn appellatur.« 
In diesem Turme gab es mancherlei scherzhafte Wasserkünste zu sehen. 
Ich habe ihn noch 1854 besucht; heute ist er längst beseitigt worden. 
Unter den Monumentalbrunnen des 18. Jahrhunderts ist das aus- 
gezeichnete Werk hervorzuheben, das der niederländische Bildhauer 
Gabriel de Grupello (geb. zu Geersberge 1644, gest. 1730) im Auf- 
trage des Kurfürsten Johann Wilhelm für Düsseldorf ausführte und 
das 1741 nach Mannheim gebracht worden ist. Dann die grofsartig 
angelegte Pferdeschwemme in Salzburg, unter dem Erzbischof Leopold 
Anton Grafen von Firmian (1727 — 1744) erbaut. 

4. Öffentliche Denkmäler. 

Denkmäler verdienter und gefeierter Fürsten waren in den 
Städten noch überaus selten anzutreffen. Eines der ältesten Monumente 
dieser Art treffen wir in Magdeburg an: das Denkmal des Kaisers Otto 
des Grofsen und seiner Gemahlin Editha, eine Arbeit aus der ersten 
Hälfte des 13. Jahrhunderts.^) Viele hundert Jahre später (nach 1552) 
wurde in Dresden vor dem Pimaischen Tore ein Denkmal errichtet: 
Kurfürst Moritz überreicht seinem Bruder August das Kurschwert. Es 
mufste schon 1591 erneuert werden.*) 

Italien hatte allerdings schon im 15. Jahrhundert zwei Bronze- 
Reiterstatuen bedeutender Heerführer aufzuweisen, die des Gattamelata 
von Donatello zu Padua (1443) imd zu Venedig die des CoUeoni, welche 
Aadrea Verrocchio (bis 1480) ausführte. Jedoch erst seit Ende des 
16. Jahrhunderts werden die Reiterstatuen häufiger. Der Hauptmeister 
ißt Giovanni da Bologna. Sein Schüler Pietro Tacca ist der Schöpfer 
der in Madrid aufgestellten Statuen PhiUppi IH. und IV. von Spanien. 
In Frankreich modelliert Dupr^ das Standbild Heinrichs IV. Mehrere 
solche Denkmäler werden den Königen Ludwig XIV. und Ludwig XV. 
gewidmet. Von Frankreich verbreitet sich die Sitte bis nach Schottland 
und Dänemark. In Deutschland entsteht das treffliche Reiterstandbild 
des Grofsen Kurfürsten zu Berlin (1703), des Kurfürsten von der Pfalz, 
Johann Wilhelm zu Düsseldorf (1703 — 10), von dem Niederländer 
Grabriel de Grupello modelliert, das in Kupfer getriebene Denkmal 
Augusts des Starken in Dresden, von Wiedemann (1735 — 36). Seit 
jener Zeit hat die Zahl der Fürsten und hervorragenden PersönUchkeiten 
gewidmeten Monxunente stetig zugenommen. 

') Itinerariam Germaniae, Galliae . . . Norimbergae 1629, S. 587 ff. 
^ F. V. Quast, Die Statue Kaiser Ottos des Grofsen in Magdeburg. — F. v. Quast 
nnd H. Otte, Ztscbr. f. christl. Archäologie und Kunst I, 108. — Lpz. 1856. 
•) Wenck, 82 ff. 
Schul ts, Das h&usUche Leben im Mittelalter. 6 



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82 il. i>ie Städte. 

5. Verschiedene öffentliche Bauten. 

Sicher war der Anblick und der Zustand der städtischen Strafsen 
bis tief ins 18. Jahrhundert hinein kein besonders erfreuUcher; malerisch 
mochten sie vielleicht aussehen, gesund waren sie sicher nicht. Trotz- 
dem hat man kein Bedenken getragen, mitten in dieser beklagenswerten 
Unordnimg die schönsten und grofsartigsten Bauwerke zu errichten. 

Über die Kirchenbauten, die Klosteranlagen des Mittelalters und der 
P^'olgezeit ist schon zahllose Male geschrieben worden ; in jeder Geschichte 
der Architektur sind die stiüstischen Eigenheiten erörtert. Hier möchte 
ich nur darauf hinweisen, dafs die freien Plätze um die Kirchen als Be- 
gräbnisstätten (Kirchhöfe) benutzt werden. Die schädliche Einwirkung der 
Kirchhöfe erkannte Guarinonius sehr wohl; er tritt entschieden (1610) dafür 
ein, sie aus den Städten hinauszuverlegen. Und zwar sollen die »Freythöff 
und Gottsäcker« unter dem Winde nach Mitternacht gelegen sein. Die 
Särge aus festem Holze sind tief einzugraben. Die Beisetzung in den 
Kirchen erklärt er für ganz unzulässig. (S. 513.). Im frühen Mittelalter 
hatte man die Klosterkirchen mit besonderer Pracht errichtet, dann 
waren im Laufe des 11. bis 13. Jahrhunderts die grofsen Kathedralen 
entstanden, die die besten Leistungen der mittelalterlichen Architektur 
darstellen; im späteren Mittelalter hatten die Städte ihren Stolz darein 
gesetzt, grofsartige Pfarrkirchen zu erbauen, wie das Ulmer Münster 
oder die Stephanskirche zu Wien, endlich war im 15. Jahrhundert die 
Mode entstanden, möglichst hohe Kirchtürme zu besitzen; dieser Mode 
verdankt beispielsweise der unmäfsig hohe Turm des Strafsburger Münsters 
seine Entstehung. Alte Synagogen sind nur selten noch zu finden. 
Eine der interessantesten ist die zu Worms, die wohl zu Anfang des 
13. Jahrhunderts erbaut worden ist. Die Altneuschule in Prag dürfte 
nicht vor dem 14. Jahrhundert errichtet sein. In Frankreich ist nach 
VioUet-le-Duc nicht eines dieser Denkmäler der Zerstörung entgangen. 

Ein viel gröfseres Interesse haben für unseren Zweck 

A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt. 

Unter diesen Bauten ist keiner wichtiger als 

a) Das Bathaas. 

Sobald eine Stadt so viele Freiheiten sich erworben hatte, dafs 
sie die Verwaltung ihrer Angelegenheiten selbst überwachte, war ein 
Gebäude erforderlich, in dem die gewählten SchöfEen und Ratsherren 
sich versammeln, die richterlichen und administrativen Obliegenheiten 
erfüllen, die Steuern von den Bürgern erheben und deren Verwendung 
im Interesse der ganzen Stadt veranlassen konnten. Bis ins 12. Jahr- 
hundert sind solche städtische Paläste zu verfolgen. So lange die Ver- 
waltung noch einfach war, genügten kleine Gebäude, je komplizierter 
jedoch die dem Rate anvertrauten Geschäfte sich gestalteten, desto mehr 
Räumhchkeiten waren erforderlich, desto gröfser wurden infolgedessen 
auch die Rathäuser. Dies macht sich besonders seit der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrhunderts sehr bemerkhch : grofse Erweiterungsbauten wie in 



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A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt, a) Das Rathauß. 



83 



Nürnberg, Neubauten wie in Augsburg werden erforderlich. Noch bis 
gegen Ende des 15. Jahrhunderts hatte die städtische Verwaltung sich 
mit wenigen Bureaux begnügt; die grofsen Säle hatten für öffentliche 




Hof im JustizpalnRt zn Ronen. 

Zwecke, zu Tänzen und Festen für die Gemeinde od(»r für die Ange- 
hörigen der regierenden Familien Verwendung gefunden ; während der 
Märkte hatte man in den Fluren Waren feilgehalten. Mit einem Worte : 
das Rathaus war in der Tat ein Haus, das der ganzen Bürgerschaft an- 
gehörte. Der Turm (den sie in Frankreich und den Niederlanden beffroi 
(belfried) nennen, dient als Warte für die gesamte Stadt. 

6* 



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841 U. Die Städte. 

Auf den Türmen der Rathäuser (zuweilen auch der Kircheril. 
waren Uhren^) aufgestellt, den Bürgern die Tageszeit 2u weisen. Konnte 
man kein künstlerisches Uhrwerk erschwingen, dann behalf man sich mit 
einer Sonnenuhr^), die nur leider gar oft ihren Dienst versagte. Schlag 
uhren soll es schon im 13. Jahrhundert gegeben haben. Das Ziffer- 
blatt zeigte ursprünghch 24 Stunden; erst 1624 hatte man auf dem 
Turme des Rathauses zu Breslau den »halben Seiger« aufgestellt. In 
Spanien hat es noch im 16. Jahrhundert an Uhren gefehlt'). Häufig 
waren auch Glockenspiele vorhanden; das erste soll 1487 zu Aekt 
in Flandern gefertigt worden sein. Dem 16. Jahrhundert gehören schon 
die Kunstuhren an, die, wie am Rathaus zu Prag, die Apostel bei jeder 
Stunde vormarschieren, einen Hahn krähen lassen u. s. w. Das Uhrwerk 
am Zeitglockenturm zu Bern sei besonders hervorgehoben. Derselben 
Zeit, 1573, gehört die berühmte Uhr des Strafsburger Münsters an. 

Von solchen alten Rathäusern sind jetzt aus den schon angegebenen 
Gründen wenige in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten geblieben ; nur 
in kleinen Städten, wo die Geschäfte der Stadtverwaltung sich nicht 
merklich vergröfsert hatten, sind sie hin und wieder anzutreffen. So be- 
sitzt Frankreich nur ein solches Gebäude, das im 12. Jahrhundert erbaut 
worden ist, in der kleinen Stadt Saint-Antonin (Tarn et Garonne). Viollet- 
le-Duc*) hat Abbildungen dieses interessanten Baudenkmales gegeben. 
Ein vortreffliches Denkmal der öffenthchen Rechtspflege ist das Palais^ 
de Justice zu Ronen, seit 1493 errichtet. Zahlreicher sind die aus dem 
15. und 16. Jahrhundert herrührenden Rathäuser, wie die zu Orleans, 
Compi^gne, Saumur u. s. w. Ein vortreffliches Denkmal der städti- 
schen Gemeindekunst bot das Hotel de Ville zu Paris, das zur Zeit der 
Kommune 1871 niedergebrannt wurde. 

Italien hat noch zahlreiche Gemeindehäuser aufzuweisen : der Broleti«^ 
zu Como (1215), in Padua der Palazzo della Ragione (12. Jhdt.), der 
Palazzo del Municipio (1558) und die Loggia del Consiglio (1493 bis 
1526), in Vicenza die Basilica (Palazzo del Consigüo, 1444 begonnen, 
ausgeführt von Andrea Palladio seit 1548, vollendet 1614), in Verona der 
Palazzo della Ragione (1183) und der Palazzo del Consiglio von Fra 
Giocondo (1433 — 1519) erbaut, in Brescia den Palazzo del Municipio, in 
Bergamo den Broletto (14. Jhdt.), in Mailand den Palazzo deUa Ra- 
gione, in Bologna den Palazzo Pubbüco und den Palazzo del Podestä. 
den Palazzo della Ragione zu Ferrara, den Palazzo del Comune zn 

^) Alfr. Franklin, La vie priv^e d'aatrefois. La m^sure da temps. Paris 1888. 
— J. Beckmann, a. a. O. I. 149 ff. — Schlaguhren ebend. L 301 ff. 

•) Chr. Zwicker, Compendium horologico ■ sciotesicum oder Euizer Begriff von 
Abtheilang allerhand Sonnen-Uhren. Bantzig 1647. — Jos. Forttenbach d. J., Voo 
Sonnenuhren. Augsp. 1662. — J. U. Müller, Der unbetrügliche Stunden- Weiser, das ist 
deutliche Beschreibung aller der Zeit üblichen Sonnen-Uhren. M. 172 Kpfm. Marcht. 1702. 

*) Joh. Naeve, Keysers Ferdinand des Ersten Denkwürdige Tafel-Reden (Dresd. 
1664 S. 86): Der Kayser gedacht auch, dafs die Spanier gar keine Seiger, weder in der 
Stadt noch auff den Dörffem hatten; neulichst aber wären sie aus Teutschland so 
ihnen hineingebracht worden. 

*) Dict. de l'Arch. VI. S. 90, 92, 93. 



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A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt, a) Das Bathaus. 



85 



Piacenza, jenen musterhaften Backsteinbau, der 1281 begonnen wurde 
u. 8. w. Besonders bekannt sind der Palazzo vecchio (della Signoria) 




zu Florenz und der Bargello (Palazzo del Podestä) in derselben Stadt, 
sowie der grofsartige Bau des Palazzo Pubblico zu Sie na, die alle dem 
14. Jahrhdt. imd der Folgezeit angehören. Diese Beispiele mögen genügen. 



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86 



U. Die Städte. 



Die Rathäuser Deutschlands gehören meist einer späteren Zeit an. 
Das Rathaus zu Dortmund hat zwar Partien aufzuweisen, 'die noch 
aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts herrühren mögen. Die Über- 
reste des Rathauses zu 
Gelnhausen rühren 
vielleicht noch aus 
einer etwas älteren Zeit 
her^), und ein Teil des 
grofsartigen Stadthau- 
ses zu Lübeck gehört 
sicher demselben Jahr- 
hundert an. Viollet-le- 
Duc hat diesen ältesten 
Teil in seiner wahr- 
scheinhchen Gestalt 
sehr hübsch gezeich- 
net.2) Zahlreicher sind 
schon die dem 14. Jahr- 
hundert angehörigen 
Bauten, unter denen 
dasRathaus zu B r a u n - 
schweig, seiner präch- 
tigen Architektur we- 
gen, eine ganz hervor- 
ragende Stelle ver- 
dient; auch das ein- 
fachere aber gleichfalls 
meisterhaft entworfene 
Rathaus zu Münster 
gehört noch diesem 
Jahrhundert an. Das 
von Bremen ist zu 
Anfang des 15. Jahr- 
hunderts begonnen, 
dann zu Be^nn des 
17. zumal im Aufseren 
völUg mngebaut wor- 
den. Es wären dann 
noch zu nennen die 
Rathäuser zu Breslau 
(leider sehr unge- 
schickt renoviert), zu 
Prag (nur zum Teil er- 
halten), Ulm, Regensburg, Nürnberg und zahlreiche andere, die im 
14. Jahrhundert begonnen, oft überaus reich, wie es den Vermögens- 

») Abgeb. b. K. Simon, a. a. O., Taf. IV, Fig. 7, 
«) Dict. de l'Arch. VI. 97, 98. 




Rathaus zu Königsberg I. d. Neumark. 



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A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt, a) Das RathauH. 



87 



Verhältnissen der Stadt entsprach, ausgebaut wurden. Auch die kleineren 
Städte Norddeutschlands haben reizende in Backstein ausgeführte Rat- 
häuser aufzuweisen, so in der Altmark Brandenburg a. d. H., Stendal 
und Tangermünde, dann Jüterbog, Zerbst, in der Neumark 
Königsberg, in Pommern Stralsund, in Preufsen Marienburg u. s. w. 
Jede Stadt setzte ihren Stolz darin, ein schönes Rathaus zu besitzen; 
wenn der Haustein zu teuer war, begnügte man sich mit einem Ziegel- 
bau und konnte man auch den nicht erschwingen, dann wufste man 
mit einem Fach werkbau, wie das reizende Rathaus zu Wernigerode 
(1494 — 98), zu Alsfeld (1512), Duderstadt, Grünsfeld beweist, ganz 
überraschende Wirkungen zu erzielen. Mit den Bauwerken, welche die 
reichen Städte Flanderns errichteten, darf man allerdings diese bescheidenen 
und doch gerade deshalb so anziehenden Gebäude nicht vergleichen. Das 
Rathaus zu Brügge (angefangen 1377) ist eins der ältesten und einfachsten; 
schon reicher ist das zu Brüssel, das dem Anfang des 15. Jahrhunderts 
angehört und gar überladen das von Löwen (1448 — 63) und das zu 
Oudenaarde (1527 — 30.) Als das grofsartige Stadthaus zu Antwerpen 
1561 — 65 von Cornelius de Vriendt erbaut wurde, war der niederländische 
Renaissancestil schon völüg ausgebildet. Die Zahl der im Laufe des 
14. und 15. Jahrhunderts in Deutschland erbauten, mehr oder minder 
gut erhaltenen Rathäuser ist eine so grofse, dafs hier nur einige der 
beachtenswertesten ge- 
nanntwerden konnten. 
Ein grofser Teil der- 
selben wurde im 16. 
Jahrhdt. durch Um- 
und Anbauten im Re- 
naissancestile verän- 
dert und verlor so 
wenigstens in einzel- 
nen Partien seinen 
eigentlichen Stilcha- 
rakter. Viele der mit- 
telalterüchenBaudenk- 
mäler wurden arg ver- 
unstaltet , andere er- 
hielten dagegen einen 
Schmuck, der den Wert 
des Gebäudes wesent- 
Hch erhöhte. 

Unter diesen letz- 
teren Bauwerken wäre 
besonders das Rathaus 
von Görlitz zu nen- 
nen, das durch die An- 
lage der so überaus 

geschmackvollen Frei- Rathaus zu (irünsfeW (Baden). 




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88 



II. Die Städte. 



treppe, die Wendel Roskopf 1537 erbaute, nur gewonnen hat. So wurde 
in Lübeck ein Renaissancebau 1572 — 95 und zwar von der prächtigsten 




liathuus zu Löwen. 



Art mit dem urspmnglich sehUchten gotischen Gebäude verbunden; in 
Bremen erhielt 1610 das Rathaus die anziehende Ostfassade. Unter den 
neu angelegten Rathäusern wäre hervorzuheben das ziemlich schlichte, 



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A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt, a) Das Rathans. 



89 



das von Hieronymus Lotter 1556 in Leipzig erbaut wurde, and der 
prachtvollen Bau, den seit 1572 der Nürnberger Architekt WolfE in 
Rothenburg ob der Tauber ausführte. 1613 — 19 baute man in 
Nürnberg den im streng klassischen Stile entworfenen Teil des Rat- 
hauses, der auch heut noch nichts von seiner trefflichen Wirkung ver- 
loren hat. Die Leitung des ganzen hatte wohl der Patrizier Eucharius 
Holzschuher, allein der Architekt war der 
Baumeister Jakob Wolf. Man wird diesem 
Künstler um so mehr Anerkennung zollen 
müssen, wenn man sein Werk mit dem 
Neubau des Augsburger Rathauses, den 
der berühmte Baumeister Elias Ho 11 
(1573) entwarf und 1614—20 leitete, ver- 
gleicht. Jedenfalls ist die von Wolf ent- 
worfene Fassade viel vornehmer und wirk- 
.*?amer, während HoU in dem grofsen Fest 
.*<aal und der Dekoration der Nebenräume 
.s<^hr hübsches geleistet hat. Über die sonst 
in jener Zeit in Deutschland erbauten Rat- 
häuser gibt Wilhelm Lübkes treffliches Werk 
Geschichte der deutschen Renaissance«^) 
Auskunft. 

Die Zeit nach dem Dreifsigjährigen 
Krieg(^ hat nur wenige» monumentale Rat- 
liausbauten mehr aufzuweisen; man behilft 
sich, das alte Haus durch Um- und An- 
bauten den Ansprüchen der immer mehr 
sich entwickelnden bureaukratischen Schrei- 
berwirtschaft gemäfs umzugestalten und zu 
verunstalten. Allein das Rathaus zu Magde- 
burg, 1691 — 93 errichtet, kann als eine 
künstlerische Leistung angesehen werden. 

In dim Sälen, in denen die Schöffen oder die Ratsherren (Scabini 
oder Consules) zu Gerieht safsen, ermahnten weise Si)rüche die Richter 
zur Gerechtigkeit; es hingen da Bilder, die zur UnparteiUchkeit an- 
.^pornen sollten: die Gerechtigkeit des Königs Otto oder des Trajan; 
die des Herkembaldus oder die Bestrafung des ungerechten Richters 
Sisamn(\s, die strenge Gesetzerfüllung des Zaleucus. Solche Bilder sind 
zumal in den Niederlanden ganz häufig auch von bedeutenden Künstlern 
ausgeführt worden. In Brügge malt G^rard Da\id für das Ratliaus die 
<Teschichte des Sisamnes, für Löwen Dierck Bouts 1468 die des Kaisers 
Otto, in Brüssel Rogier v. d. Weyden die Gerechtigkeit des Trajan und 
des Herkembald, die vielleicht in den Teppichen des Berner Museums, 
welche Karl dem Kühnen nach der Schlacht von Granson abgenommen 
wurden, nachgebildet sind. In deutschen Rathäusern läfst man das 

>) 2. Aufl. Stuttg. 1882. 




Rolaad zu Haibersiadt. 



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n. Die Städte. 



Jüngste Gericht, das Urteil des Salomo malen. Ernste Sprüche erinnerten 
die Richter, unbestochen ihres Amtes zu walten: 

»Eins manns red ist eine halbe red: 

Man sol die part verhören bed,« 
so war z. B. im Gerichtssaal des Strafsburger und des Nürnberger Rat 
hauses zu lesen (cf. Phil. Hainhofer Reisetagebuch von 1617 in d. halt. 
Studien U. 2. S. 3. Stettin 1834). In der Nähe des Rathauses waren 
in einigen Städten Deutschlands als Zeichen der Gerichtsbarkeit die 
Rolandssäulen aufgestellt: in Halberstadt, Bremen, Brandenburg a. d. H.. 
Halle u. s. w.^) 




Pranger von Schwäbisch-Hall. 

Vor dem Rathause wurden ursprüngüch auch die vom Gericht ver- 
hängten Strafen vollzogen ; anfangs hatte man wohl selbst die Delinquenten 
vor den Stufen des Gemeinde- und Gerichtshauses enthaupten lassen, 
später bheben allein die Pranger bestehen. In Schwäbisch Hall ist ein 
Pranger aus dem Ende des 15. Jahrhunderts erhalten; vor dem Rathause 
in Lübeck steht noch heute der Kaak, vor dem zu Breslau die Staup- 
säule, an der die armen Sünder mit dem Staupbesen bestraft wurden. 
Die Todesstrafe aber wird schon ini späten Alittelalter vor der Stadt 
vollzogen, wo das ständige Schafott, der Rabenstein und der festgemauerte 
dreibeinige Galgen für die zahllosen Hinrichtungen bereit waren. Diese 
Denkmäler strenger Rechtspflege sind fast ohne Ausnahme längst besei 
tigt; sie werden wohl auch kaum künstlerisch gestaltet gewesen sein. 
Dafs dies jedoch nicht unmögUch ist, beweist der früher zu Montfaucon 

^) Zöpfl, Altert, d. deutschen Reichs und Rechts. IV. Die Rulandsäule (Leipx. 
1861). — Beringuier, die Rolande Deutschlands (Berlin 1890). 



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A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt, b) Andere städt. Verwaltungsgebäude. 91 

bei Paris erbaute Monumentalgalgen, an dem, wenn es not tat, 45 Menschen 
zugleich gehängt werden konnten. Eine Freitreppe führte auf eine Platt- 
form, unter der das Gewölbe für die Gebeine sich befand imd auf der 
16 Steinpfeiler standen, die je durch Holzbalken in drei Horizontal- 
abschnitte geteilt waren. Viollet-le-Duc gibt (Dict. de TArch. V. 558, 
560, 561) Abbildungen dieses merkwürdigen Denkmales. 

b) Andere städtische YerwaltungsgebSude« 

Die wehrhaften Städte des Mittelalters imd der folgenden Jahr- 
hunderte mufsten dafür sorgen, Waffen und Rüstungen für die städtischen 
oder geworbenen Truppen vorrätig zu haben, die Belagerungsgeschütze, 
die Antwerke oder Ingenia, die auch bei der Verteidigung eine grofse 
Rolle spielten, stets bereit zu finden. Zu diesem Zwecke errichtete man 
besondere Zeughäuser. Das Ulmer Zeughaus ist 1522 errichtet. In 
Nürnberg ist noch der statthche Bau, dessen runde Ecktürme 1538 er- 
baut wurden, wohl erhalten, wie auch die Peunt, in der der Wohnsitz 
des städtischen Baumeisters und die zugehörigen Werkstätten unter- 
gebracht waren, bisher der Zerstörung entgangen sind. Anfangs des 
17. Jiihrhunderts war das Augsburger Zeughaus von EUas HoU ausge- 
führt worden. Zeughäuser treffen wir dann noch in Amberg, Breslau,^ 
Koburg, Danzig (1605), Köln, Lübeck (1594), Wolfenbüttel (1619). 
Die Kornmagazine, in denen die Stadt für die Zeiten der Not Getreide 
aufspeicherte, finden wir auch heute noch in der alten Reichsstadt Nürn- 
berg. Ein anderes Kornhaus ist in Ulm (1591) und in Nördlingen 
Oberehnheim 1554 erhalten; dann wäre noch zu nennen das von Abraham 
Düntz 1711 — 16 errichtete zu Bern. Für die Kaufleute speziell sind die 
Kaufhäuser bestimmt, in der sie ihre Waren feil halten konnten. 
Wir finden noch solche in Freiburg i. Br. , in Besigheim, in 
Strafsburg (14. Jhdt.), in Koblenz (1479). Das interessanteste unter 
diesen Gebäuden besafs ursprüngUch Mainz. Es stammte etwa aus dem 
Anfang des 14. Jahrhunderts her, zeigte in zwei Geschossen grofse Säle ; 
das Dach war von Zinnen vungeben und vorgekragte Ecktürmchen gaben 
dem Ganzen eine treffüche Wirkung. Es wurde 1812 abgebrochen. 
Erhalten ist dagegen das auch architektonisch so interessante alte Kauf- 
haus zu Danzig, das zugleich Geschäftshaus der Kaufleute war und deren 
Trinkstube enthielt, den berühmte Artushof, der im 14. Jahrhundert 
begonnen, im letzten Viertel des 15. vollendet wurde und dessen grofse 
Halle als ein Meisterwerk der damaligen Baukunst betrachtet wird. Den 
Namen erhielt er von den auch unter den Kaufleuten beUebten Gräls- 
oder Tafelrundespielen, die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts aus den 
Kreisen der ritterUchen Gesellschaft von den ersten und angesehensten 
Geschlechtem der Städte entlehnt wurden. Die Häuser, in denen diese 
Spiele gefeiert wurden, erhielten den Namen Artushöfe. Viel weniger 
durch seine Kunstformen bedeutend ist das alte hölzerne, am Bodensee 
gelegene Kaufhaus zu Konstanz (1388), das während des Konstanzer 
Konzils als Versammlungssaal der Kirchenfürsten diente. Dann gab es 



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n. Die Städte. 













Zeughaiis in Augsburg. 



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A. Die öffentliclien (jrebäude der Stadt, b) Andere »tädt. Verwaltungsgebäude. 93 

Niederlagen von Kleiderstoffen, die Gewandhäuser, wie z. B. in 
Braunschweig (1590), zu Alsfeld, mit dem Weinhause verbunden (1538), 
dann Weinhäuser, in denen nicht allein die Getränke vorrätig gehalten 
und im grofsen verkauft wurden, sondern wo man auch Schankstuben 




Ratskeller in Halberstadt. 

unterhielt. So in dem Ratskeller zu Halberstadt (1461.) In dem Stadt- 
weinhaus zu Münster i. W. befand sich im Erdgeschofs die Stadtwage. 
Zu diesen für die Handeltreibenden errichteten Gebäuden gehört dann 
die städtische Wage; ein Waghaus von 1587 ist noch in Bremen zu 
sehen. In den niederländischen Städten finden wir die für die Industrie 
bezeichnenden grofs angelegten Tuchhallen, in Brügge (1284), in 



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«4 



n. Die Städte. 



Ypern, in Löwen (1317), in Mecheln (1340.) Auch in Krakau ist das 
geräumige, wenn auch vielfach zumal äufserUeh umgebaute Tuchhalle 
{Sukiernia), die schon im 14. Jahrhundert errichtet wurde, noch erhalten. 
In Breslau war noch bis vor etwa 30 Jahren das alte Leinwandhaus 
vorhanden. Die Käsehalle in Alkmaar, ein Bau des 17. Jahrhunderts, 
gehört auch zu diesen speziell für den Handel bestinmiten öffentlichen 
Baulichkeiten. 

Von Bedeutung für den Handel sind dann die amtUchen Beschau- 
ämter, die die Güte der Handelsware durch ihre St-empel bestätigten. 
In Nürnberg stand gegenüber dem Rathaus, südhch von St. Sebald, 
der architektonisch anziehende Bau der Schau, der im vorigen Jahr- 
hundert dem Wachgebäude hat weichen müssen.^) 




Lonja (Börse) zu Valencia. 

In Italien sind die Kaufhäuser schon während des Mittelalters 
nachzuweisen; die venezianische Republik gestattete den Deutschen 
allein in ihrem Kaufhause, im Fondaco dei Tedeschi, die Handelgeschäfte 
zu betreiben. Ein Deutscher, Hieronjrmus, hatte 1505 den Neubau 
geleitet. Das Fondaco dei Turchi, jetzt Museo civico, ist erst im 17. Jahr- 
hundert den Türken eingeräumt worden. Mehr für die reinen Geld- 
geschäfte ist die Loggia dei Mercanti zu Bologna, dieser so geschmack- 
volle Backsteinbau (1337 — 1425) bestimmt, und dasselbe gilt von dem 
Portico dei Banchi zu Bologna (1400), von der Loggia dei Banchi zu 
Genua, 1570 von Galeazzo Alessi erbaut, und der von Buontalenti 1605 
errichteten zu Pisa. Auch das Wechslerhaus, il Cambio, zu Perugia, das 
1452 — 57 erbaut, 1499 — 1500 von Pietro Perugino mit den berühmten 

») Abgeb. in Heideloff Nürnbergs Baudenkmäler der Vorzeit. Nrnbg. 1838. 
.2. Aufl. 1855. 



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A. Die öffentlichen Gebäude der Stadt, b) Andere städt. Verwaltnnj^sgebäude. 95 

Fresken geschmückt wurde, hat neben anderen Zwecken auch den erfüllt, 
als Börsensaal zu dienen. In Spanion ist die Lonja von Valencia wohl 
das älteste Denkmal dieser Art. 

Die Londoner Börse (Royal Exchange) ist schon 1564 — 70 erbaut 
worden, der ursprüngliche Bau jedoch durch Umbauten verändert. Alter 
ist die Antwerpener Börse, 1531 von Dominicus van Waghemaker er- 
richtet. Die Börse zu Leipzig ist 1680 angelegt worden. Im allgemeinen 
aber hat man erst seit Anfang des 18. Jahrhunderts in den Handelsstädten 
eigens dem Geldhandel gewidmete Börsengebäude angelegt, so in Rot- 
terdam 1722 nach den Plänen von Adrian van der Werfft (1659— 1722). 




LoDja (Börse) zu Valencia. Innerefl. 

Die Fleischmärkte (und die mit ihnen verbundenen Schlacht- 
häuser) stehen gleichfalls unter Aufsicht der Stadt. Während des Mittel- 
alters hatte man in den Städten Schlachthöfe (Kuttelhöfe); das Fleisch 
wurde auf den Fleischbänken feilgehalten. Die Fleischhalle zu 
Nürnberg ist wohl ziemlich gleichzeitig mit der der Rialtobrücke nach- 
gebildeten Fleischbrücke (1596 — 98) entstanden; die von Mühlhausen 
im Elsafs ist 1577 erbaut, das Schlachthaus in Augsburg 1609. Andere 
Fleischhallen sind in Heilbronn und Augsburg vorhanden. Wenn wir 
den Angaben sonst zuverlässiger Gewährsmänner glauben dürfen, weist 
das Schlachthaus zu Ypern noch Bauteile aus dem 13. Jahrhundert auf. 
Das Schlachthaus zu Haarlem ist 1602 — 3 von Lievin de Key erbaut 
worden. 



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96 11. Die Städte. 

B. Öffentliche Gebäude zur Unterhaltung der Bürger. 

In den Rathäusern hatten während des Mittelalters meist die für 
die Bürgerschaft veranstalteten Tanzvergnügungen stattgefunden, auch 
waren die Hochzeiten der den regierenden Geschlechtern angehörigeii 
Bürger in den Rathaussälen gefeiert worden. Allein je mehr sich di»« 
den Ratsherren und Schöffen aufgelegten Arbeiten vermehrten, dej^to 
weniger erschien eine solche Verbindung von Amtslokalen und Ver- 
gnügungssälen angemessen, und so findet man in Augsburg schon ein 
besonderes Tanzhaus, das 1429 erneuert und zu Michaelis dem Ge- 
brauche übergeben. Es brannte 1451 ab, wurde 1453 (Joh. Francki 
wiederaufgebaut und gewölbt. Das Kölner Tanzhaus im Hause Gürzenich 
begann man 1441 zu bauen. Ein Judentanzhaus wird 1442 in Augs- 
burg errichtet. Aus dem 16. Jahrhundert stammen die beiden auch 
architektonisch interessanten Tanzhäuser zu Amberg her. Mit die.^eu 
Denkmälern sind nahe verwandt die Hochzeithäuser ^), die wohl auch 
für andere Zwecke bestimmt waren, denn für die verhältnismäfsig seltenen 
Heiraten in einer kleinen Stadt wäre doch die Errichtung eines beson- 
deren Gebäudes kaum erforderUch gewesen. Das Hochzeitshaus zu Als- 
feld (1560 bis 1565), zu Münden (1603) mit dem Rathause verbunden, 
zu Halle in einem Gebäude mit der Stadtwaage (1573 — 81) und zu 
Hameln (1610) sind noch erhalten. 

Für das so beliebte Ballspiel hatte man besondere Ballhäuser 
angelegt. Aller Orten in Frankreich wie in Italien und ebenso in Deutsch- 
land fand man solche Häuser, in deren Sälen man sich mit Ballschlagen 
unterhielt (Jeu de Paume). In Prag gab es zwei, gegenüber dem Schlosse, 
ferner in Kassel, in Mömpelgart (M. Zeiller, Handb. I. 343, 560V 
Das zu Versailles war so geräumig, dafs die Nationalversammlung in 
ihm seine Sitzungen abhalten konnte. Die Mehrzahl dieser Gebäude ist, 
als das Ballspiel nicht mehr von der Gesellschaft gepflegt wurde, a]>- 
gebrochen worden. In Dresden mufste das prächtige, 1668 errichtete 
Ballhaus dem Neubau des Zwingers Platz machen. Der Versailler Ball- 
saal zeigt, dafs die Wände kahl waren und dafs man die Fenster hoch 
über dem Fufsboden anlegte. 

C. Zunfthäuser. Trinkstuben. 

Es ist mehr als wahrscheinUch, dafs die Kaufhäuser, deren schon 
Erwähnung geschah, der Kaufmannschaft angehörten xmd nur unter der 
Kontrolle der städtischen Beamten standen. Sie haben dann auch nicht 
Bllein für die Geschäfte der Kaufleute gedient, sondern enthielten noch 
Räume für die Unterhaltung der berechtigten Zunftmitglieder, Speisesäle 
und Trinkstuben, in denen sich nach des Tages Arbeit die Herren zu 
geseUiger Unterhaltung zusammenfanden. Und ähnUche Zwecke hatten 



*) 1561 wird in Gölu das >Bnilofthaus< auf dem Qaatennarkt repariert. Man 
fürchtete, der Rat werde es an die Gaffel der Hamischmacher verkaufen ; andere solche 
Häuser wie >die Pau in der Hellen, der Vois yur S. Peter und der mehr« waren schon 
eingef^angen. (Buch Weinsberg H. 114.) 



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D. Wirtshäuser. 



97 



wohl nebenher alle die Zunfthäuser zu erfüllen. Im Palazzo dei Giuris- 
consulti zu Cremona ist vielleicht ein solches Vereinshaus der Rechts- 
gelehrten erhalten, wenn es auch nebenher noch manchen anderen 
Zwecken dienen mochte. Ein glei- 
ches Bauwerk treffen wir in Mai- 
land an. In Deutschland sind 
einige Zunfthäuser noch von der 
Zerstörung einstweilen gerettet 
worden. So steht noch in Gent 
das Schifferhaus, ein spätgotischer 
Bau von 1531, und in Lübeck 
bietet das Schifferhaus mit seiner 
malerischen Ausschmückung der 
Trinkstube auch uns noch ein 
Bild von der behaghchen Ein- 
richtung, die unsere Vorfahren 
solchen Räumen zu geben wufs- 
ten. Noch älter ist das Knochen- 
haueramtshaus zu Hildesheim 
(1529), ein stattliches Zeugnis für 
die einstige Bedeutung der Hil- 
desheimer Fleischerzunft. Auch 
das Müllergewerkshaus zu Dan- 
zigist hier zu nennen. Ein Leder- 
haus (1474), ein Schuhhaus (1398), 
ein Münzhaus (1395, abgebrannt 
1447) wird in Nürnberg aus- 
drücklich erwähnt. Diese Zunft- 
trinkstuben sind natürlich nur 
für die Mitglieder und die, welche 
ihnen genehm waren, bestinmit. 
So verweigern in Augsburg die 
Bürger 1496 dem Kaufmann und 
kaiserlichen Rat Philipp Adler 
den Eintritt in ihre Trinkstube 
und berücksichtigen auch die 
Fürbitte des Kaisers nicht. ^) 

Es gibt ja genug öffentliche 
Wein- und Bierhäuser für alle 
die, welche einer Zunft nicht an 

gehörten. Hildesheim, KnocheDhaueramtshauiB. 

D. Wirtshäuser. 

Jede Stadt hatte dann ihrer Gröfse entsprechend ein oder mehrere 
Wirtshäuser. Wie in alter Zeit 2), hing noch im 16. Jahrhundert der Adel 

>) Forts, d. Chron. des Hector Mtilich. 
«) Hof-Leben «L 619. 
Schultz, Das hftasliclie Leben im Mittelalter. 7 




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98 n. Die Städte. 

seine Wappenschilde vor dem Gasthause auf, in dem er eingekehrt warN. 
Erasmus von Rotterdam lobt die Höflichkeit der französischen Gastwirt<^ 
und schilt auf das flegelhafte Benehmen der Deutschen 2). In ItaUen 
klagte man über die grofse Unsauberkeit. So schreibt Bartholomäa< 
Paumgärtner^) am 9. Sept. 1584 an seine Frau, er wohne in Bologna 
wie in Florenz bei Freunden »behilff mich also des bettls, so viel kan, 
nun damitt ich ab den losen welschen wyrttshäusem, inn denen alle bett 
voller wantzen seind, khomm.« In Emmerich ist 1531 das Gasthaus^ 
:& zum Engel in der Steinstrafsen«, in Neufs 1549 »im Lewen«*) in Be- 
sannen »k porte-enseigne« xmd »die Krone«, in Baden-Baden »zuiu 
güldenen Engel«, in Wildbad zum :^kühlen Brunnen«^). In Frank- 
furt a. M. ist 1593 der »NörmperhofE« renommiert, und »bey dem wyrtt 
zum Krachbaimi«, in Augsburg wird 1594 das Wirtshaus zum Linden- 
mayer als teuer aber gut gelobt.*) 

Im Mai 1611 kehrt Philipp Hainhof er auf der Reise nach Eichstätt 
in der goldenen Gans zu Neuburg ein, in Eichstätt selbst am Markt in 
der Traube'), auf der Weiterreise zu Pf af f enhof en in der goldenen Grans.*) 
In München wohnt er im goldenen Kreuz (S. 57), 1617 logiert er zu 
Nürnberg in der goldenen Gans^), zu Berlin im goldenen Hirsch.^®) Hip- 
polyt Guarinonius schreibt von einer seiner Reisen*^): » gelange ten wir 
unter andern in die fürsthche Hauptstatt München, allda wir unter allen 
hervorhangenden Zeichen den Straussen für das beste Augurium und 
Wirths Zeichen erwöhleten.« Auch dieser kluge und erfahrene Arzt 
klagt über die Unsauberkeit der deutschen Gasthöfe und zwar etwa hundert 
Jahre nach Erasmus (1610). Die Luft ist verpestet »in den Schlaff- 
kammem nit allein von nechst verschienener Nacht die vollen Kachlen 
(Geschirre) so man darinnen last . . . Zum andern so komm ich selten 
inn ein Kammer, darinnen nicht das Gemäwr und die Wand neben den 
Bettstatten mit grofspatzeten Rotzschlegel und Speychel gezeichnet« Die 
Wirte entschuldigen sich, die Gäste seien so ungesittet, dafs alles Reinigen 
nichts nutze.^2) »Eben aber bey euch Wirthen ist ein viel schädhchere 
und abscheulichere Unreinigkeit der Ligerstetten, welche mehrers also 
beschaffen, dafs ein ehrhcher Mann, der sein Gelt offt doppelt über die 
gebür allda verzehrt, dennoch nit keck und behertzt sich entblösen und 
in das Bett zu schlaff und ruhe sich legen darff, sonder jeder und all- 
zeit f örchten . und wol gut acht haben mufs, dafs er nit ein lecken oder 

») Seb. Franck. Weltbuch (1533) fol. XLVja 
*) Deutsches Leben etc. S. 62 ff. 
») Korresp. S. 43. 
^) Buch Weinsberg I. 72, 318. 
») Lukas Geizkofer 79, 139, 104, 106. 
^ Barth. Paumgärtners Korresp. 8. 180, 187, 227, 243. 

^ Die Reisen des Ph. H. etc. hgg. v. Chr. Häusle. Zeitschr. d. Hist. Vereins f. 
Schwaben u. Neuburg Vm. Augsb. 1881, 8. 22, 23. 
«) ib. S. 66. 

^ Balt. Studien ü. 2. S. 3. 
»•) ib. 8. 11. 
") ib. S; 843. 
«) Grewel der Verwüstung m, c. 23, 8. 611. 



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E. Theater. 99 

groben rufs, das ist so viel als etwan gute feste Räuden, Geschwör, 
Schlier, Kolben, Frantzosen und dergleichen Feg-Teuflen, wider welche 
kein Segen, rauchen noch sprengen hilfft, bekonune. Ursach dessen 
die Grosse Nachlässigkeit der Gastgeben oder Tavernem, welche die 
Laugen und SeyfEeij wie auch die Leilachen ersparen und ein par ir 
vielen underschiedlich beschaffen, gesondten und kranken, krummen und 
geraden, bifs sie gar erschwartzen, unterziehen lassen, meynen, es sey zu 
viel, wann man jedem Gast insonderheit ein frisch par Leilacher unter- 
legen solle, da es doch nit zu viel ist, wann der fromme Gast für eine 
schlimme Mahlzeit oder zum andern und dritten mal von erwärmbte 
und fürgesetzte Speisen für sein Person allein einen halben Gulden, 
halben Thaler, 45 bifs in 54 Kreutzer und an vielen Orten noch darüber 
bezahlen mufs. Unnd wann es je bifsweilen glücket, dafs der Gast ohne 
der vorbenennten Geschanckungen eine davon kompt, so entgehet er 
doch der guten, frischen, lebendigen Müntz nit, es sey der weissen oder 
der schwarzen (Läuse oder Flöhe), die theils von den frembden dahin 
gebracht und Zigel halber dahinden lassen, theils aufs allerley bifsher 
<^mannten Unreinigkeiten in den Schlaffkamm em aufsgebrüet werden.« 
Er klagt ferner, dafs die Wirte die Gäste zu unmäfsigem Trinken an- 
regen und zu Unzucht Anlafs geben. Das Essen wird sehr häufig getadelt; 
es erscheint immer am besten, mit dem Wirte an seinem Familientisch 
(table d'höte) zu essen, da er für sich sicher besser kocht als für den 
Gast, der ein Gericht sich besonders bestellt.^) 

E. Theater. 

Für die Unterhaltung der Einheimischen wie der Fremden war in 
<len Städten gar nicht gesorgt. Schauspieler treten nur selten einmal 
auf und spielen dann in den Höfen oder wo sie gerade geeignete Räume 
fanden. Theater ge bau de werden erst im 16. Jahrhundert in Italien 
errichtet, und eins der ersten ist das Teatro Ohmpico zuVicenza, das 
von Andrea Palladio entworfen, erst nach des Meisters Tode (1584) 
von Scamozzi errichtet wiu'de. Dann wäre das Teatro Famese zu 
Parma zu nennen, im Palazzo della Pilotta 1618 für Ranuccio I. Far- 
nese erbaut. Und italienische Baumeister sind es, die in Frankreich wie 
in Deutschland, ja überhaupt, wo man nur Theater brauchte, berufen 
und beschäftigt wurden. Unter ihrer Leitung bildeten sich die heimischen 
Theaterbaumeister wie Fran^ois Dorbay, der 1637 die Comddie Francjaise 
im Faubourg S. Germain errichtete. In Nürnberg spielte man zuerst in 
dem neu erbauten Schauspielhause am 16. Juni 1628.^) 

In Deutschland sind es zuerst die Hoftheater, die in prächtig aus- 
gestatteten Räumen untergebracht wurden. Tommaso Giusti baut 1636 
das Theater zu Hannover, Francesco Saturini das zu München, 
später Giuseppe Galli Bibiena da*s zu Prag. Das erste deutsche Opern- 

*) Vgl. Joh. Dan. Herrnschmid, der fromme Wirth und Christlicher Gasthof. 
Franckf. 1713. 

«) Kurios. V. 561. 

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100 n. Die StÄdte. 

haus wird in Hamburg 1678 angelegt. So sind alle diese Bauten ziem 
üch jungen Ursprungs und die Mehrzahl von ihnen ist längst von präch- 
tigeren, dem modernen Geschmack und Ansprüche mehr genügenden 
Gebäuden ersetzt worden, nur ist der Zerstörung glücklicherweise ent- 
gangen: das Opernhaus zu Bayreuth, dessen Dekoration von Giusei»)»^ 
Galh-Bibiena 1748 herrührt und das von Fran9ois Cuvillies erbautf* 
Opern- (jetzt Residenz-) Theater zu München (1752 — 60). Was die Ein- 
richtung der Szene anbelangt, so ist einiges aus Phil. Harsdorfifeis 
»Frauenzimmer-Gesprächspielen«^) zu ersehen. Der Vorhang ist gemalt 
oder zwei- und dreiteilig; im ersten Falle wird er mit einem »Rollwerk, 
in die Höhe gezogen, sonst öffnet er sich durch Beisei t^ziehung d»r 
Gardine. Der Schauplatz hat Kuhssen, die beiseite gezogen werden 
können, Fufsboden, Hintergrund. Dann ist noch die Bedachung und 
Bedeckung zu bemerken. Harsdörffer hat eine Zahl Theaterprospekt*' 
im Stich seiner Abhandlung beigefügt. Noch eingehender bespricht Josef 
Furtenbach die Anlage des von ihm 1641 erbauten Theaters in Ulm.-f 

F. Spitäler. 

Das Mittelalter hat seinen Wohltätigkeitssinn durch zahlreiche Stif- 
tungen für die Kranken und Elenden betätigt. In Breslau, einer Stadt 
von ca. 30000 Einwohnern, gab es im 15. Jahrhundert fünfzehn Hosja- 
täler. In keiner Stadt fehlen Krankenhäuser. Unter diesen dürfte von 
den noch heut bestehenden besonders hervorzuheben sein das Spital 
zum heihgen Geist in Lübeck, dessen Gründung bis ins 13. Jahr- 
hundert zurückreicht und das im 14. erbaut worden ist, eine grofsartige 
Anlage, ein schönes Denkmal werktätigen Gemeinsinns. Weniger be- 
deutend hinsichtüch seiner künstlerischen Ausstattung ist das 1450 zu 
Cues an der Mosel vom Kardinal Nikolaus de Cusa gegründete Hospital. 
Aus dem 16. Jahrhundert stammt her das zu Rothenburg ob der Tauber 
(ca. 1576), zu Heilbronn (jetzt abgetragen), zu Freudenstadt, be- 
sonders aber das grofsartige JuUusspital zu Würzburg, welches der hoch- 
verdiente Bischof Juhus Echter von Mespelbronn 1567 gestiftet hat, aus dem 
17. das von Elias HoU entworfene Krankenhaus zu Augsburg (1625 — 30). 

Neben den Spitälern für die erwachsenen Kranken gab es in vielen 
Städten noch besondere, die für Schüler allein bestimmt waren, so in 
Breslau, wo viele Schulen ihr eigenes Krankenhaus besafsen.^) 

Eine grofse Bedeutung hatten für die Städte die zur Aufnahme 
der Aussätzigen bestimmten Leproserien oder Sondersiechenhäuser. 
In Frankfurt a. M. wird 1345 ein solches Spital erwähnt, in Nürnberg 
1446 eines erbaut, das Gleiche geschieht in Bern 1491. Diese Kranken- 
häuser sind meist unter den Schutz des Lazarus gestellt. Man kann 
mit Bestimmtheit annehmen, dafs, wenn man in einer Stadt eine 
Lazarusgasse antrifft, ursprünglich in deren Nähe eine Leproserie sich 

») VI. 1646. 

«) J. Furtenbach, Mannhafter Kunstspiegel. Augsp. 1663 — Vgl. Kurios. V. 415 ff. 

») Vgl. Klose, 249, 827. 



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F. Spitäler. 101 

befunden hat. In Breslau hatte man sogar zwei Aussätzigenspitäler, zu 
*S. Lazarus und zu den Elftausend Jungfrauen. Erhalten ist noch eine 
Leproserie in Wasserburg (Oberbayern). 

Auch für Findelhäuser ^) hatte man im Mittelalter gesorgt.^) In 
Frankfurt a. M. wurde eines 1452 gegründet; in Nürnberg gab es deren 
Äwei, in Breslau das zmn heiligen Grabe. 

In Frankreich gibt es einige Krankenhäuser (H6tels-Dieu), die 
aus einer sehr frühen Zeit herrühren. Viollet-le-Duc hat (Dict. de 
TArch. VI, 99 ff.) die Stiftungen der wichtigsten Spitäler von Paris zu- 
i»ammengestellt. Unter den noch vorhandenen Denkmälern sind die 
Krankenhäuser von Angers (1153) und das ziemüch ebenso alte von 
< 'hartres zu nennen. Aus dem 13. Jahrhundert (1293) stammt das von 
der Schwägerin des hl. Ludwig, Margarethe von Burgund, Königin von 
Sicilien, gebaute Hospital zu Tonerre. Im 15. Jahrhxmdert wurde das 
von Nicolas Roün 1443 gegründete Spital zu Beaune gebaut.') 

So grofsartig jedoch diese für die leidende Menschheit bestimmten 
Stiftungen angelegt sein mögen, die Verwaltung derselben liefs aufser- 
ordentüch viel zu wünschen übrig. 1788 hatte Paris 48 Spitäler und 
in ihnen wurden über 35000 Kranke und Hilfsbedürftige verpflegt, 
i'ber das Hauptkrankenhaus, das Hötel-Dieu, liegt ein Bericht des 
i'hirurgen Tenon aus dem Jahre 1788 vor, den Alfred Franklin in 
meinem Werke »La Vie privee d'autrefois^)« abdruckt. Aus den Zu- 
>jtänden zu Ende des 18. Jahrhunderts kann man einen Rückschlufs auf 
Aie Übelstände in früheren Zeiten machen. 

Es gab in Frankreich im 13. Jahrhundert 2000 Leproserien ^) ; der 
bekannte Historiker Matthäus Paris schlägt die Zahl der in Europa vor- 
handenen Aussätzigenhäuser auf 19000 an. 

In Frankreich ist das jHöpital du Saint -Esprit bereits 1362 vor- 
handen, 1640 wird von J. Vincent de Paule das Höpital des enfants 
trouves ou de ND. de la Mis^ricorde gegründet.^) 

In Italien hat es nie an grofsen Hospitälern gefehlt. Hier genüge 
<\s, einige der wichtigsten Monumentalbauten zu erwähnen. Zu diesen 
zählt das von Francesco Sporza gegründete, von Antonio Averulino, 
^en. Filaret^, seit 1456 erbaute, vielfach erweiterte Ospedale Maggiore 
zu Mailand, wohl das schönste Krankenhaus der Welt, dann das durch 
della Robbias Fries (1525) berühmte Ospedale del Ceppo zu Pistoja, 
dessen Stiftung noch bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. 

Durch seine vortreffliche Architektur bekannt ist das Findelhaus 
zu Florenz, das Ospedale degU Innocenti (1362 von Pollini gegründet), 
1419 nach den Plänen von FiUppo Brunellesco erbaut. 

*) Das Findelbaus in Trier wird schon im 6. bis 8. Jahrhundert erwähnt. 
Das in Einbeck 1275 (Beckmann a. a. O. V. 387); das H. Geistspital ia Nürn- 
berg ist 1331 gegründet (ebend. 388). 

*) Joh. Backmeister, de libris expositiis vulgo Fündlingen. Heimst. 1677. 

«) Abraham de Bosse, Hospital (Kulturgesch. Bilderb. IV. — N. 2003). 

*) Hygiene. Paris 1890, S. 181 fP. 

») A. Franklin a. a. 0., 95. 

«) Bockmann a. a. 0. V. 390 ff. 



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102 n. Die Städte. 

Speziell für die Pflege der Almen sind die Armenhäuser be- 
stimmt. Ein solches Haus ist noch in Lübeck vorhanden; prächtiger 
ausgestattet ist das Deposito del Mendacitä zu Lucca (1413). 

Witwen und ältere Mädchen fanden in den Konventen der Regl^ 
rinnen oder Beghinen Aufnahme. Sie lebten nach der dritten Eegel 
des hl. Franziskus, erhielten Wohnung und sonstige Unterstützung, 
hatten aber die Verpflichtung, als Krankenpflegerinnen zu dienen. In 
Breslau gab es im 15. Jahrhundert 61 solcher Konvente. Das Beghinen- 
haus in Brügge ist noch heute erhalten. 

Für arme Augsburg er Bürger hatte die Famiüe der Fugger die 
Fuggerei 1519 gegründet; diese interessante kleine, für sich bestehende 
Stadt ist einstweilen noch der Zerstörung entgangen. Möge die mächtige 
Hand der Patrone dies Denkmal der Nächstenliebe auch femer vor 
allen Angriffen beschützen. 

Alte vermögenslose Ritter und ihre Frauen sollten nach der Ab- 
sicht des Kaisers Ludwig des Bayern (1333) im Kloster Ettal einen 
Zufluchtsort finden. 

Für alte arbeitsunfähige Soldaten gründete 1670 Ludwig IV. da> 
grofsartige Invalidenhaus zu Paris; in demselben Jahre stiftete Karl II. 
von England das Invahdenhaus für Landsoldaten in Chelsea; das lu- 
veilidenhaus für Seeleute in Green wich wurde dann 1693 erbaut.^) Erst 
1748 war das in Berlin beendet; in Prag rührt es vom Jahre 1751 her. 

Endlich sei noch erwähnt, dafs man auch durch Erbauung von 
Elenden- (Fremden-) Herbergen für die Unterkunft ärmerer Rei- 
senden, denen der Aufenthalt in den Gasthäusern zu teuer war, Sorg*- 
trug. Eine solche wird in Strafsburg bereits 1360 erwähnt, 

G. Zuchthäuser. 

Das Mittelalter hatte allein in Ausnahmsfällen eine lange Gefängni?^- 
haft als Strafe verhängt: nur bis das Urteil gefällt war, wurden div 
Angeklagten in Gewahrsam gehalten, oder wenn es sich um kürzen- 
Haft als Sühne leichter Vergehungen handelt. Dann wurden also die. 
die mit dem Gesetze in Konflikt gekommen waren, in irgend einen 
festen Turm, oder in ein anderes Gefängnis, ins Loch gesperrt. Die 
Freiheitsstrafen sind, wie es scheint, erst nach dem Dreifsigjährigen 
Kriege mehr gebraucht worden. Schon Joachim Friedrich, Kurfürst von 
Brandenburg (1598 — 1608), hatte in Berlin ein ^Zuchthaufs erbaut 
da etwan mutwiUige Leute oder Kinder, die auf der Strafsen das Volk 
mit Betteln molestierten und doch gesund waren .... dafs sie dahin zur 
Arbeit geordnet sollten werden^).« Zunächst handelt es sich also, wie wir 
sagen würden, um ein Arbeitshaus, wie Abraham a S. Clara sich 
ausdrückte, »die Leute durch Arbeit von einem unerbaren und üeder- 
lichen Leben zu einem erbaren und züchtigen Wandel zu bringen«. Er 
gedenkt besonders der Zuchthäuser in Bremen, Amsterdam, Ham- 

») J. Beckmann a. a. 0. V. 435 ff. 

«) Ph. Hainhofer, Reisetagebuch 1617 (Balt. Studien n, 2, S. 11. 



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H. Schulen und üniversitÄten. 103 

bürg (Etwas für Alle 489). In dieser^ Straf- oder richtiger Besserungs- 
anstalten wurden aufser den eigentlichen, gesetzhch verurteilten Zücht- 
ungen, Waisenkinder zur Erziehung untergebracht, ja Eltern konnten 
ihre Kinder mit Erlaubnis der Obrigkeit zur Besserung längere oder 
kürzere Zeit im Zuchthause einsperren lassen^.) 

H. Schulen und Universitäten. 

Für die Erziehung des Volkes ist während des Mittelalters wenig 
genug geschehen, und so hören wir auch nicht, dafs man den Schul- 
häusern eine gröfsere Aufmerksamkeit zuwendete. Im 16. Jahrhundert 
wird dies anders : für die Gymnasien werden, zumal im Norden Deutsch- 
lands, gröfsere und auch etwas künstlerisch gestaltete Gebäude errichtet. 
Das älteste Schulhaus dürfte das von Nord fingen (1513) sein; das in 
Zerbst ist 1537 erbaut, das Gymnasium in Brieg 1564, in Liegnitz 1581, 
in Schweinfurt 1582, in Rothenburg ob der TauVjer 1591, in Koburg 
1605, in Stuttgart 1685, 

Von Universitätsgebäuden ist nur wenig übrig geblieben. Das 
^€3wöhnlich als CoUegiiun Carolinum bezeichnete Haus der Prager Uni- 
versität ist erst nach Karl IV. für die Lelu-anstalt erworben worden, 
überdies so umgebaut und erneuert, noch dafs kaum ein unverdächtiges 
Stück an den ursprünghchen Bau erinnert. Das GoUegium Jagellonicum 
in Krakau, jetzt Universitätsbibliothek, bietet dagegen noch immer den 
Anblick des alten, im 15. Jahrhundert angelegten Baues; auch in Erfurt 
ist das Universitätsgebäude (1476) noch wohl erhalten. Das zu Frei- 
])urg i. Br. stammt schon aus dem 16. Jahrhundert (1579 — 81), ebenso 
der von Julius Echter von Mespelbronn gegründete Universitätsbau zu 
Würzburg. Das Juleum, in dem die Vorlesungen der Universität Helm- 
städt stattfanden, hat unter Julius von Braunschweig (1589 — 1613) der 
berühmte Architekt Paul Francke 1593 — 1612 errichtet. Das Mainzer 
Universitätshaus, jetzt Kaserne, ist 1615 erbaut worden. 

Neben den Universitäten nehmen die Jesuitenschulen die Auf- 
merksamkeit in Anspruch. Noch schlicht ist das Jesuitenkollegium zu 
München, jetzt Akademie, am Ende des 16. Jahrhunderts entworfen, 
desto prächtiger sind die Kollegien ausgestattet, die nach dem Dreifsig- 
jährigen Kriege von der Gesellschaft Jesu erbaut wurden. Unter diesen 
Anlagen ist besonders hervorzuheben das Clementiimm, jetzt Universität, 
in Prag (1653 bis ca. 1711), dessen Innenräume zumal, das Refektorium, 
die Bibliothek, mit verschwenderischem Luxus, Stucco - Verzierungen, 
Vergoldungen, Malereien ausgeschmückt sind. Auch das Jesuitenkollegium 
zu Breslau, gleichfalls als Universitätsgebäude später gebraucht, ist ein 
ausgezeichneter Bau des deutschen Barockstiles (1723 — 29). 

Die Universitätsgebäude Italiens sind nicht so alten Datums, als 
man nach den Gründungsjahren vermuten sollte. Häufig sind die Lehr- 

*) Fr. K r a a s o 1 d , Discureus jurid.-polit. de miraculis et egre^riis ußibuH S. Rappini, 
von dessen Wunderwerken und vortrefflichen Nutzbarkeiten des Rapp- oder Zucht- 
Hauses. . . . Merseb. 1698. — Vjfl. Alltajrslebcn einer deutsclien Frau etc. 237, 



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104 



n. Die Städte. 



anst alten später in Palästen untergebracht worden, die für sie ursprüng- 
lich keineswegs bestimmt waren, wie in Bologna in dem Palazzo Poggi, 
der von Pellegrino Tibaldi 1570 entworfen ist, oder man hat, wie in 
Deutschland, Jesuitenkollegien zu Universitätsgebäuden verwendet, wie 
das z. B. in Genua mit dem grofsartigen, von Bartolonmieo Bianchi 1623 
begonnenen Bau geschehen ist. Die alte Universität in Perugia (1483), 
<lie zu Pavia (1490), zu Padua (1493 — 1552) scheinen die ältesten Denk- 
mäler dieser Art darzustellen. 

J. .Die Privathäuser. 

Die Bürgerhäuser^) waren 
in der älteren Zeit fast aus- 
schliefshch aus Holz gebaut, 
nicht Blockhäuser, wie man 
deren wohl auf dem Lande 
antraf, sondern Fachwerksbau- 
ten, deren Holzrahmen mit 
Backsteinen und Flechtwerk, 
mit Lehmverklebung oder durch 
Staken ausgefüllt waren. Solche 
Fachwerkshäuser konnten trotz 
des geringen Materials sich sehr 
stattUch präsentieren. Das be- 
kannte Dürerhaus in Nürn- 
berg ist nur im Untergeschofs 
massiv gebaut, der obere Teil 
ist Fachwerk. Aus (Jen nieder- 
ländischen und französischen 
Miniatiu-endes 15. Jahrhunderte 
können wir uns ein Bild der 
Strafsen wohl machen . ., hohe 
steile Dächer, deren Giebel der 
Strafse zugewendet sind, zeigen 
die Häuser fast ausschliefshch 
Holzbauten sind aus früherer 
Zeit nur überaus wenige uns erhalten geblieben; dem 15. Jahrhdt. gehört 
noch der Ratskeller zu Halb er Stadt an, dessen Balken kunstreich ge- 
schnitzt und sicher früher mit Farben wirksam dekoriert, von Geschofe 
zu Geschofs weiter nach der Strafse vortreten. Wenn zwei solche 
Häuser einander gegenüberstanden, konnte es vorkommen, dafs die 
obersten Dachgeschofse ganz nahe aneinanderrückten und dem Hinmiels- 
liclite nur einen sehr schmalen Zutritt gewährten. In Braunschweig, 
Ilalberstadt, Hildesheim, Herford sind noch manche interessante* 




Hans in Herford. 



») Vgl. P. (t. Molmenti, La vie priv^e ä Venise (Ven. 1882), 140 ff., 247 fP. — 
Belgrano, Della Vita privata dei Genovesi (Genova 1876). Parte prima: Le abitazioni 
p. 5 — 150. — Viollet-le-Duc. Dictionnaire de l'architecture fran^aise VI. 214 fP. — 
Paris 1863. 



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J. Die Privathäuser. 



105 



ITberreste solcher Häuser aus dem 16. Jahrhundert erhalten, deren 
hübsche Schnitzereien zumal die Augen der Kunstfreunde auf sich 
ziehen. Von Jahr zu Jahr verringert sich aber die Zahl dieser interes- 
santen Baudenkmäler. 

Allein auch in den Städten, in denen man jenes Vorkragungssystem 
nicht in Anwendung brachte, liefsen sich durcli gefälHge Anordnung 
des Riegelwerkes bescheidene, 
aber recht ansprechende Wir- 
kungen erzielen, wie die be- 
kannten Häuser in Bacha- 
rach, in Miltenberg u. s. w. 
beweisen. Manche solche Holz- 
bauten sind noch in E n gl a n d , 
/. B. in ehester zu finden. 

Die f ranz ösischen Holz- 
häuser, deren Fassaden Viol- 
let-le-Duc*) mitteilt, haben 
meist ein Erdgeschofs, das au8 
Stein aufgemauert ist. Ein 
^rofser Teil dieser Bauten ist 
übrigens schon längst durch 
moderne Häuser ersetzt wor- 
<len. Er bildet in Fig. 20 ein 
Gebäude ab aus Chateaudun, 
in Fig. 21 eines aus Laval, 
22 aus Annonay, 23 aus 
Nantua (Ain). Aus Beauvais 
istammt das in Fig. 26, Fig. 26 
bis 27, 28, 29, 30 ausRouen.^) 

Jedoch so husch sich ein 
solcher Bau auch })räsentieren 
mochte, er war im höchsten 
< Trade gefährdet, sobald ein 
Brand in der Stadt ausbrach. 
Die Stroh-, im besten Falle die 
Schindeldächer waren schnell, 
zumal bei andauernder Tro- 
ckenheit, vom Flugfeuer ent- 
zündet und so konnte in kürzester Zeit eine ganze Stadt durch Feuers- 
brunst zerstört werden. Von solchen Unglücksfällen berichten uns die 
Chroniken des Mittelalters zahllose Male. Es blieben von der ganzen 
Stadt aufser den Stadtmauern nur die wenigen Steinhäuser und die massiv 
gebauten Kirchen übrig, auch diese oft genug stark beschädigt. 




.--. f*«i '«/*«' 



Haus in Annonay. 



») Dict. de l'Arch. VI, 214 ff. 

*) Arciflse de Caumont gibt in seinem Ab^c^daire d'Archeologie II, PariH 1858, 
Abbildungen von Holzhäusern in Saint-Lo (1494), Morlaix, Honfleur (S. 225, 226, 227), 
in Troyes, Sens, Saint-Quentin (S. 246, 246, 247.) 



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106 



II. Die Städte. 



In Frankreich hatte man im 13. Jahrhundert bei der Anlage neuer 
Städte angeordnet, dafs immer zwischen je zwei Häusern ein Zwischen- 
raum freibUeb, dafs die Häuser also nicht unmittelbar aneinander 
stiefsen, so z. B. in dem 1284 erbauten Städtchen Montpazier. ^) Doch 




Altromanischcs FlauH in Trier auf der Dietrichstrarse. 

konnten diese Vorsiehtsmafsregehi nur dann \\drksam sein, wenn die 
Häuser aus Steinen hergestellt waren; bei Holzbauten hätten sie kaum 
etwas genutzt. 

Sehr viel waren die unvollkommenen Löschanstalten schuld, da^ 
die Brände so gefährlich wurden. Die Handspritzen, die man während 

») Viollet-le-Diic, Diet. de l'Arch. VI. S. 247, 249. 



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r^i'«.>^-- 



J. Die Privathäuser. 



107 



des Mittelalters ausschliefslich benutzte, konnten nur einen kleinen Brand 
allenfalls ersticken, so wenig Wasser waren sie zu schleudern imstande. 




Turmhaus in Regensburg. 



allein sie trugen auch nicht weit, und über eine gewisse Höhe reichten 
sie erst gar nicht. So mochten die zahlreichen, von den Räten der 



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108 II- I>ie Städte. 

Städte erlassenen Feuerordnungen ^) recht gute Anweisungen enthalten, 
nutzen konnten sie aber erst, als es gelang, die Feuerspritzen zu ver- 
vollkommnen. Die 1518 in Augsburg erwähnten Spritzen scheinen zwar 
schon von kompHzierterer Konstruktion, doch erst im 17. Jahrhundert 
Miirden von Johann Hautsch in Nürnberg Spritzen gebaut, die im 
Stande waren, den Wasserstrahl bis 80 Fufs Höhe zu schleudern. Der 
Jesuit Caspar Schott sah und beschrieb diese Maschine 1655. 2) Eine 
Vervollkommnung der Feuerspritze führte Leupold (um 1720) ein durch 
Benutzung des Windkessels.^) 

Die Abgebrannten waren aiif die Hilfe ihrer Mitbürger, ihrer 
Landsleute angewiesen. In Deutschland sind solche Hilfskassen schon 
im 17. Jahrhundert nachzuweisen, aber erst im 18. Jahrhundert werden 
die Feuerversicherungen allgemeiner eingeführt (Berlin 1706). Allein 
<liese Versicherungsgesellschaften deckten nur den Schaden, der durch 
Brand den Gebäuden zugefügt worden war; für die zerstörten Mobilien 
kamen sie nicht auf. Die Versicherung der Hauseinrichtimgen ist erst 
im 18. Jahrhundert möghch geworden. 

Die Brandassekuranz in Paris ist 1745, die von Kurbraun- 
braunschweig 1750, die von Nassau -Weilburg 1751 gegründet. Es folgt 
<lann 1753 Braunschweig -Wolfenbüttel, 1764 Kurbrandenburg.*) 

Während des Mittelalters begnügte man sich, die Verwendung 
feuergefährlichen Baumaterials nach Kräften zu beschränken. In Frank- 
furt a. M. wurde 1466 die Verwendung der Strohdächer, 1474 die der 
Schindelbedachungen verboten. In den gröfseren Städten gehörten schon 
im 16. Jahrhundert Häuser, die nicht mit Ziegeln oder Schiefer gedeckt 
waren, zu den Ausnahmen — in den kleinen Ackerbürgerstädten haben 
sich solche Dächer noch bis auf die neueste Zeit erhalten — , jedoch 
die Errichtung von Fachwerkshäusern hat man noch lange Zeit unbedenk- 
lich gestattet. Vornehme Leute haben allerdings schon im Mittelalter 
ihre Wohnhäuser aus Stein herstellen lassen, aber solche Grebäudf 
waren in den grofsen Städten selbst immer nur in geringer Anzahl vor- 
handen. Die ersten solchen Denkmäler, die uns erhalten sind, rühren 
frühestens aus dem 11. Jahrhundert her. Die beiden Häuser (Pro- 
pugnacula) in Trier (im Hofe des Regierungsgebäudes und in der 
Dietrichstrafse ^) dürften zu den ältesten Monumenten deutscher Privat- 
architektur zu zählen sein. 

Eine gröfsere Anzahl von Privathäusern des 12. und 13. Jahr- 
hunderts, auch architektonisch beachtufigswerte Baudenkmäler, sind in 
Regensburg noch erhalten. Es ist dringend geboten, dafs diese Bauten 
aufgenommen und sachverständig beschrieben werden, da ihr Bestand 



») S. J. Beckmann. Beiträge z. Gesch. d. Erfindungen. IV. Lpz. 1795. S. 446. 

•) Nürnberger Feuerspritze 1658. (Kulturgesch. Bilderb. V. — N. 2665). — Veigl. 
.1. Beckmann a. a. 0. IV. S. 447. 

') Vgl. G. A. Böckler, Theatnim machinarum novum . . . Feuerspritzen . . ■ 
Xürab. 1673. 

*) J Beckmann a. a. 0. I. 218. 

*) Vgl. die trefflichen Abbildungen bei Stephani, Wohnbau II (1903) Fig. 275—287. 



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J. Die Privathäuser. 



10§ 



ja von dem Ermessen der Besitzer einzig und allein abhängt. Es sind 
teils einzelne hohe, vielstöckige, tnrmartige Gebäude, teils breite Wohn- 
häuser, denen aber auch Türme einen eigenen Reiz verleihen, wie z. B. 
das bekannte Goüathaus, das heutige Gasthaus Zum goldenen Kreuz u. s. w. 
Interessante Giebelhäuser aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts 
finden sich noch vor in Trier (Simeonsstrafse) imd in Gelnhausen.^) Köln 
besitzt gleichfalls einige wenige Häuserfassaden, die aus dem späteren 
Mittelalter herrühren. Der Steinfelder Hof bei S. Gereon zeigt noch roma- 
nische Formen, dagegen ist im gotischen Stile das Haus am Altmarkt und 




Wohnhaus der Familie Oventolz zu Köln, 
„Templerhaus" genannt. 



Wohnhaus der Familie EUweiler 
zu Köln. 



in der Rheingasse erbaut. Das Etzweilersche Haus in Köln gehört schon 
dem 15. Jahrhundert an. In Frankfurt a. M. wäre noch das spätgotische 
Haus Fürsteneck und das Steinerne Haus zu erwähnen, in Metz das 
Haus in der Trinitarierstrafse. In Nürnberg bietet ein Muster einer 
statthchen Patrizierwohnung das sogenannte Nassauer Haus. Es ist 1422 
von Jobst Hang erbaut und hat nie dem Grafen von Nassau gehört.^} 



») Karl Simon, Studien etc. (Strafsburg 1902) 119 fif. 

') Vgl. E. Mummenhof, die Besitzungen der Grafen von Nassau in und bei 
Nürnberg und das sogenannte Nassauerhaus. — In der Festgabe des Vereins f. Gesch. 
der Stadt Nümbei^ zur Feier des fünfeigj ährigen Bestehens des Germanischen National- 
museums in Nürnberg. Nbg. 1902, S. 1 ff. 



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110 



II. Die Städte. 



Beachtenswert sind auch die in Nürnberg nicht seltenen Erkerbauten, die 
gewöhnlich mit dem Namen Chörlein bezeichnet werden und auch im 
16. Jahrhundert vielfach noch angelegt wurden.^) Man konnte da so 
bequem übersehen, was auf der Strafse vorging, durfte aber nicht an- 
fällig sein, da es sicher in den Erkern, besonders im Winter, der ein- 
fachen Fenster wegen, arg zog. 

Fast ausnahmslos ist aber von den Denkmälern der mittelalter- 
lichen Profanarchitektur nur die Aufsenseite leidUch erhalten : die Innen- 
räume haben in den meisten Fällen Veränderungen aller Art erhtten, 
welche die ehemaUge Einteilung fast gänzüch unkenntlich gemacht haben. 
Dasselbe gilt von den französischen Denkmälern der Haus-Bau- 
kunst. Es sind — oder waren bis ins vorige Jahrhundert — noch eine 
stattliche Anzahl solcher Monumente erhalten. Dem 12. Jahrhundert 
gehören nach de Caumont^) ein Haus in Chartres, ein anderes in Cluny 
an, auch in Saint-Gillis (Gard) und Limoges sind solche Bauten anzu- 
treffen. VioUet-le-Duc») bildet gleichfalls das Haus von Cluny ab (S.224), 
andere aus Monreale^); dem 13. Jahrhundert gehört wohl schon an das 
Haus aus Saint-Antonin*), Amiens (234), Caussade (Tarn et Garonne), 
vor allem das berühmte Spielmannshaus in Reims*). Aus dem späteren 
Mittelalter rührt her ein ehemals in Vittraux (Cöte-d'Or) vorhandenes 
Haus''), ein anderes zu Perpignan.*) Als mustergültiges Beispiel eines 
Wohnhauses des reichen und vornehmen Bürgers kann das Hotel des 
Jacques Coeur zu Bourges angesehen werden, das nach 1443 begonnen 
wurde und das in seiner reichen Anlage, mit seinem Kapellenbau, eine 
Zwischenstellung zwischen dem ansehnhchen Bürgerhause und dem 
Adelsschlosse einnimmt.®) Die Adelsresidenz in der Stadt 
repräBentierte das leider seit 1840 zerstörte Palais La Tre- 
mouille zu Paris; der Bau war 1490 angefangen worden.^**) 
Dank den gründlichen Studien, die wir Viollet-le-Duc 
und Felix de Vernoilh^^) verdanken, sind wir über die fran- 
zösischen Bürgerhäuser ziemlich gut 
unterrichtet — besser wie über die 




Haus in der Trinitorierstrafse in Metz. 



*) Fr. Mayer, die interessantesten Chör- 
lein an Nürnbergs mittelalterlichen Grebäuden. 
Ntimb. 1848. 

«) Ab^cödaire IP, 74 ff. 

») Dict. de l'Arch. VI, 223 ff. 

*) Yonne, S. 226. 

») Tarn et Garonne, S. 229. 

•) S. 237. 

') S. 241—242. 

8) S. 262. 

*) S. Viollet-le-Duc 1. 1., S. 277, 279, 281. 

>*>) Ebendas. S. 283, 285. 

**) Architecture civile du moyenftge in 
Didron's Annales Archeologiques t. VL X. XI. 
XII. — Hierzu käme noch: Verdier et OattoiB, 
Architecture civite et domestique au moyen-&ge 
et ä la renaissance. Paris 1855 — 57. 



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J. Die Privathäusor. 



111 




•c 



O 

B 







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112 



II. Die Städte. 




Sogenanntes Nassauerbaus in Nümben?. 



ginne des 15. Jahrhunderts in allen Städ- 
ten Italiens, vor allem in Florenz, Siena, 
Rom entstanden; aber es ist immer nur 
die Kunstform, welche interessiert; die 
Bestimmung der eigentlichen Wohnräume 
findet in den seltensten Fällen Beachtung, 
wird meist garnicht erwähnt. So sind auch 
die Palastarchitekturen der Zeit vor dem 
Eintreten der Renaissance nur oberflächüch 
untersucht worden ^), und doch gibt es auch 
unter diesen Denkmälern viele, die als 
Kunstwerke recht wertvoll sind, z. B. der 
Palazzo Agostini zu Pisa. Allein das 
Bürgerhaus des mäfsig begüterten Hand- 

1) Z. B. in Schnaase Gesch. d. Bild. K«. — 
Vn. 202 ff. 



deutschen — , dagegen scheint es, dafs die 
Denkmäler der Profankunst in Italien 
über Gebühr vernachlässigt worden sind. 
Von den Bauwerken des frühen Mittelalters 
sind nur überaus wenige bisher beachtet 
worden. Am bekanntesten ist die aus dem 
11. Jahrhundert herrührende Casa di Pilab> 
zu Rom, der Überrest eines Turmbaue.<. 
den Nikolaus der Grofse, der Sohn des Cre>- 
centius (ca. 998), erbaute. Dieses originelle 
Denkmal, an dem auch antike Baureste 
Verwendung gefunden haben, ist auch unter 
dem Namen des Hauses von Cola di Rienz«» 
bekannt. Solche feste Turmhäuser, Burgen 
der städtischen Adelsgeschlechter, waren 
in allen italienischen Städten anzutreffen; 
sie sind heute meist abgetragen; nur S. Gi- 
mignano hat noch an 13 Turmhäuser be- 
wahrt. Als künstlerische Leistungen haben 
diese Bauten kaum Anspruch auf Beach- 
tung: sie sind nur als Denkmäler für die 
Sittengeschichte von hoher Bedeutung. Die 
schiefen Türme von Bologna, die Torre 
AsineUi, 99,30 m hoch, 1109 begonnen von 
Gherardo degh AsineUi, und die Torre Ga- 
risenda, 47,50 m hoch, deren Bau Filippo 
und Ottone de Garisendi 1110 anfingen, 
sind wohl die bekanntesten unter diesen 
Bauwerken. 

Jede Kunstgeschichte bespricht ein- 
gehend die Palastbauten, die seit dem Be- 




Giebelhans am Wollmarkt zu Köln. 



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J. Die Privatgebäude. 



113 



werkers, Handelsmannes hat man kaum je geschildert. Und doch sind 
diese kleinbürgerlichen Wohnhäuser gewifs in überwiegender Masse in 
den Städten vorhanden gewesen; die Palazzi waren sicher immer in der 
Minderzahl. 

Diese Palazzi haben in ihrer Anlage manches gemeinsame: durch 
einen ziemlich engen Hausflur gelangt man in den von Arkaden um- 
gebenen Hof, der neben der Fassade die architektonische Schönheit zur 




Palazzo Strozzi in Florenz. Durchschnitt des Hofes. 



Geltung bringt. Das Erdgeschofs ist für Dienerschaft und für Wirtschafts- 
räiuiie bestimmt; in der ersten Etage befinden sich die Empfangssäle ; m 
den oberen Geschossen wohnt die Famihe des Hausherrn. Anders ist die 
Anlage der venezianischen Paläste, deren Haupteingang gewöhnlich nur 
von einem der Kanäle zugänglich ist. Hier fehlt der Hof gänzlich ; der 
mittlere Teil des Gebäudes ist für die Repräsentationssäle bestimmt; 
häufig reicht der grofse Festsaal durch zwei Geschosse. Die Zimmer 
zur Seite der Prunkgemächer sind für die Familie des Herrn bestimmt. 
Auch in Venedig kennen wir, wenigstens gilt dies von unserer Zeit, 
nur die Häuser der Vornehmen. 



Schnitz, Das häusliche Lehen im Mittelalter. 



8 



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114 



n. Die Städte. 



Als zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Formen der itahenischen 
Palastbaukunst auch in Deutschland und Frankreich Eingang fanden, da 
zeigte es sich, dafs diese vStilart wohl für Italien nicht aber für die 
Länder diesseits der Alpen pafste. So vornehme Geschlechter wie in 

den italienischen Städ- 
ten mochte es ja in 
Deutschland auch ge- 
ben, allein ihre Woh- 
nungen behalten immer 
den Charakter eines 
Bürgerhauses ; in den 
deutschen Städten gibt 
es bis gegen Ende des 
17. Jahrhunderts keine 
Paläste. Die Verwen- 
dung der flachen Dächer 
ist in dem schneereichen 
Norden nicht ratsam; 
man behält die steilen 
Giebeldächer bei. Wenn 
man von den Prunk- 
höfen der Italiener Ge- 
brauch macht, so er- 
weist sich das als ein 
Mifsgriff. Die auch in 
Deutschland überhand- 
nehmend Sitte, die Bür- 
gerhäuser mitLuxus ein- 
zurichten, hatte schon 
Geiler von Kaisersberg 
getadelt, später ist der 
protestantische Prediger 
Cyriakus Spangenberg 
in seinem »Hoffahrts- 
teufek^) gegen diese 
Prachtliebe aufgetreten, 
die er allenfalls dem 
reichen Nürnberg, Augs- 
burg, Venedig gestatten 
will, aber nicht den armen Städten in Thüringen, Meifsen, Sachsen, der 
Mark.2) Die ältesten Bürgerhäuser, die im Geschmack der Italiener erbaut 
sind, treffen wir in Augsburg, in Nürnberg an. Das Fugger-Haus auf 
der S. Annastrafse zu Augsburg durfte etwa 1512 — 16 erbaut sein; es 
trägt den itahenischen Charakter noch ziemlich unverfälscht zur Schau. 
Das Tucherhaus in Nürnberg (Hirscheigasse), etwa 1533 errichtet, zeigt in 

») Fol. CCCCXXXVb. 

«) Vgl. fol. CCCCLXVma und CCCCLXXna. 




Reims, SpielmannshauR. (S. o. S. 110). 



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J. Die Privathäuser. 



115 



.seiner Fassade schon ein Kompromifs zwischen itaüenischer und deutscher 
Formensprache: das steile Dach mit den fialenartigen Aiifsätzen ist 
entschieden deutsch, die Türmchen mit den Zwiebelspitzen (die wälschen 
Hauben) und die Einrichtung des Innern weisen auf ItaUen hin. Ähnlich 
ist die Giebelfassade des 
Toplerschen Hauses am Pa- 
nierplatze (1590), mehr im 
deutschen Stüe gehalten : 
der Erker, die Gliederung 
des steilen Giebels, die Ver- 
wendung gotischer Mas- 
werkornamente sprechenfür 
die Tätigkeit deutscher Bau- 
meister. Es ist ja auch von 
vornherein als wahrschein- 
lich zu betrachten, dafs 
deutsche Handwerksmeister 
die Mehrzahl der Bürger- 
häuser erbaut haben; die 
eingewanderten ItaUener 
fanden mehr an den Höfen 
der Fürsten, vielleiclit auch 
bei dem Landadel Beschäf- 
tigung. Es kann nun nicht 
die Absicht dieser Darstel- 
lung sein, im einzelnen die 
Geschichte des deutschen 
Bürgerhauses zur Zeit des 
16. Jahrhunderts zu erzäh- 
len. Wilhelm Lübke hat 
in seiner Geschichte der Re- 
naissance in Deutschland^) 
da alles, :^was von Bedeu- 
tung« ist, trefflich geschil- 
dert. Ich will also nur be- 
merken, dafs die Tätigkeit 
der Renaissance - Architek- 
ten sich nicht darauf be- 
schränkte, Neubauten aus- 
zuführen, sondern dafs sie vielfach auch die alten Häuser des 15. Jahr- 
hunderts dem neuen Stile entsprechend zu modernisieren hatten. Da 
wurde ein prächtiges Portal eingesetzt und vor allem der steile Giebel 
durch ^äulenstellungen , Gebälke etc. möglichst versteckt. An Stelle 
der gotischen Fialen treten Obeüsken. In dem letzten Viertel des 
16. Jahrhunderts herrscht die Mode der Überladung, des Schwulstes 
vor. Es finden sich in den Ornamenten jener Zeit ja manche hübsche 




Nürnbei^g, Pellerhaus. 



Zweite Aufl. — Stiittg. 1882. 



8^ 



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116 



n. Die Städte. 



Motive, allein das Ganze ist wüst, wie etwa der geistreiche Stil von 
Johann Fischart. Eins der interessantesten Bürgerhäuser dieser spät-en 
Epoche ist das Peller-Haus zu Nürnberg (1605) Nicht allein die Giebel- 
fassade, auch der malerische Hof mit seinen Galerien, die innere Ein- 
richtung bietet uns ein wichtiges Beispiel für die Entwicklung der deutschen 

Profanarchitektur. Eine eigen- 
artige Zier erhielten die Fa-*^- 
sadon auch der Häuser, die 
nicht mit plastischem Schmuck 
dekoriert wurden, durch dif 
bunte Bemalung der Putz- 
flächen. Ornamentale und figür- 
liche Darstellungen sind da 
mit grofsem Geschick verwen- 
det worden. Schon im 15. Jahr- 
hundert waren die Häuser am 
Ring zu Breslau so festlich be- 
malt. Hans Holbein d. J. ent- 
warf die Kompositionen zur 
Bemalung des Hauses zum 
Tanz in Basel, dos Hauses 
Hertenstein bei Luzern. Zahl- 
reiche Fassadenmalereien sali 
man in Augsburg. Noch 
heute sind einige derselben zu 
erkennen ; besser erhalten sind 
die zu Stein a. Rhein. In 
Schaffhausen sieht man 
noch die bemalte Fassade des 
Hauses zum Ritter, die von 
dem Meister Tobias Stimmer 
herrührt (1570). Im Osten 
Deutschlands, in Böhmen, 
Schlesien wendet man das ita- 
Henische SgrafBto an, die kah- 
len Mauerflächen der Fassaden 
wirkungsvoll zu beleben. 

Auch über die franzö- 
sischen Bürgerhäuser gibt 
W. Lübke in seiner Geschichte 
der Renaissance Frankreichs^) Auskunft. Hervorzuheben wäre, aufser 
dem hier abgebildeten Hause aus Ronen, in Orleans das sogenannte 
Haus der Agnes Sorel, in Wahrheit wohl die Wohnung eines reichen 
Kaufherrn aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. In Orleans finden 
wir dann noch das angebliche Haus Franz I., das 1536 erbaut wurde. 




Haus zu stein am Rhein. 



>) Stuttg. 1868. 



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J. Die Privathäuser. 



117 



Die Maison de Fran9ois I. ist aus dem Dorfe Moret bei Fontainebleau 
nach Paris in die Champs Elysdes übertragen worden. Andere Bauwerke 
des späteren 16. Jahrhunderts bespricht Lübke a. a. O. 265 ff., die aus 
<ler Zeit Heinrichs IV. und Ludwigs XIII. S. 293 ff. 

Nach Beendigung des Dreifsigjährigen Krieges werden nur wenige 
städtische Häuser mehr erbaut. Man begnügt sich, die alten Häuser zu 
erhalten, auszubessern, aber an Neubauten ist einstweilen nicht zu denken; 
geschieht es aber ausnahms- 
weise, dafs ein neues Gebäude 
errichtet wird, dann wird es 
so schlicht wie mögUch ange- 
legt. Die kathoHschen Kirchen 
und Klöster, die Schlösser der 
Fürsten und Grofsen mochten 
im imposanten Barockstil, in 
4len gefälUgen Tändelformen 
des Rokokostiles erbaut wer- 
den : von diesen Stilen merkte 
man an den deutschen Bür- 
gerhäusern so gut wie gar 
nichts. Schwer lastet auf die- 
sen Gebäuden das mit Ziegeln 
gedeckte gewaltige Mansarden- 
dach. Reiche Bürger haben 
allerdings hin und wieder 
reicher ausgestattete, mit Pila- 
stem und Skulpturen ge- 
jschmückte Gebäude errichtet, 
\rie in Augsburg, in Dres- 
den u. s. w. Cornelius Gur- 
litt hat in seiner Geschichte 
des Barockstiles und des Ro- 
koko in Deutschland^) auch 
bliese Privathäuser besprochen, 
natürUch aber nur, wenn sie 
einen künstlerisch bemerkens- 
werten Charakter an sich tra- 
gen. Es sei hier als Muster 
eines Barockbaues das Asamhaus auf der Sendlingerstrafse in München 
genannt, das die Brüder Cosmas Damian Asam, der Maler (1686 — 1742) 
und Egidius Quirin Asam, der Stukkateur (f 1764) erbauten. Reizend 
ist das aber mehr im Geschmack des Rokoko gehaltene Haus am Königs- 
platz (Nr. 55) zu Kassel. 

Vereinzelt hatten schon im 16. Jahrhundert Adelsfamilien auch in 
Jen Hauptstädten des Landes sich ihre Paläste erbauen lassen. Der 
Bau des Palastes Schwarzenberg auf dem Hradschin zu Prag war 1545 

») Stuttg. 1889. 




Hof des Pellerbauses zu Nürnberg. 



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118 



II. Die StMte. 



unter nommen worden; dann hatte Waldstein, der Herzog von Friedland, 
das grofse Schlofs auf der Prager Kleinseite 1629 mit der prächtigeu 
Gartenloggia erbaut. Es folgt das Palais der Grafen Thun auf der 
Pfarrgasse (nach 1650), das Palais Czernin auf dem Hradsehiu; das 
18. Jahrhundert sieht nun eine ungeheure Zahl von Adelspalästen ent- 
stehen, die zum Teil auch als architektonische Kunstwerke von hoher 
Bedeutung sind. Ich nenne in Prag nur das Palais Clam-Gallas von 
Joh. Bernhard Fischer von Erlach 1707 — 12 erbaut, das Palais Golz 
(jetzt Kinsky) von Kilian Dientzenhofer entworfen und das von dem- 
selben Meister herrührende Palais Piccolomini (dann Nostitz, jetzt Sylva 
Tarucca). Noch zahlreichere Palastbauten hat Wien aufzuweisen; da.^ 




Ronen, Haus am Domplatz, seit 1501>. (Nach Sauvageot.) (S. S. 116.) 

Gleiche gilt von Dresden. Selbst kleinere Residenzen, wie München, 
sahen prächtig ausgestattete Adelspaläste erstehen, das Palais Porcia. 
Törring (jetzt Oberpostamt) , Preysing (Hypothekenbank) , Piosasquj^ 
de Non. 

Ja, einzelne sehr begüterte Herren legten sich auch aufserhalb der 
Stadtbefestigung grofsartige Lustschlösser an, in denen sie während der 
Sommerzeit ihren Aufenthalt nahmen. So das Gartenpalais Mannsfeld- 
Fondi (jetzt Schwarzenberg) zu Wien 1705 — 1720, wahrscheinüch von 
Fischer von Erlach entworfen, und das für den Prinzen Eugen von 
Savoyen durch Joh. Lukas v. Kihan errichtete Lustschlofs Belvedere 
(1693—1724). 

Über die französischen Bürgerhäuser und die städtischen Adels- 
Hötels der Zeit Ludwigs XIV. und XV. gibt Corneüus Gurütt in seinem 
trefflichen Werke »Geschichte des Barockstiles, des Rokoko und des 



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J. Die Privathäuser. 



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120 II. I>i© Städte. 

Klassizismus in Belgien, Holland, Frankreich, England c genauere Nach- 
richten.^) 

Mögen die Fassaden der Bürgerhäuser noch so stattUch sich aus- 
genommen haben, die Zustände der Strafsen an denen sie' gelegen waren, 
liefsen bis ins 19. Jahrhundert sehr viel zu wünschen übrig, nicht allein, 
dafs die zwischen den Häusergiebeln angelegten Dachrinnen das Regen- 
wasser in der Mitte der Strafse ergossen, auch die Treppen zu den 
Kellern der Häuser selbst reichten in die Strafse hinein; die bei Tagt* 
aufgeklappten Türen der Treppe sperrten den Verkehr. Die Laden, 
8childer hingen zumeist in die Strafse* hinein, häufig an schön geschmie- 
<leten Eisenhaltern, oft genügte auch nur ein Kennzeichen. Die langen- 
in die halbe Strafse ragenden Bierkegel zeigten, dafs da ein Trunk zu 
haben war, ein blankes Rasierbecken verriet den Bartscherer, ein Huf 
eisen den Grobschmied, ein Schlüssel den Schlosser. Diese Abzeichen 
sind um so wichtiger, weil sie auch von den des Lesens nicht Kundigen 
verstanden wurden. Auf der Strafse selbst arbeiteten hei gutem Wetter 
die Handwerker, z. B. die Böttcher. Meist ist das Erdgeschofs der Bürger- 
häuser von Kaufläden in Anspruch genommen. Aus den Miniaturen 
ersehen wir, dafs der Verkaufsraum durch zwei horizontal sich bewegende 
Türflügel verschlossen war; der untere bildete, aufgeklappt und passend 
gestützt, den Verkaufstisch, während der obere Schutz gegen Regen und 
Sonne gewährte. Jedoch eben jener untere Türflügel hinderte gleich- 
falls den Verkehr auf der Strafse : man mufste beständig, wenigstens bei 
Tage, allerlei Hindernissen ausweichen. Nur in einigen wenigen Handels- 
städten wie z. B.in Danzig waren die vornehmen Häuser im 16. Jahrhundert 
durch eine Freitreppe zugängUch, aiif deren Plattform die Familie des 
Hausherrn bei schönem Wetter zu verweilen vermochte. Diese interes- 
santen Beischläge, die heute, um die Strafsen zu verbreitern, vielfach 
geopfert werden müssen, geben dem Ganzen etwas malerisch Vornehmes. 
An den Haustüren der aus dem 16. Jahrhundert herrührenden Wohn- 
gebäude sehen wir oft in den steinernen Türeinfassungen rechts und 
links Sitze angebracht. Da plauderten die Bürger am Abend mit ihren 
vorübergehenden Freunden und Bekannten. Die UngastHchkeit unserer 
Zeit hat diese traulichen Sitze häufig genug durch eiserne Stachel- 
einfassungen unbrauchbar gemacht. Wir müssen uns aber vorstellen, 
dafs an warmen Sommerabenden die Bürger mit ihren Angehörigen vor 
der Haustür safsen, wie Goethe das ja noch in Hermann und Dorothea 
schildert. 

Über der Tür sah man das Wahrzeichen, nach dem das Haus den 
Namen erhielt, Wappen u. s. w., in Stein gehauen oder gemalt. Die 
Türflügel selbst waren aus starkem und festem Holze gezimmert, seit 
dem 16. Jahrhundert öfters noch mit Schnitzwerk geziert. Sonst 
waren die Schmiede- und Schlosserarbeiten, die Haspen und Beschläge, 
die kunstreichen Schlüsselschilde sowie die prächtigen geschmiedeten 
Türklopfer der Hauptschmuck. Die ursprünglich verzinnten Eisenarbeiten 



») Stuttgart 1888. 



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J. Die Privathäuser. 



121 



hoben sich wirksam von dem dunklen Holzwerke ab. Oberlichter, zur 
teilweisen Beleuchtung des Flures bestimmt, wurden im 16. — 18. Jahr- 
hundert oft mit meisterhaft geschmiedeten Gittern, Kunstwerken von ge- 
.schmackvoUster Arbeit, ausgefüllt. 

Die italienische Sitte, das untere Geschofs mit einer fortlaufenden 
Loggienreihe zu verzieren, so dafs man geschützt gegen Sonnenbrand, 
Regen und Schnee die Strafse hinabgehen konnte, diese gewifs für Italien 
sehr wohl passende Anlage wurde in Frankreich und Deutschland viel- 
fach nachgeahmt, wenn auch in diesen Ländern sich die üblen Folgen 
der Laubeneinrichtung vielmehr fühlbar machten: Die Vorderzimmer 
des Erdgeschosses, die ihre Fenster nach den Laubengängen hin hatten, 
erhielten sehr wenig Licht, und die über den Lauben gelegenen Zimmer 
des ersten Geschosses hatten eiskalte Fufsbödeii. 

Diesseits der Alpen hat man mit Vorliebe die Marktplätze mit 
Laubengängen eingefafst, in den Strafsen dagegen sie selten verwendet. 
Tn Frankreich .sind solche Anlagen schon in der zweiten Hälfte des 
13. Jahrhunderts nachzuweisen, in Deutschland scheinen sie, zumal im 
Osten, erst während des 16. Jahrhunderts allgemeiner in Gebrauch ge- 
kommen zu sein. 

Ein(Mi guten architektonischen Effekt werden auch diese Lauben 
kaum gemacht haben, da sicher in- ihnen die Krämer des Tags über ihr 
Wes(*n trieben, wie denn überhaupt diese Handelsleute viel dazu bei- 
trugen, das malerische Bild, welches eine Stadt der früheren Jahrhunderte 
doch immerhin <larbot, zu entstellen und unerfreulich zu machen. 
IJberall nisteten sie sich mit ihrem Kram ein: zwischen den Strebepfeilern 
der Kirchen, an den öffentlichen Gebäuden; ihre nichts weniger als 
.schönen Holzbuden er- 
füllten den Marktplatz, 
ja sie standen selbst 
an den Häusern der 
Flauptstrafsen.^) Noch 
ist der grofse Markt- 
j>latz Breslaus nicht 
gänzlich von solchen 
Buden gesäubert; vor 
fünfzig Jahnen war er 
mit diesen Bretter- 
häusern erfüllt und 
die auf den Ring mün- 

^) Das GeriiianiHcbe 
MuHCiini besitzt eine merk- 
würdigeHandzeichnungdes 
15. Jahrhunderts, darstel- 
lend einen Marktplatz. Ab- 
j^eb. in dem kultnr^eseb. 
Bilderatlas U. (hrsgg. von 
A. Essenwein). I^ipzig 
1883. Taf. CXV. 1. Lauben in Montptizier (1284). 




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122 11. I>ie Städte. 

denden Strafsen, die schon an sich schmal genug sind, durch Budeii- 
reihen noch mehr verengt. 

Über den Hausbau äufsert sich Guarinonius aufserordentlich ein- 
sichtsvoll. Er will, dafs die Fenster nach Westen gerichtet sind, weil 
sie so am längsten Licht erhalten. Mufs man sie nach Mittag hin legen, 
so sorge man für Zimmer an der Nordseite; dann bewohnt man diei*t^ 
im Sommer, jene im Winter. Schlafzimmer sollen inmfier nach Osten 
gelegen sein :>sonderlich diejenigen, darinnen die Dienstbotten schlafen, 
damit sie von dem Liecht und Morgenröten desto ehender von dem 
Schlaf erweckt und zu ihrer Arbeit ermuntert werden. « Alle Schlafstuben 
der Schüler sollen auch nach Osten liegen, damit sie früh aufstehcui und 
die kühlen Morgenstunden benutzen. Man soll, werui grofse Plätze, breit*» 
Strafsen vorhanden sind, die der Luft freien Durchzug gestatten, dit* 
Häuser hoch bauen und die höheren Zimmer selbst als die gesünderen 
bewohnen, nicht, wie gewöhnlich, vermieten. Er klagt über die Unsauber- 
keit der heimhchen (lemächer, über die schlechte verdorbene Luft in 
den Wohnungen und tritt sehr energisch für gründliche Lüftung der 
selben ein (S. 421). 

Sobald man die Haustür überschritten, in das Haus eingctret-eii 
war, gelangte man zuerst in den Flur, der je nach dem Erwerbszweig«^ 
des Besitzers bald geräumiger bald beschränkter war. Dal's auch di«* 
Bürgerhäuser in der Vergangenheit entsprechend dem Stande und dem Ver- 
mögen des Besitzers bald reicher, bald ärmlicher entwickelt sind, bedarf 
ja nicht hervorgehoben zu werden; es sind selbstverständlich auch da 
die mannigfaltigsten Abstufungen zu bemerken. Immer aber ist eins 
gleich, ob das Haus einem Armen oder Reichen gehört: Gebäude untl 
alles, was dazu gehört, ist, für den Herrn besonders hergestellt, nicht 
nach einer Schablone ausgeführt worden, ^vie alle Einrichtungsstücke 
beim Handwerker bestellt und dem besonderen Oeschmack gemäfs ge- 
arbeitet wurden. Möbelmagazine kennt jene Zeit noch nicht. Aber auch 
die Häuser, zumal bis ins 17. Jahrhundert, haben ihre Eigenart : je nach- 
dem man ein Zimmer höher oder niedriger bedurfte, wurden die Gewölbe, 
die Decken angelegt, so dafs man allerorten auf meist recht dunklen 
Treppenstufen hinauf und hinab steigen mufste. Die in einer Ebene 
angeordneten Geschosse sind, meine ich, nicht vor dem 18. Jahrhundert 
gebräuchlich geworden. Nebenbei hat auch jede Stadt, jeder Landstrich 
seine besonderen Eigentümlichkeiten. Wir sind heute noch nicht in der 
Lage, alle diese Verschiedenheiten mit Sicherheit aufzuweisen, obschon 
sie unzweifelhaft vorhanden sind, können vielmehr nur ein allgemeines 
Bild entwerfen, das allenfalls der Wahrheit nahe kommt. Nehmen wir 
an, es handele sich um das Wohnhaus eines reichen Kaufherrn. 

Mit dem Flure, in dem die anlangenden und die zur Versendun*): 
bereiten Handelsgüter aufgespeichert werden und der deshalb geräumig 
und nicht zu dunkel sein darf, ist die Schreibstube, das Kontor, in 
Verbindung, in dem der Herr mit seinen Kaufmannsdienern das Geschäft 
leitet. In diesem Zimmer steht der Zahltisch ; an einem Rande des- 
selben sind untereinander die Zahlzeichen M. D. C. L. X. V. I. ein- 



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J. Die Privathäuser. 123 

geschnitten, mit deren Hilfe wie mit einer Rechenmaschine schnell die 
Additionen zu erlangen waren.^) Der Schreibtisch des Herrn hatte 
viele Fächer und Geheimladen.^) Angenagelte Riemen an der Wand 
dienten dazu, eingehende Korrespondenzen so lange sichtbar einzu- 
klemmen, bis sie beantwortet worden waren. Die Fenster des Erd- 
geschosses sind meist zum Schutz gegen Einbrecher vergittert; dies(^ 
Gitter weisen oft im 16. bis zum 18. Jahrhundert wahre Meisterwerke 
der kunstgewandten Schlosser auf. 

Aus dem Flure gelangt man in den Hof, der während des Mittel- 
alters wohl gänzüch schmucklos war, an dem die verschiedenaiiigeii 
Ställe, die Wohnungen der Dienstleute gelegen waren. Bei den Häusern 
der vornehmen Bürger ist der Hof gleichfalls von einer Arkadenstellun^* 
umgeben, auf der die Säulen der Loggien, der oberen Geschosse, ruhen. 
Diese Laubengänge vermitteln die Verbindung der Zimmer. So hübsch 
sich diese von ItaUen entlehnte Anlage auch ausnehmen mag, praktisch 
für deutsche Verhältnisse war sie jedenfalls nicht : Regen und im Wintt^r 
Schnee trieb in die offenen Korridore hinein; dafs sie bei Frost eisig- 
kalt waren, und dafs von der Tür aus auch Kälte in die Zimmer ein- 
drang, das liegt auf der Hand. Der architektonisch hübsche Effekt war 
so recht teuer erkauft. Aber ganz unbegreiflich ist es, wenn man dies(^ 
Verbindungsgänge auf blofse Konsolen setzte ; dann war nicht einmal ein 
künstlerisch erfi-eulicher AnbUck geboten. Diese offenen Galerien, dies(^ 
halb im Freien angelegten Treppen finden sich zahlreich z. B. in den 
alten Bürgerhäusern zu Prag. 

Die Höfe, in der Stadt schon des Raummangels wegen wenig ausge- 
dehnt, waren, von den hohen Häusern umgeben, meist feucht: Sonne und 
Mond schienen nur selten hinein; Gras und Moos wuchsen zwischen dem 
Steinpflaster. Da nur ausnahmsweise die Häuser einen kleinen Garten 
besafsen, so konnte sich die Familie des Hausherrn kaum an warmen 
Sommertagen auf dem Hofe oder in den Laubengängen des Hofes auf- 
halten ; eine bessere Luft, . auch Anregung mancher Art fand sie viel 
eher, wenn sie nach des Tages Arbeit vor der Haustür sich niederhefs. 

Sehr bescheiden sind die Ansprüche, die man an die Anlage der 
Haustreppen zu stellen pflegte. Ln 16. Jahrhundert mag manch<' 
Haupttreppe schön geschnitzte Geländer aufweisen, aber für ihre Beleuch- 
tung ist so gut wie nichts geschehen. Die meisten Treppen sind 
dunkel, eigenthch nur für den im Hause genau Bekannten ohne Gefahr 
zu passieren: da kommen plötzüch unerwartet Absätze, und ebenso 
unerwartet beginnt wieder die Flucht der Stiegen. Die im 16. Jahr- 
hundert weit verbreitete Vorliebe für Wendeltreppen machte das Auf- 
steigen zu den oberen Geschossen nicht angenehmer. Aber wollte man 
in dem durch die Fortifikation ohnehin beschränkten Areal in den 
Burgen Platz für die Zimmer gewinnen, dann mufste man sich bei dem 
Bau aller Nebenräume nach MögUchkeit beschränken. Und [da in den 

*) Abgeb. in m. deutacheii Leben etc. Fijr. 100, nach dem Holzschnitte von 
Hans Burkmair. 

') Ein solcher Schreibtisch abgeb. nach Moriz Heyne, ebend., Fig. 132. 



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124 n. Die Städte. 

befestigten Städten der Raum für die Häuser auch nur knapp bemessen 
war, hat man auch diese Sitte nachgeahmt. Die Erbauer der Schlösser 
können über grofse Baugründe verfügen und wissen deshalb schon früh 
den Wert schöner, geräumiger, lichter Treppen zu schätzen. 

Die Einrichtung eines Bürgerhauses zeigt vortrefflich die Reihe von 
Zeichnungen, die Hans Bosch in seiner Abhandlung »Ein süddeutsches 
Haus vom Beginne des 18. Jahrhunderts« (Nürnberg 1897) pubüziert hat. 
Die ganze Anlage des Hauses weist auf das 16. Jahrhundert zurück. 

Ehe wir aber die im ersten Geschofs befindüchen Wohnzimmer in 
.Vugenschein nehmen, müssen wir noch einen BUck in den Keller 
werfen. Th. Hampe hat »Gedichte vom Hausrat aus dem 15. und 
16. Jahrhundert« herausgegeben (Strafsburg 1899). Das älteste dieser 
Gedichte, von Hans Folz, gehört noch dem 15. Jahrhundert an. Er 
zeigt uns den Weinkeller, in dem es J'afsbohrer, Pipen, Zapfen gibt, 
Schäffer, Kannen, eine Probierkrause u. s. w. In der von Hans Sachs 
lierrührenden Reimerei (1544) wird Bier und Wein ausdrücklich erwähnt. 
Aber aufser den von Folz genannten Geräten führt er noch eine Schrot- 
leiter zum Einbringen der Fässer an. Der Verfasser des dritten 
Gedichtes gedenkt dann noch der )Stontner (Stelischäffer) , drichter. 
flaschen, Kannen, Weinleyter, weinleger, hebrigel, Weinror, damhader 
und demmesser (Hadern und Eisengerät zum Verstopfen)«. Dabei 
.sind Mittel zur Verbesserung und Verschönung des Weines da zu 
finden: Weidasche (Pottasche), Schwefel, Senf, Eiweifs. Allerlei Werk- 
zeug, wie es im Hause unentbehrlich ist, wird auch hier bewahrt, wie 
der Vorrat an Sauerkraut, bayerischen und weifsen Rüben, die man in 
Sand eingräbt, sie frisch zu erhalten. Auch die Waschküchen liegen 
gewöhnüch im Kellergeschols. Am besten kann man die Einrichtung 
der Keller erkennen in den interessanten Modellen, die unter dem 
Namen der Puppenhäuser wohlbekannt sind. 

Steigen wir die Treppe hinauf, so gelangen war zunächst auf den 
Vorflur. Da stehen die grofsen Schränke, die im 15. Jahrhundert mit 
riner geschnitzten und bemalten Zarge verziert waren,i) im 16. Jahr- 
hundert architektonisch gegliedert, mit Säulen und Simsen, die Flächen 
mit Intarsien bedeckt;^) dann erst gegen Anfang des 18. Jahrhiuiderfc* 
werden die polierten Schränke Mode. Soweit sie nicht in den Schlaf- 
zimmern untergebracht werden können, haben si(^ im Flur ihren Platz. 
Der Flur selbst \räd zuweilen auch reicher ausgeschmückt. Stuckdecken und 
Friese finden sich in manchem Nürnberger Hausflur; dazu wurden an 
<len Wänden dekorative, minder kostbare Gemälde : Stilleben, Tierstücke 
u. s. w. aufgehängt.. 

Aus dem Flure treten wir nun in die Empfangszimmer der Reichen, 
die Wohnstuben der minder Bemittelten ein. Wir wollen, aber immer 
uns vorstellen, im Hause begüterter Ijeute Umschau zu halten. 

*) DeutscheH I^ben etc. ¥\\i. 143, 144, 145. — A. Essenwein, kiinst- u. kalturg. 
Denkm. des Genn. Museums. Taf. LH. 

') M. Einführung in das Studium der neueren Kunstjreschichte. (l'rag u. Leips. 
1887.) Fig. 96. 



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J. Privathäuser. 125 

Auf die Stattlichkeit der Türen legt man grofsen Wert. Man ver- 
ziert die Gewände mit Schnitzereien.^) Oft werden auch die Türflügel 
mit Eisenblech und Schienen beschlagen, und dann läfst man in das 
Blech Wappen etc. treiben und bildet die Schrauben in Form zierlicher 
Rosetten. Die Schlösser und Türbänder werden kunstreich geschmiedet, 
unter die durchbrochenen Muster farbiges Tuch oder Leder gelegt. 
Alles Eisenzeug ist sorgfältig ziseliert und verzinnt. Man versteht schon 
allerlei Kunststücke ; so ist in dem Fredenhagenschen Zimmer zu Lübeck die 
Tür nach Beheben rechts oder links zu öffnen. Die Fenster haben, wie 
schon früher geschildert wurde, lange Zeit der Verglasung ganz oder 
teilweise entbehrt. Im 16. Jahrhundert scheint der Gebrauch des Glasos 
auch in den Bauernhäusern Eingang gefunden zu haben. Kaiser 
Ferdinand I. bemerkt von den Spaniern : »Defsgleichen gebrauchten sie 
sich keiner Glasefenster, sondern ihre Fenster wären aus Leinwand und 
Pappier zusammen gemacht. Hergegen aber in Teutschland wären s\o 
so gemein, dafs auch der ärmste Bauer am Glase nichts ermangele. < 
(Des Allerdurchlauchtigsten Römischen Keysers Ferdinand des Ersten 
Denkwürdige Tafel-Reden . . . . v. Joh. Naeve [1564], Dresd. 1674, S. 37.) 
Auch im 16. Jahrhundert machte gerade die Anlage der Fenster den 
Bauenden viel zu schaffen. Bartholomäus Paumgartner schreibt von 
Frankfurt a. M. am 14. März 1589 in Betreff seines Hausbaues an seine 
Frau: »Mitt den neuhen fenstern hab noch bessern rahtt, dann wo 
müghch gern unten nicht 4 thürlin haben wollt. Bin auch noch der 
Mainong, gar wol zuwegen ze bringen sein soll. Die Torigiani sagen, 
in ihren, obschon noch gröfser, nichtt krumb oder scheel geworden; 
ligtt allein an dem, das der schreiner guett dürr holtz darzu nehme < 
(S. 94). Aber der Nürnberger Tischlermeister will von der Neuerung 
nichts wissen. Frau Magdalena erwidert am 18. März ihrem Gatten: 
^Der fenster halb hat der Praun alsbalt den andern tag gesagt, er thus 
sich mit 4 thirn ; sie sein zu long und schmal. Mon mus bey 6 pleiben. 
Wil in noch einmal holn lassen. Wan er noch ich meind, es kin nit anders 
sein, den mit 6^ so wein wdrs bis auf dein zukunft pleiben lasen x (S. 95). 
Paimigartner will 4 Flügel im Fenster; der Meister aber hält an der 
alten Gewohnheit fest, dafs 6 unbedingt erforderlich sind. — Durch die 
Butzenscheiben konnte man nicht erkennen, was auf der Strafse vor- 
ging. Da macht man Guckfenster (Guzer — fenestella in maiori fenestra). 
So schreibt Frau Magdalena am 7. September 1587 : »Der guzer halb 
wil ichs pleiben Ion bis auf dein zukunft, den der glaser schon gesehen 
hat. Aber keins ner (billiger) als umb 20 pazen. Macht mons nun 
miten in die stuben, so ist es auswendig nit im mitlern fenster. So 
sagt der glaser, er hab sy wol schien aber zu 5 pazen und hab ir nit 
vil mer und sein von veniedichsen glas. Gefaln sy mir, er wil michs 
erst sehen lasen, so wil ich derselben nemen.« Seit dem 15. Jahr- 
hundert war es übhch, Glasmalereien in die Fenster als besondere Zie- 
rat einzusetzen, Wappenbilder, seltener historische Darstellungen, auch 

') A. V. Essenwein, Die rom. ii. gothische Baukunst. Der Wohnbau. (DarniHt. 
1892.) Fig. 105, 106. 



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126 I- I>i« Städte. 

recht derbe Bilder mit sianigen aber deutlichen Reimen. Zum 
Andenken an die Hochzeit liefs man die Wappen des Ehepaares und 
etwa noch ein Bild aus der heiligen und Profangeschichte malen, ver- 
schenkte auch solche Glasgemälde an Freunde und Verwandte. Haupt- 
sächUch in der Schweiz werden bis ins 17. Jahrhundert trefOiehe 
Malereien ausgeführt, zu denen bedeutende Künstler wie Hans Hol- 
bein d. J., Niklas Manuel Deutsch, Hans Baidung Grien u. a. die Ent- 
würfe zeichneten. 

Von Doppelfenstern wufste man in der Zeit, die uns beschäftigt, 
noch nichts. Es mag in den Erkern zur Winterszeit viel Zugluft 
gegeben haben. 

Je vornehmer oder reicher der Besitzer ist, mit um so gröfserem 
Luxus sind die Räume ausgestattet, in denen er seine Gäste empfängt 
Schon in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts liebt man es auch in 
Bürgerhäusern, die Wände der besseren Stuben mit Holztäfelungen zu 
verkleiden und dieselben auch mit kunstvollen Schnitzereien zu ver- 
zieren. Im Germanischen Museum zu Nürnberg sind Zimmertäfelungen 
aus den Häusern des Mittelstandes zu sehen, die sehr schhcht und 
schmucklos sich darstellen, dagegen treffen wir in Tirol, wie Pauker in 
seiner »Zimmergotik« mitteilt, viele reicher ausgestattete Täfelungen 
und in Nürnberg selbst ist in dem Kaiser-Stübchen des Scheurlschen 
Hauses eine hübsche Probe eines reich geschnitzten, mit schön verzierten 
Türen ausgestatteten Prunkgemaches noch anzutreffen.^) Im 16. Jahr- 
hundert hat man auf die Vertäfelung der Wände und der Zimmerdecken 
eine besondere Sorgfalt verwendet. Die Wandverkleidung ist architek- 
tonisch gegliedert, Schnitzereien und Intarsien beleben die Flächen, die 
Decken sind kassettiert oder in Felder geteilt; hin und wieder werden, 
wie in dem Pellerschen Hause in Nürnberg, auch diese Felder 
mit Gemälden verziert, allegorischen, mythologischen Figuren, die in 
ihrer möghchsten Nacktheit dem Beschauer einen hübschen Anbhck 
boten. Die getäfelten Stuben galten als besonders gesund. Der Arzt 
Hippolyt Guarinonius spricht sich in seinem »Grewel der Verwüstung* 
noch 1610 gegen das viele Scheuem der Stuben aus und empfiehlt, die 
Dielen, Tische und Bänke mit Firnis oder mit Ölfarbe anzustreichen 
und die Zimmer mit Zirbelholz zu täfeln. »Hingegen die Gemächer 
und Zimmer, sond erheb die Stuben mit gutem, wohlriechendem Holz 
als Zürmen aufsgetäffelt werden« (S. 421). Er kommt noch einmal auf 
diese Sache zurück. »Ob die Teuerten (getäfelten) oder imteuerten 
Stuben gesunder sein ? Item die gefirneisten oder geschlechten? Denen 
so wol als andern, die es zu wissen begehren, gib ich zur antwort, dafs 
zu jeder und allzeit die gantz- mehr als die halbgeteuerten und die 
gefirneisten mehr als die schlechten (aufser was Zürmen Holtz) besser 
und nutzer sein, dann das hültzen teuer (Täfelung), die übrigen Stuben- 
dämpfE in sich wie ein schwamb zeucht (S. 486) . . . Darumben auch 
die täverten SchlafEkammer aufsbundig und fürtreffenthch zu Winters- 



Abgeb. bei A. v. Essenwein, Wohnbau etc. Fig. 101. 



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J. Die Priviithäuser. 



127 



y.i'iteu seyn . . . das ül)erzogene und getäflete (lemäwr auch nicht so 
.^ihädUch soyn kan:. 

BehagUch mochte es sich schon in einer solchen getäfelten Stube 
wv)hnen lassen und statthch nahm sie sich aucli aus. Man kann sicli 
davon in vielen Museen und Gewerbemuseen überzeugen, und weit die 
schönsten Zimmer finden wir im Züricher Museum. Schon allein die 
aus dem alten Seidenhofe in Zürich herrührende Prachtstube zu sehen, 
würde den Besuch dieses so interessanten, so trefflich eingerichteten 
Museums rechtfertigen. In Lübeck ist das Stübchen aus dem Freden- 
hagenschen Hause noch dadurch besonders beachtenswert, weil selbst 
Alabasterreliefs zum Schmucke der Wände gebraucht worden sind.^) 




Zürich, Zimmer aus dem Seidenhofe (jetzt im stndt. Museum). 

Indessen auch die Täfelungen, mochten sie noch so schön aus- 
sehen, brachten doch auch manche Nachteile mit sich. Gewifs, die zahl- 
reichen Wandschränke, die breiten Borde, die die oben abschliefsenden 
Gesimse boten und die zum Aufstellen von Nutz- und Ziergerät ver- 
wendet werden konnten, das alles war sehr hübsch, aber hinter der 
Täfelung konnten sich Ratten und Mäuse, vor allem Ungeziefer aller 
Art heimisch machen, und man konnte ihnen nicht beikommen, wenn 
man nicht die ganze Holzbekleidüng entfernte. Aus diesen Gründen 
wurde im 17. Jahrhundert die Täfelung der Wände und der Decken 
allmähhch aufgegeben: man kehrte zu den Wandteppichen zurück, die 
sich leicht abnehmen und ausklopfen liefsen oder machte von Tapeten 
Gebrauch. Ledertapeten bezog man aus Spanien und Italien. Frau 
Magdalene Paimigartner erinnert (Briefw. S. 158) ihren Mann 1592 

') Abgeb- in meiner Mlg, Gesch. d. bild. Künste ni. (Berlin 1895.) S. 140. 



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128 n. Die Städte. 

Jan. 8. : »Das vergultt leder inn unnser vettern sommerkanimern zu Pl«ji. 
auch machen lafs, soll teglichs färttig werden.«^) 

Ledertapeten blieben bis ins 18. Jahrhundert im Gebrauch. Allein 
man hatte schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Stofftapeteu. 
Bartholomäus Sastrow sah, wie er in seiner Biographie erzählt (II, 621 . 
1548 in Antwerpen das als KSehenswürdigkeit berühmte Haus des GeM- 
wucherers Caspar Duitz, eines Italieners. »Der Gemächer sein vidi 
und yedes das eine anders als das ander geschmucket befunden, und 
in einem yeden stunt ein Kautz oder FauUbette; was Färb dasselbrs 
für Gardinen hette, so war auch das Gemach umbher behengt, das eiiu- 
mit schwartzen, das ander mit roten, das dritte mit fiolen-Blumen-Sammit. 
das vierdte, fünfte, sexte mit Dammast an underscheidtlichen Farlu-n 
wie mit dem Sammit; in einem yedern Gemach stund ein Disch und 
darauff ein Tischtuch eben derselben Färb als das Gemach. In einem 
yedern waren instrumenta musicaha, doch nicht in dem (^in(*n als in 
dem andern ; dan in dem einen stundt ein PositifE-Zimpfaney , im andern 
Polonische Geigen (wohl aus Bologna), im dritten Partes, im vierdten 
Lautten, Harffen und Cithern, im fünften Zincken, Schallmeyen und 
Bassunen, im sexten Block- und Schweitzer-PfeifEen.« Solche Einrichtung 
konnte sich natürlich nur ein reicher Mann verschaffen, und reiche Leute 
hatte wohl auch Cyriacus Spangenberg im Auge, wenn er in seinem Hof- 
farts-Teuffel (fol. CCCCLVIII*) sagt: > Gleich wie man grofse Herren jr«- 
Gemach mit den schönsten, herrüchsten Tapozereien, die von mancherley 
schönen Farben gemacht und gewdrcket sind, behengt und schmücket. 

Der Mittelstand hat sich, als die Täfelungen abkamen, mit geringeren 
Tapeten begnügen müssen. Gegen Anfang des 18. Jahrhunderts hatte 
man die sogenannten Spoliere, die mit Spolierhaken an der Wand 
befestigt wurden. Sie waren aus Seide und Lein gewebt. 

Die billigen Papiertapeten sind im 17. Jahrhundert, vielleicht 
sogar noch früher, in Gebrauch gekommen, sowohl die einfach mir 
Holzformen gedruckten, die erforderlichenfalls noch ausgemalt worden, 
wie die mit WoUq oder Bronze etc. bestäubten. Für die gedruckten 
Tapeten gaben die Arbeiten der Chinesen das Vorbild und den Anlafs. 
In England soll König Karl I. 1634 dem Jerome Lanyer das Privileg 
^ zur Anfertigung solcher nachgeahmten Wolltapeten gegeben haben. lu 
Frankreich wird um 1688 Jean Papillon, später Jacques Chauveau als 
Tapetendrucker genannt. ^) 

Arme Leute haben sich wohl immer mit den kahlen Wänden 
behoKen, zufrieden, wenn diese nur getüncht und vielleicht noch mit 
einem Schablonenmuster gemalt waren. 

Die schweren kassettierten Decken der Zimmer werden auch in der 
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unmodern: an ihre Stelle tritt die 
Gipsdecke, die, wenn man etwas Besonderes haben wollte, noch mit 
Stuckornamenten oder Malereien verziert werden konnte. 



^) Abgeb in Einführung in das Stud. d. neueren Kunstgescb. etc. Fig. 171. 
«) Vgl. J. Beckmann, Beytr. z. Gesch. d. Erfind. II. 583 ff. (Lpz. 1788); 0. von 
Schorn, die Textilkunst (Wissen der Gegenwart XXXIIl). 247 ff. (Lpz. u. Prag 1886.^ 



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J. Die Privathäiiser. 129 

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts verfafste Joh. ChrisL Wagenseil 
(t 1705) seine Vorlesung »Aulicarum atque politarum rerumObservationes«. 
Er sehreibt da (Kuriositäten X, 218): »In Italien mufs das Zimmer, in 
welchem man Besuche empfängt, geziert sein mit einem grofsen Spiegel 
und mit Tapezereien. So haben es dort auch die Schuster und Schneider ; 
es kostet nicht mehr als bei uns das Tafelwerk. Sie können aber die 
Stuben nicht täfeln lassen, weil das Holz gar zu theuer ist. Wir Deutschen 
zieren unsere Stuben mit Gläsern, Kannen und Schüsseln, damit man 
unsere Trink- und Efslust gleich sehe.« 

Auf den Simsen und Täfelungen des 16. Jahrhunderts wurde 
allerlei aufgestellt, was zum Gebrauch zm* Hand sein sollte, oder was 
für den Schmuck des Zimmers bestimmt war. Folz erwähnt als in der 
Stube vorhanden das :^Kandelpret und pir glas, Kopff unde Kraus, Do 
man drinckt aus, das selbig gar wol stat. Kandel und flaschen, Kul- 
kessel, Schisselring (Untersatz der Schüsseln), waschpirs, laszedel (wann 
der Aderlafs gut ist), Leuchter, liechtscher und Hchtdigel, Löffel, salczfas. 
Ein engster glas, Güttrolff, triechter darbey.« Das gibt eine grofse Menge 
von Trinkgefäfsen, von Flaschen aller Art; sie wie die anderen Geräte 
werden im kleinbürgerUchen Hause wohl auf dem Sims der Täfelung 
oder in deren Wandschränken ihren Platz gefunden haben. 

Die anderen Gedichte vom Hausrat weisen auch diesen Gefäfsen 
den Platz in der Stube an. Bei den reicheren Leuten hat man dagegen 
die nur zum täglichen Gebrauch bestimmten Geschirre kaum in den 
Gesellschaftszimmern aufgestellt, vielmehr die kostbare Gefäfse, die 
mehr zum Ansehen als zur Benutzung dienen sollten. Die Waschtischchen 
(Gieskalter) durften auch im 15. Jahrhundert nicht fehlen;^) Hantüch, 
gisfas, Hantpeck« (Folz). Auf einem Untersatzschränkchen steht das 
Becken ; über ihm hängt das Giefsfafs, aus dem man mittels des Hahnes 
das Wasser auf die Hände fliefsen läfst. Das Handtuch hängt über 
einem Stabe, der oft von hübsch geschnitzten Figuren getragen wird. 
Oder wie es in dem wohl aus Strafsburg herstammenden vierten Gedicht 
vom Hausrat heifst: »Ein umbgend Walholtz an der Stubentür Zur 
Z wobeien die gat wider und für.« 

Eine wichtige Rolle spielen dann in der Zimmereinrichtung die 
Kamine und Öfen, erstere mehr in Norddeutschland und Italien, diese 
im Süden beliebt und gebräuchüch. Guarinonius äufsert sich über die 
italienischen Kamine sehr wegwerfend. :>HieraufR loiclit erscheint, was 
von den wälschen Caminen oder ihren Kammern zu halten, unter 
welHchen sie zu Winterszeiten das Fewr anzünden, ein jeder mit einer 
Eysnen Zang in Henden rings herum sitzen und im Fewr ein unauff- 
hörliches schiren, ein rüren, ein stürlen, ein blasen und ein solchen 
Handel haben, als wann gar viel und hoch an diesem geschafft gelegen 
were und wann es gar glückhch abgehet, so tragt etwan einer ein 
warmen Fufs und kalten Rucken, der ander ein warme Hand und ein 
kalten Bauch, der dritt etwan gute, trübe und rotgeferbt^ bifsweilen auch 

*) Deuteches Leben d. 14. u. 15. Jhdt. Fig. 117. 
Schultz, Dm häusliche Leben im Mittelalter. 9 



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130 11- Di© Städte. 

nasse Augen darvon und kan hiezwischen, als sich einer wermet, nicht 
anders schaffen noch verrichten. Und ob sie wo der Teutschen Stuben 
verlachen, jedoch wann sie einmal hinein kommen, so kan sie niemand 
vom Ofen noch aufs der Stuben bringen ; sein bey den Teutschen Oefen 
ebenso eingezogen als bey den Teutschen Taffein« (S. 483). Seit dem 
14. Jahrhundert hat man sich bemüht, die Ofenkacheln künstlerisch zu 
verzieren, hat im Relief historische Darstellungen, Wappen, Zieraten 
aller Art in dem Ton ausgeprägt, mit Glasuren einfarbig oder bunt diese 
Bilder belebt imd so den Ofen zu einem Zierstück ersten Ranges aus- 
gestaltet^) Im 17. Jahrhundert wurden die weifsglasierten, blaubemalten 
Ofen behebt. Diese hauptsächUch in der Schweiz, am vorzüghchsten in 
Winterthur, gefertigten Öfen sind in ihrer künstlerischen Dekorie 
rung den zur selben Zeit in Delft fabrizierten Fayencen ähnüch.^ Der 
Ofen in der aus dem Seidenhofe stammenden Stube im Museum zu 
Zürich ist mit der Jahreszahl 1620 bezeichnet. Ein anderer Prachtofen 
aus der Werkstätte des Hans Heinrich Pfau in Winterthur, jetzt im 
Germanischen Museum, ist 1645 gefertigt.^) Bei beiden ist hinter dem 
Ofen ein aus Kacheln hergestellter Sitz für den Ahn; die Fufsbank, 
Sitz und Lehne wird durch die Heizung selbst erwärmt. Dieser Raum 
hintez dem Ofen heifst die Hölle, von der Guarinonius sagt: »Darumb 
nicht mit unrecht der nechste und hinderste Ofen Theil die Höll hinder 
dem Ofen genennet wird . . . dafs mem sogar die SchlafEbethstatten oder 
Gutschen hinder der Ofen Höll aufEschlagt« (S. 487). Übrigens ist er 
gegen das Überheizen der Zimmer, das Hocken hinter dem Ofen. 

Ein eiserner Ofen wird 1510 für die Gerichtsstube zu Augsburg 
vom röm. kais. mt. Buchsenmeister Hans Stainkeller von Rheinfelden 
bei Basel gegossen. Er wiegt 46 Zentner 18 Pfimd. Das Setzen allein 
kostet 10 Gulden. (Forts, d. Chron. des Hector Mülich.) 

Gewöhnlich werden die Öfen vom Flur aus durch sogenannte Vor- 
gelege geheizt. Zur Aufnahme der Feuerung braucht man wohl im 
17. Jahrhundert auch aus Gufseisen hergestellte Heizkästen. Die Wände 
derselben werden mit gegossenen Reliefs verziert. 

Selbst die Öfen der Rokoko-Zeit*) sind künstlerisch den Porzellan- 
öfen des 19. Jahrhunderts weit überlegen. 

Heizmaterial ist fast ausschliefsUch Holz ; nur in wenigen Gegenden, 
zumal in Norddeutschland, verfeuert man Torf; noch viel seltener wird 
Steinkohle gebraucht. 

