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Full text of "Das Königreich Serbien und das Serbenvolk"

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HANDBOÜND 
AT  THE 


UNTVERsrnr  of 

TORONTO  PRESS 


SERBIEN  UND  DAS  SERBENVOLK 


MONOGRAPHIEN 


1)1  R 


BALKANSTAATEN 


HERArSt;EC;EBEN 


DR.  WILHELM   RULAM) 


SERBIEN 

\'on 
ll.LlX   KAMTZ 


LEIPZIG 
\ERLAC.   \'ON    BERNH.   MEVER. 

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107G5 


Közr. 


An.nv 


/    FELIX   KANITZ 


Das  Königreich  Serbien 


und 


das  Serbenvolk 


von  der  Römerzeit  bis  zur  Gegenwart 


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HRSTER    BAND 


Land  und  Bevölkerung 


i.Kip/.ic; 

\I-K1  \c:   VON    Bl-KMI.   Ml-Vl-K. 
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Alle  Rechte  vorbehalten. 


Geleitwort  des  Herausgebers. 


Das  Wort  Balkanwirren  ist  ein  stehender  Begriff  im  Sprachschatz  der  Pohtik  und 
Presse.  Noch  liegen  die  Jahre  nicht  allzuweit  zurück,  wo  der  europäische  Wetter- 
winkel für  die  Kabinette  der  interessierten  Mächte  der  Gegenstand  gesteigerter 
F^ecibachtungen.  teilweise  unverhohlener  Besorgnisse  war  und  das  vorgebliche 
Testament  Peter  des  Grossen  auch  in  den  Augen  der  Optimisten  beängstigende 
Aktualität  gewann.  Wider  Erwarten,  dabei  auch  wider  Wunsch  und  Willen 
Vieler,  ist  im  letzten  Jahrzehnt  anl  dem  Balkan  eine  Stagnation  der  bestehenden 
Verhältnisse  eingetreten,  die  hier  linttäuschung,  dort  ein  .Aufatmen  auslösen 
mochte  —  als  nämlich  der  kranke  Mann  am  Gelben  Meer  jenen  am  Goldenen 
llorn  in  der  Rolle  des  hilflosen  Greises  ablöste.  Wer  möchte  indes  behaupten, 
ilass  durch  die  grosszügige  asiatische  Politik  Rnsslands  und  den  Erfolg,  der  sich 
auf  seinem  ehernen  Vormarsch  in  Ostasien  an  die  Fahnen  des  weissen  Adlers 
heftet,  Russlands  Balkanmission  aiü  den  .Aussterbeetat  gesetzt  sei.  Die  Balkan- 
früchte reifen  auf  dem  Lavagrund  Mazedoniens  langsam,  aber  stetig,  und  die 
Zeichen  mehren  sich,  die  Gläubigen  wie  Ungläubigen  künden,  dass  die  Füsse 
derer,  die  den  Padischah  hinaustragen,  von  wo  er  gekommen,  vor  der  Tür  stehen. 
Wer  gerechten  Sinnes  und  dem  im  verflossenen  Jahrhundert  vielerorts  und 
erfdlgrelili  wach  gewordenen  Nationalitälenprinzip  nicht  abhold  ist,  kann  es  den 
ehrislliehen  Balkanvulkeni  kaum  verargen,  wenn  sie  sich  heule  mehr  denn  je  auf 
ihre  Vergangenheit  hesinneri.  Wie  ein  Vers  aus  einem  alten  Meldenepos  klingt 
es,  wenn  wir  lesen,  dass  dasselbe  Bulgarien,  das  heute  als  türkischer  Vasallen- 
staat figuriert,  an  der  Wende  des  neunten  Jahrhiuiilerts  von  der  Donau  bis  zum 
l'indus  relehle,  I )nnaii-Bnlgarien,  die  grossere  Hallte  von  Thracien,  Mazedonien, 
tieii  Nordwesten  von  riiessalien,  sowie  die  Binnenlandscliaften  von  Fpirus  und 
vom  heutigen  .Albanien  iiinfassie  uni.\  einem  bulgarischen  Zaren  die  Kaiserstadt 
am  Bosporus  zinspflichtig  war'  Wie  seltsam  nuiiel  die  (jesehichle  an,  wo  sie 
eizahll,  dass   der  Hy/anlineik.nsei   lleiaklius  gegen  die  eulgedrungenen  .Avaren  aus 


VIII  (jfleitwdrt  des  HcrausKcbcrs. 

ikiii  iisllithcn  (jalizicn  die  Serben  zu  Hilfe  rief,  die  jene  vertrieben  und  sich 
in  dem  heutigen  Serbien  ansiedelten,  und  dass  der  erste  ScrbcnkftniK  sich  die 
Anerkennung  seiner  Würde  von  Papst  Gregor  VII.  verschaffte,  während  um  die 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  der  Kaiser  von  Serbien  über  ein  ncwaitincs  scrbisch- 
bul|i;arisch-Kriechisch-albanisches  Reich  geherrscht  hat! 

Dass  Montenejiro  bereits  an  der  Nei(^e  des  15.  Jahrhunderts  einen  eigenen 
Staat  unter  angestammten  Fürsten  bildete  und  eigentlich  nie  den  osmanischen 
Zvvingherren  Untertan  war,  ist  allbekannt.  Auch  die  Geschichte  Bosniens  ist  von 
einer  Aiircuk'  innstrahlt,  die  für  diu  balkanischen  Freiheitskämpfer  von  heute  als 
leuchtende  Feuersäule  auf  dem  Weg  zur  Selbständigkeit  gelten  muss.  Nachdem 
es  die  ungarische  Botmässigkcit  abgeschüttelt,  wurde  Bosnien  von  einer  Reihe 
einheimischer  Könige  regiert,  deren  letzter  mit  jenen  Grossen,  die  den  Glauben 
niciit  lassen  wollten,  unter  den  Henkerstreichen  des  Krummsäbels  fiel,  indes  zwei- 
liuiulerttausend  Bosniakcii  beiderlei  Geschlechts  in  die  Sklaverei  nach  Asien 
wanderten.  Ein  schriftliches  Dokument  erwähnt  bereits  914  einen  einheimischen 
herzegowini sehen  Fürsten,  und  ein  halbes  Jahrtausend  später  wurde  die 
Herzegowina  als  Herzogtum  des  hl.  Sava  unter  der  Lehnshoheit  des  deutschen 
Kaisers  Friedrich  111.  selbständig  konstituiert. 

Die  Literatur  ist  der  gewaltigen  Geschichte  der  Balkanstaaten  nicht  gerecht 
geworden.  Die  Gründe  sind  zu  naheliegend,  um  angeführt  zu  werden.  Jene,  die 
die  Ereignisse  auf  dem  Balkan  ständig  verfolgen,  erwarten  von  den  gedachten 
Publikationen  für  ihr  Erscheinen  jedenfalls  nicht  eine  Begründung.  Sie  werden 
es  zweifelsohne  begrüssen,  dass  hier  versucht  wird,  eine  tatsächliche  Lücke  aus- 
zufüllen. Ueber  den  Charakter  der  einzelnen  Monographien  gibt  der  nachfolgende 
erste  Band  Aufschluss.  Der  ausgezeichnete  Klang,  den  der  Name  Felix  Kanitz 
besitzt  und  die  Fülle  tiefgründiger  Gelehrsamkeit,  die  der  bewährte  Balkan- 
forscher in  44jährigem  Bienenfleiss  für  sein  Lebenswerk  aufgespeichert  hat,  sollen 
dem  Leser  einen  Bt^griff  von  dem  geben,  was  er  von  den  „Monographien  der 
Balkanstaaten"   zu  erwarten  hat. 

Wie  das  Kanitzsche  Werk,  werden  sich  auch  die  folgenden  Bände  in  Inhalt 
und  Form  nicht  sowohl  an  zünftige  Politiker  und  Diplomaten  als  an  alle  Kreise 
der  Gebildeten  wenden,  nicht  zuletzt  an  die  Männer  des  Handels,  der  Technik 
uiui  Industrie.  Für  künftige  Ereignisse,  die  schon  jetzt  ihre  Schatten  vorauswerfen, 
dürften  sie  manchem  ein  willkommener  Handweiser  werden. 

Leipzig,   I.Januar  1904. 

DR.  WILHEL.W    RULAND. 


1-IiLlX    KANITZ 


DiT  Vcrlnssci  von  „Scihii-'n"  ist  in  ili-in  Auucnblick,  wn  der  erste  Banil 
seines  Werkes  den  Wet;  in  ilie  Oeffentliclikeit  ;inlrltt,  jäh  vom  Tod  ereilt  worden.  Ein 
SchinKnnf.nll  hat  nni  fi.  Januar  l'.HM  seinem  arbeitsreichen  Leben  ein  I^nde  bereitet. 
Derl'od  iialiin  ihm  ilie  l'eder  aus  der  Hand,  als  er  die  letzten  Korrekturen  im  Sihliiss- 
boj^en  des  ersten  Handes  anbrachte.  Die  berechtigte  Trauer  inn  das  nnerwarlele 
Hinscheiden  des  riisti^jen  (jelehrten  lindert  die  Tatsache,  dass  der  zweite  und  dritte 
Band  des  Werkes  druckfertiK  vorlienen.  Sie  werden  neben  dem  EroffniinKsband  ein 
unvernan>;liches  IH'iikmal  des  verstorbenen  Halkanforschers  bilden,  ilcr  allezeit  als 
hervorraneiulster  Kenner  Serbiens  nenannl  werden  wird.  W.  [i. 


Vorwort  zu  Band  I. 


Wem  erschiene  Serbiens  Keschichtsreicher  Boden  interesselos,  auf  dem  einst 
Römer,  Germanen,  Sarniaten,  Daker  und  später  Byzantiner.  Siaven,  Ungarn, 
Österreicher,  Türken,  Russen  um  die  Herrschaft  stritten.  Haftet  ja  heule  noch 
Kaiser  Trajans  Name  an  zahlreichen  Denkmalen  des  unteren  Donau-Limes;  jener 
Hunyadys  und  Prinz  Eugens  an  demselben  Belgrad,  wo  die  Serben  zu  Beginn 
des  vorigen  Jahrhunderts  durch  ihren  von  Ranke  verherrlichten  Freiheitskampf 
den  griechischen  entzündeten  und  1876  unter  allgemeiner  Spannung  des  Weltteils 
die  lange   rulicnde  Orientfragc  aufrollten! 

ScitliLM  entzogen  in  frischer  Erinnerung  gebliebene  Kriege  und  Kongresse 
die  Herzegowina  und  Bosnien  dem  Türkenregiment,  Montenegro  und  Griechen- 
land wurden  vergrössert,  Ost-Rumelien  dem  neugeschaffenen  Bulgarien  zugeteilt 
und  Rumänien  gleich  Serbien  als  souveräne  Königreiche  mit  ansehnlichem  Gebiets- 
zuwachs den  europäischen  Staaten  angereiht.  Diese  Neuschöpfungen  schlössen 
jedoch  (kii  polnischen  Wiedergeburtsprozess  der  illyrischen  Halbinsel  nicht  ah. 
Immer  dringender  forden  der  .iliserbisch-mazedonische  Streit  seine  Entscheidung. 
Sie  wäre  weniger  schwierig,  stünde  nicht  unter  den  Rivalen,  welche  Anspruch 
auf  das  vom  Saloniker  Schienenstrang  durchkreuzte,  volkswirtschaftlich  hoch- 
wichtige (iebiet  erheben,  jenes  Serbien,  das  nach  Bismarcks  Ausspruch  allerdings 
nur  ein  kleines  Land  ist,  aber  einem  zusammengerollten  Igel  gleich  nach  allen 
Seiten   sticht,   wenn    in.in    ihm    n.ilie   komml. 

„Serbien  darf  iiihi^  in  die  /.ukniilt  blicken,  weil  seine  und  des  Scrben- 
volkes  Sache  eine  gerechte  ist",  äusserte  König  Alexander  bei  der  25.  Jahresfeier 
der   serbischen   Eroberung    von    NiS      ..Wir    haben    keine   L"ile    und    können    daher 


XII  Vorwort. 

ii;ilIi  wie  vor  lim  i:kMiiLni  des  Friedens  und  der  Ordnung  auf  dem  Balkan  bleiben. 
Eben  deshalb  niuss  uns  aber  der  entscheidende  Moment  vollkommen  gerüstet 
treffen  und  alle  Welt  davon  überzeugt  sein,  dass  niemand  auf  dem  Balkan  auch 
nur  einen  Pussbreit  Boden  erlangen  kann,  ohne  dass  auch  Serbien  seinen  Anteil 
erhält."  IJieser  Ausspruch  erhielt  kurz  darauf  seinen  vielbeachteten  handels- 
politischen Kommentar  ilurch  Dr.  Vuics  Akademierede,  welche  Serbiens  glückliche 
Lage  im  wirtschaftlichen  Kampf  Deutschlands  mit  Österreich-Ungarn  und  Russ- 
land  betonte. 

Wer,  wie  der  Verfasser,  das  Land  seit  Milos  bis  Alexander  von  den  frucht- 
baren Savageländen  und  waidreichen  Donaukreisen  bis  zur  österreichisch- 
imgarischen  Grenzwacht  bei  Novipazar  bereiste  und  ausser  Belgrad  sämtliche 
15  Kreisstädte,  sowiu  56  von  72  Bezirkszentren  wiederholt  in  verschiedenen 
Jahren  besuchte,  musste  bei  unbefangenem  Blick  im  öffentlichen  Leben  des 
Königreichs  einen  oft  geradezu  erstaunlich  günstigen  Umschwung  erkennen,' der 
namentlich  in  opferfreudigster  Förderung  des  Heer-  und  Schulwesens,  im  Fort- 
sciiritt  von  Wissenschaft,  Kunst,  Industrie,  Land-  und  Bergbau,  sowie  im  allgemein 
gestiegenen  Lebenskomfort  auffiel.  Das  Volk  blieb  im  Kern  gesund,  und  Serbiens 
Boden  birgt  nocii  unangebrochene  Naturschätze  jeder  Art,  welche  ihm  bei  fort- 
gesetzter Ausgestaltung  seines  Schienennetzes  eine  vielversprechende  wirtschaft- 
liche Zukunft  sichern.  Deshalb  wird  man  in  meinen  Schilderungen  von  Land 
und  Leuten  neben  viel  Licht  wohl  auch  tiefe  Schatten  finden,  aber  nicht  die 
ausschliessend  helle  oder  düstere  Farbenstimmung,  mit  welcher  oberflächliches 
oder  parteiisches  Urteil  serbische  Verhältnisse  zu  malen  liebt. 

Im  Hinblick  auf  Serbiens  vielverästelte  Beziehungen  zu  Bulgaren,  Rumänen, 
(jriechen,  Albaneseii,  Montenegrinern,  Bosniern  u.  a.  machte  ich  an  seinen  poli- 
tischen Grenzen  nicht  Halt,  sondern  überschritt  sie,  wo  es  geboten  schien,  um 
den  Leser  auch  mit  der  ausserhalb  des  Königreichs  herrschenden  Kultur  soweit 
vertraut  zu  machen,  dass  er  sich  selbst  über  die  im  voraussichtlich  bald  wieder 
auflebenden  Völkerstreit  am  Balkan  beteiligten  Faktoren,  sowie  über  ihre  mehr 
oder  minder  begründeten  .Ansprüche  und  Aussichten  auf  Erfolg  sein  Urteil  bilden  kann. 

Die  36  Kapitel  des  1.  und  11.  Bandes  bieten  neben  einem  durchaus  neu 
bearbeiteten  Teil  meiner  „Serbiens  byzantinische  Monumente"  (Wiener  k.  k. 
Staatsdruckerei,  1862),  meines  heute  selbst  antiquarisch  schwer  erhältlichen 
„Serbien"  (Leipzig  1868)  und  meiner  „Römische  Studien  im  Königreich  Serbien" 
(Wiener  k.  Akademie  der  Wissenschaften  1892)  durch  eigene  Zeichnungen  und 
Pläne  belebte  Schilderungen  von  ,,Land  und  Bevölkerung"  mit  zahlreichen 
Beiträgen  zur  Altertumskunde,  Geschichte,  Völkerkunde,  Volkswirtschaft  usw.  Der 
111.  Band:  ..Staat  und  Gesellschaft"  gibt  mit  kritischer  Benutzung  der  serbischen 


Vorwort.  XIII 

Literatur  und  neuesten  Statistik  in  18  Kapiteln  ein  Entwickelungsbild  des  König- 
reichs und  Serbentunis  von  den  Nemanjiden  bis  zur  Gegenwart,  der  das  tragische 
Ende  des  letzten  Obrenovic  und  die  Berufung  des  Königs  Peter  1.  Karadjordjevic 
auf  den  verwaisten  serbischen  Thron  den  Stempel  allgemeiner  Aktualität  auf- 
gedrückt hat. 

*  * 

* 

1859  begonnene  und  seither  fortgesetzte  Reisen  im  wenig  gekannten  serbischen 
Nordosten  befähigten  mich,  die  in  den  Kapiteln  1 — VI!  behandelte  römische  Reichs- 
iimes-Anlage  zwischen  Singidunum-Egeta  richtiger  als  meine  Vorgänger  zu 
bestimmen.  Der  durch  diese  Arbeiten  mit  bedingte  längere  Aufenthalt  in  Belgrad, 
Smederevo,  Pozarevac,  Cuprija  veranlasste  mich  zur  eingehenden  Schilderung 
der  Kreisstädte  des  wichtigen  Donaudistriktes,  namentlich  unter  der  ihn  mächtig 
fördernden  Occupation  des  Wiener  Kaiserhofes  und  der  nationalen  Herrschaft, 
welche  die  Majdanpeker  Mine  (Kap.  Vlli)  gleich  den  berühmten  Klöstern  Gornjak, 
Manasija  und  Ravanica  (Kap.  IX)  zur  neuen  Blüte  brachte. 

Das  X.  Kapitel  enthält  die  erste  durch  Pläne  und  Ansichten  erläuterte 
authentische  Darstellung  des  grössten  serbischen  Rüstplatzes  Kragujevac;  ferner 
der  für  die  bevorstehende  hundertjährige  politische  Wiedergeburt  des  Königreichs 
bedeutsamen  Orte,  des  romantischen  Topola  der  Karadjordjevic,  sowie  des 
verborgenen  Crnuce  und  nahen  Klosters  VracevSnica  der  Obrenovic,  von  wo  wir, 
mit  Berührung  der  interessanten  neolithischen  Fundstätte  am  Jablanicabach  bei 
Medjuluzije  nach  Belgrad  zurückkehrend,  die  Reise  gegen  Westen  fortsetzen. 

Über  Sabac  und  die  Sagenreichen  Burgen  des  Sava-Gebietes  die  Drina 
aufwärts  ziehend,  schildere  ich  im  XI.  Kapitel  als  vermeintlicher  und  deshalb  von 
den  Türken  verhafteter  Moskov  inschenir  in  der  nun  österreichisch-ungarischen 
l'estc  Zvoniik  iiiri'  fnii;itischen  niosliniischen  Bosniaken.  Das  folgende  Kapitel  XII 
liilirt  durch  den  ifiilKMi  Krupanjer  Bieigrubenbezirk  zur  vielgenannten  Türken- 
burg Soko,  zur  .iltcn  Kreisstadt  Valjevo  (XIII.  Kap.).  hn  \1V.  Kapitel  geht  es  durch 
den  zukuMttsvdlk'M  nordseriiischen  AUiiritbu/irk  Ruiliuk,  welcher  die  tüchtigsten 
Geologen  inul  lliiitiiiinaMiRi  Europas  eifrig  beschäftigte,  nach  Srezojevci,  ferner 
von  dem  vornehmen  Bad  Kiseia  voda  zu  ilein  historisch  gewordenen  Takovo 
und  ziuu   Schlachtfeld  am   l.jubicberg. 

Das  XV.  Kapitel  schildert  die  geschichtreiclie,  ni  den  türkisch-österreichischen 
Kriegen  vielgenannte  Kreisstadt  Uiice,  ferner  die  von  mir  aufgefundenen 
iH'dt'uteMtieii  Reste  der  grussen  Riuuerstaili  .Wal  .  .  ,  bei  Poiega  und  den  henach- 
harlen,  bisher  ungenau  iiesiimniteii  (ieiiurlsort  des  Ahnherrn  der  Dynastie  Obre- 
novic, von  (lern  wir  durcii  das  an  Klöstern  reiche  pittoreske  Kablar-Ovfar-Defili' 
zur    .Worav.i     naeh    O'acak     gelangen    (XVI.     Kap.).      Von     dieser     ansehnlichen 


XIV  Vorwort. 

Industrie-  und  Kreisstadt  führen  uns  lohnende  Streifzüxe  durch  das  serbisch- 
bosnische  obere  Drina-GrcnzKebiet  bei  Bajina  baäta  in  die  forstenreiche  Tara 
planina  und  die  durch  Mehemed  Ali  Pascha,  dem  aus  Mandeburt^  stammenden 
Karl  Detroit,  IS76  (glänzend  verteidigte,  militärisch  hochwichtige  Mokra  gora. 
wobei  allerorts  ernstere  Versuche  zur  wirtschaftlichen  oder  kulturellen  Hebung 
der  berührten  Gebiete  gewürdigt  werden. 

In  den  beiden  Schlusskapiteln  ersteigen  wir  den  viel  umkämpften,  in  das 
von  den  Serben  erstrebte  Vilajet  Kosovo  und  zum  Sandzak  blickenden  Vasiljin 
vrh,  ziehen  durch  die  radikale  Landschaft  Dragafevo  und  hochromantische 
(jruza,  wo  der  energische  russische  General  Orurk  1804  dem  hartbedrängten 
Karadjordje  unfern  den  architektonisch  fesselnden  Klostern  Kalenic  und  Ljubostinja, 
bei  Varvarin  an  der  Morava,  gegen  die  übermächtigen  Türken  siegreich  beistand 
und  den  Grundstein  zur  engeren  Verbindung  des  grossen  Zarenstaates  mit  Serbien 
legte,  welche  in  späteren  Jahren  wiederholt  und  1902  durch  die  Reise  des  Grafen 
Lambsdorff  erneut  Ausdruck  erhielt. 

Ich  darf  hoffen,  dass  dieses  territorial  meinem  „Donau-Bulgarien  und  der 
Balkan"  (3  Bde.,  II.  Aufl.,  Leipzig  1880)  sich  anschliessende  neue  Werk  als  langsam 
gereifte  Frucht  vieljähriger  mühevoller  Reisen  und  Studien  der  Wissenschaft  nützen, 
seine  Förderer  befriedigen  und  dem  Serbenvolk  zur  Ehre  gereichen  werde. 

Wien,  Dezember  1903, 

F.  KANMTZ. 


Die    serbo- kroatischen  SchriftzciLheii    lauten    im    Te.\t.    in    den    Bilder- Erklärungen, 
Plänen  und  Karten: 

c  ....  deutsches  z  |  s  =  .  .    .    .     deutsches  seh 

d  =  .    .    .    .  „  tj  s  =  .  scharfes          „          s 

c  =  .    .    .    .  „  tsch  z  =  .  weiches          „          s 

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V  =  .     .     .     .  „  w  i 


Land  und  Bevölkerung. 


Erste  Eindrücke. 


Ml  I  Ulil/zuf^sciU'  '^v\\\  i's  von  Biulaposl  liiinli  ilas  in  l.oiiaus  „lleiilelicdcrn" 
siliwüriiKTisili  hcsimni'tie,  )j;emMiw;irli(^  aber  stark  kultivierte  iiiul  deshalb 
winii^ii  Kimaiitisthe  niajjyarische  Alti^UI.  Bei  Neusatz  ilberbrilekt  ein  kunstvoller 
lüsenhau  die  lueite  Donau,  (lleiiii  darauf  unterfahren  wir  den  J'eterwardeiner 
r'estun^siiern.  Ueelits  bleilil  dei  durch  neisliiches  Milienatentuni  neuestens  reich 
f^escliniiukti'   i'.itilanlu'iisit/    Karlnwit/.      Ilin   /weiter    Tunnel   und    auih   das    durch 

1'.    KANI  I  /,    Sirhi.n      I  l 


2  Rrste  Eindrücke. 

Prolins  zuerst  mit  Rebun  liepflanzte  „Frankochoridn"  Karls  d.  Gr.,  die  sirmischc 
„KriiSka  nora",  liej^t  im  Rücken.  Schon  tritt  das  unj^arisclie  Millenniumsdenkmal 
des  vieltürmiKcn  Scmlin  inmitten  seiner  alten  Ihinyadyburf;  in  Sicht  und  jenseits 
der  Sava  unser  Ziel,  die  serbische  Residenz,  mit  t4'>WiK  angestrahlter,  zwei  scharf 
getrennte  Hcilffcn  verschiedenen  Charakters  zeif^ender  Silhouette. 

Von  der  burt^f^ekrönfen  Avala  zieht  Belgrads  vom  Ki'inigspalast  überragtes 
Highlife-Boulevard  mit  anschliessendem  Handelsviertel  anmutig  zur  Sava  herab; 
wo  ihre  den  alpinen  Ursprung  verleugnende  braungelbe  Flut  mit  den  blaugrünen 
r^onauwogen  sicii  mengt,  erglänzt  aber  auf  hohem  Kalksporne,  die  breite  Wasser- 
fläche weithin  hclK'rrschend,  der  weisse  Mauerngürfel  jener  alten  Kampfarena 
zwischen  Kreuz  und  Halbmond,  welche  die  Türken  sehr  bezeichnend  „Dar  ol 
dzihad"  Haus    der    Religionskriege   —    nannten,     in    Wahrheit,    wer    könnte 

sagen,  wieviel    kostbarer   arisch-turanischer  Lebenssaft  das   die   Stadt   und  Feste 
verbindende,  stellenweise  vierhundert  Schritte  breite  Glacis  „Kalimegdan"  düngte, 
dessen  frisches  Parkgrün  nun  Monumente  und  wohlgepflegte 
Wege    mit  heiteren   Menschen  umhüllt! 

Den    liier    kurz    angedeuteten   militärisch -kommerziaren 

Doppclcharakter   trug    wahrscheinlich    schon    Belgrads    erste 

prähistorische   Niederlassung,   welche    eine   vom    Citadellen- 

plateau  stammende  Kupferaxt,  der  1866  gefundene  Bronzecelt 

und  ein  1890  am   quaternären  Donaustränd   mit  Zähnen  von 

Elephas  antiquus  ausgegrabener  dolychokephaler  Menschen- 

Prähistorischo  Funde.        schädel  bezeugen. ')  Dieser  ursprüngliche  Dualismus  entwickelte 

'/..  Naturgrösse.  sich  Weiter,  als  handeltreibende  Kelten  an  der  Savamündung 

ihr    „Singidununi"    gründeten;    zu    vollster    Schärfe    gelangte 

er  jedoch  erst,  als  Römer  und  Byzantiner  es  zur  bequemen  Tauschstätte  für  ihren 

orientalisch-mitteleuropäischen  Verkehr  ausgestalteten.    Später  werden  wir  mit  mehr 

Müsse   in   Belgrads   interessanter  Geschichte   blättern;   denn  schon  rollt  der  Zug 

über  die   von  Ungarn    und  Serbien    gemeinsam    erbaute    elegante   Savabrücke    in 

den  Bahnhof. 

„Hotel  Paris"  rufen  wir  einem  der  vielen  wartenden  Fiaker  zu.  Während 
das  rasche  Gefährt  die  breite  Milanstrasse  durchsaust,  lehrt  uns  ihr  vollkommen 
verändertes  Aussehen,  dass  nur  wenige  Residenzen  in  Architektur  und  Staffage 
eine  so  tiefgreifende  Häutung  in  gleich  kurzer  Zeitspanne  durchgemacht  haben, 
wie  Belgrad.  Sehr  grell  stach  es  selbst  von  dem  bescheidenen  Semlin  ab, 
als  ich  es  1859  zum  erstenmal  besuchte,  und  doch  war  es  nicht  mehr  das 
Belgrad  vom  J.  1815,  in  dem  Serbien  seine  Wiedergeburt  errang.  Dieses  epochale 
Ereignis  liess  übrigens  Belgrads  politische  Stellung  zum  Lande  unberührt.  Fürst 
Milos  zog  es  anfänglich  vor,  weit  weg  von  dessen  Citadelle  und  ihrem  Pascha 
abwechselnd  in  Kragujevac  und  Pozarevac  zu  residieren.  Der  sultanliche  Hatiserif 
vom  15.  Aug.  1830  versprach  wohl  die  Räumung  Belgrads  von  seinen  moslimischen 


')   Kanitz,    Die    prahlst.   Funde  in  Serbien.     Mitt.    d.   Anthrop.    Ges.    Wien    1889.    — 
Starinar,  Vil,  88;  IX,  30. 


Erste  Eindrücke.  o 

Bewohnern.  Ein  anderer  von  1833  erklärte  jedoch  ausdrücklich  nicht  nur  das 
„grad"  (Feste),  sondern  auch  die  „varos"  (Stadt)  als  türkisches  Territorium,  was 
zu  immer  mehr  sich  verschärfenden'  Erörterungen  und  Streitfällen  mit  den 
serbischen  Autoritäten  führte. 

Erst  1841  siedelte  die  staatliche  Zentralverwaltung  nach  Belgrad  über,  und 
gleichzeitig  verliehen  zwei  fürstliche  Ukase  der  Stadt  ihre  von  der  Kreisbehörde 
getrennte  autonome  Stellung.  1842  wurden  auch  die  höheren  Schulen  von 
Kragujevac  nach  Belgrad  verlegt.  Die  zahlreich  aufzuführenden  Neubauten  brachten 
deutsche  Handwerker  ins  Land;  Ingenieure,  Ärzte,  Lehrer  folgten.  Ihr  Beispiel 
weckte  das  Verlangen  nach  besseren  Häusern,  grösserem  Wohnungskomfort, 
Pflasterung  und  Beleuchtung  der  Strassen  in  stetig  wachsenden  Kreisen.  Dies  gab 
in  jeder  Richtung  frische  Impulse;  doch  die  zwischen  der  christlichen  Bevölkerung 
nistenden  Moslims  bildeten  ein  um  so  empfindlicheres  Hindernis  für  Belgrads 
raschere  Entwickelung:  weil  sie  ohne  besondere  Erlaubnis  des  Paschas  kein  Grund- 
stück innerhalb  der  Wälle  an  Serben  verkaufen  durften.  Dazu  kamen  türkische 
Wachthäuser  mit  übermütigen  Nizams,  deren  Patrouillen  selbst  inmitten  der 
Zivilstadt  kein  volles  Sicherheitsgefühl  aufkommen  liessen. 

So  behielt  Belgrad  noch  durch  Decennien  ausgesprochensten  orientalischen 
Typus.  Fern  eine  verführerische  Prachtblume,  verlor  sie  viel,  sobald  man  über 
den  halbverschütteten  Graben  mit  elenden  Holzbrücken,  durch  eines  der  drei 
verfallenen  Stadttore  den  meist  von  Moslims  bewohnten  „Dortjol"  betrat,  dessen 
Strassenleben  denkbar  ungezwungenste  lärmende  Öffentlichkeit,  neben  unheim- 
licher Öde  in  entfernteren  Gässchen  und  Engpässen  zeigte.  Lange  fensterlose 
Lehmmauern;  riesig  hohe,  den  Einblick  ins  Nachbarhaus  wehrende  Bretterwände; 
Moscheen,  Minarets,  Brunnen  mit  türkischen  Widmungstafeln,  Kaffeeschenken  mit 
offenen  Galerien,  windschiefe  Holzbaracken  mit  Läden,  in  welchen  nicht  immer 
reinliche  Gewerbe  vor  aller  Welt  betrieben  wurden,  nach  Zwiebeln  und  Knoblauch 
ihiftende  Garküchen,  umlagert  von  zerlumpten  türkischen  Soldaten  und  Scharen 
beutegieriger  Ihuide,  herkulische  Hamals,  schreiende  Tellals,  pittoreskes  Zigeuner- 
viilk  und  über  das  halsbrecherische  Pflaster  schwerfällig  sich  bewegende  verschleierte 
Frauen;   alles  erinnerte   an  asiatische  Städte! 

Scharf  kontrastierend,  zeigte  sich  anderseits  schon  in  den  fünfziger  Jahren  auf 
der  „Terazija",  am  „Vracar"  und  in  einzelnen  Gassen  der  „Varoä",  sowohl  bei 
seihisciu'ii  .\nitsgeb;iiuleii,  Siiiuleii  iiiul  vielen  Privathäusern,  ebenso  in  der  Tracht 
der  Beamten,  Lehrer  unti  ein/einer  Kaiifleule,  auffälliger  occidentaler  Zuschnitt. 
Das  grosse  Stück  Kultin arbeit,  welches  unter  l'ürsl  Alexander  Karadjordjevit^ 
geleistet  wnrilen  war,  soll  auch  den  l'ürsten  MiloS  ganz  merkwürdig  berührt  haben, 
als  er  1859  seinen  Einzug  in  ilas  damals  schon  18800  Seelen  zählende  Belgrad 
hielt.  Bis  zu  seinem  Tode  blieben  die  Metropolitankirche,  der  Konak  luul  die 
lliichschule  die  einzigen  Moiuimenlalbauten,  obschon  das  Weichbild  der  Stadt, 
dun  h  den  begieillu  luii  Winisi  li  der  christlichen  Bevölkerimg,  möglichst  fern  von 
den  türkischen  l'eslungsgeschut/en  /u  wi)hnen,  sich  schon  damals,  bei  geringer 
Hieite,  -1  Kilometer  lang  bis  /um   Vracar  ilehnle. 

I' 


I  Erste  Eindrücke. 

Den  l-ürslen  Mihail,  weither  iinniiltelbar  nach  seinem  RenicrunKsantritt,  mit 
Ukas  vom  24.  Januar  1861,  die  Autonomie  Belgrads  erweiterte,  dessen  Unter- 
iind  Oberstadt  durch  eine  auf  eigene  Kosten  erbaute  140stufiKc  Treppe  verband, 
der  auch  das  Nationalthcater,  Schulen,  Spitäler  usw.  gründete,  1867  den  fried- 
lichen Abzun  der  türkischen  (jarnison  durchsetzte  und  (gleich  darauf  die  jede 
fintwickelunß  hindernden  Stadiwälle  niederwerfen  Hess,  darf  man  den  Schöpfer 
des  modernen  ßel^jrads  nennen,  der  schon  in  dieser  Ei{(enschaft  das  ihm  dort 
{gesetzte  Denkmal  voll  verdient  hat.  Leicht,  weil  unbehindert  durch  türkischen 
fiinspruch,  konnte  sein  Nachfolger  Milan  das  Begonnene  fortsetzen.  Unter  diesem 
und  dem  König  Alexander  entstand  ein  Netz  geradliniger,  trefflich  gepflasterter, 
elektrisch  beleuchteter  Strassen  mit  prächtigen  Staatsgebäuden  und  schönen 
F^rivathäusern,  das,  von  Baumpflanzungen,  Squares  und  Tramways  durchschnitten, 
seit  (.'iiK'in  Deicnniiim  Beigrad  würdig  den  jüngeren  europäischen  Residenzen 
anreiht  und   bereits  viele  Fremde  zu  dauernder  Ansiedelung  anzieht. 

Beigrads  535Ü  Häuser  mit  6ÜÜÜU  Bewohnern  verteilen  sich  in  6  Viertein. 
In  jedem  fungiert  ein  Kommissar  mit  ausreichendem  Hilfspersonal;  am  Dampfer- 
Landeplatz  und  gleich  sorgfältig  überwachten  Bahnhof  prüfen  ausserdem  besondere 
E.xposituren  die  den  Ankommenden  abgeforderten  Pässe  sehr  genau.  Namentlich  in 
politisch  erregter  Zeit  vermag  kaum  eine  nur  etwas  auffällige  oder  gar  verdächtige 
Persönlichkeit  sich  den  scharfen  Blicken  tlur  Hermandad  und  Zöllner  zu  entziehen. 
In  dem  aus  zwanzig  Nationalitäten  sich  zusammensetzenden  Menschenmosaik  der 
serbischen  Hauptstadt  können  demnacii  Abenteurer,  fraudulöse  Schuldner  oder  der 
Regierung  unwillkommene  politische  Gäste  sich  nicht  lang  halten.  Der  Fremden- 
zuzug besteht  weniger  aus  Touristen,  als  Kaufleuten  und  Vertretern  ausländischer 
Irtablissements,  denn  Belgrad  ist  das  Verkehrszentrum  des  Königreichs. 

Obschon  aber  die  Regierung  das  heimische  Fabrikwesen  —  ähnlich  wie 
es  zu  Bukarest  und  Sofia  in  jüngster  Zeit  versucht  wird  —  eifrig  fördert,  ent- 
wickelt es  sich  nur  langsam.  Dementsprechend  ist  die  Einfuhr  von  Industrie- 
Artikeln  sehr  gross,  und  zwischen  Budapest  bis  zur  Sulina  gibt  es  keinen 
bedeutenderen  Donaustapel  als  Belgrad,  dessen  rührige  Kaufleute  mit  den  ersten 
europäischen  Firmen  von  Konstantinopel  bis  London  in  direkter  Verbindung  stehen. 
Von  Belgrad  strömt  der  Import  mittels  Dampfern,  Bahnen,  Wagen  und  Pferde- 
Karawanen  in  das  Innere  Serbiens  und  über  seine  Grenzen  ab.  Auch  der  Konsum 
der  Hauptstadt  wächst  fortwährend  durch  den  steigenden  Luxus,  und  ihr  Beispiel 
übt  seine  Wirkung  bis  zu  den  fernsten   Kreis-  und  Bezirkszentren. 

Während  aber  gewöhnlich  in  der  Geschichte  der  Residenzen  jene  des 
Landes  sich  spiegelt,  gilt  dies  nicht  von  Belgrad.  Schon  unter  den  altserbischen 
Herrschern  war  es  ein  von  ihnen  selten  besuchtes,  vielumstrittenes  GrenzbolKverk, 
mit  oft  durch  lange  Epochen  selbst  von  seiner  nächsten  Umgebung  verschiedenem 
Lose,  in  das  Byzantiner,  Bulgaren,  Ungarn,  Türken,  Deutsche  und  Österreicher 
oft  mächtig  eingriffen.  Deshalb  will  ich  gleich  hier  seine  interessante  Vergangen- 
heit, getrennt  von  jener  des  Serbenreiches  und  der  Schilderung  der  modernen 
Königsstadt,  auf  Grundlage  verlässlichster  Quellen  und  eigener  Aufzeichnungen 
seit  1859  skizzieren. 


Ackere  Geschichte. 

Wie  die  meisten  unteren  Donaufesten  entstand  auch  Belgrads  Citadelle  auf 
einem  Kastell  des  musischen  Grenzwalles,  dessen  Wichtigkeit  für  die  Ver- 
teidigung des  Cäsarenreiches  schon  Tiberius  erkannte  und  Pannoniens  gelehrter 
Statthalter  Dio  Cassius  gleich  den  römischen  Itinerarien  hervorhob.  Auch  die 
iiyzantinischcn  Chronisten  sprechen  von  80  an  diesem  durch  den  baulustigen 
Justinian  erneuerten  festen  Werken,  und  alte  serbische  Volkslieder  erzählen  von 
77   „lateinischen  Burgen"  zwischen  der  Sava-  und  Donaumündung. 

Diese  Traditionen  von  so  auffallend  starker  Befestigung  des  musischen 
Donau-Grenzwalles  (limes)  bezeugten  zuerst  Graf  Marsiglis  Bericht  zu  Beginn 
des  18.  Jahrhunderts;  ferner  Konsul  Lejeans  und  meine  archäologischen  Studien 
1862—1874  zwischen  Belgrad  und  Silistria,  namentlich  aber  die  Reste  von  76, 
früher  meist  ungekannten  Kastellen  und  Türmen,  welche  ich  auf  meinen  wieder- 
holten Forschungsreisen  am  serbischen  Donauufer  bis  1897  zwischen  der  Sava- 
inul  Timoknuindung  aufzufinden  so  glücklich  war. 

Der  musische  Kastellgürtel  begann  bei  Belgrad  am  eminent  strategisch 
wichtigen  Sava-Einflusse  mit  „Singidunum",  dessen  wahrscheinlich  aus  „Singid" 
mit  „dununi"  (Hügel)  oder  „din"  (Burg)  gebildeter  Namen  zeigt,  dass,  wie  auch 
alte  Quellen  erwähnen,  schon  300  Jahre  v.  Chr.  dort  keltische  Skordisker 
siedelten.  Als  später  Rom  unter  Augustus  seine  Herrschaft  über  Pannonien 
südlich  ausdehnte,  lag  (nach  Ptolemäus)  „Singidunum"  gegenüber  das  gleichfalls 
stark  befestigte  „Taururuiin".  Dieser  Hafenort  der  istrischen  Flotte  erscheint 
auf  der  Tabula  Peutingcriana  und  Theodosius-Tafel  3  Millien  vom  „Savus  Con- 
fluentibus"  und  4  von  Singidunum  liegend,  was  so  genau  mit  der  Entfernung 
zwischen  Senilin  und  Belgrad  stimmt,  dass  ihre  Identität  mit  Taurunum  und 
Singidiuunn  zweifellos  feststeht.') 

Als  Standquartier  der  IV.  Legion  war  Singidunum  vom  1,-5.  Jahrhundert 
n.  Chr.  ein  militärisch  bedeutender  F^unkt,  aus  dem  wichtige  Heerstrassen  über 
Viminaciuin,  lA'derata  unti  Taliata  nach  Dacien,  über  Naissus  nach  Konstanti- 
nopel imd  Salonik,  sowie  über  Taurunum,  Sirmiuin  und  Siscia  in  das  Innere 
i'annonicns  und  zur  Adria  führten.  Das  Kastell  von  Singidunum  lag  zweifellos 
auf  dem  höchsten  Punkte  des  Belgrader  Festungsplateaus.  Dafür  sprechen 
ausser  der  in  allen  Plänen  eischeiiK'iuk'n  Kastralform  ihres  Kronwerkes  dortige 
Funde  röniisrher  Inscliritten,  lignrenieliefs  und  Münzeiunengen.  Auch  der  mehrere 
Hundert  Sluien  liefe  Festungsbrunnen,  ferner  das  1875  von  der  serbischen 
Besatzung  gän/licli  ausgefüllte  Donauhafenbassin  mul  die  von  den  Laudon- 
schanzen   zur    Stadt    geführte   Wasserleitung    sollen    römischen    Ursprungs    sein. 

')  l);is  Ik'JKr.Kler  Miiscum  liewalirl  cuieii  /iencl  iiiil  dein  Slempcl  „KiKlinn  Singidunum*; 
li'rncr    einen    der    in    Serliien    seltenen,    IHtKl    zu    Rclgrail    Kt-'fxndonen    Steine    nill    7 zeitiger 

l^riechisclKM   Insi'lirift. 


6  Acllcrc  Ucschichlc. 

Dass  unncachtfl  spiitcr  ciiiint  linpcraloren  die  nahen  Hauptstädte  Viniinacium  und 
Siriniuni  hcvor/u^ten,  auch  das  im  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  römisches  Stadtrechi 
erhallencle  Sinnichinuni  grossen  Umfang  besass,  zeigen  seine  vom  Kalime^dan 
weilhiii  sich  urstri'ckemk'ii  Nckropolen,  von  welchen  bei  Neubauten  selbst  im 
botanischen  (iaiien,  im  allen  Trkaliäte  und  zuletzt  (1901)  in  der  Maccdonska 
ulica  antike  Surfte  usw.  auf^jedeckt  wurden.  Über  die  antiken  Funde  zu  Belgrad 
i^tbl    meine    Abhandlunj^    in   der  Wiener  Akademie  einj^ehenden  Aufschluss. ') 

Die  rasch  bis  zur  Westfjrenzc  des  Romerreiches  sich  ausbreitende  Christus- 
lehre zähllc  iinlLi  Diokletian  einige  Apostel,  welche  in  Singidunum  den  Märtyrertod 
starben.  Im  Jahre  361  eroberte  es  Kaiser  Julian  „apostata"  auf  seinem  Zuge 
über  Sirmium  (Mitrovica)  nach  Konstantinopel  und  366  tagte  dort  das  Konzil, 
welches  unter  dem  Einflüsse  des  Bischofs  Ursatius  wichtige  Beschlüsse  zu- 
gunsten des  Arianertums  fasste,  obschon  der  im  Savagebiet  geborene  Kaiser 
Jovianus  (364)  der  Papstkirche  treu  blieb.  Wie  andere  musische  Städte  traf 
Singidunum  während  der  Hunnenstürme  schonungslose  Verwüstung.  Goten, 
Sarmatcn  und  dacische  Gepiden  vollendeten  das  Zerstürungswerk.  Wohl  vertrieb 
Kaiser  Justinian  die  letzteren,  und  die  alte  Savafeste  erstand  zu  neuem  Glänze; 
doch  582  fiel  sie  gleich  dem  linksuferigen  stärkeren  Sirmium  in  avarische 
Gewalt  Luui  erholte  sich  erst,  naclulem  Priscus  und  Commentiolus  mit  ihren 
dort  vereinigten  Heeren  über  Viniinacium  nach  Dacien  zogen  und  die  ruhelosen 
Barbaren  gezüchtigt  hatten  (601). 

Fortan  verschwindet  der  Name  Singidunum;  denn  die  im  7.  Jahrhundert 
das  durch  unausgesetzten  Kriegsbrand  verödete  Savagebiet  besiedelnden  Serben 
hiessen  die  Feste  „Bcli  grad",  das  weisse  Schloss.  Dieser  neue  Name  kommt 
uun  abwechselnd  mit  „Siiigidon"  und  „Alba  graeca"  zur  Zeit  Leos  IV.  des 
Armeniers  (813—820)  in  den  byzantinischen  Annalen  vor.  Die  Magyaren  nannten 
die  Stadt  „Naiidor  Fehervär"  (Ferdinand -Weissenburg),  die  neueren  Serben 
„Beograd"  und  auch  „Bell  grad",  welcher  letztere  Namen,  gekürzt  in  „Belgrad", 
der  im  Occident  gebräuchlichste  blieb. 

Zu  Ende  des  9.  Jahrhunderts  erscheint  Belgrad  als  bulgarische  Bischofsstadt, 
deren  ausgedehnter  Sprengel  878:  Gradec  (Grocka),  Bela  erkva  (Palanka),  Antzos 


')  F.  Kanitz,  Rönii.schc  Studien  im  Königreich  Serbien.  Mit  120  Plänen,  Illustrationen 
und  1  Karte.  Denkschr.  d.  phil.  hist.  Cl.  XLI,  1892.  —  Wenn  ich  dort  auf  S.  6  von  Singi- 
dununus  Ausdehnung  bis  zur  Mihailska  ulica  sprach,  licruhte  dies  auf  einer  persönlichen 
Mitteilung  des  in  dieser  Strasse  während  der  Demolierung  ihrer  alten  Häuser  wohnenden 
Prof.  Jovan  Boskovic,  die  sehr  glaubwürdig  bleibt,  falls  wirklich  die  auf  den  antiken 
Mauern  lagernde  Erdschicht  auch  recente  Gegenstände  enthielt  (Star.,  IX,  78),  weil  dies  bei 
allen  auf  Rönierstädtcn  entstandenen  Ansiedelungen  vorkommt.  Leider  unterliessen  die  Belgrader 
Archäologen  die  günstige  Gelegenheit  während  der  Niederlegung  der  Stadtwälle  und  Türken- 
quartiere zur  Planaufnahme  von  Singidunum,  wie  derartige  für  die  römischen  Niederlassungen 
europäischer  Gross-  und  Kleinstädte  und  selbst  für  Sofia,  dessen  antike  Umwallung  ich 
1870  feststellte,  längst  existieren.  Auch  andere  wichtige  lokale  Fragen,  beispielsweise:  ob  der 
grossartige  Brunnenbau  im  „Grad"  und  jener  im  Gemeindehause  wirklich  —  wie  eine 
jüngste  Publikation  ohne  begründeten  Nachweis  behauptet  —  aus  der  Römerzeif  stammen, 
liess  der  Belgrader  Altertiuiisverein  „Starinar"  ungelöst! 


Acltere  Geschichte.  7 

und  Glavcntinos  unifasste.  Ein  den  Umfang  der  bulgarischen  Diöcesen  regelndes 
Chrysobui  des  Kaisers  Basilios  II.  nennt  es  im  J.  1020.  Neue  Stürme 
brachen  über  das  Savaland  herein.  Oft  zerstört  und  wieder  aufgebaut,  blieb  die 
verschieden  benannte  Feste  weiter  ein  viel  begehrtes  Kampfobjekt  zwischen 
Byzantinern,  Siaven  und  Magyaren.  Im  Beginne  des  12.  Jahrhunderts  hütete  dort 
ein  byzantinischer  Stratege  die  Reichsgrenze  gegen  die  Ungarn.  Einige  neuere 
Historiker')  lassen  das  niirdliche  Serbien  mit  Nändor-Fehervär  (Belgrad)  von 
1071  — 1521  im  ununterbrochenen  Besitze  der  Stefanskrone  sein;  wir  werden 
aber  sehen,  dass  es  nur  zeitweilig  der  Fall  war. 

Zuerst  eroberte  König  Salomon  1071  Belgrad,  nachdem  die  Führer  des 
Bäcser  und  Ödcnburger  Heerbannes  die  Sava  überschritten  und  vereint  mit  dem 
Hauptiieer  unter  den  Herzogen  Geza  und  Ladislaus  den  zwei  Monate  lang  tapfer 
widerstehenden  Niketas  zur  Übergabe  gezwungen  hatten.  Der  mit  einer  byzan- 
tinischen Prinzessin  vermählte  König  Geza  1.  überliess  aber  Belgrad  ihrem  Vater 
Nikephoros  111.  Botaniates  (1078—1081).  Zum  zweitenmal  wurde  Belgrad  durch 
den  tatkräftigen  Ungarkönig  Stefan  II.  seinem  grossen  Gegner  Kaiser  Johannes  II. 
mit  den  Gebieten  Fruska  gora,  Branicevo  und  Macva  um  1124  entrissen.  Die 
zerstörten  Belgrader  Werke  lieferten  das  Material  zur  Semliner  Hochburg  „Zeugmin". 
Bald  sollte  sie  sich  gegen  den  hervorragendsten  Komnenen,  Kaiser  jWanuel,  erproben; 
sie  fiel,  wie  zuvor  Belgrad  (1154),  und  beide  blieben,  trotz  G6zas  Versuch,  sie 
wieder  zu  nehmen  (1155),  byzantinisch.  Nach  Kynnamos  dienten  nun  die  Quadern 
des  Semliner  Kastells  zur  lirneuerung  der  Belgrader  Feste.  Als  jedoch  mit 
Manuels  Tode  auch  der  Byzanz  umstrahlende  Machtschein  erblich,  wälzten  sich 
König  Belas  III.  Scharen  vereint  mit  jenen  Nemanjas,  des  Gründers  der  in  die 
Geschicke  des  Griechenreiches  mächtig  eingreifenden  serbischen  Zarendynastic, 
gegen  das  Savabollwerk,  von  dem  bald  erneut  Ungarns  Banner  wehte. 

Anlässlich  der  Zusainnienkunft  des  Kaisers  Friedrich  mit  dem  vorerwähnten 
Serhenherrscher  in  Nis  (1  189)  wird  initer  den  von  den  deutschen  Kreuzfahrern 
durchzogenen  Städten  auch  Belgrad  genannt.  Dort  musterte  der  „Rotbart" 
sein  nach  Jerusalem  ziehendes  Heer,  90000  Reisige  und  15000  Reiter,  bei 
welcher  Gelegenheit  er  zwei  Edle  aus  dem  Elsass  wegen  verletzter  Zucht  am 
Leben  strafte  und  60  Jünglinge  mit  dem  Ritterschwert  umgürtete.-')  Bald  darauf 
bemächtigte  sich  der  tapfere  Bulgarenzar  Kalnjan  der  Savafesle,  musste  sie  aber 
schon  1202  an  den  sicii  „König  von  Bulgarien  und  Serbien"  nennenden  Ungar- 
könig Emmerich  ausliefern,  und  obsclion  er  nochmals  in  ihren  (k'sitz  gelangte, 
fiel  sie  währeml  der  die  Kraft  des  Bulgarenreiches  schwächenden  Thronwirren, 
welche  der  Tod  seines  mächtigen  Herrschers  Äsen.  II.  hervorrief,  an  den 
ungarischen  König  Bela  II.  Das  fortan  „Ducatus  Machoviensis"  genannte  Land 
zwischen  Sava,  Drina,  Donau  und  Timok  regierten  nun  in  Belgrad  residierende 
magyarische  Statthalter,  bis  König  Stefan  V.  es  1272  seinem  serbischen  Eidam 
Dragutin    iiherliess,   der   seinen   Vater   Sietan    Uro5   vom    Thron    sticss    und    sich 

')  l'aiil  lliiiit;ilvy,  Die  Kiiiiianen  iiiul  ihre  Aiispiiiche.  -IJ,  ti.  a. 
')  Kortiini,  Kaiser  Friedrich,  227. 


8  AclICTc  (JL-schicIilc. 

zum  „Herrn  ;iller  serbischen  Länder"  erklärte.  Als  er  1282  starb,  kam  das  „Maöover 
M.inal"  mit  ik'lj^rad  an  seinen,  eine  zweite  Tochter  Stefans  V.  heiratenden  Bruder, 
Kralj  Milulin  Ur<j5,  dem  es  aber,  nachdem  er  sich  von  seiner  ungarischen  Gemahlin 
[getrennt,  Köni^  Karl  Robert  zum  jjrOsseren  Teile  entriss. 

Unter  Stefan  Uro5  III.  (1321  1331)  scheint  Belgrad  erneuert  serbisch 
(.{eworden  zu  sein.  Sicher  ist,  dass  der  mächtigste  Serbenherrscher  DuSan  (1331 
bis  1355),  nachdem  er  einen  Anj^riff  des  Unfjarkönit^s  Ludwij{  !.  zurückgewiesen, 
fk'l^rads  Befestij^un^en  bedeutend  erweiterte.  Knez  Lazar  (1372-  1389)  residierte 
nur  zeitweilifi  dort  und  ebenso  sein  ihm  nach  der  Kosovo-Katastr(jphe  folgender 
Sohn  Stefan  Lazarevic  (1389—1427).')  Belgrad  war  der  letzte  feste  F-*unkt,  auf 
den  dieser,  dem  Sultan  bereits  tributäre  Serbenfürst  bei  weiterem  Vordringen  des 
llaliimdiids  seine  Hoffnung  setzte,  fir  verstärkte  die  Hochburg  angemessen  der 
fortgeschrittenen  Ballistik,  bewehrte  die  viertorige,  auch  die  Stadt  umscliliesse'nde 
zweite  Umwallinig  mit  Geschützen,  welche  er  den  Bosniern  bei  Srebrnica  1426 
abgenommen  hatte,  und  sperrte  den  20  Kriegsschiffe  fassenden  Donauhafen  durch 
eine  zwischen  zwei  Türmen  gespannte  starke  Kette.  In  der  unteren  Feste 
befand  sich  das  Arsenal,  der  fürstliche  Schatz  in  einem  festen  Turme,  im  stärksten 
„Nebojsa"  die  grosse  Alarmglocke.  Die  Stadt  verschönte  der  fromme  Despot 
durch  eine  Metropolitankirche,  ein  Hospital  und  andere  öffentliche  Gebäude,  den 
Bürgern  und  ragusanischen  Kaufleuten  erteilte  er  aber  ihren  Handel  fördernde 
Privilegien.-)  Der  von  dem  siegreichen  Bajazid  vertriebene  letzte  Bulgarenfürst 
Strazimir  fand  zu  jener  Zeit  in  Belgrad  gastlichen  Schutz.  '  Dies  mahnte  den 
serbischen  Herrscher,  sich  gegen  das  ihm  drohende  ähnliche  Los  durch  ein 
während  .seines  Besuches  am  Ofener  Hofe  vereinbartes,  zu  Täta  schriftlich 
abgeschlossenes  Bündnis  mit  Ungarn  möglichst  zu  sichern. 

Als  der  stets  zwischen  seiner  türkischen  Heerfolgepflicht  und  den  ungarischen 
Forderungen  pendelnde  unglückliche  Lazarevic  1427  starb,  überliess,  wie  von 
einer  Seite  behauptet  wird,  sein  Nachfolger  Djordje  Brankovic,  zufolge  des  vor- 
erwähnten Stefanschen  Vertrages,  nach  anderer  Meinung  aber,  weil  er  sich  nicht 
genügend  stark  fühlte,  das  vor  seiner  Residenz  Sniederevo  liegende  Donauland 
mit  Belgrad  gegen  den  Sultan  zu  halten,  letzteres  an  Ungarn  für  einige  Gebiete 
an  der  Theiss  und  Donau.  Nach  dem  „Carostavnik",  einer  vorzüglichen  serbischen 
Gcschichtsquelle  für  jene  Epoche,  erfolgte  Belgrads  Übergabe  unter  sichtbaren 
Zeichen  göttlichen  Zornes  und  lautem  Murren  des  Volkes  während  eines  furcht- 
baren Ungewitters.  König  Sigisnunid  eilte  rasch  nach  der  langersehnten,  endlich 
errungenen  Serbenfeste  und  ordnete  persönlich  ihre  Verstärkung  an.  Nach  dem 
ältesten  Plane  Belgrads')  waren  sowohl  die  Türme  der  Stefanschen  Ringmauer, 
wie  jene  der  von  den  Ungarn  mit  Geschützen  bewehrten  äusseren  Linie  ähnlich 
den  Brankovicschen  des  im  IV.  Kapitel  abgebildeten  Smederevoer  Schlosses 
konstruiert. 


')  Engel,  Geschichte  von  Serbien,  II,  356. 

-)  .Mijatovic,  Djuradj  Brankovic  (Otadzbina  1875,  S.  528). 

')  Kiss  Kärolj,  Nändor-Fejervär  felmentese  a  Török  Täboritästol,  Pest   1857. 


Aeltere  Geschichte.  9 

Erbittert  durch  Brankovics  fortj^csetztes  Doppelspiel,  strafte  es  Sultan  Murad 
durcii  die  Vertreibung  der  serbischen  Besatzungen  aus  Krusevac,  Golubac  und 
anderen  Schlössern  des  ihm  belassenen  Donaugebietes.  1437  war  König  Sigis- 
inund  gestorben;  vergebens  forderte  Djordje  den  Beistand  seines  Nachfolgers 
Vladislav.  Im  nächsten  Jahre  verlor  er  seine  Residenz,  und  1440  brauste  die 
Türkenflut  durch  das  Moravatal  gegen  das  durch  den  ragusanischen  Serben 
Jovan  Talovac  verteidigte  Belgrad.  Nun  belagerte  Sultan  Murad  II.  zum  ersten- 
mal   die    fortan    „Hort    der    Christenheit"    genannte    Donaufeste,    scheiterte   aber 


UliLUKAD,  Ältester  Plan,  das  Clladellcn-Kronwerk  I4ai. 

an  der  Taplerkeit  seiner  ungarisch-serbischen  Besatzung,  ihrem  GeschUtzfeuer  und 
an  der  rechtzeitigen  Entdeckung  der  unterirdischen  Arbeiten,  durch  welche  Ali 
Heg  Avranasovic  sie  zu  bewältigen  suchte.  Nach  der  Tradition  hätte  ein  zum 
Islam  übergetretener,  im  Herzen  aber  Christ  gebliebener  türkischer  Anführer 
ilireu  an  einem  abgeschossenen  Pfeil  befestigten  Plan  dem  Kommandanten  ver- 
raten und  so  ilie  Vernichtung  eines  grossen  Teiles  der  abziehenden  Belagerer 
herbeigeführt. ') 

Gleich  vergeblich  war  der  ganz  unerwartete  Überfall  Belgrads  im  nächsten 
jihre  durch  den  Smedcrevocr  Sandzak  Beg.  Von  dem  tapferen  Johannes  Hunyady 
siegreich  zurückgewiesen,  benutzte  der  Pascha  dessen  Abzug  mit  einem  Teile 
der  Hesat/uug  nach  Siebenbürgen,  um  1442  auf  dem  südwestlichen  „Zrnovanj" 
das  Schliiss  ,,1  l.iv.ile"  (Av.ila)  zu  erbauen,  das  schon  bei  der  nächsten  Be- 
lagerung ilie  Verprovianlierimg  Belgrads  von  der  Landseite  erschwerte.  [)ie 
lolgeuden  Jahre,  in  welchen  ilie  Türken  durch  ungarisch-deutsche  Heere  imd 
serbische  llillstriippen   ott   empfindliche  Niederlagen   erlitten  (III.  Band,  III.  Kap.). 


')  l'rotie.  OilliMiui  i/  iztorije  lk'()^;r.ul,i   IIL.'7     17'.)|. 


10  Aellcrc  Geschichte. 

brachten  dem  vielneprüfteii  Belj^rad  eine  kurze  Friedenszeit,  während  welcher 
der  grosse  Türkenj^ejjner  Hunyady  seinen  Sohn  Mathias  Corvinus,  den  später 
berührtilesten  aller  Unnarkönige,  dort  zum  Ritter  schluj{  (1455).') 

Wcnij^e  Monate  darauf  reizte  es  den  Sultan  Mohammed  II.,  im  Frühjahr 
1456,  das  starke  Christcnbollwerk  zu  bezwingen.  Zweihundert  Schiffe  führten 
ihm  von  Vidin  fortwährend  Proviant  und  frische  Streiter  zu.  Die  Besatzung  musste 
alle  Kräfte  auf  das  äusserste  anstrengen,  sich  der  wiederholten  Angriffe  zu 
erwehren,  hielt  sich  aber  auch  dann  gleich  tapfer,  als  der  Sultan  durch  im 
Umkreise  erbaute  Wachthäuser  ihr  jede  Zufuhr  absperrte  und  sie  unausgesetzt  aus 
Hunderten  schwerer  Geschütze  beschicssen  liess. -') 

Schon  dem  Falle  nahe,  wurde  aber  das  von  dem  tapferen  Miska  Orszäg 
verteidigte  Belgrad  durch  Johann  Hunyady  rechtzeitig  entsetzt.  Ein  erfolgreicher 
Angriff  der  200  Schiffe  zählenden  Cajkistenflotte,  Capistrans  begeistert  kämpfende 
Kreuzschar  und  die  tapferen  serbischen  Mitstreiter  trugen  wesentlich  zur  glück- 
lichen Entscheidung  bei.  Diese  erfolgte  am  23.  Juli  3),  am  Tage  der  hl.  Magda- 
lena, deren  Namen  nun  die  von  Stefan  Lazarevic  am  Vracar  erbaute  Kirche 
Sv.  Nikola  erhielt  und  schon  auf  dem  erwähnten  gleichzeitigen  Plane  des  Wiener 
Kriegsarchivs  trägt.  Der  verwundete  Sultan  floh  mit  seinem  decimierten  Heere 
nach  Sofia.  Nachdem  Hunyady  als  Befreier  in  Belgrads  halbzerstörte  Mauern 
eingezogen  war  und  die  dort  erbeuteten  25  Fuss  langen  Riesengeschütze  mit 
vielen  Fahnen  nach  Ofen  gesendet,  schloss  er,  nahe  der  Statt?  des  seither  von  der 
katholischen  Christenheit  durch  das  „Mittagsläuten"  gefeierten  grossen  Sieges, 
am  25.  August  zu  Semlin  sein  ruhmreiches  Leben,  und  am  23.  Oktober  folgte 
ihm  Capistran,  dessen  lebensvolle  Schilderung  der  an  dramatischen  Momenten 
reichen  Belagerung  in  zahllose  alte  und  neue  Drucke  überging. 

Während  im  westlichen  Macvagebiete  der  Kampf  um  Sabac  wütete, 
wollten  die  Türken  durch  Bestechung  und  Verrat  erneut  sich  Belgrads 
bemächtigen.  1491  wurden  geheime  Unterhandlungen  durch  den  Smederevoer 
Pascha  Suleiman  geführt;  der  wachsame  Kommandant  Paul  Kinisy  durchkreuzte 
aber  den  Anschlag  und  strafte  furchtbar  die  Meineidigen.  1501  und  1515  ver- 
suchte man  sogar  ungarischerseits  wiederholt  Smederevo  zu  nehmen,  doch  immer 
erfolglos;  der  letzte  dieser  Angriffe  endete  sogar  mit  dem  Verluste  des  schweren 
Belagerungsgeschützes. 

Auf  Sultan  Selim  I.  war  1520  der  tatkräftige  Suleiman  II.  gefolgt,  der  die 
nach  Mathias'  Tode  in  Ungarn  ausgebrochenen  Wirren  zu  einem  energischen 
Verstösse  gegen  das  seinen  Siegeslauf  aufhaltende  Belgrad  benutzte.  Am  7.  August 
1521  überschritt  er  bei  dem  etwas  früher  durch  Ahmed  Pascha  eroberten  Sabac 
auf  der  dort  errichteten  Schiffbrücke  die  Sava,  und  schon  am  10.  September  gelang 
es  ihm,   die   von  der  Kriegsinsel  durch    Piri  Pascha  beschossene  und  wiederholt 


')  FeszIer,  Gesch.  d.  Ungarn,  IV,  804. 
-)  Hadzi  Chalfa,  Ruineli  und  Bosna,  151. 

")    Kriegs-Chronik    Üsterr.-Ung.,    III,    14.    —    Gavrilo    Vitkovic,    Proslost,    Ustanovo   i 
spomenici  ugarskih  kraljevih  saikasa.    Beograd  1887,  irrig  am  22.  Juli. 


Aeltere  Geschichte. 


11 


gestürmte  Zivilstadt  zu  nehmen,  am  29.  kapitulierte  auch  die  schlecht  armierte  und 
schwach  besetzte  Hochburg,  auf  der  die  jubelnden  Janitscharen  zum  erstenmal 
das  Blutbanner  aufpflanzten.  Die  Kommandanten  Török  und  Fehervär)',  welche 
Belgrad  kurz  vor  seiner  Einschliessung  verliessen,  wurden  zum  Verlust  ihres 
Vermögens  verurteilt.  Auch  den  die  Übergabe  leitenden  Offizieren,  namentlich 
dem  Befehlshaber  More  (Morgay?)  zürnte  König  Ludwig,  obschon  dieser  sie  mit 
der  Weigerung  der  grossenteils  serbischen  Besatzung,  sich  weiter  zu  schlagen, 
entschuldigte. ')  Belgrads  grüsste  Kirche  weihte  der  Sultan  durch  sein  Gebet 
zur  Moschee;  ihre  Reliquien  und  Bilder,  darunter  das  dem  hl.  Lukas  zugeschriebene 
der  hl.  Maria,  jene  der  hl.  Barbara,  Petka,  Teofanija  u.  a.,  gelangten  aber  damals 
nach  Konstantinopel  in  die  hl.  Jungfraukirche  seiner  durch  die  exilierten  Belgrader 
Serben  bevölkerten  „Beogradska  mahala".-) 


lil'.LGRAD    während  der  türkischen  BelaKcrunK  1521. 

Auf  der  hier  re|iriidnziertcn  .Ansicht  der  mit  200  Geschützen  neu  armierten 
Belgrader  Feste  aus  jener  Zeit  macht  diese  mit  ihren  zahlreichen  Türmen  und 
Minarets  einen  günstigen  Hindruck,  der  sich  jedoch,  wie  bei  heutigen  türkischen 
Städten,  sofort  abschwächte,  sobald  man  sie  betrat.  So  schrieb  der  Belgrad  im 
Juni  1553  besuchende  gewissenhafte  Berichterstatter  Hanns  Dernschwamm:  „Wie 
beruemt  Weissenburg  ist,  also  schlecht  ist  es;  erstlich  liegt  das  schloss  in  der 
statt  auf  einem  berg  an  der  Sau,  hat  seine  eignen  maurn,  thurn  und  streichwehrn, 
luider  aiulercn  ein  grossen  viereckten  thurn  Neboisse  genannt,  das  ist  sovil 
„nicht  Ion  hl  dich";  ist  bei  inis  ein  schlecht  Hing  m  die  oberstatt  lasst  man 
ml  jeden  und  in  das  schloss  niemandes,  darninb  das  es  rut  so  vest  ist  als  es 
den  uamen  hat  luul  die  Türken  sich  selbs  besorgen  müssen,  wieder  von  ihnen 
genommen  wird  werden,  in  fürchten  tag  luul  nacht  sein,  von  allen  vier  selten 
ist  es  zu  beschiessen,  man  muss  aber  zuvor  auf  demselbigen  land  sein  über  die 
Thunau  und  Sau  gefaren  sein,  ist  an  einem  ort  uberhochl   und    an   einem    ort   zu 


')  M.  Mcsic,  Iv'.kI,  .will,   I2J  l(. 

')  llad/.i  L'liail.i.  K'iiiiuli  iiiul  üosiia,  152. 


1  -  Afllcre  Geschichte. 

ebenem  fiiss  zu  heschiessen.  Das  stettlin  scheint  wdl  ^ross,  ist  aber  von  lauterem 
kol  iiiul  liol/  iiiul  luittcn  wie  in  dorfern.  Wie  man  noch  sieht  ist  Weissenbur^ 
VOM  dein  lurken  ^ar  nit  zu  dem  stürm  beschossen  und  mehr  den  Untern  abge- 
schreckt als  mit  ficwalt  erobert  worden." 

Nach  Suleimans  Tode  im  Lager  zu  Sziget  (1566)  nahm  sein  rasch  aus 
Kiutahia  berufener  Nachfolger  Selim  III.  den  Treuschwur  der  rumeliotischen  Armee 
in  Belgrad  entgegen,  dessen  sch/ine  Bauten  von  späteren  Reisenden  gerühmt 
werden,  die,  meist  in  diplomatischen  Missionen  nach  Konstantinopel,  dort  kurz 
verweilten.  Besonders  gefielen  Salomon  Schweigger  (1577),  Vratislav  v.  Mitrovic 
(1591)  u.  a.  seine  prächtigen  Bazare,  darunter  der  nach  Suleimans  berühmtem 
Vezier  Mehemed  Sokolovic  genannte,  aus  einer  Kirche  entstandene  Besestan,  die 
ragusanische  Faktorei  mit  eigener  Kapelle  und  Druckerei  für  slavische  Kirchen- 
bücher; sein  starker  Turm  „Nebojsa"  usw.  Die  wenigen  in  der  Stadt  geduldeten 
serbischen  Kaufleute  und  Handwerker  besassen  1578  nur  ein  Kirchlcin,  auch 
Armenier,  Juden  und  Zigeuner  lebten  dort  in  gedrückten  Verhältnissen.  Unter  des 
Sultans  Statthaltern  war  besonders  Sinan  Pascha  bemüht,  das  serbische  National- 
gefühl zu  ersticken.  Ausser  anderen  Verhöiinungen  Hess  er  den  Leichnam  des 
h!.  Landespatrons  Sava  aus  dem  herzegowinisciien  Kloster  Milesevo  nach  Belgrad 
bringen  und  am  9.  Mai  1594  auf  dem  Taämegdan  verbrennen.')  Gegen  die 
unter  kaiserlichem  und  venetianischem  Schutze  stehenden  Katholiken  war  man 
duldsamer;  noch  im  J.  1644  hörte  der  k.  Grossbotschafter.  Hermann  Czernin 
V.  Chudenic  auf  seiner  Reise  nach  Konstantinopel  die  Messe  bei  den  dort  ein 
grosses  Kloster  besitzenden  Franziskanern. 

Durch  167  Jahre  trug  der  Halbmond  von  Belgrad  blutigen  Streit  nach  dem 
Occident.  Kurz  bevor  das  Kreuz  dort  wieder  aufgepflanzt  wurde,  besuchte  es 
der  von  Londons  medizinischer  Gesellschaft  nach  dem  Orient  entsendete  Arzt 
Edward  Brown.  Ihm  danken  wir  eine  interessante  Schilderung  Belgrads  unter 
alttürkischem  Regiment.-)  Im  Jahre  1669  fand  es  Brown  als  „grosse  Feste  und 
volkreiche  weite  Kaufstadt"  mit  durch  Holzdächer  gegen  Sonne  und  Regen 
geschützten  Handelsstrassen,  deren  Läden  —  wie  dies  noch  heute  in  altorienta- 
lischen Bazaren  üblich  —  der  Käufer  selten  betrat.  Grossen  Eindruck  übten  auf 
den  englischen  Gelehrten  „zwei  breite  Plätze,  von  Stein  aufgebaut,  welche  einer 
Börse  oder  Versammlungshalle  der  Kaufleute  glichen",  mit  zwei  übereinander 
stehenden  Säulenreihen  (Galerien),  die  aber  derartig  mit  Waren  überfüllt  waren, 
dass  sie  viel  an  Glanz  und  Schönheit  verloren;  weiter  beschreibt  er  „zwei  Besestens, 
geformt  wie  Kathedralen,  in  welchen  allerlei  Kostbarkeiten  feilgeboten  wurden", 
wahrscheinlich  die  von  Muhammed  inid  A\ussa  Pascha  mit  Gartenanlagen  ver- 
schönten*), ferner  ein  vom  Grossvezier  erbautes  „Karavansera"  und  das  von   ihin 


')  Nach  300  Jahren  beging  die  studierende  Jugend  des  Königreichs  am  9.  Mai  1894 
eine  würdige  Erinnerungsfeier  an  diesen,  die  Verehrung  für  den  grossen  geistigen  Wohltäter 
des  Serbenvoll<es  noch  steigernden  barbarischen  Akt,  dem  jedoch  die  Behörden  aus  Rücksicht 
für  den  Sultan  fern  blieben. 

-)  Sehr  sonderbare  und  denkwürdige  Reisen  usw.    Nürnberg  1711.     S.  120  ff. 

')  Hadzi  Chalfa,  Rumeli  und  Bosna,  150. 


Aeltere  Geschichte.  13 

gestiftete  Medresseh,  dessen  Zöglinge  sich  durch  Turbane  mit  vier  Ecken  aus- 
zeichneten. Brown  rühmt  die  Wohlhabenheit  und  Gastlichkeit  der  christlichen 
Kaufieute,  die  Ausstattung  ihrer  Häuser  mit  Bädern  und  Springbrunnen,  die 
gnissere  Redlichkeit  der  Armenier  als  jene  der  Juden  und  Griechen,  die  reichen 
I-aktoreien  der  Ragusaner  und  „orientalischen  Kaufleute  von  Wien",  sowie 
Belgrads    günstige  Lage  für  den  Warenverkehr  mit  dem  Orient. 

Serbiens  Land  und  Leute  beurteilte  Brown  sehr  günstig.  Wäre  dies  Land 
nur  in  den  Händen  der  Christen,  so  sollte  es  eine  sehr  berühmte  und  blühende 
Landschaft  sein;  doch  bedauert  er,  „dass  es  allem  Anscheine  nach  unmöglich 
sein  dürfte,  Belgrad  jemals  wieder  zu  erobern".  Die  Minaretspitzen  der  hundert 
Moscheen,  welche  Belgrad  nach  Hadzi  Chalfa  im  XVll.  Jahrhundert  besass,  seine 
zehn  prächtigen  Bäder  und  sonstigen  Monumentalbauten,  der  Glanz  des  Sultan- 
hofes, dem  Brown  später  in  Larissa  begegnete;  besonders  aber  die  militärischen 
Einrichtungen  des  türkischen  Reiches  imponierten  dem  englischen  Reisenden  so 
sehr,  dass  er  einen  Angriff  auf  das  Gebiet  des  Grossherrn  geradezu  für  undenkbar 
hielt.  Im  Gegenteil  ängstigte  ihn  der  Gedanke;  der  Halbmond  könnte,  gleich  Rom, 
ganz  Europa,  ja  die  Welt  unterjochen!  Brown  vergass,  dass  die  Türkei  keine  von 
allen  Bedingungen  besass,  welche  zu  Roms  Weltherrschaft  führten.  Hätte  er 
nur  über  zwei  Decennien  wegblicken  können;  er  würde  das  ihm  unmöglich 
Erscheinende  durch  jenen  Leopold  I.  verwirklicht  gesehen  haben,  dessen  Person 
und  Residenz  er  so  sehr  rühmte.  Das  Banner  Österreichs,  dessen  tapferes  Heer 
vereint  mit  deutschen  Reichstruppen  die  türkische  Macht  in  Ungarn  brach,  wehte 
schon  1688  von  Belgrads  Mauern! 

Hier  kurz  die  interessantesten  Momente  des  Europa  mit  allgemeiner  Freude 
erlüllenden  grossen  Sieges.  Den  Oberbefehl  über  das  vom  FM.  Grafen  Caprcra 
bei  Esseg  gesammelte  Heer  erhielt  der  Kurfürst  Ma.\  Emanuel  v.  Bayern.  Am 
7.  August  überschritten  50000  Streiter  die  Sava  bei  Semlin  und  am  15.  begann 
die  Beschiessung.  Diese,  sowie  geschickte,  die  Mauerbresclien  stelig  erweiternde 
Minenarbeiten  wirkten  so  entmutigend  auf  den  Kommandanten  Jegeii  üsman  und 
den  ihn  beratenden  ungarischen  Rebcllenhauptling  Tököly,  dass  sie  nachtlicher- 
weise  über  Smederevo  nach  Konstantinopel  flüchteten.  Am  6.  Sepfemberinorgen 
ordnete  der  Kurfürst  den  Sturm  auf  die  schlecht  bewehrten  —  die  meisten 
Rohre  trugen  Kaiser  Ferdinands  Wappen  —  doch  tapfer  verteidigten  Wälle  an. 
Der  in  seinem  Stabe  lifflndliche  Prinz  Eugen  v.  Savoyen  erkämpfte  sich  hier 
die  ersten  Lorheeren.  Gleich  ihm  wurden  iler  Herzog  von  Mantua,  die  Grafen 
Ta.xis,  F^alnitin  und  viele  andere  Führer  verwundet,  während  ein  l'rin/  Liechtenstein, 
die  Grafen  I  liuin,  l'ürstenbcrg,  zwei  Starhemberge  inul  viele  Edle  mit  ihrem  J^lulc 
die  zerschossenen  Mauern  färbten.  Der  Befehlshaber  Oki  Abdiir  Ahmed  zog 
sich  in  das  Kronfort  zurück,  stellte  seine  letzten  Tapferen  hinter  die  dort  gefangen 
gehaltenen  Christen  auf  mul  erhielt,  gleich  ihnen,  nachdem  er  die  weisse  l-ahne 
ausgesteckt,  von  tiem  seine  Pflichttreue  ehrenden  Kurfürsten  das  Leben  geschenkt. 
Am  Abeiul  war  das  türkische  Bollwerk  vollständig  in  den  Händen  der  Kaiser- 
lichen;  aber    4()()()   verwuiuiete  und   tote    Christen   uiiil   iloppell    so    viele    tapfere 


1  I  Acltcrc  Geschichte. 

Verteidiger  waren  die  Opfer  der  neliinKeiieii  lirolierunj^ ')  —  sie  waren  leider 
umsonst  gebracht! 

Nur  zwei  Jahre  und  wenige  Tage  blieb  Belf^rad  in  österreichischem  Besitz. 
Olisihon  man  seinen  VcrleidinunKSzustand  dem  Kaiser  nerühml-),  fiel  es  rasch 
iliircli  die  Untüchlif^keit  des  Grafen  Aspromonti  und  den  Verrat  des  Venetianers 
Andrea  Cornaro.  Der  im  letzten  Auf^enblick  den  Befehl  übernehmende  Feld- 
marschall Herzofi  v.  Croy  konnte  die  Festun}^  nicht  mehr  retten.  Der  energische 
Grossvczicr  KöprUlü  bombardierte  ihre  vernachlässigten  Werke  und  rieb  die  kaum 
3000  Mann  zählenden  Verteidiger  gänzlich  auf.  Am  8.  Oktober  1690  wurde  der 
Halbmond   auf  Belgrads  Wällen   wieder   aufgepflanzt! 

Croys  Versuch,  das  durch  den  in  türkische  Dienste  getretenen  Cornaro 
sehr  verstärkte  Belgrad  ■)  den  Türken  wieder  zu  entreissen,  brachte  dem  Kaiser 
mir  neue  Verluste.  Am  1.  August  1693  übersetzten  seine  Truppen  bei  der 
Topcidere-Mündung  die  Sava.  Die  riesige  Hitze,  welche  die  aufgewf)rfenen 
Schanzen  in  Staub  verwandelte  mid  verheerende  Fieber  hervorrief,  verursachte 
den  Belagerern  ungeheueren  Schaden.  Ein  misslungencr  Sturm  am  7.  September  und 
die  Nachricht  vom  Heranzug  des  Grossveziers  mit  einem  starken  Entsatzheer 
entmutigten  sie  vollends  und  bewogen  Croy  zum  Abzug. 

Was  diese  verschiedenen  Belagerungen  von  Belgrads  besseren  Gebäuden 
verschont  gelassen,  wurde  während  der  im  Inlgeiuleii  knappen  Umriss  geschil- 
derten populärsten  Waffentat  des  grossen  Prinzen  von  Savoyen  vernichtet. 
Nach  Eugens,  die  türkische  Macht  tief  erschütternden  Siegen  bei  Peterwardein 
und  Tempsvär  (1716)  überschritt  er,  nicht,  wie  der  Gegner  vermutete,  bei 
Semlin,  sondern  unerwartet  bei  Pancevo  am  15.  Juni  1717  mit  61  Bataillonen, 
1T6  Flskadroncn,  starkem  Artilleriepark  die  Donau  und  errichtete  sofort  unterhalb 
Belgrads  ein  befestigtes  Lager,  dessen  innerer  Schanzengürtel  parallel  mit  einem 
zweiten,  gegen  das  heranziehende  Entsatzheer  gerichteten  lief.  Ohne  vom  Feinde 
gehindert  zu  werden,  war  die  Absperrung  der  Festung  in  den  ersten  August- 
tagen beendet,  als  der  Grossvezier  Halil  mit  auf  200000  Mann  geschätztem  Heere 
seinerseits  die  kaiserlichen  Linien  umschloss.  Trotz  des  übermächtigen  Gegners 
und  der  etwa  20000  Mann  starken  Besatzung  im  Rücken,  gab  Eugen  ohne 
Zögern  kaltblütig  seine  Befehle  zum  Angriff  der  gegen  ihn  regelrecht  auf- 
geführten   Schanzen    und    Laufgräben.      Das   türkische  Fussvolk   hielt   die   Höhen 


')  Im  Juli  1888  wurde  bei  einer  Planierung  im  Dnrtjol  die  Grabplatte  eines  k.  Hauptmanns 
(Graf?)  Pursclika  gefunden  mit  Emblemen  und  deutscher  Aufschrift,  die  wohl  von  einem 
hier  bestandenen  österreichischen  Begräbnisplatz  aus  dieser  Epoche  stammt.  —  Zahlreiche 
kostbare  Beutestücke,  darunter  drei  mit  Rubinen,  Türkisen  usw.  geschmückte,  reich  gestickte 
Paschasättel,  mit  Gold  und  Silber  damaszierte  Flintenläufe,  mit  Edelsteinen  besetzte  Säbelgriffe, 
eine  Vezierfahnc  aus  der  Zeit  der  Eroberung  Mekkas  durch  AUihammed  u.  a.  sah  und 
bewunderte  ich  im  Münchener  Nationalmuseum. 

'')  Arneth,  Graf  Guido  Starhemberg,  1()6. 

")  Das  stark  befestigte  Mittelschloss  ward  erst  1696  vollendet.  S.  den  hochinteressanten 
Plan  „Hungarisches  Kriegstheater"  v.  Ostertag,  Kupferstecher  in  Nürnberg  —  „nicht  zusammen- 
gestoppelt", sondern  nach  der  Natur  aufgenommen,  auf  dem  Cornaro  als  türkischer  Ingenieur 
genannt  wird. 


Aelfere  Geschichte.  15 

im  Zeiitruin  besetzt,  die  Kavallerie  jene  auf  beiden  Flügeln  hinab  zur  Donau 
und  Sava;  die  Situation  war  eine  gefährliche  und  Eugen  blieb  nichts  übrig, 
als  den  Feind,  wie  er  selbst  sagte,  „mit  Gottes  Hilfe  zu  schlagen!"  Am 
15.  August  vor  Mitternacht  ordnete  er  die  Angriffsstellungen.  Die  FML.  Viard 
und  Brown  hatten  mit  7  Kavallerie-Regimentern,  8  Bataillonen  und  4  Grenadier- 
Kompagnien  die  Belagerten  im  Schach  zu  halten,  4  Bataillone  das  Lager  zu 
bewachen,  alle  anderen  Streitkräfte  den  Grossvezier  anzugreifen.  Lautlos  rückten 
letztere  am  Frühmorgen  vor.  Trotz  des  eingebrochenen  Nebels  entspann  sich 
auf  allen  Linien  bald  der  heisseste  Kampf;  als  er  sich  gegen  8  Uhr  hob,  sah  Eugen 
seine  Schlachtordnung  zerrissen  und  den  tapferen  Mustapha  Pascha  mit  seinen 
Janitscharen  sich  anschicken,  durch  eine  entstandene  weite  Lücke  den  passiv 
gebliebenen  Belagerten  die  Hand  zu  reichen.  Rasch  entschlossen,  warf  sich 
der  Prinz  an  der  Spitze  der  Reserven  persönlich  ihm  entgegen  und  trieb  ihn  mit 
solch  unwiderstehlichem  Ungestüm  auf  das  nachrückende  Fussvolk  zurück,  dass 
auch  dieses,  durch  die  flüchtigen  Reiter  mitgerissen.  Kehrt  machte.  Die  auf 
Eugens  Befehl  in  die  türkischen  Flügel  einbrechende  Kavallerie  vollendete  die 
Verwirrung  in  den  türkischen  Reihen.  Noch  hielt  sich  die  grösste,  mit 
18  Positionsgeschützen  armierte  Batterie  auf  dem  höchsten  Punkte  des  Zentrums, 
umschart  von  den  sie  begeistert  verteidigenden  Tophis  und  Jenisseri.  Als 
auch  sie  von  Eugens  tapfersten  Grenadieren  erstürmt  war,  konnte  der  Prinz 
am  16.  9  Uhr  die  Siegesfanfaren  blasen  lassen.  Der  Gegner  floh,  mit  Zurück- 
lassung von  nahezu  200  Geschützen,  60  Fahnen  und  Rossschweifen,  sowie  des 
gesamten  Lagers  mit  riesigen  Schätzen  auf  der  von  20000  türkischen  Leichen 
bedeckten  Vracar-Hochcbene.  Am  18.  kapitulierte  die  Feste  ohne  weiteren  Kampf. 
Ihr  Besitz  kostete  1500  tapfere  Soldaten,  darunter  die  Generale  Pälffy,  Lubkowitz, 
von  Hauben,  und  3500  Verwundete,  unter  welchen  Träger  der  altadeligen 
Namen  Montecuccoli,  Starhcmberg,  Ebergenyi  und  Eugen  selbst  sich  befanden.') 
Österreichs  siegreicher  Feldherr,  von  dem  es  im  Volkslied  heisst:  „F'rinz 
Eugenius,  der  edle  Ritter,  wollt'  dem  Kaiser  wiederum  kriegen  Stadt  und  Festung 
Beligrad",  fand  beim  Einzug  am  22.  August  1717  ausser  der  mit  Mustapha  Pascha 
die  Waffen  streckenden  Garnison  und  zahllosen  Geschützen  dort  nur  Reste 
einstigen  Glanzes.-)  Es  fehlte  selbst  an  den  notwendigsten  Bauten  zur  Unter- 
bringung der  Garnison.  Doch  trotz  der  Ebbe  in  den  kaiserlichen  Kassen,  trat 
dank  der  materiellen  Untersliitzung  des  am  „Bollvserke  des  Kreuzes  gegen  den 
Halbmond"  interessierten  Papstes  und  der  üpferwilligkeit  der  kais.  Provinzen 
bald  ein  günstiger  Umschwung  zu  Belgrad  ein,  wie  ihn  neuestens  Ni5,  Sofia 
und    Sarajevo    erlebten,      (leneral-l-eldwachtmeister    Graf   O'Dwyer-')    leitete    den 

')  Das  Di'l.iil  ilci  Bcl.im.Tiiiin  wiink-,  ali^ii'selioii  von  Arnolli  iirul  iloii  krieKSRCSchicht- 
lichcn  Werken  des  k.  ii.  k.  (Jencrnlstabs,  /ulcl/.t  durch  (icneral  l'rotic  in  .Ocllonici  iz 
Istorijc  Ik'onrada   od    1427   do    1791"    mit   Kl<-'<*-'l>''^'itiKL'in  Plane  ausführlich  geschildert. 

»)  Sertiion  iinter  der  kais.  RenierunK  1717—1737.  Mitl.  il.  k.  k.  KricKsarchivs.  Neue 
l-olKC.     IM.   157-247. 

')  In  den  Akten  des  Wiener  k.  u.  k.  KricKsarchivs  kniniiit  iler  aus  Irland  slainmcndc. 
1717    /um    IiiliTiiMs-Komiii.Mul:inliMi    der   eroberten    Pestunn   Belgrad    ernannte   üeneralniajor 


l(i 


AflttTC  Geschichte. 


Umtiaii  der  FesfiiiiKSwcrkc  natli  Vaubans  System,  lis  cnistaiulcn  in  der  heutigen 
Miliailova  ulica  die  „Alexander-Kaserne",  andere  in  Dortjol,  Vraear  und  bei  der 
Batal  d^aniija  ein  Hospital.  In  der  Dii§anstrasse  aber  erbauten  italienische 
Meister  die  priichtijie  Kommandantur  (fiunen-Palast)  und  neben  dem  überbrückten 
llafenbassin  der  unteren  Donaufeste  mehrstiickif^e  Kasernen,  Zeu>;häuser,  Depots 
und  Prachttorc,  von  welchen  das  hier  abf^ebiidete,  mit  Kaiser  Karls  Namenszu^ 
und  Trophäen  geschmückte  bis  heute  das  architektonisch  hervorraKendste  blieb. 
Auch  alle  monumentaleren  Bauten  der  Hochburg,  die  grosse  Moschee,  der  Uhr- 
turm, das  Sabac-,  Stambul-,  Vidin-  und  Smederevoer  Tor,  traf^en,  trotz  der 
später    angebrachten    lilauen    Felder    mit    des    Sultans   vergoldetem    Namenszug, 


BELGRAD,  Karlstor  (Ostseite). 


den  untrüglichen  Stempel  der  grossen  Wiener  Architckturepoche  unter  dem 
kunstiiebenden  Kaiser  Karl,  wie  ja  auch  nachweisbar  die  in  Fels  gehauene,  viel- 
bewunderte Pulverkammer  1719  vollendet  wurde. 

Und  gleich  viel,  ja  noch  mehr  gab  es  für  die  einziehende  kaiserliche  Zivil- 
verwnltung  zu  tun;  hatte  ja  die  türkische  ihre  „Rajah"  auf  denkbar  niedrigstem 
Bildungsniveau  gelassen!  Es  fehlte  —  ich  erinnere,  in  welchem  Zustande 
160  Jahre  später  die  österreichisch -ungarische  Occupation  Bosnien  traf  —  an 
allem.  In  ganz  Serbien  gab  es  keine  geschulten  Beamten,  Lehrer,  Ärzte  usw. 
Die  unter  schwierigsten  Verhältnissen  organisierten  neuen  Behörden  besassen 
guten  Willen,  hatten  oft  aber  mit  den  Vorurteilen  der  Bevölkerung  um  so  mehr 
zu  kämpfen,  weil  sie  ihre  Sprache,  Sitten  und  ihr  traditionelles  Gewohnheitsrecht 
ungenügend  oder  gar  nicht  kannten.   Die  am  Mokrilugbach,  westlich  vom  Stadtwall 


Graf  Johann  Josef  O'Dwyer  auch  als  Odwyer  {Ottoward,  Odoarde  usw.)  vor.  Für  seine 
grossen  Verdienste  um  den  Wiederaufbau  und  die  Instandsetzung  der  Festung  1723  zum 
FML.  ernannt,  starb  er  als  solcher  zu  Peterwardein  1729. 


Aeltere  Geschichte. 


17 


gelegene  grosse  „Raizenstadt"  besass  beispielsweise  nur  ein  Kirchlein  und 
eine  Elementarschule  mit  zwei  Lehrern.  Auf  den  Wunsch  des  Karlovicer  orien- 
talischen Kirchenkongresses  wurden  nun  aber  bald  ausser  einer  „Bogosiovija" 
zur  Heranbildung  unterrichteter  Popen  auch  eine  weltliche  Lehranstalt  gegründet, 
welche  der  fortan  in  Beigrad  residierende  Metropolit  Mojsije  Petrovic  1721  feierlich 
eröffnete');  seine  bescheidene  „Metropolija"  befand  sich  aber  schon  damals 
an  der  Steile  der  heutigen.  Der  „raizische"  (serbische)  Stadtteil  besass  und 
behielt  weiter  seine  volkstümliche  alte  autonome  Verwaltung. 

Die   grössten  Moscheen   der   „deutschen"   Donaustadt  Belgrads,  deren  Ent- 
vvickelung    der    Hofkriegsrat    dringend    empfahl,    erhielten    die   Jesuiten    für    ihre 


BRI.ORAD,   K.irlslnr  (Wisisi-ilc). 

„I.atiiiistlmk'" ,  ferner  ilie  mit  ihnen  einziehenden  Franziskaner,  Kapuziner, 
Mindriten,  Weissspanier  u.  a.  Orden  für  ihre  Klöster  und  Volksschulen,  an  welchen 
deutsch  unterrichtet  wurde,  weil  tier  Zuzug  meist  aus  Deutschösterreichern  bestand. 
172H  befanden  sich  unter  den  1.575  Ilausern  der  Stadi  über  60U  nuhiarischen 
Zwecken  ilienentie,  nnil  trol/ilem  man  keine  neuen  Schankkonzessionen  erteilte, 
nalavii  200  Wirtshäuser.  Im  |.  1724  wurde  der  Magistrat  für  die  „deutsche 
Stadt"  nach  ilem  Muster  di'i  ungarischen  (Irenzstiiilte  reorganisiert.  I''r  beslaiul 
nunmehr  aus  ilem  Stadtrichter,  vier  Ritten,  einem  Kümmerer,  llauptmami. 
Kassierer,  Spitalvatir,  mhen  welchen  ein  Stadtleutnant,  Filhnrich,  Notar.  .Xr/I. 
Marktrithter,  llluaut/iehcr,  Kaniinfi'ger  usw.  fungierten,  (lleich/eilig  erhielt  das 
sclidii  1721  der  „deutschen  Statt  lielegrad"  erteilte  „(iross-lnsigl"  nnl  über  drei 
Moscheen  schwebendem  Adler,  auf  den  Vorschlag  des  Gouverneurs  KZM.  Prinz 
Karl  Alexander  v  Württemberg,  stall  der  bisherigen  Inschrift:  sub  un\bra  alarum 
tnaium     die     iumic     ümschrifl:     /\lb;i     (Iraeca     recuperala    anno     1717  (iaii/ 


')  (il,isiul<.   IUI.  .^Hi. 
K   KANITZ,  Serbien.    I. 


IH 


Aeltcrc  Geschichte. 


iinlHTücksifhlinl  blieb  das  gleichfalls  nach  Wien  mitgesendete,  anKeblich  römische 
W,i|ipen  Fk'if^rads:  ein  ßeharnischter  Krieger,  der  seine  rechte  Hand  auf  den 
Rücken  eines  F^ferdes,  die  linke  auf  den  eines  Stieres  legt,  mit  der  Inschrift 
„Tauruiiuin",  der  Namen  Semlins  in  der  römischen  Kaiserzeit  (S.  5).  —  Die 
Abbildung  des  mittelalterlich  aussehenden  Wappens  von  Belgrad  in  Brockhaus' 
Konv. -Lexikon  (Jub.-Ausg.,  2.  Bd.,  S.  670)  wurde,  nach  einer  freundlichen 
Mitteilung  der  Redaktion,  von  dem  verstorbenen  Heraldiker  L  Clericus  in  Magde- 
burg  (mir    unhekaiint,    nach    welcher  Vorlage)  angefertigt.    —   Anknüpfend   an  die 


tl 


BELGRAD,   Türkisches  Siegesdenkiiial  am  Stambultor,  1739. 


Vcrbrcniumi^  der  Gebeine  des  hl.  Sava  zu  Belgrad  (S.  12)  schlug  Djnrdje  Strati- 
niirovic  (Starinar,  XII,  S.  105)  für  die  Stadt  ein  Wappen  mit  dem  Bildnis  dieses 
Landesheiligen,  gold  im  blauen  Felde  und  überragt  von  goldener  Mauerkrone, 
schon  im  J.  1895  vor,  ohne  dass  eine  Entscheidung  gefolgt  wäre.  So  besitzt 
Belgrad  auch  heute  nur  ein  seit  mehr  als  50  Jahren  gebrauchtes  Siegel  mit  der 
serbischen  Aufschrift  „Siegel  der  Gemeinde  Belgrad".  —  Während  der  kaiser- 
lichen Herrschaft  zu  Belgrad  bestanden  die  Einnahmen  seiner  „deutschen  Stadt" 
hauptsächlich,  ausser  der  Eintragungsgebühr  in  die  „Bürgerrolle"  mit  10  Gulden, 
aus  den  Marktgebühren,  Strafgeldern,  Testamentsteuern  u.  a.  Wiederholte  Bitten 
um  die  Erneuerung  der  Belgrad  von  den  ungarischen  Königen  verliehenen  Privilegien 
blieben  vergebens.  Sonst  suchte  man  es  aber  von  Wien  aus  tunlichst  zu  fördern, 
und  die  1719  begründete  „Orientalische  Kompagnie"  errichtete  dort  eine  nament- 
lich viel  Wachs,  Honig  usw.  exportierende  Zweigniedcrlage. 


Aeltere  Geschichte. 


19 


Leider  störten  die  Wechselfälle  des 
1737  erneut  ausgebrochenen  Türken- 
krieges allzurasch  diese  kulturfreundlichen 
Bestrebungen,  und  nach  der  verhängnis- 
vollen Grockaer  Schlacht  (111.  Bd.,  111.  Kap.) 
sah  sich  der  Kaiser  sogar  im  folgenden 
Belgrader  Frieden  gezwungen,  Serbien 
wieder  1739  dem  Sultan  auszuliefern. 
Belgrads  schlechte  Verteidigung  durch 
Sukow  und  seine,  namentlich  durch  das 
Drängen  des  französischen  Vermittlers 
Villeneuvc  herbeigeführte  übereilte  Über- 
gabe durch  Wallis  schildern  ausführlich 
die  „Memoires  secrets"  des  Grafen 
Schniettau,  dem  das  Kommando  der 
Festung  viel  zu  spät  übertragen  wurde. 
Die  Demütigung  der  kaiserlichen  Armee, 
deren  Standarten  die  einziehenden  rohen 
Janitscharenhäuptlinge  als  Schabraken  be- 
nützten, war  unverdient,  weil  ihre  Nieder- 
lage nur  durch  die  schlechte  Wahl  und 
[Eifersucht  der  Führer  verursacht  worden. 
Den  verhängnisvollen  Halbmondsieg  ver- 
herrlichte eine  123  cm  lange,  79  cm  breite 
M.irmortafel  am  Belgrader  Stambultor  mit 
eil  relief  prächtig  gemeisselter  türkischer 
Schrift.     Sie   verkündete: 

Der  l'iirsl  cIlt  sicIUTi  7.(>ni:n,  der  Herr  zu  Meer 

imd  Land, 
Mit  Davids  Her/  uiul  Ak-.\andt.TS  Siencrhand, 
Der,  dessen  Namenszuj^  sein  ei^;nes  Alibild  ist. 
Da  ihn  ja  seines  hohen  Namens  Ulanz  utnfhesst, 
Hat  Belgrad,  das  der  Feind  besass  so  lanjje  Zeit, 
Das  unterworfen  frönte  der  Un^;I;iubinkeit, 
(iott  sei  j^elobl!  ^jerissen  aus  des  Feindes  Kranz, 
Der    Schah    der    VVeM,    Sultan    Mahmud,    voll 

kiihmesnlanz, 
F.r   h.it  die  Feste   rest.iiiriert    mit  Schmtiek    und 

l'raehl. 
Zu  unbeiif,'s.imem    Trotze  tauglicher  gemacht. 
Es  ist  zw.ir  dieses   Tor  wie  .indere  lUir  ein   Tor, 
[)nch   führt's    nach    Istambul    luid    ragt    darum 

hervor. 
Zu  sa).;en,   wann  ilie  Festun^j   besiev;t   und   neu 

l^ebaut, 
Mit  diesem  Dienst  w.ud  Neili.dcrNiedere,  betraut. 


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20  Ac'ltcrc  Ofschichte. 

Der  erste  Halbvers  n\b\  uns  der  Rroberiinti  Jahr, 

Der  zweite  sajit  uns,  wann  die  Kestaurierunt;  war. 

Krohert  hat  die  fiurjj  und  wieder  hernestelll 

Sultan  Mahmud  der  Krsle,  mit  Cjliiek,  der  Herr  der  Weit. 

Dem  Wiener  Hofe  mochte  der  Gedanke  nahe  Kelegen  haben,  sich  Belgrads 
l);ilcl  wieder  in  günstij^erer  Zeit  zu  bemächtigen,  und  um  dies  zu  erleichtern, 
wurden  die  Werke,  welche  die  Stadt  im  Halbkreise  umschlossen,  ferner  jene  des 
linken  Savaufers  und  der  Krie^sinsel  vor  dem  Abzüge  geschleift.  Die  im  k.  u.  k. 
Kriegsarchiv  aufbewahrten  Pläne  geben  einen  Begriff  von  Belgrads  damaliger 
grossen  Ausdehnung  und  starkem  Redoufengürtel,  welchen  die  kaiserlichen 
Ingenieure  während  der  kurzen  Occupationszeit  aufgeführt  haften.  Auf  der 
ungarischen  Savaspitze  lag  ein  in  zahlreichen  Winkeln  gebrochenes  Werk  mit 
zwei  Bastionen,  das  eine  Pontonbrücke,  nahe  der  heutigen  Dampferlände,  mit 
der  Festung  verband.  Ein  ähnliches,  etwas  kleineres  Fort  auf  der  „Kriegsinsel" 
gegenüber  dem  Festungshafen  hinderte  die  Annäherung  feindlicher  Galeeren. 
Die  eigentliche  Zivilstadt,  die  heutigen  „Dunavski-,  Varoski-  und  Savska-Viertel", 
umgab  eine  kunstreiche  Umwallung  mit  wenigen  Toren,  von  welchen  das 
Sabacer  an  der  Sava  und  Temesvarer  an  der  Donau  durch  breite  Wassergraben 
geschützt  waren.  Zwischen  diesen  lagen  das  „Württemberger"  und  „Kaisertor", 
mit  bis  auf  den  Vracar  vorgeschobenen  Werken,  deren  Grundfesten  ich  noch 
1891    sah. 

Die  fünfzig  Jahre  bis  zur  Rückkehr  der  Österreicher  nach  Belgrad  waren 
von  den  Türken  zum  Aufbau  vieler  zerstörten  Moscheen  und  Zivilhäuser  benützt 
worden.  Auf  einer  gleichzeitigen  Ansicht  erscheint  das  Serail  des  Paschas  als  ein 
grosses  Gebäude,  und  mehr  als  20  Minarets  ragen  über  die  vom  Donaustrand 
zur  Sava  sich  dehnenden  moslimischen  Viertel  empor.  Dagegen  zeigt  der  Plan 
des  kais.  Majors  Liederscron  (1783)  das  christliche  isolierte  „Raizenviertel" 
unbedeutend,  und  noch  entfernter  lag  das  „Zigeunerquartier".  Hingegen  scheint  — 
wie  der  „Turm  der  Franziskaner"  im  Bilde  zeigt  —  eine  kleine  katholische  Nieder- 
lassung toleriert  worden  zu  sein.  Alles  lässt  annehmen,  dass  Belgrads  bedeutender 
Handel  mit  seinem  Hinterlande  die  ihm  durch  den  Krieg  geschlagenen  Wunden 
rasch  vernarben  liess.  Die  türkischen  Staatskassen  waren  aber  zu  erschöpft,  um 
auch  die  rasierten  Werke  in  ursprünglicher  Stärke  wieder  herzustellen.  Als  manche 
Zeichen  das  heranziehende  Kriegsgewitter  in  Stambul  ankündeten,  begnügte  man 
sich,  das  Mauerwerk  der  Bastionen  durch  Schanzkörbe  und  Palisaden  zu 
ersetzen;  die  Redouten  am  linken  Savaufer  und  auf  der  Kriegsinscl  konnten  aber, 
weil  auf  österreichischem  Territorium  liegend,  nicht  mehr  zur  Verteidigung  aus- 
genützt werden. 

Immerhin  war  das  von  9000  Türken  verteidigte  Belgrad  noch  eine  starke 
Festung  und  wie  die  Legende  auf  Hasenehrs  Ansicht  meldet —  „annoch  eine  grosse, 
veste,  voickreiche  Kauff-Stadt  in  Servien,  an  dem  Ort,  wo  die  Donau  und  Sau 
zusammen  lauffen,  diese  hat  sie  an  der  Abend-  jene  an  der  Morgen-Seite.  Die 
Donau  ist  allhie  über  die  massen  breit,  lauffet  gewaltig  starck  und  scheinet  die 
Sau    abzuschneiden.     Ein  Theil    der  Stadt,  wie  auch    das  Schloss   liegt  auf   einer 


Aeltere  Geschichte.  21 

Hohe.  Vor  der  Stadt  ist  eine  grosse  Menge  Häusser  und  sehr  weitläuffige  Vor- 
städte, in  welcher  allerhand  Nationen,  als  Türeken,  luden,  Griechen,  Ungarn,  Dal- 
inatier  und  andere  mehr,  wohnen.  Dars  Schioss  ist  mit  vielen  und  hohen  Thiirmen 
von  Quater  Steinen  aufgeführt,  und  stehet  an  der  Landseite".  —  Wohl  deshalb 
übernahm  der  bereits  74  Jahre  zählende,  bedächtig  gewordene  Laudon  nur  zögernd 
auf  Kaiser  Josephs  nachdrücklichen  Wunsch  1789  die  Aufgabe,  es  trotz  der 
ungünstigen  Herbstzeit  dem  Sultan  um  jeden  Preis  zu  entreissen.  Damals  ent- 
stand das  später  oft  variierte  flotte  Soldatenlied:  „Marschieren  wir  in  das  türkische 
Land,  Stadt  Bclgarad  ist  uns  wohlbekannt,  Marschieren  wir  in  das  weite  Feld, 
Bei  Belgrad  übers  Gebirge,  Da  kam  daher  ein  starker  Held,  Zum  Trotz  des  starken 
Türken." ') 

Am  II.  Sept.  war  der  Übergang  des  über  60000  Mann  und  365  Geschütze 
zählenden  k.  Heeres  bei  Semlin  vollzogen  und  am  16.  rekognoszierte  der  greise 
Feldherr,  begleitet  von  dem  jugendlichen  Erzherzog,  nachmaligem  Kaiser  Franz  II., 
die  Werke  auf  den  Avalahöhen,  liess  auch  die  äusseren  Eugenschen  Linien  zur 
Abwehr  des  von  Cuprija  langsam  zum  Entsätze  heranziehenden  Abdi  Pascha  aus- 
bessern, gegen  die  Stadt  aber  neue  Redouten  aufführen  und  die  Belagerungs- 
arbeiten rasch  beginnen.  Unaufhörlich  spielte  das  von  den  Belagerten  heftig 
erwiderte  Feuer.  Die  Stadt  litt  furchtbar,  und  als  die  Nachricht  eingetroffen,  dass 
der  Grossvezier  vom  Prinzen  Josias  von  Coburg  bei  dem  walachischen  Martini§te 
besiegt  worden  sei,  ordnete  der  Marschall  ihre  Erstürmung  in  4  Kolonnen  für 
den  30.  Sept.  an.  I.audons  Persönlichkeit  wirkte  Wunder.  Nach  einer  Stunde 
erbittertsten  Kampfes,  bei  dem  der  junge  Fürst  Esterhäzi  zuerst  den  Palisaden- 
wall überstieg,  waren  alle  Zugänge  und  am  1.  Oktober  auch  das  wiederholt 
gestürmte  Stambultor  durch  den  FML.  Grafen  Brown  genommen,  worauf  die 
Eröffnung  der  Laufgräben  gegen  die  Citadelle  begann.  —  Obschon  leicht  ver- 
wundet, leitete  der  greise  Marschall  von  der  hoch  gelegenen  Batal  dzamija 
persönlich  ihre  Beschiessung  so  wirksam,  dass  sie  schon  am  8.  Oktober  von 
Osman  Pascha  unter  seine  bewiesene  Tüchtigkeit  ehrenden  Bedingungen  übergeben 
wurde;  450  Geschütze  und  alles  Heermaterial  blieben  zurück.  Ein  gleichzeitiger 
Plan  im  k.  u.  k.  Wiener  Kriegsarchiv  zeigt  die  Citadelle  nahezu  in  ihrer  heutigen 
Gestalt  mit  5  nach  Smederevo,  Vidin,  Bonjaluk,  Stambul  und  Sabac  führenden 
Haupttoren,  welche  mit  jenen  der  befestigten  Zivilstadt  (Dunavska  und  Srbska 
varos)  korrespondierten.  Die  bis  zum  Topciderbach  vorgeschobenen  Laudon- 
Linien  erscheinen  an  seiner  Mündung  durch  Schiffbrücken  mit  der  Sava,  und 
beim  Mirijevski  potok  ilurch  eine  LM  Pontons  zählende  Brücke  mit  dem  starken 
Werke  bei  Novo  Borca  auf  tlem  linken  Donauufer  verbunden. 

Als  der  einziehende  I.audon  am  Stambultor  den  S.  18  erwähnten  ruhm- 
redigen Stein  erblickte,  belalil  er,  die  das  „Tügrah"  und  Sultan  Mahommeds  II. 
Namen  tragciule  Riesenplatte  nach  seinem  Hadersdorfer  Parke  bei  Wien  zu 
bringen,  wo  sie  noch  heute  an  die  letzte  grosse  Tat  des  berühmten  Heerführers 
unter  Kaiser  Joseph  erinnert.     Beide  starben  im  selben  Jahre,  und  auch  Österreich 


')  Dilfuilli.  \)w  histor.  Volkslieiler  ITlxJ-ISI'i.     S.  (50. 


22  Acitcre  Geschichte. 

(reute  sich  nielit  latiKC  des  ohne  (grosse  Opfer  errungenen  Besitzes.  Leopold  II. 
überliess  Beljjrad,  Sahac  mit  Serbien  schon  im  Sistovcr  Frieden  (4.  Aug  1791) 
der  F^forle,  und  seitdem  betraten  die  kaiserlichen  Heere  sie  nicht  wieder!  Spät, 
erst  im  J,  1900,  taufte  man  einen  j^rossen  Platz  im  Wiener  Bezirk  Favoriten  zur 
Frinnerunf^  an  Prinz  Euj^ens  und  Marschall  Laudons  Siege  über  die  Türken 
„E^elgradplatz". 

Dass  die  Kaiserlichen  für  Belgrads  raschere  Umgestaltung  in  eine  baulich 
schöne,  gut  verwaltete  Landeshauptstadt  in  den  Jahren  1790-  1791  viel  getan, 
zeigen  die  durch  Alfr.  v.  Arneth  in  seinem  „Prinz  Eugen",  von  Wilh.  v.  Janko 
in  „Lauduns  Leben",  von  Soppron  in  „Semlin  und  Umgebung",  in  General  Kosla 
Protics  auf  S.  9  angeführtem  grossen  Werke,  auch  in  Todor  Stefanovic  Vilovskis 
„Dvc  godine  iz  proälosti  Beograda  (1789—1791)";  ferner  die  im  Standard  wyrk 
„Die  freiwillige  Teilnahme  der  Serben  und  Kroaten  an  den  vier  letzten  ösferr. 
Kriegen"  (Wien  1854)  und  hier  vielbenützten  Dokumente  im  k.  u.  k.  Kriegsarchiv. 

Gleich  unmittelbar  nach  Belgrads  Eroberung  durch  Laudon  hatte  der  k.  Hof- 
kriegsrat zahllose  Gesuche  für  verschiedenartigste  Unternehmungen  zu  erledigen, 
darunter  für  die  Anlage  grösserer  Kolonien  in  Serbien.  Obgleich  Kaiser  Joseph 
der  Ansiedelung  von  Massen  abgeneigt  war  und  blieb,  wurden  solche  von  Württem- 
bergern, Pfälzern,  Schweizern  u.  a.  geplant  und  wollten  einzelne  Deutsch-Öster- 
reicher, um  westliche  Kultur  dort  rascher  einzubürgern,  eine  Druckerei  mit  einer 
Buchhandlung  in  der  Hauptstadt  errichten,  angesehene  Handelshäuser  in  Wien, 
Prag  u.  a.  0.  aber  Filialen  dort  gründen;  ja  mehr  noch,  man  dachte  an  die 
Etablierung  eines  Theaters,  von  Lotfo-Kollekturen  usw.  Es  waren  oft  Eingaben, 
die  mit  „ad  acta"  abgetan  wurden!  —  Auch  die  Organisation  der  Belgrader 
katliolischen  Gemeinde  und  die  von  dem  serbischen  Metropoliten  Dionisijc  Petrovic 
erbetene  seiner  orientalischen  Diöcese  sollten  erst  nach  dem  Friedensschluss 
stattfinden  (III.  Bd.,  XIV.  Kap.).  Als  jedoch  schon  im  Frühjahr  1791  des  Kaisers 
Absicht,  den  Frieden  mit  der  Pforte  auf  Grundlage  des  Status  quo  ante  abzu- 
schliessen,  durch  die  von  Wien  befohlene  Fortschaffung  alles  wertvollen  Kriegs- 
materials aus  Belgrad  nach  Peterwardein  und  Teniesvar  sich  verriet,  bemächtigte 
sich  der  serbischen  Freikorps  und  der  Stadtbevölkerung  eine  sehr  gedrückte 
Stimmung,  die  viele  ,  wohlhabende  christliche  und  jüdische  Familien  zur  Über- 
siedelung nach  Semlin  veranlasste,  was  diese  Grenzstadt  zu  rascherer  Blüte  brachte. 


Nach  dem  Abzüge  der  kaiserlichen  Besatzung  wurde  Belgrad  als  türkische 
Paschastadt  aber  bald  wieder  im  traurigsten  Wechsel  von  des  Sultans  Statthaltern, 
von  wilden  Jenisseri  (Janitscharen)  und  zuchtlosen  Dahien  gebrandschatzt. 

Diese  unerträglichen  Ausschreitungen  führten  im  Mai  1806  Karadjordjes 
undisziplinierte  Scharen  vor  Belgrad.  Sie  umschlossen  die  Stadt  von  der  Donau 
bis  zur  Sava.  Am  3.  Dezember  erschien  Karadjordje  persönlich  und  Hess  sie 
aus  24  Geschützen  verschiedensten  Kalibers  beschiessen.  Ihre  Einnahme  schildert 
Ranke  in  seiner  „Serbischen  Revolution"  (151   f.)  kurz  und  schmucklos  in  einem 


Aeltcre  Geschichte.  23 

Bilde,  in  ck'm  er  die  ihm  von  dem  allerorts  bewährten  Zeitjjenossen  Vuk 
f^eHeferteii  Daten  meisterhaft  verwertete.  In  der  Citadelle  kommandierte  Suleiman 
Pascha;  ihren  unteren  Teil  und  die  Stadt  hielten  der  seine  Befehle  nicht  achtende 
Gusanc  Ali  mit  den  Dahien.  Am  11.  Dezember  traf  der  von  der  Batal  dzamija 
die  serbischen  Abteilungen  leitende  Karadjordje  die  Anordnungen  zum  Sturme. 
Am  Frühmorgen  des  12.  schlich  sich  der  früher  den  Türken  dienende,  im 
bulgarischen  Sliven  geborene  Kondo,  welcher  die  Werke  genau  kannte,  mit  dem 
Serben  Uzuin  Mirko  und  drei  gleich  kühnen  Gefährten  über  den  Palisadenwall 
zwischen  der  Sava-  und  Varos-Kapija,  töteten  die  sie  anrufenden  Wachen  und 
öffneten  das  Tor  ihren  vor  diesem  in  aller  Stille  harrenden  Scharen.  Die 
Überraschung  der  aus  dem  Schlafe  geschreckten  Türken  benützend,  stürmte 
Carapic  (Kap.  X)  die  Stambul-Kapija,  der  tapfere  Glavas  das  Vidincr  Thor  und 
drangen,  ihre  Verteidiger  vor  sich  hertreibend,  über  zahllose  Gefallene  durch 
die  Stadt  zur  Festung  vor.  Noch  am  Vormittag  liess  Karadjordje,  trotz  des 
heftigen  Feuers  der  Citadelle,  rasch  Schanzen  auf  dem  Kalimegdan  aufwerfen 
und  auch  auf  die  Kriegsinsel  eroberte  Kanonen  bringen.  Streit  und  Not  herrschten 
bald  in  der  vollständig  cernierten  Feste,  und  im  Januar  kapitulierte  sie  unter 
Zusicherung  freien   Abzugs  aller  Türken. 

Leider  schändete  ein  Blutbad  unter  den  die  Festung  verlassenden  Moslims 
diese  erste  serbische  Eroberung  des  starken  Savabollwerks.  Vergebens 
protestierte  Suleiman  Pascha  gegen  dessen  Besetzung.  Während  der  hier  im  Februar 
1811  Serbiens  Organisation  beratenden  Skupätina  betrat  ein  russisches  Bataillon 
vom  (jrurkschen  Hilfskorps  zum  erstenmal  Belgrads  Citadelle.  Der  Kampf  der 
russischen  und  österreichischen  Parteien,  sowie  die  Eifersucht  der  sich  gegen- 
seitig befehdenden  Führer  erleichterten  aber  dem  1813  zur  Herstellung  des  alten 
Verhältnisses  zwischen  Sultan  und  Rajah  in  Serbien  erschienenen  Kuräid  Pascha, 
nachdem  er  Karadjordjes  Heer  zersprengt,  seinen  von  traurigen  Repressalien 
begleiteten  Einzug  in  Belgrad.  Fortan  behauptete  es  die  Pforte,  selbst  nach 
MiloS  Obrenovics  siegreicher  Erhebung  von  1815  und  auch  weiter,  als  er,  ihre 
Suzeränität  anerkennend,  Fürst  von  Serbien  geworden  war. 


UnUr  türkischem  Regiment  war  ein  Besuch  der  Belgrader  Citadelle  mit 
gewissen  Förmlichkeiten  verbunden.  Ich  besass  jedoch  eine  Empfehlung  für  den 
Sohn  des  Gouverneurs  Osnian  Pascha,  und  mit  ihm  betrat  ich  IHtiO  zuerst  dieselbe. 
Der  Wunsch,  die  Drusenchefs  zu  sehen,  welche  ihre  Christenmassacres  am 
Libanon  in  der  Mclgradci  l'este  abbüssten,  führte  mich  in  Gesellschaft  des 
k.  k  (jeneralct)nsiils  Borawiczka  und  seines  turkophilen  englischen  Kollegen, 
Mr.   l.(ingw(trlli,   wieder   in   ihre   Wälle. 

Wir  liiliicn  über  tkn  von  der  Sonne  ausgebrannten  „Fitjir  bair",  wie  die 
Türken  das  damals  baumlose  Kalimegdan-Glacis  nannten,  auf  dem  die  sullan- 
lichen  Fermane  verlesen  und  während  der  Befreiungskämpfe  Hunderte  serbischer 
l'atrioten    gepfählt    wurden,   setzten    sodann   über  die  stark   holperige    Brücke    des 


24 


Acitcrc  Geschichte. 


Slaiiihiil-Kapija,  an  dessen  Angeln  man  nur  hervorrafjende  Männer  aufknüpfte, 
welchen  man  eine  f^anz  besondere  Khre  erweisen  wollte,  dann  {{ing  es  über 
zwei  trockene  Graben  an  sein  Innentor  mit  dem  massif^en  Uhrturme,  wo  nach- 
Ulssi^  uniformierte  Wachen  vor  den  Vertretern  der  beiden  Grossmächte  das 
Gewehr  schulterten.  Nicht  viel  besser  sahen  die  Offiziere  aus,  welche  beim 
nahen,  hlauneliinchten  Cafe  inis  ihren  Selam  leisteten.  Der  Wa>;en  rollte  über  den 
^^rossen  i^lateauplalz,  dessen  Hauptbauten,  eine  Moschee  mit  Minaret,  ein  zwei- 
stöckij^es  Spital  iiml  ein  irucs  Gouverneurpalais  mit  prächtigem  Garten,  sich 
pittoresk  gruppierten.     Unser  Kutscher  hielt  vor  dem  Portal  des  Pascha  serai,  von 


BELGRAD,  Citadelle  und  Nebojsa  Kula  1860.    (Nach  Kanitz.) 


dem  uns  eine  Art  Hofmeister  in  den  europäisch  eingerichteten  Empfangssalon 
des  Gouverneurs  Kursid  Pascha  geleitete.  Nach  kurzer  Vorstellung  und  nachdem 
die  herküniMilichen  Hciflichkeiten  getauscht,  Latakia  und  A'\oka  aus  reichverzierten 
Nargilehs  und  Filigrantassen  geschlürft  waren,  übergab  uns  der  Pascha  seinem 
Adjutanten.  Er  führte  uns  auf  einige  höhere  Wallpunkte,  von  welchen  wir  auch 
den  unteren  Festungsteil  in  der  Vogelschau  übersehen  konnten. 

Schon  ein  flüchtiger  Blick  zeigte,  dass  die  Werke  nicht  nach  einheitlichem 
Plane  erbaut,  sondern  in  verschiedenen  Epochen  allmählich  dem  ursprünglich 
römischen  Kern  angeschlossen  wurden.  Noch  1859  traf  ich  die  Citadelle  ungemein 
vernachlässigt;  doch  Osman  Pascha  setzte  die  von  Jusuf  Pascha  1836  begonnene 
Renovierung  eifrig  fort  und  im  Sommer  1860  sah  ich  die  Bastionen  von  durch 
Jahrzehnte  angehäuftem  Schmutze  reinigen,  die  Wälle  mit  englischen  Geschützen 
armieren,  was  die  Pforte  allerdings  unverhältnismässig  viel  kostete,  denn  25000 
Dukaten  sollen  dabei  dem  Pascha,  Kaznadar  und  den  mit  ihnen  teilenden  Kontroll- 
beamten in  die  Taschen  gefallen  sein.    Von  der  unregelmässig  angelegten  oberen 


I 


Aeltere  Geschichte. 


25 


Fesle  auf  dem  Plateau  des  nach  N.  und  W.  steil  abfallenden  Kalkfelsens,  mit  vier 
llaupttoren,  grossen  Ravelins,  kleinen  Courtinen,  flachen  Bastionen  und  zwei  10  m 
tiefen,  trockenen  Gräben,  ziehen  stärkt,  doppelte  Brustwehren  mit  zahlreichen 
Geschützständen  zur  Sava  und  Donau  hinab,  wo  sie  mit  den  starken  Mauern 
der  unteren  Feste  sich  vereinigen.  Eine  beide  Teile  verbindende  146  stufige 
Treppe  führt  hinab  zu  grossen  weissgetünchten  Kasernen,  Laboratorien,  Munitions- 


|1  M'  w 


lil:l.<i  R.\I),   K.i:>eni.illi',  Kt'''-><>K^'<<^'  UaiscJi  läol.     (Ndcli  K.iiiiU.) 


tiepots,    Prdviandnaga/iiK'M,    welche    mit    einer    Moschee,    kleinem    Bazar,    einer 
iJamplindhle   usw.   eine   kleine   Milit;irstatlt   bikleteii. 

Zu  den  interessantesten  Sehenswürdigkeiten  der  Citadelle  zählten,  ausser  dem 
bereits  erwähnten,  in  Felsen  gehauenen  Pulvermagazin  und  dem  mit  Luft- 
schläuchen und  220  Stufen  kunstreich  angelegten  „Römerbrunnen"  (?),  eine 
„rulli.i"  nlui  (iiiM  (irabe  des  (jfossvezicrs  Kara  Muslapha,  der  bekanntlich 
wegen  seuur  !()«;<  vor  Wien  erlittenen  Niederlage  auf  des  Sultans  Befehl  /u  Belgrail 
erdrosselt  wurde;  ferner  das  schmucklose  Turtieh  neben  dem  Slambultor,  das 
den  Hill  vergilbten  HIiiiiku  geschmückten  Sarg  einer  als  „wundertätige  Heilige" 
verehrten  Pascliatochter  umschloss,  und  die  ausgedehnten  Kasematten,  in  deren 
feuchten  Räumen  politische  und  gemeine  Verbrecher  ihre  Strafzeil  abbilssten. 
Berüchtigter  noch  als  iliese  ist  tler  „NebojSa",  der  einzig  erhaltene  der  zahl- 
reichen, mit  l'lallidi  nun  \erselunen  starken  Tüime  der  l)onauwerke,  auf  ilem  in 
allserhischei  /eil  ilie  Sluimglipcke  Inng.  l.r  war  der  Schauplatz  maiictier 
heroischen    Tat    ni    den   Kämpfen    zwischen    Kreuz    inul    Halbmond;    aber    auch 


2(>  At'llcri:  Ouschichtc. 

fiirchtharer  Luiden.  Am  21,  Juli  1456  stürzte  sich  der  viclbesun(;ene  Hclden- 
jün^iinn  Titiis  DuKovic,  um  dessen  An^ehörlKkeit  sich  wie  bei  Zrinyi  Serben  und 
Magyaren  struili'n,  ini(  einem  Janitscliaren,  der  das  Filulbanner  auf  dem  erkletterten 
Zinnenkranz  aufpflanzen  wollle,  nach  hartem  Ringen  in  die  Tiefe,  und  in  seinem 
nassen  UnterKcschoss  schmachtete  unter  vielen  anderen  serbischen  Patrioten 
Fürst  Milo§'  Bruder  Jevrem  Obrenovid-  1815  in  sechsmonatlicher  qualvoller 
Gcfant^enschaft.  Auch  an  das  kleine  Donauhafenbassin  neben  dem  un^^eschlachten 
Polygonturm  knüpft  sich  ein  wichtiger  Moment  aus  Serbiens  neuerer  Geschichte 
—  aus  diesem  flüchtete  im  Dezember  1858  der  des  Thrones  entsetzte  Fürst 
Alexander  Karadjordjcvic  auf  einem  türkischen   Kahne  nach  Semlin. 

Zuletzt  ^ekitete  uns  Kursid  Paschas  gefällij^er  Adjutant  zu  den  Kasematten 
am  Vidincr  Tor.  Dort  fanden  wir  die  Heiden  des  ganz  Europa  im  J.  1859 
aufregenden  entsetzlichen  Dramas  von  Dschiddah.  Wir  zählten  etwa  20  Begs, 
35  untergeordnete  Häuptlinge  und  viele  gemeine  Drusen  in  malerischen  Gruppen, 
deren  Beiiandiung  zeigte,  dass  die  Niedermetzeiung  von  Christen  —  wie  sie 
später  wieder  in  Armenien  und  Staniiiul  lmi  masse  vorkam  —  in  türkischen 
Augen  lange  niciit  so  sträflich  erscheint,  als  wie  der  Übertritt  eines  Moslims 
zum  Christentum,  der  noch   1854  in  Konstantinopel  mit  dem  Tode  bestraft  wurde. 

Die  angesehensten  Chefs  lagerten  auf  den  verbrannten  Rasen  des  kleinen 
Ravclinplatzes  bedeckenden  Teppichen,  in  echt  orientalischer  Weise  süssen 
Kef  pflegend.  Es  waren  grossenteils  stattliche  Männer  voij  ernster  Schönheit, 
tadelloser  Haltung,  voll  ungebeugten  Selbstgefühls.  Namentlich  machten  sich 
Hussein  Beg  von  Aitez,  ein  Greis  mit  wallendem  weissen  Barte,  Selim  Beg  von 
Vibadaran,  ein  junger  Mann  aus  vornehmer  Familie,  Hali-Ara  von  Ra§aja, 
H-iissein  Effendi  von  der  Bergfeste  Deir  el  Kamar  und  Abdullah-Elakaili  von 
Beyrut,  ein  Mann  von  herkulischem  Körperbau,  durch  höchst  charakteristische 
Köpfe  bemerkbar.  Mit  wahrem  Vergnügen  reihte  ich  ihre  Physiognomien  meinem 
Album  orientalischer  Typen  ein.  Das  Aushalten  der  unverwandt  auf  mich 
gerichteten  stechenden  Blicke  bildete  den  schwierigsten  Teil  der  Arbeit.  Stolz 
und  schweigsam  sassen  sie  da,  die  Maronitenschlächter  aus  dem  Libanon;  sie 
waren  bezwungen,  aber  nicht  gebrochen.  Der  Gedanke,  die  drusischen  Berg- 
adler könnten  aus  ijiren  leicht  zu  öffnenden  Käfigen  hervorbrechen  und  die  Blut- 
scenen  von  Dschiddah  wiederholen,  gehörte  zu  den  peinlichsten  während  des 
Bombardements  der  serbischen  Hauptstadt  (1862).  Unmittelbar  nach  der  traurigen 
Episode  schaffte  jedoch  die  Pforte  auf  die  Vorstellungen  der  serbischen  Regierung 
und  europäischen  Konsuln  die  gefürchteten  Drusenhäuptlinge  nach  VHdin.  Ob- 
wohl sie  auch  dort  ihre  Diener  behielten,  ja  sogar  frei  die  Stadt  besuchen 
durften,  fühlten  sie  sich  unglücklicher  als  zu  Belgrad.  Vidins  Fieberluft  befreite 
den  Sultan  bald  von  ihrer  lästigen  Internierung;  nur  einige  sahen  das  prachtvolle 
Tal   des  Anti-Lihanon    „Wady  el  Teim"  wieder! 

Im  Jahre  1861  war  Belgrad  überhaupt  noch  das  Eldorado  merkwürdigster 
Gegensätze.  Am  16.  September  promenierte  ich  mit  serbischen  Freunden  auf  dem 
eine  entzückende  Aussicht  gewährenden  Kalimegdan-Glacis.  Tiefroter,  herbst- 
sonniger Abendschein  lag  auf  den  Savaauen.     Er  brach  sich  in  den  kleinen  Seen 


Aeltere  Geschichte. 


27 


der  jenseitigen  Ebene,  glitzerte  auf  dem  reichverzierten  Turmheitn  der  Kathedrale, 
auf  den  Fenstern  des  Seminars  und  zuletzt  noch  an  Minaretspitze  und  Halbmond 
der  höchsten  Citadellen-Moschee,  währ-cnd  im  Westen  die  rauchblauen  Töne 
amphitheatralisch  sich  aufbauender  Berge  ineinander  schwammen.     Der  Übergang 


Hussein  Bcg. 


Abdullah-Elakaili. 


Sciim  Beg. 


ScIiuiiibMlIad-Jussiif.      Ah  Ik'.scliir  vnii  Siiliiii:i-,\lcli'ii.      H.ili-Ara  bcn  Sajcn  von  Raiaja. 
IS  KL  OK  AI).   I'nrlrats  ilcr  intcniicrliii  Driiscnchcfs.    (Nach  Kanili,  1861.) 


vom  Tage  zur  Dunkelheit  vollzog  sich  mit  unglaublicher  Raschheil.  Um  sechs 
Uhr  begann  die  Illumination  der  christlichen  Stadtteile.  Musik  unil  lautes  2ivit>- 
rulcn  tonten  aus  deniselben  herüber;  es  war  der  Vorabend  von  Fürst  Mihails 
(uhurtstag.  ( jlciclizeitlg  schlug  nach  türkischer  Zeil  die  zwölfte  Stunde  vom 
lihrlurin  der  Festung.  Nocii  war  der  letzte  l lammerschlag  nicht  verklungen, 
da  erdröimten  Kanonenschüsse  in  regelmitssigcn  Intervallen,  und  eine  Salve. 
welche  den  vielfach  unterminierten  Boden  erbeben  machte,  kündete  den  Rechl- 
gliluiiigeii    den    Anhinch    der    ...Woliarremfeier",    des    Cietiurlsfestes    A\uhammeds. 


28  AeltL-re  Geschichte. 

Allahs  urossfiii  Propheten,  an.  WJlhrend  nun  rasch,  wie  mit  einem  Zauberschlajj, 
die  Galerien  von  fünfzehn  Minarets  in  Stadt  und  |-este  in  hellem  Lampen- 
schein er^^liinzten,  entzündeten  sich  auf  der  „Velika  pijaca"  [Pyramiden  und 
Sterne,  Namenszüne  und  Wappen  zu  Ehren  von  Fürst  Mihails  Geburtstag, 
ein  zauberhaftes  Bild,  das  nur  der  hellstrahlende  Mond  etwas  beeinträchtigte. 
Die  Nationalhymne  spielende  Militärmusik  zog  durch  die  breiteren  Strassen, 
ein  von  fröhlichem  Volke  umringter  Kinderchor  sang  das  Pürstenlied.  Überall 
war  ilcr  serbische  lirnst  ungebundener  Lust  gewichen.  In  dem  von  einem 
s|akiilaiiven  l'erser  errichteten  Erfrischungskiosk  sassen  sogar  Türken  und 
Christen,  Tee,  Limonade,  Scherbet,  Cilnik  und  Nargileh  schlürfend,  heiter  und 
fröhlich  plaudernd  beisammen.  Wieder  ertönten  Kanonenschüsse.  Die  Muezin 
luden  mit  alles  übertönender  Stimme  zum  Gebet,  und  die  moslimischc  Zivil- 
bevölkerung folgte  dem  Rufe.  Nur  türkische  Patrouillen  in  weiten  Abatuchmänteln 
zogen  durch  die  fröhlichen  serbischen  Gruppen;  diese  dachten  nicht  daran,  ihnen 
Vorvvand  zu  Streit  oder  Einmiscluing  zu  geben.  Man  respektierte  beiderseitig  die 
festliche  Stimiiiimg,  obwohl  mancher  alte  Moslim  an  jene  vergangene  schöne 
Zeit  denken  niociite,  wo  die  Rajah  vor  jeiieiii  beturbanten  Kopfe  sich  demütig 
beugen  nuisste. 

Wenige  Monate  darauf  donnerten  wieder  die  nach  der  Stadt  gerichteten 
ehernen  Rohre  der  Festungswälle;  doch  waren  es  diesmal  keine  Freudensalven, 
sondern  solche,  welche  einen  denkwürdigen  Abschnitt  der.  neueren  Geschichte 
Belgrads  einleiteten.  Der  lange  verhaltene  Groll  zwischen  den  beiden  Bevölke- 
rungen verschiedenen  Glaubens  war  zum  Ausbruch  gelangt;  ein  geringfügiger 
Wortwechsel  gab  den  Anlass  dazu.  Seit  den  Befreiungskriegen  behauptete  die 
Pforte  mit  zweifelhaftem  Rechte  die  Besetzung  der  festen  Punkte  in  Serbien. 
Bei  Belgrad  begnügte  sie  sich  aber  nicht  mit  der  Occupation  der  Citadelle, 
sondern  verlangte,  gestützt  auf  ihre  Geschützrohre,  das  Mitgarnisons-  und  polizei- 
liche Aufsichtsrecht  in  der  durch  das  600  Schritte  breite  Glacis  von  der  Festung 
getrennten  Stadt,  unter  dem  Vorwande,  dass  sie,  weil  von  einem  Walle  um- 
schlossen, gleichfalls  zum  Fortifikationsrayon  gehöre.  Wer  den  Zustand  ihrer 
Umwallung  im  Juni  1862  wie  ich  gesehen  und  gezeichnet,  musste  ihre  Stempelung 
zu  Festungswerken .  von  Seite  des  Konstantinopler  Kabinetts  wahrhaft  erheiternd 
finden.  Von  ihren  vier  Durchlässen  war  nur  das  von  Laudon  herrührende  Stambul- 
Kapija  fest  gebaut,  das  Sava-,  Varos-,  Vidin-Kapija  verrieten  aber  schon  auf 
den  ersten  Blick  ihren  türkischen  Ursprung.  Man  denke  sich  den  grossenteils 
verfallenen  Wall  von  einer  Öffnung  durchbrochen,  über  der  Querbalken  mit 
darauf  ruhenden  Häuschen  von  höchst  zweifelhafter  Solidität  und  Erkern,  aus 
welchen  gewöhnlich  zerlumpte  türkische  Wachen  herabsahen,  dazu  die  morsche 
Brücke  über  den  halbverschütteten  Graben,  und  man  musste  über  die  bescheidenen 
türkischen  Ansprüche  an  feste  Plätze  billig  staunen. 

Leider  hatte  die  Prätension  der  Pforte  auch  ihre  ernste  Seite;  denn  aus 
ihr  entsprangen  jene  Widerwärtigkeiten,  welche  die  Gegensätze  zwischen  den,  ihre 
Autorität  eifersüchtig  wahrenden  serbischen  und  türkischen  Behörden  zu  Belgrad 
verschärften.     Neben  dem  serbischen  Polizeiamt  befand  sich,  nur  wenige  Schritte 


I 


Aeltere  Geschichte. 


29 


entfernt,  ein  türkisches,  neben  den  türkischen 
Wachen  standen  an  den  Stadttoren  serbische 
fjendarmen.  Türkische  Patrouillen  durch- 
zogen des  Nachts  die  Stadt  und  verlangten, 
dass  jeder  christliche  Passant  durch  eine 
Laterne  sich  als  untertäniger  Rajah  des  Gross- 
lierrn  legitimiere.  Nicht  immer  schützte  im 
Unterlassungsfall  der  Einwand  „ja  sam  stranac" 
(ich  bin  ein  Fremder)  vor  unfreiwilligem  Nacht- 
quartier auf  der  türkischen  Polizei,  und  es 
gewährte  wenig  Beruhigung,  dass  man  am 
nächsten  Morgen  an  die  serbische  Stadt- 
präfektur  ausgeliefert  und  entlassen  wurde. 
Leicht  Messen  sich  noch  andere  derartige 
Anomalien  aus  jener  Zeit  anführen  und  man 
staunt,  dass  sie  nicht  öfter  zu  Exzessen 
lührten.  Sic  sollten  nicht  ausbleiben.  Trau- 
rige Ereignisse  im  Jahre  1862  bildeten  das 
blutige  Vorspiel  zur  Lösung  des  serbisch- 
türkischen Städtestreites,  dessen  Zeuge  zu  sein 
mich  der  Zufall  bestimmte. 

Auf  einer  Reise  nach  Bulgarien  begriffen, 
rreilte  mich  zu  Pest  die  telegraphische  Nach- 
richt von  am  1  S.Juni  in  Belgrad  ausgebrochenen 
Llnruhen.  Am  17.  geschah  das  Unglaubliche. 
Die  wehrlose  serbische  Zivilstadt  wurde  durch 
mehrere  Stunden  von  der  türkischen  Citatlelle 
aus  bombardiert.  Ich  reiste  sofort  dahin.  A\it 
mir  landeten  zu  Senilin  zahllose,  auf  Vehikeln 
aller  Art  von  Belgrad  flüchtende  Greise,  Frauen 
und  Kinder.  Drüben  kennzeichneten  Risse  im 
Turme  der  Katlieilrale  und  rauchende  Brand- 
stätten den  Weg  der  türkiselien  Projektile. 
Selbst  der  schlechteste  Winkel  Semlins  war 
von  Flüchtigen  überfüllt.  Nur  schwer  erhielt 
ich  für  teueres  Geld  ein  bescheidenes  Zimmer 
in  dem  von  den  Belgrader  Konsuln  occupierten 
Hotel  „Zum  Löwen"  und  war  so  glücklich, 
iler  mir  liefreuiidelen  Pastorfaniilie  v.  Coelln 
ein  Olulach  bieten  /u  können  Die  Armen 
lu'fanilen  siih  noch  unter  tiem  Finilrucke  der 
erlebten  Schreckensnacht  und  grauenvollen 
l.pisode,  welche  sich  unter  ihren  Augen  neben 
ilei    ev.nigelisclien   Kirche  abgespielt   halte. 


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:U) 


Aelterc  Geschichte. 


Ein  gerinKfü^iKi-T  Zank  zwischen  serbischen  Burschen  und  türkischen 
Soldaten,  die  sich  beim  Wasserholen  an  der  mitten  im  christlich-muslimischen 
Dorljol  stehenden  „Cukur  öeSma"  den  Vortritt  streitig  machten,  endete  mit  der 
'i'i')tuii|{  eines  Christen  und  Verhaftung  der  Mfjrder  durch  herbeigekommene 
serbische  Polizeiagenten.  Es  folgte  nun  auf  dem  Grossen  Platze  jene  blutige 
Kainpfscene  zwischen  einem  den  Attentätern  zu  Hilfe  geeilten  türkischen 
Üetachenicnt  und  serbischen  Gendarmen,  welche  mehrere  Menschenleben  kostete, 
und  dies  gab  den  Anlass  zu  dem  furchtbaren  Ereignis,  welches  das  ganze 
zivilisierte  Europa  mit  Teilnahme  für  die  argbetroffene  Serbenstadt  erfüllte. 

Die  Aufregung  über  diesen  tragischen  Vorfall  verbreitete  sich  rasch  in  der 
Stadt.     In    den   Türken-    und    Serbenquartieren    griff    alles    zu    den   Waffen.     Um 


BELGRAD   18ti2.  Spagniiolen  nach  Senilin  flüchtend. 


7  LUir  abends  wurde  Generalmarsch  geschlagen  und  es  entspann  sich  unter 
dem  gleichzeitigen  Toben  eines  über  Belgrad  niedergehenden  Gewitters  ein 
Kampf,  welcher  bei  den  durch  eingeschnittene  Schiessscharten  in  Kastelle  ver- 
wandelten Dzamijen  und  Cafes  sich  bis  zur  Raserei  steigerte.  Über  die  erwähnte 
Kampfepisode  erzählte  Pastor  Coelln  als  Augenzeuge:  „Zwei  Stunden  lang  wurde 
unter  den  Fenstern  unseres  Pfarrhauses  gegen  einen  Trupp  Türken  gekämpft, 
der  sich  in  die  benachbarte  Moschee  zurückgezogen  hatte.  Kugeln  flogen  in  die 
Fenster,  der  Hof  war  voll  Pulverdampf,  die  Serben  stürmten  immer  von  neuem 
gegen  die  Moschee,  die  erbitterten  Moslims  begleiteten  ihre  Salven  mit  dem 
Gebrüll  „Allah",  bis  gegen  Morgen  ein  kühner  A\ontenegriner  das  Dach  des 
angrenzenden  Kaffeehauses  erstieg,  plötzlich  durch  die  Decke  ins  Zimmer  sprang 
und  eine  furchtbare  Verwüstung  anrichtete,  während  gleichzeitig  ein  Offizier,  der 
im   Krimkriege   ein  Bein  verloren,   den  Sturm    gegen  die  Moschee  leitete  und  die 


Aeltere  Geschichte. 


31 


Türken  vertrieb.  Zwei  Leiclien  lagen  vor  der  Türe,  mehrere  in  der  Moschee, 
und  auch  der  alte  Hodza  fiel,  den  ich  so  oft  vom  Minaret  hatte  singen  hören. 
Da  veränderte  sich  die  Scene.  Das  Gewitter  hörte  auf,  der  Vollmond  schien  in 
ganzer  Klarheit  und  beleuchtete  den   gespensterhaften   Zug  türkischer  Frauen   aus 


ileni  Ilod/ahausc,  wo  sie  versammelt  gewesen  und  aus  den  Fenslerr;  mit  geschossen 
hallen.  In  ihre  weissen  Tücher  gelullll,  wurden  sie  vom  Volke  nach  der  Poli/ei 
eskorlieit,  mit  bewimderungswürdiger  Ordnung,  die  einen  merkwürdigen  Kontrast 
bililitc  /ui  Anlregung,  mit  tlei  d,is  Vulk  kurz  zuvor  bis  auf  ilen  Tod  gck.lmpfl  hatte." 


32  Aeltcrc  Geschichte. 

Viele  Familien  der  nu)Slimischcn  Zivilbevölkerung  hatten  sich  auf  Umwegen 
in  die  Festung  geflüchtet;  die  Männer  verteidigten  aber  die  festeren  Häuser. 
Die  Sava-,  VaroJ-  und  Vidin-Kapija  waren  von  den  Serben  genommen,  ihre 
Anstrengungen  vereinigten  sich  nun  zur  lirstürmung  des  von  300  Ni/ams  und 
Zivilmoslims  verteidigten  türkischen  Polizeigebäudes,  in  dem  die  Urheber  der 
Katastrophe,  die  Mörder  des  Chrislenknaben,  ein  schützendes  Asyl  gegen  die 
Volkswut  gefunden  hatten. 

Vergebens  waren  die  Bemühungen  des  Konsularkorps,  die  Kämpfenden  zu 
trennen.  Die  abgesandten  Parlamentäre  wurden  von  türkischen  Kugeln  begrüsst; 
endlich  gelang  es  Mr.  Longworth,  in  die  Festung  zu  dringen  und  zwischen  A§ir 
Pascha  und  dem  Minister  GaraSanin  eine  Konvention  zu  vereinbaren,  nach  welcher 
ersterer  sich  verpflichtete,  alle  türkischen  Truppen  in  die  Festung  zurückzuziehen, 
letzterer  aber  für  ihren  ungestörten  Abzug,  für  die  Sicherheit  des  im  Dortjol 
zurückbleibenden  türkischen  Eigentums  und  der  kleinen  türkischen  Festungs- 
Garnisonen  im  Lande  bürgte. 

Durch  zwei  Linien  serbischer  Truppen  marschierten  jene  Nizams,  welche  bis 
zuletzt  das  Stambul-Kapija  und  den  türkischen  Polizeikonak  gehalten  hatten,  in 
die  Festung.  An  die  Spitze  des  Zuges  stellte  sich  Minister  Garaäanin,  während 
die  Konsuln  unter  Vortragung  ihrer  Nationalfahnen  sich  in  demselben  verteilten. 
Trotz  der  Aufregung  der  serbischen  Bevölkerung  wurde  die-  Ordnung  erhalten. 
Der  Friede  schien  wieder  hergestellt  und  eine  Proklamation  der  serbischen  Stadt- 
präfektur  lud  die  Bürger  zur  Öffnung  der  Läden  ein.  Wie  gewöhnlich  gingen 
die  Kinder  am  Morgen  des  17.  Juni  zur  Schule.  Über  die  Velika  pijaca  bewegte 
sicii  ein  grosser  Zug  von  Andächtigen,  um  den  in  treuer  Pflichterfüllung  gefallenen 
Polizeibeamten  und  Gendarmen  die  letzte  Ehre  zu  erzeigen,  während  in  der 
nahen  Stadtpräfektur  Minister-Präsident  Garasanin  und  das  Konsularkorps  sich 
einfanden,  um  einer  Einladung  des  Paschas  zu  Beratungen  in  der  Festung  Folge 
zu  geben. 

Da  geschah  das  Unerhörte!  Trotz  des  vom  Pascha  und  von  den  Repräsen- 
tanten der  garantierenden  Mächte  unterzeichneten  internationalen  Aktes  eröffneten 
die  Festungsgeschützc  am  18.  morgens  gegen  9  Uhr  ein  heftiges  Feuer  auf  die 
in  Sicherheit  gewiegte  Stadt.  Unbeschreibliche  Verwirrung  ergriff  namentlich 
die  Teilnehmer  des  feierlichen  Leichenzuges;  unter  Zornausbrüchen  über  die 
türkische  Treulosigkeit  stoben  sie  auseinander.  Frauen  und  Kinder  erfüllten  mit 
ihrem  Jammer  die  Strassen.  Viele  flüchteten,  der  feindlichen  Kugeln  nicht  achtend, 
nach  den  Vracarhöhen,  den  Mühlen  am  Mokrilugbach  und  in  die  Wälder  von 
Topcider.  Die  Männer  aber  eilten  zu  den  Waffen.  Konnte  man  auch  nicht 
Haus  und  Herd  gegen  die  ohne  Aufhören  donnernden  Geschütze  sichern,  so 
wollte  man  doch  die  zu  erwartenden  Ausfälle  der  Garnison  männlich  abwehren. 
Während  des  5stündigen  Bombardements  wurden  an  den  Ausgängen  der  zur 
Festung  führenden  Strassen  riesige  Barrikaden  aufgeworfen.  Rasch  bildeten  sich 
Freiwilligenkorps,  welche  mit  den  Milizen  die  bedrohtesten  Punkte  besetzten 
und  aus  den  Fenstern  der  Häuser  am  Glacisrande  ein  wirksames  Feuer  auf  die 
Bedienungsmannschaft  der  türkischen  Geschütze  unterhielten. 


Aeltcre  Geschichte.  33 

Auf  die  Interventiüii  des  über  Semlin  nach  der  Festung;  geeiiten  öster- 
reichischen Konsulatsvertreters  Vasic  wurde,  um  seinen  zahlreichen  Schutzgenossen 
Zeit  zur  Entfernung  zu  geben,  das  Feuer  für  mehrere  Stunden  eingestellt.  Gleich- 
zeitig sandte  der  kommandierende  General  Baron  Josef  Filipovic  von  Semlin  alle 
dort  ankernden  Dampfer  nach  Beigrad  und  bot  den  Flüchtenden  ohne  Unterschied 
der  Nationalität  und  Religion  gastfreundliches  Asyl.  Die  beim  englischen  General- 
konsul versammelten  Vertreter  der  Grossmächte  benützten  indes  die  eingetretene 
Waffenruhe,  um  einen  feierlichen  Protest  gegen  den  Bruch  der  geschlossenen 
Konvention  in  die  Festung  zu  senden.  Asir  Pascha  antwortete  mit  einer  schlecht 
niotlvierten  Entschuldigung  unti  ikr  Versicherung,  das  Bombardement  nicht  erneuern 
zu  wollen. 

Von  den  traurigen  Vorgängen  in  seiner  Hauptstadt  telegraphisch  benach- 
richtigt, eilte  der  auf  einer  Reise  im  westlichen  Serbien  begriffene  Fürst  Mihail 
nf)ch  am  Tage  des  Bombardements  von  Sabac  nach  Topcider,  wohin  die  Fürstin 
Julie  während  desselben  übersiedelt  war.  Von  dort  kehrten  beide  am  Abend  in 
ilas  Belgrader  Palais  zurück,  wo  sich  mittlerweile  die  Minister  und  freinden 
Konsuln  versaniinult  hatten.  Da  ereignete  es  sich  —  wie  Minister  Cukic  mir 
persimlich  erzählte  —  dass  gerade  im  Moment,  als  Mr.  Longworth  erklärte:  „ich 
glaube  bcstiiinnl,  dass  Asir  Pascha  auf  unseren  erneuerten  Protest  die  zugesagte 
Waffenruhe  halten  wird!"  neuerdings  Kanonenschüsse  von  der  Citadelle  erdröhnten. 
Der  Fürst  unterbrach  den  [Joyen:  „Ecoutez,  Mr.  Longworth,  comnie  Achir  Pacha 
tient  sa  parole!" 

Im  Hinblick  auf  die  der  Unahliängigkeit  Serbiens  drohenden  Gefahren 
übertrug  der  Senat  dem  Fürsten  iWihail  die  Diktatur.  Strenge  Massregeln  wurden 
proklamiert,  um  die  Ordniuig  in  der  verödeten  Stadt  aufrecht  zu  erhalten  und 
namentlich  jeden  Plünderungsversuch  im  türkischen  Dortjol  zu  unterdrücken,  dessen 
moslimische  Bevölkerung  sich  in  die  Festung  geflüchtet  hatte,  während  die 
christliche  die  bei  Topcider  errichteten  Baracken  aufsuchte,  in  welchen  Familien, 
deren  Häuser  zerstört  worden,  durch  mehrere  Wochen  vom  Staate  verpflegt 
wurden.  Viele,  an  die  schönsten  Tage  unter  Karadjordje  und  Miloä  erinnernde 
Züge  patriotischer  Begeisterung  hatte  Belgrad  in  jenen  gefahrvollen  Tagen  zu 
verzeichnen.  Um  HOOO  reguläre  Soldaten  und  Sladlgarden  mit  40  Geschützen 
scharten  sich  auf  den  Ruf  tles  Fürsten  2ÜÜUU  Milizen  des  Kreisaufgeboles,  eine 
respektable  Macht,  welche  der  Zuzug  begeisterter  Freiwilliger  und  die  rasch 
gebildete  bulgarische  Legion  täglich  verstärkte.  Fürst  Mihail.  kein  Freund  von 
Abenteuern,  rief  die  Vermittelimg  der  (laranliemäehte  an,  um  die  Slädlefrage  auf 
friedlichem  Wege  zu  lösen.  Bis  zu  ihrer  Austragung  wollte  er  aber  wirksame 
Garantien  /um  Schutze  seiner  den  tiirkischen  Kanonen  preisgegebenen  Haupt- 
stadt erlangen.  Die  Katastrophe  vom  17.  Juni  wirkte  vernichtend  auf  ihren  Kredit 
und  Handel.  Welche  Sicherheit  vermochten  auch  Belgrads  Kaulleule  den  aus- 
ländischen llandelsfreunden  für  die  Einhaltung  ihrer  Verpflichtungen  zu  bieten, 
nachdem  Leben  und  Eigenlmn  dort  von  der  Laune  des  Paschas  abhingen?  Aller 
Verkehr  war  verschwunden;  nur  Waffenlärm  auf  den  Barrikaden,  zum  Exerzieren 
rufenile    Hörn-    und    Trommelsignale    unterbrachen   die    Stille    in    dem    sonst    so 

V.    KAM  rz,   Sorliicii.     I.  'i 


•M  Ac-ltcrc  Gcschichlf. 

lcl)lialtiM  liduLiil.  VViiiiIl'  ilvr  iliin  erwachsene  uiil)ereclienbare  Schaden  durch 
Aäirs  Ablrerufunti  nesühnl? 

Zur  Verineidun^i  weiterer  Konflikte  hatten  der  franziisische  Generalkonsul 
in  der  l-esliin)^,  der  enj^lische  aber  in  einem  notdürftif^  einj^erichteten  Zelte  auf 
lieiii  die  feindlichen  Teile  trennenden  KalinicKdan,  unter  Aufhissunj;  ihrer  Plaquen, 
Wohnung  genommen.  Dank  diesem  hochherzigen  Schritte  und  der  Mässigung 
der  serbischen  Regierung  wurde  die  f^uhe  nicht  weiter  gestört.  Wohl  folgten 
noch  Monate  banger  Ungewissheit  über  den  linlschluss  der  Pforte  bezüglich 
der  von  Serbien  energiscli  zur  i!ntscheidung  gedrängten  Städtefrage.  Eine  im 
September  1862  unter  Mitwirkung  der  Grossmächle  abgeschlossene  Konvention 
brachte  die  lange  schwebende  Angelegenheit  zum  vorläufigen  Abschluss,  welcher 
Belgrad  endlich  seine  gewohnte  Physiognomie  wiedergab.  Nur  der  früher  nahezu 
ausschliesslich  von  Moslims  bewohnte  Dortjol  und  die  an  den  Kalimegdan 
grenzenden  Strassen  machten  durch  ihre  Verödung  und  stellenweise  Verwüstung 
einen  verstimmenden  Eindruck.  Noch  bewachten  zahlreiche  türkische  Rothösen 
den  Festungsgürtel,  während  der  Glacisrand  mit  serbischen  Wachpiketts  beseUt 
blieb.  Zum  Durchschreiten  dieser  Postenkette  und  Eintritt  in  die  Citadelle 
bedurfte  es  eines  von  der  serbischen  Polizeipräfektur  ausgestellten  Passes.  Die 
Bewegung  im  Dortjol  war  jedoch  freigegeben.  Ich  benützte  diese  Erlaubnis; 
aber  die  in  meiner  Erinnerung  auftauchenden  Bilder  des  einstigen  farbenreichen 
Lebens,  sowie  der  reizenden  Staffage  bei  den  in  dunklem  Cypressengrün  versteckten 
Moscheen  und  munter  plätschernden  Brunnen  stinunten  wenig  zur  Verlassenheit 
des  „Bulbul  dere",  des  von  reizenden  Obst-  und  Baumpflanzungen  erfüllten, 
reinsten  I5liilenduft  ausstrahlenden  „Nachtigallentals",  wie  die  Türken  den 
oberen  Dortjuieinschnitt  nannten. 

Endlich,  nach  zahlreichen  Wechselfällen  in  Serbiens  autonomer  Entwickelung 
wurde  am  25.  März  1867  auf  dem  Kalimegdan  mit  grossem  Gepränge  der 
suitaniiche  Ferman  verlesen,  weicher  die  Hut  sämtlicher  serbisch -türkischen 
festen  Punkte  dem  Fürsten  iWiiiail  übertrug.  Risa  Pascha,  der  letzte  Belgrader 
Mutessarif,  überreiciite  dem  Fürsten  unter  Kanonendonner  die  Festungsschlüssel, 
uiul  während  dieser  an  der  Spitze  seiner  Truppen  durch  das  Stambultor  in 
das  „ürad"  einritt,  wurde  das  serbische  Banner  neben  dem  türkischen  auf  seinen 
Wallmasten  gehisst.  Ohne  Schwertstreich  verliess  die  Pforte  ihr  nördlichstes 
Bollwerk,  das  ihr  bis  zuletzt,  trotz  schlechter  Finanzen,  so  wertvoll  erschien, 
dass  sie  für  dessen  Funktionäre  und  4000  Mann  starke  Garnison  jährlich 
3  Millionen  Franken  geopfert  hatte.  Der  Belgrader  Gouverneurposten  zählte  zu 
den  begehrtesten  des  Reiches;  in  besserer  Zeit  war  er  mit  200000,  ja  selbst 
zuletzt  noch   immer  mit  50000  Franken   dotiert. 

Laut  äusserte  sich  der  allgemeine  Enthusiasmus  drei  Tage  nach  der  Übergabe 
der  serbischen  Festungen  am  21.  April,  anlässlich  des  alljährlichen  Nationalfestes, 
das  zur  Erinnerung  an  den  „Tag  von  Takovo",  an  Milos'  Erhebung  am  Oster- 
sonntag 1815,  gefeiert  wird.  Ein  feierlicher  Gottesdienst,  eine  Gratulationscour  im 
Konak  und  Defilierung  der  Truppen  füllten  den  Vormittag  aus.  Aus  allen  Nachbar- 
städten    und     vom     Lande    waren     zahlreiche     Gäste    herbeigeströmt,     und     bei 


Aciterc  Geschichte.  35 

jcdcsnialigcin  lirschciiien  des  Fürsten  unter  dem  auf  dem  Kalimegdan  sich 
belustigenden  Volke  äusserten  sich  Ovationen;  namentlich  aber  am  Abend,  als  er 
vom  Konakbalkon  tief  ergriffen  für  die  ihm  dargebrachten  Huldigungen  während  des 
Fackelzuges  und  der  Serenade  dankte,  an  welchen  sich  zwei  Militärbanden,  der 
Belgrader  „pevacko  druztvo"  und  ein  Gesangverein  aus  dem  ungarischen  Pancevo 
beteiligt  hatten.  Unter  noch  stürmischeren  Freudenausbrüchen  verliessen  am 
6.  Mai  die  vom  Fürsten  reich  beschenkten  letzten  türkischen  Truppen  für  alle  Zeiten 
Belgrad,  und  heute  noch  zählt  der  von  den  Musikbanden  beim  Abzug  gespielte 
Abschiedsmarsch   „Vecerni  turski  rastanak"    zu  den  serbischen  Lieblingsmelodien. 


3* 


II. 

Entwickelung  der  Königsstadt. 

(1.S67— um) 


SEIT  Sultan  Mohammed  dun  Halbmond  auf  die  Konstantinopler  Sophienkuppel 
gepflanzt,  wurde  der  alte  Kaisersitz  „Bec"  (Wien)  kultureller  Richtstern  für 
die  Balkanstädte.  Wiens  Beispiel  folj^end,  wollte  auch  Belgrad,  nachdem  die 
Türken  1867  abgezogen,  durch  Sprengung  der  es  beengenden  Wälle  einen  Ring 
mit  breiten  Squares,  Esplanaden  usw.  gewinnen.  Der  damals  von  Prof.  Josimovic 
mir  erklärte  Regulierungsplan  verlegte  kühn  die  von  Regierungspalästen  umgebene 
Fürstenresidenz  auf  das,  eine  entzückende  Fernsicht  über  Donau  und  Sava  zur 
Dcina  gewährende  Festungsplateau,  Hess  an  seinem  Hange  prächtige  Stadtteile 
entstehen  und  nur  den  prosaischen  Handelsverkehr  am  projektierten  Savaquai  sich 
weiter  entwickeln,  weil  ein  Donauhafen  selbst  ihm  undurchführbar  erschien.  Es 
war  zweifellos  eine  bestrickende,  doch  rasch  sich  verflüchtigende  Fata  morgana, 
die  sich  auch  ohne  das  ein  Jahr  später  den  Fürsten  Mihail  ereilte  traurige 
Verhängnis  kaum  hätte  verwirklichen  lassen. 

Aber  schon  Belgrads  natürlich  fortschreitende  F.ntwickelung,  das  \'erschwinden 
seiner  hässlichen  Uniwallung  und  Türkenviertel,  die  Regulierung  der  Strassen  und 
Verschönerung  des  Gebliebenen  durch  Neubauten,  Parkanlagen,  Trottoirs  usw. 
beseitigte  die  letzten  Reste  aus  jener  Zeit,  wo  es  durch  die  bunte  Mengung 
orientalischer  mid  occidentaler  F.lemenle  die  Phantasie  lebhaft  anregte.  Dem 
Fremden  sandten  weithin  blinkenile  Minaretspitzen  die  Cirüsse  des  illyrischen 
Morgenlandis  zu,  luul  das  farbige  Treiben  ui  ilen  engen  Türkenstrassen  Hess 
vollends  verblasste  Bilder  der  unsere  jugenilliche  Phantasie  einst  erhitzenden 
Scheherasatle  aufleben.  Über  die  polyglott  plaudernde  Brunnenstaffage,  über  die 
fremdartigen  Scenen  im  Spagnuolen-  und  Zigeunervierlel  mit  glutäugigen  Frauen 
vergass  man  die  (,)ual  iks  ekiulen  Pflasters,  über  die  eines  Were.^aginpinsels 
werten  Aruauleu  in  den  VV  affenlätlen  ilas  abscheuliche  Parfüm  naher  Gar- 
küchen (lern  schlich  man  an  den  niederen  llufmauern  lies  stillen  Dortjols  hin, 
spaluiiii  iiai  h   den   f^cheuniiisvnll   vergitterten   I  l.iiemliks.  illierhOrte  die  „Giaurrufe" 


38  Entwickcltin^  di-r  Königsstadt. 

reizender  Türkcnniätlclien,  deren  hübsches  Gesicht  und  anmutige  Formen  oft 
schon  wenige  Wochen  spilter  Jai^niak  und  Feredzi  fremdem  Bhcke  neidisch  entzogen. 

Das  alles  ist  für  immer  verschwunden.  Und  auch  von  dem  altersi^rauen 
„Grad"  (Citadelle)  ist  die  verschönende  Lasur  des  Mortjenlandes  gt-'wichen. 
Ohne  Ban{{en  treten  wir  ein.  Fort  sind  die  finsterblickenden  anatolischen  Wachen: 
schmucke  serbische  Soldaten  Risten  sie  ab,  und  der  wachehabende  Unteroffizier 
erteilt  artig  Auskunft.  Im  ganzen  veränderte  sich  wenig.  Wie  früher  steht  da 
der  massige  Uhrturm  über  dem  Haupteingang;  doch  das  „Türbeh"  über  den 
wundertätigen  Gebeinen  der  moslimischen  Jungfrau  dient  nun  als  militärärztliche 
Ambulanz  und  ein  anderes  nahes  als  Laden,  in  dem  einige  „Slobodjeni"  (Sträf- 
linge ohne  Ketten)  Holzschnitzarbeiten,  Bürsten  usw.  von  serbischem  Typus 
feilhalten.  Die  Kasematten  des  ausgedehnten  Bastionenkranzes  beherbergen  oft 
1000  1500  zu  Zwangsarbeit  oder  Festungshaft  Verurteilte.  Hier  büssten  ihre 
Strafen  der  oftgenannte  Bauerntribun  Ranko  Tajsic  und  andere  Radikale,  welche 
später,  wie  Dr.  Geräic,  als  Minister  und  Staatsräte  fungierten. 

Vorüber  an  einem  hübschen  Laubhain,  in  dem  ein  Militär-  und  Zivilkehlen 
gleich  gern  erquickendes  Bierrestaurant  sich  etablierte,  durch  von  Sträflingen  wohl- 
gepflegte Alleen  und  Blumenbeete  erreichen  wir  die  „Gornja  pijaca",  den  von 
Unteroffiziersschulen  für  Infanterie  und  Artillerie,  Depots  usw.  umrahmten  „Oberen 
Platz",  dessen  Hauptzierde  der  einstige  Paschakonak  mit  von  zwölf  Meter  hohem 
Mäste  wellender  Trikolore  bildet.  Könnte  er  sprechen,  wüsste  der  nur  fünfzig 
Jahre  alte  Bau  doch  viel  zu  erzählen.  Als  erster  serbischer  Kommandant  bezog 
ihn  der  energische  alte  Haudegen  Zabarac,  ihm  folgte  Fürst  Mihails  Adjutant, 
der-  in  Berlin  gebildete  Sohn  des  berühmten  Vojvoden  Knicanin,  Oberst  Anta; 
er  starb  früh  und  dachte  gewiss  niemals,  dass  seine  der  Mitwissenschaft  am 
Attentate  auf  König  Milan  (1882)  beschuldigte  Frau  (111.  Bd.,  V.  Kap.),  in  die 
unheimliche  Zelle  des  nahen  „Rönicrbrunnens"  gesperrt,  dort  durch  Selbstmord  (?) 
enden  werde. 

Und  noch  weniger  ahnte  jener  Pascha,  welcher  den  „Neuen  Konak"  gebaut, 
dass  diesen  wenige  Jahrzehnte  später  ein  leibhaftiger  serbischer  Kralj  zur 
Residenz  wählen  werde.  Allah  billir!  In  dem  eine  herrliche  Fernsicht  bietenden 
linksseitigen  Empfangssaale  türkischer  und  serbischer  Festungs- Kommandanten 
nahm  König  Milan  am  28.  Januar  1898,  als  „Befehlshaber  des  aktiven  Heeres", 
umgeben  von  seinem  Stabe,  in  Gegenwart  des  regierenden  Königs  Alexander,  die 
Huldigung  des  von  Dr.  Viadan  Djordjevic  geführten  Ministeriums  entgegen,  worauf 
der  greise  Metropolit  Mihail  die  einstigen  Pascha-  und  Haremsräume  nach  ortho- 
do.xem  Brauche  unter  Gebeten  weihte,  im  rechten  Konakflügel  amtierte  der 
Generalstab,  dessen  Chef,  Oberst  Jovan  Atanackovic,  mir  1897  die  Benützung 
der  von  Gavra  Djordjevic -Umjanski  trefflich  verwalteten  Bibliothek  freundlich 
gestattete. 

Mit  diesem  stets  gefälligen  Förderer  meiner  Studien  besichtigte  ich  die 
frei  ausgestellten,  technisch  und  historisch  interessanten  Geschützrohre  und  Mörser, 
darunter  altösterreichische,  türkische  und  auch  die  primitiven,  mit  welchen  Kara- 
djordje    1806  Belgrad  beschoss.     In  der  reinlich  gehaltenen  unteren  Feste  fand  ich 


Entwickelung  der  Königsstadt. 


39 


die  starken  Mauern  beim  Turm 
„Nebüjäa"  abgebrochen,  wodurch 
das  schöne  „Kaiser  Karl-Tor" 
frei  dasteht,  Hoffentiicii  bleibt 
dieses  prächtige  Denkmal  aus 
der  Epociie  des  grossen  Füigens 
weiter  erhalten.  Vorbei  an  der 
hoher  liegenden  „Sv.  Petka  Ka- 
pella" mit  kaltem  Quell,  stiegen 
wir  hinauf  zu  dem  von  den  Türken 
als  Munitionsdepot  benützten,  nun 
aber  durch  einen  Turmbau  ver- 
schönten Kirchlein  „Sv.  Ruzica". 
Vuk  (Danica,  1827)  sagte  wohl: 
„Die  Ruzicakirche  stand  im  un- 
teren Festungsteil  beim  Savator 
und  diente  den  Türken  als  Pulver- 
magazin; ihr  Altarkreuz  brachte 
Max  Emanuel  nach  Bayern,  wo 
es  sich  in  Nymphenburg  bei  ,\\üii- 
chen  befindet."  Nach  einem 
Natioi-.alliede  aber  stand  die 
„Ruzica  crkva"  im  oberen  Fest- 
ungsteil, und  das  Volk  hält  fest 
an  dieser  Tradition.  Das  Kirch- 
lein feiert  ilie  „Mala  gospojina" 
(Maria  (leburt),  inid  in  seinem 
einfachen  l.angschiffe  empfangen 
die  Sträflinge  zu  Ostern  und 
Weihnacht  durch  einen  F'ekl- 
popen  tlie  Kommunion.  Sonst 
fand  ich  1897  die  Feste,  wie  ich 
sie  unter  dem  Türkenrcgiment 
gesehen  unil  auf  S.  23  ff.  schilderte. 
An  ihren  Werken  wird  wenig  ge- 
bessert; ihr  gänzlicher  Verfall  er- 
scheint unvermeidlich. 

Von  den  altertümlichen  iJau- 
ten  des  moslimischen  „  Dortjol 
niahale"  und  licutigcii  „I  )iina  vski- 
Kvart"  zog  mich  stels  die  vom 
l'rinzen  Fugen  erb.iute  „Pirin- 
iana"  (Prin/enhaus),  die  ehe- 
maliL;e  kaiseiliclie  Knmniaiulanlui. 


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03 


40 


EntwickcluriK  der  KoniKsstadt. 


am  meisten  an.  Ihre  melancholisch  in  die  Luft  ratenden  Reste  mahnten,  ohschon 
unverzeihlich  vernachljissijjt,  an  den  stolzen  Palast  des  kunstsinnigen  Heerführers 
in  der  Wiciier  Hlmmelpfortnasse,  dessen  Architekt  Hildet)randt  wahrscheinlich  auch 
an  den  Belgrader  [iauten  beteiligt  war.  Meine  1860  gt'zeichnetc  Skizze  des 
von  zwei  f^leichfails  verschwundenen  Moscheen  flankierten  Prachtliaues  bewahrt 
der  Nachweit  mindestens  seine  geschmackvoll  dekorierte  Fassade,  welche  sich 
durch  ähnliche  schöne  Verhältnisse  auszeichnete,  wie  die  im  norditalischen 
Palazzostil  angeordneten  Bogengalcrien  des  grossen  Hofes.  Die  einer  genauen 
Aufnahme  seitens  der  Belgrader  Archäologen  wohl  wert  gewesene  „Pirincana", 
in    deren    angeklebten     elenden    Ein-    und    Vorbauten    türkische    Schuhmacher, 


BELGRAD,    Kara  dzamija.  1887  Theater-Gasometer. 


Bäcker  und  Garküche  nisteten,  fiel  der  Verbreiterung  der  Zar  Dusan-Strasse  zum 
Opfer.  Auch  die  von  Laudon  erbaute  „Stanibul-Kapija",  deren  prächtige  fünf- 
torige  Bogenhalle  lebhaft  von  den  sie  bewachenden  Nizams  und  noch  mehr 
von  den  in  ihr  hantierenden  unsauberen  Handwerkern  kontrastierte,  verschwand 
unter  den  Spaten  der  durch  ein  P  als  Zwangsarbeits-Sträflinge  gezeichneten 
„Robiasi".     Leider  blieb  auch  dieses  Monument  in  keiner  Abbildung  erhalten. 

Die  Ablösungssumme  alles  im  Dortjol  geräumten  türkischen  Grundeigentums 
betrug  nach  dem  mit  der  Pforte  abgeschlossenen  Vertrage  9  Millionen  Piaster; 
Friedhöfe  und  Gotteshäuser  sollten  unberüiirt  bleiben;  so  geschah  es  auch.  Doch 
manchmal  flogen  „zufällig"  des  Nachts  unter  den  die  Regulierung  hindernden 
Moscheen  sie  niederwerfende  Minen  auf.  Schon  1887  fand  ich  von  Belgrads 
15  Dzamien  nur  mehr  eine,  die  von  Suleiman  d.  Gr.  erbaute  „Barjaktar",  Fahnen- 
moschee, in  der  Jevremska  ulica,  wo  sich  einst  die  nach  Mekka  ziehenden  Pilger 
sammelten,  mit  ausgebrocheneii  Fenstern  und  Toren  der  X'ernichtung  preis- 
gegeben; ferner  die  kleinere  „Kara  dzaiuija"  mit  qualmentlem  Schornstein  als 
Gasometer  des  Nationaltheaters  benutzt. 


EuKen-Palast-Ruinc. 
In  der  Dortjol-Hauplstrasse.  Muhammcd  Schcch  der  heulenden  Derwische. 


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Tllrktücliri  Wallcnlndrn 


111:1. (ll^AI).    Iltis  dviii  lllrkischrn  SIndllrllc  IWa 


I 


Entwickelung  der  Königsstadt. 


43 


Den  seither  gebesserten  Beziehungen  zum  Sultansreiche  dankt  nun  aber  die 
schöne  „Barjai<tar  dzamija"  ihre  Renovierung  und  prächtige  Mauereinfriedung. 
1897  zeichnete  ich  sie  und  traf  in  ihrem  wohnlichen  Nebenhäuschen  den  1893 
von  Mostar  weggewanderten  Suleiman  Effendi  Faladzic  als  vom  Staat  bezahlten 
Hodza.  Auch  im  „Tekkeh"  des  Kraljev  trg  rühmte  sein  Hüter,  Derwisch  Ahmed 
Cehonic,  die  Grossniut  des  Königs,  welche  den  durch  Belgrad  zum  berühmten 
üül-Baba-Grabe  ziehenden  Moslims  es  wieder  ermöglicht,  den  im  Tekkeh 
ruhenden  Glaubenshelden  Horosali  Mehmed  Baba,  dem  Bagdadli  Mustafa  Beg 
iiiul    Anledjc    Hadzi    Schech    Oiner    Effendi     ihre    Ehrfurcht    zu    bezeigen!      Ver- 


BELGRAD, 
Barjaktnr  dzaniija   lffi>7. 


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gebens  fragte  ich  aber  nach  der  Moschee,  in  welcher  ich  1860,  geführt  von 
(lein  Idk'raMtcii  Belgrader  Kadi  llaii/i  Hassan  Silkri  l-!fleiuli,  des  Schcchs 
Muhamnicds  „Bitlavi",  im  Gegensätze  zu  den  bekannteren  „Mevlevi"  (tanzenile 
Derwische),  Allah  unter  ohrenzerreissender  Musik  und  an  Raserei  grenzemlem 
Heulen  feiern  h(>rte;  auch  ilie  oft  prächtig  skulptierten,  malerisch  ornamentierten 
Grabplatten  unil  beturbanten  Kopfsteine  stecken  in  Neubauten,  welche  rasch  auf 
und  zwischen  den   rasierten  Türkenhäusern  emporwuchsen. 

Das  moslimische  Haus  stand  in  iler  Mitte  des  durch  hohe  Mauern  von  der 
Strasse  gelreiintcM  1  Idhaiiines,  n.uli  ilein  nur  euie  schmale  {'forte  ging;  die  offene 
Veranda  lag  stets  dem  selten  fehlenden  (järtchen  zugewendet.  Hier  zwischen 
schattigen  Cypressen,  Obstbäumen  und  üppig  wuchernden  Weinranken,  gesichert 
vor  Späherblicken,  genoss  der  Belgrader  Moslim  im  1-aniilienkreise  jenes  beschaidich 
stille  Glück,  um   ilas  inaiuliei  Occidcntale  ihn   beneitlen  durfti'.     Wie  schmerzlich 


44  EntwickcliinK  der  Köni^sstadt. 

miisstc  ckn  fdrtwanclcriuleii  Türken  der  Abschied  von  Haus  und  Garten  geworden 
sein!  Hier  wurde  noch  eine  Rose,  dort  eine  Nelke  gepflückt  zur  l^rinnerung  an  den 
Fioden,  auf  dem  auch  der  Ärmste,  weil  genüKsam,  ein  unahhäntiigcs,  glückliches 
Stillleben  geführt  hatte.  Sengender  Sonnenbrand  und  Winterstürmc  vernichteten 
die  einst  sorgsam  gepflegten  Blumenbeete.  Einige  bessere  Dorljolhäuser  wurden 
dem  neu  errichteten  Pionierkorps  zugewiesen,  unfern  etablierte  sich  ein  spekulativer 
Wirt  mit  grell  gemaltem  Schilde:  „Kod  dve  bule",  das  zwei  Türkinnen  in 
gespensterhafter  Strassenkleidung  zeigte;  so  wurden  einzelne  moslimische  Häuser 
vor  gänzlichem  Verfall  gerettet.  Die  meisten,  und  leider  auch  einige  hübsche 
Brunnen  mit  türkischen  Widmungstafeln,  verschwanden  im  langsamen  Kampfe 
mit  menschlichem  Unverstand  und  den  allzerstörenden  Elementen.  Die  1862  zu 
trauriger  Berühmtheit  gelangte  „Cukur  ceSma"  (S.  30)  bestand  noch  drei 
Jahrzehnte,  wurde  aber  wegen  des  ringsum  bedeutend  gehobenen  Terrains 
verschüttet.  Bisher  daciite  man  nicht  daran,  den  auch  früher  durch  ein  Holzgitter 
nur  notdürftig  geschützten  Brunnen,  dessen  acht  Stufen  die  Wasser  holende 
Jugend  fortwährend  auf-  und  abkletterte,  durch  einen  monumentalen  zu  ersetzen 
und  so  eine  wichtige  Entwickelungsepoche  Belgrads  künstlerisch  zu  verewigen. 
In  der  nächsten  Umgebung  fielen  mir  schon  1887  einige  geschmackvoll  dekorierte 
Privatbauten  auf.  So  das  von  der  Kragujevacer  „Kumpanija"  angekaufte,  zuletzt 
wieder  in  anderen  Besitz  übergegangene,  durch  reizende  Sgrafittofriese  verschönte 
Bankovicsche  Palais,  ferner  das  Gebäude  der  „Zadruga  stamparska  radnika" 
(Buchdrucker-Genossenschaft),  das  ehemalige  Palais  Pirocanac  u.  a. 

Eng  verbunden  mit  dem,  wie  meine  Skizze  von  1862  zeigt,  früher  ganz 
orientalisch  aussehenden  Dortjol  war  das  meist  von  Spagnuolen  bewohnte 
einstige  „Jevrejiski  mahale",  in  dem  Pancic,  nahe  der  nun  nach  ihm  getauften 
Gasse,  Belgrads  ersten,  1888  durch  das  Hochwasser  zerstörten  botanischen 
Garten  anlegte.  Obwohl  wir  aber  dort  neben  der  an  serbische  Strebungen 
mahnenden  „Solunska  ulica"  (Saionikstrasse)  eine  Jevrejiska-,  Mojsijeva-  und 
andere  aittestamentarische  Gassennamen  finden,  gibt  es  in  Belgrad  kein  Ghetto. 
Der  jahrhundertelang  durch  religiösen  Fanatismus  leidende  Serbe  ist  tolerant, 
und  selbst  in  den  vornehmsten  Stadtvierteln  besitzen  die  Israeliten  einen  Tempel, 
prächtige  Häuser  und  Läden.  Es  ist  freie  Wahl,  wenn  der  Spagnuole  von  altem 
Schlage  noch  heute  am  liebsten  neben  seinen  eigenen  Schulen  und  Bethäusern 
in  der  „Avramova  ulica"  wohnt,  oder  die  um  1820  erbaute  Dortjolsynagoge 
besucht,  obschon  auch  in  diese  der  Zeitgeist  drang;  denn  1896  wurde  ihr 
600  Personen  fassendes  Schiff  und  selbst  ihr  achtarmiger  Altar-Kandelaber  für 
elektrische  Beleuchtung  eingerichtet;  das  der  Familie  Sonante  gehörende  einstige 
Türkenbad  verschliesst  sich  aber  jedem  Fortschritt;  nur  Frauen  haben  während 
des  Tages  dort  Zutritt.  Dafür  findet  man  in  der  nahen,  von  Alleen  und 
der  elektrischen  Bahn  durchschnittenen  breiten  Dusanovo  ulica,  unfern  dem 
macedonischen  Lehramts -Kandidaten  gewidmeten  hübschen  „Dom  Sv.  Save" 
(nach  llkics  Plan),  Belgrads  komfortabelstes  Bad  mit  Kalt-  und  Warmbassins, 
Steinwannen,  Transpirationsbetten,  Duschen  usw.  Nachdem  das  bescheidene 
.'\lexanderkirclilein   der   Regulierung   der  Strasse   geopfert  worden,   wird  die    nach 


EntWickelung  der  Königsstadt. 


45 


Dusan  Dzivanovics  Plan  begonnene,  auf  270000  d')  veranschlagte  Sv.  Neman je- 
Kuppelkirche  das  monumentale  Zentrum  dieses  einst  so  pittoresken,  nun  aber 
occidentaler  Geradlinigkeit  verfallenen  Stadtteils  bilden,  in  dem  50  neue  Häuser- 
tMöcke,  leider  jedoch  nur  wenige  Squares  bis  zur  Donau  geplant  sind. 

Durch  die  stille  „Dositijeva  ulica",  vorüber  an  dem  Häuschen,  in  dem 
der  gleichnamige  Dositije  Obradovic  lebte  und  starb,  und  an  den  rcichgefüllten 
Depots  des  „Roten  Kreuzes",  steigen  wir  hinauf  in  das  frisch  pulsierende  Treiben 
des  „Varoski  kvart",  seines  durch  Tramway  mit  der  verkehrsreichen  Sava- 
malska  und  Terazija   verbundenen   „Kraljev  trg".     Dieser,   nach   einem  Plane  von 


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BELGRAD,   Dum  Svcli  Sdvc. 


1789,  einstige  grösste  moslimische  Frieilhof,  von  dem  mehrere  Oralistiitlen  noch 
auf  meiner  1859  gezeichneten  Skizze  erscheinen,  hiess  bis  1882  „Velika  pijaca" 
(Grosser  Platz).  1868,  als  die  Türken  fort,  grub  man  ihn  stellenweise  um  mehrere 
Meter  ab,  durchschnitt  ihn  mit  geradlinigen  Wegen,  in  deren  Mitte  1880,  dem 
Tronfolger  zu  l;hren,  ein  Brunnen  mit  Spitzs.'iule  errichtet  wurde.  Die  rechts- 
seitige F\irkanlage  verschönt  das  1897  enthüllte  Denkmal  des  berühmten  Natur- 
forschers r^ancic,  mit  seiner  von  Jovanovic  ausgeführten  Bronzestatue.  Die 
linksseitige,  heute  noch  als  Viktualienmarkt  benutzte  lliilfle  sollte  aber  bald  eine 
idealere  Bestimmung  erhalten  und  das  Denkmal  für  Vuk  Karadzic  aufnehmen. 
Die  das  ausgeckliiiic  Parallelogramm  umsilumenden  .Illeren  Hiluser.  darunter  die 
städtische  Polizei-i'rafektur  imil  Peuerwehrgebilude,  wurden  meist  um  ein  Stock- 
werk erhöht,  einige  hübsche  Neubauten  kamen  hinzu,  der  einstige  beste  Gasthof 
„Srpska  Kruna",  der  mich    1859  zum  erstenmal  und  spilter  oft  beherbergte,  biUlcl 


')  Ein  in   100  l'.ir.i  (Centimes)  geteilter  Dinar  --    I  I  i.mk 


Enlwickcluni;  der  KüniKSStadl. 


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53 

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liLulu  das  sehr  hcsclieidenc 
Stadthaus,  neben  welchem  das 
„deutsche  üeneralkonsu- 
lat"  ein  viel  hübscheres  Privat- 
haus i<ürzhch  bezofi-  Nach  wie 
vor  blieb  aber  die  „Velika 
äkola",  der  für  den  einstij^en 
Salzhändler  und  späteren  Krösus 
„Major  Mi§a"  bestimmte  Palast, 
welchen  er  1883  dem  Vaterland 
„für  wissenschaftliche  Zwecke" 
widmete,  des  Platzes  schönster 
Schmuck.  Seinen  Namen  erhielt 
eine  ^e^jenüberliegende  Strasse 
im  J.   1896. 

Der  imposante  Bau  wurde 
1857  von  dem  Architekten  Ne- 
vole  begonnen  und  1861  durch 
den  Baumeister  Steinlechner 
vollendet.  Das  nahezu  100000 
Dukaten  kostende,  an  vene- 
tianisch  -maurische  Architektur 
erinnernde  Gebäude  imponiert 
mehr  durch  das  Massige  seiner 
Anlage  als  durch  strenge  Fest- 
haltung einer  bestimmten  Stil- 
weise; byzantinische,  romanische 
und  Renaissance-Motive  spielen 
bunt  tiurcheinander.  Die  Re- 
gierung wünschte  das  Kultus- 
ministerium, die  Hochschule, 
das  Gymnasium,  die  gelehrte 
Gesellschaft,  die  Nationalbiblio- 
thek und  das  Museum  in  den 
weitläufigen  Räumen  unterzu- 
bringen, worauf  Mi§a  sie 
dieser  Bestimmung  gemäss  ent- 
sprechend dekorieren  und  ein- 
richten liess.  Seither  bezog 
das  Ministerium  sein  eigenes 
Haus  in  der  Milanstrasse,  und 
für  das  Museum  wurden  zwei 
benachbarte,  leider  sehr  un- 
passende     und      alte      Bauten 


Entwickelung  der  Königssladt. 


47 


angekauft,    was   jeducli    der    zur    Universität    erweiterten    „grossen    Schule"    sehr 
zu  statten  kam. 

In  ihrem  Festsaal  taf^te  1864  die  Skupstina  und  am  6.  März  1882  spielte 
sich  vor  derselben  der  militärische  Teil  der  Proklamierung  Serbiens  zum  König- 
reich ab,  die,  durch  Skup§tinabeschluss  zum  alljährlichen  Nationalfest  dekretiert, 
der  Freude  feierlichen  Ausdruck  lieh,  dass  Serbiens  Volk  sich  wieder  eine  geachtete, 


BELGRAD,  Pan^ii^-Dcnknial. 


unabhängige  Stellung  in  iler  europäischen  Staatenfamilie  errungen  halte.  Schon 
zeitig  morgens  nahm  unter  Kanonenilonner  die  gesamte  (jarnison  vor  der 
Hochschule  Aulstellung.  Fin  sonniger  Tag  beginistigle  die  l-eier.  in  grossen 
Scharen  wogte  ilas  Volk  durch  ilie  beflaggten  Strassen,  besonders  zahlreich  das 
Landvolk  aus  dem  Innern.  In  der  Kathedrale  wurde  ein  feierlicher  Gottesdienst 
celebriert,  dem  der  König,  die  Königin,  der  Hofstaat,  das  diplomatische  Korps. 
alle  Würdenträger  und  viele  Fremde  von  Dislinktion  anwohnten.  Nach  dem 
Defilieren  dir  Tiuppen  taiul  im  Kniiak  ein  Fnipfang  statt,  dem  ein  Galadincr  folgte. 
Der  Ministerpräsident  l'irocanac  wurile  ilurch  den  neugegrlhuleten  Weissen  Adler- 
ordeii  2.  Klasse  ausge/eiclmel,  während  ilie  übrigen  Minister  denselben  Orden 
3.  Klasse  erhielten.  Fine  prächtige  Illumination  bcschloss  das  patriotische  Fest, 
während   dessen   \'erlaul   man   König  Milan  allerorts  jubelnd  begrüsslc. 


IH 


Enlwickflunc  ilcr  KöniKSKlfidt. 


Bt'Stcini'ii  wir  dii'  40  Mulcr  linlic  Aussichlswarle  der  Hochschule,  welche 
die  iiinfassendste  Rundschau  auf  Belt^rads  reliefplanarlif^  ausgebreitetes  Weichbild 
bietet  ntul  deshalb  als  Keuernieldewache   benutzt  wird,  so  erscheint  uns  zunächst 


«."■»»Vr^  äi  ' 


BELGRAD,   Hochschule  —  Intcrims-Natiunalmuseum. 

der  am  Kalime.ndanrande  mit  einer  vom  österreich-ungar.  Konsulat,  einer  Real- 
sciuile,  Hotels  und  hübsch  dekorierten  Privatbauten  bej^innenden  Häuserzeile  der 
kleine,  aber  reiche   „Varoski-Kvart"  (Innere  Stadt).     Er  umschliesst  ausser  der 


"    1 


7i^Ä#ft 


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BELGRAD,   Deutsches  GeneralkonsuLit  —  Stadthaus. 


Mctropoliu  und  Bogoslavija  (Priesterseminar)  auch  die  protestantische  Kirche  und 
Schule,  das  bürj^erliche  und  kaufmännische  Kasino,  das  „Grand  Hotel",  die  Eisen- 
bahncndircktion,  Nationalbank,  Börse,  die  Staatsfonds-Direktion,  Zentralposi  und 
Fernsprechstelle,  das  Handels-  und  Appellationsgericht,  die  Mihailstrasse  mit  dem 
Monopol-  und  statistischen  Amte,  die  reichsten  Kaufhäuser,  fremden  Assekuranzen, 


Entwickelung  der  Künigsstadt. 


49 


f'rivatbanken,  besten  Gasthöfe  usw.  Seinen  ältesten  Glanzpunkt  bildete  die  nach 
frülicr  hochgehaltenem  Karlovicer  Vorbjlde  1840  erbaute  Erzengel  Mihail-Kirche '). 
ihr  schlank  aufstrebender  Glockenturm  litt  wohl  durch  das  türkische  Bombarde- 
ment  (1862);  ihn  zu  vernichten  gelang  jedoch  nicht.  Noch  immer  bricht  sich 
das  Sonnenlicht  an  den  reichvergoldeten  Ornamenten  und  Blumenvasen  seines 
kupfernen  Helmes. 

Gleich  freigebig  verschwendete  Avramovic  Gold  und    Farbe    an   der   Innen- 
dekoration und  an  dem  gleichfalls  1885  restaurierten  Bilderschmuck  der  Ikonostasis. 


BELGRAD,   Erzbischots-Palais  -  St.  Milinil-Kntlicdralkirchc. 


Selbstverständlich  tehli  es  im  Kirclienschalze  nicht  an  von  Russland  gespendeten 
heiligen  Büchern  und  wertvollen  Ornaten.  Im  südwestlichen  Schiffe  ruhen  die 
linsten  iWild^  uiul  Mihail.  Letzterem  setzte  seine  Gemahlin  ein  pritchtiges  Denkmal; 
an  dessen  Imiss  sah  ich  1.S07  ^\(.'\^  Kranz,  welchen  der  Monlenegrinerfürst  Nikita 
nach  der  (ledachtnisfeiei  am  „V'idov  dan"  18iU)  persönlich  niederlegte.  Der  an 
der  Siidwanil  sich  eihclieiulc.  von  grauen  Marmorsäulen  getragene  rotmarmornc 
Unlerhau  tragt  einen  mit  inelalleiiem  Wappen  und  geflügelten  Genien  geschmücklen 
dunklen  Sarkoiihag,  aiit  dem  der  Namenspalron  Mihail  in  ntatler  Bron/e  steht. 
Links    liiingt    eine   machtige   Silberampel    für  das   ewige   Licht.     Die    Unterschrift 


')  Als  luliaiiimusjahr  i;ibt    des  Metropoliten  Miliails  „l'ravoslavna  srpska  c'rkva"    IHivS; 

siclieren    (Juclleii    zufolge    liat    aher    .Wilos   die    K.ilJK'drale    schon    1SJ,S  liegoiineii  und   l'utsi 
Ale.xander  sie  1845  vollendet. 

I.  KANITZ,  Serbien.    I.  4 


50 


EntwJi-kcluMK  der  KöniKs.sladl. 


laulut:  (Jcl).  4.  Sept.  1H23,  f  29.  Mai  1868,  Witwe  Jiilija.  Auch  der  verdicnlc 
Metropolit,  Mclcnlijc  erhielt  hier  ein  lihrengrab.  Rechts  und  links  vom  Haupt- 
ein^anj^  verewigen  in  Nischenfeldern  cin^efliKte  Tafeln  die  Schriftsteller  Dositije 
(t  1810)  iiiui  Vuk  (t  I8f54),  dessen  1897  v(.n  Wien  üi)ertrajjenen  Gebeine,  >{ieich 
dem  im  l'eiiriiar  1898  verblichenen  Metropoliten  Mihail,  mit  grossem  Pomp 
bestattet  wurden.  Da  auch  anderen  verdienten  Männern  gleiche  Auszeichnung 
zu^^edacht  ist,  dürfte  sich  diese  „Saborna  crkva"  zum  serbischen  Westminster 
j^estalten.  Im  Herbst  1882  hätte  hier  Köni^  Milan  durch  das  Attentat  einer  Frau 
(S.  38)  beinahe  sein  Leben  eingebtisst.     An  der  Seile  König  Alexanders  nahm  er 


BELGRAD,   Ikonostasis  der  Kathedralkirchc 

am  15.  April  1900  zum  letztenmal  am  alljährlichen  Festgottesdienst  zur  Erinnerung 
an  die  Proklamierung  des  Aufstandes  in  Takovo  durch  Milos  Obrenovic  teil. 
1887  erhielt  die  Kirche  ihre  solide  eiserne  Umfriedung  mit  hohen  Steinpfeilern, 
welche  am  5.  Aug.  1900  während  der  Traiiungs-Zeremonie  des  Königs  Alexander 
das  Eindringen  des  durch  die  „Kumstvo"-Annahme  seitens  des  Zaren  begeisterten 
Volkes  in  dieselbe  hinderte.  Der  russische  Kaiser  liess  sich  durch  den  reiche 
Geschenke  bringenden  Geschäftsträger  Mansuroff  vertreten,  was  auch  äusserlich 
dessen  grossen  Einfluss  auf  die  alle  Welt  und  namentlich  zu  Wien  überraschenden 
Juli-Ereignisse  in  Belgrad  kennzeichnete '). 

')  Der  Zar  trat  durcli  diesen,  von  den  Siidslaven  höher  als  Blutsvenvandtschaft 
gehaltenen  Akt  in  ein  zur  Hilfeleistung  für  alle  Zeiten  verpflichtendes,  inniges  Verhältnis  zum 
regierenden  König  und  seine  Descendenz,  das  trotz  der  damals  alle  Politiker  lebhaft 
beschäftigenden  Vorgänge  in  China  vielfach  bemerkt  und  kommentiert  wurde;  denn  damit 
war  Serbien,  ähnlich  wie  Bulgarien,  an  das  orthodoxe  Kussland  fester  gekettet. 


EntwickelunK  der  Königsstadt. 


51 


Der  Gottesdienst  an  Sonn-  und  Festtagen  in  der  stimmungsvoll  beleuchteten 
Kathedrale  wirkt  erhebend.  Namentlidi  wenn  der  die  Lithurgie  begleitende  kunst- 
reiche Gesang  des  Kirchen -Singvereins  Sloga  (Eintracht)  beendet  und  der 
greise  Metropolit  Mihail,  bekleidet  mit  der  weissen  Kainilauka,  vom  Throne 
herabstieg  und  alles  sich  drängte,  die  „Navora"  aus  der  Hand  des  von  grosser 
Assistenz  umgebenen  Kirchenfürsten  zu  empfangen  und  diese  zu  küssen,  lernte 
man  die  dem  orientalischen  Kultus  innewohnende  Macht  ohne  jeglichen  Kommentar 
kennen.  Ungemein  prunkhaft  haben  sich  in  letzter  Zeit  die  Begräbnisse  gestaltet. 
Die  frühere  Einfachheit  ist  neuestens  dem  vom  Occident  importierten  Luxus  von 


BELGRAD,    Filrsl  Mihail-Dcnkmnl  in  di-r  Kiithcdmlc. 


Mctallsargeii,  Leichen-  und  Kranzwagen  gewichen.  Ebenso  bei  Trauungen  aus 
den  wolilhahciulereii  Kreisen  fährt  man  bereits  allgemein.  Im  ersten  Wagen  sitzt 
die  Braut  mit  laiigwallenilem  Schleier  und  prächtigem  Bouiiuet  mit  dem  Bräutigam 
im  l-rack,  auf  dem  Kiitsclihocke  der  Djever  (Brautführer),  die  mit  Bändern  und 
Blumen  reicligesclimiicklen  kostbaren  Kerzen  haltend;  kleine  Fahnchen  und 
Laubgewinde  zieren  alle  Equipagen;  nur  die  lauten  Freudenrufe  der  vom  Lande 
erschienenen  Verwandten  in  mit  bunten  Tüchern  aufgeputzten  Bauernwagen  wollen 
(ilt  nicht  recht  in  ilen  grossstädtischen  Mochzeilszug  passen. 

Um  die  Kirche  gruppieren  sich  einige  der  erwähnten  Öffentlichen  Bauten, 
für  welche  der  F^aiiui  ilurcli  ilen  Abbruch  interessanter  älterer  Gebäude  geschaffen 
wurilc.  All  der  Sklle  der  „Melropolija",  mit  kleiner,  dem  hl.  Sinieon  Ncmanja 
IS4U  errichteter  Kirche,  stand  lier  alte  iWetrnpohtensit/  und  Konak,  in  dem  Fürst 
MiloS  residierte,  wichtigen  Volksberatungen  beiwohnte  und  1839  seine  Abdankung 
unterzeichnete..     In    derselben    Bogojavijenska    ulica    blieb    der    von    MiloJ    im 

4* 


fiO 


lintwiirkcliinK  ilcr  Köni(<ssla(ll. 


türkiscIiL'ii  Koiiakstilc  erbaute  Ljubica-Konak  inmilten  eines  hübschen  üarlens 
nur  weniK  verändert  erhalten.  Hier  wohnte  die  Fürstin  Ljubica  mit  ihren  Söhnen, 
von  welchen  Fürst  Milan  II.,  nach  kurzer  nomineller  Regierung,  in  denselben 
bescheidenen  Räumen  1839  starb,  die  später  das  erste  serbische  Lyceum  und 
zuletzt  iIlii  Appellations-  und  Kassationshof  aufnahmen.  In  dem  benachbarten 
Lehrerseminar  residierte  Fürst  Mihail  bis  1842,  wo  sämtliche  Obrenovice 
nach  Österreich  exilierten.  Unnnttelbar  neben  der  Kathedrale  hält  trotz  alles 
Wandels  Serbiens  erste  „Citaonica"  (Leseverein),  nahe  der  1869  erstandenen 
„üradjanska  Kasina",  zäh  das  Haus  fest,  in  dem  sie  vor  60  Jahren  gegründet 
wurde.  Wohl  entzog  ihr  der  Tod  und  das  reichere  Zeitungsauswahl  bietende 
Cafe  des  gegenüberliegenden  „ürand  Hotel"  manches  Mitglied.  Auch  die  früher 
ihrer    Obhut    anvertrauten    Reliquien    des    grossen    Milo§    sind    in    das    Museum 


BELGRAD,   Ljuliica-Konak  in  der  Bogovjavljcnska  ulica. 


gewandert;  noch  immer  findet  man  aber  in  den  mit  Bildern  vieler  Patrioten 
gezierten  schliciiten  Räumen  alte,  den  Cibuk  der  Zigarette  vorziehende  Herren, 
die  in  gewohnter  Begegnung  lebhaft  die  politischen  Vorgänge  besprechen. 

Mit  diesem  bescheidenen  Citaliste,  früher  eines  der  schönsten  Häuser,  kon- 
trastieren gewaltig  der  von  Jovanovic  1<S90  \-ollendete  Bau  der  Nationalbank, 
der  jede  Grossstadf  zieren  würde,  und  viele  mit  Karyatiden,  Säulen,  Giebeln, 
Mansarden,  Kuppeln  und  Ecktürmen  geschmückte  Häuser  der  „Dubrovacka 
ulica".  Sie  sprechen  für  die  Wohlhabenheit  der  meist  hier  wohnenden  Bankiers, 
Sarafs  (Wechsler)  und  Geldverleihcr,  welche  oft  mit  bescheidenem  Kapital  sehr 
gut  leben,  da  Private,  Beamte  und  Offiziere  für  den  Dukaten  monatlich  2  dinar 
(nahezu  1  Gulden  ö.  W.)  und  selbst  kreditwürdige  kleine  Kaufleute  9 — 12<>/„ 
bezahlen  müssen  —  auch  Banken  verleihen  selten  ihr  Geld  unter  Q^^o'  Als  die 
reichsten  Leute  Serbiens  gelten  die  Brüder  Djordjevic,  deren  grosser  Häuser- 
und  Grundbesitz  auf  5 — 6  Millionen  dinar  geschätzt  und  deren  Sparsamkeit 
sprichwörtlich  ist.  Zu  den  mehr  als  eine  Million  Besitzenden  zählten  1897  die 
Kaufleutc;  Brüder  Krsmanovic,  .Wihailo  Pavlovic,   Stojan  Veljkovic,  Djura  Waifert, 


EntWickelung  der  Königsstadt. 


53 


I.juhoniir  Krsiiiaiinvic;  zu  dL'ii  Halbmillionärcn  und  darüber  die  Firmen:  M.  Jovanovic, 
J(n'ica  Barlovac,  Brüder  Rasic  &  Tasa  Spasic,  llija  Korac,  Nikoia  Spasic,  2ivko 
Kuzmanovic,  Brankovic  &  Vulkovic,  die  Bankiers  Edija  Buli  und  Brüder  Andrejevic, 
die  Braufirma  Brikier  Bailloni,  die  Uhrenhändler  Brüder  Z.  Popnvic,  der  Apotheker 
Jovan  Djuric,  der  Advokat  Tihoniil  Markovic,  der  Exregent  Jovan  Ristic,  Staatsrat 
Zivkn  Davidnvic,  Nikoia  Radojkovic  u.  a. 

in  den  mit  grossen  Quadern  gepflasterten  Dubrovacka,  Knez  Mihajiova 
uiica  und  deren  Nebenstrassen  befinden  sich  die  am  besten  assortierten  Geschäfte, 
beispielsweise  des  von  der  Königin  Natalia  begründeten  Frauenvereins  für  nationale 


II  K  LG  RAD,   Nalionalhjiik  iii  ili-r  linhniviifka  iilica. 


Ilausiiidustrii',  iler  ersten  Beij^rader  Spengier-Zadruga,  der  Tonwaren-  uiul  der 
Jagodinaer  (ilaslabrik,  der  Porzellanofen-Manufaktur  von  L.  »S  C  Hardlniuth,  des 
k.  ungarischen  llandelsniiiseunis,  die  Iterviirragenilsten  Buehhaiullungen,  der 
PomiH's  Innebres,  Wachskerzen-  luid  Blumen -Niederlagen.  Die  AVagazine  für 
DaiucM-  und  licricn -  Konfektion,  Galanteric,  Geschmeide,  Comestibics  usw. 
ziehen  durcii  geschmackvolle  Warenauslegung  das  schaulustige  F'ublikuiti  an.  Zu 
auffälligen  l"iriiientafeln,  meist  serbisch  und  deutsch,  manchmal  auch  fr.inz<isisch, 
englisili  lind  russisch,  gesellen  sich  oft  Bilder,  beispielsweise  „Kod  Beccli" 
(zum  WiciKT),  /um  „(ligerl",  und  der  wie  Verdienstmedaillen  und  Kreuze  gleich 
Ireigebig  verteilte  Titel  „lloflielerant  Sr.  Majcsl.'ll  des  Königs",  der  „Krtnigin 
Natalia"   u.  a.  über  oft  zierlichen  Portalen. 

In  tler   die  Mihailstrasse  durchschneidenden    „Vuk   Karad^ii^eva  ulica"    steht 
in    uispriini;licluM    Scliliclithcit  die    i'r ui esia n li sehe    Kirche    mit    l'farrhaus   und 


54 


F.ntwickcliinß  der  Könißsstadt. 


Srhulhaiis,  f>an7.  so,  wie  ich  sie  IHfiO  sl<izzierle;  das  XiV.  Kap.  des  III.  Bandes 
Hibt  über  iiire  Vergangenheit  und  Gegenwart  eingehenden  Aufschluss.  Ver- 
schwunden sind  aber  die  Moschee  (S.  55)  und  der  Cardak  des  Hodzahauses, 
von  dem  bis  1862  süssen  Kef  pflegende,  Cibuk  und  Kaffee  schlürfende  Türken 
selbstbcwusst  blickten.  An  ihre  Stelle  traten  hübsche  einstöckige  Häuser  mit 
Nähmaschinen-,  Wachskerzen-,  Friseur-,  Tabak-  und  anderen  Läden,  liine  Nische 
in  der  anstossenden  Gartenmauer,  welche  den  für  das  projektierte  k.  Akademie- 
gebäude bestimmten  Platz  umfasst,  birgt  Belgrads  frischestes  Quellwasser  aus 
römischer    Leitung  (?);    bis    der    geplante    Palast    vollendet    wird,    dürfte    diese 


BEI.üRAD,   Kncz  Mihailova  ulica. 


„Deiinska  ce.snia"  eine  würdigere  Fassung  und  das  evangelische  Kirchlein 
eine  seiner  neuen  Umgebung  entsprechendere  Gestalt  erhalten.  Nahe  befindet 
sich  das  von  einer  Gesellschaft  begründete  und  von  dem  Philanthropen  Svetomir 
Nikolajevic  präsidierte  Taubstummen-  und  Blinden-Institut  Kralj  Decanski 
für  beide  Geschlechter. 

Den  die  Grenze  zwischen  dem  Varoski-,  Terazijski-  und  Palilulski-Kvart 
bildenden  Theaterplatz  schmückt  das  am  18.  Dez.  1882  enthüllte  jWonument  des 
Fürsten  Mihail,  welcher  mit  der  ausgestreckten  rechten  Hand  nach  Westen  zeigt. 
Die  imposante  Reiterfigur  ist  das  zu  Brüssel  trefflich  in  Bronze  gegossene  Werk 
des  Florentiners  Pazzi  auf  misslungenem  Postament.  Dieses  bildet  einen 
oktogonalen  granitnen  Unterbau,  dessen  Schnialseiten  das  Wappen  Serbiens  und 
die  Widmung:  „Knjazu  Mihajlu  Obrenovicu  111.  blagodarna  Srbija"  zeigen;  die 
Fronten  tragen  die  Namen  der  1867  befreiten  Feslungsstädte  „Beograd,  Smederevo, 
Kiadnvo,    Snko,    U/ice,    Sahac".     Darauf    ruht    ein    ovaler    Bronzesockel,    dessen 


Entwickelung  der  Königsstadt. 


55 


Reliefs:  MiloS'  Kampfaufruf  zu  Takovo  im  Jahre    1815,   einen  die  Grosstaten   der 
OlirciKivice  besinnenden  Guslar  mit  lauschendem  Volke  und   solches   an    Mihails 


BELGRAÜ,  r 

Protestant.  Kirche 
tiiit  Pfarrhaus 


Sarge    trauernd,     darstellen.      Auf   diesem    zierlichen,    dosenartigen    Teile    steht, 

leider  konstruktiv  unvermittelt  durch  starke  tragende  Glieder,  die  wuchtige  Reiter- 


BELORAD, 
Balkon  des  Hodiahaiises 
vor  dem   Bombardement. 


figur.  \'ier  K.nuU'l.ilHi    iiikI  durrli   Hrnn/ekellen  verhiindeiie  F'ilaster  umfassen 

das  Denkmal,  dem   l>,iUl  eine  würilige  architektonische  Ausgestaltung   des  l'lat/os 
/u   wünschen   w;iie. 


56 


RntwickeliinK  ilcr  Koniusstadl. 


Ober  das  bereits  zum  „Tcrazijski-Kvarl"  nehriri^e  Naf ionaltheater 
—  auf  der  Stelle  des  einstij^en  „Stanibultores",  an  dessen  massiven  An^tln  viele 
patriotische  Serben  aufgeknüpft  wurden  —  ist  künstlerisch  nicht  viel  zu  sa^en. 
Der  ziemlich  nüchterne  ii.iii  entspricht  der  Zeit,  als  Belt^rad  nicht  einen  tüchtig 
^escluiltcn  Archilckleii  besass  und  der  vnn  MiloS  zur  F^rinnerun^  an  seine 
ijliickliche  Rückkehr  IHfiO  Kt^^'ifli^''i^'.  ji-'''''  von  Riesenkastanien  beschattete  MiloS- 
Hriinncn,  f,'eKenüber  dem  mit  einem  Springquell  verschonten  kleinen  Square 
und  nahe  dem  Tramway-Wartehäuschen  auf  der  Terazija,  als  wahrhaftiges  Kunst- 


BELGRAD,  Fürst  Mihail-Denknial 
vor  dem  Nationaltheater. 


werk  angestaunt  wurde.  Den  seither  jj;emachten  Fortschritt  bekunden  Belgrads 
Neubauten,  seine  Maler,  Bildhauer  und  auch  das  nahe,  künstlerisch  ausgestattete 
Atelier  des  k.  Hofphotographen  Milan  Jovanovic,  dem  icheinigegelungeneAufnahmen 
danke.  Der  dem  unteren  Terazijateil  noch  anhaftende  gewerbliche  Charakter  — 
in  der  Sremska,  Makedonska  und  Prizrenska  ulica  gibt  es  noch  viele  Handwerker 
und  auch  eine  Dampfmühle  —  schwindet  schon  in  der  oberen  Milanstrasse,  und 
grössere  Niederlagen,  wie  jene  der  Budapester  Maschinenfirma  Ganz  &  Cie., 
kommen  dort  nur  vereinzelt  vor.  Die  obere  Balkanska,  Natalija  und  breite  Miloäeva 
ulica  tragen  sogar  entschieden  höfisch-bureaukratischen  Anstrich. 

Im  vornehmsten  Teile  dieses  eleganten  Stadtteiles  weht  in  der  Kralj 
Milanstrasse  die  rot -blau -weisse  Fahne  vom  Firste  des  unter  Alexander 
Karadjordjevic  zur  Fürstenresidenz  umgestalteten  alten  Simic-Palais.  Den 
„Staii-Konak"  genannten,  durch  einen  Mittel-  und  zwei  Eckrisalite  ausgezeichneten 


Neues  Pal;iif. 


Konnk. 


Ministerium. 


«i  -■^^'''s^  ^^ 


um 


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iJäüf.dbr'^^'^'t'l^: 


lU    I    lllv'All,     K<Miti;iit  lu  '.    in. IIS    lind    Stn.1t«tniiiis)riiuMi 


Entwickelung  der  Königsstadt.  59 

einstöckigen,  mit  fünfzehn  Fenstern  über  einen  kkinen  Vorgarten  nach  der  grossen 
Milanstrassc  liiickenclen  Bau  bewohnten  auch  die  1858  zurückberufenen  Obrenovice. 
in  dem  seine  Rückfront  unischliessenden  Park  steht  ein  niederer,  flacher  Halbrundbau, 
den  unter  Mihail  zwei  Geschütze  als  Palastwache  charakterisierten  und  in  dessen 
rechtsseitigem  bescheidenen  Räume  sein  Faktotum  Nastas  Jovanoviö  residierte. 
Dort  traf  ich  oft  Minister,  höhere  Beamte  und  Militärs  bei  Cibuk  und  Kaffee, 
ganz  ä  la  turka  die  Staats-  und  Stadtereignisse  besprechend,  wie  damals  über- 
iiaupt  der  ganze  Hofhalt  stark  orientalischen  Charakter  trug. 

Schlimmer  war  es,  dass  einige  das  Vertrauen  des  Fürsten  in  zu  hohem 
Masse  besitzende  Personen  ihn  durch  ihre  engherzigen  Gesichtspunkte  hinderten, 
jenes  Mäcenatentum  gegenüber  der  hilfsbedürftigen  serbischen  Literatur  und 
Kunst  ausreichender  zu  betätigen,  wie  dies  sein  grosses  Privatvermögen  erlaubte. 
Ausser  einigen  Porträts  von  historischem  Werte  in  des  Fürsten  Wohnräumen  sah 
ich  nur  mehrere  interessante  Objekte  der  südslavischen  Hausindustrie  im  kleinen 
Empfangskabinett  der  Fürstin  Julie,  das  ihr  vornehmer,  guter  Geschmack  zu  einem 
reizenden  orientalischen  Boudoir  gestaltet  hatte.  Hier  verkehrten  Künstler, 
Gelehrte  und  vorgestellte  Fremde  ganz  ungezwungen  als  willkommene  Gäste. 
Insbesondere  wurden  Bischof  Strossmayer  und  Professor  Daniele  von  der  hohen 
Frau  ganz  besonderer  Aufmerksamkeit  gewürdigt,  und  da  sie  gern  gute  Musik 
hörte,  auch  mancher  Abend  durch  Kornel  Stankovic  oder  von  Mitgliedern  des 
Gesangvereins  gekürzt,  [bekanntlich  blieb  die  fürstliche  Hhe  kinderlos  und  1865 
erfolgte  ihre  förmliche  Trenninig.  Fürstin  Julie  lebte  schon  früher  viel  in  Venedig 
und  Wien.  Von  ihrem  Oheim  Grafen  Fdmund  Zichy  begleitet,  erschien  sie  bei 
des  Fürsten  Leichenbegängnis  in  Belgrad,  dessen  humanitäre  Institute  sie  stets 
lebhaft  zu  fördern  suchte. 

In  die  liintonigkeit  ties  seit  Fürst  Mihails  gewaltsamem  Tode  im  Juni  1868 
still  gewordenen  Belgrailer  Konak  brachte  der  vierzehnjährige  Thronerbe  Milan 
unti  sein  Pariser  Gouverneur  Hue  wenig  Wechsel.  Nur  Professoren  kamen  und 
gingen.  Frst  mit  tiem  Einzüge  der  Fürstin  Naialia  im  Oktober  1875  wurde  es 
in  den  verödeten  Räumen  wieder  lebendiger.  Wiener  und  Pariser  Dekorateure 
besserten  an  ihrer  alten  Einrichtung,  und  bald  war  der  Konak  im  scharfen  Kontrast 
der  Schauplatz  heiterer  Feste,  aber  auch  ernster  Sorge.  So  als  dem  Fürsten- 
paare IH76  der  erselinie  Thronfolger  geboren  wurde,  als  Fürst  Milan  am  29.  Juli 
desselben  Jahres  miter  lien  (ilückwiinschen  des  Volkes  gegen  die  Türken  ins 
Feld  zog,  im  Herbste  besiegt  heimkehrte,  aber  ein  Jahr  darauf,  nach  glücklicherem 
Kriege,  das  Vasallenband  lösend,  si'in  Land  vergrösserte  und  sich  zum  König 
proklamierte. 

Nahezu  ausschliesslich  düstere  Tage  sah  der  Konak  nach  Slivnica  (1885), 
als  Kiinigiu  Natalia  schweren  Herzens  mit  ihrem  SaSa  (Alexander)  die  Villa 
„L  U  iiientina"  in  Wiesbailen  bezog  und  dieser  —  mit  deutscher  Polizeihilfe  ihr 
dort  auf  V\'unsih  des  Königs  Mil.in  inid  seiner  Regieriuig  schroff  entrissen  — 
1888  diu  (xk'ii  Räume  mit  seinem  Vater  betrat,  um  nach  frühzeitigen,  schmerz- 
liilien  l'.rl.ihrniigen,  iiaili  der  Trennung  seiner  Filtern,  ihrer  Abdikation  (6.  März 
188t)),  kniuciiiinniiler  Aussöhnung  im  lixil,  obgleich  minoremi  am    14.  .Vpril  1893 


60  RntwickelunK  der  Köni|;sstndl. 

(Iif  Rc>;cntschaft  beseitigend,  endlich  wieder  im  selben  Konak  den  verbannten 
Vater  und  am  10.  Mai  1895  auch  seine  über  ihre  Feinde  triumphierende  Mutter 
abwechselnd  be^rüssen  zu  kiinnen!   — 

Den  schönsten  Teil  der  k.  Residenz  bildet  ihr  am  12.  Januar  18H1  mit 
feierlicher  Grundstcinle>iun^  vom  Architekten  der  Wiener  Schule  Alexander 
Bu^arski  bcjjnnnencr  und  durch  Hansens  Schüler,  dem  k.  Baurat  llkic,  mit  dem 
Kostenaufwand  von  800000  d  1884  vollendeter  linker  F\üge\.  Um  für  diesen 
Raum  zu  schaffen,  mussten  der  „mali  Konak",  den  Fürst  Mihail  als  Thronfolger 
bewohnte,  und  einif^e  Gesindehäuser  ab^^etraf^en  werden.  Gleiches  Los  droht 
dem  „vcliki  Konak",  der  dem  projektierten  Mittelbau  einst  Platz  machen  soll,  sowie 
dem  von  Miioä  den  Minisferien  des  Innern  und  Äussern  zugewiesenen, 
bescheidenen  Zinnenbau,  in  dem  auch  die  Regentschaften  für  König  Milan  urfd 
Alexander  tagten,  weil  an  seine  Stelle  der  rechtsseitige  neue  Palastflügel  geplant 
ist.  Mit  zahlreichen  Kuppeln,  Türmen,  Terrassen,  Baikonen,  Karyatiden,  Adlern  usw. 
geschmückt,  dürfte  diese  vom  prunkliebenden  König  Milan  begonnene  Residenz 
nach    ihrer  Volleiulung   einer   der   prächtigsten   Herrschersitze   am   Balkan    werden. 

Der  reichen  Aussendekoration  des  auf  seiner  Orientreise  durch  Kronprinz 
Rudolf  inaugurierten  linksseitigen  Palastflügels  entspricht  die  von  Portois  <S  Fix  mit 
anderen  ersten  Wiener  Firmen  gelieferte  Finrichtung  der  grossen  Empfangsräume 
im  Renaissance-,  Rokoko-  und  orientalischen  Stile.  Namentlich  fand  ich  die 
byzantinische  Kapelle  und  den  vornehm  ausgestatteten,  10000  Bände  fassenden 
Bibliotheksaal,  ferner  das  bei  elektrischer  Beleuchtung  magisch  wirkende  Treppen- 
haus mit  kunstreich  geschnitzter  Stiege,  gleich  dem  freundlichen  Wintergarten 
sehenswert,  in  dem  König  Milan  als  Armee-Kommandant  (1897  —  1900)  gern 
weilte,  den  er  aber  nach  der  letzten  gewohnten  Karlsbader  Reise  nicht  mehr 
betreten  sollte!  —  Auf  die  Trauerbotschaft  vom  unerwartet  raschen  Ableben 
seines  Vaters  hatte  König  Alexander  sofort  die  Überführung  seines  Leichnams 
von  Wien  nach  Belgrad  und  dessen  Aufstellung  auf  prächtigem  Katafalk  im 
Königsbau  befohlen.  Doch  Milans  letztem  Willen  gemäss  wurde  er  in  Ungarns 
sirmischer  „FruSka  gora",  und  zwar  auf  Kaiser  Franz  Josefs  Anordnung,  mit  allen 
einem  regierenden  Herrscher  geziemenden  Ehren,  unter  Assistenz  des  Karlovicer 
Patriarehen  Brankovic,  des  Banus  von  Kroatien,  hoher  Funktionäre  des  ungarischen 
Adels,  k.  u.  k.  Offiziere,  Würdenträger  und  Verwandten  aus  Serbien  am  16.  Febr. 
1901  im  Kloster  Krusedol  bestattet,  wohin  die  erste  serbische  Fürstin  Ljubica 
(f  im   Mai    1843)  von  Neusatz  überführt  wurde  und  seither  ruht. 

Wer  die  vielen  traurigen  Episoden  des  im  inneren  Parteienzwiste  stark  aus- 
genützten Milanschen  Ehelebens  verfolgt  hat,  begreift,  dass  der  an  seiner  Beilegung 
verzweifelnde  junge  König  zuletzt  sein  und  seines  Landes  Heil  in  einer  nach 
der  Wahl  seines  Herzens  geschlossenen  Heirat  suchte,  die  jedoch,  weil  der 
Königin  Draga,  wie  behauptet  wird,  die  Befähigung  zur  Mutterschaft  von  der 
Natur  versagt  ist,  die  Sicherung  des  serbischen  Thrones  für  die  Dynastie 
Obrenovic  bisher  nicht  brachte  und  seit  1901  sogar  diesen  Ehebund  durch  sich 
vorwagende  einstige  Milansche  Anhänger  zum  Gegenstand  ernster  Erörterungen 
in    der    ausländischen     Presse,    sowie    im    Belgrader    Parlament    machte,    welche 


EntWickelung  der  Königsstadt. 


61 


auch  ihre  Schatten  bis  in  das  dein  Königskonak  benachbarte  Palais  des  serbischen 
Ministerrates  warfen.     (111.  Bd.,  V.  Kap.) 


Während  meines  Belgrader  Aufenthaltes  im  Sommer  1897  hatte  ich  die 
Ehre,  vom  König  Alexander  wiederholt  empfangen  zu  werden.  Er  bewohnte 
wie  gegenwärtig  den  linken  Flügel  des  seit  1868  unverändert  gebliebenen  Konak; 
seine  damals  im  Zenit  ihrer  Volkstümlichkeit  stehende  Mutter  den  rechts- 
seitigen. Ich  verzichtete,  der  hohen  Frau  mich  vorzustellen,  um  ihr,  wie  dem 
König  Milan  gegenüber,  den  ich  gleichfalls  nie  gesprochen,  in  diesem  Werke 
leichter   objektiv    bleiben    zu  können,    was    vielleicht    als    Mangel    an    Courtoisie 


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i  ^iWJI^; 


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BLLüK.XLi,   L;.il.il  J^.iiuijj  Isou. 


gedeutet  werden  konnte ,  bei  den  delikaten  \'erhältnisseii  im  Künigshausc,  wie 
das  J.  1900  zeigte,  aber  doch  das  richtigste  war.  —  Bei  meinen  Besuchen  im 
k.  Palais  bemerkte  ich,  dass  nicht  allein  dessen  Hauptzugitnge  von  der  Terazija, 
sondern  auch  alle  Nebenlore  durch  militärische  Doppelposten.  Gendarmen  und 
Geheimpolizisten  scharf  bewacht  wurden.  Selbst  zur  Audienz  erschienene  Pers«»iien 
kiiMiiteii  nur  iiiil  besonderer  Bewilligung  des  k.  Ilofmarschalls  Raäic  und  mit 
oflizieilei  Hegleitung  ilie  Innenräuine  des  neuen  Schlossbaiies,  des  k.  AWirslalls 
und  die  eben  vollendete  k.  Manege  im  anstossendeii  Parke  besichtigen  mter 
diese  durch  das  auf  den   „Balal  dzamija  trg"  führende  Tor  verlassen! 

Inmilten  des  christlichen  Belgrads  erhob  sich  bis  1878  die  „Batal  dzamija" 
(batal:  lürk.  verödet)  als  unstreitig  schönstes  türkisches  Bauwerk  des  „Srh  vilajels", 
einsam  und  majestätisch,  gleichsam  über  die  von  ihr  einst  gesehenen  glän/endcren 
llaliimoiult.ige    tiaueind.      Durch    seine    ,N\assigkcil    die   Umgebung    dominierend, 


62 


IvnlwickL-lunu  der  KoniKssLidl. 


^inn  ihr  L|ii;ulr;itiscliLr  Zuntralbau  von  braun  oxidierluin  Sandstein  in  halber  Hohe 
zum  die  kühne  Kuppel  tragenden  (Jktogon  über.  An  der  Südfassade  lehnte  das 
gleichfalls  auf  achtseilineni  Piedestal  zierlich  und  schlank  aufstrebende  Minaret. 
von  dem  der  weithin  schallende  Ruf  die  Gläubigen  zum  Gebet  rief,  Laudon 
aber  den  Anj^riff  auf  die  unferne  Citadelle  leitete.    Galeriekranz  und  Spitze  stürzten. 


'•-  '"•■«  • 


BLUiRAlJ,   Kibl.ili  der  Batal  Jzanuja  li»J. 


als  Karadjordjc  Belgrad  erobert,  von  ihrer  stolzen  Hohe  herab,  der  Hauptbau 
blieb  aber,  allen  Unbilden  der  Zeit  trotzend,  mit  Ausnahme  des  gewaltsam  aus- 
gebrochenen Hauptportals,  wohl  erhalten.  Durch  zwanzig  spitzbogige  Fenster  drang 
das  Sonnenlicht  in  den  weiten  Innenraum,  von  dessen  acht  zierlichen,  die  Kuppel 
stützenden  Kielbogen  vier,  als  Träger  der  die  Rundung  herstellenden  Pendentifs, 
auch  konstruktive  Bedeutung  besassen.  Die  aussen  den  Übergang  vom  Quadrat 
zum  Oktogon  vermittelnden  abgeschrägten  Trapeze  waren  im  Innern  und  ebenso 
die  Kiblahnische,  wie  es  meine  1860  gezeichneten  Skizzen  zeigen,  mit  reizenden 
kleinen  Stalaktitengewölben  dekoriert. 


ULLuKAK,  Aliiiilhiiii  Uc»  priijcklicricil  neuen  rnrlanicnls. 


Entwickelung  der  Königsstadt. 


65 


Es  war  ein  Lieblingsgedanke  des  Bibiiothekdirektors  Safarik,  die  Batal 
dzamija  in  ein  serbisches  Nationalijiuseum  umzuwandeln;  seine  Verwirklichung 
hinderten  jedoch  Rücksichten  gegen  den  damaligen  Suzerän,  welche  die  Ver- 
wendung des  stattlichen  Baues  zu  diesem  oder  kirchlichem  Zwecke  ausschlössen; 


Villa  Pirocanac. 


Palais  Rjstie. 


\ 'i.'.n.,..Lii;-ka-KiulK-.  .Wihi.s-HrutiiK'ii.  K.iii!ii;iM.Iu   K.iptl^ 

HKl.CiRAD,    H.iiilni  im  Terii/.i|n-VuTlrl. 


er  blieb  uiiiH'iiiit/t  iintl  \Mirde  auf  Befehl  des  energischen  Regenten  Blaznavac 
leider  iltin  Hmlen  gleich  gemacht.  Im  Zentrum  iles  weiter  als  „Marveni  trg" 
(Vieiimarkt)  dieneiulen,  jüngst  aber  durcli  eine  junge  Parkanlage  verschiinien  Platzes 
stellt  ein  provisorischer  Cirkus,  und  die  ihn  umsäumenden  niederen  Hiiuserzeileri 
gewinnen  allmilhlich  durch  bessere  Zu-  und  Neubauten;  unter  diesen  die  hübsche 
llaiidelsscluile.     Auch   die   rUckwJtrtige   Konakmauer   soll    durch    ein    zierliches 

I     KANITZ,   Siil.Kii     1  .'■ 


66  RntwickcluriK  der  KöniKsstadt. 

EiseiiKitlcr  ersetzt  werdun;  (kiiii  hier  sind  die  neuen  Ministerien  (geplant,  in  deren 
Mitte  ein  von  Jovannvic  entworfener  ^rossartif^er  Parlamenisbau  mit  dem  Milo§- 
Denknial  stehen  sollen,  für  das  sich  1897  ein  Komitee  (gebildet  hat.  Längst  erschein! 
die  alte  provisorische  Skupätina,  wie  ich  1897  persönlich  fand,  eines  Gesetze 
gebenden  Körpers  unwürdit^  und  bei  Feuerlärm  geradezu  lebensgefährlich!  Durch 
zweimal  höhere  Pappeln  mildtätig  in  tiefen  Schatten  gestellt,  kontrastiert  sie  selbst 
allzusehr  von  den  benachbarten  bescheidenen  Ministerien  für  Unterricht  und 
Justiz.  Dieser  hoffentlicii  hakl  durch  die  Spitzhauen  der  Robiaäi  weggeräumte 
Bau  lässt  uns  selbst  die  gegenüber  stehende,  von  dem  Fürsten  Mihail  1863  für 
die  Garnison  gestiftete  „Voznesenska  crkva"  (Auferstehungskirche,  s.  Bild  S.  65), 
milder  beurteilen  (III.  Bd.,  XVIII.  Kap.). 

Die  meisten  der  genannten  öffentlichen  Gebäude  des  Terazijski-Kvart  und 
auch  die  unter  dem  Protektorate  der  Kcinigin  Draga  stehende  Höhere  Mädchen- 
schule in  der  „Devojacka  ulica"  (Jungfraugasse),  welcher  Königin  Natalia 
die  iiir  vereiirtc,  min  nach  ihr  benannte  russische  Feldkapelle  „Aleksandar  nevski" 
1878  widmete,  besitzen  schöne  Gärten;  an  exotischen  Bäumen  und  Pflanzen 
besonders  reich  ist  das  1891  vollständig  renovierte,  dem  Konak  gegenüber 
stehende  Simicsche  Haus,  welches  die  russische  Gesandtschaft  1897  für  eine 
hohe  Summe  zur  Aufführung  eines  grossartigen  Neubaues  erwarb. 

Gegen  Norden,  begrenzt  von  den  Terazijski-  und  Palilulski-Vierteln,  sehen 
wir  den  von  der  breiten  Milan-  und  Savastrasse  durchschnittenen  „Vracarski- 
Kvart"  sich  weit  südlich  auf  den  Topciderc-Höhen  ausbreiten,  über  welche  fort- 
während ein  erfrischender  Luftzug  hinstreicht.  Namentlich  deshalb  siedelten  sich 
auf  dem  auch  gutes  Wasser  bergenden  gesunden  Vracar  die  höheren  Beamten-, 
Offiziers-  und  Professorenkreise  gern  an.  Die  Mehrzahl  der  kleinen,  aber  doch 
meist  vornehmen  Charakter  tragenden  Häuser  ^  ich  erwähne  hier  nur  jenes  des 
verstorbenen  F.xregenten  Ristic  und  das  durch  einen  Turmbau  von  unserem 
Aussichtspunkt  leicht  zu  erkennende  Cottage  seines  energischsten  Gegners 
Pirocanac  (s.  Bild  S.  65)  —  besitzen  ansehnliche,  wohlgepflegte  Gärten,  welche 
dem  ganzen,  terrassenförmig  aufsteigenden  Viertel  das  Aussehen  eines  grossen 
Villenkomplexes  geben. 

Ursprünglich  nur  aus  von  A\ilos  für  sein  kleines  stehendes  Heer  angelegten 
Kasernen  bestehend,  deren  Baustellen  er  meist  persönlich  seinen  cinkarischen 
Meistern  mit  dem  Säbel  im  weichen  Wiesengrundc  umriss,  traten,  wie  bei  den 
römischen  Standlagern,  bald  auch  öffentliche  Zivilbauten  hinzu,  die,  obschon  ohne 
besdiuiiMcn  architektonischen  Wert,  ihrem  Zweck  und  den  Landesmitteln  vollkommen 
entsprachen.  Unter  Fürst  Alexander  entstanden  in  der  von  der  Königin  Natalia 
mit  Vorliebe  zu  Fusspromenaden  benutzten,  früher  von  Riesenpappeln  besäumten 
Topcider-,  jetzt  trefflich  regulierten  „Knez  Milos-Strasse"  das  langgestreckte  heutige 
Bauten-Ministerium,  ihm  gegenüber,  in  einem  kleinen  hübschen  Parke,  das  alte 
Senats-,  nun  dem  Finanz-Ministerium  und  der  Landwirtschafts -Gesellschaft 
eingeräumte  Gebäude;  ferner  die  1850  gegründete  und  1880  erweiterte  Militär- 
Akademie,  ein  ansehnlicher  alter  Bau,  in  dessen  Flur  die  Namen  der  in  den 
letzten    Kriegen    gefallenen     Helden    zum    aneifernden     Beispiel     für    die    jungen 


Staatsrat  und  oberster  KontroIIhof. 


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MIHtnr-Akndriiilr. 
BELGRAD,    Ollciilllchc  Ücbludc. 


Entwickelung  der  Königsstadt. 


69 


Zöglinge  vuruwigt  wurden.  Die  anstossende  Kaserne  trägt  gleich  zwei  benachbarten 
für  Kavallerie,  im  Gegensatz  zu  deij  modernen  Pavillonbauten  in  Nis,  Zajecar, 
Kragujevac,    G.   Milanovac  u.  a.,   den    primitiven   Milo§'schen  Typus.     Diese   den 


liKLüRAD,  Meteorologische  Anstalt  und  Stcrnuarlc. 

siiiiitarLii  uiul  bauliclieii  Anlorderungen  so  gar  nicht  entsprechenden,  drei  Ricseii- 
nuadrate  einnehmenden  Bauten  sollten  um  so  rascher  verschwinden,  als  sie  das 
IHOO    Im    ilirem   Bereich   errichtete   ansehnliche    Gebäude   für  den   Staatsrat   und 


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■ .  n  .1  ritii     III 


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Ml' l.liK  Al>,  llcrKbnuninl  und  UcoIokIhcIic»  Mimriiin. 


OluisUii  Rei  hnii  iigshiil  gleich  sehr  wie  ilas  aiil  ihrem  lerrain  jungst  voll- 
eiuleie  „  M  i  n  i  sta  r  sk  a  vdjiia"  (Knegs-.W  )  iiiui  das  vom  KfWiig  der  Garnison 
gewHJinele  „Oflicirski  dum"  (Kasino),  mit  hübschen  Fassaden  von  llkic,  in  ihrer 
arciiileklunisciieii  Wirkung  lieeinlr.'lchligen. 


70  EiilwickcliiriK  dvr  Koiij|;K.stadt. 

Zu  des  Vracars  bcsscrun  Bauten  zählen:  llkics  liuhsche  Katholische 
Kapelle  in  der  Krunska  ulica  (s.  Bild  S.  63),  die  Bergbau  -  Abteilung 
des  Handels-Ministeriiiins  mit  interessantem  Museum;  die  Meteorolo>{ische 
Anstalt  und  Sternwarte  in  der  Sumadinska  ulica;  das  vom  Theater-Intendanten 
Ür.  Petrovic  diircli  milde  Beiträj^e  1880  Ke^ründete,  mit  einer  Gewerbeschule  vcr- 
iniiKk'iiu  uikI  segensreiche  llrfolj^e  erzielende  Waisenhaus  in  der  Studenicka 
iiliea  (III.  Bd.,XV'l.  Kap.),  die  liither  liegende  Irrenanstalt,  entstanden  1861  im  alten 
[)r.  Cunibertseiien  Hause  und  seither  wiederholt  vcrgrössert,  mit  Einzclzellen  für 
Tobende,  grossen  Sälen,  schönem  Park  für  beide  Geschlechter'),  das  Militär- 
spital, das  Chemische  Laboratorium,  die  Hufbeschlajjschule,  die 
1886  erbaute  erste  Markthalle  mit  zierlicher  Gitterumfassuny  und  vom  Ver- 
schünerungsverein  ^gestifteten  Widniungstafeln,  der  sich  auch  um  das  Aufblühen 
der  vom  Volk  „Englezovac"  f,'enannten  benachbarten  neuen  Ansiedelung  ver- 
dient  Miachtc. 

Das  ausgedehnte,  früher  unhewolmte  Terrain  dieses  wahrscheinlich  bald  ein 
iiesonderes  Viertel  bildenden  Vracarteiles  erwarb  der  Temperenzler  Mackenzie  von 
dem  Minister  Simic  1877  für  den  geringfügigen  Preis  von  5000  Dukaten  -  85000  d. 
Sein  Nachfolger  Girdon  setzte  die  Veräusserung  in  kleinen  Parzellen  mit  Gärtchen 
erfolgreich  fort,  trotzdem  in  diesem  Cottage  keine  Schenken  oder  lärmenden 
Gewerbe  aufgeiioinnien  werden,  weil  die  Monatsmiete  selbst^  kleiner  Logis  am 
V'raear  sciion  12—15  Dukaten  betrug  und  sich  hier  nur  für  weniger  wohlhabende 
Kreise  die  Möglichkeit  bot.  ein  eigenes  Heim  für  800—1000  Dukaten  zu  erwerben. 
hn  J.  1887  wurde  das,  den  markanten  F.ckpfeiler  des  „Englezovac"  bildende, 
viel,  von  gastierenden  Artisten  aufgesuchte  hübsche  „Hotel  Slavija"  gegründet, 
welche  im  Garten  allerlei  Produktionen  geben;  auch  der  Klub  „Lumir"  veranstaltet 
dort  seine,  das  stark  entwickelte  tschechische  Nationalgefühl  bekundenden  Gesangs- 
und Theaterabende.  Gegenüber,  am  Beginn  der  „Makenzijeva  ulica",  besitzt 
der  angesehenste  aller  serbischen  Turnvereine  „Dusan  silni"  seine  grosse  Übungs- 
halle, und  am  Kndpunkt  der  schönen  „Sv.  Savska  ulica"  ist  auf  dem  Platz,  auf 
dem  die  Gebeine  des  Heiligen  von  den  Türken  verbrannt  wurden,  statt  der  heutigen 
provisorischen  Kapelle  ein  Dom  projektiert,  welcher  der  grossarfigste  Kirchenbau 
des  Königreichs  werden  soll!  Durch  die  nahe  „Nebojsina"  („Fürchte  nicht"- 
Gasse)  gelangt  man  zu  dem  Denkmal,  das  „Alexander  Karadjordjevic,  serbischer 
Fürst,  1848  zum  Ruhme  der  serbischen  Helden,  welche  1806  für  das  Vaterland 
tapfer  starben",  errichtete.  König  Alexander  Obrenovic  V.  aber  1889  renovierte 
und  mit  einem  von  den  .Anwolmern  gern  besuchten  .Akazienliain  umgab,  der  die 
Gräber  und  alten  Steinkreuze  der  Krieger  beschattet,  die  hier  mit  hölzernen 
gegen  eherne  Kanonen  kämpften! 


')  1892  belicrberiite  das  Irrenhaus  unter  Kistics  liberaieni  Reiiime  den  ehemaligen 
Arcliiniandriteii,  spateren  Sozialistenfütirer  V'asa  Pelagic,  der,  mit  dem  Bann  belegt  und  seiner 
Priesterwürde  verlustig  erklärt,  wiederholt  mit  längerer  Haft  bestraft,  am  7.  Febr.  1899  im 
Pozarevacer  Staatsgefängnis  starb,  wo  er  eine  neue  längere  Strafe  abbiissen  sollte.  ^  Auch 
der  Wahnsymptome  zeigende  radikale  V'olkstribun  Kanko  Tajsic  wurde  am  11.  Sept.  1901 
dieser  Landesanstalt  übergeben. 


Entwickülung  der  Königsstadl. 


n 


ÜLT  Kaiiipl  des  Alten  mit  dem  Neuen  tritt  in  der  jungen  Königsstadl  nirgends 
so  auffällig  hervor,  als  in  dem  vom,  Dunavski-,  Vracarski-  und  Terazijski-Viertel 
begrenzten  „Palilulski-Kvart".  Gleich  hinter  dem  Theater  erblicken  wir  neben 
dem,  der  „Ersten  serbischen  Veloziped-Gesellschaft"  provisorisch  zugewiesenen, 
für  das  Zentralpostamt  oder  ein  Gymnasium  reservierten  Übungsplatz,  eine  wahre 
tabula  rasa,  auf  welcher  der  Ausbau  unzähliger,  auch  den  Metropolitangarten 
bedrohenden  Häuser-Quadratblöcke  allmählich  zur  Donau  fortschreitet.  Zwischen 
der  nahezu  vollendeten,  nach  dem  König  benannten  Hauptverkehrsader  des 
Viertels  und  der  Takovska  ulica  liegt  seine  jetzt  hübsch  umfriedete  einschiffige 
„f'alilulska  crkva",  geschmückt  nur  durch  Rundbogen,  Liseneii  und  Bilder  des 
Apostels   Sv.  Marko,   mit  isoliertem   Holzturm.      1835  erbaute  sie  AAilos  auf  tesla- 


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ß  i;  1.  ü  F<  A  Ü ,  iJcnkniiil  der  Helden  von  IfWi. 


iiiLiitariscIieii  Wunsch  des  Macedoviachen  Lazar  France  von  Katranica  aus  dessen 
dem  l'drslen  liinterlassenem  Vermögen;  1838  setzte  MiloS  dem  Stifter  an  der 
Nordmauer  eine  tliesen  ehrende  Gedenktafel,  im  schlichten  Imienraum  wurden 
beigesetzt  in  einer  Grutl  rechts  vom  liaupteingang  der  nur  kurz  und  nominell 
regierende  Kürst  Milan  Obrenovie  II.  (geb.  19.  Okt.  1819,  f  8.  Juli  1839).  dem 
sein  [iruder  Mihail  1857  ein  einfaches  weisses  Marmurkreuz  widmete,  und  König 
Milans  frühgeborener  zweiter  Sohn  Sergije  (geb  14..  f  19.  Sept.  1878);  ferner 
links  die  Gemahlin  lies  Jiivan  Obrenovie,  Rriuler  MiloA".  f  21.  Jinii  1880  in) 
()2.    Lebensjahr. 

Hei  dieser  durch  viele  Schenkungen  reichsten  serbischen  Kirche  wurde  am 
Sl.  Andreaslage  (12.  De/.)  \KM)  jener  grossherrliche  Hat-i-scherif  verlesen,  welcher 
Serbien  seiiu'  im  iiefreiungskrieg  1815  erworbenen  |iolilischen  Rechte  feierlich 
verbriefte.  Um  die  strittige  Vorlritlsfrage  bei  diesem  Akt  zu  li>sen.  errichtete 
man,  ähnlich  wie  Ihm  dem  Po^arevaeer  l"riedensschluss  zwischen  dem  Sultan  und 
Kaiser    (\'.    Kap),     aiil    dei    iialuii    „Uinka"    (Hügel)    ein    /eil    mit    zwei   Zugtingcn. 


72 


Entwickcltiii^  der  KoniKsüladt 


durch  welche  l'ürst  Miloä  und  Hussein  Pascha  zugleich  ciniraten,  in  der  Mitte  sich 
benrüssteii,  worauf  ilie  Verlesunj^  henanii.  Seither  spielte  sich  —  wie  bei  der 
einstif^en   Wiener   „Brinitta-Kirchweih"  auf  dem  f^rossen   Wiesenplan    vor   der 

„Palilulska  crkva",  am  Tage  ihres  Namenspatrons  Markus  (25,  April  a.  St.),  jähr- 
lich, nach  dem  vom  Fürsten,  Senat  und  den  Ministern  besuchten  Gottesdienst, 
ein  grosses  Volksfest  ah,  das  durch  die  Teilnahme  der  mit  Gesang  und  Tanz 
sich  belustigenden  Jugend  aus  den  nahen  Dörfern  seinen  Hauptreiz  erhielt,  längst 
aber   viel   an   (iian/   um!    l'o|)iilaritat   verloren    hat. 

Auf  dem  das  Kirclilein  umgebenden  alten  Kriedhof  ruhen  in  meist  wenig 
gepflegten  Gräbern  viele  Manner,  die  sich  in  Serbiens  neuerer  Geschichte  einen 
Namen  gemaclil.  Interessant  uar  mir  ein  Stein  mit  der  Inschrift:  „Dimitrije  Camis 
Karataso,   dem   nnerselnoekenen   Volksführer  im    Befreiungskampf   der  Orcnzlande. 


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BELGRAD,   Paliliilsk.ikirche. 


geb.  zu  Njegusti  in  Macedonien  179K,  f  m  Belgrad  1861,  wurde  auf  Befehl  des 
Fürsten  Mihail  Obrenovic  dieses  Denkmal  gesetzt"  —  jedenfalls  ein  verdienstvoller, 
aber  vergessener  Mann,  über  den  ich  in  serbischen  Werken,  auch  bei  AMIicevic, 
vergebens  Aufschlüsse  suchte.  Andere  mehr  oder  weniger  reiche  Monumente 
schmücken  die  Grabstätten  des  vielgenannten  \'ucic  Perisic  (geb.  1784,  f  1859)  — 
des  Diplomaten  Stojan  Simic  (1797,  f  1852)  —  des  Magyarengegners  im  J.  1848 
Stevan  P.  Knicanin  (1808.  f  1855)  —  des  tapferen  Obersten  Vlajkovic  —  des 
Stifters  des  gleichnamigen  Bücherdruckfonds  Ilija  Milosavljevic  Kolarac  (1798, 
f  1878)  —  des  gelehrten  Seminarprofessors  Vladimir  Vujic  (1818,  f  1882)  — 
des  Autors  der  „Putecestvija".  Joakim  Vujic  (f  1846)  —  von  Sima  Milutinovic 
Sarajlija  (f  1848)  —  Janko  Safarik  (f  1876)  —  Josif  Pancic  (f  1888)  —  Djura 
Jaksic  —  General  Ranko  Alimpic,  dessen  Grab  auch  die  zur  baldigen  Über- 
tragung nach  Savinac  bestimmten  Reste  von  Aleksa  Vukomanovic  und  seiner 
Frau  Mina,  Vuks  berühmter  Tochter,  umschliesst,  u.  v.  a. 

Unter  den  Denksteinen  fremder  Staatsangehöriger  fielen  mir  namentlich  auf: 
der  von  einer  Trauerweide  beschattete  des  englischen  Generalkonsuls  Thomas 
de  Grenier  de  I-onblanque,  welcher  1860  durch  eine  brutale  türkische  Schildwache 


Entwickc'liing  der  Königsstadt. 


73 


,1111  KaliiiicKclan  getötet  wurde,  iiiui  der  stilreine  gotische  eines  Zimmermeisters 
aus  Halbstadt  hei  Danzig.  Höchst  origijiell  sind  viele  ältere,  meist  aus  ungarischen 
Werkstätten  bezogene  Grabsteine  mit  Rädern,  Sternen,  Kreuzen  und  Ornamenten 
in  oft  phantastischer  Anordnung.  Am  Fusse  der  reicheren  Monumente  fehlen 
selten  eiserne  Umfriedungen  und  zierliche  Laternen,  bei  jenen  der  Mittelklassen 
aber  nie  ein  Holzkästchen  mit  Lampenglas  oder  mit  einer  der  antiken  ähnlichen 
Tonlampe.  Die  letzten,  von  dichtem  Pflanzen-  und  Baumchaos  überwucherten, 
meist    eingesunkenen    Gräber    der    „Namenlosen"    liegen   schon    auf  dem   zuletzt 


Uli  LOK  AU,    S;il|KI.'li. 


stark  e.xiiloitlerlen  Kalksteinbruch  „Taämajdan".  Tief  unten  an  seinem  zerklüflelen 
Hange  zeichnete  ich  1860  seine  „Salpeterhöhle",  deren  Krde  durch  primitive 
Abdampfimg  trefflichen  Salpeter  lieferte.  Während  des  Bombardentents  (1862) 
bot  sie  den  flüclitenden  l-'rauen  willkommenen  Schutz;  gegenwärtig  dient  sie  der 
KiMiininne,  als  ein  diuih  llnizwihide  abgeschlossenes  Magazin,  fdr  etwa  150  der 
im   Kriegsfälle  zu  stellenden  (iOO   „Komora"   (Heerwagen). 

Nordwestlich  vom  Ta.smajdan,  am  Kreuzungspunkt  der  Theater-  und  Zar 
DuSan-Sirasse,  erhielten  sich  Reste  des  ehemaligen  Sladtwalltorcs.  „Vidin-Kapija". 
In  (kr  gleichnamigen  Oststrasse  steht  inmillen  ihrer  meist  unansehnlichen  Häuser 
die  „Holiiica",  das  erste  städtische  Hospital,  dessen  Bau.  nächst  dem  2000 
Dukaten  spendenden  l-'iirsten  Miliail,  in  der  i'llrslin  Julie  seine  eifrigste  Ki^rderin 
land.     Ilnc,  den   I Aulenden   bewiesene   Teilnahme    bleibt    gleich  unvergessen,   wie 


71 


l-Inlwk'kclunK  der  KoniKssladl. 


die  aii((i|)leriulL'  ['flfnc,  wuklic  die  KOninin  Natalia  den  sthwervcrwundeten 
Soldaten  in  denselben  Räumen  widmete.  Hier  wirkt  (>e({enwärtig  die  in  Genf 
fiehiklete  l"rau  Dr.  Ljuhica  Djuric  aus  Kra^^ujevac,  eine  der  fünf  absolvierten 
serbischen    weiblichen   Arzte.      Südöstlicher    bemerken   wir  die    1890   durch    den 


n^^ 


Mmm 


lilf  fIS? 


13  t  Hj  l<  A  U  .    Sladl-Kraflkcilhau... 


Arciiitcktcn  A\ilaii  .Antonovic  mit  250000  d  vollendete  Volksschule,  und  der 
alten  Kaserne  tsegenüber  den  vom  König  Milan  der  Hochschule  geschenkten 
Betanischen  Garten   (III.  Bd.,  XV.  Kap.). 


BELGRAD.   W.iisenhaiis. 


Oleich  interessant  ist  die  östlich  von  unserem  Observatorium  erscheinende, 
IScSS  im  occidentalen  Stile  geschaffene  Friedhofsanlage  mit  Svetozar  Ivackowics, 
im  Zentrum  aufstrebender  schönen  Sv.  Nikola-Kuppelkirche.  Sie  wurde  von 
Draginja    zu    Ehren    ihres    1889  verstorbenen    Mannes,    des    Staatsrates   Manojio 


EntwickcluMt;  der  Königsstadt. 


75 


I'Llrovic,  gestiftet,  von  1890—1893  vollendet  und  kostete  81200  d.  Obschon 
klein,  machen  die  gelungenen  Verhältnisse  des  in  Wechseliagen  mit  hübscher 
Stirnrose  über  dem  Portal  ausgeführten  Äussern,  im  reich  ausgestatteten  Innen- 
rauni  aber  die  vier  prächtigen,  graumarmornen  Kuppelsäulen  aus  Banjica  und 
Ripanj,  die  von  dem  Künstler-Ehepaar  Stevan  Teodorovic  gemalte  Ikonostasis 
und    die   nach    Petar  Ranosevics   Kartons   durch  Domenico   angefertigten  Fresken, 


x>-*^ 


Hl   I.CiKAI).    l'ahMeiihniis  im  Boliiriischen  Oiirlt'ii  der  Hdchscluilr. 


d.ink  der  nchlii;  \eileilleii  l.uliiu  irkiiiig,  erhebenden  Eindruck.  In  den  sorgfältig 
gepflegten,  sternförmig  um  ilie  Kirche  gruppierten  (Iräberparzellen  ruhen  unler 
jungem  Grün  die  hervorragenden  (jelehrlen;  Djuro  Daniiic  -  Josef  Pancic  — 
der  General  Kosla  S.  Protic  (f  1892)  -  der  1893  pjot/lich  verschiedene  Unlcr- 
riclitsminisler  jiiv;ni  HoSkovit  —  die  mit  grossem  Pomp  bestatteten  Patrioten 
[)r.  Dokic  (t  1893)  imd  General  Horvalnvic  (f  1895)  der  venlienslvolle  Schrifl- 
sleller  Milos  Milojevic,  den  ich  1897  zur  letzten  Ställe  begleitete  der  auf 
Slaalskosteii    bestaltele    lieffliciie   Jim  ist    Nikola   Krslic    (f    1902)    u.   v.  a.  Tief 

ergriff  muh  rni  Stein  mit  den  F^eliefporlräts  der  vier  engelsgleichen  Kinder. 
weiche  die  tuckisciie  Diplilheritis  an  einem  Tage  dem  Hoehschulprofessor  Andrn 
Nikolic    raubte.  In    der     angrenzenden     Abteilung    für     Israeliten     crsclieiiil 


7()  Entwickflunt;  der  KünJKSstadl. 

crwjlhiiuiiswtTt  der   suiiiur   Humanitiil  und    Unei^cnnützij^kcit  wcyen  allen  Kreisen 
unverfiesslichc  Arzt  l^nat  Hirsch  (f  ISÖO). 

Im   westlichen  Stadtfrieden    dehnt  sich  der  ianjje,   schmale,   vom  Frühjahrs- 


BEI.ORAD.  Neue  Sv.  Nikola-Friedhofskirche. 


Iiuchwasser  1897  wieder  arg  mitgenommene  „Savamalski-Kvart"  endlos  aus. 
Er  besteht  meist  aus  Engros-Niederlagen,  Entrepots,  Zollamts-  und  Privatmagazinen, 
welche   von   den   am  Savaufer  landenden  Dampfern   und  Ruderboten  fortwährend 


.JII||iWlliii^MW 


BELGRAD,   Pnliliilska-Volksschulc. 


gefüllt  und  entleert  werden;  die  zum  Export  bestimmten  Rohprodukte  aller  Art 
wandern  meist  vom  Wagen  direkt  in  den  breiten  Leib  der  festverankerten,  25Ü0  bis 
3000  Meterzentner  aufnehmenden  Schleppboote.  Das  lebhafteste  Geschäftstreiben 
herrscht    naiie    dem    Hauptzollaint    und    Halteplatz    der    Dampfschiffe,    den    die 


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u 
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Entwickelunß  der  Königsstadt.  79 

elektrische  Tramway  und  „Grosse  Treppe"  (S.  4)  mit  der  Oberstadt  verbinden. 
Vor  den  Af^entien  der  verschiedenen ,  Bahn-  und  Flusstransport-Geseiischaften 
Malten  lange  Kolonnen  von  Wagen,  Karren  und  Lasttieren,  welche  Kisten,  Fässer. 
Ballen  aus  dem  Innern  bringen  oder  für  dieses  übernehmen.  Hier  bilden 
Agenten,  Ladenjünglinge,  Bauern,  Matrosen,  Lastträger,  Kutscher,  Brot-,  Back- 
werk-, Obstverkäufer  usw.  einen  oft  schwer  durchdringbaren  Knäuel,  in  den 
zahlreiche  Polizisten  etwas  Ordnung  bringen. 

Von  den  grossen  Salznionopollagern  in  der  Savska  ulica  bis  zum  „Nikolski  trg" 
reihen  sich  lückenlos  die  Niederlagen  von  Baubestandteilen,  Perlmoser-  und 
Beociner-Ceinent,  Eisen,  Glas,  Porzellan,  Marmorarbeiten,  Grabkreuzen,  Land- 
wirtschaflsmaschinen,  Öfen,  Leder-,  Holz-,  Korb-  und  Hanfvvaren,  eisernen  Kassen, 
verschieden  geformten  Wagen,  fertigen  Bauernkleidern,  Schuhen,  Manufaktur- 
und  Galanterieartikeln  usw.  An  einigen  Magazinen  klebende  Zettel  „Jzdaje  se  po 
kiriju"  (zu  vermieten)  verraten,  dass  ihre  früheren  Eigner  durch  schlechten 
Geschäftsgang  oder  gewagte  Spekulationen  in  Konkurs  geraten  sind;  denn  der 
solide  Belgrader  Kaufmann  ist  konservativ  und  wechselt  selten  sein  Lokal.  Jeder 
oft  nur  wenige  Napf)leons  Besitzende  versucht  es  mit  einem  Kleinkram;  gewissen- 
lose ausländische  Agenten  erleichtern  ihm  dessen  Füllung.  Die  Folge  davon 
sind  häufige  gerichtliche  Feilbietungen,  welche,  unter  lärmendem  Trommelschlag 
vollzogen,  das  Gefühl  und  Ohr  des  Fremden  unangenehm  berühren. 

.Auf  der  Westgrenze  des  Savamalski-  und  Varoäki-  befand  sich  das  1862  von 
(k'ii  eriiitterteii  Belgradern  demolierte  „Varoä-Kapija",  das  dritte  Tor  des  ver- 
schwundenen Stadtwalles,  auf  dessen  Krone  bis  zum  Stambultor  im  J.  1814 
Hunderte  serbischer  „Rebellen"  gepfählt  wurden,  falls  sie  nicht  zum  Islam  über- 
traten, was  die  meisten  verweigerten.  Ein  Jüngling  rief,  als  die  Türken  ihm 
eifrig  zusprachen:  „Lieber  sterben!"  Auf  und  nahe  dieser  alten  Rieht-  und 
Schnuitzstätte  entstanden  viele  kleine  und  grossere  Etablissements  für  Kunst  und 
Industrie,  ich  erwähne  nur  die  k.  Staatsdruckerei,  das  reizende  Haus  des 
tüchtigen  Kunsttischlers  Vlajkoviö,  das  schöne  Heim,  das  sich  der  treffliche  Maler 
Teodorovic  bei  dem  rumänischen  Konsulat  erbaute  usw.  \'nni  „Hotel  Bosna" 
führt  die  stets  gefüllte  i'lektrische  Tramway  vorüber  an  dem  denkwüriligen 
k.  Brauereisaal,  in  dem  1H5H  die  Skupslina  den  Fürsten  Miloä  auf  den  Trnn  berief 
und  im  Septcnilur  I8HH  über  MO  Personen  aller  Stände  durch  ein  glänzendes 
Bankett  den  limulertjälirigen  Geburtstag  Vuks,  des  populären  Reformers  des 
serbischen  Schrifttums,  feierten.  Weiler,  bei  dem  vom  Wiener  Architekten 
V.  Fiatlich  (f  1900)  erbauten  Bahnhof,  dem  unstreitig  gelungensten  Bau  dieses 
früher  arg  vernachlässigten  ungesunden  Stadtteiles,  liegen  in  seiner  tiefen 
Umgebung  {7.T  m  SeehiWie)  dessen  l.oknmotivhallen  und  Werkstätten  am  Süd- 
lande  iler  oft  überschwemmten  „Bara  Veneiija";  ferner  ilas  Tabakmonopol,  das 
Gagarinsche  PelroleuuMeservoir  mit  Hafen,  die  ZündhAlzchenfabrik,  die  Zucker- 
fabrik untl  einige  der  hier  abgebildeten  industriellen  Etablissements,  welche  ich 
im  III.  Bande  noch  ausführlicher  schildern  werde. 

Blicken  wir  hinaus  über  das  Weichbild  der  serbischen  Hauptstadt  gegen 
Osten,    Sil    silu'M    wii    iiniirlialb    des    I.audonschen    Schanzengürtels,    nahe    der 


f^"  P.nlwicki'liiny  der  K<)ni(;ssladt. 

hfiitiKcn  Richtsljillu  „Kara  biirnia"  (tlirk.  schwarzer  Rin^),  zahlreiche  /.leneleien. 
welche  die  zur  Donau  streichenden  treffhchen  Tonlaj^er  verarheilen,  ferner  neu 
entstandene  ralirii<aniaKen  für  Elektrizität,  Tuch,  Leinwand  usw.  neben  älteren 
Dampfiniihlen,  Bierbrauereien,  Spiritus-  und  Spodiurnfabriken.  F-^lwas  westlicher 
folf^en  die  k.  Ställe,  jene  der  Tramway,  die  Reservoirs  der  Wasserleitunj^  und  1897 
erbauten  Porzellan  fabrik,  die  grossen  Weifert-  und  Baillonischen  Brauereien, 
und  über  iiincn  zwischen  Weingärten  und  Waldgrün  auf  den  Topfiderer  Vor- 
iK'ihcn  der  sich  stetig  mehrende  hübsche  Villenkranz  wohlhabenderer  Belgrader 
Kaulleute,  Offiziere  und  Staatsbeamten. 

Von  der  eleganten  Überbrückung  der  braunen  Sava  späht  aber  der  Blick 
auf  der  weitgedehnten,  mit  Tümpeln  zwischen  hohem  Schilf  und  Gras  erfüllten 
monotonen  Fläche  vergebens  nach  Werken  der  Menschenhand.  Es  wäre  denn 
der,  die  „Bezanija  bara"  durchschneidende,  hohe  Schienendamm  oder  die  kahlen 
Mauern  dcT  1897  durch  das  Frühjahrshochwasser  zerstörten  „Burma".  Nur 
die  nach  Browns  Ansicht')  vor  230  Jahren  entstandene  „Kriegsinsel",  aus 
(leren  dichtem  Baumgrün  ungarische  weisse  Zollhäuschen  bei  dem  malerisch  sicti 
aufbaueiuicn  Sumliii  spähend  hervorlugen,  uiui  das  schöne  Profil  der  rebenreichen 
„Fru.ska  gora"  versöhnen  mit  diesem  reizlosen  Vorgrimd.  Der  Sonnenuntergang 
breitet  aber  unbeschreiblicii  prachtvolle  Farben  über  den  durchfeuchteten  Sava- 
boden,  und  im  Sommer  gewährt  lias  Abbrennen  der  endlosen  „Riede"  zur  Erzielung 
reicher  Grasernteii   einen   an   Prärienbrändc   mahnenden   materischen  Anblick! 


Und  übcrrascheiuier  noch  als  das  total  veränderte  Aussehen  des  vor  kaum 
mehr  als  drei  Decennieii  halbasiatisch-türkischen  Belgrads  berührte  mich  der 
riesige  Umschwung  in  der  Physiognomie  seines  öffentlichen  Lebens.  Steigen 
wir  hinab  vom  Belvedere  der  Hociischuie,  welche  1876.  in  ein  Feldlazarett  ver- 
wandelt, viel  Menschenleid  und  auch  manchen  fremden  Streiter,  den  schwer  ver- 
wundeten Major  Graf  Tiefenhausen  u.  a.,  durch  liebevolle  Pflege  genesen  sah, 
vorbei  an  dem  botanischen  Kabinett,  dessen  Wände  zahllose  Kränze  bedecken, 
die  den  von  Pancic  für  sich  selbst  bestellten  Sarg  aus  seiner  Picea  Amorika  P. 
schmückten,  treten  wir  in  das  schon  früh  morgens  beginnende  rege  Leben  des 
„Kralje\'  trg". 

Wenn  unsere  occidenlalen  Frauen  sich  noch  im  süssen  Schlummer  wiegen, 
ist  dieser  Platz  und  der  nahe  l"isclimarkt  das  Stelldichein  Belgrader  Hausfrauen, 
ihrer  „schwäbischen"  Köchinnen  und  von  Männern,  die,  nach  italienischem  Brauche 
persönlich  die  Einkäufe  für  die  Mahlzeit  besorgend,  oft  den  feilschenden  Damen 
ein  feistes  Lamm,  schwere  Gänse,  Enten  oder  ein  nur  1.60  d  kostendes 
Hühnerpaar   streitig    machen.      Früher   bildete    tler   A\ilosbrunnen  auf  der  Terazija 

')  Er  meint  auf  S.  120  seines  S.  12  erwähnten  Werkes,  dass  sie  „Sand  und  Schlamm 
der  bcyden  Ströme  zusammengesetzet  hat".  Das  ist  entschieden  unrichtig;  denn  sie  erscheint 
sclion  1456  mit  der  kleineren  „Kozara"  auf  einem  Plane  Belgrads  und  dürfte  durch  einen  weit 
älteren  Diirchbrucli  der  Donan  von  ihrem  linken  Ufer  abs;etrennt  worden  sem. 


(Ttf^-^ 


BELGRAD,  Markttypen, 

Sak'p-  iitul  I?()za -Verkäufer  vom 

Kraljev  tr^. 


I-.  KANITZ,  Serbien.  I. 


Entwickclung  der  Königsstadt.  83 

das  ZLiitriim  des  farbenreichen  Bildes,  namentlich  an  Freitagen  und  in  Faslen- 
wochcn,  wenn  das  Aufschroten  eines  200—550  kg  wiegenden,  20 — 80  kg  Kaviar 
gebenden  Hausens  die  Feinschmecker  anzog;  seltener  kam  und  kommt  die  edle 
Forelle  auf  den  Markt,  die  so  oft  mein  frugales  Menü  am  Pek  und  Ibar  würzte. 
Hingegen  sieht  man  ganze  Hügel  von  Knoblauch,  Zwiebeln.  Paprika,  Rettichen, 
Tomaten,  Bohnen,  Krautköpfen,  Gurken,  Kartoffeln,  während  Tafelbutter,  Schmalz 
und  feinere  Gemüse  meist  nur  von  bulgarischen  Züchtern  und  Semliner  Händlern 
verkauft  werden.  Seit  kleine  Karren  schon  morgens  Milch  in  blanken  Metallgefässen 
ins  Haus  bringen,  liOrt  man  die  alles  übertönenden  Rufe  „mieko,  mieko!"  seltener; 
häufiger  aber  jene  der  Salep-  und  Boza-Verkäufer  aus  Altserbien.  Der  von 
Prof.  Pancic  für  Lungenkranke  empfohlene  gegorene  Hirseninehlextrakt  wird  heiss 
mehr  im  Winter,  die  Tasse  zu  5  para  (2  Kreuzer),  getrunken;  die  säuerlich 
schmeckende,  kühlende  „Boza"  hat  sich  auch  in  Semlin  eingebürgert.  Der  hier 
abgebildete  allhelieble  Jovan  schänkt  im  Sommer  zu  5  para  den  halben  Liter. 

Seit  1867  fehlt  die  exotische  Staffage  der  ihre  Menage  versorgenden 
türkischen  Soldaten,  die  hier  den  serbischen  Tribut  mit  Interessen  dem  Süzeränen 
Lande  zurückzahlten;  ferner  das  zerlumpte  oder  grell  aufgeputzte  moslimische 
Zigeunervolk  und  manche  andere  charakteristische  Type.  Dafür  sind  aber  auch 
die  Auge  und  Nase  beleidigenden  hässlichen  Läden  mit  tagelang  der  Sonne  und 
[•liegen  ausgesetzten  ganzen,  bluttriefenden  Schöpsen,  Lämmern  und  Rindfleisch- 
stücken verschwunden,  weil  sie  durch  ä  l'occidentale,  oft  sogar  mit  Blumen  aus- 
gestattete appetitliche  Fleischer-,  Esswaren-  und  Charkutiersläden  ersetzt  wurden. 
Fs  fehlt  nur  noch  eine  strengere  Prüfimg  des  oft  unreifen  Obstes,  dass  —  ohne 
Beeinträchtigung  des  humanen  Zweckes  —  die  ihre  Schachteln,  Bürsten,  Holz- 
und  derlei  Arbeiten  verkaufenden,  peinlich  wirkenden  „Robiaäi"  (Festungs- 
strätlinge)  dies  an  anderer  Stelle  tini;  ferner,  dass  auch  die  älteren  Stadtvierlei 
nach  dem  Beispiele  des  Vracar  gedeckte  Hallen  errichten,  und  die  Physiognomie 
des  Belgrader  Lebensinittelmarktes  trägt  -  wemi  man  von  den  fremdartigen 
Traclilen    dei     ihn    versorgcnilen    Bauern    absieht  sclmn    heute   vollkoniiiien 

nntli'l europäischen  Charakter. 

Nach  beendetem  Markte  strömt  das  Landvolk  in  einige  Nebengassen  des 
„Kraljev  trg",  deren  Läden  durch  auffällige  Schaustellung  ihres  „Allerlei"  die 
soimtäglicli  gepiit/leii  ScImmkii  anzuziehen  suchen.  Früher  bcschr«lnktcii  sich  die 
lextilen  Finkäufe  auf  Stolle,  die  man  selbst  nicht  weben  konnte;  jetzt  werden 
aber  auch  solche  angeschafft,  welche  die  Frauen  weit  dauerhafter  selbst  anfertigen 
koiiiiKii  iiiiil  (kr  l'renKle.  \\egen  ihres  originellen  (jesclimackes,  noch  heute  zu 
finden  sucht.  Nun,  wo  es  sich  der  weibliche  Nachwuchs  bequem  macht,  ver- 
drängen schlechte  importierte  Fabrikate  die  mit  bunter  Wolle  ausgenählen  Henulen, 
die  gefällig  ornamenlierle  Schürze,  die  hübsch  gemusterten  Strümpfe  und  selbst 
die  (jürtel  und  Bundsi  Inihe.  Die  dem  Serben  angeborene  Waffeiiliebe  liess  den 
Bauer  mit  Kenneibluk  ilie  ausgelegten  Gewehre  prüfen,  seil  der  lünführimg  der 
allgemeinen  I  leeresplluht  sind  aber  die  älleien  Systeme  nur  noch  wenig  begehrt; 
liei  B.iiKi  k.iiiii  INI  Sil  iL'o  ii  ,iiis  Deslerrcich- Ungarn,  Belgien  und  Fiigland 
koiiiineiule  K'ivolvei,    der  Ausländer   zahlt   aber   gern    für   lange  Flinten    mit   allen 


84  lintwickcluiiK  der  KüniRsstadt. 

I.aiikn  aus  Skulari  oder  Mailantl  35—70,  wenn  die  meist  von  serbischen  Büchsen- 
mai Iktm  liiri^estelltcn  Schiifle  mit  Silberblech,  Perlmutter,  Steinen  oder  Holzschnilz- 
werk  ver/iert  sind.  Auch  die  Uhrengeschäfte  werden  stark  aufgesucht;  nahe  dem 
Theater  zählte  ich  fünf,  welche  ausschliesslich  hilliges  Schweizerfabrikat  vertreiben. 

Wie  dem  Manne  die  Waffe,  Pfeife  und  Uhr,  erscheint  jeder  Serbin  reicher 
Hals-  und  Kopfschmuck  unentbehrlich;  ob  falsch  oder  echt,  damit  nimmt  es  die 
Landschöne  nicht  ^enau.  Gewohnlich  j^reift  sie  nach  dem  in  Gablonz  und  Wien 
so  gleissend  angefertigten  Geschmeide  und  feilscht  einiger  Para  wegen  mit  dem 
geduldig  Witz  und  Redefluss  aufbietenden  Händler  oft  eine  halbe  Stunde.  Die 
Sucht,  durch  aiiffallciuien  Putz  zu  glänzen,  beherrscht  auch  in  hohem  Grade  die 
Serbin  des  hauptstädtischen  Mittelstandes.  Man  sieht  oft  Frauen  unbedeutender 
Krämer  in  Pelzwerk  und  Seide  gehüllt,  mit  Perlen  und  Goldmünzen  am  Fes  und 
Hals  oder  mit  Wiener  Federhüten,  Boas  geschmückt  und  Pierres  de  Strass  in 
den   Ohren     -   also  auch  in  diesem   Punkte  ganz  occidental! 

.•\m  Nachmittag  und  Abend  entwickelt  sich  in  den  zum  Kalimcgdan  führenden 
Hauptstrassen  eine  früher  ungekannte  Lebhaftigkeit.  Die  Damenwelt  glänzt  im- 
modernsten  Pariser  Zuschnitt,  neben  dem  das  kleidsame  Nationalkostüm  um  so 
angenehmer  berührt,  je  seltener  es  erscheint.  Gänzlich  verschwindet  die  früher 
so  häufige  halborientalische  Tracht  bei  den  Männern;  der  occidenfale  Hut  aller 
Formen  besiegte  den  Fes;  das  blaue  luid  weisse  Matrosenkleid'  ist  vorherrschend 
bei  den  Knaben,  und  Leute  wie  der  es  1897  tragende  stadtbekannte  alte 
Jlic  —  welcher  den  in  die  Citadelle  geflüchteten  Fürsten  Alexander  Kara- 
djordjevic  1858  mit  gespannter  Pistole  zur  Unterschreibung  der  Thronentsagung 
nötigte  —  betrachtete  man  wie  Objekte  aus  prähistorischer  Zeit.  Selten  zeigt 
sich  einer  der  vielen  mit  ihrer  Heimat  zerfallenen,  meist  von  Serbien  stipendierten 
Herzegowinerjoder  Crnogorcen  in  seiner  malerischen  Tracht;  auch  sie  vermeiden, 
wie  der  hier  seit  Jahren  gastlich  aufgenommene,  feingebildete  Cousin  des  Fürsten 
Nikita,  sieh  auffällig  zu  machen. 

Das  heitere  Gewoge  dominieren  zumeist  das  Publikum  musternde  Elegants, 
geschmackvoll  uniformierte  Marssühne,  von  Carlo  Perolo  „Fornitore  della  Reale 
Casa  de  Serbia",  aus  dem  „Grand  Hotel"  oder  „Imperial"  kommende,  im  letzten 
Pariser  Chik  gekleidete  junge  Diplomaten,  mit  meist  laut  geführter  polyglotter 
Konversation. 

Erscheint  König  Alexanders  hohe  Gestalt  im  lichten  Zivilanzug  zu  Fusse 
in  der  Menge  oder  meist  angekündet  durch  zwei  vorreitende  Gardisten  auf  seiner 
täglichen  Fahrt  zum  Savabade,  tritt  ein  Moment  der  Ruhe  ein;  man  betrachtet 
ihn  mit  grossem  Interesse,  die  Damen  verneigen  sich  ehrerbietig,  die  Offiziere 
machen  salutierend  Front,  die  Herren  lüften  die  Hüte;  man  wähnt  sich  in  einer 
occidentalen  Residenz!  Kolporteure  bieten  Abendblätter  aus,  das  Zeichen  zur 
Einkehr  in  eine  der  vielen  Konditoreien  oder  Restaurationen.  Nun  beginnt  ein 
wütendes  Zeitungslesen,  namentlich  in  erregter  Zeit,  und  diese  ist  leider  in 
Belgrad  permanent.  Selbst  der  kleinste  Krämer  gehört  einer  politischen  Partei 
an  und  liest  sein  nur  5  para  kostendes  Leibblatt  „Mali  Zurnal"  (Kleines  Blatt) 
bis  zur  letzten  Zeile  durch. 


Entwickelung  der  Königsstadt.  85 

Früher  besuchten  nur  im  Ausland  gebildete  junge  Leute,  unverheiratete 
Beamte,  Offiziere  und  die  Fremden  einige  bessere  Lokale.  Bescheiden  in  den 
Ansprüchen,  unterhielt  man  sich  mit  Billard-,  Domino-  und  Kartenspiel  oder  las 
die  wenigen  von  der  Zensur  gestatteten  ausländischen  Journale  alten  Datums; 
nur  mit  der  „Gusle"  begleiteter  Liedergesang  erfreute  das  Publikum  der  meist 
unsauberen  Mehanen,  Wein-  und  Rakijaschenken.  Für  grössere  Bälle  gab  es 
kein  passenderes  Lokal  als  das  Hotel  „Srpska  Kruna",  und  selbst  Fürst  Mihail 
und  Fürstin  Julie  erschienen  wiederholt  in  seinem  anspruchslosen  Saal.  Unten 
in  den  Gasträumen  produzierten  sich  aber  Taschenspieler  und  wechselten  Vorträge 
böhmischer  Harfenisten  mit  namentlich  von  den  türkischen  Offizieren  gut  bezahlten, 
oft  lasciven  Tänzen  stark  geschmückter  Zigeuner-Preziosas,  deren  leichte  Ge- 
wandung, rhythmische  Bewegung,  Vor-  und  Zurückwerfen  des  Kopfes  und  laute 
Tambourinmusik  sie  an  ihr  „unvergleichliches  Stambul"  oder  Kairo  mahnen 
mochte.  Selten  sah  man  bessere  heimische  Kaufleute,  nie  aber  serbische  Frauen 
an  solchen  Orten,  und  wenn  in  einem  der  wenigen  Biergärten  bürgerliche  Familien 
erschienen,   waren   es   sicher   „Svaba",  Krämer   oder   Handwerker  von    „drüben". 

Dies  alles  änderte  sich  plötzlich  mit  dem  Insichttreten  des  Kampfes,  durch 
welchen  „die  unter  dem  Türkenjoche  schmachtenden  christlichen  Stammesbrüder- 
befreit  werden  sollten.  Wie  das  verendende  Tier  den  Raubvogel,  zog  die 
panslavistische  Werbetrommel  neben  es  ehrlich  meinenden  Streitern  weit  mehr 
zw<:ideutige  Abenteurer  aus  aller  Herren  Ländern  an.  Und  noch  eine  schlimmere, 
im  Lagerleben  verrohte  Gesellschaft  fand  sich  da  nach  dem  unglücklichen  Aus- 
gang des  Krieges  zusammen.  Russische  Sendboten  vergeudeten  die  von  dem 
Fürsten  Nari^kin  verteilten  Liebesgaben  des  slavischen  Komitees  in  unverant- 
wortlichster Weise  oder  setzten  die  zur  Equipicrung  ihrer  Soldaten  eingelaufenen 
Lieferungen  in  bare  Münze  um,  welche  sie  den  Chancen  des  Glückspiels 
opferten  oder  mit  dem  Heere  nachgezogenen  hübschen  Marketenderinnen,  barm- 
herzigen Schwestern  usw.  verprassten.  Leider  befanden  sich  unter  den  fremden 
Ollizieren  auch  Träger  gutkiiiigender  Namen  des  nordländischen  Adels.  Franzosen, 
Polen  u.  a.,  welche  später,  wie  Kapitän  Bulazcl,  als  Hochstapler  den  Wiener 
Gerichten  viel  zu  schaffen  machten.  Damals  glich  Belgrad  dem  Lager  Wallen- 
steins.  Von  der  Festung  bis  zum  VraCar  fand  man  alle  zu  militärischer  Unter- 
kunft sich  eignenden  Gebäude  und  ebenso  die  grössten  bis  zu  den  kleinsten 
Gasthöfe  mit  oft  tiieatralisch  uniformierten  und  bewaffneten  „Dobrovolci"  (Frei- 
willige) gefüllt,  (ihschon  der  russische  Generalkonsul  die  serbische  Regierung 
tatkräftig  imterstiitzte,  sich  von  diesen  oft  wiederholt  das  Reisegeld  empfangenden, 
doch   VOM    liein    lustigen   Belgrader   Leben   festgehaltenen   „Brüdern"   zu   befreien! 

Fndlich  war  auch  der  Champagnerrausch  des  allerletzten  Abschiedsfesles 
verflogen,  die  damals  stark  beschäftigten  Patrouillen  der  „NoiMii  sirazari" 
(Nachtwachen),  die  auch  heute  mit  geschultertem  Gewehr  alle  Strassen  auf- 
merksam durchziehen,  hatten  gleich  den  Gendarmen  weniger  zu  tun;  denn 
Belgrad  schien  wieder  seine  alte  philisteriöse  Physiognomie  annehmen  zu  wollen. 
Da  brach  aber  auch  für  die  serbische  Residenz  die  „Aera  des  materiellen  Auf- 
sciiwuuges"  an,   welrlie  der  in  ernste  Aussicht  genommene  Bahnenbau   einleitete. 


"ß  FntwickelunK  der  Koniussiadt. 

Das  vcrflilircndc  Beispiel  der  vielen  KUlnzeiui  bezahlten  fremden  Ingenieure. 
Beamten  und  ihrer  Familien,  die  noch  flottere  Lebensweise  der  französischen 
Unternehmer  mul  kiiliiier  Projektanten,  die  auf  gieissncrische  Perspektiven  ver- 
lassener Minenschächtc  oft  ihren  letzten  Napoleon  in  den  pilzartiß  aus  dem  Boden 
wachsenden  teueren  Hotels  vergeudeten,  und  —  last  but  not  least  --  die  von 
allen  Seiten  einströmende  occidentale  Mode  durchlöcherten  unaufhaltsam  die 
bereits  stark  fadenscheinig  gewordenen  alten  Bräuche  und  Sitten. 

Bald  fand  auch  der  einst  konservative  Belgrader,  dass  der  rasch  sich  ein- 
bürgernde Oanibrinustrank  in  Gesellschaft  und  unter  freiem  Himmelszelt  besser 
munde.  F.s  entstanden  zahlreiche  grosse  Biergärten,  die  älteren  modernisierten 
sich;  man  errichtete  nach  Pester  und  Wiener  Vorbildern  orpheumartige  Säle,  und 
nahezu  alle  grösseren  Hotels  verwandelten  ihre  Höfe  in  Singspielhallen,  in  welche 
das  Tillgeltangel  siegreichen  Einzug  hielt.  „Carlo"  zahlte  \HHH  nicht  weniger 
als  14  ()()()  d  Miete.  In  New -York,  Slavija,  Kolarac,  beim  Russischen  Zaren 
und  vielen  anderen  Lokalen  herrschte  des  Abends  ein  betäubendes  Durcheinander. 
Deutschsprechende  Kellner  boten,  wem  der  treffliche  Stoff  aus  den  Belgrader 
Brauereien  von  Weifert  und  Bailloni  nicht  genügte,  ein  „Krügel  Steinbruch",  ein 
„Seidel  Pils"  an;  man  speiste  mit  Vorliebe  „Wiener  Schnitzel",  „Backhändi", 
\ingarisches  „Giiljas"  und  jubelte  dabei  französischen  Coupletsän_gern,  magyarischen 
Carda.sfiedlern,  tschechischen  Akrobaten,  deutschen  Jodicrinnen,  welche  die  Stunden 
kürzten  und  (leldtaschen  leerten,  unausgesetzt  zu.     Alles  Schall  und  Rauch. 

Die  Olanzepoche  für  alle  diese,  auf  einen  starken  Fremdenzufluss  berechneten 
Unternehmungen  endete,  als  nach  der  am  23.  August  1884  erfolgten  feierlichen 
Fröffnung  des  Belgrad-Niäer  Schienenweges  eine  gewaltige  Enttäuschung  der  auf 
sie  gesetzten  übertriebenen  Hoffnungen  gefolgt  war.  Mit  dem  Ausbleiben  des 
erwarteten  Goldregens  verschwand  bald  die  leichtlebige  Klientel  von  Projektanten 
und  zweifelhaften  Damen,  welche  die  teueren  Tafeln  an  der  Table  d'hote  gefüllt, 
welche  die  Zimnierpreise  zu  8—10  Fr.  täglich  gern  bezahlt  hatten  und  fortwährend 
den  damals  unglaubliche  Preise  fordernden  Fiakern  zu  tun  gaben.  Heute  erzählen 
die  Wirte  wehmütig  von  jener  Eldoradozeit  und  versichern,  dass  ihre  noch 
ininier.  im  Verhältnis  zum  Gebotenen,  genügend  hohen  Preise  niedrig  gegen  die 
verflossenen  seien.  Beispielsweise  kosten  in  eine  öde  Seitengasse  gehende 
sonnige  Zimmer  in  ersten  Hotels  5  Franken,  und  die  Speisen-  und  Getränketarife 
sind  bei  massiger  Qualität  teuerer  als  selbst  in  Wiener  Gasthöfen  gleichen 
Ranges.  Dagegen  berührte  es  mich  angenehm,  dass  die  „Stubenmädchen  von 
drüben",  welche  damit  genügend  charakterisiert  sind,  dass  sie  ausnahmslos  unter 
polizeiärztlicher  Kontrolle  stehen,  jetzt  weniger  auffällig  geschminkt  und  zudringlich 
sich  den  Gästen  nähern,  welche  ihre  fragwürdigen  Reize  kühl  lassen. 

Auch  die  Belgrader  Fiaker,  welche  im  Raschfahren  und  in  überspannten 
Forderungen  selbst  ihre  weltberühmten  Wiener  Kollegen  übertrafen,  weinten  den 
goldenen  Tagen  nach.  Lange  sträubten  sie  sich  gegen  die  Klagen  des  Publikums 
und  allen  auf  deren  Beseitigung  zielenden  Verordnungen  der  Behörden,  bis  endlich 
der  energische  Polizei-Inspektor  Rista  Bademlic  durch  empfindliche  Strafen  ihren 
Widerstand  im  Frühling   1897  erfolgreich  brach.     Nach  vergeblichem   achttägigen 


Entwickelung  der  Königsstadt.  87 

Streik  zwang  er  der  löblichen,  266  Mitglieder  zählenden  Kutschergilde  nicht  allein 
die  vorgeschriebene  kleidsame  Uniform,  die  gute  Instandhaltung  ihrer  Wagen 
und  vollzähliges  Erscheinen  auf  den  zugewiesenen  Stationen  auf,  sondern  auch 
das  strenge  Einhalten  des  massigen  Tarifs  von   1   dinar  für  die  Fahrt. 

Trotz  vieler  Schattenseiten  wirkte  die  hier  skizzierte  Epoche  in  mancher 
Richtung  auch  fördernd  auf  die  sozialen  Verhältnisse.  Namentlich  scheint  sie  den 
musikalischen  Sinn  gehoben  zu  haben.  Jede  bessere  Familie  besitzt  nun  —  oft 
allerdings  ein  fraglicher  Vorteil  —  ein  Instrument,  und  mit  dem  Klavierlehrer 
hielten  auch  deutsche,  französische  und  selbst  englische  Lehrer,  französische 
Bonnen  und  Gouvernanten  ihren  Einzug.  Man  hört  heute  ebensoviel 
Französisch  und  Deutsch  als  früher  Türkisch  und  Griechisch  auf  den  Strassen. 
Selbst  in  das  hauptstädtische  Serbische  sind  zahllose  Fremdwörter  eingedrungen, 
worüber  strenge  Puristen  nicht  weniger  klagen,  als  über  den  bereits  in  die  unteren 
Kreise  dringenden  Hang  nach  westlicher  Tracht,  Lebensweise  und  nach  einem 
gewissen  Wohniuigslu.xus.  Meist  wird  dieses  Sehnen  mit  importiertem  Pester  und 
Wiener,  oft  leider  schleuderhaft  nach  der  Schablone  gearbeiteten  Mobiliar,  mit  Jute- 
vorhängen und  Teppichen  gestillt,  die  wohlfeil,  aber  nicht  so  schön  und  dauernd 
wie  die  heimischen  Piroter  sind.  Es  gibt  aber  auch  schon  Häuser,  welche  Interieurs 
von  so  erlesenem  Geschmack  und  solider  Pracht  besitzen,  dass  sie  jeder  Aus- 
stellung zur  Ehre  gereichten,  und  dabei  erscheint  betonenswert,  dass  ein  grosser 
Teil  der  Einrichtungsstücke  von  Belgrader  Ateliers  —  ich  nenne  hier  nur  jenes 
von  Vlajkovic  geliefert  wurde.  Es  bedeutet  dies  einen  augenfälligen  riesigen 
Fortschritt  im  llJMliliLk  darauf,  dass,  als  MiloS  1830  den  S.  52  abgebildeten 
„Ljubica-Konak"  aufführen  Hess  —  wie  mir  Minister  Cukic  erzählte  —  sogar  die 
Türstöcke,  Fenster  usw.,  weil  es  in  Belgrad  keinen  fachkundigen  Tischler  gab,  in 
Semlin  bestellt  werden  musstcn  und  „Majstor  Mata"  viele  Tage  unter  Kontumaz- 
Eskorte  dahin  kam,  un)  seine  allbewunderten  Werke  dem  Baue  einzufügen. 

Wie  es  damals  mit  dein  Gewerbe  zu  Belgrad  stand,  zeigen  heute  noch 
seine  von  imgestluilten  Bulgaren  und  Cincaren  aufgeführten  MiloS-Kasernen 
(S.  66f.).  Vor  'M)  Jaliren  beobachtete  ich  von  meinem  Fenster  gegenüber  einen 
zur  Arbeit  schreitemlen  Macedoviachen.  I'r  halte  augenscheinlich,  um  die  Miete 
zu  ersparen,  am  Orte  seines  künstlerischen  Wirkens  geschlafen;  die  Durchsuchung 
seines  faltenreichen  Hemdes  inul  die  standrechtliche  Behandlung  zahlloser  Scchs- 
füssler  beanspruchte  geraume  Zeit.  Nachdem  sein  Rachegefilhl  sich  gekühlt, 
wickelte  er  einen  wohl  sechs  Meter  langen  rolen  Wollgiirlel  um  den  Leib, 
wusch  oberflächliili  Gesicht  und  Hände  aus  einem  l'asse  voll  stehenden  Wassers, 
tiDckiK'k'  sir  mit  liiuiii  iiu  hl  sehr  reinen  Tiiilie,  ordnete  sein  Schurzfell  so 
kokett,  als  ging  es  /um  Balle,  und  schritt  emllich  zu  einem  Lehmhaufen,  um 
ihn  durch  Wasseraufgüsse  wieder  flüssig  zu  machen  und  den  so  gewonnenen, 
etwa  für  eine  Stiuule  reichenden  Mörtel  in  eine  Kiste  zu  schütten,  worauf  er  mit 
denkbar  primitiven  Werkzeugen,  statt  der  ihm  unbekannten  Säge,  zum  Spalten 
von  Pfosten  und  Brettern  ging.  Nun  haben  aber  auch  diese  gegenwärtig 
noch  stark  Ini  den  Belgrader  Bauten  beschäftigten  freinilen  Meisler  viel  von 
ili'ii    ociiileMl.ilcn     gekrnt     uiul     sich    mit     unserem     zeitsparenden    Arbeitsgerät 


88         .  Fntwickeliint;  der  KöniKsstadt. 

vollkommen  vcrlraiit  (gemacht.  Wie  ich  weiter  zeigen  werde,  gewann  neuerdings 
auch  der  Bel^^rader  Nachwuchs  mehr  Geschmack  am  Gewerbe.  In  allen  Werkstätten 
findet  man  einheimische  Gesellen  und  Lehrlinge;  ein  Verein  fördert  tunlichst  die 
jungen  serbischen  Meister,  und  nur  die  wohlhabendsten  Kreise  bestellen  ihren 
Bedarf  noch  im  Ausland,  wie  es  ja  auch  bei  uns  Leute  gibt,  die  alles  bevor- 
zugen, was  eine  Pariser  oder  Londoner  Etikette  trägt. 

Zeigen  Belgrads  zahlreiche  Bildungsanstalten,  Druckereien  und  14  Buchhand- 
lungen, darunter  6  grössere,  wie  gern  es  sich  mit  der  Kultur  befreundet,  so 
bleibt  es  doch  klugerweise  konservativ  in  seiner  Abneigung  gegen  unsere  viel- 
stückigcn  Mietkasernun;  der  Wunsch,  wenn  irgend  möglich  mit  keinem  Fremden 
zusammen  zu  wohnen,  lässt  sie  dort  nicht  aufkommen.  Die  Gebäude  mit  zwei 
oder  gar  drei  Stockwerken  sind  deshalb  bald  gezählt;  denn  unter  seinen  mehr 
als  5300  Häusern  werden  beiläufig  1600  von  ihren  Besitzern  allein,  gleich  viele 
von  diesen  mit  Mietern  und  nur  iler  Rest  von  solchen  ausschliesslich  bewohnt. 
Auch  die  Hauskommunion  erhielt  sich  in  rund  270  Familien  mit  11—25  AAit- 
gliedern,  und  wie  im  Dorfc  wird  die  „Slava",  das  Hauspatronsfest,  auch  in  Belgrad' 
als  höchstes  gefeiert.  An  diesem  Tage  nicht  seinen  Glückwunsch  darbringen, 
würde  als  arge  Verletzung  der  Sitte  betrachtet.  Im  Königspalast  wie  im  Hause 
des  Ministers,  Professors,  Bankiers,  Offiziers,  Advokaten  und  Arztes  wird,  wie 
in  jenem  des  bescheidensten  Krämers  und  Handwerkers,  den  gratulirenden 
Besuchern  zum  Willkommen  Slatko  und  Kaffee  aus  mehr  oder  minder  luxuriösen 
Tassen  gereicht.  Hier  wie  dort  werden  Taufe  und  Hochzeit,  Feier-  und  Fasttage 
mit  .dem  strengen  Rituell  gefeiert,  welches  der  traditionelle  Brauch  vorschreibt. 
Die  Schilderung  seiner  viel  Selbstverleugnung  gebietenden  Forderungen  wird 
eine  breite  Stelle  im  III.  Band  einnehmen.  Im  allerengsten  Familien-  und 
Freundeskreis  sucht  und  findet  der  Serbe  alles.  Die  Frau  des  Millionärs  Misa 
weigerte  sich,  ihr  gewohntes  bescheidenes  Heim  mit  dem  ihr  angebotenen  Palast 
zu  vertauschen,    und  so  schenkte  ihr  Mann  ihn  dem  Staat  für  Unterrichtszwecke. 

Noch  liebt  es  selbst  der  gebildete  wohlhabende  Serbe,  sich  nach  Türkenart 
im  eigenen  Hause  abzusperren,  und  Einladungen  für  den  Mittag  oder  Abend 
gehen  selten  über  den  nächsten  Verwandtenkreis  hinaus.  Vergeblich  suchte 
Königin  Natalia  durch  das  Beispiel  denkbarster  Gastlichkeit  diesen  Bann  zu 
brechen.  Die  Hoffeste,  bei  welchen  die  schöne  hohe  Frau  selbst  gern  beim 
Tanze  oft  bis  zum  Frühmorgen  aushielt;  die  glänzenden  Tafeln,  die  König  Milan 
mit  humorvoller  Konversation  zu  würzen  verstand,  fanden  im  Kreise  der  Minister 
und  Reichen  geteilten  Anklang  und  wenig  Nachahmung.  Nur  einzelne  aus- 
wärtige Funktionäre  machten  ein  Haus  nach  occidentalem  Begriff,  und  deshalb 
sind  die  Diplomaten,  gleich  allen  Fremden,  auf  einen  eng  begrenzten  Kreis 
beschränkt.  Es  ist  dies  für  Freunde  heiteren,  geselligen  Verkehrs  um  so  schlimmer, 
als  Konzerte,  Bälle,  Vorträge  usw.  ziemlich  selten  sind.  Zu  den  besten  musikalischen 
Genüssen  zählen  die  Konzerte  des  „Pevacko  druztvo",  ein  Gesangverein,  den 
Kornel  Stankovic,  gleich  jenen  für  Kirchenmusik,  gründete  und  Maler  Teodorovic 
zu  hoher  Blüte  brachte.  Die  raschere  Entwickelung  eines  anderen,  Zerstreuung 
bietenden    Faktors    unseres    sozialen    Verkehrs    —    des    Klublebens    —    hindern 


EntWickelung  der  Königsstadt.  91 

tiefgreifende  Spaltungen  des  politischen  Cliquentums,  das  selbst  in  öffentlichen 
Lokalen  hervortritt,  im  früher  liberalen  Caf6  „Zlatni  Krst"  suchte  man  Fort- 
schrittler oder  ihre  Blätter  vergebens,  und  verirrte  sich  ein  noch  unerfahrener 
Verkäufer  des  „Videlo"  in  dasselbe,  wurde  er  mit  Hohn  überschüttet.  Das  ist 
wohl  zuletzt,  seitdem  sich  der  Kreis  der  Neutralen  stetig  vergrössert,  besser 
geworden;  doch  halten  sich  auch  heute  die  Liberalen  tunlichst  fern  von  dem 
populären  „Boturic",  weil  die  Radikalen  mit  ihren  Frauen  dort  gern  den  Abend 
verbringen. 

Obschon  sich  der  Verkehr  beider  Geschlechter  in  Belgrad  seit  längerer 
Zeit  ungezwungener  gestaltete,  war  die  Stellung  der  serbischen  Frau  zum  Manne 
doch  nicht  dieselbe  wie  im  Occident.  Nicht  etwa,  dass  sie  weniger  als  dieser 
mit  allen  Herzensfasern  die  Geschicke  des  Landes  teilnahmsvoll  begleitete  und 
mit  ihm  in  „schwarzen  Tagen"  trauerte;  doch  mit  seltenen  Ausnahmen  brachten 
die  Belgrader  Scheinen  ihre  Müsse  am  Toilettentisch  zu,  eifrig  bemüht,  ihre 
natürlichen  Reize  durch  Schminke,  Verlängerung  der  Augenbrauen,  Färbung  des 
Haares  usw.  zu  heben.  Pianospielen,  gewöhnlicher  Klatsch  und  leichte  Sensations- 
lektüre kürzten  ihre  Zeit.  Mit  der  veränderten  Erziehungsweise  in  der  höheren 
Töchterschule,  an  welcher  tüchtige  Lehrkräfte,  patronisiert  von  der  Königin  Natalia, 
tätig  waren  und  noch  sind,  vollzog  sich  aber  in  den  zwei  letzten  Decennien 
ein  ethischer  Umschwung,  der  mir  schon  1887,  namentlich  im  geistigen  Gesichts- 
ausdruck des  weiblichen  Nachwuchses,  angenehm  auffiel.  Durch  die  eingehendere 
[JcschäftigiMig  mit  Kunst,  Literatur  und  Wissenschaft  ist  auch  das  Gefühlsleben 
lier  hühercn  Frauenkreise  ein  regeres  geworden  und  sein  günstiger  Einfluss  auf  die 
Familie  und  Gesellschaft  tritt  bereits  hervor.  Ihre  schriftstellernde  Tätigkeit  in 
der  „Doniacica"  (Hausfrau),  ihre  Verbindungen  für  Erziehungswesen  und  humane 
Zwecke  und  ihre  Verhandlungen  in  dem  von  der  Königin  Natalia  begründeten 
und  protegierten  „2ensko  druztvo"  (Frauenverein)  zeigen,  dass  der  serbische 
weibliche  Nachwuchs  namentlich  an  parlamentarischem  Geschick  dem  occidentalen 
ebenbürtig  ist. 

Mein  Urteil  kann  nicht  durch  serbische  Uebersetzungen  einzelner  lasciver 
F^ücher,  wie  „Nana",  beirrt  werden  unti  gleich  wenig  durch  2ivkovics  gutgemeinlos. 
aber  zu  sehr  verallgemeinertes  Sittenbild  in  der  „Otacbina".  Es  ereignet  sich 
allerdings,  dass  mancher  hübsche  arme  Bursche  vom  Lande,  welcher,  um  an  der 
Hochschule  studieren  zu  ki^nnen,  in  wohlhabenden  Familien  für  Kost  und  Wohnung 
in  den  Freistunden  häusliche  Dienste  verrichtet,  von  gewissenlosen  Frauen  oder 
alleinstehenden  lüsternen  Witwen  in  ihre  Netze  gelockt,  allmählich  physisch  und 
nnuallsch  verdorben  wird  Den  Massstab  für  die  Moral  der  Belgrader  Frauen 
geben  derartige  allerorts  vorkommende  Einzelfälle  aber  nicht.  Wie  hätte  denn 
auch  solch  niclitswürilige  Sittenlosigkeit  sich  einnisten  können,  wo  K(\nigin  Natalia 
über  zwanzig  Jahre  als  glänzendes  Beispiel  weiblicher  Tugend  leuchtete?  Selbst 
die  sihliminsten  Gegner  der  hohen  Frau  wagten  es  nicht,  die  allbekannte  Sitten- 
reinheil  ihres  Privatlebens  anzutasten.  In  den  ersten  Jahren  jugendlicher  Uner- 
lalirenheit  mochte  sie  vielleicht  grösseren  Toilettenaufwand,  Tanzfeste  und  heilere 
Spiele  allzusehr  hei   Hofe  begünstigt  haben;   niemals  jedoch  würdigte   sie  Frauen 


92  Entwickcliint;  der  K(Jni)(sstadt. 

voll  ihr  hekannt  ^ewf)rclerier  lockerer  Moral  ihres  Unit(anf(es.  Im  Gcj^cnteil,  bei 
etwas  mehr  Keühter  Nachsicht  im  Punkte  der  Sittenstrenge  hätte  des  Schicksals 
llaiul  die  vielKcprüffe  Mutter  und  Frau  wahrscheinlich  wenijjer  rauh  berührt! 

Zu  den  von  tier  Krtnigin  Natalia  besonders  geförderten  Instituten  zählte  das 
National-Theater.  Das  Bedürfnis  nach  einer  heimische  und  fremde  Dramen  auf- 
tiihrLMuien  Bühne  wurde  in  der  jungen  Residenz  schon  vor  Decennien  empfunden. 
Die  [Regierung  schenkte  den  Bauplatz  und  2(J00  Dukaten,  Fürst  Mihail  lOÜO  und 
85  Ruten  Steine,  Major  Miäa  500,  die  Kommune  600  und  in  wenigen  Monaten 
waren  6000  Dukaten  beisammen.  1862  begann  der  Bau.  Leider  wurde  er 
keinem  genügend  geschulten  Meister  übertragen;  kaum  einige  Meter  hoch  gediehen, 
musste  er  wegen  Senkung  der  Grundfeste  eingestellt  werden.  Der  Wunsch  nach 
einem  würdigen  Musentenipel  blieb  gieichwoiil  lebendig.  Monate  verstrichen. 
1863  erfolgte  endlich  die  Anweisung  einer  jährlichen  Staatsdotation  von  1200 
Dukaten,  die,  vom  Tiieaterkomitee  auf  Interessen  angelegt,  mit  dem  älteren  Fonds- 
rest  und  dem  reichen  Ergebnis  einer  allgemeinen  Subskription  es  endlich 
ermöglichte,  dass  der  jugendliche  Fürst  Milan  am  30.  August  1868  den 
Grundstein  zum  „National-Theater"  feierlich  legen  konnte.  Der  eingesetzte 
Direktionsrat  von  17  Mitgliedern,  unter  dem  die  Eröffnung  am  11.  November  1869 
stattfand,  wurde  später  von  einem,  durch  den  Minister  des  Kultus  ernannten 
Direktor  abgelöst.  Das  400000  d  kostende  Theater  beging  am'  1.  Dezember  1894 
seine  25jährige  Gründung,  lirhebcndcr  noch  gestaltete  sich  aber  die  Fest- 
vorsteliung  am  10.  Mai  1895,  mit  weicher  die  Rückkehr  der  an  der  Seite  ihres 
Sohnes  erschienenen  Königin  Natalia  gefeiert  wurde.  Der  Jubel  wollte  kein  Ende 
nehmen.  —  Eine  Gedenktafel  rechts  vom  Hauptportal  verkündet:  dass  am  3.  Januar 
1889  König  Milan  in  der  im  Theater  arrangierten  feierlichen  ausserordentlichen 
Skupstina-Sitzung  jene  „radikale  Verfassung"  verbriefte,  die  auch  König  Alexander 
beschwor,  1894  aber  ausser  Kraft  setzte  und  deren  Rekonstruierung  den  Anlass 
langen  Streites  zwischen  der  Krone  und  dem  Volke  bildete. 

Die  schönen  Leistungen  des  gegenwärtig  von  Dr.  Nikola  J.  Petrovic  geleiteten 
National-Theaters  behandle  ich  gemeinsam  mit  der  Entwickelung  des  serbischen 
Bühnenwesens  im  XVII.  Kapitel  des  III.  Bandes.  In  seinem  XV.  werden  die  grossen 
Opfer  gewürdigt,  weiciie  der  Staat  für  die  Hebung  der  Belgrader,  bereits  auf  hoher 
Stufe  stellenden  öffentlichen  Unterrichts-.Anstalten  brachte.  Ausser  der  k.  Akademie 
der  Wissenschaften,  der  Hochschule,  dem  Priesterseminar,  der  Militär-Akademie 
sorgen  zwei  Lehrer-  und  Lehrerinnen-Seminare,  drei  Gymnasien,  eine  Realschule, 
ein  kaufmännisches  Bildungsinstitut,  Post-,  Telegraphen-  und  Katasterschulen, 
8  Normalschulen  usw.  neben  zahlreichen  politischen  Zeitungen,  literarischen  und 
Fachblättern  für  den  intellektuellen  und  sozialen  Fortschritt  aller  Gesellschafts- 
klassen. 

Stetig  mehr  tritt  der  Belgrader  aus  der  früher  beliebten  Isolierung  heraus. 
Das  Vortragswesen  entwickelt  sich  erfreulich.  Es  entstanden  neben  den  älteren 
Lesekasinos  zahlreiche  Vereine  der  Professoren,  Schullehrer,  Geistlichen,  Ärzte, 
Offiziere,  Ökonomen,  Techniker,  Archäologen,  Juristen,  Handwerker,  Freimaurer; 
ein  russischer  und  französischer  Klub,  ferner  viele  patriotisch-humanitäre  Vereine 


Entwickelung  der  Königsstadt.  93 

zur  Unterstützung  bedürftiger  Studenten,  Arbeiter,  Witwen  und  Waisen;  dann 
auch  Frauenverbindungen  zur  Verbreitung  nützlicher  Bücher,  für  Literatur,  Musik 
und  Gesang.  1894  bildete  sich  der  Verein  „Serbische  Brüder",  welcher,  keiner 
Partei  dienstbar,  alle  f^atrioten  einander  nähern  sollte,  weshalb  auch  zu  seiner 
Leitung  Männer  der  verschiedensten  Richtung,  wie  General  Bogicevic,  die  Exminister 
Vujic,  Mijatovic,  Rasa,  Milo§evic,  der  Bankdirektor  Weifert  u.  a.   gewählt  wurden. 

Besonderer  Sympathien  erfreut  sich  der  durch  Fürst  Mihail  im  Mai  1863 
eingeführte  Rennsport.  Er  selbst  spendete  Preise  für  Offiziersrennen  von  20  und 
80  Dukaten,  für  Zivilriitcr  mit  25—100  Dukaten;  der  Staat  widmete  50  Dukaten 
für  ein  Rennen,  in  dem  sich  die  Gewinner  der  vorausgegangenen  Kurse  den 
Sieg  streitig  machten.  Durch  eine  nicht  unbedeutende  Subvention  begünstigte 
der  Fürst  auch  den  Besuch  Belgrads  durch  Cirkusbesitzer  von  europäischem 
Rufe.  Da  auch  Fürst  Mihail  sehr  viel  für  die  Verbesserung  des  heimischen  Pferde- 
schlages tat,  nannte  sich  ein  gleiche  Ziele  verfolgender,  1891  begründeter  Verein 
zur  Hebung  der  serbischen  Pferdezucht  „Kola  jahaca  Knez  Mihailo",  welcher 
sich  unter  dem  Protektorat  des  Königs  Alexander,  dank  der  Unterstützung  seines 
Ehren-Präsidenten,  Konig  Milans,  inui  dem  rühmenswerten  Eifer  des  Gestüte- 
inspektors Miloslav  P.  Kurtovic  über  das  ganze  Land  ausbreitete.  Über 
seine  Organisation,  Erfolge  und  Publikationen  erteilt  das  XI.  Kapitel  des  111.  Bd. 
nähere  Aufschlüsse.  Bei  dem  sehr  gelungenen  Rennen  zu  Ehren  des  Fürsten 
Nikita  auf  dem  Banjicaer  Felde  (Juni  1896)  trat  bereits  die  Verbesserung  des 
serbischen  Pferdeschlages  auffällig  hervor,  und  die  beiden  vierjährigen  Pferde 
heimischer  Zuclit,  wikiie  König  Alexander  den  Prinzen  Danilo  und  .Wirko 
schenkte,  erfreuten  sich  grosser  Anerkennung. 

Auch  der  unter  dem  Türkenregiment  verloren  gegangene  Sinn  für  das  Jagdver- 
gnügen erwacht  allmählich  durch  den  gleichfalls  unter  dem  k.  Protektorat  stehenden 
Schützenbund  „Sevez  streljackih  druzina",  der  bereits  über  hundert  Zweig- 
vereine zählt  und,  weil  militärisch  wichtig,  in  seinem  Präsidenten  General  Jovan 
MiSkovic  einen  eifrigen  Förderer  besitzt.  Weniger  beliebt  ist  das  von  König 
Alexander  täglich  geübte  Schwimmen  im  Freien;  die  grosse  Menge  zieht  noch 
immer  das  Warmbad  ä  la  turka  vor,  obwohl  es  gut  eingerichtete  Schwimmanstalten 
an  der  Sava  gibt.  Auf  dieser  und  auf  den  benachbarten  Teichen  wird  der  Eis- 
sport getrieben.  Nicht  weniger  als  14  Gesangvereine  kommen  der  Freude  aller 
Stäiule  am  Gesang  entgegen;  Musik,  Tanz  und  sonstige  Jugendspiele  verkürzen 
die  von   Kasinos  und  Fachvereinen  veranstalteten  Bälle  und  Kränzchen. 

Am  populärsten  unter  den  vielen  hauptstädtischen  Vereinen  ist  zweifellos  der 
TmiRiklub  „Dusan  Silni".  Als  heruhie  die  Erfüllung  aller  nationalen  Sirebungen 
einzig  aiit  ihm  und  seinen  Succursalen,  so  enthusiastisch  begrüssten  ihn  die 
Belgrader  im  Juni  1897  anlässlich  des  mit  dem  gymnastischen  Verein  „Soko" 
veranstalteten  SchautunKii,  an  dem  auch  andere  südslavische  Abordnungen  und 
einige  Ichechische  „SvornosC  in  auffälligen  Rolhemden  teilnahmen.  Unter  /tivio- 
salven  und  anfeuernder  Militärmusik  bewegte  sich  der  endlos  scheinende  Zug. 
voran  das  dem  „Dusan  Silni"  von  Belgrader  Frauen  gewidmete,  kunstvoll  gestickte 
BaiiiKM,    /um     l-estplatz    in    dci    Cit.idelle.    von    dessen    mit    Reisig    und    Bannern 


94  f'jilwickcliinu  ilcr  Koiiii^sstadl 

reich  ncschniucktcr  lloltrihüiic  der  juii^ju  Kuiii^  und  seine  Multer  wie  ich 
hemerkte  —  den  (^elun^enen  niihtärischen  Exerzitien  sympathisch  folj^ten.  Der 
stürniisclie  Beifall  der  tausendköpfijjen  Men^e  schien  mit  dem  immer  stärker 
fallenden  Rej^en  zu  wachsen;  denn  er  bot  der  Juj^end  GelcKenlieit,  zu  zeigen, 
dass  sie  nicht  nur  geschickt,  sondern  auch  weiterhart  sei.  Und  wieder  bewahrte 
sie  sich  im  iiiierheissen  Juli,  wahrend  des  von  der  Kiinij^in  angeregten  gross- 
artigen  Wohltatigkeitsfestes  zum  Besten  der  im  Krühjahr  durch  Überschwemmung 
geschädigten  Landesteile,  bei  dem  ihnen  aber  die  alle  Details  persönlich  regelnde 
hohe  Patronesse  mit  dem  im  Bazar  und  in  den  Erfrischungszetten  auf  dem  Kali- 
megdan  unermüdet  wirkenden  reizenden  Damenflor  an  Ausdauer  die  Palme  streitig 
machte.  Königin  Natalia  erzielte  mit  ihren  bei  diesem  Anlass  erschienenem 
„Apliorismen"  auch  schriftstellerisch  grossen  Erfolg.  Der  Boracki-Klub  „Dusan 
Siliii"  hatte  aber  die  Genugtuung,  zehn  Damen  aus  Belgrads  besten  Familien  in 
seine  Rollen  eintragen  zu  dürfen,  welche  Neuerung  der  geistreiche  Pcra  Teodorovic, 
ankniipfeiul  an  das  lieldentum  der  altserbischen  Frauen,  in  seiner  „Male  novine" 
schwungvoll  begrüsste! 


Belgrad  uiul  sein  südlich  angrenzendes  Moravagebiet  werden  häufig  von 
Erdbeben  heimgesucht.  Seit  80  Jahren  war  aber  keines  so  stark,  wie  jenes  vom 
8.  April  1895.  Sein  Zentrum  bildete  Serbien,  das  gleich  ganz  Südost-Europa 
damals  in  Angst  und  Schrecken  versetzt  wurde.  Der  um  2  Uhr  45  Minuten  erfolgte, 
O. — W.  nelunciuie,  25  Sekunden  dauernde  Hauptstoss  war  derart  heftig,  dass 
Lampen,  Bilder  und  Spiegel  in  stark  schwingende  Bewegungen  gerieten.  Tische, 
Stühle  und  Kästen  wurden  von  ihren  Plätzen  gerückt.  Der  Boden  schwankte 
wellenförmig,  so  dass  mehrere  Passanten  auf  der  Strasse  stürzten.  Alles  floh 
entsetzt  aus  den  Häusern  ins  Freie.  Um  2  Uhr  50  Minuten  folgte  ein  zweiter, 
jedoch  viel  schwächerer  Stuss.  Namhafter  Schaden  wurde  nicht  angerichtet;  nur 
in  einigen  Häusern  der  Stadt  und  zu  Topcider  wurden  Mauern  gelockert  und 
Schornsteine  abgestürzt. 

Belgrads  Klima  darf  man  im  allgemeinen  ein  gutes  nennen.  Nur  aus- 
nahmsweise ist  der  Winter  so  streng  wie  1889.  wo  das  Thermometer  auf  — 22"  C. 
sank,  uiui  noch  seltener  der  Sommer  so  heiss  wie  1895,  wo  man  45"  C.  notierte, 
während  das  durchschnittlich  herrschende  Ma.ximum  von  nur  25 — 35"  meist 
noch  durch  von  den  grossen  Strömen  getragene  Brisen  gemildert  wird.  Unan- 
genehm ist  der  oft  rapide  Temperaturwechsel,  wie  ich  selbst  einen  am  25.  September 
1867  mit  15"  C.  innerhalb  weniger  Stunden  erlebte,  ferner  die  häufige  Über- 
flutung des  „Savainalski-Kvart"  durch  der  Sava  Frühjahrshochwasser  und  der 
Mangel  erfrischenden  Trinkwassers,  was  vereint  mit  den  Folgen  des  selbst  von 
den  Mittelklassen  häufig  genossenen  unreifen  Obstes  jene  gefährlichen  Fieber, 
sowie  Störungen  der  Atmungs-  und  Verdauungsorgane  hervorruft,  welche  Belgrad 
in  den  Verruf  einer  klimatisch  ungesunden  Stadt  brachten.  —  A\it  Unrecht! 
Denn  selbst  zur  Zeit  der  Freiheitskriege,  wo  es  in  Belgrad  nicht  einen  diplomierten 


Eiitwickelung  der  Königsstadt.  "-T 

Arzt  gab,  war  wie  Vuk  mir  versicherte  —  die  Lebensdauer  eine  sehr  hohe.  — 
1896  verzeichnete  das  von  Bogoljub  Jovanovic")  geleitete  Statist.  Bureau  unter 
den  59115  Seelen  (inkl.  Garnison):  1997  Personen  von  60—70,  569  von  70—80. 
119  von  80—90,  22  von  90— 100  Jahren  und  7  noch  ältere,  von  welchen  Stojan 
liic  am  13.  Februar  1900  mit  110  Jahren  starb  und  eine  nur  wenig  jüngere  Frau 
zurückliess.  im  Jahre  1868  gab  es  in  Belgrad  nur  2,  heute  11  Apotheken,  und 
neben  22  Hebammen  38  Zivil-,  25  Militär-Ärzte,  darunter  einige  mit  bedeuten- 
dem Einkommen,  obgleich  die  gesetzliche  Besuchstaxe  von  nur  2  d  selbst  von 
Wohlhabenden  selten  auf  3—5  d  erhöht  wird  und  die  kleinmütigen  Reichen 
gern   Budapester  und  Wiener  Berühmtheiten  konsultieren. 

In  den  letzten  Decennien  geschah  viel  in  sanitärer  Richtung.  1892 
widmete  der  Staat  150000  d  zum  Bau  eines  Spitals  für  ansteckende  Krankheiten, 
1894  übernahm  König  Milan  das  Protektorat  für  ein  Kinderasyl  mit  Hospital, 
und  ein  bedeutend  erweitertes  Krankenhaus  ist  geplant.  Die  früher  stark  ver- 
nachlässigte Hygiene  der  serbischen  Hauptstadt  führte  1881  zur  Analyse  ihres 
Brunnenwassers.  Sie  ergab,  dass  es  mit  Ausnahme  des  Vracars  an  verschiedenen 
Punkten,  wegen  seiner  Lagerung  auf  tertiärem  Grunde,  alkalische  und  calcium- 
reiche  Salze,  Nitrat,  Carbonat,  Chloril  usw.  enthalte,  wozu  organische  Reste 
kamen,  die  wegen  der  mangelhaften  Kanalisierung  und  Fäkalienabfuhr,  durch 
Regenzutritt  das  Brunnenwasser  verunreinigten.  Es  muss  hier  anerkannt  werden, 
dass  NikoJa  Pasic,  Belgrads  erster  radikaler  Bürgermeister,  aus  dieser  Untersuchung 
die  richtigen  Sciilüsse  zog.  Er  füiirte  wegen  der  besseren  Wasserversorgung 
der  Stadt  die  Vorverhandlungen  mit  der  „Societe  Serbe-Fran(;aise",  welcher  sein 
Nachfolger,  der  energische  Milovan  Marinkovic,  1891  ihre  Durchführung  und 
andere  öffentliciie  Arbeilen   übergab. 

Zunächst  wurde  die  wiederhergestellte  alte  Trinkvvasserleitung  vom 
Mokrilugbach  aus  zwei  Reservoirs  mittels  starker  Eisenrohre  in  alle  Strassen 
und  viele  Häuser  geführt,  auch  durcli  zahlreiche  Auslaufbrunnen,  mit  zusammen 
6  Liter  per  Sekunde,  dem  Publikinn  zugänglich  gemacht.  Das  vollendete  Werk 
wurile  am  Hl.  Juni  l.sil2  am  Miln.shrunnen  (S.  65)  mit  grossem  kirchlichen  Pomp 
feierlich  geweiiit,  erwies  sieh  aber  bald  für  den  wachsenden  Bedarf  so  unzu- 
reichend, dass  man  nach  einer  neuen  Untersuchung  mit  Zusiimmimg  des  berühmten 
Fachexperten  Smreker  ein  drittes  Reservoir  auf  dem  VraCar  anlegte,  das,  aus  dem 
„Bela  voda"  des  Mekissumpfes  bei  2arkovo  gespeist,  leider  nuantilativ  und 
qualitativ  noch  zu  wünschen  übrig  lässt.  Die  üesamtkosten  für  die  Reservoirs, 
das  70000  m  lange  Rohrnetz  und  die  durch  seine  Legung  veranlasste  Neu- 
jitlasterung    mit    granitnen    Troltoirplallen    usw.    betrugen    3400000  d. 

')  lls  driiiit.;!  iniili,  Jic.sciii  IixIIIkIkii  Keluiiii.ilur  der  ^crhi.schcn  iitli/icllen  Sl.itislik  — 
VOM  (ii'biiil  Csclietlie  —  der  mit  wenigen  lliifskriiften  so  llnifnKScndos  /.u  leisten  versteht,  schon 
hier  tiii  sein  freiinii.seli.ifliiclK'.s  iüitgegenkoinnien  lier/lichst  /ii  d.iiikeii;  denn  .uissor  den 
gedruekteii  (,)iiellen  fin  1H!M.  siellle  er  mir  ohige  inid  viele  .indere  imverolfenllielite.  olt  tut 
inieli  eigens  ;ms  ilein  riesigen  /ifleriim.iteri.il  ;nisge/ogene  D.ilcn  /iir  Verfiiguiig.  Im  III  H.nul 
werde  ich  die  in  l-'aelikreisen  .ineikaMiUeii  .Arbeiten  dieses  uuisterhaft  fleissigen  Staatsbeamten 
eingehender  würdigen. 


96  i£ntwickL-liin){  der  Könixsslaül. 

Im  lioliuM  (jrade  ühcrrascliend  und  crspricsslich  wirkte  die  „serbisch- 
franzilsische  Trainway-  und  BeleuditunKS-Gesellschaft"  zu  Belgrad.  Von  dem  1891 
ilir  auf  45  Jahre  konzessiüiiierten  18  km  lannen  Tramwaynetz  wurden  schon  im 
llerhst  1892  vier  13  km  lan^e,  den  Kalime),'dan  und  Savamalski-Kvart  mit  der 
Dampfer-  und  Bahnstation;  ferner  den  Dunavski-Kvart  mit  dem  Vracar  und  neuen 
Friedhof  verhiiuleiiik-  l.inien  dem  Verkehr  iiiierj^eben  und  1894  auch  die  Strecke 
„Terazija-Topcider"  eröffnet.  Der  Betrieb  mit  Elektrizität  und  Pferden  greift  treff- 
lich ineinander,  die  Waffen  mit  1(3  Sitzen  und  f^leich  vielen  Stehplätzen  auf  den 
Plattformen  sind  einfach,  praktisch  und  gestatten  keine  ÜberfüllunK;  die  Preise  sind 
billig:  5—10  para  für  kürzere  Strecken   und  30  für  die  längste  nach  Topcider. 

Gleich  zweckmässig  ist  die  vom  Hause  Thomson  Husdon  bescjrgte  elektrische 
Beleuchtung.  9  Dynamos  (Edison  Sparry)  mit  oberirdischer  Führung  speisen  von 
(.kr  im  Donauviertcl  erbauten  Zentrale  7  Bogen-  und  1000  Glühlampen  der 
öffentlichen  Plätze  und  Strassen  für  jährlich  80000  d,  mit  entsprechender 
Ermässigung  von  20"/o  bei  steigendem  Privatbedarf,  für  welchen  per  Flamme  von 
10  Kerzenstärke  4,  von  16  Kerzen  (i  und  von  1000  Kerzen  60  para  per  Stunde  ver-- 
cinbart  wurden.  Der  zur  Feier  iles  Jahrestages  der  Proklamierung  des  Königs 
Alexander  und  der  Regentschaft  geplante  erste  elektrische  Beleuchtungsversuch 
Belgrads  am  6.  März  1893  missglückte  wohl;  er  gelang  aber  trefflich,  als  die 
Stadt  des  Königs  faktischen   Regierungsantritt  feierte. 

Über  die  seit  Einführung  starke,  stetig  wachsende  Benützung  der  Tramway 
und  des  elektrischen  Lichtes  Hessen  die  Unternehmer  ihre  serbischen  Aktionäre 
vollkommen  im  unklaren.  Diese  bevollmächtigten  deshalb  1894  ein  gewähltes 
Komitee,  die  Direktion  bei  iii^n  serbischen  Gerichten  zu  verklagen  und  bis  zur 
Entscheidung  die  Verwaltung  der  Kasse  zu  übernehmen.  Als  Grund  dieses 
Schrittes  wurde  angegeben,  dass  die  Direktion  ohne  Befragen  der  serbischen 
Aktit>näre  die  Konzession  einer  fremden  Gesellschaft  zu  übertragen  versuchte, 
die  in  Brüssel  veröffentlichten  Ausweise  ihnen  vorenthalte,  obschon  Belgrad 
statutenmässig  der  Direktionssitz  sei,  und  weil  sie  von  dem  1893  schon  160000  d 
betragenden  Reingewinn  den  serbischen  Interessenten  keine  Dividende  zahlte. 
Die  Direktion  gab  beruhigende  Aufklärung  und  wies  darauf  hin,  dass  vor 
Tilgung  der  Hypothekarscluild  die  Verteilung  einer  Dividende  unmöglich  sei. 
Seither  besserte  sich  das  Verhältnis  zu  der  von  A\r.  üregoire  geleiteten  Gesell- 
schaft. Der  Rechenschaftsbericht  für  1897  wies  aus,  dass  die  Herstellung  der 
6650  m  mit  Pferden  und  9330  m  elektrisch  betriebenen  Linien  3480000  Fr. 
erforderte  und  mit  sämtlichen  Aktiven  einen  Besitz  von  3778969  Fr.  repräsen- 
tieren, was  sich  mit  den  Passiven,  bestehend  aus  dem  eingezahlten  Aktienkapital 
von  3448500  Fr.  und  sonstigen  Schulden,  decke.  Die  Transporteinnahme  stieg 
von  381616  Fr.  im  J.  1895  auf  419484  Fr.  im  J.  1896  und  würde  gewiss  1897 
ohne  das  die  Balmhofslinie  überschwemmende  Savahochwasser  sich  noch  mehr 
erhöht  haben.  Das  rollende  A\aterial  bestand  aus:  II  elektrischen  Motorwagen, 
6  offenen  Schlepp-,  18  Sommer-,  14  seit  1899  durch  Kästen  geheizte 
Winter-  und  2  Leichentransport-Pferdewagen,  welche  30  Kondukteure,  16  Kutscher, 
12  Führer  (für  elektrische  Wagen),   12  Stalldiener  und  86  Pferde  erforderten. 


Entwickelung  der  Königsstadt.  97 

Die  erwähnten  und  vorhergegangenen  Weiterungen  mit  den  französischen 
Finanzkreisen  schmälerten  nicht  Beigrads  traditionelle  Sympathien  für  Frankreich. 
Um  auch  gleichzeitig  den  noch  grösseren  für  Russland  Ausdruck  zu  leihen, 
richtete  sein  verdienter  Kmet  (Bürgermeister)  Marin ko vi c  während  der  grossen 
Russenfeste  folgendes  Telegramm  an  den  Pariser  Munizipalrat:  „Die  Belgrader 
Einwohnerschaft,  deren  Blicke  nach  Paris  gerichtet  sind,  wo  sich  zwei  grosse 
und  edle  Nationen,  beide  die  Freunde  Serbiens,  verbrüdern,  schliesst  sich  mit 
ganzer  Seele  der  Freude  des  französischen  Volkes  an  und  übersendet  ihre  herz- 
lichen Glückwünsche  den  Parisern  und  allen  ihren  Freunden.  Hoch  Frankreich! 
Ilotli  F^ussland!"  —  worauf  der  Präsident  des  Pariser  Munizipalrates,  Humbert, 
antwortete:  „Die  Pariser  Gemeinde  ist  tief  gerührt  von  den  ihr  ausgedrückten 
Gefühlen  der  Belgrader  Bevölkerung,  sie  dankt  aus  ganzem  Herzen  dem  serbischen 
Volke,  dem   Freunde  Russlands  und   Frankreichs." 

Der  Belgrader  Gemeinderat  ergreift  überhaupt  gern  jeden  Anlass,  um  mit 
den  grossen  slavischen  und  occidentalen  Kommunen  Sympathiebeweise  zu  tauschen; 
so  im  September  1897  mit  dem  Wiener  Gemeinderat,  dem  er  für  seine  Teil- 
nahme an  der  Exhumierung  und  Ehrung  Vuks  lebhaft  dankte. 

Nach  der  letzten  Zählung  (14.  Januar  1901)  beträgt  Belgrads  Bewohner/ahl 
ohne  Militär  64  140,  und  zwar  3474(5  männlichen  und  29394  weiblichen  Geschlechts, 
hatte  demnach  jene  der  kroatisch-slavonischen  Hauptstadt  Agram  bereits  mit 
6782  Seelen  überflügelt.  Die  Anziehungskraft  beweist,  dass  schon  1890  von 
Belgrads  59115  Bewohnern  nahezu  11000  fremde  Staatsangehörige  waren.  Nach 
der  Muttersprache:  241  Kroaten,  63  Russen,  605  Böhmen,  172  Polen,  75  Slovenen, 
98  Slovaken,  4142  Deutsche,  65  Franzosen,  227  Italiener,  287  Rumänen,  138  Cin- 
caren,  212  Griechen,  1059  Ungarn,  59  Amanten,  105  Türken,  3097  verschieden- 
sprachige  Juden,  400  Zigeuner.  Bei  dem  Gesamtzuwachs  1880—90  (jährlich 
1,75"/,,)  überstieg  auffällig  das  männliche  (jeschlecht  mit  9800  Seelen  das  weibliche. 
Der  Religion  nach  waren:  49220  orthodox,  5H43  katholisch,  791  protestantisch. 
3097  israelitisch,    159  moslimisch   usw. 

Die  serbische  Berufsstatistik  ist  noch  nicht  genügend  differenziert;  beispiels- 
weise trennt  sie  iiiclil  Meister,  Gesellen  und  Lehrlinge,  lässt  jedoch  im  allgemeinen 
für  Belgrad  die  Abnahme  des  landwirtschaftlichen  Erwerbes  neben  einer  bedeu- 
tenden Zunahme  der  industriellen,  technischen,  Handels-  und  Konsumbetriebc. 
nanientlich  aber  tlie  st.nkc  \'ermehrung  des  staatlichen  und  kommunalen  Beamten- 
standes erkeiHien.  Als  interessant  hebe  ich  hervor,  dass  man  1896  dort:  1101 
definitiv  und  1133  ohne  Ukas  angestellte  Staatsdiener,  266  Post-,  Telegraphen- 
imd  Bahnbeamte,  sowie  58  Beamte  mit  513  Diurnislen  der  Gemeinde,  abgesehen 
von  7()0  Pcnsicinärcn,  verzeichnete,  so  dass  auf  rund  20  Seelen  I  Beamter,  auf 
150  ein  Lehrer  ciillielen.  Auf  1000  Seelen  kam  aber  erst  1  Arzt  (in  Wien  auf 
725)  rhciiso    1    .Advokat,    1    Geistlicher  auf   1470  Seelen.      Für    die  öffentliche 

Sicherluit  snigtcn  ausser  iler  erwäimlen  i'ompler-  und  Nachtwache  auch 
470  (jcndarmen.  Die  Garnison  bestand  IH92  aus  2794  Mann;  1896  schon  aus 
3275  Mann,  darunter  331  Ober-  unil  494  Unter-Offiziere,  und  im  Jahre  1900  war 
ihr  Stand  noch  höher,  während  man  zu  Agrain  nur  2737  Militärs  zählte. 

I'.  KANITZ,  SiTlili'ii.   I.  7 


Ü8      •  Rntwickeliin«  der  Ki^^ius^l.llll 

Von  Bcltirads  physioj^nomisch  iH-reits  charakterisierten  6  Stadtteilen  ist  der 
an  Hotels,  Banken,  Geschüftsniederianen  reiche  „Varoäki-Kvart"  mit  6  Seelen 
per  Haus  am  schwJichstcn,  das  industrielle,  Kowerbtätif^c,  von  Arbeitern  stark 
bevölkerte  Donauviertel  mit  8  Seelen  am  stärksten  bewohnt.  Die  älteren 
Bel}^rader  industriellen  Ftablisscments,  die  k.  Staatsdruckerei,  die  Monopolfabriken, 
Danipfiniiiileii,  Brauereien,  Spiritusraffinerien,  Ziegeleien  usw.  erhielten  im  letzten 
Decciiiiiuin  einen  ansehnlichen  Zuwachs.  Es  entstanden  neue,  welche  schwedische 
Ziiiulhiijzchen,  Feinseife,  r.isen{,'uss-  und  Schmiedewaren,  Möbel,  Schreine,  Lein- 
wand usw.  in  {grossem  Stile  erzeugen.  Vereinigungen  der  Buchdrucker,  Klempner, 
Buchbinder,  Tischler  usw.  erweitern  ihre  Betriebe.  Sehr  bedeutende  staatliche 
Begünstigungen  suchen  die  Entwickeiung  des  Handwerks  und  Fabrikwesens  kräftig 
zu  fördern,  und  mehrere  zuletzt  durch  den  eifrigen  Minister  Kleric  erteilte  Konzes- 
sionen vcrsprcclien  den  einst  so  stillen  „Dunavski-Kvart"  in  ein  Industrieviertel 
mit  ilurcli   Dampf  und  Elektrizität  bewegtem  Maschinengetriebe  zu  verwandeln. 

Dieses  zieihcwusste  Streben  der  Ministerien  für  Volkswirtschaft  in  Bukarest, 
Sofia  und  Beigrad,  die  Ausfuhr  zu  heben  und  den  fremden  Import  zu  verringern, 
erregt  lange  schon  die  Aufmerksamkeit  der  beteiligten  Staaten.  Unter  allen 
serbischen  Douanen  ist  die  l^elgrader  die  wichtigste.  1896  gingen  durch  dieselbe 
U'erte:  im  Export  für  27,5  Mi!!,  dinar  51  "Z^,  im  Import  für  26.7  Mill.  d  80»/,, 
und  im  Transit  für  3,2  Mi!!,  d  19'Vo  von  Serbiens  ganzer  Aus-,  Ein-  und 
Durclifuiir.  Das  Wachsen  der  staatlichen  Zolleinnahine  aus  der  Douane  Belgrads 
von  5,5  Mill.  d  (1895)  auf  6,2  Mill.  d  (1896),  also  auf  nahezu  65"  „  des  Gesamt- 
ertrages, zeigt  zugleich  jenes  seines  Handels,  den  neben  der  k.  Nationalbank 
namentlich  das  Belgrader  Kredit-Institut,  die  Handelsbank  und  andere  Hilfskassen 
fördern,  welche  schon  1895  trotz  des  hohen  Zinsfusses  von  5 — 10 "/o  einen  Umsatz 
von   nahezu   1100  Millionen  d  erzielten  (III.  Bd.,  XI.  Kap.). 

Belgrads  vorübergehend  —  so  1897  durch  die  unheilvolle  Wasserkatastrophe 
im  Lande  —  gestörter  wirtschaftlicher  Aufschwung  steigerte  dort  allen  Immobilien- 
wert seit  dreissig  Jahren  nahezu  um  das  Dreifache.  In  der  Knjaz  Mihailo-  und 
Kralj  Milan-Strasse  kostete  schon  damals  ein  Quadratmeter  Baugrund  35  —  50  d, 
in  der  Umgebung  der  Zentralpost  25  —  40,  an  der  Sava  20 — 30,  in  der  Jovanova 
ulica  an  der  Donau  15 — 20  und  auf  dem  Vracar  für  grössere  Terrains  20  und 
für  kleinere  6  d.  Auch  die  Material-  und  Arbeitspreise  erhöhten  sich  bedeutend. 
Das  Tausend  Ziegel  wird  mit  35 — 40,  1  Kubikmeter  Baustein  mit  1  d  bezahlt; 
Maurer  erhalten  5 — 6,  Handlanger  1.50 — 3  d  Tagelohn.  Trotzdem  rentieren  Neu- 
bauten durchschnittlich  mit  8"/o  und  die  billig  hergestellten  alten  Häuser  sogar  mit 
15 — 18'\o-  Die  nocli  immer  steigenden  hoiien  Zinse  lohnen  das  Bauen.  Die 
Bautätigkeit  hob  sich  von  60  Häusern  im  J.  1880  auf  durchschnittlich  130  von 
1881  — 1884  und  blieb  seither  noch  immer  ziemlich  rege.  1897  besass  Belgrad 
5317  Häuser. 

Wie  allerorts  in  Serbien  hinderte  ein  häufiger  Personenwechsel  auch  in 
Belgrad  —  weil  die  bei  jedem  Regierungstausch  eintretende  Neubesetzung  seiner 
mit  12000  d  dotierten  Kmetenstelle  ein  lockendes  Staatsamt  bildete  —  oft  die 
zielbewusste  rasche  Durchführung  lang  geplanter  wichtiger  Reformen.     Tüchtigen 


Entwickelun(4  der  Königsstadt.  99 

Männern,  wie  Jo van  R.  Marinkovic,  folgten  einzelne,  welchen  bei  oft  ehrlichstem 
guten  Willen  alle  Eigenschaften  zur  Leitung  eines  grossen  Gemeinwesens  fehlten. 

Nach  einem  derartigen  unfruchtbaren  Intermezzo  übernahm  der  sach-  und 
fachkundige  Pa§ic  im  Januar  1897  für  kurze  Zeit  zum  zweitenmal  das  schwierige 
Amt.  Sofort  begannen  städtische  Ingenieure  mit  Detailplänen  für  die  not- 
wendigsten Bauten  zur  Hebung  des  Belgrader  Handels;  auch  wurden  die  Sommer- 
monate zur  Durchführung  der  Häusernumerierung  und  endgültig  festgestellten 
Strassennamen  auf  Metallschildern  benutzt,  wobei  von  263  Plätzen,  Gassen  usw. 
68  ältere  neu  und  17  namenlose  mit  grossenteils  historischen  Personen-  oder 
geographischen  Namen  getauft  wurden.  Der  November  brachte  noch  —  kurz 
vor  Pasics  Rücktritt  —  die  lang  schwebende  Verbindungsfrage  des  Bahn- 
hofes mit  den  Schlachthäusern  im  Dunavski-Kvart  durch  einen  Schienenstrang 
ihrer  Lösung  näher,  indem  die  für  diese  Linie  notwendige  1  Million  d  durch 
eine  6"  „,  mit  Halbjahrzinsen  in  10  Jahren  rückzahlbare  Anleihe  in  10000  Obli- 
gationen ä  100  d  (zum  Kurs  von  90  d)  beschafft  wurde,  garantiert  durch  die 
Bahn,  die  staatliche  Klassenlotterie  und  das  1 250000  d  befragende  Kapital  der 
Schlachthaus-Gesellschaft.  Die  Bahnlinie  wird  entlang  dem  Savaufer  auf  hohem, 
die  „Vcnecija"  und  die  unteren  1-esIungswerke  umkreisenden,  das  Donauviertel 
durchschneidenden  festen  Damm  erbaut,  der  zugleich  das  bisher  bei  Hochwasser 
stets  überschwemmte  Venecijaterrain  sichern  und  dort  die  Anlage  der  gleich 
dringlichen  Quais  und  Lagerhäuser  ermöglichen  soll.  Noch  bedarf  es  aber  der 
vollständigen  Durchführung  des  begonnenen  Kanalnetzes,  einer  besseres  Quellwasser 
liefcnulen  neuen  Lcitiuig  uiul  der  Trockenlegung  der  nahen  sumpfigen  Fieber- 
heriie,  um  Belgrad  nicht  allein  zu  einem  merkantil  bevorzugten  Zentrum,  sondern 
zu  einer  gleich  schönen  wie  gesunden   Residenz  zu  gestalten. 

Derartige  grossartige  Arbeiten  erfordern  selbstverständlich  reichere  Ein- 
nahmen, als  die,  über  welche  Belgrad  früher  und  selbst  zuletzt  verfügte.  Zu 
ihrer  Vermehrung  begann  1890  die  Einhebung  des  von  Österreich-Ungarn 
angefochtenen,  durch  den  Minister  Vuic  aber  nach  langen  Verhandlungen  glücklich 
durchgesetzten  Octroi  auf  bestimmte,  im  Stadtgebiet  zum  Verkauf  gelangende 
Waren.  Diese  „Trosarina"  brachte  gleich  im  ersten  Jahre  rund  ()9300O  d  inul, 
fiirtwälnend  sich  stcigernil,  in  6  Jahren  (1891  I89ti)  über  4Ht)20()0  d  der  Stadt. 
iliTcii  l.iiinahmcn  nun,  dank  den  auch  in  anderen  Einnahmezweigen  erzielten 
günstigeren  Resultaten,  von  ()95(l()()  d  (1887)  im  Budgetvoranschlag  Belgrads 
für  1902  auf  2  9;{.'iOI9  d  veranschlagt  wunlen,  gegenüber  den  Ausgaben  mit 
2461657  d. 

Als  llaiipteinnahmen  erschienen  1896:  vom  Grundbesitz  49670  d  —  Ertrag 
der   Wasserleitung    2()2()0()  d  vom    1-leisch-,    Pflaster-,    i'lalz-,    Ufer-,    B.'Uler- 

Recht  usw.    ()94  2(i()   d  ilie    Accise    von    Getr.'Inken    usw.    27  740   d     -     die 

lluiulita,\e    2l)(l()  il  Kanzleitaxen    usw,  M)'M'iO  A  Zinsen.    Rückstände    für 

Trottoirs  usw.  17  250  d  Ertrag  von  l'arkkon/erteii,  Blumen,  Kiosken.  Aborten. 
Desinfekliini    usw.    210120    d  vom    l'riedhof    XiHOO    d  das    Gctroi    mit 

97()l)(i()   il  und    der   Spitäler   mit    10000   il         2400800   d.  Ilauplausgabcn 

bildeten;  I  liiiiiigen  32500  il        Be.nntengehalle  2.'U)220  d        Bezahlung  der  Diener. 


I')()  Kntwickeliinn  der  Könif;ssta(it. 

Wächter,  Müter  usw.  229620  d  -  Kanziciniatcrialien  usw.  18800  d  —  Sanitäts- 
auslat^eii  1 1 500  d  —  für  Waisen  und  mittellose  Witwen  95000  d  —  Erhaltung 
von  Gebäuden  55000  d  —  Beleuchtung  und  Heizung  von  Kanzleien,  Schulen  usw. 
21240  d  —  Zinsen,  Steuern,  Assekuranz  usw.  35000  d  -  Mieten  52925  d  — 
für  Scluilzwecke,  Bekleidung  der  Feuerwache  usw.  137  670  d  —  Schlachthaus,  Train- 
pferde usw.  54777  d  —  Unterstützung  armer  Studierender,  muhammedanischer  Gottes- 
häuser, gemeinnütziger  Anstalten  usw.  15000  d  —  für  den  Kirchenbau  Sv.  Nemanje 
40000,  Terrainankäufe  zur  Stadtrcgulicrung  100000,  für  Börse,  Institut  Sv.  Save, 
Turnerbund,  allerlei  Utensilien  16000  d  —  TroSarina-Kinhebung  157000  d  — 
Friedhöfe  22740  d  —  Friedhoffonds  1 1 060  d  —  Troäarinafonds  823000  d  — 
was  die  volle  Bilanz  des  vom  Odbor  (Gemeinderat)  mitunterschriebenen  und 
vom  Finanzminister  genehmigten  Budgets  ergab.  Obgleich  nun  die  voraussichtlich 
steigenden  Einnahmen  die  strikte  Rückzahlung  des  von  der  Kommune  mit  Pariser 
Finanziers  abgeschlossenen  10  Millionen  Franken-Anlehens  (für  Kanal-,  Wasser- 
Icitungs-  und  Quaisbauten)  versprachen,  verweigerte  die  Regierung  ihre  Zustimmung, 
weil  der  radikale  Kmet  Nikola  D.  Stefano  vi  c  (1897—1899)  angeblich  bei 
dein  Geschäft  mehr  seinen  eigenen  Vorteil  als  das  Interesse  der  Kommune 
berücksichtigt  habe,  was  der  1901  zum  Minister  des  Innern  ernannte  einstige 
Fortschrittler  in  sofortiger  Rechtfertigung  als  unrichtig  erweisen  konnte. 

Erinnert  man  sich,  dass  die  Seelenzahl  des  allerdings  unfer  weit  günstigeren 
Verhältnissen  fortschreitenden  Budapest  1790  jener  des  heutigen  Belgrads  glich, 
schon  im  'Jahre  1900  aber  zehnfach  überschritt,  so  klingt  es  wohl  nicht  zu 
opUmistisch,  wenn  ich  dem  kommerziell  ungemein  günstig  liegenden  Sava-Donau- 
Empoiluin  eine  ähnliche  viclverheissende  Zukunft  vorhersage  —  vorausgesetzt, 
dass  es  seine  geistigen  und  materiellen  Strebungen  unausgesetzt  gleich  eifrig 
wie  in  den  letzten  Decennien  pflegen  kann.     Da  bog  da! 


Nachdem  ich  durch  Wort  und  Bild  und  jeden  Zweifel  ausschliessende  Zahlen 
Belgrads  überraschenden  Fortschritt  nach  allen  Richtungen  klargestellt,  ist  wohl 
die  Frage  berechtigt:  Auf  welcher  kulturellen  Stufe  befände  sich  diese  heute  schon 
mit  allen  Einrichtungen  des  Occidents  ausgestattete,  sowie  durch  Werke  der 
wieder  aufgelebten  heimischen  Kunst  verschönte  Stadt,  wenn  Serbien  nicht  unter 
den  Obrenovic  die  türkisch-asiatische  Souveränität  und  Suzeränität  abgeschüttelt 
hätte?  Stünde  Belgrad  dann  nicht  auf  demselben  tiefen  Niveau,  auf  dem  die 
Russen  und  Österreich-Ungarn  noch  Sofia,  Philippopel.  Ruscuk,  Sarajevo,  Mostar 
und  andere  grosse  türkische  Städte  im  Jahre   1878  trafen? 

Ich  niüsste  mein  offenes  Schreiben  an  A\idhat  Pascha  vom  24.  August  1877 
im  „Journal  des  Debats" ')  vollinhaltlich  hier  reproduzieren,  um  erneuert  klar- 
zustellen, dass  „eine  durchgreifende  Reform  der  türkischen  Verwaltung",  wie  sie 
Midhat  Pascha  damals  in  Aussicht  stellte  und  gegenwärtig  wieder  vom  Sultan 
gefordert  wird,   „in   das   Reich   optimistischer  Träume   gehört,    weil    es    in  jenen 


')  Es  erschien  übersetzt  nahezu  in  allen  grösseren  europäischen  Blättern. 


Entwickelung  der  Königsstadt.  101 

Kreisen,  welche  in  der  Tiiri<ei  traditionell  alle  Ämter  monopolisieren,  an 
patriotisciien,  ruclitliclien  und  zugleich  unterrichteten  Männern  durchaus 
mangelt".  —  Angesichts  der  noch  in  frischer  Erinnerung  stehenden  Vorgänge 
in  Armenien,  Thessalien  und  im  Vilajet  Adana  erinnere  ich  weiter  an  meinen 
durch  diese  bewährten  Ausspruch:  „Es  lassen  sich  dort  viele  Regimenter 
tapferer  Basihozuks  rekrutieren,  doch  kaum  einige  Dutzende  tüchtig  gebildeter, 
pflichttreuer  Beamte!" 

Bedarf  es  aber  denn  immer  erst  flagranter  Verletzungen  internationaler  Vertrags- 
rcclitc  (ider  grosskapitalistischer  Interessen,  um  den  europäischen  Areopag  an  die 
driiigenii  notwendige  Aufnahme  der  durch  den  griechischen  Krieg  unterbrochenen 
f^efdrinarbeit  im  Reiche  des  siegberauschten  Sultans  zu  mahnen?  —  Haben 
Armenier,  Macedonier,  Albanesen,  Altserben  und  andere  von  ähnlichen  Leuten, 
wie  der  Kaimakam  von  Mersina,  regierte  Nationen,  weil  sie  weder  über  Panzer, 
noch  eindringlich  sprechende  Monitore  verfügen,  nicht  auch  ein  natürliches  Recht, 
dass  man  für  sie  Verhältnisse  erzielt,  welche  ihnen,  gleich  Rumänen,  Serben, 
Bulgaren,  Bosniern  und  Herzegowinern,  eine  Erlösung  von  den  durch  das 
Türkenregiment  geschaffenen  sozialen  und  wirtschaftlichen  Missständen  in 
Aussicht  stellen? 

Möchte  man  doch  endlich  in  den  massgebenden  Kreisen  nicht  nur 
vorübergehend,  sondern  für  alle  Zukunft  des  trefflichen  Satzes  mit  vollstem 
Ernst  eingedenk  bleiben:  „So  wie  die  Zustände  in  der  Türkei  noch  immer 
beschaffen  sind  und  wie  sie  im  Spiegel  des  Konfliktes  mit  Österreich-Ungarn  sich 
reflektieren,  siiul  sie  absolut  inilialtbar;  inmitten  des  heutigen  europäischen  Völker- 
rechtes und  internationalen  Verkehrs  ist  die  Türkei  in  ihrem  jetzigen  Zustand 
auf  die  Dauer  ein  unmöglicher  Anachronismus.  Seitdem  sie  nach  dem  Pariser 
Kongress  in  die  völkerreclitliclie  Gemeinschaft  Europas  aufgenommen  wurde, 
hat  sie  sich  nicht  um  einen  Haarstrich  geändert;  das  Vertrauen  Europas  auf  ihre 
Entwickelungsfähigkeit  ist  bis  heute  von  ihr  nicht  gerechtfertigt." ')  Schwerlich 
könnte  man  mit  überzeugenderen  Worten  die  von  einigen  Turkophilen  gepriesenen 
Zustände  im  Siiltansreiclie  ihres  gicissncrischen  Scheines  besser  entkleiden! 
Bestätigen  sie  aber  nach  dem  letzten  erfolgreichen  Kampfe  des  Halbmonds  mit 
(jrieclienland  nicht  auch  vollkommen,  was  ich  in  dem  vorerwähnten  offenen 
Brille  an  Midliat  l'asclia  schon  IH77  gesagt:  „Es  mag  für  die  Türkei  leichter  sein, 
einen  glücklichen  l'eklziig  zu  führen,  als  ihr  im  tiefsten  Mittelalter  steckendes 
Staatswesen  aus  eigener  Kr.ifl  im  moilernen  Geiste  zu  reformieren"? 

')  l.cil;irliki.l  der  „N.  I'r.  I'icsse"  aiilässllch  des  üsIcrrvicIiisch-iinKarischcn  Konfliktes  mit 
Ulm    l'forle  vom   17.  November  1H'.I7. 


Topcider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala. 


STRICHT  der  [k'lt;radcr  ins  Freie,  so  zieht  er  iiinaus  auf  die  nahen  Vracar- 
hiiliLii.  Dort  hesuciit  man  liebe  Freunde  oder  Verwandte  in  ihren  Villen,  die 
meist  einlach  und  schmucklos  sind,  aber  j^ewohnlich  einen  entzückenden  Ausblick 
in  das  schöne  Sava-Donauland  gewähren. 

Unübertroffen  in  dieser  Richtung  war  wohl  das  auf  der  westlichen  Topciderer 
Hohe  liegende  poetische  Heim  des  Schriftstellers  Ban  (f  14.  März  1903)  und 
seines  Schwiegersohnes,  des  Malers  Stefan  Teodorovic.  Der  in  ihrem  gastlichen 
TuskiiluMi  verlebte  herrliche  Simimerahend  klingt  heute  noch  ungeschwächt  in 
meiner  Erinnerung  nach  denn  feenhaft  hob  sich  das  elektrisch  illuminierte 
Belgrad  vom  tiefblauen  Himmelszelt  ab!  Wie  einladend  „Miomir",  des  Staatsrats- 
präsidenten Simics  Villa  nach  Schweizerart,  sich  präsentiert,  wie  freundlich  die 
Landhäuser  der  Diplomaten  Filip  Hristic,  Barlovac,  des  Industriellen  2ivkovic  u.  a. 
daliegen,  wenn  man  zum  „Banicko  polje"  hinausfährt,  um  in  der  Militärschiessslätte, 
bei  deren  \HH[)  erfolgtem  Bau  ein  antikes  (jrabfeld  mit  Leichenbrand  in  L'rnen 
anfgecleckt  wurde,  ein  i'reisschiesscn,  auf  dem  nahen  Reiterbundplatz  ein 
Rennen  oder  auf  dem  anschliessenden  Lagerfelde  der  Ik'lgrader  Uarnison  ein 
Manöver  in  (iegenwart  des  dort  sein  eigenes  Wohnhaus  besitzenden,  stets 
enthusiastisch  em|ifangenen   Königs  anzusehen. 

Als  weiter  Ausflug  galt  Iriiher  der  eine  Stunde  ferne,  nun  aber  mit  Bahn 
oder  'l'ramway  billig  und  leicht  erreichb.ire  k.  Rehpark  Topcider.  Von  seinem 
gegen    die    Sava    sich    öffnenden,    gleichnamigen    Tal    (lilrk.    lopci  Kanonier, 

dere  la!)     /lelit     langhalmiger,     weicher     Rasen     hinauf     zu     sanften,     von 

frischgrünenden  l.aidigehölzen  beileckten  Höhen.  Während  der  iniverschämten 
l-'iakerpreise  wegen  noch  vor  einem  Decennium  an  Werktagen  nur  der  Hof. 
einige  Diplomaten  und  Besitzer  eigener  Wagen  sich  in  Topciders  reiner  Waldluft 
erfrischten,  beileckt  mm,  n.nnentlich  an  l"eiertagen,  eine  fröhliche  Menge  die  von 
seiner  Bahnst.ition  n.ich  ilen  Restaurants  ab/weigeuiien  schattigen  Pfade.  Am 
liebsten  l.ii;ert  in, in  in  den  lauschigen  V\',dilp,irlien  iler  „Hajducka  C'csina",  labt 
sich    an    ilueiii    Kiisi.illi|uell,    langt    dort    n.ich    den    Schätzen    der    mitgebrachten 


IUI  Top^idcr,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala. 

Kiirhc    iiiul    ernützt    sich    bei    Sviralaklan(4    am     K<)lf)reinen    oder    mit    heileren 
Gesellschaftsspielen. 

Eine  lauschige  Akazienallee  führt  zu  dem  im  türkischen  Cilthkstil  erbauten 
Konak,  In  dein  Fürst  Miloä  in  seinem  letzten  Lebensjahr  am  liebsten  weilte. 
In  den  Räumen,  in  welchen  er  wohnte  und  am  26.  September  1860  starb,  wurde 
nichts  geändert,  und  Verehrer  des  Mannes,  der  durch  ciKene  Kraft  den  Hirten- 
stab mit  dem  Scepter  vertauschte,  betrachten  pietätvoll  seine  Totenmaske,  sein 
Bett,  seine  Kleider,  den  einfachen  Hausrat  und  die  Porträt^alerie  im  Vorsaal, 
die  alli.'rilinf.;s  iiulir  durch  die  Dargestellten  als  durch  Kunstwert  interessiert. 
Man  sieht  darunter  aucli  andere  Bilder,  welche  Milos'  bekannte  Vorliebe  für  das 
schöne  Geschlecht  bekunden;  ferner  eine  in  Graz  angefertigte  Modellsammlung 
von  aus  Steiermark  nach  Topcider  verpflanzten  edlen  Obstsorten.  Sie  erinnern 
an  die  hier  1849  unter  Fürst  Alexander  Karadjordjevic  begründete  und  durch 
den  ungarischen  Serben  Nikolic  tüchtig  geleitete  Agrikulturschule,  welche  die 
ersten  Keime  zur  Verbesserung  der  nationalen  Landwirtschaft  und  zum  rationaleren 
Obst-  und  Gemüsebau  legte,  trotzdem  aber  1859  von  der  SkupStina  aufgelöst- 
wurde. Heute  werden  erneuert  Samen  und  Bäumchen  dort  gezogener  edler 
Sorten  durch  die  „Agronomische  Gesellschaft"  verbreitet,  auch  erhielt  der 
„Apistische  Verein"  ein  ansehnliches  Terrain  auf  dieser  Staatsdomäne  zur 
Belebung  der  serbischen  Bienenzucht. 

Zu  Pfingsten  1865  wurde  in  Topcider  die  50jährige  Erinnerungsfeier  an 
Serbiens  Befreiung  durch  den  Fürsten  Milos  festlich  begangen.  Während  der 
bei  diesem  Anlasse  dem  Fürsten  Mihail  dargebrachten  grossartigen  Huldigungen 
ahnte  niemand,  welche  traurige  Berühmtheit  Topciders  Wildpark  schon  in  drei 
Jahren  erlangen  werde.  Der  dort  am  10.  Juni  1868  erfolgte,  für  Serbiens 
politische  Geschicke  verhängnisvoll  gewordene  Mord  des  allgemein  verehrten 
Fürsten  vollzog  sich  unter  Uinständen,  deren  objektive  Klarstellung  auf  Grund- 
lage meiner  unmittelbaren  Aufzeichnungen  am  Tatort  wohl  gerechtfertigt  erscheint. 

Gleich  auf  das  erste,  allerorts  grosse  Bestürzung  erregende  Telegramm  eilte 
ich  nach  Belgrad.  Dem  mir  befreundeten  fürstlichen  Majordomus  Nastas  dankte 
ich  die  schmerzliche .  Genugtuung,  den  bereits  im  Sarge  ruhenden  Leichnam 
zuerst  besichtigen  und  statt  des  ihm  beigegebenen  einfachen  Säbels  unter  den 
vielen  kostbaren  der  Waffensammlung  einen  würdigeren  auswählen  zu  dürfen. 
Das  Arbeitszimmer  fand  ich  so,  wie  es  der  Fürst  vor  seinem  verhängnisvollen 
Spaziergang  verliess.  Auf  dem  Tische  lag  seine  letzte  Lektüre,  ein  broschiertes 
Exemplar  meines  kurz  zuvor  erschienenen  „Serbien",  schon  zur  grösseren  Hälfte 
aufgeschnitten,  daneben  welkten  in  einem  Glase  lose  gebundene  Rosen,  welche 
ihm  seine  jugendliche  Grosscousine  Kata  Konstantinovic  am  Morgen  seines 
Todestages  gesandt  hatte!  —  Das  Attentat  und  Belgrads  Physiognomie  in  jenen 
„schwarzen  Tagen"  schilderte  ich  unter  den  unmittelbar  empfangenen  Eindrücken 
in  dem  hier  folgenden  Artikel,  begleitet  von  meiner  am  Begräbnismorgen  im 
Konak  gezeichneten  Skizze  '). 


')  „Leipziger  llliistr.  Ztg.",  4.  Juli  1868.    Die  Zeichnung  wurde  in  Cliches  und  in  litho- 
graphischen Kopien  vielfach  reproduziert. 


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Topcider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala.  1*^'" 

„Zwei  Wochen  tiefer  Erregung  für  die  Diplomatie,  die  Presse  und  die  Börsen 
Europas  gingen  seit  dein  Tage  vorüber,  welcher  die  Trauerbotschaft  von  dem 
schrecklichen  Ende  Fürst  Mihails  brachte.  So  alarmierend  aber  die  ersten  Nach- 
richten lauteten,  so  wenig  bestätigten  sich  die  Befürchtungen  und  Beschuldigungen, 
welche  von  einem  Teile  der  Publizistik  auf  Kosten  des  Serbenvolkes  in  Kurs 
gesetzt  wurden.  Durch  ihre  musterhafte  Haltung  in  den  letzten  schweren  Tagen 
haben  die  Serben  des  Fürstentums  ihre  offenen  und  geheimen  Widersacher 
beschämt,  ja  teilweise  sogar  bekehrt  —  natürlich  mit  Ausnahme  jener,  deren 
Vorliebe  für  das  Türkentum  auf  materiellen  Gründen  beruhen  mochte! 

Unter  dem  ersten  Eindrucke  des  traurigen  Ereignisses  fuhr  ich  die  Donau 
hinab.  Schon  von  Senilin  konnte  man  auf  den  Festungswällen,  auf  der  Kathedrale 
und  allen  hochgelegenen  Cjebäuden  Belgrads  schwarze  Flaggen  unterscheiden. 
Diesen  Trauerzeichen  entsprach  die  ganze  Physiognomie  der  hartgetroffenen 
serbischen  Hauptstadt.  Überall  schwarze  Draperien,  Fahnen,  geschlossene  Läden 
und  gebrochene  Gestalten.  Zwei  Gefühle  schienen  allerorts  zu  herrschen,  inniger 
Schmerz  um  den  geliebten  Regenten  und  zahlreiche  mit  ihm  begrabene  Hoff- 
nungen, aber  auch  der  Durst  nach  Rache  an  den  Mördern  und  ihren  Mitschuldigen. 
Dass  man  die  eigentlichen  Urheber  des  Attentates  ausser  Landes  wusstc,  steigerte 
die  Erbitterung  des  Volkes.  Trotzdem  liess  es  sich  zu  keinem  Akte  der  Unord- 
ninig  liinreissen.  Es  vertraute  seiner  Regierung,  und  diese  entwickelte  nach  allen 
Riclitiiiigen  eine  bewundernswerte  IJiergie.  Die  Befürchtungen  für  eine 
Erschütterung  des  Friedens  im  eumpäischen  Osten  zu  entkräften,  die  Ruhe  im 
Lande  ungestört  zu  erhalten,  liie  Täter  und  Verschworenen  der  verdienten 
Strafe  zuzuführen  und  im  lünklang  mit  dem  Staatsgrundgesetz  alle  Schritte  für 
die  friedliche  Besetzung  des  Fürstenstuhles  zu  treffen,  dies  sind  legitime  Verdienste 
der  Staatsmänner,  welche  damals  Serbiens  Geschicke  leiteten.  Die  provisorische 
Regentschaft,  die  Minister  und  der  Senat  haben  sich  gleich  sehr  um  dasselbe 
verdient  gemaclil,  demi  sie  zeigten  Serbien  der  Sympathien  Europas  wert. 

Über  das  traurige  Ereignis  gelangten  in  die  Tagesblätler  eine  solche 
Menge  unrichtiger  Daten,  dass  die  authentische  Erzählung  der  Tatsachen  einen 
erwünschten  Beitrag  zur  Chmnik  der  Zeitgeschichte  bilden  dürfte. 

Fürst  Mihail  hatte  in  letzter  Zeit,  namentlich  in  der  ersten  Juniwoche, 
schriftliche  niul  mündliche  Warnungen  erhallen,  welche  ihn  von  einem  gegen 
sein  l.elu'M  unuhti'len  ,\\nnl,insihlag  in  Kenntnis  setzten.  Stets  nur  das  Wohl 
des  Landes  im  Auge  haltend,  legte  er  diesen  Mahnungen  zu  grösserer  Vorsieht 
wenig  Hedeiilimg  lui.  Er  äusserte:  „Ich  glaube,  es  gibt  keine  Serbenhand,  die 
mich  tuten  kiHiiite!"  iiml  veiliat  sich  auf  das  sirengste  jeden  Sichcrhcitsapparal. 
Leidenschaftlich  die  Natm  liebend,  setzte  er  seine  gewohnten  Nachmiltagshesuche 
zu  Topcider  fort.  Sn  besucht  dieses  eine  Stunde  von  Belgrad  enifernle  Lust- 
schloss  an  Sonn-  iiiul  l'esttagen  ist,  so  vereinsamt  ist  es  an  Werklagen.  Ausser 
einigen  Offizieren,  Konsuln  und  I  leimlen  begegne!  in.m  nur  Sträflingen,  welche  die 
landwirtschaftlichen  Arbeilen  im  Garten  besMigun  Die  alle  diese  Verhältnisse 
genau  kennenden  Urheber  lies  Monlplanes  li.iiien  deshalb  Topcider  /um  Schau- 
platz der  Tat  und  die  Mörder  iniler  den  Sträflingen    und    deien  Sippen   ijcwäliit. 


'••^  TopCidtT,  Klitslt-r  Kakovica  und  die  Avala. 

Am  10.  Juni  nc^cn  6  Uhr  promenierte  der  Kürst  in  Gesellschaft  seiner 
h'amilie  in  den  höheren,  einsamen  l'arlien  des  Wildparkes.  Als  er  sich  jener 
Stolle  niilierle,  wo  er  j^ern  ein  weni^  zu  ruhen  pflegte,  traten  ihm  xwei  Männer 
enlf^ej^en.  Sie  t^rüssten;  doch  kaum  voriiher,  sandten  sie  ihm  die  mörderischen 
Kuj^eln  ihrer  F^evolver  zu.  „Also  doch!"  rief  der  getroffene  Fürst,  machte  noch 
im  halle  mit  dir  Hand  eine  abwehrende  Bewe^^ung  nach  rückwärts  —  eine 
Kuf^el  zerschmetterte  sie,  eine  andere  tütete  seine  Cousine  Anka  Konstantinovic, 
welche  eine  schwache  Abwehr  des  Mörders  versucht  hatte;  die  Schüsse  aus  dem 
F^evoiver  eines  dritten  Gesellen,  welcher  aus  dem  Gehölz  hervorsprang,  vcr- 
\viiiuii.tLii  iliiL'  Tochter,  den  Adjutanten  Garaäanin  und  den  fürstlichen  Leib- 
kanniierciiener  Mila.  Wiihreiui  die  Mörder  durch  Yataganhiebe  sich  versicherten, 
dass  der  aus  17  Wunden  blutende  Kürst  sein  Leben  geendet,  gelang  es  dem 
Diiiicr,  mit  Kräulein  Konstantinovic  und  ihrer  Grossmutter  Tomanija  Jevrem 
Obrenovic  auf  Nebenwegen  nach  dem  Garten  zu  entfliehen.  Dort  hatten  .die 
rasch  nacheinander  gefallenen  Schüsse  nicht  geringes  Aufsehen  erregt.  Die 
Hilferufe  und  der  Bericht  des  nur  leicht  verwundeten  Mita  gaben  die  furchtbare 
Aufklärung.  Da  wollte  es  Serbiens  guter  Stern,  dass  sich  unter  den  Promenierenden 
llija  (jarasaiiin,  der  vor  kurzem  in  den  Ruhestand  getretene  Ministerpräsident, 
befand.  Geistesgegenwärtig  frug  er,  nachdem  er  über  das  traurige  Ende  des 
Fürsten  Gewissheit  erlangt,  nicht  weiter  um  das  Schicksal  seines  Sohnes;  denn 
er  fühlte,  dass  es  sich  um  Grösseres  handle,  um  die  heiligsten  Interessen  des 
Landes.  Vor  allem  galt  es,  den  Mördern  zuvorzukommen,  sie  zu  hindern, 
ihre  Mitverschworenen  in  der  Stadt  von  dem  Gelingen  der  Tat  in  Kenntnis  zu 
setzen.  Rasch  entschlossen  warf  sich  Garasanin  in  die  erste  leerstehende 
I'quipage  und  befahl  dem  Kutscher,  schleunigst  die  Stadt  zu  erreichen.  Auf  der 
breiten,  mit  Akazien  besetzten  Strasse  überholte  er  ein  mit  verdächtiger  Eile  und 
noch  verdächtigerem  Insassen  hinjagentles  Gefährt.  Bei  der  grossen  Kaserne,  am 
Beginn  der  Stadt,  hielt  Garasanin  und  gab  Befehl  zu  dessen  Verhaftung;  es  war 
der  Bote,  welcher  die  Verschworenen  zu  weiterem   Handeln  auffordern  sollte. 

Das  unglaublich  rasche  Zusammentreten  der  Minister  und  des  Senates,  an 
dem  der  gleichfalls  iii  Topcider  zufällig  anwesend  gewesene  Senator  Gavrilovic 
nicht  geringen  .Anteil  hatte,  die  Konzentrierung  des  Militärs,  die  Aussendung  von 
Patrouillen  zur  Anfgreifung  der  Mörder,  die  schleunigst  konstituierte  provisorische 
Regentschaft  und  ihre  Proklamation  an  das  Volk  hinderten  das  Gelingen  des 
weitverzweigten  Komplotts,  über  dessen  Tragweite  die  bei  einem  der  Verhafteten 
aufgefundenen  Papiere  heiles  Licht  verbreiteten.  Zahlreiche  Verhaftungen  wurden 
vorgenommen. 

Kehren  wir  zurück  zu  dem  nun  in  der  Belgrader  Fürstengruft  neben  seinem 
Vater  Milos  ruhenden  Fürsten.  Ich  hoffte,  ihn  heiter  und  zufrieden  über  die 
allmähliche  Verwirklichung  seiner  fortschrittlichen  Pläne  zu  sehen,  und  fand  ihn 
getötet  von  ruchlosen  Händen,  hoch  aufgebahrt  auf  schwarzem  Katafalk,  mit 
ruhigen  Zügen,  welche  selbst  die  zahlreichen  Schnitte  nicht  ganz  verunstalten 
konnten,  im  prachtvollen  Nationalkleid,  ein  goldenes  Kreuz  in  den  verstümmelten 
Händen,  zu  seinem  Haupte  zwei  Kissen  mit  Reiherkaipak  und  Schwert,   daneben 


TopCider,  Kloster  Rakovita  und  die  Avala.  1 1 1 

auf  Sanimetpolstern  diamantenfunkeinde  Ordenssterne,  mit  denen  europäische 
Regenten  ihn  geehrt;  auf  der  rechten  Seite  ein  Betpult,  an  dem  prächtige  Männer- 
gestalten in  reichen  geistlichen  Gewändern  Troparien  mit  leiser  Stimme  lasen. 
Des  Fürsten  Lieblingsblumen  umgaben  den  von  Offizieren  und  Leibgardisten 
bewachten  Sarg.  In  der  grossen  Menge,  welche  zum  fürstlichen  Palast  wall- 
fahrtete,  um  einen  Blick  auf  die  Leiche  zu  werfen,  waren  alle  Stände  vertreten. 
Aus  dem  Innern  des  Landes  waren  Tausende  nach  Belgrad  geströmt. 

Die  Beisetzung  erfolgte  am  sonnigen  15.  Juni  vormittags.  Der  zu  diesem 
Akt  von  Wien  gekommenen  Witwe  Fürstin  Julie  bereitete  das  Volk  einen 
rührenden  Empfang.  Feidzeugmeister  Frhr.  v.  Gablenz  langte  von  Agram  an,  um 
Osterreich  zu  vertreten,  welche  Aufmerksamkeit  von  der  provisorischen  Regierung 
durch  ein  Dankestelegranim  an  den  Kaiser  erwidert  wurde.  Ali  Nizani  Bey 
erschien  als  Vertreter  des  Sultans,  Archimandrit  Ducic  als  solcher  des  Fürsten 
von  Montenegro.  Um  8  Uhr  morgens  wurde  der  Metallsarg  durch  ein  Mitglied  der 
provisorischen  Regierung,  den  Ministerpräsidenten,  den  englischen  General- 
konsul, den  Armeekonimandanten  und  drei  hohe  Staatsbeamte  auf  den  von 
sechs  Rappen  gezogenen  Leichenwagen  gehoben,  und  nun  bewegte  sich  der  Zug 
vom  Palaste  durcii  die  Stadt  zur  Kathedrale,  an  der  Spitze  die  Volksmiliz  und 
das  reguläre  Militär,  dann  folgten  die  Zöglinge  der  Artillerieschule,  die  Studenten, 
Genossenschaften,  der  Gesangverein,  Geistliche  und  das  Hofpersonal.  Zwischen 
diesen  trugen  Staatsbeamte  und  Offiziere  den  Sargdeckel  mit  einem  Kranze,  auf 
dessen  breiten  Bändern  die  Worte  eingestickt  waren:  „Jugoslavenska  emigracija" 
(Südslavische  Emigration)  und  „Tvoja  niisao  poginuti  neöe!"  (Dein  Gedanke 
wird  nicht  untergehen).  Zwei  Lakaien  führten  ein  gepanzertes  Schlachtross  und 
das  Lieblingspferd  des  Fürsten.  Dicht  vor  dem  Trauerwagen  schritten  die  hohe 
Geistlichkeit,  Psalmen  singend,  Fackelträger  und  Hausdiener  mit  den  Insignien 
der  fürstlichen  Würde.  Der  Leiche  folgten  die  Fürstin-Witwe  und  verwandte 
Frauen  in  Trauergewändern,  dann  die  übrigen  Leidtragenden,  die  Minister  und 
Vertreter  der  fremden  Mächte,  alle  zu  Fuss;  ihnen  schloss  sich  das  Volk  an. 
Die  kirchliche  Feier  bestand  aus  einer  Rede  des  Metropoliten,  welche  den  ver- 
ewigten Regenten  und  „Auserwähltcn  der  serbischen  Nation"  verherrlichte,  und  den 
üblichen  Trauergesängen.  Die  schwarz  drapierte  Kathedrale  strahlte  im  Kerzen- 
glaiiz,  ilei  Katal.ilk  war  mit  frischen  Blumen  geschmückt.  Nach  der  Agnoszierung 
winiie  tier  Sarg  in  liie  fürstliche  Gruft,  im  Vorschiff  der  Kirche,  gesenkt.  Die 
ganze  Zeit  hindurch  ertönten  (jeschützsalven  von  der  Citadelle.  Im  Vorhof  der 
Kirche  wunlen  nach  orientalischer  Sitte  Kerzen  an  das  Volk  verteilt,  um  sie  für 
„die  arme  Seele"  zu  verbrennen." 

Das  diploniatisclie  Korps  Hess,  unmittelbar  naclulem  der  Fürstenniord 
bekannt  geworden,  durch  seinen  Doyen,  ilen  englischen  Generalkonsul  Longwurth, 
der  gesetzmässig  aus  dem  Senatspräsidenten  Marinovic,  Justizminister  LeSjanin 
und  ilem  Ap|H'llh<ifspr.isidenlen  Petrovic  gebildeten  Slalllialterschaft  sein  tiefstes 
Beileiil  aussprechen,  und  ähnliche  Kundgel)ungen  folgten  von  den  Monarchen 
vieler  europäischer  Staaten.  F'ürst  Nikila  von  Montenegro  telegraphierte  an  den 
Minister    des    Äussern:     „in    diesem    Augenblick    erfahren    wir    das    fürchterliche 


112  Tnpfider,  KlosfcT''Rakovk-a  und  die  Avala. 

Un^lüLk,  wuklics  Mir  Lariii  traf.  Alk"  Brüder  in  Crnagora  teik*n  lüiercn  tiefen 
Schmerz.  Was  inicii  und  meine  Familie  betrifft,  so  bleiben  wir  unlröstlicli.  Ich 
kann  IJicIi  meine  Verzweiflunjj  nicht  K'^nufJ  ausdrücken." 

Im  l.ande  wurde  der  Kriei^szustand  proklamiert,  das  Militilr  auf  Krie^sfuss  (»e- 
setzt,  eine  seciismonatliclie  Landestrauer  angeordnet  und  zur  fieschwichti^unK  des 
Volkes  fol).^eiule  I'rdklamation  der  interimistischen  Statthalterschaft  allerorts  verbreitet: 

„Durch  ein  schreckliches  und  abscheuliches  Verbrechen  wurde  Serbien  heute 
seines  Herrschers  beraubt.  Indem  wir  den  ungeheueren  Verlust,  welchen  Serbien 
erlitt,  der  Erkenntnis  unserer  Mitbürger  zu  schätzen  überlassen,  erfüllen  wir  eine 
traurige  Pflicht,  wenn  wir  auf  Grund  der  Landesgesetze  die  Gewalt  einer  fürst- 
lichen Statthalterschaft  in  unsere  Hand  nehmen  und  hiervon  alle  Behc'irden  und 
die  ganze  Nation  in  Kenntnis  setzen.  —  Das  erste  Bedürfnis  des  Landes  im 
gegenwärtigen  schweren  Augenblick  ist,  die  öffentliche  Ordnung  und  allgemeine 
Sicherheit  zu  erhalten;  das  Volk  aber  wird  gesetzmässig  berufen  werden,  eine 
Skupätina  zu  wählen,  welche  ihren  Beschluss  in  betreff  der  Besetzung  des  Thrones 
zu  fassen  haben  wird.  —  Im  Namen  der  höchsten  Gewalt,  die  wir  augenblicklich 
ausüben,  und  im  Namen  der  heiligsten  Interessen  des  Volkes,  befehlen  wir  auf 
das  ernstlichste  allen  Behörden  und  raten  eindringlichst  dem  ganzen  Volke,  dass 
es  fortfahre,  die  Ordnung  und  Achtung  vor  dem  Gesetze  zu  erhalten  und  mehr 
als  je  alles  vermeide,  was  ilie  Ordnung  und  Sicherheit  st<>ren'  könnte.  Es  ist 
genug  des  Unglücks  und  der  Trauer,  dass  es  der  höllischen  Schlechtigkeit  gelang, 
an  der  Person  unseres  allgemein  geliebten  Fürsten  die  abscheulichsten  Vorhaben 
auszuführen!  Möge  wenigstens  das  Volk,  bis  die  Skupstina  einen  neuen  Herrscher 
wählt,  durch  seine  Klugheit  den  guten  Ruf  erhalten,  den  Serbien  in  Europa 
genicsst.  Wir  geben  dem  Volke  bekannt,  dass  die  Skupstina  in  dreissig  Tagen, 
gemäss  den  Gesetzen,  zusammentreten  wird  und  setzen  es  zugleich  in  Kenntnis, 
dass  die  Minister,  der  Senat,  alle  Behiirden  und  Beamten  die  ihnen  vom  seligen 
Fürsten  verliehenen  Ämter  fortführen  werden.  Unsere  heilige  Aufgabe  ist  es,  dass 
wir  bis  zum  Zusammentritte  der  Skupstina  jenen  Zustand  erhalten,  den  der  grosse 
Patriot  Mihail  Obrenovic  hinterliess.  Möge  Gott  in  diesen  schweren  Stunden 
harter  Prüfung  über  unser  Vaterland  wachen!" 

Das  stets  zu  orientalischer  Mythenbildung  geneigte  Belgrad  durchschwirrten 
unzählige  Gerüchte  über  Fürst  Mihails  angebliche  Verfügungen  bezüglich  der 
Thronfolge  und  seines  riesigen  Privatvermögens.  Erstere  hätte  er,  falls  auch 
dessen  beabsichtigte  zweite  Ehe  mit  Kala  Konstantinovic  kinderlos  bliebe,  seinem 
dann  zu  adoptierenden,  einem  flüchtigen  Agranier  Jugendverhältnis  entstammenden 
Sohne  Velimir  zugedacht;  letzteres  aber  dem  Lande,  als  dessen  Eigentum  er  es 
stets  betrachtete.  Der  zur  Aufnahme  des  fürstlichen  Nachlasses  entsendete  staat- 
liche Kommissar,  Minister  Cukic,  fand  jedoch  auffälligerweise  kein  Testament 
vor,  das  gesetzliche  Thronfolgerecht  trat  in  Kraft  und  diesem  zufolge  wurde  Milan, 
der  einzige,  vierzehnjährige  männliche  Sprosse  der  Dynastie  Obrenovic,  zum  Fürsten 
von  Serbien  proklamiert. ') 


')  Sein  Vater  war  der  im  Wiener  E.xil  durch  übermässigen  Lebensgenuss  geschwächte, 
zu  Belgrad  im  33.  Lebensjahr  verstorbene  Milos,   ein  Soiin  von  Fürst  AVilos'  Bruder  Jevreni; 


Topcider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala.  113 

Während  Jovan  Ristic  zur  Abholung  des  in  Paris  studierenden  minorennen 
Thronerben  entsendet  wurde,  entbrannte  um  die  reiche  fürsthche  Erbschaft  ein 
Prozess  zwischen  der  seit  Jahren  von  Mihail  getrennt  lebenden  Fürstin -Witwe 
Julie ')  und  den  Söhnen  seiner  Schwestern  Perka  (vermählte  v.  Baic)  und  Savka 
(vermählte  Baronin  Nikolic),  welcher,  mit  schonungsloser  Enthüllung  bis  dahin  ver- 
schleiert gebliebener  Momente  des  Ehe-  und  Privatlebens  der  späteren  belgischen 
Prinzessin  Arcnbcrg  vor  dem  Bukarester  Gerichtshof  geführt  =),  damit  endete, 
dass  die  Witwe  Mihails,  sein  natürlicher  Sohn  und  der  Thronerbe  Milan  im  Ver- 
gleichsweg oder  geschenksweise  nur  verhältnismässig  bescheidene  Liegenschaften, 
Kapitalien  und  Renten  erhielten,  der  Staat  aber  nahezu  leer  ausging!  Der  Löwen- 
anteil, die  viele  Millionen  werten  walachischen  Güter,  der  grosse  Barschatz, 
alle  Juwelen  usw.,  welche  der  geschäftskundige  greise  Milos  seit  1815  angesammelt, 
fiel,  gewiss  gegen  des  patriotischen  Fürsten  Mihails  Absicht,  seinen  vorerwähnten, 
im  ungarischen  Banat  heimischen  Schwägern  zu,  von  welchen  nur  der  1882—1890 
als  k.  und  k.  Zivil-,  ad  latus  des  Militärgouverneurs  von  Bosnien  fungierende 
Baron  Fcdor  Nikolic  (f  27.  Februar  1903),  des  Ursprungs  seines  Reichtums  und 
des  Noblesse  oblige  eingedenk,  für  die  Kullurfiirderung  seiner  Stammesgenossen  in 
den  occupierten  Provinzen,  und  der  seinem  Bruder  1897  im  Tode  vorangegangene 
v.  Baic  für  einen  Gymnasiumbau  zu  Neusatz  etwas  getan! 

Mit  dem  enthusiastischen  Empfang  des  jugendlich  frischen  Fürsten  Milan 
am  23.  Jiuii  in  Belgrad  und  den  Wahlen  zur  nach  Topcider  für  iicn  2.  Juli  aus- 
gesrhricbenen  Grossen  Skupstina  beruhigte  sich  etwas  die  erregte  Stimmung  in 
Scrliiuii.  Um  so  eifriger  arbeitete  die  ernannte  Kommission  an  der  Entdeckung 
aller  Urheber  und  Teilnehmer  am  Fürstenmord,  um  diesen,  wenn  irgend  mög- 
lich, noch  vor  der  feierlichen  Thronbesteigung  des  neuen  Herrschers,  an  ihnen 
bhiliti  -^'i  sühnen.  Den  Vorsitz  in  dieser  Kommission  führte  der  Belgrader  Stadt- 
gcMichtspräsiiieiit      Kost.i     Dragutinovic,     die     Untersuchung     leitete     Dr.     Nikola 

seitK'  Mutier  M.iri.i,  (.Mrio  ilor  vier  iliircli  t^rosse  Scliöiiheit  heriilitiiloii  Töcliter  des  .ms  fana- 
riotiscliem  Blute  stammenden  nioklauiselicn  Bojaren  Kalar^is,  deren  Verhältnis  zu  Cusa 
aiilässllch  seiner  gewaltsamen  tvntthronuntj  in  der  23.  Februarnaelit  IWiti  offenkundig'  wurde  und 
ihr  die  Rückkehr  nach  Serhien  laiin  unmöi'lieli  machte.  Nach  schmerzhafter  Operation  zu 
Würzburti  und  fortdaueriulein  Innigen  Leiden  starb  sie  zu  Jassy  am  liS.  Au^usl   lS7ti. 

')  Im  ersten  Moment  j^rosster  Rallosijikeit  dachte  Fürstin  Julie  daran,  Mihails  natür- 
lichen Sohn  Velimir  ilem  er  den  Namen  seines  ürossvaters  Teodornvit'  licigelcgt  und  in 
Belgrad  vom  Verwalter  der  „alten  Stanja",  spater  aber  vom  Maler  Teodorovic'  erziehen  Hess 
—  zu  adoptieren,  um  sodann  als  „l''ürslin"-Voriniinderin  luul  Renentin.  iilinlich  der  Sullanin 
Valide  zu  Stainbul,  eine  ijrosse  Rolle  in  Serliien  /u  spielen.  Durch  eiiiflussreiche  Rali;eber 
jedoch  von  der  Unauslührbaikeit  dieses  (iedankens  ülier/euj;!.  blieb  \'elinur  in  iWunchen,  wo 
er,  auch  abwechsehul  in  seiner  Villa  aiu  Slarnherner  See  als  Maler  dileltierend,  am  31.  Januar 
IKOK  starb  und  sein  :uif  2  Mill.  dinar  Keschiilztes  (iul  Nej;oj  in  Rumänien  dem  serbischen 
Staate  zu  kulturellen  Zwecken  testierte.  Die  auf  dasselbe  erhobenen  Ansprüche  der  Barono 
Nikolic  und  Baic  wiirden  iliiicli  (Ich  Machlspruch  iles  Koiii){S  Carol  zu)4unslen  Serbiens 
enlschieden. 

')  „Obreiiovilch  Julie  princesse.  l'roces  contre  les  hOrili^rs  de  feu  Rrince  de  Serhie 
Michel  Milos  t)brenovitch."     Vienne  1871. 

I     KANITZ,  Serbien.    I.  * 


114  Topöidcr,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala. 

ü.  Nedeljkovic.  Bald  wurde  erhärtet,  dass  es  sich  nicht  um  einen  privaten  Rache- 
akt, sondern  um  den  ian^  vorbereiteten  Umsturz  aller  staatlichen  Verhältnisse 
jiehandelt  hatte. 

Schon  der  erste  Teil  der  Öffentlichen  OerichtsverhandlunK  ücss  in  den 
hreitesten  Volksschichten  und  auch  im  Ausland  erkennen,  welchen  f^rossen 
Gefahren  Serbien  entgangen  war,  und  dies  steigerte  noch  das  allgemeine  Interesse 
an  der  für  den  2.  Juli  nach  Topfider  einberufenen  „Grossen  Skupätina".  In  diese, 
für  die  künftige  Gestaltung  des  Staates  so  wichtige  Versammlung  wurden  gewählt: 
48  Geistliche,  11  Nationalmili/en,  193  Gemeindevorsteher  und  Beamte,  120  Kauf- 
Ictitc,  3  Gewerbetreibende,    141    Bauern   —   aber  nur   1    Advokat! 

Nach  einer  FriihnKirgenlilhurgie  in  der  eigens  für  diese  Skupstina  errichteten 
grossen  Halle  schwuren  die  Abgeordneten  unter  Glockengeläute  der  nahen,  1833 
von  Miloä  erbauten  Peter-  und  Paulskirche,  bei  ihren  Beratungen  einzig  das 
Landeswohl  berücksichtigen  zu  wollen.  Um  8  Uhr  eröffnete  hierauf  der  Senats- 
präsident und  Vorsitzende  der  provisorischen  Statthalterschaft,  Jovan  Marinovic. 
im  Beisein  des  in  grosser  Uniform  erschienenen  Konsularkf)rps,  in  dem  nament^ 
lieh  Österreich -Ungarns  Vertreter,  Benjamin  v.  Källay,  im  reichen  Magnatenkleid 
auffiel,  unter  allgemeinster  Spannung  die  Sitzung.  Er  betonte  zunächst  die  harte 
Prüfung,  welche  das  Land  durch  den  Tod  seines  allgeliebten  patriotischen  Fürsten 
Mihail  erlitten:  „Ihn  werden  wir  nie  verschmerzen!"  riefen  alle.  Als  er  jedoch 
tröstend  erwähnte,  dass  noch  ein  Obrenovic  da  sei,  ertönten  2ivios  ohne  Ende. 
Hierauf  nahm  der  Erzpriester  von  Sabac  das  Wort,  um  Mihails  Verdienste  aus- 
einanderzusetzen. Bei  den  Worten:  „Fürst  Mihail  war  Serbien",  brach  alles  in 
Tränen  aus.  Nach  10  Uiir  wurde  Milan  Obrenovic  IV.  unter  tausendstimmigen 
Uras  proklamiert,  hierauf  Kriegsniinister  Blaznavac  zum  ersten,  der  Minister  des 
Innern,  Jovan  Ristic,  zum  zweiten  und  Senator  Jovan  Gavrilovic  einstimmig  zum 
dritten  Mitgliede  der  Regentschaft  gewählt.  Blaznavac,  dessen  vielbewegten  Lebens- 
lauf ich  im  achten  Kapitel  schildere,  dankte  der  Versammlung:  „Wir  werden  Serbien 
in  fortgeschrittener  Gestalt  dem  Fürsten  Milan  übergeben."  Kanonendonner  gab 
das  Zeichen  zu  Äusserungen  allgemeiner  Freude,  dre  sich  durch  die  Stadt  bis 
zur  Citadellc  verbreitete  und  in  der  Vertauschung  der  bisherigen  schwarzen  Flaggen 
mit  nationalen  Trikoloren  beredten  Ausdruck  fand.  Auch  alle  Konsulate  hissten 
ihre  Flaggen  zu  Ehren  der  erfolgten  Fürstenwahl. 

Um  1/2 11  Utir  legten  die  Mitglieder  der  Regentschaft  den  Eid  in  die  Hände 
des  Metropoliten  ab,  der  darauf  ein  Gebet  für  den  Fürsten  sprach.  Die  Skup- 
stina stimmte  mit  ein  und  betete  um  langes  Leben  für  Milan  Obrenovic.  Um 
10^/4  Uhr  trat  der  Fürst  in  Oberstenuniform,  eingeführt  von  einer  Deputation  der 
Skupstina,  in  die  ihn  stehend  erwartende  \'ersaninilung.  Unzählige  begeisterte 
Hochrufe  erschallten.  Der  junge  Herrscher  sprach  mit  bewegter  Stimme:  „Ich 
bin  noch  jung  und  schon  Fürst  von  Serbien.  Ich  werde  mich  aber  bemühen,  zu 
lernen,  dass  ich  mein  Volk  glücklich  mache!"  Neue  Freudenausbrüche  folgten. 
Der  Fürst  verliess  die  Skupstina  unter  Kanonensalven  und  ritt  in  Begleitung  des 
Kriegsministers,  des  Metropoliten  und  mehrerer  Staatswürdenträger,  sowie  je 
einer    Abteilung   der    regulären    und    Nationalkavallerie,    durch    die    Stadt.      Von 


TopCider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala.  115 

einer  un^feheueren  Volksmasse  mit  Jubel  begrüsst,  nahm  er  dort  und  in  der  Festung 
den  Truppen  den  Eid  der  Treue  ab.  in  seiner  Anrede  an  die  Soldaten  äusserte 
der  erste  Regent,  Oberst  Biaznavac:  „So  wie  aus  dem  Blute  unseres  Heilands 
die  neue  christliche  Kirche  emporkeimte,  so  wird  aus  jenem  unseres  unvergess- 
liciicn  Mihail  ein  starkes  und  mächtiges  Serbien  erblühen!" 

Die  Skupätinaren  schienen  durch  die  getroffene  Wahl  sehr  befriedigt,  wollten 
die  bescheidene  fürstliche  Zivilliste  von  500000  d  bedeutend  erhöhen  und  riefen 
allgemein:  „Gott  sei  Dank,  wir  haben  gut  gearbeitet,  die  besten  Leute  gewählt, 
Gott  lenkte  unsere  Herzen."  Nachmittags  wurde  mit  Stimmenmehrheit  beschlossen, 
dass  die  F^egentschaft  gesetzmässig  auf  drei  Jahre  gewählt  sei  und  dass  die 
nächste  Skupstina,  wenn  es  nötig  sein  sollte,  den  Termin  verlängern  könne.  Die 
betreffenden  Gesetze  wurden  in  diesem  Sinne  abgeändert.  Vom  Lande  liefen 
viele  Depeschen  ein,  welche  der  Skupstina  für  Milans  Wahl  dankten.  „Ihr  habt 
uns  gerettet!"   hiess  es  ailgeniein. 

Am  5.  Juli,  11  Uhr  vormittags,  fand  unter  Kanonendonner  und  Glockengeläute 
die  feierliche  Salbung  des  Fürsten  Milan  in  der  Kathedrale  durch  den  Metropoliten 
statt.  Alle  Minister,  auswärtigen  Vertreter  und  Skupätinaren  waren  anwesend.  Des 
Sultans  Berat,  welcher  den  neugewählten  Serbenfürsten  anerkannte,  wurde  feierlich 
verlesen,  und  damit  war  die  staatliche  Ordnung  in  Serbien  wieder  hergestellt. 

Im  Laufe  der  Sitzungen  der  Skupätina  berichtete  der  Präsident  über 
Serbiens  innere  und  äussere  Lage  und  die  Untersuchung  der  gegen  Fürst  Mihail 
gerichteten  Verschwörung.  Die  Volksvertreter  unterbrachen  den  Sprecher  wieder- 
holt mit  lebhafter  Zustimmung  und  fassten  folgende  Beschlüsse:  Es  solle  die 
schleunigste  Entwickelung  der  Wehrkraft  nach  der  Idee  des  verewigten  Fürsten, 
sowie  die  Vergrösserung  und  vulle  Ausnützung  der  bestehenden  Volks-Militär- 
schulen  angestrebt  werden.  Bis  zur  Grossjährigkeit  des  Fürsten,  also  durch  drei 
Jahre,  sei  jährlich  wenigstens  eine  Skupätina  zu  berufen.  Dem  Fürsten  Mihail 
soll  in  Topcider  am  Platze,  wo  derselbe  gefallen  ist,  aus  Volksmilteln  eine 
Denksäule  errichtet  werden.  Gegen  die  Polizeileitung  Belgrads  möge  wegen 
mangelhafter  Umsicht,  tia  sie  den  Mord  so  lange  vorbereiten  Hess,  eine  Unter- 
suchung geführt  werden.  Schliesslich  solle  die  Regierung  die  vom  Fürsten 
Mihail  eingeleiteten  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  den  fremden  A\ächten 
aufrecht  erhalten. 

I^ie  Regentschaft  eilte,  einige  dieser  Beschlüsse  sofort  zu  verwirklichen. 
Die  Minister  des  Innern  inul  für  Kultus,  Nikola  Hrislic  und  Diniitrije  Crnoharac. 
traten  über  eigene  Bitten  in  den  K'nhestand;  die  anderen  Kollegen  in  Disponibilitäl 
und  der  Bel^ratler  Polizeipralekt  jWihail  Barlovac  wurde  pensioniert.  Als  neues 
Kabinett  stellten  sich  am  5.  Juli  schon  der  SkupÄtina  vor:  Cenic,  Präsident  und 
lin  Justiz,  lieh  Markovic  für  Krieg,  Radivoj  Milojkovit^  für  innere  und  auswärtige 
Angelegenheiten,  Jovanovic  für  Finanzen  und  interimistisch  für  Kultus,  durchwegs 
Männer  ausgesprochener  liberaler  Richtung.  I'räsident  Cenii^  hielt  eine  Ansprache, 
in  der  er  sagte:  „Unter  uns  soll  nur  das  Gesetz  herrschen;  wir  wollen  redlich 
unsere  Aufgabe  lösen."  Die  SkupStina  bestätigte  das  Ministerium  mit  Acclanialion, 
wählte    Ljleich/i'ilii;    aus    jedem    der     l.'i    Kreise    je    2     Abgeordnete,    welche    die 

8* 


116  'l"(>pd'idcr,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala. 

Volkswdnsclif  in  aiisucarhcitclLMi  Vorlagen  der  Uc^icrunji  bekannt  fjebcn  sollten. 
Die  F^enentschaft  erliess  aber  eine  Proklamatidn,  worin  dieselbe  erklärte,  an  dem 
Losungsworte  des  verblichenen  Fürsten:  „Das  Gesetz  ist  der  höchste  Wille  in 
Serbien,"  festhalten  zu  wollen. 

Diese  dcnkwiirtli^e  „Topciderska-Skupätina",  welche  in  wenigen  Tagen  unter 
ehrender  Anerkennung  der  Verdienste  des  Fürsten  Mihail  um  Serbien  den 
jugeiullichen  Milan  als  einzigen  Obrenovic  und  Grosscousin  Mihails  zum  Fürsten 
proklamiert,  seiner  Salbung  beigewohnt,  die  Regentschaft  ernannt,  das  neue 
Ministerium  bestätigt  und  ihm  die  Grundzüge  für  seine  Tätigkeit  vorzeichnete, 
erhielt  vor  ihrem  Schlüsse  den  Dank  vom  Präsidenten  Marinovic  im  Namen  der 
Regierung  und  des  Fürsten  Milan  für  ihre  patriotische  Hingebung,  für  dk 
glückliche  Lösung  der  schwebenden  Fragen,  sowie  für  ihre  massvolle  Haltung 
und  .Xiisdauer. 

In  den  serbischen  politischen  Kreisen  beschuldigte  man  die  hochbegabte 
wie  ciirgeizige  E.xfürstin  Persida  Karadjordjevic  weit  mehr  als  ihren  Gemahl 
Alexander,  sie  habe,  um  iiiren  Sohn  Peter  —  den  späteren  Eidam  des  monte- - 
negrinischen  Fürsten  Nikita  —  auf  den  serbischen  Thron  zu  bringen,  hinter  den 
Coulissen  die  Drähte  des  gegen  die  Obrenovice  gerichteten  Komplotts  geleitet, 
das  wahrscheinlich  gegen  ihre  ursprüngliche  Absicht  später  einen  so  blutigen 
Ausgang  iiaiini. 

Der  üft'cntlichc  Ankläger  hielt  aber  auch  im  Schlusswort  seine  erste  Auf- 
fassung aufrecht,  dass  als  moralisch  und  materiell  verantwortlicher  Urheber  des 
Fürstenmordes  der  fern  lebende  Exfürst  Alexander  Karadjordjevic  betrachtet 
werden  müsse. 

Das  Endurteil  des  Gerichtshofes  entsprach  den  staatsanwaltlichen  Anträgen. 
Am  18.  Juli  wurde  morgens  die  letzte  Sühnung  an  den  13  mutig,  ja  teilweise 
frivol,  Zigaretten  rauchend,  zum  Tode  schreitenden  Verurteilten  auf  der  „Kara 
burma"  (S.  80)  mit  Pulver  und  Blei  vollstreckt. 

Den  versöhnenden  Abscliluss  erhielt  die  in  Serbiens  Wirren  lang  nach- 
tönende Katastrophe  durch  den  am  20.  Juli  in  allen  Belgrader  Kirchen  feierlich 
begangenen  Parastos,  dem  Seelenfest  für  den  verblichenen  Fürsten.  Der  Andrang 
des  Volkes  war  überall  sehr  gross;  besonders  in  der  Kathedrale,  deren  Katafalk 
die  insignien  des  Verblichenen,  Trophäen  und  unzählige  herrliche  Kränze  schmückten. 
Der  Gesang  des  Belgrader  und  Neusatzer  Singvereins  wirkte  ergreifend;  die 
Rede  des  Metropoliten  übte  einen  mächtigen  Eindruck.  Seither  sind  über  dreissig 
Jahre  verflossen,  aber  immer  noch  fehlt  die  von  der  Skupstina  dekretierte 
Gedenksäule  auf  der  hoch  im  Topciderer  Walde  liegenden  Mordstelle.  Wer 
liess  auch  die  sie  bezeichnende  Steinplatte  innerhalb  der  eisernen  Gitterumfriedung 
entfernen,  welche  das  Versprechen  der  südslavischen  Jugend  trug:  „Tvoja  misao 
poginuti  nece!"?    (S.  111.) 

Ob  wohl  der  poetische  Nikita  von  Montenegro,  Nachfolger  des  gleichfalls 
ermordeten  Fürsten  Danilo,  nach  der  Waldstelle  geblickt,  auf  der  sein  stets  hilfs- 
bereiter Gönner  Mihail  so  traurig  endete  — als  er  am  28.  Juni  1896,  an  der  Seite 
des  Königs  Alexander  und  der  Königin  Natalia,  unter  den  vielen  Tausenden  ihn 


TopCidcr,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala. 


117 


stürmisch  begrüssenduii  Landieutcn  erschien?  Ich  hörte  nur,  dass  ihm  namentlich 
der  schwierige  walachische  „Prepiäore",  der  mit  gekreuzten  Füssen,  daher 
serbisch  „Zaplet"  (geflochten),  mit  zwei  Schritten  vor  und  zweien  zurüci<,  mehr 
gesprungen  als  getanzt  wird,  sehr  gefiel,  und  dass  ihn  der  prachtvolle  Park 
entzückte. 

In  der  Tat  ist  Topciders  Lage  so  herrlich,  dass  eine  fremdländische 
Gesellschaft  es  schon  vor  Jahren  in  ein  zweites  „Monte  Carlo"  für  die  blasierte, 
stets  Neues  aufsuchende  europäische  Lebewelt  erwerben  wollte.  Die  serbische 
RegieriHig    lehnte    damals    das   lockende,    aber    zweischneidige,    weil    sittenver- 


Tnpf-idcr,  Mdrilstellv  des  FUrstc-n  Miliiiil  im  Koiulnjak. 


tkilniuk-  AiicihiclcM  ah.  Ls  wäre  auch  /u  traurig  gewesen,  weiui  sich  die 
Spekulaliiin  dieses  einzigen  nahen  Inien  reliro  der  Ik-lgrader  Gesellschaft 
bemächtigt  hätte,  an  dessen  Versciiiuierung  l'ürst  Alexander  Karageorgievic  rühm- 
lichst teilnahm.  Nahe  iler  grossen  Ahorngruppe,  deren  Kronenumfang  nur 
VdM  cUii  hiiiihinlcii  lies  (iialen  Gozzi  bei  Ragusa  übertroffen  werden,  schuf  König 
Milan  enie  rei/ende  Sjui  nghru  nnen-ldy  lle  mit  exotischen  Wasserpflan/en, 
deren  monumentalen  Ahschluss  eine  an  Milo.^"  Rückkehr  im  J.  ISf>*)  erinnernde, 
von  hdchaufstrebenden  Bäumen  unnahmte  Slempyramide  bildet.  (S  lllustra- 
tinucii  auf  S.    lori.) 

Schwer  trennte  ich  mich  viui  diesem  Glanzpunkte  Tope''iders.  das  auf  den 
Belgrailer  die  gleiche  Anziehinigskrafl  übt,  wie  etwa  St.  Cloud  auf  den  l'anser 
oder  ScIumbrmiM  ,uil  den  Wiener.     Und  wie   letzteres  seinen   „Doniaver"   besass. 


118         .  Topcidcr,  Kloster  Wakovicn  und  die  Av;il;i. 

so  TopcicIcT  sein  „f^estauraiil  F^i-Ija",  in  dem  viele  werte  l-reuiule,  Schrilisieiler, 
Küiisller  u.  a.  mich  am  2K,  August  1H97  durch  ein  fnihhches  Ahschiedsfest  ehrten. 
Unsere  Parktour  führte  an  dem  monumentalen  Kiosk  vorüber,  von  dessen  Estrade, 
wie  sein  Scluipfer,  Maler  Teodorovic,  uns  erzählte,  Fürst  Mihail  am  SOjährij^en 
Befreiun^^stan  Serbiens  durch  seinen  Vater  „mit  freudetränenden  Augen",  inmitten 
seiner  illustren  Gäste,  das  Defilö  des  in  Massen  erschienenen  Volkes  betrachtete. 
Es  war  einer  der  wenigen  Freudentaf^e  seines  unausgesetzter  Arbeit  für  sein  Volk 
gewidmeten  ernsten  Lebens,  das  wohl  einen  wx-niger  tragischen  Abschluss  verdient 
hatte!  Man  sieht,  es  sind  nicht  einzig  heitere  liindrücke,  welche  der  Geschichts- 
kuiulige  in  dem  für  flüchtige  Besucher  nur  von  heiterem  Naturgenuss  und  Menschcn- 
lust  erfüllten  Topcider  empfängt.  Und  sie  werden  nicht  heller  gestimmt,  wenn  wir 
auf  den  sonst  anmutigen  Parkwegen  einer  Schar  hellgekleideter  „Robiaäi"  begegnen, 
die  allerdings  unter  ausreichender  Eskorte  zu  den  am  linksseitigen  Berghang 
liegenden  Gefängnissen  zurückkehren.  Diese,  dem  Heimischen  nicht  ungewohnte 
Verquickung  von  Erholungsort  und  Strafanstalt  berührt  unser  Gefühl  um  so  pein- 
licher, als  sie  unwillkürlich  stets  an  den  Fürstenmord   im  nahen  Wildpark  erinnert. 

Alle  .Arbeiten  in  den  Gemüsegärten,  Obst-  und  Baumschulen,  Treibhäusern, 
in  der  Molkerei  und  in  dem  mehrere  Joche  bedeckenden  „Kosutnjak",  dessen 
ungemein  zutrauliche  Rehe  sich  bis  zu  den  Gehwegen  vorwagen,  werden  von 
durchschnittlich  hundert,  meist  jugendlichen  Sträflingen  des  Topciderer  Korrektions- 
hauses ausgeführt.  Die  grösste  Schwierigkeit  für  die  erfolgreichere  Obstzucht 
bilden  der  starke  Früh-  und  Spätfrost  und  das  ungeeignete  feuchte  Erdreich. 
Zu  Topcider  findet  man  auch  Gelegenheit,  das  künstliche  Berieselungssystem  der 
als  Gemüsebauer  berühmten  Bulgaren  kennen  zu  lernen.  Diese  einfachen  Natur- 
söhne bauen  komplizierte,  in  den  Bach  tauchende,  durch  Göpel  in  Rotation  gesetzte 
Riesenräder,  welche  mit  vielen  Kübeln  das  abströmende  Wasser  durch  Rinnen 
in  ein  Reservoir  und  aus  diesem  durch  eine  ähnliche  Vorrichtung  in  die  ent- 
fernteren Bassins  der  zweiten  höheren  Terrasse  leiten.  Wie  kamen  die  Bulgaren 
zu  diesem  auch  in  Südfrankreich  und  Spanien  üblichen,  Türken  und  Serben 
fremden  sinnreichen  Mechanismus?  Er  hemmt  unseren  Schritt,  obschon  er  weit 
hinter  der  kunstvollen   Maschine  der  benachbarten  Dampfmühle  zurückbleibt! 

Im  Juni  1896  wurde  an  der  Topciderer  Forstschule,  um  dem  fühlbaren  Mangel 
an  geschulten  Organen  abzuhelfen,  ein  dreimonatlicher  praktischer  Kurs  für  bereits 
im  Dienste  stehende  Förster  eingerichtet,  welcher  gut  besucht  war  und  befriedigende 
Resultate  ergab  (III.  Bd.,  X.  Kap.).  Von  Topciders  780  Hektaren  kommen  auf  den 
Wildpark,  Promenaden,  Steinbrüche  usw.  470  H.,  auf  die  Setzlingsgärten  für  Forst- 
wesen 60,  für  Obst-  und  amerikanische  Rebenzucht  etwa  50  H.  Die  letzteren 
geben  durchschnittlich  im  Jahre  15  —  20000  edle  Obstreiser  und  100000  Reben  zur 
Okulierung  ab.  Die  Gesamteinnahme  dieses  Staatsgutes  betrug  1895:  56891.  die 
Ausgabe:  67  020  d.  Der  Plan  einer  belgischen  Gesellschaft  zur  Errichtung  einer 
Spielbank  im  Topciderer  Parke,  für  welche  Erlaubnis  sie  diesen  durch  den  Bau 
grossartiger  Bauten  usw.  zu  verschönern  und  einen  Jahrespacht  von  1  A^illion  dinar 
zu  bezahlen  versprach,  scheiterte  jedoch  im  April  1902  am  Widerstände  des  Königs. 


Topcider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala. 


in» 


Unfern  Topcider,  bei  dem  ausgedehnten  Kalksteinbruch,  welcher  das 
treffliche  Material  zum  Bau  der  Savabrückenpfeiler,  für  die  Belgrader  Trottoirs  usw. 
lieferte  und  eine  weitere  starke  Ausbeutung  gestattet,  bogen  wir  an  der  Rakovica 
zum  gleichnamigen  Kloster  ab.  Am  Sabortag  (27.  August)  bedeckt  die  sonst  stille 
Strasse  ein  zu  seiner  Erzengel  Mihail-Kirche  pilgernder  Menschenstrom.  Viele 
besuchen  zuerst  das  nahe,  hochangesehenc,  weil  dem  grossen  Volksheiligen  Sava 
zugeschriebene  Kirchlein,  das  ich  baufällig  und  architektonisch  wertlos  fand. 
Als  Renovator  des  Klosters  nennt  der  Metropolit  Mihaii ')  den  Fürsten  Mihail 
Obrenovic.  Wie  mir  Minister  Cukic  erzählte,  forderte  indes  namentlich  Fürst 
Milos,  als  er  zum  erstenmal  1838  in  Belgrad  länger  residierte,  deshalb  Rakovicas 
Erneuerung,  um  nicht  die  ihm  aus  guten  Gründen  unsympathische  Citadelle 
betreten  zu  müssen   und  ihren  Pascha   an   einen   neutralen  Ort  laden   zu   können. 


-^ 


:%  Ä 


BKI.  riRAD,  Avala,  Burgruine. 


A  V- 


wenn  er  mit  ihm  iiersinilich  verluindeln  wnllie.  Der  Namjestnik  des  Klosters 
versicherte  mir  aiulererseits:  Das  heutige  Kloster  entstand  nicht  auf  dem  vom  Kralj 
Milutin  begründeten;  dessen  Ruine  befände  sich  bei  dem  eine  Stunde  fernen 
Dorfe  Rakovica.  Vergebens  suchte  ich  in  Milicevic^s  „Srbija"  und  im  „Starinar" 
ille  Aufklärung  dieser  Widersprüche.  Vielleicht  Rist  sie  der  letzlere;  handelt  es 
sich  doch  nach  meinen  weiteren  Aufzeichnungen  um  die  Begräbnisstatte  der 
Ahnen   lies   Königs! 

Durch  das  „zum  Heile  der  Familie"  von  König  Alexanders  Urgrossmutter 
TcMiaMija  I8(),"i  erbaute  siliöue  Portal  mit  (jlockenlurm  betrat  ich  ilen  grossen 
Kliisterliul,  in  dessen  Mitte  die  (iruftkirche  steht.  Sie  präsentiert  sich  als  schlichter 
Zentralbau  mit  Oktogonkuppel,  sechsseitigen  Chor-  und  Seitenapsiden  und  mit 
dreifachem    romanischen   Zahnschnittfries    unter    der   Dachung;    das   Innere  erfüllt 


')  l'r.ivoslavna  srpskn  crkva,  75.    Beinrad   18115. 


r_'ll  Toptidcr,  Kltistcr  Rakovicii  und  die  Avaln. 

der    alkii    Driuntalischen    Kultusjstätten    eij^cntümlichL'    pociisthe    Hauch,   den    hiir 
aiKli  ciiii^o  iiiiorcssantc  Erinnerungen  weckende  Grabdenkmale  steigern. 

Gk'icli  lici  der  ni'irdlichen  Ausseninauer  mahnt  eine  bescheidene  Steinplatte 
an  den  bei  Belgrads  Erstürmung  18UG  j^efallenen,  hier  bestalteten  Helden  Vaso 
Carapic.  Eine  rechtsseitij^e  nennt  Simka,  Tochter  Jevrem  Obrenovics  (1790,  f  1856), 
den  seine  Frau,  die  vurj^enannte  Tomanija,  vom  rumänischen  Manasija  hierher 
übertrai^en  iiess.  Sie  ehrte  ihn  durch  ein  prächtij^es  Marmordenkmal  mit  dem 
Eürsteinvappen,  das  auch  ihren  hier  bestatteten  Sohn  Milos  (1829,  f  1856),  Vater 
des  Königs  Milan,  u.  a.  Kinder,  darunter  Anka  Konstantinovic  (1821,  f  mit  dem 
Fürsten  Mihail  1868),  ferner  die  hartj^eprüfte  Greisin  selbst  (1796,  f  1880) 
verewifJt.  üej^eiiüber,  an  der  Nordwand,  widmete  ihre  j^lücklich  dem  Topciderer 
Attentat  entronnene  Enkelin  Katarina,  spätere  Mihail  Bo^icevic,  ihrem  ersten 
Gatten,  General  Miiivoj  Blaznavac  (1824,  f  1873),  ein  gleich  prunkvolles,  mit 
Marmorsäulen,  seinem  Bronze-Reliefporträt  und  j^rossen  Silberampeln  (geschmücktes 
Cenota|ihiiiMi.  Ausser  den  Vorgenannten  birj^t  die  Kakovicaer  Kirchengruft  Fürst 
Milos'  frühverstorbenes  Sohnlein  Toilor  u.  a.  Bei  den  ihnen  zu  Ehren  abgehaltenen - 
Seeienfesten  ersciieiiit  auch  tier  Kiinig  im  Kloster.  Ausserhalb  seiner  Mauern 
ruht  auf  der  nahen  Steinbruchhöiie  der  Gelehrte  Sava  Sretenovic  (1828,  f  1893) 
zwischen  Petar  Obutjina  Pctrovic  (1822,  f  1890)  und  dem  Obersten  Arsenije 
J.  Stanojevic  (1832,  f  1895).  Im  Leben  alles  Strebertum  hassend,  wollten  die 
drei  Freunde  auch  nach  dem  Tode,  fern  der  vom  politischen  Lärm  erfüllten 
Hauptstadt,  .ihre  ewige  Schiafstätte  finden. 

Audi  der  achtzigjährige  Archiinantlrit  Josil,  welclier  einsam  den  langen 
Hoffauni  umschreitet,  sciieint  die  Berührung  mit  sündigen  Weltleuten  gern  zu 
meiden,  seit  er  dem  Kloster  die  von  den  Städtern  gern  besuchte  einträgliche 
„Klostermehaiia"  gebaut!  Der  seine  Stelle  vertretende  junge  Jeremonach  Damaskin 
zeigte  mir  als  wertvollstes  Stück  des  Archivs  eine  von  Peter  dem  Grossen  1701 
bewilligte  „Gramota",  welche  den  München  das  Sammeln  von  Liebesgaben  in 
Russland  gestattet.  Heute  macht  man  keinen  Gebrauch  von  ihr,  denn  Rakovica 
besitzt  30  Hektar  Felder  uiul  Wiesen,  5  H.  Wein-  und  Obstgärten,  200  H.  Wald, 
ein  Barkapital  von  6000  d  und  ausserdem  4  Pferde,  4  Ochsen,  10  Kühe, 
30  Schweine,  50  Ziegen,  30  Bienenstöcke,  mit  einem  Bareinkommcn  von  rund 
8400  d,  das  die  Ausgaben  für  seine  3  Mönche  und  das  Gesinde  vollkommen 
deckt.  Das  zur  Revision  der  Gebarung  zufällig  anwesende  Mitglied  des  Belgrader 
geistlichen  Gerichtshofes  Milos  Vlajkovic,  dem  ich  (1897)  vorstehende  und  viele 
andere  kirclienstatistische  Daten  verdanke,  brachte  uns  mit  dem  Wagen  des 
Klosters  zur  nahen  gleichnamigen  Bahnstation,  \ini  der  wir  in  später  Abendstunde 
nach  Belgrad   zurückkehrten. 


Ein  anderes  lohnendes  Ausflugsziel  bildet  Belgrads  565  m  hoher  südöst- 
licher Avalaberg,  der.  früher  nahezu  kahl,  durch  seine  neuestens  bewerkstelligte 
Aufforstung  bald  ein  ganz  verändertes  Aussehen  erhalten  wird.    Auf  der  trefflichen 


Topcider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala. 


121 


BELGRAD,  Bclipotok,  Bauernhaus. 


Kra^ujevacer  Strasse  erreicht  man 
die  vom  Vracar  in  der  Luftlinie 
13  km  ferne  Aussiclitshöhe  mit 
herrlichem  Panorama  zu  Wagen 
heijuem  in  2  Stunden.  Die  sanft 
ansteigende  Strasse  führt  durch 
Kumodra§,  wo  im  ersten  Frei- 
heitskampfe 1804  gleich  heftig  wie 
bei  dem  nordöstlicheren  Mokrilug 
gestritten  wurde.  Hierauf  berührt 
man  die  charakteristischen  Gehöfte 
ßelipotoks.  des  seit  1884  durch 
eine  Magdalenakirche  verschonten 
Geburtsortes  Vasa  Carapics  (S.  23), 
imd  gelangt  bald  darauf  /um  Ab- 
/weigungspunkt  der  auf  Befehl  des 
Il.imkis-Miiiisleriiims  thiiih  seinen  Ingenieur  Pavlovic  181)8  erbauten  Macadam- 
strasse, die  [\,:i  km  l;ing  fiiin  auf  sanften  Serpentinen  zum  Avalaschloss  geht. 
Gleich/eilig  wurden  zwei  nur  wenig  steilere,  an  trefflichen  Quellen  vorbei/ieliende 
l'usspf.ulc  angelegt,  auf  weldien  man  im  Schalten  duftiger  Kufiiri  I  .it,  lun  imd 
Tannen   niülielos  den  prilchligen  Aussichtspunkt  erreicht. 

Der  orientalische  Namen  des  kleinen,  aber  zukunftsreichen  Staatsgutes  „Avala" 
wird    vom   arabischen    „avali"    (hoch,   gross,   plur.   avala)   abgeleitet.')   .\mi    Houi^ 


')  Djciidje  l'opovic',  Turske  i  driiKC  isloianskc  rcfi  etc.    lilnsnik,  W. 


\22  TopCicIur,  Kloster  Kakovicn  und  die  Avala. 

piihlizk-rtc  1H40  zwei  dort  i^cfuiulenc  rfiinische  Insthriften ');  eine  «ir^  verletzte 
aus  der  Aiirelianisclien  r.pnclie;  die  zweite  widmete  Sinniduiiuiiis  Munizipalität  der 
Giittin  Norcia  —  vielleicht  der  aiitii  im  etruskischen  Volsinia  verehrten  —  für  das 
Wohl  der  Kaiser  Diocielian  und  Maximianus.  Diese  und  cini}^c  Münzenfunde 
fülirlen  zur  Annaiime,  dass  die  den  Berf^^^ipfel  krönende  Schlossruine  mit 
dein  Kastell  von  Mons  Aureus  identisch  sei.  Schon  früher  von  mir  bezweifelt, 
fiel  sie  j^änzlich,  seit  ich  üiierzeuf^end  nachwies,')  dass  diese  Mansion  am  grossen 
Koiistantinopler  Donauhcerwef^,  heim  heutif^en  Scona  la^  (S.  149  ff.).  Auf  der 
Avala  errichteten  die  Rmiier  wahrscheinlich  nur  einen  Auslugsposten,  auf  dessen 
(jrundfeste  v\ahicn(.l  der  allserbischeii  Zarenzeit  das  Schloss  Zrnov  entstand. 
Unerwiesen  ist  die  Tradition,  dass  dort  ein  „Vojvode  Porca"  im  Kampfe  mit  den 
Ungläubigen  oder  ein  „Ohazi  Porca"  gegen  die  Christen  fiel,  dessen  Grab  (Porcin 
grob)  nördlich  vom  Schloss  gezeigt  wird.  Die  ziemlich  gut  erhaltene,  unregelmässig 
angelegte,  oblonge  Burg  besitzt  einen  quadratischen  Hochturm,  drei  halbrund 
vorspringende  kleine  Bastionen  und  einen  nun  halb  verschütteten  breiten  Graben. 
Der  starke  Oberbau  ist  nach  meiner  Untersuchung  der  ganzen  Technik  nach  in' 
der  Türkeiiepoche  entstanden,  wie  ja  auch  historisch  nachgewiesen  wurde  (S.  9), 
dass  dieses  Raubhaus  1442  von  Hadom  Pascha  erbaut,  bald  verloren  und  vom 
Sultan  Mohammed  II.  1458  wieder  erobert,  ')  durch  seine  strategische  Lage  auch 
in  allen  weiteren  Kämpfen  um  Belgrad  eine  bedeutende  Rolle  spielte. 

Der  grosse  Mineralreichtum  des  Avalaberges  und  seiner  Umgebung 
veranlasste'  dessen  frühzeitige  Ausbeutung.  Schon  der  Name  des  westlichen 
ZcLeznik  (F.isenort)  und  ausgedehnte  alte  Mauern  dortiger  Schmelzwerke  deuten 
auf  einstigen  Hüttenbetrieb.  Nichtsdestoweniger .  war  man  überrascht,  als  beim 
Bahnbau  im  J.  1882  ein  Zinnober  haltiges  Rollstück  durch  emsiges  Forschen  des 
Prof.  Kleric  zu  alten,  durch  Feuersetzen  hergestellten  höhlenartigen  Bauen  an  der 
„Mala"  und  „Stuplja  stena"  führte.  In  letzterer  fanden  sich  freigeformte,  durch  den 
Bergrat  Rafael  Hofmann  veröffentlichte  dickwandige  Tongefässe  von  konischer 
oder  bauchiger  Form  mit  starken  Henkeln,  dann  Schüsseln.  Schalen  und  zum 
Schleifen  gebrauchte  Sandsteinplattcn,  ferner  Pfeil-  und  Lanzenspitzen  aus  Quarz; 
doch  keine  antiken  Geräte  oder  Münzen.  .Aus  Ripanj  stammt  auch  ein  728  g 
schweres  Kupferbeil.  Alles  rechtfertigt  den  Schluss,  dass  diese  Quecksilbergruben 
schon  in  neolithischer  Zeit,  und  zwar,  wie  ich  glaube,  von  den  keltischen 
Skordiskern,  vor  dem  Beginn  der  Römerherrschaft  betrieben  wurden. 

Nach  Prof.  2ujovic  besteht  die  Avala  aus  neocomen  und  mergligen  Kalken, 
die  von  Eruptivgesteinen  durchbrochen  wurden;  das  sie  umgebende  Hügelland 
aus  verworren  geschichteten,  petrefaktenreichen  Kalken  und  stark  verbreitetem 
Serpentin.  Dr.  V.  Groddeck  in  Clausthal  äusserte  über  dieses  interessante  Vor- 
kommen von  Erz:  „Von  dem  ursprünglichen  Ausgehenden  der  Lagerstätte  —  wenn 
ein  solches   überhaupt  jemals   vorhanden   war  —  ist   nichts    mehr  erhalten.     Ihre 


')  La  Turquie  d'Europe,  II,  359. 

2)  Römische  Studien  in  Serbien,  7. 

ä)  Daniele,  Rjeenik,  I,  342.  —  Hadzi  Chalfa,  Rumeli  u.  Bosna,  151  f. 


Topcider,  Kloster  Rakovica  und  diu  Avala. 


12:? 


jetzt  vom  Tage  zugänglichen  Teile  sind  in  grösserer  Erdtiefe  entstanden  und 
erst  durch  Erosion  blossgelegt.  Dabei  ging  die  ursprünghche  Beschaffenheit  durch 
den  Einfluss  der  Atmosphärilien  mehr  oder  weniger  verloren;  die  Carbonate  sind 
ausgelaugt,  Schwefelkies  ist  oxydiert,  Brauneisenstein  hat  die  Höhlungen  und  Klüfte 
erfüllt.  Wahrscheinlich  gehören  auch  das  Calomel  und  das  gediegene  Queck- 
silber nur  dieser,  durch  die  Atmosphärilien  veränderten  Zone  an.  Erst  in  grösserer 
Tiefe  wird  man  die  Lagerstätte  in  ihrer  ursprünglichen  Beschaffenheit  kennen  lernen." 
Diese  erste  bergmännische  Untersuchung  ergab  durch  den  150  m  in  den 
Serpentin  getriebenen  „Jerinastollen",  südlich  der  „Stuplja  stena",  eine  34  m 
mächtige,  ungleich  vererzte  Lagerstätte,  und  650  m  östlicher  bei  Rupine,  wo  ein 
angelegter  Schurfschacht  zu  einem  alten  Erzbau  führte,  grosse  Massen  harter, 
reicher  Erzstücke   mit  8,41  —  14,310/0  Hg-Gehalt,  die  annehmen   lassen,  dass  die 


BELGRAD,  Avala,  Prähistorische  Keramik. 


Kelten  nur  die  milden  Erze  verarbeiten  konnten;  ferner  wurde  am  „Djever  kamen" 
(Braulführerstein)  und  zwei  anderen  Kelsen  gleichfalls  Quecksilber  konstatiert.  Alle 
fünf  Kuppenparlien  bilden  teilweise  löcherige,  in  grossen  Blöcken  zerklüftete 
Quarzinasseii,  deren  Höhlungen  meist  ockeriges  Brauneisenerz  mit  von  Millcril 
lierrülirLMulcMi  (),()()"  „  Nickelgehalt  füllen.  Das  in  diesem  Nordrevier  westlich  von 
Vrcin  im  Kontakte  des  Kalks  und  Serpentins  auftretende  Quecksilber  erstreckt  sich 
über  2  km  lani;  vim  der  V\'estseile  der  Erzfelder.  Das  Zinnobcrcrz  durchsetzt  in 
netzförmig  verlaufenden  Trümmern  die  porösen  (iangmassen  und  färbt  sie  als 
feinkörniger  Anflug  in  blätterigen  Partien  gleich  den  gewundenen  weissen  pulverigen 
Quarzstreifen,  wechselnd  mit  grüngefärblen  dünnen  Lagen.  Nach  Lozanie^s  Analyse 
des  von  ihm  „Avalit"  genannten  Minerals  enthält  es:  55— 61  "  o  Kieselsäure, 
9  15  Chromo.Nyd.  14  Iti  Tonerde,  2,5  Kali,  I  2  Eisenoxyd  und  1,6  3.4»,o 
ChromiL  Die  Felsen  haben  ein  rauhes,  bräunliches  Aussehen;  der  frische 
splillerige,  m,illj;l;iM/eiule  Bruch  erinneii  .m  llornstein. 


I-J) 


Topiidcr,  Kloster  Kakovica  und  die  Avala. 


Die  ^^üiislinc  La)4c  dieser  Quecksilherfundslätte  (42  Oruhenfelder)  an  der 
nur  24  kin  von  Beljjrad  fernen  Station  Ripanj  veranlasste  die  )ienannten  Pro- 
fessoren, sie  gemeinsam  mit  dem  Belgrader  Grossindustriellen  Weifcrt  auszubeuten. 
Man  gah  viel  Geld  aus.  Schon  1891  waren  nahezu  TOOO  m  unterirdische  Arbeiten 
ausgeführt.  Ausser  dem  „Jeriiiaschacht"  unterfuhr  man  die  „Stupija  stena"  durch 
einen  Zubau,  der  ihre  Lagerstätte  in  700  m  erreichen  sollte,  auch  wurden  bei 
der  Station  eine  Schmelzhütte,  Arbeiterbaracken,  Magazine  usw.  aufgeführt.  Durch 
die  teueren  Löhne  —  man  zahlte  20  d  per  m  Stollenhieb  und  0,7  d  per  Kilo  Hg 
ilauerlohn   —   stellte   sich    die   Tonne   Erz  auf   11,36  d,  während   sie   anderwärts. 


BELGRAD,  Avala,  Sctilosshöhe. 


bei  noch  so  hohen  Ausbringlöhnen,  kaum  10  d  kostet.  1891  musste,  wegen 
starken  Wasserandranges  im  Hauptschacht,  eine  Pumpmaschine  von  25  und  für  die 
Schmelzhütte  ein  Motor  von  12  Pferdekräften  angeschafft  werden.  Die  Ausgaben 
betrugen  in  jenem  Jahre  allein  118000  d,  während  man  aus  den  geforderten 
2160  q  Erz  601  Flaschen  — ^  20644  kg  Quecksilber  erzielte  und  gleich  den 
1890  gewonnenen  18699  kg  in  Wien  und  Belgrad  zu  verwerten  suchte.  Ein 
erbauter  doppelter  Schachtofen  wurde  aber  nicht  mehr  erneuert,  denn  von  drei 
Muffelöfen  der  Schmelzhütte  waren  Ende  Oktober  1892  nur  zwei  in  Betrieb.  Die 
unter  drei  Aufsehern  von  70  Arbeitern  tiefer  angelegten  Galerien  hatten  nämlich 
erwiesen,  dass  die  erzführende  Masse  gegen  die  ursprüngliche  Annahme  in  der  Tiefe 
an  Mächtigkeit  verlor.  Das  1889  mit  4,5  Mill.  d  gegründete  Unternehmen  wurde 
Ende   1893  aufgegeben. 


TopCider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala.  125 

Nachdem  die  Versuche,  den  Quecksilberkönig  Rothschild  für  die  Mine  zu 
interessieren,  gescheitert,  erwarben  Londoner  Aktionäre  zwei  Konzessionen  für  die 
südliche  „Ljuta  strana-Tapavac"  und  „Ripanjska  klisura"  (166  Grubenfelder),  in 
der  von  Ripanj  westlichen  „Ljuta  strana"  (381  m)  befinden  sich  die  Erzadern 
oft  in  grosser  Stärke  in  Sedimenten  und  in  dem  das  kretacäischc  Sand-  und  Kalk- 
gestein durchdringenden  Trachit.  Die  Erze  sind:  Galenit,  Pyrit  und  Goslarit. 
Der  mittels  einer  Dampfpump-  und  Förderungsmaschine  zur  Bestimmung  des 
Erzreichtums  in  grösserer  Tiefe  hergestellte  Hauptschacht  sollte  auch  für  die 
ähnliche  Verhältnisse  wie  das  Avalarevier  aufweisende  „Ripanjska  klisura"  mit 
Zinnoharit-Ahlagerungen  in  Grabovac  und  Ripa  entscheiden.  Das  Resultat  war 
kein  ermutigendes,  und  fortan  wurde  dort  nur  auf  Blei  gearbeitet,  von  dem  man 
1888  nahezu  40  000  q  ungereinigt  herausschaffte.  1895  betrug  die  Produktion 
1421,  der  Export  1749  q  Blei,  in  den  zur  Donau  streichenden  östlichen  Höhen 
wurde  auch  Braunkohle  angeschürft,  ihr  Abbau  bis  heute  aber  nicht  versucht. 
Dagegen  erzeugt  die  Firma  Gligorovic  bei  Station  Ripanj  seit  1883  den  guten 
Ruf  geniessenden  „Romati-Zement"  und  nouestens  auch  „Portland",  für  dessen 
Herstellung  der  Belgrader  Privatingenicur  Meissner  1897  gleichfalls  eine  Kon- 
zession erhielt. 

Das  in  die  früher  stillen  FJnschnitte  der  Avala  eingezogene  erhöhte 
industrielle  inid  agrikole  Leben  beginnt  bereits  ihre  Physiognomie  erheblich  zu 
verändern.  An  ihrem  nordwestlichen  Fusse  erstand  ein  Forsthaus  mit  grosser 
Baumkulturanlage  und  Garten,  welche  die  f^flanzen  für  den  Park  liefern,  der  nun 
das  alte  iürkenschloss  umschiiesst.  Ein  Hotel  mit  Restaurant  und  elektrischer 
Bahn  sollen  die  „Avala"  bald  für  Belgrad  zu  dem  machen,  was  der  „Kahlenberg" 
den  Wienern  ist.  Aber  schon  heute,  und  namentlich  am  Tage  des  hl.  Georg, 
wenn  sämtliche  Zigeuner  der  Umgebung  auf  dem  baumreichen  Plateau  sich 
vereinigen,  gleicht  der  einst  melancholische  Burgplatz  einem  bunten  Lager,  in  dem 
Musik  und  Tanz  bis  zum  Frühmorgen  dauern.  Auch  die  Turn-  und  Singvereine 
besuchen  gern  die  eine  entzückende  Aussicht  bietende  Avala-Schlosshöhc;  denn 
nii'lit  allein  die  Sava-  und  Ddiiaugelände  erblickt  man  in  unermesslichcr 
Ausilelunnig,  sondern  auch  einen  grossen  Teil  des  serbischen  Zentralgebirges  und 
iler  sanllgevvellten  Moravafläihe  mit  dem  liisturiscli  intiTcss.inten  Brarncevo-Gau, 
in   ileii    ims   das   folgende   K.ipitel   luliil 


J-  L  I  Vi_ 


IV. 


mederevo  und  Umgebung. 


EIN  Ausiluji  VDii  Serhicns  H;iupislailt 
nach  dem  ob  seiner  idyllischen  Lage 
seit  aitershcr  vielgerühmten  Smederevo 
ist  ungemein  lohnend.  Die  Dampferfahrt 
bietet  grossartige  Strombilder,  die  histo- 
risch sehr  interessante,  rasch  sich  ver- 
schönende Stadt  besitzt  eine  sehens- 
werte, eigenartige  Feste,  ihre  durch 
RelK'MieicIiluin  iKinhiiilc  Umgebung  birgt,  wie  ich  bei  wiederholter  Durchforschung 
und  ii.iMRiitlirh  \HW)  f.uul,  eine  Fülle  römischer  F^esle,  und  die  Rückfahrt  nach 
Ik'lgrail  auf  liem  Schienenweg  führt  durch  den  reichen  l'odunavskikreis,  dessen 
bunte  Volksstaffage  uns  allerorts,  in  I-eld  und  Wald,  in  Dörfern  und  Bahnhöfen 
sympathisch  anmutet. 

Schon  im  Herbste  1859,  als  die  Türken  noch  Belgrad  besetzt  hielten, 
bildete  Smciierevo  mein  erstes  weiteres  Ausflugsziel.  Da  gab  es  keine  elektrische 
Traniway,  und  selbst  die  lange  Treppe,  welche  den  Kalimegdan  mit  der  tief- 
liegenden S.ivasl.ull  mtImiuIcI,  existierte  dam.ils  nicht.  Auf  halsbrecherisch 
abschüssigem  Tfade  ging  es  hinab  /um  Haien.  Mein  liamal  (l.asttr.'lger)  .'Ichzte 
unter  der  l.asi  meines  leichten  Reisegepäcks,  und  nach  laiulesüblicher  Sitte  noch 
mein,  als  er  sii  li  tiesselben  an  Bord  des  Dampfers  entledigt  hatte.  Ein  reich- 
liclu's  H,il<si.^  gab  seinem   .\iinungsprozess  die  gewohnte   Regehn.'lssigkeit  wieder. 


128  SmcdtTfvo  und  Uni|{cbung. 

und  glücklich,  seine  Rennten  Bedürfnisse  für  diesen  Taj^  (4csichert  zu  wissen, 
lief  er  der  nächsten  Schenke  zu. 

Nach  dem  dritten  Glockenzeichen  schwammen  wir  an  der  kurz  zuvor 
renovierten  Citadelle  vorüber,  welche,  von  der  Donau  gesehen,  ein  weit  pittoreskeres 
Bild  als  von  der  Sava  bietet.  Zahllose  Bastionen,  Türme  und  Galerien  steigen 
übereinander  hoch  empor,  orientalische  Wachhäuser  klebten  an  allen  Werken, 
Flaggcnbäume  und  Signalstangen  ragten  neben  den  Mündungen  riesiger  Paixhans 
uiul  Krupps  in  die  Luft,  und  beturbante  Leichensteine  steckten  ihre  „Sahids" 
ili'cr  das  Gestrüpp  neugierig  heraus.  Im  (istlicheren  Vorgrunde  schmolz  die 
Türkenstadt  mit  ihren  zahllosen  Hausgärten  in  einen  reizenden  Park  zusammen, 
und  hätte  ich  nicht  das  Elend,  den  Schmutz  zwischen  den  aus  hohen  Baum- 
kronen lockenden  Kuppeln  und  Minarets  gekannt,  würde  ich  gleich  manchen 
Turkophilen  beklagt  haben,  dass  der  Stambuler  Ferman  vom  J.  1862  Mohammeds 
Kinder  zwang,  dieses  fiktive  Paradies  zu  verlassen.  Den  Abschluss  des  herr- 
lichen Prospektes  bildete  die  uns  wohlbekannte  Hochschule;  seit  1884  wurde  er 
aber  noch  pittoresker  durch  die  Kuppeln  und  Türme  des  Kfinigspalasfes,  der 
neuen  Kirchen,  der  \iclen  seither  entstandenen  Staats-  und  Privatgebäude,  auf 
welche  aus  dunstiger  Ferne  das  geschichtsreiche  Schloss  der  hohen  Avala,  wie 
auf  nicht  ebenbürtige  Emporkömmlinge,   stolz  hcrabblickt. 

Auf  dem  hügelig  bleibenden  serbischen  Ufer  wechseln  Felder,  Obst-  und 
Nussbaunihaine  mit  Eichen,  Rotbuchen,  Weiden,  Silberpappeln  und  freundlichen 
Weingärten.  Der  Rebenbau  wächst,  trotz  der  hier  aufgetretenen  Philoxera,  und 
übe.r  ein  Dritteil  des  im  Smcdercvoer  Kreise  gewonnenen  Weines  produziert 
wieder  sein  viel  umstrittenes  reiches  Donaugeläride.  Mit  NO.-Richtung  steuert 
unser  Dampfer  nach  dem  auf  hoher  Landzunge  liegenden  historisch  interessanten 
Visnjica  (1015  Seelen).  Auf  der  Sehne  dieser  tief  in  das  ungarische  Gebiet  ein- 
schneidenden foraminiferenreichen  Uferterrasse')  lief  die  von  Singidunums  civitas 
(S.  5f.)  nach  Konstantinopel  führende  grosse  Römerstrasse,  von  deren  erster 
Mutatis  ad  Sc.xtum  sich  Reste  eines  Kastells  auf  dem  nördlichen  Hügel  (271  m) 
bei  Mali  Mokrilug  (893  S.)  erhielten.  Es  bildete  den  Beginn  des  starken 
Befestigungsgürtels,  dem  ihr  Schutz  und  die  Hut  des  bereits  erwähnten  römischen 
Donau-Heerwcges  von  der  Sava-  zur  Timokmündung  zufiel  (S.  5).  Von  seinen 
gegen  Dacieii  vorgeschobenen,  dicht  aneinander  gereihten  festen  Werken  hart 
am  mösischen  Ufer  stand  das  erste  bedeutendere  Kastell  östlich  von  Viinjicas 
1838  erbauter  Sv.  Nikolakirche,  ein  zweites  bei  dem  5  km  südlicheren  Slance 
(916  S.)  mit  einer  gleichfalls  bisher  ungekannten  antiken  Niederlassung.  Auch 
andere  alte  Mauern  bei  Visnjica  blieben  bis  heute  unerforscht.  Man  hält  sie 
für  Reste  eines  „Letnikovac"  (Lustschloss)  des  Despoten  Djordje  Brankovic 
(f  1457),  der  dort  und  im  südlichen  Kaludjerica  (526  S.)  die  warmen 
Quellen  mit   19  und  25"  C.  gern  benutzt  haben  soll. 

Kurz  bevor  wir  mit  scharfer  Nordkurve  die  tief  in  die  ungarische  Tiefebene 
einschneidende  serbische  Landspitze  umfahren,  verengt  sich  das  breite  Strom- 
wasser   bei  Visnjica    auf    500   Meter.     Als    die  Türken    1595    und    später  Sultan 


')  P.  S.  Pavlovid,  Prilog  poznavanju  foraminifera.     Glasn.,  Bd.  56.    Beograd  1898. 


Smederevo  und  Umgebung.  129 

Ahmed  bei  Pancevo  in  das  Banat  einfielen,  wurde  diese  Stelle  zur  Über- 
brückung benutzt.  Auch  Prinz  Eugen  führte  im  Juli  1717  von  diesem  Punkt 
sein  Heer  zur  Belagerung  Belgrads.  Denn  schon  wenige  Kilometer  östlicher 
verbreitert  sich  die  hier  7  Inseln  bildende  Donau  auf  3,5  km  und  verschmälert 
sich  erst  hinter  Veliko  selo  (l.'ilO  S.)  wieder  auf  500  m. 

Nahezu  jedes  Frühjahr  tritt  hier  der  durch  seine  wasserreichen  Nebenflüsse 
angeschwellte  Strom  über  die  Ufer.  So  weit  der  Blick  stromaufwärts  reicht,  steht 
dann  die  linksseitige  ungarische,  meist  von  Deutschen  besiedelte  breite  Fläche 
unter  Wasser.  Zwei  Meilen  im  Umkreise  tauchen  während  dieser  Schreckenszeit 
nur  einzelne  Baumkronen  aus  der  alles  bedeckenden  Flut  empor.  Oft  kommt 
diese  so  überraschend  schnell,  dass  die  ihr  Vieh  preisgebenden  Anwohner  kaum 
sich  zu  retten  vermögen.  Wohl  erhalten  sie  Unterstützungen  und  Steuernachlässe 
seitens  des  Staates;  doch  bedeutet  dies  nur  eine  geringfügige  Entschädigung  für 
so  empfindliche  Verluste.  Schlecht  erging  es  namentlich  Königsdorf,  Albrechtsdorf, 
Giselaheim  u.  a.  während  der  grossen  Hochwasser  im  Frühjahr  1897.  —  „Es 
gibt  keine  noch  so  starken  Dämme,  die  dem  Anprall  der  Hochflut  von  Surduk 
bis  Banovce  werden  Willerstand  leisten  können!"  —  behauptet  jMajor  v.  Stefanovic. 

Vom  linken  Ufer  blickten  Pancevos  Türme  und  Kuppeln  einladend  herüber. 
Wir  landeten  aber  nicht,  weil  die  Lokalboote  nur  das  ungarische  oder  serbische 
Ufer  berührten;  eine  durch  das  frühere  häufige  Schmuggeln  türkischen  Tabaks 
nach  Ungarn  hervorgerufene  Anordnung.  Mit  südlichem  Kurs  erreichten  wir 
das  um  seine  liochstehenile,  IH57  erbaute  Peter  Pauls-Kirche  sich  malerisch 
gruppierende  Vinca  (957  S.),  bei  dem  der  römische  Uferweg  durch  einen 
quadratischen  Turm  auf  dem  linken  Ufer  der  Bolecica  geschützt  war.  Auf  ihren 
östlichen  Höhen  beginnt  die  Rebe  wieder  den  Mais  zu  verdrängen. 

In  einem  westlichen  Einschnitt  lag  das  jetzt  verfallene  Kloster  Vinfa.  Nach 
den  Forschungen  des  gelehrten  Gergeteker  Abtes  Hilarion  Ruvarac ').  welche  eine 
von  Milicevic  mitgeteilte  Sage')  entkräften,  durch  den  frommen  Despoten  Stevan 
Lazarevic  begründet,  zerstörten  es  die  Türken,  als  sie  Smederevo  eroberten. 
Als  Makarije  (1557—1573),  Bruder  des  berühmten  Grossveziers  A\ehmed  SokoloviC, 
den  Ipeker  Patriarchenstuhl  bestieg,  erhielt  er  von  diesem  die  Erlaubnis,  das 
Kloster  zu  restaurieren.  Im  Beginn  des  17.  Jahrh.  wegen  des  moslimischen  Druckes 
verlassen,  später  aber  wieder  bewohnt,  blieb  es  von  1683—1699  längere  Zeit 
verödet.  Die  Bruderschaft  zog  nach  dem  sirmisclien  Kloster  Kove^din.  Noch- 
mals wagte  es  ein  griechischer  Mönch  von  Korfu,  der  ein  wundertätiges  Jung- 
Iraubild  aus  Russland  mitgebracht,  die  lleilslälle  zu  erneuern,  doch  1740  mussle 
ihr  let/le'  li;um,iii  Tindozije  in  ilas  ungarische  Kloster  Bezdiii  sich  flüchten. 
Bei  der  gegenwärtig  herrschenilen  Abneigimg  der  Serben  gegen  m(">nchisclies 
Leben  dürfte  das  Kloster  Vinca  kaum  wieder  aus  den  Ruinen  auferstehen. 

Einem  riesigen  Tumulus  gleich  taucht  der  mit  einer  1870  erbauten  kleinen 
Kuppelkirche  und  seltsam  geformten  Kreuzen  malerisch  geschmückte  Friedhofs- 
hügel    von     Ritopek    (1()7()    S.)     auf       Hier    stand    der    Vorort    der    keltischen 

')  (jlasiiik,  Bd.  •»:).     1877.  -    ■)  Srl)ij;i.  1.77. 

1-.  KANITZ,   ScrhicM.    1.  '' 


l^ill  Smedcrcvo  und  UmKcbunK. 

Tricoriiensicr,  welche  zur  Zeit  des  Plolfinüus  in  Übcr-Mösicn  siedelten.  Nach 
der  römischen  liroberunt;  bildete  Tricornium  einen  der  stärksten  Limcspunkle, 
von  dessen  Werken  sich  noch  quadratische  Mauern  auf  dem  höchsten  südwest- 
lichen, '/'i  St.  fernen  Ber^e  bei  Bolec  (793  S.)  erhielten')-  Dort  liess  auch 
MiloS  1815  eine  Schanze  anlegen,  um  die  türkische  VerbindunKSStrasse  zwischen 
Smederevii  und  Ikl^^rad  zu  unterbrechen,  welche  sich  nun  immer  mehr  der 
Donau   nähert. 

Hei  Grocka  Irin  die  Kalirstrasse  und  Telejjraphenleitunjj  hart  an  den 
Strnin.  In  meinen  zuletzt  erwähnten  „Studien"  erwies  ich  (S.  7),  dass  Grocka 
bestimmt  mit  der  „Mutatio  ad  sextum  miliare"  identisch  sei.  Von  seinen  starken 
Bcfestif^un^uu  erhielten  sich  am  Azapski  potok  und  auf  dem  150  m  hohen 
Brestovik-Plateau  die  Grundfesten  mehrerer  Wachtürme.  Ausserdem  fand  man 
einen  gemauerten  Brunnen  und  zuletzt  die  Reste  einer  bis  zu  dem  4  km  fernen 
Brcstovik  (678  S.)  sich  dehnenden  Ansiedelung.  Von  ihrer  Nekropole  {gelangten 
aus  einer  Grabstätte,  deren  vier  Räume  ein  Säulenportal,  Malereien  usw. 
schmückten,  die  Bruchstücke  von  Löwen,  geflügelten  Genien  und  der  Torso  einef 
männlichen  Gewandstatue  in  das  Belgrader  Museum.  Auf  einem  hier  gefundenen 
Votivstein  wollte  Safarik  die  Personifikation  des  Flusses  Margus  (Morava) 
erkennen.  Während  der  Türkenzeit  erhielt  das  „Hisardzik"  genannte  Grocka 
einen  Palisadeiuvall  gegen  die  Einfälle  aus  dem  Banat.'  Im  Beginn  der 
osterreichisLiien  Occupation  (1717)  wurde  es  das  Zentrum  eines  1723  Belgrad 
und  Semendria  zugeteilten  Distriktes.  Sein  Wohlstand  hob  sich  bis  1739 
auffällig.  Es  besass  ausserhalb  der  Stadt  eine  Mihailskirche,  und  die  zweite 
„Vosnescnije",  welche  die  Türken  als  Moschee  benützten  und  der  sich  hier  ein 
Jagdhaus  erbauende  Herzog  Alexander  von  Württemberg  wieder  herstellen  liess, 
wurde  1719  mit  silbernen  Altargeräten,  vielen  Büchern  und  zwei  Glocken 
beschenkt  und  geweiht-).  Auch  eine  der  damals  seltenen  Schulen  in  Serbien 
erhielt  Grocka.  Der  unglückliche  Ausgang  der  dortigen  Kämpfe  unter  Graf 
Wallis  (23.-24.  Juli  1739)  entschied  den  1737  erneuerten  Türkenkrieg  und 
zwang  Österreich  zum  Rückzug  über  die  Sava. 

Nach  dem  glücklich  beendigten  Freiheitsringen  wurde  Grocka  Sitz  des 
gleichnamigen  Bezirks,  einer  Zollstätte  und  anderer  Ämter.  Am  wesentlichsten 
forderte  das  Aufblühen  dieses  einzigen  Städtchens  des  Belgrader  Kreises  die 
Familie  Garasaiiiu.  Milutin  G.  gründete  hier  um  1830  eine  Schule,  für  welche 
er  Lehrer  aus  Sirmien  kommen  liess.  Sein  Sohn,  Mihails  hervorragender  Minister- 
präsident llija  G.,  der   1874   zu  Grocka   sein    bewegtes   Leben   schlösse),    erbaute 


')  Näheres  über  Tricorniuni  in  meinen  „Römische  Studien  in  Serbien",  6  f. 

2)  Vitkovic,  Glasn.,  Bd.  56.  1884. 

')  Anlässlich  des  zwischen  dem  E.xkönig  Milan  und  .Wilutin  Garasanln  1891  geführten 
scharfen  Briefwechsels  wusste  die  „Agramer  Ztg."  mitzuteilen,  dass  auf  Ilijas  Grabstein 
folgende  Inschrift  bis  Oktober  1880  zu  lesen  war:  „1812—1874.  Du  starbst  in  Ehren;  vor 
Deinem  Verscheiden  hattest  Du  noch  das  Glück,  Deinen  Todfeind  Milos  Obrenovic  schimpf- 
lich aus  dem  Lande  gejagt  zu  sehen.  Mögen  Deine  Abkömmlinge  nie  vergessen,  dass  die 
Garasanln  und  Obrenovic  sich  als  Todfeinde  bekämpfen  müssen."  —  Wer  soll  diese  Inschrift 
verfasst  —  wer  den  Stein  beseitigt  haben;  falls  er  wirklich  jemals  existierte? 


Smederevo  und  Umgebung.  1-il 

auf  seinem  ausgedehnten  Besitz  eine  DanTpfmühle,  früher  die  grösste  Serbiens. 
Auch  dessen  dort  geborenen  Söhne,  Fürst  Mihails  Adjutant,  Oberst  Svetozar  G. 
(S.  108),  dem  einige  Tage  nach  dem  Attentate  der  verwundete  rechte  Arm  amputiert 
werden  musste,  und  Konig  Milans  vielgenannter  Gegner  Milufin  G.,  gaben  manche, 
das  2228  S.  zählende  Städtchen  fördernde  Anregung,  das  seit  1883  von  dem 
schlanken  Turme  und  zwei  Kuppeln  seiner  hübschen  hl.  Geistkirche  überragt  wird. 

An  der  Manastirska- Quellader  der  Grocka  durchfliessenden  Begaljica  liegt 
das  nun  verweltlichte,  „Maria  Geburt"  geweihte  alte  Klosterkirchlein  Rajinovac. 
Das  Volk  strömt  in  Massen  zu  seinem  Sabor  am  20.  September,  was  vielleicht 
mit  der  Tradition  zusammenhängt,  dass  dort  der  Leichnam  des  erstgekrönten 
Serbenkönigs  einige  Zeit  bewahrt  wurde  und  auch,  weil  der  1804  durch 
moslimische  Dahlen  ermordete  Knez  Andrejic  Palalija  aus  dem  benachbarten 
Pfarrdorf  Begaljica  (1649  S.)  auf  seinem  Friedhof  ruht.  Das  im  letzten 
Jahrhundert  wiederholt  erneuerte  Kloster  besitzt  19  Hektar  Feld-,  Wiesen-  und 
üartengrund,  88  H.  Wald  und  eine  Einnahme  von  3800  d. 

Es  ist  bedauerlich,  dass  die  Serben  im  ersten  aufflammenden  Rachegefühl 
viele  an  die  Türkenherrschaft  mahnende  Bauten  zerstörten,  welche  die  bauliche 
Fntwickelung  in  einigen  Städten  gar  nicht  hinderten.  Zu  diesen  zählt  die  hoch- 
liegende Grabtulba  eines  mosliniischen  Wundermannes  auf  rebenbewachsener 
Höhe,  deren  blinkende  Kuppel  schon  aus  weiter  Ferne  dem  Donaureisenden 
Smederevos  Nähe  ankündete.  Über  die  Stiftung  der  Tulba  erzählt  die  Sage: 
Der  Enkel  des  Fürsten  Djurag  Brankovic  (S.  8),  Despot  Vuk  „Zmaj"  (der  Drache), 
hätte,  von  Slankamen  hcrabkommend,  das  sehr  starke  Schloss  Kulic  überfallen  und 
seine  Moslims  zur  Flucht  nach  Smederevo  gezwungen.  Der  türkische  Held  Ali 
Heg  rächte  diese  Schmach,  indem  er  Vuks  Höfe  plünderte  und  verbrannte.  Als 
„der  Drache"  dies  erfuhr,  eilte  er  zu  Schiff  zur  späteren  Tulbastelle.  forderte 
dort  Ali  zum  Zweikampf,  verwundete  und  verfolgte  ihn  bis  zum  nächsten  Dorfe, 
dessen  Bewohner  jedoch  nicht  wagten,  den  dort  verborgenen  Beg  zu  verraten, 
weshalb  der  erzürnte  Vuk  alle  seine  Männer  töten  licss  und  der  heule  noch 
bestehende  Ort  „Udovice"  (Witwendorf)  genannt  wurde.  Den  flüchtenden  Ali 
erreichte  sein  Verfolger  erst  jenseits  der  Morava,  wo  er  sich  im  hohen  Schilfe 
verbarg;  Vuk  liess  es  anzünden,  und  mit  ihm  verbrannte  auch  der  Beg.  Wo  ihr 
GlaulHiishekl  verwundet  wortien,  errichteten  die  Türken  später  jene  Tulba,  deren 
lliikT  bis  zu  ihrer  \HiV2  erfolglen  Zerstörung  den  von  Smederevo  an  Freitagen 
zahlreich  herausiiilgernden  Moslims  und  für  eine  kleine  Liebesgabe  auch  mir  den 
in  einer  Metallkapsel  sorgfältig  verwahrten  sultanlichen  Fernian  zeigte,  welcher 
dir  lulha  diu  Zehentertrag  vom  „Wilwendorf"  und  Seona  für  ewige  Zeiten 
zusicherte! 


Smederevos  hoher  Kirchturm  und  seine  interessante  Feste  treten  in 
Sicht.  Die  Stadt  schnnegl  sich  an  die  Ausläufer  der  sanft  gegen  Osten  sich 
abdaclKiukn   Avala,  während   die   Ciladelle   in   der    Ebene,   hart   am    Donaurnnd 


1!{'2  SiDcdcTcvo  und  Um^ccbunt;. 

und  [iinfluss  des  westlichen  Morava-Armes  „Jczava"  liejit.  Raid'  schreibt  ihre 
LrlKuuinji  dem  Lazarevic,  das  Volk  aber  Djuraji  Brankovits  Gemahlin,  der 
Griechin  Helena  ((genannt  „Jerina"  und  „Jelena")  zu.  Sie  lebt  als  „prokleta" 
(Verfluchte)  im  schlimmsten  Andenken  fort,  weil  die  Tradition  erzählt,  dass  das  Volk 
zum  Pestun^shau,  Mann  an  Mann  stehend,  das  Material  von  den  verfallenen 
fernen  Burf^en  Kaliäte  und  2drelo  im  MIavatal  herbeischaffen  musste;  durch 
volle  zwölf  Jahre  durfte  auch  kein  Ei  im  BraniCevo-Gau  verspeist  werden;  sie 
mussten  zur  Festi^un^  des  Mörtels  abgeliefert  werden  (!).  Der  serbische  Hass 
gegen  die  griechische  Despotin  durchzieht  alle  mit  ihr  sich  beschäftigenden 
Legenden;  sie  scliikiern  Jerina  als  Erbauerin  der  meisten  Zwingburgen  und 
bösartigste  aller  Frauen  im  Lande. 

Es  ist  jedoch  bezeugt,  dass  nicht  Helena,  sondern  Djurag  selbst  um  143Ü 
die  Feste  erbaute.  Sieben  Jahre  später  wiesen  die  Ungarn  dort  den  nach  Belgrad 
vordringenden  Ali  Beg  —  vielleicht  jenen  der  Tradition  (S.  9)  —  zurück.  Im 
Juni  1438  wiederholte  Sultan  Murad  den  Angriff  auf  Smederevo,  das  trotz  helden- 
mütigster Verteidigung  1439  fiel  und,  obschon  kurz  darauf  wiedergenommen, 
1440  durch  Kapitulation  den  Türken  blieb,  die  nun  von  dort  aus  einen  energischen 
Vorstoss  gegen  Belgrad  wagten  (S.  10).  1443  erhielt  Despot  Brankovic  erneuert 
die  Feste  von  Ungarn,  nach  dem  gemeinsamen  grossen  Siege  im  Kunovica-Defile. 
Während  dieses  Feldzuges  wurde,  wie  Hadzi  Chalfa  erzählt'),  Mohammed,  ein 
Bruder  des  Grossveziers  Halil  Pascha,  gefangen  und  für  das  von  den  Türken 
angebotene,  wahrscheinlich  unhaltbare  Smederevo  freigelassen.  Der  in  seiner 
Politik  fortan  schwankende  Serbenfürst  hielt  1448  hier  den  von  Kosovo  geschlagen 
heimkehrenden  ungarischen  Feldherrn  Hunyady  fest,  was  die  Ungarn  ihm  später  bitter 
vergalten.  Der  1449  nach  Smederevo  übertragene  Leichnam  des  Evangelisten  Lukas 
verblieb  dort  bis  nach  Djurags  Tode-).  Drei  Jahre  darauf  endete  Smederevos 
serbische  Epoche;  1459  eroberte  Mohammed  II.  nahezu  ganz  Serbien  und 
auch  die  vergeblich  von  den  Ungarn  verteidigte  Feste.  1474  gingen  dort  die 
Türken  über  die  Donau  und  drangen,  alles  verheerend,  bis  Gross-Wardein  vor. 
1537  erschien  zu  Smederevo  eine  von  König  Zäpolja  abgeordnete  Gesandtschaft 
vor  Mehemed  Begjähija  Pascha,  „Gouverneur  der  Sandzakate  Smederevo,  Belgrad, 
Podunavlje,  Posavlje  usw."  Für  Smederevos  damaligen  hohen  Rang  unter  den 
serbischen  Städten  spricht  auch,  dass  dort  1531  der  Metropolit  Zaharije  residierte.  ■) 
Darauf  erwähnen  die  Chronisten  kaum  mehr  Smederevos. 

Erst  nachdem  Kaiser  Leopolds  grosser  Feldherr  Maximilian  von  Bayern  1688 
an  der  Donau  die  Macht  der  Türken  gebrochen  und  Belgrad  erobert  hatte,  wurde 
das  feste  Smederevo  von  des  Sultans  Truppen  ohne  ernsten  Verteidigungs- 
versuch geräumt.  Seine  Werke  wurden  sofort  in  besseren  Stand  gesetzt;  doch 
als  Ni.?  gefallen  (1689),  ging  nahezu  das  ganze  nördliche  Serbien  verloren  und 
1690    eroberte    der    gegen    Belgrad    vordringende    Grossvezier    auch   Smederevo; 


')  Rumeli  und  Bosna,  148. 

'-)  Rad,  jugosl.  Akad.  V,  178  ff. 

■')  Ruvarac,  O  Peckim  patrijarsima,  6. 


Smederevo  und  Umgebung. 


133 


seine  aus  500  Kaiserlichen  und  400  serbischen  Freiwilligen  bestehende  Besatzung 
wurde  von  den  am  „Wasserturm"  bis  zur  Kehle  durch  die  Jezava  vorstürmenden 
Türken  niedergemetzelt.  Nach  Eugens  grossem  Siege  bei  Belgrad  gelangte  1717 
auch  Smederevo  erneut  an  Oesterreich.  im  wenig  ruhmreichen  Kriegsjahre 
1738  kampierte  dort  das  nach  dem  Rückzug  von  Orsova  auf  zwei  Brücken  die 
Donau  bei  Kovin  übersetzende  Heer  des  Prinzen  v.  Lothringen  ganz  untätig 
vom  19.  bis  25.  August.  Am  achten  Tage  zog  es,  weil  von  den  Türken  gedrängt, 
über  Grocka  nach  Belgrad.  Nur  mit  Mühe  konnte  ein  in  Smederevo  zurück- 
gebliebener Hauptmann  sein  Detachement  zu  Schiffe  retten.')  Als  Laudon  1789 
abermals  Belgrad  dem  Kaiser  errungen,  forderte  er  Smederevo  durch  den  General- 
major Otto  zur  Übergabe  auf.  Am  13.  Oktober  erklärte  der  türkische  Kommandant 
durch     nach     Belgrad    entsandte    Vermittler,    unter    gleichen    Bedingungen    wie 


^   v-i 


SMIl  II  I,  in.  V  I  ),    IU'l^■^ll^;I^■^    ILlupUni    lUt    L  lladcllc   (I9li0). 

Belgrad  kapitulieren  zu  wollen.  Die  300  Mann  starke  Garnison  zog  frei  ab; 
14  ein-  und  dreipfündige  Geschütze  blieben  zurück.  Mit  dem  SviJtover  Frieden 
(1790)  abermals  türkisch,  spielte  Smederevo  bald  darauf  im  serbischen  Frcihcits- 
kainiil  eine  wichtige  Rolle. 

Kur/  vnr  dem  ersten  serbischen  Aufstand  gegen  die  Dahien.  welche  des 
Sultans  Bi'lihl,  „die  Rajah  milder  zu  behandeln",  verhöhnten,  forderte  der  Belgrader 
(louvcrueur  Mustaj  Pascha  die  Serben  zum  Kampfe  gegen  diese  und  den  Vidiner 
Rebellen  Pasvan  Oglu  l'ascha  auf.  Die  rasch  bewaffneten  Christen  kamen  gern 
dieser  Aufforderung  nach.  Dass  ihr  Führer  Stanko  Arambaäic^  von  den  erbitterten 
Janitschareii  /u  Smeilerevo  gelotet  wurde,  füllte  das  Mass,  und  als  Karadjordje 
dort  1804  den  Ruf  nach  |-reiheil  ertOnen  liess,  fand  er  im  weiten  Umkreis 
lautes  Fcho.  Djusa  Vuliöevic  wählte  man  /um  Wojwoden.  Seine  erste  Tat  war 
die  Vertreibung  iler  Türken  aus  der  Stadt  Smederevo  und  ihre  Einschränkung 
auf  den  Hereich  der  I'este.     Da  geschah  es,   dass  DjuSa  eines  Abends,  nachdem 


')  (.iraf  Scliincllau,  Memoircs  secrcis. 


I.!l  Smt'dcrc'vo  iiiul  L'rnKfbunu. 

er  tüchtig  ^ic/ccht,  über  iliu  zur  |-estiiiij4  lührciidc,  den  SerlJcn  verbotene  Brücke 
reitend,  sich  dem  Haupttor  nilherte.  Einem  nicht  beaciileten  Mahnrufe  der 
Wache  MglQ  sofort  der  ihn  tötende  Schuss.  Die  von  panischem  Schrecken 
crfasste  christliche  Bevöli<erun),'  fhichtete  in  die  nahen  Dörfer;  die  Türken  aber 
plünderten  die  verlassene  Stadt.  Rasch  eilte  Karadjurdje  herbei,  unizin)4elte  mit 
seinen  Stluireii  imtl  dem  durch  den  Wojwoden  Vujica,  Sohn  des  getöteten 
Djusa '),  aufgebotenen  Landvolk  die  Feste,  beschoss  sie  aus  den  schleunijjst 
herf^estellten  Laudonschanzen  und  nahm  sie  am  26.  Nov.  nach  mehrwochentlicher 
Belagerung,'.  Den  vorgefundenen  grossen  Reisvorrat  verteilte  man,  die  Munition 
und  Geschütze  wurden  als  gute  Beute  erklärt;  nur  die  Handwaffen  durften  die 
ZI!  Sciiifl'e    nach  Vicliii    ahzieliendeii   Türken    behalten.     Einige   arme  Fischer  Hess 


S.MEDEREVO,   Brankovicturriic  und  .Moscheeplatz  (1860). 

man  weiter  in  der  Feste  woimen;  die  zurückgekehrten  christlichen  Stadtbewohner 
atmeten  leichter  auf.  Schon  im  folgenden  Jahre  übersiedelte  der  rasch  gebildete 
revolutionäre  Senat  aus  dem  Kloster  Bogovadja  nach  Smederevo,  wo  er  bis  zur 
Einnahme  von  Belgrad  (1807)  verblieb.  Nach  dem  für  die  Serben  verhängnis- 
vollen Jahre  1813  musste  aber  auch  Smederevo  ausgeliefert  werden,  und  viele 
der  weggewanderten  Türken  suchten  ihre  alte  Heimstätte  wieder  auf.  Durch  die 
Hat-i-Scherife  von  1828  29  war  Smederevos  Räumung  gleich  jener  der  anderen 
festen  Plätze  verbrieft  worden;  auch  machten  sich  die  Türken  vom  Zivil  zur 
Auswanderung  bereit  und  einige  wohlhabende  Familien  verliessen  wirklich  die 
Stadt.  Auf  dringende  Bitten  gestattete  jedoch  Fürst  Milos  den  Moslims,  bis 
1832  zu  bleiben.  Sie  hielten  aber  nicht  Wort,  und  von  dem  inzwischen  der 
Pforte  gegenüber  nachgiebiger  gewordenen  russischen  Gesandten  nicht  unter- 
stützt, vermochte  Milos  seinem  guten  Rechte  keine  Geltung  zu  verschaffen. 


')    Seine   Tochter   Sara  starb  als  hundertjährige  Greisin  mit  einer  kleinen  serbischen 
Staatspension  im  Januar  1895  zu  Palanka. 


Smedercvo  und  Umgebung. 


135 


Das  Halbmondbanner  wehtu 
weiter  von  der  Sinederevoer 
Citadelle,obschonsie  eine  solche 
längst  nicht  mehr  nach  occi- 
dentalem  Begriff  war.  Man 
hatte  nichts  getan,  um  die  von 
den  nahen  Hohen  beherrschte 
mittelalterliche  Feste  wider- 
standsfähig zu  machen.  Nur 
die  Bastion  über  dem  der  Stadt 
zugewendeten  Haupttor  traf 
ich  1859  mit  6  schweren  eng- 
lischen Geschützen  armiert,  die 
gewaltig  von  den  veralteten  Karo- 
nadcn  abstachen,  welche  aus 
den  zerbröckelnden  Türmen  he  - 
vorlugten.  Trotzdem  aber  wurde 
die  „Festung"  von  den  Türken 
bis  zum  letzten  Tage  ihrer  An- 
wesenheit eifersüchtig  gehütet 
und  deshalb  blieb  ihre  Schilde- 
rung in  meinem  „Serbien" (1H68) 
lückenhaft.  Diese  Vorsicht  er- 
streckte sich  bis  auf  die  ini- 
sauberen  Gässchen  der  kleinen 
Türkenkolonie,  deren  Armselig- 
keit man  vielleicht  dem  Fremden 
verbergen  wollte.  Fs  hätte  nur 
eines  Schusses  bedurft,  um  das 
ganze  scliicflinigr  (ieidinpel  — 
selbst  die  Moscliee  war  ein 
Riegelbau  mit  hölzernem  Minaret 
—  in  einen  Aschenhaufen  zu 
verwandeln.  Ohne  (jrinidbesitz, 
waren  die  Türken  auf  den  Klein- 
handel und  l'ischfang  hinge- 
wiesen. Diiiili  d.is  „l'una- 
Kapija"  (l)onaulor)  sah  man  sie 
stets  nach  oder  von  ihren  schlan- 
ken K.iiks  eilend,  mit  ihren 
grossen  Netzen  hantieren,  deren 
Bojen  den  nahen  Donauspiegel 
förmlich  beilecklen.  Die  Kon- 
vention   von    IK()2    zwang    sie 


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Ol 


!•!'•  SincdcTfVo  und  LliiiKcbuiiK. 

undlJcli,  Siiicilcicvo  für  immer  /u  rilumcn;  sie  waiidurlcii  i^rOsslcnlcils  nach  Vidin 
iirui  wiirilcn  durch  250,  von  einem  Bimbaäi  (Major)  befehÜKlc  Nizains  ersetzt.  Ihr 
Aufenthalt  dauerte  kurz;  denn  schon  1867  lieferte  ein  sultanlicher  Fcrinan  sämtliche 
serbische  Tiirkenplilt/e  bedint^unKslos  dem   Fürsten  Miiiail  aus. 