Was man aber an Kostbarkeiten zu zeigen für angemessen erachtete, 
das wurde, wie schon gesagt, auf dem Sims der Täfelimg aufgestellt. 
Hier fand auch die Uhr ihren Platz. Schon Folz führt »ein reissend 
ur, da mit mon düt Warten der stund« als zum bürgerüchen Hausrat 



*) A. Essenwein, Kunst- u. kulturgesch. Denkm. des Germ. Nat-Maseams (Leipzig 
1877). Taf. LXXVU. cf. Taf. XXX, LXII, LXXI, LXXH, CXVH (1660). 

•) Vgl. W. Lübke, Die alten Öfen in der Schweiz, namentlich im Kanton Zflrich 
(Mittig. d. Antiqu. Ges. z. Zürich XV). 

') Essenwein a. a. 0. Taf. CXVI. 

*) Ebendas. Taf. CXX. 



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J. Die Privathäuser. 131 

gehörig an: Hans Sachs fügt noch den Spiegel als in der Stube am 
Platze hinzu. Und in der Tat sehen wir auf zahlreichen Gemälden des 
15. und 16. Jahrhunderts jene schon besprochenen Konvexspiegel ab- 
gebildet. Ich erinnere nur an das bekannte Porträt des Arnolfini von 
der Hand des Jan van Eyck (National Gallery, London), das Bronzerelief 
am Grabe des PhiUppus Callimachus Buonaccorsi in der Dominikaner- 
kirche zu Krakau.^) 

Der Raum der etwa zwischen der Täfelung und der Decke übrig 
blieb, konnte durch Gemälde geschmückt werden. Frau Magdalene Paum- 
gartner erinnert ihren Gatten am 20. März 1588 : »Weist ein duzet kleine 
tefele noch kaufen (in Frankfurt a. M.) oder ein halbs, Dan wir nichts in 
die kamer aufs sims haben« (Briefw. 90). Damit die Bilder vor allem 
nicht von der Sonnenglut beschädigt werden, schützt man sie durch 
(grün-) seidene Vorhänge. Im Juni 1594 schreibt Frau Magdalene wieder: 
5fWolst des ringen dafets kaufen zu firhengen vir die grosen tafel; dan 
sy doben hartt an der sunnen hengeu in der kamer« (S. 206), und er 
erwidert am 13. Juü: :&Des daffatts für die 2 grofsen gemaltten tafEeln 
\^dl ich auch eingedenck sein, den zu Florentz khauffen« (S. 223.) 

Meist handelt es sich um Bildnisse; der Hausherr liefs sich 
und seine Hausfrau von einem tüchtigen Maler porträtieren. Gute 
Künstler in diesem Spezialfach hat es immer in Deutschland gegeben: 
Albrecht Dürer und Holbein d. J. , Christoph Amberger, Barthel 
Bruyn, Tobias Stimmer u. A., im nächsten Jahrhundert Joachim von 
Sandrart, dann Kupecki und zahllose andere. Hermann von Weinsberg 
läfst sich wiederholt malen, 1543 im Licentiatenkleide von Johann Kemp 
(Buch Weinsberg I, 183); im Jahre 1551 malt der bekannte Kölner 
Meister Bartholomäus Bruyn die Bildnisse des Hermann Weinsberg, 
seiner Mutter und seiner Frau (ib. I, 277). Das Porträt vom Vater des 
H. V. Weinsberg malt derselbe »Barthel Brun der fatter vur s. Alban«, 
1550 den 16. Mai nach einer Zeichnung (ib. I, 114), »doch hat er ipi 
das har nicht schwarz genoich gemacht dan zu brun« (I, 339). 

Auch Genrebilder, historische, mythologische Darstellungen werden 
im Bürgerhause willkommen gewesen sein. 

Reiche Bürger hatten aufser den Wohnzünmern auch gröfsere, 
geräumige Speisesäle, in denen oder in einer anstofsenden Kammer der 
Silberschatz der Familie auf einer Kredenz 2) ausgestellt war. In der 
Zimmerschen Chronik wird uns (IH, 237 ff.) der Karneval in Köln 
beschrieben. »Under andern firt man sie . . . in den gardenrobbe der 
am sale stunde und liefs sie das Silbergeschirr sehen. Das war vil Silbers 
aldar und bei etlichen, nit den wenigsten, fursten nit gefunden wurd, 
wie dann die Kölner sonderUch mit [dem Silbergeschirr brangen, auch 
manches grofses vermögen ist. Ich hab dieses Wasserfafs Silbergeschirr 
damals hören uf dreisig dausent guldin schetzen, dann es waren in dem 
gardenrobbe zwo seiten vom boden bifs an die bünen hinauf mit eitelem 

») Deutsches Leben d. 14. u. 15. Jhdts. Fig. 133. 
«) VioUet-le-Duc. Pag. 86 86 ff. 



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132 



I. Die Privathäuser. 



silbergeschier uf schepften überstellt.« Was auf solcher Kredenz stand, 
zählt Fischart (Gesch. Kl. 434) auf: »theilt er seinen gantzen Orgehnäsigen 
Thresor oder Credentz ... als allerhand grosse Antiquische geschirr, vier. 




Dürer, Der heilige Hieronimus. 

ämige silbere Fäfslin, Schenkfafs, Ehrenkannen, Schraubflaschen, grosse 
Beckin, Giefsfässer, umbläuffige Liechtstöck, tiefte Täller, Saltzbüchsen, 
Messerköcher, Löffelfuter, schalen, NäpfE, Scheuren, Dupplett, gäbe lein, 
beschlagene Cristallenkrausen, eingefafste Eilend Klawen und Greiff- 
Klawen . . . item Lampeten, Schenckkandel, Külwasserkessel, Trinck 



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J. Die Privathäuser. 133 

becher, Trinckköpff, Trinckschaleii, Trincknufs, Pocalen, Hengeimer, 
Bollen, Wassertupffen, Schüsseln, Platten, Kommeken, Spülfässer Und 
andere Credentzgefässer von lauter Gold und Silber.« 

Mit Möbeln die Zimmer anzufüllen, das entsprach dem Geschmacke 
vergangener Jahrhunderte durchaus nicht. Stühle, Bänke ^), Tische und 
Tischtücher, das ist das ganze Mobihar, das Folz aufzuzählen weifs. 
Briefe an der Wand, also irgend welche geschriebene oder gedruckte 
Zettel, Karten und Spiel- (Schach-) brett gehört allenfalls auch dazu. Hans 
Sachs ist schon anspruchsvoller; er hält für erforderhch »disch, sessel, 
stüel und penck, Panckpolster, kües und ein faulpet«, dann »eine reisende 
ur^), schirm und Spiegel, ein schreibzewg, dinte, papir und Siegel, die 
Wibl (Bibel) imd ander püecher mer Zu kurtzweÜ und sitHcher 1er«. 
Bis 1544 ist es also auch im Bürgerhause üblich geworden, die harten 
Holzsitze der Stühle und Bänke durch Kissen und Polster erträglicher 
zu machen, und das Faulbett, etwa unserm Sofa entsprechend, ist 
selbst in der Wohnung eines Handwerkers erforderlich. 

Nach den Abbildungen zu urteüen, namentUch nach dem Strafs- 
burger Holzschnitt, der zu dem vierten von Th. Hampe herausgegebenen 
Gedichte vom Hausrat sich findet, ist es eine breite Bank, mit Kissen 
belegt \md mit einer Decke überbreitet. Besondere Kopfkissen machen 
das Ruhelager zu einem Schläfchen bequem. 

Aus diesen Lotter- oder Faulbetten entwickelt sich dann unser 
Sofa oder Kanapee; der Ausdruck scheint aber in bürgerüchen Kreisen 
noch imbekannt, da die Frauenzimmerlexica von 1715 und 1739 nur 
von Faulbetten mit ihren Kissen und Matratzen reden. 

»In Spanien sitzen die Damen nicht in Sesseln, sondern auf der 
Erde und legen nur ein Kissen unter; auch in der Kirche. Quae con- 
suetudo a Mauris suam habet originem« (Wagenseil in Kurios. X, 218). 

Holzstühle, bald reicher, bald einfacher geschnitzt^), sind zahlreicher 
wie Bänke aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Erst im 17. finden wir die 
Stühle mit hohen Rücklehnen, deren Sitz und Lehne ein wenig gepolstert, 
mit Leder überzogen ist. Besser gearbeitete Stühle des Mittelalters sind 
wohl hie und da in den Sammlungen anzutreffen; häufig begegnen uns 
die nach Art der Bauernstühle mit einem ausgeschnittenen Brett als 
Rückenlehne versehenen Stühle des 16. 'Jahrhunderts. Einen solchen 
Stuhl, dessen Rücklehne mit Halbedelsteinen inkrustiert war, besafs der 
bekannte Sammler Alexander Freiherr von Minutoli.' Die Füfse und 
die Lehnenstützen sind im 17. Jahrhundert wieder meist gedrechselt. 
Das Ameublement eines Bürgerhauses ist gewöhnhch zieraUch einfach; 
die Prachtstücke in den Museen stammen meist aus Schlössern. Ganz 
besonders gut dies von Geräten, die erst aus dem 16. Jahrhundert und 
aus späterer Zeit herrühren. Da tritt der Unterschied zwischen einem 
Fürs^ienschlofs und dem Hause des Bürgers sehr deutlich hervor: dort 

») Abg. b. Viollet-le-Duc, Dictionnaire du Mobilier I (Paria 1868), p. 31 ff. 
^ Kunst- u, kulturg. Denkm. des Germ. Nat.-Mus. Taf. LXXVI. — Deutsches 
leben im 14. u. 15. Jbdt. Fig. 134, 135. — Viollet-le-Duc, a. a. O., S. 125. 

3) Deutsches Leben. Fig. 110, 111, 112. — Viollet-le-Duc, a. a. O., S. 41 ff. 



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134 n. Die Städte. 

grofse Pracht, vergoldete Möbel u. s. w., hier schlichte aber solide 
Einrichtung. 

Bis ins 18. Jahrhundert, so lange man die Möbel nicht mit kosv 
baren Hölzern fournierte, sondern aus heimischen Materialien, Eiche, 
Erle, Esche massiv herstellte, begnügte man sich, das Holz mit Wachs 
zu bohnen. Erst die Intarsia-Möbel werden zuweilen poliert (oft auch 
nachträglich), dagegen erhält Ebenholz immer Pohtur und dasselbe gilt 
von Rosenholz und wie die zu Anfang des 18. Jahrhunderts aufkommen- 
den Zierhölzer auch heifsen. 

Die Tische des 15. Jahrhunderts^) sind meist schwer und massiv. 
Hin und wieder treffen wir auch runde Tische an, aber als Regel galt, 
dats der Tisch viereckig, oblong war. Die Zargen wie die jetzt fest mit 
dem Tische verbundenen Schrägen wurden wohl auch mit ornamentalem 
S chnitzwerk verziert. Aufser dem Mittelriegel, der die Schrägen zusammen- 
hielt, hat man häufig diese Streben unten mit Leisten verbunden, auf 
die man in Ermangelung einer Fufsbank die Füfse aufstemmen konnte. 
War die Tischplatte aus schüchtem Holz, dann deckte man sie in den 
besseren Stuben wohl mit einer schönen Decke zu, jedoch die mit ein- 
geätzten Bildern verzierten steinernen Platten, die aus buntem Marmor 
gefertigten, sowie die, die mit Intarsien geschmückt waren, die hat man 
wohl dem AnbUck nicht entzogen. Die schönsten Tischdecken erhielt 
man aus den Niederlanden. Magdalena Paumgartnerin bittet ihren Mann, 
ihr einen »Dichsdebig, die mon aus Niderland pringt, schbajcz in grien 
von zarden adlas garn« in Frankfurt a. M. zu kaufen. »Unser gestreimter 
ist gar zu gros auf ein desgleichen dichs.« In Nürnberg findet sie nichts 
Passendes. Auch über das Sofa fehlt 7>em faulpetdeckla« (Briefw. 1584 
Apr. 10, S. 39). 

Im 16. Jahrhundert finden wir wehiger geschnitzte Tische, dagegen 
sind die Platten nicht selten mit kostbarem Holzmosaik dekoriert. Das 
Breslauer Provinzial-Museum besitzt einen prächtigen Ausziehtisch, dessen 
Platte schöne Intarsien aufweist. 

Eine eigene Bereicherung hat das Tischgestell durch die Anbringung 
eines zwischen den Schrägen befindlichen Hundekastens erhalten. 

Die Tische des 17. Jahrhunderts werden meist nicht von Schrägen, 
sondern von vier einfachen oder gedrechselten Beinen getragen. Luxus- 
möbel, die etwa den kostbaren Pietra-dura-Tischen der Schlösser ent- 
sprachen, stellte man in den Niederlanden her: die Tischplatte wurde 
mit Blumen oder mit Figurenbildern bemalt. Natürüch mufste man mit 
einem solchen Möbel sehr vorsichtig umgehen. 

Schränke 2) gehörten nach der Auffassung der alten Zeit nicht in die 
Stuben; sie haben ihren Platz im Schlafzimmer und etwa noch auf den 
geräumigen Fluren. Da die reicheren FamiUen meist ein Haus für sich 
bewohnten, war die Gefahr nicht grofs, weil die Haustür wahrscheinlich 
verschlossen gehalten wurde. 

*) Deutsches Leben etc. Fig. 113, 114. — Kunst- u. kulturgesch. Denkm. des 
Germ. Nat-Mus. Taf. Lin. — VioUet-le-Duc, a. a. 0., p. 253 ff. 
«) Abpeb. bei VioUet-le-Duc, a. a. O., p. 3 ff. 



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J. Die Privathäuser. 135 

Dagegen hat man kleine Schränkchen auf hohen Beinen schon iin 
15. Jahrhundert selbst in den Wohnzimmern gern verwendet. Es sind 
das die sogenannten Stollenschränke,^) mit gotischem Mastwerksmuster, 
bald reicher, bald einfacher oder mit Renaissanceornamenten geschnitzt 
oder eingelegt, verziert. Mit diesen Stollenschränken sind dann nahe 
verwandt die auch in bürgerlichen Häusern geschätzten Kabinette, die 
aber mit minderem Luxus ausgeführt siad, oft durch aufgelegte geätzte 
Stahlplatten einen bescheidenen, aber wirkungsvollen Schmuck erhalten. 
Dann begegnen wir von altersher allerlei gröfseren und kleineren Truhen 
und Kästchen,^) oft aus Holz, zierlich ornamentiert, zuweilen auch bemalt 
(Wismutmalerei), aber auch aus Eisen und dann mit geätzten Ver- 
zierungen dekoriert.*) 

An Stelle dieser Schränkchen treten dann gegen Ende des 17. Jahr- 
hunderts die Kommoden, kostbare Möbel aus besserem Holze, oft mit Zinn, 
Messing, Perlmutter eingelegt, mit vergoldeten Beschlägen geschmückt. 
Merkwürdigerweise gedenken ihrer die Frauenzimmerlexica von 1715 und 
1739 nicht, ebenso wie sie die kleineren Chiffonnieren nicht erwähnen. 

Für das mittelalterhche Privatleben ist die Beleuchtung eine sehr 
wichtige Angelegenheit. Wie schon früher hervorgehoben wurde, war 
man genötigt, in den immerhin nicht allzugrofsen Wohnzimmern Wachs- 
kerzen oder Talglichter zu brennen, da der Gebrauch der Kien- 
späne und der Pechfackeln ja selbstverständüch ausgeschlossen war, 
die Lampen aber bis mn die Mitte des 16. Jahrhunderts in dem Zu- 
stande gebheben waren, wie sie die Römer ihrer Zeit verwendet hatten. 
Die Verbesserung des Ölzuflusses zum Dochte hat erst Hieronymus Car- 
danus um 1550 angegeben. Seit dieser Zeit sehen wir die Studierlampe 
bei den Gelehrten im Gebrauch, die mit einem, innen weifs lackierten 
Blechschirme das Licht auf die Arbeit konzentrierte, und so ist es. 
geblieben, bis L^ger in der zweiten HäKte des 18. Jahrhunderts die 
Flachdochte erfand. Die von Argand angegebenen Hohldochte sind erst 
seit 1783 verbreitet worden; noch später hat Quinqu^ die Anwendung 
der Glaszylinder gelehrt. Die Lampe unserer Zeit, also bis imi die Mitte 
des 18. Jahrhunderts, bleibt ein unbrauchbares Gerät, da die Flamme 
rufste und rauchte und einen üblen Geruch verbreitete. Johannes Coler 
hat IQ seiner Oeconomia (Buch XX, c. 53) nur die Nachtlampe im Auge. 
^Mancher gute Haufswirth hat alle nachte durch eine Lampe, die da 
brennet, bey seinem Bette stehen, welche oben zugemacht ist, das es 
niemand in der Kammer sehen oder merken kan, das eine Lampe vor- 
handen ist, das man bald Liecht hat, wenn sich des nachts etwas erhebt. 
An etlichen örtern machen auch die TöpfEer Lampen und Leuchter vor 
die armen auff diese weis, schier wie eine Kanne; oben hats ein Thür- 
lein, das man ein Liecht drein stecken kan; dameben machen sie auch 
eine Lampen in einer schnautzen und unter derselbigen machen sie noch 
ein Lampe, wenn von der öbern etwas abtreufft, das es in die unterste 

») Deuteches Leben etc. Fig. 110, 115, 128. 

«) Ebend. Fig. 146, 147, 148. 

^ Abb. von Kasten bei VioUet-le-Duc, a. a. 0., p. 75 ff. 



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136 II. Die Städte. 

falle.« Die Dochte sind aus Binsenmark. Auch das Frauenzimmer- 
lexikon von 1715 kennt die Lampe aus Zinn oder Ton nur für deu 
Gebrauch in der Küche. 

So war man einzig auf den Gebrauch der Wachskerzen und der 
TaJglichter angewiesen. Wachs ist aber zu allen Zeiten teuer gewesen, 
dagegen wurden die TalgUchter von den wirtschaftlichen Hausfrauen 
selbst gegossen. Die verschiedenartigsten Leuchter aus Eisen, Bronze, 
Messing, Zinn, aus Ton und später aus Porzellan werden verwendet.^) 
Dazu kommen Wandleuchter 2), seit dem 17. Jahrhundert mit blanken 
Wandschirmen verbunden, die die HeUigkeit des Lichtes zurückstrahlen 
\md verstärken. Endhch die von der Decke herabhängenden Kron- 
leuchter. Es scheint, dafs man für die Wand- und Kronleuchter nur 
Wachsüchter verwenden konnte, da die Talghchte immer von Zeit 
zu Zeit geputzt werden mufsten. Zu diesem Zwecke hat man Licht- 
scheren (Abbrechen)^), die auf einem besonderen Metedlteller ihren Platz 
finden. 

Sehr mannigfaltig ist die Form und Gestalt der Kronleuchter. 

Die älteste Gestalt entspricht etwa den Lichterkronen, wie sie im 
Münster zu Aachen, im Dome zu Hildesheim noch erhalten sind, Werke 
des 12. und 13. Jahrhunderts*); nur sind die für Profanzwecke bestimmten 
Reife von geringeren Dimensionen, aber auch sie tragen auf ihrer oberen 
Kante Dornen, auf die die Wachslichter aufgesteckt werden. In der 
gotischen Zeit hat man besonderen Wert auf das von der Decke herab- 
hängende Mittelstück gelegt, es geschnitzt z. B. in Form einer Burg*) und 
dann von diesem Mittelkern die aus Eisen geschmiedeten Arme aus- 
gehen lassen, die bestimmt waren, die Lichtdornen oder Lichttüllen zu 
tragen. Solche Kronleuchter wurden einfacher wohl auch im Bronze- 
gufs hergestellt. Eine sehr beliebte Sitte war im 16. Jahrhundert, schöne, 
stattliche Hirschgeweihe an die Decke zu hängen; die Hirnseit« des 
Gehörns wurde durch eine kleine, in Holz geschnitzte Frauengestalt ver- 
deckt, die gewöhnüch das Wappen des Besitzers in ihren Händen hielt 
( Wappen weiblein) ; auf den Stangen und Sprossen des Geweihes waren 
die Lichterhalter eingeschraubt. Der Verfasser des vierten Strafsburger 
Gedichtes vom Hausrat nennt »Zu lüchten ein Hirtzhorn, hat wol zwentzig 
end, Das hencke dann mittel in das Gaden«.®) Man hat statt des Hirsch- 
geweihes wohl auch andere Jagdtrophäen wie z. B. Steinbockgehörne 
verwendet. '0 

Im 17. Jahrhundert sind die Kronleuchter viel einfacher gestaltet, 
gewöhnüch aus blankem Messing, wohl auch aus vergoldeter Bronze. 



Abg. bei VioUet-le-Duc, a. a. 0., p. 142 ff. 

•) Bayer. Nat.-Mus. zu München. Abgeb. Deutsches I^ben etc. S. 96. Fig. 119. 

') Kunst- u. kulturgesch. Denkm. d. Germ. Nat.-Mus. Taf. XXXXVI, 1, 3, 4, 
Taf. LXVin, 2, LXXXVn, 1. — Deutsches Leben etc. S. 99. Fig. 122, 123. 

*) Kunst- u. kulturg. Denkm. etc. Taf. XXXXVI, 5. 

») Kunst- u. kulturg. Denkm. etc. Taf. LXXXVI, 2. — Deutsches Leben etc. 
Fig. 124. 

«) Kunst- li. kulturg. Denkm. Taf. LXXIII. Deutsches Leben etc. Fig. 120. 

») Bbendas. S. 98. Fig. 121. 



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J. Die Privathäuser. 137 

Dem 18. Jahrhundert gehört die Sitte an, den Glanz der Lichter durch 
angehängte Glasprismen oder Bergkristallperlen zu erhöhen. 

In der Wohnung des Kleinbürgers, des Handwerkers werden die 
etwa vorkommenden Schreibereien im Wohnzimmer abgemacht. »Ein 
sohreibzewg, dinte, papir und siegeU hält deshalb Hans Sachs für die 
Ausstattimg der Stube erforderlich ; ausführhcher ist das in dem vierten 
Gedicht vom Hausrat beschrieben: »Papyr, dynt unnd federn gut zu 
schryben, Bymfs (ztun Auskratzen des Geschriebenen) und firnyfs, sant- 
büfslin und lyngal (Lineal), Styler, Griffel, Wachstaflen brejii und schmal, 
Darzu ein Schribtisch der ist recht gefiert, Mit seynen Ledlin fast wol 
geformiret. Darbey ist penal und auch Calamar (die Feder- und Schreib- 
rohrbüchse), Schrybmesser (Federmesser etc.)«. Wie schön die Tinten- 
fässer im 16. Jahrhundert gestaltet waren, zeigen die dem Herm. Vischer 
zugeschriebenen kleinen Bronzegüsse. 

Hans Sachs hatte schon Bücher angeführt, die in die Stube ge- 
hörten: »Die wibl und andre püecher mer Zw Kurtzweil und sitlicher 
ler.« Und der Verfasser des vierten Gedichtes führt das noch weiter 
aus: »Eyn Bedtbüchle, das Hüpsch yngebunden. Das du hin zu der 
Kyrchen mit dir Treyst, Eyn buch-Pultum, daruff du och leyst Deyn 
Cronicken, Bibeln und Legenden Und andere Bücher zu deyn Henden.« 

Spielkarten und Brettspiele dürfen nicht fehlen. »Schach, Karten, 
würffei und pretspiel« erwähnt schon Hans Sachs, während Folz nur 
von Karten und Spielbrett spricht. 

Ein Vogelgebauer gehört endUch auch ins Wohnzimmer. Hans 
Folz imd Hans Sachs erwähnen es nicht, wohl aber das anonyme dritte 
Gedicht (Vogelhaufs, vogelhacken) und ausführhch das vierte: »Auch 
allerley Vögel, die da singent. Und zwei wilde Reichböcklin (Rehböcke, 
im Zimmer?), die da springen, Affen und Merkatzen, die machen lust, 
Ein Papagey und euch ein Sittecust.« Von den Rehböcken wollen wir 
ganz absehen — Eichhörnchen werden wohl ausgereicht haben — , aber 
auch Affen und Papageien hat man sicher nicht häufig in Bürgerhäusern 
gesehen. Dagegen kann man dem Dichter eher glauben, wenn er sagt : 
'^Ein Atzelenkeffich (Elsterngebauer) bring ich dir auch, Daryn ein 
Atzel, die brytet ein gaug (Kukuk), Darzu ein Hoher unnd ein Hetzen 
(wieder eine Elster?), Und ouch ein Dulen (Dohle), die kan wol seh wetzen, 
T'nnd ander der glychen seltzen vogel.« 

Am Fenster stehen dann noch Blumen in Töpfen (Seherben). ^) > Und 
sunst hüpsch Würtzgarten ich dir bring, Die stel für das Fenster umb 
gering, Darvon so wachsen dan ein Krentzlin schon. Und wan du wilt 
zu dem Tantz dar mit gon. Darein seind Blöimeliyn vergifs mein nit. 
Die blügen Winter und in Summer zyt.« Ein wenig Garten hatte man 
ja in der Stadt selten genug (»freudengärtlein, plomengärttlein <. — B. Paum- 
gartners Briefw. S. 6, 24, S. 10). 

Wer sich mit gelehrten Arbeiten zu beschäftigen hatte, richtete sich 
C'in Arbeitszimmer oder eine Studierstube her, in der er nicht so leicht 

') Kunst- ti. kulturg. Denkm. etc. Taf. LXX. 



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138 II. I>ie Privathäuser. 

durch Familienbesuche, durch häusUche Geschäftigkeit u. s. w. gestört 
wurde. In eine solche bürgerUche Studierstube hat Albrecht Dürer 
seinen h. Hieronymus hineingesetzt (s. oben S. 132). 

Die Form des Schreibtisches und der Lesepulte ist seit dem frühesten 
Mittelalter zu verfolgen, da sehr häufig die Evangehsten schreibend dar- 
gestellt werden, später auch man es liebte, die Verfasser von Chro- 
niken und anderen gelehrten Werken an ihren Arbeitstischen tätip 
abzubilden.^) Im 15., Jahrhundert haben diese Pulte Ähnlichkeit mit 
den Chorgestühlen ; ein Baldachin überwölbt den Sitz des Schreibers, 
dessen ganzer Arbeitsraum mit einer Tür verschlossen werden kann.^i 
Gegen diese reich geschnitzten Bauwerke der Kunsttischlerei sieht das 
Schreibpult des Dürerischen Hieronymus allerdings ärmUch aus und 
auch auf dem Grabdenkmal des Phiüppus Callimachus Buonaceorsi 
(t 1497) in der Dominikanerkirche zu Krakau ist dasselbe sehr einfach 
gehalten.^) Diese sicher in den Niederlanden ausgeführte Bronzearbeit 
zeigt den Kanzler auf einer mit Kissen belegten Bank sitzend; hinter 
ihm ist ein Teppich aufgespannt. An der Wand hängt die Pelzmütze, 
über dem Pulte der Konvexspiegel. Auf dem Tische liegen Pergament- 
urkunden, Briefe, eine Papierschere; wir erkennen das Tintenfafs und 
das seitüch herabhängende Pennal oder Calamar. (Deutsches Leben im 
14. und 15. Jahrhimdert. Fig. 133.) 

Luxuriös aber wufste man im Laufe der folgenden Jahrhunderte 
diese Möbel zu gestalten : sie wurden mit Intarsien, Inkrustationen 
dekoriert und zumal den Mittelraum, der durch die aufgeklappte Tisch- 
platte bei geschlossenem Schreibschrank den BUcken entzogen war, hebte 
man mit Alabastersäulen, mit Spiegeln vmd allerlei Schmuckwerk anziehend 
zu gestalten. Dafs aufser den gewöhnhchen Schubladen Geheimfächer 
nicht fehlen durften, ist selbstverständüch. So sind diese Schreibschränke 
bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts, ob sie nun reich ausgestattet 
oder nur schücht angefertigt waren, doch Zeugnisse von der Tüchtigkeit 
der alten Tischlermeister.') 

In diesem, dem Studium und der Arbeit gewidmeten Zimmer ver- 
wahrt der Herr nicht nur seine Bücher, sondern auch, was er an Samm- 
lungen sein Eigen nannte. So hat der h. Hieronjinus in dem bekannten 
Kupferstich sich einen Riesenkürbis an die Decke des Arbeitszimmers 
gehängt. Denn ebenso wie die Fürsten, begannen nun auch wohlhabende 
Bürger Kuriositäten aller Art, vor allem auch Kunstwerke, Gemälde, 
Handzeichnungen, Kupferstiche zu sanmaeln. 

Bekannt ist die Sammlung des Nürnberger Patriziers Wihbald Im- 
hof (t 1580), die naraenthch reich an Werken Dürers war und nach dem 
Tode des Besitzers zerstreut wurde (A. v. Eye: Albrecht Dürer [Nördl. 1860], 
S. 483 ff.). In Basel besafs Bonifazius Amerbach (f 1563) die berühmte 
Sammlung Holbeinscher Zeichnungen (Weltmann, Holbein ^H, 44 ff.). 
In Augsburg war die Sammlung des PhiUpp Hainhofer in der ersten 

») Viollet-le-Duc.Dictionnaire du Mobilier I. (Paris 1868.) p. 238 ff. 

•) Deutsches I^ben im 14. und 15. Jahrhundert. Fig. 284. 

•) Einführung in das Studium der neueren Kunstgescb. Fig. 102, 103. 



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J. Die Privathäuser. 139 

Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Sehenswürdigkeit, die zu besuchen die 
vornehmsten Reisenden nicht versäumten. 

Auch im 17. und 18. Jahrhundert fand man fast in jeder Stadt 
Leute, die mit Eifer Sammlungen anlegten und nach Kräften vermehrten ; 
Ärzte, Rechtsgelehrte, Kaufleute, die Kupferstiche in ihren Klebebüchern 
zusammenbrachten, Gemälde, Werke des Kunstgewerbes, Naturalien, kurx 
allerlei Kuriositäten, sich zur Freude, den Besuchern zur Ergötzung und 
Belehrung. Es war wohl kein Bürgerhaus so arm, dafs es nicht ein 
paar gute Originalgemälde besessen hätte ; von den holländischen Kunst- 
freunden kann man ganz absehen, die ihre Stubenwände dicht mit Bildern 
behangen haben, aber auch der Minderbemittelte war nicht ganz arm 
an Kunstwerken, die in Verbindung mit den NaturaUen und sonstigen 
Seltsamkeiten doch manche Anregung für das Haus und seinen Freundes- 
kreis gewährten. Noch um 1700 sammelt ein Breslau er Ratsherr, Sigis- 
mund von Haunold unter anderen Kuriositäten Abbildungen schöner 
Blumen u. s. w., auch in einem Bande Stoffproben, von der feinsten 
holländischen Leinwand bis zu den kostbaren Kleiderstoffen aus Drap 
d'Argent und Drap d'Or (Breslau, Stadtbibüothek). 

Im Schlafzimmer ist das Hauptmöbel das Bett. Schon im Laufe 
des 15. Jahrhunderts ist dasselbe zu einem merk^vürdigen Holzbauwerk 
geworden. Guarinonius (Grewel VH, c. 6, S. 1278) klagt über: »Ein 
seltzams und verwunderlichs Abentheur der meisten Orte Teutschland» 
der überhöchten Bettstatten, dafs man dieselben durch ein, zwey offt 
drey und mehr Staffel besteigen mufs«. Es scheint, dafs den Leuten 
am meisten daran gelegen war, den Kopf der Schlafenden gegen Un- 
geziefer (Schwaben etc.), das von der Decke herabfallen konnte, zu 
schützen. Daher die Baldachine, die entweder über das ganze Bett 
reichen, bald nur zu Häupten desselben sich wölben. Während in 
Deutschland, wie man in den reichen Sammlungen des bayerischen 
Nationalmuseimis zu München, in den kulturgeschichtUchen Sammlungen 
in Nürnberg, Basel, Zürich sich überzeugen kann, diese hölzernen Bett- 
himmel bräuchUch waren, hat man in den Niederlanden, wie die Gemälde 
Rogiers van der Weyden und seiner Zeitgenossen zeigen, diese Baldachine 
aus Stoff, wohl leichter Seide, hergestellt.^) 

Das 16. Jahrhundert brachte viele Veränderungen: der feste Bett- 
himmel wurde nun gewöhnhch von vier Säulen getragen, auf denen 
eine hölzerne oder aus Stoff hergestellte Decke ruht. 2) Auch die Bett- 
himmel mit Vorhängen bekamen andere Formen ; sie wurden in Gestalt 
von Zelten (z. B. in den Bildern von Martin Schaffner)^) angelegt, 
hiefsen deshalb auch Pavillons. Noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts 
ist diese Mode übUch, wie aus B. Paumgärtners Briefwechsel (1592 6./I., 
S. 156) hervorgeht. Paumgärtner schreibt auch (1594 29./VIII., S. 244) : 



*) Abb. ven Betten und Bettstellen. Kunst- u. kulturg. Denkm. etc. Taf. LIV. — 
Deutsches Leben etc. Fig. 127, 136—140. — VioUet-le-Duc, Dict. du Mob. L 171 ff. 

«) S. oben 8. 37. — Einf. in d. Stud. d. neueren Kunstg. Fig. 100. — Th. Hampe, 
Das Germanische Museum 1842—1902. ^pz. 1902.) Taf. X. 

«) Woermann, Gesch. d. Malerei 11. S. 465. Fig. 285. 



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140 II- I>ie Städte. 

>so hab ich (in Lucca) ein stuck blaw in goldgelb damast von einem 
schoenen zierlichen klein plümblein zu einem bett, als fürheng, deck 
und fraswerck (Fransen), was halt darzu gehoertt, mit fleifs angefrümbt; 
wird schöen sein, aber wol ettwas costenn.« 

Stattlich sah solch ein Himmelbett wohl aus, allein dafs man auf 
diesen Schmuck im 17. Jahrhundert verzichtete und sich, wenn ausnahms- 
w^eise man die Vorhänge nicht entbehren wollte, mit dem einfachen 
Himmelbett begnügte, diese Wandelung ist, wie es scheint, nicht allein 
auf Rechnung der Mode zu setzen, sondern damit zu erklären, dafe sich 
zu viel Ungeziefer in den Betthimmeln einnistete. Fischart prophezeit in 
seiner Praktik (S. 27), dafs die » Wandleufs in Frankreich« gedeihen werden 
und in der Flohatz 2082, dafs »kein Wandlaufs noch kein Floh nicht 
bleibt«. Diese »Wantzen, Wantzeln, Wenteln oder Wantleuse« (Joh. Coler, 
Oeconomia B. VIII, c. 42) spielen in der früheren Zeit eine grofse Rolle, 
wie denn überhaupt das Ungeziefer viel verbreiteter ist als gegenwärtig. 
Neben den Wanzen und Flöhen, die Fischart in der Praktik und in der 
Flöhatz erwähnt, sind auch andere Parasiten nicht selten. Joh. Coler 
(Oec. B. XVIII, c. 19) sagt: »Es sind aber von diesen edlen creaturen 
dreyerley: Kopfleuse, Kleiderleuse unnd Filtzleuse. Die erste befehle 
ich den Kindern und Weibern, die andere den Landsknechten, Bothen 
und Bettiern, die dritten den Bulern und Hurenhengsten.« Also an 
Ungeziefer fehlte es nicht und das mochte in den kompUzierten, schwer 
zu reinigenden Betthimmeln eine sichere Brutstätte finden. Jedenfalls hat 
man seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr so grofsen Luxus mit den 
Betten getrieben. 

Zur Zeit des Hans Folz gehörte in die Schlafstube : »Ein strosack, 
spanpet (also mit einem Strippenboden) und ein deck. Ein deckpet . . 
Küs, polster, leylach mit«, und mehr verlangt auch Hans Sachs nicht. Der 
Verfasser des dritten Hausratsgedichtes erwähnt noch : »Peltzdeck, schalaun 
und golter (culcitra Steppdecke) mit. Ein himel dar ob, wie es ist sit.^ 

In wohlhabenderen Häusern hat man sicher schon statt des Stroh- 
sackes Matratzen verwendet, die ja bereits während des 13. Jahrhunderts 
bei dem höheren Adel gebräuchUch waren. 

Guarinonius (Grewel S. 1279) empfiehlt die Matratzen, wie er ini 
Winter die ledernen Kissen auch für gut hält (S. 1280); dagegen spricht 
er gegen die »Abschewlichkeit der grossen Küfs und Polster« (1283), 
ratet, sich im Sommer mit einer leichten Decke, im Winter mit dem 
Federbett zuzudecken (1278), nicht zu hoch zu liegen (1282), bei frischer 
Luft zu schlafen (1286). Man soll nicht sieben Stunden, sondern nach 
Bedarf schlafen (1293). 

Auf eine hübsche Bettdecke legte man grofsen Wert. In dem 
Paumgärtnerschen Briefwechsel wird von Decken aus Atlas, Taft, Serge 
gesprochen (1592 6./I u. 8./I, S. 155—158). 

In die Schlafkammer gehören dann die nötigen Gefäfse (prüncz- 
scherben, H. Folz und H. Sachs ; harnglas, für die ärztliche Untersuchung, 
H. Sachs), ja in dem vierten Gedicht über den Hausrat ist auch eia 
Leibstuhl erforderüch, den der Autor sogar zweimal abbilden läfst. 



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J. Die Privathäuser. • 141 

Sehr merkwürdig erscheint die Nachttoilette. Im frühen Mittelalter 
hatte, wie bekannt, jedermann nackt geschlafen. Niederländische Minia- 
turen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigen, dsSs selbst in 
dieser Zeit die Sitte noch fortdauerte. Bei Folz finden sich »nachtschüch, 
nachthauben« erwähnt; das will nun nicht viel sagen, denn die Schuhe 
bedeuten nur, dafs einer nicht barfufs zu Bette gehen und aufstehen 
\\dll, und so gleichen sie etwa unseren Schlafschuhen. Nachtmützen aber 
hatten die Frauen und die jungen Männer, um ihre Frisur zu schützen, 
schon längst getragen. Hans Sachs fügt dann noch die Pantoffeln 
hinzu. Also bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts kann man vielleicht 
nackt geschlafen haben, allein schon in dem Briefwechsel von B. Paum- 
gartner wird von Nachtjacken (nachtschauben) öfter geredet (S. 64, 
125, 159, 189). Hippolyt Guarinonius erwähnt sogar (Grewel etc. 1283) 
»Juncker und Nachtbeltz« und empfiehlt ausdrücklich, nicht nackt, 
sondern im Hemd zu schlafen. Also man behielt nicht allein, wenn 
man sich schlafen legte, das Hemd an, sondern zog sogar noch Nacht- 
jacken an, setzte sich eine Nachtmütze auf. 

In der Schlafkammer hatte der grofse Kleiderschrank (Gwant Kalter. 
Folz) seinen Platz, in dem die Anzüge bewahrt wurden; dazu gehörte 
die Gwantbürste und der Gwantpesen (H. Sachs). In Truhen und Laden 
hobt man das Geld und sonstige Kostbarkeiten, Silbergeschirr u. s. w. 
auf; es ist hier besser als an anderen Orten gegen Diebe gesichert. In 
anderen Kästen aber hält man eine Magenstärkung bereit, Lebkuchen 
(PfefEerkuchen), Latwergekonfekt (H. Folz). 

Es ist nun bemerkenswert, dafs in allen Beschreibungen des Schlaf- 
zimmers eines Waschtisches, eines Waschbeckens, eines Handtuches nicht 
Erwähnung geschieht. Man kann nur annehmen, dafs man sich im Bade 
wusch ; allein hatten denn alle Bürger eine Badestube in ihrem Hause ? Die 
grofsen Patrizier in Augsburg gewifs wie die Fugger ^), deren Badezimmer 
prächtig geschmückt ist ; ob auch die ärmeren Leute so glücklich waren, 
das ist doch sehr zu bezweifeln. Wenn Folz aufzählt, was man haben 
mufs, wenn man ins Bad gehen will, den Laugenkrug das Badtuch, das 
Wischtuch, den Badeschwamm, das Badbecken, den Badehut und den 
Kamm (strel), so kann das bedeuten, dafs man dieser Dinge auch im 
öffentUchen Badehause bedurfte. Ja Hans Sachs* Bemerkung, dafs man 
einen Bademantel imd einen Bruch, also eine Badehose, nötig habe,, 
weist wohl sicher darauf hin, dafs er nicht an ein häusliches Bad dachte. 
Alle Tage aber ging man doch nicht in die öffentliche Badestube. 

Auf das Badewesen werde ich später noch zurückkommen. 

In der Schlafkammer befand sich, wie die zahllosen Darstellungen 
der Verkündigung uns beweisen, ein Betpult und sicher auch ein Andachts- 
bild. Im frühen Mittelalter hatte man z. B. die aus Elfenbein geschnitzten 
Diptychen und Triptychen verwendet, dann auch kleine gemalte Klapp- 
altäre benutzt. 2) Aus dem 15. Jahrhundert sind zahlreiche solche Altärchen 

*) Abgeb. bei Dohme, Geschichte der deatschen BaukunHt (Berlin 1887.) Tafel 
z. S. 326. 

•) Abgeb. b. VioUet-le-Dnc, a. a. 0., p. 127. 



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142 ' ' U. Die Städte. 

erhalten, von Jan van Eyck, von Roger van der Weyden (besonders die 
drei im Berliner Museum); später im 16. Jahrhundert malt auch Albrecht 
Dürer ausnahmsweise einen solchen Hausaltar. Man fertigt sie dann 
auch aus Alabaster, verziert sie mit Vergoldungen. Jedenfalls wird man 
immer die Hausaltäre sehr wohl von den Altarwerken der Kirchen zu 
unterscheiden haben (s. oben S. 22). Wenn in den Gedichten vom Haus- 
rat die Andachtsbilder und die Betstühle nicht erwähnt werden, so ist 
bei Hans Folz dies wohl als eine Vergefslichkeit zu entschuldigen, bei 
Hans Sachs und den anderen Dichtern damit zu erklären, dafs sie den 
Hausrat protestantischer Bürger im Auge hatten. 

Aiifser den Schlafstuben für die Herrschaft und deren Kinder und 
Angehörigen, für die Dienerschaft u. s. w. sind dann noch Gastzimmer 
vorhanden, in denen Freunde logierten, die nicht im Gasthause Quartier 
nehmen wollten. Alle diese Kammern sind im Grunde gleich, nur mit 
minderem Luxus eingerichtet. 

Sehr ausführlich werden in den erwähnten Hausrätsgedichten die 
Küchen mit ihrem ganzen Vorrat von Krügen, Pfannen, Mörsern u. s. w. 
beschrieben. Bei wohlhabenden Leuten prangte die Küche von glänzendem 
Kupfer-, Messing-, Zinngeschirr. Im Germanischen Museum zu Nürnberg 
hat man versucht, eine solche Küche aufzubauen, aber viel grofsartiger 
wirkte die alte Küche im Pellerhause, die ich 1854 noch selbst gesehen 
habe. Es ist wohl nicht nötig, alle diese Utensilien zu nennen, nur 
möchte ich darauf aufmerksam machen, dafs schon Folz den Rost zum 
Braten und den Bratenwender sehr wohl kennt. Hans Sachs weifs noch 
mehr Küchengeschirr aufzuzählen und die beiden anderen Gedichte 
bringen gleichfalls noch manches, für die Kulturgeschichte nicht wert- 
loses Detail. 

Seit dem 17. Jahrhundert wird es Sitte, die Wände, zumal der 
Küchen, mit Tonfliesen, meist niederländischer (Delfter) Herkunft, zu 
bekleiden. Diese weifsen, mit blauen Malereien gezierten Platten wurden 
auch um die Öfen gelegt, in Zimmern, Kammern, Vorsälen verwendet. 
(Cf. Frauenzimmerlexikon 1715 und 1739, s. u. FUefsgen von Porcellain.) 

Das Feuerzeug^) besteht aus dem Stahl, mit dem der Feuerstein 
bearbeitet wurde, bis die Funken in die Zunderbüchse fielen und dort 
den Zunder entzündeten. Schwefelfaden, in den glimmenden Zunder 
gehalten, fingen dann Feuer und mit ihnen zündete man dann Lichter 
u. s. w. an. (Folz : Feierzeüg, schwefEel Macht ein feier schnei. — H. Sachs : 
Schwebel, zuinter und fewer zeug. — Drittes Gedicht: Auch schwebel, 
feurtzeug, spen und Kien, Dörholtz und schleussen ist dir sin, Behent 
ein feur domit zu schm-n.) Man hat den Feuerzeugen die verschiedensten 
Formen gegeben, sie z. B. ui Gestalt von Pistolen gej)ildet, aber mit 
Stahl, Stein, Zunderbüchse oder Schwamm hat man sich beholfen bis 
imi 1820 die Tunkzündhölzchen aufkamen und um 1833 die Schwefel- 
stroichhölzer allgemeiner gebraucht wurden. Es ist deshalb wohl erklärlich, 

*) Feuerzeug Ist ein von Blech klein verfertigtes Kästlein, worinnen Zunder 
Stahl, Feuerstein und Schwefel lieget, und zu Aufschlagung des Lichtes dienet. — 
Frauenzimmerlexikon 1715 u. 1739. 



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K. Die Gärten der Bürger. 143 

dafs man gern, zumal in den Schlafzimmern, Nachtlampen brannte.^) 
Zur Küche gehörte dann noch die Speisekammer, deren Vorräte aufs 
ausführlichste von den Reimschmieden der Hausratsgedichte aufgezählt 
werden. 

Es gibt mm noch eine Menge von Dingen, die in ein wohlein- 
gerichtetes Haus unbedingt gehören : allerlei Werkzeuge, Waffen der ver- 
schiedensten Art, musikalische Instrimiente, je nach Bedarf und Lieb- 
haberei der Besitzer. Bis zum Bodenraimi hinauf ist das ganze Haus 
mit Kästen und Schränken gefüllt. 

Stiefmütterüch ist für die notwendigen Bequemüchkeiten gesorgt. 
Florinus spricht in seinem Haus-Vatter (Th. I, B. 2, Kap. 18) nur von 
den ^Stank-Gemächern«, die in der Nähe der Schlafzimmer anzulegen 
sind, doch nicht gut in einem Verschlage der Schlafstube (vgl. auch 
Kap. 19 § 4). Auch mit der Reinigung der Senkgruben ist es sehr übel 
besteUt.2) 

In Nürnberg wurde auch das Holz auf dem Boden bewahrt, wahr- 
scheinUch weil Grundwasser oder andere Umstände die Anlage von 
Kellern ''unturdich machten; dann wurde mit Windeluken das Heiz- 
material auf den Boden hinaufgezogen, diesen Turmerkerchen, die den 
noch erhaltenen Strafsen Altnürnbergs einen so eigenartigen Reiz 
verleihen. 

Die Dächer sind meist mit Hohlziegeln (Mönch und Nonne) gedeckt, 
die Giebel mit Dachfahnen geschmückt, deren Blech in den mannig- 
faltigsten Figuren ausgeschnitten, deren Schaft von künstücher Schmiede- 
arbeit verziert war; besonders das lö. Jahrhundert hat Meisterwerke 
solcher Kunst aufzuweisen. 

K. Die Gärten der Bürger. 

In der Stadt hatte man nur in Ausnahmefällen ein bischen Garten ; 
der Grund und Boden war in einer von Mauern mnschlossenen Stadt 
viel zu kostbar. Allein vor den Toren in der nächsten Nähe der Stadt 
suchte ein jeder, so gut es mit seinen Mitteln sich machen üefs, ein 
Stück Land zu erwerben, in dem er nicht blofs Blumen zog, sondern 
auch Gemüsebeete anlegte. Fruchtbäume anpflanzte und sich ein Sommer- 
haus erbaute. 

Berühmt war in Augsburg der Garten des Ambrosius Hochstätter, 
des steinreichen Handelsherrn, der 1534 im Schuldturme starb. Es gab 
da eine Fontäne mit 200 Wasserröhren ; ein eigens erbautes Wasserwerk 
besorgte die Triebkraft. Dazu fand man allerlei Vexierüberraschungen, 
wie solche ja einst so überaus behebt waren.') 

Joh. Coler denkt sich (Oecon. V, c. 36) den Garten in vier Teile 
geteilt. Im ersten befinden sich die Fruchtbäume: alle Arten von 

*) Vergl. Amaranthes, Frauerizimnierlexikon 1716 u. 1739 unter Nacht-Lampe, 
Nacht-Leuchter, Nacht-Licht — und oben 8. 135. Eine messingne Feuerspritze hält 
schon Hans Sachs in der Küche für erforderlich. 

«) Deutshes Leben etc. S. 127. 

») (Vulpius) Kurios, m, 363. 



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144 n. Die Städte. 

Äpfeln (c. 15) und Birnen (c. 16), Quitten, Mispeln, Maulbeerbäumen, 
Feigen, Pfirsichen, Pflaumen, Marillen, Kirschen, Welschen Nüssen, 
Mandeln, Kastanien, roten Haselnüssen, Johannisbeeren. Aufserhalb des 
Gartens wachsen die Preiselbeeren, Kratzbeeren (Brombeeren), Him- 
beeren, Erdbeeren, Wachholderbeeren, Heidelbeeren (c. 17 — 32). Auch 
Rosen sind nicht im Garten selbst (c. 33). In der zweiten Abteilung 
zieht er wolüriechende Blumen: .^Nelken, Violen, Lilien, LiUum Con- 
vallium, Meyeublümlein, Je länger je lieber. Tausendschön oder Bella 
hortensis, gelbo und weifse Mertzblümlein, Blümlein der Liebe oder 
Amaranthus, Ringelblumen, Vergis mein nicht, Damaschkenblumen, Ta^ 
und Nacht u. <lergl. c Den dritten Teil bepflanzt er mit wohlriechendr-n 
Kräutern: Rosmarin, Lavendel, Spica Nardi etc., den vierten endlich 
mit 5>Küchenspoise« (c. 36). »Wie noch heut zu Tage Fürston und 
andere Weltlicln^ Potentaten thun, die ire Gärten mit artigen Beeten, 
allerley Kreutern, liebhchen Beumen, Lustheusern, frischen Brunnen, 
mancherley Gengen, Löwingen, Weinreben, Kürbsen, Fischereien, Vogel- 
fang, allerley Grafs, Blumen und andern lustigen liebUchen, wolriechendtn 
und zierlichen dingen schmücken« (c. 36). 

Li dem Garten vor den Toren der Stadt verbringt man, wenn «lie 
Sommerhitze den Aufenthalt in der Stadt unerträglich macht, seine frei«j 
Zeit. Die Kinder hatten dann ihre Ferien und brauchten nicht in dit* 
Schule zu gehen, und die Männer konnten, sobald ilire Geschäfte beendet 
waren, sich auch im Kreise der Familie, der Freunde eine Erholun^r 
gönnen. Ja, am^ liebsten baut man im Garten ein Lusthaus, in dem man 
wälirend der Sommerszeit wohnen und übernachten konnte; natürlich 
durfte man nur in Friedenszeiten es wagen, sich ungefährdet aus der 
Stadt hinauszubegeben. Hippolyt Guarinonius hebt die Nützüchkoit 
dieser Gartenhäuschen besonders hervor. »FürtreffUcher Vortheil den 
guten und freyen LufEt zu geniefsen ist aufser den Stätten ein Lust- 
haufs neben einem Garten zu haben, allda das haufs aller orts fein 
ledig und frey stehe, und bedarff ein solches Lusthaufs keiner sonderen 
Höhe, weil es allerseits frey und kein nebenhaufs oder want hat, für- 
nemlich wo man darin die herrlich schönen klaren und frischen springen 
den Wasserbroimen als etwa hier in Tyrol und sonderhch im Yhnthal 
und in die menge führen kan« (S. 420). *) 

Aber vor allem hält es Guarinonius für heilsam, dafs wenigstens 
für einige Zeit die Leute frische Luft einatmeten. »Den grünen Dorff- 
und Feldwasen vertritt in den Stätten das reine und wolbesetzte Pflaster. 
So aber die Häuser neben den Landstrafsen, wie fast alle Wirtshäuser 
aufser und in den Stätten, allda des fahrens und reit/Ons nie kein end 

*) Abbildungen von Gärten nach den Stichen von Hans Bol (Kulturg. Bilderb. II, 
N. 1118, m, N. 1198), von Jost Amman (ib. III, N. 1323), von Peter Stephan! (Steevenfl) 
m, N. 1504, 150d\ von Vinckenboons (III, N. 1538), Crispin de Passe (TU, N. 1426), 
Matth. Mcrian (III, N. 1600, 1602), — Michael Heer, Garton des Christoph Peller in 
Nürnberg 1655. (El^nd. V. H. 2302.) 

*) Dafs die Brunnenfiguren nicht immer besonders decent waren, zeigt da« 
bekannte Maneken in Brüssel, mehr noch ist aus den 8tichcn von Vredemann de 
Vries zu ersehen. 



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K. Die Gärten der Bürger. 145 

und derselbige Weg jederzeit der unflätigste, allda oft die Kotläcken das 
gantze Pflaster bedecken, und die Lufft davon voller deren ungehewren 
Koht- und Lacken-dämpf wirdt, solle jemand gern in der nahen seine 
Wohnung oder Zimmer haben? und geschieht doch zu dieser zeit das 
Widerspiel, sintemal schier ein jeder seine Wohnung nur an selbigen 
Gassen und Strafsen zu haben begert, allda er alles zum Fenster hinaufs- 
ergafEen und ersehen möge, wer hindersich oder fürsich rent, fährt oder 
gehet« (S. 420). 

Vor den Toren Nürnbergs, in der Gegend des Johanneskirchhofs 
habe ich vor Jahren solche hübsche Gartenhäuschen gesehen, die wahr- 
scheinlich noch dem 16. Jahrhundert angehörten. Jetzt werden sie wohl 
alle den Neubauten den Platz geräumt haben. 



Schultz, Dm häusliche Leben im Mittelalter. 10 

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Bauernhaus in Iloehbuixnnd zwischen Di Jon 
und Sainte-Seine. 



Bauernhaus in Rougemont. 



L Das Dorf. 



Die Wohnung der Bauern. 

Trotz Moriz Heynes trefflicher und erschöpfender Untersuchung 
über das deutsche Bauernhaus im Mittelalter^) ist es doch kaiun möglich, 
sich von deren Aussehen, ihrer inneren Einrichtung ein einigermafsen 
klares Bild zu verschaffen, da nicht nur Denkmäler bäuerlicher Baukunst 
beinahe gänzlich fehlen, wenn sie aber auch aus früherer Zeit erhalten 
bheben, im Laufe der Jahre namhafte Veränderungen erlitten haben. 
Zudem darf man nicht aus dem Auge verlieren, dafs gerade die Anlage 
des Bauernhofes je nach dem Landstrich eine überaus mannigfaltige ist, 
und in alten Zeiten unzweifelhaft noch viel verschiedener war. Allein 
auch damit ist es nicht abgetan; der freie Grofsbauer hat sicher seinen 
Hof, sein Haus, seine Stuben anders eingerichtet als der arme hörige 
Kossäte. 

In Deutschland sind Bauernhäuser aus dem Mittelalter überaus selten. 
Es ist deshalb sehr zweifelhaft, ob das berühmte graue Haus in Winkel 
(Rheingau), das aus dem 11. Jahrhundert stammen soll und das, wie 
man ohne jeden Grund annimmt, dem Hrabanus Maurus gehörte,^ ein 



') Das deutsche WohnungsweBen. Leipz. 1899. — Stephan!, der älteste deutsche 
Wohnbau I. Leipz. 1902. — Henning. Das deutsche Haus in seiner historischen Ent- 
wicklung (Strafsburg 1882); Meitzen, das deutsche Haus in seinen volkstümlichen 
Formen (Berl. 1883). — Meringer, das Bauernhaus u. s. Einrichtung (Wien 1892.) — 
— Über die Bauernhäuser der Schweiz: Grafenriet u. Stürler. Schweizerische Aiohi 
tektur. Bern 1844. — Gladbach, d. schweizerische Holzstil (Zürich 1882), d, Holzarchi- 
tektur der Schweiz (Zürich 1885), charakteristische Holzbauten der Schweiz vom 16. bis 
19. Jahrhundert (Berlin 1889—1893). 

') Abgeb. bei R. Görz, das graue Haus zu Winkel (Förster, Bauzeitung 1847, 
S. 50.) — Stephani, Wohnbau II. 532 ff. Fig. 288—297. 



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Die Wohnung der Bauern. 



147 




Kaiiemho! in Lienzinf^en. 



Bauernhaus gewesen 
ist. Der massive Stein- 
bau ähnelt allerdings 
den von Viollet - le- 
Duc (Diet. de l'Arch. 
VI. S. 291 und 292) 
abgebildeten Häu- 
sern ausdemMorvan, 
aus Burgund. Dage- 
gen können wir in 
Deutsehland kein ein- 
ziges Beispiel von 
einemsteinemenBau- 
emhausedes 13. Jahr- 
hund er ts aufweisen , 
wie uns Viollet-le-Duc S. 293 aus Rougemont (zwischen Montbar und Aisy) 
mitteilt. Auch die interessanten Bauanlagen aus dem Süden Frankreichs, 
von denen wir eine Probe S. 296 erhalten, durften in Deutschland kamn 
ihres Gleichen haben. Frankreich hat eine viel gröfsere Anzahl von 
Denkmälern der bäuerhchen Baukunst aufzuweisen, da man sich sehr 
häufig des Steinbaues bediente, in Deutschland jedoch die Bauernhäuser 
aus Holz herstellte, sei es im Blockverbande^), wie an der Mehrzahl der 
schweizerischen Bauten, teils in Fachwerk, das mit Ziegelsteinen oder mit 
Klebwerk ausgefüllt wurde ^j. Solche Gebäude aber werden sehr leicht bau- 
fäUig, auch wenn nicht eine Feuersbrunst sie gänzlich zerstört. Die frü- 
hesten deutschen Bauernhäuser scheinen nicht vor dem 16. Jahrhundert 
erbaut zu sein. Dieser Zeit gehören \delleicht die merkwürdigen, spitz- 
giebeligen Häuser von Etzelswang (an der Bahn von Nürnberg nach Schwan- 
dorf) an, die mit einer Verschwendung von Holzriegeln erbaut sind, je- 
doch einen recht malerischen Effekt hervorbringen (s. 1 u. 2). Natürüch 
.sahen sie ganz anders aus, als das gewaltige Strohdach noch nicht durch 
die moderne Ziegeleindeckung ersetzt war. Das Bauerngehöft, in dem Al- 

*) Daniel Hopfer, Das ländliche Fest (Deutsch. 
Leben. Fig 209). 

*) Seb. Franck. Weltbuch (1533) Fol. CVIjb : 
Die heufser (der Sachsen) seind schlecht von Kat 
gemacht, schier wie in Ungern. 

Sehr beachtenswert ist die von Joh. Naeve 
in >De8 Allerdurchleuchtigsten Römischen Keysers 
Ferdinand des Ersten Denckwtirdigen Tafel-Reden < 
(Dresd. 1674) mitgeteilte Äufserung (8. 36): »Der 
Kayser gedacht auch, daTs die Spanier gar keine 
Seiger weder in Städten noch aufP den Dörffern 
hätten ; neulichst aber (1564) wären sie aus Teutsch- 
land zu ihnen hineingebracht worden. Desgleichen, 
sagt er, gebrauchen sie sich keiner Glasefenster, 
sondern ihre Fenster wären aus Leinwand und Pap- 
pier zusammen gemacht. Hergegen aber in Teutsch- 
land wären sie so gemein, daTs auch der ärmst« 

Bauer am Glaser nichts ermangeln liefse.« Bauernhof in Strümpfelbach. 

10* 




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148 



Das Dorf. 




brecht Dürer uns die 
Geschichte vom ver- 
lorenen Sohn vorführt, 
ist massiv aus Ziegehi 
gebaut, wenn auch die 
Dächer noch mit Schilf 
gedeckt sind. Die Bau- 
ernhäuser in Italien sind 
durchgehends massiv, 
meist aus Feldstein er- 
baut, doch läfst sich ihr 
Alter in der Regel nicht 
bestimmen. 

Vom 16. Jahrhun- 
dert an, besonders aber 
aus dem 17. Jahrhun- 
dert, sind uns eine grofse 
Zahl von Bauernhäu- 
sern, anfangend von der 
Schweiz und Tirol bis 
nach Westfalen, Han- 
nover , Holstein und 
Schleswig erhalten. In 
den norddeutschen Bau- 
ernhäusern findet der 
in den Bürgerhäusern gepflegte Luxus erst allmählich Eingang. Die Bauern, 
geschickte Holzchnitzer, arbeiten in der Mufsezeit des Winters an der Ver- 
schönerung ihrer W^ohnung, schnitzen Ornamente und selbst Figurenreliefs 
an ihre Bettstellen und verzieren kleine Hausgeräte, Handrollen, Kästchen 
mit Schnitzwerk im Stile der alten norwegischen Holzkirchen. Dieser 
Schnitzstil hat sich in den norddeutschen Bauernhäusern Schleswig- 
Holsteins, der Friesischen Inseln noch bis ins vorige Jahrhundert er- 
halten, wie er in Island sich noch in der zweiten Hälfte des 17. nach- 
weisen läfst. Dann aber kommen auch die Schmuckstücke, die die 
Bauern in den städtischen Wohnungen gesehen, in die Bauernstube: 
die Belegung der Wände mit gemalten Fayencefliesen, wie z. B. in den 
reichen Bauernhäusern des Hamburger Vierlandes, in der berühmten 
bunten Pesel in Meldorp (Schleswig-Holstein). Die Täfelungen der Zimmer 
wird Mode; in manchen Ländern wie in Tirol und Graubündten ist sie 
schon lange von den Bauern gebraucht worden. Städtische Möbel finden 
auch in der Bauernstube Aufnahme, Schränke, Kasten — aber, wo der 
Bauer nicht so reich ist, da verzichtet er auf die geschnitzten, architek- 
tonisch stilisierten Geräte, da läfst er vom Schreiner, was er braucht, 
einfach schUcht herstellen, dann auch bunt anstreichen. Und das 
haben die alten Dorfmaler vortrefliüch verstanden — in unserer Zeit 
werden ja für reiche Leute diese Bauernmöbel nachgemacht. Abbil- 
dungen alter Bauernhäuser finden wir in den Bildern der Kalendarien ; 



Manoir zu S^diöres (Correzö.) 



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Die Wohnung der Bauern. 149 

zumal in dem Calendarium des Breviarimn Grimani in der Bibliothek 
von S. Marco in Venedig. Dann sind in dem sogenannten Hausbuche 
des Fürsten Waldburg- Wolfegg Dörfer abgebildet, auch befestigte Wohn- 
sitze der Gutsbesitzer.^) Die holländischen Bauernhäuser lernen wir aus 
den Gemälden imd Radierungen des Adrian van Ostade ^) desRembrandt 
van Rijn*), die flämischen aus den Bildern von David Teniers d. J.,*) des 
Adrian Brouwer u. a. kennen. Die französischen stellt Jaques Callot in 
seinen Grandes et Petites Misäres de la Guerre uns dar.^) 

Von den Bauernhäusern sind wehl zu unterscheiden die Wohnungen 
der Gutsbesitzer. In Frankreich sind solche Herrenhäuser (Manoirs) noch 
in gröfserer Anzahl erhalten. Sie sind befestigt, um in kriegerischen 
Zeiten gegen Marodeure und anderes Gesindel geschützt zu sein, aber 
nicht wie die Burgen auf eine lange Belagerung vorbereitet. VioUet-le- 
Duc gibt (a. a. O. VI S. 306, 307, 308) die Abbildimg des Manoirs von 
Saint-Mädard-en-Jalle, das noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts 
gehört. Aus dem 14. stammt das Manoir von Camarsac (Gironde) S. 310, 
311, aus dem 15. das zu Xaintrailles (Lot et Garonne), S. 312, 313, aus 
dem 16. die zu Nesle (Oise) und Sädiferes (Corr^ze) S. 314, 315. Ich kenne 
von solchen Gutsherrnschlöfschen in Deutschland nur eins — aber jeden- 
falls gibt es ihrer eine grofse Zahl — das kleine feste Haus in Wohn- 
witz bei Breslau (1513), das ich wiederholt besprochen habe®). 

Job. Colerus"^) schildert das einfache Gutshaus des 16. Jahrhunderts. 
Die Stuben, mit Ziegelsteinen gepflastert, sind kalt; besser sind Bretter, 
aber man mufs Sägespäne unterfüttern. Brauchbarer und ansehnhcher 
sind gegossene (Estrich-) Fufsboden, die Wände und Decke mit Gips 
verkleidet; solche Stuben sind reinlich, warm, feuersicher. »Gewundene 
Decken« (Windelboden) sind besser als Bretterdecken. Er verlangt 
Brandmauern. Es empfiehlt sich, die unteren Stuben und Kammern 
zu wölben, der Feuersgefahr halber wenigstens ein Gewölbe mit eiserner 
Tür und gleichen Fensterläden zu erbauen. 

Häuser, aus Stein und Ziegel errichtet, sind kalt; baut man sie 
aus Holz und Stroh, so ist die Luft dampfig und warm; nimmt man 
Erde imd Lehm, so sind die Wohnungen trüb und staubig; jedenfalls 
müssen sie gut austrocknen. Fenster geben Luft, Zug; Kammern gegen 
Süd sind warm, gegen Nord kühl, im Sommer und zur Zeit der Pestilenz 
für Gesunde und Kranke zu brauchen. Häuser auf der Höhe sind luf- 
tiger, gesünder, kälter als die am Berge oder im Tal. Er gedenkt dann 
der Badestube für den Herrn, ratet, die Häuser mit nicht abfärbender 
Leimfarbe, die Balken aufsen schwarz mit Ölfarbe zu streichen. Die 



*) Deutsches Leben etc. Fig. 204. — A. v. Essen wein, kulturhistoriFcher Bilder- 
iitlas. Lpz. 1883. Taf. CII, CI, CIH. 

«) Kulturg. Bilderb. V; Nr. 2322, 2360, 2361, 2376, 2410—2413. 

») Kulturg. Bilderb. IV; Nr. 1918, 1919. 

«) Kulturg. Bilderb. V; Nr. 2366, 2367. 

») Ebendas. IV; Nr. 1692—1709. 

*) Schlesische Kunstdenkmäler. Breslau 1875. 

') Oeconomia ruralis et domestica. Wittenb. 1591 — 1601. B. IX. c. 25. 



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150 ni. Das Dorf. 

Zimmerleute stehlen Holzabfälle und Späne und arbeiten besser im Akkord 
als im Tagelohn (c. 27): 

»Die Zimmerleut und die Maurer 

DsLS sein rechte Laurer : 

Ehe sie essen, messen, stehn und sich besinnen, 

So ist der tag von hinnen«, (c. 26). 

Dafs diese Häuser der Gutsbesitzer, gleichviel ob diese adlig oder 
bürgerUch sind, den Adelsschlössem vielfach gleichen, liegt auf der 
Hand.^) Seitdem der Adel es aufgegeben hat, in seinen Burgen zu leben, 
ist er Gutsbesitzer und wohnt auf seinem Besitztum auf einem Schlosse, 
das je nach dem Reichtimi des Herrn oft sehr schUcht und einfach, 
selten mit grofser Pracht errichtet ist. 

Auch nach den mannigfaltigen Gewohnheiten, Überlieferungen, 
Bedürfnissen sind die Bauernhöfe bald inmitten des Landbesitzes, isoliert 
von anderen Wohnungen erbaut, bald in einem Dorfe vereinigt. Die 
Dorfanlage ist nach den Landstrichen verschieden. Wenn schon über 
die Strafsen in den Städten sich nichts erfreuhches sagen läfst, so mögen 
die Dorfstrafsen und Gassen sich in noch schlimmeren Zustand befunden 
haben. 

Um nicht wehrlos einem jeden Überfall preisgegeben zu sein, hat 
man im Mittelalter wohl auch in den Dörfern dafür gesorgt, dafs sich 
die Bauern mit ihrem Hab und Gut im Falle der Gefahr an eine ver- 
teidigungsfähige Festung zurückziehen können. Das nächstüegende war, 
dafs sie in der Burg ihres Herrn Schutz suchten. War eine solche nicht 
in erreichbarer Nähe, so barg man alle Kostbarkeiten in der doch meist 
massiv erbauten Kirche und befestigte den Kirchhof mit Steinmauern, 
Türmen und Gräben. Ein in dieser Art fortifizierter Kirchhof ist noch 
in der Nähe von Breslau in Roth-Sürben zu finden. In Siebenbürgen 
richtete man die Kirchen als Festungen ein, bekrönte sie mit Zinnen; 
wenn dann die Türken in das Land einbrachen, fanden die Bauern in 
ihren Kirchen einen sicheren Schutz. 2) 

In Frankreich findet man an der Meeresküste turmartige, feste 
Häuser, in denen während der Raubzüge der Sarazenen die Landbevöl- 
kerung Schutz suchte, so z. B. in dem Turm von Canet bei Cannes 
(Viollet-le-Duc, Dict. de TArch. VI. S. 298.) Ein anderer solcher fester 
Turm ist in der Nähe von Bordeaux (ib. S. 299) erhalten. 

An der Küste des Tyrrhenischen Meeres sind noch heute zahlreiche 
solche Türme zu finden; sie dienten nicht blofs als Ausluge sondern 
boten auch dem bedrohten Volke zu Zeiten der Gefahr Schutz und 
Sicherheit. 



^) Beachtenswert ist die Darstellung eines Landhauses in dem Holsschnitt des 
Hans Burgkmair. (Kulturg. Bilderb! I. Taf, 350.) 

•) Friedr. Müller in den Mitt. der k. k. Zentral-Kommission n. 211, 216; XI 
p. XXIX; in Edlitz unter dem Wienerwalde, ebend. L 104. 



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II. 

Die Familie. 

Vermählung. — Geburt. — Erziehung. 



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Üe gibt kaum in der Sittengeschichte eine schwierigere Frage zu 
lösen, als die, was von der Moral einer Zeit hinsichtlich der geschlecht- 
lichen Bedürfnisse zu halten ist. Man hat auf die Berichte der alten Chro- 
nisten, der Memoirenschreiber hingewiesen und, auf deren Zeugnis ge- 
stützt, beweisen wollen, dafs gewisse Jahrhunderte im Mittelalter wie in 
der Folgezeit ganz besonders ausschweifend gewesen seien. Was indessen 
die überlieferten Skandalgeschichten anbelangt, so wären sie kaum auf- 
gezeichnet worden, wenn solche Abenteuer so ganz gewöhnlich vorkamen; 
sie waren eben eine Seltenheit und deshalb wert, der Nachwelt mit- 
geteilt zu werden. Wollte nach Jahrhunderten ein Sittenschilderer ein 
Bild unserer Zeit nur auf Grund der ihm aus der Gegenwart vorliegenden 
Zeitungen entwerfen, alle die Nachrichten, die Gerichtsverhandlungen zu- 
sammenstellen, er würde eine grauenhafte Schilderung der sittlichen Ver- 
kommenheit des 19. Jahrhunderts uns vorführen und doch zu ganz 
falschen Schlüssen gelangen. Wir müssen immer festhalten, dafs die 
Sittenlosigkeit doch nur eine Ausnahme ist, wenn sie auch viel mehr 
von sich reden macht als die Sittenstrenge, dann aber, dafs namenthch 
in dieser Hinsicht alle Zeiten einander so ziemüch gleich sind, obschon 
die Formen im Laufe der Jahrhunderte eine andere Gestalt annehmen. 
Die berufsmäfsigen Vertreterinnen der freien Liebe spielen deshalb 
zu allen Zeiten ihre Rolle ^), mehr oder minder verfolgt, zumal ein Greuel 
in den Augen der Frommen, aber doch geduldet als eine Notwendigkeit, 
mit der man imbedingt rechnen mufs. Wie in den ersten Jahrhunderten 
des Mittelalters sich ihre Lage gestaltet hat, das ist nicht aus den 
Berichten jener Zeit recht zu ersehen, allein im 14. und 15. Jahrhundert 
gibt es allerorten Frauenhäuser, die unter der Obhut eines Wirtes, einer 
Äbtissin stehen, von den städtischen Behörden überwacht werden.*) 
Töchter der Stadt sollten da keine Aufnahme finden; jungen Burschen 
und Ehemännern war der Zutritt versagt. Im übrigen aber erfreuen 
sich die :& geschuhten Wachteln«, wie sie der Volkswitz in Nürnberg 

») Vgl. Höf. Leben •!, 588 ff. und Deutsches Leben etc. 71 und die Abb. Fig. 87. 
— S. Ohr. ürsinus, commentatio iuiidica de quaestu meretricio, germ. Huren-Lohn. 
Olim anno 1682 in vulgus edita, iam vero ob praestantiam et raritatem denuo excusa. 
Halae Sax. 1737. 



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154 Einleitung. 

nannte, gewisser zünftlerischer Rechte, wurden gegen unberechtigte 
Konkurrenz auf das nachdrückhchste geschützt.^) Später, im 17. Jahr- 
hundert, nannte man diese Orte Frey-Häuser und die Mädchen »Frey- 
Frauen« 2)- 

»Anno domini 1520 a die 4. febrer da fieng man hie an (Augs- 
burg) zu dem ersten mal und Ues die Frauen aus dem Frauenhaus alle 
suntag in der fasten an die predig gangen sant Moritzen, man hett in 
dem predighaus ein besunder portkirchen (wohl Empore) gemacht, darauff 
sie besunder giengen in der fasten. Und der frauenwirt belaittet sie 
mit 2 knechten gen kirchen und wider haim, und den ersten tag auff 
dattum da entliefEen im 2 frauen, als sie an der predig waren gewesen, 
in die kirchen und kamen darvon« (Wilh. Rau). 

Im Laufe des 16. Jahrhunderts wnrden in vielen Städten, in denen 
die protestantische Geisthchkeit einen Ausschlag gebenden Einflufs hatte, 
die Frauenhäuser geschlossen.^) »1561 Ist das sündUche Haus der freyen 
Weiber im Winckel bey dem alten Oderthor (zu Breslau) eingerissen 
worden.« (Nie. Pol, Hemerologium, Aug. 17.) Ob dadurch die Sittlieh- 
keit viel gewonnen hat, davon berichten die Chronisten nichts. 

Dafs auch Kinder nicht vor Nachstellungen sicher waren, wird uns 
hin und wieder selten berichtet. Fafste man den Übeltäter, so hatt« er 
sein Leben verwirkt.**) 

Dabei war das Laster der Sodomie, das ja im ganzen Mittelalter 
existiert hatte, trotzdem es mit dem Feuertode bestraft wurde, auch in 
der späteren Zeit nicht auszurotten.^) In Augsburg erzählte man 15H2, 
dafs in »der lutherischen und zwinglischen sect«, deren Haupt Sigmund 
Welser war, dies Laster gepflegt werde. Welser flieht nach Zürich; zwei 
der Gefangenen werden am 5. April 1532 enthauptet, dann verbrannt 
(Clemens Sender). Man nennt diese unnatürliche Weise Florentinische 
Unzucht (Barth. Paumgärtner, Briefwechsel, S. 238—1594, 15./VIII.), die 
Ausübimg derselben »Florentzen« (Wilh. Rem 1519). 

:^1544 Ward ein Weibsbild zum Fewr verurtheilt unnd in Manne*«- 
kleidern verbrennet. Denn sie in Manneskleidern einhergegangen, sich 
für einen Mann ausgegeben und Hans Lose genennet, zwey Weiber zur 
Ehe genommen, die eine durch unnatürUche beywohnung umb ihr 
Gesimdheit und Leben gebracht; die ander hat ihr Büberey verrahten^ 
(Nie. Pol, Hemerol., Aug. 23). 

*) Vgl. Kurios. IX, 406. Die Berner Dirnen tragen rote Mützen, gewöhnlicli 
kleiden ßie sich grün. Man nennt sie Kannen (cunni — wie der 8. Oonnebert, der 
h. Kunibert). 

■) Eulenspiegelischer Mercurius. . . Freyburg 1715. S. 211, 212, 294. 

') Über das Frauenhaus in Würzburg vgl. Kuriositäten. IX, 397 ff. — Ol. Sender, 
Augsb. Chron. 1532 : Hie zuo Augspurg hat ein rat abthan die offnen gemeinen zwei 
frawenhäuser aus angeben der lutherischen predigern. 

*) Cron. newer geschichten von Wilhelm Rem 1514 — ein Vikar von S. Moritz 
(Augsburg) 1525 [Clemens Sender] — in München wurde 1517 ein zehn- oder elfjähriges 
Mädchen schwanger [Wilhelm Rem]; vgl. ibid. z. J. 1525. 

*) Höf. Leben «I. 585 ff. 



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Einleitung. 1 55 

Kindesmord wird gar nicht selten gemeldet: das Mädchen wurde 
dann lebendig begraben (1551, Juni 27, ebendas.), der Mann, der die 
Folgen seines Leichtsinns beseitigte, enthauptet (1607, Sept. 13, ebendas.). 

Blutschande wurde mit den strengsten Strafen geahndet. In Augs- 
burg verfuhr man zwar mit Ulrich Honold 1534 glimpflicher. Obschon 
er »hat mit seiner aigne Schwester zu schaffen gehept, ir die junckfrau- 
schafft genommen«, wird er nur in Eisen gelegt und lebt so noch 
30 Jahre (Clemens Sender). In Schlesien jedoch wird das Verbrechen 
mit Enthauptung, Rädern, Verbrennen, Pfählen bestraft (Nie. Pol, Hemerol. 
1563 Juni 11; 1572 Mai 17; 1574 Mai 28; 1695 Okt. 20; 1604 Mai 4). 

Aber auch jeder Verstofs gegen die gute Sitte wurde strengstens 
gebüfst. In Ausburg hatte 1517 ein Kellermeister der Weber, Schitten- 
helm, 74 Jahre alt, in vielen Kirchen »frauen und junge mädlin geheist <c, 
unter ihnen auch eine Frau von über 60 Jahren. Dafür wird er mit 
Ruten aus der Stadt gepeitscht (Wüh. Rem). :^1581 Ward ein Schuknecht 
gestrichen und des Landes verwiesen wegen seiner begangenen Leicht- 
fertigkeit am heiUgen Ehestande«, er hatte sich an fünf Orten verlobt 
(Nie. Pol, Hemerol., Apr. 1). 

Dagegen gilt ein aufserehelicher Verkehr ganz und gar nicht für 
unsittUch. ^) Hermann von Weinsberg spricht in seinen für seine Fcunilie 
bestimmten Aufzeichnungen nicht nur von seines Vaters Bastard-Tochter 
(Buch Weinsberg I, 33), sondern erzählt auch, wie 1552 ein junges Weib 
aus Brüssel nach Köln kam und ein Kind mitbrachte, das Hermanns 
Bruder Gottechalk angehört. Dessen Frau darf nichts erfahren, aber 
das Weib bekommt Geld und das Kind behält die Familie (ebend. II, 19). 
Ja, seine eigenen Abenteuer mit seiner Mutter Magd Greitgin Olups ver- 
schweigt er nicht; er mufs die Kosten der Entbindung tragen und jährhch 
16 Gulden Alimente bezahlen (ebend. I, 231). Als er selbst im Jan. 1548 
heiraten will, macht die Magd und ihr Vater Einsprüche geltend, und 
als sie dann am 1. Juü desselben Jahres einen Mann nimmt, mufs er 
ihr 100 Mark kölnisch für die Jungfrauenschaft zahlen (ebend. I, 283, 294). 
Die Tochter Anna von Weinsberg aber betrachtet er immer als sein 
rechtes Kind. 

Im übrigen taten sich die Leute im Mittelalter auch keinen Zwang 
an und dasselbe gilt von denen des 16. Jahrhunderts imd der Folgezeit. 
Wie in Frankreich zur Zeit der Könige von Franz I. bis auf Heinrich HL 
die Damen vom Hofe, wie Brantöme in seinen Dames galantes es 
schildert, in Sachen der Liebe ein sehr weites Gewissen hatten, so gaben 
ihnen , nach den Berichten der Zimmernschen Chronik (I, 437, 439, 435; 
1117477 ff.; vgl. Joachim v. Wedel, Hausbuch 96, 116, 223), die vor- 
nehmen Damen, Fürstinnen in Deutschland nichts nach. Aus seiner 
Liegnitzer Amtstätigkeit weifs Hans von Schweinichen recht ErbauHches 
von den Hofdamen zu berichten und auch unter dem Bürgerstande wird 



^) Cf. M. Schwigias^ Parthenologia historico - medica, hoc est virginitatis con- 
Bideratio, qaa pubertas et menstruatio tractatur, varia de insolitis mensium viis atque 
dabüs virginitatis signis, de pajrtiom genitaliam muliebrium consutione et infibulatione 
et aliia rebus agitur. Dresdae 1729. 



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156 Einleitung. 

-es genug gegeben haben, die solchem Beispiele mit Freuden nacheiferten. 
Es sind Damen der guten Gesellschaft, die ihren Ansichten über die 
Liebe so drastischen Ausdruck gaben (Zimm. Chron. III, 75, 385), nicht 
etwa leichte Dirnen, mit denen, wie Fischart behauptet, Schwaben die 
ganze Welt versorgt (Gesch.-KHtt. 32). Wie gemein der Ton war, der 
unter der adhgen Gesellschaft zur Zeit des Augsburger Reichstages 
vorherrschte, zeigt die von Bartholomäus Sastrow erzählte Geschichte 
II, 91 u. 97). 

Die Männer hatten allerdings durch den übermäfsigen Dienst des 
Bacchus ihren Erfolgen im Reiche der Venus wesentUch Eintrag getan 
(Zimm. Chron. III, 76), allein trotzdem wufste man selbst von Geistlichen 
recht anzügüche Geschichten zu erzählen (ebend. III, 36, 76 fE., 389; 
II, 554, 479, 512). Die Nonnenklöster standen schon im 15. Jahrhundert 
nicht im besten Rufe — einige, nicht alle — imd so gibt auch im 
folgenden Jahrhundert es mancherlei, was nicht zur Ehre dieser Häuser 
gereichte. Der Graf von Zimmern ist Katholik, also eine Animosität 
gegen die Nonnen ist bei ihm nicht vorauszusetzen, und wenn er auch 
unzweifelhaft ein Freund von saftigen Anekdoten ist, so sind seine 
Erzählungen doch nicht von der Hand zu weisen. Er berichtet da 
«rbauUche Dinge (II, 524, 546, 552; III, 65, 66, 69 ff.), nennt den Beicht- 
vater der Klosterfrauen ihren )> Bauchvater« (III, 70) und behauptet, dafs 
die Nonnen den adhgen Damen, die in der Nähe des Klosters wohnten, 
Liebhaber verschafften, ihnen als Kupplerinnen dienten (III, 12). >Was 
soll ich aber zu solchen clostern in der ferro sagen, so wir dergleichen 
hausrath in unserer landsart haben, darin sich die frawen ainsteils oft 
jungen« (III, 70). Weniger mag die Äufserung von Fischart ins Gewicht 
fallen, der als Protestant kein Freund der Klöster ist: »Wo findet man 
ain Nonnenkloster, da nicht ein Mönchskloster nahe darbey sey? die 
Trescher fein nah bei der Scheuren« (Geschichtskhtterung 38). 

. Wie die adhgen Damen, machten es die Bürgersfrauen, und auf 
■den Dörfern, wenigstens im Hunnsrück, ist man recht nachsichtig gegen 
Fleischessünden (Zimm. Chron. III, 279). Die Männer denken erst gar 
frei über solche Dinge (ebend. II, 328 ; IV, 83), natürhch immer voraus- 
gesetzt, dafs ihre Frauen nicht auch diese Freiheit beanspruchten. 

Eine eigene Sitte herrschte in Sachsen, in Westfalen, in den Nieder- 
landen: das »Beischlafen auf Glauben«. Es wm:den da die gröfeten 
Freiheiten gestattet, die aber eine gewisse Grenze nicht überschreiten 
durften (Zimm. Chron. IV, 243). Diesen Brauch fand Hans von Schweini- 
chen z. B. in Dannenberg am Hofe des Herzogs von Braunschweig- 
Lüneburg (S. 38). Er entspricht etwa dem, was uns in unserer Zeit von 
den »Demi-vierges« erzählt wird. 

Auch in den Bürgerhäusern fand diese befremdende Sitte, die 
übrigens schon zur Zeit der Minnesinger nicht unbekannt war, Eingang. 
Von Frankfurt a. M. erzählt der Prädikant Wilhelm Ambach (Quellen 
2. Frankf. Gesch. II, 34): »Das weibUche geschlecht ist ja fast blöd und 
schwach, aber man sähe hie bei vielen, dafs in hurei, ehebruch und 
niler leichtfertigkeit stark und frech waren, dann auch 50jährige wit- 



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Einleitung. 157 

frauen, die jetzt Kindeskinder haben, aller ehren und freundschaft ver- 
gessen ; Jungfrauen sind ihren herrn und eitern entlaufen, sich in schänd- 
liche hurei begeben ; jedoch haben etUche aus ihnen öfEenthch geehlichet, 
viel blieben ungeeUchet, schlufen bei uf Gelderischen glauben, 
gemeiniglich aber lebten sie frech und gut kriegerisch; es sind auch,. 
wie man sagt, etliche namhaftige eheweiber, den man es gar nicht ver- 
trauet, von grossen hausen zu schänden und männigüch zu spott gestellt 
worden, mit ihnen gebadet, bis mitternacht bankettiert, getanzt. Wo der 
handel länger gewährt, wäre zu besorgen, Sodoma wäre gegen Frankfurt 
gerechtfertigt worden.« 

Jedenfalls harmloser ist der Kufs. ^) * Der Florentiner Kufs, wann 
man eine Person bey zweyen Ohren hält und küsset . . . und wird diese 
Art zu küssen bey den Alten vielmals gedacht.«^) 

Was ich hier mitgeteilt habe — imd es liefsen sich noch eine Menge 
solcher Geschichten beibringen — , beweist nur, dafs, selbst angenommen, 
die Schriftsteller sind wohl unterrichtet gewesen und haben nicht wie 
der Prädikant Ambach der guten Sache wegen übertrieben, doch nur 
ein Bruchteil des Volkes so liederhch gewesen ist : alle sicher nicht. Und 
einen solchen Bruchteil hat es immer gegeben und wird es immer geben. 
Wenn wir aus dem 17. und 18. Jahrhimdert weniger Klagen hören, so 
darf man daraus nicht schliefsen, dafs in einer Zeit, in der jeder Fürst 
seine Maitressen hielt, die Bevölkerung, Adel und Bürgerschaft untadel- 
haft gelebt. Da 'gilt es auch : Wie der Fürst , so der Herr. Man 
spricht nicht so viel über derlei Dinge, aber sie geschehen doch; 
man lebt si non caste tamen caute. Es wurden dieser Abenteuer zu 
viele imd so nimmt man von ihnen kaum Notiz, hält sie des Auf- 
schreibens nicht für wert; aber besser geworden sind die Menschen in 
der Folgezeit darum keineswegs. 

Guarinonius, der so viel an seiner Zeit mit Recht auszusetzen 
findet, spricht über die Leichtfertigkeit der Weiber gar nicht ; er bemerkt 
nur (S. 289): »Es sein etUche Weiber von Natur fröüch und lustig, 
geschwätzig, als unter andern die Schwäbinnen, Böhimen, von Natur 
mit jederman freundüch, von Natur der Music und deren Däntz gefährig.« 

Sehr bemerkenswert ist die Vorhebe für freie, man könnte sagen: 
anstöffidge Darstellungen. Es sei nur an die Skulpturen der Kapitelle 
in der Doppelkapelle des Egerer Schlosses erinnert, die aus dem 13. Jahr- 
hundert herrühren, an die oft handgreiflichen Scherze in den Rand- 
zeichnungen mittelalterücher Kirchenbücher, vor allem die ausgelassenen 
Darstellungen Dröleries der französischen, später der burgundischen 
Manuskripte. Das 15. Jahrhundert hat die Kupferstiche des Maitres 
des Banderolles aufzuweisen (Jungbrunnen, Fechtschule, Frauenhaus^) imd 
die Gartenszene des Meisters E. S. 1466;*) in den burgundischen Bilder- 
handschriften des Valerius Maximus (Breslau, Leipzig^) finden sich sehr 

*) J. J. Heckelias, de osculis discursus philologicos. Ohemn. 1675. 
•) Haredorffer, Gesprächespiele, VII, (1649) 443. 
^ Deuteches Leben Fig. 245, 84, 87. 
*) Ebendae. Fig. 181. 
•) Ebendas. Fig. 83. 



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158 Einleitung. 

freie Darstellungen von Badeszenen; auch Lucas Cranach d. A. hat noch 
manches Werk in diesem Geschmacke geschaffen. Fraglich erscheint 
dagegen, ob die von Marcantonio Raimondi nach Giuho Romano ge- 
stochenen Illustrationen zu den Sonetti lussoriosi des Pietro Aretino 
jemals existiert haben, oder ob von ihnen Abdrücke tatsächüch vorhanden 
sind.^) Von Annibale Caracci sind Zeichnungen erfunden worden, die, 
durch den Kupferstich vervielfältigt, zu den Kostbarkeiten der BibUo- 
theken zählen. 

Das Interesse für derartige Bilder erhält sich auch in der Folge- 
zeit; die Stammbücher sind oft mit recht derben Darstellungen aus- 
gestattet. In Frankreich hatte man Abbildungen von den Liebschaften 
der Katharina von Medici, der Maria Stuart, der Herzogin von Guise.^) 
Zur Zeit Heinrichs III. schenkt ein Edelmann seiner Geliebten ein Buch, 
in dem 32 Damen vom Hofe in zärtUchen Situationen mit ihren Lieb- 
habern dargestellt waren.*) Papst Sixtus V. (1535 — 90) liefs einen Sekretär 
Capillas hängen, der in einem Buche die Liebschaft eines grofsen Herrn 
und einer vornehmen Dame abgebildet hatte.*) Die Kunst selbst hat 
auf diesem Gebiete wohl nur ausnahmsweise sich versucht; es sind in 
den allermeisten Fällen Künstler untergeordneten Ranges, die sich zu der- 
artigen Darstellungen hergeben, die geheime Bilder in den Doppeldeckeln 
der Schnupftabakdosen malen, Gläser und Glasscheiben mit ausgelassenen 
Bildern verzieren etc. Erst Fran<;ois Boucher (1703 — 70) hat es ver- 
standen, auch für diesen Kunstzweig die vollendete Form zu finden; seine 
Bilder sind nicht für Asceten geschaffen, aber doch nie gemein, was 
man nicht immer von den Leistungen Pierre Antoine Bauduin 1723 — 69, 
und Honore Fragonards (1732 — 1806) sagen kann. 

*) Brantöme, Dames galantCH (Oeuvres, Paris 1787) erwähnt S. 34 einen illustrier- 
ten Aretin und bemerkt, dafs in Venedig bei Bernardo Turisan vielfach solche Exem- 
plare für grofse Summen an vornehme Damen verkauft wurden (S. 40). 

•) Ebendas. vS. 35, Anm. 

») Ebendas. S. 655. 

*) Ebendas. S. 35. 



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I. Die Hochzeit. 



a) Der FUrsten. 

Kaiser, Könige, Landesfürsten waren bei ihrer Verheiratung schon 
von altersher verpflichtet, nicht auf die Zuneigung sondern allein auf 
den politischen Vorteil und Nutzen Rücksicht zu nehmen. * In den 
«eltensten Fällen hatten sie ihre Gemahlin vor der Hochzeit je gesehen; 
sie liefsen durch Gesandte mn die Haud der Prinzessin anhalten; fand 
der Antrag eine günstige Aufnahme, so wurde die Dame feierlich ver- 
lobt oder auch dem ersten Gesandten per procura angetraut und reiste 
dann in Begleitung der Gesandtschaft zu ihrem Gemahl, und erst dann 
wurde die Ehe zimi Abschlufs gebracht. ''^) Die kirchhche Einsegnung 
folgte der Eheschliefsung, welche durch die von den Brautleuten vor 
glaubwürdigen Zeugen gegebenen Erklärungen für rechtsgültig angesehen 
wurde. Die Kirche gab dann am Tage nach der Vermählung ihren 
Segen.^) Im 13. Jahrhundert aber ist es in den höheren Ständen schon 
allgemein Sitte, dafs das Brautpaar vor dem Priester die Ehe verspricht 
und die Einsegnung derselben dann sogleich erfolgt.^) 

1235 schickt Kaiser Friedrich II. seinen Vertrauten Petrus de 
Mneis mit einem statthchen Gefolge nach England, um bei dem Könige 
Heinrich III. lun die Hand der Prinzessin Isabella anzuhalten. Es wird 
bei dieser Gelegenheit die Frage der Aussteuer und der Mitgift, der 
Morgengabe u. s. w., kurz alles Geschäfthche aufs sorgfältigste geordnet 
und festgesetzt.^) Und ähnlich läfst Kaiser Friedrich III., wie im ersten 

*) (A. Bohse.) Amor am Hofe oder das spielende 'Liebesglück hoher Standes- 
personen, Cavalliere und Damen, der galanten AVeit zu vorgonneter Gemüthsergötzung 
an das Licht gegeben von Talandem. 2 Th. Lpz. 1710. 

Menantis (Chr. F. Hunold), der europäischen Höfe Liebes- und Ileldengeschichte, 
der galanten Welt zur vergnügten Curiositä ans Licht gestellet. 2 Tl. Hamburg 1715. 

•) Job. Kluge, Zur Kunde dos deutscheu Privatlebens zur Zeit der salischen 
Kaiser. Berl. 1902. X, 35 ff. 

») Höf. Leben. «I, 636. 

*) Job. Kluge a. a. O. 46. 

*) Höf. Leben. «I, 648. 



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160 I- I>ie Hochzeit. 

Teile des Weifskunigs ausführUch geschildert wird, in Lissabon um die 
Hand der Prinzessin Leonora anhalten. In dieser Art sind die meisten 
Fürstenehen geschlossen worden. 

Es konnte nicht ausbleiben, dafs die erwählte Braut nicht immer 
den Erwartungen ihres Freiers entsprach. Das war jedenfalls sehr 
schhmm, denn zurückschicken durfte man schon der politischen Folgen 
halber eine aus einem angesehenen Hause stammende Prinzessin nicht, 
imd war die Ehe einmal geschlossen, dann hefs sie sich nur unter ganz 
besonderen Umständen wieder lösen. Deshalb haben, als die Kunst der 
Malerei solchen Aufgaben gewachsen war, die hohen Herren sich gern 
ein Bildnis von ihrer Auserkorenen verschafft, um vor dem Abschlufs 
der Verhandlungen wenigstens eine Vorstellung von ihrer äufseren Er- 
scheinung zu erhalten. Und zwar beauftragten sie, um ganz sicher zu 
sein, ihren eigenen Hofmaler mit der Ausführung des Porträts. Philipp 
der Gute von Burgund schickte 1428 seinen »Varlet de Chambre«, Jan 
van Eyck, nach Portugal und beauftragte ihn, das Bildnis der Prinzessin 
Isabella, die er zu heiraten beabsichtigte, zu malen.^) Hans Holbein d. J. 
fertigt für König Heinrich VIII. von England 1538 das Porträt der ver- 
wittweten Herzogin von Mailand, Christine von Dänemark, und 1539 malt 
er die Prinzessin Anna von Cleve.^) 

Über die etwaigen körperüchen Gebrechen hatten die Gesandten 
sich genau zu informieren. Schon 1161, als der griechische Kaiser 
um die Hand der Melisendis, Tochter des Grafen von TripoUs, werben 
liefs, erkundigten sich die Gesandten »de occultarum corporis partium 
dispositione« oder wie es in der französischen Übersetzung des Wil- 
helmus Tyrensis heifst, »la fesoient aler toute desfubl^^e«, d. h. sie liefsen 
sie nackt vor sich hin- und hergehen.') 

Von dieser rohen Sitte nahm man in der Folgezeit wohl Abstand, 
doch wurde in Frankreich noch im 18. Jahrhundert jede Verlobte eines 
französischen Prinzen vor der Verheiratung von den nächsten weiblichen 
Anverwandten des Bräutigams einer körperlichen Untersuchung unter- 
zogen. Der Bräutigam verehrte der Braut noch vor der Hochzeit an- 
gemessene Geschenke.*) 

Sobald die Braut auf ihrer Reise das Land ihres Verlobten betrat, 
wurde sie mit Festen aller Art empfangen und gefeiert.^) 

Als im Jahre 1524 der Markgraf Joachim von Brandenburg Magda- 
lena, die Tochter Georgs von Sachsen, heiratet, findet die Hochzeit in 
Dresden statt. Es nahmen an dem Feste teil 22 Fürsten, einige mit 
ihren Gemahlinnen und Töchtern, dazu 119 wohlgeschmückter Jung- 
f raulin und Frauen vom Lande«, dann Grafen und Herren. 2048 Pferde 
wurden bei Hofe gefüttert. Nach verschiedenen prächtigen Einzügen 

*) Crowe ot Cavaliaselle. I^s anciens peintree flamands, trad. p. O. Delepierre. 
Brux. 1862. I, 52 ff. 

*) Woltmann, Holbein und seine Zeit.« Leipz. 1874. I, 450 ff. 

•) Willi. Tyrensis, Hist. rer. in part. transmar. gestanim, lib. XVin, c. 31. — 
Höf. I^ben*. I, 619, Anm. 6. 

*) (Vulpius), Knriositäten n, 82 und IV, 245. 

») Höf. Leben. «I, 620 ff. 



I 



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a) Der Fürsten. 161 

erfolgt die Trauung in der Kreuzkirche. Darauf ein Rennen auf der 
Rennbahn, Festmahle in den Herbergen, am Abend Tanz auf dem 
Schlosse. Am nächsten Tag wieder Kirchgang, Rennen auf der Stech- 
bahn, Essen, Tanz.^) 

Bei der Hochzeit des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen 
und der Sibylla von Cleve, Torgau lo27, wurden prächtige Schaugerichte 
aufgetragen und köstüche Miunmereien veranstaltet. (Vulpius) Kuriosi- 
täten I, 281.2) 

Die Festlichkeiten sind immer dieselben, nur dafs im 17. Jahrhundert 
Ballette, Theater- und Opern vorstellimgen die früheren Waffenschauspiele 
ersetzten. Festgedichte durften nicht fehlen. 

Diese feierhchen Vermählungen erschienen den Fürsten so wichtig, 
dafs sie sehr häufig das Andenken an die Festtage durch eine gedruckte 
Beschreibung noch in weiteren Kreisen verbreiten liefsen. Diese an sich 
herzüch langweiUgen Schilderungen, die von Ergebenheit überfliefsen, 
haben für uns nur noch der hübschen Kupfertafeln wegen, mit denen 
sie ausgestattet sind, Interesse. Das hier mitgeteilte Verzeichnis erhebt 
keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.') 

*) Wenck, Dresden, 339 ff. Vgl. Über die Hochzeit des späteren Kurfürsten von 
Sachsen, Johann des Beständigen, mit Sophie von Mecklenburg. Torgau 1500. Kurios. 
IV, 163 ff. — - Beilager des Kurf arsten Christian ü. von Sachsen mit Hedwig von Däne- 
mark. 1602, Sept. 4. Kurios. IX, 825 ff. 

«) Über den Aufwand bei fürstlichen Hochzeiten vgl. Kurios. I, 197 ff., 306 ff., 
X, 187 ff. 

■) Verzeichnis Sumarien, wie sich die frölickeit der fürstlichen heymfart vnsers 
gn. herm hertzog Johanns Friderichen zu Sachsen zugetragen und nach gelegenheit 
vnge verlieh ergangen ist. Sontags Exaudi zu Torgaw einkomen, gedruckt in Wittem- 
berg durch Hans Luft. Anno Domini 1527. 

Nicolaus Solls lieferte die Stiche zur Beschreibung der Vermählungsfeier 
des Herzogs Wilhelm V. von Bayern 1668. 15 Bl. — l Tafel im kulturg. Bilderb. IT, 
N. 1089. 

Nicod. Frischlin, de nuptiis liudovici ducis Wirtemberg. cum Dorothea marchio- 
nissa Badensi. Stuccardiae anno 1575 celebratis. Tübing. 1577. 

Beschreibung der Hochzeit des Grofsherzogs von Toskana, Francesco, mit 
Bianca Capello im Oktober 1579. S. Kuriositäten H, 427 ff. 

Daniel Bretschneider sticht die Abb. zu der Schilderung der Vermählung 
des Kurfürsten Christian I. von Sachsen. 1582, Apr. 25. 

und die zur Hochzeit des Herzogs Christian von Sachsen 1584, März 2. 

Descrizzione delle feste fatte nelle reali nozze de Don Cosimo de'Medici e 
M. Maddalena d'Austria. Firenze 1608. 

Hochzeit Johann Friedrichs von Württemberg 1609, Nov. 6. — Stiche von Barth. 
Kuchler. 

J. Oettinger, Wahrh. histor. Beschreibung der fürstlichen Hochzeit und des 
Beylagers, so Johann Fridrich Hertzog zu Würtemberg mit der Fürstin Barbara Sophia, 
Marggrävin zu Brandenburg etc. in der christl. Haubtstatt Studtgardten anno 1609 
gehalten hat etc. Stuttg. 1610. 

Festzug bei der Hochzeit Friedrichs V. v. d. Pfalz und Elisabeth von England. 
London d. 14. Febr. 1613 (Kulturg. Bilderb. HI, X, 1548). — Feuerwerk in Heidelberg 
zu Ehren der Vermählung, d. 9. Juni 1613. Radierung von Harnister (ebend. lU, 
N. 1549). 

Wilh. Peter Zimmermann, Hochzeitsfeierlichkeiten bei Venuählung des 
Pfal^rafen Wolfgang Wilhelm mit der Herzogin Magdalena von Bayern 1613 (ebend. IH, 
N. 1556—59). 

Schultz, Das häoallche Leben im Mittelalter. 11 



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162 I- I>ie Hochzeit. 

Über den Aufwand bei fürstlichen Vermählungen finden wir mancher- 
lei Angaben in (Vulpius) Kvuiositäten, I, 198 £E., besonders merkwürdig 
sind die Aufzeichnungen betreffend die Vermählung von Günther dem 
Streitbaren, Grafen von Schwarzburg, und einer Gräfin von Nassau in 
Arnstadt 1560, Donnerstag nach Martini. (Ebend. X, 187.) 

Über die fürstlichen Vermählungen^) zu Anfang des 18. Jahr- 
hunderts gibt uns am besten Auskunft JuUus Bernhard von Rohr in 
seiner Einleitung zur »Ceremonialwissenschaft« (Berhn 1729), Tl. 2 Kap. 9. 
Er schildert zunächst die Art der Werbung, die Aufstellung der Ehe- 
pakten, die Vermählung durch Prokuration. Die Gemahlin des preufsi- 
schen Kronprinzen, späteren Königs Friedrich Wilhelm I., wurde z. B. 
dem General von Finckenstein so angetraut. Früher wurden gewöhnlich, 
zmnal an den protestantischen Höfen, die Trauungen in der festlich 
geschmückten Kirche vorgenommen ; adlige Jungfrauen gingen vor dem 
Brautpaare her und streuten aus silbernen Körbchen Blumen auf die 
Strafse. Aber auch in den Sälen der Schlösser fanden die Vennählungs- 
f eiern statt; dann eröffneten den Brautzug 12 Paar Trompeter und ein 
Pauker; es folgte dann die adlige Ritterschaft; darauf kamen acht aus 
den vornehmsten Adelsgeschlechtern mit brennenden Fackeln. Nach 
ihnen erschien das Brautpaar mit ihren Führern, Hofkavalieren und 
Hoffrauenzimmern. Nach der Trauung begab sich die ganze Gesellschaft 
in die Tafelstube, wo ein Paradebett zugerichtet war. In dieses Bett 
legte man »dem damaligen Gebrauch nach« in Gegenwart des Hofes 
das junge Paar; Konfitüren, süfser Wein wurden gereicht, dann das 
Paradebett auseinander genommen und unter Pauken- und Trompeten- 
schall die Neuvermälilten an die fürsthche Tafel geführt. Es scheint 
aus dieser Beschreibung hervorzugehen, dafs zur Zeit, als v. Rohr sein 
Werk verfafste, das öffentüche Beilager nicht mehr stattfand. 

Abbildung und Repraesentation der Fürstlichen Inventionen, Aufzüge, Ritter- 
Spiel, auch Ballet, so am fürstl. Hoflager zu Dessa bei Herzog Georgs Rudolph! zu 
Liegnitz und Brieg mit Fr. Sophia Elisabeth, gebomen Fürstin von Anhalt etc., Bey- 
lager den 27. und darauff folgenden Tage Octobris 1614 ... gehalten worden. Lpz. 1615. 

Umbständlicho Relation defs Bethlen Gabori mit der Ohur. Brandenburgischon 
Princessin Catharina zu Cascha (Kaschau — im Febr. 1626) gehaltenen Beylagers. 
Augsp. 1626. 

Hochfürstl. Heimftihrung . . . Herrn Ludwigs VI., Landgrafen von Hessen . . . 
mit Elisabeth Dorothea, welche den 23. Jan 1667 angetretten, den 20. Febr. in Darm- 
stadt geendiget . . . und celebriert worden. — Radiert von .loh. Schweitzer 1667. 

J. TJ. König, vollst. Beschr. aller Solennitäten bey dem kgl. »cilianischen Ver- 
mahlungsfeste im May 1788 an dem k. pohlnischen und churfürstl. sächs. Hofe in 
Dressdcn. Drsd. u. Lpz. 1738. 

Beschreibung der Illumination zu DrefHden bey der kgl. Sicilianischen Ver- 
mahlung. M. 11 Kpfrst. Dresd. 1738. 

W. F. Schönhaar, Beschreibung des zu Bayreuth im Sept. 1748 vorgegangenen 
hochfürstlichen Beylagers in derer zu Anfang Oct. darnach in den würtembergischen 
Landen sow^ohl zu Stuttgardt als Tiudwigsburg erfolgten Festivitäten des Fürsten Carl, 
Herzog zu Württemberg, und der Fürstin Elisabethae Fridericae Sophiae. Stnttg. 1749. 

*) Die Vermählung Ludwigs XIV. mit Marie Therese von Österreich 1660. Charles 
T^brun pinx. — Jeaurat sc. 1731 (Kulturgesch. Bilderb. V, Titelblatt). 



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a) Der Fürsten. 163 

Die Kleidung von Braut und Bräutigam ist prächtig, allein dem 
l>ersönlichen Geschmack gemäfs gewählt. Am kaiserlichen Hofe in Wien 
braucht man Kleider von Drap d' Argent, nach spanischer Mode geschnitten. 
Die Schleppe der Braut tragen die vornehmsten Damen; ja selbst 
Fürstinnen haben die Schleppe bei kaiserlichen oder königlichen Ver- 
mählungen einer vornehmen Prinzessin nachgetragen und ihre eigene sich 
von Kavalieren oder Pagen tragen lassen. 

Nach der Trauung blasen die Trompeter zum Paukenschall ; Kanonen- 
s^chüsse, Salven von der »auf dem Schlofsplatze stehenden Soldatesque« 
werden abgefeuert. Zuweilen werden auch beim Ringwechsel die Kanonen 
gelöst. Die Trauung erfolgt je nach dem kirchUchen Bekenntnisse. 

Nachdem die Zeremonie vorüber, läfst der junge Ehemann seiner 
Gattin die Morgengabe überreichen: eine Verschreibung — und die 
ist jedenfalls das Wichtigste — dazu die »allerkostbarsten Galanterien, 
Kleinodien und Jubelen, die auf einem prächtigen, gestickten sammeten 
Küssen oder in einer silbernen oder güldenen Schaale praesentiret 
werden«. Die junge Fürstin dankt. Die Eltern des Bräutigams schenken 
am Tage vor oder nach der Vermählung. Die Reichs- und Landes- 
stände überreichen Präsente u. s. w. Bei dem Festmahle werden die 
<Terichte von Kavalieren aufgetragen; die Konfitüren und Tafelaufsätze 
sind mit Sinnbildern und Inschriften dekoriert. 

Nach der Tafel folgt der Ehrentanz mit den 12 Fackeln, die von 
Hofkavalieren, zuweilen von Kammerherren oder Generalen, getragen 
werden. Dann bringt man das Paar zu Bette; alle Gäste, vor allem die 
Angehörigen, nehmen teil; der Brautvater bringt den »in Nacht -Habit 
eingekleideten Bräutigam« vor das Bett der Braut; erbauliche Reden 
werden ausgewechselt. Früher hielten noch andere am Brautbette Reden ; 
diese Sitte war jedoch zur Zeit unseres Autors abgekommen. 

Die Festtage vertreibt man sich mit allerlei Lustbarkeiten, »mit 
.Carousellen, Masqueraden, Wirthschaften, Feuerwercken, Illuminationen. 
Fufs-Tournieren, Kampf-Jagten, Sehnepper-Schiessen, Scheiben-Schiessen, 
Opern und Comödien«. 

Zur Erinnerung an diese denkwürdige Begebenheit liefs man 
besondere Münzen und Medaillen schlagen. 

Der Einzug des jungen Paares erfolgt sodann und gibt wieder 
Anlafs zu Lustbarkeiten. Man veranstaltet »Bauernhochzeiten« etc. 

Was J. B. von Rohr dann noch über nicht ebenbürtige Ehen mit- 
teilt, hat für unsem Zweck kein Interesse. 

Sehr umständlich sind die Werbungen des Hofadels. Wie in Wien 
zur Zeit des Kaisers Leopold I. die Sitte war, erfahren wir aus der 
Vorlesung des Altdorfer Professors Wagenseil. ^) Kein Fräulein am kaiser- 
lichen Hofe geht ohne eine Anstandsdame in Gesellschaft. Will sie ein 
Herr heiraten , dann mufs er um Erlaubnis bitten , ihr aufzuwarten. 
Wird ihm das gewährt, so ist er seiner Sache sieher. Jetzt ist er zu 

*) Aus Joh. Christoph WapcnHcils (1653 — 1705) Vorlesung >Aulicarum atque 
Politamm renim Observationesc Kuriositäten X, 220. 

11* 



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164 



I. Die Hochzeit. 



Aufmerksamkeiten aller Art verpflichtet. »1. Kleidet Er Sie aufs präch- 
tigste und giebt jedem Diener eine Livere.« Hier hegt wohl ein Schreib- 
fehler vor: er kleidet sich; die verehrte Dame schon bei der Werbung 
zu kleiden, wäre doch zu auffallend. Dann läfst er sich alle Tage früh 
nach dem Befinden seiner Maitresse nach ihren Plänen für den Tag er- 
kundigen; er schickt ihr Blumen, die sie dann an der Brust trägt; fährt 
sie aus zur Kirche, so hebt er sie in den Wagen, reitet mit blofsem 
Haupte neben ihr, steigt bei der Kirche schnell ab, öffnet den Wagen- 
schlag, hilft ihr beim Aussteigen und führt sie an ihren Platz. Nach 
Beendigung des Gottesdienstes begleitet er sie wieder zum Wagen. 
Wenn sie eingeladen ist, bittet er sich nach österreichischer Sitte gleich- 
falls zu Gaste, bedient sie mit Vorlegen, unterhält sie, hält ihr, wenn sie 
trinkt, einen Teller unter das Glas, damit sie ihr Elleid nicht betropft. 
Er trinkt nur auf ihre Gesundheit, was kein anderer tun darf, sitzt 
immer neben ihr ; führt die Hausfrau die Dame in ihr Zimmer, so bittet 
er, ihr folgen zu dürfen und wartet ihr nun kniend auf. Im Sommer 
>so führet er Sie zu Mittage in Roder (ist eine von der Donau gemachte 
Insul, allwo von Vornehmen Herren immer zu Compagnien sind), In 

Winter aber muifs er 
sie tag imd Nacht in 
Schlitten fahren«. 

Die Werbung 
dauert mindestens drei 
Monate. Nach der Ver- 
lobimg »mufs er seiner 
Liebsten schicken Ga- 
lanterien auff einer 
grofsen silbern Tatzen 
(Tablett), als etl. paar 
seidene Strümpfe, Sei- 
den Zeug, Band, Hand- 
schuh, 12 Fecker (Fä- 
cher?), Spitzen, Kam- 
mertuch und was er 
meinet, das ihr ange- 
nehm sey. Nun Kom- 
mets auff, dafs die 
Hrn. alle tage ein pre- 
sent schicken, da doch 
Keins wird unter 
lOOthlr. kommen, Sil- 
bern imd Golden ge- 
schmeide, als Armbän- 
der, Ohrengehenke von 
Edelsteinen«. 
aM Ej igjgt das Zim- 

Kaiserliche Kammer-Jungfrau. . -p, »i l*sr. 

<Abr. aS. aara. Neu eröffnete Welt-Galleria. Nümb. C. Weigel MDCCin.) mcr Seiner JbirwamteD 




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usNi\: , 



a) Der Fürsten. 



165 



überziehen (tapezieren), gibt seinen Dienern neue Livree; für die Frau 
nimmt er einen Pagen an, zwei Lakaien, Kutscher und Vorreiter. Er 
schickt ihr einen Wagen, zu dem 8, wenigstens 7 Pferde gehören. Seine 
eigenen Kammerjunker hat er auch noch zu kleiden. Die Hofdamen 
ihrerseits schenken nichts, »denn sie bilden ihnen zu viel ein«, nur 
^An Hochzeit tage Weiszeug, als 6 Hembden, 6 Umschläge (Kragen), 
12 Schnupftücher, 6 paar Handblätter. Die halben Unkosten der Hochzeit«, 
Am Hochzeitstage fährt der Bräutigam gegen 9 Uhr nachts mit 
seinen Freunden zur Kirche, geht der Braut entgegen, hilft ihr aus dem 
Wagen. Beide sind weifs und in Drap dArgent gekleidet. Die drei 
Ellen lange Schleppe der Braut trägt ein Page oder ein Fräulein. 




Abr. de Bosse, I^es quatre agres : L'adolescence. 

Bei Tische legen die Herren Mantel und Degen ab, nach Beendi- 
gung des Mahles werden beide wiederum angelegt. Dann folgt der 
Ehrentanz : voran der Brautführer mit zwei Fackeln, dann das Paar, bis 
die Courante zweimal aufgespielt worden ist. Die Gesandten, die Ver- 
wandten vom Bräutigam tanzen bei Trompetenschall gleichfalls den 
Ehrentanz. 

Die Mäntel und Degen werden wieder abgelegt und jetzt beginnt 
man »auff teutsche Manier« zu tanzen. Das Brautgemach ist hergerichtet; 
die Mutter der Braut oder ihre Stellvertreterin übergibt mit Vermah- 
nungen die Braut dem Bräutigam. 

Wenn eine Hofdame heiratet, so speist am folgenden Tage das 
junge Paar beim Kaiser. Die Kaiserin putzt wohl auch selbst die Braut, 
begleitet sie zur Trauung in die Hofkapelle. Dann holt erst am nächsten 



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166 I. Die Hochzeit. 

Tage der Gatte seine Frau mit grofser Begleitung zu Pferde vom kaiser- 
lichen Hofe ab und :^hält erst in der Stadt rechte Hochzeit«. 

Es hegt auf der Hand, dafs es sich hier nur um Hochzeiten iu 
den vornehmsten und reichsten Adelsgeschlechtern handelt. 

b) Der BUrger. 

Die Mädchen^) wollen heiraten, um eine sichere Stellung im LebtMi 
zu gewinnen, eine Freiheit zu erhalten, die sie unverheiratet nur mit 
der Aufopferung ihres guten Rufes erkaufen können. Die Hauptsache 
ist immer, dafs sie einen Mann bekommen. Die Neugier, wie derselbe 
aussehen werde, befriedigen sie durch allerlei abergläubische Beschwö- 
rungen, die sie am Andreasabend z. B. ausführen.^) Diese Gebräuche 
verliebter Mädchen sind sicherhch sehr alt, wenn ihrer auch erst in ver- 
hältnismäfsig später Zeit Erwähnung geschieht. Und auch für den Mann 
hat es seine Bedenken, ledig zu bleiben. »Dann ob er schon ein obtaeh 
hat, ist ihm, als wer er darein gelehnet, und sitzt wanderweifs wie ein anderer 
LandstreifEer im Gasthaufs; niemand kocht für seinen Mund, niemand 
helt ihm das sein zusammen, weder das grofs noch das kleinest Hauf:^- 
rütlein, weder das täghch noch das nächtUch; alles verschwindt ihiu 
unter den Henden ; hat niemands, dem er sein not klaget, der ihm sein 
anHegen abnimpt oder mit gleicher achsel leuchteret; keiner eifert umU 
sein Heyl, niemand warnet ihn mit trewen, und wann der Hahn todi 
ist, krähet keine Henne nach ihm ; niemand truckt ihm mit tiefE gesuchten 
TurteltaubenseufEtzen die äugen zu; niemand nimpt Leydkleyder auff ihn 
aufs; keine lafst ihn in ein alt Säuhaut begraben u. s. w.« (Fischart. 
Gesch.'-Kütt. S. 99.) 

Bei den Heiraten der Bürger waren viele Umstände mafsgebend. 
Die Vermögensfrage spielte die gröfste Rolle; die Mitgift, die Morgen- 
gabe, alle diese geschäftüchen Angelegenheiten wurden festgestellt, ein* 
die Verlobung vor sich ging.*) Dann durfte an dem Rufe des Mädchens 
kein Makel kleben. Mochte sich nach der Hochzeit auch mancherlei 
herausstellen, was getragen werden mufste, sollte Aufsehen vermieden 
werden: ein anständiger Mann heiratete nur ein unbescholtenes Mädchen. 
Das Mädchen, das, wie schon berichtet wurde, 1534 in Augsburg ihr 
eigener Bruder verführt hatte, heiratete trotzdem, wird aber von ihrem 
Manne nach der vorzeitigen Entbindung ihrem Vater zurückgeschickt; 
als der jedoch 2000 fl. zahlt, behält der Mann seine Gattin (Clemens 

*) (J. PraetoriuH.) Dulc-Amarus ancillarianus, d. i. Mägde-Tröster, erzwingend, daf»* 
die Mägde bessere Thiere seyn als die so genannten Jungfern, item, dafs sie einen 
angenehmlicheren Nahmen führen als die heutigen Mähren oder kakligten Damen. 
O. O. u. J. 

Die vertheidigte Mägde-Hey rath d. i. Trost für alle so etwa ihre >Iägde su hey- 
rathen sich resolviren. Nebst dem untrüglichen Weiber-Spiegel. Cöln, 1714. 

Über die Hochzeiten in Venedig cf. P. G. Molmenti, La vie priv^ k VeniM" 
(Ven. 1882) p. 269 ff. 450 ff. 

*) Ausführlicheres im Kapitel V. 

3) Deutsches T^ben. 258 ff. 



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b) Der Bürger. 167 

Sender). Die Sitte, um eines Vorteils willen manches zu übersehen, ist 
im 17. und 18. Jahrhundert ganz allgemein geworden: der Hofmann 
heiratete die Geliebte des Fürsten, der Beamte die seines Vorgesetzten, 
der Diener die Maitresse seines Herrn. 

Um des Geldes willen heiratet ein blutjunges Mädchen einen Greis. 
So nahm 1521 am 11. Februar ein Zunftmeister der Augsburger Kürschner, 
Emier, ein neunzehnjähriges Mädchen zur Frau, obschon er 60 Jahre älter 
war (Wilh. Rem). 

Der Verfasser des Buches Weinsberg, Hermann von Weinsberg, 
dagegen wählt eine ältere Frau ; er ist dreifsig Jahre, sie eine sechsund- 
dreifsigjährige Witwe. Aber das hat seine eigene Bewandtnis. Er sagt 
selbst : i^Dieweil ich auch 30 jar alt war, wolte ich gein jongfrau nemen 
von 20 jarn, dan mich duchte, das sulte sich besser schicken, das der 
man jonger were dan die Frau, vir vrsachn mich darzu bewegende.« [Er 
hatte nämlich einen Bruchschaden (B. Weinsb. I. 284, 285).] 

Wenn alles Geschäftliche geordnet war^), konnte die Verlobung er- 
folgen, vorausgesetzt, dafs die Kirche nicht Einspruch erhob. So hatte 1533 
in Augsburg ein Goldschmied nach dem Tode seiner Frau deren Schwester 
geheiratet, die Ehe aber wurde vom Stadtvogte geschieden (Cl. Sender). 

Die Verlobung, der Handschlag, wird festUch begangen, mit 
einem Gastmahl gefeiert; die Hochzeit erfolgt dann innerhalb kurzer 
Zeit. (Balth. Paumgärtner, Briefw. 1585 21./L S. 70 cf. S. 127, 133, 139.)^) 

Die Jungfrau trug im Mittelalter das langherabhängende offene Haar 
und einen Blumenkranz (das Schapel), der im Winter wohl aus künstlichen 
Blumen bestand. Durch einen Fehltritt verscherzte sie das Recht, den 
Jungfernkranz zu tragen.^) Im 16. Jahrhundert setzten auch die Jung- 
gesellen sich solche Jungfernkränze*) auf. Im Kranze oder mit einer 
Krone geschmückt, tritt die Jungfrau vor den Altar.^) Diese oft unförmig 

') Der Politische Stumpe und Plumpe Stock-Fisch, wie man ihn käuen und 
bleuen, salzen und schmalzen, würtzen und stürtzen müsse, dafs er werde bequem, 
lieblich und angenehm, an dem Galanisirenden Freyer und Damentisch. D. i. Wohl 
ausgesonnenes Kimst- Werklein für die Unabgerichteten Liebhaber, zur Lehr und Hand- 
leitung, Wie sich ein armer und geringer Liebhaber könne angenehm machen, reich, 
schön und vornehm zu heyrathen, auch bey dem Frauenzimmer beliebt zu 
seyn. Allen der Weiberey nicht ungeneigten Jungfern und Junggesellen-Zeug vorge- 
stellet. Von dem Politischen Schullehrer Gal anisandro. Nümb. 1681. 

*) J. R. Sattler, Werbungs-Btichlein oder von Anstellung teutscher Orationen und 
Keden, in welchen neben grundlicher Unden^'eisung der Redekunst allerhand Formulen 
von Fürtrag, Eynlad-, Empfah- und Abdanckungen, so wol bey Werbungen, Hochzeiten, 
Gevattersch äfften, Kindtaeuffen, Begräbnussen, als vielerley anderen Zufaellen begriffen. 
Basel 1633. — Sprache der Verliebten aus d. Franz. übers, v. Mad. ••• Frkf. u. Lpz. 1749. 

Abbildung einer Verlobung nach einem Weimarer Stammbuch (Sign. 306). Das 
Büd von 1596 S. (Vulpius) Curiositäten I (Weim. 1811) Taf. 10. Ein Briefwechsel von 
Verlobten. 

•) Höf . Leben «I. 598. 

*) Weifskunig (m. Ausg.) S. 53 — 124; Maximilian trägt den Kranz bis zu seiner 
Verhehutung. — Jost Amman, Weigels Trachtenb. (Nümb. 1577). Kulturg. Bilderb. III, 
N. 1121, 1122. 

») Ebend. III. N. 1123. Abb. aus dem 17. Jhdt. in meinem Frauenleben. S. 113, 
114, 115, 116, 118. — Aus dem 18. Jhdt. Ebend. S. 112. 



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168 I. Die Hochzeit. 

grofsen Brautkroneii bleiben bis ins 18. Jahrhundert in den Bürgvr- 
kreisen, zuletzt noch bei den Bauern beliebt. Lorenz Strauch, der be- 
kannte Nürnberger Porträtmaler (1554 — 1630) hat öfter Bräute in ihrem 
vollen Schmucke porträtiert. 

In Greifswald war noch 1551, als Bartholomäus Sastrow heiratete, 
die Sitte erhalten, dafs am Hochzeitstage, um 3 Uhr nachmittags, der 
Bräutigam, gefülirt von den beiden Bürgermeistern und begleitet von 
seinen Freunden, auf den Marktplatz ging, da auf einen Stein trat (ein 
vierkantig Eckstein), )ein Par pater noster« lang da stehen blieb, 
während die Musik aufspielte. Ursprünglich hatte die Sitte den Sinn, 
dafs der Bräutigam feierUch die erwartete, die Einspruch gegen sehie 
Eheschliefsung erheben wollten. Der Brauch wurde jedoch bald ganz 
abgeschafft (III. 9.). 

Die Stunde der Trauung ist in den verschiedenen Landstricheu 
ganz verschieden. In Köln fand die Trauung in aller Frühe statt ^dw 
morgens ser froe umb 4 uren« (Buch Weinsberg 1554 Nov. 26, II. 63), 
dann folgt bald das »Bruloftzessen« oder erst am Abend (11. 55. 63), 
oder am Morgen ist die Trauung, darauf geht man zum Mittagessen, 
es folgt dann ein Tanz und am Abend gibt es wieder ein Festmahl 
(II. 77). In Breslau dagegen wurde 1603 Apr. 2 geboten, dafs für die 
Morgenhochzeit die Trauung zwischen 12 und 1, die Abendhoehzeit 
zwischen 3 und 4 Uhr stattzufinden habe (Nie. Pol, Hemerol.). In 
Stettin findet eine Trauung, der Phiüpp Hainhofer beiwohnt, um 5 Uhr 
nachmittags statt; dann geht man zum Nachtmahl (Reisetagebuch 1617. 
Bali Studien II. 2. S. 96). Eine andere Hochzeit wird am Hofe des 
Pommerischen Herzogs gefeiert. Der Silberknecht der fürstüchen Witwe 
heiratet die Köchin, die 13 Jahre bei der Fürstin gedient hat. Auch 
da erfolgt die Trauung am Abend. Vorher verteilen Jungfrauen Kränze 
(Krenze nicht Kreuze, wie gedruckt ist, cf. S. 102), dann zur Ves[)er 
wird eine Predigt gehalten. Der Bräutigam erscheint, geführt von dem 
Marschalk und einem vom Adel; der Braut gehen vor die »Stadt-Jungfrawen, 
darnach bayder Fürstinnen Frawen-Zimmer^< (Hofdamen). Nun findet 
die Trauung statt; das feierüche Beilager in einem im Saale auf- 
gestellten Bette. Darauf ziehen sich die fürstUchen Herrschaften zurück. 
Nachdem daö Bett fortgeräumt ist, beginnt das Festessen ; wieder werden 
Kränze verteilt, dann findet das Opfer für die Vermählten statt, und 
nach Entfernung der Tafel schliefst ein Tanz, an dem die fürstUchen 
Herrschaften teilnehmen, das Fest. (Ph. Hainh. a. a. 0. S. 77 ff.) 

Die Braut verehrte dem Bräutigam das Hochzeitshemd, das sie 
selbst gearbeitet hatte. Barth. Paiungartner bittet 1583, Jan. 19, seine 
Braut, sie solle sich nicht zu viel bemühen: »Wann von einer saubm 
raynen leinwatt, sonderUch die kröefs zart, sonnst schlecht und gerecht 
seind, ists mir am allerliebstenn (Briefw. S. 21). Hermann von Weios- 
berg dagegen schenkt seiner Braut drei Ringe, eine silberne Scheide 
mit Messer, und als »Morgengabe« »ein vergulte gurdelket (II. 96). V 



*) P. Müllen, Disp. de dono niiptiali, Jcnae. 1714. 



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b) Der Bürger. 



169 



Wer mehr hatte, gab natürlich auch mehr. So berichtet Wilhelm Rem 
aus Augsburg: »Anno domini 1516 an sant Martinstag, da hat der 
Ulrich Függer hochzeit mit des Laux Gassners tochter. Der Gassner gab 
seiner tochter zu heiratgutt 12 M. fl. (12000) und der Függer vermacht 
ir hinwider 13 M. fl. (13000 — als Wiederlage) und schanckt der praut 
wol 3 M. fl. (3000) wert an Klaidem und Klainaten und verschanckt 
andern frainden und Knechten wol umb 3 M. fl. (3000) seidins gewand 
und samet und attlas und sunst Klaider. So kostet die hochzeit wol 
1 M. fl. (1000), dafs al ding wol 7 M. fl. (7000) kost hat. Es ward grosse 

25imd>er/0unflrn&flab0efd^cb/ iBnytbtvlyft/wrutfadftUl). 




Hans UurK'kinair, TrauuirK. 

hofEart getriben, dafs man maint, es mecht ettwann bös alter nemen..<^) 
Die Freunde hatte man durch besondere Hochzeitsbriefe eingeladen 
(B. Paumg. Briefw. 31, 33). Für die Unterhaltung der jungen Gesell- 
schaft hatte der Jungfrawgesell zu sorgen. (»Das Jungfrawgesellenambtt 
auf des Pfintzings hochzeit«, B. Paumg. Briefw. S. 147, auf des Klee- 
weins hochzeitt jungfrawgesell«, ebend. 129, vgl. 134, 150).-) 

Eine Hauptsache war das Hochzeitsmahl. Schon im Mittelalter 
hatten Luxusgesetze der Verschwendung Grenzen setzen wollen^), indessen 
haben alle diese wohlgemeinten Verordnungen keinen Erfolg gehabt, 
obschon man immer von Zeit zu Zeit sie in Erinnerung brachte. So 
verlangte der Augsburger Rat 1532, dafs :nur seh weher und schwiger, 
brüder und Schwestern -^ eingeladen werden durften »und dafs nemantz 
nichtz gäbe oder schenckv: (Clemens Sender), aber die Hochzeitsgeschenke 

*) P. Müller, De annulo pronubo; vom Jaworts- oder Trauring. Jena 1684, 
*) Vgl. Hanauer, Coutumefl matrimoniales au moyen-äge. Nancy 1893. 
3) Deutsches lieben etc. 260 ff. ; 282. 



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170 I- 1^6 Hochzeit 

waren ja auch nicht zu verachten, und so lud man ein, von wem man 
anständige Geschenke erwarten durfte.^) 

Zu Guarinonius Zeiten, 1610, gab man im Bürgerhause 6 Gange 
(Trachten) zu je 9 Speisen. »Zum Voressen neun Speisen, zum Suppen 
neun Speisen, zum Kraut neun Speisen, zum G^bratens neun Speisen, 
zum Schröckengast neun Speisen, zur Nachrichten neun Speisen« (S. 797 1. 

Bei adeUgen Hochzeiten ging es natürUch noch viel luxuriöser zu. 
Guarinonius erzählt von einer,« so erst dise Woche als ich hier schreibe 
in einem kleinen Städtlein (vermutUch Tirols) gar solemniter und feyerlich 
oder Frifslendisch (d. h. von Fressen abgeleitet) gehalten worden« , Sie wurde 
nicht im Wirtshaus, sondern im Hause des Bräutigams veranstaltet, und 
da gab es sieben Tafeln, und auf jede vier Trachten zu 13 Gerichten, tätr- 
Hch zwei Mahlzeiten, und die Hochzeit dauerte zwei Tage (S. 792). 