Meine  Absiclil,  Smederevos  Fortschritte  wahrend  der  letzten  Jahrzehnte  und 
seine  bisher  mir  oberflächlich  geschilderte  Feste  genauer  kennen  zu  lernen,  führte 
mich  1887  und  1897  nochmals  in  die  alte  Despotenresidenz.  Smedercvo  zählt 
zu  den  ersten  serbischen  Städten,  weiche  sich  den  Luxus  eines  eigenen  „varoiki 
insener"  für  F^egulierungs-,  Vcrmessungs-  und  Bauarbeiten  erlaubte.  Auf  dem 
Wege  vom  Bahnhof  zum  „Löwenhotel"  fand  ich  Anlass  zu  freudigem  Staunen 
über  seine  erfolgreiche  Tätigkeit.  Als  ich  auf  der  Höhe  stand,  von  welcher  ich 
1859  das  erste  Bild  Smederevos  entworfen  hatte,  gab  es  sehr  viel  Neues  in 
dasselbe  einzuzeichnen.  Stark  änderte  sich  seit  dem  Abzug  der  Türken  sein 
Aussehen;  denn  auch  hier  hielt  der  Occident  seinen  siegreichen  Einzug.  In  den 
gut  gepflasterten  Strassen  sah  ich  viele  nette  Häuser  mit  hübschen  Fassaden,  und 
präciitige  Amtsgebäude  zierten  die  regulierten,  sauber  gehaltenen  Plätze.  Es  fief 
mir  stets  auf,  dass  den  im  eigenen  Hause  so  reinlichen  Türken  Unsauberkeit  in 
den  Strassen,  Moräste  und  von  üenerationen  abgelagerter  Unrat  auf  den  öffent- 
lichen Plätzen  so  wenig  störten.  Ais  ich  1859  Smedcrevo  zum  erstenmal 
besuciitc,  glicii  das  Ufer  einem  riesigen  Düngerhaufen,  und  es  bedurfte  der  grossen 
Anzieiuingskraft  der  berühmten  Feste,  des  bestrickenden  Reizes  der  damals  auch 
von  den  städtischen  Serben  getragenen  Türkentracht  und  des  farbenreichen,  viel 
bewegten  Ufertreibens,  dass  ich  nicht  sofort  von  der  armseligen  Mehana  zum 
verlassenen  Dampfer  zurückeilte. 

An  der  Donauiände  herrschte  damals  ein  von  der  heutigen  Ruhe  auffällig 
kontrastierendes  reges  Leben.  Fortwährend  landeten  seltsam  gebaute,  mit 
waiachischem  Steinsalz  befrachtete  Schiffe,  die  zum  Teil  auch  nach  kurzer 
Rast  durch  sonnverbrannte,  robuste  Männer  mit  grosser  Anstrengung  bis  Belgrad 
gezogen  wurden.  Keuchende,  schreiende  und  fluchende  Hamals  schleppten  die 
gelichterten  schweren  Salzblöcke  in  die  nahen  Magazine,  aus  weichen  sie  auf 
Ochsenkarren  und  Saümpferden  in  das  Innere  des  Landes  weiter  gingen.  Neben  den 
Salzschiffcn  ankerten  die  vergitterten  Schweine-Transportboote  verschiedener, 
damals  begründeter  kleiner  Dampferkompagnien,  welche  aber  durch  ihr  Streben, 
die  mächtige  Wiener  Donaugesellschaft  in  den  Tarifen  zu  unterbieten,  grössten- 
teils bald  vom   Schauplatz  verschwanden. 

Früher  war  Smederevo  auch  Serbiens  grösster  Schvveine-Exportstapel,  aus 
dem  die  in  ganzen  Trupps  aus  dem  Süden  hingewanderten  Tiere  auf  der  Donau 
über  Pest  nach  Wien  und  Hamburg  oder  nach  Galatz  gebracht  wurden.  Namentlich 
im  Hochsommer  zog  man  den  Wasserweg  der  Bahnlinie  Bazias-Pest  vor,  schon 
der  Umladung  wegen  und  weil  Schweine  durch  Wassermangel  und  hohe 
Temperatur  sehr  leiden.  Dies  änderte  sich,  als  die  das  grösste  Exportkontingent 
stellenden  Züchter  der  Sumadija  ihre  Schweine  auf  dem  Flügelstrang  Kragujevac- 
Lapovo  mit  grossem  Zeitgewinn  und  verminderten  Kosten  via  Belgrad  direkt  nach 
dem  Pester  Steinbruch   bringen   konnten.     Statt  jährlich   50000,  gingen   bald  nur 


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Smederevo  und  Umgebung.  139 

10000  Schweinu  aus  Smederevos  Hafen,  und  während  früher  in  diesem  oft 
30  Schlepper  mit  zu  exportierendem  Hornvieh,  Talg,  Wachs,  Getreide,  Obst,  Wein, 
Galläpfeln  usw.  beladen  wurden  und  man  noch  vor  fünfzehn  Jahren  vom  Oktober 
bis  Weihnachten  auf  Frachten  für  3—6  Schleppboote  per  Tag  rechnen  konnte, 
wartete  zuletzt  selten  mehr  als  eines  auf  Ladung.  1888  ging  wohl  der  Cerealien- 
handel  etwas  schwunghafter;  1889  blieben  aber  die  fremden  Käufer  ganz  weg 
und  die  beiden  Bahnzüge  fuhren  meist  ohne  Passagiere. 

AlluKählich  besserte  sich  aber  doch  die  kommerzielle  Lage,  und  namentlich 
1895  erreichte  Smederevos  (lelreidee.xport  mit  320320  q-  nahezu  die  Hälfte  des 
gesamten  Landes;  seine  Vieliausfuhr  sank  aber  durch  die  serbische  Veterinär- 
Konvention  von  1896  mit  Ungarn,  welche  den  Schweineexport  auf  die  Häfen 
Sabac,  Belgrad,  Raiu  uml  (jradiäte  beschränkte,  was  den  Rückgang  der  Smederevoer 
Douane-Einnahmen  von  431700  d  im  J.  1894  auf  264700  d  im  J.  1895  grossen- 
teils  herbeiführte.  Von  der  umfassenderen  Ausgestaltung  des  Kreis -Strassen- 
netzes,  für  welche  1897  ein  Anlehen  von  1500000  d  geplant  wurde,  hofft  man 
aber  viel  für  den  wirtschaftlichen  Aufschwung  der  Stadt.  Diesen  fördern  die 
,,Smederevska  Kreditna  banka",  der  gegenseifige  „Spar-  und  Hilfsverein",  beruhend 
auf  W()clientliclien  Linzahlungen,  die  mit  5"„  verzinst  und  zu  8"/o  ausgeliehen 
werden,  die  „Smederevoer  Sparkasse"  und  die  „Podunavska  Okruzna  Zadruga", 
welche  zusammen  1895  ein  eingezahltes  Kapital  von  1 030570  d  besassen  und 
einen   Umsatz  von  46210200  d  erzielten. 

H(jrt  man  die  stereotype  Klage  der  Smederevoer  Kaufleute  und  Frachter 
über  den  Rückgang  der  Geschäfte,  so  zollt  man  der  Kommune  reicheres  Lob, 
dass  sie,  trotz  der  schweren  Zeiten,  einen  scheinen  Donau -Landeplatz  erbaute, 
wie  ihn  selbst  Belgrad  noch  immer  entbehrt.  Der  1883  begonnene  und  schon 
ein  Jahr  später  vollendete,  220  m  lange  Quai  besitzt  zwei  7  m  hohe  Flügel  mit 
hinanführenden  Treppen,  wodurch  gesonderte  Plätze  für  die  fremden  und  heimischen 
Schiffskompagnien  geschaffen  wurden.  Die  I->dbewegung  betrug  40000  m '.  Die 
trefflichen  kristallinischen  Sandsteimiuadern  kamen  aus  den  Steinbrüchen  des  Bau- 
imternLlimors  Bibel  zu  Oravica  in  Ungarn.  Die  Ausführung  des  vom  Ingenieur 
Barto.s  entworfenen  Planes  besori^te  der  Stailtingenieur  Hesse  mit  dem  Aufwand 
einer  halben  Million  d.  Die  Verlängerung  imd  Lrhohung  des  Quais  steht  in  naher 
Aussicht.  Aul  dem  72  m  liber  dem  Schwarzen  Meere  liegenden  Rasenvorplalz 
des  Hafens  traf  ich  den  durch  die  Smederevoer  Kommune  für  1500  d  erworbenen 
sciuinen  (janzsclien  lüsengussbrimnen  von  der  letzten  Budapester  Induslrie- 
Aiisstellung.  Sein  9  in  tiefes,  durch  eine  4  in  starke  Schotlersehicht  laufendes 
Wasser  winl  als  bestes  der  St.uli  aus  weiter  Umgebung  geholt.  Nahe  dem  Quai 
sind  die  Agentien  der  versehieilenen  Dampfergesellschafien,  das  Zollamt,  etwas 
weiter  ilie  sehr  gut  arheilende  Petar  Stameiikovicsche  Kunstmühle.  Die  hier  an 
versehieilenen  Stellen  des  Uferrandes  vom  Baron  v.  Herder  schon  1835')  gesehenen 
Biaiinkohlenausbisse  wurden   noch  nicht  weiter  angesehürft. 

Ijnen  nach  serbischem  Masssl.ib  ganz  ungewöhnlichen  l-'iachlbau  erhielt 
die  Stadt    durch    das   1889  vollendete    „Smederevski    nacelslvo",   Uli   welches   der 

')  IkMum.iMinsclK'  k'cisc  in  Scrhien,  HOfi. 


141)  SmciliTL-vo  und  UmKt'bunt^. 

Belgrader  Olurinj^ciiiciir  Alcxaiuier  Bii^arski  die  Plilnc  einwarf.  Das  Ot'haude 
mit  15  Fenstern  l-"r(int,  zweisliickinein,  oben  einen  Sehild  mit  dein  k.  Adler 
traj^enden  Risalit  inul  prächtigem  Ratssaal,  kostete  80000Ü  d,  von  welchen 
20Ü00  für  das  Tannenneb<llke  des  Dachsfuhles  entfallen,  das  merkwürdigerweise 
nicht  aus  serbischen  Wiildern,  sondern  we^en  des  billigeren  Preises  aus  dem 
k.  ungarischen  Slaatsforst  zu  Bojaiia  Merul  kam.  In  dem  weitläufigen  Bau 
faiukii  ilie  politische  Verwaltung,  das  Bau-  und  Stcueraint,  die  staatliche  Spar- 
kasse, das  Kreis^ericht,  Gef<hi).;nis,  Qeiularmen  usw.  ^enüficnden  Raum.  Das 
alle  Gebäude  reichte  für  den  erweiterten  Administralivbereich  des  Smederevoer 
Kreises  mit  3315  cikm  und  226085  Bewohnern  (1896,  ohne  Belgrad)  nicht 
mehr  aus,  denn  er  erhielt  den  einstif^en  Bci^^rader  Kreis  zugeteilt,  so  dass  dtr 
westlichste  seiner  8  Bezirke  die  östlichen  Quellen  der  fernen,  in  die  Sava 
mündenden  Kohibara  einschliesst. 

Siiaderevo  ist  der  Sitz  eines  Brigadekommandos,  eines  Prota  (Erzpriesters) 
und  hat  ausser  einer  Knaben-  und  Mädchenschule  ein  Untergymnasium.  1896 
zählte  man  in  1534  Häusern;  6876  Einwohner  (wovon  3907  m.  und  nur  2956  w.' 
Gesciik'clits),  welche  734  Pferde,  Ochsen,  1802  kleinere  Vierfüssler  und  186  Bienen- 
stöcke besassen.  Dem  Beruf  nach  gab  es:  6  Geistliche,  24  Lehrer  und  Lehrerinnen, 
130  Staats-  und  Stadtbedienstete,  11  Advokaten,  4  Ärzte,  3  Hebammen,  4  Buch- 
händler, 1  Buchdrucker,  2  Photographen,  240  Kaufleute  und  Krämer,  102  Gast- 
uiul  Kaffeewirte;  5  Offiziere,  125  Soldaten,  20  Gendarmen  usw.  Der  Nationalität 
nach  waren:  6201  Serben,  26  Bulgaren,  19  Böhmen,  89  Deutsche,  28  Ungarn, 
1  17.  F^iiiiiänen,  143  Zigeuner  usw.  Der  Religion  nach:  6608  Orthodoxe,  118  Katho- 
liken, 8  Protestanten,   139  Juden,  3  Moslims. 

Nahe  dem  Kreisanitsgebäude  erhebt  sich  die  1855  erbaute  St.  Georgskirche 
mit  fünf  byzantinischen  Kuppeln  und  occidentalcm  Glockenturm,  ein  architek- 
tonisches Zwittergeschöpf  und  doch  interessant,  weil  das  Werk  eines  ganz 
ungeschulteii  Ciiicaren,  des  Veleser  Baumeisters  Andrija  Damjanov,  von  dem  ich 
noch  sprechen  werde.  Wie  aus  dem  Inspektionsberichte  des  Belgrader  Bischofs 
während  der  österreichischen  Occupatioii  (S.  17)  hervorgeht,  besass  Sniederevo 
schon  früher  eine  hl.  Georgskirche,  welche  von  den  Türken  in  eine  Moschee 
umgewandelt,  von  der  kaiserlichen  Verwaltung  aber  1726  ihrer  ursprünglichen 
Bestimmung  zurückgegeben  wurde. 

Bei  der  Jezavabrücke  siedelt  eine  christliche  Zigeunerkolonie  in  teilweise 
netten  Häusern.  Unfern  befinden  sich  Schlächtereien  für  Hammel,  deren  Fleisch 
man  zu  40  c  (=  20  Kreuzer)  per  kg  verkauft.  Das  Fett  und  die  kleinen  Knochen 
werden  zu  Talg  versotten  und  in  Blasen  gefüllt.  Selbstverständlich  riecht  es  hier 
nicht  balsamisch,  sonst  ist  aber  die  Stadtluft  rein  und  gesund.  Namentlich  seit 
dem  Damnihau  bei  dem  ungarischen  Pancevo-Kovin  wichen,  wie  mir  der  durch 
seine  folkloristischen  Briefe  aus  dem  serbischen  Volksleben')  bekannte,  in  Wien 
gebildete  Kreisphysikus  Dr.  Laza  M.  Dimitrijevic  versicherte,  die  früher  stark  herr- 
schenden  Fieber  einer  wahren    „Gesundheitsepidemie";  „nur  Greise  sterben  und 


')  Pisnia  iz  naroda,  Sniederevo  1896. 


Smederevo  und  Umgebung. 


141 


unsere  Apotheke  läuft  Gefahr,  schliessen  zu  müssen"  —  fügte  er  humorvoll  hinzu. 
In  Wahrheit  strich  auf  dem  die  Stadt  gegen  W.  schirmenden  Gelände  eine  von 
Blütenduft  geschwängerte  Luft;  es  gewährt  zugleich  einen  entzückenden  Ausblick 
auf  eine  der  präciitigsten  Partien  am  unteren  Donaulauf,  und  unfern  liegt  das 
alte,  JalirhuiKlcrten  trotzeiulL-  Friedhofskirchlein,  dessen  Stifter  unbekannt.  Eine 
(iIht  dem  Fenster  der  Südmauer  eingeritzte  Inschrift  datiert  seine  Entstehung  vom 
Jahre  1012.  Nach  der  Volkssage  wurde  es  vor  langer  Zeit  durch  einen  Erdsturz 
überschüttet  und  so  dein  ersten  Anprall   der  türkischen  Zerstörungswut  entzogen. 


SMEDEREVO,   Alle  rritdliolskitilic  iiiiJ  U.ividuvn:.'.  üiab. 

Nichts  hc^iiiink'l  diese  Tiadition,  welche  die  Ehrwürdigkeil  des  Baues  in  den 
Volkskieisen  licdeiikiul  steigerte.  Aber  auch  ohne  jede  mystische  Zutat  ist  diese 
„Maria  llinscluiden"  (Uspeiiije  bogorodica)  geweihte  Kirche  kunslhislorisch 
interessant.  ')  In  ciiiein  Manuskripiplan  des  k.  u.  k.  Wiener  Kriegsarchivs  aus 
der  österieichischen  Occupations/eil  Serbiens  fand  ich  die  Kirche  als  „Manastir" 
eingezeichnet;  demiiai  li  hat  sie  ilainals  (S.  l-l.'S)  einem  Kloster  angeli(\rt.  das  nach 
der  türkischen  l'.niiienmg  wahrscheinlich  verlassen  werden  niussle.  weil  die 
mosliinischen  Stadtbewohner  ein  solches  in  so  ausgezeichneter  Lage  und  grosser 
Nähe   iluei    Muse  heeii    iiichl    duldeten.      Zu    bedauern    ist   ilie   Einbeziehung   ihrer 


')  I.jiibii  KiuaOfvii' 
V.illrovii;  spreche  ich  im  1 


lil.,  IUI.  :*\.  S.  Ml' 
IUI.,  XVIII.  Kap 


I  her  ihre  Altcrsticstiininunn  durch  Ku.slns 


\-i-  Smederevo  und  UmKohunK- 

Stirn-  und  Westfassadc  in  einen  plumpen  Zubau,  dann  die  ZerslOrunK  der  Fresken, 
ein  Schicksal,  das  viele  im  Lande  teilten.  Es  erschien  den  Türken  als  Akt 
politischer  Klugheit,  die  Bilder  der  altserbischen  Herrscher  zu  vernichten,  welche 
die  F^ajali  stets  an  ihre  einstige  Selbsttlndij^keit  erinnerten,  zum  Teil  frevelte  aber 
auch  ilcT  Unverstand  der  Mönche  durch  Tünche  und  ÜhermalunK  an  den  Denkmalen 
ilcr  Vorzeit.  Das  Kirciilein  wurde  im  Laufe  der  Zeiten  von  Gläubif^en  und  hohen 
Kirchenfiirsten  selbst  aus  weiter  Ferne  besucht.  Das  zcif^en  viele  auf  den 
Wänden  eingeritzte  oder  {geschriebene  Namen.  Unter  ihnen  jene  der  Patriarchen 
Arsenije  1680  und  Joanicije,  welcher  sa^t:  Man  müf^e  wissen,  dass  der  Patriarch 
im  Monat  November  des  Jahres  1745  acht  Tage  hier  verweilt  hat;  ferner  Josif 
Sakabenf,  Bischof  von  Versac   1791,  u.  a. 

Dicht  bei  des  Kirchluins  Nordfassade  erhebt  sich  zwischen  neuen  Gräbern 
Manöids  Mausoleum.  Die  im  Rohbau  ausgeführte,  von  einer  Kuppel  überragte 
quadratische  Kapelle,  mit  hübscher  Pforte  von  geschmiedetem  Eisen,  lässt  den 
eintretenden  Beschauer  durch  starke  Glasplatten  die  Grabstätte  in  der  Krypta 
erblicken.  Das  Porträt  des  Bestatteten  hängt  rechts  vom  Altar.  Derartige  monu-' 
mentale  Grabkapellen  sind  in  serbischen  Landen  jetzt  nicht  selten.  In  Semlin 
beherrscht  jene  der  Familie  Karic  auf  dem  hochgelegenen  Friedhof,  neben  dem 
Milenniumsturm,  weithin  die  Stadt;  Valjevo  besitzt  gleichfalls  eine  solche,  wie 
überhaupt  die  Errichtung  von  Grabdenkmalen,  selbst  für  in  weiter  Ferne  gestorbene 
und  begrabene  Familienglieder,  ein  charakteristischer  Zug  der  Serben  ist.  Um  so 
peinlicher  berührte  es  mich,  das  Grab  des  berühmten  Verfassers  des  ersten 
serbischen  Ustavs  (Grundgesetz)  ganz  vernachlässigt  zu  finden.  Lange  suchte  ich 
es  vergeblich,  und  auch  der  schwachsinnig  gewordene,  nach  seiner  Angabe  94jährige 
Hüter  des  Kirchleins,  der  Kaludjer  Hadzi  Serafim,  der,  nachdem  er  den  Athos 
und  Jerusalem  besucht,  hier  seit  50  Jahren  wohnt,  wusste  nichts  von  demselben. 
Erst  nachdem  icii  mit  dem  Stadtingenieur  an  der  mir  erinnerlichen  Stelle  gegraben, 
kam  die  beim  Ausheben  neuer  Gräber  verschüttete  rote  Marmorplatte  zum  Vor- 
schein. „Dimitrije  Davidovic,  ganzer  Serbe,  geb.  zu  Semlin  im  Kaisertum  Öster- 
reich am  12.  Oktober  1789,  f  25.  März  1838  zu  Smederevo  in  Serbien"  lautet 
die  Inschrift.  Einflussreiche  Bürger  versprachen  mir,  das  Grab  des  patriotischen 
Schriftstellers  besser  schützen  zu  wollen,  und  anlässlich  seiner  50jährigen  Todes- 
feier wurde  es  wirklich  an  der  Nordseite  der  Kirche  mit  einem  hübschen  Gitter 
und   Kreuze,  welches  sein  photographiertes  Bild  zeigt,  umfriedet. 

Den  nächsten  Tag  widmete  ich  Smederevos  alter  Feste.  Über  ihrem  Haupt- 
tor bemerkte  ich  folgende,  bisher  (auch  von  Milicevic)  unbeachtet  gelassene 
Inschrift:  „Der  serbische  Fürst  Mihail  Obrenovic  111.  sühnte  am  12.  April  1867 
das  Jahr  1652".  Dass  arp  bemerkten  „12.  April  1867"  Serbien  die  festen  Plätze 
vom  Sultan  zurückerhielt,  erwähnte  ich  (S.  34);  was  jedoch  mit  der  „Sühnung 
des  J.  1652"  gemeint  ist,  erscheint  fraglich;  war  und  blieb  doch  Serbien  schon 
von  1566  bis  1686  im  unbestrittenen  türkischen  Besitz!  Im  Innern  zeigte  mir 
der  erste  flüchtige  Blick,  wie  gründlich  sich  hier  alles  in  den  letzten  Decennien 
geändert  hatte.  Die  ganze  türkische  Niederlassung  mit  Moschee  usw.  war  weg- 
gefegt.    Auf  dem  weiten,  von  Wegen  durchzogenen  Räume  sah  ich  wenige,  aber 


Smederevo  und  Umgebung. 


143 


gut  gehaltene  Gebäude.  Ihr  Zentrum  bildet  ein  restaurierter  Konak  mit  Veranda; 
unfern  erheben  sich  zwei  Pyramiden  aus  vielleicht  von  der  ersten  türkischen 
Belagerung  herrührenden  Granit-  und  Sandsfeinkugeln  von  20 — 75  cm  Durch- 
messer, im  Umkreise  stehen,  durch  Rasen-  und  Baumgruppen  getrennt,  das  Depot 
für  eine  Batterie,  die  Kaserne,  eine  Schiessstätte,  Gebäude  für  Sträflinge  und  Unter- 
suchungsgefangene, eine  Mehana  und  zwei  herrliches  Wasser  gebende  Brunnen. 
Smederevos  „Grad"  im  Mündungswinkel  der  Jezava  bildet  eines  der 
interessantesten  Werke  mittelalterlicher  Militärbaukunst  der  Balkanländer.  Seine 
Hauptform  erinnert  an  Konstantinopels  Umwallung,  welche  Brankovics  Baumeister 
jedenfalls  kannten.  Die  Konstruktion  der  Türme  deutet  gleichfalls  darauf  hin, 
dass   ihr  Vorbild  aus  Byzanz  stamme.     Wahrscheinlich  waren  es  auch  die  früher 


SMEDEREVO,  Türkischer  Wasscnurm. 

in  Smeiierevo  beschäftigten  Meister,  welche  —  wie  Zicgelinschriften  vom  J.  1444 
bezeugen  —  einen  Turm  zwischen  dem  Konslantinopler  Jeni-  und  Kum-Kapija 
am  Marmara-Meer  und  einen  /weilen  Stadimauerteil  zwischen  dem  Egri-  und 
lülirneh-Kapija,  im  Auftrag  des  reichen  Serbenfürsten  Djurag,  als  Freundschafts- 
beweis für  den  ihm  verwandten  Griechenkaiser  auffülirten.') 

[)er   Hauptzugang   des   Smederevoer  Schlos.ses  liegt   in   der  elftürniigen,  der 
Stadt    /iit^cw endeten    Süilfroiit.      Die    nordu eslliclie    DonaufronI    zählt    5    und    die 


')  Nov.ikovic  veröffentlichte  beide  Inschriften  in:  (ii.nsn.,  Kr.  srps.  Aknd.  X.XIl  nach 
Mordnijuuis:  Kroberung  u.  Helagening  Konstantinopels  (1858)  und  K.  11.  Kurtis  u.  Sl.  Aristarki. 
Sammlung  unedierter  Konslantinopler  In.schriftcn  (1885).  Auch  Ceda  Mijalovii'  er\v.iluil  in 
seinen  „Carigradskc  slikc  i  prilikc"  (Knjige  matico  srpska,  ;t,  liXtl,  S.  I.'>2):  der  Serbcnfur>t 
Djurag  Mraiikovit'  habe  seinen  W-rwaiulten  und  W'rliündcloti  Kaiser  Joliaiuies  \'ll,  (VIII.  V) 
/wischen  lli;t  und  l-lll  bei  dem  Mau  eines  durch  zwei  l'urme  luul  zwei  Kouttmen  ver- 
leidigten   Tores  mit  ( ieUl  unterstüt/l. 


II'  Smedcrcvo  und  ürnKfbunt;. 

nordöstliche  Juzavafroiit  A  Türme.  Diese  beiden  Seiten  des  unreKelmässJKen 
Citadellen- Dreieckes  laufen  zum  lindturme  „Sainova-  oder  Sokolova-Kula"  des 
von  5  Türmen  gebildeten  Zwingers,  dessen  Stärke,  ausser  der  Donau,  die  hart 
vorbcifliessende  Jezava  und  der  südliche  tiefe,  leicht  unter  Wasser  setzbare 
Graben  erhöhten.  An  diese  altserbische  Anlage  mit  24  Türmen  schliesst  sich 
eine  naiic,  niedere,  krenelierte  Mauer  mit  3  Türmen,  deren  türkisches  Gepräge 
konstruktiv  und  bautechnisch  hervortritt.  Die  Brankovicschen  Türme  von  durch- 
schnittlich 10  m  Durchmesser  sind  gezinnt,  nach  innen  kehl  form  ig  geöffnet  und 
durch  breite,  hohe  Verbindungsmauern  mit  Wallgängen  und  Treppen  zur  Ver- 
teidigung ihrer  hdheren  Stockwerke  eingerichtet;  die  türkischen  Polygontürme 
sind  aber  geschlossen,  nur  durch  ein  Tor  zugänglich,  und  jenes  der  interessanten 
neunseitigen  „Vodena-Kuki"  (Wasserturm)  besitzt  sogar  einen  lichten  Hof.  Als 
Baumaterial  verwendeten  die  Türken  grösstenteils  Bruchsteine,  die  Serben  aber 
Backsteine.  Aus  solchen  besteht  auch  das  riesige  Kreuz  an  des  Zwingers  „Krstata- 
Kula"  mit  der  Inschrift:  In  Christum  Gott  wohlgläubiger  Despot  Georg,  Herr  von 
Serbien  und  Zeta  am  Meere  —  auf  seinen  Befehl  wurde  dieses  Schloss  erbaut 
6938  (1430). 

Die  Residenz  des  als  „Sniederevacki  Djuro"  im  Volke  fortlebenden  Despoten 
befand  sich  wahrscheinlich  —  ähnlich  dem  Konstantinopler  „Hebdomon"  — 
zwischen  zwei  nacii  aussen  abgerundeten  Türmen  der  Do'naufrontmauer,  in 
weicher  icii  4  rundbogige  Fenster,  die  einzigen  in  Stockhöhe  der  Gesamtanlage, 
bemerkte;  die  Aussicht  vom  Palast,  dessen  Grundmauern  durch  Nachgrabungen 
zu  Tage  treten  dürften,  auf  die  weit  sich  ausdehnende  Stromlandschaft  muss 
herrlich  gewesen  sein.  Die  Reste  eines  anderen  altserbischen  Gebäudes  fand 
ich,  durch  ein  rundbogiges  Tor  den  Zwingerhof  betretend,  jenseits  der  Graben- 
brücke unter  Gestrüpp  und  holien  Bäumen,  zwischen  zwei  Türmen.  In  den 
ungewöhnlich  starken  Mauern  seiner  gewölbten  Hallen  sind  zahlreiche  Öffnungen 
für  die  Deckenbalken  sichtbar.  Djurags  Palast  war  es  sicher  nicht,  denn  Fürsten 
pflegten  auch  im  Mittelalter  nicht  in  niagazinartigen,  aussichtslosen  Bauten  zu 
wohnen. 

Ob  schon  bei  '  der  ersten  Festungsanlage  auf  den  in  grosser  Nähe  sie 
beherrschenden  Höhen  schützende  Vorwerke  errichtet  wurden,  ist  heute  schwer 
bestimmbar.  Gewiss  besass  sie  aber  solche  während  der  österreichisch-türkischen 
Kriege.  Auf  Smederevos  hier  mitgeteiltem  Plane  fand  ich  sie  deutlich  ein- 
gezeichnet. Die  Stadt  einschliessend,  zog  die  äussere  Verteidigungslinie  vom 
Südostturm  der  Citadelle  hinauf  zur  starken  Provalja-Redoute '),  welche  zugleich 
die  nach  Smederevo  führenden  Strassen  von  Udovica,  Grocka  und  Kolari  schützte, 
sodann  im  leichten  Bogen,  am  Friedhof  vorüber,  abwärts  zur  Donau,  wo  sie  mit 
einem  quadratischen  Werke  an  der  Mündung  des  Petrijevacki-)  potok  endete.    Von 

')  Provaliti  bedeutet  aufreissen,  einbrechen;  hier  wahrscheinlich  gebraucht  wegen  der 
vielen  alten  Lössbrüche.  Auch  die  Erde  zur  Anschüttung  des  Sinederevoer  neuen  Hafenplatzes 
wurde  dort  genommen. 

■)  Das  gleichnamige  Dorf  Petrijevo  erscheint  in  der  k.  k.  Generalstabskarte  vom  Jahre 
1878,  fehlt  aber  in  der  Ausgabe  von  1881,  obschon  das  Dorf  nach  wie  vor  existiert. 


E 
in 


I     KANI  1  /.    S.mI.k-11.     I. 


MI 


M'i  Smcdercvo  und  UinKcbunK- 

diesen  trefflicli  iluin  Terrain  annepasslen  BefestiKunKen  blieben  nur  einige,  wahr- 
scheinlich von  Karadjordje  benutzte,  hinter  dem  Friedhof  erhalten.  Deutlich 
erkannte  ich  die  Brustwehren,  Geschützstände  und  Gräben  dieser  vom  Volke 
nach  dem  berühmten  Marschall  „Laudanov  äanac"  j^enannlen  Redouten,  zu  welchen 
das  Material  am   Orte  und  aus  den  nahen  Lössbrüchen  herbeigeschafft  wurde. 

Ausser  der  baulichen  Anlage  beschäflif^ten  mich  lebhaft  die  zahlreichen 
antiken  Votivsteine  und  fij^uralen  Skulpturen,  welche  allerorts  ursprünglich  und 
später  in  die  Mauern  einf^efüf^t  wurden.  Graf  Marsigli,  dessen  Interesse  dieses 
Lapidarium  schon  vor  nahezu  zweihundert  Jahren  crrej^te,  veröffentlichte  einige 
oberflächlich  kopierte  Figuren  und  Reliefs,  neun  Inschriften,  darunter  einige  aus  dem 
östliihcM  Viminacium  ').  welche  mit  anderen  von  Mommsen,  Thorma,  DomaszewBki 


'y///////////''-   DEC    -AEßlL- 


SMEDEREVO,  Mithriiumstein  aus  Viminacium. 


publiziert  wurden.-)  Bei  aufmerksamer  Vergleichung  der  Skulpturen  fand  ich 
mehrere  ungenau  kopierte  oder  unbeachtet  gebliebene.  Die  interessanteste 
ist  wohl  das  auch  technisch  hervorragendere  AAithrasrelief  am  vierten  Turme 
der  Stirnfront.  Wie  in  den  berühmten  Pariser  und  Karlsruher  Darstellungen 
erscheint  die  Hauptfigur  im  Rahmen  einer  Felsengrotte  als  mit  kurzärmeligem 
Chiton,  fliegender  Chlamys  und  phrygischer  Mütze  bekleideter  kräftiger  Jüngling, 
der,  wie  auf  dem  Wiener-Neustädter  Mithräum^),  sein  linkes  Knie  in  den  Bug 
des  niedergeworfenen  Stieres  setzt;  die  Haltung  des  rechten  Armes  zeigt,  dass 
der  Todesstoss  bereits  vollführt  ist.  Links  steht  ein  Knabe  mit  gesenkter  Fackel, 
rechts  eine  andere,  zwei  Rosse  haltende  Gestalt,  im  Vorgrunde  springt  ein  Hund 
und  eine  aufzüngelndc  Schlange  gegen  den  Stier  an;   in  der  stark  verstümmelten 


')  Danubius,  Bd.  II,  Tab.  5()ff. 

n  C.  1.  L.  III,  No.  1(546  ff.  Addit.  Moes.  sup.  No.  6308;  Suppl.  Pasc.  II,  No.  8102,  8106, 
810<J  (Mitiiräuiii),  8111— 81 14,  8117,  8119,  8120,  8122—8124,  8126,  8132,  8134,  8137—8139. 
')  Ibid  XIII,  83  f. 


Smederevo  und  Umgebung. 


147 


Weihe-Inschrift  ist  der  Name  Viminacium  deutlich  lesbar.  Der  Stein  war  der 
erste,  welcher  die  Übung  des  in  Pannonien  und  Dacien  stark  verbreiteten  Mithras- 
kultus ')  auch  auf  mösischem  Boden  beweist.  Seither  fand  Franz  Cumont  das 
Bruchstück  eines  zweiten  Reliefs  zu  Drmno  (gleichfalls  von  Viminacium  stammend) 
und  einen  kleinen  Mithrasaltar  mit  Inschrift  in  der  Mauer  westlich  vom  Festungs- 
tor  zu  Smederevo.  -) 

Links  vom  Mithrasrelief  erscheint  einer  der  vielen  in  die  Mauern  ein- 
gefügten Köpfe  von  Statuen  usw.;  einen  prächtigen  marmornen  sah  ich  am  linken 
Eckturm    der    Hauptfront,    imd    über   seinem    vermauerten    Tore   den  Torso  eines 


SMEDEREVO.   Römische  QewandliKur. 

Apollo  (?);  ferner  rechts  unel  links  von  der  Kehle  des  ti.  Turmes  derselben 
Front  zwei  roh  skulptierte,  die  ich  nicht  für  römisch  halte  und  vielleicht  der 
Meister  fertigte,  welcher  diesen  Turm  mit  schönen  geometrisch  ornamentierten 
Ziegelbilndern  dekorierte.  Weiter,  am  dritten  Turm  links  vom  Haupttor,  zeigt 
ein  stark  verwitterter  (jrahstein  mit  von  zwei  Delphinen  gekröntem  Giebel  im 
anschliessenden  t|iiailiatisehen  l'eKle  die  Büste  einer  Frau  zwischen  zwei  männ- 
lichen (Jestalteii  und  vier  Kinderköpfe  en  relief.  Schon  im  14.  Jahrhundert  Irit' 
die  n.icli  orieiitaliseheni  Kanon  streng  verpönte  Skulptur  hilufiger  in  serbischen 
l.aiukii  auf;  so  ilait  es  nicht  wundern,  dass  einer  der  wahrscheinlich  aus 
Daliii.itieii  berufenen  Bautechniker  eine  Nische  an  der  Kehlseite  des  Turmes 
neben  dem  Zwingertor  zur  Aufnahme  einer  2  m  hohen,  im  unteren  Faltenwurf 
künstlerisch  vollendeten  weiblichen  Statue  anbrachte,  in  der  Mauer  des 
Naclih.uluiines  erscheint  ein  mit  \'ase  und  Weinlaub  geschmückter  Votivstcin, 
daneben   ein  anderer  mit   Lorbeerkranz'  und  Weintrauben,    dann  ein  dritter,   unter 


')  KeiiiUM,  Noiiiimi  iiiul   l'.iinioiii.i,  83.  —    ')  Arch.-cpJKr    S\iU    \ 


III- 


118 


Smederevo  und  UmgebunR. 


dessen  Frontispice  mit  Oorfjoneion  und  zwei  Wasserpferden  zwischen  korinthischen 
Silulen  eine  trefflich  an^cürdnete  Trauerscene,  deren  hnken  Teil  Premerstein ') 
als  „[Rückführung  der  Alkestis"  deutet.  Im  untersten  Schmalstreifen  tritt  ein  von 
Hunden  anKegriffener  Lowe  diesen  ruhig  entgegen.  An  der  Stirnseite  des 
folgenden  Kreuzturmes  sind  beide  Hälften  einer  mit  Weinlaub  und  Trauben- 
gewinden umrandeten  verstümmelten  Inschrift,  am  nächsten  schiefgestellten 
Zwingerturm  eine  quer  eingesetzte  unlcsbare  Votivtafel,  am  Schlussturm  des 
Zwingers  das  Bruchstück  einer  anderen  und  ein  Löwenkopf  eingemauert. 

Wie  die  antiken  Werke  am  Brugger  „Schwarzen  Turm"  und  die  300 
Inschriften  und  Skulpturen  des  Aluseums  zu  Bordeaux  aus  seinen  Stadtmauern, 
oder  aliiilicii  den   Romersteinen,  welche  Byzantiner  und  Türken  zu  den  Citadellcn 


SMEDEREVO,   Römischer  Votivstein  mit  Rückführung  der  Alkestis. 

von  Vidin  und  Ni§  verwendeten,  danken  wir  die  Erhaltung  der  zahlreichen 
römischen  Denkmale  in  der  Smederevoer  Serbenburg  dem  praktischen  Ver- 
wertungssinn, vielleicht  auch  der  Pietät  und  Verzierungslust  der  Brankovicschen 
Baumeister. 


Der  mehrfach  erwähnte,  kenntnisreiche  Graf  Luigi  Ferdinando  Marsigli  — 
von  1681  — 1703  österreichischer  Offizier,  sodann  mit  der  Ausarbeitung  epochaler 
Reisestudien  in  seiner  Vaterstadt  Bologna  beschäftigt  —  war  der  erste  und 
einzige  Forscher,  welcher  vor  mir  persönlich  eingehendere  archäologische  Unter- 
suchungen an  der  serbischen  Donau  unternahm.  Leider  geschah  dort  seit  meinen 
ersten  Reisen,  deren  Resultate  ich  im  Werke  „Serbien"  (1868,  Leipzig)  veröffent- 
lichte, nur  wenig  Positives  zur  weiteren  Aufhellung  der  römischen  Topographie 
und  Befestigungskunde.  Milicevic  gab  wohl  in  „Srbija"  zahlreiche  Winke,  bei- 
spielsweise S.  55  für  Visnjica  über  dortige  „alte  Mauern,  von  denen  niemand 
etwas  zu  sagen  weiss",  und  ebenso  über  viele  andere  Punkte  unbestimmte  Daten, 


0  Antike  Denkmäler  in  Serbien,  II,  123. 


Smederevo  und  Umgebung. 


149 


welche  oft  von  archäologisch  ungebildeten  Popen,  Lehrern  usw.  stammten,  die 
römische  von  mittelalterlichen  Bauwerken  nicht  zu  unterscheiden  vermochten. 
So  fand  ich  statt  einer  angeblichen  Ruine  des  „Klosters  Du§ica,  in  dem  der 
berühmte  Königssohn  Marko  begraben  worden  sein  soll"  (Mil.  Serb.,  S.  955), 
zweifellos  unberührt  gebliebene  Mauern  eines  römischen  Kastells  (11.  Bd.,  XV.  Kap.). 
Wertvoller  war  Oberst  DragaSevics  bezügliche  Arbeit  (Glasnik,  Bd.  XLV); 
doch  beruhte  sie  zum  kleinsten  Teile  auf  Autopsie  und  folgt  zumeist  Mannerts 
Kompilation   vom  J.    1812,    mit  allen  ihren  Vorzügen,   Auslassungen   und  Fehlern. 


OO/VAU 


Kastell-  iinil  StadtanlaKC  von  Aureus  nions  bei  Seona. 


Wo  DragaSevic  Neues  brachte,  liebte  er  oft  gewagte,  durch  willkürliche  Korrekturen 
und  Umstülpungen  der  I'eutingerschen  Tafel  gestützte  Konjekturen,  welche  ich 
diuili  .Ulf  (kin  Terrain  gewonnene  Krgehnisse  zu  berichtigen  hatte.  Auch  der 
„Starinar"  (.niliirlt  für  den  Römer-Limes  an  der  serbischen  Donau  ausser  Pund- 
nolizen  leider  nur  einen  wertvollen  Beitrag  von  dem  k.  (jcneralslahschef  Jovan 
MiSkovic,  welcher  über  die  Re.sle  von  Lederata  detaillierte  Aufschlüsse  mit 
Planen  gab. 

Man  sieht,  hier  war  archäologisch  noch  viel  zu  tun.  Für  die  unaufgeklärte 
Limesstrecke  Singiduiuim  Margus  bildete  das  sechsmal  (zuletzt  ISHS  und  IS.S*») 
von   mir   besuchte  Smederevo   einen  günstigen   Zentralpunkt  für  Ausflüge,   welche 


li»l)  Smudfrcvo  und  UmKcbunK- 

ich  /ur  AuffiiuluiiK  ihrer  Zwisthcnslalioncii  Aureus  Mons,  Vinceia  und  zur  Auf- 
nahinu   des   Kastells  von  Marcus  unternahm.') 

Der  Frühmorgen  des  27.  September  1887  traf  mich  milden  Ingenieuren  Hesse 
und  Karaka5evi(5  auf  der  hart  am  Donaustrandc  v(  n  Smedcrevo  nach  W.  laufenden 
Strasse.  Bald  trat  sie  zwischen  prächtige  Obst-  und  Weinberge,  deren  erste 
Rehen  Kaiser  F^robus  aus  seiner  sirniischen  Heimat  hierher  verpflanzen  Hess; 
diese  {gemeinnützige  Arbeit  und  andere,  zu  welchen  er  Legionäre  verwendete, 
führten  bekanntlich  seinen  frühen  Tod  durch  die  erbitterten  Pratorianer  herbei 
(282  n.  Chr.).  Auch  der  tragisch  geendete  Fürst  Mihail  war  ein  warmer  Forderer 
ikr  Weinkultur.  2000  Stück  französische  Reben  pflanzte  er  um  sein  »/<  St.  von 
Smedcrevo  entferntes  bescheidenes,  einstöckiges  Landhaus,  dem  Königin  Natalia 
1897  durch  den  Hofarchitekten  Ilkic  zwei  turmartig  vorspringende  Erkertürme 
anfügen  und  noch  sonst  mehr  den  Charakter  einer  „Schweizer  Villa"  geben  liess. 
Auch  die  Ausstattung  der  Innenräume  wurde  von  der  Komfort  liebenden  hohen 
Frau  iiis  in  tlic  kleinsten  Details  persönlich  angeordnet. 

Vom  II,  August  1900,  an  dem  das  jungvermählte  Konigspaar,  begleitet  von 
drei  Belgrads  Elite  tragenden  Dampfern,  im  prächtig  dekorierten  Smederevo  landete, 
verweilte  es  dort  bis  zu  seiner  Rückkehr  in  die  Hauptstadt  am  6.  Oktober.  Die 
radikal  gesinnte  Bevölkerung  benutzte  diesen  Anlass  zu  begeisterten  Huldigungen, 
denn  kurz  zuvor  hatte  König  Alexander  den  im  Hochverratsprozess  verurteilten, 
von  iliin  aber  begnadigten  Redakteur  des  „Odjek",  Stojan  Protic,  ferner  den  Uzicer 
radikalen  Professor  Dobra  Rusic  und  einstigen  Ministerpräsidenten  Pasic,  welche 
alk  in  der  letzten  Zeit  viel  gelitten  hatten,  huldvollst  empfangen. 


Leider  ergriff  die  Smederevos  Umgebung  verwüstende  Phylloxera,  trotzdem 
die  Regierung  dem  Übel  zu  steuern  suchte,  auch  die  k.  Weingärten.  Seit  1886 
bildet  die  Wächterwohnung  der  einstigen  Tulba  (S.  131)  das  Zentrum  der 
amerikanischen  Rebenkulturen,  aus  welchen  Setzlinge  mit  4  d  per  Tausend  an 
die  Weinbauern  des  Kreises  abgegeben  wurden.  Da  jedoch  das  Pflanzen  und 
Okulieren  teuer  und  von  den  behandelten  Stöcken  kaum  die  Hälfte  fortkam, 
sah  man  ausser  dem  neu  bepflanzten  Weinberg  des  Königs  die  meisten 
städtischen  in  Obst-  und  Maiskulturen  umgewandelt.  Trotzdem  sind  die  zu 
Markte  gebrachten  Trauben  der  Umgebung  verhältnismässig  billig;  das  Kilo- 
gramm bester  Sorte  kostet  1  d,  mittlerer  0,60  d.  Kreisphysikus  Dr.  Dimitrijevic 
wollte  deshalb  gern  seine  Villa  zu  einer  allmählich  sich  vergrössern  sollenden 
„Traubenkur-Anstalt"  umgestalten.  Obschon  aber  die  Landschaft  reizend,  auch 
überall  Silberpappeln,  Maulbeerbäume,  Obstpflanzungen,  Beerenhecken  aller  Art, 
Flieder-,  Haselnusssträucher  und  befiederte  Sänger  das  Auge  und  Ohr  erfreuen, 
geben  die  wohlhabenden  serbischen  Kreise  auch  heute  Meran  und  der  Riviera, 
wegen   des  grösseren  Komforts,  den  Vorzug. 


•)  Kanitz,  Römische  Studien,  55. 


Smederevo  und  Umgebung. 


151 


Auf  sciimalcm  Fusspfad  bogen  wir  nach  einer  „Jugovü"  genannten  Höhe 
ab,  auf  der  A^iiicevic  und  nach  dieser  unsicheren  Quelle  auch  Dragasevic  und 
Jirccei<  römische  Reste  signalisiert  hatten.  Trotz  vieler  Umfrage  fanden  wir  aber  nur 
einzelne  zerstreute  Ziegelstücke,  die  sich  dahin  verirrt  hatten.  Dagegen  fielen  mir 
auf  der  Weiterfahrt  dicht  am  Ufer  zwei  isolierte  Hügel  auf,  welche  wirklich  Reste 
römischer  Wachtürme  krönten.  Auch  die  Strasse  war  fortan  mit  antikem  Bau- 
material besäet.  Es  erschien  in  noch  grösserer  Menge,  als  wir  uns  der  „Mehana 
Seona"  näherten.  Nach  längerem  Ausfragen  zeigte  mir  der  Wirt  6  Werkstücke, 
eine  Plynthe  und  Säule  von  75  cm  Durchmesser,  die  er  auf  seinem  nahen  Acker 
ausgegraben  hatte.  Er  brachte  auch  antike  Münzen  und  Ziegelstücke  eines 
Mosaik-Estrichs    von     einem     alten    „gradiäte"    (Schlossruine)    herbei,    das    wir 


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Römische  Gcsichtsinaskc  von  VInccia. 


sogleich  aufsuchten.  Oenau  den  Massen  der  Tab.  I\'ut.  entsprechend,  fand  ich 
das  Kastell  tlcs  12  Millien  von  Tricornium  entfernten,  unter  Probus  zur  Civitas 
erblühtL'ii  „Aureus  Moiis"  auf  einer  scharf  begrenzten,  steil  guböschten,  inil 
Mais  bepflanzten  Terrasse,  18  m  über  der  nahe  an  der  Nordfront  vorüber- 
ziehenden Strasse.  Das  Steininaterial  seiner  zum  Teil  noch  aufrechten  Wall- 
mauern  stammt  aus  dem  25  km  fernen  nordwestlichen  ViSnjica.  Wenige  liui\dert 
Schritte  südöstlich  stiess  ich  hart  am  Haihe  und  dem  nach  Scona  führenden 
Wege,  etwa  1  m  unter  dein  Ackerboden,  auf  mosaikartiges  Ziegelpflaster,  ähnlich 
wie  es  in  Viininaciun\  und  in  vielen  anderen  inösischen  Studien  vorkommt. 
Westlicher  gelangten  grosse,  reich  profilierte  Werkstücke  zum  Vorschein,  welche 
zweifellos  palaslartigen  Hauten  oder  Tempeln  angehört  hatten.  Ek-i  n.lherer 
UntersuihuMg  des  Terrains  liessen  sich  auch  die  Substruklionen  von  zur  Südhöhe 
streiclienden  Strassen  uiul  lläuserblöcken  deutlich  erkennen.  Alles,  auch  die  hier 
gefundeiuii    LS  schönen  griechischen  Alexander-Münzen  sprechen  für  den  grossen 


1  :>•_' 


Sniedcrcvo  und  Uni|{vbunK. 


Verkehr  iintl  die  einstinu  Mraclit  der  Stadt  der  Aureoinontani,  die  sich,  bcgünstit^t 
durch  die  sanfte  Bodenerhebung,  weithin  südlich  um  ihr  festes  Werk  ausgedehnt 
hatte.  Der  sie  deckende,  treffhchen  Mais  liefernde  Humus  birgt  gewiss  noch 
manch  wertvolles  antikes  Denkmal,  das  heimische  f-'orschcr  zu  Tage  fördern 
wertlen. 

Veranlasst   durch   die   Stelle   „Aurifodinae    prope    nostrum    castrum    Nandor 
albcnse   (Belgrad)   existentem"   in  zwei  von  König  Ladislaus  an  Johann  Hunyady 


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B.icchusfigur  von  Vinccia. 

1454  —  56  erlassenen  Diplonieii  und  die  Feststellung  von  „Aureus  Mons"  in 
meinen  „Römischen  Studien"  (S.  7)  forschte  Staatsrat  Stevan  R.  Popovic  —  wie 
er  mir  persönlich  mitteilte  —  seither  eifrig  nach  dem  in  Vergessenheit  geratenen 
üoldberg.  Er  will  wirklich  nahe  dem  Seonabach  einige  Körner  des  kostbaren 
Metalls  gefunden  haben,  und  annehmend,  sie  seien  aus  dem  höher  liegenden 
Vorkommen  abgeschwemmt  worden,  sucht  er  seither,  Mühe,  Zeit  und  Kosten  nicht 
sparend,  die  eigentliche  Lagerstätte.     Glück  auf! 

Nachdem  ich  „Aureus  Mons"  bestimmt,  blieb  dasselbe  für  das  ihm  benach- 
barte Vinccia  zu  tun.  „Es  stand  —  sagte  zuletzt  Jirecek'),  hier  gleichfalls 
einer  vagen  Angabe  in  Milicevics  „Scrbija"  folgend  —  nahe  bei  Smcderevo,  wo 
man  auf  der  sogenannten  Carina  neben  einigen  antiken  Trümmern  unlängst  einen 
32  m  tiefen  römischen  Brunnen  fand."  In  Wahrheit  hörte  ich  von  dem  Smederevoer 
Bürger  Mihail  M.  Popovic,  dass  er  den  Brunnen,  um  einen  Schatz  zu  finden, 
1860  vom  Schutte  reinigen  liess,  doch  enttäuscht  war,   als  nach  schwerer  Arbeit 


')  Heerstrasse  von  Belgrad  nach  Konstantinopel,  14. 


Smederevo  und  Umgebung.  153 

nur  zerbrochene  Gefässe,  ein  Kupferkessel  und  eine  beschriebene  Steinplatte') 
zu  Tage  gefördert  wurden.  Von  aufgefundenen  Mauern  wusste  er  ebensowenig, 
wie  Stadtingenieur  Hesse,  der  die  Carina  mit  175  Hektar  vermessen,  von  welchen 
er  gemeinsam  mit  einem  Agronomen  110  besitzt.  Beide  versicherten,  dass  auf 
derselben  keine  Spur  einer  alten  Ansiedelung  bemerkbar  sei.  Ich  wollte  mich 
persönlich  vom  Tatbestand  überzeugen,  stieg  mit  Herrn  Hesse  zur  Carina 
hinauf  und  traf  das  Mauerwerk  des  zierlich  überdachten  fraglichen  Brunnens  mit 
neuem  Aufzugswerk  auf  5  m  vom  Mundloch  abwärts  erneuert;  ob  die  untere 
Verkleidung  im  12  m  tiefen,  kreisförmigen  Schachte  von  2  m  Durchmesser 
römisch,  konnte  ich,  wegen  der  Schwierigkeit,  hinabzugelangen,  nicht  entscheiden. 
Da  aber  die  Anwohner  nie  etwas  von  Mauerspuren  auf  der  Carina  gehört,  durfte 
ich  annehmen,  dass  die  beim  Brunnen  gefundenen  „antiken  Reste"  (?)  aus  dem 
westlichen  Cirilovactal  stammen,  in  dem  Milicevic  die  Sage  und  Spuren  von 
einer  Römerstadt  signalisiert  hatte. 

Mit  dem  negativen  Resultat:  Vinceia  stand  nicht  auf  der  Carina  — 
wanderten  wir  durch  reichtragende  Mais-,  Obst-  und  Feldkulturen  hinab  zum  tief- 
liegenden,von  W.nachO.  sich  dehnenden  ungemein  lieblichen  Einschnitt„Cirilovac". 
Dort  stiess  ich  zwischen  zur  Wintersaat  bestellten  Äckern  im  schwarzen  Humus 
auf  zweifellos  römische,  immer  häufiger  auftretende  Ziegelstücke.  „Wenn  Ihr 
alte  Mauern  sucht,  dann  steigt  nur  höher  hinauf,  zum  Gute  des  Advokaten  Steva, 
dort  gibt  es  deren  mehr,  als  beim  Ackern  erwünscht  ist!"  Wir  folgten  dem 
Winke  des  intelligenten  Weinliüters  und  bald  stiessen  wir  wirklich  auf  Fundamente 
von  Ranier  Glimmerschiefer  unil  Mauern  aus  Ziegeln  und  tertiärem  Kalkstein  von 
Viänjica.  Stojan  Tarijov,  ein  Emigrant  aus  Alt-Be5enovo  im  Banat,  welcher  den 
Besitz  des  Advokaten  Kovacic  für  halben  Reinertrag  bearbeitete,  führte  uns  zu 
prächtigen  Werkstücken,  wo  er  im  Frühjahr  viele  Kaisermünzen  ausgegraben 
hatte.  Einige  wertlose  Eisen-  und  Bronzeobjekte  aus  dieser  140  m  hohen 
Stari  Petrijevo  genannten  Fundstätte  gelangten  1888  in  das  Belgrader  Museum, 
dessen  „bei  Sniederevo"  gefundener,  aus  zwei  Metallplatten  gehämmerter  römischer 
IKhn  gleichfalls  von  hier  stammen  dürfte.  Einige  Monate  vor  meinem  Besuch 
gelangte  beim  Ackern  eine  von  Tarijov  als  „Christus  mit  abgehauenem  Kopfe. 
fehlenden  Armen  unil  Füssen"  uns  geschilderte  weisse  Marmorfigur  an  die  Ober- 
fläche, die,  auf  iiKine  Bitte  vom  Bürgermeister  GliÄa  H.  Popovic  zu  Smederevo 
aufgespürt  luul  mir  Ircuiullichst  vereint,  sich  als  künstlerisch  vollendeter,  27  cm 
langer  Torso  eines  etwa  44  cm  hohen  jugeiullichen  Bacchus  entpuppte,  dessen 
Kultus  mit  tiein  von  Prohus  gepllan/ten  Werne  wahrscheinlich  zu  \'inceia  seinen 
Fin/ug  Imli  D.iss  uh  seine  langgesuchte  Stätte  hier  gefunden,  dafür  spricht 
auch  ihre  vollkommen  zutreffende  Entfernung  nach  den  Hin.  Ant.  und  Hieros.  mit 
t")  Millien  von  Aureus  Mons  (S.  151).  Der  |-"lächenraum  der  über  eine  bewaldete 
Hochebene  sich  südlich  ausdehnenden  Ruinen  dürfte   180  Hektar  betragen. 

Auf  ilem  Rückweg  zur  Stadt  besuchten  wir  den  kuppelgcdecktcn  Bau  einer 
3  km  von  ilieser   enifernlen    allen  Wasserleitung   mit   40    Liter   prächtiges   Wasser 

')  Fln  In  il;is  Melyrailcr  Atusciim  uhcrlraucncr  Volivslein,  im  C.  I.  l..  III,  Aildil.  No.  6309. 
nach  Snfariks  Alisclirift. 


IT)-}  StiR-dcrcvi)  und  UmncbunK- 

in  der  Mimitc  ncheiuicr  Quelle,  deren  1,50  m  tief  liegende  Tonrohre  noch  von 
den  Türken  benutzt  und  jetzt  wieder  in  Stand  gesetzt  werden  sollen.  Stammt  ihre 
erste  Anlaj^e  aus  der  römischen  Epoche  und  versah  Vinceias  Kastell  an  der 
JezavaniiüHliui},'  mit  frischem  Wasser?  Dass  dort  ein  solches  schon  vor  Erbauung 
der  Branl<()vicburg  stand,  ist  für  mich  nach  den  an  der  unteren  Donau  gewonnenen 
Erfahrungen  ausser  allem  Zweifel.  Die  Römer,  welche  am  ganzen  Stromlauf 
jedes  nur  etwas  den  Einbruch  der  Barbaren  begünstigende  Defilt'  sperrten,  Hessen 
gewiss  nicht  den  Zugang  in  das  breite  Jezavatal,  durch  weiches  ihre  Heerstrasse 
nach  Viminacium  lief,  ohne  Schutz.  Könnte  man  die  Grundfesten  biossiegen,  so 
dürfte  nahezu  sicher  jene  des  römischen  Jezava-Kasfells  auf  der  Stelle  des  Zwingers 
der  Brankovicburg  erscheinen.  Und  allem  Anscheine  nach  wurden  auch  einige 
Werke,  weiche  die  landeinwärts  liegenden  Smederevoer  Höhen  auf  Smederevos 
Plane  aus  dem  18.  Jahrhundert  krönen  (S.  145),  auf  römischen  Substruktioncn 
erbaut.  Demnach  spricht  alles  dafür,  dass  das  nun  am  Cirilovacki  potok  fest- 
gestellte, aus  einer  ursprünglichen  „canabae"  zur  prächtigen  Stadt  erblühte  Vinceia 
durch  starke  Werke  am  Donau-Limes  geschützt  war. 

Die  Schlossruine  „Kiilic"  bildete  mein  nächstes  Ausflugsziel.  Nachdem 
ich  mit  Ingenieur  Karakasevic  die  Jezavabrücke  nahe  der  Feste  passiert  hatte, 
durchschnitten  wir  das  starken  Überflutungen  ausgesetzte,  285  Hektar  umfassende 
Stadtgut  Godomin,  dessen  toniges  Erdreich  fleissige  Bulgaren  zu  Ziegeln  und 
Gemüsezucht  benutzen.  In  '/•_,  St.  zweigte  ein  nordöstlicher  Weg  zur  isolierten 
Zollstation-  und  Skela  (Überfähre)  nach  dem  ungarischen  Kubin  ab,  wo  1443 
Konig  Vladislav  und  1448  Hunyady  übersetzten.  Eine  weitere  Stunde  brachte 
uns,  vorüber  an  grosse  Schafherden  nährendeii  Triften,  zum  zwischen  kleinen 
Eichenständen,  Silberpappeln  und  Weiden  liegenden  Dorfe  Kulic.  Dort,  am 
linken  Mündungswinkel  des  alten  Morava-Armes,  beherrscht  auf  massiger  Er- 
hebung des  Terrains  die  am  Donaurand  liegende  Schlossruine  „Kulic"  das 
ebene  Umland. 

Der  Umstand,  dass  die  Godominfläche  durch  weit  ins  Land  dringende 
Donaustaue  periodischen  Austritten  der  Morava  ausgesetzt  ist,  machte  gewiss 
schon  in  alter  Zeit  die  direkt  von  Smederevo  zum  Kulicer  Kastell  führende 
Strasse  oft  unbenutzbar;  die  Römer  mussfen  demnach  eine  zuverlässigere  Route 
ausserhalb  des  Sumpfbereiches  besessen  haben.  Ich  suchte  sie  und  fand  durch 
erneuerte  Rekognoszierung  im  Oktober  1889  nördlich  bei  dem  von  grossen 
Laubhainen  umhüllten,  nur  durch  seinen  hohen  Kirchturm  gekennzeichneten 
Lipe,  nahe  einem  Ziehbrunnen,  ihren  noch  trefflich  erhaltenen  Oberbau.  Seine 
breite  steinerne  Trace  lässt  sich  durch  hübschen  Eichenwald  gegen  Brezane 
verfolgen,  bei  dem  sie  die  Morava  übersetzte,  um  das  nördlichere  Margum 
zu  erreichen. 

Das  als  civitas  und  Bischofssitz  wichtige  A\argum,  welches  die  Tab.  Peut. 
und  das  hin.  .Ant.  mit  14  Millien  von  Aureus  Mons  ansetzen,  suchte  d'Anville 
an  der  10  Millien  entfernteren  Mlavamündung,  Mannert  aber  ganz  zutreffend  am 
Morava-Einfluss.  Dort  blieben  uns  in  der  Kulicer  Burgruine  die  Reste  des 
Kastrums,  auf  dem  rechtsuferigen  Trümmerfeld    aber   jene   seiner  civitas  erhalten. 


Smederevo  und  Umgebung. 


155 


Letztere  hatte  schon  Dr.  Medovic  (1852)  als  Margum  signalisiert.")  Oberst 
Dragaäevic  wollte  in  den  beiderseitigen  Ruinen  „Margum"  und  die  von  Priscus 
anlässlich  seiner  Kämpfe  mit  den  Avaren  (598)  erwähnte  „castra  Augusta  Flaviensis 
contra  Margum",  spater  Constantia  genannt,  erkennen.  .  Dieser  von  mir  u.  a. 
geteilten  Ansicht  entgegen  suchte  Dr.  Ortvay-)  Constantia  auf  dem  linken  Donau- 
ufer bei  Kubin,  wo  es  vor  ihm  schon  Marsigli,  Mannert,  Reichardt  vermuteten 
und  Jirecek   ansetzt.     Die  Frage  ist   unentschieden,   da   neuestens  Böhm   in  einer 


Du-  roiiiisclic  Dunaiistadt  M.irKiim  und  ihr  Kästelt. 

I'dk'inik  gegi'M  Ortvay  iicstimnit  cikliin,  die  Befestigung  zu  Kubin  (Kovin)  stamme 
•ms  ikui  Mittelalter  und  es  befänden  sich  dort  keine  römischen  Mauerreste.') 
Dem  widerspriclit  aber,  von  Ortvay  abgesehen,  die  im  Juni  1893  mir  gemachte 
Mitteilung  iles  (lenerals  Kupelwieser:  der  Tcmesvarcr  Ohergespan  habe  ihm  in 
den  HOn  Jahicn  eine  im  l'idicicli  des  abgeschwemmten  Kaslellabhanges  zu  Kovin 
aufgefundene  antike,  reichver/ierte  Silberschale  ge/eigt.  Dagegen  kommt  hier  ein 
neuer  Umstand  in  llrwägung.    Auf  meiner  Don.iufahrt  am  28.  September  18i)()  machte 


')  (ilasnik,  IV,  IH8  f. 

■•')  Mar).;iim  i^s  Contra  AtarKuni,  Xi  ff. 

')  Arcli.-epinr.  Mitl.,  .\ll,   17). 


'•''i  Stncdürevo  und  UniKcburiK- 

mich  Herr  Kapitiln  v.  Merode  j^anz  nahe  dem  Ländeplatz  Duhravica  auf  Mauern 
mitten  im  Strome  aufmerksam,  die  wahrscheinhch  auf  dem  seit  der  ROmerzeit 
abgespülten  Westendc  der  grossen  Insel  „Ostrovo"  lagen  und  vielleicht  der  „castra 

Aiif^iista  I-'laviensis  contra  Margum"  und  späteren  „Constantia"  angehürten.  Die 
Bestlmnumg  ihrer  Lage  hängt  sonach  mit  dem  Resultate  der  weiteren  Erforschung 
dieser  hier  zum  erstenmal  signalisierten  Mauerreste  eng  zusammen. 

Die  Kulicer,  welche  auf  dem  Kastellvorterrain  ihre  Toten  begraben,  haben 
nicht  allein  dem  serbisch-türkischen  überbau  des  Werkes,  sondern  selbst  den 
festen  Riimermauern  möglichst  viel  Material  abzugewinnen  gesucht.  Leider  ist 
datiurcli  das  Tor  verschwunden  und  der  über  diesem  eingefügte,  von  Marsigli 
kopierte  V'otivstein. ')  Derselbe  zeigte  im  oberen  geradlinigen  Felde  einen  Genius 
mit  Guirlande,  die  gewiss  auch  von  dem  weggebrochenen  rechtsseitigen  getragen 
wurde,  darüber  sah  man  einen  Pfau  und  im  unteren  Bogenfeld  zwischen  zwei 
Säulen  den  Oberkörper  einer  halb  zerstörten  männlichen,  bekleideten  Figur.  Auch 
die  von  Marsigli  in  der  Mauer  aufgefundene  achtzeilige  Inschrift,  welche  auf  ein  hier 
bestandenes  Zollamt  hindeutet-),  suchte  ich  vergebens.  Der  Hang  nach  raschem 
(jcwinn  wird  die  den  Elementen  trotzende  Ruine  weiter  schädigen,  denn  nirgends 
steht  das  Schätzesuchen,  mit  und  ohne  Zauberformeln,  so  stark  im  Schwünge, 
wie  in  Serbien.  Es  war  jedenfalls  höchste  Zeit,  dass  wir  den  bald  kaum  mehr 
erkennbaren  Kastellgrundriss  fixierten. 

Über  den  an  das  Kastell  lehnenden,  mit  bescheidenen  Holzkreuzen  gezierten 
Kulicer  Friedhof  und  den  breiten  Donauspiegcl  weg  schliessen  gegen  NO.  und 
N.  weisse  Flugsandhügel  der  grossen  Insel  „Ostrovo"  und  die  scharfgeschnittenen, 
643  m  ansteigenden  Berge  bei  Vrsec  den  Hintergrund.  Östlich  hindert  eine 
dichtbewaldete  Insel  im  Moravabette  die  Aussicht  auf  die  jenseitigen  Reste  der 
civitas  von  Margum.  Bei  der  starken  Strömung  hätte  uns  kein  Fährmann  hinüber- 
gebracht; der  Ausflug  dahin  blieb  auf  den  nächsten  Morgen  verschoben. 

Nach  der  Not.  Imp.  stationierte  bei  Margum  eine  Abteilung  der  Donauflotte. 
Auf  der  rechtsuferigen,  gegen  Viminacium  sich  dehnenden  Morava-Ebene  besiegte 
Diocietian  im  Jahre  285  den  von  seinen  Truppen  verlassenen  Carinus.  Unter 
dem  Vorwande,  dass  der  zu  Margum  residierende  Bischof  die  Raubeinfälle  auf 
hunnisches  üebiet  begünstigt  hätte,  forderten  die  Häuptlinge  .Attila  und  Bleda 
dessen  Auslieferung.  Auf  die  Weigerung  der  Römer  setzten  die  Hunnen  über  die 
Donau,  plünderten  zuerst  das  östliche  starke  Viminacium,  worauf  der  erschreckte 
Bischof  persönlich  den  Siegern  die  Tore  seiner  bedrohten  Stadt  öffnete  (441). 
Als  bald  darauf  auch  Singidunum  gefallen  war,  ergoss  sich  die  Hunnenflut 
unaufhaltsam  entlang  der  grossen  Heerstrasse  bis  Naissus. 

Das  in  den  Barbarenstürmen  stark  geschädigte,  von  Byzantinern  und  Slaven 
aber  wieder  wehrhaft  gemachte  Margus  wurde  auch  von  den  Türken  als  „Kulic 
Kaleh"  1493  hergestellt,  nachdem  sie  das  feste  Schloss,  wie  auch  die  auf  S.  154 
erwähnte  historisch  begründete  Volkssage  erzählt,  schon   einige  Decennien  zuvor, 


')  A.  a.  0.,  Bd.  II,  Tab.  50. 

-)  C.  I.  L.  iil,  No.  1647;  Suppl.  Fase.  II,  No.  8140. 


Smederevo  und  Umgebung.  157 

den  Unj^arn  entrissen  hatten.  Es  hütete  nun  wieder  die  Schiffahrt  auf  der  Morava, 
bis  der  Fluss  durch  orientalische  Indolenz  unfahrbar  wurde.  Während  der  Frei- 
heitskämpfe wurde  Schloss  Kulic  von  den  räuberischen  Krdzalien  besetzt,  von 
den  Serben  1805  {genommen,  1813  wieder  türkisch  und  nach  1815  von  den 
siegreichen  Aufständischen  zerstört. 

Obschon  Graf  Marsigli  im  „Theatrum  Antiquitatum  Romanum"  ')  oft  weniger 
interessanten  Römerstätten  detaillierte  Grundrisse  widmete,  gab  er  von  Margums 
Resten  bei  „Kallitz"  (Kulic)  keine  Planskizze.  In  Ortvays  speziell  sich  mit 
Margum  beschäftigender  Monographie  findet  man  wohl  eine  Aufnahme  des  angeb- 
lichen Römerwerkes  beim  ungarischen  Kovin,  aber  gleichfalls  keinen  Plan  von 
Margum. 

Vergleicht  man  den  1887  von  mir  gemeinsam  mit  Herrn  Karakaäevic  ange- 
fertigten Grundriss  des  Römerkastells  zu  Kulic  mit  der  von  Ortvay  gegebenen 
Beschreibung,  so  treten  in  der  Grundform  und  Bautechnik  des  Werkes  wesent- 
liche Unterschiede  hervor,  die  ich  in  meinen  „Römischen  Studien"  (S.  13f.)  anlässlich 
seines  geschilderten  baulichen  Zustandes  eingehend  erörterte.  Die  von  den 
römischen  Baumeistern  gewählte  Polygonform  des  Kastells  war,  wie  seine  regel- 
mässige Anlage  zeigt,  nicht  durch  das  Terrain  bedingt,  denn  dieses,  scharf  zur 
Donau  und  sanft  zur  Morava  abdachend,  hätte  auch  jede  andere  Grundform 
zugelassen.  Sie  war  jedenfalls  trefflich  geeignet  zur  Verteidigung  des  Werkes 
nach  allen  Seiten  hin;  ich  fand  sie  wieder  bei  dem  Kastell,  das  ich  im  Herbst 
1889,  bei  Rgotina  am  Timok,  in  Karte  brachte. 

Auf  unserer  Rückfahrt  tauchten  südwestlich  die  Höhen  des  seit  1842  ein 
Peter  und  Paul-Kirchlein  besitzenden  Kolari  auf.  Noch  vor  150  Jahren  waren  sie 
gleich  dem  ganzen  Smederevoer  Kreise  sehr  waldreich.  In  ihren  dichten  Forsten 
verirrte  sich  das  nachmalige  Reichsoberhaupt  Herzog  Franz  v.  Lothringen, 
welcher  den  türkischen  Feldzug  1737  als  Volontär  mitmachte,  im  Weidmanns- 
eifer von  dem  auf  der  grossen  Heerstrasse  nach  Jagodina  marschierenden  Gros. 
„Ohne  die  zu  seiner  Aufsuchung  ausgesandten  Trommler  und  Pfeifer  wäre  er  dem 
sicheren  Tdile  nicht  entgangen  und  eine  ganze  Zeugungskette  berühmter  Leute 
war  alsdann  für  die  Welt  verloren,"  bemerkt  bei  Erwähnung  dieses  Zwischenfalles 
Marschall  Seckendorfs  anonymer  Biograph.  Für  die  historische  Geographie 
ist  es  von  Interesse,  dass  jüngst  zu  Kolari  Reste  einer  antiken  Wasserleitung 
gcfinuien  wunlen.  Zweifellos  lag  hier  eine  Ansiedelung  am  Wege,  welcher  von 
Aureus  mons  ilirekl  zur  Morava  führte  (S.   149). 

Nach  der  anstrengenden  Tagesarbeit  freute  ich  mich  auf  eine  erquickende 
Nachtruhe  zu  Smederevo.  In  meinem  Gasthof  herrschte  aber  toller  Lärm  bis  zum 
frühen  Morgen.  Die  [Radikalen  hatten  ihn  /um  Hauptquartier  erwählt,  von  dem 
sie  mit  l'ahnen,  Musik  und  endlosen  Rufen:  „?.ivio  Maksimovic!"  die  Stadt  durch- 
zogen. Die  Wahlen  zur  Skup^;lin;i  (Parl.iment)  vollziehen  sich  in  Serbien  ähnlich 
wie  im  nia^yaiischeii  Nachbarland.  Die  Re^uTUUL;  beeinflusst  durch  ihren  Ver- 
wallungsap|iaral    den   Durchgang  ihrer  K.uulid.iten,    und    die   jeweilige  Opposition 

')  l):iiiiiuhius  l'annonico  Mysiciis,  IUI.  II. 


lijH  Smcderc-vo  und  Umßcbunj;. 

sucht  durch  Journale,  Redner  und  Mittel  jeder  Art  die  Massen  zu  gewinnen. 
Manchmal  j^eraten  die  politischen  Gegner  hart  aneinander;  es  kommt  zu  argen 
Ausschreitungen  und  der  j^anze  Wahlakt  wird  verhindert.  Dies  ereignete  sich 
während  meines  damaligen  Besuches,  Die  unterlegene  Minorität  stürmte  tobend 
in  den  Wahlsaal,  unterbrach  das  Skrutinium  durch  laute  Proteste  über  ungesetz- 
liche Vorgänge,  und  als  das  Präsidium  diese  nicht  berücksichtigte,  stürzten  sich 
die  Erbittertsten  auf  die  Protokolle  und  hinderten  durch  deren  Zerreissung  die 
Fortsetzung  des  Wahlaktes.  Aus  derartigen  Vorgängen  entwickelt  sich  der  oft 
zu  schlimmsten  Tätlichkeiten  führende  serbische  f^arteihadcr.  Brandlegungen 
aus  Flache  und  politische  Morde  bilden  den  fünften  Teil  sämtlicher  Kriminal- 
fälle. Der  Serbe  ist  sehr  heissblütig.  Ein  kurz  zuvor  aus  dem  Smederevoier 
Kreisgefängnis  entwichener  Bauer  suchte  nur  Knieten  (Dorfschulzen)  auf,  die, 
vermeintlich  oder  wirklich,  ihm  oder  seinen  Freunden  Unrecht  getan. 

Gemeine  Räuber  kommen  in  dem  sehr  wohlhabenden  Kreise  selten  vor. 
Zu  diesen  zählte  der  berüchtigte  Heiduck  Mika,  der  durch  acht  Jahre  die  Kreise 
Smederevo  und  Pozarevac  bis  zum  Juni  1895  unsicher  gemacht  und  alle' 
Versuche,  ihn  festzunehmen,  zu  vereiteln  verstand.  Mika  hatte  seine  Geliebte, 
die  ungew()iinlich  schöne  Miriana,  aus  einem  reichen  Bauernhause  zu  Petka  aus 
dem  Reigen  der  Kolo  tanzenden  Mädchen  geraubt.  Als  dieselbe  an  seiner  Seite 
in  einem  Scharmützel  mit  Gendarmen  beim  nahen  Radin'ac  fiel  und  dort 
eingeschaufelt  wurde,  fasste  er  die  tollkühne  Idee,  die  Leiche  der  Geliebten  nach 
dem  Friedhof  ihres  Heimatdorfes  zu  überführen.  Auf  diesem  Zuge  wurde  er 
von  Gendarmen  aus  einem  Hinterhalt  tödlich  verwundet  und  nach  Pozarevac 
gebracht.  Er  starb,  ohne  auch  nur  einen  seiner  Helfershelfer  zu  verraten; 
die  Angaben  über  seine  Hehler  führten  nur  die  Behörden  irre,  und  dem  Popen, 
welcher  ihm  die  Tröstungen  der  Religion  spenden  wollte,  sagte  er  trotzig:  „Gehe 
zu  dem,  der  Dich  geschickt  hat".  Aus  der  ganzen  Umgebung  strömte  die 
Bevölkerung  nach  Pozarevac,  um  den  toten  Mika  zu  sehen ! 

Im  Kreise  „Podunavski"  (Smederevo)  mit  33,15  km  ^  leben  226100  Seelen  in 
123  Gemeinden  mit  201  Orten.  Von  diesen  zählen  sehr  viele  1000—3000  S., 
einzelne  Dörfer,  so  Kusadak,  Selevac,  Krnjevo,  über  5000  und  Azanja  sogar 
6656  S.  Von  den  8  Bezirken  ist  der  Orasjer  mit  über  100  S.  per  km-  am 
dichtesten,  der  Jasenicaer  mit  80 — 100,  der  Smederevoer  und  Kozmajer  mit 
60—80,  der  Grockaer,  Vracaer  und  Posavinaer  mit  50—60  und  der  Kolubaraer 
mit  40—50  am  schwächsten  bewohnt.  Den  durchschnittlich  grossen  Wohlstand 
dieses  Kreises  bekunden,  oft  weithin  leuchtend,  hübsche  Kirchen,  beispielsweise 
zu  Radinac,  Vranovo,  Velika  Krsna,  dessen  1889  erbaute  hl.  Alaria-Geburtskirche 
mit  hoher  Kuppel  34000  d  kostete.  Auch  die  nett  gebauten,  weiss  getünchten 
Häuser  sind  meist  mit  Ziegeln  gedeckt,  und  nahezu  alle  grösseren  Gehöfte 
besitzen  ausgedehnte  Ställe,  Speicher,  Gemüsegärten,  welche  starke  Bohlen-  oder 
Buschzäune  umfrieden. 

Die  Ausdehnung  der  verschiedenen  Feldwirtschaftszweige  im  Kreise  ent- 
zieht sich  hier  jeder  detaillierten  Angabe,  wegen  der  1896  vollzogenen  Verschiebung 
der   Kreis-    und    Bezirksgrenzen    und    auch    wegen    des    noch    immer    fehlenden 


Smederevo  und  Umgebung.  159 

Katasters,  wodurch  die  im  „Godiänjak"  (II.  Bd.,  1898)  erschienenen  Daten  für 
1893  bei  statistischen  Vergleichen  unbrauchbar  werden ').  Im  allgemeinen  ist  der 
Bodenbau  im  Smederevoer  Kreise  gut  entwickelt  und  gestattet  eine  starke 
Getreideausfuhr;  auch  die  Weinzucht  erholt  sich  allmählich  durch  die  Erneuerung 
der  von  der  Phylloxera  verwüsteten  Kulturen.  Ausser  Smederevo  liefert  schon 
der  Bezirk  Palanka  wieder  eine  sehr  geschätzte  Sorte.  Das  ausgedehnte  gras- 
reiche Wiesen-  und  Weideland  im  Kreise  begünstigt  den  Aufschwung  seiner 
Viehzucht.  1896  zählte  man  rund:  23000  Pferde,  76300  Rinder,  132200  Schweine, 
166500  Schafe,  8700  Ziegen,  was  für  einige  Gattungen,  nach  Beobachtungen  von 
Fachkundigen,  einen  ansehnlichen  Zuwachs  ergibt.  Obschon  der  Zuckerverbrauch 
stetig  im  Kreise  steigt,  hebt  sich  namentlich  auffällig  seine  Bienenzucht;  1896 
gab  es  16500  Stöcke,  somit  73  auf  tausend  Seelen. 

Der  Export  aus  dem  westlichen  Teile  des  Kreises  wird  durch  die  Flügel- 
bahn von  Smederevo  nach  der  Station  Velika  Plana  des  Belgrad-Konstantinopler 
Schienenstranges  gefordert.  Ursprünglich  als  43  km  lange  Materialbahn  zur 
leichteren  Erbauung  des  letzteren  angelegt,  wurde  sie  am  26.  April  1883  durch 
Kiinig  Milan  auf  der  Rückkehr  von  der  Takovofcier  nach  Belgrad  benutzt,  im 
September  1884,  nachdem  sie  ihren  Zweck  erfüllt,  aber  aufgelassen  und  erst 
1886  dem  öffentlichen  Verkehr  übergeben.  Sie  durchschneidet  die  ungemein 
fruchtbare,  sanft  zur  Morava  verflachende,  von  wohlhabenden  Orten  bedeckte 
Hochebene,  und  folgt  der  alten  Hauptstrasse.  Die  Bahnhöfe  ihrer  Zwischen- 
stationen: Krnica,  Lozovik,  Saraorci  sind  klein;  der  grösste  befindet  sich 
bei  dem  3300  Einwohner  zählenden  Dorfe  Osipaonica,  das  schon  seit  1826 
eine  dem  hl.  Erzengel  Gabriel  geweihte  Kirche  besitzt.  Dieser  schon  früher 
einen  wichtigen  Verkehrspunkt  bildende  wohlhabende  Ort  ist  zum  Abzweigs- 
punkte der  14  km  langen  Vicinalbahn  „Smederevo— Pozarevac"  bestimmt,  dessen 
1899  mit  französisch-schweizerischem  Kapital  begonnene  Ausführung  gewiss  auch 
den  schwachen  Verkehr  auf  der  Smederevoer  Linie  steigern  wird.  Gegenwärtig 
geht  nur  je  ein  Personen-  und  Frachtenzug  von  und  nach  V.  Plana  (III.  Bd.,  IX.  Kap.). 


')  Au.s  diesen  /winticiKkii  (iiiirukii   sehe   ich  auch    t)c'i   einigen   anderen  Kreisen   von 
der  Wicdcrt;al)f  dur  allen  JahrhiKii/ahkri  für  den  Hodenbau  ab. 


V. 

Von  Dubravica  über  Orasje  nach  Pozarevac, 

Ljubiccvo  und  Kostolac. 


DF.R  erste  Oktobermorgen  1887  traf  mich  an  Bord  des  über  Smederevo 
abwärts  gehenden  Dampfers.  Die  Silhouette  seiner  wunderhchen  Feste  und 
schönen  Kirche,  das  Carinaplateau,  die  orientierende  Triangulationssäuie  auf 
den  Höhen,  weiche  die  Namen  des  genialen  savoyischen  Prinzen  und  General 
Laudons  tragen,  die  riesigen  Hebewerke  am  Ufer,  durch  welche  dort 
bulgarische  Qemüsegärtner  ihre  Kulturen  bewässern,  die  leuchtturmartig  über 
die  weite  Wasser-  und  Landfläche  aufragenden  AUiuern  des  Kulicer  Römer- 
kastells, grüssten  als  neu  erworbene  Bekannte. 

Links  begleiten  uns  die  dichten  Weiden-  und  Pappelwald-Auen  der  6  km 
langen,  1  km  breiten  Insel  „Smederevska  ada".  Wohin  dort  der  Menschcn- 
fuss  tritt,  wimmelt  es  von  Schlangen.  Anfangs  1876  wanderten  Tausende  über 
das  Eis  nach  Serbien;  ähnliches  geschah  Mitte  Januar  1888,  und  beidemal 
traten  nach  dem  Exodus  heftige  Überschwemmungen  ein,  welche  die  Flachufer 
von  Semlin  bis  Baziaä  tief  ins  Land  unter  Wasser  setzten.  Das  Volk  ist  der 
Ansicht,  dass  die  klugen  Schlangen  die  Gefahr  vorherahnen. 

Wirklich,  am  16.  April  IKK8  barst  der  einige  Jahre  zuvor  erbaute  Kovincr 
Schul/daiiim  hei  dem  \()n  tier  Sclilangeninsel  westlichen  Djurdjevo,  was  den 
Bewohnern  der  imgarischen  Tiefufer  viel  Unheil  brachte.  In  Semlin  erreichte  der 
Strom  die  nie  zuvor  beobachtete  Höhe  von  nahezu  acht  m.  Es  bedurfte  riesiger 
Anstrengungen,  um  seine  gänzliche  Überflutung  abzuwenden.  Auch  Belgrads 
nieckre  Stadtteile  wurden  überschwemmt.  Panöevo,  Glogon,  Opovo  u.  a.  O. 
ilrolite  die  gleiche,  durch  einen  beklagenswerten  technischen  Missgriff  verschuldete 
(jcfahr.  Die  ungarische  Regierung  wollte  die  Cs;ingo-Magyaren  der  Bukowina 
vor  ilroliender  Rumänisierung  retten  uml  sie  zugleich  als  Keil  in  dem  meist  von 
Serben  und  Walachen  bewohnten  Banat  ansiedeln,  liier/u  wurde  ein  Ried  von 
35()()0  Jochen  zwischen  Pancevo  und  Kovin  im  Herbst  I8H2  eingedämmt, 
wodurch  dieser  450  Millionen  Kubikmeter  Wasser  fassende  nntilrliclie  Polder. 
der    llochflul    entzogen,    sie    staute  uiul  /um   .Aiisiriil    zwang      Das   neu  angelegte 

I-     K  ANirZ,   ScrliliMi.   1.  1  1 


H)2  Von  iJiibravica  über  OraSjo  nach  Poiarevac,  Ljubifcvo  und  Kostolac. 

csj\n>^(')-manyarische  Dorf  Szikcljkcve  wurde  damals  durch  den  Dammriss  nahezu 
wen^escliwemuit.  Ein  Teil  der  enttäuschten  Ansiedler  zog  unter  dem  Kührer 
Csorban  wieder  nacli  der  Bukowina;  den  Zurückgebliebenen,  etwa  3500  Seelen, 
welche  weiter  jahraus,  jahrein  mit  den  lilementen  rangen,  gelang  es  wohl,  durch 
wochenlange  unausgesetzte  Arbeit  die  Schutzd<lmme  1897  gegen  die  anstürmenden 
Donaufluten  zu  liaitLii,  doch  verheerten  die  tückischen  Binnenwässer  ihre  ganze 
Ernte,  und  trotz  vielfacher  Unterstützung  war  ihr  Elend  im  Winter  1898 
unbeschreiblich '), 

[3ubravica,  niLin  Reiseziel,  war  erreicht.  Bei  starkem  Hochwasser,  wie 
ich  es  18(50  liier  traf,  ist  die  Landung  am  Dampfschiffssteg  unmöglich.  Passagiere 
und  Waren  werden  dann  in  breiten  Lichterschiffen  ans  flache  Ufer  übersetzt. 
Dort  warten  viele  landesübliche  Wagen,  neuestens  auch  Fiaker  aus  Pozarevac, 
ihrer  Eigentümer  oder  Mieter.  Ich  bestieg  das  Gefährt  des  auf  amtliches 
Telegramm  erschienenen  Ingenieurs  Cermak,  verständigte  ihn  über  meine  in 
seinem  Kreise  beabsichtigten  Studien,  und  da  die  zu  besuchenden  Ruinen  der 
Römerstadt  Margum  nur  1  kni  von  unserem  Wege  lagen,  schlugen  wir  sofort  den- 
Weg  dahin  ein. 

Bald  stand  ich  auf  dem  einstigen  Forum  der  klassischen  civitas,  deren  Reste 
eine  864  m  lange  und  720  m  breite  Flache  in  Form  eines  mit  seinen  Langseiten 
NW.  nach  SO.  gerichteten  Rechteckes  einnehmen,  das  vor  weit  zurückliegender  Zeit 
durch  einen  von  der  Morava  abzweigenden,  jetzt  trockenen  Kanal  in  zwei 
ungleiche  Hälften  geteilt  wurde.  Der  vollkommen  ebene  Plan  ist  vorherrschend 
von  prächtigen  Nussbäumen  überwachsen;  daher  sein  Name  „Ora§je"  (Nuss- 
wald);  noch  vor  20  Jahren  dehnte  er  sich  bis  gegenüber  dem  Kulicer  Kastell 
aus;  seitdem  schiebt  aber  die  Morava  ihr  Bett  stetig  gegen  0.  vor.  Der  östliche 
beider  Arme,  welche  kurz  vor  ihrer  Mündung  eine  vom  Orasjer  Plateau 
abgerissene  Insel  umscliliessen,  hat  bereits  einen  beträchtlichen  Teil  des  Süd- 
westviertels der  civitas  abgeschwemmt  und  am  so  entstandenen  senkrechten 
Ufersteilrande  die  Fundamente  einiger  Bauten  freigelegt.  Abgestürzte  grössere 
Werkstücke  waren  bei  dem  niederen  Wasserstand  sichtbar,  kleinere  trug  die 
Flut  in  die  Donau;' die  meisten  liegen  aber  schon  unter  dem  abgerissenen 
lehmigen  Erdreich  begraben. 

Die  Zerstörung  der  vielgenannten  Römerstadt  während  der  Völkerwanderung 
war  eine  gründliche,  und  was  verschont  blieb,  wurde  zum  Aufbau  der  Smede- 
revoer  Feste,  von  Pozarevac  und  der  nahen  Dörfer  verschleppt.  Heute  ist  die 
Materialgewinnung  schwieriger.  Man  ist  schon  zur  Ab-  und  Ausgrabung  der 
Grundmauern  von  Tempeln,  Palästen  und  Häusern  gezwungen.  Dadurch  wurden 
namentlich  in  der  östlichen  Stadthälfte  viele  Plätze  und  Strassen  freigelegt  und 
der  Grundriss  einzelner  Bauten  erkennbar.  Während  meiner  emsigen  Durch- 
forschung der  Ruinenstätte  stiess  ich  auf  eine  weite  Vertiefung,  in  der  noch  1885 
der  wohlerhaltene  gewölbte  Teil  eines  Tempels  mit  sehr  starken  Mauern, 
Pfeilern   und   Säulen   sichtbar  war.     Vielleicht  gehörte   ihm   der  Altar  an,  dessen 

')  Job.  StL'fanovic  v.  Vilovo.     Danubius,  Wien  1888.     „Pester  Lloyd",  6.  November  1897. 


Von  Dubravica  über  Ora§je  nach  Poiarevac,  LjubiCevo  und  Kostolac.  163 

Inschrift  durch  Ortvay  veröffentlicht  wurde.')  Ich  traf  ihn  nicht  mehr  und  eben- 
sowenig den  aufgedeckten  Mosaikboden;  dagegen  allerorts  interessante  architek- 
tonische Bauteile,  reich  ornamentierte  Friese,  Pilaster,  Säulen  usw. 

Selbstverständlich  wurden  im  „Orasje"  wertvolle  Schmuckobjekte  aus  Edel- 
metallen und  Bronzen  neben  zahllosen  Waffen,  Münzen,  Intaglien,  Kameen, 
Skulpturen  und  keramischen  Erzeugnissen  gefunden.  Die  schönsten  und  kostbarsten 
Stücke  wanderten  in  die  Sammlung  des  Pancevoer  Brauereibesitzers  Weifert. 
Auch  der  Dubravicaer  Agent  der  österreichisch-ungarischen  Staatsbahndampfer, 
Djuro  Jnvanovic,  erwarb  viele  interessante  Gegenstände,  welche  seine  Witwe  später 
zu  Spottpreisen  nach  allen  Seiten  hin  veräusserte.  Glücklicherweise  blieb  ein 
grosser  Teil  des  weiten  Ruinenfeldes  unberührt,  der  durch  planmässige  Aus- 
grabungen gewiss  ausser  antiken  Kunstschätzen  auch  Inschriften  zur  Geschichte 
der  altrömischen  Stadt  liefern  dürfte.  Man  müsste  jedoch  schleunigst  zur  Arbeit 
schreiten,  denn  nirgends  steht  das  Schätzesuchen  mit  und  ohne  Zauberformeln 
so  stark  im  Schwung  wie  im  Orient  und  speziell  in  Kulic-Dubravica.  Wirklich 
war  ein  Mann,  namens  Golub,  so  glücklich,  einen  reichen  antiken  Münzenschatz 
zu  heben,  mit  dem  er,  um  der  Teilung  mit  dem  Fiskus  zu  entgehen,  ins  Banat 
flüchtete  und,  als  die  Sache  vergessen  war,  als  wohlhabender  Mann  nach 
Pozarevac  zurückkehrte. 

Es  war  spät  am  Nachmittag,  als  unser  Wagen  über  den  wahrscheinlichen 
Schai;platz  der  römischen  F^rätoriaiierschlacht  (S.  156)  hinsauste.  In  Dubravica 
hielten  wir,  doch  statt  der  erliofllen  reichen  Ausbeute  sah  ich  in  zwei  Häusern 
nur  wenige  unlesbar  gewordene  Votivsteine.  Von  Bronzen,  Münzen  usw.  wusste 
man  nichts,  obschon  die  geriebenen  Dorfbewohner  geheim  einen  gleich  lebhaften 
Antiquitätenschacher  trieben,  wie  die  biederen  Kostolacer,  die  ich,  wie  man  sehen 
wird,  zum  Sprechen  brachte.  Die  vom  Ländeplatz  nach  Pozarevac  führende 
Strasse  umgeht  Dubravica;  ihre  durch  das  Dorf  geplante  Umlegung  wird  wohl 
durch  den  1898  begonnenen  Bahnflügel  Dubravica-Pozarevac  überflüssig.  Zwischen 
den  verlassenen  Tracen  zweier  alteren  Strassen  erreichten  wir  die  baumreiche 
Chaussee.  Nun  ging  es  durch  Maiskulturen  und  von  Schweineherden  belebte 
Eichenhaine  zu  ilen  mittels  Schienenbahn  —  welch  grosser  Fortschritt  — 
mit  Pozarevac  verbundenen  Ringöfen  Milorad  Kara  Markovic^s,  welche  den 
anstehenden  trefflichen  Ton  zu  Ziegeln  für  das  neue  NaCelstvo  verarbeiteten. 
hl  einer  Stuiule  erreichten  wir  die  ersten  Häuser  der  Stadt. 

Meine  I88U  fortgesetzten  Studien  stellten  die  südliche  Tracc  einer  Rftmer- 
strasse  von  Margum  In  lier  Richtung  auf  Pozarevac  ausser  Frage,  und  auch, 
dass  diese  Stadt  auf  einer  kleinen  antiken  Niederlassung  entstand,  deren  Reste 
die  Türken  zum  Mau  ihrer  ilnrligen  Palanke  benutzten.  Die  antiken  Itinerarien 
übergehen  den  Namen  des  Römerkaslells,  von  dem  sicher  ein  Teil  des  Materials 
slanunt,  welches  ich,  gemengt  mit  solchem  aus  Margum  und  Viminacium,  allerorts 

')  C.  I.  L.  Suppl.  {•■.isc.  II.  No.  8142.  norl  ;iiii-li  Mnrsij;lis  drci/otin/cilJKO  Insctirjft 
Ni).  S14,'{,  ein  im  IU-Il;i.uIit  Wuseuin  In-limllRliiT  Stein  Nu.  H14I  inul  drei  l'rannKMiti" 
Ni>    Hill     Kllli 

11* 


llil  Von  Diibravica  über  Oraäjc  nach  Poiarcvac,  Ljubifcvo  und  Kostolac. 

in  Häusern  und  Strassen  sah.  FJne  türkische  Sa^e  knüpft  die  Gründunjj  des 
heutigen  Pozarevac  an  den  Giaubensstreiler  Ali  Heu,,  der  vor  dem  ihn  verfolfjenden 
Serbenheiden  „Vuk  Zmaj"  sich  im  dichten  Schilfdickicht  versteckte  und,  als  Vuk 
es  anzünden  liess,  in  diesem  verbrannte  (S.  131).  Die  später  auf  derselben  Stelle 
entstandene  F^aianke   wurde   deshalb    „Pozarevac"    genannt  (pozar       Waldbrand). 

Historische  Bedeutung  erhielt  der  unter  dem  verstümmelten  Namen  „Passaro- 
witz" berühmt  gewordene  Ort  erst  durch  den  in  seiner  Nähe  1718  abgeschlossenen 
Frieden.  Bald  darauf  wurde  der  befestigte  Flecken  „Poscharewiz"  das  Zentrum 
des  gleichnamigen  Distriktes.  Er  besass  eine  Kirche  mit  aus  Russland  stammenden 
Büchern  und  eine  von  30  Kindern  besuchte  Schule,  eine  grosse  Seltenheil  zu 
jener  Zeit,  wo  das  ganze  östliche  Serbien  mit  Belgrad,  während  der  bis  1739 
dauernden  österreichischen  Occupation,  nur  dreier  sich  erfreute').  Sonst  sah 
Pozarevac  nicht  besser  als  andere  Palanken  aus,  in  welchen  türkische  Dahien 
und  Begs  das  Regiment  führten.  1500  bewaffnete  Moslims  drückten  auf  die 
christliche  Minorität.  So  ist  es  erklärlich,  dass  die  unzufriedene  und  durch 
den  Mord  ihres  Knezen  Rajeca  aus  Zabrdje  erbitterte  Pozarevacer  Rajah  1804- 
zahlreich  dem  Rufe  des  „Schwarzen  Georgs"  folgte.  Aus  ihrer  Mitte  stammen 
die  trefflichen  Führer  Petar  Dobrinjac,  Milenko  Stojkovic  u.  a.  Mit  Karadjordjes 
heranziehenden  Scharen  umringten  sie  Pozarevac.  Nach  kurzem  Widerstand 
ergaben  sich  die  Türken  am  24.  Mai.  A\an  geleitete  sie  dbnauabwärts  nach 
Vidin.  Die  auferlegte  Kontribution  von  50  Beuteln  Gold,  die  kostbarsten  Waffen, 
Pferde  und'  andere  Werte  verteilte  Karadjordje  unter  die  Wojwoden.  Milenko 
fiele.n  10000  Schafe  zu;  daraus  allein  lässt  sich  die  Grösse  der  gemachten  Beute 
ermessen.     1805  war  die  ganze  Nahija  von  den  Moslims  gesäubert-). 

Im  Jahre  1809  wurde  Pozarevac  kurz,  1813  dauernder  von  den  Türken 
wieder  genommen  und  befestigt.  1815,  als  Milo§  Obrenovic  am  Ostertag  zu 
Takovo  das  Freiheitsbanner  entfaltete,  erhob  sich  auch  ganz  Donau-Serbien. 
Der  zu  Pozarevac  kommandierende  Pasir  Aga  hoffte  vergeblich  durch  die  Gefangen- 
nahme und  Hinrichtung  einiger  vornehmer  Knezen  die  Bewegung  zu  ersticken; 
denn  schon  zog  Milos  der  bedrängten  Stadt  zu  Hilfe.  Ein  Ausfall  des  kühnen 
Anatoliers  Delibasa  war  fruchtlos.  Allen  voran  sprengte  Miloä  ihm  mit  gezücktem 
Säbel  und  den  Worten  entgegen:  „Vallah  Delibasa!  Dir  stehen  auch  andere 
Wege  offen,  ich  aber  habe  keine  andere  Wahl!  Vorwärts,  Sieg  oder  Tod!"  In 
dem  heissen  Ringen  fiel  einer  der  Tapfersten,  der  Fahnenträger  Jovan  Vukomanovic, 
Milo§'  Schwager.  Noch  heute  steht  die  Pappel,  welche  Fürstin  Ljubica  auf  der 
Stelle  pflanzte,  die  ihr  Bruder  mit  seinem  Blute  getränkt.  Vier  Schanzen  waren 
genommen.  Als  man  stürmend  an  die  fünfte  ging,  kapitulierten  die  Türken.  Miloä 
gewährte  ihnen  freien  Abzug  nach  Cuprija. 

Aber  auch  nach  Serbiens  Befreiung  mengten  sich  des  Sultans  Belgrader 
Gouverneure  in  die  Angelegenheiten  des  Süzeränen  Landes.  Namentlich  suchten 
sie    um  seine  Kräftigung  zu  hindern,  die  W'ojwoden  zu  entzweien.     1821    brach  zu 


')  Gavril  Vitkovic,  Glasnik,  Bd.  56. 
■■)  Vuk,  Danica,  1828.    S.  189. 


Von  Uubravica  über  Oraäje  nach  Poiarevac,  Ljubicevo  und  Kostolac. 


165 


Pozarevac  ein  von  Marasli  Pascha  angezettelter  Aufstand  gegen  Milos  aus,  an  dem 
sich  die  Knezen  Marko  Ahdulah  und  Stevan  Dobrinjac  beteiligten.  Der  auf- 
gebrachte Fürst  lehrte  sie  aber  bald,  ihm  allein  zu  gehorchen').  Als  sein  Zorn 
verraucht,  besuchte  er  wieder  öfters  von  Kragujevac  aus  seine  nach  Pozarevac 
übersiedelte  Familie  und  feierte  gern  mit  ihr  die  Slava  (Hauspatronsfest),  Ostern, 
Weihnacht  usw.  Neben  seiner  Familie  beschäftigten  Staatsangelegenheiten  dort 
den    tatkräftigen    Fürsten.     Mancher   tief   in    Serbiens    Entwickelung   eingreifende 


POZAREVAC,    Denkmal  des  FUrstcii  Mitoä. 

Bescliluss  wuriic  von  der  nach  Pozarevac  horufenen  „SkupÄhna"  beraten.  Hier 
protestierte  auch  iler  von  f^ussland  entsandte  liaron  Petar  Jovanovic  Riknian 
gegen  den  „Sutonjski  iistav"  uiiil  lcL;tc  vom  Zaren  gewünschte  Abänderungen  vor. 
Dir  lulrarliilu  liste  Teil  des  von  MiloJ  begründeten  siehenden  Heeres  garnisonierte 
ddit.  Aus  der  vom  l-ürsten  in  I'ozarevac  errichteten  Mililärschule  entwickelte 
sich  die  siiateie  Helgrader  Kriegsakademie,  und  nach  dem  Bombardement  von 
Belgrad  (IH()2)  übersiedelte  dessen  (iymnasium  nach  Poiarcvac.  wo  es  bis 
1KC)7    blieb. 


')     Ranke,     Die     scrliisehe     U'evnliilinn      (nrösslenteils     nacli     \'iiks     MitIcilunKcn) 

Aiitl.,   MX 


Ififi  Von  Diibravica  über  Draäjc  nach  l'oiarcvac,  LjubiCcvn  und  Koslolat. 

Ult  Konak,  in  dem  h'ürsi  Mihjs  residierte,  war  gleich  hesclieiden  wie  jener, 
den  er  seinen  Sölinen  Milan  und  Miliail  mit  ihrem  lirzieher  Zuric  einräumte '). 
Letzterer  hatte  wenig  zu  tun,  da  die  Prinzen  mit  den  anderen  Stadtkindern  die 
Elementarschule  besuchten.  Während  meiner  Anwesenheit  im  Oktober  1887  fiel 
der  orientalische  Erker  des  zuletzt  als  Telenraphenamt  benutzten  Baues  durch 
pietätlos  rasierende  Spaten  und  Schaufeln.  Schon  früher  waren  der  Konak  und 
Miloä'  „Cardakiija"  (Regierungskanzlci)  verschwunden.  Seine  Schreiber  wohnten 
in  den  Amtsstuben,  weil  sie  der  „Gospodar"  (hohe  Herr)  gleich  zur  Hand  haben 
wollte,  wenn  er  an  Paschas,  Veziere,  Fürst  Metternich,  Graf  Nesselrode  oder 
an  einen  ungarischen  Geschäftsfreund  Mitteilungen  richtete.  Über  Politik  und 
Landesverwaltung  vernachlässigte  Miloä  nicht  den  seinen  Reichtum  mehrenden 
Schweinehandcl.  Zur  grossen  Kunst  des  Lesens  hatte  er  es  nicht  gebracht.  In 
einem  an  Sima  Milutinovic  Sarajlija  gerichteten  Brief  (Wien,  4.  März  1826) 
erwähnt  \'iik,  dass  er  den  Fürsten  1820  im  Lesen  zu  unterrichten  begann,  dass 
aber  seine  Minister  und  Sekretäre  dies  für  überflüssig  erklärten,  worauf  es 
unterblieb-).  Im  Kanzleigebäude  lagen  Protokolle,  kaufmännische  Papiere  mit 
Regierungsakten  bunt  durcheinander,  und  dasselbe  umgaben  eingezäunte  Plätze, 
auf  welchen  das  zum  Export  bestimmte  fürstliche  Borstenvieh  gemästet  wurde. 

Auf  dem  grossen  Platze,  dessen  Zentrum  ein  gleichfalls  stark  ä  la  turka 
aussehender  Brunnen  einnahm,  sah  ich  1887  Raum  für  das  476000  d  kostende 
neue  Nacelstvo  (Kreisamtsgebäude)  schaffen,  das  die  Administration,  die  Gerichte, 
das  Brigadckommando,  Post-  und  Telegraphenbureau,  das  Kreis- Bauamt, 
Gendarmeriepikett  und  die  Gefängnisse  aufnahm.  Am  30.  Oktober  1890  fand  ich 
den  prächtigen  einstöckigen  Bau  nahezu  vollendet.  Von  seinen  sechs  Türmen 
stehen  vier  an  der  Hauptfront,  mit  Baikonen  und  drei  Toren.  Das  mittlere 
grösste  schmücken  zwei  weibliche  Figuren,  die  Gerechtigkeit  und  Weisheit,  hoch 
im  Wappenfcld  erscheint  der  serbische  Adler.  Kreisingenieur  Sandtner,  ein 
Elsass-Lothringer,  überwachte  die  Ausführung  des  im  Bauten-Ministerium  ent- 
worfenen Planes  und  leitete  die  innere  Ausstattung. 

Im  J.  1897  bildete  sich  ein  Komitee,  das  in  dankbarer  Anerkennung  der 
grossen  Verdienste  des  Fürsten  Milos  um  die  Förderung  der  Stadt  und  des 
Kreises  ihm  ein  Monument  zu  widmen  beschloss.  Mit  der  Ausführung  der 
2,40  m  hohen  Bronzestatue  auf  3,70  m  hohem  Postament  von  Mostanicaer 
Syenit  wurde  der  in  Paris  lebende  Belgrader  Bildhauer  Djordje  Jovanovic  zum 
Preise  von  21500  d  betraut,  und  seit  dem  5.  Mai  1898  bildet  das  in  Gegenwart 
des  Königs  feierlich  enthüllte  gelungene  Denkmal  den  schönsten  Schmuck  des 
„Kralja  Aleksandra  trg".  Der  ihn  früher  zierende,  von  mir  schon  1861  erwähnte 
antike  Brunnentrog 3)  wanderte  aber  in  den  Hof  des  neuen  Nacelstvo,  wo 
Premerstein  den  stark  beschädigten  weissen  Marmor-Sarkophag  im  Herbst  1900 
sah  und  dessen  erhaltene  Reliefs  eingehend  beschrieb. 


\ 


■)  Dr.  Medovic,  Glasnik,  IV,  217. 

')  Djordje  S.  Djordjevic,  Sima  Milutinovic  Sarajlija,  229.     Bcograd  1893. 
»)  Sitzb.    Akad.    d.    Wiss.     Wien,    phil.-hist.    Cl.  XXXVl.    n.   43.    -    Inschrift   CILIII. 
S.  1380Ö  nach  Coumont. 


Vom  Diibravica  über  Orasjc  nach  Poiarevac,  Ljubicevo  und  Kostolac.  Kw 

In  (Jen  unscheinbaren  Räumen  des  alten  Kreisamtes,  das  sich  früher  schon 
als  unzuiänf^iich  für  den  stetig  wachsenden  Geschäftsumfang  erwiesen,  wusste 
man  mir  nichts  interessanteres  zu  zeigen,  als  die  einige  Wochen  zuvor  aus 
dem  nördlichen  Klenovnik  ütierbrachte  Foltermaschine,  mit  welcher  der 
naprednjacische  Bezirkshauptmann  durch  Einschrauben  von  Kopf  und  Armen 
radikalen  Bauern  gewünschte  Geständnisse  abpresste;  über  an  die  Mauer 
geschmiedete  Hungrige  Hess  er  Brot  hängen  usw.  Natürlich  wurde  er  von  den 
zur  Herrschaft  gelangten  Radikalen  sofort  empfindlich  gestraft.  Diese  und  andere, 
wahrscheinlich  übertriebene  Mitteilungen  zeigten  mir,  wie  sehr  politischer  Hader 
auch  den  Pozarevacer  Kreis  und  seine  Hauptstadt  vergiftete.  Ich  war  froh, 
dass  Ausflüge  in  ihre  Umgebung  mich  mindestens  während  des  Tages  diesen 
peinlichen  Erzählungen  entzogen. 

Das  Aussehen  und  äussere  gesellschaftliche  Leben  der  1896  über  2100 
Häuser  und  1 1  500  Seelen  zählenden  Stadt  fand  ich  gegen  früher  günstig  verändert. 
Zu  seiner  von  Milos  1819  erbauten  Kirche  „Sv.  Arhistratizi"  errichtete  der  Prota 
Petar  Slivic  1890  auf  eigene  Kosten  eine  hl.  Nikolauskirche,  weil  die  ältere  für 
die  sich  stetig  ausdehnende  Stadt  nicht  mehr  genügte;  an  beiden  „arbeiten" 
1 1  Priester.  Dass  Pozarevac  seit  längerer  Zeit  der  Sitz  eines  Prota,  des 
Brigadekoniinandos,  der  Stäbe  und  Cadres  zweier  Bezirksbataillone  und  einer 
grösseren  (lariiisun  zur  Überwachung  der  Kriminalgefängnisse,  hob  es  ungemein. 
Dank  dem  für  6  Jahre  angestellten  Stadtingenieur  Weitmann,  ein  geborener 
Rheinländer,  der  seinen  Namen  in  „Dalekovic"  (Weithergekommener)  serbisierte, 
besitzt  die  Kommune  einen  Katastralplan,  regulierte  breite,  beleuchtete  und 
gepflasterte  Strassen  mit  erhöhten  Trottoirs,  in  welchen,  unterstützt  durch  den 
„Wechselseitigen  Hilfs-  und  Sparverein"  und  die  „Städtische  Sparkasse",  die 
1895  einen  Umsatz  von  38927  750  d  erzielten,  fortwährend  neue,  bis  60000  d 
kostende  Häuser  mit  hübschem  (irnanientalen  Schmuck  sich  mehren,  was  für 
serbische  Verhältnisse  um  so  höher  anzuschlagen,  da  sie  meist  nur  1—2  Familien 
bewohnen. 

Ausser  tleni  trefflichen  Hotel  „Srpska  kruna",  dessen  langen  Korridor  ich 
mit  grossen  quadratischen  antiken  Ziegeln  gepflastert  fand,  gibt  es  viele  andere 
Kaffee-  iiuil  Finkehrhäuser,  eine  grosse  Bierlialle;  ferner  zwei  Apotheken,  zwei 
Kommuiialärzte,  ilie  gleich  lieiii  Kreis-,  Be/irks-  und  Militärarzt  durch  die 
liäuligen  I-icIht  ebenso  stark  beschäftigt  sind,  wie  die  20  Advokaten  durch  die 
stark  entwickelte  Prozesssucht  der  Bauern  und  Städter.  Vielleicht  ist  es  dieser 
zn/uschreiben,  dass  die  Realitäten  der  zur  Durchführung  einiger  Konimunalbaulen 
ein  Anlelien  autnehnieiulen  Stadt  1895  von  dem  Bodenkredit-Institut  „Uprava 
fondava"  wegen  einer  Schuld  von  250000  d  gerichtlich  sequestriert  wurden.  Grossen 
Schaden  verursachte  das  Hochwasser  im  l"rilhjahr  1897.  Fs  riss  alle  Brücken 
weg  und   schloss  die  Stadt  tiurch  Wochen  von  ihrer  Umgcbimg  ab. 

Pozarevac  treibt  khli.itkn  Exporthandel,  mul  auch  seine  F'infuhr  ist  nicht 
mibedculend.  Die  Dnbravicaer  Douane  erzielte  1894  an  Gebühren  373579  d. 
1895  wohl  nur  221 655  d.  was  der  allgemein  schlechte  Geschäftsgang  jenes 
Jahres  verursachte.     Im  Oktober  spielt  sich  auf   dem   grossen  l'lal/e   südlich   der 


KiH  Von  iJubravita  über  Oraiji:  nach  Pdiarcvac,  Ljubitevo  und  Koülnlac. 

Stadt  ein  grosser  Jahrmarkt  ah,  auf  dum  die  TCipferei  liesonders  stark  vertreten 
ist.  Früher  wurden  die  wahrend  der  lanj^en  Kasten  viel  konsumierten  jjetroekneten 
Fische  aus  dem  ungarischen  PanCevo  bezogen,  neuestens  aber  aus  Odessa,  von 
wo  die  in  jjrossen  Fassern  verpackten  Hechte,  Welse,  Hausen  usw.,  trotz  des 
weiten  Donauweges,  sich  biJÜKcr  steilen.  Das  k.  Salzdepot  bezieht  im  Durch- 
schnitte jährlich  14000  Meterzentner  Salz,  von  diesen  6—7000  aus  Ungarn, 
5000  aus  Rumänien,  1500  aus  Deutschland  und  Sizilien.  In  den  trefflich 
assortierten  Läden  findet  man  meist  öslerreichisch-ungarische  Waren;  Eisen  aber 
aus  Ueiitschland.  V.\n  Teil  der  städtischen  Bevölkerung^  (nahezu  6fJ0  Bewohner) 
treiben  nach  dem  Beispiel  des  nahen  Staatsgutes  Ljubicevo  ziemlich  rationellen 
Landliau.  Man  zählte  IHM  naiiezu  800  Pferde,  900  Rinder,  4900  Schwein«, 
260Ü  Schafe,  250  Bienenstöcke  innerhalb  des  Stadtfriedens.  Der  Boden  ringsum 
ist  so  lohnend,  dass  er  sprichwortlich  „die  ihn  bearbeitenden  Hände  vergoldet". 
Er  wäre  noch  ertragsreicher,  wäre  nicht  die  Fracht  zum  Exporthafen  Dubravica  .so 
teuer.  Man  zahlt  dahin  0.60  d  per  q;  dazu  kommt  der  gleich  hohe  Dampfer- 
tarif. 1899  wurde  die  provisorische  Materialbahn  für  den  Nacelstvobau  nach' 
Dubravica  in  einen  über  Svilajnac  nach  Lapovo-Belgrad  führenden  definitiven 
Schienenstrang  umgebaut,  und  die  projektierte  Pozarevac-Zajecarer  Linie  bis  Mali 
Crnicc  vollendet,  was  —  man  hofft  es  —  Pozarevacs  wirtschaftlichen  Aufschwung 
beschleunigen  dürfte.  Die  Zahl  seiner  Kaufleute  beträgt  etwa  450,  neben  80  Gast- 
und  Kaffeewirten,  200  Schneidern,  110  Schuhmachern,  80  Kürschnern  usw. 
Staats-  und'  Stadtiiedienstete  gab  es  210,  Ärzte  6,  Hebammen  2,  Photographen  2, 
Bucjidrucker  7,  Musikanten  36,  Offiziere  20,  Soldaten  250  usw.  Der  Nationalität 
nach  waren:  9600  Serben,  50  Bulgaren,  26  Tschechen,  104  Deutsche,  40  Ungarn, 
163  Rumänen,  123  Griechen,  145  Zigeuner  usw.;  nach  der  Religion:  orthodox 
11140,  katholisch    160,  protestantisch  5,  israelitisch   140. 

Viel  geschah  für  die  Entwickelung  des  städtischen  Schulwesens,  das  neben 
der  alten  Kirche  für  120000  d  erbaute  vierklassige  Halbgymnasium,  dessen  kunst- 
sinniger Professor  L.  Jevreniovic  zahlreiche  römische  Funde  von  Kostolac,  Drmno 
und  Bradarac  im  Lapidarium  der  1863  gegründeten  .Anstalt  für  die  Altertumskunde 
rettete.  Das  1890  mit  33800  d  dotierte  Gymnasium  erzielt  gleich  der  städtischen 
Knaben-  und  Mädchcn-Normalschule  gute  Resultate,  die,  vs'ie  allerorts  in  Serbien, 
nur  durch  die  endlosen  politischen  Wirren  beeinträchtigt  werden. 

Als  ich  am  2.  Oktober  1887  das  „Kaznem  zavod  pozarevacki"  besichtigte, 
klagte  sein  provisorischer  Direktor  Stojan  Dimitrijevic,  die  Räume  des  Kriminal- 
gefängnisses seien  für  die  rasch  wachsende  Sträflingszahl  längst  zu  enge.  In 
dieser,  in  einem  schönen  Garten  liegenden  ehemaligen  Milos'schen  Kaserne  büssen 
bis  zu  fünf  Jahren  Verurteilte  ihre  Strafe  in  guter  Luft  ab.  Man  zählte  eben 
129  Häftlinge,  darunter  einige  wegen  im  Jähzorn  verübten  Totschlages,  aber  auch 
viele  wegen  politischer  Vergehen.  Unter  diesen  sah  ich  den  zu  drei  Jahren 
verurteilten  Redakteur  des  radikalen  „Odjek",  ferner  den  Montenegriner  Rados 
Peplicevac  Pesivacki,  der  als  dobrovoljac  (Freiwilliger)  während  des  Türkenkrieges 
in  die  Hilfslegion  eingetreten,  später  nach  Jagodina  übersiedelte  und  von  dort 
1873  mit  einigen  Landsleuten  wegen  Wahlumtriebe  für  den  Radikalen  Tasa  Dzikic 


Von  Dubravica  über  Oraäje  nach  Pozarevac,  Ljubicevo  und  Kostolac.  169 

hierherkam.  Er  wollte  mich  1858  in  Montenegro  gesehen  haben  und  bat  mich 
um  ein  gutes  Wort  in  Belgrad.  Befremdend  wirkte  auf  mich  ein  komfortabel 
eingerichtetes  Zimmer,  in  dem  ein  wegen  Notzucht  verurteilter,  sich  aus  dem 
nahen  Gasthofe  verpflegender  Kaufmann  mir  Dulcas  (Kompott)  und  Likör  auf- 
warten wollte,  während  ich  arme  politische  Häftlinge  zu  fünfen  eine  Pritsche  in 
cngcni  Räume  teilen  sah.  Im  ganzen  werden  die  Gefangenen  human  behandelt, 
sie  bewegen  sich  viel  im  h'reien,  und  das  gerade  zur  Verteilung  gelangende  Brot, 
die  Gemüsesuppe  und  Fleischkost  fand  ich  gut. 

Arbeiten  die  Sträflinge  auf  nahen  Bauerngütern,  so  fällt  die  Hälfte  des 
Tagelohnes  ihnen  zu.  Im  Jahre  1874  erbauten  sie  das  abgesonderte  Landes- 
gefängnis für  schwere  weibliche  Verbrecher,  das  seit  jener  Zeit  von  Frau  Anna 
Sreplovic  (Schrepel)  aus  Chrudim  trefflich  verwaltet  wird.  Ich  betrat  zuerst  die 
Arbeitssäle  und  bewunderte  prächtige  Teppiche,  ganze  Stücke  schöner  Gespinste, 
bunte  Strümpfe  und  Stickereien,  verfertigt  von  denselben  Händen,  welche  den 
ungetreuen  Mann,  die  glücklichere  Rivalin  oder  das  eigene  Kind  getötet  hatten. 
Auch  hier  wird  der  Arbeitsgewinn  zwischen  der  Anstalt  und  den  Sträflingen 
geteilt,  welchen  das  vorgestreckte  Material  zum  Selbstkostenpreis  berechnet  wird. 
Unter  den  105  zu  schwerer  und  10  zu  leichter  Arbeit  verurteilten  Frauen  und 
Mädchen  befanden  sich  If)  Walachinnen,  was  prozentual  ihrer  Bevölkerungszahl 
in  Serbien  entspricht.  Die  Moral  steht  also  bei  den  serbischen  und  walachischen 
Frauen  auf  gleicher  Stufe.  Toller  Lärm  ertönte,  als  die  Zelle  geöffnet  wurde,  in 
der  mehrere  Zigeunerinnen  einquartiert  waren.  Sie  vermuteten  in  mir  wahrscheinlich 
eine  vielvermögende  Persönlichkeit,  versicherten  kreischend,  schreiend,  bittend 
mit  erhobenen  Händen,  sie  hätten  nichts  verbrochen  und  verl/ingten  ihre  Freiheit! 
In  mancher  Zelle  sah  ich  geradezu  abschreckende  Gesichter,  und  wieder  in  einigen 
solche,  denen  man  alles  eher  als  eine  schlechte  Tat  zugemutet  hatte.  Wie  die 
mäiinlit  hei)  tragen  auch  die  weiblichen  Sträflinge  ihre  eigenen  Kleider;  die  auffallend 
bunten  der  Zigeunerinnen  zeigten  oft  bedenkliche  Blossen;  doch  in  den  Balkan- 
ländern findet  man  darin  nichts  Anstössiges.  Mir  war  wieder  wohler,  als 
ich,  der  Direktorin  folgend,  ihre  „gute  Stube"  betrat  und  ihr  Töchtcriein,  die 
helle  Unschuld  aul  ikii  Wangen,  uns  mit  freundlichem  Grusse  selbstbereitete 
Krfrischungen  anbot. 

Die  beitlen  stark  beviilkeiteii  ( )el;mgnisse,  noch  mehr  aber  die  grosse  Nähe 
des  Staatsgutes  Ljubicevo,  aul  diiii  ,iik'  .Nibeit  dunli  /u  Kellenstrafe  verurteilte 
schwere  Verbrecher  verrichtet  wird,  machen  die  gri'issere  Garnison  in  Pozarevac 
notwendig.  Im  Herbst  1887  sah  ich  im  Südosten  der  Stadt  vier  in  Vollendung 
begriffene  Pavillons,  jeder  für  120  Maiui  mit  einem  Bau  für  die  Offiziere.  Jeder 
l'avillciM  iiilhall  vier  Säle,  welche  durch  vier  gleichzeitig  zu  Gewehrst.lndern  (Soäkc) 
benutzte  starke  F.isensäulen  geteilt  werden.  Die  800000  d  betragenden  Kt>slen 
nahmen  die  Bezirke  Pozarevac  unil  Morava  auf  sich;  die  Lage  des  grossen 
Kasernen-   und   llxer/ierfeldes  ist  trefflich  gewählt. 

Meine  Ausflüge  von  Pozarevac  eröffnete  ich  18li0,  auf  besonderen  Wunsch 
meines  verewigten  l'reimdes  Ami  Boue,  mit  einem  Rille  nach  dem  218  m  hohen, 
nach   S.    streichenden   tlorica-Plaleau,    lun    von   dort    das   Profil    des    serbischen 


170  Von  Uubravica  über  üraäjc  nach  Poiarcvac,  Ljubi£evo  und  Kostolac. 

Mittelgebirges  zu  zeichnen.  Von  diesem  Punkte  konnte  ich  nahezu  das  ganze  Hoch- 
land zwischen  der  Sava  und  Donau  übersehen.  Die  treffliche  Beleuchtung  begünstigte 
die  Aufnahme  der  im  1169  m  hohen  Slurac  kulminierenden  und  im  Avala  (565  m) 
im  N.  zur  Sava  abfallenden  Rudniker  Kette').  Die  von  mir  1887  wieder  besuchte 
lltihe  bildet  einen  Teil  des  gegen  Pozarevac  streichenden  Lignitkohlenbcckens, 
das  bei  Poljana  durch  Bailloni  &  Cie.  für  ihre  nahe  Dampfmühle  ausgebeutet 
wird.  Herr  Bailloni  erzählte  mir,  dass  seine  Bergleute  einen  Steinhammer  und 
antidiluviale  Tierknochen  ausgruben,  welche  er  dem  Belgrader  Museum  widmete. 
Diese  9  km  von  Pozarevac  entfernte  Mine  „Kamenac"  (10  Felder)  besitzt  zwei, 
je  1,4—1,75  m  mächtige,  im  Ton  eingebettete  Flözetagen,  aus  welchen  1895  mit 
einem  Schachte  und  über  1400  m  langen  Galerien  durch  11  Knappen  26371  q 
gefördert  wurden.  Die  Analyse  dieser  an  der  Grube  0.80  d  kostenden  Lignitkohle 
ergab:  C        50,22"  „,  H        3,72 »n,  Asche        9,29 "/„,  Kaloferen:  4300. 

Hin  zweiter  Ausflug  von  Pozarevac  galt  dem  nahen  Staatsgestüt  Ljubicevo. 
Unter  den  Bäumen  der  dahin  führenden  guten  Chaussee  lagerten  viele  serbische 
und  walachische  Bauern,  oft  mit  Weibern  und  Kindern,  welche  die  Sonntagsmusse 
zum  Besuche  ihrer  in  Lagerzelten  kampierenden  Sohne  benutzten.  Da  der  Boden 
fett  und  feucht,  gab  es  trotz  der  wasserdichten  Zelte  unter  den  jungen  Soldaten 
viele  Kranke.  Hornisten  und  Tambours  spielten  lustige  Weisen.  Es  fehlte  aber 
auch  nicht  an  städtischen  Spaziergängern  in  schattigen  Hainen. 

Ljubicevos  Staatsgestüt  begründete  Fürst  Alexander  Karadjordjevic  zu  Cuprija 
im  Jahre  1852  mit  6  Deckhengsten  und  50  Mutterstuten,  die  vom  Grafen  Bänffy 
um  63000  d  erworben  wurden.  Schon  1856  betrug  der  Stand  19  Hengste  und 
111  Stuten.  Im  April  1860  schenkte  Fürst  Milos  seinen  auf  6000  Dukaten 
geschätzten  Grundbesitz  „Morava"  bei  Pozarevac  dem  Lande  und  befahl  die 
Übersiedelung  des  Gestütes  dahin.  Der  Aufbau. der  Stallungen  erfolgte  derartig 
rasch,  dass  es  bereits  im  Spätherbst  zum  grösseren  Teile  sich  dort  befand; 
zu  Cuprija  blieb  nur  die  Filiale  „Dobricevo"  (Kap.  IX).  1862  wurde  der  Namen 
„Morava"  zu  Ehren  der  Fürstin  Ljubica  mit  „Ljubicevo"  vertauscht.  Der  Versuch, 
einen  Teil  des  Instituts  nach  Majdanpek  zu  verlegen  (1864 — 1866),  erwies  sich 
als  unpraktisch.  1868  zählte  das  Gestüt:  84  Deckhengste,  159  Mutterstuten  und 
259  Fohlen  von  1 — 4  Jahren.  Von  da  ab  verringerte  sich  sein  Stand  und  man 
strebte  nur  die  Vermehrung  der  Hengste  an.  Seine  resultatreichste  Wirksamkeit 
entfaltete  das  Institut,  als  es,  1869  dem  Kriegsminister  untergeordnet,  von  dem 
tüchtigen  Oberst  Horstig  bis  1876  geleitet  wurde.  Seit  1883  fiel  die  Oberleitung 
der  Gestüte  dem  Ministerium  für  Volkswirtschaft  zu,  in  dessen  Budget  sie  1886 
mit  einer  Ausgabe  von  154800  d,  1895  mit  178538  d  und  Einnahme  von 
19728  d  erscheinen. 

Als  ich  im  Oktober  1887  Ljubicevo  besuchte,  stand  es  unter  dem  in  Heidel- 
berg gebildeten  Direktor  Krsta  Petrovic  und  des  gleichfalls  in  Deutschland  erzogenen 
Gehilfen  Bojic.    Damals  besass  es:  125  Hengste,  49  Stuten,  141  1— 4jährige  Fohlen, 


')  Profils   de   montagnes   dessines   per  A\r.   F.   Kanitz  en  Servie  etc.  in  A.  Viquesnel, 
„Voyage  dans  la  Turquie  d'Europe",  Paris,  PI.  33. 


Von  Dubravica  über  Orasje  nach  Pozarevac,  Ljubicevo  und  Kostolac.  1 '  1 

teilweise  auf  der  nahen  Staatswiese  „Alija  beia  rei<a"  und  in  der  Filiale  „Dobricevo". 
Ich  sah  4 — 20jährige  edle  arabische,  englische  und  Siebenbürger  Zuchthengste. 
Die  letzteren  brachten  —  wie  Herr  Bojic  versicherte  —  „weil  mit  der  serbischen 
Rasse  verwandt",  die  besten  Ergebnisse.  Auch  die  1866  eingeführten,  später  lang 
vernachlässigten  „Perchöronhengste"  wollte  man  wieder  verwenden.  Von  den 
34  Beschälstationen  besass  1887  jeder  Kreis  mindestens  eine;  jene  von  Ljubicevo, 
Cuprija,  Zajecar,  Kruäevac,  Valjevo,  §abac  waren  die  besuchtesten.  Der 
Belegpreis  betrug  2.55  d;  jener  der  zwei  Algäuer  und  Mürztaler  Zuchtstiere 
2  d.  Im  Juni  1897  war  der  Gestütstand:  ältere  Hengste  161,  vierjährige  20, 
76  heuerige,  ein-,  zwei-  und  dreijährige;  457  Stuten,  51  Stiere  und  Kühe, 
74  Arbeitsochsen. 

Nicht  verschweigen  will  ich,  dass  die  Staatsgestüte  seitens  der  serbischen 
Fachkreise  zuletzt  heftig  kritisiert  wurden.  Nach  mir  gewordener  privater  Mitteilung 
wird  namentlich  gerügt:  Es  bestünden  keine  fachmännischen  Vorschriften  für  die 
Behandlung  der  Zuchtpferde,  kein  geschultes  Personal,  kein  Zuchtprinzip,  kein 
rationeller  Vorgang  bei  Einkäufen  der  Zuchttiere,  die  angekauften  Hengste  seien 
qualitativ  schlechter  als  die  aus  Fürst  A^ihails  Zeit  (1862)  stammenden  Abkömm- 
linge; es  gäbe  (1897)  kein  einziges  arabisches  Tier,  was  für  den  serbischen 
Landschlag  so  wichtig  wäre;  dagegen  für  diesen  ganz  ungeeignete  englische  Voll- 
und  Halbblulhengste  schlechter  Klasse!  Ferner  sei  die  Gestütsdomäne  in  10,  ihre 
Administration  erschwerende  und  verteuernde  Güter  zersplittert,  teilweise  in  tiefer, 
feuchter,  ungesunder,  die  Hufbildung  benachteiligender  Lage  mit  überwiegend  den 
Pferden  schädlichen  saueren  Gräsern.  Am  meisten  wird  hervorgehoben:  Die  Zahl 
von  160  Hengsten  sei  viel  zu  klein  für  die  vierjährigen  und  älteren  64000  Stuten 
im  Lande,  und  dass  die  herangewachsenen  jungen  Tiere  keinem  Probe-Training 
unterzogen  wiirilcn.  Die  mit  Privaistutcn  gepaarten  Gestütshengste  gäben  auffallend 
wenig  Fohlen,  durchschnittlich  nur  20  für  100  belegte  Stuten!  Ich  überlasse  es 
dem  objektiven  fachmännischen  Urteil,  wie  weit  diese  schweren  Vorwürfe  gegen 
die  Leitung  der  serbischen  Haras  gerechtfertigt  sind  und  verweise  auf  die  im 
III.  Bande  (Kap.  X)  erörterte  Wirksamkeit  der  „Kolo  jahaCa". 

Ein  grosser  Teil  der  Ljubicevoer  1272  Hektaren  Landbesitz  dient  zur 
Aufzucht  feiner  Gemüse,  Futtersorten,  Handelspflanzen  usw.,  ebenso  zu  Dobricevo. 
Die  Veredelungsversiiclie  unifassten  auch  Körnerfrüchte,  Kartoffeln,  Weinreben  u.  a. 
Dreijährige  Setzlinge  von  Ananas-Aprikosen  wuriien  zu  0.80  d,  von  Mispeln  zu  0.50  d 
abgegeben  und  gleich  billig  Äpfel-,  Birnen-  und  Zwelschkensorten.  Am  trefflichsten 
geeignet  zur  Vereilelung  zeigten  sich  die  aus  der  Türkenzeit  stammenden  Obstbäume 
des  Sabacer  Kreises.  Wenig  verlangt  waren  feinere  GemUsesamen,  dagegen  wurden 
15000  Pflanzen  von  15  Sorten  türkischen  und  amerikanischen  Tabaks  verteilt. 
Die  Anstalt  bemühte  sich  auch  für  ilen  Absatz  verbesserter  Ackergeräte,  von 
welchen  sie  eine  reiche  iWndcllsammlung  besitzt.  Das  seit  der  Begründung  dem 
Staate  bedeutende  Summen  kostende  Ljubii^evo  brächte  zweifellos  dem  Lande 
erlieblicheren  Nutzen,  würden  nicht  seine  Direktoren  und  demzufolge  die  leitenden 
Prinzipien  so  häufig  gewechselt.  Im  letzten  Decennium  folgten  sich  6  Direktoren, 
von   welchen   einige   nur   wenige   Monate   blieben. 


1"-  Von  DiibrnvJL't'i  über  OraSjc  nach  Poiarevac,  Ljubitcvo  und  Kostolac. 

Die  cinnchende  BesichliKuriK,  welche  ich  in  BeKleitunf{  der  Direktoren 
Ljubiöevo  widmete,  hessen  seine  114  Zwan^sarbeitssträfhnKe  glauben,  ich  sei 
ein  von  Belfernd  abgesendeter  ReKierungskommissar,  und  dies  führte  zu  einer 
aufrej^enden  Scene.  Plötzlich  umrinfiten  uns  viele  in  Ketten  ^;eschmiedete  „robiaSi", 
klagten  über  die  ungenügende  Nahrung  und  zeigten  ihre  schlecht  verzinnten 
Kessel,  durch  welche  viele  erkrankt  wären.  Die  Beamten  und  Wächter  suchten 
die  meist  wegen  Raubs  und  Totschlags  verurteilten,  wenig  sympathisch  aussehenden 
Exzedenten  von  mir  abzuwehren.  Ich  vergass  den  peinlichen  Eindruck  erst  während 
der  Besichtigung  der  20  Minuten  fernen  Morava-Pontonbrücke,  deren  befestigten 
Kopf  die  zu  ihrer  Instandhaltung  exponierten  Geniesoldaten  zur  Übung  mit  Schanzen, 
Brustwehren  usw.  umgeben  hatten.  Die  trefflichen  Arbeiten  verschwanden  durch 
den  Bau  der  seither  dort  ausgeführten  stabilen  Brücke  mit  drei  Öffnungen  und 
EisenkonstruktioM,  welche  691000  d   kostete. 

Ljubicevo  umgibt  ein  prachtvoller  Naturpark,  in  dem  namentlich  Fürstin 
Ljubica  mit  Vorliebe  weilte.  Auch  Miloä  vergnügte  sich  gern  hier,  von  seinen 
vielfachen  Geschäften  ausruhend,  unter  den  mächtigen  Buchen  und  Eichen,  in  den 
von  Nachtigallensang  erfüllten  Gehölzen,  wenn  bei  dem  seinen  Namen  tragenden 
Brunnen  der  mit  Fahnen  und  Trommelschall  ausziehende  Nachwuchs  von  Pozarevac 
mit  Sacklaufeti  und  anderen  Spielen  den  ersten  Maitag  feierten,  worauf  ihn  der 
Fürst  bewirtete.  Gern  nahm  ich  in  der  seitdem  in  ein  gutes  Gasthaus  „Zum 
Ross"  verwandelten  Mehana  das  mir  von  den  Beamten  gebotene  Souper  an,  bei 
dem  wir  in  Toasten  auf  die  von  ihnen  geleitete  Anstalt  auch  ihres  Förderers 
Milos  und  der  „Obersennerin"  Ljubica  gedachten,  die  hier  in  Wald  und  Garten, 
zwischen  Viehherden  und  Bienenständen  einst  ordnend  waltete.  Da  der  Fürst 
oft  lang  im  fernen  Kragujevac  verweilte,  fand  sie  volle  Müsse,  ihrer  Wirtschaft 
bis  ins  kleinste  vorzustehen.  Sie  beschäftigte  sich  mit  allem,  was  einer  schlichten 
Serbenfrau  im  Hause  zufällt.  Sie  spann,  buk  Brot,  sott  Pflaumenmus  ein,  sah 
selbst  in  Stall  und  Feld  nach,  sorgte  auch,  dass  die  den  Fürsten  nach  Pozarevac 
begleitenden  Beamten  gut  verpflegt  wurden.  Diese  erhielten  Wein,  Raki  und 
Wermut  in  Fülle  vorgesetzt;  doch  Champagner,  Tokayer  und  andere  edle  Weine 
sparte  die  treffliche  Hausfrau  für  vornehme  Besucher,  an  welchen  es  nie  fehlte. 
Der  hier  die  Fürstin  mit  ihren  Söhnen  Milan  und  Mihail  am  30.  August  1835 
treffende  Ober-Berghauptmann  Baron  Herder  wurde  von  ihr  „sehr  gnädig  auf- 
genommen und  zur  Mittagstafel  gezogen".  War  der  Fürst  anwesend,  bediente 
sie  ihn  nach  alter  Landessitte  persönlich  bei  Tische,  ohne  selbst  an  der  Mahlzeit 
teilzunehmen. 

Der  einstige  Finanzminister  und  spätere  Regent  Gavrilovic  erzählte  mir 
viele  intime  Details  aus  Milos'  Privatleben  und  schilderte  anziehend  einen  als 
Sekretär  im  Pozarevacer  Konak  gefeierten  Weihnachtsabend.  Zur  Erinnerung  an 
die  schlichte  Krippe,  in  welcher  Christus  geboren  wurde,  war  der  Estrich  im 
grossen  Wohnraum  mit  Stroh  bestreut,  ebenso  der  Kolac  (Weihnachtsbrot),  auf 
dessen  Mitte  im  Kreuzzeichen  eine  brennende  Wachskerze  steckte.  Der  Fürst 
nahm  den  Ehrensitz  ein.  Er  trug  eine  gelbtuchene  Husarenjacke,  benäht  mit 
Goldknöpfen   und   echten  Perlen,   hellblaue,   mit   Goldborten   besetzte   Kniehosen, 


Von  Dubravica  über  Oraäje  nach  Poüarevac,  Ljubicevo  und  Knstolac.  173 

einen  breiten  Gürtelschal  und  ein  kleines  rotes  Fez.  Hinter  ihm  standen  zwei 
Momken  und  ein  junges  Mädchen  zur  Bedienung.  Rechts  und  links  sassen  seine 
Söhne,  neben  diesen  Aleksa  Simic  und  die  Schreiber  —  am  unteren  Tischende  die 
Fürstin.  Von  den  durch  Momken  herbeigebrachten  Schüsseln  nahm  der  Fürst  zuerst, 
zuletzt  seine  Frau!  Während  desSpeisens  erzählte  Milo§  aus  seiner  Jugend  von  einem 
mondsüchtigen  Gefährten,  der  mit  ihm  auf  dem  Zlatibor  Hirte  war,  im  Halbschlaf 
des  Nachts  seine  Schafe  zur  Weide  trieb,  zurückbrachte,  sodann  weiterschlief  und 
von  alledem  am  nächsten  Morgen  nichts  wusste;  ferner,  wie  er  selbst,  als  Dienst- 
bursche des  Befehlshabers  der  Cuprijaer  Schanzen,  diesen,  ohne  die  Gefahr  zu 
ahnen,  in  der  Pestkrankheit  gepflegt  habe  usw.  Nach  beendetem  Mahle  ergriff  der 
Fürst  sein  Glas  zum  Trinkspruch:  „Möge  Gott  dem  Serbenvolk  helfen,  dass  es  den 
morgigen  allerheiligsten  Weihnachtstag  in  Gesundheit  und  Fröhlichkeit  verlebe! 
Mögen  aber  auch  wir,  dieses  frohe  Fest  heute  frei  und  glücklich  Feiernde,  unserer 
Brüder  gedenken,  die,  noch  unter  dem  Türkenjoch  schmachtend,  es  nicht  heute  fröh- 
lich verbringen!"    Die  letzten  Worte  sprach  Miloä  mit  alle  tief  ergreifender  Rührung. 

Seine  häufigen  Reisen  von  Kragujevac  machte  Fürst  Miloä  am  liebsten  zu 
Pferde.  Den  in  einiger  Entfernung  folgenden,  ausschliesslich  für  ihn  bestimmten 
Wagen  benutzte  er  nur,  wenn  es  heftig  regnete;  Sekretäre  und  Trossleute  wurden 
dann  auf  die  Haut  durchnässt.  Zwei  Momken  eröffneten  den  Zug,  der  Fürst 
folgte;  ein  Saumpferd  trug  den  Kanzlei-  und  Schreibapparat;  andere  das  Gepäck. 
Wollte  der  Fürst  eine  ihm  plötzlich  einfallende  Anordnung  geben  oder  empfing 
er  unterwegs  eine  sofortige  Beantwortung  fordernde  Nachricht,  rief  er  einen  der 
Sekretäre,  welcher  dann  auf  dem  Rücken  eines  Dieners  sein  Diktat  niederschrieb, 
die  Depesche  siegelte  und  einem  Kurier  übergab.  Da  Milo5  zur  Schonung  der 
Pferde  sein  Gefolge  bei  jeder  Wegsenkung  absitzen  liess,  ging  es  langsam  vorwärts. 
Von  Kragujevac  nach  Pozarevac  brauchte  man  vier  Tage,  wobei  in  Batoöina, 
Svilajnac  und  einem  Zwischendorf  genächtigt  wurde. 

Graf  Marsigli  glaubte,  dass  Pozarevac  auf  der  Stelle  des  römischen  Muni- 
cipiums  stehe,  wahrscheinlich,  weil  er  dort  viele  antike  Reste  sah.  Er  irrte. 
Dort  staiul  nur  ein  kleines  Werk;  sonst  stammt  aber  gewiss  noch  alles,  was  früher 
und  jetzt  in  der  Stadt  von  Rönierwerken  vorhanden,  aus  den  nahen  Ruinenstätten 
der  civitas  Margus  unti  oberniöslsciien  llauiitstadt  Viminaciuni.  I8ti0  traf  ich 
auf  dem  Hauptplatz  einen  /um  Wassertrog  degradierten  Sarkophag  mit  Spuren 
einstigen  Figurenschmuckes  en  relief,  im  Hause  des  Mito  Popovic  eine  weibliche 
Gewandstatue  neben  Säulenstämmen  von  2,85  m  Länge  und  0,70  m  Durchmesser, 
ferner  allerorts  zerstreute  Ziegel  mit  dem  Stempel:  Leg.  VII.  Cl.  Bei  meinem  letzten 
Besuch  sah  ich  vor  eiiiein  l'rivathause  eine  riesige  Säule  aus  einem  Stücke 
Porphyr,  und  in  der  Sammlung  ties  Kohlenbaubesitzers  Josef  Jeckel  ausser  prächtig 
erhaltenen  röniischen  und  by/antinisilu'ii  j\\iiii/en  von  iülehnelall  goldene  Arm- 
ringe und  liluln  von  ausserorilenllii  her  Schönheit,  Beinnadeln,  römische  Deckziegcl 
mit  Inschriften,  Bleiröhren  usw.,  die  insgesamt  gleichfalls  in  Margus  oder  Viminaciuni 
gefuiulen  wurden. 

Der  Wunsch,  Viminaciums  Reste  kennen  /u  lernen,  uni  welchen  sich,  seit 
Marsigli  dieselben  besuchte  unil  .Wcdovie''  von  einem  dort  aufgehnulenen  Votivslein 


I "  I  Von  DiibravicJi  über  Ornftjc  nach  Poiarevac,  Ljubi£evo  und  Kostolac. 

erzilhlte,  iiiL'inand  weiter  wissenschaftlich  beschäftij^t  hatte,  (tihrte  mich  im  Mai  1866 
und  wieder  im  Oktober  1887  dahin.  Die  Strasse  nach  dem  10  Millien  von  Marf^us 
fernen  Viniinacium  läuft  von  Pozarevac  über  dessen  niederen  zur  Donau  streichenden 
Diluvialrücken.  Bei  dem  grossen,  149  Hcluser  zahlenden  Bradarac  setzte  ich 
;iiil  t^iit  gezimmerter  Brücke  über  die  mit  ihm  parallel  laufende  MIava.  Ein  ehe- 
niali(,'es,  deni  hl.  Ilija  f^eweihtes  Klostcrkirchlein  „Rukomija"  mit  wundertätiger 
Quelle  zieht  viele  Kranke  nach  diesem  hübschen  Dorfe.  Seine  weiss-  und 
rotmarmornen,  verschieden  geformten  Grabsteine  unter  fremdartigen  bunten  Kiosk- 
bauten, gemcn).;t  mit  bizarr  j^eschnitzten  hohen  Kreuzen,  lassen  uns  dort  halten 
und  auch    das   in    vielen    Höfen    auff^eschichtete,   aus   Kostolac  stammende   antike 


KOSTOLAC-VIMINACIUM.    Relief-Standbild  im  Popenhaus. 


Baumaterial  nuistern.  Im  foI<^enden  Drmno  stiess  ich  auf  die  ersten  Denkmale 
von  Viminaciums  bis  dorthin  sich  ausdehnender  Nekropole.  Diese  4  km  von  der 
MIavamündung  entfernten  antiken  Reste  bekundeten,  wie  weit  sich  das  Territorium 
der  mösischen  Kapitale  vom  Donaurand  gegen  Süden  erstreckt  hatte. 

Die  Feststellung  des  in  allen  römischen  Itinerarien  10  Millien  von  Margus  ent- 
fernten, im  ersten  Trajanschcn  Dakerfeldzug  hervorragend  genannten  X'iminaciums 
beschäftigte  schon  vor  langer  Zeit  lebhaft  die  Historiker  und  Geographen.  Gestützt 
auf  das  zutreffende  Mass  und  die  von  Marsigli  gelieferte  archäologische  Grundlage 
wurde  es  von  allen  hervorragenden  Forschern,  mit  Ausnahme  von  d'Anville,  der 
es   bei  Ram   suchte,   in  den  Ruinen   zu  Kostolac   an   der  MIavamündung  erkannt. 

In  diesem  bald  erreichten  grossen  Dorfe  machte  ich  im  Popenhaus  die 
erste  interessante  Entdeckung.  Von  zwei  in  die  Mauer  eingefügten  Steinreliefs 
zeigte  ein  0,50  ni  hohes  und  0,45  m  breites  die  Patronin  des  „Municipium  Aelium 
Viminacium",  denn  seine  weibliche  Figur  in  faltigem  Gewände,  welche  die  rechte 
Hand    über    einen    Stier,    die    linke    über    einen    Li'nven   segnend   ausbreitet,    war 


Von  Dubravica  über  Orasje  nach  Po2arevac,  Ljubicevo  und  Kostolac.  l"ö 

vollkommen  identisch  mit  jener  auf  ihren  Münzen.  Das  zweite  0,35  m  hohe, 
0,24  m  breite  Relief  stellte  eine  wenig  künstlerisch  behandelte  Viktoria  mit 
emporgehaltenem  Kranze  dar.  Beide  Skulpturen  hatten  stark  gelitten.  Während 
ich  sie  zeichnete,  fanden  sich  viele'  Dorfinsassen  ein,  die,  anfangs  zurückhaltend, 
durch  meine  allgemeines  Staunen  erregenden  Aufschlüsse  über  ihr  hohes  Alter 
zutraulicher  wurden.  Vaso  Stojcevic  lud  mich  in  sein  Haus,  wo  ich  neben  Ziegeln 
von  40  cm  Länge  und  30  cm  Breite  mit  dem  umrandeten  Stempel:  Leg.  V'll.  CL. '), 
ein  Produkt  rüniischer  Töpferei  von  ganz  ungewöhnlicher  Form  erblickte,  das  zum 
Einlasse  erwärmter  Luft,  zur  Ventilation  oder  Erleuchtung  eines  Baderaumes  gedient 
haben  mochte.-)     Bei  einem  Besitzer  vieler   „geschriebener  Steine"   sah   ich    nur 


KOSTOLAC-VIMINACllIM,  Vikl.iriii-Helicl  im  Popenhaus. 

Deckplatten  und  Ziege!  mit  verschiedenen  Fabrikslempeln.  dann  leilc  keramischer 
Mosaikböden,  tlie  bei  aller  I'infaclilicit  ihrer  geometrischen  Motive  eine  prächtige 
Wirkung  erzielten.  Allenirts  hm  man  mir  Münzen,  kleine  Idole  von  Bronze, 
Fibeln,  Armringe,  Nadeln,  (Irablampen,  Tränenfläschchen  usw.  an.  Die  Preise 
waren  jedoch  so  hoch,  dass  ich  nur  einige  Stücke  erwarb.  Von  Inschriften  waren 
leider  nur  l-ragmente  erhalten;  der  allgemein  verbreitete  Glaube,  dass  „geschriebene 
Steine"   wertvolle  Schätze  bergen,  überliefert  sie  meistens  der  \'ernichtung. 


')  C.  I.  L.  III,  Siippl.  I"asc.  II,  No.  8275,  wo  .iiich  sieben  anilcre  Stempel  erscheinen. 

')  Meine  Ahhikliuiucn  dieses  Olijektes,  der  beiden  Reliefs,  einer  weiblichen  Figur 
und  zweier  InschrKteu  in  den  Milteil.  der  k.  k.  Zenlr.-Koinui.  z.  Krforsch.  u.  F.rh.ilt.  d.  Bau- 
denkniale,  Jahr«-  XII,  wurden  seither  ilurch  weitere  Publikationen  im  „Starinar"  und  zulet/l 
durch  Dr.  v.  I'remersteins  schon  erwähnten  Reiseberichte  vervollstiindiKt. 


i7f; 


Von  Diihravica  über  Oraijc  nach  PoJarevac,  LjubiCevo  und  Kostolac. 


[)cm  Mlavalaufc  folucnd,  erreichte  ich  auf  ihrem  rechten  Ufer  zwischen 
Maiskulturun,  Maulhecrpflaii/unnen  und  Wiesenland  die  Hauptfundstätte  von 
Kostolac.  Nicht  weriij^  üherrasclile  mich  der  j^rosse  Klüchenraum,  welchen  die 
in  der  lihene  sich  ausbreitende  civitas  von  Viminacium  bedeckt  hatte.  Nach  einer 
im  Auftrage  des  Pozarevacer  Naöelstvo  aufj^enommenen  f^lanskizze  beträft 
derselbe  für  die  rechtsuferi^e  Stadt  allein  von  SO.  neuen  NW.  1600  m  LäuKC,  bei 
einer  durchschnittlichen  Breite  von  450—600  m.  Überall  sah  ich  grosse  Mengen 
ausgegrabener,  zur  Verladung  vorbereiteter  Baumaterialien.  Es  sollen  in  neuerer 
Zeit  4000  Wagen  voll  Ziegeln  und  Steinen  zum  Durchschnittspreis  von  2  — 3  d 
weggeführt  worden  sein.    Quadratische  Ziegel  grüssten  f-'ormats,  die  zur  Pflasterung 


K  O  S  T  O  L  A  C  -  V I  M I N  A  C  1  U  M ,  Weibliche  Statue. 


von  Hausfluren  hestininiten   „Kostoiacka",  werden  in  Pozarevac  mit  20 — 30  Para 
(10 — 15  Kreuzer)  per  Stück  bezahlt. 

Die  planlose  Durchwühlung  der  weiten  Ruinenstätte  gestaltet  ihre  topo- 
graphische Detailaufnahme  schwierig.  So  viel  Baumaterial  die  alte  Donaukapitale 
für  byzantinische  und  bulgarische  Burgen,  für  serbische  Schlösser  und  Kirchen 
geliefert,  ist  im  östlichen  Weichbilde  aber  doch  ein  von  der  übrigen  Stadt  fest 
abgegrenzter  Teil  zu  erkennen,  der,  wahrscheinlich  mit  Mauern  umgeben,  sie  gegen 
Osten  deckte.  Auch  treten  die  Fundamente  zahlreicher  Bauten,  die  Reste  einer 
vom  15  Alillien  fernen  Lipovacberg  herabziehenden  Wasserleitung  und  mehrere 
Zisternen  deutlich  hervor.  Allerorts  stiess  ich  auf  Architrave,  Friesstücke,  Säulen, 
Sockel  und  oft  3  m  lange,  0,5  m  starke  Werkstücke,  welche  den  monumentalen 
Gebäuden  im  nordwestlichen  Stadtteil  angehörten,   in    dem   auch  die  Reste  eines 


Von  Dubravica  über  Orazje  nach  Poiarevac,  Ljubicevo  und  Kostolac.  177 

kleineren  und  grösseren  Bades  erhalten  blieben.  Eine  dort  in  der  ,jama'  aus- 
gegrabene weibliche  Statue  wanderte  nach  Pozarevac  in  das  Haus  des  Mito 
Popovic,  wo  ich  sie  mit  3  rn  langen  Säulenstämmen  sah  und  zeichnete.  Zwei 
andere  weibliche  Statuen  aus  Kostolac  gelangten  schon  vor  1860  in  das  Belgrader 
Museum,  von  diesen  wurde  eine  1,70  m  hohe,  mit  sehr  edlem  Faltenwurf, 
abgebildet.') 

Das  die  Stadt  beherrschende  und  verteidigende  Castrum  stand  auf  dem  zur 
Donau  von  S.  nach  N.  ziehenden  schmalen  Diluvialrücken  des  linken  Mlavaufers,  das 
mit  dem  rechten  durch  eine  Brücke  verbunden  war,  deren  Steinpfeiler  bei  niedrigem 
Wasserstand  sichtbar  werden.  Der  quadratische  Grundriss  des  Kastells  mit  rund 
vorspringenden  Ecktürmen  von  3  m  Mauerstärke  ist  deutlich  erkennbar,  ebenso 
die  Rudimente  von  Bauten  in  und  südlich  von  demselben.  Im  Mai  1866  war 
ich  Zeuge,  wie  dort  mit  denkbar  primitivsten  Hebewerkzeugen  eine  riesige  Tumba 
von  graiiitartigeni  Pcirphyr  zu  Tage  geschafft  wurde,  deren  schwere  Decke  man 
schon  früher  spaltete,  um  leichter  und  rascher  zum  erhofften  Schatz  zu  gelangen. 
Der  weder  Zier  noch  Inschrift  tragende  Sarkophag  wurde  als  Brunnentrog  nach 
dem  nahen  Mijailovac  verkauft.  Gewöhnlich  liegen  die  Grabstätten  zu  Viminacium 
in  1,5  m  Tiefe,  und  bei  vielen  sind  sie  ausgemauert.  Selten  sind  Doppel-  und 
Familiengrüfte  niit  niehrercii,  dann  meist  gewölbten  Räumen,  in  welchen  die 
Bestatteten  in  Särgen  oder  Tumben  von  Marmor,  Granit,  Ton,  Blei  usw.  mit  mehr 
oder  minder  reichen  Beigaben  beigesetzt  wurden.  Einzelne  Grüfte  waren  mit 
Fresken  geschmückt.  Man  darf  sagen,  dass  auch  Viminaciums  ausgedehnte 
po'iiphafte  Nekropolen  seinen  hohen  Rang  unter  Mösiens  Städten  bezeugen. 

Diese  mit  vielen  hier  weggelassenen  Details,  Illustrationen  und  Plänen  schon 
1867  gegebene  Schilderung  der  Reste  von  Viminacium  und  die  von  Mommsen 
piihli/leiten  Inschriften-)  waren  in  der  Hauptsache  alles,  was  man  bis  1882  von 
der  obermosischen  Kapitale  wusste.  Erst  in  jenem  Jahre  erinnerte  man  sich  in 
Belgrad  der  von  mir  eindringlich  gegebenen  Anregung  ■)  und  sandte  Herrn  Valtrovic 
zu  Ausgrabungen  nach  Kostolac.  Volt  Begierde,  ihre  Resultate  kennen  zu  lernen, 
besuchte  ich  mit  dem  Kreisingenieur  Cermak  am  4.  Oktober  1887  zunächst  das 
Popenhaus,  in  dem  ich  so  ziemlich  alles  schon  im  J.  1866  Gesehene  wiederfand. 
Dieselben  Reliefs  und  wieder  riesige  Haufen  ausgegrabenen  Baumaterials  im  Hofe. 
Neu  waren  eine  stark  verstünimelie  Nemesis  mit  Inschrift ,  eine  leider  halb 
gespaltene  prächtige  Gewaiulstalue  und  mehrere  Inscliriftsteine,  welche  Torma 
und  Domaszewski  bereits  nntteillen.  Der  alle  F'ope  war  gestorben  und  erhielt 
in  seinem  Sohn,  der  sich  meines  ersten  Besuches  gut  erinnerte,  einen  gleich 
schlauen  Nachfolger.  Er  versicherte,  der  Antiquilätenhandel  habe  ganz  aufgehört, 
er  besitze  nur  einen  Beutel  mit  werllosen  Münzen,  und  klagte,  dass  seui  durch 
die    gesimkenen    Gelreidepreise    und    höheren    Steuern    herabgekommenes    Dorf, 

•)  Anli.-ei.iur.  Mitl.,  IUI.  XIII. 

»)  C  I  I.  IM,  No.  IMO-ir).")«),  darunter  5  (ucKonw.'irliK  in  Smcdcrevo),  2  (jel/t  in  Poia- 
revac),   1   (Vdii  KiiliO);  in  Add.  ad  N(i.  KM'.)  -!(>.'>  1,   ItiM  und  (nacli  Kanit/)  (>;«X).  (V;«)l. 

')  Milteil.  d.  k.  k.  Zcnlr.-Kiiinm.  z.  Krf.  u.  lirh.  d.  Handinkmale.  XII. Jahr«.,  und  Sorhien, 
•107      l'JI. 

l-,   KANITZ,   Serbien.     I.  '"-^ 


178  Vriti  Diibravica  über  OraSjc  nach  F'oiarevac,  Ljubifevo  und  Kostolac. 

trotz  der  212  Hiluser  und  1260  Bewohner,  kein  eincncs  Gotteshaus  bauen  könne  (?), 
sondern  auf  das  Kukoniija-Kirclilein  (S.   174)  anj;ewiesen  sei. 

Auf  meine  Fraj^e  nach  dem  Sarkophajj  von  Ürmno  begleitete  uns  der  Pupe 
zum  Gehöfte  des  Zigeuners  2ivan  Vasid- '),  wo  ich  ihn  ohne  Decke,  mit  ver- 
stümmeltem Reliefschmuck,  von  einer  ju>;endlichen  Schweineschar  bewohnt  fand. 
Leider  hatte  sich  niemand  für  das  prachti^^e  Skulplurwerk  interessiert,  dessen  Übcr- 
traj^unt;  nach  IJelf^rad  ich  seit  lHfj7  wiederholt  empfahl,  lirst  nachdem  ich  1892 
erneuert  in  iiitinen  „Römischen  Studien"  diese  Unterlassung  rügte,  fand  ich  ihn 
1897  im  Hel^^rader  Lapidarium,  das  seither  keine  wertvollere  Skulptur  von  Kostolac 
erhielt.  Der  nach  mir  Viminacium  besuchende  Franz  Cumont  erkannte  ^''-'''-''i'a'ls 
den  hohen  Wert  des  „Drmnoer  Sarkophags",  hielt  jedoch  denselben  für  bisher 
unbekannt,  was  um  so  auffälliger,  weil  er  an  anderer  Stelle  meine  „Römischen 
Studien  in  Serbien"  zitierte,  in  welchen  auf  seine  von  mir  schon  1867  veröffentlichte 
SchikkTunfi  verwiesen  wird.  Diese  foif^t  hier  mit  einzelnen  Figuren-  und  Ornament- 
proben nacli  meinen  Zeichnungen  uiui  kurzer  Berichtigung  der  Cumontschen, 
teilweise  ganz  irrigen  Auffassung  der  in  den  Hautreliefs  erscheinenden  Figuren 
und  ihrer  Attribute.     Ich  schrieb: 

„Unfern  Drmno,  bei  einem  Hügel  mit  gewölbten  Kammern  eines  römischen 
Coemeteriums,  fand  ich  einen  Sarkophag  mit  Rclieffiguren  von  so  vollendeter 
Schönheit,  wie  ich  in  Serbien  nichts  Ähnliches  aus  der  Römerzeit  gesehen  habe. 
Im  allgemeinen  sind  die  dort  aufgefundenen  antiken  Skulpturen  mehr  oder  minder 
primitiv,  SL'hematisch,  ohne  feinere  Durchbildung  der  Formen  un'd  Individualisierung 
des  geistigen  Ausdrucks.  Ganz  anders  der  Sarkophag  von  Drmno.  Hier  stand 
ich  vor  eihem  Kunstwerk,  das  jedem  Museum  zum  Schmucke  gereichen  musste. 
Die  Tumba  aus  schönem  harten  Material,  7'  3'/o"  lang,  3'  8"  breit,  3'  hoch,  war 
ihrem  allegorischen  Schmucke  nach  zur  Verewigung  eines  Kriegers  von  hohen 
militärischen  Tugenden  bestimmt.  Sein  Name  ist  uns  nicht  erhalten:  denn  merk- 
würdigerweise blieb  das  von  einem  Ornamentrahmen  umgrenzte  Inschriftfeld  der 
Langseite  unausgefüllt. 

Trefflich  gewählt  sind  die  von  dem  Künstler  gebrauchten  Bilder.  Im  linken 
Seitenfcld  erscheint  Jason-),  mit  der  reciiten  Hand  eine  nach  unten  gekehrte 
Lanze,  in  der  erhobenen  Linken  das  erbeutete  goldene  Vliess  haltend;  die  über- 
wundenen Gefahren  scheint  eine  um  einen  Lorbeerbaum  sich  windende  Schlange 
anzudeuten.  Die  Figur  ist  voll  Adel  und  Anmut  in  der  Konzeption,  voll  Energie 
im  Ausdruck  und  von  vollendeter  Formschönheit.  Mit  ihr  wetteifert  in  schwung- 
voller Kümpositit)n  und  edler  Durcharbeitung  im  rechten  Seitenfelde  die  nicht 
minder  gelungene  des  Perseus.  In  rhytiimisclier  Zusammenstimmung  der  Haupt- 
linien mit  der  gegenüberstehenden  lässt  der  Künstler  dessen  rechte  Hand  das 
Haupt   der   Medusa   hoch   emporhalten,   während    die   Linke   das  blanke  Schwert 

•)  Es  ist  dersellie  „Schivan  Vasin"  zu  „Drimo"  (Drmno).  bei  dem  Franz  Cumont  1893 
den  Sarkophag  sah  und  das  Bruchstück  eines  Mithrasreliefs  envarb. 

-)  Auch  Benndorf,  der  Herausgeber  d.  Arch.-cpigraph.  Mitteilungen,  Bd.  X\'ll,  28  ff. 
1894,  erkannte  in  eingeschalteter  Bemerkung  zum  Cumontschen,  von  missglückten  photogr. 
Aufnalimen  begleiteten  Artikel  den  durch  das  Vliess  charakterisierten  |ason. 


Von  Dubravica  über  Orasje  nach  Poiarevac,  Ljubicevo  und  Kostolac. 


179 


hält.  Zu  den  Füssen  des  Heros  liegt  eines  jener  phantastischen  Ungetüme  (kein 
Delphin),  wie  sie  des  aus  dem  verspritzten  Blute  der  Medusa  hervorgegangenen 
grossen  Chrysaors  Tochter  lichidna  mit  Typhaon,  dem  unbändigen  Winde  in 
Arima,  tief  unter  der  Erde  zeugte.  Wird  in  Jason  die  waghalsige,  von  Erfolg 
gekrönte  Unternehmungslust  personifiziert,  so  sehen  wir  in  Perseus  die  Besiegung 
der  wilden,  ungebändigten  Naturkräfte  durch  den  mit  göttlicher  Kraft  ausgestatteten 
Sohn  der  Danae  verherrlicht. 

An  diese  klassischen  Heroentypen  reiht  sich  im  Mittelfelde  der  linken 
Schmalseite  Herakles  an,  welchen  ich  in  dem  mit  einer  Löwenhaut  bekleideten, 
mit  einer  Schlange  ringenden  Kämpfer  zu  erkennen  glaube.  „Mit  glühenden 
Pfeilen  nach  ihr  schiessend,  zwang  er  sie,  aus  ihrer  Höhle  hervorzugehen,  und 
ergriff  sie  dann  mit  riesigem  Arm."     Diesem  Mythos  entsprechend,  erscheint  die 


VIMINACIIJM,   Sarkiiplian  vim  Drrnno:  Jason,  Pcrscus,  Herakles,  Viktoria  und  Ornaincntschmuckprobcn. 


lernäische  Schlange  um  den  Ann  des  Kämpfers  geringelt.  Leider  sind  Kopf  und 
Hände  desselben  sehr  beschädigt,  was  die  zuverlässige  Bestimmung  erschwert. 
(Keinesfalls  ist  es  aber  ein  „Satyr"  mit  Pferdeschweif  und  zwei  Schlangen,  wie 
Cumont  meint.) 

Sein  gelitten  hat  aiuli  die  weibliche  l-'igur  im  Mittelfelde  der  rechten 
Schmalseite,  welche  (keine  tan/enile  Mänade  mit  Fackel  und  Tympanon,  wie 
Cumont  glaubt)  in  schwebender,  den  Boden  mit  einem  Fusse  kaum  berührender 
Stellung,  den  Kriegertugeiulen  des  Verewigten  einen  Lorbeerkranz  weiht.  Durch 
alle  Bewegungen,  Kiu|Hifinuien  und  die  Gewandinig  dieser  Viktoria  zieht  ein 
solcher  Allel,  Rhytlimus  mul  feines  Formgefühl,  dass  man  sie  den  besten  von  der 
Antike  geschaffenen  kühn  zur  Seite  stellen  kann.  Weniger  gelungen  ist  der  die 
vier  NelHiifekkr  beider  Schmalseiten  füllende  Ornamentschmuck.  Weder  die 
Form  der  Vasen,  noch  die  auf  zwei  l'eldern  frei,  auf  den  beiden  anderen 
symmetrisch  sich  emporrankenden  Weinreben  und  Trauben  erheben  sich  über 
den  gewöhnlichsten  Schematismus;  ich  glaube,  dass  sie  von  anderer  Hand  als 
der  l'"igurensi'limiu'k   lu'rrühren. 

I-.'' 


1H(I  Vfifi  Diibravica  über  OraSjc  nach  Poiarcvac,  Ljubiicvo  und  Knstolac. 

Die    dachförmig,    '>hcn    mit    durch    Halbrundsiabe    unterbrochener    Fläche 
abjicschriltjte  Tumbadccke  wurde  bei  der  Aus^rabunK  in  Stücke  zerbrochen.    Sie 

wilrc  jc'dodi  k-icht  /usanimenzufüncn  und  hoffentlich  wird  das  unstreitig  schönste 
riiniischc  Mi)nuincnt  Scrhiuns,  nadi  der  mir  von  dem  Herrn  Minister  des  Kultus 
KCKebencn  Versicherung,  bald  ergänzt  den  ihm  jjebührcndcn  Ehrenplatz  im 
Ik'igrader  Museum  einnehmen." 

Was  ich,  von  Ürmno  nach  Kostolac  zurückgekehrt,  auf  Viminaciums  allerorts 
durchwühlter  Ruinenstätte  sah,  an  deren  Nordrand  sechs  sie  ausbeutende  SalaSe 
nisten,  war  sehr  unerfreulich.  Kurz  zuvor  hatte  ich  jene  von  Carnuntum  besucht, 
wo  unter  erfahrener  fachnulnnischer  Leitung  wahrhaft  Überraschendes  geleistet 
wurde.  Die  dortigen  zielhewussten,  auf  die  Blosslegung  der  Stadtanlage  gerichteten 
Ausgrabungen  gewähren,  gleich  jenen  zu  Aquincum  bei  Ofen,  einen  lehrreichen 
Einblick  in  die  Situation  der  Plätze,  Strassen,  Tempel,  Wasserleitungen,  Bäder. 
Theater  usw.  Jene,  welche  Herr  Valtrovic  vom  Belgrader  Museum  im  Oktober 
1882  zu  Kostolac  unternahm,  waren  nach  seinem  eigenen  Berichte  wenig  resultat- 
rcich.')  Zwölf  Zwangsarbeits-Sträflinge  vom  nahen  Staatsgut  Ljubicevo  wurden, 
von  vier  Aufsehern  überwacht,  an  einem  schlecht  gewählten  Punkte  verwendet. 
Im  SW.  des  F^uinenterrains,  wo  die  nach  Schätzen  suchenden  Kostolacer  hart  an 
der  Mlava  gegen  200  Grabstätten  geöffnet  und  dann  wieder,  damit  das  weidende 
Vieh  keinen  Schaden  nehme,  verschüttet  hatten,  durchgrub  man  über  20  Gräber, 
obsciion  sich  aber  gleich  bei  den  ersten  zeigte,  dass  sie  bereits  einmal  geplündert 
worden.  Die  dürftige  Ausbeute  bestand  aus  einer  Tonlampe  mit  dem  bekannten 
Fortisstempel,  einem  Zaumteil  von  Bronze,  einigen  Beinnadeln,  kleinen  Bruch- 
stücken von  Amphoren,  Schalen  und  anderen  wertlosen  Gegenständen.  Auch  die 
Gräber  im  N.  und  0.  der  Kolonie  zeigten  sich  nicht  ergiebiger.  Die  Freilegung  der 
Grundfesten  monumentaler  Gebäude  beschränkte  sich  auf  einen  ungenügenden 
Versuch  an  der  ervväiinten  54  m  breiten  Vertiefung  „jama"  im  N.  der  Stadt, 
wobei  man  auf  einige  Mauerrestc,  Holzbalken  usw.  stiess.  Die  Ausgrabungen 
endigten  mit  dem  Ankauf  dreier  Bleisärge,  eines  Apollokopfes,  einiger  Bronzen, 
Kameen  usw.  von  den  Kostolacer  Bauern  für  das  Museum,  das  seitdem  von 
diesen  noch  einige  Inschriftsteine,  darunter  einen  achtzeiligen  aus  Drmno  und 
einen  im  April  1890  ausgchohenen  zweizeiligen,  dem  Emblemeträger  Lucius  Aurelius 
der  LEG.  Vll.  CL.,  von  seinem  Snhne  gewidmeten,  u.  a.  erhielt.  Interessant  ist 
jener  mit  dem  Signum  über  der  achtzeiligen  Inschrift.  Die  Signae  zeigen, 
rechts  und  links  vom  Adler  im  Giebelfelde,  die  Tierbiider  über  den  Phalerae. 
Domaszewski  erwies,  dass  diese  Form  erst  im  III.  Jahrhundert  auftrat  und  durch 
die  schon  damals  starke  Verbreitung  des  orientalischen  Tierkults  in  den  römischen 
Provinzen  erklärt  wird.-) 

Wer  die  Funde  aus  Viminacium  kennen  lernen  will,  darf  aber  nicht  allein 
die  in  das  Belgrader  Museum  gelangten  aufsuchen,  sondern  auch  jene  der  eifrigen 
Altertumsfreunde,  der  Kohlenbergwerksbesitzer  Jekel  und  W'eifert.    Erstere  erwähnte 

')  St.iriiinr  I,  8. 

=)  Arch.  epigr.  Mitt.,  XV,   192.     Wien   1892. 


Von  Üiibravica  über  Orasjc  nach  Pozarevac,  Ljubicevo  und  Kostolac. 


IKl 


ich  schon  (S.  173);  die  letzteren  befinden  sich  in  den  Kollektionen  Weifert  zu 
Pancevo  und  Belgrad.  Von  den  Kostolacer  Bauern  erstandene  Funde  harren 
stets  im  Administrationsgebäude  des  benachbarten  Weifertschen  Kohlenbaues 
ihrer  gelegentlichen  Weiterbeförderung.  Dort  traf  ich  (1887)  die  Stirnseite  eines 
Sarkophags  mit  Inschrift  im  Mittelfeld  und  vier  Genien  en  relief  von  schöner 
Arbeit  in  den  Schmalfeldern,  dann  einen  Votivstein  mit  Inschrift,  welche  Doma- 
szewski  veröffentlichte');   ferner  sah   ich  den  Torso  einer  Gewandstatue,   ein  den 


KOSTOLAC,  Planskizzc  von  Vimin.iciuni. 


hJUifig  vorkommenden  typischen  Sargaufsiitzen  zu  Mitrovica  (Sirmium)  ähnliches 
Frontispice  mit  Fruchtkorb  zwischen  zwei  voneinander  abgewendet  ruhenden 
Löwen,  ein  riesiges  Akanthus- Kapital  von  2,5  m  Durchmesser,  verschiedene 
Säulenstännne,  Architrave,  Mosaikstiicke  usw.  Einige  tönerne  Spinnwirtel,  viele 
römische  und  liy/aiiliMisclie  Miinzen,  eine  Sieinplalte  nnt  m.'lnnlichem  Kopfe-) 
wurden  auf  iler  naiien  Hohe  geluiulen,  weshalb  ich  diese  der  weiteren  Frforschung 


')  C.  I.  L.  III.  Siippl.  Fase.  II,  Ni).  «KU,  «KU.  Inlcr  den  ilori  No.  8102-«|;R) 
abucilriicktcn  Inschriften  von  Viniin.icluin  wurilcn  ausser  den  auf  S.  1 1  f.  zitierten  in  der 
SnK'di'ievDcr  l"cste  ancM  die  im  Durfc  Koslolac,  in  seinem  Popenhniis,  Im  Bel^;rador  und 
Hudapesler  Miiseinii  /ersIriiiU'ti  |Milill/ierl. 

')  St, Ulli. II    111,  71, 


182  Von  l)tihravica  über  Or<i6ju  nach  Po2arcvac,  LjubiCvvo  und  Koslolac. 

ctnpfchlc;   selhstverständlich   sollte   aber   die   rationelle  Ausf^rabun^;  ihres  Kastells 

—  das  ich    schon    186U  als    römisch  erkannte    und   in   der  Grundform   feststellte 

—  und  der  civitas  der  oberm(5sischen  Hauptstadt  vorausgehen. 

Die  Wahl  des  zweifellos  bestandenen  Keltenortes  an  der  Mlavamündunt; 
zur  Anlage  eines  grösseren  römischen  Gemeinwesens  und  seine  spätere  Erhebung 
zur  oberinösischen  Kapitale  erklärt  der  hei  den  Römern  massgebend  strategische 
Gesichtspunkt.  Aus  den  dort  von  einer  20  Kilometer  langen  Uonauinsel 
gebildeten,  durch  eine  Gruppe  kleinerer  Eilande  gedeckten  Kanal  konnte  die  gut 
geschützt  ankernde  Kriegsflotte  jederzeit  unbemerkt  gegen  das  dakische  Ufer 
vorbrechen;  ferner  erschwerten  im  mit  riiniischen  Ansiedelungen  überzogenen 
truciitbaren  Hinterland,  namentlich  in  den  hochwichtigen,  weil  erzreichen  Pek- 
iind  Moravatälern  angelegte  Strassen  und  Kastelle  sehr  wirksam  auch  jeden  feind- 
lichen  Anj^riff  von  der  Landseile. 

Woiil  deshalb  wird  schon  im  5.  Deccnniuni  n.  Chr.  und  auch  von  Ptolemäus 
Viminacium  als  Standquartier  einer  Legion  gedacht.  Kaiser  Hadrian  verlieh  ihm 
gleichzeitig  mit  Carnuntum  (Petronell)  und  Aquincum  (Alt-Ofen)  das  Stadtrecht, 
bei  welchem  Anlass  es  den  ehrenden  Beinamen  „Municipia  Aelia"  erhielt.  Bald 
scheint  Viniinaciums  Umfang  viele  benachbarte,  ursprünglich  zivile  Gründungen' 
überragt  zu  haben.  Gordian  erhob  das  Municipium  zur  Kolonie  und  begabte 
sie  mit  dem  Münzrecht.  Ihr  Castrum  blieb  weiter  das  Standlager  der  Legio  VII. 
Claudia  Pia  Fidelis;  gemeinsam  mit  dieser  oder  abwechselnd  lagerte  dort  auch, 
wie  zahlreiche  Ziegel-  und  Münzfunde  zeigen,  die  IV.  Viminaciums  sicher  nach- 
gewiesene Münzen,  3  Grossen  und  Medaillen,  datieren  von  Gordianus  TR.  P.  III. 
bis  Gallien'us  (240 — 256  n.  Chr.).  Seine  demnach  nur  16  Jahre  prägende  Münz- 
stätte muss  eine  intensive  Tätigkeit  entwickelt  haben;  in  W'eiferts  Belgrader 
Sammlung  allL'in  befinden  sich  40  Typen  mit  1.65  verschiedenen  Stempeln;  in 
anderen  Kollektionen  aber  noch  50  weitere  Typen.')  Nahezu  alle  Münzen  tragen 
im  Revers  die  Umschrift:  P.  M.  S.  COL.  VIM.,  unten  AN  I — XVI,  auf  der  Aversscite 
aber  meistens  die  schon  auf  S.  174  erwähnte,  1860  auf  einem  Relief  im  Kostolacer 
I^openhaus  gesehene  weibliche  Figur,  welche  die  ausgebreiteten  Hände  auf  die 
Köpfe  der  beiden  obermösischen  Leginns-Wappcntiere,  eines  Stiers  (1.)  und 
Löwen  (r.),  legt. 

Wie  weit  sich  das  Territorium  der  Kolonie  Viminacium  ausdehnte,  ob  auch 
das  Pekgebiet  und  seine  Donaustadt  Piiicum,  in  welcher  ein  Ziegel  mit  LEG.  V1.\A. 
gefunden  wurde,  ihm  angehörte;  ob  die  ihr  gutes  Quellwasser  zuführende  Leitung, 
auf  deren  Reste  ich  an  verschiedenen  Punkten  stiess,  vielleicht  nur  durch  das 
städtische  Gebiet  oder  auch  durch  fremdes  lief?  sind  Fragen,  welche  kaum  zu 
lösen  sind.  Sicher  ist,  dass  die  gleich  feste,  wie  handelstätige  und  prächtige 
Stadt  schon  unter  Gallienus  von  den  Barbaren  verwüstet,  nach  kurzer  Erholung, 
während  der  Himnenstürnie  im  5.  Jahrhundert  das  traurige  Los  aller  Donaustädte 
teiletul.  erst  unter  Justinian  zu  dem  von  Prokopius  und  Theophylaktus  gepriesenen 
Glänze   wieder   erstand,    doch    auch   in   der   Folgezeit   vom   linken   Donauufer  oft 


')  Mitt.  d.  Klubs  d.  .\Uiiiz-  u.  Medaillenfreunde.    Wien  1895,  114  f.     1896,  100  f. 


Von  Dubravica  über  Orasje  nach  Pozarcvac,  Ljubicevo  und  Kostolac.  lf^J{ 

geschädigt  wurde.  Zur  Züchtigung  der  Avaren  überschritt  (598)  Priskus  bei 
Viminaciuiii   den  Strom   und  verfolgte  sie  hoch  hinauf  in  das  Theissgebiet. 

In  unausgesetzten  Kämpfen  mit  Ungarn  und  den  nur  unwillig  das  gehasste 
Fremdenjoch  tragenden  SlavenviJlkern  suchte  Byzanz  das  ihm  von  den  Lateinern 
zugefallene  Erbe  zu  behaupten.  Im  XI.  Jahrhundert  stand  auf  Viminaciums  Stelle 
„Branicevo",  das  Zentrum  des  gleichnamigen  Gaues  (S.  125  ff.).  Bei  der  von 
mir  seit  Jahrzehnten,  leider  vergeblich,  empfohlenen  rationellen  Aufdeckung  von 
Viminacium  dürfte  man  wahrscheinlich  auch  auf  monumentale  Reste  von  Branicevo 
stossen,  in  dem  ein  byzantinischer  Stratege  die  Reichsgrenze  hütete  und  ein 
Bischof  seinen  Sitz  hatte.  Theophylos  von  Okrid  (vor  1081),  Anna  Komnena 
(1114)  u.  a.  sprechen  oft  von  dem  kleinen,  doch  wohlhabenden,  stark  bevölkerten 
Bistum.  Rasch  wechselten  seine  Schicksale.  In  der  ersten  Hälfte  des  Xll.  Jahr- 
hunderts war  es  ungarisch,  dann  wieder  byzantinisch,  um  1 154  abermals  an  Ungarn 
gefallen.  Die  Kreuzfahrer,  welche  Branicevo  meist  als  „Brandiz"  erwähnen, 
fanden  dort  gastliche  Aufnahme.  1172  berührte  es  der  Sachsenherzog  Heinrich 
der  Liiwe  auf  seiner  Paläslinafahrt.  1183  eroberte  König  Bela  III.  Branicevo, 
verlor  es  aber  118(5.  Auf  seinem  Zuge  nach  Jerusalem  traf  Kaiser  Friedrich 
Barbarossa  dort  einen  byzantinischen  Befehlshaber.  Von  da  ab  gehörte  es 
längere  Zeit  den  Bulgaren,  bis  es  von  Stevan  Nemanja  erobert,  unter  Dragutin 
(1275)  dauernd  an  Serbien  kam.  Noch  oft  genannt,  erlosch  sein  Glanz  mit  der 
Verödung  der  meisten  serbischen  Städte  unter  türkischem  Regiment.  Kurz  zuvor 
(1380)  begabte  noch  Knez  Lazar  das  Mlavakloster  Gornjak  mit  Branicevo 
(Kostolac)  imd  seinem  ganzen  Gebiete.  Der  Name  Branicevo  lebt  im  serbischen 
Volkslied  „jio  Branicevo  i  po  Kuievo"  fort  und  blieb  der  Landschaft  um 
Kostolac,  bis  Serbien  nach  dem   Befreiungskrieg  in   Kreise  geteilt  wurde. 

Von  allen  Ereignissen,  welche  in  und  bei  Viminacium  sich  abspielten, 
interessierte  keines  die  Historiker  so  sehr  als  Kaiser  Trajans  dort  begonnener 
Krieg  gegen  die  Daker,  der  bekanntlich  zwei  Feldzüge  (101  — 102  und  105—  106) 
umfasste.  Mit  60000  Mann  zog  er  im  Frühjahr  101  über  die  Julischen  Alpen. 
„Er  hatte  für  sich  —  erzählt  sein  Biograph  Francke  —  die^Licbe  der  Soldaten 
i\nd  Unterfeklherren,  ileren  Verilienste  er  anerkannte  und  deren  Mühen  er  teilte." 
Segestica  (Sis/.ek)  war  der  Sammelpunkt  des  Heeres.  Dort  baute  man  Schiffe, 
welche  die  entlang  des  Savalaufes,  namentlich  in  Sirmium  (Mitrovica),  aufgestapelten 
Vorräte  dem  Heere  nachzufühlen  hatten. ')  Auf  einer  Brücke  bei  Viminacium  soll 
Kaiser  Trajan  seihst,  auf  einer  zweiten  östlicheren  sein  Legat  Lucius  Quictus  über 
das  heutige  Mehadia  nach  Dacien  vorgeilrungen  sein;  bei  Tibiscum  vereinigten 
sich  IhkU'  Meere  /um  :\\arsclie  auf  Sarmisegetluisa,  der  H.mpisladi  des  zu  bekämp- 
fenden Decebalus. 

Über  den  Punkt,  an  ilem  Traian  auf  tliesem  ersten  dacischen  Kriegszug 
tlie  Donau  üherschntl,  entstand  eme  bis  in  die  jüngste  Zeit  fortgesetzte  Kontroverse. 
Dass  die  Roinerstrasse  nach  Tibiscinn,  wie  d'Anville  annahm  J),  direkt  von  Vinii- 
iKuiiiin    auf   das    linksseitige    Ufer    überging,   bezweifelte   schon    I'rancke,    \^elclu■r 

')  Santo  Bartoli,  CoUimna    I  r.ij.iiia  (Reliefs   151-157). 
')  A,  a.  C).,  433. 


1^1  Von  Diihravita  über  Ora&jc  nach  PoJarcvac,  LjubKcvo  und  Kostolac. 

diu  cluriincn,  dafür  sprechen  sollenden  f^Jmerschanzen,  KCKcnübcr  Kostolac, 
inoMf^olischen  H((rden  zuschrieb')  und  Trajan  die  Donau  bei  dem  nach  der  Tab. 
Peut.  23  Millien  von  Viminaciuni  fernen  f^incum  übersetzen  Ulsst.  Dieser  Meinung 
Iral  Aschbach  mit  einer  auf  ^robe  Widersprüche  im  Meweismalerial  gestützten 
Behauptung  cnt^e^en-),  welche  ich  hier  nochmals  kritisch  berühre,  weil  sie  in 
en^er  Beziehung  zu  den  auf  Viminacium  folgenden  befcsliKtcn  Uferpunkten  steht 
iiiul,  trotzdem  ich  sie  schon  1868  mit  auf  genauer  Terrainkenntnis  ruhenden 
(jriiiuleii  bekämpfte,  weiter  einige  gleich  schlecht  topographisch  orientierte  Ver- 
teidiger fand. 

Die  grösste  Unsicherheit  Aschbachs,  dessen  grosser  Quellenapparat  nicht 
durch  örtliche  Terrainstudien  unterstützt  wurde,  zeigt  sich  bei  der  Feststellung 
des  Punktes,  an  dem  Trajan  persönlich  die  Donau  übersetzte.  Er  sagte:  „Aus 
der  Zusammenstellung  vorstehender  Ortsverzeichnisse  (röm.-byz.  Itin.)  gewinnen 
wir  folgende  f^esultatc:  firster  wichtiger  Posten  auf  der  für  die  dacischen  Kriegs- 
operatioiien  Trajans  in  IrJetracht  zu  ziehenden  Donaulinie  ist  Viminacium,  das 
heutige  Kostolatz  mit  Breninkolatz  und  Ran\  in  der  Nähe,  wo  Trajan  im  ersten 
dacischen  Kriege  eine  Schiffbrücke  hatte  schlagen  lassen,  zu  deren  Schutz  die 
Kastelle  Picnus  (am  Flusse  Ipek),  Cuppe  und  Novae  erbaut  wurden.  Dieser 
Befestigungslinie  gegenüber  lag  auf  dem  linken  Ufer  die  Feste  Lederata  (daselbst 
liegt  jetzt  Uj-Palanka),  welche  Procopius  nicht  ganz  genau  als  Novae  gegenüber- 
liegend angibt,  anstatt  sie  schon  bei  Viminacium  (!)  oder  vielmehr  bei  Picnus  (!) 
aiizufiiiircn;  denn  streng  genommen  lag  sie  eigentlich  diesem  Kastell  gegenüber. 
Vom  Lederata  fiiiirle  nach  tier  Tali.  F^eul.  (die  dies  Kastell  noch  auf  dem  rechten 
Ufer  angibt)  eine  römische  Heerstrasse  (durch  das  heutige  östliche  Banat)  über 
Apo'  (i.  e.  Aponte),  Arcidava  usw.  gegen  Sarmisegethusa."  —  Nach  allen  diesen 
schwankenden  Ausführungen  setzte  Aschbach  schliesslich  auf  seiner  „Orientierungs- 
karte" dem  „linksuferigen  Lederata"  gegenüber,  statt  dem  zuletzt  mit  Rani 
identifizierten  „Picnus",  doch  „Novae"  an.  Richtig  hatte  Aschbach  nur  erkannt, 
dass  Trajan  seinen  Donauühergang  am  hierzu  geeignetsten  Punkt,  bei  Rani,  vollzog. 

Den  bezüglichen  Abschnitt  der  Tabula  Peutingeriana  studierend,  fand  ich 
bald,  was  den  so  häufig  sich  selbst  widersprechenden  Aschbach  zu  den  irrigen 
Ansätzen  von  Lederata,  Picnus,  Novae  usw.  führte.  Von  den  zwei  Häuschen,  durch 
welche  die  Tafel  Viminacium  als  Kolonie  kennzeichnet,  gehen  vier  verschiedene 
Strassenzüge  aus.  Der  erste  führt  westlich  nach  Singidunum,  der  zweite  südlich  nach 
Naissus,  der  dritte  nördlich  über  die  Donau  nach  Tibiscus  und  der  vierte  östlich 
an  der  Donau  zum  Pontus.  Hierbei  ist  wohl  zu  beachten,  dass  die  dacische  Strasse, 
gleich  im  Beginne  von  Viminaciuni  ihre  eigene  Trace  verfolgend,  noch  10  Millien 
bis  Lederata  am  rechten  Donauufer  fortzieht,  bevor  sie  den  Strom  übersetzt; 
ferner,  dass  die  Strasse  nach  Picnus  sehr  bald  von  jener  nach  Lederata  abzweigt 
und  selbständig  mit  13  Millien  zur  Pekmündung  läuft,  an  welcher,  wie  Aschbach 


')  Zur  Geschichte  Kaiser  Trajans.  155. 

-)  Mittoil.  der  k.  k.  Zentral-Koniniission   zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenk- 
niale  III.  207. 


Von  Dubravica  über  Orasjc  nach  l'ozarcvac,  Ljubiccvo  und  Kostolac. 


185 


zuerst  riditij^  vermutete,   das  später  von    ilun 
iKicli     Rani     verlegte    Picnus    stand.      Diese 
Trennung    der    Strassenzüge    wurde    bedingt 
durcii   die   im   Norden   gegen  Rani   weit  vor- 
springenden,  wie   ich   mich   persönlich    über- 
zeugte,    bei     den    häufigen     Südost-Stürmen 
(11.    Bd.,    XVII.    Kap.)    am    Ufer    ungangbaren 
l-'lugsandberge,    zu  deren   Umgehung   die  von 
Viminacium    nach    Picnus     führende    Strasse 
direkt  landeinwärts  von  W.  nach  0.  angelegt 
werden    niusste;    Reste    ihrer   Trace    wurden, 
anlässlich  einer  Tracierung,  vom  Kreisingenieur 
Cermak    nahe    dem   Kloster  Nimiiik  gefunden. 
Nach   der  Klarstellung  vorstehender,  auf 
dem  Terrain    selbst   gewonnenen    topographi- 
schen Verhältnisse   erscheint   es  fortan  unge- 
rechtfertigt: „Lederata"  auf  das  linke  Stromufer 
zu  verlegen  und  Picnus   oder   gar  Novae  mit 
Rani  zu  identifizieren!    Uebereinstimmend   mit 
der  Tab.  Peut.    und    meine    bezüglichen    Aus- 
führungen')   als   richtig    anerkennend,    setzten 
denn  auch  der  f^ariscr  Gelehrte  W.  I-roehner-'), 
ferner  Kiepert-'),  Oberst  Draga.^evic')  u.  a.,  wie 
schon  früher  Mannert'),  das  fragliche  Lederata 
auf  dem    rechten  Stromufer   bei  Rani  an,   wo 
dies-  und  jenseits    Reste    von    Brückenköpfen 
den    iliirt    mit   fk'nutzung   einer   Insel    bewerk- 
stelligten   Übergang    des   Trajanschen    linken 
Heerflügels    bezeugen,   wie   ja  noch   heute  an 
diesem   zwischen  Viminacium  (Kostolac)   und 
Cuppae  (Golubac)  zur  Überbrückung  am  besten 
geeigneten  Punkte  eine  Fähre  die  Verbindung 
zwischen   Ram   und    dem    ungarischen    Üj-Pa- 
l.iiika   vernnllelt.     Dass   ein   Brückenkopf")   bei 
lelzterem  (richtiger  südlich  mhi   diesem,  2  km 
vom   Ufer  entfernten  neueren  Orte)  gleichfalls 


')  Mittcil.  der  k.  k.  Zciitr.-Koiiini.  /.  |-"rf.  ii.  i'.rli. 
(I,  liaiKU'Mkmale,  IUI.  XII,    18C)7. 

')  La  Cdlonic  rrajaiic  im  KarUheii;  l.'ilincrain.' 
de    Irajan  ilans  raiKiciiiic  Dacie,  XI  t. 

•')  C.  I.  L.  111.    lab.  11. 

')  ülasiiik  XLV,  22. 

'•)  A.  a.  (1.,  7«.). 

")  OriovL'.inin,  Mitteil.  il.  k.  k.  Zeiilr.-Kiiinm  / 
Lrf.  u.  Lrh.  d.  Maiulenkinale,  Hd.  X,  31. 


'^ 


O    1 


t 


^ 


'^\  2: 


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IKI>  Von  Diihravica  über  Ora&jc  nach  l'o^arcvnc,  Ljubi£cvo  und  Koslolac. 

den  Naiiicn  ilur  rcchlsuferiucn  Feste  Lederala  mm,  wie  JireCek  vermulel').  ist 
möglich;  sicher  wurde  durch  lirihm  festgestellt,  dass  im  Rain  genau  gegenüber- 
liegenden   Uferort   Uj-I'.il.inka  (All-f^danka)   riWiiische   Reste   gefunden   wurden  0- 

Fk'Vftr  ich  V(tn  Viminaciuin  scheide,  sei  Herrn  Kränz  Sisleks  aus  Pilsen, 
Leiter  des  Weifertschen  Kohlenbaues  zu  Kostolac,  gedacht,  der  von  dortigen 
(jrundl)csitzerii  gemachte  antike  Funde  für  die  Wissenschaft  zu  retten  strebt.  Auch 
für  das  Wohl  seiner  Arbeiter  sorgt  er  unermüdlich.  Das  ganze  Etablissement 
macht  einen  guten  Eindruck.  Um  das  höher  liegende  Administrationshaus  reihen 
sich  hart  am  Donauufer  10  andere  Bauten  für  die  Bergleute,  Heuer,  Kohlendcpots  usw. 
Es  hat  seine  eigene  Fleischerei  und  Vnklualienmagazine,  aus  welchen  die  1891 
hescliaftigteii  Beamten,  44  Arbeiter,  34  Frauen,  58  Kinder,  ihren  Bedarf  zum 
Selbstkostenpreis  bezogen.  Ein  Heuer  verdient  täglich  4—8,  die  Schichtlohner 
2  —  3  d.  Ersterc,  grösstenteils  aus  Österreich-Ungarn,  bewähren  sich  vorzüglich.  Ich 
fuhr  in  die  Grube  ein  und  fand  die  Zimmerung  der  Schächte  geradezu  musterhaft.  Das 
seit  1873  im  Betrieb  stehende  Werk  umfasst  41  Grubenfelder.  Das  im  blaugrauen 
Ton  lagernde  Flöz  ist  4—18  m  mächtig.  Die  Ausbeute  1893:  209000  q  ä  0.50  d. 
Diese  jungtertiäre  Lignitkolile  wurde  analysiert  mit  C  53,59"/n,  H  3,37",,, 
Asche  5,85"  „.  Das  Werk  besitzt  seinen  eigenen  gezimmerten  Molo  mit  Schlepp-' 
balin  Zinn  liirektL'ii  Wrlaikn  tler  Kohle  in  die  Schiffe.  Am  Landeplatz  kostet 
Stückkohle  0.89,  Kleinkohle  0.60  d  per  q.  Da  die  Fracht  nach  Belgrad  30  c 
beträgt,  kostet  die  Kohle  dort  ins  Haus  gestellt  1.60  d.  Nur  wenn  gutes  Wetter 
grössere  Holzzufuhr  dahin  gestattet,  ermässigt  sich  dieser  Preis.  Hauptkonsumenten 
der  Kohle  sind  die  ausgedehnten  Etablissements  des  Werkeigners  Weifert  und 
anderer  Industriellen  zu  Belgrad,  einige  Hausiialtungen  dort,  zu  Smederevo  und 
Poiarevac. 

Alinliche  Lagerungsverhältnisse  zeigt  der  in  toniger  Oberschicht  und  sandigem 
Oruiule  eingebettete  7—11,4  m  mächtige  Lignit,  welchen  die  „Pozarevacer  Aktien- 
Gesellschaft"  bei  dem  benachbarten,  nur  3  km  von  der  Donau  entfernten  Klenovnik 
abbaut.  Die  für  102  Felder  auf  120  Aktien  zu  600  d  begründete  Unternehmung 
produzierte  1895  mit  einem  Hauptschacht,  über  2000  m  langen  Galerien  und 
15  Arbeitern  30000  q,  welche  mit  0.80  d  per  q  an  Private.  Kasernen  und  Ziegeleien 
im  nur  8  km  fernen  Pozarevac  abgesetzt  wurden. 

Auf  dem  Rückweg  zur  Stadt  sah  ich  unten  in  der  im  W.  gegen  Dubrovica 
sich  dehnenden  Ebene  das  Dorf  Petka,  wo  1810  Serben  und  Türken  blutig 
miteinander  stritten.  Etwas  südlicher  liegt  zwischen  Cirikovac  und  Pozarevac 
der  Hügel,  auf  dem  in  einem  Zelte,  unter  eigenartigem  Zeremoniell  (S.  71),  am 
21.  Juli  1718  der  „Passarovicer"  Frieden  unterzeichnet  wurde,  welcher  dem 
Kaiser  neben  vielen  Handelsbegünstigungen  ganz  Serbien  brachte,  zu  dessen 
wohlhabendsten  Gebieten  schon  damals  und  noch  mehr  heute  zweiffellos  der 
Pozarevacer  Kreis  zählt;  denn  wie  der  fruchtbare  Smederevoer  besteht  er  aus 
gut  bebautem  oder  bewaldetem  Hügelland  und  breiten,  reich  bewässerten  Tälern_ 
durch  welche  die  Morava,  die  Allava  und  der  Pek  in  vielgekrümmtem  Laufe  der 


')  A.  a.  O.,  17.  —   -■)  Arch.-epigr.  Mitteil.  .\ll,  223. 


Von  Uubravita  üIkt  Orasju  nach  Pozarcvac,  Ljubiccvo  und  Kostolac.  1^' 

serbischen  Donau  zufliessen.  Der  Südosten  des  Kreises  steigt  im  Homoije-Gebirge 
bis  956  m  und  sein  Süden  in  der  Beljanica  bis  1360  m  an.  Die  ziemlich  gut 
gehaltenen  Waldstände,  vorwaltend  Eichen,  Weissbuchen,  Birken  und  Haselnussholz, 
gehören  nicht,  wie  im  Smederevoer  Kreise,  meist  Privaten,  sondern  zum  grösseren 
Teile  dem  Staate,  der,  weil  die  Moravagelände  häufigen  Überschwemmungen 
ausgesetzt  sind,  an  ihrem  Unterlaufe  seit  20  Jahren  über  20000  Tagwerke  mit 
Akazien  und  Weiden  bepflanzen  Hess.  Im  Mlava-  und  Pekgebiet  gibt  es  viel 
niederes  Wild;  in  der  Beljanica  aber  nicht  allein  Hochwild,  sondern  auch  Wölfe, 
auf  welche  die  Bauern  stark  jagen. 

In  den  7  Bezirken  des  4157  km-  umfassenden  Pozarevacer  Kreises  leben 
218331  Bewohner  in  sehr  ungleicher  Dichtigkeit.  Im  sehr  gebirgigen  Golubacer 
Bezirk  kommen  nur  20,  im  angrenzenden  Zvizder  30,  im  Ramer  40,  im  Moravaer 
aber  schon  60  und  im  Homoljer,  MIavaer  und  Pozarevacer  über  100  auf  den  km-. 
In  den  letztgenannten  Bezirken  gedeihen  Körnerfrüchte,  namentlich  Mais  vor- 
trefflich, während  in  den  anderen  mehr  Viehzucht  getrieben  wird.  Der  Kreis  gilt 
als  einer  der  wohlhabendsten  des  Königreichs.  Schon  vor  vielen  Jahren  soll 
Büzevac,  das  allerdings  1896  in  490  Häusern  3344  Seelen  zählte,  in  einem 
Herbste  allein  für  verkauftes  Getreide  38000  Dukaten  eingenommen  haben. 
Dieser  leicht  gewonnene  Ueberfluss  hat  besonders  im  Stig,  dessen  Fruchtbarkeit 
im  Lande  sprichwörtlich,  und  an  der  Morava  die  Leute  verweichlicht  und  leicht- 
lebig gemacht,  wozu  die  rasch  fortschreitende  Auflösung  der  Hauskommunion, 
wie  ich  auf  meinen  wiederholten  Reisen  beobachten  konnte,  viel  beiträgt.  Während 
vor  25  Jahren  im  Mlavagebiet  selten  ein  Haus  mit  seinen  Steuern  im  Rückstand 
blieb,  sind  dort  seit  längerer  Zeit  und  mehr  noch  in  den  anderen  Bezirken  ver- 
schuldete Höfe  nicht  selten,  manche  wurden  verkauft  und  ihre  früheren  Eigner 
wanderten  mit  Weib  und  Kind  weg.  Zuletzt  liaben  erfreulicherweise  sich  diese 
Verhältnisse  bedeutend  gebessert. 

Im  höher  liegenden  Gebiete  des  Kreises  baut  man  Weizen,  Roggen,  Spelz 
und  Gerste,  im  Hochgebirge  auch  Heide  und  Hirse;  im  Tiefland  aber  grössten- 
teils Mais  und  viel  Gemüse;  die  Wiesen  und  Kleefelder  wurden  auf  28000  Hektar, 
das  Heide-  und  Brachland  auf  12000  Hektar  geschätzt.  An  einzelnen  Punkten 
des  unteren  Pek-,  Mlava-  und  Moravagebietes  gedeiht  Wein  luid  alles  Obst 
vortrefflich;  doch  Zwetschen  gibt  es  wenig  und  wird  viel  Branntwein  aus  dem 
Kragujevacer  Kreis  bezogen.  Für  einzelne  Viehzuchtzweige  gestattet  die  gleich- 
gebliebene administrative  Kreisbegrenzung  ihre  wachsende  Zunahme  ergebende 
Vergleiche.  1860  zählte  man  beispielsweise  19000,  18(56  nur  halb  soviel.  1896 
wieder  1772H  Hieiienstöcke;  IKliO  n;,|i  es  nur  I4(HM),  1896  aber  21178  Pferde. 
Durch  die  gesteigerte  Bodenkultur  nahmen  andererseits  einige  Tiergattungen 
an  Zahl  erheblich  ab.  IHtitJ  gab  es  rund:  tiOOOO  Rinder,  124  000  Schweine. 
387000  Schafe.  ITOOd  Ziegen;  IH96  aber  nur:  61338  Rinder.  106465  Schweine, 
286859  Schafe,  27  320  Ziegen.  Trotzdem  kommen  aber  noch  gegenwärtig  in  den 
Bezirken  Homolje,  Mlava  und  Pozarevac  mehr  als  200  Stück  Vieh  auf  den  krn^ 
und  im  ganzen  Kreis  nirgends  weniger  als  160—200,  im  Bezirk  Homolje  aber 
sogar  über  A?)0  Stück  auf   KHi  Bewohner. 


VI. 

Ueber  Veliko  Gradiste  und  Golubac 

am  Rrtmer-Umes  nach  l)(»lni  Alilaridvac. 


DAS  vielbesungene  Golubac!  Welcher  Donaufahrer  rühmt  nicht  seine  vieltürmige, 
schwer  zugängliche  Feste?  Leider  ziehen  die  Dampfer  ohne  Halt  an  ihr 
vorbei.  Als  wichtiger  Sperrschliissel  der  römischen  Donausfrasse  wollte  ich  sie 
aber  doch  endlich  einmal  näher  kennen  lernen,  und  im  Oktober  1887  fuhr  ich 
von  Pozarevac  zu  Wagen  mit  seinem  stets  gefälligen  Kreisingenieur  dahin. 

Zunächst  kreuzten  wir  auf  der  1869  vollendeten,  30  km  langen  Strasse  nach 
Gradiste,  mit  weicher  der  dahin  projektierte  Schienenweg  parallel  laufen  wird, 
zwischen  Babusnica  und  Bratinac  die  Miava,  erreichten  mit  sanfter  Steigung  das 
sie  vom  Peklaufe  trennende  Hochplateau  und  in  kaum  zwei  Stunden  Mijailovac, 
wo  einige  prächtige  Bauernhäuser  nicht  weniger  als  die  solid  steinernen  Bach- 
durchlässe mein  Staunen  erregten.  Nördlich  liegt  still  verborgen  in  frischgrüner 
Waidschlucht  das  Sv.  Nikola-Kirchlein  des  einstigen  Klosters  Nimnik.  Zar  Lazar 
soll  es  erbaut  haben  und  l-ürst  Miioä  liess  es  1825  als  weltliche  Kirche  wieder 
herstellen.  Von  Biskuplje  am  Donauufer  bis  zum  Timok  zeitweise  streichende, 
vegetationslose  f-'iugsandhöiien  kontrastieren  lolihaft  mit  den  prächtigen  Übst-  und 
Weinkulturen  des  reichen  Topolovnik  und  des  an  der  Pekmündung  nun  bald 
erreiciiten  GradiSte.  Schon  in  seiner  langen  CarSija  bemerkte  ich,  dass  dort  eine 
wohltätig  eingreifende  Hand  gewaltet,  und  noch  hübschere  Magazine  und  Privat- 
häuser überraschten  mich  auf  seiner  „Velika  pijaca",  in  deren  gut  gehaltener 
l"remdenherberge  wir  einkehrten. 

Als  die  Seidenzucht  im  Pozarevacer  Kreise  noch  schwunghaft  betrieben  wurde, 
bildete  Veliko  Gradiste  den  Sammelpunkt  der  in  den  Dörfern  produzierten 
Cocons.  Auch  heute  ist  es  ein  bedeutender  Handelsorl  für  Wein,  Getreide  und 
Schweine;  seine  Skela,  Post-  und  Telegraphenstalion  zählen  zu  den  wichtigeren 
an  der  serbischen  Donau.  Hin  heftiges  lirdbeben  hatte  1879  der  1901  in 
629  Häusern  3167  Seelen  zählenden  Stadt  arg  zugesetzt  und  den  Turm  der  1847 
erbauten  Sv.  Arhistratcg  Gavril-Kirche  zum  Wanken  gebracht.  Sein  wohlhabendster 
K.uifniann,  Skupstina-Abgeordnclcr  und   Bürgermeister  F^afaiio  Rafailovii'  tat  aber. 


l'.lll         UcbcT  Veliko  (iradJAtu  und  Golubac  am  Römcr-Limcii  nach  Dolni  Milanovac. 

unterstützt  durch  den  auf  drii  Jatire  ariKestelltcn  Koinmunalintfcnicur  v,  Kuczewski 
aus  Warschau,  viel,  um  es  wieder  zu  heben.  Seine  Sparkasse  erzielte  1895  schon 
einen  Umsatz  von  nahezu  12  Millionen  d.  Ks  bezahlt  einen  Sladtarzt,  besitzt 
eine  von  dem  Ungarn  Dräskoczy  trefflich  einj^erichtete  Apotheke,  ein  neues  Schul- 
haus für  das  Untcrgymnasiuni,  an  dem  fünf  Lehrer  tati^  waren,  eine  Normal-  und 
Volksschule  mit  acht  Lehrern,  drei  Lehrerinnen  usw.  Bculeilet  vor)  den  Hono- 
ratioren bestieg  ich  auf  stark  primitivem  Gerüste  den  im  Bau  bejjriffenen  hohen 
Turm  und  wurde  für  das  Wajjnis  durch  eine  entzückende  Aussicht  auf  die 
(jolubacer  und  un^^arischen  Mühen  jenseits  der  Donau  belohnt. 

lis  dunkelte  schon,  als  wir  mit  einer  bunten  Be>;leitunn  den  Weinberg  des 
Bür(.;ermeisters  erreichten,  wo  uns  eine  improvisierte  „bcrba"  (Weinlese)  erwartete. 
All  und  junt;  aus  den  besten  Familien  des  Städtchens  lagerten  bereits  auf  Teppichen 
und  Kissen  zwischen  und  unter  Obstbäumen,  bei  lodernden  Feuern  um  die  festlich 
mit  Blumen  geschmückte  reich  besetzte  Tafel.  Auf  dieser  prangte  ein  eben  am 
Spiesse  gar  gewordener  feister  Hammel.  Der  Pope  segnete  Speise  und  das  aus 
grossem  Fasse  reichfliessende  Nass.  Toaste  aller  Art  würzten  das  jMahl,  und  als  ich 
einen  auf  das  Gedeihen  der  Stadt  und  ihres  wackeren  Kmeten  ausbrachte,  schäumte 
die  Freude  über.  Das  junge  Volk  sang  und  tanzte  im  lustigen  Koloreigen,  ein' 
Guslar  und  musizierende  Zigeuner  taten  das  ihrige,  um  Ohren  und  Beine  dauernd 
in  Atem  zu  erhalten.  Endlich  wurde  der  Heimweg  bei  Mondlicht  und  Lampion- 
scliein  angetreten.  In  dem  mit  hübschem  Mobiliar,  bunten  Glasfenstern,  Bildern 
ausgestatteten  iioucn  Hause  des  Bürgermeisters  wurde  Kaffee' kredenzt  und  der 
Tanz  bei  Klaviermusik  fortgesetzt.  Ich  sah,  die  altberühmte  serbische  Schätzung 
fremder  Gäste  hatte  trotz  der  politischen  Wirren  nicht  gelitten;  es  war  ein 
angenehme  Eindrücke  zurücklassender  Abend,  den  ich  Herrn  Rafailo  dankte. 

Der  nächste  Morgen  war  Gradistes  antiken  Resten  gewidmet.  Im  Namen 
seines  Pekbaciies,  des  römischen  Picnus,  erhielt  sich  jener  der  Picenser,  welche 
zu  Ptoleniäus'  Zeit  hier  siedelten.  Ihr  Hauptort  Pincum  erscheint  als  „Punicum" 
in  der  Tab.  Peut.  13  Miil.  weit  von  Viminacium.  Diese  Entfernung  trifft  auf  das 
in  Wirkiiciikeit  nur  einige  Mi!!,  weiter  liegende  V.  Gradiste')  an  der  Pekmündung. 
Graf  Marsigli  skizzierte  sein  Kastell  mit  vier  rund  vorspringenden  Ecktürmen  auf  dem 
linken  Pekufer,  wo  es  auch  Ingenieur-Hauptmann  v.  Obschelwitz  1720  als  „Grdiste" 
in  Karte  brachte.  Ich  selbst  sah  noch  1861  die  starke  Steinummauerung  seiner 
Donaufront,  zahlreiche  Ziegel,  mit  Stempel  LEG.  VII.  CL.  und  von  Privaten  =), 
dann  viele  Deckplatten.  Im  Hause  des  Kaufmanns  A\arkovic  zeigte  man  mir 
verschiedene  Münzen  aus  der  Kaiserzeit,  einen  Votivstein*)  und  ein  Relief,  dar- 
stellend Hektors  Schleifung  durch  Achilles  <),  das  später  dem  Belgrader  Museum 
übergeben   wurde   und   schon   deshalb   interessant  ist,  weil   nur  wenige   römische 


')  A.  a.  O.  1,  Tab.  V,  üradisca  genannt,   Im  Texte  werden  die  Türme  nicht  erwähnt. 
2)  C.  1.  L    111.  Suppl.  Fase.  II,  No.  8277. 

')  C.  I.  L.  111,  No.  6298;  Starlnar  III,  69  und  C.  I.  L.  III.  Suppl.  Fase.  II,  No.  8098. 
*)  Meine  Abbildung  in  „Römische  Funde  in  Serbien",    Mitteii.  d.   k.  Akad.  d.  Wiss.. 
Bd.  .\XXV1. 


Lieber  Veliko  Gradiste  und  Oolubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.        191 

Skulpturen  bisher  bekannt  wurden,  vveiciie  diesen  Gegenstand  behandeln;  links 
im  Relief  erscheint,  den  lokalen  Hintergrund  andeutend,  die  trojanische  Mauer. 
Als  ich  Gradiste  im  Oktober  1887  wieder  besuchte,  sah  ich  im  Gemeinde- 
haus drei  Vasen  und  einen  Ring, 'welche,  wie  mir  der  die  Arbeiten  leitende 
Stadtingenieur  Kuczinski  mitteilte,  die  Ausbeute  aus  elf  bei  der  Fundamentierung 
des  neuen  Schulbaues  im  April  1887  aufgedeckten  römischen  Gräbern  waren.  Einige 
bargen  in  1  m  tiefen,  aus  Steinplatten  hergestellten,  nach  oben  dachförmigen 
Särgen  vollständige  Skelette.  Im  Hofe  des  alten  Gymnasiums  liegt  ein  Votivstein 
mit  stark  zerstörter  Inschrift,  der  Stadtingenieur  besass  kleine  keramische  Gefässe, 
der  Apotheker  viele  Münzen,  die  meist  aus  Gradiite  stammten.  Der  schönste 
aller  bisher  bekannt  gewordenen  antiken  Funde  wurde  beim  Castrum  gemacht, 
als    man   dessen   Wälle   ihres   Steinkleides    vollkommen    beraubte.      Es    war    eine 


Hir':70 


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VELIKO  üRADISTE,   Relief  Hcklors  ScIileifunK  Jurcli  Achilles. 

kleine  Merkur-Statuette,  welche,  wie  ich  durch  vielfaches  Umfragen  erfuhr,  gleich 
anderen  Bronzen,  darunter  ein  Bacchuskind,  ein  hübscher  Zeus,  eine  schematisch 
gearbeitete  Nike ')  usw.,  durch  Pester  und  Belgrader  Zwischenhändler  in  die 
Trau'sche  Sammlung  zu  Wien  überging,  wo  ich  sie  sah. 

Als  Hauptstapel  der  im  Vlll.  Kapitel  ausführlicher  berührten  römischen 
Metallproduktion  des  Pekgebietes  besass  Pincuin  auch  volkswirtschaftliche  Bedeu- 
tung. Mehrere  Wege  führten  aus  dem  Innern  zu  seinem  Haien,  und  deshalb 
wurde  diese  vvolilliabeiuie  Niederlassung,  welche  nach  der  Not.  Imp.  dalmatinische 
Miui  aiulere  Reiter  im  fr  laluhuiulert  hewachteii,  auch  auf  dem  linken  Donaurande 
durch  ein   Kastell    beschirmt.     A\arsii;li    sah    iiucli    dessen  Wälle   beim   jenseitigen 

ungarischen  Pozezena  •')• 

Vor  etwa  I.t  Jahren  wiirile  die  7  km  lange  Strasse  von  GradiSte  nach 
Golubac  m  eine  Kreisstrasse  umgebaut.  Sie  ist  vortrefflich  und  führt,  nachdem 
sie  den  durch  das  angeschwemmte  Hochland  fliessenden  Pek  gekreuzt,  durch  das 
reichste  und  grösste  Dorf  des  Bezirks  (1895:   1330  Seelen  in  218  Häusern),  das 


Arch.-cpinr.  Mitl.  II.   1">I  ff 


■)  A.  a.  (),  II,  Tah.  I. 


1!)'J       Heller  Veliko  Oradiätc  und  Oolubac  am  Römcr-Limvs  nach  Dolni  Milanovac. 

schon  seit  hurulert  Jahren  eine  hl.  Marienkirche  besitzt  und  ncucstcns  seinen  alten 
Namen  HikDtinti  in  „Branifevo"  (S.  125  ff.)  umtauschte.  Der  dort  un|{cmein  fruchtbare, 
von  Serben  und  Walachen  bewohnte  Boden  steht  so  hoch  im  Preise,  dass  1  Joch 
Mais^rinid  mit  200  Dukaten  bezahlt  wird;  er  bewertete  sich  gewiss  noch  höher, 
würe  nicht  ilie  zur  Donau  streichende  ijjssterrassc  fortwährend  in  Bewegung, 
^ejjen  welche  das  Pflanzen  von  Akazien  und  Weiden  vergebens  ankämpft.  Zu 
den  vielen  hier  im  iJtss  gemachten  palaontologischen  i-'unden  kam  jüngst  ein 
Mammutzahn  bei  Vinca.  Wir  umfuhren  die  „lebenden"  kahlen  Flugsandhügcl 
von  Usje  und  hielten  bald  vor  der  Mehana  des  gleichfalls  an  solchen  lehnenden 
G  o  I  u  b  a  c. 

Das  aus  zwei  langen  Strassen  bestehende,  1895  schon  1553  Bewohner  in 
293  Häusern  zählende,  vor  kurzem  aber  noch  Dorf  gewesene  Bezirksstädtchen 
bot  begreiflich  wenig  Reiz.  Seine  Beamten,  Honoratioren  und  Skup5tinar  F^ista 
Popovic  erwiesen  sich  um  so  zuvorkommender.  In  ihrer  Gesellschaft  besuchte 
ich  die  1843  erbaute  kleine  Sv.  Nikolakirche  und  Schule,  in  welcher  ein  Lehrer 
und  eine  Lehrerin  in  4  Klassen  90  Knaben  und  30  Mädchen  unterrichteten.  Auf  der 
Lände  ankerten  eben  Schleppboote,  welche  mit  Getreide  vom  Pekgebiet,  für  das 
auch  Baillonis  Dampfmühle  als  Käufer  auftritt,  und  mit  Vieh  aus  den  walachischcn 
Bergdörfern  für  Ungarn  beladen  wurden;  in  guten  Jahren  gehen  6 — 8  Schlepper 
dahin.  Da  die  Car.sija  klein  und  wenig  besucht,  befriedigen  die  Einwohner  durch 
Gewerbebetrieb  und  lohnende  Fischerei  ihre  geringen  Bedürfnisse.  Ein  nahe  der 
Kirche  vorbrechendes  Kohlenflöz  ist  zu  schwach,  um  zum  'Abbau  aufzufordern. 
Obschon  Golubac,  wie  man  sieht,  nur  über  bescheidene  Einkünfte  verfügt,  zudem 
1876  dufch  eine  grosse  Überschwemmung  und  drei  |ahre  später  durch  ein 
heftiges  Erdbeben  heimgesucht  wurde,  hat  es  einen  Quai  begonnen,  seine  Strassen 
gepflastert  uiul  auch  im  Häuserbau  anerkennenswerte  Fortschritte  gemacht. 

In  aitserbisciicn  Tagen  residierte  Knez  Lazars  Schwiegersohn  und  Statthalter 
für  die  Laiuischat'ten  Rjeka,  Zvizd,  Omolje  und  Porec  (das  heutige  MIava-  und 
Poreökagebiet)  bei  Golubac.  Zu  Dvoriste,  am  Snegotinski  potok  (Bach),  standen 
seine  Höfe,  beim  Nachbardorf  Maiesevo  befand  sich  seine  Burg  und  bei  dem 
von  ihm  begründeten  Kloster  Tuman  sein  Bad.  Ich  wollte  selbst  sehen,  ob  diese 
durcii  Dr.  A\edovic ')  mitgeteilten  und  von  Milicevic  wiederholten  Traditionen 
begründet  seien. 

Rasch  ging  es  durch  abgeerntete  Kulturen  und  eine  anmutige  Waldschlucht 
nacii  tiem  11  km  fernen  Kloster  Tuman.  Dort  lebte  zur  Zeit  der  Kosovoschlacht 
Sozim  in  still  verborgener  Klause  und  Miios  Obilic  hatte  das  Unglück,  den 
frommen  Einsiedler  während  der  Jagd  durch  einen  sein  Ziel  verfehlenden  Pfeil 
zu  tüten.  Zur  Sühne  stiftete  Milos  1389  an  der  Stelle,  wo  Sozim  fiel,  ein 
Gotteshaus.  Während  des  Baues  hörte  er  aber  den  überirdischen  Ruf:  „tu  mani" 
(hier  unterbreche!).  Wirklich  erhielt  er  sehr  bald  des  Zaren  Aufforderung  zu  eiliger 
Rüstung,  weil  die  Türken  im  Anzug  seien.  Zu  Kosovo  tötete  Milos  den  Sultan 
Murad  und  bezahlte  diese  ihn  zum  vielbesungenen  Nationalhelden  erhebende  kühne 


')  Glasnik.  Belgrad,  1852.  S.  195. 


Ueber  Veliko  (iradiste  und  Goliibac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.         193 


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MiloS  Obiliifs  Bad  an  der  Tumanska. 


Tat  mit  dem  Leben;  sein  erst  viel 
später  vollendetes  Kirchlein  erhielt 
aber  den  Namen  „Tu man".  So  er- 
zählte uns  die  Gründungssage  des 
Klosters  der  damalige  Namijestnik 
Sava  Mihailovic.  Von  Tumans  letzter 
Vergangenheit  wissen  wir,  dass  Mak- 
sim  Radovic,  welcher  während  der 
österreichischen  Occupation  Serbiens,  1733,  die  Belgrader  Diücese  bereiste'), 
dessen  im  Äussern  vernachlässigte  hl.  Krzengel  Mihail-Kirche  ohne  Einrichtungs- 
stücke und  nur  von  einem  Kaludjer,  dem  Herzegowiner  Isaija,  bewohnt  traf;  von 
Büchern  besass  das  Kloster  einen  wertvolleren  „Zakonik  srpski",  geschrieben 
auf  dem  Athos,  um  den  ich  vergeblich  fragte. 

Das  dem  liinsturz  naiie  Kirchlein  wurde  1MS3  durch  den  Ingenieur  Cermak 
gründlich  restauriert.  Der  schon  früher  angebaute  Narthe.x  mit  kleinem  Glocken- 
turm und  die  weisse  Tünche  des  Baues  geben  ihm  ein  ganz  modernes  Aussehen. 
Nur  sein  Inneres  bewahrte  durch  die  halbkreisförmige  Altartribuna  und  Seiten- 
apsiden mit  schmalen  Lichteinlässen  byzantinisches  Gepräge,  das  die  1833 
hergestellte  Ikonostasis  nicht  beeinträchtigt.  In  der  Mauernische  rechts  vom 
llaujiteingang  ruhen  in  einer  Tunüia  die  Gebeine  des  liremiten  Sozim,  welche, 
als  wuMticrtätig  gerühmt,  am  „Maria  1  limmelfahrf-Sabortage  dem  Kloster  viele 
Andächtige  und  ansehnliche  Opferspenden  bringen.  IHS5  zählte  sein  Sprengel 
7  Dörfer  nnt  L^7H."i  Seelen,  sein  Besitz  ti  Hektar  l-'eld  und  Wiesen,  2,(iO  Hektar 
Weingarten,  Kido  Hektar  Wald.  Die  Jahresausgabe  betrug  4300,  die  Einnahme 
5000,    (las    Barvermiigen    ilüOOd.-')     Da    hierzu    ein    guter    \'iehstand,   Geflügclhof, 

')  A,  a.  ().,  (ilasnil<,  IUI.  5(i. 

■)  Uli  cMliK'liine  ilio  I'aten  über  das  imlu'wi'yiii'lK'  \\'rmoi;i-ii  ik-r  Klöster  im  KöniRroich 
ScibiiM  Bni^dljuli  Jovanovics  .sorHliillinei   Arlieil.  lii.isink,  IUI.  (»2.   ISH!). 

I      KAM  rz,   Serhioii.     I.  II» 


1^4        Uc'bcT  Vvlikr)  Cjradjitc  und  Cjolubac  am  Rötncr-Limcs  nach  Dolni  Milanovac. 

Bienenstöcke,  Obstbäume  usw.  kommen,  so  ist  materiell  für  die  zwei  geistlichen 
Bewohner  von  Tuman  reichlich  K<^sorKt,  und  wenn  sein  Verwalter  die  vor- 
tjeschriebene  Steuer  erst  nach  öfterer  Mahnung  mit  Klagen  dem  Staate  bezahlt, 
so  i^eschicht  dies  wie  anderwärts,  um  nicht  so  bald  in  eine  höhere  Klasse 
hinaufgeschraubt  zu  werden.  Tumans  letzter,  seit  1880  unter  einer  roten  Marmor- 
plattu  neben  liur  Kirche  ruhender  Archimandrit  Jeflimija  liess  es  in  gut  geordneten 
Verhältnissen  zurück,  was  belonenswert,  weil  viele  Vorstände  allzu  sehr  für  die 
eigene  Tasche  wirtschaften.  Den  timpfangsraum  des  behäbig  eingerichteten 
Klosterkonaks  schmücken  die  Porträts  des  russischen  Zaren,  des  Metropoliten 
Mihail  u.  a.  Sava  bot  uns  ein  rasch  improvisiertes  Mahl  an.  Speise  wie  Trank, 
vorgesetzt  von  einer  jungen  Frau,  die  nicht  „seine  Schwester"  war,  mundeten  vor- 
trefflich, die  oft  launig  eingeflochtenen  Klagen,  dass  die  Steuerbehörde  sein  Kloster 
durch  die  Fiinreihung  in  eine  hohe  Satzklasse  allzusehr  auszeichne,  erregte 
Heiterkeit,  ohne  die  mich  begleitenden  Beamten  entfernt  zu  rühren.  Wenn  irgend 
ein  Zauber  den  im  Kirchlein  ruhenden  Anachoreten  Sozim  erweckte,  wie  würde 
er  staunen  über  der  Zeiten  Wechsel  seit  fünfhundert  Jahren,  über  seine  und.  die 
moderne  orientalische  Auffassung  mönchischen  Lebens! 

Auch  Knez  Lazars  Statthalter  mögen  geringere  Forderungen  an  ihre 
Residenzen  verschönenden  Komfort  gestellt  haben,  als  heute  der  bescheidenste 
serbische  Nacalnik.  In  eisigkaltem  Quell  unter  freiem  Himmel  zu  baden,  wie  es 
Miloä  Obilic  tat,  erscheint  heute  gewiss  nur  sehr  abgehärteten  Priessnitzianern 
angcnclun.  Ich  erwartete  die  Ruinen  eines  Bades  zu  sehen,*  doch  Mönch  Sava 
führte  uns  aufwärts  am  stark  zerklüfteten  Bette  der  Tumanska  zum  wildromantischen 
Punkt,  wo  sie,  über  nackte  Kalkfelsen  abstürzend,  diese  glatt  schliff  und  durch 
Erjosion,  neben  vielen  kleinen  Lochern,  unten  ein  grösseres  wannenartiges  aus- 
nagte, auf  das  unser  Führer  mit  den  Worten  wies:  evo  Miloäeva  banja! 
Etwas  enttäuscht,  skizzierte  ich  das  im  W.  mit  Buchen  und  Sommereichen  erfüllte, 
im  SO.  aber  von  den  stark  verkarsteten  Tilva-Vorhühen  umrahmte  Naturbild.  .Ähnlich 
erging  es  mir,  als  ich  auf  dem  Rückweg  zu  Dvoriste  und  Malesevo  nach 
den  Resten  der  „dvori"  und  des  „glavni  dvor"  (Hauptpalast)  von  Miloä  Obilic 
fragte.  Hatten  sie  jemals  existiert  —  Medovics  Gewährsmann  wollte  noch  Grund- 
mauern der  „Höfe"  1810  gesehen  haben  —  so  sind  sie  seither  verschwunden. 
Solche  gäbe  es  dort  nicht,  sagten  die  Bauern.  Auf  dem  Medju  cerje  aber 
fände  man  alte  Ziegel  und  auch  Münzen,  von  welchen  niemand  sagen  könne, 
woher  sie  stammen.  Auf  die  Gefahr  hin,  mein  Erfahrungsregister  um  eine  Niete 
zu  bereichern,  sclilui^  ich  Herrn  Cermak  vor,  den  Ritt  mit  mir  auf  die  Höhe  zu 
wagen.  Auf  den  flinken  Pandurenpferden  ging  es  rasch  durch  das  endlos 
gestreckte  Dorf  zum  450  m   hohen  A\edju  Crje  brdo. 

Zerstreut  am  Wege  liegende  Ziegelstücke  erkannte  ich  meist  als  römische. 
Bald  traten  sie  am  dicht  bewachsenen  Bachrinnsale  häufiger  auf  und  es  schien  mir 
sicher,  dass  wir  eine  Rümerstrasse  verfolgten,  welche  die  wichtigen  Donaufesten 
zu  Golubac  und  Brnjica  verband.  Auf  der  Plateauhöhe  fand  ich  auch  die  ganz 
überraste  Grundfeste  eines  kleinen  Kastells,  welches  sie  gehütet  hatte.  Kein 
Zweifel.      Zur    .Xnlaße    dieser    kurzen    Hochtrace    wurden    die    Römer    durch    den 


Ueber  Veliko  Gradiäte  und  Golubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.       195 

unzugänglichen  Steilhang  des  Bela  stena-Pyions  am  Westtore  des  Greben-Donau- 
passes  gezwungen.  Und  wie  früher  bildet  diese  Umgehungsstrasse  auch  heute 
die  einzige  Route,  auf  welcher  sich  der  Landverkehr  von  Golubac  über  Krivaca') 
nach  Dobra  bewegt.  Ich  hatte  hier  ein  wichtiges  Glied  des  römischen  Donau- 
heerweges gefunden,  das  mir  die  begründete  Bestimmung  seiner  folgenden 
Stationen  wesentlich  erleichterte. 

Auf  der  Tab.  Pcut.  folgt  am  Donau-Limes  nach  Punicum  (übereinstimmend 
mit  (.Ur  im  Itin.  Aiit.  erscheinenden  Millienzahl  XIV  zwischen  Viminacio  und 
Cuppe)  das  1 1  Alill.  ferne  Vico  Cuppe.  Diesen  Maassen  entspricht  genau  donau- 
abwarts  Golubac,  was  meinen  Ansatz  Cuppaes  bei  diesem  gleich  sehr  rechtfertigt, 
wie  jenen  Punicums  bei  Gradiste.  Beide  Mansionen  wurden  seither  auch  von 
Kiepert  mit  diesen  Orten  identifiziert.  Im  Städtchen  Golubac  traf  ich  die  Reste 
der   riimischcn  Niederlassung  weit   besser  erhalten  als  an  vielen  anderen  Donau- 


GOl. UBAC,  riimische   Bronzcplattc. 

punkten;  der  einstige  Zusammenhang  ihrer  getrennten  Teile  war  unschwer  zu 
erkennen.  Westlich  vom  neuen  Quai  stiess  ich  auf  die  Grundfesten  ausgedehnter 
römischer  Bauten,  die  sich  in  langen  Linien  bis  zu  den  ersten  Häusern  der  Stadt 
hinziehen.  Hier  war  jedenfalls  Cuppaes  Hafen  und  Handelsviertel,  das  sich  an 
die  nahe  südliche  Höhe  lehnte,  auf  der  ich  in  dominierender  Lage  auch  sein 
im  Quadrat  angelegtes  Kastell  auffand.-)  lis  zählt  zu  den  grösseren  des 
mösisclu'ii  Ddii.üi-l.imes,  besass  2,5  m  starke  und  180  m  lange  Fronten,  welche, 
an  einzelnen  Stellen  mit  dem  vollen  äusseren  Steinkleid  erhallen,  eine  ganz 
vorzügliche  Bautechnik  hekinulen.  Dies  widerlegt  Karies  Mitteilung''),  die  riimische 
Feste  sei  spurlos  verschwiuulen  (!).  Im  Gegenteil  entdeckte  ich  im  Zentrum  des 
Kastells  noch  Rutlimente  eines  iiuadratischen  Baues,  vielleicht  des  Prätoriums, 
und  an  der  Nordmauer  jene  eines  zweiten,  welche  über  dieselbe,  in  den  Wein- 
garten   des   Steva   llic    strichen.     Letzterer  versicherte    mir,   dass    die   Haue   dort 


')  Auf  der  k.  u.  k.  (ieiicralslaliskarle,  Austiabo   1881,  fehlt  dieses  Port. 
■')  Walirsclicinlieli     identisch     mit    einem    der     „üradisca"     in    Marsij{lis    „nanubitis", 
IUI.  II,    Iah.  V. 

')  Srhii.i,  KC)'.),  sie  iKMiilit  siflii'i   iiichl  auf  .Autopsie. 


190       Ufber  Vfliko  OradiSle  und  Ooliihnc  am  Riimcr-Limcs  nach  Dolni  Milanovac. 

allerorts  auf  unhczwinfibar  festes  Mauerwerk  stosse  und  beim  Graben  sehr  oft 
Waffen,  Mün/uii,  Bnmzen,  TopfsclierlHMi  usw.  zum  Vorschein  kamen.  Als 
Bestati^unji  brachte  er  die  hier  abnuhiUlele,  23  cm  im  Durchmesser  breite,  9  cm 
hohe,  reich  ornamentierte  Bronzeplatte  herbei  und  bat  mich,  sie  zur  Erinnerung 
anzunehmen.  Von  anderer  Seite  erhielt  ich  eine  Lanzenspitzc,  Münzen  und 
Abdrücke  von  Intanlien,  deren  fi^uralische  Darstellungen  nicht  ohne  künstlerischen 
Wert.  Entsprechend  dem  Oarnisonsverzeichnis  der  Not.  Imp.  zeigte  der  ^r'^ssere 
Teil  tkr  v(in  mir  auf  dem  Kastellhüt^el  gesehenen  Ziegel  den  Stempel  der 
Lef^.  VII.  Cl.,  deren  Besatzun^^sberuich  t^ej^en  Osten  hier  endigte. 

Obschon  viele  interessante  antike  Objekte  aus  Golubac  in  das  Belgrader 
Museum  gelangten,  darunter  zuletzt  auf  dem  Terrain  des  Castrums  ausgegrabene 
silberne  Röhren  von  15—30  cm  Läuf^e  und  2—3  cm  Durchmesser,  harren  dort 
gewiss  weit  zahlreichere  der  richtigen  Wünschelrute.  Dass  einzelne  Versuche,  wie 
die  1HH4  unternununenc  Eröffnung  eines  Doppelgrabcs,  ausser  Ziegeln  mit  dem 
Stempel  l'ALSEV,  keine  wertvollen  l'unde  ergaben,  sollte  von  neuen  Unter- 
neliinungen  nicht  abschrecken. 

Drei  Kilometer  nordöstlich  von  Cuppae  fällt  seine  den  schmalen  Uferstreifen 
begleitende  Velika  cuka  im  steil  abstürzenden  Felspylon  ab,  welcher  das  Golubacer 
Schloss  trägt.  Ob  dieses  Spuren  einer  antiken  Anlage  bewahrt,  welcher  Epoche 
seine  Mauern  und  Türme  angehören,  dies  zu  untersuchen,  bildete  die  erste  Aufgabe 
meiner  bis  Milanovac  geplanten  archäologischen  Donaufahrt,  für  welche  am 
Golubacer  neuen  Quai  ein  riesiger  Kahn  ausgerüstet  wurde.  Proviantvorräte,  ein 
Fässchen  Wein,  Cnturas  mit  Rakija,  Kisten  und  Rohrmatten  ordneten  sich  unter 
der  leitenden  Hand  des  fieuiullichen  Schiffseigners  Aleksa  T.  Blagojevic,  welcher 
bei  Dobra  grosse  Holzschläge  abtreibt  und  mich  dahin  geleiten  wollte.  Er  gilt 
als  reichster  Mann  des  Ortes  und  siegte,  obschon  Fortschrittler,  1894  mit  grosser 
Majorität  gegen  den  radikalen  Deputierten  Rista  Popovic.  Unser  äamac  glich 
mehr  einem  Kriegskanoc,  als  friedlichem  Zwecke  dienendes  Schiff.  Ausser 
vier  wetterharten,  mit  Pistolen  bewehrten  Ruderknechten  und  dem  reckenhaften, 
mit  Revolver  und  gewaltigem  Handschar  ausgerüsteten  KormanoS  (Steuermann), 
befanden  sich  im  Boote  der  Bezirksleiter,  dessen  Kanzlist,  ein  Detektiv  und 
zwei  mit  Hinterladern  bewaffnete  Gendarmen,  welche  ihre  Revolver  mit  Patronen 
versorgten.  Später  ferst  hörte  ich,  weshalb  dieser  ungewöhnliche  Sicherheits- 
apparat aufgeboten  wurde. 

Endlich  fertig;  unsere  Bemannung  rief  ihr:  „Pomozi  Sveti  Nikolai"  bekreuzte 
sich  dreimal  und  vier  Ruder  teilten  energisch  die  Flut.  Rasch  wechselte  die 
landschaftliche  Scenerie.  Nahe  dem  Ciganjski  vinograd  durchbrechen  Glimmer- 
schiefer die  sandige  Terrasse,  bald  überlagert  sie  wieder  Kalkstein,  der  zu  immer 
höheren  Felsen  ansteigt.  In  einer  halben  Stunde  landeten  wir  am  mächtigen 
Piedcstal  der  pittoresken  Ruine.  Phantastisch  ausgeschmückte,  durch  Volkslieder 
vererbte  Sagen  haften  an  den  Burgmauern.  Dies  überrascht  nicht  in  einem  Lande, 
wo  die  Ereignisse  während  der  über  das  Serbenreich  entscheidenden  Amsel- 
feldschlacht und  viel  näher  liegende  durch  mythische  Zutaten  verdunkelt  werden. 
Die  Anwohner  erzählen:  Des  Schlosses  Erbauerin  war  eine  serbische  Fürstentochter, 


Ueber  Veliko  Gradistc  und  Golubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.        197 

sein  höciister  Turm  das  Gefänj^nis  der  schönen  Griechenkaiserin  Helena;  den 
serbischen  Namen  und  gleichbedeutenden  türkischen  „Gögerdzinhk"  (Tauben- 
schlag) erhielt  es  aber  von  den  vielen  romantischen  Liebeshändeln,  deren  Schauplatz 
es  war.  Die  verbreitetste  Tradition  lässt  einen  auf  Golubac  residierenden  Türken- 
pascha seine  für  untreu   gehaltene   Krau   auf  dem   Turme,   der  einst  den   nahen, 


GOLUBAC 


?.iW 


üOl.ritAC,   Scliloss-I'l.iii  und  Aiilriss. 


im  Strome  aufragenden  „  Babakajafels"  kr<inte,  den  Hungertod  sterben.  Lcnaus 
Schwager,  A.  X.  Schurz  (in  Ludwig  l'oglars  „Uonausagen",  317),  besang  ihre 
Liebe  uiul   I'i'lii: 


lüiK'  ir.iii  Holiluclbcr  ll.i.iri' 
fnlrcii  ward  iK'fundL'ii; 
Ihr  Ijchcbtcr,  ein  Ma;;yarc, 
Aber  war  verschwunden. 


Noch  sein  ll.uipl  ein  Janilschare 
Urach!"  in  wcnij;  Sliuulen. 
Und  als  Sclinuick  ward    -    n  Harbarc! 
Es  ihr  uniKehunden.  —  ßnbakay! 


li)H        Ik-hur  Vcliko  (iradislc  und  (jolubac  am  KonitT-Limcs  nach  Uoini  Milanovac. 

Auf  den  t-L-ls  die  Unt^ctrcut-  Und  ihm  bti-ts  aufs  neue, 

Licss  der  A|{a  bringen;  Wonncgirrcnü,  singen; 

Da  nun  man  ohn'  alle  Scheue  Oder  aber,  fühlt  sie  Reue, 

^ie  das  Maupl  utnsL'liiln^en,  In   die  Donau  springen!  —  Babakay! 

In  titii  folj^eiiden  Siroplien  wühlt  die  türkische  Andromache  das  kühle  Grab, 
iiiui  (laliLi  dur  Name  des  Felsmonolythen  „Baba  kaia"  (Bereue,  Frau!).  Nach 
einer  zweiten  Deutung  stammt  aber  der  Name  von  dem  türkischen:  baba  (Vater) 
und  kai  (Stein). 

Als  fester  Hüter  der  ersten  Kataraktenstreckc  oberhalb  des  Eisernen  Tores 
erschwerte  Schloss  Golubac  das  Eindringen  in  den  nur  teilweise  für  Fusstruppen  am 
rechten  Stromufer  gangbaren  Grcbcnpass.  Wie  zahlreiche  Funde  zeigen,  besassen 
schon  die  Romer  an  diesem  strategisch  eminent  wichtigen  Punkte  ein  zu  Cuppae 
gehörendes  Vorwerk,  dessen  Rudimente,  wie  ich  stellenweise  fand,  zur  serbisch- 
türkischen  Burganiage  benutzt  wurden.  Ihr  vorstehender  Plan  und  Aufriss ') 
mahnt  lebhaft  an  jenen  des  lykischen  Pinara-).  Die  fünf  Abschnitte  (s.  Planskizze) 
steigen  hart  vom  Stromrande  mit  neun  Türmen  und  krenelierten  Verbinduiigs- 
mauern  terrassenartig  zur  Felshöhe  hinauf'^).  Über  den  durch  eine  Brücke  übec- 
spanntcn  breiten  Graben  und  die  starke  Umwallung  gelangte  ich  an  das  spitzbogige 
Haupttor,  das  rechts  ein  zinnengekrönter  Rundturm  und  links  ein  sechsseitiger 
Turm  flankieren;  den  gleichfalls  sechsseitigen  Wasserturm  schmücken  ausser  zwei 
türkischen  Inschriften  eingefügte  Steinkugeln,  den  Vorhof  das  Grün  mächtiger 
Nussbäume,  das  sich  wohltuend  vom  Grau  der  Felsen  und  Mauern  abhebt.  Ein 
zweites  Tor  führt  in  den  durch  hohe  Türme  geschützten  mittleren  Hof.  Schwer 
hält  es,  aus  diesem  Propugnaculum  in  die  ungleichseitige  quadratische  Befestigung 
de'r  70  m  hohen  obersten  Burgfelscnplatte  zu  gelangen,  die  ein  auf  oktogonalem 
Unterbau  rund  aufsteigender,  seines  stark  vorragenden  Galeriekranzes  wegen 
„§esir  kula"  (Hutturm)  genannter  Luginsland  krönt.  Kaum  haftet  der  Fuss 
auf  dem  hinanführenden,  von  Dorngebüsch  überwucherten  glatten  Steilpfade,  doch 


'i  Nach  meiner  Kopie  zweier  im  Wiener  k.  u.  k.  Kriegsarchiv  bewahrten  Handzeich- 
nungen aus  dem  18.  Jahrhundert;  sie  zeigen  einige  kleine  Differenzen  zwischen  Grund-  und 
Aufriss. 

-)  Otto  Benndorf  und  George  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karien,  I,  54. 

^)  Milicevic  spricht  in  Srbija  (S.  1028)  nur  von  acht  Türmen  und  berichtet,  dass  alle  rund 
sind;  er  hat  sie  gewiss  niemals  näher  besichtigt.  Noch  weniger  liebt  aber  das  Studium  im 
Terrrain  der,  wie  er  bescheiden  äussert,  „monumentale  Werke"  liefernde  Herr  Spiridion 
Gopcevic.  Wahrhaft  erheiternd  wirkt  —  wo  er  nicht  vorzog,  mit  der  Schere  zu  arbeiten, 
das  heist,  meinem  „veralteten  Serbien"  über  100  Seiten  wörtlich  zu  „entlehnen"  —  die  Leicht- 
fertigkeit dieses  genialen  Mannes,  wenn  er  sich  manchmal  die  Zeit  und  Mühe  nimmt,  einzelne 
Stellen  umzuschreiben.  So  erzählt  er  in  seinem  Machwerk  „Serbien  und  die  Serben"  iS.  41 1 
von  Golubac:  „Im  unteren  westlichen  Turme  befanden  sich  früher  ein  türkisches  Bad  und 
eine  Moschee,  die  auf  Fürst  Miloä'  Befehl  zerstört  wurden".  —  Wie  gross  dachte  sich  denn 
dieser  von  fiktiven  Bahnbeamten,  Cinearen.  Sedicanern  u.  a.  gehörte,  in  Wahrheit  aber  den 
Werken  der  berühmten  Reisenden  Ami  Bouö,  Hahn,  Barth  u.  a.  „entlehnte"  Routen-,  Städte- 
und  Landschaftsscliilderungen  reproduzierende  Bücherfabrikant  den  Qolubacer  Turm,  in  dem 
nach  ihm  das  einige  Hundert  Schritte  vom  Schlosse  entfernte  Badegebäude  und  die  benachbarte 
Moschee  mit  Minaret  neben-  oder  übereinander  Platz  fanden?  — 


Lieber  Veliko  Gradiste  und  Golubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.        199 

lohnt  eine  unvergleichlich  prachtvolle  Aussicht  das  Wagnis,  und  manchmal  finden 
ausdauernde  Kletterer  eine  römische  oder  altserbische  Münze,  oft  aber  auch  nur 
—  wie  wir  —  Pfeilspitzen  aus  der  Türkenzeit. 

Im  Mittelalter  hatte  Schioss  Golubac  seine  Festigkeit  gegen  magyarische, 
bald  aber  auch  gegen  türkische  Angriffe  zu  erproben.  1391  glänzte  der  Halbmond, 
wenn  auch  nur  kurz,  zum  erstenmal  auf  seinen  Zinnen.  Ein  Jahr  darauf,  als  es 
zum  Krieg  zwischen  Bajazid  und  den  Ungarn  kam,  mussten  die  von  Peter  Pereny 
geschlagenen,  bis  in  das  Moravatal  verfolgten  Türken  Golubac  räumen,  und 
nochmals  gelangte  es  an  Brankovic  zurück.  Doch  1428  übergab  Jeremije  es  den 
Türken'),  welche  nun  hier  wie  der  franzosische  Reisende  Broquiere  1433  fand, 
eine  grosse  Tschaikenflotte  zu  Einfällen  auf  das  ungarische  linke  Stromufer 
stationierten.  Dies  veranlasste  König  Sigismund,  der  Feste  gegenüber,  auf  hohem 
Berge,  das  sie  dominierende  Schioss  Läsziovär  zu  erbauen.  Vergebens  suchte 
er  aber  von  dort  aus  Golubac  dem  Sultan  zu  entreissen.  Nach  dem  zwischen 
dem  Ungarkönig  und  Brankovic  (1427)  geschlossenen  Vertrag  sollten  ungarische 
Truppen  ausser  Belgrad  und  Mahov  auch  Golubac  besetzen,  dem  musste  aber 
die  Vertreibung  seiner  türkischen  Besatzung  vorausgehen.  Die  Episoden  dieses 
Vi'affenganges  sind  so  interessant,   dass   er  hier  eine   kurze  Schilderung  verdient. 

Der  König  sammelte  im  Mai  1428  persönlich  unter  dem  Schutze  von 
Läsziovär  seine  Scharen  und  brachte  sie  auf  zahlreichen  Tschaiken  auf  das 
jenseitige  Ufer.  Die  Landung  war  schwierig,  das  Vertrauen  der  Ungarn  aber  gross, 
und  selbst  Frauen  beteiligten  sich  am  Kampfe.  So  die  jugendliche  Gattin  des 
Tenieser  Banus  Stefan  Roszgönyi  und  jene  heldenhafte  Cäcilie  Szentgyörgyi,  welche 
mit  ihrer  Galeere  mehrere  feindliche  Tschaiken  in  den  Grund  bohrte.  Die  Angreifer 
stürmten  mit  Begeisterung,  doch  wenig  erfolgreich  gegen  das  feste  Bollwerk.  Da 
erschien  Murad  schneller  und  mit  grösserer  Macht,  als  erwartet  wurde,  zu  dessen 
Entsatz  und  warf  sich  mit  solchem  Ungestüm  auf  die  Belagerer,  dass  diese 
verwirrt  in  den  Tschaiken  das  jenseitige  Ufer  zu  gewinnen  suchten,  wobei  König 
Sigismund  selbst  in  grösste  Gefahr  geriet.  Nach  Horväth  war  es  der  tapfere 
Roszgönyi,  nacii  Vitkovid-')  der  berühmteste  Held  jener  Zeit,  der  Pole  Grabovski 
Zaviäa  Nigir  mit  seinem  Gefährten  Petar  Voda,  welcher  den  König  aus 
dem  Kampfgetümmei  auf  einer  Galeere  nach  Läsziovär  rettete.  Die  serbischen 
Tschaikisten  von  Kovin  iiewährtcn  sich  beim  Angriff  und  Rückzug  so  trefflich, 
dass  König  Sigismund  im  folgenden  Jahre,  unter  Rühmung  ihrer  Verdienste,  ihre 
i'rivilegien  erneuerte  und  erweiterte. 

Wie  die  erwähnten  Iriscliriften  am  Wasserturm  erzählen,  verstärkten  die 
Türken  nach  ihrem  liiircli  Briah  des  Waffenstillstandes  (?)  gewonnenen  Siege 
die  Werke.  Trotzdem  eroberten  die  Ungarn  Golubac  nochmals,  doch  nur  auf 
kurze  Zeit.  Denn  U-SH  bemächtigte  sich  Sultan  Mohammed  II.  dauernd  des 
Schlosses'),  von  liein  nun  die  türkischen  Streif/üge  donauaufwärts,   in  das  Banal 

')  DaniCiL',  KjeCnik,  I,  217;  n;icli  H.kI/I  Chnlfa  iS.  48i  aber  scIhmi   1414. 
)  l'roSlog,  ustancno  i  sponienicl  iifjarskih  Kraljevih  SajknSa.     S.  .W'l  uiul  l'rkmuk'  I\' 
auf  S.   10. 

■'")  Fr.iknoy,  Mathlas  Corvinus,  tj<>. 


-IUI        tlfhcr  Vcliko  (jraüiÄle  und  (jolubnc  am  Kömfr-Liincs  nath  iJoIni  Milannvac. 

bcf^annen.  lirsl  iiacli  Serbiens  troberunK  durch  Max  Hmanuel  verfielen  seine 
Türme.  Den  nahen  ^leichnaniij^en  Ort  erhob  später  der  kaiserhche  Slatthaher 
Mercy  (1722—1733)  zum  Verwaltunj^ssitz  des  Gebietes  zwischen  Smedercvo  und 
Ne^olin.  Auf  Fürst  Miloä'  Befehl  wurde  aber  das  zuletzt  t^anz  moslimische 
Städtchen  nach  1815  dem  Verfall  überlassen.  Die  verödeten  Häuser  und  das 
grosse  Karawaiiserni  lieferten  willkommenes  Material  für  bessere  Bauten  des  west- 
lichen serbischen  üohibac.  Die  jenseits  des  Schlossbaches,  etwa  200  ni  vom 
Siultor  lic^^ende  einstijic  Türkenstadt  war,  nach  ihren  weithin  sich  dehnenden 
Mauern  zu  urteilen,  ziemlich  bedeutend.  In  einem  Pendentifzwickel  der  allen 
Wettern  preisf^ef^cbcnen,  noch  bis  zum  Dachf^esimse  erhaltenen  Moschee  sah  ich 
reich^cf^liedertes,  zierliches  Stalaktitcnwerk.  Die  30  m  nördlichere  Ruine  des  15  m 
langen,  12  ni  breiten  llamams  lässt  erkennen,  dass  es  neben  fünf  grossen,  auch 
kleinere  Baderaume  besass.  Die  Kuppeln  dieses  prächtigen  soliden  Baues  sind 
eingestürzt;  seine  Wasserleitung  und  Heizrohre  könnten  aber  mit  geringen  Kosten 
kicht   wieiicr   in   guten   Stand   gesetzt   und   von   den  Golubacern   benutzt  werden. 

Mein  lieber  F^eisegenosse  Cermak  verabschiedete  sich  hier.  Ein  kräftiger 
Abstoss  und  trotz  der  beutelustigen  heftigen  Strömung  umfuhr  unser  schwer 
bcladcnes  Boot  den  romantischen  Schlossfelsen.  Die  düstergraue  Silhouette  seine'r 
drei  höchsten  Türme  und  die  westlich  gleich  einem  riesigen  Walle  aus  dem 
geteilten  Wasserspiegel  emportauchende  Insel  „Bugarsko  ostrovn"  verschwanden. 
Das  zwischen  dem  serbischen  Cuii-breg  und  ungarischen  Coronini  5,5  km  breite 
Donaubett  verengte  sich  rasch  zu  einem  400  m  schmalen'  Kanal,  an  dessen 
felsiger  Sohle  die  heftig  einstürmenden,  Raum  suchenden  Fluten  weissschäumend 
zerschellten.  Ich  hatte  unseren  Kormanos  (Steuermann)  ersucht,  bei  jedem,  auch 
kleinsten  Einschnitte  der  serbischen  Uferhänge  zu  landen.  Nach  halbstündiger 
Fahrt  steuerte  er  gegen  eine  frischgrüne,  zwischen  den  hohen  Kalkmauern  der 
Velika  Cuka  und  des  Kukurek  eingebettete  Oase.  „Evo  prvi  potok!"  (Hier  ist 
der  erste  Graben!)  rief  er.  Der  Versuch  lohnte  sich,  denn  hart  an  dem  hier 
abfliessenden  Sastavci  potok  stiess  ich  auf  eine  römische  Befestigung,  deren 
26  m  langer,  17  m  breiter  und  noch  über  2  m  hoher  Quaderngürtel  trefflich 
erhalten  ist.  Hier  wurde  eine  antike  Tonlampe  mit  dem  Stempel  ADMETI 
gefunden. 

Prächtige  Nussbäume  umsäumen  den  schmalen,  der  Golubacer  Gemeinde 
gehörenden  Uferstrich.  Tiefe  Stille  herrschte  unter  ihren  riesigen  Kronen.  Selbst 
ein  seinen  Raub  verzehrender  Geier  Hess  sich  durch  unsere  Anwesenheit  nicht 
stören.  Nur  von  der  H(>!ie  erklang  das  dumpfe  Echo  von  Axtschlägen,  welche 
dort  Holz  zur  Anfertigung  von  Schiebkarren.  Heugabeln,  Sensenstielen  usw.  für 
die  Golubacer  Firma  „Blagojevic  i  zet"  fällten.  In  den  ihr  seit  1886  ohne  Entgelt 
vom  Staate  überlassenen  Buchenwäldern  Hess  diese  durchschnittlich  jährlich 
16000  Wiener  Klafter  Brennholz  für  Kasernen  usw.  schlagen.  Für  jeden  an  das 
Ufer  gestellten  Stoss  (1"  hohen,  1"  langen,  0,5"  breiten)  bezahlte  sie  früher  den 
Unternehmern  16,  später  nur  13  d.  Die  umwohnenden  walachischen  Gebirgs- 
baucrn  wurden  hier  im  Winter  durch  lohnenden  Erwerb  für  das  fehlende  Ackerland 
entschädigt.     Die    genannte    Firma   arbeitet  nun  auf  anderen  Terrains,   denn   1897 


Lieber  Veliko  Gradiste  und  Oolubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.        201 

vvurdf  mit  Skupstinabeschluss  der  an  Wasser,  Holz  und  Mineralien  reiche  grosse 
Staatsbesitz  zwischen  Bernica,  Zagubica,  Brestovac  und  Kladovo  dem  berühmten 
Braunschweiger  Hause  Lutter  auf  99  Jahre  zur  Elektrizitätserzeugung  für  Städte- 
bcJcuchtung,  Bergbau  (Aluminium  usw.),  Holz-  und  Mahlbetrieb,  sowie  andere 
industrielle  Zweige  überlassen,  bei  welchen  es  seine  bei  den  Eisernen  Tor-Bauten 
frei  gewordenen  Arbeitsschiffe,  Apparate  zu  verwenden  gedenkt  und  50",,  der 
Produktion  im  Königreich  zu  verwerten  sich  verpflichtete.  Im  111.  Band  hoffe 
ich  sciion   mehr   über  diese  grossartige  Unternehmung  berichten  zu  können. 

Das  Firiiiainciit  hatte  sich  vollends  umwölkt  und  gab  den  bald  schwärz- 
lichen, bald  rotbraunen  Schiefern  der  auf  300  m  sich  nähernden  Steilufer  eine 
beängstigend  wirkende  Färbung;  nur  aus  dem  reichen  Baumwuchs  der  höheren 
Partien  blickten  einzelne  lichte  Kalkfelsen  hervor.  Langsam  verfloss  die  nächste 
halbe  Stunde,  bis  unser  Steuermann,  abermals  einem  kleinen  Einschnitt  zulenkend, 
am  Jelenski  potok  landete.  Hier  hatten  die  Römer  den  kaum  gangbaren,  zum 
Plateau  führenden  Steilpfad  durch  ein  kleines  quadratisches  Werk  geschlossen; 
ich  mass  seine  starken  Mauerfronten  mit  17  m  Länge  und  fand  einige  der 
charakteristischen  antiken  Deckziegel.  Auch  zwei  folgende  schmale  Einschnitte 
waren  durch  ähnliche  Wachtürme  gehütet.  Nach  ihrer  wiederholten  Darstellung 
auf  der  Trajansäule  waren  es  quadratische,  miteinander  korrespondierende, 
innerhalb  eines  Palisadenzaunes  stehende  Quaderbauten  mit  einstöckigen  und 
oft  höheren  Holzgalerien,  von  welchen  die  Annäherung  des  Feindes  durch 
angezündete  Aiarmstangen  (cancelli) ')  signalisiert  wurde,  wie  dies  bei  den 
türkisciieii  Blockhäusern  noch,  heute  üblich  ist. 

An  der  Mündung  der  Brnicka  verriet  mir  eine  das  schmale,  mit  Mais 
bebaute  Umland  dominierende  Höhe  sofort  die  Stelle  der  römischen  Kastellanlage. 
Die  zu  Karadjordjes  Zeit  in  der  gegen  S.  sich  erweiternden  Schlucht  angesiedelten 
Walachen  hatten  aber  ilire  über  2  m  starken,  50  in  langen,  26  m  breiten  Mauern 
zerstört,  und  von  den  4  f^undtürnien  wurde  nur  einer  auf  dem  ganz  überrasten 
Schuttluigel,  der,  weil  überschwemmungsfrei,  als  Friedhof  dient,  von  Herrn 
Ingenieur  Neudeck  erkannt.-)  Die  sich  im  Brnicka-Einschnitt  ausbreitenden 
70  Häuser  mit  vielen  Grundstücken  zeigen,  dass  dort  sich  auch  den  Römern 
einer  der  im  Grebenpass  seltenen  günstigen  Punkte  für  ein  grösseres  Städtchen 
bot.  Die  zutreffende  volle  Übereinstimmung  der  auf  der  Tab.  Reut.  12  Mill. 
betragenden  Fntfernung  zwischen  dem  (S.  195)  mit  Golubac  identifizierten  Cuppae 
und  Brniia  sciiljesst  jeden  Zweifel  aus,  dass  an  des  letzleren  Stelle  das  in  der 
Tale!  Idlgeiule  Novae  stand.  Aus  diesem  stammt  ein  l.%7  von  mir  publizierter 
Viitivslein,  jel/l  im  Belgrader  Museum.  ')  Ob  der  am  Römerweg  in  der  Brnifka- 
scIihKlit     stehende     Kalkuleii  von     dem     niemand    weiss,    dass    jemals    dort 

')  Froehncr,  a.  a.  ().  pl.  27,  2«. 

')  Seine  auch  an  a.  ().  beniit/ten  t-"iiiuler^;elinisse  in:  .Magyar,  .N\erni>k-es  l:pit.-l-'i;yl 
Kö/I.,  IUI.  -XXVIII. 

')  C.  I.  L.  III.  Addil.  No,  tVJ'M :  Siippl.  Fase.  II,  Nn.  «IW.  -  Nach  der  In  meinem 
„Serliien"  mitj^eteilten  Kupie  des  ln;;einenrs  Selleny.  StaU  .in"  sollte  es  dort  (S.  ^W) 
„gefunden  bei  lirnica"  lieissen. 


'202        Uchcr  Vcliko  OrndiStc  und  üolubac  am  Römer-Limes  nach  Uoini  Milanovac. 

jjcarbcitet  wurde  —  aus  antiker  Zeit  stammt  und  ob  die  berühmte  „Zvi/d  pecina" 
(Drachenhöhk)  Ihm  dem  fernen  südlichen  Duboka  (VIII.  Kap.),  an  welche  das 
Volk  un/ilhli)4e  Saj^en  knüpft,  wirklich  bei  Brnica  ausmündet,  bleibt  zu  erforschen. 

Die  von  Brnica  bis  zur  Cezava  schluchtenreiche  Uferstrecke  wurde  von  den 
Römern  durch  ein  grösseres  Werk  im  CiKanjski-  und  zwei  kleinere  im  Orlova- 
und  Trpifevi  potok  überwacht,  deren  überraste  Grundfesten  noch  vorhanden 
sind.  Zunehmendes  Tosen  der  weiss^erandeten,  rasch  sich  überschlagenden 
Weilen  verkündete,  dass  wir  der  ersten  Stromschnelle  uns  näherten.  Der  Wasser- 
stand war  ein  ungemein  niedriger,  und  so  war  die  weithin  sichtbare  grellrote 
„äamandra"  (Warnun^sboje)  leicht  auf  künstlich  aufgetürmten  Felsstücken  befestigt 
worden.  Die  Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft  griff  zu  diesem  Auskunftsmittel, 
weil  die  früher  verwendeten  Anker,  trotz  ihrer  Schwere,  wiederholt  gestohlen 
wurden.  Mit  nicht  geringer  Anstrengung  gelangten  wir  über  das  breit  unter  dem 
Spiegel  sich  dehnende  Stenkariff,  und  doch  war  es  für  unsere  Bootsleute  leicht, 
gegen  das,  was  sie  erwartete. 

Nach  I  ',., stündiger  schwerer  Arbeit  lenkte  der  Kormano§  zur  Cezava- 
mündung.  Auf  ihrem  rechten  Ufer  liegen  auf  einer  zehn  Minuten  langen,  halb 
so  breiten,  heute  von  den  Brnicaern  mit  Mais  bepflanzten  Ebene,  35  m  vom 
Donaurand  entfernt,  die  Reste  eines  quadratischen  Kastells,  dessen  über  170  m 
lange,  110  m  breite  und  2  m  starke  Mauern  4  vorspringende  Eck-  und  5  gleichfalls 
runde  Mitteltürme  verstärkten;  zwischen  den  mittleren  der  Ponaufront  befand 
sich  der  Zugang.  Das  aus  Bruchsteinen  mit  untermengten  Ziegeln  hergestellte 
Sperrfort  hiiulerte  das  Eindringen  dacischer  Horden  in  die  jenseits  der  Cola 
planina  liegenden  reichen  Minen,  zu  welchen  ein  Saumpfad  hinüberführt,  und 
schützte  zugleich  die  nahe  kleine  Zivilansiedelung.  Ausser  Ziegeln  mit  auf- 
gebogenem Rande  fand  ich  hier  viele  antike  Bruchstücke  schöner  Gefässe,  nicht 
aber  die  von  Marsigli  verzeichnete  Ruine  eines  isoliert  aus  dem  Donaubett 
aufragenden  viereckigen  Turmes'). 

Kaum  3,6  km  von  der  Cezava  fand  ich  wieder  zwischen  kleinen  Mais-  und 
Weinkulturen  am  Turski  potok  ein  starkes  quadratisches  antikes  Sperrfort  mit 
26  m  langen  Fronten.  Weniger  glücklich  waren  meine  Versuche  am  Stenjacki 
potok,  doch  am  folgenden  „B irkin-  und  Siroki  potok"  krönen  wieder 
Rudimente  kleiner  Wachtürme  die  rechtsseitigen  Bachhöhen  hart  an  der  mösischen 
Donauuferstrasse. 

Durchnässt  vom  strömenden  Regen,  erreichten  wir  am  Spätabend  Dobra. 
Am  nächsten  Morgen  begann  ich  dort  nach  den  Resten  der  Römerstation  zu 
forschen,  die  am  gleichnamigen  Bache  dieses  grössten  Quertales  des  Grebendefile 
gestanden  haben  nnisste.  Vergeblich  suchte  ich  sie  auf  der  Höhe,  welche  die 
1862  von  Dobra  gemeinsam  mit  Brnica  erbaute,  architektonisch  unschöne  Kirche 
krönt.  Dort  sieht  man  nur  eine  etwa  30  m  lange,  22  m  breite  Schanze.  Erst 
das  Durchstreifen  der  durch  den  nächtlichen  Regen  in  ein  Kotmeer  verwandelten 
Dorfstrassen  und  Gehöfte  führte  mich  nach  vielem  Fragen   und  Suchen   auf  dem 


')  A.  a.  ü.,  Bd.  II..  Tab.  5,  Fig.  \'lli. 


Ucbcr  Veliko  üradistc  und  üolubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac. 


203 


linken  Bachufer  zu  deutlichen  Spuren  der  allem  Anscheine  nach  sehr  bedeutenden 
römischen  Niederlassung.  Trotzdem  ihre  Umwallung  grösstenteils  abgeschwemmt 
und  ihr  Mauerwerk  zum  Häuser-  und  Kirchenbau  verschleppt  worden  war,  stiess 
ich  wiederholt  auf  einzelne  Reste,  von  welchen  ein  Gehöft,  in  das  mich  Radovan 
Markovic  führte,  viele  gut  erhaltene  Ziegelplatten  grössten  Formats  bewahrt. 
Auch  hörte  ich  von  einer  alten  tracierten  Strasse,  welche  am  Asim  potok  in 
die  schon  von  den  Römern  ausgebeuteten  Majdanpeker  Erzberge  hinüberzieht. 
Der  Name  der  befestigten  Mansion  an  der  Dobraniündung  kann  nach  meiner 
vorhergegangenen  Feststellung  der  westlicheren  Römerorte  von  Viminacium  bis 
Novae   nicht  zweifelhaft    sein.     Auf  dieses  lässt  die  Tab.  Peut.   mit    10  Mill.  ad 


'.      ^ 'a        i»        31       ^        w       *» 

Grunüriss  des  Bosmanskn-Kastells. 


Scrcilulas  folgen,  weklie  Ijitfernung  joner  des  von  Brnica  gleich  weit  entfernten 
lKuli};eii  Diibra  entsprichi.  Damit  fallt  d'Anvilles  Ansatz  dieser  Station,  die  er, 
„weil  Scrupulos  Schwierigkeiten  bedeutet  inul  bei  Porec  eine  für  Schiffe  schwer 
zu  passierende  Barriere  im  Strombett  sich  befindet",  dort  suchte  >),  und  ebenso 
tlie  neuere  Auiiahnir.  tlass  es  bei  Bosnian  lag.  Denn  mit  diesem  stimmt  die  in 
der  Tafel  ersrlninnule  iWillienzahl  XV  zwischen  ad  Scrofulas  inid  dem  folgenden 
Taliala,  wenn  man  die  zahlreichen  Krümmungen  der  zur  „Rnvna"  hinabführenden 
Strasse  in  Betracht  zieht,  gleich  wenig,  wie  mit  dem  5,5  .Millien  westlicheren 
Ddhia  Die  durrhschnitiluli  verlassliche  Tafel  leidet  hier  u.  a.  O.  —  wie  ich  es 
beispielsweise  auf  der  Strecke  „Scunnae-Scopi"  nachwies-)  -an  einem  auffiilligen 
Kopierfehler.     Deshalb  sollte  man  aber  nicht    leichthin   an    meiner  auf  mühs.unfii 

')  Mein,  ik'  l'Acail.  des  Inscripl.  X.WIII.   VMl 
')  Kaiiitz,  „Kömische  Studien  in  Serhicn",  111. 


'204        llfhirr  Vfliko  (Jradiätc  und  (jolubac  am  Kömcr-Limcs  nach  iJoIni  Milanovac. 

Studien  heriihcndcn  Fcslstcllunj^  der  Uferstalionen  am  Donau-Limes  zwischen  der 
Save  und  dum  Timok  durch  beliebij^es  Herausgreifen  einzelner  Ansätze  rütteln; 
denn  ein  ahsolutes  Uebereinstimnien  der  aus  den  spärlichen  römischen  Quellen 
erhohenen  l:ntfernim^;en  hei  siimtliclien  Punkten  wird  we^en  ihrer  auf  Abschreib- 
Iclikrii   hctiih(.iul(.'ii  Widersprüche  unmüf^lich  bleiben. 

Während  meiner  archäologischen  Untersuchunf;  zu  Üohra,  welches  auf  der 
Österreichischen  Occupationskarte  (1717—1739)  als  „Alt-Dobro"  erscheint,  war 
unser  Boot  mit  Proviant  für  die  Weiterfahrt  ausj^erüslet  worden.  Diese  Hess  sich 
gleich  im  Bej^inn  vielversprechend  an.  Schon  am  nahen  Sedinac  potok  stiess 
ich  auf  ein  kleines  quadratisches  Werk  mit  15  m  lantjen  Mauern.  Es  lie^t  auf 
einer  künstlich  angeschütteten  Höhe,  zwischen  zu  Dobra  {gehörenden  Maiskulturen 
imil  llul/la^trn,  welche  aus  den  {^rossen  Staatsforsten  hier  zum  Export  angesammelt 
werden.  Weiter  kamen  wir  an  einer  Stelle  vorüber,  wo  auf  Manganerze  geschürft 
wurde,  und  bald  darauf  an  der  Medovnica,  zwischen  „Saldum"  genannten  Mais- 
feldern, zu  einem  Kastell  mit  ungemein  starken  Mauern.  Seine  Schmalseiten 
massen  30  m,  die  60  m  lange,  zur  Donau  gerichtete  Hauptfront  verstärkten  zwei 
rund  vorspringende  Ecktürme;  an  der  Südseite  traf  ich  keine  Spur  von  solchen, 
jedenfalls  eine  auffällige,  selten  vorkomniende  Konstruktionsform  römischer  Werke. 

Im  liilgcnden  iireiten  Kozica-Einsclin it t  liegen  einige  wallachische  Salaäe, 
deren  Bewohner  in  dem  von  hier  über  eine  Meile  südlich  bis  zur  Pesaca 
streichenden,  im  XVII.  Kap.  des  II.  Bandes  geschilderten  Dobraer  Kohlenwerk 
lohnenden  Verdienst  finden.  Die  Römer  schützten  auch  dieses,  eine  Strasse  durch 
den  Sacinski-Graben  nach  Taliata  bergende  Quertal  durch  ein  Kastell  auf  dem 
linken  Bachufer,  mit  76  m  langen,  30  m  breiten  Fronten,  von  dessen  vier  runden 
Ecktürmen  der  nordwestliche  durch  die  das  Ufer  benagenden  Donauhochfluten 
stark  litt. 

Vorbei  an  der  Grundfeste  eines  Wachturmes  traf  ich  2,8  km  weiter  wieder 
ein  Kastell  von  seltener  Form.  Es  stand  am  rechtsuferigen  Mündungswinkel  der 
Bosmanska,  hart  am  Donaurand,  auf  dem  beide  dominierenden  Plateau  des 
südwestiichen,  500  m  hohen  Bosman  vrh  und  bildete  ein  Dreieck  mit  2,5  m  starken, 
38 — 40  m  langen  Mauerfronten,  von  deren  Spitzen  schmale  Kehlen  in  die  drei 
kreisförmig  vorspringenden  Ecktürme  führten.  Während  des  Bestellens  der 
benachhaiteii  Salaäbesitzern  gehörenden  Gemüsefelder  und  beim  .Abbau  des 
Elisenstollens  stiess  man  1886,  rechts  von  seinem  Mundloch,  auf  eine  alte  Baute, 
die  ich  als  römisch  erkannte.  In  einer  Ecke  derselben  sah  ich  ein  aus  grossen 
Ziegelplatten  dachförmig  hergestelltes  Grab  mit  wohlerhaltenem  Skelett  und  kleinen 
Schmuckbeigaben,  links  vü?n  Stollen  aber  Ziegel,  meist  mit  dem  Stempel  LEG 
1111  F.  Eine  Tonlampe  und  viele  Kaisermünzen  aus  dem  2.  bis  4.  Jahrh.,  welche 
der  Obersteiger  Johann  Tiboi  gesammelt,  stammten  aus  einem  15  Minuten  fernen 
Graben,  in  dem  auch  grosse  Werkstücke,  alte  Mühlsteine  usw.  liegen. 

Im  ganzen  Gerippe  ächzend,  kämpfte  sich  unser  Schiff  durch  den  verrufenen 
Wirbel  des  1,5  km  fernen  „Gospodjin  vir",  um  möglichst  nahe  der  Steilwand  mit 
den  Inschriften  zu  landen,  welche  die  am  Strassenbau  beteiligten  Kaiser  und 
Legionen  verewigen.     Der  durch  prächtige  alte  Linden  und  Nussbäume  beschattete 


Ueber  Veliko  Gradiste  und  Goliibac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.       205 

Heerweg  auf  dem  schmalen  Vorland  blieb  nur,  wo  er  den  vorspringenden  Felsen 
abgerungen  wurde,  erhalten.  Am  Landungspunkt  steht  links  auf  einer  kleinen,  mit 
Steinen  und  Gebüsch  bedeckten  Ebene  die  Ruine  eines  Kirchleins,  das  aus  dem 
15.  Jahrhundert  stammen  soll.  Es  hält  seinen  Sabor  (Patronstag)  am  Feste  der 
„veiika  gospodja",  daher  auch  der  Name  des  Kataraktes  Jungfrau-Wirbel". 

Das  Hinaufklettern  zu  den  stark  erosierten  hohen  Felsen  mit  der  künstlich 
geglätteten  Inschriftenwand  war  schwierig.  Bis  auf  die  fehlenden  GF  am  Ende 
der  ersten  Zeile  und  das  RE  an  jenem  der  zweiten  fand  ich  die  Tiberiustafel  gut 
erhalten;  doch  einen  Abklatsch  von  ihr  und  den  durch  Marsigli ')  und  Griselini*) 
gleichfalls   entstellt   mitgeteilten    beiden    anderen    Inschriften  zu  nehmen,  vereitelte 


Oft- 


Der  Gospodjin  vir-Fds. 


der  striimende  Regen.  Die  1804  durch  Neudeck  publizierten  Matrizen')  zeigen 
niui,  dass  ilic  von  Arnetli  veriiffenllichte  Kopie  der  Tiberiustafel,  welche  neben 
(kr  IV.  siythisiiiiii  Lci^iiui  ;iiuli  die  im  friesischen  Kriege  (28  n.  Chr.)  berühmt 
gewordene  V.  macedonische  erwähnt,  richtiger  als  die  Aschbachsche  war,  mit 
deren  falscher  Potestaszahl  XXX  auch  der  an  sie  geknüpfte  Schluss  fällt');  im 
CIL  Moinmsens  Lesungen  •).  Die  vcui  den  Haumeistern  Vespasiaiis  und  Trajans 
angewentleten  \'erhreitcrungssysteme  iler  den  l-'elsen  abgerungenen  Uferstrassc 
erörtiTc   ich   Im    X\'ll    K.ipitel   des   II    Randes. 

')  A.  a.  ().,  IUI.  II,    l'iili.  l.lll. 

')  Cjcschiflite  des   leinesvari'i   Uanati's,  L'.S-l. 

')  MaKy:  McVii.  c^  F.pit.-EuyI.  Közl.,  2«  K.il.,  f)'.)  f. 

*)  Kanil/,,  Rom.  Stud.  in  Serbien.  M  f.     Wien  1892. 

'■)  III.  No.   1Ü'.>8,  Add.   1024. 


20(5        UolUT  Vi'liko  (Iradiälc  und  (jolubac  am  Römer-Limes  nach  IJoIni  Milanovac. 

Am  I'elsvorsprunK  des  „Gospodjin  vir"  befindet  sich  ein  sehr  crgiebißcr 
Fangplatz  für  Hausen,  Welse,  StOre,  Forellen  usw.  Denn  bei  im  Herbste  meist 
lilnuur  andauerndem  niederen  Wasserstand  können  die  FischzU(;e  nur  den  auch 
dann  noch  1,4  m  tiefen  Vir-Kanai  passieren,  und  so  fangt  man  dort  im  Oktober 
oft  15—20  riesige  Fische,  deren  Kaviarerträgnis  allein  den  bescheidenen  Pacht 
von  3000  d  aufwiegt,  welchen  die  Fischer  der  Regierung  für  diesen  Fangplatz 
und  jenen  am  Greben  für  3  Jahre  bezahlen. 

Unser  Steuermann  hielt  sich  in  respektvoller  Ferne  vom  Kozlariff,  doch 
unterhalb  der  1  m  über  dem  Wasser  aufragenden  „Krstaäi"  kam  uns  in  der 
Mitte  des  Stromes,  bei  den  weit  gefährlicheren  „Dojke",  die  seichtgehende 
„Märos"  mit  einem  breiten  Schleppboote  entgegen.  Wir  suchten  ihrem  gefähr- 
lichen Wellenschlag  durch  schleuniges  Einlenken  in  die  rechtsuferige  schmale 
Fahrrinne  zu  entgehen.  Von  der  Tiberiusstrasse  fand  ich  schon  1860  grosse 
Strecken  durch  die  Macht  der  Elemente  zerstört,  von  ihren  Wachhäusern  sieht  man 
am  Fusse  der  mächtige  Kohlenlager  bedeckenden  Kalkberge  zwischen  dem  Podvalac 
und  Secinski  potok  die  Grundfesten  zweier  kleiner  Werke;  an  der  Pesaca- 
mündung  aber  jene  eines  20  m  vom  Donaurand  entfernten  grösseren,  mit  28  m 
langen,  24  m  breiten,  2  m  starken  Mauern  und  vier  rund  vorspringenden  Ecktürmen. 

Nachdem  wir  uns  am  frischen  Babinaquell  erquickt,  wagte  sich  unser 
Boot  wieder  hinaus  auf  den  hellgrünen,  von  hochgehenden  Wogen  durchfurchten 
Wasserspiegel.  Als  wollten  sie  alles  ihrem  Bereich  Nahende  verschlingen,  so 
drohend  glotzten  uns  die  mehrere  Meter  hoch  aufragenden  „Bivoli"  (Büffel) 
an.  Es  gab  wieder  für  die  Mannschaft  schwere  Arbeit,  die  scharfe  Strömung  zu 
durchqueren,  und  noch  härtere  für  die  Steuerleute  der  drei  mit  rumänischem 
Gütreide  beiadenen  Sciileppkähne,  welche  am  linken  Ufer,  statt  durch  Dampf, 
von  je  sieben  Ochsen  aufwärts  gezogen  wurden.  Um  die  Zeit  zu  kürzen,  sang 
unser  jüngster  Fährmann  das  Lied,  wie  der  rcciits  in  Sicht  tretende  Kozino- 
Berg  zu  seinem  Namen  kam,  wie  dort  Kapelan  Koco,  als  Österreich  1717,  die 
Türken  bekämpfend,  mit  seiner  serbischen  Freischar  sich  heldenmütig  gegen  die 
Moslims  wehrte,  doch  der  Übermacht  erlag  und  mit  60  unglücklichen  Gefährten 
nach  Tekija  geschleppt,  dort  gleich  diesen  lebend  gepfählt  wurde.  Es  war  ein 
recht  trauriges  Lied! 

Bei  dem  schroff  in  die  Donau  fallenden  serbischen  „Prisac"  stand  hart 
am  Römervveg  wieder  ein  kleines  Wachhaus  und  am  linken  Ufer  des  ganz 
unbedeutenden  Rucinski  potok  ein  15  m  vom  Donaurand  und  gleich  weit 
vom  Salaä  des  Blagoje  Stevica  liegendes  quadratisches  Kastell,  von  dessen  28  m 
langen  starken  Fronten  viele  zertrümmerte  Ziegel  und  Deckplatten  das  Terrain 
bedeckten.  Ebenso  zeigte  sich  der  folgende,  noch  schmälere  Einschnitt  des 
Livadicki  potok  durch  einen  quadratischen  Bau  mit  12  m  langen  A\auern 
gehütet,  dessen  Reste  30  m  vom  Donauufer  und  40  m  vom  Bachrinnsal,  trotz 
ihrer  starken  Verwüstung,  deutlich  erkennbar  blieben;  auch  kurz  vor  der  Lepena 
stena  stand  wieder  ein  kleines  Wachhaus. 

Unverhofft  klärte  sich  das  Firmament  über  den  hier  hart  zusammenrückenden 
Ufern,    welche    durch    gleichartige,    wellenförmig   gefaltete    neocome    Kalkbänder 


Ueber  Veliko  Oradiste  und  Golubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac. 


207 


ihren  einstigen  Zusammenhang  deutlich  bekunden.  Auf  dem  ungarischen  Ufer 
gehen  sie  in  Schichten  mit  Ammonites  banaticus ')  über,  auf  dem  serbischen  aber 
in  grauen  und  roten  Marmor,  der  bei  Boijetin  von  dem  Triester  Hause  Gereuth 
ausgebeutet  wird,  was  die  Walachen  des  80  Häuser  zählenden  Dorfes  lohnend 
beschäftigt.  Wir  passierten  die  vom  linken  Ufer  herüberstreichende  Izlas-Barriere 
ohne  Unfall;  doch  vollzog  sich  unsere  Landung  auf  der  „Lepena"  genannten 
Talmündung  unter  noch  grösserer  Vorsicht  als  an  den  letzten  Punkten.  Schon 
früher  erfuhr  ich,  weshalb  meine  Begleiter  bis  an  die  Zähne  bewaffnet  waren. 
Wir    betraten    hier    das    eigentliche    Arbeitsgebiet    des    gefürchteten     Heiducken 


D  0 


Tiberiustafvl  und  Kastell  an  der  Lcpenska-stcna. 


Petar  Marjanovic^  aus  Kobilje,  der  seit  nahezu  15  Jahren  die  Majdanpckcr  Berge 
unsicher  machte.  Kurz  zuvor  entführte  der  Bandit  den  wohlhabenden  Bauer  Gavrilo 
Pavijcvic  aus  Brnjica  in  eine  Wildnis,  die  er  erst,  nachdem  das  geforderte 
Lösegeld  von  2600  d  .ingelangt,  verlassen  durfte.  Noch  unangenehmer  klang 
es,  dass  Petar  zwei  Tage  zuvor  den  von  Milanovac  zum  Gospodjin  vir  ziehenden 
1-ischfangpächter  am  Fusse  des  vor  uns  liegenden  Ceretarberges  überfallen 
iiiu!  von  seinen  Gesellen  solange  schlagen  Hess,  bis  er  ihm  die  rascheste  Über- 
seiuluii);  v(in  300  Franken  an  einen  bezeichneten  Ort  zugeschworen  hatte.  Diese 
neueste  Tat  erzählte  uns  die  Wirtin  der  nur  von  Schiffern  und  Holzschlägern 
hesuclileii,  einsamen,  armseligen  Kantine,  in  der  auch  I'etar  manchmal  auf  ein 
Glas  Wein  vorsprach.  „Uns,"  fügte  sie  hinzu,  „den  Hirten  und  Kleinbauern  tut 
er   nichts   zu    leide;    ja,   wo   Not   im    Hause,    hilft   er   oft."     Sie   verschwieg  aber. 

')  Tietze,  Jahrbuch  dor  k    k.  geologischen  Reichsanstall,   1870.  S.  57.")  ff. 


208        Uebcr  Vuliko  Gradifitc  und  Cjolub<ic  <im  Römcr-Limcs  nach  Ooini  Milanovac. 

dass  die  verloKeiie  waiacliische  Bcvülkerunj^  der  Umgebun«.  mit  F\'tar  im  Bunde, 
ihm  die  AnnülieruiiK  von  Gendarmen  stets  rechtzeitig  meldete,  so  dass  die 
Regierung  heabsichtigte,  die  den  Rüubern  sichere  Verstecke  bietenden  vereinzelten 
Salase  abzubrennen,  um  ihre  Bewohner  zum  llerabwandern  in  die  geschlossenen 
Orte  zu  zwingen,  h'ür  die  Bösartigkeit  dieser  den  Salz-  und  Tabakschmuggel 
treibencleii  rireiizw.ilachen  s|iricht,  dass  zwei  Fioljetiner  die  18  km  lange  luijzerne 
Schienenliaiiii,  welche  zur  Herausbefiirderung  der  Stamme  aus  den  nahen  Buchen- 
wäldern auf  der  Lepena  angelegt  wurde,  angezündet  hatten,  trotzdem  ihr  Dorf 
nahezu  ausschliesscnd  von  der  Holzarbeit  lebt. 

Nachdem  selbst  die  Preisausschreibung  auf  f^-tars  Kopf  nichts  fruchtete, 
suchte  (las  Golubacer  Bezirksamt  ihn  im  J.  1880  durch  die  üefangensetzung 
seiner  l'raii  Milica  uiul  lieider  Kind  zu  kirren.  F^etar  erkundete  aber  einen 
Tag,  wo  die  (ieiularinen  nach  ihm  fahndeten,  ritt  am  hellen  Tage  in  das 
Städtchen,  drang  in  das  Aintshaus,  nahm,  den  gespannten  Revolver  in  der  Hand, 
die  Seinen  mit  sich  in  die  Berge  und  lebte  seitdem  mit  ihnen  in  wechselnden 
Verstecken.  Der  interessante,  sein  Handwerk  im  grossen  Stile  treibende  Räuber 
sprach  auch  vvalachisch  und  etwas  deutsch.  Gelang  ihm  ein  guter  Fang,  dann 
schiffte  er  iiinüber  ins  F3anat  oder  nach  Rumänien,  um  dort  als  Grand  Seigneür 
oft  Tage,  ja  oft  ganze  Wochen  zu  verleben.  Im  November  1890  gelang  es  wohl 
der  ungarisciien  Polizei,  ihn  mit  l-rau  und  Kindern  bei  Mehadia  dingfest  zu 
machen;  doch  gleich  darauf  verkündete  .  ein  Telegramm,  er  sei  der  Eskorte 
entsprungen. 

Erst  im  Januar  1891  kam  die  für  das  ganze  serbische  Donaugebiet  erlösende 
Nachricht,'  dass  Petar,  infolge  der  auf  seinen  Kopf  ausgesetzten  hohen  Talia,  aus 
seinem  Versteck  im  Elternhaus  zu  Kobiije  durch  Gendarmen  aufgespürt  — 
nachdem  er  seinen  Verräter  getötet  —  vom  2agubicaer  Kapitän  mit  200  Leuten 
verfolgt,  wo  er  trotz  des  durch  Schüsse  verwundeten  Fusses  ins  südliche  Hoch- 
gebirge geflüchtet  sei,  doch  nahe  der  Cestobrodicaquelle  auf  einem  erkletterten 
[inuine  entdeckt  und  erschossen  wurde.  Auch  seine  Frau  Mila,  die  sieben  Morde 
verübt  haben  soll,  ward  bald  darauf  gefangen  und  zu  lebenslänglichem  Kerker 
verurteilt.  Als  Dr.  Viadan  Djordjevic  im  April  1892  das  Justizportefeuille  übernahm, 
ordnete  er  sofort  an,  dass  die  drei  Kinder,  welche  die  Heiduckin  nach  der 
Landessitte  in  das  F^ozarevacer  Gefängnis  mitgenommen,  dem  Belgrader  Waisen- 
haus zur  Erziehung  übergeben  werden  sollen. 

Unter  dem  prickelnden  Gefühl,  den  kühnen  Petar  in  nächster  Nähe  zu 
wissen,  schritt  ich  zur  Aufsuchung  des  antiken  Werkes,  welches  das  breite 
Mündungsterrain  der  Boljetinska  einst  schützte.  Ich  fand  es  auf  ihrem  rechten 
Ufer,  hart  am  Donaustrand,  gegenüber  der  nahe  im  Strome  aufsprudelnden 
heissen  Quelle,  mit  55  m  langen,  42  m  breiten  Fronten  und  4,  kaum  mehr 
erkennbaren,  rund  vorspringenden  Ecktürmen.  Von  den  Holzarbeitern  erfuhr  ich, 
dass  in  einem  seitlichen  Tale  des  Baches  riesige  alte  Ziegel  gefunden  wurden; 
wahrscheinlich  hatten  die  Römer  dort  von  ihnen  gebrannte  liegen  gelassen  oder 
sie  rühren  von  einer  Baute  her,  die  am  Wege  stand,  welcher  aus  dem  südlichen 
A\inengebiet   zur   römischen    Ansiedelung    an    der   Bachmündung   führte.     Auch    in 


Ueber  Veliko  Qradiste  und  Oolubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac.        209 

und  bei  den  Grundfesten  ihrer  das  Kastell  umgebenden  Bauten  fand  man  Ziegel 
mit  Stempeln  der  LEG  VII  CL  (AVDIAE),  der  COHI  I  LUS  (ITANORUM),  der 
LEG  iV  F  (LAVIAE)  F  (ELIX)  CV  <PPAE)  u.  a. 

Die  Quellen  nennen  leider  nicht  den  Namen  dieser  zu  den  grösseren 
Kolonien  am  Donau-Limes  zählenden  Stadt.  Die  hier  im  rotmarmornen  Uferfelsen 
„Lepenska  stena"  gemeisselte  Inschrift  befindet  sich  kaum  1  m  über  der  mit 
grosser  Mühe  gesprengten  Uferstrasse,  oberhalb  der  Boljetinskamündung.  1,25  m 
lang,  0,65  m  hoch,  zeigt  sie  vollkommen  erhalten  in  der  ersten  Zeile  12  cm,  in 
den    folgenden    10  cm   hohe   Buchstaben    und   lautet  nach   meiner  Matrize: 

T  ■   CAESARE  ■   AVG   •   F 

AVGVSTO   •   IMPERATORE 

PONT  •   MAX  •   TR      POT      XXXV 

LEG   •   IUI   ■   SCYT      LEG      V  •   MACED 

Der  wesentlichste  Unterschied  zwischen  den  ganz  gleich  lautenden  Tiberiustafeln 


Byzantinischer  Ziegel  vom  Ravn.i-Kastell. 


am  „Gospodjin  vir"  und  an  der  „Lepenska  stena"  besteht  darin:  Die  letztere 
hat  im  Beginn  der  ersten  Zeile  T  für  Tl,  sie  zeigt  auch  keine  Striche  über  den 
Potestat-  und  Legionszahlen,  aber  Punkte  zwischen  den  einzelnen  Worten  und 
Legionsnuniinern. 

Obschon  meine  Bootsgenossen  ruhmredig  versicherten,  dass  sie  so  zahlreich 
den  Heiducken  Petar  nicht  fürchteten,  schien  es  mir  doch,  als  fühlten  sie  sich  seit 
dem  Abstoss  vom  Lande  viel  munterer.  Bald  erreichten  wir  den  mit  charakteri- 
stischen Vcrvverfiingei)  aufstrebeiulen  hellen  ..(Ueiu-npylon".  Seine  Umschiffung 
bei  dem  nahen  römischen  Wachliaus  uiul  seiner  schmalen,  geebneten  Vorplnlle, 
welche,  wie  viele  aus  alter  und  neuer  Zeit  stammende  polyglotte  Auf/eichnungen 
an  der  l-elswand  zeigen,  stets  gern  von  Schiffern  zum  Ausruhen  und  von  Fischern 
als  ergiebige  Fangstelle  benutzt  wurde,  schien  bei  dem  riesigen  Wngenschwall 
gewagt;  alle  atmeten  leichter  auf,  als  diese  letzte  Schwierigkeil  überwunden  war. 
Man  komile  nicht  leicht  eine  grossartigere  Scenerie  zur  feierlichen  Inauguration 
der  mit  den  kühnsten  antiken  Werken  wetteifernden  Regulierungsarbeiten  des 
„Eisernen   Tores"    wilhlen       Die    Cieslall    des    (Irebens    wurde    durch    diese    aber 

K  KANITZ.    Serbien.  I  " 


-1*'        Uc'ber  Vcliko  (jradiitc  und  Golubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac. 

derartig  verändert,  dass  ich  im  September  1896  ihn  kaum  wieder  erkannte  (II.  Bd., 
XVlil    Kaj).);   1897  sah  ich  seine  grossartif^en  Neudämme  vollendet. 

Von  dem  nur  440  m  hreiten  Klippentor  fuhren  wir  hinaus  in  das  plötzlich 
auf  2220  m  sich  verhreiternde  Stronibecken  und  steuerten  nach  der  mit  Wein- 
kulturen bedeckten  Greben-Vorterrasse  „Ravna".  Dort  stiess  ich  auf  ausgedehnte 
Reste  einer  antiken  Ansiedelung,  bei  deren  fortschreitender  Zerstörung  man  neben 
Ziegeln  mit  dem  Stempel  der  LEO  IUI  auch  29  cm  lange,  25  cm  breite  und  4,5  cm 
starke  Platten,  wahrscheinlich  von  dem  unter  Kaiser  Justinian  restaurierten  Kastell 
fand,  das  mit  40  ni  langen,  2  m  starken  Mauern  und  vier  runden  Ecktürmen 
ursprünglich  die  vom  zuletzt  geschilderten  Römerort  herabziehende  und  hier 
endigende  Tiberiusstrasse  zu  schützen  bestimmt  war. 

Der  mich  auf  dieser  dem  Donau-Limes  zwischen  Cuppae  und  Taliata 
gewidmeten  Kahnfahrt  begleitende  Leser  bewunderte  gewiss  den  im  hochpittoresken 
und  kataraktenreichen  Greben-Defilö  von  den  Römern  entwickelten  riesigen  Kraft- 
aufwand, ihr  strategisches  Genie  und  die  technische  Fertigkeit  der  Baumeister, 
welche  die  Tiberiusstrasse  trotz  aller  natürlichen  Hindernisse  schufen  und  den  auf 
acht  feste  Städte  gestützten  engmaschigen  Kastellgürtel  anlegten,  einzig  zur  Abwehr 
der  halbbarbarischen,  doch   kriegstüchtigen,  zu   Einfällen  stets  geneigten   Daker. 

Zur  besseren  Deckung  der  Limesstrasse  war  sicher  auch  die  grösste  der 
zehn  Porec-lnseln  von  den  Römern  befestigt  worden.  Auf  der  Weiterfahrt  durch 
den  sie  vom  rechten  Ufer  trennenden  schmalen  Kanal  skizzierte  ich  während  eines 
kurzen  Haltes  die  das  hohe  Weidengebüsch  und  die  blutgetränkte  Inselschanze 
überragende  helmlose  Kirche,  weiche  auf  eine  dem  Verfall  preisgegebene  Nieder- 
lassung traurig  herabblickt.  Ihre  Geschichte  war  seit  jeher  mit  jener  des  auf 
römischen  Ruinen  an  der  Porecka  angenisteten  nahen  Dolni  Milanovac  verknüpft. 

Noch  einer  vollen  Stunde  bedurfte  es,  bis  wir  dieses  Städtchen  erreichten. 
Dort  erwartete  mich  der  telegraphisch  von  meiner  Hinkunft  verständigte  Ingenieur 
Vladimir  Pavlovic,  welcher  sich  fortab  als  eifriger  Förderer  meiner  archäologischen 
Arbeiten  iji  seinem  ausgedehnten  Negotiner  Kreise  betätigte.  Obschon  er,  gleich 
der  Mehrzahl  seiner  Kollegen,  an  solchen  niemals  früher  teilgenommen,  wuchs 
sein  Interesse  stetig  für  meine  Arbeiten  und  sein  Eifer,  mich  bei  der  Aufnahme 
von  Situationsplänen  zu  unterstützen.  Am  nächsten  Tage  unternahmen  wir  Orien- 
tierungsritte zu  den  Resten  des  grossen  Trajanschen  Waffenplatzes  Taliata  und 
in  dessen  Umgebung.  Die  erzielten  Resultate  werde  ich,  verbunden  mit  jenen 
meiner  dortigen  Forschungen  vom  J.  1889,  im  XV.  Kapitel  des  II.  Bandes  mitteilen. 


VII. 

Von  Smederevo  über  Pozarevac,  Zabare, 

F*ctr(t\-ac,  S\ilajnac  nach  Cuprija. 


S1!LBST  über  den  einzigen  mehr  studierten  serbischen  Teil  der  Römerstrasse 
von  Belgrad  nach  Konstantinopel  herrschten  noch  1877  solche  Widersprüche, 
dass  Jirecei<  in  seiner  ihr  gewidmeten  trefflichen  Arbeit  nicht  bestimmen  konnte, 
ob  sie  von  Viniinaciuni-Kostolac  weiter  im  MIava-  oder  Moravatal  lief  und  auf 
ihrer  61  Millicn  langen  Strecke  bis  Horreum  Margi  (Cuprija)  die  Lage  verschie- 
dener, von  den  Itinerarien  genannten  Mansionen,  so  auch  jene  von  „Municipium" 
imciitschieden  liess.  Zur  Aufhellung  dieser  und  anderer  ungelöster  Fragen  bereiste 
ich  1887  und  1889,  abwechselnd  begleitet  von  den  Ingenieuren  Karaka$evic, 
Cermak  und  Matejic,  das  bezügliche  (jcbiet. 

Die  Spuren  der  die  Smederevoer  grossen  Godominsümpfe  umgehenden 
antiken  Rönierstrasse  weiter  verfolgend,  fand  ich  im  Oktober  1889  ihre  Fortsetzung 
bei  Vranovü.  Aus  diesem  stammen  einige  interessante  prähistorische  Schmuck- 
sachen aus  Bronze,  Spiralen,  Anhängsel  mit  kleinen  Reitern,  Hirschen,  Rehen  ')■ 
welche  formell  ganz  den  von  mir  in  Roscgg  (Kärnten)  ausgegrabenen  gleichen. 
Durch  das  gleichfalls  antike  Reste  bergende  Mala  krsna  ging  es  zur  Skela 
Dragovac.  In  ihrer  primitiven  Fähre  setzten  wir  über  die  breite  Morava  uml 
erreichten  im  riesigen  Iniiiulatidiisplaii.  ilen  regelmässig  im  Frühjahr  viele 
angeschwellte  alte  l'lussarme  überfliilen,  das  grosse  Dorf  Dragovac.  Seine 
IUI)  Uehöfte  sind  von  dicht  mit  Akazien  liepflanzten  Wällen  uiul  tiefen  üräben 
umgeben,  was  ihnen  ein  Inirgartiges  Aussehen  leiht.  Die  Wohlhabenheit  ihrer 
1115  Insassen  fiel  mir  aiuli  m  der  Tracht  der  Männer  auf,  die  etwas  früh  (am 
30.  Oktober)  schon  allgemein  den  weissen,  mit  bunten  Tuchrosen  und  Silber- 
plättchen  verzierten  I.ederbrustlalz  uiul  ilarüber  noch  eine  kurze  Pelzjacke  trugen; 
hrainie  Abaliosen,  iarbig  gemusterte  dicke  W'ullstrümiife,  Opincen  (Buruisciiulie), 
l'elzmüt/en  mlcr  Rotkappen  vervollständigen  liiesen  trefflich  kleidenden  Herbsl- 
anzug  der  meist  kraftigen  (lestalten  mit  ausdrucksvollen  Ki'ipfen.     Nicht  viel  mehr 


')   St.lllil.ii.   \'ll.  si   f. 


212         Von  Smedurcvo  über  Poiarcvac,  2abarc,  Pctrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

als  1  Stiirule  Fahrt  von  Uliii  bereits  zum  Po/arevacer  Kreise  Kehörenden  Orte 
und  seine  im  V.  Kapitel  f^cschilderte  Hauptstadt  war  erreicht. 

Nach  einem  mit  den  fielurader  Architekten  Fiut^arski,  llkic  und  meinen 
I^o/nrcvacer  Freunden  angenehm  verbrachten  Abend  in  der  „Srbska  kruna"  fand 
der  1  rühmorf^en  mich  und  den  zweiten  Kreisingenieur  Petar  Matejic  auf  dem 
schmalen  östlichen  H()hcnzu((  zwischen  der  Morava  und  MIava.  Die  Linien  der 
letztere  begleitenden  rechtsuferigen  Berge  bauen  sich  prachtig  auf.  Schon  im 
Mai  1860,  als  ich  das  Kloster  Gornjak  besuchte,  hat  mich  ihr  Rhythmus  entzückt. 
Die  treffliche  Strasse  brachte  uns  hinab  nach  Salakovac.  Bei  diesem  stiess  ich 
auf  Spuren  des  von  Viminacium  (Kostolac)  gegen  Süden  ziehenden  römischen 
Hoervveges,  dessen  oft  I  km  von  der  heutigen  Strasse  entfernte  Trace  ich  1887 
mit  Ini;eiiieiir  Cermak  bis  Kaliste  rekognosziert  hatte  und  nun  weiter  feststellen 
wollte.  Meine  wiederholte  Bereisung  dieses  unerforschten  Gebietes  ergab  "als 
interessantes  Resultat,  dass  die  Römer  ausser  ihrer  Heerstrasse  im  MIavatal 
eine  früher  unbekannte  zweite  auf  dem  rechten  Moravaufer  besassen  und  eine 
tliitte,  welche  von  diesem  zum   Donauhafen  Pincum  abzweigte. 

Von  Salakovac  verfolgte  ich  die  mit  dem  1899  voltendeten  Schienenweg 
parallel  laufende  antike  MIavastrasse  bis  nach  Nabrdje,  dessen  römische 
Mauern  zweifellos  der,  nach  dem  Itin.  Hieros.  9  Millien  von  Viminacium  und 
ebensoviele  von  Municipium  fernen  Mutatio  ad  Nonuni  angehörten.  4  Millien 
weiter  traf  ich  zu  Veliko  Crnice,  rechts  und  links  vom  Ortsfriedhof,  zwischen 
Maisfeldern,  ein  von  antiken  Mauern  und  Kanälen  durchzogenes  Terrain,  das 
sich  mit  kurzer  Unterbrechung  südlich  bis  Malo  Crnice  fortsetzt  und  aus  dem 
zwei  Inschriftfragmente  in  das  Belgrader  Museum  gelangten. ')  Trotz  des  rege 
entwickelten  religiösen  Sinnes,  der  sich  in  der  1893  von  beiden  Orten  gemeinsam 
nach  Ivackovics  Plänen  dem  hl.  Pantelija  geweihten,  67000  d  kostenden  Kuppel- 
kirche kundgibt,  wird  das  Schätzesuchen,  mit  und  ohne  Zauber,  von  ihren 
2910  Bewohnern  allgemein  als  beliebtester  Sport  betrieben.  Jeden  Morgen  kann 
man  des  Nachts  unternommene  neue  Erdaushebungen  bemerken,  deren  oft 
lohnende  Resultate  heimlich  in  Pozarevac  verwertet  werden.  Nur  eine  östlich  von 
der  Strasse  stehende  Riesenulme,  deren  Wurzelbereich  grosse  Schätze  einschliesst(!), 
wagte  man  trotz  aller  Habgier  nicht  zu  fällen,  weil  der  vom  Volke  hochgeehrte 
Zar  Lazar  sie  persönlich  gepflanzt  haben  soll! 

Nach  weiteren  5  Millien,  wo  die  Strasse  den  Vitovnicabach  3  km  vor  seinem 
Einfluss  in  die  Mlava  kreuzt,  gelangte  ich  an  eine  noch  bedeutendere  römische 
Niederlassung,  deren  in  den  Grundfesten  gut  erhaltenes  quadratisches  Kastell  bei 
den  östlichsten  Häusern  des  grossen  Dorfes  Kaliste  stand.  Auf  der  heute  in 
Ackerland  umgewandelten  Höhe  stiess  der  Grundbesitzer  Stanko  Jokov  beim  Graben 
eines  Brunnens  auf  später  wieder  verschüttete  Wölbungen,  deren  viereckige,  53  cm 
lange  und  6  cm  starke  Ziegel  meist  in  zwei  Ecken  den  Stempel  LEG  \'II  CL 
tragen.  An  vielen  Stellen  der  1870  zum  Zwecke  der  neuen  Strassenanlage 
teilweise  abgetragenen  Umwallung  sah  ich  Brandstellen,  Gefässteile,  Säulentrommeln 


'i  Arcli.-episr.  Mitt.  XIII,  37;  dort  „Crmice",  richtig  „Crnice". 


Von  Smederevo  über  Pozarevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.         213 

und  riesif^e  Werkstücke.  Im  Hause  des  Jevrem  Radosavljevic  fand  ich  die  0,72  m 
hohe  untere  Hälfte  eines  0,75  m  breiten  Votivsteines  als  TUrstufe  benutzt.  Ich 
kopierte  seine  schwer  lesbaren  vier  Zeilen ').  Im  Hofe  des  Ognjen  Milanov  traf 
ich  f(leichfalls  eine  verstümmelte  Grabplatte  mit  undeutlichen  Buchstaben  und 
Biattornament  an  den  Schmalseiten;  ferner  eine  Gesimsplatte  mit  Zahnschnitt  und 
ein  Pfeilerkapitäl  mit  quadratischem  Fortsatz.  In  der  endlosen  breiten  Dorfstrasse 
entdeckte  ich  in  einem  Haufen  antiken  Baumaterials  ein  zweites,  0,40  cm  hohes, 
oben  ausladendes,  mit  Akanthusblättern  geziertes  sechsseitiges  Kapital  und  reich- 
profilierte Werkstücke.  Vor  und  in  allen  Häusern  lagen  riesige  Quantitäten  auf 
der  Castrumhöhe  gewonnener  Steine,  Ziegel  usw.,  welche  gelegentlich  den 
Nachbar(jrten  für  Kirchen-,  Schul-  und  Brückenfundamente  verkauft  werden  sollten. 
An  eine  Sichtung  wird  dabei  nicht  gedacht.  Auch  skulptierte  und  beschriebene 
Steine  werden  gleich  rohen  Werkstücken  nach  dem  Kubikmass  bewertet,  und 
deshalb  gelangte  aus  Kaliäte  bisher  nur  eine  Platte  mit  zwei  Kindergestalten  in 
das  Belgrader  Museum.  Bei  meinem  zweiten  Besuch  (1889)  traf  ich  einen 
Bauer,  welcher  mit  riesiger  Kraftverschwendung  ein  tief  im  Kastellfundament 
steckendes,  etwa  2  m  breites  Werkstück  spaltete,  weil  er  dessen  in  seine  Grund- 
grenze fallenden  Teil  verwerten  wollte.  (!)  Hier  sei  bemerkt,  dass  der  aus 
„Municipium"  stammen  sollende  Römerstein  zu  Kragujevac-)  nicht  von  Kaliite, 
sondern  aus  dem  näheren  Municipium  bei  Pozega  dahin  gelangte. 

Interessant  war  mir  die  Nachricht,  dass  beim  nordwestlichen  Toponica 
Reste  einer  antiken  Strasse  gefunden  wurden,  die  bei  Kaliätes  Rümerkastell  in 
den  grossen  Heerweg  mündete.  Es  war  zweifellos  die  Fortsetzung  der  von 
Singidunum  über  Vinceia  und  eine  Mutatio,  deren  Reste  ich  bei  Mala  Krsna 
schon  konstatierte,  hcrabkonimenden  Ronierstrasse  nach  Horreum  Margi.  Die 
nächsten  Reisetage  brachtLMi  weitere  Beweise,  dass  Kaliäte  ein  wichtiger  antiker 
Wegknotenpunkt  war.     Wie  liiess  er  in  römischer  Zeit? 

Die  Anwohner  lassen  Kaiser  Konstantin  die  Mauern  ihres  „gradac"  (Kastell) 
erbauen  und  Zar  Lazar,  zur  Strafe  eines  hier  residierenden  treulosen  Vasallen, 
sie  zerstören.  Diese  Sage  zeigt  nur,  dass  das  ursprünglich  römische  Bollwerk 
wahrscheinlich  noch  in  altserbischer  Zeit  militärisch  benutzt  wurde.  Auf  allen 
hitincrarien  sehen  wir  am  lleerweg  von  Viminacium  nach  Horreum  Margi,  mit 
\H  Millien  von  erstercm,  die  Mansion  „Municipium".  A\annerl  und  Forbigcr 
verlegten  die  Strasse  auf  das  rechte  Moravaufer,  wo  sie  Municipium  bei  einem 
fiktiven  Oite  Zihet  suchten^);  Kiepert  setzte  es  bei  ürehovica  an')-  Überst 
Draga.sevic  bestimmte  den  Heerweg  auf  dem  rechten  Mlavaufer  und  Municipium  "*) 
am  Vitovnica- lünfUiss,  was  gleich  sehr  ilen  örtlichen  Verhältnissen,  wie  den 
Maasscn   iler   llinerarien   entspricht. 

Hei  fortgesetzter  Rekognoszierung  fand  ich  aber  bald,  dass  sich  ilie  Aus- 
dilnuHig  von  iWunicipiuni  nicht  allein  .lul  K.ihsies  Kastell  beschränkt  halte.     Seine 

'i  Kanit/.   KmiiisclK'  Sliiilicii,  .\iili.mi;. 
»)  C.  I.  I..  III,  No.   11)72. 

')  (leoi^r.iphli-  der  (Irleelien  iiiul  k..mci.  VII.  '.iL'         '•  C    I.  I..  T.ib.  II.    -    M  GInsnik. 
il.  ■I.'),  p.  27  f. 


'21  I         Von  Snifclcruvo  üIkt  Hoiarcvac,  iabarc,  Pctrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

Umwalliinf4  mochte  für  die  wachsende  Kolonie  allmählich  zu  klein  und  der 
Aufenthalt  in  derselben  den  wohlhabenderen  Bewohnern  unangenehm  geworden 
sein.  Die  nordüstliche  frischgrUne  Hochebene  mit  prächtigen  Quellen  lud  zur 
Besiedclunf^  ein.  So  entstand  die  civitas  von  Municipium,  deren  mehrere 
Hektar  umfassendes,  jetzt  von  der  Strasse  nach  BatuSa  durchschnittenes  Ruinen- 
feld ich  westlich  von  Bozevac,  zwischen  dem  ObreSki-  und  VrbiCki  potok, 
feststellte.  Die  Kolonie  besass  jedenfalls  prächtifje  Bauten;  denn,  obschon  diese 
bis  auf  die  Fundamente  verwüstet  wurden,  stüsst  man  beim  Ackern,  namentlich 
im  Zentrum  des  ausfjedehnten  Terrains,  auf  künstlerisch  bearbeitete  Marmor-  und 
Sandsteinwerkstücke  und  viele,  bis  50  cm  lanne  quadratische  Ziegel-  und  Deck- 
platten. Mein  Führer  Rado  MakSic  fand  in  seinem  Acker  sieben  Stücke  von  den 
TonrdhrLM,  durch  wciciie  das  Gabrovacer  Quellwasser  hinab  zum  Kali§ter  Kastell 
j.;eleilet  wurde;  ferner  Münzen,  Bronzen,  Pfeilspitzen   usw. 

Ein  zweites  kleineres  Kastell,  zum  Schutze  der  civitas  Municipium,  mit 
quadratischem  Grundriss,  stand  500  m  südlich  am  linken  Vrbicaufer,  im  „Cerov 
gaj".  Miko  2ivütin,  der  Besitzer  dieses  Eichenhains,  findet  unausgesetzt  dort 
und  bei  der  südlich  vorbeiziehenden  Wasserleitung  eiserne  Lanzenspitzen,  grosse 
Nägel  usw.  Ein  drittes,  bedeutenderes  Fort,  3  km  östlich  vom  Kalister,  vervoll- 
ständigte Municipiums  Kastellgürtel.  Es  liegt  im  Dorfe  Kula,  auf  einer  nach  0. 
und  W.  sanft  abgedachten,  gegen  N.  aber  steil  abfallenden,  das  Vorland 
beherrschenden  und  nach  S.  durch  die  hart  vorbeifliessende  Vitovnica  gedeckten 
Höhe.  Zwischen  iiiren  Obst-  und  Weingärten  mass  ich  die  Substruktionen  der 
Nord-  und  Südniaucr  mit  230  m,  die  Ost-  und  Westfront  mit  135  m;  in  der 
letzteren  befand  sich  der  Eingang  des  Kastells,  auf  dessen  Boden  viele,  leider 
verschwundene  antike  Funde  gemacht  wurden;  200  m  östlich  hob  man  kurz 
vor  meinem  Besuche  einen  kleinen  Steinsarg  aus.  Den  eigentlichen  Friedhof 
konstatierte  ich  10  Minuten  nordwestlich  vom  Dorfe.  Milo5  Gajin,  der  Eigen- 
tümer des  ebenen  Grundes,  erzählte  mir,  dass  er  einige  10 — 12  Spannen  lange 
Tumben  ausgegraben  habe.  Ich  selbst  sah  eine  als  Brunnentrog  benutzte  und 
einen  schmucklosen  Sarkophag.  Einem  reicher  ausgestatteten  Grabe  gehörte 
wahrscheinlich  das  quadratische  Piedestal  einer  Säule  mit  runder  Basis  an,  das 
ich  neben  grossen  Ziegeln  aus  der  Erde  heben  liess.  Vergebens  aber  frug  und 
suchte  ich   nach   Inschriftsteinen. 

Dagegen  fand  ich  zu  Kula  (Turm)  die  Traditionen  von  einer  dort  bestandenen 
grossen  „Carsija"  lebendig,  übereinstimmend  mit  Zar  Lazars  Urkunde  vom 
14.  März  13821),  welche  den  dortigen  A\arkt  erwähnt,  dessen  Einkünfte  er  dem  im 
SW.  von  Krusevac  liegenden  Kloster  Drenca  widmete.  Das  Dorf  gehört  heute 
noch  zu  den  grösseren  des  Kreises.  Es  zählt  357  Stcuerköpfe,  seine  1862  erbaute 
hl.  Markuskirche,  zu  welcher  4  Nachbarorte  cingepfarrt  sind,  beschäftigt  zwei 
Popen;  seine  bildungslustige  Jugend   muss  aber  nach  Crljenac  wandern. 

Gleich  wenig  Pietät  wie  den  Römerresten  erweisen  die  Kulaer  einer  nahen 
Kirchenruine    am    Oberlauf    der    Vitovnica.      Sie    steht    in    einer    von    Kalkhöhen 


')  Glasnik,  Bd.  24,  652. 


Von  Smederevo  über  Po^arevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.         215 

überrannten,  des  Waldes  beraubten  und  deshalb  stark  zerrissenen  Lössschlucht  am 
Bradacahang  mit  ziemlich  hohen  Mauern  aus  schlecht  gefügten  Tonschiefern 
und  Kalksteinen.  Die  Wölbungen  sind  eingestürzt,  man  erneuert  sie  aber  nicht, 
weil  der  vom  Volke  gehasste  „Verräter"  Vuk  Brankovic  und  nach  anderer 
Tradition  der  gleich  unpopuläre  Kralj  Vukasin  als  ihre  Stifter  gelten.  Der 
Grundriss    des  vollkommen    der   orthodoxen    Bauweise   entsprechenden    Kirchleins 


Sitiialiunsplaii  von  Miinicipiiini. 


zeigt  das  griechische  Kreuz  mit  kleinem  Narihex,  halbkreisförmigen  Seitenapsiden 
und  an  letztere  ansetzender  runder  Chorapside.  Von  dieser  bis  zum  Eingang 
beträgt  die  Länge  12  m,  die  grösste  Breite  ist  4,80  m,  die  Mauerstärke  0.75  m. 
Ein  3  m  hoher  torartiger  Bogen  aus  behaucnen  Kalksleinblöcken  auf  der  Stelle 
der  ehemaligen  Nartliexscheide  stammt  aus  neuerer  Zeil;  die  kleine  Altarplalte 
rulil  auf  einem   römischen  Säulenstunipf. 

Den  I  lauplanzieliungspunkt  für  das  .m  Sunn-  und  hreiiagen  aus  weiter 
Umgebung  liierherströmende  Volk  bildet  eine  nahe  in  Stein  gefasstc  Quelle, 
welche  wahre  I  Uilwimder  wirken  soll.     [)ie  gläubigen  Krankon  werfen  üeldstilckc 


216         Von  Smcdcrcvd  tihcr  l'oüarcvac,  ^.ibarL',  Pcirovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

in  das  Wasser;  manchmal  verirrt  sich,  wie  ich  selbst  sah,  eine  römische  Münze 
unter  dieselben.  Auf  der  ver<»(leten  Heilstätte  herrschte  peinliches  Schweifen, 
kein  Voj^el  war  sichtbar;  freundlicheren  liindruck  mochte  sie  ^^eübt  haben,  als 
der  Mensch  vor  zwanzijj  Jahren  noch  nicht  die  Axt  an  den  sie  umschliessendcn 
Laubrainnen  tjelent  hatte  und  die  „Mariii  Verktindinun>{"  (geweihte  Kirche  noch 
von  den  nun  verfallenen  Gebäuden  des  Klosters  „BradaCa"  umgeben  war,  in 
dem  Kir  Pankratije  1666  heilige  Bücher  schrieb.  Es  bildete  eine  Metochija  des 
an  den  Quellen  des  Baches  Heftenden  Klosters  Vitovnica,  wurde  1677  ver- 
lassen und  dürfte,  aus  der  angeführten  Ursache,  kaum  mehr  aus  den  Ruinen 
erstehen.  Das  (.janze  Mlava}j;ebiet  ist  überreich  an  kleinen,  doch  selten 
arcliitektonisclien  Wert  besitzenden  frommen  Stiftungen.  Auch  im  südöstlichen 
Manastirica  steht,  wie  unser  Führer  erzählte,  ein  älteres  Kirchlein. 

Auf  wenig  gutem  Weg  gelangten  wir  zum  westlichen  Crljenac,  das  sehr 
ausgedehnt  in  174  Häusern  957  Bewohner,  darunter  nur  446  Frauen,  zählt.  Für 
seine  Wohlhabenheit  sprechen  die  durchaus  mit  Ziegeln  gedeckten  grossen 
Gehöfte,  einige  gute  Mehanen  und  die  Frlialtung  von  4  Schulen,  welche  auch 
von  auswärts  besucht  werden.  Man  betreibt  die  Feldwirtschaft  hier,  wie  im 
ganzen,  als  Kornkaninier  berühniten  Stig,  sehr  rationell;  ich  sah  durchgehend» 
moderne  Pflüge  und  hörte,  dass  Kalkstaub  mit  den  Körnern  ausgesät  wird, 
„da  ne  bi  rasteii  glavnica!",  damit  nicht  schwarze  Köpfe  auswachsen! 

Kulas  Kastell  war  jedenfalls  zum  Schutze  der  Römerstrasse  bestimmt,  welche 
den  grossen  Rüstplatz  Horreum  Margi  direkt  mit  Pincums  Haten  an  der  Donau 
verband.  Sie  wurde  zuletzt  wieder  erneuert,  um  den  Verkehr  aus  dem  Morava- 
und  MIavatale  nach  Gradiste  zu  erleichtern.  .Auf  diesem  in  Ausführung  begriffenen 
We^e  ging  ich  von  Crljenac  südwestlich  zur  neuen  Starcevac-Brücke,  die  mit 
7  m  Spannweite,  aus  Trnovcer  Kalk-  und  Kanienjevoer  Sandsteinquadern,  für  die 
hier  vollends  der  Mlava  sich  nähernde  Hauptstrasse  vollendet  wurde.  Beiläufig 
an  diesem  Punkte  lassen  Oberst  Dragasevic  und,  ihm  folgend,  auch  Jirecek  den 
Konstantinopler  Heerweg  auf  das  linke  Mlavaufer  übergehen  und  auf  dessen 
Höhen  weiter  nach  Idiniuin  ziehen.  Beide  irrten!  Denn  die  auf  unseren  Karten 
einfach  gegliedert  erscheinende  Terrasse  zwischen  der  Mlava  und  Morava  ist  in 
Wirklichkeit  sehr  bergig,  von  tiefen  Langtälern  und  Querschluchten  durchschnitten 
und  deshalb,  wie  ich'  bei  ihrer  zweimaligen  Kreuzung  fand,  gerade  in  der  bezüg- 
lichen Partie  stark  unwegsam.  Es  fehlte  aber  auch  für  die  römischen  Ingenieure 
jeder  zwingende  Anlass,  das  bequeme  MIavatal  schon  hier  mit  ihrem  stark 
wellenförmigen  Westplateau  zu  vertauschen,  im  jenseitigen  Orljevo,  in  dessen 
Mehana  zufällig  die  Intelligenz  um  den  zu  einer  Amtshandlung  erschienenen 
Bezirksschreiber  versammelt  war,  wusste  man  vom  „Jerinin  drum"  gleich  wenig 
wie  von  „einer  iincli  vor  50  Jahren  frequentierten  alten  Karawanenstrasse"  auf 
dem  südlichen  Höhenzug.  Man  wollte  nur  vom  „Zar  Lazarski  put"  gehört  haben, 
der  von  Kusiljevo  her  die  Careva  poljana,  zwischen  A\irijevo  und  Ticevac, 
kreuzte. 

Ohne  Resultat  zogen  wir  weiter,  querten  auf-  und  absteigend  drei  grössten- 
teils niederes  Eichendickicht  tragende  Rücken,  wobei  wir  an  iWirijevo  und  seiner 


Von  Siiiedcrevo  über  Poiarevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.         217 

an  Sonntagen  nach  NL-uiiiondeii  vielbesuchten  heiltätigen  Kirchenruine  vorüber- 
kaiiicn.  Der  höchste  Punkt  (269  m)  der  letzten  Wasserscheide  hinter  Polatna 
bot  einen  überraschenden  Weitblick  gegen  0.  auf  die  Homoljer  Kette  bis  zu  den 
kühn  aufstrebenden  Spitzen  bei  Zagubica,  nach  W.  auf  das  dunkle  Juormassiv 
mit  der  vorgelagerten  breiten  Ebene,  durch  welche  die  Morava  in  unzähligen 
Kurven  sich  schlängelt,  und  auf  ihre  waldgrünen  Auen,  aus  welchen  südlich  die 
weisse  Kuppel  von  Stari  Adzbegovac  und  der  hohe  Kirchturm  von  Zabare 
aufleuchteten.  Abendliche  Farben  lagen  auf  der  von  kühlem  Herbsthauch 
durchwehten  Landschaft,  als  wir  stark  ermüdet,  zwischen  Weingärten,  die  letzte 
Terrasse  überwandten,  ohne  eine  Spur  der  vermeintlichen  Römerstrasse  gefunden 
zu  haben.  Die  Feststellung  einer  bisher  ungekannten  anderen  im  Moravatal  bot 
dafür  am  folgenden  Tage  volle  Entschädigung. 

Zu  Oreovica,  auf  das  ich  mein  Routier  gerichtet,  weil  Dr.  Medovic  auf 
seiner  Pozarevacer  Kreiskarte  vom  J.  1850  dort  eine  Ruine  verzeichnet  hatte, 
galt  mein  erster  Besuch  dem  greisen  Popen  Arandjel  llic,  dem  ich  von  seinem 
Sohne  Putar,  Professor  in  Kragujevac,  empfohlen  war.  Mit  ihm,  seinem  Sohne 
Jovaii  un'l  mehreren  Dfirfhonoratioren  am  nächsten  Morgen,  zwischen  der  .alten 
Kirche  und  dem  neuen  Friedhof,  den  Westrand  der  etwa  90  m  hohen  rechtsuferigen 
Moravaterrasse  erklimmend,  stiess  ich  auf  antike  Ziegelfragmente,  deren  Ver- 
folgung mich  auf  das  an  einer  Stelle  ganz  gerötete  Plateau  „Velika  Mijovica" 
führte.  Hier  stand  ein  Römerkastell,  dessen  Ausdehnung  ich  durch  Grabungen 
in  den  abgeernteten  Weingärten  70  ni  lang  und  15  m  breit  bestimmte;  nordöstlich 
gegen  südwestlich  orientiert,  gewährte  sein  220  m  hohes  Prätorium  einen  weiten 
Ausblick.  Reste  einer  grösseren  antiken  Ansiedelung  gibt  es  im  Orte  wohl  nicht; 
doch  fand  man  auf  der  kleinen  Hochebene  im  (»stliclien  „  Kolimir"-Tal  römische 
Ziegelfragmente. 

Meine  alte  Erfahrung,  dass,  wo  eine  Römerfeste,  meist  nahe  ein  antiker 
Weg  vorbeizog,  bewährte  sich  auch  hier.  Was  ich  von  meinen  Begleitern  erfuhr, 
liess  mich  nicht  länger  an  einer  Romerstrasse  im  unteren  Moravatal  zweifeln. 
Sic  naluii  ihren  Lauf  von  iler  Civitas  Margum  an  der  Donau  nach  dem  schon 
tiainals  vsichtigen  Kmitenpunkt  l'ozarevac  urul  von  seinem  Kastell  nah  X'laskido, 
wo  ihr  Unlerbau,  etwa  10  m  westlich  v(in  tier  heutigen  Trace,  noch  sichtbar  ist. 
Von  dort  zog  sie  auf  viillkniinnen  iilHTsciiweiiiniungsfreiem  Terrain  weiter  nach  dem 
heutigen,  2'M)9  Seelen  zählenden  Bezirksstädlchen  Aleksandrovac  (früher  Prhovo). 
mit  IS84  erbauter  luibsclier  Sv.  Nikolakirche  und  3  Geistlichen,  über  Oreovica 
nai  k  Rakinac.  In  dieseni  /u  den  grössten  Moravaorten  zählenden  Dorfe  mit 
1170  Seelen  in  192  Häusern,  von  welchen  mir  namentlich  das  prächtige  seines 
Sknpslinaren  auffiel,  tial  ich  Uics  ilritten  Sohn  I'anta  als  Pojien.  F"r  gab  mir 
niil/lirlie  Winke  iilur  du-  dort  vdrliandenen  {^(unerreste.  Cileicli  auf  dem  rechten 
Ufer  dts  Rakinac  durchllicssendcn  Baches  stand  in  den  Feldern  des  Djordjc 
Kiric  am  „Curcijevo"  zum  Schutze  der  Strasse  ein  Kastell  mit  1(50  m  langen 
Fronten,  in  dessen  Bereich  viele  keramische  Objekte,  römische  Silbermüiizen. 
ein  byzantinisches  (loldstiuk  inul  ein  eisernes  Gefäss  zwischen  antiken  Ziegeln 
iiiul    1  )eikpl,ilti'n    gctiuuU'ii   wurden. 


218         Von  Smcdcrcvo  über  Poiarevac,  ^abarc,  IV-trovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

Weiter  die  r<ömerslrasse  am  Hanjje  der  freundlichen  Terrasse  verfolgend, 
erreichte  ich  das  von  1818  Seelen  bewohnte  Bezirksstadtchen  2abare  mit  trefflicher 
Mehana,  einer  Sparkasse  und  weitl.'lufif^em  AnUshaus,  in  dem  sich  die  Rekrutierunj^ 
für  dasTerritorial-Bataillon  voIIzdh  tnul  sich  die  einen  Umsatz  von  nahezu  I  20(J(J00d 
zu  lOo/n  erzielende  Sparkasse  für  den  M(travakreis  befindet.  Ein  hart  vorbei- 
fliessendcr  Wasserfaden  trennt  diesen  Stadtteil  von  der  nahen,  auf  dominierender 
Höhe  stehenden  Kirche  (112  m),  deren  Fundamente  aus  dem  an  ihrer  Stelle 
ausgehobenen  Material  des  Römerkastells  und  der  antiken  Ansiedelung  erbaut 
wurden;  ilire  Spuren  verfolgte  ich  westlich  von  der  Strasse,  an  beiden  Seiten  des 
Bächieins.  Bei  jedem  Spatenstich  kamen  in  meiner  Gegenwart  allerorts,  namentlich 
hinter  dem  Nacelstvo,  zertrümmerte  römische  Gefässc,  Ziegel  und  Deckplatten 
zum  Vorschein.  So  hatte  ich  auf  der  kaum  6  km  langen  Strecke  von  Oreovica 
bis  Zabare  drei  Römerorte  mit  Kastellen  gefunden.  Angenehm  überrascht  war 
ich,  in  Zabare  zu  hören,  dass  bei  dem  westlichen  Orasje  die  Korrektion  der 
Morava  auf  2  km   mit  liein   Kostenaufwand  von  210000  d   begonnen  wurde. 

Die  weiter  am  Hange  der  freundlichen  Terrasse  gegen  Süden  fortziehende 
hochliegcndc  Strassenbahn  gewährt  unausgesetzt  zerstreuende  Ausblicke  auf  die 
westlichen  waldreichen  Auen  und  fernen  Höhen,  welche  den  vielarmigen  Moravalauf 
begleiten.  Rechts  bleibt  lias  Ireuiulliche  Gornja  Livadica,  das  von  Ansiedlern 
aus  dem  nordwestlichen  Dolna  Livadica  gegründet  wurde,  als  Milos'  Kapelan 
Beketa  die  Strasse  dort  durchschnitt.  Bis  dahin  hiess  dieses  einfach  Livadica, 
von  seiner  Lage  auf  grünem  Plane,  inmitten  ausgedehnter  Sümpfe.  Es  ist  der 
einzige  Ort  auf  dem  rechten  Stromufer  von  Pozarevac  bis  Svilajnac,  altbekannt 
wegen  einer  seit  jeher  dort  befindlichen  Fähre,  der  er  seine  Entstehung  dankt. 
Weitere  4  km  brachten  uns  nach  Porodin,  dem  in  573  Häusern  3552  Seelen 
zählenden  grc'issten  Dorfe  des  Kreises.  Schon  zu. Zabare  hörte  ich  viel  von  einem 
dort  aufgefundenen  alten  Bade  mit  Pflasterung,  was  sich  jedoch  bei  meinem 
Besuche  der  fraglichen  Stelle  als  falsch  erwies.  Hingegen  traf  ich  im  Hause  des 
Mihail  Zdravkovic  künstlich  geglättete,  aus  mit  Ziegelstückchen  gemengtem  Kalke 
hergestellte,  zweifellos  antike  Zementplatten,  auf  welche  man  beim  Bau  eines 
Speichers  in  Metertiefe  gestossen  war.  Vielleicht  stand  auch  zu  Porodin  eine 
der  vielen,  nun  spurlos  verschwundenen  römischen  Niederlassungen,  an  welcher 
vorüber  tier  alte  Heerweg  nach  dem  3  km  südlicheren  Kusiljevo  lief.  Dies  lässt 
auch  die  Sage  von  hier  bestandener  Kirchruine  (römische  Reste?)  vermuten, 
deren  Material  zum  Bau  kirchlicher  Neubauten  im  Orte,  zu  Ceteres  und  Kusiljevo 
benutzt  wurde.  Bei  meinem  vergeblichen  Suchen  nach  ihren  Resten  erblickte 
ich  an  einem  Gehöftzaun  ein  moderndes  Huhn;  denn  es  herrscht  der  Glaube, 
dass,  wenn  man  das  erste,  durch  Krankheit  verendete  in  dieser  Weise  opfere, 
die  anderen  gesund  bleiben! 

Wie  zuletzt  das  unabweisbare  Bedürfnis  eine  die  Bahnstation  Velika  Plana 
mit  dem  ostserbischen  Gebiete  verbindende  Strasse  schuf,  hatten  militärische 
Gründe  schon  zur  Römerzeit  eine  solche  in  gleicher  Richtung  gefordert.  Nach 
meinen  Forschungen  lief  der  römische  Transversalweg  von  der  heutigen  Bahn- 
station Lapovo  über  Svilajnac   und  Kusiljevo   nach  Zabare,  bei  dessen  Kastell  er 


Von  Sniederevo  über  Pozarevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.         219 

seine  aufsteigende  Trace  nordöstlich  nahm.  Um  diese  Strasse  zu  studieren, 
verschob  ich  meinen  Besuch  Kusiljevos,  ging  zurück  nach  2abare  und  war  bald 
darauf  in  Ceteres.  Die  Obst-  und. Weinkulturen  dieses  in  einem  schönen  Quer- 
einschnitt liegenden  wohlhabenden  Dorfes  ziehen  über  das  Plateau  abwärts  nach 
seinem  Westhang  und  gestalten  es  zu  einem  riesigen  Garten.  Nach  Osten 
umschliesst  es  aber  prächtiger  Eichenwald,  in  dem  wir  ganz  unerwartet  an  eine 
isolierte  neue  grosse  Kirche  gelangten.  Wie  früher  der  jetzt  verlassene  uralte  Bau, 
zieht  sie  die  Bevölkerung  der  Umgebung  an,  namentlich  am  Tage  der  Mala 
gospodja  (Maria  Geburt),  wenn  auf  der  nahen  höheren  Lichtung  der  alljährliche 
Markt  beginnt.  So  lauschige  Stille  uns  hier  umgab,  so  lebhaft  geht  es  bei  dem 
Häuschen  her,  von  dessen  Cardak  ein  aus  2abare  entsandter  Polizeibeamter  das 
bunte  Treiben  in  den  improvisierten  Hütten  und  Zelten  überwacht.  Zwischen 
ihren  verödeten  Feuerstätten  senkten  wir  uns  zum  Längental  von  Brzodi  hinab. 
Im  benachbarten  Dobrnje,  am  Oberlauf  der  es  durchfliessenden  Cokordina, 
insurgierte  der  dort  geborene  kurzweg  „Dobrinjac"  genannte  Petar  Teodorovic 
1804  dieses  Gebiet  gegen  die  Türken.  1805  zeichnete  er  sich  unter  Milenko 
gegen  Hafiz  Pascha  bei  Ivankovac  derartig  aus,  dass  ihn  der  Senat  zum  Wojwoden 
ernannte.  Noch  grösseren  Ruhm  erwarb  er  sich  1806  durch  die  heldenhafte  Ver- 
teidigung des  bedrängten  Deligrad  gegen  Ibrahim  Pascha  von  Skutari.  1811 
bewogen  ihn  die  traurigen  inneren  Wirren,  mit  seinem  Waffenfreund  Milenko 
nach  Russland  zu  emigrieren,  tias  ihm  eine  Jahrespension  von  300  Dukaten 
auswarf.  Sein  tatenreiches  Leben  beschloss  er  1831  zu  Jassy  im  ungefähren 
Alter  von  ßO  Jahren.  ') 

Wir  kreuzten  die  Cokordina,  und  stiegen  an  der  östlichen  Lehne  nach 
Kocetin  hinauf  (245  m).  Auf  dem  40  m  höheren  Cule  brdo,  seiner  gelben  Farbe 
wegen  auch  „Zuto  brdo"  genannt,  sieht  man  im  spärlichen  Grase  des  40  m  langen 
und  15  m  breiten  sandigen  Plateaus  vereinzelte  Steine,  die  vielleicht  von  einer 
Karaula  stammen,  welche  den  zur  Mlava  führenden  Verbindungsweg  schirmte. 
Weder  zu  Kocetin,  noch  im  nahen  Arnaut-Popovac,  in  dessen  Han  wir 
ein  niittelmässiges  Unterknnnnen  fanden,  wusste  man  aber  etwas  von  Ziegel- 
spuren oder  Mauerresten,  welche  Oberst  Dragaäevics  Hypothese  rechtfertigten; 
es  habe  auf  dem  merkwürdig  geformten  (?)  Berge,  dem  die  Rinncr  mit  Recht 
Jupiters  Namen  beilegten,  die  vom  llin.  Burdigalensis  (Hieros.)  mit  10  Millien  von 
Muniripiuni  angesetzte  Station  Jovis  Pagus  gestanden.-) 

Unter  den  zu  meiner  Hegrüssung  erschienenen  Dorfhonoraiioren  iiel  nnr 
ein  hochgewachsener  iMami  auf,  der  trotz  iles  rauhen  Herbsimorgens  keine  Kappe 
trug.  Es  herrscht,  wie  ich  Inute,  hei  den  uinwohnenden  Walachcn  der  interessante 
Gebrauch,  dass  der  älteste  Sohn  den  verstorbenen  Vater  während  eines  vollen 
Jahres  durch  das  Nichtaufsetzen  der  Subara  betrauert;  das  Anstimmen  vt)n  Klage- 
liedern am  Sterbebett  und  Grabe  ist  auch  hier  allgemein  üblich.  Von  Arnaut- 
RojiDvac  zogen  wir  auf  elendem  Wege  hinab  über  i'ankovo  nach  Zabrdjo.  in 
dessen   Meliaua  ein   Doifkiinsiler  ilen    Zar  l.azar,   seme  Gemahlin  Milica   und  die 

')  Miliecvi»;,  Srbija.  KWl.        'i  ülasnik,  Kil.  XLV,  2<). 


220         Von  Sincdurcvo  über  pDiarcvac,  Zabarc,  Pctrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

iRiiii  Juj^oviLC  zu  Pk-rdc  al  frusco,  aber  etwas  primitiv  verewigte.  Das  südlich 
sichthare  Lopiiäna  berührten  wir  nicht.  Im  durch  seine  SandsteinbrUche  berühmten 
jenscillKcn  Käme  novo  sieht  man  Reste  einer  Kirche,  bei  welcher  während  der 
Freiheitskampfe  hefti}(  gestritten  wurde;  die  Anwohner  feiern  dort  den  St.  jMarkustag 
unter  allerlei  Gepränge  mit  Gebet  und  lustigen  Spielen,  östlich  vom  Dorfe  steht 
die  Ruine  eines  Klosters,  dessen  Grösse  ein  zweites  übertraf,  welches  den  10  Oka 
(22  kg)  betragenden  „Gctreide-bir"  von  jedem  verheirateten  Mann,  bis  zum  fernen 
Kostolac  und  Dobra  an  der  Donau,  einzusammeln  berechtigt  war.  Als  die  Türken 
es  überfielen,  warfen  die  Mönche  eine  mit  Gold  angefüllte  Glocke  neben  der 
noch  heule  erhaltenen  uralten  Linde  in  den  tiefen  KUjsterbrunnen  und  verschütteten 
ihn.')  Man  sieiit,  das  sagenliebende  Serbenvolk  besitzt  auch  hier  Traditionen, 
die  sich  meist  an  seine  zahlreichen  Schloss-  und  Kirchenruinen  aus  der  Zeit  des 
„Zaren  Lazar"  und  der  „verfluchten  Fürstin  Jerina"  knüpfen,  und  obgleich  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  vielfach  verändert  und  entstellt,  oft  einen  tatsächlichen 
Kern  bergen.     (IX.  Kap.) 

Das  Gebiet  vom  nördlichen  Bozevac  bis  zum  südlichen  Malo  Laole  ist 
reich  an  tertiärer  Kohle.  Ob  jenes  bei  Petrovac  am  Strazaberg,  an  dessen 
Hang  Fürst  MiloJ  auf  Salpeter  graben  liess,  abbauwürdig  sei,  ist  kaum  zu 
bezweifeln.  Bei  Leskovac  wird  eine  gegen  Petrovac  streichende,  nach  ihrem 
deutschen  Konzessionär  Josef  Jekl  serbisch  „Jeklov"  genannte  Lignitmine  (49  Felder) 
ausgebeutet.  Die  Oberschicht  ist  Sand,  der  Grund  ein  fester,  Ton.  Der  Unter- 
nehmer hatte  namentlich  1887  wegen  des  Ersäufens  der  Schächte  mit  grossen 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  verlor  aber  trotzdem  den  Mut  nicht.  Die  bis  2  m 
mächtige  Tertiärkohle  besitzt:  C  57,06,  H  3,36,  Asche  3,33.  1895  wurden 
mit-  2  Schächten,  einigen  Galerien  und  7  Arbeitern  339  q  gefördert,  die  mit 
0.80  d  per  q  an  der  Grube  verkauft  wurden. 

Bei  dem  1842  erbauten  Bezirkshaus  von  Petrovac,  das,  als  ich  es  1860 
zum  erstenmal  besuchte,  seine  grösste  architektonische  Sehenswürdigkeit  bildete, 
überschritten  wir  auf  einer  zierlichen  Holzbrücke  die  Mlava  und  befanden  uns 
jenseits  gleich  im  Kern  des  aufblühenden  Bezirksstädtchens.  Erst  1859  gab  ihm 
Fürst  Milos  seinen  heutigen  Namen.  Der  frühere  „Svinje"  (Schweinedorf)  klang 
wenig  poetisch  und  tat  dem  reinlichen  Orte  schweres  Unrecht.  1871  avancierte 
es  zum  Range  einer  „varosica"  (Städtchen),  später  zum  Stabsorte  des  Bezirks- 
Bataillons,  1873  erhielt  es  einen  gut  besuchten  Jahrmarkt  und  seit  1887  erhöht 
die  schon  1895  einen  Umlauf  von  6622421  d  ausweisende  „Sparkasse  für  das 
Miavagebiet"  seinen  Wohlstand  derartig,  dass  es  im  selben  Jahre  2860  Seelen 
in  527  Häusern  zählte,  jüngst  eine  zweite  Brücke  erhielt  und  seine  bauliche 
Physiognomie  vorteilhaft  änderte.  An  die  Christi  Himmelfahrt  1869  geweihte 
Kirche  mit  hohem,  weithin  sichtbaren  Turm  und  den  einstöckigen  ganz  guten 
Gasthof  schliesst  sich  die  Carsija  mit  netten  Häusern  und  gut  assortierten  Läden 
an;  der  grössere  Teil  der  Bewohner  treibt  aber  noch  Feldbau;  die  Güte  des 
hier  produzierten   Mais  und  Weizens  wird  allgemein  gerühmt. 


')  Milicevic,  Srbija,  1031. 


Von  Smederevo  über  Pozarevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.         221 

Etwa  5  km  südlich  von  Petrovac  übersetzte  der  Konstantinopler  Heerweg 
kurz  vor  Veliko  Viaole  die  Mlava,  nahe  der  Mündung  des  Busurbaches.  Dort 
traf  ich  auf  seinem  rechten  Ufer  §ine  quadratische  Umwallung  mit  95  m  langen 
Fronten,  deren  aus  Bruchsteinen  und  Gusswerk  hergestellter,  stellenweise  trefflich 
erhaltener  Unterbau  eine  vorzügliche  Technik  zeigt;  an  den  Ecken  sprangen  starke 
Rundtürme  vor.  Der  gegen  N.  und  W.  etwa  200  m  entfernt  vorbeifliessende 
Busurbach  bildete  den  natürlichen  Graben  des  auf  künstlich  erhöhtem  Plateau 
geschaffenen  Kastells.  Auf  seiner  in  ein  Maisfeld  verwandelten  Area  sah  ich 
sehr  grosse  Ziegel  und  Deckplatten  mit  dem  Stempel  der  \'ll.  Legion;  beim 
Ackern  werden  auch  häufig  antike  Münzen,  eiserne  Pfeilspitzen  und  grosse  Nägel 
gefunden.  Aus  der  Grundfeste  stammt  ein  jetzt  im  Belgrader  Museum  befind- 
licher 5zeiliger  Inschriftstein,  mitgeteilt  in  Premersteins  „Antike  Denkmäler  in 
Serbien".  ObsclK)ii  10  Jahre  vergingen,  seit  ich  die  an  das  Busurkastell  geknüpften 
Fragen  stellte,  blieben  diese  bis  heute  unbeantwortet!  Da  es  aber  im  Busurgebiet 
meines  Wissens  keine  andere  grossere  antike  Befestigung  gibt,  ist  jene  bei 
V.  Viaole  wohl  dieselbe,  welche  Jirecek  nach  Milicevics  vager  Mitteilung  (Srbija, 
1031)  an  die  18  km  entfernten  Bachquellen  versetzte  und  an  der  er  die  vermeintlich 
von  den  Dobrnjer  Höhen  herabkominende  Belgrad-Konstantinopler  Heerstrasse 
vorbeiziehen  lässt.  Ob  jedoch  das  Kastell  der  Mutatio  Jovis  pago  angehörte, 
welche  die  Tab.  I^ent.  12,  das  Itiii.  Hier.  10  Millien  von  Municipium  ansetzt,  oder 
ob  sie  auf  den  letzterem  Masse  genau  entsprechenden  nördlicheren  Ruinen  bei 
Kamenevo  an  der  Mlava  stand,  bleibt  fraglich.  Erwähnt  sei  hier  noch,  dass 
Dragaäevic  die  in  römischen  Quellen  genannte  Stadt  Gratiana,  über  deren  Lage 
die  Itinerarien  keinen  Anhaltspunkt  bieten,  an  den  Busurbach  verlegt,  ohne,  wie 
bei  vielen  seiner  Ansätze,  die  Gründe  dafür  auszuführen. 

Setonje,  das  1837  die  erste  Schule  im  Bezirk  errichtete,  fügte,  seit  ich  es 
1869  sah,  einen  Turm  seiner  F:rzengel  Gabriel-Kirche  an.  Im  „E.xtrazimmer"  der 
Mehana  kürzten  mir  ihr  aus  dem  montenegrinischen  Drobnjak  staininender,  hier 
seit  188()  tätiger  Pope  Novica  i^ugic,  der  pensionierte  Schullehrer  Aleksa  Bozic 
aus  dem  ungarischen  Banat  und  sein  eingeborener  Nachfolger  Nikola  Djordjevii^, 
also  Vertreter  der  süd-,  nord-  und  ostserbischen  Stämme,  die  Mittagsrast.  Man 
klagte,  dass  durch  die  politischen  Parteikämpfe  in  der  jüngeren  Generation  der 
Sinn  für  den  seit  altersher  bewahrten  Sagenkreis  stark  schwinde,  und  dass  selbst 
die  an  Sclnnje  geknüpften  Traditionen  nm  mehr  einigen  Licas  (Greisen)  geläufig 
seien.  Diese  erzählen,  tue  alten  l-'undanRnte,  auf  welchen  ilie  Ortskirche  1828 
erbaut  wurde,  gehörlen  einer  Zailusbina  (Stiftimg)  des  Zaren  Lazar  an,  welcher  mit 
der  Zarin  Milica  hier  gern  im  prächtigen  Naturpark,  bei  der  am  südlichen 
Jeäevacberg  (roter  Sandstein)  entspringenden  heillätigen  Setonjsko-Quellc  sich 
erging;  davon  stamme  der  Dorfname,  ileini  „Selali"  bedeutet  lustwandeln.  Eine 
andere  iioetische  Sage  haftet  an  iler  Kapellenruine  des  südlichen  Vesi(^evo. 
Die  im  X'njkc  gcicicrie  iWllja  \'ezilja  schmerzte  es  tief,  dass  ihr  \'aler  sie  nicht 
dem  geliehlcn  iWaiin  vermählen  wollle;  sie  blieb  unverheiratet  imd  stiftete  aus  dem 
Erlös  ihrer  Slickereien  das  Klrchlcin.  Die  Türken  brannten  es  nieder,  als  sie 
diHl  eine  geilen  ihre  I  leirsch.iit  gerichtete  geheime  Volksversammlung  überraschten 


222         Von  Smederc'vo  über  Poiarevac,  ^abarc,  F'cirovac,  Svilajnac  nach  (^uprija. 

und    iliTun     Tuiliichmer   j^ctötct    hatten.     An   Sonn-   und    l-reitaRen    pilgern  seither 
viele  Hcilunji  suchende  Kranke  zu  den  alten  Mauern. 

Die  vom  Biisurkasteil  südlich  fortlaufende,  trefflich  erhaltene  antike  Trace 
verschwindet  kurz  vor  dem  5(J0  Steuerkupfe  und  eine  Schule  besitzenden  Veliko 
Vlaole  im  fetten  Humusboden,  wird  jedoch  in  der  Richtung  auf  Djurinac  an 
vielen  Stellen  wieder  sichtbar.  Die  gründlich  veränderten  neuen  Kommunikations- 
verhilltnissc  Messen  sie  aber  so  verwildern,  dass  ihre  direkte  Verfolgung  bei  dem 
allen  tioden  in  einen  fusstiefen  Brei  verwandelnden  Herbstregen  unmöglich  wurde 
uiul  die  Feststellung  ihrer  nächsten,  jenseits  der  Wasserscheide  vermuteten 
Mansion  Idinunii  nur  über  Svilajnac  erreichbar  war.  Als  wir  auf  dem  Wege 
dahin  vor  Tabanovac,  tief  im  Eichenwald,  nochmals  das  von  Vlaole  herauf- 
koMuncrulc  römische  Pflaster  querten,  äusserte  Ingenieur  Matejic:  Die  von  den 
Römern  zur  Verbindung  des  Mlava-  mit  dem  Resavagebiet  gewählte  Trace  ist 
so  richtig,  dass  ich  sie  für  die  neugeplante  Strasse  vorschlagen  werde. 

Über  Burovac  ging  es  abwärts  nach  Dubnica.  Der  Abend  war  so  dunkel, 
dass  wir  aus  seiner  Mehana  einen  Führer  durch  das  weglose  tiefe  Kotm-eer 
mitzunehmen  gedachten.  Ihr  Tor  war  aber  fest  geschlossen  und  nur  durch  eine 
Spalte  drang  Licht.  Auf  das  energische  Klopfen  unserer  Leute  öffnete  man 
cndlicli  einen  Fensterladen,  doch  gleichzeitig  erschienen  drohende  Gewehrläufe, 
und  erst  als  wir  uns  legitimiert,  hörten  wir,  dass  der  Odbor  (Gemeindevorstand), 
der  herrschenden  Unsicherheit  wegen,  sich  mit  den  am  nächsten  Morgen  abzu- 
führenden Stcuergeldern  in  der  Mehana,  als  dem  festesten  Hause,  eingeschlossen 
habe.  Man  gab  uns  einen  Panduren,  und  durch  ein  sanft  gegen  W.  verflachendes, 
stark  vvellenf<)rniiges  Quertal  mit  grossen  Sandsteinbrüchen  gelangten  wir  bei  hellem 
Mondschein,  nahe  Kusiljevo,  auf  die  am  Vortage  verlassene  Riimerstrasse.  Hier 
verliessen  wir  den  im  folgenden  Kapitel  weiter  geschilderten  Pozarevacer  Kreis 
und  erreichten  nach  einer  Stunde  Fahrt,  erst  um  Mitternacht,  das  ersehnte 
Svilajnac. 

Wenige  Städte  des  Serbenlandes  machten  während  der  letzten  Decennien 
eine  gleich  überraschende  Häutung  zum  besseren  durch,  wie  Svilajnac.  Früher 
suchte  der  Ankömmling  vergeblich  in  den  es  einschliessenden  Laubw'äldern  auf 
dem  rechten  Ufer  der  Resava  seine  Lage,  nun  verrät  aber  ein  der  niederen  Kirche 
angefügter  Turm  schon  aus  der  Ferne  dieselbe,  und  seine  holperige,  gleich 
ärmliche,  wie  schnuitzige  Carsija  mit  übelduftenden  Schenken  verwandelte  sich 
in  eine  gut  gepflasterte,  beleuchtete  Strasse,  in  welcher,  wie  in  der  Cuprijska 
ulica,  europäisch  gebaute,  durch  Terrakottafiguren  sowie  sonstige  Zier  verschönte 
Gebäude  den  Blick  auf  sich  ziehen  und  zwei  trefflich  eingerichtete  Gasthöfe  mit 
Speisesälen,  Billards,  Kellnern  usw.  Reisende  aufnehmen.  Die  seit  1899  über 
Lapovo  hergestellte  Verbindung  mit  der  Belgrad-Niser  Bahnlinie  und  über  Pozarevac 
mit  der  Donau-Dampferstation  Dubravica  macht  sich  in  allem  geltend,  von  den 
vielen  gut  assortierten  Läden  mit  Rollbalkenverschluss  bis  herab  zum  Interieur 
der  Wohnhäuser  und  der  äusseren  Erscheinung  der  Bevölkerung,  die  1889  schon 
3700,  1896  aber  5163  Seelen  zählte.  Der  Haupterwerb,  der  hier  rationeller 
betriebene  Getreide-  und  Weinbau,    ist  gleich  dem   Schweinehandel    in  .Aufnahme 


Von  Smederevo  über  Po2arevac,  fabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.         223 

begriffen,  weil  man  jetzt  den  nahen  billigen  Schienenweg  statt  den  fernen  Dubra- 
vicaer  Hafen  zum  Export  benutzt,  welchen  die  ihr  Kapital  mit  10»/o  verleihende, 
schon  1895  einen  Umsatz  von  12263200  d  erzielende  Sparkasse  für  den  Bezirk 
Resava  bedeutend  förderte.  Ausser  dem  Bezirkskapitän  fungieren  hier  ein  Bezirks- 
gericht, ein  Post-  und  Telegraphenamt,  ein  Bezirksarzt,  eine  treffliche  Apotheke; 
den  intellektuellen  Aufschwung  fördert  ein  Leseverein.  Die  1843  gegründete 
vierklassige  Volksschule  zählte  1870  nur  5,  jetzt  12  Lehrkräfte;  an  dem  neu  errich- 
teten vierklassigen  Untergymnasium  sind  7  Professoren  tätig,  von  welchen  einige 
grosses  Interesse  für  meine  Forschungen  zeigten;  die  Herren  Nikola  Todorovic, 
Janja  T.  Manojlovic,  Tanasije  Vuckovic  wetteiferten  mit  dem  Nacalink  Pera 
Milicevic,  dem  Arzte  Venccslav  Stcjskal  und  dem  Apotheker  Juliji  Draikovic,  sich 
mir  nützlich  zu  machen. 

Meine  Erzählung  von  den  an  der  MIava-  und  Moravastrasse  aufgefundenen 
antiken  Resten,  noch  mehr  meine  ausgesprochene  Vermutung:  Svilajnac  liege 
wahrscheinlich  auf  der  Stätte  einer  verschwundenen  römischen  Niederlassung, 
brachten  die  Intelligenz  des  Städtchens  in  Bewegung.  Man  erinnerte  sich  eines 
Mannes,  der  „beschriebene  Ziegel"  in  der  Umgebung  gesehen  haben  wollte,  und 
nachdem  die  Örtlichkeit  festgestellt  war,  beteiligten  sich  mehrere  Professoren  und 
Private  an  der  zu  Wagen  unternommenen  Exkursion.  Angelangt  auf  dem  etwa 
10  Minuten  fernen  städtischen  Friedhof,  traf  ich  östlich  und  südöstlich  von  der 
Kapelle  eine  von  der  Resava  durchschnittene,  unter  Kultur  gesetzte  Hochebene, 
auf  welcher  viele  römische  Ziegel  und  Fragmente  von  Deckplatten  lagen.  Weitere 
Beweise  für  eine  antike  Ansiedelung  auf  diesem  Punkte  erhielt  ich,  als  wir  links 
von  der  Friedhofstrasse  zur  Ziegelei  des  Marko  Savic  hinabstiegen.  In  der 
senkrecht  abgegrabenen  Lehmschicht  fand  ich,  0,40  m  unter  dem  gewachsenen 
Boden,  Reste  von  Mauern.  Die  Arbeiter  brachten  auch  einen  kurz  zuvor  aus- 
gehobenen Votivstein  herbei,  auf  dem  ich  die  Buchstaben  D  M  erkannte.  Unter 
den  mir  vom  Werkeigeiitümer  gezeigten,  hier  gefundenen  Münzen  befanden  sich 
ein  schöner  Alexander,  dann  römische,  altserbische,  pnlnische  unJ  rmtcrreichische 
Silber-  uml   Kupferstücke. 

Die  Lehrer  und  Honoratioren  der  Stadt  waren  hocherfreut,  dass  ihr  noch 
vor  zwei  Menschenaltern  „ein  Dörflein"  gewesenes,  in  allen  bisherigen  Kombi- 
nationen über  römische  lleerwege  ausser  Betracht  gebliebenes  Svilajnac  so 
unerwartet  eine  voriRltinc  Vergangenheit  erhalten  hatte.  Man  versprach,  den  von 
mir  angeregten  „Ausgrabverein"  rasch  zu  organisieren  und  seine  Tätigkeit  auch 
auf  den  nördlichen  „Sastavci"  und  259  m  hohen  „Bacira  brdo"  auszudehnen, 
wo  im  Weingarten  des  Aksentija  Kru5evljanin  Mauerspuren  bemerkt  worden  waren. 
Die  Anhöhe  befindet  sich  hart  östlich  von  der  antiken  Moravastrasse  und  trug 
iiöchst  wahrscheinlich  das  die  römische  Ansiedelung  zu  Svilajnac  hütende  Kastell. 
Hallen  die  Slailtbürger  ihr  Wort,  wird  diese  Frage  bald  gelöst  sein.  Vielleicht 
eischiint  tiaini  auch  aul  einem  der  gehobenen  Votivsteinc  der  Name  dieser 
Riinierkolonie.  Sie  war  jeileiifalls  ein  wichtiger  Wegknotonpunkl.  weil  die  aus 
Bosnien  von  Süilweslen  zur  Donau  führende  römische  Transversalstrasse  und  die 
von  Margum   iiach   llorreum   Margi    ziehende   Moravastrasse    hier    sich    kreuzten. 


224         Von  Smcdcrcvo  über  Poiarevac,  ytabare,  Pelrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

Dieser  letztere,  auf  dem  rechten  Moravaufer  nun  zweifellos  von  mir  nacfiKCwiescne 
antike  Strassenzu^  bildete  eine  von  der  Natur  vor^ezcichnete,  so  leicht  ausführbare 
Verbin(lun|4  zwischen  der  Donau  und  ihrem  südlichen  Hinterlande,  dass  auch 
Van  der  Bylts  In^ienieure  für  die  von  Dubravica  (Mar^um)  nach  Ni5  zu  führende 
Bahnlinie  die  Trace  über  Pozarevac,  Svilajnac,  Cuprija  (Horrcum  Margi)  als 
zweckmilssigste  vorschlugen. 

Der  Abschied  von  den  liebenswürdigen  Svilajnacerii  liel  mir  schwer,  ganz 
besonders  von  dem  aus  seinem  hohen  Wakihorste  zu  meiner  Bcgrüssung  herab- 
gestiegenen Josif  Zdravkovic  Resavac,  den  ich  in  jungen  Tagen  als  Adjutanten 
des  Fürsten  Mihail  zu  Belgrad  kennen  gelernt,  der  später  durch  grossen  Aufwand 
in  der  Wiener  Gesellschaft  geglänzt  und,  als  das  reiche  väterliche  Erbe  aufgebraucht, 
von  seiner  kargenden  Tante  auf  eine  Art  „Ausgeding"  verwiesen,  nun  aus  reichem 
Erinnerungsschatz  von  schöneren  Tagen  träumt.  Die  Zdravkovic  sind  die  vornehmste 
Familie  des  Bezirks  Resava,  dessen  Namen  sie  als  l^rädikat  führt;  Josifs  Gross- 
vater, dem  von  Karadjordje  zu  ihrem  Knezen  ernannten,  auf  Caja  Paschas  Befehl 
hingerichteten  Senator  Milija,  verdankt  Svilajnac  seine  Erhebung  zur  Bezirksstadt. 
Als  MiloS  Obrenovic  bald  darauf  die  Revolutionsfahne  aufpflanzte,  sprengte  Milijas 
Sohn  Milosav  mit  Pavle  Cukic  die  von  Pozarevac  ausgezogenen  Türken  SO. 
bei  Ranovac  auseinander.  Als  Nachfolger  seines  Vaters  im  Knezenamt 
sammelte  Milosav  beim  Steuern-Inkasso  im  Bezirk  ein  derartiges  Vermögen,  dass 
er  als  nahezu  gleich  reich  wie  Miio§  galt.  Wie  letzterer  anfäjiglich  das  Beispiel 
der  türkischen  Paschas  nachahmte,  so  Milosav  jenes  der  moslimischen  Kaznadare. 
Er  nahm  dum  Volke  meiir  als  der  Fürst  vorschrieb  und  lieferte  diesem  weniger 
ab,  als  er  unrechtmässig  einsteckte.  Zum  Senator  ernannt,  zog  Milosav  1838 
nach  Belgrad,  suchte  aber,  als  er  der  Beteiligung  an  Umsturzplänen  gegen  Milo§ 
beschuldigt  wurde,  Svilajnac  wieder  auf,  wo  er  seine  Ruhestätte  fand. 

Am  8.  April  1893  wurde  das  ganze  Moravatal  durch  das  bereits  erwähnte 
Erdbeben  in  hohem  Grade  erschreckt,  und  nirgends  trat  dieses  mit  so  ungewöhnlich 
interessanten  Erscheinungen  auf,  als  in  dem  S.  6  genannten  Livadica,  wo  aus  bis 
8  cm  breiten  Spalten  bleigraue  Massen  quollen  und  die  Orte  Vel.  Popovic,  Kluc, 
Zabare  und  Svilajnac  grosse  Verwüstungen  beklagten.  Die  von  Schreck  ergriffene 
Bevölkerung  flüchtete  sich  allerorts  ins  Freie,  als  viele  Häuser  barsten  oder  gänzlich 
einstürzten.  Die  Stösse  wiederholten  sich  am  9.  und  10.  in  schwächerem  Masse. 
Die  Regierung  entsandte  den  Sektionschef  Tasa  Milenkovic  mit  zwei  Professoren 
zum  Studium  und  um  die  erste  Hilfe  zu  bringen,  wobei  sich  die  Svilajnacer 
Sparkasse  für  den  Bezirk   „Resava"   sehr  crspriesslich  betätigte. 

Statt  dem  nach  Pozarevac  zurückkehrenden  Ingenieur  Matejic  übernahm 
es  Herr  Bezirksarzt  Stejskal,  mich  weiter  zu  begleiten.  Alles  deutete  darauf  hin. 
dass  die  römische  Moravastrasse  von  Svilajnac  ihren  Lauf  nach  dem  14  km 
fernen  grossen  Walachendorf  Medvedje  nahm.  Es  ist  eine  archäologisch  hoch- 
interessante Örtlichkeit.  Zunächst  weil  hier  im  J.  1875  der  erste  Fund  aus  Serbiens 
prähistorischer    Epoche    gemacht    wurde.     Wie  ich  schon  im  J.    1886   erörterte'). 

'i  Mitt.  ü.  Aiiihrop.  Ges.  Wien.  Bd.  XVI,  ti3. 


Von  Smederevo  über  Po2arevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.  225 

wurde  die  Wissenschaft  frühzeitig  auf  die  zahlreichen  prähistorischen  Stätten  am 
östlichen  Pontusgestade  aufmeri<sam  und  wir  verdanken  den  russischen  Archäo- 
logen hochschätzbare  Forschungen  jn  dieser  Richtung.  Ami  Boue,  Hahn  u.  a. 
lieferten  für  verschiedene  Teile  der  illyrischen  Halbinsel  einzelne  Nachweise. 
Im  Balkangebiet  konnte  ich  an  mehr  als  fünfzig  Punkten  auf  Autopsie  beruhende 
Daten  über  urgeschichtliche  Denkmale  sammeln.')  Nicht  wollte  es  aber  gelingen, 
innerhalb  der  früheren  Grenzen  Serbiens  die  Anwesenheit  des  Menschen  in 
urgcschichtlichcr  Zeit  zu  begründen.  Wohl  besass  das  Belgrader  Nationalmuseum 
schon  lange  einige  Steinwaffen;  sie  rührten  jedoch  von  Hügeln  bei  Semlin  auf 
dem  linken  Savaufer  her. 

Erst  im  Jahre   1875  wurde  zu  Medvedja  an  der  Resava  ein  zweifellos  prä- 
historisches Hammerbeil  gefunden,  durch  den  zufällig  dort  anwesenden  Bergarbeiter 


MEDVI-.DJA, 
prähistorisches  Hnmincrhcil. 

'  .  N.itiirKriissc 


Miloje  Jankovic  vor  Verschleppung  bewahrt  und  auf  Befehl  des  Fürsten  A\ilan 
dem  Belgrader  Naturhistorischen  Kabinett  übergeben.  Das  prächtig  gearbeitete  Beil 
aus  Trachyt,  der  uiileni  am  Cmi  vrh  bei  2agubica  ansteht,  ist  91  mm  lang, 
52  nnii  breit,  44  mm  hndi,  hat  ein  19  mm  weites  Bohrloch  für  den  Stiel,  eine 
ziemlich  scharfe  Schneide  an  dem  einen  und  eine  34  mm  breite  llaufliiche  am 
aiuk'ri'M    IjkIc. 

Aiuh  dir  RiiMUT  liesseil  durt  Spuren  zurück,  welche  für  den  Bestand  einer 
hfili'iiteiulfn,  ilurih  alle  Kiiiiste  verscliiinteii  Niederlassung  an  der  Resava  sprechen. 
Viu  dem  Mause  iks  |iiv,im  iMildjevii!'  sah  ich  einen  1,33  m  langen  Sarkophag  aus 
Sandstein,  dluii  1),17  in,  iiiikii  o;m  m  breit  und  0,17  m  tief;  im  Hofe  des  Ivan 
i^ivkovic,  zwischen  grossen  Werkstücken,  eine  0,27  m  hohe,  0,48  ni  breite  rein- 
profilierte Säuleiibasis.  bei  einem  anderen  B.iuer  eine  schön  patinierle  lange 
Broii/eii.ulel;    bei    ilem    Srlmllehrer    Djordje    Ivkovic    ausser    prächtig    erhaltenen 


'i  I".  Kanitz,  noiiau-liiilKarieii  und  der  Balkan.     II.  Auflage,  LoipziK,  IM.  Hd.  SachrcKlslor. 
Arcliiiolonic,  376. 

p.    KANITZ,    Serbien.    I. 


!;'> 


2'2()         Von  Smetlcrc'vo  über  Poiart-vac,  2abare,  Pctrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

Gold-,  Silber-  uiul  Kupfermünzen  aus  der  Kaiserzeit  eine  reizende  12  cm  hohe 
Kasforstatuette,  ein  kleines  ßesossenes  Bronzerelief  mit  dem  Brustbild  eines 
Hullünelten  Genius,  eine  hübsche  Bn^cnfibel,  zwei  eiserne  Lanzenspitzen,  einen 
Streitkolben,  eine  j^eschliffene  Serpentinplatte  und  andere  Kleinigkeiten.  Alle 
Funde  stammten  aus  der  Um^^ebunK  des  nahen  Ortfriedhofes,  zu  deren  Durch- 
forschunj^  ich  sofort  mit  dem   Lehrer  aufbrach. 

Bei  einer  mit  dichtem  Milivaer  Kalkstein  verkleideten,  ungemein  starken 
Mauer  erkannte  ich  vorspringende  Grundfesten  zweier  Kundtürme,  was  mir  die 
Bestimmung  der  Ostfront  des  quadratischen  Castrums  mit  100  m  erleichterte; 
auch  seine  Nord-    uiul    Südmauer   waren    auf   eine    lange   Strecke   gut    verfolgbar; 


Pl.in  dos  Kastells  und  der  Stadt  Idimum. 


nicht  aber  die  Westfront.  Diese  befand  sich  zweifellos  auf  dem  mit  Gräbern 
übersäten  Friedhof,  in  dem  aber  meine  mit  Spitzhaue  und  Schaufel  ausgeführten 
Untersuchungen  endigen  mussten.  Weitere  an  der  Nordseite  ergaben,  dass  die 
an  einem  Punkte  des  dort  abgebrochenen  Uferrandes  freigelegte,  von  Norden 
herabkonimende  antike  Strasse  das  Kastell  und  die  südliche  Zivilstadt  durchzogen, 
deren  Mauern  das  weitgedehnte  Wiesenterrain,  rechts  von  der  heutigen  Strasse  nach 
Cuprija,  bedecken,  hierauf  aber  die  Richtung  auf  Horreuni  Margi  genommen  hatte. 
Auch  ohne  die  bestimmte  Aussage  der  meine  Arbeiten  aufmerksam  ver- 
folgenden Dorfbewohner,  dass  dieser  „Jeiinski  drum"  (griechische  Strasse)  nördlich 
ins  Miavatal  führe,  war  es  mir  nach  den  wenige  Tage  zuvor  dort  gewonnenen 
Resultaten  zweifellos,  dass  ich  hier  die  Fortsetzung  des  bei  Tabanovac  verlassenen 
Viminacium — Konstantinopler  Heerweges  gefunden  und  auf  seiner  Mansion  Idimum 
stand,  welche  schon   Kiepert  hypntiictisch   im  Einklang  mit  den   Itinerarien  an  die 


Von  Smederevo  über  Pozarevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.  I-t 


\am\aMta  10  0 


1.1' l'K'l  I  A  .    ri.iii  vnii  lloiTiuMi  M.iii;!  "IUI  MNUcr  HfiKKcii 


ir>* 


2'2H         Von  SmciltTCvo  über  f'oiarcvac,  iaharc,  Pcirovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

Rcsava  vcrlejjte. ')  Die  Tab.  Pcul.  Liitfcrnl  Municipium  von  Idimuni  28,  das  Itin. 
Ant.  27,  das  Itin.  Ilieros.  26  Millicn,  was  mit  der  l:ntfernunf{  zwischen  KaliStc 
(Municipiuni)  iiiul  Mcdvedja  Ubereinslininil.-)  Das  Mass  der  Tafel  zwischen 
icliimiiii  uikI  Jovis  Maj^us  mit  Ifi  Millieii  trifft  auf  das  von  Medvedja  ^leichweit 
intkriite  Biisurmündiings-Kastell  und  würde  dessen  ldentifizierun({  mit  Jovis  Pagus 
reclitferti^cn  (?).  Die  im  Itin.  Hierns.  von  letztcrem  mit  7  und  von  Idimum 
mit  9  Millien  verzeichnete  mutatio  Bao  (Baus)  stand,  nach  der  genauere  Ansätze 
f^estattcnden  neuen  serbischen  Karte,  nicht  auf  der  Resava-Mlavascheide,  sondern 
bei  Tabanovac,  wo  die  über  den  Djurinaöko  brdo  nach  Medvedja  laufende 
Riimcrstrassc,  gleichwie  bei  Orabovica,  durch  hochstehende  Wachtürme  gehütet 
wurde,  von  weichen  die  Fuiuiamente  erhalten  blieben.  Auf  dem  Wege  nach 
Cuprija  kdiinti.'  ich  liie  von  Idimum  weiter  südlich  ziehende  Konstantinopler 
Heerstrasse  noch  ein  gutes  Stück  bis  auf  das  V.  Popovacer  Hochplateau 
verfolgen,  von  dem  ihre  Trace,  östlich  der  heutigen,  kurz  vor  Cuprija  zur 
Morava  hinabstieg. 

Der  Mond  stand  bereits  hoch,  als  wir  bei  Drazmirovac  vorüberkamen. 
Hier  und  da  begleiteten  Kulturen,  meist  aber  Wiesen,  auch  einzelne  verschont 
gebliebene  Eichenstände  die  treffliche  Strasse,  im  Punkte  der  Sicherheit  ist  sie 
aber  stark  verrufen,  und  ihre  einzige  Mo§tanicka  Mehana,  rechts  vom  Wege, 
gilt  als  Herberge  lichtscheuer  Leute,  die  schon  manchen  Wanderer  erleichtert  oder 
kalt  gemacht.  Verspätet  aus  der  Stadt  zurückkehrende  Landleute  Hessen  ihre 
Pferde  hurtiger  ausgreifen;  auch  unser  Kutscher  tat  das,  als  wir  dem  unheimlichen 
Han  näher  kamen  und  die  tiefeingeschnittene  gleichnamige  Bachschlucht  kreuzten, 
wo  gute  Verstecke  bietende  Materialhaufen  für  den  Brückenbau  aufgeschichtet 
lagen.  Jenseits,  auf  der  8  km  sich  dehnenden,  freien  Ausblick  gestattenden  Hoch- 
elieiie  war  kein  Baum,  kein  Haus  zu  sehen.  Die  am  Lineal  gezogene  Strasse 
brachte  uns  zur  dampfenden  kleinen  Kunslniühle  und  gleich  darauf  in  das 
Weichbild  von  Cuprija,  in  dessen  trefflichem  Hotelcafe  wir  noch  volles  Leben 
trafen.  Mein  erster  Morgenbesuch  galt  Herrn  Oberst  Binicki,  der  als  Kommandant 
des  Ponton-  und  technischen  Arsenals  die  bezüglichen  Neubauten  auf  dem 
einstigen  Castrum  des  römischen  Horrcum   Margi  leitete. 

Wie  der  Geologe  mehrere  Entstehungsepochen  unseres  Planeten  unterscheidet, 
wird  der  Archäologe  bei  den  festen  Werken  im  illyrischen  Dreieck  drei  mit 
gewisser  Regelmässigkeit  auftretende  Abschnitte  beobachten.  Die  nahezu  zwei 
Jahrtausenden  trotzenden  stolzen  Rümerreste  bilden  meist  das  granitene  Piedestal, 
auf  dem  sich  die  mit  tertiären  Sedimenten  vergleichbaren  Bauten  des  byzan- 
tinischen und  altserbischen  Reiches  erheben;  dem  leichtbeweglichen  Alluvium 
sind  aber  die  unsoliden  Zutaten  ähnlich,  welche  die  Türken  diesen  an-  und 
aufgeklebt  haben.  Dieser  Vergleich  drängte  sich  mir  auf,  als  ich  im  September  1861 
zu  Cuprija  die  Mauern  an  der  F^avanicamündung  bestimmte,  welche  das  nach  den 

')  C.  1.  L.  III,  Tnli.  II. 

'-')  Idimum  bei  BagrcJnn  auf  dem  linken  .Moravaufer  zu  suchen,  wo  es  jüngst  Ch.  Hülsen 
vernuitetc  (.\rch.-epiKr.  Mitl.  .XIl.  p.   175  ff.),  erscheint  vollkommen  unstatthaft. 


Von  StiK-dcrcvo  über  Pozarcvac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.  229 

Itinurarien  16  -17  Millien  von  Idimum  entfernte  Horreum  Margi  umschlossen. 
Noch  heute  bilden  sie  ein  dauerndes  Denkmal  römischer  Bautechnik.  Wohl 
haben  die  Byzantiner  die  in  den  Völkcrstürmen  verwüsteten  Wälle  erneuert  und 
die  Türken  auf  diesen  ihre  „Morava  Hisar"  und  „Köprü"  genannte  Palanke 
errichtet;  dies  alles  erscheint  aber  heute  grossenteils  weggefegt;  nur  das 
Römische  blieb. 

Die  Riimer  bedurften  bei  Horreum  Margi,  ihrem  wichtigsten  Arscnalplatz 
in  Obermösien,  einer  stabilen  Brücke  nicht  allein  zur  Verbindung  des  vom 
Donaulimes  hier  fächerartig  zusammenlaufenden  Strassennetzes  mit  jenem  des  linken 
M(Kavaufers  und  leichteren  Truppenverschiebung,  sondern  auch  um  dessen 
Besatzungen  in  jeder  Jahreszeit  mit  Katapulten,  Rüstwagen  und  namentlich  mit 
Proviant  aus  den  „Horrea"  (Getreidemagazinen)  versehen  zu  können.  Der  Fluss 
hat  dort,  wie  die  Reste  verschiedener  Brücken  und  verlassene  Bette  zeigen,  seinen 
Lauf    wiederholt    in    auffälliger    Weise   gewechseh.      infolge   des   ausserordentlich 


1. 1  r  kijA,  BiMi 


trockenen  Sommers  im  Jahre  1890  wurden  bei  einem  >elien  gleich  mederen 
Moravaniveau,  wie  mir  General  Benicki,  damaliger  Kommandant  des  k.  Cuprijaer 
Arsenals,  1897  mitteilte,  auf  dem  linken  Ufer  drei  und  im  Flusse  sechs  mit  Holz 
umkleidete  Steinpfeiler  sichtbar,  deren  nur  sehr  bejahrte  Anwohner  sich  erinnerten 
und  „latinskimost"  nennen,  ob  mit  F^eclit,  ist  unentschieden,  weil  ihre  bautechnische 
Untersuchung  leider  versäumt  wurde.  Von  den  50  m  unterhalb  aufragenden 
Steinpleikrn  einer  zweiten  Brücke  befinden  sich  aber  gegenwärtig  fünf  auf  dem 
rechten  Hier  und  fünf  im  Wasser.  Bei  ihrer  am  6.  November  1887  bewerk- 
stelligten Aufnahme  l'aiul  ich  ilie  rcchtsuferigeii  beiden  ersten  am  unversehrtesten, 
die  folgeiulen  vier  in  rrümiiiciii,  weitere  lirci  in  iler  Mitte  geborsten  und  den 
letzten  ganz  mit  Weiileiigebüsch  überwachsen.  Ihre  ursprünglichen  Masse  sind 
schwer  bestimmbar.  Die  Pteilerlänge  betrug,  nach  der  heute  noch  l>,5  m  erhaltenen 
bei  dem  reclitsufcrigen  ersten  und  zweiten  zu  urteilen,  wahrscheinlich  7—8  m. 
bei  einer  Breite  von  mindestens  5  m;  ihre  gegenseitige  Fnifernung  durchgehends 
II  m.  Die  Richtung  iler  Brückenbahn  wich  15"  westlich  von  der  nördlichen  ab. 
Der  rechtsuferige  Brückenkopf  zeigt  so  zweifellos  antikes  Gepräge,  dass  ich 
scliini  181)8  in  meinem  „Serbien"  mindestens  seine  Grundfesle  als  römisch  erklärte. 


230  Von  Sincdcrcvo  über  Poiarcvac,  ^abarc,  IVlrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

Er  stand  mit  ik-iii  Castruin  in  cnfjster  Verbindung.  Das  durch  seine  La^e  auf  dem 
östlich  anschhessenden  kleinen  Hochplateau  leicht  zu  verteidigende  Werk  bildete 
ein  unf^leichseitif^es  Viereck  mit  winkelij^  f^ehmchener  Südfront.  Seine  Nord- 
westspitze bespülte  die  in  römischer  Zeit  naher  vorbeifliessende  Morava,  während 
seine  Ost-  und  Nordfront  von  der  Ravanica  umflossen  und  gedeckt  wurden. 
Die  Ostmauer,  auf  die  man  hei  Orundsondierunnen  für  neu  zu  erbauende  militärische 
Magazine  stiess,  lässt  sicii  durch  den  Joka  Krslicschen  Hauskeller,  wo  ich  sie 
mit  2,5  m  Breite  mass,  leicht  bis  zum  nördlichen  Plateaurand  verfolgen.  Das 
ganze  Kastellterrain  bildet  ein  riesiges,  3 — 5  m  tiefes  Schuttfeld,  auf  dem  bei 
Erdaushebungen  allerorts  antike  Mauern,  Ziegel  mit  dem  Stempel  der  LEG  VI!  CL, 
Silber-  und  Kupfermünzen,  Pfeilspitzen  usw.  zutage  treten.  Im  September  1887 
stiessen  Soldaten  im  nördlichen  Teile  auf  einen  neunzeiligen  Meilenstein  mit  den 
Namen  des  Kaisers  Valcrian  und  seines  Sohnes,  des  Mitregenten  Gallienus,  un\l 
am  25.  Dezember  1889,  beim  Graben  eines  Eiskellers,  etwa  50  m  nordöstlich 
vom  Hnickeiikiipf,  auf  fünf  Votivsteine '),  unter  welchen  Skelette,  Kaisermünzen  usw. 
lagen.  Leider  verschwanden  die  Inschriften,  ungeachtet  ich  ihre  Erhaltung 
empfohlen  hatte,  in  den  nahen  militärischen  Neubauten. 

Die  Zivilstadt  von  Horreum  Margi  stellte  ich  in  der  Jagodinska  mahala,  auf 
dem  rechten  Ravanicaufer  fest,  von  dem  sie  gegen  die  Morava  sich  ausdehnte; 
dort  wurden  (1888)  in  den  Häusern  des  Milovan  Mehandzija  und  Ali  Begs, 
unfern  der  Holzbriicke  und  Buclulruckerei.  die  Reste  grosser  römischer  Bauten 
freigelegt.  Viele  Fmulainente  mögen  schon  früher  ausgegraben  und  in  jenen  der 
Kirche  sowie  neuer  Privathäuser  verbaut  worden  sein.  Von  Skulpturen  hörte 
ich  nichts,  obschon  Cuprijas  Boden  gewiss  noch  manch  schönes  Werk  birgt. 
Im  Ausgang  des  5.  Jahrhunderts,  als  die  Donauländer  viel  durch  die  Beutezüge 
von  Goten  und  Slaven  litten,  scheint  die  reiche  Arsenalstadt  nur  teilweise,  in 
den  folgenden  Hunnenkiiegen  aber  gänzlich  zerstört  worden  zu  sein. 

Im  Mittelalter  stand  auf  Horreum  iWargis  Stelle  ein  in  den  älteren  serbischen 
Liedern  oft  genanntes  Städtchen  Raxno  am  Ravanflüsschen.  Nachdem  die  Türken 
das  Land  erobert,  tritt  es  als  „Köprija"  (Brückenort)  zuerst  traditionell  in  die 
Geschichte  ein,  mit  einer  dortigen,  den  Christen  günstigen  Schlacht  zwischen 
einem  Grossvezier  und  christlichem  König  (Vladislav?).  Sicher  ist,  dass  der 
Markgraf  von  Baden,  als  er  1689  Belgrad  genommen,  bei  Cuprija,  auf  dem 
„Kraljevo  polje"  lagerte.  Dieses  „Königsfeld"  zwischen  der  Ivanovacka  und 
Ravanica  reka  ist  dasselbe,  auf  dem  beim  nahen  Ivanovac  im  August  1807  etwa 
2000  Serben  mit  nur  einer  Eisenkanone  gegen  30000  über  den  Vezirovo  brdo 
heranziehende  Türken  sich  tapfer  hielten,  sie  zum  Rückzug  nach  Paracin 
zwangen  und  einen  der  wichtigsten  Erfolge  im  zehnjährigen  Freiheitskampf 
erzielten.  Es  war  das  erste  Mal,  dass  Karadjordjes  Scharen  gegen  reguläre  Truppen 
des  Sultans  stritten.  Vergebens  stürmten  diese  die  von  Dobrinjac  und  Milenko 
todesmutig  verteidigten  Schanzen;  den  erstrebten  Ravanica-Übergang  konnten  sie 
nicht  gewinnen.     Der  am  Fusse  verwundete  Hafiz  Pascha,  welcher  triumphierend 


■)  Stnrinar,  VII,  p.  56.  —  C.  1.  L.  IM.  Siippl.  Fase.  II,  No.  82ö8. 


Von  Smederevo  über  Pozarcvac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.         231 

in  Bulf^rad  uinzuziclien  gedachte,  unterhandelte  und  sah  sich  zur  schimpflichen 
Rückkehr  nach  Nis  gezwungen.  Im  folgenden  Jahre  wurde  der  ganze  Kreis  von 
den  Muslims  gesäubert.  1809  und  1813  fiel  aber  Cuprija  wieder  in  türkische 
Hände.  1815  eroberte  es  wohl  Milös,  doch  nach  dem  Übereinkommen,  welches 
er  dort  persönlich  mit  Mara§li  Pascha  abschloss,  verblieb  in  der  Palanka  eine 
türkische  Garnison,  die  erst  nach  der  gänzlichen  Räumung  des  serbischen  Südens 
im  J.  1833  abzog.  Das  Kriegsmaterial  aus  den  zerstörten  Schanzen  wurde  nach 
Belgrad  gebracht. 

Interessant  erscheint  es,  dass  gleich  den  römischen  Strategen  auch  Byzan- 
tiner, Serben,  Türken,  Österreicher,  bis  herab  zu  den  Bahningenieuren,  stets 
Cuprija  als  Überbrückungspunkt  der  Morava  wählten,  deren  Namen  die  Stadt 
auf  der  österreichischen  Occupationskarte  (1717—1739)  trägt.  Schon  1665  wird 
dort  eine  türkische  Holzbrücke  erwähnt,  zu  welcher  höchstwahrscheinlich  die  noch 
gut  erhaltenen  Rönierpfeiier  benutzt  wurden,  und  ähnlich  verhält  es  sich  wohl  mit 
der  „steinernen"  Brücke  während  der  österreichisch-türkischen  Kriege,  obschon 
Brückenreste  etwas  unterhalb  noch  heute  dem  genialen  Piccolomini  zugeschrieben 
werden.  Neben  diesen  faulen  die  Balken  der  von  Karadjordje  und  Milo§  erbauten 
Jochbrücken  im  Strombett.  Auch  die  unter  Fürst  Alexander  von  dem  Ingenieur 
Cordon  1845  erbaute  Holzbrücke  konnte  nicht  dem  Frühjahrshochwasser  der  sonst 
trägen  Morava  widerstehen,  und  längere  Zeit  befand  sich  dort  nur  eine  Fähre. 
Am  14.  September  1864,  Fürst  Mihails  Geburtstag,  weihte  man  die  von  dem 
österreichischen  Offizier  Adam  Priljeva  erbaute  Pontonbrücke,  die  1867  ein  von 
französischen  Ingenieuren  projektierter  solider  Bau  ersetzen  sollte;  er  unterblieb 
wegen  der  allzugrossen  Kosten  zur  Sicherung  des  rechtsuferigen  Brückenkopfes 
gegen  die  unterwaschende  riesige  Strömung,  welche  so  verheerend  wirkt,  dass 
sie  ISfiO  die  zum  Kreisamt  führende  gut  gepflasterte  Strasse  im  Flusse  begrub. 
Auch  die  anlässlich  des  in  Sicht  getretenen  serbisch-türkischen  Krieges  vom 
Hauptmann  Benicki  erbaute  Brücke  mit  2ü  Jochen  zerstörte  iler  Eisgang  des 
Jahres  1888  bis  auf  ihre  gut  versicherten  Köpfe,  welche  von  ihm  als  Oberst,  nachdem 
eine  iirovisorische  Militär-Pontonbrücke  die  Verbindung  aufrecht  erhalten,  1891 
zu  einer  6ü()()()  d  kostenden,  mit  15  Jochen  und  Eisbrechern  benutzt  wurden. 
3  km  südlicher  überspannt  die  elegante  Eisenkonstruktion  der  Bclgrad-Niäer 
Bahnlinie  i\L-\\  dnrt  zahllose  Kurven  bildenden  Strom. 

Die  grosse  Nähe  der  aufstrebenden  St.'idte  Jagodina,  Svilajnac  und  Paracin 
verzögerte  Cuprijas  rascheren  Fortschritt.  Immerhin  wuchs  es  gegen  1733,  wo 
es  Maksim  Raskovic  „als  Dörflein  mit  20  Häusern"  schilderte,  bedeutend.  So 
lange  Milo.V  Ginistling,  Milosav  Resavac,  Knez  der  Naliija  war,  residierte  er  zu 
Svilajnac  unil  ihr  Prota  noch  1860  zu  Medvedja.  Erst  1833  erhielt  Cuprija  eine 
Schule,   lH3.'i  seine  hl.  Georgskirche  und   1838  kam  das  Kreisamt  dahin. 

Triil/deiii  gewährte  noch  I8(j()  ein  Gang  durch  seine  lange,  aber  unsaubere 
CarSija  wenig  Vergnügen.  In  jenem  Jahre  faiul  ich  ihre  Häuser  gleich  ärmlich 
wie  den  Inhalt  ihrer  (jewölbe.  l'aul  und  gleichgültig  kauerten  die  Eigentümer 
vor  tUn  Tiiien.  Bauernweiber,  welche  um  buntgeblümte  Kattunlücher  feilschten. 
Kamiiliilner,  die  unter  l-lüchen  unil  Lärm  den  Hufbeschlag  ihres  Zugviehs  vor  einer 


282         Von  SinfdtTfvr)  über  Poiarcvac,  2abaa-,  l'cirovac,  Svilajnac  nach  Cuprija. 

Zi^ciincrschmicdc  crnfucrn  liessen,  einkaufende  Sträflinge,  beaufsichtigt  von  wolil- 
bewaffnelcn  l'.iiuluren  in  Cuprija  liefand  sich  ein  Staalsnefän^nis  zur  Abbüssun^ 
VOM  über  einem  Monat  bis  zu  zwei  Jahren  Kerkerstrafe  bildeten  die  Staffaj^e 
der  traurigen  liauptstrasse  dieser  selbst  hinter  ihren  jüngeren  Schwestern  zurück- 
gebliebenen Stadt.  Auch  ihre  Felder  traf  ich  gar  nicht  oder  nachlässig  bestellt.  Die 
vor  etwa  35  Jahren  angesiedelten  Serben,  welche  angeblich  wegen  Steuerüberbürdung 
das  herrliche  Banat  verliessen,  bewährten  sich  schlecht  als  Kolonisten.  Sie  erhielten 
Material  und  sonstige  Hilfe  zum  Häuserbau,  den  Ackerboden  unentgeltlich,  nur 
an  die  Bedingung  geknüpft,  ihn  durch  15  Jahre  nicht  zu  verpfänden  oder  zu 
verkaufen,  und  drei  steuerfreie  Jahre.  Kein  Hindernis  stand  der  Kultivierung  des 
treflliciien  Ackerlandes  entgegen;  doch  faul  wie  in  ihrer  Heimat,  ergaben  sie  sich 
dem  wohlfeilen  F^akijatrunk,  liessen  ihre  Felder  brach  liegen  und  zogen  es  vor, 
mit  ihren  flinken  ungarischen  [-"ferdchen  leichtes  Fuhrwerk  zu  treiben. 

In  lien  letzten  zwei  Decennien  hat  aber  Cuprija  doch  endlich  sein  stark 
(irieiitalisches  Aussehen  abgestreift.  Die  Altersschwäche  vieler  Baracken  und 
nanieiitlich  das  Frdhelien  vom  Jahre  1H94,  dessen  Wirkungen  so  stark,  dass  der 
Oberstock  des  Kreisamtes  abgetragen  werden  musste,  zwang  viele  Hausbesitzer 
zu  Neubauten,  die  Pflastenmg  und  Beleuchtung  der  Strassen  folgte.  Der  fort- 
schreitende Wühlstand  brachte  weiter  grösseren  Komfort  in  die  Gast-  und 
Finkehrhäuser,  Zeitungen  und  Billards  in  die  Cafes,  gut  ausgestattete  Läden, 
Vermehrung  der  Lehrer  auf  9,  der  Ärzte  auf  4,  der  Geistlichen  auf  5  und  —  weil 
leider  auch  hier  viel  gestritten  wird  —  der  Advokaten  auf  8.  Obschon  die 
bescheidene  Kirche  aber  noch  jetzt  ohne  Turm  blieb,  machen  die  sich  mehrenden, 
auch  im  Imiern  modern  eingerichteten  Neubauten  und  namentlich  die  über  I08Ü0Ü  d 
kostenilc   neue  Normalschule  guten   I:indruck. 

Im  Jahre  1896  zählte  Cuprija  in  885  Häusern  2860  männliche  und  2071  weib- 
liche Bewohner;  darunter  28  verschiedene  slavische,  15  Deutsche,  29  Ungarn, 
79  Rumänen,  27  Zigeuner,  und  der  Religion  nach:  50  Katholiken,  24  Moslims, 
9  Juden.  Die  Stadt  besass  ausser  632  Pferden:  560  Stück  Rinder,  3961  Schweine, 
Schafe,  Ziegen  und  107  Bienenstöcke,  was  allein  zeigt,  dass  sie  noch  starken 
Ackerbau  treibt.  Dur  Wunder  bewirkende  Dampf  beginnt  nur  langsam  das 
Gewerbe  zu  beeinflussen,  doch  wird  es  seit  1887  durch  die  schon  nahezu 
8  Millionen  d  umsetzende  Sparkasse  gefördert.  Auch  die  148,5  km  von  Belgrad 
entfernte  Bahnstation  hebt  sich  stetig,  seit  das  nahe  Senjer  Kohlenwerk  1892  mit 
ihr  durch  einen  Flügel  verbunden  und  für  diesen  ein  besonderer  Lagerplatz 
angelegt  wurde.  Nicht  minder  steigt  der  Export  anderer  benachbarter  Minen, 
von  Landesprotlukten,  von  Getreide,  Nussbaumstämmen  usw.  Ein  gut  Stück  Geld 
gelangt  auch  in  Umsatz  durch  die  zahlreichen  staatlichen  Administrations-  und 
Justizorgane  des  Kreises,  auch  durch  die  19  Offiziere,  38  Unteroffiziere  des 
Brigade-  und  Territorialstabes,  sowie  der  360  Soldaten,  welche  teilweise  im 
Cuprijaer  Arsenal  verwendet  werden. 

Wie  zur  Römerzeit  die  Horrea  von  Margis  befindet  sich  der  heutige  zweite 
grosse  serbische  Rüstplatz  auf  dem  kleinen  Kastell-Hochplateau  an  der  Ravanica. 
Um    seine   Ausgestaltung   hat   sich    namentlich    Oberst   Benicki    verdient    gemacht. 


Von  SniL-duruvo  über  Pozarevac,  Zabare,  Pctrovac,  Svilajnac  nach  Cuprija.  233 

Nalie  bei  dem  alten  Nacelstvo  und  Hospital  sah  ich  dort  ein  1887  vollendetes, 
120  m  langes,  19  m  breites  Magazin  für  Brücken-Equipagen,  das,  wenn  im  Kriege 
geräumt,  Spitalzvvecken  dienen  soll;  ferner  neu  erbaute  Werkstätten  für  Schanzzeug 
und  liifaiiteriehacken,  die  durch  Rudniker  Arbeiter  zu  2  d  hergestellt  wurden, 
während  triilicr  aus  Oestcrreich  bezogene  6  d  kosteten.  1897  waren  schon 
98  Pontons  mit  Wagen,  21 000  Hacken  und   14000  Schiebkarren  vorrätig. 

Im  Jahre  1890  wurde  durch  Skupstinabeschluss  nahezu  der  ganze  aufgelöste 
Jagodinaer  Kreis  mit  dem  Cuprijaer  vereinigt,  so  dass  dieser  jetzt  mit  6  Bezirken 
2900  km-  umschliesst.  Auch  in  diesem  Kreise  ist  das  romanische  Element 
beträchtlicii.  1896  gab  es  unter  seinen  in  27519  Häusern  wohnenden  167  145  Seelen: 
9978  Walaclien  in  34  Orten,  von  welchen  sie  fünf:  Isakovo,  Batinac,  Vitezevo, 
Macevac  und  Rtsavica  allein,  die  anderen  mit  Serben  gemengt,  bewohnten.  Die 
Ortsnamen  zeigen  auch  hier  das  stetige  Vordringen  des  Romanentums,  und  nach 
den  bisherigen  Erfahrungen  würden  auch  viele  der  heute  noch  gemischtsprachigen 
Orte  schon  walachisiert  sein,  wenn  dies  nicht  die  allerorts  ausschliesslich  serbische 
Scliule  gehindert  hätte.  Das  Morava-Linksufer  blieb  bis  heute  von  Rumänen  frei. 
interessant  ist  es,  dass  in  dem  von  den  Waiachen  am  stärksten  bewohnten 
Bezirk  Resava,  ganz  wie  im  reinserbischen  Temnicer,  60—80  Seelen  auf  den  km- 
konnnen.  Sonst  wohnen  auf  dem  gleichen  Raum  im  Paraciner  und  Belicaer 
Bezirk  50—60,  im  Despotovicaer  und  Levacer  aber  nur  40—50  Seelen.  Ackerbau 
und  Viehzucht  hallen  sich  im  Cuprijaer  Kreise  so  ziemlich  die  Wage.  In  drei 
Bezirken  entfallen  auf  100  Seelen  160—200,  im  Levacer  und  Paraciner  250-300 
iiiul  nur  im  stark  gebirgigen  Despotovicaer  400 — 450  Stück  \'ieh.  1896  zählte 
man:  7179  Pferde,  56480  Rinder,  92471  Schweine,  242564  Schale,  28379  Ziegen 
und  13806  Bienenstöcke.  Vom  Bodenbau  des  Kreises  lässt  sich  aus  den  auf 
S.  158  f.  entwickelten  Ursaciien  nur  sagen,  dass  er  im  allgemeinen,  und  dies  gilt 
namentlich  von  der  Pflaumen-  und  Weinkultur,   in  stetiger  Zunahme  begriffen  ist. 


Vlll. 


Von  Petrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet 


von  Majdanpck. 


UNTRÜGLICHE  Beweise  zeigen,  dass  alle  Volker  den  reichen  Erzgehalt  des 
von  Ciiprija  weit  gegen  Norden  und  Osten  sich  dehnenden  Minengebietes 
auszubeuten  suchten.  Mancher  Kampf  wurde  sogar  einzig  wegen  der  grossen 
Edelmetailschätze  der  Peker  Berge  geführt.  Ein  Besuch  der  Majdanpeker  Werke, 
des  ersten  montanistischen  Unternehmens  im  nach  langen  Jahrhunderten  occiden- 
taler  Kultur  wieder  gewonnenen  unteren  Dnnaugebiet,  musste  vielfaches  Interesse 
liietcM.  Den  ersten  orientierenden  Ausflug  daiiin  unternahm  ich  im  Herbst  1861 
von  Cuprija  auf  der  zuletzt  geschilderten  F^)ute.  Zeigt  die  Landschaft  von 
Svilajnac  zur  Mlava  bescheidene  Reize,  so  wird  der  Reisende  entschädigt,  wie 
er  das  reich  gegliederte  Tal  der  letzteren  betritt.  Dort  hinterliessen  die  Riimer, 
Byzantiner  und  Slaven  zahlreiche  Spuren  ihrer  Anwesenheit.  Dort  stand  auch 
die  Kathedrale  der  alten  Metropolie  Branicevo. 

Bei  dem  schon  geschilderten  Petrovac  (S.  220)  ging  es  aui  das  lecliie 
Uter  und  gleich  darauf  über  die  sanften  Klokocarhöhen  zur  \'itovnica,  an  deren 
südöstlichem  Quellarnie  das  gleichnamige  Kloster,  i  km  mmu  Wege,  unter  dem 
956  m  hohen  Stubik  auf  pittoreskem  Kalkfelsen  steht.  Sein  Stifter  soll  König 
Milutin  gewesen  sein;  üreskovica  und  BradaSka  waren  seine  Metochien.  Es 
liegt  liochromantisch  zwischen  prächtigem  Fiaumlaub  und  Felsen  am  linken 
Bacluifer,  wo  ein  reicher  Quellbrunnen  köstliche  Labung  spendet,  im  J.  1833 
arbeiteten  diut  ein  Iguman,  zwei  Diakone  und  zwei  Schüler,  es  besass  damals 
mehrere  alle  Handschriften;  später  verfiel  es,  die  Bücher  wurden  verschleppt,  und 
erst  1856  wurde  es  gründlich  restauriert.  Bei  diesem  Anlass  erhielt  das 
ursprüiiglicli  im  Kreuz  mit  dreiseiligen  Apsiden  iimi  Narthex  erbaute,  A\ariä 
lliminelfalirl  geweihte  Kirchlein  eine  westliche  Vorhalle  mit  Glockenturm  und 
iKiun  Hilderschmuck;  denn  nur  in  iler  oktogoiialen  Kuppel  waren  einige  Kresken 
eilialkn       l.iii    alles    Evangelium,    ein    Stein    mit    armenischer    Inschrift    und    ein 


-'M')  v<in  l'ctrovac  in  das  (LstscrbiscIiL-  MincnKcbicl  von  Majdanpck. 

Sichel  vom  Jcroinonachcn  Visarijon  aus  dein  J.  1703  sind  ({c^cnwärlig  die  arciiäo- 
lotjisch  interessantesten  Olijei<te  des  Klosters.  Heute  wohnen  dort  ein  lt{uinan 
und  zwei  MOnche,  dessen  Kirche  vier  Dörfer  zugewiesen  sind.  Seinen  Haupthesitz 
i)ilden  ifiOO  licklar  Wald,  52  Nektar  helder  und  Wiesen,  1,5  Hektar  Weingarten, 
I  Mühle  usw.,  auch  bezieht  es  ein  Dritteil  aus  dem  Fischrecht  am  Greben  vir 
Seine   liinküiifte  üherslei^^en   mit   1000  d  die  6000  d  betraj^enden  Ausgaben'). 

Ijwa  5  km  nordwestlich  von  der  Strasse  wurde  im  Eiefreiungskanipf  des 
Sommers  1815  heftig  gekiimpft.  Als  die  Pozarevacer  Moslims  von  der  Ausbreitung 
der  Insurrektion  in  der  Sumadija  hörten,  zogen  sie  MIavaaufwärts,  um  mit  den 
von  Cuprija  vorbrechenden  Türken  die  schwierig  gewordene  Bevölkerung  zwischen 
der  Morava  und  Donau  im  Zaume  zu  halten.  Schon  fühlte  sich  aber  die  kajah 
dort  kraftig  genug.  Am  llimmelfahrtstag  kam  es  bei  Ranovac  zum  Schlagen; 
die  Vitovnica  rötete  sich  vom  Blute  der  getöteten  Türken;  sie  flohen  mit  RüCk- 
lassung  der  am  Wege  geraubten  Beute  nach  Pozarevac,  verfolgt  von  den  erbitterten 
Siegern,  um  nie  mehr  wieder  zurückzukehren.  Seit  1874  besitzt  das  2659  Bewohner 
in  517  Häusern  zählende  Dorf  eine  nette  Peter  und  Pauls-Kirche,  zu  der  auch 
das  kleinere  Kladurovo  eingepfarrt  ist. 

Dir  rote  Sandstein  und  das  Glimmerschieferkonglomerat  der  Berge  bei 
iMc'lnica,  in  vveiclien  man  Steinkohle  fand,  lieferten  das  Material  zu  seinen 
liübsclien,  mit  allerlei  gemaltem  und  geschnitztem  Ornament  verzierten  Häusern. 
Baumpflanzungen  vor  denselben  und  überall  auftretende  Nettigkeit  widerlegten  hier 
überzeugend  manche  gegen  die  Rumänen  gehegten  Vorurteile.  Bedauerlich  ist  es, 
dass  sie  auch  in  Boners  sonst  objektiv  gehaltenem  Werk  Eingang  fanden-).  Seine 
Schilderurigen  der  Rumänen  wurden  stark  beeinflusst  durch  die  ihnen  missgünstigen 
Sifc'benbürger  Sachsen.  Einzelnes  mag  richtig  sein,  doch  die  abfälligen  Endschlüsse 
über  den  Volkscharakter  sind  sicher  falsch.  .Schon  1866  schrieb  ich:  „Der 
Rumäne  ist  bildungsfähig  wie  irgend  eine  Nation  im  illyrischen  Dreieck.  Unterweisen 
Gesetzen,  welche  das  durch  Bojaren-  und  Phanariotentum  lange  niedergehaltene 
Bewusstsein  freier  Menschenwürde  in  ihm  zu  erwecken  bestrebt  wären,  könnte  der 
Rumäne  sogar  eine  hervorragende  Stelle  unter  den  Pontusvölkern  einnehmen,  vor- 
ausgesetzt,  dass   die  Politik  seiner  grossen  nordischen  Nachbarn   dies  gestattet." 

Dann  kam  ich  8  km  hinter  Meinica  über  die  Wasserscheide  des  Krst 
(449  m)  in  das  berühmte  erzreiche  Gebiet  des  Pek,  den  schon  Plinius  als  „Pingus 
fluvius"  erwähnt.  Bald  stösst  man  auf  Spuren  alter  Hüttenbetriebe,  welche  die 
Blei-  und  Kupferadern  des  Mali  Sumarovac  verarbeiteten.  Die  reichen  Gold- 
inid  Silbermiiicii  bei  Kucajna,  die  heute  noch  unerschüpften  riesigen  Kupfer-, 
Eisen-  und  anderen  Metallgänge  um  Majdanpek  und  Rudna  glava  lieferten  in 
römischer  Zeit  die  Erze  für  die  römische  AAünzc  und  die  Arbeiten  von  Künstlerhand, 
weiche  am  Peklauf  und  in  seinen  Quertälern  gefunden  werden.  ) 


0  Glasnik,  Bd.  20  und  ü2.    Starinar,  V,  8  ff.  Tab.  VUl  und  VI,  33. 

-)  Siebenbürgen.    Leipzig,  J.  J.  Weber. 

=■)  Bekanntlich  erscheint  in  Dacien  häufig  Antimon  zur  Bronzeherstetlung  vcnvendet; 
in  welchem  Masse  dieses  auch  im  Pekgebiet  vorkommende  Mineral,  ferner  Zink  und  Zinn 
bei  prähistorischen  und  römischen  Bronzen  verarbeitet  wurden,  bleibt  noch  durch  chemische 
Analysen  festzustellen. 


Von  Petrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek. 


237 


Die  Bergbau-Oberleitung  führte  der  „procurator  aurariarum"  des  nördlichen 
dacischen  Hüttenreviers,  dessen  Hauptminen  sich  zu  Ampeluni  (Zaiatna,  Golden- 
markt) am  oberen  Ompolubach  in  .Siebenbürgen  befanden.  Als  mit  Ritterrang 
bei<leidete  procuratores  metailorum  fungierten:  Tacitus  Agricola,  nach  ihm  P.  Axius 
Aelianus,  und  in  einer  Inschrift  wird  auch  der  spätere  Kaiser  P.  Macrinus  (217 
bis    218)    als    solcher    genannt.      Geschulte    dalmatische    Bergleute    dienten    als 


M  li  I.  N I C  A  .   Walnchisclier  Rckriitcntrnnsport. 


UntcMlieanite;  als  Biichführer  erscheinen  auf  einer  Tafel  /wei  Soldaten  der  in 
Dacien  lagerniieii  l.e^;.  XIII  gemina.  Zu  leichteren  Arbeiten  wurden  einheimische 
l'ii'ie  nikr  Sklaven,  für  schwere  die  „ad  nietalla"  Verurteilten,  unter  Überwachung 
liiirrli  l.egiiinare,  verweiuiet.  Auch  ohne  die  freiwilligen  Oolilwüscher.  welche 
gegen  bestimmten  Wertbetrag  periodisch  das  gesammelte  Gold  ablieferten,  war  die 
Zaiii  der  beschiifligten  Arbeiter  gewiss  sehr  gross,  und  in  der  l-olge  mochten 
scibstiindige  musische  Bergbehiirilen,  gleich  jenen  in  Dacien  mul  Dalinatien, 
organisiert  worilen  sein. 

Ilanptorte  der  n'Mnischen  Melallproduktioii  am  I'ek  waren,  wie  viele  vorrasle 
Schachte,    llaUieii,    l'liigenzUge,    die   Mauern   von    Mergwerksgebiluden.    Kastellen 


2'.iH  Vnn  Pftrovac  in  das  ostserbische  MinenKcbiel  von  Majdanpek. 

und  Spuren  antiker  Strassen  zeigen:  Kudajna,  Kuievo,  Sena  und  Vuiuja.  Die 
altserbischen  Zaren  setzten  diesen  lebhaften  Hüttenbetrieb  fort;  dafür  spricht  ihre 
hJiufine  Rej^abunj^  der  Kliister  mit  Sliftunj^un  in  Sillierharren,  welche  die  Krzbauc 
am  Pek  zu  leisten  hatten.  Abwechselnd  setzten  sich  auch  die  Byzantiner,  Bul- 
garen, Ungarn  in  ihren  Besitz.  Erst  als  Oolubac  den  Türken  zufiel,  wurde  der 
„Zvizd"  durch  Mahmud  Pascha  so  verwüstet,  dass  nur  die  Orte  KruSevica, 
Kucajna  und  Misijenovac  sich  erhielten  ;  die  verödeten  wurden  erst  später  durch 
einwandernde  Walachen  wieder  bevölkert.  Nur  das  indolente  türkische  Rejiiiment 
konnte  eine  so  materiell  hochwichtige  Wohlfahrtsquelle  vertrocknen  lassen.  Wohl 
hätte  ihr  Betrieb  mehr  Intelligenz  und  Arbeit  als  das  wenig  anstrengende  Aus- 
beuten der  I^ajah  erfordert.  Anders  die  österreichischen  Gouverneure,  die  während 
der  kurzen  Occupation  (1717-1739)  energisch  den  Hüttenbetrieb  in  Angriff 
nahmen.  Während  der  erneuerten  Türkenherrschaft  erlosch  er  aber  ganz,  und 
erst  im  letzten  Jahrhundert  lebte  er  wieder  auf. 

Die  Majdanpeker  Strasse  führt  zunächst  nördlich  nach  „Majdan"  Kuöajna 
in  einem  westlichen  Taleinschnitt  des  Gebirges  Kuöaj,  dessen  Reichtum  an  Gold 
und  Silber  die  serbischen  Volkslieder  preisen. ')  D'Anville  erkannte  im  Namen 
„Kucaj"  jenen  der  Guduscani-),  eines  mit  den  südlicheren  Timocani  verwandten 
slavischen  Stammes,  dessen  Oberhaupt  als  „Dux  Guduscanorum  et  Timotianorum" 
Kaiser  Ludwig  dem  Frommen  zu  Herdal  huldigte.»)  Im  Volke  herrscht  der  Glaube, 
dass  sich  zu  Kucajna  eine  grosse  Geldprägstätte  befand,  dahe/  auch  der  populäre 
Bergname  „Kuci"  von  „kovati"  (schmieden).  Wie  begründet  diese  Tradition, 
zeigen  die  Münzen  von  „Hadrianus  Augustus  P.  P."  mit  der  Bezeichnung  im 
Avers:  „Äeliana  pincensia",  umgeben  von  einem  Lorbeerkranz.  Die  römische 
Bergstadt  stand  nordöstlich  vom  heutigen  Werke,  am  linken  Ufer  des  Kucajna- 
baches,  nahe  seiner  Einmündung  in  den  Pek.  Von  ihren  zerstreuten  Resten  sind 
am  Fusse  des  Seoski  breg  die  Mauern  eines  festen,  60  m  langen,  35  m  breiten 
Baues  und  die  Rudimente  kleinerer  Gebäude  deutlich  erkennbar,  ihr  Mauerwerk 
besteht  aus  Steinen,  Ziegeln  und  festem  Mörtel.  Ausser  alten  Schachten  fand 
man  viele  Grabstätten,  Bronzefiguren,  welche  meist  in  ausländische  Museen 
wanderten,  ein  Marmorrelief  mit  Diana  und  Hirschen,  gestempelte  Ziegel,  Kaiser- 
münzen und  geschnittene  Steine;  unter  letzteren  einen  blauen  mit  dem  Aeskulap. ') 
Im  Belgrader  Bergbaumuseum  sah  ich  einen  alten  kleinen  Eisenhammer  aus  der 
„Kata-",  einen  grösseren  aus  der  Andjelina-Grube.  In  Kucajna  wird  auch  das 
einst  gerühmte  „Chryso  vechia"  vermutet.  Noch  heute  sind  die  Sandhügel  am 
Pek  bis  Debelilug  hinauf  goldführend;  wenn  die  Frühjahrswasser  abgelaufen  sind, 
werden  diese  „prallste"  ausgewaschen.  Das  Gold  kommt  in  Körnern  und  kleinen 
dicken  Plättchen  vor  und  zeitweilig,  besonders  nach  lang  andauerndem  Regen,  lohnt 
sicii  die  aufgewendete  Mühe.  Die  Gold  führenden  Stätten  des  ganzen  Südterrains 
wurden  von  dem  k.  Bergingenieur  Felix  Hofmann  ausführlich  beschrieben.'^) 


')  Vuk,  pjesme,  II,  161. 

=)  Alem.  de  l'Acad.  d.  Inscript.  .XXVIII,  443.  1761. 

■')  Egiiiliardts  Chronik. 

*)  Starinar,  V,  31. 

■"')  Godisnjak  rud.  odel.  I,  163  ff. 


Von  Pctrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek.  239 

Von  der  Miindunf^  der  Kucajinska  in  den  Pek  führt  die  Strasse  hart  an 
diesem  nördlich  zum  rechtsuferigen  Kucevo.  Die  dort  zerbröckelnden  Mauern 
altserbischer  Kirchen  wurden  meist  zum  Bau  der  1832  geweihten,  1886  aber 
wegen  Einsturzgefahr  behördlich  geschlossenen  hl.  Jungfraukirche  verwendet. 
Bei  diesem  bis  1883  Gornja  Krusevica  genannten,  heute  über  2000  Seelen 
zählenden  Bezirksstädtchen  begegnete  ich  einem  Transport  zur  Militärstellung 
nach  Belgrad  ziehender  walachischer  Rekruten.  Die  in  bunten  Gruppen  um  ein 
Feuer  lagernden  Marssöhne  und  Abkömmlinge  des  gefürchteten  dacischen  Königs 
Decebalus  erheiterten  mich  nicht  wenig  durch  mit  allerlei  tollen  Neckereien 
gemengte  Spässe,  welche  wahrscheinlich  über  den  schweren  Abschied  von  den 
Lieben  weghelfen  sollten.  Das  muntere  Wesen  der  wohlgebauten  Burschen 
überschritt  nie  die  Grenzen  des  Erlaubten,  und  im  Gegensatze  zu  den  abscheu- 
lichen Rekrutentransporten  mit  Halsring  und  Kette  in  der  asiatischen  Türkei 
genügte  hier  ein  einziger  Pandur,  um  die  40  jungen  Leute  vollzählig  an  den  Ort 
ihrer  Bestimmung  zu  bringen. 

Nördlich  von  Kucajna  weicht  der  Porphyr  des  unteren  Pekgebietes  der  über 
Kucevo  und  Rakova  bara  fortsetzenden,  stark  verkarsteten  Kalkformation,  die 
zahlreiche  „vrtace"  (Dohnen)  und  ein  ausserordentlich  grosser  Höhlenreichtum 
charakterisieren.  Gleich  unterhalb  Kucevo  entfliesst  etwa  10  m  über  dem  Pek- 
niveau  dem  „2uti  kr5"  die  schon  von  Herder  1835  bemerkte  und  von  Cvijic  ein- 
gehend beschriebene'),  im  ganzen  Tale  berühmte,  intermittierende  Quelle „Potajnica" 
(Verborgene),  die  oft  fünf-  bis  zehnmal  des  Tages  verschwindet,  um  wieder  mit 
brausendem  Getöse  hervorzubrechen;  nur  in  der  trockenen  Jahreszeit  fliesst  sie 
ruhig  hin.  Unfern  entspringt  bei  einer  alten  Baute  ein  bis  heute  noch  nicht 
analysierter  Sauerling;  dagegen  veröffentlichte  Prof.  2ujovic -')  genaue  Daten  über 
die  nordwestlich  aufgefundenen  trefflichen  Kohlenflöze  bei  MiJljenovac  und 
Mustapic.     Auch  hei  dem  östlichen  Voluja  stiess  man  auf  fossile  Kohlen. 

Die  336  m  hohe  linksuferige  Jelena  gewährt  einen  weiten  Ausblick  auf  den 
mittleren  Peklauf.  An  seinem  2,5  km  fernen  CeliScorpotok  liegt  das  Walachendorf 
Kaona,  in  dessen  Kamenickahöhle  viele  mit  Asche,  Tonscherben  usw.  vermengte 
Tierknochen  vorkommen,  die  auf  eine  hier  bestandene  prähistorische  Niederlassung 
hindeuten.  Ein  1844  in  seiner  pittoresken  Klosterruine  auf  dem  rechten  Flussufer 
zufällig  gefundener  Siegelstempel  von  Gips  nut  dem  Bilde  des  hl.  Nikolaus  und 
der  Umschrift  „Nikodim,  Metropolit  von  Smederevo  und  Braniöevo  1667"  führte 
den  fleissigen  Altertumsfreund  Mili.  St.  Riznic  zur  näheren  Erforschung  dieser 
interessanten  mittelalterlichen  Reste.  Sie  liegen  an  der  einem  kleinen  See  auf 
dem  roMiantischen  Cula  mare  entfliessenden  Slara  Dajsa  und  stammen  nach  der 
Volkstradilion  von  einem  das  Bergwerk  Kucajna  besitzenden  Kloster  Sv.  Vavcdenije, 
dessen  77  Mönchen  ein  Metropolit  vorstand.  In  ilieser  von  den  Walachen  „Kimci 
Manastir"  genannten  Heilstätte  wurden  zur  Zeit  des  Despoten  l.azarevic  viele 
Evangelien  geschrieben;  jenes  vom  Maler  Radosl.iv,   datiert  aus  den  inigarischen 

')  (jl.is,  Srpskn  Kr.  Ak.iil.  1.1,  .'>7  tl 
')  (ilasiiik,  IUI.  :*\  :W7, 


240  Von  l'c-lrovac  in  das  nstserbischc  MincnKcbicl  von  Majdanpck. 

Occiipationsla^cti  des  nahen  Schlosses  Golubac.  Das  15  in  lange,  6,5  m  breite 
Kirchicin  inil  zwei  Seitenapsiden  und  einem  gleichfalls  runden,  aber  auffallendcr- 
weise  nickt  nach  Osten,  sondern  nach  Westen  gerichteten  Chorabschluss,  lehnt 
an  der  westlichen  Felswand,  welche  Spuren  von  Malereien  zeigt.  Vom  Altar 
ging  es  zu  einer  Hohle,  von  dieser  aufwärts  zum  Cul.  Das  gleichfalls  stark 
verwüstete  Klostergebäude  lässt  noch  viele  Zellen  erkennen  und  der  Brunnen  im 
grossen  Hofe  wird  als  heiltätig  betrachtet.  Zu  ihm  pilgert  das  Volk  an  Sonn- 
und  Freitagen  und  fabuliert  über  die  mögliche  Auffindung  der  Schätze,  welche 
der  Metropolit  aus  seinem  angeblichen  Jahreseinkommen  von  50  Oka  Silber  und 
5  Oka  Gold  aus  den  Kucajner  Minen  allmählich  sammelte  und  die  ein  Wojwode 
mit  300  Mann  auf  der  nahen  Cukaricafeste  hütete.  Dort  fände  man  aber,  trotz 
eifrigen  Suchens,  nur  eiserne  Morgensterne,  Pfeilspitzen  und  andere  wertlose 
Dinge,  östlich  von  der  Burg  stehen  die  Reste  zweier  Kapellen,  von  welchen 
die  grössere  am  „Proscccn  kamen"  (durchschnittener  Stein)  9  m  lang  und  4,5  m 
breit  ist. ') 

Von  Kaona  fliesst  der  Pek  in  scharfer  nordöstlicher  Kurve  durch  ein  Defilö, 
das  bei  Sena  von  einem  hochgelegenen  Römerkastell  gehütet  wurde.  Zwischen 
den  Mauern  der  antiken  Ansiedelung  im  landschaftlich  schönen  Velika  reka- 
Einschnittc  kommen  keramische  Gefässc,  Münzen  aus  der  Kaiserzeit  usw.  häufig 
vor.  Hier  befand  sich  ein  für  das  römische  Minengebiet  hochwichtiger  Strassen- 
knotenpunkt.  Durch  Sena  führte  ein  Weg  über  Rabrovo  ^m  linken  Pekufer 
nach  dem  Donauliafen  Pincuni  (S.  190  ff.),  ein  zweiter  über  Kloster  Tu  man  nach 
der  Donaumansion  Cuppae  (S.  194  ff.)  und  von  diesem  abzweigend  über  Rakova 
bara  ein  dritter  gleichfalls  zum  Donau-Limes.  Alle  diese  scharfsinnig  kombinierten 
WCge  waren  durchschnittlich  6  m,  und  wo  sie  den  Felsen  abgerungen  wurden, 
mindestens  3  m  breit.  An  vielen  Orten  sieht  ■  man  Reste  ihrer  Brücken  und 
Schirmlürmc.  Die  Tracen  sind  meist  richtiger  gewählt  und  kürzer,  wie  die  neuen, 
weshalb  die  Bauern  sie  viel  benützen. 

Als  ich  auf  dem  rechten  Pekufer  die  nach  Majdanpek  führende  Strasse  weiter 
verfolgte,  traf  ich  zum  Kuhik  (Frone)  aufgebotene  Walachen  der  umliegenden  Orte 
eifrig  mit  ihrer  Verbreiterung  beschäftigt.  Tausende  Baumstämme  fieleii  unter 
wuchtigen  A,\thieben.  Die  nicht  sehr  glücklich  tracierte  Strasse  führt  vorüber 
an  der  Topanaskamündung,  an  der  bei  einer  Sauerbrunnquelle  ein  verfallenes 
Kirchlein  steht,  nach  Neresnica,  von  dem  ein  neuestens  verbesserter  Fahrweg 
über  das  Homoljegebirge  nach  Zagubica  zieht.  In  steilen  Serpentinen,  dichten 
Wald  durchschneidend,  gelangte  ich  an  eine  Lichtung  mit  schönem  Ausblick  in 
das  rechtsuferige  Pek-Quertal  der  Duboka  reka,  in  welche  die  südlichere 
Voluja  mündet.  Obschon  aber  seine  beiden  gleichnamigen  Nachbargemeinden 
über  5300  Seelen  zählen,  sind  sie  den  Pfarren  des  fernen  Kucevo  und  Neresnica 
zugeteilt.  Die  Serben  und  Walachen  der  ganzen  Umgebung  ziehen  auch  gern 
zur  Ruine  eines  der  hl.  Gottesmutter  geweihten  Kirchieins  auf  der  Marinkovac- 
höhc  an  der  Zeljcsnica,  wo   bis  1433  deutsche  Bergleute  für  die   Ragusaner  in 

•j  Starinar,  V,  35  ff.,  mit  Planskizze. 


Von  Petrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek.  241 

den  Blcigruben  arbeiteten.  Berühmter  als  diese  wunderwirkende  Gottesstätte 
und  ein  iiochiiegendes  Crkviste  ist  im  ganzen  Pekgebiet  Dubokas  Riesenhühle 
im  grossen  Krs. 

In  dem  etwa  2,5  km  langen  und  stellenweise  175  m  breiten,  von  prächtigen 
Stalaktiten  erfüllten  HiJhienrauni  wurden  wiederholt  Gebeine  von  Ursus  spelaeus, 
Dinoteriumzähne  usw.  mit  rohen  Tonscherben,  Beinnadeln  und  anderen  Merkmalen 
ihrer  Bewohnung  in  prähistorischer  Zeit  gefunden.')  Sonst  zeigen  die  vielveräsfelten 
Kanäle  alle  typischen  Erscheinungen  der  durch  Erosion  entstandenen  unterirdischen 
Fkissläufe  der  Kreideformation;  Hofmann  und  Cvijic  schilderten  sie  in  trefflicher 
Weise,  letzterer  mit  Plänen. 

Den  Eingang  zur  Hohle  hütete  im  Mittelalter  ein  Kastell  auf  schwer  zugäng- 
lichen schroffen  Felsen.  Dieses  und  nahe  Schanzenreste  aus  der  Türkenzeit 
bekunden  die  Wichtigkeit  des  schon  von  den  Römern  benutzten  Hochweges  über 
die  Gole  planina  nach  Brnjica  (Novae).  Die  vom  Dubokabach  durchflossene 
Höhle  mit  zwei  seitlichen  Schlünden  soll  an  10000  Menschen  aufnehmen  können 
und  während  der  Koca-lnsurrektion  (1791)  als  Asyl  gedient  haben.  Sie  ist  tief 
hinein  von  Wegen  und  künstlichen  Stufen  durchzogen;  dies  führte  zur  Behauptung, 
viele  Flüchtige  wären  durch  dieselbe  an  die  Donau  gelangt.  Selbstverständlich 
heftete  die  lebhafte  Phantasie  des  sagenlustigen  Serbenvolkes  auch  eine  Menge 
Fabeln  an  die  geheimnisvolle,  ihm  unbekannte  Riesentiere  einst  beherbergende 
Höhle.  In  einem  stimmen  alle  Fabeln  überein,  dass  hier  ein  Drache  wohnte,  der, 
wenn  er  sich  sonnte,  mit  seinem  „Zvizd"  (zvizdate,  serbisch  pfeifen)  die  Berge 
erbeben  machte;  daher  stammt  auch  der  Landschaftsname.  Eine  andere  Sage 
erzählt  von  einem  Zaren,  dessen  von  ihm  verstossene  Frau  hier  Zuflucht  fand. 
Am  „biljaiiom  petak"  sammelt  sich  auf  dem  durch  Buschenschenken  und  Kram- 
hütten zum  Festpiatz  umgewandelten  Plan,  unfern  der  Höhle,  alt  und  jung  aus  der 
Umgebung  und  selbst  aus  fernen  Donauorten  und  feiert  in  oft  überschäumender 
Lust,  namentlich  seit  es  den  am  21.  Juni  1897  in  Rakova  bara  lebend  ergriffenen, 
allgcfürchteten  Heiducken  Marko  Petrovic,  der  die  Volujer  Berge  lange  Zeit 
unsicher  machte,  nicht  mehr  zu  fürchten  braucht,  das  fröhliche  Pfingstfest. 

Wahrscheinlich  mit  starker  Übertreibung  erzählte  man  mir,  dass  es  in 
Serbien  während  der  Pfingstwoche  nirgenils  so  hoch  hergehe,  wie  in  Duboka. 
und  sein  sich  gleichzeitig  abspielender  Markt  selbst  vorn  Landvolk  aus  dem 
jenseitigen  Donaugebiet  besucht  werde.  Dieses  iieiuiizt  die  heute  noch  gangbaren, 
von  Brnjica  und  Dobra  dahinführenden  kürzeren  Römerwege.  An  letzteren  liegt 
zwischen  dem  Babino  mosilo  und  Tilva  eine  antike  Ansiedelung,  deren  Reste 
einen  ,'<  km  langen  uiul  (ioo  in  ineilen  1-läclienraum  bedecken.  Ziegel  mit  dem 
Slcinprl  1.1  (i  \'il  Cl..  keran\isclie  Gefässe,  Werkzeuge  von  Bronze  und  Eisen 
(k'uten  aiit  eine  iieileuteiule  I liilliiistailt,  in  welcher  Soldaten  iler  V'll.  Legion  bei 
ileii  Bauten  tätig  waren.  Manches  archäologisch  wertvolle  Dbjekt  wauilerle  vor 
i'iiiem  Jahi/ehiil  In  die  Hände  der  englischen  Unternehmer  des  nahen  Majilanpeker 
Werkes.     IKH4  wurtie  ein  Gefäss  ausgehoben,  von  dessen  Silbermünzen  220  aus 

')  ülas  srpska  k.  Akad.,  \l AI 

F.  KANITZ,   SiThioii.   I.  tü 


242  Vom  Petrovac  in  das  ostserbische  MincnKcbicl  von  Majdanpck. 

der  Kaiserzeit  (141—235  n.  Chr.)  und  zwei  am  Ceslo-Brodicabach  fjcfundenc 
silberne  Armbänder  von  7  cm  Durchmesser  in  das  Bcl(;radcr  Museum  gelantilen '). 

Von  Neresnica  ersteigt  die  Majdanpeker  Strasse  in  unzähhi^en  kleinen  Kurven, 
zuletzt  Sud -Ost  nehmend,  bei  dem  römischen  Wachtposten,  „Markova  Krc^ma" 
(Markos  Schenke)  jetzt  genannt,  volle  300  m.  Von  diesem  Punkte  geht  es  dann 
fortwährend  südöstlich  durch  Wald  hinab  nach  dem  einst  ((fassen  Hüttenwerk 
Grahovo,  wo  wir  jenseits  der  Pckbrücke  das  ausj^edehnte  Krajnaer  Gebirnstcrrain 
von  Majdanpek  betreten.  Ein  {^utes  Dritleil  seiner  auf  24000  Hektar  berechneten 
Oberfläche  besteht  aus  Weideland,  sonst  aus  Waldungen,  was,  nur  mit  600  d  per 
Hektar  veranschlagt,  für  diese  Staatsdomäne  einen  Wert  von  14,5  Mill.  d  ergäbe. 
Der  Bergbau  wird  dort  in  zwei,  durch  den  Pek  geschiedenen  Revieren  „Tenka" 
und  „Svajc"  hauptsächlich  auf  Kupfer  und  Eisen  getrieben.  In  beiden  erscheinen 
die  erzreichen  Gänge  durch  veraste  Pingenzüge  abgebaut,  deren  erste  Anfänge 
bis  in  die  prähistorische,  zum  grcisseren  Teil  aber  in  die  römische  Epoche  zurück- 
gehen. Die  in  letzterer  gewonnenen  Erze  wanderten  teilweise  weiter  zur  Verarbeitung 
in  das  Arsenal  von  Horreum  Margi  und  auch  nach  Pincum  und  Taliata  an  die 
Donau.  Ob  die  auf  römischen  Münzen  erscheinende  Mine  „METAL.  AURE- 
LIANIS"  mit  den  Erzbauen  südwestlich  von  Brza  oder  mit  jenen  von  Majdanpek 
identisch,  dürfte  schwerlich  jemals  sicher  entschieden  werden-').  Im  Bereich  des 
letzteren  stiess  man  wiederholt  auf  schöne  Werke  von  Künstlerhand,  darunter  ein 
zierlich  gearbeiteter  Faun  von  Bronze-*).  Prähistorische  Waffen  usw.  von  reinem 
Kupfer  wurden  in  der  südlicheren  Laznicaer  Burgruine,  eine  im  Belgrader 
Bergbau-Museum  bewahrte  versteinerte  Kerze  im  Tenkaschacht  gefunden. 

Das  überwiegende  Vorkommen  alter  Kupferschlacken  beweist,  dass  zu 
alltn  Zeiten  in  Majdanpek  hauptsächlich  auf  Kupfer  gebaut  wurde,  und  aus  den 
Archivakten  zu  Oravicza  erhellt,  dass  auch  die  österreichische  Regierung  erfolgreich 
seine  Gewinnung  im  grossen  Stile  betrieb.  Sie  erschien  der  Heeresleitung  so  wichtig, 
dass  während  dieser  Epoche  rund  5000  Wiener  Zentner  mit  26  Schmelzöfen 
gewonnen  wurden  und  dass  Marschall  Scckendorff  1737  durch  General  Thüngen 
eine  besondere  „Postierung"  veranstaltete,  um  die  Erzdistrikte  an  der  Donau  zu 
decken.  Der  landeskundige  Pandurenhauptmann  Wiofsky  unternahm  es,  mit 
2000  bewaffneten  Landleuten  aus  dem  Criia-  und  Bela  reka-Gebiete  den  Feind 
abzuwehren.  Am  24.  September  sandte  man  noch  von  Belgrad  ein  Detachement 
zur  Eskortierung  der  kleinen  Flottille,  welche  die  fertigen  Kupfervorräte  retten 
sollte.  Es  war  die  letzte  österreichische  Ausbeute  der  „Medenipieker"  Werke. 
Die  Reste  eines  Forts,  einer  Kirche  und  weitläufiger  Amtsgebäude  erzählten 
noch  1861  von  der  kurzen  kaiserlichen  Besitznahme  des  erzreichsten  serbischen 
Territoriums.  Als  dieses  1739  wieder  türkisch,  wurde  der  Betrieb  seiner 
Kupferwerke  nicht  lang  fortgesetzt;  in  der  Revolution  des  Koca  (1791)  wurden 
sie  sogar  gänzlich  verwüstet.  Freiherr  von  Herder  traf  während  seiner  berg- 
männischen Reise  durch  Serbien  im  September  1835  zu  Majdanpek  nur  drei 
walachische  Familien.  Auf  seine  Anregung  nahm  die  serbische  Regierung  die 
Arbeiten  im  Jahre  1848  wieder  auf. 

M  Starinar,  i,  151 ;  V,  55.  —  '-)  Starinar,  Xi,  140.  —  "i  Ami  Boue,  La  Turquie  d'Europe,  II,  358 


Von  Petrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek.  243 

Die  Basis  des  Majdanpeker  Gebirges  besteht  vorherrschend  aus  dem  den 
serbischen  Nordosten  i<onstituierenden  Chrystall  Massiv,  meist  Gneisl  und  kristal- 
linische Schiefer,  auf  welchen  paläozoische  Schiefer,  Jurasandsteine,  Tonschiefer, 
Kalke  und  jüngere  Gebilde  lagern.  Die  erzführende  Eruptivzone,  meist  Trachite 
und  Granite,  am  stärksten  in  der  Kupfer  und  Eisen  führenden  Starica,  erstreckt 
sich  4  km  von  Norden  nach  Süden  in  600  m  Breite.  Das  Nordrevier  enthält: 
die  Dusan-,  Kuznica-,  Tenka-,  Starika-,  Mihail-  und  Blanchard-Erbstollen;  das 
südliche:  die  Jugovic-,  Jankovic-,  Svajcarskoi-,  Gavrilovic-,  Andrija-  und  Alexander- 
Erbstollen,  von  weichen  jeder  einzelne  zahlreiche  Nebenstollen  und  Galerien  mit 
eigenen  Namen  besitzt')-  Kupfer  wird  in  massiger  Quantität  gewonnen  und 
exportiert;  Eisen  (Magnetit  und  Hematit)  ist  wohl  in  Menge  vorhanden,  wird  aber 
wegen  der  hohen  Frachtkosten  nur  für  den  heimischen  Gebrauch  erzeugt.  Das 
Urteil  aller  Sachverständigen  lautete:  dass  die  Ausbeutung  der  Majdanpeker 
Erzlager  unter  einer,  vom  nötigen  Kapital  unterstützten  rationellen  Leitung  sich 
lukrativ  gestalten  müsste.  Wir  werden  sehen,  dass  sich  eine  solche  erst  nach 
vielen  traurigen  Wechselfällen,  im  Jahre  1885,  fand. 

Wortlich  übersetzt  heisst  Majdanpek:  Bergwerk  am  Pek;  doch  wurden  seine 
von  1847  — 1858  vom  Staate  verwalteten  Minen  bald  nicht  so  sehr  am  Pek,  als 
von  geriebenen  Spekulanten  aus  Frankreich  und  England,  welche  sich  periodisch 
in  Belgrad  ansiedelten,  ausgebeutet.  Die  geringe  praktische  Erfahrung  der  das 
Bergwesen  leitenden  serbischen  Beamten,  oft  auch  ihr  kleinlicher  Eigennutz, 
kam  ihnen  dabei  trefflich  zu  statten.  Die  Hebung  der  Werke  blieb  meist  Neben- 
sache, die  Füllung  des  eigenen  Säckels  die  Hauptsache.  Da  wurde  ein  Quasi- 
Direktor mit  geringen  Fachkenntnissen  und  weitem  Gewissen  angestellt,  seinen 
Verwandten  ein  Monopol  für  den  Lebensmittelverkauf  übertragen,  selten  ein 
Ertrag  in  die  Staatskasse  abgeführt,  immer  ein  riesiges  Defizit  nachgewiesen, 
obschon  mit  den  angeworbenen  ausländischen  Bergleuten  und  Arbeitern  in  solcher 
Weise  abgerechnet  wurde,  dass  sie  zu  revoltieren  drohten  inul  nach  einer  harten 
Prüfungszeit  den  Ort  ihrer  Qual  enttäuscht  verliessen. 

Als  Schöpfer  des  serbischen  Majdanpeks  und  ausländischen  Fachmännern  (?) 
allzusehr  vertrauender  Ignorant  gilt  der  Minister  Paun  JankovicS  Sein  grosser 
Leichtsinn  schädigte  die  Finanzen  des  jungen  Staates  ungemein,  denn  von  1848 
bis  1858  war  Majdanpek  ein  Schlund,  der  allmählicii  12  Alillionen  Dinars  aus 
dem  Staatsschatz  verschlang,  nhne  dass  der  ursprüngliche  Zweck  erreicht  wurde, 
Serbien  durch  die  eigene  Proiluklion  von  F.isen  und  Kupfer,  bezüglich  iliescr  für 
Kriegs-  unil  Industrie/wecke  so  nutwendigen  Metalle,  vom  Ausland  unabhängig 
zu  machen.  [)urcli  fremde,  weit  mehr  aber  noch  durch  von  Bergakademien 
unwissend  heimgekehrte  inländische  „F"achmänner"  vcrieilel,  dekretierte  man  von 
Belgrad  aus  liie  Anlage  kuslspieliger  Hüttenwerke  und  ailminisiraliver  Gebäude 
zu  Majilanpek,  Grahovo  und   Kucajna,  meist  am  unrichtigen  Orle. 


')  At.iii  fliuU'l  sie  ilclalllierl  beschriehen  in  I-ell.x  llofmanns  schöner  Arbeit  im  .üodiSnjnk 

iiiil.iisknL;  inli'liiij.i"   iisu       IU'i);;r.ul    IH'I'J.     S.  M  U. 

IC.» 


244 


Von  Petrovac  in  das  ostserbischc  Mincnßchict  von  Majdanpuk. 


Einen  kurzen  Lichtpunkt  in  dun  inannijifach  sich  kreuzenden  Bestrebungen, 
Majdanpek  „lukrativ"  zu  machen,  bildete  die  Vcrwaltunfjsperiode  des  Direktors 
Fuchs,  eines  geachteten  österreichischen  Hüttenmanncs,  welcher,  durch  politische 
Motive  gcdr.'lngt,  seine  Stellun^^  zu  Schcninitz  verlassen  musstc.  Nach  fortgesetzten 
Kämpfen  gelang;  es  diesem  tatigen  Manne  endlich,  Majdanpeks  ßetrieb  besser  zu 
gestalten,  fir  verstand  es  jedoch  nicht,  mit  den  Herren  in  den  Amtsstuben  der 
Hauptstadt  sich  alizuflndcn;  er  war  zudem  ein  „Schwaba"  und  wurde  durch 
Intrigen   förmlicii    zu    Tode    gehetzt.     Sein   Nachfolger   Breithaupt,   Sohn    des   be- 


AIAJDANPEK,   Das  Schnielzwerk  (1861). 


lühniten  Professors  der  Freiberger  Akademie,  fasstc  die  Sache  nicht  so  ernst 
an,  befand  sich  dabei  erträglicher,  verliess  aber  gleichfalls  rascher,  als  er  gedacht, 
die  serbischen  Berge,  nachdem  er  für  die  ihm  zugesicherten  Vorteile  durch  eine 
bedeutende  Abfindungssumme  entschädigt  worden  war. 

Minister  Marinovic,  dem  Serbien  so  vielfach  zu  Danke  verpflichtet  ist,  suchte 
1857  der  an  den  bescheidenen  Landesfinanzen  saugenden  Wirtschaft  zu  Majdanpek 
ein  Ende  zu  machen.  Auf  den  einfachen  Kalkül  hin,  dass  1  Oka  steierisches 
Eisen  in  Belgrad  11  Piaster  kostete,  jenes  von  Majdanpek  aber  auf  20  Piaster  zu 
stehen  kam,  stellte  er  alle  Arbeiten  dort  ein.  Beeinflusst  durch  die  herrschenden 
Sympathien  für  Frankreich,  welches  „die  geheiligten  Rechte  aller  Nationalitäten" 
proklamierte  und  selbst  kleinsten  Völkern  die  freieste  Entwickelung  verhiess, 
verpachtete    Fürst  Milos   Majdanpek   einer  französischen   Kompagnie,    welche  die 


Von  r^etrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek. 


245 


lukrative  Ausbeutung  der  Minen,  die  Anlage  einer  Gewehr-  und  Munitionsfabrik, 
und  durch  ihren  Schiffspark  den  serbischen  Handel  von  Österreich-Ungarn  unab- 
hängig zu  machen  versprach.  Der  Wert  der  vorhandenen  Bauten  und  der  gesamte 
Fundus  instructus  wurde  damals  kommissarisch  auf  670000  Gulden  geschätzt. 

Ein  Jahr  des  Pachtvertrags  war  nahezu  abgelaufen,  als  ich  Majdanpek 
besuchte;  die  dortigen  Verhältnisse  zeigten  deutlich,  wie  sehr  die  serbische 
Regierung  vom  Regen  in  die  Traufe  gelangt  war!  Hohläugig  und  verlassen 
erschienen  Grabovos  Hüttengebäude,  ebenso  seine  Wasserwerke  in  höchst  traurigem 
Zustand.  Keine  menschliche  Seele  war  zu  erblicken;  nur  grosse  Schlackenhaufen 
verrieten,'  dass  hier  gearbeitet  wurde.    Weiter  kamen  das  stattliche  Manipulations- 


.MAJl'A  ■ 


[  in'  KiinclKicsscrci  (1S6I). 


gebäude  des  Kupferwerkes  und  auf  beiden  l'hissufern  viele  Arbeiterhäuser;  doch 
wenige  waren  bewohnt,  und  auch  hier  zeigten  sich  die  Wasserwerke  stark 
vernachlässigt.  Das  Auge  gewahrte  überall  nur  Zeichen  frostlosen  Verfalls  und 
bis  auf  zwei  riesige  Kupfererzhaufen,  welche  eben  den  l'rozess  der  Iinlschwefelung 
liurclunac'hten,  war   alles  venHlet. 

Nach  liaibstündiger  bahrt  durch  ein  von  hohen  Bergen  gebikletes  Mnglal 
gelangte  ich  einllich  an  AAajdanpeks  erste  bewohnte  Arbeiterhauschen  und  bald 
darauf  an  ilas  neue  Kisenwerk.  Die  grossartigen  Baulichkeiten,  namentlich  die 
Ausilehnung  der  amerikanisch  angelegten  Arbeiterkolonie,  überraschten  mich  in 
hohem  (Iraile.  Kinen  Augenblick  glaubte  ich  nicht  mehr  in  den  serbischen 
Waldein  /u  sein,  in  welchen  ich  selten  einige  bessere  Mühlwerke  bemerkte. 
sdiukrii  am  iiulustriereichen  Rhein  oiler  in  Belgien.     Meine  Illusion  dauerte  aber 


246  Von  l'ctroviiL-  in  das  oslscrbischc  MiiictiKebiel  v(»n  Majdanpck. 

iiiclit  killte.  Denn  was  ich  in  Majdanpck  sah  und  erfuhr,  zeigte,  dass  ich  eine,  trotz 
kostspielifier  Galvanisierun^,  ihrem  Verfall  zueilende  künstliche  Schöpfun(j  betreten 
hatte.  Was  für  eine  Leitung,  welche  Arheiter,  welche  Arbeit!  Welcher  Kontrast 
^cncii  deutsche  oder  englische  Werke!  Wo  waren  die  selbsthewussten  Steiger 
und  elastischen  Bcrgmannsgcstalten  in  der  kleidsamen  Hüttentracht,  die  kräftigen, 
Fürze  zu  Tage  ffirdernden  Arbeiter,  die  sie  schmelzenden  russigen  Nimrode,  die 
unter  weittonenden  llammerschliigen  Form  und  Gestaltung  ihnen  gebenden 
Gesellen?  Wo  blieben  der  Qualm  der  Essen,  die  Fuhrleute  mit  prächtigen 
Gespannen,  der  Lärm,  das  Leben,  ohne  welches  wir  uns  eine  Stätte  hütten- 
niännisciier  Tätigkeit  nicht  denken  kiinncn? 

Dazu  horte  ich  auf  jedem  Schritt  laute  Vorwürfe  der  französischen  Leitung 
gegen  die  serbische  Regierung,  und  wieder  bittere  Beschuldigungen  der  serbischen 
Aufsichtsorgane  über  Nichterfülhmg  der  französischen  Versprechungen;  endlich 
allerorts  Klagen  der  heimischen  und  fremden  Arbeiter  gegen  das  französische 
und  serbische  Regiment!  Die  französische  Kompagnie  hatte  sich  augenscheinlich 
verrechnet.  Ihre  geringen  Kapitalien  waren  in  einem  ganz  verfehlten  Dampfschiif- 
fahrtsunlcriiehmen  aufgegangen,  und  mit  nahezu  leeren  Händen  ging  sie  an  die 
Übernahme  des  grossen  Inventars  von  Werkgebäuden,  deren  Manipulalions-' 
einrichlungen  entweder  fehlten,  veraltet  oder  mangelhaft  waren.  Öfen,  Wasser- 
räder, Gebläse  sollten  umgebaut,  verstärkt  oder  erneuert  werden,  dazu  aber  fehlte 
das  Geld.  Die  Aktien  der  Gesellschaft  fanden  keine  Abnehmer,  ihr  Kredit  war 
im  Sinken  oder  hatte  richtiger  nie  geblüht,  weil  dem  scharf  beobachtenden  Serben 
das  unsolide  Gebaren  nicht  lang  verborgen  bleiben  konnte.  Man  hatte  sicii 
geirrt.  Der  serbische  Volkscharakter  verhält  sich  viel  verheissenden  Versprechungen 
gegenüber  ablehnender,  als  die  leicht  erregbare  französische  Phantasie. 

Die  Forderungen  der  aller  Hilfsmittel  enthlössten  französischen  Beamten, 
Ingenieure  und  der  aus  buntesten  Elementen,  aus  F.migranten  aller  Nationen 
zusammengewürfelten  Arbeiterschaft  wurden  ungestüm,  und  die  serbischerseits 
beharrlich  festgehaltene  polizeiliche  Gewalt  nuisste  fortwährend  zwischen  beiden 
Teilen  vermitteln.  Namentlich  erbitterte  die  Überlassung  des  ausschliesslichen 
Lebensmittelverkaufes  an  einen  fränkischen  Juden  die  Arbeiterkolonie.  Dieser 
hatte  einen  hohen  Pacht  zu  bezahlen;  die  Arbeiter  brachten  zum  Einkauf  nur  auf 
unsichere  Einlösungstermine  von  der  Gesellschaft  ausgestellte  Bons,  denn  klingende 
Münze  gehörte  damals  zur  grössten  Sehenswürdigkeit  in  Majdanpek;  was  Wunder, 
wenn  der  das  grosse  Risiko  berechnende  Kaufmann  seine  Waren  um  enorme 
Preise  zu  verwerten  suchte.  Ausserdem  klagten  die  französischen  Familien,  unter 
welchen  sich  äusserst  ehrenwerte,  wie  jene  des  tüchtigen  Ingenieurs  Lombard, 
Huise  u.  a.  befanden,  über  den  Mangel  eines  katholischen  Priesters  und  Arztes, 
einer  Apotheke  und  Schule.  Die  serbischen  Regierungskommissare  Brankovic 
und  Bozic,  bei  welchen  diese  verschiedenen  gerechtfertigten  und  viele  unberechtigte 
Klagen  sich  täglich  ablagerten,  waren  nicht  beneidenswert. 

Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich  hier  alle  Versuche  schildern,  um  die 
serbische  Regierung  zu  einer  ausgiebigen  Unterstützung  mit  Kapital  zu  vermögen, 
und  andererseits  die  Kämpfe  der  letzteren  mit  der,  von  dem  Belgrader  französischen 


Vom  l'etrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek.  247 

Generalkonsulat  protestierten  Gesellschaft,  um  sie  zur  Erfüllung  oder  Lösung  der 
abgeschlossenen  Verträge  zu  bewegen.  Das  gleich  vom  Beginn  an  verfehlte 
Unternehmen  schien  trotz  der  späteren  Fusion  mit  einem  englischen  Faiseur,  die 
zu  einem  für  diesen  verlorenen  Prozess  in  London  gegen  die  Franzosen  und 
seine  eigenen  Auftraggeber  führte,  weder  leben  noch  sterben  zu  können.  Die 
Produktion  von  Schrapnells,  Hohl-  und  Vollgeschossen  aus  bereits  vorgefundenen 
Materialvorräten  zu  enorm  hohen  Preisen  war  schliesslich  das  einzige,  was 
Serbien  von  dem  mit  so  grossen  Opfern  begründeten,  französischen  Händen 
überlassenen  Majdanpek  im  Laufe  vieler  Jahre  zu  erlangen  vermochte.  1861 
wurden  kaum  150  Projektile  täglich  erzeugt,  später  steigerte  sich  dieselbe  auf 
einige  Hunderte.  Aber  auch  hier  hatte  die  serbische  Regierung  das  beste  zu 
leisten.  Ein  ehemals  hessischer  Offizier  Kreuzer  überwachte  mit  serbischen 
Militärs  die  Modellvorrichtungen,  welche  ein  Deutscher  anfertigte,  den  Guss  und 
die  Montierung  der  Geschosse.  Mit  Ausnahme  dieser  kaum  hundert  Personen 
beschäftigenden  Regierungsaufträge  waren  die  in  meiner  Zeichnung  erscheinenden 
grossartigen  Werkstätten  verlassen.  Sie  verfielen  gleich  den  Arbeiterhäusern,  denn 
statt  mit  der  Hchinig  der  Werke  durch  Schürfung  neuer  Erze,  beschäftigte  sich 
die  französische  Kompagnie  zuletzt  nur  mehr  mit  der  Abholzung  und  Verwertung 
der  Majdanpeker  Wälder  an  die  benachbarte  österreichische  Staatseisenbahn- 
Gesellschaft;  ausserdem  bildete  der  Ertrag  des  ihr  gleichfalls  zugestandenen 
Weiderechtes,  da  sie  vom  Grossvieh  1,  vom  Kleinvieh  0,5  Franken  für  den 
Sommer  bezog,  ihre  Haupteinnahmequelle. 

Minister  Cukic  löste  1804  endlich  den  Vertrag  mit  der  französischen  Gesellschaft, 
die  in  Wahrheit  nur  gegründet  worden  war,  um  durch  die  Vorspiegelung  gewinn- 
bringentler  Uiiternehniungen  in  Serbien  die  Rhone-Dampfschiffahrts-Gesellschaft 
V(nn  Untergang  zu  retten.  Ihre  Schifte  wunlen  im  „Haben"  der  franko-serbischen 
Kompagnie  zu  hohen  Preisen  eingeschrieben,  die  nach  Serbien  dirigierte  Eskadre 
Hess  man  bei  Burgas  im  F^ontus  scheitern  und  sich  die  assekurierte  Summe  im 
Vergleichsweg  auszahlen.  Dieser  empörende  Schwindel  erregte  selbst  in  jener 
Zeit  lies  beginnenilen  „materiellen  .Aufschwungs"  zu  Paris  grosses  Aufsehen  und 
diskretlitierte  gleich  zu  Beginn  das  unsolide  Unternehmen  so  sehr,  dass  sein 
trauriges  IJule  leicht  vorauszusehen  war.  Man  war  schliesslich  gezwungen,  die 
Werke  mit  einer  neuerlichen  Wertabschreibung  von  242000  Gulden  und  stark 
devastierten  Wäldern  der  ehrenwerten  Kompagnie  wieder  abzunehmen. 

Am  19.  Mai  1868  wurde  mit  der  durch  Mr.  Julian  Hörn  Holme  gebildeten 
„Servia  Copper  and  Iron  Company  limited"  folgender  Vertrag  auf  50  Jahre 
geschlossen;  Die  Gesellschaft  übernimmt  die  Werke  samt  Maschinen  und  Ein- 
richtungen, einschliesslich  aller  Wälder,  Wiesen  und  Acker  am  1.  November; 
huentar  und  \'orr;ile  werden  ihr  nach  einer  angemessenen  Schätzung  übergeben 
lind  li;it  sie  den  Siii;ii/iingsweri  nach  Auflösung  des  Pachtverhältnisses  der 
Regierung  har  zu  bezahlen,  oder  nach  Wahl  der  letzteren  in  vorhandenen  Werten 
zu  leisten.  Dafür  hat  die  Gesellschaft  eine  Kaulion  von  200000  Franken  zu 
erlegen,  inul  ausserdem  einen  baren  Betriebsfonds  von  300000  Franken  aus- 
zuweisen.     Die    Kautionssumme    wird    allmählich    in    Bauten    und    Werkanlager, 


248  Von  l'ttrovac  in  das  oslscrbiscIiL'  MincnKcbict  von  Majdanpck. 

investiert.  Die  Oescllscliaft  muss  an  Kupfer  in  steit^ender  Progression  jährlich 
für  fiOOO,  9000  i\m\  12000  Dukaten,  nacii  drei  Jaiiren  aber  Hisen  mindestens  für 
12000,  dann  1«000,  24000  Dukaten  und  so  fortsteigend  erzeugen.  Als  Berg- 
wcrksfrone  zahlt  sie  der  [Regierung  3"/o  des  Wertes  ihrer  Erzeugnisse;  nach 
6  Jahren  tritt  der  Minirnalbetrag  von  lOHO  Dukaten  ein.  Auch  die  Kohlcnwerke 
von  Dobra,  l^adenka,  Sikolje  wird  die  [Regierung  ihr  nach  Bedarf  überlassen. 
Dringenden  Eisenbedarf  kann  die  Regierung  in  der  Zwischenzeit  eventuell  in 
Majdan|H'k  hcrsttlkn.  Die  (iesellschaft  hat  das  Recht,  eine  Pferdeeisenbahn  bis 
MilaiKivac  zu   bauen. 

Der  Inventarwerl  der  übergebenen  Werke  wurde  für  Majdanpek  und  Rudna 
glava  mit  1473000  d  vereinbart.  Schon  1K71  ersuchte  aber  die  Gesellschaft, 
den  Eisenbetrieb  einstellen  zu  dürfen;  vielleicht  deshalb,  weil  sie  erst  praktisch 
erfuhr,  dass  der  Majdanpeker  grösstenteils  kompakte  braune  Hematit  mit  15",,, 
Wasser  und  45— 50"  „  Eisen  von  schwefelhaltiger,  brüchiger  Beschaffenheit  seinen 
Abbau  niciit  lniint.  Die  kapitalarme  Kompagnie  war  auch  sonst  nicht  gut  geleitet; 
an  die  Steile  des  praktisciien  llüttenmannes  Longmed  trat  der  vom  Betrieb 
nichts  verstehende  Scliaclitnieister  Mr.  Symons,  welcher  zur  Kupfergewinnung  vor 
200  Jahren  übliche  kastiliaiiische,  1,5  m  hohe  Öfen  mit  grossem  Kohlenaufwand" 
und  noch  grosserem  Kupferverlust  verwendete.  Dieser  hüttenmännisch -forst- 
wirtschaftliche Raubbau  brachte  Majdanpek  herab,  dass  bald  im  nördlichen 
Revier  nur  mehr  der  Tenkastollen,  im  südlichen  der  Jankovic-  und  Jugovicstollen 
fahrbar  waren.  Die  Kolonien  Grabova  und  Rajkova  reka  verschwanden  vom 
Boden,  von  Debelilug  mit  70  Häusern  waren  kaum  30  bewohnbar,  die  Julianahütte 
mit  Kolonie  lagen  in  Ruinen,  die  Bakarnicahütte  mit  den  einst  schönen  Beamten- 
und  Kiiap|ienhäusern  befanden  sich  im  vernachlässigtsten  Zustand,  der  Eisen- 
hocliofen  war  zum  versuchsweisen  Röstherd  für  Kupfererze  umgewandelt  worden, 
in  Majdanpek  geschah  nichts  für  die  Erhaltung  seiner  Bauten,  und  Rudna  glava 
an  der  Saska,  wo  man  Eisen  vorzüglichster  Qualität  und  selbst  Magneteisenstein 
findet,  wurde  gar  nicht  in  Angriff  genommen.  1880  geriet  die  Kompagnie  in 
Liquidation  und  1881  kam  sie  durch  freiwilligen  Verzicht  auf  die  Konzession 
ihrer  Auflösung  seitens  der  Regierung  zuvor. 

Im  Jahre  1882  wurde  ein  Vertrag  mit  Mr.  Jnhii  Hollevay  auf  drei  Jahre 
abgeschlossen  zur  Eiiirichtung  einer  neuen  Methode  der  Kupfergewinnung.  Mit 
Gefässöfen  nach  Art  der  Bessemer-Konventer,  durch  Zuführung  starken  Luftstromes 
ohne  Brennmaterial,  sollten  arme  geschwefelte  Erze  von  nur  1  — 1,5 "o  Kupfer- 
gehalt in  20—22  Stunden  dauernden  Chargen  ä  70  Tonnen  Erze  auf  Kupferstein 
mit  20 — 25'',„  Kupfergehalt  gebracht  werden.  Trotz  der  erzielten  problematischen 
Erfolge  erhielt  Hollevay  die  Werke  auf  50  Jahre  mit  der  Hauptverpflichtung, 
fortan  nicht  nur  reichere,  sondern  auch  arme  Erze  zu  verarbeiten,  eine  rationelle 
Wiesenkultur  einzuführen  und  die  abgestockten  Wälder  sofort  aufzuforsten.  Die 
Kupferproduktion  sollte  schon  im  ersten  Jahre  200  000  d  betragen,  in  den 
folgenden  sich  mit  50  000  d  zum  Minimum  von  400  000  d  per  Jahr  durch  die 
ganze  Pachtzeit  steigern;  der  Staat  bedang  sich  3*/„  bei  einem  Bruttoertrag  von 
500  000  d,    2,5"  u   bei   einem    solchen    von    1000  000  d    und   2"/,,   bei   erreichtem 


Von  Petrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek.  249 

höheren;  für  das  produzierte  Eisen  2»;„  von  100  000—200  000  d,  1,5':,,  für 
300  000  d  und  nur  1  */„  vom  Werte  darüber.  Das  Unternehmen  war  steuerfrei  und 
zahlte  keinen  Zoll  für  importierte  Maschinen  oder  für  ausgeführte  Hüttenprodukte, 
doch  zum  Mineralienexport  bedurfte  es  der  Zustimmung  des  Finanzministers. 
Die  Terrain-E.xpropriation  und  Schwellenlieferung  für  den  Milanovacer  Schienenweg, 
ferner  die  Herstellung  von  Depots  bei  seinem  Endpunkt  an  der  Donau,  fielen 
dem  Staate  zu,  der  sich  jedoch  die  kostenfreie  Auslieferung  des  gesamten  Werkes 
und  auch  alles  beweglichen   Materials  nach  abgelaufener  Pachtzeit  bedang. 

Mr.  Hollevay  setzte  eine  Eisengiesserei  mit  einem  Hoch-  und  Kuppelofen, 
dann  zwei  Kupferbetriebe  mit  mehreren  Schmelzöfen  in  Tätigkeit.  Letztere 
erzeugten  jährlich  1200,  später  2000  q  reines  Kupfer  —  ein  sehr  bescheidenes 
Resultat  im  Hinblick,  dass  die  Erze  durch  horizontale  Galerien  leicht  abgebaut 
werden  konnten,  für  welche  das  Holz  nahe  und  in  Fülle  vorhanden  war.  Aller- 
dings ist  der  üehalt  der  Erze  sehr  verschieden.  Es  kommen  1  m  mächtige 
Galen-  und  14  m  starke  Kupfererzgänge  mit  400  kg  Schlich  und  35 »,j  Ertrag 
vor;  meistens  aber  sind  die  schwarz  oxydierten  pyritartigen  Kupfererze  in  Körnern 
nierenartig  in  den  syenitischen  Porphyr  eingesprengt  und  werden  von  misaccischen 
Schichten,  von  reinem  Kaolin'),  Diorit  usw.  begleitet,  was  oft  ihr  Ausbringen 
schwierig  macht.  Durchschnittlich  wechselt  der  Erzgehalt  von  2,5— 54''/„,  und 
oft  muss  bei  sehr  kupferarmen  Stücken  statt  des  trockenen  der  nasse  Prozess 
angewendet  werden.  Dies  und  der  schwierige  Transport  zum  Milanovacer  Hafen 
lässt  bestenfalls  das  Kupfer  mit  5—6,  oft  aber  nur  mit  2—3",,  Gewinn  verwerten. 
Die  iiianchnial  Ki  m  mächtigen,,  meist  zwischen  kreidigen  Kalk-  und  Übergangs- 
schichten, über  den  Kupfergängen  eingebetteten  Eisenlager  Majdanpeks  Hess 
Hollevay,  wahrscheinlich  aus  dem  oben  angeführten  Grunde,  und  die  weit  reicheren 
in  Rudna  glava  wegen  mangelnder  Fonds  für  die  Anlage  der  notwendigen  Bauten 
und  einer  Ausbringbahn  zur  Donau,  unberührt.  Nachdem  er  durch  fortwährende 
Vorschüsse  auf  zu  lieferndes  Kupfer  in  die  peinlichste  Abhängigkeit  vom  Wiener 
Hause  Chaudoir  c^'  Cie.  geraten  war,  übernahm  schliesslich  dieses  1885 
Majdanpek  unter  den  gleichen  Bedingungen  mit  Zustimmung  der  serbischen 
Regierung  von  dem  durch  seine  resultatlosen  Versuche  ruinierten  Engländer. 

Der  neue,  gleich  sachverständige  wie  kapitalkräftige  Unternehmer  kon- 
zentrierte seine  Tätigkeit  auf  die  Kupfererzeugung,  welche  er  in  den  geeignetsten 
alten  Eisengiessereigebäuden  unter  gleichzeitiger  Errichtung  zweier  amerikanischer 
Water  Jaket-Cop|ier-F()urneaux,  eines  chemischen  Laboratoriums,  einer  Modell- 
tischlerei unil  anderer  technischer  Verbesserungen,  etablierte.  Allniälilich  wurden 
über  20  verschiedene  Förderungs-  und  zahlreiche,  grossenleils  in  .Wajdanpek 
hergestellte  Heizapparate  neuester  Konstruktion  in  Betrieb  gesetzt.  Schon  1890 
betrug  die  Kupferproduktion  203  Tonnen,  1893;  282  Tonnen.  Im  Jahre  1901 
kaufte    tlie    k.    k.    Staatsbahn    von    der    Firma    Chaudoir    54()  q    Kupferplatten    für 

')  Oh  ein  dein  Kaolin  iihnliihcs.  von  Dr.  Tiet/.e  „Milnnil"  k»-'"''"""^-"^  Vorkonnncn  zu 
Majdanpek  wirklich  ein  neues  Minoral,  dürfte  Prof.  Lo/aniO  auf  (irundlaKC  reichen  Materials 
und  eingehenderer  Untersncliunt;  in  nächster  Zeil  entsclieiden. 


-•>*'  Von  l'cirdvac  in  das  ostscrbischc  MincnKcbict  von  Majdanpck. 

Lokomotivkcssel  -  also  iininerhin  ein  kleiner  Forlschrift  nt"j{cn  die  242U  Tonnen, 
welche  insgesamt  von  1870—1890  —  im  Durchschnitt  jährlich  115  Tonnen 
a  1250  d  —  erzeugt  wurden;  einen  gerinnen  aber,  verglichen  mit  Ungarns 
Produktion  oder  jener  Deutschlands,  das  jclhrlich    14  000  Tonnen  produziert. 

Das  heute  ausschliesslich  für  Chaudoirs  Semmeringcr  Maschinenfabrik  bei 
Wien  arbeitende  Majdanpeker  Kupferwerk,  welches  meist  nur  Oxyde  und  stark 
eisenhaltige,  immer  pyrite,  kupferreiche  lirze  benutzt,  beschäftigt  viele  Arbeiter. 
Seine  Giesserei  wird  durch  schmalspurige  Schienenwege  mit  allen  Öfen  und 
durch  eine  14  km  lange  Lokoniotivbahn  mit  dem  §a§kaforst  verbunden.  Den 
starken  Holzbedarf  liefern  110  000  Hektar  Staatswälder,  das  Heizmaterial  wird 
gleich  am  Schlagort  zu  Kohle  verarbeitet,  und  trotz  früherer  Verwüstung  liefern 
sie  ikr  Regierung,  dank  dem  rasch  wachsenden  Nachwuchs,  bedeutende  Mengen 
Telegraphenträger,  Nutz-  und  Bauholz.  Mit  dem  Lichten  der  Wälder  verschwindet 
das  einst  so  häufige  Raubwild.  Bären,  Wolfe  und  Luchse  gehören  bereits  zur 
Seltenheit,  leider  aber  auch  die  köstlichen  Fische  im  Pek,  weil  die  mit  Dynamit 
sie  tötenden  Arbeiter  gleichzeitig  auch  die  Brüten  vernichten. 