Bei der Hochzeit eines Freiherrn, die auch vor kurzem auf einem 
Hofe gefeiert worden war, gab es drei Gänge, jeden zu hundert Gerichten, 
^aufser die Nachwehen und Nachrichten defs Confects imd Geschlecks, 
so auch hundert waren«. Da auf einem Tische kaum fünfzig Gerichte 
Platz fanden, mufsten die übrigen von den Dienern in der Hand gehalten 
werden (S. 798). 

Nach dem Essen wurden die Geschenke eingesammelt und dann 
begann der Tanz.^) Sicher hat es an dem Hochzeitstage nicht an mehr 
oder minder scherzhaften AnzügUchkeiten gefehlt. So streute man einer 
Braut, die ihre Ehre nicht gewahrt, Heckerhng auf den Weg zur Kirche.') 
Wir brauchen übrigens blofs einen BUck in die zu Ehren der jungi^i 
Ehepaare gedruckten Gedichte zu werfen, deren viele Tausende noch 
aus dem 16. und 17. Jahrhundert erhalten sind, um eine VorsteUung 
von den unzweideutigen, meist sehr deutUchen Witzen zu erhalten. Die 
Sitte, die besonders älteren Herren gestattete, bei einem Hochzeitsesseii 
die gewagtesten Scherze sich zu erlauben, hat ja noch bis tief ins 
19. Jahrhundert sich erhalten. 

Guarinonius aber ist ergrimmt, dafs auch am Tage nach der Hoch- 
zeit, am Lendemaiu, wie wir sagen würden, diese Freiheit weiter gemils- 
braucht wurde. >:Ich bin mit und bey gewesen auff einer Hochzeit am 
andern Tag, wellichen man allhie zu Lande den gülden Tag oder das 
Eyer in Schmaltz nennet, allda man den Spielleuten die allerschendt- 
Hchsten Lieder an- und auffgeben, nicht allein auff ihren Instrumenten 
zu spielen, sonder auch mit der stimme darein zu singen; defs aber 

^) M. de Beaumont, Nothige Unterweisungen für junges Frauenzimmer, welches 
in <lie Welt tritt und sich verheirathet. Nach deutscher Art eingerichtet von J. J. Schwaln». 
2. Aufl Lpz, 1756. 

«) Hans Schiluffelein, Hochzeitstänzer (B. 103. — Kulturg. Bilderb. I, N. 55-74 . 

— Heinrich Aldegrever: Die grofsen Hochzeitstänzer (B. 160 — 171. Kulturg. Bilderb. U 
N. 857—868) ; die kl. Hochzeitstänzer (B. 144—151 Kulturg. Bilderb. H. N. 918-925). 

') Alltagsleben e. d. Fr. S. 116. — Vgl. De injuriis, quae haud raro uovis nuptlB 
I. per spartionem dissectorum culmorum rugum, Germ, durch das Heckerling-Strcuen 

— IL per injustam interpellationem ulterioris proclamationis — durch ungebOhrlichea 
^Cinspruch, HI. per ligationes magicas — durch das Nestel-Knüpfen inferri solent. 
Quedlinb. 1702. — Vgl. R. Mentzer, num sponsis ante solennem in ecclesia copulationeiu 
et benedictionem concumbentibus publica poenitentia juste imponntur. 



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b) Der Bürger. 171 

nicht genug war, sonder ein ungehobleter Ehrloser Schalcksnarr allda 
zugegen war, welHcher ein darzu gerüste Banck hette, dieselb mitten in 
die Stuben nider stellet, damit er von allen wol mochte gesehen werden, 
der Taffein aber vier wol besetzt, Manns- und Weibsbilder und Jung- 
frawen verbanden waren. Auff dieser Banck übet er dergleichen ge- 
bärden, ob weUichen ich noch in dieser stundt mich von hertzen schäme 
zu gedencken, dergleichen ich bey keinem Heyden nie gelesen hab, 
viel weniger glauben kan, das in beysein so ehrücher Personen jemals 
geschehen sey. Was ist darnach geschehen? Theils unter den Bey- 
sitzern, die gröbsten und ungehoblesten, die schaweten mit fleifs zu und 
hüben sich auff die Füfs, damit sie nichts überseheten, was zu dem 
schönen Schawspiel gehörig, theils schaweten mit dem einen Aug darauff, 
wie auch die mehrem Weiber, denen ichs nicht für übel hab, weil 
ihnen der Fürwitz angeboren. Was aber die Jungfrawen thaten, das 
sag ich nicht; difs sag ich wol, das deren etUche gar kein Aug noch 
Acht darauff gaben. Wie viel waren aber deren, die ob diesem ehrlosen 
Werck ein mifsfallen betten? Ich weifs es nicht für meinen Theil; das 
weifs ich wol, dafs ich zu einem Ehrüchen vom Adel, so neben mir 
an der seyten safs, spräche, er solle ein wenig zusehen, was difs für ein 
schöne Kurtzweil sey. Der sprach mit diesen Worten: :&,Ey pfuy, Pesti- 
lentz den Schelmen ankomme*; der rufft und befahl ihm, solle sich 
ehist mit der Schelmerey packen und aufs dem Staub machen, welUches 
auch geschehen. Nach dem Tisch aber, als man zu Tantze gienge, nahet 
ich mich zu ihm und sprach : ,Du Ehrloser Tropf, wann ich heut mein 
weib oder meine Töchter oder mein Blutsverwandte eine bey dieser 
Hochzeit ob der Tafel gehabt hette, so soltu wissen, das die heutig Un- 
zucht, so du unschambarer Tropff getrieben, dein leste müfse gewesen 
sein« ; darob er erschrack, sprechend, er wolle es so bald nimmer thun. 
Ey du Ertztropff, sprach ich, so hast du dennoch im willen, du wollest 
es noch üben?* ,Nein, mein Herr, sprach er, ich wils gar nimmer thun.' 
Und hat war geredt, dann er bald naher defs jähen Tods gestorben.« 

Bei Hochzeiten mufs man sich schon ehrenhalber einen guten 
Rausch antrinken (Schweinichen, S. 293, 324), aber Schweinichen betrinkt 
sich auch bei seiner eigenen Hochzeit, 1581, dafs er die Nacht verschläft 
(S.-255) und ebenso 1601 bei seiner zweiten Verheiratung. »Bin also 
alle drei Abend mit guten Räuschen zu Bette gegangen und bin ein 
Bräutigam wie der liebe Tobias bei seiner Braut gewesen« (S. 539).^) 

Über die Form der Werbung, des Brautstandes, der Hochzeit in 
einem wohlhabenden Bürgerhause um die Mitte des 18. Jahrhunderts 
gibt uns ein sehr beachtenswerter Aufsatz: >^Alte Zeit und neue Zeit. 
Ein Fragment aus den nachgelassenen Papieren der verwitweten Frau 

') Vgl. Güpner, de jure thalami : vom Rechte des Ehebettes. Jenae 1702. 

J. J. Beck^ Tractatiis de eo quod justum est circa conju};nlis debiti praestationem. 
Von der Leistung der ehelichen Pflicht. Worinnen von der bosshaft- und halsstarrigen 
Entziehung der ehelichen Pflicht .... gehandelt wird. Frkf. 1756. 

Chr. A. Schede, Von der verminderten Straflfe des Ehebruchs wegen versagter 
Ehelicher Pflichten. Lpz. 1713. 

J- Z. Hartmann, De conjugibus incantatis eorumque separatione. 1727. 



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172 !• I^^ö Hochzeit der Bauern. 

Ursula Margaretha« Auskunft, der im Taschenbuch zum geselligen 
Vergnügen, 15. Jahrg. 1805 (Leipz.) S. 119 fiE. abgedrückt ist.^) 

c) Der Bauern.^) 

Länger als bei den höheren und mittleren Gesellschaftsschichten 
ist die Zivilehe bei den Bauern beliebt gewesen: die Brautleute ver- 
sprechen sich vor glaubwürdigen Zeugen die Ehe, die dann als rechts- 
gültig angesehen und alsbald vollzogen wird. Am nächsten Tage geht 
das Ehepaar mit seinen Verwandten und Freunden zur Kirche und er- 
hält da vom Priester den Segen. So schildert uns der Dichter »von 
Motzen Hochzeit^^^ die Zustände seiner Zeit (um 1300).*) Später hat im 
15. Jahrhundert Heinrich von Wittenweiler in seinem »Ring« eine Bauern- 
hochzeit beschrieben ; das Schliefsen der Ehe erfolgt aber hier vor dem 
Priester.*) Beide Dichter führen uns dann das Hochzeitsmahl vor, malen da^ 
ungeschickte tölpelhafte Benehmen der Bauern mit Behagen aus. Nach 
dem Essen werden die Geschenke eingesammelt. Zum Schlufs entspinnt sich 
eine tüchtige Rauferei. Das junge Ehepaar zieht sich zurück. Am 
nächsten Morgen erhält die Frau von ihrem Gatten die Morgengabe. 

Die Formen der Bauernhochzeit blieben auch in den folgenden 
Jahrhunderten ziemlich dieselben.^) Die kirchliche Trauung ist aller- 
orten nun eingeführt. Bei der Trauung erschienen die unbescholtenen 
Bräute mit Brautkronen geschmückt, die je nach Landesbrauch gröfser 
oder kleiner waren, in der Form manche Verschiedenheit auf^desen. 
Dieser Brauch hat sich an vielen Orten noch bis im 19. Jahrhundert 
erhalten. Eine reiche Sammlung von Brautkronen besitzt das National- 
museum in München, das germanische Museum in Nürnberg. Bei der 
Hochzeit eines reichen Bauern wird wie vor alter Zeit noch immer viel 
gegessen und auch, wenn nicht gut, so doch ausgiebig getrunken. Zur 
Zeit des Guarinonius also gegen den Anfang des 17. Jahrhunderts gab 
es bei einer Tiroler Bauernhochzeit zwölf bis sechzehn Tafeln mit Gästen; 
in reichen Häusern hatte man sogar vierundzwanzig Tafeln (S. 791,792). 
Er ist aller Völlerei abhold, schlägt aber doch für das Festmahl folgenden 
Speisezettel vor: 1. Suppe mit einem guten Stücke Fleisch und Kjiödeln; 

2. Kraut und Speck, die Schüssel am Rande mit Bratwürsten garniert; 

3. einen guten Rinder- oder Kalbsbraten ; 4. Gerste oder Reis in Milch. 
Damit ist es aber seiner Meinung nach genug. 

Merkwürdige Hochzeitsgebräuche der Einwohner der Balearischen Inseln er- 
wähnt Seb. Franck. Weltbuch (1533) fol Ixviij^, sagt jedoch nicht, ob sie in seiner Zeit 
noch üblich waren. — C. Ph. Hoffniann,De die ac nocte nuptiali, von dem Hoclweit- 
Tage und der Braut-Nacht. Lips. 1731. 

«) Valten Schumann, Nachtbüchlein 11 (Vorrede 1559) fol. 76 a.- Auch ich das 
selber hab offt gehört, wann ich bin über Land zogen und in Dörffem gelegen, wie 
sie zu nacht der Gräten haben gehofiert und geheület wie die Hund, wären wol da- 
Tieymen in Betten still gelegen. 

») Höf. Leben «I. 653 ff. 

*) Deutsches Leben. S. 163 ff. 

^) Über den Brautwagen. Kurios. III. 157 ff. — Vgl. Hans Sebaldus Beham, 
Bauernhochzeit und Hochzeitszug. Kulturgesch. Bilderb. U. N. 898 — 905 



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IL Entbindung und Taufe. 



a) An den FUretenhöfen/) 

Es ist eine alte Sitte, dafs der Gemahl seiner Gattin ein Geschenk 
macht, sobald sie ihm mitteilt, was sie zu erwarten hofft. Die Vorkehrungen 
zur Entbindung werden getroffen, Hebammen, seit dem 16. Jahrhundert 
auch Ärzte, zu Rate gezogen und dann die Zeit abgewartet. 

Ob man schon im Mittelalter die Geburt durch Zeugen hatte fest- 
stellen lassen, das ist wohl kaum mit Sicherheit zu ermitteln. In ein- 
zelnen Fällen, wenn die Besorgnis vorhanden war, dafs die Geburt an- 
gezweifelt, die Unterschiebung eines Kindes gemutmafst werden konnte^ 
entschlossen sich die Frauen wohl Zeugen bei der Geburt zuzulassen. 
So soll Constanze, die Witwe Kaiser Heinrichs VI., ihren Sohn vor allem 
Volke geboren haben. 

Die Hebammen hatten ihre Unterstützung zu gewähren. Wenn 
dann die Geburt glücklich von statten gegangen war, wurde sie auch 
den Untertanen verkündigt und von ihnen mit lauten Freudenbezeu- 
gungen begrüfst. Auch den Freunden läfst man die frohe Nachricht 
mitteilen und erwartet, dafs die Boten mit einem ansehnlichen Geschenke 
belohnt werden. Da die Taufzeugen erst eingeladen werden mufsten, so 
konnte die Taufe selbst nicht, wie bei bürgerlichen Familien, bald nach 
der Geburt erfolgen; es verstrichen oft Wochen, und dann vermochte man, 
wenn sechs Wochen nach der Geburt die Taufe stattfand, den feierUchen. 
Kirchgang der Mutter mit dem Feste verbinden. 

Die Taufe selbst wurde nach dem kirchlichen Ritus vollzogen; 
das Kind trug man, bekleidet mit einem hübschen Anzug, zur Kirche 
entkleidete es dann, so dafs es völlig nackt in das Taufbecken getaucht 
werden konnte. Selbst erwachsene Heiden mufsten sich völlig ausziehen, 
unbekleidet die Taufe erhalten. Nach Vollendung der heiügen Handlung 
zogen sie das Taufhemd (Westerwät) an. Die Paten beschenkten den 
Täufling und auch die Amme. 

*) Höf. Leben. •!. 141 ff. — Alfred Franklin, La vie privöe d'autrefois. — L'en- 
fant, la naiseance, le bapt^me (Paris 1898) und L'enfant^ le berceau et la layette etc. 
(Parifl 1898). 



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174 n. Entbindung und Taufe. 

Das Kind erhielt in der Taufe den Namen. Bis ins 16. Jahrhundert 
scheint man mit einem sich begnügt zu haben, im 16. Jahrhundert sind 
jedoch schon zwei Namen ganz gewöhnhch; in der Folgezeit pflegt 
man drei und mehr Taufnamen dem Kinde zu geben. Es wäre nicht 
uninteressant, einmal diese Frage genauer zu untersuchen, auch zu er- 
mitteln, welche Namen in gewissen Zeiten bevorzugt werden, unter 
welchen Umständen neue Namen eingeführt und verbreitet worden sind. 

Zu den fürstlichen Taufen sind selbstverständUch nur Paten von 
vornehmer Geburt geladen; als Graste waren zahlreiche Freunde und 
Angehörige erschienen, so dafs nun für die hochgeborene Gesellschaft 
auch ganz besondere Feste veranstaltet, Unterhaltungen ersonnen werden 
mufsten, die mehrere Tage in angenehmer Weise auszufüllen versprachen. 
Denn die Gäste sind zum grofsen Teil von fernher gekommen, die 
Männer zu Pferde, die Frauen im Wagen, und da durfte man nicht er- 
warten, dafs sie sogleich nach der Taufe wieder an die Rückreise 
denken würden. 

Grofse Festessen spielten eine Hauptrolle,^ dazu kamen, die Tänze, 
mit denen man den Tag zu beschiefsen pflegte. Die Männer veranstal- 
teten wie in alter Zeit Turniere, es wurde gerannt und gestochen, später 
im Ringelrennen und anderen Waffenspielen vor den Damen die Ge- 
wandtheit und Geschicklichkeit erwiesen. Als die Turniere in der zweiten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts sich überlebt hatten, traten an ihre Stelle Bal- 
lette, die schon früher zu den Hoflustbarkeiten gehört hatten, dann Festvor- 
stellungen auf den Hoftheatern, Opern, Maskeraden, kurz alle die Unter- 
haltungen, die an den fürstlichen Höfen in jener Zeit hergebracht waren.^) 

Das Andenken jedoch an all die veranstalteten Festlichkeiten liefs 
man durch gedruckte und illustrierte Beschreibungen verewigen. 2) 

Die Fürstinnen haben wohl nur in den seltensten Fällen ihre 
Kinder selbst gesäugt, sondern diese Sorge Ammen anvertraut. Die 

*) Festlichkeiten in Halle bei Geburt der Prinzessin Sophie Elisabeth, d. 30. Juli 
1616. Kurios. X. 464 ff. 

•) Taufe der Elisabeth von Hessen. — Kassel 1596, Aug. — Stiche von Wil- 
helm Dilich, 1698, 1601. 

Cartel, Auffzüge, Vers und Abrisse so bey der Fürstlichen Kindtauff und freuden- 
fest zu Dessa den 27 u. 28 October 1613 in gehaltenem Ringel- und Quintanen-Rennen 
und Balletten und Täntzen den anwesenden fürstlichen Personen praesentieret worden. 
Leipz. 1614. M. 11 Radierungen von A. Bretschneider. 

Hoffeste bei der Taufe des Prinzen Ulrich von Württemberg. 13. — 17. Juli 1617. 
— 11 Kupferstiche von Fried r. Brentel. 

Es. van Hülsen, Repraesentatio der fürstl. Aufzug und Ritterspil, so Johann 
Fridrich Herzog zu Württemberg bey F. G. newgebomen Sohn Friedrich fürstl. K\m\- 
taufen d. 10 — 16 Martii 1616 in . . . Stutgarten mit grosser solemnität gehalten. 
(Tüb. 1616) m. 80 Kpfrst. von M. Merian Kulturh. Bilderb. III, N. 1589 — 1594, 1595. - 
Beschreibung der Aufzug und Ritterspil, so Herr Joh. Friederich zu Würtemberg bey 
Ihres Sohn Kindtauffen und Ihres Bruders Hochzeit zu Stuttgarten gehalten. Stuttg. 
1618. 

J. J. Schudt, Jüdisches Franckfurter und Prager Freudenfest wegen der (leburth 
de.s Kays. Erbprintzens, vorstellend, mit was Solennitäten die Franckfurter Juden 
selbiges celebrirt, so dann den curieusen kostbaren, doch recht possirlicben AuftuK 
so die Prager Juden gehalten. M. 1 Kupferst. Franckf. 1716. 



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a) An den Fürstenhöfen. 175 

aristokratischen Ideen des Dichters vom Roman des sept sages, dafs ein 
Königskind nur von einer Herzogin gesäugt werden solle, ein Herzogs- 
kind von einer Gräfin u. s. w., alles, damit nur das vornehme Geblüt 
keinen Schaden nehme, diese Ansichten sind selbst im 13. Jahrhundert 
kaum anerkannt worden, sonst würde der Dichter nicht darüber klagen, 
dafs Dienerinnen und Schäferinnen aus Ersparnisrücksichten in vornehmen 
Häusern als Anunen verwendet werden. (Höf. Leben ^l. 151). 

Bei der Anune blieb das Kind etwa bis zum zweiten Jahre; dann 
erst traten andere Erzieherinnen an deren Stelle. 

Ergänzt wird diese Schilderung durch die Angaben, welche wir in 
J. B. von Rohrs Ceremoniel- Wissenschaft T. I, Kap. XI, vorfinden. 
Sobald die Schwangerschaft der Fürstin sichergestellt ist, wird sie be- 
kannt gemacht und jeden Monat von ihrem Fortschreiten gemeldet, in 
den Kirchen gebetet, das erforderUche Personal angenommen. Bei der 
Entbindung verweilen je nach Landesbrauch im Nebenzimmer Zeugen, 
denen das neugeborene Kind sofort gezeigt wird. In England ist der 
Prinz bei der Geburt anwesend; in Frankreich wohnt der König, die 
Prinzen von Geblüt mit etUchen Fürstinnen der Geburt bei: für ihn 
und seine Begleiter ist ein Zelt in der Wochenstube aufgeschlagen, in 
einem kleinen Zelte verweilt die Königin; ehe sie hineingeht, werden 
die Vorhänge des Zeltes zurückgeschlagen, so dafs jedermann sich über- 
zeugen kann, dafs keine Frau und k^n Kind in ihm verborgen sei. 
Mit Geschützsalven wird die erfolgte Entbindung dem Volke angezeigt. 
Gleich nach der Geburt erhält der Prinz den Hausorden. Dem neuge- 
borenen Herzog von Burgund, seinem Enkel, hing Ludwig XIV. den 
Orden vom HeiHgen Geist um und machte ihn zum Ritter, und 1716 
tat dasselbe der deutsche Kaiser Karl VI., der den früh verstorbenen 
Erzherzog Leopold zum Ritter des Andreasordens ^) ernannte und ihn 
in denselben feierlich aufnahm. Von den befreundeten Höfen werden 
Geschenke gesandt: kostbare Wochenbetten, prächtige Wiegen; der Papst 
schenkt katholischen Prinzen geweihte Windeln. 

Stände, Ritterschaft, Städte, Kollegien, Innungen, Gemeinden bringen 
Geschenke dar. 

Das frohe Ereignis wird allgemein gefeiert : mit Pauken und Trom- 
peten, Glockenläuten, Kanonenschüsse, Gewehrsalven ; die Gesandten 
erhalten den Auftrag in ihren Residenzen Illuminationen und Feuer- 
werke zu veranstalten, Geld unter die Armen zu verteilen, Fontänen 
mit Wein springen zu lassen. Im Lande selbst begnadigt man, wenn 
der erwünschte Thronfolger geboren war, Gefangene, läfst Wein in 
Springbrunnen für jedermann spenden. »Illuminationen, musicalische 
Concerte, Opern und Comoedien und mancherley Jubel-Geschrey ; unter 
das arme Volck wird Brod, Bier und Geld ausgeteilt.« In manchen 
Ländern zeigt man mehrere Tage von den Balkons oder Erkern die 
neugeborenen Prinzen dem Volke. Natürlich werden Denkmünzen und 
Medaillen geprägt. 

*) Der h. Andreas ist der Schutzpatron «Ics Ordens vom Goldenen Vliefse. J. B. 
V. Rohr. a. il. O. T. lU. Kap. IX. § 24. 



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176 ^I- Entbindung und Taufe. 

Bei den Taufen pflegt man zuweilen von jeder Prachtentfaltiing 
Abstand zu nehmen, nur die nächsten Angehörigen einzuladen. Häufig 
jedoch werden befreundete Fürsten durch feierliche Gesandtschaften zu 
Gevatter gebeten. Um die Pracht der Zeremonie zu steigern, verlegt 
man den Taufakt wohl auf den Abend, so dafs die Beleuchtung niit 
Wachsfackeln die überaus reich geschmückte Schlofskapelle noch herr- 
Hcher erscheinen läfst. In feierlicher Prozession konmien die Taufzeugen 
in die Kirche: voran »die Hof-Trompeter, Heer-Paucker, Herolde, Hof- 
Marschalle, Ceremonien-Meister und die sämtlichen Cavaliere«, dann die 
Minister, die das zur Taufe erforderliche Gerät tragen: bei den Katho- 
liken das Salz und die Geschirre mit dem Chrisma, bei den Protestanten 
das Taufwasser imd das Westerhemd. Der Täufling selbst wird unter 
einem Baldachin getragen ; er ruht in einer Paradewiege oder ist in 
Samtkissen mit goldenen und silbernen Frangen eingewickelt. Ent- 
weder tragen die hohen Taufzeugen selbst das Kind, oder die Minister 
und deren Frauen. Vor und nach der Taufe Vokal- und Instrumental- 
musik, Glockenläuten ; bei Erteilung des Namens werden Kanonen ab- 
gefeuert. In Frankreich ruft ein* Herold: >Es lebe mein Herr der 
Dauphin!« (Wohl: Vive Monseigneur le Dauphin.) Beiden kathoUschen 
Fürsten erhalten die Kinder wohl acht oder mehr Namen. ^) 

Unter Führung der Hof-Marschälle oder der Zeremonienmeister brin- 
gen die Taufzeugen den fürstlichen Eltern ihre Glückwünsche dar, dann ruft 
Pauken- und Trompetenschall zur Festtafel. Die folgenden Tage werden 
in der Residenz allerlei FesÜichkeiten veranstaltet »mit Feuerwereken, 
Illuminationeii, musicalischen Concerten, Ballettern, Banquetern, Gomoe- 
dien, Opern«. 

Jordanwasser wird an den kathoUschen Höfen gern bei der Taufe 
verwendet, so bei der des Erzherzogs Leopold 1716. Man gofs allerdings 
in das Taufl)ecken nur fünf Tropfen des kostbaren Wassers. Im sechsten 
bis achten Jahre erhalten dann die katholischen Fürstenkinder das 
Sakrament der Firmung. 

Ganz besonders prächtig wurde der Kirchgang der fürstlichen 
Wöchnerin an den katholischen Höfen veranstaltet. Vom Schlosse bis 
zur Kirche oder Schlofskapelle geht die Festprozession; dieStrafsen sind 
mit Tapeten, Gemäldon, Ehrenpforten geschmückt; die Garden, bilden 
Spalier. Voran IIeiduck(^n, Lakaien, Pagen, Kammer-Fouriere, Kammer- 
Junker, Kamnierherrn, die Minister nach ihrem Dienstalter. Dann 
kommt die Wöchnerin, geführt von ihrem Gemahl, einem Verwandten 
oder einem grofsen Minister, reich gekleidet. Das Kind wird von einer 
vornehmen Dame in Saratkissen getragen. Aus der Schlofskapelle 
geht unter Pauken- und Trompetenschall <lie Geistüchkeit, mit weifsen 
Wachskerzen in der Hand, der Prozession entgegen. Die Wöchnerin 
nähert sich mit dem Kinde dem Hochaltar, kniet nieder, bekommt 
eine brennende geweihte Kerze und erhält von dem Kardinal oder Erz- 
bisohof den Segen, Das Kind liegt während dieser Zeit auf dem Altar. 

») Jean le Pautre, Gan^ zur Taufe, Taufe. (Kulturg. Bilderb. IV ; ff. 2291, 2292.) 



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b) Im Hause des Adels und des Bürgers. 177 

Es folgt ein öffentlicher Gottesdienst, eine feierliche Messe; das Te Deum 
wird gesungen, Pauken und Trompetenschall. Dann geht die Prozession 
in derselben Ordnung zurück; die hohen Eltern nehmen die Glück- 
wünsche entgegen. Gala- und öffentliche Tafel; am Abend Freuden- 
feuer, Dluminationen; Festlichkeiten, die mehrere Tage andauern. 

b) Im Hause des Adels und des Bürgers. 

Sicher ist ein Unterschied auch in den beobachteten Formen beim 
Adel wie beim Bürgerstand vorhanden gewesen, es ist jedoch, bis jetzt 
wenigstens, nicht möghch, die Verschiedenheit recht festzustellen.^) 

Sobald die Frau in andere Umstände kam, begann für den Mann 
eine Zeit der Sorge und der gröfsten Ausgaben; so viel war der Sitte 
gemäfs auf die Vorbereitung zu verwenden. Die Hebammen halfen so 
gut sie es vermochten. Wir können uns in der Besprechung dies(?s 
Abschnittes kürzer fassen, da in dem trefflichen Buche von Hans Bosch, 
»Kinderleben in der deutschen Vergangenheit«^) eine ausführliche Schil- 
derimg gegeben worden ist. Bei der Entbindung spielte der Hebammen-'^) 
oder Geburtsstuhl ^) eine grofse Rolle. Mifsgeburten erregten die allge- 
meine Aufmerksamkeit und werden deshalb auch von den Chronisten 
erwähnt; die merkwürdigsten hat man sogar abgebildet und diese Bilder 
in den Handel gebracht.^) Wie die Kometen, so sollten diese Mifsbil- 
dungen kommende Ereignisse vorher verkündigen. 

Schwächhche Kinder erhielten bald nach der Geburt die Nottaufe®); 
in einigen Landesstrichen scheint es Sitte, dafs man nach 14 Tagen das 
Tauffest feierte.'^) 

Während die Frau in den Wochen lag, besuchten sie alle ihre 
Freundinnen und Nachbarinnen, und bei dieser Gelegenheit wurde denn 
auch tüchtig gespeist und getrunken. Albrecht Dürer hat uns in seinem 
Marienleben, bei der Darstellung der Geburt Maria®), eine Nürnberger 
Wochenstube auf das treueste vorgeführt; man braucht sich nur die 
Engel fortzudenken, so hat man ein überaus wahres Abbild der tatsäch- 
hchen Erscheinung.^) Auch auf diesem Bilde sind die Gevatterinnen be- 

») Vgl. P. G. Molmenti, La vie privöe ä Venise (Ven. 1882). 279 ff. 450 ff. 

•) Monogr. z. dentschen Kulturgesch. Hgg. von Georg Steinhausen. — Leipz. 
Eng. Diederichs 1900. 

«) Fischart. Geschichtsklitt 360. 

*) Leben einer deutschen Frau z. Anf. des 18. Jhdts. 194. 

*) Kulturg. Bilderb. H, N. 699, 1099. 

«) Joach. V. Wedel, Hausb. 283. 

») Ebend- 272, 273, 287, 300. 

•) Kulturg. Bilderb. I, N. 6. — Kopfstück zu dem fliegenden Blatte : der hold- 
seligen Frauen Kindbeth-Gespräch (Ebend. V, N. 2630). 

*) Wochenstuben sind im Mittelalter häufig dargestellt worden; sobald es sich 
darum handelt, die Geburt der Maria oder Johannes des Täufers zu malen, liebt man 
es, die Stube njit allen ihren Einzelnheiten vorzuführen. Der Meister der Lyvers- 
bergischen Passion hat in seinem Gemälde (München, Alte Pinakothek), Israel van 
Meckenen im Kupferstich eine Wochenstubo des fünfzehnten Jahrhunderts uns ge- 
schildert (Deutsches Leben etc. Fig. 137, 227.) 

Schnitz, Das häusliche Leben im Mittelalter. 12 



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178 



II. Entbindung und Taufe. 



schäftigt, sich mit einem Trunk zu laben. Die Unsitte wurde endlich 
aber so lästig, dafs die Obrigkeit einschreiten mufste. In Nürnberg 
wurden im 15. Jahrhundert die Kindbetthöfe gänzUch verboten und nur 
gestattet, dafs die Wöchnerin einmal, jedoch nach dem Essen, ihre Mutter, 




Andrea della Robbin, Medaillon am Findelhause, dem Spedale degll Innocente, in Florenx. 

Schwiegermutter etc., also ihre weiblichen Anverwandten, einladet, aber 
sie nur mit Obst, Käse und Brot, wie mit Frankenwein bewirtet. Schon im 
14. Jahrhundert hatte man in Breslau das Kinderbier untersagt. Andere 
Städte, wie Ulm, Görlitz, schränkten die Schwelgereien nach Möglichkeit 
ein.^) Die Sitte der Wochenbesuche ist aber noch zu Anfang des 18. Jahr 
hunderts ganz üblich; zum Empfang der Gäste wurde das Wochenbett 
und die ganze Stube aufs beste geschmückt.^) 

»^ S. Deutsch. Leben im 14. u. 15. Jhdt. 183 ff. 
•) Leben e. deutsch. Frau etc. 196 ff. 



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b> Im Hanse «los Adels und des Borgers. 



179 




es 

a 







12 • 



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180 



11. Entbindung und Taufe. 



Ein weiterer, in den Augen der Behörden sträflicher Luxus war, 
daXs man sich bestrebte, eine grofse Zahl von Taufzeugen einzuladen. 
Im 13. Jahrhundert tadelt schon Berthold von Regensburg, dafs die 
Leute bis zu zwölf Paten zur Taufe einluden.') Die Verordnungen des 
14. Jahrhunderts erlaubten nur drei Gevattern, auch wurde die Zahl der 
Männer und Frauen, welche aufser den Tauf zeugen das Kind in die 
Kirche begleiten, genau festgesetzt. Nach den Nürnberger Statuten 
des 15. Jahrhunderts soll den Frauen, die mit dem Kinde zur Kirche 
gingen, nach ihrer Rückkehr nur Lebkuchen und Franken wein oder 




Abraham de Bosse, Le retour du baptöme. 

Meth vorgesetzt werden. In Wirklichkeit aber wurde nach der Taufe 
ein sehr stattUches Festmahl eingenommen. Dem Luxusbedürfnis der 
Leute gegenüber waren eben die Obrigkeiten mit ihren wohlgemeinten 
Verordnungen ganz machtlos. Aus den Breslauer Taufbüchern habe ich 
mir notiert, dafs z. B. 1580 (d. 5. Jan.) Adam (v.) Reibnitz 24 Taufzeugen, 
Heinrich von Poser 1641 (21. April) sogar 62 eingeladen hat. 

Den Kaiser jedoch zur Taufe zu bitten, war streng verboten ; wurde 
aber ein Klind in der Christnacht geboren, dann nahm man es den 
Eltern übel, wenn sie den Kaiser nicht zu Gevatter luden; Leopold I. 
gab allen seinen Patkindern 1000 Rtl. Geschenk.^) Jedenfalls war die 
Einladung des Kaisers verständiger, als wenn ein Adjunkt aus Eisenach, 
Dr. Christ. Friedr Cotta, noch 1707 die Dreieinigkeit zu Gevatter bittet.') 

») Höf. I^ben »I. 149. 
«) Curios. ra. 549. 
«) Curios. V. 261 ff. 



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c) Bei den Bauern. 181 

Auch die Patengeschenke waren mit der Zeit so ansehnhch ge- 
worden, dafs eine Einschränkung erforderUch erschien. In Nürnberg 
wird im 15. Jahrhundert das einzubindende Patengeld auf 32 Pf. fest- 
gesetzt^); bei Besuchen der Wochenstube durfte man dem Kinde nicht 
über 4 Pf. aufs Bettchen legen. 

Ein neuer Anlafs zur Verschwendung war die Genesungsfeier der 
jungen Mutter. Es hatte sich die Sitte eingebürgert, dafs sie, von ihren 
Freimdinnen umgeben, zum Bade ging; in Ulm bestimmte der Rat, 
dafs die Mutter nur drei Frauen zum Bade einladen dürfe, dafs nur ein 
bestimmtes Mafs von Konfekt und Zuckerwerk verzehrt werden dürfe. 
Indessen waren noch zu Fischarts Zeiten »die Küchelbäder, da man die 
Kindbeitterin und sechswöchnerin wider zue Jungfrauen und gromet 
sauffet, die Kindentwönung« 2) berüchtigt. 

Christian Weise s^ schon 1680: »Es hat seinen Ruhm, wenn 
wohlhabende Leute den Uberflufs ihres Einkommens ohne allen Schaden 
also anwenden. Aber wo steht das geschrieben,- dafs, wenn einer das 
Jahr mehr als zweyhundert Gulden einzunehmen hat, die Hochzeit mehi 
als sechshundert Gulden kosten mufs, Oder dafs mancher mehr auf die 
Kind-Tauffe wendet, als er sein Lebtage dem Kinde wol nicht mit- 
geben kann?') 

c) Bei den Bauern. 

War schon die Verschwendung, die in bürgerüchen imd adligen 
Kreisen bei Taufen herrschte, bemerkenswert, so erscheint der Aufwand, 
den begüterte Bauern bei solchen Gelegenheiten zu machen hebten, 
noch auffälKger. Freihch ist uns aus älterer Zeit keine Nachricht über- 
üefert; wir können aber wohl annehmen, dafs die reichen österreichischen 
Bauern, deren Treiben Nithart so ergötzüch schildert, auch in dieser 
Hinsicht es den höheren Ständen gleichzutun versucht haben. Was 
Guarinonius über die Tiroler Bauern erzälilt, gilt sicher keineswegs für 
die gesamte ländüche Bevölkerung Deutschlands, denn Tirol war zu 
der Zeit, als der gelehrte Arzt von Hall sein Werk verfafste, noch sehr 
wohlhabend, während zumal im Norden Deutschlands die Armut weit 
verbreitet erscheint, allein es ist doch immerhin interessant, wie sehr 
die Unmäfsigkeit, die ja für das gesamte 16. Jahrhundert so bezeichnend 
erscheint, auch in diesen Kreisen Eingang gefunden hat. 

Im Ziller-, Duxer- und im Inntale schafft man an Vorrat an: zu- 
nächst Schmalz, einen Kübel von 1 Zentner ausgesottenen und einen 
halben Zentner frischen, dann 1 — 2000 Eier, eine grofse Menge Weizen- 
mehl und ein mächtiges Fafs Traminer-Wein. Man legt den Wein ent- 
weder selbst ein oder holt wöchenthch 1 Basteiden vom Wirt. 1 Basteiden 
ist gleich 8 Innsbrucker, 7 Schwazer oder 6 Haller Mafs, das kleinste 
Mafs gleich drei Apothekerpfund und ein Pfund gleich 6 Weingläser, 
also wöchenthch an 144 Gläsern. Die Wöchnerinnen essen unglaubüche 

^) J. C. Schleich, De eo quod justum est circa pecuniam lustricam vulgo Pathen- 
Oeld. — Erford. 1738. 

«) Gesch.-Klitt. 74. — ») Die drei Haupt- Verderber etc. S. 90. 



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182 n. Entbindung und Taufe, c) Bei den Bauern. 

Massen, die armen 20 — 22 mal, die reichen 24 — 28 mal. 8 Eier, mit 
Weizenmehl und Milch im Schmalz gebacken, und ein Viertel Traminer 
ist eine Mahlzeit oder eine Suppe mit 6 Eiern und mehr oder 12 Eier 
im Schmalz. Eine Zillertalerin, die einen Bauern bei Schwaz geheiratet 
hat, beklagt sich bei ihren Angehörigen, dafs ihr die Amme nur zwölfmal 
zu essen gebe, worauf er der Pflegerin befohlen hat, ihr vierundzwanzig- 
mal Nahrung zu reichen. 

Eine Duxer Kindbetterin läfst sich, während ihre Mutter und ihr 
Mann in die Kirche gegangen sind, von ihrer Pflegerin ein Gericht aus 
zwölf Eiern, Butter, Weizenmehl und Milch bereiten; dazu essen beide 
eine gute Eiersuppe und trinken fünf Mafs Traminer, so dafs die Pfleg- 
amme sich niederlegen mufs. Als die Mutter aus der Kirche heimkehrt, 
klagt die Tochter, dafs sie eine Ohnmacht (Wildnufs) angekommen sei. 
Nachdem sie aber mit der Mutter ein Gericht von 8 Eiern gegessen und 
2 Mafs Traminer getrunken, ist sie w^ieder ganz gesund. Die Amme 
bekommt auch eine Mafs und schläft bis zirni nächsten Tage ihre Ohn 
macht aus. 



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Die Erziehung der Kinder. 



a) An FUrstenhöfen. 

Nachdem die Kinder entwöhnt sind, werden sie der Obhut von 
Pflegerinnen anvertraut. Bis zum siebenten Jahre verbleiben auch die 
Knaben unter der Aufsicht der Frauen; erst dann erhalten sie männliche 
Erzieher, die ihnen die Kunst des Schreibens und Lesens beibringen, 
sie in den Sprachen, vor allem in der lateinischen und französischen 
unterrichten, dann alles das lehren, was ein Prinz wissen und kennen 
mufs. Mit den Fürstenkindern wurden auch adlige Knaben als Gespielen 
erzogen. ^) Die Sitte, dafs diese Kinder die Strafe erdulden mufsten, die 
die jungen Prinzen verdient hatten, diese widerwärtige Art, die Gespielen 
als Prügelknaben zu brauchen, ist erst seit dem 16. Jahrhundert auf- 
gekonmieix. Der spätere Kaiser Maximilian hat noch, wie er in seinen 
lateinisch geschriebenen Memoiren berichtet, von seinem Lehrer Ohr- 
feigen bekonamen.2) 

Im übrigen haben die Kinder der Fürsten wohl an denselben 
Spielen sich erfreut, wie sie die Jungen der Bürger erlustigten : Stecken- 
pferd, Ballspiel u. s. w.^) 

Eine grofse Hauptsache aber war, dafs die Knaben aus den 
Herrscherfamilien frühzeitig im Reiten geübt ^), im Gebrauch der Waffen 



*) Weifskunig (meine Ausg.), Abb. S. 55. 

«) Ebend. S 424. 

») Vielleicht auch Soldaten. Vgl. Höf. I^ben. «I, 153, Abb. 47. — Weifskunig 
(m. Ausg.), S. 68, kulturgesch. Bilderb. I, N. 94. — Vgl. Jacques Stella, Les jeux et 
plaisirs de Tenfance. Invantez par Jacques Stella, graves par Claudine Stella. Paris 1657. 

*) Georg Engelhardt Löneyssen, Von Zeumen etc. o. 0. 1583. 

Job. Geissert, Ein Ritterlich und Adelich Kunstbuch, Darinnen von Reiten etc. 
Koburg 1613. 

A. de Pluvinel, L'Instruction du Roy (Louis XIII.) cn exercice de nionter k 
cheval. Paris 1629. Mit Kupfern von Crispin de Passe. (Kulturgesch. Bilderb. III, 
N. 1647—1652.) 

Guil. marquis de Newcastles Methode et invention nouvelle de dresserj les 
chevaux. Anvers 1658. Dirk Maas, Reitschule (Kulturg. Bilderb. V,;n. 2784—89). 



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184 m« I^io Erziehung der Kinder. 

unterwiesen wurden.^) Seit dem siebenten Jahre beginnen deshalb die 
jungen Prinzen ihre Exerzitien unter der Leitung eines erfahrenen 
Kriegsmannes. An ihren Übungen nehmen die adeUgen Knaben teil, 
die am Hofe ihre Erziehung erhielten. Ein Fechtmeister unterweist sie 
im Gebrauch des Schwertes und des Schildes; im 13. Jahrhundert waren 
besonders berühmt die Meister aus Irland; in der späteren Zeit bevor- 
zugte man die Fechtlehrer aus ItaUen und Frankreich. Das Rmgen 
wurde auch gelehrt, und da waren wieder die Engländer die gesuchtesten 
Meister. Alle diese .Waffenübungen nehmen den gröfeten Teil der 
Jugendzeit in Anspruch. Sobald die jungen Leute die Kunst des 
Reitens, den Gebrauch der Lanze, des Schwertes erlernt, erprobten sie 
im Zweikampf zu Pferde (dem tjost) ihre GeschickUchkeit und erlernten 
im Gefecht von Schar gegen Schar (Turnier) die Anfangsgründe der 
Taktik. Auch im 15. Jahrhundert wurde auf diese Ausbildung eines 
jungen Fürsten ein sehr grofses Gewicht gelegt. MaximiUan erzählt uns 
im Weifskunig von seinen Waffenübungen. Er hat schon als Knabe 
mit der Armbrust umzugehen gelernt, eine kleine Kanone zum Spielen 
besessen 2); er lernt dann mit den verschiedenen Arten von Bogen 
schiefsen '^j, mit dem langen Schwerte*), mit der Pavese im Kürafe 
fechten^), die Lanze®), die Hellebarte ^) zu brauchen, zu turnieren*), zu 
beizen^), fischen^®) und zu jagen.^^) Maximilian wurde dann auch nicht 
nur ein ausgezeichneter Ritter und Kriegsheld, sondern auch ein vor- 
trefEUcher Jäger und Meister in allen ritterüchen Künsten. 

C. Lieb, Practica et arte di cavalleria of oeffening en konst des lydenB. Utrecht 
1671. — De Solleysel, Le parfait mareschal . . . Brux. 1691. 

de la Gu^riniöre, L'^cole de cavalerie. Paris 1733, 1751. 

Joh. Elias Ridinger, Neue Roit-Kunst. Augsb. 1744. 

*) Joach. Mayer, Gründl. Beschreibung der freyen Ritterlichen und Adelichen Kunst 
des Fechtens. Strafsb. 1570, illustriert von Tobias Stinuner. (Kulturg. - Bilderb. UI, 
N 1338, 40). 

Fechter, Holzschn. von Jost Amman. (Kulturg. Bilderb. II, N. 1059—63.) — Nie. 
Solls, Fechtschule (ebend. II, N. 895.) 

Achillo Marozzo, Opera de l'arte de Tarmi. Venezia 1550. 

Mercurio Spetioli, Capitolo nel quäle si mostra il modo di saper bene schermire 
e cavalcare. Bol. 1577. 

Aug. Viggiani, Trattato dello schermo. Bologna 1588. 

Salvatore Fabris, De lo schermo, overo scienza d'armi. Copenh. 1606. 

Neu künstlich Fechtbuch. Nümb. 1616. 

F. Alfieri, La scherma. Padova 1640. 

Ridolfo Capoferro, Gran simulacro dell arte e dell uso della scherma. Siena 1610. 

J. G. Brüchius, Orondige beschryvinge van de edele en de ridderüjcke scherm- 
ofte wapenkonste. Leyden 1671. 

Franc. Ant. de Ettenhard, Compendio de los fundamentos de la destreza de las 
annas. Madr. 1675. 

Jean Jamain de Beaupr^, Methode tres facile pour former la noblesse dans 
l'art de l'^p^e. Ingoist. 1721. 

Fabian von Auerswald, Ringer-Kunst. Wittenb. 1539. — Romein de 
Hooge, Worstelkonst. Amdterd. 1674. — Ders. Uacad^mie de Tadmirable art de U 
lutte. Leide c. 1700. 

») M. Ausg., S. 53. — ») S. 87, 88, 90. - *) S. 99. — ») S. 101. — •) S. 102. - 
T) S. 103. — •) S. 105. — •) S. 93. — »«) S. 98. — ") S. 91, 95. 



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a) An Füretenhöfen. 



185 



Eine sehr lehrreiche Schilderung von der Erziehung eines fürst- 
lichen Knaben entwirft uns Johann Fischart in seiner Geschichtsklitte- 
rung. Mit dem ^^Abecetäflein« wird Gargantua das Lesen beigebracht und 
das Schreiben gelehrt; darauf kommt ein anderer Lehrer, bei dem er die 
Anfangsgründe des Lateins erlernt.^) Dann aber wird der Knabe mit 
einem Hofmeister nach Paris geschickt.^) Der Prinz steht spät auf, ifst 




Hans Burckmoier, Der junge Weifskunig in der Schule. 

zur Morgensuppe und trinkt tüchtig. Nach dem Kirchgang wird eine 
kurze Zeit dem Studium gewidmet; dann folgt das Nachtmahl, bei dem 
wieder das Trinken eine grofse Rolle spielt. Den Rest des Abends ver- 
treibt man sich mit Karten und Würfeln, übt sich in den Brettspielen 
oder imterhält sich mit Gesellschaftsspielen, deren Fischart gegen 600 
anführt. Rätsel werden aufgegeben und gelöst. Die Spiele im Freien 

») Neudruck, cap. XVU, S. 216 ff. 
«) Cap. XVm, S. 224. 



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Igß in. Die ErziehuriK der Kinder. 

kommen an die Reihe, sobald sie aus der Stadt hinausreiten; alle sind 
darauf berechnet, die körperUche Gewandtheit aufs beste auszubilden. 
Der neue Hofmeister aber hält den Knaben an,^ schon um 4 Uhr auf- 
zustehen, sich sofort zu kämmen und zu bürsten. Nach einer kurzen 
Morgenandacht wird während des Anziehens wiederholt, was sie tags 
zuvor gelesen, das Aussehen des Himmels u. s. w. beobachtet. Die Lektion 
des vergangenen Tages wird repetiert, die neue vorgenommen. Damit 
hat der wissenschaftUche Unterricht sein Ende. Sie gehen jetzt ins 
Freie, und da werden Spiele getrieben, die den Leib stark und ge- 
schmeidig machen. Auf dem Heimwege führen sie belehrende Ge- 
spräche; selbst beim Mahl wird vorgelesen oder über anregende Stoffe 
gesprochen. Nach Beendigung der Mahlzeit wäscht man die Hände, 
spricht ein Dankgebet oder singt einen Psalm. Das Kartenspiel hat den 
Zweck, den Verstand zu schärfen, oder sie vertiefen sich in geometrische 
Kombinationen u. s. w., treiben Astronomie oder singen mehrstimmip. 
Die Übung der musikalischen Instrumente spielt eine grofse Rolle. Dann 
aber beginnt das Studium «aufs neue und es wird die Kunst des Schön- 
schreibens geübt. Nach den Schulstunden kommt nun die Waffenübong 
an die Reihe, dann wird gesprungen, geschwommen, geklettert. Beim 
Rückweg über die Wiesen spricht man von Feldbau, von Blumen- 
gärten. Vor Tisch reden sie über alles, was am Tage neu gelernt 
wurde; die Lektion für den nächsten Tag wird angefangen. Nach dem 
Dankgebete unterhalten sie sich »mit guten, gelehrten, nützüchen reden . 
Dann singen sie Lieder, spielen Karten oder Brettspiele, hören Erzäh- 
lungen weitgereister, erfahrener Männer. Vor dem Schlafengehen be- 
trachten sie noch einmal den Himmel und überlegen, was sie im Laufe 
des Tages gelernt, gesehen, erfahren, getan. Erlaubte das Wetter den 
Aufenthalt im Freien nicht, so übten sie sich in den Scheuem mit 
Dreschen u. s. w., in den Ställen, beim Bauern oder versuchten sich in 
den schönen Künsten. 

Der Lehrer führt seinen Zögling zu den verschiedenen Handwerkern, 
zu den Vorlesungen auf der Universität, zu Komödien, Hochzeiten, 
Tänzen, Kirchweihen, ganz besonders in die Fechtschulen, in die Apo- 
theken, zu Falschmünzern, Wucherern, getauften und nicht getauften 
Juden, Marktschreiern, Landstreichern. Brachten sie einmal einen Tag 
auf dem Lande zu, dann wurde gedichtet, an Tanz und sonstiger Lust 
erfreut. 

Fischart hat wohl das Ideal einer Fürstenerziehung zeichnen wollen, 
indessen ist schon Maximilian in den Werkstätten der Handwerker 
gewesen. Er besucht den Maler (S. 75), die Bauleute (S. 76), die Zimmer- 
plätze (S. 78), die Musikanten (S. 79), die Münzer (S. 85). 

Das GewöhnHche ist, dafs seit dem 16. Jahrhundert die Fürsten- 
söhne auf einige Zeit mit ihrem Hofmeister eine Universität besuchen. 
Da werden sie sehr geehrt, zu Rektoren gewählt. Die Söhne des Herzogs 
Philipp von Pommern, Ernst Ludwig und Barnim, studieren erst in 
Greif swald, gehen aber dann 1563 nach Würzburg, wo der ältere sofort, 
sein Bruder im folgenden Jahr zum Rektor gewählt wird. 1506 reisen 



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a) An Fürstenhöfen. 187 

sie zur Fortsetzung ihrer Studien nach Paris, besuchen England und 
kehren im nächsten Jahre heim. Auch der jüngste Sohn des Herzogs 
Bogislaus von Pommern bezieht 1602 die Universität Rostock und wird 
zweimal zum Rektor gewählt. (Joach. v. Wedel.) Dann machen die 
Prinzen mit ihrem Mentor die Reise nach ItÄhen; seit dem 17. Jahr- 
himdert aber ist es erforderhch, Paris kennen zu lernen. 

Das schon zitierte Werk von Florinus ist zuerst 1719 in Nürnberg 
erschienen, enthält also, was man gegen Ende des 17. und Anfang des 
18. Jahrhimderts für erforderhch erachtete. Im ersten Buche, Abt. III, 
Kap. II, § 12 zählt er auf, was nach La Mothe de Vayer ein Prinz 
lernen müsse: Rehgion, Gerechtigkeit, Finanz- Und Kriegswesen, die 
Artes hberales: Grammatik, Rhetorik, Logik, Arithmetik, Musik, Geo- 
metrie, Astronomie, dann Physik, Geographie, Moral, die sieben mecha- 
nischen Künste : Agrikultur, Architektur, Chirurgie, SchifEskunst, Poesie, 
»Astrologia judiciaria aus den Sternen wahr zu sagen«, Alchymie, Magie 
(die Magie hatte schon Maximilian studiert).^) Die letztgenannten Dis- 
ziplinen hält jedoch der Autor eher für schädhch, zumal die Alchymie. 
Dagegen führt er selbst noch die Heraldik an und die Kenntnis der 
Edelsteine und der Bücher.^) 

Die Kunst des Drechseins ist in der Tat von mehreren deutschen 
Fürsten geübt worden; August der Starke von Sachsen hatte ansehn- 
liche Kenntnisse vom Bauwesen \md wufste mit Geschick und Geschmack 
Bauwerke zu erfinden und zu entwerfen; viele der Habsburgischeu 
Fürsten haben sich als Musiker und Komponisten ausgezeichnet. 

Zur Zeit, als J. B. von Rohr sein Kapitel »Von Auferziehung FürstL 
Printzen«*) schrieb, 1729, hatten sich die Ansprüche an die Ausbildung 
eines zukünftigen Herrschers wesentlich verändert. Er meint, dafs jeder 
Vater seinen Sohn den eigenen Neigungen entsprechend erziehe.*) Der 
eine legt auf die wissenschafthche Bildung, der andere auf die mihtärische 
Schulung Wert, und dann müssen die Prinzen »bey Zeiten das Mustern 
der Regimenter, das Commandiren, Exerciren und was zum Kriegs-Metier 
gehört, begreifEen lernen«.^) Wieder andere Väter wollen, dafs ihre Söhne 
tüchtige Jäger werden. Um die Eitelkeit der jungen Prinzen einzuschränken, 
sollen sie von den Lehrern nur z. B. Prinz Wilhelm, nicht königl. Ho- 
heit, genannt werden. Dbä Züchtigungsreoht wird zuweilen den Lehrern 

') Weifskunig, S. 65. 

") Bestallung eines Hofmeisters fürstlicher junger Herren. Florinus a. a. O., 
T. n. Buch 1, Abt. 3, Kap. m, § 13. 

*) A. a. O., T. I, Kap. XII. 

*) Hofvieister — später Gouverneure — und unter ihnen der Präzeptor oder 
Informator sind mit der Erziehung beauftragt, wie Franciscus Philippus Florinus in 
seinem Oeconomus prudens . . . oder Grosser Herren Stand- und Adelicher Haus-Vatter. 
Nmb., Frkf , Lpz. 1751, I, 106 mitteilt. Bis zum sechsten Jahre soll der Prinz das 
Thesen erlernt haben. Ebend. 319. 

*) Florinus (a. a. 0. 325) hält es für nützlich, den Fürsten kindcm Bleisoldaten 
zu geben, da sie bei diesen Spielen mancherlei lernen können, was ihnen später ein- 
mal nützlich ist. So habe Gaspard de Coligny von seinem Vater Soldaten aus Elfen- 
bein zum Spielen erhalten und, von üim unterwiesen, es so weit gebracht, »dafs er 
schon im dritten Jahr seines Alters ein gantzes Regiment hätte mustern können, c 



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Igg in. Die Erziehang der Kinder. 

übertragen, in anderen Fällen behalten es sich die Eltern vor. Als den 
nachmaligen Kaiser Leopold I. sein Informator mit der Rut« züchtigen 
wollte, entrifs ihm der junge Erzherzog dieselbe und überreichte sie 
seinem Vater, dem Kaiser (Ferdinand III.) mit diesen Worten : »Niemand 
in der Welt hat ausser Euer Kayserlichen Majestät die Macht, einen 
Ertz-Hertzog von Oesterreich abzustrafen.« Auf die Kenntnis der latei- 
nischen Sprache wird viel weniger Wert gelegt, als das früher der Fall 
war ; nur wenige lernen sie mündlich völlig beherrschen. In den Mufse- 
stunden »vergönnt man ihnen zum Divertissement allerhand Arten Spiele, 
als Kegelspiel, Volanten schlagen, BiUiard-Tafeln u. s. w.« 

Bei Gelegenheit' von Spaziergängen imd Lustreisen können den 
Prinzen allerlei Kenntnisse spielend beigebracht werden. Das Reiten 
aber müssen sie von frühester Jugend an lernen, ebenso die Schiefj?- 
wafEen zu gebrauchen. »Heutiges Tages gehört es unter die gröfeten 
Raritäten, wenn ein Printz Studierens halber die Academien besuchen 
sollte«. Dagegen sollen Reisen in fremde Länder die Bildung eines 
Fürstensohnes vollenden. Kommen sie dann heim, so erhalten sie von 
ihrem Vater einen Wirkungskreis angewiesen, und das gilt ganz besonders 
von den Erbprinzen; jüngere Söhne treten bei mächtigeren Herrschern 
in den Kriegsdienst oder suchen an einem grofsen Hofe im Civildienst 
vorwärts zu kommen. Den Erbprinzen aber wird entweder >eine eigene 
und besondere Hof-Statt zugeordnet und eine eigene Tafel bestellt, wenn 
sie anfangen, ihre mündigen Jahre zu erreichen, oder sie müssen sich 
bifsweilen mit dem von ihren Hoch-Fürstlichen Eltern ihnen gewidmeten 
appointement und den wenigen ihnen zugegebenen Bedienten eine lange 
Zeit behelfen, ob sie schon vermählet und wiederum andere Hoch-fürst- 
liche Descendenten haben«. 

Von den Apanagen und von der Versorgung der natürüchen Kinder 
wird im 13. Kap. des ersten Teiles das Nötige mitgeteilt. 

Die Mädchen spielten mit Puppen (tocken) imd bekamen ihr kleine:? 
Kochgeschirr, ihre Puppenstuben.^) Sonst nahmen sie mit ihren Ge- 
fährtinnen an den Spielen der Knaben teil. Die Erziehung einer Tochter 
aus vornehmer Familie leitete die Meisterin (magezogin)^), die sie vor 
allem zur Frömmigkeit anzuhalten, sie an gutes, tadelloses Benehmen 
zu gewöhnen hatte. Die wissenschafüiche Bildung der jungen Mädchen 
wurde wohl für weniger wichtig erachtet, doch hören wfr von Damen, 
die des Lesens und sogar des Schreibens kundig waren. Dagegen legt 
man einen grofsen Wert darauf, dafs die Kinder frühzeitig die französische 
Sprache erlernen, und hielt ihnen wohl auch zu diesem Zwecke französische 

») Höf. Leben, »I, 158 ff. 

In Arnstadt wurde noch um 1820 eine merkwürdige Puppensammluns^ geseigt, 
die, im Schlosse Monplaisir aufgestellt, von der verwitweten Gräfin von Schwarzboig, 
Augusta Dorothea von Braunschweig (f 1721), angefertigt worden war. Besonders in- 
teressant müssen die Darstellungen aus dem Leben einer Fürstin gewesen sein. Vgl- 
(Vulpius) Kuriositäten Vm (Weimar 1820), S. 426 ff. Es verlohnte wohl der Mühe, 
über den Verbleib der Sammlung Erkundigungen einzuziehen. 

*) Instruktion für eine Hofmeisterin und eine Oberhofmeisterin, beide datiert 
1717 bei Florinus, a. a. 0. (T. H, Buch 1, Abt 3, Kap. n, § 31.) 



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a) An Fürstenhöfen. 189 

tjouvemanten. Musikalischen Unterricht erhielten sie immer, lernten 
die Harfe, die Guitarre u. s. w. spielen imd dazu singen, die landes- 
üblichen Tänze tanzen, dazu die gewöhnlichen Brettspiele, Schach-, 
Dame-, Mühle spielen und auch die Gesellschaftsspiele wohl kennen. 
Dafs nebenher die jungen Fürstinnen auch mit der Hauswirtschaft sich 
vertraut machten, das gilt als selbstverständUch. Selbst bei Florinus 
(a. a. 0., T. H, Bd. I, Abt. HI, Kap. H, § 29) wird es als unumgängUch 
notwendig hingestellt, dafs eine Fürstin sich gründhche Kenntnisse von 
der Haushaltung aneigne. 

Noch im 18. Jahrhundert stellte man im grofsen Ganzen dieselben 
Anforderungen an die Erziehung einer Prinzessin, die man vor sechs- 
hundert Jahren als bewährt angesehen hatte. Musik und Tanz, dazu 
Kenntnis des Französischen ist neben der Erfahrung im Hauswesen das 
wesenthche Erfordernis einer guten Erziehung. Auf die wissenschaft- 
liche Bildung, kommt es weniger an; es werden zwar Lehrer gehalten — 
die Hofmeisterin soll sie nie mit ihren Schülerinnen allein lassen 
(S. Abaelard und Heloise) — indessen wenn die junge Dame einen leid- 
lichen Brief zu schreiben, fertig zu rechnen lernt, etwas von Geographie 
und Geschichte weifs, dann ist es genug. Besser erscheint es freilich, 
dafs sie statt der »Romains« oder ^^schädlicher Liebes-Bücher« ein 
ernstes Geschichtswerk Uest. 

Die Kinder des Adels wurden ährdich erzogen, natürUch weniger 
kostspielig, allein das Beispiel des Hofes suchte man doch nach besten 
Kräften nachzuahmen. Eine kleine Zahl der adUgen Knaben wuchs am 
Hofe auf, hatte da zu lernen, aber auch die Herrschaft zu bedienen, bei 
Tische aufzuwarten, später als Knappen ihren Herrn in den Krieg zu 
begleiten. Es sind das die Kindelin oder Knaben, deren Dienstbarkeit 
zu Ende ging, wenn sie sich der Ritterwürde wert erwiesen hatten. Auch 
in der Folgezeit findet an den Höfen eine immerhin beschränkte Menge 
von jungen AdUgen Aufnahme, werden in der Pagerie zu allen adügen 
Künsten erzogen und haben gleichfalls persönlich zu dienen. Für jede 
UngeschickUchkeit werden sie körperlich abgestraft^) oder mit Geldbufsen^ 
belegt. Ist die Pagenzeit zu Ende, so erhalten auch sie den Degen.*) 

Wilhelm Werner Freiherr von Zimmern (geb. 1485) wird noch so 
wie die adligen Kinder im 13. Jahrhundert früh, schon im vierten 
Lebensjahre, aus dem Elternhause dem Grafen Georg von Werdenberg 
zu Sargans nach Ortenstein in Rhätien geschickt, kommt dann an den 
Württemberger Hof, wo er mit Herzog Ulrich und mit einer Anzahl 
adhger Kinder einem Präzeptor anvertraut wird. 1504 geht er nach Tü- 
bingen auf die Universität und lebt da bei dem Doktor der Rechte Endres 
Drostel, »der war sein preceptor und sein costherr«. In Freiburg wird 
er 1506 Rektor und bleibt da bis 1509.*) 

*) Simplicissimus, Buch I, Kap. 31. 

■) Unter Kaiser Leopold I. (Vulpius) Kuriositäten ni, 549. 
») Ebendas. VI, 373. — Cf. J. B. von Rohr. Einl. zur Ceremoniel. Wiss. (Berl. 
1792). T. I, Kap. XIV, § 46. 

*) Zimm. Chron. m, 1 ff. 



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190 in. Die Erziehung der Kinder. 

Johann Christoph Freiherr von Zimmern wird anfangs bei seinem 
Vetter erzogen, dann sorgt für seine Bildung der Domherr von Konstanz, 
Dr. jur. Johann von Blotzheim. Der Graf Christoph von Henneberg 
tritt ihm sein Kanonikat in Strafsburg ab; nachdem die Adelsprobe 
genügend befunden worden war, wird der Knabe in sein Amt eingeführt 
Dann erst studiert er. 1532 überläfst ihm Graf Otto von Henneberg 
sein Kanonikat in Köln. Der Bruder des Johann Christoph, Frohen 
Freiherr von Zimmern, ist indessen bei Phihpp Echter von Mespelbronn 
erzogen und von einem Präzeptor unterrichtet worden. Beide Brüder 
beziehen 1531 die Universität Tübingen und studieren imter Leitung 
ihres Präzeptors Mgr. Christ. Mathias. 1552 nimmt der noch nicht 
15jährige Johann Christoph seine Residenz in Strafsburg — seit dieser 
Zeit mufs ein Kanonikus 24 Jahre alt sein. Frohen erhält eine Pfründe 
in Speier. 1534 gehen sie auf zwei Jahre nach Frankreich, besuchen 
die Universität Bourges, dort Alciatus u. s. w. zu hören. Nach ihrer 
Rückkehr residieren beide in Strafsburg.^) 

Das ist der Erziehungsgang eines Spröfslings aus reichsunmittel- 
barem Grafengeschlecht. 

Joachim von Wedel (geb. 1552), der Sohn des pommerischen Ober 
liof marsch alls, hat 1566 einen Präzeptor. Unter Leitung eines privatum? 
praeceptor besucht er die Universitäten in Greif swald 1569, Frankfurt a. 0. 
1570. Dann übernimmt er 1574 sein Gut und heiratet 1576 Use von 
Arnim. 

Die merkwürdigste Erziehung hat der bekannte Hans von Schwei- 
nichen erhalten. Auch er ist der Sohn eines Hofmarschalls (geb. 1552;. 
aber trotzdem hütet er mit neun Jahren noch die Gänse, lernt nebenher 
beim Dorfschreiber deutsch schreiben. Als er zehn Jahre alt geworden 
war, wird er an den Hof von Liegnitz gebracht und da mit dem Prinzen 
Friedrich (später IV.) unterrichtet; nebenher hat er aufzuwarten. Doch 
1563 ist er wieder auf dem väterlichen Gute und setzt da seine Studien 
beim Dorfschreiber fort. Dann begleitet er als Spiefsjunge seinen Herrn 
auf einer Reise, erhält 1564 — 65 Unterricht von einem Pfarrer und 
besucht 1566 die Schule von Goldberg. Als er, fünfzehnjährig, 1567 nach 
Hause zurückkehrt, ist er mit seinen Studien gänzHch fertig. Er wird trotz- 
dem 1572 Junker, 1573 Kammerjunker, 1576 Rat und Hofmeister u. s. w. 

Im 17. Jahrhundert erhielten auch die Kinder des höheren Adels 
^inen Hofmeister. Die Instruktion »Bestallung eines Hofmeisters eines 
Gräflichen jungen Herrens« ist bei Florinus a. a. O. (T. H, B. I, Abt. III 
Kap. III, § 13) zu finden. 

Ein Vorrecht nahmen die adligen Kinder schon im 16. Jahrhundert 
in Anspruch: sie verlangten mit Ihr und nicht mit Du angeredet zu 
werden. »Die Junker soHen nicht gedauzt sondern geirzt werden.«*) 
>Selbst ein kleines adliges Mädchen verlangt von ihrem Oheim geirzt 
VAX werden.«^) 

») Zimm. Chron. II I, 204 ff. 
«) Zimm. Chron. n, 343. 
») Ebend. H, 462. 



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a) An Füretenhöfen. 191 

Der Adel hat während des Mittelalters eine hervorragende Rolle 
gespielt, den Fürsten immer am nächsten gestanden, die Bildmig und 
die Intelligenz des Volkes vertreten. Die ältesten Söhne ererbten 
nach dem Tode des Vaters den Familienbesitz, die jüngeren suchten als 
Soldaten in der Heimat oder in der Fremde ihr Glück zu machen, eine 
reiche Erbin zu gewinnen oder bei den Kriegszügen sich ein Vermögen 
zu erwerben. Die zum Kriegsdienst nicht brauchbaren wurden der Kirche 
geweiht; in "einem Kloster, das von der Familie gestiftet oder mit Ge- 
schenken bedacht worden war, konnte es ein Spröfsling derselben bald 
zu Würden bringen; als Weltgeistlicher konnte er bestimmt hoffen, ein 
Kanonikat oder auch eine noch höhere Stellung, dank dem Einflüsse 
seiner Anverwandten, zu erlangen. Ein Teil des Adels aber trat in den 
Dienst der Höfe^); die Kämmerer, Truchsessen (Senechate), die Mar- 
schalke und Schenken sind von altersher aus adligen Famihen erwählt 
worden. Je mehr sich die Verwaltung an den Höfen entwickelte, desto 
mehr Stellen ^voirden in den verschiedensten Zweigen der Regierung 
erforderlich. Die nun zu höheren Würden gelangen wollen, müssen 
studiert haben. Noch im 16. Jahrhundert gibt es sehr viele Edelleute, 
die, was ihre Geistesbildung anbelangt, den bürgerlichen Elementen der 
sich jetzt erst bildenden höheren Gesellschaft keinswegs nachstanden. 

Die Hof Ordnungen des 17. Jahrhunderts haben die Stellen an den 
Hofhaltungen erhebüch noch vermehrt, und zwar waren da dem Adel 
gewöhnlich die Ämter übertragen, die mehr zur Vermehrung des Glanzes 
der fürstüchen Majestät geschaffen waren, bei denen es auf geschicktes 
Auftreten hauptsächHch ankam; die Stellungen, die positive Kenntnisse 
und vor allem Arbeitskraft verlangten, wurden den bürgerlichen Beamten 
eingeräumt. Knapp genug jedoch waren die Gehalte bemessen; so 
erklärt es sich, dafs allerorten uns die Klagen über die Bestechlichkeit 
der Hofbeamten begegnen, dafs die Protektionswirtschaft eine sehr grofse 
Rolle spielte u. s. w. Man braucht nur Friedrich von Logaus Sinn- 
gedichte zu durchblättern und wird da die herbsten Urteile über das 
Hofleben in grofser Anzahl antreffen. So z. B. (III, 1, 33): 

»Ein Hofemann. 

Wer redlich ist im Hertzen und mit dem Munde frey, 

Der wisse, dafs bey Hofe behaglich er nicht sey. 

Wie man ihm vorgesaget, so sagt der Papegey; 

Drum wer daselbst will gelten, der trete diesem bey.« 
Tnd Logau ist selbst Edelmann und hat als Beamter das Hofleben 
kennen gelernt. 

Es kann daher nicht befremden, dafs bei zahlreichen Schriftstellern 
des 17. und 18. Jahrhunderts sich Äufserungen über die Gefahren des 
HoQebens finden. Weiter auf diese Fragen einzugehen, mag anderen 
überlassen bleiben; es sei hier nur auf ein auch sonst für die Sitten- 
geschichte interessantes Buch hingewiesen, Johan Lassenii, SS. Theol. 
Doct., Frucht-bringende Gespräch-Spiel etc., Franckfurt 1686. In der 

•) BaJtasar Gracian (f 1668), L'homme de cour. 5me Edition. Ä la Haye 1701. 



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192 III. Die Erziehung der Kinder. 

dritten Unterredung bringt er da eine Menge Bemerkungen über das 
Hofleben. Unter anderen äufserte er sich (S. 144), »was aber die Höf- 
linge und all die zu Hoff dienen .... belanget, daucht mich, dafs selbige 
unter allen andern in einem hochgefährlichen Stande leben, dann ob 
dieselbe gleich offtermahls nach langen Bemühung und viel Geschenck 
geben, welche doch heutiges Tages der Schlüssel zu allen Thüren seyn, 
weil der Dativus heutigen Gebrauch nach alleweil bey dem Accusativo 
und Vocativo seyn mufs .... einige Gunst und Gnade bey- einem vor, 
nehmen Herrn erhalten, so müssen sie sich doch wiederumb befürchten, 
dafs so geschwind sie gestiegen, so geschwind sie auch wieder fallen 
können und dafs vermittelst der vielfältigen Angeber und Verläumbder, 
deren es zu Hoff überaus viel giebet, da immer einer den andern aufs 
dem Sattel seiner Wohlfahrt zu heben gedencket«. 

In Dresden ist 1685 ein Werk erschienen >> Galante Nacht-Gespräche , 
in dem auch von den erforderlichen Eigenschaften der Hofleute die Rede 
ist. Es versteht sich ganz von selbst, dafs er adlig ist (S. 53 ff.) — die 
Begründung dieser Behauptung ist überaus interessant — , dafs er ein 
schöner Mann ist, wohlgestaltet und hübsch von Gesicht (S. 57), unter- 
haltend (S. 242), gebildet (S. 144), musikahsch (S. 152), er mufs auch 
etwas von Malerei verstehen (S. 169) u. s. w.^) 

Die Hofdamen aber werden in demselben Buche gleichfalls aus- 
führlich geschildert. Über die Leibesübungen derselben ist man nicht 
einer Meinung; der eine glaubt, »dafs unter denen Leibesübungen das 
Fechten, Reiten, Ballspielen, Ringen, Voltisiren und viel andere denen 
Mannspersohnen zukommende Exercitien dem Frauenzinuner übel an- 
ständig und unziemUch seyen«, sein Gegner findet nichts dabei, dafs auch 
die Damen an der Lust des Ballschiagens, Fechtens, Reitens, Jagens 
teilnehmen (S. 436). Allein beim Tanzen soll sie nicht »alzu gaillarde 
gezwungene und grosse Sprünge« machen, nicht alle Instrumente, z. B. 
die Trommel, Schalmei oder Trompete brauchen (S. 437), dagegen mufs 
sich die Hofdame passend und geschmackvoll kleiden (S. 438). Merk- 
würdig erscheint die Vorliebe des Autors für die dunklen Kleider. Der 
Anzug soll nicht »gackeüch und pralich seyn ; Dahero halte ich an denen 
Kleidern die schwartze Farbe vor die annehmlichste und wann gleich 
die Färb nicht schwartz, dafs sie doch zum wenigsten auf eine Duncke- 
lung komme« (S. 251). 

Überall aber fehlt es an dem nötigen (Jelde. Und trotz alledem 
soll der vornehme Haushalt, die luxuriöse Lebensführung fortgesetzt 
werden; das ist man seinem Stande schuldig. Es handelt sich immer 
darum, Geld zu schaffen; auf das wie kommt es nicht an, sobald die 
Schulden schwer drücken. Daher die Bestechlichkeit und so viele andere 
Sünden jener äufserlich so glänzenden Zeit. Die beständige Geldnot, 

») Über 'das Hofwesen vgl. Franc. Phil. Florimis, Von grossen Herren Stands 
und Adelichon Haushaltung insgemein etc. Nürnberg 1716 (auch in dem »Adelichen 
Hausvatterc". Nürnberg 1751. Teil ü). — Von L, v. Seckendorf, Teutscher Fürsten- 
Stat. Frkf. 1660. — J. Bemh. v. Rohr, Einl. zur Ceremoniel-Wissensch. Beri. 1729. 



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a) An Fürstenhöfen. 193 

mit der die höheren Stände fast ausnahmslos zu kämpfen haben, erklärt 
80 manche Erscheinung jener Zeit. 

Geld will man um jeden Preis. Ob ein Schatzgräber verspricht, 
mit dem so wirksamen Christophgebete den Teufel zu zwingen, dafs er 
die Stellen, wo Geld und Geldeswert vergraben, anzeige, ob ein Gold- 
macher erscheint und die Kassen mit Gold zu füllen sich anheischig 
macht, immer findet er Glauben und Leute, die ihre pekuniären Mittel 
ihm zur Verfügung stellen. 

Die Alchymie^), deren Anfänge bis ins Mittelalter zurückzuverfolgen 
sind, hat gerade seit dem 16. Jahrhundert, zxmial bei den Herrschern, 
die bereitwilligste Förderung gefunden, versprach sie doch nicht nui 
miedles wohlfeiles Metall in kostbares Gold zu verwandeln, sondern auch 
den Leib zu verjüngen, das Leben zu verlängern.^) 

Kaiser Maximilian I. riet 1510 einem Schweizerischen vom Adel, 
er solle sich mit der Alchymie nicht einlassen. »Er solte abstehen, denn 
auch er, der Kayser, hätte viel darauff gewendet, wäre aber dieser 
Kunst zu arm.«') Johann Werner Freiherr von Zimmern (f 1493) büfste 
bei den Versuchen viel Geld ein.^) 1586 trat in Freiburg im Erzgebirge 
ein Alchymist, Franz Brunner, auf, der einige Bürger um ihr Geld 
brachte und rechtzeitig mit dem Raube entfloh. Schlimmer erging es 
dem Goldmacher Georg Honauer, Herrn von BrünhofE und Grobschitz 
aus Mähren, 1597. Er hatte dem Herzog von Württemberg zwei Tonnen 
Goldes abgenommen, entfloh, wurde gefafst und in einem Kleid aus ver- 
goldeten Fellen an einen vergoldeten Galgen gehängt^), wie dies noch 
1709 mit dem Grafen Ruggiero in Berlin geschah. 

Zähllose Fürsten, aber auch eine Menge von Privatleuten haben 
ihr Geld solchen Versuchen geopfert. Nur der eine, Joh. Friedr. Böttger, 
hat zwar nicht Gold zu machen verstanden, aber doch durch die Er- 
findung des Porzellans seinem königlichen Herren einen bedeutenden 
Gewinn zu schaffen gewufst. 

Geldnot imd Geldgier ist die Triebfeder zu. allen diesen abenteuer- 
lichen Versuchen, wie sie auch der Anlafs zu so vielen Giftmorden 
wurden. Gift spielt seit dem 16. Jahrhundert eine überaus grofse Rolle; 
starb eine vornehme hochstehende Persönlichkeit eines unerwarteten 
Todes: sofort vermutete man eine Vergiftung. Und die Geschichte der 
Marquise de Brinvilliers wie mancher anderen Giftmörder beweist, dafs 
m der Tat solche Verbrechen keineswegs zu den Seltenheiten gehörten. 
Immer aber wollen die Mörder Geld, viel Geld mit ihrem Verbrechen 
sich verschaffen. Wer kein Geld hatte, der verschwand aus der ange- 
sehenen Gesellschaft oder spielte in ihr nur noch die Rolle des zweifel- 
haften Abenteurers oder des Schmarotzers. 



^ Löwinstein, Die Alchimie und die Alchimisten. Berlin. 1870. 
*) Üher den Stein der Weisen. S. Kuriositäten III, 18 ff. und 23 ff. — Über Alchemie. 
Ebend. VI, 103 ff. X. 146 ff. 

») Zeitvertreiber (1685). S. 142. 

*) Zimm. Chron. I, 594. 

») Zeitvertreiber (1686). 8. 141. 

BchQlts, Das bänsUche Leben im Mittelalter. 13 



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194 ni. Die EraiehunK der Kinder. 

Es hatte viel Mühe gekostet, auch der höheren Gesellschaft wieder 
gute Manieren beizubringen. 

Die verschiedenen gereimten Chastiements des Dames, besondere 
.das des Robert de Blois, die Ratschläge der Winsbekin, des Francesco 
Barberino Reggimento di Donna geben den jungen Mädchen des 12. und 
13. Jahrhunderts Anleitung zum schicklichen Benehmen, wie im 15. Jahr- 
hundert das merkwürdige vom ChevaUer de la Tour Landry ^jpour 
l'enseignement de ses fiUes« verfafste Erziehungsbuch ^) allgemein ver- 
breitet wurde. Eine deutsche Übersetzung erschien 1493, durch Marquard 
vom Stein besorgt; bis 1682 ist das Werk elfmal in Deutschland auf- 
gelegt Worden. 2) Auch die vielen Romane des Mittelalters, französische 
wie deutsche verfolgten nebenher auch didaktische Zwecke. Im Anfang 
des 15. Jahrhunderts vollendet Hans von Vintler seine Pluemen der 
Tugent, eine Übersetzung der Fiori di virtü von Tomaso Leoni (c. 1320)'); 
für junge Männer boten die Lehren des Winsbeke sowie die in Frei- 
danks Bescheidenheit niedergelegten Lebensregeln eine Quelle zur besseren 
Lebensauffassung. Anstandsiehren gibt schon Petrus Alfonsi (t 1105) in 
seiner Disciplina Clericalis, dann folgt Reineri Phagifacetus, die vielen 
A^erschiedenen Tischzuchten, Tanhausers Hofzucht, die Bemerkungen im 
Wälschen Gaste des Thomasin von Zerclaere (t c. 1228).*) 

Li den ersten Jahrzehnten nach etwa 1200 war wirküch ein Anfang 
zu feinerer Gesittung in Frankreich wie in Deutschland gemacht, aber 
schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist ein merklicher 
Rückschritt wahrzunehmen, der aus den politischen Verhältnissen ja 
leicht sich erklären läfst; die besseren Verkehrsformen aber bleiben von 
dieser Zeit an nicht ausschliefsliches Eigentum des höheren Adels, sondern 
werden Gemeingut, an dem der Kleinadel und der bessere Bürgerstand 
nun auch seinen Anteil erhält.^) Schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts 
wurden die schlechten Manieren der Zeit in Satiren lächerhch ge- 
macht. Man erfand einen besonderen Heiligen für die Flegel, den 
S. Grobianus, dessen Namen schon von Sebastian Brant erwähnt wird. 
Friedr. Dedekind (f 1598) veröffentlichte zuerst 1549 seinen Grobianus, 
De morum simplicitate, ein Werk, das, von Caspar Scheidt (f 1565) 
übersetzt und vennehrt (1551), viele Auflagen erlebte.®) Aber Guarinoniu^ 



') Hgj?. von A. de Montaiglon. Paris. 1854. 

*) Vgl. Goedeke, Grundrifs etc. »I. 352 ff. 

») Ebend. I. 291. 

*) Höf. Txjben. «I. 429 ff. 

«) Vgl. K. Goedeke a. a. 0. U. 455 ff. 

^) Für das 17. Jahrhundert bestimmt ist die Tischzucht von Conrad Meyer. 
1645. (Flieg. Blatt, s. Kulturg. Bilderb. IV, N. 2177. — C. Fr. Caffo, Der berühmte Hoff- 
Meiflter, welcher in einer durch Frag und Antwort sehr leichten und manierlich-gründ- 
lichen Anweisung die Adelichen und Andere nach Lob und Ehr strebende Jugend ta 
aller Höfflichkeit und gutten Sitten unterrichtet. Aus dem Französischen. (M. Tit4?l- 
kupfer.) Augsb. 1694. 

Die Kunst zu leben. In xv. Abtheilungen kurtz und nachdrücklich yoigestellet- 
Lüneb. 1698. 

Aus dem Beginne des 18. Jahrhunderts rühren die folgenden Komplimentier 
bücher her: 



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a) All Fürstenhöfen. 195 

spottet doch über »unsere leicht und krumsinnigen Hofi- unnd Jungfraw 
Knechten, so den Tag und die Nacht nicht änderst als die gestutzten 
wütenden Hund alle Winckel und Gassen auff und ab hin und herwider 
lauffen, beyderseits Fenster aufsgaffen und göcken, jetzt dieser Hoff- 
und Anstrich-Docken bald der andern das leichtfertig Hütel jucken, jetz 
da ein basa las manos, bald dorten eins machen«.^) Besonders ergötzlich 
ist seine Schilderung des unwiderstehlichen Modehelden.^) 

Zur höheren Bildung gehört dann : dafs Männer wie Frauen einen 
dem Zeitgeschmacke genügenden Brief zu schreiben vermögen. Füi 
Geschäftsbriefe hat man von altersher die Formelbücher als Vorlagen 
benutzt. Seit dem 15. Jahrhundert sind dann zahlreiche Briefsteller 
veröffentlicht worden.^) 

Es war notwendig, bei der Titelsucht, die in jener Zeit sich 
so merkwürdig entwickelt, inuner sich Rat erholen zu können, welches 
Epitheton einem jeden Stande von rechtsWegen zukomme.*) Der Tage- 
löhner hat Anspruch darauf der, »arbeitsame*, der Soldat der »mann- 
hafte« genannt zu werden und so hat jeder Stand bis zu den höchsten 
das Recht, gewisse Titulaturen und Curialien zu fordern.**) 

Gomplimentierbüchlein nach der neuesten Art und dem wahren Wohlstand ein- 
);ericbtet Gedruckt in diesem Jahr (17 . . . ). 

Auserlesene Complimente, welche unter galanten Leuten beliebet werden. 
Deutsch und französisch. Hamb. 1722. 

Moralische Anweisung für junge I^ute, wie sie sich im Bürgerlichen Leben 
allenthalben ^ol aufführen sollen. Deutsch a. französisch. Hamb. 1722. 

Menantes (C. F. Hunold). La civilit^ moderne oder die Höflichkeit der heutigen 
Welt. Nach der neuesten Französischen Edition übersetzt von Menantes. Hamb. 1724. 
(K. Mouton, La civilit^ moderne etc. Hamb. 1744.) 

Neues Complimentier und Sittenbuch nebst einem Trenchier-Büchlein. 2. verm. 
Aufl. Nordh. 1730. 

Graf, Der höfliche Schüler, wie er sich in der Schule, zu Hause, in der Kirche, beym 
Besuche etc. höflich und geschickt aufeuf Uhren hat. M. 1 Kpfr. 4. Aufl. Augsp. 1751. 

») S. 62. 

») S. 275. 

■) Der älteste deutsche scheint der von Anton Sorg in Augsburg 1484 gedruckte 
zu sein. Im 16. Jahrhundert erschien in Köln, 1565, H. Fabris »Gülden Epistel- 
büchlein etc.€, in Frankfurt, 1590, das >Neu vollkommen Canzlei- und Titelbuch«. 

*) Christoph Platt-Eifs, Der Politische u. kurtzweilige Stock-Fisch (Fröhlichs-Burg, 
1723) S. 147 : Da man schrieb den Erbam und Frommen, da war alles wohl zu be- 
kommen : da man schrieb den Edlen und Vesten, da gab es noch was zum besteh : 
Jetzt da man schreibt dem IIoch-Edelgebohmen, ist Ehre, Lieb und Treu verlohren. — 
Von 1590 bis 1790 hatten die Anreden an Adlige gelautet: Edler, Wohledler, Hoch- 
wohledler, Hochedler, Wohledelgebomer, Hochwohledelgebomer, Hochedelgeboren, 
Wohlgebomer, Hochwohlgebomer. Der Geistliche hatte zu beanspruchen die Titulatur : 
Würdiger, Ehrwürdiger, Wohlehrwürdiger, Hochwohlehrwürdiger, Hochehrwürdiger, 
Hochwürdiger. (Vulpius) Kuriositäten H, 88. — Vgl. J. B. v. Rohr; Ceremonialwiss. 
n. T. IV. Kap. V^on Titulaturen. — Der Grosse und eingebildete Titul-Mann etc. Leipz. 
u. Dresden, 1690. 

*) Aus dem 17. Jahrhundert habe ich mir notiert: 

A. Moller, Viridarium epistolicum, das ist ein Lust-Garte vieler mit anmuhtiger 
Worteierlichkeit und edlen Red-Arten jetzt beliebten Styli nach eingekleideten Send- 
schreiben etc. etc. Magdeb. 1655. 

Der deutsche Secretarius, d. i. Titular- und Formularbuch, enthaltend Ehrentitel^ 
Preundschafts-, Klag-, Liebesbriefe. Nümb. 1656 (1674). 

13* 



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196 ni. Die Erziehung der Kinder. 

Einen wohlerzogenen Mode-Jüngling schildert ein Unterhaltungs- 
buch, das gegen 1740 veröffentlicht wurde, folgendemxafsen^): i^Gleich wie 
nun diejenigen Pursch-Pflänzler und Gassen Tretter dem Frauenzinuner 
wegen ihres zärtlichen Kinder-Gesichtes nicht allezeit gefallen, so seynd 
auch ihre wunderliche, närrische, ja fast übemärrische Geberden und 
Kleider-Tändeleyen einem verständigen und klugen Weibs-Bild gantz 
unangenehm; sie hupffen hin und wieder wie die Affen, wenn sie eine 
Weibs-Person erblicken, bald setzen sie in dem Stehen den lincken bald 
den rechten Fufs vor und drehen sie so weit auf die Seiten, dafs sie 
allerdings aus den Knye-Schüsseln springen möchten. Bald zieBen an 
dem Peruquen-Zopff,*bald sehen sie nach der Sack-Uhr, bald langen sie 
nach der Taback-Dose, ziehen auch bifsweilen den Spiegel hervor um zu 
schauen, ob sie ihre vorige Farbe noch haben, bald spielen sie mit ihrem 
Stock, bald mufs der Zahn-Störer hervor gelangt seyn, bald das Schlag- 
Wasser oder Balsam-Büchsel ; under der Zeit aber ziehen sie die Schuh- 
Bürsten hervor und kehren den Staub von den Schuhen hinweg, bald 
kratzen und zopffen sie die Wartzen an den Händen und was dergleichen 
Narr- und Thorheiten noch mehr seyn . . , Weiters von den Nacht- 
Musicen zu schreiben gereichen solche dem Frauen-Zimmer vielmehr zu 
Schaden und Verdrufs als zur Lust und Ergötzhchkeit.« 

Fr. de Malherbe, Le secr^taire de la cour ou la mani^re d'escrire selon le temps. 
Paris. 1627. 

J. H. Äfeichfsuer, Hoch oder gemainer Teutscher Nation Formular, AlleD 
Secretarien, Statt-, Gericht-, auch Houe- oder Cantzleyschreibem etc. nothwendlg. 
Frkf. 1663. 

Franz, Neuau^erichtete Liebes-Cammer. 1679. 

Brief-Verfassungs-Kunst. Nürnb. 1682. 

Schröter, Sonderbares Briefschränklein, Lpz. 1690. 

Le Secr^taire des amans ou ta maniöre d'^crire avec justesse sur difFerens sajets 
par ••• gentiltiomme ä la cour de France. Amsterd. 1695. 

Talander (Bohse), Gründliche Anleitung zu teutschen Briefen. Jena. 1700. 

Le secr^taire des demoiselles, contenant des billets galants avec leurs reponses. 
La Haye.;i709. 

Menantes, Die allerneueste Art höflich und galant zu schreiben oder auserlesene 
Briefe. 4. Aufl. Hamb. 1710. 

Handleitung, nützliche und nothige, wie man sich in der Conversation, auf 
Reisen, in Briefen und Einrichtung der Geschäfte verhalten soll. 5. Aufl. Halle. 1712. 

B. Neukirch, Anweisung zu Briefen. Lpz. 1727. 

J. G. Neukirch, Fundamente zu teutschen Briefen nach dem heutigen Stylo 
Curiae. Halle. 1730. 

Geliert, Gedanken von einem guten deutschen Brief. Lpz. 1742. 

Junker, Wohlinformierter Briefsteller. Lpz. 1746. 

Dazu gehören: 

Anbind- oder Fang-Brieffe, das ist : Glückwünschungen auff etlicher so wo! Weibfl- 
als Mannspersonen Ehren-, Namen- und Geburtstage. Durch Lycosthenem Psellionoros 
Andropediacum. O. SO. 1628. 

A. !^ller, Binde^Lust und Namen-Freude, das ist ein artlich und kurtz abge- 
fasstes Büchlein, darinnen uff alle, so wol Mann- als Weibs-Personen, gemeingebraach- 
lich und im Jahr-Buuch (I) befindliche Tauf- und Vornahmen mancher art emsthafft and 
lustige Gedichte zu finden. Magdeb. 1656. 

Allerley in einem Sack. Augsb. . . . September. S. 22. 



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a) An Fürstenhöfen. 197 

Gehörte ein junger Mann einer angesehenen, einflufsreichen Fa- 
milie an, so brauchte er um sein Fortkommen sich keine Sorge zu 
machen. Die Söhne des Hofadels^), die der reichsstädtischen Patri- 
zier, erhielten Amter und rückten mit der Zeit in besser dotierte 
Stellen vor. 

Heiratete gar einer die Geliebte einer einflufsreichen Persönüchkeit^), 
so war sein Vorwärtskommen völhg gesichert, denn solche Gefälligkeiten 
wurden auch bürgerhchen Personen gern dankbar vergolten.^) 

Nur in den seltensten Fällen standen die Einnahmen und die 
Ansprüche der Fürsten wie des Adels in einem erfreuHchen Verhältnisse. 
Es ist das ein Übelstand, der schon im frühen Mittelalter vorhanden ist, 
aber in den späteren Jahrhunderten sich immer mehr fühlbar macht. 
Die Erträge der Güter, das Einkommen von Beamtenstellen, die Ein- 
nahmen der Fürsten, sie reichten nicht aus, den Luxus zu gewähren, 
den zu zeigen, wie die Leute glaubten, sie durch ihren Stand ver- 
pflichtet waren. Und damit war nach der Meinung der vornehmen Ge- 
sellschaft des 16. bis 18. Jahrhunderts noch lange nicht genug geschehen: 
Jeder wollte vielmehr über seinen Stand hinaus glänzen und die Auf- 
merksamkeit auf sich lenken. 

Der BürgerUche kauft sich einen .Adelsbrief, und so wird aus einem 
Wagner, aus einem Müller, ein von Wagegem, ein von der Mühlen.*) 
Jeder will für mehr gelten.^) 

Und doch waren kaum jemals die Zeiten weniger zur Verschwen- 
dung angetan. Der Adel war schon im 16. JahrEundert, Ausnahmen 
hat es natürlich gegeben, keineswegs reich; Kleider, Wohlleben aller 
Art kosteten viel Geld, die Trunksucht trug das ihre dazu bei, dafs die 
Verhältnisse immer mehr zerrüttet wurden.®) Die Verwüstungen des 
Dreifsigjährigen Krieges haben zahllose Gutsbesitzer zu Grunde gerichtet; 
viele FamiUen sind gänzhch verarmt, andere um einen beträchtüchen 
Teil ilires Wohlstandes gebracht. 

Wenn die Männer vom Adel das Ihrige vertan oder verloren hatten, 
dann zogen sie wohl bei ihren Freunden herimi und brandschatzten sie. 
Nach dem Dreifsigjährigen Kriege wurde die Krippenreiterei geradezu 
zu einer Landplage.*^) Es gibt da ein ziemüch seltenes Buch, das um 
1660 — 90 erschienen sein mag (24 S. inkl. Titel): 



») Hofkleider (livr^e), s. Kurios. VII, 57 ff. 

') Alltagsleben etc. 245. 

') G. Slevogtii, De vocatione ad pastoratum sub conditione matrimonii, von der 
Vocation unter der Schürtze. Lips. 1739. 

*) Moscherosch. a. a. 0. S. 39 ff. 

») Ebend. S. 44 ff. 

®) Seb. Franck, Weltbuch fol. xlv^: Danimb ist der Adel fast aller, wie er yetz 

im Bchwanck geht, ein Überbliben stuck der Heydenschafft, von unsem altem auff uns 

geerbetj da nicht ist dann ein rennens, Stechens, tumierens, einen schilt stamm und 

. nammen hoch auffwerffen, spüens, kriegens, hetzens, herrschens, müssiggeens, über- 

maot treiben etc. 

^ Friedr. v. Logau, Sämmtl. Sinngedichte ; hgg. v. G. Eitner. Tübingen. 1872. 
Z. D 47 (S. 641) : 



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198 M. Die Erziehung der Kinder. 

»Ein kurtzer und kurtzweiliger Abdruck Der Edlen Wurst-Zapffen 
oder Krippen-Reuterei, EntworfEen durch Biberium von Schmecksbrattel, 
Erbherr auf Fressenau im Frifsländischen, Einen NahmhafEten Mitglied 
der Zechbrüder und Wurstgenossen. Verlegte Jemand zu Irgendswo, 
gedruckt daselbst unter der Prefs in diesem Jahr.« 

Der Verfasser sagt (S. 11): :&darumb nennet man eben derley Bettler 
insgemein Exequirer oder Böhmische Lezacken ... In Böhmen gibt 
es Kobylarzen zur Genüge ... In Mähren . . . heisset man sie Fat- 
karzy. In Österreich ebenfalls ... In Schlesien hat es der Schweuck- 
feldischen Schwärmer ein unsäghche Anzahl . . . (S. 12). In Sachsen 
und der Laufsnitz sind die so daselbst genannte Umreuter unzahlbar. ^ 
Und diese Leute zeichnen sich aus durch eine unglaubüche Gemeinheit, 
durch Saufen, Spielen, Speien, Zotenreifsen. (S. 14.) «Zugeschweigen das 
Huren und Buben gilt auch ; mitten im (S. 15) Tantzen löschet man die 
Lichter aus, kaum in einer Stund läfst man sie wiederum anzünden, 
unterdessen auf gut Platonisch, Plutonisch wolt ich sagen, wiedertäufferisch, 
wer hats getan? Wer ist der Vater?« 

Wenn ein Gutsbesitzer ganz kahl gezehrt ist, geht er mit seinem 
Einlager zu einem anderen Herzbruder. Oft nehmen sie Weiber, Kinder, 
Gesinde mit. (Dieses Überfallen der Freunde war noch im 19. Jahr- 
hundert in den polnischen Landstrichen ganz gebräuchüch.) >Es hat sich 
warhafftig zugetragen, dafs gewisse geschworne Ober- und Ertz-Wurst 
Reuter sich haben zusanamen gesetzet, sechs gantzer Ta^ nach einander 
gefressen und gesoiEEen; unter dem Tisch stund ein Schaff zimi hinein 
bruntzen, ob dem Tisch aber waren vor jedweden Krippen-Reuter ge- 
raume Schüsseln, nichts anders als Krippen, zum einspeyen ; die Sesseln 
. sind Nachtstühle gewesen; umb dafs die ins Zimmer hinein scheinende 
Sonne nicht über der UnmenschUchkeit ein Deliquium oder Ohnmacht 
bekäme, wurden die Fenster mit dicken Tüchern verhangen, und söffe, 
fartzete, schiesse, seichte, speyete man in die Wette ; der Garstigste war 
der Schönste.« 

So arg mag es im übrigen Deutschland nicht zugegangen sein. 
aber auch da waren die Sitten seit dem grofsen Kriege verwildert. Die 
UnmäXsigkeit war aller Orten anzutreffen, wenn sie sich auch nicht so 
roh äufserte. Noch 1710 erschien die »Renovirte imd vermehrte Ald- 
modische Hobel-Banck, oder Lustig und Sinnreicher Discurs zweyer ge- 
reister Adels-Personen: Worinnen sie die groben Sitten, Ehr-Sucht. 
falsch-gemeynte Complementen, Bücher lesen, Kinder-Zucht etc. so heu- 
tiges Tages bey vielen ungewanderten Frantzös. Teutschen in vollem 
Schwang gehen, zimlich überhobeln. Deme noch beygefügt ein karte 
verfafster Grobianus durch Expertum Waarmund. Gedruckt 1710. 

Es ist ein Volck, das seine Pferd an fremde Krippe bindet, 
Dafs sich' bey fremden Feuer wärmt, zu fremden Teller findet, etc. 
und Z. D. 48 (S. 641): 

Scythicus führt keine Sorgen, lebet immer in den Tag; , 

Nein, er sorgt defs Morgens ängstlich, wo er den Tag nehmen mag 
Für den* Hund, für sich, für Pferde sam dem Knechte den Verlag. 



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b) Im Bürperhause. 199 

b) Im BUrgerhause/) 

Manche Ehen waren reich mit Kindern gesegnet. Ulrich Schwartz 
in Augsburg (t Nov. 1519) hat 32 Kinder gehabt, dazu noch 5 ledige; 
20 eheliche Kinder überleben ihn (Wilh. Rem). In Dresden hatte Hiero- 
nymus Merbitz (t 1554) mit 2 Frauen 29 Söhne und 4 Töchter (Wenck, 
Dresden 541). In Breslau starb am 10. Mai 1550 Niklas Uthmann, 
Vater von 28 Kindern (Nie. Pol, Hemerol.). In Stettin in der Jakobs- 
kirche sah Phil. Hainhofer (Reisetageb. 1617. — Balt. Stud. II. 2. S. 48) 
das Grabmal des Peter Eckstede (t 29. Juni 1551) und seiner Frau 
Margaretha Pyhlfs (t 25. Febr. 1570), die 12 Kinder geboren, 78 Enkel, 
41 Urenkel, also 131 Nachkommen gesehen hatte.^) 

So lange die Kinder klein waren, liefen sie im Hause zur Sommers- 
zeit bei mildem Wetter wohl unbekleidet herum. Andreas Hoppenrod 
tadelt diese Sitte aufs strengste : »Wenn die Kinder klein und unerzogen, 
lassen sie die Morgens und Abends etliche Stunde (und bisweilen eben 
grosse Kelber) nackend und blofs durch einander lauften, das sie also 
jung der schamhaftigkeit und zucht entwöhnen.«^) Der nackte kleine 
Bube auf dem Holbeinschen Votivbilde der Familie Meyer (Darmstadt), 
das Bildnis eines nackten auf dem Steckenpferde reitenden Knaben aus 
der Familie Platter (Basel) liefern den Beweis, dafs die von dem Sitten- 
prediger gerügte Sitte tatsächlich geübt wurde. 

>Die klein Madel (Magdalena), eins yars und 4 monet alt . . . 
sy ist so fisierlich (niedlich) wie ein afla, laufft im wagen; hof, sol 
bald allein laufen im monet oder zbeyen. Wie ein afla (Äffchen), lauft 
noch nit gar allein, an pendern. c (B. Paumgärtner, Briefw. 197, 208.) 

Sobald die Kinder älter wurden, bekamen sie auch Kleider nach 
dem Schnitt der Erwachsenen. Für den kleinen Balthasar Paumgärtner 
bittet die Mutter den Vater »ein klein saubr hüttle von fültz« beim 
Barettmacher zu kaufen (Briefw. S. 97), dann einen »sammaten beuttl, 
2 bar schuch unnd ein rott gestricktt bar stimpf (Strümpfe — S. 103). 
Als der Junge 1591 etwa 7 Jahr alt ist, schickt die Mutter an ihren 
Mann das Mafs zu einem Wams nach Lucca ; es soll schwarz sein ; zwei- 
farbige hat er schon Das Jahr darauf schreibt sie »Dem Balthafsle hab 
ich vor datto von den trümmer (Resten), so ich wolfayl kaufft hab, ein 
weyfs, sag weis attlases wammas, doch von schlechtten attlas unnd ein 
bar saflorfarb Kleinblomen damast gallotten hosen schneyden lassen ^< 
(S. 160). 

Schlimmer war es, was man den Eltern zum schweren Vorwurf machte, 
dafs sie die Kinder zu viel den Dienstboten überliefsen. »Zu dem findet 
man Eltern, die ihre Kinder unzüchtige oder doch zum wenigsten un- 
tüchtige Lieder, Reime, Retzel und Märlin lehren, die mit inen üben 
und treiben oder es doch inen und dem Gesinde gestatten zu hören, 
mit lachen und es inen gefallen lassen. <r. j>Da, lefst man Knecht und 

») P. G. Molmenti, La vie privee ä Veniöe. (Ven. 1882) p. 450 if. 

«) (Vulpius) Kuriositäten I (Weimar 1811), S. 368 u. 674. 

^ Hurenteufel (Theatrum diabolorum. Frankf. a. M. 1565, fol. CCCLlIa). 



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200 in. Die Erziehung der Kinder. 

Mägde und Kinder alles zusammen gehen, man gestattet inen auch 
allerley gemeinschaft, böse geschwetz, fabeln, Narreteidung, märlen mit 
einander reden, ja zusammen und alleine Haufsarbeit aufsrichten; darauÜB 
entsteht dann mancherley unrath.^)« Da ist es kein Wunder, wenn 
Guarinonius (S. 188) klagen kann: >"Was singen aber die Christen fander? 
Was? Erst neulich höret ich ein wohlgezogenes Vögele, einen feinen 
Knaben, an einem Ort auff der Gassen ein Gesetzlein aufs einem Lied 
singen, dessen Anfang ich nicht weifs, das hiefs also : Da zog er ihr das 
Hembdle ab. Jungfraw wolt ihrs thun, ja wol thun? Ich will zuvor 
mein Mütterle fragen, Rath sie mirs nicht, wills dannoch wagen, Also 
wil ich ihm thun, ja wohl thun.« 

Was aber die Mägde mit den Kindern für Scherze trieben, davon 
erzählt Hermann Weinsberg ein bezeichnendes Beispiel. Er war damals 
(1528) zehn Jahr alt.2) 

Die Schule^) trug eher dazu bei, den Grund zur Unsittlichkeit zu 
legen. »Ist aber das nicht bekannter grober Unverstand und unscham- 
barer Grewel vieler der Pedanten, zu denen beyder geschlecht« Jugend, 
Knaben und Mägdlein, in die schul gehen, dafs sie die Knaben vor den 
mägdlein und die mäglein vor den Knaben entblössen und abstreichen ?c 
(Guar. 241.) 

Denn geprügelt wurde in der Schule, wie dies von altersher 
Brauch und Herkommen war. ȟnder andern kan ich selbsten, nicht 
allein mit Worten, sondern auch mit Wortzeichen gut Zeugnifs geben, 
allda ich von dergleichen einem (Schultyrannen) mit einer geisel, so drey 
lideme dicke schneidende Riemen gehabt, nicht ein, zwey, zehn oder 
zwantzig, sondern wol über die 50 mahl im sibenden und achten (da- 
mit ich defs sechsten geschweige) Jahr meiner Kindheit dermassen ge- 
geiselt worden, dafs mir tiefte Löcher in das fleisch hineingehawen und 
aufs meinem Hemmet zerhawnen fleisch und underflossnen Blut ein 
Zelten worden und in einander gebacken, dafs ich noch gehen noch 
sitzen können, welche Zeichen und Masen ich noch heut an meinem 
Leib trage« (Guar. 246). 

Wie diese Prügelstrafen in Szene gesetzt wurden, berichtet uns Lucas 
Geizkofler in seiner Selbstbiograhpie 1550 — 1620 (hgg. v. Adam Wolf, 
Wien 1873). Er erzählt da (S. 25), dafs an der Stadtschule zu Sterzing 
sich arme ^schüeler, Schüzen genannt«, mit Singen erhalten haben, 
und dafs einer am Donnerstag Bratwürste bekommen, von denen er den 
Rest am Freitag (dem Fasttage) gegessen hat. Der Lehrei war »also 
erzürnt, dafs er ihn mit hilf der andern Schüzen an banden und füfsen 
gebunden und mit Ruten so lange streichen lassen, bis dafs man das 
Veni Creator spiritus (welche weise auch bey vielen andern Schuel- 
meistern im Papstumb nit ungewöhnlich war) über in gesungen und das 
bluet herabgerunnen . . . und weil man vielleicht dafür gehalten, es sey 
dem Sixto das Veni creator zu seiner straf zu kurz gewesen, hat man 

») Ebendas. Fol. GCCLnja. 

«) Buch Weinsberg, I. 57. 

^^ Alfr. Franklin, La vie priväe d'autrefois — J^oles et Colleges. Paris. 1892. 



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b) Im Btirgerhause. 201 

Über sie das Salve regina gesungen, auf dafs, so lang man sie mit rueten 
hauete und peinigte, man ir weinen, heulen und schreyen wegen der 
Schueler lautem und stetem gesang gegen die gassen nit hören möchte« 
(etwa 1560). 

Ganz dieselbe Schilderung entwirft uns hundert Jahre vor Geiz- 
kofler von dem Treiben in der Stadtschule zu Miltenberg am Main der 
spätere Prior von Laach, Johannes Butzbach. Prügel gehörten einmal 
zur Erziehung, ja selbst Studenten bekamen noch körperüche Strafen. 
Als 1504 der 19 jährige Wilhelm Werner, Freiherr von Zimmern, die 
Universität Tübingen bezieht und der Obhut des Dr. jur. Endras Urostei 
anvertraut wird, bei dem er wohnt und in Kost ist, fragt der Pensioüs- 
geber »ganz spotÜich« : »Darf man auch in schlachen oder mit ruten 
streichen, da ers beschuldt?« Das wird nun allerdings in diesem Falle 
verneint. 

Auch auf dem bekannten Schulmeisterschilde von Hans Holbein d. J. 
1516 (Baseler Museum) fehlt weder bei dem Lehrer noch bei der Lehrerin 
die Rute.^) Die Darstellungen einer Knaben- und Mädchenschule, die 
Abraham de Bosse (1610 — 78) stach, zeigen gleichfalls die Rute; wenn 
aie auch nicht angewendet wird, hat sie doch der Schulmcfister in der 
Hand, die Lehrerin handrecht neben sich liegen.^) 

Trotz der Strenge, die zuweilen bis zur Roheit ausartete, wie z. B. 
der Vater des Barth. Sastrow einmal mit dem Messer oder Beile nach 
dem Sohne warf, trotz dieser gelegenthchen Härte der Erziehung im 
Hause wie in der Schule, erfreuen sich die Kinder doch vieler Freiheit 
und Unterhaltung. 

Mit Schiffchen aus Papier (Fischart, Geschichtski. 198), Flinderle- 
steckler und Fernen dran ein Windspiel von den Flügeln einer Wind- 
mül aus Francken« (ebend. 202). Steckenpferden (ebend. 203 ff.) spielen 
die Knaben. Er hat »ein bagelgin ader klein armborst^^. Barth. Paum- 
gärtners Sohn bekommt erst ein ^sammate beuttle<. (Briefw. S. 102) 
dann wünscht er sich »ein kleins pferdla« . . . mit Kalbshaut überzogen 
(S. 110, cf. 167), solche Pferde sind aber 1591 nicht auf der Frankfurter 
Messe zu haben (S. 123). Zu Weihnachten schreibt die Mutter Er hat 
ein lebetichs pferd in sein (Wunsch-)zetel gesetzt und ein rechte wer<' 
(S. 144, 167). 

Das Steckenpferd ist wohl von altersher das beliebteste Spielzeug 
der Knaben, wie die Puppe für das Mädchen wiederum wie geschaffen ist.*^) 

Natürhch waren in alter Zeit die Steckenpferdchen sehr einfach 
hergestellt, allenfalls genügte eine Gerte; nur ein Kinderherz konnte 
alles, was fehlte, sich hinzudenken. 

Eine Lanze, ein Schwert waren schnell hergestellt und so konnten 
die Knaben Turniere aufführen, wie dies so hübsch in einer der Rand- 
miniaturen des Breviariums Grimani (Venedig, Bibliothek von S. Marco) 



») Vgl A. Woltmann, Holbein«, I, 128 fE. 
«) Kulturg. BUderbuch, IV, N. 2001, 2002. 
») Hol Leben«, I, 128 ff. — Deutsches Leben etc., S. 186. 



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202 nr. Die Erziehung der Kinder. 

dargestellt ist.^) Oder der Bube ging mit dem Blaserohr, später mit der 
Armbrust auf die Jagd^), übte sich im Schiefsen. Andere spielten mit 
Windmühlen.^) 

Im Freien gab es mancherlei Spiele; wie viele Joh. Fischart auf- 
zählt, ist schon S. 185 angeführt worden. Haschen und Ballspielen; dazu 
versprachen die Übungen mit dem Kreisel (Topf) viel Unterhaltung, auch 
andere Vergnügüchkeiten boten stets willkommene Abwechslimg.*) 

Das Schlittschuhlaufen scheint doch nur in einigen Ländern beliebt 
und bekannt gewesen zu sein. In London wird diese Leibesübung schon 
im 12. Jahrhundert gepflegt^) und in den Niederlanden war sie im 
17. Jahrhundert, wie die Gemälde des Hendrik van Averkamp (1585 — 1663) 
^ beweisen, allgemein verbreitet, allein in Deutschland hat man wohl erst 
' in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an dieser Unterhaltung Ge- 
fallen gefunden, nachdem Klopstock für sie so erfolgreich Anhänger 
geworben hatte. 

Die Mädchen spielen mit Puppen (tocken). Wir können uns heute 
kaum eine Vorstellung machen, wie solch ein Spielzeug einst ausgesehen^ 
jedenfalls sehr hübsch, wenn wir der Äufserung des Wolfram von Eschen- 
bach über die Puppe seiner Tochter Glauben beimessen dürfen. Erhalten 
ist ja aus älterer Zeit nichts von den Spielsachen der Kinder ; entweder 
sind sie der Zerstörungslust der Jugend zum Opfer gefallen oder man 
hat sie. sobald sie ihren Zweck erfüllt hatten, fortgeworfen. Es ist daher 
sehr erfreulich, dafs im Germanischen Museum zu Nürnberg, im National- 
Museum zu München man auch von diesen interessanten Denkmälern 
der Vergangenheit sammelt, was noch der Zerstörung entgangen - ist. 
Die Puppenstuben haben, wie die Puppenküchen, die Herzen der 
kleinen Mädchen zu allen Zeiten erfreut; auch von ihnen sind nur über- 
aus wenige, die sich durch Kostbarkeit auszeichneten, aufbewahrt worden. 
Eine der schönsten Puppenstuben, mit silbernem Geschirr und Gerät 
ausgestattet, stammt aus der Familie von Gontard und befindet sich jetzt 
im Museum von Frankfurt a. M. Es dürfte etwa um 1740 in Holland ange- 
fertigt sein. Eine ähnliche Stube mit silberner Einrichtung war im Besitz 
der Familie von Schönermarck in Prieborn (preufs. Schlesien). Zum Spielen 
sind diese kostbaren, von Künstlerhand ausgeführten Modelle von Prunk- 
zinmiern wohl nie bestimmt gewesen ; die Kinder durften sie nur ansehen C 
unter ihren Händen wären die zierlichen Geräte bald zerbrochen worden. 
Und zum Ansehen sind auch einzig und allein die berühmt-en Puppen- 
(Docken-) Häuser da, diese mit wunderbarem Geschick ausgeführten 
Modelle von Bürgerhäusern. Die älteste Nachricht von ihnen haben 

») DeutschGH Leben. Fig. 230. 

*) Weifskunig, m. Ausg., S. 53. — Buch Weinsberg, I, 57 : Ein bagelgin oder 
klein annborst. 

') S. den Kupferstich von Israel van Meckenen (B. 187). — Deutsches Leben. 
Fig. 228. 

*) Buch Weinsberg, I, 57 : (1528) nemlich mit dem topp (Holzkreisel), koito 
(Knöchel, Würfel), ommian (Ömmer, Klicker). — Andern spilten umb feder, remen^ 
lechpennink. 

*) Höf. Leben«, I, 173. 



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b) Im Bargerhause. 203 

wir aus dem 16. Jahrhundert (1558); sie smd bis gegen Ende des 17., 
ja bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts beliebt gebheben. Diese Kunst- 
werke stammen aus den Werkstätten von Nürnberger und Augsburger 
Meistern und sind sicherlich immer sehr kostspielig gewesen. Eine Glas- 
scheibe schützt das Haus, dessen Einrichtung vom Keller bis zum Boden 
auf das zierhchste nachgebildet ist, gegen die Berührung von Kinder- 
händen. Aufserdem konnte der ganze Bau durch Flügeltüren abgeschlossen 
werden. Wie mir vor Jahren Wilhelm Frhr. von Löffelholz-Colberg erzählte, 
wurde noch in seiner Kinderzeit als besondere Belohnung den braven 
Kindern von Zeit zu Zeit das Puppenhaus gezeigt. Einige dieser 
Meisterwerke besitzt das Germanische Museum zu Nürnberg, andere sind 
im Nürnberger und Berliner Gewer bemuseimi; das schönste ist im South- 
Kensington-Museum in London zu finden. Solche kostbare Arbeiten 
konntefi nur reiche, angesehene Familien anschaffen; die Durchschnitts- 
zahl der kleinen Mädchen hat mit bescheideneren Spielsachen fürlieb 
nehmen müssen. 

In den kleineren Städten, wie z. B. in dem tiroHschen Hall, ging 
es noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts unter den Schulkindern, Knalx^n 
und Mädchen, sehr frei zu. Was Guarinonius S. 508 ff. erzählt, spricht 
nicht gerade von anständigen Sitten. Es änderte nichts an der Sache," 
dafs auch erwachsene Männer, Frauen, Mädchen sich ebenso unschickUch 
benahmen (S. 929), dafs es Brauch war, halb oder ganz nackt die 
Mädchen ins Bad zu schicken, Mädchen von 10 — 18 Jahren, und sie 
von ganz nackten Burschen von 10 — 16 Jahren begleiten zu lassen. 
(S. 948.) 

Wir dürfen nicht an diese Mitteilungen weitere Schlüsse anknüpfen ; 
wie in Hall, wird es kaum in anderen Städten Deutschlands zugegangen 
sein. Aber dafs eine gröfsere Freiheit im Verkehr der Schulkinder unter- 
einander, der jungen heranwachsenden Leute im allgemeinen vorherrschte,, 
das wird sich kavma bestreiten lassen. Stellten sich hin und wieder un- 
liebsame Folgen ein, so brachte eine Verheiratung wiederum alles in 
Ordnung, oder es wurde das Mädchen durch ein Stück Geld abgefunden.^) 
Aber immer war es gut, die Töchter früh an den Mann zu bring(*n. 
Fischart bemerkt schon: »Bey leib lafs man die Töchter nicht veralten ; 
es ist kein leger ops, das man kan halten« (Praktik 13). 

Über die Aufgabe der Töchtererziehung äufsert sich überaus ver- 
ständig der »Haus-Vatter« von Franz Philipp Florinus (T. I, Abt. I, 
Buch I, Kap. IX). Er verlangt unter anderem, dafs die Mutter die 
Tochter zum Fleifs anhält, sie geschickt macht dem Hause vorzustehen. 
Auf das Kochen konunt es besonders an, aber nicht minder,, dafs sie 
lernen, »wie man mit Einmach-, Candier-, Destillier- und Präparierung* 
der Arzeneyen umgehen solle«. Dazu haben die Töchter »Spinnen, NeheiK 
Stricken, Klöppeln, Wirken, Sticken u. dgl.« zu erlernen. 

>) Martin Montanus Wegkürzer (Vorrede 1557), fol. 8»>: defs Hirten Tochter für 
jhr JungkfrawBchafit ein abtrag thun. 

Vgl. J. J. Beck, Tractatus de eo qiiod jiistum est circa stuprum. Von Schwärh- 
und Schwängerung der Jungfern und ehrlichen Wittwen. Nürnb. 1743. 



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204 ni. Die Erziehang der Kinder. 

Neben der gelehrten Bildung wird die Übung der Musik nicht ver- 
nachlässigt. Der kaum 7 jährige Sohn des Barth. Paumgärtner geht 
alle Tage nach der Schule zum Lehrer und kann, wie die Mutter 
schreibt, schon »ein tonz auf dem istermend (Instrument) schlagenc 
(Briefw. S. 133, 144). 

Den Bildungsgang eines Bürgerssohnes schildern uns Hermann 
Weinsbergs Aufzeichnungen (Buch Weinsberg). Im März 1524 kommt 
«r mit 6 Jahren in die Schule von S. Georgen zu Köln (I, 38). 
Da studiert er Donat, das DoctrinsJe Alexandri de Villa Dei (eine 
Orammatik in Versen), die evangeha, das peniteas cito. 1528 mrd er 
in die Schule auf der 5^Sant Kuilen« gebracht, wo er die Grammatik 
•des Joh. Desputerius (Despauterius), die bucolica Vergilii, in sacris etc. 
lernt (I, 52). 1530 ist er auf der Schule von S. Alban (I, 65 ff.) und 
geht dann im April 1531 nach Emmerich (I, 72). »Hier leirt ich (in 
der Septima) kurzlich minen Donat uff das neu, leirte declinern und 
conjugern, horte auch in lectionibus communibus Petrum Mosellanum. 
Damach im octobri ascendierten ich ad sextam classem, da hört ich 
grammaticam Aldi Manutii« (I, 74). 1532 kehrt er in den Halbfasten 
{d. 10. März) nach Köln zurück, geht aber zu Ostern wieder in seine 
Schule (I, 77); es waren wahrscheirdich Osterterien, wie er auch die Zeit 
vom 24. August bis 1. Oktober bei seinen Eltern verbringt (I, 80, 81). Als 
er zu den Osterferien 1534 heimkommt, ist er ganz von Läusen bedeckt 
(I, 95, 96); im April wird er nach Quarta versetzt. Er studiert »Gram- 
maticam Aldi Manutii, Murmelium de componendis carminibu8, Ovidium 
de tristibus, metamorphoseos, epistolas, evangeha, Erasmum de construc- 
tione«. Sein Vater schickt ihm »Ambrosium, Calepinum, vocabularium, 
-colloquia Erasmi, Erasmum de conscribendis epistohs etc.« (I, 96, 97). 
Im September 1534, also 16 Jahre alt, bekonmit er einen Platz in der 
Kronenburse der Kölner Universität (I, 101). Am 1. Dezember wird er 
in die Bursa Laurentiana eingeschrieben, als Beanus deponiert. Er 
studiert Logica und dialectica Trapezontii, Rodolphum Agricolam de 
inventione, quedam opuscula Ciceronis (I, 103). Er wird im Dezember 
Präbendat der Kronenburse (104), Membrum der Universität (105), erhält 
im Februar 1535 die ersten Weihen (108) und wird am 20. Mai 1536 
Baccalaureus artium (113), dann am 15. März 1537 Licentiatus artium(114). 
Nun studiert er die Rechte (115). Er hätte damals gern »ufE der luten 
ader virginail ader clavicordio ader peifen leren spilen umb ain geringt 
vur zitverdreif, dan gemeinlich alle Studenten leirten dermaissen etwas. 
Aber min fatter wolt es mir nit gestaden« (117); doch lernt er illumi- 
nieren und malen. Kostet vom Apfel der Erkenntnifs (119). 1539 
d. 24. Aug. wird er baccalaureus legum; das kostet 11 Goldgulden (136). 
Nachdem er Rektor der Kronenburse geworden (141), liest er 1542 pro 
licentia (170). Zwischen Ostern und Pfingsten 1543 verläfst er die Kronen- 
burse und fängt an, im Hause Weinsberg als Advokat zu praktizieren 
{190, 191). Nachdem er am 5. Sept. das Privatexamen, am 26. Sept. 
die öfEentUche Prüfung bestanden, wird er zuin Licentiaten befördert (206). 
1544 erfolgt dann seine Ernennung zum Advokaten und Assessor im 



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b) Im Bürgerhause. 205 

Säle, darauf seine Vereidigung (213). Doktor will er nicht werden, da er die 
3 — 400 Taler, die die Promotion kostet, lieber auf Leibrenten anlegt (302). 

Der Greifswalder Bürgerssohn Bartholomäus Sastrow, geboren 1522,. 
besuchte schon mit 6 Jahren die Schule und wurde als Student deponiert. 
Seine Studien leitet ein Präzeptor, auch später, als er in Stralsund in 
der Schule war imd zu der von Greifswald zurückkehrte, 1538, also 
auch mit 16 Jahren, bezieht er nach kurzem Aufenthalt in Stralsund 
die Universität Rostock, wo er nochmals die Deposition über sich ergehen 
lassen mufs. Unter Leitung eines Präzeptors studiert er da zwei Jahre. 
1542 reitet er mit seinem Bruder Johannes (geb. 1515, geadelt 1544 und 
zum Poeta laureatus ernannt, gest. zu Acquapendente 1545) nach Speier, 
um am Kammergericht zu arbeiten. Er dient da bei dem Prokurator 
Dr. Friedrich Reiffstock und später bei Dr. Simeon Engelhart und wird 
1544 kaiserlicher Notar. Nach kurzer Beschäftigimg in der Kanzellei 
des Markgrafen Ernst von Baden in Pforzheim 'geht er nach Worms 
zum Reichstage, tritt in die Dienste des Rezeptor und Kommendator der 
Johanniter und macht 1546 eine Reise nach ItsJien. Am 6. JuU verläfst 
er Rom und ist am 29. August wieder in Stralsund. Er tritt nun in 
die fürstl. pommersche Kanzellei ein, wird 1548 fürstl. SoUicitator beim 
Kammergericht in Speier, welche Stellung er 1550 aufgibt, läfst 1552 
sein Notariat bei dem Speierer Kammergericht matrikuüeren und kehrt. 
wieder heim. Nachdem er 1553 Prokurator in Wolgast, 1554 Stadt- 
schreiber in Greifswald, 1555 oberster Sekretär in Stralsund gewesen, 
kam er 1562 in den Rat und wurde 1578 Bürgermeister. Er starb 1603. 

Weder Weinsberg noch Sastrow haben den Grad eines Doktors^ 
beider Rechte erworben. Wahrscheinlich war beiden diese Ehre zu 
teuer. Weinsberg schlägt die Kosten auf 3 — 400 Taler an. Lukas Geia- 
kofler wird in Döle promoviert. Er kommt am 3. Juli 1577 in der Stadt- 
an, meldet dem Rektor sein Vorhaben, stellt Thesen auf und wählt. 
D. Claudius Chiffletius aus Besangen zima Präses. Die Thesen werden 
gedruckt, in der Universität angeschlagen. Am 7. Juli früh um 7 Uhr 
findet in einem Hörsaal die Disputation statt; Chiffletius hält eine ziem- 
lich lange Rede und ermahnt zum Opponieren; die Disputation dauert, 
bis 10 Uhr; Chiffletius erhält 3 Dukaten. Am Sonntag darauf bittet er 
in der Universitätskapelle den Rektor nochmals, ihm den Doktorgrad zu 
verleihen. Die Professoren wollen, er soUe um den Grad eines Bacca- 
laureus beider Rechte und um Dispensation bitten. Dann wird er gefragt, 
wie viel er zahlen wolle. Er erwidert: so viel wie gewöhnUch. Darauf 
wird ihm eröffnet, dafs er 23 Kronen (zu 3 Frcs.) zu entrichten, das- 
Geld bereit zu halten habe. Jetzt endüch spricht der Rektor : »So sei 
denn Baccalaureus beider Rechte im Namen des Vaters, des Sohnes und 
des h. Geistes. Amen.« Es folgt nun ein Frühstück auf Kosten des 
Examinanden. Gleich darauf geht er ziun Professor Primarius des 
kanonischen und zugleich des bürgerlichen Rechts und bittet ihn, zwei 
Stellen ihm zur Literpretation für das Examen zu bezeichnen. Nach 
24 Stunden, von 3 Pedellen begleitet, geht er am 9. Juli um 1 Uhr 
nachmittags, im langen Rock und mit der viereckigen Kappe, ins Haus: 



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20f) III. l>ie Erziehiinjr der Kinde r. 

d es Examinators Dr. Mongestius und erklärt' sitzend, bedeckten Hauptes, 
vor 3 Professoren Prüfung-Einwürfe. Als die dritte Stunde herangekommen 
ist, hat er 23 Kroneh k 3 Pres, oder 27 Batzen = 41 fl. 28 Kr. zu erlegen. 
Nun wird er zu dem strengen, zweiten Examen zugelassen. Den Pedellen 
mufs er aber 5 Frcs. (3 fl.) Trinkgeld (für die Merenda) bezahlen. Am 
11, läfst er sieh wieder Themata geben, darf sie jedoch selbst wählen. 
Am Nachmittag bittet er acht Deutsche, die Honoratioren zu seiner 
Promotion einzuladen. Die Merenda für die acht Landsleute kostet 
wieder 4 burgundische Franken = 2 fl 24 Kr. Am 12. Juli um 7 Uhr 
morgens besteht er vor den ordentlichen Professoren im Hörsaale des 
Zivilrechtes das zweite oder strenge Examen (Rigorosum). Die Deutschen 
warten in einem Vorzimmer des Saales und werden von dem Ober- 
pedell mit Wein und Gebäck bewirtet, was 20 Asse (36 Kr.) kostet. Vor 
seinen Landsleuten wird er dann für würdig erklärt, am Nachmittag zum 
Dr. Juris proklamiert zu werden. Um 1 Uhr nachmittags kommen der 
Rektor, das ganze Kollegimn, die k. Räte, Doktoren, Studenten in das 
Haus des Doktoranden, führen ihn, der das Doktorkleid angelegt hat, 
unter Vortritt von Pfeifern und Flötenspielern in den mit Teppichen 
geschmückten öffenthchen Hörsaal. Darauf empfiehlt der Rektor, be- 
kleidet mit einer roten Robe, dem Vizekanzler den Kandidaten zur 
Ernennung zum Licentiaten. Rede des Vizekanzlers. Eid, Ernennung 
zum Licentiaten. An die Professoren, Doktoren, vornehmen Studenten 
werden Zweige mit Eicheln aus Zucker verteilt, das kostet beim Apo- 
theker 5 Kronen = 9 fl. Der Beistand hält indessen eine Rede über 
Herkunft und Kenntnisse des Doktoranden und empfiehlt ihn dem Vize- 
kanzler zur Ernennung zum Doktor; dafür erhält er 1 franz. Krone und 
nach der Feier ^j^ Pfd. Zucker. Der Doktorand verteidigt wieder gegen 
einen Opponenten, der eine halbe Krone bekommen soll, aber eine ganze 
erhält, Thesen und hält dann eine Rede über den Ruhm der Akademie. 
Darauf Rede des Vizekanzlers, der ihm »unter einigen Ceremonien« die 
Abzeichen verleiht. Sodann dankt der neue Doktor Gott, dem Rektor, 
dem Vizekanzler, den Professoren, den Anwesenden; der Oberpedell 
spricht einige Wunschreime. Wieder unter Vortritt der Musikanten 
gehen der Rektor, der neue Doktor, der Vizekanzler mit seinem Ad- 
junkten, die Professoren etc., alle die Zuckerzweige in der Hand tragend, 
nach der Kirche. Ins Haus schickt man dem Rektor und allen Pro- 
fessoren je V2 PM- Zucker für 9 Gr. = 27 Kr. Weitere Geschenke er- 
halten die Pedelle, die Musikanten, die den Saal geschmückt, der 
Glöckner. Für das Leihen der seidenen Doktorkleider imd der vier- 
eckigen Kappe sind 10 Asse = 18 Kr. zu entrichten. Am Tage nach 
der Promotionsfeier ladet er den Rektor u. s. w. (die Professoren aber 
nicht) zum Mahle (15 Frcs. = 9 fl.). Am 13. bringt der Oberpedell das 
Diplom und erhält 2 Kronen = 6 Frcs. = 3 fl. 36 Kr. Die ganze Pro- 
motion kostet 96 fl. 27 Kr. (S. 128— 139).i) 



*) Abb. von Rektoren, Professoren, Studenten in den Stammbüchern. — Die Amts- 
tracht des Rektors der Wiener Universität in Abr. a S. Clara, Neu eröffnete Welt-Gralleria. 
Nümb. MDCCOm. 