Ganz  anders  als  die  unter  fabelhaften  Versprechungen  insccnierten  französisch- 
englischen Unternehmungen  versuchte  deutscher  Fleiss  den  1863  erneuerten  Betrieb 
des  14  km  nordwestlich  von  Majdanpek  liegenden  Bergwerks  „Kucajna".  Seine 
16  ("elder,  von  welchen  eins  beim  südlichen  Ceremosnja  treffliches  Kaolin  und 
fünf  andere  bei  Melnica  gute  Braunkohle  bergen,  dehnen  sich  über  das  waldreiche 
Gebiet  des  Dorfes  Kucajna  und  zweier  Nachbargemeinden  aus.  In  kurzer  Zeit 
errichtete  der  einer  alten  Banater  Bergmannsfamilie  entstammende  Konzessionär 
Felix  Hofmaiin  neben  einem  Putzen-  und  Stockwerk  auch  Schmelzhütten  zur  Galmei- 
gCAvinnung  aus  den  dort  in  grosser  Mächtigkeit  vorkommenden  Blei-  und  Zinkerzen. 
Das  reich  vorhandene  Material  für  Holzkohle  und  der  nahe  feuerfeste  Ton  zu 
Muffeln  erleichterten  den  Arbeitsbeginn  und  schon  1864  konnten  zwei  schlesische 
Muffelöfen  monatlich  lüüü  Wiener  Zentner,  trotz  hoher  Transportkosten,  nach 
Milanovac.  (2  d  per  Zentner)  liefern,  was  die  am  Reingewinn  vertragsmässig  mit  5'>!„ 
beteiligte  Regierung  genugtuend  begrüsste.  Hofmann  verarbeitete  aber  auch 
Kucajnas  gold-  und  silberhaltige  Bleierze  (letztere  von  0,7 — 7,5 °/o)  und  konnte, 
nach  langem  Stillstande  der  serbischen  Edelmetallproduktion,  eine  schöne  Gold- 
probe dem  Belgrader  Museum  einsenden.  Der  erzielte  Metallwert  erreichte  bis 
Januar  1867  schon:  6  Pfund  Gold  ä  675  fl.  4050  fl.;  58  Pfund  Silber  ä  45  fl. 
2430  fl.;  6  Zentner  Blei  ä  14  fl.  28  kr.  858fl.;  demnach  zusammen:  7338  fL 
ö.  W.,  wobei  für  Gold  und  Silber  die  ungarische  Münze  und  für  Blei  das  serbische 
Arsenal  als  Käufer  auftraten. 

Als  Hofmann  1873  in  die  Belgrader  k.  Bergbausektion  des  Handelsministeriums 
berufen  wurde,  übernahmen  am  1.  November  1873  die  Brüder  Charles  Filston  und 
Edward  Brailsford  Bright  das  Werk  Kucajna  zu  den  gleichen  Bedingungen  und 
erzeugten  bis  1875  gegen  22000  Zentner  gold-  und  silberhaltige  Erze,  die  sie 
für  zirka  210000  Mk.  zu  Freiberg  in  Sachsen  absetzten;  ferner  8000  Zentner 
Zinkerze.  Wegen  des  ganz  vernachlässigten  Hüttenbetriebes  und  nicht  bezahlter 
20000  Livres  St.,  welche  der  serbische  Staat  im  Prozessweg  beanspruchte,  übertrug 


Von  Petrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  von  Majdanpek. 


2Ö1 


die  Regierung  die  Konzession  dem  Mr.  Leach,  der  sich  wieder  nur  auf  das  Abholzen 
der  nahen  Waldungen  beschräni<te,  und  nachdem  ihm  endlich  dieses  ebenso  unreelle 
wie  einträgliche  Handwerk  gelegt  worden,  später  trotzdem  wieder  als  Pächter  der 
Minen  bei  Valjevo  in  ähnlicher  Weise  vorging. 

Später  entschlüss  sich  Hofmann  erneuert  zum  pachtweisen  Betrieb  des  ganz 
vernachlässigten  Kucajna.  Zunächst  niusste  die  ersäufte  erzreiche  Grube  „Varvara" 
u.  a.  ausgepumpt  werden,  1890  konnte  Hofmann  schon  eine  bedeutende  Quantität 
reicher  Bleierze  (Galenit  mit  Antimonit  50—65 "/o  Pb;  0,30— 0,80 »/„;  0,005  bis 
0,078'Vü  Ali),  ferner  Zinkerze  (Galmei  15— 55»/„  Zn;  0,001-0,02",«  Ag;  0,0001  bis 
0,001  "/o  Au)  nach  Oesterreich  und  Deutschland  senden,  weil  Kucajnas  nach  alten 


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KUCAJNA,   1897. 


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Systemen  eingerichtete  Werke  das  Schmelxen  und  Waschen  von  lülelerzen  dort- 
seihsl  hiiulerten.  Ilolniann  hatte  bereits  die  luitwürle  für  die  Neuanlagen  fertiggestellt 
iiiul  wiirile  gewiss,  weil  gleichzeitig  /um  Regierungsinspektor  für  den  Majdan- 
peker  1  lüttenhezirk  ernanni,  In  Iriedigende  Resultate  erzielt  haben,  hätte  nicht  ein 
im  Juni  1894  ausgehroclieiu r  Braiul  alle  Werkliaulen  vernichtet  und  ihn  zur 
Betriebseinstellung  gezwungen. 

AIht  iiuiil  laiiL^e  blieb  iler  eifrige  Bergmann  im  „wohlverdienten  Ruhesland". 
1897  erhielt  er  vom  Minister  Kleric  aus  dem  l'lrträgnis  der  k.  Klassenlotlerie 
5()()0()  d  vorgestreckt,  und  abermals  ging  er  nach  Kucajna.  Seine  drei  Reviere 
besassen  schon  1894  zahlreiche  Schächte,  darimler  im  mittleren  die  „Varvara- 
grube"  mit  72  m,  die  59  m  tiefe  „Angelina",  die  „(jeorgsgrube"  mit  26  m;  alle 
drei  mit  ;<8()  m  langen  Oalerien,  tieren  es,  das  Nord-  uiul  Südrevier  mitgerechnet, 
4308  m  gab.     Line  Bedingiu\g    für   das   volle   üedeihen   der   reichen  Mine   bildet 


''irt^  Von  l'ctrovac  in  das  ostsurbischc  MincnKL'biel  von  Majdanpck. 

tk-rcii  kichl  herzustellcndf  Schiencnverbinclun^  mit  dem  nur  36  km  fernen  Donau- 
liaftn  üradiste,  was  auch  die  lohnendere  Verwertung  ihres  grossen  Waldbestandes 
wesentlich  erleichtern  würde. 

Kucajna  zählte  1896  mit  dem  Üurle  in  147  Hausern  872,  Majdanpek  mit 
seinen  Weilern  Bakarnica,  Debeli-lug  und  Cekic  in  243  Häusern  1219  meist 
walachische,  vom  Bergbau  lebende  Bewohner.  Oft  bedauerte  ich,  dass  nicht 
mindestens  ein  Teil  der  alljährlich  Deutschland  verlassenden  Auswanderer  ihren 
Weg  in  die  Balkanländer  nehme,  und  wieder  dachte  ich  daran,  als  ich  die  west- 
lichen Serpentinen  der  trefflichen  Milanovacer  Strasse  hinauffuhr  und  aus  der 
Vogelschau  auf  Majdanpeks  herrliches  Tal  zurückblickte.  Wie  sehr  hat  die  Natur 
dieses  Land  bevorzugt,  und  wie  wenig  verstand  es  der  Mensch  bisher,  die  Schätze 
seines  Bodens  zu  verwerten!  Wo  immer  der  Geologe  seinen  Hammer  zwischen 
dem  Pek  uiul  der  Porecka  ansetzt,  allerorts  stösst  er  auf  Kupfererze,  Steinkohlen, 
grünen,  roten  Marmor  usw.  Man  kann  das  ganze  Kljucer  Gebiet  eine  riesige 
Metall-  und  Kohlenkaninier  nennen,  deren  Ausbeute  sich  unter  günstigeren  Ver- 
hältnissen Idhiiciul  gestalten  wird. 

Mit  der  Hauptriclitung  norchistlich  erreichten  wir  die  Rajkova  reka  und 
die  erwähnte  gleichnamige  anilnilante,  etwa  vierzig  Hütten  zählende  walachische 
Holzschlägerkolonie;  '/^  Stunde  weiter  eine  Quelle  mit  köstlichem  Wasser.  Die 
„Cuka"  bot  einen  instruktiven  Blick  auf  das  zj  Füssen  liegende  breite  Donau- 
becken, den  Grebcnpass,  den  scharfprofilierten  Sto,  die  Miroc-Berge  und  sanft 
konturierten  Höhenzüge  des  Banats.  Es  war  eine  der  genussreichsten  Aussichten 
auf  meinen  serbischen  Wanderungen.  Nun  senkte  sich  der  Weg  auf  der  Boljetinska- 
Oreskovica-Sclieide  dauernd  südöstlich  abwärts.  Nach  ^/4  stündiger  rascher  Fahrt 
kamen  wir  an  einer  ärmlichen  Sonimerniederlassung  vorüber  und  bald  darauf 
hielten  wir  vor  der  besten  Mehana  von  Dolni  Milanovac,  dessen  Schilderung 
dein   II.  Bande  vorbehalten  bleibt. 


IX. 


Ueber  Pozarevac,  Gornjak,  Manasija 

nach  Ravanica,  Senjc  und  Dobricevo. 


EIN  schöner  Oktobertag  des  Jahres  1887  traf  mich  mit  dem  Pozarevacer  Arzte 
Dr.  Viktor  Skiibic  auf  dem  Wege  nach  dem  ebenso  anmutigen  als  frucht- 
baren MIavatal.  Dort  macliteii  wir  bei  der  Kunstmühle  von  Brafinac  Halt.  Bei 
uns  sind  derartige  Htablissements  etwas  so  Alltägliches,  dass  Tausende  von  Städtern 
sterben,  ohne  je  einen  Blick  den  sinnreichen  Apparaten  gewidmet  zu  haben, 
welchen  wir  den  Feingeschmack  „unseres  täglichen  Brotes"  verdanken,  in  den 
ehemaligen  Gebieten  der  Türkei  jedoch  bezeichnet  die  fünfhundertjährige  Herrschaft 
des  Isianis  ein  gleicli  langes  Stillstehen  auf  allen  Gebieten  der  Kultur.  Die 
grossartigen  Erfindungen  und  Fortschritte,  welche  dem  Occident  seine  heutige 
Physiognomie  aufgedrückt  haben,  gingen  an  diesen  von  ihm  durch  Grenz-  und 
Pestkordone  hermetisch  abgeschlossen  gewesenen  Ländern  spurlos  vorüber.  Mit 
der  Aufpflanzung  des  Blutbanners  versanken  diese  Territorien  in  eine  Art  Zauber- 
eciilaf,  und  auch  für  das  junge  Serbien  ist  erst  seit  wenigen  Jahrzehnten  der  Morgen 
des  Erwachens  angebrochen.  Dort  imiss  der  vorurteilsfreie  Reisende  jeden 
Keim,  auch  den  geringsten  Fortschritt  als  Bürgschaften  einer  hoffnungsreichen 
Zukimft  würdigen.  So  war  Ich  erfreut,  als  das  hübsche  Gebäude  vor  mir  lag, 
welches  zu  den  ersten  Industrieanfängen  des  jungen  Staates  zählt  und  ilurch 
seinen  rationellen  Betrieb  bedeutenden  Einfluss  auf  die  verbesserte  Mehlproduktion 
im  Lande  übte. 

In  Serbien  nährt  man  sich  in  den  mehr  ebenen  Gebieten  nahezu  ausschliesslich 
von  türkischem  Mais.  Wo  Weizen  vorhanden,  ward  die  Frucht  durch  Pferde 
ausgetreten  inid  oft  ungesiebt  mit  der  beim  Einnehmen  beigemengten  Erde  in 
höchst  primitiver  Weise  vermählen.  Das  so  gewonnene  A\elil  gab  natürlich  ein 
alle  Farben  spielendes,  schwer  venlauliches  Brot.  Der  im  üstlichen  Serbien 
gebaute  Weizen  wird  ausgeführt,  nur  eine  geringe  Quantität  bleibt  im  Haus  für 
Mehlspeisen  und  iieiligenbrote  zurück.  In  den  westlichen  Kreisen  findet  man 
weisseres,  schmackhafteres  Brot;  man  wäscht  dort  die  Fruciit,  ehe  sie  auf  die 
Mühle  gebraiht   und 


254         Ucber  Poiiarcvac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Scnjc  und  Dobrifevo. 

Der  Gründer  der  Bratinacer  Kunstmülilc,  Herr  Njeitiec,  erwarh  sich  ein 
l^rosses  Verdienst  um  sein  Adoptiv-Vaterland.  Er  kam  1848  mit  mehreren  Lands- 
leuten nach  Serbien ,  um  in  dem  industriciosen  Land  mit  „serbischem"  Kapital 
gewerbliche  Unternehmen  an  nünstij^en  F-'unklen  zu  etablieren.  Sie  betrachteten 
sich  als  Plänkler  einer  tschechischen  Einwanderung  im  grossen  Massstab,  und  der 
Gedanke  einer  Monopolisierung  der  einträglichsten  Gewerbe  mochte  ihnen  nahe 
gelegen  haben.  Die  Dinge  kamen  jedoch  anders.  Der  sehr  vorsichtige,  zah  am 
Hergebrachten  festhaltende  Serbe  bringt  Premden  ein  schwer  besiegbares  Miss- 
trauen entgegen  und  macht  dabei  keine  nationalen  Unterschiede.  Den  Tschechen 
und  Serben  von  „drüben",  vom  linken  Savaufer,  nannte  er  gleich  den  Deutschen 
„Svaba",  das  heisst  Leute,  deren  Planen  man  nie  recht  trauen  darf.  Unter  den 
vielen  liolfnuiii^svoll  eingewanderten  Tschechen  gelang  es  nur  Njemec,  sein 
Projekt  mit  Unterstützung  der  fürstlichen  Regierung  zu  verwirklichen,  welche  fhni 
die  schon  in  einer  Urkunde  von  Kaiser  Leopold  genannte,  dem  Kloster  Ravanica 
gehörende  Bratinacer  Mühle  zu  rationellerem  Betrieb  auf  zehn  Jahre  überliess. 
Anfangs  stellten  sich  nur  wenige  Mahlkunden  ein.  Die  Bauern  fürchteten,  dort 
das  Mahlen  nicht  so  gut  wie  in  gewöhnlichen  Mühlen  überwachen  zu  können, 
und  auch  den  durch  das  Reinigen  des  Getreides  entgehenden  Gewichtsverlust. 
Allmählich  wich  das  Misstrauen,  das  rationellere  Verfahren  fand  Anklang,  und 
nun  fand  ich  das  schon  1860  meine  Beachtung  erregende  kleine  Werk  in  eine 
fünfstöckige  Dampfniühle  umgewandelt,  deren  7  Gänge  man  durch  12  Walz-  und 
|-lachniahlniaschinen  aus  Prag  vermehrt  hatte. 

Die  Mehlindustrie  bildet  heute  einen  der  lohnendsten  Industriezweige 
Serbiens. '  Im  MIavatal  allein  gibt  es  ausser  der  Bratinacer  Dampfmühle  eine  zu 
Letnjikovac  mit  7,  eine  andere  zu  Rasanac  mit  10  Gängen,  dann  ein  viertes 
Etablissement  von  Hailloni  und  Söhne  zu  Malo  Crnic,  das  ich  am  selben  Tage 
besMchle  und  wegen  seiner  interessanten  Entwickelung  hier  schildern  will.  Sein 
Cjrüiuier  war  ein  Türke,  der  vor  ungefähr  60  Jahren  gemeinsam  mit  einem  Serben 
hier  eine  durch  Wasserkraft  betriebene  Mühle  erbaute.  Als  die  Moslims  ihren 
Besitz  auf  dem  Flachlande  räumen  mussten,  bemächtigte  sich  der  Staat,  oder 
richtiger  Fürst  Milos,  derselben  und  Hess  das  Werk  in  besseren  Stand  setzen. 
Später  reklamierten  die  Erben  des  Türken  ihr  väterliches  Gut;  da  sie  aber  das 
neue  hnentar  nicht  abzulösen  vermochten,  blieb  die  Mühle  dem  Staat,  der  sie 
vor  20  Jahren  an  Njemecs  Schwager,  Herrn  Bailloni,  überliess.  Dieser  rastlos 
tätige  Mann  ersetzte  1869  ihr  Löffelwerk  durch  Dampf,  liess  von  tüchtigen  Bulgaren 
ein  grosses  Wehr  mit  Turbine  erbauen  und  \'ermahlte  nun  mit  aus  Prag,  Budapest 
u.  a.  O.  bezogenen  Maschinen  jährlich  3 — 4  Millionen  kg.  Das  Werk  leitet  ein 
junger,  intelligenter  Walache  als  Oberniüller;  die  100  Arbeiter  sind  fleissige  Serben, 
doch  war  es  anfangs  schwer,  sie  zur  Arbeit  an  Sonn-  und  Festtagen  zu  bewegen. 
Die  Mühle  arbeitet  hauptsächlich  für  die  grösseren  Bauern  der  Umgebung.  Für 
den  eigenen  Vertrieb  produziert  sie  nur  Weizenmehl,  das  in  ihren  Niederlagen  zu 
Belgrad,  Pozarevac  und  in  gr(')sscren  Kreisstädten  mit  dem  ungarischen  gut 
konkurriert.  Zur  Aufbesserung  der  Rindviehrasse  verschrieb  Bailloni  prächtige 
Mürztaler    Stiere    und    für    tleii     durch    Bulgaren    angelegten    Gemüsegarten    edlen 


Ueber  Pozarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo.         255 

Erfurter  Gemüsesamen.  Die  Resultate  kamen  auf  den  gastlichen  Tisch  des  kom- 
fortabel eingerichteten  Wohnhauses,  in  dem  dieser  1000  Dukaten  Steuer  zahlende 
serbische  Grossindustrielle  uns  mit  gewinnender  Herzlichkeit  empfing;  leider  starb 
er  vorzeitig  im  Jahre   1891. 

Jeder  Reisetag  zeigte  mir  deutlicher,  dass  in  dem  früher  primitiven  Lande 
seit  25  Jahren  sich  ein  riesiger  Umschwung  vollzogen  hatte.  Durch  die  Fort- 
schritte der  agrikolen  Industrie,  durch  Schulen  und  Bahnen  waren  bei  der  jüngeren 
Generation  erhöhte  Lebensansprüche  nicht  allein  in  die  Städte,  sondern  auch 
in  die  Dcirfer  eingezogen,  welche  von  der  früheren  spartanischen  Einfachheit 
stark  abwichen.  Dieser  Übergang  zu  neuen  Formen  ist  im  allgemeinen 
noch  im  Fluss  und  lässt  oft  komisch  wirkende,  grelle  Gegensätze  hervortreten.  So 
beispielsweise  zu  Veliko  Crnic,  als  ich,  nachdem  sich  unser  Wagen  mitten 
im  Dürfe  durcii  den  dicksten  Morast  gekämpft,  das  Haus  seines  Deputierten 
Sima  Nestorovic  betrat.  Der  wohlhabende  Mann,  welcher  zu  Klicevac  Schweine 
mästet,  die  er  mit  grossem  Gewinn  über  Rani  nach  Baziaä  ausführt,  empfing 
uns  mit  seinem  zu  Pest  erzogenen,  das  Deutsche  geläufig  sprechenden  Sohne 
in  einem  ganz  europäisch,  mit  Fauteuils,  Spiegeln,  Bildern  usw.  ausgestatteten 
Räume.  Beide  trugen  französisch  geschnittene  Kleider,  empfanden  aber  nicht 
das  Bedürfnis  einer  weniger  gefährlichen,  reinlicheren  Anfahrt  zu  ihrem  Gehöft, 
in  dem  die  Hausfrau  in  altserbischer  Tracht,  nach  traditioneller  Sitte  unter 
vielen  Verbeugungen,  in  liebenswürdigster  Weise  uns  Kaffee  und  Früchte  persön- 
lich servierte. 

Auf  einem  zweiten  Ausflug  vun  Pozarevac  mit  dem  Ingenieur  Cerniak 
besuchte  ich  das  von  M.  Crnic  5  km  entfernte  ehemalige  Klosterkirchlein  Zaova. 
Es  liegt  in  einer  waldreichen  Schlucht  des  sanften,  hier  kaum  120  m  hohen. 
schmalen  Bergzuges,  welcher  das  MIava-  vom  Moravafal  trennt,  und  steht,  weil 
es  nach  der  Tradition  Zar  Lazar  begründete,  bei  den  Anwohnern  in  so  hohem 
Ansehen,  dass  sie  sich  von  Inirst  Miloi^  die  Erlaubnis  zu  ihrer  Restauration 
erbaten  und  dabei  willig  „Kuluk"  (Haiuidiensle)  leisteten.  Das  Schiff  wurde  von 
Cincaren  mit  riuulen  Altar-  und  Seitenapsiden  1825  erneuert,  die  Wände  aber 
nach  der  Inschrift:  unter  Fürst  Alexanders  Regierung  (1849)  von  dem  Pozarevacer 
Maler  2ivko  Paviovic  mit  Bildern  geschmückt,  unter  welchen  eines  die  heilige 
Märtyrerin  Zaova  mit  Palmenzweig  und  Kelch  zeigt.  Unser  Führer,  der  Pope  Milic 
Djukic,  erzählte  ihre  l.rlHiisgeschichte  in  derselben  romantischen  Form,  wie  in 
Vuks  „pjesme"  (II.  Bil.).  Am  Arancljehiv  ilan  (8.  Nov.  a.  Sl.)  und  Velika  Gospojina- 
l'este  können  alle  vier  Popen  kaum  den  Wünschen  der  aus  den  l'farrorlen 
Veliko  seid,  Vrhnica,  Topcmica,  Sl|ivov.u'.  Pnljaiie  herbeiströmenden  Gläubigen 
genügen.  Hier  lässl  man  auch  gern  Bundesbrüder-  und  Schwesterschaflen  durch 
den  Pfarrer  segnen  lukM  sich  Gebete  lesen,  wenn  man  krank  und  am  nahen 
heiltätigen  Brunnen  „sojiota  voda"  getrunken  hat.  Auch  der  etwas  nördlicheren 
ijiulle  „Sestniljin  "  winl  grosse  Heilkraft  nachgerühmt.  Den  Boden  des  Zaova- 
Kiniik'ins  fand  ich  mit  gmssen  römischen  Ziegeln  gepflastert,  die  aus  einer  der 
vii'k'n  antiken  Niederlassungen  herrührten,  an  welchen,  wie  wir  im  vorhergehenden 
Kapitel  sahen,  das  MIavatal  so  reich. 


250         UcluT  P<)?.arcv;ic,  (jornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Scnje  und  Dobrifevo. 

Bis  auf  kleine  Fiichcnstandc  crla^  auf  den  Vorhöhen  des  Homoljer  Gebirges 
aller  Wald  der  kultivierenden  Axt.  Das  Land  erschien  überall  in  Ackerboden 
verwandelt  und  mit  Landleutcn  bedeckt,  welche  es  bestellten.  Dies  geschieht 
nicht  ohne  den  obligaten  Lilrni,  der  alle  Kraftäusserungen  des  Serben  begleitet. 
Der  pflügende  Bauer  unterhält  mit  ik-m  aus  6 — 8  Ochsen  bestehenden,  manchmal 
mit  Pferden  untermischten  Gespann  ((irniliche  Gespräche,  welche  unsere  Zügel 
ersetzen.  Die  Burschen  und  Frauen  führen  eine  mit  Scherzen  gewürzte  lebhafte 
Unterhaltung  oder  stimmen  einen  nationalen  Wechselgesang  an.  Steht  die  Sonne 
Im  Zenit,  giiit  der  Stareäina  (der  Alteste)  das  Zeichen  zur  Mittagsruhe.  Der 
ktiiiliMuie  Schatten  einer  Fliehe  versammelt  die  Familicnglieder  zum  einfachen 
Mahl.  Doch  niciit  lange  tluldet  es  die  kraftigen  Burschen  und  Miidchen.  Im 
Ringkampf  erproben  erstere  ihre  Geschicklichkeit;  die  Klänge  einer  primitiven 
Svirala  (HirtenfÜUe)  locken  die  Mädchen  zum  Rundtanz.  Einzelne  Burschen  treten 
in  den  langsam  sich  bewegenden  F^eigen,  der  monotonen  Melodie  folgt  die  lustige 
Paracinka,  die  Bewegungen  werden  lebendiger,  die  weissen  Leinenhemden  flattern 
lustig  im  spielenden  Wind,  und  wir  haben  vor  uns  das  schiine  Bild  des  „Kolo", 
des  allen  Südslaven  gemeinsamen  Nationaltanzes. 

Nach  33  km  Fahrt  von  Bratinac  erreichte  ich  das  schon  eingehend  geschilderte 
Bezirksstädtchen  Petrovac.  Dort  in  seiner  von  etwa  hundert  Kindern  besuchten 
Schule,  für  deren  Erweiterung  1200  f)ukaten  gesammelt  wurden,  begegnete  ich 
1860  zuerst  den  lernbegierigen  Sprüsslingen  des  Volkes,  das  auf  dem  linken 
Donauufer  einen  selbständigen  Staat  unter  dem  klangvollen  Namen  „Rumänien" 
begründete.  Man  beschäftigt  sich  mehr  mit  ihm,  seit  ein  Hohenzoller  als  Schöpfer 
seiner  vollen  Unabhängigkeit  und  Stifter  einer  erblichen  Dynastie  es  regiert. 
Ehemals  geteilt  und  machtlos,  die  vielbegehrte  Beute  abwechselnd  nach  der 
Hospodarenwürdc  strebender  nioldauwalachisch-fanariotischer  Bojarenfamilien, 
nimmt  das  junge  Königreich,  obwohl  es  kaum  Zeit  gefunden,  die  ihm  vom 
Parteizwist  geschlagenen  Wunden  zu  heilen,  eine  seiner  glücklichen  geographischen 
Lage  entsprechende  Stellung  in  Fragen  an  der  unteren  Donau  ein. 

Viel  früher  als  der  Occident  kannte  und  schätzte  Fürst  Milos  durch  seinen 
vielfachen  Verkehr  mit  vvalachischen  Leuten  ihre  natürlichen  guten  Anlagen.  Gleich 
nach  beendetem  Freiheitskampf  suchte  er  jenseitige  Walachen  zur  Kolonisation 
der  verödeten  Donaudistrikte  zu  gewinnen.  Der  F.rlass  des  „organischen  Reglements" 
in  den  Fürstentümern,  welches  die  Bauern  zur  Sklaverei  verdammte,  begünstigte 
sein  Streben,  und  die  Gleichheit  aller  vor  dem  serbischen  Gesetz,  sowie  massige 
Steuern  fesselten  die  fleissigen,  rasch  sich  mehrenden  Einwanderer  an  die  lieb- 
gewonnene neue  Heimat.  Der  Pozarevacer  Kreis  allein  zählt  48  Orte,  in  welchen 
ausschliesslich  Walachen,  und  54,  wo  sie  mit  Serben  zusammen  wohnen.  Fm 
Mlavabezirk  gab  es  1896  rund  17800,  im  „Zvizd"  12108,  im  Bezirk  „Morava" 
über  8967,  im  Ranier  4795,  im  Homoljer  9234,  im  Pozarevacer  3088,  im  Golu- 
bacer  2553,  zusammen  59525  Walachen,  also  nahezu  ein  Vierteil  der  Kreis- 
bevölkerung. 

Das  11  km  von  Petrovac  entfernte  Zdrelo,  wo  wir  A\ittagsrast  hielten,  gab 
mir  mit  seinen    1413  W'alachen  in  244  Häusern  einen  sehr  guten  Begriff  von  den 


L'eber  Poiarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo.  257 

Eigenschaften  dieser  serbischen  Rumänen,  deren  Sitten  und  Charakter  ich  später 
in  der  „Krajina"  eingehender  kennen  lernen  sollte.  Auffällig  originell  und  malerisch 
ist  ihre  Tracht.  Die  riesige  Subara  (Schaffellmütze),  die  Pelzjacke,  die  unter  der 
Kniebeuge  festgebundenen  weissen  Leinenhosen  lassen  schon  aus  grosser  Ent- 
fernung den  Walachen  erkennen.     Bei  den  Frauen  ist  die  Vorliebe  für  möglichst 


ZlMvLLO,    W.il.uliiaucii  .itii  Uiuiiiuii. 


hiink'  Stiikereicn  noiii  grösser  als  bei  ilen  Serbinnen.  Das  blendend  weisse, 
hreite  lieMiil  ist  üln.'i  untl  über  mit  Zieraten  bedeckt,  die  nach  vorn  und 
rückwärts  liiiuh  einiii  «iiiricl  befestigten  Schürzen  sind  gleichfalls  in  grellen 
i'arben  teppithartig  gewirkt,  /.um  Kopfschmuck  wird  gewöhnlich  das  ganze 
iiarvermogen  der  1-amilie  verwendet.  Das  Haar  heiratsfähiger  Mädchen  ist  unter 
den  an  Schnüren  gereihten  Münzen  kaum  sichtbar,  und  wenn  diese  nicht  ausreichen, 
treten  Blumen  an  die  Stelle. 

Die    Gesichtszüge    iler    Walachin    siml    weicher    und    runder    als    jene    der 
Serbin,    das    Auge    ist    feuriger,    die    Körperbewegungen    von    eigentümlicher,    an 

1-     KANITZ,   SiThiiMi.     I.  '^ 


258 


Ut'bcr  Poiarcvac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senjc  und  Dobrifcvo. 


italienische  hVauen  mahnender  Grazie.  An  2drelos  verfallenem  türkischen 
Brunnen,  nahe  der  Fahrstrassc,  sah  ich  eine  reizende  Gruppe  walachischer 
Mildchen.  Ich  skizzierte  sie  unbemerkt,  doch  als  ich  mich  näherte,  um  das 
Dctiiil  der  Kleidun^(  zu  studieren,  stob  sie  rasch  auseinander.  Es  bedurfte  alles 
Ijiiliusses  des  micli  bej^ieitcnden  Kreisinj^enieurs  und  der  Überredunj^  des  Kmeten 
(Schulze),  Hin  eini(^e  Mädchen  zur  Umkehr  zu  bewej^en.  Scheu  und  verlegen 
blickten  die  Naturkinder  mich  an;  sie  konnten  nicht  begreifen,  was  so  besonderes 
an  ihnen,  dass  man  sie  „abschreibe".  Kaum  erhielten  sie  die  Erlaubnis,  sich  zu 
entfernen,  gewannen  sie  ihre  Elastizität  wieder,  und  im  Laufschritt  eilten  sie  zu 
ihren  fern  sich  haltenden  Genossinnen. 


ZDRELO,  Walachischer  Bauer. 


Ein  vorüberziehender  Bauer  von  höchst  originellem  Aussehen,  mit  riesiger 
§ubara  und  koiuischeni  Sattelsitz,  hielt  auf  den  .Anruf  des  Kmeten  sein  Pferd 
an.  Der  Ingenieur  beschäftigte  ihn  mit  allerlei  Fragen,  um  mir  Zeit  zu  seiner 
Skizzierung  zu  geben.  Der  Walache  bemerkte  jedoch,  dass  ich  ihn  „abschreibe", 
wurde  unruhig  und  brach  in  den  Angstruf  aus:  „O!  Gott,  was  muss  mir  heute 
vom  Himmel  widerfahren!"  Selbst  das  sonst  stets  wirkende  Baksis  schien  ihn 
nicht  über  die  üble  Wirkung  des  „Zaubers"  zu  beruhigen.  Auch  in  Serbien  galt 
vor  kurzem  noch  der  Glaube,  man  müsse  bald  sterben,  wenn  man  sich  abbilden 
lasse.  Aus  diesem  Grunde  verweigerten  selbst  einige  Skupstina-Deputierte  1864 
zu  Belgrad  die  Teilnahme  an  ihrem  photographischen  Gesamtbild.  Die  Furcht 
vor  allem  Fremdartigen,  die  geringe  Bildung  und  dadurch  geförderte  Neigung 
zum  Aberglauben  ist  bei  den  abgeschlossen  lebenden  walachischen  Gebirgssöhnen 
eine  unglaubliche,  und  oft  traten  mir  noch  verschieden  geartete  Vorurteile  bei 
meinen  Studien  hindernd  entgegen. 


Uebcr  Po2arevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo. 


259 


Zwischen  Zdrelo  und  dem  nördlicheren  Bistrica  befinden  sich  Reste  einer 
der  hl.  Dreifaltigkeit  geweihten  Kirche  und  anderer,  von  den  religiösen  Serben- 
zaren im  „Branicevo"  gestifteter  kleiner  Heilstätten.  Dieser  altserbische  Gau 
umfasstc  ausser  dem  heutigen  Pozarevacer  auch  wahrscheinlich  einen  Teil  des 
Cuprijaer  Kreises;  seine  Hauptstadt  befand  sich  auf  der  Stelle  des  römischen 
Viminaciums  (S.  182),  am  Mlava-Einfluss  in  die  Donau.  Der  hl.  Sava  gab  der 
zum  Bistum  erhobenen  Landschaft  den  hl.  Nikolaus  als  Schutzpatron.  Auf  dem 
Wege  nach  dem  zu  ihren  verehrtesten  Heilstätten  zählenden  Kloster  Gornjak 
grüsst   uns   schon    aus   weiter  Ferne   sein  Wahrzeichen,   der  850  m  hohe,   ruinen- 


ZDRKI. (),  ilic  S.nva-HUlilenkiri'lu'  in  der  GornjaCk.i  Klisura. 

gekrönte  Veliki  Vukan,  von  dem  die  Aussicht  so  herrlich,  dass  Oberst  Dragaäevic^ 
MK'int,  „eine  Fahrt  ins  Mlavatnl  uni\  seine  Besteigung  würde  jeden  Belgrader  wie 
eine  Pilgerfahrt  in  Taui  enil  und  eine  Nacht  dünken"  ').  Auch  auf  dem  südlicheren 
Uzengija  und  diin  linksuferigen  Jczevac  befinden  sich  Mauern  starker  Burgen, 
welche  den  „Zdrelo  hranicevsko",  wie  das  AMava-Defik^  in  Zar  l.azars  (lornjaker 
Diplom   genannt  wird,  sperrten. 

y\lk'  diisi'  Wrieidignngswerke  luul  auch  jene  aul  iler  „Kudulina"  bei 
Kripiiljin  und  ilas  „Drniengrad"  bei  Ribari  stehen  auf  i'unkten.  die,  meist 
sclKin  in  prähistorischer  oiler  n'imischer  Zeit  befestigt,  oft  der  Schauplatz  heftiger 
Kämpfe  waren.  Hier  stritt  der  serbische  Kral  Milulin  1283  mit  den  Tataren,  und 
gewiss  ist  die   K<92  vuii   Kunig  Sigmunds  ülu'r  Kmiu  und  die  Donau  in  Serbien 


')   (ilasiulv.   IUI     l.l 


\T 


'2(10         UfbcT  Pi)iarevac,  Gornjak,  Manasijn  nach  Ravanica,  Scnjc  und  DobriCevo. 

cinfjgdriinucncn  Truppen  zerstörte,  bisher  verj^cbens  gesuchte')  Burg  „Isdril"  mit 
einer  der  Schlossruinen  des  Miavatales  bei  „2drelo"  identisch.  Als  die  Ttirken 
I42H  und  im  16.  Jahrhundert  die  über  den  „Prezlav  na  Javoru"  in  das  Resava- 
f^ebiet  l'iilirende  Strasse  erzwangen,  brannten  sie  alle  Schlösser  nieder  und 
schleppten  die  Besiegten  in  die  Gefangenschaft.  Noch  später  blieb  das  Mlava- 
Defile,  als  kürzeste  Route  von  Belgrad  nach  Vidin,  strategisch  wichtig.  Während 
der  österreichischen  Kriege  wurde  unter  dem  Prinzen  Ludwig  von  Baden  und 
ebenso  im  serbischen  Freiheitskampf  um  dasselbe  heftig  gekämpft. 

Vom  Eingangstor  der  „Gornjacka  Klisura"  zieht  die  Strasse  zwischen  stark 
zerklüfteten,  höhlenreichen  Mauern  hin,  die,  von  mysteriös-feierlicher  Stille  umfangen, 
uns  auf  die  folgenden  sagenreiciien  F^unkte  vorbereiten.  Zunächst  erscheint  die 
Ruine  der  berühmten  „Metropolija",  der  einstigen  Kathedrale  des  Gaues  Branifevo. 
Neben  derselben  spendet  ein  hl.  Dreifaltigkeitsbrunnen  aus  drei  Rohren  köstliches 
Quellwasser.  Hier  befand  sich  die  Residenz  des  Bischofs  und  durch  dreissig 
Jahre  seine  Buchdruckerei.  Auch  glaubt  man,  dass  hier  der  hohe  serbische 
Klerus  sich  an  die  Spitze  der  weltlichen  Würdenträger  stellte,  um  unter  Vor- 
trngung  von  Ripiden  und  Kreuzen  die  von  2drelo  nahenden  occidentalen  Kreuz- 
fahrer freuiulschaftlich  zu  begrüssen.  Etw^is  weiter  am  rechten  Flussufer  zeigt 
sich  in  einer  von  der  Natur  malerisch  gruppierten  Felspartie  die  Hohle  des 
hl.  Sava,  welche  man  später  durch  eine  im  Spitzbogen  eingebaute  Mauer  zur 
Klosterkirche  Blagovjestenije  (Verkündigung  Maria)  umgestaltete.  Nach  der 
Tradition  lebte  und  betete  in  dieser  der  grosse  Heilige,  hier  legte  er  der 
geschwätzig  rauschenden  A\lava  lautlose  Stille  auf,  damit  sie  ihn  beim  Lesen 
der  hl.  Bücher  nicht  störe,  seitdem  fliesst  sie  dort  ruhig  und  ist  spiegelglatt,  wie 
dcT  kleine  See  zwischen  dem  Kondzilija  und  der  Poljana,  dem  sie  entströmt; 
auch  der  hl.  Gligorije  Pustenik  soll  diese  Einsiedelei  bewohnt  haben,  und  ein 
A\ünch  Visarion  des  Klosters  wird  in  einem  Evangelarium  vom  J.  1420  erwähnt-)- 

Zum  zweitenmal  kreuzten  wir  die  Mlava.  Die  stark  primitive  alte  Strasse 
stieg  von  diesem  Punkte  stark  an.  Ein  düsteres  Gebäude  verriet  sich  durch 
leere  Weinfässer  und  ausgehängte  Fleischstücke  als  die  Kloster-Mehana.  Gleich 
darauf  erschien  unten  in  der  Tiefschlucht  im  Lichte  der  hinter  hohen  Bergen 
sich  brechenden  letzten  Sonnenstrahlen  ein  zierliches  Kirchlein  mit  glänzenden 
Kuppeln  an  die  jenseitige  Felswand  gelehnt,  daneben,  hart  am  gemauerten,  die 
schäumende  Mlava  abwelircniieii  Damm  erblickt  man  den  kleinen  Klosterhof. 
Mächtige  Laubbäume  umrahmen  das  Ganze,  als  wollten  sie  das  fromme  Menschen- 
vverk  gegen  die  drohend  überhängenden  Felsen  schirmen.  Noch  ein  Augenblick 
unii  das  alle  Konturen  verschmelzende  Violett  des  prächtigen  Maiabends  übergoss 


')  Zuletzt  von  General  Kupelwieser  1895.  Meines  Erachtens  ist  „Isdril"  wahrschein- 
lich die  türkische  Schreibweise  für  „Zdrelo",  so  wie  Isladia  =  Slatica,  Isnebol  =  Snegpolje, 
Isfcriik  Svrljig  usw.  Traditionen  von  türkischer  Verwüstung  des  Mlavatals  fand  ich 
allerorts;  von  der  Palanke  „Honnil",  welche  auf  der  k.  k.  Karte  dort  während  der  öster- 
reichischen Occupation  1717—1737  eingetragen  wurde,  vermag  ich  nur  zu  sagen,  dass  ihr 
Namen  im  heutigen  des  Gebirges  „Omolje"  (auch  Homolje)  deutlich  anklingt. 

■-■)  Stnrinar,  VI,  36. 


(Jeher  Pozarevac,  Oornjak.  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo. 


2fil 


Scliliictit,  Fluss,  Kirchlciii  und  Klostergebäude  mit  wunderbaren  Tinten  und  stimmte 
sie  mit  den  vom  Abendrot  angestratilten  Spitzen  der  nackten  Kalkfelsen  zu  einem 
zaubervoll  wirkenden  Bild  zusammeo.  Lange  bannte  uns  auf  der  Höhe  diese 
prächtige  Idylle  der  serbischen  Anachoretenwelt. 

Die    sonst    verödeten   Wege,    welche    zu    dem    von    Zar    Lazar    im   J.    1380 
gestifteten  Kloster  hinabführen,  bedeckten  am  nächsten  Sonntagmorgen  zahlreiche 


Pil|^(.'r,  MiHinir,  l"raucii,  Kiiuler  /u  l'tL'iik'  inul  /u  l"uss,  heiter  oder  ernst,  je 
iiaiii  ikr  Siiniiiiiin^,  vveklic  sie  zum  Kloster  führte.  Auch  der  Korridor,  dessen 
gewolhk'  Rilimie  am  Abend  vorher  vom  laut  gesungenen  Triiikspruch:  „mnogaja 
ijeta"  (viele  Jahre)  der  Mönche  unil  Schüler  ilem  Gaste  zu  Hhren  widerhallten, 
war  mit  (ilänliigen  erfüllt.  Mitten  imler  den  Troslsuchenden  bewegte  sich  der 
inanMli(.h  scimnc  l)iiliu\nik  Sava,  welcher,  ilie  Stelle  iles  kr.inken  Iguman  (Klosler- 
vorslelier)  vertretemi,  nach  dem  Verlangen  jedes  ein/einen  forschte.  Der  junge 
lebhafte  Mönch  war  gleichsam  ein  Kmd  des  Klosters.  Hier  zum  üeisilicher 
erzogen,  kannte  er  selbst  die  Leute  aus  fernen  Orten,  ihre  h.luslichen  Verh.illnissi. 
und   ( u'lRiinnisse,  welche  sich   ihm   in  tief  heiligen  lieichle  erschlossen. 


'Jf'i'J  ücbLT  Coiart'vac,  Gornjak,  Manasija  nach  I^avanica,  Senjc  und  Dobrifcvo. 

Auf  (Jen  f<uf  der  Klostcrulockc  füllte  sich  das  Kirchlein.  Die  Mönche  und 
Schüler  halten  ihre  FVachtji;ew;inder  anj^ezo^en,  der  rote  Vorhang  des  Künigstores 
Hing  wilhreiul  der  Lithiir^ie  auf  und  nieder,  zeij^te  und  veriiüllte  die  ernsten 
Gestalten  der  sinjjenden  MOnche;  Kerzen  und  Weihrauch  bildeten  bald  jene  sinn- 
hestrickende  Luft,  welche  ihren  jieheininisvollen  Zauber  auf  die  Massen  der 
orthodoxen  Kirche  ausübt.  Als  die  Messe  vorüber,  die  Kirchenrilume  leer,  blieb 
nur  ein  Weib  zurück,  das  bekümmert  nahe  dem  heiltätij;en  Grabe  des  erwähnten 
Glifjorije  bald  das  kleine  bleiche  Wesen  im  Arme,  bald  wieder  den  Mönch 
anblickte.  Sie  heischte  Retlun^;  von  ihm,  glaubend,  dass  nur  sein  Gebet  ihrem 
kranken  Kinde  Heilunj^  brinj^en  k<inne.  trnst  näherte  sich  ihr  Sava.  Er  frug 
iiiclil  um  die  Krankheit  des  kleinen  Wesens,  nur  ob  es  ein  Knabe  oder  Mädchen, 
zündele  hierauf  eine  Wachskerze  an  und  drückte  sie  der  bekümmerten  Mutter  in 
die  Hand.  Bei  dem  plötzlichen  Kerzenschimmer  öffnete  das  todmatte  Kindlein- die 
Augenlider,  seufzte  kaum  hörbar  während  des  Ablesens  der  langen  Gebete,  und  zum 
Schluss  scf^nete  er  es  mit  lauter,  feierlicher  Stimme.  Dankerfüllt  küsste  die  arme 
Mutter  dem  Mönch  die  Hand,  le^te  einen  der  zum  Halsschmuck  gereihten  silbernen 
Sparpfennii^e  als  Obolus  auf  den  zinnernen  Opferteller  und  verliess,  nachdem  sie  das 
Heiligenhlld  auf  dem  Schautiscli  inbrünstig  geküsst,  hoffnungsfreudig  das  Kloster. 

Mitleidsvoll  blickte  ich  dem  armen  Kinde  nach,  auf  dessen  kleinen  Lippen 
der  letzte  Kampf  bereits  zuckte.  Statt  in  die  nächste  Stadt  zum  Arzt,  musste 
es  zur  feuchtkalten  Kirche;  statt  Arznei  erhielt  es  Kerzenglanz  und  Gebete.  Ein 
kleines,  hilfloses  Geschöpf  fiel  unter  meinen  Augen  dem  Wahn  'gewordenen  Glauben 
zum  Opfer.  Ein  verdammendes  Urteil  über  das  Gebaren  des  Mönches  lag  auf 
meinen  Lippen;  doch  tat  er  anderes,  als  viele  seiner  Brüder  im  fortgeschrittenen 
Occident?  AAaclicn  nicht  auch  diese  trotz  aller  fortschreitenden  Wissenschaft 
die  grössten  Anstrengungen,  um  zeitweise  das  Volk  durch  neue  Wunder  im 
Aberglauben  zu  erhalten? 

Während  ich  diesen  Gedanken  nachhing,  vollzog  Sava  eine  zweite  religiöse 
Handlung.  Es  galt,  einen  zwei  Monate  alten  Weltbürger  in  den  Schoss  der 
rccht,ü;f;iubii;en  Kirche  aufzunehmen.  Die  Eltern  des  Kindes  kamen  aus  einem 
fernen  Gcbirgsvveiler,  der  durch  die  hohen  Sciineemassen  lange  von  aller  Welt 
abgeschnitten  war.  Die  Türken  hatten  meist  nur  die  Klöster  verschont,  die  welt- 
lichen Kirchen  aber  grösstenteils  vernichtet.  Zehn  bis  fünfzehn  Dörfer  gruppierten 
sich  oft  noch  im  Jahre  1860  im  meilenweiten  Sprengel  um  ihr  Pfarrkirchlein,  ein 
Übelstand,  welchen  man  neuestens  durch  die  eifriger  fortschreitende  Erbauung 
von   Dorfkirchen  zu   lieben   sucht. 

Die  Volksmenge  zerstreute  sich,  nur  wenige  malerische  Gruppen  lagerten  noch 
im  Hofraum,  am  Nachmittag  kehrten  auch  sie  heim.  Alle  Hessen  kleine  Geschenke, 
Geld,  Bodenerzeugnisse,  Jungvieh  usw.  zurück.  Die  Klöster  sind  die  christlichen 
Karavvanseraien  des  Orients.  Sie  üben  die  grösste  Gastfreundschaft  gegen  jedermann, 
kein  Fremder  bleibt  ungespeist,  kein  Obdachloser  wird  zurückgewiesen,  trotzdem  sie 
bis  auf  wenige  unter  der  Sultansherrschaft  ihren  reichen  Güterbesitz  verloren  haben. 

Die  Gründungssage  des  dem  „Tempelgang  Maria"  (vavedenije)  geweihten 
Gornjaks  gleicht  ganz  der  bei  Tuman  erzählten  (S.  192),  nur  stirbt  nicht  der  durch 


Ueber  Pozarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo. 


263 


Knez  Lazar  verwundete  Mönch  Gligorije').  Seine  Grabstätte  im  hochliegenden 
Höhlcnkirchlein  ist  nur  auf  Leitern  crkiimmbar;  die  schwindelfreien,  bis  zum 
westlichen  Tunneltor  vordringenden  Gläubigen  werden  aber  durch  einen  Blick 
in  die  jenseitige  romantische  Tiefschlucht  belohnt.  Der  mit  den  Gebeinen  des 
bei  Gott  und  im  Volke  viel  geltenden  Heiligen  betriebene  Reliquienhandel  zu 
abergläubischen  Zwecken  wurde  vom  Metropoliten  streng  verpönt. 

Ohne  grossen  Landbesitz  ist  Gornjak  gegenwärtig  zumeist  auf  die  Liebes- 
gaben seiner  Besucher  angewiesen.  Auf  die  zahllosen  Ortsnamen  der  bis  zum 
Gospodjin  vir  an  der  Donau  reichenden  Donationen  hindeutend,  äusserte  mit 
klagendem  Tone  Sava:  „Wüssten  wir  nicht  durch  dieses  Pergament,  wie  reich 
Gornjak  gewesen,  Hesse  sich  unsere  heutige  Armut  leichter  ertragen  —  doch,  wie 
Gott  will!     Einen  grossen  Schatz  behielten  v.'ir  trotzdem;  seht  hier  das  Glas  mit 


(jORNJAK,   Zar  l.azars  angebliches  Trinkglas. 


dem  Nanienszug  von  Gornjaks  fromnieni  Stifter.  Fürst  Miloä  schenkte  uns  diese 
F^eliquie,  die  wir  bewahren  wollen,  so  lange  das  Kloster  bestehen  wird."  Wie 
aber  das  Perganuiit  nur  eine  Kopie  des  ursprünglichen-),  stammte  auch  das  Glas 
mil  den  eingeschlilfeiien  Sclinrirkeln  frühestens  aus  dein  Beginn  des  19.  Jahr- 
luiiulerts;  Sava  zeigte  jedoch  wenig  Verslandiiis  für  meine  liinwendungen.  Seilher 
starb  er  /u  Moskau  als  Iguinan  des  kleinen  Klosters,  mit  ilem  Russland  Gornjak 
begabte.  Auch  abgeselun  vmi  dieser  Schenkung  isl  Gornjaks  Besitz  heule  ungleich 
grösser  als  im  jähre  1733.  D.iinals  bewohnte  nur  ein  Mönch  das  herabgekommenc 
Kloster,  die  Kinhe  war  kahl  und  ohne  Glocke,  alles  {{igenUim  bestand  in 
15  Morgen  Weinbergen  imd  einer  Mühle;  doch  wurde  besonders  geriihml,  dass 
es  ausser  einem  hasse  von  HOO  Oka.  zwei  von  je  1000  Ok.i,  ferner  viele  serbisclie, 
bulgarische,  russische   Bücher  und   llandsehrillen   bes'ilze. 


")  Stnriii.ii.  III,  m.  —  ')  Kuvarac.  Star.  \'l.  31"). 


204  llfhiT  I'i)?.;ircv-'ic-,  Gornjak,  Manasija  nach  litavanica,  hc-njc  und  UubriCtvo. 

Nuiicstcns  wurde  das  grosse  einsKickinc  Ochäude  des  Klosters  in  eine 
K()rrel<tl()nsanstalt  für  zu  Bussen  (»der  Haft  verurteilte  (ieisilichc  urnjjcwandelt  und 
für  seinen  Abt  ein  bescheidener  kleiner  Zubau  aufj^eführt.  Gornjaks  heutiger 
Spren^icl  besteht  aus  zwei  Pfarreien  mit  440Ü  Seelen.  Seine  aus  dem  Ertrag  von 
25  Hektar  l-eklern,  1 1  Hektar  Wiesen,  22  Hektar  Wein-  und  Obst^^ärlen,  140  Hektar 
Wald  uiui  kleinem  Viehslaiul  fliessende  Jahreseinnahine  von  4000  d  deckt  reichlich 
die  Ausf^aben.  In  die  religiösen  Pflichten,  Verwaltung  der  500  Bücher  zählenden 
Bibliothek  und  Hauswirtschaft  teilen  sich  mit  dem  iguman  drei  Geistliche  und 
einige  Schüler. 

Auf  dem  rechten  MIavaufer  führt  die  mehrere  tief  eingeschnittene  Bäche 
querende  Strasse  durch  verkarstetes  Terrain,  vorbei  an  Ribari,  unter  dessen 
417  m  hohem  „gradac"  man  zwei  schöne  Bronzekelte  fand,  über  zwei  starke 
Mlavazuflüssc,  zum  uralten  „Trskakirchlein ",  das  zu  lihren  der  Geburt  Maria 
vor   hundert  Jahren    erneuert   wurde    und    drei  Pfarren   zum   geistigen    Mittelpunkt 


RIUARI.   Praliislorische  Bronzekelte. 


dient.  Östlich  von  diesiMn  kommt  au.s  dem  Kalke'  bei  Laznica  eine  intermittierende 
Quelle,  die  Hochschulprof.  Cvijic  gleich  gründlich  wie  die  Wasserfälle  „Kleiner  und 
Grosser  Fuk"  (Getöse)  bei  dem  südlichen  Suvodol  im  landschaftlich  prächtigen 
Quelltal  der  Mlava  und  auch  den  16  m  tiefen  See  am  Hange  der  867  m  hohen 
Mecibara  beschrieb,  dem  sie  in  ansehnlicher  Breite  bei  2agubica  entfliesst.  Für 
dieses  am  Fusse  eines  sterilen,  typischen,  riesigen  Karstgebietes  liegende,  14  km 
gegen  Westen,  25  km  gegen  Osten  und  sogar  42  km  gegen  Süden  von  jeder 
menschlichen  Niederlassung  entfernte,  einzig  auf  das  Mlavatal  angewiesene  Bezirks- 
städtciien  wurde  seine  Verbindung  mit  diesem  durch  die  1870  vollendete  Fahrstrasse 
ein  wahrer  Segen.  Um  seine  1874  erbaute  hl.  Geistkirche,  seine  gute  Volksschule 
und  Postamt  mit  Telegraphenstatioii  gruppierten  sich  schon  1896  nahezu  590  Häuser 
mit  2490  Bewohnern,  welche  den  Verkehr  mit  dem  Unterland  nach  Norden  und 
Süden  vermitteln.  üb  und  wann  die  projektierte  Schienenlinie  nach  Zajecar 
ausgeführt  wird,  für  welche  die  franko-schweizerische  Vizinalbahn-Gesellschaft 
1898  die  Vorkonzession  erwarb,  ist,  weil  sie  der  Staat  wegen  der  grossen  Terrain- 
schwierigkeiten finanziell  stark  subventionieren  müsste,  sehr  fraglich. 

Schon    in    römischer    Zeit    führte    eine    wichtige    Strasse   aus    dem    oberen 
Mlavatal  mit  Abzweigungen  nach  Pincum  und  Novae  an  der  Donau,  und  bei  den 


Ueber  Po^arevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo.  265 

noch  sichtbaren  antiken  Kastellresten  auf  der  Straza  zwischen  dem  1321  m  hohen 
Lisac  und  der  1301  m  ansteigenden  Velika  Trista  kreuzten  sich  von  der  MIava 
und  Resava  heraufkommende  Römerwege,  deren  südlich  fortziehende  Tracen  durch 
die  erzreichen  Geioiete  der  Timokzufiüsse  Beijanica,  Gorska,  Crna-  und  Bela  reka 
nacli  TaHata  liinabführten.     (11.  Bd..  XIV.  Kap.) 

Nach  2drelo  zurückgekehrt,  schlug  ich  mit  geringer  Abweichung  die  schon 
ausführlich  geschilderte  Route  über  Setonje  nach  Svilajnac  ein  (S.  221  f.).  Damals 
liefen   die   von    den  Walachen  zum  Schutz  ihrer  Maisfelder  gegen  das  ringsum 


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.S\AN.\SIJA,   Klustcrklrchc  iinil  Sthlu^iiunit. 


frei  weidende  Vieh  aufgerichteten  l'lahlZiUme  oft  mit  grossen  Turen  i|uer  über 
die  Strasse.  Bei  jeiiem  musste  der  Kutscher  absitzen,  öffnen,  die  Pferde  am 
Zügel  (linihlTihreii,  wieiler  halten,  ilas  Tor  schlicsscn;  eine  so  zeitraubende  Arbeit, 
dass  wii  mir  l.iiigsani  vorwärts  kamen.  8  km  östlich  vom  Orte  Medvedje  liegt 
an  der  bei  diesem  nach  dem  Kloster  Manasija  abzweigenden  Strasse  auf  dem 
rechten  Resavaiifer  das  uralte  Dorf  Miliva.  Sein  Name  wird  von  dem  jel/l 
verfalleiRii  Kirchleiii  abgeleitet,  das  die  gleichnamige  Tochter  des  Zaren  Lazar 
erbaute.  In  neuerer  Zeit  erhielt  das  Dorf  historische  Bedeutung,  weil  Karadjordjc 
dort  im  Jahre  1H()4  zuerst  das  l-"reiheilsbanner  entfaltete  imd  ISj.n  dort  unlei 
Milds  IkIIil;  i;ik.iiii|ili  wurde.  I'.m  hier  entspringender  kohlensaurer  Quell  „Srtov.nc" 
wird  vdiii   \'iilke  als  sihädlich  nicht  getrunken. 


266         Ucbcr  l'oüarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Kavanica,  Scnjc  und  Üobritevo. 

Im  fnluLiukii  [k'zirksstilcltchen  Despotovica  spicUcn  sich  im  Jahre  1887 
uii^LiiRin  iraurif^c  l^irtLiwiriuii  ah.  Die  radii<ali.'  Majorität  im  Lande  hatte  Kesiej^t, 
iiiul  einige  ("xaltados  suehteii  nun  ihren  Mass  an  den  [-"arlisanen  des  abj^elretenen 
„Fortschrittler" -Ref^iinents  zu  kiiiilen.  Durch  eine  den  Bauern  vorgespiegelte 
„naredba"  (Amtsbefehl)  verleitet,  stürzten  sich  diese  auf  die  Naprednjaci,  und 
bald  waren  23  Opfer  verwundet  oder  getutet,  unter  letzteren  der  Ortspope.  Die 
r^egierung  sühnte  diese  Ausschreitungen  durch  die  Hinrichtung  der  am  meisten 
sciiuldigen  Anstifter;  sie  wurden  am  Wege  nach  Medvedje  begraben.  Die  politischen 
Aussciireitungen  jenes  Jahres  kosteten  gegen   hundert  l^ersonen  das  Leben! 

Bald  liinter  Vojnik  steigt  der  angeschwemmte  heilbraune,  fette  Boden 
IriIliiIiiuI  an.  Auf  dein  rechten  Bachufer  erhebt  sich  die  Maca  (Stiefmutter), 
auf  dem  linken  der  570  m  hohe  Pastorak  (Stiefkind).  Beide  bilden  ein  f:ng- 
defiie,  das  einst  zwei  jetzt  verfallene  Festen  verteidigten.  Die  nähere  l£rforschun_g 
dürfte  ergehen,  dass  es  ursprünglich  römische  Bauten  waren;  ganz  so,  wie  auch 
das  stark  befestigte,  unter  ihnen  liegende  Manasija,  bei  dem  man  antike  Münzen 
häufig  findet,  auf  einem  Römerkastell  entstanden  sein  mochte,  dessen  bis  zum 
Fusse  der  1177  m  hohen  Jelova  vorgeschobenen  Wachtürme  die  Strasse  von 
Uliiniim  libci  tue  Morava-Timokscheide  in  das  schon  zur  Römerzeit  emsig  aus-. 
geheutete  südöstliche  Erzgebiet  hüteten. 

Die  Tradition  macht  die  Maca  und  den  Pastorak  zum  Schauplatz  eines 
höchst  phantastischen  Romanes  und  leitet  beide  Bergnamen  von  seinen  Haupt- 
personen ab  ').  Iiinc  andere  Tradition  lässt  die  Türken  von-  der  Pastorakburg 
die  zum  Sahor  des  hei  dem  östlichen  Dvoriste  einst  bestandenen  Klösterchens 
Zlatoust  erschienenen  Gläubigen  überfallen,  sie  in  die  noch  heute  gefürchtete 
Resavaiuitiefc  „Crni  vir"  treiben  und  die  Kirche  zerstören.  Begründeter  ist  es 
jedenfalls,  dass  der  jetzt  geborstene  starke  Bau  am  Defiletor  die  Besatzung  des 
nahen  altserbischen  Schlosses  Manasija  und  später  die  sein  Kloster  schützende 
türkische  Mannschaft  beherbergte.  Im  dicht  bewaldeten  Engpass,  an  dessen 
zerklüfteter  Felssohle  die  schnelle  Resava  sich  tosend  bricht,  ging  es  über  eine 
zierliche  Bogenhrücke  auf  ihr  rechtes  Ufer,  und  gleich  darauf  stand  ich  vor 
einem   der  merkwürdigsten  Bauwerke  des  europaischen   Ostens. 

Engumschlossen  von  hohen  Bergen,  übt  schon  die  Silhouette  der  zwölf  gut 
erhaltenen  Burgtürme'  einen  mächtigen  Eindruck;  er  wird  gesteigert  durch  das 
Glitzern  sechs  metallener  Kuppeln  und  goldener  Kreuze  der  weissmarmornen 
Kirche,  die  wie  ein  Juwel  von  dunklem  Grunde  sich  aus  der  dunklen  Schloss- 
umrahmiini;  leuchtend  abhebt.  Die  Bauern  nennen  dieses  und  jedes  Kloster 
wahrscheinlich  deshalb  „Namasija"  (nama  sija,  uns  leuchtet  es),  obschon  es 
richtig  „Manasija"  heisst.  Die  durch  krenelierte  Mauern  verbundenen  Türme, 
deren  höchster,  „Despotova  kula"  genannt,  wohl  als  Lug- ins- Land  diente, 
bilden  ein  Polygon,  dem  im  NO.  ein  kleines  Werk  vorlag.  Von  diesem  lief  eine 
dem  Burggrundriss  folgende  Aussenmauer  mit  tiefem  Graben  im  Halbkreis  zur 
Resava,  über  deren  Brücke  man  von  W.  zu  dem  von  zwei  hart  aneinander  gerückten 
Türmen  verteidigten   Haupteingang  gelangte. 

')  Starinar,  IV,  65. 


Ueber  Pozarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo.         267 

Zur  Zeit  erbaut,  wo  das  Schiesspulver  kaum  in  Serbien  gekannt  war,  zählte 
das  1407  begonnene  und  1418  durch  den  eigens  hierzu  berufenen  Patriarchen 
Ciril  mit  grossem  Pomp  geweihte  Kloster  zu  seinen  stärksten  Festen.  Trotzdem 
eroberten  es  die  Türken  1439.  Nachdem  es  1444  wieder  in  Brankovics  Besitz 
gelangt  war,  1456  durch  Feuer  verheert,  am  22.  Mai  1458  von  Mahmud  Pascha 
Andjeiküvic  und  im  Juli  1689  von  den  Kaiserlichen  genommen  wurde,  teilte  es 
seit  der  österreichischen  Occupation  1717—1739  als  befestigtes  „Resava"  die 
wiederholt  berührten  Schicksale  des  Landes.  Im  wechselvollen  Freiheitskrieg  zu 
Beginn  des  vorigen  Jahrhunderts  von  den  Türken  mehrmals  geräumt,  besetzten  sie 
es  zuletzt  1813.  Zwei  Jahre  später,  als  Milo§  nach  glücklichen  Kämpfen  an  der 
Morava  seine  Friedensverhandlungen  mit  Mara§li  Ali  Pascha  zu  Cuprija  begann, 
warf  sicii  der  die  Fortsetzung  des  Krieges  fordernde  tüchtige  Wojwode  Pavle  Cukic 
mit  einer  kühnen  Schar  in  das  Resavatal  und  setzte  sich  in  Manasija  fest, 
entschlossen,  hier  seine  Politik  gegen  den  Pascha  und  Milos  zu  verteidigen.  Dem 
entsandten  Wojwoden  Vujica  gelang  es,  Cukic  nach  kurzer  Gegenwehr  zur  Über- 
gabe des  Schlosses  und  Aussöhnung  mit  Milo§  zu  bewegen,  der  ihn  bis  zu 
dessen  bald  darauf  erfolgtem  Tode  in  allen  Würden  beliess. 

Der  Stifter  des  ursprünglich  „Resava"  genannten,  der  hl.  Dreieinigkeit 
(Sv.  Trojica)  geweihten  Klosters  war  der  beklagenswerte  Sohn  des  auf  Kosovo 
gebliebenen  Lazar,  Stefan  Lazarevic,  „Despot  aller  serbischen  Länder  und 
Küsten",  in  Wahrheit  aber  der  demütige  Vasall  und  Schwager  des  Sultans 
Bajazet.  Hierher  zog  er  sich  zurück,  als  die  Residenz  Krusevac  durch  die 
Frhouung  der  ersten  Moschee  in  Serbien  tleni  Volke  entheiligt  erschien.  An  den 
Westmaueni  lehnten  die  Wohngehäiide;  die  „Knjiznica"  (Bücherei),  in  welcher 
er  mit  frommen,  gelehrten  Männern  verkehrte  und  selbst  viele  Bücher  schrieb, 
stanti  im  südöstlichen  Burghof,  wo  ihre  Mauern  neben  dem  heutigen  Mönchs- 
konak  erkennbar  sind.  Der  am  31.  Juli  1427  erfolgte  Tod  des  Despoten  ist  in 
mythisches  Dunkel  gehüllt.  Fine  Sage  lässt  ihn  aus  Verzweiflung  über  die 
unaufhaltsamen  Fortschritte  der  Türken  im  Schloss  Resava  selbst  Hand  an  sich 
legen;  eine  andere  ihn,  in  (jrüheln  über  fromme  Dinge  versunken,  bei  einem 
abendlichen  Spaziergang  ausserlialh  des  Schlosses  das  ausgegebene  Losungswort 
vergessen  uiul  von  der  ihn  anrufenden  Wache  töten;  eine  dritte  ihn  im  Rudnik- 
gebirge  in  einem  (jefecht  mit  ilem  rebellischen  Brankovic,  eine  vierte  ihn  am 
Kosmaj  auf  der  Jagd  durch  einen  Sturz  vom   Pferd  pli\tzlich  enden.     (X.  Kap.) 

(ileicli  wenig  weiss  man,  \\i<  tler  [)es|iot  begraben  wurde.  Finige  Chronisten 
iKTichien  zu  Resava  (Manasija)  In  der  Beschreibung  eines  Ausfluges  nach  den 
Klöstern  /wischen  dem  Kablar  uiul  OvCar  erwähnt  aber  Vuk')  bei  Drvenglava 
(CrkvineV)  im  Kragujevacer  Kreis  eine  Steinplatte  von  weissem  Stiuienicacr 
Marmor,  2  m  IkkIi,  (),()3  m  breit  und  0,20  m  stark  mit  der  Inschrift:  „Car  slavi, 
Isus  I  Irislos.  Ich  Despot  Stefan,  Sohn  des  heiligen  Knez  Lazar.  und  nach  dessen 
Tode  von  (iottes  (jiiaden  Herr  aller  Serben  in  den  Donau-  und  Savaländern  und 
teilweise  auch  von   Ungarn  uiul  Bosnien,  iles  Küstenlandes  und  der  Zeta.     In  der 

')  D.iima,  .<7  lt.,   lH_t).         Mi)iiunieiil.i  serhica,  Xtöf. 


268  Uübtr  l'oiarcvac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  St-njc  und  Dobritcvo. 

von  Gült  mir  verliehenen  Gewalt  und  Macht  lehle  ich  die  Zeit  meines  Lebens 
nach  dem  Gefallen  des  „wohllieben"  (blanomu)  Gottes  38  Jahre  (ReKierun^sjahre). 
Darauf  wurde  auch  mir  der  allgemeine  Befehl  des  Kaisers  aller  Kaiser,  und  der 
En^el  ward  zu  mir  ^i^sandt.  Der  Kn^^el  kam,  und  meine  Seele  trennte  sich  von 
meinem  armen  Leibe  am  Orte,  „Glava"  genannt.  Im  laufenden  Jahre  (1427), 
Ankiauli^iinj^  5,  Sonnenkreis  19,  Mondkreis  19,  am  19.  Juli."  An  der  linken 
Kante  des  Steines  läuft  die  Inschrift:  „Wohlehrwürdif^er  Herr  Despot  Stefan, 
guter  Herr";  an  der  rechten:  „Der  überaus  gute  und  liebe  Despot.  Traurig  sei 
derjenige,  der  ihn  an  diesem  Orte  tot  sah"    (hier  vor  seinem  Grabe  steht). 

Die  Zahlen  dieser  Steinplatte  stimmen  auffallend  genau  mit  jenen  des 
„Carostavnik"  (Lrzhischof  Danilos  Regententafel)  und  mit  der  liilandarer  Chronik 
vom  Athüs,  widerlegen  aber  den  alten  Historiker  Rajic,  der  behauptete,  Stefan 
habe  zu  Srebrnica  an  der  Rudniker  Despotovica  residiert  und  sei  dort  im  Juni 
(nicht  im  Juli  1427)  verschieden,  worauf  er  nach  seinem  Willen  zu  Manasija 
bestattet  wurde.  Die  F^latte  bezeugt  andererseits  die  Richtigkeit  der  von  Rajic 
bekämpften  Mavrourbinschen  Mitteilung,  nach  welcher  der  plötzlich  gestorbene 
Despot  nahe  dem  Orte,  wo  er  vom  Pferde  stürzte,  bestattet  wurde,  was  nach 
meiner  Ansiciit  nicht  ausschiiesst,  dass  man  später  Stefans  Sarg  nach  Manasija" 
übertrui^,  tiocii  den  Stein  an  seiner  ursprünglichen  Stelle  liess.  —  Nach  einer 
fünften  Version  lag  aber  Stefans  Leichnam  niemals  unter  diesem,  und  er  sollte 
nur  die  Türken  über  dessen  wirkliche  Ruhestätte  täuschen.  Das  Volk  teilt  diese 
Ansiciit  nicht.  Als  die  Bauern  des  benachbarten  Jagnjilo  die  für  wundertätig 
gehaltene  Platte  in  ihr  Dorf  brachten,  vernichtete  ein  schreckliches  Hagelwetter 
die  Saaten,  und  im  Glauben,  Gott  habe  sie  für  ihren  Frevel  gestraft,  trugen  sie  den 
Steiji  wieder  an  seinen  früheren  Ort.  Fürst  Milos'  Absicht,  auf  der  Grabstätte 
des  als  „visoki"  (Erhabener)  und  „predobroga"  (Überguter)  verehrten  Despoten 
eine  Kirche  zu   stiften,  wurde   1841   zu  Jagnjilo  ausgeführt  (X.  Kap.). 

Kehren  wir  vom  Grabe  des  Despoten  zu  der  ihn  überlebenden,  der  hl.  Drei- 
faltigkeit geweihten  Schlosskirche  zurück,  zu  deren  Ausstattung  mit  kostbaren 
Geräten  und  Büchern  er  Leute  nach  Byzanz  und  auf  den  hl.  Athos  entsandte. 
Wie  die  meisten  altserbischen  Kirchen,  gehörte  auch  die  von  frischgrünenden 
Akazien  umgebene  von  iWanasija  dem  byzantinischen  Stil  der  späteren  Epoche 
an.  Ihre  Grundform  bildet  das  griechische  Kreuz.  Vier  massive,  durch  Bogen 
und  Pendentifs  verbundene  Pfeiler,  tragen  über  der  Vierung  den  hohen  Tambour, 
auf  welchem  die  Hauptkuppel  ruht,  vier  kleinere  umgeben  sie  auf  den  Enden  der 
Kreuzflügel;  eine  Anordnung,  welche  an  die  St.  Theodosiuskirche  in  Konstanti- 
nopel erinnert;  eine  fünfte  Kuppel  krönt  die  Vorhalle  des  Narthex.  Die  äussere 
Dekorierung  des  Baues  beschränkt  sich  auf  einfach  profilierte  Gesimse,  Lisenen 
und  Bogenfriese.  Sie  sind  gleich  den  Flächen  aus  hellem  Marmor,  welcher  durch 
die  Jahrhunderte  prächtig  gelb  oxydierte. 

Die  inneren  Verhältnisse  der  Kirche  erscheinen  sehr  harmonisch.  Dies 
beruht  namentlich  auf  der  glücklich  getroffenen  Uebcrhohung  der  Halbkreisbogen 
durch  verlängerte  Schenkel  in  den  vier  Haupt-  und  Nebenschiffen.  Verglichen 
mit  der  kostbaren  Ausstattung  des  grössten  byzantinischen  Prachtbaues,   der  Aya 


lieber  Pozarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  DobriCevo. 


269 


Sophia,  ist  jene  der  serbischen  Kirchen  ärmhch,  und  doch  fühlen  wir  selbst  In 
Manasija  etwas  von  dem  oft  beschriebenen,  überwältigenden  Eindruck  dieses 
unerreichten  Musters  osteuropäischer.Baukunst.  In  dem,  durch  die  schmalen  Tambour- 
fenster nur  spärlich  einbrechenden  j^edämpften  Licht  blickt  aus  der  Kuppelwölbung 
das  gigantische  Bild  des  Pantokrators  herab,  umgeben  von  Propheten,  Aposteln, 
Märtyrern  und  Heiligen.  Von  den  Sockeln  bis  zur  Kuppel,  von  der  Vorhalle  bis 
zur    Apsis    bedecken   die  Wandflächen   streng  stilisierte  figurenreiche  Scenen  aus 


MANASIJA,   IriiKTcs  ili-r  Km  luv 


dei  luiligrn  Stlirilt.  Dio  l'leilei  siiul  mit  llalbsiiulon  ahgcfasst  und  zeigen 
wclkiilurmig  umrahmte  iJrustiiilik'r  von  Heiligen.  Diese  und  auch  die  Ornamente 
an  den  (iesimsen  und  llalhsäulen  wurden  leider  grösstenteils  von  den  bilder- 
leindiichen  Türken  zerstört.  Von  den  eriialtenen  Fresken  ntöchte  ich  ausser  dem 
Bilde  des  Stifters  nur  die  schönen  Figuren  in  iler  Apsis,  das  Schweisstuch  am 
Scheidebogen  unil  tias  gut  komponierte,  aber  stark  verwischte  Votivbild  an  der 
Westvvand  erwäimen.  Die  Apsis  wird  dem  profanen  Auge  durch  eine  sehr 
dürftige  Ikonostasis  (Bilderwand)   entzogen;   die   ursprüngliche  wurde   gleich  aller 


270  lieber  I'o^arcv.ic,  Oornjnk,  Manasija  nach  Ravanica,  Senjc  und  Dobritcvo. 

bewu^Hchcn  liinricIituiiK  in  'ifii  TUrkenstürmen  vernichlct.  Auf  dem  Altar  prangt 
ein  prachtvolles  Kreuz  und  ein  lAanjjelium  mit  kostbarem  Einband,  beides 
Geschenke  des  russischen  Zaren.  Einfache  Pulte  mit  den  zum  Kuss  bestimmten 
Heilij^enbildern,  seltsam  (;;eformtc  riesi^^e  Kerzenträj^er,  ein  aus  der  Kuppel  herab- 
hänf^ender  Leuchter,  hübsch  j^eschnitzte  iietstühle  und  eine  Ambo  bilden  die 
Ausschmückunj;  des  Transeptes.  im  Narthex  ist  noch  ein  weisses  Marmorkreuz 
auf  rotem  Gruiul,  als  Rest  des  ursprünf^lichcn  Mosaikpflasters,  erhalten. 

Im  J.  1733  traf  Maksim  Radkovic ')  die  Kirche  mit  Blei  gedeckt.  Wahr- 
scheinlich wurde  die  Bedachunf?  im  Freiheitskrieg;  zu  Kuf^eln  um^eschmolzen;  der 
vielen  „moskowitischen"  Bücher,  welche  der  I^uman  Joasav  ihm  zeigte,  wurden 
seitdem  wcnijj;cr;  schon  damals  besass  das  Kloster  eine  Glocke.  In  letzter  Zeit 
^ehiirtcn  zum  Sprengel  des  Klosters  die  zwei  Pfarreien  Domnica  und  Despotovica 
mit  nahezu  6000  Seelen.  Es  besitzt  29  Hektar  Feld,  1089  Hektar  Bergwiesen, 
293  Hektar  Wald,  1,6  Hektar  Wein-  und  Obstgärten,  Gebäude,  Mühlen  usw. 
Seine  jährliciie  Einnahme  beträgt  durchschnittlich  8000  d  und  gleichviel  die 
Auslage.  1874  besass  es  ein  Barkapital  von  7500  d,  1888  von  13720  d.  Der 
Archimandrit,  die  3  Duhovniks  und  Schüler  bewohnen  ein  bescheidenes,  an  der 
Schlossniauer  lehnendes  Gebäude,  dessen  Bilder,  Landkarten,  Bücher  und  die 
Wände  schmückenden  Porträts  beider  serbischen  Fürstenfamilien,  der  Metro- 
politen u.  a.  die  edlere  Sinnesrichtung  und  gerühmte  Kunstliebe  des  verstorbenen 
Archiinantlriten  Evgenije  verrieten.  In  den  wohnlichen  Räumen  wurden  die 
Traditionen  serbischer  Gastfreundschaft  voll  geübt.  Man  wird  zeitlich  geweckt; 
denn  schon  um  3  Uhr  ruft  die  Glocke  die  Mönche  zum  Morgengebet  in  die 
Kirche,  ein  zweites  folgt  um  5  Uhr,  das  dritte  und  letzte  am  Abend;  dazwischen 
besorgen  die  Geistlichen  und  Schüler  die  Geschäfte  in  Haus  und  Feld. 

Duhovnik  Ciril  und  Lehrer  Manjanovic  von  der  nahen,  1851  begründeten 
Klosterschule  suchten  sich  mir  recht  nützlich  zu  machen.  Auf  einem  gemeinsamen 
Spaziergang  fand  ich  auf  dem  linken  Resavaufer  einen  trefflichen  Aussichtspunkt 
auf  das  Schloss  und  Kloster.  Seine  verschiedenen  Bauten  lösten  sich  gut 
voneinander  und  boten  mit  dem  lauschigen  waldreichen  Abschluss  und  der  im 
Vorgrund  hinschäumenden  Resava  ein  hübsches  Bild;  nur  einige  Baumkronen 
hinderten  den  vollen  freien  Ausblick.  Flüchtig  bedauerte  ich  diesen  im  Zeichnen 
mich  störenden  Umstand.  Als  ich  am  nächsten  Morgen  die  Skizze  vollenden 
wollte,  fielen  eben  die  letzten  dichtbelaubten  mächtigen  Eichenstämme  unter  den 
kräftigen  A.xthieben  des  Klostergesindes.  Sie  fielen  trotz  meiner  Einsprache. 
Man  versicherte  aber,  dass  es  hier  bei  so  grossem  Waldsegen  auf  einige  Bäume 
nicht  ankäme  und  alles  sich  der  neugewonnenen  schönen  Aussicht  freuen  werde. 
„Herr,  sie  soll  Ihren  Namen  tragen!"  rief  der  Lehrer,  „damit  unsere  Kinder  sich 
stets  des  Fremden  erinnern  mögen,  der  aus  weiter  Ferne  kam,  um  unsere  lang 
vergessenen  Denkmäler  zu  erforschen!"  Bewegt  von  der  einfachen  herzlichen 
Ansprache  liess  ich  mich  auf  einen  der  gefällten  Stämme  nieder.  Sinnend  und 
arbeitend  vergass   ich   meine  Begleiter,   welche   eifrig  den  Strichen  meines  Stiftes 

')  A.  a.  O.,  Glasiiik,  Bd.  56. 


L'eber  Po2arevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo.         273 

folgten.  Da  ertönte,  als  andere  Überraschung  des  wackeren  Lehrers,  ein  wohl- 
geschulter Knabenchor.  Der  Wald  hallte  von  der  schönen  Melodie  des  „Fürsten- 
liedes" wider,  der  gelungenen  Komposition  eines  Mönches  aus  der  sirmischen 
Fruska-Gora;  die  Vögel  sangen  mit  den  Schulkindern  zum  Preise  des  Serben- 
fürsten um  die  Wette.  Dazwischen  ertönte  der  feierliche  Klang  der  Kirchenglocke 
im  isolierten  hölzernen  Gerüstturm.  Scenerie,  Staffage,  Empfindungen  stimmten 
wunderbar  zusammen.  Es  war  einer  jener  Momente,  welche  den  Reisenden  für 
manche  Entbehrung  entschädigen.  Heute  ist  der  wackere  Öiril  „Iguman"  von 
Manasija.     Mnogaja   Ljeta!     Gebe  ihm  Gott  noch  viele  Jahre! 

Erstaunlich  gross  ist  die  Zahl  der  Stiftungen  des  frommen  Despoten  Stefan; 
beinahe  scheint  es,  als  habe  er  dem  lieben  Gott  seine  Hilfe  gegen  die  ihn  hart 
bedrängenden  Moslims  durch  viele  Kirchenbauten  abringen  wollen.  Bei  Manasija 
steht  im  Dorfe  Bukovac  ein  jetzt  verfallenes  Klosterkirchlein  Sv.  Trojica,  bei 
Dvoristes  Pulvermühie  eine  dem  Sv.  Nikola  geweihte  Kapelle;  auch  die  erst 
neuestens  freigelegten  Grundfesten  einer  Kirche  mit  Narthe.\  und  von  vier  Pfeilern 
getragener  Kuppel  bei  dem  westlichen  Rado§in')  werden  ihm  zugeschrieben. 
Welch  hohes  Ansehen  die  Stiftungen  des  durch  Sagen  und  Heiligenschein  ver- 
klärten „Stefan  visoki"  beim  Volke  geniessen,  dies  bezeugt  sein  Glaube,  dass  an 
diesen  verrichtete  Gebete  weit  wirksamer  sind,  als  jene  in  neu  erbauten  Kirchen. 
Die  Regierung  bedurfte  selbst  vor  Jahren,  da  die  Masse  noch  viel  religiöser  als 
heute  war  —  wie  mir  der  Kultusminister  Kosta  Cukic  mitteilte  —  ihres  ganzen 
Eintlusses,  um  namentlich  die  dem  Kloster  Manasija  benachbarten  Orte  zum 
fiau  eigener  Kirchen  zu  bewegen.  Die  Bewohner  des  wohlhabenden  Medvedje 
sträubten  sich  beispielsweise  lange  gegen  den  bezüglichen  Auftrag,  behauptend, 
dass  sie  es  vorzögen,  statt  jeden  Sonntag  zur  eigenen  Kirche  zu  gehen,  nur  an 
hohen  Festtagen  nach   den  Klöstern  Manasija  und  Ravanica  zu  pilgern. 

Die  poetisch  ausgeschmückten  Traditionen  vom  einstigen  Glänze  des 
Serbenstaates,  welche  sich  mit  diesen  Heilstätten  eng  verbinden  und  in  den 
Volksliedern  fortlebten,  trugen  gewiss  nicht  wenig  dazu  bei,  dass  der  von 
Karadjordje  inscenierte  Aufstand  gegen  das  Türkenregiment  im  Resavagebicl  sein 
stärkstes  Echo  fand.  Hier  und  an  der  MIava  entflammte  1804  der  Kampf,  dessen 
sicherer  Hort  das  Beljanicagebirge  wurde.  Auf  seine,  Serbiens  einstige  Selb- 
ständigkeit wohl  kennenden  kampflustigen  Bewohner  rechneten  auch  die  Wojwoden 
Milenko  und  Dobrinjac,  als  sie  an  die  Morava  zur  Umklammerung  der  Türken 
zogen.  Westlich  von  Manasija,  zu  Grabovac,  war  auch  der  berühmte  Knez 
Siel'an  Sinceiic  geboren,  in  jedem  Zoll  ein  „Junak",  ein  Repräsentant  der  in  den 
Viilksljedern  verherrlichten  altserbischen  Helden,  die  sich  auf  die  Feinde  stürzten, 
ohne  sie  zu  zählen.  Bei  Nis  werde  ich  sein  todesmutiges  Ende  schildern.  Siels 
und  üiierall  bewiesen  die  Männer  des  „Branicevo"  ihre  Vaterlandsliebe.  Noch 
iiis  zum  i'reiheitskrieg  unterschieden  sie  sich  von  den  anderen  Serben  durch 
ein  schwarzes  Käppchen.  Karadjordje  verbot  es;  der  uniforme  Fes  trat  an  seine 
Stelle.  Auch  der  Landschaftsname  „Braniü'evo"  verschwand  ganz  in  der  neuen 
zentralisierenden  Kreiseinleilimg  des  Laniles. 

')  Stariiiar,  XII,  Kt2. 
r.  KANITZ,  SiTliicn.    I.  "* 


274         Ucbcr  PoiSarcvac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobriievo. 

Das  viülvcrüstctc  Quellenrescrvoir  der  von  und  zwischen  den  hohen  Berten 
Bilanica  (1320  m),  Straza  (1296  m),  V.  Trcsla  (1301  in)  u.  a.  des  wcitjjedehnten 
üolubinjcziij^es  abströmenden  Rusava  gehört  zu  den  geographisch  interessantesten 
des  serbischen  Nordostens.  Wahrend  die  zahlreichen  Zuflüsse  ihres  gleichnamigen 
nördlichen  Hauptarmes  durch  tiefeingeschnittene,  steilgeböschte  Engschluchten  sich 
ihren  Weg  bahnten,  werden  zwei  ihres  „Resavica"  genannten  Sudarmes,  das 
Nekudovo  und  Dobra  voda,  in  ihrem  von  SO.  nach  NO.  nehmenden  Lauf 
ilurcli  sie  in  unterirdische  Regionen  ableitende  Trichter  (ponor)  abgeschnitten, 
was    mit    zahlreichen    Höhlen    und    Dolinen    im    kretacischen   Kalk    dem    ganzen 


RAVANICA,  Grosse  Rose. 


Gebiet  bis  zur  südlichen,  gleichfalls  teilweise  in  hohe  Steilschluchten  eingebetteten 
Ravanica,  trotz  der  prächtigen  Laub-  und  Nadelholzwälder  in  seinen  höheren 
Teilen,  den  Charakter  eines  stark  verkarsteten  Bodens  aufdrückt,  dessen  typische 
Phänomene  ich  im  Xil.  Kapitel  des  II.  Bandes  eingehender  schildern  werde. 

Der  überjezero  führende,  vielcoupierte,  beide  Flusstäler  verbindende  direkte 
Reitweg  wurde  mir  als  so  ermüdend  und  wenig  interessant  geschildert,  dass  ich  es 
vorzog,  mein  nächstes  Ziel,  das  vielbesungene  Kloster  "Ravanica,  auf  dem  Umweg 
über  Cuprija  zu  erreichen.  Die  dreistündige  Strasse  dahin  führt  über  sanfte  Höhen 
mit  hübschen  Eichen-  und  Buchenständen,  durch  reichtragende  Kulturen  zwischen 
Eschen-  und  Birkenhainen  in  den  Talweitungen.     Allerorts  musizierte  es  im  Busch, 


Ueber  Poiarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo. 


275 


Singvögel  und  noch  melir  Sperlinge  flatterten  in  den  Baumkronen,  obschon  gerade 
in  diesem  Kreise  der  bäuerliche  Unverstand  eine  Prämie  auf  ihre  Vernichtung 
ausgesetzt  hatte.  Auch  Adler,  Geier  und  kleinere  Raubvögel  kreisten  spähend 
über  unseren  Köpfen.  Überhaupt  fänden  Nimrode  in  den  wildreichen  westlichen 
Bergen   volle   Rechnung;   denn   ausser  Hasen,   Rehen  und  Wildschweinen  gibt  es 


RAVANMCA,   l-cnsItT  viin  der  Slldfnssadc. 


dort    Dachse,    Inichse    und   Wölfe,   ja    selbst    Bären    beunruhigen    manchmal    die 
zahlreichen  llcnlcn,  an  welchen  der  Cuprijaer  Kreis  so  reich  ist. 

lliiicic  1  i/;ilihmi;cn  iIcs  luicli  begleitenilen  Schullehrers  kürzten  den  durch 
das  WdlillialuMiik'  V'njnik  (ühremlen  Weg.  dessen  Kinder  nun  nicht  mehr  nach 
Maiiasii.i  wamlern  dürfen,  da  18()'.)  die  Klosterschule  dahin  übersiedelte.  Ostlich 
blich  /idiljc  mit  sciiicin  alten  Kirchlein  Sv.  Pantelija.  Weiler  ging  es  über  die 
p,uk;ilmli(  lu'    1  IiuIii'Ih'mc    mui    Ivankovac,    deren    üppiger   Waldboden    mit    viel 

IS* 


27(!         Ucbcr  Pfiiarevac,  Gornjak.  Manasija  nach  Ravanica,  Scnjc  und  DobriCevo. 


KS 


läj, 


RAVANICA,  Grundriss  der  Kirche. 


kostbarem    Mensclienblut    im   Freiheitskrieg  gesättigt   wurde,    nach    einer    breiten 
Lichtung,    ciurcli  welche    Cuprijas  weisses    Nacelstvo  in  Sicht  'trat.     Ich  verweilte 


RA  VAN' IC  A,   Relief  von  der  Hauptfassade. 

vorerst  nur  kurz  dort,  denn  ein  wichtigerer  Programmpunkt  führte  mich  nach  dem 
berühmten  Kloster  Ravanica,  dessen  Bauten  die  Volkslieder  so  sehr  priesen.  Über 
Senje  und  vorbei  an  Dobricevo  (S.  287)  tritt  die  Strasse  in  den  tiefen  Talein- 
schnitt der  Ravanica,  und  bald  stand  ich  vor  der  berühmten  altserbischen  Heilstätte. 


Uebcr  F'ozarcvac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senjc  und  Dobriccvo.  -77 

Drei  grosse  Namen,  eng  verknüpft  mit  dem  Untergang  des  altserbischen 
Reiches  und  viel  besungen  in  den  Nationalliedern,  sichern  Ravanica  beim  Serben- 
volk eine  weit  über  die  Grenzen, des  Königreichs  hinausgehende  Verehrung. 
Erbauer  des  Schlosses,  seines  berühmten  Krankenhauses  für  heimische  und  fremde 
Kranke,  sowie  für  Sieche'),  und  der  1381  zu  Ehren  der  „Himmelfahrt  Christi" 
gestifteten  Kirche  war  Zar  Lazar,  jener  letzte  unabhängige  Serbenfürst,  welcher  mit 
seinem  Schwiegervater  Jug  Bogdan  und  dessen  neun  Söhnen  1389  auf  dem 
Kosovo  poije  (Ainselfeid)  Reich  und  Leben  verlor.  Eine  Inschrift  von  roten 
Ziegehi,  eingefügt  im  weissen  Kalkmörtel  am  Kapellenturm,  verewigt  ihn  als: 
f  Lazar  Ktitor  svetago  Mesta  sego  f  (Lazar,  Gründer  dieses  geheiligten  Ortes). 
Milos  Obiiic,  Lazars  Schwiegersohn,  von  dessen  Hand  Sultan  Murad  in  derselben 
Schlacht  fiel,  gab  einem  anderen  der  sieben  Schlosstürme  seinen  Namen,  und  oft 
weilte  hier  Lazars  bisher  als  Hauptschuldiger  im  Kosovodrama  geltender  Eidam 
Vuk  Brankovic,  dessen  vermeintlicher  Verrat  die  Geschicke  seines  Vaterlandes 
unheilvoll  gestaltete-). 

Zar  Lazars  Leichnam  wurde  vom  Schlachtfeld  zuerst  in  die  Erlöserkirche 
nach  Pri.stina  und  1391  durch  seinen  Sohn  Stefan  nach  Ravanica  gebracht-^).  Als 
man  ihn  aber  auch  dort  nicht  vor  türkischer  Profanierung  sicher  glaubte,  übertrug 
man  iim  nach  dem  Serbendorf  Sz.  Endre  bei  Ofen  und  zuletzt  bleibend  in  das 
sirmische  Kloster  Vrdnik,  welches  fortan  „Ravanica"  hiess  und  als  grosses 
serbisches  National-Reliquiarium  diente.  Als  ich  es  1863  auf  einer  archäologischen 
Studienreise  besuchte,  sah  ich  in  seinem  Kirchenschatz  unter  vielen  anderen 
Kostluirkcilen  einen  „Kovcig"  (Hostienschrein)  in  Gestalt  einer  IS  cm  langen, 
21,5  cm  hohen,  in  Silber  getriebenen  Nachahmung  von  Lazars  Kirche  im  Kloster 
Ravanica.  Die  Mönche  zeigten  sie  als  deren  ursprüngliches  Modell,  eine  über- 
kommene Tradition,  welche  ich  jedoch  mit  der  einer  späteren  Zeit  angehörigen 
Technik  des  mit  getriebenen  Reliefs  von  Heiligen,  mit  Filigran  und  blauen  Email- 
grüiuien  gezierten  Werkes  nicht  übereinstimmend  fand  und  auch  mit  der  an 
seiner  Apside  angebrachten,  den  „majstor  (Goldschmied)  Nikola  Nedeljkovic  1707" 
nenniiickn  Insclirift  im  Widerspruch  steht.  Das  aus  Seide  gewebte  Kleid  des 
Zaren  ist  von  besonderer  Schönheit  und  auch  für  den  Kulturhistoriker  von  Interesse; 
denn  wäre  es  nicht,  wie  ich  glaube,  aus  Italien  importiert,  spräche  es  für  die 
hohe  llntwickelung  einiger  altserbischen  Industriezweige  vor  der  türkischen  Invasion. 
Das  Ornanieiit  iKsieht  aus  je  zwei  einander  zugekehrten,  streng  heraldischen 
Greifen,  ainveclisehul  mit  schön  stilisiertem  Blattwerk.  Die  Knöpfe  mit  reicher 
l'erlstickerei  wintien   leider  gri'isstenleils  durch   „fromme  Verehrer"   entführt. 

\'r(hiik  lu'w.ihrt  auch  die  Stiftungsui kinuk'  des  serbischen  Ravanica.  Sie 
mnnl  I ,"i()  Orte,  dariniter  viele  noch  heute  bestehende,  mit  welchen  das  Kloster 
liedaclit  wurde ').      Nach   dem    \'olkslied    bestimmte    Milica    ihren    Gemahl    Lazar, 

')  (ilasnik,  .\.\l,  ',K)  f.  —  •)  linier  den  ihn  neiicslens  rechtfcrliucnilcn  Schriften  sei  hier  auf 
ilu-  im  II.  iiiul  III.  Haiule  weiter  herührlen  von  Kiivarac,  KiivaCeviO  inul  Sinnojcvic  hingewiesen. 

')  Die  n.'lheren  Daten  liei  Novakovii',  Serlien  luul  Türken,  MWi  (f. 

')  Von  tieni  iltneh  Herrn  Prof.  Saiulic  phi^to^raphisch  edierten  Chrysot'iiil  wird  noili 
IUI  .\\l    Kapitel  des  III.  Bandes  die  Sprache  sein. 


278         Ucbcr  Po2arcvac,  Gornjak,  M;inasija  nach  Ravanica,  Scnjc  und  ÜobrKvvo. 

sein  Si.'LlcnhLil  diirtli  ilcii  Bau  eines  Khisters  zum  F'rcise  des  Allmächtif^en  zu 
sichern,  das,  aus  kostbarstem  Material  erbaut,  mit  Mosaiken,  Silber,  [Edelsteinen, 
Perlen  rcicli  nescliniückt,  alle  friilicrcn  derarlinen  Bauwerke  übertreffend,  zuf^leicli 
des  Zaren  Opferfreudit^keit  mul  seinen  Meister  Rade  ')  für  alle  Zeiten  verewigen 
sollte.  Doch  schon  hatten  die  Türken  den  Europa  von  Asien  trennenden  Hellespont 
überschritten.  Byzanz  beulte  sich  vor  dem  Halbmond,  bereits  näherte  sich  der 
furchtbare  Waffenlärm  dem  rüstenden  Serbenreich,  und  Lazars  treuer  Schwieger- 
sohn Miloä  Obilic  warnte  eindringlich  vor  so  unzeiti^er,  die  Habj^ier  der  Moslims 
herausfordernder  Verschwendung.  „Einzig  aus  Steinen  möge  man  die  Kirche 
bauen  —  unsere  Stiftung  winl  dann  ewig  währen;  denn  wo  Stein,  kann  man  nur 
Steine  nehmen!" 

Prophetisch  sah  Obilic  voraus!  Schon  1398  teilweise  niedergebrannt,  zer- 
störte Sultan  Murad  1438  das  Schloss  bis  auf  wenige  Mauerreste,  und  nur  die 
Freskenspuren  in  seinem  Kapelienraum  bezeugen  dessen  einst  prächtige  innere 
Ausstattung.  In  der  Kirche  beschränkte  sich  die  feindliche  Verwüstung  auf  ihren 
Bilderschmuck.  Sein  Verlust  ist  um  so  beklagenswerter,  als  mit  ihm  die  Bilder 
des  Stifters  und  seiner  Familie  verloren  gingen.  Glücklicherweise  bewahrt  aber 
nach  Halms  Mitteilung  die  selbst  bei  den  mohammedanischen  Albanesen  in  hohem 
Ansehen  stehende  Klosterkirche  Sv.  Prohor  bei  Vranja,  deren  Chalkidikum  Zar  Lazar 
erbaut  haben  soll,  ein  ziemlich  gut  erhaltenes  Bild  dieses  unglücklichen  Regenten. 

Ravanicas  Kirche  musstc  einst  in  ihrer  stilvollen,  streng  byzantinischen 
Anlage  von  glücklicher  Wirkung  gewesen  sein;  heute  leidet  diese  durch 
Restaurationssünden,  welche  eine  verständnisreichere  Zeit  wohl  beseitigen  wird. 
Der  schcme  Rohbau  aus  verschiedenfarbigen  Back-  und  Bruchsteinlagen  ver- 
schwand unter  einem  grellweissen  Kalkanstrich,  die  reizvollen  ornamentalen 
Linienverschlingungen  en  relief  sind  durch  die  wiederholte  Übertünchung  beinahe 
unkenntlich;  das  reiche  Hauptportal  und  andere  Verzierungen  wurden  ohne  Pietät 
ausgebrochen  und  in  einen  die  Stirnfassade  entstellenden  Zubau  eingefügt.  Einen 
'zweiten  kleineren  Vorbau  entfernte  man  vor  etw^a  25  Jahren. 

Die  architektonische  Anordnung  gleicht  der  bei  Manasija  geschilderten,  für 
welche  sie  als  Vorbild  diente.  Sehr  harmonisch  wirken  vier  zwischen  den 
Gicbclabsclilüssen  der  Hauptschiffe  auf  den  Kreuzflügeln  angebrachte  kleine 
Kuppeln,  über  welche  die  Zentralkuppel  auf  hohem  Tambour  sich  kühn  erhebt. 
Die  ganze  Konstruktion  erinnert  lebhaft  an  jene  der  Panagia  Nikodimo  zu  Athen. 
Die  in  Sandstein  ausgeführten  Ornamente  enthalten  aber  hier  auch  viele  arabische 
Anklänge;  beispielsweise  die  grosse  Rose,  ferner  zwei  im  Vorbau  eingelassene 
Tympanons  und  das  kleine  kreisrunde  Relief  ebendaselbst.  Dieses  zeigt  zwei 
phantastisch  geformte  Drachen,  deren  Einzelheiten  ornamental  höchst  rhythmisch 
verwandt  wurden. 

Es  ist  traditionelle  russische  Politik,  den  Zar  als  obersten  Schirmherrn  der 
orthodoxen  Kirche  auch  ausserhalb  seines  Staates  anerkannt  zu  sehen.  Geschenke, 
Unterstützungen,  Auszeichnungen  in  wahrhaft  kaiserlicher  Grösse  sichern  ihm  die 

')  Vuk,  Srpske  pjesme,  Bd.  II. 


Ueber  Pozarevac,  Garnjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senjc  und  Dobricevo.         279 

Anliäiif^lichkcit  der  L'influssrcichen  Geistlichkeit  im  ehemals  byzantinischen  Reich. 
Der  materiellen  Eroberung  desselben  soll  die  moralische  vorausgehen!  Auch  die 
serbischen  Klöster  erfreuten  sich  seit,  jeher  hohen  Wohlwollens.  Kloster  Ravanica 
bezog  auf  ürund  einer  Urkunde  Peters  des  Grossen  bis  vor  kurzem  eine  russische 
Subvention;  sein  Kirchenschatz  bewahrt  zwei  Diplome,  zwei  Evangelien  und 
einen  prächtigen  Kelch  als  Geschenke  dieses  Zaren  und  Katharinas.  Auch  der 
Name  eines  deutschen  Kaisers  und  österreichischen  Regenten  knüpft  sich  an 
Ravanica.  Eine  an  der  Südwand  der  Kirche  befindliche  serbische  Inschrift  aus 
der  kurzen  Occupationszeit  Österreichs  von  Serbien  lautet:  „Diese  Kirche  wurde 
renoviert  mit  Hilfe  Gottes  und  mit  Bewilligung  des  römischen  Kaisers  Karl  VI. 
durch  die  Bemühung  des  Mönches  Stefan  im  Jahre  171  ."  Die  unkenntliche 
Ziffer  dürfte  9  sein,  da  Serbien  1718  an  Österreich  fiel.  Eine  zweite  Inschrift 
rührt  von  Karadjordje,  eine  dritte  von  Fürst  Miloä  aus  ähnlichen  Anlässen  her. 
Von  historischem  Interesse  ist  auch  das  mit  einer  Votivplatte  bedeckte  Grab  des 
zu  Öhrida  in  Macedonien  geborenen,  im  serbischen  Freiheitskrieg,  namentlich  bei 
Deligrad  berühmt  gewordenen  „Kapelan  Cincar  Janko",  welcher  seine  von 
fanatischem  Hass  gegen  das  Türkentum  erfüllte  Seele  1833  auf  dem  Wege  von 
Sabac  nach  Alexinacka  banja  zu  Cuprija  aushauchte. 

Selbstverständlich  verlor  das  Kloster  während  der  türkischen  Epoche  den 
grüssten  Teil  seiner  reichen  Schenkungen.  Unter  Kaiser  Leopold  wurde  in  einer  am 
5.  Mai  1692  ausgestellten  Salva  guardia  „auf  demütigstes  Bitten  Unseres  lieben 
andächtigen  Ignatij  Monasterij  Ravanica  Superioris  das  in  Illirien  (Serbien) 
liegende  Kloster  Ravanica  sammt  denen  drey  Mühls  (Hatipova,  Bariamova,  Brodarecz) 
und  den  unter  dem  Dorf  Dobra  gelegenen  Teuch  (Greben-Fischfang?),  wie  auch 
ilerselben  Inwohner  An  und  zu  gehörungen  usw."  übergeben ').  Der  Ravanica  im 
Jahre  1733  besuchende  E.xarch  Maksim  F^adkovic  rühmte  es  als  reich.  Es  besass 
von  allen  Klöstern  der  Belgrader  Exarchie  das  meiste  Silbergerät,  die  prächtigsten 
Ornate,  2  Glocken,  viele  Bücher,  30  motike  Weingärten,  und  sein  Iguman  Gavril 
ans  dem  Nachbardorf  Bigrenica  mit  3  Jeromonachen  und  I  Diakon  lebten  in 
sehr  aiigeneluiien  Verhältnissen*).  Die  folgenden  Tiirkenkriege  scheinen  Ravanica 
arg  mitges|iielt  zu  haben;  seine  Profanbauten  verfielen  gänzlich.  Der  aus  Sirmicn 
gebürtige  Archimandrit  Dionisije  Popovic  erbaute  im  J.  1847  das  Kloslergebäude, 
in  dem  Ireniile  Pilger  gastlichen  Empfang  finden.  Dionisije  spielte  auf  der  Preo- 
brazenska  SkupStina  1861  eine  wichtige  Rolle,  indem  er  mit  seinem  ganzen 
Einfliiss  auf  die  unbedingte  Aiuiahme  der  von  iler  Regierung  gegen  die  türkische 
Suzeränität  gerichteten  Gesetzesvorlagen  wirkte.  Voll  jugendlich  lebhaften  Geistes 
war  Dionisije  ;uu  li  iTn  volkswirtschaftliche  Verbesserungen  tätig.  Verglichen  mit 
der  lamlesübllclien,  war  des  Klosters  Wiitschaftsweise  mustergültig.  Von  seinen 
13  Nachfolgern  verstand  es  auch  der  Archimandrit  Hadzi  Stephan  Bojovic,  ein 
als  Witwer  in  i\t:[\  Moni  Iisstand  getretener  Beamter,  Ravanicas  Wohlstand  zu 
Muluen.  Erreichen  seine  heutigen  Einkünfte  auch  nicht  entfernt  jene,  die  es  aus 
(k'ii    ursprünglicIuMi    Stiflimi;eii    luvog  nach    l.a/.irs   Sliflinigsbulle    waren    ihm 

')  Starinar,  V,  Hli  f.,  mit  vielen  anderen  l'rkinnlen  iiIht  Kavaiiica. 
')  A.  a.  O.  Cilasnik,  Hd.  M. 


2S()         Ufbi-r  l'o2uruv:ic,  üornjak,  Manaüija  nuch  K.ivanica,  Scnjc  und  Dobriicvo. 

von   ilcii   liLiili^cii   W  a-clilsiifcri^cn  Orten   des  Cuprijaer  Kreises  allein  30  zins- 
pfiiclititi     -  SU  ist  sein  iiinl<oninien  immerhin  not!)  I)elrilchtlicli. 

Zum  Sprenge!  des  spiltcr  von  dem  l(;uman  Josif  üavjonovid  j;>.n.iiiiLti 
Klosters  Hulitircii  4  Orte  mit  4517  See  en.  Von  Russland  erhalt  es  eine  jahriiehe 
Lichesnabe.  Als  lii^enlum  besitzt  es  63  Hektar  Keld,  von  welchen  aber  wegen 
inannuliuler  Arl)eitskriifte  mir  ein  Teil  bebaut  wird,  14  Hektar  Wiesen  und  6,3  Hektar 
Übst-  uiul  VVein};;irteii,  ileren  Trauben  berüiimt  sind,  636  Hektar  berj^iges  Waldland, 
3(J  Stück  Hornvieh,  2ÜÖ  Schweine  usw.  Trotzdem  es  bei  durchschnittlicher 
Hinnahme  von  8000  d  jährlich  5000  d  ausgab,  betrug  das  1888  angelegte  Kapital 
nur  7000  d.  Wie  alle  osteuropäischen  Heilstätten  belastet  auch  Ravanica  der 
altherkömmliche  Brauch,  alle  Besucher,  namentlich  aber  das  am  Sahortag  (Spasov 
d;iii)  iiiul  an  ckn  liolicii  Festtagen  in  grosser  Menge  herbeiströmende  Volk  be- 
wirten zu  müssen,  was  ilie  \N)rräle  in  Kammern  und  Kellern  stark  erleichtert.  Dabti 
fliessen  die  (jalien  inniicr  spärlicher,  während  die  Steuern  fortwährend  steigen. 

Während  ich  zu  Ravanica  meinen  kunsthistorischen  Studien  oblag'),  hatte 
sich  das  durchzogene  stille  Senje  in  ein  lärmendes  Lager  verwandelt.  Bei 
meiner  Rückkehr  fand  ich  dort  eine  mit  Frauen  und  Kindern  beladene  grosse 
Wagenburg  aufgefaiiren.  Malerische  Serben-  und  Walachengruppen  umlagerten' 
das  Gemeindehaus,  uiul  die  Ordnung  heischenden  Panduren  hatten  vollauf  zu  tun, 
im  dichten  Knäuel  uns  eine  Gasse  zu  öffnen.  Der  Paraciner  Kapetan  (Bezirkshaupt- 
mann),  eine  stattliche  Figur  mit  energischen,  gebräunten  Gesichtszügen,  rief  mir 
ein  herzliches  Willkommen  entgegen.  „Nun,  wie  gefällt  es  Ihnen  in  unserem 
Lande?  Ich  weiss,  Sie  sind  gekommen,  unsere  Sitten  und  Gebräuche  kennen  zu 
lernen;  gut;  ich  hoffe,  dass  sich  auch  hier  Gelegenheit  dazu  bieten  soll!  Sie 
werden  sehen,  wie  das  Serbenvolk  frei  seine  Knieten  wählt,  wie  wir  öffentlich 
unparteiisch  Gericht  halten  und  auch  gern  fremde  Einrichtungen,  wenn  sie  gut, 
bei  uns  einführen."  Letzteres  nahm  ich  —  die  Scene  spielte  1860  —  nicht  ganz 
wörtlich,  ich  k;  nnte  zu  gut  die  Kämpfe  der  Eingeborenen  mit  den  deutschen 
kiilturbringenden  Elementen  und  mit  den  Stammesbrüdern  aus  Ungarn,  welche  im 
höheren  Staatsdienst  ihre  „drüben"  erworbenen  Kenntnisse  oft  mit  grossem 
Erfolg  ihrem  Adoptiv-Vaterland  weihten.  Gleich  allen  Ausländern  waren  auch 
sie  den  Serben  „Schwaben",  gekommen,  um  die  besten  Stellen  den  Eingeborenen 
zu  entziehen,  um  sich  zu  bereichern,  zu  konspirieren  und  Gott  weiss  was  noch 
alles!  Der  deutsche  Ingenieur,  welcher  dem  Lande  Strassen  baute,  der  landwirt- 
schaftliche Schulen  anlegende  Ökonom,  der  ausländische  Offizier,  welcher  die 
todbringeiuien  Geschosse  anfertigte,  sie  alle  hatten  neben  den  Vorurteilen,  welche 
jede  Neuerung  bei  am  Hergebrachten  festhaltenden  Menschen  hervorruft,  noch 
überdies  solche  zu  bekämpfen,  welche  ihrer  fremden  Nationalität  galten. 

Auch  die  Gegenwart  des  Kapetans  war  nicht  ausschliesslich  durch  die 
Schlichtung  kommunaler  Angelegenheiten  bedingt.  Er  kam,  um  den  Kreisarzt  bei 
der  Impfung  des  nach  Senje  aufgebotenen  Nachwuchses  der  Umgebung  mit  seinem 
amtlichen  Ansehen  zu  unterstützen.     Denn  mehr   noch   als   andere  hatte  der  Arzt 


')  F.  Kanitz,  Serbiens  byzantinisclie  Monumente.  Wien,  k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei,  1862. 


Uuber  Pozarevac,  (jornjak,  Manasija  nach  Kavanica,  Scnjc  und  Dobricevo.  -Hl 

mit  tiefgewurzeltcri  Vorurteilen  zu  l<änipfen;  mit  Zigeunern,  alten  Weibern  und 
unwissenden  Mönchen  musste  er  in  Konkurrenz  treten!  Aus  Feld-  und  Wald- 
kräutern gebraute  Tränkchen,  Schweinefett,  Räucherkerzchen  und  wertlose  Amulette 
aus  Waciis  oder  Holz  sind  natürlich  billiger  als  Chinin  und  andere  medizinische 
Heilmittel,  und  zu  den  Arzneikosten  kommt  ja  noch  das  Honorar  für  den  Arzt! 
In  den  letzten  Decennien  ist  es  etwas  besser  geworden.  Noch  immer  steht  aber 
bei  vielen  Bauern  und  Städtern  die  Überzeugung  fest,  dass  der  europäische  Arzt 
von  Chirurgie  weniger  als  eine  geschickte  Baba  oder  ein  erfahrener  Krieger 
verstehe,  und  so  nimmt  man  gewöhnlich  erst  dann  seine  Hilfe  in  Anspruch, 
wenn  alle  Kurpfuscher  nicht  geholfen,  wenn  der  Tod  den  Kranken  schon  mit 
seiner  unerbittlichen  Hand  berührt.  Seht!  ruft  daiui  die  jammernde  Mutter,  auch 
der  „schwabische"  Doktor  half  nicht,  oder  Schlimmeres!  Viele  serbische  Kreis- 
ärzte mochten  früher  oft  in  zweifelhafter  Weise  ihr  Diplom  erlangt  haben;  man 
misstraute  jedoch  auch  solchen,  welche  in  jedem  Lande  ihrem  Beruf  Ehre 
gemacht  hätten. 

Die  materielle  Stellung  der  serbischen  Kreisärzte  war  bei  einem  Gehalt 
von  2()()()  Mark,  bei  der  Verpflichtung,  einen  Wagen  zu  halten  und  alle  Kranken 
im  Sprengel  unentgeltlich  zu  behandeln,  keine  beneidenswerte;  doch  die  jährliche 
„Impfungsreisc"  glich  manches  aus.  Im  Uzicer  Kreise  betrug  beispielsweise  1861 
die  Zahl  der  zu  impfenden  Kinder  nahezu  6000,  was  nach  der  Regierungstaxe 
von  60  c  das  liinkommen  des  Kreisarztes  bedeutend  erhiihte.  Später  betrug  sie 
nur  40  c  per  Kopf. 

„Nim  sollen  Sie  sehen,  wie  das  Serbenvolk  frei  seine  Knieten  wählt!" 
meinte  der  Kapetan.  Hass  und  Zwietracht  erfüllten  seit  einiger  Zeit  die  friedlich 
aussehenden  üehöfte  von  Senje.  Hie  Weif!  hie  Waiblingen!  Hier  der  alte  Kmet, 
der  ruhige,  pflichtgetreue  Ortsvorstand,  dort  ein  ehrgeiziger  Streber,  ihn  ver- 
dächtigend und  anfeindend,  um  selbst  der  „Erste  im  Dorfe"  zu  werden.  Die  Kämpfe 
grosser  Republiken  spielten  im  kleinen  Senje  sich  ab.  Der  im  Stillen  glimmende 
Hader  war  zum  Ausbruch  reif,  und  die  Ankunft  des  Kapetans  erschien  den  Ver- 
schwörern als  geeignetster  Augenblick,  um  offen  gegen  den  alten  Knieten  aufzutreten. 

Im  stammverwandten  Montenegro  hätten  die  beiden  Parteigruppen  vor  dem 
(jemeindehaus  einen  glänzenden  Anblick  geboten.  Es  war  aber  nicht  eine  Vojska, 
eine  Kriegerversammlung,  wie  ich  sie  in  der  Crnagora  sah,  denn  es  fehlte  der 
blinkeiule  Waffinsiiiinuck,  den  tler  Serbe  nur  bei  feierlichen  üelegenhciten  oder 
auf  Reisen  anlegt;  die  Versammlung  trug  bei  aller  I->regtheit  rein  bäuerlichen 
Charakter.  Nur  der  Kapetan  hatte  seine  silberausgelegten  l'istolen  und  den  stein- 
beset/len  llamlsar  in  ikn  (iliiUl  gesteckt ;  ilie  feindlichen  (inippen  schlössen 
sich  Zinn  Kreise,  dessen  glänzeniles  Zentrum  er  bildete.  Beide  Rarleien  entwickelten 
nun  ihre  Wünsche  und  Beschwerden.  Nachdem  die  Dorfältesten  oft  nicht  ohne 
grosse  l-'rregtheit  gesprochen,  hielt  der  Kapetan  eine  wohlgeselzte  Ansprache,  in 
der  er  „seiiun  Mniilern  "  die  schwierige  Aufgabe  des  Kmctenamtes  auseinander- 
setzte niul  erklarte,  ilass  die  Regierung  gern  ihre  Zustimmung  zur  Absetzung 
ungetreuer  Kmelen  gäbe,  nur  müsse  erwiesen  sein,  dass  sie  diese  Strafe  verdienen. 
Mit  der  SicheilKil  eines  Juristen  foiniulierte  er  nun  einige  Eragen  an  die  Gesamtheit.' 


282         UehcT  P()2nruvac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Scnjc  und  UobriCevo. 

Da  sie  über  tlic  Attrilnitc  der  serbischen  Dorfschulzen  Aufschluss  Kcben.  folgen 
hier  einige  wortgetreu.  „Hat  F.iier  Kniet  bei  der  SleuerverteiUinn  .luf  die  ein/einen 
Hauser  unreclil  neliandelt,  (jder  l)ei  Streitif^keiten  Parteihehkeit  ^e/eint?  Belästij4te 
er  bei  Re^ierunnsvorspann  ein  Haus  mehr  als  das  andere?  Mussten  bei  Strassen- 
arbeiten  seine  und  seiner  Verwandten  Häuser  nicht  ebenfalls  Leute  abschicken? 
Oder  hat  er  diese  bei  der  Rekrutierung  übcrKan^en?  Alle  diese  Fra(;en  verneint 
Ihr  und  fra).;t  nueii  doch  um  Rat!  Ihr  selbst  habt  das  Urteil  (gesprochen.  Ich 
denke,  Ihr  behaltet  den  bereits  erprobten  Knieten,  und  versucht  es  nicht  mit 
einem    Unbekannten!" 

Die  Kmeteiiwahi  war  zu  linde.  In  einer  Stunde  war  hier  ein  Streit 
geschlichtet,  der  sich  liei  unseren  burcaukratischen  Einrichtungen  gewiss  lange 
hingezogen  hätte.  Und  doch  war  Serbien  nicht  zufrieden,  erst  die  Anfänge  einer 
Bureaukratie  zu  besitzen!  Es  liess  sich  nicht  mit  den  Erfahrungen  der  westlichen 
Naclibarn  genügen.  Schon  hat  es  zu  tun,  um  den  die  freie  Selbstbestimmung 
der  (iemeinde,  des  Kreises,  der  Kirche  umstrickenden  Formalismus  in  engere 
Sciiranken  zuriickziiweisen.  Wie  traurig,  dass  mit  den  Segnungen  der  Zivilisation 
aucii   iiire  Auswüchse  in  primitive  Länder  einzogen. 

Das  ücrichtszimmer,  ein  niedriger  Raum,  der  sich  durch  die  Abwesenheit 
der  notwendigsten  Einrichtungsstücke,  aber  auch  der  vielen  staubigen  Aktenstösse 
auszeichnete,  die  heute  in  der  letzten  serbischen  Amtsstube  nicht  fehlen,  füllte 
sich  ailniähiicli  mit  bei  der  üerichtsveriiandiung  Beteiligten  und  Zuhörern.  Das 
Gerichtsverfahren  war  niiiiuilich  und  fand  damals  bei  offenen  Türen,  oft  auch  unter 
freiem  Himmel  statt.  Neben  dem  Kapelan  hatten  sein  Pisar  (Schreiber)  und  die 
Knieten  dör  nächsten  Dörfer  Platz  genommen.  Stille  herrschte,  als  Pandurcn  den 
ersjten  Angeklagten  vorführten.  Es  war  ein  Walache  aus  einem  nahen  Moravadorf. 
Verlegen  sah  er  auf  das  corpus  delicti,  auf  die  vor  ihn  hingelegten  gestohlenen 
Schaffelle.  Das  Verhör,  das  Abhören  der  Zeugen  geschah  mittels  Dolmetschers 
in  rumänischer  Sprache,  weil  der  Walache  auch  in  Serbien  sich  schwer  zur 
Erlernung  der  Landessprache  bequemt.  In  der  gedrängt  vollen  Stube  hatte  sich  eine 
SU  unerträgliche  Temperatur  entwickelt,  dass  ich  es  vorzog,  das  Resultat  der  Verhand- 
lung draussen  abzuwarten  und  in  frischer  Luft  meine  Trachtenstudien  fortzusetzen. 

Die  Veranda  vor  dem  Gemeindehaus,  auf  der  ich  das  bunte  Treiben  skizzierte, 
bildete  bald  den  Anziehungspunkt  für  Neugierige.  Mein  Begleiter  auf  diesem 
Ausflug,  der  liebenswürdige  Bergwerksdirektor  Bozic,  wurde  mit  Fragen  bestürmt, 
wozu  sich  der  Fremde  „Gesichter  und  Kleider  abschreibe"!  Er  überzeugte  einige 
Mädchen,  dass  die  Abkonterfeiung  ihnen  nicht  schade,  sondern  zur  Ehre  gereiche; 
die  natürliche  Eitelkeit  siegte  und  bald  bewarben  sich  mehrere  der  schönsten 
Frauen  um  diese  Auszeichnung.  Hat  der  Serbe  begriffen,  um  was  es  sich  handelt, 
kommt  er  uns  mit  seinem  angeborenen  Scharfsinn  entgegen.  Einer  der  Ortsältesten 
stellte  mir  seine  mit  riesigem  Kopfputz  geschmückte  Tochter  mit  den  Worten 
vor:  „Herr,  vielleicht  wollt  Ihr  auch  abschreiben,  wie  sich  unsere  Bräute  kleiden?" 
Auch  der  Bräutigam,  ein  schmucker,  viel  jünger  als  seine  Braut  aussehender 
Bursche  kam  herbei.  So  entstand  die  Gruppe,  welche  mein  Album  um  ein 
charakteristisches  Trachtenbild  bereicherte. 


lieber  Pozarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo.  283 

Der  merkwürdige  Kopfschmuck  der  serbischen  Bräute  scheint  sie  an  die 
schweren  Bürden  des  Ehestandes  mahnen  zu  sollen.  Er  besteht  aus  Rosen  von 
Silbennünzen,  natürlichen  und  künstlichen  Blumen,  Pfauenfedern  usw.,  kunstvoll 
befestigt  auf  einem  riesigen,  hufeisenförmigen  Kranz  von  Pappe,  welcher,  senkrecht 
auf  den  Scheitel  gestellt,  mit  Bändern  unter  dem  Kinn  befestigt  wird.  Diesen 
„vencani  venac"  trägt  die  Braut  oft  durch  Jahresfrist,  noch  als  „miada"  ü"ngc 
Frau)  an  Sonn-  und  Festtagen,  und  doch  litt  er  während  der  letzten  Decennien 
im  Kampfe  mit  der  modernen  Kultur.  Alte  Leute  erinnern  sich  der  Zeit,  da  an 
seinem  Blütenschild  noch  Spiegelchen  angebracht  waren,  vor  denen  die  Kinder 
Evas  auf  offenem  Platze  sich  putzten,  schminkten  oder  die  schadhaft  gewordene 
Toilette  in  Ordnung  brachten.  Man  kann  sich  leicht  vorstellen,  wie  sehr  ein 
derart  gewichtiger  Kopfschmuck  jede  Bewegung  erschwerte. 

Als  das  Mädchen  sich  mir  näherte,  grüsste  es  mit  einer  dreimaligen  tiefen 
Verbeugung.  Das  Gesicht  rötete  sich  unter  der  seltsamen  Last,  dabei  hielt  sie 
die  rechte  Hand  auf  der  Brust.  Den  üblichen  Handkuss  und  dasselbe  zeremoniöse 
Kompliment  zum  Abschied  durfte  ich  ihr  nicht  erlassen.  Ich  beschenkte  die 
Braut  mit  ein  Paar  silbernen  Ohrgehängen,  welche  sie  dankend  annahm,  doch 
kurz  darauf  brachte  sie  ein  vom  Hause  geholtes,  selbst  gearbeitetes  weisses  Tuch, 
das  sie  nach  Landesbrauch  an  meine  linke  Schulter  heftete. 

Der  Kapetan  hatte  seine  Untersuchung  beendet.  Die  Menge  drang  aus  dem 
engen  Gang  heraus  und  öffnete  den  Panduren  freien  Weg.  Geneigten  Hauptes 
folgten  die  Verbrecher,  das  gestohlene  Gut  um  den  Hals  gehängt  oder  auf  den 
Rücken  gebunden,  was  bei  einem,  der  ein  fremdes  Ochsenjoch  sich  zugeeignet, 
höchst  originell  aussah;  sie  traten  den  Weg  nach  Cuprija  an,  um  dort  dem 
„okruzni  sud"  (Kreisgericht)  zur  Bestrafung  übergeben  zu  werden.  Manchmal 
wird  es  dem  Verurteilten  vor  dem  Haftantritt  erlaubt,  seine  Angelegenheiten 
daheim  zu  ordnen  oder  Abschied  von  seiner  Familie  zu  nehmen,  in  solchem 
Falle  wird  er,  es  klingt  seltsam,  auf  „Ehrenwort"  entlassen,  und  noch  überraschender 
ist  es,  dass  der  Sträfling  nur  selten  versäumt,  sich  zur  bestimmten  Stunde 
im  Gefängnis  einzufinden.  Die  Behandlung  dort  ist  human,  Müttern  wird  es 
gestattet,  ihre  der  Pflege  bedürftigen  Kleinen  mitzubringen,  eine  Sitte,  welche 
man  aus  vielen  Gründen  anfechten  könnte,  spräche  sie  nicht  für  das  tief  wiir/eiiuk- 
serbische  Familiengefühl,  das  die  ältere  Justizübung  berücksichtigte. 

„Wie  ich  sehe,  haben  wir  beide  Ursache,  mit  unserer  Arbeit  zufrieden  zu 
sein,"  sagte  der  Kapetan,  als  er  mein  Skizzenbuch  durchblätterte,  „und  nun  nehmt 
mit  einem  Mittagessen  vorlieb,  wie  es  Gott  gegeben."  Es  war  ein  preiswürdiges 
Mahl.  Der  l.nulesüblichen  Kisela  öorba  (sauere  Suppe)  folgten  Forellen,  Braten 
und  Käse;  Wein,  Witze  und  Trinksprüche  halfen  über  die  zu  stark  paprizierten 
Gerichte  hinweg.  Ein  Gespräch  des  Kapetans  mit  dem  Doktor,  die  bevorstehende 
Impfung  betreffend,  benutzte  ich,  um  die  Züge  des  rasch  liebgewonnenen  Mannes 
zu  skizzieren.  Er  bemerkte  es,  griff  hastig  nach  seinem  an  die  Wand  gehängten 
Säbel  imd  steckte  lland.^nr  und  Pistolen  in  den  breiten  l.edergurt.  Spricht 
nicht  dieser  Zug  für  die  damals  noch  ungebrochene  grosse  Waffenliebe  der 
Südslaven? 


2HI 


lli.-l)cr  l'iiy>;iri;vac,  (jornjfik,  Mannsija  nach  Ravanica,  Scnjc  uiid  UobriCcvo. 


„NolIi  einen  Toast  auf  unseren  ^^näclitien  Fürsten  Mihail.  Gebe  Gott,  dass  wir 
ihn  haltl  als  K<)nif(  von  Serbien  bet^rüssen  können!"  rief  der  Kapetan.  „Gott  erlialle  ilin 
laM^^e  Jaiire!"  ertrtnte  es  begeistert  im  Kreise  der  Knieten  und  Bauern,  welche  den 
Triiikspruch  durch  die  geöffnete  Tür  vernommen.  Es  war  das  erste  Mal,  dass  sich 
nur  unverhüllt  die  Idee  zeigte,  welche  schon  damals  das  Serbenvolk  erfüllte.  Ich 
sollte  sie  verwirklicht  sehen,  wenn  auch  nicht  durch  Fürst  Mihail,  dessen  eifriges 
Streben  nach  y\ufrichlung  des  alten  Serbenreiches  jäh  viniiili  wurdt-    (S    104 ff.) 


SENJE,  Ein  ländliches  serbisches  Brautpaar. 


Wir  traten  hinaus  unter  das  versaniniclte  Volk,  und  da  j;ab  es  noch  einen 
heiteren,  seltsamen  Anblick,  als  die  „jungen  Frauen"  mit  einer  dreimaligen  tiefen, 
aber  rasch  ausgeführten  Verbeugung  grüssten,  indem  sie  zugleich  mit  den  Hand- 
flächen die  schwerfällige  Baulichkeit  auf  den  Köpfen  stützen  mussten.  Auch 
unter  den  Tänzerinnen  im  Hofraum  befanden  sich  Frauen,  in  gezwungen 
aufrechter  Haltung  den  venac  balancierend;  sie  tanzten  mit  grossem  Vergnügen, 
und  hingen  den  Glücklichen  noch  einige  Pfund  Zwanziger,  Rubel  oder  Kreuztaler 
am  Hals,  Ketten,  die  nach  dem  Taktschritt  rasselnd  hüpfen  und  den  Nacken 
der  Tänzerin  mit  plumpen  Schlägen  treffen,  dann  ist  das  Himmelreich  gewonnen! 


Ueber  Pozarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  DobriSevo.         285 

So  waldreich  uiui  fruchtbar  auch  der  Cuprijaer  Kreis  ist,  liegen  seine 
grössten  Schätze  doch  nicht  so  sehr  über,  als  unter  der  Erde.  Das  ganze  Berg- 
terrain auf  30  km  Länge  und  12  km  Breite  im  W.  von  Cuprija  bildet  ein  riesiges 
von  N.  nach  S.  streichendes  Kohlenlager.  Nach  der  Berechnung  des  k.  Berg- 
ingenieurs Felix  Hofmann  harren  dort  über  25  Milliarden  Meterzentner  ihrer 
Hebung,  die  erst,  durch  eine  jährliche  Ausbeute  von  54  Millionen  q,  in  500  Jahren 
zu  erschöpfen  wären.  Neuere  eingehende  Untersuchungen  schränkten  die  Hof- 
mannschen  Schätzungen  bedeutend  ein;  doch  auch  sie  konstatierten  ausgezeichneten 
Lignit  bei  Zidilje,  wo  auch  Eisen  lagert,  ferner  ein  riesiges  Kohlengebiet  zwischen 
der  Resavica  und  Crnica,  verteilt  auf  879  Grubenfelder  im  Bereich  der  Ort- 
schaften: Senje,  Stubica,  Buljane,  Zabreg,  Poljane,  Bigrenica,  Jezero, 
Kovanica  und  Kloster  Ravanica.  Bei  einigen  der  genannten  Orte,  ebenso  bei 
Vojnik,  zeigen  verfallene  Kirchen  und  verraste  Schlackenhalden,  dass  die  dort 
an  vielen  Stellen  lagernden  Eisenerze  in  weit  zurückliegender  Zeit  ausgebeutet 
wurden;  dies  gilt  namentlich  von  dem  südlichen  Sisevac,  von  dem  ich  im 
IL  Band  (Xlll.  Kap.)  sprechen  werde. 

Gegenwärtig  ist  Senje  zwischen  der  Resava  und  Ravanica  der  einzige 
Punkt,  dessen  seit  1853  für  die  Kragujevacer  Kanonengiesserei  verwertete  treffliche 
Lignitkohle  man  auch  für  die  Staatsbahnen  abbaut.  Das  „Aleksandrovac"  getaufte 
Werk  lieferte  unter  Brankovic  1855  von  der  mit  2  Bergleuten  und  45  Bauern 
im  Sommer  meist  am  Tage  gewonnenen  Kohle  7000  q  auf  3  q  ladenden  Wagen, 
deren  Eigner  für  die  sechstägige  Fahrt  nach  Kragujevac  3  Gulden  erhielten.  (!) 
1856  sandte  man  über  lOOOO  q  dahin,  auch  begann  Bergbauinspektor  Scheffel 
die  Anlage  zweier  Schächte,  deren  einer,  „Vasa"  genannt,  noch  heute  besteht. 
Ein  im  Jahre  1857  ausgebrochener  Grubenbrand  und  die  durch  die  grosse 
Entfernung  bedingten  hohen  Frachtkosten  führten  zur  Entsendung  des  Bergbau- 
ingenicurs  Handtken  nach  Senje  und  Kragujevac  mit  dem  Auftrag:  ob  nicht  nahe 
bei  letzterem  sich  geeignete  Kohlenflöze  fänden.  Die  Antwort  lautete  verneinend 
und  betonte  überdies,  dass  die  Senjsker  Kohle  sowohl  an  Mächtigkeit  (bis  20  m), 
wie  an  Güte  die  ferne  Misacker  weit  übertreffe.  Als  ich  im  J.  1860  Senje 
zum  erstenmal  besuchte,  wurde  dort  eben  auf  dringenden  Wunsch  der  Kragu- 
jevacer Giesserei  die  Arbeit  wieder  aufgenommen  und  bis  I8ti3  fortgesetzt, 
wo  ein  zweiter  Brand  die  Schächte  mit  allen  am  Tage  gelegenen  Vorrichtungen 
gänzlich  vernichtete. 

Als  der  Grinulungsschwindel  auch  Hcl^rnd  erfasste,  übernahm  die  „Erste 
serbische  Bank"  1H(')9  Senje  mit  eiein  nahen  Kohlenterrain  von  1  Mill.  qrn, 
verausgabte  dort  I25()()()  d,  wdgegen  sie  für  die  bis  1873  geförderten  5050  q 
niiul  1 1  {)()()  d  erhielt,  demnach  einen  grossen  Schaden  erlitt,  der  mit  vielen 
grösseren  während  des  „Wiener  Krachs"  zur  Liquidation  der  Bank  und  Aus- 
lieferinig  von  Senje  an  ilen  Staat  führte.  Dieser  betrieb  nun  wieder  die  Arbeiten 
für  das  Kragujevacer  Arsenal  im  bescheidenen  Massstab,  liess  aber  gleichzeitig 
durch  seinen  Ingenieur  Hofmann  und  Dr.  Radovanovii'  die  Senjer  Verhältnisse 
im  Hinblick  auf  iii'n  in  Sicht  tretenden  Betrieb  der  Belgrail-Ni.^er  Bahnlinie 
studieren.     Ijst  nach  vielen  unangenehmen  Erfahrungen,  als  die  Regierung  durch 


2K()         Uc'ber  Poiarevac,  Oornjak,  Mnnnsijn  nach  Ravanica,  Scnjc  und  DobriCcvo. 

iJr.  V'iiics  IJicrjjic  itii  Juni  1889  diu  Bahnen  aus  den  französischen  Händen 
zurückgewann,  erhielt  auch  Senje  höhere  Bedeulunn 

Um  Serbien  für  das  Heizmaterial  unabhiln^in  zu  machen,  hesviilij^ie  die 
SkupStina  für  die  Schienenverhindun^  der  Slatiim  Cuprija  mit  Senje  und  dessen 
Erweiterung  2  Mill.  d.  Olcicli  darauf  wurde  die  Tracicrung  des  22  km  langen 
F-lügels  von  dem  tüchtigen  Bergingenieur  Oikic  in  Angriff  genommen  und  1892 
eröffnet.  1889  waren  im  Herbst  72  Arbeiter  unter  einem  slovenischcn  Steiger 
beschttftigt,  welche  man  allmählich  vermehrte.  1891  wurden  bereits  aus  den 
nahezu  9ÜÜ0  m  langen  Schächten  und  Galerien  24250  Tonnen  mit  58,7°  o 
Abbriickclungsverlust  gefördert.  Um  letzteren  zu  paralysieren,  legte  1892  die 
Bergvscrksdirektion  detaillierte  f^lane  für  eine  „Brikeltfabrik"  nach  dem  Kölner 
System   „Humboldt"  dem  Ministerium  vor. 

Der  Gesamtwerl  des  Werkes  einschliesslich  seiner  Stollcnbaulen.  Werkhäuser, 
des  festen  und  beweglichen  Materials  erschien  schon  1891  mit  210ÜÜ0  d  aus- 
gewiesen. Seit  jenem  Jahre  bemüht  sich  eine  Kommission,  einen  den  Holzbedarf 
des  Bergwerks  sichernden  geschlossenen  grossen  Staatsforst  durch  Ankauf,  oder 
Umtausch  solcher  Privafparzcllen  zu  schaffen,  welche  zwischen  den  ihm  bereits 
geiiöreiiden  Wäldern  um  Senje  liegen.  Das  Bergwerk  besitzt  durch  die  Tre'ff- 
lichkeit  seiner  Kohle  eine  vielversprechende  Zukunft. 

Die  mächtigen  Kohlenflöze  in  und  bei  Senje  liegen  auf  einer  Basis  von 
primären  Lyskum-  und  Tonschiefern,  rotem  Sandstein  mit  von  Trümmern  derselben, 
Kieseln,  Trachit  usw.  durch  Kalk  verbundenen  Konglomeraten  und  sie  deckendem 
Kreidekalkstein,  auf  dem  andere  tertiäre  und  quaternäre  Schichten  (Kiesel,  Mergel, 
Ton)  in  bedeutender  Stärke  lagern.     Prof.  Lozanics  Analyse  ergab  für  die  Senjsker 

C.  H.  0  +  N  H,0  Asche  Ausfall  »/„  Koks"^  Kalor 

Schwarzkohle   .     58,12  3,78  20,73  13,32  4,05       35,75  46,88  4910 

für  Pechkohle  .     60,85  4,02  21,47  12,43  1,23       24.64  51,70  5081 

für  Weisskohle      28,25  3,55  8,40  5,01  55,83       29,52  9,64  — 

1893  betrug  die  Ausbeute  53184  Tonnen  im  Werte  von  356610  d;  die 
Preise  stellten  sich  für  beste  Stückkohle  loco  Grube  auf  5—7,  loco  Cuprija 
Bahnhof  auf  18  d  per  Tonne.  Der  Tagelohn  für  die  meist  aus  ungarischen  Werken 
herangezogenen  Bergleute  beträgt  in  den  Gruben  3.34  d,  am  Tage  2.52  d,  für 
Maurer  und  andere  Hilfsarbeiter  2.82 — 1.45  d.  Alle  haben  1  "/o  ihres  Verdienstes 
monatlich  an  die  1891  gegründete  „Bruderlade"  abzugeben,  aus  welcher  Kranke 
und  Verunglückte,  sowie  deren  Witwen  unterstützt  werden.  Um  diese  humane 
Einrichtung  hat  sich  Direktor  Reling  mit  seinem  Beamtenstab  sehr  verdient 
gemacht.  Leider  brach  im  Februar  1894  zu  Senje  ein  grosser  Brand  aus,  der 
die  Sperrung  des  Werkes  für  einige  Zeit  herbeiführte.  Seither  wurde  die  der 
Firma  Popovic  und  Dimitrijevic  auf  10  Jahre  konzessionierte  Brikettfabrik  vollendet 
und  1897  in  Tätigkeit  gesetzt.  Die  bisher  aufgeschlossenen  Flöze  dürften  voraus- 
sichtlich in  fünf  Jahren  erschöpft  sein,  und  schon  jetzt  wird  ihre  nächstliegende 
Fortsetzung   gesucht.     Der    Beanitenstab    ist    klein;    dem    Direktor    sind    nur    ein 


Ueber  Poiarevac,  Gornjak,  Manasija  nach  Ravanica,  Senje  und  Dobricevo.         287 

ln<^enieur,   ein   Kassierer   und  ein  Schreiber  beigegeben;   die  Minenkolonie  zählte 

1896  schon  838,  das  wohlhabend  gewordene  benachbarte  Dorf  Senje  1272  Seelen 

—  Glück  auf! 

«  « 


Nur  2,5  km  westlich  von  Cuprija  liegt  an  der  Senjer  Strasse  das  zweite 
Staatsgestüt  Dobricevo.  Es  wurde  1875  als  Filiale  von  Ljubicevo  gegründet 
und  besass  1895  an  Wiesen,  Weiden  und  Wald  486  Hektar.  In  den  ein  grosses 
Viereck  umschiiessenden  Stallungen  befinden  sich  seit  1895  durchschnittlich 
100  Hengste,  darunter  arabische  und  englische  Vollbluttiere;  ferner  40  Ochsen, 
U)  Kühe,  einige  Stiere,  Zuchtwidder,  Schafe,  Lämmer  usw.  Auch  Bienenstöcke, 
Obstgärten  und  andere  Vorbilder  rationeller  Landwirtschaft  bietet  dieses  Staats- 
institut, von  dem  im  allgemeinen  das  gilt,  was  ich  bereits  in  Ljubicevo  bemerkt 
habe  (S.  170  ff.).  Ausser  dem  im  hübschen  Direktionsgebäude  wohnenden  kleinen 
Beamtenstab  sind  in  den  zahlreichen  Bauten  etwa  50  Diener  und  160  Sträflinge, 
welche  auch  hier  teils  in  Ketten  unter  Bewachung,  teils  ohne  solche  Arbeiten 
verrichten.  Zuletzt  (1899)  wurden  für  das  zum  „Zentralinstitut  für  Staatsgestüte 
und  Viehzucht"  ausersehene  Dobricevo  1000  Hektar  Boden  durch  den  Handels- 
ministerial-lngenieur  Pavlovic  bei  Cuprija  enteignet. 


X. 

Ueber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica, 

Topola  und  Mcdjuluzijc  nach  Belgrad. 


DER  schmutziggelbe  Moravaspiegel  teilte  sich  unter  den  kräftigen  Ruderschlägen 
zweier  Panduren.  Gegenüber  Cuprijas  letztem  Brückenpfeiler  erfolgte  unsere 
etwas  schwierige  Landung.  Mit  Geschick  wurde  aus  den  starken  Rudern  eine 
Brücke  improvisiert,  die  uns  heil  auf  das  ockerfarbige  flache  Linksufer  brachte. 
Die  Stadt  mit  iliren  zenisscnen  Geländen  gewährte  von  hier  einen  wenig 
pittoresken,  doch  interessanten  Anblick.  Mein  an  dieser  Stelle  wartender  Wagen 
rollte  bald  dem  nordwestlichen  Jagodina  zu.  Rasch  ging  es  vorwärts  auf  dem 
schmalen,  langgestreckten,  mit  Gestrüpp  und  Farnen  aller  Art  bedeckten  Alluvion- 
streifen,  dessen  Eintönigkeit  die  ihn  begrenzenden,  Eichen  tragenden  Bergrücken 
nur  wenig  milderten.  Diese,  von  Gorni  Jovac  bis  Katun  oft  hart  an  die 
Morava  vorspringenden  Juor- Ausläufer  bildeten  eine  der  vielen  Schwierigkeiten, 
wi'klie  siiii  der  von  H;iliii  auf  dem  linken  Mnrnvaufer  geplanten  Bahnlinie  entgegen- 
stellten; schliesslich  nnisste  ihre  definitive  Trace  auf  das  rechte  verlegt  werden. 
Der  zwischen  der  Morava,  Lugomira,  Kalenicka  von  N.  nach  S.  streichende 
„Juor"  (auch  Juhor  und  Juvor)  ist  20  km  lang,  10  km  breit  und  besteht  aus 
kristallinisch-metamorphischen  Gesteinen.  Seine  1000  m  erreichenden  höchsten, 
mit  Buchenwald  bedeckten  Granit-  und  Trachitkuppen  heissen  „Mala  und  Velika 
Vetrenja",  der  nördliche  Gebirgsleil  „Gilja",  der  südliche  „Zeljanska  poljana". 
Das  jenseits  der  Kalenicka  sich  fortsetzende  Hügelland  „Temnic^ka"  erhielt  seinen 
Namen  von  dem  Ausruf  „Ala  je  tamnic!"  des  Knezen  Lazar,  der,  als  er  seine 
Ikh  liliegeiiden  Bergwerke  auf  dem  Juor  besuchte,  es  von  dichtem  Nebel  überzogen 
fand.  Im  südlichen  BaCina  an  der  Gruzamündung  sieht  man,  wie  ich  hörte, 
Kanäle  vom  Bade  Lazars,  die  nach  der  Beschreibung  wahrscheinlich  wie  das  nahe 
„grad"  römischen  Ursprungs  sind.  Dass  am  Juor  prähistorische  Leute  siedelten, 
zeigen  zwei  1.S72  ilort  gefinuiene  Bronze-Armringe  mit  reich  verzierten 
Enden'),  ganz  ähnlich  diii  IHtiC)  auf  der  nördlichen  Lazarica  ausgegrabenen  des 
Belgrader  Museums. 

')  St.iriiiar,  VII.  HC. 

V.   KANITZ,   Sirhun.     1.  19 


2'.)()     l'chL-r  citii  Crni  vrh,  Kranujcvac,  Vradevftnica,  Topola  und  Mcdjuluiijc  nach  Belgrad. 

.An  vielen  Lehnen  und  Kuppen  des  Juor  kleben  Sagenreiche  Ruinen  mittel- 
alterliciier  Burgen.  Nahe  der  Morava,  beim  Dorfe  Potocac,  steht  das  „Moinfilov 
grad",  dessen  ^gleichnamiger  Gebieter  von  Kralj  Vukaäin  getCitet  worden  sein  soll, 
als  er  nach  i.juhostiiija  z(jg.  Es  ist  250  Schritte  lang,  70  hreil;  „Spanoje  Serbar" 
aus  Potoöac  gilt  als  Erbauer  der  festen,  2—3  m  starken  Mauern.  Noch  sind 
der  Briickenlurm  und  das  Haupttor  teilweise  erhalten;  am  kleinen  Tor  liegt  nach 
der  Bauern  Glauben  ein  riesiger  Schatz  vergraben,  doch  darf  man  ihn  nur  suchen, 
wenn  am  Spasov  dan  die  Sonne  scheint.  Bisher  wurden  nur  wertlose  Waffen 
gefunden.  Eine  alte  Kirche  bei  Svojinovo  an  der  Morava  soll  von  Knez  Lazar 
gleichzeitig  mit  Ljubostinja  begonnen,  aber  erst  nach  der  Kosovoschlacht  durch 
die   Anwohner  vollendet  worden  sein. 


t-  '  —   -c  n  -  —  —  -) 

Prähistorische  Bronzo-Armringc  vom  Jiior. 


Ein  niuicrer  alter  Bau,  welchen  das  Volk  der  oft  erwähnten  Fürstin  Jerina 
zuschreibt  und  in  dem  ein  prächtiger,  dem  Belgrader  Museum  geschenkter 
Buzdovan  (Streitkolben)  gefunden  wurde,  steht  unter  dem  hohen  Juorgipfel 
„Javorica"  an  der  steilen  „Devojacka  stena".  An  diesen  „Mädchenfels"  knüpft 
sich  die  Sage,  dass  eine  vor  ihren  türkischen  Verfolgern  flüchtende  heroische 
junge  Serbin  hier  sich  mit  dem  Ausruf  in  die  schauerliche  Tiefe  stürzte:  „Mich 
werdet  ihr  nicht  zur  Sklavin  machen!" 

Bestimmtere  historische  Erinnerungen  knüpfen  sich  an  den  Rest  eines 
Rümerkastells,  des  heute  auch  Weingärten  tragenden,  435  m  hohen  Govedarnik. 
1804  wurden  dort  viele  aus  der  Stadt  hervorgebrochene  Türken  von  Karadjordjes 
Scharen  glücklich  zurückgeschlagen.  Auch  südlicher,  bei  Tresnjevica,  wurde 
1815  unter  dem  Knez  Mileta  Radojkovic  gegen  den  Seraskier  Ali  Beg,  Sohn  des 
gefürchteten  Kara  Feis,  heftig  gestritten.  Hier  erlagen  die  Serben  nach  tapferer 
Gegenwehr   der   türkischen    Übermacht,    und    der   vielgenannte   greise   Held   Pejko 


Lieber  den  Crni  vrli,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  Belgrad.     291 

l)liL'b  auf  der  Walilstätte.  Doch  die  von  den  Siegern  in  der  Umgebung  begangenen 
Grausamkeiten  stachelten  das  mutige  Volk  der  Sumadija  auf,  die  erlittene  Schmach 
noch  im  seihen  Jahre  zu  rächen.  Westlich  von  der  Strasse,  beim  Dorfe  Majur, 
bei  dem  ein  riesiger  Stein  einen  so  grossen  Schatz  deckte,  dass  ihn  zehn  Pferde 
nicht  wegschleppen  konnten,  sperrten  kaum  400  Serben  den  von  Cluprija 
anrückenden  Türken  den  Weg  nach  Jagodina.  Viele  Moslims  fielen;  auf  einem 
nahen  Berge  wird  das  „turski  grob"  gezeigt,  in  dem  ein  von  Mandrdas  Ceta 
getöteter  vornehmer  Beg  ruht').  Die  aus  dem  Gau  Lugomira  und  von  Djakovo 
in  Altserbien  stammenden  Majurer  gelten  heute  noch  als  ungemein  tapfer.  Bei  dem 
vorgenannten  Trc'injevica  überfiel  der  Wojvvode  Nikola  Mandrda-)  mit  wenigen 
unerschrockenen  Leuten  den  von  Cuprija  mit  Kanonen  gegen  Milos  heranziehenden 
Ali  Beg  an  der  Popova  bara  so  plötzlich,  dass  die  in  Unordnung  gebrachten 
Türken  ihr  Heil  in  eiliger  Flucht  suchten.  Serbien  ward  im  selben  Jahre  von  der 
Türkenherrschaft  frei;  Bulgarien  blieb  aber  noch  weitere  60  Jahre  unter  dem 
Halimiond,  und  was  dies  bedeutete,  illustrierte  klar  ein  Bild,  das  mir  am  fortgesetzten 
Wege  unverhofft  entgegentrat. 

Kurz  vor  Jagodina  begegnete  ich  einem  Zug  auswandernder  Bulgaren, 
wciciier  in  einer  Mehana  am  Fusse  des  231  m  hohen  Djurdjevo  brdo  Mittagsruhe 
hielt.  Es  war  eine  ergreifende  Illustration  des  damals  vom  grössten  Teil  der 
occidenlalen  Presse  noch  hochgehaltenen  türkischen  Regiments!  Jede  einzelne  der 
traurigen  Gestalten  trug  seinen  Stempel  aufgeprägt.  Die  durch  Spahidruck 
hcraiigewürdigten,  geistig  verkümmerten  Gesichtszüge  der  Männer  Messen  diese 
schwor  als  Abköniniiinge  des  einst  gefürchteten  Bulgarenvolkes  erkennen.  Bei 
aller  physischen  Schönheit  war  in  denselben  nur  jene  stumpfe  Resignation  zu 
lesen,  welche  ihnen  als  letzte  Hilfe  statt  der  Waffe  den  Wanderstab  in  die  Hand 
drückte.  Bei  den  bisher  das  willenlose  Eigentum  türkischen  Begehrens  bildenden 
Frauen  verklärte  tiefe  Trauer  die  unschönen  Züge.  Die  schluchzenden  Mädchen 
und  Kinder  schienen  an  die  verlassene  Heimat  zu  denken  oder  an  Verwandte 
und  Gespielen,  welchen  mitzuziehen  die  Verhältnisse  nicht  gestatteten.  Die  der 
grossen  Hitze  wegen  riilieiuleM  .Xiiswanderer  erregten  meine  vollste  Teilnahme. 
Am  Tiinok  fand  ich  ihre  seil  Jahren  dort  angesiedelten  Stammesbrüder  und  lernte 
den  wohltätigen  Finfluss  kennen,  welchen  die  Befreiung  vom  türkischen  Zwingjoch 
auf  ihre  äussere  Erscheinung  und  mehr  noch  auf  ihr  moralisches  Wesen  übte. 

Gegen  Mittag  erreichten  wir  Jagodina.  Die  heute  so  friedliche  Stadt 
blickt  auf  eine  stürmische  Vergangenheit  zurück,  deren  interessantes  Detail  ich 
gleich  ihrer  in  jüngster  Zeit  gewonnenen  günstigeren  äusseren  lüscheinung  im 
XVI 1.  Kapitel  schildern  werde.  Die  Kragujevac  mit  Jagodina  durch  das  Belicatal 
verbindende  Chaussee  war  IStiU  noch  nicht  gebaut.  Es  ging  über  die  sein 
Weiclibikl  gegen  W.  umsäumenden,  abwechselnd  Kulturen,  Wein  und  Wald 
tragenden  lliilien  ziemlich  steil  hinauf  /um  Crni  vrh.  Die  damalige  Strasse  über 
Voijavea    un^\    Gorni    Sliplje    erwies  sich  so    schlecht,    als  sie  mir   geschildert 

')  Jov.iji  .Miskovie,    ropografski  reCnik  Jaiiodinskog  okru^.!,  Ijl.isiilk,  Ud.  65.    IHSI. 
)  I'.  SreOkovIO,  Nikola  Mnndrdn,  (jlasnik.  »d.  55.    188-1. 

19» 


'2!('i     IJcber  den  Crni  vrh,  KraKujevac,  Vrat'evSnica,  Topola  und  Mcdjulu2ijc  nach  Belgrad. 

wurdvn.  Der  Kutscher  liiclt  oft,  imi  die  Pfurdc  verschnaufen  zu  lassen;  ich 
benutzte  dies,  um  die  herrliche  Fernsicht  zu  geniessen,  die  wir  bald  im  Rücken 
lassen  sollten.  Am  südöstlichen  Horizont  erschienen  die  Umrisse  der  Rtanjspitze 
so  scharf  {geschnitten,  wie  solche  einer  von  Menschenhand  aufgebauten  Pyramide. 
Weite,  viele  Monate  erfordernde  Touren  mit  allen  Zwischenfällen  des  Reisens 
auf  so  primitivem  f^oden  trennten  uns.  Doch  das  Olück  hcKünstigte  mich.  Oft, 
auch  nachdem  ich  sie  bestiei^en,  zuletzt  im  J.  1888,  sollte  ich  den  interessanten 
Rtanjj^ipfel  wiedersehen.  Stets  bot  mir  der  charakteristische  Berg  die  verläss- 
lichste Orientierung  im  Gewirr  der  ihn  umgebenden  Gebirge,  und  deshalb  nannte 
ich   ihn  das  Walirzeichen   Serbiens. 

Der  15  km  laiij;e,  9  km  breite  Crni  vrh  zeigt  im  Gegenteil  ein  so  sanftes 
Profil,  dass  man  iiim  kaum  7H9  m  Seeiiiihe  geben  würde.  3  km  von  seinem 
iiöchsten  Punkte  „Veliki  vrh"  erreichten  wir  zwischen  dem  Srednji  und  Graböviti 
vrh  (620—658  m)  die  Einsattelung,  von  der  es  zuerst  auf  ziemlich  horizontalem 
Niveau,  dann  aber  entschieden  abwärts  ging.  Die  furchtbar  holperige  Strasse 
iiinderte  das  rasche  Vorwärtskommen,  und  der  Wagen  drohte  oft  umzukippen. 
.Auf  der  ganzen  Strecke  erschienen  am  waidreichen  Wege  ihrer  Kronen  und  Aste 
beraubte  Bäume  mit  kaum  vernarbten  Wunden,  als  Träger  des  Länder  verbindenden 
elektrischen  Drahtes  benutzt.  In  Serbien,  wo  damals  das  Postwesen  kaum  in 
erster  Entwickelung  begriffen  war,  bot  der  Telegraph,  obschon  teuer,  ein  unschätz- 
bares Mittel  für  den  raschen  und  sicheren  Gedankenaustausch.  Seitdem  wuchs 
sein  Netz  stetig,  und  heute  benutzen  selbst  die  serbischen  Bauern  gern  das  Raum 
und  Zeit  kürzende,  uns  unentbehrlich  gewordene  Verkehrsmittel.  Schon  lange 
von  der  Höhe  herabtimendes  Glockcngcläute  kam  immer  näher.  Es  rührte  von 
einer  durch  walachische  Führer  eskortierten  Karawane  mit  Weinschläuchen 
beladener  Pferde  her.  Die  Gebirgsbewohner  des  östlichen  Serbiens  entwickeln 
eine  wahrhaft  erstaunliche  Geschicklichkeit  in  der  Befrachtung  der  Saumtiere. 
Nur  selten  geschieht  es,  dass  die  Last,  weil  ungleich  verteilt,  abrutschend  das 
Pferd  zu  Falle  bringt.  Die  kleinen,  unansehnlichen  Tiere  legen  auch  mit  einer 
Fracht  von  150  kg  acht-  bis  zehntägige  Entfernungen  zurück,  ohne  zu  ermatten, 
und  leisten  oft  noch  mit  25  Jahren  gute  Dienste.  Gewöhnlich  verfolgen  sie, 
selbst  an  gefährlichen  Stellen,  den  äussersten  Rand  des  schmalen  Saumpfades 
und  büssen  trotzdem  nur  selten  diese  Gewohnheit  in  der  Tiefe  der  felsigen 
Schluchten. 

Der  fette  Boden,  welcher  den  Glimmerschiefer  des  Crni  vrh  bis  zu  seinen 
Steinkohlen  bergenden  Ausläufern  gegen  Bukorovica  bedeckt,  gibt  einer  herrlichen 
Baunivegetation  reiche  Nahrung.  Noch  prächtiger  ist  der  südliche,  dem  Kloster 
Kalenic  gehörende  Wald,  ferner  die  Staatsforste  am  Juor,  Kremenac  und  Gledicko 
brdo  mit  Eichen  verschiedenster  Art.  Im  ni'jrdlichen  Belicagebiet  treten  zwischen 
Buchen,  Zerreichen,  Linden,  Ulmen  und  Weiden  oft  Eschen,  Akazien,  Pappeln, 
Weissdorn,  wilde  Äpfel-  und  Birnbäume,  Holunder,  Haselnuss-  und  andere  Sträucher, 
durchwachsen  von  viel  Eichengeslrüpp,  auf.  Noch  beim  höchsten  Strassenpunkt 
sah  ich  zwischen  Gornja  und  Dolnja  Sabanta  viele  mächtige  Buchenstämme 
mit    Kronen    von    seltener   Schönheit;    doch    wie    allenthalben    auch  in  auffallender 


Uebcr  den  Criii  vrh,  Kragujevac,  Vradevsnica,  Topola  und  Medjulu^ije  nach  Belgrad.      293 

Menge  die  rastlosen  Feinde  jungen  Waldnachwuchses,  die  alles  benagende 
Ziege  und  die  das  Erdreich  aufwühlenden  Schweine.  Ihre  Zucht  erfordert 
keine  grossen  Kapitalien  und  hat  sich,  begünstigt  durch  die  irrationale  Forst- 
wirtschaft und  die  weiten,  unbebauten  Landstrecken,  zur  Hauptindustrie  Serbiens 
gestaltet.  Der  eigentliche  Sitz  derselben  ist  das  eichenreiche  Waldland,  die 
„Sumadija".  Es  gibt  dort  nur  wenige  Bodenbesitzer,  die  nicht  zugleich  Schweine- 
züchter wären  und  nicht  jährlich  mindestens  einige  Stück  den  exportierenden 
Händlern  zuführten.  Letztere  durchstreifen  im  Frühjahr  diese  Gegenden,  kaufen 
kleine  und  grössere  Partien,  vereinigen  sie  an  günstig  gelegenen  Punkten  und 
lassen  diese  Trupps  durch  grossenteils  berittene  Treiber  nach  den  Donauhäfen 
oder  Bahnstationen  eskortieren.  Die  feisten  Sprösslinge  der  serbischen  Wälder 
gehen  nach  F^est,  Wien  und  selbst  über  Hamburg,  lebend  oder  gepökelt,  nach 
Albions  Kreideküste.  Serbiens  Schweinezucht  wird  jedoch  erst  dann  —  sagte 
ich  in  nieinem  „Serbien"  1868  —  ihren  höchsten  Aufschwung  nehmen,  wenn 
ausreichendes  Kapital  nach  amerikanischem  System  grossartige  Schlächtereien 
in  den  Donaustädten  begründen  wird.  Mit  dem  Aufhören  der  Verfrachtung  der 
Tiere  im  lebenden  Zustand  wird  die  Abmagerung,  die  teuere  Verpflegung  während 
des  Transportes  und  ein  Teil  der  hohen  Frachtkosten  wegfallen.  Meine  Anregung 
schien  sich  im  J.  1883  verwirklichen  zu  sollen.  [Jamals  erhielt  der  englische 
Unternehmer  E.  M.  Grant  eine  Konzession  auf  15  Jahre  zur  Errichtung  von 
Schweineschlächtereien  mit  Maschinen  auf  dem  von  der  Regierung  frei  überlassenen 
Terrain  Kara  burma  bei  Belgrad  (S.  80).  Sein  1886  erfolgter  vorzeitjger  Tod 
vererbte  dieses  und  manch  anderes  für  Serbien  vielversprechende  Projekt  dem 
letzten  Decennium  zur  Ausführung. 

Mit  der  Plateau-Überschreitung  des  Kupfer  bergenden  Crni  vrh  betrat  ich 
den  Serbiens  Zentrum  bildenden  Kragujevacer  Kreis.  Rasch  ging  es  die  Wasser- 
scheide hinab  über  die  Bagrdan  durchfliessende  Osaonica  zum  ansehnlichen 
Bukorovica,  und  Kragujevac  lag  vor  uns.  Höchst  wahrscheinlich  entstand  diese 
erste  Hauptstadt  des  zu  Beginn  des  vorigen  Jahrhunderts  geschaffenen  Fürstentums 
Serbien  auf  einer  alten  Kulturstätte.  Auf  der  Area  seiner  Waffenfabrik  wurden 
prähistorische  Werkzeuge  auf  dem  Konakplatz  gefunden;  doch  Bruchstücke  zweier 
überkbensgrosser  Figuren,  eines  Apollo  und  einer  Minerva,  welche  ich  1888  beim 
neuen  Militär-Laboratoriinn,  von  Kuhle  geschwärzt,  oberflächlich  sah  und  wie 
Kaiinka  und  Svoboda  auch  für  römisch  hielt,  erwiesen  sich  bei  meinem  letzten 
Besuch  1897,  als  ich  ihre  Köpfe  aus  dem  Trümmerhaufen  hervursuchen  und 
reinigen  liess,  sowdiil  dein  .Wateiial  wie  dei  Arbeit  nach  als  schcmalische  moderne 
Kopien  antiker  Orif^inak'  Wahrscheinlich  sind  es  die  von  BouO  erwähnten  Modelle, 
welche  Fürst  Milos  in  tkn  dreissiger  Jahren  von  einem  nach  Kragujevac  berufenen 
Bildhauer  anfertigen  uiul,  weil  sie  ihm  missfielen,  zertrümmern  liess.  Zweifellos 
echt  ist  tlie  sclmiie  Hnm/evase,  welche  schon  vor  50  Jahren  in  Viquenels  Besitz 
gelangte;  dagegen  stammen  der  Löwe  und  Votivstein  am  iWiloSkonak  sowie  eine 
von  Mommseii  unter  „Kragujevac"  veröffentlichte  zehnzeilige  Inschrift  aus  seiner 
Umgebung  und  fernen  Orten. ') 


')  CIL.,  266,  No.  107J.     Add.,  1024.  Nu.  0322. 


'2f)l      Uchcr  duii  Criii  vrli,  Kra^iijuvac,  VraccvSnica,  Topola  iiiid  Mcdjiilu<>jjc  nach  Belgrad. 

WälirLiul  der  langen  tpoclie  bis  zu  Österreichs  Kriegen  mit  der  Pfurte  ward 
die  Stadt  nur  von  Hadzi  Clialfa  als  „Karaniofdscha"  im  Beginn  des  17.  Jahrh. 
kurz  erwähnt.  Krst  während  der  österreichischen  Occupation  (1718—1739) 
erscheint  Kranujevac  als  Amtssitz  des  Bezirks-Kapetans  Staniäa  MIatiSuma,  des 
kühnen,  die  Türken  hart  hedranjjenden  Parteigän{;ers,  der  hier  zum  Lohn  seiner 
Tapferkeit  eine  kaiserliche  jjokiene  Gnadenkette  erhielt;  die  Montenegriner  feiern 
ihn  in  Liedern  als  ihren  im  „plemen  kuci"  j^eborenen  Landsmann.  Um  1804 
wurde  die  von  dichten  Wäldern  umschlossene  Stadt  der  Zentralpunkt  des  serbischen 
Aufslandes.  1813  tafele  hier  die  Skup5tina,  welcher  Karadjordje  die  erneuerte 
Ancrkcnnun}^  der  Sultanshcrrschaft  empfahl.  Auch  später  wurden  dort,  weil  fern 
von  den  Kanonen  der  türkischen  Beit^rader  Citadelle,  die  Nationalversammlungen 
abgehalten,  denn  man  fühlte  sich  inmitten  der  bewährten  tapferen  Sumadijer  vor 
plötziiciien  Handstreichen  ).;escluitzt.  Höhere  Bedeutung  erhielt  Kragujevac,  "als 
Milos  nncii  erkämpftem  dauernden  Frieden  1818  von  Crnuce  dorthin  übersiedelte, 
für  sich  einen  Konak  und  der  Stadt  ihre  erste  hl.  Geistkirche  erbaute.  Durch 
zwei  Decennien  wurden  nun  dort  Serbiens  wichtigste  Angelegenheiten  beraten 
und  entschieden.  Hier  empfing  der  Bauernfürst  die  Konsuln  gekrönter  Häupter, 
Gelehrte,  Reisende  und  andere  Personen,  die  sich  irgendwie  dem  jungen  Staatswesen 
nützlicii  inaclien  wollten;  hier  wurden  (1833 — 1838)  die  ersten  Militäranstalten, 
iiöheren  Schulen  und  eine  Druckerei  begründet,  1848  auch  die  Forderung  nach 
erweiterter  Pressfreiheit  laut.  Auch  die  unter  Fürst  Alexander  auf  dem  Belgrader 
Vracar  errichtete  Geschützgiesserei  wurde  1851  nach  Kragujevac  verlegt  und  dort 
die  Schöpfung  des  Landesarsenals  begonnen. 

Alle'  diese  Kragujevac  historische  Bedeutung  verleihenden  Momente  machten 
seine  stets  freiheitlich  gesinnten  Bürger  stolz.  Aus  jener  Epoche  stammt  wohl 
auch  der  selbstbewusste  Spruch;  „Beograde  zalud  tebi  hvala;  kadje  tebi  Kragujevac 
glava"  (O  Belgrad,  vergebens  ist  dein  Lob,  solange  Kragujevac  dein  Kopf  ist). 
Meine  Erwartungen  waren  hoch  gespannt.  Die  Berühmtheit  der  in  Rankes  „Serbische 
Revolution"  oft  genannten  Stadt  gelangte  jedoch  bei  meinen  ersten  Besuchen 
der  Stadt  (1860,  1861)  in  ihrem  Vogelschaubild  nicht  entfernt  zum  Ausdruck. 
Von  den  Vorhöhen  des  Crni  vrh  gesehen,  kennzeichneten  ihre  Lage  auf  der  von 
massigen  Bergen  umrahmten  Hochebene  nur  zahlreiche  aus  frischem  Laub  auf- 
steigende Dächer;  sonst  verrieten  weder  grössere  Bauten,  Türme  oder  Kuppeln 
die  Residenz.  Wo  war  der  Fürstensitz,  das  Forum,  seine  Kirche?  Der  suchende 
Blick  blieb  die  Antwort  schuldig.  Interessant  erschien  nur  der  von  der  Strasse 
gekreuzte  Mecino  brdo,  von  dem  der  rebellische  Vucic  im  J.  1842  Kragujevac 
bombardierte,  Fürst  Mihails  Truppen  zerstreute  und  ihn  selbst  zur  Abdankung 
zwang.  Nun  in  einen  königlichen  Wildpark  verwandelt,  werden  dort  300  Hirsche 
und  Rehe  gehegt.  Mein  Kutscher  deutete  auf  die  städtischen  Pulvertürme  und 
begann  laute  Zwiegespräche  mit  seinen  Pferdchen,  um  sie  zu  hurtigerem  Aus- 
greifen zu  spornen.  Es  wirkte.  Selbstbevvusst  zeigte  er  mir  seine  Uhr,  als  wir 
mittags  über  die  1898  durch  eine  zierliche  Eisenkonstruktion  ersetzte,  wackelige, 
alte  „Kamenicka  cuprija"  neben  einer  zerbröckelnden  Moschee  ohne  Minaret 
beim  alten  Viehniarkt  setzten. 


Lieber  den  Crni  vrli,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     295 

Durcli  die  Ciganjka  Mahala  ging  es  zur  langen  Carsija,  welche  die  Stadt 
ihrer  ganzen  Breite  nach  durchschneidet.  Ein  hohes  Holzkreuz  unterbrach  die 
Einförmigkeit  ihrer  wenig  soliden  Bauten  mit  offenen  Geschossen,  deren  Besitzer, 
meist  Schuster,  Riemer,  Schneider  und  Lebensmittelverkäufer,  lärmend  ihre  Waren 
feilboten.  Auf  den  ersten  Blick  schien  es,  als  hätte  Kragujevac  den  Bedarf  für 
ein   Drittei!   des   Fürstentums   zu   decken;  doch   zeigten  die  grösseren,   meist   mit 


KRAGUJEVAC 
Musclicc  an  ücr  Katncnifkabrilckc.  lECOi 


österreichischen  l-alirik;iteii  ausgestalteten  Läden  nur  seilen  das  unästhetische 
Kimkrhimt  der  kleineren  Kreisstädte.  Aus  einem  von  siriuischen  Serben  bewohnten 
Hause  ertönte  ein  Klavier;  wie  ich  später  hörte,  damals  das  einzige  in  Kragujevac. 
Mein  über  das  holperige  Pflaster  hinrasselnder  Wagen  hielt  vor  der  abschreckend 
aussehenden  Mehana  des  schlauen  Cincaren  Kosta. 

Ein  gegenüberliegendes  schmales  Gässchen  brachte  mich  auf  einen  von  der 
Lepenica  durchflossenen  grossen  Platz,  auf  dem  sich  ilie  besten  Baulichkeilen 
der  Stadt  gruppierten.  Vom  jenseitigen  Bachufer  lierüberiönendes  Hämmern 
fleissigcr  Waffenschinu-de  tinierbrach  die  auf  dein  weilen  kaum  herrschende  Ode. 
Ein  hölzerner  (ilockenstuhl  verriet,  dass  der  nebenstehende  weissgelünchle  Langbau 


296     Ucbcr  den  Cnii  vrli,  KraKujcv.ic,  VracevSnica,  Topola  und  Mcdjuluiijc  nach  Btlsrad. 

die  Kirche  sei;  nebenan  stand  das  „Kapitol",  ein  von  Fürst  Miloä  bei  seiner 
Rückkelir  auf  den  Thron  für  die  von  iliin  einl)erufene  t^rosse  SkupStina  errichteter 
Holzbau,  derselbe,  in  dem  Fürst  Mihail  1861  die  Preobrazenska  Skupstina  mit 
einer  denkwUrdii^en  F^ede  eröffnete,  ihr  patriotisch  schwunj^vuller  Inhalt  förderte 
niilclitig  jene  mit  liinstimmigkeit  gefassten  reorganisatorischen  Beschlüsse,  welche 
bald  an  die  Sultanpalastpforten  mahnend  pochten  und  den  Grundslein  zu  Serbiens 
rascherer  staatlicher  Unabhänj^if^keit  le^^ten.  Unfern  umschloss  ein  hoher  Palisaden- 
zauii  ikii  fiirstliciien  Konak,  einige  Regierungsgebäude  und  die  Depots  mit  vielen 
montierten  Geschützen.  Zwei,  von  Infanteristen  bewachte  Tore  führten  hinein  in 
den  grossen  quadratischen  Hof,  den  rechts  und  links  zwei  Bauten  im  Stil  des 
alten  türkischen  Serail  flankierten.  Milos  liess  sie  aufführen,  als  er  1818  von 
Crnuöe  nach  Kragujevac  übersiedelte.  In  der  säulengestützten  Vorhalle  des 
linksseiligcM  Fiirstcnkonaks  empfing  mich  Oberst  Radisav,  ein  den  Obrenovic 
treiiergehoMcr  Haudegen. 

Da  war  icii  nun  in  der  ersten  Residenz  ticr  Ohrenovice,  über  deren  Gründer 
Milo.s  sein  erster  waiirlieitsliebender  Biograph  Vuk  die  hier  verwerteten  interessatiten 
Daten  veröffentlichte.  Milos  wurde  1780  zu  Gornja  Dubrinja  im  Uzicer  Kreis 
geboren.  Er  hicss  nach  seinem  Vater  Teodorovic,  gleich  seinen  jüngeren  Brüdern 
Jovan  und  Jevrem,  der  Grossvatcr  des  K(jnigs  Milan  Teodorovic.  Den  Beinamen 
„Obrenovic"  trägt  die  von  Milo§  begründete  Dynastie  nach  Obren,  dem  ersten 
Manne  seiner  Mutter  Visnja,  dem  sie  zu  Brusnica  Milos'  Halbbrüder  Milan,  Jakov 
und  eine  Tochter  Stana  gebar.  Nach  dein  Tode  des  unbemittelten  Vaters  war 
Milos  auf  seine  eigene  Kraft  angewiesen.  Er  trieb  Vieh  im  Tagelohn  durch 
Bosnien  bis  Zara,  ging  dann  zu  seinem  nach  Brusnica  übersiedelten  Halbbruder 
Milan  und  förderte  dessen  Geschäfte  mit  solchem  Erfolg,  dass  sie  beim  Ausbruch 
des  Freiheitskampfes  als  angesehene  Leute  an  die  Spitze  ihres  Bezirkes  treten 
konnten.  Während  der  bequemere  Milan  jedoch  daheim  als  Wojwode  fungierte, 
führte  der  feurige  Milos  „seine  Kriege".  Da  verwundete  ihn  1807  beim  Sturm 
auf  Uzice  eine  türkische  Kugel  derartig,  dass  man  ihn  für  verloren  hielt;  nach 
drei  Monaten  war  er  jedoch  wieder  kampffähig,  und  nun  focht  er  mit  Glück 
in  vielen  Kämpfen.  1813  siegten  aber  die  Türken  allerorts.  Die  Führer  flohen 
nach  Sirmien;  auch  Milos  riet  man  gleiches  zu  tun.  Er  antwortete:  „Genug  Volk 
ist  unter  meiner  Fahne  todesmutig  gefallen;  es  ist  nur  billig,  dass  ich,  sein 
Schicksal  teilend,  mit  ihm  untergehe!"  Von  Zabres  eilte  er,  nachdem  er  Frau  und 
Kinder  im  Kloster  Sveti  Nikola  geborgen  hatte,  nach  Uzice,  um  dieses  zu  halten. 
Vergebens!  Bereits  waren  die  Türken  von  Belgrad  gegen  Rudnik  aufgebrochen; 
das  Volk  scheute  den  ungleichen  Kampf,  floh  in  die  Berge  oder  streckte  die 
Waffen  —  Milos,  dessen  Einfluss  die  türkischen  Anführer  zu  gewinnen  suchten, 
tat  das  gleiche;  nur  seinen  Säbel  nahm  der  Grossvezier  Sercesma;  dafür  erhielt 
er  die  Ernennung  zum  Knezen  des  Rudniker  Bezirks. 

Der  Türken  Gunst  erwies  sich  als  wandelbar;  man  zweifelte  zu  Belgrad 
nicht  ohne  Grund  an  Milos'  Aufrichtigkeit.  Als  er  nach  dem  missglückten 
Aufstand  des  Hadzi  Prodan  den  Kopf  seines  früheren  Waffenfreundes  Glavas 
am  Pfahle  dort  prangen  sah,   wusste  er,  dass  ihm  gleiches  Schicksal  bevorstand. 


Uebcr  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracev§nica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     297 

und  nur  sein  Versprechen,  dem  Pascha  für  eine  grössere  Summe  christliche 
Gefangene,  darunter  die  Frau  des  Kosta  Kujundzic,  abzulösen,  verschaffte  ihm 
zu  deren  Herbeischaffung  die  bedingte  Entlassung  in  die  Heimat.  Dort  brachte 
er  zunächst  seine  Familie  nacii  dem  versteckt  liegenden  Crnuce  in  Sicherheit, 
wo  seine  Momken  iiim  1814  rasch  ein  Gehöfte  zimmerten.  Denn  schon  trug  er 
sich  mit  dem  Gedanken  der  neuen  Erhebung  im  folgenden  Jahre.  Er  durfte  nicht 
länger  zögern.  Am  Palmsonntag  1815  inscenierte  er  sie  vor  dem  Nachbarkirchlein 
zu  Takovo  mit  den  Worten:  „Hier  bin  ich,  da  habt  ihr  den  Krieg  mit  den 
Türken!"  Dem  riesigen  Sinia  Pastrmac  reichte  er  gleichzeitig  die  Wojwodenfahne; 
wo  sie  erschien,  siegte  man,  und  in  wenigen  Monaten  war  Serbiens  spätere 
Unabhängigkeit  durch  Milos  fest  begründet.  1818  erklärte  iWilos  auf  einer 
Skupstina  zu  Kragujevac,  dass  er  seine  Übersiedelung  dahin  für  das  Landeswohl 
erspriesslich  halte.     Fortan  residierte  der  merkwürdige  Mann,  welcher  vom  Vieh- 


KKAOUJEVAC,   Der  Konakpl.ilz  zu  Fiirst  Milos'  Zeil 


liirten  zum  Inirsten  sich  aufgeschwungen  hatte,  grösstenteils  in  dem  kleinen 
Konak,  dessen  bescheidene  Einrichtung  für  Miloä"  Anspruchslosigkeit  sprach. 

Die  eine  entzückende  Fernsicht  bietende,  mit  niederen  Kissen  ausgestattete 
Veranda  des  ersten  Stockwerkes  war  Miloä'  Lieblingsaufenthalt.  Hier  sass  er  oft 
mit  seinen  Knezen,  später  mit  seinen  Ministern,  die  Landesangelegenheilen 
beratenil.  liier  war  er  ohne  Zeremoniell  jedem  zugänglich;  er  atmete  die 
erfriscliende  Luft  seiner  Sumadija,  erfreute  sieh  iler  Spiele  iler  Jugeml,  des  Kolo, 
welchen  die  selimueken  Tdcliler  von  Kragujevac  unten  auf  ilem  grünen  IMan 
ausführten,  oder  winkle  seiner  mit  tien  kleinen  Prin/en  A\ilan  und  Mihail  auf 
dem   Hofe  spielenden   Ljubiea  /um   Besuch. 

Die  Wohnräume  des  Koiiaks  fand  ich  orientalisch  mit  Ottomanen,  Pfeifen- 
seluankeii,  Teppielien  uiul  Bildern  ausgestaltet.  Überall  viel  Farbe,  in  allem  etwas 
VOM  dem  das  Aiii;e  iles  Europäers  angenehm  berührenden  Reiz  des  arabischen 
Ziek/ack-Oriiaments.  Der  Fürst  hesass  grosse  Vorliebe  für  Porträts  berühmter 
Personen.  Gelehrle,  Geistliche,  Staatsmänner  und  Feldherren,  i-"reihcitskampfer 
und  absolute  Monarelien  bedeckten  in  mehr  oder  minder  gelungenen  Bildern  die 
Wände.     Über   den     liiien    piingte   des    Sultans  Nanicnszug    —    oder   schlüpfrige 


2'.)H     (luhcr  ikii  Crni  vrli,  Kr.i^jiijuv.ic,  Vrat'fvänica,  Topola  und  Mcdjuluiijc  nach  HclKrad. 

französische  Darstellunjjcn,  tlic  an  die  frivolen  Sccnen  erinnerten,  welche  sich 
hier  oft  abspielten.  Kinc  stark  sinnliche  Natur,  betrachtete  sich  MiloS  nach 
Paschaweise  nicht  nur  als  ersten  Herrn  des  Landes,  sondern  auch  über  Leben  und 
Gut  seiner  Untertanen,  über  Mädchen  und  F-'rauen  —  manche  Schöne  der 
Unif^ehmif;  licl  ciiirch  i.isi  oder  Gewalt  seiner  Lust  zum  Opfer,  und  manch 
iiiil)ei|iiemen,  widerstrehendeii  llhemann  liess  Miloä  ohne  Gericht  und  Urteil  am 
Birnbaum  vor  dem  Kunak  aufknüpfen. 


^   .  / 


KRAGUJEVAC,   Die  Ljubica-Kapellc. 


Gern  iiaitc  Fürst  Milos  ausschliesslich  zu  Kragujevac  residiert,  wo  er  sich 
unbeirrt  durch  die  Koiitrolle  der  Bel,ü;rader  Paschas  und  fremden  Konsuln  in  seiner 
herrisciicn  Weise  gehen  lassen  konnte.  Politische  Gründe  sprachen  dagegen. 
Doch  weilte  er  soviel  als  möglich  in  seiner  Lieblingsstadt.  Stundenlang  sah 
er  vom  Cardak  des  Konaks  den  Übungen  der  im  weiten  Hofraum  exerzierenden 
„Topci"  zu.  Als  er  den  Türken  den  Krieg  erklärte,  besass  er  nicht  eine  Kanone, 
durch  Siege  musste  er  sich  seine  Artillerie  erkämpfen.  Neben  dem  Konak  der 
Ljubica  bewahrte  man  in  einem  Depot  diese  mit  schwerem  Blut  erkauften 
Anfänge    der   serbischen   Wehrmacht.     Anders    1860.     In    den    Holzbaracken    des 


Ucbur  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Mcdjuluzije  nach  Belgrad.     299 

Konakhofes  konnte  Milos  200  todbringende  Rohre,  meist  aus  heimischen  Erzen 
von  Serbenhänden  gegossen  und  montiert,  zählen. 

Militärniusik  und  fröhhchcr  Lärm  zogen  mich  zur  nahen  Kaserne.  Der  Weg 
führte  an  der  Kanonengiesserei  vorüber.  Die  Pforte  hatte  kurz  zuvor  (1860) 
gegen  Serbiens  unverschleierte  Rüstungen  protestiert. 

Auch  im  stark  verfallenen,  rechtsseitigen  „Ljubica-Konak"  prangte  über  dem 
Haupteingang  des  Sultans  reichverzierter  Namenszug.  Das  Haus  stammte  aus 
der  Zeit,  in  weicher  Fürst  Milos  sich  selbst  nur  als  den  türkischen  Vezier  des 
„Ejalets  Sirb"  betrachtete;  in  Wahrheit  zählte  er  auch  nicht  zur  Reihe  der 
autonomen   Fürsten   Europas.      Sehr  interessierten    mich    die  Wandmalereien   der 


^'■d^a&^^:t^ 


W^V.L  ^A=" 


KRAGUJEVAC,    Rast  sirbiatlicr  liiUiilcnt  (l«jü). 


mit  einigen  hübsch  gearbeiteten  Schränken  im  orientalischen  Geschmack  aus- 
geslalleten  Räume.  Türkische  und  christliche  Reiter,  einzeln  und  in  Haufen; 
idyllische  Landschaften,  gegen  welche  sich  eine  Menge  geologischer  Bedenken 
erheben  Hessen;  abenteuerliche  Liebesscenen  und  wildes  Schlachtgewühl  wechselten 
in  bunter  Weise,  umrahmt  von  barocken  Ornamentstreifen,  in  dem  später  in 
iiiie  Kapelle  umgewandelten  Schlafzimmer  der  Fürstin  verriet  der  über  eine  aus 
Wolken  segnend  ausgesireckten  llaiul  angebrachte  deutsche  Spruch:  „Die  Gottes- 
hand sognet  den  kleinen  Milan,"  des  Malers  Nationalität  inul  fromme  Denkweise. 
Fürstin  l.jubica  war  eine  grosse  Blumenfieundin.  Den  kleinen  Kmiakgarten 
schmückte  einst  prächtiger,  von  ihrer  Hand  gepflegter  Pfianzeiiflor.  Hier,  im 
schattigen  (irün,  spielte  sie  gern  mit  den  Prinzen  Milan  und  Mihail.  Letzteren 
bevorzugte  sie  in  allem,  obwohl  sie  mehr  Ursache  gehabt  liälte,  den  ersleren  zu 
lieben,  Sie  gebar  innner  Mädchen,  und  MiloS  war  bereits  entschlossen,  sich  von 
ihr  /u  IrcMiHM,  als   ISH)  der  Thronerbe  Milan  erschien  und  die  gestörte  Harmonie 


HOU     |Icbi.r  cIlm  Crni  vrh,  KraKUJfvac.  VratcvSnica,  Topola  und  Mfdjuluiijc  nach  BeiKrad 

lierstt'lltL'.  Vom  den  Priiizcssiiinfii  blichen  nur  zwei,  fcrka  und  Savka,  am  Leben; 
auch  Milan  starb  junn,  und  nun  wandte  die  liartneprüfte  J-'rau  ihre  j^anze  Liebe 
dem  jungen  Miliail  zu.  in  Kraj^ujevac  wurde  mir  versichert,  dass  Ljubica  ihn 
(1823)  wilhrenil  eines  Ausflugs  plötzlich  mitten  im  Walde,  bei  dem  5  km  fernen 
Trmbas,  f^ebar,  wo  noch  heute  der  Punkt  „zbej{"  (Zufluchtsort)  heisst.  Ist  dem 
so,  dann  wilrc  das  Waldmysterium  mit  Mihails  Leben  und  Sterben  —  man 
erinnert    sich,    dass    er    im    Topciderer   f^ark    ^'•''•'''■'1    wurde    —    cn^    verbunden. 

I-reinde  fksiaiier  wurilen  früher  nicht  f^ern  gesehen.  Ich  unterdrückte  meine 
Neugierde,  obwoiil  mir  eine  an  alle  Ucliörden  lautende  ministerielle  Iimpfehlung 
den  Ijntritt  ermiijiliciit  hätte.  Der  aufsteigende  Qualm  der  lissen  und  zahllose 
Pyramiden  russischer  Gewehre,  welche  ihrer  Umwandlung  nach  neuem  Modell 
harrten,  zeigten,  dass  Serbien  sich  für  alle  Eventualitäten  vorbereitete.  Ein 
interessantes  Schauspiel  erwartete  mich  im  grossen  Hof  der  nahen  Kaserne. 
Die  junge  Maniiscliaft  lag  um  einen  hohen  Ziehbrunnen  malerisch  gruppiert  auf 
dem  frisciicM  Rasen,  das  Abendbrot  gemeinsam  verzehrend.  Es  war  reichlich 
und  rcinlicii  aufgetragen,  die  Schüsseln  blinkten,  in  allem  bekundete  sich  öster- 
reichischer oder  russischer  Zusciinitt.  Auf  das  Zeiciien  der  Trommler  und  Pfeifer 
cntiete  ilas  Tafchi,  einer  der  Spieileute  blies  auf  primitivem  Instrument  die 
„Paracinka".  Das  ist  die  Melodie,  welche  den  Serben  gleich  feurig  aufregt,  wie 
der  Cärdäs  den  Magyaren.  Rasch  reihten  sich  mehrere  Soldaten  zum  Kolo. 
Taschentücher  vertraten  die  Stelle  der  Gürtel,  der  Kreis  vcrgrosserte  sich  und 
imt  tler  gesteigerten  Tanziust  die  Energie  des  Pfeifers.  Es  w'ar  eine  Scene  voll 
jugendlicher  Lebcnsfrisclie  und  Ungebundenheit,  an  italienisches  und  ungarisches 
Soldatenleben  erinnernd.  Der  Zapfenstreich  ertönte,  die  Kette  löste  sich  auf  und 
bald  lag  wieder  rcglenientmässigcs  Schweigen  auf  dem  verödeten  Raum. 

Umspielt  von  der  erquickend  milden  Luft  eines  köstlichen  Maiabends  kehrte 
ich  über  die  trag  fliessende  Lepcnica  nach  der  Stadt  zurück.  Scheinbar  friedlich, 
sciuvillt  der  kleine  Bach  oft  im  Frühjahr  zum  Brücken  zerstörenden  und  die 
ganze  Umgebung  verheerenden  Strom  an.  Wenn  dann  bei  eintretender  grosser 
Hitze  das  Wasser  verdunstet,  entwickeln  sich  Miasmen,  welche  in  der  während 
der  Somnierfasten  auf  Obst,  Hülsenfrüchte  usw.  angewiesenen  Bevölkerung  hart- 
näckige Fieber  iiervorrufen.  Andere  Ursachen  epidemischer  Krankheiten  bildeten 
das  schlechte  Trinkwasser  und  die  gänzlich  mangelnde  Kanalisation. 

übschon  diese  Mängel  teilweise  noch  heute  nicht  ganz  behoben  sind,  fand 
ich  Kragujevac  bei  meinem  dritten  Besuch  im  Herbst  1888  nach  allen  Richtungen 
ungemein  günstig  verändert.  Es  hatte  eine  glückliche  Häutung  vom  riesigen 
Dorf  zur  modernen,  schönen  Stadt  durchgemacht  und  dankte  dies  grossenteils 
der  Tatkraft  und  dem  Gemeinsinn  seiner  Bürger.  Nach  vielwöchentlichen 
anstrengenden  Gebirgstouren  im  Morava-  und  Drinagebiet  mit  oft  nur  sehr 
bescheidenen  Unterkünften  fühlte  ich  mich  nun  doppelt  wohl  im  prächtigen 
„Hotel  Takovo",  dessen  gastliche  Pforte  die  in  Metall  gegossenen  Kopien  der 
anmutigen  Fruchtträgerinnen  im  berühmten  Wiener  „Schönbrunner  Parterre" 
schmückten.  Von  der  Einrichtung  der  Wohnzimmer  und  Speisesäle  des  mit 
Glas   überdachten   grossen  Saales  für  Konzerte,   Bälle  und  Cafes  usw.,   bis  herab 


l 


Lieber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevänica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  Belgrad.      301 

zur   gefälligen    Dienerschaft    können    sich    wenige    deutsche    Provinzstädte    eines 
gleich  trefflichen  Gasthofes  rühmen. 

Der  bisher  nur  als  tapfer  gekannte  Sumadijaer  erwies  sich  neuestens  auch 
als  unternehmend  auf  wirtschaftlichem  Gebiet.  Die  grossen  Vorteile  der  modernen 
Teilhaberschaft  begreifend,  vereinigten  sich  einige  Kragujevacer  Kaufleute  unter  der 
Firma  Markovic  &  Cie.  Diese  übernahm  grössere  Lieferungen  für  den  Staat, 
baute  die  Plana-Kragujevacer  Flügelbahn,  errichtete  3  km  südwestlich  von  Kragujevac 
im  Grosiiickatal  eine  Dampf-  und  Wassermühle  usw.  Bald  gab  es  in  ganz 
Serbien  keine  bekanntere  Firma;  rührig  und  energisch  steckte  ihre  Hand  in  allen 
grösseren  Geschäften.  In  der  „Kumpanija  ulica",  einer  Strasse  im  besten  Teil 
der  Stadt,  wohnten  die  Teilnehmer  Marko  Markovic,  Milan  Radenkovic,  Mita 
Zdravkovic  und  Djoka  Vasikevic  in  behäbig  aussehenden,  von  hübschen  Gärten 
umgebenen  Häusern.  Andere  lu.xuriös  mit  Friesen,  Figuren,  Balkoncn  reich 
verzierte  erbauten  sie  zur  Vermietung  auf  verschiedenen  Plätzen.  Durch  zu  aus- 
gedehnte Unternehmungen,  den  verlustvollen  Bau  der  Senjer  Bahn,  den  ungünstigen 
bulgarischen  Zehentpacht  usw.  geriet  jedoch  das  vielversprechende  Geschäftshaus 
in  Stockungen,  die  1892  dessen  Auflösung  herbeiführten,  obschon  einzelne  seiner 
Teilnehmer,  wie  der  zuletzt  genannte  (in  Firma  Djuric  &  Cie.),  heute  noch  zu 
Belgrads  angesehensten  Kaufleuten  zählen. 

Das  Beispiel  der  „Kumpanija"  wirkte  jedenfalls  anspornend  auf  den  Unter- 
nehmungsgeist latenter  Kräfte.  in  der  Umgebung  des  kleinen,  frischgrünen 
Stadtparkes  und  in  der  ehemaligen  Cargija  —  heutiger  Miliail-  und  Takovo- 
Houlevard  —  entstanden  viele  hübsche  Privathäuser,  von  welchen  ich  hier  nur 
die  vom  Ingenieur  Jokovic  erbauten  des  Generals  Arsa  Jakovljevic^,  des  Mühlen- 
besitzcrs  Radoviö  und  Kaufmanns  Milan  Nikolic  u.  a.  hervorhebe.  In  der 
Bahnhofstrasse  erbaute  die  „Kumpanija"  schöne  Zinshäuser  und  das  Restaurant 
„Vlla"  mit  grossem  Garten,  in  dem  Gambrinus  sein  Scepter  siegreich  schwingt. 
Nach  dem  letzten  Regulierungsplan  soll  das  Zigeunerviertel  verschwinden,  ein 
Quai  mit  Eisenbrücken  über  die  Lepenica  erbaut  und  an  ihren  Ufern  hübsche 
Häuserzeilen  angelegt  werden.  Geplant  ist  auch  eine  Wasserleitung,  welche  die 
Quellen  von  TrmbaS  und  2draljica  in  die  Stadt  bringen  soll;  bis  jetzt  wanderten 
Freunde  frischen  Wassers  hinaus  zum  „llina  voda",  wo  König  Milan  den 
Kragiijevacern  einen  zierlichen  Brunnen  für  500  Dukaten  herstellen  licss.  Auch 
an  ein  enlsprechendes  Nac'elstvi)  und  Rathaus  denkt  man,  weil  die  alten  für  die 
wachsende  Beaniten/ahl  nicht  mehr  ausreichen.  Die  drei  staatlichen  Ingenieure 
sinil  vollauf  beschäftigt,  unil  gleich  überbürdet  sinil  die  Beamten  der  Kommune. 
Sie  bezahlt  zwei  Ärzte,  unterstützt  die  freiwillige  Feuerwehr,  welche  sich  aus  den 
Honoraren  für  Kon/eile  ihres  Gesangs-  und  Musikvereins  selbst  eine  erwünschte 
llimialmuHiuelle  schuf,  fiincr  die  Scliützenschaft  und  viele  andere  gemeinnüt/ige 
Institute. 

Den  architektonisch  prächtigen,  schon  aus  weiter  Flntfcrnung  sichtbaren 
Mittelpunkt  der  Sladt  biKiel  ihre  nach  Andrejevics  l'lan  im  by/antinischen  Stil 
erbaute,  IHHO  dem  „linischeiden  M.niens"  geweihte  Kirche.  Den  leiiler  aul 
einem   zu    beschränkten   Platz   sich    erhebenden    Monumentalbau    schmücken    vier 


:!'•-      lieber  den  Criii  vrh,  Kraj^iijcvac,  Vrat'cvSnica,  Topola  und  Mcdjulu2ijc  nach  Belgrad. 

in  geliitiKctiuii  Verhältnissen  um  die  Zentralkuppel  gruppierte  kleinere,  gleichfalls 
mit  roten  Kupferdachern  und  vergoldeten  Akruterienleisien  tiber  den  Tambour- 
friesen. Für  einen  Rohbau  reichten  die  vorhandenen  2U0000  d  nicht  aus. 
Lisenen,  Bogenfriese,  fünfteilige  Rundfenster  und  kleine  Portalvorbaue  bilden  den 
dekorativen  Schmuck  der  Aussenmauern;  eine  von  KovaCevi(J  gemalte  Ikonostasis, 
eine  Trapcza  aus  grauem  Marmf)r,  ein  rot  tapezierter  Bischofsstuhl  und  buntes 
Glas  in  den  oberen  l'eiisterteilen  jene  des  hellgetünchten  Innenraumes,  in  dem 
inicli  bei  vielen  Vorzügen  die  über  dem  Westportal  angebrachte,  stilwidrige 
l'rauLMigalerie  störte.  Der  um  die  Kirche  angelegte  junge  Garten  trennt  sie  mit 
zierlichem  Gitter  von  den  sie  einschliessenden  Strassen.  Vier  bei  der  Küster- 
vvohnung  liegende  starke  Säulen  von  einer  in  der  Ciganjska  mahala  zerstörten 
Moschee  dürften  vielleicht  für  den  von  llkic  entworfenen,  auf  97 000  d  veranschlagten, 
46  m  hohen  Turm  verwendet  werden,  welcher  die  provisorisch  in  einem  Holz- 
gerüst hängenden  fünf  Glocken,  darunter  die  2500  kt;  wiegende  schwerste 
sämtlicher  serbischer  Kirchen,  aufnehmen  soll. 

Wenige  Schritte  brachten  mich  zu  dem  1833  begründeten  Gymnasium.  Sein 
für  serbische  Verhältnisse  grossartiges,  400000  d  kostendes  neues  Haus  wirkt 
geradezu  überraschend  und  ist  jedenfalls  der  schönste  Schulbau  des  Landes. 
Zwölf  Stufen  führen  in  den  über  die  Flügel  und  Eckrisalite  bedeutend  vorspringenden, 
von  Säulen  getragenen  Mittelbau,  über  dessen  Vestibül  im  ersten  Stockwerk, 
von  grossen  Bogenfenstern  erhellt,  die  reich  mit  Deckenfriesen,  Wandpilastern, 
Nischen  usw.  dekorierte  Aula  liegt.  Auch  der  6000  Bände  bergende  Bibliothek- 
saal und  die  Klassenzimmer  sind  licht  und  geräumig.  Den  Zeichensaal  fand  ich 
mit  ganz  neuartigen  Pulten,  die  wissenschaftlichen  Kabinette  mit  guten  Apparaten 
ausgestattet.  25  Professoren  unterrichteten  in  7  Klassen  620  Schüler,  darunter 
70  Mädchen.  Für  ihren  Fleiss  spricht,  dass .  von  40  Hörern  der  VII.  Klasse 
36  maturierten.  Der  Cacaker  und  Rudniker  Nachbarkreis  stellen  ein  bedeutendes 
Kontingent  der  Lernbegierigen.  Namentlich  rühmte  der  um  die  Organisation  der 
Schule  verdiente  Direktor  Misa  Mihajlovic  die  letzteren  auffallend  talentiert  und 
flei.ssig.  Der  Unterstützungsfonds  für  arme  Studierende  hob  sich  durch  Schüler- 
konzerte, Legate  usw.  1898  auf  15830  d.  Die  jährlichen  Erhaltungskosten 
betrugen  58000  d. 

Ein  günstiger  Zufall  liess  mich  am  9.  Oktober  1888  Zeuge  des  schönen 
Festes  sein,  welches  im  Kragujevaccr  Arsenal  zur  Erinnerung  an  den  vor  25  Jahren 
gelungenen  ersten  Kanonenguss  in  Serbien  gefeiert  wurde.  Die  ganze  Stadt  war 
auf  den  Beinen,  um  den  mit  kriegerischen  Trophäen,  Flaggenbäumen  und  Reisig 
prächtig  geschmückten  Arsenalhof  zu  besichtigen.  Das  grösste  Interesse  erweckte 
die  auf  hohem  Piedestal  prangende  Jubelkanonc,  die  neben  ihr  ausgestellten,  mit 
Eisenringen  beschlagenen  Birnholzrohre  Karadjordjes  und  einige  erbeutete  türkische 
Geschütze.  Vormittags  celebrierte  man  eine  Feldmesse.  Nachmittags  spornten 
lustige  Weisen  einer  Militärkapelle  die  Kragujevaccr  Schönen  mit  Offizieren  und 
Soldaten  zum  Tanz.  In  den  improvisierten  Schenken  ging  es  lustig  her,  und  auch 
der  „Pevacko  druztvo",  der  Arsenalarbeiter,  um  dessen  Gründung  sich  der  1868 
aus  Spandau    berufene   treffliche  Meister   für  Munitionsfabrikate  und   beste  Lehrer 


Lieber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vradevsnica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  Belgrad.     303 

der  Handwerkerschule,  Friedrich  Hoffmann,  sehr  verdient  gemacht,  fand  für  seine 
patriotischen  Lieder  begeisterte  Hörer.  Der  allgemeine  Jubel  steigerte  sich 
abends  am  höchsten,  als  plötzlich  aufsteigende,  den  Platz  mit  Tageshelle  über- 
gicssende  elektrische  fjarben  die  Tausende  angezündeter  bunter  Lampions 
verdunkelten  und  als  unter  hochaufschiessenden  Raketenschwärmen  rotierende 
Feuerräder  nach  allen  Seiten  zerstiebende  riesige  Funkenbündel  entsandten,  in 
deren  Mitte  neben  den  Initialen  des  Königs  und  Kronprinzen  der  Namenszug  der 
allverehrten  Königin  hell  erglänzte.  Der  am  Sterbebett  seiner  Mutter  weilende 
Arsenalkommandant  Pavle  Safarik  blieb  der  schönen  Feier  fern.  Unter  den 
höheren  Offizieren,  die  ich  auf  dem  Festplatz  kennen  lernte,  erwies  sich  der 
kurz  zuvor  abgetretene  Direktor  Oberst  Velimir  Slefanovic  als  eine  lebende 
Chronik  des  Arsenals.  Gern  folgte  ich  der  Einladung  zum  Tee  in  sein  Haus 
und  ergänzte  dort  aus  dessen  anregenden  Erzählungen  meine  über  die  Entwickelung 
dieses  grössten  serbischen  Rüstplatzcs  gesammelten  Daten. 

Unmittelbar  nach  dem  Sturmjahr  1848,  in  dem  die  Serben  unter  Knjicanin 
an  der  Seite  ihrer  ungarischen  Stammesbrüder  gegen  die  Magyaren  fochten,  fühlte 
Fürst  Ale.xander  das  Bedürfnis  nach  einer  eigenen  Kanonenfabrik.  1849  kam  aus 
Petersburg  der  Techniker  Njeprek,  welcher  auf  dem  Platze  der  heutigen  Belgrader 
Militärakademie  eine  kleine  Werkstätte  anlegte.  Mit  Hilfe  der  ihm  zugewiesenen 
zehn  Lyceumsschüler  machte  er  die  ersten  Gussversuche.  Sie  missglückten  wegen 
der  schlechten  Konstruktion  der  Öfen.  Njeprek  wurde  verabschiedet  und  der 
unter  ihm  arbeitende  belgische  Maschinenschlosser  Toussaint  de  Lours  übernahm 
die  Leitung  der  1850  zu  Kragujevac  gegründeten  „Topolivnica"  (Kanonengiesserei). 
Gleichzeitig  wurden  ihm  die  Eleven  der  fürstlichen  Artillerieschule  Milutin  Jovanovic 
und  der  fortan  mit  dem  jiuigen  Etablissement  eng  verbunden  gebliebene  Velimir 
Stefanovic  beigegeben.  V.r  liess  eine  Dampfmaschine  von  18  Pferdekräften  aus 
Lüttich  kommen,  deren  einzelne  Teile  man  des  misstrauischcn  Belgrader  Paschas 
wegen  als  Eisenware  über  den  Semmering  und  Bosnien  ins  Land  schwärzte. 
Der  1851  von  Kaiser  Napoleon  entsandte  tüchtige  Giesser  Loubry  aus  Douai 
vervollständigte  die  technische  Einrichtung,  und  am  27.  September  1853  (a.  St.) 
glückte  der  (juss  des  ersten  F'Jolires.  Loubry  goss  48  sechspfündige  Gebirgsbalteric- 
Kanonen  und  begrünilete  zur  Heranbildung  heimischer  Arbeiter  eine  von  lüZöglingen 
besuchte  llandwerkerschule  1H54  errichtete  der  Franzose  Oreilly  die  Lafeticnfabrik 
nach  französischem  Modell,  was  die  Übersiedelinig  der  Belgrader  militärischen 
Sclimiedewerkstätte  usw.  mit  2  Offizieren  nach  Kragujevac  zur  Folge  hatte.  Noch  im 
selben  Jahre  wurden,  vielleicht  anlässlich  der  während  des  Krimkriegs  beobachteten 
strengen  Neutralität,  Loubry  und  Oreilly  entlassen.  Unter  dem  an  ihre  Stelle 
getretenen  O.-L.  Petar  Protic  leiteten  nun  Milutin  die  Geschützgiesscrei,  Velimir 
ilie  Lafetten-  uiul  Munitionsfabrik.  Wahrend  ihrer  Wirksamkeit  wtinlen  3  Batterien 
glatter  Geschütze  fertiggestellt. 

Mit  der  Rückkehr  der  Ohrenovic  im  J.  183^)  vollzog  sich  auch  im  Kragujevacer 
Arsenal  ein  grosser  Umschwiuig.  Fürst  MiloS  sandte  den  Direktor  Prolic  und 
Milutin  wegen  grober  Unregelmässigkeiten  ins  Gefängnis,  ernannte  den  jungen 
W'liniii  Slet;nin\  i(- /uui  Oheileiter  und  forderte  von  iliesem.  ilass  er  das  Etablissement 


)U)I      UuIkt  ÜL-n  Crni  vrli,  KraKUJevac,  VracJcvSnica,  Topola  und  Mcdjuluiije  nach  Belgrad. 

auih    für    liuiustriezwucke    einrichte,    „damit    nicht    so    viel    serbisches   Geld    ins 
Ausland  wandere".     Damals  wurden  Glocken  für  Valjevo  und   viele  andere  Orte 


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gegossen,  welche  Fürst  Milos  grossenteils  als  Geschenke  ihren  Kirchen  widmete. 
Diese  friedlichen  Arbeiten  wurden  sofort  sisticrt,  als  Fürst  Mihail  1860  zur  Regierung 
gelangte.     Die  Glattkanonen  hatten  ihre  Rolle  ausgespielt  und  das  Bedürfnis  nach 


Ueber  dun  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vra(^evsnica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  Belgrad.     30i) 

gezogenen  Rohren  führte  unter  dem  1861  zum  Arsenalleiter  bestellten  Oberst 
Milivoje  Blaznavac  (S.  114)  zur  Berufung  der  Italiener  Hauptmann  Zanolini  und 
des  Werkmeisters  Ciochetti,  welche  von  1862  nach  mitgebrachten  Vierpfünder- 
modellen 20  Batterien  zu  8  Geschützen,  grossenteils  mit  hierzu  aus  des  Fürsten 
Privatkasse  angewiesenen  20000  Dukaten,  herstellten.  Die  glatten  Kanonen  wurden 
für  die  Armeereserve  bestimmt.  Vom  J.  1862  an  führte  Oberst  Velimir  mit  kurzen 
Unterbrechungen  allein  die  Leitung  des  Arsenals  und  der  Geschossfabrik,  welche 
von  Majdanpek  nach  Kragujevac  verlegt  wurde.  Bis  1876  vollendete  man 
4   Batterien    llauhitzen,    4   Batterien   Vierpfünder    und    30    Oebirgsbatterien   zu   je 


i\  I'ACjUJF: V AC,  Gcbiiiiüe  für  Modcll-Drclicrci  unil  Zciclicnsak  im  K.  ArstiKil  0>fn> 


4  Stücken  und  'M)i)  I'atrnnen  per  Kanniu'.  Aui'ii  ilie  von  Belgien  und  östcrrcicii 
bezogenen  l'atroneniiülsen,  'M)0  per  Gewehr,  vvunlen  hier  gefüllt,  die  Gewehre 
aber  nach  dem  angenommenen  System  Koka-Mauser  in  Deutschland  angefertigt. 
Dagegen  besorgte  das  Arsenal  die  Instandsetzung  der  „Peahody"  für  die  III. Reserve 
und  di'u  i.andstunn.  r.iiRii  grossen  Teil  der  Kniile  für  ilen  lleizbedarf  und  die 
Kesselteuer  baute  luan  damals  bei  Taonik  und  /.aeevac  im  ^\oravsker  Bezirk 
ab;  später  verwemlete  man  die  treffliche  Senjer  Sehwar/-  und  Misacaer  l.ignitkohle; 
tnillichen   l'iunisand  lieferte  das  nahe  l'celica  stets  in  Fülle. 

/u  dem  grossen  Aufschwung,  welchen  das  Arsenal  seil  1HS2  unter  den 
DirekliMcu  Giga,  dem  die  Saltler-,  Riemer-,  Bürsten-,  Seiler- Werksliitlen  einrich- 
Unden  l.juba  Colak  Antic  (Bruder  des  1K76  gefallenen  Helden)  mid  dem  tüchtigen 
Pavie  Safarik  bis   18<.)2  nahm,  trug  ui'senllich  bei  sein  In  Deutschland  gehildeler 

l-,  KANITZ,  SiTlikMi.    I.  31) 


:!0(;     Ueber  den  Crni  vrh,  KraKUJevac,  VradevSnica,  Topola  und  Mcdjuluiije  nach  Belgrad. 

technischer  Chef,  der  kider  (7.  Februar  1901)  früh  verstorbene  Hochschulprofessor 
Todor    Seieskoviö.      Er   entwarf  die   Pläne   für  den   grossartigen,   die   wichtigsten 

Rüstunnsateliers  vercinij^enden  Neubau  und  vollendete  mit  dem  Maschinen-Ingenieur 
Mirusavijevic  den  in  F^ohbau,  Glas  und  Eisen  konstruierten  Hauptbau  für  die 
mechanischen  Werkstätten  (Plan  9).  Eine  45  pferdige  Dampfmaschine  dient  hier 
zur  elektrischen  Lichterzeugung  für  sämtliche  Ateliers.  Zur  Herstellung  der  Hülsen 
für  Gewelirpatronen  werden  die  Abfälle  der  von  Chaudoir  in  Wien  bezogenen 
Messingbleclie  geschmolzen,  ebenso  zu  Zündern  mit  Gewinden  zum  Einschrauben 
für  Granatpatronen.  Schrapnellhülsen  werden  gleichfalls  hier  und  in  der  alten 
Giesserei  mit  franz(')sisclien  Mascliincn  aus  deutschen  Gussstahlblechen  erzeugt. 
In  dem  hiiher  liegenden,  naiiezu  ganz  aus  Glas  und  Eisen  erbauten,  luftigen  und 
lichten  Saal  für  die  Konstrukteure  und  Zeichner  zeigte  mir  Professor  Seleskovic 
seine  Entwürfe  für  den  auf  3,5  Millionen  d  veranschlagten  Ausbau   des  Arsefials. 

Bei  meinem  vierten  Besuch  von  Kragujevac  im  August  1897,  anlässlich  der 
fieundliclien  Einladung  seines  Kommunalrates  und  der  Direktion  des  Arsenals, 
fand  ich  dessen  1888  noch  unvollendete  oder  geplante  Bauten  ihrer  Bestimmung 
ülicrgeiien.  Audi  der  älteste  bescheidene  Teil  seiner  jetzt  16  Ar  bedeckenden 
Anlage  liatte  durch  einen  von  llkic  erbauten  eleganten  Glockenturm  beim  hl.  Geist- 
kirchlein eine  neue  Zierde  erhalten.  In  allen  Werkstätten  waren  bereits  die 
serbischen  Arbeiter  vorherrschend.  Namentlich  interessierte  mich  die  im  grossen 
Neubau  zum  Gusse  von  Maschinenteilen  und  Granaten  in  voller  Tätigkeit  begriffene 
Modelltischlerei  und  noch  mehr  das  wegen  Explosionsgefahr  fern  von  der  Stadt 
nach  den  modernsten  Prinzipien  grossartig  angelegte  Munitions- Laboratorium, 
dessen  komplizierte  Einrichtungen  uns  sein  Leiter,  Artilleriehauptmann  Miodrag 
Vasic,  in  liebenswürdigster  Weise  erklärte.  Auf  demselben  Mecino  brdo-Plateau, 
wo  Miloä  mit  dem  Säbel  die  Hauptlinien  für  das  erste  Kragujevacer  Pulvermagazin 
im  Boden  vorgezeichnet,  traten  wir,  geführt  vom  Major  Hobisch,  in  einen  zierlichen 
kleinen  Neubau,  in  dem  die  Flugdauer  von  Infanterie-  und  Artillerie-Geschossen 
durch  einen  mit  der  nahen  Versuchs-Schiessstätte  in  Verbindung  gebrachten,  nach 
Leboulongers  System  von  Luckhardt  &  Alten  in  Kassel  ausgeführten  Apparat 
beobachtet  wird.  Ein  anderer,  gleich  sinnreicher  Apparat  kontrolliert  die  Ver- 
brennungsdauer zur  richtigen   Konstruktion   der  Schrapnellzünder. 

Angrenzend  befindet  sich  das  grosse  Laboratorium  für  Geschützmunition.  In 
einem  seiner  Säle  wurden  1888  mittels  zweier  französischer  Maschinen  20000  und 
im  Kriege,  mit  Zuhilfenahme  der  Hand,  120000  Gewehrpatronen  täglich  fertiggestellt. 
Nicht  ohne  Zagen  betrat  ich  das  Magazin,  in  dem  ich  schon  1888  über  4000 
Belagerungs-Granatgeschosse  ä  30  kg,  60000  Schrapnells,  deren  jedes  105  Kugeln 
und  5  Kränze  einschliesst,  ferner  120000  Feldgranaten,  in  leicht  überzählbaren 
Gruppen,  aufgespeichert  sah.  Einen  freundlichen  Kontrast  zu  diesen,  durch  Zeit 
und  Wetter  geschwärzten,  finsteren  alten  Bauten  bildet  das  neue  „Laboratorium 
für  Infanteriemunition"  mit  zwei  im  Rohbau  schön  ausgeführten  Füllhäusern,  in 
welchen  nahezu  ausschliessend  weibliche  Arbeiter  beschäftigt  sind.  Ein  anderes, 
gleichfalls  im  Stile  an  Wiener  Arsenalarchitektur  mahnendes  Gebäude  ist  die  neue 
Kapselfabrik    mit    stark   vorspringenden    Mittelrisaliten    und    breiten    Seitenflügeln. 


Ueber  den  Criii  vrli,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluitije  nach  Belgrad.     307 

Allerorts  konnte  ich  die  modernsten  sinnreichen  Apparate  zur  Erzeugung  der 
wirksamsten  Noten  staunend  bewundern,  mit  welchen  Herrscher  und  Völker 
periodisch  die  Grenzen  ihrer  politisch-wirtschaftlichen  Machtsphären  feststellen. 
Auch  Serbien  legte  das  anlässlich  des  griechisch-türkischen  Krieges  1897  am 
Balkan  ausgebrochene  Rüstungsfieber  riesige  Opfer  auf;  die  Zahl  der  im  Arsenal 
beschäftigten  Arbeiter  war  damals  von  600  auf  2000  gestiegen. 

Andererseits  förderte  das  Kragujevacer  Arsenal  zweifellos  ganz  hervorragend 
das  zur  Zeit  seiner  Gründung  auf  denkbar  niedrigster  Stufe   stehende   serbische 


KRAüUJEVAC,   Moilell  .-ii., 


Schreins. 


Gewerbe.  Kür  die  einfachsten  Leistungen  mussten  früher  fremdländische  Hand- 
werker berufen  werden.  Zur  Hebung  dieses  beschämenden  grellen  Übclstandes 
verband  Oberst  L.  Sima  Vlasi(^  1854  mit  dem  Arsenal  eine  bald  gute  Resultate 
erzielende  „Hanilvverkerscluile",  welche  1859  aufgelassen,  unter  Purst  Mihail 
1862  mit  erweitertem  l.elirplan  ihre  Wirksamkeit  wieder  begann.  Traditionell 
berücksichtigte  man  hei  lier  Aufnahme  von  Lehrlingen  anfänglich  gern  die  Söhne 
länger  angestellter  Meister.  1895  erhielt  ilie  während  der  Kriegsjahre  geschlossene 
Schule  ein  Statut,  das  \'S  14 jährige  Zöglinge  auf/unehmen  gestattet,  welche  die 
vierte  Normalklassc  erfolgreich  besuchten.  Seilher  melden  sich  jährlich  200  Werber, 
von  weh  lien  etwa  70  der  befähigtsten  behalten  werden. 

2U» 


MOH      lieber  den  Crni  vrli,  Kraniijevac,  Vradcvänica,  Topola  und  Medjulu2ije  nach  Belgrad. 

Die  seil  1898  vom  Staate  mit  2Ü00Ü  cl  subventionierte,  dem  Krief^sministerium 
unterstehende  „Handwerkerscliulc"  umfasst  eine  Lehrlings-  und  Gehilfenklasse 
mit  je  dreij.'lhrJKcn  Kursen;  in  ersterer  wird  20  Stunden,  in  letzterer  12  Stunden 
pro  Woche  uiilerriclitel.  Der  Lehrplan  wurde  jenem  der  Pilsener  Staats-Oewerbe- 
schule  nachj:;ebildet.  Es  wird  das  notwendigste  aus  den  Naturwissenschaften, 
aus  Technologie,  neben  Geometrie,  Zeichnen,  Gesang  usw.  gelehrt.  Der  Schwer- 
punkt liegt  in  der  Praxis.  Die  Zöglinge  finden  Gelegenheit,  sich  nach  Wahl  als 
Maurer,  Zimmericute,  Eisen-  und  Metallgiesscr,  Schmiede,  Schlosser,  Tischler, 
Holz-  und  Metalldrechsler,  Büchsenmacher,  Sporer,  Feilenhauer,  Wagner,  Seiler, 
Lackierer,  Anstreicher,  Färber,  Instrumentenmacher  unter  der  Aufsicht  tüchtiger 
Meister  in  den  Arsenalwerkstätten  auszubilden.  Die  Lehrlinge  erhalten  einen 
Tagelohn  von  0.80  d,  der,  stetig  steigend,  in  der  VI.  Klasse  2  d  erreicht.  Nach 
erfolgter  strenger  Prüfung  erhalten  die  (iehilfen  das  Meisterdiplom  mit  allen'  an 
dasselbe  geknüpften  Rechten.  Während  der  Jahre  1897—1898  wurden  57  zu 
AAeistern  ernannt. 

An  der  nahe  dem  Arsenal  im  zweckmässig  umgestalteten  alten  Lyccum 
untergebrachten  Schule  mit  neuem  Zeichensaalanbau  lehrten  1897  unter  ihrem 
Vorstand,  Arsenalkommandant  Genie -Oberstleutnant  D.  Vlajic:  8  Professoren, 
3  Lehrer  und  1  Katechet.  Ich  sah  das  Modell  eines  aus  Takovaer  Eichenholz 
für  den  König  angefertigten  Schreins  mit  Reliefs;  ferner  Figuren,  technische 
F.ntwürfe  usw.,  welche  dem  Institut  zur  Ehre  gereichten.  Den  Schülern  steht  zu 
ihrer  praktischen  Ausbildung  auch  das  von  Dr.  Vukasin  Panajotovic  geleitete 
chemische  Arsenal -Laboratorium  offen.  Der  grösste  Teil  der  eingeborenen 
tüchtigen  "Handwerker  ging  aus  der  Kragujevacer  Rüststättc  hervor,  und  in  dieser 
werden  auch  alle  Reparaturen  an  landwirtschaftlichen  und  anderen  Maschinen 
bewerkstelligt;  die  schwersten  Arbeiten,  Steinebrechen  und  Ziegelschlagen  an  der 
Zdralica,  aber  bis  1889  durch  seither  glücklich  entfernte  robiasi  (Zwangssträflingc)_ 
Das  an  der  Milanovacer  Strasse  1868  erbaute  Militärhospital  entspricht  den 
neuesten  Forderungen  und  zählt  zu  den  besten  des  Königreichs. 

Wie  meine  Schilderung  zeigt,  war  und  blieb  Kragujevac  bis  heute  Serbiens 
grösster  Rüstpiatz.  Sein  neues  Arsenal  mit  zahlreichen  Magazinen  für  Kanonen- 
rohre, Lafetten,  Heerwagen,  Zelte  usw.,  die  langgestreckten  alten  und  neuen 
Kasernen  für  liie  beträchtliche  Garnison,  das  für  Heereszwecke  verwendete  alte 
Skupstinagebäiide  und  die  auf  den  Höhen  liegenden  Pulvertürme  geben  dem 
Lepenica-Stadtteil  baulich  und  durch  die  Staffage  einen  stark  kriegerischen 
Anstrich.  Eine  wesentliche  Veränderung  hat  der  grosse  Konakplatz  des  ersten 
Obrcnovic  durchgemacht.  Sein  primitives  Aussehen  bewahrte  nur  der  ihn 
umschlicssende  plot  (Pfahlzaun).  Die  einstige  Hauptwache  wurde  dem  Divisions- 
stab eingeräumt,  der  durch  Brand  zerstörte  Ljubica-Konak,  von  dem  1888  noch 
ein  Erker  mit  der  bereits  geschilderten  sehr  primitiven  Kapelle  erhalten  war,  zum 
Garnisonskoniinaiulo  umgebaut  und  der  historisch  gewordene  MiloS-Konak  vom 
König  A\ilan  in  ein  „Üffizierskasino"  umgewandelt.  Noch  steht  links  vom  Eingang 
die  römische  Grabstelle  mit  Attisbildern,  auf  der  ein  Löwe  mit  auf  einen  Widder 
gelegter  Tatze  Platz  fand,  um!  wenige  Schritte  rechts  der  „binjtas",  von  dem  der 


Uebcr  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjiiliizijc  nach  Belgrad.     309 


alte  Fürst  so  off  in  den  Sattel  stieg;  an 
die  Steile  seines  orientalischen  Lieblings- 
Cardak  trat  aber  eine  moderne  Veranda, 
im  Mittelbau  fielen  die  Zwischenwände,  ihr 
genügend  charakterisierter  Bilderschmuck 
verschwand  bis  auf  Milos'  ältestes  Porträt, 
das  alte  Mobiliar  bis  auf  sein  Bett,  und 
auch  dieses  wird  beseitigt,  wenn  in  dem 
niHi  mit  KriegsL'inblemc'ii  verzierten  gröss- 
ten  Raum  „Offizierskränzchen"  abgehalten 
werden;  ein  kleinerer,  in  dem  Milos  schlief, 
dient  dann  als  „Damen-Respiro",  das  Lese- 
ziinmer  im  linken  Flügel  als  „Smoking 
room".  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass 
sich  in  der  weiten  Stadt  kein  anderes  Ge- 
bäude für  solchen  Zweck  fand  und  dass 
der  „Milos-Konak"  nicht  in  seiner  originellen 
Ursprünglichkeit  stehen  blieb.  Eine  Trup- 
penschau, von  der  Veranda  gesehen,  ge- 
währt  allerdings  ein  |iräclitiges  Bild. 

Auch  sonst  würde  der  erste  Obrenovic 
„sein  Kragujevac"  kaum  wieder  erkennen. 
Gewaltig  sticht  die  jüngst  vollendete  zwei- 
stöckige „neue  Kaserne"  mit  31  Fenstern 
Front  von  seinen  primitiven  Bauten  ab, 
und  zu  dem  schon  erwähnten  monumen- 
talen Gymnasium  kamen  \HH7  eine  81000  il 
kostende  einstöckige  Volksschule  für  Knaben 
mit  6  Klassensälen,  je  10  m  lang,  0,50  m 
breit,  4,30  m  hoch;  ferner  1896  eine  gleich- 
falls nach  dem  Entwurf  des  Ingenieurs 
Jokovic  ausgeführte  schöne  „höhere  Töchter- 
schule", für  welche  Kapitän  Gu.sic  42()()()d 
testierte,  mit  t)  grossen  Klassensälen,  während 
die  im  liiife  anscliliessenile  alte  Schule  zu 
T;in/-  untl  Mnsikülnmgen.  snwie  zur  Woh- 
nung der  Direklmin  hestnnml  wnide^  Diese, 
l'rau  Krnna  .Aeimovic,  erfreute  mich  ilurcli 
ilen  vollendelen  Vortrag  serbischer  National- 
weisen  und  iler  Kruiigsliyunie,  welche  meine 
Begleiter  enthusiaslisiii  niilsangen.  Die 
Resultate  des  Instituts,  an  ilem  18  l.elue- 
riunen  luul  fi    Professoren  wirken,    werdei» 


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■ilO      IVher  diu  Crni  vrli,  KraKiijcvac,  Vraöcvänica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  BclKrad. 

ycrülimt.  1896  kostete  diese  am  Scluilschluss  von  207  TOchtcrn  aus  allen 
Ständen  und  Landesteilen  besuchte  Anstalt  dem  Staate  28000  d.  Der  Unter- 
sltitzunnsfonds  für  unhemittcltc  Ziinlinne  betrug    1897  über  2HK)  d. 

Ausser  diesen  und  verschiedenen  stadtischen  Schulen  fördern  den  intellektuellen 
Fortschritt  zu  Kraj^ujevac  ein  mit  dem  Gymnasium  verbundenes  Seminar  für 
bereits  im  Schuldienst  stehende  Lehrer,  ferner  eine  Buchdruckerei,  die  beiden 
radikalen  Zeitungen  „Takovo"  und  „Potpora" '),  ein  Lesekasino,  zwei  OesanKvereine. 
Auf  dem  dort  1891  abgehaltenen,  von  292  Priestern  besuchten  Landeskongress 
war  die  Stadt  durch  ihren  hochgebildeten  Profa  und  5  Pfarrer  vertreten,  die  sich 
mit  erslercm  in  die  Scelsorge  und  von  1 1  zu  ihren  beiden  Kirchen  eingepfarrten 
Naciibardürferii  teilen.  Kragujevac  zählte  1896  in  1796  Häusern  unter  seinen 
13867  Bewohnern  298  Katholiken,  14  Protestanten,  59  Juden  und  369  moslimischc 
Zigeuner.  Fremdsprachige  gab  es:  124  verschiedene  Slaven,  215  Deutsche, 
92  Rumänen,  1 12  Cincaren,  121  Griechen  u.a.  Dem  Beruf  nach  wurden  eingetragen: 
95  Ober-  und  127  Unteroffiziere,  950  Soldaten,  39  Gendarmen;  20  Geistliche, 
10  Buchhändler,  18  Advokaten,  79  vom  Lehrstand,  141  Staatsbeamte,  270  Rentner 
und  Pensionäre,  185  Gast-  und  Kaffeewirte,  504  Kaufleute  und  Krämer.  Das 
Kragujevacer  Zollamt  verzeichnete  1897  an  Einnahmen  277654  d  gegen  172668  d 
im  Vorjahr;  aber  auch  die  städtischen  Abgaben  stiegen  um  ein  Dritteil. 

Kragujevac  besitzt  drei  grössere,  Handel  und  Gewerbe  fördernde  Geld- 
institute: die  1885  begründete  „Kreditanstalt"  mit  700000  d  eingezahltem  Aktien- 
kapital, einen  „Spar-  und  Aushilfsverein"  seit  1889  mit  960000  d  Spareinlagen,  und 
der  1894  entstandene  „Spar-  und  Kreditverein"  mit  740000  d  Reescompte  und 
sonstige  Passiva,  zusammen  mit  2,4  Millionen  Verkehrskapital;  ferner  4  Wechsel- 
stuben, die  dem  auswärtigen  Handel  gute  Dienste  leisten.  Sein  grüsstes 
Industrie-Etablissement  ist  die  1896  von  der  rührigen  Firma  Radovic  &  Cie. 
begründete  „Kunstdampfmühle"  nach  den  Plänen  des  tüchtigen  Prof.  Seleskovic. 
Die  gesamte  technische  Einrichtung  ihrer  6  Stockwerke  besorgte  die  berühmte 
Braunschweiger  Werkstätte  G.  Luther.  Eine  sinnreiche  Waschmaschine  neuesten 
Systems  dient  zur  Reinigung  des  Weizens,  ferner  besitzt  diese  Mühle:  5  Paar 
Doppelwalzenstühie  (Konstruktion  Luther),  einen  Mahlgang,  eine  ungemein 
praktische  Mehimischerei,  eine  Griessputz-,  eine  Dunstputzmaschine,  einen 
Nachsicht-Sortierzylinder  und  drei  Patent-Lutlier-Plansichter,  betrieben  auf  konischen 
Rädern.  In  18  Arbeitsstunden  kann  die  Mühle  100  q,  in  ununterbrochener  Tag- 
und  Nachtarbeit  200  q  Weizen  vermählen  Ihre  elektrische  Beleuchtung  besorgte 
das  Nürnberger  Haus  Schuckert  &  Cie.  Die  Qualität  des  Mehles  ist  jener  der 
berühmtesten  ungarischen  ebenbürtig  und  macht  dieser  durch  die  zu  Kragujevac, 
Belgrad,  Smederevo,  Pozarevac,  Pirot  u.  a.  serbischen  Städten  eingerichteten 
Niederlagen  bereits  eine  erhebliche  Konkurrenz.  Das  A\ühlensouterrain  ist  zu 
einem  mit  Komfort  eingerichteten  Warmbad  und  Schwimmbassin  benutzt. 
Ausserdem  besitzt  Kragujevac  noch  zwei  mindere  Mehlsorten  produzierende 
Dampfmühlen,  wovon  eine  gleichfalls  mit  Badeanstalt. 

')  Im  Feuilleton  von  No.  5  (1808)  brachte  das  Blatt  eine  treffliche  Übersetzung  von 
Schillers  „Glocke". 


Ueber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vradevänica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.      311 

Von  anderen  industriellen  Unternehmungen  sind  erwähnenswert:  die  Fihale 
der  Belgrader  Webereifirma  Crompton  &  Zivkovic  mit  50  Stühlen  und  aus- 
schliesslich serbischen  Arbeiterinnen;  eine  auf  dem  Stanovijansko  polje  1897 
begründete  Dampfkesselanlage  zur  rationellen  Herstellung  von  Pflaumenmus  und 
nach  der  Saison  arbeitender  Schlachtanstalt  für  zum  Export  bestimmtes  Geflügel; 
ferner  eine  grosse  Ziegelei  an  der  Cacaker  Strasse,  welche  die  ärmere  Klasse 
des  nahen  Palilulaviertels  lohnend  beschäftigt,  die  schone  Zementornamente  und 
bunte  Estrichplatten  liefernde  keramische  Fabrik  Cumic  &  Cie.,  die  bedeutende 
Fialasche  Lederfabrik  und  eine  Bierbrauerei.  Auch  arbeiten  viele  Schuhmacher, 
Schneider  und   andere   Gewerbsleute   im   grossen  Stil   für  den   ländlichen  Bedarf. 

Unter  den  362  Kragujevacer  Bürgern,  welche  vom  Landbau  leben,  befinden 
sich  einige  rationell  wirtschaftende  Grossgrundbesitzer,  welche,  wie  beispielsweise 
der  tüchtige  Boza  Vulovic  und  der  liberale  Skupätinapräsident  Todor  Tucakovic 
(f  1897),  ausser  den  eigenen  Wäldern  auch  die  Staatsforste  des  Crni  vrh,  auf 
der  nahen  Bajicetina,  Ramaca  und  Glcdicka  planina  für  Fassdauben  usw.  aus- 
beuteten und  zur  Verbesserung  des  Rindviehschlages  Zuchtstiere  aus  dem  Algäu 
und  den  ungarischen  Gütern  des  Erzherzogs  Albrecht  einführten.  Der  erspriesslich 
wirkende  „Kola  jahaci"  (Reiterbund),  die  fortwährend  erstehenden  neuen  Industrie- 
zweige und  namentlich  der  kräftige  Gemeinsinn  der  Bürgerschaft  sichern  der 
Hauptstadt  der  alten  „§uniadija"  eine  gedeihliche  Zukunft.  Viel  erwartet  man  vom 
Aushau  des  1882  eröffneten  Kragujevacer  Bahnflügels  nach  Bosnien.  Schon 
heute  verfrachtet  dieser  jährlich  600  —  800  Waggons  Pflaumenmus  und  400  bis 
500  Waggons  frisches  Obst  im  Werte  von  3  Mill.  d  nach  Belgrad  und  Budapest. 
Nicht  so  bedeutend  ist  der  Weizenexport,  weil  die  städtischen  Danipfmühlen  den 
Überschuss  verarbeiten. 

Der  Kragujevacer  Bezirk  zählt  mit  80 — 90  Seelen  per  km-  zu  den  dichtest- 
bewohnten  Serbiens.  Der  Getreidebau  wächst  erheblich  im  Kreise;  unkultiviertes 
Land  gibt  es  überhaupt  nur  in  seinen  Bezirken  Lepenica  mit  60-80,  Jasenica 
mit  50—60  und  Gruza  mit  40—50  Seelen  per  km-,  wo  mehr  Viehzucht  getrieben 
wird.  Von  den  167  577  Hektar  Nutzterrain  des  2295  km-  umfassenden,  in  seinen 
politischen  Grenzen  intakt  belassenen  Kreises  trugen  1893'):  Körnerfrüchte  70848, 
(jartengewächse  2408,  Wein  4361,  Obst  14498  Hektar.  Kleefelder  und  Wiesen 
.gab  es:  24326,  Weiden  ISHOCi,  unter  Brache  3825,  Heideboden  usw.  8503  Hektar. 
Man  erntete:  Mais  3()()244,  Wei/eii  in()8()4,  Gerste  220S(i,  H.ifcr  26937,  Wein 
19822,  Zwetschgen  996256   q. 

So  intelligent  die  Bevölkerung  dieses  Kreises,  behandelte  leider  auch  sie 
den  Wald  ganz  irrationell.  Man  nahm  früher,  ohne  Rücksicht  auf  das  Alter  der 
Stämme,  was  man  brauchte,  und  man  brauchte  verschwenderisch  viel  zur 
Einfriedung  auch  des  brachliegenden  Bodens  mit  mächtigen  Palisadenzäuncn. 
Sicher  gäbe  es  mein  als  25615  Hektar  nur  teilweise  gut  erhaltenen  Waldstaiul, 
wiirile    nullt    das  Vieh    während    des   Sommers    sein  Jungholz    verwüsten.      1896 

')  Icli   uclu'   iliesc  st.itistischcn  Zahlen  für  den  Bodcnb.ui  im  J.   \H\.).i  /u  sp.itcren  Vcr- 

nIciiJK'ii  iiiiu-i   lU'lomiiii;  lU'i   diu  K.it.isii'i   iH'tii'ffoiuleii  Vorbehalte  .iiif  S.   11 J. 