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• b) Im Bürgerhaiise. 207 

Die oinseitige Wertschätzung der klassischen Bildung hat seit dem 
16. Jahrhundert eine Trennung unter den Bürgern herbeigeführt; auf der 
einen Seite stehen die, welche Lateinisch und Griechisch, ja oft genug noch 
Hebräisch in den Gymnasien gelernt, auf der anderen alle die, welche diese 
Studien zutreiben nicht in der Lage waren: Gebildete und Ungebildete. 
Die Sprache der Gelehrten ist die lateinische, und um ihre Angehörig- 
keit zur Gilde der Gelehrten auch äufserlich zu kennzeichnen, suchen sie 
selbst ihren Namen ins Lateinische zu übertragen.^) Aus einem Schwarzert 
wird ein Melanchthon, aus einem Hausschein ein Oecolampadius. Der 
Krause nennt sich Crusius, der Schmidt Faber, der Berger Montanus, 
der Schulz Praetorius u. s. w., oder man hängte wenigstens dem Namen 
ein US an und aus einem Meier wurde ein Meierus, wenn er nicht vor- 
zog, sich Major zu nennen. An dem latinisierten Namen erkannte man 
sofort, dafs einer entweder selbst akademische Bildung erhalten, oder 
dafs er aus einer Familie stamme, deren Stammvater sich derselben 
erfreut habe (vgl. S. 197). Die Narrheit, seinen Namen so geschmacklos zu 
verunzieren, ist damals allgemein verbreitet: in Frankreich wurde aus 
einem bürgerlichen Cujas oder Cujau ein gelehrter Cujacius, in England aus 
einem Owen ein Audoenus. Schrieb ein solcher Gelehrter auch in seiner 
Mutterspsache, so konnte er nicht unterlassen, lateinische, griechische 
Worte, Redewendungen, Distichen u. s. w. einzuflechten, somit von seiner 
klassischen Erziehung Zeugnis abzulegen. Verstand er noch französisch, 
italienisch, so brachte er auch diese Weisheit in seinen Schriften zur 
Geltung. So entsteht diese unerträgHche, mit Gelehrsamkeit prahlende 
Schreibweise, wie wir sie im 16. und 17. Jahrhundert allgemein ver- 
breitet finden und die nur wieder für die Gelehrten zu verstehen ist. 
Die Tagebücher des Philipp Hainhofer sind z. B. in diesem unerträg- 
lichen Stil geschrieben. Dazu kommt nun die Spielerei, die Buchstaben 
eines Wortes umzustellen und so neue Worte zu bilden (Anagramme). 
Das Vergnügen, Eva und Ave, Roma und Amor sich gegenüberzustellen 
und erbauhche Betrachtungen an diese Erscheinungen zu knüpfen, das 
hatte bereits das Mittelalter verstanden, seit dem 16. Jahrhundert jedoch 
wrd diese Torheit allerorten getrieben. Dazu kommt dann die Erfindung 
grofstönender Inschriften, die Vorliebe für Künsteleien wie Akrostichen 
oder Chronostichen. 

Die Sitte, zumal französische, doch auch italienische und spanische 
Worte in die deutsche Sprache zur Verschönerung derselben einzuschwärzen, 
blüht besonders im 17. Jahrhundert und hat den Satirikern vielfach Anlafs 
zmn Spott und zum ernsten Tadel gegeben. Joh. Laurenberg hat ihr 
z. B. sein Scherzgedicht > Van Alamodische Sprake und Titeln« gewidmet. 

Viel interessanter als alle diese Verirrungen der Gelehrsamkeit 
erscheint uns das Studentenleben des Mittelalters und der nachfolgenden 



*) Vgl. z. B. Moscherosch. Gedichte Philanders v. Sittewald, hgg. v. F. Bobertag 
(Berl., Stuttg.), 8. 36: Es will keiner mehr Eofskopff heifsen, sondern Hippocephalus, 
keiner mehz Schneider heifsen, keiner mehr Schuster, Weber, keiner Schmid, sondern 
Sartor, Sutor, Textor, sondern Sartorias, Textorius, Faber und Fabritius, nicht Schütss, 
sondern Sagittarius. 



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208 ^- ^^ Erziehung der Kinder. 

Jahrhunderte. Die Unterweisung in den Wissenschaften erhielten im 
frühen Mittelalter die jungen Leute in den Klosterschulen, in denen 
angehende Theologen zumal ihre Kenntnisse sich aneigneten. So manche 
von ihnen liefsen die Studien für einige Zeit oder auch für immer ruhen 
und zogen in der Welt umher, bettelnd, fechtend, singend, dichtend. 
Das sind die Goliarden, die Bacchanten, die fahrenden Schüler. Aus 
ihrer Mitte ist der Archipoeta, der Dichter Walter von Lille (Gualterus 
ab Insula), Walter Mapes hervorgegangen. Sie besingen den Wein, die 
Liebe, wie die köstlichen Gedichte die aus Benediktbeuern stammenden 
Carmina Burana z. B. zeigen; das Meum est propositum in Tabema 
mori, das Gaudeamus stammt von diesen Dichtem. Das Propter Syon 
non tacebo zeigt, dafs sie auch ernste politische Fragen als geborene 
Dichter zu behandeln verstanden. Freilich die Mehrzahl dieser fahrenden 
Schüler mag nicht viel getaugt haben; durch Stehlen und Rauben, 
Bettelei in den verschiedensten Formen schlugen sie sich durchs Leben, 
so dafs die Konzilien und Synoden allen Ernstes den Pfarrern verboten, 
den Vaganten Unterstützung zu gewähren, dem Unwesen Vorschub zu 
leisten. Die fahrenden Schüler jedoch machten meist, wenn sie ein paar 
Jahre ihr Leben genossen hatten, ihren Frieden nait der Kirche, traten 
ins Kloster oder wurden Weltgeistliche, aber eine heimliche Liebe zu 
den nichtsnutzigen Landstreichern bewahrten sie, so lange sie lebten. 
In jenem Goliardenleben steckt ein gut Stück Poesie, das der übrigen 
Gesellschaft längst abhanden gekommen war.^) 

Seit die Universitäten in immer gröfserer Zahl gegründet wurden 
und den Unterricht in den Wissenschaften übernommen hatten, war 
eine gewisse Vorbildung erforderlich, wollte einer mit Nutzen den Vor 
lesungen folgen. Es entstehen nun in den Städten Lateinschulen, Gym- 
nasien, wie man sie später nannte.^) Ältere Schüler besuchten wohl bald 
die, bald jene Schule, traten das Erbe der Goliarden an, ohne jedoch 
deren Geist, deren poetische Begabung zu besitzen. Auch sie betteln 
und fechten sich bei ihren Landstreichereien .von einem Ort zum anderen 
fort, aber leider führen sie kleine Knaben mit sich, die ihnen von den 
Eltern anvertraut wurden, die sie auf die Schule führen und bei ihren 
Studien beaufsichtigen sollten. Diese armen Kinder sind die Sklaven 
der Bacchanten, ihre Schützen; sie haben ihrem Herrn in allein zu 
gehorchen, ihn zu bedienen, für ihn zu stehlen, zu betteln, und dafür 
erhalten sie Schläge und Strafen aller Art. In den Städten erhielten sich 
die Schüler vor allem mit Singen ; bei allen möglichen Festen imd Gele- 
genheiten zogen sie truppenweis von Haus zu Haus, sicher, ein Geldstück 
oder etwas Efsbares zu erhalten. Dafs die Schüler die Leichen reicherer 
Bürger, fromme Lieder singend, zum Grabe geleiteten, ist noch im 
19. Jahrhundert in manchen Städten wie Dresden, üblich gewesen.') 

*) J. U. Mayer, Discursus historicus philologicus de vagantibos scholasticiB siw 
Ton fahrenden Schülern. Lipe. 1714. 

*) Sebaldus Heyden, formulare colloquiomm pro primis tyronibus SebaldiDBa 
scholae Norimbergae. Aug. Vind. 1530 (Facsimilierter Neudruck.) 

^) Abb. von Schalknaben: Deutsches Leben. Fig. 231—233. 



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•■ -- ^W-if'^ 



b) Im Btirgerhauae. 



209 



Ein besonderes Examen 
wurde wohl kaum gefordert, 
wenn einer Zulafs zu den Uni- 
versitätsstudien begehrte. Si- 
cher aber hat er sich über 
seine Herkunft ausweisen müs- 
sen; Söhne von unehrlichen 
Leuten, Scharfrichtern und Ab 
deckern und mancher anderen 
Arbeiter nahm man schwerlich 
auf. Wahrscheinlich verwei- 
gerte man auch die Inskription 
den imeheüch Geborenen. Dafs 
Erasmus von Rotterdam trotz 
seines Geburtsmakels Auf- 
nahme fand, war aller Wahr- 
scheinUchkeit nach eine Aus- 
nahme. Der Student trat in 
eine Bursa ein und mufste 
sich da einer Ceremonie, der 
Deposition, unterwerfen, die 
ebenso lästig wie kostspieUg 
war.^) Erst dann hatte er das 
Recht, als Beanus, oder wie 
wir sagen würden, als Fuchs 
sich zu fühlen. Die Examina 
zum Baccalaureat, zum Licen- 
tiat, zur Würde des Magisters, 
des Doktors wurden dann, je 
nach Bedürfnis, abgelegt. Be- 
zeichnend erscheint es, dafs 
zumal mit dem Doktorexamen 
das Prandium AristoteUs, das 
in unseren Doktorschmäusen 
noch fortlebt, verbunden war, 
Essen und vor allem Trinken 
eine grofse Rolle spielte. Im 
18. Jahrhundert schenkten 
Damen den jungen Magistern 
den Magister-Kranz.2) 

Es war die Masse der 
Studenten aus recht verschie- 
denen Bestandteilen zusam- 




*) W. Fabricias, Die akademische Deposition (depositio comuuin), Beitr. zur 
deutschen Literatur- und Kulturgesch., speziell zur Sittengeschichte der Universitäten. 
Frankf. 1895. — Vgl. Deutsches Leben etc. S. 203 ff 

") Alltagsleben einer deutsch. Frau. 182. 
Schultz, Das hAusliche Leben im Mittelalter. 14 



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210 ni. Die Erziehung der Kinder. 

mengesetzt; nicht allein stammten sie aus mancherlei Landstrichen und 
Ländern, und dann fanden sich die Landsleute in den Landsmannschaften 
zusammen; es waren aber auch neben blutjungen Burschen ältere, ge- 
reifte Männer. Diese Mischung hat auf das Studentenleben ihre Wir- 
kung auszuüben nicht verfehlt ; neben harmlos lustigen Streichen finden 
wir auch so manche Abenteuer verzeichnet, die ein blutiges Ende herbei- 
führten. 

Das Toben auf der Gasse, zumal des Nachts, ist zwar streng ver- 
boten ; sie sollten schon längst in die Bursa heimgekehrt sein, allein viele 
lärmten in der Stadt hervun, brachten ihren Liebsten Ständchen, die 
nicht immer freundüche Aufnahme fanden, dann gerieten sie in Händel, 
die Waffen wurden gezogen, und oft genug nahm eine solche Nacht- 
belustigung ein sehr trauriges Ende. Von Geschlecht zu Geschlecht 
aber pflanzte sich der Hader mit den Handwerkergesellen fort Die 
Studenten neckten und verhöhnten die Arbeiter; z. B. wurden die 
Kürschner Katzenschinder, höflich Kazedonier (so heifst auch im Volks- 
munde der Halbedelstein Chalcedon) genannt, die Schneider mit dem 
Bock und den Peterflecken verspottet, bis dann den Gesellen die Geduld 
rifs und es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung kam, bei der 
nicht selten Totschläge und schwere Verwundungen sich ereigneten. 

Als im 16. Jahrhundert, in Deutschland wenigstens, die Trunksucht 
alle Stände ergriff, haben auch die Studenten sich mit jugendlicher Be- 
geisterimg ihr ergeben. Die mittelalterhchen Überheferungen wissen 
ja von vielen Ausschreitungen der Studierenden zu erzählen, sllein von 
dieser Art der Völlerei melden sie nur ausnahmsweise. 

Das Studentenleben des 17. Jahrhunderts wird häufig von den 
Schriftstellern besprochen. C. A. M. v. W. in seinem » Neuauf sgebutzten, 
Kurtzweihgen Zeitvertreiber« (1685) sagt S. 280: »Es seynd nicht alle 
Studenten, die Studenten heissen; es giebet der Namen Studenten viel 
zu viel, sie haben nur den Namen und Schein der Studenten. Ihrer 
viel ziehen au£E die Universität und wollen studiren und haben doch 
den KopfE nicht darzu, haben mehr Heckerling als Gehirn im Kopffe 
und wissen sich in nichts zu schicken. Viel, die den KopfE haben, 
wollen ihn nicht dran strecken und sich weisen und ziehen lassen, 
sondern meynen, wann sie der Eltern Zucht und Trivial-Ruthen ent- 
kommen, wären sie ferner an nichts gebunden ; .die Academische Libertät 
sey eine Licentz und Freygelassenheit zimi Müssiggang und Faulheit, 
da dürffte man leben, wie man wolle. Viel lassen sich das Sauffen mehr 
beileben (belieben?) als das Studiren, gehen ihrem Galanisiren und dem 
Frauenzimmer nach und fangen sonst allerhand lose Händel und Leicht- 
fertigkeit an, gerathen ins Luder und balgen sich durch einander und 
treibens so wüste, dafs Sund und Schand ist.« 

Derselbe Autor gibt S. 292 nachstehende interessante Schilderung: 
»Ein vornehmer Professor der Heil. SchrifEt und Prediger aufiE einer 
berühmten Universität hat sich in einer Predigt am Sonntag Quinqua- 
gesima den 27. Februarü 1620 von dem Studenten -Leben folgender 
Gestalt hören lassen:' »Vergangenen Donnerstag ist ein Auffzug allhier 



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b) Im Bürgerhause. 211 

gesehen worden , in welchem Vita Studiosormn stattUch ■ repraesentirt 
worden, denn wir befunden an demselben, dafs der Inventor oder Dichter, 
der es also geordnet hat, nicht blöd am Haupt müsse gewesen seyn. 
Es verhält sich aber damit also: AufE dem ersten Wagen ist gefahren 
der Depositor und bey ihm etUche Bachanten, in Ansehung, dafs nicht 
jeder Dölpel zum Studiren geschickt sey; sondern es müsse vorhero das 
grobe abgehauen werden. Diesen folgte aufE dem andern Wagen ein 
fleissiger Student, so die Bücher ausgeschlagen, gelesen, geschrieben 
und ihme lassen einen sonderUchen Ernst seyn. AufE dem dritten Wagen 
folgete eine gar anmuthige, schöne und hebhche Music, mit welcher sie 
haben wollen zu verstehen geben, dafs ein Student nicht allein Cal- 
meisem und unter den Büchern verschimmeln, sondern auch zu Zeiten 
eine Recreation haben dürfEe. Weil denn nun mit ehrlichen Gesell- 
schafEten einen Trunck zu thun nicht auszuschlagen und zulässig ist, 
als folgte diesem der vierte Wagen, in welchem waren gar lustige vier 
Bürschlein, die zechten trefflich herumb und hielten offt reinen Mund. 
In dem fünfEten Wagen waren ethche Junggesellen und Jungfrauen, die 
courtesirten mit einander. Weil aber nicht jedermans Ding ist mit 
Frauenzimmer imibzugehen, denn mancher wolte gerne löfEeln und kans 
nicht, derhsJben war im sechsten Wagen eine Compagnie, die spielete 
dafür. Und dafs diese jetzt bemeldte drey Wägen also aufE einander 
gefolgt und keiner darzwischen gewesen, haben sie gesehen aufE das alte 
Studenten Liedlein; wann nemüch die Eltern fragen: »Wo ist das Geld?c 
So ist es verzecht, verbuhlt und verspielet. Und weil anders nichts 
daraufE erfolget als Zorn, Zwytracht, Uneinigkeit, Mord und Todtschlag, 
so kam aufE den sechsten Wagen der siebende, daraufE sich zween 
mit einander balgten und manchen unbequemen Stofs einander mit- 
theilten. Weil es aber bey Balgen offt stösse gibt und mancher mit 
blutigem Haupt abziehen mufs, bey Fressen und Sauffen zerrissene 
Kleider, bey Jungfrauen geringe Ehr und Gunst, bey Spielen leeren 
Beutel, Als hat solches wol erfahren Comeüus, derohalben er im achten 
Wagen auffgezogen kommen mit verbundenem Haupt, zerfetztem und 
zerschlagenem Gesicht; die Bücher lagen zerstreut, die Kleider zerrissen, 
die Stuhl zerbrochen. Vor ihm stunde eine Jungfer, die ihn umb defs 
Kindes Vater ansprach, Worüber Cornelius überaufs sehr ergrimmete; 
darzu schlugen ihm auch vorhergehende Excessus, also dafs er sehr 
kranck wurde, und defshalben fuhr er im neimten Wagen mit dem 
Medice kranck nebenst dem Tod, anzuzeigen, dafs der Medicus könte 
die Gesundheit wiederbringen, der Tod aber den Muthwillen dämpffen 
und aufslöschen, dafs er ins künfftige wieder aufferstehen möchte und 
ein gelehrter Doctor aus ihme würde. Defswegen im letzten und zehen- 
den Wagen solche graduirte Personen gesessen, welche solches bezeuget c 
Die Quälereien des Pennalismus wurden 1674 auf dem Reichstage 
zu Regensburg verboten.^) 

Die musikalischen Künste zeigte der Student zumal, wenn er des 
Nachts sich auf der Strafse herumtrieb. 



*) Martini Zeilleri MiBcellanea . . Nürnb. 1661. 



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212 III. Die Erziehung der Kinder. 

»Der Studenten Gassaten gehen hat einer folgender Gestalt be- 
schrieben : 

Nocte studens graditur ludens testudine: bomb, bomb. 

Personat hie aliter cythara: teretrmn, teretrum, trmn. 

Tunc reliqui clamant, tollentes brachia: juchl juchl 

PeUio^) tunc gruit, mox hie submurmurat: Huy Katz. 

Pellio subsequitur pedibus tunc dicere: schliegs, Schlags. 

Tunc gladibus talem sonitum solet edere: Kling, kling! 

Post sequitur miser atque ictis vulneribus: Auweh I«^) 

Das Trinken wurde natürlich nicht vernachlässigt, aber die War- 
nung der Trinck-Regul nicht immer beherzigt: »Man soll trincken: 

UTiliter 
REahter 
Mlrahter 
FAmiüariter 
SOLenniter. 
Damit man es nicht bereue LAmentabiUter.«') 

»Siehe, da waren etliche die giengen Gassatum mit Spilleuthen 
unnd gebrauchten sich unzüchtiger Pargamezo*) vor ihrer Liebsten 
Hause, andere giengen Tunckel über die Gassen, haweten in die Stein, 
warffen die Fenster aufs und gebrauchten sich aller Leichtfertigkeit und 
Muthwillens, hüben den Weinschencken die Bäum aufs und trugen sie an 
ein verborgenes Orth ; Andere spanneten Seyl an die Gassen und fiengen 
einen Tmnult an, dafs die Scharwächter zulauffen müssen, dann fielen sie 
über die gespannete Seyl unnd wurden also von den Studenten mit Prii- 
geln übel tractirt.«^) (Philander, Infernalis, Frankf. 1648. S. 884.) 

Sie beherzigen vielmehr: »Lex sie Saxonica dicit: 
Qui bibit b fundo, cyatho bibat ille recenti. 
Qui bibit ex negis ex Frischibus incipit ille.«®) 

»Das Stättlein Lippen (Lipehne) in der Marck Brandenburg eygnet 
ihme dieses Recht insonderheit zu, dafs wer die Neige vom Bier aufs- 
getruncken, von der vollen Kanten wieder zu trincken anfahe, welches 
die Märcker das Lippenisch Recht nennen« (Dav. Froel. in cynopera 
Peregrinant., part. 2, lib. l)."^) 

Der Verfasser des »Philander Infernahs« (Frankf. 1648) malt uns 
die Studentenhölle S. 882 fif. aus: »Es wimmelte dameben so voller 
Studenten, Candidaten uund Licentiaten darinnen, dafs ich mich 
verwunderte. Die Vornehmbste sassen an einer Taffei, brachten einander 

£s bezieht sich das aof die alte Neckerei, dafs die Studenten die Kanchner 
Katzenschinder nennen (Katzedonier). — S. o. 8. 210. 

») Zeitvertreiber 281. 

') Ebendas. 195. 

*) Soll wohl Pazzamezzo heifsen. Das ist ein Tanz, von dem noch später das 
nötige mitgeteilt wird. 

*) Einen solchen Studentenstreich, bei dem auch der bekannte Goldschmied Urs Graf 
• mitwirkt, erzählt Frey in der »Gartengesellschaft« (Strafsb. 1657), fol. Ltv}^- 

ö) Ebendas. 197. 

) M. Zeiller, Handbuch. Ulm 1655. S. 887. 



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b) Im BOigerhause. 213 

dapffer zu und soSen dermassen, dafs sie jhre Augen verwandeten und 
sahen herauTs wie gestochene Kälber ... Da gienge jhr Sauifen erst 
recht an, soffen einander zu aufs Kühlen, aufs Schüsseln, aufs Schuhen, 
auTs Bechern, die mit allerhand Speifs neben dem Wein erfüllet waren, 
mit Gläsern, darinnen gekotzet war, soffen sie einander Brüderschafft 
zu, schlugen einander in die Hände und gebraucheten sich solcher 
Worten : Ich thue, was dir lieb ist, meyde, was dir zu wider ... (S. 886). 
Andere thäten nichts anders als sauffen; soffen einander zu: More 
Graeco, More Palatino^), Coela, Maria, Buff und Hessen jhnen den 
Wein durch üppige Gesang eynsingen und eyngeigen, bifs sie da lagen 
unnd kotzten wie die Gerber Hunde .... (888) waren es zwölff Leges 
vom Sauffen und üppigen Leben, welche also geschrieben stunden: 
1. More Graeco: Keyner vom andern, bifs er voll seye. 2. More 
Palatino. 3. Aut bibe aut abi. 4. In Floribus. 5. Auff einen Soff. 
6. Sauff oder entlauff. 7. Gesoffen oder geschmissen. 8. Studenticös. 
9. Brüderschafft oder Freundschafft. 10. Auff den Nagel. 11. Die Wäscherin 
ist darzu gut genug. 12. Studenten Leben das beste.« 

^Nun waren unter denen, welche nicht bescheyd thun weiten«, 
heifst es S. 884, »aber dieselbigen raseten und tobeten hingegen wie das 
unsinnige Viehe, stiefsen einander Gläser ins Gesicht unnd mit den 
Degen raufften sie bis auff das Blut, dafs sie umb ein Gläfslein Weins 
einander Weyd und Wasser versagen und einander bifs auff den Todt 
raufften.« >Es waren auch etiiche in dieser Compagnya, welche, wann 
sie den Wein wieder aufsgeschlaffen, dan Geld den Eltern verthan und 
nichts gelernt hatten, sondern durch rauffen, balgen und sauffen an 
ihren Gliedern ablässig, Krum und Lahm worden« (S. 887). »Das 
Fechten erlernten sie in den Fechtschulen. Kaiser Friedrich III. hatte 
1487 den Freifechtern von Frankfurt ein Privileg erteilt. In Frankfurt 
a. M. konnte einer die Würde eines Meisters vom langen Schwerte in 
der Genossenschaft der Marxbrüder erwerben, in Prag ebenso in der 
Zunft der Federfechter. An einem Sonntage 1638 wurden in Nürnberg 
in der Fechtschule bei dem Zudrang viele erdrückt und verletzt. 2) Einen 
Meister seiner Kunst, einen Studenten, läfst der Verfasser der »Hunds- 
tägigen Erquickstund« (Frankf. 1650) S. 140 prahlen: »Über dieses alles 
gebe ich auch einen praven Fechter und bin in dieser Kunst dermassen 
fertig, dafs ich mir auch offt mit einem dicken FUtze das Angesicht 
lasse zubinden unnd doch gleich wol meinen Widerpart kan treffen, wo 
man es nur begehret, es sey ein Auge, den hindersten Zahn aufs dem 
Maul, das lincke oder rechte Ohr, Ja ein gewisses Haar vom Kopff oder 
aufs dem Knebelbart, und dieses alles thu ich nur im blinden; wie 
meinet jhr Herren, müsse ich wol ein Fechter seyn, wann ich meinen 
Gegentheil kan vor mir sehen.« 

Da streifen sie denn des Nachts auf den Gassen hermn, wetzen 
ihre Rapiere am Pflaster, hauen in die Steine, dafs die Funken sprühen 

1) More Palatino bibinius ne gutte supersit 

Unde Buam possit musca levare sitim. (Zeitvertr. 287.) 

«) M. Zeiller, Handbuch, n. 58. 



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214 in. Die Erziehung der Blinder. 

und suchen mit jedermann Händel. Als der Kurfürst Christian von 
Sachsen Friedrich Taubmann (1565 — 1613) fragte, »was die Studenten 
in Wittenberg machten? Taubmann stehet von der TafEel aufE, gehet 
mit einem Degen in den HofE hinunter, hauet in die Steine, grabet 
etliche aufs und wirflft zu dem Churfürsten in die Fenster und schreyet: 
»Herunter, du Penal, du Spulwurm* etc. Der Churfürst läfst ihm sagen : 
Er sol nur aufEhören, er hätte Bescheids genug. «^) 

Man meint oft, erst während des Dreifsigjährigen Krieges seien die 
Studenten so verwildert, doch zeigt die eben erzählte Geschichte, dafs 
schon vor dem Kriege die Roheit eine ziemhch grofse war. 

Dafs der Venus gleichfalls geopfert wurde, ist durch viele Zeug- 
nisse bestätigt. »Ethche unter jhnen wurden auch heimtückisch unnd 
da sie gnugsamb gefressen und gesoffen hatten, gaben sie sich heimlich 
in des Hurenwirths Losament und dantzten mit den Studenten Wäsche- 
rinnen imd Studenten Mägdlein den Venus Dantz.«^) Auch was ihre 
Lektüre war, erfahren wir: »Auff der andern Taffei lagen etliche kleine 
Büchlein als wenn es der Amadis, Schaff erey, Cento Novella oder 
Ovidius de Amore were.«') 

»Wer sein Ehbette wil behalten keusch und rein, 
Der lade nur nicht viel Studenten zu sich ein.«*) 

Im allgemeinen ist das Urteil über die Studenten ein recht un- 
günstiges. »H. Hans Michael Moscherosch schreibet im Christhchen 
Vermächtnus am 456 Blat defs letzten Drucks also: Wo ist die Demut 
unserer Studenten? die die Zeit, so sie auf das studiren verwenden 
solten auf verdammte Eitelkeiten verschmitzen. Ists nicht also, dafs 
mancher Student heutigs Tags mehr Stiffel hat als Bücher, unnd das 
Dantzen und Fechten seyn va e^a, Studiren aber und Gottesforcht seyn 
TcoQßQya geworden, also dafs mancher viel Jahr auf einer Hohen Schneie 
zugebracht, aber nicht einmal einigen Professorem gesprochen.^) 

Der Verfasser des Philander Inf ernaJis verweist sie gar in die HöUe 
(S. 890). »Also wird es allen den Studenten ergehen, welche die thewer Zeit 
so üderhch verschertzet und jhre statthche Gelegenheit zmn studieren 
nicht in obacht genommen unnd ihrer Eltern sawren Schweifs mit Extra, 
mit Fressen und Sauffen, mit Spielen unnd Grassiren, mit Buhlen 
und Stoltzieren, mitDopplen,Würfflen, Lautenschlagen, Dantzen, Springen, 
Fechten, Ballenschlagen, Sprachmeister velscilicet Schuster, Schneider, 
Gramer, Barbierer, Holtz, Stuben, Liecht, Wäsche, Buchladen, utinani 
vel quasi durchjagen und verzehren, das edle Talentum unnd von 
GOTT verUehene Gaben, die herrUch Ingenia, Sinne imd Gedachtnufs 
also mörderischer Weise verderben, zu geringschätzigen unnützen Dingen 
mifsbrauchen, die erleuchte Natur zu Lieder dichten und anderer Leicht 
fertigkeit abrichten, ungeachtet dafs sie von GOTT zu vortrefflichen 
Ständen, Tugenden und Diensten aufsgerüstet, sondern Witz und Ver- 

>) Zeitvertreiber, S. 87, 

") Philander Infernalis, 884. — ») Philander Infemalis, 889. 

*) Zeitvertr., S. 292. 

•) Zeiller, Handbuch, II. 388. 



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b) Im Bürgerhause. 215 

standt versauffen, Kunst und Tugend verachten unnd in der Gnadenzeit 
nicht umbkehren und sich bessern.« 

Ist endlich das Studium beendet, dann handelt es sich darum, ein 
Amt zu bekommen. Und das war keineswegs so leicht.^) 

Vortreffliche Darstellungen des Studentenlebens finden wir in den 
Bildern der Stammbücher. Diese reiche Quelle mufs aber erst aus- 
gebeutet werden. Leichter zugängüch ist das Bilderbuch »Pugillus Fa- 
cetiarum Iconographicfiurum in Studiosorum potissimum gratiam ex 
proprijs eorundem Albis desumptarum et iam primum hac forma edita- 
rum 1608« (Strafsburg); der zweite Titel lautet »Speculum Cornelianum^<; 
von Jakob von der Hey den ist das Ganze gestochen (datiert Strafsb. 1618). 
Dazu gehört: ^^Stirpium Insignium Nobilitatis etc. . . . Stammbuch der 
Jungen Gesellen etc. . . .« (Basel 1617). Diese beiden Kupferwerke 
sind in Neudrucken erschienen. Bilder aus dem Studentenleben des be- 
ginnenden 18. Jahrhunderts finden wir in dem kulturgeschichtlichen 
Bilderbuch VI, N. 3149—54. Den Fechtsaal und die Bibliothek der 
Universität Leyden stellen Kupferstiche von Jan CorneUsz Woudanus 
(c. 1580—1615) dar (Ebendas. III, N. 1518 u. 1517); das chemische Labo- 
ratorium der Universität Altdorf und eine Promotion an derselben Hoch- 
schule die Kupferstiche von Johann Georg Paschner (c. 1720) (Ebend. VI, 
N. 3155—3156). 

Die Knaben, die sich nicht dem Universitätsstudium mdmen soll- 
ten, und die Mädchen erhielten bei den sogenannten deutschen Schul- 
haltem Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Unterweisung 
in der Religion ist wohl den Priestern, bei den Protestanten später den 
Predigern anvertraut worden. Auch die Mädchen hatten Musikunterricht, 
lernten Instrumente spielen.^) 

In Nürnberg mufs im 15. Jahrhundert diese Volksschule sehr gut 
gewesen sein : Albrecht Dürer schreibt z. B. eine hübsche leserUche 
Handschrift und die Kinderbriefe aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts 
zeugen von bemerkenswerter Beherrschung der Sprache. 

Widmete sich dann ein Knabe dem Kaufmannsstande ^), so trat er 
sehr früh in das Geschäft ein, wurde nach Beendigung der Lehrzeit 
Gehilfe, bildete sich auf Reisen, in fremden Handelshäusern arbeitend, 
weiter und eröffnete endÜch seinen eigenen Handel. Georg Steinhausen 
hat in seinem »deutschen Kaufmann« (Monogr. zur deutsch. Kulturg. I. 
Lpz. 1899) den Lebensgang eines Geschäftsmannes ausführlich geschildert.^) 
Die Abbildungen sind zum Teil sehr beachtenswert. Viel Schaden brachte 
es dem Kaufmannsstand, dafs die vornehmen Patrizier der Reichsstädte 

') G. Slevogtii, De vocatione ad pastoratum sub conditioiie matrimonii, von der 
Vocation unter der Schürtzen. Lips. 17.S9. 

*) Deutsches Leben etc. Fig. 443. 11. Brosamer, Lautcnspieler (Kulturgesch. Bilderb. 
II. N. 743). — Tobias Stimmer, MuHicierende Frauen (Ebendas. II. N. 1079— 108ö). 

•) Vgl. Alfred Franklin, IjA vie priv^e d'autrefois. — Comment on devenait 
patron. Paris. 1889. 

*) Lehren für junge Kaufleute. — Fliegendes Blatt. 17. Jhdt. (Kulturg. Bilderb. 
V. N. 1674). 



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216 



III. Die Erziehung der Kinder. 



den Adel zu erlangen wufsten und auf den Handel verzichteten, da er 
eines Adligen nicht würdig sei. In dem »Grofsen Schauplatz Lust- 
und Lehrreicher Geschichten« (Frkf. 1664) S. 45 erwähnt der Verfasser 
zwei »Kaufifherren zu Meiland« und fügt hinzu: xich sage Herren, dann 
der Orten die KauffmannschafEt den Adelstand nicht vemachtheiliget 
wie in Teutschland.« 

Dais einzelne Betrüger unter den Kaufleuten sich vorfanden, kann 
nicht befremden. Besonders seit zu Anfang des 16. Jahrhunderts die 



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Quinten Mafsys, Der Wechsler und seine Frau. (Paris, Louvre.) 

Handelsgesellschaften entstanden, an deren Gewinn und Verlust man 
sich mit einer Einzahlung beteiligen konnte — sie entsprachen etwa 
unsern Aktienunternehmungen — da wird öfter über Unredüchkeit der 
leitenden Personen geklagt. Schon 1519 gedenkt der Augsburger Chronist 
Wilhelm Rem solcher Betrügereien. > Die hies man geschickt leutt, man 
sagt nicht, dals sie gros Dieb weren.« Schummer trieb es noch der 
Augsburger Grofshändler Ambrosius Höchstetter.^) An seiner Handels- 
gesellschaft hatte sich Barth. Rem mit 900 fl. beteiUgt. Nach sechs Jahren 
schlägt Rem sein Guthaben auf 33000 fl. an und verlangt es zurück. 

Clemens Sonder, Aupsb. Thron. (Chron. d. deutsch. Städte. XXIII. — Lp«. 1894.) 



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b) Im BüTgerhauBe. 217 

Höchstetter will nur 26000 fl. geben. Es kommt zum Prozesse; in drei 
Instanzen gewinnt Rem. Höchstetter bietet jetzt 30000 fl., doch Rem 
appelliert an den Kaiser und sucht sich selbst zu helfen. Darauf wird 
er vom Rat geffimgen und stirbt 1525 im Kerker des Kreuzertorturmes. 
1529 ereilt jedoch Ambrosius Höchstetter die Vergeltung. Er hatte 
zwar mit seiner Frau, einer Tochter Jakob Rechlingers, 60000 fl. mit- 
bekommen; Fürsten und Dienstmägde stellten ihm ihr Geld zur Ver- 
fügung, das er mit 5% verzinste. Das ist sehr wenig, da damals 8 bis 
10% der gewöhnliche Zinsfufs war. 1529 aber hatte er bedeutende Ge- 
schäftsverluste; sein Sohn Joachim und sein Schwiegersohn Franz Baum- 
gartner vergeudeten mit Banketten in einer Nacht 5000 — 10000 fl., ver- 
.spielten auf einmal 10000—20000—30000 fl.; auch der Sohn Ambrosius, 
wie der Neffe Joseph sind schlechte Haushalter. Die ersten Forderungen 
finden noch Befriedigung, aber 300 Gläubiger, die zu lange gewartet, 
gehen leer aus. Ambrosius Höchstetter schickt heimlich seine besten 
Kleinodien fort; bei einer Inventarisierung findet sich nicht viel vor. 
Am 25. Juü wird Höchstätter mit seinem Sohn Ambrosius und dem 
Neffen Joseph in Haft genommen. Joachim und Schwager Baumgartner 
sind mit viel Geld rechtzeitig entflohen. Der Prozefs zieht sich lange hin. 
1532 werden Ambrosius Höchstetter d. J. und Joseph auf Lebenszeit in 
den Kreuzertortum eingesperrt (1544 freigelassen). Der alte Ambrosius 
Höchstetter stirbt 1534 im Eisen. Die Fesseln hatten die Füfse krank ge- 
macht; offene Geschwüre (der Wolf) waren die Todesursache. Ich habe 
diesen Fall nur erwähnt um zu zeigen, dafs solche Dinge auch in der 
^ten alten Zeit vorgekommen sind. 

Das Leben der Gewerbetreibenden hat Ernst Mummenhoff in seinem 
reich illustrierten Buche yDer Handwerker in der deutsch. Vergangenheit <«: 
(Monogr. z. deutsch. Kulturg. 8, Lpz. 1901) dargestellt.^) Nicht jeder Knabe 
wurde bei den Handwerkern als Lehrling angenommen, er mufste ehelich 
geboren sein und einer nach damaligen Begriffen nicht bescholtenen Fa- 
milie angehören. Hatte er die langen und schweren Lehrjahre über- 
wunden, dann sprach man ihn frei. Er war jetzt Gesell, durfte das Schwert 
oder den Degen umgürten und nun seinerseits die Lehrlinge tyrannisieren. 

Der Gesell tritt jetzt seine lange Wanderschaft an, und diese Wander- 
jahre sind es, die sein arbeitssames Leben verklären, auch sein Hand- 
werkerdasein mit etwas Poesie erfüllen. Man erinnert sich nur der 
prächtigen Wanderlieder. In den verschiedensten Werkstätten arbeitend, 
vervollkommnet er sich in seinem Gewerbe. Aber er geniefst auch seine 
Jugend ; wenn er einmal erst Meister ist, dann mufs er ehrbar und ernst 
sein Leben verbringen, jetzt nimmt er an allen Jugendstreichen teil, 
prügelt sich mit den anmafsenden Studenten, lärmt das Nachts auf den 
Gassen und singt vor dem Hause seiner Auserkorenen.^) Der blaue 

*) Vgl. Berlepsch. Chronik d. Gcwerke. I — IX. — S. (rallen o. J. — *) Valten 
^chamann, Nachtbüchlcin II (1&69) fol. 76». Auch so thuons die BawTen nicht allein, 
man kans in Stätten auch, wann unsere Sönlein von dem AVcin heymgehen, so muofs 
< las Metzlein solches wissen, da kompt das Sönlein mit der Lautten oder (feyp^en oder 
Pfeyffen, macht also von erst ein böfslein unnd meynt, es soll der Gräten gefallen. 



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218 in. Die Erziehung der Kinder, c) Bei den Bauern. 

Montag wird gehalten; den Meistern gegenüber setzt man die An- 
sprüche mit Ausständen durch, welche durch die, das ganze Reich oder 
grofse Landstrecken beherrschenden Gesellenverbände eine um so gröfeere 
Bedeutung erlangen. Die Lohnkämpfe spielen zu allen Zeiten eine sehr 
grofse Rolle. Auf der Wanderung findet der Gesell in seinen Hand- 
werks-Herbergen Aufnahme und Förderung jeder Art, auch eine Bei- 
steuer zmn Reisegelde. Sinnige und eigenartige Zeremonien, die bei 
jedem Handwerk verschieden waren, gaben dem Verkehr auf der Her- 
berge noch einen besonderen Reiz.^) 

Ist der Gesell in die Heimat zurückgekehrt, hat er das Meister- 
recht erlangt, dann vertritt er natürlich seinen und seiner Mitmeister 
Vorteil, unterdrückt die Pfuscher und Störer des Handwerkes. Die 
geistige Auffrischung findet er in der Schule der Meistersänger, sonst 
begnügt er sich mit der Unterhaltung der Trinkstube. Seltene, aber 
eben deshalb so mehr geschätzte Handwerkerfeste brachten auch den 
Angehörigen Unterhaltung und Auffrischung.^) Allmählich aber b<- 
giiint der Fabrikbetrieb das Handwerkerleben zu erdrücken und zu er- 
sticken. 

Dafs in der alten Zeit es auch unter den Handwerkern nicht allein 
ehrliche Leute gab, ersehen wir aus Dr. George Paul Hönns Betrugs- 
Lexikon, das 1743 zu Leipzig in neuer und verbesserter Auflage erschien, 
und von dem in demselben Jahre noch eine Fortsetzung veröffent- 
licht wurde. 

c) Die Erziehung bei den Bauern. 

Einen Schulunterricht haben Bauern wohl nicht erhalten; vielleiiht 
dafs in seltenen Fällen eine Ausnahme gemacht wurde, ein reicher Frei- 
bauer seinen Sohn beim Dorfschreiber unterrichten und später die Stadt- 
schule besuchen liefs. Die überwiegende Menge der Bauern kann weder 
lesen noch schreiben; ein bischen Reügionsunterricht hatten sie beim 
Geistüchen erhalten, das Credo, Pater noster, Ave Maria erlernt, später 
den lutherischen oder sonst einen Katechismus mit Kirchenliedern und 
kräftigen Bibelsprüchen sich eingeprägt. Und mit diesem wenigen 
Wissen sind sie sehr gut ausgekommen; praktische Erfahrung und ein 
allzeit treues Gedächtnis ersetzten ihnen alle Gelehrsamkeit. Wie Logaii 
richtig sagt (11. 4. 57): 

Die Bauern sind so listig und sind gleichwol so grob? 

Sie sinnen stets auff eines und halten auch darob. 



') Frid. Frisius, Ceremoniele Practica. Leipz. 1705. 

*) Disposition eines religiösen, öfifentlichen Aufzuges zu Löbau, zur Feier dw 
Kreuzerfindungs-Festes am 3. Mai 1521. Kurios. III. 373, 

Friedliebender Fischer-Kampff, den 12 Brachmonats 1671 auf der Pegnitz an- 
gestellet und gehalten. — 1614 d. 9. März trugen die Metzger in Nümbei^ eine 41Ö 
Ellen lange Bratwurst (Kurios. V. 550). 

Umzug der Nürnberger Metzger mit der Wurst 1658 (Kulturg. Bilderb. V. N. 2630\ 

Umzug der Schreiner in Frankfurt 1659 (Ebendas. V. N. 2633). 



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III. 

Die Kleidung- 



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Kleidung/) 



1. Trachten bis zum Schiufs des II. Jahrhunderts. 

über die Trachten der Völker diesseits der Alpen in den ersten 
Jahrhunderten unserer Zeitrechnung ist etwas irgendwie HfiJtbares bis 
jetzt nicht ermittelt worden. Die gelegenthchen Bemerkungen römischer 
Geschichtsschreiber wie Cäsar und Tacitus genügen noch lange nicht, 
uns ein klares Büd zu entwerfen, und auch die römischen Bildwerke, 
die germanische Völkerschaften darstellen, z. B. die Reliefs der Trajans- 
säule, die Bildwerke des Trajanischen Siegesdenkmales von Adamklissi^), 
wie die der Antoninussäule, welche die Grofstaten in den Feldzügen gegen 
die Marcomannen verherrüchen, ist wenig geug zu entnehmnen, was für 
unsere Zwecke brauchbar erscheint. Abgesehen davon, dafs sicher die 
nichtrömischen Völkerschaften diesseits der Alpen in ihrer Tracht grofse 
Verschiedenheiten aufwiesen, dafs ein Galher anders aussah als ein 
Germane oder Iberer, sind auch innerhalb der einzelnen Völkerschaften 
bei den mannigfaltigen Stämmen gewisse charakteristische Unterschiede 
der Tracht vorhanden gewesen, wie noch z. B. vor hundert Jahren eine 
solche Verschiedenheit der Baüemkleider in Deutschland allgemein anzu- 
treffen war. Wie bis jetzt aber die Überlieferungen zur Verfügung stehen, 
werden wir diese Fragen kaxmoi je genügend zu lösen vermögen. Es ge- 
^%t jedoch für unsern Zweck festzustellen, dafs alle Abbildungen von 
GaUiem, Germanen u. s. w., die uns unsere modernen Künstler bieten, 
ledigüch Phantasiegebilde sind und jeder historischen Treue und Zuver- 
lässigkeit vöUig ermangeln. 

In den Landstrichen, die der römischen Herrschaft unterworfen 
waren, haben zumal die höheren Stände bald die römischen Moden 
angenonmien; das Volk, die Bauern, hat wohl an seiner angestammten 

*) Eine ausgezeichnete Zusammenstellung aller auf das Kostümwesen bezüglichen 
Veröffentlichungen bietet uns Franz Frhr. von Lipperheide in seinem reich illustrierten 
Werke »Katalog der Frhrl. v. L. Sammlung für Kostüm Wissenschaft c (Berlin. 1896 ff.)- 

■) 0. Benndorf, Das Monument von Adamklissi. Wien. 1895. 



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222 in. Die Kleidung. 

Tracht festgehalten.^) Und auch die germanischen Stämme liefsen sich 
beeinflussen; ihre Fürsten imd Vornehmen kleideten sich in die kost- 
baren Stoffe, die ihnen der Handel zuführte, und liefsen ihre E^leider 
nach römischem Schnitte anfertigen. Sidonius Apollinaris hat uns die 
Erscheinung eines vornehmen Westgoten oder Burgunders geschildert: 
Wadenbinden, blofse Schenkel, kurzer bis zum Knie reichender gegür- 
teter Rock, der Mantel grün mit rotem Saume. Von der Tracht der 
Langebarden wissen wir nur, was Paulus Diaconus uns mitteilt, sie legen 
schon eine Art Hosen an. Die Abbildungen langobardischer Könige, 
die uns in den Miniaturen der Lex Langobardorum, wie sie in der Hand- 
schrift von la Cava erhalten sind^), vorführen, dürfen doch immer nur mit 
Vorsicht gebraucht werden, da sie erst im 11. Jahrhundert entstanden 
sind. Ob alte Vorlagen von dem Kopisten verwendet worden sind, was 
wahrscheinlich ist, und ob diese Vorlagen treu und zuverlässig nach- 
gebildet wurden, das alles müfste erst einmal genau untersucht werden. 
Die Statuen heiliger Frauen in Cividale (Friaul)'), die man früher ab Ab- 
bildungen langobardischer vornehmer Damen ansah, sind byzantinischen 
Ursprimges, also ganz und gar nicht geeignet, uns eine Vorstellung von 
der Erscheinung einer Langobardin zu geben. 

Im Schatze des Domes zu Monza werden aufser den Brustkreuzen und 
Kronen langobardischer Könige*), aufser den Reliquiarien, die auf ihre 
Zeit zurückgehen, auch der Kamm imd der Fächer der Königin Theude- 
linde (Ende des 6. Jhdt.) bewahrt. Die Ornamentik ist einfach, nur be- 
zeichnend die VorUebe für Granaten (Almandinen), die zum Schmucke 
verwendet wurden. Solche Goldarbeiten scheinen unter den germanischen 
Völkern sich grofser Beliebtheit erfreut zu haben. In dem Goldfunde von 
Petrossa, der aller Wahrscheinlichkeit nach ostgotischen Ursprunges ist*), 
haben wir die mit Almandinen ausgefüllten Goldzellen der Ornamentik; 
mehrere Adlerspangen , von denen eine für das Germanische Museum 
zu Nürnberg erworben wurde ^), wahrscheinhch auch ostgotische Arbeiten 
wie das Fragment einer in Ravenna gefundenen Rüstung^) und die be- 
rühmten WafEenstücke, die in dem Grabe des Frankenköriigs Childerich 
(t 481) zu Tournai 1653 entdeckt wurden, zeigen ganz dieselbe Ver- 
zierungstechnik. ^) An Schmucksachen aus der Zeit der Merowinger 

*) Herrn. Weifs, Kostümkunde. Gesch. der Tracht und des Greräts des Mittel- 
alters*. Stuttg. 1883, S. 284 ff. 

•) Weifs, a. a. O. S. 301. Fig. 196, — Vollständig in der Ausgabe der Leg» 
Langobardorum von Baudi di Vesme in den Monum. bist. patr. VEH. Torino. 1866. 

') Weifs, a. a. 0. S. 302. Fig. 197. — Gailbabaud, Monuments d'ArcbitectDTe 
(Paris 1839—49) Tom. U. — V. Eitelberger im Jahrb. der k. k. Zentral-Komm. IV. 246 

*) Interessante Funde wurden in den Gräbern bei Ix)di vecchio, Monza, Cividale 
del Friuli, Varese Monza gemacht : goldene Kreuze, die man auf die Grewänder nähte. 
Diese Goldkreuze wurden in Berlin 1899 versteigert und vom Germanischen Museum 
in Nürnberg erworben. Abgeb. im Katalog von Lepke. 10. Dez. 1899. — Vgl. den 
Aufsatz von Tb. Hampe in d. Mitt. d. Germ. Mus. 1900, S. 27, 92 ff. 

») Mitt. d. k. k. Zentral-Komm. Xni, 105, 12; XIV, 60; XVm, 304; XIX, 130 

ö) Mitt. des Germ. Nat.-Museums 1899, S. 33 ff. Taf. 1. 

») Schnaase, Kunstgesch. «III. 598. 

8) Wilh. Lindenschmidt, Altert, d. beidn. Vorzeit. IL Taf. V. 



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1. Trachten bis zum Schlufs des 11. Jahrhunderts. 223 

fehlt es uns überhaupt nicht, allein die ganze äufsere Erscheinung der 
Leute in jenen Tagen ist uns nur ganz unzulänglich geschildert worden. 

Und die Miniaturen, die so gern herangezogen werden, um diese 
Lücke auszufüllen, beweisen gar nichts, da sie fast ausnahmslos nur 
Nachbildungen älterer Vorlagen bieten. Es ist da das gröfste Mifstrauen 
sehr wohl angebracht. Vor allem darf man nicht, wie dies Weifs tut, 
S. 307, die Statuen an den Portalen der Kirchen zu Corbeil, Chartres 
u. s. w. als Beispiele merowingischer Tracht verwenden. Diese Denk- 
mäler stammen aus dem 12. Jahrhundert und führen uns auch nur den 
Kleiderschnitt ihrer Entstehimgszeit vor. 

Selbst über die Trachten zur Zeit Karls des Grofsen sind wir noch 
recht schlecht unterrichtet. Aus den Phrasen des so oft zitierten Ge- 
dichtes von Angilbert läfst sich gar wenig ersielien. Schwerlich wird 
man aus der Beschreibung, die er von der Erscheinung der Frauen am 
Hofe Karls entwirft, als sie zur Jagd ausziehen, sich eine Vorstellung 
machen können, wie sie in Wirklichkeit gekleidet waren. Dafs Karl 
der Grofse nicht so aussah, wie ihn unsere Bilderbücher immer noch 
darstellen, das ist bekannt. Abrecht Dürers berühmtes Bildnis des 
Kaisers hat sicher die Vorstellungen der späteren Geschlechter bestimmt. 
Karl konnte in Wirklichkeit die Krone und den Kaiserornat nicht tragen, 
da sie erst Jahrhunderte nach seinem Tode angefertigt worden sind, 
auch, fehlt bei dem einzigen zuverlässigen Porträt des Kaisers, welches 
noch im 18. Jahrhundert im Triclinium Majus des Lateranensischen 
Palastes zu sehen war, der lange Patriarchenbart; auf diesem zur Zeit 
Karls entstandenen Bildwerk ist der Kaiser bis auf einen kleinen 
Schnurbart glatt rasiert, was übrigens auch mit den Siegelbildern des 
Monarchen übereinstimmt. 

Die Mosaiken jenes unter Papst Leo III. 790 — 99 erbauten Speise- 
saales des Lateran-Palastes sind nicht mehr im Original erhalten, doch 
«oll die unter Benedikt XIV., 1743, angefertigte Kopie durchaus zuver- 
lässig sein.^) Der Kaiser trägt Schenkel- und Wadenbinden, den kurzen 
gegürteten Rock, den Mantel und eine Art Barett. Dieses Abbild ent- 
spricht ziemlich genau der Schilderung, die der Monachus Sangallensis 
von der Tracht der Franken entwirft. 

Im grofsen Ganzen wird dieser Kleiderschnitt bis in das 12. Jahr- 
hundert festgehalten. Dafs die Röcke mit Borten verbrämt oder sonst 
durch Zieraten belebt werden, verschlägt nichts. Die Zeitgenossen werden 
für die wechselnden Moden schon Verständnis gehabt haben, denn es 
ist kaum anzunehmen, dafs man mehrere Jahrhunderte hindurch ganz 
die gleiche Kleiderform festgehalten hat; wir jedoch sind nicht in der 
Lage, uns von diesen kleinen Verschiedenheiten Rechenschaft zu geben. 
Der Mantel ist bei den vornehmen Leuten lang, bei den Arbeitern, 
Bauern kurz, oft mit einer Kapuze versehen (s. den Totschlag Abels 
auf den Rehefs der Hildesheimer Domtür. Vor 1022).2) Gewöhnlich 

*) L. Quicherat, Histoire du Costume en France. Paris. 1875. S. 108. 
^ Ernst Förster, Dcnkm. deutscher Baukunst, Bildnerei und Malerei. IV. (Leipz. 
1858.) — Wüh. Bode, Gesch. der deutschen Plastik, Berlin. 1837. S. 24. 



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224 ni. Die Kleidung. 

wird der Mantel auf der rechten Schulter durch eine Agraffe zusammen- 
gehalten. Die Beine sind mit Hosen bekleidet, d. h. die Oberschenkel 
und den Unterleib schützt der Bruch, d. h. eine Art Schwimmhose, nur 
an den entsprechenden Stellen offen, während die Unterschenkel mit 
strumpfartigen Hosen bekleidet sind. 

Der Bruch (braca) ist wohl von altersher bei den Völkern dies- 
seits der Alpen gebräuchUch; schon das rauhere Klima verlangte einen 
Schutz des Unterleibes. So sprechen die Römer von der Gallia braceata. 
Auf den Bildwerken ist dies Kleidungsstück, da es vom Bocke gedeckt 
wird, nicht sichtbar. Der Bruch wie die Strumpfhose wird durch Nestel 
an dem Gürtel befestigt. Statt der Strumpfhose hatte man in der älteren 
Zeit den unteren Teil der Oberschenkel und die Waden mit Binden 
umwickelt. Die aus Wollen- oder Leinenstoff genähte Strumpfhose ver- 
drängt allmählich die Beinbinden. Sie ist zuerst weiter und wird nicht 
vor dem 12. Jahrhundert durch die prall anliegenden Hosen verdrangt. 
Man erkauft die Befriedigung der Eitelkeit mit der Unbequemlichkeit 
die Hose mit Schnürbändern fest anpressen zu müssen. Den Fufs be- 
deckt der Schuh, bald ein einfaches Lederstück, das mit Riemen an 
den Fufs geschnürt wurde, bald ein künstlicher gefertigtes Schuhwerk. 
Im 11. Jahrhundert liebten die Modehelden, den Schuh in eine Spitze 
auslaufen zu lassen. Diese Schnabelschuhe, die in ganz übertriebenen 
Formen getragen wurden, gaben den Sittenpredigern vielfach Anlafs zu 
Tadel und Verdammung. Was das Schuhwerk anbelangt, so hat immer 
die Form des spitzen und des breiten Schnittes abgewechselt. 

Über die Tracht der Frauen ist auch allgemein als bis ins 12. Jalir- 
hundert geltend festzustellen, dafs über dem Hemd der Rock getragen 
wird, der vom Halse bis zu den Füfsen herabreicht, und mit einem 
Gürtel zusammengehalten wird. Bald wnrden diese Röcke sehr lang 
getragen, bald am Halse weit ausgeschnitten, bald an der Büste durch 
Schnürbänder fest angeprefst; alle diese wechselnden Moden wurden 
von den Moralisten jener Zeit aufs schärfste verurteilt. Auch die 
Frauen tragen Socken und Schuhe; ob sie die Mode der Schnabels chnhe 
mitgemacht haben, ist nicht zu erweisen, jedenfalls sehr wahrscheinlich. 
Der lange Mantel vollendet den Anzug der vornehmen Dame; er wird 
mit einer Agraffe über der Brust zusfimimengehalten. Das Haar tragen 
die Unverheirateten offen oder in Zöpfen geflochten; die verheirateten 
Frauen binden das Haar auf und bedecken es mit einer gewöhnlich aus 
Leinwand hergestellten Haube. 

Wir haben noch keine wissenschaftüch brauchbare Geschichte der 
Trachten vor dem 12. Jahrhundert. Weder hat man die Belegestellen 
sämtlich gesammelt — und da dürften besonders die Verhandlungen 
der Konzilien und Synoden zu beachten sein — noch das vorhandene 
Abbildungsmaterial erschöpfend zusammengestellt imd vor allem kritisch 
gesichtet. Was v. Hefner-Alteneck und andere Verfasser von Kostüm- 
werken gerade über die Zeit vor dem 12. Jahrhundert vorbringen, muTs 
immer nur mit Vorsicht aufgenonmien werden. 



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2. Trachten der Vornehmen im 12. und 18. Jahrhundert. 



225 



2. Trachten der Vornehmen im 12. und 13. Jahrhundert. 

Seit dem Beginne des 12. Jahrhunderts verfügen wir über ein 
reiches Material. Nicht nur bringen die zahlreichen Epen der Franzosen 
und bald auch die der Deutschen in ihren breiten und behaglichen Schil- 
derungen uns eine bis aufs einzelne genaue Besprechung der Trachten 
der vornehmen Welt, sondern es stehen 
uns von dieser Zeit an auch viele Ab- 
bildungen, zimial Miniaturen, zur Ver- 
fügung, die eben dadurch sich vorteilhaft 
von den Arbeiten der früheren Jahr- 
hunderte unterscheiden, dafs sie nicht 
sich bemühen, Vorlagen älterer römischer 
Meister nachzuahmen, sondern sich bestre- 
ben, das Leben ihrer Zeit darzustellen. Für 
das 12. Jahrhundert kommen da vor 
allem an Bilderhandschriften in Betracht: 

Für Italien : die Vatikanische Hand- 
schrift von Donizos Lobgedicht auf die 
Markgräfin Mathilde (Abg.: Mon. Germ. 
S. S. XII), datiert 1115. 

Für Deutschland : die wichtigen Mi- 
niaturen des Antiphonars von S. Peter 
in Salzburg, die in den Mitt. der k. k. 
Zentralkommission z. Erh. der Kunst- 
denkm. XIV und später von Lind und 
Camesina für sich (Wien 1870) heraus- 
gegeben worden sind. Hubert Janitschek 
versetzt die Entstehung der Handschrift 
zwischen 1092 und 1120, und diese Da- 
tierung ist wohl als. die richtige anzu- 
sehen. 

Dann ist die beim Brande der Strafs- 
burger Stadtbibhothek 1870 leider zer- 
störte Handschrift des Hortus Deüciarum 
zu nennen. Einige ^der interessantesten 
Miniaturen dieses Werkes, die von der 
Verfasserin Herradis von Landsberg 1165 
bis 1175 ausgeführt wurden, hat schon 
1818 Chr. M. Engelhardt in Stuttgart 
herausgegeben. Nach noch vorhandenen 
Durchzeichnungen ergänzte dann Straub 
vielfach die ältere Arbeit.^) 

In Frankreich fehlt es an einem solchen Bilderwerke. Dagegen 
bieten die Skulpturen am Westportal der Kathedrale zu Chartres, welche 
um 1140 — 50 entstanden sein dürften, die ungefähr aus der gleichen 




Grabmal des Wiprenht v. (Jroitzsch (f 1124) 
In der Klosterkirche zu Pegau. 



') Hortus deliciariim publik par A. Straub et G. Keller. Strasbourg. 1873—1900. 
Schnitz, Das häusliche Leben im Mittelalter. 15 



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226 



lU. Die Kleidung. 



Zeit herrührenden Statuen aus der Kathedrale von Corbeil, jetzt in 
Saint-Denis, sehr wertvolle Anhaltspunkte für die Kostümgeschichte. 




Statuen des Markgrafen Eckhard mit (Jemahlin im Dome zu Naumburg. 

Das 13. Jahrhundert ist schon reich an Miniaturen und an plasti- 
schen Bildwerken. Die Grabdenkmäler, die die Bilder der Verstorbenen 
uns vorführen, haben w^ohl eine hervorragende Bedeutung zu bean- 
spuchen, doch sind sie zwar meist, aber bei weitem nicht immer, bald 



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2. Trachten der Vornehmen im 12. und 13. Jahrhundert. 



227 




Cyrabmal Heinrichs d. Löwen und seiner (iemahliu im Dome zu Braunschweifr. 



15» 



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228 in. Die Kleidung. 

nach dem Tode der dargestellten Persönlichkeiten ausgeführt worden, 
oft jedoch auch erst viele Jahre später. So das berühmte Denkmal 
des Wiprecht von Groitzsch in der Klosterkirche zu Pegau. Der alt^ 
Kriegsheld starb schon 1124, aber sein Denkmal ist erst beinahe hundert 
Jahre später hergestellt worden. Die Monumente Heinrichs des Löwen 
und seiner Gemahlin im Dome zu Braunschweig stammen aus einer 
Zeit, lange nach ihrem Tode.^) Also gerade bei Benutzung der Grab 
darstellungen ist Vorsicht geboten. Es mufs auch immer bedacht werden, 
dafs die Toten in ihrer besten Kleidung dargestellt werden. So zeigten 
sie sich durchaus nicht alle Tage. Später, für das 15. imd 16. Jahr- 
hundert, werden die Toten — besonders gilt dies von den Frauen — 
auf den Grabsteinen abgebildet, wie sie zur Kirche gingen. Darau> 
darf man aber nicht auf ihr Aussehen bei anderen Gelegenheiten 
Schlüsse ziehen. 

Seit dem 12. Jahrhundert kann man die Herrschaft der Mode 
nachweisen, und zwar ist schon damals Frankreich auf diesem Gebiete 
allmächtig. Die französische Mode erstreckte ihren Einflufs auf alle 
kathoUschen Kulturvölker Europas. Sicher hat es kleine, für uns un- 
fafsbare Unterschiede gegeben, denn an ihrer äufseren Erscheinung er 
kannten z. B. die Franzosen die Deutschen, die Oberdeutschen die 
Sachsen u. s. w. Von dieser Mode, die den Kleiderschnitt in Frankreich. 
Spanien, England, Italien imd Deutschland bestimmte, haben wir allein 
Kenntnis. Dafs es neben dieser Festtracht auch Hauskleider gab, die 
in StofE und Schnitt viel einfacher waren, dafs man, — wenigstens für das 
16. und 17. Jahrhundert läfst es sich nachweisen, — Hauskleider, Fest- 
kleider, Kirchenanzüge hatte, und wieder andere Trachten anlegte, wenn 
man zu einem Begräbnisse ging, das ist als ziemUch sicher anzunehmen, 
wenn wir auch von den unterscheidenden Formen kaum etwas wissen, 
wie man anders geschnittene Kleider im Sommer trug, andere im Winter. 
Auch das ist gleichfalls, nach Analogie der späteren Zeit, wahrscheinlich. 

Was wir von der Tracht des 12. und 13. Jahrhunderts feststellen 
können, beschränkt sich also darauf, dafs wir uns die Erscheinung der 
Vornehmen jener Zeit bei Gelegenheit von Festen ziemlich richtig vor 
zustellen vermögen. Von der Tracht der Bürger und der der Bauern, die 
je nach den Städten und Landstrichen gewdifs überaus verschieden waren, 
wissen wir so gut wie gar nichts. 

Die Modetracht bleibt im 12. und 13. Jahrhundert ziemUch gleich.'-) 
NatürUch werden die Zeitgenossen schon den Wandel des Mode- 
geschmackes empfunden haben, wenn wir auch annehmen dürfen, dsS^ 
die französische Mode nicht so schnell, wie in viel späterer Zeit wech- 
selte : wir sind nicht in der Lage, diese feinen Unterschiede festzustellen. 

Bodo, Deutsche Plastik. S. 50. 

•) Eine Geschichte der französischen Modetracht vom 13. bis 18. Jahrhundert 
pibt Alfred Franklin, La vie privöe d'autrefois. — Les magasins des nooveautes. 
(Paris. 1894.) — I^e vötement. S. 53 ff. — Die genuesische Tracht bespricht ausfuhr 
lieh L. T. Belgrano, Della vita privata dei Genovesi. (Genova 1885.) P. in. cap. 
39—63. — Die Kostüme Venedigs scliildert P. (t. Molraenti, La vie priv^e a Veniso 
(Ven. 1882^ p. 110 ff. 229 ff. 400 ff. 



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2. Trachten der Vornehmen im 12. und 13. Jahrhundert. 229 

Der Mann zieht nach dem Aufstehen das Hemd an und gürtet 
dasselbe um die Lenden. An diesen Gurt werden sowohl der Bruch, 
also die Bekleidung des Unterleibes und der Oberschenkel, und die 
beiden Strimipfhosen mit Bändern (Nesteln) befestigt. Bei grofser Kälte 
zog man wohl noch ein Wams über das Hemd. Die Füfse waren mit 
Schuhen bekleidet; die Mode wechselt: bald sind spitze Schuhe mit 
langen Schnäbeln beliebt, bald werden stmnpfe vorgezogen. Die Kirche 
und bald auch die städtischen Gesetze haben den Luxus der Schnabel- 
schuhe stets bekämpft. 

Das Hauptkleidungsstück ist der Rock, der bis über das Knie 
lierabreicht, mit Ärmeln versehen und am Halse aufgeschnitten ist, so 
dafs man ihn über den Kopf ziehen kann. Im Winter ist er mit Pelz ver- 
brämt. Der Rock wird mit dem Gürtel über den Hüften zusammen- 
gehalten; an diesem Gürtel hängt das Schwert des Ritters. Trat Kälte 
ein, so zieht man einen zweiten Rock an, den Surköt. Auch die ärmel- 
lose aus Tuch gefertigte und mit Pelz gefütterte Suckenie gewährt im 
harten Winter Schutz. Handschuhe trägt man jederzeit, zumal wenn 
man das Haus verläfst.^) Der Anzug der vornehmen Leute wird voll- 
endet, sobald sie den langen pelzgefütterten Mantel anlegen. Derselbe 
wird durch Agraffen über der Brust zusammengehalten. Verschieden 
geformte Mützen und Hüte brauchte man als Kopfbedeckungen, sobald 
man ausging. Strohhüte und mit PfaucMifedern belegte Hüte werden 
ausdrücklich erwähnt. 

Die Männertracht ist einfach aber bietet volle Gelegenheit, die Schön- 
heit des Wuchses zur Geltung zu bringen. Heitere bunte Farben 
gaben der Erscheinung einen fröhlichen Charakter: grüne Röcke und 
rote Hosen ; halbgeteilte Röcke rot und blau u. s. w. Im Notfalle konnte 
übrigens auch eine Frau den Männerrock anlegen; die Kleider unter- 
schieden sich nicht erhebUch von einander. 

Die Frauen kleidung entspricht, wie gesagt, genau der der Männer, 
imr tragen sie keinen Bruch, und statt der Strumpfhose Socken; der 
Rock ist länger und reicht bis auf die Füfse; auch er ist um die 
Taille gegurtet. Gefallsüchtige Frauen schnüren das Kleid um die Büste 
mit Schnürbändern eng, ihren Wuchs zu zeigen. Fast während des 
ganzen 12. Jahrhunderts erweitern sich die Ärmel so, dafs ihre Säume 
fast den Boden berühren. Die Frauen tragen mehr Schmuck als die 
Männer: Armbänder, Broschen, Ohrringe, Ringe. Die Agraffen, die 
<len Mantel über der Brust zusammenhalten, sind von prächtiger Arbeit 
aus Edelmetall. Ledige Mädchen lassen ihr Haar frei herabwallen oder 
flechten es zu Zöpfen; verheiratete Frauen binden das Haar auf und 
bedecken es mit Schleiern oder verschiedenartigen Hauben. 

Schminke und Parfümerien^), im Notfalle auch falsche H^are finden 
allezeit Verwendung. 

*) Über die Geschichte der Handschuhe, vgl. Alfr. Franklin, La vie privee 
d'autrefois. — Les magasins de nouveaatäs. (Paris 1895.) p. 1 — 122. 
») Alfr. Franklin, a. a. 0. Kap. 2—7. 



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230 in. Die Kleidung. 

3. Das 14. und 15. Jahrhundert. 

Diese Moden bleiben bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts die- 
selben, wie die Miniaturen zeigen, mit denen die bekannte Heidelberger 
(früher Pariser) Liederhandschrift ausgestattet ist.^) Die Umwandlung ging 
auch von Frankreich aus. 

Der Rock wird arg verkürzt, so dafs er jetzt kaimi über das Ge- 
säfs reicht, eine Art Jacke bildet, die sich eng dem Leibe anschmiegt 
durch einen Gürtel festgehalten wird. Durch die Verkürzung des Rockes, 
eine Mode, die freilich nur die Jugend mitmachte — alte Herren trugen 
nach wie vor lange Röcke, — durch diese Verkürzung wird nun der Bruch 
sichtbar; so weit man auch die Strumpfhose heraufziehen wollte, waren 
doch anstöfsige Entblöfsungen kaum zu vermeiden. Dieser kurze Rock 
oder diese Jacke wird von jungen Leuten bis ins 16., ja 17. Jahrhundert 
getragen. Es kam nun darauf an, die Hosen so anzuordnen, dafs kein 
Ärgernis mehr entstehen konnte. Das gelingt aber erst gegen Ende 
des 15. Jahrhunderts. Der Bruch wird jetzt geschlossen aus gutem 
Stoff angefertigt, offen gezeigt. Der Hosenlatz, der sich sehr bemerklich 
macht und auch absichtlich recht sichtbar getragen wurde, hilft den 
Schwierigkeiten allenfalls ab. Der Bruch wird zur Culotte, der Lati 
bleibt bis ins 17. Jahrhundert allgemein modern. Die Strumpfhose ver- 
kürzt sich zum Strumpf, der über den Knien sich an die Schenkelhost' 
anschliefst, mit Bändern und dergleichen gehalten. Schnüre, mit Sen- 
keln (aiguilltes) versehen, befestigen die Hose am Wams. Es ist also 
immer sehr umständlich, die Nestel auf- und zuzubinden, und, wi<* 
Fischart bemerkt, empfiehlt es sich, wenn man jungen Wein trinkt, 
die Bänder schon vorher zu lockern. Das Nestelknüpfen, neuer 
l'aiguillette, welches den Vollzug der Ehe durch Zauberkraft hinderte 
(s. o. S. 170, Anm. 3), hat im Grunde nur die Unmöglichkeit, die Nestel 
aufzubinden, die Hose herabzuziehen, zur Folge. Gegen Ende des 
17. Jahrhunderts fängt man an, die Hosen an das Wams anzuknüpfen. 
Die Hosenträger (brätelles) werden erst in der ersten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts gebraucht.^) 

Die Strümpfe hat man in älterer Zeit aus Stoff gefertigt; sollten sif 
recht prall anliegen, dann schnürte man sie auf der Wadenseite niit 
Schnürbändern fest. Erst im 16. Jahrhundert trägt man gestrickte Strümpfe. 
Die Kunst des Strickens soll nach einigen Autoren im 13. Jahrhundert 
in Italien erfunden sein; andere schreiben die Erfindung den Spaniern 
zu und verlegen sie in das 16. Jahrhundert. Nach Alfred Franklin') trug 
noch Franz I. von Frankreich genähte Wollstrümpfe; zur Zeit Hein 
richs II. waren schon gestrickte seidene Strümpfe modern, wenn der 



*) Die Bilder hat zum Teil Friedrich v. d. Hagen in seinem Bildersaal altdeutecbcr 
Dichter (Berlin 1856) veröffentlicht, vollständig Franz Xaver Kraus im IJchtdrack sit* 
(Strafshurg 1887) herausgegeben. 

«) Vgl. Alfred Franklin, a. a. O. 123—145. 

^) La vie priv^e d'autrefois. — Les magasins de nouveaut^s • • • (Paris. 189ti 
p. 282—312. 



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Tmchteu 
aus 
dem 14. Jahrhundert 
(Federzeichnungen in «lor 
sogen Welislawer BiMer 
bibel, im Besitz d. Fürsten 
Lobkowitz in Raudnitz 




231 



König sie auch selbst aus Sparsamkeit nicht trug. Die Einführung der 
gestrickten Strümpfe ist also in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts 





Tracht a. d. 14. Jahrhundert. 
(Welislawer Bilderbibel.) 



Liebespaar. Tracht a. d. Ende d. 15. Jahrhunderts. 
(Handzeichu. i. Städelschen Institute zu Frankfurt a. M ) 



erfolgt. Bald darauf erfand man die Strickmaschine. Die Engländer 
schreiben die Erfindung dem Pastor von Woodborough William Lee, zu ; 
er soll 1589 die erste Maschine gebaut, in England wenig Ermunterung 



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232 



111. Die Kleidung. 



erhalten haben. Er ging 
auf Sullys Wunsch nach 
Frankreich , fand aber 
nach dem Tode Hein- 
richs IV. keine Unter- 
stützung und starb im 
Elend. Sein Bruder 
kehrte mit den Arbei- 
tern nach England zu- 
rück und erntete jetzt 
den Lohn für die Erfin- 
dung. In England sah 
die Maschine Jean Hin- 
dret aus Nimes und war 
im stände, sie nachzu- 
machen. 1656 hat er 
seine Fabrik im Schlosse 
Madrid bei Paris eta- 
bliert. 

In den beiden Jahr- 
hunderten wechselt die 
Mode der Männertracht 
verhältnismäfsig wenig. 
Der Rock wird bald 
länger bald kürzer ge- 
tragen; eine Zeitlang 
sind die langherabhän- 
genden Ärmel beliebt; 
zur Zeit Karls IV. ver- 
tritt ein von der Schul- 
ter herabhängender Pelz- 
streifen diese Prunkär- 
mel ^); die wieder in den ersten Dezennien des 15. Jahrhunderts modern 
werden ;2) dann findet man zumal in den BurgundischenLändern Geschmack 
an den Wülsten, die den Oberarm und die Schulter verunzieren. 

Eine Hauptsache ist die Verzierung des Rockes, der mit Knöpfen 
benäht, mit Schellen besetzt wird^) — die Tracht des Hanswurstes ist 
das Kleid eines Modeherren des 15. Jahrhunderts. Dann werden die 
Kleider aus bunten StofEstücken zusammengenäht, gegen Ende des 
15. Jahrhunderts auch aufgeschUtzt, damit das kostbare Futter oder die 
saubere weifse Wäsche zur Geltung gelangt. Wieder eine andere Zeit 
liebt es, die Säume der Röcke in mannigfacher Weise auszuzacken. Das 
ist die sogenannte Zaddeltracht, die schon im 13. Jahrhundert versucht 
wird und von Zeit zu Zeit wieder Bewunderer findet. 




VIttore Pisano (1380—1456): Porträt des Lionello d'Este. 
(Bergamo. Sammlung Morelli.) 



1) DeutBcheH I^ben etc Tafel VI. 5, X. 1. 2. 3. 4, XV. 3. 
«) Ebend. Fig. 835, 336, 340, Taf XXII. XXIII. 
3) Ebend Fig. 341. Taf. XXII, XXIIl. 



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3. Das 14. und 15. Jahrhundert. 



233 



V^on den Hosen habe ich schon gesprochen. Es sei nur noch 
bemerkt, dafs man gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Oberhose, den 




Jan van Eyck (tl440): Der Mann mit der Nelke (Ritter d. Antonius-Ordens. — Berl, Kj?!- Gem. -Galerie). 

alten Bruch, in den leuchtendsten Farben zusammenstückte und den 
Latz durch Hervorhebung der Kontrastfarben absichtlich zur Geltung 
brachte. Das bald mehr bald minder spitze Schuliwerk wird bis in die 
neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts getragen. Dann treten an seine 



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234 



III. Die Kleidunjr. 



Stelle die vorne breiten Schuhe, die Ochsenmäuier, eine seltsam geschmack- 
lose Mode. 

Der Mantel gehört schon im 14. Jahrhundert nicht mehr unbe- 
dingt zum Gesellschaftsanzug, man trägt ihn, z. B. die Form des Tabard 
nur wenn es kühl wird. Dagegen finden wir seit dem Ende des 15. Jahr- 
hunderts die Pelzröcke, die vorne mit Knöpfen oder Nesteln geschlossen 
werden können. Sie sind bald lang, bald ziemhch kurz, mit breitem 
Pelzkragen und Pelzaufschlägen imd werden mit Vorliebe von älteren 
Männern getragen. Man nennt sie Husseken; später wird der Nanie 
Schaube allgemein. 

Ebenso wie der Schnitt der Röcke wechselt der der Kopfbedeckungen. 
Von dem einfachen Haarreifen — dem alten Schapel — der über der 
Stirn etwa mit einem Reiherstutz geschmückt war, bis zu den verschieden 
geformten Mützen, Pelzkappen und Baretten hat man allerlei Formen 
versucht. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hat man in den 
Niederlanden und weit über dieselben hinaus eine Kappe getragen, dif 
an den heutigen türkischen Fez erinnert, nur ohne Troddel. Dann sind 
in Italien Mützen beliebt, die in ihrer Form der schirmlosen deutschen 
Soldatenmütze entsprechen. In der Camera de Sposi dei Palazzo della 
Corte zu Mantua hat Mantegna den Herzog Lodovico Gonzaga so dar- 
gestellt. Dazu kamen die 

verschiedenen Arten von Hü- 
ten : Strohhüte , Schafpelz- 
hüte u. s. w. Gegen Ende 
des 15. Jahrhunderts beginnt 
man einen Luxus mit kost- 
baren Straufsenfedern zu trei- 
ben, schmückt mit ihnen 
Hüte und Barette. Die Agraf- 
fen, mit denen die Federn 
an den Hüten befestigt wur- 
den, sind vom Goldschmied 
kunstreich gearbeitet, mit 
Edelsteinen, Perlen besetzt, 
mit Schraelzwerk geziert. 

Die Frauenkleider be- 
halten im allgemeinen den 
Schnitt, den sie im 13. Jahr- 
hundert liatten, doch wird es 
jetzt zur Regel, dafs der Bu- 
sen recht zur Geltung kommt; 
auch sind sie häufig so weit 

ausgeschnitten , • dafs die 
blofsen Brüste sichtbar wer- 
den. An Stelle der Haube 
tritt zuweilen der gekrauste p.^^^ ^,^^^,, Franoeschi (t i492). 

Schleier (S. O. S. 131. 135). Federigo da Montefcltn», Herzog von Urbmo. (Florenz, rffliu" » 




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3. Das 14. und 15. Jahrhandert. 



235 



Die Frauentrachten sind jedoch viel weniger exzentrisch, viel an- 
ständiger als die der Männer, auch minder prächtig. Die Ärmel werden 
gegen Ende des 14. Jahrhunderts eng getragen; der lange Hängeärmel 
wird noch durch einen 
Streifen Pelzwerks ange- 
deutet, der lang von der 
Achsel herabfälh. Dann 
kommen in der ersten 
Hälfte des 15. Jahr- 
hunderts die langen 
Hängeärmel, bald aus- 
gezaddelt, bald glatt ge- 
säumt wieder auf. Das 
. Kleid selbst ist bis Ende 
jenes Jahrhunderts aus 
einem Stück gefertigt: 
Taille und Rock bilden 
ein Ganzes. Die Taille 
>vird weit ausgeschnit- 
ten, mit Knöpfen oder 

Schnürbändern ge- 
schlossen. Oft legt man 
unter ihr einen Brust- 
latz noch an, um die 
Wirkung des weiten 
Brustausschnittes eini- 
germafsen zu mildern. 
Die Modevariation be- 
steht darin, dafs die Gür- 
tung der Taille bald hö- 
her bald niederer ho- 
liebt wird. 

Um das Jahr 1500, 
etwas Genaueres ist 
heute noch nicht ermit- 
telt, trennt man das 
Leibchen des Kleides 
von dem Rocke, der nun 
erst an den Hüften bo- 
^nnt und bis auf die 
Füfse herabreicht. Diese Neuerung ist für die gesamte Gestaltung der 
Frauenmoden von allergröfster Bedeutung. ^) 

Der Luxus, den die Frauen treiben, beschränkt sich, abgesehen 
von den Schmucksachen, hauptsächüch auf die Kopfputze. In dieser 

*) Über Broschen und Fürapanne s. A. Franklin a. a. 0. 158 ff.; über Nadeln 
und Stecknadeln 169 ff.; über Fingerhüte 189 ff.; über Gürtel 192 ff.; über Knöpfe 
210 ff.; über Strumptl^änder 230 ff. 




CJrabnial des Johannes Ilolzhansen (t 1393) Im Dome zu Frankfurt. 



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236 



III. Die Kleidung. 



Hinsicht hat das 15. Jahrhundert die mannigfachsten, oft abenteuerlichsten 
Schöpfungen hervorgebracht. Ich erinnere nur an den Hennin, die hohe 
spitze Haube, die am burgundischen Hofe um die Mitte des 15. Jahr- 
hunderts in Nordfrankreich und auch in den angrenzenden Teilen 
Deutschlands aufkam. 

Seit dem 14. Jahrhundert ist es mögüch, die Wandelungen der 
Mode nicht nur an der Hand der zahlreichen datierten Miniaturen, 
Gemälde und Zeichnungen, sondern seit der zweiten Hälfte des 15. Jahr- 
hunderts auch gestützt auf die ansehnliche Menge von Holzschnitten 
und Kupferstichen ziemUch genau zu verfolgen. Auch die vielen Grab- 
denkmäler geben, mit Kritik benutzt, wichtige Anhaltspunkte; dazu 
kommen die zahlreichen Mitteilungen, die wir in Chroniken und vor 
allem in den städtischen Poüzeiordnungen vorfinden, ja selbst die Kon- 
zilien und Synodalbeschlüsse enthalten willkommene Abschnitte über die 
Ausschreitungen der Mode. Es handelt sich aber in diesem Zeitabschnitte 
immer mehr um die Trachten des Bürgerstandes. Im Gegensatz zu den 
Nachrichten, die wir über das 12. und 13. Jahrhundert besitzen, finden 
wir in den Quellen des späteren Mittelalters nur überaus selten der 

Trachten der FürsUiu, 
des Adels gedacht. 
Dafs aber die Frauen 
der Bürger auch an- 
dere Kleider trugen, 
wenn sie im Hause 
sich aufhielten, wenn 
sie zum Fest, zum 
Tanz oder zur Kirche 
gingen, beweisen Al- 
brecht Dürers schöne 
Aquarellzeichnungen 
von 1500 in der Alber- 
tina zu Wien.^) 

Wenig ist es, was 
wir von den Kleidern 
der Bauern bis jetzt 
ermittelt haben. Man 
müfste die Kalender- 
bilder, die ja bis ins 
13. Jahrhundert zu- 
rückreichen, einmal zu 
diesem Zwecke ge- 
nauer untersuchen. 

Im allgemeinen 
unterscheidet sich die 




Martin Zasiiiger, Aristoteles und PhyHis. 



1) E. W. Baader, Al- 
brecht Dürers Trachten- 
bilder in der Albertina. 
Wien 1871. 



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4. Dae 16. Jahrhundert. 



237 




Hemin, 
Burgan dische Haube. 



deutsche Modetracht von der französischen nur wenig 
— dafs neben dieser Mode aber noch eine in den 
Städten und besonders auf dem Lande gebrauchte 
überaus mannigfache Volkstracht bestand, von der wir 
gar wenig wissen, das dürfen wir nie aufser acht 
lassen. 

Auch die italienische Tracht schliefst sich der 
herrschenden Mode ziemüch genau an. Gerade für 
die exakte Forschimg auf diesem Gebiete ist in Italien 
eine Fülle des wertvollsten Materials vorhanden. Von 
der Zeit des Giotto^) bis zu der des Luca SignoreUi 
finden sich zahlreiche Kostümdarstellungen auf den 
Gemälden der italienischen Maler. Z. B. bietet die 
Anbetung der Könige des Gentile da Fabriano (t 1427/28) 
in der Akademie von Florenz, datiert 1423, sehr interessante Abbildungen 
von Trachten. ^) Für die spätere Zeit sind zu beachten die Gemälde des 
Masolino da Panicale (in Castigüone d'Olona 1383 — 1440), des Benedetto 
Bonfigü^), des Francesco Pesellino (1422 — 57 — vgl. d. Abb. in Werner 
Weisbach, Fr. P. und die Romantik der Renaissance, Berlin 1901). Dann 
kommt Vittore Pisano (c. 1380 — 1456) in Betracht (S. Woermann, Gesch. 
d. Malerei II, 235, Fig. 322), die Arbeiten des Vittore Carpaccio in Ve- 
nedig, die des Andrea Mantegna im Palazzo del Corte zu Mantua*), die 
Fresken des Luca SignorelU in der Sixtinischen Kapelle zu Rom und 
im Dome zu Orvieto. Es wäre sehr verdienstvoll, wenn einmal eine 
Spezialuntersuchung über die itahenischen Kostüme des Mittelalters ge- 
meinsam von einem Maler und von einem tüchtigen Historiker unter- 
nomnaen würde. An ausgiebigem Stoffe fehlt es wahrlich nicht. 



4. Das 16. Jahrhundert.^) 

Das 16. Jahrhundert bildet die ihm vom Mittelalter überkommenen 
Kleiderformen nun weiter aus, zunächst aufserordentUch phantasievoll. 
Die Anregungen zu diesen Modeneuerungen gaben die Landsknechte 
und ihre Weiber. Von ihnen nahmen Männer und Frauen die vielfach 
gepufften, mannigfach geschlitzten Ärmel und Wämser an. Sie haben 
den Modenarren das Beispiel gegeben, die obere Hose in verschiedenster 
Art zu verzieren, so, dafs nicht das rechte Beinkleid dem linken ghch. 
Verständige ältere Männer und Damen der besseren Gesellschaft machten 
wohl diesen Luxus und diese Torheiten nicht mit, wie sie nicht den 
Gebrauch der Straufsenfedem auf ihren Hüten und Baretten übertrieben, 
ganz aber konnten sie sich der einmal herrschenden Mode doch nicht 

*) Besonders die Freskomalereien in der Scrovegnikapelle zu Padua. 

>) Woermann, Gesch. d. Malerei H, 209, Fig. 199. 

») The Magazine of Art. (Lond. 1902.) S. 128. 

♦) Woermann a. a. 0. II, S. 269, Fig. 213. 

•) Für die iranzösischen Moden vom 12. bis 18. Jahrhundert ist sehr wertvoll: 
De Is M^sangfere, Galerie fran9ai8e des fcramcs c^lebres. Paris 1841. Mit 70 kolo- 
rierten Tafeln. 



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238 



III. Die Kleidung. 





Piero degli Franceschi (f 1492) : BattistJi 
Sforza. (Florenz, Ufflzien.) 



Lombardischer Meister: Beatiice d*E8te. 
(Florenz, Palazzo Pltti.) 




Domenico Veneziano (1410— 14ßl): Porträt. 
(Mailand, Miiseo Poldi — Pezzoli.) 



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4. Das 16. Jahrhundert. 



239 




Sandro Botticelli (1447-1510): Bella 
Simonetta. (Florenz, PalazKo Pitti.) 

entziehen. Man mufs die Aqua- 
rellen vom jüngeren Hans Hol- 
boin, die Federzeichnungen von 
Niklas Manuel Deutsch und Urs 
Graf im Baseler Museum be- 
trachten, will man eine Vor- 
stellung von der originellen, 
aber doch gefälligen Tracht ge- 
winnen. 

Für die ersten Decennien 
sind hauptsächlich die Bildnisse 
vom älteren Lukas Cranach zu 
beachten. 

Man kann jetzt schon einen 
Unterschied zwischen der Klei- 
dung der Fürsten und des Vol- 
kes erkennen. Mag der Schnitt 
auch im allgemeinen der Mode 
entsprechen, so sind die Stoffe, 
Atlas, Samt, Seide und Brockat 
kostbarer, und die Menge der 
Perlenstickereien gibt den Fest- 
gewändern noch einen erliöhten 
Reiz. Wenn man das Porträt 
der Bianca Sforza von Bernhard 
Strigel (München, Privatbesitz), 




Fr. BuonsiRnoro (14rW)-1519): Bildnis der 

Herzogin von Mantua Elisabetta von 

Este. (Florenf, Uffizien.) 




Lukas Cranach d. Ä. (1472—1553): Kurfürst Joachim I. 
von Brandenburg. (Kanzellei - Bibliothek zu Bayreuth.) 



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240 



III. Die Kleidung. 




des Joachim 
von Brandenburg 
vom älteren Cra- 
nach (Berliner 
SchlofSjKanzellei- 
Bibl. in Bayreuth) 
betrachtet, fällt 
die überreiche 
Stickerei, die un- 
gewöhnliche 
Menge von Grold- 
schmuck auf. Die 
Porträts von Al- 
breeht Dürer, sei- 
nen Zeitgenossen 
und besonders 
seinen Nachfol- 
gern geben einen 
ÜberbHck über 
die Wandelungen 
derMode während 
des 16. Jahrhun- 
derts. Schon tritt 
die Verschieden- 
heit der Trachten 
in den einzelnen 
Landstrichen uns 
klar entgegen. Die 
abenteuerhchen 
Verzierungen der 
Hosen verschwin- 
den um die Mitte 
des Jahrhundert** 
dagegen werden 
nach 1550 die Plu- 
derhosen in 
Deutschland mo- 
dern, während 
man in Frank- 
reich an Stelle von 
diesen unverhält- 
nismäfsig aufge- 
bauschten Hosen 

einen eben so 
grofsen, aber nur 

den oberen Teil des Obersehenkels bedeckenden ausgestopften Wulst, 
trägt. Der Tlosenlatz wird noch immer als ein wichtiger Teil der männ- 



Fran^;oi8 Clouct, Karl IX., König v. Frankreich. (Wien. Kais. Gem. -Galerie.) 



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4. Das 16. Jahrhundert. 



241 




liehen Toilette angesehen. Die 
Schuhe werden mit Schleifen und 
dergl. geziert. ^) 

Als Kopfbedeckung trägt man 
zunächst das breite, geschlitzte, 
mit Straufsenfedem geschmückte 
Barett; später wird die flache Form 
des Barettes eingeführt; die in 
Deutschland verwendeten spani- 
schen Truppen hatten diese Mode 
verbreitet. Gegen Ende des Jahr- 
hunderts sind allerorten die Samt- 
Toquen beliebt. Neben diesen ver- 
schiedenen Formen von Baretten, 
Mützen aller Art, trägt man den 
Filzhut oder den mit Pelz über- 
zogenen, bald höheren bald nie- 
deren, bald breit- bald schmal- 
ränderigen Hut, dessen Krempe 
auch aufgeschlagen wird, und den man mit Straufs- oder Reiherfedern, 
mit goldenen Schnüren, Medaillen, Agraffen verziert.^) 

Je nach dem Stande sind diese Kleider bald aus bestem, bald aus 
geringem Stoffe, bald reicher dekoriert, bald ganz einfach gehalten. Seit 
dem 16. Jahrhundert beginnt die Frauentracht die der Männer an 
Reichtum und origineller Aus- 
gestaltung zu übertreffen^), was 
in den früheren Zeiten durch- 
aus nicht in dem Grade der 
Fall gewesen war. Die Leib- 
chen sind in den ersten Jahren 
ziemlich kurz, nehmen aber 
im Laufe des Jahrhunderts an 
Länge immer zu, zunächst tief 
am Rücken und über der Brust 



Tizian: Eleonore Gonzaga, Herzogin von rrblno 
(Florenz, rfflzien). 



^) Die Geschichte des Schuh- 
werkes gibt u. a. Alfred Franklin, 
La vie priväe d'autrefois. Les ma- 
gasins de nouveaut^s. *••• (Paris 
1898.) — La cordonnerie. S. 165 ff. 

•) Über die Kopfbedeckungen 
in Frankreich vgl. Alfred Franklin 
a. a. 0. Paris 1896. Les magasins 
de nouveautäs * • • (Chapellerie et 
modes, Cap. I — HI und la Bonne- 
terie, Cap. I— IV). 

') Vgl. Paul Lacroix. Moeurs, 
asages et costumes au moyon-äge 
et ä l'^poque de la Renaissance. 
(Paris 1872.) S. 549 ff. 

Schnitz. Das häusliche lieben im Mittelalter 




Angiolo BroMsino: Lucrezia Panciaticchi 
(Florenz, Ufflzien). 

16 



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242 



m. Die Kleidiin''. 




.Tost Amman : Frauen trachten. 



ausgeschnitten, werden sie immer höher ; die vor- 
gebundenen Latze, die fein gefältelten Hemdchen 
bedecken jetzt züchtig den Busen. Zu dem bald 
reich gefalteten, bald glockenartigen Rocke ge- 
hört ein farbiger Unterrock, der, sobald das Kleid 
gehoben wird, sichtbar ist. Um die Taille ist d^^r 
Rock mit einem Gürtel zusammengefafet. Mit 
diesen Gürteln wurde ein grofser Luxus getrie- 
ben; selbst einfache Handwerkerfrauen hatten 
silberne, die durch die Arbeit des Goldschmiede- 
einen noch höheren Wert erhielten. An dem 
Gürtel trägt die Frau ihre Geldtasche, den 
Schlüsselbund, ein silbernes, vergoldetes oder gar 
> goldenes Efsbesteck mit Messer und G^bel, wit 
der Mann an seinem Gürtel Schwert und Dolch 
zu tragen pflegte. Von den mannigfachen 
Schmucksachen wurde schon gesprochen. E^ 
ist jedoch ausdrückhch darauf hinzuweisen, dafs, wie die seit dem Ende 
des 16. Jahrhunderts häufiger erhaltenen Testamentbücher beweisen, auch 
die Frauen der Kleinbürger einen oft ganz ansehnUchen Schatz von 
Schmucksachen aus Edelmetall besafsen. 

Eine sehr belehrende Folge von Fürstenporträts des 16. Jahr 
hunderts ist in der Sammlung des Germanischen Museums zu finden, 
andere bezeichnende Proben von den malerischen Trachten, die an den 
Höfen jener Zeit im Gebrauche waren, enthält das Nationalmuseuni in 
München, sowohl Bildnisse als auch einige Originalkleider. Es über 
rascht bei allen diesen Porträts die grofse Menge von Schmucksachen 
Die Männer tragen kostbare Agraffen an ihren Baretten und Mützen, 
goldene Ketten mit zum Teil reich gefafsten Porträtmedaillen, zahlreiche 
Ringe u. s. w. Die Frauen schmücken sich mit Halsketten, an denen 
die heute so gesuchten Anhänger befestigt sind, mit Schnüren grofser 
Perlen, Halskreuzen, Armbändern, Gürteln und edelsteingeschmückten 
Ringen. Es sind uns aus dem 16. Jahrhundert eine Menge solcher 
Schmuckinventare erhalten, die uns einen EinbUck in. den Besitz nicht 
allein der fürstlichen, sondern auch der adügen, ja selbst der bürger 
hohen Familien eröffnen. In der Zeit der Not, während der Sorgen des 
Dreifsigjährigen Krieges und der späteren Kriegsdrangsale ist der gröfeere 
Teil dieser auch künstlerisch wertvollen Schmuckgegenstände ein- 
geschmolzen und zerstört worden. Einen Begriff von der Kostbarkeit 
des Schmuckes der bayerischen Herzogsfamilie bieten uns die Ab^ 
bildungen, die Hans MieUch (1516 — 73) von den Prunkstücken malte, 
eine Sammlung, die jetzt im Besitz des Geh. Rates J. H. von Hefner 
Alteneck zu München sich befindet. Verhältnismäfsig wenige dieser 
prächtigen Erzeugnisse deutscher Goldschmiedekunst treffen wir heute 
in den Museen an, am häufigsten noch in den Kunstgewerbesamm 
lungen. Sehr wertvoll ist der Schatz von Schmucksachen, welche der 
Gruft der bayerisch-pfälzischen Herzoge zu Lauingen entnommen sind 



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4. Das 16. Jahrhiiiidert. 



243 




Schmucksachen. {W. Lübke, Gesch. d. deutschen Kunst. — StuttK- 1890.) 

und jetzt in dem bayerischen Nationalmuseum zu München bewahrt 
werden. 

Was nun die charakteristische Tracht des 16. Jahrhunderts an- 
belangt, so wird der Rock mehr und mehr zum Wams; ob die Schöfse 
desselben breiter sind, eingeschnitten werden, das sind die Mode- 
variationen, die die Schneider zu ersinnen wissen.^) Die Stoffe werden 
schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht mehr aufgeschlitzt, 
wie man für die Buntheit des Kleides auch den Geschmack verhert. 
Über dieser kurzen Jacke (Juste au corps) trägt man wieder den Mantel, 

*) Kinderkleider in i^tienne Moreau-N^laton, Les Le Mannier, peintres offi- 
ciels de la Cour des Valois au XVI si^cle. Paris 1901. 

16* 



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244 ni. Die Kleidung. 

der aber kaum über den Leib reicht, mit steifem Kragen ausgestattet 
ist. Altere Herren brauchen noch die Schaube oder ziehen es vor, die 
lange, mit Knöpfen geschlossene Samaria zu tragen. Eine eigenartige 
Bereicherung erhält das Kostüm des 16. Jahrhunderts durch die Ent- 
wicklung des Hemdkragens. Schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts 
war es Mode geworden, den gestickten oder gefältelten Hemdkragen 
sichtbar zu tragen. Inmier gröfser entwickelt sich nun dieses neue 
Element, bis der mächtige Mühlsteinkragen erwächst oder der teuere 
und kunstvolle Spitzenkragen, der nur durch ein Drahtgestell in der 
schicklichen Stellung gehalten werden kann. 

Über das Kleid legten die Frauen bei kühlem Wetter wohl noch 
ein zweites Überkleid an, das vom Hals bis zu den Püfsen vom offen 
war und mit Knöpfen oder Nesteln geschlossen wurde, die Ärmel konnte 
man wie die der Samaria, welche von den Männern getragen wurde, 
nach Belieben entweder ganz anziehen oder man fuhr mit dem Arm 
durch eine am Ellbogen des Ärmels oder gar an der Achsel angebrachte 
Öffnung und liefs den Ärmel halb oder ganz herabhängen. Kurze Pelz- 
jäckchen mit Puffen an den Schultern wurden mit Vorliebe von jüngeren 
Damen getragen. In den Siebzigerjahren wird dann ein Schulter- 
mäntelchen beliebt, das etwa den noch vor kurzer Zeit viel getragenen 
Capes entspricht (S. o. S, 242). Eine grofse Mannigfaltigkeit zeigen die Kopf- 
bedeckungen. Mit der hohen Haube beginnt die Mode, dann kommt das in 
aller erdenkUcher Weise ausgeschmückte Landsknechtsbarett mit seiner 
reichen Ausschmückung von Straufsenfedern. Die kleinen Samtbaretts und 
die Samthüte mit ihren goldenen Zierraten und dem bescheidenen Feder- 
schmuck bleibt den Damen der vornehmen Gesellschaft vorbehalten, 
während die Bürgersfrauen gegen Ende des Jahrhunderts mit Vorliebe 
Pelzmützen tragen. Von den Bürgersfrauen haben dann die Bauernweiber 
diese Mode übernommen und viele Jahrhunderte festgehalten. Die Marder- 
mützen der Partenkirchener Frauen, die auch immer mehr verschwinden, 
sind ein Überbleibsel jener weitverbreiteten Mode. In Rom erkauften 
sich 1560 Frauen das Recht, in Männerkleidem zu gehen imit zerhackten 
und zerschnittenen Hosen und haben ihre Rapiere an der Seite, als 
wären sie Landsknechte«.^) 

Über die Trachten des 16. Jahrhunderts sind wir sehr gut unter- 
richtet. Zumal die deutschen Geschichtsschreiber teilen uns mit, wenn 
die Kleidermoden sich änderten. Zahllose Kleiderordnungen, vom Reiche, 
von den Fürsten und Städten erlassen, geben uns eine Vorstelhing von den 
Ausschreitungen der Putzsucht. Es wäre sehr verdiensthch, diese nur schwer 
zu erlangenden Verfügungen zusammenzustellen und zu veröffentlichen.^) 

») O^'ulpius) Kurios. I, 279. 

*) H. Bodemeyer, Die hannoverischen Luxus- und Sittengesetze. Göttingen 1857. 

(Kleiderordnung.) 3 Erfasse von Herzog August Wilhelm, Karl I. und der Stadt 
Braunschweig 1705, 1729, 1740. 

Der Stadt Braunschweig Ordnunge auff die zierunge und kleidunge und auff 
die veriöbnisse und Hochzeiten und was denselbig anhengig ist. Magdeburg 1579. 

Hamburgische Hochzeits- und Kleiderordnungen von 1583 u. 1585. Hamb. 1889. 

Eines Ehrenvesten Rahts der Stadt Stralsund Kleider-Ordnung. Strals. 1649. 



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4. Das 16. Jahrhundert. 245 

Die Verfasser der Selbstbiographien versäumen nicht, zu erwähnen, wie 
sie zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens von ihren Kinderjahren an ein- 
hergegangen sind, ja einzehie Leute lassen sich, wie der Augsburger Mat- 
thaeus Schwarz und sein Sohn Veit Konrad dies taten, wohl in jedem 
neuen Anzüge abmalen.^) Dies Schwarzische Trachtenbuch befindet sich 
jetzt in der herzogl. BibUothek zu Braunschweig ; es verdiente wohl ver- 
öffentlicht zu werden, da es die Wandelungen der Augsburger Moden 
uns vorzügUch anschauHch macht. Denn das kann man bei der Fülle des 
zur Verfügung stehenden Materials mit Leichtigkeit feststellen, dafs jede 
gröfsere Stadt ihre eigenartige Tracht hat; bei den Dörfern mag das 
noch in erhöhterem Mafse der Fall gewesen sein. Aus der letzten 
Hälfte des 16. Jahrhunderts besitzen wir die ersten Trachtenbücher ; bis 
zu dieser Zeit mufs man sich mit den Bildnissen behelfen,* die von mehr 
oder minder hervorragenden Malern, von Albrecht Dürer, Hans Hol- 
bein d. J., von Christ. Amberger, Ostendorf er, Barth. Bruyn und anderen 
herrühren. Alle diese Behelfe beweisen, dafs es zwar im allgemeinen 
eine Modetracht gab, die in der ganzen abendländischen Welt Verbreitung 
fand — ich habe die Hauptmerkmale zu schildern versucht — dafs 
jedoch neben dieser Modekleidung — ich möchte sie die offizielle 
nennen — eine Mannigfaltigkeit vorhanden war, die wir nur zum Teil 
zu kennen in der Lage sind, die ganz zu ermessen wir vielleicht nie im- 
stande sein werden. Wenn wir die von dem trefEHchen Jost Amman 
(1539 — 91) ausgeführten Holzschnitte des bei Weigel erschienenen Trachten- 
buches und die von demselben Meister herrührende Folge Gynaeceum 
sive Theatrum Muliebre (1586, Neudruck bei Georg Hirth, Leipzig und 
München) durchsehen, so finden wir eine kleine Probe dieser Verschieden- 
heiten vor. Dann geben die Abbildungen Costumes Civils et MiUtaires 
du XVI Si^cle par Abr. de Bruyn d'Anvers (1581, Neudr. Bruxelles 1872) 
und seine »Omniinn paene Gentium imagines« (1584) sehr willkonamene 
Ergänzungen zu den Werken des deutschen Meisters. Beachtung ver- 
dient dann das vierbändige Werk »Theatrum urbium«^); neben der Ab- 
bildung der Städte sind da häufig auch die Trachten derselben abgebildet. 
Dies grofse Kupferwerk verdient, besonders wenn man ein koloriertes 
Exemplar benutzen kann, auch als Hilfsmittel die itaUenischen, fran- 
zösischen, spanischen, engUschen Trachten festzustellen, die in Ungarn, 
Polen, Rufsland gebräuchhchen Kostüme kennen zu lernen, hervor- 
ragende Beachtung. Die Trachten von Strafsburg und von BaseP) sind 
in besonderen radierten Bilderwerken veröfEentUcht worden, seltenen 
kleinen Büchlein, die wohl auch eines Neudruckes würdig wären. 

Zahllose Porträts von Männern und Frauen, in Ol gemalt oder in 
Kupfer gestochen, in Holz geschnitten, sind aus dem 16. Jahrhundert 
noch erhalten und so dürfte es möghch sein, ein deutsches Trachten- 

*) Reichard, Matthaeus und Veit Konrad Schwarz. Magdeb. 1786. 

•) Georg Braun (Bruin) u. Hogenberg, Civitates orbiB terrarum .... 6 voll, 
in fol. — Coloniae Agrippinae, 1592 ff. 

>) 8. das Nähere in dem vom Frhrn. v. Lipperheide herausgegebenen, S. 121 
Anm. 1 zitierten Werke. 



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246 in. nie Kleidung. 

buch dieser Zeit wohl zusammenzustellen, das einigermafsen den An- 
sprüchen der Wissenschaft genügt. Schwerer wird das schon in Italien 
sein, wo man einzig und allein auf Porträts angewiesen ist; eben jene.s 
Theatrum Urbium läfst uns die bunte Mannigfaltigkeit der italienischen 
Stadt- und Landtrachten nur ahnen. Und dasselbe gilt von Frankreich, 
von Spanien, von England: wir besitzen wohl zahlreiche Bildnisse von 
Königen und deren Gemahlinnen, Angehörigen, Hofleuten und Adel, 
aber auch in diesem Falle wird das Theatrmn Urbium uns zeigen, dalV 
wir von dem Aussehen der Bürger und speziell der Landleute wenig 
oder gar nichts wissen. Deutschland ist eben während des 16. Jahr- 
hunderts gerade auf dem Gebiete der Illustration allen diesen Ländern 
weit voraus. Noch eine andere reiche Quelle für Kostümgeschichte ist 
vorhanden: die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts so beliebten 
Stammbücher. Die Studenten Hefsen sich da von ihren Freunden Bilder 
hineinstiften, d. h. die Malerei besorgte irgend ein bilHger Maler. Neben 
vielen gleichgültigen, zuweilen auch recht unsauberen Darstellungen 
finden wir da auch Kostümbilder, Andenken an den Aufenthalt auf 
deutschen oder fremden Universitäten. Die in Italien studierenden jun^^en 
Leute haben oft genug sich Abbildungen venetianischer Dogen, Würden- 
träger, Courtisanen in ihren Stammbüchern mitgebracht. 

Diese Stammbücher, von denen z. B. eine gröfsere Anzahl auf der 
BibUotiiek zu Weimar zu finden ist, bieten für das 16. und 17. Jahr- 
hundert eine überaus reichhaltige Fundgrube.^) 

*) Über die Trachten zu Beginn des 16. Jahrhunderts finden wir in Sebastian 
Francks Weltbuch (1533) einige beachtenswerte Mitteilungen, zunächst über Deutsch- 
land. Des Adels Kleid ist »wild und weltliche (fol. xhvi ^). Von den Bürgern bemerkt 
er: »die Kley düng ist, wie gesagt, alltag new; nitt lang noch bey menschen gedechtuifs 
truog man spitzige schuoch mitt langen schnäbeln, kleine enge kurtze kleyder kappen 
mit zotten: yetz ist alles anders und umbkert, weit grofs, die schuoch breyt un<{ 
Tnaulecht. Der weiber kleyder ist yetz kostlich aber erber gemachte (fol. xl^vij » . 
Die Bayern »scind gmeinlich in blaw gekleydet< (fol. Lv ^). 

Von den Franzosen berichtet er: >Die kleydung verendert sich tej^lich. Zur 
Zeit Ant. Sabcllici ist yhr gmeyn kleyd gwesen ein kleyn wappen- oder reutröcklin 
mit ermein, das kaum zuo halbem arfsbacken gieng, spitzen eines halben schuochs 
an den schuohen ; ein spitzig paret wie ein hörn geformet betten sy auflf. Nun i^<t 
alles anders: die schuoch fornen breyt und maulecht wie die bärn füITfi, ein lang i^eit 
kleyd' schier bifs auff die halben waden, seltzam zerschnitten, verprembt und mit 
mancherley färb den äugen lustig. Breytte weitte paret und huot, welches die Teutschen 
in kurtzer zeit yn alles nachzuthuon haben angefangen, undhatdiser sitten also ül>er- 
hand genummen, das man sicher alles Italiam und Germaniam in Cxallischcr w:iat 
sihet; . . der weiber kleyder ist nit vil verendert« (fol Lxvj ^>) 

Die Spanier »tragen kleine paret und jkurtze schwartze rock. ... Ir weii»^r 
geen in wunder seltzamer rüstung herein, haben am halfs ein eisin halfsband, da.< 
recket krumme zincken binden über den kopff hinaufs und strecken sich dise zinoken 
oben über den kopff horfür, darüber so sy wiillen, mögen sy ein fürhang ziehen und 
yn ein ein schatten machen und difs haben sy für ein grosse zier. Etlich n>pffcn 
ihr glatzen aufs, dafs sy fornen weit harlofs und kal werden (das ist die französische 
und burgundische Mode um die Mitte des 15. Jahrhundert«) und allein binden aul'-- 
haben, fornen kein.s ; das ist auch yr syben schöne eine. Die anderen binden eine* 
schuochs hoch ein auffgerichten stecken auff das haupt (das erinnert an den Henuin , 
yhr har daran geflochten, oben an dem spitz ein schwartz huotlin darauff gesetzt« 
(fol. Lxxtt). Über Italien äufsert er sich : ^die kleydung ist mancherley. Die Venedi^rtT 



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5. Das 17. Jahrhundert. 247 

5. Das 17. Jahrhundert. 

Die kriegerische Zeit des 17. Jahrhunderts hat nun auch auf die 
Tracht der Männer ihren Einflufs ausgeübt. An Stelle des Wamses 
oder der kurzen Jacke, die Rubens noch auf dem bekannten Porträt 
trägt, in dem er sich und seine Frau Isabella Brandt gemalt hat (c. 1610, 
Münchener alte Pinakothek), tritt der langschöfsige Rock, wie ihn die 
schwedischen Soldaten zu tragen pflegten. Nicht auf einmal findet diese 
Modeneuerung Eingang; auf dem grofsen Gemälde David Teniers d. J., 
das einen Jahrmarkt vorstellt und sich in d^r alten Pinakothek zu 
München befindet, sehen wir die verschiedensten Anzüge; die modernsten 
aber scheinen die langen Röcke zu sein. Das Wams wird nun zur 
Weste. Die Hose verliert den Latz, ist nicht unter dem Knie gebunden, 
sondern zunächst offen. An Stelle der Schuhe treten die Stiefeln und 
zwar bis mn die Mitte des Jahrhunderts die Reiterstiefeln, die man auch 
in Gesellschaft trägt, die Stulpen hinunterschiebend. Modeherren ver- 
brämten den Ausschnitt der Stiefelstulpen mit Spitzen. So wurden auch 
für einige Zeit selbst die schweren Sporen gesellschaftsfähig. Die Hose, 
bis ans Knie reichend, ist unten offen — eine Unterhose scheint jetzt 
allgemein gebräuchUch — oder mit Bändern geschlossen. Die Mützen 
und Baretts werden unmodern : man braucht allgemein den breitkrämpigen 
Soldatenhut, den man mit einer Feder schmückt. Am Hofe Ludwigs XIH. 
trägt man noch den Federhut ^), der je nach der augenbücklichen Mode 
mehr oder minder an einer Seite aufgekrempt wird. Den Hut behielt 
man auch im Zimmer auf, bei Tafel u. s. w.^) Der dreieckig auf- 
geschlagene Hut wird unter Ludwig XIV. modern; zunächst wird auch 
er mit Federn geschmückt, jedoch gegen Ende des Jahrhunderts besetzt 
man nur die Kanten des Dreispitzes mit einer Federborte (Plumage) 
lind diese Form hat sich bis tief in das 18. Jahrhundert zu erhalten 
gewufst. Auch Damen tragen, wenn sie ausreiten, den dreieckigen Hut. 

Der Mantel gehört nicht mehr unbedingt zur Gesellschaftstoiletto. 
Wenn der ganze Zuschnitt der Kleidung nun auch einen soldatischen 
Charakter hat, so verstanden es die A-la-Mode-Herren doch, durch allerlei 
Schleifen und Bänder dem Anzug etwas Kokettes zu verleihen. Die 
Moralisten wie Logau, Moscherosch und viele andere haben diese Ver- 
irrungen ernst getadelt, zahlreiche Karrikaturen sind erschienen, allein 
die Mode erhält sich, bis sie durch eine neue, welche die Tracht am 
Hofe Ludwigs XIV. als Muster nimmt, verdrängt wird. Noch einmal 



tragen für andern weit lang aufsfliegende kleydcr in groBHem umbschweiff; nacher 
Meylandt, Florentz und Rhom an des Bapsts hoff ist ein überfluffs niancherley selt- 
zamer leut und kleydung sunderlich an dem Meibsbildt. ... An ettlichen orten gehen 
noch heut die junckfrawen gehült und geschleyrt, lassen sich kaum sehen. ... In 
Kmilia und Cisalpina Gallia tragen die weiber Hispanisch kleydung, die mann Fran- 
tzösisch. Newlich entblöfsten sich die Vonediger weiber an armen und brüst gar, yetz 
decken sy sich mit weiter waat und grofsen crmeln. . . .< (fol. Lxxvj i>). *) 

Vgl. über der Ungarn Kleidung, fol. Lxxx b. 

») Kulturg. Bilderb. IV, S. VI, \U; vgl. N. 1712, 1713, 1773. 

«) Ebend. N. 1729, 1761. 



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248 lil. I>ie Kleidung. 

wird Prankreich das Vorbild der europäischen Mode, selbst im \iel 
höheren Grade als im 12. und 13. Jahrhundert, da sich jetzt seine Macht 
bis nach Polen, Rufsland, Skandinavien erstreckt. Aber wohl gemerkt, 
das ist nur die Kleidung der oberen Gesellschaftskreise. Wie stechen 
die ehrsamen Gildenvorsteher Hollands mit ihren schHchten, dunklen 
Tuchröcken und ihrem weifsen Überschlagkragen ab von den Kavalieren, 
die Van Dyck malt, von den Herren, die Abraham Bosse in seinen so 
wertvollen Kupferstichen uns vorführt. Wenn je, so hat es während 
des 17. Jahrhunderts Standestrachten gegeben; was für die eine Gesell- 
schaftsklasse gilt, darf man nicht bei einer anderen voraussetzen. Ja, in 
den deutschen Städten unterscheiden sich selbst Protestanten und Katho- 
hken in ihrer Kleidung. Im allgemeinen Schnitt sind die Kleider des 
Adels und der Bürger wohl gleich, indessen verschieden im Stoffe, in 
der Farbe, im Ausputz. 

Seit dem Dreifsigjährigen Kriege bis auf die Zeit der französischen 
Revolution ist die Männertracht im grofsen und ganzen immer die 
gleiche. Ob die Schuhe mit Schleifen oder mit Schnallen verziert sind, 
ob die Strümpfe aus Seide oder Wolle, ob die Westen überlang oder 
kürzer sind, der Rock an den Ärmeln Aufschläge (Brandenbourgs) hat, 
mit Goldtressen besetzt oder mit Stickereien verschönert ist, das sind 
die alleinigen Schwankungen des Modegeschmackes. 

Eine notwendige Ergänzung des hier entworfenen Bildes ist in der 
Form der Haartracht zu suchen. Es sei deshalb gestattet, hier noch 
kurz zusammenzufassen, was uns über diese Frage bekannt geworden 
ist. Die Völker diesseits der Alpen trugen im Gegensatze zu den 
Römern das Haar lang, den Bart unverkürzt. Zur Zeit Karls des 
Grofsen stutzt man das Haar, rasiert sich imd läfst nur einen kleinen 
Schnurrbart ungeschoren. Diese Mode scheint in den nächsten Jahr- 
hunderten die herrschende. Otto III. erscheint auf dem bekannten 
Bilde bartlos^), Heinrich II. dagegen pflegt wieder seinen bescheidenen 
Bartwuchs. 2) So beginnt aufs neue eine Zeit, die den Bart zu schätzen 
wufste. Im 12. Jahrhundert flechtet man ihn zusammen, xmiwindet ihn 
mit Perlenschnüren, und dann kommt im 13. Jahrhundert wieder eine 
Periode der Bartlosigkeit. Die Haare werden glatt über der Stirn ab- 
geschnitten und man läfst sie bis über die Ohren herab, ja dafs sie den 
Hals berühren, wachsen. Wem die Haare abhanden gekonmaen waren, 
behalf sich schon damals mit einer Perücke. 

Im 14. Jahrhundert unter den Luxemburgischen Kaisern kommt 
der Bart wieder zu Ehren. Mit dem Haupthaar wird aller erdenkliche 
Unfug getrieben. Bald schor man den Nacken kahl (s. o. S. 232), bald wieder 
toupiert man die Haare, dafs sie in wilden Locken das Haupt umgeben. 
Unter den habsburgischen Kaisern Friedrich III. und Maximihan liebt 
man glatt rasiert einherzugehen, allein dann fängt wieder eine Periode an, 
die den Bart schätzt. Er wird in allerlei Formen getragen, als breiter 
Kinnbart (Henri quatre), als spitzer, schmaler Kinnbart (Karl I. von 

*) H. Janitschek, Gesch. d. deutschen Malerei (Berlin 1890). Taf. z. S. 72. — 
'^: Förster, Denkm. deutscher Baukunst etc. IL — *) Ebend. 11. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



249 




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250 



IL . Die Kleidung. 




Spottbild a. d. Mode. 

England) u. s. w. Erst unter Ludwig XIV. beginnt man den Bart ganz 
zu beseitigen. Logau macht schon seine Bemerkungen über diese natürlich 
in Deutschland wiederum sofort angenommene Sitte. ^) 

Man fleist sich ietzt den Bart vom Maule zu gelosen 
Und meint, es kumme her, ich glaubs auch, von Frantzosen. 
Zur Zeit des Königs Franz I. fing man an, che Haare kurz zu 
schneiden. Ludwig XI. und Maximilian hatten noch lange Haare 
getragen; mit Karl V. beginnt auch in Deutschland die Zeit der kurz- 
geschorenen Köpfe. Ludwig XIII. jedoch liebt wiederum das lang herab- 
wallende, gelockte Haar, wie auch Karl I. von England und seine Kavaliere 
es zu tragen gewöhnt waren. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderte? 
lassen die enghschen Kavaliere und ihnen tun es die Modegecken aller 
Länder nach, die Haupthaare lang wachsen, ja auf der einen Seite be- 
trächthch länger als auf der anderen. 2) Die englische Revolution brin^ 
die kurzgeschorenen Rundköpfe zur Regierung. Wer von den Hof- 
herren über einen so üppigen Haarwuchs nicht verfügt, der behilft sieb 
mit einer Perücke. Früher hatten nur Kahlköpfe von diesen Behelfen 
Gebrauch gemacht, jetzt wird die Mode allgemein angenommen. Aucb 
wer noch nicht kahl war, liefs sich die Haare kurz scheren und setzte 
sich die schön frisierte und gepuderte Perücke auf. Schon die Königin 
P^lisabeth von England trug eine blonde Perücke^), allein einzig in der 
Absicht, ihre dünnen, grauen Haare zu verbergen. In der zweiten Hälfte 
des 17. Jahrhunderts wird die Perücke von allen, die auf Vornelmiheit 
Anspruch erhoben, getragen.**) Man nimmt an, dafs um 1626 die fran- 

») 8inn>;c(lichte II, 3, 37 11. 38; IIF, 4, 41. 

«) Vjrl. die interessanten Si)ottbil(ler (c. 1628—1632) im Kulturh. Bilderbuch III, 
y. 1660-64 und N. 1666. 

') Kurios. I, "ZlS. 

*) Ran^onis Über de Capillamentis vulpo Perücken. Magdeb. 1663. — Thier>. 
Histoire des Perruques Paris 1690. — Nicolai, Cfeschichte der Perücken. Berlin 1800. 
Vgl. auch Kuriositäten I, 378 n. Anm. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



251 



zösisehen Hofleute und wer dieselben als Muster der Mode nachahmte, 
mit dieser Tracht den Anfang gemacht haben; 1660 trugen schon die 
Geistliehen Perücken. Papst Innocenz XII. verbot 1693 den katho- 
lischen Priestern den Gebrauch der Perücken; ohne Erfolg. 1670 war 
die Mode schon über ganz Europa verbreitet. Der gelehrte Kanzler 
V. Ludwig schrieb : »Die grofse Carr^ Perruque ist unter allen Perücken 
die kostbarste und prächtigste. Sie macht den Menschen fast dem 
Löwen gleich.« ^) In Preufsen wurde schon 1698 eine Perückensteuer 
eingeführt. Für alle Stände waren besondere Formen vorgeschrieben, 
und diese Gesetze handhabte man mit aller Strenge. Der Benedikt^r 
Wilibald Kobolt veröfEentUcbte 1738 in Augsburg ein Werk »Grofs- und 
kleine Welt« und spricht da auch über die Perücken: »Kaum gelanget 
ein mancher armer Schlucker, ein hungericher Dinten-Schlecker zu einem 
Dienstlein, da mufs gleich ein guter Teil der Besoldung auf die Haar- 
Kramerey, auf eine Staats-Peruquen verwendet werden, auch wenn im 
Hause alles fehlt, Weib und Kind Not leiden. < Es gibt spanische und 
französische Perücken. Der Haarbeutel soll um 1730 modern geworden 
sein, der Zopf erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts, nachdem er vor- 
her schon bei den Soldaten eingeführt war. 





Perücken im 17. und 18. Jahrhundert. 



Ganz besonders interessant sind die Mitteilungen, die wir in 
Moscherosch' Geschichte Philanders von Sittewald finden.^) Das Werk ist 



>) Kurios. IX, 518. 

*) Ich benutze die Ausgabe von Felix Boberta^ in der Deutsch. National-Litt. 
Band 32. 



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252 



III. Die Kleidung. 




Spottbild auf die weibliche Tracht. 
Aus dfer ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 

1642 erschienen, schildert uns also die Zustände kurz vor Beendigung 
des Dreifsigjährigen Krieges. 

Die vornehmen Damen »Fürstliche und GrävUche Frawenzimmer« 
»wollen selbst nicht allein alle Viertel Jahr, alle Monat, mit grossen 
Unkosten und vergeydung der armen Unterthanen Schweifs und Bluts 
newe Trachten haben, die man Ihnen aufE der Post mit a la mode be- 
kleideten Puppen und Tocken von Parifs zuschicken« mufs, sondern sie 
lassen ihre Hofschneider nach Paris reisen und dort ausbilden.^) Um 
den Röcken eine gewisse Fülle zu geben, legt man um die Hüften ge- 
füllte Wülste (Würste nennt sie Moscherosch), die bis 25 Pfund schwer 
sind. Man bezeichnet sie als Speck, Weiberspeck.^) Neben diesem 
Toilettenbehelf brauchen die Frauen »Grosse gepulster unnd Reyff- 
schürtze«^), also den Reif rock, der nach des Autors Ansicht ^von 
lüderlichen Weibern erfunden wurde, »Soltestu sie umbfangen und be- 
greifen, du wirdest nichts als Karten -Papier, groben Zwilch und Lum- 
pen finden, mit welchem allen ihre Schnürbrüste, Brusttücher und 
Röcke gefüllet sind, damit sie dem verstelten Leib irgend ein ansehen 
und gestalt geben möchte«.'*) Die häfsHchen Gesichter zu verstecken, 
hat man die Masken und Florschleier erdacht; die hohen Krösen oder 
Krausen sollen die Narben am Halse verdecken, die von bösen Krank- 
heiten herrühren, die weiten Ärmel verbergen, wenn eine bucklig ist.*) 



») S. 149. 

«) S. 151. — Ein Spottbild auf diese Mode. — Kultorgesch. Bilderb. HI. N. 1564. 
«) S. 179. -— Die grossen Weiberröck mit den Reiffen. (Christ. Platt-Eifs, der 
politische . . . Stock-Fisch Froelichs-Burg 1723.) 
*) S. 178. — ») S. 93. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



253 



Mit Pflastern aus schwarzem Taft beklebt man das Gesicht^), das sind 
die noch über hundert Jahre beliebten Schönheitspflästerchen ; das Haar 
pudern alte Leute, um ihre grauen Haare unter Cyperpulver zu ver- 
stecken, aber auch Jungfrauen in den besten Jahren lieben es mit grauen 
statt schwarzen Haaren zu erscheinen^). Dazu kommt der Gebrauch der 
Schminke zur Färbung der Wangen und der Lippen, der falschen Haare, 
die mit dem Brenneisen gekräuselt sind, die gemalten Augenbrauen, die 
Anwendung von Zibet-Bisam und anderen Wohlgerüchen, mit denen sie 
auch Strümpfe und Handschuhe parfümieren. Mit einem Worte: die 
Kunst hat zu ersetzen, was die Natur versagt. »Vestissez buisson, 
semblera baron«^). 

Die Männer aber eifern den Frauen in dem Ausdenken von ä-la- 
mode-Torheiten nach. Die Haare sind ins Gesicht gekämmt, verdecken 
die Stirne, reichen bis auf die Schultern. Auch Männer wenden den 
Haarpuder an*). Die Deutschen lassen sich das Haar kurz schneiden, 
allein die wälsche Mode verlangt die langen Haarlocken^). Dazu kommen 
allerlei Bartschnitte*), von denen Mosch erosch neunzehn anführt. Auch 
da mufs noch das Brenneisen nachhelfen."^) 
Wams, Hosen und Strümpfe sind nacli 
Pariser Schnitt*); Scharlach, Atlas und Samt 
wird zu den Kleidern verwendet^); aus 
England kommt das feine Tuch^**). Der 
Stutzer trägt gelbseidene Strümpfe und 
weifse Schuhe"). Die langen Hosen aber 
sind von Leuten erfunden worden, die 
knmime oder dürre Beine haben ^). 

»Dann trägt man kurtz, dann lange Rock, 
Dann grosse Hut, dann spitz wie Weck, 
Dann Ermel lang, dann weit, dann eng, 
Dann Hosen mit viel harb und spreng.«*^) 

Der lange Reitermantel wird auch 
von Leuten getragen, die nie ein Rofs ))e- 
stiegen^*) und ebenso die langen Stiefel, 
die für den Reiter eine Notwendigkeit sind. ^^^) 

Die Form des Hutes wechselt fast 
alle Vierteljahr, bald sieht er aus wie ein 
Buttertopf, bald wie ein Zuckerhut, wie 
ein Kardinals-, wie ein Schlapphut; bald 
ist die Krempe breit, bald ganz schmal; 
jetzt wird er aus Ziegenhaar, dann aus 

») S. 76. — «) S. 180, 181. — ') S. 66 ff. - 
*) S. 180. — *) S. 143 ff. — •) Boni sperati baiba 
defensa. S. Dissertatio de barba Lips. 1690. 
— ^ Seite 144. — ») Seite 146. — •) Seite 
150. — »•) S. 159. — ") S. 175. — ») Seite 
179. — M) s. 142. - ") S. 143, 179. — >») Seite 
143 : ein par Stiffel bis an Lätzen anziehen. 
Seite 180. 




^fjA- 



Wenzel HoUar, Weibliche Tracht 
um 1640. 



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254 



III. Die Kieidunj?. 



Kamelswolle, aus Bi 
berpelz u. s. w. ge- 
macht. Oder er gleicht 
einem Schwarzwäl- 
der, schweizerischen, 
holländischen oder 
Münster-Käse^). Als 
Reisehut wird der 
Chapeau de fuyart 
gebraucht, der selkt 
dem Sturme stand 
hält. Auch diese Mode 
machen Narren mit 
die nie eine Reise 

unternommen ha- 
ben.^) Der Chapeau 
de fuyart mufs Ähn- 
lichkeit mit einem 
Münsterkäse habendi. 
Für den Wanderer 
ziemt sich der Stab, 
aber jetzt trägt jeder 
Stutzer einen Stock.*! 
Wenn ein Jäger sei 
nen Hut mit den Fe- 
dern des von ihm er 
legten Kranichs oder 
Reihers schmückt, so 
ist das nur in der 
Ordnung , aber un 
gereimt bei Leuten. 

die nie ein Feuergewehr gesehen haben.^) Grofsen Luxus treibt man 

mit den Hutschnüren®). Auch die Form der Kragen, der »Umbschläge 

oder Überschläge, die unsere Newlinge Rabbat nennen«, wechselt schnell. 

Bald sind sie ellenbreit, bald eine halbe Viertelelle, vorn gleich oder 

mit spannenlangen Zipfeln"^). 

»Dann StifEel, dann Schue, dann Dägen, dann Wehr-gehencke, dann 

Sporen, dann Wambs unnd Hosen, dann Hüte unnd Strimpff, dann 

Nestel und Bänder, das sich zu verwundern, c®) 

Die Modefarben sind »Colombin, bleu-mourant, Isabelle, Coqui- 

nelle etc.« Besonders schätzt man Schillerfarben.') 




"^lu. jalt njerir .s^vlj jcj j?i^>/ ttj ^ixjtj ahatUiS t 
drillt TTixrin^ tniM l^jtlaz dt. Jtj rarv^ ^trtuj. 

Anne-Marie d'Orlöans-Longuevnie, Duchesse de Nemours. 
Henri Beaiibrun pinx. - Rob. Nanteuil sc. 



^) S. 142. 

») S. 180. 

•) S. 181. 

») S. 181 ; vgl. S. 120. 

•) S. 181. 

») S. 182 ff. 



«) S. 143. — ») S. 180. — *) S. 180. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



255 



Überaus interessante Einzelheiten über die Tracht um die Mitte 
des 17. Jahrhunderts (1652) teilt uns Johann Lauremberg in seinen 
Niederdeutschen Scherzgedichten^) mit, und zwar besonders in dem 
zweiten »Van Allemodischer Kleder-Dracht«. 

Eine der wunderlichsten Ausgeburten der Modephantasie war die 
Erfindung des Gänsebauches. An dem Wams war vorn eine Art 
ausgestopfte Spitze angebracht, wie mr in der Maske des Polichinelle 
sie noch erhalten finden. 2) 

Für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts bieten uns die Frauen- 
bildnisse von Van Dyck und den anderen grofsen Porträtmalern die 
besten Anhaltspunkte. Die Taille ist weit ausgeschnitten, so dafs die 
Brust, recht sichtbar wird^); die Ärmel werden gepufft; der Rock er- 
scheint faltig; eine Anzahl Unterröcke geben ihm mehr Fülle; das jetzt 
allgemein getragene Korsett mit seinen Stahlschienen, läfst den Wuchs 
schlanker erscheinen und prefst den Busen hoch. Beliebt sind die 
Atlasstoffe, die auch in der späteren Zeit noch gern getragen werden. 
Die Mode um 1630 scheint in der Tat überaus anmutig, bietet viel- 
leicht das erste Mal eine Tracht, die auch uns unbedingt zu gefallen 
vermag. Viel trägt dazu bei die geschmackvolle Frisur, die leichten 
Stirn- und Schläfenlöckchen u. s. w. Weniger können uns die Er- 
scheinungen der holländischen Damen befriedigen, wie ^vir sie auf den 
Gemälden von Frans von Mieris*), Gabriel Metzu*^), Gerhard Douw^), 
Gerh. Terborch') dargestellt finden. Die hohen, allerdings züchtigeren 

») Neudruck hgg. v. Wilhelm Braune. Hall«1879. 

*) Besonders mstruktiv ist die Darstellung des Fahnenträgers von Heinrich Golt- 
ziue. — Kulturg. Bilderbuch m, N. 1368. 

•i Friedr. von Logau, Sämtliche Sinngedichte, hgg. (i. Eitnor. Tüb 1872, S. 95 
(N. 92, 95). 

Englische Tracht. 

Die Jungfern, die das geile Rund, 

Das zu der Liebe legt den Grund, 

So frech ans Lichte stellen aus. 

Die sind ein rechtos Ballen-Haus 

Da stets der Ballen liegen viel 

Und warten dem, der spielen wii. 
Die weit ausgeschnittenen Kleider der Prin- ^JB W^ älMBI3^^F ^'^^' 

zesöin Elisabeth von England, der Gemahlin des 
Winterkönigs, erregten in Prag grofses Ärgernis. Flo- 
rinus, Haus-Vatter. Buch L Abt. m, Kap. 11, § 26. 
— Kulturhist. Büderb. IV. N. 1742, 1744, 1746, 1758, 
1892, 1893, 1906, 1907. 

Oft w^ird auch die ganze Brust entblöfst ; so 
gibt es z. B. ein Porträt eines jungen Mädchens, ge- 
malt von Jakob Adrian Backer (1608—1614), 
das beide Brüste weitaufgedeckt zeigt. Das Bildnis 
einer Bafsgeigenkünstlerin von BernardoStrozzi 
(1581 — 1644) in der Dresdener Gallerie ist gleichfalls 
der ausgiebigsten Entblöfsung wegen beachtenswert. 
*) Kulturg. Bilderb. V. N. 2528. ~ ») Ebend. 
V. N. 2527. — •) Ebend. V. N. 2525. — ») Ebend. 
V. N. 2449, 2450, 2519 (vgl. 2520), 2523, 2524. Wenzel Hollar. Haartracht. 




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m. Die Kleidung. 





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5. Das 7. Jahrhundert. 



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Schultz. Dm häusliche I^^eben im Mittelalter. 



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ni. Die Kleidung. 





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5. Das 17. Jahrhundert. 



259 



Männertracht 



Männertracht, 
Mitte des IG. Jahrhunderts. 



Männertracht, 



um 1C70— 80. 




MftnnertiÄcht, 
Mitte des 17. Jahrhunderts. 



Mitte des 17. Jahrhunderts. 



(Nach August von Heyden, Die Tracht der Europäischen Kulturvölker. Lpz. 1889.) 

17» 



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260 



III. Die Kleidung. 



weifsen Atlaskleider mit den schwarzen Samtbesetzen sehen etwas steif 
aus, und auch die pelzverbrämten Hausjäckchen entbehren jedes ver- 
führerischen Reizes (s. o. S. 269, 270). Die Haartracht, damals allgemein 




Jakob Gole (1660—1737): Mode von 1694. 

von den Damen der guten Gesellschaft angenommen, hefs die Stirnhaare 
breit zurück streichen, zwei Scheitel fafsten diese Mittelsträhne ein. 
Schläfenlöckchen geben den Gesichtern einen etwas koketten Anschein.^ 
Die Frauenmoden wechseln im Laufe des 17. Jahrhunderts vielfach, 
wie wir das an den im Kupferstich oder in Gemälden ims erhaltenen 

») Kulturg. Büderb. IV, N. 1756, 1757, 1891, 2142. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



261 



Porträts verfolgen können: die Taillen sind bald kürzer, bald länger, 
die Ärmel weiter oder enger, die Oberkleider vorn aufgeschlitzt, dafs 
das Unterkleid sichtbar wird, oder geschlossen. Die gewaltigen Reif- 




Baltb. Ableitner, Bildh. in Mtinchon : Ferdinand Maria, (f) Kurfürst von Bayern (Ißöl— 
und seine Gemahlin Adelheid von Suvoyen. (Kelief auss Hlnibanmholz i. Nationalmusenm zu 



lf)79) 
München.) 



rocke (Vertugadins) werden schon jetzt eine Zeitlang, zumal am spani- 
.«^chen Hofe, getragen. Sie sind aber nicht kreisrund, sondern oval, die 
gröfste Breite von den Hüften zu den Hüften (vgl. zumal die Porträts 
von Velas(iuez). Die Haare scheitelt man bald in der Mitte, bald 
schief, wie das bei den spanischen Infantinnen zur Zeit des Velasquez 
beliebt war (Las Meninas, — Pradomuseum z. Madrid), man toupiert sie, 
setzt allerlei Kopfputz auf; in den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts 



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262 



m. Die Kleidung. 



wird von Vornehm und Gering das Spitzenhäubchen, die Pontange, ge- 
tragen.^) Das ist die Modetracht, wie sie in den Radierungen von 




Jakob Gole 1G91: Dame de Qualite en Echarpe (mit der Fontange). 

Jacques Callot (1592 — 1635) 2), in den Stichen nach Jean de Saint Igny 
(1600, c. 1650)3) für die erste Hälfte des Jahrhunderts dargestellt mrd. 

*) Vgl. Alfred Franklin, La vie priv^e d'autrefois, Les magasins de nouveautäs*** 
(Paris 1896) p. 216 S. 

«) La noblesse lorraine vere 1625. — Kulturg. Bilderb. IV. N. 1832—43. 
3) Kulturg. Bilderb. VI. N. 1786—1803. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



263 




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264 



III. Die Kleidung. 



Die Zeit Ludwigs XIV., die Mode der Fontange^), lernen wir 
kennen durch eine Anzahl nach den Zeichnungen von J. D. Saint-Jean 
gestochene Blätter^) (s. o. S. 263, 1). Dann kenne ich noch sechs Schwarz- 
kunstblätter von J. Gole und P. Schenk, »Les Modes pour les dames 
de quahte de l'annäe 1694«. 3) (S. o. S. 260. 261). 

Das sind die französischen Modetrachten. Welche Nation speziell 
RomejTi de Hooghe (1645 — 1708) im Auge hatte, als er seine Modebilder 
veröffentlichte, ist nicht ganz sichergestellt. Ich glaube aber, dafs er 
die Kostüme aus den Jahren 1670 — 80 uns schildert und hauptsächlich 
französische Moden uns vorführen \vill.^) 

Für Spanien bieten in der älteren Zeit die Porträts von Alonso 
Sanchez Coello (f 1590), für das 17. Jahrhundert die von Diego Velasquez 
(1599 — 1660) und andere weniger hervorragender Meister manche Be- 
lehrung. Auch die allerdings nicht sicher beglaubigten Genrebilder des 
Pedro de Moj^a (1610 — 1666) sind wohl zu beachten. 

In Italien ist für die Kenntnis der Kostüme vom Anfang des 
17. Jahrhunderts von grofser Bedeutung Michelangelo Amerighi da Cara- 
vaggio (1569 — 1609), dessen Genregemälde auch in dieser Hinsicht viele 

Anregung bieten. Es 

ist im Interesse 
der Sittengeschichte 
zu bedauern, dafs die 
Genremalerei, die in 
dem eben genannten 
Meister einen so aus- 
gezeichneten Vertre- 
ter gefunden hatte, in 
Italien nicht gedeihen 




Romeyn de Hooghe (KM')— 1708) : Trachtenbild ca. 1070-80. 



*) Gespräche in dem 
Reiche der Toten zwischen 
dem französischen Pater 
La Chaise und der Heno- 
gin von Fontanges, von 
welcher die grofsen Kopf- 
aufsätze des Frauenzim- 
mers den Namen haben etc. 
M. Kpfr. 4. Lpz. 1720. 

*) Kulturg. Bilderb. 
V. N. 2792—2835. 

») Vgl. R. Bonnart, 
Recueil de 52 plBche« re- 
Präsentant des hommes et 
des femmes habill^s k la 
mode : en riches costumeß 
de n^glig^, de promenade, 
de chaese, en d^shabille 
etc. 1685—93. Paris che« 
Henry Bonnart. 

*) Kulturg. Bilderb. 
V. N. 2691—2702. 



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5 Diis 17. Jahrhundert. 



265 




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III. Die Kleidung. 



wollte. Die Arbeiten von Salvator Rosa bieten gar wenig, und so sind 
vnr ausschliefslich auf die Werke der Porträtmaler angewiesen, an denen 
es ja auch nicht fehlt. Erst im 18. Jahrhundert tritt wieder ein interes- 
santer Genremaler auf, der Venezianer Pietro Longhi (1702 — 1762), merk- 
würdiger als Sittenschilderer wie als Maler. Auch der Graf Pietro Rotari 
(1707—1762) hat einige Sittenbilder gemalt. 

EngUsche Damen hat Wenzel HoUar in seiner Folge der vier Jalires- 
zeiten 1643, 1644 trefEUch geschildert.^) 

Die deutschen Trachten des 17. Jahrhunderts lernen wir durch 
die zahlreich erhaltenen Gemälde imd Kupferstiche jener Zeit am besten 
kennen. Zwar ist unsere Kenntnis im grofsen Ganzen noch immer 
einstweilen eine recht unzureichende, indessen unterliegt es keinem 
Zweifel, dafs, sobald man der Sache nur einige Aufmerksamkeit zuwendet, 
auch diese Frage wenigstens leidhch gelöst werden kann. Es gilt da 
vor allem, die alten Porträts aufzusuchen und ihre Herkunft festzustellen. 
Das Münchener Nationalmuseum enthält zahlreiche solche überaus 
interessante Bildnisse, andere sind im Germanischen Museum zu Nürn- 
berg zu finden. Aber hauptsächlich wird man in den Lokalmuseen 
Umschau halten müssen. In Frankfurt sollte man den Arbeiten des 
Sebastian Furck (1589 — 1666) und des Matthäus Merian nachgehen, in 
Köln die Bilder von Gualdorp Gortzius, Fanz Kessler, von Gotth. de 

Wedig (c. 1625 — 40 
nachzuweisen), aji an- 
deren Orten die der 
lokalen Meister auf- 
suchen und verwerten. 
Die Durchforschung 
der Porträtstiche wini 
sich sicherlich als sehr 
förderlich erweisen : 
dafs die Stammbücher 
nicht vernachlässigt 
werden dürfen, wurde 
schon hervorgehoben - 
Die drei Blätter, die 
in dem Kulturg. Bil- 
derbuche IV, N. 1965 
bis 1667 nach den Ge- 
mälden von Furck ver- 
öffenthcht sind, stam- 
men aus dem Jalire 
1639. Die Frankfurter 
Patrizierfrau trägt j, 
einen hohen Spitzen 
kopfputz, die zweite 




Sebastian l*"nrck, Frankfurter Patrizicrin um 1GJ9. 



IV. 



») Kulturg. 
N. 2073—76. 



Bilderb. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



267 




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III. Die Kleidung. 



Bürgersfrau eine Pelzmütze und den Mühlsteinkragen und die dritt« 
ist wiederum ganz anders gekleidet. Diese Mannigfaltigkeit der Tracht, 
die in jeder Stadt, in jedem Landstrich ihre besondere Eigentümlich- 
keiten aufzuweisen hat, lernen wir am besten kennen, wenn wir uds 
in die auch als Kimstwerke hochbedeutenden Kupferstichfolgen von 
Wenzel HoUar vertiefen. Unter dem Titel Ornatus Muliebris hat er um 
1640 eine Reihe von Stichen ausgeführt, von denen in dem Kulturg. 
Bilderbuche eine Auswahl (IV. N. 2077—2096) veröffenthcht worden ist. 




Kostümfipruron a. d. Mitte des 17. Jahrhunderts. (Holzschnitzerei a. d. National -Museum z. München > 



Darstellungen von Modedamen, aber auch von Bürgersfrauen, Mägden 
u. s. w. (IV. 2111 — 2140, vgl. auch 2141 — 43). Weniger zuverlässig sind 
die Stiche der »Aula Veneris<^ (1644), von denen in dem erwähnten 
Bilderbuch eine Anzahl mitgeteilt \vird.^) 

Es erscheint sehr fraglich, ob der Künstler alle diese Bilder selbst 
nach der Natur gezeichnet, ob er nicht mehrere nach älteren Aufnahmen 
gestochen hat. Dann würden aber diese Blätter keine Bedeutung für 
die Kostümgeschichte der Zeit um 1640 besitzen. Viel zuverlässiger 



Vgl. auch Kulturg. Bilderb. IV. N. 2073—76. 



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5. Das 17. Jahrhundert. 



269 



sind die Kopfputze aus dem Reisebüchlein von 1636 (ebend. 2195 — 2200), 
nur fehlen leider die Angaben, an welchem Orte der Meister diese 
Aufnahmen gemacht hat. Und dasselbe gilt von den hübschen Rund- 
bildern, die uns die Trachten und die Kopfputze aus den Jahren 
1639 — 45 darstellen (ebend. 2015 — 50). Manche der eigentümUch ge- 
formten Pelzmützen sind noch bis in unsere Zeit, z. B. im Grödnertale, 
getragen worden, wie denn überhaupt die Bauerntrachten fast ausnahmslos 
auf Moden zurückgehen, die einst von den Bürgerfrauen gebraucht 
wurden. Die Bauern haben die alte Tracht nur länger festgehalten. 

Sehr interessant ist es, das Porträt der Frau Dorothea Antonia 
von Buwinckhausen aus dem Jahre 1680 (ebend. V. 2767) mit den Bild- 
nissen der Augsburger Patrizierfrau Regina Barbara von Zobel (ebend. V. 
2764), die 1686 stirbt, und dem der Jungfrau Clara Böhin (t 1680 — 
ebend. V. 2765) zu vergleichen. Die adUge Dame trägt das allgemeine 
Modekostüm, während die beiden anderen nach der Sitte ihrer Heimat- 
stadt gekleidet sind. 

Speziell Nürnberger Trachten (N. Kleider-Arten) veröffentlichten 
1669 bei J. Kramer in Nürnberg die Stecher H. J. SchoUenberger und 
N. Häublein. Umfassender war das Trachtenbuch, »Abbildung der ge- 
meinnützhchen Haupt- 
stände«, dasl698Christ. 
Weigel in Regensburg 
herausgab. Derselbe 
Stecher lieferte die in- 
teressanten Illustrati- 
onen zu Abrahams a. 
S. Clara Neu eröffneter 
\Veltgallerie(o.0. 1703). 
Auch in Augsburg 
hatten die Frauentrach- 
ten viel Eigenartiges. 
Ks sind schon früli 
Augsburger Trachten- 
bücher erschienen. Wie 
lange diese merkwür. 
digen Moden sich hiel- 
ten, beweisen die zahl- 
reichen zierlichen 
Stiche von Johann 
Esaias Nilson (1721 bis 
1788). 

Ebenso merkwür- 
dig sind die Kostüme 
der Strafsburge rinnen, 
über die ein Kupfer- 
werk von Fonbonne 

- 1 j t^ans van Mieris (16.'J5— 1681) : Dame mit Papa«rci. 

herausgegeben wurde, (Alte Pinakothek in München.) 




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270 



m. Die Kleidung. 




Kaspar Netscher, Gesang mit Klayierbegleitang (1666.) (Gemftlde-Qalerle in Dresden.) 

:> Eigentliche Vorstellung der heutigen Strafsbürgischen Mode- und Kleider- 
trachten. — Repräsentation des modes et habillements qui sont en usage 
ä Strasbourg. Chez J. D. Doulseker 1731«. 

Auch die von Engelhardt gestochenen Abbildungen Augsburger, 
Nürnberger, Strafsburger Trachten verdienen beachtet zu werden. 

Die belgischen und holländischen Kostüme kann man an den 
Werken der grofsen Porträtmaler studieren. Wenn man die Bildnisse, 
die Rubens, van Dyck, Franz Hals, Michael van Miereveit, Rembrandt 
und so viele Meister gemalt, nach den Entstehungszeiten, nach dem 
Stande der Porträtierten ordnet, wird man leicht eine Einsicht in die 
Bewegung der Mode auf dem Boden der Niederlande gewinnen. Das 
Aussehen der Bürger und besonders der Frauen in den wohlhabenden 
Häusern schildert uns Jan Steen, Gerh. Douw, Frans van Mieris, Gabriel 
Metsu, Gerh. Terborch, Konst. Netscher und viele andere. 

Die Kostümgeschichte Italiens ist noch zu schreiben. Wir haben 
Traehtenbilder des bekannten Radierers Stefano della Bella (1610—64). 
aber es ist nicht sicher, wo er die gezeichnet, ja es spricht viel dafür, 
dafs er französische Erscheinungen im Auge gehabt hat. 

6. Das 18. Jahrhundert. 

Während das Männerkostüm in der ersten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts wenig Veränderung erleidet, wird die Frauenmode bald ganz 
erheblich umgestaltet. Die Haare werden hoch auftoupiert, von Draht- 



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6. Das 18. Jahrhundert. 271 

gestellen gehalten, gepudert, die Spitzenhailbe der Fontange, nach 
der Geliebten Ludwigs XIV., der Herzogin von Fontanges (1661 — 1681), 
so genannt, bleibt bis etwa 1714 beliebt. Der Reif rock erlangt wieder- 
einmal seine Bedeutung. Ich habe in meinem :s> Alltagsleben einer 
deutschen Frau zu Anfang des 18. Jahrhunderts« (Lpz. 1890) die Frauen- 
toilette eingehend zu schildern versucht.^) Die Mode kommt aus Frank- 
reich. Für den Beginn des 18. Jahrhunderts sind die Bilder und Zeich- 
nungen des grofsen Antoine Watteau von Wichtigkeit 2) ; es ist aber 
wohl zu unterscheiden, ob der Künstler Theaterkostüme uns vorführt, 
und das tut er in den allermeisten Fällen — solche Anzüge wurden nur 
bei Vorstellungen der Komödien von Schauspielern getragen — oder 
ob er die Erscheinung der vornehmen Welt uns darzustellen beabsichtigt. 
So wird man die von Thomassin fils gestochene Folge »Figures de 
Modes etc.«^) (S. 272) und manche Schilderung aus der Geschichte seiner 
Zeit*) wohl für die Kostümgeschichte benutzen können, dagegen mufs 
man sich hüten, eben jene »Comoedienbilder«*^) als Darstellungen des 
wirklichen Lebens jener Tage anzusehen. Dasselbe gilt von den Ge- 
mälden des Nicolas Laueret (1690 — 1743); einige geben uns eine 
treue Vorstellung von dem farbigen originellen Treiben der Zeit Lud- 
wigs XV.^, andere wieder lassen uns einen BHck in das Theaterleben 
der ersten Hälfte vom 18. Jahrhundert tun.*^) Sehr interessant und 
unbedingt zuverlässig sind die Gemälde von Jean FrauQois de Troy 
(1645 — 1730)8) und des J. B. Joseph Pater (1696 — 1736). Karikiert 
hat die Modetracht vom Jahre 1745 L. P. Boitard dargestellt.^) Während 
die hier angeführten Maler uns die Kreise des Hofes, des Adels, mit 
einem Worte der exklusiven Gesellschaft vorführen, geben uns die Genre- 
maler J. B. Simdon Chardin (1699—1779)^®) eine Vorstellung von dem 
Leben des Bürgerstandes, dessen Trachten wir durch die Radierungen 
von Edme Bouchardon (1698 — 1762), dem berühmten Bildhauer"), die 
Gemäldezeichnungen und Radierungen des hochgefeierten Fran9ois 
Boucher (1703 — 70)^) noch genauer kennen lernen.^^) 

') Das Hauptwerk über das Kleiderwesen jener Zeit ist: Christ. Weigel, 
Abbildung der Gemein-Nützlichen Haupt-Staende Von denen Regenten Und ihren So 
in Friedens- als in Kriegs-Zeiten zugeordneten Bedienten an biTs auf alle Künstler 
u. Handwercker, Nach jedes Ambts- und BerufEs-Verrichtungen meist nach dem Leben 
gekennzeichnet und in Kupffer gebracht. (Regensp.) 1698. 

«) Kulturg. Bilderbuch. 

«) Kulturg. Bilderbuch VI. N. 2873—80; vgl. N. 2907—42. 

*) Ebend. VI. N. 2863, 2864. 

») Ebend. VI. N. 2865-72, 2881—84, 2043—59. 

«) Ebend. VI. N. 2994; 3000—3003. Da sehen wir neben dem Staatskleide der 
steifen Corsage die ungegürteten Kontuschen, And rie n n en, Vo lauten, die die 
Deutschen auch französische Säcke nannten. 

^ Ebend. VI. N. 2995—99. 

») Ebend. VI. N. 2905, 3133, 3134. 

») Ebend. N. 3141. 

w) Ebend. N. 3094-96. 

") Ebend. N. 3004—27. — »«) Ebend. N. 3098—3128 

»^ Vgl. auch L. P. Boitard, Trachten. — Ebend. VI. N. 3138, 3139 und besonders 
das Modenbild von 1747. Ebend. VI. N. 3140. 



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272 



III. Die Kleidung. 





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6. Das 18. Jahrhundert. 



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Schultz, Dm häusliche Leben im Mittelalter. 



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274 III. Die Kleidung. 

Über die englischen Trachten aus der ersten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts unterrichten uns die trefElichen Gemälde und Radierungen des 
grofsen Wilüam Hogarth (1697 — 1764). Während die Bilder der »Hoch- 
zeit nach der Mode«^) uns einen Einblick in das Leben des Adels tun 
lassen, führt er uns in der Mehrzahl seiner Bilder in die Kreise der 
Bürger, der Proletarier 2), und schildert uns mit unbedingter Treue, was 
der Künstler selbst gesehen und beobachtet hat. 

Für Deutschland haben war nur Wenige Bilder aufzuweisen. Es 
gibt deren sicherlich: Kupferstiche, Gemälde, vielleicht ohne jeden 
Kunstwert, aber für die Geschichte des Kostüms doch recht willkomraen. 
Die Pariser Mode wird von der vorneluüen Gesellschaft, und wer sich 
zu ihr hielt, nachgeahmt, aber bis gegen Ende des Jahrhunderts, freilidi 
immer mehr gering geachtet, erhalten sich die verschiedenen Moden 
der Städte und der Dörfer. 

Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts bewaliren sich auch die 
Männer die Freude an farbigen Kleidern, die schon im Mittelalter so 
allgemein verbreitet erscheint.^) Erst seit der französischen Revolution 
hat die schwarze Farbe alle anderen verdrängt, verzichtet man darauf 
rote, grüne, gelbe, fröhlich leuchtende Kleider zu tragen. Der malerische 
Effekt der Tracht im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert wird dadurch 
verstärkt, dafs bei festlichen Gelegenheiten Fürsten und Feldherm den 
glänzenden Harnisch anlegen, der allerdings nur noch eine dekorative 
Bedeutung hat, da er gegen die Wirkung der Feuerwaffen längst nicht 
mehr sicheren Schutz gewährt.^) 

Zur Verbrämung und Fütterung der Kleider wird schon im frühen 
Mittelalter Pelzwerk aller Art verwendet, vom kostbaren Zobel und Her- 
melin bis zum gewöhnlichen Eichhorn- oder Fuchspelz.^) 

Der Gebrauch der Straufsenfedern ist erst seit dem 15. Jahrhundert 
allgemeiner geworden. Um das Jahr 1500 braucht jedermann vom 
Fürsten bis zum Landsknecht^) und bis zur Soldatendirne die kostbarsten 
Federn und zwar in Fülle und Menge. Von den Weibern der Lands- 
knechte haben dann auch die Bürgersfrauen'') und die Damen des Adels 
diesen kleidsamen Schmuck entlehnt.* 

Dann folgt auf diesen übermäfsigen Aufwand wieder ein Zeit, die 
nur bescheiden von dem Federschmuck Gebrauch machte, bis dann 
während des Dreifsigjährigen Krieges aufs neue die Vorliebe für schöne 
Federn modern wurde. Allein so gern die Männer ihren Hut mit Federn 



») Kulturp. I^ilderb. VI. 2960—65. 

•) EbcDd. N. 2966—71; 2972-79; 3035—46; 3047—64; 3056—68; 3074—79. 

^) Vgl. Alfred Franklin, La vie privöe d'autrefois. Les magasins de nouveaut^s • • • 
(Paris 1896) die Kapitel Teinturerie et Deuil. 

*) Vgl. Kulturg. Bilderbuch VI, N. 2983, 2985, 2988, 2989, 2990, 2992. 

•) Alfr. Franklin, La vie priv^e d'autrefois. — Les magasins de nouveaates* 
(Paris 1898). — Les foiirrures, p. 205 ff. 

•) Burgkmair. — Kulturg. Bilderb. H. N. 589. — Virgil Solis. Ebend. II. N. 894, 
895. — Jost Amman. Ebend. UI. N. 1289, 1290. 

») Hans Holbein. Ebend. H. N. 605, 607, 608. 



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6. Das 18. Jahrhundert. 



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276 III. Die Kleidung. 

zierten eine solche Verschwendung wie zu Anfang des 16. Jahrhunderts 
ist weder von Männern noch von Frauen je wieder getrieben worden. 
Als die dreieckigen Hüte gegen Ende des 17. Jahrhunderts Mode werden, 
verschwinden die Federn von den Kopfbedeckungen gänzUch; an ihre 
Stelle tritt, wie schon bemerkt, der Federbesatz (die Plumage), welche 
den aufgeschlagenen Rand des Hutes verziert : die Damen allein machen 
noch von dem Federschmuck, je nach den Anforderungen der Mode. 
Gebrauch. 

Die Kleiderstoffe wurden entweder im Lande selbst angefertigt oder 
aus dem Auslande importiert. Die gemeinen Wollenstoffe wufste man 
in der älteren Zeit selbst herzustellen; das Spinnen und Weben 
besorgten die Hausfrauen persönlich oder unter ihrer Leitung die- 
nenden Mägde. Diese Sitte hat sich von den Zeiten der alten Römer 
an fast durch das ganze Mittelalter erhalten. Sicherüch verstand man 
es auch, die Gewebe, wenn es erforderUch war, zu färben. Die besseren 
Stoffe jedoch wurden immer von gelernten Webern angefertigt. Das 
Mittelalter kennt da eine grofse Anzahl von Wollenwebereien. ^) Lein- 
wand wurde weniger gebraucht; wenn man ihre Herstellung im Hause 
auch eifrig betrieb, so sind doch die Kleider von Männern wie die der 
Frauen ausschliefshch aus Wollstoffen hergestellt, höchstens dafs man 
zu den Unterkleidern, die gewaschen werden mufsten, Leinwand ver- 
wendete. Die besten Wollenzeuge kamen aus den Niederlanden') und 
aus England, wo man auch den kostbaren Scharlach mit Kermes zu 
färben verstand. 

Bei besonders festhchen Gelegenheiten legten die vornehmen und 
reichen Leute seidene Gewänder an, wie dies schon in der römischen 
Kaiserzeit Sitte gewesen war. Die Seidengewebe kamen zuerst aus 
China; darauf war die Seidenzucht in Asien verbreitet, endlich unter 
Justinian im Byzantinischen Reiche eingeführt worden. Die Sarazenen 
hatten sie dann in Spanien und Sizilien heimisch gemacht, und von 
Sizilien war sie nach Italien übertragen worden. Die mehr oder minder 
reich gemusterten, mit Gold durchwirkten Seidenstoffe (PalHa, Pfeiler, 
Paile) sind natürlich sehr teuer, im frühen Mittelalter sehr viel kost- 
spieüger wie am Ausgang des 15. Jahrhunderts.') Wenn seit dieser 
Zeit der Preis auch herabgegangen ist, so hat dafür die Qualität der 
Gewebe auch ganz erhebUch eingebüfst. Die Abneigung Karls des 
Grofsen gegen den Luxus, den seine Hofleute mit Seidenstoffen trieben, 
ist sehr erklärlich ; einmal entsprach die Verschwendung nicht den zi'eni- 
üch beschränkten Einnahmen der vornehmen Herren, dann ging das so 
seltene bare Geld aufser Landes. Seit der Zeit Karls des Grofsen ist 
jedoch der Gebrauch der Seidenstoffe in den höfischen Kreisen mehr 

») Höf. Leben «I, 351 ff. 

*) Die niederländischen Tuchmacher verarbeiten die feine Wolle, die sie aus 
England beziehen. Seb. Franck, Weltbuch (153B), fol. Lxij a . — Vgl. über Tuchweberei 
u. s. w. Alfred Franklin, La vie priv^e d'autrefois. — Les magasins des nouveaut^s- 
(Paris 1896.) — La draperie, S. 239 ff. 

5) Francisque Michel, Recherches sur les etoffes de soie d'or et d'argent. 
Paris 1852. 



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6. Das 18. Jahrhundert. 



277 



und mehr zur Gewohnheit geworden. Man brauchte die verschieden- 
artigsten Sorten von Geweben, von dem schweren Brokat der Pfeiler 
bis zum leichten, dünnen Zindal.^) Überreste der kostbaren Seiden- 




Mathias Heinri<^h Schnürer. Markgraf Friedrich von Bayreuth nnö. 
(Schlofs zu BajTeuth.) 

gowebe aus dem frülien Mittelalter sind noch in den Kirchenschätzen 
— in neuerer Zeit auch in den Gewerbemuseen — in grofser Menge 
erhalten; liturgische Gewänder sind häufig aus ihnen gefertigt worden, 

') Höf . T.cben »I,' 332 fP. 



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278 UI. Die Kleidun jr. 

Laien haben der Kirche ihre Pninkkleider geschenkt und man hat die 
Stoffe verwendet, wie man gerade den Bedarf hatte : auch in Gräbern 
wurde manch interessanter Fund gemacht. 

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts beginnt man, auf saubere, feine 
Wäsche Gewicht zu legen; die Kleider werden, an den Ärmeln zumal, 
aufgeschlitzt, um die ^veifse Leinwand des Hemdes sichtbar zu machen. 
Die ganze Mode der zerschlissenen Gewänder hat ursprünglich nur den 
Zweck, dafs der Träger derselben zeigen konnte, er habe ein reines 
Hemd angelegt. Auf dem Halse wird der Hemdkragen sichtbar, gestickt, 
gefältelt; erst als die Kragen ins Ungeheuere wachsen, die Mühlstein- 
kragen (s. o. S. 266) Mode werden, trennt man den Kragen vom Hemd. 
Durch diese Wandelung des Geschmackes gewinnt nun die Herstellung^ 
der Leinwand eine Bedeutung, wie sie dieselbe nie vorher gehabt hatte. 
Den Grund zu ihrem grofsen Vermögen legten die Fugger in Augsburg 
durch die von ihnen betriebene Leinweberei, wie denn überhaupt in 
Schwaben, zumal in Ulm, treffliche Leinwand erzeugt udrd. ') 

Infolgedessen entwickelte sich in einigen Teilen Deutschlands, nach- 
dem der Westfälische Friede Sicherheit des Erwerbes ermöglichte, eine 
Loinwandindustrie, die nicht allein im Lande selbst, sondern auch im Aui^- 
lande Abnahme und Wertschätzung fand. Der Benediktiner Wilibald 
Kobolt rühmt die Leinwand von Westfalen und von Schlesien und berichtet. 
dafs ganze Schiffsladungen nach Holland, England, Spanien gingen, dafs 
in Bozen die Messe für die nach Italien bestimmte Leinwand abgehalten 
werde. 2) In der Umgebung von Hirschberg in Preufsisch-Schlesien sind 
noch manche Denkmäler dieser einst so gewinnreichen Industrie an- 
zutreffen. 

Wollenstoffe wurden von Männern und Frauen fast ausschliefslich 
für den Alltagsgebrauch verwendet. Die feinen holländischen und eng- 
lischen Tuche erfreuen sich eines hohen Ansehens, aber in allen Städten 
fanden die Tuchmacher (Pannifices) ihren lohnreichen Erwerb. Neben 
den Wollengeweben gewinnen auch seit dem 16. Jahrhundert die Baum- 
wollstoffe eine immer mehr anwachsende Bedeutung. 

Über das Weifszeug, die Wäsche, bringt Alfred Franklin, La vi»^ 
I)rivee d'autrefois — Los magasins de nouveaut^s (Paris 1898) interessant^' 
Mitteilungen. Er bespricht die Bettwäsche, die Jabots, Kravatten, Taschen- 
tücher, die Weifswarenhändler, endüch die Wäsche selbst. 

Für die Festkleid img der vornehmen oder der reichen Leute wird 
nach wie vor Seide verwendet, Samt, Brockat, gemusterte oder ein- 
farbige Stoffe. Im 16. Jahrhundert hat man eine besondere Vorliebe 
für Schillergewebe, wie dies aus zahllosen Gemälden der Zeit zu ersehen 
ist. Berühmt sind die geprefsten Samte von Venedig. Nach dem Tode 
Maximilians I., der noch gern die grofsgemusterten Brokate getragen hat. 
wird diese Art von Stoff nur selten noch für die Kleidung der profanen 
Welt verwendet, fast nur noch zur Herstellung liturgischer Gewänder 



Seb. Franck, Wcltbuch (1533), fol. Lüj a . 

«) (TFofH- Und Kleine Welt. .\ii^Rpiirjf 1738. S. 631. 



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'^n^SPr^^ 



6. Das 18. Jahrhundert. 



279 



benutzt. Die geprefsten einfarbigen Samte bleiben jedoch noch bis 
zu Anfang des Dreifsigjährigen Krieges geschätzt. 

Die Seidenindustrie Itahens versorgt auch Deutschland ; aller Wahr- 
scheinUchkeit nach dürfte Frankreich gleichfalls aus Italien seinen Bedarf 
bezogen haben. Der Nürnberger Kaufmann Balthasar Paumgärtner reist, 
wie aus seinem Briefwechsel hervorgeht, immer nach Lucca oder Florenz, 
kauft da Seide ein und bringt dann auf der Frankfurter Messe seine 
Ware wieder zum Verkaufe. 

Im 17. Jahrhundert gewinnt die französische Seidenindustrie an 
Bedeutung, die Werkstätten von Lyon bestimmen von jetzt an den 




Modewaren-Handlung. 

Geschmack der Mode weit. Nicht von so grofser Bedeutung erscheint 
die deutsche Seidenweberei, die durch die nach Aufhebung des Ediktes 
von Nantes durch die Refugies ins Leben gerufen wurde. Sie konnte 
nicht einmal den Bedarf von Deutschland decken: immer noch bleibt 
die vornehme oder reiche Gesellschaft darauf angewiesen, seidene Stoffe 
aus Frankreich zu beziehen. 

Nicht allein Damen tragen bei festlichen Gelegenheiten seidene 
Kleider, auch die Männer lieben es, wenn sie zu repräsentieren hatten, 
seidene Strümpfe, seidene Hosen, Westen, Röcke anzulegen oder aus 
Samt Hosen und Röcke anfertigen zu lassen. 

Ein solcher Anzug kostete sehr viel, bedeutend mehr, als heute 
für einen derartigen Zweck ausgegeben wird. Deshalb schonte man ihn 
aufs sorgfältigste, trug ihn nur, wenn es unbedingt erforderlich war, so 



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280 III. Die Kleidung. 

dafs oft genug ein Festkleid noch auf die zweite und dritte Generaüon 
vererbt werden konnte. Wer sich einmal in den Museen mit den 
erhaltenen Kostümen beschäftigt hat, bemerkte sicher, wie wenig Spuren 
der Abnutzung sie an sich tragen. 

Wenn der Adel einem Hoffeste beiwohnte, der wohlhabende Bürger 
zu einer Hochzeit, einem Taufen geladen war, da wurden wohl die 
Prachtgewänder hervorgesucht und angelegt, oder wenn sie ihre Bild- 
nisse malen liefsen, allein für gewöhnlich hat man sich einer viel 
gröfseren Einfachheit befleifsigt, und die modernen Maler irren, wenn 
sie die Leute des 16. und 17. Jahrhunderts im Alltagsleben so kostbar 
geputzt darstellen. 

Die Kleider selbst werden in älterer Zeit hin und wieder mit Gold- 
stickerei verziert. Handstickereien sind dann seit dem 16. Jahrhundert 
öfter verwendet worden, auch die Staatsröcke der Herren wie die Westen 
werden noch im 18. Jahrhundert von besonders vorgebildeten Gold- und 
Seidenstickern bearbeitet. Die Perlenstickereien spielen zu Anfang des 
16. Jahrhunderts eine sehr bedeutende Rolle ; sind auch die verwendeten 
Perlen nicht gerade besonders grofs, so mufs doch eine solche Stickerei 
bei der aufserordentüch grofsen Zahl der Perlen sehr kostbar gewesen 
sein. Das in München in Privatbesitz befindüche, von Bernhard Strigel 
gemalte Bildnis der Kaiserin Bianca Marie Sforza, das Porträt des Kur- 
fürsten Joachim I. von Brandenburg im Berliner Schlosse, von Lukas Cra- 
nach d. Ä. gemalt (s. o. S. 239), können als Beispiele dienen. Nach dem 
Dreifsigjährigen Kriege werden die Perlstickereien unmodern. Desto mehr 
Interesse wendet man den Edelsteinen zu. ^) Während des ganzen 
Mittelalters hatte man es geliebt, die von den Römern ererbten ge- 
schnittenen Steine, Cameen und Intaglj, zum Schmucke zu verwenden. 
Die Darstellungen selbst wurden so ausgedeutet, dafs der Stein noch 
eine besondere Bedeutung erhielt. Mit den während des Mittelalters 
selbst gefundenen Edelsteinen jedoch wufsten die Juweliere nichts anzu- 
fangen, sie begnügten sich, sie flach oder rundhch (muglich) zu schleifen 
und zu polieren. Ein Verständnis für die künstlerische Bedeutung der 
Edelsteine beginnt erst, seit Louis von Berguem aus Brügge 1453 
erfunden hat, sie in Facetten zu schleifen. Trotz alledem spielen die 
Edelsteine im 16. Jahrhundert noch nicht eine so ansehnUche Rolle; 
bei den Schmucksachen der vornehmen Damen und Herren wird auf 
die Arbeit des Goldschmiedes, auf die kunstreiche Verwendimg des 
Emails eher ein höherer Wert gelegt als auf die Verwertung eines 
Steines oder* einer Perle. 

Die wertvollen Edelsteine werden erst nach dem Dreifsigjährigen 
Kriege ihrer Bedeutung nach recht gewürdigt; sie allein und erst neben- 
her die Fassung bestimmen den Wert eines Schmuckgegenstandes. 



») Vgl. über diesen Luxus (Vulpius) Kuriositäten I, S. 303 ff. — Philipp IL von 
Spanien schenkte seiner Gemahlin Elisabeth »einen sehr kostbaren Salat: eine 
Schüssel voll Edelsteine c. Die Topasen bedeuteten das öl, die Rubinen den Essig, 
Perlen und Diamanten das Salz, die Smaragden den grünen Salat. L. c. 304. 



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6. Das 18. Jalirhundert. 281 

Von früher Zeit her hatte man an Ordensauszeichnungen seine 
Freude gehabt.^) Im 15. Jahrhundert gibt es schon eine grofse Menge 
von Orden, d. h. von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einer 
bestimmten Gesellschaft sichtbar machten. Der Fürst ist gewissermafsen 
das Haupt dieser Gesellschaft und verleiht mit den Insignien dem von 
ihm als würdig Anerkannten das Recht, diesem Kreise anzugehören. 
Dafs an vielen Orten gegen Erlegung gewisser Taxen Ordenszeichen 
zu erwerben waren, konnte für alle, die solchen Schmuck gern hatten, 
nur heb sein. So konnte man in Cypem den Schwertorden, in Jerusa- 
lem den h. Grabesorden, im Katharinenkloster des Sinai den Katha- 
rinenorden kaufen. Der Nürnberger Ulrich Ketzel (f 1462), der wieder- 
holt das hl. Land mit Reisegefährten besucht hat, war im Besitz von 
16 Ordenszeichen.2) Die Mehrzahl dieser vielen Dekorationen ist sehr 
bald wieder abgeschafft und vergessen worden. 

Die Orden, welche auch für die spätere Zeit ihren Wert und ihre 
Bedeutung behielten, der Hosenbandorden (gestiftet von Eduard III. 
1346), der burgundische Orden des Goldenen VHefses (Toison d'or 1429), 
der savoyische Annunciatenorden (gest. 1362), bewahrten auch in der 
Folgezeit den Charakter als Abzeichen eines von den Königen und 
Kaisern bestimmten Gesellschaftskreises. 

Wollte ein Fürst im 16. und 17. Jahrhundert Verdienste belohnen, 
Anerkennung bezeugen, dann verehrte er dem, den er auszuzeichnen 
beabsichtigte, eine goldene Kette, an der eine Medaille mit dem Bildnis 
des Fürsten hing.') Die Kette konnte mehr oder minder kostbar sein, 
die Medaille noch in einem goldenen, emaillierten Rahmen gefafst 
werden. Kurz, es war möglich, das Wohlwollen in verschiedenster 
Weise, aber ohne statutenmäfsige Abstufungen zum Ausdruck zu bringen. 
Teuer aber waren diese Auszeichnungen für den Spender immerhin. 

Von den alten Orden, deren ich schon gedachte, werden der des 
Goldenen Vliefses*) und der Annunciatenorden bei grofser Feierlichkeit 
an einer goldenen Ordenskette, sonst an einem Ordensbande um den 
Hals getragen. ^) Das Abzeichen des Hosenbandordens besteht aus einer 
Art von ovaler Medaille, die den h. Georg mit dem Drachen kämpfend 
zeigt und an einem blauen Bande um den Hals gehängt wird.®) Unter 
Jakob I. '^) wird die Gruppe des St. Georg frei herausmodelliert an einer 
Ordenskette getragen. Den gestickten Ordensstern hat bereits Karl I. 

^^^^- *Von den Ritter-Orden«, J. B. von Rohr, Einl. zur Ccremoniel- Wissen- 
schaft (Berlin 1729), Teil HI, Kap. IX. 

•) Deutsches Leben etc. Fig. 560, 561. — V^l. ebenda S. 541. 

») Tycho Brahe, Kulturg. Bilderb. III, X. 1365. Vgl. ebend. N. 1489, 1659- 

*) Crispin de Passe. Alexander Famese. Kulturg. Bilderb. III, 1421. Vgl. ebend. 
N. 1424, 1439, 1449, 1490, 1552, 1553, 1611; IV, N. 1724, 1888. 

•) Rubens. Prinz Wladislaw Sigismund von Polen. Kulturg. Bilderb. III, 1640. 

•) Porträt Friedrichs V. v. d. Pfalz. Kulturg. Bilderb. HI, N. 1550. — M. Miere- 
veldt. Moriz von Nassau. Ebend. III, 1641. — Lukas Vorstcrmann. Karl I. und Graf 
Pembroke. Ebend. N. 1654, 1665. — Unter der rechten Achsel, IV, 1759. — An einer 
Kette, IV, N. 1898, 1905. 

») Wolfg. Kilian. Jakob I. Kulturg. Bilderb. III, 1567. — Queckborn, Friedrich 
v. d. Pfalz. Ebend. UI, 1623. Vgl. V, N. 2301. 



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282 ni. Die Kleidung. . 

auf seinem Mantel. ^) Auch auf dem Porträt des unglücklichen Herzogs 
von Monmouth sehen wir den Ordensstern auf dem Oberkleide. ^ 

In Frankreich ist der erste Orden der des h. Geistes, gestiftet von 
Heinrich III. ^) im Jahre 1578. Das Ordenskreuz mit der Taube trägt 
Ludwig XIII. an einem blauen Bande (Ruban bleu), das um den HaJs 
geschlungen ist.*) Erst unter Ludwig XIV. scheint der Gebrauch auf- 
zukommen, dafs auf dem Oberkleide das Ordenszeichen in Stickerei 
sichtbar gemacht wird.*) Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wird es 
übhch, den Orden an einem breiten Bande zu tragen, das über die 
rechte Schulter gelegt bis zur linken Hüfte reichte.*) Das ist also der 
Grand Cordon, wie er heute noch gebraucht wird. Den Crachat auf 
der Brust zu tragen, ist erst im 18. Jahrhundert aufgekommen, auch 
hat man in der älteren Zeit das Ordenszeichen gestickt') getragen; die 
Anwendung der metallenen Ordenssterne wurde erst um die Mitte des 
Jahrhunderts gebräuchhch. 

Den S. Michaelsorden hat der berühmte Architekt Jules Hardouin 
Mansart^), den Christusorden von Portugal Franciscus de AndradaLeitaö^i, 
den dänischen Elefantenorden König Friedrich III. von Dänemark*®) und 
Eberhard von Württemberg.^^) 

Die Orden wurden in den Jahrhunderten, die uns hier beschäftigen, 
sehr selten verliehen und galten deshalb als eine sehr hohe Auszeich- 
nung. Die protestantischen deutschen Fürsten, die das Goldene Vliefs 
nicht erhalten konnten, weil es nur an KathoUken verliehen wurde, 
bemühen sich deshalb häufig, in England dekoriert zu werden. Aber 
auch das gelang doch nur wenigen. 

Seit dem 16. Jahrhundert, aber recht eigentUch erst seit dem 17.. 
gehören zu einem Festklieide die Spitzenbesätze.^^) Frauen tragen auch 
Spitzenmansch etten*^) in Form der heutigen Stulpen, am oberen Rande 

') A. van Dyck, Porträt Kkrls I. — Ebend. IV, N. 1747. 
«) Porträt von Peter Lely. — Ebend. V, N. 2301. 

9) Kulturg. Bilderb. lU, N. 1404. — Heinrich IV. Ebend. IH, 1405. 

"*) Porträt des Königs von Hooghenberg. — Ebend. III, 1535. — Von Crispin de 
Passe. Ebend. 1646. — Das Band unter der linken Achsel durchgezogen. Ebend. IV, 
8. VI, unter der rechten, IV, N. 1870 ; IV, 2067. 

A. van Dyck, (Jaston de France. — Ebend. 1677. 

Ph. de Charnpaigne, Richelieu. — Ebend. IV, 1756. 

Claude Mellan, Henri de Montmorency. — IV, N. 2005. 

Nie. Mignard, Graf Harcourt. — V, N. 2535. 

Ferd. Voet, Michel le Tellier. V, N. 2537. 

*) Kulturg. Bilderb. V, N. 2537, 2652. 

•) Antoine Watteau : Ludwig XIV. dekoriert den Henwg von Burgnnd mit dem 
Cordon bleu. — Kulturg. Bilderb. VI, N. 2864. — Vgl. V, N. 2792, 2794, 2796, 2798. 

») Pesne, Porträt Friedrichs des (frofsen. Kulturg. Bilderb. VI, N. 2993. — An- 
ton Graff, Porträt Friedrichs des Grofsen. — Ebend. VI, N. 3179; vgl. N.3180. 

8) Porträt von Fr, de Troy (1699). — Kulturg. lUlderb. V, N. 2753. 

») Kulturg. Bilderb. IV, N. 2145. 

10) Porträt von Jeremias Falck. — Ebend. IV, N. 2268. 

») Porträt von Georg Nikolaus List. — Kulturg. Bilderb. V, N. 2297. 

**) Mrs. Palliser, History of Lace. Ed. by M. Jourdain and A. Dryden. Lond. 1902. 

»«) Kulturg. Bilderb. IV, N. 1969—71. 



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6. Das 18. Jahrhundert. 283 

mit feinen genähten oder geklöppelten Spitzen besetzt; die verschiedenen 
Fornien der Hauben, wie sie uns z. B. Michael Miereveldt in seinen 
Frauenbildnissen vorführt, entbehren dieser schönen Zierde nicht. ^) Oft 
sind die Kleider am Halsausschnitt mit Spitzen garniert, am liebsten 
jedoch verwenden sie die Damen bei dem Ausputze ihrer Kragen. Die 
Mühlsteinkrägen (Krösen) werden noch im 17. Jahrhundert gebraucht, 
doch besetzt man den Rand mit Spitzen, wie z. B. das von P. P. Rubens 
gemalte Porträt der Infantin Clara Eugenia zeigt. ^) An den hohen Steh- 
kragen, wie sie von Maria Stuart getragen wurden, darf ein Spitzen- 
besatz nicht fehlen.^) 

Die Überschlagkragen verschiedenster Form werden nur ausnahms- 
weise aus einfacher weifser Leinwand gefertigt*), sind fast immer mit 
sehr kostbaren Spitzen garniert.^) 

Bemerkenswert erscheint es, dafs auch die Männer den Wert der 
Spitzen sehr wohl zu würdigen wissen, sich gern mit ihnen schmücken. 
Gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts liefsen sie sogar die Hosen unten 
mit Spitzen besetzen oder eine Art Manschette den oberen Rand der 
Reiterstiefel innen umspannen.®) Das ist eine vorübergehende Mode, allein 
zum Ausputze der Halskrägen hat man sie fast ein Jahrhundert hin- 
durch verwendet, sei es, dafs man die Mühlsteinkrägen mit ihnen 
besetzte'') oder die Überschlag- (Schulter-) Kragen mit einer breiten Spitzen- 
bordüre zierte.*) Neben diesen nur bei besonderen Gelegenheiten ge- 
brauchten Toilettenbehelfen trug man auch glatte Leinwandkrägen, halb 
stehend®) oder übergeschlagen. Diese Form ist uns aus Rembrandts 
Porträts wohlbekannt ; die Staalmeesters des Amsterdamer Reichsmusenms 
können als Beispiel dienen. Diese breiten, gesteiften, anliegenden Kragen 
werden mit einem Schnürchen vorn zusammengebunden ; die Quasten 
der Schnüre sind meist sichtbar hervorgezogen.^^) 



») Ebend. N. 1965. 

») Kulturg. Bilderb. IH, N. 1488. 

») S. die Stiche von Heinrich Goltzius. Ebend. in, N. 1396, 1399, 1402, 1403. — 
Von Crispin de Passe. Ebend. N. 1419, 1420, 1422. — Porträt der Marj?arethe von 
Valois, N. 1437. — Crispin van Qiieckborn, Elisabeth, Tochter Jakobs I. von England. 
Ebend. N. 1476. 

*) A. van Dyck. Maria von Medici. -— Kulturg. Bilderb. III, N. 1678. 

*) Kaiserin Anna. Ebend. III, N. 1551. — Lukas Kilian, Kiurfürstin Magdalena 
Sibylla von Sachsen. Ebend. N. 1668. — M. Miereveldt, Sophie Hedwig, Gräfin von 
Nassau. Ebend. N. 1680. — Frau von Maisoufort, N. 1683. — Van Dyck, Henriette 
Marie, Königin von England. Ebend. IV, N. 1746. 

•) Kulturg. Bilderb. III, 1667. 

') Heinr. Goltzius. Kulturg. Bilderb. HI, N. 1397. — Crispin de Passe, N. 1422. 
— P. P. Rubens, Erzherzog Albrecht von Österreich (1615), N, 1487. 

«) Porträt des Friedrichs V. von der Pfalz (1613). — Ebend. III, 1550. — M. Miere- 
veldt, 'Georges Villiers, Herzog von Buckingham. — Ebend. N. 1656. — Van Dyck, Ga- 
sten de France. — N. 1677. Vgl. N. 1679, 1684; IV, 1772, 1773, 1830, 1871 — 72, 
1874—77, 1879-81, 1890, 1905, 1950—51, 2178. 

») Wolfgang Kilian. Jakob I. von England. Kulturg. Bilderb. HI, N. 1567; vgl. 
N. 1489, 1535. — Wallenstein, N. 1643, 1644. 

*<*) Philippe de Champaigne, Cardinal Richelieu. — Ebend. IV, N. 1755. — Louis 
de Conde. — N. 2069. — Fran^ois d'Angoulesme. — N. 2070. Vgl. N. 2072 ; V. 2447, 2448. 



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284 ni. Die Kleidung. 

Eine leichte Änderung der Grundform dieses Kragens wird zur 
Zeit Ludwigs XIV. modern; der untere Teil ist wieder mit Spitzen 
besetzt.^) 

Der Übergang zur Kravatte wird durch eine Modewandelung ver- 
mittelt, die wir auf dem von David Beck gemalten Porträt des Marschalk 
Leonard Torstenson (1649) dargestellt finden: Der Kragen ist mit den 
vorderen Spitzen zusammengeknotet. 2) Die spitzenbesetzte Kravatte 
trägt dann Admiral Michael de Ruyter (t 1676) auf dem von Blooteling 
gemalten Porträt'), so wie der Herzog von MommoUth (t 1685), gemalt 
von Sir Peter Lely. *) Unter dem Namen Steenkerke verdrängt in 
den letzten Lebensjahren Ludwigs XIV. dieses Spitzenhalstuch den so 
lange getragenen Kragen. Es ist aber, wie schon bemerkt, lange vor 
der Schlacht von Steenkerke (1692) bekannt gewiesen. 

Ein einfaches weifses Halstuch finden wir auf dem von Hyazinth 
Rigaud gemalten Bildnis des berühmten Fabeldichters Jean de Lafontaine 
(t 1695)^), ein zur Schleife gebundenes, an den Enden mit Spitzen 
besetztes auf dem Porträt Karls H. von England, das nach dem Bilde 
des Peter Nason (1612 bis nach 1680) J. Sandrart gestochen hat,*) 

Dieses weifse Halstuch ersetzt sehr bald die Steenkerke imd wird 
während des ganzen 18. Jahrhunderts, selbstverständlich mit kleinen 
Modevariationen, ja bis tief ins 19. Jahrhundert hinein getragen ; in der 
Gegenwart erinnern noch die weifsen Kravatten an diese Mode, die sich 
nun schon über 200 Jahre behauptet hat.*^) 

Zu den Schmucksachen dürfte noch zu zählen sein, die Taschenulir, 
die Anfang des 16. Jahrhunderts in Nürnberg erfunden, nach und nach 
so viel Beifall gefunden hatte, dafs um das Jahr 1700 wohl schon jeder 
Herr und jede Dame im Besitze einer Uhr war. 

Die Damen bedienten sich seit uralter Zeit des Fächers. Bekannt- 
lich haben schon die griechischen Frauen, die von den Meistern von 
Tanagra so lebensfrisch gebildet wurden, Blattfächer in den Händen. 
Im Mittelalter ist der Gebrauch des Fächers nicht imbekannt, allein 
nicht häufig; erst seit dem 16. Jahrhundert begegnet er uns öfter: der 
Fahnenfächer auf den Gemälden der Italiener, beispielsweise der Por- 
träts von Paolo Veronese, der Federfächer*), der in Frankreich und Eng- 
land beliebter ist, und der heute noch gebräuchliche Faltfächer*), welcher 
schon zur Zeit des Anton van Dyck, der die Gemahlin Kaiser Ferdi- 

>) Mignard, Ludwig XIV. — Kulturg. Bilderb. V, N. 2521. — Vaülant, Lud^pvig XIY. 
(1660). — Ebend. N. 2529. — Vouet, Louvois (1686), N. 2718. — Mignard, Brisacier (1664>, 
N. 2530. — Massen, Der grofse Kurfürst, N. 2744. 

») Kulturg. Bilderb. IV. X. 2226. 

») Ebend. V, N. 2331. 

*) Ebend. V, N. 2301. 

») Ebend. V, N. 2451, S. 4, 2792, 2794 ff. 

«} Ebend. V, N. 2738. 

') Ebend. V, N. 2743. 

•») Engländerin, 16. Jbdt. — Kulturg. Bilderb. III, 1528. — Crispin de Paaee. 
Kulturg. Bilderb. IV, N. 1993. — Wenzel Hollar. Ebend. N. 2074 und 2139. 

•) Abraham Bosse, Der Ball. — Ebend. ni, 1690. Vgl. (c. 1700) V, N. 2834. 



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6. Das 18. Jahrhundert. 285 

nands III., Maria Eleonora, malt') bekannt ist, ja in der Hand einer 
Römerin bereits auf einem noch aus dem 16. Jahrhundert stammenden 
Trachtenbilde erscheint.^) 

Gegen den Sonnenbrand schützten sich die Frauen durch den Ge- 
brauch des Schleiers. Von den Mummereien stammt dann der Gebrauch 
der Maske, der seit der Mitte des 16. Jahrhunderts von Italien aus in 
Deutschland und die Länder diesseits der Alpen Eingang fand. Die 
M€iske hatte ja aufserdem noch das Gute, dafs sie die Person unkenntlich 
machte.*) Joh. Christ. Wagenseil bemerkt in seiner Vorlesung »AuUca- 
mm atque PoUtarum rerum Observationes«*) : >Wenn das Frauenzimmer 
in Frankreich geschwind ausgehen und sich nicht viel anziehen will, 
nimmt es die Masque über den Kopf, dafs nichts als die Augen heraus- 
gucken und geht so incognito; wenn aber ein Bekannter kömmt oder 
einer, dem sie afEection bezeugen wollen, nehmen sie die Masque 
herunter. Diese ist von schwarzem Sammt gemacht und inwendig eine 
Crystalle angenehet, welche das Frauenzinuner in den Mund nimmt, 
damit sie die Masque halten kann.« In dem Frauenzimmerlexikon von 1739 
(Sp. 1025) wird sie erwähnt als »eine von schwartzem oder anderm bunten 
Sammet nach dem Gesichte geschnittene und zusammengepappte Forme 
mit offenen Augen-, Nasen- und Mund-Löchern versehen, deren sich das 
Frauenzimmer auf denen Redouten oder Reisen und Spatzier-Fahren, 
wenn sie incognito gehen wollen, zu Bedeckung des Angesichtes zu be- 
dienen pfleget und selbige durch eine von innen angeschlungene Coralle 
oder auch einen durchgesteckten Ring in dem Munde zu halten pfleget. 
Sie sind entweder mit Gold oder Silber gestickt oder glatt«. ^) 

Fürsten und Priester hatte man, wenn sie in einem festhchen Zuge 
dahergingen, schon im Mittelalter durch ein mit Stangen getragenes 
Schirmdach gegen Sonnenbrand und auch gegen Regen geschützt. Das 
Dach war mit kostbarem Brokat aus Bagdad (Baldak, wie man im Mittel- 
alter sagte) überzogen ; von dem Stoffe Baldekin wurde der Namen auch 
auf den Traghimmel übertragen: Baldachin. 

Diese feierüche Beschirmung fand jedoch nur bei seltenen Gelegen- 
heiten, Einzügen, Prozessionen statt; für gewöhnUch mufsten auch die 
Grofsen dieser Welt die Sonnenhitze und den Regengufs wie alle anderen. 
Menschen ertragen. Eine Art Sonnenschirm war den Venetianern schon 
bekannt: auf einem Bilde von Paolo Veronese »Die Findung des Moses« 
trägt der schwarze Diener einen Sonnenschirm über dem Haupte der 
Prinzessin. Allein erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts wird der Ge- 
brauch des Parasol häufiger. Wir werden bei Besprechung des Pa- 
rapluies auch dieses seit jener Zeit unentbehrUchen Gerätes gedenken 

Gegen den Regen schützte man sich durch dicke Mäntel, die ver- 
schiedenen Arten der Kappe, die auch mit Kapuzen versehen waren, 



>) Gest. von Comellius Galle 1649. — Ebend. IV, N. 1889. 

») Ebend. m, N. 1527. 

5) Vgl. Kulturh. Büderb. IH, N. 1554. — Romeyn de Hooghe, ebend. V, N.2701. 

*) (Vulpius) Kuriositäten X. 216. 

•) S. o. die Abb. S. 252. 256. 



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286 



UI. Die Kleidung. 



und zwar scheinen Männer wie Frauen diese Wettermäntel benutzt zu 
haben, während die aus dickem Fies gefertigte Sclavinia wohl nur 
von Männern gebraucht wurde. In dickem wasserdichten Mantel trotzte 
auch im 16. und 17. Jahrhundert der Mann dem ärgsten Regengüsse, 
w^ährend die Frau sich mit einem Regentuche behalf, das die Gestalt 
vom Kopf bis zu den Füfsen einhüllend, die Toilette vor jeder Gefähr- 
dung [sicher stellte. Eine eigentümliche Form des Regenmantels hat 
man am Niederrhein, in Holland und in den spanischen Niederlanden 
getragen. In dem Theatrum Urbium sehen [wir sie abgebildet, noch 

genauer dargestellt aber 
in dem Werke des Ab 
raham de Bruyn ?Habi- 
tus variarum gentium c 
(1581), das 1875 in 
Brüssel aufs neue heraus- 
gegeben worden ist. 
Tafel 1 zeigt uns da eine 
adhge belgische Dame, 
wie sie zur Kirche geht. 
Sie hat das jedenfalls 
durch Draht oder Fisch 
bein geformte Regenkleid 
über den Kopf gezogen. 
Tafel 2 bietet wieder ver 
schiedene Formen des 
selben; merkwürdig er 
scheint es, dafs es auch 
bei Begräbnissen getra- 
gen wurde. Tafel 3 gibt 
uns eine Darstellung des 
Antwerpener, Tafel 16 des 
Kölner und Tafel 17 des 
Schnittes von Cleve. Eine gänzUche Umgestaltung des Regenmantels 
bringt nun die Zeit um 1600. Das dunkle schwarze Tuch ist an 
einem ganz flachen Mützchen befestigt, welches durch seine eigene 
Schwere fest auf dem Kopfe aufliegt. Oben an dem Mützchen oder der 
Calotte ist an einem langen Stiel ein Puschel, oder Quast, angebracht. 
Peter Paul Rubens hat seine zweite Gemahlin, Helene Fourment (s. o. 
S. 289), in diesem Kleide gemalt. Unter den zahlreichen Bildern ^\ill ich 
nur einige anführen.^) In dem übrigen Deutschland hatten diese Kleider 
einen anderen Schnitt. In Hamburg trägt man das Regenkleid oder Regen- 

*) Jan van de Velde. Marktszcüc, gest. von Claes Janfs Vißscher. — Kultürjf. 
Bilderb. IV. S. V. — J. Sandrart, September (c. 1640). - Ebend. IV. N. 1976. - 
Wenzel Hollar. Ebend. IV. N. 2096. ^ Aus der Aula Veneris des Wenzel HoUar 
(Lond. 1644): Edeldame von Brabandt (Ebend. IV. N. 2123); yoraehme Frau aus Ant 
werpen (N. 2124); aus Köln: vornehme Frau (N. 2127), Bürgersfrau (N. 2128), wohl 
habende Bürgersfrau (N. 2129), Frau (X. 2130). 




Wenzel Hollar, Frauentracht 1039— 4ö. 



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6. Das 18. Jahrhundert. 



287 





Wenzel HoUar, Kölner Frau. 



»«A-^ H-'H. 



^VLuhcT ColoTiiowiCvr hon» etu»Uts.tv. 
Wenzel Hollar, Wohlhabende Kölner Bürgersfrau. 



tuch über dem Kopf; es ist schwarz sei- 
den oder w^ollen, vier Ellen lang, zwei 
Ellen breit. Dazu gehört der Regen- 
schurz, ein Weiberrock, der über den 
Anzug gezogen wird. In^Nürnberg liebt 
man grüne Regentücher, doch werden sie, 
wie der Stich von Jac. Andr. Friderich 
beweist, den Jeremias Wolff veröffent- 
lichte, auch als weifse Umhänge^) getragen. 

Diese Tücher und Regenmäntel sind 
noch lange gebraucht worden als man 
längst den Regenschirm erfunden hatte. 

In Frankreich hatte man sich ebenso 
wie in Deutschland beholfen, die Chape 
ä pluie, der Balandras, schützten den An- 
zug und hielten ihn trocken. Ludwig XII I . 
aber hatte schon als Prinz 1607 einni 
Sonnenschirm, mit dem sein Page ihn 
beschützte.^) In der zweiten Hälfte dtö 
17. Jahrhunderts kam ein geschickter 
Mann auf den Gedanken, den Sonnen- 
schirm mit Wachstuch, später mit Seide 
zu überziehen, so dafs er auch gegen 
den Regen schützen konnte. Schon 

*) Alltagsleben einer deutsch. Frau. 
Fig. 18. — ") Vgl. Alfred Franklin, La vie 
priv^ d'autrefois. Les magasins de nou- 
veaut^s. Paris 1898. S. 299 ff. 




Wenzel Hollar, Kostüm fipur um 1640, 



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288 ni. Die Kleidung. 

1673 weist das Inventoire du mobilier de la couronne elf Parasols mit 
verschiedenfarbener Seide und drei mit Wachstuch bezogen auf. Ein 
solcher Schirm war jedoch sehr unbequem und schwer, und deshalb wurde 
die Erfindung des Jean Marius, der ihn ?um Zusammenklappen und viel 
leichter herstellte, sehr willkommen. Erst in der zweiten Hälfte des 
18. Jahrhunderts bedient man sich mehr der Regenschirme; der Ora- 
torianer Caraccioü hebt 1768 hervor, dafs niemand in Paris ohne Schirm 
ausgehe. 1769 entstand eine Gesellschaft, welche Regenschirme an die, 
welche sie bedurften, verlieh; 1788 wurden sie weifs, 1789 grün, 1791 
rot und 1804 blau getragen. 

Das Frauenzimmeriexikon von 1715 kennt sehr wohl den ParasoU 
:^ein Schirm-Tach von Wachs-Tuch, so an einem Stänglein das Frauen- 
zimmer über sich traget, um sich dadurch wider der Sonnen-Hitze zu 
bedecken. In hiesigen Landen aber (d. h. in Sachsen) brauchet sie das 
Frauenzimmer zur Regen-Zeit. Sie können ausgespannet und wieder 
eingezogen werden. Die Frantzosen geben ihm den rechten Nahmen 
und nennen es Parapluye«. 

Mehr zur Spielerei wird der Stock, der Spazierstock, getragen. 
Die Fufswanderer, die Pilger, die Bauern haben zu allen Zeiten einen 
Stab gebraucht. Seit dem 17. Jahrhundert aber wird es Mode, dafis die 
Männer, bald auch die Damen, Stöcke tragen. Schon im 15. Jahr- 
hundert hatten die Vertreterinnen der Modenarrheit die Spazierstöckchen 
benutzt^); eine Waffe in dem Stock verborgen zu tragen war im 16. Jahr- 
hundert wieder in Gebrauch gekommen, aber den ersten rechten Luxus- 
stock hat Heinrich IV. getragen. Ludwig XHI. hatte einen Stock aus 
Ebenholz mit Elfenbeinknopf. Ludwig XIV. liebte auch, seine Stöcke 
(s. o. S. 272) recht kostbar zu haben.^) Der Stock wurde das Abzeichen 
des Befehleos. Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts wird der Rohr 
stock gebraucht, der Griff desselben ist aus Gold, Silber u. s. w. her- 
gestellt. Zur Zeit der grofsen Revolution beginnt der Stock den Degen 
erfolgreich zu ersetzen.') 

Bis Anfang des 18. Jahrhunderts hatte ein jeder Bürger das Recht 
gehabt ein Schwert, einen Degen zu tragen. Der zum Gesellen beför- 
derte Lehrjunge legte den Degen an als Zeichen, dafs er von der 
Tyrannei der Dienstzeit befreit sei. Polizeiverordnungen schränkten das 
Recht, Waffen zu tragen, immer mehr ein, behielt es einzig den Soldaten 
vor, und so ist auch im Bürgerstande der Stock an die Stelle des 
Degens getreten. 

Die französischen Damen hatten in den Spazierstöcken ein neues 
Spielzeug gefunden, das sie weit über hundert Jahre benutzten. Natür- 
lich fand diese Mode auch in Deutschland Eingang, und das Frauen- 



») Ebend. S. 318 if. 

•) Alfred Franklin, a. a. 0. S. 302 ff. 

') Saint Igny, Soldatentypen um 1630. Kulturg. Bilderb. IV. N. 1779, 1780, 1782, 
1784. — Rudolf Meyer, Soldaten c 1680—35. Ebend. IV. N. 1947, 1949. — PortrÄt 
Ludwigs Xm. Ebend. IV. 2065. — Van Dyck, Karl (II) als Kind. Ebend. IV. N. 2008. 
— Romain de Hooghe. Ebend. V. N. 2692. — Ludwig XI\\ N. 2794. N. 2835. 



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6. Das 18. Jahrhundert. 



289 



zimmerlexikon von 1715 erwähnt deshalb »den Spatzier-Stab oder Stock, 
ein schmal und geschwanckes von Spanischen Rohr verfertigtes Stäblein, 
mit einer Schleiffe Band versehen, dessen sich das Frauenzimmer an 
etlichen Orten bey dem Spatzierengehen zu bedienen pfleget x. 




P. P. Rubens, Helene Fourment. (München, Alte Pinakothek.) 

Die Hunde werden schon im frühen Mittelalter gern im Hause 
gehalten. Isolde hatte ein Schofshündchen, Petit Criu, das sie stets be- 
gleitete^), und häufig finden wir auf den Grabsteinen Hunde abgebildet, 



>) Höf. Leben. >I. 450. 
Schulte, 1>M häusliche I^beii im MittelHlter. 



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290 ni. Die Kleidung. * 

zu den Füfsen ihrer Herren oder Herrinnen hingeschmiegt. Die Minia- 
turen der Heidelberger Minnesingerhandschrift bringen vielfach die 
Bilder solcher Schofshunde; sie gehören zur Rasse der Wachtelhunde^). 
In Holland waren diese kleinen Ti^re noch zur Zeit des Frans von Mieris 
beliebt; er hat z. B. zwei auf Skizzen dargestellt, die später von Ploos 
von Amstel meisterhaft in Kupfer gestochen worden sind. Diese weifsen, 
rotgelb gefleckten Spaniels waren in der ersten Hälfte des vorigen Jahr- 
hunderts bei den Damen noch überaus beliebt. Die King Charles-Hünd- 
chen hatte man zuerst in England im 17. Jahrhundert geschätzt. Auf 
dem Stiche des Meisters von Amsterdam ist ein Windspiel dargestellt^l; 
die Hunde auf den Stichen des Mair von Landsberg') xmd des Israel 
van Meckenen*) können vielleicht der Pintscherrasse angehört haben. Von 
den Jagdhunden wollen wir gar nicht sprechen, sondern allein von den 
Stuben- und Luxushunden. 

Die Geschichte der deutschen Schofshunde ist noch nicht geschrieben 
worden, wohl aber hat Alfred Franklin in zwei Bänden seiner Vie privfe 
d autrefois ®) auch diesen Fragen seine Aufmerksamkeit zugewendet. Die 
Wachtelhimde, Espagnols oder Epagneuls, scheint man erst imi die Mitte 
des 14. Jahrhunderts in Frankreich eingeführt zu haben.^) Sonst kannte 
man die Windhunde u. s. w.*^) 

Ludwig XI. liebte die Hunde.*) Die Mutter Ludwigs XII., Marie 
von Cleve, üefs 1455 für ihre Windhunde Kleider anfertigen*); ihrem 
Beispiele folgte später Maria Stuart, die ebenfalls im Winter ihre Hunde 
in blauen Samt kleidete.^®) Alle Valois waren Hundefreunde, besonders 
weit trieb diese Vorliebe Heinrich HI. Unter seiner Regierung wurden 
die Malteser oder Bologneser Hündchen geschätzt^^), weifs mit glattem 
Seidenhaar, schwarzen Augen und schwarzer Nase. Ganz kleine Tiere 
kamen aus Artois oder aus Bologna; die Damen trugen sie in ihrem 
MufE (Chiens ä manchen). Man wollte ihr Wachstum dadurch verhindern, 
dafs man gleich nach der Geburt ihre Gelenke mit starkem Branntwein 
einrieb. Man machte über diese Vorliebe damals sehr böse Bemerkun- 
gen.^'^) Ludwig III. war ein Hundefreund.^'*) Unter Ludwig XIV. bleiben 
die Bologneser in der Mode, Hundehändler versorgten die Damen mit 
diesen ihren Lieblingen. An Stelle der Bologneser traten dann die 
Hunde aus Burgos > Bassets ä jambes torses au museau allongä et aux 
oreilles pendantes«, also eine Art Dachshunde. Die Wolfshunde wurden 
darauf modern; zur Zeit der Regentschaft waren wieder die Spaniek 
beliebt.") Der König selbst liebte die Hunde und hielt eine grofse 



») Kulturg. Bilderb. HI. N. 1370, 1442, 1447. 
•) Deutsches Leben. Fig. 400. 
») Ebend. Fig. 410, 412, 413. 
*) Ebend. Fig. 415. 

») Les animaux* (Paris 1897) und I^s animaux** (Paris 1899). 
•) Les animaux*, p. 289. 
T) Ibid. p. 295. 

•) Comines in Les Animaux • *, p. 24. 

•) Ebend. p. 36. — »« Pag. 52. — ») Pag. 56. — ") Pag. ?4. — ") Pag. 88. - 
") Pag. 144. 



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Der Bauern. 291 

Menge. Seit 1657 gibt es das Hofamt eines Capitaine des levrettes 
de la chambre du Koi. Eine Gouvernante de la guenon et des chiens 
de la chambre und Escuyers capitaines des levrettes werden auch ge- 
nannt. Die letztere Stelle existierte noch zur Zeit Ludwigs XVI.^) 
Ludwig XV. liebte seinen King-Charles Filou über alles. Die Pudel 
(caniche, grifion) werden später modern. 

7. Kleidung der Bauern. 

Die Kleidung der Bauern wechselt, zwar nicht so schnell wie die 
des Adels und der Bürger, allein auch in den Dörfern findet von Zeit 
zu Zeit die Mode Eingang. Es kleiden sich die Bauern für gewöhnlich 
in graue Wollstoffe, die sie selbst gesponnen und gewebt haben. Die 
Männer tragen selten Hosen, sondern blofse Beine, höchstens hohe 
Stiefeln, der Rock reicht bis zum Knie, bei kaltem Wetter legen sie 
eine Frieskutte mit Kaputze (die Sclavinia) an oder nehmen einen Schaf- 
pelz um, die rauhe Seite nach aufsen gekehrt. Die zahlreichen Kalender- 
bilder gestatten es, die Wandlungen der Bauern trachten seit dem 12. und 
13. Jahrhundert ziemlich sicher zu verfolgen. 

Für Italien kommen da auch die Rehefs von Niccolö und Giovanni 
Pisano in Betracht, die die Verkündigimg xmd Anbetung der Hirten 
darstellen; auch die Gemälde von Giotto in der Scrovegni-Kapelle ,zu 
Padua führen uns Bauern vor. Die Erscheinung /ier Landleute im 
15. Jahrhundert zeigen ims die Stiche von Martin Schongauer, die Feder- 
zeichnungen des Mittelalterlichen Hausbuches (im Besitz des Fürsten 
Waldburg-Wolfegg). Dafs reiche Bauern wohl auch gelegenthch die Moden 
des Adels nachzuahmen versuchen, zeigt uns die Geschichte vom Meier 
Helmbrecht. 

Über die Einzelheiten der Bauemtracht des 15. Jahrhunderts dürfte 
in den deutschen Fastnachtsspielen, in den französischen Novellen man- 
ches zu finden sein.^) Die fränkischen Bauern des 16. Jahrhunderts 
führt uns Albrecht Dürer vor. Das sind die Leute, die Sebastian Franck 
im Auge hat, wenn er in seinem Weltbuche (1533) fol. xlvij^ sagt: 
>Dif8 muoselig volck der bauren, Kohler, hirten etc. ist der vierd stand, 
deren behausimg, leben, Kleydung, speifs, weifs etc. weifst man wol. Ein 
seer arbeitsam volck, das jedermans fuofshader ist und mit fronen, 
scharwercken, zünssen, gülten, steuren, zöUen hart beschwert und über- 
laden ist, doch nit dester frümmer auch nit wie etwan ein einfeltig 
sunder ein wild hinterüstig imgezempt volck ; yr hantierung, sitten, Gots- 
dienst, bawen ist yederman bekant doch nit allenthalben gleich, simder 
wie an allen orten lendlich, sittlich.« Die Bayern tragen mit Vor- 
liebe blaue Kleider, die Bauern mehr Stiefeln wie Hosen (ebend. 
fol. Ijv^). 

») Pag. 145. 

•) Eine grofse Menge von Abbildungen bietet uns das interessante Werk von 
Adolf Bartels, Der Bauer (Monogr. z. deutschen Kulturg. IV.) (Lpz. 1900). 

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292 Itl- I^ie Kleidung der Bauern. 

Den holländischen Bauer des 17. Jahrhunderts stellt Adrian van 
Ostade und seine Genossen dar; den der katholischen Niederlande hat 
nach dem Vorgange der Breughel häufig David Teniers d. J. geschildert. 

In dem Theatrum Urbium sind auch viele Bauerntrachten, friesische 
und deutsche, spanische und italienische abgebildet. Französische Bauern 
hat Jacques Callot in seinen Mis^res de la guerre dargestellt, italienische 
Hirten und ihre Frauen Nikolaus Berchem (1620 — 83) gemalt und radiert. 

Dafs übrigens die Bauerntrachten keineswegs uralt sind, wie man 
so oft vermeint, dafür würde, wenn uns mehr Kostümbilder zur Ver- 
fügung ständen, leicht der Beweis zu liefern sein : auch auf dem Lande 
hat die Mode Veränderungen der Anzüge veranlafst; nicht so häufig 
wie in der vornehmen Gesellschaft, aber doch immerhin wahrnehmbar. 
Wenn man z. B. die Berner Tracht zur Zeit des Schweizermalers Sig- 
mund Freudenberger (1745 — 1801) mit der heutigen vergleicht, ^^drd man 
die Richtigkeit jener Wahrnehmung nicht verkennen. 



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IV. 

Essen und Trinken. 



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Essen und Trinken. 



Zu allen Zeiten haben die Ernährungsfragen eine sehr grofse Rolle 
gespielt und es ist deshalb wohl wert, dafs man auch dieser Erscheinung 
in den Tagen der Vergangenheit seine Aufmerksamkeit zuwendet. Es 
ist ein hohes Verdienst, das sich Moriz Heyne um die Sittengeschichte 
erworben hat, indem er in seinem grofsangelegten Werke »Fünf Bücher 
deutscher Hausaltertümer« dem »Deutschen Nahrungswesen« einen be- 
sonderen Band (U. Lpz. 1901) widmete. Auf dieses Werk seien alle ver- 
wiesen, welche eingehendere Studien über diesen Zweig der Sitten- 
geschichte zu unternehmen beabsichtigen.^) 

Dafs die Völker diesseits der Alpen sich hauptsächlich von den 
Erträgnissen ihrer Viehzucht und ihrer Jagd ernährt haben, ist sehr 
wahrscheinUch. Brot und allerlei aus den gewonnenen Feldfrüchten 
bereitete Speisen mögen ihnen wohl auch bekannt gewesen sein, jedoch 
der Anbau besserer Fruchtarten, von Gemüsen aller Art, ist erst all- 
mählich von Italien her in jenen Ländern heimisch gemacht worden. 
Karl der Grofse hat sich um die Verbesserung der Landwirtschaft seiner 
Völker die allergröfsten Verdienste erworben, durch die Aufmerksam- 
keit, die er seinen Musterwirtschaften zuwandte, auf weitere Kreise 
anregend und fördernd eingewirkt. Aber noch viel mehr verdankt der 
Ackerbau den Mönchen, die rationeller ihren Boden bestellten und durch 
Einführung neuer Kulturpflanzen, Gemüsen, die Landwirtschaft wesent- 
lich bereicherten. 

So dürfen wir ims schon um den Beginn des zweiten Jahrtausends 
die Küche, wenigstens der vornehmeren, reicheren Leute, recht gut ver- 
sorgt vorstellen. Verschiedenes Brot, schwarz und weifs, Kuchen mannig- 
faltiger Art, dann das am Spiefs gebratene Fleisch der Haustiere, die 
im Herbste geschlachtet wurden ; Wurst, Rauch- und Pökelfleisch mufste 

*) Über französische Verhältnisse gibt die zuverlässigste Auskunft Alfred Franklin. 
Er hat diese Fragen in drei Bänden seiner Vie priv^e d'autrefois behandelt: La cui- 
sine (Paris 1888), Le repas (Paris 1889) und Vari^t^s Gastronomiques (Paris 1891). 
Wie es in dem Plane des ausgedehnten Werkes begründet ist, wird nur die Zeit seit 
dem 12. Jahrhundert in Betracht gezogen; am interessantesten sind immer die Schil- 
derungen ans dem 17. und 18. Jahrhundert. 



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296 IV. EBsen und Trinken. 

dann den Winter hindurch vorhalten, wenn nicht die Jagd frisches 
Fleisch in die Küche heferte. Man ist nicht wählerisch und ifst neben 
den auch uns wohlschmeckenden Rebhühnern und Wachteln die Reiher, 
Kraniche, Rohrdommeln, kurz, was mit der Falkenbeize zu erlegen war. 
Im Notfalle mufste das Geflügel verwendet werden, das man auf dem 
Hofe hielt, vor allem die Hühner, die ein sehr geschätztes Essen 
lieferten imd die man auf die mannigfachste Art zuzubereiten verstand. 
Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, dafs die Leute vor einigen Hundert 
Jahren nicht ebenso gut zu speisen wufsten wie heute. Wenn sie auch 
im Binnenlande nichts von Austern wufsten und der Kaviar wie manche 
andere Leckerei ihnen unbekannt waren, so haben sie Krebse im Über- 
flufs gehabt und mit ihnen manch Gericht zu verbessern gewufst. Die 
alten Rezepte würden auch heute den Beifall manches Gourmets finden. 

Schlecht ist es dagegen mit dem Getränk bestellt. Der Met mochte 
noch allenfalls einen leidlichen Trunk bieten, allein der Wein ist im 
allgemeinen nicht wohlschmeckend. In einigen Lagen hat man freiUch 
schon in alter Zeit einen guten Tropfen gekeltert. 

Der Mosel- und Rheinwein galt schon im frühen Mittelalter als ein 
gutes Getränk, wurde selbst ins Ausland verkauft. Dieser Weinbau ging 
wohl schon auf die Römerzeiten zurück, wenn auch einzelne Weingärten 
ziemlich spät angelegt wurden, wie die Rüdesheimer, die 1074 der 
Mainzer Erzbischof Siegfried zuerst gründete. Dann erfreuten sich die 
burgundischen Weine von Auxerre und von Beaune eines wohlverdienten 
Rufes; der von La Rochelle wurde sogar nach England ausgeführt 
Aber sonst war man nicht zu sehr verwöhnt, man baute Wein an Orten 
bis nach Pommern hin, wo heute schon längst der Versuch solcher 
Kultur aufgegeben ist — nur die Bezeichnung einiger Hügel als Wein- 
berge erinnert an die ehemaügen Unternehmungen — , ja man hat den 
Wein, selbst den von Thorn an der Weichsel, gekeltert und sogar 
getrunken. Den Leuten, denen das möglich war, mag allerdings der 
Bozener oder der Chiavenna-Wein wie ein Göttertrank gemundet haben. 
Die griechischen Weine (Cyper, Malvasier), wie die aus ItaUen, gelangten 
wohl allerhöchstens auf die Tafeln der Kaiser, Könige, Fürsten und 
Prälaten und wurden auch da nur als Deükatessen genossen. Wer auf 
seinen Eigenbau angewiesen war oder fürlieb nehmen mufste mit dem 
Getränk, das in seinem Landstrich erzeugt wurde, der durfte nicht zu 
wählerisch sein; er trank den Säuerling oder, wenn ihm das nicht 
gelingen wollte, versüfste er ihn mit Honig, zog ihn über Beeren und 
duftenden Kräutern ab, machte sich, wie wir heute sagen würden, eine 
Bowle. Und in dieser Kunst haben es die Leute jener Zeit, wohl auch 
angeleitet durch die feinschmeckenden Klosterherren, sehr weit gebracht. 
Wir haben das meiste wieder verlernt. Würz- und Glühweine sind wohl- 
bekannt, mit einem Worte: man wufste sich zu behelfen und als gar 
zu unempfindlich dürfen wir uns auch die Kehlen jener längst ver- 
gangenen Zeit nicht vorstellen. 

Das Bier war allgemein schlecht, deshalb auch nicht sonderhch 
beliebt; erst im 15. Jahrhundert wufste man ein kräftigeres Getränk 



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I. Die Stunde des Essens. 297 

zu brauen, und wieder waren es die Klosterbraueroieu , die, unter- 
einander erprobte Rezepte austauschend, mit gutem Beispiele vor- 
angingen. 

Nebenher wufste man allerlei gegorene Getränke herzustellen aus 
Äpfeln, Birnen, verschiedenen Beeren und die vertraten in den Gegenden, 
denen der Weinbau fremd war, das teuere, aus der Ferne herbeigeholte 
Getränk. 

Der Branntwein hat schon im 15. Jahrhundert eine solche Be- 
deutung erlangt, dafs man gegen seinen Mifsbrauch gesetzlich einzu- 
schreiten für geboten erachtete.^) 

So sehr man jedoch auch den Trunk an sich zu schätzen wufste, 
ist man weit von der Trunksucht entfernt. Wenn die Römer den Ger- 
manen Neigung zu derselben vorwerfen, so urteilen sie unstreitig nach 
ihrem eigenen nüchternen Geschmack, denn auch das Mafs des Trunkes 
ist bei den verschiedenen Völkern und Ländern bekanntermafsen ein 
verschiedenes. Jedenfalls war dem frühen Mittelalter die Sucht, sich zu 
berauschen, fremd; dafs es nicht hin und wieder Sünder gegeben hat, 
soll nicht behauptet werden; doch es gilt, ganz besonders in der guten 
Gesellschaft, nicht für anständig, sich zu betrinken. Zuerst beginnt man 
während des 15. Jahrhunderts Gefallen am Rausche zu finden, nicht so 
in Italien, Frankreich und Spanien als in Deutschland, England, den 
skandinavischen Ländern, auf die sich auch in der Folgezeit die Trunk- 
sucht ledigüch beschränkt. 

Wenn während des Mittelalters die hohen Herren sehr gut speisten, 
und tranken, der Adel bescheidener, der Bürger noch sanpruchsloser, 
ist der Bauer sehr karg versorgt. Selten, aufser im Herbst, kommt 
Fleisch auf seinen Tisch, die Jagd ist ihm verboten, so nährt er sich 
von Grütze und groben Mehlgerichten, Grünzeug u. s. w. und sein 
Trunk ist allein Wasser. Wenn wohlhabende Bauern je einmal auch 
für ihr materielles Wohlsein etwas geopfert haben, so erregt das sogleich 
die Mifsbilligung, vielleicht auch den Neid der anderen Stände. 

Wie die Tracht die allergröfste Mannigfaltigkeit je nach den Land- 
strichen aufweist, so hat auch jeder Volksstamm, ja jede Stadt und viel- 
leicht auch jedes Dorf seine charakteristischen Gerichte. Und das gilt 
fast bis auf die neueste Zeit herab, wenn sich auch in den letzten Jahr- 
hunderten die Eigenarten immer mehr verloren, einer allgemeinen inter- 
nationalen Küche Platz gemacht haben. 

I. Stunde des Essens. 

Ursprünglich scheint man nur zweimal am Tage gegessen zu haben 2): 
des Morgens gleich nach dem Aufstehen nahm man das Frühmahl (dis- 
ners, pranzo) und gegen Abend das Nachtmahl (souper, cena). Wir können 
für die Zeit bis ziun Ende des 13. Jahrhunderts lediglich von den Ge- 
wohnheiten der vornehmen Leute sprechen : von dem Treiben der Bürger 

*) Deutsches Leben im 14. und 15. Jalirhundert. S. 509. 
») Höf. Leben «I, 360 ff. 



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298 Essen und Trinken. 

und Bauern wissen wir noch zu wenig. Der Ritter stand bei Anbruch 
des Tages auf und hörte dann zuerst die Messe. So mag man im Sommer 
gegen 7 Uhr morgens, im Winter gegen 8 Uhr gespeist haben. Schon 
im 11. Jahrhundert hatte man jedoch die Stunde des Frühmahles auf 
9 Uhr morgens (die kanonische hora tertia) verlegt. So lange aber 
konnten die Leute nicht nüchtern bleiben, darum nahmen sie vor dem 
Prandium, dem Morgenessen, noch ein Frühstück ein. Dejeimer heifst 
sich entnüchtern (dejejunare). Lateinisch aber nennt man dies Vor- 
essen Jentamen, jentaculum. 

Die Stunde für das Frühmal ist gewöhnlich um 9 Uhr morgens 
angesetzt ; allein auch in dieser Hinsicht wurde, so scheint es, eine feste 
Norm nicht überall beobachtet. Es werden, allerdings vereinzelt, auch 
Mahlzeiten erwähnt, die erst um Mittag, also um 12 Uhr, stattfanden. 

Das Nachtmahl (cena) nahm man um 3 oder 6 Uhr nachmittags 
ein. Da die Zeit zwischen dem Prandium und der Caena gar zu lang 
erschien, so ward es Sitte, eine kleine Stärkung zu verabreichen. Das 
ist die Merenda (underimbiz). 

Auf diese Art hatte man schon im 12. Jahrhundert sich gewöhnt, 
mindestens vier Mahlzeiten zu geniefsen : das Frühstück (jentamen), das 
Frühmahl (disner, prandium, pranzo), die Merenda imd das Nachtmahl 
(souper, caena, cena).^) Zum Frühstück genofs man bald nur einen 
Schluck Wein imd ein Stück Brot, bald aber war auch ein Fleischgericht 
erforderlich u. s. w. Das hat sich sicherlich nach dem Geschmack und 
dem Wohlstande der Einzelnen gerichtet; es mögen auch in verschiedenen 
Ländern und Gegenden verschiedene Sitten im Gebrauch gewesen sein. 
Beim Prandium wird mm ernstlich gespeist. Es entsprach unserem 
Mittagsessen; die Suppe ist noch nicht gebräuchlich. Zur Merenda 
nimmt man wieder Wein, Bier und Brot; auch brockte man das Brot 
in das Getränk, bereitete eine Art Kalteschale. 

Nach Beendigung des Tagewerkes geht man dann zum Nachtmahl 
(caena), das immer viel reicher zubereitet wird als das F'rühmahl. Es 
ist während des ganzen Mittelalters eigentüch die Hauptmahlzeit, bei 
der man je nach Belieben lange verweilen konnte, nach dem Dessert 
trinkend und plaudernd, bis die Stunde des Schlafengehens kam. Den 
Schlaftrunk konnte man allenfalls auch noch den Mahlzeiten zurechnen. 

AKred Franklin hat sich bemüht, die Essensstunden für Frankreich 
festzustellen.^) Nach seiner Schilderimg afs der König Karl V. sein 
Frühstück um 10, Ludwig XIL nahm das Frühmahl mn 8 Uhr und 
legte sich um 6 Uhr abends zum Schlafen nieder; das Souper fand 
zwischen 4 und 5 Uhr statt. Rabelais zitiert das Sprichwort: 
Lever ä cinq, disner ä neuf, 
Soupper ä cinq, coucher ä neuf, 
Fait vi vre Thomrae dix fois neuf. 

') Geiler von Kaisersberg zitiert schon in seiner Na\dcula fatuorum Turba XVI 
<len Vera : Qui semel est, deus est, bis honio, sed bestia qui ter ; 

Est daemon quater, quinquies est sua mater. 
•) La vie priv<^e d'autrefois. — Varietes gastronomiques (Paris 1891), Cap. II. 



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IL Die fürstlichen Tafeln. 299 

, Später, aber noch im 16. Jahrhundert, wurde das Verschen ge- 
ändert: 

Lever ä six, disner ä dix, 

Souper ä six, coucher ä dix, 

Fait vivre Thomme dix fois dix. 
Die zehnte Stunde wird lange Zeit allerorten für das Prandium 
festgehalten. Der deutsche Kaiser Ferdinand I. speist um diese Zeit, 
wie Dr. Johann Naeve in seinem Buche »Des AUerdurchlauchtigsten 
Römischen Keysers Ferdinand des Ersten Denckwürdiger Tafel-Reden c 
(Dresd. 1674) erzählt. Es hatte einmal die Predigt zu lange gedauert, 
so dafs der Kaiser erst »kurtz vor Zehen zur Mittags-TafEel kam« (S. 71). 
Auch in den Bürgerkreisen afs man noch Anfang des 17. Jahrhunderts ' 
um 10 Uhr.i) 

Heinrich III. von Frankreich soupierte um 6 Uhr; sein Arzt Laurent 
Joubert hatte ihm vorgeschrieben, vom Mai bis August um 5 Uhr auf- 
zustehen, xun 9 Uhr zu essen, um 5 Uhr das Nachtmahl zu nehmen und 
um 9 Uhr sich zur Ruhe zu legen, im September, Oktober, März, April 
um 6 Uhr das Bett zu verlassen, um 10 und 6 Uhr zu speisen, um 

10 Uhr schlafen zu gehen, im November bis Februar alles eine Stimde 
später. Zur Zeit Heinrichs IV. ist die Dinerstunde schon auf 11 Uhr 
festgesetzt. Sein Leibarzt Josef Duchene hatte die Zeit zwischen 10 und 

11 Uhr vorgeschlagen. Um diese Stunde speist man auch in den Tiroler 
Bädern zu Anfang des 17. Jahrhunderts, wie Guarinonius (S. 954) erzählt. 
Zur Zeit von Moscherosch (c. 1642) findet das Mittagsessen statt »gegen 
die eylffte stunde, da jedermann in seinem. Ort zum Essen durch die 
Bläser auff dem (Rathaus-) Thurn nach löbüchem Brauch mit blasung 
einer Schalmeyen ermahnet werden« (S. 205). Das Abendessen verlegt 
er auf V28 Uhr (S. 176). Für Ludwig XIII. war zuerst die Dinerstunde 
auf 11 Uhr, die des Soupers auf 6 Uhr festgesetzt; seit 1627 jedoch 
speist er um 12 Uhr zu Mittag. Als Ludwig XIV. den Thron besteigt, 
findet das Mittagsessen zwischen 11 und 12 Uhr, das Abendessen zwischen 
6 und 7 Uhr statt. Ludwig XIV. nahm später sein Mittagsmahl um 
1 Uhr, das Nachtmahl um 6 Uhr. Der Adel speist, um dem Essen des 
Königs beizuwohnen, um 12 Uhr und soupiert zwischen 8 imd 9 Uhr. 

Bis ins 18. Jahrhundert blieb die allgemeine Speisestunde für das 
Mittagsessen 12 Uhr, für das Nachtmahl zwischen 7 und 8 Uhr. Dann 
jedoch wird für vornehme Leute die Essetsstunde auf 3 Uhr verschoben ; 
das Souper findet zwischen 10 und 11 Uhr statt. Noch 1768 speisen in 
Frankreich die Handwerker um 9 Uhr, die Provinzialen um 12 Uhr, die 
Pariser um 2 Uhr, Geschäftsleute um ^2^ Uhr, der Adel um 3 Uhr. 

II. Die fürstlichen Tafeln. 

Die Gastmähler an den Fürstenhöfen sind uns von den Dichtern 
des 12. und 13. Jahrhunderts mit mehr oder minder Sachkenntnis oft 
beschrieben worden. 



») Phil. Hainhofer, Reisetageb. 1617. — Balt. Studien II. 2, 88. 



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300 IV. Essen und Trinken. 

Der Truchsefs (S^nechal) meldet, dafs das Essen bereit ist; darauf 
befiehlt der Herr, das Signal zum Händewaschen zu blasen. Da jeder- 
mann mit den Fingern ifst, in die gemeinsame Schüssel eintaucht, so 
gebietet es die Sitte notgedrimgen, dafs ein jeder sich vor und nach 
dem Essen die Hände wäscht. Entweder waren da Schüsseln und Hand- 
tücher an einer schicklichen Stelle des Speisesaales zu finden oder die 
dienenden Knaben (Pagen) besorgten das, indem sie kniend den Grasten 
über ein Becken die Hände aus einer Kanne begossen und ihnen zum 
Abtrocknen das Tuch bieten, welches sie am Halse tragen. Sobald das 
Waschen beendet war, nahm man Platz. Schon damals legte man auf 
die Tischordnung ein überaus grofses Gewicht; es kam sehr darauf an, 
dafs jeder Gast nach seiner Bedeutung und Würdigkeit geehrt wurde. 
UrsprüngUch hatten die Männer für sich gespeist, die Frauen in ihren 
Gemächern ihre Mahlzeiten eingenommen. In der Zeit des Frauenkultus 
zog man auch die Damen zu den Festmahlen, es wurde bunte Reihe 
gemacht und dadurch erhielten die Diners und Soupers einen Reiz, den 
die ältere Zeit entbehrt hatte. Man safs übrigens nur auf einer Seite 
der langen Tafeln, die andere Seite war für die Tischbedienung frei- 
gelassen. 

War nun jedermann an dem ihm zukommenden Platze, so erschienen 
unter Vortritt des Truchsesses, der seinen Amtsstab in der Hand führte, 
die Edelknaben, welche aus der Küche die Speisen hereintrugen. 

Die Fleischgerichte sind schon zerlegt, so dafs sie mit Zuhilfenahme 
des Messers sich leicht zerkleinern lassen. Beim Tranchieren brauchte man 
wohl eine Art Gabel. Jeder Gast hat vor sich sein Couvert, Teller, 
Brot, Serviette, Messer, vielleicht auch Löffel, die man zum Ausesseo 
der Saucen verwendete, aber Gabeln werden erst gegen Ende des 16. Jahr- 
hunderts allgemeiner verwendet. Noch 1642 läfst Moscherosch die 
alten deutschen Helden dem Philander von Sittewald einen Vorwurf 
daraus machen, dafs er nach wälscher Manier den Salat nicht mit der 
reingewaachenen Hand, sondern mit der Gabel ifst (S. 177). Selbst gegen 
Ende des 17. Jahrhunderts bemerkt Job. Christ. Wagenseil: »Bei Tische 
gebraucht man weder in England noch in Italien Gabeln.« (Kuriosi- 
täten X,* 219.) Es kam übrigens auch vor, dafs mehrere Gäste mit nur 
einem Teller sich begnügen mufston. So langte nun jeder in die 
Schüs ein und nahm sich seinen Anteil; auf dem Teller schnitt er die 
Stücke in mundgerechte Bissen. Die Brühen und Saucen genofs man. 
indem man Brotstücke eintauchte. 

Die Edelknaben hatten den gesaraten Tischdienst zu versehen 
unter der strengen Aufsicht des Truchsesses, der in eigener Person den 
Fürsten zu bedienen verpflichtet war. 

Die Könige und Fürsten safsen inmitten ihrer Tischgenossen bei 
der Tafel, das ersehen wir aus zahlreichen Miniaturen und Zeichnungen 
des Mittelalters, vielleicht hin und wieder auf einem erhöhten Sitze, 
einen Baldachin über ihrem Ehrenplatze, aber immer mit ihren Gästen 
vereint. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts aber scheint die Sitte schon 



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IL Die fürstlichen Tafeln. 



301 



bekannt, die später, zumal am französischen Hofe, beobachtet wurde, 
dafs der König allein, höchstens mit seiner Gemahlin zusammen speiste. 
In dem von Michael Wolgemut illustrierten Werke »Der Schatzbehälter^)« 
sehen wir den König an einer Tafel ganz allein sitzen (siehe Seite 302). 




Hinter ihm auf beiden Seiten des Saales sitzt der Hof bei Tische. Noch 
ist es nicht gebräuchlich, dafs die Hofleute beim Mahle des Königs 
nur zusehen dürfen; 'sie werden auch bewirtet, aber an gesonderten 
Tischen. 



*) A. Essen wein. Die Holzschnitte des 14. und 15. Jahrhundorts im German. 
Museum. — Ntirnb. 1^. Taf. CXXXVI. 



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302 



IV. Essen und Trinken. 




Festmahl (1834). (Bilderhandschrift des Wilhelm von Oranse, 

Kassel.) 



Die Verteilung des 
Getränkes überwachte 
der Schenk, der wiederum 
seinen Herrn persönüch 
zu bedienen hatte. Die 
Edelknaben hielten in 
Kannen den Wein, oder 
was sonst für ein Getränk 
gereicht wurde , bereit 
und füllten die leerge- 
trunkenen Becher. 

Eine merkwürdige 
Sitte wurde im Laufe 
des 14. Jahrhunderts ein- 
geführt: diebedienenden 
jungen Leute brachten, 
hoch zu Rosse sitzend, 
die Speisen und Getränke 
den Gästen in den Speise- 
saal und präsentierten sie 
ihnen so. Sicher hat diese unbequeme und deshalb unpraktische Neu- 
erung nur bei grofsen Paradediners gekrönter Häupter Anwendung ge- 
funden und ist bald wieder, und zwar mit vollem Recht, abgeschafft 
und vergessen worden. 

Im 15. Jahrhundert fing man an, der Ausschmückimg der Tafel 
seine Aufmerksamkeit zuzuwenden; bis dahin hatte man sich begnügt^ 
durch schöne Gefäfse aus Edelmetall, durch geschmackvoll gestickte 
Tischtücher dem Schönheitsbedürfnisse Rechnung zu tragen. Nur ver- 
einzelt werden Tafelaufsätze erwähnt, Kunstwerke, die ledigüch der 
Zierde wegen aufgestellt wurden. Diese 
Prunkstücke wurden am burgundischen 
Hofe, zumal zur Zeit Pliilipps des Guten, 
durch kunstvolle Aufbauten verschieden- 
ster Form verdrängt. Da gab es Schiffe, 
Gärten, Burgen mit beweglichen Figuren, 
Springbrunnen u. s. w., wie uns Oüvier 
de la Marche es beschreibt Ein Kano- 
nikus von Lille, Magister Stalkin, hatte 
eins dieser bewunderten Kunstwerke selbst 
geschaffen. 

Während des Festmahles spielten 
die Musikanten und machten Gaukler 
und alle Arten von fahrenden Leuten 
ihre Kunststücke. Die für die Bedien- 
ung freigelassene Seite der Tafel war 
ihnen für ihre Produktionen angewiesen. „„ rr ik i ^ t rw t «r^ : 

° Hans Holbein d. J. Franz I., König von 

Bei den Festen PhihppS des Guten von Frankreich beim Mahle. (Todtentan* > 




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'^^r. 



n. Die fürstlichen Tafeln. 



303 



Burgund wurden ganze Aufzüge zur Belustigung der Speisenden ver- 
anstaltet. 

Ein Menü ist uns aus der Zeit bis ins 13. Jahrhundert kaum 
erhalten^), doch wissen wir, dafs man nicht allein verschiedene Braten 




Fürstliches Festmahl 1491. (Michael Wohlgemuth, Schatzbehalter.) 



*) Wir besitzen dagegen einen Bericht über das Gastmahl, das am 15. Sept. 
1303 bei Gelegenheit der Einweihung der Stadtkirche zu WeiTsenfels stattfand, und an 
dem der Bischof Bruno von Zeiz teilnahm. Es sind zwei Speisekarten zu je drei 
Gängen s. (Vulpius) Kuriositäten IX (Weimar 1821), S. 546. Bei dem ersten Haupt- 
mahl gibt es: 

I. Eiersuppe mit Saffran, Pfefferkörner und Honig darein, Hirsen, Gemüse, 
Schaffleisch mit Zwiebeln, gebratenes Huhn mit Zwetschen. 



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304 



IV. Essen und Trinken. 



auftrug, sondern auch das Fleisch in mannigfachen Brühen zuzubereiten 
verstand, dafs Salat und Kompote nicht fehlten, zufn Schlüsse Kuchen 
und Früchte gereicht, endüch Käse geboten wiu-de. So mochte ein solches 




II. Stockfisch mit Öl und Rosinen, Bleie in öl gebacken, gesottenen Aal mit 
Pfeffer, gerösteter Bückling mit Senf. 

III. Sauer gesottene Speisefische, ein gebacken Pannen, kleine Vögel in Schmalz 
gebraten mit Rettig, Schweinskeule mit Gurken. 

Am nächsten Tage wird dem Bischof vorgesetzt: 

1. Gelbes Schweinefleisch (in Saffran), Eierkuchen mit Honig und Weinbeeren, 
gebratener Hering. 

2. Kleine Fische mit Rosinen, kalte Bleie, die vom vorigen Tage übrig geblieben 
waren, eine gebratene Gans mit roten Rüben. 

3. Gesalzen Hecht mit Peterlin, Salat mit Eiern, Gallert mit Mandeln besetzt. 



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n. Die fürstlichen Tafeln. 



305 



Hofdiner schon ganz ausgiebig und auch wohlschmeckend erscheinen. 
Salimbene berichtet uns von einem Diner, das der h. Ludwig 1245 in 
Sens veranstaltete. Da gab es zuerst Kirschen und Weifsbrot, dazu Wein, 
Milch, Fische und Krebse, dann frische Bohnen in Aalpasteten, Reis mit 
Mandelmilch und Zimt, gebratenen Aal mit Sauce, Kuchen und Torte, 
endhch Früchte. Dies Mahl fand wahrscheinhch an einem Fasttage statt. 
Wenn man jedoch den Zeitgenossen Glauben beimessen darf, so war die 
Tafel der Hofbediensteten durchaus nicht gut bestellt: das Fleisch war 
nicht frisch, sondern schon stark angegangen; der Wein war schlecht 
und trüb. 

Über die Mahlzeiten des Kaisers Ferdinand I. berichtet Dr. Johann 
Naeve, der die Tafelreden seines Herrn 1564 aufzeichnete (Dresden 1674): 
»Ihrer Keyserl. Majest. täghche Speisen waren Eyer; Weiche Eyer, von 
welchen sie allezeit früh und au£E den Abend, und derer gemeinighch 
zwey, aus der Schalen zu sich nahmen. DaraufE Suppe oder Milch von 
Mandeln, mit Cimmet abgewürtzt, hindere Lammes- Vierthel, Lams Köpfgen, 
Stärckender Klössergen aus gehackten Fasanen Fleische, Gebratene Reb- 
hüner und Ziemer oder Krammets- Vogel, von welchen er aber gar selten 
afs. Ein gebratener Capaun, Lammes Braten, Eingemachte Citronen; Zu- 
letzt wurde Quittensaft aufEgesetzet, die Eindaucken oder Schmackreitz- 
ungen sind Bronnen -Kresse' mit Efsig, Citronen - SafEt, Granat -Kömer 
Safft, Birnen mit Senff angemachet Und Kirschen-SafEt mit Zucker ab- 
gesüsset.« 




Abraham Bosse, Le banquet. 
Schultz, Das häusliche lieben im Mittelalter. 



20 



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306 IV. Eesen und Trinken. 

Die adlige Gesellschaft wird es den Höfen gleichzutun versucht haben; 
natürlich mufsten da manche Einschränkungen je nach dem Besitzstande 
eintreten, und der Landedelmann, der auf seiner Burg inmitten seines 
Grundbesitzes hauste, wird wohl mit weniger Komfort, ohne Tafelmusik 
u. s. w. gespeist haben. 

Die bürgerlichen Kreise sind wahrscheinlich noch einfacher in 
ihren Ansprüchen, und die Bauern mufsten sich, wie schon angeführt 
wurde, mit noch weniger zufrieden geben und durften nur bei festlichen 
Gelegenheiten, bei Hochzeiten u. s. w., sich eine Schwelgerei gestatten. 

Seit dem 14. Jahrhundert erfahren wir mehr von den Festessen 
der Bürger. Wie sie sich für gewöhnlich ernährt, das aufzuzeichnen 
hat kein Schriftsteller für nötig gehalten ; aber was bei festlichen Gelegen- 
heiten aufgetragen wurde, schien schon eher der Erwähnung wert.*) 

Am Anfang des 18. Jahrhunderts waren die Tafeln der Fürsten, wie 
uns JuHus Bernhard von Rohr in seiner Einleitung zur Zeremonial- Wissen- 
schaft (Berlin 1729) berichtet^), in folgender Weise angeordnet: 

Die Speisesäle und Tafelgemächer sind kostbar möbUert, mit »sehr 
vielen Lustren, Girandolen, Crystallinen Spiegeln und dergleichen 
Wand-Leuchtern geschmückt. Man findet daselbst prächtige Credenz- 
BufEette und andere Credenz-Tische, die mit silbernen und güldenen 
und andern kostbaren Trinck-Geschirren besetzt sind«. Der Fufsboden 
ist mit rotem Scharlach oder mit Samt bedeckt. Zuweilen, besonders 
bei festlichen Gelegenheiten, sitzen die regierenden Herren auf einer 
mehrere Stufen erhöhten Estrade, unter einem Baldachin (Dais) ; gewöhn- 
lich aber verzichten sie auf diesen Prunk. Die Schüsseln sind silbern, 
vergoldet oder ganz von Gold. »Nach der neuesten FaQon sind die 
Schüsseln jederzeit mit silbernen Glocken bedeckt, theils, damit die 
Speisen darunter warm bleiben, theils und vornehmlich aber damit sie 
nicht durch den herabfallenden Poudre und anderen Wust von denen, 
die sie auf die Tafeln setzen, verunreinigt und unappetitlich werden, c 

Einige Fürsten speisen ganz allein^), andere mit ihren Angehörigen 
oder mit fürstUchen Personen, Gesandten. Andere laden Minister, (Je- 
nerale, Kavaliere ein. 

Ludwig XIV.**) speiste zu Mittag in seinem Schlafzimmer an einer 
kleinen Tafel allein, was des Abends aber nicht geschah. Zuweilen 
nahm er das Mahl bei Madame de Maintenon ein, die dann noch eine 

^) Ein französisches Fabliau gibt uns eine Beschreibang von einem Eesen im 
Wirtshause: Brot und Wein, Schweinefleisch und Kaninchen» junge Vögel, Kuchen. 
Dann wird der Kapaun aufgetragen, FisChe in Saucen» Pasteten. Zum Schlüsse Früchte 
und Spezereien. (Höf. Leben «I. 366 ff.) 

•) 1. Teil, VIII. Capitul. Von dem Tafel-Ceremoniel. 

') Ludwig Xni. speist mit seiner Gemahlin, jedes unter einem eigenen Bal- 
dachin. 1640. — Kulturg. Bilderb IV, pag. VH. — Jean Le Pautre. Le repas du Roy. 
- Ebend. IV, N. 2290. -- Vgl. Nie. Solls, Festmahl 1668 bei Vermählung des HersEogs 
Wilhelm von Bayern mit Renata von Lothringen. — Ebend. II. N. 1089. 

^) Der König nimmt sein Mahl ein au petit couvert allein oder mit nor 
sehr wenigen Vertrauten, au grand couvert mit der königlichen Familie oder en 
public öffentlich. Über die Etiketteformen s. Alfred Franklin, La vie privöe d'aatre- 
fois. — Vari^tös Gastronomiques (Paris 1891). Kap. IV. S. 176. 



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n. Die fCIrstlichen Tafeln. 307 

oder die andere Dame einlud. Vor dem Gouvert des Königs und der 
Königin von Frankreich das sogenannte Cädenas (Rohr schreibt als guter 
Sachse : Catenat), ein verschliefsbares Besteck, in dem Pfeffer, Salz u. s. w. 
befindlich.^) Die Prinzen und Prinzessin bekommen nur Salzfässer. So 
sitzen auch nur di6 fürstlichen Herrschaften auf Fauteuils, alle anderen 
Teilnehmer am Mahl nur auf Lehnstühlen. Der Beginn der Tafel wird 
mit Pauken- und Trompetenklang angezeigt ; Pagen und Lakaien haben sich 
bereit zu halten. Bisweilen wird auch bei jedem Gange geblasen und gepaukt. 

Bei der Krönung Ludwigs XV. war das Festmahl so angeordnet, 
dafs im langen Zuge die Gerichte aufgetragen wurden: »voran die 
Cammer-Hautboisten, Trompeter und Querpfeifer«, die einen Marsch auf- 
spielten, dann die Herolde, Ober- und Zeremonienmeister, zwölf Haus- 
hofmeister, der Oberhofmeister ; dann kam das erste Gericht, dessen erste 
Schüssel der Oberbrotmeister (Panetier) trug, die anderen .brachten dann 
die kgl. Hofjunker. Der Obervorschneider (Cfievalier tranchant) setzt 
die Schüsseln in gehöriger Ordnung auf die Tafel, hebt die Stürzen, 
l&kt sie »credentzenc und deckt sie wieder zu. 

Am Hofe von Wolfenbüttel hat der Älteste des Geschlechts von 
Veitheim das Recht als Erbküchenmeister, bedeckten Hauptes das Essen 
auf den fürstlichen Tisch zu setzen. Der Kcdser wird in der Stadt von 
Kammerdienern bedient, in den Lusthäusern von Pagen mit bedecktem 
Haupt mit Vortretung eines Kayserhchen Hartschierers und Schliefsung 
eines Trabanten. Wann des Kaisers Majestät »en Serviette oder in ihrer 
Retirade« speist, hatten nur Kammerdiener aufzuwarten, »in Campagnec 
besorgen Pagen den Dienst. So gibt es verschiedene Arten des Zere- 
moniells, welche Rohr gewissenhaft beschreibt. Was die Gerichte selbst 
anbelangt, so bemerkt er: »Jetzund haben manche vom bürgerlichen 
Stande bei ihren solennen Gastereyen mehr Gerichte auf ihren Tafeln, 
als vor ein hundert oder ein paar hundert Jahren Fürstliche Personen 
auf üiren Tischen, c Aber bei feierhchen Gelegenheiten gibt es auch zu 
Rohrs Zeiten an »Fürstlichen Tafeln wohl 80, 90, 100, ja über hundert 
Speisen«, die in drei bis vier Gängen aufgetragen werden. Beim letzten 
Konfitüren-Aufsatze werden schöne Porzellanteller serviert. 

Einige Herren sind mit zwölf bis achtzehn Speisen, in zwei Gängen 
gereicht, zufrieden, andere nehmen mit acht Speisen fürlieb. An den 
Tafeln italienischer Fürsten werden viele Früchte und Konfitüren auf- 
getragen, bei französischen Gastmahlen »ungemein viel Gebackens-Werck«, 
in England und im Norden viel Fleisch, in Deutschland alles durchein- 
ander. Zuweilen serviert man zuerst die Fleischspeisen, dann die Fische 
imd Gebackenes, darauf die Braten und zuletzt das Konfekt. Die Schau- 
essen spielen eine sehr grofse Rolle (§ 26 — 30). »Zuweilen kommen 
oben von Decken Tafeln herunter und verändern sich zu unterschiedenen 
mahlen, so dsSs immer die eine die andere vertreibt und an der herab- 
kommenden sich niederl&öt, die vorigen aber von sich selbst ihr 
Raum machen und sich an den Boden heruntersencken. « (S. o. S. 62.) 
Beleuchtung der Tafel. 

») Cf. A. Franklin, a. a, O. S. 93. 

20» 



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308 IV. Essen und Trinken. 

Sobald der Hofmarscbiall angekündigt, dafs alles bereit sei, geht 
man zu Tische. Der Kaiser nimmt den Hut ab und legt ihn auf das 
Hut-Tischlein ; speist er dagegen an Sonntagen und Feiertagen, wie bei 
Oala-Festen, in der Antecamera, so behält er den Hut auf. 

Der Fürst führt seine Gemahlin zur Tafel, oder ihr Hofmeister 
oder einer der Geheimräte hat diese Ehre, wenn nicht ein Kavalier von 
einem fremden Hofe da ist, dem die Auszeichnung zu teil wird, die 
Fürstin zu führen. 

Vor Beginn des Essens werden den fürstUchen Herren der Hut 
und die Handschulie abgenommen, den Damen die Handschuhe and 
der Fächer. Vor dem Tischgebet präsentiert man das Wasser. An 
grofsen könighchen Höfen reicht ein Kammerherr unter Leitung des 
Oberhofmarschalls die Giefskanne, ein anderer das Becken; der Ober- 
hofmarschall selbst bietet die Serviette. Auch in dieser Hinsicht hat 
jeder Hof seine eigene Sitte. 

Das Tischgebet spricht bei den Protestanten für gewöhnlich ein 
Page, bei festUchen Gelegenheiten der Hofprediger, bei Katholiken ein 
Geistlicher. Nach dem Gebete macht »derjenige Ministre, der den Stab 
führt, mit seinem Stabe die Reverence« vor dem Fürsten und seinen 
Tischgästen ; die Damen nehmen links, die Herren rechts von der Herr- 
schaft Platz. Die Tafeln sind gewöhnlich oval. Wenn der Souverän 
sich mit seiner Gemahlin gesetzt hat, lassen sich die Mitglieder der 
fürstUchen Familie nieder, dann die Damen und Kavaüere nach ihrem 
Range. Eine lange Besprechung über die Bedienung bei Tische, über 
das Vorschneiden können wir wohl übergehen. Bisweilen werden die 
Speisen besonders kredenzt: der Vorschneider steckt ein Stück Brot an 
eine lange Gabel und fährt damit über alle Schüsseln und Speisen; er 
muTs das Brot dann verzehren. 

Es folgt nun eine Schilderung, wie die Getränke gereicht und kre- 
denzt werden. Wann der Fürst eine Gesundheit trinkt, ertönen Posaunen 
und Pauken, werden Kanonenschüsse abgefeuert. 

»Der letzte Gang, der auf die Fürstl. Tafeln kömmt, bestehet in 
Confecturen.« 

»Unter der Tafel werden bey Solennitäten schöne Musiquen ge- 
hört; biTsweilen bestehen sie nur in Trompeten und Paucken, zuweilen 
aber auch in schönsten Vocal- und Instrumental-Music; es werden 
Castraten und Cantatricen dabey gehört, die mehrentheils Italienische 
Piecen dabey abzusingen pflegen.« Die Überbleibsel der Tafel gibt man 
den Zuschauern preis. 

Sobald der Fürst und seine Gäste sich von der Tafel erhoben 
haben, wird wieder ein Tischgebet gesprochen, Wasser gereicht; dann 
begeben sie sich in ihre Gemächer. Die Aufhebung der Tafel ist nach 
spanischem Zeremoniell mit zahllosen FörmUchkeiten verbunden 
(§ TO, 71). 

Das Tischservice war noch während des 16. Jahrhunderts überaus 
kostbar, zumal an den Fürstentafeln gab es bei festUchen Gelegenheiten 
goldene und silberne Geschirre, prächtige Tafelaufsätze u. dgl. Für den 



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n. Die fürstlichen Tafeln. 309 

Alltagsgebrauch mag man sich wohl mit minder wertvollen Geräten be- 
holfen haben. Irdene oder zinnerne Teller etc. wurden da gebraucht. 
Die Majolikaschüsseln sind wohl nur als Prunkstücke verwendet worden. 
Auch die grofsen Reichsstädte hatten ihren Silberschatz, der bei beson- 
dem Feiern die Tafel der Ratsherren schmückte. So gehörte der be- 
kannte Tafelaufsatz von Wenzel Jamnitzer zum Ratssilber der Stadt 
Nürnberg. Als der Rat, um die Kontributionen zu Anfang des 19. Jahr- 
hunderts zu erschwingen, seine Kostbarkeiten veräufeerte, wurde dies 
Meisterwerk gerettet, kam nach manchen Schicksalen in die Sammlung 
des Freiherm Karl von Rothschild und ist jetzt im Besitze von dessen 
Erben. 

Die Zeiten des Dreifsigjährigen Krieges haben im allgemeinen viel- 
fach mit diesen Kostbarkeiten aufgeräumt; was nicht den Plünderern in 
die Hände fiel, wurde eingeschmolzen, um die auferlegten Brand- 
schatzungen abzukaufen. 

Nach Beendigung des Krieges haben dann allmähhch auch die 
Höfe ihr Tafelgerät wieder ergänzt, Geschirr aus Edelmetall angeschafft, 
aUein schon beginnt man das Porzellan zu schätzen, zunächst das chine- 
sische, bald auch das sächsische, das immer mehr die Fayence des all- 
täglichen Services verdrängte; kostbare Tafelaufsätze wurden zum Schmucke 
der Tische angefertigt, bei festlichen Gelegenheiten benutzt. Einige dieser 
Meisterwerke der Goldschmiedekunst sind auch heute noch erhalten, vor 
allem die im grünen Gewölbe zu Dresden bewalurten grofsartigen Arbeiten 
des Johann Melchior Dinglinger (1664 — 1731): die Hofhaltung des 
Grofsmoguls und das Dianabad. ^) 

Der Adel konnte allerdings mit den regierenden Familien nicht 
gleichen Schritt halten, • allein soweit es seine Mittel erlaubten, versuchte 
er es doch. Der sächsische Minister Graf Heinrich Brühl hat für seinen • 
persönlichen Gebrauch in Meifsen z. B. das berühmte Schwanenservice 
anfertigen lassen. Allein Gold- und Silbergefäfse werden nur selten noch 
angeschafft, dagegen hebt man schöne böhmische Kristallgläser, auf 
denen von Künstlerhand die Adelswappen eingraviert waren. 

Anspruchsloser war das Tischgeschirr der Bürgerfamilien. Noch 
im 16. Jahrhundert hatten die vornehmeren unter ihnen, die zu den 
regierenden Geschlechtern gehörten, Gold- und Silbergeräte in Menge 
gehabt; die Patrizier liefsen sich in Italien MajoUka-Teller und -Schüsseln 
mit ihren Wappen malen, wie die Tucher und Krefs in Nürnberg; allein 
nach dem grofsen Kriege sah es auch in den einst so wohlhabenden 
Häusern nicht mehr so behaghch aus. Fayence-Gefäfse wurden vielfach 
gebraucht; da das chinesische und später das sächsische Porzellan zu 
teuer war, begnügte man sich mit den Nachahmungen, die auf weifser 
Glasur chinesische Bilder zeigten. Die feinsten dieser Geschirre kamen 
aus Delft, aber auch in Nürnberg, Augsburg wurden sie nachgemacht, 
billiger, aber auch schlechter. 

In Frankreich lieferten die Werkstätten von Ronen und von 



*) (Volpius.) Kuriositäten IX (Weimar 1821). S. 840 ff. 



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310 ^* Essen and IVinken. 

Moustier treffliche Ware. Wer die Fayence-Arbeiten nicht erschwingen 
konnte, begnügte sich mit tönernen Tellern, Schüsseln, Kannen. Auch 
in diesem Handwerkzweige ist im 17. und 18. Jahrhmidert mit den be- 
scheidenen Mitteln noch sehr viel Hübsches geleistet worden. Sinnige, 
oft humoristische, zuweilen auch recht derbe Inschriften gaben den an- 
spruchslosen Geräten einen höheren Reiz. 

Zu Festtagen holte man das Zinngeschirr hervor, das in den 
Bürgerhäusern an Stelle des Silberschatzes getreten war. Man hat von 
den zinnernen Gefäfsen allerdings schon im 15. Jahrhimdert Gebrauch 
gemacht, mächtige Zunftkannen aus Zinn gegossen und in der Folgezeit 
gern die Kannen und Schüsseln, die vor und nach den Mahlzeiten beim 
Händewaschen gebraucht wurden, kleine Kuchenschüsseln u. s. w. aus 
Zinn angefertigt ; treffliche Meister, wie Briot und Enderlein, hatten die 
geschmackvollsten Formen zu erfinden gewufst — jetzt nach dem Kriege 
werden auch die Teller, Schüsseln imd alles, was zum Tafelservice ge- 
hört, aus Zinn angefertigt, das, gut und sauber geputzt, ja fast wie Silber 
leuchtete. 

Bei den ärmsten Bürgern wie bei den Bauern war von diesen 
HerrUchkeiten freihch wenig zu finden. Bei ihnen ist das irdene Geschirr 
einzig im Gebrauch ; da die Teller zu gebrechUch sind, werden sie durch 
hölzerne ersetzt, die man, wenn sie einmal entzweigingen, ja noch als 
Heizmaterial verwenden konnte. Noch gegen die Mitte des 18. Jahr- 
hunderts afsen die reichen Bürger zu Eisenach von hölzernen Tellern.^) 

An den Tischen der regierenden Herren heiTschte, jedoch nur bei 
festlichen Gelegenheiten und keineswegs alltägUch, natürhch ein gröfserer 
Luxus als bei den vom Adel oder von den wohlhabenden Bürgern 
veranstalteten Mahlzeiten. Die Zahl, die Auswahl der Gerichte war 
gröfser. Besonders aber wurde auf den Schmuck der Tafel ein grofser 
Wert gelegt, wie dies schon in alter Zeit geschehen war.^) Florinus 
bespricht ziemlich ausführüch die Anordnung der Tafelaufsätze, der 
kunstreichen Bauten, die zur Zier des festlich geschmückten Tisches 
erfunden werden, und beschreibt die in der Tat höchst merkwürdigen 
Festdekorationen der Hochzeitstafel des dänischen Königs Fried- 
richs IV. (1695).3) 

Den Tafelschmuck eines Faschingsessens, das der Kurfürst von 
dör Pfalz 1726 veranstaltete, und das über zehntausend Gulden kostete, 
beschreibt B. von Rohr in der Einleitung zur Zeremonial -Wissenschaft 
(Berl. 1733).*) Bei einem Gastmahl, das Herzog Eberhard von Württem- 
berg 1722 am 23. März bei Gelegenheit seines Namenstages gab, sah 
man auf der Tafel einen See, in dem lebende Enten und Fische 
schwammen; 148 Gerichte wurden aufgetragen.^) 

») (Vulpius.) Kuriositäten Vin (Weimar 1820). S. 465. 

•; Vgl. Alfred Franklin. La vie priväe d'autrefois. — Variöt^B Gastronomiques. 
(Paris 1891.) Kap. I. 

«) T. n, Buch I, Abt. n, Kap. VI, § 14. 
*) (Vulpius.) Kuriositäten IV. S. 320. 
») Ebend. IV. 322. 



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m. Mahlzeiten der Bürger. 311 

Die Festaufzüge blieben auch später noch behebt. Bei den grofeen 
Gastmahlen, die gelegenthch des westfähschen Friedensschlusses 1649 
und 1650 von den Gesandten in Nürnberg veranstaltet wurden, fehlte 
es mcht an Verkleidungen aller Art.^) Musik und Späfse der Hofnarren 
wurden nur ungern vermifst, wie Florinus (a. a. O.) bemerkt. Für be- 
sonders prächtig hält er die Tafeln, an denen die ganze Hofgesellschaft, in 
bunter Reihe verkleidet oder im gewöhnhchen Anzug, teilnahm, die aber 
sehr teuer und nur bei besonderer Gelegenheit stattfanden. Er nennt sie 
>Besle Mesle oder Bonderie, welches man auf teutsch bunte Reihe heifst«. 

Will man die Anwesenheit der Dienerschaft bei dem Mahle ver- 
meiden, so läfst man die besetzten Tafeln vom Oberstock hinab- oder 
vom Unterstock hinaufsteigen. (S. o. S. 62.) Eine solche Einrichtung be- 
stand noch 1815 in dem Schlosse Belved^re bei Weimar. Man be- 
zeichnet diese Art von Tischanordnung als Table de confidence.^) Aufzüge 
für Speisen (monte-plats) hat es in Frankreich um 1407 gegeben.') 

An den Tafeln der Fürsten mufste man sich so manierUch wie 
möglich betrage^. Diese besseren Formen suchten sich dann auch die 
höheren Stände und vor allem der Adel anzueignen. Anweisungen, wie 
man sich bei Tische zu benehmen habe, sind deshalb schon frühzeitig 
abgefafst worden. Unter diesen Tischzuchten dürfte die älteste die 
Disciplina Clericalis des Petrus Alfonsi (t 1105) sein; dann wäre zu 
nennen der Phagifacetus des Reinerus, die Contenance de table, die 
verschiedenen versiflzierten Tischzuchten des 13. Jahrhunderts und der 
Folgezeit.^) 

III. Mahlzeiten der Bürger. 

Bei Hochzeiten, Kindstaufen etc. hebten es auch die Bürger, etwas 
aufgehen zu lassen, so sparsam sie auch für gewöhnhch leben mochten. 
Die Ratsherren der Städte suchten durch allerlei Verbote und Vor- 
schriften, obwohl vergebKch, diesen Luxus einzuschränken. Gastereien 
unter befreundeten Familien kamen wohl auch vor, waren aber gerade 
nicht besonders häufig. Aber auch sonst gab es manche Gelegenheit, 
ein Festessen zu veranstalten. Das Prandium Aristotelis, das die Magister- 
oder Doktor -Kandidaten der philosophischen Fakultät nach glückUch 
überstandener Prüfung veranst^teten , war nur auf die Angehörigen 
der Universität beschränkt, jedoch luden die geseUigen Vereine, die 
Herrentrinkstuben, die bürgerhchen und adhgen Gesellschaften öfters 



») (VulpiuB ) Kuriositäten V. 669. 

«) Ebend. IV. 822. 

^ Alfred Franklin a. a. 0. — Le Repas (Paris 1889). S. 99. 

*) Höf . Leben »I. 429 ; Deutsches Leben im 14. u. 16. Jhdt. 509 ff . — Vgl. K. 
Goedeke, Grandrifs z. Gesch. d. deutschen Dichtung« (Dresd. 1884 ff.) I, 167, 480; 
n, 281, N. 88, 467. — Cf. Alfred Franklin, La vie priv^ d'autrefois. — Les repas 
(Paris 1889), p. 151 ff. — Vgl. Die Tischzucht von Konrad Meyer, 1646 (Kulturg. Bilder- 
buch IV, N. 2177). — K. van Alkemade en P. van der Schelling, Nederlands 
displegtigheden vertoonende de plegtige gebruiken aan den dis in het houden van 
maaltijden en het drinken van gezondheden. Rotterdam 1732^35. 



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312 IV. Essen und Trinken. 

auch die Frauen zu einem gemeinsamen Mahle ein. Besonders geschah 
dies in den Fastnachtstagen. Auch die Handwerker-Innungen veran- 
stalteten Feste, bei denen die weibhchen FamiUenmitglieder nicht 
fehlen durften. 

1461, am 25. August, feierte der Bischof von Speier seinen Einzug 
durch ein grofses Festmahl. Der Speisezettel war überaus reich: 

I. Hammelfleisch und Hühuer in Mandelmilch, gebratene Span- 
ferkel, Gänse, Karpfen und Hechte und eine Pastete. 

II. Wildbraten in Pfeffersauce, Reis mit Zucker, Forellen mit Ingwer 
gesotten, Fladen mit Zucker. 

III. Gänsebraten und Hühnerbraten mit Eiern gefüllt, Karpfen and 
Hechte, Kuchen. 

Bei jedem dieser drei Gänge suchte sich der Gast von den aufge- 
tragenen Gerichten aus, was ihm gefiel. 

Ein anderer Speierer Bischof gab wenige Jahre später, am 9. Januar 
1466, ein noch opulenteres Diner von fünf Gängen: 

I. Rehkeule mit Ingwer gesotten. Dazu Malvasier. 

II. Wurst gesotten, ein grünes Mus mit Senf, Hühner mit Rosinen 
gefüllt in Mandelmilch, Fladen mit Zucker. 

III. Wildschweinbraten in Pfeffer, geprefster Schweinskopf in 
Kümmelsauce, Hecht gesotten, Backwerk. 

IV. Kapaun und Kalbsbraten, Reis mit Zucker, gebackene Muscheln, 
Rot- und Weif s wein. 

V. Karpfen und Hecht in Gelee mit Mandeln, Kuchen und Käse. 
Zum Nachtisch Konfekt mit Zucker, Getränk. 

Im Hause eines Frankfurter Bürgers fand am 3. Juni 1500 ein 
Festmahl statt: Erdbeeren mit Zucker, junge Hühner, Hanunelfleisch 
mit Zibeben (Rosinen), Muskat und Muskatblumen gedämpft. Dann ge- 
sottenes Schaffleisch mit süfsem Quark. Gebratenes: Junge Hühner. 
Hanmielkeule, eine halbe Gans in Sauce, Käse und Kirschen. 

Man sieht, dsds schon im 15. Jahrhundert man recht gut zu speisen 
verstand. Das folgende Jahrhundert ist aber besonders für die materiellen 
Genüsse eingenonunen. Bei einem Diner, das der Nürnberger Dr. Christoph 
Scheurl, Melanchthon zu Ehren am 25. November 1525 veranstaltete, gab 
es folgende Gerichte: 

Saukopf und Lendenbraten in saurer Sauce. — Forellen und Äschen. 