Hrj      lieber  den  Crni  vrli,  Kr;iKiiJL-v;ic,  Vradcväiiica,  Topola  und  McdjuluAije  nach  Belgrad. 

zahlte  man:  6240  Pferde,  54777  Rinder,  173240  Schafe,  63760  Scliweine.  naiiezu 
8000  Zicuun  und  12533  Hienenstikke,  also  um  nahezu  tausend  weniger  als 
im  J.  18(37.  Man  iilsst  das  Vieh,  solange  es  die  Witterung  nur  zulasst,  auf  der 
freien  Weide,  und  allerorts  hört  der  Reisende  das  weithin  hallende  Zwiegespräch 
(kr  Hirten,  die  sich  auf  unglaublich  grosse  Entfernungen  miteinander  verständigen. 
tis  ist  ein  ei^entiimliclies  Sinj^en,  hei  dem  der  Täufer  die  Finger  in  die  Ohren  steckt 
oder  die  hohlen  Hiinde  dem  Munde  nahe  hringt,  um  den  kraftig  ausgestossencn 
rmien  die  schneidige  Höhe  zu  geben.  Dieser  dem  Nahestehenden  das  Trommelfell 
schwirren  machende  liirlengesang  gewinnt  in  grösserer  Entfernung  elegischen 
Ausdruck.  Auch  die  Miidchen  pflegen  mit  solchen  Weisen  die  Zeit  zu  kürzen  oder 
zärtliche  ücfühle  auszutauschen.  Im  westlichen  Kreisteil  wird  der  weiche 
südserbische  Dialekt  gesprochen,  und  zwar  in  der  von  Vuk  in  seinem  Rjecnik 
gegebenen  Ausdehnung.  Man  sagt  bijelo,  lijepo,  dijete  (weiss,  schön,  Kind)  statt 
bcio,  Icpo,  dete  im  östlichen,  dessen  sich  Hcamte  und  Schreibkundige  als  des 
in    den    Stiitilen    lirleriiten    bedienen. 

Obschon  Krngujcvac  niemals  seine  Hinneigung  zur  radikalen  Partei  ver- 
leugnete, ist  es  stolz  darauf,  Jovan  Ristic,  den  einstigen  Regenten  und  Chef  der 
Liberalen,  seinen  Sohn  nennen  zu  können.  Als  ich  auf  Fürst  Mihails  Einladung 
anlässlich  der  wiclitigen  „Preobrazenska  Skup.^tina"  im  Oktober  1861  nach 
Kragujcvac  kam,  lernte  ich  dort  diesen  hervorragendsten  serbischen  Staatsmann 
der  Neuzeit  persönlich  kennen,  welcher  die  grosse  Forderungen  an  das  Volk 
stellende  Militnrvorlage  diirchzusetzun  verstand.  Die  Lebensskizze  des  rasch 
emporgekommenen,  vom  höchsten  Ehrgeiz  beseelten  „Sumadinac"  geben,  hiessc 
Serbiens  neuere  Geschichte  schreiben,  mit  der  sein  Name  vor  und  nach  dem 
Mi)rde  des  ihn  hochhaltenden  Fürsten  Mihail  bis  herab  zu  wichtigen  Vorgängen 
unter  König  Alexander  eng  verknüpft  erscheint.  .Auf  \ielen  Seiten  dieses  Werkes 
werde  ich   noch  seines  Wirkens  gedenken. 

Hier  sei  nur  aus  seinem  äusseren  Lebensgang  erwähnt,  dass  der  armen 
Eltern  1831  geborene  Ristic  sich  seine  höhere  Bildung  als  Staatsstipendiat  zu 
Heidelberg,  Berlin  und  Paris  erwarb.  Er  beherrschte  die  deutsche  Sprache  voll- 
kommen und  schrieb  in  dieser  ein  Buch:  „Die  neuere  Literatur  der  Serben",  das 
mehrere  Auflagen  erlebte.  Wenige  Jahre  nach  seinem  Eintritt  in  den  Staatsdienst 
war  er  bereits  Sektibnschcf  im  Ministerium  des  Innern.  1860  sandte  ihn  Milos 
als  Sekretär  des  Kapu  Kiliaja  nach  Konstantinopel,  Fürst  Mihail  ernannte  ihn 
1863  zum  selbständigen  dortigen  Geschäftsträger.  Von  da  ab  finden  wir  Ristic 
bei  allen  sein  Land  berührenden  wichtigen  Anlässen  in  erster  Linie  stehend. 
Seine  Wirksamkeit  als  Regent  während  der  Minderjährigkeit  des  Fürsten  AAilan,  den 
er  1868  persönlich  von  Paris  auf  den  verwaisten  Belgrader  Thron  brachte,  seine 
Tätigkeit  vor,  während  und  nach  dem  Berliner  Kongress,  seine  Haltung  bei  der 
Methodiusfeier  1885  zu  Moskau  und  ihre  Desavouierung  durch  König  AAilan,  der 
ihm  trotzdem  nach  der  Pirofcr  Katastrophe  1887  das  Ministerpräsidium,  und  als 
er  es  bald  wieder  abgeben  nuisste,  in  einem  sehr  kritischen  Moment  1888  die 
Umänderung  der  Verfassung  übertrug,  seine  Ernennung  zum  ersten  Regenten 
nach     König    Milans    Abdankung,    die    durch    Ristic     heimlich     in    der    Skupstina 


l 


Ucbcr  den  Crni  vrh,  Kragujcvac,  Vracevsnica,  Topola  und  Mcdjuluzijc  nach  Belgrad.      313 

betriebene  Verbannung  desselben  auf  Lebenszeit  und  sein  Auftreten  gegen  die 
Königin  Natalia,  wie  er  sicii  dadurch  beider  Hass  zuzog,  ungewollt  ihre  Ver- 
söhnung und  bald  darauf  durch  die  gewalttätige  Behandlung  der  radikalen 
Skupstinamajorität  den  vorzeitigen  Regierungsantritt  des  kaum  siebzehnjährigen 
Königs  Alexander  I.  herbeiführte,  dies  alles  ist  noch  in  zu  unverwischter  Erinnerung, 
andererseits  in  Motiven  und  Details  zu  wenig  authentisch  aufgeklärt,  als  dass  es 
gerechtfertigt  erschiene,  einer  begründeten  Darstellung  dieser  für  ihn  und  sein 
Land  hochwichtigen  Ereignisse  vorzugreifen.  Man  darf  derselben  mit  Interesse 
entgegensehen.  Ristic  besass  auch  grosses  schriftstellerisches  Talent.  Von  seiner 
letzten  politischen  Tätigkeit  und  seinen  historischen  Schriften  werde  ich  in  den 
Kap.  V.  und  XVI.  des  111.  Bandes  noch  sprechen,  wo  auch  sein  Porträt  erscheint. 

Obschon  Ristic  niemals  populär  war,  fühlte  man  bei  seinem  am  4.  Sep- 
tember 1899  erfolgten  Tode  doch  allgemein,  wieviel  Serbien  in  diesem  bedeutendsten 
seiner  jüngeren  Staatsmänner  verloren  hatte.  Den  einstigen  Antagonismus 
vergessend,  eilten  die  Könige  Milan  und  Alexander  von  Nis  nach  Eielgrad  und 
würdigten  am  Sarge  des  auf  Staatskosten  mit  höchsten  Ehren  Bestatteten  seine 
grossen  Verdienste  um  Nation  und  Thron.  Auch  der  Ministerpräsident  Djurdjevic 
ehrte  sein  Andenken  in  ähnlicher  Weise  und  schloss  mit  einem  dreifachen 
Slava,  welches,  von  Kanonendonner  begleitet,  im  Schmerz  des  die  Strassen 
flillenilLn  endlosen  Trauerzuges  von  der  Kathedrale  zum  Friedhof  und  im  ganzen 
Lande   sein   Echo  fand. 

Einen  in  bescheidenerer  Stellung  für  das  Volkswohl  wirkenden  Patrioten, 
den  /,,!  Berlin  gebildeten  Kragujevacer  Gymnasiumsdirektor  Pastrmac,  mit  dem 
ich  18(30  und  IHfil  gern  verkehrte,  fand  ich  1888  leider  für  alle  Ewigkeit  von 
seinem  Platz  abberufen.  Sein  Vater,  Milos'  berühmter,  im  Kreise  zu  Pastrma 
geborener  Fahnenträger,  konnte,  wie  die  meisten  Helden  jener  Zeit,  weder  lesen 
noch  sciircibcn;  dafür  war  er  von  herkulischer  Gestalt  und  Stärke:  Allen  voran 
trug  er  in  unzähligen  Gefechten  und  Stürmen  die  schwere,  riesige  Fahne.  Als 
Milos  bei  Cacak  tlas  Pferd  unter  dem  Leibe  getötet  wurde,  hielt  er  ihn  mit  der 
rechten  Hand  ini  Sliii/e  auf,  während  er  mit  der  Fahnenstange  in  der  linken 
mehrere  Türken  niederschlug  urul  so  den  späteren  Fürsten  rettete.  Er  starb  1836 
im  ()0.  Lebensjahr  zu   Kragujevac. 

Obgleich  ich  die  Einladung  der  Kragujevacer  Freunde  nur  unter  der  Bedingung 
angenommen,  dass  man  von  dem  projektierten  Bankett  usw.  absehe,  war  ich 
hocherfreut,  dieselben  hervorragentlen  Männer,  welche  mich  so  freundlich  am 
Halinliof  begriisst,  wiederholt  in  ungezwungener  Weise  um  mich  versammelt  zu 
sehen,  llei/lirli  (Linke  ich  ihnen  hier  nochmals,  insbesondere  dem  Division.lr, 
tlen  Arsenalvorstäiulen,  Scluiklirekloreii,  Ingenieuren  und  Sängern,  welche  mir  den 
Abschiedsabend   unvergesslich  gestalteten. 

Am  Pfingstsonntag  1899  weihten  letztere  mit  ihrem  tüchtigen  Chormeister 
llofmann  das  llineii  von  dem  Mäcen  Andrejevie'  gespendete  Banner,  mit  dem  sie 
bei  dem  von  der  Slailt  dem  Königspaar  im  September  1901  gebrachten  Fackelzug 
erschienen.  iU-i  tliesem  Anlass  erklarte  Konig  Ale.vamler  in  Erwiderimg  einer  an 
ihn  gericlileleii   Ansprache,  der  Weg,  den  er  verfolge,  solle  dem  Lande  die  zuvor 


ni4     Ufbcr  ilfti  Crni  vrh,  KraKujcvac.  VradevSnica.  Topola  und  Mcdiulu2ijc  nach  Belgrad. 

entbclute  dauernde  Ruhe  verschaffen  und  eine  Konsolidierung  der  Verhältnisse 
herbeiführen.  Deshalb  habe  er  die  neue  Verfassung  gegeben,  welche  einerseits 
alle  bürgerlichen  Rechte  des  serbischen  Volkes,  andererseits  aber  den  Anteil  der 
Krone   an    der   Leitung    der  Staatsgeschäftc  wahre. 


Die  Schreckensnacht  vom  11.  Juni  1903  vernichtete  alle  diese  Erwartungen. 
Um  7  Uhr  am  12.  Juni  vormittags  erschien  zu  Belgrad  folgende  Deklaration: 
„An  das  serbische  Volk.  Heute  Nacht  sind  König  Alexander  und  Konigin  Draga 
erschossen  vvonlcii.  In  dicsuni  ernsten  und  schicksalsschweren  Augenblick  haben 
sich  die  Freunde  unseres  Vaterlandes  und  unseres  Volkes  geeinigt  und  die 
Regierung  gebildet.  Indem  die  Regierung  dies  dem  serbischen  Volke  bekannt 
gibt,  ist  sie  überzeugt,  dass  sich  das  serbische  Volk  um  sie  scharen  und  ihr 
dazu  verhelfen  werde,  dass  im  Lande  überall  die  Ordnung  und  Rechtssicherheit 
aufrecht  erhalten  bleiben.  —  Die  Regierung  verlautbart  hiermit,  dass  vom  heutigen 
Tage  die  Verfassung  vom  6.  April  1901  mit  allen  Gesetzen,  die  bis  zum  25.  März 
dieses  Jahres  (alten  Stils)  in  Geltung  waren,  in  Kraft  tritt.  Die  mit  der  Proklamation 
vom  24.  März  (alten  Stils)  aufgelöste  nationale  Volksvertretung  wird  für  den  2.  Juni 
(das  ist  13.  Juni  neuen  Stils)  nach  Belgrad  einberufen."  Es  folgen  die  Unter- 
schriften der  Minister:  Jovan  Avakumovic,  Ministerpräsident  ohne  Portefeuille; 
Ljubomir  Kaljevic,  Minister  des  Äussern;  Stojan  Protic,  Minister  des  Innern; 
Gjorgje  Oencic,  Handelsministcr;  General  Jovan  Atanazkovic,  Kriegsminister; 
Dr-.  Vojislav  Veljkovic,  Finanzen;  Oberst  Alexander  Masin,  öffentliche  Bauten; 
Professor  Ljubomir  Stojanovic,  Kultus;   Ljubomir.  Zivkovic,  Justiz. 

Die  furchtbare  Katastrophe  war,  wie  aus  der  oben  mitgeteilten  Proklamation 
der  neuen  Regierung  deutlich  hervorgeht,  eine  unmittelbare  Folge  des  Staats- 
streiches, den  König  Alexander  am  7.  April  1903  ins  Werk  setzte.  Er  hob  damals 
die  bestehende  Verfassung  von  1901  auf,  verfügte  die  Ungültigkeit  einer  Reihe 
von  inzwischen  beschlossenen  Gesetzen,  ernannte  einen  neuen  Staatsrat  und 
dekretierte  Neuwahlen  für  die  Skupstiiia.  Dann  wurde  jene  Verfassung,  als 
ob  nichts  besonderes  geschehen  wäre,  wieder  in  Geltung  gesetzt.  Die 
Skupstinavvahlen  fielen  am  1.  Juni  durchweg  zugunsten  der  Regierung  aus,  und 
der  junge  König  hat  sich  offenbar  in  der  Hoffnung  gewiegt,  dass  hierin 
wirklich  die  Stimme  des  Volkes  gesprochen  habe.  Aber  es  war  grausame 
Täuschung.  Die  Nationalversammlung  stimmte  der  nach  dem  Attentat  mit- 
geteilten Erklärung  der  provisorischen  Regentschaft  vorbehaltlos  zu.  zollte  ihr 
vollste  Anerkennung  für  die  im  verhängnisvollen  Augenblick  bekundete  Vaterlands- 
liebe und  billigte  die  Verfügungen  der  Regierung,  die  bis  zur  Ankunft  des  neuen 
Königs  die  Geschäfte  leiten  solle. 

Die  Königswahl  wurde  am  15.  Juni  in  vollkommen  legaler  Weise  unter 
Vorsitz  des  gemässigt-radikalen  Senatspräsidenten  Velimirovic  im  neuen  Konak, 
nachdem  die  Skupstina  und  der  Senat  zuerst  getrennt   die  Wiedereinführung  der 


lieber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     315 

Konstitution  von  1888  beschlossen  hatten,  von  den  Abgeordneten  vollzogen.  Dieselbe 
fiel  zunächst  mit  Akklamation  und  hierauf  einstimmig  durch  einzelne  namentliche 
Stimmabgabe  auf  Prinz  Peter  Karadjordjevic.  Der  telegraphisch  von  dem 
Resultat  in  Genf  benachrichtigte  Prinz  sandte  von  dort  sofort  nach  Belgrad 
folgende  Proklamation:  „An  das  serbische  Volk!  Die  Gnade  Gottes  und  der 
Wille  des  Volkes  haben  mich  auf  den  Thron  meiner  Vorfahren  berufen.  Ich 
erkläre,  dass  ich  mich  der  Entscheidung  des  Volkes  unterziehe  und  heute  den 
serbischen  Thron  besteige.  Ich  betrachte  es  als  meine  erste  Pflicht,  Gott  zu 
danken  für  seine  Gnade,  und  spreche  gleichzeitig  die  Hoffnung  aus,  dass  die 
Mächte  meine  auf  gesetzlichem  Wege  vollzogene  Thronbesteigung  anerkennen 
werden,  und  dies  um  so  mehr,  als  ich  entschlossen  bin,  Serbien  einer  Ära  der 
Ruhe,  der  Ordnung  und  der  Wohlfahrt  zuzuführen.  Ich  erkläre,  dass  ich  mein 
Konigswort  gebe,  dass  ich  die  Rechte  aller  achten  werde.  Ich  werde  mein 
m()gliciistes  tun,  um  ein  konstitutioneller  König,  ein  Hüter  der  Gesetze  und  des 
Woiilergehens  meines  teueren  Volkes  zu  sein.  Darum  fordere  ich  mit  diesem 
ersten  Manifest  alle  Kirchenbeamten,  alle  Staatsbeamten,  alle  Militärchefs  auf, 
in  ihren  Funktionen  zu  verbleiben,  und  empfehle  ihnen,  die  ihnen  anvertrauten 
Obliegenheiten  gewissenhaft  zu  erfüllen,  und  erkläre,  dass  ich  alle  persönlichen 
Vorkommnisse,  welche  in  den  letzten  vierzig  Jahren  unter  ausserordentlichen 
Verhältnissen  einander  folgten,  der  Vergessenheit  übergebe.  Jeder  aufrichtige 
Serbe  wird  unter  meiner  Regierung  den  nötigen  Schutz  für  sein  moralisches  und 
materielles  Leben  finden.  Die  Devise  meiner  fJynastie  war  immer:  ,Für  das 
heilige  Kreuz  und  unsere  teuere  Freiheit'.  Und  mit  dieser  Devise,  die  mich 
einerseits  an  die  Armee,  andererseits  an  die  orthodoxe  Kirche  bindet,  besteige 
ich  den  Thron  Serbiens  als  Peter  der  Erste,  König  von  Serbien,  ich  bitte 
Gott,  seine  Gnade  über  mein  Volk  zu  verbreiten,  und  sende  allen  meine  könig- 
lichen Grüsse." 

Alle  objektiven  österreichisch-ungarischen  Politiker  teilten  die  Ansicht,  dass 
vollste  Neutralität  den  Belgrader  Ereignissen  gegenüber  am  angezeigtesten  sei; 
denn  das  glücklicherweise  herrschende  ungestörte  volle  Einvernehmen  zwischen 
Österreich-Ungarn  und  Russland  in  den  Balkanfragen  beseitigte  die  Gefahr,  dass 
die  politischen  Zuckungen  des  Belgrader  Ereignisses  über  Serbien  hinausgreifen 
dürften.  Auf  des  Königs  Peter  Anzeige  seines  Regierungsantrittes  mittels  folgenden 
Telegramms:  „Ich  beeile  mich,  lüier  Majestät  meine  Berufung  auf  den  serbischen 
Thron  mitzuteilen.  Durch  einstimmigen  Beschluss  des  Senats  und  der  SkupStina 
gewählt,  beabsichtige  ich,  die  väterlichen  Traditionen  wieder  aufzunehmen,  und 
liolle  meinem  Vaterland  die  Freiheit  und  das  Glück  zu  bringen.  Ich  bitte  Euer 
Majestät  ehrfurchtsvoll,  auf  mich  jene  Gefühle  der  Sympathie  zu  übertragen, 
welche  Allerhöchstiiieselben  (ür  meinen  Vater  bis  zu  seinem  Tode  gehegt  haben. 
Wenn  Euere  Majestät  geruhen,  mir  dieselbe  zuteil  werden  zu  lassen,  wird  mir 
die  Erfüllung  meiner  neuen  Pflicht  leichter  gem.ichl  werden.  Ich  habe  die  Absicht 
und  die  Gewissheit,  sie  zu  verdienen",  antwortete  Kaiser  Franz  Josef  gleichfalls 
telegraphisch  in  deutsther  (Miersetzung;  „An  Se.  Majestät  den  König  \oi\  Serl>ien 
in  Genf.      Herzlich  bciuhii  von  dem  Eindruck,  den  die  Mitteilung  Euer   Majestät 


•  flu     IJcbcr  ilcn  Criii  vrh,  KraKUJcvac,  VradcvSnica,  Topola  und  Mcdjulu2ije  nach  Ikl^rad. 

von  ilur  ThroMbcsteiKuiiK  auf  inich  gemacht  hat,  beeile  ich  mich,  Euere  Majestät 
unvcrzüjilich  inciiier  vollen  Sympathie  zu  versichern.  Mü^e  Ihre  Herrschaft  eine 
lanKilaucrnde  und  jjjückiiche  sein.  Mö^e  sie  die  hohe  Mission  erfüllen,  die  ihr 
oblic^;t,  dem  unj^liicklichen  Lande,  das  so  schwer  heinif^esucht  worden  ist  durch 
eine  Reihe  von  inneren  Wirren,  den  Frieden,  die  Ruhe  und  die  Achtung  wieder 
zu  verschaffen  und  es  herauszuheben  aus  dem  Zustande  tiefsten  Zerfalles,  in  den 
es  kürzlich  erst  vor  den  Au^en  der  zivilisierten  Welt  durch  ein  einzig  dastehendes 
und  von  allen  verabscheutes  Verbrechen  gestürzt  worden  ist.  In  der  Verfolgung 
dieser  Mission  kann  Euere  Majestät  jederzeit  auf  meine  Unterstützung  und  meine 
Freundschaft  zählen  und  versichert  sein,  dass  es  mir  dauernd  von  ganzem  Herzen 
daran  wird  gelegen  sein,  die  Bande  guter  Nachbarnfreundschaft,  die  seit  langem 
unsere  beiden  Lander  verbinden,  aufrecht  zu  erhalten  und  zu  befestigen.  FranzJoseL" 
Des  Kaisers  freundschaftliche  Anerkennung,  aber  auch  zugleich  ungeschminkte 
Verurteilung  der  Belgrader  1 1.  Juninacht,  sowie  die  noch  schärferen  Worte  des 
Zaren  übten  auf  alle  beteiligten  Kreise  tiefsten  Eindruck  aus.  Sie  bildeten  die  Kehr- 
seite der  auf  König  Peters  Thronbesteigung  geprägten  Medaille  und  kündeten 
die  ernsten  Vorgänge  an,  die,  im  September  reifend,  über  das  serbische  Heer 
(III.  Bd.,  VII.  Kap.)  hereinbrechen  sollten. 

Das  I:,\il  hat  den  König  zum  Idealisten  gemacht,  er  ist  mit  Pierre  Loti,  dem 
berühmten  poetischen  Reiseschilderer,  sehr  befreundet  und  war  früher  auch  ein 
aufrichtiger  Bewunderer  des  dichtenden  Fürsten  Nikita  von  Montenegro,  der  ihm 
telegraphisch  zur  Thronbesteigung  nach  Genf  gratulierte:  Er  hoffe,  dass  die 
schweren  Zeiten  für  die  serbische  Nation  jetzt  vorbei  seien  und  eine  bessere 
Zukunft  für  alle  Serben  vom  Adriatischen  Meer  bis  zur  Donau  heraufkomme. 
Dk  Freundschaft  und  Brüderlichkeit  zwischen  Serbien  und  Montenegro  seien  von 
nun  an  unauflöslich.  Das  ganze  montenegrinische  Volk  wünsche  Glück  für  die 
Zukunft  des  Königs  Pcler,  des  Schwiegersohnes  und  geliebten  Bruders  des 
Fürsten   Nikolaus. 

Der  1846  geborene  König  Peter  erhielt  als  ältester  Sohn  des  1858  vertrie- 
benen serbischen  Fürsten  Alexander  Karadjordjevic  schon  im  elterlichen  Hause 
zu  Temesvar  eine  höchst  sorgfältige,  von  seiner  geistvollen  Mutter  Persida  über- 
wachte Erziehung,  die  er  gleich  seinem  Bruder  Arsen  in  Genf  und  Paris  fortsetzen 
durfte,  wo  der  jüngere,  gegen  den  Willen  des  mehr  materiellen  Güterenverb 
anstrebenden  Vaters,  in  die  französische  Fremdenlegion  eintrat.  In  dieser  kämpfte 
auch  König  Peter  1870  kurze  Zeit.  Das  Jahr  1875  traf  ihn  in  den  Reihen  der 
bosnischen  Aufständischen.  Er  befehligte  eine  Abteilung  nahe  der  kroatischen 
Grenze.  Seine  aus  den  verschiedensten  Landesteilen  und  vieler  Herren  Staaten 
zusammengewürfelte  Kompagnie  zählte  etwa  150  A\ann.  Der  Prinz  führte  sein 
Inkognito  trefflich  durch,  und  niemand  ahnte,  wer  hinter  dem  angeblichen  fran- 
zösischen Kapitän  Mercunic  steckte.  Man  wunderte  sich  nur,  dass  er  über  so 
reichliche  Geldmittel  verfügte.  Während  dieses  Feldzugs  unterzog  sich  Prinz 
Peter  den  härtesten  Strapazen  und  lag  mitten  unter  seinen  Leuten  bei  der 
schneidenden  Winterkälte  auf  blossem  Stroh.  Das  und  die  siegreichen  Gefechte, 
die  er  gegen   die  Türken   bestand,   verschafften  ihm    bald    einen   glänzenden   Ruf. 


Ueber  den  Crni  vrh,  Kragiijevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjulu^ije  nach  Belgrad.     317 

Seine  Identität  wurde  damals  seinen  Kameraden  nur  durch  den  Umstand  bekannt, 
dass  ein  gedungener  Bursche  im  Lager  anlangte  mit  der  zufällig  entdeckten 
Absicht,  den  Prinzen  zu  ermorden,  .was  dessen  Tod  vereitelte.  Wenige  Jahre 
später  bot  Prinz  Peter  für  ein  Denkmal  zu  Ehren  seines  Grossvaters  Karadjordje 
auf  serbischem  Boden  einen  Beitrag  von  50000  Franken   an. 

König  Peter  I.  ist  ein  mittelgrosser,  schlanker  Mann  mit  hübschem  Kopf  von 
serbischem  Typus.  Das  dunkle  Kopfhaar,  der  kurze  Bart  und  Schnurrbart  sind 
leicht  ergraut;  sein  strammes  Auftreten  verrät  militärischen  Drill.  Zu  Genf  wohnte 
er  mit  seiner  Gemahlin  Zorka,  einer  älteren  Schwester  der  heutigen  Königin  von 
Italien  und  Mutter  seiner  Kinder,  von  welchen  die  ihr  ähnlichen  Knaben  Georg 
und  Alexander  in  k.  Instituten  auf  Kosten  des  Zaren  und  die  einzige  Tochter 
Helene  bei  ihrer  Tante  zu  Petersburg  erzogen  wurden.  König  Peter  ist  fein- 
gebildet, einfach,  ernst,  und  bewohnte  zu  Genf  durch  lange  Zeit  ein  bescheidenes 
Hotel  in  nächster  Nähe  der  russischen  Kirche,  in  dessen  beschränkten  Räumen 
er  meist  nur  die  ihm  eng  befreundete  Familie  des  Prinzen  Oldenburg  empfing. 
Russische  Sprache,  Literatur  und  Musik  kürzten  ihm  die  Zeit.  Ausser  serbisch, 
deutsch  und  ungarisch  spricht  König  Peter  auch  als  weltmännischer  Gentleman 
ein  vorzügliches  Französisch.  So  gern  er  aber  im  vornehmen  Zirkel  des  Olden- 
burgschen  Hauses  verkehrte,  war  er  doch  in  den  tieferstehenden  Klassen  und 
Arbeiterkreisen  durch  sein  leutseliges,  leicht  zugängliches  Wesen   sehr  beliebt. 

Gleich  allen  Balkanstaaten  war  und  ist  auch  Serbien  für  seine  Regenten 
kein  Land  gleichmässig  ruhiger  Regierung.  Das  Eintreffen  der  von  seinem 
Hrutler  Arsen,  als  treuem  Eckart,  begleiteten  langentbehrten  Familie  am  10.  August 
liess  jedoch  den  König  in  der  rauschenden  Begrüssung  seiner  Kinder  eine 
Bürgschaft  für  deren  Zukunft  erblicken.  Der  Ministerpräsident  Avakumovic  äusserte: 
In  den  Prinzen  sei  die  Hoffnung  des  serbischen  Volkes  verkörpert,  dem  Gott 
durch  die  Berufung  der  Dynastie  Karadjordjevic  eine  Gnade  erwiesen  habe. 
Der  Kronprinz  antwortete:  durch  das  Betreten  des  serbischen  Bodens  sei  sein 
innigster  Lehenswunsch  erfüllt  woriien,  unti  schloss  mit  einem  Hoch  auf  den 
König.  Und  heim  Fmpf.uig  der  aktiven  unil  der  Reserveoffiziere  im  neuen  Konak 
sprach  König  Peter  seine  l-reude  aus,  sie  alle,  die  von  demselben  Geiste  beseelt 
seien,  um  sich  vereint  zu  sehen,  um  seinen  Sohn  in  ihren  Kreis  aufzunehmen. 
Kriegsminister  Solarevic  antwortete  namens  aller  Offiziere:  die  Armee  und 
das  Offizierkorps  nehmen  tkn  jungen  Kronprinzen  mit  Begeisterung  und  der 
gleichen  Liebe  auf,  mit  der  der  König  ihnen  den  Kronprinzen  übergebe.  An) 
12.  August,  hei  der  lloftafel  zu  Ehren  der  königiichen  Kinder  und  des  Prinzen 
Arsen,  erwiikite  König  Peter  auf  ilen  Trinkspruch  des  Ministerpräsidenten:  Er 
und  seine  Kinder  wüssten  wohl,  dass  ihnen  das  serbische  Land  ihre  Wiege  und 
ihr  Heim,  das  serhisclie  Volk  Vater  und  Mutter  seien.  „Ich  habe,"  fuhr  der 
Kiinig  loii,  „meine  Kinder  nach  Serbien  gebracht,  damit  sie  hier  mit  ihren  Zeit- 
genossen aufwachsen,  die  dereinst  von  uns  Litern  das  Vermächtnis  der  Sorge 
mn  ilie  Zukunft  des  Vaterlandes  übernehmen.  Die  Familie  des  Königs  von 
Serbien  wird  stets  ilie  erste  serbische  Familie,  das  serbische  Königshaus  der 
llenl   und   die  I 'il.in/slätte  all   dessen  sein,   was   des   serbischen   Namens  würdig 


MIH      lieber  (Jen  Crni  vrli,  KraKujcvac,  VraiJevSnicn,  Topola  und  Mcdjulu2ijc  nach  Belgrad. 

ist.     Das   serbische   Volk   iintl    inuiiic    Dynastie    werden   nicht   nur    die    wichtigen 
Interessen  unseres  Vaterlandes,  sondern  auch  der  Idealismus  und  die  Erhabenheit 

des  Fc'Mnilienlebens  miteinander  verbinden." 

Serbien  ist  bekanntlich  ein  vorwiegend  demokratisches  Land.  Gleich  bei 
seiner  ersten  Bcreisun^  der  nördlichen  Sumadija,  im  August  1903,  wollte  König 
Peter  dessen  bedeutendsten  Waffenplatz,  Kragujevac,  kennen  lernen.  Auf  dem  Wege 
dahin  meinte  ein  Bauer  im  Dorfe  Kutlovo  gegen  das  an  der  dortigen  Mehana 
leutselig  den  Wagen  halten  lassende  Staatsoberhaupt:  Das  Volk  sei  noch  nicht 
für  die  gewährte  grosse  Freiheit  genug  entwickelt,  der  König  sollte  sie  etwas 
einschränken,  worauf  dieser  erwiderte:  Fin  Volk  könne  nur  in  Freiheit  für 
die  Freiheit  erzogen  werden.  Wemi  auch  einzelne  sie  missbrauchen  mögen, 
werde  die  Mehrheit  der  Nation  sie  doch  würdigen.  Niemals  trage  die  Freiheit 
daran  schuld,  wenn  die  Dinge  niciit  so  sind,  wie  sie  sein  sollten,  sondern  nur 
jene,  welche  die  Freiheit  nicht  wollen  und  nicht  verstehen. 

Bei  dem  Empfang  der  Offiziere  zu  Kragujevac,  deren  Sprecher  erklärte, 
die  Offiziere  stellten  sich  insgesamt  dem  König  zur  Verfügung,  äusserte  dieser, 
unmittelbar  nach  seiner  Thronbesteigung  von  einem  Teil  der  Presse  als  „Prätorianer- 
iierrscher"  bezeiclinete  Kiniig:  „Wir  leben  heute  tatsächlich  in  schicksalsschweren 
Tagen.  Es  bedarf  grosser  Klugheit,  Arbeit  und  Energie,  um  das  serbische 
Staatsschiff  gut  und  glücklich  zu  steuern.  Unser  Vaterland  wird  vielleicht  in 
Bälde  unsere  Dienste  brauchen.  Ich  hoffe,  dass  Ihr  alle  Euch  stets  das  Interesse 
der  Nation  als  Erstes  vor  Augen  halten  werdet."  Abends  wurde  zu  Ehren  des 
Königs  ein  Fackelzug  veranstaltet.  Professor  Marjanovic  hielt  eine  Ansprache 
an  den  König,  in  welcher  er  ausführte:  Der  König  müsse  der  Träger  der  Idee  des 
glorreichen  Kara  Georg  sein;  er  müsse  die  Fahne  der  Befreiung  auf  dem  Balkan 
entfalten,  weil  nur  auf  iliese  Weise  dem  Serbcntum  eine  Zukunft  blühen  könne. 
Der  König  antwortete:  Alle  müssten  an  dem  Wohle  der  Nation  mitarbeiten.  Alle 
Bürger  seien  seine  lieben  Freunde,  er  mache  darin  keinen  Unterschied.  Jeder 
müsse  nach  seiner  Erkenntnis  arbeiten,  denn  er  wünsche  und  liebe  freie  Bürger. 
Wenn  der  König  und  das  Volk  einig  seien,  dami  seien  alle  Bedingungen  für  eine 
glückliche  und  glänzende  Zukunft  vorhanden. 

Bald  nach  seinem  Regierungsantritt  befand  sich  König  Peter  aber  schon 
in  ungemein  schwieriger  Lage.  Die  am  Morde  des  Königspaares  beteiligt 
gewesenen  Offiziere,  welche  man  anfänglich  in  ihren  Stellungen  belassen  hatte, 
gedachten  den  über  die  Armeeverhältnisse  noch  nicht  genug  orientierten  Herrscher 
zu  terrorisieren.  Zuerst  versuchten  sie  die  bereits  amtlich  verkündete  Ernennung 
des  Militärattaches  in  Konstantinopel,  Oberstleutnant  Ljubomir  Lesjanin,  zum  Hof- 
marschall, ungültig  zu  machen,  weil  dieser  als  Sohn  des  verdienstvollen  Generals 
Milojko  Lesjanin  und  Schwager  des  früheren  Privat-Kabinettchefs  Nedeljkovic 
angeblich  ein  Günstling  des  Königs  Alexander  war.  Die  grosse  Mehrzahl  des 
an  der  Verschwörung  unbeteiligt  gebliebenen  serbischen  Offizierkorps  drohte 
andererseits  im  Interesse  des  Ansehens  der  Armee  mit  ihrem  Massenaustritt,  falls 
die  Verschworenen  nicht  den  ordentlichen  Militärgerichten  ausgeliefert  und 
gesetzlich    bestraft    werden    sollten.       Zur    Schlichtung    des    wegen    gedruckter. 


lieber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     319 

subordinationswidriger  Kundgebungen  zu  Verhaftungen  führenden  heftigen  Streites 
begab  sich  der  Ministerpräsident  Avakumovic  persönlich  nach  Ni§,  von  wo  König 
Peter  seine  Reise  programmgemäss  nach  Aieksinac  und  Prokuplje  fortgesetzt 
hatte,  nachdem  er  zuvor  den  Kronprinzen  den  jüngeren  Offizieren  als  deren 
künftigen  Kameraden  vorgestellt  hatte:  „Wir  Alten  werden  die  Lebensbühne  vor 
Euch  verlassen,  ihr  bildet  die  Zukunft  Serbiens  und  des  Serbentums.  Deshalb 
liebet  Euch  und  lebet  jetzt  schon  in  Eintracht." 

Am  Geburtstag  des  Kronprinzen,  am  9.  September,  fand  im  Beisein  der 
k.  Familie,  der  Regierung  und  aller  Offiziere  der  Belgrader  Garnison  im  Lager 
zu  Banjica  eine  Truppenrevue  statt,  während  welcher  König  Peter  einen  Armee- 
befehl über  die  Aufnahme  seines  Sohnes  in  das  serbische  Heer  unter  begeisterter 
Zustimmung  verlas.  Diese  steigerte  sich,  als  der  Kriegsminister,  General  Solarevic, 
dem  als  Infanteristen  in  die  Armee  eingereihten  Prinzen  das  Dienstgewehr  übergab 
und  ihn  erinnerte:  sich  die  militärischen  Tugenden  zu  erwerben,  in  welchen  er 
als  einstiger  oberster  Kriegsherr  bestimmt  sei,  dem  Heere  musterhaft  vorzuleuchten. 
Der  Prinz  dankte  militärisch  und  defilierte  mit  den  Truppen,  akklamiert  von 
diesen  und  dem  Publikum,  am  König  vorüber.  Ein  feierlicher  Gottesdienst  in 
der  Kathedrale  bescliloss  den  schönen  Tag  für  die  reichbeflaggte  serbische 
Hauptstadt,  an  dem  das  7.  Infanterieregiment  den  Namen  „König  Peter",  das 
18.  „Kronprinz  Georg",  das  6.  den  Namen  „Prinz  Alexander"  und  das  8.  „Fürst 
Alexander"  verliehen  erhielten.  Das  Amtsblatt  veröffentlichte  vom  selben  Tage 
zahlreiche  Beförderungen  in  der  Armee. 

Die  in  ihrem  ruiul  l.<()()  Köpfe  zählenden  Offizierkörper  entstandenen 
Spaltungen  sollen  aber  nach  der  einmütigen  Ansicht  des  Königs  sowie  aller 
politischen  Parteiführer  des  Landes  durch  die  nun  bald  folgende  vollkommen 
parlamentarische  Regierung  in  der  Skupätina  beseitigt  werden,  deren  vorzeitige 
Einberufung  auf  des  Königs  Initiative  schon  am  29.  September  erfolgte. 

Um  nicht  den  ursprünglichen  Plan  dieses  Werkes  zu  stören,  bleibt  seinem 
111.  Haiul:  „Staat  und  Gesellschaft",  das  Entwickelungsbild  des  Königreichs 
in  allen  kuhiiiL'lk'ii  RiihUiiigen  bis  zur  Gegenwart  vorbehalten,  obgleich  es  schon 
jetzt  über  viele  Akte  aus  König  Peters  bisheriger  Regierung  manch  Rühmliches 
zu  erzählen  gäbe,  beispielsweise  wie  er  am  20.  August  in  Erwiderung  der 
Begrüssungsansprache  des  Vorstandes  der  „  La  n  d  w i  r t  s ch a f  1 1  i  c  h c n  V e r e i  n  i g u n g" 
in  längerer  Rede  betonte,  dass  fortan  jede  Regierung  ihr  Streben  hauptsächlich 
werde  auf  die  gedeihliche  Entwickelung  der  Volkswirtschaft  richten  müssen.  Der 
Staat  werde  bei  dieser  hochwichtigen  Aufgabe  die  leitende  Führung  übernehmen, 
indem  er  landwirtschaftlichen  Unterricht  organisieren,  grössere  kulturtechnische 
Arbeiten  ausführen,  durch  die  Pflege  des  Genossenschaftswesens  die  Erteilung 
billigen  landwirtschaftlichen  Kredits  ermöglichen  und  staatliche  landwirtschaftliche 
Versicherungsanstalten  schaffen  werde.  Diese  mit  grösstem  Beifall  aufgenommene 
Rede  des  Königs  wurde  in  Serbiens  agrarischen  Kreisen  mit  lebhafter  Genugtuung 
aufgcMonnneii,  weil  sie  des  Königs  ernstes  Verständnis  für  die  l'örderung  der 
heliefteiukn  l'i.igen,  sowie  seine  umfassende,  vielseitige  Bildung  und  reilnalime 
für  sämtliclu'  /wi'ige  der  Staatsverwaltung  bekundete. 


IJ2()     lieber  den  Crni  vrli,  KraKiijevac,  Vrae'cvänicn,  Topola  und  Medjulu2ije  nach  Bel|{rad. 

Der  4.  AunuslniorKen  1897  traf  iiiitli  iiiil  l'rofessor  Sclcskovi(!:  auf  derselben, 
zuletzt  verbesserten  Milanovacer  Strasse,  auf  welcher  ich  schon  am  5.  September 
IHOI  mit  (lern  kunslsimiinen  Senator  Jovan  riavrilovic  von  Kra^ujevac  nach  dem 
7  km  turnen  Divostin  fuhr,  um  sein  zur  Renovierung  vorKtschlaj^enes  Kirchlein 
zu  besichtigen.  Von  blauem  llijin  umwachsen,  stand  die  malerische  Ruine  weit 
uiul  breit  im  unbestrittensten  F^ufe  unfehlbarer  Wundertätij^keit.  Obwohl  die 
Kuppel  so  aus  dem  (jefüjie,  dass  sie  dem  Ivinsturz  nahe  schien,  la^cn  doch  unter 
derselben  selbst  aus  weiter  Ferne  hingebrachte  Kranke,  neben  welchen  man 
Kerzen  anj^ezündet,  während  die  Bcf^leiter  deren  Heilunjj  bis  zum  folgenden  Tage 
in  der  benachbarten  Meliana  erwarteten.  Wie  ich  bereits  gehiirt  und  nun  selbst 
sah,  war  mein  Rat  befolgt  worden.  Lange  wehrten  sich  die  Bauern  gegen  den 
Abriss  ihres  Mirakelkirchleins;  trotzdem  trug  man  den  architektonisch  wertlosen 
Bau  ab  und  verwendete  seine  Quadern  zur  1872  mit  Kuppel  und  Turm  vollendcicn 
Konstantin  und  Jelena-Kirchc,  welche  dem  kaum  4  km  südöstlichen  Kloster  Draca 
untersteht. 

Diese  in  den  Liedern  gefeierte  Heilstätte  an  der  Dracaquelle  unter  .  der 
466  m  hohen  bewaldeten  Rujevica  erbaute  der  von  den  Türken  gefürchtctc 
erwähnte  „Obor-Knez  Staniäa  MlatiSuma"  1735  dem  hl.  Vater  Nikola  zu  Ehren 
aus  Quadersteinen  ohne  Mörtelverbindung;  deshalb  bald  schadhaft,  wurde  sie 
durch  den  Wojwoden  Toma  Vucic  Pericic  (XIV.  Kap.)  erneuert.  Man  zeigt  dort  die 
Grabstätten  des  Jovan  Dobraca,  der  sich  um  die  Verteidigung  von  Kragujevac 
und  im  Entscheidungskampf  am  Ljubic  brdo  bei  Cacak  1815  gegen  die  türkische 
Übermacht  auszeichnete  (XIV.  Kap.),  dann  eines  gleich  tapferen  Bruders  der  Fürstin 
Ljiibica.  Sein  Grabstein  trägt  folgende  Inschrift:  „Hier  ruhen  die  Gebeine  des 
Jovan  Vukomanovic,  geb.  im  Dorfe  Srezojcvci  der  Rudnikcr  nahija,  welcher,  an 
der  Seite  seines  Schwagers,  des  scrbisclien  Fürsten  Milos  Obrenovic,  gegen  die 
Türken  kämpfend,  bei  Pozarevac  im  J.  1815  im  23.  Lebensjahr  fiel."  Seine 
Schwester,  die  serbische  Fürstin  Ljubica,  hat  ihm  dieses  Denkmal  im  J.  1825,  am 
30.  Juli  gesetzt  (S.  164).  Auf  Divostins  und  Dracas  Kirchen  sind  10  Dörfer  mit 
810  Häusern  angewiesen.  Draca  besass  1888  ausser  10  300  d  angelegtes  Kapital 
28,6  Hektar  Feld,  47  Hektar  Wiesen,  14  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  109  Hektar 
Wald,  9  verschiedene  Gebäude,  Mühlen  usu'.  Sein  Iguman  und  drei  A\önche 
verfügen  über  eine  Jahreseinnahme  \'on  durchschnittlich  4000  d,  welche  mit  den 
Ausgaben  so  ziemlich  bilanciert.  •) 

In  dem  südlich  am  Wege  liegenden,  schon  zum  Gruzabezirk  gehörenden 
Kikojevac  ward  1761  der  Theologe  Vincentijo  Velimirovic  geboren,  der  in 
einem  zu  Studenica  aufbewahrten  prächtigen  Manuskript  die  Übertragung  der 
Gebeine  des  hl.  Königs  Stefan  Nemanja  in  dieses  Kloster  eingehend  schilderte. 
Dort  lebte  er  als  Mönch,  zu  Vracevsnica  wurde  er  1806  begraben.  Bei  den 
menhirartig  hohen  und  schmalen,  für  diese  Gegend  geradezu  typischen  Grabsteinen 
von  Bare,  führt  die  hier  vortreffliche  Strasse  westlich  nach  dieser,  20  km  von 
Kragujevac  entfernten  berühmtesten  Heilstätte  des  Rudnikgebirges. 


')  Glasnik,  Bei.  G2.    1885. 


Lieber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     321 

Vorüber  an  einem  früher  dem  Fürsten  Karadjordjevic  gehörenden  alten  Ko§ 
(Getreidespeicher)  und  an  den  primitiven  Öfen  von  Luljaci,  in  welchen  der  hier 
anstehende  schöne  Kalk  massenhaft  gebrannt  wird,  kreuzten  wir,  hart  an  der 
Oruza  hinfahrend,  die  Vrtica,  auf  deren  rechtsseitiger  428  m  hohen  Koviljaca 
im  Eichenwald  sehr  wohlschmeckende  Trüffeln  wachsen,  welche  das  Objekt  einer 
gewinnbringenden  Spekulation  zu  werden  versprechen.  Im  nahen  nördlichen 
Kamenica  fand  man  Urnen  mit  Asche,  Skelette  und  Steine  mit  Inschriften,  welche 
auf  einen  dortigen  römischen  Bergort  hindeuten.  4  km  weiter  bogen  wir  nach 
kurzer  Rast  im  ziemlich  guten  Strassenhan  in  die  landschaftlich  prächtige  Kloster- 
schlucht von  Vracevsnica  ein.  Ein  Vasall  Zar  Lazars,  vielleicht  der  Herr  des 
auf  hohem  Kegelberg  liegenden  Schlosses  Ostrusnica,  sollte  mit  seinem  Banne 
dem  Serbenheer  sich  anschliessen,  das  gegen  Sultan  Murad,  zum  Entscheidungs- 
kampf zwischen  Kreuz  und  Halbmond,  auszog.  Der  Ritter  eilte,  an  der  Spitze 
vieler  Wehrmannen  dem  Gebot  seines  Landesherrn  zu  entsprechen;  kaum  einige 
Stunden  vom  Schlosse  weit,  fiel  ihm  aber  der  Gedanke  schwer  auf  die  Seele,  im 
Übereifer  an  jenem  Tag  noch  nicht  die  Messe  gehört  zu  haben.  Wie  wollte  er 
den  Beistand  seines  Heiligen  erhoffen,  ohne  die  Unterlassung  gesühnt  zu  haben? 
Er  kehrte  also  zurück,  bat  in  frommer  Ergebung  den  Herrn  der  Schlachten  um 
Hilfe  für  sich  und  sein  von  den  Ungläubigen  bedrängtes  Vaterland.  Vertrauensvoll 
machte  er  sich  nun  zum  zweitenmal  auf  den  Weg;  da  begegnete  er  versprengten 
serbischen  Reitern,  welchen  türkische  auf  der  Ferse  folgten.  Die  Schlacht  von 
Kosovo  hatte  bereits  für  Jahrhunderte  gegen  das  Serbenreich  entschieden.  Der 
Ritter  I'lüciitete  eilends  mit  den  Seinen,  die  Vorsehung  hatte  ihn  vor  sicherem  Tod 
bewahrt.  Als  die  Sturmflut  sich  gelegt,  dachte  er  seines  in  der  Not  geleisteten 
Gelübdes.  Atif  der  Stelle,  wo  er  sich  der  versäumten  Messe  erinnerte,  gründete 
er  dankerfüllt  ein  Kloster  und  nannte  es  Vraöevätica  (vrati,  umkehren).  Eine  auf 
l'efelil  des  Karlovicer  Patriarchen  Arsenije  IV.  im  J.  1737  erneuerte  Inschrift 
nennt  als  Erbauer  der  Kirche  den  Gross-2elnik  Radic-Postupovic,  der  ihr  1431 
zugleich  (jornja-  und  Donja  Vrac^evstica,  Brestovo,  Kukavije  bei  Rudnik  und 
Ik'luca,  mit  seinem  dortigen  Ihil  luul  Weinbergen  widmete. 

Doch  nicht  allein  die  Sage  begrimdete  VracevSnicas  hohen  Ruf,  sondern 
auch  die  grosse  Rolle,  welche  es  von  18ü6  an  im  Befreiungskampf  spielte,  mit 
dem  seine  neuere  Geschichte  eng  verbunden  ist.  Als  die  Mönche  der  Carska 
lavra  Studenica  1806  am  Sonnabend  vor  Pfingsten  vor  den  Gewalttaten  der 
türkischen  Dahien  flüchteten,  wurden  die  Geheine  des  hl.  Königs  Stefan  Nemanja 
von  dort  nach  Vracevsnica  übertragen,  wo  sie  bis  zu  ihrer  weiteren  Sicherung 
in  Sirmien  bis  IHI.'<  verblieben.  Auf  dem  Kalipoljc,  '/j  Stunde  südlich  unterhalb 
Vracevsnica,  war  es  auch,  wo  Karailjnnlje  am  28.  Mai  1812  in  festlicher  Ver- 
sammlung den  hervorragendsten  Wojwnden  den  Serbien  betreffenden  Artikel  des 
Bukarester  Friedensvertrages  mitteilte  imd  in  Gegenwart  des  russischen  Abgesandten, 
Grafen  Ivelic,  unter  Kanonendonner  die  ihnen  vom  Zaren  verliehenen  Orden  an 
die  Brust  heftete.  Gleichzeitig  entsendete  er  die  Führer  Razanjski.  F'rotic  und 
Jevlii  nach  Kiuislantinopel,  um  ilie  Volkswünsche  zur  Kenntnis  des  Sultans  zu 
bringen.     Als  aber   das   folgemle  j.dir    stall    ihrer  Erfüllung   erneute  Unterjochung 

1     KANIIZ,    SiThKMi.     I.  ül 


322     Ut'her  den  Crni  vrli,  KraKujevac,  Vra(JcvSnica,  Topola  und  Mcdjiilu2ije  nach  ßcl|;rad. 

brachte,  wurde  es  in  Vraccvänica  laut  verkündet,  dass  auch  die  Priester  mit  und 
für  die   l'reiheit  der  Nation  stehen  und  fallen  nilissen! 

In  Wahrheit  ritt  Meientije,  der  im  benachbarten  Vrbava  1770  (geborene 
Archimandrit  von  VracevSnica,  1815,  in  jenem  Jahre  des  Doppelfrüiilinj^s  für  Serbien, 
den  kanipfesnuitiKen  Scharen  mit  Kreuz  und  Schwert  begeistert  voran,  welche 
Knez  Milos  am  F'almsonnlan  bei  Takovo  zur  Abwerfun^  des  Türkenjoches  auf- 
^^erufen  hatte.  Das  Vaterland  wurde  frei,  die  Schmach  von  Kosovo  gerächt  durch 
das  Feuer  patriotischer  Begeisterung,  entzündet  und  gepflegt  an  der  heiligen 
Stätte,  deren  (jriindung  die  Sage  an  die   „Amselfeld-Schlacht"   knüpft. 

Gleich  der  Mehrzahl  der  serbischen  Kliister  liegt  auch  Vracevsnica  in  einem 
tiefen,  von  prächtigen  Obstkulturen  und  alten  Nussbäumen  erfüllten  Taleinschniit. 
Ich  erblickte  es  erst,  als  wir  das  Klostertor  erreicht  hatten.  Die  Kirche,  eine 
einfaciie  Basilika  in  sorgfältig  behauenen  Quadern  auf  reich  profiliertem  hohen 
Sockel,  mit  fünfseitiger  Altar-Apside,  entspricht  im  Stile  so  ziemlich  dem  in  der 
Legende  angegebenen  Zeitraum.  Die  Langseiten  ihres  Schiffes  unterbrechen 
Liscnen,  welche  unter  dem  Dachgesims  laufende  Rundbogenfriese  verbinden.  Die 
Fresken  im  Innern  gehören  zu  den  wenigen,  türkischer  Zerstörungswut  entgangenen. 
Der  Nordseite  der  Kirche  gegenüber  erhob  sich  ein  1825  von  Milo§  erbautes 
einstöckiges  Gebäude  im  Kragujevacer  Konakstil.  Oft  weilte  er  in  den  friedlichen 
Klostermauern.  Sic  bargen  für  ihn  ausser  Erinnerungen  an  die  herrlichsten  Taten 
seiner  Jugend  teuere  Reliquien  —  die  Gebeine  seiner  1819  hier  begrabenen 
Mutter  Viänja,  ihrer  Kinder  Oavriln  und  Maria.  Als  der  greise  Milo§  aus  zwanzig- 
jährigem Fxil  zurückkehrte,  wandte  er  dem  Kirchlein  sogleich  eifrige  Sorge  zu. 
Er  bestiinmtc  es  zur  Ruhestätte  für  sich  und  seine  Familie.  Neben  seiner  Mutter, 
neben  Meientije,  seinem  geistlichen  Waffenbruder,  in  der  Mitte  seiner  geliebten 
Sumadija  wollte  der  vielgeprüfte  Fürst  ruhen.  Die  westliche  Portalwand  fand  ich 
im  Mai  1860  ausgebrochen  und  das  Material  zum  Vorbau  aufgeschichtet,  der 
nach  dem  Plane  des  Kreisingenieurs  Petrovic  aufgeführt  werden  sollte. 

Im  Igumaiikonak  interessierte  mich  namentlich  Melentijes  lebenswahr  gemaltes 
Bildnis.  Die  markigen  Züge  verraten  grosse  Energie  und  edle  Männlichkeit;  in 
den  blitzenden  Augen  und  auf  den  feingeschnittenen  Lippen  glaubt  man  den 
festen  Entschluss  zu  lesen:  „Ich  will  nicht  länger  Priester  der  ,Rajah',  einer 
Sklavcnherde  sein!"  Fürst  Milos  wusste  Schuldige  und  Gegner  oft  furchtbar  zu 
strafen;  er  verstand  es  aber  auch,  zu  belohnen.  Am  30.  April  1831  liess  er 
Meientije  in  Konstantinopel  zum  ersten  autokephalen  Metropoliten  Serbiens 
weihen;  doch  schon  1833  wurde  dieser  patriotische  Kirchenfürst  in  Vracevsnica 
bestattet. 

Der  wegen  seiner  allzu  offen  bekundeten  Anhänglichkeit  an  die  Obrcnovice 
unter  Fürst  Alexander  stark  gemassregelte,  nach  Milo§'  Rückkehr  aber  zum  Iguman 
von  Vracevsnica  ernannte  Vikentije  zeigte  mir  alles  Sehenswerte  des  ganz  in 
türkischer  Art  eingerichteten  Konaks.  In  der  Prachtstube  überraschte  mich  ihre 
heidnisch  anklingende  Dekoration.  Das  aus  Holz  geschnitzte,  bunt  bemalte 
riesige  Sonnenantlitz  mit  goldgelbem  Strahlenkranz  am  Plafond,  asiatische  Teppiche, 
niedere  Wand-Mindcrluks    mahnten    an    den    Orient,    dessen    Aienschen,    Cibuk 


Ueber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     323 

oder  Nar^ileh  schlürfend,  eine  Kuiturperiode  nach  der  anderen  beschaulich  ver- 
träumen. Die  letzten  dreissig  Jahre,  welche  mehr  als  das  ganze  vorausgegangene 
Jahrhundert  Serbien  occidentalisierten„  haben  aber  auch  Vracevänicas  Physiognomie 
gründlich   verändert. 

Als    ich    im   September    1888    das   Kloster   wieder   besuchte,   fand   ich   das 
Kirchenschiff    um   zwei    Lisenenfelder  verlängert,    über  der  neuen  Vorhalle   einen 


\' l.'.\CI-.\S.MC.\,   .Wclcnlijc,  ikr  lisU-  .Mcilupulit  Jcs  liilitili.il  SciluciLS 


lurmarligen  liau  und  über  dem  Portal  die  Inschrift:  „Miln.^  ObrcnovJL^  I.  serbischer 
inirst  erneuerte  ilieses  gefeierte  Kloster  zum  hehren  Amlenken  seiner  A\utter  ViJiija." 
Die  Jalins/.ilij  1H59  bezeiihiiet  den  Me^^inn  iles  sich  bis  1870  dehnenden  Umbaues. 
Von  ilen  alleren  Wohn.neiiämlcn  blieben  nur  das  grosse  südliche  Wirtschaflshaus 
mit  den  Zellen  der  Mruiche,  Trapesaria,  Küche,  VVciitkeller  und  offener,  von 
Holzsüuien  getragener  Veranda,  ferner  der  kleine,  jetzt  verlassene  G.tstokonak; 
vcrscliwuiulen  ist  aber  der  von  MiloS  und  Melentije  einst  bewohnte  geschichls- 
reiche  Konak  :\  In  lurka.  Der  mich  gasifreuiullich  empfangende  Iguman  (lavrilo 
residieile  \\\  ciiuin  von  iicihem  Turm  überragten  einstikkigen  Neubau,  welcher 
in    ausseid    uiul    iniKTcr   Ausstattung    stark    den    Kastellen   grosserer   ungarischer 

21* 


'V2\      Ucbcr  den  Crni  vrli,  KraKujcvac,  Vrac'cvSnica,  Topola  und  Medjuluiijc  nach  Belt;rad. 

Grundbesitzer  gleicht.  Den  für  hohe  üäste  bcstiininicn  Raum  schmücken  die 
Porträts  von  Melentije,  des  {geistvollen  Karlovicer  Erzbischofs  Stratimirovic  und 
aiulerer  berühmter  Serben.  Itii  Gerateschrein  sah  ich  meist  von  Russland  geschenkte 
Bücher,  Bilder,  kostbare  Kreuze,  Kelche  und  Paramente  neuer  Arbeit. 

Der  noch  junge  Iguman  schien  ganz  von  wirtschaftlichen  Sorgen  erfüllt, 
denn  von  seinen  Duhovniks  weilte  einer  zur  weiteren  Ausbildung  in  der  Belgrader 
bogoslavija,  der  zweite  auf  einem  fernen  Weinberg,  im  Hause  befanden  sich 
ausser  der  Wirtschafterin  nur  Knaben  der  nahen  Dorfschule,  welche  sich  hier  für 
den  Mönchsberuf  vorbereiteten.  In  einem  Kloster  mit  so  reichem  Besitzstand 
gibt  es  stets  viel  zu  tun.  Das  seit  1883  der  2iöaer  Diözese  zugeteilte  Vracevinica 
hat  die  Scelsorge  für  13  Orte  mit  837  Häusern  zu  fördern,  ausserdem  20  Hektar 
l-ckkr,  :<  Hektar  Wiesen,  5  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  250  Hektar  Wälder. 
2  Mühlen,  I  Mehana,  den  bedeutenden  Viehstand  usw.  zu  verwalten,  dabei 
stürzte  es  sich  durch  den  kostspieligen  Neubau  in  Schulden,  und  doch  sind  die 
Zeiten,  wie  der  klagende  Iguman  versicherte,  nicht  die  besten! 

Mich  selbst  mutete  es  in  dem  neuen  Hause  nicht  so  wohl  wie  einst  im 
alten  an.  In  vielem  machte  sich  ein  stark  materieller  Zug  bemerkbar,  ich  zeichnete 
eine  Skizze  des  malerisciien  Klosterhofes  und  sah  dann  nach  dem  Grabe  von 
MiloS'  MiittLT.  Es  war  unberührt  von  allen  ringsum  erfolgten  Veränderungen. 
Da  lag  sie  noch  unter  der  kaum  mehr  lesbaren  roten  Atarmorplatte.  Die  neu 
gebaute  Fürstengruft,  welche  nach  Milofi'  Absicht  alle  Obrenovic  aufnehmen 
sollte,  blieb  bis  heute  leer.  Er  selbst  ruht  in  der  Belgrader  Kathedrale,  seine 
Gemahlin  Ljubica  im  sirmischen  Kloster  Krusedol,  sein  Sohn  Milan  in  der 
Palilulakirche,  sein  unglücklicher  Nachfolger  Mihail  gleichfalls  zu  Belgrad,  an 
Milos'  Seite.  Der  König  Milan  im  Kloster  Krusedol  und  der  letzte  Obrenovic. 
König  Alexander,  mit  seiner  Gemahlin  Draga  wurden  in  Belgrads  Palilulakirche 
bestattet!  — 

Dem  Gruzabett  streng  westlich  folgend,  gelangte  ich  in  1  Stunde  nach 
D.  Crnuce.  Südlich  von  diesem  liegt  Belopolje,  wo  der  Despot  Stefan  Lazarevic 
am  8.  Juni  1427  kurz  vor  seinem  Tode  eine  ragusanische  Gesandtschaft  empfing. 
Hier  bog  ich  (1860)  in  das  von  sanften  Bergen  umrahmte  Tal  G.  Crnuces  ein,  das 
gegen  N.  die  918  m  hohe  Syenitporphyrkuppe  Vis  abschliesst.  Der  stille  Ort 
hiess  ursprünglich  Beluci  (Weissdorf),  wurde  aber  Crnuc^e  (Schwarzdorf)  genannt, 
weil  in  der  Kosovoschlacht  seine  sämtlichen  waffenfähigen  Männer  blieben. 
Den  unter  Djurag  Brankovic  hier  —  vielleicht  auf  der  nahen  „Gradina"  (?)  — 
residierenden  berühmten  Gross-Celnik  Radic  nennt  Stojan  Novakovic ')  einen  der 
tapfersten  und  klügsten  Helden  seiner  Zeit.  Die  Volkslieder  besingen  ihn  als 
„Zniaj  Oblacic"   und   „Oblacic-Rade". 

Eine  begründete  historische  Nachricht  lässt  diesen  Radic  am  22.  Juli  1413 
zugunsten  des  Sultans  Bajazid  bei  Sofia  gegen  dessen  revoltierenden  Bruder 
Musa  siegreich  kämpfen.  Er  befehligte  den  rechten,  der  Serbenfürst  Djordje 
Brankovic    den   linken    Flügel;    Musa    blieb    auf    dem    Schlachtfeld.      Der   Despot 


')  Giasnik.  Bd.  30,  122  ff. 


UebtT  den  Crni  vrli,  Kragujcvac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluzijc  nach  Beli^rad.     325 

Stefan  Lazarcvic  begabte  Radic  mit  77  (?)  Dörfern  im  Branicevo-,  Kuccvo-  und 
Mlavagebiet,  und  Brankovic  bestätigte  diese  Schenkungen  in  einer  aus  dem 
Athoskloster  Kastoinonita  datierten  Urkunde  (1429).  Dieser  von  Radio  persönlich 
besuchten  Heilstätte  schenkte  er  im  J.  1428,  wie  der  russische  Reisende  Uspenski 
erwähnt,  20  und  1433  wieder  22  Pfund  Silber,  auch  Hess  er  ihre  Kirche 
restaurieren  und  verordnete,  dass  der  Klosterrat  aus  dem  iguman  und  6  Mönchen 
fortan  bestellen  solle.  Diese  häufigen  Silberschenkungen  lassen  annehmen,  dass 
Radic  wahrscheinlich  im  benachbarten  Krasojevci  (XIV.  Kap.)  Minen  besass. 
Das  letzte  Mal  erscheint  sein  Name  in  einem  Vertrag  zwischen  Djuro  Brankovic 
und  Venedig  unter  den  Grossen,  welche  diesen  am  26.  August  1435  im  Palast 
zu  Smederevü  mitzeichneten.  Sein  Titel  „Gross-Celnik",  von  den  Ragusanern 
mit  comes  palatinus  übersetzt,  stand  wohl  jenem  des  ungarischen  Palatins  gleich. 


VRACEVSNICA.  Klosicrhol  und  die  Obrcnovi<-Grullkirche,  188a 


F,r  war  eine  Nachahmiuig  der  byzantinischen  llofwUrdc,  die  seil  Kralj  Milutin 
aufgelassen,  von  Brankovic  aber  F^adic  verliehen  wurde,  und  welche  auch  ein 
Wojwodc  Mihalj  ;iul  ciikt  ragusanischen  L'rknnde  vmn  J.  1445  trägt.  Noch  heute 
leben  Marinkovice  in  Cmiice,  welche  direkt  vom  üross-Celnik  Radic  abslammen 
wiillen  ^\n^\  sich  wie  er  Postupovic  neimen.  Hin  solcher  iiberliess  dem  1813  in 
()(inije  Crniue  ein  Asyl  suchenden  MiloS  Ohrenovic  ein  Häuschen  mit  üarten 
und  lelikiii  iinKi  der  einzigen  Bedingung,  dass  er  jährlich  dem  Kloster  VraCevSnica 
einen  halben  Dukaten  bezahle.  So  teilte  dieser  schlichte  Nachkomme  des 
berühmten  Palatinus  Radic  dessen  Vorliebe  für  die  nahe  ehrwürdige  Heilställe. 
Aul  einer  das  Dorf  überragenden  Anhöhe  steht  das  üehöft,  welches  die 
fürstliclie  I  aiiiilie  bewohnte.  Dichter  Wald  zieht  von  der  Höhe  hart  zu  dem- 
selben herab,  von  der  anderen  Seile  umgeben  es  Malten,  reiche  Felder  und 
Obsipllanzungen.  Das  liuiere  des  im  ländlichen  Slil  erbauten  grösseren  Wohnhauses 
ist    bald    uesi  liihkil        l!s    bestellt    aus    einem    \'orrauni     mit    iler    laiulcsüblichcii 


n2f!      üfbcr  ilcii  Criil  vrli,  Kr.iniijuv.ic,  VradcvÄnica,  Topula  und  Mcdjulu^.ijc  nach  Belgrad. 

Fciicrslellc,  LiiRin  jetzt  kahl  aussehenden  Wohnzimmer  und  einem  i<leincn  Gemach 
mit  türkiscii  geformtem  Schrein  und  der  Bettsteile,  in  welcher  Serbiens  erste 
l'ürslin  schlief.  Nicht  ohne  F^Uhrunn  verliess  ich  die  einfachen  Räume,  weiche 
li)  Milos'  Brust  die  sein  Vaterland  rettenden  Entschlüsse  reifen  sahen!  Die  Rufe 
des  schwergeprüften  Volkes  dran),'en  hierher  bis  unter  das  Laubdach  des  nahen 
Apfclhauiiies,  weicher  1814  oft  den  unbeuj,;;iamen  Knezen  mit  seinen  vertrauten 
Anlianj;ern  heschattete.  Von  Crnuce  zog  MiloJ  nach  Takovo;  als  Sieger  und 
Befreier  Serbiens  kehrte  er  in  das  stille  Dorf  zurück.  Crnuccs  nette  Häuser, 
seine  gut  bestellten  Felder,  der  in  allem  sich  äussernde  Wohlstand  sind  Zeugen 
dankbarer  firinnerung  und  besonderen  Schutzes,  deren  sich  das  Dorf  von  Seite 
der  fürstlichen   Familie  erfreute. 

Von  Crnuce  ging  ich  zurück  nach  Bare,  um  über  M.  Vrbica  und  V.  Senje 
das  in  Serbiens  neuerer  Ocscliiclite  viel  genannte  Topola  zu  erreichen.  Der  iiirN. 
abbiegende  Vizinalweg  braciite  uns  nach  '/._,  Stunile  auf  eine  Anhöhe,  von  der  ich 
den  fernen  Kutlenik  bei  Karanovac  erblickte.  Herrliche  Düfte  von  Eschenblüte 
erfüllten  liier  die  Luft.  Es  folgten  schöne  Buchen-  und  Eichenstände  mit  grossen 
Schwcineiicrden.  Schon  als  ich  1889  diese  Gegend  wieder  bereiste,  fiel  mir  die 
bedeutende  Zunahme  des  Feldbaues  auf. 

Wir  iiessen  das  seit  1877  eine  im  gotischen  Stil  erbaute  Kirche  und  seit 
kurzem  eine  Dampfnuiiile  besitzende  Luznicc  rechts,  ebenso  Pajazitovo,  in 
dessen  Namen  jener  des  Sultans  I^ajazid  anklingt,  dann  Cuniic  (das  Limovac 
d.  s.  Karte),  mit  sciion  1844  erbauter  bescheidener  Peter  Paul-kirche,  bei  dem  wir 
die  Hauptstrasse  erreichten,  kreuzten  in  Bozurnja  auf  einer  seither  durch  eine 
solide  Eisenkonstruktion  ersetzten  liolzbrücke  die  Jasenica  und  waren  bald  darauf 
an]  Ziele  angelangt. 

In  der  Mehana  des  anmutig  auf  einer  Hochebene  liegenden  Topola  hielt 
ich  Mittagsrast.  ScIion  damals  ein  stattlicher  Ort,  zählt  nun  die  Gemeinde  nahezu 
2800  Seelen  und  besitzt  seit  1894  eine  wechselseitige  Hilfs-  und  Sparkasse  mit 
500000  d  Umsatz.  Dass  Topola  nicht,  wie  früher  angenommen  wurde,  Karadjordjes 
Geburtsort  ist,  steht  jetzt  ausser  allem  Zweifel.  WieDjukic  erwies'),  erblickte  Serbiens 
grosser  Freiheitskämpfer  1752  den  ersten  Lebenstag  im  von  dichtem  Eichenwald 
umgebenen  Visevac,  wohin  sein  Vater  aus  dem  Gau  Vasojevic  (jetzt  montene- 
grinisch) übersiedelt  war.  Das  Stammhaus  der  Karadjordjevice  bei  Podgorica 
kaufte  Fürst  Nikolaus  und  Hess  es  zu  ehrender  Erinnerung  restaurieren.  Visevac 
liegt  östlich  von  Topola,  an  der  Raca-Kragujevacer  Strasse  und  3  km  von  dem  zu 
Ehren  der  Königin  Natalia  in  „Natalinci"  umgetauften  Novo  selo.  Von  Ecktürmen 
flankierte  hohe  Mauern  umschliessen  den  Wohnsitz  Karadjordjes  und  Lieblings- 
aufenthalt seines  Sohnes,  des  im  Exil  verstorbenen  Fürsten  Alexander.  Es  spricht  für 
Karadjordjes  Gerechtigkeitssinn,  dass  er  den  eigenen  Bruder  Marinko  am  grossen 
Tore  seines  Konaks  hängen  liess,  weil  er  nach  Türkenbrauch  ein  Mädchen  im 
Dorfe  entehrt  hatte.  Noch  1860  fand  ich  das  Wohnhaus  einfach,  aber  bequem 
eingerichtet.     1868    wurde    es,    wegen   der  angeblichen  Anstiftung   des  Attentates 


l 


')  „Österr.-Ung.  Welirzeitung",  1884,  No.  24. 


König  Alexander  bekränzt 
Karadjordjes  Grab,  I8S3. 


TOl'OI.A,  K.ir.'Kl|nrd|cs  Wohnsitz  und  Urnbkirchc. 


lieber  dun  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevsnica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     329 

auf  I'ürst  Mihail  durch  die  Familie  Karadjordjcvic  vom  Staate  konfisziert  und 
während  der  Niederwerfung  des  1877  zugunsten  des  Prinzen  Peter  in  Topola 
ausgebrochenen  Aufstandes  stark  verwüstet. 

Neben  der  nahen  von  Mauern  umfriedeten  ürtsschule  steht  die  1811  durch 
Karadjordje  erbaute  Maria  Geburts-Kirche.  Klein  und  eng  sind  ihre  Räume,  nur 
mühsam  dringt  durch  schmale  Fenster  das  Tageslicht,  dem  eine  ewig  brennende 
Lampe  den  Sieg  streitig  macht.  Ein  Lichtstrahl  fällt  auf  die  rote  Marmorplatte 
in  der  lickc  rechts  vom  Eingang;  sie  deckt  die  Gebeine  des  Helden  der  Wald- 
gebirge, des  Führers  der  ersten  unglücklich  geendeten  serbischen  Erhebung.  In 
dem  heute  als  Gabelpunkt  der  Belgrad-Smederevoer  Bahnlinien  wichtig  gewordenen 
Velika  Plana  ermordete  in  der  Nacht  vom  24.  zum  25.  Juli  1817  Vujica  Vulicevic, 
ein  durch  seine  Tapferkeit  bei  Smederevo  und  Deligrad  (1813)  bewährter,  bis  dahin 
Karadjordje  ergebener  Wojwode,  diesen  ersten  Vorkämpfer  für  die  serbische 
Unabiiängigkeit.  Karadjordje  war  im  Einverständnis  mit  der  Griechenlands  Befreiung 
planenden  lletärie  aus  seinem  bessarabischen  E.xil  nach  Serbien  gekommen,  um 
erneut  den  Krieg  mit  den  Türken  zu  beginnen,  was  weder  diesen  noch  dem 
ermüdeten  Volke  und  am  wenigsten  in  die  Pläne  des  zur  Macht  gelangten  Milos 
übrenovic  passte.  Ob  letzterer  an  der  schwarzen  Tat  unmittelbar  beteiligt  war, 
mag  hier  unberührt  bleiben;  das  ihm  zugesendete  Haupt  seines  Nebenbuhlers 
Karadjordje  lieferte  er  dem  Belgrader  Vczier  aus,  der  es  skalpiert  nach  Stambul 
sandte,  wo  es  einige  Tage  an  der  Serailpforte  ausgestellt  blieb.  Der  am  Tatort 
beerdigte  Leicimam  wurde  später  nach  Topola  übertragen.  Auf  dem  Platze  des 
Attcniatus  errithlete  der  Verräter  Vujica  im  folgentlen  Jahre  eine  „pokainica  crkva", 
eine  hölzerne  Sühnekapelle,  zu  welcher  das  Volk  zahlreich  pilgert. 

Die  Topolaer  Grabplatte  zeigt  Fürst  Milo§'  Bemühen,  jeden  Verdacht  seiner 
Beteiligung  an  Karadjordjes  Mord  von  sich  abzuwälzen.  Sie  tragt  folgende,  auf 
seinen  Befehl  verfasste  Inschrift:  „Hier  liegen  die  Gebeine  Georg  Petrovics  des 
Schwarzen,  gewesenen  serbischen  Anführers  zur  Zeit  des  Befreiungskrieges  im 
J.  1804,  nachmaligen  obersten  Anführers  und  Gebieters  des  serbischen  Volkes  bis 
zum  J.  1813,  welcher  infolge  der  bekannten  Intrigen  der  Feinde  Serbiens  sich 
nach  Osterreich  zurückzog,  von  dort  nach  einjähriger  Haft  nach  Russland  über- 
siedelte, wo  er  über  Verwendung  der  Regierung  Aufnahme  erhielt,  jedoch  aus 
unbekannten  (iründen  wieder  Russland  verlicss,  nach  Serbien  zurückkehrte  und 
hier  von  der  „türkischen  Regierung"  durch  Abschneiden  des  Kopfes  ums  Leben 
gebracht  wurde.     Im  Juli  des  J.   1817." 

Innerhalb  zweier  Tage  staml  icii  an  den  Grabstätten  der  beiden,  Serbien 
iilnvei-liselinl  icLiierenden  1  )yn,isiu'n,  hei^ruiulei  von  zwei  Männern  gleich  niederer 
Aiikuiift,  aber  ungleich  im  Charakter  und  Ende.  Der  erste,  den  l'lrhebungskainpf 
herbeiführend,  im  furehlbarslen  Schlachtgewühl  stets  voraus  an  der  Spitze  der 
Kampfer;  der  /weile,  aber  gleichen  Mut  mit  diplomatischer  Feinheil  verbindend, 
mit  (icschick  die  Erhebung  fortführend  luul  zimi  Abschluss  bringend.  Der  crsle 
V(ui  Miirderhanil  getutet,  sein  Kojif  als  Siegeslrophäe  an  der  Sernipforle  zu 
Stambul  aulgesleckl;  der  zweite,  als  F'ürst  sterbend,  auf  dem  Tolenbell  den 
serbischen  Thron  seinem  Snhn  übergebend  -    seinen  grausen  Tod  durch  MOrderhand 


I!'!(l      Icbur  ikii  Crni  vrli,  KraKujcvac,  Vrat'cvSnica,  Topola  und  Mcdjuluiijc  nach  Belgrad. 

nulii  almctui  -  im  Geiste  dessen  Zukunft  ^Llnzend  erblickend!  So  verschieden 
im  l.ei)en  und  Stertien,  heKCf^neten  sich  Karadjordje  und  Miloä  doch  in  einem, 
im  lief^iewurzeiten  Ilasse  Ke^en  das  Türkentum  und  im  glühenden  Verlangen,  ihr 
j,'emeinsamcs  Vaterland  unahhänj^iK,  milchtifj  und  j^lücklicii  zu  sehen!  Ahnliche 
linipfindunf^en  mochten  den  König  Alexander  einen  Moment  den  alten  Familien- 
zwist vergessen  haben  lassen,  als  er  unter  lauter  Zustimmung  des  Serbenvolkes 
am  7.  September  1893  einen  Kranz  am  Grabe  des  unglücklichen  Ahnherrn  der 
Karadjordje  vice  niederiej^te. 

Danials  beabsichtigten  ernste  patriotische  serbische  Staatsmänner,  den  jungen 
K(Jnig  mit  Helene,  der  einzigen  Tochter  des  Thronprätendenten  Peter 
Karadjordjevic,  zu  vermählen,  doch  sein  Vater  Milan  vereitelte  diesen  klugen 
politischen  Plan,  dessen  Verwirklichung  Alexander  und  die  Obrenovic  wahrscheinlich 
vor  ihrem  traurigen  Ende,  Serbien  aber  gewiss  vor  einer  schweren  Prüfungszvil 
bewalirt  hätte!  Der  hier  im  Bilde  festgehaltene  Akt  am  Grabe  Karadjordjes,  zu 
dessen  Darstellinig  Kiinig  Alexander  mir  1897  persönlich  sein  gleichzeitiges 
Porträt  für  den  Maler  Gause  übergab,  zeigt,  dass  der  zuletzt  vielfach  ganz 
ungünstig  geschilderte  junge  Herrscher  auch  schöne  ritterliche  Anlagen  besass, 
die  leider  durch  den  unheilvollen  Einfluss  seiner  Frau  sich  nicht  fortentwickeln 
kimntcn.  Wenn  irgendwo,  gilt  hier  das:  „cherchez  la  femme!"  oder  richtiger: 
„les  femmcs!"  Denn  auch  die  Königin-Mutter  Natalia  vermag  der  objektive 
Beurteiler  nicht  vom  Vorwurf  zu  entlasten,  dass  gerade  sie,  die  aus  vieljähriger 
Nähe  die  schliininen  Charaktereigenschaften  ihrer  Hofdame  Draga  Ma§in  kennen 
musste,  den  jungen,  unerfahrenen  Alexander  nicht  vor  dem  gefährlichen  Umgang 
mit  der  v^chönen,  aber  auch  sehr  ehrsüchtigen  Frau  bewahrte!  Die  höchst 
temperamentvolle,  sonst  äusserst  achtenswerte,  doch  nicht  für  das  Hofleben  und 
noch  weniger  für  den  Thron  erzogene  Exkönigin  liebte  ihren  Sohn  ebenso 
übermässig,  wie  sie  seinen  leichtlebigen  Vater  leidenschaftlich  hasste  und  die  ihr 
anfänglich  sympathische  Draga  später  unsagbar  verachtete.  Als  die  mit  ihrem 
Sasa  wegen  der  ihm  so  verhängnisvoll  gewordenen  Heirat  zerfallene  Natalia, 
wie  der  Belgrader  Stadtpräfekt  Marsicanin  erzählt,  diesen  vier  Tage  vor  seiner 
Ermordung  schriftlich  aufforderte,  Draga  von  sich  zu  stossen  —  „da  Du  noch 
sie  sonst  am  Leben  bleiben  werdet"  —  war  es  für  den  auch  von  anderer  Seite 
iiaclidiiicklicli  gewarnten  König  bereits  zu  spät!  Mit  dem  durch  Draga  vollkommen 
beherrschten  willensschwachen  Alexander  büsste  allerdings  auch  letztere  gleich  ihren 
Brüdern    in    iler    II.  Juninacht    die   trügerischen  Träume  in  schrecklichster  Weise. 

Von  einer  weiteren  Schilderung  der  mit  allen  entsetzlichen  Einzelheiten  der 
Welt  in  Wort  und  Bild  bekannt  gewordenen  Katastrophe  und  ebenso  der  sie 
hoffentlich  auf  lange  Zeit  für  Serbien  versöhnend  abschliessenden  Rückberufung 
der  um  das  Land  hochverdienten  Familie  Karadjordjevic  darf  ich  hier  wohl  absehen. 

Rankes  „Serbische  Revolution"  gibt  —  nach  Vuks  Schilderung  —  folgende 
Charakteristik  des  „schwarzen  Georg":  „Er  war  leicht  zu  erkennen,  ein 
Mensch  von  grösster  Statur,  mager,  breitschulterig,  durch  eine  grosse  Narbe  im 
Gesicht  gezeichnet,  mit  tiefliegenden,  blitzenden  Augen,  er  stritt  am  liebsten  zu  Fuss. 
Obwohl  ihm  die  rechte  Hand  von  einer  Wunde,  die  er  einst  als  Heiduck  bekommen, 


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lieber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracev§nica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  Belgrad.     333 

krumm  geblieben  war,  so  wusste  er  doch  sein  Gewehr  trefflich  zu  handhaben. 
Er  arbeitete  gleich  den  anderen  Bauern,  leitete  Wasser  nach  einer  Mühle,  rodete 
mit  seinen  Momken  ein  Stück  Waldes  aus,  oder  fischte  mit  ihnen  im  Bache  Jasenica. 
F:r  pflügte  und  ackerte;  seinen  russischen  Orden  hat  er  verdorben,  als  er  einen 
Reifen  um  ein  Gefäss  schlug." 

Der  Schriftsteller  Milicevic  ergänzt  dieses  Bild:  „im  Essen  und  Trinken 
war  Karadjordje  äusserst  massig,  Bnhnenmus  und  Brot  zur  Fastenzeit,  sonst 
Brot,  geräuchertes  Fleisch  mit  einer  Flasche  Sumadijaer  Weines  genügten  ihm. 
Auch  im  Anzug  unterschied  er  sich  nicht  von  den  Bauern.  Opankenschuhe,  eine 
schwarze  Fellkappe,  ein  Hemd,  im  Hause  gewebt,  ebenso  die  Jacke  von  Suknotuch, 
weite  Beinkleider,  ein  breiter  Leibgürtel,  die  berühmte,  nie  fehlende  Pistole  im 
Waffengurt,  über  die  Schultern  den  zottigen  Pelz  gehängt,  so  erschien  er,  allezeit, 
bis  zum  Ende,  ein  Schrecken  der  Türken."  —  Ein  zeitgenössisches  Blatt,  die 
Agramer  „Luna",  gibt  von  ihm  folgende  Schilderung:  Gjorgje  war  ein  Sonderling; 
er  sass  wohl  tagelang,  ohne  ein  Wort  zu  reden,  und  kaute  so  hin  an  seinen 
Nägeln;  zuweilen,  wenn  man  ihn  sprechen  wollte,  drehte  er  den  Kopf  herum  und 
antwortete  nichts;  beim  Wein  wurde  er  gesprächig.  War  er  erst  heiter,  so  führte 
er  wohl  einen  Tanz  an;  auf  Pracht  und  Glanz  gab  er  nichts.  Zahllose  Volkslieder 
feiern  Karadjordjes  Heiduckentum,  darunter  folgende  wunderbar  poetische: 

Blutlgrote  Rosen  blüh'n  im  (jarten,  Nah'  bei  Beljjrad  knallt  die  schlanke  Büchse, 

Blutig  flattern  serbische  Standarten.  Von  der  stillen  Donau  hallt  es  wider. 

(jjorgje  sammelt  seine  Falken  —  Serben,  Bei  Duboka  knallt  die  zweite  Büchse, 

Die  mit  Freuden  für  die  Freiheit  sterben;  Sendet  ihre  Stimme  an  die  Sava. 

Falken,  die  nicht  ihre  Eltern  kennen,  In  Topola  knallt  die  dritte  Büchse, 

Die  nicht  Weib  noch  Kind  Ihr  eigen  nennen.  In  Topola,  diesem  edlen  Dorfe. 

Ihre  Heimat  —  Waldes  Labyrinthe:  Sumadija  hat  sich  kühn  erhoben, 

Ihre  Mutter  —  eine  lange  Flinte;  Karadjordje  steht  an  seiner  Spitze, 

Die  üeschwister  —  treuliche  Kumpane  —  Hat  das  Türkcnkaiserlum  erschüttert. 

Die  Pistolen  und  die  Yatagane.  Staunend  sehen's  sieben  Königreiche, 

Wie  die  Serben  zu  verbluten  wissen. 

* 

Mahnuid  schreibt  dem  Grossvezier  die  Worte: 
„Komm'  /um  I)iv;m  an  die  hohe  Horte!" 
„Ach,  mein  Kaiser,  gern  war'  ich   gegangen; 
Karadjordje  liJilt  mich  hier  gefangen, 
Karadjordje  hält  midi  im  Ueliege, 
Karadjordje  sperrt  mir  Pass  und  Wege, 
Sperrt  die  Briickeii  mit  seinen  Heiducken." 

Im  Aliarrauni  lUr  Kirche  liegt  ;iuch  der  1779  zu  Topola  geborene  Pelar 
Jokic,  Buljubasa  von  Kaiailjonijes  l.eihganle,  sein  treuer  Begleiter  in  f)5  Gefechten. 
in  welchen  er  mehrmals  verwimdet  wurde.  IHKi  fluchtete  er  mit  seinem  Gebieter 
nach  Seinlin,  wci  er  bis  IHÜfi  blieb.  Später  als  Gcrichtsmitglied  in  Valjcvo 
pensioniert,  verweilte  und  slarb  er  zu  Topola,  nach  bewegtem  Leben  mit  seinem 
;ibgüttisch  geliebten  Herrn  an  einem  Ort  für  immer  ausruhend. 

Der  gegenwärtige  Herrscher  in  Serbien,  Komg  Peler  I.  Karadjordjcvic\  soll 
gleich  bei  seinem  ersten  Besuch  von   Tiipula  ;im  2t).  Juli  UUO  beschlossen  haben. 


•  i't  t      lieber  ili-ii  Crni  vrli,  KraKujcvac,  VraOcvSnica,  Topola  und  Mcdjulu2ije  nach  Belgrad. 

den    clortij^fii   Familicnbtsilz    zu    einer   stiltidiucn   Sommerresidenz   mit   prächtiger 
inomiinentaler  Oruftkirche  der  Karadjf)rdjevic  ausi^estalten  zu  lassen. 

Wie  CS  kaum  arulers  erwartet  werden  konnte,  wurde  KiiniK  Peter  in  der 
„Sumadija",  im  Waldiand,  wo  sein  Grossvater  I8U4  die  Fahne  der  ersten 
serbischen  Revolution  entfaltet  hatte  und  das  dem  Serbenvolk  seine  begabtesten 
Staatsmiinner  und  tüchtif^sten  militärischen  Führer  gab,  von  den  mit  ihren  Orts- 
vorsteliern,  Lehrern  und  Geistlichen  herbeigeströmten  Bauern  begeistert  empfangen. 
Alles  eilte,  selbst  aus  fernen  Orten,  herbei,  um  den  Abkömmling  des  Türken- 
schreckens, des  durch  die  prächtigsten  Volksgesänge  in  allen  Herzen  fortlebenden 
„schwarzen  Georgs"  zu  sehen.  Am  lebhaftesten  gestaltete  sich  die  Bewillkomninung 
an  ilem  von  den  Bewolinern  in  Festtracht  umdrängten  grossen  Thor  des  alten 
Familiensitzes  der  Karadjordjevic  zu  Topola,  dessen  Kmet  dem  König  nach 
altslavischem  Brauch  Salz  und  Brot  auf  silberner  Platte  bietend,  ihn  mit  efner 
Rede  begrüsste,  in  welcher  er  seinen  und  seiner  Mitbürger  Stolz  betonte,  dass 
es  ihnen  vergönnt  war,  das  Grab  des  grossen  Karageorgs  zu  hüten,  bis  endlich 
dessen  Knkel,  auf  welchen  das  Serbenvolk  alle  Hoffnungen  setzt,  diesen  geheiligten 
Boden  betritt.  Tiefbewegt  dankte  König  Peter.  Unter  Glockenschall  und  lauten 
Zurufen  zelebrierte  sodann  der  Metropolit  Innozenz  in  der  historischen  Grabkirche 
ein  Requiem,  das  den  vor  Karadjordjes  Grab  ')  stehenden  Konig  tief  erschütterte. 
Fin  durch  den  Pfarrer  Popovic  vorgetragenes  altes  Heldenlied  und  ein  vom 
König  besuchtes  heiteres  Volksfest  mit  Gesang  und  Tanz  , beschlossen  diesen 
denkwürdigen  Tag  für  Topola. 


Die  auf  den  rcclitsuferigen  Höhen  der  Kubrsnica  geführte  Kragujevac- 
Belgrader  Strasse  bietet  nach  allen  Richtungen  überraschende  Fernblicke.  Westlich 
von  Topola  steigt  der  unter  seinem  675  m  hohen,  burggekrönten  Gipfel  auch 
nordöstlich  alte  Mauern  tragende  Vencac  auf,  welche  das  Volk  „Höfe  des 
Wojwoden  Bakic"  nennt.  Etwas  tiefer  entspringt  mit  14»  C.  eine  mächtige 
kohlensauere,  salzhaltige  Warnuiuellc,  welche  dem  nahen,  von  der  Kubränica 
durchflossenen  Banja  eine  schöne  Zukunft  verspricht.     Bei  den  letzten  Weingärten 


')  Die  Familiciifiriift  der  Karadjordjevic  auf  dem  Wiener  St.  Marxer  Friedhof  enthält  das 
von  Klematis-Sciiliiigi,'ew;ichs  uiiuviicherte  üoppcliirnb  der  Eltern  des  Königs  Peter.  Der 
hocliaiifragendf  .Marniorobelisk  trägt  in  vergoldeten  Cyrlllicalettern  die  Inschrift:  „Alexander 
Karadjordjevic,  Fürst  von  Serlilen,  errichtete  dieses  Denkmal  seiner  unvergesslichen  Gemahlin, 
der  Fürstin  Persida,  geboren  in  Belgrad  am  3.  13.  Februar  1813  und  gestorben  in  Wien  am 
17./29.  März  1873.  —  Im  selben  Grabe  ruht  Alexander  Karadjordjevic,  Fürst  von  Serbien, 
geboren  in  Topola  am  29.  September  1806,  gestorben  in  Temesvar  am  21.  April  1885, 
regierte  über  Serbien  von  1842— 1859."  —  Jene  für  den  Vater  des  Königs  wurde  erst  hinzugefügt, 
nachdem  dessen  von  Temesvar  nach  Wien  gebrachte  Leiche  beigesetzt  worden  war.  Das 
früher  den  Obelisk  schmückende,  später  in  der  Friedhofskanzlei  bewahrte  und  jüngst  wieder 
an  seiner  ursprünglichen  Stelle  befestigte  Wappen  trägt  in  der  Mitte  einen  durch  ein  Kreuz 
viergefelderten  Schild  mit  fünfzackiger  Krone,  einen  Schwertgriff  und  die  serbische  Fürsten- 
krone am  Kopfe,  flankiert  von  zwei  bewaffneten  südslavischen  L'skoken  (Freischärlern),  deren 
Banner  den  Eberkopf  und  einen  säbelschwingenden  Arm  zeigen. 


lieber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracev§nica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  Belgrad.     335 

von  Zagorica,  dem  Geburtsort  von  Karadjordjes  Gemahlin,  kreuzten  wir  den 
hier  schon   stari<en  Bach   (150  ni)   und   stiegen  hinauf  zum  „Belosavca  polje". 

Dort,  und  nicht  zu  Crkvine '),  wurde  auf  der  Ruine  der  traditionell  vom 
frommen  Despoten  „Stefan  Visoki"  gestifteten  „Trstena  crkva"  1841  die 
schlichte  Jagnjiloer  „Peter  und  Pauls-Kirche"  erbaut,  in  deren  Altar-Apsis  man  die 
von  mir  in  Manasija  erwähnte,  viel  kommentierte  Grabplatte  einmauerte  (S.  267  f.). 
Etwas  nördlicher  bleibt  2  km  links  von  der  Strasse  Crkvines  „Razbojiste 
polje",  ein  altes  Schlachtfeld,  auf  dem  Pfeil-,  Lanzenspitzen  und  andere  Waffen 
gefunden  werden.  Kurz  hinter  der  schon  zum  Smederevoer  Kreise  gehörenden 
Milatoviccr  Brücke  kreuzt  die  Strasse  zwischen  dem  aufstrebenden  Medjuluzijc 
und  dem  einen  Hilfs-  und  Sparverein  besitzenden  reichen  Mladenovac  den 
Ni§er  Schienenstrang  und  bleibt  fortan  östlich  von  diesem. 

Iiine  prähistorische  Fundstätte  am  Jablanicabach  bei  Medjuluzije  machte 
zuletzt  viel  von  sich  sprechen.  In  den  dort  durch  Vlasic  gemachten  und 
beschriebenen  keramischen  Objekten  erblickt  Götze  den  Schlüssel  für  die  „Band- 
keramik", in  der  sich  occidentale  und  orientalische  Kulturen  als  Merkmale 
einstiger  Kultiireinheit  begegnen.  Nach  seiner  Ansicht  laufen  ihre  Spuren  von 
Troja  über  den  Balkan  nach  Mitteleuropa  und  über  Vorderasien  nach  Nord-  und 
Südasien.  Die  bisherigen  Funde  auf  dem  etwa  40  Hektar  umfassenden  Hügel- 
terrain mit  1,30—1,80  m  starker  Kulturschicht  sind  kleine  und  grössere  stehende, 
sitzende  oder  liegende  Tonfiguren  mit  scharfer  Ausprägung  der  Augen  und  dünner 
Taille.  Sie  zeigen  wie  jene  des  Steinzeitlagers  bei  Heilbronn  an  der  geglätteten 
Fläche  des  weissen  IJberzuges  mit  eingeritzten  Linien  ihre  einzelnen  Körperteile. 
Die  Lenden  erscheinen  vor-  und  rückwärts  nur  mit  einem  für  das  serbische 
Klima  wenig  Schutz  bietenden  Schurz  bedeckt.  Dr.  Götze  erklärt  es  damit,  weil 
die  Vorbilder  für  diese  primitiven  Kunstversuche  wahrscheinlich  „cyprischc  Idole" 
waren,  die  völlig  unbekleidet  erscheinen  („Globus",  15.  Januar  1903). 

Auf  einer  Vorhöhe  des  westlich  624  m  aufsteigenden  Kosmaj,  dessen  Frzc 
wahrscheinlich  schon  in  prähistorischer,  sicher  aber  in  römischer  Zeil  ausgebeutet 
wurden,  liiehen  wir  in  einem  jetzt  verfallenen  Strassenhan  nahe  dem  Reben 
zeitigenden  Linschmtt  von  Koracica  kurze  Mittagsrast.  Es  ist  dasselbe  grosse 
Dorf,  in  dem  im  August  1903  der  angesehene  liberale  Parteigänger  Janikije 
l'opiivic  aus  politischen  Ursachen  ermordet  wurde.  Sein  von  dunklem 
Waldgriin  umrahmtes  weisses,  1857  erbautes  Sv.  Trojica-Kirchlein  verschönte  das 
anmutige  Landsciiaflsbild.  Der  Dorfnnmc  soll  nach  einer  Legende  daher  stammen, 
weil  der  V(im  Kosmaj  herabkommende  Despot  Stefan  Lazarevic  raschen  Schrittes 
den  Ort  dun  luitt  (koraciti  ausschreiten),  lieim  südlicheren  Pruialovac  dehnte 
er  lien  Schritt  (opru/iti  ausdehnen),  beim  heutigen  Pusti  Stojnik  hielt  er 
(stojati  stehen),  ilocli  nicht  freiwillig,  smulern  weil  er  pliit/lich  tot  vom  Pferde 
sank.  Diese  Sage  und  ihre  zahlreichen  Versionen  zeigen,  wie  eifrig  sich  die 
Sumailija  mit  dem  unaufgeklärt  gebliebenen  rmle  lies  frommen  Fürsten  bcschilfligt, 
lier  so  gern   ni   ihien   Hergen   weilte! 

')  Wiliii-viO.  Sit)ij.i,  IMJU. 


•  ili()     lleluT  (Jlmi  Crni  vrli,  Kr.-i)4ujevac,  Vradcvänica,  Topola  und  Medjulutijc  nach  Belgrad. 

Bei  ticm  am  Wcstharif^  des  Kosinaj  licticndtii  Drliipa  t'rf(jl)(te  am  24.  Febr. 
1804  der  erste  Zusammensloss  der  serbischen  Aufstandischen  mit  den  Dahien 
Der  befürchtete  Be^  A^anlija  wurde  dabei  schwer  verwundet.  Der  im  benach- 
liarten  Ro^jaca,  mit  1861  geweihter  hl.  Geistkirche,  (geborene  Janko  Katic  war 
einer  der  ersten,  welche  den  Türken  offen  {^CKcnübertraten.  Was  bestimmte  ihn 
ila/ii?  Hin  Belgrader  Türke  halle  seine  Schwester  geraubt  und  zur  Abschwörun^ 
des  Kreuzes  f^ezwunj^en;  Janko  kam  in  das  Haus  seines  Schwagers,  lernte  dort 
türkisch  und  benutzte  dies  zur  Anknüpfunj^  eines  Liebesverhältnisses  mit  des 
Türken  schöner  Schwester;  dies  wurde  verraten  und  mit  Not  entging  er  der 
Rache  des  beleidigten  Moslims.  Kurz  darauf  tötete  ein  Türke  Jankos  Bruder. 
Nun  duldete  es  den  feurigen  Mann  nicht  länger  im  Hause.  Er  ward  Heiduck 
unii  kämpfte  mit  Karadjordje  bei  Sabac.  Bei  einem  Gefecht  mit  dem  bosnischen 
Hassan  l^ascha  rief  Janko  einem  der  fliehenden  Gegner  zu:  „Ergebe  Dich,  es -soll 
Dir  nichts  geschehen."  —  „Wer  bist  Du?"  fragte  der  Türke.  —  „Kein  anderer 
als  der  Wojwode  Janko  Katic!"  —  Eine  Kugel  sauste  aus  der  Pistole  des  Moslims 
und  Janko  stürzte  vom  stolzen  Schimmel,  dessen  Mähne  er  den  Türken,  zum 
Trotz  mit  Kenah  rot  gefärbt,  tödlich  getroffen  herab.  Im  nahen  Sibnica  begrub 
man  den  später  vielbesungenen  Janko  Katic. 

Weiter  zieht  unsere  Strasse  am  starken  Lug  über  die  sanften  Vorhöhen  der 
von  tertiären  Schichten  konstituierten,  413  m  erreichenden  Barovnica,  welche 
breitgedelint  die  Wasserscheide  zwischen  der  Sava  und  Morava  bildet.  An  alle 
Orte  im  Umkreis  knüpfen  sicii  geschichtliche  Erinnerunge'n.  Bei  dem  kaum 
4  km  fernen  Bezirksort  Sopot  wurde  1804  lebhaft  gekämpft.  Mythisch  klingt 
die  Sage  von  einem  bei  der  uralten,  1813  hergestellten  Erzengel  Mihails-Kirche 
im  westlichen  Beljina  bestatteten  Wojwoden  Vuksan,  dessen  sechs  Söhne  auf 
Kosovo  fielen,  ebenso  jene  von  einem  Kariipfe  zwischen  1448  von  diesem 
geflüchteten  Ungarn  und  mit  dem  Sultan  verbündeten  Serben  auf  dem  Sveti 
polje  am  Bacevacbach  bei  Bozdarcvac;  dort  gefundene  alte  Buzoganje 
(Streitkoiben)  sollen  diese  Tradition  bekräftigen.  Das  am  Nordhang  des  Kosmaj 
liegende  Lisovic  ist  der  Ort,  an  dem  Karadjordje  seinen  Vater  tötete.  Die 
Ursache  findet  man  im  XIV.  Kapitel.  Jokic,  des  „schwarzen  Georgs"  treuer 
Buljubasa,  erzählte  Milicevic  persönlich:  Eines  Tages  jagte  ich  mit  dem  Gospodar 
bei  Lisovic,  da  frug  er  mich:  „Siehst  Du  jene  rote  Berglehne?"  —  „Ja, 
Herr,  ich  sehe  sie!"  —  „Dort  ist  mein  Vater  begraben!"  —  Weiter  sprachen  wir 
kein  Wort  darüber. 

Zahlreiche  Volkslieder  spreciien  dafür,  dass  diese  und  manche  andere  dunkle 
Tat  des  „schwarzen  Georgs"  nicht  die  Treue  erschütterten,  mit  welcher  die 
meisten  Wojwoden  und  das  Volk  an  dem  ersten  Kämpfer  für  die  serbische  Frei- 
heit hingen.  Zu  jenen,  welche  ihre  Vaterlandsliebe  mit  dem  Leben  besiegelten, 
zählt  der  im  westlicheren  Borak  geborene  Knez  Sinia  Markovic.  Karadjordje 
ernannte  diesen  ihm  innig  befreundeten  Wojwoden  zum  Präsidenten  des  dort 
begründeten  Senats  und  gebrauchte  ihn  auch  zu  wichtigen  Verhandlungen  mit 
den  Türken  uiui  Russen;  IcSll  vcrkeiirte  er  sogar  mit  dem  Zaren  Alexander. 
1813  kämpfte    er   unglücklich    an    der  Drina    und    flüchtete    über  die  Sava,  kehrte 


i 


Ueber  den  Crni  vrh,  Kragujevac,  Vracevänica,  Topola  und  Medjuluiije  nach  Belgrad.     337 

jedoch  bald  zurück.  Milos,  der  1815  ohne  Karadjordje  den  Türken  grosse 
Zugeständnisse  abgenötigt  hatte,  fürchtete  trotzdem  dessen  Einfiuss,  und  da  er 
annahm,  dass  Sima  für  seinen  Nebenbuhler  Stimmung  machen  wolle,  denunzierte 
er  ihn  dem  Belgrader  Pascha,  der  Sima  mit  dem  Kapelan  Dragic  (geboren  im 
nordöstlichen  Ropocevo)  am  21.  März  1817  auf  dem  Kalimegdan  hinrichten 
liess.  Sima  Markovic,  einer  der  besten  Kämpen  der  Freiheitskriege,  wurde  bei 
der  Belgrader  Metropolitankirche  begraben. 

An  der  Save  auf  dem  Walle  Mütter  sehen,  wie  die  Türken 

Steht  nach  Belgrads  Falle  Serbensöhne  würgen. 

Karadjordje,  um  die  Seinen  Djordje,  lass  dich's  nicht  verdriessen 

Bitter  zu  beweinen.  Und  die  Ströme  fliessen! 

Keine  Hilfe  —  nur  Verderben,  Denn  so  lang'  sie  Wasser  haben. 

In  dein  Heer  ein  Sterben;  Wachsen  uns're  Knaben. 


Eine  Fee  im  Waldgebirge 
Dauert  tief  der  Brave. 
Samt  den  Kindern   und  den  Greisen 
Bringt  sie  ihn  zur  Save. 
Ungarische  Serben!    Pflegen 
Müsst  ihr  den  Verirrten  — 
Und  mit  Wein  und  Brot  und  Liebe 
Brüderlicli  bewirten. 

Die  Prophezeiung  einer  Wiedererhebung  Serbiens  nach  dem  tiefen  Fall  von 
1813  wurde  bald  auch  zur  Wahrheit.  Karadjordje  wurde  in  Graz  interniert  und 
später  in  Chotin  angesiedelt.  Mittlerweile  hatte  Knez  Miloä  Obrenovid  am 
Palnisoniitag  des  Jahres  1815  di^n  Aufstand  von  Takovo  ins  Werk  gesetzt  und 
die  Türken  neuerlich  vertrieben.  Karadjordje  folgte  aber  den  Einflüsterungen 
falscher  Freunde  und  betrat  heimlich  serbischen  Boden.  Am  24.  Juli  1817  wurde 
der  Volksheld  hei  Smederevo  ermordet! 


In  Ropocevo  gibt  es  schon  seit  altersher  bekannte,  auch  gegenwärtig  mit 
15  Arbeitern  betriebene  Marmorbrüche.  Noch  reicher  als  an  trefflichen  Baustein- 
lagern jeder  Art  ist  das  in  der  Richtung  der  serbischen  Haupl-Melallzone:  Aval.i, 
Rudiiik,  Kii|iai)nik  liegenile  KuziMajgobiet  an  verschieilensten  alten  Hüttenslätten. 
Auf  jedem  Schritt  stösst  man,  namentlich  zwischen  Babe,  üuberevac,  Slojnik  und 
Parcani,  auf  in  die  prähistorische  und  Römerzeit  zurückreichende  Reste.  So  fand 
man,  um  nur  einige  zu  erwähnen,  neben  den  Mauern  eines  Römcrkaslells  zu 
Stojuik,  das  seit  1871  mit  Babe  und  Guberevac  eine  hl.  Markuskirche  besitzt 
und  dessen  Schullehrer  llija  MilosavIjevitS  wie  ich  gern  rühmend  hervorhebe, 
sich  für  die  Verbreitung  rationeller  Obst-  und  Viehzucht  im  dorligen  Umkreis 
verilienl  gemacht,  einen  Steinhammer,  eine  sehr  ausgedehnte  antike  Schlackenst.'Ule, 

I'.  KANirZ,    Serbien.  I.  22 


;(:{H      IJfbcr  dun  Crni  vrli,  Kra(jiijcvac,  Vraiievftnica,  Topola  und  Mcdjulu^ijc  nach  Belgrad. 

uirie.achtzeilinc  Inschrift'),  ein  Mosaikstück  usw.  Ähnliche  Funde,  darunter  im 
Bclf^radcr  Ber)4bau-Museum  bewahrte  Bleiobjckte,  deuten  auch  bei  Babe  auf  eine 
alte  Kulturstätte.  Vom  ß  km  westlicheren  Beljina  wanderte  ein  Votivstein 
hinauf  /um  Nachbarort  Borak,  wo  man  auf  dem  „CipurovaC  (Carinovac?)  zwei 
Kinderfif^uren  und  am  Oparnabach  einen  ins  Belgrader  Museum  gelanj^ten 
ficflüKciten  Genius  ausgrub. 

Auf  der  j^anzcn  Route  sah  ich  auch  zahlreiche  Tumuli.  Bei  Barajevo, 
wo  sie  in  Gruppen  von  3—8  erscheinen,  wurden  um  1874  zehn  fjlatte  und  reich 
verzierte  Arnirinf^e  aus  Bronze,  darunter  ein  seltener  Typus,  ferner  verschiedene 
7  cm  f^rosse,  schön  patinierte  Tiere  mit  Ösen  zum  Anhängen,  1889  ein  Feuerstein- 
j^erät  mit  primitiven  üefässschcrben -)  und  früher  eine  Bronzelampe  mit  goldenem 
Sclmtiick  {gefunden.  Von  einem  Orabfeld  unter  dem  quadratischen  Kastell  bei 
Gubercvci  publizierte  Janko  Safarik  zwei  Inschriften'');  eine  dritte,  welche  Dortias- 
zcvvski  auf  die  hier  bestandene  Zoll-  und  Provinzgrenze  zwischen  Dalmatia  und 
Oberniösien  bezieht'),  fif^uriert  als  Hauptbeweis  für  die  von  ihm  weit  nach  Osten 
gerückte  dalmatinische  Grenze.  Der  Fundort  einer  fünften,  bei  Guberevci- aus- 
gegrabenen, durch  Safarik  veröffentlichten  Inschrift,  in  welcher  die  Leg.  IV.  Flavia 
genannt  wird,  liess  sich  nicht  genau  bestimmen")-  Aus  Guberevcis  Nähe  stammen 
auch  die  grossen  Bleiplatten  mit  den  Stempeln:  LEV  IPSI,  CAIA  IP")  im  Belgrader 
Museum.  Ahnliche  fand  man  im  nördlicheren  Parcani,  an  dem  vorüber  die 
antike  Trace  über  den  befestigten  Avalaberg  nach  Singidunum  (Belgrad)  lief. 
1899  fand  man  zu  Guberevci  den  seit  1900  vor  dem  Bergbauamt  zu  Belgrad 
aufgestellten  Stein  von  einem  Herkulestempel,  errichtet  von  der  Frau  des  dortigen 
Prokurators  Tyrannus,  dem  vielleicht  auch  das  im  S\V.  liegende  Rudnikcr  Minen- 
gebiet unterstand  (?). 

Diese  und  viele  andere- auf  den  regen  Hüttenbetrieb  in  Guberevci  hinweisende 
antike  Funde  —  und  weit  mehr  steckt  tief  im  Boden  des  Majdan  im  SO.  von 
Babe  —  dessen  riesige  Blei-  und  Silberschlackenhalden  jene  des  griechischen 
Laurion  übertreffen  dürften.  Das  ganze  Terrain  unter  den  Stojniker  Ruinen  ist 
mit  Schächten,  Galerien  usw.  durchschnitten.  Die  Römer  und  ihre  Nachfolger 
verstanden  es  aber  nicht,  dem  geschmolzenen  Bleischatz  seinen  vollen  Silbergehalt 
zu  entziehen,  und  so  dachte  man  schon  1877  an  seine  Verwertung.  Den  derlei 
gescheiterten  Unterhandlungen  voraus  ging  eine  auf  Ministerialbefehl  von  Professor 
Kleric  durchgeführte  Untersuchung  der  meist  zwischen  von  Trachit  durchbrochenen 
jungtertiären  Sandstein-  und  Kreideschichten  lagernden  Erzgänge,  wobei  sich 
herausstellte,  dass  ausser  Blei  auch  Eisenerze  bei  Guberevci  vorkommen,  ferner 
dass  die  nahe  der  Bahnstation  Raija   befindlichen  7  Schlackengruppen    bei   Babe 

>)  C.  I.  L.  111,  Siippl.  Fase.  II,  No.  8162. 

')  Starinar,  III,  55  ff.  —  Itiid.  VII,  Tafel  VI,  11. 

■')  C.  I.  L.  III,  Addit.  No.  6311,  G312;  Suppl.  Fase.  II,  No.  8164,  8165. 

*)  C.  I.  L.  111,  Suppl.  Pasc.  II,  No.  8163. 

■)  C.  I.  L.  111,  Addit.  No.  6322;  Suppl.  Fase.  II,  No.  8166.  —  Ibid.  No.  8276,  zwei  Ziegel- 
stempel derselben  Legion. 
■)  Ibid.  No.  8278. 


l 


Ueber  den  Crni  vrli.  Kragujevac,  Vracevänica,  Topola  und  Medjuluzije  nach  Belgrad.     339 

allein  427  000  Kubikmeter  10,5  Miil.  q,  also  einen  zu  Belgrad  und  Pzibram 
auf  1,2  Mili.  q  berechneten  Blei-  und  740  q  Silbergehait  im  Wert  von  nahezu 
1 1   Mill.  d  für  das  Blei  und  4,34  Mill.  d  für  das  Silber  besitzen. 

Auf  Grundlage  dieser  günstigen  Enquete  wurde  1878  der  Firma  Steinlechner, 
Freund  &  Cie.  ein  Schlackenterrain  von  930000  qm  zum  Preise  von  0.25  d 
per  Meterzentner  mit  der  Verpflichtung  überlassen,  jährlich  mindestens  200000  q 
zu  schmelzen.  Sie  errichtete  sofort  eine  Schmelzhütte  mit  Schachtofen  (System 
Laurion),  dann  1879  und  1880  zwei  andere,  gab  aber  infolge  unbefriedigender 
Resultate  den  Versuch  auf.  Nun  schritt  der  Staat  zu  neuen  geognostischen 
Untersuchungen  am  Tokaschacht  durch  den  Chef  der  ministeriellen  Bergbau- 
sektion, Jovan  A.  Milojkovic.    80000  d  verwendete  man  auf  die  Reinigung  und  Fort- 


BARAJEVO,   Prähistorische  Bronzen. 


Setzung  seiner  alten  Oalcricn,  doch  wurden  auch  iliese  Arbeiten  wieder  aufgegeben. 

Der  auf  die  Ausbringung  dieser  wertvollen  lirzschätze  wichtigsten  Finfluss 
nehnKiuie  Waldbestand  erschien  an  der  ganzen  Strasse  durch  den  ßahnbau.  wie 
allerwjlrts  im  Belgrader  Kreise,  stark  gelichtet.  Unverstand  und  Mutwillen  arbeiteten 
hier  vereint  an  seiner  Vernichtung.  Wegen  des  Vergnügens,  milchtige  B.'lume 
unter  donnerartigeni  Kraciien  stürzen  zu  sehen,  oder  eines  geradlinigen,  zur 
Deichsel  geeigneten  Astes  halher,  legte  man  Feuer  an  die  prJlchligsten  Sl.lmme. 
oder  füllte  sie  mit  der  A.xl.  ohne  sich  weiter  um  sie  zu  kümmern.  So  kommt 
es,  dass  heute  im  südlichen  Kolubara-Bezirk  zur  Fassdauben-IVoduktion  geeignete 
gesunde  Fichenstiimme  70     90  Mark  kosten. 

Von  der  Mehana  Ralja,  wo  die  Belgrader  Strasse  hart  beim  gleichnamigen 
Tunnel  der  Bahnlinie  vorüber/ieht,  lilufl  sie  über  die  390  m  breite  Koviona  kaum 
2  km  fern  vom  Schienenstrang  stets  jiarallel  mit  diesem  dauerml  abw.'lrls  zur  iWehana 
TreSnja.     Unfern  entspringt  ein  köstlicher  Quell,  in  dem  an  Sonn-  und  Freitagen 

22» 


•\U)      HcIht  den  Crni  vrli,  Kr.'iKujcvac,  VrafevSnica,  Topola  und  Medjulu2ijc  nach  Belgrad 

oft  Hcilunj;  suchende  Fieberkranke  baden.  Despot  Stefan  Visoki,  der  nach  dem 
Volksglauben  hier  gesundete,  Hess  zum  Dank  das  nahe,  heute  verfallene  Kirchlein 
erliauen.  fiin  an  der  Strasse  üej^ender  kolossaler  Felsblock  gab  Anlass  zur 
anderen  Sage:  Marko  Kraljevic,  der  starke  Könif^ssohn,  wollte  den  Stein  vom 
Avala  auf  den  Kozmaj  schleudern,  doch  entglitt  er  ihm  und  fiel  bei  TreSnja  zu 
Boden,  weshalb  der  Ort  im  Volksmund  häufij^er  Belega  (Marke)  heisst.  Einige 
Leute  fassten  den  verwegenen  Gedanken,  den  Stein  wegzubringen;  sofort  brach 
aber  grosse  Sterblichkeit  aus  und  man  schaffte  ihn  wieder  rasch  zur  alten  Stelle. 

Wir  näherten  uns  dem  westlich  von  der  Strasse  bleibenden  Ripanj.  Dort 
lebte  Vasa  Carapic,  der,  weil  die  Türken  seinen  Bruder  gemordet,  Heiduck  geworden 
und  IHOfi  als  einer  der  Tapfersten  bei  Belgrads  Einnahme  sich  bewährte.  Beim 
l-itlitsciiein  der  aul  ckiii  Wall  brennenden  Pechpfannen  erkannt,  verwundete  ihn 
eine  wohlgezielte  türkische  Kugel.  Trotzdem  ermunterte  er  seine  Kämpfer' zum 
Ausharren.  „Nur  mir  nach,  fürchtet  Euch  nicht!"  rief  er  und  sah  mit  ersterbendem 
Auge,  wie  sie  die  Stambul-Kapija  (S.  23)  einnahmen.  Vor  Karadjordjes  Zelt 
hauchte  Vasa  seine  Heldenseele  aus.  Die  traurige  Öde,  welche  damals  in 
Belgrads  Umgebung  herrschte,  wurde  seitdem  von  freundlichen  Landschaftsbildern 
abgelöst.  Die  Ortschaften  am  Wege  erscheinen  geschlossener,  mit  oft  nahezu 
italienischem  Charakter.  Vom  Zement  und  dem  Ausbeutungsversuch  der  Queck- 
silbergruben bei  Ripanj  sprach  ich  auf  S.  122  ff.  Ein  schönes  Bild  gewährt  die 
nun  in  Sicht  tretende  schlossgekrönte  Avala.  An  ihrem  Fusse  herrschte  reges 
Treiben.  Hunderte  Arbeiter  eilten  mit  der  Vollendung  der  auf  Milo§'  Befehl  dort 
in  Umbau  genommenen  alten  Strasse. 

In  früher  Nachmittagsstunde  leuchtete  Belgrads  frisch  getünchter  Pulverturm 
vor  uns  auf,  bald  auch  seine  „weisse  Feste"  und  der  alles  überragende  gold- 
glitzernde Turinhelm  der  hochliegenden  Kathedrale.  Die  malerischen  Umrisse 
der  serbischen  Hauptstadt  hoben  sich,  scharf  umschnitten,  licht  vom  dunklen 
Firmament  ab.  Eine  nationale  Trikolore  auf  dem  fürstlichen  Palais  kämpfte  tapfer 
mit  dem  aus  Süden  heranbrausenden  Sturm;  das  drohende  Unwetter  zog  jedoch 
vorüber,  die  Wolken  teilten  sich  und  heiterer  Sonnenschein  grüsste  uns  in  Belgrad. 


XI. 

Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac. 

Zum  Viiküdras.     Ueber  Trojanov^rad   nach   l.jcsnica. 


BERGE  trennen,  Ströme  veriiinclen!"  —  Dies  {(all  nocli  vor  drei  Decennien  von 
i<eineni  Fiiiss  der  Welt  weniger,  als  von  der  auf  145  km  die  Grenze  zwischen 
Österreich-Ungarn  und  Serbien  bildenden  Sava.  Als  wäre  sie  ein  Strom  flüssigen 
Feuers,  dessen  Austritt  täglich  zu  befürchten,  so  ängstlich  wurde  sie  gehütet.  Der 
Türke  galt  lange  schon  als  ungefährlich,  auch  die  Pestfurcht  war  verschwunden; 
Staatsmonopole  und  politische  Gründe  bewirkten  aber  eine  fortgesetzte  strenge 
Uferbev/achung,  und  die  alte  Militärkordon-Grenzinstitution  blieb  in  vollster  Wirk- 
samkeit. Auf  jedem  etwas  höheren  Punkt  stand  eine  von  Soldaten  besetzte 
Cardake,  meist  s(jlide  Steinbauten,  deren  Errichtung  dem  österreichischen  Fiskus 
grosse  Summen  kostete,  während  ilie  nur  bei  Viehepideniien  bezogenen  serbischen 
Karaulcn  ihren  barackenartigen  türkischen  Typus  bewahrten.  So  wurde  der  die 
Grenziilcr  verbinden  sollende  Fluss  zum  von  Bajonetten  starrenden,  sie  trennenden 
Keil.  Der  Handel,  diese  Seele  des  modernen  Staatslebens,  litt  unter  Förmlich- 
keiten jeder  Art,  und  ich  staunte  selbst  über  die  wenigen  Dampfer  und  Kähne, 
welche  diese  nicht  scheuten.  Namentlich  letztere,  mit  primitiver  Steuerung 
flussaufwärts  mühsam  durch  A\ensclien  gezogen,  durften  das  fremde  Ufer  nur  an 
wenigen  bestinmiten  Punkten  berühren,  da  sie  sonst  sehr  strengen  Strafen  und 
selbst  der  Konfiskation  verfielen. 

Ausser  solcher  grenzpolizellicliei  Belästigung  drückten  auch  zahllose 
Sclnll.ihitshiiukrnisse  im  Savabett  auf  den  Warenverkehr  von  Semlin  bis  Sisek. 
Im  J.iliic  I.S()5  gingen  an  Getreide  aus  dem  Banat  nach  Karlsladt,  Agram.  Krain, 
Steiennark,  in  die  Militärgrenze  und  via  Triest,  Fiume,  Zeng  ins  Ausland  nur 
240()(H)0  Zentner;  Tabak,  Zucker,  Wolle,  l'lachs,  Hanf,  |-"etl,  Fleischwaren  und 
namentlich  Eiclienliol/er  nur  IHOOiKiii  Zentner.  Die  Einfuhr  an  Kolonialwaren 
über  l-iume  und  Zeng  auf  der  Sava  betrug  nur  etwa  2(>00(U)  Wiener  Zentner;  so 
belanglos  war  zu  jener  Zeit  der  Hanilel  iles  beteiligten  Gebietes.  Später  stiegen 
jedoch  durch  Erleichterungen  Import  imd  Ausfuhr  so  beträchtlich,  dass  lH8fi 
Dampfer  der  österreichisch-ungarischen  Staatsbahn  die  Konkurrenz  mit  jenen  der 


•M'2     Aiifw.'irls  nach  l^iCa  und  S.'ibac.    Zum  Vukodraä.   Ucbcr  Trojanov|{rad  nach  Ljcänica. 

iJunaii-DanipfscIiiffalirts-Oc'sellschan  auch  auf  der  Sava  begannen.  Lclzlerc  besitzt 
in  Iklj^raci  lmi (sprechend  ihren  zahlreich  dürt  ladenden  (»der  löschenden  Dampfern, 
drei  Landun^jsstef^e;  erstere  nur  einen,  und  jjehen  ihre  Schiffe  über  Sabac  nicht 
hinaus.  Seit  1868  erhielt  der  Verkehr  zwischen  dem  ungarischen  und  serbischen 
Savanebiet  einen  viel  freundlicheren  Charakter.  Der  plUtzlichc  Tod  des  Fürsten 
Mihail  bereitete  den  über  die  Sava  strebenden  F^länen  des  Jun^serbcntums  ein 
jilhes  Hnde.  (')sterreichisches  Kapital  suchte  und  fand  unter  Milan  eine 
dominierende  Stellun^^  im  f-ürstentum,  das  junf^c  Königreich  schloss  sogar  Zoll- 
und  Handelsverträge  mit  dem  mächtigen  Nachbar,  führte  auch  das  Tabakmonopol 
ein,  wodurch  dem  eine  scharfe  Bewachung  notwendig  machenden  Schmuggel  mit 
türkischem  Tabak  nach  Ungarn  ein  harter  Schlag  versetzt  wurde.  Die  Auflösung 
der  Militargrenz-institution,  welche  allein  die  Aufstellung  eines  dichten  Soldaten- 
kordons  mit  verhältnismässig  geringen  Kosten  ermöglicht  hatte,  endlich  der  ganz 
neue  Veriiäitnisse  schaffende  ungarisch -serbische  Schienenweg  führten  vollends 
zur  frLiindiiachharllchereii  Umgestaltung  der  angedeuteten  einstigen  schroffen 
ürenzveriiäitnisse  zwischen  beiden  Staaten. 

Am  Frühmorgen  des  7.  September  1888  fuhr  ich  mit  dem  „Zriny"  unter 
i'üiirimg  des  auf  der  Sava  ergrauten  Kapitäns  Koller  zum  zweitenmal  diese 
aufwärts.  Vorbei  an  dem  zierlichen  Sommerbad  des  Königs  und  den  am  Flusse 
sich  stetig  mehrenden  industriellen  Ktablisscments  glitten  wir,  ohne  den  Schornstein 
umzulegen,  unter  der  Fisenbaliiibrücke  hin.  An  diese  schliesst  ein  die  Semliner 
Savaniederunt,'  diirciiscliiieltlentier,  2  km  langer  Schienendamm',  welcher,  weil  ohne 
Durchlass,  durch  die  Stauung  des  Savahochwassers  nahezu  jedes  Frühjahr  die 
Uberflutufig  eines  grossen  Teiles  der  serbischen  Macva  und  des  sirmischen 
Flachlandes  mit  verschuldet.  Die  zusammen  350  m  breiten  vier  Brückenbogen 
genügen  nicht  zum  Abfluss  plötzlich  anstürmender  Hochfluten,  und  der  Ersatz  des 
Dammes  durch  einen  vielbogigen  Viadukt  erscheint  dringend  geboten,  sollen 
nicht  mehrere  nahe  bedrohte  Orte  eines  Tages  ganz  verschwinden.  Im  J.  1888 
verloren  beispielsweise  Bezanija  16,  Jakovo  50  Häuser'),  und  1895  litt  auch 
Belgrads  Savaviertel  ganz  beträchtlich! 

Bei  dem  königlichen  Landsitz  Topcider  (S.  1U3  f.)  unterbricht  die  burggekrünte 
Avala  wohltuend  die  Monotonie  des  serbischen  Ufers,  dem  man  nicht  anmerkt, 
wieviel  Blut  es  getrunken  vor  und  nach  1805,  als  Belgrads  Türken  die  auf  den 
nahen  Majdanhöhen  zwischen  Zarkovo  und  Zeicsnik  lagernden  Serben  unerwartet 
überfielen.  Starke  Mauerreste  bei  letzterem  bestätigen  die  Sage,  dass  dort  eine 
vom  grossen  Makismoor  gegen  Oztruznica  sich  erstreckende  alte  Ansiedelung 
bestand.  Dieses  von  Belgrad  auf  der  Chaussee  nach  Sabac  in  3  St.  erreichbare, 
vom  Dampfer  sichtbare  Dorf  ist  dasselbe,  nach  dem  Karadjordje  am  2.  Mai  1804 
die  erste  Skupstina  (Volksversammlung)  berief,  um  über  die  Mittel  zur  Abwehr 
der  Türkenbedrängnis  zu  beraten.  In  dem  gegen  Pecani  streichenden  Wald 
erschienen  am  St.  Georgstag  die  „Staresina"  (Ältesten)  mit  dem  in  ihren  Orten 
gesammelten  Haradz  (Kopfsteuer),  um  ihn  der  Hetärie  für  ihre  Zwecke  anzubieten. 


')  Danubiiis,  XII.   150  ff.   1888. 


Aufwärts  nach  F^aca  und  Sabac.   Zum  Vukodras.   Ueber  Trojanovgrad  nach  Lje§nica.     :143 

Hierher  kamen  auch  die  von  dem  Walachenfürstcn  Muruca  abgeordneten  Unter- 
händler, welche  den  Ausgleich  mit  den  Türken  vermitteln  füllten.  Als  der  Versuch 
scheiterte,  entsandte  man  (1806)  einige  angesehene  Männer  nach  Konstantinopel, 
um  dem  Vezier  die  Voikswünsche  vorzutragen,  beschloss  aber  gleichzeitig,  sich 
in  den  Landschaften  Soko,  Pozega  und  Uzice  bewaffnet  festzusetzen.  Auf  diesem 
Sabor  errang  Karadjordje  die  leitende  Rolle.  Wohl  lehnte  sich  der  Stolz  einiger 
Knezen  gegen  den  früheren  „Heiducken"  auf;  wie  gefährlich  dies  war,  sollte  Teodosije 
erfahren  und  ebenso  andere  gegen  ihn  auftretende  Führer,  welche  er  bei  solchen 
Anlässen  ohne  vieles  Besinnen  niederschoss. 

Das  auf  hohem  Vorsprung  mit  1831  geweihter  hl.  Nikolakirche  liegende, 
nahezu  1100  Bewohner  zählende  Ostruznica  rühmt  sich,  auch  der  Geburtsort 
des  Kapetans  Radic  Petrovic  zu  sein,  der  von  den  Türken  besonders  gefürchtet 
war.     Vuk  erzählt  jedocii,  er  stamme  aus  Sviokovac  im  Levac '),  habe  1791  die 


Ö-/V  '"^ 

KolubaramUnüiinK,  Kiipfeniivisscl. 


liroiiLTung  Belgrads  durch  das  öffnen  eines  Tores  in  der  Naclil  den  OsierrLiciieiM 
erleichlern  wollen,  doch  hinderte  dichter  Nebel  das  Gelingen  des  Planes.  Im  Frei- 
korps des  kaiserlichen  Obersten  Michalovic  zum  Hauptmann  vorgerückt  und  später 
pensioniert  im  sirmischen  Jakovo  lebend,  lernte  er  dort  Karadjordje  kennen.  Als 
nun  dieser  1804  den  Freiheitskampf  begann,  eilte  der  kriegserfahrene  Radic  nach 
Serbien,  organisierte  die  undisziplinierten  Bauernscharen  und  lernte  sie  Schanzen 
regelrecht  anlegen.  IHO.'i  war  er  bei  der  Einnahme  von  Karanovac  und  Uzice 
tätig,  18()fi  hei  Belgrad  durch  Verwundung  am  f^ückgrat  gekrümmt,  fungierte  er 
geheilt  als  Richter  am  Belgrader  Magistrat,  tauschte  aber  zehn  Jahre  darauf  die 
Feder  wieder  mit  dem  Säbel.  1809  befestigte  F?adic  die  Stadt  Cuprija,  musstc 
aber  ilen  siegreich  vordringenden  Türken  weichen.  Während  seiner  Abwesenheit 
entfloh  seine  Frau  eine  getaufte  Türkin  -  mit  der  ganzen  Habe  nach  Bulgarien, 
er  aber  1813  nach  Sirmien,  von  wo  er  nach  dem  1815  durch  Miloä  insccnierten 
neuen  Aufstanti  IHK")  wieder  heimlich  Belgrad  betrat.  Der  hiervon  benachrichtigte 
Pascha  liess  ihn  einkerkern  und  mit  dem  Wojwoden  Petar  Moler.  der  ihn  beherbergt 
hatte,  am  St.  (leorgslag  hinrichten.  Die  Beweunng  war  damit  nicht  erstickt, 
sondern  gefcirdert. 

')  D.iiiua,  IHl«.!,  11  fl.  .WiliLCVii!  iiu.sscrl  (Srtiija.  78):  er  lial>c  vernelKMis  ii.ich  Kadi^s 
lU-rkiMifl  in  „Svioki)vac"  sicli  erkuiuli^;t  (V);  meines  Wissens  existiert  jot/.t  aber  (s.  Jovanoviiis 
Oiisvt'1/t'ii.'linis)  ki'in  Ort  ilicscs  Namens  in  Sertiien. 


n44      Aiifwilrls  nach  Rata  und  §abac.    Zum  Vukodrai.   Ucbcr  Trojanov(»rad  nach  Ljcinica. 

Am  98  III  liolien  Duboko  brcio,  welcher,  nachdem  wir  an  Pcdanis  und 
Uiiikas  weissen  Mehanen  vorüber  sind,  vom  Dampferdeck  sehr  ^uX  sichtbar, 
erfolj;lu  der  erste  Kampf,  lis  foi^l  Baric  mit  1874  erbauter  Marienkirche,  bei 
dem  stets  riesij^e  Barrikaden  von  Fassdauben,  Brettern,  Firennholz  usw.  ihrer 
VerfrachtuMf^  harren.  Auf  ur^eschichlHche  Siedelun^en  an  der  Kolubara  weisen 
ausser  frülieren  Funden  drei  an  ihrer  Mündung  aufgefischte,  1890  in  das  Belgrader 
Museum  gelangte  Kupfermeissel  hin.  Wir  kommen  an  Zabreä  vorbei,  das  1788 
im  Kriege  Österreichs  mit  der  Türkei  einen  Hauptstützpunkt  der  Kaiserlichen 
bildete.  Gleich  bei  seinem  Beginn  nahm  General  Michalovic  diesen  günstigen 
Übergangspunkt  und  liess  dort  durch  das  gelandete  serbische  Freikorps  eine 
Redoute  hart  an  der  Sava  aufwerfen.  Während  des  serbischen  Freiheitskampfes, 
als  das  Glück  Karadjordje  verlicss,  flüchtete  er  mit  den  angesehensten  Führern 
von  der  oft  verteidigten  Zabreäer  Schanze  nach  Sirmien;  nur  MiloS  vertauschte 
die  Wojwodentracht  wieder  mit  dem  Bauernrock  und  kehrte  unerkannt  in  sein 
Heimatsdorf  zurück. 

Das  im  Aufschwung  befindliche  Zabrez  ist  der  Hauptstapel  des  serbischen 
Pflaumene.xports,  der  in  manchem  Jahre  80000  q  erreicht.  Am  Landeplatz  sieht 
man  grosse  Magazine  der  bekannten  Firmen  Risto  Paranos,  Kovacevic  und  zahl- 
lose gefüllte  r^flaumenkistcn,  dann  die  Haferdepots  von  Djuric  und  anderen 
Belgrader  Kaufleuten.  10  km  landeinwärts  liegt  das  im  Freiheitskrieg  vielgenannte, 
von  Milos  in  Obrenovac  umgetaufte  Palez  mit  1868  erbauter  hl.  Geistkirche  für 
seine  1543  Seelen  zählende  Gemeinde  und  hübscher  EisenbrückC  über  die  Kolubara. 
1876  befanden  sich  hier  die  Hauptlazarette  des  Drinakorps,  in  welchen  barm- 
herzige Safiiariter,  Schweizer,  Deutsche  u.  a.,  die  Verwundeten  liebreich  pflegten. 
Das  2000  Einwohner  zählende  Bezirksstädlchen  besitzt  eine  Apotheke.  Seine 
mit  dem  Spar-  und  Hilfsverein  7,5  Mill.  d  umsetzende  Sparkasse  fördert  den 
lebhaften  Handel  mit  aus  dem  Üb-,  Tamnava-  und  Kolubaragebiet  abströmenden 
Fassdauben,  Vieh-  und  Bodenprodukten.  Bald  folgt  Skela,  bei  dem  der  Belgrader 
Apotheker  Milutinovic  den  Kaffeebau  versuchte.  1879  erntete  man  eUva  100  kg; 
doch  entsprach  seine  Qualität  nicht  den  gehegten  Flrwartungen,  weshalb  er  ihn 
aufgab. 

Auf  der  letzten  Strecke  und  mehr  noch  auf  der  folgenden  beschreibt  die 
Sava  die  Schiffahrt  ungemein  benachteiligende  grosse  Kurven.  Die  Dampfer 
verlieren  in  der  Bergfahrt  durch  das  Umschiffen  der  Boljevacer,  Progarer  und 
tief  im  S\V.  einschneidenden  Kupinovoer  schmalen  Landzungen  mehrere  Stunden, 
ein  riesiger  Zeitverlust,  der  durch  leicht  auszuführende  Durchstiche  vermieden 
werden  könnte.  Überhaupt  bildet  die  Sava  in  ihrem  unregulierten  Zustand  eine 
so  unzuverlässige,  jede  sichere  Lieferzeit  ausschliessende  Verbindungsstrasse  mit 
der  Adria,  dass  die  ungarische  Regierung  schon  früher,  namentlich  im  Interesse 
ihres  einzigen  Seehafens  Fiume,  die  Bahnlinie  Semlin  —  Sisek  erbaute  und  1897 
zur  F(')rderung  des  bosnisch-ungarischen  Handels  den  50  km  langen,  18  m  breiten, 
etwa  4  Mill.  Gulden  kostenden  „Kanal  Vukovar-Camac"  konzessionierte,  der 
den  unteren  Savalauf  noch  mehr  zu  einer  sekundären  Verkehrsstrasse  herab- 
drücken wird. 


Aufwärts  nach  Rnca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.   Uebcr  Trojanovgrad  nach  Ljcsnica.     345 

Über  die  genannten  Uferpunkte  und  andere  im  Innern  der  serbischen 
„Posavina"  brachte  Vuks  „Danica"  schon  1827  (S.  26—121)  viele  geographisch- 
historische Daten,  weiche  neuere  serbische  Schriftsteller  meist  ohne  Quellenangabe 
nachschrieben,  was  Vuks  Verdienst  nicht  schmälert,  ihrem  Rechtssinn  aber  gewiss 
nicht  zur  FJire  gereicht.  In  der  Schilderung  meines  Ausfluges  von  Sabac  zum 
Vukodras  werde  ich  die  interessantesten  Punkte  dieser  vor  mir  von  wissen- 
schaftlichen Forschern  unbesucht  gebliebenen  Strecke  eingehend  behandeln. 

Bei  Dragojevac  werden  die  Ufer  immer  trostloser,  und  wir  wenden  uns 
gern  dem  zweiten  Deckplatz  zu,  der  unter  weissem  Zeltdach  das  Auge  des 
Westeuropäers  fesselnde  Bilder  birgt.  Diesmal  war  es  nicht  so  bunt  wie  an 
Sonn-  und  Feiertagen,  wo  das  Deck  mit  F^eisenden  beider  Geschlechter  im 
grössten  Staat   überfüllt   ist.     Sabac  gehört   nächst  Smedercvo  zu   den  Lieblings- 


äABAC,  Savaschloss. 


ausflügen  der  Ik'lgrader.  Der  Besuch  von  Verwandten  gibt  gewöhnlich  den 
erwünschten  Anlass,  einige  Tage  hier  oder  dort  zu  verbringen.  Zuerst  macht  die 
wirre  Staffage  den  Eindruck  eines  bunten  Knäuels;  das  Flimmern  von  Farben 
gleicht  dem  Gemisch  einer  Malerpalette.  Serbische  Frauen  mit  von  Gold-  und 
Silberstickereien,  Dukaten  usw.  strotzenden  Toiletten  scheinen  das  Sonnenlicht 
anzulocken.  Sie  haben  sich  mit  moslimischen,  tiefverschleierten  Damen  in  einen 
lebhaften  Gedankenaustausch  vertieft,  denn  wie  allerorts  haben  sich  die  Frauen 
auch  hier  jederzeit  viel  zu  erzählen.  Den  Gegensatz  bilden  Bosniaken,  die  mitten 
im  bunten  Gewühl  auf  ilirtii  ausgebreiteten  Teppichen  in  stummer  Beschaulichkeit 
sich  ilem  Gerniss  des  von  Murail  IV.  einst  streng  verpönten  Tuluns  in  Tschilniks 
"der  Nargik'hs  hingeben.  Den  Gipfel  eines  aufgeliirmlen  \\  arenberges  haben  für 
die  l'eicit.igi.'  iuiirlaubie  serbische  Soldaten  erklommen.  Zwischen  Kisten  und 
Hallen  eingeklemmt,  spähen  sie  nach  dem  ersehnten   Reiseziel. 

Das  Glasgehäuse  über  dem  Dampfmaschinenraum  ist  von  Besuchern 
belagert;  aufmerksam  beobachtend,  wollen  iliese  Naturkinder  den  regelmässig 
auf-   imd   niedergehenden   /.ylindern   das   sie     bewegende   Geheimnis  ablauschen. 


H  l<>     Aiitw;irls  M.itli  U:ita  und  Sabat.    Zum  ViikodraS.   Uebcr  Trojanovjjrad  nach  Ljc6nica. 

Mancher,  der  es  (^efuiuleii  zu  haben  j^laul)!,  nininit  die  Absicht  mit,  Ahnhchcs  und 
vielleicht  noch  fk'sseres  zu  schaffen.  In  Sabac  sah  ich  ein  Schiffsmodell  mit  einer 
die  DaMipfmaschine  ersetzen  sollenden  sinnreichen  Konstruktion  v<in  einem  Mann, 
der  nie  technische  Sluilieti  j;eniacht  hatte,  lis  ist  charakteristisch,  dass  der  Serbe 
auch  ;Hif  (jehielen.  welche  ihm  ^anz  fern  liefen,  alles  machen,  alles  werden  zu 
kiiMiicM  t^lauht,      „Nil  adniirare"   ist  seine  Devise. 

Zwischen  Obrez  und  Vitojevci  dehnt  sich  auf  dem  ungarischen  Ufer  eine 
mit  Rohr  und  Wein  bedeckte  riesige  Sumpfflüche  weit  Kcgen  Norden  aus.  Das 
hier  vom  Strom  auf  dem  linken  Ufer  abgerissene  Alluvium  fällt  dem  serbischen 
zu.  Zwischen  mit  Ilrlen,  F.schen-  und  Buchengruppen  bewachsenen  sanften  Höhen 
lugt  der  Ohrider  Turni  hervor,  es  folgt  das  blutgetriinkte  „Miäarplateau",  welches 
bald  der  südlich  auftretende  hohe  Cer  malerisch  abschliesst.  Die  Matrosen  treffen 
Vorbereitungen  zur  Landung,  denn  viele  Mühlen  im  Fluss  verraten  die  nahe 
Stadt,  und  schon  tritt  die  Schlossruine  von  Sabac  in  Sicht.  Die  Ausbarkierung 
der  Passagiere  und  Waren  beansprucht  nahezu  eine  halbe  Stunde.  Endlich  flott, 
geht  das  Schiff  aus  der  Richtung  0.  nach  W.  auf  der  langen  Strecke  bis  Jarak  von 
S.  nach  N.  über.  Die  hin  und  wieder  auftauchenden  Kirchtürme  und  weissen  Wach- 
häuser auf  dem  durchschnittlich  80  m  hohen  linken  Ufer  gewähren  dem  durch 
die  Eintönigkeit  des  rechten  ermüdeten  Auge  erwünschte  Ruhepunkte.  Seit 
Beigrad  lialten  wir  zum  erstenmal  auf  ungarischem  Boden  bei  Klenak.  Passagiere 
und  Gepäck  landen  dort  ohne  jede  weitere  Untersuchung,  denn  die  zollamtliche 
Abfertigung  erfolgte  schon  morgens  zu  Belgrad  am  Dampferdeck  durch  von 
Semlin  mitfahrende  ungarische  Zollbeamte. 

Bald  traten  auch  die  Vorberge  der  „Fru§ka  gora"  näher,  welche,  mit  ganz 
Sirmien  bis  ins  12.  Jahrhundert  „Frankochorion"  genannt,  an  die  kurze 
Frankciiherrschaft  (frong  altslavisch,  frug  altserbisch  Franke)  unter  Karl  d.  Gr. 
mahnen.  Im  Herbst  1863  besuchte  ich  das  landschaftlich  prächtige  Gebiet  zum 
Studium  seiner  interessanten  altserbischen  Klöster  und  gleichzeitig  die  heute  von 
serbisierten  Abkömmlingen  des  fernen  Albanien  bewohnten  Dörfer  Nikince  und 
Hrtkovci,  deren  aus  dunklem  Grün  hervortretende  Türme  alte  Erinnerungen  in 
mir  wachriefen. 

Nahe  der  dem  3  Meilen  fernen  „Bitvenakopf"  entströmenden,  mit  unzähligen 
Annen  das  nördliche  Vorland  von  Bogatic  in  21  km  Breite  durchrieselnden  und 
bei  Mitrovica  mündenden  Bitva  wurden  am  Savaufcr  auf  dem  Burghügel  „Obrvo" 
bei  Drenovac  eine  bronzene  Lanzenspitze  gefunden.  Dort  sieht  man  auch  Reste 
des  traditionell  von  Hunyady  Jänos  wahrscheinlich  auf  antiker  Grundfeste 
erbauten  Schlosses,  das  gewiss  in  naher  Beziehung  stand  zum  linksuferigen 
Hrtkovcer  „Gradjenik"  und  zu  dem  bei  Jarak  mündenden  Römerkanal. 
Vielleicht  ist  es  auch  mit  dem  von  Novakovic  in  dieser  Gegend  gesuchten,  im 
Friedensvertrag  zwischen  dem  Despoten  Stevan  Lazarevic  und  dem  Ungarkönig 
Sigismund  erwähnten  Scliloss  „Macho"  identisch,  nach  dem  dieses  ganze  Sava- 
gebiet  „Banatus  Machoviensis"   und  serbisch   „Macva"  genannt  wurde')- 

')  Glasnik,  Bd.  48,  118  ff. 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Viikodras.   Ueber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.      •i47 

Die  ausgedehnten  „Riede"  des  linksuferigen  Inundationsgebietes  bestehen 
aus  durch  Weidegebüsch  unterbrochenem  fruchtbarsten  Boden,  der  die  Macva 
zur  Kornkammer  Serbiens  gestaltet.  Sumpfjäger  würden  hier  ihre  Rechnung 
finden;  beim  Nahen  des  Dampfers  flogen  ganze  Scharen  von  Enten  auf,  Adler 
und  Raben  umlagern  die  Äser  gefallener  Tiere  und  bringen  durch  ihre  Kämpfe 
einiges  Leben  in  diese  melancholisch  verödete  Natur. 

Der  entlang  der  Sava  von  Singidunum  (Beigrad)  nach  Siscia  (Sisek)  führende 
römische  Heerweg  zog  hart  am  linken  Uferrand  zur  Colonia  Flavia  Sirmium, 
von  der  13  km  nördlich  bei  dem  Dorfe  Mandjelos  mit  griechischem  Namen  einige 
Forscher  die  „Francaviila"  im  „Frankochorion"  Karls  d.  Gr.  ansetzen.  Als  ich 
die  antike  Hafenstadt  1863  besuchte,  sprachen  noch  grossartige  Reste  von 
Mauern,  Palästen,  Wasserleitungen  usw.  für  die  einstige  riesige  Ausdehnung  und 
architektonische  Pracht  des  als  Geburtsort  des  tatkräftigen  Kaisers  Probus 
berühmten    Waffenplatzes.      Das    auf    seiner    Stelle    entstandene    Mitrovica    (im 


<  .     -     -      -     -    -     y/^f» 

DRENOVAC,  Broiizc-Lanzcnspilzcn. 

Mittelalter  nach  seiner  Kirche  Sv.  Dimitrije  „Civitas  St.  Demetrii"  und  „Dimiirovci" 
genannt)  wurde  seither  durch  den  vom  Semliner  Schienenweg  dahin  abzweigenden 
Flügel  sehr  gefördert.  Eine  bedeutende  Brauerei,  eine  Tanninfabrik  (System 
Eitner)  und  andere  grosse  Etablissements  der  Firma  Ceric  mit  hohen,  dampfenden 
Schloten  haben  auch  die  Physiognomie  der  früher  stillen  Grenzstadt  tt)tal 
verändert.  Der  grösste  Teil  des  zum  E.xport  bestimmten  Viehes  aus  Westserbien 
wandert  über  Valjevo  und  Sabac  dahin,  was  seine  Viehmärkte  hebt.  Günstig 
wirkt  auch,  dass  alle  Frachten  von  dem  am  Ufer  liegenden  Bahnhof  auf  eigenen 
Stegen  direkt  auf  die  Dampfer  überführt  werden  ktuinen.  Zur  Herbstzeit  findet 
man  deshalb  hier  stets  Ladung  einnehmende  Schlepper.  Die  einsteigenden 
Passagiere  vermehrten  unsere  polyglotte  Deckstaffage  mit  zwei  schlanken  bos- 
nischen Soldaten  in  ihrer  kleidsamen  Marschadjustierung,  welche  von  der 
Eskortierung  eines  nach  Ungarn  zuständigen  Deserteurs  von  dort  nach  Tuzla 
zurückkehrten. 

Gegenüber  dem  ungarisch -kroatischen  Mitrovica  hegt  d.is  gleicIuKimige 
serbische  Städtchen,  dessen  2(i2  Bewohner  durch  dort  etablierte  Filialen 
angeseliener  Belgrader  Firmen  lohnende  Beschäftigung  finden.  Durch  seine  Skela 
ziehen  jährlich  gegen  91)000  Schweine,  10000  Ochsen  und  Tausende  Stück 
Jungvieh  ins  Ausland;  ihre  Zolleinnahme  ist  deshalb  jener  von  Dubravica  ziemlich 
gleich.     i;twas  westlicher  liegen  an  dem  starken  Überschwemmungen  ausgesetzten 


n-lS     Aiifw.'ltls  nach  Knca  und  Sabat.    Zum  Vukodraä.   Ucbcr  Trojanov^rad  nach  Ljcfinica. 

rcchttn  Savaiifcr  (Jcrii  ausnedehnlcn  Kastellrayon  des  jcnsciti|{cn  Mitruvica 
an^cliOrcndc  antike  ßefesti)(unfjen,  das  „Sirinf^rad"  und  die  „Kulina",  aus  deren 
unter  Wasser  stehenden  Mauern  antike  Münzen,  Pfeilspitzen,  Kupfer^efässe, 
Schnuicksachen  usw.  heraufbefiirdert  wurden;  auch  die  Sa^e,  dass  Zar  Trojan 
(Trajan)  diese  starke  Feste  erbaute,  deutet  auf  ihren  römischen  Ursprung.  Aus 
Mitrovica  stammt  j^leichfalls  mancher  antike  Fund,  beispielsweise  das  unter 
„Siriniuin"  1893  ver()ffcnlliclite  Iiischriftfranment ').  Im  S.  von  SaiaS  No<^ajski,  das 
ileni  };el'eierlen  Freilieitskainpfer  Stcjjan  Cupic  den  Beinamen  „Drache  v(jn  Nocaj' 
gab,  liegt  zwischen  Baumdickicht  und  Sümpfen  eine  Anhöhe,  welche  die  Römer 
mit  100  m  langem  quadratischen  Werke  krönten,  und  an  der  Bitva  bei  Giuäci 
erhielten  sich  Reste  der  von  einem  Tatarenchan  zerstörten  Serbenschlösser 
„Riharica"  und  „Vidojevac".  Beide  wurden  auf  Rudimenten  antiker  Kastelle 
erbaut,  welche  die  von  der  Drinamündung  direkt  zur  grossen  römischen  Nieder- 
lassung bei  Sabac  führende  zeitkürzende  Strasse  schützten;  noch  blieb  stellenweise 
der  Sieinbulag  ihres  im  stark  sumpfigen  Terrain  angeschütteten  Dammes  erhalten. 

Kurz  vor  D.  Zasavica  umfahren  wir  den  nördlichsten  Punkt  des  Königreichs. 
Früher  bedeckte  das  ganze  niedere  Savaufer  von  der  Drina  bis  Sabac  der. 
„Kitog",  ein  dichter  Wald,  der  den  Serben  während  der  Freiheitskriege  oft  will- 
kommene Zuflucht  bot.  Am  25.  August  1806  griff  hier  der  Erzpriester  Smiljanic  mit 
1000  Serben  die  durch  den  Wald  in  einzelnen  Haufen  gegen  Sabac  vordringenden 
Bosniaken  an,  tcitete  150  Mann,  noch  mehr  Pferde,  machte  300  Gefangene  und 
grosse  Beute.  Jetzt  ist  der  stark  gelichtete  Kitog  überall  von  Kulturen  durchzogen, 
die  schon  mit  jenen  des  Bezirksortes  Bogatic  zusammenhängen,  dessen  Name 
die  grosse  Fruchtbarkeit  des  Bodens  kennzeichnet.  Dort  liegt  der  Stab  des 
4.  Bataillons,  das  die  Macva  zur  Sabacer  Brigade  stellt.  Wir  steuern  hinüber 
zum  ungarischen,  mit  hübschem  Wald  umrahmten' Bosut,  wo  die  Sava  das  Ufer 
derartig  unterwäscht,  dass  die  Katastrophe  für  seine  Kirche,  falls  nicht  rasche 
Vorsorge  getroffen  wird,  mit  einem  der  nächsten  Hochwasser  eintreten  dürfte. 
Die  wiederholt  hier  angelegten  Dampferstege  werden  dort  immer  weggespült, 
und  das  Landen  an  dem  abgebrochenen  senkrechten  Uferrand  vollzog  sich  in 
geradezu  amerikanischer,  für  Matrosen  und  Passagiere  unerquicklicher  Weise. 
Hier  nahmen  wir  einen  Lotsen  an  Bord,  denn  der  über  Nacht  stetig  wechselnde 
Savalauf  beim  Drinadelta  stellt  an  Kapitän  und  Steuermann  kaum  glaubliche 
Anforderungen.  Man  muss  es  gesehen  haben,  wie  sich  das  Schiff  aalartig 
zwischen  den  mit  Buschwerk,  Sandbänken,  Steinfeldern,  oft  in  Kurven  von  kaum 
500  m  Durchmesser  bei  fortwährender  Sondierung  der  meist  nur  9  Quint  1,46  m 
tiefen  Faiirrinne  durcharbeitete,  um  nach  halbstündiger  Anstrengung  einige  Hundert 
Meter  westlicher  vom  Ausgangspunkt  wieder  anzulangen. 

Endlich  ist  das  ungarische  Raca  mit  Kirche  und  alter  Befestigung  erreicht, 
in  deren  Gebäuden  sich  jetzt  eine  Bierbrauerei  eingenistet  hat.  Langsam  geht 
es    in    dem     hier    in     zwei     seichte    Arme    geteilten    Savabett    vorwärts.      Hohe 

')  C.  1.  L.  III..  Suppl.  III.,  No.  10219. 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.    lieber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.      349 

Bauiiij^ruppL'n  deckten  die  serbische  „Douane  Raca".  Dagegen  öffnete  sich 
über  ihr  weitgedehntes,  durch  viele  eingeschwemmte  kahle  Baumstämme  noch 
trauriger  aussehendes  Steinfeld  vor  der  nur  125  m  breiten  Mündung  der  Drina 
der  Einblick  in  ihr  landschaftlich  schönes  Tal,  und  gleich  darauf  erblickten  wir  das 
nur  aus  einem  Han  und  Gendarmerieposten  bestehende  bosnische  Raca.  Hier 
verliess  uns  ein  ganzer  Trupp  in  Sirmien  wohnender  schwäbischer  Landleute, 
welche  ihre  Verwandten  bei  dem  14  km  fernen  bosnischen  Städtchen  Bjelina 
besuchen  wollten.  Dahin  waren  1886  nahezu  150  deutsche  Familien,  Abkömmlinge 
der  vor  hundert  Jahren  nach  Ungarn  emigrierten  Württemberger,  aus  den  Dörfern 
Pazua  und  Franzfeld  übersiedelt,  welche  in  ihren  Briefen,  wie  ich  hörte,  ihre 
neue  bosnische  Heimat  ungemein  rühmten;  die  Gegend  sei  gesund,  das  Trink- 
wasser gut  und  die  Steuern  wären  so  niedrig,  dass  bereits  jedes  Haus  40  Joch 
prächtiges  Acker-  und  Weideland  besitze,  während  sie  es  bei  Semlin  kaum  auf 
20  Joch  gebracht  hätten. 

Leider  vernichtete  die  llochwasserkatastrophe  im  November  1896,  was 
deutscher  Fleiss  in  zehn  Jahren  an  der  Drinamündung  schuf.  Anhaltende 
ungeheuere  Regen  im  llochgebirgsstock,  der  das  Triplex  confinium  zwischen 
Montenegro,  Altserbien  und  Bosnien  bildet,  veranlassten  ein  plötzliches  Anschwellen 
der  Drina,  die  den  nördlichen  Abfluss  aller  Gewässer  dieses  Berglandes  bildet 
und  sie  der  Sava  zuführt,  zu  einer  früher  nie  beobachteten  Höhe.  In  ihrem 
stellenweise  stark  eingeengten  Ober-  und  Mittellauf  riss  die  Hochflut  unaufhaltsam 
alles  mit  sich  fort.  Brücken  und  Stege  wurden  zerstört  und  fortgetragen,  Strassen 
und  Wege  weggeschwemmt,  Häuser,  die  am  Ufer  selbst  über  der  ältesten  Hoch- 
wassermarke lagen,  dem  Erdboden  gleich  gemacht,  die  Wintersaaten  vernichtet,  ganze 
Dörfer,  wie  Rudo,  verschwanden.  Die  Vorräte  der  Uferbewohner,  ihr  Hausrat,  ihr 
Vieh  wurden  ganz  oder  zum  grössten  Teil  ein  Raub  der  Fluten.  So  manchen  traf 
nach  vielstündiger  banger  Todesangst  die  ersehnte  Hilfe  auf  dem  Dache  eines 
wankenden  Hauses  oder  Gipfel  eines  Baumes.  Alle  Drinazuflüsse,  der  Lim,  die 
Cehotina,  Dobrunja,  Hrsava  u.  a.,  waren  zu  reissenden  Strömen  geworden,  die 
ähnliches  Unheil  ihren  Uferbewohnern  brachten.  Noch  ärgeres  Missgeschick  ereilte 
aber  die  Siedelungen  in  der  vnii  der  Drina  durchquerten  Ebene.  Die  ganze 
gewaltige  l'lutmasse,  welche  aus  der  südlichen  Cjebirgsenge  hervorwogte,  breitete 
sich  hier  unaufhaltsam  aus,  bedeckte  und  zerriss  das  niedere  humusreiche  Gelände, 
durch  welches  die  Drina  zur  Sava  hiufliesst;  einem  strömenden  brandenden  See 
glich  die  Landschaft,  und  unsägliches  Unheil  brach  über  ihre  Bewohner  herein. 
18  Personen  verloren  ihr  Lehen,  Tausende  ihre  gesamte  Habe.  Das  Städtchen 
Janja,  die  Dörfer  Amajiia,  Dvorovi,  Vjelinoselo,  die  aufstrebende  Stadt 
Bjelina  wurden  arg  verwüstet,  am  schwersten  die  vorerwähnte  deutsche  Kolonie 
Frauz-Josefsfeld,  von  deren  I7H  Häusern  kaum  30  stehen  blieben,  so  dass 
die  ihre  weggeschwemmte  Habe  und  den  Verlust  ihres  gesamten  Viehstandes 
lu'klagendcM  unglücklichen  Ansiedler  wieder  von  neuem  den  Kampf  ums  Dasein 
beginnen  mussten.  Was  ilamals  1-rau  von  Källay  als  persönlich  Trost  und  rasche 
Hilfe  bringender  Engel  in  jenen  Trauertagen  im  Drinagebief  leistete,  bleibt  dort 
wohl   Im    alle  Zeiten   imvergessen! 


;{;")( )     Aufwilrts  nach  Rafa  und  Sabac.    Zum  VukotlraS.   Ucbcr  Trojanovurad  nach  Ljcftnica 

UikI  iliesf  selbst  im  Sprichworl  verrufene  Drina.  wie  JräKC  floss  sie  dahin, 
als  wir  im  Tiefdutikel  auf  bosnischem  Boden  landeten.  Bei  der  Aussicht,  den 
nicht  übcrj^rossen  Sctilafraum  des  bescheidenen  Gasthauses  mit  der  zahlreichen 
scliw.'lbischcn  Sippe  teilen  zu  müssen,  nahm  ich  ohne  lant{es  Überiejjen  den 
Vorschlaft  des  Kapitäns  an,  mit  ihm  die  Fahrt  bis  Brcka  fortzusetzen  und  auf 
dem  ilnrt  um  Mitternacht  von  Sisck  eintreffenden  Boote  nach  §abac  zurück- 
zukehren. i^rachti^L-r  SliTiiennlanz  benünsti^te  meine  Promenade  durch  Brcka, 
die  „bosnische  Pllaumcn-Messstadt".  welche  Knde  September  Kaufleute  vom  Rhein, 
aus  f-'rankreich  usw.  in  ihren  Mauern  sieht.  Überraschend  sind  die  während  der 
kurzen  occidenlalen  Occupation  durchfjeführlen  Arbeiten,  die  regulierten  und 
beleuchteten  Strassen,  die  neue  Brücke,  das  Schulhaus  u.  a.  Wie  nett  und 
anheimelnd  es  da  aussieht,  wo  früher  asiatische  Unfläterei  die  Luft  verpestete, 
und  wie  sicher  man  sich  fühlte  angesichts  der  wohl  strenge  Aufsicht  führenden, 
sonst  aber  freundlichen  politischen  Organe.  Und  während  meiner  Herbstreise 
1888  verzeichnete  ich  auch  an  anderen  Drinapunkten  (XVI.  Kap.)  grosse  Fort- 
schritte, welche  Bosnien  unter  dem  neuen  Regime  gemacht. 

Der  zu  Tal  fahrende  Dampfer  langte  pünktlich  in  Brcka  an.  Nach  weniger] 
Stunden  erquickender  Ruhe  traf  mich  der  etwas  kalte  Frühmorgen  auf  einer 
Deckbank,  den  zaubervollen  Tagesanbruch  geniessend.  Im  vollen  Sonnengold 
schien  mir  das  nahezu  500  m  breite,  chaotische  Drinadelta  ebenso  malerisch, 
wie  uniieimlich  düster  am  Abend  zuvor.  In  der  schmalen  Stromrinne  am  serbischen 
Ufer  feierten  im  von  Menschenhand  unberührten  Urdickicht  von  Weiden,  Erlen, 
Eichen  und  Unterholz  aller  Art  die  hohen  Schaufelräder  einiger  nach  ungarischem 
Donauniodell  gezimmerter  Mühlen  wegen  des  niederen  Wasserstandes.  Selbst 
die  von  der  bosnischen  Landesregierung  1887  erworbenen,  nur  60  cm  tauchenden 
Dampfer  „Drina"  und  „Bosna",  amerikanischen  Systems,  können  ohne  eine 
gründliche  Reinigung  der  von  Schiffahrtshindernissen  jeder  Art  erfüllten  Drina 
diese  im  Frühjahr  selten  und  während  der  Exportsaison  gar  nicht  befahren.  Bis 
das  geplante  schwierige  Rcgulierungsw^rk  vollbracht,  werden  die  Dampfer  durch 
Verführung  ärarischer  Güter,  auch  von  Erzen,  Pflaumen  usw.  für  Private  beschäftigt. 

Nachdem  wir  „Ungarisch  Raca"  passiert,  ging  es  mit  voller  Kraft  vorwärts. 
Beide  Mitrovica  und. das  historische  Klenak  lagen  bald  hinter  uns,  und  während 
meine  Blicke  noch  das  hinter  dem  baumreichen  Ufer  sich  bergende  Sabac  suchten, 
trat  plötzlich  sein  hoher  Kirchturm  in  Sicht.  Gleich  darauf  steuerten  wir  nach 
dem  vom  Zollamt,  Magazinen,  Gasthäusern  usw.  umsäumten  Landeplatz.  Die 
Zoll-  und  Passrevision  ersparte  mir  das  Geleitschreiben  des  k.  Ministerpräsidenten. 
Einer  der  vielen  hier  wartenden  Lohnwagen  bemächtigte  sich  meines  Gepäcks 
und  sauste  im  Galopp  über  die  rasch  sich  folgenden  Brücken  des  Jerez-  und 
Kamicarbaches  auf  der  stark  staubigen  Strasse  der  Agencijska  ulica  zu.  Nach 
20  Minuten  hielten  wir  vor  „Hotel  Europe",  auf  der  von  vielen  Mietswagen 
occupierten  iWala  pijaca,  dem  belebtesten  Punkte  der  freundlichen  Savastadt. 

Das  in  1581  Häusern  10692  Seelen  zählende  §abac  erfreut  sich  in  ser- 
bischen Kreisen  eines  guten  Rufes  und  zieht  auch  viele  Fremde  dahin,  darunter 
185  Slaven,   262  Deutsche,    117  Ungarn  usw.      Der   Religion    nach   gab   es    1896 


Aufwärts  nach  Rata  und  Sabac.    Zum  Vukodras.   Ueber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     '351 

dort  434  Katholiken,  40  Protestanten,  274  Juden  und  404  Moslims  (meist  Zigeuner). 
Seine  vieigerühmte  Peter-  und  Paul-Kirche  ist  ein  für  eine  kleine  Stadt  kostspieliger, 
viel  gerühmter,  architektonisch  aber  wenig  bedeutender  Bau.  Im  Typus  den 
ungarischen  Stadtkirchen  ähnlich,  wurde  sie  nach  den  rotmarmornen  Votivtafeln 
„unter  der  glorreichen  Regierung  des  Sultans  Mahmud  II.,  des  Selbstherrschers 
Nikolaus  und  des  Fürsten  Milos  Obrenovic  1832  erbaut"  und  1833  von  dem 
Banaler  Künstler  Simic  mit  Ölbildern  geschmückt,  die,  weich  und  zierlich  gemalt, 
durch  elegante,  glatte  Pinselführung  bestechen,  doch  des  hohen  Ernstes  und 
grossen  Linienzuges  entbehren,  welche  die  besseren  altserbischen  Fresken  aus- 
zeichnen. In  der  Kirche  ruht  lladzi  Melentije,  der  erste  neuserbische  Sabacer 
Bischof,  dessen  tragisches  Ende  ich  im  Kloster  Studenica  erzählen  werde  (II.  Bd., 
I.  Kap.).  In  derselben  Pocerska  ulica  stehen  die  von  Casni  erbaute,  seit  1886, 
wo  das  Sabacer  Bistum  mit  der  Belgrader  Diözese  vereinigt  wurde,  verlassene 
Bischofsresidenz  und  das  Gymnasium,  das  architektonisch  von  der  neuen,  mit 
zwei  Figuren  gezierten  Volksschule  in  der  Kamena  ulica  übertroffen  wird.  Hübsch 
ist  auch  das  6000  Dukaten  kostende  Hospital,  in  dem  (1888)  1200  Kranke  mit 
einem  Kostenaufwand  von  33000  d  verpflegt  wurden.  Obschon  die  Läden  in 
der  Carsija  keinen  vornehmen  Eindruck  machen,  ist  der  Handel  von  Sabac  doch 
ziemlich  bedeutend.  Es  zählt  einige  Millionäre  und  Kaufleute  mit  einer  Viertel- 
million d.  Lieben  es  auch  ältere  „Ciftas",  durch  Sparsamkeit  zu  glänzen,  so 
sieht  man  doch  einzelne  .sehr  nette  Privatgebäude;  beispielsweise  das  Haus  der 
Firma  HarambasiO  u.  a.  Sabac  besitzt  eine  1880  gegründete  Sparkasse  und  einen 
Spar-  und  Hilfsverein,  für  deren  umsichtige  Leitung  der  Umsatz  von  nahezu 
40  Mill.  d  (1895)  spricht,  eine  Bierbrauerei  und  Dampfmühle,  und  ist  einer  der 
Hauptplätze  des  serbischen  Frucht-  und  Pflaumenhandels.  1887  betrug  der 
Pflaumenexport  aus  seinem  Hafen  über  Mitrovica  nach  Ungarn  und  Fiume  nahezu 
30000  q  zu  durchschnittlich  25  Fr.  per  Meterzentner.  Den  grössten  Teil  dieses 
Quantums  lässt  die  Firma  Rosenstein  in  Stuttgart  durch  ihre  Agenten  im  Innern 
aufkaufen.  Auch  aus  anderen  Savahäfen  gehen  gleich  grosse  Mengen  ab. 
Koninit  die  von  Ungarn  geplante  Brücke  bei  Mitrovica  zustande,  dann  dürfte 
Sabac  einen  Teil  seines  gewinnbringenden  Zwischenhandels  einbüssen.  Durch 
den  Strassenbau  von  Krupanj  über  den  Cer  soll  die  reiche  Ausfuhr  an  Metall. 
Schweinen,  Pflaumen,  Wolle  usw.  aus  diesem  Gebiet  nach  Sabac  geleitet  werden. 
Die  Stadt  bezahlt  einen  eigenen  Ingenieur,  einen  Arzt  und  hat  zwei  Apotheken. 
Zu  einem  ul-ucu  Kreisamtspalast  brachte  sie  es  bisher  nicht.  Die  verschiedenen 
Amter  sind  in  dem  kaslellarligen  Kiuiak  untergebracht.  Ausser  dem  alten  Lese- 
verein (ürderii  5  BuchlKindler,  2  Druckereien  und  4  Journale  den  intellektuellen 
l'ortschritt.  Es  fehlt  nicht  an  Ärzten  und  Advokaten;  doch  spielt  der  Kaufmanns- 
stand  auch  in  der  Politik  die  erste  Rolle.  Der  neu  angelegte  Sladtpark  vereinigt 
an  schonen  Sonntagen  die  Sabacer  Welt  zu  geselliger  Unterhaltung,  Spiel  und 
Gesang.  Vor  etwa  dreissig  Jahren  hätte  kaum  ein  Serbe  seiner  Frau  zum 
Spaziergang  den  Ann  geholen.  Die  mit  der  türkischen  Herrschaft  eingezogenen 
(lehräuclie  verpimten  es;  die  1  rau  wurde  mehr  als  Dienerin  denn  als  glcich- 
berecliligte   (ielährtin    behamlell.      Allmählich    durchbrachen    occidenlale   Art    und 


'Sr)2     Aufw.'irts  nncli  Rn(a  und  §abac.    Zum  Vukodrafi.   Ucbcr  Trojanovi;rad  nach  Lje&nica. 

Sitte    die    tief    (^ewur/elten    alten    Vorurteile    und    eine    freiere    Kescilschaftliche 
Bewegung  macht  sicli  auch  in  kleineren  serbischen  Städten  schon  bemerkbar. 

Das  stets  ausschliesslich  von  Christen  bewohnt  gewesene,  85  m  hoch  liegende 
„Saslon"  und  spiltere  Sabac  war  vom  befestigten  moslimischen  „Sebadz"  durch 
das  breite  und  sumpfige  „Sabadko  polje"  getrennt.  Beim  Austritt  der  Sava  und 
des  dieses  Glacis  durchschneidenden  Jcrez,  welche  die  tiefen  Gräben  der 
Citadelle  füllten,  wurde  sie  unnahbar.  Das  im  Zentrum  ihrer  ausgedehnten  Wälle 
liej^ende  Schloss  liewahrte  nicht  nur  den  (Jrundriss  des  nimischen  Werkes,  auf 
dem  es  Sultan  Mahmud  1471  ')  trotz  der  versuchten  unj^arischen  Abwehr  erbaute, 
sondern  auch  einzelne,  ihren  römischen  Ursprunj^  beweisende  antike  Deckplatten. 
Es  bildete  ein  an  der  Nordostfront  unre^elmässiKCS  Viereck  mit  an  den  Ecken 
vorspringenden   Rundtiirmen   und   verpalisadierter  Umwallunfj;  „Begir  delen". 

Aus  dem  Jahre  1476  ist  die  Schilderung  der  „trefflich  grossen  Bestürmung" 
der  Feste  Sabac  datiert,  in  welcher  der  magyarische  Kriegsmann  Pret  den  tapferen 
Ungarkiniig  Matthias  verherrlicht-).  In  den  ersten  Januartagen  gingen  seine 
Truppen  aus  dem  jenseitigen  verschanzten  Lager  auf  das  rechte  Savaufer  zum 
Angriff  des  türkischen  Bollwerks  vor.  Nachdem  sie  die  Trancheen  eröffnet  und 
ein  Entsatzkorps  abgewiesen,  liess  der  König  mit  Geschützen  ausgerüstete  Schiffe 
in  den  Wallgraben  eindringen  und  aus  unmittelbarer  Nähe  die  Werke  beschiessen, 
wobei  ein  den  Kahn  des  Königs  lenkender  Caikist  an  seiner  Seite  getötet  wurde. 
Die  Belagerten  wehrten  sich  tapfer,  töteten  dem  Gegner. viele  Offiziere  und 
Soldaten,  sahen  sich  aber  am  15.  Februar,  als  die  ungarischen  Mörser  und 
Kanonen  unausgesetzt  den  schwächsten  Teil  der  Feste  bestrichen,  gezwungen, 
ihre  Tore  zu  öffnen.  700  Mann  baten  um  des  Königs  Gnade  und  traten  in 
seine  Dienste.  Ein  gegen  Matthias  während  seiner  Anwesenheit  im  Lager  durch 
den  Graner  Primas  Johann  Beckensloer  angezetteltes  Komplott  hinderte  ihn  an 
der  Weiterführung  des  zu  Serbiens  Befreiung  unternommenen  Feldzuges  ■^). 

Noch  oft  wechselte  das  vielumstrittene  Sabac  seinen  Herrn,  bis  es  1521 
dauernd  türkisch  wurde,  im  Oktober  1695  bezwang  es  Graf  Guido  Starhemberg. 
Auch  1717  wurde  dort  gestritten,  als  Oberst  Diller,  der  Kommandant  des  Grenz- 
forts Raca,  die  Feste  nehmen  wollte.  Erst  im  Passarovitzer  Frieden  fiel  sie  und 
für  längere  Zeit  an,  Österreich.  Der  1737  aufs  neue  entbrannte  Krieg  wurde 
durcli  den  von  Sabac  siegreich  vordringenden  Oberst-Feldwachtmeister  Omulrian 
eröffnet  und  in  dieser  Stadt  geschlossen.  In  Sabac  erhielt  der  auf  allen  Punkten 
geschlagene  Seckendorf  am  21.  Oktober  die  Nachricht  von  der  übereilten  Übergabe 
Ni§',  und  von  dort  kehrte  der  unglückliche  Marschall  als  Staatsgefangener  nach 
Wien  zurück.  Seine  Feinde  triumphierten;  das  aufgeregte  Volk  verwünschte  den 
Protestanten  als  vermeintlichen  einzigen  Urheber  des  verlorenen  Feldzugs.  Unter 
den  rasch  verstärkten  Werken  von  Sabac  sammelte  sich  die  von  den  ungestüm 
nachdringenden  Türken  stark  belästigte,  ihres  Gepäcks  beraubte  kaiserliche 
Armee,  um  ganz  erschöpft  im  November  die  Winterquartiere  jenseits  der  Sava 
zu  beziehen. 

')  Starinar,  IV,  43.  —  -)  Faksimile-Fragment  in:  Die  österr.-ung.  Monarchie,  Bd.  111. 
Ungarn,  253.  —  »»  W.  Fräknoi,  Matthias  Corvinus,  178 f. 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.   Ueber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     353 

Im  folgenden  Jahre  war  der  Oberkommandant  Herzog  von  Lothringen  nicht 
glücklicher.  Nach  dem  Rückzug  der  Kaiserlichen  von  Or§ova  bis  in  Belgrads 
Linien  überflutete  der  Feind  ganz'  Serbien.  Dem  hart  bedrohten  Sabac  wurde 
am  24.  September  ein  Detachement  als  Verstärkung  gesendet.  Die  Türken  griffen 
jedoch  nur  Raca  an  und  gaben  ihre  Pläne  auf  Sabac  auf,  als  sie,  dort  blutig 
zurückgewiesen,  von  dem  Heranzug  eines  bedeutenden  fintsatzkorps  unter  Prinz 
von  Hildburghausen  horten.  Während  des  dritten  Kriegsjahres  1739  kommandierte 
Graf  Valvasor  in  Sabac.  Gern  hätte  er  einen  hart  unter  dessen  Mauern  vorüber- 
ziehenden, für  die  türkische  Belagerungsarmee  vor  Belgrad  bestimmten  Transport 
von  26  Kanonen,  36  Pontons,  Aüinitions-  und  Lebensmittelvorräten  aufgehoben, 
dessen  Abgang  ihm  rechtzeitig  von  Zvornik  mitgeteilt  worden  war.  Doch  Marschall 
Waliis  liess  ihn  ohne  die  verlangte  Unterstützung,  und  der  beabsichtigte  Überfall 
nuisste  unterbleiben.  Nach  dem  Belgrader  Friedensvertrag  vom  I.  September  1739 
wurde  Sabac  den  Türken  mit  rasierten  Wällen  übergeben,  welche  sie  aber  bald 
wieder  herstellten. 

Während  der  österreichischen  Occupation  Serbiens  (1717—1737)  war  Sabac 
der  Administratfonssitz  des  Distriktes  „Sabac-Jad"  (Jadar),  und  seine  Wegnahme 
1788  bildete  die  erste  und  einzige  glückliche  Waffentat  der  vom  Kaiser  Josef 
persönlich  befehligten  Hauptarmee.  Am  30.  März  war  der  Kaiser  im  sirmischen 
Klenak  eingetroffen  und  gab  dem  FZM.  Rouvroy  den  Befehl,  Sabac  zu  nehmen. 
Nachdem  die  Avantgarde  in  bei  Raca  erbeuteten  Barken  auf  das  rechte  Savaufer 
übersetzt  war,  zogen  sich  die  Türken  in  die  Feste  zurück.  Die  Österreicher 
folgten  ihnen;  die  stark  ausgetretenen  Bäche  hinderten  jedoch  den  wirksamen 
Fortgang  der  Belagerungsarbeiten.  Das  Erscheinen  des  von  dem  jungen  Erzherzog 
Franz  und  von  Feldmarschall  Lacy  begleiteten  Kaisers  am  18.  April  brachte  Leben 
in  die  Operation.  Am  21.  waren  mehrere  18-  und  12  Pfünder-Batterien  vollendet, 
und  das  schwache  türkische  Feuer  aus  Geschützen  kleinen  Kalibers  vermochte 
den  angeordneten  Übergang  des  Hauptkorps  nicht  zu  hindern.  Nachdem  die 
serbischen  Freiwilligen  der  Avantgarde  die  wichtigen  Dumacabrücken  genommen 
hatten,  brannten  die  Türken  die  Ciganjkavorstadt  nieder  und  zogen  sich  in  das 
Schloss  zurück,  ilessen  Türme  und  Mauern  durch  das  Feuer  der  Belagerer  stark 
beschädigt  wurden. 

Am  21.  nachmittags  waren  drei  österreichische  Kolonnen  auf  gleicher  Höhe 
mit  der  Feste.  Die  erste,  unter  Graf  Mitrovsky,  eröffnete  in  Anwesenheit  des 
Kaisers  den  Angriff,  Man  stürmte  uiul  brannte  die  Paitavorstadt  nieder;  gleiches 
Schicksal  teilte  die  obere  Vorstadt.  Am  22.  erneuerten  die  Bogai^hatlerien  ihr 
Feuer,  am  23.  war  auch  der  vom  Kaiser  am  Prokopgraben  angeordnete  Batteriebau 
vollendet  und  am  24.  morgens  wiirtle  Sabac  von  beiden  Ufern  heftig  beschossen. 
Unter  l.acys  persrinliilier  l-'iilinuiL;  stdriiile  nun  eine  Abteilung  unter  den  Majoren 
Ligne  luul  Poniatovssky  mit  ilen  vom  Hauptmann  Sokolovic  befehligten  serbischen 
Freiwilligen  das  Belgrader  Tor  der  in  Brand  gesteckten  Palanke  und  nahm  sie; 
ihre  Besatzung  flüchtete  in  das  Schloss.  Ein  kaiserlicher  Trompeter,  welcher 
dessen  Übergabe  forderte,  wurde  mit  Gewehrschüssen  empfangen.  Als  hierauf 
das  Feuer  wieder  eriifliiet  wurde,   kapitulierte  ilie  Besatzung  emilich  nach  vielem 

I     KANITZ,    Si-rhicii.  I  i< 


Iti')!      Aiifw.irls  ii.icli  Uaia  und  Sahac.    Zum  VukodraA.    Ucbcr  Trojanov({rad  nach  Ljeinica. 

Parlniiientierfti  auf  die  vom  Kaiser  hewilÜKlcn  BcdinniinKcn.  Die  7()0  Mann 
starke  (jariiison  samt  ihren  Offizieren,  weielie  die  Sühel  tieliielten,  wurde  nach 
f\'terwardein  K*-'fülirl;  etwa  lOÜÜ  Frauen,  Kinder,  Imams  und  Kadisd  urftcn  nacfi 
Zvornik  frei  abzielien.  Die  Ik'ule  liestand  in  17  Kanonen,  bedeutenden  Munitit>ns- 
vorrJUen,  mehreren  f-"aiinen,  aber  -  nur  wenigen  Lebensmitteln.  Kaiser  Josef, 
welcher  während  der  Bela^;erunK  grosse  Beweise  persönlichen  Mutes  gab  —  eine 
Slückkugel  tötete  nur  wenige  Schritte  von  ihm  entfernt  drei  Mann  —  befahl  die 
Wiederherstellung  der  Werke  und  begab  sich,  beste  Hoffnungen  an  die  Kinnahme 
des  wichtigen  Savapunktes  knüpfend,  nach  Semlin  zu  Belgrads  Bewältigung.  Nur 
bis  1791  blieb  §abac  in  (isterreichischer  Gewalt,  doch  geschah  während  der 
wenigen  Jahre  viel;  aber  mehr  noch  wurde,  wie  Entwürfe  im  k.  u.  k.  Wiener 
Kriegsarchiv  zeigen,  geplant,  um  es  in  ein  stark  befestigtes  Lager  zu  verwandeln. 
Der  direkt  zum  Kastell  führenden  Pontonbrücke  gegenüber  wurde  vor  der 
Janitscharcnkaserne  ein  grosses  Gebäude  aufgeführt,  man  verstärkte  die  Bastionen 
des  Palankawalies  und  fügte  der  grossen  östlichen  Befestigung,  in  welcher  der 
Bau  einiger  Offiziers-  und  Mannschaftsbaracken  begonnen  wurde,  neue  Vorwerke  an. 

Das  durch  Bego  Novijanins  verwegene  Tat  zum  Hauptpunkt  der  Janitscharen- 
kämpfe  und  Dahienherrschaft  gewordene  Sabac  war  der  erste  feste  Platz,  welchen 
die  siegreiche  scrbisciic  [Revolution  den  Türken  entriss.  Jakob  Nenadovic  bedrängte 
1804  mit  seiner  kleinen  Schar  und  einem  Geschütz  das  Schloss,  und  dank  der 
todesmutigen  Aufopferung  einiger  Hundert  Aufständischen,  welche  gleich  einem 
lebendigen  Wall  den  aus  Bosnien  anrückenden  Entsatz  aufhielten,  kapitulierte  es. 
Nun  blieb  Sabac  der  Punkt,  an  dessen  Rückeroberung  die  Moslims  alle  Kräfte 
wandten.  Wiederholt  überschritten  sie  die  Drina,  die  Gucevo-  und  Sokoler 
KhniMio.  Zuerst  1806.  Nach  vorübergehenden  Erfolgen  warfen  sich  die  von 
Katic  bei  Pecka  zurückgedrängten  Türken  in  das  unbesetzt  gelassene  Sabac  und 
erwarteten  eine  Wegstunde  östlich  von  diesem  auf  dem  nahen  breiten  Miäarfeld 
die  anrückenden  Serben.  Es  waren,  von  Karadjordje  und  Stojcevic  geführt, 
7000  Mann  zu  Fuss,  2000  zu  Pferde  mit  3  Kanonen  und  1  Mörser.  Suleiman 
Paschas  Aufforderung,  die  Waffen  auszuliefern,  erwiderten  die  Serben  mit  den 
Worten:  „ihr  mögt  sie  holen!"  Ranke  erzählt  in  seiner  von  Vuk  inspirierten 
Geschichte  der  serbisciien  Revolution  die  glorreiche  Episode  von  Sabac: 

„Es  war  im  Anfang  des  August  1806,  dass  die  Heere  sich  massen.  in 
der  Nacht  vor  dem  Schlachttag  sendete  Karadjordje  seine  Reiter  in  den  nahen 
Wald,  um  bei  dem  ersten  Schuss  von  seiner  Seite,  jedoch  nicht  früher,  dem 
Feind  in  den  Rücken  zu  fallen.  In  der  Schanze  befahl  er,  nicht  zu  schiessen, 
che  die  Türken  so  nahe  gekommen  seien,  dass  man  sie  nicht  mehr  verfehlen 
könne.  Bei  Tagesanbruch  erhob  sich  der  Seraskier  mit  gesamter  Macht  aus 
seinem  Lager  vor  Sabac;  die  tapfersten  Begs  von  Bosnien  trugen  die  Fahnen 
dem  Heere  voraus:  ruhig,  mit  geladenem  Gewehr  harrten  ihrer  die  Serben.  Erst 
als  die  Türken  in  den  Bereich  der  serbischen  Flinten  gekommen,  gab  Karadjordje 
das  Zeichen,  alle  Vordermänner  zielten;  sie  trafen,  wie  diese  Schützen  sich  aus- 
drücken, sämtlich  ins  Fleisch;  die  Fahnen  stürzten,  grosse  Verwirrung  richteten 
die  Kanonen   an.     Da   nun   gleich  hierauf  die  Reiter  von   hinten  daher  sprengten 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.    Ueber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     355 

und  einhieben,  Karadjordje  aber  die  Schanze  eröffnete  und  mit  seinem  Fussvolk 
in  die  feindlichen  Reihen  brach,  so  war  in  einem  Augenbhck  die  Unordnung  der 
Türken  vollkommen  und  ihre  Niederlage  entschieden.  Die  bedeutendsten  Anführer 
des  Heeres,  Sinan  Pasctia  von  Gorasde,  der  Kapetan  von  Derventa,  der  Seraskier 
selbst,  Kulin,  kamen  um;  hier  fiel  auch  endlich  Mehemet  Kapetan  mit  zweien 
seiner  Söhne;  die  Blüte  von  Bosnien  war  bei  den  Fahnen  erlegen." 

Die  Flüchtigen  suchten  Schutz  in  Sabac  und  im  Kitoger  Walde;  dort  wurden 
sie  von  den  verfolgenden  Siegern  truppweise  erschlagen.  Im  prächtigen  Lied 
„Boj  na  Misaru"  wird  die  Schlacht  ungemein  anschaulich  geschildert').  1807, 
im  Jahre,  als  die  Türken  aus  allen  serbischen  Festungen  vertrieben  wurden,  fiel 
auch  Sabac.  Auf  dem  Miäarfeld  wurde  seine  Übergabe  zwischen  Suleiman  Pascha 
von  Skoplje,  Hassan  Pascha  von  Srebrnica,  Cani  Pascha  von  Travnik  und  Ali  Pascha 
von  Zvornik  mit  Karadjordje  am  24.  Januar  vereinbart.  9  Kanonen,  1  Mörser 
und  viel  Munition  fielen  den  Serben  zu;  IQOO  Mann  unter  Luka  Lazarevic  bildeten 
nun  die  Besatzung;  den  Türken  gab  man  bis  zur  Drina  das  Geleit. 

In  falscher  Auslegung  des  1812  abgeschlossenen  Bukarester  Friedens  ver- 
langte die  Pforte  die  Auslieferung  aller  serbischen  festen  Plätze.  Die  zu  Ni§ 
gepflogenen  Verhandlungen  zerschlugen  sich,  und  die  Serben  griffen  im  Vertrauen 
auf  ihr  gutes  Recht  auf  sieben  Festungen,  viele  Schanzen  und  150  Feldstücke 
zu  den  Waffen.  Die  Zahl  der  Kanonen  gab  jedoch  nicht  den  Ausschlag.  Kluge 
Führung  und  Einmütigkeit  fesselten  in  früheren  Kämpfen  den  Sieg  an  die  Fahnen 
der  schlecht  bewaffneten  Serben.  Nun  waren  aber  die  bewährten  Führer  tot 
oder  durch  Leute  verdrängt,  die  ihr  eigenes  Interesse  über  jenes  der  gemeinsamen 
Sache  stellten,  die  frühere  Eintracht  war  durch  die  russischen  Ratschläge,  „man 
müsse  sich  den  Türken  unterwerfen,  so  verlange  es  das  Heil  des  Landes  und 
meine  es  der  Zar",  erschüttert.  Der  unglückliche  Ausgang  des  Krieges  wurde 
von  Einsichtigen  vorausgesagt.  Nach  einigen  verlorenen  Gefechten  bei  Negotin, 
Deligracl  und  an  der  Drina,  über  welche  der  Travniker  Vezier  in  Serbien  eindrang, 
fielen  Smederevo  und  Belgrad  nahezu  ohne  Widerstand,  und  ebenso  Sabac,  das 
der  nach  Österreich  flüchtende  ratlose  Sima  verlassen  hatte.  Die  Türken  besetzten 
seine  Feste;  die  Stadt  blieb  aber  unter  serbischer  Verwaltung.  \iiii  1816—31 
residierte  zu  Sabac  Miloä'  Bruder  Jevrem  Obrenovic^  als  Befehlshaber  der  Nahijen 
Sabac,  Valjevo  und  Belgrad;  1829  wurde  ihm  dort  sein  Sohn  MiloS.  der  Vater 
des  Königs  Milan,  geboren.  1H44  war  Sabac  der  Schauplatz  blutiger  Bürger- 
käiuiile  unter  l'ürst  KaradjiMiljcvic  zugunsten  der  exilierten  ObrenovicJc,  bekannt 
als  „Katanska  buna"  (Aulstand  der  Berittenen).  F'rst  im  Oktober  gelang  es  dem 
mit  regulärem  Militär  herbeigeeilten  energischen  Wojwoden  Vucic,  die  aus  Sirmien 
übergetretenen  „Katani"  zu  bewältigen  und  in  der  terrorisierten  Stadt  die  Ordnung 
wieder  luT/nslelleii. 

Fortan  erfreute  sich  Sabac  trotz  iles  es  stets  beiirolienden  Türkenschlosses 
ungest()rter  Ruhe.  Seinem  Forlbesitz  legte  die  Pforte  aber  noch  in  den  Kon- 
stantinopler   Konferenzen    so   hohen   Wert   bei.    dass  sie  es  gegen   Fürst   Mihails 

'i  Vuks  Vi>lk.slicilii.  IV.  IUI.,  .tun. 

2-,. 


Höh     Aiifwiirts  nach  UaCa  und  Sabac.    Zum  VukodraS.   Ucber  Trojanovgrad  nach  Ljcinica. 

Verlangen  hei  den  Orossinächlcn  erreichte,  ihr  Banner  noch  weiter  ditrt  wehen 
zu  lassen.  Der  Wall  wurde  ausj^ebessert,  der  ürabcn  vertieft  und  die  „ürenz- 
feste"  fortan  von  500  Nizams  unter  einem  BimbaSi  bewacht.  Die  La^e  der 
Garnison  war  nicht  angenehm.  Diu  Soldaten  durften  das  ungesunde  Fort  nur 
selten  verlassen,  ihre  Einkaufe  in  der  Stadt  nur  zu  zweien  besorj^en  und  f-'lucht- 
versuchc  kamen  häufig  vor.  Nicht  lan^  mehr  sollte  aber  das  alte  Türkenschloss  die 
FJitwickelunf^  der  aufstrebenden  Stadt  hindern.  Nachdem  seine  kleine  moslimische 
Zivilbevölkerung  es  im  September  18fi6  verlassen,  zo({  im  April  1867  auch  der 
letzte  Soldat  des  Sultans  aus  der  einstigen  Savafestc,  die  186U  trotz  ihrer  durch 
mittelalterliche  Karonaden  bewehrten,  verwahrlosten  4  Türme  und  Wälle  den 
Türken  so  wichlii^  erschien,  dass  der  Mudir  Mehenied  A^;a  mir  trotz  des  ihm 
vor).;ewieseneii  Bujurukiu  des  Belgrader  Paschas  Osman  ihre  Besichtij^unt^  unter 
lacherlichen  Vorwänden  verweif^erfe.  Dieser  treue  Hüter  des  Schlosses,  namentlich 
in  den  türkisch -serbischen  Wirren  von  1862,  war  allerdings  ausj^esprochenster 
Djaiirenfeind,  obschon  er  als  Waise  im  Hause  des  Popen  Luka  Lazarevic 
aufjfenommen  und  erzoj^en  worden  war,  nach  dem  Fall  von  Sabac  (1813)  aber 
den   Christenglauben  wieder  abgeschworen  iiattc. 

Icii  glaube,  dass  die  geschichtsreichen  Mauern  des  Sabacer  Schlosses  sich 
kaum  jemals  wieder  im  alten  Glänze  erheben  werden.  Die  Wälle,  welche  1788 
den  Kaiser  Josef  und  den  letzten  römisch-deutschen  Kaiser  als  Erzherzog  Franz 
gesehen,  traf  ich  genau  hundert  Jahre  später  im  September  1888  grösstenteils 
zerstört,  ihre  4  runden  fLcktürme  gespalten  und  die  KasemattenwöJbungen  frei- 
gelegt. Auf  dem  inneren  Glacis  stehen  ärarische  Magazine,  bewacht  von  einem 
Detacliement  der  Sabacer  Garnison.  Die  Stäbe  des  Brigadekommandos  und 
dreier  Bataillone  liegen  in  der  Stadt,  wo  1896:  5  Offiziere,  16  Chargen,  78  Soldaten 
und  31    Gendarmen  gezählt  wurden. 

Ungeachtet  aber  die  bewaffnete  Macht  Serbiens  ihre  Anhänglichkeit  und 
Treue  für  die  regierende  Dynastie  Obrenovic  bei  jedem  Anlass  bekundete,  glaubte 
Rade  Alavantic,  ein  im  Milanschen  Attentatsprozess  zu  schwerem  Kerker  ver- 
urteilter, durch  König  Ale.xander  aber  begnadigter  Karadjordjevicscher  Agitator, 
seinen  am  4.  März  1902  unternommenen  Putschversuch  auf  diese  bauen  zu  dürfen. 
Am  Frühmorgen  landete  er  in  serbischer  Gencralsuniform  mit  kleinem  Gefolge 
zu  Sabac,  forderte  die  F^anduren  der  nahen  Grenzkaraule  auf,  ihm  zum  Zollamt 
zu  folgen,  wo  er  die  Finanzwache  gleichfalls  bestimmte,  ihn  zur  Kreispräfektur 
zu  begleiten  und  die  Gendarmen  alarmieren  Hess.  Mehrere  verweigerten  jedoch 
dem  viele  revolutionäre  Aufrufe  mit  sich  führenden,  zum  Scheine  kommandierenden 
angeblichen  General  den  Gehorsam,  und  zwei  durch  ein  Fenster  Entkommene 
setzten  von  dem  Vorfall  ihren  Hauptmann  Tanasije  Nikolic  in  Kenntnis.  Dieser 
eilte  sofort  zur  Präfektur  und  fragte  A.,  wer  er  sei  und  was  er  wolle.  Anstatt 
zu  antworten,  feuerte  A.  einen  Revolver  auf  den  Hauptmann  ab.  Die  Kugel 
prallte  jedoch  an  einer  Ledertasche  ab,  worauf  Nikolic  feuerte  und  Alavantic  in 
die  Brust  und  in  den  Schenkel  traf.  A.  brach  zusammen  und  verschied  nach 
einiger  Zeit.  Hierauf  wurde  die  Gefolgschaft  entwaffnet  und  verhaftet.  Hauptmann 
Nikolic  avancierte  aussertourlich  zum  Major  und  erhielt  den  weissen  Adlerorden. 

*  ♦ 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.    Lieber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     357 

Wie  riesige  alte  Ailuvionen  zeigen,  setzte  die  ihr  Bett  wiederholt  ändernde 
Sava  zu  allen  Zeiten  der  Schiffahrt  bedeutende  Hindernisse  entgegen,  was  schon 
die  Römer  zur  Anlage  der  ihr  Gebiet  auf  beiden  Ufern  von  W.  nach  O.  durch- 
querenden Strassen  zur  rascheren  Verbindung  der  dort  angelegten  festen  Plätze 
führte.  Siscia,  Servitium,  Urbate  und  Marsonia  heissen  die  von  den  Itinerarien 
genannten  teilweise  festgestellten  grösseren  Römerstädte  auf  dem  rechten  Ufer 
von  Sisek  bis  Sabac  ')•  Ein  Ausflug  von  letzterem  nach  dem  die  Grenze  zwischen 
dem  Sabacer  und  Belgrader  Kreise  bildenden  Vukodras  verschaffte  mir  vollste 
Gewissheit,  dass  die  Römerstrasse  ohne  Unterbrechung  vom  Sabacer  Kastell 
östlich  fortzog,  was  mir  gestattete,  den  auf  Kieperts  Karte  von  Siscia  (Sissek) 
bis  gegenüber  Sirmium  (Mitrovica)  laufenden  antiken  Heerweg  vollbcgründct  bis 
Singidunum  (Belgrad)  zu  verlängern. 

Es  war  eine  ungemein  lohnende  interessante  Fahrt,  welche  ich  mit  dem 
Sabacer  Kreisphysikus  Spiridonovic  am  9.  Septembermorgen  1888  antrat.  Seine 
schwarzen  Pferdchen  flogen  an  den  langgestreckten  Magazinen  der  Gradska  ulica 
und  weithin  sich  ausdehnenden  grossen  Ziegeleien  vorüber.  Die  anfänglich  mit 
der  das  Sabacer  „Gradsko  polje"  durchschneidenden  trägen  Dunaca  parallel 
laufende  Strasse  führt  zunächst  auf  das  durch  ein  schlichtes  Kreuz  gekennzeichnete, 
106  m  hohe  „Misar-Plateau",  das  den  Türken  1806  so  verhängnisvoll  wurde 
(S.  354  f.).  Magarasevic-)  sah  1827  noch  die  im  Liede  gefeierten,  heldenmütig 
verteidigten  serbischen  Schanzen,  nun  sind  sie  bis  auf  geringe  Reste  ver- 
schwunden. Merkwürdigerweise  erzäiiit  der  sonst  aufmerksame  Reisende  nichts 
vom  nahen  Ohrider  Kirchlein.  Mit  feinstem  Naturverständnis  ist  auch  der  Punkt 
gewählt,  auf  dem  man  die  neue  Kirche  und  Schule  erbaute.  Traulich  versteckt 
unter  breiten  Eichenkronen  und  schlanken  Buchenwipfeln,  überragt  vom  hohen 
Turm  und  drei  Kuppeln,  erhebt  sich  das  1872  der  „Maria  Hinscheiden"  geweihte 
prächtige  Gotteshaus,  dessen  zwei  Pfarrer  für  das  Seelenheil  von  Gemeinden  mit 
zwölf  Ortschaften  und  weit  über  5000  Bewohnern  sorgen. 

Es  war  Sonntag.  Bei  einer  erfrischenden  Quelle  und  im  Schatten  hundert- 
jähriger herrlicher  Eichen  warteten  malerische  Pilgergruppen  des  Priesters. 
Endlich  erschien  er  auf  der  Schwelle  des  nahen  Popenhauses,  bekleidet  mit  dem 
Epitrachilion.  Vor  dem  Portal  reichte  er  einer  fieberkranken  Bäuerin  das  Evangelium 
zum  Kusse,  anderen  Patienten  las  er  Gebete.  „Bei  Gott,"  meinte  der  l'hysikus, 
„er  h.il  L'lne  einträglichere  Praxis  als  ich."  An  Festtagen  absolviert  der  Pope 
oft  40  Kranke,  und  jeder  hat  für  das  Gebet  die  Taxe  von  1  dinar  zu  bezahlen. 
Entgegen  dem  Gesetz,  das  die  Anlage  der  Friedhöfe  fern  von  den  Kirchen 
befiehlt,  wurde  im  Dezember  18H7  der  belieble  Pope  Jovan  Trifunovic  rechts 
vom  ClKir  begraben;  in;in  erwartete  eben  die  Kommission,  welche  strafweise  die 
1-I.\iuinialiiin  auf  Kosten  iles  Kirchenfonds  vornehmen  sollte.  Als  noch  heilt.ltiger 
wie  die  neue  Kirche  hält  das  Volk  das  erwähnte  alle  Ohrider  Kirchlein,  dessen 
kleine  offene  Vinhalle  zierlich  geschnitzte  Säulen  stützen.     Auch  hier  lagen  Kranke, 

')  CIL.  vol.  III,  Tab.  III. 

')  l'utovanje  po  Srbiji  ii.  1827  Uodirii.     Neue  Ausgabe,  LM. 


KäK     Aulwarts  n.-icli  Uuiü  und  Sabae.    /um  Vukddrai.   Ucbcr  Trojanuv|{rad  nach  Ljc&nica. 

darunlcr  ein  blcichsüchtiKCS  Mädchen.  Der  Pliysikus  erkannte  es.  „Ich  verordnete 
ihr,  nichtig  Fleisch  zu  essen,  der  Pope  drohte  aber  den  Ehern  mit  Cxkummunikation. 
und  so  fastet  sie  mit  diesen  nahezu  250  Tajie  im  Jahre!  Wie  soll  die  schlechte 
llrnilhrunK  einen  f^esunden  Menschenschlag  neben?  40",',,  der  [Rekruten  niuss 
icii  alljährlich  zurückstellen.  Hat  der  Bursche  nicht  bei  der  fünften  Abstellung 
den  vornesciiriclienen  Bruslunifann  von  80  cm  erreicht,  wird  er  als  dienstuntauglich 
erkUIrt.  Unser  Kampf  mit  der  Kirche  im  f-"aslenpunkt  ist  ein  vergeblicher.  Durch 
den  Parteizwist  ist  das  Ansehen  der  Beamten  —  wir  Kreisärzte  zählen  ja  auch 
zu  diesen  —  bei  den  Bauern  sehr  gesunken.  Sie  sind  nicht  mehr  gastfreundlich 
gegen  uns  und  schenken  uns  kein  Vertrauen!"  klagte  der  Physikus.  Dass  es 
nicht  ganz  so  schlimm,  bewies  ein  Mann,  der  mit  seinem  kranken  Kinde  uns  von 
Sabac  nachgeeilt  war  und  den  Arzt  um  Hilfe  bat.  Der  betrübte  Landmann  zahlte 
gleich  die  gesetzliche  Ordinationstaxe  mit  1  Frank  voraus  und  erhielt  dafür 
Chinin  verschrieben.  „Bei  den  namentlich  in  der  Macva  stark  grassierenden 
Fiebern  ist  es  ein  Glück,"  meinte  der  Doktor,  „dass  jetzt  Chinin  per  Gramm  mit 
25  Cent,  gegen  früher  mit   1    Frank  ta.xiert  ist." 

Hinter  Ohrid  erschienen  viele  Gemüsegärten  mit  trefflichen  Bewässerungs- 
werken. Wie  im  ganzen  europäischen  Orient,  waren  auch  hier  Bulgaren  dfe 
Lehrmeister;  heute  aber  gibt  es  nur  wenige  mehr  an  der  Sava.  Der  Sabacer 
Landwirtschaftliche  Verein  tat  hier  viel  zur  Verbesserung  des  Obstbaues;  ebenso 
der  „Reiterbund"  für  liehung  des  Pferde-  und  Rinderschlags.  Am  Wege  sah 
ich  auffallend  viel  einzelne  Grabsteine  —  und  Wirtshäuser.  Ihre  Sonntagsmusse 
nutzten  die  Bauern  zur  vorgeschriebenen  Anschüttung  der  Strasse.  Der  in  Fässern 
und  Körben  zugeführte  Flussschotter  bestand  aber  mehr  aus  Sand  als  Steinen, 
was  der  uns  begleitende  Kreisingenieur  scharf  rügte.  Leider  sind  die  Bezirks- 
hauptleute gegen  die  Dorfkmeten  ihrer  politischen  Partei  nachsichtig,  und  diese 
es  wieder  bei  der  Aufteilung  des  „Kuluk"  (Naturalarbeit)  gegen  einflussreichere 
Bauern.  Der  Staat  wird  i\^n  Kuluk  in  eine  Steuer  umwandeln  und  dann  die 
Strassenerhaltung  in  eigene  Regie  nehmen  müssen. 

Nach  den  Mitteilungen  von  Magarasevic  und  Vuk  sollten  sich  bei  dem 
16  km  von  Misar  entfernten  Debrc  „alte  Mauern"  befinden.  Wir  nahmen  einen 
Ortsinsassen  auf  den  Kutschbock  und  fuhren  auf  labyrinthartigen  Wegen  durch 
einen  ehemaligen  Gemeindewald,  den  die  „Steuerköpfe"  in  aller  Stille  unter 
sich  aufgeteilt  hatten.  Die  Behörde  liess  es  ruhig  geschehen,  denn  der  Wald 
wird  als  Privateigentum  mehr  geschont,  als  wenn  er  allen  gehört.  In  der 
„ob§tinska  suma"  fällt  jeder  geldbedürftige  Bauer  soviel  er  fortschaffen  kann; 
wird  er  dabei  betreten,  so  entschuldigt  er  sich:  „osekao  sam  samo  granu!" 
(ich  habe  nur  Aste  abgeschnitten).  Die  meisten  Parzellen  waren  bereits  mit 
Gräben  und  Zäunen  umhegt,  doch  wenige  der  herrlichen  Eichen  erfreuten  sich 
mehr  voller  Kronenpracht. 

Aus  kühlem  Waldesschatten  traten  wir  südlich  von  Malo  Duboko  hinaus 
auf  das  grell  beleuchtete,  baumkahle,  von  der  Hochflut  stark  benagte  Savaufer. 
Aufmerksam  durchforschte  ich  die  tief  ins  Land  ziehenden  Querrisse  des  „malo 
duboko  potok".  an  dem  die  V'olkstradition  eine  griechische  Prinzessin  auf  festem 


Aufwärts  nach  Kaca  und  Sabat.    Zum  Vukodras.   Ueber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     359 

Schlosse  residieren  lässt,  Vuk  aber  des  Kraij  Dragutins  Burg  „Dabrac"  vermulele '), 
deren  Name  in  dem  des  heutigen  Debrc  ankhngt.  Stand  sie  wirklich  hier,  dann 
sind  ihre  Mauern  durch  Brand  und  Spaten  bis  auf  die  letzte  Spur  verschwunden. 
Ich  fand  im  Bereich  des  „graduzine"  nur  Schlacken,  Ziegel  und  auffallend  viele 
recente  Topfscherben,  welche  wahrscheinlich  von  einer  hier  bestandenen  keramischen 
Werkstätte  stammen.  Erst  als  ich,  durch  geradlinig  auftretende  Distelhecken 
aufmerksam  gemacht,  hart  am  von  Cichorien  ganz  blau  gefärbten  Savaufer  seinen 
von  den  Hochfluten  stark  benagten  Steilabsturz  genauer  untersuchte,  stiess  ich 
auf  die  Reste  eines  antiken  Kastells,  dessen  grösserer  Teil  mit  dem  abgerissenen 
Alluvium  in  die  Tiefe  stürzte  und  für  immer  im  Savabett  begraben  liegt. 

Auf  einem  östlichen  Nebenweg  wieder  die  Strasse  gewinnend,  legten  wir, 
den  linksuferigen  „Kupinski  kut"  umfahrend  und  die  leuchtende  Sava  stets  im 
Auge  behaltend,   H)  km  bis  Usce  zurück.     Ijne  neue  Brücke  mit  kühnem  Bogen 


An  t.rom. 


UäÖE,   Romisfhc  NictlfrUissiiiiK. 

Überspannt  dort  den  starken  V'ukodraS.  Als  man  während  ihres  Baues,  im  Sommer 
1882,  am  linken  Bachufer  sehr  tief  viel  Erde  zur  Anschüttung  der  Strassenbahn 
aushob,  kam  eine  feste,  1,5  m  breite  Mauer  zum  Vorschein,  die  später  auf  II  m 
Länge  und  2,5  m  Höhe  freigelegt  wurde.  Nach  längerer  sorgfältiger  Untersuchung 
des  Terrains  fand  icii,  ilass  die  Mauer  dein  Unterbau  eines  antiken  quadratischen 
Kastells  mit  130  m  langen  Eronten  und  vier  runden  Ecktürnien  angehörte,  dessen 
norilöslIielK'ii  Teil  ich  am  steilen  Savauferrand  festzustellen  vermochte.  In  der 
Mitte  lies  aufgedeckten  Ostfrontstückes  springt  eine  llurizontallage  sorgsam 
behauener,  90  cm  langer.  25  cm  hoher  Quadern  karniesartig  vor,  was  mich 
annehmen  lässt,  dass  es  als  Widerlager  des  Kastellbrückenhogens  über  den  zur 
Römerzeit  etwas  westlicher  fliessenden  VukodraS  diente.  Das  verwendete  ausscr- 
(nilfnllicii  v\'ulrisi.iiulsi.iliiL;r  .W.iiriial  ^ll.•lll  beim  südwestlichen  Jazovnik  an. 
Da  auch  ;mi  reclitsseiligeii  Haihufer,  auf  der  grossen  hlbene  im  ().  von  UJce, 
ausgedehnte,  in  reclilen  Winkeln  sich  kreu/eniie  Substruktionen  sichtbar  sind, 
spricht  alles  dafür,  dass  die  Rruner  hier  eine  von  ihrer  Savastrassc  durchschnillenc. 


')  kjcciiik,   111. 


HfiO     Atifwiirts  nach  Rata  und  Sabac.    Zum  Vukodrai.   Ucbcr  Trojanovgrad  nach  Ljc&nica. 

bisher  unbekannte  Niederlassung  besassen.  In  den  Völkerstürmen  zerstört,  entstand 
wahrscheiiilicli  auf  ihren  Resten  jene  mittelalterliche,  bei  welcher  Serben  und 
Mat^yaren  im  14.  Jahrlunidert  um  die  Herrschaft  (iber  das  gesej^nete  Husava- 
Tamnavayebiet  kämpften.  1804  befand  sich  hier  eine  Schanze  und  nahe  bei  dem 
nur  5  km  sUtlliclRTLii  ßeljiii  das  erste  j^rössere  Lajjer  der  aufständischen  Rajah, 
die    1806  dort  mit  den  Türken   blutig  stritten. 

Wir  fuhren  über  den  „langen  Acker",  auf  dem  der  gefallene  Held  Janku 
Katiö  gebettet  wurde,  nach  dem  gleichfalls  verschanzt  gewesenen  Kr  nid,  wo  ich, 
nach  angeblichen  alten  Mauern  forschend,  nur  einige  Ziegelstücke  auf  dem 
Maisfclde  des  Sretko  Krstic  fand.  Die  Reste  einer  zweiten,  12  km  südwestlich 
von  der  Vukodrasmündung  liegenden,  römischen  Ansiedelung  konstatierte  ich  am 
Pctkovac.  In  seinem  ebenso  fruchtbaren,  wie  landschaftlich  schönen  Einschnitt 
fand  ich  ein  über  die  östliche  Höhe  von  Vlasanica  von  0.  nach  W.  sich 
dehnendes  antikes  Ruinenfeld  von  etwa  300  Schritten  Länge.  Milovan  Jokic^ 
der  Eigentümer  eines  Teiles  der  Grundfläche,  zeigte  mir  Kaisermünzen  und  ein 
mit  der  Toga  bekleidetes  Bronzefigürchcn,  die  er  beim  Ackern  gefunden.  Ich 
selbst  hob  nahe  am  trefflichen  Quellbrunnen  grosse  quadratische  Ziegel  mit 
unkenntlich  gewordenen  Stempeln  aus  dem  allerorts  mit  Fragmenten  von  Deck- 
platten, keramischen  Gelassen  usw.  übersäten  Boden.  Auch  westlich  von  diesem 
und  gegenüber  von  Sirmium  gibt  es  antike  Reste  am  serbischen  Savaufer  bei 
Sabac,  Debrc,  U§ce  und  Vlasanica,  welche  zeigen,  dass  seine  Römerstrasse  stark 
befestigt  war  und  in  kurzen  Intervallen  ausgedehnte,  wohlhabende  Orte  berührte. 
Solche  gab  es  aber  auch  sicher  an  ihrer  östlichen  Fortsetzung  von  U§ce  gegen 
Singiduinini-Belgrad.  Ausser  bei  dem  mehrmals  erwähnten  2elesnik  dürften  nament- 
lich an  der  Knlubarainündung,  bei  Unika  und  anderen  Punkten,  wo  mir  „alte 
Mauern"  signalisiert  wurden,  grössere  antike  Niederlassungen  gefunden  werden.  Die 
vorstehend  zum  erstenmal  nachgewiesene  Romerstrasse  auf  dem  rechten  Savaufer 
steht  somit  ausser  Frage.  —  Heller  Sternenglanz  leuchtete  uns  zur  Rückkehr. 
Zufrieden  mit  ilen  erlangten  Resultaten,  traf   ich   um   Mitternacht   in  Sabac  ein. 


Als  ich  im  Sommer  1860  Sabac  zum  erstenmal  besuchte,  hörte  ich,  dass 
der  Schauplatz  des  in  der  AAacva  stark  verbreiteten  „Trojanmärchens"  unfern  der 
Stadt  liege.  So  schlug  icii  dem  damaligen  Kreisingenieur  Gavrilo  Vitkovic  einen 
Ausflug  nach  Trojanovgrad  vor.  Die  SW.  haltende  Strasse  durch  die  im  Sommer 
ausgetrocknete  Pocerinaebene  berührt  zuerst  Jevremovac,  dessen  älterer  Name 
Muselini,  das  Dorf  des  Muselin,  bedeutet.  Östlich  blieb  Vranjska,  der 
Geburtsort  des  tapferen  Führers  Milos  Stojicevic  Pocerac,  der  sich  in  den  ersten 
Befreiungskämpfen  rühmlich  auszeichnete.  In  den  Klöstern  —  erzählt  Vuk  — 
lernte  er  etwas  lesen  und  schreiben.  Seine  als  Kundschafter  bewährte  Schlauheit 
erwarb  ihm  Karadjordjes  Gunst.  Nachdem  er  sich  mit  600  Mann  an  der  Schlacht 
am  Misar  beteiligt,  erhielt  er  den  Befehl,  den  flüchtenden  Türken  den  Rückzug 
durch    den    Kitoger  Wald    abzuschneiden.      Es    gelang    vollständig.      Nach    drei 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.   lieber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     361 

Tagen  kehrte  er  zurück  auf  dem  Pferde  und  mit  dem  Säbel  des  am  A\isar 
gebliebenen  Kulin  Kapetan.  Die  Familie  des  letzteren  wollte  die  Waffe,  auf 
weiche  der  suitanliche  Berat  (Lehensbrief)  eingeätzt  war,  mit  Gold  aufwiegen. 
Miloä  P.  forderte  aber  für  den  Säbel  die  Freilassung  sämtlicher  aus  dem  Sabacer 
Kreise  fortgeschleppten  Gefangenen.  Da  diese  meist  als  Sklaven  nach  fremdem 
Lande  verkauft  waren,  verblieb  Kulins  Säbel  im  Besitz  Milo§'.  1807  —  1810 
kämpfte  er  ruhmvoll  an  der  Drina.  Seinen  Zweikampf  mit  Meho  Orugdjic  bei 
dem  bosnischen  Bjelina  verherrlicht  ein  prächtiges  Volkslied  (IV.  Bd.  der  Vukschen 
Sammlung).  1811,  bei  einem  Scharmützel  mit  dem  über  die  Drina  eingebrochenen 
Heiducken  Prelo,  wurde  Milos  erschossen  und  später  zu  Dobric  am  gleichnamigen 
Bache,  im  W.  von  unserer  Strasse,  begraben.  Als  die  Türken  1813  die  Kirche  dort 
verbrannten,  barst  die  Grabplatte,  nur  die  Jahreszahl  1811  ist  erkennbar.  Nebenan 
befindet  sich  das  Grab  des  1830  gestorbenen  Miloischen  Privathenkers  Marko 
Stitarac,  dessen  Seele  viele  politische  Morde  belasten;  er  war  gleichfalls  in  der 
Pocerina  im  östlichen  nahen  Stitar  geboren. 

Unsere  Strasse  kreuzte  die  Dumaca  bei  Varna,  wo  sich  die  Serben  1804 
verschanzten,  dann  ging  es  lange  über  Hügelland,  dessen  prächtige  Buchen-  und 
Eichenwälder  uns  wohltuend  vor  der  brennenden  Sonne  schützten.  2  km  östlich 
liegt  an  der  vom  Cer  abfliessenden  Dobrava  Nakucani,  der  Geburtsort  des 
1876  vielgenannten,  das  Drinakorps  befehligenden  Generals  Ranko  Alimpic.  Noch 
bei  Lebzeiten  spendete  er  dem  Orte,  wo  er  seine  Jugend  verlebte,  eine  wertvolle 
Glocke  für  den  Kirchturm,  und  nach  seinem  Tode  liess  seine  ihn  abgöttisch 
verehrende  Gattin  Mileva  eine  nahe  der  Kirche  und  Schule  entspringende  Quelle 
mit  einem  Aufwand  von  300  Dukaten  in  einen  architektonisch  zierlichen,  „Ranko- 
vac"  genannten  Brunnen  fassen,  der  seit  1886  die  grösste  Zierde  des  hübschen 
Dorfes  bildet.  Weiter  fesselten  wiederholt  fremdartige  Grabsteine  unsere  Auf- 
merksamkeit, darunter  ein  neuerer,  dem  Andenken  eines  in  Belgrad  begrabenen 
Soldaten  gewidmet. 

Da  wir  schon  längst  am  Ziele  sein  sollten,  überkam  mich  der  Gedanke, 
dass  die  Existenz  des  romantischen  Trojanovgrad  selbst  sagenhaft  sei.  Ein 
vorbeireitender  Bauer  löste  alle  Zweifel;  wir  hatten  einfach  den  Weg  verfehlt. 
Der  gemütliche  Alte  wies  nach  dem  hohen  Cer,  wandte  sein  Pferd  und  brachte 
uns,  neben  dem  Wagen  galoppierend,  an  den  Fuss  des  Berges.  Dort  nahmen  wir 
unsere  Gewehre  und  folgten  dem  Führer  durch  Dickicht,  Felsblöcke,  gestürzte 
Stämme  und  Geschiebe  aller  Art.  Nahe  einer  prächtigen  Quelle  gelangten  wir 
endlich  an  die  ersten  Mauern.  Stark  ermüdet  machten  wir  Halt,  und  begierig, 
die  Trojansage  zu  hören,  wie  sie  im  Volksmund  lebt,  baten  wir  den  Alten,  sie 
zu  erzählen.  Er  sann  ein  wenig  nach  und  begann:  „Vor  Jahrhunderten  haben  die 
Lateiner  dieses  Land  besessen;  zu  jener  Zeit  residierte  oben  auf  dem  Schlosse 
ihr  Zar  Trojan.  Es  war  ein  mächtiger  Herr  und  herrschte  auch  über  das 
Schwabenland.  Über  der  Sava  in  Mitrovica  halte  er  sein  Liebchen,  welches  er 
täglich  besuchte      Ihr  wisst,   es  ist  weit   dahin,   für   ihn   war  es  aber  leicht,  denn 

')  Daniel,   IHJH,  S.   17'Jff. 


Hl)2     Aufwärts  nach  Rata  und  Sabac.    Zum  Vukddraft.    Ucbcr  1'rojanovgrad  nach  Ljcfinica. 

CT  liattc  Flüfifl  und  drei  Köpfe.  Doch  einmal  überraschten  ihn  seine  Feinde  bei 
seinem  Mlldclien,  verrammeilen  am  FrUhmorKcn  die  Tür  ihres  Gemachs  und 
iiffneteii  sie  erst  neuen  MittaK.  Dies  bekam  Zar  Trttjan  schlecht.  Als  er  eili^jst 
nach  seiner  ßiir^  zurückflieneM  wollte,  schmolzen  die  wächsernen  Flügel  in  der 
Sonnenkult,  und  er  ging  jämmerlich  zugrunde."  —  Nach  einer  Variante  besass 
Trojan  drei  Kdpfe,  der  eine  frass  nur  Menschen,  der  zweite  Kinder,  der  dritte 
Fische.  Vor  der  ihm  gefährlichen  aufgehenden  Sonne  flüchtend,  wurde  er  beim 
heutigen  Glu§ac  (von  ogluveo)  taub,  seine  Sohlen  (labani)  verlor  er  bei 
Tabanoviö,  den  Stock  (ätit)  Hess  er  bei  Stitar  fallen,  blind  (siep)  wurde  er 
bei  Siepfevic  und  gänzlich  zugrunde  ging  er  in  Desit.  —  Diese  5  Orte  liegen 
in  kurzen  Abständen  und  etwas  gekrümmter  Linie  zwischen  Milrovica  und 
Trojanovgrad. 

Der  früher  so  lebhafte  Alte  wurde  während  des  Erzählens  auffallend  ernst, 
und  es  schien,  dass  er  die  Wahrheit  der  Fabel  nicht  entfernt  bezweifelte.  Auf- 
fällig bleibt  es,  dass  diese  einfachen  Serben  trotz  des  langen  Zeitraumes  zwischen 
der  Rünierherrschaft  an  der  Sava  und  der  dortigen  Niederlassung  ihrer  Ahnen  die 
Ikarussage  gerade  an  Mitrovica,  an  die  einstige  römisch-sirmische  Hauptstadt 
und  an  Kaiser  Trajan  knüpfen,  welcher  dieselbe  während  seines  ersten  dacischen 
Feidzugs  im  Frühjahr  101  besuchte,  dort  die  für  den  Krieg  getroffenen  Vorkehrungen 
inspizierte ')  und  wahrscheinlich  auch  das  seitdem  seinen  Namen  tragende,  hoch- 
liegende Castruni  unter  dem  707  m  hohen,  granitnen  Cergipfel  erstieg,  um  das 
von  dort  weit  übersehbare  Umland  zu  rekognoszieren.  Gedanken  darüber 
tauschend,  erreichten  wir,  stetig  aufwärts  kletternd,  endlich  ein  kleines  Plateau 
mit  wirr  durcheinander  laufenden  Mauern  und  einem  weitläufigen  Steinchaos,  das 
zwischen  hundertjährigen  Baumriesen  und  jungem  Grün  ein  turmartiger  Pylon  iji 
625  m  Höhe  abschloss. 

Nach  allem,  was  ich  gehört,  hatte  ich  mehr  zu  sehen  gehofft  und  war 
unbefriedigt,  als  mein  emsiges  Suchen  nach  gestempelten  Ziegeln,  Architektur- 
resten usw.  erfolglos  blieb.  Das  Mauerwerk  verriet,  dass  wir  uns  innerhalb  einer 
wiederholt  umgebauten  Burg  befanden,  deren  antike  Grundfeste  tief  im  Boden 
stecken  mochte.  Der  Oberbau  gehörte  wahrscheinlich  jenem  „Destinikon"  (Desnica) 
an,  das  schon  Konstantin  Porphyrogenetos  und  neuere  Historiker  bei  Desic  suchten, 
obschon  ersterem  das  nahe,  feste  Trojanovgrad  gewiss  unbekannt  war,  weil  er 
sonst  Destinikon  mit  diesem  identifiziert  hätte-).  Zu  Desnica  residierte  der 
„Veliki  ^upan"  als  höchster  aller  serbischen  Gaufürsten.  Hier  schlug  Peter, 
Gojniks  Sohn,  welcher  den  Erben  Muntimirs  die  rechtmässige  Herrschaft  geraubt, 
das  durcJi  seinen  Vetter  Klonimir  gegen  ihn  geführte  Heer  (897);  er  regierte 
hierauf  20  Jahre  in  Frieden,  w'urde  aber  in  einem  Kriege  mit  den  Bulgaren 
verräterisch  getötet.  Als  Zar  Symeon  im  Kampfe  mit  den  Griechen  um  die 
.Aileiniierrscliaft  924  ganz  Serbien  in  eine  Wüste  verwandelte,  mochte  auch  Desnica 


'i  Die   berülimte   Trajansäule    zu   Rom    illustriert   diese  sehr   anschaulich.     S.  Bartoli, 
No.   151  —  157. 

")  JireCek  glaubt,  dass  es  in  der  L'mgetiung  des  heutigen  Senica  lag. 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.    Ucbcr  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.      363 

Stark  gelitten  haben.  Ceslav  erneuerte  934  das  Reich  und  mit  diesem  wahr- 
scheinhch  den  alten  Grosszupaner  Sitz,  da  Konstantin  Porphyrogenetos  (949) 
Desnica  unter  den  sechs  erwähnten  Städten  nennt,  das  in  einer  Urkunde  des 
Kaisers  Sigismund  von    1426  als   „Thysnica"   erscheint. 

Auf  Trojanovgrad  residierte  auch  wahrscheinlich  einige  Zeit  Zar  Lazars 
berühmter  Schwiegersohn,  der  vielbesungene  Milos  Obilic.  Etwa  270  m  unter 
der  Ruine  und  nördlich  einer  seinen  Namen  tragenden  Quelle  sieht  man  die 
Mauern  der  „Miloseva  Konjusnice"  (Pferdeställe).     Vom  dortigen  angeblichen 


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Ci- rlicilic,   kiiinc  vum  TrojanovRrad. 


(jrai)L'  seiner  Schwester  wird  erzählt,  als  sie  im  Kelde  jätete,  schleuderte  Miloä 
seine  Keule  nach  ihr.  weil  er  sie  irrtümlich  für  eine  Hirschkuh  hielt  (!).  Als 
Milo.s  mit  nur  schwachem  lleerhami  auf  dem  Kosovofekl  erschien,  wo  1389 
Serbiens  (ieschicke  sich  enlsclieiilen  sollleii,  frug  ihn  l.azar;  „Wo  sind  Deine 
Krieger   aus   iler   MacvaV"  ..IKii,    sie    bliehen    /u   ll.iuse,    um    zu    ackern    und 

zu  säen!"  Da  rief  der  erzürnte  /ar:   „Mögen  sie  ackern,  aber  Gott  wolle,  dass 

ihnen  nichts  bleibe  als  Dornen  und  dass  die  Türken  ernten,  was  sie  säen!" 
Dieser  l'luch  ging  leider  buchstäblich  in  r.rfüllung.  Trugen  die  MaCvaer  wirklich 
mit  Schuld  ;iin  unglücklichen  Ausgang  iler  Amselfeldschlacht,  so  büsstcii  sie 
ilafiir  lange  jahrluinderte,  und  es  war  noch  ihre  geringste  Strafe,  dass  sie  säten 
und  der  Türke  erntete.  Zu  Heginn  des  vorigen  Jahrhunderts  haben  die  Macvaer 
aber,   wie   ich   erzählte   und    noch   zeigen  werde,   die  Schuld  ihrer  Vorfahren   mit 


;^<»4     Aiifwiirts  nach  Rata  und  Sabac.    Zum  Vukodra*.   Ucbcr  Trojanovgrad  nach  Ljc&nica. 

iliriiii  hliitc  f^csühnt!  Die  Ik-vOlkcrunK  des  Ccrgtbietcs  kennt  noch  viele  andere 
Saj^cn  von  dem  „Helden  der  Pocerina",  dessen  Opfertod  auf  Kosovo  seine  Muller 
am  vom  Trojanov^rad  siciitharen  Neiajbach  auf  einem  Felde  erfuhr,  das  fortan 
„Pusto  poljc"   (verödetes  Peld)  hiess '). 

Stimmt  auch  die  mit  Kosovo  in  Verbindung  ){ebrachte  Saj^e  nicht  mit  jener 
anderen  überein,  welche  MiloS  von  dem  üolubacer  DvoriSte  an  der  Donau  in 
die  Schlacht  ziehen  liisst  (S.  194),  so  ist  doch  anzunehmen,  dass  er  frtihcr  als 
Statthalter  Knez  Lazars  auf  der  Cerburg  residierte.  Trojanovj;rads  das  (janze 
Umland  beherrschende  Lage  eignet  es  ganz  besonders  zu  einem  Herrensitz. 
Von  seinen  Zinnen  blickte  man  weit  hinaus  in  die  „MaC'va",  in  das  Banatus 
Machoviensis,  dessen  Grenzen  um  1320  St.  Novakovic  zwischen  der  Sava,  Kolu- 
bara,  Drina  und  dem  Cer  festzustellen  suchte*),  auch  über  die  Sava  und  in  den 
altserbischen  Gau  „Scmberija"  auf  beiden  Ufern  der  Drina.  Der  fern  aufleuchtende 
weisse  Kirchturm  von  Sabac  erleichterte  mir  die  Orientierung  im  weiten  Plane, 
von  dessen  feudalen  Burgen  viele  Reste  erhalten  blieben. 

östlich,  am  kristallinischen  Fusse  des  Cers,  steht  am  Dobrava-Ursprung  bei 
Krivaja  eine  stark  verfallene  mittelalterliche  Ruine.  Im  NW.  liegt  Badovinci, 
wo  General  Alimpic  sein  Gros  1876  zur  Eroberung  der  bosnischen  Sladt  Beljina 
über  die  breite  Drina  führte  und  der  „Drache  von  Nocaja"  (S.  221)  den  Türken 
verräterisch  ausgeliefert  wurde.  Der  Grossvater  dieses  in  den  serbischen  Volks- 
liedern verherrlichten  tapferen  Stojan  Cupic  war  vom  herzegowinischen  Piva  nach 
Ali  Agin  Salas  (heute  Salas  crnobarski)  übersiedelt;  drei  Enkelkinder  folgten 
nach.  [)lt  kinderlose  reiche  Strahinja  Cupic  aus  dem  nördlicheren  Sala§  Nocaiski 
fand  an  dem  kleinen  Stojan  Gefallen,  adoptierte  ihn  und  gab  ihm  seinen  Namen. 
Die  ungewöhnliche  Tapferkeit,  welche  Stojan  am  Misar  bewies,  stempelte  ihn  im 
Volkslied  zum  „Drachen  von  Nocaja".  Nach  dem  Unglücksjahr  1813,  in  dem 
er  bei  Ravnje  von  den  Türken  so  geschlagen  wurde,  dass  er  seine  Kanonen  im 
Stich  liess  und  nur  mit  einigen  Gefährten  das  nackte  Leben  rettete,  hielt  er  sich 
in  den  Wäldern  der  Macva  versteckt.  1815  zählte  er  zu  den  ersten,  welche 
Milo§'  Ruf  folgten.  Gemeinsam  zersprengten  sie  die  Türken  bei  Valjevo,  hierauf 
zog  Cupic  aus,  die  Macva  zu  insurgieren;  ihre  Bewohner  fürchteten  jedoch  neue 
Kämpfe  mit  den  Bosniaken,  sie  wollten  Ruhe,  wenn  auch  unter  türkischer  Herr- 
schaft, und  schickten  die  Botschaft  an  Marjas  Pascha,  sie  wollten  ihm  den  Rebellen 
Cupic  ausliefern.  Letzterem  sagten  sie  aber  ihren  Anschluss  am  Aufstand  zu 
und  überredeten  ihn,  mit  nach  Badovinci  zu  ziehen,  wo  sie  von  einem  einver- 
standenen Bosniaken  eingeschmuggelte  Munition  übernehmen  wollten.  Arglos 
ging  Cupic  mit  einigen  Knieten  am  bestimmten  Tag  zur  Drina;  dort  brach  aber 
bei  seinem  Erscheinen  .Warjas  Pascha  mit  vielen  Türken  aus  einem  Hinterhalt 
hervor,  bemächtigte  sich  des  gefürchteten  Partisans,  der  nach  Zvornik  geschleppt, 
dort  eingekerkert  und  erwürgt  wurde.  So  schmählich  endete  der  „Drache  von 
Nocaja"!  Ein  viel  verbreitetes  Volkslied:  „Hvala  Cupicova",  beklagt  den  Verrat 
des  geopferten  Patrioten. 


■)  Viik,  Üaiiica,  49  ff.  1827.     RjeCnik,  113,  349.  -  ')  Glasnik,  48.  Bd.,  117. 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  VukodraS.   Ueber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.      367 

Auch  bei  Dubijc  kämpften  die  Serben  1813  unglücklich.  Hier  fiel  Sima 
Nenadovic  im  Entscheidungskampf  1815.  Beim  Sturm  wurde  der  tapfere  Rudniker 
Wojwode  Milic  Drincic  tödlich  in  liie  Brust  getroffen,  doch  verheimlichte  er  dies 
seinen  Leuten.  An  einen  Baum  sich  lehnend,  als  wollte  er  an  seinem  Riemenzeug 
etwas  ordnen,  rief  er:  „Geht  vorwärts,  AAomken!"  Als  man  nach  ihm  sah,  lag  er 
entseelt  am  Boden!  Miloä  nahm  den  türkischen  Anführer  Ibrahim  Marjas  Pascha 
gefangen,  entliess  ihn  aber  später  reich  beschenkt,  ein  Vorgang,  der  sich  bei 
anderer  Gelegenheit  wiederholte.  Der  schlaue  Emporkömmling  versäumte  keinen 
Anlass,  um  sich  durch  scheinbare  Grossmut  die  Neigung  der  Türken  zu  erwerben. 
Von  unserer  hohen  Warte  sieht  man  den  das  „Kosanin  grad"  tragenden, 
706  m  erreichenden  Gipfel  des  Cergebirges,  an  dessen  Fuss  sich  das  uralte, 
1799  renovierte  Erzengel  MihaiJ-Kloster  Radovaänica  in  waldiger  Engschlucht 
eingenistet  hatte.  Sein  einziger  Mönch  hat  schwere  Arbeit,  denn  die  Seelsorge 
für  das  gleichnamige  Dorf  und  vier  andere  ruht  auf  ihm  und  einem  Pfarrer. 
Wohl  hat  es  auch  Einkünfte  von  1300  d  jährlich,  6400  d  Kapital,  dann  131  Hektar 
Felder  und  Gärten,  66  Hektar  Wiesen,  1 1  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  90  Hektar 
guten,  auch  2980  Hektar  uneingehegten  Wald  usw. 