— 5 Rebhühner — 8 Vögel — als Braten ein Kapaun. — Hecht in 
Sülze. — Wildschweinfleisch in Pfeffersauce. — Käsekuchen und Obst. 

— Pistaziennüsse, Latwergen. — Lebkuchen und Konfekt. 

Dazu tranken die zwölf Teilnehmer so viel Wein, dafs auf den 
Mann 2^2 Liter kamen I^) 

Wir stehen auf der Schwelle des 16. Jahrhunderts, das den Freuden 
der Tafel wie des Trunkes mehr als irgend eine frühere oder «pätere 
Zeit gehuldigt hat.*-^) Ganz besonders hat die Trunksucht in Peutsch- 

') Deutsches Leben etc. 8. 496 ff. 

«) Über den Tafelluzus der Venezianer vgl. P. G. Molmenti, La vie nrivte i 
Venise (Venise 1882), 285 ff. 



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III. ICahkeiten der Bürger. 313 

land unglaubliche Fortschritte gemacht: die Fürsten gingen mit gutem 
Beispiele voran ^), zumal die Kurfürsten von Sachsen, deren aufge- 
schwemmte Gestalten uns der alte Lukas Cranach gemalt hat, sowie die Her- 
zoge von Pommern u. s. w. Der Adel tat es den Fürsten nach, und in der 
Zimmerschen Chronik, in des Hans von Schweinichen Selbstbiographie 
sind da gar erbauliche Geschichten zu lesen. Man spricht da selten von 
einem Rausche, sondern von Räuschen 1 

Der Bürgersmann frönte demselben Laster, wie dies der Soldat 
tat^), und der Bauer bUeb, wenn es seine Mittel erlaubten, nicht hinter 
ihnen zurück. Vornehme Damen und Frauen aus dem Volke huldigten 
gleichmäfsig dem Tnmke. 

Es wurden Mäfsigkeitsvereine gegründet, daö Reich, die Regierungen 
der Fürsten, die städtischen Behörden erliefsen Gesetze, ohne irgend 
einen Erfolg zu erzielen. Erst wälu^end der Leiden des Dreifsigjährigen 
Krieges wird die Trunksucht einigermafsen eingeschränkt: es fehlten 
den ausgeplünderten Leuten die Mittel, der Schlemmerei femer zu frönen. 

Über diese Zeit der Völlerei ist schon so oft geschrieben worden, 
z. B. von Johannes Janssen, daTs es überflüssig erscheint^ darüber noch 
Worte zu verlieren. 

Was nicht hervorgehoben wurde, ist der Umstand, dafs auch das 
Essen und zwar das Viel- und Leckeressen eine hervorragende Rolle 
spielt. Die lutherischen Geisthchen galten bei den Kathohken als hervor- 
ragende Trinker und Esser. Von ihrer Trunksucht erzählt das Exilium 
Melanch. S. 487, 232, N. 204, 80; S. 489, Nn 84, 85; S. 490, N. 86, 87, 
' von ihrer Gefräfsigkeit S. 150, 151, N. 47. — Guarinonius ist kein ganz 
unverdächtiger Zeuge, denn er hafst die Prädikanten, die er sehr ge- 
schmackvoll »Frefsdreckanten« nennt, und über deren > Ohrenschlappen, 
so an der nidem Schlappen beyderseits herabhagen und ihre Ohren 
bedecken«, und ihre »kurtz gefaltend gestutzt Predigkantsschauben« er 
spottet (S. 153). Er schildert sie (S. 1201) als Turnierhelden: »Um den 
Halfs ein güldene Ketten aufs pur eiteler zarten Hanffseiden, in seinem 
Maul ein gut batzete feyste Brat- oder Leberwurst, in der lincken Hand 
ein guten, dicken und breiten Schweizerkäfs für ein Schild, in der 

*) Exilium Melancholiae, das ist Unluet-Vertreiber .... Strafsbui^, 1643. — 
8. 410. N. 7. Auff Hertzog Johann Fridrichs, defs Namens deßs Ersten, Churfürsten zu 
Sachsen Beylager, am Sontag Exaudi 1526 zu Torgau gehalten, hatten Hertzog Ernst 
Yon Lüneburg und Hertzog Heinrich von Mechelburg Herrn D. Luthem zu gast ge- 
nötiget. Über der Tafel klagte der Christliche fromme Fürst Hertzog Ernst zu Lüne- 
burg sehr über das unmässige sauffen zu Hof, wie das Hofgesindlin Tag und Nacht 
so viel Wein und Bier in sich schwelgete, stets toll und voll were und dennoch bey 
solcher VöUerey jeder ein guter Christ seyn und heissen wolte, welches ein gar böser 
fibelfltand were, dem man billich furkommen und wehren solte. Auff diese defe Hert- 
zogs rede antwortet Herr D. Luther: Da soltet ihr Herren und Fürsten zu thun. Wo- 
rauff Hertzog Ernst geschwind wieder gesagt -. Ja, lieber Herr Doctor, wir thun freylich 
darzu, es were sonst längst abkommen. — Über die Trunkenheit der Fürsten bei den 
Reichstagen, s. Exil. Melanch. S. 208, N. 114. 

*) Der deutsche Soldat trinkt, der spanische stiehlt; das wufste Kaiser Karl V. 
sehr wohl. Exil. Melanch. S. 470, N. 18; 8. 487, N. 79. 

M. F. von Görlitz, Wider den Sauffteuffel .... Leipz. 1652. 



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314 IV. EBsen und Trinken. 

rechten ein guta lange (tieke, stfureke, geselchte Westphälische Hampen 
für ein Tumierstangen, reitend auS einer wol auTsgemästen sechs oder 
acht Zentner Saw, damit er Speck oben, Speck unten, Speck vorn, Speck 
hinten und Speck auff allen Seiten für ein Pollwerck habe, in seinen 
Taschen oder Wetschger ein Sprützküchel von 50 Wiener Ellen lang an 
statt des Zündstricks; an der Hüfft ein gute spanische Boratsch oder 
lideme Flaschen voller Wein an statt der Pulverflaschen, im SchieCs- 
körblein eitel gute schweinerne Knödel oder Brandküchel statt der 
Kuglen etc. Neben ihm für ein Laggey sein hebe Fraw Predicantin 
mit einem linden Polster, Kampel, Bürsten, ein grofsen Venedischen 
Spiegel, Kröfseisen und allem guten Zeug, so zur Predicantischen Zier 
und linden Striglung gehörig.« Es fängt, natürUch nur bei wohlhaben- 
den Leuten, das Essen schon am frühen Morgen beim Frühstück 
an. Das wenigste ist noch eine Suppe mit verlorenen Eiern (Zimm. 
Chron. III. 144). In den Weinländern nimmt man eine Portion Wein 
mit gerösteter Semmel oder Brot, aber nicht schweren Malvasier oder 
Branntwein. In Bierländem trinkt man gern Warmbier (Guarinonius, 
S. 581). Und dieser Brauch erhielt sich, bis gegen Ende des 18. Jahr- 
hunderts das Kaffeetrinken allgemeiner wurde. Martin Zeiller. sagt 
(Hdb. I. 527) : »Ein Frühstuck (es seye nun ein Suppen oder ein Butter, 
sambt einem Undgesottenen Ey und ein Bissen Brod mit einem wenigen 
Wein oder ohne denselben oder sonsten etwas) stärcket die Natur, er- 
streuet das Gemüt und hilfft der Unverdäuüchkeit des Magens. . . . 
Wer auch an statt eines Frühstucks täghch 11. oder 12. grofse Ziweben 
(Rosinen), wie man sie /von Damasco bringet, isset und nicht darzu 
trincket, der wird verspüren, dafs ihme der Magen, die Leber und das 
Gedächtnifs dadurch gestärcket wird.« 

Ein Prasser ist natürhch mit einem so bescheidenen Frühstück 
nicht zufrieden ; der ifst wie Fischarts Held (Geschichtsklitterung, Neudr. 
S. 252) »eine Morgensup ein, dadurch die Nebel und den Dau zu legen, 
und sonst von des bösen LufEts wegen, als schöne FenchelwürsÜin, ge- 
röstete zungleinstuckün, beim Berte Pfaffenbifslin, geröstets Katzen- 
geschrei, Euterprätlin , schöne Wampen und Schuncken oder feifste 
Hennensüpplin, Kindbetterprühlin, warm Wein, Matzisprülin, von der 
ersten sut«. 

Das Hauptessen fand aber gegen Mittag statt. In Pommern speiste 
man um 10 Uhr.^) Hainhof er war in Stettin 1617 beim Kantor zu Tisch 
geladen; man setzte sich um 10 und stand um 6 Uhr auf. »Und in 
Pommern alfs in der Mark der Brauch ist, dafs man gantz raynen Tisch 
machet, nur das Undertischtuch hegen lasset, Handwasser reichet und 
dan erst frische Teller und Serviett gibet, den Tisch mit Gebackenes, 
Confect und Früchten ganz übersetzt, kain Brot aber weiter au^eleget 
und die Fraw im Haufs dem Gast an die Saite gesetzt würde und das 
Trinken erst recht anfanget.«^) 

») Phil. Hainhofer. — Balt Studien U, 2. S. 88. 
») Ebend 



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m. Mahlzeiten der Bürger. 315 

Es ist zweifelhaft, ob die vielbesprochenen Festessen zu Mittag 
oder am Abend stattfanden. Anlässe zu diesen erwünschten Unter- 
brechungen des ziemlich einförmigen Lebens gab es gar viele. Guari- 
Bonius (455) zählt da auf die »Gerichtliche Fresserey, Vertrag-, Raitung- 
(Rechnung-), Quatemberhche-, Gerhabschafft-, dann kaufmännische 
Fresserey«. Starb einer, so war ein Gelage erforderhch: man mufste 
»die Seele vertrincken«, dann den siebenten, den dreifsigsten, den Jahres- 
tag feiern. 

Bei der Verlobung (Handschlag) und bei der Hochzeit war eine 
Gasterei unerläfsUch, allein auch die »Willkomm- und Valete-Fresserey« 
durfte nicht umgangen werden, dazu gibt es noch eine Trinkstuben-, 
eine kirchtägüche, eine gelehrte, eine handwerkhche, eine Spital- und 
eine Hausfresserei ; dafs aber noch viele andere Anlässe vorhanden waren, 
daran ist nicht zu zweifeln. 

Auch die Frauen tim sich, ganz besonders bei den Hochzeitsmahlen, 
etwas an. (S. 778) »Die ander Fresserey der Weiber ist fein or^^entlich 
und circularis (das bezieht sich auf die später noch zu erwähnenden 
Kränzchen) und fürnemblich under den Edlern bräuchig, die ihre 
Mahlzeiten eine nach der andern mit verwandten Frafs- und Sauff- 
schwestem zusammen ladet und nach der Abtheilung von einer zu der 
andern kompt, also dafs, wann der Schwester in einer Zech zwölff seyn, 
ein jede ihren zwölffen zu fressen gibt und einmal aufi jedes Krantzel- 
mahl gelangen thut, darumben auch disse die Krantz-Fressereyen oder 
Krantz-Mahlen genennt werden.« Heimlich essen sie die leckersten 
Speisen, und den Männern setzen sie Kraut und Suppe vor,, schicken 
ihren Freundinnen »under dem schein des Besuches oder Heimgartens« 
gute Bissen zu und leben herrUch; die Männer aber dürfen nichts 
erfahren. 

Eine Zeit, die einen so überaus grofsen Wert auf gute Mahlzeit 
legte, wufste auch eine gute Köchin nach Gebühr zu schätzen. »Die 
Köchin in Österreich, wie auch die zu Brefslau in Schlesien und die 
Schwäbische werden als in dieser Kunst sonderüch geschickt gelobt, 
Theils machen ihnen eine Lust mit kalten Schalen, die mit Brod, Wein 
und Zucker bereitet werden, die man auch Weinrübel nennet.« (M. Zeiller, 
Hdb. I. 528.) 

Bei den fürsthchen Gastmahlen wurden selbstverständhch die 
reichsten und schmackhaftesten Gerichte aufgetragen. Als am 6. Nov. 
1524 Joachim von Brandenburg sich mit Magdalena, der Tochter Georgs 
avon Sachsen, vermählte, gab es (s. Wenck, Dresden, S. 347) am Vor 
bend für die Fürstentafel »Hasen, Wildpreth, Gebratens, Äpfel in Butter,- 
Geröste Vogel, Ein Schau-Efsen«. Zum zweiten Gange: »Schmerlen, 
treuge, heifs, Gebratens, Tortten von Quitten oder Birnen, Pasteten von 
Hasen, über göldet vor ein Schau-Essen«. Zum dritten Gange: »Kap- 
han mit Traget (?) und süfsen Wein, Geronnen Milch mit Reifs. Ein 
Schau-Efsen mit einem Gebackens. Simuna 12Efsen.« Die Grafen, Räte 
und Prälaten bekamen 8 Essen, die Ritterschaft und das Frauenzimmer 7, 
die in der Speiseküche 5. — Das Hochzeitsmahl fand erst am folgenden 



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316 IV. JBBsen and Trinken. 

Tag statt. Da kam auf den Tisch der Fürsten »Ein Auerhabn mit 
einem gehemmerten süfsen Sode, Grüne Fohren (Forellen), Mandel- 
Tortten mit Confect, Ein Schau-Efsen. — Der Andere Gang : Schweinen 
Wildpreth, Gebratens von SpMi-Ferckeln, Wilde Hüner mit gelben Sode, 
Ein Schau-Efsen. — Der Dritte Gang: Grüne Hechte, treuge, heils, 
Kuchen mit Oblaten, Pasteten, darinnen ein Reh-Keule, vergöldt, vor 
ein Schau-Efsen. — Der Vierdte Gang: Geprefste Schweins-Köpffe mit 
Aepffeln und Wein-Efsig, Birnen mit einer süfsen Brühe, Gebacknes, 
Eine hohe Galerte von Fischen, vergöldt, vor ein Schau-Efsen. Summa 
16 Efsen.« — Für die Grafen etc. waren 10 Essen, für die Ritter 8, 
für die geringeren G^ste 6 Essen bereit. 

Das ist gewifs ein statthches Festmahl, unter dessen Gerichten 
allerdings die saure Milch sich seltsam ausnimmt. Gegen Ende dee 
Jahrhunderts jedoch bietet ein Edelmann seinen Giüäten bei weitem 
mehr. Guarinonius erzählt (S. 793): »Wann du aber jetzt ein Exempel 
einer Edelmännischen Privat-Hochzeit unnd nur eines gemeinen Ekle!- 
manns hören wilt, so hab dir gar ein nagelnewe, so erst dise 
Woche als ich schribe in eim kleinen Städtlein gar solemniter unnd 
feyerhch oder Frifslendisch gehalten worden. Durch eine Privat-Hoch- 
zeit verstehe nit ins Wirtshaufs sonder bey dem Bräutigam selbs in 
seiner Behausung, allda der Taflen siben gar wol mit HochzeiÜeuten 
oder Hochzeitfratzen übersetzt, zwen tag geweret, au£E jede Tafel vier 
Trachten, jede Tracht mit 13 ansehenhchen Richten, thut auf eine 
Tafel 52, auf 7 Taflen 364, zu zwey Mahlzeiten 728, auff zwey tag 
1456 Richten. Hie sag ich nichts von allerley Wein und aufsgesofEner 
menge.« Waren der Gerichte so viele, dafe sie auf dem Tische nicht 
Platz fanden, so liielten sie die Diener oder präsentierten sie den Gästen 
(ib. S. 798). 

Bei den Bürgern ging es ebenso verschwenderisch zu (Guar. IV, 
c. 57, S. 797) : »Nun aber kanst du aufs nachfolgender nagelnewen 
Bürgerlichen LadschafEt oder Gasterey dich leicht auff die andern 
richten. Nemblich sechs Trachten jede Tracht neun Speisen und nit 
kleine noch leere Schifslen: Zum Voressen: neun Speisen; zur Suppen: 
neun Speisen; Zum Kraut: neun Speisen; Zum Gebratens: neun Speisen; 
ZumSchröckegast: neun Speisen; zur Nachrichten: neun Speisen. Summa 
54 Speisen.« 

Über die Gerichte spricht Guarinonius noch einmal ausführlich. 
Zuerst kam das Voressen: kleine Fische in mancherlei Saucen, Rind- 
fleisch mit Rosinen und Mandeln und Gewürz. Ein paar gebratene 
Wildhühner (Spielhähne), Kalbskopf oder Kuttelfleck (S. 559). 

Zum zweiten Gange, der Suppe, gibt man Brühe von fetten Hühnern, 
Kapaunen, Kälbern mit zarten Knödeln, Rindfleisch, Selchfleisch, dann 
heifs gesottene Karpfen, Forchen, Äschen, Mandelterte, Marzipan; wenn 
die Jahreszeit eö erlaubt, ein halbes Dutzend Artischocken^) (S. 560). 

*) Fraa Magdalena Paamgartner steckt Artischockenkeme in Blumentöpfe und 
findet die von Bologna besser als die von Lucca (Briefw. 1597 18./in., 8. 276); auch 
ihre Freundinnen wollen solchen Samen (ib. 1597 22./in., S. 280). Sie braucht Zitronen 



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m. Mahlzeiten der Bürger. 317 

Der dritte Gang, das Kraut, besteht aus Zettelkraut mit Speck. 
Am Rand der Schüssel hegen Semmelschnitten mit geröstetem Gehirn. 
Dazu ein gebratenes Stück Kalbfleisch oder ein Gemsschlegel (S. 560). 

»Die yierdte Tracht nennet man den Schreckengast nembUch 
die Gersten, und damit der Gast in solchem Schricke nicht machtloser 
sterbe, so trägt man benebens ein Labung auff, als Eyrküchel, schöne 
rotgesottene Krebs, etwan ein wild Pastette. . . 

Was man hernach aufträgt von Käfs, Früchten und dergleichen, 
kanstu aufs oberzelten leicht urteilen« (S. 561). 

Austern wurden wohl doch nur in den Orten verspeist, die nicht 
zu fem von der Küste lagen. Die Venedischen Austern, die Guarinonius 
(S. 527) erwähnt, dürften in Hall nicht gar zu frisch angelangt sein. 

Auch Moscherosch (S. 160) gedenkt der Austern neben Schnepfen, 
Schnecken u. s. w. Er tadelt die Verwendung der Melonen, Zitronen, 
Limonen, Pomeranzen zu Ragouts und zur Herstellung der Ollapotrida. 
Vgl. Logau, Sinngedichte (I, 8, 30). 

Eier aber waren überall leicht zu beschaffen, und so setzt denn der 
berühmte Baumeister und Bildhauer Giovanni Battista Nosseni in Dresden 
dem Augsburger Patrizier Phil. Hainhof er 1617 zu Mittag »ain Ain- 
geruerts von Ayem (in Sachsen haifst es Ayrhaanen) vor« (Hainh. Tageb. 
— Halt. Stud. II, 2, S. 135), und in Pommern wird es zum Frühstück 
serviert. Ȇber der Malzeit haben wir ain Eingeruertes von Ayem 
gehabt, welches man in Pommern ainen Mannhaber soll haissen, die 
weilen es die Männer wol fuettert, als wie der Haber die Pferde« 
(ib. S. 45). 

Man frönte übrigens nicht allein bei Festmahlen einem übertriebenen 
Luxus, sondern pflegte auch den eigenen Leib mit zärtUchster Auf- 
merksamkeit Guarinonius schildert das Leben in den Tiroler Bädern 
(S. 954).'^ Des Morgens um 6 Uhr vor dem Bade Setzeier, eine Rahm- 
suppe, zwischen 7 und 8 Uhr eine Pfanne voll Eier oder ein Milchmus. 
dazu Wein. Um 9 Uhr geniefst man Schmarren und kleine Fische oder 
Krebse. Dazu gehört ein Trunk. Zwischen 10 und 11 Uhr findet das 
Mittagsmahl statt : fünf bis sieben Gerichte. Bis 2 Uhr geht man dann 
spazieren und ifst um 2 Uhr vor dem Bade eine Pfanne mit Dampf- 
nudeln, eine Hühnerpastete. Zwischen 3 und 4 Uhr zwei gesottene Eier 
oder ein Hähnchen. Zum Nachtmahl vier bis fünf kräftige Speisen, um 
8 Uhr vor dem Schlafengehen ein Schwingmus und eine Schüssel Wein 
mit Brot, Gewürz, Zucker. Zur Jause oder zum »Abend-Märenile«, also 
zwischen Mittag und Abend wird wieder tüchtig gegessen. — Guarinonius 

und Pomeranzen (ib. 1594 14./ni., S. 191), italieniBche Melonen (ib. 1584 14./Vm., S. 63). 
Der Mann schickt ihr aus Frankfurt Kürbiskeme und Blumenkohl (Cavoli£or = Cavo- 
lofior)-Samen (1587 l./IV., S. 80; vgl. 1588 23./III, S. 87), limonenkerne aus Italien 
(1588 24./ni, S. 88; vgl. 1588 29./m., 8. 90), süfsen Fenchel (S. 46). Sie bittet ihn, 
ans Bologna ein Fäfschen Olivenöl (Jungfrauöl, 1591, 25./Xn., S. 148) zu kaufen 
(1594 18./IX., S. 255), aus Italien mitzubringen »ein klein fesla griene niesla (Pistacien) 
und Mandeln (1592 IS./L, S. 164). In Frankfurt kauft er 3 Httte Zucker (1589 21./IX., 
S. 103) und 2 Eimer Essig (1596 12./IX., S. 271), in Würzburg Quitten, Birnen, Nüsse 
(ZeUemüsse, 1589 14./IX., S. 101) ein (1589 2./rX., 9./IX., S. 99, 101). 



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318 IV. Essen und Trinken. 

ist auf einem Spaziergang während eines Gewitters in ein Dorfwirtshaas 
eiDgricehrt und verlangt eine Jause (S. 334). Er bekommt Salat mit 
Butter ohne öl» darauf harte Eier, dann 4 gebratene, magere Hühnw, 
darauf 4 kleine Stücke Fisch, dann einen Schmarren, »ein gefr&Is aols 
gerösten Teyg in Butter«. Dreizehn Mafs Wein sollen sie dazu getrunken 
haben. Die Zeche kostet 7 Gulden 57 Kreuzer. 

Dafs man auch am Rhein sehr gut and üppig zu speisen verstand, 
beweisen die Aufzeichnungen des Hermann von Weinsberg in dem 
»Buche Weinsberge. 

Den Bürgern und dem Adel suchte es nun der reiche Bauer gleich- 
zutun. Mochte er auch für gewöhnUch sparsam leben, aber Bei Pesten, 
. besonders bei Hochzeiten liefs er etwas daraufgehen. Wenn die geringsten 
Handwerker sechs, sieben, ja acht Tafeln voll Gäste einluden, hatten 
die bei einer »mittleren Bawrshochzeitc bis 12, 14, 16 und mehr Tafeln, 
die vermögenden bis 24 (Guarinonius S. 791, 792). Der wohlmeinende 
Arzt macht ihnen den Vorschlag, ihren Speisezettel auf vier Gerichte 
zu beschränken: Suppe mit einem Stück Fleisch und Knödeln« Kraut 
und Speck, mit Bratwürsten garniert, dann einen guten Rinds- oder 
Kalbsbraten, zum SchluTs Gerste (Graupe) oder Reis in Milch. Und 
damit genug. 

Die von den Fleischern gemachte Wurst sieht aber schon Guafi- 
nonius für verdächtig an; er bespricht S. 747 »die gefälschten Wurst, 
darinnen die Fleischhacker und auch die Wirth allerley Wüst und Unflat 
zusammen mischen c. 

Jedes Volk hat beim Essen seine eigenen Gewohnheiten. So teilt 
uns Phil. Harsdörfer in den Gesprächsspielen IV (1644), 415 mit: »Ein 
Ey wird, in der Schalen gesotten, auf dreyerley Art eröffnet : Die Juden 
machen das Ey bey der Spitzen auf ... die Welschen eröffnen das Ey 
oben und wir Teutsche auf der Flächen oder Seiten, c 

Man hat während des 16. Jahrhunderts und bis zur Zeit des 
Dreifsigjährigen Krieges, so wie nie früher noch später, den Tafelfreuden 
gehuldigt, oft, viel und gut gegessen. 

Dazu wurde, wie schon früher gesagt worden ist, ganz auTser- 
gewöhnUch stark getrunken. 

Auch diese Neigung zur Völlerei war keineswegs allgemein ver- 
breitet; einzelne Männer haben sich der Unsitte wohl zu entziehen 
gewufst, allein weniger aus sittlichen Bedenken, sondern weil ihr Magen 
das Übermafs zu vertragen nicht imstande war.^) Die Mehrzahl aber 
legte sich keinen Zwang an, und so saufen sich die Männer voll'), 
berauschen sich beim ständigen Zutrinken'), es saufen die Frauen und 
Jimgfrauen*), ja es saufen die Kinder.^) 

») Balth. Paumgartner (Briefw. 160, 220). — Phil. Hainhofer (Reisetageb. 1617. — 
Balt. Stud. n, 2, S. 33). 

") Guarinonius 647. 
») Ebend. 707. 
*) Ebend. 721. 
») Ebend. 727. 



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m. Mahlseiton der Bürger. 319 

Sicut bipait, Sic morixit, Sine crux, sine lux, sine deus. ^) 
Von den Weinen^) wurden besonders die im Lande selbst wach- 
senden Sorten viel getrunken. So hat in Deutschland') der Rhein- und 
Moselwein auch im 16., 17. und 18. Jahrhundert seinen alten Ruf sich 
bewahrt. Der Kölner Advokat Hermann Weinsberg, der neben seiner 
Geschäftskanzellei einen Weinausschank hat, verzapft hauptsächUch Rhein- 
und Moselweine.*) Von den Rheingewächsen preist J. Fischart (Gesch.- 
EUtt. S. 84 ff. und Podagr. Trostb;) vor allem den Braubacher und den 
Fürstenberger bei Bacharach. »0 Bachi räch im Rauhen Rachen, soltu 
heut erwachen, wie wird dein Gurgel lachen, c Und in dem Zeitvettreiber 
(S. 190) lesen wir das bekannte Sprüchlein: 

Klingenberg am Main, 

Würtzburg am Stein, 

Bacharach am Rhein 

Wachsen die besten Wein. 
Der gerühmte Fürstenberger aber wuchs bei Nieder -Diebach.*) 
Aber auch der Hochheimer, Hambacher, Rüdesheimer ist nicht- zu ver- 
achten. •) Fischart gedenkt dann des Scharlachbergers und des Afsmanns- 
häusers. Der Markobrunner wird ebenso geschätzt wie der Gänsfüfser, 
der bei. Speier wächst.'') Bei der Zerstörung der Stadt 1689 ist auch 
dieser Weinberg zu Grunde gegangen (Diethelm a. a. 0. 467). Fischart, 
dem nicht so leicht eine gute Marke entgeht, kennt die Liebfrauenmilch 
von Worms noch nicht, allein Diethelm weifs uns 1776 von ihr zu 
berichten. »Insonderheit ist der niedliche Rheinwein, so die Liebfrauen- 
Milch genennet wird, nicht zu vergessen.«®) 

Unter den Weinen des Elsasses wird besonders gepriesen der 
Rangenwein, der bei Thann wächst, der Kaisersberger, Marsheimer, 
Andlauer. »0 Katzenthaler (b. Colmar) und Lüppelsperger von Reichen- 
weir (b. Colmar), wie halten euch meine Lippen so theur.c 

Auch die Württemberger Gewächse sind nicht zu unterschätzen. 
Viel gefeiert wird da der Eilfinger, den man bei Maulbronn keltert. 
Am Bodensee aber ist der »Stoll zu Süplingen« oder, wie er gewöhnlich 

*) Ebend. 704. — 1577 d, 26. Jan. stellte in Küstrin Andreas Roebell einen 
HeTers aus, sich nicht mehr zu betrinken. Kurios. VII, 382. 

*) Vinc. Obsopocus, Vonn der Kunst zu trincken . . . , übers, von Geoi^ 
Wickram. Freib. i. Br., 1537. Neudruck, Köln 1891. 

Andr. Baccius, De naturali vinorum hlstoria, de vinis Italiae et de convivüs 
antiquorum libri septem. Access, de factitiis ac cerevisiis, deque Rheni, Galliae, 
Hispaniae et de totius Europae vinis, et de omni vinorum usu tractatio. Fol. 
Romae 1596. 

Der zu allerley guten Geträneken treuhertzig anweisende wohlerfahme und 
curiose Keller-Meister. Nümb. 1705. 

*) Jul. Beruh, von Rohr, Viticultura Germaniae oeconomica .... Leipz. 1730. 

*) Waldorper (Waldorf zwischen Bonn und Brühl) roit und weis (Buch Weins- 
berg n, 102); Geuwer (aus St. Goar) 3 stuck, Mosler 7 stuck und I^insteiner 2 stuck 
(ebend. U, 108). 

») Diethelm, Rhein, Antiquarius (Frkf. u. Lpz. 1776), S. 674. 

•) Zeitvertreiber S. 190. 

») Ebend. 8. 191. — •) S. 531. 



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330 IV- Essen und Trinken. 

genannt wird, der »Stollengarten« (zwischen Siplingen und Überlingen).^) 
Dies Weingut gehörte seit 1411 den Freiherren von Zimmern.') Um 
die Mitte des 16. Jahrhunderts vernachlässigte man die Pflege, und so 
verlor dieser ausgezeichnete Wein seinen Ruf.') 

Die Frankenweine werden wohl auch geschätzt Des Steinweines 
wurde schon gedacht. Aber der Nürnberger Kaufmann Balthasar Paum- 
gartner kauft Franken- und Tauberwein für seinen Bedarf*), Milten- 
berger und Klingenberger. *) 

Schon fragwürdiger war wohl der Wert des bei Dresden gewonnenen 
Weines. Wenck behauptet allerdings in seiner Beschreibung der Stadt 
(Dresd. 1689) S. 15, dafs »im Dresdnischen Amtsbezirke . . . viel, viel 
Tausend Eymer gesamlet werden, unter allen selbigen Weingebürgen 
aber werden die Kötzschenbrodischen, Losenitzer, Züschkewitzer, Cost- 
wiger auch Loschwitzer und Wachwitzer für die edelsten und besten 
gehaltene. Auch in der Mark Brandenburg baute man mancherlei Sorten 
edler Reben. •) Wie der gekelterte Trunk gemundet hat, verrät Joh. 
Coler allerdings nicht. Und Philipp Hainhofer ist ein Temperenzmann, 
also darf man auf sein Urteil, dafs der auf dem Weinberg zu Frauen- 
berg bei Stettin gewonnene Wein so gut wie Rheinwein war, nicht zu 
viel geben. ^) 

Der böhmische Wein von Podskal bei Aussig ist aller Wahr- 
scheinlichkeit nach besser gewesen.^) 

Nach unserm Gewährsmann Joh. Fischart ist in Österreich der 
Bisenberger vom Bisamberg bei Wien, der .Kahlenberger, der von 
S. Polten (s. Bild) zu loben. Dazu wäre noch der Klosterneuburger 
hervorzuheben.*) 

Tirol bringt den Traminer hervor. »Tramminer oder Trabanter, 
wie jene Jungfrau, die nicht gerne das Bruch nent, sagt.c Die sittsamen 
Mädchen, die nicht den Bruch, die Unterhose, nennen wollen, denken bei 
Traminer an Minne, und dies Wort hatte im 16. Jahrhundert allerdings 
schon eine bedenkliche Bedeutung. Über Tiroler Weine aber mufs man 
bei Guarinonius S. 633 ff. nachlesen, der alle sachverständig beurteilt, 
auch dem Kälterer Seewein Gerechtigkeit widerfahren läfst. 

In Steiermark hat man den Kitzendorfer und Luttenberger, in 
Krain den altberühmten Wippacher. 

Unter den Schweizer Weinen ist weitaus der berühmteste der Veit 
liner, aber auch die aus dem Thurgau, »der Turgenische Berlimostt. 
und der Ottenberger, der bei Weinfelden auf dem Ottenberg wächst, 
finden Fischarts Beifall wie der Aargauische Rheinfelder. 

») Zimm. Chron. m, 533; H, 66. 
«) Ebend. I, 225. 
s) Ebend. m, 334. 
*) Briefw. 1591 5./IX. (S. 119). 
») Ebend. S. 28, 29, 30, 34, 43, 119. 

•) Joh. Coler, Oeconomia, B. IV, Cap. .6. — Weinmeisterordnüng des Kurftkrsten 
Johann Georg. Köln an der Spree 1578. (Ebend. B. IV, Kap. 4.) 
») Reisetageb. 1617. — Balt. Studien n, 2, 8. 23. 
») Zeitvertr. (1685), 8. 191. — •) Ebend. 



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m. Mahlzeiten der Bürger. 321 

Obschon es also in Deutschland keineswegs an Weinen fehlte, 
wurden doch auch fremde Weine vielfach getrunken. Der Weinhändler- 
Advokat Hermann Weinsberg berichtet zum Jahre 1543: »Esquamenvil 
Hispanische wein in die stat (Köln), bastarden, romanei, Canarischwein, alles 
hitzig gedrenk, und die secten drank man umb 5 albus die quart.«^) 

Auch der Herzog von Pommern hat in seinen Kellern »von Peter- 
sinen, spanischen, französischen und wälschen Weinen, von Rosmarin-, 
Maieran-, Kräuter-, Weichsel- oder Kirsch-, Rein- oder Landweinen«. 2) 

Spanisch ist der schon genannte Kanarische Wein (Canarien- 
sekt), der Sekt, der Bastart. ') Der AUcante findet bei Fischart einen 
verständnisvollen Bewunderer. »Allkant Wein ist mein Latein, wirft 
den Bauren über die Zäun und stofst die Bürger an die Schinbein«.*) 
Der Petersimen^) hat seinen Namen »von einem Teutschen Namens 
, Peter Simon, der erstUch Wein-Reben vom Rheinstrohm mit in Spanien 
gebracht«. •) Aufserdem gedenkt Fischart noch des S. Martin, Bercken- 
meyer des Madeira.^) 

Aus Griechenland schätzt man den Malvasier, der aus Monem- 
basia (NapoH di Malvasia) im Peloponnes herstanmit. *) Seltener spricht 
man von dem altberühmten Cyperwein.®) Vino greco erwähnt Abraham 
a Santa Clara.i®) 

Von den italienischen Weinen bewahrt der Reinfal oder Rein- 
val sein altes Renommee.^^) Wie Fischart ausdrücküch bemerkt ^^), stammt 
er aus Istrien. Später scheint er seinen Ruf verloren zu haben. 

Dann preist er den Romanei (aus der Romagna) und eine Menge 
andere Sorten, wie den vom Vesuv und von Sorrent, aber ganz besonders 
lobt er den von Montefiascone. Er erwähnt auch die bekannte Inschrift: 
»Est, est, propter bonum est, meus Dominus hie est.« Die Grabschrift 
des Augsburger Kanonikus Johannes Fugger ist heute noch im Dome 
vorhanden; sie lautet genau: 
Est. est. est. Propter nimium est Joannes de Fuc. D. meus mortuus est. 

Auch der Curfswein aus Korsika fand seine Anhänger. ^^) Abraham 
a Sancta Clara nennt noch den Wein Lacrimae Christi"), der wohl mit 
dem Vesuv- Wein Fischarts identisch ist. 



») Buch Weinsberg I, 206. 

>) Ph. Hamhofer, Reisetageb. 1617. — Balt. Stud. n, 2, S. 23. 

*) Vgl. P. L. Berckenmeyers, Curieuse antiquarius. (Hamb. 1712.) S. 71. 

*) Reater, Ehrl. Frau, See na V, 8. 9. > Spanischen oder Alacanten Wein«.' 

^ Vgl. Anm. 1. — Malvasier oder Peterseinen. Ph. Hainhofer a. a. O S. 95. 

•) Berckenmeyer a. a. 0. Es ist der heute noch unter dem Namen Pedro- 
Ximenes bekannte Malaga -Wein. 

») A. a. 0. n, 340. — Erquickstimden. Frkf. 1650. S. 47, ^. — Vino di Mandera. 

•) Zimm. Chron. in, 167, 310, 534, cf. Anm. 3. 

•) Berckenmeyer a. a. O. II, 27. 
*•) Gehab dich wohl. S. 254. 
**) Hans von Schweinichen. 8. 75, 77. 
»») Aller Practic Grofsmutter (Kloster Vni, 666). 
") Fischart, Aller Practic Grofsmutter a. a. 0., 656. 
") Gehab dich wohl, 254; Geistl. Kramer-Laden Ul, 15. 
Schnitz, Du häusliche Leben im Mittelalter. 21 



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322 ^V. Essen and Trinken. 

Der Ungarwein scheint sich spät Anerkennung verschafft zu 
haben; Fischart kennt zwar »Ungarische Georger, Klyber und Syi^ 
miger«, doch den Tokaier rühmt erst Abraham a Sanota Clara.*) 

Die französischen Weinsorten waren in Deutschland auch in 
den späteren Jahrhunderten sehr beliebt. Hainhofer will in Stettin 
>lautter starkhen französischen Wein, der wol ein halber Brantwein istc, 
getrunken haben.^) Der Burgimder von Beaune hat immer seine Ver- 
ehrer gefunden, wie ihn Fischart zu schätzen wufste; er lälst jedoch 
auch dem Muskat von Lyon, dem Weine von Arbois (ein süfter Weifs- 
wein), dem von Besan9on Gerechtigkeit widerfahren.') Merkwürdig ist 
es, dafs der Autor des Zeitvertreibers (1685) schon den Bordeaux- Wein 
anführt. Derselbe war bereits von alters her berühmt, wurde im Mittel- 
alter von La RocheUe aus viel exportiert, scheint aber dann, wenigstens 
am französischen Hofe, gänzhch in Vergessenheit geraten zu sein, voraus- 
gesetzt, dafs die von der Marquise de Cräquy erzählte Anekdote wahr 
ist.*) Ludwig XV. fragte einmal den Gouverneur der Guyenne, den 
Herzog von RicheUeu, ob in seiner Provinz ein guter Wein wachse. 
Richelieu lobte den Wein von Graves*), fand es aber lächerUch, dafs 
die Einwohner von Bordeaux den M^doc und den Bazadois schätzten. 
Er hefs eine Probe von Chäteau Lafitte konunen, und der König fand 
diesen Wein passabel. — Champagner erwähnt Abraham a Sancta Clara 
(t 1709). Es ist sehr wohl mögUch, dafs er schon den Schaumwein 
kannte, dessen Zubereitung Dom Pörignon, Kellermeister der Abtei 
Hautvillers (1670 — 1715), erfunden hat. Am Hofe von Hannover 
wurde schon, als Toland®) schrieb, »Burgunder, Champagner, Rheinischer 
Wein« getrunken.'^ 

War der Wein unvermischt nicht trinkbar, so suchte man den 
Geschmack durch allerlei Zusätze zu verbessern.^) Pischart kennt den 
Wermutswein*) und Guarinonius nennt ihn neben dem Alant-^®), Salbei-"), 
Rosmarin-, Kräuter- Wein. ^''^) Sehr beliebt ist dann der Julep, ein süfser 
Kühltrank.^') Einen Zimtwein (Kneildrank) setzt der schon oft genannte 
Hermann Weinsberg bei seinem Banneressen 1571 den Gästen vor. Er 
hatte ihn aus Zimt, Ingwer, Galgan, Zucker und Muskatblumen bereitet 

1) Gehab dich wohl, 254 ; Geistl. Kramer-Laden I, 85. — Berckenmeyer a. a.O.1, 700. 

«) a. a. 0. 76. 

») Der Zeitverta-eiber (1685) nennt S. 87 noch: Vin de Orleans, vin de Anjou, 
vin de Bordeaux, vin de Beaulne, vin de MuBcat; vgl. Berckenmeyer a. a. O. I, 157. 

«) Paris, 8. a. IV, 132. 

*) Berckenmeyer a. a. O. I, 157. 

•) Gehab dich wohl, 254 und Berckenmeyer a. a. 0. I, 157. 

^ Relation von den königl. Preufsischen und Chur-Hannoverischen Hofen. 
Frankf. a. M. 1707. 

*) Frid. Heibach, Oenographia, Weinkeller oder Kunstbuch vom Wein, d. i. Be- 
schreibung defs Weins, seiner Natur und EygenschafEt auch wie man denselben 
bewahren und wieder zurecht bringen sol. Frkf. 1604. — S. S. 296. 

») Geschichtsklitterung S. 229. — »°) Grobianus 3177. — **) Ph. Hainhofer, Reise- 
tagebuch von 1617 a. a. 0., S. 127. — ") Seite 673. — »») Zimm. Chron. n, 571. 
— Spangenberg, Hoffartsteuffel, fol. Cccclix». — Giuleppe, B. Paumgartnera Briefw., 
S. 43. 



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m. Mahlzeiten der Bürger. 323 

Die Bierbrauerei mufs seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts 
einen bemerkenswerten Aufschwung genommen haben. ^) Zwar gibt es 
schon im 15. Jahrhundert eine grofse Anzahl von berühmten Biersorten ^), 
allein sie ist ganz unbedeutend, vergleicht man sie mit der Menge von 
Biemamen, die im 16. Jahrhundert Joh. Fischart'), im 17. Martin 
Zeiller aufzuzählen wissen.*) Es würde viel zu weit führen, alle die 
wunderlichen Bierbezeichnungen aufzuführen. Nur des Eckernförder Bieres 
möchte ich gedenken, dem 1503 der durchreisende Kardinal Raymundus 
den Namen Cacabella gegeben hat, in Anerkennung der heilsamen 
Wirkung des Getränkes.**) Wo es keinen Wein gab, wo er teuer war, 
da behalf man sich mit dem Biere; natürlich mufste man mehr von 
diesem Getränk geniefsen, ehe die Trunkenheit sich einstellte. 

Dagegen scheint das Branntweintrinken keineswegs allgemein 
zu sein. WahrscheinUch war er doch noch viel zu teuer •), da er nur 
aus Wein oder aus Korn hergestellt werden konnte, und so für den 
armen Arbeiter nicht zu erlangen. Der Branntwein wird deshalb 
auch verhältnismäfsig selten erwähnt. Doch klagt schon Guarinonius, 
dafs die Zillertaler u. s. w. den Branntwein in Flaschen und Fässern 
in den Städten kaufen und ihn wie gewöhnüchen Wein trinken.^) 
Aquavit (aqua vitae) und Branntwein scheint nicht gleichbedeutend 
gewesen zu sein.') 

Der Comment beim Trinken spielte eine grofse Rolle, die Art des 
Zutrinkens, des Nachkommens u. s. w. Unsere Studententrinksitten 
können sich zum Teil eines uralten Herkommens rühmen. Von dem 
preuTsischen Trinkrechte will ich nur eins der Gesetze anführen: 
Qui cyathum exhausit, cyatho bibat ille recente: 

Si multum exhausit, nil bibat ille novi. 
Qui bibit ex Negibus, ex Frischibus incipit ille; 
Si bona nega sint, Frischibus ille caret.®) 

Sebastian Franck spricht in seinem Weltbuch, das 1533 ge- 
druckt wurde, (fol. Xliij^) von dem deutschen Volk im allgemeinen und 
bemerkt dann : »Darczuo saufft es unchristenüch zuo wein, hier unnd was 
es hat.« Indessen widerspricht er doch diesem Urteil, indem er die ein- 
zelnen Stämme Deutschlands zu schildern versucht. So behauptet er 

') Augenscheinliche Seelensgefahr, darinnen sich diejenigen befinden, welche 
das zu yerkauffende Getränk verfälschen, insonderheit die Bier -Brauer .... o. 0. 
u. J. c. 1700. 

>) Deutsches Leben, S. 603 ff. 

*) Geschichtski., 8. 84. — Vgl. Guarinonius, 610. 

*) Martin Zeiller, Handb. etc. (Ulm 1652) I, 351 ff. — Vgl. C. A. M. v. W. 
Zeityertreiber. (Strafsb. 1685.) S. 185 ff. 

») Zeiller a. a. O. 384. — Zeitvertreiber, S. 186. ^ 

*) Maximilians I. von Bayern Mandat, dafs der Branntwein nur aus Wein und 
Bieigleger gebrannt werden dürfe und dafs der aus Weizen, Obst, Malz, Kräutern 
heimlicherweise hergestellte oder eingeschmuggelte Branntwein verboten sei. 1604. 
Einblattdr. 

») S. 663. 

•) Zeitvertreiber, S. 87. 

•) (Vulpius) Kuriositäten m, 278. 

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324 IV- Essen und Trinken. 

von den Franken, dafs sie das Bier verachten, höchstens in der Fastenzeit 
trinken. »Das volck von armuot wegen bauwet wein, trinckt aber ge- 
meinüch wasser« (fol. L*). Von den Schwaben bemerkt er allerdings 
(fol. Liij') : »Das sauffen hat difs volck mit allen Teutschen gemein darzuo 
ein scheltend übelfluochend volck«, und über die Sachsen äufeert er sieh 
(fol. Lviij^): »Der wein ist theur und seltzam bey ynen, aber solche bier- 
saufEer seind es, das man yn in Kanten etwan nicht genuog mag zuo- 
tragen, setzen zuo zeiten ein Melck- gelten auff den tisch voll biers, 
darein ein schusseln, wer durst hat der trinck; ja sie sauffen einander 
daraufs zuo. Difs hier ist seer gut.« Bei der Besprechung von Holland 
(fol. Lxj*) fügt er hinzu : »Bier ist difs volcks tranck, Sy haben kein wein- 
wachfs,« und dasselbe gilt von Westfalen (fol. Lxj^). Die Hessen sind 
»ein grob biertrinckend volck« (fol. Lxij*). 

Auch von England heifst es (fol. Cxvij^): »Kein wein hat dise Insel, 
sunder darfür ist daz hier im brauch und wirt etwa selten wein dahin 
gebracht.« Spaniens Wein wuchs lobt er, doch »das tranck machen sy 
aufs honig, des in yr vatterland reichhch gnuog gibt, den wein, anderfswa 
zuogefuort und gekaufft, trincken sy, doch karglich und selten« (fol. Lxx*). 
In Böhmen braut man ein sehr gutes Bier, das bis nach Nürnberg und 
Augsburg versendet wird (fol. Lxxviij^) ; auch die Polen sind Biertrinker 
(fol. Lxxix^). 

Besonders schädüch war die Sitte des Zutrinken s. Wem der 
Trunk zugebracht war, mufste nachkommen^), wollte er nicht Händel 
imd Verdrufs aller Art heraufbeschwören. Wir sehen deshalb wieder- 
holt Sittenprediger gegen diese Unsitte auftreten.^) 

Aber nicht allein die Deutschen trinken gern, auch die Franzosen 
sind dem Trünke zugetan. Alfred Franklin hat diese Frage ausführlich 
in dem Bande seiner Vie privöe d'autrefois behandelt, der von den 
Repas handelt (Paris 1899). In Frankreich trinkt man fast ausschliefslich 
den Wein, der im Lande selbst erzeugt wird, mischt ihn gewöhnUch 
noch mit Wasser. Bier wird sehr wenig verbraucht, Branntwein noch 
seltener, weil er zu teuer ist. 

Die Sitte erforderte es, dafs die Flaschen und Gläser nicht auf dem 
Speisetische standen, sondern auf einem Büfett., Wollte einer trinken, 
so winkte er einem der aufwartenden Diener, der füllte am Büfett das 
Glas, präsentierte es auf einem Teller und trug es, sobald es ausge- 
trunken war, zurück. Der Versuch des Marquis de Rouillac (f 1662), 
der sich Glas und Flasche auf den Tisch setzen liefs, die Diener fort- 
schickte und ihnen, wenn er sie brauchte, klingelte (Repas ä la clochette), 
wurde für närrisch angesehen, und noch Liselotte, die Herzogin von 
Orleans, mufste den Trofs der Diener um sich herum dulden. Erst 
gegen 1760 wurde es Sitte, die Flaschen und Gläser auf der Tafel auf- 
zustellen. Im Winter liefs man den Wein gern etwas wärmen, im 



*) Dissertatio historica de Supernaculo anglorum, Germania: Von der N^el- 
Probe. ■ Lips. 1746. — ■) Seb. Franck, Von dem greulicben Laster der Trunkenheit 
— Job. Dan. Geyer, Massiger Reise-Stunden guter Gedancken .... DresdL 1735. 
(Von denen Gesellscbafts-Träncken.) « 



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ni. Mahlzeiten der Bürger. 325 

Sommer liebte man ihn kalt zu trinken. Kühlgefäfse kennt das ganze 
Mittelalter, aber Eiskeller legt man erst zu Anfang des 17. Jahr- 
hunderts an, nachdem man sie bei den Türken kennen gelernt hatte/ 
Sonst behalf man sich mit Schnee, der von den Bergen geholt wurde, 
oder mit frischem Brunnenwasser. Unter Ludwig XV. gibt es grofse Eis- 
keller in Satory und Trianon. 

Wie J. Beckmann bemerkt, ist erst 1660 Procope Couteaux 
auf den Gedanken gekommen, Limonaden und Liköre gefroren seinen 
Kunden zu servieren; Fruchteis, Cr^me gel^, ist aber erst seit 1774 be- 
kannt. Man bezeichnet diese Gelati mit dem Namen Butter.^) 

Das Zutrinken war auch in Frankreich ganz gebräuchlich; wer 
nachzukommen (pWger) unterUefs, beleidigte den Genossen aufs empfind- 
lichste. Man legte wohl auch in den Becher, den man dem Freunde 
zutrank und den dieser leeren mufste, ein Stück geröstetes Brot, toustöe 
oder tost^e (mJat. tostea), das der, der den Becher ausgetrunken, dann 
verzehrte. An diesen Gebrauch erinnert noch heute der Namen Toast. 
Dieses Zutrinken, Gesundheiten ausbringen, bezeichnet man mit dem 
Namen carousser, faire carousse. 

Man betrank sich nicht selten, ja die Ärzte erklärten solche Ex- 
zesse für sehr gesund und erspriefslich. Montaigne behauptet, dafs man 
zu seiner Zeit weniger tränke als in früheren Jahren; dafür huldigt 
man der Venus xmi so mehr. Franz I. hatte keine Neigung zum Trunk, 
bedrohte deshalb die Trunkenbolde mit schweren Strafen, Auspeitschung. 
Ludwig XIII. trank nur Wein mit Wasser gemischt, Ludwig XIV. nie 
reinen Wein, überhaupt sonst keinen Alkohol. Zur Zeit der Regentschaft 
wurde tüchtig getrunken; die Tochter des Regenten, die Herzogin von 
Bern, vertrug den stärksten Branntwein. So waren auch die Damen 
des Hofes dem Trünke ergeben. Ludwig XV. trank gern, vertrug aber 
nichts, verdarb sich den Magen. Diese Periode der Tnmksucht dauert 
bis in die sechziger und siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Wie schon 
bemerkt, trinkt man ausschhefsUch die Weine des Landes, besonders 
den Champagner. Das Gewächs von Ay war sehr geschätzt, ein Rotwein 
der nicht schäumte ; die Flaschen verschlofs man mit Hanfpfropfen, die in 
Öl getaucht waren. Da wurde Dom Pörignon Kellermeister der Abtei Haut- 
villers (S. o. S. 322). Er erfindet den moussierenden Champagner; er weifs 
das passende Glas, den schlanken Kelch anzugeben; vor allem ersetzt 
er den Hanfverschlufs durch den Korkstöpsel. 1695 ist der Cham- 
pagne mousseux, so wie er noch heute gebraucht wird, gefunden^); 
er erfreut sich des allgemeinen Beifalles; der Regent, Ludwig XV., und 
selbst der unglückhche Ludwig XVI. wufste ihn zu schätzen; noch im 
Temple wurde ihm zu seinem Mahl tägUch eine Flasche serviert. Eine 
kurze Zeit, um 1760, hörte man auf, den Schaumwein zu würdigen, jedoch 
30 Jahre später hatte er wieder seine alte Bedeutung zurückgewonnen. 

») Beytr. z. Gesch. der Erfind. IV. 206, 208. 

*) Es ist ein Unsinn, wenn man in dem Glase, das Bembrandt auf seinem 
Porträt in Dresden in der Hand hält, einen Ohampagnerkelch erblicken will; es ist ein 
einfaches PaTsglas. 



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326 rV. Essen und Trinken. 

Der Biergenufs hat in Frankreich nie viele Freunde gefunden, da- 
gegen wufste man den Branntwein (Aqua vitae) nicht hoch genug zu 
schätzen. Seit im 13. Jahrhundert Arnaldus de Vülanova sein Lob 
verkündet, ist sein Ansehen inmier gewachsen. Zur Zeit der Maria von 
Medicis werden die Rosogüo- Liköre behebt; man reichte sie nach Tische 
zum Dessert. Die Fabrik von Montpellier erwarb sich den Ruf, die 
feinsten Liköre zu erzeugen; dann wurden die Lothringer, besonders der 
Parfait amour, berühmt. 

Da die Leute einen so grofsen Wert auf ein leckeres Essen legten, 
haben sie schon früh gute erprobte Kochrezepte gesammelt. Ganz abge- 
sehen von dem Werke des Marcus Gabius Apicius oder richtiger des Cae- 
Uus, de re coquinaria, sind schon seit dem 13. Jahrhundert eine Anzahl 
von Kochbüchern nachzuweisen.^) 

Höf. Leben «I. 892. Anm. 4. 
Dem 15. Jahrhundert gehört an : die Mensa philosophica. s. 1 ca. 
Im 16. Jahrhundert erscheint im Drucke: 

Piatina. Von allen Speisen vnd Gerichten .... StraTsburg. Chr. Egenolff. 1580. 

Confectbüchlein und Hausapotheke. Frkf. 1544. 

Koch- und Kellermeisterey, von allerhand Speisen und Getränken .... Frkf. 1547. 

Campegius, De re äbaria libri XXTT etc. Lugd. 1560. 

Willichius, J. Ars magirica hoc est coquinaria .... Figur! 1563. 

H. G, Ry«. New Kochbuch. Frkf. 1564. 

Durante^ C. De bonitate et vitio alimentorum. Pisauri 1565. 

Ein new Kochbuch, von M. Rumpolt (Frkf. 1587). 

Pisanellus, B. De esculentorum potulentorumque facultatibus liber. Herb. 1598. 
Im 17. Jahrhundert: 

Bruyemius Campegius, J. Dipnosophia seu sitologia. De re cibaria, eiboram 
genera, gentium moribus et usu probata, complectens. Frkf. 1606. 

New Kochbuch, Wie man krancker Personen in mancherley Fehl und Leibes- 
gebrechen warten und pflegen soll. Frkf. a/M. 1608 (das von Ryff)- 

Gualtherus Ryff. Confectbuch und Haus-Apoteck. Frkf. a/M. 1610. 

Das grosse neu-vermehrte Kochbuch. 0. 0. n. J. (c. 1650). 

Avarene. Le cuisinier fran^ois. M. IV. Paris 1655. 

L'Escole parfaite des officiera de Bouche contenant: Le vray maistre d'Hostel. 
Le grand Escuyer-Tranchant. Le sommelier Royal. Le confiturier Royal. Le culBinier 
Royal. Le Patissier Royal, Paris, Jean Rivon, 1662. 7. Aufl. Paris 1715. 

St. Pramofsky, Neuverfertigtes vollständiges Koch-Buch, d. i. gründliche Be- 
schreibung, wie man allerley . . . Speisen etc. NOmb. 1685. 

Der aus dem Pamafs ehmals enüauffenen vortrefflichen Köchin, welche bei 
denen Göttinnen Ceres, Diana und Pomona viele Jahre gedienet, hinterlassenen und 
bifshero zerstreuet und in grosser Geheim gehalten gewesenen Gemerck-Zettul, woraus 
zu erlernen, wie man so wohl gemeine als rare Speisen Wohlgeschmack und leckerhaft 
kochen solle. Nümb. 1691, 1702, 1712. 

Die wol unterwiesene Köchin d. i. Unterricht etc. von M. J. L. G. C. 2. Ausg. 
Braunschw. 1697. 

Im 18. Jahrhundert: 

Kochbuch so wohl für geistliche als auch weltliche grosse und geringe Haus- 
haltungen durch einen geistlichen Kuchen-Meister des Gotteshauses Lützel beschrieben 
und practiciert. 8. Aufl. Basel 1700. 

S. Blanchardt. Speise- und Tisch-Büchlein, Wie man ohne Kranckheit leben 
könne. Darinnen von jeder Speise und Tranck insonderheit gehandelt wird von 
G. V Keyl, genandt Ounaeus, Deme noch beygefüget Der allzeit fertige Koch und 
perfecte Speisemeister. Frankf. 1705. 

Die Curieuse Köchin . . . Nümb. 1706. 



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III. Mahlzeiten der Bürger. 327 

Das Zubereiten der Speise war Sache' der Hausfrau und ihrer 
Untergebenen; die Herren dagegen hatten die Fleischgerichte kunstreich zu 
zerschneiden, zu tranchieren. Auf diese Kunst wurde ein sehr grofses 
Gewicht gelegt. So reist z. B. 1595 Hans H. Pückler von Groditz nach 
Italien, dort das Fechten und das Tranchieren zu erlernen.^) Es gab 
für diese Vorschneidekunst auch besondere Anleitungen.^) 

Conrad Hagger. Neues Saltzburgisches Kochbuch für Hochfürstl. und andre vor- 
nehme Höfe, Closter, Herren-Häuser . . . Augsb. 1719. 

Schellhammer, Die wohlunterwiesene Köchin. — Der wohlunterwiesenen Köchin 
Confecttafel. Berlin 1728. 1733. 

Das brandenburgische Kochuch. Mit 12 Kupfern. Berlin 1732. 

Ed. Bosali£t, Freywillig aufgesprungener Grana|rApfel des christlichen Samariters 
oder eröffnete Geheimnisse vieler vortrefflichen Artzneyen wie auch eines neuen 
Kochbuch. Nümb. 1733. 

Die in ihrer Kunst vortrefflich geübte Köchin . . . Nümb. 1734. 

Nouvelle Instruction pour les confitures, les liqueurs et les fruits. Paris 1750. 

De Orange confiturier, gebak-bereider en Keükenmeester, onderwijzende . . . 
veelerleye vruchten, zoo voor de winter, als zomer te conf5rten en gereed te maken. 
t' Amsterdam 1752. 

Die Nümbergische wohl unterwiesene Koechin . • . Nümb. 1752. 

») Zeitschr. f. Gesch. u. Altert. Schlesiens VI. 270. (Breslau 1864.) 

*) G. Procacchi, Trincier- oder Vorleg -Buch, darinnen berichtet wird, wie man 
allerhand gebratene und gesottene Speisen, so auff fürstliche und andere Tafeln ge- 
tragen werden, nach ital. Arth anschneiden und auf der Gabel zerlegen soll. A. d. 
Ital. Leipz. 1620. 

Mathias Giegher, Trincier-Büchlein, übers, aus Li tre Trattati di Messer Mat- 
tia Giegher, Bavaro di Mosburc, trinciante dell' illustrissima Natione Alemanna in Pa- 
dova. Päd. 1639. 

Harsdörffer, Vollständiges und von neuem vermehrtes Trincir-Buch . . . 
Nümb. 1667. 

(Klette), Neu verbessertes Trenchir - Büchlein , wie man ordentlich allerhand 
Speisen auf ^e Tafel setzen, zierlieh schneiden und vorlegen, auch nach rechten Ge- 
branch wiederumb abheben soll, von A. K. V. Z. Wittenb. 1661. 

A. Klette, Neues Trenchier-Büchlein, wie man rechter Art und jetzigem Ge- 
brauch nach' allerhand Speisen ordentlich auf die Tafel setzen sol. M. Kpfrst. 
Hannov. 1676. 

A. Klette, Neues Trenchier- und Plicatur-Büchlein, darin begriffen Wie man 
nach jetziger Hof-Art allerhand Speisen und Früchte Künstlicher Weise zerschnitten, 
vorgeleget u. s. w. auch wie das Tafel-Zeug nettiret, frichiret u. s. w. werden können. 
24 Kpfst Nürnb. 1677. 

Hier. Sweerts, De cierlicke voorsny dinge aller tafelgerechten ; onderwij sende hoe 
allerhande spijzen, zowel op de vork als zonder, de zelve aardiglis können vooige- 
sneden, en in bequame ordre omgedient worden. Amsterd. 1670. 

Tranchirbuch, nützl. beigefügt etliche Reden, Briefe und Reimen. M. Abb. 
Kunstb. o. J. (c. 1700). 

A. Klette, Neuer verbesserter und wohlinformirter Tafel-Decker und Trenchant 
Nürnb. c. 1730. 

Trenchicant, der geschickte, so auf die leichteste Art weiset, wie man die 
Speisen zierlich zerschneiden und vorlegen soll. Mit dem wohlabgerichteten Hochzeit-, 
Kindtauf- und Leichenbitter vermehret. Lpz. 1751. 

Zu diesen Lehrbüchern gehört auch: 

Jungfrau Euphrosinen von Sittenbach züchtige Tisch- und Leber-Reyme, an ihre 
Crepillinen. Leberstatt 1676. 



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328 



IV. Eosen and Trinken. 



Merkwürdig erscheint es, dafs die Männer bei den Mahlzeiten den 
Hut auf dem Kopfe behalten. Diese Sitte ist im Mittelalter noch nicht 
gebräuchhch, sie scheint erst im 16. Jahrhundert aufgekommen zu sein. 
Sie erhielt sich, bis die Perückentracht sie* in der zweiten Hälfte des 
17. Jahrhunderts verdrängte. 

Der Gebrauch der Gabel hatte sich seit dem Ende des 16. Jahr- 
hunderts mehr und mehr eingebürgert. Friedrich von Logau aber 
schreibt (Sinngedichte I. 2, 22): 

Dafs mit einem Messer essen viel Prantzosen 
Ist zwar Brauch u. s. w. 

Das Essen mit dem Messer wird, wie es ocheint, dem mit der Gabel 
gegenübergestellt. 

Die folgenden Jahrhunderte, das 17. wie das 18., haben weder 
neue Speisen noch neue Tafelformen gebracht. Der Gebrauch der 
Kartoffel hat erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in weiteren 
Kreisen Eingang gefunden. Man kannte sie schon viel früher, nannte 
sie damals Tartuffeln, zog sie im Garten und genofs die Knollen mit 
Baumöl, machte wohl eine Art von Salat. Allein ein Volksnahrungs- 
mittel sind sie erst viel später geworden. 

Auch der Kaviar hat nur allmähUch sich die Gunst der Fein- 
schmecker erworben. Das Frauenzimmerlexikon von 1715 erwähnt ihn 
noch nicht, erst in der folgenden Auflage von 1739 ist ihm ein Artikel 
gewidmet ; der Verfasser nennt ihn Caviaro, Caviar, Ickari (russ. Ikra) ; 




Abraham Bosse, Le cinq sens: le goüt. 



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III. Mahlzeit«!! der BOrger. 



329 




Der teutfiche Tabacktrinker 1630. 

er weifs, dafs er aus Moskau kommt und aus Störrogen bereitet wird. 
Seine Farbe ist schwarzgrün, und sein Geschmack ähnelt dem des Trans. 
Man versendet ihn als Prefskaviar trocken, oder flüssig in Tönnchen. 
Die Deutschen schätzen die Delikatesse weniger als die Italiener, die 
auch den aus Karpfenrogen zubereiteten Caviaro rosso und den aus 
Hechtrogen hergestellten Caviaro negro gern geniefsen. 

Ananas hat man erst gegen Anfang des 18. Jahrhunderts in 
Deutschland gezogen.^) 

Neue Getränke sind der Kaffee, der Tee, die Schokolade.^) 
Der Kaffee wird in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in West- 
europa eingeführt, zunächst ist er als Luxusgetränk in Kaffeehäusern, bei 
Kaffeesiedem zu haben, bald aber zu Anfang des nächstfolgenden Jahr- 
hunderts schon ein Lieblingstrank der wohlhabenden Gesellschafts- 
klassen. Das Prauenzimmerlexikon von 1715 bezeichnet den Kaffee als 
ein Tfimi siedendem Wasser oder Milch und Sahne vermischtes Geträncke, 
so das Frauenzimmer täglich zu trincken pfleget«. 

Fast gleichzeitig, vielleicht ein wenig später, wurde aus Ostasien 
der Tee nach Europa gebracht und fand da schnell den gröfsten Beifall, 
wenn er auch nicht so hoch wie der Kaffee geschätzt wurde. Man 
glaubte, dafs sein Genufs der Gesundheit zuträgüch sei (»von den 
Frauenzimmern zur Gesundheit getruncken, bifsweilen auch mit andern 
Kräutern vermischt«. Frz.-Lex. 1715).') 

>) J. Beckmann, Beytr. z. Gesch. d. Erf. I. 442. 

*) Vgl. Afred Franklin, La vie priv^e d'autrefois : Jje caf6, le th6 et le chocolat. 
(Paria 1893.) 

•) P. Francius, In laudem theae Sinensis Anacreontica duo. M. Tit.-Kpfr. 
Leipz. Amsterd. 1665. — P. Petitus, Thea sive de Sinensi herba Thee Carmen. — 
J. N. Pechlini, De eadem herba descriptio. 



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330 IV. EBBen und Trinken. 

Die Schokolade endlich ist auch m dem letzten Viertel des 
17. Jahrhunderts unter den Genufsmitteln idingereiht worden. Sie sollte 
ebenfalls für die Gesundheit vorteilhaft sein, ist jedoch immer nur eine 
Leckerei geblieben.^) 

Schon früher hätte man Geschmack an dem Tabakrauchen oder, 
wie man im 17. Jahrhundert sagte, an dem Tabaktrinken gefunden.*) 
Der Gebrauch der Tabakspfeife war 1586 aus Amerika in England an- 
nächst eingebürgert worden. Von da brachte man ihn nach Deutsch- 
land, wo er bald sich überaus grofser Beliebtheit erfreute.') Trotz zahl- 
loser Verdammimgen, Anstrengungen von Obrigkeiten und von den 
geistüchen Sittenwächtem verbreitete sich die Vorliebe für den Tabak 
bald über die ganze zivihsierte Welt.*) GewöhnUch rauchte man ihi^ 
aus Tonpfeifen, die zumal in Holland vortrefEUch angefertigt wurden. 
Die Erfindung der Tabakpfeife mit besonderem Mundstück und AbguTs 
verdanken wir dem österreichischen Arzte Franz Vicarius (1689). Die 
Raucher sind auf den Gemälden der holländischen Schule, bei Adriaen 
van Ostade, Slingeland, Gabriel Metzu u. a. oft abgebildet. Es scheint, 
dafs zu Anfang des 18. Jahrhunderts auch Damen an dem Tabakrauchen 
Gefallen fanden. P. L. Berckenmeyer behauptet z. B. von der Eng- 
länderin: > machet auch ein Pfeiffgen Tabac mit«.^) Auch in Holland 
und Frankreich rauchten die Frauen*), doch haben in Deutschland die 
anständigen Damen kaum von diesem Genufsmittel Gebrauch gemacht. '') 

^) Drey neue curieufie Tractätgen von dem Trancke Caf^, sinesischen The und 
Chocolata, nach ihren Eigenschafften, Gewächs, Fortpflanzung, Praeparirang, Tagenden 
and herrlichen Nutzen sehr curieus beschrieben. Büd. 1688, 1701. 

Tractatus de potu caph^, de chinensium thö et de chocolata. M. 8 Kpfm. 
Gen. 1699. 

Steph. Blancard, Haustus Polychresti oder zuverlässige Gedancken von Th^, 
Caff^, Chokolate und Taback. Hamb. 1705. 

*) J. PauUi, Commentarius de abusu tabaci Americanprum veteri et herbae thee 
Asiaticorum in Europa novo. Argen t. 1666. 

J. J. W. Beintema van Peima, Tabacologia ofte körte verhandelenge over de 
Tabak. s'Gravenhage 1690. 

H. E. Kestner, Dissertation vom Tabacs-Kecht, aus dem Lateinischen ins 
Tentsche übersetzt . . . Anbey folgen einige auserlesene Lobgedichte und Bäzel auf 
den Tabac. 2. Aufl. Waidenburg 1716. 

J. G. H. Toback das beliebte und gelobte Kräatlein . . . Chemnitz 1719. 

De Prade, Tabackshistorie insonderheit vom Schnnpftaback, nach den medi- 
cinischen Lehrgründen ausgeführet. Aus d. Franz. Schneeberg 1747. 

») Tabacologia (Kulturh. Bilderbuch IV, N. 1712). — Der teutsche Taback-trincker. 
1630. (Ebend. IV, N. 1713.) 

^) 1652 wurde bei Nürnberg der erste Tabak angebaut. Der Samen war aus 
Hanau bezogen worden. Kurios. V. 55 L 

») Vermehrter Curieuser Antiquarius. Hamb. 1712. S. 166. 

•) Alltagsleben etc. 100. 

') In Joh. Lassenii Gespräch-Spiel (Frankf. 1686) s^t S. 47 eine Dame: >Pfui 
des Tobacks, ist doch fast nicht werth, dafs man davon reden soll, ich geschweige, 
dafs ein ehrliebender Mensch sich mit dergleichen häfslichen Gestanck beladen soll.« 
Einer der Teilnehmer zieht den Tabak zur Zier im Garten (8. 46); ein anderer sagt 
(8. 47): »Ich gebrauche auch auff Rath eines vornehmen Medici des Morgens nüch- 
tern eine Pfeiffe Toback. < 



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m. Mfthlseiten der Bauern. 331 

1715 erschien zwar in Meiüsen ein Buch »Beweiss, dass ein honettes 
Frauenzimmer bey dem CafE^Schmäusgen erscheinen und eine Pfeiffe 
Toback darzu schmauchen könne. Von Madame Leucorande«, indessen 
hat es, wie es scheint, keine bemerkenswerte Wirkung gehabt, jedenfalls 
haben sie das Wohlgefallen an dem Pfeifenrauchen schnell wieder ver- 
loren. Viel länger hat sich der Schnupftabak auch bei Damen 
gröfster Behebtheit erfreut. Die zierhchen Dosen aus Porzellan oder 
Eklelmetall, die die vornehmen Frauen einst gebraucht, finden sich noch 
in vielen Museen vor. Die Dosen der Mftnner sind gröfser, oft auch 
ausgezeichnet durch die künstlerische Arbeit. Bemerkenswert sind die 
Dosen mit Doppeldeckel : dem Fremden reichte man die Prise, ohne den 
Geheimverschlufs des Deckels zu öffnen, dem Freimde aber gönnte man 
den Anbück der zwei meist etwas gewagten Darstellungen. 

IV. Mahlzeiten der Bauern. 

über die bescheidene Kost der Bauern des Mittelalters ist in dem 
Vorstehenden schon gesprochen worden (S. 297^). Dafs sie aber zumal 
in Tirol zu Beginn des 17. Jahrhunderts recht gut, wenigstens recht viel 
zu essen und noch mehr zu trinken vermochten, dafür ist uns Hippolyt 
Guarinonius Gewährsmann (S. oben S. 181 ff. 310, 316, 317). Bauem- 
zechgelage mit deii unausbleibUchen Schlägereien haben uns die hol- 
ländische Schule, A. V. Ostade und seine Schüler, oft dargestellt. 

J. Cohausen, De pica nacd^ s. tabaci stemutatorii abusu. Amst. 1716. 

Dijssertatio satyrica physocomedico morali de Pica naai eive tabaci ster- 

natatorii modemo usn et noxa. Amstel. 1716. 

Satjnrische Gredancken von der Pica Nasi oder der Sehnsucht der lüatemen 

Nase, d. L von dem heutigea MiTsbrauch und schädlichen Effect des Schnupf-Tabacks. 
Leipz. 1720. 

A. G. Plaz et J. Gh. Marcus, De tabaco stemutatorio. Vom Schnupff-Taback. 
lips. 1727. 

>) Höf. Leben *I. 882. 433. 



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V. 

Beschäftigung und Unterhaltung. 



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Beschäftigung und Unterhaltung. 



I. Aufstehen und Schlafengehen, tägliche Beschäftigung 

der Fürsten. 

In Spanien ist es Sitte, dafs der König und seine Gemahlin im 
Sonuner imi 10, im Winter um 9 Uhr sich zur Ruhe legen, und diese 
Gewohnheit wird den Monarchen, wenn sie selbst nicht wollen, durch 
die Etikette aufgezwungen.^) 

Die fürstlichen Ehegatten haben entweder ein gemeinsames oder 
getrennte Schlafzimmer. Will der König von Spanien seine Gemahlin 
aufsuchen, so erscheint er mit niedergetretenen Schuhen, den schwarzen 
Mantel über die Schulter gehängt — denn Pantoffeln und Schlafröcke 
kennen die Spanier nicht — , am linken Arme trägt er ein Schild (Broquet) 
und eine Flasche, die ihm als Urinal dient, in der linken Hand eine 
kleine Nachtlaterne, in der rechten einen grofsen Stofsdegen. In der 
Nähe des Fürsten schläft ein Leibpage oder der älteste und getreueste 
Kämmerdiener, die, sobald sie die NachtUchter angezündet haben, selbst 
sich niederlegen dürfen. 

Die spanische Gewohnheit, früh sich niederzulegen, ist wohl noch 
ein Überbleibsel der während des ganzen Mittelalters allgemein ver- 
breiteten Sitte. Dafür pflegte man jedoch in der alten Zeit sehr früh 
aufzustehen, mit Morgengrauen. Noch zur Zeit des Phihpp Hainhofer^) 
war man am pommerischen Hofe zu Stettin sehr zeitig an der Arbeit: 
die Herzogin stand um 5 Uhr auf, sang beim Ankleiden geistliche Lieder, 
betete dann eine Stunde — diese Andacht vertritt gewissermafsen die 
Frühmesse der Katholiken — , dann begrüfste sie ihren Gemahl und 
ging darauf ihren täglichen Geschäften nach. 

Im 18. Jahrhundert erhoben sich wohl auch die Fürsten früh, 
wenn eine Jagd bevorstand oder im Kriege es erforderüch war, allein 
viele hegen bis 9 oder 10 Uhr im Bette, empfangen, bekleidet mit einem 

») J. B. von Rohr. Einl. z. Zeremonial-Wissenschaft. (Berlin 1729.) T. I. Kap. ü. 
•) Reisetageb. von 1617. Balt. Studien H. 2. S. 57. 



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336 V. BeBchäftigung und Unterhaltung. 

Schlafrocke, Minister und Gesandte, erteilen Audienzen, unterschreiben 
Reskripte, erledigen Staatsgeschäfte. Nur einzelne Bevorzugte dürfen 
das Schlafzimmer betreten, doch sind auch in dieser Hinsicht die Sitten 
verschieden. 

Bei dem Petit Lever du Roy, wenn der König von Frankreich aufsteht, 
»und sich den untersten Teil des Leibes anziehen läfstc, dürfen nur Prinzen 
von Geblüt und die erforderUchen Kammerdiener zugegen sein. Der vor- 
nehmste Prinz reicht dem Könige das Hemd. Bei dem Grand Lever 
du Roy, wenn der König das Hemd anzieht und sich ankleidet, werden 
selbst Fremde in das Schlafzimmer eingelassen.^) 

Während die fürstUchen Frauen bis zur Mittagszeit »in ihrem Habit 
negÜg^e« bleiben, Kaffee trinken, lesen, findet der Herrscher schon im 
Vorzimmer seine Kavahere versammelt ; der Leibmedikus stellt sich ein ; 
an kathohschen Höfen erscheinen die Patres und Hofkapläne. An 
einigen Höfen ist es noch Sitte, morgens und abends eine Betstunde 
zu halten, doch scheint diese alte Gewohnheit mehr und mehr in Ver- 
gessenheit zu kommen. 

In dem folgenden Kapitel (IH) bespricht der Verfasser die Kleider 
der fürstUchen Herrschaften, die, wenn sie abgelegt werden, den Leib- 
pagen und Kammerdienern, vielleicht auch einem unbemittelten Kavalier 
zufallen. 

Die Erledigung der Regierungsgeschäfte nimmt einen grofsen Teil 
des Tages in Anspruch (a. a. O. Kap. IV); dazu kommen die Audienzen^), 
die an gewissen Tagen der Woche stattfinden, bei denen selbst die 
Untertanen freien Zutritt haben, ihre Bittschriften überreichen dürfen. 
Viele Fürsten unterhalten nebenbei eine ausgedehnte Korrespondenz 
mit anderen Höfen. So ist dem Herrscher auch eine angemessene 
Tätigkeit zugewiesen. Die Erfüllung der reUgiösen Pflichten erfordert 
gleichfalls viel Zeit (Kap. V.), wenn auch zu Anfang des 18. Jahrhunderte 
die Frömmigkeit an den protestantischen Höfen nicht mehr so eifrig 
gepflegt wurde, als dies früher der Fall gewesen war. Allein es gehörte 
doch noch inmier zu den Obliegenheiten eines frommen Fürsten, an 
Sonn- und Feiertagen dem Gottesdienste am Vor- und Nachmittage mit 
seinen Angehörigen und seinem Hofstaate beizuwohnen u. s. w. Die 
Grundsteinlegung und die Einweihung von Bauwerken gab AnlaCs zu 
Festfeiem (a. a. O. VI). 

»Last ein grosser Herr seinem Herrn Vater oder Grofs-Herr Vater 
zu Ehren eine mit sinnreichen Inscriptionibus und schöner BUdhaue^ 
Arbeit gezierte Statue aufrichten und sie einweyhen, so ziehen bey der 
Einweihung ein 24 Trompeter und einige Heer-Paucker vorher; auf diese 
folgen einige Herolde mit ihren besonderen Kleidern und Herolds-Stäben 
und nach diesen der Hofmarschall und andere Hof-Officianten nach 
ihrem Range. Sie begeben sich alle zusammen Processionsweise an den 
Ort, wo die Statue aufgerichtet. Der erste Herold thut die Proclamation : 
Demnach Se. Hoch-Fürstl. Durchlauchtigkeit Herr N. N. seinem Herrn 

») Jean le Pautre, Le lever du roy. — Kulturg. Bilderb. IV. N. 2288. 
*) Jean le Pautare, La salle d'audience. — Kulturg. Bilderbuch IV. 2S^. 



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2. Aufstehen der Bürger, die Beschäftigung der Hausfrau. 337 

Vater oder Grofs-Herm Vater zum stetswährenden Nachruhm diese 
Statue hätten aufrichten lassen, so hätten Sie ihm gnädigsten Befehl 
ertheilet, allenthalben und zu iedermans Kundschafft öffentlich auszu- 
ruffen und anzudeuten, dafs sie dieselbe bey Vermeydung ernstlicher 
Bestraffung und schweren Ungnade vor iedermann heihg, unverletzt und 
in Ehren gehalten wissen wolten. Es wird nachgehends eine schöne 
Music dabey gehalten; die Soldatesque mufs die Statue salutiren und 
alle honeur erzeigen, und der March der Procession gehet auf eben die 
Art wieder zurück, wie er bey derselben ankommen.« 

2. Aufstehen der Bürger, die Beschäftigung der Hausfrau. 

Die alte Sitte brachte es mit sich, dafs man früh aufstand. Das 
hing mit der Gewohnheit des zeitigen Schlafengehens nahe zusammen. 
Guarinonius ratet, im Winter spätestens um 5 Uhr das Bett zu verlassen, 
dann die Messe zu hören und um 6 zur Arbeit bereit zu sein (S. 1298). 

Mit dem Waschen scheint man sich nicht gar zu lange aufgehalten 
zu haben. Noch das Frauenzimmerlexikon von 1739 kennt sehr wohl 
den Gebrauch des Kammerbeckens, das seinen Platz unter dem Bette 
hatte, aber erwähnt weder einen Waschtisch noch das Waschbecken 
xmd alle die zur Toilette gehörigen Gerätschaften, wohl aber das Giefs- 
becken und die zugehörige Giefskanne, mit der man etwas Wasser auf 
die Hände gofs und dann das Gesicht notdürftig benetzte. Eher kann 
an unsere Gewohnheiten erinnern das Handbecken aus Zinn, Porzellan, 
Ton und das Handfafs. Die französischen Könige liefsen sich feuchte 
Handtücher reichen und reinigten sich so Hände und Angesicht. 

Die eigentUche gründliche Säuberung erzielte man durch das Baden. 
Im Hause begnügte man sich wohl mit einer Badewanne, die in das 
Schlafzimmer hineingetragen wurde, doch haben vornehme Schlofsherren 
bereits im 13. Jahrhimdert eigene Badestuben mit Badebassins u. s. w. 
ausgerüstet.^) In den späteren Jahrhunderten hat man die Badeanlagen 
oft nur als Schaustücke angelegt, und es ist z. B. fraglich, ob das Marmor- 
bad in Kassel wirkhch öfter benutzt worden ist. 

Wer nicht im eigenen Hause ein Bad nehmen konnte, ging in das 
öffentliche Badehaus, wo man Wannenbäder haben konnte, aber auch 
die während des ganzen Mittelalters so beliebten Dampfbäder bereit fand. 
Da auch die Handwerker wenigstens am Samstag die Badehäuser auf- 
suchten, so kann man der Gesellschaft, während des Mittelalters wenig- 
stens, keineswegs den Vorwurf der Unsauberkeit machen.^) 

Der Bader rasierte seine Kunden, liefs ihnen zur Ader, war der 
Gesellschaft geradezu imentbehrlich. Badeknechte bedienten die Besucher, 
hin und wieder gab es auch weibhche Bedienung, die natürlich in den 
Frauenbädem immer einzig und allein ihres Amtes zu walten hatten. 
(Vgl. Frauenz.-Lex. von 1739. s. o. Bademagd.) 



>) Höf. Leben «I. 224 ff. 
") Deutsches Leben etc. 68 ff. 
Schultz, Das häusliche Leben im Mittelalter. 22 



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338 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

DaTs im 15. Jahrhundert in den Badehäusem es etwas frei zuging, 
das scheint ganz unzweifelhaft, nicht in allen, aber in so manchem,^) 
Dazu kam, dafs die böse ansteckende Krankheit es vielen Leuten ge- 
fährlich erscheinen liefs, die Badestuben zu besuchen; gewifs ist, dafs 
man seit dem 16. Jahrhundert seltener badet als in den früheren Zeiten, 
trotzdem aber für ausgiebige Waschungen keine Fürsorge trug. Ganz 
jedoch sind die öffentlichen Bäder nicht in Vergessenheit gekommen, 
wie schon die Erwähnung im Frauenzimmerlexikon beweist. 2) 

Für Dampfbäder ist Guarinonius sehr eingenommen (S. 901), erklärt 
sich jedoch gegen das Schröpfen (S. 558, 906), Aderlassen (S. 916, 989 ff.) 
und Purgieren (S. 916). Die Aderlafstage, die im Kalender vorgeschrieben 
sind, verwirft er (S. 996), spottet darüber, dafs Leute »zur Gesellschaft * 
sich zur Ader lassen (S. 1038), über den Nutzen des zunehmenden oder 
abnehmenden Mondes (S. 1011) und der sonstigen Himmelszeichen 
(S. 1Ö30) und die närrischen Gebräuche der Barbiere (S. 1040—86). 

Gegen das Baden selbst hat er also nichts einzuwenden, wohl aber 
gegen die Habsucht der Bader, die von Armen wie von Reichen einen 
Groschen für das Bad nehmen, das sind drei Kreuzer (S. 946), Männer 
und Weiber in einem Räume, ja in einer Wanne baden lassen, so 
dafs aus dem Badehause ein Schandhaus wird (S. 947). Die Bademeister 
machen, indem sie die Unzucht befördern, die Bäder zu Stätten des 
Lasters, halten Dirnen bereit u. s, w. (S. 949). Aber auch die Besucher 
der Bäder geben zu vielem Ärgernis Anlafs. Mädchen von 10 bis 18 
Jahren laufen in einem verschlissenen Bademantel über die Gassen zum 
Bade ; Burschen von 10 bis 16 Jahren gehen ganz nackt mit ihnen ; der 
Vater wandert in einer Badehose (niderwad) mit seiner nackten Frau 
imd seinen nackten Kindern ins Bad (S. 948). 

Die kalten Bäder empfiehlt er sehr (S. 902 ff.), tadelt aber, dafs in 
Flüssen am hellen Tage Männer und Weiber, beide nackt, zusammen 
baden (S. 551).») 

Diese Ausschreitungen veranlafsten, dafs zunächst die besseren 
Gesellschaftsklassen sich von den öffentUchen Bädern fern hielten*), 
endhch derselben gänzhch entwöhnten. 

Erst im 19. Jahrhundert hat man Anstalten getroffen, was man so 
lange Zeit versäumt, nachzuholen. Wenn auch die Bäder lange nicht 
eine solche hervorragende Rolle im Volksleben spielen, wie dies im 
Mittelalter der FaU war, so sorgt man, angeregt von England, doch für eine 
ausgiebigere Reinigung des Körpers. 



») S. Deutsches Leben etc. S. 68 £E. Fig. 79—86. 

«) 1591. Jul. 17. in der neuen Badstube das erste Bad gehalten. Nie. Pol. 
Hemerol. 

») Deutsches Leben etc. Fig. 244. — Albrecht Dürer, Das Männerbad. Kulturg. 
Bilderb. I; N. 393. 

*) Frauenzimmerlexikon 1716, Sp. 163: Badstube Ist dasjenige Behältnifs 
unten im Hause, worinnen sich das Frauenzimmer zu baden pfleget; Man findet 
auch fast in allenStädten öffentliche Badstuben, worein die Weibes- 
bilder von schlechten Stande zu gehen und sich daselbst zu baden 
pflegen. — Vgl. Frauenzimmerlex. 1739, Sp. 138 ganz gleichlautend. 



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2. Aufstehen der Borger, die Beschäftigung der Hausfrau. 339 

Gewöhnlich nahm also die Säuberung nicht zu viel Zeit in An- 
spruch.^) Dann gehen, wie schon früher hervorgehoben wurde, die 
Kathoüken zur Messe ; die Protestanten beten und singen fromme Lieder. 
Mittlerweile ist es Zeit zum Frühstück geworden. Die Morgensuppe 
spielt da eine grofse Rolle. Man ladet auch Freunde zu ihr ein 2), ob- 
schon sie zwischen 6 und 7 Uhr aufgetragen wurde.') Morgensuppe 
war eigentlich keine ganz zutreffende Bezeichnung, denn auTser Bier- 
oder Weinsuppe gab es noch manche nahrhafte Gerichte.*) 

Das Kaffee- und Teetrinken hat erst im 18. Jahrhundert und zwar 
sehr langsam die alte Form des Frühmahles ersetzt. 

Hatte man sich gestärkt, so begann jeder sein Tagewerk; der Mann 
ging seinem Berufe nach, die Hausfrau hatte mit ihrem Haushalte voll- 
auf zu tim. 

Sie beaufsichtigte die Dienerschaft und wies ihr die Tagesarbeit zu. 
Um diese und andere uns heute unwesentlich erscheinenden Kleinigkeiten 
haben sich in der alten Zeit selbst Fürstinnen persönlich gekümmert. 
Und mit den Dienstboten gab es von jeher Ärger und Verdrufs aller 
Art.*) Wie im 13. Jahrhundert •), so waren in den Folgezeiten Mägde 
und Knechte stets bereit, ihre Herrschaft zu betrügen und ihnen jeg- 
hche Unannehmüchkeit zu bereiten. Wenn man den »Gesind-TeuffeU 
von Peter Glaser, Prediger in Dresden, Hest, wird man alle die Kla- 
gen, die man heut gegen die Dienstboten vorbringt, schon ausge- 
sprochen finden.'^) 

Und dieselben Klagen hören wir zu Anfang des 18. Jahrhunderts.®) 
Fischart weifs sehr wohl, »wie viel Gesind, so viel Feind« ^), und bald 
hundert Jahre nach ihm sagt Ägidius Henningius in seinem »Misch- 
masch etc.« (Frkf. a. M. 1665), S. 46: »Knechte und Mägde reden ihren 
Herren und Frauen viel schändliches Dinges mit der Unwarheit nach.« 

*) Vgl. Alfred Franklin, La vie priv^e d'autrefois. Les soins de la Toilette. 
(Paris 1887.) 

*) Phil. Hainhofer. Beisetageb. 1617. — Balt. Studien U. 2. S. 16. 

^ Ebend. S. 53. 

<) Ebend. S. 23. — Vgl. Zimm. Chron. HI. 144 und Fischart Gesch.-Klitt. Kap. 24. 
— S. o. S. 314. 

•) Vgl. Alfred Franklin, a. a. 0. : La vi© de Paris sous Louis XTV. Tenue de 
Maison et domesticit^ (Paris 1898). — Neudruck von Phelypeaux, La Maison Regime 
(Paris 1692) und von Claude Fleury, Les devoirs des maltres et des Domestiques 
(Paris 1688). 

«) Höf. Leben «I. 205 ff. — Deutsches Leben etc. 277 ff. 

^ Frkf. a. M. 1564, 1566, 1598 und im Theatrum Diabolorum Frkf. a. M. 1569. 

Vgl. das Spottgedicht auf die Dienstmägde. Fliegendes Blatte 1652. — Kulturg. 
Bilderbuch V. N. 2602. 

^) Alltagsleben e. deutsch. Frau. S. 155 ff. 

Vgl. Philemon Menagius, die sieben Teuffei, welche fast in der gantzen Welt 
die heutigen Dienst-Mägde beherrschen und verführen, als da sind der Hoffarts-, der 
Diebs-, der Huren-, Lästerungs-, Tollköpfige, Schleckerhaffte und Heuchler-Teuffel. 
Frankfurt a. M. 1731. 

>) Geschichtski. S. 100. 

22* 



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340 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Auch in der sogenannten guten alten Zeit hatte man da viel zu klagen. 
Einzelne Ausnahmen gab es ja. So berichtet Nikolaus Pol in seinem 
Hemerologium zmn 12. Juü: »1567 Starb der Fraw Wilhelm Schottin 
Kindermagd, so bey einer Herrschaft siebentzig Jahr gedienet und 
neuntzig Jahr alt worden.« 

Die Fürstinnen kümmerten sich selbst um ihre Köiche, sorgten mit 
ihren Hofdamen, dafs alles gut bereitet wurde, sammelten bewährte 
Kochrezepte, wie die Kurfürstin Anna von Sachsen, und konnten oft 
den bürgerUchen Hausfrauen als Muster und Vorbild dienen. Unter- 
stützt wurden sie von den Mädchen, die am Hofe erzogen, zu ihrer 
Bedienung und Begleitung bestimmt waren. Diese Hofdamen bezeichnete 
man in ihrer Gesamtheit mit dem Namen »das Frauenzimmer c, wie man 
etwa von den Ministem als von dem Kabinett spricht. Sie waren einer 
strengen Zucht unterworfen, wurden erforderUchenfalls auch körperlich 
gezüchtigt. Katharina von Medici liebte es, ihre Hofdamen sogar per- 
sönhch zu strafen. So wird es nur als selbstverständlich erscheinen, 
dafs auch dem niederen Gesinde gegenüber mit Schlägen nicht gespart 
wurde. 

Wenn die vornehmen Damen sich nicht scheuten, die Küche zu 
überwachen, so haben die Bürgersfrauen diesem Zweige ihres Haushaltes 
ihre ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet. 

Eine gute Hausfrau sucht neue Kochrezepte sich zu verschaffen, 
wie z. B. Frau Magdalene Paumgartner am 30. Dezember 1591 ihrem 
Gemahl nach Lucca schreibt: »Wan dir dein welschse Köchin etwas 
kocht, das gut ist, wolst mirs den Hansen lassen aufschreiben, das wirs 
hie aug lernen, c Besonders hatte die Frau ihre Aufmerksamkeit auf 
die Kuchenbäckerei zu richten; in der Stadt konnte man Brot und das 
alltäghche Gebäck wohl beim Bäcker kaufen — die Frauen der Guts- 
besitzer mufsten auch diese Bedürfnisse sich selbst beschaffen — aber 
das feine Tafelgebäck, für das so zahlreiche Rezepte uns überliefert sind, 
mufste die Hausherrin unter ihrer Leitung selbst herstellen lassen. 
Ebenso überwachte sie das Einkochen der Früchte, das Einpökeln des 
Fleisches, das Räuchern der Speckseiten imd Schinken. Das Schwein- 
schlachten wurde im Hause selbst vorgenommen; von den selbst- 
gemachten Würsten schickte man dann Freunden und Verwandten.*) 

Indessen hatten die Hausfrauen auch für so vieles andere noch 
zu sorgen, was in dem letzten Jahrhundert mehr und mehr von beson- 
deren Handwerkern hergestellt und gekauft zu werden pflegt. Dazu 
gehört das Giefsen oder Ziehen der für den Hausbedarf erforderlichen 
Lichte. Schon Anfang des 18. Jahrhunderts entnahm man die Talg- 
oder Unschhttüchter gern vom Seifensieder, aber sparsame Hausfrauen 
gössen sie doch lieber selbst, sowohl die grofsen, die zur Beleuchtung 
des Hauses verwendet wurden, als auch die kleinen, Gaugelkatzen, 
die man nebenher zu brauchen pflegte. Ob auch die weifsen oder gelben 
Wachskerzen, die .man bei festlichen Gelegenheiten statt der immer 

>) Briefwechsel. S. 152. 
«) Ebend. S. 15. 



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2. Aufstehen der Bürger, die Beschäftigung der Hausfrau. 341 

des Schneuzens bedürftigen Talglichter benutzte, von der Hausfrau ge- 
gossen wurden, das ist nicht sicher zu ermitteln.^) 

Die Seife ist in der älteren Zeit immer im Hause gesotten worden, 
und auf dem Lande hat sich dieser Brauch noch sehr lange erhalten. 
Zur weifsen Seife nahm man Unschlitt ; dagegen machte man die schwarze 
aus Tran oder Öl. Die feineren Sorten, die venezianische und spanische, 
kaufte man, ebenso wie die mannigfach parfümierten Toilettenseifen, 
beim Händler. 2) 

Eine ernste und schwere Arbeit veranlafste dann die Besorgung 
der Wäsche^), die mit weifser und schwarzer (grüner) Seife sowie mit 
Lauge gereinigt wurde. , Ehe sie getrocknet, gerollt, geplättet in dem 
Wäscheschrank wieder aufgestapelt war, hatte auch die Hausfrau, selbst 
wenn sie nicht persönhch an der Arbeit teilnahm, viel zu überwachen 
und anzuordnen.*) Das ganze Haus hat mehr oder minder unter der 
grofsen Wäsche zu leiden, und deshalb schlägt auch schon Guarinonius 
vor^), sie aufser dem Hause von Wäscherinnen besorgen zu lassen. 
Ihn ärgern auch die hochgeschürzten Waschweiber. »Ist auch die noch 
öffentlicher wasch Unzucht viler bübischen Weiber, welche wann sie 
ihre grawsame Haufswäschen anstellen, sich umb die Brust, Armben 
und Schencklen bifs über die Knie ganz entblössen und vil unver- 
schämbter als die gemeinen Hurn auff offner Gassen und Plätzen, bey 
den Brunnen und Bächen sich von jedermann sich ansehen lassen, ja 
so gar keine Hembder anhaben.«®) 

Bis ins 13. Jahrhundert hinein und in manchen Gegenden noch 
weit länger wurden die für den Hausgebrauch erforderhchen Stoffe im 
Hause selbst hergestellt. Die Wolle wurde gesponnen, gewebt''), gefärbt, 
der Lein vorbereitet, gesponnen und zu Leinwand verarbeitet, Männer- 
und Frauenkleider in den Arbeitsräumen des Schlosses hergestellt. In 
den Bürgerhäusern wird die Hausfrau nicht auf die Beaufsichtigung 
sich beschränkt haben, sondern mufste selbst Hand anlegen. Später, als 
die Männerkleider an die Geschicklichkeit der Verfertiger gröfsere An- 
sprüche stellen, wird die Herstellung dem Schneider überlassen. Es gibt 
auch schon im 13. Jahrhundert Damen[schneider, die besonders 
kostbare Roben für vornehme Frauen anfertigen; allein die gewöhnlichen 
Hauskleider werden im Hause selbst, höchstens unter Beihilfe einer 
Schneiderin genäht. Gesellschaftsanzüge sind auch in späteren Zeiten 
nur von geübten Schneiderinnen oder Schneidern hergestellt worden. 

Die besseren Kleiderstoffe, vor allem die seidenen, mufsten aber 
seit alter Zeit beim Gewandschneider gekauft werden. Die Einfuhr 

') Frauenz.Lex. 1715, Sp. 1159. — Dass. 1739. Sp. 961. 

") Frauenz.-Lex. 1716, Sp. 1833. — Dass. 1789. Sp. 1485. 

') Hand-Buch vor Frauenzimmer, enthaltend ein kurzgefafstes Wasch- und 
Küchen-Inventarium. . . . Leipz. 1747. 

*) Frauenz.-Lex. 1715, Sp. 2100 ff.; 1201; 1656 ff.; 1500 ff. 

») S. 497. 

«) S. 950. 

*) Sehr gute Abbildung eines Webstuhles auf Bern. Pinturicchios Gemälde 
Penelope u. Odysseus (London, National-Gallery). 



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342 ^- Beschäftigung und Unterhaitang. 

seidener Gewänder, die wahrscheinlich in Byzanz verfertigt worden 
waren, ist schon für die Zeit Karls des Grofeen beglaubigt. Das 12. und 
13. Jahrhundert bezog seine SeidenstofEe , Brokate, Samte aus sarazeni- 
schen und siziUanischen Fabriken. Später hat die Seidenindustrie Italiens 
einen hojien Aufschwung genommen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts 
kauft Balthasar Paumgartner in Lucca die Seidenstoffe ein, mit denen er 
dann in Deutschland Handel treibt: Samt, langhaarigen Pelzsamt, Damast, 
Taft, Schillertaft, Atlas u. s. w.^) (S. o. S. 478 flf.) 

Auch die feineren WoUstoffwebereien konnten nicht im Hause her- 
gestellt werden, die bezog man hauptsächhch aus England und den 
Niederlanden, so den beliebten Scharlach, den, Barchent u. s.w. 

Alle diese Stoffe sind deshalb teuer, viehnal teurer wie z. B. in 
unserer Zeit; sie haben sicher auch besser gehalten, da Fälschungen 
damals doch zu den gröfsten Seltenheiten gehören. Doch spricht Paum- 
gartner selbst (S. 196) von einem Schamlot, der durch Baumwolle ver- 
fälscht sei; der Bubensamt, ein ordinärer Samt, war unverhohlen aus 
Wolle hergestellt (S. 39, 40). 

So kostbare Kleider hat man nur bei besonders festlichen Gelegen- 
heiten getragen, daher konnten sie für lange Zeit vorhalten, ja oft noch 
vererbt und für jüngere Generationen verwendet werden. Im Hause und 
alltags kleidete man sich je nach dem Stande und Berufe einfach und 
prunklos. Man darf nicht annehmen, dafs die Leute der älteren Zeit die 
schönen Kleider, in denen sie sich malen liefsen, immer getragen haben. 

Die Frauen der alten Zeit waren stets beschäftigt und wuTsten 
auch die Zeit, die ihnen nach Erfüllung ihrer nächsthegenden Pflichten 
noch übrigblieb, für ihr Haus nutzbringend zu verwenden. Während 
des frühen Mittelalters stickten die Damen nicht allein Paramente aller 
Art zum Gebrauche der Kirche, sondern fertigten auch die künstlerisch 
wertvollen Wandbehänge an, deren Überreste, wie z. B. die Tapete von 
Bayeux, noch heut bewundert werden. Solche Arbeiten sind viel in den 
Frauengemächem der mittelalterUchen Burgen ausgeführt worden: gestickte 
Tischdecken, Putzhandtücher u. dgl. Auch in der Folgezeit sind die 
feinen Handarbeiten bei den Frauen des Adels wie des Bürgerstandes 
sehr behebt, und jedes Gewerbemusemn enthält Proben von feinen Platt- 
stichstickereien aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Ganz besondere Ge- 
schickhchkeit erforderte die Stickerei auf Leintücher, da es da galt, mit 
Hilfe der ausgezogenen Fäden ein Muster nach Art feinster Spitzenarbeit 
zu erzielen. 

Während die Näharbeit schon seit langen Jahrhunderten den Frauen 
geläufig war, brachte das 16. Jahrhundert eine neue und nützUche Be- 
schäftigimg: das Stricken. Die Herzogin von Ponmaern hat vor einer 
Jagd, die ihr Gemahl 1617 veranstaltete, mit ihren Jungfrauen im Grase 
gesessen, »gestrickt, gewüflet (gestopft), genehet«.^) Eine Strickerin (tri- 
coteuse) hat Gerhard Douw gemalt (Kulturg. Bilderb. V. N. 2525). Man 
strickt nicht allein Strümpfe, sondern auch Unterjacken (Camisöler) und 

1) Briefw. S. 9, 21, 53, 60, 149, 155, 202, 203, 209, 222, 223, 225. 
«) Ph. Hainhofer, Reisetageb. 1617. - Balt. Studien IT. 2. ö. 57. 



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2. Aufstehen der Bürger, die Beschäftigung der Hausfrau. 343 

Mützen, wahrscheinlich Schlaf- oder Zipfelmützen.^) Die BÄnder konnten 
auch recht künstlich durchbrochen gestrickt werden, und Strickbücher 
gaben für solche Arbeiten besondere Anleitungen.^) 

Ob die Klöppelarbeit je im Hause allgemeiner gepflegt worden 
ist, das IfiXst sich schwerhch feststellen. Dafs man seit dem 16. Jahr- 
hundert vorzügUche Klöppelspitzen in den Niederlanden, in Deutschland, 
in Itahen zu verfertigen wufste, ist ja allgemein bekannt, und es dürfte 
auch wahrscheinlich sein, dafs einzelne Damen und Bürgersfrauen zu 
ihrem Vergnügen solche Arbeiten ausgeführt haben, doch scheint die 
Anfertigung der Spitzen meist von besonders dafür vorgebildeten Hand- 
werkerinnen ausgeführt zu sein.*) 

Dasselbe gilt wohl auch von der Herstellung der genähten Spitzen.^) 
Von den deutschen Spitzen sind noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts 
berühmt die Annaberger, Schneeberger, Marienberger. Sonst gebraucht 
man französische Arbeiten, unter denen die Points d'Alen9on besonders 
in Ansehen stehen, Brabanter Spitzen, Blonden etc. Die kostbaren Vene- 
zianischen Spitzen, die noch 1715 in dem Frauenzimmerlexikon so hoch 
gepriesen werden (S. 2060), fertigt man schon um 1739 nicht mehr an, da 
die von Alen9on sie übertreflEen (Frz.-Lex. 1739, Sp. 1527) (Vgl. o. S. 282). 

Die meisten dieser herrhchen Arbeiten sind gewerbsmäCsig ausgeführt 
worden; in Frankreich waren z. B. die Manufakturen von Paris, Lyon, 
Dieppe, Aurillac und Havre de Gräce berühmt. Das schliefst aber durch- 
aus nicht aus, dafs so manche geschickte Dame nicht auch in dieser 
Kunst sich versucht hät.^) Jedenfalls konnte sie auf diese Weise Kunst- 
werke hervorbringen, die einen dauernden Wert hatten, nicht wie die 
schon frühzeitig behebten Dilettanten-Arbeiten nur ein unnützes und 
überdies gar nicht wohlfeiles Vertändeln der vielen Damen überreich zu- 
gemessenen Mufse bedeuteten. Der einst so geschätzten Liebhaberei, 
Bilder auszuschneiden, einem besonders an den Höfen beliebten Zeit- 
vertreibe, sind so manche kostbare Zeichnungen, die aus den fürstUchen 
Sammlungen entnommen wurden, zum Opfer gefallen. 

Das Spinnen ist eine Kunst, die von alters her bei den Frauen der 
höchsten wie der niedersten Stände hoch in Ansehen stand, ja man war 
stolz darauf, diese Kunst aus dem Grunde zu verstehen, und meinte, eine 
gute Spinnerin müsse auch eine brave, tüchtige Frau sein. Doch nur 
die Leinenspinnerei fand den Beifall der Damen. Das Spinnen der 
Wolle überliefs man gern den dienenden Weibern. Mit den Rocken imd 
der Spindel hat man sich bis ins 16. Jahrhundert beholfen; erst dann 
wird das Spinnrad erfunden und bald allgemein gebraucht. 

») Frauenz.-Lex. 1716, Sp. 1913. — Dass. 1739, Sp. 1549. 

») Ebend. 1715, Sp. 1419. — Dass. 1739, Sp. 869. 

') Die Spitzenklöpplerin nach Frans van Mieris, gest. v. Basan. Kunstgesch. 
Bilderb. V. N. 2528. — Über Spitzen und Kanten vgl. J. Beckmann. Beytr. z. Gesch. 
d. Erfindungen, m. 225. 

*) Ebend. 1715, Sp. 1387 ff., 571, 2066. — Dass. 1739, Sp. 1527 ff. ; Sp. 496 u. 1670. 

') Hei. Ros. Fürst, Modell-Buchs, Dritter Teil. Von unterschiedlichen Vögeln, 
Blumen und Früchten wie dieselbige zum Weifs-Nehen, Ladengewebe, Creutz- und 
Frantzös. Stiche etc. anzuwenden. Nümb. 1676. 



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344 ^- Beschäftigung und Unterhaltung. • 

Selbst die Fürstinnen verschmähten es nicht, am Spinnrade zu 
arbeiten. Als 1617 Philipp Hainhof er seinen Gönner, den Herzog von 
Pommern, in Stettin besuchte, schenkte ihm die Herzogin für seine Frau 
»ein hübsches Spinnrädlin . . . darinnen ain Glöglen-Werkh, das weil man 
spünnet, Psalmen nach des Lobwassers Melodey spület, und man es zehn 
mahl verkehren khan, in Stettin gemacht.«^) Die Spinnstuben gewährten 
den Bauern im 15. Jahrhundert viel Unterhaltung, mag dieselbe auch 
nicht immer die zarteste gewesen sein. Man hat dies Volksvergnügen 
in der Folgezeit poHzeiUch unterdrückt, aber die Sitte selbst, mit dem 
Spinnrade Freundinnen zum Abend zu besuchen, hat sich, noch lange 
Zeit erhalten. Magdalene Paumgartnerin schreibt ihrem Manne 1592 6. Sept. : 
»Hat gleich gester seiner dechter 3 zum rocken zu uns geschickt«^ 
und 1597 : »Ich mus gleich abbregen, es kumpt die Pehmin und Remerin 
gleich zum rocken.«^) Die übrige Arbeit, das Aufwinden auf Weifen, 
wird vielleicht von den Dienerinnen besorgt. Der schon genannte Ger- 
hard Douw hat in einem seiner berühmten Gemälde ein altes Weib wei- 
fend dargestellt (La d^videuse; im Louvre zu Paris, — gest. von Wille). 

Die Hausfrau war so den ganzen Tag reichlich beschäftigt; ihre 
Töchter wurden von frühester Jugend an gewöhnt, die Mutter zu unter- 
stützen, und bildeten sich so wieder zu tüchtigen, umsichtigen Wirt- 
schafterinnen. Dafs sie für alle ihre Mühe dann auch eine kleine 
Anerkennung des Hausherrn gern sahen, war wohl nur zu natürlich. 
Ägidius Henningius bemerkt in seinem »Mischmasch« (Frkf. a. M. 1665) 
S. 492, dafs die Frauen das Etiam, d. h. ,noch etwas über das ihnen 
Gebührende, lieben. Da sind erstens die Christgeschenke, dann ein 
Geschenk zum neuen Jahr (wenn die Magd beschenkt wird, warum nicht 
die Frau?). Wenn sie ins Kindbett kommt, mufs er ihr schöne Pan- 
tofEel verehren, aber auch ein schönes Kleid für ihren ersten Kirchgang. 
Sie bekommt gern ein schönes Geldstück in ihre Sparbüchse. Zur Zeit 
der Messe darf der Mann nicht geizig sein, das versteht sich von selbst. 

Dafs in den Freistunden die Frauen auch der Musik huldigten, die 
sie schon in ihren Kind er jähren erlernt, braucht nicht weiter ausgefiihrt 
zu werden. Vor allem wird die Singkunst gepflegt, »eine Kunst und 
Wissen schafft, allerhand Arien, Cantaten und Lieder auff eine künstliche 
und schmeichelhafEte Manier ... in ein darein spielendes Instrument 
abzusingen, auf welche Kunst das Frauenzimmer sich meistenteils zu 
legen pflegt«.*) Besonders empfohlen werden die Arien des Sachsen- weifsen- 
felsischen Kapellmeisters Krüger. Man bedarf eines Singe- oder Arien- 
buches. Zur Begleitung des Gesanges diente das Spinett und das Klavier 
die Noten waren in das Klavier- oder Tabulaturbuch eingeschrieben. 
Grofs wird das Repertoir dieser Hauskünstlerinnen wohl kaum gewesen 
sein. Andere Damen spielten die Zither oder das Cithrinchen, die Laute, 
sogar die Fleute douce. 

>) Balt. Studien II. 2. 8. 36. 

«) Brief w. S. 172. 

») Briefw. S. »0. 

*) Frz.-T^x. 1715 Sp. 185*^. — Dass. 1739 Sp. 1601. 



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2. Aufstehen der Bürger, die Beschäftigung der Hausfrau. 



345 



Die gräflich Harrachsche Gemälde -Galerie zu Wien besitzt ein Ge- 
mälde des sogenannten Meisters der Halbfiguren, nach Woermann eines 
Schülers von Barend.van Oriey (c. 1492 — 1541), von WickhofE, aber wohl 
irrtümüch, dem Fran9ois Clouet zugeschrieben. Es stellt ein Trio von 
jungen Mädchen dar; die eine bläst die Flöte, die andere schlägt die 
Laute und das dritte Mädchen singt dazu.^) 




Meister der Halbfiguren, Damen-Trio. (Wien, Galerle Harrach ) 

Einige Unterhaltung gewährte auch die Lektüre. Schon im frühen 
Mittelalter begegnen wir Frauen, die des Schreibens und Lesens kundig 
sind, und die durch Vorlesen ihre Umgebung zu unterhalten wissen. 
Seit Jener Zeit hat wohl jedermann, abgesehen von den Bauern und den 
allerärmsten Gesellschaftsschichten, Lesen und Schreiben gelernt, und ein 
imterhaltendes Buch aufzutreiben, war ja, seit man die Buchßruckerkunst 
erfunden hatte, nicht mehr übermäfsig schwer. So haben die populären 

*) Tobias Stimmer, Musizierende Frauen. — Kulturg. Bilderbuch n. N. 1079—88. 



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346 V. Beschäftigang und Unterhaltung. 

Werke, wie Hartmann Schedels Weltchronik (1493), illustriert von Michael 
Wolgemut und Wilhelm Pleyden-wnrf, später die illustrierte Münstersche 
Kosmographie, vielen Generationen Belehrung und Unterhaltung gewährt. 
Die leichte Unterhaltungslektüre, wie sie in Deutschland durch die 
Schwankbücher repräsentiert wurde, Montanus' Wegkürzer, Schuhmanns 
Nachtbüchlein, vor allem Michael Lindners Katzipori und viele andere 
derartige Bücher sind wohl für Männer und allenfalls für ältere Frauen, 
keineswegs jedoch für junge Mädchen geeignet gewesen. Der Haupt- 
roman des 17. Jahrhunderts, der abenteuerüche Simplicissimus, ist schon 
viel sauberer, vor allem wirküch unterhaltend, was man von Lohensteins 
Romanen nicht behaupten kann. Auch Zieglers asiatische Banise (Leipzig 
1689) oder des Herzogs Anton Ulrich von Braimschweig »durchleuchtige 
Syrerinn Aramena (Nümb. 1669 — 73)« u. s. w. werden nur, solange nichts 
Besseres vorhanden war, Beifall gefunden haben. Dann erfreute der 
Professor und Superintendent Andr. Heinrich Buchholtz (1607 — 71) 
seine Zeitgenossen durch die Romane Herkules und VaUska (1659 — 60), 
Herkuhskus und Herkuladisla (1664). Die Erzählungen des geisthchen 
Herrn müssen übrigens nicht einwandfrei gewesen sein, denn in dem 
interessanten Aufsatze, den Kretschmann im Taschenbuch zum geseUigen 
Vergnügen (15. Jahrg. 1805), hgg. v. W. G. Becker, (Leipz.) S. 119 ff. 
unter dem Titel »Alte Zeit und neue Zeit« veröffenthcht, wird dieser 
Roman als ungeeignet für junge Mädchen bezeichnet. Der Herausgeber 
nennt diese für jeden Sittenschilderer sehr interessante Mitteilung: »Ein 
Fragment aus den nachgelassenen Papieren der- verwitweten Frau Ursula 
Margareta.« Die alte Dame erzählt von ihrer Verlobung und Heirat; die 
Zeit dürfte etwa um 1740 anzusetzen sein. Als sie, schon verlobt, den Quart- 
band des Herkules nicht vor der Mutter verstecken kann, wird ihr das 
Buch fortgenommen (S. 127) ; später ertappt sie die Mutter bei der Lektüre 
des »im Irrgarten der Liebe herumtamnelnden Kavaliers« (Wamungsstadt 
1738). Da wurde sie, imd jeder, der den sauberen Kavalier kennt, wird 
der Mutter recht geben, »entsetzlich ausschändirt auch .... tüchtig 
maulschellirt«. Der Kavalier wurde ins Feuer geworfen.^) 

3. Unterhaltung an den FOrstenhöfen. 

Für die Unterhaltung an den Höfen der Fürsten des Mittelalters 
war wenig gesorgt.^) Abwechselung in das Einerlei • des Alltagslebens, 
das durch die Besorgung der Geschäfte des Landesherm und des Grofs- 
grundbesitzers genugsam ausgefüllt war, brachten Besuche, Einkehr von 
Reisenden, von fahrenden Leuten. Auch die Fürsten versäumten es 
nicht, durch Waffen- und Leibesübungen den Körper kräftig und 
geschmeidig zu erhalten, der Jagd zu huldigen, mit Musik und Spielen 
sich die Zeit zu vertreiben. Sie waren aber viel eher darauf bedacht, 
nicht sich selbst, sondern vielmehr ihren Lehensträgem und Untertanen 

*) Vgl. über die Lektüre : Alltagsleben einer deutschen Frau etc. 183 ff. 
■) Job. Kluge, Zur Kunde des deutschen Privatlebens in der Zeit der Balischen 
Kaiser. Berl. If02. P. 104 ff. — Hrtf. Leben «T, 530 ff. 



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3. Unterhaltung an den Fürstenhöfen. 347 

Unterhaltung zu verschaffen. Bei den Hoftagen im Mai, zur Pfingstzeit, 
versammelten sie ihre Getreuen, mit ihnen das Wohl des Landes zu 
beraten, Streitigkeiten zu schüchten u. s. w. Dann aber gab es Fest- 
mahle, Tanzvergnügungen aller Art; die adlige Gesellschaft kam bei 
dieser Gelegenheit zusammen und entschädigte sich so einigermafsen für 
die Langeweile, die gewöhnüch in den abgelegenen Burgen zu Hause war. 

Die behebteste Unterhaltung bot ein Fürst seinem Adel, wenn er 
ein Turnier veranstaltete.^) In dem frühen Mittelalter vertrat das Turnier 
die später erst eingeführte Heerschau, die Revue; zugleich ersetzte es 
die Truppenübung, indem es ein Reitergefecht mit allen seinen Wechsel- 
fällen vorführte. Der Fürst konnte sich persönUch ein Urteil über die 
Tüchtigkeit seines Adels bilden, die Fähigkeiten des einzelnen imd seine 
Brauchbarkeit kennen lernen. Das ist der praktische Nutzen der Turniere. 
Dadurch aber, dafs die ganze adUge Menge, nicht allein die Ritter, sondern 
auch deren Frauen und Töchter, die Gäste des Fürsten waren, dafs die 
Damen von Tribünen dem Kampfe zuschauten, Festmahle und Tanz- 
vergnügungen veranstaltet wurden, dadurch bekam diese miütärische 
Übung den Charakter eines adUgen Hoffestes. Die Bürger und Bauern 
durften an dem Schaugepränge sich erfreuen und so an der allgemeinen 
Lustbarkeit einen bescheidenen Anteil nehmen. 

Die Turniere haben seit dem Ende des 13. Jahrhimderts jedoch einen 
anderen Zweck zu erfüUep.^) Es handelt sich mehr darum, der adUgen 
Jugend Gelegenheit zu bieten, ihre Gewandtheit in der Führung der Waffen, 
zumal in der Handhabung der Lanze, ihre Reitergeschicklichkeit vor 
einer sachverständigen Gesellschaft zu erproben. Je mehr im Kriege 
die Bedeutung der Fufstruppen wuchs, desto mehr verloren die Turniere 
ihre Bestimmung, als Reitermanöver zu dienen. Sie werden endlich 
zu einem leeren imd meist ungefährhchen Schaugepränge, während sie 
früher oft genug den Teilnehmern selbst das Leben gekostet hatten. 
Zur Zeit des Kaisers MaximiUan I.') war schon das Turnier eine blofse 
Leibesübung für adlig gebome Leute. Der Kaiser selbst, der für diese 
Waffenspiele eine so ausgesprochene Neigung hatte, liefs seine Turniere 
und Mummereien in dem Bilderbuche »Frey dal« (hgg. von Quirin von 
Leitner, Wien 1880 — 82) darstellen. Beim Stechen kam es darauf an, 
die Stechzangen (Lanzen mit stumpfer Spitze — Krönlein) zu brechen, 
was in Anbetracht, dafs diese Zangen aus einem mehr als faustdicken 
Baumstamme bestanden, nicht so leicht war. Beim Stechen im hohen 
Zeug blieben die Reiter in den hohen Sätteln fest sitzen, beim deutschen 
Stechen handelt es sich dagegen darum, den Gegner aus dem Sattel zu 
heben. Beim Rennen suchte ein jeder die Tartsche des Gegners zu 
treffen und zu zerspUttern. 

Immer mehr wird das Turnier zu einer harmlosen Lustbarkeit, an 
der sich die Teilnehmer wie die Zuschauer gleichmäfsig erfreuten. Ein 

>) Höf. Leben «II, 119 ff. 

') Deutsches Leben im 14. u. 15. Jhdt. S. 474 ff., s. besonders die Abbildungen 
Fig. 493-603. 

») Luk. Cranach, Turniere von 1509. Kulturg. Bilderb. I. N. 362, 368. 



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348 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Unglücksfall wie der, welcher dem französischen Könige Heinrich 11. 
1559 das Leben kostete, kam doch nur überaus selten vor. 

Praktisch hatte also, wie gesagt, schon im 16. Jhdt. das Turnier 
seine Bedeutung völUg verloren, doch erhielt es sich als eine Art von 
Reiterfest noch viele Jahrhunderte. In dem »Grofsen Schauplatz Lust- 
und Lehrreicher Geschichten«^) lesen wir S. 165: »Die Turnier sind 
heut zu Tage abgeschafEt, weil man das Schiessen mit Pistolen und Hand- 
rohren erfunden und der grossen Stärcke des Leibs nicht mehr von- 
nöthen hat.« 

Zu malerischen Schaustellungen aber wird das Turnier trotzdem 
noch immer verwendet. Bei Hochzeiten^), Taufen*) in fürstlichen Fa- 
milien darf das Turnier niemals fehlen. War der Tag der ernsten 
Waffenübung vor den Augen der von den Tribünen zuschauenden Damen 
gewidmet, so gab es am Abend ein grofses Festmahl, an das sich ein 
Tanzvergnügen anschlofs. Die Zeit vor und nach dem Turnier hatte 
man Gelegenheit, Bekanntschaften zu erneuern oder anzuknüpfen, endlieh 
seinen Bedarf an Luxuswaren auf dem mit dem Turniere verbundenen 
Markte zu besorgen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts waren sie kaum 
noch mehr als eine geselHge Zusammenkunft des turnierfähigen Adels. 
Unter dem Kaiser Maximilian I., der ja persönhch ein Meister in allen 
Leibesübungen war, wurden diese Kampfspiele noch einmal wieder 
modern. Es handelte sich jedoch nicht mehr um einen ernsten, imter Um- 
ständen lebensgefährüchen Kampf, sondern um den Beweis körperhcher 
Geschicklichkeit. Da wurde ein Preis (Dank) oder mehrere ausgesetzt, 
kleine Summen baren Geldes, was ehedem ganz imerhört erschienen 
wäre. So fand 1554 ein Turnier auf dem Ringe zu Breslau statt; der 
erste Dank betrug 50 fl., der letzte 10 fl. (Nie. Pol. Hemerol. Oct. 23). 
Endlich wurde das Turnier nur eine Festmaskerade, die man an Fürsteii- 
höfen von Zeit zu Zeit veranstaltete.*) 

Ausführhche Mitteilungen über die Unterhaltung an den Höfen zu 
Anfang des 18. Jahrhunderts verdanken wir F. Ph. Florinus, der einen 
langen Abschnitt seines Werkes »Grosser Herren-Stands- und Adeücher 
Haus-Vatter« (Nürnb. 1719) dieser wichtigen Angelegenheit widmet 
Vielfach ergänzt wird die Darstellung des Florinus durch Juhus Bernhard 
von Rohrs Einleitung zur Zeremonial-WisseriSchaft (Berlin 1729). Florinus 
bespricht (T. H, B. L Kap. VI. § 4) erst den Nutzen der fürsthchen 
Bibliotheken und rühmt die von Berlin, W^olfenbüttel, von Gotha und 
Weimar. Unter den Antiquitäten-Sammlungen hebt er die von Wien 
und Ambras hervor. Bei der Erwähnung der Naturalienkabinette (§ 5) 
bemerkt er, dafs Kaiser Ferdinand HL vortreffhch gedrechselt, aber auch 
gemalt habe und dafs Kurfürst Johann Georg von Sachsen ein Meister 
in der Drechslerkunst gewesen sei. Unter den Gemälde-Galerien (§ 6) 



1) Frkf. 1664. 
«) S. o. Seite 161. 
») S. o. Seite 174. 

*) Ein Bauemtumier, Stechen zu Pferde, fand am 23. Febr. 1585 au Weimar 
statt ; die Bauern des Amtes Kapellendorf hatten dies alte Recht. Kurios. YII. 37 iL 



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3. Unterhaltung an den Fürstenhöfen. 349 

verdienen besondere Beachtung die von Wien, Prag, Ambras, Berlin, 
Salzdalum, Mainz, Düsseldorf, Dresden ; die Sammlung von Kupferstichen 
und von Majoliken in Wolfenbüttel, die Porzellane in Dresden werden 
gebührend gepriesen. Dann erwähnt er § 7 die Stallgalerie imd die 
Rüstkammer , § 8 die Schatzkammer. Mit diesen Sammlungen können 
in müfsigen Stunden fürstliche Herrschaften wohl nutzbringend ihre Zeit 
verwenden. Auch der Wert von Unterhaltungen mit gelehrten Leuten ist 
nicht zu unterschätzen (§ 9). 

Der Unterricht bei einem Fechtmeister soll nicht vernachlässigt 
werden. Die Fufsturniere haben die alten Reiterkämpfe ersetzt.^) August 
der Starke hat 1708 ein solches WafEenfest in Dresden veranstaltet. Auch, 
der Tanz bietet viele Unterhaltung; bei den Bällen tanzt man französisch, 
deutsch, englisch und polnisch. Kaiser Leopold I. hat nie französisch 
getanzt, sondern einen gravitätischen Tanz bis in seine alten Tage vor- 
gezogen.2) Zweifelhaft erscheint es, ob fürsthche Persönlichkeiten sich 
an Balletten^) persönhch beteihgen sollen. Johann Georg IV. (1691 — 94) 
von Sachsen hat in seiner Jugend, obschon er bereits Kurfürst war, in 
Balletten mitgewirkt. Auch am kaiserlichen Hofe haben zur Zeit Leo- 
polds I. Erzherzoge und Erzherzoginnen an Balletten teilgenommen. Viel 
Vergnügen bereiten die Ball-, Ballon-*) imd Billard - Spiele ^). Endlich 
gewährt das Drillen der Soldaten immer eine willkommene Unterhal- 
tung (§ 10). 

Man übt sich im Schiefsen mit Armbrüsten, Pistolen, Gewehren, 
Kanonen (§ 11). Die Reitkunst gilt sehr viel. Man veranstaltet Wett- 
rennen, setzt Preise aus, weniger in Deutschland wie in England und 
Itahen. In Italien laufen die Pferde ohne Reiter; in England ist das 
Wettlaufen so beliebt, dafs sich selbst königliche Prinzen beteiligen. In 
Venedig und Mantua veranstaltet man Wasser -Wettrennen. Die Reit- 
künste aber kommen am besten zur Geltung bei dem Ringrennen, 
dem Quitanrennen®), wo es galt, eine Holzfigur, den Faquin, zu 
trefEen, dem Kopfrennen.*^) Die Türkenköpfe dienten zum Ziele bei 
letzterem Spiele, was 1662 dem türkischen Gesandten in Wien sehr 

1) Ausführlich handelt über das Turnier f J. B. von Rohr a, a. 0. T. IV. Kap. HI. 
8. 751 £f. 

«) Ebend. T. IV, Kap. V, § 7, 8. 

') Vgl. über die Ballette ebend. T. FV. Kap. V. §§ 12—21. — Ein Aufzug und 
Ballett wurde in England 1613 bei der Hochzeit der Prinzessin Elisabeth mit dem Kur- 
fürsten von der Pfalz, Friedrich V., veranstaltet und in Paris, als Prinzessin Isabella, 
die Schwester Ludwigs XIII., nach Spanien zu ihrem Gemahl, Philipp IV., abreiste. — 
(Vulpius) Kuriositäten ü. 279. 

*) Veit Ludwig von Seckendorjff, Teutscher Fürsten-Stat. — Frkf. 1660. S. 105 : 
im Ballhause und mit Ballonen spielen, 8. 117 : als Ballen, Ballonen schlagen, mit 
Kugeln werffen. — S. 436: Ballenmeister, Ballens chläger. 

*) Das Billard, im 16. Jahrhundert in Italien erfunden, erfreute sich schon unter 
Ludwig XIV. in Frankreich grofser Beliebtheit, wurde aber erst im 18. Jahrhundert in 
Deutschland bekannter. 

«) Höf . Leben m, 3 £f . 

*) Caspar Merian, Abbildung und Beschreibung des Auffzugs zu dem ritterlichen 
Köpfe-Kennen in Frankfurt d. 30. Juni 1658. 



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350 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

wenig gefiel.^) Es können bei diesen Reiterspielen sich auch zwei oder 
vier Parteien beteiUgen, dann spricht man v,on Quadrillen oder Tur- 
nieren^); sind die Teilnehmer maskiert, so wird das Spiel Karussell 
genannt.') Das Ringrennen findet gewöhnlich in den Reithäusem des 
Abends bei Fackelbeleuchtung statt. Endlich sind auch die Rofs- 
ballette^) sehr beliebt, an denen auch Damen teilnahmen, die ja auch 
die Hetzjagden u. s. w. mitmachten.^) Kurfürst Johann Georg IV, ver- 
anstaltete bei seiner Vermählung ein solches Fest in Dresden.*) 

Die festlichen Schlittenfahrten'^) bringen im Winter manche 
Abwechselung®); in Deutschland sitzt der Kavaher hoch, hinter seiner 
.Dame, in Dänemark, Schweden, Polen und Rufsland neben ihr.*) Im 
Sommer liebt man die Spazierfahrten (Tour ä la mode) in sechs- 
spännigen Kutschen.^®) König Friedrich I. von Preufsen liebte diese 
prunkhaften Ausfahrten sehr ; sie entsprechen den heute noch am Wiener 
Hofe veranstalteten Pirutschaden (§ 12). Kostbare, phantastisch ge- 
staltete Schlitten befinden sich noch im Bayerischen Nationcd-Museum zu 
München sowie in anderen Sammlungen. 

Florinus vergifst die Aufzüge") zu erwähnen, die bei festlichen 
Gelegenheiten so beliebt waren.") Eine grofse Rolle spielte dann die 
Jagd^^) (§ 13). Nicht minder wird ein grofses Gewicht auf die Tafel 
gelegt") (§ 14). Musikalische Unterhaltungen tragen auch dazu bei, die 
Langeweile zu verscheuchen (§ 15).^^) Besonders aber war die Oper 

1) J. B. von Rohr a. a. O. T. IV. Kap. IV, § 4. 

^ Ebend. T. IV, Kap. m, § 14 ff. Er leitet EsquadriUe von Squadrilla, Diminutiv 
von Squadra ab. 

«) Ebend. T. IV, Kap. IV, §§ 1—17. 

*) Ebend. T. IV, Kap. IV, § 19 ff. 

*) L. Lemery, An aulicis mulieribus sanitas finnior ab equestri venatione. Paris 1741. 

•) Vgl. Abbildung des Tempels der Ewigkeit sambt prächtigen Aufzug und Be- 
gehung des Rofs-Ballets zu Wien innerhalb der Kaysserlichen Bui^ gehalten im Ja- 
nuar 1667. 

^ Ausführlich besprochen bei Rohr. T. IV, Kap. IX, §§ 1—9. — Schlittenfahrt 
in Berlin 1739 (L. Geiger, Berlin [Berl. 1892] I. 275). 

•) J(osef) E(manuel) F(ischer) d'Erl(ach). Kaiserl. Schlittenfahrt auf dem Mehl- 
markte zu Wien. Kulturg. Bilderbuch, IV, N. 3170. 

*) Ein Damen-Bennen auf Schlitten im Jan. 1727 zu Dresden bei Gelegenheit 
der Anwesenheit des preufsischen Königs. Rohr a. a. 0. § 10. 

*°) Frans van der Heulen, Spazierfahrt Ludwigs XIV. — Kultuigesch. Bilderb. V. 
N. 2620, 2621. 

") Rohr, T. IV, Kap. IL Vgl. die Abb. von J. Callot z. B. Kultuig. BUderb. V. 
N. 1714. 

*•) Götteraufzug der von dem durchl. Churfürsten zu Sachsen Friedrico Augusto 
in dero Residence Dresden den 7. Febr. 1695 aus dem Churf. Reithauso durch das 
Müntzthor durch das Schlofs wiederumb in bemeltes Reithaus angestellet und gehalten. 
28 Taf. gest. v. M. Klötzel. Dresd. 1697. 

") Rohr a. a. O. T. IV, Kap. Xm. 

") Ebend. T. I, Kap. Vm. — Abbildung des Kaysserlichen und Churfürstlichen 
Banquetz auff dem Römer in Frankfurt d. 22. Juli 1658. 