Der  Abend  war  angebrochen.  Ungern  verliessen  wir  den  günstigen  Aus- 
sichtspunkt, um  unsere  Nachtstation  Desic  zu  erreichen.  Zu  Dvoriste  verab- 
schiedeten wir  uns  von  dem  freundlichen  Alten;  schon  früher  gestattete  er  mir, 
ihn  abzuschreiben.  So  zeichnete  ich  ihn,  wie  er  auf  Trojanovgrad  der  Familie 
Ncdic  (S.  365)  das  Märchen  von  dem  lateinischen  Zaren  mit  wächsernen  Flügeln 
erzählt.  Ganz  abgesehen  von  den  Fährlichkeiten  des  Weges  gestaltete  sich  die 
Fahrt  nach  Desic,  an  den  „Macarske  grobovi"  vorüber,  höchst  romantisch, 
denn  unverhofft  fanden  wir  Gelegenheit,  das  nächtliche  Treiben  wandernder 
Zigeuner  zu  belauschen,  die  hart  am  Wege,  auf  einer  Hochebene,  ihre  Zelte 
aufgeschlagen  hatten.  Schon  ferne  vernahmen  wir  wüsten  Musiklärm,  aus  dem 
die  lautLMi  Töne  eines  Tambourins  sich  lösten,  manchmal  versuchte  auch  der 
schrille  Klang  einer  hochgegriffenen  Violinsaile  oder  Flöte  durchzudringen.  Näher 
gekommen,  sahen  wir  bei  der  Helle  eines  riesigen  Lagerfeuers  ein  Bacchanal, 
wie  es  selbst  llollcnbreugels  ausschweifende  Phantasie  kaum  bunter  hätte  erfinden 
können.  Alt  und  jung,  ganz  oder  halb  nackt;  Weiber,  Kinder,  Männer,  aus  kurzen 
Pfeifen  qualmend,  drehten  sich  in  wunderlichsten  Sprüngen  und  Tanzfiguren  im 
Kreise,  dessen  Mittelpunkt  das  angedeutete  musikalische  Terzett  einnahm.  Die 
über  den  .i;rell  iieieuihtelcn  Wiesengrund  stürmenden  blauschwarzcn  Schatten 
rivalisierten  mit  ihren  lebenden  Eignern.  Lang  gestreckt,  mit  dämonischer 
Sclinelligkeit,  kamen  sie  iniiner  iiälicr,  als  gedächten  sie  auch  uns  mit  ihren 
gespenstisch  ausgreiiendin   Arnieii   in  das  wirre  Treiben  hineinzuziehen. 

Das  Rdlkn  unseres  Wagens  brachte  die  vierbeinigen  wachsamen  Genossen 
des  nächtlichen  Spuks  in  Bewegung.  Auf  ihren  lauten  Anschlag  siiib  der  ganze 
Hexensabbat  auseinander,  und  nun  hatten  wir  den  Sturm  der  auf  uns  eindringenden 
Bande  aiis/uhalten.  Lachend,  schreiend,  weinend,  heulend,  mit  stummer,  bittender 
l'antoininie  an  den  Wagen  geklammert  oder  neben  diesem  im  Laufe  possierlichste 
l'ur/elb.iinne  sihlagend,  verfolgte  uns  luiter  dem  wülenden  Gebell  der  wolfsarligen 


3(i8     Aiifw.'irts  n.icli  Uaia  und  §abac.    Zum  VukodraA.   Uebcr  Trojanov^rad  nach  Lje&nica. 

Iluiidu  die  lialbnacktc  phantastische  Schar,  trst  mit  Aufopferung  unseres  ganzen 
Vorrates  an  kleiner  Münze  gelang  es  endlich,  des  lästigen  Geleites  los  zu  werden. 
Das  nächlliche  Abenteuer  hielt  uns  auf;  erst  spät  kamen  wir  zum  Hof  des  Kmelen 
von  [Jesi(^,  dessen  Gastfreundschaft  wir  in  Anspruch  zu  nehmen  gedachten. 

Die  Nacht  ist  nicht  die  l'reundin  des  Serben,  er  liebt  es,  zeitig  zu  Bett  zu 
gehen  und  mit  dem  ersten  Hahnenruf  aufzustehen.  An  jenem  zweiten  Pfingsttag 
war  jedoch  diu  Knietenfamilie  länger  im  Hause  des  Slarcäina  (Allesten)  versammelt 
geblieben,  und  auf  unseren  Anruf:  „O!  probatime!"  (O!  Bundesbruder!),  der 
gewöhnliche  Anruf  in  Serbien,  wenn  man  fremden  Beistand  erbittet,  ertOntc  bald  das 
fragende  „Koje?"  (Wer  ist's?).  Nach  kurzem  Parlamentieren  fiel  der  Querbalken 
des  Pfahltorcs,  und  mit  leuchtenden  Kicnfackcln  erschienen  die  festlich  gekleideten 
männlichen  fiewohncr  des  (Jehüftes,  um  uns  zu  bewillkommnen.  An  seiner 
Haustür  angelangt,  wendete  sich  der  StareSina  gegen  uns  und  sprach:  „Nehmet 
mit  dem  vorlicb,  was  uns  Gott  gegeben,  und  sehet  dieses  Haus  als  das  Euere 
an!"  Wir  erwiderten  einige  herzliche  Worte  und  gelangten  nun  in  einen  grossen 
rauchgeschwärzten  Raum,  in  dem  wir  um  ein  lustig  brennendes  Feuer  den 
weiblichen  Teil  der  Familie  Nedic  versammelt  fanden. 

Einige  Verlegenheit  über  den  späten  Besuch  malte  sich  auf  den  Gesichtern 
der  älteren  Frauen,  neugierig  tauschten  hinter  diesen  die  jüngeren  fragende  Blicke. 
Das  zeremoniöse  Kompliment,  welches  die  Landessitte  den  Frauen  vorschreibt, 
half  ihre  Empfindungen  zu  verbergen.  Sie  traten  der  Reihe  rvach  vor,  verbeugten 
sich  und  berührten  der  Fremden  Hand,  als  Zeichen  tiefer  Ergebenheit,  mit 
den  Lipppn. 

Die  mit  Teppichen  und  Sitzkissen  nach  türkischer  Sitte  belegte,  mit  Heiligen- 
bildern an  den  weissgctünchtcn  Wänden  und  zierlich  geformtem  Ofen  ausgestattete 
Prachtstubc  überraschte  uns  wohltuend.  Angeheimelt  von  dem  überall  sich 
äussernden  Ordnungssinn,  bedurfte  es  kaum  der  wiederholten  Einladung  des 
gastfreundlichen  Knieten,  um  uns  in  seinem  Haus  wohl  zu  fühlen.  Während  wir 
es  uns  bequem  machten,  rührte  es  sich  draussen  in  Hof  und  Küche.  Die  Männer 
schössen  einige  Hühner,  die  sich  sorglos  im  Baumgezweig  der  nächtlichen  Ruhe 
überlassen  hatten,  zum  Braten  für  die  hungrigen  Gäste;  der  Staresina  setzte  sich 
aber  zu  uns  und  liess  die  Rakijaflasche  fleissig  kreisen.  Als  wir  auf  Trojanovgrad 
zu  sprechen  kamen,  bestätigte  er  nicht  nur  in  allem  die  Erzählung  unseres  naiven 
Begleiters  aus  Dvoriste,  sondern  glaubte  auch  versichern  zu  können,  dass  Trojan 
nicht  nur  einen  Menschen-,  sondern  auch  einen  Hunde-  und  Katzenkopf  trug. 
Der  Glaube  an  diese  und  ähnliche  Fabeln  beweist,  wie  sehr  der  Serbe  zum 
Wunderbaren  und  A^ystischen  hinneigt. 

„Ihr  habt  wohl  gestern  das  Kraljicafest  gefeiert?"  frug  ich;  der  Staresina 
erwiderte:  „Nein,  Herr!  In  unserer  Gegend  ist  dieser  und  mancher  andere 
hübsche  Brauch  seit  mehreren  Jahren  abgekommen.  Wohl  erinnere  ich  mich 
noch,  wie  schön  es  war;  jung  und  alt  freute  sich  darauf.  Noch  sehe  ich  meine 
Frau  —  Gott  sei  ihrer  Seele  gnädig  —  das  schönste  Mädchen  im  Dorfe,  als 
Königin,  verschleiert  und  begleitet  von  anderen,  den  Konig,  die  Heerführer, 
Krieger,   Ritter   und   Hofdamen   vorstellenden  Jungfrauen.      Blumenbekränzt,   unter 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.  Ueber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     369 

Voraustritt  des  Fahnenträgers  von  Haus  zu  Haus  ziehend,  der  Vila  Lob  singend 
und  so  dem  ganzen  Dorfe  Segen  bringend."  Diese  poetische  Frühlingsfeier  wurde, 
wie  andere,  mit  dem  geheimnisvolleh  Wiri<en  der  Naturkräfte  verwebte  Feste,  von 
der  Geistlichkeit  in  Bann  gelegt,  im  ungarischen  Serbien  geschah  es  früher,  im 
K()nigreich  in  letzter  Zeit.  Man  sah  in  der  Verherrlichung  der  mit  göttlichen 
Attributen  ausgestatteten  Feen  ein  gut  Stück  Heidentum  und  verbot  sie  als 
unverträglich  mit  der  christlichen  Anschauung. 

Des  Serbenvolkes  religiöser  Sinn  offenbarte  sich  im  schönen  Tischspruch, 
mit  dem  der  Staresina  das  Mahl  eröffnete.  Die  Herzlichkeit,  mit  der  es  geboten 
wurde,  Hess  uns  seine  starke  Paprikawürze  übersehen,  und  gern  brachte  ich, 
gemäss  der  Landessitte,  einen  Trinkspruch  aus,  welcher  der  wohltuenden  serbischen 
Gastfreundschaft  galt. 

Wir  gingen  zur  Ruhe.  Mein  Gefährte  fand  sie  bald;  ich  rückte  die  beschei- 
dene Öllampe  an  mein  Lager,  um  die  Erlebnisse  des  wechselvollen  Tages 
aufzuzeichnen.  Auf  den  Fittichen  leise  bewegter  Frühlingsnachtluft  drangen 
berauschende  Blütendüfte  durch  das  offene  Fenster.  Waren  sie  es  oder  Ermüdung, 
der  Stift  entfiel  meiner  Hand.  Mir  schien  es,  als  hörte  ich  die  erste  Strophe  des 
Kraljicaliedes: 

Könit,',  ccllcr  König!  Bis  zum  Kaiserthrone  —  Leljo! 

Königin,  Herrin  —  Leljo!  Wo  der  Kaiser  Wein  trinkt  —  Leljo! 

Steh'  auf  und  spaziere  —  Leljo!  Die  Kais'rin  kredenzt  ihn  —  Leljo I 

Von  Schloss  zu  Schloss  —  Leljo!  Aus  goldnem  Pokale!  'i 

Bald  darauf  umgaukclte  mich  Lelja  selbst,  die  altslavische  Liebesgöttin 
mit  den  luftigen  (jestalten  des  Liedes,  den  Waldvilen,  „die  unter  dem  wachsenden 
Fruchtbaum  tanzen",  und  auch  Dämon  Radisa,  vor  ihnen  her  den  Tau  von  Blumen 
und  Laub  schüttelnd.  Dazu  gesellten  sich  die  rosenbekränzten  Mädchen  des 
Hauses,  mit  Krone,  Schleier,  Fahnen  und  hölzernen  Schwertern  tanzend  und 
singend  der  hoch  in  Wolken  schwebenden  Lelja  zu  Ehren.  Dazwischen  mengten 
sich  die  schrillen  Töne  der  Violine,  der  Lärm  des  Tambourins  und  Dudelsacks, 
das  Geheul  der  zottigen  Hunde,  die  anstürmenden  Zigeunerschatten,  der  ganze 
phantastische  Spuk  des  vorigen  Abends  —  nicht  lange  währte  es,  da  beugten 
sich  die  schwarzbraunen  Gestalten  vor  Leljas  alles  bewältigender  Schönheit.  Der 
tosende  Lärm  verslununte,  ilas  Kraljicalied  ertönte  wieder  im  reizenden  Mädchen- 
reigen, und  Erfüllung  verheissend  nickte  die  Liebesgöttin  bei  der  schalkhaft 
vorgetragenen  Bitte: 

Hier,  so  wie  man  sagt  uns.  An  des  Popen  Neffen, 

Weilt  ein  jutiges  Mädchen,  Der  mit  Federn  schreibet 

Ijilvvcder  veruKililt  sie  Aus  des  Adlers  Fliigel, 

Oder  gebet  sie  uns  mit,  l'nd  der  da  eintraget 

Dass  wir  sie  vermiililen  Aller  Mädclien  Augen 

All  jnvan  ik'M  Schüler,  Und  der  Helden  Antlitz. 

')  A\it  Ausualiinc  des   ersten  unil  letzten  Verses  wird  jeder  einzelne  dreimal  wiederholt 

und  der  Kefrain  „Leljo!"  vom  Chor  dazwischen  gerufen.  Aus  Vuks  „Volksliedern",  von 
seiner  Tochter  Minna  Vukom.innvic-Karadzic  übersetzt. 

I-.  KANirZ,   SiThiiMi     I.  24 


•170      Aufwurfs  nach  Rafa  und  Sabac.    Zum  Vukodrai.   Ucber  Trojanov^rad  nach  Ljcinica. 

Der  letzte" Reim  war  verklunnen;  ich  erwachte-  es  war  ein  [^finjjstnachtlraum 
auf  serbischem  Boden! 

Am  nächsten  Tage  lernte  ich  die  liinrichtunKen  eines  echt  serbischen 
Bauernhofes  genauer  kennen.  Sie  sind  von  westeuropäischen  voilständif^  ver- 
schieden. Die  liausverfassunK  ist  die  patriarchalische,  bej^renzt  durch  die  Rechte 
der  einzelnen  FamilienKliedcr.  Stirbt  der  Vater,  das  natürliche  Oberhaupt,  so 
wird  der  hef;ihintste  von  der  „Zadruj;a"  (Hausj^enossenschaft)  K'-'W<>'in''t'i  zum 
Stareäina  erwaiilt;  iiewährt  er  sich  nicht,  so  schreitet  man  zur  Neuwahl.  Der 
„Alteste"  vertritt  die  „Zadruga"  gegenüber  den  politischen  Behörden,  schlichtet 
allen  Streit  und  leitet  die  Arbeiten  des  Hauses,  an  denen  die  ganze  Familie  sich 
beteiligt.  Die  erwachsenen  Männer  und  Frauen  arbeiten  im  Feld  und  Wald,  die 
jüngeren  hüten  das  Vieh  und  gehen  abwechselnd  zur  Schule.  Die  Anordnungen 
des  Stareäina  werden  willig  befolgt,  er  verteilt  auch  alle  Einkünfte  und  Ausgaben 
zwischen   den   Hausgenossen  und  sorgt  für  diese  wie  für  sich  selbst. 

Diese  Grundzüge  der  serbischen  Hausgenossenschaft,  welche  ich  im  II.  Kap. 
lies  III.  Bandes  weiter  ausführen  werde,  bedingen  und  charakterisieren  auch  die 
äussere  Erscheinung  und  innere  Einrichtung  des  serbischen  Bauernhofes.  Da  ist 
vor  allem  das  Haus  des  Stareäina.  im  Gegensatz  zum  deutschen  „Ausgeding" 
kündigt  es  sich  schon  durch  seine  Grosse  und  bessere  Bauart  als  den  Sitz  des 
Familienoberhauptes  an.  Es  bildet  den  stattlichen  Mittelpunkt,  um  den  sich  die 
abgesonderten  Häuschen  der  verheirateten  Faniilienglieder  gruppieren.  Das  Haus 
des  Staresina  ist  gewohnlich  aus  Holz  und  Lehmziegeln  aufgeführt,  hat  einen 
weissen  Kalkanstrich  und  enthält  ausser  der  grossen  Küche  2  bis  3  Wohnräume, 
darunter  eine  (jaststube.  Im  Loznicaer  Kreis  wird  sein  niederes  Geschoss  von 
einem  zweimal  höheren,  mit  Schindeln  oder  Brettern  gedeckten,  steilen  Dach 
überragt,  das  auf  der  Schneide  einen  zierlichen  Rauchfang,  ähnlich  unseren 
Dachreitern,  trägt.  Die  dürftiger  eingerichteten  Zweighäuschen  (vajati),  ohne  Herd 
und  Ofen,  enthalten  die  Schlafstellen  der  verheirateten  Faniilienglieder  und  was 
sich  dieselben  abgesondert  erwerben;  die  gemeinsamen  Fruchtvorräte,  Herden, 
Geräte  usw.  werden  in  dem  ganzen  Hause  gehörigen  Speichern  und  Hürden 
verwahrt.  Erstere,  von  quadratischer  Form  oder  rund,  bestehen  meist  aus 
Zweigen  oder  Rohrgeflecht  und  ruhen  gleich  Wigwams  auf  Pfählen,  um  ihren 
Inhalt  gegen  die  frei  umherlaufenden  Haustiere  zu  sichern. 

[3ie  gemeinsame  Hofwirtschaft  führt  wechselweise  eine  der  verheirateten 
Frauen;  sie  heisst  dann  Redusa  (Ordnerin),  besorgt  mit  dem  jüngeren  weiblichen 
Nachwuchs  die  Küche  für  die  ganze  Familie  und  macht  so  die  Kräfte  der  übrigen 
l'rauen  für  die  Feldarbeit  und  sonstige  Geschäfte  verfügbar.  Denn  wie  bei  allen 
Südslaven  teilt  auch  die  Frau  in  Serbien  nahezu  sämtliche  Arbeiten  des  iWannes. 
Sie  ist  nie  niüssig,  sondern  immer  beschäftigt.  Heimgekehrt  von  der  schweren 
Feldarbeit,  spinnt,  webt,  bleicht  oder  färbt  sie  die  für  Wäsche  und  Kleidung 
nötigen  Stoffe.  Grössere  Wohlhabenheit  oder  Mutterpflichten  ändern  hieran 
wenig.  Sic  ist  durchschnittlich  arbeitsamer  als  der  mehr  die  Bequemlichkeit 
liebende  iWann.  AAan  sieht  selten  Männer  oder  Kinder  in  zerlumpten  Anzügen, 
wohl  das  beste  Kriterium  für  die  Ordnungs-  und  Arbeitsliebe  der  serbischen  Frauen. 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.   Zum  Vukodras.    lieber  Trnjanovgrad  nach  Ljesnica.      373 

Der  Abend  findet  die  Familie  am  „häuslichen  Herd",  am  lustig  brennenden 
Feuer  im  Staresinahaus.  Die  älteren  Männer  rauchen  und  besprechen  das  am 
nächsten  Tag  zu  Schaffende  oder  Angelegenheiten  des  Dorfes  und  Landes,  die 
jüngeren  schnitzen  und  bessern  an  Werkzeugen  und  Geräten.  Die  Frauen 
gruppieren  sich  arbeitend  im  Kreise,  ihre  Sprösslinge  spielen  und  scherzen  oder 
bitten  den  Grossvater,  ihnen  von  Zar  Trojan  oder  Kraljevic  Marko  zu  erzählen. 
Dann  nininit  wohl  der  Staresina  die  Gusle  von  der  Wand,  ihre  monotonen  Töne 
hallen  durch  den  weiten  Raum,  den  Sagen  folgen  Heldenlieder,  welche  in  feuriger 
Sprache  die  einstige  Not  des  Vaterlandes  erzählen  und  seine  Befreiungskämpfe 
verherrlichen.  So  wird  das  Haus  des  Stareäina  zum  gemütlichen  Sammelpunkt 
der  ganzen  Familie.  An  seinem  Herd  entzündet  sich  die  Liebe  des  einzelnen  für 
die  nationalen  Traditionen  und  ihre  Begeisterung  für  Freiheit  und  Vaterland. 

Wer  könnte  Zeuge  solch  beseligenden  Familienlebens  sein,  ohne  mit  Riehl, 
dem  Autor  der  „Familie",  zu  fragen:  „Zieht  der  Volkswirt  den  grossen  sittlichen 
Faktor  auch  mit  in  Berechnung,  wenn  er  die  Vorteile  der  geschlossenen  und 
geteilten  Güter  gegeneinander  wägt?  Kann  der  Statistiker  eine  Ziffer  finden 
zur  Schätzung  des  Segens,  der  ins  Haus  kommt,  wenn  die  Kinder  auf  dem 
Schoss  der  Grossmutter  den  Überlieferungen  der  Familie  lauschen  können  und 
den  alten  Leuten  in  denselben  Räumen,  wo  sie  ihre  Jugend  verlebt,  das  Alter 
wieder  blühsam  wird  im  Kreise  der  Enkel  und  Urenkel?"  Die  patriarchalische 
Haltung  des  Oberhauptes  der  Familie  Nedic  und  das  würdige  Benehmen  ihrer 
zahlreichen  Mitglieder,  insgesamt  wackere  Abkömmlinge  der  Heldenbrüder  Nedic 
(S.  374),  erfüllten  mich  mit  hoher  Achtung  für  die  Finrichtung  der  südslavischcn 
Hauskommunion;  ich  schied  mit  den  besten  Eindrücken  von  dem  Desiccr 
Kmetenhaus. 

Geleitet  von  einem  Sohne  des  Stare§ina,  umfuhren  wir  das  sehr  stark 
coupierte  bergige  Vorland  des  Cer  auf  zeitsparendem,  aber  schlechtem  Wege  nord- 
westlich gegen  Lje§nica.  Viele  „Parlog"  zeigten,  dass  hier  einst  der  Weinbau  weit 
mehr  gepflegt  wurde.  Zahlreiche  Wagen  mit  lustigen  Landleuten  belebten  die  hübsche 
Landschaft.  Das  2iviorufen,  Tücherschwenken  und  Fistolenabfeuern  nahmen  kein 
Ende.  Ganze  Karawanen  kehrten  von  dem  in  einem  nahen  Jerezzufluss  liegenden, 
jetzt  von  dem  vielgenannten  Iguman  Prokopije  (iL  Bd.,  XV.  Kap.)  geleiteten 
Kloster  l^etkovica  heim  und  hatten  nach  Landessitte  sich  und  ihre  I'ferde  mit 
bunten  Tüchern  behängt,  welche  als  ebenso  viele  Fahnen  lustig  umherflatterten. 
Das  der  hl.  F^araskeva  geweihte  alte  Klosterkirchlein,  über  dessen  Gründung  keine 
Urkuiule  auffindbar,  wurde  1HH5  viui  ilem  reichen  I^abacer  Kaufmann  Josif 
Kurtovic  durch  einen  Neubau  ersetzt,  welcher  lliOOl)  Dukaten  kostete.  Ausser 
dem  von  diesem  InMiiimii  Mäcen  gestifteten  Fonds  zur  Erhaltung  der  beiden 
Mönche  und  Schiikr  hesit/t  das  Kloster  20  Hektar  Felder.  48  Hektar  Wiesen 
und  Weiden,  I.'jSO  lUktai  W.iUl.  alles  in  allem  einen  auf  :L'M)0()()  d  geschätzten 
Immobilienhesit/. 

Kaum  3  km  westlicher  kamen  wii  an  dem  vierten  „Maria  Geburt"  geweihten 
Kloster  des  Sabacer  Kreises  vorüber.  Dieses  zur  Zeit  der  Kosovoschlacht  (1389) 
von    MiloÄ    Obilic    oder  wie    Prof.    Kovaievic    mir   mitteilte  vielleicht   vom 


■17-1      Aiiiwarls  nacli  Rata  und  S.ihac.    Zum  VukodraA.   Ucbcr  Trojanov^rad  nach  Ljeinica. 

„Vlaslclin  Bo^cJan  CokeSa"  henrütulctc  und  nlcich  zu  Bc(;inn  des  serbischen 
UnahliilnuiKkcitskrieKes  berühmt  {»ewurdene  CokeSina  licKt  in  einem  waldreichen 
niirilhcheji  sanften  Ivinschnittc  der  404  m  hohen,  burjinekrönten  Vidojevica.  Hier 
war  CS,  wo  1804  die  Wojwudcn  Danijan  und  OriKorije  Ncdid-  aus  OseOina  im 
Vaijevoer  Kreise  mit  einem  lliluflein  Serben  dem  mit  Übermacht  von  LjeSnica 
(jegcn  Sabac  vordringenden  Mula  NoSin  Aga  heldenmütig  sich  ent^eKenwarfen. 
Beide  Fküder  und  die  meisten  Streiter  fielen.  Doch  hatten  auch  die  Bosniaken 
so  stark  jiclilten,  dass  sie  über  die  Drina  zurückkehrten  und  das  ohne  lintsat/ 
gelassene  Sabac  sich  den  serbischen  aufständischen  Belagerern  ergeben  musste'); 
ein  prächtiges  Volkslied  verewigt  die  spartanische  Tat.  Das  Kloster  ist  zugleich 
Pfarrkirche  für  das  gleichnamige  Dorf  und  Prnjavor  mit  1354  Seelen.  Es  besitzt 
A-i  Hektar  Felder,  Wiesen,  Obst-  und  Weingärten,  490  Hektar  Wald,  reichen 
Vichstaiul  uriil  kleinen  Barfonds.  Der  Iguman  verfügt  über  eine  die  Klosterausgabcn 
vollkoiiiMicM  (.Juckende  Jahrcscinnahme  von  3500  d.  Über  das  unter  der  Vidojevica- 
Kuppe  in  Ruinen  liegende  Kloster  Ivanja  gingen  alle  Traditionen  verloren-'), 
meine  bezüglichen  Fragen  blieben  erfolglos. 

In  Novo  selo,  wo  1804  der  HarambaSa  Djordje  Curcija  unter  dem  Vorwand, 
dass  er  die  nationale  Sache  verraten  wolle,  von  Jakov  Nenadovic  meuchlings 
getötet  wurde,  erreichten  wir  die  von  Sabac  nach  Loznica  führende  Hauptstrasse. 
Bald  darauf  befanden  wir  uns  inmitten  der  festlich  geputzten  Bevölkerung  von 
Ljeänica,  die  noch  einen  zweiten  Tag  dem  hochgefeierten  Beschützer  des 
Frühlings,  St.  Georg,  weihte.  In  den  Schenken  ging  es  toll  her.  Guslaklang 
und  Heldenlieder  erschallten  auf  dem  Boden,  der  von  altersher  bis  herab  zu  den 
österreichisch-türkischen  Kriegen  und  dem  serbischen  Freiheitskampf  viel  genannt 
wurde.  Schon  frühzeitig  war  Ljesnica  der  Sitz  eines  serbischen  Zupans  und 
Hauptort  der  Macva,  und  vom  13.  bis  15.  Jahrhundert  jener  des  ungarischen 
„Banatus  Machoviensis".  Safarik  suchte  in  Ljesnica  das  altserbische  Lesnik,  zu 
dem  vielleicht  das  Schloss  auf  dem  nahen  Vidojevac  gehörte.  Das  Volk  nennt 
als  Erbauerin  dieses  „Vidin  grad"  eine  Schwester  Vida  der  viele  Burgen  bauenden 
bulgarischen  Königstochter  Koviljka,  von  der  ich  noch  bei  Kurvingrad  sprechen 
werde.  Sicher  ist  nur,  dass  es  auf  den  Grundfesten  des  Kastells  des  langgesuchten 
römischen  Gensis  entstand,  das  ich  nach  den  iWassen  der  Pent.  Tafel  bei  Lje§nica 
ansetzte. 

Links  an  der  von  Ljesnica  nach  Loznica  führenden  antiken  Strasse  stiess 
ich  auf  eine  Schanze  von  beträchtlichem  Umfang.  Sie  stammt  aus  alter  Zeit, 
bildete  stets  ein  Bollwerk  von  Sabac  und  hatte  namentlich  das  flache  Macva- 
und  Kolubaragebiet  gegen  plötzliche  Überfälle  aus  Bosnien  zu  schützen.  Um 
den  Besitz  dieses  wichtigen  Drinaüberganges  wurde  auch  in  den  österreichisch- 
türkischen Kriegen  oft  gekämpft.  Im  Eugenschen  Feldzug  ging  der  kühne 
Parteigänger  Oberst  Petras  am  25.  Mai  1717  über  die  Sava,  erstürmte  die 
Schanze   und  jagte   die   fliehenden  Türken   in   einen  Hinterhalt  seiner  kroatischen 


')  IJber  die  Ursachen  der  Katastrophe  bei  Cokesina:  Vuk,  Danica,  180.     1828. 
-)  Vuk,  RjeCnik,  216. 


Aufwärts  nach  Raca  und  Sabac.    Zum  Vukodras.   Lieber  Trojanovgrad  nach  Ljesnica.     375 

Reiter,  deren  Säbeln  nur  wenige  entkamen.  Drei  erbeutete  Fahnen  waren  die 
Trophäen  dieser  von  Eugen  belobten  Tat.  Die  Erstürmung  der  Redoute  von 
Ljesnica  bildete  wieder  die  erste,  leider  durch  Grausamkeit  geschändete  Waffentat 
der  Kaiserlichen  im  J.  1737;  die  türkische  Garnison  wurde  bis  auf  47  Mann 
niedergemetzelt.  Während  des  ganzen  Feldzugs  blieb  der  Übergang  durch  einige 
Hundert  Reiter  bewacht.  Auch  1789  ward  Ljesnicas  Schanze  durch  den  k.  Oberst 
Davidovic  genommen.  Serbischerseits  wurde  die  Schanze  im  Freiheitskrieg 
(1804—1815)  oft  glänzend  gegen  die  Bosniaken  gehalten.  So  oft  diese  über  die 
Drina  setzten,  um  durch  die  Macva  gegen  Sabac  vorzudringen,  warfen  sich  die 
Bewohner  dieser  Landschaft  in  den  Schanzen  und  auch  im  freien  Felde  helden- 
mütig ihren  Todfeinden  entgegen.  In  dem  für  Serbien  unglücklichen  Kampfe  von 
1813  erblich  hier  Karadjordjes  Stern.  Ein  dem  berühmten  Wojwoden  Milos  von 
Pocerje  ungleicher  Bruder  sollte  die  Schanze  von  Ljeänica  verteidigen.  Er  war 
töricht  genug,  sich  von  dem  das  türkische  Heer  begleitenden  Zvorniker  Bischof, 
einem  der  serbischen  Erhebung  feindlichen  Griechen,  zur  Übergabe  bereden  zu 
lassen.  Ihm  und  den  Seinen,  hiess  es,  solle  nichts  geschehen.  In  Rassenkriegen 
wird  das  feierlichst  gegebene  Wort  selten  eingelöst;  Ljesnicas  Besatzung  wurde 
durch  Bosnien  nach  Konstantinopel  geschleppt,  und  keiner  der  Unglücklichen  sah 
die  grüne  Drina  wieder! 

Nach  diesem  Umschwung  zugunsten  des  Sultans  kehrten  auch  Lje§nicas 
geflohene  Türken  zurück  und  kühlten  nun  ihr  Mütchen  an  der  ringsum  wohnenden 
Rajah.  Ljesnica  war  damals  eine  bedeutende  Kasaba;  seine  Moslims  rühmten 
sicn,  mehr  Hadzis  (Pilger)  nach  Mekka  zu  senden,  als  §abac  und  Zvornik 
zusammen.  Als  sie  1834  endlich  doch  Serbien  verlassen  mussten,  wurden  ihre 
hübschen  Moscheen  bald  zerstört.  Die  plötzliche  Verminderung  der  Bevölkerung 
schädigte  Ljeänicas  Wohlstand,  doch  erholte  es  sich  durch  den  allmählichen 
Zuzug  vom  Lande  wieder.  Seine  Verbindung  durch  die  nahe  Quarantäne-Station 
„Sepacka  Ada"  mit  Janja  und  Bclina  in  Bosnien  eignet  es  zum  schwungvollen  E.xport 
des  auf  den  nahen  Drinainseln  gemästeten  Rindviehs,  und  der  treffliche  Boden 
ringsum  gestaltet  auch  den  Feldbau  lohnend.  Ljeänica  ist  im  Aufblühen  begriffen; 
es  zählt  in  248  Häusern    1200  Seelen,  eine  gute  Schule  und  hübsche  Kirche. 

Ljeänicas  Bevölkerung  ist  gleich  allen  Macvaern  sehr  national  gesinnt; 
wiederholt  versuchten  Heisssporne  die  bosnische  Rajah  zum  Aufstand  gegen  das 
türkische  Regiment  aufzustacheln;  Fürst  Mihail  ahndete  solche  seinen  Plänen 
vorgreifende  Versuche  sehr  streng.  Mehrere  Jungserben,  welche  1860  mit 
200  Mann  in  Bosnien  einen  Putsch  ausführen  wollten,  büssten  dies  mit  Gefängnis. 
Als  1862,  während  des  Belgrader  Bombardements,  sich  jenseits  bei  Janja  und 
Beiina  Nizams  in  feindlicher  Absicht  sammelten,  wurde  LjeSnicas  Schanze  wieder 
hergestellt,  und  als  Serbien  1876  der  Türkei  offenen  Krieg  erklärte,  eine  mit  dem 
Ufer  durch  eine  Brücke  verbundene  starke  Redoutc  auf  der  Javor-Inscl,  zwei 
mWdlichere  am  Supilj  und  kleinere  Werke  rings  um  die  Stadt  angelegt,  um  sie 
und  das  hier  leicht  zugängliche  Drinagebiel  tunlichst  zu  schützen.  Glücklicher- 
weise kam  es  nicht  zur  Aktion,  und  seit  1878  herrscht  dort  unter  dem  Bosnien 
occupiercinien  starken  Nachbar  auf  beiden  Ufern  tieter  l'rieden.     Noch  Im  selben 


■I7li     Aufwärts  nach  Uaia  und  Sabac.    Zum  Vukoüraä.   Uvbcr  Trujanüvt;rad  nach  Ljc&nica. 

Jaliru  vollfiidctc  Ljcänica  seine  Sv.  üavrilkirchc,  zu  welcher  auch  das  aufbluhendc 
NdvoscIo  lind   Str.'i/a  eiriKupfarrt  sind. 

In  l.jeSiiica  vcrabschicdele  itii  mich  von  meinem  später  auch  schriftstellerisch 
tiltijjen  Begleiter  Vitkovic  und  überschritt  gleich  darauf  die  Grenze  des  Sabacer 
Kreises.  Schon  die  äussere  lirscheinun^  seiner  meisten  Orte  verrät  den  Wohlstand 
ihrer  Bewohner.  Wie  in  Sirmien  bestehen  sie  aus  zwei  im  Rechteck  sich 
sciineidenden  langen  Gassen,  deren  Kreuzunj^spunkt  gewöhnlich  ein  hohes  Holzkreuz 
ziert.  Man  sieiit  hier  auffällig  viel  schöne  Manner,  doch  drinaaufwärts  von  Loznica 
auch  oft  niil  Kropf  hcliaftcle  Leute  uiul  ärmliche  Oehiifte.  Im  ailnemeinen  ist  der 
Hoden  in  diesem  IHUfi  bedeutend  vernri)sserten  Kreis  vortrefflich.  Weitgedehnte 
iriRhtbare  Alluvialebenen  begünstigen  in  den  Tälern  den  Anbau.  Allerorts  sät 
man  Mais,  Weizen,  Gerste  und  Hirse;  Roggen  aber  nur  in  der  [-"osavina.  Der 
Obstzucht  wurde  bisher  nur  geringe  Sorgfalt  gewidmet.  Aus  den  im  Überfluss  auCh 
wild  wachsenden  Äpfeln  wird  Cider  gepresst.  Die  einen  Hauptexportartikel 
bildenden  gedörrten  Pflaumen,  Pfirsich-,  Aprikosen-,  Birnen-,  Kirschen-,  Nussbäume 
usw.  wachsen  allerorts  zerstreut  und  in  grösseren  Ständen.  Auf  dem  hügeligen 
Vorterrain  des  Cer  und  an  seinen  Hängen  gibt  es  auch  hübsche  Forste.  Die 
schönsten  Eichen,  Buchen  iiiul  Liiuien  birgt  der  Kitoger  Wald;  Birken,  Feldahorne, 
Weiden,  Sperberbäunic,  Weissdorn,  Hasclnuss,  wilder  Wein  und  andere  Sträucher 
umsäumen  die  F^änder  von  Bächen  und  Strassen.  Gejagt  wird  wenig,  obschon, 
abgesehen  von  niederem  Wild,  Hasel-  und  Rebhühnern,  Hasen  und  Rehen,  dem 
Viehstand   arg  zusetzendes  Raubgetier,  Wölfe,  Geier,  Adler  usw.  dazu   auffordert. 

Die  189569  Seelen  starke  Bevölkerung  des  322  Orte  in  97  Gemeinden 
zählenden  3352  km-  einschliessenden  Podrinjer  Kreises  lebt  am  dichtesten  in 
den  Bezirken  Macva,  Poceriiia  mit  60  —  80,  Jadar  mit  50—60  Seelen  per  km-, 
während  in  den  anderen  drei  nur  30 — 50  Seelen  auf  den  km-  kommen  und  mehr 
Viehzucht  als  Feldhau  getrieben  wird.  Auf  100  Seelen  werden  dort  160—200 
und  per  km^  60 — 80  Stück  Vieh  gerechnet.  Seit  einem  Decennium  wird  in  diesem 
Kreise  speziell  die  Pferdezucht  erfolgreich  gehoben.  1896 zählte  man:  11751  Pferde, 
76262  Rinder,  132117  Schweine,  166447  Schafe.  8755  Ziegen  und  14419  Bienen- 
stöcke. Auch  Handel  und  Gewerbe  lohnen  im  Sabacer  Kreise;  aus  Sirmien  und 
Bosnien  eingewanderte  Fassbinder,  Schmiede,  Zimmerleute  u.  a.  leben  zerstreut 
an  vielen  Orten.  Den  F.xport  begünstigt  das  trefflich  angelegte,  neuestens 
erweiterte  gute  Kreisstrassennetz.  Von  Sabac  zieht  eine  grosse  Post-Chaussee 
nach  Belgrad,  eine  andere  nach  Mitrovica,  eine  dritte  nach  Loznica,  eine  vierte 
zur  Quarantänestation  Raca  mit  Fähren  nach  Bosnien  und  Sirmien,  über  den  Cer 
nach  Krupanj,  eine  sechste  nach  Valjevo.  Über  20  Orte  besitzen  solide  Schul- 
gcbäude,  39  Kirchen,  darunter  sehr  hübsche.  Die  südlichste  Pocerina  ausgenommen, 
wird  überall  der  ostserbische  Dialekt  gesprochen.  In  keinem  Kreise  wird  so 
viel  wie  im  Sabacer  gesungen.  Die  Lieder,  welche  die  Kämpfe  in  der  Macva 
verewigen,  erklingen  allerorts.  Der  serbische  Tyrtäus  Filip  Visnic  war  ihr  Sänger, 
und  Vuks  grosses  Verdienst  bleibt  es,  sie  aus  seinem  Munde,  treu  aufgezeichnet, 
dem  \'nlke  im   IV.  Bande  der  „Srpske  narodne  pjesme"  überliefert  zu  haben! 


An  der  Drina. 

\^)n  I.oznica 
nach  Zvornik. 


^^«^in^i?^'^*^^ 


ir.CHS  Kilometer  südwestlich 
von  l.jesiiicn  kreuzte  ich  den 
Jadar  iialie  seinem  lliiifluss  in  die 
Drina.  Im  serbischen  Freiheits- 
krieg der  Schauplatz  heisscr 
Käniple,  erwartete  hier,  als  er  1S15  j^lücklicii  lieendif^t  war,  eine  türkische  Ehren- 
eskorte den  „Wojwoden"  Miloä  übrenovic,  um  ihn  in  Ruäid  Paschas  La^er  zur 
Verhandlunf^  des  l"rieikns  zu  geleiten.  Die  Strasse  bleibt  hart  am  Fluss,  gewahrt 
hübsche  Ausblicke,  uiul  nach  10  km  Fahrt  erreichte  ich  die  Hauptstadt  des 
Loznicaer  Kreises,  der  iieiite  mir  mehr  einen  Bezirk  des  Sabacer  bildet. 

r^eicharil  vermutete  in  l.n/nica  ilas  römische  „(lensis".  Dem  entspricht 
aber  niclit  seine  auf  der  Tafel  mit  M)  A\illien  von  Sirmimn  anj.;ej;ebene  F.ntfernunjj, 
wohl  aber  jene  des  mit  45  Mill.  von  letzterem  verzeichneten  Ad  Drinum,  das 
ich  siimit  am  Nordwestfuss  des  Kostajnik  ansetze.  Diesen  7ti8  m  hohen  AusWiufcr 
des  mit  ticr  Drina  parallelen  (iucevonebir^es  krtint  die  Ruine  eines  Kastells,  was 
annehmen    lassl,    d.iss    vim    den    r^ajjjusanern    im    15.  Jahrhundert    hier   auf   Silber 


•f7H  An  der  iJrina.     Von  Lo/nica  nach  Zvornik. 

aiisj{cbciitL-tt',  noch  heute  sehr  ergiebige  Antimoniumininen  den  Römern  und,  wie 
die  Tuinulifunde  /u  Runjani  u.a.  0.  zeigen,  schon  den  prähistorischen  Ansiedlern 
bekannt  waren.  Die  von  einem  Comes  des  Despoten  firankovit  verwahcte,  1445 
erwilhnte  Üerf^stadt  „ZajeCa"  besass  eine  ra^jusanische  Kolonie,  in  welcher  neben 
den  „valturchi"  Mitj^lieder  der  Adelsfamilien  Cerva,  Gozze,  Sorgo  u.  a.  wohnten'). 
Der  heutige  Name  des  1717—1737  eine  Palanke  bildenden  Loznica  wird  von  den 
vielen  wilden  Reben  (Loza)  abgeleitet,  mit  welchen  der  jetzt  befestigte  Kliccvac- 
hügel  liberwachscn  war;  ob  es  derselbe,  den  Konig  Milutin  dem  serbischen 
Athoskloster  Hilendar  urkundlich  als  Nutzgut  widmete-'),  ist  unerwiesen. 

Das  amphitheatralisch  gruppierte  Loznica  gewührt  schon  aus  der  Ferne  einen 
hübschen  Anblick.  Dies  wurde  mir  jedoch  erst  am  nächsten  Morgenausflug  klar, 
denn  als  wir  am  Vortag  über  des  Städtchens  holperige  Stirabrücke  fuhren,  lag 
schon  tiefes  Dunkel  auf  seinen  landschaftlichen  Reizen.  Ein  Blick  in  die  lärm- 
crfiillte  Mchana  Hess  erkennen,  dass  Übernachten  in  derselben  auf  Erholung  und 
Schlaf  verzichten  hiess.  In  der  von  Tabaksqualm,  Rakija  und  Gerüchen  jeder 
Art  erfüllten  Zechstube  gefiel  es  einigen  gutgelaunten  Krämern,  patriotische  Lieder 
zu  brüllen,  und  in  dem  überfüllten  niederen  Schlafraum  hatten  sich  bereits 
so  viele  Passagiere  auf  den  hölzernen  Pritschen  hingestreckt,  dass  er  dem 
Zwischendeck  eines  Kulischiffes  glich.  Die  Einrichtung  serbischer  Mehanen  war 
zu  jener  Zeit  derartig,  dass  ich  mich  durch  die  Frage  um  ein  abgesondertes 
Zimmer  leicht  in  den  Verdacht  eines  „schwäbischen  Sonderlings"  gebracht  hätte. 
So  nahm  ich  die  Einladung  des  Kreisingenieurs  Novak,  die  Nacht  in  seinem 
Hause  zu  verbringen,  dankbar  an.  Fürst  Miliaiis  Minister  des  Innern,  Nikola 
Hristic,  erwarb  sich  bald  darauf  ein  grosses  Verdienst  um  die  Reform  der  serbischen 
Einkeiirliäuser.  Er  teilte  sie  in  drei  Klassen,  deren  erste,  nach  einem  bestimmten 
.Wmicil  gebaut,  dein  Reisenden  anständig  eingerichtete  Zimmer  und  auch  eine 
massigen  Ansprüchen  genügende  Verpflegung  nach  einem  behördlich  autorisierten 
Tarif  bietet. 

Auch  für  die  Ausbreitung  des  Strassennetzes  geschah  hier  viel  in  letzter 
Zeit.  Von  Ljesnica  füiirt  nun  eine  treffliche  Chaussee  nach  Loznica  und  von 
diesem  über  das  vielbesuchte  Bad  Sinrdan  bara  am  Drinarand  bis  zum  jenseitigen 
bosnischen  Zvornik;  eine  andere  gute  Strasse  zieht  durch  das  östliche  Jadargebiet 
nach  Valjevo,  mit  südlicher  Abzweigung  nach  Krupanj,  das  als  sein  montanistischer 
Zentralpunkt  fahrbare  Wege  mit  den  wichtigsten  Hüttenbetrieben  der  Jagodina 
planina,  mit  dem  nördlichen  Zaviaka,  dem  südlichen  Selanac  u.  a.  bis  zur 
Quarantänestadt  Ljubovija  an  der  Drina  verbinden. 

Mein  erster  Besuch  galt  dem  Nacalnik  Miljko  Markovic.  Der  Zutritt  bei 
höheren  serbischen  Beamten  ist  leicht.  Es  gibt  da  nicht  so  viele  Vorzimmer  und 
Amtsdiener  wie  bei  uns,  und  so  stand  ich  bald  vor  der  höchsten  Magistratsperson 
des  damaligen  Loznicaer  Kreises.  Zum  X^orstande  desselben  wurden  seiner 
strategischen   Wichtigkeit  wegen    nur    bewährte   Männer   berufen;    dessen   schien 

')  Jirccok.  Die  Handelsstrassen  usw.,  51. 
■)  Miklosich,  Mon.  serb.,  59. 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 


379 


sich  der  Nacalnik  bewusst.  Nachdem  er  wechselweise  mein  offizielles  Empfeh- 
lungsschreiben und  mich  gemustert,  suchte  er  sein  Gesicht  in  weniger  abstossende 
Falten  zu  legen  und  versprach,  mich  aufs  beste  zu  unterstützen.  Bald  hatten 
sich,  um  den  Ankiimmling  zu  sehen,  einige  Beamte  und  der  Kreisarzt  eingefunden. 
Ein  hübsches  Töchterchen  in  reizender  Nationaltracht  vertrat  die  Stelle  der 
Hausfrau  und  kredenzte  prächtigen  Mokka  in  türkischen  Tassen,  und  ein  Pandur 
reichte  Cibuks  und  Nargileh.  Der  Nacalnik  zählte  zu  Milos'  ältesten  Waffen- 
gefährten und  war  nicht  wenig  stolz  auf  dessen  persönliche  Freundschaft.  Er 
erzählte  gemeinsam  bestandene  Kriegsabenteuer  und  zeigte  als  Zeichen  des  fürst- 
lichen Wohlwollens  einige  von  Milos  empfangene  silberverschnürte  Röcke,  welche 
er  mit  nicht  geringerer  Pietät  bewahrte,  als  General  Bertrand  die  Vermächtnisse 
des  grossen   Korsen. 

Die    niedere  Volksklasse    des    Orients    sucht    in    jedem    reisenden    Franken 
einen  Arzt,  Serbiens  intelligentere  Kreise   vermuteten   früher   in  jedem   Deutschen 


LOZNICA,   l«iU. 


einen  Mineralogen.  Der  Nacalnik  brachte  einige  Steinproben  aus  den  Bergen  bei 
Radalj  herbei,  die  einen  grossen  Bleigehalt  zeigten.  Ich  riet,  sie  nach  Belgrad 
zur  Untersuchung  auf  ihre  Abbauwürdigkeit  zu  senden.  Der  alte  Herr  meinte 
zustimmend:  „Ich  werde  es  tun;  Gott  weiss,  wir  könnten  bald  mehr  F^lei  benötigen, 
als  unser  Land  besitzt!" 

Hierauf  besuchten  wir  die  beim  Kreisamt  liegende  Schanze.  Am  15.  Oktober 
1737  lagerte  hier  ein  grosser  Teil  der  Seckendorffschen  Armee  auf  ihrem 
Rückzug  von  Cacak  und  F'ozega  nach  der  Sava;  1788  wurde  sie  von  den 
Kaiserlichen  genomnien  unil  in  glänzenden  Gefechten  gegen  die  türkischen 
Angriffe  iH'li.iiipkt.  1.S(I4  n.ilim  Djordje  CurCic  das  Städtchen  den  Türken  weg, 
doch  eriiberteii  letztere  es  bald  wieder,  mussten  es  aber,  nach  Jakov  und  l.uka 
I.azarevics  lünfall  in  tlas  Jadargebiet,  tien  Serben  übergeben.  Dem  baki  darauf 
ildit  von  (Ion  HiisMi.iken  helagerleii  Anl.i  Bogidcvic^  kam  Karadjordje  zu  Hilfe; 
bei  diesem  Anlass  fiel  Koiula,  der  Held  von  Belgrad  (S.  23).  1810  geriet  der 
wichtige  Drinapunkt  erneut  in  (iel'alir;  wieder  entsetzte  ihn  aber  Karadjordje  recht- 
zeitig, erst  1813  gelangte  er  in  türkische  Hände.  1815  sammelten  sich  diejadrancr 
am  Simiiid  brdo  bei  Cikote  iiiul  entrissen  dem  Halbmond  für  alle  Zeiten  das 
Streitobjekt  ilieser  Kämpfe,  ein  unregelmässiges  Viereck  von  bedeutender  Höhe, 
mit   tiefen   Gräben   um!   hoher   Brustwehr,   das   einige  Tausend   Mann   aufnehmen 


380  All  der  l)rin;i.     Vrm  l.nznicn  nach  Zvornik. 

kann.  In  ilur  Miiic  des  weiten,  mit  Gestrüpp  bedeckten  Plateaus  sah  ich  das 
Gymnasium  und  die  Kirche  des  Städtchens.  Mir  schien  es,  als  wollte  man  diese 
nach  ianj^en  Jahrhunderten  errungenen  Kulturanfange  mehr  als  jeden  anderen 
Besitz  gcKen  feindliche  Angriffe  sichern. 

„Seht,  Herr,"  meinte  der  Nacalnik,  „diese  Schanze  ist  mit  dem  Blute 
Tausender  tapferer  Serben  getränkt,  und  auch  heute  sind  wir  bereif,  unser  Leben 
für  Fürst  und  Vaterland  zu  opfern.  Sollte  der  Türke  über  die  Drina  kommen, 
um  uns  wieder  zur  Rajah  zu  machen,  dann  soll  er  in  mir  einen  anderen  Mann 
finden,  als  jenen  Moler,  der  1813,  trotzdem  er  800  Jadraner  mit  6  Kanonen 
befehlif^te,  diese  Schanze  fei>4  aufgab!"  Der  Nacalnik  verunnlimpfte  ebenso  wie 
aus  einem  Missverständnis  auch  Rankes  „Serbische  Revolution"  Molers  Andenken 
mit  Unrecht.  Derselbe  serbische  Chronist,  welcher  flanke  die  meisten  Daten  .zu 
seinem  Werk  lieferte,  erzählte  mir,  dass  Molcr  die  Schanze  aufs  äusserstc 
vcrteidi;.jlu.  Erst  als  seine  mit  dem  eif^cnen  Blut  geschriebene  drinj^ende  Bitte 
um  lintsatz  bei  dem  untätig  vor  Sabac  liej.5cnden  Sima  erfolglos  blieb  —  ein 
unter  Karadjordjcs  Wojwoden  oft  wiederkehrendes  Beispiel  von  Eifersucht  —  als 
auch  Wassermangel  eingetreten  war  und  die  Türken  einen  ehrenvollen  Abzug  mit 
den  Waffen  verweigerten,  beschloss  Moler,  sich  mit  den  Seinen  in  finsterer  Nacht 
durcii  das  türkische  Lager  zu  retten,  was  jedoch  nur  wenigen  gelang.  Bei 
dieser  ruhmvollen  Verteidigung  fiel  auch  ein  Bruder  meines  Gewährsmannes, 
Vuk  Karadzic,  welcher  1860  in  seinem  „Pravitelstvujusci  sovjet  serbski"  Molers 
betlecktcs  Andenken  reinigte. 

Peter  Nikolajevic,  genannt  „Moler",  weil  er  als  trefflicher  Maler  und  Zeichner 
allgemein  bekannt  war,  stammte  aus  Babinaluka  im  Valjevoer  Kreis.  Moler 
wat-  unstreitig  einer  der  fähigsten  Wojwoden.  Jedem  Absolutismus  abhold,  verstand 
er  es  aber  nicht,  bei  den  Hauptführern  und  Knczcn  sich  beliebt  zu  machen. 
1813  flüchtete  er  mit  Karadjordje  nach  Sirmien,  kehrte  jedoch  1815  auf  Milos' 
Wunsch  zurück  und  schloss  als  dessen  Kanzlcichef  den  Friedensvertrag  mit 
Maraäli  Ah  Pascha  ab,  wozu  ihn  seine  vollkommene  Kenntnis  des  Türkischen 
besonders  befähigte.  Von  da  ab  traten  Misshelligkeiten  mit  dem  Fürsten  ein, 
der  Moler  des  Einverständnisses  mit  dem  Pascha  zum  Nachteil  des  Landes 
beschuldigte.  Es  scheint,  dass  Molers  höhere  Bildung,  welche  jene  aller  Führer 
weit  übertraf,  sein  mächtig  wirkendes  oratorisches  Talent  und  sein  Streben,  Milos' 
Macht  möglichst  einzuschränken,  um  mit  Pavie  Cukic  und  Prota  Nenadovic  an 
der  Regierung  grösseren  Teil  zu  nehmen,  das  Misstrauen  des  Fürsten  erregt  hatte. 
Auf  der  Skupstina  (1816)  erhob  sich  Milos  plötzlich  mit  den  Worten:  „Bisher, 
Brüder,  war  ich  Euer  Führer,  von  nun  an  habt  Ihr  den  AAoler!"  Auf  diese 
Provokation  stürzten  sich  die  Knezen  auf  den  vermeintlichen  Rebellen,  banden 
ihn  und  schon  am  nächsten  Tage  ward  durch  Milos'  Einfluss  sein  vom  Metro- 
politen jWelentije  und  den  Knezen  unterfertigtes  Todesurteil  vollstreckt  Auf 
Befehl  des  Paschas  ward  er  des  Nachts  erwürgt  und  sein  Leichnam  am  Kalimegdan 
ausgestellt.  Molers  im  erwähnten  Vukschen  Buch  über  den  serbischen  Senat 
veröffentlichten  Briefe  aus  dem  belagerten  Loznica  sind  für  die  Geschichte  des 
serbischen  Unabhängigkeitskampfes  sehr  wertvoll. 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 


381 


Loznica  wurde  erst  1834,  nach  der  Einverleibung  von  Jadar  und  Radjevina, 
der  Hauptort  des  neugebildeten  Podrinjer  Kreises.  Die  Umstände,  unter  welchen 
sich  der  endliche  Exodus  der  Türken  aus  dem  Drina-  und  Jadargebiet  von  1830 
bis  1833  vollzog,  schilderte  Sreckovic  in  interessanter  Weise').  Die  ihrer 
Ausweisung  nach  Bosnien  gewaltsam  sich  widersetzenden  Türken  wurden  aus 
Soko's  Umgebung  durch  den  Wojwoden  Vucic,  vom  Drinaufer  (mit  Ausnahme 
Sakars  und  Mali  Zvorniks)  durch  Ignjat  Mali,  aus  Ljesnica  und  Sipnica  durch 
Vule  Gligorijevic,  aus  dem  Lagator  bei  Loznica  durch  Cuka  Markovic  verjagt 
Aus  der  Zeit  der  Türkenherrschaft  besass  Loznica  noch   1860  eine  alte  hölzerne 


1 


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LOZNICA,  Neuer  St.KlItcil 


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Moschee.  Obschon  mitten  zwischen  Wohnhäusern  liegend,  diente  sie  zur  Aul- 
bewahrung der  l^ulvervorrätc  des  Kreises.  Durch  den  häufigen  Gebrauch  des 
bei  uns  so  ängstlich  gehüteten  Schiesspulvers  verliert  dieses  bei  den  osteuropäischen 
Völkern  seinen  gefürchteten  Charakter,  ich  erinnerte  mich  zu  Loznica  lebhaft 
eines  F^'itroneniiefernnten  bei  NjeguS  in  Montenegro,  welcher  mir  seelenvergnilgt 
mit  hrenneiuler  IMeile  ilie  über  Cattaro  eingeschmuggelten  Pulvervorrätc  zeigte; 
es  war  im  Juli  1K5H,  als  Osterreich  die  Munitionsausfuhr  nach  den  schwarzen 
Bergen  verbot  und  die  Crnagorccn  ihren  grossen  Sieg  bei  Cjrahnvo  ein/ig  mit 
dem   llandzar  errimgen  hatten. 

Die    Kriegsjahre    187()-1878    störten    wenig    Loznicas    Entwickelimg.      Ein 
die  Stadt  vom  nördlichen  Suvi    bunar    bis   zur   0  km    fernen    Karaule   Smrdan 


(ii.isiiik.  IUI.  r.7,  IIS 


882  All  ik-r  Drina.     Von  l.oznica  nach  Zvornik. 

auch  Kfjviljaca  uinscliliesscndur  Schan/cnnürtcl  mit  \'.i  rasch  anKcIcKlen  Werken 
sicherte  es  nlückhch  vor  jeder  feindlichen  ÜberraschunK-  1H78  erbaute  Loznica 
seine  dem  „Leichentuch  Maria"  nt'weihle  zweite  Kirche,  1887  eine  Sparkasse  und 
1896  zahlte  es  in  411  Hausern  tlber  2'Mi(i  Bewohner,  welche  (224)  ausser  Handel 
und  Gewerben  auch  Acker-  und  Oartcnkultur  im  ^f'ssen  „Loznidko  polje" 
treiben.  Weizen  j^eileiht  dort  vortrefflich,  häufiger  wird  Mais,  weniger  Wein 
Hebaul.  Die  Umnebunn  gleicht  einem  einzigen  j;rossen  Obstgarten.  Riesige 
Kirschen,  Äpfel,  Birnen,  Zwetschi^en  H'bt  es  allerorts  und  entlang  der  Drina 
Walnüsse  mit  so  zarter  Schale,  dass  sie  beim  Herabfallen  berstet.  Edle  Kastanien 
wachsen  namentlich  auf  dem  Klicevac,  Tabak  von  sehr  nu{i:T  Sorte  baut  man 
im  oberen  Podrinje.  Die  Gewerbe  heben  sich  nur  allmählich.  1871  erhielt  die 
Stadt  ein  F^enluyninasiuni;  ihre  schon  1835  errichtete  Normalschule  wird  von 
U)(i  KnaiHM  liiul  Milde lien  besucht.  Die  kleine  Garnison  zählt  150  Soldaten 
und  5  Uffiziere. 

Durch  die  Bazarstrasse  kam  ich  186U  an  einige  nette  Häuser  christlicher 
Zigeuner,  welche  serbische  Untertanen  mit  allen  Pflichten  und  Rechten  geworden. 
Noch  1896  gab  es  auch  381  nuihanimedanische  in  der  Stadt.  Der  Zigcunerbasch^ 
war  ein  Mann  von  einnehmenden  Zügen;  es  schien,  als  hätte  das  an  einen  Ort 
gebundene  Leben  auf  sein  ganzes  Wesen  eingewirkt.  Er  äusserte:  „Wir  schicken 
unsere  Kinder  zur  Schule,  sie  sollen  gute  Serben  werden",  lobte  die  Humanität 
der  Behörden,  klagte  aber  über  das  unduldsame  Benehmen  der  Serbenkinder 
gegen  die  Sprüssliiige  seiner  Rasse.  Ich  suchte  ihn  zu  trösten  und  dachte  des 
wenig  beneidenswerten  Loses  jüdischer  Kinder  in  mancher  unserer  christlichen 
Sclnilen,  sowie  der  langen  Zeit,  welcher  es  bedürfen  wird,  um  überall  den 
klaffenden  Spalt  zwischen  Bekennern  verschiedener  Religionen  auszugleichen. 
Die  Schuld  liegt  in  Serbien  gewiss  nicht  am  Klerus,  der  grossenteils  sehr  tolerant 
ist.  Prota  Vasic,  der  Erzpriester  von  Loznica,  widmete  sein  eigenes  Haus  für  die 
fortsciirittsfreundiiche  „Podrinska  sloga"  und  einen  Leseverein,  in  dessen  gasf- 
liciicn   F^äuinen  auch  alte  Inschriftstcinc  bewahrt  werden. 

in  Loznica  liegt  der  Stab  des  Territoriai-Bataillons.  Die  prächtige  neue 
Kirche  und  Sciuile,  das  gieiciifalis  neue  zweistöckige  Nacelstvo,  hübsche  Kasernen 
und  das  Entstehen  netter  Privathäuscr  an  der  Stelle  des  abgerissenen  türkischen 
Gerumpels  geben  der  Stadt  nun  ein  ganz  verändertes  Aussehen.  1890  wurde 
sie  aber,  obschon  das  Ingenieur-  und  Gerichtsamt  dort  blieben,  aus  der  Reihe 
der  Kreisstädte  gestrichen.  Durch  energische  Hebung  des  Bades  „Smrdan  bara" 
hofft  man  sich  dafür  schadlos  zu  halten,  und  auch  die  neubegründete  Hilfs-  und 
Sparkasse  wirkt  erspricsslich. 

Aciit  Kilometer  südöstlich  von  Loznica  liegt  Träic,  das  bescheidene  Dorf,  in 
dem  Vuk,  der  berühmte  serbische  Schriftsteller  und  Patriot  (S.  97),  geboren  wurde. 
Dort  und  auf  seinem  benachbarten  Landgut  Lagator  an  der  Drina  pflegte  er 
gern  einige  Monate  im  Sommer  zu  verbringen.  Selten  kam  er  dann,  ohne  durch 
Anbauversuche  in  Serbien  unbekannter  Nutzpflanzen  oder  durch  die  Einführung 
Zeit  und  Kräfte  sparender  Maschinen  seinen,  alles  Neue  ablehnenden  Nachbarn 
praktische    Beispiele    rationaler    Landwirtschaft   zu   geben.     In   seinem   Testament 


An  der  Drina.     Von  Loznicn  nach  Zvornik.  383 

bestimmte  Vuk  diesen  Besitz,  nach  dem  Abieben  seiner  Familie,  zu  einer  Stiftung 
für  um  die  Erforscfiung  serbischer  Ahertümer  verdiente  Schriftsteller.  Verschiedene 
Umstände  hinderten  die  Ausführung  -dieser  edlen  Absicht.  Von  Vuks  unsterblichen 
Verdiensten  um  Serbien  wird  ausführlicher  im  111.  Bande  die  Sprache  sein. 
Hier  sei  aber  des  gleichfalls  zu  Trsic  geborenen  Mannes  gedacht,  dem  Vuk 
die  damals  seltene  Kunst  des  Lesens  dankte.  Jevta  Savic  nahm  als  Verwandter 
Vuks  und  einflussreicher  Wojwode  auch  sonst  auf  seine  Laufbahn  Einfluss.  Er 
zählte  mit  dem  im  Nachbardorf  Klubci  geborenen  Antonije  Bogicevic  zu  den 
bedeutendsten  Männern  des  Jadargebietes.  Gemeinsam  schlössen  sie  mit  Mehemed 
Kapetan  Vidaic  den  Vertrag  ab,  der  den  Podrinjern  durch  mehrere  Jahre  volle 
Ruhe  sicherte,  während  die  Türken  den  serbischen  Aufstand  in  anderen  Land- 
schaften bekämpften.  1808  widmete  Knez  jevta  sein  Haus  in  Belgrad  zur 
Errichtung  der  ersten  höheren  Landesschule.  1813  verhandelte  er  zu  Sofia  mit 
Calubi  Effendi  die  Unterwerfung  des  Landes,  während  sein  Freund  Bogicevic 
das  1807  angetretene  Podrinjer  Wojwodenamt  bis  zu  seinem  1813  erfolgten  Tode, 
zum  Wohle  des  oft  hart  bedrängten  ürenzgaues,  führte.  Die  Lieder,  welche  von 
Anta  Bogicevic  erzählen,  werden  selbst  von  den  moslimischen  Arnauten  gesungen. 
Ich  hörte  sie  zu  Lebane,  im  Prokupljer  Kreis,  im  Herbst  1889.  Seine  Tochter 
Tomanja  heiratete  des  Fürsten  Milos  Bruder  Jevrem.  Sie  lebte  als  Grossniutter 
des  Königs  Milan  bis   1884  hochbetagt  in  Belgrad. 

Drei  Stunden  südöstlich  von  Loznica,  nahe  einer  prähistorischen  Siedelung 
unter  dem  verfallenen  Carigrad  (Kaiserschloss)  am  Gucevo,  welche  drei  1870 
gefundene  prächtige  Armringe  und  keramische  Gbjekte  bezeugen,  liegt  in  einem 
seiner  nordöstlichen  Einsclmitte  das  von  Kala,  der  Frau  des  Kraljs  Dragutin, 
1317  erbaute  Kloster  Tronosa.  Das  Volk  hält  aber  die  Brüder  „Jugovic"  für 
dessen  Stiller.  Seinen  llauptschatz  bildet  die  hochwichtige  Handschrift  „Letopis", 
von  der  im  111.  Kapitel  des  111.  Bandes  ausführlicher  gesprochen  wird.  Auch  die 
„Briefe  des  Archimandriten  Stevan  Jovanovic"  sind  wertvoll  für  die  serbische 
Geschichte,  denn  kaum  war  jemand  so  sehr  wie  dieser  mit  einem  ihrer  interessan- 
testen Abschnitte  vertraut.  Als  (")sterreich  vor  dem  Türkenkrieg  1788—1791  die 
Rajah  zur  Erhebung  gegen  den  Sultan  aufrief,  war  Stevan  einer  der  eifrigsten 
Partisane  des  Kaisers.  Nach  gescIilDssenem  Frieden  hatte  deshalb  TronoÄa  und 
der  Pddrinjer  Kreis  am  meisten  unter  ilem  Dahienregiment,  mit  dem  berüchtigten 
Ali  Beg  Vidajic  an  der  Spitze,  zu  leiden.  1799,  als  das  westliche  Serbien  durch 
Hungersnot  beclri)lit  war,  begab  sich  Jovanovic,  wie  Vuk  erzählt'),  zum  Pascha 
nach  Zvornik,  um  ihn  zur  leihweisen  Überlassung  eines  Teiles  des  im  Schloss  auf- 
gestajielten  Hirsevorrats  /u  bewegen,  da  er  sieh  sonst  an  die  österreichische 
Ik'hiiiile  hiiilH  li  wiiukn  niüsste.  Nach  anläiiglnlier  Weigerung  stimmte  der  Pascha 
zu;  iloch  die  letzten  Worte  Jovanovics  erregten  semen  Argwohn,  als  wollte  dieser 
abermals  ilie  „Nenici"  ins  Land  rufen.  Flr  liess  den  bereits  auf  dem  Heimweg 
begriffenen  Arcluniaiidiilcii  unter  elneni  nichtigen  Vorwand  zurückholen  und  durch 
vergifteten   Kiilee  tciirn      Diu   trauernden  Serben   gestattete   man,   den   Leichnam 

')  Danica,  1  ff.   1827. 


884  An  der  l)rin;i.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 

des  ndieblcii  |-tllircrs  nach  TronoSa  zu  bringen,  wo  der  zu  Tckcrift  am  Jadar 
{»fboreiH-,  kaimi  40  |ahre  zühlcndf  Patriot  neben  dem  Kirchlein  ruht,  in  dem  sein 
Lielilinn  und  späterer  Bloj^raph  Vuk  als  wissbe^ierif^cr  Knabe  alte  Bücher  durchlas. 
TronoSa,  das  18.54  renovierte,  der  „hl.  Jungfrau  TempeinanK'  K<-'^'t''hte  einziRC 
Kloster  des  Loznicaer  Bezirks,  besitzt:  19  Hektar  Felder  und  (Jarten,  294  Hektar 
Wiesen,  972  Hektar  Wald,  eiiieii  auf  2.500  d  bewerteten  Viehstand.  Sein  auf 
53000  d  geschätzter  (jesanitbesilz  und  Jahreseinkonimen  von  .1500  d  j^enü^en 
ausreichend  für  die  bescheidenen  Bedürfnisse  des  I^;u^lal1s  uiul  Mniulus,  wi h  lie 
hier  in  stiller  Zurück^ezüj^enheit  leben. 

Von  Loznica  trat  ich  am  8.  Juni  1860  meine  erste  F^eise  entlang  der  Ürina 
an.  Der  Nacalnik  erwies  mir  die  lihre,  mich  nach  Koviljaca  banja  (vulj;. 
Snirdan   banja)  zu  begleiten,  das  zu  Serbiens  vnrzüf^lichstcn  Bädern  zählt. 

Der  Loznicaer  Bezirk  ist  reich  an  Mineralquellen.  Badania  am  Jadar  birgt 
einen  eisenhaltij.;en  Säuerlin^i,  Brdjani  südlich  von  Ljubovija  besitzt  eine  Schwefel- 
ciuelle,  Tekcris  eine  Therme,  die  grosse  Wirkunj^  erzielen  soll;  Dobra  voda 
bei  Mihne,  am  Südfuss  des  Ccr,  heilt  „alle  Krankheiten".  Das  berühmteste 
und  besuchteste  ist  das  am  Nordfuss  des  769  m  hohen  Crni  vrh  liegende 
„Koviljacka  banja",  so  genannt,  weil  auf  den  benachbarten  Bergen  das  in  den 
Liedern  oft  erwähnte,  zu  den  Gramineen  zählende  stipa  penata  (Kovilje)  wächst, 
auf  dem  die  Vilen  (Waldfeen)  schlafen.  Das  Volk  glaubt,  die  Burgruine  auf  der 
ijlcichnamigen,  vorzüglich  mit  Weissbuchen  bestandenen  Koviljaca  stamme  vom 
Schloss  einer  Fürstentochter  Koviljka. 

Vuk  erzählt:  1804  hatten  wir  am  Fusse  des  Hügels  unser  Lager.  An  einem 
Alorgen  berief  der  damals  im  Jadargebict  befehlende  Djordje  Curcic  die  gesamte 
Mannschaft  und  sprach:  „Leute,  seht  Ihr  diesen  Berg  hier?  Ich  habe  in  Österreich 
drüben  gehört,  dass  einst  hier  eine  Festung  stand,  die  grösser  war  als  Sabac 
und  Zvornik,  und  sollen  die  Leute,  ehe  die  Türken  das  Land  eroberten, 
alles  was  sie  an  Flinten,  Kanonen,  Pulver,  Blei,  Säbeln,  Messern  besassen,  kurz 
allen  Kriegsbedarf  in  derselben  aufgehäuft  und  dann  mit  Erde  verschüttet  haben. 
So  blieb  es  bis  zum  heutigen  Tag.  Waldgestrüpp  ist  darüber  gewachsen,  kein 
Mensch  hat  dessen  mehr  gedacht;  wie  wäre  es,  wenn  wir,  statt  hier  müssig  zu 
liegen,  uns  daran  nia.chten,  die  Mauern  auszugraben,  dann  hätten  wir  mit  geringer 
Mühe  eine  Festung  samt  Waffen  und  Munition.  Besonders  muss  es  viel  Pulver 
geben,  da  selbst  die  aus  dem  Berge  strömende  Quelle  danach  riecht."  in  der 
Tat  machten  sich  die  Leute  mit  allem  Eifer  daran,  den  Berg  aufzugraben,  doch 
nach  wenigen  Tagen  zeigten  sich  die  Türken,  das  Lager  ward  aufgehoben  und 
Koviljaca  blieb  wie  es  war.  Ich  aber  bin  überzeugt,  dass  Curcic  diese  Aufgrabung 
nur  deshalb  anordnete,  um  die  Leute  beisammen  zu  behalten  und  zu  verhindern, 
dass  sich  einer  nach  dem  anderen  davonschleiche'). 

Unser  Chronist  hat  die  von  ihm  vielgepriesene  Therme  an  sich  selbst  erprobt. 
Das  stark  schwefelhaltige  Sumpfbad  mit  Eisenquellen  erweist  sich  ungemein 
heilkräftig,  namentlich  bei  veralteten  Wunden,  Verrenkungen,  bei  Gicht.  Leber-  und 


')  Vuk,  Rjccnik,  281. 


An  der  Drina.    Von  Loznica  nach  Zvornik.  385 

Milzvcrliärtung,  bei  allgemeiner  Körperschvväche  usw.;  Vuk  besuchte  es  bis  in 
sein  hohes  Alter  wiederholt.  Die  Bewohner  des  römischen  Gensis  hatten  die 
heute  von  schönen  Gastgebäuden  und  anmutigen  Villen  verschönte  Therme  in 
der  von  der  grünen  Drina  durchflossenen  prächtigen  Ebene  sicher  gekannt. 
Am  jenseitigen  bosnischen  Ufer  steigen  langgestreckte  Bergketten  empor,  in  sanft 
profilierten  Linien  das  schöne  Landschaftsbild  abschliessend. 

Da  lag  nun  jenes  Bosnien  vor  mir,  dessen  Zustände  mich  seit  Jahren  lebhaft 
beschäftigt  hatten.  Düster  waren  die  Schilderungen  von  den  V^erhältnissen  des 
durch  innere  Kämpfe  zerrissenen  Landes,  ernst  war  die  Stimmung,  welche  der 
Gedanke  an  das  traurige  Los  der  über  dem  Flusse  wohnenden  Rajah  in  mir 
erweckte.  Auch  den  Nacalnik  schien  die  hier  so  nahe  bosnische  Grenze  nach- 
denklich zu  machen.  Eine  lange  Gesprächspause  unterbrechend,  sagte  er  mit 
ernstem  Tone:  „ich  habe  Ihr  Reiseprojekt,  entlang  der  Drina  nach  A\ali  Zvornik 
zu  gehen,  überdacht  und  wünsche  aufrichtig,  dass  Sie  es  aufgeben  möchten.  Die 
von  jeher  gegen  uns  misstrauischen  Türken  sind  es  noch  mehr,  seit  kürzlich 
zweihundert  der  Unseren  (1860)  heimlich  über  die  Drina  gingen,  um  ihren 
bedrängten  Christenbrüdern  beizustehen;  seitdem  bewachen  die  Türken  die  Grenze, 
als  wären  wir  im  Kriege  mit  ihnen!"  —  Ich  erwiderte:  „Das  ist  schlimm;  doch 
liegt  ja  Mali  Zvornik  nicht  in  Bosnien,  sondern  auf  serbischem  Boden;  ich  würde 
meinen  Plan  ausführen  und  müsste  ich  allein  dahin  gehen."  Der  Nacalnik  fand 
mich  fester,  als  er  gedacht  und  beteuerte,  dass  ich  ihm  zu  wann  empfohlen  sei, 
als  dass  er  nicht  für  meine  Sicherheit  möglichst  sorgen  sollte. 

Vor  dem  Abschied  eilte  ich,  das  von  der  Abendsonne  prächtig  beleuchtete 
Drinabild  für  den  Nacalnik  zu  skizzieren.  Mit  Aufmerksamkeit  folgte  er  den 
Bewegungen  meines  Stiftes.  „Dobro,  vrlo  dobro!"  (Gut,  sehr  gut!)  rief  er  wiederholt. 
Die  einbrechende  Nacht  beraubte  mich  seiner  Gesellschaft.  Er  gab  den  Pan- 
duren  einige  Anordnungen  für  meine  Weiterreise  und  sprengte  dann  mit  einem 
kräftigen  „Sbogom!"  (Mit  Gott!)  In  der  Richtung  von  Loznica  davon. 

Die  serbische  Sprache  ist  überreich  an  schönen  Redensarten.  Grüsse. 
Beteuerungen  und  fromme  Wünsche  begleiten  uns  vom  frühen  Morgen  bis  zum 
Schlafengehen.  Namentlich  beim  Essen  und  Trinken  bilden  sie  eine,  jedem 
rechtschaffenen  Serben  über  alles  gehende  Würze.  Am  nächsten  Morgen  steckte 
auch  mein  Hauswirt  mit  einem:  „Dobro  jutro,  gnspodine!  Kako  ste  mi  spavali?" 
((iulcn  M(ugen,  mein  Herr!  Wie  haben  Sie  (mir)  geschlafen?)  den  Kopf  zur 
schloss-  und  riegellosen  Tür  meines  Zimmers  herein  und  weckte  mich  mit  diesem 
gutgemeinten  Gruss.  Auf  hartem  Slmlisack  in  wackeliger  Bettstelle  halte  ich 
die  Nacht  verbracht;  ein  allersmüiler  Sessel  und  eine  schlechte  Lithographie, 
nach  der  Unterschrift  ilen  Zar  Alexander  vorstellend,  vervollständigten  das  Mobiliar 
meines  Gemachs.  Doch  es  war  ein  Zimmer,  und  zwar,  wie  versichert  wurde, 
ein  nur  für  Honoratioren  bestimmtes.  Um  die  mir  erwiesene  Auszeichnung  in 
noch  helleres  Licht  zu  setzen,  nannte  man  eine  respektable  i\\enge  hoher  Herren. 
wekiie  in  deni  gewiss  nicht  an  Knmfortfülle  leidenden  Raum  mehrere  Wochen 
gewohnt  hatten. 

I'.   KANITZ,   ScrhRii      1  — ' 


'MVi  An  der  Prina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 

Nach  H:h\  Sinrilari  hara  sdlllcn  die  vcrwilliiilin  Besucher  von  Karlsbad. 
Kissingen,  Uaikii-Iiadeii  waiidern,  die  mit  ri)maiilia(t-phanlaslischen  Ansprüchen 
den  lirfitidunf^sKeist  der  neplanten  Kurkomitces  und  WohnunKSvermictcr  fortwährend 
stacheln!  In  indianischen  Wigwams  ähnlichen  Kolibas  von  Pfählen  und  Rnhrj^eflecht 
lebten  zu  Bara  in  Rilunien  von  13—15  Kubikmeter  oft  zwei  bis  drei  Monate  dort 
verweilende  Familien.  Wohl  kosteten  diese  Wohnungen  auch  nur  eine  halbe  Mark 
für  den  Tag,  und  Bedürftigen  wurden  sie  sogar  unentgeltlich  überlassen.  Die 
Regierung,  als  Eigentümerin  des  Bades,  minderte  die  „Wohnungsnot"  durch 
Neuhauten,  deren  Zimmer  natürlich  zu  h(»heren  F^reisen  vermietet  werden.  In 
Loznica  wollte  sich  in  dun  letzten  Jahren  eine  Gesellschaft  zur  Hebung  des 
Bades  auf  occidentale  Stufe  bilden.  Es  soll  den  Serben  ersparen,  das  kostspielige 
Mehadija,  PiStjän  und  andere  oft  weniger  wirksame  fremde  Bäder  aufzusucjien. 
Wohlwollend  forderte  die  Regierung  diese  Absicht,  indem  sie  die  hier  oft  aus- 
trctciule  Drina  mit  einem  51000  d  kostenden  Steindamm  einschränken  liess. 

„Gospodine,  konji  su  pripravni!"  (Herr,  die  Pferde  sind  bereit!)  kündete 
der  Wirt  an.  Gleichzeitig  sprengte  eine  schmucke  Reiterfigur  auf  türkisch 
gezäumtL'Hi  Rossu  In  den  Huf.  Fis  war  der  vom  Nacalnik  zu  meiner  Begleitung 
bestimmte  Jovanovic,  Quarantäne-Kommandant  von  Sepacka  ada,  mit  einigen 
niartialiscli  aussehenden  Panduren.  Nach  Serbenbrauch  leerten  wir  eine  Flasche 
Wein  auf  den  guten  Ausgang  unseres  Vorhabens,  wobei  der  Wirt  und  die  in 
einer  Mehana  nie  fehlenden  Gäste  stets  bei  jedem  Glase  „Z-ur  Gesundheit!"  und 
„Geh'  es  Gott!"  dazwischen  riefen.  Unserem  Aufbruch  stand  nichts  entgegen, 
und  unter  einer  Salve  von  „Srecan  put!"  (Glückliche  Reise!)  ritten  wir  der  nahen 
Drinastrasse  zu. 

Die  aus  dem  altserbischen  Süden  kommende  Drina  bildet  mit  224  km  ihres 
langen  Laufes  die  Grenze  zwischen  Serbien  und  Bosnien.  Obschon  aber,  ihr 
stark  felsiges  Fiussbett  stellenweise  sehr  tief  ist,  wird  es  doch  erst  abwärts  von 
Ljubovica  bei  hohem  Wasserstand  für  mit  höchstens  500  q  belastete  Fahrzeuge 
schiffbar.  Das  Landen  von  Personen,  Waren  und  Tieren  ist  nur  in  drei  serbischen 
Quarantänestationen  gestattet:  an  der  Drinamündung  bei  Raca,  in  Sepacka  ada 
bei  Loznica  und  zu  Ljuhovlja.  FJn  hoher  Palisadenzaun  mit  vielen  Blockhäusern 
verband  diese  Stationen  zur  scharf  geschlossenen  Grenzsperre.  Die  Uferstrecke 
von  Sepac  bis  Ljuhovlja  zäiilte  allein  10  Karaulcn,  denn  sie  erheischte  die 
aufmerksamste  Bewachung.  Die  Türken  hatten  sich  dort  ein  Stück  serbisches 
Bergland,  dem  befestigten  bosnischen  Zvornik  gegenüber,  widerrechtlich  angeeignet, 
dessen  ausschliesslich  mosliniische  Bewohner  die  mit  grossen  Opfern  verbundenen 
serbischen  Sanitätsmassregeln  fraglich  machten.  Auch  strategisch  war  der  Verlust 
dieses  Terrains  schwerwiegend,  well  die  Türken  unter  dem  Schutze  der  Zvorniker 
Kanonen  jeden  .Augenblick  dort  landen  und  mit  der  Sabacer  Besatzung  das 
ungedeckte  serbische  Flachland  bis  Vaijevo  verwüsten  konnten,  bevor  seine 
Milizen  sich  gesammelt.  Dies  geschah  wiederholt  In  den  Befreiungskriegen  und 
1737  im  Seckendorffschen  Feldzug.  Der  vom  bosnischen  Vezier  abgesendete 
Parteigänger  Mehemed  durchzog  damals  mit  den  Häuptlingen  von  Zvornik  und 
Tuzla,  nach  Zurückdrängung  der  Kaiserlichen,  den  ganzen  Valjevoer  Distrikt  ijnd 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 


387 


strafte  die  unglückliche  Rajaii  für  ilire  den  cfiristlichen  Befreiern  bezeigte  Sym- 
pathie mit  Mord  und  Totschlag;  das  wehrlose  Land  wurde  ausgeplündert  und 
Tausende  von  Frauen  und  Kindern  ih  die  Sklaverei  geschleppt.  Die  Auslieferung 
der  türkischen  Enklave  am  serbischen  Drinaufer  bildete  einen  oft,  aber  vergeblich 
in   Konstantinopel  betriebenen  Kardinalwunsch  des  Fürsten  Mihail. 

Das  widerrechtlich  occupierte  Terrain  war  nicht  unbedeutend.  Es  erstreckte 
sich  vom  Radaljbach  8  km  südlich  bis  zur  Crvena  stena  und  vom  Drinaufer 
4  km  östlich  bis  zu  den  „Vlaske  njive".  Ausser  den  gleichnamigen  drei  serbischen 
Karaulen  wurde  das  stark  bergige  Terrain  von  einer  vierten  „Tresnjicka"  überwacht, 
was  aber  die  Bewohner  seiner  beiden  Türkenorte  Mali  Zvornik  und  Sakar  doch 
nicht  von  Einbruchsversuchen,  Viehdiebstählen,  Schmuggel  usw.  abhielt. 


KARAUI. E   BATAR.     Si'rhisciK-  Kar.iule-Pnndurcn  1860. 


Von  Koviljaf-a  banja  läuft  die  Karaulstrasse  am  Westhang  des  Gucevo 
bald  hart,  bald  entfernter  am  Drinaufer,  doch  selten  mehr  als  für  einen  Reiter 
l^aum  gebeiul.  Auf  wenigen  Strecken  bewährt  hier  der  Fluss  das  serbische 
Sprichwort:  Die  kruninie  Drina  kann  man  nicht  mit  einem  Achselruck  gerade 
machen.  Nach  halbstündigem  scharfen  Rilt  erreichten  wir  den  jungen  Laubwald 
durchsciHRideiulen  Saumpfad.  Noch  hatte  die  Morgensonne  den  Gu^evogipfel 
nicht  erklommen,  nur  einzelne  plänkelnde  Strahlen  glitzerten  auf  dem  leicht 
bewegten  Wasserspiegel;  jenseits  erglänzten  aber  die  über  300  ni  hohen  bosnischen 
Berge  bei  Celopek  schon  in  sonniger  Beleuchtung.  Tiefer  Friede  lag  auf  der 
mit  .ilkii  1-rühlingsreizen  geschmückten  Natur;  nur  ein  schmetternder  Chor 
gelieilertci  Walilsänger  und  die  Anrufe  pflügemler  Rajahs  am  jenseitigen  Ufer 
uiilcrhraclu'ii   ilic   ringsum   lierrsilu'iule  Slillc. 


IWK  An  der  iJrin.'i.     Von  Lnznicn  nach  Zvornik. 

Wir  iiillicrtcn  uns  der  Karaule  Batar.  StOrend  wie  ein  feindlicher  Putsch 
überraschle  unser  l'rscheinen  die  in  süssem  Nichtstun  schwelt^ende  Besatzung. 
Verleben  griff  der  wachhabende  Momak  (Wehrrnann)  nach  seiner,  an  einem 
vorspringenden  Querball<en  des  Bl()ci<hauses  lehnenden  Plinte.  Der  BuljubaSa 
(Korporal),  ein  elieinaliger  Liniensoldat,  salutierte  und  holte,  unsere  Wünsche 
erratend,  frisches  Wasser  aus  der  nahen  Quelle,  w.'lhrend  zwei  andere  Bursche 
sich  mit  unseren  Pferden  zu  schaffen  machten.  Ungern  vertauscht  der  Serbe 
seine  bequeme,  fast  schlotterige  Kleidung  mit  der  enganliegenden  Uniform 
europaischen  Zuschnitts.  Doch  das  Leben  des  Grenzpanduren,  das  in  vielem 
ticin  in  Volksliedern  gefeierten  Heiduckentum  ähnlich,  erscheint  oft  tatcnlustigen, 
der  strenggcrcgclten  Hausgemeinschaft  überdrüssigen  jungen  Leuten  als  beneidens- 
wertes Ziel.  Erreicht  er  es,  dann  kauert  er  für  4-6  Taler  (16  24  Mk.)  monatlicher 
Bezahlung  mit  seinen  Kameraden  während  des  Winters  um  die  Feuerstelle  der 
engen,  angerussten  Karaule,  durch  deren  Schiessscharten  Licht  und  Qualm  vergeblich 
um  Ein-  und  Ausgang  kämpfen.  Mit  Rauchen,  beschaulichem  Nichtstun  oder 
Gusiaspiel  tütet  er  die  Zeit.  Bricht  jedoch  der  Frühling  an,  den  der  Pändur 
sciinsüchtigcr  als  jedes  andere  Menschenkind  erwartet,  dann  nimmt  er  die 
blinkende  „Aibaneserin",  die  lange  Flinte,  von  der  Wand,  versorgt  Handäar  und 
Pistolen  im  (jürtei,  sieht  nach  den  F^atronen  und  zieht  voll  stolzen  Selbstgefühls, 
Liebes-  und  llciilenliedcr  singend,  patrouillierend  durch  die  Berge.  Wer  war 
ihm  nun  (.'hcMhürtig,  zumal  unter  den  Bursciien  seines  Dorfes?  Trug  er  auch 
niciit  den  Marschailstab  in  der  Tasche  —  Serbien  hat  keine  zu  vergeben  —  so 
konnte  er  doch  Buijubasa  werden,  und  er  wusste  es,  dass  so  mancher  in 
seinem   Vaterland   zu  Amt    und   Ehren   gelangte,   der   lange   nicht    Buljubaäa   war. 

Mit  Ausnahme  der  Karaule-Besatzungen  begegneten  wir  auch  weiter  keinem 
lebenden  Wesen.  Die  prachtvolle  Scenerie  entschädigte  jedoch  durch  stete 
lintwickelung  neuer  F^eizc  für  die  fehlende  Staffage.  Beide  Ufer  zeigten  im 
biuitcn  Wechsel  herrliche  Landschaftsmotive;  namentlich  bei  Ada,  dem  Sommer- 
konak  Mahmud  Paschas,  dessen  erstes  Stockwerk,  umrahmt  von  mächtigen 
Buchenkronen,  über  hohe  Mauern  hervorlugte.  Neugierig  blickten  wahrscheinlich 
des  Paschas  Odalisken  durch  die  engvergitterten  schmalen  Fenster  nach  den 
jenseitigen  fremden  Reitern,  welche,  wie  festgebannt,  etwas  von  dem  Inhalt  des 
geheimnisvollen  Hauses  erspähen  wollten.  An  heissen  Sommertagen,  erzählte 
mein  Begleiter,  gelingt  es  manchmal,  die  am  Flusse  angesiedelten  Nymphen  im 
feuchten  Element  zu  überraschen.  An  jenem  Tage  war  jedoch  selbst  mit  Hilfe 
eines  guten  Fernrohrs  nichts  zu  entdecken,  was  des  Occidentalen  im  Orient 
leicht  erregte  und  deshalb  oft  enttäuschte  Phantasie  hätte  befriedigen  können. 

Das  anmutende  moslimische  Stillleben  an  der  Drina  ist  verschwunden,  seit 
Herrn  v.  Kallays  Ingenieure  sie  von  den  schlimmsten  Schiffahrtshemmnissen  zu 
reinigen  suchten.  Während  dieser  Arbeiten  zog  man  aus  dem  Flussbett  nahe  der 
serbischen  Radaljska- Alünd  ung  ein  prähistorisches  Bronzeschwert,  dessen 
Typus  von  Griechenland  bis  Skandinavien  häufig  gefunden  wird  und  wahrscheinlich 
unserem  Arabeginn  angeluirt.  Das  Interesse  des  Archäologen  erregen  hier 
namentlich  die  einzeln  und  in  kleinen  Gruppen  erscheinenden  östlichsten  Vorposten 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 


389 


jener  in  Bosnien  und  Herzegowina  nach  Tausenden  zählenden  Steinplatten  und 
Sarkophage,  welche  der  Mohammedaner  „gjaursi<o  groblje",  das  christliche  Volk 
aber  einfach  „kamenje"  (Steine)  nerrnt.  Es  sind  die  unter  dem  Namen  „Bogu- 
milengräber"  die  Forscher  zuletzt  viel  beschäftigenden  Ruhestätten  des  bosnischen 
1-eudaladels  und  seiner  Lehensleute.    Die  vom  macedonisch-bulgarischen  Sektierer 


ADA,  M:iliiniKl  l'nsclms  bosnischer  Somnicrkonnk  I8G0. 


I'iip  Hoi;iiiiiil  (( luiilich)  rinj;eiiihili'  iiiul  ilesli.ilh  „Hoginnilismus"  genannte  Hcilslclirc, 
welche,  mit  ilem  llauiildogma,  der  Existenz  zweier  hi)herer  Wesen,  eines  guten 
und  eines  bösen  Ciuttes,  sich  um  die  Mitte  des  10.  Jahrh.  von  Macedonien  weit 
über  das  byzantinische  F^eich  nach  Deutschland.  Italien,  Frankreich,  bei  den  Sekten 
(In  K.iiliaitMir,  l'.ilarenir,  Manichiler,  l'aulikianer  usw.,  ausbreitete,  fand  auch 
unter  i\i:i\  Serben  l'.in.i;,in).;,  wurde  aber  schon  im  12.  jahrh.  von  dem  energischen 
üründer  der  Nemanjiilen- Dynastie   so   heilig  bekämpft,   dass   ihre  Anhanger  sich 


UDO 


An  der  Orina.     Von  Loznica  nach  /vornik. 


nach  der  Mcr/cKowina  fluchteten.  Von  dort  drant{  der  neue  Glaube  nach  Bosnien, 
wo  er  sich  unter  dem  Schutze  des  Adels,  trotz  der  KCK*-""  'hn  eifernden  katho- 
iisclieii  Ordenspriester  unter   diesen  der   aus    dem    niedersädisischen    Kloster 

Waldeshausen  stammende  Dominikaner  und  spatere  Bischof  in  Bosnien,  Giovanni 
da  Vualdesusen,  der  1253  starb  -  fjieich  mächtig  wie  der  albifjensische  im  südlichen 
Frankreich  entfaltete. 

War  der  meist  nur  aus  einem  Fclsblock  gearbeitete  „fio^umilcnsiein  wirklich 
einzig  bei  den  Bekennern  dieser  Sekte  gebräuchlich,  dann  dürfte  man  annehmen, 
dass  sie  im  heutigen  rechtsufcrigen  Drinagcbiet  gleich  zahlreich  wie  im  bosnischen 
waren,  denn  im  ganzen  Podrinjer  und  Uzicer  Kreise  —  doch  nirgends  über  ihre 
Grenzen  hinaus  stiess  ich  allerorts  auf  diese  interessanten,  aus  vortürkischer 
Zeit  stammenden  Denkmale.  Grösstenteils  inschriftlos,  aus  Kalkstein,  Marmor, 
Glimmerschiefer,  Syenit  usw.  roh  gehauen,  zeigen  auch  die  serbischen  Bogumilcn- 


».-^«rrrr-ir-  '"5  ,>.x 


Bogumilen-Grabsteine  an  der  serbischen  Drina. 


steine  sehr  verschiedene  Formen.  Sie  wechseln  von  der  einfachen  horizontalen 
Platte  und  dem  glatten  Würfel  bis  zum  auf  mehrstufigem  Piedestal  sich  erhebenden, 
2  m  langen,  1,5  m  hohen,  flach  oder  dachförmig  abgeschrägten  Sarkophag,  der 
sich  von  seinem  römischen  Vorbilde  dadurch  unterscheidet,  dass  er  aus  einem 
einzigen  Werkstück  besteht  und  dass  der  Tote  nicht  in,  sondern  unter  demselben 
begraben  wurde.  Wie  in  Bosnien  tragen  diese  merkwürdigen  Monumente  auch 
auf  serbischem  Boden  an  der  Hochfläche  und  an  den  Seiten  linearen  Ornament- 
schmuck, Embleme  oder  Figuren  en  reiief,  die  auf  den  Beruf  des  Verstorbenen 
hindeuten;  oft  sind  aber  auch  die  Darstellungen  schwer  verständlich.  Auf  dem 
linken  Ufer  der  Borinska  sind  sämtliche  Gräber  von  N.  nach  S.  gerichtet,  und 
zwar  mit  dem  Kopf  gegen  N.,  über  oder  neben  welchem  der  Denkstein  gewöhn- 
lich steht. 

Am  Wege  von  der  Karaule  Batar  nach  Mali  Zvornik   sieht   man   nahe  am 
Drinaufer  etwa  80  derartige  Grabstätten,  von  welchen  einige  bei  Brasina  einfache 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nacli  Zvornik. 


391 


Inschriften  und  zwei  auf  der  Anhüiie  Paiucica  beim  Dorfe  Borina  stehende 
Sarkophage  Bergbauwerkzeuge  zeigen,  welche  vermuten  lassen,  dass  die  unter  ihnen 
Ruhenden  dem  hier  einst  betriebenen  Erzbau  angehörten,  von  dem  die  Gegend 
den  Namen  „metaljka"  trägt  und  dessen  „iztruble  lobanje"  (Schlackenhalden)  am 
Wege  liegen').  Auch  im  östlichen  Bela  crkva,  auf  der  Jagodnja,  südlich  bei 
Kuccvic  auf  dem  Jabucar  u.  a.  O.  befinden  sich  ausgedehnte  alte  Friedhöfe, 
deren  Denkmaie  kreisförmige  Ornamente,  Schwerter,  Pferde  usw.  zieren.  In 
Bosnien  tragen  einzelne  Steine  auch  Inschriften;  eine  derselben  aus  dem  16.  Jahrh. 
verkündet,  dass  unter  dem  Stein  ein  Fürst  Batic,  Vasall  des  Königs  Tvrdko,  ruhe  2). 
Der  Loznicaer  Leseverein  bewahrt  eine  wahrscheinlich  gleichfalls  altserbische 
Platte  mit  schwer  lesbarer  Inschrift.  Von  den  Bogumilengräbern  im  Uzicer  Kreise 
und  ihrer  Ausdehnung  auf  serbischem  Boden  werde  ich  im  XVI.  Kapitel  aus- 
führlicher sprechen. 


KARAULE    RADA1.J, 
Mein  Halt  auf  dem  Vorposten  1860. 


Von  [^orina  erreichten  wir  in  1  Stunde  das  vierte  hochliegende  Blockhaus 
Radalj,  in  dessen  laubgedecktem,  sciialtigem  übservatorium  ein  frugaler  Imbiss 
uns  erquickte.  Der  jenseitige  bosnisciie  (ichirgszug  gestaltete  nur  an  wenigen 
Stellen  Finblicke  in  das  Land,  dessen  damalige  Zustande  voll  barbarischer 
Romantik,  von  Fanatismus  und  glaubeiistreiiem  Dulden  in  nahezu  alljährlichen 
Aufständen  sich  ntlonbarten.  A\ein  Wunsch,  iliese  \'erhällnisse  aus  eigener 
Anschauung  kennen  zu  leriKii,  snilie  rascher,  als  ich  dachte,  sich  erfüllen  in 
wenigen  Stumleii  hitrai  ich  nuiil  lieiwillig,  soiulerii  gezwungen  den  Boilen  der 
„gokleiu'ii   Hosna" ! 

Die  Mittagssonne  w.nl  liiie  sengenden  Strahlen  auf  unsere,  zwischen  Auen 
uiul  Feldern  die  Richtung  zur  türkisch-serbischen  lüiklave  jWali  Zvornik  ein- 
schlagende Karawane.  Uns  voraus  rill  der  alte  Buljubascha  von  Radalj;  er 
kannte    ;nii   besten  den    an    der  Drina  sich  hinschlängeliulen  F^fad,  und  er  war  es 

■)  (ilasiiik,  IUI.  .^)l.  IS«:;.        »)  SilzunKsher.  d.  Anllirop.  Ges.     Wien  1878. 


892  An  ilcr  Driii.i,     Von  Lo/nica  nach  Zvornik. 

auch,  der,  mit  einer  Harulbeweniuif»  nach  rechts,  uns  zuerst  die  Nahe  des 
bosnischen  Zvornik  verkündete.     Ein  Bcrgvorsprung  hatte  es  lang  verborgen,  um 

so  überraschender  lag  es  nun  vor  uns  mit  dem  ganzen  bestechenden  Reiz 
orieiilalisciier  Slildle.  Weiten  Spielraum  boten  der  Phantasie  terrassenförmig 
sich  erhebende  Hauserreihen,  durclibrochcn  vom  frischen  Grün  schattiger  Gärten, 
dazwisdien  Mosciieen  mit  riiiii^;eii  Kuppelabschlüssen  und  nadelartig  sich  ver- 
jüngenden Minarets,  noch  hr)her  die  altersgraue  Keste  mit  zum  Uferrand  herab- 
ziehenden Basteien  und  Türmen,  deren  bizarre  Konturen  mit  den  kühngezackten 
Felsen  wetteiferten.  Der  lieben  Sonne  schien  das  in  prachtvollen  Lasuren 
erglänzende  Bild  so  zu  gefallen,  dass  sie  es  mit  gewissenhaftester  Genauigkeit 
im  klaren  Drinaspicgel  nachbildete.  Die  warmicuchtenden  f-^eflexc  und  tiefen 
Schatten  der  feuchten  Kopie  erschienen  in  jener  Durchsichtigkeit,  welche  man 
in  Venedigs  Canal  gründe  bewunderl. 

Hart  vor  Mali  Zvornik  wurde  die  Strasse  schlecht.  Mit  spitzen  Kieseln 
gepflasterte  Stellen  wechselten  mit  in  den  Felsen  gehauenen  steilen  Treppen,  um 
wie  bei  allen  türkischen  Festungen  die  Annäherung  für  Kavallerie  und  Geschütze 
zu  erschweren.  Unsere  ungeteilte  Aufmerksamkeit  wurde  von  der  halsbrecherischen 
Passage  beansprucht,  und  so  entging  uns  die  lebhafte  Bewegung,  welche  unser 
Häuflein  in  der  jenseitigen  Feste  hervorrief.  Erst  nachdem  wir  unter  der  grossen 
Linde  gegenüber  dem  Mudirhaus  in  Mali  Zvornik  abstiegen,  sahen  wir,  dass 
sich  drüben  am  Ufer  zahlreiche  Gruppen  gebildet  und  dass  ein  grosser  Kaik 
abstiess,  welcher  die  Richtung  nach  unserem  Haltepunkt  nahm.  Mein  Begleiter 
erkannte  mit  dem  Fernrohr  im  Schiff  einige  Honoratioren,  und  in  der  Meinung, 
sie  käineit,  uns  zu  begrüssen,  ging  er  den  Landenden  freundlich  entgegen.  Er 
irrte.  Im  Gegenteil  entspann  sich  zwischen  den  Ankömmlingen  und  Jovanovic 
ein  heftiger  Wortwechsel,  wobei  von  ersferen  mit  drohenden  Gestikulationen  nach 
mir  gedeutet  wurde.  Ich  erhielt  auch  bald  von  meinem  Begleiter  die  nicht  sehr 
erfreuliche  A\itteilung,  dass  die  aufgeregten  Herren  im  Auftrag  des  Kommandanten 
gekommen  wären,  uns  nach  der  Feste  hinüberzubringen.  Sträuben  und  Beteuerungen 
erwiesen  sich  vollkommen  nutzlos,  auch  unsere  Begleitung  und  Pferde  durften 
nicht  zurückbleiben.  Ich  hatte  kurz  zuvor  mehrere  Wochen  lang  die  dichten 
Wälder  der  serbischen  Sumadja  durchzogen,  doch  nie  etwas  von  dem  Bangen 
empfunden,  das  mich  erfüllte,  als  der  Kaik  vom  Ufer  abstiess. 

Jeder  Rudcrschlag  brachte  uns  dem  Lande  näher,  wo  religiöser  Fanatismus, 
gepaart  mit  grenzenloser  Willkür,  einen  Teil  der  Bewohner  zu  Herren,  den  anderen 
zur  willenlosen  dienstbaren  Rajah  stempelte,  wo  bei  richterlichen  Urteilen  das 
verschiedene  Glaubensbekenntnis  über  Recht  und  Unrecht  schon  zum  voraus 
entschied.  Es  bedurfte  vollster  Sammlung,  um  die  forschenden  Blicke  dieser 
bosnischen  Moslims  auszuhalten  und  meinen  schwarzsehenden  Begleiter  ein  wenig 
zu  beruhigen.  „Herr,"  rief  er  wiederholt  aus,  „Sie  kennen  diese  Hartköpfe  nicht. 
Ich  weiss,  dass  sie  uns  keiner  Schuld  zeihen  können.  Sie  sind  aber  schon  auf 
den  leichtesten  Verdacht  hin  fähig,  uns  nach  Sarajewo  zu  schicken,  wenn  sie  zu 
nichts  Schlimmerem  sich  aufgelegt  fühlen."  Wenn  ich  nun  hier  eine  ausführliche 
Schilderung  meines  Abenteuers  auf  bosnischem  Boden  folgen  lasse,  so  geschieht 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik.  393 

es  nicht,  um  demselben  eine  grössere  Bedeutung  beizulegen,  sondern  weil  sich 
in  der  getreuen  Wiedergabe  im  kleinen  Rahmen  ein  auf  dem  Boden  realster 
Wirklichkeit  bewegendes  Bild  türkischer  Zustande  jener  Zeit  in  Bosnien  abspiegelt. 

Eine  Masse  beturbanten  Gesindels  erwartete  unsere  Landung  als  willkommene 
Unterbrechung  ihres  Nichtstuns.  Sie  begleitete  uns  unter  hühnischen,  mitleidigen 
und  neugierigen  Aeusserungen,  welch  letztere  vorzüglich  mir,  dem  Franken, 
galten,  bis  zum  Gross-Mudir-Konak,  der  glücklicherweise  nahe  dem  Landungsort 
lag.  Eine  hölzerne,  zierlich  geschnitzte  Treppe  führte  auf  eine  weite,  säulen- 
gestützte Veranda.  Dort  im  kühlen  Schatten  und  den  nahen  Garten  verratender, 
duftgeschwängerter  Luft  sass  in  einer  Ecke  in  der  schlotternden  türkischen 
Beamtenuniform,  fast  krankhaft  zusammengekauert,  der  Mudir  von  Zvornik,  aus 
einem  Nargileh  dichte  Rauchwolken  über  die  Balustrade  wegblasend.  Neben 
ihm  lag  ein  ausgezogenes  Fernrohr,  in  dem  ich  sogleich  die  mittelbare  Ursache 
unserer  unfreiwilligen  Anwesenheit  auf  bosnischer  Erde  vermutete.  Der  üblichen 
Begrüssung  —  in  der  Türkei  grüsst  der  Höhergestellte  stets  zuerst  —  folgte  ein 
kaum  merkbarer  Wink  des  Mudirs.  Er  sagte  dem  Tschibugdschi,  dass  sein  Herr 
auch  uns  gegenüber  die  Gebote  türkischer  Höflichkeit  erfüllen  wolle.  Kaffee  und 
Pfeifen  wurden  gereicht,  und  einige  Phrasen  konventionellen  Inhalts  leiteten  über 
die  ersten  Augenblicke  der  unangenehmen  Begegnung  weg. 

Die  Türken  sind  anerkannt  gute  Diplomaten.  Ihre  offiziellen  Vertreter  an 
europäischen  Höfen  haben  sich  bei  schwierigen  Gelegenheiten  den  Ruf  als  solche 
erworben.  Die  etwas  langweilige,  bis  in  das  kleinste  geregelte  Etikette  begünstigt 
ein  .uliigcs  Überlegen,  verzögert  ein  zu  rasches  Warmwerden  und  erleichtert 
geschickles  Ausweichen  bei  heiklen  Fragen.  Ich  fand  diesen  anerzogenen 
diplomatischen  Zug  oft  bei  Türken  in  niedrigster  Lebensstellung,  und  auch  auf 
dem  Gesicht  des  Mudirs,  gemengt  mit  einem  gewissen  Ausdruck  des  Woiil- 
wollcns,  welches  den  Moslim  asiatischer  Abkunft  charakterisiert.  Die  Gesellschaft 
vergrösserte  sich;  der  Militärkommandant,  Offiziere  aller  Branchen  fanden  sich 
eben  nicht  zufällig  bei  dem  Mudir  ein.  Die  Besuche  galten  offenbar  mir,  oder 
richtiger,  mir  und  meinem  Begleiter,  der  bald  ein  hartes  Kreuzfeuer  von  Fragen 
zu  bestehen  hatte.  „Weshalb  waren  wir  nach  Mali  Zvornik  gekommen?  Was 
halte  ich,  der  Fremde,  dort  zu  suchen?  Warum  hatten  wir  uns  nicht  früher 
ankiüKligen  lassen,  damit  uns  eine  Begleitung  hätte  entgegen  geschickt  werden 
können?  Was  hatte  ich  auf  dem  Wege  über  die  Lage  der  Festung  in  mein 
Buch  notiert?  Man  habe  tlies  wulil  bemerkt,  und  hierauf  gründe  sich  haupt- 
sächlich der  Verdacht,  dass  ich  ein  Ingenieur,  vielleicht  gar  ein  .Moskov'  sei." 
Niedeigesclnuelicil  vnii  i.iner  so  grossen  A\enge  verfänglicher  Fragen,  welchen 
sich  noch  zahlreiche  nebensächliche  anschlössen,  wurde  es  meinem  geängslelen 
Begleiter  schwer,  mit  unserer  Verteidigung  liurchzudringen.  Es  ist  heinahe 
unmöglich,  einem  Tinken  Ingreilluli  zu  machen,  dass  man  ein/ig  und  allein  im 
Interesse  wissenschaltiicher  l'orschungen  reise.  Der  Sinn  für  ethnographische 
und  archäologische  Studien  fehlt  ihm  gänzlich.  Wie  kann  man  Frau  und  Kinder 
ohne  solche  kann  sich  der  Türke  einen  Mann  von  dreissig  Jahren  nicht  gut 
denken        auf  jWonale  verlassen,  sich  Gefahren  und  Unbequemlichkeiten  aussetzen, 


1^94  An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 

nur  um  fremde  Gcticndcn  /u  sehen,  alle  Kirchen  und  Inschriftstcinc  zu  zeichnen, 
fremde  Sitten  und  Gebriluche  kennen  zu  lernen?  Ein  Militärarzt,  Ägypter  von 
Geburt,  von  Mehemed  Ali  mit  anderen  braunen  jUnKün^en  zum  Studium  der 
Medizin  nach  Glasgow  K^-'Scndet,  war  der  einzige  der  ehrenwerten  Gesellschaft, 
welcher  eine  vorurteilsfreiere  Ansicht  über  meine  Reisezwecke  gewann.  Er  trat 
mit  Wilrme  für  mich  ein,  und  der  Mudir  fand  meinen  Wunsch  (gerechtfertigt,  dass 
mit  der  hälluii;^  des  Urteils  bis  zum  Eintreffen  meiner  Reisedokumente  g^'^artct 
werden  müsse.  Unglücklicherweise  hatte  ich  dieselben  in  einer  Kassette  mit 
meinem  übrigen  Gepiick  in  der  serbischen  Grenz-Karaule  zurückfjelassen.  Der 
Buljubaäa  wurde  sofort  dahin  j^esendet.  Es  verrinnen  peinliche  Stunden,  bis 
er  sich  wieder  auf  der  jenseitijjen  Strasse  zeigte  und  mit  dem  sehnlich  erwarteten 
„Bissak"  glücklich  eintraf. 

Meine  Papiere  machten  nun  die  Runde  im  Kreise.  Doch  /Aii;ie  sich  wenig 
von  dem  erhofften  Eindruck,  und  zwar  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  niemand 
in  der  Gesellschaft  deutsch  oder  französisch  verstand.  Auch  die  Wirkung  des 
Visums,  das  icli  mit  einigen  Gulden  dem  kaiserlich-ottomanischen  Generalkonsulat 
in  Wien  bezahlt  hatte,  der  vielen  Stempel,  Siegel  und  hieroglyphischen  Unter- 
schriften, welche  die  polizeiliche  Sorgfalt  mitteleuropäischer  Regierungen  meinem 
Reisepass  im  Laufe  zweier  Jahre  aufgedruckt  hatte,  war  gleich  Null,  und  so 
hätten  wir  doch  wahrscheinlich  dem  Pascha  von  Sarajewo  unseren  unfreiwilligen 
Besuch  abstatten  müssen,  wenn  uns  nicht  das  gewichtige  Buiruldi  (Geleitbrief) 
Osman  Paschas,  des  Belgrader  Gouverneurs,  zu  Hilfe  gekommen  wäre.  Mn 
respektvollen  Blicken  prüfte  Sekretär  Sali  Effendi  die  von  Metallstaub  blinkenden 
Schriftzüge  und  das  riesige,  mit  Farbe  aufgedrückte  Paschasiegel;  —  es  musste 
zweifellos  echt  sein,  da  sich  die  Scene  vollständig  änderte.  Der  früher  so  kühle 
Mudir  Hauji  Ali  Bey,  der  Kommandant  Miralai  Ibrahim  Bey,  welcher  meinem 
armen  Begleiter  mit  Fragen  so  warm  gemacht,  der  Bimbaschi  Emin  Aga,  der  auf 
alle  Entschuldigungen  desselben  einzig  mit  „jok"  und  dem  obligaten  Kopfnicken 
(türkischer  Verneinung)  geantwortet  hatte,  erhoben  sich,  drückten  mir  der  Reihe  nach 
unter  allerlei  türkischen  Komplimenten  die  Hand  und  suchten  den  unangenehmen 
Vorfall  mit  der  von  meinem  Begleiter  unterlassenen  Anmeldung  zu  entschuldigen. 
Hekim  Said  Assaid,  der  ägyptische  Arzt,  musste  überdies  erklären,  dass  jeder 
Zweifei  an  meiner  Ehreniiaftigkeit  geschwunden  sei,  und  dass  man  gleich  anfänglich 
in  mir  einen  „very  fine  gentlenian"  erkannt  hätte!  Ich  erklärte  mich  mit  dieser 
Genugtuung  vollkommen  zufrieden.  Mudir  und  Miralai  glaubten  jedoch  ihr  früheres 
Benehmen  durch  eine  besondere  Artigkeit  sühnen  zu  müssen.  Während  einer 
kurzen  Promenade  im  wohlgepflegten,  schöne  Blumenexemplare  aufweisenden 
Garten  hatten  die  Kawassen  mit  erstaunlicher  Schnelligkeit  die  weite  Veranda 
durch  bunte  Papierlampen  und  Blumenguirlanden  in  einen  phantastischen  Kiosk 
umgewandelt.  Zurückgekehrt,  fanden  wir  bereits  die  höheren  Offiziere  der  Garnison 
versammelt,  die  gekommen  waren,  mich  willkommen  zu  heissen.  Ich  sah  hier 
eine  jener  reizvollen  Scenen,  wie  sie  nur  der  Orient  in  wechselvoller,  bizarrer 
Formen-  und  Farbengruppierung  zu  bieten  vermag.  Es  war  ein  buntbewegtes 
Bild,   dessen   ruhig  abschliessenden  Hintergrund  der  vom   Mondlicht   beleuchtete 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 


395 


Drinaspief^ul  und  die  schöne  jenseitige,  in  tiefe  Nachtschatten  gehüllte  Landschaft 
bildeten,  liin  echt  türkisches  Abendessen  und  der  gegenseitige  Austausch  kleiner 
Erinnerungsgeschenke  beschlossen  jJen  erlebnisreichen  Tag.  Die  ganze  Tisch- 
gesellschaft, umschwärmt  von  laternentragenden  Kawassen,  deren  der  Mond  seiner- 
seits zu  spotten  schien,  begleitete  mich  bis  zum  grossen  Militärkonak,  in  dessen 
Prachtsaal  ein  gutes  Bett  meiner  harrte.  Von  allen  Seiten  ertönte  zum  Abschied 
der  türkische  Gruss   „Friede  sei  mit  füich". 

Der    nächste    Morgen    traf   mich    mit    der    Skizzierung    des    meisterhaft    in 


ZVORNIK.    rr,ul;l,llili,     „•:    \1  li  1  it  k..|Mk    I  > 


arabischem  Stil  geschnitzten  (letäfels  meines  Schlafgcmachs  beschäftigt,  als  Herr 
lovanovic,  mit  verstörter  Miene  liereinstürzentl,  mir  ankündetc  —  ich  traute  meinen 
Oliini  kaum  —  dass  drr  tiukisclie  Stailtteil  in  vollster  Aufregung  sei  und  allgemein 
unsere  Vernehmung  vor  dem  grossen  Medschlis  (Stadtrat)  gefordert  werde.  Die 
hartköpfigen  Bosniakcn  Hessen  es  sich  nicht  nehmen,  dass  ich  ein  „Moskov 
inschener"  sei,  und  der  A\udir  musste  sich  gegen  seine  bessere  Überzeugung  in 
das  ungestüme  Verlangen  des  Medschlis  fügen.  Hesser  als  die  Feder  hätten 
einige  flüchtige  Bleistiftstriclie  das  Bild  der  echt  orientalischen  Scene  wiedergegeben, 
welche  sich  bald  vor  mir  in  Form  eines  türkischen  (lerichls  abspielte.  Der 
Mouu-nt  war  jedoch  /u  ernst,  ich  w.igle  es  nicht,  den   Slifl  zu  /lelien.  und  meinem 


896  An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvomik. 

Skizzentnich  Kinnen  die  merkwürdigen  Physiognomien  der  fünfzehn  Ghedcr  des 
hohen  Rates  von  Zvornik  verloren,  welche  sich  auf  niederen,  an  drei  Wnndseiten 
des  Ziininers  herumlauftiult'n  Biliikcn  niedergelassen  hatten.  In  der  rechten  flcke 
des  Saales  sass  der  Mudir,  ihm  zur  Linken  der  rruppeiikommandant  und  Major 
Ibrahim  Bey.  Rechts  vom  Mudir  stand  eine  bemalte  Truhe,  wie  sie  zu  Kronstadt 
in  Siebenhürgen  zu  Tausenden  für  die  Türkei  angefertigt  werden;  sie  enthielt 
das  Stadtarchiv.  Kawassen  eilten  ab  und  zu,  servierten  als  Präludium  den 
Medschlismitgliedern  Tschibuk  und  Kaffee.  Der  unausweichliche  Tabak  schmeckte 
sehr  gut,  der  Mokkatrank  war  aromatisch  und  stark;  beide  Artikel  mögen  wohl 
in  der  Rubrik  „verschiedene  Ausgaben"  des  Sladtbudgets  von  Zvornik  —  wenn  an 
ein  geordnetes  Budget  in  türkischen  Städten  überhaupt  gedacht  werden  kann  —  in 
ganz  respektabler  Summe  figurieren.  Sali  Effendi,  der  Sekretär,  holte  indessen  aus 
dein  geschilderten  Archiv  vergilbte  Stücke  des  Korans  hervor,  einige  weisse, 
schmale  Papierstreifen  und  Schreibmaterialien.  Mir,  nicht  aber  meinem  Begleiter, 
wurde  ein  Sessel  angeboten.  Nach  einigen  allgemeinen  Fragen  kamen  meine 
„vielgeprüften"  Papiere  an  die  Reihe.  Abermals,  wahrscheinlich  dem  ihn  bezahlenden 
Medschlis  zuliebe,  betrachtete  Sali  Effendi  die  arabischen  Schriftzüge  des  Buiruldi 
mit  einer  Sorgfalt,  als  hätte  er  sie  am  Tage  zuvor  nicht  gesehen,  las  das 
Schriftstück  der  hohen  Versammlung  vor  und  kopierte  es. 

Während  dieses  Prozesses  sassen  die  Mitglieder  des  hohen  f^ates  in  ver- 
schiedenen malerischen  Stellungen  da,  mit  dumm  ernster  Miene  blaue  Rauchwolken 
vor  sich  hinblasend,  oder  argwöhnische  Blicke  nach  mir  werfend.  Alle  aber 
zeitweise  einzeln  und  im  Chore  den  armen  Jovanovic  mit  Vorwürfen  überhäufend. 
Alle  Entschuldigungen,  dass  er  doch  so  oft  anstandslos  Mali  Zvornik  besucht,  wurden 
durch  den  Einwand  entkräftet,  dass  er  damals  in  amtlicher  Eigenschaft  allein, 
diesmal  aber  unangekündet  in  Begleitung  eines  Fremden  gekommen  sei,  von  dem 
man,  aller  Legitimationen  ungeachtet,  nicht  wissen  könne,  ob  er  nicht  ein  „Moskov 
inschener"  sei.  Es  schien  mir,  als  wollte  man  es  dem  „serbischen"  Beamten 
fühlen  lassen,  dass  hier  seine  fürstliche  Uniform,  sein  Säbel  ihn  nicht  schützen 
und  dass  er  im  Grunde  doch  nur  ein  rebellischer  Rajah  des  Grossherrn  sei. 
Sali  Effendi  hatte  seine  Kopie  endlich  vollendet.  Nun  folgte  eine  stürmische 
Debatte  über  den  zu  fällenden  Spruch.  Die  leidenschaftlich  erregten  Bosniaken 
errangen  über  die,  zur  Mässigung  ratenden  Osmanli  den  Sieg,  das  Urteil  lautete: 
Jovanovic  solle  bis  zum  Eintreffen  der  Weisungen  des  Paschas  von  Sarajewo  in 
Zvornik  interniert  bleiben,  ich  aber,  ohne  serbischen  Boden  zu  berühren,  nach 
Österreich  zurückkehren.  Sollte  mein  Reiseplan  nicht  völlig  zerstört  werden  und 
mein  Begleiter  den  mir  erwiesenen  Dienst  mit  Verlust  an  Zeit  und  vielleicht  auch 
an  Ehre  büssen,  galt  es  mit  .vollster  Energie  für  uns  beide  einzutreten.  Ich 
erklärte,  dass  ich  nur  mit  meinem  Begleiter  zusammen  Zvornik  verlassen,  durch 
den  in  Sarajewo  residierenden  „nemz"  (Konsul)  über  die  Nichtrespektierung  des 
Buiruldi  beim  Pascha  Klage  führen  und  für  jede  weitere  Stunde,  die  man  uns 
zurückhalte,  eine  angemessene  Entschädigung  verlangen  würde.  „Es  wäre  am 
besten,"  setzte  ich,  um  den  Eindruck  meiner  Drohung  zu  verstärken,  die  Uhr 
ziehend,  hinzu,  „wenn  das  Medschlis  uns  ohne  Verzug  ziehen  Hesse."     Unterstützt 


An  der  Drina.     Von  Lnznica  nach  Zvornik. 


397 


von  dem  wohlwollenden,  vielleicht  auch  den  Konflikt  mit  dem  einflussreichen 
österreichischen  Konsul  fürchtenden  Miidir  und  meinem  Freunde  aus  dem  Pyra- 
midenland gelang  es,  das  in  Angst  gejagte  Medschiis  zur  Abänderung  seines 
ungerechten  Spruches  zu  bewegen. 

Doch  auch  in  dieser  letzten  Entscheidung  äusserte  sich  der  tiefgewurzelte 
Hass  der  ungeschlachten  Bosniaken  gegen  das  Serbentum.  Nachdem  Jovanovic 
nicht  persönlich  geschädigt  werden  konnte,  wurde  er  empfindlich  beleidigt.  Von 
türkischen  Kawassen  begleitet,  sollte  er  auf  der  Drina  nach  Sepacka  ada  zurück- 


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kehren,  sein  Pferd  aber,  auf  bosnischem  Ufer  bis  gegenüber  dieser  Station  geführt, 
ihm  dort  erst  ausgeliefert  werden.  l"r  hat,  wie  mir  später  sein  älterer  Bruder 
Nastas  versicherte,  diese  Kränkung  bis  zu  seinem  Tode  nie  den  Türken  verziehen. 
Mir  wurde  es  freigestellt,  mit  demselben  Schiffe  bei  der  serbischen  Karaule  Radalj, 
unterhalb  Mali  Zvornik,  mit  meiner  ilskorte  zu  landen.  Die  traurigste  F^ille  während 
iler  Verhaiulliuig  spielte  der  christliche  Tschorbaschi,  der  unter  fünfzehn  Mitgliedern 
allein  die  ein  Dritteil  der  Stadtbevölkerung  bildenden  Christen  vertrat.  Durch 
stumme  (iebänlen  drückte  er  uns  verstohlen  seine  Teilnahme  aus;  als  ich  den 
Saal  verliess,  benutzte  er  einen  \\omenl,  in  dem  er  sich  unbeachtet  glaubte. 
bückte  sich  lief,  suchte  meine  ll.iiul  zu  küssen  und  beschwor  mich  in  serbischer 


S98 


An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvornik. 


Spradif,  iImii  zu  verzeihen,  dass  er  nicht  für  uns  gesprochen,  tr  wagte  es  nicht, 
da  es  ihm  iiiul  uns  f^eschadet  hatte.  Solcher  Art  war  die  Vertretung  der  chrisl- 
lichin  Hcviilkurung  der  Türkei  in  den  Medsthhs,  welchen  die  Steuerverteilung, 
Rethtfilllunn  usw.  ohlag,  die  über  das  Wohl  und  Wehe  der  „Rajah"  entschied. 
Doktor  Said  Assaid,  der  Byrons  Poesien  mit  Begeisterung  in  sich  aufgenommen, 
blieb  bis  zum  letzten  Augenblick  mein  teilnehmender  Verteidiger.  Er  bot  mir  den 
Arm,  um  mich  auf  dem  Weg  zur  Skela  (Überfähre)  gegen  die  Insulten  des 
zusaniinengelaufcMcn  fanatisicrten  I-Tjbels  zu  schützen.  Die  Kawassen  hatten 
vollaul  /u  luM,  Ulli  (.lieseii  von  uns  abzuhalten.  Als  wir  glücklich  unser  Boot 
erreicht  iiatlen,  skizzierte  ich  rascii  die  Umrisse  des  „grad",  welche  seitdem 
vervielfältigt  in  vielen  Werken  figurieren. 


Major  R.ijkovi(i. 


General  Alimpii. 


Zvorniks  erste  Befestigung  entstand  sicher  in  der  Römerzeit  zum  Schutze 
der  nahen  erzreichen  Minen  ')■  Die  Ragusaner  besassen  in  „Zvonik"  eine  schon 
1412  erwähnte,  Goldv  und  Silberhandel  betreibende  Kolonie  und  ein  Kloster  der 
Franziskaner.  Vuk  Brankovic  besetzte  die  Burg  (1433),  um  deren  Besitz  bald 
auch  Ungarn  und  Türken  heftig  stritten.  1688  gelangte  „Zvornik"  durch  Kapitulation 
in  kaiserliche  Hände.  Im  Eugenschen  Feldzug  suchte  es  der  kühne  Petras  zu 
nehmen,  wobei  er  schwer  verwundet  wurde-).  Ebenso  missglückte  der  Versuch 
des  Prinzen  von  Hildburghausen  1737,  es  zu  überrumpeln  und  so  die  Verbindung 
mit  der  an  die   Sava   zurückgehenden  Hauptarmee  Seckendorffs  herzustellen;   ein 


'i  Kanitz,  Romische  Stiuiien.  13t). 

■)  Nacli  Vuk  (Rjecnik,  497)  niuss  dieser  Petras  lang  populär  geblieben  sein.  Das  Volk 
sprach  noch  zu  seiner  Zeit  von  „Petraskijevs  Zeiten"  und  erzählt:  Kapelan  Petras  habe 
Zvornik  genoninien,  doch  heim  eiligen  Abzug  eine  nach  ihm  genannte  Riesenkanone  auf  der 
Strasse  im  Stich  gelassen  —  eine  zweite  „Zelenko"  aber  in  die  Drina  geworfen,  wo  sie  die 
Türken  vergeblich  herausbringen  wollten. 


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An  der  Drina.     Von  Losnica  nach  Zvornik. 


401 


zweiter  des  von  letzterem  abgesandten  GM.  Lercher  am  4.  Oktober  misslang 
gleichfalls.  Aus  jener  Zeit  stammt  ein  Plan  im  Wiener  Kriegsarchiv,  der  mittel- 
alterlichen baulichen  Anlage  der  Hochburg;  ihre  oft  renovierten  Türme  und  Mauern 
erhalten  dadurch  besonderes  Interesse,  dass  zu  Beginn  des  Jahrhunderts  die 
jenseitige  Loznicaer  Rajah,  darunter  der  zu  europäischer  Berühmtheit  gelangte 
Vuk  Karadzic  —  wie  er  mir  persönlich  erzählte  —  Baumaterial  in  Körben  auf 
dem   [Lücken  zur  Vergrösserung  der  oberen  Partie  hinaufschleppen  musste. 

Die  Einschiffung  meiner  Eskorte  und  Pferde  wurde,  während  ich  die  Feste 
zeichnete,  beendet.  Dankerfüllt  schied  ich  von  Said  Assaid,  dem  liebgewonnenen 
Sohne  Ägyptens,   und   rief  ihm  ein  herzliches  „God  bless  you!"   zu.     Die   Ruder 


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Xtrr. 


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Serbischer  Vormarsch  nach  Bosnien  im  Jiih  1876. 


tauchten  in  ilie  liellgrüiu'  Flut  nnil  eine  Wendung  des  Flusses  entzog  uns  bald 
den  Blick  auf  Zvornik,  in  ileni  ich  liehen  manch  guter  Seite  der  asiatischen  A\i>slims 
den  l'anatisnuis  tier  nidhanimeilanischen  Bosnier  kennen  lernte. 

Viel  hat  sich  hier  siitilem  in  verhältnismässig  kurzem  Zeitraum  geändert! 
Nicht  am  wenigsten  ilurch  ilie  von  iler  Drina  unil  aus  der  Herzegowina  ertönenden 
Hilferufe  der  in  iniausgesetzlen  Aufständen  ihre  Befreiung  von  der  moslimischen 
Begwirtschaft  versuchenden  stammverwandten  Pajah  schritt  das  kleine  Fürstentum 
am  2.  Juli  l.S7t")  zur  Kriegserklärung  an  die  Türkei.  Von  den  aufgestellten  vier 
Armeekorps  am  Timok,  Ibai,  an  iler  Morava  imil  Sava  sollte  das  letztere  in 
Bosnien  einbrechen  und  es  mit  Hilfe  seiner  rasch  zu  bewaffnenden  christlichen 
BevölkeriMig  erobern.  Die  Phantasie  hatte  abei  weit  mehr  als  der  kühl  berech- 
nende Verstand,  wie  sich  bald  zeigte,  die  Bedingungen  zmn  Gelingen  dieses  kühnen 

C.  KANITZ,   Serbien.   1.  ÄJ 


lO'J  An  der  Drina.     Von  Losnica  nach  Zvornik. 

Planes  erwogen.  Diu  von  den  KührL-rn  des  büsnisch-herze^owinischen  Aufstandes 
zunesaKte  allgemeine  Krhebunji  der  Rajah  vollzog  sich  gleich  wenig  wie  jene 
in  Altserbien  und  Bulgarien.  Nun  waren  aber  die  Würfel  geworfen!  General 
f^inko  Alinipic  verfügte  über  5  Bataillone  Sabac,  6  Bataillone  Podrinje, 
I  Bataillon  Valjevo,  der  Drina-Division,  detachiert  nach  Obrenovac  an  der  Sava, 
I  Bataillon  Rudnik,  einige  Bataillone  ungarisch-serbischer  Freiwilliger,  2  Eskadrons, 
8  schwere  Vierpfünder  und  4  Oebirgsbatterien  zu  je  4  Geschützen.  Sein  General- 
Stabschef  war  Oberstleutnant  Oreskovic,  früher  im  österreichischen  Dienst.  Major 
Rajkovid,  dem  während  des  Belgrader  Bombardements  (1862)  der  rechte  Fuss 
abgeschossen  wurde,  trotzdem  und  am  Sattel  festgeschnallt  gute  Figur  machend, 
auch  durch  zündende  Ansprachen  seine  Leute  zu  elektrisieren  verstand,  war 
Anführer  der  I-reiwilligen.  Alimpic  ordnete  sofort  die  Verschanzung  von  Lje§nica, 
Loznica  und  anderer  Punkte  an,  welche  ein  Teil  des  dritten  Aufgebots  am 
Drinaufer  von   f^aca  bis  Ljubovica  besetzt  hielt. 

Die  Hauptaktion  war  gegen  Bjelina  gerichtet.  Am  3.  Julimorgen  überschritt 
Alimpic  mit  Benutzung  der  Badovincer  Inseln  die  Drina.  Sein  linker  Flügel  rückte 
sofort,  die  türkischen  Vorposten  vor  sich  hertreibend,  auf  Janja,  sein  rechter  über 
Popovi  nach  Medjaäi,  wo  er  im  Gefecht  die  beigegebene  Artillerie  eingreifen 
lassen  niusste.  Das  Zentrum  ging  über  Amajiija  gegen  das  stark  verschanzte 
Städtchen  Bjelina  vor.  Der  durch  einige  Batterien  unterstützte  dreifache  Angriff 
stiess  auf  unerwartet  zähen  Widerstand.  Erst  am  Nachmittag  gelang  es  dem 
auf  der  Medjaser  Strasse  anrückenden  rechten  Flügel,  durch  die  Verschanzungen 
in  die  Stadt  zu  dringen.  Aus  ihren  Häusern  empfing  ihn  ein  wohlgenährtes 
Gewehrfeuer.  Zurückweichend  brachte  er  auch  das  Zentrum  in  Verwirrung. 
Alimpic  musstc  den  Rückzug  antreten,  behauptete  sich  aber  in  den  rasch  auf- 
geworfenen Verschanzungen  am  bosnischen  Drinaufer,  wo  in  seinem  Lager  bei 
Popovi  bald  Scharen  aufständischer  Christen  erschienen,  die  er  mit  Waffen  versah 
und  disziplinierte.  Doch  auch  Bjelinas  Besatzung  hatte  sich  durch  ansehnliche 
Zuzüge  aus  Tuzla  und  Zvornik  verstärkt  und  war  nach  verschiedenen  Scharmützeln 
so  kampflustig  geworden,  dass  sie,  aufgeregt  darüber,  dass  die  Serben  ihnen  das 
kleine  Fort  Raca  an  der  Drinamündung  weggenommen,  am  20.  Juli  einen  Angriff 
auf  Alimpics  festes  Lager  wagten.  Um  die  Aufmerksamkeit  seiner  Verteidiger  zu 
teilen,  eröffneten  sie  am  19.  bei  Zvornik  ein  starkes  Artilleriefeuer,  als  wollten 
sie  dort  die  Drina  überschreiten.  In  Wirklichkeit  erschienen  sie  aber  mit  etwa 
4000  Mann  Jägern,  Baschibozuks,  Reitern  und  vier  gezogenen  Dreipfündern  vor 
Alimpics  Verschanzungen,  welche  die  an  der  Tete  vorgehenden  Nizanis  durch  ein 
wohlgezieltes  Feuer  abwiesen.  Aller  Mut  half  den  Türken  wenig,  mit  grossem 
Verlust  gingen  sie  nach  vierstündigem  wiederholten  Stürmen  nach  Bjelina  zurück. 
Den  Serben  kostete  der  Tag  30  Tote  und  163  Verwundete.  Auch  ein  Angriff 
am  22.  Juli  auf  die  von  Alimpic  bei  der  Karaula  Radalj  errichtete  Batterie,  welche 
Zvorniks  Verbindungsstrasse  mit  Janja  und  Bjelina  bestrich,  sowie  ein  anderer 
Vorstoss,  um  sich  des  beim  Ausbruch  der  Feindseligkeiten  geräumten,  von  den 
Serben  aber  sofort  bis  hinauf  zu  den  679  m  hohen  „Vlaske  njive"  stark  verschanzten 
Mali  Zvorniker  Gebietes  auf  dem  rechten  Ufer  wieder  zu  bemächtigen,  misslangen. 


An  der  Drina.     Von  Losnica  nach  Zvornik. 


403 


Tirailleurf^efechte  und  nutzlose  Kanonaden  füllten  die  Zeit  bis  zum  11.  August, 
an  dem  Alimpic  2  Bataillone  mit  4  Geschützen  von  Radalj  auf  das  linke  Ufer 
sendete,  um  die  Verbindung  zwischen  Bjeiina  und  Tuzla  zu  unterbrechen;  ein 
feindliches  Detachement,  welches  dies  hindern  wollte,  erlitt  bedeutenden  Verlust. 
Damit  endete  die  Tätigkeit  des  Drinakorps  auf  bosnischem  Boden,  und  als  die 
für  den  16.  September  vereinbarte  Waffenruhe  bekannt  wurde,  ging  es  gänzlich 
auf  das  serbische  Ufer  zurück,  wozu  auch  das  seine  Verbindung  mit  diesem 
bedrohende  starke  Steigen  des  Flusses  gezwungen  hätte.  Alimpic  Hess  die 
Brücken  abbrechen,  nachdem  er  früher  noch  die  ihm  zugeströmten  bosnischen 
Scharen,    etwa    2000  Mann,    tüchtig   exerziert   in   das   Unagebiet   entsendet   hatte. 


LJ1-.SMC,\,    Stli,ni.i.uU.UJ    l.^Ti,. 


Die  auf  Schleichpfadeii  in  kleinen  Haufen  dort  angelangten  Aufständischen  Hessen 
unter  dem  Kommando  ihres  Landsmannes  Despotovic  bald  von  sich  hören.  Sie 
beunruhigten  das  Gebiet  zwischen  der  mittleren  Una  und  Sava,  nahmen  am 
14.  August  das  Fort  und  Städtchen  Petrovac,  am  8.  September  Glamoc  und 
suchten,  sütllicli  vortiringeinl,  die  Opcratiniien  der  lierzegowinischen  Insurgenten 
tunlichst  zu  iinterstiKzen.  Nach  der  Wiederaufnahme  der  Feindseligkeiten  gelang 
es  den  eine  grössere  Truppeninasse  an  der  Drina  vereinigenden  Türken  die 
Inseln  Bujukli{[-a,  Prudovi  und  Suvaca  zu  besetzen.  Von  Srcbrnica  aus  bedrohten 
sie  AlimpiCs  linken  l'liigel,  doch  bevor  die  geplante  grosse  Operation  auch  in 
der  F^ichlung  auf  Mali  Zvornik,  I.jubovija  niul  Bajina  baSla  ausgeführt  werden 
konnle,  kam  es  zur  von  den  ( irossmiicliten  diktierten  dauernden  Waffenruhe, 
wclclie  den  Krieg  beendele.  1  s  iH'diiilie  aber  muli  eines  langdauernden  direkten 
Noteiuveclisels  zwischen  Belgrad  mit  iler  l'lorle  und  ihren  Generalen,  bis  eiullich 
der  Sarajewoer  Sali  Pascha  am  30.  März  nachmittags  gegen  das  zur  gleichen  /eil 


Uli  An  dur  Driria.     Von  l.oznica  nach  Zvornik. 

Voll  den  Serben  nerüunile  Mali  Zvoriiiker  (jebiet  den  vorerwähnten  (grossen 
Drina-Inselkomplex  persönlich  dem  General  Alimpic;  auslieferte. 

Zieht  man  den  j»rossen  Kraftaufwand  in  Betracht,  den  das  mächtiKC  Österreich- 
Ungarn  zur  Occupation  von  [Bosnien  und  der  Herzegowina  Ke^en  ihre  waffenlüchlige 
moslimische  ßev(')ikerun^  entwickeln  niusste,  so  wird  man  heute  objektiver  über 
Alimpics  misslunjjene  Offensive  urteilen  und  erkennen,  dass  die  ihm  zur  Ver- 
füf^un^  nesteliten  Streitkräfte  viel  zu  unbedeutend  waren,  um  grössere  Resultate 
zu  erringen. 

Zwei  Jahre  später  wehte  das  kaiserliche  Banner  auf  Zvorniks  alten  historischen 
Schlossinauern;  mit  ihm  zog  hier  ein  zivilisatorisches  Regiment  ein,  das  meine 
geschilderten  unangenehmen  Erlebnisse  in  der  romantischen  Drinafeste  bald  nur 
als  eine  charakteri.stische  Episode  aus  einer  der  schlimmsten  Epochen  der 
„goldenen  Bosna"  erscheinen  lassen  wird.  Auch  für  das  vielumstrittene  Mali 
Zvorniker  Gebiet,  das  für  mich  so  unangenehm  wurde,  brachen  seither  bessere 
Zelten  an.  Gleich  nachdem  es  durch  den  Berliner  Vertrag  definitiv  dem  Fürstentum 
zugesprochen  worden,  Hess  die  serbische  Regierung  die  dort  steil  zur  Drina 
abstürzenden  Felshänge  sprengen  und  eine  Loznica  mit  Ljubovija  verbindende 
Strasse  bauen,  welche  die  Entwickelung  dieser  und  anderer  Orte  am  Flusse 
rascher  zu  fordern  bestimmt  ist. 


XIII. 

Durch  den  westserbischen  Minendistrikt. 

Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo. 


MIT  Freudenschiissen  begrüsste  die  mit  Bangen  den  Ausgang  unseres 
Abenteuers  abwartende  Besatzung  der  Karaula  Radaij  meine  glücitliche 
Rückiseiir.  Im  Blockhaus  war  indessen  der  vom  Nacalnik  zu  meiner  Begleitung  bis 
an  die  Kreisgrenze  nachgesendete  Loznicaer  Ingenieur  Novak  eingetroffen.  Wir 
beschlossen,  sofort  nach  Krupanj  aufzubrechen,  wo  sich  uns  der  dortige  Bezirks- 
kapetan  zum  Ritt  nach  Soko  anschlicssen  sollte.  Doch  der  Buljubascha  liess  es  sich 
nicht  nehmen,  uns  früher  in  seinem  unfern  gelegenen  Hause  zu  bewirten.  Das 
einfache  Mahl  liess  mich  neuerdings  serbische  Genügsamkeit  bewundern.  Die  an 
Hechten  und  grossen  Welsen  reiche  Drina  lieferte  seinen  schmackhaftesten  Teil; 
Karpfen,  Barben,  Makrelen  und  Forellen  gibt  es  in  vielen  Bächen  des  Bezirks. 

Bald  sassen  wir  zu  Pferde.  Der  Weg  von  Radaij  nach  Krupanj  führt  östlich 
über  sanft  ansteigende,  doch  hohe  und  dicht  bewaldete  Berge.  Entzückende 
Rückblicke  auf  die  amphitheatralisch  aufgetürmten  bosnischen  Gebirgszüge,  die 
in  wechselnder  Beleuchtung  sich  prächtig  voneinander  lösten,  boten  einige 
Lichtungen.  In  diesen  lagen  Hunderte,  den  Pfad  oft  gänzlich  versperrende,  ihrer 
Zweige  beraubte  Stämme.  Sie  sollten  jedoch  nicht,  wie  es  in  Serbiens  Wäldern 
häufig  genug  geschieht,  vergessen  vermodern,  sondern  für  die  projektierten  neuen 
Drina-Karaule  verwendet  werden,  deren  vom  Kreisingenieur  entworfener  Plan 
mir  sehr  zweckmässig  erschien.  Das  Bauholz  hatten  die  Drinagemeinden  ohne 
iintgelt  zu  liefern,  nur  das  Fällen  und  der  Transport  wurde  ihnen  vergütet.  Das 
Holz  halle  damals  gar  keinen  Werl.  Dichter  Wald  bedeckte  noch  den  GuCevo, 
die  Ko.^uca  stopa  und  Boranja.  Prächtige  Eichen,  Buchen.  Linden,  Feldahorn 
überzogen  um  Mali  Zvornik,  Soko  u.  a.  O.  alle  Berge  und  Täler  bis  gegen 
Ljubovija,  welche  auch  reich  an  Wild  sind.  Noch  heute  gibt  es  dort  Wölfe, 
Marder,  Füchse,  Eichhörnchen,  Wildschweine,  seltener  Damwild,  und  Hasen  gleich 
häufig  wie  Adler,  Geier,  Falken,  Buntspechte,  Rebhühner.  Wachteln.  Wildgänse. 
Wildenten  usw.  Die  Schilfdickichte  an  der  Drina  begiinsligen  ihre  Vermehrung, 
und   gefiederte   Sänger   begleiten   uns   allerorts.     Neuestens   wird   aber  der  Wald 


inn      Diirth  den  weslscrbischcn  Mincndislrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjtvo. 

zur  Gewinnunjj  von  Acker-  und  Wicst-nland  stark  gelichtet.  Auf  den  Höhen 
züchfct  man  neben  einer  kleinen  Rindviehrasse  viele  Schafe  mit  Wolle  von 
trefflicher  Qualität,  in  der  libene  mehr  Schweine. 

Nach  zwcistUndijcjem  Marsch  blickten  wir  hinab  in  das  Radjevo  polje,  den 
Mittelpunkt  der  Landschaft  Radjevina,  auf  welche  der  Unnark'inij^  Ludwig  1426 
Ansprüche  erhob,  für  den  1-all,  dass  der  Despot  Stevan  visoki  kinderlos  sterben 
sollte.  Nach  dem  abwechselnd  ungarisch —  türkischen  Regiment  wurde  hier  1808 
das  25000  Mann  starke,  von  Suleiman  Pascha  und  Hadzi  Bcj»  befehÜKte 
Türkenheer  durch  die  Serben  unter  Prota  Nenadovic  und  Maksim  Krslic^  zersprengt. 
In  der  Ebene  steht  ein  inschriftloser  Stein,  welcher  die  Grabstätte  der  Gefallenen 
bezeichnet. 

Eine  tiefe  Schlucht  trennt  den  Krupanjer  Höhenzug  von  dem  mit  ihm 
parallel  laufenden  Jagodnjagcbirge,  dessen  Bleierzlager  in  den  Befreiungskriegen 
viel  Munitionsinaterial  lieferten.  Nach  Herder  konstituieren  es  meist  von  Quarz 
durchzogene  Glimmer-  und  Tonschiefer,  welche  eisenockerigen  Tonstein  und 
roten  Jaspis  enthalten;  auf  der  Höhe  liegt  Flözkalkstein  von  geringer  Mächtigkeit 
auf,  und  in  diesem  kommen,  nahe  an  der  Sohle,  in  2  bis  über  20  Ellen  Tiefe, 
mit  braunem  Eisenocker  und  lockerem  Sand  gemengte  bleihaltige  Muggeln  von 
1— 40  kg  Gewicht  vor.  Ihren  Abbau  betrieb  man  früher  sehr  irrationell.  Die 
Bleierzgräber  gingen  auf  gut  Glück  mit  einem  runden  Schacht  bis  auf  die  Lager- 
stätte nieder;  trafen  sie  Erz,  so  nahmen  sie  es  heraus,  wuschen  es  mit  Krücken, 
um  die  erdigen  Teile  soviel  als  möglich  auszuscheiden,  schmolzen  es  sodann  mit 
Blasebälgen  in  runden  Löchern  und  verkauften  das  Blei  nach  Krupanj,  Valjevo 
und  Beigcad.  Die  jährliche  Ausbeute  betrug  etwa  1000  Zentner.  Gewöhnlich 
arbeitete  man  nur  im  Winter,  mit  wenig  Gewinn,  da  Versuchsschachte  oft  ver- 
geblich angelegt  wurden  und  der  Bleipreis  niedrig  stand. 

Bei  meinem  ersten  Besuch  der  auch  an  Zink  und  Antimonium  reichen 
Erzstätten  bot  die  Schacht  an  Schacht  durchwühlte  Fläche  einen  sehr  unerfreulichen 
Anblick.  Hier  wie  überall  in  diesem  Lande  galt  es,  den  durch  hundertjährige 
Vernachlässigung  eingeschlafenen  Trieb  zu  rationeller  Arbeit  neu  zu  beleben. 
Schon  1835  sprach  Herder  die  Ansicht  aus,  dass  ein  gewinnbringender  Abbau 
der  Bleilager  nur  dann  möglich  wäre,  wenn  sie  statt  mit  Schachten  durch  Stollen 
aufgeschlossen  und  abgebaut,  die  Aufbereitung  der  Letten  und  Erze  aber  durch 
Stossherde  bewirkt  würde,  da  Menschenhände  für  dieses  arme  Produkt  zu  teuer 
seien.  Dieses  Rates  eingedenk,  liess  Finanzminister  Cukic,  nachdem  die  Regierung 
hier  schon  1862—1863:  25000  kg  durchschnittlich  50»/ohaltiger  Erze  gewonnen,  von 
1864  an  den  Abbau  durch  Stollen  betreiben,  die  nun  viele  Tausende  Zentner  Blei 
lieferten.  Seine  Nachfolger  legten  aber  bei  Krupanj  mit  dem  Aufwände  einer 
halben  Million  d  kostspielige  Schmelzöfen  an,  welche  in  keinem  Verhältnis  zu  dem 
nur  putzenartigcn  Erzvorkommen  standen  und  jährlich  nur  etwa  6000  q  Blei  lieferten. 

Nach  dem  Berichte  des  in  Krupanj  residierenden  Podrinjer  Bergbauleiters 
M.  Atanackovic ')  vom  J.  1892  wurde  im  südlichen  Revier  gearbeitet  zu  Jagodnja, 


')  Godiänjak  rudarskog  odeljenja  .Minist,  nar.  privrede,  108  ff.,  202. 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.    Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      407 

Postenje  und  Selanac  auf  Blei-  und  Silbererze;  im  nördlichen  zu  Kostajnica 
und  Zajaca  auf  Blei  und  Antimonium.  Das  Budget  für  1890  setzte  zum  Gesamt- 
betrieb 604000  d  an;  doch  konnten  .wegen  Geldmangels  nur  192000  d  verausgabt 
werden,    darunter:    Verwaltungskosten     11400,    bleibende    Vorrichtungen    28000, 


KUNJUSA. 
r>rilliisturischc  Brunzcfunüc. 


ArlH'itcili.uisci  III  Kostajnica  iiiul  l'osiciijc  lödiiii,  l-iirderungs-  und  Schmelzkoslcn 
114000  d  usw.  Erzeugt  wurden:  AntiiiKmiimi,  Zink,  Blei  für  238000  d.  Das 
letztere  gr()sstenteils  für  Militilrzwecke.  hu  BeiKlit  leuchtet  allerorts  die  Unzuläng- 
lichkeit der  Mittel  durch,  welche  die  lirzieluiig  eines  gewinnreicheren  Betriebes 
liiiulcrn. 

Ijii  objektiver  tüchtiger  Fachmann  versicherte  mir,  dass  namentlich  die,  wie 
l'uiide  von  altem  geschmolzenen  Kupfer  und  eiserne  Werkzeuge  beweisen,  schon 
in  weit  zurückliegender  Epoche  betriebene  Mine  „ZajaiJa"  bei  rationeller  Ausbeutung 


WH     Durch  den  wcstscrbisclicn  Minendislrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjcvo. 

unnfincin  loliiien  inüsste.  Die  Konzession  für  119  Orubcnfcldcr  (1  100000  qm) 
erhielt  der  Ministerpräsident  Pirofanac.  von  dem  die  Wiener  Firma  M.  Binder 
1889  einen  8500  m  langen  und  1400  m  breiten  Anteil  pachtete.  Die  das  Gebiet 
umgrenzenden,  dem  Devon  anKehdrenden  Tormationen  sind  zumeist  stark  zerklüftete, 
enKnefaitele  Schiefer,  Kalke  und  Quarzite.  welche  in  der  Richtuns  der  Erzführung 
eine  etwa  1  km  lan^e  und  einige  Hundert  Meter  breite  Schicht  mit  verwitterten, 
feldspatartij^en  Gesteinen  füllen  und,  wenn  zuweilen  in  Kaolin  überKehcnd, 
mikroskopisch  Antimonytnadcin  zeigen.  Die  Antimonerze  sind  meist  an  dieses 
Gestein  zwischen  Kalk  und  Trachylporphyr  jjebunden,  seltener  im  Kalk  allein, 
dann  gewöhnlich  nahe  der  Kontaktstelle  wellenförmig  auf  dem  GrundKebirge 
Kela^ert  und  wej^en  der  sie  an  der  Oberfläche  bedeckenden,  stark  erosierenden 
Hängendschichten  frei  oder  unter  Dammerde  am  Tage  leicht  abzubauen. 

Diese  günstigen  Verhältnisse  ermöglichten  es  Binder,  vom  November  1889 
bis  zum  Mai  1890  nahezu  700  Tonnen  Antimon  ohne  besonderen  Kostenaufwand 
zu  gewinnen  imd  auf  den  Markt  zu  bringen.  Ein  wahrscheinlich  wegen  mangel- 
hafter Abgrenzung  des  Zajacer  Staats-  und  Privatgebietes  im  März  1890  entstandener 
Streit  endete  mit  der  Herausgabe  des  strittigen  Erzmaterials  an  Binder.  Doch 
schon  im  September  wurde  er  beschuldigt:  er  lege  zu  wenig  weitausgreifende 
Unterbaue  an,  die  Tagbauten  wären  ungenügend  versichert,  worauf  ihm  die 
Konzession  —  wegen  das  Leben  der  Bergleute  gefährdenden  Raubbaues  —  trotz  des 
kommissarisch  vereinbarten  neuen  Betriebsplanes,  welcher  alle  geforderten  Kautelen 
zugestand,  im  November  entzogen  wurde.  1893  gewann  der  Staat  in  den 
Podrinjer  Minen  2819  q  Blei  und  Antimon  mit  dem  auffällig  grossen  Kosten- 
aufwand Von  251695  d   im  Werte  von   nur   131746  d! 

Gegenwärtig  ist  die  Leitung  des  „Podrinjer  Bergbaues"  in  Krupanj 
konzentriert.  Der  dortige  Direktor  überwacht  mit  einem  Montaningenieur,  einem 
Kassierer  und  Sclirciher  die  Ausbeutung  der  von  ihm  selbst  für  Militärzwecke 
betriebenen  Bieiniiiien  zu  G.  Postenje  und  in  der  Jagodnja,  ferner  der  Zink-, 
Blei-  und  Quecksilberminen  zu  Zaviaka,  für  welche  das  Belgrader  Haus  Weifert 
die  Konzession  erhielt,  und  der  Antimoniumminen  zu  Kostajnik  und  Zajaca, 
die  später  dem  Franzosen  Laurence  konzessioniert  wurden.  Ausser  diesen  Werken 
gibt  es  im  Umkreis  von  Krupanj  mehr  oder  minder  reiche  Bleierzlager  zu 
Banjevac,  Voljevci  und  Likodra,  in  letzteren  auch  Zink  und  Eisen.  Alte 
Erzschurfe  befinden  sich  bei  Bela  stena  und  Boljavina  am  Varadnikbach,  in 
Tekeris  am  Jadar  u.  a.  0.,  Antimon  auch  zu  Brstica  am  Jelin  breg  und  am 
Stari  niajdan,  alte  Hüttenwerke  an  den  Quellen  der  Tresina  u.  a.  0.  Treffliche 
Mühlsteine  werden  in  Donji  Badanj  und  Cikota,  guter  Ton  am  Gnile  bei 
Grncare,  dessen  Töpferarbeiten  seit  altersher  berühmt  sind'),  Lignite  und  Stein- 
kohle werden  aber  '2  Stunde  südlich  von  Loznica  und  13  km  nördlich  von 
Krupanj  bei  Mojkovci  angeschürft,  wo  durch  den  Fund  eines  6,5  cm  langen 
Bronzekelts,  sowie  durcii  höchst  interessante  Objekte  bei  dem  benachbarten, 
6  km  von  Zaviaka  fernen  Konjusa  die  Ausbeutung  dortiger  Erzvorkommen  schon 


'I  Vuk,  Rjccnik.   103. 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.    Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      409 

in  prähistorischer  Zeit  erwiesen  erscheint.  Am  ^gleichnamigen  Jadarzufluss  fand 
der  Bauer  Sava  Andric  auf  seinem  Felde  vor  dreissig  Jahren  ein  trefflich  erhaltenes, 
77  cm  langes  Schwert,  einen  Kelt,  Arm-  und  Halsringe,  ein  Diadem,  Fibeln  usw., 
alles  von  sorgfältiger  Arbeit  in  Bronze  und  der  Hallstadtepoche  ähnlich.') 

Obgleich  der  südlichste  Teil  des  Podrinjer  Kreises  weniger  mineralogisch 
erforscht  ist,  dürfen  wir  doch  annehmen,  dass  seine  im  Syenit  vorkommenden 
Quarzgänge  gleich  metallreich  sind,  wie  die  jenseitigen  auf  dem  bosnischen 
Drinaufer.  Die  römische  hüttenmännische  Tätigkeit  in  diesem  Gebiet  beweisen 
ausser  dem  Ruinenfeld  beim  antiken  Loznicaer  Silberbau  (XVI.  Kap.)  Votivsteine 
bei  Ljubovija,  Reste  von  Kastellen  auf  der  Curimoka  stena  und  dem  Nemic, 
welche  die  von  W.  zum  Erzdistrikt  führende  antike  Strasse  schützten,  ferner  zwei 
„latinski  most"  genannte  Brücken  über  die  vom  erzreichen  Jablanik  abströmende 
Ljubovica.  Ihre  südliche  Fortsetzung  und  Verbindung  mit  den  römischen 
Ansiedelungen  im  Uzicer  Kreise  behandle  ich  im  XVI.  Kapitel. 

Wenn  es,  wie  vorauszusehen,  wieder  zur  Aufnahme  des  Hüttenbetriebs  an 
der  Ljubovica  kommt,  dürfte  wahrscheinlich  der  heute  nur  360  Seelen  zählende 
gleichnamige  Bezirksort  sein  Zentrum  werden  und  auch  das  südlichere  wichtige 
Donja  Ljubovija  mit  690  Seelen,  Quarantäne,  Zollamt  und  Drinafähre  erheblich 
gewinnen.  Während  des  serbisch -türkischen  Krieges  1876  wurde  von  den 
hierher  detachierten  Alimpicschen  Truppen  der  befestigten  bosnischen  Gradina 
gegenüber  um  Ljubovija  ein  starker  Schanzengürtel  angelegt  und  auch  zur 
Sicherung  der  Pecka-Valjevoer  Strasse  auf  dem  Bauric  brdo  und  Proslop 
Redouten  errichtet.  Vor  der  Occupation  Bosniens  und  mehr  noch  zur  Türkenzeit, 
als  auch  der  Mudir  der  Ljubovljer  Nahija  in  dem  von  einer  Schanze  auf  hohem 
Berge  verteidigten  Bancic  residierte,  besass  Ljubovijas  bosnischer  Verkehr 
grösseren  Umfang  als  heute,  wo  man  ihn  durch  das  treffliche  neue  Strassennetz 
zu  heben  bemüht  war. 

Das  neuestens  gleichfalls  mit  Ljubovija  durch  eine  vorzügliche  Strasse  ver- 
bundene, schon  1422  als  Wohnort  ragusanischer  Kaufleute  genannte,  etwa 
850  Seelen  zählende  Krupanj  liegt  in  einem  von  der  Likodra  durchströmten 
frischgrünen  Tal,  zwischen  massig  bewaldeten  hohen  Bergen.  1804  wurden  seine 
Moslims  durch  Karadjordje  vertrieben  und  1808  fand  dort  abermals  ein  heisser 
Kampf  statt.  Frst  seit  1H3;<  wurde  es  aber  den  Serben  ausgeliefert  und  Bezirks- 
stailt  der  Racljevina.  An  seiner  ersten  LroluTiing  (1804)  beteiligte  sich  hervorragend 
der  wiederholt  erwähnte,  zu  Bosuc  in  Sirmien  geborene  Harambascha  Djordje 
„Curcija".  Nach  Krupanj  ausgewandert,  wo  er  als  Kürschner  (Curi^ija)  lebte, 
schloss  er  sich  an  die  Aufständischen,  welche  Jakov  Nenadovie^  von  Valjevo 
gegen  Sabac  führte,  eniherle  mit  diesem  Pozarevac,  entzweite  sich  aber  mit  ihm 
bei  der  Beuteteiliiiig,  vertrieb,  in  die  A\acva  zurückgekehrt,  die  von  jakov  dort 
eingesetzten  Heaniten  und  gab  ihre  Stellen  seinen  Momken.  Hieraul  verjagte  er 
die  Ihm  l.i>/nita  ein^edruiimnen  Bosniaken.  Diese  Verdienste  schützten  ihn  nicht 
vor  Jakovs  Rache      Der  diircli  Curcijas  \'erfahren  tief  beleidigte  Ncnadovie^  suchte 

')  Starinar,  VII,  7J  ff. 


■HO      Durch  den  wcstscrbischcn  Minendistrikt.      Von  §abac  über  Soko  nach  Valjevo. 

fortan  sljihii  Unterjjann.  Fir  vurlcuindutc  ihn  bei  Karadjordje,  er  habe  das 
DrinaKebiet  verräterisch  den  Türken  für  Geld  ausliefern  wollen,  und  verschaffte 
sich  citn  Befehl,  ihn  zu  toten.  Jakov  brach  sofort  auf,  berief  Curöija  angeblich 
zur  Beratung  einer  dringenden  Aktion  zu  sich  nach  Novo  selo.  Dieser  kam 
arglos,  nur  von  drei  Momken  begleitet,  welche  man  berauschte  und  dann  tötete. 
Als  Curcija  sein  Zell  verliess,  wurde  von  allen  Seiten  auf  ihn  gefeuert.  Er 
verteidigte  sich  lüwenmutijj  und  endete,  blutend  aus  vielen  Wunden.  Jakovs 
Rachedurst  war  damit  nicht  j^estillt,  er  tötete  auch  CurCijas  Bruder  und  30  seiner 
Anhünt^er.  Nachdem  er  seinen  Leuten  ihre  Stellen  wiedergeKcben,  kehrte  er 
nach  Belgrad  zurück.  Diese  und  andere  von  Miliöcvic  mitgeteilte  Daten  zeigen, 
dass  es  nicht  immer  reinster  Patriotismus  war,  welcher  die  Handlungen  der 
Führer  im  serbischen  Freiheitskrieg  bestimmte!  Es  waren  Männer  von  hoher 
Energie,  aber  auch  von  ungezügelten  Leidenschaften! 

Mein  erster  Besuch  zu  Krupanj  galt  dem  Kapetan.  Er  befand  sich  leider 
in  Soko,  um  das  von  dortigen  Türken  einer  Nachbargemeinde  gestohlene 
Vieh  zu  reklamieren.  Die  Nachricht  von  meiner  Ankunft  verbreitete  sich  rasch 
in  dem  kleinen  Orte.  Bald  erschienen  der  „pisar"  (Gerichtsschreiber),  der  Pope 
und  mehrere  Honoratioren,  um  mich  zu  begrüssen.  Die  Erwiderung  dieser 
Besuche  gab  mir  Gelegenheit,  den  Ort  zu  durchwandern,  in  dem  sich  seit  der 
Heeresorganisation  der  Stab  des  Bczirksbataillons  befindet.  Krupanj  besteht 
aus  der  langen  Hauptstrasse,  mit  den  Läden  der  Kaufleute,  und  einigen  Quer- 
gässchen,  welche  auf  die  nahen  Felder  und  Obstgärten  führen.  Das  Post-  und 
Telegraphenamt,  das  hübsche  Bezirkshaus  mit  kleinem  Säulenvorbau,  die  Schule 
und  1842  erbaute  Kirche,  die  reinlichen  Häuser  mit  den  im  Podrinjer  Bezirk 
üblichen  hohen  Dächern  machen  guten  Eindruck.  Die  Persönlichkeit  des  am 
Abend  zurückgekehrten  Kapetans  Radojiovic  entsprach  ganz  seinem  gerühmten 
energischen  Charakter.  Früher  Hauptmann  im  Heere,  eignete  er  sich  vorzüglich 
für  den  schwierigen  Krupanjer  Posten.  Da  die  benachbarten  Türken  stets  Händel 
mit  ihren  christlichen  Nachbarn  suchten,  gehörte  nicht  wenig  Mut  dazu,  häufig 
allein  oder  nur  von  einem  Panduren  begleitet,  durch  die  Berge  nach  Soko  zu 
reiten,  wo  ein  rachsüchtiger  Türke  leicht  aus  sicherem  Hinterhalt  die  todbringende 
Kugel  ihm  zusenden  konnte. 

Die  bösen  Erfahrungen,  welche  ich  in  Sabac  und  Zvornik,  trotz  meines  von 
Osnian  Pascha  ausgestellten  Bujuruldu,  gemacht,  empfahlen  mir  fortan  grössere 
Vorsicht.  Bei  einem  fröhlichen  Abendessen,  das  uns  der  gastfreundliche  Kapetan 
gab,  ward  für  den  Sokoler  Besuch  ein  Plan  entworfen,  der  mich  vor  neuen 
Abenteuern  schützen  sollte.  Am  nächsten  Morgen  ordnete  der  Kapetan  den 
stattlichen  Reitertrupp.  Er  hatte  die  Führung  und  alle  Verantwortlichkeit  über- 
nommen, forderte  jedoch  strenge  Befolgung  seiner  Anordnungen.  Zwei  Panduren 
eröffneten  als  plänkelnde  Avantgarde  unseren  Zug,  hierauf  folgte  der  Kapetan, 
der  Kreisingenieur  blieb  mir  zur  Seite,  einige  bewaffnete  Krupanjer  umschwärmten 
uns  auf  ihren  hurtigen  Pferdchen,  den  Schluss  bildete  das  mit  Gepäck  und 
Proviant  beladene  Saumpferd,  eskortiert  von  mehreren  Panduren.  Der  Zug  sah 
so  martialisch  aus,  als  gelte  es,  Soko  durch  einen  Überfall  zu  nehmen. 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      411 

Unser  Weg  hielt  anfänglich  südöstliche  Richtung,  im  wohltuenden  Gegen- 
satze zur  Drinagegend  traf  ich  hier  die  ländliche  Bevölkerung  schon  am  frühen 
Morgen  mit  der  Bestellung  ihrer  Felder  beschäftigt.  Die  niedrigeren  Bergsporne 
waren  hoch  hinauf  urbar  gemacht;  die  Häuser  schienen  besser  gebaut  und 
zahlreiche  Herden,  sowie  das  reichere  Kostüm  der  Bauern  Hessen  ihren  grösseren 
Wohlstand  erkennen.  Es  waren  meist  Resultate  der  Amtswirksamkeit  des  energischen 
Kapelans,  welcher  die  früher  indolente  Bevölkerung  seines  Bezirks  unausgesetzt 
zur  Kultivierung  des  fruchtbaren  Bodens  spornte. 


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KRIII'ANJ.    Miiunainl.    HauptsIrasse  und  Bezirkshaus. 


Hinter  dem  vim  /ahllosL'n  Zvvetschgenpflanzungen  umgebenen  Sljivova 
bogen  wir  nach  S.  ab  und  betraten  das  Sokoler  Gebiet,  welches  die  Türken 
trotz  des  Hatischerif  vom  Jahr  IS30  wiilerrechtlich  besetzt  hielten,  um  ihre 
Verbintlimg  mit  Busnieii  über  Mali  /\iiriiik  zu  sichern.  Sofort  begann  das 
charakteristische  türkische  Pflaster,  das  den  Reiter  oft  zur  Verzweiflung  bringt  und 
mir  hier  noch  spitzer  schien,  die  Strasse  war  ganz  verödet;  es  begegneten  uns 
nur  einige  mosliniische  Hirten,  welche  ihr  Vieh  auf  die  nahen  herrlichen  Wiesen- 
mallen   Irielu'ii. 

Nach  zweistündigem  Ritt  näherten  wir  uns  dem  hohen  Felsvorsprung,  der, 
obgleich  noch  fern  von  Suko,  tloch  eine  ganz  treffliche  Übersicht  auf  die  Stadt 
und  Feste  gestattete.  Deutlich  lag  letztere  vor  mir,  mit  ihren  4  Türmen  und 
anschliessenden  unregelmässigen  Mauern,  von  einem  fünften  Turm  als  „Lugins- 
land" überragt.  Auf  dem  l'laleaii  angekommen,  löste  sich  unsere  Karawane  in 
einen  malerischen  Hall  aiil.     .Wii  imlilärischem  Blick   stellte   der  Kapelan  an  den 


1 1  'J     I  )urch  den  wcstscrbischen  Minendistrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjcvo. 

wenigen  F^iinklen,  welche  eine  unbemerkte  Annäherung  gestatteten,  Vedelten  aus. 
Indessen  war  das  Saunipfcrd  seiner  Btirde  entledigt  worden,  und  während  meine 
Begleiter  den  Genüssen  eines  echt  nationalen  Frühstücks,  gewürzt  durch  den 
köstlichen  Wein  einer  riesigen  Cutura,  sich  hingaben,  dabei  jedoch  wachsam 
ausspähten,  lag  ich  hingestreckt  auf  dem  felsigen  Boden,  mit  raschen  Strichen 
Soko  zeichnend.  Zweimal  nuisste  ich  meine  Arbeit  unterbrechen,  Signale 
verkündeten  die  Annäherung  türkischer  Reiter,  doch  zogen  sie  vorbei,  ohne  Halt 
zu  machen,  imd  hald  konnte  ich  dem  Kapetan  die  Vollendung  meiner  Skizze 
melden;  sie  ist  das  einzige  Bild  der  früher  vielgenannten  Feste.  Ich  verbarg  sie 
in  einem  Bisag.  So  Ichrtc  mich  der  bnsniakische  Fanatismus  mit  List  erreichen, 
was  in  zivilisierten  Landern  in  keinem  Falle  mit  Lebensgefahr  verbunden  erscheint. 

Ich  iHiiiLTkc  nochmals,  es  handelt  sich  hier  nicht  um  Festungen  wie  Belgrad, 
Niä,  Vidin,  soiuiern  um  mittelalterliche  Schlösser,  welche  seit  der  verbesseficn 
Artillerie  nur  noch  im  Guerillakrieg  eine  bescheidene  Rolle  spielen  konnten. 
Die  Bewohner  dieser  Länder  legen  jedoch  ihren  Waffen  und  allem,  was  mit  dem 
Kriegshandwerk  zusammenhängt,  solche  Bedeutung  bei,  dass  sie  am  liebsten 
neben  Handschar  und  Pistolen  auch  einige  ihrer  für  unbezwinglich  geltenden 
alten  Türme  in  den  Gürtel  stecken  mochten,  falls  es  sich  tun  Hesse. 

Auf  stark  abschüssigem  Wege,  oft  kaum  fiir  einen  Reiter  breit  genug,  ging 
es  nun  abwärts,  vorbei  an  der  Höhe,  von  welcher  Laudon  1788  Soko  beschoss; 
leider  gelang  es  mir  nicht,  über  diese  Belagerung  eingehendere  Daten  aufzufinden. 
Meine  nach  der  Natur  gezeichnete  Skizze  zeigt  das  vom  983  m  hohen  Rozanj 
überragte  romantische  Sokoschloss  auf  dem  Steilgrat  eines  schroffen  Kalkfelsens 
an  der  Stelle,  welche  die  Römer  einst  mit  einem  Kastell  krönten,  und  anschliessend 
die  ausschliesslich  von  bosnischen  Moslims  bewohnten  Häuschen  der  Stadt  in 
einer  lani^en  Strasse  und  wenigen  Quergässlein.  Das  Schloss  hielten  die  Türken 
für  so  uneinnehmbar,  dass  sie  es  „zura  Sultanova"  (Braut  des  Sultans)  nannten. 
Als  Sokos  Erbauerin  gilt  Soka,  die  Schwester  der  serbischen  Zupanstöchter  Petra 
und  Kosa,  welche  nach  derselben  Volkssage  die  Nachbarschlösser  Petrac, 
Kosanovac  und  Kostajnik  aufführten. 

Unser  Einzug  in  Soko  erregte  allgemeines  Aufsehen.  Ich  hatte  ein  Schreiben 
von  Rauf  Beg,  dem  Sohn  Osman  Paschas,  an  den  Mudir  Suleiman  Effendi 
abzugeben  uiul  ritt  direkt  zum  Konak.  Sein  baufälliger  Zustand  erregte  berechtigte 
Zweifel,  ob  man  sich  ihm  auch  nur  für  kürzeste  Zeit  anvertrauen  dürfe;  glücklich 
erklommen  wir  jedoch  die  morsche  Stiege  und  traten  in  das  kleine  Staatsgemach 
des  Mudirs,  der  mich  infolge  der  freundlichen  Empfehlung  willkommen  hiess. 
Während  wir  bei  Tschibuk,  Kaffee  und  Sorbet  ein  Stündchen  lang  Kef  pflegten, 
wurde  meine  vor  dem  Hause  kampierende  Eskorte  mit  Fragen  über  meine  Mission 
bestürmt.  Die  Räumung  der  noch  türkischen  Plätze  in  Serbien  wurde  damals 
von  Fürst  Mihail  in  Konstantinopel  energisch  verlangt,  und  die  Sokoler  brachten 
meine  Ankunft  mit  dieser  Streitfrage  in  Verbindung;  die  ausweichenden  Antworten 
steigerten  ihre  Neugierde;  den  Höhepunkt  erreichte  sie  aber,  als  der  zum  Mudir 
beschiedene  Sali  Topcu  Aga  geheimnisvoll  mitteilte,  der  Mudir  hätte  die  Absicht, 
mich   in  die  Feste  zu  führen. 


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Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.    Von  §abac  über  Soko  nach  Valjevo.      415 

Liebenswürdig,  wie  die  meisten  Osmanli,  lud  mich  Suleiman  Effendi,  ganz 
anders  wie  Mehemed  Aga,  der  misstrauische  Kommandant  des  Sabacer  Schlosses, 
aus  freiem  Antrieb  zur  Besichtigung  der  Feste  ein,  was  allerdings  nicht  nur  den 
greisen  Sali,  sondern  auch  den  Kapetan  nicht  wenig  wunderte.  Denn  weder 
er,  noch  irgend  ein  anderer  Nichttürke,  hatte  seit  Jahren  das  Innere  des  eifer- 
süchtig gehüteten  Felsennestes  betreten  dürfen,  ich  bat  den  Mudir,  auch  meine 
Begleiter  an  der  Partie  teilnehmen  zu  lassen,  und  so  betraten  wir,  geleitet  von 
Sali  Aga  und  mehreren  Kawassen,  die  langgestreckte  Hauptstrasse,  welche  in 
östlicher  Richtung  geradlinig  zum  Haupteingang  der  Feste  führt. 

Die  bettelhaften  Läden  und  schmutzigen  Cafes  boten  köstliche  Vorwürfe 
für  Maler,  dem  Ethnographen  aber  wenig  Stoff  zu  erfreulichen  Betrachtungen  beim 
Vergleich  mit  Krupanj,  das,  obwohl  erst  nach  dem  Befreiungskrieg  aus  rauchenden 
Trümmern  erstanden,  den  glücklichsten  Gegensatz  zu  dem  türkische  Zustände 
abspiegelnden  Soko  bildete.  Die  grosse  Moschee  und  ihr  Minaret  zeigten  noch 
die  klaffenden  Risse  von  Laudons  Kugeln,  denn  die  Sokoler  hatten  in  70  Jahren, 
nicht  Zeit  gefunden,  sie  zu  verwischen;  oder  ahnten  sie,  dass  dieser  Tempel 
Mohammeds,  gleich  allen  Dzamien  in  serbischen  Städten,  baldigem  Untergang 
geweiht  sei? 

Ein  Turm  mit  im  Quadrat  anschliessenden  niederen  Mauern  führte  in  den 
gleich  hoch  mit  der  Stadt  liegenden  Sclilossvorhof.  Er  barg  in  gefährlichen 
Zeiten  die  Vorräte  an  Lebensmitteln  und  bildete  den  Zufluchtsort  für  die  einige 
Hundert  Seelen  betragende  Stadtbevölkerung.  Als  dieser  Hof  durchschritten,  standen 
wir  vor  dem  eigentlichen  Eingangsturm,  zu  dessen  eisernem  Tor  seit  Menschen- 
gedenken Osman  llaidar  Topcu-Nefer,  ein  ungebeugter  Greis  von  80  Jahren, 
den  öffnenden  Schlüssel  iiewahrte.  I'.in  eigentümliches  Gefühl  beschlich  mich, 
und  wie  mir  der  Kapetan  später  gestand,  auch  diesen,  als  der  Schlüssel  hinter 
uns  im  Schloss  knarrte,  als  wir  uns,  abgeschnitten  von  aller  Welt,  auf  Gnade 
und  Ungnade  in  dem  Felsennest  gefangen  sahen.  Ein  Blick  in  das  Vertrauen 
einflössende  Gesicht  des  Mudirs  sagte  aber,  dass  jedes  Misstrauen  ungerechtfertigt 
sei.  Ruhig  folgten  wir  dem  greisen,  Treppen,  Leitern  munter  auf-  und  abkletternden 
Führer  durch  mehrere  kleine  Abschnitte,  ileren  .Wauern  mit  erstaunlicher  Kühnheit 
an  die  steilgeböschten  Felshänge  geklebt  worden  waren,  und  gelangten  in  das 
Hauptwerk  der  Feste,  in  ein  von  5  m  hohen  Mauern  und  starken  Türmen 
gebildetes  F^eduit,  armiert  mit  6  Geschützen  verschiedenen  Kalibers  und  Urspnnigs; 
zwei  soll  Laiulon  nach  geschlossenem  Frieden,  wahrscheinlich  wegen  des 
beschwerlichen  rransporis,  zurückgelassen  haben,  zwei  andere  verlor  Karadjordje 
bei  Sokds  vergeblicher  Belagerung.  Diese  veralteten  Kanonen  bestrichen  den 
nahen  dominierenden  Bergriiikeii  und  den  Haupt/ugang  iler  1-este,  deren  Mauern 
allerorts  viele  Schiessscharten  für  Gewehre  enthielten. 

Vom  höchsten  Turm  entwickelte  sich  eine  prachtvolle  Vogelschau  auf  das 
tief  zu  Füssen  liegenile  Städtchen  und  seine  landschaftlich  schöne  Umgebung; 
der  serbische  Schlossname  „Soko"  (i"alke)  erschien  hier  vollkommen  gerechferligl. 
Ein  beschiänktircs,  aber  hm  lisi  pittoreskes  Bild  bot  der  Blick  durch  eine 
Schiessscharte,  vm    dci    eine   dei   österreichischen   Karronaden  postiert  war.     Der 


lUi     l)iircli  den  westserbischen  Minendistrikt.     Von  §abac  über  Soko  nach  Valjevo. 

Gedanke,  es  als  lirinneriinn  an  meinen  Sokoier  Besuch  festzuhalten,  reifte  rasch 
zur  Tat.  Docli  kaum  hatte  ich  die  Umrisse  skizziert,  als  der  misstrauische 
TopcuhaBchi    dem     vom    Kapetan    in    ein    Gesprach    Kczofjcnen     Mudir     einige 

Worte  zufldslerle,  worauf  dieser  mein  Beginnen  mit  der  höflichen,  aber  unschwer 
zu  deutenden  Bemerkunj^  unterlirach,  dass  wir  nun  das  sehenswerteste  kennen 
Helernt  und   das  Mitfanessen   im   Konak  auf  uns  warte! 

So  stiej^en  wir  abwärts.  Osman  Haidar  suchte  in  seiner  tiefen  Pludertasche 
den  riesij.;en  Torschlüssel,  er  knarrte  im  verrosteten  Schlossmechanismus  und 
wir  befanden  uns  ausserhalb  des  Schwindel  erregenden  Nestes.  Ein  reiches 
Bakschisch  und  meine  Versicherung,  dass  Soko  zu  Europas  uneinnehmbarsten 
Festuiif^en  gehöre,  dampften  nur  teilweise  das  in  seinem  treuen  Hüter  K'-'K^"  mich 
.uifm-stie^eiic  Misstrauen.  Als  ich  zurückblickte,  stand  er  noch  immer  sinnend 
untLT  dem  grossen  Eisentor.  Hoffentlich  hat  er,  ein  besserer  Haudegen  als 
Politiker,  Sokos  im  J.  1867  von  Stambul  anbefohlene  Räumung,  gegen  die  er 
mit  den  vornehmeren  Grundbesitzern  sich  nach  Zeitungsberichten  solange  als 
möglich  sträubte,  nicht  mir  zur  Last  gelegt. 

Zu  Ende  des  AAahles,  welches  der  Mudir  mit  sichtlichem  Aufgebot  aller 
zu  Soko  auffindbaren  Delikatessen  ausstatten  liess,  erschienen  die  Autoritäten 
der  Stadt,  uns  zu  begrüssen.  ich  weiss  nicht,  in  welcher  Weise  der  Mudir 
ihre  Fragen  über  den  Zweck  meines  Besuchs  beantwortete,  doch  schienen  die 
empfangenen  Aufklärungen  sie  zu  befriedigen.  Hätte  ich-  Sokos  Einzelheiten 
studieren  wollen,  so  wäre  mir  ihre  Aufforderung,  dort  länger  zu  verweilen, 
erwünscht  gewesen.  Doch  die  Rücksicht  auf  meine  Begleiter  und  mein  bestimmt 
vorgezeichnetes  Reiseprogramm  gestatteten  mir  dies  nicht,  und  so  nahm  ich 
bedauernd   Abschied. 

Suleinian  f-Iffcndi  bestand  darauf,  uns  bis  zur  Grenze  des  Stadtgebietes 
persönlich  zu  begleiten.  In  Uniform,  auf  prächtig  geschirrtem  Pferd,  sprengte  er 
auf  dem  halsbrecherischen  Weg  vor  uns  her,  während  seine  Kawassen  unseren 
Tross  mit  einigen  malerischen  Reiterfiguren  vermehrten.  Stets  wilder  und  zer- 
klüfteter wurde  der  gegen  NO.  steil  aufstrebende  Pfad.  Als  wir  seinen  höchsten 
Punkt  erreichten,  hielt  der  Mudir  und  sagte  uns  in  der  blumenreichen  Redeweise 
des  Orientalen  Lebewohl.  Kaum  gestattete  er  mir,  ihm  für  seine  Gastfreundlichkeit 
zu  danken;  er  wandte  sein  Pferd,  salutierte  und  verschwand  mit  seinen  Leuten 
hinter  einem   Felsvorsprung. 

Tief  unten  in  der  engen  Talschlucht  lag  nun  das  kühne  Falkennest,  über 
seinem  Wartturm  kreisten  einige  Geier.  Wie  diese  Raubvögel  die  zahmen  Tiere 
ihres  Reviers,  bedrohten  einst  die  Sokoler  Begs  die  christliche  Bevölkerung  der 
Umgebung.  Auch  sie  stürzten  mit  Blitzesschnelle  unvermutet  auf  die  ausersehenen 
Opfer,  schleppten  sie  in  ihre  Felsniauern,  um  sie  dort  höhnend  zu  plündern 
und  zu  misshandeln.  Einige  Reisende,  namentlich  der  lebensgefährlich  bedrohte 
Engländer  Paton,  den  wie  mich  der  Wunsch  nach  Soko  geführt,  die  von  den  Türken 
für   uneinnehmbar   gehaltene    Feste   zu   besichtigen,    wussten    hiervon    zu  erzählen. 

A\it  dem  Heraustreten  aus  dem  engen  Sokoler  Defile  auf  die  erste  kleine  Hoch- 
ebene überraschte  uns  ein  schöner  Blick  auf  die  westliche  serbische  Gebirgswelt. 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.    Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      417 

Die  bosnische  Kette  war  {gänzlich  verschwunden.  Südlich  erschienen  dafür 
der  dreikuppif,'e  Medvednik,  westlich  die  zwischen  Soko  und  Rozanj  auf  einer 
Höhe   stehende   alte   Feste   Petrac,  genannt   „Petrina   stijena",   von  wo   aus   die 


SOKll,    \  iirk'Slllli;  ili'-.    MiH.iiimuh  in   /iii    I.  .ininiiiii'   .ur    I  csif    IHiT. 


SitIh'm  Soko  hi'siliossfii  ii.ilH'ii,  nonlwcstlKh,  iinrdln.li  louchlcten  die  liipfcl  des 
c\r  iiiul  (jucevo  auf,  neluii  diesen  zeigten  sich  die  sanft  jjewellten  Höiienzüjje, 
weltlie  ilire  Ausliiiiler  nach  Sahac  und  Ik-i^rad  vorschieben,  und  den  Südosten 
lullten  die  lioheii  Herne  der  waldreichen  „:>uiiiadiia",  in  deren  Mitte  uns  ilas 
iiäclisle  Kapitel  wieder  führen  wird. 

r.    KANI  rZ,   Sorhicri.     I  .H 


IIH     Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo. 

.  Wir  ilurftfn  uns  luidcr  nicht  ianni."  dem  Gcnuss  der  prächtigen  Scenerie 
liinKL'l'fn.  R(Mlichc'  Streiflichter,  welche  die  sinkende  Sonne  über  die  fernen 
Ketten  Kfss,  und  die  sich  fühlbar  machende  Abendkühle  mahnten  zur  Eile.  Im 
(ialopp  j^in^;  es  vorüber  an  der  Ke^en  Soko  auf^;eworfenen  Jakovschanze,  die 
nach  der  Volkssa^e  im  Befreiun^skriCK  von  einem  serbischen  lieldenweib  ruhmvoll 
verteidigt  wurde.  Dort,  bei  einer  Quelle  an  der  türkisch-serbischen  Gebietsgrenzc, 
cntiiessLMi  wir  die  Kawasscn  des  fürsorglichen  Mudirs.  Weiter  j^ing  es  auf  dem 
unheilvollen  Weg,  den  \TM  das  von  Scckundorff  zu  Sokos  Überrumpelung 
abgesandte  Detachement  des  Obersten  Grün  nahm.  Er  befehligte  230  erlesene 
Soldaten;  doch  inivermutet  durch  den  verwegenen  Kapelan  Mehemed  mit  Über- 
MKRht  angegriffen,  dessen  Truppe  Ali  Begzade  Mehemed  Aga  von  Zvornik  und 
der  Tuzlaer  Kebirizade  Mustafa  verstärkten,  flüchteten  die  Kaiserlichen  elligst 
nach  Valjevo.  Dies  muss  bei  dem  schwierigen  Terrain  nicht  leicht  gewesen  sein. 
Wir  erprobten  es,  obschon  keine  „alles  unbarmherzig  niedersäbelnden  Türken" 
an  unseren  Fersen  hingen.  Jeder  suchte  den  Weg  nach  eigenem  Gutdünken,  und 
glücklich,  wer  sein  Pferd  heil  durch  das  Steinchaos  brachte. 

Am  583  m  hohen  Cucugi  ging  es  unter  Carinas  hochliegenden  Gehöften 
auf  dem  Puljsko  brdo  fortwährend  zwischen  Steinen  und  Gestrüpp  abwärts.  Es 
dunkelte  bereits,  als  tröstlicher  Kerzenschimmer  die  Nähe  unserer  Nachtstation 
Pecka  ankündete.  Seine  in  Reihen  aufgestellten  Bewohner  und  das  zu  unserer 
Aufnahme  hergerichtete  Gemeindehaus  bewiesen,  dass  der  vprausgesandte  Pandur 
seinen  Auftrag  verdienstlich  erledigt  hatte.  Bei  Punsch,  Wein  und  Rakija 
beschlossen  wir  den  interessanten  Tag  mit  einem  Hoch  auf  Suleiman.  den  „letzten 
Mudir  von  Soko". 

Der  nächste  Morgen  fand  im  Hofe  des  Gemeindehauses  eine  bunte  A\enge 
versammelt,  welche  mit  musterhafter  Ruhe  dem  Erscheinen  des  Kapetans  entgegensah. 
Mit  Windeseile  hatte  sich  die  Nachricht  von  seiner  Ankunft  verbreitet,  auch 
entferntere  Dörfer  sandten  ihr  Kontingent  von  Neugierigen  oder  solchen,  die  den 
günstigen  Moment  benutzen  wollten,  um  verschiedene  Anliegen  vorzubringen. 
Damals  war  der  serbische  Beamte  noch  nicht  vom  \'olk  scharf  abgetrennt.  Die 
unter  allen  Ständen  früher  herrschende  .Anrede  mit  dem  traulichen  Du  schlang 
ein  Famntenband  ,  um  die  ganze  Nation.  Führte  die  erleichterte  Annäherung 
oft  zur  Überbürdung  der  Beamten  mit  kleinlichen  Geschäften  und  infolgedessen 
zu  ihrer  nicht  ganz  vorschriftsmässigen  Erledigung,  so  hinderte  sie  andererseits 
die  Bildung  einer  abgeschlossenen,  ausserhalb  des  Volkes  stehenden  bureaukra- 
tischen  Kaste.  Ohne  Bangen,  wie  es  freien  Männern  ziemt,  trat  und  tritt  auch 
heute  der  Serbe  seinem  Fürsten  und  dessen  Beamten  gegenüber;  in  natürlichem 
Redefluss,  mit  gehobener  Betonung  jener  Stellen,  von  denen  er  sich  besonderen 
Findruck  verspricht,  trägt  er  sein  Anliegen  vor.  Ich  fand  oft  Gelegenheit,  die 
angeborene  rednerische  Begabung  dieses  Volkes,  sein  rasches  Auffassen  selbst 
ihm  ferner  liegender  Dinge  zu  bewundern,  und  kam  dabei  zu  Vergleichen,  welche 
nicht  immer  zugunsten  der  westlichen  Nachbarn  ausfielen. 

„Guten  Morgen!  Wie  befindest  Du  Dich,  wie  hast  Du  geschlafen?"  begrüsste 
der  Dorfkmet,  ein  alter  Mann,  dessen   „Damaszenerin"    im  Befreiungskrieg  gegen 


Durch  den  westserhischen  Minendisfrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.       419 

die  Sokoler  wacker  mitgearbeitet  hatte,  den  aus  der  Tür  tretenden  Kapetan, 
während  die  Umstehenden  sich  verneigten  und  die  Mützen  lüfteten.  Nach  einigen 
Fragen  über  den  Stand  der  Saaten  und  sonstige  Angelegenheiten  stellte  mich 
der  Kapetan  den  Ältesten  vor  und  erklärte  ihnen,  wie  ich  aus  weiter  Ferne 
gekommen  sei,  um  Sitten,  Gebräuche  und  Zustände  des  Landes  kennen  zu  lernen, 
um  seine  historischen  Denkmale  zu  erforsciien  und  dann  die  gesammelten  Erfah- 
rungen in  einem  Buche  zu  veröffentlichen,  das  in  Europa  richtigere  Ansichten 
über  Serbien  und  sein  Volk  verbreiten  soll.  Der  greise  Kniet  trat  näher,  fasste 
meine  Hand  und  dankte  mir  in  aller  Namen  mit  einer  Anrede,  die  bei  uns  kaum 
einem  Manne  von  Bildung  so  fliessend  gelungen  wäre.  Zum  Schluss  rief  er: 
„Dass  Gott  Dich  schützen  möge,  der  Du  im  Willen  hast,  eine  so  nützliche  Tat  für 
unser  Land  zu  vollbringen.  Gott  wird  Dich  von  Deiner  mühsamen  Reise  gesund 
heimkehren  und  glücklich  sein  lassen!"     Die  Nahestehenden  riefen;  „Gott  gebe  es!" 

Während  der  Kapetan  Inurauf  den  Bauern  neuere  Regierungserlässe  erklärte, 
näherte  ich  mich  den  jüngeren  Männern  und  Frauen,  die  sich  in  ehrerbietiger 
Entfernung  entlang  dem  Hofzaun  aufgestellt  hatten.  Der  Typus  war  ein  schöner. 
In  einem  Volkslied  heisst  es:  „Berühmt  sind  Valjevos  Mädchen!"  —  Besonders 
fesselte  meine  Aufmerksamkeit  ein  imposantes  Weib,  dessen  tadellos  klassisches 
Profil  mich  an  die  Heldin  der  Jakovschanze  bei  Soko  erinnerte.  So  mochte  sie 
ausgesehen  haben!  Selbstbewussten  Blickes  liess  sie  es  geschehen,  dass  ich  mit 
ihrem  Konterfei  die  Zahl  meiner  serbischen  Typen  bereicherte.  Ein  ihr  angebotenes 
Andenken  wies  sie  zurück.  Erst  auf  wiederholtes  Zusprechen  befestigte  sie  die 
Silberbrosche  auf  dem  buntgestickten  Leinenhemd,  versichernd,  sie  werde  sie 
stets  als  Andenken  tragen. 

Die  Ankunft  des  Pisars  von  Kamenica,  den  der  dortige  Kapetan  zur  weiteren 
Fk'gleitung  mir  entgegensandte,  unterbrach  meine  Kostümstudien.  Bei  dem 
bescheidenen  Mahle,  das  uns  der  jimge  „Ucitelj"  (Lehrer)  anbot,  verfloss  rasch 
eine  Stunde,  luul  als  zum  Abschied  das  feierliche  „mnogaja  Ijeta"  (noch  viele 
Jahre)  angestimmt  imd  auf  Fürst  Mihails  Gesundheit  toastiert  wurde,  ertiiiile  vor 
den  Fenstern  das  enthusiastische   „2ivio"   der  Menge. 

Die  Krupanjer  Panduren  sassen  bereits  im  Sattel  und  waren  sehr  erfreut, 
dass  ich  sie  im  Vorgrunde  meines  Bildes  von  Soko  der  Reihe  nach  hinzeichnetc. 
Herzlich  gemeint  war  der  Dank  und  das  kräftige  „sbogom"  (mit  Gott),  welches 
ich  mit  meinen  lieben  Krupanjer  Begleitern,  dem  Kapetan  und  Ingenieur,  tauschte. 
Hierauf  stieg  auch  ich  mit  ikiii  K.iiiienicaer  Pisar  /u  Pferde,  und  in  verschiedener 
Richtung  forts|)rengeiui,  sagten  wir  uns  mit  Pistolenschüssen  ein  letztes  Lebewohl. 

Unser  östlich  über  den  521  m  hohen  Jalovik  ziehender  felsiger  Saumpfad 
mit  tlem  bei  Pecka  geschilderten  unangenehmen  Charakter  wurde  seither  durch 
eine  treffliche,  von  Valjevo  über  Pecka  nach  Ljubovija  führende  Fahrsirasse  ersetzt. 
Der  stellenweise  gute  Boden  ist  hier  dünn  bevölkert.  Nur  einzelne  Gehöfte 
der  über  (juadratmeilen  ausgebreiteten  Dörfer  erschienen  am  Wege,  und  ilann 
imiiu'i  so  liermetisi  li  verpalisadiert,  als  uaie  der  1-eind  stündlich  zu  erwarten. 
Ich  äusserte  gegen  den  Pisar  meine  Bedenken  gegen  diese  auffällige  Hol/ver- 
schweiiduMg    zu    einem    Zweck,    dem    leicht    auf   andere    Weise   genügt   wcrileii 

27» 


I-"     Durch  den  weslscrbischcn  Mincndislrikt.     Von  §abac  über  Soko  nach  Valjevo. 

konnte,  i'r  stimmte  meiner  Ansicht  l)ei  und  teilte  sie  den  Ortskmetcn  mit, 
welche  nach  der  Landessitte  uns  das  Ehrengeleit  K^ben.  „Nun  werdet  Ihr  doch 
(.•inselien,  wie  sehr  die  Re^ierun^^  im  Recht  war,  Euerer  unsinnigen  WaldverwüstunK 
durch  (jesetze  vorzuheunen,  da  diese  selbst  einem  nur  kurz  unter  uns  weilenden 
Fremden  auffüllt!"  -  „Bruder!"  erwiderte  einer  der  schlichten  Natursöhnc,  „Gott 
sej^ne  Dich  und  die  fürstliche  Re^ierunn!  ihr  m(i>»et  es  K»-'wiss  gut  mit  uns 
meinen.  Wir  wissen,  dass  wir  oft  fehlen,  und  sicherlich  hat  auch  der  Fremde 
recht;  doch  (glaube  mir,  es  hält  schwer,  von  den  seit  Jahrhunderlen  bei  uns 
{geübten  Sitten  der  Eltern  pliUzlich  zu  lassen!" 

Die  Türken  licssen  in  den  einst  von  ihnen  beherrschten  Ländern  ein  gut 
Stück  Fatalismus  zurück,  und  die  Schule  hat  deshalb  viel  auszugleichen.  Nun 
können  aber  beispielsweise  im  Valjevoer  Kreise  heute  8"/o  und  im  Königreich 
durchschnittlich  nur  7"/u  lesen  und  schreiben.  Man  darf  also  um  so  weniger  scharf 
richten,  da  es  ja  auch  bei  uns  grosse  Mühe  kostet,  dem  Volke  unbequeme  Gesetze 
—  ich  erinnere  nur  an  das  österreichische  Volksschulgesetz   —  einzubürgern. 

Während  unsere  Panduren  die  Pferde  in  einer  den  gelbgrauen  Tonschiefern 
entfiiessenden  kristallklaren  Ader,  der  Mazanska,  tränkten,  nahmen  wir  einen 
Inihiss  an,  den  uns  der  freundliche  Pope  von  Lopatanj  echt  ländlich  auf  dem 
Rasen  vor  seinem  Hause  servierte.  Die  reizende  Landschaft  und  bunte  Staffage 
verschönte  das  anmutige  Popentüchterlein,  dessen  charakteristisches  Profil  meine 
serbischen  Typen  vermehrte.  Die  Wackefieldschen  Sonntagsfrieden  atmende 
Scene  löste  bald  eine  lärmende  ab.  Im  muldenförmigen  Talgrund,  nahe  einem 
Eichenwäldchen,  sahen  wir  ein  Zigeunerlager,  vor  dessen  buntfarbigen  Zelten  sich 
die  tanzlustige  Jugend  der  Umgebung  am  Kolo  ergötzte.  Im  Zentrum  des  riesigen 
Kreises  bearbeitete  ein  alter  Zigeuner  seine  Geige,  als  wolle  er  ihr  die  ver- 
borgensten Töne  entlocken,  ein  jüngerer  Nomade  erprobte  mit  aller  Kraft  die 
Festigkeit  eines  Tanibourinfeiies.  Dabei  sprangen  sie  unausgesetzt  von  einer  Seite 
des  Kreises  zur  anderen,  um  die  ermüdenden  Tänzer  zur  Ausdauer  anzuspornen. 
Unser  Erscheinen  brachte  das  lustige  Treiben  ein  wenig  ins  Stocken,  doch  als 
der  Pisar  selbst  in  die  Kette  trat,  seine  Zeigefinger  in  die  Schürzenbänder  zweier 
hübscher  Mädchen  festhakte,  da  gewann  das  junge  Volk  seine  Sicherheit.  Auch 
die  scheu  entflohenen  braunen  Bewohner  des  Zeltlagers  wagten  sich  hervor,  und 
bald  trug  die  Scene  wieder  den  Stempel  vollster  Ungezwungenheit,  welche  bei 
auf  Befehl  veranstalteten  Volksfesten  gewöhnlich  fehlt.  Es  ist  nicht  der 
geringste  Vorzug  des  AUeinreisens,  dass  man  Land  und  Leute  ohne  Parade- 
aufzug kennen  lernt. 

Das  schöne  weibliche  Kostüm  des  Valjevoer  Kreises  zeigte  auch  hier  den 
überraschend  feinen  Farbensinn,  welchen  die  weder  Modejournale,  noch  „Die 
Farbenharnionie  in  ihrer  Anwendung  auf  die  Damentoilette"  studierenden  orien- 
talischen Naturmenschen  zu  unserem  Staunen  entwickeln.  Das  Harmonische  der 
Tracht  wird  nur  dann  gestört,  wenn  bei  den  Vernioglicheren  eine  Überladung 
mit  allerlei  Flitterwerk  hinzutritt,  oder  wenn  der  traditionelle  bräutliche  Kopfputz  zur 
unschönen  Bürde  sich  vergrössert.  Im  reizenden  Wechsel  reihen  sich  Ornament- 
streifen  an   den  Säumen   der   blendend  weissen  Hemden,   auch  die  westenartigen 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.    Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      421 

blauen   Brustleibchen,    die    langen   Schürzen,   ja    selbst   die  Strümpfe   zeigen   ein 
Kaleidoskop  wirkungsvollster  Figuren  und  Linienverschlingungen. 

Fortwährend  auf-  und  abklimm'end,  und  viele  Zuflüsse  des  östlichen  Jadar- 
armes  kreuzend,  welche  seit  1897  mit  den  Gemeinden  Lopatanj,  Ostruzan, 
Bratacic  und  Plizac  den  Valjevocr  Kreis  vergrössern,  durchritten  wir  von  W.  nach 
0.    das    erzreiche   Gebiet   der   „Podgorski    rudnici"    (4   Felder)    zwischen    seinen 


K  A  M  E  N 1 C  A.     Bniicrn-Holzschnitzarbeitcii. 


wichtigeil  Mhumi  Osccina  und  \'i  agocanica.  lluo  aiitiiunn-,  kupfcr-  und  bis  50»  o 
silberhaltigen  Bleierze  wurden  schon  vor  drei  Decennien  durch  die  „Piulgorina- 
Bergbau-Gesellschaft"  angeschürft  und  mit  dem  Pocucer  Braunkohlenlager  vor 
etwa  zehn  |aliren  leider  dein  engiisciien  argen  Schwiiuller  l.eech  überlassen, 
weklier,  iiatlideni  er  die  Regierung  mul  seine  engiisciien  Geldgeber  tüchtig 
geprellt,  nach  Amerika  ilurclibrannte.  Im  November  l8iSS  erwarb  dann  Kapititn 
Munters  die   dem  Konkurs   verfallenen  Werke,  ersetzte  dem  Staate  die  von  l.eecii 


tli'J      Durch  den  wi'sl<;crb!schfn  Minendistrikt.     Von  $abac  über  Soko  nach  Valjcvo. 

schiilclin  ncbliebcMifH  30000  d  und  versuchte  von  den  4  Grubcnfeldern  ein  Gebiet 
von  etwa  80  Hektar  in  Betrief)  zu  setzen.  Die  Zadrugas  (Kommunionen)  der 
nahen  Orte  sandten  abwechsehid  je  eines  ihrer  Mit^Hedcr  zur  Arbeit  in  die 
Gruben  zum  Ta>ielohn  von  1.60  bis  3  d.  Die  spilter  j^ebildete  en^hsche  Aktien- 
Gesellschaft,  welche  eigene  Schmelzwerke  anlegte,  arbeitete  zu  Vra^oCanica 
auf  Kupfer,  zu  Brezovica  auf  Antimon;  in  Osladic  und  Osefina  Hess  sie  die 
silberhaltigen  Bleierze  verhütten.  1891  wurden  nur  2830  d  verausjjabt  und  für 
48  t  gewonnenes  Antimon  allein  30000  d  eingenommen.  1897  bej^ann  man,  auf 
Vorschlag  des  Direktors  Finney,  sich  namentlich  der  Konzentration  der  Kupfererze 
zuzuwenden. 

Da  auch  der  waldreiche  Jablanik,  unten  Buchen,  oben  Eichen,  seiner  Ver- 
wertung harrt,  gedenkt  die  Regierung  den  F^odgoriner  Hüttenbetrieb  durch  eine 
direkt  an  der  Obnica  nach  Valjevo  führende  neue  Strasse  zu  fördern.  Auch  zu 
Suvodanj  und  Vujnovaca  gibt  es  F3lei  und  Kupfer,  zu  Brezovica  auch  Kupfer 
und  Chromeisen,  zu  Planinica  an  der  südlichsten  Kreisgrenze  als  reichhaltig 
gerühmte  Kupfergänge.  Von  anderen  Mineralschätzen  steht  3  Stunden  nordöstlich 
von  Valjevo  bei  Slatina  trefflicher  Ton  an,  der  zum  Bau  der  Kragujevacer 
Arsenalöfen  verwendet  wird;  zu  Sedlari  am  Gradac  gibt  es  verschiedenfarbige 
Porzellanerde,  am  Pirovo  brdo  (Kolubarcr  Bezirk)  werden  den  Solnhofer 
gleichwertige  Lithographieplatten  gebrochen  usw. 

Bei  dem  hart  am  Wege  liegenden  Sv.  Nikola-Kirchlein  des  Bezirksortes 
Kamenica,  von  dem  man  nur  weiss,  dass  es  1845  renoviert  wurde,  fesselte 
mich  dessen  halbkreisförmige  Vorhalle.  Auch  der  Leser  wird  gern  ihren  von  mir 
gezeichneten  herrlichen  Säulen  und  Trägern  einen  Blick  schenken,  wenn  er  hört, 
dass  ein  schlichter  Bauer  des  nahen  Dorfes  Bukovica  sie  schnitzte,  und  ebenso 
dem  reichornamentierten  Spinnrocken  und  dem  mit  geometrischer  Präzision 
gearbeiteten  Grabkreuz.  Die  Vorbilder  für  diese  und  andere  oft  bewunderns- 
werte Hausarbeiten  erkenne  ich  im  reichen  byzantinisch-arabischen  Ornament- 
schmuck  der  Kirchen  von  Ravanica.  Kru.sevac,  Ljubostinja,  Kalenic  u.  a.  0.  Die 
reich  koMibiiiierten  Skuliiliircn  dieser  iWonuniunte  geben  ein  glänzendes  Zeugnis 
für  die  fortgeschrittene  Kuiistübung  Serbiens  im  Mittelalter;  aber  selbst  heute, 
nach  gezwungenem  .langen  Stillstand,  sind  die  seinem  Volke  angeborenen  natür- 
lichen Anlagen  nicht  erloschen.  Überall  regen  sich  Keime  neuer  Schaffenslust; 
es  freute  mich,  denselben  im  einfachen  Hausgerät,  in  den  zierlich  ausgelegten 
Waffen,  an  den  Portalen,  Toren  und  Einrichtungsstücken  der  Dorfkirchen,  namentlich 
aber  in   den  hohen,  fremdartigen   Friedhoikreuzen  immer  wieder  zu  begegnen. 

Wir  waren  bereits  im  Zentrum  von  Kamenicas  zerstreut  liegenden  60  Gehöften 
und  benötigten  noch  eine  halbe  Stunde,  um  sein  weithin  leuchtendes  Bezirkshaus 
zu  erreichen.  Mit  uns  zugleich  betrat  es  eine  ärmlich  gekleidete  Bäuerin.  Sie 
schleppte  mühsam  einen  Korb  mit  Lebensmitteln,  einen  Wasserkrug  und  auf  dem 
Rücken  die  einfachen  Bestandteile  eines  serbischen  Bettes,  bestimmt  für  ihren 
Mann,  der  seine  Widersetzlichkeit  gegen  einen  Beamten  seit  dem  Vormittag  mit 
Arrest  büsste.  Gefängnisstrafe  trifft  in  Serbien  doppelt  schwer;  zunächst  den 
Verurteilten,    dann  seine    Familie.     Dieser,   wenn    sie  wohlhabend,   und    nicht  dem 


Durch  den  westserbischeii  Minendistrikt.     Von  §abac  über  Soko  nach  Valjevo.      423 

Staat,  bürdet  das  Gesetz  die  Erhaltung  der  in  Kriminaluntersuctiung  befindlichen 
oder  wegen  Polizeivergehen  verurteilten  Personen  auf.  Nur  zu  Zwangsarbeit 
verurteilte  Kriminalverbrecher  erhält  -der  Staat.  Durch  diese  Einrichtung  entfällt 
eine  grosse  Zahl  leichter  Verbrechen,  welche  bei  uns  mit  raffinierter  Berechnung 
des  Strafausmasses  im  Herbst  nur  deshalb  begangen  werden,  um  im  Winter  auf 
Staatskosten  warmen  Aufenthalt  und  freie  Verpflegung  in  den  human  eingerichteten 
Straf-  und  Arbeitshäusern  zu  finden. 

Gerührt  durch  die  Tränen  des  klagenden  Weibes,  bat  ich  den  freundlichen 
Kapetan  Bozic  um  Gnade  für  den  Verurteilten.  „Nur  ungern  hemme  ich  den 
Arm  des  Gesetzes;  weil  aber  der  Häftling  ein  gut  beleumundeter  Mann  ist,  und 
damit  sich  nicht  eine  unangenehme  Erinnerung  an  Ihren  Aufenthalt  in  meinem 
Hause  knüpfe,  sei  ihm  der  Rest  seiner  Strafe  geschenkt."  Gleich  darauf  kündigte 
der  Kapetan  dem  niedergedrückten  Hauer  an,  dass  er  auf  meine  Fürbitte  frei  sei; 
doch  möge  er  sich  in  acht  nehmen,  ein  zweites  Mal  zu  fehlen,  denn  die  Strafe 
würde  um  su  härter  sein.  Unter  vielen  Segenssprüchen  verliessen  Mann  und 
Frau  den  Hof. 

Das  Bewusstsein,  Mitmenschen  aus  peinlicher  Lage  befreit  zu  haben,  äussert 
sich  in  einer  erhöhten  Stimmung.  Der  Kapetan  setzte  vorzüglichen  Wein  auf 
den  Tisch,  der,  gemengt  mit  Sauerbrunnen  vom  nördlichen  Crniljevo,  trefflich 
mundete.  Es  schlug  Mitternacht  auf  der  anheimelnd  tickenden  Schwarzwälder 
Uhr '),  und  noch  fand  uns  die  späte  Stunde  im  traulichen  Gespräch.  Ich  dankte 
dem  wackeren  Kapetan  manche  Aufklärung  über  Sitten  und  Charakter,  Licht- 
iiiul  Schattenseiten  seiner  Bauern.  Wie  die  meisten  höheren  serbischen  Offiziere 
und  Beamten,  hatte  auch  Bozi(5  seine  Bildung  im  Ausland  erhalten.  Er  wusste 
viel  von  Wien  zu  erzählen  und  bewahrte  ihm  ein  dankbares  Andenken.  Mit 
einem  Hoch  auf  dcut^he  Sitte  und  Bildung,  mit  einem  anderen  auf  den  Kultur- 
fortschritt Serbiens,  schieden  wir  für  jene  Nacht  und  für  immer,  denn  als  ich 
später  nach   ihm   forschte,  hatte  er  bereits  das  Zeitliche  gesegnet. 

Valjevo  bildete  niein  nächstes  Reiseziel.  Unaufschiebbare  Geschäfte  ver- 
hinderten den  Kapetan  und  f^isar,  mich  dahin  zu  begleiten;  beide  ritten  schon  mit 
frühestem  Morgen  nach  einem  fernen  Dorfe.  Mein  Führer  war  ein  wegkundiger 
Pandur,  dessen  Nationalität,  abgesehen  von  der  charakteristischen  schwarzen 
Ka|ipL',  dem  weissen  Tuchrock,  den  Strümpfen  und  Schnallenschuhen,  der  elastische 
Siiinti.  tue  reich  ausgelegten  Pistolen  und  elegant  umgehangle  Albaneserin 
verrieten;  es  war  cm  echter  Sohn  iler  „schwarzen  Berge".  Fast  alljährlich 
sclumiggelten  sich  damals  einige  Crnagorcen  durch  das  Gebiet  von  Novipa/ar 
nach  Serbien,  wo  sie  mit  Vorliebe  in  den,  ihren  (jewohnheilen  /usagenden 
l'.iiulurcMdienst  Ir.iten.  (iut  he/.ihlt  und  ohne  eigentliche  Arbeit,  gestattete  er  ihnen, 
ihrer  Lieblingsneiguiig  zu  frönen,  viel  umherzuziehen,  häufig  in  den  Schenken 
einzukehren,  Guslespielern  zu  lauschen  unil  /u         iiolitisieren     S\c\i\  .Wontenegriner 

')  Schwarzwaider  Dhren  iiiii  liirki.scheii  iiiid  .irabisclieii  /iffern  tiildcii  einen  schwiinj;- 
vollen  Aiisfiihr;irlikcl  nach  der  Türkei.  TasclKMUilHeii  mit  in  maurischem  Stile  rcichnrnvji'rti'n 
Werkteik'ii  werden  meist  aus  der  Scliwel/  und  Lni;land  cinKefulirl. 


12  I      Durth  den  wcslscrbischcn  Mincndisirikt.    Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjcvo. 

war  nicht  wenij{  erfreut,  zu  hören,  dass  ich  sein  Land,  den  Fürsten  und  zufällig 
auch  den  Scrdar  seiner  Crnifka  Nahia,  den  vielgenannten  Matanovic  kannte, 
und  da  Jovan  schon  lanj^e  von  seiner  Heimat  fern  war,  lösten  sich  allerlei  Fragen 
von  seinem  Herzen. 

Auf  der  Anhöhe  von  Gornja  Bukovica  machten  wir  unter  dem  schattigen 
Laubdach  einer  Rieseneiche  Halt.  Hier  zeichnete  ich  das  in  Viqucsnels  „Voyane 
dans  la  Turquic  de  l'fiuropc"  veröffentlichte  F^rofil  der  südlichen  Podzoriner 
Kette,  welche,  von  diesem  I'iinki  gesehen,  deutlich  ihre  einzelnen  Hauptberge, 
den  Medvednik  (1246  ni)  mit  seinem  breiten  Hochplateau,  den  vielfiespaltetcn 
Jablanik  (13Ut3  m)  und  den  dreikuppi^en  Povijen  (1480  m)  zeigt.  Das  Terrain 
ermässigt  sich  gegen  N.  und  geht  in  immer  breitere,  abwechselnd  schöne  Triften 
und  Wjilder  bergende  Einschnitte  über'.  Die  Diluvialbecken  der  Koiubara  und 
Tamnava  zählen  zu  Serbiens  fruchtbarsten  Ebenen.  Kurz  vor  Valjevo  gelangten 
wir  zum  Vereinigungspunkt  unserer  Loznicaer  Strasse  mit  der  nördlichen  von 
Sabac,  deren  Ausbau  aus  mir  unbekannter  Ursache  von  F^reradi  bis  Valjevo 
erst  1888  begonnen  wurde,  obschon  sie  für  die  Ausfuhr  des  Kreises  zur  .Sava 
hochwichtig  Ist. 

Diese  neue  Strasse,  welche  ich  am  10.  September  1888  von  Sabac,  begleitet 
vom  Kreisingenieur  Joca  Avramovic,  einschlug,  führt  durch  einen  der  landschaftlich 
lieblichsten,  viele  historische  Erinnerungen  bergenden  Teile  Serbiens.  Die 
Refle.xe  des  in  herbstlicher  Klarheit  blauenden  Firmaments  spiegelten  sich  in  den 
munter  rieselnden  Wasserfäden,  welche  das  weithin  sich  dehnende,  ungemein 
ergiebige  Tertiärgebiet  zwischen  dem  Kanilcak  und  der  Tamnava  allerorts  durch- 
ziehen. Die  vor  Mläar  von  der  Belgrader  südlich  abbiegende  treffliche  Strasse 
war  stark  belebt.  Man  feierte  den  strengen  Fasttag  „Usekovanja  Sv.  Jovana" 
(Johannes  Enthauptung),  und  so  fehlte  es  auch  nicht  an  bunter  Staffage  in  den 
vielen  am  Wege  liegenden  Mehanen. 

Schönes  Vieh  und  leider  allen  Wettern  ausgesetzte  riesige  Heuschober  des 
auch  eine  Dampfmühle  besitzenden  Cerova  verkündeten  den  Wohlstand  seiner, 
wie  alter  Dörfer  dieser  Gegend,  weithin  über  4  km  zerstreuten  Gehöfte.  Auf 
solider,  von  Elchen  und  Ulmen  malerisch  umrahmter  Brücke  kreuzten  wir  in 
129  m  Höhe  die  Dobrava.  Rechts  und  links  begleiten  sie  unten  Buchenstände, 
auf  den  Höhen  prächtige  Eichenhaine  und  zw^ischen  diesen  A^aisfelder,  die  oft 
eine  Stunde  von  ihren  Höfen  liegen.  Die  „zadruga"  (Hausgenossenschaft)  ist 
hier  nicht  so  stark  gelockert,  dass  es  an  Kräften  zur  Bearbeitung  des  reich 
lohnenden  Bodens  fehlt.  Zu  Meovine,  dessen  weisser  Kirchturm  östlich  auf- 
leuchtet, gibt  es  Familienverbände  von  20 — 30  Seelen,  und  im  benachbarten 
Skupljen  leben  in  der  Zadruga  Mirkovic  70  Köpfe,  worunter  11  „porezke  glave" 
(Steuerköpfe).  Dieses  mehrere  verheiratete  Generationen  umschliessende  Gehöft 
ist  das  stärkstbevölkerte  des  Sabacer  Kreises  und  wahrscheinlich  des  ganzen 
Königreichs. 

Im  östlich  sich  ausbreitenden  Vladimircl  befindet  sich  als  Sitz  des  1896 
geschaffenen  „Posavotamnavski  srcz"  das  Cadre  des  Bezirksbataillons  —  eine 
Ehre,    um    welche    seine    Bewohner    erfolgreich    petitionierten.      Denn    auch    das 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      425 

benachbarte  grössere,  schon  seit  1852  eine  Schule  besitzende  Jalovik,  dessen 
hochliegencier  Kirchturm  uns  stets  im  Auge  blieb,  erhob  gleichen  Anspruch, 
obschon  seine  Gemeinde  nur  1850  gegen  Vladimircis  3490  Bewohner  zählt.  Das 
westliche  Muratovo,  jetzt  Matijevac  genannt,  erinnert,  dass  es  einst  dem 
Spahi  Mural  zinsbar  war,  und  bei  dem  südlicheren,  schon  seit  1827  schulfreund- 
lichen Kaona  steht  ein  verlassenes  Kloster,  das  Ikonija,  eine  Schwester  des 
Sultantöters  Milos  Obilic,  seinem  Andenken  gestiftet  haben  soll.  Den 
hl.  Erzengeln  Gavril  und  Mihail  geweiht,  arbeitete  es,  nach  einer  im  ungarischen 
Kloster  Grabovac  bewahrten  Urkunde  mit  Klostersiegel  und  der  Unterschrift  des 
Igumans  Makarije,  noch  1793').  An  seiner  Stelle  vollendete  Kaona  1892  eine 
Mihailskirche  im  byzantinischen  Stil,  welche  30000  d  kostete  und  mit  einem  auf 
86000  d  geschätzten  Vermögen  zu  Serbiens  reichsten  Kirchen  zählt. 

Am  Gabelungspunkt  der  von  Veliki  Boänjak  in  das  westliche  Podrinjer 
Erzgebiet  führenden  neuen  Strasse  erbaute  der  rührige  Sabacer  Kaufmann  Svetozar 
Paviovic  mehrere  grosse  Mehanen,  Magazine  und  Häuser,  die  den  Kern  einer 
zukunftsreichen  Ansiedelung  bilden.  In  einem  jenseitigen  baumreichen  Tamnava- 
Einschnitt  liegt  das  grösste  Dorf  des  Sabacer  Kreises,  das  nahezu  1700  Seelen 
in  238  Häusern  zählende  Svileuva  mit  ansehnlicher  Kirche  und  trefflicher  Schule. 
Dort  wurde  1804  der  zum  Entsatz  von  Sabac  aus  Bosnien  heranziehende  Alibeg 
Vidaic  geschlagen.  Die  serbischen  „Heiducken",  welche  er  züchtigen  wollte, 
bestanden  glänzend  die  Feuerprobe.  Leider  existiert  der  prächtige  zweihundert- 
jährige Wald,  der  bei  dieser  rühmlichen  Grosstat  ihren  Stützpunkt  bildete,  nicht 
mehr.  Im  Jahre  1889  erschlich  der  mit  dem  Odbor  (Gemeinderat)  einverstandene 
Pope  unter  dem  Vorwand,  es  handle  sich  um  eine  „utrina"  (Trift),  die  Erlaubnis, 
das  Terrain  abzuholzen,  was  später  zu  Beschwerden  und  einem  langdauernden 
Prozess  führte. 

Nach  Vuk-)  ist  Svileuva  der  Heimatsort  des  vielbesungenen  Freiheits- 
kämpfers Luka  Lazarevic.  1774  geboren,  1796  nach  kurzem  Schulbesuch  in 
Sirmien  zum  Priester  geweiht,  finden  wir  ihn  1804  gleich  beim  Ausbruch  der 
F^evohition  an  der  Spitze  der  Aufständischen  aus  den  Nahien  Tamnava  und  Posavina. 
Der  glückliche  Ausgang  der  Schlacht  am  A\iSarleUI,  wo  er  mit  dem  berühmten 
bosnischen  „Kapetan  Kuhn"  ins  Handgemenge  kam,  war  grossenteils  sein  Verdienst. 
Sein  Gegner  blieb.  F.r,  obschon  schwer  verwundet,  genas  und  erhielt  von 
Karadjordje  IH()7  ilns  Konimaiulo  im  wichtigen  Sabac.  Bei  der  Einnahme  von 
Loznica  und  in  der  Schlacht  hei  Novoselo,  wo  er  Pejsa  Mehemed  Aga  im  offenen 
Kampf  lötete,  erwarb  er  neuen  F^uhm.  Im  verhängnisvollen  J.  1813  flüchtete  er 
mit  den  antleren  Inihrern  nach  Sirmicn.  Nach  langer  Internierung  im  steierischen 
Jiuk'iilMiri;  giii^  er  nach  Russland.  von  wn  er  1832  nach  Serbien  zurückkehrte. 
1852  starb  er,  stolz  auf  14  im  Dienste  iles  Vaterlandes  empfangene  Wunden,  als 
pensionierter  Senator. 

Durch  prächtige  Laubvväldchen  iiiul  Wiesen  rollten  wir  von  der  aussichts- 
reichen Wasserscheide  hiii.ib  zur  100  m  niedrigeren  Tamnava.    An  ihren  westlichen 

')  Stariiinr,  II,  ;i  f.  -      )  Daiiicit,  Jl  If.   l«2i). 


42r>      Inircli  ilcii  wustserbischen  Minendistrikl.    Von  §abac  über  Soico  nach  Valjcvo. 

Quellen  hei  Crnlljevo  findet  man  Spuren  eines  Schlusses  .SarenKrad", 
dessen  lirhauunK,  vielleicht  we^en  des  nahen  Dorfes  Ljutica,  dem  im  Volkslied 
fortlebenden  Wojwoden  Ljutica  Bo^dan  zugeschrieben  wird.  Etwas  westlicher 
findet  man  Ziegel  von  der  festen  Residenz  eines  Ritters  Ados,  der,  wie  das  ^crn 
fabulierende  Volk  erzählt,  so  reich  gewesen,  dass  er  F^flüne  und  seine  Frau 
Webstlililc  aus  reinem  Gold  besass.  Vergebens  suche  man  jedoch  den  Zugang 
zu  den  unterirdischen  Gängen  im  nahen  Kljucarevacberg,  in  dem  er  seine  Schätze, 
nahe  der  eigenen  Kirche,  verwahrte.  Es  würde  zu  weit  führen,  alle  Mythen  von 
diesem  aitserbischen  Krösus  mitzuteilen,  die  uns  im  Koceljevoer  Strassenhan 
aufgetischt  wurden.  Auch  von  Cor  Osmans  Niederlage  bei  dem  11  km  süd- 
östlichen Cucuge  ist  die  Tradition  noch  lebendig.  Von  den  5000  Türken, 
wekiie  dort  1806  mit  den  Serben  am  Ubfluss  stritten,  sollen  nur  wenige 
Berittene  nach  Soko  enlkoniiiien  sein,  und  beim  Ackern  stösst  man  auf  Gerippe, 
Waffen  usw.  Der  zufällig  anwesende  Pope  des  Pfarrortes  Dokmir  erzählte  mir 
auch  viel  von  seiner  schon  vor  der  Kosovoschlacht  erbauten,  seit  1820  verwelt- 
lichten Marienkirche,   auf  welche  Cucuge   und  fünf  andere  Orte  angewiesen  sind. 

Wir  waren  an  einem  starkbewegten  Tage  nach  Koceljevo  gekommen. 
Schon  seit  dem  Frühmorgen  drängte  sich  eine  bunte  Menge  auf  dem  weiten 
Platze  vor  seiner  hübschen  Kirche,  und  am  Mittag  glich  seine  grösste  Mehana 
einem  Bauernparlament;  denn  es  galt,  sich  über  die  Wahl  eines  neuen  Kmeten 
zu  verständigen.  Die  Männer  aus  der  Ebene  berieten  ruhig,  jene  aus  den 
Hochtälern  um  so  lauter.  Der  zur  Wahlleitung  erschienene  Bezirkskapetan  Milan 
Djordjevic  aus  Sabac  und  der  zu  meiner  Weiterbegleitung  kurz  vor  uns  ein- 
getroffene'Valjevoer  Kreisingenieur  Duäan  Zabovljevic  waren  so  vorsichtig,  unser 
Mi,ttagessen  im  zweiten,  stilleren  Dorfgasthaus  zu  bestellen.  Einige  Pfarrer  mit 
der  älteren,  schirmlosen  Cita  oder  mit  dem  .  diese  neuestens  verdrängenden 
ungarischen  breitkrämpigen  Popenhut,  und  der  Bezirksschreiber  besuchten  uns 
dort.  Letzterer  entwickelte  höchst  launig,  wieviel  verschiedene  Amtshandlungen 
er  in  der  letzten  Woche  abgewickelt.  „Sie  glauben  schwerlich,  was  so  einem 
armen  ,srezki  pisar'  für  merkwürdige  Geschäfte  von  oben  und  unten  auferlegt 
werden.  Bei  Rekrutierung,  Mord,  Steuerexekution,  Impfung,  Waldfreveln,  Diebstahl, 
Viehseuche,  Wahlen  usw.,  überall  soll  er  dabei  sein,  untersuchen,  assistieren, 
berichten,  schreiben.  Das  Reisen  und  Umherliegen  in  den  Wirtshäusern  bei 
schmalen  Diäten  —  denn  die  Bauern  haben  längst  aufgehört,  gegen  uns  gast- 
freundlich zu  sein  —  ist  endlos;  manchmal  möchte  ich  rufen:  to  ne  moze!  (Das 
ist  unmöglich!)." 

Zwei  km  von  Koceljevo  überschritten  wir  in  310  m  Höhe  bei  dem  15  kin- 
grossen  Bukovicaer  Forst  die  Kreisgrenze  und  bald  darauf  zwischen  Gola 
Glavas  zerstreuten  Gehöften  den  Üb.  Schöne  Weingärten,  zur  Hut  gegen  die 
Schweine  stark  umzäunter,  vom  Unterholz  gereinigter  Eichenwald,  in  Reihen 
gepflanzte  Zvvetschgcnbäunie  und  prächtige  Mais-  und  Weizenfelder  verrieten 
grossen  Wohlstand  und  landwirtschaftliche  Tüchtigkeit.  Ohne  die  umständliche 
ministerielle  Genehmigung  nachzusuchen,  erbaute  die  188  Häuser  und  1580  Seelen 
zählende   Gemeinde    eine    12000  d   kostende   Schule   und   führte   auch   u.   a.   das 


Durch  den  westscrbischcii  Miiiendistrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      427 

Rohmaterial  unentgeltlich  für  dieselbe  zu.  Hier  begegneten  wir  einem  Trieb 
gemästeter  schwerer  Ochsen  aus  dem  Uzicer  Kreis,  welche  für  den  Weg  zum 
grossen  Viehmarkt  im  ungarischen -Mitrovica  II  volle  Tage  brauchen.  Die 
Treiber  hatten  vollauf  zu  tun,  die  Tiere  auf  den  schmalen  Strassenkurven 
beisammen  zu  halten  und  fluchten  unserem  Kutscher,  der  sie  trotz  der  Steile 
rasch  hinanfuhr.  Schon  während  des  Anstiegs  erhielt  ich  eine  gut  orientierende 
Aussicht  in  das  gegen  NO.  sich  ausweitende  prächtige  Ubtal.  Die  17  km 
ferne  weisse  Kirche  des  hochliegenden  Vrelo  und  darüber  das  zur  Sava  streichende 
Hügelland  der  Posavina  waren  deutlich  erkennbar.  Weiter  ging  es  in  geradezu 
gefährlicher  Steile  zu  dem  durch  die  nahe  „Gospodjina  ce§ma"  (Jungfraubrunnen) 
herühmten  470  m  hohen  „Jautinacki  vis",  ich  begriff,  dass  mein  Begleiter  die 
projektierte  neue  Strasse  bei  dem  östlichen  Slatina  tracierte,  wo  sie  wahr- 
scheinlich zur  Römerzeit  lag,  wie  dies  ein  dortiges  ringförmiges  Verteidigungswerk 
von  20  m  Durchmesser  mit  starkem  Wall  und  viele,  in  den  nahen  Feldern 
zerstreute  Ziegelstücke  zeigen.  FJeim  Abstieg  zum  Rabac,  einem  Zufluss  des  Üb, 
blickten  wir  in  sein  gegen  NO.  sich  öffnendes  prächtiges  Tal  mit  dem 
gleichnamigen  Bezirksstädtchen,  das  sehr  handelstätig  und  auch  als  Stabsort  des 
2.  Bezirkshataillons  neuestens  erhöhte  Bedeutung  erhielt.  Es  zählt  1250  Seelen 
in  231  Häusern,  seine  schon  1828  gegründete  Schule  gehört  zu  den  ältesten, 
seine  1865  erbaute  Marienkirche  zu  den  grösseren  des  Landes.  1884  gründete 
es  auch  eine  Sparkasse,  welche,  1895  nahezu  10,6  Mill.  d  in  Verkehr  setzend, 
den  Wohlstand  des  grossen  Flussgebietes  bedeutend  förderte. 

Den  zweitlHichsten  Punkt  der  Strasse  zwischen  Sabac  und  \'aljevo  mit 
4'.VA  Ml  erreichten  wir  auf  dem  Dubovac  westlich  von  Brankovina.  Dieses 
zwischen  tiefem  Waldgrün  luui  Kulturland  sich  ausdehnende  grosse  Dorf  ist  der 
Stammort  der  vom  Beginn  der  Freiheitskämpfe  bis  zur  Katastrophe,  welche  den 
unglücklichen  Fürsten  Mihail  1868  ereilte,  vielgenannten  Familie  Nenadovic.  Ihr 
entspross  Persida,  die  Frau  und  ehrgeizige  Beraterin  des  Fürsten  Alexander 
Karadjordjevic;  das  berühmteste  männliche  Mitglied  ist  ihr  Onkel,  der  1777  dort 
geborL'ML'  „Prota  Matija"  Nenadovic,  dessen  „Memoari"  eine  llauptijuelle  für  die 
(u'sihirhte  des  serbischen  l'reiheitskriuges  bilden.  Nachdem  Matija  vom  Dorf- 
|iiipen  notdürftig  lesen  gelernt  und  sich  im  sirmischen  Kloster  Kupinovo  weiter 
gebildet,  erhielt  er  vom  Valjevoer  Bischof  die  Weihe,  eine  Pfarre  und  ward  bald 
Frzpriester.  Als  1804  die  aufständische  Bewegung  der  Serben  ausbrach,  war 
Matija  für  das  westliche  Sav.igebiet  zuerst  ihr  geistiger  und  später  auch  der 
militärische  Leiter.  Aul  der  weithin  sichtbaren  Höhe  unter  dem  Brankovafki  vir 
rief  er  wegen  iler  mangehuleii  Sturmglocke  durch  Raketen  und  L'euersaulen  das 
uinu'iiliiieiuli'  l.,iii(l\iilk  /ii  iKii  Waffen.  Ihm  iihergab  sich  die  Sabacer  Feste, 
und  als  er  von  dort  mit  seinen  Scharen  vor  Belgrad  zu  Karadjordje  slicss, 
entsandte  ihn  dieser,  sein  diplomatisches  Talent  erkennend,  nach  Petersburg,  um 
den  /aren  /u  ausgiebiger  Hilfe  zu  bewegen.  In  die  Heimal  zurückgekehrt, 
organisierte  ei  tien  gesetzgebenden  Senat,  dessen  l'räsident  er  wurde.  ISII 
tauschte  er  aber  wieder  diese  frietiliche  Stellung  mit  jener  seines  Onkels  Likov, 
iler    das    Kommando    an    der    Drina    führte,    iM\d    wurde    bald    von    den    Türken 


I-H      Durch  ÜL-n  wcstscrbischcn  Mincndislrikt.     Von  §abac  über  Soko  nach  Valjevo. 

gefürchtet.  Nach  der  iinKllIcklichcn  WcndunR  des  1813  fortgesetzten  Kampfes 
ging  Matija  mit  Karadjordje  über  die  Sava  und  1815  nach  Wien,  um  die  Teil- 
nahme der  dort  nm  Kongrcss  beratenden  Herrscher  und  Diplomaten  für  sein  aufs 
neue  geknechtetes  Vaterland  zu  erwecken.  Vergeblich!  Im  zweiten  Aufstand 
1815  stand  er  Miloä  mit  Rat  und  Tal  zur  Seite.  1838  trat  er  in  die  Kommission 
zur  Ausarbeitung  der  neuen  Oesetze,  spilter  in  den  Senat  und  1852  in  den  Ruhe- 
stand. Zwei  Jahre  darauf  starb  er  zu  Valjevo.  Dort  lebte  und  verschied  1893 
sein  Sohn  Ljubomir,  der  1891  von  der  SkupStina  durch  einen  Nationaldank 
geehrte  Dichter  und  Herausgeber  der  „Memoari"  (1867);  sein  zweiter  Sohn 
Svctozar,  ein  Mann  von  ungewöhnlich  hohem  Wuchs,  den  ich  als  Naöalnik 
1861  zu  Cuprija  kennen  gelernt,  wurde  als  Teilnehmer  am  Attentat  auf  Fürst 
Mihail  1869  erschossen  (S.  116).  Zu  Brankovina  ruht  ihre  aus  Üb  stammende 
Mutter  Joka,  Matijas  zweite  Frau,  neben  diesem  und  seinem  Vater  Aleksa;  ferner 
sein  üheim  Jakov  N.,  der  als  Kommandant  der  Valjevoer  Nahija  die  erste  Kanone 
aus  Sirmien  nach  Serbien  brachte,  mit  dieser  Sabac  beschoss  und  zeitweise 
gleich  hohes  Ansehen  wie  Karadjordje  genoss;  dann  auch  Jakovs  jüngster  Bruder 
Sima,  der  am  28.  Juli  1815  bei  Dublje  ruhmvoll  fiel').  Bei  Brankovinas  1837 
erbauter  Gavriikirche  besitzt  der  Pope  Petrovic  sehr  wertvolle  Eichenstände, 
vvclclie  man  ihm  188K  für  iiohe  Angebote  abzukaufen  suchte.  Dem  Slatinaer 
Bauer  Kovacevic  bezahlte  man  für  5  Bäume  von  über  1  m  Stammstärke,  die  in 
Üb  zu  Fassdauben  verarbeitet  wurden,   1260  d. 