*•) Hofkonzerte im Schlosse Ismaning unter Kurfürst Max Joseph III. von Bayern 
(1745—1777). Gemälde von Peter Jakob Horemans (geb. in Antwerpen um 1700, gest 
in München 1776) und de Cloche im National-Museum zu München. 



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3. Unterhaltung an den Fürstenhöfen. 



351 



bestimmt, zur Belustigung der fürstlichen Herrschaften beizutragen.^) 
Man unterscheidet französische und itaüenische Opern. In Paris hat 
man bessere Tänzer, in Wien treffUchere (italienische) Sänger. Die 
Theater in Wien, Düsseldorf, Dresden und Hannover gewinnen für sehr 
viel Geld ausgezeichnete Kräfte aus dem Auslande ; in Halle, Hamburg, 
Leipzig, Braunschweig führt man deutsche Opern auf und behilft sich 
mit deutschen Sängern. Das Theater in Hannover ist das schönste in 
Europa. 

In Hamburg belaufen sich die jährüchen Unkosten auf etwa 
50000 Taler. Der König von Frankreich aber, der nur die erste Auf- 
führung einer Oper für den Hof sich vorbehält, bekommt für die Er- 
laubnis, die Opern vor dem Publikum zu spielen, jährhch 100000 Tlr. 




(Hans Sobald Beham?) Schlittenfahrt. 

Hingegen kostet dem Wiener Hofe jede Oper 10 — 15000 fl. Wie von Rohr 
bemerkt, hatte Kaiser Leopold I. eine entschiedene Verhebe für die 
Oper; er hebte es auch, einige Passagen in denselben selbst zu kom- 
ponieren, und verfolgte mit der Partitur in der Hand die Aufführung der- 
selben. Seine* Gemahhn Maria Theresia hörte kainn auf die Musik, sondern 
beschäftigte sich im Theater heber mit ihrem Nährahmen.^) Zur Feier 
seiner Vermählung hatte Leopold drei Opern aufführen lassen: Pomo 
d'oro, la Monarchia latina und Cybele. Allein der Pomo d'oro kostete 
100000 Taler. Einzelne Truppen werden ständig imterhalten, andere 
bekommen nur Präsente, wenn sie den Hof besuchen, noch andere er- 
halten aus der Regierungskasse gar nichts, sondern spielen auf eigenen 
Gewinn imd Verlust.') Bernhard von Rohr weifs sehr wohl, dafs die 
Opernhäuser sehr leicht dem Feuer zum Opfer fallen*); überhaupt ist 
der ganze Abschnitt, den er dem Theater widmet (T. lY, Kap. VI) noch 
heut lesenswert. Merkwürdig, dafs Veit Ludwig von Seckendorf in 
seinem deutschen Fürsten-Staat (1660) wohl der Komödien, doch nicht 
der Oper Erwähnung tut.^) 



^) Scena della festa teatrale in occasione degli sponsali del principe reale di 
Polonia ed elettorale di Sassonia 1747. Bibiena inv. Pfeffel sc. 
•) V. Rohr T. IV, Kap. VI, § 2. 
») T. IV, Kap. VI, § 19. 
*) Ebend. §22.-8) g. 437^ 105. 



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352 



V. Beschäftigung und Unterhaltung. 



Gewöhnlich timlen die Aufführungen in den Opemhäusem de 
Abends bei Licht statt, doch werden sie auch in den Schlofsgärten bei 




Tage, z. B. in den Anlagen der Favorite bei Wien veranstaltet Dan 
schützten Segeltücher gegen Sonne und Regen. Zuweilen speisen 



3. Unterhaltung an den Fürstenhöfen. 



353 



Herrschaften während der Aufführung oder lasseji die Schauspieler nach 
Beendigung der Oper bewirten. Die Spiele singender Marionetten sind 
in Rom, besonders bei den Kardinälen, beliebt. In Deutschland finden 
die französischen und itaUenischen Komödien nicht besonderen Anklang, 
doch gibt es in Dresden eine französische^), in Wien und Düsseldorf 
eine italienische Schauspielertruppe (Bande. — § 16). 

Die Assembläes sind Zusammenkünfte der Hofgesellschaft, die 
am Nachmittag stattfinden und bei denen man L'Hombre und Bassette 
spielt. Es werden Getränke serviert. Früher liebte man das Schach- 
spiel, jetzt zieht man die Karten vor. Werden sechs bis sieben Zimmer 




Bayreuth, Sansparell, — Naturtheater. 



zum Spielen bereit gestellt, so spricht man von Appartements. Beim 
Cercle Royal, der in der Königin oder Fürstin Zimmer abgehalten 
wird, sitzen die bevorrechteten Damen auf Taburetts, die Kavaliere stehen. 
Der Ridotto — später wird der Name Redoute allgemein ge- 
braucht — ist eine italienische Erfindung 2), ein Spielhaus für vornehme 
Leute. Der Kurfürst von Hannover, Ernst August (1629 — 1698), hatte 
diese Unterhaltung in Italien kennen gelernt imd sie zimächst an seinem 
eigenen Hofe eingeführt. Auch B. von Rohr bemerkt 1729, dafs an den 
deutschen Höfen die Redouten erst seit 20 oder 30 Jahren bekannt 
geworden seien (S. 819). Von den Assembleen imterscheiden sie sich 
durch die Bestinmiung, dafs alle Teilnehmer maskiert erscheinen müssen ; 
auch Fremden ist der Zutritt gewährt, vorausgesetzt, dafs sie in einer 
Verkleidung nicht zu erkennen sind. »Die Redouten-Sähle werden mit 
den schönsten silbernen und crystallenen Cronen-Leuchtern und viel 



») Auch in Berlin 1706. II. Vgl. Ludw. Geiger, Berlin (Berl. 1892). I. 39. 
•) Cf. P. G. Molmenti, La vie priv^e ä Venise (Ven. 1882) p. 514. — 
öffentliche Spielhaus auf der Via San Mois^ hiefs Ridotto. 

Schultz, Das häusliche Leben im Mittelalter. 23 



Das 



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354 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

tausend weissen Wachs-Fackeln gezieret, welche durch die um und um 
befindlichen Spiegel, silberne Tische und ander Silberwerck ihren Schein 
verdoppeln und alles erleuchten.«^) Die fürstüchen Herrschaften und 
die Noblesse sind durch Schranken von dem Publikum geschieden.^) Es 
wird Kaffee, Tee, Schokolade, Limonade, Likör, Rosoglio, Konfitüren 
serviert. Dazu wird von einer Musikkapelle konzertiert*), wie das z. B. 
in Dresden Sitte ist. Man spielt gewöhnlich Bassette (§ 17.) 

Für die Maskeraden hat man noch immer die alte Neigung.*) 
Kaiser Maximilian I. liebte, wie bekannt, die Mumraereien ganz besonders, 
wie er das auch im Weifskunig erzählt.^) An Stelle der Mummereien 
ist jetzt die Maskerade getreten. Eine Larve zu tragen, war nicht un- 
bedingt erforderhch. Mit Zuhilfenahme von Maschinen konnte man 
da ganze Geschichten aufführen.®) »Bifsweilen wird niemand von dem 
Pöbel eingelassen und die Wachen auf das schärfEste beordert, keinen 
als Standes-Personen nebst Cavalieri imd Dames den Eintritt zu ver- 
statten. Zu manchen Zeiten aber bekommt ein ietweder Erlaubnifs, 
wenn er nur maskirt ist, einen Mitspieler oder Zuschauer dabey abzu- 
geben.«*^) 

Bei dem Königsspiel wird einem jeden seine Rolle durch das 
Los zueiteilt. In Frankreich feiert man noch immer zu Neujahr das 
Bohneufest. 

Viel Freude hatte man an den Wirtschaften.*) Die königlichen 
Herrschaften erscheinen in Bauernkleidern, speisen von hölzernen Tellern, 
tanzen nach Bauernmusik. Als Peter der Grofse 1698 in Wien war, 
wurde eine Wirtschaft veranstaltet: der Kaiser und die Kaiserin waren 
die Wirte.®) Auch in Berlin wurde am 7. Jan. 1690 eine Scheren- 
schleifer-Wirtschaft veranstaltet.^®) In Dresden erfreute man sich 1725 an 
Wirtschaften von Winzern, Schäfern, Müllern und Gärtnern, »welche die 
ZunfFt der Haupt-Diebe betitelt wurde«. Friedrich Wilhelm L von 
Preufsen liebte auch diese Unterhaltung: der Herrscher war der Wirt, 
die Hofleute hatten in den entsprechenden Masken zu erscheinen. Oft 

») J. B. von Rohr a. a. 0. T. IV, Kap. VII, § 9. 

«) Ebend. § 10. 

') Ebend. § 11. 

*) Deutsches Leben im 14. u. 15. Jhdt. 406 ff. 

») S. m. Ausg. S. 83. 

•) Les Plaisirs de l'Isle enchant^e ou les festes et divertissements du Roy i 
Versailles, divisez en trois joum^es et commancez le 7^^ Jour de May, de Tann^ 
1664. — Mit 9 Kupferst. von Silvestre. 

Les Divertissements de Versailles, donnös par le roy k toute sa cour au retour 
de la conqudte de la Franche Comt^ en 1674. — Mit 6 Stichen von I^e Pautre und 
F. Chavreau. (1675—76). 

Relation de la föte de Versailles du 18 juillet. — Mit 5 Tafeln von L. Pautre 
(1678—79.) 

7) J. B. von Rohr a. a. 0. T. IV, Kap. VII, § 7. 

8) Vgl. ebend. T. IV, Kap. Vin. — Alltagsleben einer deutschen Frau etc. 
126. 

•) über dies Fest vgl. Kuriositäten X. 219. Die Franzosen ahmen die Feste 
nach und nennen sie Hötellerie. 

'^) L Geiger. Berlin (Berl. 1892) l. 36. 



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3. Unterhaltung an den Fürstenhöfen. 355 

war mit der Wirtschaft noch ein Jahrmarkt verbunden, eine Mercerie. 
Noch grofsartiger gestaltete sich das Fest, wenn die Teihiehmer mit 
Musik die Stadt durchzogen, ehe sie in das Wirtshaus einkehrten. Eine 
solenne Tafel und ein heiterer Tanz beschlossen die Unterhaltimg. 

Bei den Bauernhochzeiten fährt die ganze Gesellschaft, die 
Braut mit allen Anverwandten, entsprechend gekleidet, nach der Auberge. 
Der Bräutigam reitet und feuert mit seinen Begleitern Freudenschüsse 
ab. Unter die Zuschauer wirft man Zitronen, Pomeranzen, Pommes de 
Sine (Apfelsinen). Alle Wagen sind nach Art der Bauern gebaut, aber schön 
rot und grün angestrichen, mit grünen Reisern geschmückt, die Pferde mit 
Bändern aufgeputzt. Wenn der Zug im Wirtshaus angelangt ist, werden 
sie von dem Wirt imd der Wirtin, den fürsthchen Herrschaften, emp- 
fangen, zur Tafel geführt und bei dem bäurischen Mahle bedient. Der 
Herr trinkt wohl auch seinem verkleideten Gaste zu, wie Kaiser Leopold I. 
1678 dem Fürsten Johann Georg H. von Anhalt-Dessau in Wien; der 
Gast leerte sein Glas Tokaier auf einen Zug, imd die Damen imd Kava- 
liere klopften mit ihren silbernen Messern auf die Teller imd riefen 
Vivat. Nach Aufhebimg der Tafel wird nicht selten, was übriggeblieben 
ist, den mit Erlaubnis anwesenden Zuschauern preisgegeben. Man be- 
schenkt das Brautpaar; zimoi Schlüsse wird getanzt. 

In der Fastnachtszeit gibt es Opern, Komödien, Bälle, Bal- 
lette, Aufzüge, Ridotti. Alle Teilnehmer erscheinen maskiert. Auch 
Märkte, Merceries, werden aufgeschlagen; Komödianten, Marionetten- 
Spieler, Marktschreier lassen ihre Kunststücke sehen, :»und da hält eine 
masquirte Person in einer Bude ein Banco zu Pharao und die Spieler 
sind gleichfalls masquirt«.^) In Wien feiert man am kaiserlichen Hofe 
die Camm erfeste, an denen nur Mitglieder des Kaiserhauses teil- 
nehmen und bei denen selbst Gesandte keinen Zutritt haben. 

Feuerwerke, die bei passenden Anlässen abgebrannt werden, 
bereiten auch den fürstlichen Familien viele Freude. J. B. von Rohr 
hat den Feuerwerken ein ganzes Kapitel seines Werkes gewidmet.^) Wir 
besitzen einige Abbildungen solcher Vorstellungen.^) 

») J. B. von Rohr a. a. 0. T. IV, Kap. Vn, § 12. 

«) T. IV, Kap. rX. 

^ Feuerwerk in Nürnberg auf der Veste. 1570. Holzschn. v. Jost Amman. — 
Kulturg. Büderb. n, N. 1101. 

Contrafactur des Feuerwercks, so man nach den 1612 zu Frankfurt gehaltenen 
Wahl- und Crönungstagen (des Kaisers Matthias) auf dem Mayn zur Freudenfeuer 
anrichten und den 20. Juni abgehen lassen. Ach. ab Hinsberg inv., H. KrOner sc. 

Feuerwerk in Stuttgart 1616, gest. von Matth. Merian. — Kulturg. Bilderbuch IQ, 
N. 1596. 

Feuerwerk auf der Veste zu Nürnberg, 27. Juli 1635. 

Wenzel HoUar. Feuerwerk in Hemissen 1650. — Kulturg. Bilderb. IV, N. 2256. 

Abrifs des Kaysserl. Fewerwercks, Schlosses und Barraquen etc. vor Nürnberg 
auf St. Johannis Schüfsplatz A. 1650 (Merian). 

Schwedisches Fewerwerck A. 1650 (Merian). 

Knrtze Beschreibung des neu zugerichten Feuerwerckes, welches A. 1659 d«i 
19. Sept. in Nürnberg verbrennet worden. Chr. Moller sc. — M. Text. 



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356 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Jünger ist der Gebrauch, zu Ehren der Herrscher Illumina- 
tionen zu veranstalten. Es soll zwar, wie J. B. von Rohr (T. IV, 
Kap. X) bemerkt, schon 1509 in Neu-Ruppin bei Gelegenheit eines vom 
Kurfürsten Joachim I. gegebenen Tumierfestes illuminiert worden sein, 
sicher ist, dafs erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Sitte auf- 
kam, bei festüchen Gelegenheiten die Städte, vor allem die Residenzen 
der Fürsten entsprechend zu beleuchten. Wachsfackeln, Papier -Trans- 
parente, mit Öllampen erhellt, Figuren imd Pyramiden aller Art finden 
da Verwendung. Auf den Plätzen werden Teertonnen und Scheiterhaufen 
entzündet, von begüterten und vornehmen Leuten auch wohlriechendes 
Rauchwerk verbrannt. Die Fürsten fuhren dann mit ihrem Hofe in 
einer tour k la mode durch die Stadt imd nahmen die Beleuchtung in 
Augenschein.^) 



Abbildung des Feuerwerks, welches d. 3. Okt. 1661 auf St. Johannes-Schiefsplatz 
von V. E. Holtzschuer, Jobst W. Ebner und Joh. F. Ebner verbrennet und von Lor. 
Müller erlernet worden. 

Eigentliche Abbildung und Vorstellung dess Feuerwercks, welches auf dem 
Kaysserlichen Beylager zu Wien den 8. Dec. des 1666 Jahrs angezündet worden. 
(Theatr. Europ.) 

Churfürstl. Sächsisches .... Fewerwerck zu Nachts bey der Vestung Pleissenbuiig. 
1667 den 8. Julii. 

Repräsentation de la däcoration du feu d'artifice dressä sur le Vivier (in Haag) 
par ordre de leurs grandes puissances les £tats de Hollande au sujet de la paix 
d' Vitrecht dans Tan 1713. P. Roman et P. Loos inv. ; Picart sc. 

Repräsentation du feu d'artifice . . . ä l'occasion du manage de M»« la princesse 
Maria Josephe avec le Dauphin le 12. Jan. 1747. — M. Bodenehr sc. 

Feuerwerck, welches bey Gelegenheit der doppelten Vermählungen der sächsisch- 
bayrischen und bayerisch-sächsischen Häuser den 29. Junii 1747 in Pillnitz abgebrannt 
worden. Z. Zucchi sc. — Desgl. J. A. Corvinus sc. 

Vorstellung des Feuerwerks, welches wegen des Aachener Friedens den 13. Juni 
1749 in Haag abgebrannt worden. 

Feuerwerck auf dem Eibstrom etc. J. A. Corvinus sc. c. 1750. 

Unter dem Titel Halinitropyrobolia hat John Elliot Hodgkin die litteratur der 
Feuerwerkerei zusammengestellt mit interessanten Proben der Abb. in seinen Rariora. 
etc. London o. J. (1902). T. m. 1902. — I— Vin und 1—92. 

Er gibt 8. 45 ff. eine Aufzählung der Abb. von Feuerwerken. Das älteste beim 
Einzug Heinrichs II. in Paris. 1550. 

Dann Abb. von Feuerwerken: 

1592. Dec. 14. Zur Feier der Taufe von Joh. Georg, Markgr. v. Brandenburg, 
vom Schlosse zu Köln zu S. 46. 

Ca. 1650. Franz. Unbestimmtes Blatt zu S. 50. 

Ca. 1650. Desgl. Wasserfeuerwerk. — 52. 

1661. Okt 3. Feuerwerk auf dem Schiefsplatze zu Nürnberg. S. 54. 

1688. Juli, Paris. Geburt des engl. Prätendenten. S. 56. 

1689. April 11. —21. Feuerwerk auf der Themse zu Ehren der Kronen Wil- 
helms m. und Mary. S. 58 (v. R. de Hooghe.) 

Feuerwerk Girandole auf der Engelsburg. Adr. Manglard Fee. S. 66. 

*) Über Freudenfeuer vgl. Deutsches Leben etc. 421 ff. — Vue perspective dea 
illuminations du Pont Notre-Dame en rejouissance du retablissement de la santä de 
Louis XIV, le 30 janvier 1687. — Paris chez Basset. 

0. Chr. Eltester. Beschreibung der Illumination, welche Sr. k. Maj. in Preufaen 
von der Kunst-Akademie in Berlin alleruntertänigst (am 9. Mai 1701) präsentiret 
worden. 1701. (L. Geiger, Beriin L 30.) 



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3. Unterhaitang an den Fürstenhöfen. 



357 



In den Residenzstädten nehmen die Mitglieder der regierenden 
Herren wohl auch an dem Vogelschi efsen der Bürger teil.^) 

Florinus gedenkt der Jagd gar nicht, die J. B. von Rohr aus- 
führlich (Kap. XIII) schildert. Er erwähnt'dabei Tierhetzen, die spanischen 
Stiergefechte ^), das Fuchsprellen*), an dem sich auch Damen beteiligen, 
die Falkenbeize. 



Conspectus illuminationis qua aedificium publicum in honorem Mariae Elisa- 
bethae Belg. Austr. Gubern. 19. et 20. Sept. 1725 coUustratum atque emblematibus et 
inBcrit>tionibu8 exomatum est. (Nürnberg) G. D. Heumann sc. 

Das frohlockende Dresden oder Beschreibung der Illuminationen . . . bei Rückkehr 
Friedrich Augusts nach hergestellter Ruhe in Pohlen. 7. — 9. Aug. 1736. — Dresden 
1736. 

Beschreibung der Illumination zu Dresden bei der kgl. Sizilianischen Vermählung. 
M. 11 Kpferst. Dresd. 1738. 

Casa del camps del Conde del Montijo ä Francfort illuminada la noche del 
18. Sept. 1741, vispera de Sta. Isabel, por el nombre de la Reyna. 

Illumination, qui a 6t6 faite le jour de l'Entr^e de Sa M. Imperiale ä l'hötel de 
M. le baron de Wachtendonck, 
ambassadeur de S. A. £. Pa- 
latine a Francfort le 31 Janv. 
17 42. Le Clerc del; J. J. 
Eberspach sc. 

Vue perspective des illu- 
minations de la rue de la Fe- 
ronnerie du c6t^ de la rue Saint 
Denis ä Paris ä l'occasion de 
rheureuse convalescence de 
Sa Majest^ en 1745. Paris 
chez Daumont. 

J. B. V. Rohr a. a. O. 
T. IV, Kap. Xn. 

«) Sebast. Franck, Welt- 
buch (1533.) Fol. Lxx a : Haben 
auch (die Spanier) vil kampff, 
schawspil und ritterschafft mit 
den wilden Ochsen, mit den 
zuo gelegener Zeit die kuon 
wollen gesehen sein zwischen 
schranckcn in ein sundem 
kampfF trotten, und ist ein 
ritterlich that, so er den Och- 
sen von freyer gewörter band 
on würjff und schüfs umbringt; 
offt aber ligen die grimmigen 
wilden ochsen ob, dafs man 
ein kaum erret oder gar umb- 
kumpt. 

>) Matthäus Küssel, 
Fuchs - und Hasenprellen , 

veranstaltet 1658 in Mün- — — 

chen zu Ehren Kaiser Leo- ^^L6lu(2//2£. 

polds L (Kulturg. Bilderb. V, e^ huhU de. C/iasjc 

N. 2631.) nach J. D. Saint-Jean. 





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358 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Seltener finden die Fürsten an der Fischerei Vergnügen. . Kaiser 
Maximilian I. wnfste auch diese Art von Sport wohl zu schätzen*), aber 
in späterer Zeit hat man die Fischerei nur selten noch zu den höfischen 
Divertissements gerechnet.^) Dagegen erfreuen sich die Wasserfahrten 
in prächtig geschmückten Schiffen hoher Anerkennimg. Das Schi£E der 
Herrschaft ist nach Art des venezianischen Bucentoro gebaut; Schaluppen 
und Brigantinen begleiten dasselbe; die Schiffsmannschaft trögt das 
Kostüm holländischer Schiffer.*) Auf solchen Schiffen erfreuten sich der 
König und Kurfürst Friedrich August der Starke (t 1733) der Enten- 
jagd. Das Fest fand auf den Teichen bei Moritzburg statt; die für 
die kurfürstUche Jagd auserwählten Enten und Gänse waren mit hohen 
Federbüschen geschmückt. Nachts wurden die Teiche und Kanäle illu- 
miniert; in Buden sind Speise und Getränke, Liköre und Konfitüren ser- 
viert. Ein anderes Mal machen die Herren und ihr Hofstaat eine Wein- 
lese mit: die Winzer ziehen wohlgeputzt vorbei, werden dann bewirtet. 
Oder die Bauernknechte müssen nach einem Ringe rennen; treffen sie 
nicht, so gibt die Figur ümen einen Klaps mit dem Dreschflegel oder 
begiefst sie mit Wasser. Ein anderes Mal müssen sie auf ungesatteltem 
Pferde versuchen, einer Gans den mit Öl glatt gemachten Hals abzu- 
reifsen.*) Hahnenschlagen. Die Bauernmädchen versuchen einer Figur 
den Kranz im Laufen abzureifsen ; die Ungeschickten werden durch eine 
Fontäne von unten herauf bespritzt. Auf Tannenbäumen hängt man 
Geschenke auf; nun kommt es darauf an, an dem abgeschälten geölten 
Stamm hinaufzuklettern u. s. w. 

So ist für Unterhaltung immer gesorgt. Florinus gedenkt dann 
noch (S. 19) der Hofnarren und erwähnt Marot in Frankreich, Taub- 
mann in Sachsen, Jonas am Hofe Ferdinands HL PhiUpp Hainhof er 
traf am pommerschen Hofe zu Stettin 1617 den Hofnarren Mitschke.^) 

Die Vorliebe für die Narren ist bereits im frühen Mittelalter nach- 
zuweisen.^) Man fand Gefallen an den gewöhnUch sehr unflätigen 
Späfsen der Narren — bezeichnende Proben findet man in der Zimmer- 
sehen Chronik — wie man sich an den Unverschämtheiten der Zwerge 



>) Weifskunig. S. 98. — «) J. B. von Rohr, a. a. 0. T IV, Kap. XIV, § 1. 

») Ebend. § 2 u. 8. — Ein Gemälde der Wasserjagd des Kurfürsten Karl Albert> 
die 1740 auf dem Stamberger See veranstaltet wurde, befindet sich im National-Mosenm. 
zu München. 

*) Vgl. den Stich nach Hans Bol. Kulturg. Bilderb. HI, N. 1295. 

») Reisetagebuch von 1617. — Balt. Stud. ü. 2, S. 66. — Vgl. Joh. Cradelü» 
Predigt bei der Leich und Begräbnifs des weyland albern und unweisen Herrn Hanfs 
Miesko, Fürstl. Altstettinischen Naturalis Philosophie und kurtzweiligen Tiacli- 
Rathes den 22 Dec. 1619. Zweite Aufl. 1678. 

•) Höf. Leben «I. 207 ff. — Deutsches Leben im 14. u. 16. Jhdt. 8. 619 ff. — 
Abraham Kaestner, De voluptateum artificibus, ^von Lustigmachem. lips. 1735. Zu 
ihnen zählt der Autor (Bl. 42) auch »die Leyermänner, Bergsänger, Studiosi, vel quasi, 
Pragenses, qui tempore solennium nundinarum (bei der Leipziger Messe) huc veniunt, 
atque ostiatim Musicam perplexam offerunt, et non raro, ubi saltem initium fecerunt, 
repulsam ferunt«. — Vgl. K. F. Flögel, Geschichte der Hotnarren. liegn. 1789 und 
desselben Gesch. des Groteskkomischen.* Lpz. 1888. — Das Werk von Th. Hanipe 
über die fahrenden Leute (Leipz. 1903) konnte ich nicht mehr benützen. 



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3. Unterhaltungen an den Fürstenhöfen. 



359 




Jagdfest auf dem Stamberger-See, veranstaltet 1740 vom Kurfürsten Karl Albert. 
Gemalt von Stuber. (Im National-Museum zu München.) 



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360 



y. Beschäftigung und Unterhaltung. 



erfreute.^) Der oft wiederholte Scherz, Zwerge in einer Pastete zu ver- 
stecken, fand immer wieder Beifall. 2) Taubmann war unzweifelhaft ein 
geistreicher Mann, allein die Streiche des Friedr. Wilh. Frhm. v. Kyau 
(1654—1733) sind doch oft recht übel duftend. 

An vielen dieser Unterhaltungen nahm auch aufser dem Adel der 
Bürger Anteil. 

4. Unterhaltungen der Bürger. 

An Stelle der Turniere treten nun die bürgerlichen Schützenfeste, an 
denen auch die Fürsten sich von alters her gern beteihgten.^) (S. o. S. 357.) 
Mit dem Bogen, mit der Armbrust, mit dem Feuerrohr wird nun nach dem 
Ziele geschossen; man verteilt Preise an die besten Schützen. Auch in 
dem Gebrauch der Kanonen übten sich die waffenfähigen Bürger. Da 
gab es allemal viel zu sehen, viel Gelegenheit zu Schmaus, Trunk und Tanz. 

Dafs die Zünfte imd die Gesellschaften in den Städten wenigstens 
einmal im Jahre für ihre Mitglieder imd deren Angehörige Lustbarkeiten 
veranstalteten, ist sicher.'*) 

Nächst dem Essen und dem nicht minder wichtigen Trinken erfreute 
die Gesellschaft am meisten der Tanz.^) Solange wir zurückschauen, 
immer und zu allen Zeiten hat zumal die Jugend an dem Tanze ein 
ganz besonderes Wohlgefallen gehabt. Man unterscheidet Reigen und 
Tänze. Bei dem Reigen fafsten die Teilnehmenden mit beiden Händen 

ihre Genossen an, immer ein 
Mann, dann ein Weib u. s. w. 

>) Höf Leben "I. — Vgl. über 
den Zwerg Hans Worrenberg (1687) 
in Kurios, m. 39 ff. und über Zwerge 
im allgemeinen. Ebend. III. 40 fif. 

*) Kurios. I. 202. — Kurios, 
n. 90. 

') Deutsches Theben etc. 440 ff. 

A. Edelmann, Schützenwesen 
und Schützenfeste der deutschen 
Städte vom 13. bis 18. Jahrhundert. 
München 1890. 

Festschiefsen in Zwickau 1573. 

— Kulturg. Bilderbuch H. N. 1115. 
Armbrustschiefsen in Nürn- 
berg 1650, gest von Lukas Schnitzer. 

— Ebend. IV. N. 2258. 
Stückschiefsen in Nürnberg 

1671, gest. von Georg Christoph Eim- 
mart. — Ebend. V. N. 2673. 

*) S. o. S. 218. 

») Höf Leben »L 544 ff.; 
Deutsches Leben etc. 488 ff. — 
Böhme, Gesch. d. Tanzes in Deutsch- 
land. Leipz. 1886. — Czerwinski, Die 
Tänze des 16. Jahrhunderts. Danzig 
1878. — Karl Storck, Der Tanz. 




Tanz der 
Kreuzgange 



Salome 
Ton S. 



vor Herodes. c. UAO. Kapitell aus dem 
Semin zu Toulouse. (Museum in Toulouse.) Illustr. Monogr. 9. Bielef. U. Lpz. 1903. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 



361 




Hans Sohäuffelein, Hochzeitstänzer. 



Der an der Spitze gehende VortÄnzer 
machte die Pas vor, die jeder einzekie nach 
seinem Können nachzmnachen hatte. Dafs 
es bei solchem Reigen nicht immer ganz 
dezent zugegangen ist, wird uns häufig er- 
zählt^); es kommt eben darauf an, in 
welchen Kreisen der Tanz stattfand: die 
Bauern haben ihrer Lust wohl freier die 
Zügel schiefsen lassen als die Hofgesellschaft. 
Während der Reigentanz allmählich immer 
mehr verschwand, endlich blofs als Kinder- 
spiel fortlebte, ist der eigen tU che Tanz, d. h. 
die Form, dafs die Paare hintereinander 
herschreiten imd wiederum die vom Vor- 
tänzer gewiesenen Schritte imd Touren be- 
folgen, mehr und mehr zur Geltung gelangt; 
er existiert ja heute noch in der Form der 
Polonaise. Bei den Tänzen des 15. und 
16. Jahrhunderts schritten, wenn es sich um 
ein Fest handelte, Fackelträger der Reihe der Tanzenden voraus. Das 
war aber keineswegs das Privilegium des Hochadels; auch der niedere 
Adel, ja die Bürger haben den Fackeltanz gekannt, der im Laufe des 
16. Jahrhunderts wieder verschwindet und nur in einzelnen Fürsten - 
familien bis auf die Gegenwart bei seltenen Gelegenheiten noch im Ge- 
brauch gebUeben ist. 

Es würde hier zu weit führen, 
wollten wir alle die Tänze anführen^), 

*) Geiler von Keysereberg : Das war 
nicht des Tanzens wie man hier pflegt, wo 
man durch einander läuft als sey man 
unsinnig und die Männer die Weiber auf- 
schwenken, das man sieht, was weifs ich, 
wohin, sondern als man in welschen 
Landen tanzet, da nur ihrer zwei 
zusammen tanzen, wobei es gar züch- 
tig zugeht .... Aber mit unserm Tanze 
geht man nur um, wie mit einem Gaukel- 
werk. Da heifst es : das ist ein köstliches 
Ding, dafs man einer den Vortanz giebt. 
Der ihr den giebt, dem giebt sie ein Kränz- 
lein; des rühmet er sich und spricht, es 
wäre 20 Gulden werth. — Kuriositäten 
IX. 540. 

■) Joh. Münster, Gottseliger Tractat 
von dem ungottseligen Tanz. Hanaw. 1602. 

Bonnet, Histoire g^n^rale de la 
danse, sacr^e et prophane . . . Paris 1723. 
De Cahusac , La danse ancienne et mo- 
derne ou trait^ historique de la danse. 
La Haye 1754. Heinrich Aldegrever, Iloohzeitstflnzer. 




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362 



V. Beschäftigung und Unterhaltung. 



deren Namen uns bekannt ist, deren unterscheidenden Charakter wir 
jedoch nicht festzustellen vermögen. Auch in den Bürgerkreisen scheint 
gegen Ende des 15. Jahrhunderts vielfach bei Gelegenheit des Tanzes 
Unschickhches vorgekommen zu sein. 

Die Sittenprediger tadeln das Emporheben und Schwenken der 
Tänzerinnen, Sitten, die sich ja hier und da auch noch bei den Bauem- 
tänzen unserer Zeit vorfinden. Denn auch in alten Zeiten entlehnte die 
vornehme Welt ihre Tänze den Bauern, wie die Landleute ihrerseits die 
der oberen Klasse nachzuahmen suchten. 

»0 mein lieben Gast, ich sähe wol den Bettlerdantz auch wol 
grosse herren dantzen und den Philippinadantz dantz auch wol ein 




Tanz 1493. (Nach Hartmann Schedels Weltchronik.) 

Bawer« (Fischart, Geschichtsklitt.-Neudr. S. 6). Man liebte schon im 
16. Jahrhundert allerlei auch von den fremden Nationen gelernte Tänze. 
Deutsch sind die, von denen Fischart (Gesch. -Kl.-Neudr. S. 122) spricht: 
»auch ihr Nömbergische Geschlechterdäntz, die kein herumb- 
spänlein leiden können. Hie ist ein ander Tantzschul, auch ein anderer 
Schweitzerischer Buffe, der mit einer Elenlanghabigen Fochtel 
und mit ausgestreckten Contractem ungebogenen Arm daher vordantzet 
oder vortritt: Hie gilts den Scharrer, den Zäuner, den Kotzen- 
dantz, den Moriscen, den schwartzen Knaben, der gern das 
braun Meidlein wolt haben, ja haben, wann mans ihm geb.c Dabei aber 
fand man Gefallen an den spanischen Tänzen der Algarde und der 
Passionesa (Barth. Sastrow. II. 85). Die französischen erforderten 
grofse Gewandtheit. Es kamen da auf :^newe däntz, Newe sprüng, newe 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 



363 



Passa repassa, newe hoppeltäntz« ^), die Leute »branlirten, gamba- 
dirten, Cinqpassirten, Capricollirten«.*^) 

Manche dieser Tänze mochten den frommen Reformierten ein 
Greuel sein, wie Fischart spottet, dafs >den Podagramischen dörfen die 
Genfer das Guilleartdantzen (die Gaillarde) und die Fufswizerende 
capricolischen Gaissprüng nicht verbitten«.') Dieser heitere Tanz der 




Fackeltanz. Aus Rodler, Turnierbuch. (Simmem 1532.) 

Gaillarde erfreute sich nicht nur in Frankreich, sondern auch in Spanien, 
England, Deutschland grofser Beliebtheit.^) 

1) Fischart, Geschichtskl.-Neadr. 305. 

«) Ebend. 122. 

») Podagr. Trostbüchl. — Kloster, X. 663. 

*) Aus dem 15. Jhdt. ; Der Tanz der Tochter der Herodias von Israel von 
Meckenen. (Deutsches Leben. Fig. 509.) 

Aus dem 16. Jhdt.: Der Tanz im Münchener Schlosse 1500 von M. Zasinger. 
(Ebend. Fig. 510.) 

. Ball in der Hofburg, 1560. — Kulturg. Bilderbuch II. 1028. 



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364 



V. Beschäftigung und Unterhai tang. 




Tanz. Crispin de Passe sc. — Im Stammbuch der jungen Gesellen (1617). 

Eine gewisse Grazie gehört natürlich dazu, soll der Tanz hübsch 
anzusehen sein. »(Es) stehet vielen so trefflich an als wann ein 
Schweitzer q (Kuh) ein Wälschen Passametzzo tantzett Von den 
italienischen Tänzen erzählt uns ausführhch Guarinonius: »Jetzt wil 
ich allein von Welschen Tantz etwas, mit kurtzen melden, meystens 
welcher, weil er allein und von allen Weibsbildern abgesonderter und 
täghch auff den Tanzschulen^) geschieht, dafs er der allerbest 
und fürtreffenthch ist zu guter Leibesübung wie dann die fümem- 
meren Potentaten Teutschlands an ihren Höfen dergleichen welsche 
Tantzmeister, von welchen die Jugend und edle Knaben unterrichtt 
werden, halten. Und ist ein solcher ein behende, zierHche auch züchtige 
Übung zwar des gantzen Leibs, insonderheit aber der Füfs nach Be- 
hendigkeit der Music und doch jederzeit demTact nach hin imd wider, 
in die runde, zu ruck, für sich, hinter sich, auf die Seiten, in Lüfften 
und aller massen sich bewegen und den Leib überaufs wol und mit 
gutem Lust in Anhörung der Music ergetzen. Solcher Tantz hafftet 
aller in fünf oder siben Schritten, welche das Fimdament des gantzen 
Tantzs seyn, wirdt alles zier halber und mit grosser Behendigkeit dareyn 
gebracht, dafs es allzeit wider auff den Tact fünf oder siben Schritten 
komme, welche besondere Form sie Parti das nennen etc. Und obwol 
auch der Teutsche Tantz, wer ihn recht tantzen will, nach dem Tact 



Tanz am Hofe Heinrichs IH. von Frankreich (bei K. Storck, Der Tanz. S. 65). 

Abraham de Bosse, Der Ball. — Ebend. HL. N. 1689. 

Darstellung eines Fürsten balles im Haag von Jeroom Janssens gen. Le Danseur 
(Antwerpen 1624^93), Gemälde aus der Sammlung Heinr. Lempertz', versteigert in 
Köln 17./X. 1898. Es tanzt nur ein Paar. — Weitere ähnliche Gemälde zählt K. Woer- 
mann, Gesch. d. Malerei IH, 495, auf. 

Nicolas Lancret (1690—1743), Le Bai und le Moulinet (bei Storck a. a. O. S. 96, 97). 

*) Stammbuch der jungen Gesellen (1617). 



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'^»1:4^ 



4. Unterhaltungen der Büi^er. 365 

muTs und gehen soll, jedoch so hat er kein geschick, wenn man nit 
eins an der hand tantzend führt, das man hinnach schleppe, und wir 
Teutschen bey tisch nicht lange ohne Kandel und Wein oder Glafs in 
Händen sitzen mögen, also auch nit tantzen ohne Weib an der Seiten, 
darumb auch solcher Tantz mehr ein gebandter und gezwungener als 
ein Feyrtantz und aber der Zeit ein verwürtes lauffen imd strieten mehr 
als ein Tantz genennet werden solle.« (S. 1194.) 

Es scheint also in Italien der Solotanz schon üblich, während in 
Deutschland noch der Tänzer seine Dame an der Hand führte. 

In den besseren Bürgerkreisen waren die Tänze durchaus anständig. 
1530 hatten allerdings Kaufleute in Danzig »einen nackenden tantz, so 
sie Adams imd Evae genannt« aufgeführt, aber das war in Polen ge- 
schehen.^) Und die Tänze, von denen Zeiler weiter erzählt, sind doch 
nur für auserwählte Kreise zugängHch gewesen. Zeiler berichtet, »dafs 
man zu Venedig und an vielen andern Orten kein Bedencken trage, 
Töchter von 15 Jahren gantz nackend tantzen zu lassen, welches sie 
von der grossen Dame de l'Isle d'Ayty, genannt Anacharna, erlernet 
hätten, welche damit die jungen Leuth entzündete, einen öffentlichen 
Tantz von 300 jungen Mägdlein, so gantz nackend, überaufs schön und 
in dem Alter, dafs sie selten verheyratet werden, angestellet hat«.^) 

Bei den Bauerntänzen ging es um so ausgelassener zu, wenn wir 
dem Pastor Florian Daule von Fürstenberg glauben dürfen, der den 
i^Tantzteufel« verfafste. (Frankf. a. M. 1567 ; — im Theatrum diabolorum 
— Frkf. 1585.) Die Herren Pastoren waren übrigens nicht alle so streng, 
und mancher machte bei festhchen Gelegenheiten ein »Täntzlein« mit. 
Einem GeistHchen unter dem Kurfürsten von der Pfalz Friedrich III. 
(1559 — 76) hätte das aber doch beinähe seine Pfarre gekostet.^) 

*) Zeiler, Hdb. 437. — «) Ibid. — ^ Exilium Melancholiae das ist Unlust -Ver- 
treiber (Strafsburg 1643), S. 465, N. ö. 




CrlBpin de Passe sc. (1617): Tanz. Im Stammbuch der jungen Gesellen (1617). 



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366 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Im 17. Jahrhundert kamen die Quadrillentänze auf. Zwar erhielten 
sich noch lange Zeit die alten Formen, dafs ein oder einige wenige 
Paare, jedes für sich, die künstlichen Figuren ausführte, aber mehr und 
mehr wird es zur Gewohnheit, aus mehreren Paaren eine gemeinsame 
Gruppe zu bilden, die nun allein und gemeinsam die Tanzbewegungen 
vorführt. Merkwürdig erscheint es, dafs zu Anfang des 17. Jahrhunderts 
die Männer mit dem Hute auf dem Kopfe zu tanzen pflegen. Neben der 
Gavotte und Sarabande wird dann das Menuett mit allen seinen Abarten 
in den Kreisen der Vornehmen beliebt. Im 18. Jahrhundert lernten die 
jungen Leute entweder deutsch oder englisch oder französisch tanzen.^) 
Französische Tänze sind der Courant (gewöhnüch die courante genannt), 
simple und figur^, das Menuett, das Passepied, Aimable Vainqueur, 
Charmant Vainqueur, Guastalla, Menuet d'Anjou, Menuet Allide, Le Ck)n- 
tretems (ob das nicht der spätere Contredanse ist?)^, Menuet figure, 
Menuet en quatre, La princesse, die Bourr^e, Rigaudon, Gavotte. ^ Das 
Frauenzimmer-Lexikon von 1739 setzt hinzu noch »Rondeau, Sarabande, 
Allemande, Anglaise, Polonaise u. dgl., deren fast alle Monate in Frank- 
reich neue erfunden werden«.*) 

Als englische (?) Tänze bezeichnet der Autor des Frauenzimmer- 
Lexikons den Schiefstanz, Leiertanz, Nonnentanz, Jalousietanz, Grofsvater- 
tanz, Winktanz, Lichttanz, Hahnentanz, Reverenztanz u. s. w. Als Unter- 
schied der enghschen und französischen Tänze wird angeführt, dafs 
erstere »mit vielen Personen getanzet werden«. 

Die Rundtänze scheinen erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts aufgekommen zu sein. Von diesen Gesellschaftstänzen wohl 
zu unterscheiden sind die Kunsttänze, die in den Balletts vorgeführt 
wurden. Die Balletts sind aller WahrscheinHchkeit nach in Italien er- 
funden worden, wurden im 16. Jahrhundert in Frankreich bekannt und 
bald so beliebt, dafs selbst Könige wie Ludwig XIII. und Ludwig XIV. 
in seiner Jugend an ihnen sich beteihgten. ^) Später jedoch überliefs 
man die AiifEührung dieser Schauspiele ledigUch geschulten Kunsttänzen!.*) 
An den Fürstenhöfen erfreuten sich diese Schaustellungen im 17. und 
18. Jahrhundert grofser Beliebtheit. (S. o. S. 349.) 

Eine Art von Konzert veranstaltete 1643 in Nürnberg der Gymnasial- 
direktor Prof. Dr. Joh. Michael Dilherr.'^) 

Weitere Kreise fanden ihre Unterhaltung bei der Aufführung der 
Schauspiele, die von Zeit zu Zeit durch Liebhaber aufgeführt wurden.*) 



1) Frauenzimmer-Lexikon von 1716 und von 1739 unter dem Worte Tanzen. 

•) D'Aubat S. Flour, 100 contredanses en rond etc. Gand vers 1767. 

») Frz.-Lex. 1716, Sp. 1960. 

*) Frz.-Lex. 1739, Sp. 1597. — ») Ballets et Mascarades de cour de Henri IV a 
Louis Xni (1581 — 1652) recueillies et publiäs . . . par M. P. Lacroix. Genäye 1868. 
— Abb. von Balletts bei.K. Storck, Der Tanz, (Bielel u. Leipz. 1903) S. 74, 75, 76. 

•) Der Tanz der Camargo, gemalt v. Nicolas Laueret, in der Galerie v. SanssoucL 

T) Kurios. IV. 365 jff. 

*) Vgl. P. Lacroix, Sciences et belles lettres au moyen-ftge et k r^poque de la 
renaissance (Paris 1877), S. 533 ff. — Über das Theater in Venedig vgl. P. G. Molmenti, 
la, vie priv^e ä Venise (Ven. 1882) 350 jff., 510 jff. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 



367 



Das ausgehende Mittelalter hatte an den Passionsspielen Anteil genommen 
und über die oft genug mehr als derben Scherze der Fastnachtsspiele 
gelacht. Seit dem 16. Jahrhundert werden diese populären witzigen 




Gelegenheitsstücke durch die von Gelehrsamkeit und Tugend erfüllten 
Schulkomödien abgelöst.^) Biblische Stoffe oder Motive aus der alten 
Mythologie, Geschichte u. s. w. wurden in lateinischer, später auch in 



*) Rach^, Die deutsche Schulkomödie. Lpz. 1891. 



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368 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

deutscher Sprache bei festlichen Gelegenheiten aufgeführt. So spielte 
man in Köln am 1. Januar 1561 die Komödie Susanna^), und in Breslau 
wurde die Einweihung des neuen EUsabeth-Gymnasiums 1562 am 29. Jan. 
mit der Aufführung der »Comoedia von Cain und Abel« festlich gefeiert.^) 

Viel formvollendeter war die Darstellung der Berufsschauspieler. 
Paumgartner schreibt 1582 den 15. Dez., dafs er in Lucca in der Weih- 
nachtszeit Komödien sehe, die bis >4 uhr inn die nacht«, d. h. bis 9 Uhr 
abends, dauern. Nach Weihnachten werden andere Schauspieler erwartet. 
In Frankfurt a. M. sieht er dann 1592 die englischen Komödianten^), 
die, wie bekannt, seit 1586 in Deutschland ihre Stücke aufEührten. Er 
schreibt seiner Frau am 13. September imter anderm: »Die haben so 
ein herliche, guette musicha unnd sinnd sie so perfect mit springen, 
tantzen, deren gleichen ich noch nye gehoertt noch gesehen hab.* 
»Sind sonst ob 10 in 12 personen, khostlich und herrlich wol geklayded.c 
Sehr interessant ist, was Guarinonius über diese Schauspiele sagt. Er 
hat schon S. 213 »die Comoedien, Tragoedien und SchawspieU erwähnt 
und fährt dann fort (S. 214) : »Dergleichen schaw- und hörspiel seyn der 
Zeit in Teutschland zu finden und dem Comoedianten, wie ich selbst 
gesehen, aufs den Nider- und Engelländischen Stätten, so von eim ort 
zum andern herimibziehen und ire je lächrige bossen und gauckelspiel 
(doch ohne ungebür) umb das geld denen, so es zu sehen unnd hörn 
begeren, zimHcher massen, so viel man in Teutscher Sprach und geberden 
zuwegen bringen kan. verrichten, jenen bofsierhchen Schnackenreissem 
gleich, die fast in allen Stetten Welschlands, sonderlich zu Venedig, 
alle abend au£E den platzen ire SeifEenkugel und andere Sachen ver- 
kaufEen und das Volk mit iren bossen eüich Stund allda aufEhalten, zu 
Welsch die Ziarlatani (ciarlatani), von Ziärlare, genannt, das heist 
schwetzen, allda zwey, drey oder mehr person als etwan ein Magnificus oder 
Venedischer Burger, sonsten meister Pantalon, welcher der Herr, und 
Zane sein Knecht ire lustige bossen, gesprächen, geberden und der- 
gleichen fürbringen, darob einer lachen mufs, es sey ihm lieb oder leid.« 
Dann gedenkt er der TheateraufEührungen in den Jesuitenschulen. 

Sehr merkwürdig ist ein Gemälde von Giles Tilborgh (Brüssel, 
1625 — c. 1678), das eine Komödie unter freiem Himmel auf dem 
Marktplatze darstellt. Die Schauspieler haben eine niedere Bühne auf- 
geschlagen; spanische Wände ersetzen die KuUssen. 

Eine Vorstellung von diesen italienischen Possenspielen gibt uns 
Jaques Callot in den Radierungen N. 626—629; Theaterszenen bietet er 
dann in den Blättern 629 a— 632.-*) 

Die Entwicklung der Schauspielkunst bei den verschiedenen 
Völkern weiter zu verfolgen, kann nicht imsere Aufgabe sein. *) Es mag 

>) Buch Weinsberg ü. 117. 

«) Nie. Pol, Hemerol. 

») Vgl. die Literatur bei Karl Goedeke GrundriTs« II. 543 ff . 

*) Ed. Meaume, Jacques Callot. Paris 1860. S. 301 ff. 

») Paul Lacroix, XVnme Siecle. Institutions, TJsages et CoBtomes CParis 1880). 
Chap. XV. S. 489 ff. Besonders der Abbildungen wegen beachtenswert — P. Lacroix. 
XVIII me Sifecle. Institutions, Usages et Costumes (Paris 1875). Chap. XVL S. 405 ff. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 369 

nur noch darauf hingewiesen werden, dafs die beste Schilderung der in 
Frankreich um den Beginn des 18. Jahrhunderts so beUebten italienischen 
Schäferspiele die Gemälde und Zeichnungen des grofsen Antoine Watteau 
uns zu geben vermögen. 

Das Theater des Königs von Frankreich begann nach der Ordon- 
nance vom November 1609 um 2 Uhr nachmittags, unter Ludwig XIII. 
um 3 Uhr, unter Ludwig XIV. um 5 Uhr. Im Jahre 1714 gingen die 
Herrschaften des französischen Hofes um 7 Uhr zur Komödie.^) 

Die Oper, entstanden in Italien gegen Ende des 16. Jahrhunderts, 
hatte nach Beendigung des Dreifsigjährigen Krieges auch in Frankreich 
und Deutschland, bald auch in allen andern Kulturländern Europas 
Eingang gefunden. Meist ist indessen die Pflege dieses Kunstzweiges 
an die Höfe gebunden, denen die Mittel zur Verfügung standen, so kost- 
spieüge Genüsse sich zubereiten. (S. o. S. 351.) Das erste stehende Theater, das 
nicht von einem Fürstenhofe abhängt, ist das 1686 erbaute zu Ham- 
burg. An dieser Stätte wurde auch die Oper mit Erfolg gepflegt.^) In 
Nürnberg wurde am 16. Juni 1628 3>die erste Comödie gehalten im neu- 
erbaueten Schauspielhause oder Theatro auf der Schutt bei dem Wild- 
bade. Die Erträge kamen dem H. Geist-Spitale zugute.^) 

An allen diesen Kunstgenüssen hatten indessen doch immerhin nur 
wenige Anteil. Dagegen gab es viel mehr zu sehen, wenn Seiltänzer 
und andere Künstler sich öfEentüch produzierten. Das ganze Mittelalter 
hindurch hatten die fahrenden Leute mit ihren ganz anerkennenswerten 
Kunststücken die vornehme und die geringe Gesellschaft erfreut und 
erheitert.^) Jetzt kamen sie mit Vorliebe in die Städte, um da mit ihren 
Leistungen, zumal zur Zeit der grofsen Märkte, Geld zu verdienen. Da 
wurden künstüch dressierte Pferde vorgeführt^), Affen*) und Bären ^) 
machten ihre Kxmststücke ^, Gaukler, Feuerfresser und Taschenspieler, 
Springer und Seiltänzer®) liefsen sich sehen und fanden bei dem keines- 
wegs übersättigten Pubhkum Beifall und Anerkennung. ^°) Einige Kunst- 
stücke wurden da gezeigt, die heute kaum noch irgendwo zu sehen sein 
mögen; dahin gehören die Leistimgen der Wasserspeier, von denen 
Abraham a Santa Clara (Etwas für Alle 954) zu erzählen weifs. Die 

*) Alfr. Franklin, La vie priväe d'autrefois. — Variötös gastronomiques (Paris 
1891). aii7. 

■) Leben einer deutschen Frau etc. 165. 

*) Kuriositäten V, 551. Vgl. F. E. Hysel, Das Theater in Nürnberg 1612—1863. 
Nümb. 1863. — Cf. Kurios. X. 437. 

*) Höf . Leben »I. 564 ff, 

») Fischart, Praktik 7: wie ein Neapolitanisch pferd dantzt. — 28: Dantzend 
pferd zuo Neaples. — Ein Kunstreiter, Christian Müller — zu Nürnberg 1647. Kulturg. 
Bilderb. IV, N. 2228. 

•) Affe. 1625. — Kulturg. Büderb. III, N. 1658. 

^ Hans Burckmair, Bärenführer — Ebend. II, N. 737. 

») Elefant 1629. — Ebend. m, N. 1658. 

®) Palaestra Noribergensis cum Heuducci Funambuli miris spectacnlis. Das Fecht- 
haus in Nürnberg mit dem wunderbaren Seiltänzer 1652. J. A. Graff ad vivum delineavit 
et excudit. — S. Kulturg. Bilderb. IV, N. 2257. 

**0 Leben einer deutschen Frau. 166 ff. 
Seh alt z, Das häusliche Leben im Mittelalter. ^ 



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370 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Leute schluckten Wasser und liefsen dann allerlei Wein, Branntwein, 
wohlriechende Wasser aus ihrem Munde sprudeln. Ein berühmter 
Künstler dieses Faches war Blasio Manfrede von Nobe, ein Malteser, der 
sich 1650 in Memmingen produzierte. ^) Eine Ankündigung seiner Vor- 
stellungen und ein Porträt des Künstlers ist in Hirths Kulturg. Bilder- 
buch V, N. 2643, 2644 mitgeteilt.^) Aber Manfred war wohl der be- 
rühmteste, jedoch keineswegs der einzige Vertreter dieses Faches. In dem 
»grossen Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte«, Frkf. 1664, T. VI, 
S. 95, werden noch ein Weib in den Niederlanden und ein Wallone als 
Meister gepriesen. Ein Künstler, der durch viele Reifen einen Sprung 
zu machen versteht — etwa den Fafsspringern imserer Schaubühnen zu 
vergleichen^ — zeigte sich den Schaulustigen. 

Gab es auch nicht alle Tage etwas Neues zu sehen, so fehlte es 
doch hin und wieder auch nicht ganz an abwechselnden Schaustellimgen. 

Für gewöhnüch jedoch waren die Leute der früheren Jahrhunderte 
darauf angewiesen, selbst dafür zu sorgen, dafs sie die Stunden der Ruhe, 
die ihnen nach Besorgung ihres Tagewerkes übrigbheben, in einer 
ihnen zusagenden Weise verbrachten.*) Schon früher ist darauf hinge- 
wiesen worden, dafs man von alters her darauf Gewicht legte, den Kindern 
Musikunterricht erteilen zu lassen. ^) (S. o. S. 204.) Die Hausmusik spielt 
deshalb eine so grofse Rolle, weU sie hauptsächhch bestimmt war, 
für die Unterhaltung der ganzen Familie und im Notfalle auch der 
Freunde zu sorgen. Man liebt es zu singen ; nicht blofs einzelne Familien- 
glieder gaben ihre Lieder zum besten % sondern auch der mehrstimmige 
und Chorgesang wurde gepflegt."^) Zur Begleitung, wenn man ihrer be- 
durfte, wurde die Laute, die Guitarre geschlagen. Oder eine ganze Ge- 

*) M. Zeiler, Hdb. m. 194. — John Elliot Hodgkin hat in seinen »Rariora« (London 
o. J. [1902]) I ein Porträt des Künstlers nach Wenzel HoUar gebracht (Taf. a. S. 46\ 
£r nennt ihn Blasius de Manfre. Sein Schüler war Florian Marchand >le Grand 
Boyeur de Tours«. Um 1680 tritt dann in Nürnberg auf Filippo Giuliano Do. Scoto 
Bomano. 

•) Vgl. Darstellung des Artisten Filippo Giulio Scotto. Th. Hirschmann fec. 

') Kunstg. Bilderb. HI, N. 1452, aus den Trois dialogues de Tezercice de sanier 
et voltiger en l'air par Arcange Tuccaro. Paris 1599. 

Sonst waren allerlei Mifsgeburten zu sehen: H. Burgkmair 1516. Kulturg. 
Bilderb. H, N. 599. — Das Wunderkind Margarete WeüJB (geb. 1639). Ebend. U, 
N. 981. — Der Wundermann Karl Kaltenbrunn 1566. Ebend. H, N. 1099. — Bärtige 
Frauen, wie Helena Antonia von Lüttich. — Ihr Porträt gest. von Dom. Cnstodis. 
Ebend. HI, N. 1463. — Vgl. auch (Vulpius) Kurios. I. 64, 572; IL 383. — Auch 
unglückliche Krüppel liefsen sich für Geld sehen. — Kurios. IH. 374 ff.; IV. 188, 650 ff. 

*) Belustigung vor das honette Frauenzimmer und Junggesellen, zum anmuthigen 
Zeit- Vertreib, bey zulassiger Compagnie, vor artigen Schertz-Fragen und nachdenck- 
lieber Antwort, seltzamen Hof-Streichen und klugen auserlesenen Lehr-Sprüchen, 
o. 0. 1715. 

*) Der junge Gargantua spielt die Laute, das Spinett, die Harfe, die deutsche 
Querpfeife, die polnische Sackpfeife, »den Braunschweiger Hermele, die sie in die 
Ärmel stecken«, die Zither, Zinke, Trompete, neunlöchrige Flöte, Geige, Hackebrett 
und Sackebutte. Fischart, Geschichts-Klitt. 277. — Vgl. Guarinonius, S. 1226. 

•) »Bergreyen, Bremberger, Vilanellen und Winnebergische Reuterliedlin.« 
Fischart a. a. 0. 277. 

») Vier- und fünfstimmig, Motetten. — Ebend. 290. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 



371 



Seilschaft führt ein Musikstück mit Instrumenten auf : eine Dame spielt das 
Clavicymbalum, eine andere bläst die Flöte ; dazu kommen dann die Saiten- 
instrumente von der Violine bis zur gewaltigen Bafsgeige. Die Gesellschafts- 
lieder spielen im 16., 17., 18. Jahrhimdert eine recht bedeutende Rolle ; 




A. van Dyk, VioUnspielerin. Maria Ruthwen. (München, Alte Pinakothek.) 

nicht alle sind unverfänglich und sauber, aber die Mehrzahl kann man 
sich doch auch als von anständigen Frauen gesungen denken.^) 

*) Jan Vermeer, Dame am Spinett (London, National Gallery) und Dame mit dem 
Musiklehrer (Windsor). — Gerh. Terborch, eine Dame spielt das Spinett, die andere 
das Violoncell (Berlin, Gem.-Galerie). — G. Terborch, eine Dame begleitet auf der 
Laute den Gesang eines Herrn (London, Nat.-GalL). — David Teniers d. J., der Meister 
spielt das Violoncell, Frau und Kind singen dazu (Berlin, Gem.-Galerie). Vgl. auch 
oben S. 270 und 345. — Musikalische Unterhaltungen der Studenten abgeb. im Spe- 
culum Comclianum (Strafsb. 1618) S. 8, 9, 22, 71, 84. 

24* 



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872 



V. Beschäftigung tuid Unterhaltung. 



Dafs die alten Brett- 
spiele^), Schach-), 
Dame»), Puff*) beliebt 
blieben, braucht nicht 
erst hervorgehoben zu 
werden.^) Das Karten- 
spiel aber erfreute sich 
in allen Kreisen des aller- 
gröfsten*) Ansehens. Mit 
Karten imd Würfeln 
konnte man sein Ver- 
mögen vergeuden. B. 
Paumgartner seh reibt 
seiner Frau (1594, 29. 
VIII. — S. 245), dafs 
in dem Wildbade bei 
Lucca stark gespielt 
werde und dafs man da 
leicht 500—600 Kronen 
verlieren könne. (Vgl. 
o. S. 217.) 

Wie im- 15. Jahr- 
hundert das Karnöffel- 
spieF), ist im 16. das 

Flüssen beliebt, später gegen den Anfang des 18. erfreuen sich die Spiele 

Piquet, Mariage vor allem aber L'Hombre*) und Bassette*) der weitesten 

Verbreitung. 

Harmloser waren die Gesellschaftsspiele. ^°) Würfel sind für das 

Gänsen erforderlich. Phil. Hainhof er lernte es auf seiner ponameriscben 




Theodor de Bry, Emblemata secularia. (Oppenh. 1611.) 



1) D. Souterius, Palamedes sive de tabula lusoria, alea et vaiiis ladis. Lugd. 
Batav. 1622. — P. Justus, De Alea, Ainsterd. 1642. 

*) Lukas van Leyden, Schachpartie, mit zahlreichen Zuschauern. (Berlin, Gremälde- 
Galerie.) — Th. Actius, De ludo Scacchorum. Pisauri 1583. 

M. H. Vida, Opera (darin Scacchia ludus) Lugd. 1548. — II giuoco degli scacchi 
di Rui Lopez, Spagnuolo, nuovamente tradotto in lingua italiana da G. D. Tarsia, 
Venez. 1584. — G. Greco, Le jeu des ^schecz. Trad. de l'italien. Par. 1689, 1714. — 
Ph. Stamma, Essai sur le jeu des ^schecs — ä la Haye. 1742. 

5) Thomas v. der Wilt. (Berlin, a. a. O.) 

*) Jean Steen, Streit beim Spiel. (Berlin, a. a. 0.) 

*) Buch AVeinsberg, I. 131. Brettspiel, Kartenspiel. — Guarinonios, S. 1228. 

«) Buch Weinsberg, n. 41 : Den nachmittag spilten wir in der Karten. — Fiscbart, 
Geschichtsklitt. — Neudr. 258: Ein hauffon Welscher wolgepepter glatter Karten^ Pra- 
gischer Würffei und die Schantzen vom Prettspiel. 

^ Vgl. über das Kamöffelspiel (Vulpius) Kuriositäten X. 570. 

*) Schwetscke, Geschichte des L'Hombre. Halle 1863. 

•) S. o. S. 354. 

*•) La maison des jeux acad^miques, contenant un recueil gön^ral de tous les 
jeux divertissans pour se rejouir et passer le temps agr^blement. Paris 1668. — 
Acadömie universelle des jeux, contenant les regles des jeux de quadriUe, de quintille, 
de l'hombre ä tros, du piquet, du r^versis, des ^checs du trictrac et de tous les antreä 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 373 

Reise kennen und schildert es »das man Gänsen haisset und der ge- 
winnet, der das beste gleich würfft, und nit ist als wie das rechte 
Ganfsspiel, das man in das Würthshaufs, in Brunnen, in Tod etc. 
und dergleichen fähret, als wie es in Kupfer gestochen imd in Italien 
under den Studenten im Wünter nach dem Essen, ehe sie studieren 
oder schlafen gehn, gar gemein ist; sondern dises Spil vergleicht sich 
etUcher massen mit dem passadiere«.^) Ein anderes Spiel, ähnücher dem 
Gansspiel, heifst die Hölle, in Pommern »die ungetreuen Nachbarn« 
und wird mit Karten gespielt. 2) 

Fischart zählt gegen 600 verschiedene Gesellschaftsspiele auf, unter 
denen sich auch das heute noch bei den Kindern •beliebte »der Bauer 
schickt den Jockei aufs« findet.^) Andere waren nur im Freien zu 
treiben. *) 

Des Ringspieles gedenkt Hermann von Weinsberg. Als er 1553 
der Pest wegen von Köln nach Neufs mit seiner Familie geflohen war, 
berichtet er: »Wir hatten auch ein bogel (Ringspiel) und Krotz (die Stange 
zum Ringspiel) laissen machen und sputen bogel. «^) Das Kegelspiel 
aber ist dem sonst für Leibesübungen so sehr eingenommenen Arzte 
Hippolyt Guarinonius verhafst.^) (S. o. die Abb. S. 260.) 

Er gibt uns einen sehr beachtenswerten ÜberbHck über die Spiele 
und Unterhaltungen der verschiedenen Lebensalter. Der Knabe hat sein 
Steckenpferd, das Mädchen ihre Puppen. Dann werden die Schulbuben 
zu Spaziergängen geführt imd haben dabei die Ruten zu schneiden und 
zu binden, die bei der damahgen Schuldisziplin unbedingt nötig waren 
(virgatum ire). Die jungen Ritter bereiten sich für Turniere und Rennen 
vor, üben sich im Fechten ; die älteren drechseln, treiben Goldschmiedarbeit, 
malen. Für die kräftige Jugendzeit, d. h. zwischen 20 bis 31 oder 34 Jahren, 
gehört sich bei Leuten des Adelstandes neben dem Turniere, Fechten, 
Ringen, Rossetummeln, Ballschlagen, Eisenstangenwerfen, die Jagd, das 
Bergsteigen. Für die bürgerliche Jugend das Fechten, Graben- und 
Mantelspringen, Ringen, Bürdentragen, Holzhacken, Dreschen, Stein- 
werfen, Bergsteigen. Für das abnehmende Alter pafst dann vieles Reiten, 
lange Spaziergänge, niedere Berge zu besteigen, Kegeln, Baizen, Fischen, 
Gartenbauen, Malen, Drechseln, Bildschnitzen.') 



jeux. Paris 1737. — La plus nouvelle acad^mie universelle des jeux, ou divertissemens 
innocens, contenant les regles des jeux de cartes permis, du billard, de la courte paume, 
de la longue paume, du trictrac, du toc, des ^checs etc. Amsterd. 1752. — (Soumille 
de Villeneuve — lez — Avignon.) Le grand trictrac . . . Avignon 1756. — E. Hoyle and 
Tb. Osbome, Tbe games of whist, quadrille, piquet, chess and back-gammon complete. 
London c. 1750. — Anweisung zum Klabriasspiel in >Kort en grondig onderwijs van 
het alom vermaard en vermakelijk Voltespel. . . . Amsterd. 1751, 

») Balt. Studien H. 2. S. 49. 

•) Ebend. S. 102. — Vgl. aucb Wesenigk, Das Spielsüchtige Polysigma der 
Bösen Spiel-Sieben, d. i. Spielschande, Spielschertze, Spielschläge, Spielsprüche, Spiel- 
straffen u. 8. w. . . . Dresden 1702. 

») Fischart, Geschichtski. 250. 

*) Ebend. 270. 

*) Buch AVeinsberg IL 41. 

«) S. 1215. — ^) S. 1181. 



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374 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Dann geht er auf die einzelnen Spiele näher ein, sie ausführlich 
schildernd. Da ist das Ritterspiel, bei dem es aufs Laufen ankommt. 
Darauf bespricht er die Sprünge: den Rückensprung, den Achsel- oder 
Hauptsprung, den Mantelsprung, den Graben- oder Bodensprung, den 
Luftsprung, »die rundt Fecht- und Tantzsprung«.^) Die Erwähnung der 
Ringkunst gibt ihm Anlafs, den Nikolaus Freiherrn von Firmian als 
vorzüglichen Ringer zu rühmen.^) Im Fechten sind noch immer die 
Itaüener Meister; auch jener Freiherr von Firmian hatte bei einem 
itaUenischen Fechtmeister Silvius Piccolomini seine Kunst erlernt.') In 
Deutschland gab es zwei Fechtschulen von Bedeutung, die der Marx- 
brüder zu Frankfurt a. M. und die der Federfechter zu Prag.*) Beide 
hatten das Recht, Kunstfechter zu Meistern des langen Schwertes zu er- 
nennen.^) Nachdem Guarinonius noch das Fufsturnier besprochen^), 
preist er den Nutzen des Bergsteigens. Er selbst mufs ein vortrefE- 
hcher Fufsgänger gewesen sein, denn er erwähnt, dafs er im Jahre 1606 
oder 1607 im August von Hall um 5 Uhr abends aufgebrochen ins 
Voldertal bis zum Stift Almen gegangen sei; am nächsten Tage be- 
suchte er den Wattensee imd kehrte über Watten in seinen Wohnort 
zurück. '^) 

Eine besondere Vorliebe hat er für das Ballspiel, dessen verschiedene 
Arten er genau schüdert. Da ist zunächst das kleine Bali- oder das 
Rakettenspiel. Man kann übrigens statt des Raketts auch einen Pan- 
toffel oder Schuh, einen Becher oder ein Glas nehmen. Es entspricht 
wohl im allgemeinen dem Federballspiel, pafst zumal für die Jugend 
zwischen 14 und 31 Jahren und wird in den mit Ziegeln gepflasterten 
Ballhäusern in Italien wie in Deutschland von Fürsten gern geübt.*) Von 
den Ballhäusern ist schon oben gesprochen worden. 

Dann kommt das Spiel mit dem gröfseren ledernen Ball, den man 
mit der Hand schlägt; aber es pafst in Italien und auch in Deutschland 
mehr für Handwerker als für vornehme Leute, da es eine nicht zu 
zarte Hand erfordert.*) 

In Böhmen und speziell in Prag ist dann ein Ballspiel beliebt, das 
besonders die Polen und Schlesier meisterhaft spielen, das jedoch an 
anderen Orten gar nicht bekannt ist. Zwei Parteien: eine die mit vier 
Werkschuh langen, am Hefte dünneren Stöcken den Ball schlägt, die 
andere, die ihn zu fangen hat. Gelingt ihr das, so gewinnt sie das Recht, 
jetzt den Ball zu schlagen.^®) 

») S. 1187—89. Vgl. Fischart, Geschichtskl. S. 281. 

») S. 1190-91. 

») S. 1197. 

*) S. 1253 nennt G. neben diesen beiden Fechterscbalen noch die Lukasbrüder. 
Er selbst ist >zu Prag von einem namhaften Federfechter, so man das klein Schlosserle 
nennet in Rappier und Dolch zimblich Unterricht« worden (S. 1255). — Virgil Solis, 
Fechtschule. — Kulturg. Bilderb. II, N. 895. 

») M. Zeiller, Hdb. n. 58. 

«) Ö. 1195. — Fufsturnier in München 1654, gest. v. Matth. Küssel. Kulturg. 
Bilderb. V, N. 2557—62. 

^ S. 1206. — ») S. 1209. Abgeb. im Speculum Comelianum (1618) 8. 4. — 

»^ s 1210. — i'») 8. o. s. on. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 



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376 ^- Beschäftigung und Unterhaltung. 

Das Spiel mit dem weichen, apfelgrofsen Ball^), das Grubenball 
spiel ^), kommt dann an die Reihe, das Ballschlagen mit dem kleinen, 
quittengrofsen, aufgeblasenen Lederball, zu dem man sich der Holz- 
pritsche bedient^, darauf das Schlagen des grofsen, harten, mit Messing- 
spritzen aufgeblasenen Ballons. Dazu ist ein hölzerner Hand- oder 
Armharniscb erforderHch. Der Ball kann auch mit dem FuTse geschleudert 
werden. *) 

Das Palmey- oder Palemeyspiel entspricht dem französischen Mail, 
das bis in die Zeit Ludwigs XIV. sehr^) beliebt war. Auf einer langen, 
wohl mit Sand bestreuten Bahn wurde die Holzkugel mit einer Art 
Hammer — der hiefs eigentüch Palemey — fortgetrieben. Wer zuerst 
das Ziel erreichte, den Ball durch ein kleines Drahttor brachte, hatte 
gewonnen. Pallmall in London und die Palmaille in Altona haben von 
diesem Spiele ihren Namen. (Vgl. S. 379.) Nicht ungefährüch war es, 
wenn die Kugel, ungeschickt geschlagen, einen Menschen traf; in Trient 
wurde so ein kleiner Knabe getötet.*) 

Für vornehme Damen eignet sich ganz besonders das Federball- 
spiel. Geschlagen wird der mit zwei, drei imd mehr Federn gezierte 
Kegel nicht mit dem Rakett, sondern mit einer Pritsche.') % 

Dann kommt das Steinwerfen aus der Hand und mit der Schleuder, 
das Werfen mit Messer und Dolch nach der Scheibe. Die böhmischen 
Schmäräken sind geübt, mit dem Beil oder spitzen Hacken das kleinste 
Ziel zu treffen*), und werden dadurch den Reisenden in den Wäldern 
gefährüch.^) 

Man wirft mit schweren steinernen, messingnen, stählernen Platten. 
Vor 50 oder 60 Jahren, also etwa um 1550,' sollen, wie Guarinonius 
erwähnt, die Bergknappen von Schwaz silberne Platten gebraucht haben. 
Es kommt darauf an, die in der Mitte durchlöcherte Platte so geschickt 
zu werfen, dafs sie auf dem am Ziel aufgestellten Eisen haften bleibt. 

Der Wurf mit dem Eisenstabe ist gleichfalls sehr muskelstärkend. 
Wer am weitesten ihn zu schleudern vermochte, der war der Sieger. 

Das Tafelschiefsen wird mit talergrofsen, etwa einen Finger dicken 
Platten, die man Steine nennt, gespielt. Man hat dazu eine 22 bis 
24 Fufs lange, einen Fufs breite Tafel und sucht durch geschicktes 
Schnellen die Steine der Gegner herabzuschiefsen. Dazu wird wacker 
getrunken.^^) 

S. 1211. 

•) S. 1212. 

») S. 1212. 

*) S. 1213. 

») Vgl. die Abb. von Israel Silveetre, Jeu de longue paume. — Kolturg. Bilder* 
buch V, N. 2574. 

«) S. 1213. 

») Ebend. 1213. 

*) Fischart, Geschichtski. 312 : als hett er das Beihelschracken von den Böhmischen 
Holtzbauem gelemet. 

•) S. 1214. 

1«) Barth. Sastrow. n. 89: das Marggrave Albrecht.... aufE der Pilcken- 
taffelen schussen. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 377 

Im Schiefswerder zu Breslau wird, ich glaube noch heute, dies 
Spiel, das hier Belltafel heifst, gepflegt. 

Das Schwimmen empfiehlt der alte Arzt ganz besonders (S. 1216); 
aber auch das Baizen, die Falkenjagd, das Fischen, überhaupt die Freuden 
der Jagd. Cyriacus Spangenberg hat einen Jagdteufel (Theatrum diabol. 
Fol. CCLXXXVII*^) verfafst, in dem er die SchädHchkeit der Jagd zumal 
für den Bauernstand lang und ausführhch schildert, den Wildschaden 
bespricht, die schnöde Behandlung der Bauern und der barbarischen 
Jagdgesetze gedenkt. »Es ist zwar nicht sehr lang (Anno 1557, ist mir 
recht), das der hochwirdige Vatter (Gott verzeihe mirs), der Erzbischof 
von Saltzburg einen Bauwren der Jagt halber hat in eines Hirschen haut 
vermachen und also hetzen lassen.« (Fol. CCCIIP^.) Dabei versäumen 
die Jäger die Kirche oder begnügen sich mit einer kurzen Andacht, )>wie 
man solches Schnappenwerck im Bapstthumb Jäger Messen genennet 
hat«. (Fol. CCXCVIIP.) Dabei wird gotteslästerhch geflucht (Fol. CCXCVP) 
und Anlafs zur Unzucht gefunden. »Das aber aufE Jagten ofEt und viel 
solche schänden begangen werden, zeigen auch zum theil die unver- 
schempten und unzüchtigen Lieder, als da sind: ,Es reit ein Jäger 
hetzen aufs etc.* Item ,Es wolt ein Jäger jagen, jagen für jenem holtz* 
etc. und dergleichen mehr, so eins theils noch unflätiger seind.< 
(Fol. CCCIX*.) Und trotz alledem »man findt auch wol unter den 
Evangehschen Predigern, die hertzHch gern und wiUig mit ihren Herren 
und Junckern auflE die Jagten ziehen.« (Fol. CCXCIX^.^) 

Bei den fürsthchen Jagden gab es, wie Hainhofer uns mitteilt. 
Schirme und Pirschbüchsen auf Gabeln. An einem Vormittage 1617 
erlegt der Herzog von Pommern 36 Hirsche, 27 Stück Wild, 21 Wild- 
kälber, 3 Rehe, 1 Schwein, 2 Frischlinge ; Summa 90 Stück Wild.') Das 
Wild wird gewogen ; wer gegen das Jagdzeremoniell gefrevelt, mufs ȟber 
den Hirsch« und bekommt Schläge. Abends wird bei Wiadlichtern die 
Curäe für die Hunde veranstaltet.*) Die Herzogin mit ihren Jungfrauen 
hat den Gemahl begleitet und vertreibt sich, im Grase sitzend, bis zum 
Beginn der Jagd die Zeit mit Handarbeiten.^) 



*) Fischart, Geschichtsklitt. 371 : wie wol difs stücklin auch wol ein weidmän- 
nischer Bischofi zu Saltzburg mit einer Hirschhaut gekonnt hat, wan er mit den Wild- 
schützen des Aktaeons spilet. 

*) Über die Jagd im Mittelalter vgl. Höf. Leben "I. 448 ff. und Deutsches Leben 
etc. 521 ff. 

») Ph. Hainhofer, Reisetagebuch von 1617. — Balt. Studien H. 2, 63 ff. 

*) Ebend. 69 ff. 

•) Ebend. 57. 

Abbildungen : Jagdbilder im Weifskunig (m. Ausg.) S. 91, 93, 95, 98. 

Lukas Cranach, Parforcejagd. — Kulturg. Bilderb. H, N. 614. 

Jost Amman, Jagdbuch (Frankf. 1582). — Ebend. IH, N. 1341—64. 

David Vinckenboons, Jagden (1587). — Ebend. III, N. 1600—1503. 

Jagdbilder von P. P. Rubens (1577—1640), von Franz Snijders (1579—1657), von 
Karl Borromäus Ruthart (c 1650 bis c. 1680), von Joh. Elias Ridinger (geb. in Ulm 
1698, gest. in Augsburg 1767). — Als Hundemaler ist berühmt Jean Baptiste Oudry 
(1686—1755). — Die Jagdbeute stellen dar Jan Fyt (1611—61), Jan Baptist Weenix 
1622—64) und sein Sohn Jan (1640—1719). 



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378 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Mit welcher Leidenschaft im 16. und 18. Jahrhundert an den Höfen, 
nicht allein Deutschlands, die Jagd betrieben wurde, das ist ja bekannt, 
Auch die Damen nahmen an diesem Vergnügen gern Anteil und legten 
dann einen besonderen Jagdanzug an ; den langen Männerrock zogen sie 
über die Mieder ihrer Kleider, und auf das Haupt setzten sie den drei- 
eckigen Hut, so dafs sie, abgesehen von dem bis zu den Füfsen reichenden 
Weiberrock, von weitem wenigstens wie die Männer aussahen. (S. o. S. 357.) 

Ein Laster, das im Mittelalter wie in der späteren Zeit sehr ver- 
breitet war, das Schwören und Fluchen, wurde auch vergebKch von 
der Kirche wie von der welthchen Obrigkeit bekämpft. ^) Es ist ja ganz 
gleich, ob man bei Gottes (Botz, Potz), Laus, Lunge, Darm u. s. w. 
schwört, die Lästerimg bleibt dieselbe.'-*) Dahin gehört auch Ulrich, 
Graf von Württemberg-Mümpelgard (c. 1468), :&den man wegen seines 
gewöhnUchen fluches Götz Niefswurtz nannte«. 5) Selbst die Kinder 
lernen früh gotteslästerHch fluchen. In dem Fluchteufel klagt der Ver- 
fasser*) (Fol. CCXLIIP), »dafs auch die jungen Kinder, als mit dem Abc 
bald von der Wiegen an damit aufifgewachsen und vielfertiger und ge- 
leufftiger seyn in mancherley art und weifs zu fluchen als in den Artickeln 
des glaubens und Vatter unser oder Gebet, an welches statt die Gottes- 
lesterung getretten und kommen ist«. Bartholomäus Ringwalt läfst einen 
Junker sich äufsern: »Potz leiden, Herrgott Sacrament Creutz Wunden 
Marter Element War stets meiu Sprichwort und gebet, Alsbald ich nur 
den Mund aufffhet.«^) Besonders bei den Jagden wurde arg geflucht. 
»Man hörts zwar auch wol, wenn sie auiBE den Jagten gewesen und ge- 
fragt werden, wie es geschlaunet, dafs sie mit grosser Gottlesterimg ant- 
worten und (Gott verzeihe mir, dals ichs inen nachrede) etwa sagen: 
,Hörstu, wir hetten, oder der TeufEel füre mich hinweg, summer Gotts 
Wimden, schöne Stück für dem Garn und liefs sich so, marter leiden, 
wol an, wenn die Herrgotts Sacrament schand Bauren sich recht hetten 
darein schicken wollen, dafs sie die Hand Gottes rür ( — d. h. der Schlag 
treffe — ), aller Elements Böfswicht hinein etc.'«^) 

Das Fluchen und Schwören ist eine schlechte Angewohnheit; die 
Leute dachten nichts Böses dabei, sprachen gedankenlos die ihnen 
geläufigen volltönenden Redensarten, wie noch im 18. Jahrhundert Chri- 
stian Reuter seinen Schelmuffsky bei jeder Gelegenheit sein »Hol mich 

Franz van der Meulen, Hirschjagd zur Zeit Ludwigs XTV. — Ebend. V, N. 2616 
bis 2617. 

Vgl. E. Tappius, Waidwerk u. Federspill. Strafsburg 1642. (Neudruck.) — 
Fr. Pomay, Ein sehr artig Büchlein von dem Weydwerck u, der Falcknerey. (Franz, 
Lyon 1671) m. Holzschn. v. Jost Amman. (Neudruck) s. oben. 

*) Z. B. Edikt gegen das Zutrinken, Hurerei und Schwören. Frankfurt 1530. 
März 27. (Wolfg. Königsteins Tagebuch.) — Vgl. Joh. Ludw. Hartmann. Fluch- 
Spiegel Wider das abscheuliche Gottslästem, Verfluchen und Uebelwünschen .... 
Nürnb. 1672. 

•) Deutsches Leben im 14. und 15. Jhdt., S. 59 u. 281. 

') C. Spangenberg, Henneb. Chron. 160. 

*) Andreas Musculus (1514—1581). 

*) Trewer Eckart. — Frkf. a. a. 0. 1592 ohne Paginierung. G. ijb. 

«) Jagdteufel Fol. CCXCVjb. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 379 

der Tebel« anbringen läfst. Im Grunde genommen, hat es mit den 
Flüchen so wenig etwas auf sich als mit anderen Gewohnheitsredens 
arten. So erzählt Cyriacus Spangenberg in seiner Hennebergischen 
Chronik (S. 168) von dem Grafen Barthold XIX. v. H. (t 1549): »Dieser 
Gräfe B, hette eine weise und gewonheit, dafs Er über das dritte oder 
vierde wort inn seinen reden mit einmischet und immer wieder holete 
die wort, ,wie sich das gebüret*.« 

Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nehmen nun auch die 
Zweikämpfe überhand. Mit den gerichtUchen Zweikämpfen der alten 
Zeit haben diese Duelle gar nichts gemein. Bei denen handelte es sich 
immer um eine schwer zu erweisende Rechtsfrage, die durch das gesetzlich 
anerkannte Gottesgericht in Gegenwart der zuständigen Richter ent- 
schieden werden sollte; bei den Duellen gilt es, eine Beleidigung, eine 
Verletzung der persönhchen Ehre zu rächen; von einem Gottesgericht, 
das den Schuldigen unzweifelhaft bestrafen, den Gekränkten als Sieger 
hervorgehen lassen mufs, ist nicht mehr die Rede. Bei den romanischen 
Völkern ist, wie es scheint, das Duell zuerst zur Sitte geworden. Durch 
die Spanier und von Franzosen wurde es dann in Deutschland eingeführt 
und fand da, wie alles Fremde, begeisterte Aufnahme. Aber erst im 
17. Jahrhundert, in Frankreich zur Zeit Ludwigs XIII. und XIV., nimmt 
die Duellsucht gröfsere Dimensionen an, so dafs die Regierungen mit 
den allerstrengsten Strafen einschreiten mufsten. In Deutschland war 
während des grofsen Krieges und in der Folgezeit das Duell allgemein 
übUch. Um der geringfügigsten Ursachen willen, weil ein Raufbold, 
ein Schnarcher^) (in Frankreich hiefs er Ronfleur) Händel suchte, wurden 
die Degen gezogen; die Freunde und Sekundanten 2) nahmen an dem 
Gefechte teil, imd so blieben oft mehrere auf dem Platze. Fechten hatte 
ja jedermann gelernt; nun, da diese Art, seine Ehre zu verteidigen, 
in den oberen Gesellschaftsklassen Sitte geworden war, konnte er auch 
den Nutzen einer guten Schule praktisch kennen lernen. Die studie- 
rende Jugend und die Leute mit akademischer Bildung, der Adel^) und 
der Offiziersstand nahmen das Recht des Zweikampfes für sich aus- 
schliefslich in Anspruch. Auf diese Kreise beschränkt sich auch das 
Unheil, das die Duelle zur Folge haben. In zahllosen Familienchroniken 
lesen wir, dafs bei Festmahlen, bei Hochzeiten u. dergl. die berauschten 
Gäste schhefsUch zu den WafEen gegriffen haben und dafs mehrere tot 
auf dem Platze geblieben sind. 

In dem Anekdotenbuch, das 1715 zu Freiburg unter dem Namen 
»Eulenspiegeüscher Mercurius« erschien, wird S. 295 von einem Duell 
eines jungen Grafen Dohna und eines Herrn von der Myle berichtet. 
Dasselbe fand im Gravenhaag auf der »Mallie-Bahn« nachts bei Fackel- 



*) Moscherosch a. a. 0. 356. 

■) H. M. Moscherosch, Ges. des Philanders v. S., hgg. v. Felix Bobertag. Berl 
u. Stattg. o. J. — S. 33. > Deren dieser einer von einem ehrlosen Wälschen, ä ville 
Juiffe in einem Kampff als Second (Mittmann) eines Dänischen von Adel Crabb^ in 
die Brust gestossen etc.« 

') Ein französisches Duell unter Adligen. Ebend. S. 71. 



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380 ^* Beschäftigang und Unterhaltung. 

beleuchtung statt; 24 Spielleute begleiteten mit Miisik den Zweikampf. 
Jede Partei hatte drei Sekundanten; ob sie an dem Kampfe sich betei- 
ligten, ist nicht zu ersehen. V. der Myle, der Letzte seines Geschlechtes, 
wird erstochen. In dem genannten Buche werden noch manche inter- 
essante Duellgeschichten erzählt. So soll ein deutscher Edelmann, der ein. 
trefifhcher Fechter war, den französischen Hoffechtmeister Ludwigs XIII. 
absichthch beleidigt und herausgefordert haben. Der Fechtmeister erlegt, 
da der Deutsche ihn warten läfst, zum Zeitvertreib zwei andere Kavaliere, 
die auch ihre Gegner erwarten, und wird dann von dem Deutschen er- 
stochen. Der französische König will ihn zum Hoffechtmeister machen, 
doch zieht er es vor, über die Grenze zu flüchten. >Weit davon ist 
gut für den Schufs<i (S. 301). 

Für den Edelmann war immer die Waffenübung geboten gewesen, 
und während des ganzen Mittelalters hatte man ihr schon aus Rück- 
sichten der Notwendigkeit seine ganze Aufmerksamkeit zugewendet 
Sobald eine Anzahl Ritter freundschafüich zusammenkamen, suchte 
man in Waffenspielen seine Kraft zu messen. Auch im 17. Jahrhundert 
wird dem »Reiten, Rossetumblen, Ringelrennen, Turnieren, Quintan- 
stechen« noch eine grofse Bedeutung beigelegt, wenn auch Guarinonius 
ausdrückhch spricht von »Scharpfftumieren, das gleich wol zu denen 
unsern zeiten, Gott lob, abgekommen .... dann wer die darzu gehörigen 
Rüstungen und sonderhch die Turnierstangen, so eines starcken Mannes 
Fufs dicke haben, ansieht, der kan leicht spüren, dafs Mann und Rofe 
zu Grund gehen und der grossen Gefahren erwarten müssen« (S. 1221). 
Die Besprechung von »Wagen- und Karren-, Sänfften-, Sessel-, Schlitten- 
und Schiffahrt« (S. 1223) gibt Guarinonius Gelegenheit, darüber zu 
klagen, dafs Bürger, ja selbst Bauern, statt zu laufen, im Wagen zu 
fahren heben (S. 1247). Auch Fischart weist darauf hin, dafs die Vor- 
hebe für die Wagen das Reiten in den Hintergrund gedrängt habe. 
>Wer weifs, er möcht drob müd sein worden, wie heutimsere Gutschen-^) 
Jungherrn, darüber Max Fucker in sein Buch vom Gestud klaget, dafs 
seidher man auff die Gutschen gefallen, man kein rechte Reut -Pferd 
mehr in Teutschland ziehe. < (Geschichtskhtt. 280.) Diese Vorüebe für 
die Wagen erklärt sich aus dem Umstände, dafs man im 16. Jahrhundert 
gelernt hatte, die Wagenkasten in Riemen zu hängen; dadurch war das 
Stofsen der alten Fuhrwerke einigermafsen gemildert worden. J. Coler 
imterscheidet in seiner Oeconomia ruralis (Frkf. 1591 ff.) B. VII. c. 60, 
»behangene Wagen, die gedackt sein und bedackte Wagen, die nicht 
angehangen sein. Das sind reisenden leuten wol die allernützUchsten, 
den Winter vor schnee und frost, den Sommer vor hitze und regen. 
Darnach sein Kutschen, die man oben zu machen kan, oder offene 
Kutschen, darin man sich überall fein umbsehen kan«. An dem 
Wagen sein Wappen zu haben, war auch dem bürgerhchen Kaufmann 

*) Über das Alter und die Geschichte der Kutschen s. J. Beckmann, Bey träge 
z. Gesch. d. Erfindungen. I. Lpz. 1782. S. 390 ff. — Über die Wagen im M. A. vgl. 
Höf . Leben •! 486 ff. und Deutsches Leben etc. 245 ; besonders die Abb. sind zu be- 
achten. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 



381 



erwünscht. Balthasar Paumgartner läXst sein und seiner Frau Wappen 
von einem Holzbildhauer in Nufsbaumholz schnitzen, mit Gold höhen, 
an den Wagen anschrauben. (Briefw. 1595, 3/IV. S. 257),^) 

Sänften hatte man schon anfangs des 16. Jahrhunderts sehr wohl 
gekannt.^) Sie wurden als Portechaisen aber erst gegen das Ende des 
17. Jahrhunderts, allgemeiner an- 
gewendet, vertraten lange Zeit, 
bis in die ersten Decennien des 
19. Jahrhunderts, die Mietwagen, 
Fiaker und Droschken. 

Auch der Gebrauch des 
SchUttens ist natürHch sehr alt, 
und schon zu Beginn des 16. Jahr- 
hunderts hatte man sich bemüht, 
ihn künstlerisch zu gestalten, 
durch Bildwerke, Bemalung, Ver- 
goldung statthch auszuschmük- 
ken.^) Es sei hier nur auf 
die Schhttensammlung im Baye- 
rischen National-Museum hinge- 
wiesen. Dem braven Guarinonius 
scheint aber das Schlittenfahren 
gar nicht geheuer, weil es da 
seltsame und unzienüiche Ge- 
bräuche gibt, das Schhttenrecht 
geübt wird (S. 1225). Auch ge- 
fällt es ihm nicht, dafs man vor 
Augen das geschnitzte und ge- 
malte SchUttenbild, irgend eine 
halbnackte Göttin darstellend, 
habe und an der Brust xmd in 
den Armen ein lebendiges Frauen- 
zimmer hält (1228). Von Schlitten- 
wetter spricht B. Paumgartner. 
(Briefw. 1591 1/XII. — S. 140.) 

Überhaupt schätzt Guarino- 
nius vor allem die Leibesbewegung 
xmd hält den » faulen Haufsschlentzem, Ofenhütern, Fensterguckem,Mucken- 
brütem, unnutzen Gassen- und Pflastertretern« eine tüchtige Standrede (1242). 

Deshalb tritt er auch für das Spazierengehen ein (S. 1230). Das 
ist schon lange ein Zeitvertreib der Müfsigen. In der Stadt bei seinen 
täghchen Beschäftigungen kam man wohl nur ausnahmsweise zum Lust- 




Portecbaise a. d. NatioDal-Museum zu MüncheD. 



") Abb. von Wagen, gest. von Gerrit Bleecker. Kulturg. Bilderb. V, N. 2387—89. 

•) Michael Ostendorfer, Fürst in einer Rofssenfte reisend. Kulturhist. Bilderb. 
n, N. 998. — Eine Portechaise abg. in Theod. de Bry: Emblemata Secularia (Oppen- 
heim 1611). (Kulturg. Bilderb. HI, N. 1464.) — ») Abb. einer Schlittenfahrt (von H. 
S. Beham?) im Kulturg. Bilderb. I, N. 373—78. — Speculum Comelianum (1618), 45. 



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382 V. Beschäftigang und Unterhaltung. 

wandeln, aber wenn man auf dem Lande war, diente es doch als will- 
kommener Zeitvertreib. Hermann von Weinsberg war 1553 bei Aus- 
bruch der Pest von Köln nach Neufs geflohen. »Uns zitverdreib was 
meistteils: den morgen frühe gingen wir wandern etc.«:^) Von Langen- 
schwalbach schreibt Balth. Paumgartner (1596. 23/IV. — S. 265), dafs 
»es viel und mancherley lustige spazzierweg auf den f eidern, wiesen 
und wäldten, bergen und thalen hatt, wer nuhn gern und weitt spazziern 
gehen magvc.^) 

Von den zahlreichen auf Leibesübung berechneten Spielen haben 
nur die wenigsten den grofsen Krieg überdauert. So trat auch in dieser 
Hinsicht an ein schwächeres Geschlecht die Aufgabe heran, eine Heilung 
der durch den Krieg geschlagenen Wunden herbeizuführen. 

Aufser den Festen, die in der Famihe oder im Kreise der Freunde 
und Bekannten aus allerlei Anlässen veranstaltet wurden, fehlte es der 
bürgerlichen Gesellschaft auch sonst nicht an Zerstreuungen und Belusti- 
gungen aller Art. Zunächst boten die zahlreichen kirchUchen Feiertage 
auch zu mannigfachen Unterhaltungen vielfach Anlafs.^) 

Für die ältere Zeit bieten unsere Quellen allerdings so gut wie gar 
keine Anhaltspimkte, aber da im 16. Jahrhundert, als Seb. Franck sein 
Weltbuch^) abfafste, noch so vielö und eigenartige Feste begangen wurden, 
können wir mit ziemlicher Gewifsheit annehmen, dafs auch die ältere 
Zeit sie wohl gekannt und gefeiert hat. Je weiter ein Volk in seiner 
Entwicklung fortschreitet, desto mehr schwindet die bxmte Mannigfaltig- 
keit der Sitten, die der alten Zeit ein so eigenartiges Gepräge ver- 
liehen hat.*^) 

Zum Neujahr wünscht man sich Glück, hat im 15. Jahrhundert 
auch schon Gratulationskarten, in Holz geschnitten oder in Kupfer ge- 
stochen^); dazu tauscht man Geschenke aus^) und findet Anlafs zu ausge- 
lassenen Scherzen. In Nürnberg veranstaltet man noch gegen Ende des 
18. Jahrhunderts Maskeraden und begeht den Beginn des neuen Jahres 
mit Tanzvergnügungen.^) Handwerksburschen und sonst arme Teufel 
sangen vor den Häusern der Reichen bis in die Nacht hinein und er- 
warteten eine freundliche Gegengabe.^) In Frankreich wird der Narren- 
bischof gewählt, Unfug aller Art getrieben^^) : Narrenfeste, das Fest des 
Esels") u. s. w. 

Buch Weinsberg II. 41. 

") Das Treiben in einer Gartenwirtschaft schildert Jan Steenin dem der Ber- 
liner Gemälde-Galerie angehörigen Bilde. 

') Vgl. Paul Lacroix, Moeurs, usages et costumes au moyen-ftge et ä l'^poqae 
de la renaissance (Paris 1872) S. 542 ff. — P. G. Molmenti, La vie priv^ k Venise 
(Ven. 1882) p 367 ff.; 470 ff. 

*) Tübingen 1533, Fol. la ff. — Seb. Franck benutzt schon des Job. Bohemos 
Aubanus Omnium gentium mores (ich habe nur die Ausg. Lyon 1535 eingesehen.) 

•) Vgl. über diesen Abschnitt mein Deutsches Leben im 14. und 15. Jhdt. Wien, 
Prag, Leipz. 1892. S. 401 ff. — •) Paul Heitz, Neujahrs wünsche des 15. Jahrhunderts. 
Strafsburg 1899. — ») P. P. Lacroix 1. 1. S. 544. — s) Balth. Paumgartner, Briefw. 1588 
l/I. ~ 8. 19. — ») Zimm. Chron. 14, 43. — »») Paul Lacroix, Sciences et Lettres au 
moyen-äge et ä l'epoque de la renaissance. Paris 1877. S. 265. — ") P. Lacroix 
1. ]. S. 266 ff. Vgl. Kurios. IV. 336. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 



383 



In den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und hl. drei Könige 
räuchert man die Häuser zum Schutze gegen böse Geister und Zauberei, 
achtet auf die Witterung jeden Tages, weil in gleicher Weise das Wetter 
der zwölf kommenden Monate sein wird.^) 

Dann koromt der Tag der hl. drei Könige (d. 6. Jan.). Da wird 
eine Bohne oder ein Pfennig in den Kuchenteig geworfen, und wer in 
seinem Kuchenstücke die Bohne resp. den Pfennig findet, wird Bohnen- 
könig. Der König malt mit Kreide ein Kreuz an die Zimmerdecke, 
das als heilbringend gilt und 
sehr in acht genommen wird. 
Das Fest ist besonders am 
Rhein behebt. Esist übrigens 
für denBohnenkönig oder für 
den Verehrer der Dame, die 
das Los getrofEen, eine ziem- 
hch kostspieUge Ehre, da 
sie ein Festmahl und einen 
Tanz zu veranstalten hatten. 
In seinem Kreise wurde 
1552 Hermann von Weins- 
berg König und gab dann 
am 24. Januar sein offi- 
zielles Königsessen. ^) In 
Emmerich feiert Hans von 
Schweinichen 1577 das Fest 
mit'); Joachim von Wedel 
beschreibt in seinem Haus- 
buche (S. 511) das Bohnen- 
fest am pommerischen Hofe 
zu Stettin. Die Hauptsache 
war immer, dafs man sang 
und trank. Das Bohnenlied 
war die Festhymne. Jakob 
Jordaens hat (1593 — 1678) 
mit Vorhebe das Bohnen- 
fest gemalt (Wien, Kassel, 
Braimschweig, Paris, Lille). 

Zu Lichtmefs (d. 2. Febr.) bringt man brennende Lichter in die 
Kirche mit, weiht die Häuser gegen Gespenster, Hagel u. s. w., schreibt 
Segenssprüche an.^) 

Am Sankt Blasientage wählen die Schüler unter sich einen König, 
den, der das schönste Licht hat. 




Neujahrskarte. 



») Vgl. S. Franck, a. a. 0. (Fol. CXXXb.) 

•) Buch Weinsberg H. 1 ; II. 123. 

') Lebensbeschr. 138. 

*) Seb. Franck a. a. 0. Fol. CXXXja. 



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384 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Und nun kon^nt die Fastnacht^) mit ihren Maskeraden^), ihren Ge- 
lagen, ihrer Ausgelassenheit.') Ein Turnier zu Fastnacht veranstaltete 
1532 in Weimar Kurfürst Johann von Sachsen.^) Derselbe Fürst hatte 
schon als Prinz 1518 in Zwickau eine Fastnachtsfeier veranstaltet: Turnier, 
Schauspiel (der Eunuchus des Terenz) und Possenscherze, Maskeraden. 
Auch die Armen wurden mit Spenden bedacht.^) Die Fastnachtsfeier 
in Nürnberg 1588, die durch das sogenannte Schembartlaufen maskierter 
junger Leute, durch Aufzüge u. s. w. einen besonderen Reiz erhielt, hat 
uns ausführhch Ulrich Wirschung beschrieben®); ihm verdanken wir auch 
eine lebendige Schilderung vom Karneval zu Venedig.*^) Hundert Jahre 
etwa später (1694) nahm Prinz Wilhelm von Nassau-Dillenburg an diesen 
venezianischen Festen teil.®) Bei diesen Maskeraden ereigneten sich hin 
und wieder schlimme Unglücksfälle. Es ist bekannt, wie am Hofe Karls VI. 
von Frankreich junge Leute, die sich mit Werg als wilde Männer ver- 
kleidet hatten, Feuer fingen und elend verbrannten. Derselbe Fall ereignete 
sich 1570, als die Grafen von Tübingen, Hohenlohe, Waldeck, Peterlingen 
etc. zu Fastnacht dieselbe Maske wählten. Fünf junge Leute starben an 
den Brandwunden.') Besonders am Rhein ist die Lust am Karneval so 
recht heimisch ^°), allein auch in Tirol") wie in Pommern ^^) und in 
Schlesien ^^), also allgemein im Deutschen Reiche, wurde gerade dies 
Fest vom ganzen Volke, arm und reich, hochgehalten. Im 15. Jahr- 
hundert fanden, ziunal in Nürnberg, die oft recht unsauberen Fastnachts- 
spiele vielen Beifall.") Am Sonntag der Fastnacht ist die Herren-Fast- 
nacht, am nächsten Montag die der Laien. 

Am Rosensonntag (Lätare) tragen in manchen Städten die Buben 
Brezeln an langen Ruten und zwei Puppen, die den Sommer und den 
Winter darstellen. Der Sommer erschlägt den Winter.^*) 

Dann kommt die Zeit der Fasten. Auch da gibt es mancherlei 
Kurzweil. In Ulm ist der Brauch, dafs, wer während der Fastnacht ein 
Haus betritt, ohne zu sagen >ich gehe mit Urlaub aufs imd ein«, gleich- 

^) Joh. Petr. Schmidt, Fastel-Abends - Sammlungen oder GeschichtsmäfBi^ 
Untersuchung der Fastel-Abends-Gebräuche in Mecklenburg .... Rostock 1742. 

') C. H. de Berger, Commentatio de personis vulgo larvis seu mascheris, von 

der Garne vals-Lust. Francof. 1723. b Stiche von J. de Gheyn (ebend. HL N. 

1542—45 : von Crispin de Passe). (Ebend. III. 1432.) — Abb. im Weifskunig. (Kultuig. 
Bilderb.) — Speculum Comelianum (1618) 8. — Stammbuch der jungen Gesellen (1617.) 

s) Kuriositäten II. 469. Über das Schembartlaufen in Nürnberg. Ebend. in. 233. 

*) Kuriositäten 11. 184. Vgl. Fastnacht 1467. Ebend. U. 229. 

*) Kurios. Vn. 188. 

«) Kurios. X. 390. 

') Kurios. X. 531. 

8) Kurios. II. 250. 

») A. a. 0. Fol. CXXXjb. 

»•) Joach. von Wedel, Hausb. 235. 

») In Köln : Zimm. Chron. ni. 236, 237 ff. — Buch Weinsberg 11. 143. — In 
Speier: Zimm. Chr. m. 265. — In Zwickau: 1518. Kurios. Vn. 188 ff. 

") Guarinonius, S. 136. 

") Joach. von Wedel, Hausb. 382. 

") Hans von Schweinichen, S. 52, 255, 256. 

") Vgl. K. Goedeke. GrundriTs «I. 325 ff. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 385 

viel Mann oder Weib gebunden und mit Paukenschall in der Stadt herumge- 
führt wird.^) In Halberstadt bringt man am ersten Tage der Fasten einen Sün- 
der, der dafür später entschädigt wird, in die Kirche, stöfst ihn dann als 
einen Gebannten aus. Nun mufs er bis zum grünen Donnerstage woa die 
Kirche herumgehen. Dann wird er wieder in die Kirchengemeinschaft 
aufgenommen, ist von aller Sünde rein und heifst jetzt Adam.^) Sitte 
war es in Schwaben, aber auch am Rhein und in Franken, am Ascher- 
mittwoch, dafs die Jungfrauen, die im Winter am Tanze teilgenommen 
hatten und ledig geblieben w^aren, von den Burschen' vor einen Pflug 
gespannt wurden und denselben unter Musikbegleitung durch die Donau 
oder einen anderen Flufs oder See ziehen mufsten. In Franken zieht 
man einen angezündeten Pflug, bis er in Trümmer zerfällt. Eine Stroh- 
puppe, die einen toten Mann darstellt, wird auf einem Leinlaken geprellt. 

Das Fest des h. Gregorius (d. 12. März) war besonders für die 
Kinder bestimmt; die Schüler wählten einen Bischof^), der zu predigen 
hatte; dann trieben sie in Masken allerlei Possen."*) 

Um Mittfasten wird der Tod ausgetrieben.^) Ein Wagenrad, mit 
Stroh umwunden, bringt man auf einen Berg und läfst es angezündet 
des Abends hinabrollen. Am Palmsonntag führt man den Palmesel in 
Prozession herum. Drei Tage vor Ostern fängt man an, in der Nacht 
die Matutina zu singen (die Finstermetten, Düstermetten); da wird allerlei 
Scherz und Schabernack getrieben, der Judas mit Lärm totgeschlagen^), 
kurz, es ist eine lustige Feier zum Schlüsse der so traurigen Fastenzeit.*^) 

Am grünen Donnerstage wird das Abendmahl gefeiert ; die Priester 
gehen in der Kirche umher mit Flaschen voll Wein und Oblaten, 
schenken jedermann, auch den schönen Weibern, ein. Fufswaschung 
bei Mönchen und Nonnen. 

Der Karfreitag bringt dann die Grablegung mit allerhand Zere- 
monien.^) »Dieweil au£E den Karfreitag jederman will Fladen und Eyer- 
käfs essen. «^) 

Die Weihe des Taufsteines findet am Ostersamstag statt; in der 
Nacht zum Sonntag wird die Figur des toten Heilandes aus dem Grabe 
genommen. Die Glocken läuten, der Heiland ist erstanden, die Fasten 
sind zu Ende. 

Am Osterfest grofse Kirchenfeier, Weihung der Fladen etc. Die 
FreundiB schicken einander das geweihte Gebäck. Festspiele, Lustbar- 
keiten aller Art, Tanz Vergnügungen.^^ 

') S. Franck a. a. 0. Fol. CXXXja. 

*) Ebend. 

') Dürr, de episcopo puororum: vom Schulbischoff. Mogunt. 1755. — Ludovicl 
Memorabilia Episcopalia Gymnas. Schleusingens. 1703. 

*) Kurios, m. 517 ff. 

») Vgl. Kuriositäten II. 468. 

^ Fischart, Praktik 4: in der Finstermetten, da die Pfaffenkällerin die liecbt* 
auslöschet und man den Judas jaget. 

») Ebend. U. 471. 

•) Kurios, n. 477. — ») Fischart, Praktik (Neudr. 4.) — »°) Ostereier, Osterfladen. 
Kurios, n. 479. Vgl. ebend. 480 über die Feier am Himmelfahrtstage. 

Schnitz, Das häusliche Leben im Mittelalter. 25 



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386 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Zu Pfingsten umreitet man die Äcker. Der Priester, das Sakrament 
in einer Tasche am Halse tragend, segnet die Felder. 

Am 1. Mai pflanzten die jungen Leute ihren Mädchen den Mai- 
baum vor die Tür, was zu vielem Scherze Anlafs gab. Dann kommt 
die Kreuzwoche (nach dem Sonntage Vocem jucunditatis). Da zieht 
man mit Kjeuzen aufs Land zu einer Kirche, bittet um wohlfeile Zeit, 
ifst und trinkt auf den Kirchhöfen. Der Himmelfahrtstag und das Fron- 
leichnamsfest mit seiner grofsen Prozession bieten wieder Anlafs zu Fest- 
hohkeiten. 

Das Fest der Winzer ist der S. Urbanstag (d. 25. Mai). Seheint 
die Sonne, sind alle froh; regnet es, lassen sie ihren Unmut an den 
kleinen Statuetten des h. Papstes aus; denn wie an diesem Tage, wird 
das Wetter den Weinwuchs begünstigen oder schaden.^) 

Am Himmelfahrtstag zieht man in katholischen Kirchen das Bild 
des erstandenen Heilandes vom Altar zum Gewölbe, wirft eine Satans- 
puppe herab, die die Knaben mit Gerten erschlagen ; jedermann ifst an 
dem Tage Geflügel. 

Pfingsten ist das wahre Frühlingsfest 2); der Winter mit all seinen 
Schrecknissen ist jetzt vorbei, und man braucht nicht mehr die Zeit im 
Hause zu verbringen, zu frieren. Da veranstalten auch die Fürsten 
des 12. und 13. Jahrhunderts ihre Hoftage, versammeln ihre Getreuen, 
ihre Lehensmänner, bewirten sie und bereiten ihnen freigebig einige 
schöne Festtage. 

Am Tage des h. Veit (d, 15. Juni) opfert man viele Hühner, da- 
mit der Heihge vor Krämpfen imd Vergiftung schütze; den Kindern 
kauft man kleine Krüge. 

Das Fronleichnamsfest (Donnerstag n. Trinitatis) wurde mit einer Pro- 
zession gefeiert. 1580 fand eine solche grofsartig angelegt in München 
statt; das Programm derselben ist in den Kurios. VII. 429 fE. mitgeteilt.') 

Das Johannisfest bringt die Freudenfeuer. Es war das eine 
ehedem weitverbreitete Sitte, bei frohen Ereignissen seiner Freude 
durch Anzünden mächtiger Feuer, durch Umtanzen derselben Ausdruck 
zu verleihen. So wollten 1518 die Fugger und Höchstetter in Augs- 
burg vor ihren Häusern Feuer abbrennen lassen, doch erklärte der Rat 
das als seine Sache und liefs in den Vorstädten und auf dem Perlach 
selbst solche anzünden. »Es waren vil verborgene bixen darin, die 
schussend im Feuer ab; es kost dannocht vil gelt; es war hüpsch zu- 
gericht.« (Wilh. Rem.) Die Feuerwerkskunst*) hatte im 16. Jahrhundert 
namhafte Fortschritte gemacht. Schon 1617 sah Phihpp Hainhof er in 
Stettin ein Schauspiel »da ihr vier in allerlei Wehren voller Ragetten 

(Vulpius) Kurios. IV. 220. 

") Von der Decke der Kirche schwebte eine lebende Tanbe herab. Kurios. 11. 481. 

«) Vgl. Seb. Franck a. a. 0. Fol. CXXIjb. 

*) Het nieuw tooneel der vuer-werken . . . Amsterd. 1678. — G. Starkey, Pyro- 
technica ofte vuuer-stook-Kunde . . . Uit het Engelsch. door J. van de Velde. Amst 

1687. — D. Manlijn, Pyrotechnia oft konstige vuurwerken Rotterd. 1672. — 

D. Manlijn, Pyrotechnia of meer dan hondertderleyekonstvermakelijcke vuurwerken .... 
Amsterd. 1678. — Vgl. oben S. 365. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 387 

gefocht aus ihren Schuhen Ragetten geflogen« und im Schlofshofe ein 
Feuerwerk mit Raketen, Kanonenschlägen, Feuerrädem (Balt. Stud. II. 
2. S. 32, 33). Phil. HarsdörfEer bemerkt in seinen Gesprächspielen (Sp. VII. 
S. 101): »das Kunstfeuer hat mancherley Gebrauch in den Sinnbildern als 
die Emstkugel, Granaten-Raquet. « 

Am Johannistage brachten die Liebhaber in Frankfurt a.M. ihren Freun- 
dinnen ein Ständchen, sangen ihnen das Lied »Feil rosenblümelein«. 

Der Tag Maria Himmelfahrt (d. 15. Aug.) wird gefeiert, indem man 
allerlei Obst und Kräuter in der Kirche weihen läfst. Die Knaben 
tragen Zweige mit Äpfeln, auf denen Vögel sitzen. Der schönste Junge 
wird König und darf für seine Genossen einen freien Tag vom Schul- 
meister erbitten. 

Bei der Kirchweihe wird tüchtig gegessen und vor allem getrunken, 
die GeistUchen gehen mit gutem Beispiel allen voran. Auch eine Nach- 
kirchweih wird gefeiert. 

Am Tage des h. Martin (d. 11. Nov.) ifst jeder Hausvater mit seinen 
Angehörigen eine Gans; dazu gibt es Wein und Met, Essen, Trinken, 
Singen.^) An manchen Orten wird auch der S. Michaelstag (d. 29. Sept.) 
gefeiert und die Lichtgans verspeist. 

Allerlei Aberglauben wurde am Tage der h. Katharina (d. 25. Nov.) 
imd in der Andreasnacht (d. 29 — 30. Nov.) vorgenommen. Am Andreas- 
abend hatte man einen Bhck in die Zukunft, konnte, wenn man die vor- 
geschriebenen Förmüchkeiten recht erfüllte, den einer jeden bestimmten 
Lebensgefährten erblicken. »Vor jaren der geprauch gewesen,« so heifst 
es in der Zimmerischen Chronik IL 509, »sich uf samt Andreas abendt 
in des selbigen haihgen namen ohne gössen und ohne geredt mit sonder- 
reichen reimen 2) und werten schlaffen zu legen; als dann ist im schlaff 
dem oder der, difs oder jenes, so im hat sollen verheirat werden, eigent- 
lichen erschinen.« 5) Guarinönius (S. 371) tadelt diese alte Sitte sehr 
streng. »Insonderheit aber ist ein Teuflischer Fürwitz der Mädgen oder 
vielmehr der Angsthuren, die das wunder beist, zu wissen, wer ir künff- 
tiger Mann seyn oder wie viele sie deren haben sollen, und defswegen 
(nicht aber allein sie, sondern auch viele ansehentUche Burger- und 
Adels- oder Tadelstöchter) zu besondern zeiten, weifs nit was für Teuf- 
hsche Abenthewr treiben, dadurch sie ihr Seel und Leib in die aller- 
eufserste gefahr wegen eines vergebnen Fürwitzes setzen, der ihnen 
mehrermals nur gar zu früe zeitig und kundbar wirdt. Solches Gottloses 
Wesen können unnd sollen alle ehrhche Hausvätter zu solHchen zeiten 
umb S. Andreae, Thomae und Weynächtzeiten verhüten unnd auff ihr 
Ehehalten sonderhch auff ihre Töchter, so durch die ehrlosen Mägden 
meistens verführt werden, gut aug und acht haben.«: Über hundert 
Jahre später war dieses abergläubische Orakel noch immer beliebt.*) 



Zimm. Chron. DI. 194. 

') Ebend. HI. 511: den reimen gepraucht uf b. Endres abendt. 
") Grimm, Deutsche Sagen* II. 149. 

*) Vgl. m. Alltagsleben einer deutschen Frau z. Anf. d. 18. Jhdts. S. 4 und das 
Frauenzimmerlexikon von 1715, Sp. 63 und dasselbe von 1739, Sp. 59. — Das Bc- 



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388 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Notwendig war es immer, dafs sich das Mädchen nackt auszog. Solch 
ein Andreas- Gebetlein ist in dem PoHtischen und Kurtzweiligen Stock- 
Fisch . . . (Fröhchs-Burg, 1723) S. 106 abgedruckt. Es beginnt: 

Andresgen, Mann Bescherer, 

Du treuer Jungfer (Mägde) Lehrer : 

Hier steh ich splinter nackt: 

Wann wird die Stunde kommen, 

Dafs einer mich genommen, 

Und mein Braut-Bette knackt u. s. w. 
Der S. Niklastag (d. 6. Dez.) bringt wieder den Kindern eine Über- 
raschung. Sie fasten am Vorabend ; dann, wenn sie eingeschlafen sind, legen 
ihnen die Eltern Geschenke in die Schuhe. Die Schüler wählen aus ihrer 
Zahl einen Bischof und zwei Diakone, führen sie in die Kirche, wo 
der Bischof, die Mitra auf dem Haupte, den Gottesdienst leitet. Nach 
dessen Beendigung wird Geld eingesammelt, die Bischofssteuer. 

In den Nächten der drei Donnerstage, die dem Weihnachtsfeste 
vorangehen, singen die Kinder vor den Häusern, künden die Geburt 
des Heilandes an und werden beschenkt,^) 

Am Tage der Geburt Christi (d. 25. Dez.) wird eine Wiege mit dem 
Bilde des Christkindes auf den Altar gesetzt. Kinder mntanzen sie.-) Wie weil 
die Sitte zurückgeht, den Kindern eine Krippe (Praesepe), eine Dar- 
stellung der Geburt Christi imd der Anbetung der Könige aufzubauen, 
ist bisher noch nicht festgestellt worden. Die schönste Sammlung solcher 
Krippen ist dem Nationalmuseum in München durch den Kommerzien- 
rat Schmederer geschenkt worden.^) 

Der Tag Johannis des Evangehsten (d. 27. Dez.) ist wieder von 
Bedeutung: man trinkt S. Johannis Minne oder Segen; die Männer 
trinken, dafs ihre Stärke zunehme, die Frauen, dafs ihre Schönheit 
wachse."*) 

Das Fest der unschuldigen Kindlein (d. 28. Dez.) wird auch in 
einigen Landstrichen der PfeflEertag genannt; da schlagen die Burschen 
die Mädchen mit Ruten, bis sie sich durch Lebkuchen frei kaufen. Noch 
gegen Ende des 16. Jahrhunderts war der Brauch, dafs die Burschen 
die Mädchen, die Hofherren die Hofdamen im Bette zu überraschen 
suchen, ihnen die Decke fortziehen und sie mit Rutenstreichen necken. 
Sie tragen auch kein Bedenken, ihnen, wenn sie schon angezogen sind, 
die Kleider aufzuheben u. s. w. (Guarinonius S. 1257). Im 18. Jahr- 
hundert war diese Sitte noch vielfach im Schwange. Man nannte diesen 

fragen der Zukunft heifst > Lessei« ; die Weiber > lessein«. — Job. Chr. Eberlinus, de 
Omnibus diebus dominicis. Von abergläubiscben Sonntagen. Jenae 1730. — Gol<l- 
schmidt, Höllischer Morpheus, welcher kund wird durch die geschehenen Erscheinungen 
derer Gespenster und Poltergeister, so bishero zum Theil von keinem einzigen Scri- 
benten angeführet. Darauss erwiesen, dafs Gespenster seien etc. Hamb. 1704. 

») Vgl. Seb. Franck a. a. 0. Fol. CXXXb. 

•) (Vulpius) Kuriositäten n. 468; der Tanz hiefs der Pomwitzel-Tanz. 

') Vgl. Georg Hager, Die Weihnachtskrippe. München (c. 1901.) — Georg 
Rietschel, Weihnachten in Kirche, Kunst und Volksleben. (Bielef. u. Leipz. 1902.) 

*) S. Franck, a. a. 0. Fol. CXXXb. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 389 

Scherz KindelD und übte ihn am Aschermittwoch. (Alltagsleben einer 
deutschen Frau etc. 14.) 

In Norddeutschland benutzte man auch die Weihnachtszeit, sich 
an Maskeraden, die sich so grofser Beliebtheit erfreuten, zu ergötzen. 
Die Maskierten hiefsen die Schodüwels. 

Der Kirchweih wurde schon (S. 387) Erwähnung getan.^) 

So war durch die Kirchenfeste, die fast ununterbrochen aufeinander- 
folgten und deren jedes durch eigenartige Gebräuche und Maskeraden 
seinen besonderen Reiz hatte, das ganze Jahr erfüllt. Wir dürfen des- 
halb keineswegs glauben, dafs es den Städtern des ausgehenden Mittel- 
alters an Unterhaltung fehlte. Freilich vor dem 14. Jahrhundert mag 
weder ihnen noch auch dem auf seinen Burgen lebenden Adel \'iel Ver- 
gnügen und Abwechslung beschieden gewesen sein. 

Ein seltenes, aber eben deshalb um so mehr geschätztes Schauspiel 
boten die Einzüge der Fürsten. Schon im 12. und 13. Jahrhundert 2) 
wurden bei solchen Gelegenheiten die Strafsen, die der Zug zu passieren 
hatte, gründhch gesäubert, mit Blumen bestreut, die Häuser mit Wand- 
teppichen dekoriert und in jeder Weise alles würdig für den festUchen 
Empfang vorbereitet. Die Bürgerschaft, jung und alt, zu Fufs und zu 
Pferde, zog dem Herrn entgegen; bei seinem Einzüge wird ein Baldachin, 
dessen Stangen die Vornehmsten tragen, als Sonnenschirm über sein 
Haupt gehalten. Ziemlich ähnlich sind die Einzüge im 14. u. 15. Jahr- 
hundert, die von den Chronisten ausführhch beschrieben werden.^) Die 
Zünfte gehen nun auch dem Fürsten entgegen und nehmen teil an dem 
Einzüge ; selbst die Schulknaben dürfen an diesem Tage der allgemeinen 
Freude nicht von dem Festzuge ausgeschlossen werden."*) 

Künstlerischer gestalteten sich die Feierhchkeiten, seit die itaüenische 
Renaissancebewegung auch diesseits der Alpen nachwirkte. Die Italiener 
hatten schon seit alter Zeit für pomphafte Aufzüge, Trionfi, eine Vor- 
liebe gehabt; es sei nur an die vielen Darstellungen solcher Festprozes- 
sionen, z. B. an den von Andrea Mantegna entworfenen Triumphzug Cäsars, 
erinnert.^) Als Karl der Kühne von Burgund 1468 in Lille einzog, wurde 
ihm zu Ehren ein Schauspiel, das Urteil des Paris, aufgeführt; die Göt- 
tinnen und Paris waren ganz nackt. Schon beim Einzüge in Paris 1461 
war Ludwig XL von drei nackten Mädchen, die wohl die Grazien dar- 
zustellen hatten, begrüfst worden. In Antwerpen wurde der spätere 
Kaiser Karl V. (23. Sept. 1520) mit einem gleichen Schauspiel empfangen. 
Jedenfalls standen die Mädchen aber auf einer Art von Bühne ^); dafs 



*) Unvorgreiffliche Gedanken von denen Kirch- Weyhen, wie sie heut zu Tage an 
den meisten Evangelischen Orten auf dem Lande mit vielem sündlichen, üppigen und 
ärgerlichen Wesen gehalten werden, sogar, dafs man vor den vielen schändlichen Miss- 
bräuchen fast nichts mehr von derselben rechten Absicht und Gebrauchweifs. Ulm 1731. 

«) Höf. Leben «I. 640 ff. 

») Deutsches Leben S. 449 ff. 

*) Ebend. S. 191. 

^) Vgl. auch den Triumphzug des Kaisers Maximilian I. — Kulturg. Bilderb. L 
Nr. 144—287; n. N. 620. 

«) Vgl. den Triumph der Musen. Kulturg. Bilderb. II. N. 745. 



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390 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

sie nackt vor dem Fürsten durch die Strafsen der Stadt einhermarschiert 
sind, wie dies Hans Makart in seinem bekannten Bilde darstellt, davon 
kann gar nicht die Rede sein.^) Als Karl V. (?) 1558 in Prag einzog, 
beteihgte sich die Judenschaft mit ihren Rabbinern, mit der Fahne und 
der Thora.2) 

Der Einzug Karls V. in Aachen am 22. Okt. 1520 und der vom 
Jahre 1530 sind ausführUch beschrieben worden.^) 

Triumphbogen zu errichten, scheint erst in der zweiten Hälfte des 
16. Jahrhunderts aufgekommen zu sein. Zwar hatte schon Kaiser Maxi- 
milian I. eine »Ehrenpforte« durch Albrecht Dürer entwerfen und nach 
den Zeichnungen des Meisters in Holz schneiden lassen^), allein die ina- 
pro visierten Einzugstore, die ja heut noch bei passenden Gelegenheiten 
erbaut werden, scheint man in früherer Zeit noch nicht gekannt zu 
haben. Das Muster boten die erhaltenen römischen Triumphbogen, 
zumal die in Rom noch vorhandenen. Aus Holz gezimmert, mit Lein- 
wand verkleidet, hatten sie nur auf kurze Zeit ihren Dienst zu leisten. 
Die Hauptarbeit fiel dem Maler zu, der die Architektur und die Bild- 
hauerverzierungen wahrheitsgetreu darzustellen hatte. Die in Nürnberg 
1570 bei Gelegenheit des Einzuges von Kaiser Maximihan II. errichtete 
Ehrenpforte hat Jost Amman (Andresen N. 71) radiert. In Breslau malte 
Johann Twenger 1577 den Trimnphbogen für Rudolf II. und veröffent- 
Uchte auch eine Abbildung desselben im Kupferstich (Andresen II. S. 52). 
Ein anderer Breslauer Maler, Georg Hayer (1559 — 1614), hat 1611 die 
Triumphpforte für Kaiser Matthias gemalt^) und gleichfalls später in Kupfer 
radiert. Jedenfalls sind noch mehr solche Abbildungen vorhanden.®) 

Seit dem 17. Jahrhundert stehen die Grundzüge für die Einzugs- 
feiernfest: Ehrenpforten, Glockenläuten, Kanonensalven, und bis auf die 
Gegenwart ist nichts Wesenthches an diesem Programm geändert worden.") 

») (Vulpius), Kuriositäten I. (Weimar 1811) 206. 

•) Ebend. S. 282. 

9) Ebend. X. S. 72 und 508. Vgl. auch Hans Schäuffeleins Triumphzug des 
Kaisers (1537). Kulturg. Bilderb. H. N. 734, 739, 744. — Joh. Nikolaus Hogenberg, 
Einzug des Kaisers Karl V. und des Papstes Clemens YII. in Bologna 1530. (Kultuig. 
Bilderb. I. N. 618—556.) — Einzug in Schwäbisch-Hall. Kurios, ü. 240. — Vgl. Joa. Bo- 
chius, Descriptio publicae gratulationis, spectaculorum et ludorum in adventu Serenisa. 
Principis Emesti Archiducis Austriae. Antw. 1595 m. Kupfertafeln. — Joa. Bochius, 
Historica narratio profectionis et inaugurationis seren. Belgii principum Alberti et Isa- 
bella , Austriae archiducum . . . Antw. 160*2 m. Kupfrn. — Kurtze Relation . . . der 
Rom. Kays. Mayest. Leopoldi zu Nürnberg gehaltenen Einzug, geschehen d. 6. Aug. 
1658. Nttmb. 1658. 

*) Thausmg, Dürer H. 148. — Vgl. Kulturg. Bilderb. H. N. 590—96; 609—613. 

*) A. Schultz, Unters, z. Gesch. der schlesischen Maler (Bresl. 1882) S. 66. 

') Aigentlicher AbrlTs der Ehren-Porten heim Einzug Ferdinands m. in Regens- 
burg den 12. Dec. 1652 (Theatrum Europ.). 

N. Chevalier, histoire de Guillaume III, roy d'Angleterre, par m^allles, inscrip- 
tions, arcs de triomphe... avec des planches grav^es parR. de Hooghe. Amster 
dam 1692. 

Triumphs-Pforte, welche zu Wien von denen Hn. Niederlegem daselbst zum Ein- 
züge und zum Beylager . . . Josephi I. Ao. 1699 erbauet worden. I. Delsenbach sc. 

') Beschreibung defs freudigen eintritte defs Durchl. Fürsten und Herren Friedrich 
Pfaltzgraven etc. in dero Statte Franckenthal geschehen den 4. Junij Anno 1613. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 391 

Seit der Gebrauch des Kaffees sich auch in den mittleren Gesellschafts- 
kreisen eingebürgert hatte (vgl. S. 329), fanden die Frauen an den 
KafEee - Kränzchen Gefallen. Die Frauenzimmer-Lexika von 1715 und 
1739 erklären: »Caffäe-Kräntzgen Ist eine täghche oder wöchentliche 
Zusanamenkunft und Versammlung einiger vertrauter Frauenzimmer, 
welche nach der Reihe hermn gehet, wobey sie mit Caffäe-Trincken und 
L'Ombre-Spiel divertieren xmd ergötzen.« Zu diesen Kränzchen kommen 
noch die :&Caffde-Schwestergen«. »Heissen einige vertraute und gute 
Freundinnen, so täglich auf ein Schälgen CafEäe zusammen kommen und 
sich darbey eine Ergötzung machen.« 

Die Kränzchen sind schon im 16. Jahrhundert nachzuweisen. 
Entweder kamen da Frauen zusammen, afsen und tranken, brachten 



22 Rad. 55 S. Text. Eberh. Kieser, Einzug des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz 
in Prag 1619 (Kulturg. Bilderb. HI. N, 1621). 

Jan Martsen de Jonghe, Einzug der Maria von Medici in Amsterdam 1638. 
(Kulturg. Bilderb. IV. N. 1963-1958.) 

Entr^e du Cardinal-Infant Ferdinand d' Antriebe dans la ville de Gand. 1638. 
43 Grav. — C. Barlaeus, Medicea bospes sive descriptio publicae gratulatiönis, qua 
Reginam Mariam de Medicis excepit Senatus Populusque Amstelodamensis : Amstelod. 
1638. Portr. et 16 doubles plancbes. 

Pompa introitus bonori serenissimi principis Ferdinandi Austriaci, Hispaniorum 
Infantis a. 6. P. Q. Antwerpiensi decreta et adomata a. 1635. Arcus, pegmata 
iconesqui a. P. P. Rubenio inventas comm. illustr. C. Gevaertius. Antw. 1641. 

Vorbildung, was es zur Zeit Königs Jobannes des IV. in Portugal Beruffung und 
Crönung für vier Hanptactus gegeben. 1641 (Tbeatr. Europ.). 

Merian, Wabre Abbildung der kgl. Salbung Ludwigen XIV. . . . gescbeben zu 
Rbeims d. 7. Juni 1654. 

Einzug Kaiser Leopolds I. und des Erzberzogs Leopold Wilbelm zu Frankfurt 1658. 

Einzug des Königs und der Königin von Frankreicb in Paris d. 26. Aug. 1660 
(Tbeatr. Europ.). 

Abbildung, wie die Königin zu Portsmoutb angelangt ist, den 25. Mai 1662. 

Abbildung, wie die Stadt London den König und die Königin in Hampton Court 
komendt nacber Witball auf dem Flusse Tbames begleitet bat, 23. Aug. 1662. 

Krönungs-Actus Wilbelm m. und Mariae in England zu London 21. Apr. 1689. 
(R. de Hoogbe.) 

Kurtzer Beriebt von denen Solemnitäten, welche bey der Krönung des Printzen 
von Wallis vorgegangen, darinnen der Einzug in Paris etc. Müblbausen 1708. 

Merian, Abbildung der prächtigen Crönung Ibro Rom. K. M. Caroli VI. ... zu 
Frankfurt a. M. 22. Dec. 1711. 

G. Cbr. Kriegl, Erb. Huldigung Mariae Tberesiae . . . von den Niederösterr. 
Ständen 22. Nov. 1740. Tit. u. 11 Kupferst. Wien 1740. 

J. H. Ramboffsky. Beschreibung des k. Einzugs, der Erb-Huldigung und der 
Krönung der Kaiserin Maria Theresia in Prag. Titelk. 9 Taf. Imp.-Fol. 6 Taf. Prag 1743. 

Krönungs-Geschichte ... der Elisabeth Petrowna 28. Febr. u. 25. Apr. 1742. 
M. 49 Kupferst S. Petersburg 1745. 

F^tes publiques donn^es par la ville de Paris a l'occasion du mariage de Msgr. 
le Dauphin (avec Marie-Tberfese, Infante d'Eapagne) le 23 et 26 F^vrier 1745. Avec 21. 
plancbes Paris 1745. 

F6te publique donn^e par la ville de Paris ä l'occasion du mariage du Dauphin 
(avec Marie-Josephe de Saxe) le 13 F^vrier 1747 8 plancbes. Paris 1747. 

Representation des Masques, qui ^toient ä la C^Mbration du Mariage du Dauphin. 
Suite de 6 plancbes. Nüremberg. 



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392 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

vielleicht auch ihre Spinnrocken und Spinnräder mit^), oder vertraute 
Freunde mit ihren Frauen und Angehörigen besuchten sich abwechselnd, 
um bei heiterer Unterhaltung gemeinsam der Tafelgenüsse sich zu er- 
freuen. 2) Die erste Gasterei meint Guarinonius (S. 778): »die ander 
Fresserey der Weiber ist fein ordentlich und circularis und fümemblich 
under den Edlem bräuchig, die ihre Mahlzeiten eine nach der andern 
anstellen und die eine der andern den mit verwandten Frafs- und Sauff- 
schwestern zusammen ladet und nach der Abtheilung von einer zu der 
andern kompt, also dafs, wann der Schwestern in einer Zech zwölff 
seyn, ein jede ihren zwölften zu fressen gibt und einmal auff jedes 
Krantzelmahl^ gelangen thut, darmnben auch dise Krantz-Fressereyeii 
oder Krantz-Mahlen genenfit werden.« (Vgl. S. 315). 

Der Name Kränzchen entstand aus der Sitte, nach Beendigung 
des Mahles dem einen Kranz aufzusetzen, der an der Reihe war, das 
nächste Fest zu veranstalten. 

Es wurde bei diesen Gelegenheiten tüchtig gegessen, aller Wahr- 
scheinUchkeit fiach auch getrunken. Hermann von Weinsberg gibt 1557 
ein Abendmahl mit zwei Gängen von je fünf Schüsseln: 1. gebackenen 
Fisch, Hering und Bückling, Rapimzel. — 2. Gebratenen Fisch, zwei 
Schüsseln mit Gallert, zwei mit Krebsen. — Dann Nüsse, Äpfel, Feigen, 
Rosinen. Dies Dessert blieb auf dem Tische stehen. (B.Weinsb. IL 90.) 

Es fehlte nicht an Gelegenheit zu geselUgem Verkehr. Bald wurden 
die Freunde zu einem Mahl gebeten, wenn das Schweinschlachten 
vorüber war^), bald lud einer seine nächsten Angehörigen zum :> kalten 
Braten«, die Überbleibsel eines Festmahls gemeinsam zu verspeisen.*) 

Dafs bei den vielen Gastereien auch mancher sich den Magen verdarb, 
ist sicher. Da mufste nun die Hausfrau eintreten, denn um solche 
Kleinigkeiten schickte man nicht zum Arzte, besonders wenn man ihn 
nicht in der Nähe hatte. Solche kleine Anfälle von Unwohlsein ver- 
stand man mit altbewährten Hausmitteln zu kurieren. Es gab ja noch 
immer genug Krankheiten, für die selbst der Arzt kein Heilmittel wufste, 
so die immer wiederkehrenden Pestepidemien, die Hunderttausende 
dahinrafften, im 15. Jahrhimdert der TaneweczeP), eine Art Influenza, 
1529 der englische Schweifs^); für solche und manche andere Krankheiten 
reichten die Hausmittel nicht aus, die für gewöhnlich genügend waren, 
die ganze Familie und Dienerschaft sowie die Freunde und Angehörigen 
wieder gesund zu machen.'^) 



1) In Köln: Buch Weinsberg 1550 (I. 348); 1551 (I. 356, 360); 1553 (IL 21); 
1557 (U. 90). — In Nürnberg 1591 (B Paumgartn. Briefw. S. 143). 

») Buch Weinsb. 1540 (I. 151); 1550 (I. 338). 

') B. Paumg. Briefw. 1594, 26./VI. : Unser metthausvest hat heut aug ein end, 
bin recht Iro, der sackpfeifen einmal abkumen bin (S. 217). 

*) Ib. 1594, 20./VI. : Als er an donerstag zu nacht nach seiner gastung uns 
wider zum kaltten protten lut (S. 207). — •) Deutsches Leben etc. 618. 

•) Kantzow, Pomm. Chron. S. 176, 177. — A. Sender; die Krankheit daaert in 
Augsburg vom 1. Nov. bis 6. Dec. und rafft täglich Hundert fort. — Buch Weinsbeig. 

^ Colerus-Oeconomia handelt B. XVIII. u. XIX. von Krankheiten und Haus- 
mitteln. — Vgl. Frauenz.-Lex. 1715, 1739 unter Hausmittel. — Frau Magdalene Paum- 



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4. Unterhaitangen. der Bürger. 393 

So waren Pflichten und Arbeiten für die Männer aber auch für 
die Frauen zu erfüllen; es fehlte ihnen aber auch nicht an Erholung 
und Unterhaltung. 

Wenn man dann nach unsern Begriffen sehr zeitig das Bett auf- 
suchte, hatte man das Bewufstsein, den Tag durch pflichttreue Erfüllung 
seiner Obliegenheiten gut verbracht zu haben. »Abends aber soltu 
deine Sachen nach solcher Ordnung richten, dafs du zum spatisten umb 
8. oder 9. Uhr zur rhue gehest, so hastu deine 8. oder 9. Stund zu 
dem genügsamen Schlaff. Im Sommer hastu an 6. oder 7. stunden 
übrig genug. «^) 

Sehr wenig erfahren wir über die Formen des gewöhnlichen Ver- 
kehres. Im 12. und 13. Jahrhundert ist es Sitte, wenn ein Fremder 
das Haus betritt, ihm entgegenzugehen, ihn zu begrüfsen, den Gleich- 
stehenden mit einem Kusse wiUkonamen zu heifsen; kommt jemand in 
das Zimmer, so stehen alle, die in ihm sich aufhalten, auch die Damen, 
vor dem Gaste auf. In England hat die Gewohnheit, den Gast zu küssen, 
noch lange sich erhalten^), wie denn überhaupt die engüschen Damen 
der früheren Zeit in dem Rufe standen, leicht zugänglich zu sein. 

Im 17. Jahrhimdert') reicht man einer französischen Dame nur 
die behandschuhte Hand; es ist auch inmier darauf zu sehen, dafs die 
Hand des Begrüfsten obenauf Hegt. Vornehme Herren küfst man die 
Hand. Wenn man mit einer Dame, ja selbst mit einer Magd spricht, 
so nimmt man den Hut ab. Die grofsen Herren in Frankreich haben 
die Hände auf dem Rücken; gewöhnhch stecken die Franzosen eine 
Hand in die Tasche und halten mit der anderen den Hut. Die Tanz- 
meister schreiben die Stellung der Füfse vor. Trotz ihrer eigenen Höf- 
Uchkeit erscheint ihnen das Komphmentieren der Deutschen lächerhch. 
Der Spiegel ist, wie sie sagen, der treueste Ratgeber der französischen 
Damen; sie vorbringen viel Zeit damit, sich im Spiegel zu betrachten. 
Doch -sind sie viel umgänglicher und gebildeter wie die Männer. Sie 
nehmen sich liebenswürdig der Fremden an, machen sie auf Verstöfse 
gegen die Sitte in freundhchster Weise aufmerksam. Sie singen sehr 
gern und erwarten zum Singen aufgefordert zu werden. Selbst die 
Dienstmägde besuchen, wenn sie eine Stimde übrig haben, die Tanzschule. 

Reisen zum blofsen Vergnügen hat man vor dem 18. Jahrhundert 
schwerlich unternommen. Junge Leute gingen allerdings schon im Mittel- 

gartner kennt viele erprobte Heilmittel: Ehrenpreiswasser, Lavendelzucker, Rosen- 
zucker: (Brief w. 1594, 26./VI.) — Sie verordnet ihrem Manne ein Mittel gegen Ohren- 
schmerzen. (Ebend. 1597, 22./III. — S. 280.) 

») Guarinonius. S. 1298. 

*) Seb. Franck, Weltbuch (1533) fol. LXVIjb: Die gest emfahen sy mit blossem 
haupt, mit geneigtem knie und darzuo mit dem kusfs, wa es gleich ein weih ist, doch 
on alle geylheit. 

') Aus der Vorlesung »Aulicarum atque politicarum rerum observationes« von 
Johann Christoph Wagenseil (1653—1705). (Vulpius) Kuriositäten X (Weimar 1823), 
S. 215 ff. 



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394 ^- Beschäftigung und Unterhaltung. 

alter nach Italien und Prankreich, an den berühmten Universitäten eine 
höhere Bildung zu erwerben, als die Heimat ihnen diese bieten konnte; 
Künstler suchten Italien auf, um die Meisterwerke ihrer grofsen Fach- 
genossen kennen zu lernen ; Kaufleute reisten, wie der so oft schon ge- 
nannte Balthasar Paumgartner aus Nürnberg, nach Lucca oder Florenz, 
dort Seidenwaren zu erwerben, die sie dann auf den deutschen Messen 
mit Vorteil verkauften, und andere Grofshändler kauften andere Luxus- 
waren und Delikatessen für ihre Geschäfte ein; vornehme junge Herren 
suchten in ItaHen und Frankreich den höheren gesellschafüichen SchliflE 
sich anzueignen^): allein zu reisen, blofs um fremde Länder kennen zu 
lernen, zum Vergnügen, das ist, wie gesagt, kaum einem einzigen ein- 
gefallen. Immer war die Reise durch einen gewichtigen Zweck ver- 
anlafst. 

Diese Erscheinung läfst sich durch mancherlei Gründe erklären. 
Die Strafsen waren, wie schon früher ausgeführt wurde, überaus 
schlecht; die Verkehrsmittel liefsen alles zu wünschen übrig; wer noch 
leidlich kräftig imd gesund war, reiste zu Pferde, Männer wie Frauen, 
bei schlechtem Wetter in eine dicke Kappe, später in den weiten Reiter- 
mantel gehüllt, so geschützt gegen Staub, Regen imd Schnee. Kranke 
liefsen sich in Rofsbahren tragen ; alte und schwache Leute mufsten sich 
bequemen, in den primitiven Wagen, die ungefähr unseren Leiterwagen 
an Komfort gleichkamen, die Reise zurückzulegen. Den Wagenkasten in 
Riemen zu hängen, dadurch die Stöfse etwas abzuschwächen, ist den 
Leuten vor dem 16. Jahrhundert kaum eingefallen. Seit der Mitte 
dieses Jahrhunderts hat man sich mit dem Reisewagen mehr befreundet : 
noch immer zieht ein gesunder Mann es vor, zu Rofs seine Reise zurückzu- 
legen, aber Damen und ältere Herren finden doch auch an. den Wagen- 
fahrten, so unbequem sie uns heute auch vorkommen mögen, ihr Gefallen. 

Über die Reisen der Fürsten gibt J. B. von Rohr in seiner Ein- 
leitung zur Zeremonial- Wissenschaft (Berl. 1729) uns interessante Aus- 
kunft. (T. I, Kap. IX.) Aufser der gewöhnüchen Begleitung gehören 
zum Gefolge ein oder mehrere Reiseprediger, Leib-Medicus, Reise- 
Apotheker und Reise-Balbier u. s. w. Bei den Besuchen der Fürsten 
untereinander sind bestimmte Etikette -Vorschriften mafsgebend. (Ebend. 
T. II, Kap. II.) 

Das Gepäck wurde auf Samntiere geladen, später auf Karren, und 
so begann man denn wohlgemut die anstrengende Reise. Proviant für 
die nächsten Bedürfnisse hatte man vorsorgUch eingepackt, auch den wohl- 
gefüllten »Flaschenkeller« nicht vergessen. 2) Im Winter vermummte 

*) Der schon S. 327 genannte schlesische Edelmann Hans IL Pückler von Groditz 
reist 1595 nach Italien, um »Reyten, Fechten, Springen, Tantzen, Vorschneiden und 
die Italienische Sprache« zu lernen. (Ztschr. f. Gesch. u Altth. Schlesiens VI 270. — 
Breslau 1864.) — Wolff Bernhard von Tschimhaus, getreuer Hofmeister auf Academien 
und Reisen. Hannover 1727. Es sind^in dem Buche auch die empfehlenswerten 
Gasthäuser aufgezählt. — Vgl. Gottlieb Günther, Diss. acad. de libris hodoeporicis. 
Lips. 1703. 

«) >Die Flaschen in dem Kheller.« B. Paumgartner Briefw. S. 268—1596, LflX. 
— Bei der Abreise »der Kellermeister (des Herzogs von Pommern) füUete mir den 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 395 

man sich so gut es anging. Als Bartholomäus Sastrow im Jahre 1548 
eine solche Reise antreten mufste, hat er folgende Kleider angelegt 
(II. 97): Auf dem Haupte eine Nachthaube, darüber eine pelzgefütterte 
Hülle, über diese eine mit Leinwand gefütterte Kappe mit einem Nasen- 
schutz, alles festgeknöpft, endUch einen dicken Hut. An den Händen 
Zwimhandschuhe, darüber pelzgefütterte Sämischleder-Handschuhe, end- 
lich grofse Wolfshandschuhe. Am Leibe ein leinenes Hemd, darüber ein 
gestricktes italienisches Hemd, dann eins von rotem enghschen Stoff, 
ein wattiertes Wams, einen gefütterten kurzen Rock, einen Rock mit Wolfs- 
pelz gefüttert. Über den Püfsen und Schenkeln leinene Socken, Leinwand- 
hosen über die Knie, Wanthosen, Strümpfe mit Lammfell gefüttert, 
darüber endlich die Stiefeln. 

Es war gewifs angebracht, dafs man sich mit Lebensmitteln wohl 
versorgte, denn in den Wirtshäusern der Dörfer durfte man kaum er- 
warten, etwas Geniefsbares vorzufinden. Li einem märkischen Kruge 
da gibt es nur schhmmes Bier, schwarzes Brot, Nachtruhe auf der 
Streu. Wer etwas Besseres haben will, mufs es selbst mitbringen.^) 
Auch in den Städten waren die Gasthäuser, wie Erasmus von Rotterdam 
in seiner bekannten Darstellimg sie schildert, keineswegs einladend. In 
Jüterbog soll die beste Herberge in Deutschland sein 2), aber in Neustaedtl 
bei Judenbach ist die Wirtin höchst unmanierlich ') ; andere Wirtshäuser, 
wie z. B. die italienischen, sind voll Ungeziefer.^) Das ist aber noch zu 
ertragen. Dagegen findet Hainhofer bei Judenbach im Thüringer Walde 
ein :^imbewohnet WirthshauTs . . . aus welchem vor der Zait der Wirth 
mit sainer Gesellschaft, um willen sie viel Gäste geplündert und gemordet 
haben, hingericht worden sein«.*) 

Bei seinen Reisen in Holland logiert Hermann Weinsberg, 1569, 
zu Gouda »im Schlüssel«, im Haag »zur Borg», zu Utrecht »in der 
HuDik«, d. h. in der Holke (einem Lastschiff), zu Xanten )^im Schwan«, 
zu Neufs in der »Clevischen Herberge«. Dann ist er in Utrecht 
in den »Drei goldnen Heringen« ; in Amsterdam wählt er den »goldnen 
Stern«, in Deventer den »blauen Engel«, in Emmerich den »Hirsch«. 
Früher, 1531, hat er in Emmerich im Wirtshaus »zum Engel in der 
Steinstrafsen« gewohnt und zu Neufs im »Löwen«. In Augsburg ist das 
Wirtshaus zum »Lindenmayer« teuer, aber gut^), in Frankfurt a. M. der 
»Nörmperger Hof«'') und »bey dem wyrtt zum Krachbaum«®). 

Keller auf der Kutschen mit Petereinen (spanischem Wein) ein und der Kuchinmeister 
richtete die kalte Kuchin zue«. (Phil. Hainhofer, Reisetageb. 1617. — Balt. Studien 
n. 2. S. 111.) 

») Phil. Hainhofer, Reisetageb. 1617. — Balt. Stud. U. 2. S. 17. 

«) Ebend. S. 10. 

') Ebend. S. 5: Dise Wirthin führt »sine respectio personarum den Priapum 
im Mund.c 

*) B. Paumg. Briefw. (1584, 9,/Vn. S. 43) : nun damitt ich ab den losen welschen 
wj^tshäusem, inn denen alle bett voller wantzen seind, khome. 

») A. a. O. S. 5. 

^ B. Paumg. Briefrv'. S. 227, 243. 

») Ebend. S. 180. 

«) Ebend. S. 187. 



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396 V. Beschäftigung und Unterhaltung. 

Phil. Hainhofer wohnt in Neu-Dresden im »goldenen Löwen« ^), zu 
Saalfeld im »Mondschein«^), zu Nürtiberg in der »goldenen Gans«.') 

Münchens bestes Gasthaus ist der »Straufs«.*) In Besan9on wird 
das »Hotel h porte-enseigne«^) und »zur Krone«®) gelobt, in Baden-Baden 
das »zum goldenen Engel« ^), in Wildbad »zum kühlen Brunnen«.*) 

Wenn wir Guarinonius, unserm so oft als zuverlässig befundenen 
Gewährsmann, glauben dürfen, waren die deutschen Wirtshäuser noch 
gegen Ende des 16. Jahrhunderts in einem höchst elenden Zustande. (Vgl. 
oben S. 98.) Ins Gewicht fällt, dafs er nicht in einem weltabgelegenen 
Orte wohnt, sondern in Hall an der verkehrsreichen Brennerstrafse. 

Begüterte Reisende konnten sich gegen einige der ärgsten Unbe- 
quemlichkeiten wohl schützen, indem sie Reisebetten samt ihren eigenen 
Kissen und Bezügen mit sich führten. Solch ein Bett nach italienischer 
Art gefertigt, das man, auseinandergenommen, in eine Truhe verpacken 
konnte, wird S. 271 in Paumgartners Briefwechsel erwähnt (1596 Sept.). 

Schlimm aber war es, wenn man auf dem Wege von der Nacht 
überrascht in einem kleinen, abgelegenen Wirtshause Unterkunft suchen 
mufste. Vielfach wird uns da von Raub und Mord berichtet. 

Die Strafsen selbst waren imsicher. Schon während des ganzen 
Mittelalters mufste man, zumal wenn der Weg durch tiefe, dunkle Wälder 
führte, eines Raubanfalles gewärtig, gegen ihn gerüstet sein. Verwegenes 
Gesindel lauerte den Reisenden, den Warenzügen auf, plünderte sie aus 
und war zu jeder Mordtat bereit, sobald sie für die Sicherheit der Bande 
nötig erschien. Mit diesem Räubergesindel konkurrieren nun die adUgen 
Strauchdiebe, die trotz aller Strafen, Hinrichtungen, Zerstörungen der 
Burgen doch noch bis tief in das 16. Jahrhimdert ihr Gewerbe treiben, 
raubend, stehlend, Gefangene bis nach Erlegung eines ansehnlichen Löse- 
geldes in Gewahrsam haltend.^) 

Im 16. Jahrhundert imd in der Folgezeit spielen neben den Va- 
ganten aller Art besonders die abgedankten Soldaten, die gartenden 
Knechte, eine grofse und gefährliche Rolle. Sie durchziehen allein 
oder in Haufen das Land, betteln, nehmen im Notfall mit Gewalt, sind 
auch bereit, als Strafsenräuber den Reisenden aufzvdauem. Die Not, die 
diese verwegenen Gesellen über das Land brachten, veranlafste zwar 
viele obrigkeitUche Verordnungen, liefs sich aber nicht so leicht besei- 
tigen. Nach dem Dreifsigjährigen Kriege wuchs die Zahl der brotlosen 
Soldaten ins Ungeheure. Wie noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts 
eine grofse Menge von Räuberbanden ihr Wesen trieben, das ist ja 
jedermann bekannt. 

>) A. a. 0. S. 128. 

«) A. a. 0. S. 152. 

») A. a. 0. S. 154. 

*) Gaarinonius. 8. 843. 

*) Lucas Geizkofler. S. 79. 

•) Ebend. S. 139. 

^ Ebend. S. 104. 

«) Ebend. S. 106. 

») Höf. Leben »I. 512 ff. — Deutsches Leben etc. 229 ff. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 397 

Mit diesen Strolchen, die bei Gelegenheit auch raubten und mor- 
deten, sind nahe verwandt die Landstreicher (Vaganten) und Bettler, die 
schon im 15. Jahrhimdert eine Landplage waren.^) Sie hatten ihre ver- 
schiedenen Speziahtäten, wie das in dem Liber Vagatorum zu lesen ist, 
ihren Gaunerdialekt u. s. w. Auch diese Banden sind noch bis in das 
18. Jahrhundert wohl nachzuweisen, erst mit dem Erstarken der Sicher- 
heitspoüzei mehr verschwunden oder weniger sichtbar geworden. Die 
Menge der Vaganten stellt den Räuberbanden immer ein brauchbares 
Material.^) 

Die Räuber der alten Zeit haben ihr Handwerk im grofsen Stile 
betrieben. Die Bande, die 1519 in Stettin gerichtet wurde, hatte aufser 
zahlreichen Kirchendiebstählen auch viele Morde auf dem Gewissen: 

3 Mönche, 3 Knechte, 12 Männer, 8 Weiber, 5 Jimgfrauen, 3 Priester, 

4 Schüler, 27 Juden (also 55 Menschen) waren ihnen zum Opfer ge- 
fallen, aufserdem hatten 7 Weiber und 4 Kinder bei den von ihnen 
angelegten Bränden den Tod gefimden.') 1580, am 17. Juni, wurde 
gerädert Christoph Grippertenius, der aufser seinen 6 Kindern noch 
964 Menschen umgebracht haben soll.'*) Diese Sache machte imgeheures 
Aufsehen, und noch viele Jahre später erzählen dieUnterhaltxmgsbücher' 
von seinen Verbrechen, seiner qualvollen Hinrichtung (er soll noch 
9 Tage auf dem Rade gelebt haben.^) Peter Niers, der am 16. Sept. 
hingerichtet wurde, hat allerdings nur 544 Personen ermordet, unter 
diesen aber 24 schwangere Frauen, denen er ihre Leibesfrucht der 
Zauberei halber ausgeschnitten.^) 1616 fand in Öls die Exekution des 
Mörders Michael Moises aus Zeitz statt ; er wurde mit glühenden Zangen 
gezwickt und lebendig gevierteilt; 1643 büfste in Prag ein Mörder mit 
dem Leben, der auch 5 schwangere Frauen getötet hatte; im Januar 
1654 ist dann in Öls der Melchior HedlofE, genannt Schütze - Melcher, 
der 251 Mordtaten uncj viele schwere Verbrechen auf dem Gewissen 
hatte, gerichtet worden.'^) 1655 hat man zu Mastricht den »Strassen- 

») Ebend. 222 ff. 

') Ägidius Henningius, Mischmasch etc. Frkf. a. M. 1665. S. 56 — 81. — Eulen- 
spiegelischer Mercurius, Freyburg 1717 S. 292: Es bestehet aber diser (Bettler-) Orden 
in losen faulen Buben und Haluncken, starken unverschämten Land-Fahrem, Schwänder- 
Brtider, Catharina- und Margare ten-Krämmem, Luykerwahlen , Savoyarden, Jacobs- 
Brüdem, Romfärthem, fahrenden Schülern, abgedanckten Soldaten, vertriebenen, aus- 
gemergelten Huren, Beutelschneidem, Schelmen und Dieben, auch wohl vagirenden 
schwärmenden Pfaffen .... (293) Derowegen soll ein Reisender allezeit 
dahin trachten, wie er in einer Stadt, einem Marckt-Flecken oder 
wenigstens in einem grossenDorff sein Nacht-Lager haben möge und 
immer nach wol-practicirten Wirths-Häusern fragen. 

') Joachim von Wedel, Hausb. S. 56. 

*) Ebend. 

*) Martin Zeiller^ Hdb. I. 509 (Ulm 1655) nennt ihn Christmann Gropperunge von 
Kerpen. — Job. Jos. Pock, Alvearium curiosarum scientiarum (Augsb. 1710) S. 338 
berichtet, dafs die Hinrichtung des Chr. Guipperdinga aus Luxemburg am 17. Juni 1581 
in Burgkessel bei Köln stattfand. 

•) Joach. von Wedel, Hausb. 283. — Die Hinrichtung beschreibt der Verfasser 
des Exilium Melancholiae (Strafsb. 1643) S. 597. Über Räuber um 1600 vgl. Joach. 
V. Wedel, Hausb. S. 404. — ») M. Zeiller, Hdb. 1. 508. 



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398 ^'* Beschäftigung und Unterhaltung. 

Räuber und Post- Absetzer Andreas, der Antichrist genannt«, gehängt.^) 
Den Strafsenräubern von Beruf machten nebenher auch die Gelegenheits- 
verbrecher, wie die Holzknechte in den böhmischen Wäldern, Konkurrenz.^) 

Während die Räuberplage ^) in Deutschland bis in das 19. Jahr- 
hundert fortlebte — Schinderhannes und seine Bande ist erst im No- 
vember 1803 guillotiniert worden — , scheint der Unfug der Raubritter 
schon im 16. Jahrhimdert sein Ende gefunden zu haben. Zwar »ward 
(1508) einer vom Adel (in Schlesien) wegen Rauberey in Stiefel und 
Sporn an hechten Galgen gehenckt«*), allein das Unwesen war schon 
nicht mehr allgemein verbreitet. In Pommern aber trieben sie es noch 
1519 gar arg. »Die vornehmsten capitains seind gewesen zwo Put- 
kammer, die sich der eine hertzog LoUe, der andere hertzog Boerevith 
genannt. Thomas Bars ist ihr pabst gewesen, N. Podewils Priester 
Johann, denn sie jeder ihre besondere zunahmen und abzeichen gehabt 
Mehr seind in dieser compagnie nicht die geringsten gewesen Michael 
Kanitz, David und Henning die Manteuffel, drei Loden, 
etiiche Goltzen, Ubesken, Manfratz imd andere«.^) Die Unsicher- 
heit im Lande war aufs höchste gestiegen, »denn das gesindlein alhie 
zu lande also zugewachsen, dafs auch die Fürsten ohn Kriegsstaffierung 
in ihrem eigenen lande nicht sicher reisen könnenc.«) Erst 1531 rafiFte 
man sich zu energischeren Schritten auf; die Schlösser der Manteuffel 
wurden erstürmt und geschleift, die beiden Häupter Michael imd David 
gefangen und hingerichtet.^) 

Die Plage der Raubritter war mehr eine lokale, auf bestimmte 
Handelsstrafsen beschränkte, das Räuberimwesen jedoch grassierte aller- 
orten. Auch das für schweres Geld von den Landesherren zum Schutze 
der Reisenden erkaufte Geleit war nicht in allen Fällen ausreichend. 

Die kleinen UnannehmUchkeiten, die mit den Reisen in älterer Zeit 
nun einmal verbunden waren, von den Weg- und Brückenzöllen an, 
den Versteuerimgen, sobald man aus einem Landesgebiet ins andre kam, 
u. s. w. fielen gegen jene Übelstände gehalten, nicht besonders ins Gewicht. 

Wer eine Reise unternahm, der wuTste, welchen Gefahren, welchen 
VerdriefsUchkeiten er entgegenging. Selbst die Länge der Dauer mufste 
er in Anschlag bringen. Als Phiüpp Hainhof er 1617 den pommerschen 
Herzog besuchte, reiste er aus Augsburg am 3. August und war am 
24. in Stettin; zur Rückreise brauchte er einen vollen Monat (vom 
2. Okt. bis 2. Nov.). Höchstens um seine Gesimdheit durch eine Bade- 
reise zu kräftigen, konnte einer es über sich gewinnen, allen den un- 
ausbleibhchen Strapazen imd Ärgernissen zu trotzen; zum blofsen Ver- 
gnügen hat es gewifs keiner getan. 

») Ebend. in. 303. 
«) S. oben 376. 

') Lips Tullian, des bekannten Diebes, Mörders und Räubers . . . Leben und 
Übelthaten . . . (geköpft 8. März 1715) o. 0. 1726. 
*) Nik. Pol. Hemerol. Sept. 18, 
*) Joach. V. Wedel, Hausbuch. 60. 
•) Joach. V. Wedel, Hausb. S. 108. 
^ Ebend. S. 109. 



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4. Unterhaltungen der Bürger. 399 

Die Heilkraft der Bäder von PfäfEers (Ragaz) und Gastein, von 
Wildbad, Baden in der Schweiz, Karlsbad u. s. w. war schon im Mittel- 
alter hoch berühmt.^) Balth. Paumgartner besucht 1591 Karlsbad (Carols- 
bad^), 1596 Langenschwalbach.^) Lukas Geizkofler weifs besonders Wild- 
bad zu loben. Die Stadt besteht aus 12 grofsen Gasthäusern, in denen 
die Verpflegung gut und preiswert ist, da der Herzog von Württemberg 
und die Stadtobrigkeit den Preis jedes Gerichtes bestimmt haben. Grofse 
Herren brachten einen ansehnlichen Hofstaat mit sich. Schon 1539 
hatte Ludwig, Herzog von Ober- und Niederbayem, Gastein aufgesucht; 
doch ist von seinem Gefolge nichts bekannt. Als jedoch der Erzbischof 
von Salzburg, Wolf Dietrich, Graf von Raitenau, 1591 die Kur in Gastein 
brauchte, waren 50 Leibschützen zu seiner Bewachung bestimmt; der 
ganze Trofs bestand aus 240 Personen.*) 1705 besuchte der Kurfürst 
von Sachsen und König von Polen, Friedrich August I., Karlsbad mit 
einem grofsen Gefolge von Soldaten, 668 Mann.^) 

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist der Einflufs der 
französischen Sitten über ganz Europa verbreitet, zumal bei den deutschen 
Schriftstellern jener Zeit findet man sehr häufig Klagen über die fran- 
zösischen Sitten und Gewohnheiten, die auch in Deutschland so bereit- 
willig nachgeahmt wurden. Es ist dies eine so bekannte Tatsache, dafs 
Beweise beizubringen kaum noch vonnöten ist, doch mögen einige 
Äufserungen weniger bekannter Schriftsteller angeführt werden. Agi- 
dius Henningius veröffentüchte 1655 in Frankfurt a. M. ein Buch :> Misch- 
masch oder Natürliche, Geisthche, Sittiiche, Weltiiche, EmstUche, Kurtz- 
weiüge, Weise, PlötzUche Einfälle und Betrachtungen«. Da sagt S. 230 
der Verfasser: »Was ist nicht Frantzösisch aller Orten I So weit haben 
wirs gebracht, dafs wir Frantzösische Köche, Frantzösische Trachten, 
Frantzösische Barte, Frantzösische Täntze, Frantzösische Geberden, Frant- 
zösische Huren und Frantzosen gar an und in dem Leib haben u. s. w.« 
In den wohl aus dem Italienischen übersetzten Galanten Nacht-Gesprächen 
(Dresden 1685) aber wird die Freiheit im Benehmen der Franzosen der 
Würde der spanischen Hofleute gegenübergestellt (S. 237), anerkannt, 
dafs die Itahener alles, was sie »Gutes haben in den Kleidungen, Gast- 
mahlen, Freudenfesten, in den Waffen und allem andern, einem Hof- 
mann zukommenden Stücken« den Franzosen verdanken (S. 279), allein 
der Verfasser meint doch, dafs die »EmsthafEtigkeit« der Spanier mehr 



») Deutsches Leben im 14. u. 15. Jhdt. S. 237. 

«) Briefw. 114—116. 

•) Briefw. 216. 
. ^ Kurios. IX. 421 fE. 

Ansicht von Karlsbad gest. v. Frater Henricus (Kulturg. Bilderb. IV. N. 2220) ; — 
Bader von Homhausen 1646, gest. v. Valentin Wagner (ebend. IV. N. 2217), — Bad 
Ems, gest. von Caspar Merian (ebend. IV. N. 2056) ; — Aldert van Everdingen, Mineral- 
brunnen (ebend. V. N. 2304—2307). 

*) Kurios, m. 542. — Vgl. F. Blondel , Ausführliche Erklärung Vnd augen- 
scheinliche Wunderwirckung Deren Heylsamen Badt- und Trinckwässeren zu Aach. . . . 
Aachen 1688. 



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400 



V. Beschäftigung und TJnterhÄltung. 



für die Italiener passe, »als der Frantzosen Springen, Singen und die 
fast in allen Sachen, in allen Verrichtungen und Geberden befindliche 
hurtige Lebhafftigkeit«. Versuchen es die ItaUener — und auch die 
Deutschen — es ihnen nachzumachen, so werden sie »nichts anders 
thun, als im Reden mit dem KopfE hin und her fahren imd mit grossem 
Übelstand eine Reverentz überzwerg machen, und wenn sie in der Stadt 

spazieren, so laufen sie so 

geschwind, dafs ihnen die La- 
queyen nicht folgen können ^ 
u. s. w. (S. 280.) 

5. Unterhaltung der Bauern. 

So ganz freudenleer war 
auch das Leben der Bauern 
nicht. Gewifs, sie hatten hart 
zu arbeiten, imd wenig ge- 
nug k«un ihnen von all den 
Mühen und Anstrengungen 
zugute, aber an Feiertagen 
erfreuten sie sich auf dem 
Dorfanger mit Spielen aUer 
Art. besonders mit Ballspie- 
len ^), ja man erzählte sich, dafs 
sie selbst Bauemturniere ver- 
anstaltet haben. (S. o. S. 348 
Anm. 4.) Essen und Trinken 
spielt natürUch bei ihnen eine 
sehr grofse Rolle ; sie sind bald 
geneigt, zu viel des Guten zu 
tun.2) Dann endete ein solches 
Bauernfest mit einer regel- 
rechten Rauferei, bei der es 
Verwundete, oft auch Tote 
gab. Eine besondere Freude 
bereitete ihnen der Tanz, bei 
dem es gerade nicht allzu züchtig zuging: die Mädchen wurden hoch 
geschwenkt oder man stellte ihnen ein Bein, jedenfalls war es auf eine 
Entblöfsung abgesehen, die aber allen Teilnehmern grofse Freude bereitete.') 
Anmutig sehen die Tänzer nicht gerade aus, die Albrecht Dürer*), Hans 
Sebald Beham^), Jost Anrnian^) uns darstellen, so wenig wie die tanzenden 
Bauern des älteren Pieter Brueghel, des Adrian von Ostade oder des 

») Höf . Leben «I. 541 ff. 

») Daniel Hopf er. — Kulturg. Bilderb. I. N. 303—304. 

') Deutsches Leben etc. 492. 

*) Kulturg Büderb. L N. 51. 

») Ebend. n. N. 898-903; 906—914. 

•) Ebend. III. N. 1287. 1288. 




Albrecht Dürer, Tanzendes Bauempaar. 



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6. Unterhaltung der Baaem. 



401 



David Teniers d. J., aber sie sind ganz von der Freude über ihre 
bescheidene Lustbarkeit erfüllt. Was beim Tanze sich angeknüpft, wurde 
dann in den winterüchen Spinnstuben weitergesponnen. Besonders 
züchtig mochte es nicht sein, aber es hat den Bauern, Burschen wie 
Mädchen, viel Freude bereitet. Auch an den Kirchenfesten nahmen die 
Bauern eifrigst Anteil (s. o. S. 385); die Hauptsache ist wieder der Tanz.^) 
Vor allem der Hahnentanz erfreute sich grofser BeUebtheit: der Tänzer, 
der besonders geschickt beim Tanze ein Glas oder sonst irgend etwas 
auf dem Kopfe balanciert hatte, bekam als Preis einen Hahn.^) 

Auch sonst fehlte es nicht an Vergnügen. Das Topfschlagen, das 
Hahnschlagen ist gewifs seit Jahrhunderten im Brauche gewesen. Hans 
Bol hat uns das Gänsefest geschildert*): über einen Flufs ist ein Seil 
gespannt, an dem eine Gans hängt. Es kommt nun darauf an, dafs der 
Bursche im Kahn sich ihrer bemächtigt, ohne wie die meisten ins 
Wasser zu fallen und des Preises verlustig zu gehen. Solche Volks- 
belustigungen hat es zahllose gegeben, und dafs sie nicht alle Tage, 
sondern nur selten gefeiert wurden, erhöhte ihren Wert noch ganz 
erhebüch. Die Bilder des Pieter Brueghel d. Ä. (1525—1569), des 
Bauembrueghel, und des jün- 
geren Meisters gleichen Na- 
mens (1564—1637), desHöllen- 
brueghels, dürften da für die 
niederländischen Verhältnisse 
besonders in Betracht zu ziehen 
sein. 



10. 



*) S. die Klirchweih in Mögel- 
dorf. Kulturg. Bilderb. L N. 321 
biß 326. — Pieter Breughel d. Ä., 
Kirmefs in d. Kais. Galerie zu Wien. 

') Deutsches Leben etc. S. 495. 

») Kulturg. BUderb. III. 1295. 
(S. o. S. 358.) 




Hans SebalduB Beham, Tanzende Bauernpaare. 



Schultz, Das häualicbe Leben im Mittelalter. 



26 



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VI. 



Tod und Begräbnis. 



26* 



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Einleitung. 



Die Wahrscheinlichkeit, 'ein hohes Alter zu erreichen, war im Mittel- 
alter überaus gering. Abgesehen davon, dafs Zahllose den Epidemien, 
der Pest zum Opfer fielen^), haben sie sich auch fast ausnahmslos während 
ihres Lebens arg mühen imd plagen müssen, und die Ärzte vermochten 
es nicht, gegen schwerere Krankheiten erfolgreich anzukämpfen. Noch 
im 16. Jahrhimdert ist das höchste Alter durchschnitthch fünfzig Jahre. 
Guarinonius , der Arzt , hebt es als etwas ganz Besonderes hervor, 
dafs seine »Patavinische Praeceptores beedsamb au£E ein hohes Alter, 
über die 50 hinaus, gelebt« (S. 577). Die Kindersterblichkeit war grofs, 
und von der Unmasse von Kindern, mit denen die Ehen gesegnet waren, 
bUeb nur ein geringer Teil länger am Leben. Natürlich hat es Aus- 
nahmen gegeben, aber die waren sehr selten und wurden deshalb auch 
vielfach bemerkt. Als 1566 Graf Wilhelm Werner von Zimmern 81 Jahre 
alt stirbt, bemerkt der Chronist (IV. 197): »Mag iren wenigen gedeihen 
und kan im der .almechtig sein leben noch lang fristen, also, das er uf 
dizmal der eltest unter allen graven und herren deutscher nation wurt 
gerechnet.« Auch die Frau von Dalberg, die als eine uralte Ahnfrau 
von der Zimmerischen Chronik geschildert wird, ist vielleicht etwas über 
85 Jahre alt gewesen. :&Wie man spricht von ainer alten Frawen, des 
geschlechts der Cammerer von Dalburg, die auf ein soUichs geruigs 
grofs alter komen, das sie zu irer leibhchen Dochter nachvolgende werte 
gesprochen: ,Dochter, sag deiner Dochter, ir dochter dochter kinde das 
weine*, das ist bis in den fünften Grad gewesen.« Gesetzt, die Frau von 
Dalberg hat, was ja damals ganz allgemein bräuchUch war, mit 16 Jahren 
geheiratet, mit 17 Jahren ihre älteste Tochter geboren, und ihre Tochter 
wie die Enkelin und die Ur- und Ururenkelin habe das gleiche getan, 
so war sie etwa 85 Jahre alt, als sie eine Ur-Ururenkelin noch weinen 
hörte. Sie kann aber auch viel jünger geheiratet haben, und dann würden 
sich die Jahre ihres Alters erhebhch reduzieren. Die deutschen Kaiser 



*) Vgl. Alfred Franklin, La vie priv^e d'autrefois : Les m^decins (Paris 1892), 
Les m^dicaments (Paris 1891), Variötös Chirurgieales (Paris 1894). — Les apothicaires 
et les mödicaments (Paris 1892), Les chirurgiens (Paris 1893). 



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406 VI. Tod und Begräbnis. 

werden im 16. Jahrhundert durchschnittlich gegen 60 Jahre alt, die 
französischen Könige 39, die engUschen etwa 47^2» während im siebzehnten 
Jahrhundert für alle 57, 58, 56 Jahre angenommen werden kann. 

Die Krankheiten, zumal die Pestepidemien, rafften Tausende in 
kurzer Zeit fort, andere fanden in den Kriegen ihren Tod, allein es 
dauerte sehr lange, ehe die Menschen in Europa sich mit dem Gedanken 
befreundeten, ihren Leiden und Gebrechen durch den Selbstmord ein 
Ende zu machen. Im Mittelalter scheint diese Sitte noch gänzlich un- 
bekannt; sie läfst sich für Deutschland, soweit ich dies feststellen kann, 
erst seit dem Anfang des 16. Jahrhimderts nachweisen. Man könnte 
annehmen, dafs mit dem Humanismus auch die Wertschätzung des von 
den Alten so bewunderten Selbstmordes in den Kreisen der Gebildeten 
Eingang gefunden habe; indessen sind es meist arme Leute, die, von 
der höheren Schulbildung ganz unberührt, aus Not ihrem Leben ein 
Ende machen. Aus Augsburg erzählt da der Fortsetzer des Chronisten 
Hektor MüHch, dafs 1506 ein Weber sich die Gurgel abschneidet und 
1508 gleichfalls ein Weber sich ertränkt; in diesem Falle ist eine un- 
glückhche Ehe der Grund. 1506 erhängt sich in Augsburg ein 14 jähriger 
Knabe. ^) Häufiger sind die Selbstmorde 1534: da erhängt sich ein Mann 
aus Not; eine arme Frau springt in den Lech, weil ihr Mann 2 fl. ver- 
spielt hat; eine Magd erhängt sich aus Kummer über verratene Liebe; 
ein Weber erhängt aus Not zwei Kinder, wird mit Gewalt daran ge- 
hindert, seine Frau imd noch zwei Kinder aufzuhängen.^ In Breslau 
1513 >Erhieng sich ein armes Weib sampt ihren zweyen Kindern aus 
Armut und Hungersnot : Weil die gewöhnUche Müncze verruffen und sie 
nur verboten Geld gehabt, darumb sie sich nichts keuffen konte«,') In 
Dresden erhing sich 1553 am 11. Oktober ein Schneider aus Furcht, 
weil er der Frau eines vornehmen Herrn Gewalt angetan hatte*) u. s. w. 
Selten sind es gebildete Leute, die ihrem Leben gewaltsam ein Ende machen. 

So erhängt sich aus Furcht vor Strafe 1502 in Wien Johann 
Waldner, Kanzler Friedrichs III. imd MaximiUans^), und in Augsburg 
1527 :^Doctor Weysierer, ain gelerter, wol beredtermann, ist vor etlicher 
zeit Kaiser Maxiinilians Fiskal gewesen«, »vor groser arenmut wegen ist 
er verzweifelt« und hat sich in seiner Kammer auf gehenkt. *) In Dresden 
ersticht sich 1580 einer von der Rentkammer, "^j 

Die Obrigkeiten suchten diesem Übel dadurch entgegenzuarbeiten, 
dafs sie dem Selbstmörder ein ehrliches Begräbnis versagten, seine Leiche 
am Rabenstein vom Henker einscharren liefsen.®) Von dem oben ge- 
nannten Dr. Weysierer erzählt der Chronist »den hat der hencker in 
ainem vas in den Lech geworfen«. 

') Clemens Sender. 

*) Ebend. 

^ Nie. Pol, Hemerol. Jan. 3. 

*) Wenck, Dresden. 541. 

») Forts, d. Chron. d. Hektor Mülich. 

*) Clemens Sender. 

») Wenck, Dresden. 542. 

«) Ebend. 541, r>4i\ 



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Einleitung. 407 

Immerhin kam der Selbstmord nur sehr selten vor ; die Chronisten 
würden sicherlich die Fälle nicht aufgezeichnet haben, wenn sie täglich 
sich ereigneten. 

Wer etwas zu vererben hatte, verfügte über sein Hab und Gut, 
traf Bestimmungen über seine Bestattung u. s. w. Diese Testamente 
wurden bei dem städtischen Gerichte hinterlegt, nach dem Tode des 
Testators eröffnet imd sodann, wie z. B. in Breslau, in besondere Libri 
Testamentorum eingetragen. Für die Sittengeschichte haben diese letzt- 
wilHgen Verfügungen oft eine grofse Bedeutung. 

Mit den Ti'östungen der Religion, seit dem 16. Jahrhundert je 
nach den Anforderungen der Konfession, versehen, schieden die Leute 
aus dem Leben. 

Die Bestattimg der Verstorbenen ist nun entsprechend ihrem 
Stande eine verschiedene. 



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I. Tod und Begräbnis der Fürsten. 

Sobald ein Kaiser, König, ein Herrscher, mit den Tröstungen der 
Religion versorgt, gestorben war, bestrebte man sich, den Leichnam 
möglichst zu erhalten. Konnte man ihn nicht einbalsamieren, so suchte 
man durch Salz die Zersetzung zu verhindern, salzte die Körper geradezu 
ein, füllte sie mit Asche.^) Bei dem Einbalsamieren ging es bisweilen 
roh genug zu. Das Herz des Verstorbenen wurde besonders beigesetzt. 
Bekannt ist die Grazien- Gruppe von Germain Pilon (jetzt im Louvre- 
Museum), die eine Urne tragen. In ihr lag einst das Herz König 
Heinrichs H. Die Eingeweide wurden auch an geweihter Stelle bei- 
gesetzt; die Kapellen, in denen gewöhnUch diese Beerdigung erfolgte, 
nannte man Kaldaunen-Kapellen.^) War nun ein solcher hoher Herr 
fem von seiner Heimat, beispielsweise im Heihgen Lande, gestorben, 
dann löste man die Knochen durch Sieden von dem Fleische, das man 
an Ort und Stelle begrub, und nahm die gebleichten Gebeine mit nach 
Hause, setzte sie in der Familiengruft bei.*) 

Die Leiche wurde nach der Einbalsamierung im vollen Ornat auf 
eine prächtige Bahre gelegt, öffentUch gezeigi Erst nach einiger Zeit 
erfolgte das Begängnis, das so feierlich und grofsartig wie mögUch ver- 
anstaltet wurde.*) 

Zuweilen haben uns die Geschichtschreiber ausführhche Beschrei- 
bungen solcher Trauer-Zeremonien überliefert, z. B. über die Bestattung 
des Günther von Schwarzburg imd des Kaisers Karl IV.^) Eine der 
grofsen Miniaturen des Froissart-Codex der Breslauer Stadtbibliothek 
(IV, 23) stellt das Begräbnis König Richards II. von England dar. Die 
Leiche wird auf einem Planwagen transportiert, zahlreiche Leidtragende 

Höf. Leben m. 463 ff. Vgl. auch Kantzow; Pommer. Chron. S. 190. Nach 
dem Tode des Herzogs Georg von Pommern (1631) : > Alsbalde liet man Seelgerede und 
Trurkleider bereiden und den Corper uthnehmen und mit durbarer salse (Druck : salfe) 
bewaren. 

«) S. Heinr. Otte, KunstarchÄologie *242. 

5) Höf. Leben «H. 308, 468. 

*) Ebend. 466 ff. 

') Deutsches Leben im 14. u. 15. Jhdt. 619 ff. — Vgl. besonders die Abbildungen 
Fig. 669—672. 



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VI. Tod und Begräbnis. 1. Der Fürsten. 409 

in Trauerkappen folgen dem Zuge. Das Blatt ist in Photographiedruck 
veröffentlicht worden. 

Julius Bernhard von Rohr schildert uns, wie ein Fürst, König und 
Kaiser des 18. Jahrhunderts standesgemäfs zu sterben hat.^) Schon 
lange vor seinem Ende hat er sich Lieder und Sprüche ausgesucht, die 
er auf seinem Sterbebette sich von seinen Angehörigen oder Leuten 
vorsingen und vorbeten lassen will. Die Gemahlin Augusts des Starken, 
Christine Eberhardine (f 1727), hat in dieser Hinsicht ein vorzügliches 
Beispiel gegeben. Auch über ihre Beerdigung treffen sie Anordnungen ; 
so hat die Kaiserin Eleonora Magdalena Theresia ausdrücküch verboten, 
ihren Leichnam zu waschen und einzubalsamieren. 

Die kathohschen Herrscher liefsen wundertätige Reliquien an ihr 
Sterbebett bringen. 2) Bisweilen nehmen sie dann von ihren Angehörigen, 
ihrem Hofstaat Abschied u. s. w. 

Nach dem erfolgten Tode wachen Tag und Nacht Kavaliere bei 
der Leiche, die nicht immer einbalsamiert wird. Das Herz der katho- 
lischen Fürsten legt man in ein silbernes Behältnis und setzt es in ein 
Kloster, das dem Verstorbenen besonders lieb war, mit vielen Zeremonien 
bei. Eingeweide, Augen, Gehirn werden in einem vergoldeten Kessel 
in einer Kapelle feierhch begraben. Herz und Zunge Kaiser Leopolds I. 
wurden 1705 in der Lorettokapelle, Gehirn, Augen und Eingeweide in 
der Hofkapelle beigesetzt. 

Sodann wird der Leichnam angekleidet und auf das Paradebett 
gelegt, das, mit Sinnbildern, Statuen etc. dekoriert, von einem Baldachin 
überdeckt wird; die fürstlichen Insignien sind zur Seite des Toten aus- 
gestellt. Statt der wirklichen Leichen wird zuweilen, besonders in Frank- 
reich, eine Wachsfigur aufgebahrt. Die religiösen Zeremonien werden 
dann vorgenommen. Auf hohen silbernen Gueridons brennen zahlreiche 
Wachskerzen, mit Flor umwunden, mit Wappenschildern geschmückt. 

Die Särge fertigt man zuweilen aus schlichtem Holze an, beschlägt 
sie mit schwarzem Tuche, oder man braucht Doppelsärge, den inneren 
aus Eichen- oder Cypressenholz, den äufseren aus Kupfer, Zinn oder 
Silber. Einer der schönsten Särge ist der Friedrichs L, Königs von 
Preufsen ; der Professor Walter hat die Inschriften und die Dekoration 
erfunden. Es gibt über diesen Sarg eine »Eigenthche Beschreibung« . . . 
Hin und wieder legt man Gedächtnismünzen in den Sarg; so wurden 
bei der Bestattung des Papstes Innocenz' XIH. 60 Schaumünzen, darunter 
20 goldene, in den Sarg gelegt. Lang imd breit spricht Rohr dann über 
die in den Kirchen aufgebauten Castra Doloris und deren Ausstattung 
mit allegorischen Statuen u. s. w. Die Kirchen sind mit schwarzem 
Tuche ausgeschlagen, angemessen mit Emblemen dekoriert. 



») Einl. zur Zeremonial-Wissenschaft. Berlin 1729. T. I. Kap. XVI. 

*) Über die Form, wie das Viatikum während des 18. Jahrhunderts in Paris in 
die Sterbehäuser gebracht wurde, vgl. Alfred Franklin, La vie priv^e d'autrefois. 
Vari^täs Parisiennes (Paris 1901) p. 131 ff. Ludwig XV. traf einmal das Viatikum, als 
er aus dem Parlament zurückkehrte; er stieg aus seiner Karosse und kniete unter 
dem Jubel des Volkes im Strafsenschmutz nieder. 



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410 VI. Tod und Begräbnis. 

Zahlreiche Kerzen brannten zur Seite des Katafalkes, der bis ins 
17. Jahrhundert verhältnismäfsig schlicht und einfach ausgestattet war.^) 
Seit dem 17. Jahrhundert wird es Sitte in den Kirchen, wo man die 
Leichen aufbahrte, kostbare, mit Statuen, Emblemen, Inschriften ge- 
schmückte Trauergerüste zu erbauen. Das sind die Castra Doloris, 
deren Entwurf von den Hofgelehrten, deren Ausführung von den Hof- 
künstlern herrührte.2) Bei dem Ableben besonders angesehener Fürsten 
wurden auch an befreundeten Höfen*), vor allem in den Städten ihres 
eigenen Landes Trauerfeierüchkeiten veranstaltet.*) Man legte diesen 
Zeremonien einen solchen Wert bei, dafs in der Regel eine Beschreibung 
derselben, erläutert mit zahlreichen Abbildimgen, veröfEentlicht wurde.*) 



^) In WeiTskunig (m. Ausg.) Abbildungen von Katafalken: Karls des Kühnen 
S. 120, der Maria von Burgond S. 170, Richards m. von England S. 246, Sigmunds von 
Tirol S. 272, Albrechts von Sachsen S. 314, des Graston de Foix S. 861, Jakobs von 
Schottland 8. 368, Friedrichs m. S. 374. — Tödliche Abcontrafactor weyland Heim 
Matthiae, Böm. Kaisers, welcher den 10 Martii 1619 entschlaffen. — Radierung, den 
Kaiser auf dem Paradebett darstellend. 

') Castrum Doloris Ferdinands m. (1657). — C. D. für Friedrich August I. von 
Sachsen in der katholischen Hofkapelle zu Dresden. April 1733. (Kol. Lithographie 
von E. Köhler.) 

*) Relation du service solennel fait dans l'^glise royale et nationale de Saint- 
Louis ä Rome pour monseigneur Louis, Dauphin de France, le vendredi XViU Sep- 
tembre 1711. Rome 1718. 

A. Albani, Ragguaglio delle solenni esequie fatte celebrare in Roma nella Baailica 
S. demente alla S. R. M. Frederigo Augusto di Sassonia. Roma 1733. 

^) Mausol^e de Louis (XV) le bien aim^, roy de France, ^lev^ dans T^lise de 
St. Roch k Nancy le 18 juin 1774. Cochin sc. 

D^coration de la pompe fun^bre de deux Services solenmels, que Messieurs las 
officiers etc. du r^giment d'infanterie du Roi ont fait c^l^brer en l'^glise des Domini- 
quains de Nancy pour le repos de Louis XV. le 26 et 27 mai 1774. Glaudat inv. ; 
Gochin sc. 

*) Ich erwähne nur einige dieser Publikationen; eine vollständige Aufzühlong 
zu geben, bin ich nicht imstande. 

Ordnung weiland . . . Herrn Joachim Ernsten, Marggralen ku Brandenburg, in 
Preussen, zu Stettin etc. LeichbegängnuTs, wie dieselbe 25. Apr. a. 1625 zu Onolsbach 
. . . angestellet worden. 47 Kpfst. Nümb. 1625. 

(H. V. Taube) Gründliche Beschreibung derer dem Herrn Johann Georgen (1611 
bis 1656) gehaltenen Leichenbegängnusse. 

• Leichenbegängnis des Landgrafen Georg H. von Hessen-Darmstadt (1606-— €1.) 
14 Kupfertaf. von J. Schweizer und A. Haelwegh. Darms t. 1661. 

Höchst-verdiente Ehren-Seul etc. des durchlaucht. Ludwig VI., Landgrafen zu 
Hessen, auffgerichtet von der Landgräfin Elisabeth Dorothea. Darmst 16S2. 

Immergrünendes Grab-Mahl des Fürsten Ludwig VI. Landgrafen zu Heseen- 
Darmst. 1682 — S. B. Carpzow, letzter und herrlicher Sieg, welchen Herr Johann GreorgHL, 
Hertzog zu Sachsen, bei seinem Eintritt in Tübingen 12. Sept. 1691 erhalten, bey den 
Exequien, als der Leichnam zu Freyberg beigesetzet wurde. 4 Kupfertaf. von Kilian. 
— Dresd. 1692. 

Procession bey angestellter Beysetzung .... Herrn Johann Georgen IH. (1680 
bis 1691) zu Freyberg d. 11. Dec. 1691. — Mit Kupferst. 

Pompe fun^bre de Polixäne de Hesse-Rhinfels, reine de Sardaigne, en l'^lise de 
Notre-Dame de Paris le 24 Mars 1735. de Bonneval inv. Cochin sc 

Marie-Thör^se d'Espagne, Dauphine de France, Pompe funfebre, le 24. Nov. 1746 
en r^glise de Notre-Dame de Paris. Slodtz inv. Cochin sc. 



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1. Der Fürsten. 411 

Auch die Leichenpredigten liefs man drucken, zuweilen sogar Gedächtnis- 
münzen prägen. 

Das Leichenbegängnis selbst bespricht von Rohr im 18. Kap. des 
ersten Teiles seines Werkes. Den Tag vor der Beisetzung ruft ein 
Herold \mter Pauken- imd Trompetenschall auf den Plätzen aus, dafs 
die Bestattung bevorstehe. Die geladenen Gäste sind erschienen oder 
haben Stellvertreter geschickt; alle Teilnehmer am Leichenzuge sind 
schwarz gekleidet. Ehrenpforten, Spalierbildung, Glockenleuten. Erfolgt 
die Beerdigung des Abends, so sind die Fenster der Häuser, die an 
der Strafse hegen, zu erleuchten. Die Leibgarden, die der Leiche folgen, 
^ haben nach der gewöhnUchen Trauer-Manier den entblöfsten Degen 
unter dem Arme«. 

In Deutschland erscheint ein Trauerpferd ^) im Leichenzuge, mit 
schwarzem StofE und Flor bedeckt; es wird von Kavaüeren oder 
Offizieren geführt. Hinter ihm reitet ein Geharnischter in schwarzem 
Kürafs und Helm mit blofsem Degen, der mit Flor umwunden, die 
Spitze nach imten gerichtet, getragen wird. Das Freudenpferd, das 
die Freude der Untertanen über den neuen Herrscher bedeuten soll, 
ist wie sein Reiter aufs kostbarste geschmückt. So gibt es auch 
Trauer- \md Freudenfahnen: sie werden von Obersten getragen. Ist 
ein Fürst im Kriege geblieben, so darf die Blutfahne :>von dunckel 
rothen oder couleur de feu TafEett oder Damast« und das Bataillen-Pferd 
nicht fehlen. 

Bei dem Leichenzuge gehen voran die Geringeren, denen die Vor- 
nehmeren folgen. Ein Bereiter oder ein vornehmer Offizier eröflEnet 
den Zug, dann kommt ein Hoffurier in tiefer Trauer, die Hofmarschälle, 
Trabanten mit verkehrten Gewehren, Herolde, Trompeter, Pauker; darauf 
folgen die Pferde; Kavaliere tragen das grofse, aus Kupfer oder Silber 
getriebene Wappen, andere vornehme Offizianten die Insignien, Krone, 
Scepter u. s. w. Der Leichenwagen wird von 6 oder 8 Pferden gezogen, 
die mit Boy oder Samt schwarz bekleidet sind. Die Zipfel des Leichen- 
tuches trugen vornehme Offiziere oder Kavaliere; neben dem Wagen 
gehen auf beiden Seiten 24 Kavaliere, aufserdem Trabanten in langen 
Mänteln mit umflorten, abwärts gekehrten Partisanen. 

Nach dem Leichenwagen kommen die Marschälle mit überzogenen 
Stäben und darauf die fürstUchen Leidtragenden, von Kavaüeren und 
Trabanten begleitet, sodann die Minister, Hofkavahere, die Beamten- 
kollegien. Die fürstUchen Frauen werden von hohen Standespersonen 
geführt, von Kavaheren begleitet, ihre Schleppen von Hofkavalieren 
getragen. Einer Gräfin, die an solchen königUchen oder fürstUchen 
Leichenbegängnissen teilnimmt, trägt kein KavaUer die Schleppe, noch 

P. Post, Begraefifenisse van Frederick Hendrick, Prince van Orange. Amsterd. 
1651. — 30 PI. doublee. — J. Punt, Lykstaetsie van Willem Carel Hendrik Friso. 
s'Gravenhage 1755. — Afbelldlng van de zaal en't praalbed. Amsterd. 1752. 

^) Langbein erwähnt noch scherzhaft in seiner Novelle »die TJntersuchungs- 
commission« das Trauer- und das Freudenpferd. Miner\-a 1822 (Lpz.). S. 319. 



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412 VI. Tod und Begrätaifl. 

wird sie von ihnen oder von Trabanten geleitet. Nach den fürstlichen 
Damen folgen die Hofdamen, an ihrer Spitze die »Hoch-Fürstliche Frau 
Hofmeisterin«. 

Dem Zuge schUefsen sich die Magistrate, die Advokaten an ; endlich 
folgen einige Regimenter mit verkehrten Gewehren, mnflorten Spiefseii. 
Bei der Beerdigung werden dann Denkmünzen ausgeteilt. In der Kirche 
angelangt, stimmt man die Trauergesänge an ; darauf hält der Hofprediger 
die Leichenpredigt. Beim Herabsenken des Sarges blasen die Trompeten, 
werden die Pauken geschlagen, Kanonensadven gelöst. In protestan- 
tischen Landen stimmt man das Lied an: »Mit Fried und Freud ich 
fahr dahin«. Zuweilen löscht man in der Kirche alle Lichter aus. In 
Frankreich zerbrechen der Oberhofmeister und die Haushofmeister 
ihre Stäbe, werfen sie in die Gruft und rufen: »Der König ist gestorben.« 
Der Wappenkönig wiederholt dreimal diese Worte mit dem Zusatz : 
»lafst uns aUe für seine Seele beten.« Und wenn das Gebet beendet 
ist, ruft er dreimal »überlaut«: »Es lebe König N. N.!« In diesen Ruf 
stimmen alle ein. Trompeten, Pauken. 

Wird der Letzte einer Herrscherfamiüe begraben, so zerbricht man 
den Regimentsstab, zerschlägt das Siegel, zerreifst den Fürstenhut und 
die Trauerfahne. »Bifs weilen werden die Worte darzu gefügt: ,heute 
Fürst N. N., mit Vermeldimg des gantzen FürstUchen Tituls, und morgen 
nimmermehr*, zum Zeichen, dafs kein eintziger mehr von diesem Stamm 
und Nahmen mehr vorhanden sey.« Beim Begräbnis des letzten Burg- 
grafen von Leifsnig, 1538, wurde Schild und Rüstung dem Toten mit ins 
Grab gegeben. 

Dann erwähnt der Verfasser noch die Grabdenkmäler und einer 
alten merkwürdigen Inschrift: 

Hier liegt ein Fürste löbeHch, 

quem (im Drucke: quam) vulgus flebile plangit, 

von Meifsen Marggraf Friderich, 

cuius insignia pangit etc. 

Der Todesfall wird den befreimdeten Höfen mitgeteilt^) imd die 
Herrscher legen auf längere oder kürzere Zeit Trauer an. Die gewöhn- 
hche Trauerfarbe ist schwarz, doch trauert der König von Frankreich 
in Violett. Es fiel auf, dafs Ludwig XII. seine Gemahlin Anna, Ludwig XIV. 
den Lord-Protektor Cromwell schwarz betrauerte. Für gewöhnlich, so- 
lange ihr Gatte lebt, trägt die Königin von Frankreich kastanienbraune 
Trauerkleider; ihren Gemahl betrauert sie bis an ihr Lebensende in 
weifsen Kleidern (La Reine blanche). Andere fürstUche Witwen, z. ß, 
die österreichischen Erzherzoginnen, tragen beständig schwarz. An 
manchen Höfen legt die Witwe nach der Trauerzeit nur bescheidene, 
nicht zu helle Kleider an. 

Die Trauer der Hofkavaliere ist sehr kompUziert : die Kleider sind 
aus »frisirtem Tuch«, sehen also stumpf aus, die Schuhe Sämischleder, 



») a. a. 0. Kap. XIX. 



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1. Der Fürsten. 413 

also gleichfalls ohne Glanz, die Perücken ungepudert, die Degen mit 
Flor nmhüUt. Die Damen trauern in schwarzem imd weifsem Flor. Die 
Karossen werden mit schwarzem Boy überzogen, bei den höchsten Hof- 
chargen, Ministem, auch ein oder mehrere Zimmer schwarz ausgeschlagen. 
Im fürstUchen Schlosse sind bei gewöhnlicher Trauer die Wohn- 
gemächer und der Audienzsaal, bei tiefer Trauer auch der Speisesaal 
schwarz ausgeschlagen, die Möbel schwarz drapiert. Alle Hofdiener er- 
halten schwarze Trauerkleider, auch die Trabanten, Schweizer und 
Garden; die Miliz legt Flor um die Fahnen und Trommeln. 

Die Landestrauer verlangt, dafs in allen Kirchen von 11 bis 12 Uhr 
mittags täglich während sechs Wochen die Glocken geläutet werden; die 
Orgeln schweigen, alle Musik bei Hochzeiten, Taufen, Gastereien, Fecht- 
schulen \md Komödien ist unstatthaft. Als Rudolf H, 1612 starb, wurde 
die Trauer in Breslau sehr streng beobachtet. »In den Kirchen wird 
mit der Orgel und Figural-Gesang still gehalten, in Hochzeithchen Zu- 
sammenkünfften, Gastereyen und andern Versammlungen, in Häusern 
oder sonsten Täntze zu hegen und der Gebrauch von Seitenspiel unter- 
sagt und verboten«.^) 

Über die Trauerkleider der Franzosen und besonders des franzö- 
sischen Hofes hat Alfred Franklin alle Nachrichten zusammengestellt.^) 
Nach einer Notiz des Petrus Venerabilis legten die Spanier im 12. Jahr- 
hundert allen Schmuck ab und trauerten schwarz.') Schwarz ist auch 
die Trauerfarbe in Frankreich während des 14.^) und 15.^) Jahrhunderts, 
doch trägt der König nur schwarze IGeider, bis die erste Trauermesse 
vorüber ist, dann trauert er rot (dcarlate vermeil). Die Frauen dürfen 
der Totenfeier ihres Gemahls nicht beiwohnen. Wenn die Mutter 
stirbt, hat die Frau neun Tage auf ihrem weifsgedeckten Bette zu sitzen 
und sechs Wochen das Zimmer nicht zu verlassen. Um den Mann, 
Vater, Mutter, Bruder trägt sie ein Jahr lang Trauer; einige begnügten 
sich mit einem halben,- ja einem Vierteljahre. Bei tiefer Trauer darf 
man weder Ringe noch Handschuhe tragen. Die Königin -Witwe bleibt 
ein Jahr in den schwarz ausgeschlagenen Zimmern. Ihr Witwenkleid 
ist weifs; die Frauen tragen sonst in diesem Falle grau. 

Im 16. Jahrhundert^ war weifs die allgemeine Trauerfarbe, ob- 
gleich auch Ausnahmen vorkamen. So trauert Anna von der Bretagne, 
die Witwe Karls VIH., schwarz, auch Ludwig XII. legt für seine Ge- 
mahlin schwarze Kleider an. Dagegen trauert nach dem Tode Karls IX, 
Heinrich III. violett. Diese Sitte behauptet sich nun in der Folgezeit.'') 
Die Frauen des 17. Jahrhunderts tragen weifs bei ihrer Trauimg und 
in ihrer Trauer, im letzteren Falle mit schwarz gemischt. Während der 
ersten 40 Tage bleibt die vornehme Gesellschaft in schwarz ausgeschlagenen 

*) Nikolaus Pol, Hemerologiums, 1612 Jan. 20. 

*) La vie priv^e d'autrefois. — Les magasins de nouveaut^s ••• (Paris 1896). 

•) Pag. 30. 

*) Pag. 33 ff. 

») Pag. 41 ff. 

•) Pag. 66 ff. 

») Pag. 106 ff. 



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414 VI. Tod und Begräbnis. 

Zimmern; auch die Karossen und das Pferdegeschirr sind schwarz ver- 
hüllt. Dieses Recht des Drap er steht nur dem Adel zu. Anna von 
Österreich trauerte grau. 

Im 18. Jahrhundert^) legte beim Ableben des Königs das ganze 
Volk auf ein Jahr schwfio'ze Trauerkleider an. Der Hof Ueferte allen 
Hofbeamten die Trauerkleidung. Auch um fremde Fürsten wurde ge- 
trauert. Die Dauer der Trauer bestimmte ein kgl. Edikt vom 23. Juni 1716. 
Da wurde festgesetzt, dafs die Trauer um den König ein halbes Jahr 
zu tragen sei, die um den Gatten ein ganzes Jahr, für die Frau, 
die Eltern, Grofseltem sechs Monate, für Geschwister, Schwäger drei 
Monate. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommen die ge- 
druckten Todesanzeigen auf. 

Die Witwen der Fürsten erhalten nach dem Tode ihres Gemahls 
ein schon bei der Vermählimg festgesetztes Leibgedinge. Dagegen ist 
die Versorgung der Witwen apanagierter Prinzen je nach dem, was sie 
selbst mit in die Ehe gebracht haben, bald reichlicher, bald geringer.^) 

2. Begräbnis des Adels und der Bürger/) 

Bei dem Adel ist natürUch das Schaugepränge der Bestattung seiner 
Angehörigen weniger prunkvoll ; einigermafsen aber versuchte man doch, 
das höfische Gepränge nachzumachen. Und die reicheren Bürger nahmen 
sich wieder die Gebräuche bei den adhgen Begräbnissen zum Muster. 

Die Beerdigung fand meist sehr schnell nach dem Tode statt. 
Graf Gottfried Werner von Zinunern starb am 2. April 1554, einige 
Monate über siebzig Jahre alt, und wurde noch an demselben Tage be- 
graben.*) Vornehme Personen bestattete man in ihren besten Anzügen, 
schmückte sie mit kostbarem Geschmeide. In der bayerischen F^sten- 
gruft zu Lauingen sind die prachtvollen Schmucksachen, die heute noch 
im Münchener Nationalmuseum unsere Bewunderung erregen, ursprüng- 
üch den toten Fürsten und Fürstinnen mit in den Sarg gegeben worden. 
Auch von einer Gräfin von Zimmern meldet uns die Chronik, dafs sie 
in einem schwarzen Kleide, einen Kranz auf dem Haupte, beigesetzt 
wurde. Sonst ist es üblich, den Toten in ein weifses Leintuch einzu- 
nähen, das Gesicht besonders zuzudecken.*) 

Die Leidtragenden legten zum Zeichen der Trauer schwarze Kleider 
an.®) Auffallend war es immer, wenn einer weifse Kleider in der 
Trauerzeit trug, wie z. B. Graf Gottfried Werner von Zimmern seine 
Gemahlin, eine geborene Gräfin von Henneberg (t 1548), ein Jahr hin- 
durch in Weifs betrauerte.^) 

Die Freunde, die nicht am Orte der Trauer lebten, benachrichtigte 
man schriftlich von dem Todesfalle und lud sie, wenn die Bestattung 

») Pag. 128 ff. 

>) V. Rohr a. a. 0. T. I. Kap. XIH, § 1—3. 

») Vgl. P. G. Molmenti, La vie priv^e ä Venise (Ven. 1882). p. 281 ff., 466 ff. 

*) Zimm. Chron. IV. 265. 

•) Ebend. IV. 163, 180, 218. 

•) Ebend. HI. 369. — ») Ebend. IV. 102. 



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2. Des Adels und der Bürger. 



415 



nicht sogleich erfolgte, zur Teilnahme am Begräbnis ein. Ob man im 
16., 17., 18. Jahrhundert sich schon in Bürgerkreisen der gedruckten Todes- 
anzeigen (Partezettel) bedient hat, sollte untersucht werden (vgl. o. S. 414.) 
In den Städten unter den Bürgern aber war es noch im 18. Jahrhundert 
bräuchUch, Angehörige, Freunde und Bekannte durch eine Botin von dem 
erfolgten Tode in Kenntnis zu setzen. Das ist die weifsgekleidete Bitt- 
frau; häufig besorgt das auch der Leichenbitter, der sonst auch als 
Hochzeitsbitter verwendet wird. Diese Leute erhalten eine Liste der 
Freunde, die sie zum Begräbnis einzuladen haben; sie müssen melden, 
ob die Leichenfeier in der Kirche oder im Trauerhause stattfindet, ob 




Hans Bargkmair, Begrftbnis. 

die Witwe oder der Witwer in einem schwarz ausgeschlagenen Zimmer 
die Kondolenzvisiten annehmen wolle u. s. w. 

Die Herstellung der Trauerkleider, die Austapezierung des Kabinetts 
mit schwarzem Taft, die Menge der Kerzen und die Wappenbilder, mit 
denen der Katafalk geschmückt wurde, endUch die grofse Anzahl der 
bei dem Leichenzuge erforderüchen Lohnwagen, alles das kostete sehr 
viel, mufste aber trotz alledem, denn die Sitte erforderte es, besorgt 
werden. Dazu kommt dann die Leichenrede, die Verlesung vom Lebens- 
laufe des Verstorbenen.^) 

Li manchen Städten und bei manchen Ständen veranstaltete man 
die Beerdigung statt am Tage des Abends bei Fackelschein. 

Nach Florinus finden in Kopenhagen die Leichenbegängnisse am Abend 
statt : die Fenster der Häuser in den Gassen, die der Zug passiert, werden 
mit 4 Lichtern beleuchtet, die Leiche mit Stocklaternen geleitet. (§ 18.) 

Die Freunde und Bekannten, die der Beerdigung beiwohnten, hatten 
nun auch in einem ganz besonderen Trauerkostüm zu erscheinen. Im 

*) Christ. Weise, drey Haupt Verderber In Teutschland. S. 43. 



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416 VI. Tod und Begräbniß. 

15. Jahrhundert trugen die Männer Trauerkappen, lange Gewänder wie 
die Kutten der Mönche mit grofsen Kapuzen. In zahlreichen Miniaturen 
der burgundischen Illuministenschule sind solche Leidtragende abgebildet^); 
an den Sockeln der Grabdenkmäler der burgundischen Herzoge zu 
Dijon. Dann sehen wir solche Erscheinungen zahlreich auf Hans Burck- 
mairs Holzschnitten dargestellt^), vor allem in den Illustrationen zum 
Weifskunig. ^) Von »Laidröcken und lang kappenzipfek spricht der 
Chronist Heinrich Deichsler (1500, Nov. 3), wie er (1501, Jan. 26) 
»24 swartzer rock und laidkappen« Erwähnung tut. Der Zuschnitt der 
Trauerkleider ändert sich auch mit der Zeit: an Stelle der Kutte tritt 
der Trauermantel*), die Kapuze mit dem lang über den Rücken herab- 
hängenden Trauerzipfel wird durch einen am Hut befestigten, über den 
Mantel niederfallenden Trauerflor ersetzt.^) Mit geringen Modifikationen 
hat sich diese Tracht noch bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahr- 
hunderts erhalten. Sehr mannigfach waren die Trauerzeichen der Frauen. 
Die Witwe trägt ein schwarzes Tuchkleid von besonderem Zuschnitt, 
in der Zeit der tiefen Trauer mit einem weifsen Trauerstreifen um den 
Ärmel. Dazu eine eigene Stimbinde aus Krepp, die Trauer-Schnepfe. 
Die Leidtragenden haben mit Trauerhauben den Kopf bedeckt, Trauer- 
binden um den Hals geschlagen. Eine Form der Trauerkappe, der Sturz 
zur Trauer, war, wie es scheint, dem Adel vorbehalten. Verschiedene 
Arten von Schleiern werden je nach Landessitte getragen, gewöhnlich 
schwarz, an einigen Orten wie in Leipzig auch weifs. Jedenfalls gehörte 
es sich für einen gut geordneten Haushalt, dafs neben den Haus- und 
Gesellschaftskleidern auch die Trauergarderobe in Bereitschaft war. 

»Die Spanier nehmen in der Trauer das allerschlechteste Futter- 
tuch, werfen es um sich und sehen aus wie die leibhaftigen Teufel.« 
(Kurios. X. 217.) 

Bei dem Begräbnis selbst wurde der mit dem Bahrtuch bedeckte 
Sarg entweder zum Grabe getragen oder auch auf einem Wagen hin- 
gefahren. 

Der Leichenzug wurde so grofsartig wie möglich angeoränet; 
mochten die Kosten auch noch so ansehnlich sein, ja die Mittel der 
Bürgerfamilien weit übersteigen: bei einer Trauerfeier durfte nicht ge- 
spart werden. Die Begleitung des Priesters und der Schule wurde all- 
gemein verlangt; dann kam die Witwe, die von der Bitt- oder IQagefrau 
geführt wurde; den Beschlufs der leidtragenden Frauen bildeten die in 
Trauerkleider gehüllten Groschenweiber, die für ihre Beteiligung einen 
Groschen Entlohnung erhielten. 

*) Aus dem Breviariam Grimani in der Markusbibliothek zu Venedig in meinem 
deutschen Leben des 14. und 15. Jhdts. Fig. 671. 

«) Ebend. Fig. 673. 

») S; m. Ausg. S. 121, 170, 171, 313, 351, 368, 374. 

*) »Als des Königs in Frankreich Mutter starb (Anna von Österreich, 1666), war 
sehr tiefe Trauer. Dem Prinzen von Condö wurde der Schweif von 5 Ellen nach- 
getragen, c Wagenseil in Kuriositäten X. 217. 

*) Christian Reuter, der ehrl. Frau Schlampampe Krankheit und Tod. Sc. XVI. 
einen langen Flor auf dem Hute; ein Trauermantel. — Vgl. Alltagsleben etc. Fig. 33. 



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3. Die Grabdenkmäler. 417 

»Wann das Grab ist zugeworfEen, 
Wird der Todt erst gar versofEen 
In dem Sterb-Haus nach dem Tod, 
Wo man Todten-Mahlzeit haltet, 
Da der Leichnam kaum erkaltet, 
Ifst und trinckt wohl über Noth.«^) 
Am Abend nach dem Begräbnis bewirten die Hinterbliebenen die 
Verwandten und Freunde, die an der Beerdigimg teilgenommen hatten.^) 
Das ist die »Todten-Tafel«. Schon Guarinonius gedenkt der »Todt- 
Fressen«, bei denen »die Seel vertrunken« wird.^) Da in den katholischen 
Ländern auch der siebente, der dreifsigste, der Jahrestag des Todes ge- 
feiert wird , gab dies, wenigstens zu Anfang des 17. Jahrhimderts, 
wiederum Anlafs zu Gelagen.*) 

3. Die Grabdenkmäler. 

Die Stätte, wo ein vornehmer Mann, ein geUebtes Familienmitglied, 
seine letzte Ruhe gefunden hatte, bezeichnete man gern, wenn nicht 
durch ein prunkendes Denkmal, so doch durch eine einfache Grabschrift. 
Solche Inschriften aus fränkischer Zeit sind öfter am Rhein, zumal in 
der Gegend von Worms, gefunden worden; einige besitzt das römische 
Museum zu Mainz. Hochgestellte Leute, Fürsten üefsen wohl auch auf 
dem Grabstein ihr Bildnis anbringen. So befindet sich in Saint-Denis 
die mit Mosaik geschmückte Grabplatte der Fredegunde.^) In Deutschland 
dürfte zu den ältesten Fürstengrabmälern das des Königs Rudolf von 
Schwaben (t 1080) im Dome zu Merseburg gehören.*) Aus dem 13. Jahr- 
hundert rührt her das Doppelgrab Heinrichs des Löwen imd seiner Ge- 
mahlin, das erst spät nach dem Tode des Herzogs errichtet worden ist.') 
Das leider sehr beschädigte und nicht gut ergänzte Denkmal Rudolfs von 
Habsburg zu Speyer ist, wie uns die Steierische Reimchronik berichtet, 
noch bei Lebzeiten des Herrschers angefertigt worden.^) Der Grabstein 
des Günther von Schwarzburg (t 1349) im Dome zu Frankfurt a. M. 
bietet uns das Beispiel eines Prunkmonumentes des 14. Jahrhunderts.^) 
Es wirkt viel bedeutender als das Denkmal, das dem Kaiser Heinrich VII. 
(t 1313) im Campo Santo von Pisa gesetzt wurde und dessen Meister 
Tino da Camaino ist.^°) Das Grabmal Ludwigs des Bayern ist unter 

*) Genealogia Nisibitarum (von Callenbach). 151. 

') 1505 gingen bei dem Begräbnifs eines Steinmetzen in Nürnberg alle Knaben 
in Korröcken mit und klingelten. Das war etwas ganz neues. — H. Deichsler. 

5) S. 780. 

*) Ebend. Vgl. über die Leicbenmahle Kurios. I. 71 und 11. 359 ff. 

•) Abgeb. in m. Einführung in die Kunstgeschichte (Prag, Lpz. 1887) Taf. X. 

«) Abg. bei H. J. v. Hefner, Trachten I. 58. 

^ Abg. bei Lübke, Gesch. d. deutschen Kunst. (Stuttg. 1890) 245. Fig. 219 bei 
Essen wein, Kunst- und Kulturg. Denkmäler des Germ. Museums (Lpz. 1877.) Taf. XVni. 
— S. o. S. 227.) 

■) Essenwein a. a. O. Taf. XXT. — •) v. Hefner, Trachten n. 27. 
**^ Abgebildet bei G. Inner, Die Romfahrt Elaiser Heinrichs Vn. im Bildercyklus 
des Codex Balduini Trevirensis. Berlin 1881, 

Schultz, Das hftusliche Leben im Mittelalter. 27 



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418 



VI. Tod und Begräbnis. 



dem bronzenen Monument, das ihm seine Nachkommen in der Frauen- 
kirche zu München errichteten, verborgen. Kaiser Friedrich III. hat 
seine Ruhestätte in der Stephanskirche zu Wien ^), seine Gemahün Leonore 
von Portugal in Wiener -Neustadt 2) gefimden. Beider Grabmäler sind 
von Nikolaus Lerch ausgeführt worden. Ein wunderbar grofsartiges 
Denkmal wollte sich Kaiser Maximiüan I. in Innsbruck erbauen. In 
der Hofkirche sind noch 28 überlebensgrofse Bronzestatuen der Vor- 
fahren des Kaisers zu sehen; kleine Figuren, die gleichfalls zu dem 
Monimient gehören, werden in der silbernen Kapelle gezeigt. Es sind 
dies aber nur geringe Überreste, denn ursprünghch sollten 40 grolse 
Statuen gegossen werden. Dafs die Dimensionen des Grabmals ganz 
aufserordenthch grofs gedacht waren, hegt auf der Hand. Wir können 
nur mutmafsen, da uns alle Nachrichten über den Entwurf fehlen, 
dafs das von Maximiüan geplante Werk alle Grabmonumente damaliger 
Zeit weit übertreffen sollte. 

Der Plan des Kaisers ist so wenig zur vöUigen Ausführung gelangt, 
wie der grofsartige Entwurf, den Michelangelo für das Monument des 
Papstes Juüus II. ersonnen hat. 

Seit dem 16. Jahrhundert sind nur ausnahmsweise künstlerisch 
bedeutende Grabdenkmäler für die Fürsten^) errichtet worden. Es wird 
Sitte, die Leichen in Grabgewölben beizusetzen, und seit dieser Zeit hat 
man die Herstellung künstlerisch gestalteter Sarkophage aus Zinn, Bronze 
u. s. w. für wichtiger gehalten als die Ausführung prächtiger, über der 

Grabstätte aufgebauter Mo- 
nmnente. 

Der Adel des Mittel- 
alters hat immer Wert dar- 
auf gelegt, wenn es sich 

*) Abgeb. bei Th. Hampe, 
Das Germ. MoBeom (Lpz. 1902) 
S. 134. 

•) Abg. Deutsches Leben 
im 14. u. 15. Jbdt. (8. 392 Figur 
413.) 

*) In Frankreich zu Saint- 
Denis die Grabdenkmäler von 
Ludwig Xn. von Jean Juste, 
Franz* I. von Pierre Bontenips 
und Heinrichs 11. von Gennain 
Pilon ; in Spanien im Escorial die 
Monumente Karls V. von Leone 
Leoni und Philipps 11. von Pona- 
peo Leoni. — Das Denkmal Lud- 
wigs xn. abgeb. bei A. Schultz, 
Allg. Kunstgesch. m. Taf. zu S. 
217 ; das Franz' L ebend. Taf. za 
S. 216 ; das Grabmal Heinrichs II. 
ebend. S. 220 und Taf. zu S. 218 ; 
das Monument Philipps II. ebend. 
Doppel-Grabdenkmal in der Abteikirche von Saint-Denls. S. 213. 




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3. Die Grabdenkmäler. 419 

irgendwie tun liefs, in den Kirchen selbst seine Grabstätte zu finden. 
Die Kirche hefs sich diese Bevorzugung teuer bezahlen; dafs bei 
Epidemien die Bestattung der Leichen knapp unter dem Pflaster der 
Gotteshäuser sehr schädüche Folgen nach sich zog, mag nur beiläufig 
erwähnt werden. Das Grabmal hatte die Form eines Sarkophages, auf 
der oberen Platte ruhte die Gestalt des Verstorbenen: aus Stein, Stuck, 
Bronze u. s. w. gebildet, in Konturen auf Stein oder Metallplatten ein- 
geschnitten, im Flächen- oder kräftigeren Reliefs gebildet, in Rundfiguren 
ausgeführt (vgl. o. S. 225). Am Rande der Platte ist die Grabschrift ange- 
bracht. Solche Denkmäler des 12. bis 15. Jahrhunderts sind noch in grofser 
Anzahl, sowohl in Frankreich wie in Spanien, in Italien, England, Deutsch- 
land erhalten. Man hat häufig, als die Menge der Grabmonumente den Raum 
der Kirchen beengte, die Tumben fortgeräumt und die mit Figuren ge- 
schmückten Grabplatten an den Innenwänden des Gebäudes aufgestellt. 
Als die Adelsfamilien in den Kirchen auf ihren Gütern schon Grüfte 
besafsen, haben sie seit dem 16. Jahrhundert solche Porträtgrabsteine noch 
vielfach anfertigen, an der Aufsenseite der Kirchen einmauern lassen. Neben 
ganz vorzüglichen, oft auch polychrom bemalten Skulpturen treffen wir 
häufig auch Arbeiten, die. augenscheinlich von einem Handwerker aus- 
geführt sind. Die Männer sind in ihren Harnischen dargestellt: rechts 
vom Haupte sehen wir das Famiüenwappen, ünks das der Gattin. Unter 
jedem dieser beiden Hauptwappen sind noch drei Wappenschilde zu 
sehen, die der Mutter, Grofsmutter, Urgrofsmutter. So ist auf den Grab- 
steinen gewissermafsen die Ahnenprobe dargelegt. Die Frauen sind in 
ihren besten modernsten Festkleidern oder in der Kirchentracht abge- 
bildet. Auch auf ihren Grabsteinen fehlt die Ahnenprobe nicht. Dann 
finden wir Grabsteine für die verstorbenen Kinder; ja selbst wenn sie 
bald nach der Geburt starben, erhielten sie doch gleich den Erwachsenen 
ihr Denkmal. Seit dem Dreifsigjährigen Kriege werden diese Art von 
Grabmonumenten unmodern: die Denksteine wird nun in den Kirchen 
aufgestellt, mit allegorischen Figuren u. s. w. überladen, mit schwülstigen 
lateinischen Inschriften, Chronostichen und sonstigen Geschmacklosig- 
keiten ausgestattet. 

Die Bürger haben nur ausnahmsweise im Mittelalter ihre Toten in 
den Kirchen selbst begraben. Die Geistlichkeit liefs sich solche Ver- 
günstigung, wie schon gesagt wurde, teuer bezahlen, so dafs nur die 
Angehörigen der regierenden Geschlechter von dieser Auszeichnung Ge- 
brauch machen konnten. Im Dome zu Frankfurt a. M. finden wir die 
polychromen Grabmonumente des Joh. Holzhausen (t 1391) und seiner 
Frau. (S. o. S. 235). Die Mehrzahl der Bürger wurde jedoch auf den 
Kirchhöfen beerdigt, die ursprünghch ja die Kirchen wie grofse Höfe 
umgaben. Die Grabsteine sind zum Teil, als die Begräbnisstätten aufser- 
halb der Stadt verlegt wurden, in die Aufsenwände der Kirchen einge- 
mauert worden. Die Mehrzahl dieser Denkmäler ist aber unzweifelhaft, 
wenn sich die Nachkommen nicht ihrer annahmen, verloren gegangen; 
ein grofser Teil mag auch aus vergänglichem Materiale hergestellt ge- 
wesen sein. 

27 • 



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420 VI. Tod und Begräbnis. 

Viele von diesen Grabsteinen sind schon ursprünglich in die äufsere 
Kirchenmauer eingelassen worden, so z. B. das grofsartige Familiendenk- 
mal der Schleyer und Landauer, das, 1492 von Adam ElrafEt ausgeführt, 
am Chor der S. Sebalduskirche zu Nürnberg angebracht wurde. Ge- 
wöhnüch sehen wir auf diesen Grabsteinen eine Darstellung einer Episode 
aus dem Neuen Testament: Kreuzigung, Auferstehung, Jüngstes Gericht 
oder die h. Jungfrau mit dem Kinde u. s. w. Zur Rechten dieses Bildes 
kniet, durch sein Wappen kenntUch, das Familienhaupt mit seinen 
Söhnen, Schwiegersöhnen, Enkeln; jede einzelne Person ist durch ihr 
Wappen besonders gekennzeichnet. Dieser Gruppe der Männer ent- 
spricht dann links die der Frauen, der Gattin und Mutter, ihre Töchter, 
Schwiegertöchter, Enkelinnen; auch sie sind durch ihre Famiüenwappen 
bezeichnet. Die schon verstorbenen Kinder werden durch ein Kreuz, 
das sie in den Händen halten, besonders kenntUch gemacht. Aus der 
Grabschrift ergibt sich allein, wer von der Familie gestorben, durch dies 
Grabmal geehrt worden ist. 

Seit dem 15. Jahrhundert werden solche Erinnerungsmonvunente auch 
■ in den Kirchen selbst, an den Wänden, Pfeilern angebracht. Es dienen 
zu ihnen nun nicht allein die in Stein ausgeführten Epitaphien, man 
verwendet vielmehr mit Vorliebe Gemälde, die aber ganz, wie schon 
soeben geschildert wurde, angeordnet sind.« So ist das Bekannte Werk 
des jüngeren Hans Holbein, die Madonna des Bürgermeisters Meyer 
(Darmstadt), unzweifelhaft ein Epitaphiumsbild. Reichere Famihen be- 
sitzen eigene Kapellen, und dann finden wir auch auf der Altartafel den 
Stifter mit seinem Wappen dargestellt. In den Zunftkapellen haben die 
Grabmonimiente der Innungsgenossen ihren Platz gefunden. 

Im 16. Jahrhundert macht sich in der Gestaltung der Grabdenkmäler 
der Einflufs der klassischen Studien geltend. Langsam treten die Dar- 
stellungen aus der biblischen Geschichte mehr und mehr gegen die 
gelehrten Allegorien zurück, die zu begreifen und zu würdigen doch nur 
wenigen vergönnt ist. Die früher so einfachen Grabschriften werden 
jetzt mit dem obligaten Schwulst abgefafst; lange Zeilen wechseh 
wirkungsvoll mit kürzeren ab; die Jahreszahlen sind durch kunstvolle 
Chronosticha angedeutet. Selten finden wir noch bis ins 17. Jahrhundert 
Grabsteine, auf denen der Verstorbene selbst abgebildet ist. Seit der 
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts überwiegen die gelehrt ausgesonnenen 
Monumente bei weitem. Ein Musterstück eines solchen mit Allegorien 
überladenen Denkmales ist das 1756 — 76 von Jean Baptiste Pigalle aus- 
geführte Grabmal des Marschalls von Sachsen in der Thoniaskirche zu 
Strafsburg. 

Die Grabschriften sind aber nicht immer so langweilig abgefafst, 
so schwülstig und geistlos komponiert: eß hat sich auch da der Humor 
des Volkes nicht ganz unterdrücken lassen. Ich gedenke nur der köst- 
Uchen Inschrift des Grabmales der Familie von Müller in der Bülowen- 
Kapelle der Doberaner Klosterkirche.^) 

*) Lisch, Blätter z. Gesch. der Kirchen zu Doberan und Althof 1854. S. 69. 



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3. Die Grabdenkmäler. 421 

Wieck Düfel wieck, wieck wiet von my, 
Ick scheer mienig een Haar um die. 
Ick bün ein Meckelbörgsch Edelmann, 
Wat geit die Düfel mien Supen an? 
Ick sup mit mienen Herrn Jesu Christ, 
Wenn du Düfel ewig dösten müst, 
Und drinck mit öm söet Kolleschahl, 
Wenn du sitzt in der Hellenquahl u. s. w. 

Und solche Grabschriften wie die des Kalteschale liebenden Mecklen- 
burgers sind nicht zu selten. So notierte sich PhiKpp Hainhof er 1617 
auf dem Leipziger Kirchhof: 

Hie jacet extinctus valde venerabilis Saufaus, 
nie dum vixit, valde mane at (ad?) brantwein ixit. 
Vom Brandwein zum Bitter-Bier 
Und ist also entschlafen hier^ 

Hier liegt begraben Hanfs Waitzenbroth. 
Sei mir gnädig, o Herre Gott: 
Das ewig Leben wölst geben mir. 
Gleich wie ichs auch wollt geben dir, 
Wann du werest Hanfs Waizenbroth, 
Und ich unser lieber Herre Gott.^) 

Und Callenbach zitiert in seinem »Wurmland« 142 die Grabschrift: 

Hier liegt Schulmeister Mölcher, 
Die liebe Jugend welcher 
Gelehrt hat die Künsten frey, 
Ist das nicht schad? eyl eyl 
Requiescat in pace.^) 

(143): Hier liegt Hans Bodenstein im grünen Grafs, 
Der gern WestphäJischen Schinken afs, 
Und tranck gern guten Rheinischen W^ein: 
Gott woU seiner Seelen gnädig sein. 

Wenn auch vielleicht nur eine gute Erfindung verdient die im 
Exilium Melancholiae (Strafsb. 1643) S. 229, N. 193 mitgeteilte Grabschrift 
Beachtung : 

Gott machts allzeit wies ihm behagt: 
Hier liegt der Schultheifs bey der Magd. 

1) Reisetageb. — Balt Studien ü. 2. S. 9. 

•) Eine Variante im Exilium Melancholiae das ist Vnlust Vertreiber. Strafsburg 
1643: — S. 233, N. 204: 

Hie liegt begraben Herr Melcher, 
Ist gewesen ein Pfarrer, welcher 
Hat gelehrt Gottes Wort und Zucht, 
Starb endlich an der Wassersucht. 
So Bchaw nun lieber Leser frey. 

Ist das nicht schad? Ey, Ey, Ey, Ey ! 



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422 VI. Tod und Begräbnis. 

Nun schaw du lieber Christ so frey 
Wie wunderbar Gotts Gericht sey. 

Andere merkwürdige Grabschriften sind (Vulpius) Kuriositäten VIII 
(Weimar 1820) S. 452 abgedruckt. 

4. Tod und Begräbnis der Bauern. 

Es wäre wünschenswert, die Gebräuche der Bauern bei Todesfällen 
und Bestattimgen zu untersuchen, festzustellen, wie viel, wie wenig 
aus älterer Zeit überUefert ist, welche Sitten noch in jüngster Zeit 
herrschten. Eine grofse Rolle spielt da der Aberglaube, der zwar von 
den Bürgern imd den höheren Ständen geteilt wurde, doch aber im 
Bauernhause ganz besondere Pflege fand. Zu beachten ist da besonders 
die »Philosophia Colus oder Pfy, lose vieh der Weiber« 1662, die von 
ihrem Verfasser Johann Praetorius (t 1680) anonym veröfEentücht wurde.^) 
Im Jahre 1705 hat dann Johann Georg Schmidt (1660—1722) »Die ge- 
striegelte Rockenphilosophie oder Aufrichtige Untersuchung derer Von 
vielen super -klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben« heraus- 
gegeben.2) Weitere Angaben über abergläubische Gebräuche findet man 
in Joh. Christ. Männlings Albertäten.^) 

Von den Leichen- oder Totenbrettern, auf denen die Toten auf- 
gebahrt wurden, sind wohl noch einige erhalten. Sie wurden, wenn die 
Leiche beerdigt war, an einer schicküchen Stelle als Andenken des Ver- 
schiedenen, versehen mit einer Inschrift, aufgestellt. 

Am Begräbnistage wurde bei den Bauern gleichfalls ein Trauer- 
essen veranstaltet, so reich wie möghch, oft weit über die Verhältnisse 
der Hinterbliebenen hinaus. 

Die Grabdenkmäler der Bauern, hölzerne oder eiserne Kreuze an 
ihrem Grabhügel, sind überaus selten aus älterer Zeit: die Holzkreuze 
sind vermorscht, die Eisenkreuze, oft Meisterwerke der Schmiedekunst, 
von den Kirchhöfen entfernt, den Antiquitätenhändlern verkauft, in 
Museen aufbewahrt. Die Denkmäler für Verunglückte, die so merk- 
würdigen Marteln, reichen auch nur ganz ausnahmsweise bis ins 18. Jahr- 
hundert zurück. 

Es ist die höchste Zeit, jetzt zu sammeln, was noch erhalten ist; 
vor hundert Jahren wäre die Ausbeute aller Wahrscheinlichkeit nach 
reicher ausgefallen. 

') Aufgesetzet durch MJciPfaM. Regem Namidiae, Leipzig in Verlegung Johann 
Barthel Oehlers. Arnstadt Gedruckt bey Caspar Feyschmieden. MDCLXII. — Vgl. 
Goedeke, Grundiifs «ni. 238. 

') Chemnitz, Zufinden bey Conrad Stösseln 1718 (die vollst. Ausg. mit Centuria 
V u. VI 1722). — Vgl. Goedeke a. a. 0. 241. 

») Denkwürdige Curiositäten derer so wohl Inn- als Ausländischer Abergläubischen 
Albertäten. Frankf. u. Leipz. 1713. 



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An die geschilderten Erscheinungen der alten Zeit Betrachtungen 
allgemeiner Art anzuknüpfen, AusbUcke zu eröffnen, habe ich absichtlich 
unterlassen. Das wird mögUch sein, wenn alle die Fragen, die uns 
hier beschäftigen, einmal auf Grund erschöpfender Untersuchungen be- 
antwortet worden sind. Heut vermögen wir das jedoch lange nicht zu 
tun, denn die Wissenschaft der Sitten- oder, wenn man durchaus will, 
der Kulturgeschichte ist noch gar jung, und ihre Ergebnisse erscheinen 
nicht sicher genug, als dafs man auf sie geistvolle Schlufsfolgerungen 
begründen könnte. 



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Ergänzungen und Verbesserungen. 



Zu S. 44. Die Stelle aus Fischarts Geschichtski. steht S. 83. 

Zu S. 101, Anm. 2. liberis. 

Zu S. 126. Auf einem Gemälde von Heter de Hoogh (1629—77), das in der 
Versteigerung Habich verkauft wurde, ist schon ein Paravent, eine spanische Wand, 
dargestellt. 

Zu S. 136, Z. 3. Mafswerkmuster. 

Zu S. 137. Studierstube: Antonello da Messina, J. Hieronymus. (London, 
National Gallery.) — Vittore Carpaccio, S. Hieronymus in der Celle. (Venedig, S. Giorgio 
de' Schiavoni.) 

Zu 8. 155. Aug. Kud. Jes. Bünemann, Diss. jurid. de sponsae partu spurio. 
Götting. 1753. — Andr. Pleetz, Disp. inaug. jurid. de eo, quod justum vel injustum 
(ist circa laesionem pudicitiae. Jenae 1679. 

Zu S. 157, Z 4 V. u. Maltre. 

Zu S. 159. Statt per procura ist zu lesen: durch Procura tion. 

Zu S. 166. Der weltliche Jungfräuliche Tugend-Spiegel, für die gantze werthe 
Jungfemschaft zu allen Zeiten- und Orden, bestehet in einer Verordnung wegen der 
bishero unter ihnen fürgefallenen grossen Excessen und Fauta, o. 0. c. 1715. 

Zu S. 171, Anm. 1. Joh. Frid. Troppaneger, Tractatus jurid. de mitiganda adul- 
terii poena ob denegatum debitum conjugall. Halae, Magdeb. 1745. 

Zu S. 177. (Joh. Christoph Ettner), des getreuen Eckharts Unvorsichtige Heb- 
amme . . . Lps. 1715. 

Zu S. 178, Z. 5 V. u Kindelbier. — Spedale degli Innocenti. 

Zu S. 198. Kobyldr (spr. Kobylahrsch) = Stutenknecht , Lümmel; Lei&k (sprich 
Leschahk) = Faulenzer; fatkdr (spr. fatkahrsch) = Schmarotzer. 

Zu S. 209. Zwei Abb. der Deposition im Speculum Comelianum (Strafsb. 
1618) 3, 5. 

Zu S. 210. H. Fielding, der akademische Stutzer. Mannh. 1728. 

Fitudi, der verthädigte Hunds- Voigt, wie derselbe vor dem Throne Appollinis, in 
Gegenwart der Musen, pro und contra ventiliret worden ist. Denen Musen-Söh|ion, 
welche als rechtschaffene Leute mit diesem Pop-hans der Hundsvötterei belästigt 
werden, zum besonderen Vergnügen und zur Nachricht beschrieben o. 0. 1735. 

Zu S. 213. Schlägerei der Studenten, abgeb. im Spec. Comelianum 1. — Skandal 
auf der Strafse 6. 

Zu S. 215. Der Geöffnete Fecht-Boden . . . Hamb. 1715. 

Zu S. 215, Anm. 1. Calnesius, die Quarre vor der Pfarre. Das ist kurtze und 
deutliche Erweisung, dass einem Studio, ehe derselbe zu einem öffentlichen Amte 
gelanget, nicht nur zu he3rrathen gar wol vergönnet, sondern auch dasselbe höchst- 
löblich und überall zu recommendiren sey .... Frkf. u. Leipz. 1715. 

Zu S. 234. Camera de' Sposi des Palazzo etc. 



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426 Ergänzungen und Verbesserungen. 

Zu S. 264. Unter Ludwig XIV. wurden die Absätze der Schuhe höher; es bildete 
sich die Mode der Stöckelschuhe heraus. Wer zum Hofe gehörte, durfte die Absätze 
rot färben: der Talon rouge galt deshalb als hohe Auszeichnung, deren auch die 
Maitressen des Königs teilhaftig wurden. A. Franklin, La wie privöe d'autrefois. — 
Les magasins de nouveautös • • ♦ • (Paris 1898) p. 222. — Les mag. de nouv. • ♦ • (Par. 
1896) p. 111. — Escarpins sind die leichten Tanzschuhe, die in Gesellschaften 
getragen wurden. 

Zu S . 291. Über die Bauern trachten des 16. Jahrhunderts vgl. die zahlreichen 
Bilder im Weifskunig, die deshalb so wertvoll sind, weil Kaiser Maximilian selbst die 
Richtigkeit der Kostüme genau kontrollierte. Zahlreiche Darstellungen von Bauern 
findet man in dem S. 245 Anm. 2 angeführten Werke »Civitates orbis terrarum« Colon. 
Agripp. 1592 ff. >t3ber >Frie8i8che Volks- und Rittertrachten um 1500* ist in Emden 
(bei Schwalbe) 1890 ein Werk erschienen. Trachten von Sylt und Föhr sind in J. E. 
Westphalen, Monum. ined. Rer. Germ. Lips. 1739, abgebildet 

Zu 8. 313. H. Amersbach, Teutscher Vielfrasz, des Teufels Leibpferd oder 
christliche Betrachtung darum der itzigen Frefz- und Sauffwelt treulich gezeiget wird . . . 
Jenae 1664. 

Zu S. 330. David Chalion erhielt 1659 den 29. Mai das Privileg der Schokolade n- 
fabrikation. Revue Dlustr^e. 1903. Jan vier 1. 

Zu 8. 357. Ein interessantes Jagdfrühstück, gemalt von Jean Franyois de Troy 
(1679 — 1752), besitzt das Louvre-Museum zu Paris. 

Zu S 372. Über das Kartenspiel vgl. Deutsches Leben etc. 175, 515 und <lie 
Abb. Fig. 518—521. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verbreitet es sich bei 
den europäischen Kulturvölkern. Die ersten Spielkarten sind gemalt; im 15. Jahr- 
hundert werden sie in Kupfer gestochen und durch Holzschnitt hergestellt. Die 
deutschen Stiche werden als Seltenheiten hoch geschätzt, besonders aber gilt dies von 
den italienischen Karten, deren Kunstwert nicht unbedeutend ist. Ein deutsches Karten- 
spiel, in Holz geschnitten und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gefertigt, ist 
im Kulturg. Bilderb. H Nr. 756—789 abgebildet. 

Zu S. 376. Über die Bedeutung des Wortes Schmäräken habe ich von Kennern 
der czechischen' Sprache nichts erfahren können. Vielleicht hängt es mit smräk, Abend- 
dämmerung, zusammen. 



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Sachregister. 



Aberglaube 422 
Achselsprung 374 
Adelsbriefe 197 
Affen 369 
Agraffen 229 

Ahnen probe auf den Grab- 
steinen 419 
Alchymie 193 
Algar(a)de 362 
AUemande 366 
Amme 174 
Anagramme 207 
Ananas 829 
Andachtsbild 22, 141 
S. Andreas-Abend. 166 
S. Andreas-Nacht 387 
Anglaise 366 
Anrede d. Adelskinder 190 

Prinzen 187 

Anstandsiehren 194 
Anstöfsige Darstellung. 167 
Appartements 354 
Aquavit 326 
Armbänder 229 
Armenhaus 102 
Artushof 91 
Assembl^e 353 
Aufstehen der Bürger 337 

— und Schlafengehen 
der Fürsten 836 

Aufzüge 350 

— bei Festmahlen 302, 
811 

Aufzüge für die Speisen 

311 
Aufsereheliche Liebe 155 
Ausstände d. Gesellen 218 
Aussteuer 169 

Baccalaureat 209 
Bacchanten 208 
Bad der Wöchnerin 181 
Baden 337 ff. 



Bader 337 

Bäder, kalte 338 

Badereisen 399 

Baldachin 285 

Ballett 161 

Ballets 366 

Ballhaus 96 

Ballspiel 374 ff. 

Bänke 18, 133 

Bankerotierer 217 

Bären 369 

Barette 234, 241 

Bart 248 ff. 

Bartschnitte 253 

Bassette 354 

Bataillenpferd 411 

Bauchvater 156 

Bauemendehung 218 

Bauernhäuser 146 

Bauernhochzeit 163, 355 

Bauemtanz 365 

Bauemtänze 400 

Bauemtumiere 400 

Beanus 209 

Beerdigung 412 

Befestigungen der Dörfer 
150 

Befestigungen der Kirchen 
150 

Befestigung d. Schlösser 11 
— der Städte 65 

Beförderung 197 ' 

Beghinen 102 

Begräbnis am Abend 415 

Begrüfsung 393 

Beilage 163 

Beischlafen auf Glauben 
156 

Beischlafen auf Gelde- 
rischen Glauben 157 

Beischläge 120 

Beleuchtung 44 



Beleuchtung d. Strafsen 78 

Belltafel 376 

Bergkristall 43 

Beschreibung der fürst- 
lichen Taufen 174 

Beschreibung der Vermäh- 
lungsfestlichkeiten 161 

Besuche vonKeisenden 346 

Betpult 141 

Betrüger 216 

Bett 21, 38 

Bettlertanz 362 

Bettstatt 139 

Bettdecken 139 

Bevölkerung der Städte 65 

Bier 296, 323 

Bildnisse 39 

Billard 349 

Blaserohr 202 

S. Blasientag 383 

Blumengarten 144 

Blumenliebhaberei 47 

Blumentöpfe 137 

Blutfahne 411 

Blutschande 155 

Bodensprung 374 

Bohnenfest 354, 383 

Bohnenkönig 383 

Bohnenlied 383 

Bourr^e 366 

Börse 95 

Branntwein 297, 323 

Branli^ren 363 

Brautgeschenke 168 

Bi-autkrone 167 

Brautwerbung und Braut- 
stand des österr. Hoch- 
adels 163 

Brettspiele 137 

Briefsteller 195 

Broschen 229 . 

Bruch 224, 229, 230 



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428 



Sachregister. 



Bucentoro 3&8 
Bücher 137 
Buden 121 
Bursa 209 

Cacahella 323 
Calciata 4 
Cadenas 307 
Cammerfeste 355 
Candidat 212 
Carousser 325 
Caroussel 163 
Capricollieren 363 
Castrum Doloris 409 
Oena 297 ff. 
Oercle Royal 353 
Champagne mousseux 322, 

325 
Chronosticha 207 
Chaussee 4 
Ciarlatani 368 
Cinqpassiren 363 
Civilehe 159 
Closets 25 
Contretems 366 
Courante 366 

Bächer 143 
Dachfahnen 143 
Dame 372 

Damenschneider 341 
Dampfbäder 338 
Dejeuner 228 
Deposition 209 
Deutsche Tracht 266 
Deutsche Weine 319 ff. 
Dienstboten 339 
Diner 297 ff. 
Dirnenwesen 153 
Dockenhäuser 202 
Dorfwirtshäuser 395 
Draper 414 

Drechselei der Fürsten 187 
Dreikönigsfest 383 
Dressierte Pferde 369 

Edelsteine 280 
Ehepakten 162 
Ehrenpforten 390 
Eier, Essen der 318 
Einbalsamieren 408 
Einsalzen 408 
Einzug des neuvermählten 

Fürstenpaares 163 
Einzüge der Fürsten 389 
Eiserner Ofen 130 
Eiskeller 325 



Elenden-Herberge 102 
Empfang der Braut 160 
Englische Komödianten 

368 
Englischer Schweifs 392 
Englische Tracht 274 
Entbindung der Bauern- 
frauen 181 

— an Fürstenhöfen 173 

— einer Fürstin 175 
Epitaphiumsgemälde 420 
Eremitage 63 
Erziehung der Kinder 183 

— der Kinder des Adels 
189 

Erziehung eines Bürgers- 
sohnes 204 ff. 

Erziehung der Fürsten- 
kinder 183 

Erziehung eines Prinzen 
185 ff. 

Erziehung d.Prinzessinnen 
188 

Escarpin 426 

Eselsfest 382 

Essen und Trinken 296 ff. 

Fächer 284 
Fackelfestzug 163 
Fackeltanz 361 
Fahrende Schüler 208 
Farbige Kleider 274 
Fässer, grofse 44 
Fastnacht 384, 355 
Fastnachtsgebräuche 384 
Fastnachtsspiele 367 
Faulbett 133 
Fayence 309 
Fechten 349 
Fechtlehrer 184 
Fechtschule 213, 374 
Fechtsprung 374 
Fechtübungen 184 
Federballspiel 376 
Federschmuck 274 
Fenster d. Schlösser 14, 53 
Fenstergitter 123 
Fest der unschuldigen 

Kihdlein 388 
Festkleider 279 ff. 
Festmahl der Bürger 312 
Feuerspritzen 106 
Feuerversicherung 108 
Feuerwerk 163, 355 
Feuerzeug 142 
Findelhaus 101 
Finstermette 385 



Fischerei 358 
Flaschenkeller 394 
Fleischhalle 95 
Fleischmarkt 95 
Fliesen 142 
Florentzen 154 
Fluchen und Schwören 378 
Flüssen 372 
Fontange 262 
Formelbucher 195 
Französische Mode 228, 248 

— Sitten 399 

— Weine 322 
Frauenhäuser 153 
Frauenkleider vor dem 

12. Jhdt. 224 

Freifrau 154 

Freihaus 154 

Frefssucht 313 

Freudenfahne 411 

Freudenfeuer 177 

Freudenpferd 411 

Frisur der Damen 255 

Fronleichnamsfest 386 

Frühmahl 314 

Fürbitte für die schwangere 
Fürstin 175 

Fürstensöhne auf Uni- 
versitäten 186 

Gabel 300 

Galgen 69 

Gaillarde 363 

Gambadieren 363 

Gängelbänder 199 

Gänsebauch 255 

Gänsen 372 

,Gardenrobbe* 131 

Gärten 45 

Gartende Knechte 396 

Gärten der Bürger 143 

Gartenhäuser 145 

Gassaten 212 

Gasthöfe 395 

Gastzinuner 36, 142 

Gavotte 366 

Geburtsstuhl 177 

Gefäfse 129 

Gefräfsigkeit der bäueri- 
schen Wöchnerinnen 181 

Gefrorenes 325 

Geldheh^ten 166 

Geldmangel 192 

Geldnot 193, 197 

Gemälde 131 
— , mythologische 30 

Gemäldegalerie 25, 349 



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Sachregister. 



429 



Genrebilder 131 
Gerechtigkeitsbilder 89 
Gerichte bei Festessen 

316 ff. 
(Berichte bei Festmahlen 

der Fürsten 303 ff., 315 
Gesang 344 
Geschenke an die Ehefrau 

344 
Geschlechtertanz 362 
Geschlitzte Kleider 237 
Gesell 217 

Gesellschaftslieder 371 
Gesellschaftsspiele 373 
Gewandhaus 93 
Geweihe 39 
Giefskalter 129 
Giefsfafs 129 
Giftmorde 193 
Giftverratende Gefäfse 43 
Glasfenster 125 
Glasmalerei 125 
Glocken über den Servier- 

schüsseln 304 
Glühwein 296 
Goliarden 208 
Gotische Grabfunde 222 
Grabdenkmäler 417 ff. 
Grabensprung 474 
Grabschriften 420 

— , humoristische 421 ff. 
Grand Lever 336 
S. Gregorienfest 385 
Griechische Weine 321 
Grobianus 194 
Groschen weiber 416 
Grotten 36 
Grnbenballspiel 376 
Grüner Donnerstag 385 
Gürtel 229 

Haarbentel 251 
Haartracht d. Männer 248 

- 224, 229 
Hahnenschlagen 358 
Hahnentanz 401 
Halskragen 284 
Halstuch, weifses 284 
Händewaschen 300 
Handschlag 167 
Handtuch 129 
Handwerkerfeste 218 
Handwerkerlaufbahn 217 
Lange Hängeännel 229, 

236 
Harnisch 274 
Hasardspiel 217 



Hauptsprung 374 
Hausflur 122 
Hausmusik 370 
Haustüren 120 
Haustreppe 123 
Hauswäsche 341 
Hebanmien 173, 177 
Hebammenstuhl 177 
Heckerling-Streuen 170 
Heerstrafsen 3. 
Heilkunde der Hausfrau 

392 
Hemd 224, 229 
Herren-Fastnacht 384 
Herrenhäuser 149 
Himmelfahrtstag 386 
Hochzeit 159 

— der Bauern 172 

— der Bürger 166 
Hochzeitsbriefe 169 
Hochzeitsgedichte 170 
Hochzeitsgeschenke 169 
Hochzeitshaus 96 
Hochzeitshemd 168 
Hochzeitsmahl 169 
Hochzeitsscherze 170 
Hof 123 

Hofämter 191 
Hofdamen 192, 340 
Hofleben 191 
Hofleute 192 
Hofmeister 190 
Hofnarren 358 
Hoftage 347 
Hölle 373 
Holzarten 134 
Holztäfelung 33, 126 
Holzteller 310 
Hoppel-Tänze 363 
Hosenbandorden 281 
Hosenlatz 230, 233, 247 
Hnnde 289 ff. 
Hundekasten 134 
Hut, dreieckiger 247 
Hüte 234, 241, 247, 253 
Hutschnüre 254 

Illumination 163, 175, 177 

356 
Italienische Weine 321 
Intarsia 134 
Invalidenhaus 102 

Jagd 350, 357, 377 
Jentaculum 298 
Jentamen 298 
S. Johannis d. Ev. Tag 388 
Johannisfest 386 



Jordanwasser 176 
Julep 322 
Jungfemkranz 167 
Jungfrauengesell 169 

Kabinette 135 

Kaffee 329 

Kaldaunenkapelle 408 

Kalter Braten 392 

Kalte Schale 315 

Kamine 15, 19, 38, 129 

Kanapee 133 

Kandelbrett 129 

Kappe 285 

Karfreitag 385 

Karneval von Venedig 384 

Karnöffel 372 

Kartenspiel 372, 426 

Kartoffel 328 

S. Katharinentag 387 

Karussell 350 

Kaufhaus 91 

Kaufläden 120 

Kaufmannslaufbahn 215 

Kaviar 328 

Kemenate 15 

Kellereien 44 

Kindbetthose 178 

Kindelbior 178 

Kindelein 189 

Kindein 389 

Kinderkleider 199 

Kindersegen 199 

Kinderspiel 201 

Kindertumiere 201 

Kinder und Dienstboten 
199 

Kindesmord 155 

Kirchen 82 

Kirchgang der Wöchnerin 
176 

Kirchliche Ehe 159 

Kirchweih 387 

Klassische Bildung 207 

Kleider, farbige 229 
— der Bauern 291 

lüeider des fürstl. Braut- 
paares 163 

Kleider der alten Deut- 
schen 221 

Kleider der I^ngobarden 
222 

Kleiderordnungen 244 

Kleiderschrank 141 

Kleiderstoffe 276 

Kleidung 221 

Knappen 189 



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430 



Sachregister. 



Kobylarz 198 
Kochbücher 327 
Köchin 315 
Kochrezepte 340 
Kommoden 135 
Komödien 163, 175 
Königsspiel 354 
Konzerte 175, 366 
Kopfputze 235 
Kopfrennen 349 
Korkstöpsel 325 
Komhaus 91 
Korsett 255 

Kosten einer Hochzeit 169 
Kotzendantz 362 
Kragen 254 
Krankenhaus 100 
Kränzchen 391 
Kranzmahlzeiten 315 
Kravatte 284 
Kredenz 39, 131, 308 
Kredenzgefäfse 132 
Kreuzwoche 386 
Krippen 388 
Krippenreiter 198 
Kristallgläser 309 
Kronleuchter 186 
Küche 142 
Kunstkammer 29 
' Kunstsammlungen 138 
Kunstschränka 37 
Kufs 157 
Kutsche 380 

Lampen 135 
Lampendochte 136 
Landestrauer 413 
Lateinschulen 208 
Latinisier ung der Familien- 
namen 207 
Lauben 121 

Laufstuhl der Kinder 199 
Lebensdauer 405 
Lebkuchen 141, 181 
Ledertapeten 127 
Ledige Kinder 155 
Leibgedinge 414 
Leibstuhl 140 
Leichenbegängnis 411 fE. 
Leichenbitter 415 
Leichenwagen 411 
I^inwand 276, 278 
Leinwandhaus '94 
Lektüre 345 
Leproserie 101 
Lessei 387, Anm. 4 
Lezak 198 



L'Hombre 372 

Licentiat 209, 212 

Lichterziehen 340 

Lichtigel 129 

Lichtmefs 383 

Lichtscheere 129, 136 

Lieder, unzüchtige 200 

Liköre 326 

Loggien 121 

Löschanstalten 106 

Lotterbett 133 

Lüderlichkeit der Bürger- 
frauen 156 

Lüderlichkeit der Höfe und 
der Adelskreise 155 

Luftsprung 374 

Lusthaus 32, 63 

Mac Adam 4 
Magenstärkung 141 
Magezogin 188 
Magister-Kranz 209 
Mahlzeiten, fürstliche 

299 ff. 
Mai, der erste 386 
Majoliken 43 
Majolica 309 
Malerei 35 
Manoir 149 
Mantel 224, 229 
Mantelsprung 374 
Maria Himmelfahrt 387 
Marionetten, singende 353 
S. Martinstag 387 
Masken 252, 285 
Maskeraden 163, 354, 389 
Matratze 140 
Medaillen 163, 175, 281 
Meisterin 188 
Menuett 366 
Mercerie 355 
Merenda 298 
Merowinger-Schmuck- 

sachen 222 
Messer, Essen mit dem 

328 
S. Michaelstag 387 
Militärische Erziehung der 

Prinzen 187 
Mifsgeburten 177 
Mittagsmahl 314 
Mittfasten 385 
Möbel 52 
Modefarben 254 
Modenarren 195, 196 
Modepuppen 252 
Monte-plats 311 



Moralität 153 
Mordherbergen 895 
Morgengabe 159, 163 
Morgensuppe 339 
Morisken-Tanz 362 
Mühlsteinkragen 244 
Mummerei 161 
Musik 344 
Musikunterricht 204 
Mützen 234 

Nachkommen 325 
Nachtkleider 141 
Nachtlampe 143 
Nachtwächter 73 
Nacktlaufen der Kinder 

199 
Narrenfest 382 
Nebenräume d. Schlösser 

31 
Nestel 229, 230 
Nestelknüpfen 170 
Neujahr 382 
S. Niklastag 388 
Nonnenkloster 156 
Nottaufe 177 
Numerierung d. Häuser 75 

Obstanpflanzung 144 
Ochsenmäuler-Schohe 234 
Öfen 15, 20, 129 
öffentliche Brunnen 76 

— Denkmäler 81 
Ohrringe 229 

Oper 161, 163, 175, 350, 369 
Orden 281 
Osterfest 385 
Ostersamstag 385 

Pagen 189 

Palästbauten 6, 12, 47 
Palemey-Spiel 376 
Pallmall 376 
Palmey-Spiel 376 
Palmsonntag 385 
Papiertapeten 128 
Paradebett 409 
Parapluie 285 
Parasol 285 
Paravent 425 
Parfümerien 229, 253 
Parkanlage 63 
Partida 364 
Passamezzo 364 
Passa repassa 363 
Passionesa 362 
Passionsspiele 367 
Patengeschenke 181 



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Sachregister. 



431 



Pelzmützen 244 
Pelzwerk 274 
Pennalismus 211 
Perlenstickereien 239, 280 
Perücke 250 
Pesle mesle 311 
Petit Lever 336 
PfefEertag 388 
Pflasterung 69 £E. 
Pfingsten 3^6 
Pflichten der Hausfrau 

339 ff. 
Philippinatanz 362 
Pietra-dura-Arbeit 134 
Plattenwerfen 376 
Pleger 325 
Pluderhosen 240 
Plumage 276 
Politur 134 
Polonaise 366 
Polster 133 
Portechaise 381 
PortraitB der Bräute 160 
Prandium 297 ft, 
Prandium Aristotelis 209 
Pranger 90 
Privathäuser 104 
Prügel in der Schule 200 
Prügelknaben 183 
Pudern der Haare 253 
Puff 372 

Puppe 201, 202, 373 
Puppenhäuser 202 
Puppenküche 202 
Puppenstube 202 

Quadrille 350 
Quintanrennen 349 

Babbat 254 
Rabenstein 90 
Rakett 374 
Rakettenspiel 374 
Rathäuser 82 
Räuber 396, 397 
Raubritter 396, 398 
Redonte 353 
Regenkleid 286 
Regenschirm 287 ff. 
Regentuch 286 
Reifrock 261 
Reifschürze 252 
Reigen 360 
Reinigung der Senkgruben 

143 
Reisebetten 396 
Reisen 393 ff. 
Reiten 183 



Reitermantel 253 
Reiterstiefel 247 
Religiöse Pflichten 336 
Rennen 1'61, 347 
Repas ä la clochette 324 
Ridotto 353 
Rigau/lon 366 
Ringe 229 
Ringen 184 
Ringkunst 374 
Ringspiel 373 
Rock 229 

— , langschöfsiger 247 
Rolandssäulen 90 
Rondeau 366 
Rofsballette 350 
Rosensonntag 384 
Rtickensprung 374 
Rundtänze 366 
Ruten 201 

Samaria 244 
Sänfte 381 
Särge 409 
Sclavinia 286 
Schach 372 
Scharrer 362 
Schatzgräber 193 
Schau 94 
Schaugerichte 161 
Schauspiele 366 
Schenk 302 
Schlachthaus 95 
Schlafen, Regeln fürs 140 
Schlafzimmer 21, 139 
Schlafenszeit 393 
Schleier 285 
Schlittenfahren 38, 350 
Schlittenrecht 381 
Schlittschuhlaufen 202 
Schlofs 5 
Schlofsgärten 45 
Schlofskapellen 45, 61 
Schmäräken 376 
Schminke 229, 253 
Schmucksachen 243 
Schnabelschuhe 224, 229 
Schneiderei 341 
Schnupftabak 331 
Schnupftabaksdosen 331 
Schnürbänder 224 
Schokolade 330 
Schönheitspflaster 253 
Schränke 124, 134 
Schreibschrank 138 
Schreibtische 19, 123 
Schreibzeug 137 



Schülerbischof 388 

Schulhaus 103 

Schulkomödie 367 

Schulzucht 200 

Schützen 208 

Schützenfeste 360 

Schwarze Knabe, der 362 

Schweine auf der Strafse 
70, 72 

Schweineschlachten 392 

Schweizerische Buffe 362 

Schweizer Weine 320 

Schwimmen 377 

Seide 276, 278 ff. 

Seidenstoffe 341 

Seifekochen 341 

Seiltänzer 360 

Selbstmorde 406 

S^n^chal 300 

Sieden der Leichen 408 

Silbergeschirr 309 

Sittlichkeit 153 

Socken 224, 229 

Sodomie 154 

Sofa 183 

Sonnenschirm 287 

Souper 297 ff. 

Spanische Weine 321 

Spazierengehen 381 

Spazierstock 288 

Speck 252 

Sperrketten 73 

Spiegel 19, 21, 44, 131, 393 

Spielkarten 137 

Spielsachen der Fürsten- 
kinder 183, 188 

Spinnen 341, 343 

Spmnrad 343 

Spitzen 282 ff., 343 

Spoliere 128 

Sprachmengerei 207 

Sprünge 374 

Städte 65 

Stadtmauer 66 

Stadttore 68 

Stammbücher 215, 246 

Stankgemach 143 

Statue eines Fürsten 336 

Stechen 347 

Steckenpferd 201, 373 

Steenkerke 284 

Stickerei 280, 342 

Strickbüchor 343 

Stricken 342 

Strickmaschine 231 

Stollenschränke. 135 

Strohhüte 234 



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432 



Sachregister. 



Stiroheaek 140 
Strümpfe 230 

— , gestrickte 231 
Strampfhose 224, 229, 230 
Strafsen 3. 

— der Städte 69 
Straufsenfedem 234, 237 
Studenten 209 ff. 
Studierzimmer 138 
Stühle 133 

Stunde des Essens 297 
Synagogen 82 

Tahakrauchen 330 

Table deconfidence 307,311 

Tafelaufsätze 39, 302, 310 

Tafelschiefsen 376 

Tafelschmuck 310 

Talon rouge 426 

Tanaweczel 392 

Tanz 360 ff. 
—, deutscher 349, 364 
— , englischer 349, 366 
— , franzö8ischer349,366 
— , polnischer 349 

Tänze, nackte 365 

Tanzen 349 

Tanzhaus 96 

Tanzschule 364, 393 

Tanzsprung 374 

Taschenspieler 369 

Taschenuhr 284 

Taufe im Bürgerhause 180 

— an Ftirstenhöfen 173, 
176 

Taufnamen 174 
Taufzeugen 180 
Tee 329 
Testamente 407 
Theater 99, 161 
Tische 18, 36, 133, 134 
Tischbedienung zu Pferde 

302 
Tischmusik 308 
Tischordnung 300 
Tischplatten 18 
Tischservice 308 ff. 
Tischtücher 133, 134 
Tischzucht 311 
Titelsucht 195 
Titulaturen 195 
Tjost 184 

Töchtererziehung 203 
Tod und Begräbnis der 

Bauern 422 
Tod der Fürsten 408 ff. 



Todesanzeige 412 
Todtenmahl 417 
Todtentafel 417 
Tost^e 325 
Tour k la mode 350 
Tracht zur Zeit Karls des 

Grofsen 223 
Trachtenbilder des 12. u. 

13. Jahrhunderts 225 ff. 
Tranchierkunst 327 
Trauer 412 ff, 414 

— der Spanier 416 
Trauerfahne 411 
Trauerkleider 416 
Trauerpferd 411 
Trictrac 372 

Trink-Comment 212 ff., 323 
Trinkgeschirre 39 ff. 
Trinkstuben 97 
Triumphbogen 390 
Truchsefs 300 
Trunksucht 313, 318 

— der Franzosen 324 ff. 
Tuchhalle 93 

Turniere 184, 347 

Überschläge 254 
Uhr 130 
üngarweine 322 
Ungetreue Nachbarn 373 
Universitäten 208 
Universitätsgebäude 103 
Un Sauberkeit der Strafsen 

69 
Untersuchung d.Bräute 160 
Unzucht mit Kindern 154 

Taganten (Landstreicher) 

397 
Vaganten (Studenten) 208 
S. Veitstag 386 
Venezianische Gläser 41 
Venezianisches Glas 125 
Verletzung der Sittsamkeit 

155 
Vermählung d. Fürsten 159 
Vermählung durch Pro- 

kuration 159 
Vertugadin 261 
Verwilderung d. Sitten 198 
Virgatum ire 373 
Vogelgebauer 137 
Vogelschiefsen 357 
Volksschule 215 
Vorgelege 130 
Vorhänge vor Gemälde 131 



Wachskerzen 136 | 

Wachteln, geschuhte 153 
Wachttürme 150 
Wams 247 
Wandleuchter 136 
Wandteppiche 127 
Wappenweiblein 136 
Waschen am Morgen 337 
Waschschränkchen 19 
Waschtische 129 
Wasserleitung 75 
Wasserspeier 369 
Weben der Stoffe 341 
Weiberspeck 252 
Weihnachtstag 388 
Wein 296, 319 ff. 
Weinhaus 63 
Weinkeller 124 
Weinlese 358 
Wein-Springbrunnen 175 
Weifszeug 278 
Wendeltreppe 123 
Wermutwein 322 
Westerwät 173 
Wettlaufen 349 
Wettrennen 349 

— auf dem Wasser 349 
Wochenstube der Bürger 

frauen 177 
Wohnzimmer 125 
Wollenstoffe 276, 342 
Würfel 372 
Wurst 318 
Würzwein 296 
Windmühle 202 
Windeluken 143 
Wirtschaften 163, 354 
Wirtshaus 97 

Zahl der Gänge 307 
Zahlüsch 122 
Zäuner 362 
Zeit der Trauung 168 
Zeughaus 91 
ZinngeschiiT 310 
Zölle 398 
Zopf 251 
Zuchthaus 102 
Züchtigung der Fürsten- 
kinder 183, 187 
Zunfthaus 96 
Zutrinken 323, 324, 825 
Zweikampf 379 
Zwerge d^S 
Zwölf Nächte 383. 



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Das Hausliche leben der Europalac 

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