Rascher  als  auf  das  Plateau  des  419  m  hohen  „Kotiiicki  vis"  ging  es  von 
diesem  abwärts  zum  Rabac,  dessen  nahem  östlichen  Orte  Babina  Luka  der 
erwähnte 'unglückliche  Patriot  „Moler"  entstammt,  und  noch  leichter  ging  es  über 
den  letzten  „Caric  brdo".  Tiefes  Abendrot  streifte  die  im  0.  auftauchenden 
Riulniker  IkT^e.  Wir  jagten  durch  Valjevos  langgedehntes  Vorterrain.  Endlich 
erschien  sein  weisser  Pulverturm,  bei  dem  ich  1860  die  hier  reproduzierte 
Gruppe  zeichnete.  Bei  Radjcvo  selo  mündete  unser  Weg  in  die  von  NW. 
kommende  treffliche  Kamenicaer  Strasse,  und  vor  einbrechender  Nacht  hielten 
wir  am   „Grand  Hotel",  im  Zentrum  der  Kreisstadt. 

Höchst  wahrscheinlich  bestand  zu  Valjevo  schon  in  römischer  Zeit  eine 
befestigte  Ansiedelung.  Urkundlich  erwähnt  wird  es  jedoch  erst  in  den  Briefen 
der  Republik  Ragusa  unter  Zarin  Milica  und  ihrem  Sohn  Stevan  Lazarevic. 
Damals  war  es  der  Sitz  einer  Exarchie,  deren  BischiWe  im  17.  Jahrhundert  den 
Titel  „Metropolit  von  Uzice  und  Valjevo"  führten.  Nördlich  von  der  Stadt  stand 
auf  dem  281  m  hohen  Klicevac  die  Feste  Kula  des  tapferen  Jevta  Vitkovic,  welcher 
im  Eugenschen  Feldzug  gegen  die  Türken  1718  fiel.  Den  Resten  dieses  nur  in 
den  Rudimenten  erhaltenen  Turmes  gegenüber  sieht  man  am  rechten  Gradacufer 
jene  einer  mit  Wallmauern  umgeben  gewesenen  alten  Kirche,  in  der  sein  Zeit- 
genosse, der  gleichfalls  im  Volkslied  fortlebende  Cor  A\ijat,  gehaust  haben  soll. 
Später  erbauten  die  Türken  auf  der  Klicevachöhe  eine  im  Seckendorffschen 
Feldzug    1737    und    auch    1788    von    den   auf    dem  Weinberg  Vrana    lagernden 


>)  Vuk,  Danica,  1828. 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      429 

Kaiserlichen   eroberte   Palankc.     Für  Valjevos   damalige   Bedeutung  spricht,   dass 
es  9  M(jscheen  und  2  Bäder  besass '). 

Ais   das  Dahienregiment  seine  abscheulichsten  Orgien  feierte,  war  Valjevo 
der   Schauplatz    unerhörter  Gewalttaten.      Im    Februar    1804    wurde    dort    der   im 


\  AI  J  r.\  n.    i  i.iuiiili.iuil. 

niinilirhiii  H.ibiiKi  l.iik.i  um  17  15  gebnreiK'  Hogovadjaer  Archimandrit  Hadii 
Raf;iilii  Ruviiii  iiarh  (.•iitsi-l/iiilRMi  W.iiiirii  inil  Aleksa  Nenadovit\  der  sich  erkühnte, 
in  Seiiilin  um  üsterreichisi.lR'  llilte  gegen  die  Dahien  /u  bitten,  und  niit  dem  im 
westlichen  Suvodanj  geborenen  llija  Hircanin  gelötet;  nach  anderer  Quelle 
wurde   er   /u  Belgrad    mit  70  aiuleren  Serben   enthauptet.     Der  berüchtigte  FoCi^ 


•i  \in&y\  Cli;ill:i,  kiiiiR'li  iMul  Hiisn;i,   IM) f. 


I'tll      Durch  den  wesiscrbischcn  Minvndislrikl.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo. 

MclicrnccI  A^a  vervollsiandiKlc  diese  Greuel,  indem  er  Valjevo  im  März  grossen- 
tcils  verbrannte.  Im  selben  Jahre  vertrieb  Karadjordjc  die  Türken  aus  der  Stadt. 
1H!3  kehrten  sie  wieder  für  kurze  Zeit  und  sperrten  in  den  vnn  Jakriv  Ncnadovid- 
iiiiiiitten  der  Klicevacschaiize  erbauten  Turm  die  ihnen  denunzierten  Patrioten 
ein.  Der  von  ilineii  j^eduldete  letzte  Valjevoer  Bischof  Danilo  gehörte  zur 
fanariotistlien  I'rieslersorte,  die,  um  ihr  eigenes  materielles  Interesse  zu  fördern, 
stets  mit  den  Moslims  hielt.  Dieser  „Deli  papas"  (verrückte  Geistliche),  wie 
ihn  die  Valjevoer  Türken  nannten,  flüchtete  mit  den  Reicheren,  als  die  serbische 
lürhchinig  1815  glücklich  endete,  nach  Zvornik  und  später  nach  Österreich,  wo 
er  spurlos  verscholl.  1816  wurde  Valjevo  mit  der  Sabacer  Exarchie  vereinigt 
iiiul  Sitz  eines  Prota  (Erzpriester).  Noch  1827  fand  MagaraSevic  dort  nur 
IHii  Mauser,  darunter  30  kleine  türkische.  Der  Verwaltungsapparat  des  gesamten 
Valjevoer  Bezirkes  bestand  aus  zwei  Knezen  und  einem  Schreiber.  Der  50  Kinder 
unterrichtende  Lehrer  aus  Sirmien  erhielt  —  50  Gulden.  Und  von  den  in  etwa 
50  Läden  betriebenen  Gewerben  wird  namentlich  ein  Türke  gerühmt,  der  aus 
Serajevoer  Eisen  treffliche  Messer  schmiedete. 

Durch  die  umsichtige  Verwaltung  des  von  Milo5  zum  Kommandanten  von 
Valjevo  ernannten  Jakov  Nenadovic  und  seines  Sohnes  Jevrem  machte  es  rasche 
Fortschritte.  Gehoben  durch  die  landschaftlich  prächtige  Lage  gehört  es  heute 
zu  Serbiens  schönsten  Städten.  Die  wohlhabende  rustikale  Kreisbevülkerung  ist, 
weil  die  Bezirkszentren  noch  unentwickelt,  nahezu  ausschliesslich  auf  seine  gut 
assortierte  Car§ija  angewiesen.  Auch  die  Viehniärkte,  von  welchen  jener  am 
St.  Eliastag  der  bedeutendste  ist,  sind  stark  besucht.  Das  billige  Leben  —  1  kg 
Rindfleisch  kostet  nur  60  para  30  Kreuzer,  das  Kilogramm  Lammfleisch  30  p.  — 
zieht  viele  Rentner  und  Pensionäre  hin.  1896  gab  es  schon  47  beider  Kategorien. 
Vor  zehn  Jahren  siedelten  sich  dort  einige  montenegrinische  Familien  als  Gemüse- 
bauer usw.  an.  Die  1896  in  1018  Häusern  5600  Seelen,  darunter  29  Deutsche, 
20  Ungarn,  10  Griechen,  67  Zigeuner,  zählende  Stadt  besass  neben  ihrer  1835 
dein  „  Leichentiicii  A\ariä"  geweihten  Kirche  ein  der  Gemeinde  54000  d 
kostendes  Untergymnasium  mit  9  Lehrern  und  150  Schülern,  zwei  Volksschulen 
für  Knaben  und  Mädchen,  einen  wechselseitigen  Spar-  und  Hilfsverein  usw. 
Zwei  Brücken  führen  über  die  durchfliessende  Kolubara.  Die  Strassen  sind 
grösstenteils  mit  Akazien  bepflanzt,  und  Vorgärtchen  bei  vielen  oft  sehr  hübschen 
villenartigen  Privatbauten  verleihen  Valjevo  das  Aussehen  eines  Badeortes. 

Valjevos  überraschend  fortsciireitende  Entwickelung  bewirken  auch  zahlreiche 
iWilitär-  und  Beamtenfamilien.  Ausser  dem  Nacelstvo  und  Kreisgericht  befinden 
sich  hier  die  Stäbe  des  Divisions-  und  Brigadekommandos,  der  Territorial- 
bataillone, 2  Kasernen,  1  grosses  Pulvermagazin  mit  54  Offizieren,  608  Soldaten, 
37  Gendarmen.  Die  1871  gegründete  Sparkasse  mit  einem  Umlauf  von 
22,65  Mill.  d  (1895)  ist  die  älteste,  Laza  Lazarovics  Brauerei  die  grösste  im 
Lande.  1888  erhielt  es  auch  einen  1895  über  10  Mill.  umsetzenden  gegenseitigen 
Hilfs-  und  Sparverein.  Ein  Leseverein,  drei  Buchhandlungen  und  kleine  Buch- 
druckerei sorgen  für  das  intellcktLiolle,  ein  Spital,  zwei  Apotheken  und  vier  Arzte 
für   das    sanitäre  Bedürfnis.     Die    auffallend    grosse   Zahl   von  acht  Advokaten  ist 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.    Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      431 

charakteristisch  für  die  herrschende  starke  Prozess-Appellationssucht.  1860  notierte 
ich  im  Vaijevoer  Kreisgericht  an  tausend  unerledigte  Fälle,  und  obschon  seither 
die  Kompetenz  der  Gemeinde-  und  Bezirksgerichte  erweiteti  wurde,  fand  ich 
die  Justizverhältnisse  im  Herbst   1888  dort  wenig  besser. 

Die  letzten  zu  Valjevo  verlebten  Stunden  schwanden  rasch  in  der  heiteren 
Gesellschaft  des  mir  von  Belgrad  seit  1859  befreundeten  Ljubomir  Nenadovic, 
dessen  Namen,  Schriften  und  Lieder  in  Serbien  gleich  populär  sind.  Durch  ihn 
lernte  ich  den  tapferen  Kommandanten  der  Drinadivision,  Oberst  Svetozar  Hadzic, 
kennen;  er  war  1876  der  erste  verwundete  serbische  Offizier  und  zeichnete  sich 
1878  bei  Descanski  Kladenac  aus;  ferner  den  Nacalnik  Jevrem  Andonovic,  der 
€ben,  weil  „Liheralac",  ins  Justizitiinisterium  versetzt  worden,  dann  den  nach 
seinem  berühmten  Grossvater  genannten  Direktor  des  Halbgymnasiums  Luka 
Lazarevic.  Auch  dankte  ich  N.  die  Einführung  bei  dem  „gastreisenden"  Belgrader 
Porträtmaler  2ivko  Jugovic,  der  das  Bild  des  reichsten  Vaijevoer  Kaufmanns 
Ranko  Godjevac  vollendete.  Dieser  Selfmademan  liess  sich  und  seine  Frau 
im  serbischen  Kostüm  malen;  seine  sechs  Söhne,  von  welchen  einer  Advokat, 
einer  Beamter,  ein  dritter  in  Hamburg  sich  ausbildete,  kleiden  sich  aber  ä  la 
franca  und  dürften  das  im  Zwetschgenhandel  erworbene  väterliche  Erbe  vielleicht 
noch  mehren,  aber  gewiss  höhere  Ansprüche  an  das  Leben  stellen  wie  ihre 
Eltern.  Und  ebenso  einfach  wie  diese  fand  ich  den  Kaufmann  Jovica  Djuric 
und  den  Vaijevoer  Krösus  MiloS  Gliäic,  dessen  von  seinen  Söhnen  gestiftetes 
fünfkuppcligcs  Mausoleum  den  hochliegendcn  Friedhof  im  Süden  der  Stadt  nun 
weithui  sichtbar  überragt. 

An  Feiertagen,  namentlich  am  Ivanj  dan  (hl.  Johannes),  pilgern  die  Vaijevoer 
hinaus  zu  dem  5  km  westlich  liegenden  Sv.  Jovanje.  Sein  Pope  Andrija  aus 
Celije,  der  von  meiner  Ankunft  gehört,  kam,  mich  und  Freund  Ljubomir  dahin 
einzuladen.  Der  redselige  junge  Geistliche  kürzte  die  Fahrt  mit  Geschichten  von 
dem  1886  hingerichteten  Heiducken  Djurdjic,  dessen  Häuschen  von  den  alten 
„Dvorimauern"  links  am  Wege  liegt.  Auch  geizte  er  nicht  mit  seinen  Kriegslaten 
und  erzählte,  wie  er  beim  Vaijevoer  Pulk  mit  dem  Kreuz  seinen  Soldaten  zum 
Sturm  auf  türkische  Stellunneii  voranging  tuul  ilafür  sich  eine  Dekoration  erwarb. 
Dabei  hieb  er  iniverdrossen  auf  seinen  Gaul  los,  als  flüchteten  wir  vor  dem 
Feinde.  Da  auch  die  romantische  Landschaft  im  Jablanica-Defilö  zerstreuend 
wirkte,  war  unser  Ziel  rasch  erreicht.  Auf  einer,  prächtigen  Laubwald  durch- 
schneidenden Serpentine  gewannen  wir  die  kleine  Hochebene,  auf  der  zwischen 
Erlen  und  überragt  von  einer  in  dieser  Gegend  seltenen  Konifere  das  ehemalige 
Kloster  auf  dem  Tocilo  brdo  malerisch  liegt. 

^\■.\u  sagt,  dass  die  hier  begraluMuii  Wojwodcn  Jovan  inid  Jevia  Vilkovic 
-  des  letzteren  Anilenken  verewigt  ein  rechts  von  der  Chorapside  befind- 
licher sechszeiliger  Inscluiflsleiii  die  Klosterkirche  zu  Beginn  des  17.  Jahrhunderts 
stifteten,  wahrscheiiilu  li  mIhm  nur  erneuerlen;  denn  nach  anderer  Tradition  wurde 
Jovanje  zur  Zeit  der  Kosovoschlacht  von  einer  i^upanin  begründet,  deren  drei 
Brüder  im  Umkreis  drei  andere  nach  demselben  A^odell  bauten.  Wirklich  gleicht 
Jovanje  das  benachbarte,  dem  hl.  Erzengel  Gavril  geweihte  Kirchlein  Celije,  bei 


i:!'2      Durch  ikn  wcstscrbischcn  Minendisirikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo. 

clfin  lli.i  Hircaiiiii  durch  seinen  ^Mch  tapferen  Momkcn  Milit  Kedit  bestattet 
wurde,  was  viel  beilritj^t,  dass  dessen  „Velika  jjospodja  Sabor"  stark  besucht 
wird.  Sein  13  Ortschaften  umfassender  PfarrsprenKel  erstreckt  sich  weit  bis  zur 
verfallenen  Hochburji  an  den  üradacquellen.  Ahnlichen  Grundriss  zeigt  auch 
das  unweit  an  der  SuSica  und  Westlehne  des  ßicichfalls  stark  verkarsteten  Kifcr 
liegende  einstige  Klosturkirchlein  Grafanica,  welches  die  Mala  jjospodja  (Maria 
Gcburl)  feiert,  um!  ebenso  die  ihm  nahe,  am  Oberlauf  des  Jablanica  stehende, 
nacli  einer  Inschrift  H)22  ausj^emalte  „Crkva  Pustinjska",  ein  etwas  grösserer, 
dem  ArchistratcKen  Mihail  f^eweihter  Quadernbau  mit  polygoner  Kuppel  aus  der 
Nemanjidenzeit,  mit  altem  Friedhof  und  kaum  mehr  lesbaren  Inschriften.  Das 
obere  Kirclilein  mit  Glockenturm  wurde  1848  erbaut.  Sein  für  das  Seelenheil 
von  5  Dörfern  sorgender  Pfarrer  hat  es  wahrlich  nicht  leicht,  denn  er  wohnt  im 
5  km   entfernten  Suvodanj. 

Jovanjes  7  in  langes  und  5,5  m  breites  Kirchenschiff  wird  nach  N.  und  S. 
durch  zwei  quadratische  Apsiden  und  gegen  0.  durch  eine  an  diese  schliessende 
halbkreisförmige  Altarnische  um  je  2  m  vergrössert,  eine  niedere  Kuppel  auf  der 
Vierung  bildet  die  einzige  Zier  des  kleinen  Baues,  dessen  ärmlicher  Innenrauni 
jetzt  nur  eine  Ikonostasis  mit  silberumrahmten  russischen  Bildern  und  Lithographien 
schmücken.  Der  isolierte  hölzerne  Glockenstuhl  ruht  auf  quadratischem  Stein- 
unterbau. Leicht  gezimnierte  Hütten  schützen  die  hier  Seelentrost  und  am  dem 
Felsen  entströmenden  Wunderbruiinen  Heilung  für  physische  Leiden  suchenden 
Pilger.  Sollten  nicht  die  reine  würzige  Waldluft,  der  köstliche  Kristallquell, 
vereint  mit  der  nervenstärkenden,  nur  von  den  gefiederten  Sängern  unterbrochenen 
Stille,  alhiin  schon  gesund  machen?  Gern  glaubte  ich  es  dem  naturliebenden 
Popen,  dass  er  sein  Häuschen  mit  prächtiges  Obst  zeitigendem  Gärtchen  und 
einträglichem  Grundbesitz  nicht  leicht  mit  einer,  anderen  Pfarre  —  seine  umfasst 
Zlatarie,  Sedlar,  Sandalj  und  Paklje  —  tauschen  möchte. 

Des  Popen  altes  Mütterchen  liess  es  sich  nicht  nehmen,  uns  nach  Serben- 
brauch einen  Inibiss  vorzusetzen;  wir  tranken  auf  ihr  Wohl,  zum  Abschied  erhielt 
ich  weisses  und  rotes  „Kovilje",  lange  Pfriemengrasbüschel,  welche  der  Pope 
aus  Ribarska  banja  an  der  Morava  mitgebracht.  Freund  Ljubomir  rezitierte  die 
ersten  Verse  des  Volksliedes:  Lepa  Pava  u  Kovilju  spava  —  Schön  Paula  im 
Pfriemengras  schläft'  —  Njoi  se  Rade  kroz  kovilje  krade  —  Zu  ihr  sich  Rade 
durchs  Pfriemengras  stiehlt.  Ich  versprach,  die  zarten  Pflanzen  als  „spomen"  zu 
bewahren,  zur  Erinnerung  an  den  ebenso  liebenswürdigen  wie  tapferen  Popen 
Andrija  von  Sv.  Jovanje. 

Der  vom  506  m  hohen  Sandalj  und  nördlichen  niedrigeren  Parlog  zum 
Kirchlein  herabziehende  frischgrüne  Wald  besteht  grossenteils  aus  Buchen  und 
Eichen,  durchwachsen  von  vielen  Haselnussstauden,  wildem  Hopfen  usw.  Doch 
gibt  es  auch  im  Kreise  schöne  Tannen  und  Kiefern.  Rehe  kommen  selten  vor, 
häufiger  Wildschweine,  Hasen,  Wildtauben  usw.;  im  Winter  werden  auch  Wölfe 
erlegt.  Füchse,  Wildkatzen,  Dachse  und  Iltisse,  dann  Adler  und  Hühnergeier 
räumen  unter  dem  Geflügel  auf,  das  jedes  Gehöft  in  Menge  zieht,  im  westlichen 
Kreisbezirk    Podgorina    wird    vorherrschend    Viehzucht    getrieben.      Es    gibt    dort 


Durch  den  westserbischen  Minendistrikt.     Von  Sabac  über  Soko  nach  Valjevo.      483 

sehr  reiche  Herdenbesitzer  und  kamen  durchschnittlich  300—350  Stück  auf 
100  Bewohner.  Man  rühmt  die  Qualität  der  Pferde  und  besonders  der  Schafe, 
deren  es  1896  im  Kreise  145708  j^ab.  Schweine  wurden  gezählt  über  78200 
(geK'en  150000  im  J.  1866),  Ziej^en  6100,  Pferde  10240,  Rinder  65120  (1866  nur 
62000),  stetig  sich  mehrende  Bienenstöcke  13213.  Auch  die  Agrikultur  des 
Kreises  macht  bedeutende  Fortschritte.  Von  157  652  Hektar  Nutzterrain  waren 
1893'):  mit  Getreide  62585,  mit  Gartengewächsen  1849,  mit  Wein  2136,  mit 
Obst  13030  bebaut.  28774  Hektar  dienten  als  Wiesen,  19031  zu  Weiden,  20611 
trugen  Wälder,  1054  lagen  brach,  8573  Hektar  waren  Hutweide-  und  Sumpfland. 
Die  Ernte  ergab  in  q:  196196  Mais,  202241  Weizen,  20093  Gerste,  34254  Hafer, 
15680  Wein,  1352333  Pflaumen.  Von  den  5  Bezirken  des  1896  auf  2458  km^ 
68  Gemeinden  mit  281  Orten  und  121711  Seelen  zählenden  Valjevoer  Kreises 
ist  der  „Posavinaer"  an  der  Sava  mit  60—80  Seelen  per  km=  am  dichtesten,  der 
Tamnavaer  und  Valjevoer  mit  50—60,  der  Kolubarer  mit  40—50  und  der  stark 
gebirgige  Podgoriner  mit  30 — 40  am  schwächsten  bevölkert. 

')  Ich  gebe  die  nachstehenden  Ziffern  für  den  seither  durch  die  westlichen  Orte 
Lopatanj  und  Ostruian  vergrösserten  Kreis  mit  dem  schon  früher  ausgeführten  Vorbehalt 
bezüglich  des  unvollständigen  Katasters. 


I      KAM  I  /.    Silliiiil     I.  -^ 


i 


XIV. 


Ueber  Gornji  Milanovac 

durch  das  Rudniker  Erzs^ebirge,  Srezojevci,  Arandjelovac 
nach  Takovo  und  Cacak. 


FÜR  Valjevos  bessere  Verbindung  mit  den  wichtigeren  Punkten  der  Umgebung 
ist  in  den  letzten  Jahren  viel  geschehen.  Es  führen  heute  ausser  der  Strasse 
nach  Sabac  eine  zweite  über  Üb  zur  Sava,  eine  dritte  über  Kamenica  nach 
Loznica,  eine  vierte  über  den  Prosiop  (632  m)  nach  Ljubovija,  gleichfalls  zur 
Drina,  eine  fünfte  nach  Uzice  und  eine  sechste  nach  Gornji  Milanovac.  Die 
1883  projektierte  Danipftramway  nach  Zabreä  wartet  ihrer  Ausführung;  dagegen 
wurde  1885  eine  auf  vier  hohen  Steinpfeilern  ruhende  Brücke  über  den  Gradac 
vollendet,  auf  welcher  der  Weg  in  die  schon  von  den  Römern  ausgebeutete 
reiche  Erzregion  der  Rudniker  Berge  geht.  Ich  beabsichtigte  in  ihre  wenig 
gekannten  Täler  einzudringen  und  schlug  am  Nachmittag  des  11.  September  1888. 
begleitet  von  dem  Valjevoer  Kreisingenieur  Zabovljevic,  diese  Route  ein. 

Nachdem  wir  13  km  im  breiten  Tal  der  Kolubara,  zwischen  Gemüsegarten, 
Mais-  und  Obstkulturen,  bis  zur  Ribnica  zurückgelegt,  stieg  ich  bei  einer  Mühle 
südöstlich  hinauf  zur  aus  dünnem  Plattenkalk  konstituierten  242  m  hohen  Bela 
stena;  einige  Abdrücke  von  fossilen  Fischen  und  ein  schöner  Fernblick  auf  die 
iinksuferige  Koiubaraterrassc  lohnten  die  Partie.  Vergebens  suchte  ich  aber  nach 
iWaucrn  des  Schlosses,  bei  dem  Zar  DuSan  die  Ungarn  blutig  zurückgewiesen 
haliiii  soll  und  tias  später  Mahimui  Pascha  (1458)  den  Serben  entriss ')•  Die 
uns  führenden  Bauern  erzählten,  dass  man  in  der  Umgebung  massenweise  Gebeine 
von  Menschen  und  Pferden,  auch  Lanzenspitzen,  Buzoganje  usw.  finde.  Von  der 
friedlich  ins  Tal  blickenden  isolierten  „Rabrovicka  crkva"^)  beim  nördlichen 
Di  vi  je,  das  mit  acht  anderen  Dörfern  zu  dieser  dem  hl.  Nikolaus  geweihten 
Kirche    cinmpfarit    Ist,    zieht   schöner   I-.ichenwald    hinauf   zum    Reste   eines   alten 

')  Glasnik,  X,  274. 

')  Auf  der  sonst  trefflichen  scrliisclicn  Ucneralst.ibsk.irto  ist  diese  Kirche  nicht  ein- 
gezeichnet, wohl  aber  auf  iler  üslerreichischon  (Ausgabe  1881), 

28» 


'l:l<>         lieber  Gornji  Milannvac  durch  das  Rudniker  Er/cebirKC  nach  Takovo  usw. 

Fcudalsilzcs  tragenden  Slovac.     Unsere  ßeglc-itcr  fabulierten,  dass  seine  Erbauerin 

Jcrin;!  das  Schloss  mit  dem  jenseits  der  Kolubara  aufsteij^enden,  250  m  hohen 
Ostrikovac  durch  eine  Brücke  verbinden  wollte.  Zuerst  spannte  sie  jedoch  ein 
Stück  Linnen  von  einer  Berfjspilze  zur  anderen  und  liess  einen  Wahnsinnigen 
hinübergehen;  langte  er  ^jlücklich  an,  sollte  der  Bau  ausgeführt  werden.  Da  er 
auf  halbem  We^;e  in  den  Fluss  stürzte,  gab  sie  ihr  Vorhaben  auf.  Ich  erzahle 
hier  diese  Sa^e,  um  zu  zeigen,  welche  unglaublichen  Dinge  das  Volk  der  „verfluchten 
l-iirslin"    andichtet  (S.    132). 

Mit  scharfem  südcistlichen  Strassenbug  ging  es  nach  dem  an  der  Ribnica 
Heißenden  Mionica.  Seine  Umgebung  gilt  als  sehr  unsicher.  Die  Dämmerung 
brach  herein;  um  so  /ufrliilener  waren  wir,  unser  Ziel  unangefochten  erreicht  zu 
haben.  Den  Abend  kürzte  der  Steuereinnehmer  des  „Kolubarski  srez",  Ljubomir 
Kojic.  Wir  schliefen  wenig,  denn  plaudernde  Wachen  patrouillierten  unausgesetzt 
um  unser  Absteigquartier.  Als  Bezirksort  charakterisieren  Mionica  ein  Amtshaus, 
drei  Mehanen,  eine  1838  erbaute  Schule  und  1856  geweihte  Marienkirche  mit 
hohem  Turm,  zu  der  seine  zerstörte  ältere  viel  Material  lieferte.  Die  auf  den 
Hohen  zerstreut  umherliegenden  Familiengehöfte  gehen  ihrer  Auflösung  entgegen. 
Kleine  Häuschen  treten  an  ihre  Stelle,  denn  das  „delimo  se"  ist  stark  im  Schwung. 
Früher  gab  es  dort  einzelne  sehr  wohlhabende  Bauern.  So  liess  Raka  TeSic 
die  schon  1518  restaurierte  Peter  und  Paul-Kirche  des  einstigen  Klosters  Ribnica, 
dessen  Romantik  eine  mysteriöse  Höhle  hob,  1820  auf  eigene  Kosten  erneuern. 
Der  an  ihrer  Stelle  1885  begonnene,  auf  30000  d  berechnete  byzantinische  Neubau 
wurde  aber  durch   einen  Prozess  unterbrochen. 

Ein  kurzer  südlicher  Abstecher  am  Frühniorgen  über  die  Lepenica  gewährte 
einen  prächtigen  Blick  in  ihr  oberes  verkarstetes  Tal  bis  Kljuc,  wo  Reste  einer 
verfallenen  Feste  —  nicht  Kirche,  wie  Milicevic  meint  —  erhalten  sind.  Der 
Erbauer  dieser  „Velimirovi  dvori"  soll  ein  mächtiger  Vasall  Knez  Lazars  gewesen 
sein.  Das  Volk  erzählt:  Von  seinen  drei  Söhnen  ertrank  einer  im  Bach,  der 
zweite  endete  durch  einen  Sturz  vom  Pferd,  den  dritten  schloss  der  unglückliche 
Vater  in  den  Schlossturm  ein  und  hütete  ihn  wie  seinen  Augapfel.  .Ms  er  ihm 
aber  einmal  Trauben  brachte,  biss  ihn  ein  in  denselben  verborgenes  Schlänglein, 
und  er  starb  gleichfalls.  Tief  erschüttert  überliess  der  Wojwode  seine  Burg  dem 
Verfall  und  wurde  Mönch.  Wir  haben  hier  das  orientalische  Märchen  und  den 
auch  bei  uns  viel  verbreiteten  Glauben  an  „unabänderliche  Schicksalsbestimmung 
(Kismet),  welcher  der  Mensch  vergebens  zu  entgehen  sucht",  in  das  Serbische 
übertragen. 

Südlich  von  Rajkovic  stehen  bei  dem  „Prori§te"  des  Bukovacker  polje 
in  stark  verkarstetem  Terrain  6  Tumuli  um  einen  siebenten  von  2,30  m  Höhe 
und  12  Ml  Durchmesser,  bei  dessen  Durchgrabung  Prof.  Djoka  P.  Jovanovic  1892 
unter  der  dritten  aus  Steinen  gefügten  Schicht  eine  20  cm  starke  vierte  von 
verbranntem  Tannenholz  und  unter  dieser  Bruchstücke  einer  36  cm  hohen,  präch- 
tigen rötlichen,  innen  mit  Graphit  geschwärzten  Urne  fand,  deren  antikisierende 
Henkel  spiralförmig  endigen.  Sie  enthielt  Asche  und  Knochen  eines  Kindes, 
ferner  zwei   kleine  runde  Bronzeplättchen  mit  je  2  Löchern  und  wurde  durch  einen 


Ueber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         437 

Deckel  mit  aufliegendem  Stein  geschützt.  Ein  zweiter  Tumuius  ohne  Steinlagen 
enthielt  eine  ähnliche  schöne,  31  cm  hohe  schwarze  Urne  mit  gleichfalls  teilweise 
kalzinierten  Gebeinen  eines  Kindes,  bedeckt  von  einem  kleinen  gehenkelten 
Töpfchen;  ferner  ein  urnenartiges  Gefäss  mit  am  Bauche  angesetzten  Buckeln. 
Der  dritte  geöffnete  Tumuius  ergab  eine  28  cm  hohe  schwarze  Urne  von  einfachem 
Typus  mit  rötlichem  Hals  und  Aschenbrand,  nebst  von  Bronzedraht  spiralförmig 
gewundener  F^latte;  ein  vierter  neolithische  Werkzeuge  und  ein  Gefäss  mit  Deckel'). 

Am  Oberlauf  der  Ribnica  sieht  man  bei  Gornji  Lajkovac  ein  von  den 
Türken  zerstörtes  altes  Kirchlein;  bei  dem  westlichen  Nachbarort  Krcmar  die 
Keller  des  „Hofes"  der  vielbesungenen,  durch  Kraljevic  Markos  Bruder  Andrija 
schmählich  den  Türken  überlieferten  „Mara  von  Krcmar".  Zur  Entsühnung  erbat 
Marko  vom  Sultan  die  Erlaubnis,  dort  eine  Kirche  erbauen  zu  dürfen.  „Wohl,  doch 
nicht  grösser,  als  das  auf  Deinen  Schultern  auf  einmal  hingetragene  Material  es 
gestattet!"  Was  der  Bruder  für  den  Bruder  zu  leisten  vermag,  zeigt  das  noch 
heute  arbeitende  —  nach  begründeterer  Annahme  allerdings  erst  hundertjährige 
—  Sv.  Nikolakirchlein  zu  Krcmar!  Eine  Schanze  bei  dem  benachbarten  nord- 
westlichen Osecenica  wurde  im  Prinz  Eugenschen  Feldzug  durch  Acim  Prodanovic 
von  Uzice  rühmlich  gegen  die  stürmenden  Türken  verteidigt.  Ein  Abkömmling 
dieses  österreichischen  Parteigängers  dürfte  der  tapfere  k.  k.  Feldmarschall-Lcutnant 
Sava  Prodanovic  „Edler  von  Uzicke  Kamenice"  sein,  der  1822  zu  Mitrovic  in 
Sirmien  starb. 

Das  Rilinicatal  ist  aber  nicht  allein  an  historischen  Punkten,  sondern  auch 
an  teilweise  in  aller  Zeit  verluitteten  Erzen  reich.  1887  untersuchte  der  Ingenieur 
Djuricic  die  vielversprechende,  ausserordentlich  mächtige  Kupfermine  zu  Planinica, 
deren  Abbau  der  Staat  sich  vorbehält.  An  anderen  Orten  gibt  es  Blei,  Eisen  usw., 
nahe  bei  Breztje  und  bei  der  Ribnicaer  Kirche  auch  lithographische  Stcinlager, 
welche  mit  den  besthckanntcsten  konkurrieren  kiuinen,  aber  schwach  ausgebeutet 
werden. 

In  Vrtiglave,  das  wir  am  Wege  nach  Bogovadja  links  Hessen,  steht  die 
Ruine  eines  uralten  Kirchleins.  Weiter  östlich  kreuzten  wir  die  Toplica  auf 
kühner  Bogenhrücke,  deren  1844  unter  Fürst  Alexander  sorgfältig  ausgeführter 
Quadernbau  bemerkenswert,  weil  er  vom  schlichten  „majstor"  Aleksa  Petrovic 
aus  dem  nalKii  D  Miisil  licrrührt.  Auch  dort  gibt  es  Überreste  unerforschter 
Feudalbauten,  diiicli-  inul  ilherwacliseii  mit  Schwarz-  und  Weissdorn,  wildem 
Hopfen,  Atticli  (Samhuecus  niger),  ilen  man  hier  /um  Färben  des  Weins  benutzt,  usw. 
Der  hislicr  nur  spärliche  BannuMiiiis  verdichtete  sich,  als  wir  das  Klostcrgebict 
VDU   Biigdvailja  betraten. 

Das  Kloster  war  und  lilieb  viini  Begiini  der  Kampfe  bei  dem  nahen 
Trbuänica,  wo  iWilutni  GaraSanin  der  feindlichen  Übermacht  wich,  bis  zum 
siegreichen  Ende  dieses  letzten,  die  Freiheit  bringenden  Aufslandes,  mit  der 
neueren  serbischen  Geschichte  eng  verbimden.  [^as  traurige  Schicksal  seines 
den  Türken  verhasslen  Archimandrilen  Ruvnii  im  J.  IHt)4  erwähnte  ich  schon  früher. 

'i  SlaiiiMi,  \'\\.    Ml  tl 


4n8         ücbvr  (joriiji  Milanovnc  durch  das  Kudnikvr  KrzKcbirKi'  nach  Takovn  usw. 

Nactidcin  der  „fifsctZKubcnde  Senat  Serbiens"  1805  dort  kurz  Ki^taKl.  blieb 
B(»H(ivadja  eine  (iffen  und  ^ebeini  für  die  liefreiunji  des  Landes  wirkende  Statte. 
Ruvims  Niichfül({cr  Avakuni  war  es,  der  im  benachbarten  östlichen  Rudova  im 
tiefsten  Winter  1815  ilie  im  Hause  des  Popen  Ranko  versammelten  Knezcn  der 
Bezirke  Valjev<j,  Rudnik  und  Beij^rad,  unter  schwerem  lliik-  auf  das  Kn-u/  zur 
gemeinsamen  Erhebung  ticaen  die  Türken  verpflichtete. 

Nach  einem  We^bu^  k^-'K^^"  N.  erschienen  Bo^ovadjas  weisse  Gebäude, 
Uberra|.;t  von  seiner  1816  erbauten  St.  Georj^skirche,  im  vollsten  SonnenKlanz. 
Das  ursprünjiliche  Kirchlein  von  1545  (?)  und  der  bescheidene  Konak  mit 
anhaftenden  Sa^en  und  Erinneruufien.  welche  des  Klosters  Ansehen  im  Volke 
be^iründeten,  sind  liinnst  verschwunden.  An  ihre  Stelle  traten  nf)ch  in  der 
Türkenzeit  und  später  Neubauten,  an  solche  in  Sirmien  mahnend,  woher  die 
Klostervorständc  zu  Beginn  des  v.  Jahrhunderts  kamen.  1827  war  hier  ein  längere 
Zeit  in  Karlovic  weilender  Hilandarer  Mönch,  Acim  Knezevic,  Iguman,  und 
ein  Freiheitskämpfer  Panteiija,  als  seine  Frau  gestorben,  sein  Gehilfe.  Von 
ihm  hörte  Ma}.;arascvic:  Bogovadja  wurde  nach  einem  nahen  Waldquell 
genamii,  in  di.ni  ein  Kranker  auf  im  Traum  empfangene  göttliche  Weisung  sich 
wuscii  und  gesundete.  Seither  pilgert  man  aus  weiter  Umgebung  zu  diesem 
Wunderwasser,  bei  dem  der  „Gospodar  Jevrem"  einen  Cardak  errichten  liess. 
Ich  traf  im  Kloster  den  es  seit  1885  verwaltenden,  als  Skupätinaredner  populären 
Archimandriten  Vladimir  aus  Rakovica,  ein  Mann  in  besten  Jahren,  mit  ausdrucks- 
vollem Kopf,  der  mich  sofort  in  das  tonnengewölbte  Langschiff  der  Kirche  geleitete. 
An  ihrer  -Ikonostasis  bemerkte  ich  zwei  bessere  Bilder  vom  J.  1856,  in  der 
Chorapside  ein  1790  zu  Moskau  gedrucktes  Evangelarium  mit  Silberdecken  und 
der  Widmung;  „Unter  dem  Metropoliten  Danilo,  Archimandriten  Ruvim  und  Iguman 
Vasilje,  dem  Kloster  von  den  Tutoren  Marko,  AAirko,  Lazar  und  Radojca  1796 
geschenkt",  ferner  einige  Kreuze  und  Kelche  von  schöner  Filigranarbeit. 

In  den  teilweise  ganz  modern  ausgestatteten  Räumen  des  vom  Archimandriten 
üligorije  (1830 — 73)  erbauten  einstöckigen  Wohnhauses  traf  ich  neben  einigen 
historischen  Porträts  die  Tafein  meines  Werkes:  „Serbiens  byzantinische  Monu- 
mente" eingerahmt.  „Wenn  man  bei  uns  jetzt  besser  unsere  alten  Denkmale 
würdigt  und  in  ihrem  Geiste  baut,  danken  wir  das  Ihnen,"  äusserte  der  liebens- 
würdige Geistliche  und  bat  um  mein  Urteil  über  in  einem  Wiener  eisernen 
Kassenschrein  des  kleinen  Archiv-  und  Bibliothekzimmers  verwahrte  Antiquitäten. 
Es  waren  grösstenteils  wertlose  Votivgeschenke,  Schmuckgegenstände,  eine  silberne 
Ampel  vom  J.  1796  aus  Semlin  usw.  Mehr  Interesse  boten  die  alten  Siegel. 
Eins  von  4  cm  zeigt  das  Brustbild  des  Kiosterpatrons  Sv.  Djordje  mit  Kreuz 
und  Lanze  uiul  die  Umschrift:  „Monastir  Bogovodja";  ein  zweites  von  3  cm 
Durchmesser  die  Nordfassade  der  alten  Kirche  mit  an  den  Narthex  gebautem 
Turm  und  kleiner  Kuppel  über  dem  Ostschiff  zwischen  zwei  Bäumen,  welche 
des  Klosters  Lage  im  Walde  andeuten;  sein  Patron,  der  hl.  Drachentöter 
Sv.  Djordje,  erscheint  auf  der  Mauerfläche  mit  den  unten  beigefügten  Buchstaben: 
M.  B.  Das  Aussehen  der  zerstörten  Klosterkirche,  von  der  es,  soviel  ich  weiss, 
kein    Bild    gibt,    wird    durch    dieses,    der   Erhaltung   werte   Siegel    der    Nachwelt 


Ueßer  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         439 

bewahrt.  Mit  dem  Archimandriten  teilten  sich  1889  noch  2  Duhovniks  in  die 
Verwaltung  seines  Besitzes.  Er  umfasst  9  Hektar  Felder  und  Gärten,  21  Hektar 
Wiesen,  5,5  Hektar  Obst-  und  Wein'kulturen,  bedeutenden  Viehstand,  2  Mühlen 
und  400  Hektar  Wälder  mit  herrlichen  Buchen,  Ziereichen,  Ahornen  und  Eschen, 
von  welchen  1888  wieder  500  prächtige  Eichenstämme  verkauft  wurden;  die 
Jahreseinnahmen  mit  durchschnittlich  9000  d  übersteigen  die  Ausgaben  mit  5000  d, 
so  dass  das  Kloster  zu  den  einträglichsten  im  Lande  zählt. 

Die  Kreisingenieure  spielen  heute  eine  ganz  andere  Rolle  in  Serbien,  wie 
vor  dreissig  Jahren,  wo  jeder  des  Lesens  unkundige  Pandur  ihre  Anordnungen 
kritisierte.  Nun  dürfen  gewisse  öffentliche  Bauten:  Kirchen,  Schulen,  Mehanen  usw., 
nicht  ohne  ihre  erteilte  Zustimmung  eröffnet  werden.  Der  Pächter  der  eben 
vollendeten  neuen  Klostermehana  hatte  dies  aber  doch  gewagt,  und  als  der 
Ingenieur  ihn  auf  die  Folgen  aufmerksam  machte,  suchte  er  sein  Vergehen  durch 
verdoppelte  Aufmerksamkeit  für  unsere  Wünsche  möglichst  abzuschwächen.     Wir 


BO(j()  V  ADJ  A,    Altes  Klostersicgcl. 

blieben    trotzdem    nur   kurz.     Mich    zog   es   hinaus   auf   eine    Höhe,   welche   einen 
instruktiven  Blick  in  das  Ljigtal  gestattet. 

4  km  vom  Prnjavor,  wo  der  Ljig  in  die  Kolubara  mündet,  liegt  aui  seinem 
rechten  Ufer  eine  Burgruine,  mit  welcher  Novakovic  dasSchloss  Bradar  identifiziert '). 
Vielleicht  wohnten  dort  oder  im  östlichen  „^upanjac"  jene  drei  Brüder,  von 
welchen,  der  Sage  nach,  Marko  und  Stepan  mit  dem  Gedanken  nach  Kosovo 
zogen,  sie  würden  nicht  mehr  aus  dem  Krieg  mit  den  Moslims  zurückkehren 
und  deshalb  den  daheimbleibenden  Petko  baten,  für  das  Seelenheil  aller 
Geschwister  auf  ihre  Kosten  vier  gleichartige  Kirchen  zu  bauen.  Wider  Erwarten 
glücklich  zurückgekehrt,  fantleii  sie,  dass  Petko  für  sie  und  die  Schwester  Doka 
nur  Kapellen,  aber  zu  l'.liren  seiner  Namenspalronin  Pelka  eine  prächtige  Kirche 
viillendet  li.ilie,  I  ilnlieil.  verlUu  hirii  sie  diese;  sie  verfiel  zusehends,  während 
die  Stepanjka  im  gleichnamigen  Dürfe  an  der  Kolubara  und  Markova  crkva 
im  gleichiKiniigen  Dorfe  an  der  Toplica  gediehen.  Heute  arbeitet  auch  das  1S71 
wieder  hergestellte  Petkakirchlein  links  an  der  Fahrstrasse  von  Bogovadja  zum 
Kohib.uer  Hezirkszentriiiii  l.azarcvac.  Das  im  Aufblühen  begriffene  junge 
SlädtclKii    zahlt    in   79  Häusern   570  Seelen,   besitzt   eine   hübsche  Kirche  und 


')  ülasiiik,  IUI.  -IH.  IIH. 


440         Uchcr  (iornji  Milanovac  durch  das  kudnikvr  EriCKcbirKC  nach  'l'akovo  usw. 

ausser  nielirurcri  es  fördernden  Amiern  auch  einen  ßCKfnseitijien  Hills-  und 
Sparverein. 

Die  von  Bo^^ovadja  durcii  das  südliche  Lji^;-(Jueil^iel)lct  ziehende  Strasse 
führt  in  eine,  anmutigsten  Wechsel  bielende  Landschaft  von  ^fosser  Wohlhabenheit. 
Fortwährend  guM  es  auf  der  zahmen  Scheide  zwischen  Toplica  und  Ljijj  durch 
herrliche  Kulturen  und  Willder,  deren  Raine  duftende  Blüten  von  Zwer^hoilunder, 
Korneliuskirschbaum,  wildem  Hopfen,  Rosen  usw.  lebhaft  färben.  Durchschnittlich 
3()(J  ni  hoch  scIiNlnj^elte  sich  der  We^  durch  hübsch  aussehende  GehOfte.  Über  ihre 
hohen  Zäune  ragten  die  Kronen  veredelter  Obstbäume;  das  einzige  gute  Ver- 
mächtnis, das  die  F^udnikcr  Türken  zurückliessen.  Die  Freude  des  Muslims  an 
schönen  Obstgärten  verpflanzte  sich  auf  die  Rajah.  Man  sieht  hier  Apfel  bis  zu 
uiiicni  lialben  Kilogramm,  Birnen  aller  Sorten,  Zwetschgen,  die  einen  trefflichen 
Branntwein  geben,  und  namentlich  riesige,  wohlschmeckende  Kirschen  am  Kacer- 
bach,  von  dessen  rechtsuferiger  Höhe  Moravcis  1859  geweihte  Gavrilkirche  und 
das  Schulhaus  uns  grüssen.  Dort,  auf  ehemaligem  Klosterboden,  ruht  Hadzi  Cera, 
ein  Mönch,  der  1804  suiiu'  Vaterlandsliebe  mit  dem  Tode  büsste.  Das  Volkslied 
erzählt,  dass  er  üold  in  Tinte  aufzulösen  und  mit  dieser  heilige  Bücher  zu 
schreiben  verstand,  „jcr  i  on  zna  zlato  rastapati,  i  sa  njime  sitnje  Knjige  pisati". 

Hinter  Babajic  überschritten  wir  auf  einer  Steinbrücke  den  hier  die  Kreis- 
grenze bildenden  Ljig.  Auf  Gukosis  „Majdan"  (318  m)  streift  der  Blick  westlich 
zum  fernen  Medvednik,  im  0.  bis  zum  Veliki  Sturac  und.  Kozmaj.  gegen  S. 
umrahmen  der  Subor  und  Rajac  sein  von  zerstreuten  Gehöften  mit  roten  Ziegel- 
dächern erfülltes  Qucllgebiet.  In  diesem  steht  bei  Savtkovica  ein  1,40  m 
hoher,  0,70  ni  breiter  und  0,80  m  hoher  Bogumilen-Sarkophag  mit  abgeschrägtem 
Dach,  wahrscheinlich  der  östlichste  Vorposten  dieser  zwischen  der  Drina  und 
Adria  nach  Tausenden  zählLMukn  interessanten-  mittelalterlichen  Steindenkmale. 
Unfern  seiner  1875  erbauten  Maria-Verklärungskirche  stehen  Mauern  einer  dem 
Despoten  Lazarevic  zugeschriebenen,  und  in  der  renovierten,  gleich  alten  des 
benachbarten  Ba  soll  der  2  m  hohe  Eingang  der  Körpergrösse  dieses  Fürsten 
angepasst  worden  sein.  Das  Volk  scheint  demnach  hier  das  ihm  wegen  seiner 
geistigen  Eigenschaften  beigelegte  Epitheton  „visoki"  (der  Hohe)  im  physischen 
Sinne  zu  deuten. 

Bei  Dici  (209  ni)  kreuzten  wir  die  rauschende  Stavicka  auf  einer  Holzbrücke, 
die  1897  mit  einer  über  40000  d  kostenden  von  Stein  ersetzt  wurde.  Die  auf 
der  Weiterfahrt  westlich  auftretenden  taufrischen  grünen  Einschnitte  des  740  m 
erreichenden  Prostrug  mahnen  an  die  schönsten  Täler  unseres  Wiener  Waldes. 
Gehölze  auf  zahmen  Büheln,  hier  und  dort  pittoreske  Kalkfelsen  und  gleich 
wieder  Felder  und  Wiesen  mit  eingestreuten  geschlossenen  und  zerstreuten 
Häusergruppen,  gute  Wege  und  Brücken  über  die  rauschenden  Bäche;  alles  atmet 
Behäbigkeit  und  steht  im  hellsten  Gegensatz  zur  Türkenzeit,  wo  der  „Sumadija" 
dichte  Forste  das  sichere  Versteck  der  gehetzten  Rajah  bildeten.  Jetzt  grüsst 
uns  ein  Schwärm  fröhlicher  Kinder  mit  Schulranzen  auf  dem  Rücken,  die  aus 
Boljkovcis  Schule  kommen,  in  welcher  120  Knaben  und  Mädchen  sich  Bildung 
holen;    welcher    Fortschritt   gegen    ihr    Gründungsjahr    1851,    wo    es    in   dem   jetzt 


Ueber  (Jornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         441 

mehrere  Schulen  besitzenden  „Kacer"  mit  38  Orten  nicht  eine  gab!  —  Auch 
die  überraschend  grosse  Dürfi<irche  mit  rotem  Turmhelm,  die  Strasse  und 
die  treffliche   Mehana,  auf  deren   schattiger  Veranda    ich    erwünschte    Rast    hielt, 


#:4i/^»i^'^ ''^  - 


NAKUCANI,   Moderne  Scildatcndenkstcinc. 


datieren  aus  der  das  Aussehen    dieses   Landstriches   gänzlich  verändernden    Neu- 
zeit.    Am  rechten  Ufer  der  Boljkovska  geht  es  mit  ziemlicher  Steile  aufwärts  zum 


HKAMTlOl,   Silheriiiipf  iiiil  Ari:idiie  und  Ii.k^..i,~ 

iHU-hsteii  Strassenpiinkt  Mramor  (47.'i  m).  Schon  früher,  beim  Nakucani-Ilan 
(44()  m),  begiinit  die  für  iicw  (ieograplien  interessante  rcrnsicht  auf  das  serbische 
Zentralgebirge.  Auf  dieser  liochwarte  traf  ich  zu  meiner  grOssten  Verwunderung 
das  Atelier  eines  „Majstor",  der  Hunderte  jener  originellen,  meist  mit  Soldaien- 
figuren    geschmückten  Denksteine   schafft ,   welche   entlang   der  Valjevoer  Strassen 


442         Ucbcr  (jornji  Milanovac  durch  das  Riidnikcr  ErzKvbirKC  nach  Takovo  usw. 

diircli  ilirun  fabrikinilssi^cn  Stempel  schon  lange  meine  Aufmerksamkeit  erregten, 
liir  Aussehen  illustriert  besser  als  jede  Beschreibung  die  beigefügte  Abbildung, 
wenn  man  sich  die  bunte  Benialung  der  Uniformstticke,  Waffen  und  Inschriften 
hinzudenkt.  Als  Vorbilder  dienten,  der  Profilstellung  der  PUsse  nach  zu  urteilen, 
keinesfalls  die  in  der  Umgebung  hiiufigen  Reliefs  auf  römischen  Grabsteinen, 
Bronzen,  Terrakotten  usw.  Gleich  unten  bei  firanitidi  fand  man  im  Stari 
Madjarski-Graben  ein  deni  Hildesheimer  ähnliches,  18  kg  wiegendes  Tafelgerät, 
dessen  SillKTwcrl  allein  auf  125  Dukaten  geschätzt  wurde.  Der  nicht  ein- 
gescliiniil/i.iiL'  I  til,  etwa  25  Stücke,  gelangte  in  das  Belgrader  Museum,  darunter 
viele  Schüsseln,  Schöpf-  und  Esslöffel  verschiedenster  Form;  ferner  ein  Napf  mit 
Bacchus  und  Ariadne  in  Hochrelief  von  klassischer  Schönheit. 

Bei  herrlichstem  Mr)ndlicht  ging  es  rasch  hinab  über  das  stark  unundulitirte 
Terrain  von  dünngeschichteteni  Zement  und  rötlichen  Schiefern,  mit  hoch  auf- 
lagerndcni  Diluvium.  Die  weit  ausgreifciulcn  zahmen  Serpentinen  nahmen  kein 
finde,  und  die  lang  schon  unten  aufgetauchten  Lichter  von  Konigin  Dragas 
Geburtsort  Milanovac  verschwanden  wie  durch  Zauber.  Ich  glaubte  schon, 
wir  seien  im  Dunkel  auf  die  hier  einmündende  Valjevoer  Strasse  geraten;  endlich 
kamen  wir  aber  doch  in  die  lange  Carsija  und  hielten  vor  dem  empfohlenen 
besten  Gasthof  „Zum  serbischen  König".  In  seinem  Parterresalon  zechten,  trotz 
der  späten  Stunde,  noch  junge  Kaufleute,  Offiziere  u.  a.  Doch  einer  war  bereits 
fort,  der  telcuraphisch  hinbestellte  Ingenieur  Manok.  Icl>  liess  ihm  meine 
Ankunft  melden  und  hatte  die  Freude,  mit  ihm  noch  am  späten  Abend  eine 
angenehme  Stuiuk'  zu  verbringen,  in  der  auch  das  Ausflugsprogramm  für  die 
nächsten  Tage  vereinbart  wurde. 

In  Serbiens  ersten  Ortsverzeichnissen  von  Vuk  (1827)  und  Gavrilovic  (1852) 
suciit  man  G.  Milanovac  vergebens.  Erst  1856  zogen  dahin  einige  Familien  aus 
ileni  in  enger  Schlucht  gelegenen  Bezirksort  Brusnica,  dem  es  an  Raum  zur 
Fntvvickeiung  gebrach,  weshalb  die  Regierung  energisch  seine  Übersiedelung  an 
günstigeren  Ort  betrieb.  Das  neue  Städtchen  wurde  ganz  regelmässig  in  einer 
330  in  hdliuii  Talweitung  am  rechten  Ufer  der  Despotovica  angelegt,  das  Terrain 
wohl  unentgeltlich,  doch  mit  der  Bedingung  verteilt,  dass  die  Neubauten  in 
3  Jahren  fertig  würden.  Rasch  hob  sich  die  junge  Kolonie.  Die  Kreisbehörden, 
Kaufleute,  Wirte  und  Handwerker  zogen  nach  dem  neuen  „Despotovica",  das 
Fürst  Milo§  1859  seinem  Halbbruder  .Wilan  zu  Fiiren  in  „Milanovac"  umtaufte. 
Die  1862  geweihte  hl.  Dreifaltigkeitskirche  von  roten  Sandsteinquadern,  welcher 
Fürst  iWihaii  1864  einen  Turm  anfügte,  schmückt  den  grossen  Platz  unfern  dem 
trüliercn   hübschen   Nacelstvo  und  byzantinisch  anmutenden  Bezirksamt. 

Obschon  der  Milanovacer  Kreis  lang  schon  mit  dem  Rud.iiker  vereinigt 
wurde,  wuchs  das  Städtchen  rasch  auf  343  Häuser  und  2370  Seelen.  Sein  Handel 
mit  Landesprodukten  entwickelt  sich  fortwährend  und  erzielt  namentlich  die  erste 
Firma  Tanasije  Milanovic  bedeutende  Umsätze.  Den  Gewerben,  unter  welchen 
Opankeninacher  und  Schmiede  auffallend  viel  vertreten  sind,  kommt  die  1895 
über  5,2  Mill.  d  umsetzende  Sparkasse  zu  Hilfe  und  die  verhältnismässig  starke 
Garnison,  das   10.  Bataillon  und  eine  Trainabteilung,  welche  in   1885  leider  nicht 


(Jeher  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         443 

sehr  solid  fundierten  6  niederen  Pavillons,  mit  je  19  Fenstern  Front,  untergebracht 
ist.  Den  Stab  der  Rudniker  Brigade  inbegriffen  fand  ich  hier  27  Offiziere,  41  Unter- 
offiziere, 402  Soldaten  und  5  Gendarmen.  An  den  gerühmten  Schulen  wirken 
!2  Lehrkräfte;  5  Advokaten,  4  Geistliche,  1  Arzt,  1  Apotheker,  viele  Beamte  und 
Pensionäre  vermehren  den  Grundstock  der  meist  radikal  gesinnten  städtischen 
Intelligenz. 


Für  die  volle  Woche,  welche  ich  den  Ausflügen  von  Milanovac  in  die 
Rudniker  Berge  widmete,  hätte  mir  mein  Stern  keinen  trefflicheren  Begleiter 
zuführen  können,  als  den  Kreisingenieur  Josef  Manok,  der  unausgesetzt  für 
alles  liebenswürdig  sorgte.  Dies  wurde  ihm  leichter  als  manchem  Kollegen, 
weil  er  durch  viele  Jahre  im  Kreise  tätig,  diesen  und  seine  Leute  gut  kannte  und 
allerorts  beliebt  war.  Zunächst  ging  es  nörd'ich  nach  dem  10  km  fernen  Majdan, 
dessen  Name  („maden",  arabisch  -^  Metall)  gleich  jenem  des  starken  Baches,  an 
(lern  unsere  streckenweise  mit  Schlacke  angeschüttete  Strasse  lief,  mit  den  überall 
deutlich  zutage  tretenden  Kupferhalden  die  Nähe  der  seit  ältester  Zeit  aus- 
gebeuteten „Rudniker"  Frzstättcn  bekundeten. 

Nach  Mihajlovic  erscheint  das  von  kretacäischem  Tonschiefer  gebildete, 
von  mehr  oder  weniger  mergeligem  Kalkstein  in  grösseren  oder  kleineren  Massen 
überlagerte  Rudniker  Grundgebirge  durch  mächtige  Eruptionen  während  der 
Tertiä''epoche  und  nachgefolgte  heisse  Wassersolutionen  mit  riesigen  Erzmassen 
imprägniert.  Den  Übergangs-Tonschiefer  mit  Lagen  von  Tonstein  und  Grauwacke 
des  spitzkugelfiirmigen  „Veliki  Sturac"  und  auch  den  Syenit  und  Syenitporphyr  des 
„Mali  Sturac"  bedecken  heute  in  den  höheren  Regi(nien  ziemlich  dichte  Buchen- 
und  Ahornstände.  Das  südliche  hügelige  Vorland  mahnt  aber  als  verödetes  riesiges 
Minengebiet  an  Zeiten,  in  welchen  ein  frischer  fröhlicher  Hüttenbetrieb  in  seinen 
erst  neuestens  sich  wieder  belebenden  Schluchten  und  Tälern  pulsierte. 

Die  in  den  Syenitgängen  an  der  Despotovica  eingesprengten  mächtigen 
Lager  von  Brauneisenstein,  Bleiglan/  und  Blende,  ihr  Kupferkies,  Schwefel.  Arsenik, 
Magnetkies,  (jlanzkobalt  und  lülelmetallen  fanden  frühzeitig  ihren  Abbau.  Von 
iler  verinnieten  prähistorischen  Kupfergewinnung  abgesehen  —  das  bis  in  unser 
Jahrhundert  angewendete  primitive  Feuersetzen  ist  für  diese  kein  sicherer  Beweis 
lassen  sich  eine  römische,  altserbisch-ragusanische,  eine  österreichische  und 
die  zu  Karadjordjes  Zeit  beginnende  neuserbische  Epoche  unterscheiden.  Das 
Zniiniiii  der  ersten  Inideii  wiihtigsten  Arbeilsperioden,  namentlich  w.ihrcnd  der 
röunsclien,  bililele,  wie  ich  durch  viele  dort  aufgefundene  Bauten  erwies,  die 
inmitten  der  am  Nordwest-  und  Südwesthang  betriebenen  ll.uiptreviere  liegende 
altberühmte   llüttenstadl   Rudnik. 

Auf  den  Ruinen  der  in  den  Volkerstürmen  verheerten  antiken  Minenstälte 
erstand  zur  Zeit  Stevan  Uros  Milutins  II.  (12H2  \S20)  in  Rudnik  eine  blühende 
ragusanische  Kolonie  mit  eigenem  Konsul  und  katholischer  Pfarre  (1313),  welche 
mit  den  serbischen  Herrschern  fortan  lebhaft  verkehrte.  Nach  JireCeks  Forschungen 
in    Ragusas    y\rchiveii    erbaten    die    für    die    Ausbreiliing    tier    I'.ipstkirche    eifrig 


I  I  I         üc'bcT  Oornji  Milannvac  durch  das  Rtidnikt-r  Er/gcbirKc  nach  Takovo  usw. 

arbcitüiidcii  Iranziskancr  1372  von  dem  Gauwojwoden  Nikola  Alt«tnanovi(?  die 
Erlaubnis,  dort  ein  Kloster  gründen  zu  dürfen.  Der  häufig  zu  F^udnik  residierende 
Despot  Djuran  Brankovic  unterlerti^te  dort  von  1430—35  datierte  Erlasse  an 
die  raKusaiiisciicn  (jesandteti  und  prilulc  auch  verschiedene  Mün/en.  Mihajiovid- 
Hiaubt,  dass  zahlreiche  Stollen  mit  quadratischem  Durchschnitt  f^udniks  allserbischer 
llpdciic  angehören;  sie  dienten  meist  zur  Wasscrlösung  und  Erzförderung, 
während  die  „Bur^c"  in  Jlltere,  unter  dem  Wasser  befindliche  Baue  geschüttet 
wurden.  Von  den  damals  doit  im  Dienste  der  f^agusaner  den  Bergbau  betreibenden 
„Saäi"  (sächsische  Knappen)  stammen  wohl  die  Namen  vieler  Scheideplatze  und 
Bergspitzen  mit  deutschen  Anklängen. 

Die  Türken  setzten  den  F'Judniker  Hüttenbau  in  anlangiich  ähnlicher  Weise 
fort,  scheinen  ihn  aber  gleich  vielen  anderen  nach  dem  Abzug  der  Ragusaner 
aufgegeben  zu  haben,  im  17.  Jahrhundert  erwähnt  Hadzi  Chalfa  kurz,  dass 
[■Juiinik  zum  SancLsak  Seniendria  gehört  (S.  145).  Während  der  österreichischen 
üccupation    im     18.   Jahrh.    führten    die    Schwierigkeiten    der    Wasserleitung,    der 


RUUNIK,  Münzen  vom  Despot  Djiiradj  Brankovic  (H27— 1456). 


Ventilation  und  die  zunehmende  Härte  des  Nebengesteins  zur  stärkeren  Ausbeute 
der  im  NO.  und  0.  befindlichen  Erze  im  weichen  Tonschiefer,  namentlich  der 
Kupferlose  und  eines  kupferhaltigen  Ganges  im  lockeren  Gebirge.  Ausser  den 
Schlacken,  welche  verglichen  mit  den  römischen  und  altserbischen,  durch  geringeren 
Gehalt  an  Blei,  Silber  und  Kupfer  den  vollkommeneren  Verschmelzungsprozess 
bezeigen,  fand  man  bei  den  österreichischen  Stollen  tschechische  Medaillen  mit 
dem  lil.  Johann  Nepomuk,  viele  kaiserliche  Münzen,  einen  stark  abgenützten 
Amboss  vom  J.  1686,  einen  schweren  Pochschuh,  auf  dem  mit  drei  Stempeln 
gearbeitet  wurde,  eine  gusseiserne  Welle  und  zahlreiche  andere  Werkvorrichtungen. 
Nach  längerer  Pause  führte  der  starke  Munitionsbedarf  während  der  ersten 
Befreiungskämpfe  im  Beginn  des  19.  Jahrh.  zur  .Aufnahme  des  Rudniker  Hütten- 
betriebes durch  Karadjordje.  Nach  der  Tradition  hinderte  damals  die  öster- 
reichische Regierung  seine  beabsichtigte  Anwerbung  von  Banaler  Bergleuten,  so 
dass  Karadjordje  einen  tüchtigen  Werkmeister  mit  Hilfe  einverstandener  Grenz- 
soldaten entführen  und  nach  Rudnik  bringen  Hess,  wohin  ihm  bald  andere  folgten. 
Ihre  Arbeiten  lassen  sich  leicht  durch  die  rationellere  .Anlage  von  den  älteren 
unterscheiden.  Man  gewann  damals  ausser  Blei,  Kupfer,  Silber,  wie  behauptet 
wird,  auch  Gold,  das  heute  nur  in  sehr  geringer  Menge  in  silberhaltigen  Erzen 
auftritt.  Nach  der  Niederwerfung  des  serbischen  Aufstandes  (1813)  zerstörten 
und   verschütteten   die  Türken   alle  Stollen   und   Hängebänke   der  Schächte.     Der 


Ueber  Oornji  Milanovac  durch  das  Riidniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         445 

f^lücklicli  entkomniene  deutsche  Hüttenmeister  Hess  sich  später  auf  dem  ihm  von 
Karadjordje  geschenkten  Besitz  nieder,  der  gegenwärtig  noch  in  den  Händen 
seiner  „svabici"  genannten  serbisierten  Nachkommen  sich  befindet. 

Nahe  einem  Schacht  und  den  Resten  eines  Baues  bei  AAajdan,  in  dem 
Karadjordje  traditionell  Kanonen  giessen  liess  (?),  sah  ich  bedeutende  Ruinen, 
deren  Zentrum  die  Mauern  des  von  Fürst  Alexander  Karadjordjevic  erbauten, 
später  aber  nach  dem  nördlichen  Rudnik  verlegten  Bezirksamtes  bildeten.  Fürst 
Mihail  wünschte  lebhaft  den  Neiihetrieb  der  Rudniker  Minen,  um  Kupfer  für 
Kanonen,  Blei  zu  Patronen  und  Silber  für  Münzen  zu  erhalten.  Er  beriet  deshalb 
oft  viel  mit  Fachleuten  und  befahl  die  Aufnahme  der  Arbeiten.  Diese  hatten 
mit  der  Bewältigung  eines  alten  Stollens  unter  dem  „Jezero"  (See)  kaum  begonnen, 
als  sie  nach  der  den  Fürsten  1868  ereilenden  Katastrophe  eingestellt  wurden. 
Wie  in  unseren  Tagen  an  demselben  Punkt  der  schicksalsreiche  Rudniker 
Hüttenbetrieb  verheissungsvoll  wieder  aufgenommen  wurde,  erzähle  ich  später. 
Zuvor  hier  noch  einige  historische  Daten  aus  den  Tagebuchnotizen  anlässlich 
meines  ersten  Besuches  von  Majdan,  dessen  Gemeinde  1891  eine  der  hl.  Drei- 
faltigkeit geweihte,  30000  d  kostende  Kirche  unfern  des  Karadjordjevicschen 
Bezirksamtes  erbaute. 

Auf  dem  Kirchplatz  zeigte  uns  der  gesprächige  „Cica"  Antonije  Glicevac 
die  Grundfeste  der  mit  Zement  ausgemauerten  „Kaznada"  (Schatzhaus)  des  Prinzen 
Evgenije  (Eugen),  ferner  die  Ruinen  einiger  Kapellen,  die  jener  altserbischen 
Bergstadt  angehörten,  „grösser  als  irgend  eine  im  heutigen  Königreich.  Allein 
für  iliic  Hüttenleute  wurden  täglich  gegen  100  Ochsen  geschlachtet  und  ihr 
Territorium  reichte  von  der  Gucevaquelle  bis  zur  Despotovica,  an  welcher 
noch  Spuren  von  sechs  Hüttenwerken  sichtbar  seien."  Diese  reiche  Bergstadt 
wird  meist  mit  Rudnik  identifiziert.  Nach  den  altserbischen  Urkunden  scheint  es 
aber,  dass  der  Name  „Rudnik"  den  Gesamtbetrieb  aller  Bergwerke  am  Sturac, 
einschliesslich  der  Majdaner  Minen,  bezeichnete.  Zum  letztenmal  wird  Rudnik 
anlässlich  des  Todes  der  am  15.  Mai  1454  durch  ihren  eigenen  Sohn  vergifteten 
Despotin  Jerina  (S.  132  u.  a.  0.)  von  altserbischen  Chronisten  erwähnt.  Nahe 
der  Strasse,  auf  einer  Wiese  zwischen  der  Majdanska  und  Rudnifka  reka,  kenn- 
zeichnete früher  der  2  m  hohe  „Jclen  Kamen"  das  „Jerinin  grob".  Schatzgräber 
zertrümmerten  aber  den  Denkstein.  Auch  jener  ihres  Gemahls,  des  Münzen 
prägenden  Despoten  Brankovic,  an  der  nahen  Kriva  reka,  ist  verschwunden.  Trotz 
emsigen  Sucliens  fand  man  bis  heute  sein  Grab  nicht,  was  unser  Cicerone  sehr 
bedauerte,  „weil  es  grosse  Schätze  berge". 

Von  der  Majdansker  Meliana  ging  es  in  20  iWinuicn  auf  die  aus  dolomitisclien 
Kalken  konstituierte  Wasserscheide.  Wir  umfuhren  sodann  eine  gegen  W.  vor- 
springende Terrasse  urul  befanden  uns  bald  darauf  im  ()00  m  hoch  liegenden  Kaöer 
Bezirksstädtchen  Rudnik,  das  mit  vier  anderen  Orten  eine  151  Häuser  und 
1000  Seelen  zählende  Gemeinde  bildet,  welche  zu  den  Kirchen  in  Majdan  und 
Jarmenovci  cingepfarrt  ist.  Alle  besseren  Gebäude,  das  .\mtshaus,  die  Schule, 
eine  /weile  A\eh;ina,  ilie  grösseren  weissen  Geln'Ule  wurden  nach  1854  erbaut, 
als  Mihail  Blaznavac  hier  den  Bergwerksln-tricb  aufzunehmen  beabsichtigte,  doch 


i4()         Lieber  Onrnji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw. 

spütcr  unicriicss.  Da  riain  liusuch  der  Römcrstattcn,  allen  Minen  und  die 
Besteij^un^  des  Stiirac  zeitraubende  Vnrkehruntjcn  erforderten,  schlugen  wir  dem 
in  jeder  Richtung  seine  Unterstützung  zusagenden  Fiezirkskapetan  Kofo  Radovanovid- 
für  den  Nachmittag  die  Besichtinun^^  der  Hociilnir^  Ostrovica  vor. 

Dieser  Ausflug  ziihlt  niclit  zu  den  ganz  zahmen  Partien.  Leicht  war  es, 
vorbei  am  „Rakica  t^rob",  auf  dem  ziemlich  fluten  Vizinalweg  über  die  Ein- 
sattelunji  zwischen  dem  fi89  m  hohen  Drenje  und  70  m  höheren  Veliko  brdo, 
dessen  östlich  abfliessende  „Zlatarica"  auf  Goldvorkommen  hinweist,  an  den 
Fuss  des  mit  reicher  Vegetation,  Buchen,  Eichen,  Ahornen,  Weissdorn,  Haselnuss, 
wildem  Hopfen  usw.  überwachsenen  Kegelberges  bis  zur  „Metaljka"  zu  gelangen, 
schwierig  aber  die  ihn  krönende  Ruine  zu  erreichen.  Unser  Aufstieg  begann 
bei  mehreren  alten  Grabsteinen  mit  verwischten  Aufschriften  am  Rande  eines 
Maisfeldes.  Doch  bald  verschwand  der  Pfad  im  dornigen  Buschwerk  des  immer 
steiler  getürmten  Klippetichaos,  auf  dessen  glatt  geschliffenen  Kalkstufen  die  Sohle 
keinen  Halt  fand.  Ermüdet  blieben  meine  Begleiter  auf  einer  Felsbank,  die  wir 
„minderluk"  (Divan)  tauften,  zurück  und  Messen  mir  allein  die  Ehre,  die  8.00  m 
hohe  Spitze  zu  erklimmen.  Novak  Bogdanovic,  mein  kundiger  Führer  aus  dem 
südlichen  Zagradje,  reichte  mir  an  schlimmsten  Stellen  seine  starke  Haiid. 
Endlich  kamen  wir  an  einen  isolierten  Pylon,  von  dem  auf  zerrissener  Felswand 
der  Weg  über  einen  tiefen,  schmalen  Spalt  mitten  hinein  in  die  Ruine  führt. 

Sicher  stand  hier  zur  Römerzeit  ein  festes  Werk.  Noch  vor  dreissig  Jahren 
waren,  wie  unser  Fiiiirer  Novak  versicherte,  Ostrovicas  Mauern  zweimal  höher.  Ihre 
treffliche  Technik,  auch  der  Mörtel  und  Kern  des  etwa  10  m  hohen  geborstenen 
Rundturmes,  welcher  den  Hauptzugang  schützte,  und  nahezu  alles,  was  erhalten 
blieb,  gehört  dem  mittelalterlichen  Bau  an,  auf  dem  der  Vlastela  der  altserbischen 
2upa  „Ostrovica"  residierte  und  die  benachbarten  Rudniker  Silberminen  gegen 
Angriffe  von  Norden  her  zu  schützen  hatte')-  Das  Volk  hält  für  seine  Erbauerin 
die  „Despotin  Jerina".  Dem  widerspricht  aber  die  chronistische  Aufzeichnung, 
dass  der  rebellische  Wojwode  Nikola  Belocrkvic  sich  1397  vor  der  Rache  des 
Despoten  Stefan  Lazarevic,  also  viel  früher,  nach  Ostrovica  flüchtete,  und  als  er  sich 
auch  dort  nicht  sicher  fühlte,  eine  benachbarte  klösterliche  Freistätte  aufsuchte-). 
Ob  Ostrovica,  wie  Milicevic  behauptet,  der  Stammsitz  jenes  Mihail  Konstantins 
dessen  interessanter  Lebenslauf  im  „Glasnik"  (Bd.  18)  erzählt  wird,  ist  fraglich 
da  Sreckovic  dessen  Heimat  in  dem  gleichnamigen  Orte  Altserbiens  sucht. 
Historisch  erwiesen  ist,  dass  Sultan  Murad  II.  die  scheinbar  unbezwingbare  stolze 
Burg  1436  zum  erstenmal  eroberte  und  1454,  sie  nochmals  nehmend,  zerstören 
liess^).  Der  das  Umland  weithin  beherrschende  Felskegel  bietet  namentlich  gegen 
W.  und  S.  eine  entzückende  Fernsicht.  Bei  dem  köstlichen  Quellbrunnen  an 
seinem  Nordfuss  erwarteten  mich  meine  Gefährten.  Ein  Glas  srpski  caj  in  der 
Rudniker  Mehana  belebte  die  etwas  ermüdeten  Glieder  und  liess  mich  bald  nur 
mit  Freude  der  gelungenen  Excursion  gedenken,  die  mein  Skizzenbuch  mit  der 
Ansicht  des  ziemlich  gut  erhaltenen  obersten  Burgteiles  bereicherte. 


•)  Miskovid,  Glasnik,  Bd.  34.  -  0  Glasnik,  Bd.  28,  290.  -  »)  DaniCic,  Rjecnik.  II.  242. 


lieber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         44  ( 

Eine  Viertelstunde  südöstlich  von  Rudnik  stiess  ich  am  nächsten  Frühmorgen 
auf  eine  von  den  Anwohnern  „Crkvina"  genannte  Baute  von  9  m  Länge,  4,5  m 
Breite,  mit  noch  4  m  hoher,  1,1  ni  siarker  Südmauer,  deren  Gneis-,  Tuff-  und 
Syenitsteine  durch  mit  feinen  Ziegelstückchen  betonartig  gemengten  Mörtel  unlösbar 
verbunden  waren.  Das  antike  Gepräge  und  die  nach  W.  gerichtete  Apside 
gegenüber  dem  von  schmalen  Steinplatten  gestützten  Eingang  lassen  mich 
annehmen,  dass  es  keine  Kirche,  sondern  ein  Römerwerk  sei,  das,  von  einem 
wilden  Birnbaum  beschattet,  dem  Zahn  der  Zeit  trotzt.  Die  Grundeigentümer 
Nikola    und    Mirko    Civovic    führten    uns    über   den    Vrh    potok    weiter   auf    das 


>■'       -i-VJ. 


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1 


OSTROVICA.     oiHTSI.r  HiirRlcil. 


1  km  östlichere  kleine  Feld  des  Novica  Nikolic",  in  dem  dieser  einen  6zeihgen 
Römerstein  ')  ausgrub,  den  er  nach  Belgrad  brachte.  Ganz  nahe  sah  ich  30  m 
lange,  20  m  iireitc.  I  ni  starke  Substriiklinnen  und  die  innidamente  eines  Tempels 
mit  lialiikreisf<)rniiger  Ajisis,  der,  nach  einer  von  Janko  Safarik  beim  5  Minuten 
östliciieren  „jezero  u  ravnici"  (See  in  der  Ebene)  im  J.  1865  aufgefundenen 
Statue  und  sicbcnzeiligen  Inschrift  der  „Gala"  gewidmet,  unter  Kaiser  Septimius 
Severus  restauriert  wurde.  Am  Südosifuss  des  Veliki  Slurac,  an  dem  von 
Felsen  malerisch  umrahmlen  kleinen  Schilfsee,  erflehten  denmach  die  römischen 
Bergleute  ilen  Schutz  iler  zeugenden  A\tilter  des  Göilt-rgeschlechts  uml  Patrtmin 
der  Schatzgräber,  ehe  sie  in  die  erzreichen  Gruben  einfuhren,  welche  sich  nach 
SO.  weithin  erstreckten. 


')  C.  I. 


N(i.  hA\A. 


■1 IH         UcbtT  Oornji  Milannvnt  durch  das  Rudniker  ErzKcbirK*-'  nach  Takovo  usw. 

Im  Schatten  schiiner  Rotbuchen  erwarteten  uns  am  nahen  Spiridonschacht 
vom  Kapetan  hinbestellte  Bauern  mit  einem  „Merdiven".  Dies  war  eine  roh 
Ueziinmerte  Leiter,  deren  auf  zwei  Baumstämmen  80  cm  weit  aufgenagelte  Sprossen 
den  Absiien  in  die  dunkle  Tiefe  beim  schwachen  Licht  dünner  Talj^kerzen  wenig 
erleichterten.  Als  hatten  die  Knappen  dun  f'faum  erst  verlassen,  so  überraschend 
frisch  funkelte  an  vielen  Stellen  das  blei-  und  silberhaltige  Gestein;  doch  stehen 
liier  die  l:isen  führenden  (jilnge  noch  milchtiger  an,  und  es  kommt  auch  Salniter 
reichlich  vor.  Ähnliche  Verhältnisse  herrschen  im  benachbarten  kleineren  Horizontal- 
schacht.  Nordwestlicher  kamen  wir  an  die  „pedina  sa  jezerom".  Der  Abstieg 
in  tlie   Hohle  {gestaltete  sich,  als  wir  den   halbverschütteten  Zugang  durchkrochen, 


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RtlDNIK.   Zusaiiu  zu  dem  Spiridonschacht  1888. 


durch  das  notweiulige  Herabziehen  und  Festlehnen  der  schweren  Leiter  in  den 
verschiedenen  Absciinitten  niiilisani  und  gefährlich.  Nahezu  60  m  ging  es  abwärts. 
Endlich  erreichten  wir  den  17  in  tiefen  See,  dessen  steilenweise  ganz  klare 
Oberfläche,  am  Rand  mit  rotgeibem  Sinter  überzogen,  sich  weit  in  das  mit 
Kupfer  und  silberhaltigen  Bleierzen  erfüllte,  ohne  Boot  unnahbare  geheimnisvolle 
Innere  erstreckte.  Wieder  oben,  ging  es  weiter  nordwestlich  zu  dem  noch 
reicheren  „Bleiberg"  mit  kupferhaltigen  Erzen,  für  deren  starke  Ausbeute  in 
römischer  und  mittelalterlicher  Epoche  riesige,  tiefe  Gräben  und  Schlackenhalden 
allerorts  sprechen.  Das  mit  weissen  Kristallen  von  grosser  Schönheit  übersäte 
abgesprengte  Gestein  blendete  im  Sonnenglanz  mein  in  die  Erzschätze  einer 
märchenhaften  Wunderwclt  sich  versetzt  wähnendes  Auge! 

Aus  der  Richtung  von  Rudnik  erschallten  näher  kommende  Rufe,  die  unsere 
Pandurcn  mit  Pistolenschüssen  erwiderten;  bald  darauf  erschien  unser  Mehandzija 
mit  seinem  Burschen,  beladen  mit  Körben,  deren  Inhalt  uns  in  einer  kesselartigen 
Mulde  trefflich  mundete.     Die    von    dem    46  km    fernen    Kraljevoer    Manöverfeld 


Ueber  Oornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         440 

herüberhallenden  Kanonenschüsse  begleiteten  unsere  Toaste  auf  das  Wohl  Serbiens 
und  seiner  nach  mehrhundertjährigem  Stillstand  wieder  auflebenden  Bergindustrie. 
Nach  dieser  willkommenen  Labung  g'ing  es  in  35  Minuten  hinauf  zur  Triangulie- 
rungspyramide  des  1159  m  hohen  Mali  Sturac.  In  dem  weitgespannten  Panorama 
interessierten  mich  namentlich  die  das  Gruzagebiet  umgrenzenden  Bergreihen, 
auf  deren  Höhen  sich  der  altserbische  Adel  mit  Vorliebe  ansiedelte.  Gleich  über 
dem  gut  bewaldeten  Hügelzug  zu  unseren  Füssen  steht  an  der  Majdanska  reka, 
im  Krasojevacer  Tal,  eine  quadratische  Kula  mit  10  m  langen  und  1,20  m 
starken  Mauern,  in  welchen  der  Verwalter  sämtlicher  Rudniker  Bergwerke,  Pavle 
Orlovic,  residierte.  Allerorts  befinden  sich  Reste  anderer  I''eudalschlosser,  meist 
auf  wahrscheinlich  römischen  Grundfesten  erbaut  von  Geschlechtern,  die,  wie  das 
auf  dem  Sokolicafelsen  oder  auf  dem  Tresac  hausende,  während  der  langen 
Türkenherrschaft  bis  auf  den  Namen  verschollen  sind,  obschon  das  serbische 
Volk  viele  andere  durch  allerdings  meist  mit  fabelhaften  Begebenheiten  entstellte 
Überlieferungen  bewahrt.  Auch  von  dem  Grabe  des  Champions  „Deli  Marko" 
auf  dem  südöstlichen  1099  m  hohen  Belo  polje,  wo  Oberstleutnant  Vlaic  jüngst 
bei  Ljubicevac  eine  Schlossruine  fand,  wussten  unsere  Rudniker  Panduren  viel 
Romantisches  zu  erzählen. 

Die  nur  wenig  sich  ermässigende  Einsattelung,  über  welche  es  östlich  durch 
dichten  Wald  auf  den  1169  m  hohen,  nackten  Gipfel  des  Veliki  Sturac  in  ','2  St. 
geht,  erschien  durch  „Divizma",  dichtstehende  Königskerzen,  gelb  gefärbt.  Von 
hier  nördlich,  dann  nordwestlich  übergehend,  führt  ein  sanft  absteigender  Pfad 
durch  prächtigen  Laubwald  und,  mehrere  kleine  Wasseradern  kreuzend,  zur  breiten 
Hochebene,  auf  der  jenes  feste  Rudnik  stand,  das  schon  unter  den  Cäsaren  die 
reichen  Bergstätten  der  Umgebung  schirmte,  in  den  Völkerstürmen  bis  auf  die 
Rudimente  vernichtet,  von  Byzantinern,  Serben  und  Türken  abwechselnd  zerstört 
und  erneuert,  fiel  es  auf  F^rinz  Eugens  Eroberungszug  1737  in  österreichische 
Hände.  Als  die  Kaiserlichen  1739  zum  Abzug  über  die  Sava  gezwungen  wurden, 
erhielt  der  schon  früher  für  seine  kühnen  Raubzüge  gegen  Serbiens  aufständische 
Rajah  mit  dem  Titel  „Gazi  Miri  Miram"  und  den  „Bülbaä"  (goldener  Strauss) 
ausgezeichnete  Bosniake,  Kapelan  Mehemed,  die  Züchtigung  der  mit  Österreich 
sympathisiercMiicii  Kk'HR'ntiiR'i  aufgetragen,  vdn  welchen  ein  Teil  sich  in  das 
befestigte  Rudnik  geworfen  hatte.  Mehemed  zog  mit  Uzices  Besatzung  vor  die 
Feste,  deren  Garnison  mit  Zurücklassung  von  Kanonen,  Gewehren  usw.  floh. 
Doch  gelang  es  den  Türken,  die  in  der  Zivilstadt  angesiedelten  „Klementincr 
Bösewichte"  im  Schlafe  zu  überraschen.  Mehemed  Hess  alle  Männer  über  die 
Klinge   springen;    Erauen  und   Kinder  schleppte  er  mit  grosser  Beute  nach  Uzice. 

Die  Daten  für  den  vorstehend  erzählten  Vorgang  entnahm  ich  Omer  Effendis 
Chmnik  dieses  l"eKl/uges,  welche  sich  bei  Vergleichen  mit  General  Schmettaus 
Memoiren  im  Tatsächlichen  sehr  verlässlich  zeigt').  Doch  A\ilii.'evic  be/weifell 
(Srbija,  312),  dass  es  zu  jener  Zeit  „KlimentaSi"  (katholische  Albanesen)  ni 
Serbien   gab   und   dass  die   in   den   sirmischen  Orten   Nikinci  und   Hrtkovci.  wie 

')  C.  I.  1..  Addii,,  11)3),  Ni).  6313  und  KiW)  nach  mciiieni  „Serbien". 

h.  KANITZ,  Serbien.   I.  29 


•iriO         Ucbcr  Gornji  Milanovae  durch  das  Rudnikcr  ErzßcbirKC  nach  Takovo  usw. 

ich  in  „Serbien"  (S.  tiU)  ausführte,  gemeinsam  mit  jenen  zu  kudnik  auswanderten. 
Hätte  aber  M.  sein  eij^encs  Werk  besser  studiert,  würde  er  unter  den  dort  (S.  109) 
als  verschwunden  aufgezählten  Orten  des  Belgrader  Kreises  das  Dorf  „Khmenti" 
gefunden  und  die  von  mir  nach  Omer  I:ffcndi  mitgeteilte  Tatsache,  „dass  dem 
türkischen  Massacre  im  J.  1739  von  den  in  Serbien  siedelnden  Klementinern  nur 
(tie  am  Fussc  der  Avala  bei  Belgrad  wohnenden  entgingen",  schwerlich  angefochten 
haben.  Aber  auch  im  Serbenvolk  bestehen  ganz  bestimmt  lautende  Traditionen 
über  diese  Immigration.  Vuk  erzählte  (Rjecnik,  363):  „Obor-General  MIatiSuma 
nahm  den  Türken  Novipazar,  blieb  dort  einen  Winter,  und  als  er  es  verlassen 
musste,  wanderten  mit  ihm  viele  Cimiroti  oder  Klimcnte  nach  Sirmien."  Auf  dem 
langen    Wege    dahin    dürften    nur    einige    Hunderte    dieser    Emigranten    sich    zu 


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RUDNIK,   Das  Ruinenfeld. 


Rudnik  und  bei  Belgrad  angesiedelt  haben,  während  die  anderen  weiter  über  die 
Sava  zogen  und  dort,  wie  ich  bei  meinem  Besuch  ihrer  Dörfer  Hrtkovci  und 
Nikinci  im  Herbst  1863  fand,  die  albancsische  Tracht,  Sprache  und  Sitte  treu 
bewahrten,  was  kaum  der  Fall,  stammten  sie  von  jenen  Albanesen,  welche  nach 
Fenjes  (Statistika,  I,  80)  schon  im  14.  Jahrhundert  nach  Ungarn  eingewandert 
sein  sollen.  Die  Bewohner  beider  Klementinerorte  besitzen  jene  Tüchtigkeit  und 
Zähigkeit,  welche  ihre  Stammesbrüder  im  nördlichsten  Arnautluk  den  Türken  und 
Montenegrinern  so  verhasst  machen.  Auch  die  Eltern  des  Kultusministers  Stojan 
Novakovic,  der  1883  eine  so  merkwürdige  Energie  gegenüber  dem  Metropoliten 
Mihail  entwickelte,  stammen  aus  Hrtkovci,  waren  also  Albanesen,  welche  als 
einfache  Tischlerleute  vor  einigen  Jahrzehnten  nach  Sabac  übersiedelten,  dort  in 
Religion  und  Sprache  sich  bald  so  vollkommen  serbisierten,  dass  ihr  in  beiden 
erzogener  Sohn  zu  den  hervorragendsten  südslavischen  Philologen  zählt. 

Auf  dem  vom  Ostrovicer  Schlossberg  überragten,  heute  ganz  unbewohnten 
Weichbild  Rudniks  interessierten  mich  besonders  das  ziemlich  erhaltene  Schloss, 
die  Mauern   einer  Moschee   und   eines  Gefängnisses.     Für  den   antiken  Ursprung 


Ueber  Qornji  MilaiiDvac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         451 

der  Feste  sprechen  ihre  römische  Kastralform  und  oft  hier  gemachte  Münzenfunde 
aus  der  Kaiserzeit.  Der  auf  römischen  Substruktionen  entstandene  mittelalterliche 
Oberbau,  welcher,  weil  stark  vernachlässigt,  1738  von  den  Österreichern  durch 
hohe  Brustwehren  und  einen  4,5  m  breiten  verpalisadierten  Graben  verstärkt 
wurde,  erscheint  auf  einem  gleichzeitigen  Plan  des  Wiener  Kriegsarchivs  mit  den 
antiken  Grundlinien,  die  er  noch  heute  zeigt.  Das  Schloss  liegt  an  der  schwachen 
Hauptader  der  Jasenica  auf  einem  abschüssigen  Terrainabschnitt,  dem  seine  1  m 
starken  Mauern  von  Ziegeln  und  Feldsteinen  folgen.  Seine  höhere  südöstliche 
Partie    ist    sehr    verfallen;    von    den    4   Rundtürmen    blieb   nur  einer  aufrecht,    in 


RUDNIK,   Erhaltener  Kasteliluriii. 


dessen  anschliessenden  Mauern  noch  einige  Schussscharten  sichtbar  sind.  Auch 
die  i'araiK'linauer,  welche  den  höheren  Teil  vom  niederen  trennte,  ist  stark  zer- 
stört und  der  nahezu  ganz  verschüttete  Graben  mit  Strauchwerk  überwachsen. 
Die  42  ni  lange  und  34  m  breite  Schlossarea  besitzt  die  Durchschnittsgrösse  der 
F<ömerkastelle  an  der  Sava  und  Donau. 

Von  der  östlicheren  Ruine  der  dem  Untergang  geweihten  Moschee,  welche 
das  Volk  „Misa"  nennt,  erhielt  sich  die  Tradition:  sie  diente  als  Gotteshaus 
lateinischer  (katholischer)  „Sasi"  (sächsischer  Bergleute),  welche  im  Dienste  der 
serbischen  Zaren  hier  arbeiteten.  Ob  tier  quadratische,  im  Innern  9,2  m 
lange  und  H,H  in  Incilr  Hau  jemals  eine  Kirche  war,  ist  heule  schwer  zu  ent- 
scheiden; dass  er  aber  gewiss  erst  später  zur  Moschee  umgestaltet  wurde,  dafür 
sprechen  die  in  ganz  verschiedener  Technik  nachträglich  erweiterten  Fenster- 
öffnimgen  und  das  unverkennbar  neue,  gleichfalls  spitzbogige  Portal  in  der 
Nordmauer  des  ungemein  starken  (iebäudes.  Wie  dieses  ohne  Dach,  den 
I'leiiu'iileii    preisgegeben,    steht    etw.is    westlicher    ein    anderer,    nur    in    beiden 


4r)'2         Uebcr  (jnrnji  Milanovac  durch  das  Rudnikcr  Rrzücbirgc  nach  Takovo  usw. 

Gicbelinauerii  erhaUener  Bau,  dun  die  Türken  als  Gefan(;nis  benutzten.  Selbst- 
verständlich weiss  das  Volk  viel  von  den  raffinierten  Qualen  zu  erzählen,  welche 
die  „Raj,ah"  in  diesem  „habs"  erdulden  mussten.  Dafür  haben  aber  auch  ihre 
Nachkommen  von  der  einstigen  Türkenstadt  keinen  Stein  auf  dem  anderen 
(gelassen.  Von  der  Moschee  bis  über  das  Schloss  hinaus  lassen  sich  an  der 
(»epflastertcn  Hauptstrasse  rechts  und  links  die  bis  auf  die  Rudimente  rasierten, 
hoch  hinan  und  in  der  Kbcne  sich  ausbreitenden  türkischen  Häuserreihen  verfolgen. 
Auch  von  dem  Konak  des  berüchti^^ten  „Rudnicki  bik"  (Stier)  blieb  nur  der 
„bintaS",  auf  dem  er  zu  Pferde  stieg. 

Eine  Steif.;eriinn  der  Willkürakte  des  nach  dem  Abzug  der  Kaiserlichen  (17H9) 
beginnenden  Daliienregiments  schien  kaum  denkbar,  und  doch  gab  es  einen 
Gesellen,  der  selbst  den  allgefürchteten  „Kücük  Ali"  in  zügelloser  Ausschweifung 
übertraf.  Es  war  sein  Bruder  Sali  Aga,  der  Befehlshaber  von  Rudnik,  dessen 
Erwähnung  noch  heute  Frauen  und  Mädchen  erröten  macht.  Dieser  „Rudnicki 
bik"  genannte  Türke  liess  die  von  seinen  Leuten  in  den  serbischen  Dörfern  seiner 
Nahija  aufgespürten  schönsten  Jungfrauen  aufs  Schloss  kommen,  vor  ihm,  am 
lustig  plätschernden  Quell,  ihren  Tanz  mit  Liedern  begleiten,  welche  ihrer  Sehn- 
sucht, ihn  zu  umarmen,  Ausdruck  gaben.  Die  uns  von  einem  Panduren  vorgesungene, 
wenigst  verfängliche  Strophe  lautet: 

Seht,  schon  kommt  Sali  Aga,  Sali  Aga,  unser  Stolz. 
Eilet,  eilt  zum  Kolotanze,  zu  erfreuen  Sali  Aga,  unsern  Stolz! 
Und  es  spricht  Sali  Aga:  „Meine  Seele  Beiram  feiert, 
Wenn  mir  die  Braut  den  Kolo  führt  .  .  ." 

Dieser  Sali  Aga  nahm  für  sich,  nach  mittelalterlichem  Ritterbrauch,  auch 
das  „Recht  der  ersten  Nacht"  in  Anspruch,  und  wurde  es  ihm  nicht  gutwillig 
zugestanden,  brauchte  er  Gewalt,  bis  Marko  Radovanovic  aus  dem  nördlichen 
Vojkovci,  als  die  Reihe  an  seine  Braut  kam,  mit  der  Waffe  in  der  Hand  vor  ihn 
trat  und  frug,  „ob  es  dem  Aga  wirklich  nach  seiner  Verlobten  gelüste?"  Durch 
Markos  flammenden  Blick  erschreckt,  leugnete  dies  Sali,  und  fortan  wurde  er 
etwas  zurückhaltender.  Vielleicht  fühlte  er,  dass  sein  Mass  voll  sei,  dass  die 
auf  ihre  Berge  und  Flinten  vertrauenden  Sumadijer  nicht  länger  sein  Schand- 
regiment ertragen  wollten. 

Schon  steigerte  sich  in  der  Sumadija  nach  den  misslungenen  Unterhandlungen 
zwischen  den  serbischen  Knezen  und  Belgrader  Autoritäten  zur  Einschränkung 
der  Dahien  die  den  Moslims  Unheil  bringende  Bewegung,  welche  Karadjordjes 
Entschiuss  reifte,  Rudnik  von  seinem  Tyrannen  zu  befreien.  Sein  V^orhaben  blieb 
nicht  geheim,  und  der  Muselim  von  Uzice  fand  Zeit,  Sali  Agas  Mannschaft  zu 
verstärken.  Dies  hinderte  aber  Karadjordje  nicht,  in  der  letzten  Fastenwoche  1804 
zum  Angriff  zu  schreiten.  Nachdem  er  den  von  Cacak  heranziehenden  Colak  Ali 
geschlagen,  umschloss  er,  vereint  mit  A\ilan  Obrenovic,  der  ihm  mit  70  handfesten 
Momken  aus  Brusnica  zu  Hilfe  eilte,  die  Feste.  Der  rings  um  dieselbe  stark 
gefrorene  Boden  erschwerte  den  Angriff.  Dies  benutzten  die  Türken,  im  nächt- 
lichen Dunkel  nach  Uzice  durchzuschleichen.     .Am   „Jelen  Kamen"  von  den  ihnen 


lieber  Gornji  Milannvac  durch  das  Riidniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         453 

nachsetzenden  Serben  ereilt,  wurden  dort  viele  getötet,  darunter  die  Dahijen  Alil 
Hadzic  aus  Uzice  und  Pljakic  aus  Karanovac.  Die  bei  der  Zwingburg  zurück- 
gebliebenen türkischen  Frauen  und  Kinder  Messen  die  Sieger  unbehindert  abziehen. 
Rudnik  ward  wohl  1813  erneut  von  den  Türken  besetzt;  doch  schon  zwei  Jahre 
später  musstcn  sie  es  räumen,  und  von  da  ab  blieben  die  verödete  Stadt  und 
die  Feste  dem  Verfall  überlassen. 

Das  letzte  Jahr  des  türkischen  Regiments  im  Rudniker  Distrikt  scheint, 
verglichen  mit  den  vorausgegangenen  der  grösstenteils  Bosnien  entstammten 
Dahijen,  ein  milderes  gewesen  zu  sein.  Und  wo  manchmal  grösserer  Druck 
auftrat,  wusste  die  zur  Abwehr  aufgestachelte  List  der  Rajah  ihn  zu  verringern. 
So  erzählte  mir  der  erwähnte  Antonije  Glicevac  zu  Majdan,  dass  dessen  Mutter, 
als  seine  älteren  verstorbenen  Brüder  noch  Kinder  waren,  diese,  wenn  der 
türkische  Steuerbeamte  den  Haradz  (männliche  Kopfsteuer  von  4  groäa)  einforderte, 
bis  auf  einen  rasch  in  Mädchenkleider  steckte  und  der  betrogene  Beamte  sie 
oft  recht  gutmütig  tröstete,  „der  liebe  Gott  werde  ihr  noch  mehr  Knaben  schenken". 
Auch  ernannte  die  Pforte  den  wohlwollenderen  Asanin  Beg  an  Stelle  des 
fanatischen  Tokatlic  Aga  zum  Muselim  von  Rutlnik.  Von  Tokatlic  erzählt  man 
eine  interessante  Fpisode.  Als  die  Serben  Rudnik  eingenommen,  weigerte  er 
sich,  den  von  Asanin  Beg  zugesagten  Abzug  aller  Moslims  aus  der  Stadt 
anzuerkennen.  Trotz  der  Zuspräche  des  Muselims  verschanzte  er  sich  in  seinem 
Hause  und  drohte,  mit  seinen  Momken  dem  ihn  zur  Übergabe  auffordernden 
Wojwoden  Arsenije  Loma  äussersten  Widerstand  zu  leisten,  so  dass  dieser  zur 
Vermeidung  unnützen  Blutvergiessens  Tokatlic  gestattete,  zu  Pferde  und  bewaffnet 
nach  Uzice  abzuziehen.  Fntgegen  dem  gegebenen  Worte  ward  jedoch  seine 
kleine  Schar  unfern  der  Stadt  aus  einem  Hinterhalt  überfallen  und  bis  auf  einen 
jungen  Türken  niedergemacht.  „Hab'  Dank,  Loma!"  rief  der  verschonte  Momke, 
„doch  sieh,  bei  einer  nächsten  Gelegenheit  könnte  es  mir  wie  meinem  Aga  ergehen; 
darum  nimm  lieber  gleich  meinen  Jatagan,  damit  ich  sehe,  dass  ein  Held  ihn 
trägt!"  Während  Loma  die  ihm  gereichte  Waffe  prüfte,  drückte  aber  der  Sprecher 
seine  Pistole  mit  den  Worten  auf  ihn  ab:  „So  räche  ich  den  Verrat  an  meinem 
Herrn!"  Loma  sank,  in  die  Stirn  getroffen,  vom  Pferde,  während  der  Türke,  die 
Verwirrung  lu-niil/riul.  daxun   spri^Mi^ti.'   imd   glücklich   entkam. 

Unter  den  schattigen  Baumkronen  und  an  derselben  kühlen  Lalx'trinik 
spendenden  CeSma,  bei  welcher  Sali  Aga,  auf  weichem  Pfühle  die  aus  den  nahen 
Dörfern  geholten  serbischen  Schönen  bei  üajdaspiel  vor  sich  tanzen  und  singen 
Hess,  liiirlen  wir  mit  Sp, Innung  das  vom  Pisar  gesungene  tragische  Hnde  der 
let/teu  Ruilniker  Tiirken.  Sein  an  dramatischen  Momenten  reicher,  auch  das 
damalige  Verhältnis  /wischen  Christen  unil  Muslims  trefflich  charakterisierender 
Schlussakt  spielte  sich  an  ikiii  vorerwähnten  „Jelen  Kamen"  ab  und  wird 
verschieden  erzählt.  V\'ie  immer  in  solchem  Falle  gab  ich  Vuks  Schildennig, 
weil  zu  einer  Zeit  aulgezeichnet,  wo  der  Vorgang  noch  in  frischer  Frinnerung 
lebte,  tieii  Vorzug.  Wir  ritten  nun  südwestlich  hinauf  zu  der  von  Karadjordjc 
IH()4  aiifgewiirfeneii,  jetzt  /um  grösseren  Teil  in  ein  Weizenfeld  verwandelten 
Schaii/e,      k.imeii      an      dem      \iui      l.indeiuiickichl      geheimnisvoll     umrauscliten 


454         Ucbcr  Qornji  Milannvac  durch  das  Kudnikcr  ErzKcbirKC  nach  Takovo  usw. 

„Harembrunnen"  vorbei  und  stiegen  dann  abwärts  zum  Bezirkshaus,  wo  uns 
Pandur  Nedeljkovid',  einer  der  besten  jüngeren  Guslaren  Serbiens,  den  Rest  des 
Abends  kürzte  mit  Gesängen  von  Fürst  Mihails  Tod  und  den  letzten  Kämpfen  bei 
Üeli^rad,  welche  zeigten,  dass  der  epische  Gestaltungssinn  auch  dem  heutigen 
Serbcnvolk  im  hohen  Grade  eigen  ist. 


Vor  mehr  als  dreissig  Jahren  schrieb  ich  („Serbien",  S.  61):  „im  Rudnikgcbiet 
deuten  überall  Ruinen  von  Hüttenwerken,  verlassene  Schächte  und  grosse 
Schlackenlialdcn  auf  eine  bessere  Vergangenheit.  Darf  man  sie  auch  als  Zeichen 
einer  schrtneren  Zukunft  betrachten?  Ich  glaube,  ja!  Ist  erst  Serbiens  staatliche 
Existenz  gesichert,  wird  die  Einführung  europäischer  Kultur  lebhafter  gefordert,  der 
Schienenweg  nach  Salonik  und  an  die  Adria  verwirklicht,  dann  werden  diese 
dunklen  Waldberge  mit  ihren  reichen  Naturschätzen,  bisher  nur  ein  Hort  der 
bedrängten  Nationalität,  Kulturstätten  hohen  materiellen  Aufschwungs  werden 
und  neben  der  einzigen,  nur  Zerstürungsmittel  erzeugenden  Fabrik  Stragare 
werden  friedliche,  industrielle  Betriebe  entstehen." 

Mit  Prophezeiungen  geht  es  oft  recht  schlimm.  Ein  ungarischer  viel- 
genannter Orientalist  kündete  1877  dem  nordischen  „Koloss  mit  tönernen  Füssen" 
ein  nahes  Ende  mit  Schrecken  an  und  sah  des  Sultans  Kavallerie  schon  ihre 
Pferde  in  der  Newa  tränken!  —  Obgleich  ich  nun  damals  mit  mancher  Vorhersage 
glücklicher  war,  überraschte  es  mich  doch  angenehm,  auch  jene  bezüglich  Rudniks 
so  rasch,  schon  1897  angebahnt  zu  finden.  Vorausging  1886  eine  fachmännische 
Untersuchung  seiner  alten  Minen  und  Stollen  durch  die  Kölner  Barone  Ehren- 
berg &  Sohn,  1886  auch  eine  Konzession,  welche  der  Berliner  Baron  Dittrich 
für  seine  durch  den  deutschen  Gesandten  Bray  geförderte  Gesellschaft  erwarb. 
—  Das  alles  verflüchtigte  sich  aber  rascher,  als  es  geplant  worden.  Nun 
sollten  und  wollten  zwei  serbische  Unternehmer  durchführen,  was  occidentale 
nicht  gewagt?  Prof.  Radovanovic  vom  k.  Bergamt  zu  Belgrad  erzählte  mir  viel 
über  den  Stand  der  Sache,  was  mein  Interesse  erregte.  Ich  wollte  jedoch  selbst 
sehen  und  traf  am  4.  August  1897  mit  Prof.  Seleskovic  und  Ingenieur  Jokovic 
in   Rudnik  ein. 

Wirklich  schien  mit  der  1894  den  Herren  Mihailovic  &  Weifert  auf  50  Jahre 
erteilten  Konzession  ein  neuer  Geist  in  das  Sturacgcbiet  eingezogen  zu  sein. 
Wohl  rechtfertigte  die  äussere  Erscheinung  dieses  Kerns  der  „Sumadija"  (Wald- 
land) nicht  mehr  ihren  Namen.  Der  am  Pfingstmontag  1891  von  Majdan  östlich 
über  Ljubicevac  bis  Stragare  wirbelnde  Zyklon  hatte  180000  Buchen,  Ahorne, 
Eichen  usw.  vernichtet  und  einen  auf  3  .Will,  d  geschätzten  Schaden  verursacht. 
Doch  erscheinen  die  meisten  rasierten  Stellen  durch  die  von  Mihailovic  aus- 
geführte Aufforstung  mit  Laub-  und  früher  hier  fehlenden  Nadelhölzern  wieder 
grün.  Auffällig  gebessert  fand  ich  auch  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse.  Hier 
zeigte  Herr  Georg  Weifert,  dass  er  seinen  Ausspruch  ernst  nehme:  „Mein  Kind 
ist   die   serbische   Industrie,"    durch   ansehnliche  Beteiligung   mit   Kapital   an   dem 


Ucber  üornji  Milanovac  durch  das  Rtidnikcr  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         455 

von  dem  Bergingenieur  Mihailovic  geplanten  Riidniker  Hüttenwerk.  Letzterer 
inscenierte  aber  nicht  nur  dieses  im  grossen  Stile,  sondern  schuf  dort  um  sein 
750  m  hoch  liegendes,  in  dieser  früheren  Wildnis  doppelt  anheimelndes  Wohnhaus 
eine  Beispiel  gebende  Musterkolonie. 

Anfänglich  misstrauisch  und  zuwartend,  folgten  die  Bauern  in  stetig 
zunehmender  Zahl  dort  erteilten  Ratschlägen  und  praktisch  geübtem  Verfahren. 
Mihailovic  ackert  42  cm  tief;  kauft  schlechte  Kühe  der  Nachbarn  und  erzielt 
durch  Zucht  prächtigen  Nachwuchs,  lässt  die  Kühe  armer  Leute  durch  seine 
Mürztaler  Stiere  umsonst  belegen,  pflanzte  auch  edle  Obstsorten,  die  ersten 
Koniferen  und  englisches  Gras,  das  jährlich  viermalige  Ernten  bringt,  pflegt  die 
Imkerei  mit  30  Stöcken  in  mustergültiger  Weise  und  legte  auch  die  kostspielige 
Kunststrasse  an,  die  zum  Direktionsgebäude  führt,  welches  mit  der  Hauptgrube, 
der  Hütte  und  den  Försterhäusern  telephonisch  verbunden  ist. 

Nach  kurzer  Aussprache  zog  es  mich  nach  dem  schon  1888  besuchten 
Jczcro.  Ich  traute  meinen  Augen  kaum.  Wo  früher  prähistorische  A^enschen, 
Römer,  „Sasi"  (Sachsen),  Österreicher  und  Serben,  die  Erze  durch  Feuersetzen 
absprengten  und  primitiv  schmolzen,  schritten  wir  nun  durch  viele  Kilometer 
lange,  rationell  angelegte  Schächte  und  Stollen,  aus  welchen  auf  Schienenwegen 
das  durch  Knappen  gebrochene  blinkende  Material  zutage  gefördert  wird.  Zur 
Schienenunterlage  benutzte  man  die  vollkommen  gesund  erhaltene  Eichenzimmerung 
der  von  Mihailovic  wieder  eröffneten  Karadjordjeschen  Schächte;  der  grösste 
„Bezdan",  in  dem  die  stärkste  Tätigkeit  um  1810  geherrscht  hatte,  blieb  ver- 
schüttet, weil  seine  aussergewöhnliclie  Breite  allzu  bedeutende  Kosten  erfordert 
hätte,  doch  wurde  der  zu   ihm  getriebene  Stollen  erweitert  und  fortgeführt. 

Die  auf  S.  448  geschilderte  Riesenhohle,  deren  geheimnisvoller  See  von 
Mihailovic  mittels  Stollen  abgeleitet  wurde,  bildete  den  Mittelpunkt  eines  intensiv 
betriebenen  Kupferbaues.  Auch  im  östlicheren  grossen  Höhlenraum,  dessen  Decke 
eingestürzt,  wurde  gearbeitet,  in  dem  gleichfalls  in  die  Konzession  einbezogenen, 
30  km  von  Rudnik  nördlichen  2ivkovci,  wo  die  Österreicher  um  1730  die  dort 
sehr  reinen  silherhaltigen  Bleierze  stark  ausbeuteten,  wurde  ein  Stollen  eröffnet; 
im  Ostrevier  aber,  unter  dem  (iiplel  des  A\ali  Sturac,  auf  silberhaltige  Bleierze 
eifrig  geschürft.  Durchschnittlich  enthalten  ungewaschene  bessere  Erze  —  ganz 
reine  Stücke  kommen  hier  nicht  in  Betracht  ^  5— 15<7o  Kupfer,  7 — 14",,  Blei 
und  120 — 150  Gramm  Silber.  Die  massenhaft  vorhandenen  silberhaltigen 
Pocherze  bestehen  aus  Magnetkiesen,  Zinkblende,  Kalkspat,  Quarz,  Chalkopyrit, 
Bleiglanz.  Sie  treten  meist  in  untereinander  verbundenen  grossen  Stockwerken 
auf,  und  weil  ihre  Oewiniumg  leicht  und  hillig,  vers|irechen  selbst  die  ärmsten 
Idhiuiuk'  V'erweitiHig.  „Befätulen  sich,"  iiienite  der  auf  unserer  unterirdischen 
Wanderung  mit  seinem  llnmmerstdck  ein  prächtig  (luikehules,  stark  silberhaltiges 
Erzstück  für  mich  abhaueiuie  Mihailovic,  „luisere  reichen  Zinklager  in  Schlesien, 
so  wäre  uli  gewiss  in  wenigen  Jahren  mehrfacher  A\illionär!  A\indestens 
100000  Tonnen  v\urden  mmi  Römern  unil  Sasi  diesen  Rudiiiker  Minen  enlnoinnien, 
und  welche  (Juanlitälen  Messen  sich  noch  fördern,  kömiten  wir  selbst  nur  die 
,Spiriilonovalu)hle'  uiul  benachbarte  alle  Baue  rationell  ausbeuten!" 


4r)()         üchiT  (iornji  Milanovnc  durch  das  l^iidnikiT  t-IrzKcbirifv  nach  Takovo  usw. 

Krrei^lc  schon,  was  ich  in  dunkler  Tiefe  gesehen,  mein  Staunen,  so  steigerte 
sich  (liuscs  noch,  als  wir  das  neue  Hültengebäudc  für  mehrere  Ofen  und  mit 
einem  Kondensationsgang  l)etraten,  der  in  einen  Schornstein  auf  der  50  m  höheren 
Berglehne  mündet.  Ein  mit  den  notwendigen  Maschinen  und  Gebläsen  versehener, 
aus  Chicago  direkt  bezogener  „Wassermantelofen",  in  dem  keine  Aufbereitung 
bedürfende  Iirzc  und  bessere  Schlacken  samt  nickclhaltigcn  Eisenerzen  auf 
Werkhiei  und  auch  silberhaltige  Kupfernickelsteine  verschmolzen  werden  sollten, 
wurde  eben  aufgestellt.  Nur  die  seltene  Sachkenntnis  des  imponierende  Energie 
mit  Bescheidenheit  verbindenden  allverehrlen  Mihailovic  verstand  die  Hemmnisse  zu 
bewältigen,  welche  schon  die  Hinschaffung  und  Aufstellung  dieser  amerikanischen 
Ungetüme  verursachte.  Wohl  griff  der  fijr  seine  Neuschöpfung  begeisterte,  mit 
der  Zähigkeit  und  Kraft  amerikanischer  Pioniere  ausgestattete  Selfmademan  überall 
selbst  zu.  „Im  Herbst  können  wir  zur  Arbeit  schreiten,  äusserte  er.  Bei  manchem 
anderen  hätte  ich  gezweifelt,  weil  auch  die  Wäschereien  und  andere  Vorrichtungen 
iKifh   iiiuiilkMulet  waren!" 

Ich  dachte:  Schade,  dass  Herder  und  Ami  Boue,  welche  schon  vor 
6  Decennien  dem  Fürsten  Milo§  die  Aufnahme  des  Rudniker  Erzbaues  warm 
empfohlen  hatten,  nicht  diesen  ernsten  Versuch  zur  Verwirklichung  ihrer  auf  ihn 
gesetzten  Hoffnungen  erlebten.  Die  alte  „Geologenlinde"  vor  der  „Velika  pecina", 
in  die  sie  ihre  Namen  eingeschnitten,  fiel  1897  durch  Axthiebe  unverständiger 
Arbeiter,  weichen  sie  im  Wege  stand;  doch  ihre  Arbeit  und  ihre  Anregung  war 
nicht  vertjeblich  gewesen,  und  auf  diesen  schönen  Lohn  können  erfreulicherweise 
begeisterte  Pioniere  wissenschaftlicher  Forschung,  obgleich  manchmal  spät,  doch 
meist  mit  Siclierheit  rechnen. 

Ein  grosser  Verdienstanteil,  dass  das  etwas  gewagte  Rudniker  Unternehmen 
so  weit  gedieh,  darf  ich  wohl  einwandfrei  MihaiJovics  Schwester,  Fräulein  Zlata, 
zusprechen.  Wie  hätte  er  ohne  diese  opferfreudig  hingebende  Seele  auch  nur 
einen  der  langen  Winter  auf  der  rauhen,  öden  Wetterhöhe  aushalten  können,  und 
wie  erst  mehrere,  weiche  zur  Vorbereitung  der  Frühjahrsarbeit  an  Ort  und  Stelle 
verbracht  werden  nuisstenV  So  mochte  die  böhmische  Libussa  und  Fürst  Milos' 
Ljubica  ausgesehen  haben.  Ohne  Sentimentalität,  nur  aus  treuer  Schwesterliebe, 
stützte  dieses  heldenhafte,  mit  gesundem  Urteil  begabte,  an  physischer  Kraft  ihrem 
Bruder  gleichende  Wesen  diesen  in  jeder  Richtung.  Ob  sie  in  der  fremden 
Literatur  gleich  bewandert,  wie  manche  ihrer  Belgrader  Schwestern,  vermag  ich 
nicht  zu  sagen,  dass  sie  aber  den  Stab  besitzt,  um  aus  diesem  vor  wenigen 
Jahren  iiui  Felsen  und  Gras  tragenden  Boden  herrlich  mundende  Gottesgaben 
auf  den  Tisch  zu  zaubern,  das  habe  ich  in  dem  von  ihr  geschaffenen  komfortablen 
und  gastlichen  Heim  bewundernd  selbst  erfahren.  Mit  herzlichstem  „Glück  auf!" 
schied   ich  von  dem  seltenen  Menschenpaar. 

Den  vom  Kragujevaccr  Divisionär  mir  freundlichst  bis  Rudnik  zur  Verfügung 
gestellten  Phaeton  löste  ein  für  die  bergigere  Wegstrecke  nach  Arandjelovac 
geeigneterer  Wagen  unseres  lieben  Gastfreundes  ab.  Dieser  schlug  mit  dem 
Ingenieur  dieselbe  Richtung  ein,  doch  zu  Pferde,  um  gemeinsam  die  zweck- 
mässigste    Wegtrace    von    Rudnik    nach    .Arandjelovac    zu    finden,    das    mit    der 


I 


Ueber  üornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         457 

trefflichen  Misacer  Steinkohlenminc  und  Belgrad-Niser  Bahn  durcii  den  projektierten 
Mladenovacer  Schienenflügel  bald  verbunden  werden  sollte.  Über  den  Stand 
dieser  wichtigen  Strassenfrage  schrieb  mir  Mihailovic  im  Juli  1898:  „Die  Bahn- 
linie Mladenovac-Arandjelovac  wird  traciert;  für  die  kurze  trockene,  im  Bau 
begriffene  Strasse  Arandjelovac-Rudnik  wählten  wir  als  entsprechendste  die  in 
Ihren  .Römischen  Studien'  bezeichnete  antike  Trace." 

Wahrlich,  hier  fände  das  „rasche  Losung  dringlicher  wirtschaftlicher  Fragen" 
für  Serbien  versprechende  Viadan  Djordjevicsche  Ministerium  schönste  Gelegenheit, 
durch  beschleunigte  Ausführung  des  für  das  Arandjelovac-Rudniker  Gebiet  wichtigen, 
nur  18  km  langen  Mladenovacer  Bahnflügels  den  Ernst  seines  Programms  zu 
bezeugen.  Die  Verwertung  der  dem  Unternehmen  ausserhalb  seiner  Domäne 
zugesprochenen  reichen  Wasserkräfte  durch  Elektrizität,  der  unbezweifelte  gute 
Wille,  die  Energie  und  Ausdauer  der  über  ausreichendes  Kapital  verfügenden 
Unternehmer  verbürgen,  dass  sich  der  altberühmte  Rudniker  Bergbau  erneut 
blühend  entfalten  wird.     Glück  auf! 


Seit  ich  diese  Zeilen  1898  schrieb,  hat  sich  vieles  in  Serbien  ereignet, 
darunter  der  Rücktritt  des  an  allen  grösseren  Unternehmungen  im  Königreich 
beteiligten  Kapitalisten  und  Patrioten  Weifert  von  dem  Rudniker  Hüttenwerk. 
Dies  licss  mich  schon  manche  Stelle  des  hier  im  Auszug  mitgeteilten  Briefes 
von  Herrn  Mihailovic  befürchten  und  wurde  mir  jüngst  leider  von  unterrichteter 
Seite  zweifellos  versichert.     Schade,  schade! 


Rudnik,  den  5.  Juli   1898. 
Geehrter  Herr  Kanilz, 

Seitdem  Sie  hier  waren,  ist  Verschiedenes  vorgekommen,  was  mich 
verhindert  hat,  an  dem  angefangenen  Werke  so  zu  schaffen,  wie  ich 
gewünscht.  Ich  bin  unter  anderem  zweimal  schwer  krank  gewesen.  Dadurch  habe 
ich  meine  alte  Elastizität  und  Ausdauer  verloren  und  arbeite  jetzt  nicht  mehr,  weil  es 
mich  amüsiert  und  freut,  sondern  auch  ein  bischen,  weil  ich  es  muss. 

Sie  wissen,  geehrter  Herr  Kanitz,  sehr  gut,  dass  des  Erfolges  in  jeder  Arbeit  nicht 
guter  Wille  und  Ausdauer  die  einzigen  Bedingungen  sind,  sondern  dass  zu  allem, 
dass  zu  guter  Volleiuhing  jeder  menschlichen  Tat  noch  oder  am  meisten  (lesund- 
heit  und  Cield  notwendig  siiul.  ridl/dein  ich  an  Kraft  und  Lust  viel  eingebüssl 
ilurcli  die  zwei  schweren  Krankheiten,  der  unüberwindliche  Wille  steht 
ncicli  ungebrochen  da.  Arbeilen  und  schaffen  will  und  werde  ich  bis  zur  letzten 
Stunde  und  bin  des  Erfolges  sicher:  wenn  meine  Ucsundheit  und  Kapital  mir 
noch  zur  Seile  stehen  bis  zur  Vollendung  der  schwierigen  und  liedeutendcn 
Tal,  welche  ich  hier  angefangen.  SoHte  es  aber  nicht  so  sein,  dann  w.ire  mir  das 
Bcwusstsein  sehr  peinlich,  nicht  in  der  Lage  zu  sein,  guten  und  herzlichen  Worten 
eines  verehrten  l-reundes  vollendete    Tatsachen  folgen  lassen  zu  können. 

S\.  Mihailovitf. 


468         Uebvr  Gnrnji  Milnnovac  durch  das  Rudnikcr  ErzKcbirKV  nach  Talcovo  usw. 

Arandjclovac  und  Bad  „KiSL-la  voda"  sind  miteinander  cnjj  vcrhundcn.  Wir 
eiltun  dahin  auf  der  trefflichen,  bald  hinter  Kudnik  prächtif^c  Rückblicke  auf  den 
hohen  Ostrovicaer  Schlossbcrt^  gestattenden  Strasse.  Im  verkelirswichtiKcn 
Kreuzun(.;spunkt  G.  Satornje  von  NO.  in  NW.  übersehend,  zieht  sie  über  den 
Westfuss  des  an  Metallen,  Burgen,  Sa^en  reichen  VenCac  und  nördlichen  Vrbicas 
500  tn  hoch  liegenden  Gehöften  hinab  zum  Bezirksort  Arandjelovac  (250  m) 
und   seinem   berühmten  fiade. 

Das  „Bukovacka  Kisela  voda"  geniesst  in  Serbien  gleich  hohen  Ruf  wie 
bei  uns  Selters  oder  Rohitsch;  und  sein  in  den  Wirkungen  Gleichenberg  ähnliches 
Bad  war  unter  den  vielen  Hcilorten  des  Landes  der  erste,  welcher  dank  der  von 
Fürst  Mihail  ihm  gewidmeten  Fürsorge  sich  in  occidentaler  Weise  reformierte. 
Während  der  Hochsaison  ist  dort  und  selbst  im  Städtchen  auch  der  bescheidenste 
Raum  von  Gästen  überfüllt.  Wir  langten  spät  abends  an  und  waren  um  so  mehr 
erfreut,  der  Wohnungssorge  durch  das  telegraphisch  vorausbestellle  Zimmer  über- 
hoben zu  sein,  als  das  bösartige  Spitzkieselpflaster  der  einzigen,  schier  endlosen 
Hauptstrasse  des  Städtchens  die  Festigkeit  unserer  Wagenfedern  und  eigenen 
Glieder  schon  auf  das  grausamste  erprobt  hatte. 

Zum  Kef  gab  es  aber  vorerst  keine  Zeit.  An  dem  für  uns  reservierten 
Soupertisch  auf  der  Hotelterrasse  begrüssten  mich  der  Kreispräfekt  2ivojin 
J.  Bogdanovic,  der  Bezirkskapetan,  der  Badearzt  und  andere  Notabilitäten.  Unten 
tanzte  bei  Zigeunermusik  und  vielfarbigem  Lampionschein,  die  Jugend;  dem 
vielbewegten  Tage  folgte  ein  bewegter  Abend.  Auch  serbische  Bäder  haben 
bereits  ihre  Chronik.  „Tout  comme  chez  nous",  könnte  man  sagen,  gäbe  es 
nicht  auch  einige  Spezialitäten.  Zu  diesen  zählen  ausser  den  abscheulich  ver- 
nachlässigten „Lieux  d'aisance",  deren  Verbesserung  ich  dem  Doktor  dringend 
empfahl,  die  liier  noch  freier  wie  in  Topcider  mitten  im  Publikum  sich  umher- 
bewegenden „Robiasi".  Ich  sah  diese  R-Jackenträgcr,  unter  weichen  zweifellos  auch 
mancher  gebesserte  Gentleman  sich  befinden  mochte,  am  nächsten  Frühmorgen 
einzeln  und  in  Gruppen  die  zum  „Markovgrob"  führenden  Wege  reinigen  und  ebenso 
bei  den  Bädern  und  Brunnen  in  den  Alleen  des  schattigen  Parkes  beschäftigt. 

Von  den  vier,  auf  dem  herrlichen  Buchenwald  tragenden,  720  m  hohen 
Bukovik  entspringenden  Quellen  wird  die  untere  „Knaza  Milosa  Izvor"  mit  13,6"  C, 
nahe  dem  komfortablen  neuen  Bade,  am  liebsten  getrunken,  sie  schmeckt  besonders 
angenehm,  gibt  200  Liter  per  Stunde  und  wird  in  Flaschen  versendet.  Die  obere 
„Knaza  Miiiailo  Izvor"  beim  primitiven  alten  Bade  mit  13"  C.  wurde  1866  eröffnet 
und  gibt  nur  85  Liter  stündlich.  Wie  das  bis  1859  einen  Teil  des  Dorfes  Vrbica 
bildende  Arandjelovac  seinen  Namen,  die  Erhebung  zum  Bezirkszentrum  und  die 
1862  geweihte  Gavrilkirche  dem  Fürsten  Milos  dankt,  so  „Kisela  voda"  seinem 
Sühn  iWihaii  das  1862  erbaute  schöne,  vielleicht  nur  zu  massive  Kurhaus,  und 
wirksame  Förderung.  Er  brachte  dort  alljährlich  einige  Wochen  zu,  um  durch 
eigenes  Beispiel  die  wohlhabende  serbische  Gesellschaft  zum  Besuch  der  heimischen 
Badeorte  anzueifern. 

Mit  den  stetig  sich  mehrenden  Gästen  wuchs  der  Wohlstand  des  nun  in 
325  Häusern  nahezu   1900  Bewohner  zählenden  Städtchens.     Ausser  dem  älteren 


Ueber  Gornji  iMilaiiovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         459 

Spar-  und  Hilfsverein,  1894  einen  zweiten  für  den  Bezirk  Jasenica,  die  1895  über 
6,66  Mill.  d  umsetzten,   besitzt   es   auch    eine   treffliclie   Dampfmühle.     Ersatz   für 


KISEI.A    V()r)A.   (jjrlciiti'sl  vnr  iliiii  Kiirluiiis. 


die  189H  n;u  h  Helf^iad  uheisucklli'  kiTniiiisilie  l';ibrik,  in  der  uli  lielfliclie 
oriKiintiil.ik'  Dekorationsstücke  für  Kirciien,  \'illeii  usw.  fornicii  uiul  brennen  sah, 
erhilll  es  vielleicht  in  ileni  jüngst  aiif^;efiinilenen  iWarniorlajjer  beim  nahen  Hanja 
am  Vencacfnss,  das  Wiener  l'.u'lnniinner   1898  an  (hlle  zwischen  Car;ir;i  und  dem 


4(10         Ucbcr  Ijornji  Milnnuvac  durch  das  Kudnikcr  Erzgebirge  nach  Takovo  usw. 

hoch^cschüt/lcn  Laser  in  Tirol  stflllcn.  iJer  von  Francesco  Tonito  in  Belgrad 
vom  Staat  gepachtete  und  betriebene  Bruch  ist  ungemein  mächtig  und  könnte 
leicht  10  in  lange  gleichfarbige  BUkke  liefern;  schon  jetzt  werden  jahrlich 
60  Waggons  produziert.  Zu  trauriger  Berühmtheil  gelangte  Arandjelovac,  als 
dort  1883  der  tüchtige  Generalstabsoffizicr  Jevrem  Markoviö  wegen  Verschwörung 
gegen  den   König  Milan   kriegsrechtlich  erschossen  wurde. 

Begleitet  von  dem  auf  die  „Misaca"  entsandten  k.  Ministerial-Bergingenieur, 
machten  wir  am  Vormittag  einen  Ausflug  auf  ihre  südlichen  Vorhohen  bei  OraSac. 
Dort  sieht  man  ein  vor  Jahrhunderten  am  Nordhang  seines  450  m  hohen  Berges 
durch  den  Fels  gesprengtes  50  ni  langes  und  15  m  breites  Wegstück.  Diese 
vom  Volke  der  „Leuteschinderin  Jerina"  (S.  132)  zugeschriebene  „Preseca" 
(Durchstich)  für  eine  von  Smederevo  zur  Ostrovicaer  Feste  führende  Strasse 
wurde  aber  wahrscheinlich  zur  leichteren  Verbindung  der  benachbarten  Minen 
mit  der  Donau  von  deutschen  Bergleuten  ausgeführt,  welche,  bei  der  Eisen- 
gewinnung am  VenCac  beschäftigt,  auch  jene  „Misa"  (lateinische  Kirche)  erbauten, 
nach  deren  Resten  der  vorbeifliessende  Bach  und  die  nördliche,  stark  unduliierte 
Oraäaccr  Hochebene  „Misaca"  heisscn.  Auf  dieser  steht  4  km  von  Arandiejovac 
eine  durch  Handtken  seit  1857  bekannte,  aber  erst  1890  vom  k.  Bergamt  mit  Stollen 
aufgeschlossene,  bei  praktischen  Versuchen  im  Kragujevacer  Arsenal  als  trefflich 
erprobte  Braunkohle,  über  deren  Lagerung  und  Abbauwürdigkeit  ich  folgende 
interessante  Daten  sammelte: 

Auf  Grund  vorläufiger  geologischer  Untersuchungen  steht  fest,  dass  die 
Gegend  von  Misaca  aus  verschiedenen  Letten-,  Mergel-  und  Sand- 
Schichten  mit  eingelagerten  Kohlenflözen  konstituiert  ist.  In  einem 
Ausbiss  des  Flözes,  wo  das  Tertiär  einen  kristallinischen  Ausläufer  der  südlichen 
Bukulja  bedeckt,  wurde  vor  langer  Zeit  eine  kleine  Kohlengrube  eröffnet.  Nach 
dem  Tode  des  Schürfers  fanden  k.  Bergbauingenieure  unter  dem  durch  etwa  50. 
in  70 — 100  m  Tiefe  bis  zum  Grundgebirge  im  J.  1897  ausgeführte  Bohrungen 
mit  4  m  durchschnittlicher  Mächtigkeit  bestimmten  oberen  Flöz  ein  zweites, 
mächtigeres  von  7  m  Stärke.  Die  Oberfläche  des  ersteren  wurde  im  Fallen  und 
Streichen  auf  3,5  Mill.  m-,  die  mögliche  Ausbeute  des  Gesamtterrains  aber  auf 
zirka  18  Mill.  t  geschätzt.  Vier  Analysen  der  dortigen  Kohle  von  Prof.  Lozanic 
und  dem  k.  bergamtlichen  Laboratorium  ergaben  durchschnittlich:  58,18''/o  Kohlen- 
stoff, 4,06  "/o  Wasserstoff,  22,73  "„  Sauer-  und  Stickstoff,  11,39%,  Asche,  Kaloren 
5,035''/o,  Feuchtigkeit  bis   I4,50'Vo  und  das  spezifische  Gewicht  1,36. 

Zur  vielverheissenden  Verwertung  dieser  reichen  Staatsmine  empfahl  Minister 
Kleric  im  Juni  1897  dem  Belgrader  „Berg-  und  hüttenmännischen  Verein"  die 
Gründung  einer  Aktiengesellschaft.  Sie  wird  wohl  aber  erst  gleich  anderen 
industriellen  Unternehmungen  möglich  werden,  wenn  der  geplante  Schienenweg 
das  an  Lignit,  Frzen,  Wäldern  usw.  unglaublich  reiche  Kozmaj-Vencacgebiet 
durchziehen  wird.  Beispielsweise  birgt,  wie  der  tüchtige  Bergbauamtschef  Milojkovic 
nachwies,  der  eozäne  Kalk  des  343  m  hohen  Opienac  im  S.  von  Topola  ein 
mächtiges  Oolith-Eisenlager,  dessen  einstige  Ausbeute  das  Thomasverfahren 
gestatten  dürfte.  Eine  andere,  von  Privaten  vor20Jahren  versuchsweise  angeschürfte, 


Ueher  Tjornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         461 

500  m  ausgedehnte,  150  in  mächtige  Magnesitzone  und  die  Limonitgänge  bei 
Lipovac  wurden,  wie  verraste  Halden,  Schlackenhaufen  usw.  zeigen,  schon  in 
alter  Zeit  abgebaut;  bei  letzterem  und  bei  dem  westlichen  Tresnjevica  schürfte 
man  auf  Magnesit  an.  Alle  diese  Erzlager  haben  im  Hinblick  auf  die  nahen 
Lignite  bei  Topola,  Lipovac,  Misaca  und  weil  es  dort  Wasserkräfte  in  Fülle  gibt, 
eine  vielversprechende  Zukunft.  Nur  der  Wald,  soweit  er  nicht  den  Klöstern 
gehört,  hat  durch  den  grossen  Bedarf  des  Kragujevacer  Arsenals  und  das  unver- 
ständige Vorgehen  der  Bauern  stark  gelitten,  dürfte  sich  jedoch  unter  rationeller 
Verwaltung  bald    wieder  erholen. 

Auf  dem  Rückweg  über  den  362  m  hohen  Oraäacko  brdo  fanden  wir 
diesen  mit  sehr  schlecht  tragenden  Weinreben  bewachsen;  den  historisch  denk- 
würdigen Eichenforst  aber,  in  dem  am  1.  Febr.  1804  der  Aufstand  gegen  die 
türkischen  Zwingherren  durch  einige  beherzte  Patrioten  beschlossen  wurde,  bis 
auf  die  letzte  Spur  vertilgt.  Zu  Oraäac  amtierte  damals  Teodosije,  der  vom 
Pascha  eingesetzte  Oberknez  der  Jasenica.  Er  war  so  angesehen,  dass  man  ihn 
zum  Anführer  wählte.  Teodosije  misstraute  aber  dem  Unternehmen  und  empfahl 
Karadjordje.  Er  meinte;  „Siegen  die  Türken,  mag  der  bei  ihnen  ohnedies  schlecht 
angeschriebene  .Heiducke'  in  die  Berge  flüchten,  und  alle  Schuld  wälzen  wir 
auf  ihn!"  Trotz  dieser  Ängstlichkeit  war  Teodosije  beim  Sturm  auf  Belgrad  in 
erster  Reihe,  er  vergass  aber  auch  nicht  sein  Privatinteresse.  N\h  MIaden  gewann 
er  durch  billigen  Pacht  und  Güterkauf  von  auswandernden  Türken  viel  Geld. 
Dabei  war  er  eifersüchtig  auf  den  durch  seinen  Verzicht  zur  Macht  gelangten 
Karadjordje.  In  einem  Streite  schoss  er  auf  ihn,  die  Kugel  fehlte;  nicht  so  des 
„Heiducken"  rasch  abgefeuerte  Pistole  —  zwei  Kirschbäume  neben  der  Schule 
bezeichnen  Teodosijes  Grabstätte. 

Südwestlich  von  Arandjelovac  liegt  an  dem  von  seiner  Bukulja  abfliessenden 
gleichnamigen  Bache  GaraSe,  einstiger  Familiensitz  des  am  6.  März  1898  zu 
Paris  im  besten  Mannesalter  verstorhcnen  serbischen  Gesandten  inid  hochbegabten 
Führers  der  r'ortschrittspartei  Mihitin  GaraSanin.  Sein  dort  um  1760  geborener 
Grossvater  Milutin  Savic  (jarasanin  machte  sich  schon  im  österreichisch-türkischen 
Krieg  1791  einen  Namen.  Später  kämpfte  er  unter  Karadjordje.  Als  die  junge 
serbische  Freiheit  1813  der  türkischen  Übermacht  erlag,  eilte  Milutin.  trotzdem 
ihm  Karadjordjes  Wesen  nicht  sympathisch  war,  zu  dem  nach  Österreich  geflüch- 
teten Führer  und  bat  ihn  flehentlich,  tien  Kampf  wieder  aufzunehmen.  Vergebens! 
1815  stritt  Milutin  an  Milos'  Seile.  Zum  Knezen  ernannt,  litt  er  als  sein  treuer 
Anhänger  182ri  in  dem  gegen  dessen  Regiment  angezettelten  Aufstand.  Für 
seinen  verwüsteten  Besitz  in  GaraSe  schenkte  ihm  MiloJ  damals  einen  Landstrich 
bei  Grocka  (S.  130  f.),  wo  er  bald  zu  Ansehen  und  Vermögen  gelangte.  Als 
Senator  war  Milutin  stets  gegen  die  Verminderung  von  MiloS'  Vollmachten,  und 
als  dieser  Serbien  verlassen  mussle,  versuchte  er  1842  mit  VuCii'  eine  Erhebung 
zugunsten  seiner  Wiederberufung;  doch  wurde  er  bei  Barajevo  von  Panduren 
ergriffen  und  getötet.  Ein  mitleidiger  Bauer  begrub  ihn,  später  ward  er  in  Grocka 
beerdigt.  Gleiches  Schicksal  erlitt  dort  sein  Sohn  Luka;  sein  Haupt  wurde  mit 
einem    Tschibuk    im    Munde    ausgestellt;    sein    Leichnam    durfte    nicht    begraben 


4(12         Ucbcr  ('mrnji  Milanovac  durch  das  UudnJkvr  ErzKcbircc  nach  Takovo  usw. 

werikii.  Als  Viicic  spJltcr  zur  Macht  nt'la"K'<-'.  ^al  llija  GaraSanin,  der  Sohn  und 
Bruckr  der  so  schmählich  (jctöictcn,  die  MOrder  von  der  ihnen  zuerkannten 
Todesstrafe  los.  So  zeitjle  flija  schon  jim^  jene  iiohe  Mässi^un^,  die  er  als 
späterer  Minister  und  lierater  des  Fürsten  Mihail  oft  betätigte.  Nicht  immer 
kennzeichneten  gleiche  Vaterlandsliebe  und  Selbstlosigkeit  die  Führer  des  ersten 
serbischen  Aufstandes.  Aus  den  auf  den  folgenden  Seiten  erzählten  Lebensbildern 
geht  aber  zweifellos  hervor,  dass  die  Söhne  der  Sumadija  grossen  persönlichen 
Mut  besassen! 


Da  unsere  Milanovacer  Pferde  für  die  projektierte  Tour  in  der  östlichen 
Sumadija  zu  schwach,  in  Rudnik  aber  keine  stärkeren  aufzutreiben  waren,  stellte 
sich  mir  der  dem  Ingenieur  Manok  befreundete  wohlhabende  Todor  Rakic,  Neffe  des 
erwäiinten,  vielgenannten,  an  der  Ostrovicaer  Strasse  bestatteten  Wojwodcn  Rakic, 
persönlich  mit  seinem  guten  Oefährt  zur  Verfügung.  Der  Frühmorgen  des 
16.  September  1888  traf  uns  auf  der  nördlich  an  der  Jasenica  hinziehenden 
Strasse  bei  den  schon  seit  1859  eine  Kirche  und  seit  1865  eine  Schule 
besitzenden,  auf  beiden  Ufern  zerstreuten  Gehöften  von  Jarmenovac  gegenüber 
der  lidlie,  deren  alter  Begräbnisplatz  mit  einfachen  Gedenksteinen  „Zivutsko 
groliije"  genannt  wird.  Nortiöstlich  nehmend,  kreuzten  wir  kurze  Einschnitte  mit 
Tonscliiefern  und  [^otiiegendem.  Bei  der  neueren  Ansiedelung  Manojiovci 
trafen  wir  neben  seiner  ehemaligen  „valjevica"  (Häutewaschwerk)  eigenartige,  im 
XVII.  Kapitel  geschilderte  Pfiaumendörren  und  noch  grössere  in  G.  Satornja, 
wo  wir  auf  den  1864  vollendeten  Südostzweig  der  Belgrader  Strasse  übergingen 
und  einen  Abstecher  zu  seiner  altberühmten   Kirche  machten. 

,\uf  waghalsigen  Touristen  gewiss  grosses  Vergnügen  bereitendem  Pfade 
erreiciiten  wir  die  bald  nach  der  Kosovoschlacht  gestiftete  „Nikolacka  crkva" 
in  ungewöhnlich  pittoresker,  aber  so  schwer  zugänglicher  Nordostschlucht  des 
Sturac,  dass  ihr  vom  Popen  beklagter  spärlicher  Besuch  mich  gar  nicht  wunderte. 
Der  ältere  Teil  bildet  einen  16  m  langen,  4,5  m  breiten  geradlinigen  Bau  mit 
auf  vier  vorspringenden  Wandpfeilern  ruhender  hoher  Zentralkuppel,  halbrunder 
Chorapsis  und  Narthex,  dem  ein  zweiter,  von  kleinem  Turm  überragter,  wahr- 
scheinlich im  F^enovierungsjahr  1817  angefügt  wurde.  Unter  Fürst  Alexander 
Karadjordjevic  erneuerten  2ivko  Pavlovic  und  llija  Stojcevic  aus  Pozarevac  1850 
teilweise  ihre  Fresken;  die  nicht  übermalten,  sehr  beschädigten  im  Narthe.x  dürften, 
den  sie  umrahmenden  Ornamenten  nach  zu  urteilen,  etwa  130  Jahre  alt  sein.  Am 
Wcstportal  mit  weissmarmornem  Türrahmen  verkündet  eine  altslavische  Inschrift, 
dass  dieses  ehemalige  Kloster  Sv.  Nikolja  im  J.  1425,  demnach  von  dem 
Despoten  Stevan  Lazarevic  gestiftet  wurde.  Beschattet  von  einer  majestätischen 
alten  Linde  böte  diese  Satornjaer  Heilstätte  für  Maler  ein  dankbares  Motiv. 

Nach  auf  lauschigem  Grunde  genommenem  frugalen  Imbiss  ging  es  durch 
die  schattige  Klosterschluciii  hinaus  auf  die  sonnige  Strasse.  Sie  kreuzt  die 
Jasenica  im  grossen  Blaznava,  Stammort  des  ungemein  begabten,  schon  frühzeitig 
viel  von   sich  spreciien   machenden  ersten  Landesregenten  nach  Fürst  AAihails  Tod. 


Ueber  üornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         40^ 

Der  1815  geborene  Milivoj  Petrovic  Blaznavac  begleitete  Knicanin  1848 
als  Adjutant  in  den  Krieg  gegen  die  Ungarn,  avancierte  für  dort  erworbene 
Verdienste  und  bewiesenen  Mut  rasch  zum  Major,  vollendete  sodann  seine 
technisch-militärische  Ausbildung  zu  Wien,  Paris,  Metz,  studierte  die  Waffen- 
fabrikation in  Belgien  und  nahm,  zurückgekehrt,  den  grössten  Einfluss  auf  die 
Hebung  des  serbischen  Rüstungswesens.  Bald  trat  B.  auch  politisch  hervor, 
indem  er  als  Oberstleutnant  und  Chef  der  Militärsektion  im  Ministerium  des 
Innern  während  der  Entthronung  des  Fürsten  Alexander  Karadjordjevics,  der  ihn 
oft  mit  geheimen  Missionen  nach  Agram  usw.  betraute,  dessen  Partei  nahm. 
Der  Hhr-  und  Geldgeiz  dieses  begabten  Mannes  ging  so  weit,  dass  er  —  wie 
mir  von   glaubwürdiger  Seite   versichert  wurde   —   seine  Mutter  nicht  schonend, 


Kloster  BlagoveMenijc. 


sich  selbst  als  natürlichen  Sohn  des  Fürsten  Miloä  bezeichnete  und  von  diesem 
im  Bade  Rohitsch  gewalttätig  eine  grosse  Summe  Gold  erpresste,  wodurch  er 
sich  Milo§  so  verhasst  machte,  dass  er  ihn  bei  seiner  Rückkehr  nach  Serbien 
sofort  verhaften  Hess  (1859).  Von  dem  sein  grosses  artilleristisches  Wissen 
schätzenden  Fürsten  Miliail  begnadigt,  leitete  B.  als  Oberst  das  Kragujevacer 
Arsenal  (1861  —  1865),  wurde  sodann  Kriegsminister  und  bald  nach  dem  Topt^iderer 
Mord  erster  Regent  Serbiens.  Mehr  gefürchtet  als  geliebt,  spielte  er  bis  zu 
Milans  Grossjährigkeit  die  hervorragendste  Rolle.  Über  seine  auf  die  hiK-hste 
Stellung  gerichteten  Pläne,  über  die  A\iitive  seiner  Fhe  mit  Kala  KonslantiiioviO, 
einer  Verwaiuiten  dei  Ohrcnovic,  und  seinen  plötzlichen  Tod  sind  die  iniglaub- 
lichsten Gerüchte  verbreitet!  /u  Kragujevac  leben  noch  heute  sehr  geachtete 
Mitglieder  der  Familie  dieses  interessanten  Sumadijers;  namentlich  machte  sich 
Miloje  Blaznavac  um  die  Verbesserung  des  heimischen  Schweineschlags  durch 
englische  Inzucht  verdient. 

Auf  dem  rechten  Ufer  der  Jasenica  ging  es  weiter  durch  Masloi^icvo,  aus 
dem    Karadjordje    sich    seine   I'rau   Jelena    geliojt.    nach    Stragare    im    Östlichen 


I'il  lieber  (jornji  Milnnovnc  durch  das  Rudnikcr  ErzccbirKC  nach  Takovo  usw. 

Sturac-Einschnitt  der  Srcbrnica,  deren  Namen  schon  auf  den  starken  Silber){ehalt 
seiner  müchtit^en  Bleierze  hindeutet.  Für  den  grossen  Verkehr  dieses  wichtigen 
Strassenpuiikles  sprachen  seine  fünf  Ducane  (Läden),  für  seinen  schhmmen  Ruf 
die  wenig  anheimehule  Mehana,  in  der  sich  höchst  verdächtig  aussehendes  Volk 
umhertrieb.  Der  Pfarrer  erzählte  uns,  dass  die  früher  braven  Leute  durch  das 
politische  Parteiwesen  ganz  demoralisiert  und  auch  sonst  sittlich  so  verdorben 
wurden,  dass  es  nur  wenige  reine  Mädchen  im  IJorfe  gebe.  Die  nahe  k.  [Pulver- 
fabrik, in  der  zeitweise  viele  Soldaten  arbeiten,  trägt  wohl  mit  Schuld  an  der 
hier  stark  gesunkenen  Moral. 

Eine  halbe  Stunde  bachautwärts  liegt  zwischen  Stragares  weissen  Pulver- 
nnihlcn,  in  einst  waldreicherer  Schlucht,  das  historisch  interessante  Kloster 
Sv.  Blagoveätenije  (Maria  Verkündigung).  Sein  Kirchlein  mit  quadratischem 
riirni,  gleich  breitem  niederen  Schiff  und  anschliessender  Chorapside,  ward  wohl 
wie  manch  anderes  verfallene  im  Pudnikgebiet  von  dort  im  14.  und  15.  Jahrh. 
beschäftigt  gewesenen  ragusanischen  Bergleuten  erbaut.  Dem  traditioneilen 
Glauben,  die  Kirche  sei  bedeutend  älter,  widerspricht  schon  ihr  während  der 
durch  den  Archimandriten  Vasilije  1795  erfolgten  Erneuerung  wohl  kaum  ver- 
änderter Grundriss.  Unter  dem  dort  vor  zwei  Decennien  eingerissenen  Schlendrian 
ging  das  Klostur  sehr  zurück.  Namentlich  sahen  die  Wohngebäude,  obschon 
1841  gründlich  renoviert,  schlecht  aus;  zuletzt  wurde  es  aber  bedeutend  besser. 
Das  Kloster,  dessen  Secisorge  ein  Iguman  und  ein  Duhovnik  versehen,  besitzt 
ein  Kapital  von  nahezu  lOOOO  d,  66  Hektar  Felder,  Wiesen,  Obst-  und  Weingärten, 
auch  120  Hektar  Wälder,  die  allerdings  durch  den  auf  S.  454  erwähnten  Zyklon, 
welcher  Buchen-  und  Ahornäste  bis  zum  16  km  fernen  Cumic  trug,  stark  verwüstet 
wurden. 

Am  6.  April  1796  erschien  am  Sabortag.des  Klosters  Karadjordje  in  der 
Kirche,  um  Vergebung  für  die  Tötung  seines  Stiefvaters  zu  suchen.  Als  der 
Archimandrit  Gligorije  nach  der  Liturgie  vor  dem  versammelten  Volk  für  ihn  um 
Vergebung  bat,  rief  dieses  dreimal:  „Möge  Gott  ihm  verzeihen!"  Hierauf  verteilte 
der  Entsündigte  200  oka  Brot,  ebensoviel  Wein  und  Rakija  „für  die  Seele  des 
Gelöteten"  unter  die  Menge,  dem  Kloster  schenkte  er  einen  Ochsen  und  dem 
Iguman  für  sein  Gebet  5  Dukaten. 

Wie  ward  Karadjordje  zum  Mörder  seines  Stiefvaters?  Die  Ursache  hängt 
mit  den  traurigen  Verhältnissen  der  serbischen  Rajah  kurz  vor  dem  Ausbruch 
des  Freiheitskrieges  zusammen.  Als  Sohn  armer  Eltern,  welche  von  einem  Dorfe 
zum  anderen  zogen,  um  ihr  Leben  zu  fristen,  trat  der  heranwachsende  Karadjordje 
gleichzeitig  mit  seinem  Stiefvater  Petronije  in  den  Dienst  des  berüchtigten  Fazli- 
bascha  zu  Banicina  (Stojacak),  der  den  kräftigen  Burschen  mit  auf  seine  Raubzüge 
nahm.  Des  bösen  Leumunds  wegen,  in  den  ihn  das  ehrlose  Handwerk  brachte, 
verliess  Karadjordje  seinen  moslimischen  Brotherrn,  siedelte  sich  in  Zagorica  an 
der  Belgrader  Strasse  als  bescheidener  Viehzüchter  an  und  heiratete  dort  seine 
Jelena,  die  ihm  bis  zum  Tode  eine  treue  Gefährtin  blieb.  Arm,  hütete  er  selbst 
seine  kleine  Herde.  Da  geschah  es,  dass  ein  vorbeiziehender  Aga,  dessen  Hunde 
sich   auf   dieselbe   stürzten,   mutwillig   auf   die  erschreckten  Schweine  schoss  und 


Ueber  Oornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         465 

eins  tötete.  Der  erzürnte  Karadjordje  lief  eilends  den  Abhang  hinab,  legte  sich 
bei  einer  Brücke,  welche  der  Türke  passieren  musste,  in  den  Hinterhalt,  und  von 
seiner  sicheren  Kugel  getroffen,  stürzte  dieser  zu  Boden.  Die  Entdeckung  fürchtend, 
flüchtete  Karadjordje  vor  der  Rache  der  Moslims  mit  Frau  und  Eltern  nach 
Sirmien.  Er  hatte  Grund  dazu.  Denn  —  nach  Djukic  —  hatte  Karadjordje  nicht 
nur  diesen  Aga,  sondern  schon  früher  (1786)  drei  vornehme  Türken  getötet.  Auf 
der  Flucht  zur  Sava  weigerte  sich  aber  sein  Vater,  den  es  schmerzte,  die  Heimat 
verlassen  zu  sollen,  weiter  zu  gehen.  Er  wollte  durchaus  zurückkehren.  Alles 
Flehen  von  Seite  der  die  Verfolger  nahe  wissenden  Familie  änderte  nicht  seinen 
Entschluss.  Da  rief  Karadjordjes  Mutter:  „Tötet  ihn!  Möge  die  Sünde  auf  meiner 
Seele  lasten.  Besser  ist's,  vor  Gott  für  diesen  Einen  Rechenschaft  zu  geben,  als 
zu  sehen,  wie  wir  alle  von  den  Türken  zu  Sklaven  gemacht  werden!"  Ein  Wink 
Karadjordjes,  und  ein  sie  begleitender  Mann  namens  llija  streckte  den  Alten  mit 
einem  Schuss  nieder;  wo  er  fiel,  ward  er  eilends  begraben.  Bei  Ostruznica 
setzte  die  rasch  weiter  eilende  Familie  auf  sirmischen  Boden  über. 

Wie  wurde  Karadjordje  der  populärste  Führer  des  serbischen  Freiheitskampfes? 
Im  Kloster  Kruäedol,  wo  er  nach  gelungener  Flucht  sich  als  Waldhüter  verdang, 
blieb  seine  Familie,  als  er,  des  friedlichen  Lebens  satt,  1788  der  österreichischen 
Werbetrommel  folgte.  Karadjordje  trat,  nach  Kaiser  Josefs  Kriegserklärung  an 
die  Pforte,  in  das  vom  Hauptmann  Vuleta  Mihailjevic  gebildete  serbische  Frei- 
korps und  machte  in  dessen  Reihen  den  ganzen  vierjährigen  Krieg  mit.  Nach 
dem  Abzug  der  österreichischen  Truppen  aus  Serbien  (1791)  wurde  das  Freikorps 
aufgelöst  und  Karadjordje  kehrte  —  da  der  Friedensvertrag  eine  allgemeine 
Amnestie  stipulierte  —  nach  Topola  zurück,  wo  er  nun  wie  früher  Landwirtschaft 
und  Viehhandel  trieb.  Sein  bei  jedem  Anlass  hervortretender  Mut  und  das 
Ansehen,  welches  ihm  die  im  kaiserlichen  Korps  erworbene  Charge  eines 
Unteroffiziers  gab,  gewannen  ihm  in  immer  grösseren  Kreisen  das  Vertrauen  der 
uiilerdrückteii  R;ij;ili.  X'ielkiclit  um  lieren  Österreich  bewiesene  Sympathie 
abzuschwächen,  entschloss  sich  liie  Pforte  zu  energischeren  Massnahmen  gegen 
die  erneuerten  Ausschreitungen  von  selten  der  rebellischen  Janitscharen.  Mastai 
(Mustapha?)  Pascha,  der  Gouverneur  von  Belgrad,  rief  die  Rajah  zur  Bekämpfung 
des  Aufstandes  auf  uiul  Karadjordje  wurde  zum  Anführer  (Bimbascha)  einer 
Flotte  ernannt  ')■ 

In  dieser  Stellung  traf  ihn  nach  Mastai  Paschas  Ermordung  das  Jahr  1803, 
in  (kni  er,  an  die  Spitze  der  serbischen  Aufständischen  des  Gaues  Jasenica 
tretend,  in  das  bereits  geschilderte  OraSac  einige  seiner  vertrautesten  Freunde 
anlässlicli  einer  llochzeitsfeier  im  Hause  des  Stevan  Toniic'  berief.  Nach  dem 
Mahl  begaben  sich  iler  funktionierende  Bukoviker  Prota  Arseiiije  mit  Karadjordje. 
Jiikif,  l'ilipovlc  und  den  angesehensten  Knezen  in  eine  abseits  liegende  Schlucht. 

')  Ml  IkiuiI/'i'  liui  Djiikics:  Kar.KlJDrdjcs  Ijebiirtsorl,  dessen  Hiulrilt  in  die  oslor- 
reicIiisclR'  Armee  urul  Kiickkclir  nach  Serbien,  in  iiborzeu)(cndvr  Weise  klarstellende  Studie, 
welche  viele  irrige  Anfallen  Inniarlines  in  Milii'evii's  „Srl>ija"  u.  a.  Werke,  gestill/l  auf 
authentische  Quellen,  herichliKl. 

l-,  KANITZ,   ScrhicM     I,  M 


!•'>'')         Dfbcr  (iornji  Milanov<nc  durch  das  Riidnikcr  ErzKCbirKC  n<ich  Takovo  usw. 

Dort  schikleric  dur  Geistliche  in  feuhKcr  Rede  den  unerlräKlichen  türkischen 
Druck.  „Die  firde  stiihnt,  und  der  Himmel  weint  ob  unserer  Schmach."  Alle 
sliinniten  bei,  dass  es  nicht  so  fortdauern  dürfe.  Dann  hielt  der  Prota  sein  Kreuz 
hoch  über  die  KOpfe  der  tiefbewegten  Männer  und  liess  sie  einen  furchtbaren 
Schwur  leisten,  im  kommenden  März  zum  Aufstand  bereit  zu  sein:  „Weib  und 
Kind  schicken  wir  in  die  I^er^e,  wir  aber  wf)ilen  ^''K'^n  i''*-'  Türken  (4<-'ficn;  wer 
zum  Verräter  würde,  der  solle  weder  hier  noch  dort  Glück  und  Ruhe  finden  oder 
in  das  Antlitz  Gottes  schauen!"  Alle  schwuren,  küssten  das  Kreuz  der  Reihe  nach 
und  kehrten  wieder  heim,  um  für  den  „jungen  Frühling"  das  Notwendige  vor- 
zubereiten ')• 

Die  Fülirer  kamen  zumeist  aus  Karadjordjes  engerer  Heimat.  Aus  Stragare 
stammt  sein  aucli  als  Kämpfer  an  der  Drina  bekannter  Sekretär  Jani(Jije  Djuric, 
der  einiges  über  die  damaligen  lireignisse  aufzeichnete.  Dort  ward  sein  erster 
FahnenträgerTanasko  Rajic  geboren,  der,  alsGusancAli  1809  mit  12000  Krdzalien 
von  Jagodina  gegen  Kragujevac  zog,  um  Karadjordje  zu  vernichten,  auf  des  letzteren 
Befehl  mit  2000  tapferen  Sumadijcrn  die  Türken  in  einem  Hinterhalt  erwartete 
und  nahezu  aufrieb.  Im  zweiten  Aufstand  befehligte  Rajic  am  Ljubic  die  obere 
Schanze.  Er  hielt  sie,  iiaciuiom  die  untere  mit  den  Kanonen  verloren  war  und 
alles  floh,  bis  er  von  ck'ii  stürmenden,  übermächtigen  Gegnern,  weil  er  nicht  wich, 
in  Stücke  gehauen  wurde.  Wie  Karadjordje  Feigheit  und  Abfall  von  der  Freiheits- 
sachc  strafte,  dies  erfuhr  der  im  Stragare  benachbarten  Trnava  geborene  Miloje 
Petrovic.  1806,  beim  Sturm  auf  Belgrad,  sich  auszeichnend,  hierauf  zu  Reichtum 
gelangt,  gegen  Karadjordje  konspirierend,  enthob  dieser,  als  er  davon  hörte,  ihn 
1809  d^s  Kommandos  vor  Nis.  Miloje  flüchtete  nach  Semlin,  wo  er,  polizeilich 
ybervvacht,  gegen  einige  österreichische  Überläufer  an  Karadjordje  ausgeliefert 
wurde.  Letzterer  liess  ihn  iiinrichten  und  seinen  Kopf  vor  der  Kirche  zu  Belgrad 
auf  einer  Schüsse!  zur  Schau   ausstellen  -'). 

Bei  dem  östlich  vom  13eio  polje  liegenden,  früher  Busnici,  jetzt  Ljubicevac 
genannten  Dorf  steht  auf  einem  Hügel  ein  traditionell  von  den  „Sasi" 
(deutschen  Bergleuten)  erbauter  quadratischer  Turm.  Etwas  östlicher  folgt  eine 
Parallelschlucht,  in  der  wir  nach  einstündiger  Fahrt  auf  schlechter  Strasse  das 
romantisch  liegende  Kloster  V'oljavca  erreichten.  Am  Raine  des  206  Hektar 
auf  dem  610  m  hohen  Barvare  und  800  m  hohen  V.  Ciker  bedeckenden  Kloster- 
waUIcs  ist  der  Talgschiefer  von  auffällig  dichtem  Strauchwerk  überwachsen  und 
wuchert  wilder  Hopfen  so  stark,  dass  er,  abgeerntet  und  mit  echtem  gemengt,  in 
benachbarten  Brauereien  verwendet  wird.  Die  schönen,  dünngeschichteten  Schiefer, 
welche  mit  unseren  besten  konkurrieren  können,  sollten  längst  schon  durch 
Anlage  einer  Schleifmühle  für  Häuserbedachung  usw.  ausgebeutet  werden.  Es 
wäre  ein  lohnendes  Unternehmen,  denn  die  Bauern  würden  bald  von  der  Ziegel- 
deckung abkommen,  die  schlecht  ist  und  deshalb  alljährlicher  Nachbesserung  bedarf. 

Unser  Empfang  von  selten  des  Nastojatels  |osif  Gavrilovic,  der,  kaum  28  Jahre 
zählend,    aus   dem   Kloster   Naupara   bei    Krusevac   zu   Voljavcas   Leitung   berufen 


')  Milidevid,  Srtiija,  246f.  —  ')  Vuk,  Ü.inica,  1829.  21  ff. 


lieber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         467 

wurde,  Hess  an  Freundlichkeit  nichts  zu  wünschen  übrig.  Die  Wirtschafterin, 
eine  ziemlich  junge  Frau,  sorgte  für  ein  gutes  Abendbrot  und  lauschte  mit  uns 
den  Melodien,  welche  Josif  seiner  fär  60  d  erstandenen  Wiener  Harmonika  zu 
entlocken  verstand.  Sein  Mönchskollege,  Kaludjer  Simeon,  mit  ausdrucksvollem, 
von  schwarzem  Lockenhaar  umrahmten  Kopf,  sang  prächtige  Lieder,  darunter 
eins:  „Wie  Nis  befreit  wurde".  Erst  spät  suchten  wir  unsere  Betten  auf.  In 
meinem  mit  dem  Schlafraum  des  jungen  Klostervorstandes  verbundenen  Zimmer 
fiel  mein  Blick  auf  eine  die  Breitwand  füllende  stattliche  Frauengarderobe,  deren 
Besitzerin  am  Frühniorgen  ungeniert  durch  dasselbe  schritt,  um  ihrem  Gebieter 
bei  der  Sonntagstoilette  behilflich  zu  sein.  Hier  wurde  mir  vollends  klar,  dass 
die  einstige  strenge  Observanz  in  vielen  serbischen  Klöstern  selbst  bis  auf  den 
Schein  geschwunden  und  das  Verlangen  der  radikalen  Partei  nach  ihrer  Aufhebung 
gerechtfertigt  sei.  In  Wahrheit  leben  in  denselben  grossenteils  nur  Vorstände, 
welche   sich   mit   der  Verwaltung  des  Gutsbesitzes  beschäftigen,  und  ihnen  dabei 


::-^iv'-j,  ■ 


Klosterkirche  Volj.nvia. 


behilfliche,  oft  so  durch  Arbeit  überlastete  Mönche,  dass  ihnen  für  eine 
beschauliche,  ethischen  Dingen  zugewandte  Müsse  oder  selbst  nur  für  das 
Studium  der  Kirchensprache  wenig  Zeit  bleibt.  Dies  hat  auch  das  frühere  gute 
Verhältnis  mit  den  Nachhargemeinden  zum  Schlimmen  geändert;  der  Klosterwald 
gilt  diesen  als  gute  Beute,  die  Weinberge  oft  nicht  minder.  Mönche  und  Knieten 
liegen  im  fortwährenden  Hader;  die  Regierungsorgane  geraten  aber  bei  solchen 
Prozessen  in  eine  sciiwierige  Lage.  Dass  eine  baldige  Kloslerreform  unauf- 
schiebbar, dafür  köruite  ich  aus  meinen  persönlichen  Aufzeichnungen  viel 
Selbsterlcbtes  anführen;  hier  nur,  dass  beide  VoljavCaer  Mönche  nicht  die 
altslavische  Inschrift  über  dem  Südeingang  zur  Kirche  lesen  konnten,  daher  ihren 
Inhalt  auch  gar  nicht  kaiuiten. 

Nach  dieser  Inschrift  hätte  der  „serbische  Selbstherrscher"  Mihail  Dobro- 
savljevic  die  den  Erzengeln  Mihail  und  Gavril  geweihte  Kirche  1050  gebaut. 
Ihre  Anlage,  Bautechnik  luul  Material  sprechen  aber  nicht  für  ein  so  hohes  Alter. 
Der  von  mir  aufgenommene  (Irundriss  zeigt  ein  10  m  langes,  -1,80  m  breites 
Schiff  mit  2,1  m  ini  Halbkreis  vorspringender  Chorapside  und  zwei  ahnlichen 
Seiteimisciu'M.  In  den  gleich  breiten,  3,20  m  langen  Narlhex  führen  von  W.  und 
S.   zwei    Fingange.   von   welchen   ersterer   mit    geradem  Stur/,   letzterer   rundbogig 


tf!H         I 'fbfr  (lornji  Milanovac  durch  das  Rudnikcr  ErzKCbirüc  nach  Takovo  usw. 

abgeschlossen  ist.  [)ic  Kirche  könnte  trotz  des  schlechten,  einer  gründlichen 
Renovation  bedürfenden  Oberbaues,  durch  ihre  kleine  bizarre  Kuppel  über  der 
Vierung  guten  F:indruck  machen,  wenn  dieser  nicht  durch  einen  ihr  1838  angefügten 
iingeschiachlen  Turm  beeinträchtigt  würde,  als  dessen  Firbauer  sich  Oberst  und 
Senator  Anidije  Curie  Stragarac  inschriftlich  verewigte.  Dem  Innern  der  Kirche, 
ihrem  Bilder-  und  sonstigen  Schmuck  kommen  die  spärlichen  Fenster  sehr  zu 
statten.  Beim  Durchmustern  der  kleinen  Bibliothek  fand  ich  ein  Minej,  geschrieben 
1664,  ein  anderes  von  Sv.  Trojica  und  1755,  beide  mit  stilvollen  Vignetten;  ein 
drittes  vom  J.  1664  aus  dem  Kloster  Dobrilovina  und  ein  1777  von  dem  bau- 
lustigcn  Igumaii  Jevrcmovic  auf  „seine  Kosten  zu  Ehren  seiner  Familie"  in  Semlin 
licdriicktcs  Psalter.  Wieder  bemerkte  ich,  dass  die  geistlichen  Leuchten  sich  für 
ihif  alten  Bücher  wenig  interessierten  und  Geschriebenes  von  Gedrucktem  nicht 
/u  unterscheiden  vermochten. 

An  der  westlichen  Umrandung  des  Klosters  sah  ich  auf  dem  Kalkfelsen 
mich  Mauern  eines  alten  Gebäudes,  in  dem  Serbiens  erster  „gesetzgebender 
Senat"  1805  tagte.  Seine  Demolierung  verrät  wenig  Pietät.  Das  östliche,  vom 
Jeromonach  Aleksija  1765  erbaute  Wohngebäude  sticht  durch  malerische  Unregel- 
mässigkeit sehr  ab  von  dem  südlichen  Neubau  des  Igumans  Josif  von  1865. 
Fr  steht  auf  den  massiven  Kellergewölben,  die  „Iguman  Aleksije  Jevremovic  unter 
Sultan  Hamid  und  Bischof  Joakim  von  Valjevo  1776  vollendete",  nach  der  Strasse 
ein  Stockwerk  von  1 1  Fenstern  Front  bildend,  gegenüber  der  Kazanica,  in 
welcher  das  Kloster  Rakija  brennt.  Ausserhalb  der  westlichen  Klostermauern 
stiess  ich  neben  einem  aus  Sandsteinquadern  ä  la  turka  erbauten  hübschen 
Brunnen 'mit  zerstörter  Leitung  auf  starkes  mittelalterliches  Mauerw-erk.  wahr- 
scheinlich vom  „Schlösschen  Srebrnica" '),  in  dem,  nach  von  dort  datierten 
ragusanischen  Urkunden,  Despot  Djurag  Brankovic  1430  und  1433  sich  aufhielt. 
Damit  wäre  der  von  Jirecek  im  Tale  der  „Srebrnica"  vermutete  altserbische 
llerrschersitz  gefunden  und  erhält  das  am  heute  noch  so  genannten  Bach  in 
prächtigem  Naturpark  liegende  Kloster  Voljavca  vielleicht  höhere  Anziehungs- 
kraft für  die  drei  Orte  seines  Pfarrsprengels,  von  dessen  1400  Seelen  auch  nicht 
eine  zum  Gottesdienst  erschien,  obschon  der  einladende  Glockenklang  an  dem 
von  mir  dort  zugebrachten  schönen  Sonntagsvormittag  weithin  schallte  und 
Dulidvnik  Simeon  die  Liturgie  mit  sehr  sympathischer  Stimme  las. 

Auf  der  Fahrt  durch  die  landschaftlich  herrliche  Banjaschlucht.  in  der  sich 
beim  östlichen  „Parlog"  Voljavcas  neue  Weinkultur,  Obstgärten,  Felder,  Wiesen, 
zusammen  26  Hektar,  umrahmt  von  U55  Hektar  Wald  und  am  mehrere  Mühlen 
treibenden  Bach,  seine  schönen  Herden  unihertummeln,  zeigte  uns  der  Nastojatel 
die  Stelle,  auf  der  ihm  kurz  zuvor  ein  Wegelagerer  die  Uhr  und  Barschaft  nahm. 
Nach  dieser  Erzählung  gefielen  mir  das  verrufene  Stragare  vor  Kotraza  und  die 
folgende  öde  Klisura  noch  weniger  als  früher.  Aus  dem  dort  in  Massen 
anstehenden    Asbest   werden    in   Stragare   Kanonenverschlüsse    und   von   Privaten 


')   Niciit   zu   verwechseln   mit   den    gleichnamigen   Schlössern    an    der  Drina    und    im 
KruJevacer  Kreis  (1.  Bd.,  XVI.  Kap.;  11.  Bd..  IV.  Kap.). 


Lieber  Oornji  Milaiiovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         4fi9 

fcuer-,  wasser-  und  wetterfeste  Gegenstände  hergestellt.  Eine  Fabrikanlage  für 
Dacheindeckung,  Wand-  und  Holzverkleidungen,  Asbest-,  Kautschukwaren  usw. 
würde  sich  zu  Kotraza  sehr  empfehlen,  vielleicht  zeigen  sich  auch  die  Eisenlager 
im  650  m  hohen  Kotrazko  brdo  bei  Vlakce  abbauwürdig.  Der  seit  der  ver- 
besserten Strassenanlage  teilweise  noch  nicht  vernarbte  Terrassenrand  zeigte 
(jneis-  und  Schieferbänke,  auf  welchen  keine  Vegetation  haften  will,  und  nicht 
anheimelnder  sahen  die  zerrissenen  Kalklager  aus,  welche  das  Material  für  die 
unten  am  dünnfadigen  Rinnsal  sichtbaren,  primitiven  Öfen  liefern.  Von  dem  als 
Räuberherberge  verschrienen  Klisurski  Han  ging  es  hinab  zu  dem  nicht  besser 
beleumundeten  Ramaca,  auf  einem  die  Strasse  kürzenden  Seitenweg  über  stark 
unduliertes,  aus  Glimmerschiefer,  Syenit  usw.  konstituiertes  Terrain,  das  Hagebutten, 
wilde  Rosen,  Hopfen  und  anderes  Gesträuch  dicht  überwuchert;  Laubgehölze 
erschienen  hier  und  auf  dem  westlich  die  ganze  traurige  Umgebung  beherrschenden 
Ramaäki  vis  (827  m)  nur  selten. 

Tief  im  Innern  stecken  die  Schätze,  mit  welchen  die  Natur  auch  diesen 
landschaftlich  unschönen  Teil  der  Sumadija  begabt  hat,  und  es  bedarf  nur  der 
Wünschelrute  Kapital,  um  sie  lebendig  zu  machen.  Vom  Kloster  Draca  im 
SO.  bis  zum  nördlichen  Stragare  erfüllen  durch  Milojkovic  im  J.  1888  studierte 
erzreiche  Adern  das  weite  Gebiet'),  deren  Zentrum  der  „Cumic  brdo"  mit  seinem 
Asbestlager  bildet.  Gleich  an  seinem  Südfuss  bei  Senje  und  Vrbica  bergen 
mächtige  Pirolysit-  und  Limonitgänge  Mangan  und  Eisen,  beim  nördlichen  Vlakce 
findet  man  Blei,  im  südlichen  Kutlovo,  bei  zwei  schwefelhaltigen  Quellen,  starke 
Eisenadern,  die  sich  im  SW.  über  Rogojevac  bis  Draca  verfolgen  lassen. 
Viele  Gruben  zeigen,  dass  diese  mächtigen  Lager  in  alter  Zeit  ausgebeutet  wurden. 
Die  grosse  Nähe  des  Kragujevacer  Arsenals  lässt  ihre  baldige  genauere  Erforschung 
hoffen.  Auf  der  Wasserscheide  zwischen  der  Lepenica  und  Gruza  wurde  die 
Strasse  bei  Knezevac  wieder  so  trefflich,  dass  sie  sich  von  der  Chaussee,  auf 
die  wir  bei  Bare  übergingen,  wenig  unterschied.  Die  Fahrt  von  diesem  nach 
dem  Kloster  Vracevänica,  seine  Schilderimg  und  jene  meines  Ausflugs  nach  dem 
gleichfalls  in  einer  Südschlucht  des  Sturac  liegenden  Crnuce  gab  ich  im  X.  Kapitel. 

Die  Hauptstrasse  weiter  nach  W.  verfolgend,  kreuzten  wir  in  44Ü  m  Höhe 
die  (irii/aquelle  und  gewannen  einen  instruktiven  Blick  in  ihr  oberes  Gebiet. 
Rechts  blieb  (iornja  Vrbiiva,  der  Wohnort  eines  ihrer  grösslen  Männer,  des 
vielgenannten  V'ucic,  der  an  Patriotismus  mit  seinem  hier  geborenen  Vetter 
iVUienlije  nihniiicli  welleiferli.',  an  politist  hriii  Talent  ihn  aber  weit  überragte. 
Energisch,  charakterstark  und  freilKitsliebend,  griff  er  tief  in  des  Fürsten  MiloS" 
Leben  ein.  Gbsclion  im  Savailorf  Baric  geboren,  verstand  es  Ton\a  VuCic^ 
I'ericic,  sich  schon  als  junger  Mann  grosses  Ansehen  in  der  Gruia  zu  erwerben. 
Dem  l'ürsten  Milos  erwies  ei  t.\i:n  ersten  wichtigen  Dienst,  als  er  mit  seinen  Leuten 
die  gegen  dessen  Regiment  gerichtete  Bewegung  des  Miloje  Djak  niederschlug 
(IK2,'i).  Von  tia  ab,  bis  \K\5,  wo  er  den  Milelinovicschen  .Aufsland  friedlich 
beilegte,  war  er  euur  der  tätigsten  l'aktoren  m  allen  Angelegenheiten  des  jungen 

')  Uodisiijak  riidiskon  cHleleiij.i,  I,   IHO  lt. 


I7n         Uc'bcr  (jornji  Milanovac  durch  das  Riidnikur  ErzKcbirK«:  nach  Takovo  usw. 

Staates.  Trotz  seines  konservativen  Sinnes  forderte  zuletzt  aucli  VuCic  die 
Hesetzliche  Einschränkung  der  fürstlichen  Macht.  Dies  brachte  ihn  in  GcKensatz 
und  spilter  zu  völiinem  Bruch  mit  dem  absolutistischen  MiloS.  Als  dieser  1839 
das  Land  verliess  und  dessen  Nachfolf^er  Milan  bald  darauf  starb,  führte  Vucic 
tl:c  KcKentschaft  für  den  noch  junj^en  Mihail.  Der  f^arteizwist  gärte  weiter; 
;\\il()s  stand  im  Betriff  zurüikzukehren,  da  erklärte  sich  Vucic  offen  gegen  die 
übrenovic,  und  an  der  Spitze  seiner  üruzaner  1842  nach  Kragujevac  rückend,  schlug 
er  die  fürstlichen  Truppen,  zog  sodann  auf  den  Belgrader  Vraöar  und  proklamierte 
Alexander,  den  Sohn  Karadjordjes,  zum  Erbfürsten  von  Serbien,  dessen  Freund 
und  Gegner  er  nun  abwechselnd  wurde.  Trotz  seines  Einflusses  vermochte  Vucic 
aber  1858  die  Rückberufung  des  allen  Miloä  nicht  zu  hindern.  Dieser  liess 
Vucic,  seinen  erhiltertsten  Widersacher,  sofort  verhaften,  im  Belgrader  Militär- 
spital, wohin  man  den  erkrankten  Gefangenen  brachte,  starb  der  lange  Zeit 
allmächtige  Mann  am  13.  Juli  1859;  ob  keines  natürlichen  Todes,  wurde  nicht 
erwiesen.  Auf  dem  Palilulakirchhof  zu  Belgrad  wurde  er  begraben.  Vuöic 
hatte  trotz  aller  politischen  Kämpfe  stets  ein  warmes  Herz  für  die  Bedürfnisse 
seiner  engeren  Heimat.  Sein  Name  blieb  in  der  Gruza,  in  der  er  sich  durch  die 
hübsche  Kirche  zu  Zakuta  verewigte,  sehr  populär. 

Bei  Vrbova  wurde  die  Strasse  nördlicher  verlegt,  da  man  sonst  4  Brücken 
der  alten  Trace  hätte  erneuern  müssen.  Für  die  abgetretenen  Grundstücke  wurde 
den  Eignern  nichts  vergütet,  weil  sie  für  bei  solchen  Anlassen  ihnen  zufallende, 
oft  weit  grössere,  auch  nichts  zu  bezahlen  haben.  Der  Tausch  mit  dem  tiefer 
liegenden,  Inundationen  ausgesetzten  Terrain  war  aber  kein  guter.  Bei  diesem 
Umbau  wurden  1886  in  einer  ziemlich  starken  Kohlenschicht  des  nördlichen 
Lchinhanges  mit  der  Hand  geformte  Gcfässe  gefunden,  die  leider  zerschlagen,  mh 
ihrem  Inhalt  verloren  gingen  und  wahrscheinlich  von  einer  prähistorischen  Begräb- 
nisstätte herrührten.  Nur  zwei  Lanzenspitzen  aus  Bronze  gelangten  in  das  Belgrader 
Museum.  Auf  dem  Grabovacki  brdo  (440  m)  hatten  wir  die  von  Bare  63  ni 
betragende  Steigung  der  Trace  hinter  uns.  Nun  ging  es  am  gleichnamigen  Bache 
auf  der  trefflichen  topfebenen  Strasse  westlich  bis  zu  seiner  Vereinigung  mit  der 
Majdanska  und  zuletzt  südwestlich  nach  Milanovac.  In  seinem  Kasernenviertel 
herrschte  bereits  nächtliche  Ruhe,  als  wir  es,  zufrieden  mit  unserem  viertägigen, 
vom  prächtigsten  Wetter  begünstigten  Ausflug  in  die  Rudniker  Berge,  durchfuhren. 

Galt  diese  Tour  in  erster  Linie  dem  während  Karadjordjes  Erhebung 
denkwürdig  gewordenen  Waldgebiet,  wollte  ich  am  nächsten  Tag  eine  gleich 
arbeitsvolle  in  die  „Crna  gora"  antreten,  um  Takovo  und  andere  für  die 
übrenovic  und  Vukomanovic  interessante  Punkte,  darunter  den  Geburtsort  der 
letzteren  entstammenden  ersten  Fürstin  Serbiens,  kennen  zu  lernen. 


Die  am  17.  September  eingeschlagene  Valjevoer  Strasse  war  bedeckt  mit 
zur  Stadt  ziehenden  Landleuten,  deren  kräftiger  Schlag  sich  vorteilhaft  von  dem 
unter  meiner  Erwartung  gebliebenen   Aussehen   der  Leute   im   nördlichen   Rudnik 


Ueber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         471 

unterschied.  Zwischen  Sinosevici  und  Klaticevo  steht  der  treffliche  rote 
Sandstein  an,  aus  dem  die  Milanovacer  Kirche  erbaut  wurde.  Am  gleichnamigen 
Bache,  wo  die  Strasse  nach  Takovo  westlich  abzweigt,  trafen  wir  den  Dorfkmeten 
mit  einigen  Bauern  beschäftigt,  die  angefaulten  Brückenbalken  durch  neue  zu 
ersetzen;  diese  waren  aber  so  schlecht  zugerichtet,  dass  mein  Begleiter  im 
strengsten  Ton  ihre  Auswechselung  befahl.  Der  Kreisingenieur  liegt  mit  den 
Gemeinden  in  ewigem  Kampfe  wegen  der  entsprechenden  Instandhaltung  von 
Strassen  und  Brücken;  beiderseits  wünscht  man,  dass  der  Staat  diese  Aufgabe 
übernehme,  was  seine  mageren  Finanzen  aber  kaum  bald  hoffen  lassen. 
iinmerliin  gehören  die  Wege  im  Milanovacer  Bezirk  zu  den  besten  im  Lande. 
Seine  300  km  Strassen  waren  im  September  1888  bis  auf  wenige  gut  beschottert. 
Von  1881  — 1888  wurden  durch  Herrn  Manok  verbessert  oder  ganz  neu  erbaut  die 


I 


VRBICA.    I'r;iliisturis(.'lic  Lanzcnspilzcii. 


Strecken:  Valjevocr  Kreisgrenzc  — Srezojcvci  — Cacak  38  km,  Rudnik  — Kalanjevci  — 
Belgrader  Kreisgrenze  37  km,  Mrcajevci —  Milocac  —  Sirca  30  km,  Ljubic  — 
Vidova  — Kablarberg  26  km,  Gukoäi  — Slavkovica  — Rajacberg  — BräiCi  23  km, 
Gukoäi  —  Moravci  — Belgrader  Kreisgrenze  8  km.  Während  dieser  Zeit  wurden 
auch,  ausser  vielen  kleinen  Holzbrücken,  drei  Sieinbrücken  über  den  Duboki  potok 
und  eine  grosse  Quadernbrücke  mit  drei  Öffnungen  über  die  Despotovica  vollendet, 
walniicli  eine  L;anz  erstauiiliLhe  Leistung  im  Hinblick,  dass  Manok  alle  Tracierungcn 
ohne  teciniische  Heihillc  iiiii  iini^esrhnllen  Mauern  im  meist  gebirgigen  Terrain 
ausführen  musste. 

Nach  S.  lihckleii  wir  ui  cm  dei  anmutigen  Sulz  bei  Wien  tihnlichcs  Tal. 
Hs  folgte  eine  waUlldse  Hochebene  mit  zwischen  Obstbäumen  hervorlugenden 
kleinen  Gehöften,  etwas  weiter  sein  berühmter  l-'riedhof  mit  allen  Grabsteinen. 
hohen  llolzkreuzen,  noch  älteren  Kiclien  und  ein  unter  ihren  Laubkronen  verstecktes 
Kirclikin.  Das  war  Takovo,  wo  am  Palmsonntag  1815  Miloä  Obrenoviii  nach 
beendetem  Gottesdienst  vor  iler  luächlig  geschnitzten  Kirchentür  inmitten  der 
mutigsten  Knezen  der  b^umadij.i  ileni   herbeigeströmten  Volk  verkündete:  dass  nur 


172         Ucbcr  Gornji  Milnnovac  durch  das  Kuünikcr  Erzgebirge  nach  Takovo  usw. 

offener  Widerstand  die  türkische  Tyrannei  enden  könne!  Bei  den  Worten:  „Hier 
bin  ich,  hier  die  Nationalfahne,  Krie^  mit  den  Türken!"  drängte  sich  alt  und 
jiinji  hej^eistert  um  ihn  und  schwur  treues  Ausharren  dem  kühnen  Beginnen. 

Tief  bewefjt  betrat  ich  durch  den  kaum  1,5  m  hohen  Eint^anjj  den  dem 
hl.  Sava  geweihten,  tonnenförmiK  abgeschlossenen,  durch  wenige  Schicssschartcn 
etwas  Licht  cmpfanjicnden  Kirchenraum.  I:r  hat  nur  4  m  Höhe,  10,5  m  Länge, 
4,1  m  Breite,  ist  aber,  obschoii  vor  einem  Jahrhundert  von  einfachen  Waldbauern 
aus  Weidenholz  gezimmert,  ein  wahres  Musterstück  tüchtiger  Arbeit.  Die  von 
hohem  Kreuze  überragte  Ikonostasis  zeigt  gleichschönes  Schnitzwerk  wie  die 
Eingangspforte,  deren  stilistisch  gemusterte  Aussenseite  ich  zeichnete  und  hier  als 


TAKOVO,  Kirche  und  Glockenturm. 


Illustration  des  grossen  Kunsttalentes  dieser  Autodidakten  wiedergebe.  Der 
Effekt  der  Biätterrösen  wird  durch  die  blau  und  rot  gefärbten  Kerben  und 
Füllungen  gesteigert,  von  einigen  Teilen  der  Bilderwand  aber  noch  übertroffen. 
Vor  dieser  hängen  3  Ampeln  und  einige  böhmische  Glaslustres  so  tief  herab, 
dass  man  sie  leicht  entwenden  könnte,  und  doch  wird  die  Kirche  nie  gesperrt. 
Im  J.  1887  war  sie  der  Schauplatz  eines  grossen  Festes,  von  dem  vergilbte 
Kränze  der  Gemeinde  Takovo,  der  Cacaker  Schützengesellschaft,  der  Milanovacer 
Mädchenschule  u.  a.,  dann  einige  Fahnen  die  Wände  schmücken. 

Von  dort  zogen  die  aus  weiter  Ferne  herbeigeströmten  Gäste,  Deputierte, 
Offiziere,  Geistliche  und  zahlloses  Landvolk,  unter  dem  Glockengeläute  des 
zweigeschossigen,  das  Kirchlein  überragenden  Turmgerüstes,  zum  1  km  westlicheren 
„Takovski  grm".  So  heisst  die  auf  umhegtem  Wiesenplan,  zwischen  der 
Dicina  und  Ljeskovica   stehende   mächtige   Eiche,   unter  deren   Blätterdach  Milos 


Lieber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.        475 

mit  den  Vertrauten  jene  Beratungen  hielt,  weiche  der  offenen  Erhebung  am 
Palmsonntag  vorausgingen.  Es  galt  das  zur  Erinnerung  an  diese  heroische  Zeit 
aufgerichtete  Denkmal  mit  Rede  und  Gesang  einzuweihen.  Ich  sah  noch  das 
einfache  Rednerpult,  die  Tribünen  und  konnte  mir  im  Geiste  das  farbenreiche 
Bild  vergegenwärtigen,  das  sich  im  Vorgrunde  der  heute  noch  allen  Stürmen 
trotzenden  Eiche  abspielte.    Die  Idee  zu  dieser  schönen  Feier  gab  der  Milanovacer 


TAKOVO,    Kirchciiliii    l.s.ss. 


Nacfliiik  Mildvaii  Hranovac;  Ingenieur  Josel  iWanok  entwarf  den  Plan  und  der 
Biklhaiier  Mijaild  M.  Cebinac  zu  Kraljevo  übernahm  für  6000  d  die  Ausführung 
des  5  Ml  linlicii  Denkmals  aus  rotem  polierten  Marmor.  Auf  sechsseitigem 
Unterbau  iiiul  von  ti  ilurcli  [ironzekelten  verbundenen  l'ilastern  umfangen,  zeigt 
sein  aufstreiiender  ciuadratischer  Obelisk  aul  einer  Seile  die  Inschrift;  „Cveti 
(Palmsonntag)  1815";  auf  iler  /weilen;  das  fürslliehe  Wappen,  darunter  einen 
Kranz  von  Lorbeer  und  lüchenlaub;  die  dritte  besagt;  „Unter  der  rühmlichen 
Regierimg  Sr.  Maj.  König  Milan  I.  errichtete  dieses  Denkmal  das  Volk  des  Rudniker 


17()         UcIkt  (iorriji  Mil.'iniivac  diirirh  das  Rudnikcr  ErzRcbiruc  nach  Takovo  usw. 

Kreises  1HK7";  die  vierte  zieren  das  gleichfalls  reichvcrKoldcte  Bild  der  Eiche  und 
Ljuboniir  Nenadoviös  patriotischer  Sinnspruch:  „Mit  der  Zeit  wird  dieser  Eichen- 
bauni  vurtlorren  und  das  Steinmal  verwittern,  aber  ewig  wird  Serbien  bestehen 
und  sich  Miloä'  Namen  erinnern."  —  Die  trotz  manch  verlorenen  Astes  noch 
heute  imposante  Eiche  schützen  am  besten  die  auf  ihrem  Stamm  anf^csiedellen 
Wespen.  Nur  mit  grosser  Vorsicht  konnten  wir  seinen  Umfang  mit  9  m  messen. 
Nordiistlicli  steht  unter  jüngeren  Eichen  jene,  welche  Fürst  Mihail  als  Prinz 
pflanzte,  ferner  'i'akovos  neues  Schulhaus,  wo  die  Erinnerung  an  die  Grosstat 
von  1K15  eifrig  gepflegt  wird.  Am  21.  September  1901  bot  die  dankbare 
Gemeinde  dem  durchreisenden  KOnigspaar  eine  von  ihr  im  Schweizerstil  erbaute 
Villa  für  Besuche  der  durch  Milos  denkwürdig  gewordenen  Umgebung  des 
Kirchleins  an,  das  mit  der  Geschichte  der  Obrenovic  und  Serbiens  eng  verknüpft  ist: 


TAKOVO,  Obrenovie-Villa  1901.     • 


Durch  einen  iandschattlicii  prächtigen  liinsLlinitt,  bei  dem  zwei  nahe  der 
Dicina  stehende  Riesenbirken  ein  Portal  bilden,  fuhren  wir  an  ihrem  linken  Ufer 
hinab  zur  Stelle,  wo  sie  über  stark  erosierte  Felsklippen  tosend  hinschäumt. 
Am  nach  Volksglauben  vom  hl.  Sava  hervorgerufenen,  heilkräftigen  „Savinac", 
wo  er  gebadet  und  der  Eindruck  seiner  Sohlen  im  Gestein  noch  sichtbar,  nistete 
sich  im  malerischen  Baumdickiclit  eine  primitive  Mühle  an.  Gegenüber,  auf  dem 
gleich  romantischen  rechten  Ufer  erbaute  Fürst  Milos  1819  die  schöne  „Savinja- 
kirche"  mit  hoher  Kuppel  und  siebenscitiger  Chorapside  aus  Sandsteinquadern, 
nach  der  über  dem  Südchor  angebrachten  rotmarmornen  Inschrifttafel  „zur 
Erinnerung  an  die  Fürstin  Ljubica"  ')■  1860  liess  er  den  Bau  renovieren,  der 
ohne   die   ihm   angefügte   plump   gezimmerte   Vorhalle   harmonisch   wirken   würde. 


M  Der  klare  Wortlaut  dieser  liisehrift  widerspricht  der  in  .Wilicevics  „Srbija",  119 
mitgeteilten  (jründungssage.  welche  den  Bau  mit  .Wilos'  Bruder  .Milan  in  \'erbindung  bringt. 
—  Unrichtig  ist  auch  die  Bezeichnung  der  Pfarrkirche  „Savinacka  crkva"  als  „Manastir" 
auf  der  neuen  serbischen  Generalstabskarte. 


.-^^^eC':^,- ^:J#fe. 


-.  i 


(iOKNIA  noHKlNJA,   MiloV  flchiitlsorl         Die  Snvlninklrchc  iiiut  Saviiuc^uclle. 


lieber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         479 

Milos'  Bruder,  Gospodar  Jovan  Obrenovic,  errichtete  sie  zum  Schutze  der  Grab- 
stätte seiner  Töchter  Jelisavet  und  Savka;  sein  Sohn  Obren  (f  1828)  ruht  rechts 
vom  Ahar.  Die  Ikonostasis  ist  reich  geschnitzt  und  vergoldet.  Auch  der 
Glockenstuhl  neben  einer  schattigen  Esche  verschönt  die  Kirche.  Auf  ihrem 
nordöstlichen  Vorplatz   widmete   Fürstin  Ljubica   ihren   „leiblichen   Brüdern  Luka, 


^ 


■  ■■/■ .  '>f  . 

rAKOVO,   AMIi>s-I;kIu'  mul  DiiikiiLiI  1S.SS. 


Polar  lind  TiKior  vom  Stamm  Vukomaiiovic"  inic  iniMnimunif  inschriftplatte  mit 
aiürechtstcluMuk'm  vveissmarmornen  Kreuz.  I.uka  lebte  48  Jahre  (f  I8;i3),  Polar 
'.\2  lalire  (j-  \H'X\).  Idiinr  „j^inj^  in  seiner  Jugend  hinüber  zur  Kwigkcil".  Neben 
diesem  üenkmal  steht  ein  anderes,  errichtet  l'etars  Sohn,  Kapetan  .Mihailo 
Vukomanovic,  „Kommandant  der  Rudniker  vojska  (IH2i),  f  1872  zu  Milanovac), 
von  seiner  Mutter  Vasiija  VukomanoviC",  die  93j;ihrig   1894  in  Belgrad  starb. 


IHO         lieber  Oornji  Milannvac  durch  das  Rudniker  ErzgcbirKC  nach  Takovo  usw. 

Von  clur  Grabstätte  der  Viikomanovid-  führte  mich  mein  ProKramm  zum  Sitze 
dieses  alten  Geschlechts,  dessen  Urahn  Viikoman  durch  Kaiser  Friedrich  Barbarossa 
zum  Lohn,  dass  er  iiin  aus  LebensKefahr  errettet,  geadelt  worden  sein  soll. 
Obschon  aber  Serbiens  erste  |-iirslin  ihm  entstammt  und  es  dem  Lande  viele 
tapfere  i'.itrinten  j^ab,  fand  es  merkwürdif^erweise  keinen  Biographen.  Nach 
einstiiiuiit^er  Fahrt  kreuzten  wir  hinter  Lod'evfi  die  Difina  an  einem  Punkte  mit 
prächtigem  Blick  in  ihr  cnf^es,  waldreiches  Quelltal.  Kalk,  Kalkschiefer,  Grau- 
wacke,  Syenit  und  bleihaltiges  Gestein  konstituieren  die  sanft  ansteiKcnde  Terrasse, 
zu  der  6  lan^e  Serpentinen  hinaufführen.  Die  Eile,  mit  welcher  diese  1885,  auf 
Milans  Befehl  neu  anf^elcKte  Cacak-Valjevoer  Strasse  ausj^eführt  werden  musste, 
macht  sicii  stellenweise  durch  die  sehr  steile  Trace  und  den  schlechten  Unterbau 
bemerkbar.  lliiitLM  Brezna  brachte  uns  ein  südöstlich  abzweigender  Vizinalweg  auf 
das  e."??  m  hohe  üvcicaplateau,  das  noch  vor  30  Jahren,  gleich  der  ganzen  Crna  gora, 
(lichter  Waid  bedeckte,  dessen  einstige  Pracht  einzelne  Baumriesen  bekunden.  Die 
vermehrte  Bevölkerung,  ihre  erhöhten  Bedürfnisse,  Steuern  und  die  grössere  Lust 
am  Obstbau  veranlassten  starke  Rodungen.  Durch  eine  volle  Stunde  ging  es  nach 
unserem  Ziele  Srezojevci,  zwischen  schönen  Pflaumengärtcn.  Maisfeldern  und 
Wiesen,  der  unter  dem  703  m  hohen  Gaiic  weithin  zerstreuten,  durch  viel  Holz  ver- 
schlingende Pfahlzäune  getrennten  Gehöfte,  von  welchen  1 4  den  Vukomanovic  gehören. 

Die  „Zadruga"  (Hauskommunion)  des  Staresina  Milos,  die  uns  gastliche 
.Aufnahme  für  die  Nacht  gewahrte,  zählte  21  Seelen.  Dass  .ich  ihr  Grüsse  von 
der  in  Wien  wohnenden  Frau  Mina  Vukomanovic  brachte,  gereichte  uns  zur 
Empfehlung.  Die  jüngeren  Frauen  bemühten  sich,  ein  gutes  Abendbrot  zu  bereiten. 
Die  an  der  Zwetschgendörre  und  im  Felde  beschäftigten  Familienglieder  waren 
iicimgekehrt,  mit  iimen  ein  Teil  des  Hausviehes  und  das  Gehöft  bot  nun  das 
Bild  eines  beiiäbigen  Haushalts,  dessen  Mittelpunkt  das  grössere  Slaresinahaus 
zwischen  den  kleinen  Holzhäuschen  der  verheirateten  Söhne  bildete.  Die 
Organisation  des  Haushalts  glich  auch  hier  der  zu  Desic  geschilderten  (S.  370). 
Alle  Männer  des  Gehöfts  zeichneten  sich  durch  hohen  Wuchs  aus,  welchen  das 
schöne  Kostüm  prächtig  hervortreten  Hess.  Man  trägt  in  der  Crna  gora  im 
Sommer  ein  weisses,  an  der  Brust  gesticktes  Leinenhemd,  weite  Beinkleider  von 
gleichem  Stoff,  die  bei  den  buntwollenen  Strümpfen  gebunden  werden,  einen 
schmalen  Leibgurt,  Bundschuiie  und  mehr  als  im  übrigen  Serbien  das  rote  Fez. 
An  kühlen  Tagen  tritt  hinzu  der  auf  der  Brust  geschlossene  wattierte  „grudnjak" 
und  eine  Jacke  von  braunem  Tuch.  Die  Frauen  tragen  über  dem  Jelek  (Leibchen) 
den  Zubun,  das  weisse  ärmellose  Oberkleid  von  Abatuch,  mit  aufgenähten  reichen 
Verzierungen,  einen  blauen  Rock,  der  die  bunten  Strümpfe  sehen  lässt,  und  ein 
weisses  Kopftuch.  Der  Hausrat  ist  denkbar  einfach.  Der  niedere  Tisch  und 
kleine  dreibeinige  Stühle  ohne  Lehne  sind  allgemein  gebräuchlich.  Hingegen 
enthält  jedes  Häuschen  einen  grossen  Vorrat  von  Polstern,  Teppichen,  Decken, 
und  an  den  Wänden  hängt,  sorgfältig  bedeckt,  der  reiche  Kleidervorrat.  Zu 
Kästen  hat  man  es  hier  noch  nicht  gebracht;  hingegen  fand  das  Petroleum 
Eingang;  mindestens  gibt  es  neben  den  primitiven  Talgkerzen  in  jedem  Gehöft 
eine  Lampe,  gewöhnlich  österreichisches  Fabrikat. 


Lieber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw. 


481 


Da  der  Abend  kühl  war,  folgten  wir  gern  unserem  Gastfreund  Milo§  zur  grossen 
Feuersteile,  um  die  sich  bald  die  älteren  Hausgenossen  zusammenfanden.  Ich 
staunte,  wie  lebendig  die  Familiengeschichte  allen  bekannt  war.  Schon  zu  Beginn 
des  Jahrhunderts  stand  ein  Vukomanovic  als  „Oborknez"  des  Bezirks  bei  den 
Türken  in  hohem  Ansehen.  Dass  er  seinen  Sohn  absichtlich  bei  dem  „Rudnicki 
bik"  Sali  Aga  dienen  Hess,  kam  den  Aufständischen  sehr  zu  statten,  denn  er 
verriet  seinem  Vater  die  geheimen  Anschläge  dieses  bösen  Peinigers  der  Rajah. 
Auch  vom  Staresina  Sreca  und  seinem  Bruder  Radosav  V.  wusste  man  viel  zu 
erzählen.  Beide  waren  hochgeachtete  Männer,  deren  Landbesitz  bis  zur  3  km 
fernen  Cemernica  reichte.  Dort,  bei  einer  noch  heute  bestehenden  Mühle,  traf 
der  durch  Srezojevci  wandernde  Miloä  die  1780  geborene  Ljubica,  Tochter 
Radosavs,  neben  ihrer  Mutter  Mara  am  Bache  waschend.  Das  schöne,  kräftige 
Mädchen  sehen  und  lieben,  war  das  Werk  eines  Augenblicks;  doch  es  sofort  zu 
freien,   gestattete    der   ältere    Bruder   Milan    dem   noch   „hauslosen"   Milos  nicht. 


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■■izz:-- 


SREZOJEVCI,   Hauskommunion  Miloi  Vukomanovie  1888. 


Erst   1805  nahm  er  das  junge  Paar  in  sein  Gehöft  zu  Brusnica  auf,  welches  ihn) 
dies  durch  eifrige  Teiliiahine  an  aller  Haus-  und   Feldarbeit  lohnte. 

Klug,  iurcdt,  arbeitsam  (S.  172  f.),  sparsam  und  gottesfürchtig,  zeigte  Ljubica 
während  schlimmer  Tage  männlichen  Mut.  Sie  betätigte  ihn  im  Kloster  Nikoija 
imd  am  Berge  Ljubic,  als  sie  die  entmutigten  Streiter  zum  fortgesetzten  Kampfe 
entflammte.  Manchmal  bäumte  sich  ihr  energisches  Wesen  gegen  MiloS'  allzu 
offene  Neigung  für  schöne  Frauen  kräftig  auf.  liire  Vorstellungen  fruchteten 
wenig,  und  als  ilas  erzürnte  stolze  Weib  ihn  eines  Tages  bei  ihrer  verhassten 
Nebenhuhierin  l'etrija  wussle,  die  ihn  längere  Zeit  zu  fesseln  verstand,  riss  sie, 
nicht  s(i  ihiidsaiii  wie  ihre  Zeitgenossin  Josephine  ßeauharnais,  MiloS'  Pistole 
von  der  Wand,  ritt  eilends  nach  beider  Zusamnienkimftsort  und  streckte,  durch 
das  Fenster  zielend,  mit  sicherem  Schuss  ihre  Rivalin  nieder.  „A\ilii5'  Waffe  und 
Ljubicas  Hand  treffen  sicher!"  rief  sie  und  sprengte  nach  Kragujevac  zum  Konak 
zurück.  Die  Getötete  liess  Milo5  in  seinem  kostbarsten  goldgestickten  Teppich 
bestatten.  Ljubica  aber  flüchtete  vor  seinem  Zorn  mit  den  Kindern  nach  Belgrad; 
ein  volles  Jahr  währte  es,  bis  sich  der  hiirst  mit  ihr  aussöhnte. 

1-     KANITZ,   Serbien      I. 


31 


W2         Ucbcr  Ooriiji  Milanov;it  durch  Uns  F^iidnikcr  Er/.ßcbirKC  nach  Takovo  usw. 

l'iir  Ljubicas  edlen  Sinn  spricht  ihre  aufrichtinc  Trauer  um  den  ermordeten 
Karatljordjc.  Wie  mir  Vuk  erzählte,  l)rach  sie  beim  Anblick  des  Milo§  über- 
hracliten  Hauptes  in  Trilnen  aus,  sie  kniete  nieder,  wusch,  küsste  es  und  betete 
inbriiiistig  für  das  Seelenheil  des  üeliiteten.  Ihre  Kinder  liebte  die  Fürstin  zärtlich, 
sie  überwachte  ihre  Erziehung  und  —  selbst  lernend  —  deren  Unterricht.  1839 
hcj^leilete  sie  ihren  auf  den  Thron  j^elan^ten  Sohn  Mihail  nach  K(jnstantinopel 
und  1842  folgte  sie  ihm  nach  Semlin  ins  Lxil.  I:in  Jahr  später  starb  sie  zu 
Neusatz  aus  Kränkung  über  die  ihr  Haus  getroffenen  herben  Schicksalsschläge. 
Die  von  allen  Serben  hochverehrte  Frau  ruht  im  sirmischen  Kloster  Kruäedol, 
wo  einige  ihrer  Prachtgewänder  gezeigt  werden.  Im  September  1863  stand  ich 
dort  am  Grabe  der  merkwürdigen,  hartgeprüften  Bauernfürstin  aus  der  Crna  gora; 
im  selben  Monat  des  Jahres  1888  an  der  von  Waldgrün  umrauschten  Stätte,  auf 
der  sie  als  Kintl   fröhlich  spielte  und  zur  Jungfrau  erblüht  war. 

Am  nächsten  Morgen  besuchte  ich  dieses  1  km  südlichere  Gehöft,  in  dem 
iieute  f'rodan  V.  regiert.  Vor  dem  Staresinahaus  erwartete  mich  die  aus  acht 
Köpfen  bestehende  Zadruga  im  Festkleid.  Mütterchen  Stojka,  eine  kleine  bewegliche 
Frau,  führte  das  Wort,  wusste  Bescheid  auf  alle  Fragen  und  holte  selbstbewusst 
den  „Koparan",  eine  mit  Silberschnüren  reichbenähte  grüne  Tuchjacke  mit  langen, 
offenen  Ärmeln  herbei,  den  Luka  Vukonianovic.  ihr  Schwiegervater  und  Bruder 
der  Fürstin  Ljubica,  trug.  Nicht  geringerer  Stolz  erfüllte  sie,  eine  Cousine  des 
gelehrten  Aleksa  V.  zu  sein,  der  ein  Sohn  Petars,  eines  zweiten  Bruders  der 
Fürstin,  mit  liem  Prinzen  Mihail  erzogen,  später  zu  Odessa  und  Kiew  sich  aus- 
bildete. Zurückgekehrt,  förderte  er  das  Unterrichtswesen  seines  Landes  als 
Professor  und  Seklionschef  im  Ministerium.  Er  hätte  auch  als  Philolog  viel 
g_eleistet,  wäre  es  ihm  vergönnt  gewesen,  seine  in  den  Vorstudien  weit  gediehenen 
Arbeiten  zu  vollenden.  Leider  starb  er,  kaum. 33  Jahre  alt,  im  November  1859. 
Sein  literarischer  Nachlass,  den  Aleksas  Witwe,  Vuks  Tochter  Mina,  bewahrte, 
dürfte,  einst  veröffentlicht,  ihm  ein  ehrenvolles  Andenken  sichern.  Dessen  gleich 
trclflicii  veranlagter,  im  Wiener  Staatsgymnasium  gebildeter  Sohn  Janko  V.  eilte 
als  ITjäliriger  Jüngling  1876  in  den  Kampf  gegen  die  Türken.  Seine  erspriess- 
lichen  Dienste  lohnte  die  ihm  von  Cernajeff  persönlich  angeheftete  Tapferkeits- 
medaille und  die  Aufnahme  in  die  k.  Junkerschule  zu  Petersburg.  Dort  starb 
dieser  einzige,  vielversprechende  Enkel  Vuks,  tief  betrauert  von  allen,  die  seine 
Talente  und  sein  edles  Herz  gekannt,  viel  zu  früh  für  seine  trostlose  Mutter  und 
sein  Land,  im  noch  nicht  vollendeten  20.  Lebensjahr.  Wenige  Hundert  Schritte 
von  Prodans  Gehöft  sah  ich  den  nun  zu  diesem  gehörenden  einstigen  Besitz 
Aleksas  und  auch  den  alten  Birnbaum,  unter  dem  er  auf  seiner  Hochzeitsreise 
1858  von  dauerndem  Glück  geträumt.     Vorbei! 

Im  Begriff,  mich  von  der  redseligen  Baba  Stojka  zu  verabschieden,  sollte 
ich  noch  den  zu  meiner  Begrüssung  erschienenen  Staresina  einer  dritten  Zadruga 
V.  kennen  lernen.  Dieser  ungemein  vornehm  aussehende,  etwa  sechzigjährige 
Milan  \'.  verkörperte  das  von  den  Südslaven  hochgehaltene,  auch  fernerstehende 
Faniilienglieder  eng  verknüpfende  Verwandtschaftsband,  zugleich  aber  auch  das 
heute    noch    der   älteren    serbischen    Generation    innewohnende    Gleichheitsgefühl, 


Ueber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         483 

dessen  Achtung  sie  selbst  vom  Regenten  zu  fordern  sich  berechtigt  glaubt. 
„Vor  einigen  Jahren,"  erzählte  mir  Milan,  „als  die  Unzufriedenheit  mit  dem  Regiment 
der  „Naprednjaci"  auch  in  der  Crna  gora  immer  aligemeiner  wurde,  hielt  ich 
mich  verpflichtet,  meinem  Verwandten  und  königlichen  Namensvetter  warnend 
über  die  schlechte  Volksstimmung  zu  berichten."  Der  Gute  kannte  schwerlich 
den  alten  Satz,  dass  man  auf  Thronen  nur  selten  die  Wahrheit  gern  hört,  begab 
sich  nach  Beigrad  und  stand  nach  längerem  Bemühen  vor  dem  König,  der  ihn 
wohl  freundlich  empfing,  als  er  aber  sein  eigentliches  Thema  berührte,  die  Audienz 
mit  der  Weisung  abbrach,  er  möge  über  seine  Wahrnehmungen  dem  Minister 
des  Innern  berichten.  Milan  Vukomanovic  erwiderte:  „Ich  kam,  meinem  Ver- 
wandten zu  raten  —  mit  seinen  Beamten  habe  ich  nichts  zu  schaffen!"  — 
wandte  den  Rücken  und  ging.  Es  war  eine  würdige,  stolze  Antwort,  wert  eines 
Sprossen  der  Vukomanovic,  über  deren  Alter  und  Schicksale  ich  dem  Gothaischen 
Almanach   1869  folgende  Daten  entnehme: 

„Wukomanovits  Fürsten  Löwenstein,  das  älteste  slavische  Adelsgeschlecht, 
welches  seinen  Ursprung  vom  Ritter  (Vitez)  Bogoljob  Vukoman  herleitet,  der  983 
in  Serbien  auftauchte.  —  Wassilije  Wukomanovits  wurde  im  J.  1189  von  Friedrich 
Barbarossa  auf  dessen  Durchzug  durch  Serbien  zum  Fürsten  von  Löwenstein 
erhoben,  nach  dem  Lavskoje  kamen,  wo  er  Friedrich  den  Händen  dreissig  wilder 
Magyaren  entriss.  —  Nach  der  Schlacht  auf  dem  Amselfeld  ging  der  grösste  Teil 
dieser  mächtigen  Familie  nach  Russland  und  erhielt  von  Peter  dem  Grossen 
1706  ein  neues  Wappen  mit  auf  die  Heldentaten  der  Wukomanovitse  auf  dem 
Amselfeld  bezüglichen  Emblemen.  —  Der  gegenwärtige  Repräsentant  des  Hauses 
ist  der  reiche,  aber  unverheiratete  Fürst  Dimitrij  Petrovits  Wukomanovits- 
Löwenstein,  welcher  auf  seinem  Schloss  Sokolnits  im  südlichen  Russland  lebt. 
—  Der  grösste  Teil  dieser  einst  so  mächtigen  Familie  (Pleme)  ist  ausgestorben; 
nur  im  heutigen  Fürstentum  Serbien  finden  sich  noch  einige  Nebenlinien." 

Auf  dein  Rückweg  zu  unserem  Gehöft  kamen  wir  durch  ein  Wäldchen 
von  rotfrüclitigem  Weissdorn,  dessen  hartes  Holz  zu  Schaufeln,  Hackensticlen  usw. 
verarbeitet  wird.  Unfern,  auf  grünem  ebenen  Plan,  steht  eine  uralte  umfriedete 
Eiche,  bei  der  sich  am  „bell  ftvrtak"  (weisser  Donnerstag)  in  der  Pfingstwoche 
die  ganze  Gemeinde  versammelt,  um  unter  vorgetragenen  Kreuzen  und  Fahnen 
der  Segnung  der  Felder  mit  geweihtem  Wasser  anzuwohnen.  Diese  „Zavetina", 
die  jedes  serbische  Dorf  in  gleicher  Weise,  aber  an  verschiedenen  Tagen  feiert, 
um  auch  die  Nachbarorte  an  derselben  teilnehmen  lassen  zu  können,  wird  mit 
Schmaus  und  Tanz  abgeschlossen.  Da  Srezojevci  keine  eigene  Kirche  besitzt, 
so  vollzieht  die  feierliche  Handlung  der  i'ope  von  Brezna,  zu  dem  es  eingepfarrt 
ist  und  dessen  Schule  seine  Kinder  besuchen.  An  jenem  Tage  zogen  mit  uns 
viele  Frauen  zu  Wagen  und  zu  Pferd  hinab  zu  seinem  Sirassenhan.  wo  der 
Kreisphysikus  das  „Kalainljenje"  (Impfen)  an  ihrem  Nachwuchs  vollziehen  sollte. 
Nach  dreistündiger  l-ahit  grüssle  uns  wieder  der  charakteristische  Vujan  im  S. 
von  Milanovac,  und  in  der  ersten  Nachmiltagsstunde  rollte  unser  Wagen  über 
seinen  grossen  Platz,  dessen  iWitlelpunkl  ilas  in  keiner  Kreis-  oder  Bezirksstadt 
fehlende  öffentliche  Waghaus  bildet. 


4H4         Uebcr  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudnikcr  Erzgebirge  nach  Takovo  usw. 

Als  Fürst  Mih.'iil  n.u  li  der  wichtigen  Kraßujevaccr  St.  Andrcas-SkupStina,  der 
ich  lisei  persönlich  anwohnte,  ü.  Milanovac  besuchte,  bot  dessen  „velika  pijaca"  ein 
buntes  ßikl.  Unzühii^e  l.andteute  des  Kreises  umlagerten  das  stattliche  NaOelstvo, 
denn  alles  wollte  den  verehrten  l<e>;enlen  und  die  ihn  benieitenden  Gäste  sehen.  Beim 
Einbruch  der  Nacht  entzündeten  sich  Freudenfeuer  auf  den  Bergspitzen,  erhellten 
hocIifi.'iinnRMuk-  Holzstiisse  und  Teerfilsser  den  in  einen  riesigen  Tanzboden 
verwandelten,  von  festlicli  illuminierten  Häusern  umrahmten  Platz.  Das  junge 
Volk  erlustigte  sich  am  Koloreigen,  die  Militärkapelle,  welche  mit  einer  halben 
Reiter-Eskadron  zur  fürstlichen  Suite  gehörte,  spielte  lustige  Weisen  auf.  Alles 
jubelte!  Neben  einer  Tanzgruppe  aus  dem  südlichen  Prislonica  bestrahlte 
FackclÜLlit  die  Fahne,  welche  Milan  Obrenovics  erster  Buljubascha  Lazar  Mutap 
1H()4  in  den  (jcfechtcn  bei  Sjenica,  Prijepolje,  hei  Loznica  und  Dcligrad  voran- 
getragen und  gefürchtet  machte.  181.'^  war  Lazar  einer  der  wenigen  Wojwoden, 
welche  gleich  Milos  im  Lande  blieben.  1815  erschien  er  neben  diesem  auf  dem 
berühmten  Palmsonntag-Sabor  zu  Takovo,  und  im  Mai  desselben  Jahres  fiel  er, 
einer  der  ersten  in  der  Entscheidungsschlacht  am  Ljubic,  oder,  wie  mir  sein  Enkel 
Milenko  erzählte,  an  Gift,  das  ihm  sein  von  den  Türken  bezahlter  Taufpate 
Zatezic   aus   Ljubic   beigebracht  (?).     Im   nahen    Kloster  Vujan    liegt   er    bestattet. 

Fürst  Mihaii  Hess  sich  alle  diese  Details  von  dem  Träger  der  Fahne  erzählen, 
„ich  selbst  bin  ein  Mutap,"  erklärte  der  junge  Sprecher,  „und  die  Mutaps  werden 
auch  alle  Zeit  als  Helden  vor  Gottes  Antlitz  treten!"  —  Ein  begeistertes  „Biviol" 
lohnte  ihn  aus  dem  Kreise  der  lauschenden  A\änncr.  Und  vielleicht  hat  auch 
der  stolz  um  sich  blickende  Jüngling  im  letzten  Kriege  an  der  Morava  wie  sein 
tapferer  Ahn  für  Serbiens  Befreiung  sein  Leben  geopfert.  —  Fürst  Mihaii  wurde 
bej  der  Abreise  von  dem  zu  beiden  Seiten  am  Wege  aufgestellten  Landleuten, 
unter  tausendfachem  Hurra,  mit  duftigem  Basilikakraut  überschüttet.  Dieses  wird 
vom  Serben volk  hoch  in  Ehren  gehalten,  auch  von  den  Popen  zum  Bespritzen 
mit  Weihwasser  gebraucht  und   deshalb  allerorts  gepflanzt. 

Eng  verbunden  mit  Serbiens  neuerer  Geschichte  ist  das  von  Milanovac  nur 
durch  den  880  m  hohen  Brankovo  brdo  getrennte  Brusnica,  Stammort  Obrens, 
den  Milos'  Mutter  Visnja  nach  dem  Tode  ihres  ersten  Mannes  Todor  geheiratet 
und  dessen  von  Milos  angenommener  Name  auf  die  von  ihm  begründete  Dynastie 
überging.  Dort  wohnte  Miloä'  Halbbruder  Milan,  der  neidlos  ihm  den  Weg  zu 
Ruhm  und  Ehre  gebahnt;  dessen  kräftige  Hilfe  bei  der  Einnahme  Rudniks 
anerkennend,  ernannte  ihn  A\ilos  zum  Wojwoden  von  Pozega  und  Uzice.  A\ehr 
behäbig  und  friedfertig,  überliess  Milan  nun  dem  feurigeren  Milo§  allein  das 
Kriegführen.  1810  übernahm  er  auf  dessen  Wunsch  eine  Mission  an  den  russischen 
Korpschef  zu  Bukarest,  die  für  ihn  verhängnisvoll  wurde.  Nach  glaubwürdigem 
Zeugnis  vergiftete  ihn  dort  MIaden  Milosavljevic,  der  das  Emporkommen  der 
Obrenovic  scheel  ansah  und  auch  Milos  beseitigen  wollte.  Dieser  Hess  später 
den  Leichnam  des  geliebten  Halbbruders  auf  sein  walachisches  Gut  Hrveät 
übertragen.  Als  die  Türken  1813  Serbien  wieder  occupierten,  verlegte  der  Muselim 
(Kreischef)  seinen  Amtssitz  von  dem  verödet  gebliebenen  Rudnik  nach  Brusnica; 
nachdem  sie  es   1815  verliessen,  residierten  dort  Milos'  Bruder  Jovan  und   fortan 


Ueber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         485 

alle  Rudniker  Kreischefs,  bis  1856  aus  bereits  angeführter  Ursache  das  Nacelstvo 
wegverlegt   wurde,   worauf  Brusnica  wieder  zum  Dorf  herabsank. 

Von  der  Miianovac-Cacaker  Chaussee  biegt  ein  im  W.  ansteigender  Fusspfad 
nach  dem  degradierten  Brusnica  ab.  Wir  verliessen  den  Wagen  und  kamen  durch 
von  prächtigen  Herden  belebten  Wald  auf  eine  Hochebene,  deren  reicher  Natur- 
segen von  dem  unten  am  tief  eingeschnittenen  Mankovac  potok  aufstarrenden 
hohläugigen  Nacelstvo  arg  kontrastierte.  Wie  uns  der  75jährige  Cica  Aksenti 
Neäkovic  erzählte,  musste  er,  gleich  allen  Insassen  Brusnicas,  zum  Bau  dieses 
verlassenen  Kreisamts  und  der  nahen  weissen  Turmkirchc  Steine  brechen  und 
zuführen.  „Seht,  so  baut  man  leicht,  aber  für  Gospodar  Jovan  leisteten  wir  diesen 
Kuluk  (Frone)  gern.  Er  war  ein  guter  Herr,  wir  trauerten  alle,  als  er  wegzog, 
und  noch  mehr,  als  wir  horten,  dass  er  auf  fremder  Erde  starb." 


lUmSMCA,  Nacelstvo  und  Kirche  1»«. 


Aul  einer  nordwestlicheren  Höhe  erblickten  wir  Obrens  Gehöft,  in  dem  mit 
seinen  Halbbrüdern,  Milan  und  Jakov,  MiloS  wohnte,  in  dem  er  heiratete  und  bis 
I8K5  blieb,  wo  er  aus  Furcht  vor  den  siegreich  zurückkehrenden  Türken  seine 
Fni^ilie  in  ilas  schwerer  zugängliche  Crnuce  (S.  325  f.)  übersiedelte.  Sein  mit 
15Ü  Moslims  einziehender  Bundesbruder  ASin  Beg  bewohnte  und  schützte  das 
verödete  Gehöft;  die  Kamele  wurden  im  Scluilhaus  untergebracht.  Schon  nach 
zwei  Jahren,  am  1-reitag  vor  jenem  l^almsonntag  1815,  welcher  den  Serben  das 
Morgenrol  ik-i  l'reiheit  ankündigte  (S.  47111),  meldete  aber  MiloS  dem  Freund 
ASin,  er  mi)ge  schleunigst  abziehen.  A\lliije  Joknvic,  ein  Urenkel  iles  Jakov 
Obrenovic  unil  heutiger  Besitzer  des  schonen  (iehnlts,  der  es  nach  A\ilans  Tod 
geerbt,  baute  neben  liein  einst  von  Miloä  bewohnten  Holzhäuschen  ein  weithin 
sichtbares,  grosses  Staresinahaus.  Neber)  ilem  allen  Wettern  preisgegebenen 
Nacelstvo  fanden  wir  in  iler  bescheidenen  „obslinska  kuca"  einen  ausgedienten 
Soldaten  ilie  (ieschäfte  der  immer  noch  121)0  Bewohner  in  184  Häusern  /ähleiiden 
(leineimlc   Brusnica  besorgen. 

Auf  parkartigem  Weg,  erfreut  ilurch  ent/iickende  Blicke  auf  ilie  liefblaii 
gefärbten,    von    der    81)1    m    hnlicn     Triiesk.ispii/c    ilberr. igten     östlichen    Berge 


486        UcbiT  (jornjj  Milani)vac  durch  das  Rudniker  ErzKcbirgc  nach  Takovo  usw. 

/wischen  wcIlIicii  diu  Lunjcvitka  flicssl,  erreichlcn  wir  unseren  auf  der  Cadaker 
Strasse  wartenden  Waj^en.  I:ine  hart  an  die  Despotovica  vorspringende,  stark 
erosierle  Lehinwand  zwingt  hald  die  Trace  in  die  Mitte  der  stark  verrufenen 
Khsura,  nahe  dem  20  Ifiluser  zählenden  Lunjevica,  auf  das  Linksufer  des  Defii^s 
hinüfier,  das  an  schauerhcher  Öde  und  Nacktheit  seiner  Mauern  von  wenigen 
üherlroffen   wird.      Kein   ürashahu   haftet  an   der   faiiien  Grauwackc,  an   den  tief 


herab,  bis  zur  Talsohle  streichenden,  stark  verwitterten  Gneis-  und  braunen 
Sandsteinfelsen.  Noch  ein  zweites  Mal  durchfurten  wir  das  seichte  Bachbett. 
Auf  der  westlichen  Uferwand  ist  hoch  oben  eine  Strasse  sichtbar,  die  1876  von 
den  serbischen  Geniesoldaten  während  des  Kriegs  eingeschnitten,  später  aber 
stellenweise  wieder  ungangbar  wurde.  Die  von  unserem  Kutscher  erzählten 
Mord-  und  Raubgeschichten,  welche  sich  zuletzt  hier  abgespielt,  erhöhten  das 
den  Reisenden  in  dieser  menschenleeren  Öde  beschleichende  Bangigkeitsgefüht. 
Wir  atmeten  leichter  auf,  als  wir  das  traurig  finstere  Defile  verliessen.  Aber 
auch  die  an  seinem  Ausgang  stehende  Mehana  von  Brdjani  sah  so  wenig 
anheimelnd  aus,  dass  wir,  unser  Verlangen  nach  einem  Labetrunk  unterdrückend, 
ohne  Malt  über  die  dreibogige  Brücke  fuhren,  die,  1885  mit  einem  Kostenaufwand 
von  32000  d  über  die  Despotovica  aus  Trepcaer  Sandstein   erbaut,  zu  Serbiens 


Ueber  Gornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         487 

schönsten  zählt.  Gleich  hübsch  ist  die  auf  der  jenseitigen  Höhe  im  selben  Jahr 
aufgeführte  Schule.  Auch  sie  kostete  viel  und  trieb  die  Gemeinde  zur  Veräusserung 
ihres  Forstteils  auf  dem  880  m  hohen  Veliki  Vujan,  der  nun.  halb  rasiert,  halb 
bewaldet,  komisch  aussieht.  Die  scheidende  Sonne  beleuchtete  die  kahlgemähte 
Südfläche,  auf  welcher  kein  Bäumchen  stehen  blieb,  und  liess  den  Gegensatz  um  so 
greller  hervortreten.  Durch  die  Obstgärten  des  freundlichen  Dorfes,  das  vielleicht 
noch  in  seinem  kalten,  schwefelhaltigen  Wasser  eine  lohnende  Einnahmequelle 
finden  wird,  ging  es  nun  auf  im  Rotliegenden  eingeschnittenem  Wege  hinab  zum 
am  Hang  des  Vujans  im  tiefen  Walddunkel  still  verborgenen  gleichnamigen  Kloster- 
Sein  Duhovnik  und  Ljubomir  Luzanin  aus  Cacak,  der  hier  ein  jHolzgeschäft 
abwickelte,  betätigten  sich  als  freundliche  Wirte. 


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l'RISLONICA,   L.izar  Miil.ips  W.ihiih.ius  188S. 


Das  zu  den  besser  wirtschaftenden  Klöstern  zählende  Vujan  besitzt  45  Hektar 
l-'elder  tinil  Wiesen,  4  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  150  Hektar  Wald  und  deckt 
leicht  seine  jährlich  etwa  3()()()  d  betragenden  Ausgaben.  Zu  seiner  F.rzcngel 
Mihailkirche  sind  die  Nachbarorte  Hrdjani,  Sokolici  und  Prislonica  eingepfarrt. 
Seine  Forste  sind  reich  an  „Luznik",  das  sind  Flehen  von  1.60—0,80  m  Slainm- 
diin  hiiiesser,  wek  he  die  IhsIcm  Fassdauben  liefern,  auch  die  wertvolle  „granica" 
(Steineiche)  für  I  loclibaiiholz.  Schwellen  usw.  kommt  in  grossen  Ständen  vor, 
noch  lijiufigei  der  „cer"  (/.erreiche),  welcher  aber  als  Hrennhol/  und  wegen  seiner 
billercM  IülIrIm  /ui  jM.ist  hier  beinahe  unverkäuflich  ist.  Die  zur  Ausfuhr  bestimmten 
Schweine  werden  zuerst  mit  Luznikeicheln  genährt  und  ilami  mit  der  vorzüglichen 
SleiiK'iclK'l  feist  gemacht. 

Im  I  \HHH  veräusserte  das  Kloster  8()()  l.uznikstämme  mn  4000  d  nach 
Kragujevac  zu  Dauben,  später  ileren  Kronen  samt  Astwerk  Herrn  Ljubomir  für 
<)()()  d.  Dieses  bar  abgewickelte  (ieschäft  machte  das  Kloster  kurz  vor  unserem 
LJesucli  zum  Opfer  eines  nächtlichen  Überfalls.     Den   Strolchen  tjenügtc  aber  das 


4KK         Ucbcr  Gurnji  Milnnovac  durch  das  Ku'Jnikvr  Er^K*-'!)'''^*-'  nach  Takuvo  usw. 

v<)r){efuiKlcnc  Geld  nicht  und  fluchend  niisshandeiten  sie  den  uns  mit  Tränen  die 
(jescliitlitc  er/;itilcndcn  Kaludjer,  Das  mir  angewiesene  Gaslzimmer  la^  hart 
nehen  deni  wieder  notdürflij^  herneslellten  Waldtor,  durch  das  die  Räuber  ein- 
Hedrunnen.  Laut  plätscherte  der  Re^en  nieder,  die  Hunde  weckten  mich  durch 
lauten  Anschlag.  Doch  die  ErniüdunK  sieKte  über  alle  schlimmen  Gedanken,  und 
der  Frülunorucn  traf  mich  wfihl  ausgeruht  auf  der  kleinen  Veranda  des  (gastlichen 
Hauses  mit  dem   Croquis  des  nahe  stehenden   Kirchleins  beschäftigt. 

Das  Firmament  war  noch  umwölkt,  es  fehlte  das  alles  verschönende 
Sonnenf^old.  Trotzdem  blieb  der  grünumrahmte  weisse  Bau  mit  eigenartiger 
Vorhalle  nicht  ohne  malerische  Wirkung.  lir  steht  auf  altem  Fundament.  Als  ihn 
Radisav  Miloäevic  aus  dem  südlichen  Prislonica  1805  erneuerte,  fand  man  eine 
Inschrift,  nach  welcher  das  früher  „Obrovin"  genannte,  noch  heute  dem  Erzengel 
Mihail  geweihte  Kloster  1577  verwüstet  wurde.  Seine  Erneuerung  führte  leider 
keine  berufene  Hand  aus.  Die  1851  bemalten  Mauern  des  Kirchleins  zeigten 
bald  wieder  klaffende  Risse,  welche,  weil  1887  bereits  gefahrdrohend,  seine 
behördliche  Sperrung  veranlassten.  Kaum  wagten  wir  es,  einzutreten.  Im  Narthex 
rechts  sah  ich  das  Grab  des  1815  bei  Cacak  tödlich  verwundeten  Wojwoden 
Mutap  (S.  484);  seine  Fahne  und  dessen  Bild  gelangten  von  hier  aber  in  das 
Belgrader  Museum.  In  der  Apsis  fehlt  der  Altar,  und  die  ikonostasis  wurde  in 
den  bei  der  Nordfassade  errichteten  hölzernen  Notbau  übertragen.  Dagegen  treten 
die  auf  die  äussere  Südmauer  gemalten  Porträtmedaillons  von  Milos'  ergebensten 
Partisanen,  der  Wojwoden  Lunjevica,  Lazar  Mutap  und  anderer  Kämpfer  aus 
Ljubic,  unter  der  abgesplitterten  Tünche  hervor,  mit  welcher  sie  Fürst  Ale.xander 
Karadjordjevic  überstreichen  liess.  Die  zwei  reich  verzierten,  1832  zu  Belgrad 
gegossenen  Glocken  im  seitlichen  Holzstuhl  wurden  nach  den  Aufschriften  durch 
Milos  Milosavljevic,  seinen  Sohn  Mihail  und  den.  nach  seinem  nahen  nördlichen 
Stammort  später  „Lunjevica"  genannten  Nikola  Milicevic  gestiftet.  Das  Grab 
dieses  1842  im  75.  Jahr  verschiedenen  Patrioten,  der  als  Milos'  bester  Freund 
am  Pfingstsonntag  1815  zu  Takovo  mit  ihm  erschien  und  durch  sein  grosses 
Ansehen  im  Volk,  sowie  durch  seine  bedeutenden  Mittel  die  Erhebung  moralisch 
und  materiell  erfolgreich  förderte,  befindet  sich  neben  anderen  gleich  schmucklosen 
seiner  Angehörigen  nahe  der  äusseren  Kirchenmauer.  Nikola  ist  der  Ahnherr  des 
vom  König  Alexander'  in  seiner  Verlobungsproklamation  an  das  Volk  gerühmten 
Geschlechts  der  Lunjevica,  dem  die  1867  seinem  Sohn  Panta  zu  G.  Milanovac 
geborene,  als  Schönheit  vielgefeierte  Königin  Draga,  die  kurz  mit  einem  Sohn 
des  fürstlichen  Leibarztes  Masin  verehelicht,  bis  1897  Hofdame  der  Königin  Natalia 
war,  entstammt  (S.  330).  Ihr  Vater  tat  sich  als  tüchtiger  Administrator  des 
Sabacer  Kreises  hervor.  Über  ihren  verdienstvollen  Grossvater  Nikola  Lunjevica 
gab  Vuk  die  ersten  sicheren  Nachrichten  (Danica  1826,  S.  22  ff.),  ebenso  über  das 
Kloster  Vujan,  wo  er  eine  der  schon  damals  im  Fürstentum  seltenen  Nonnen  traf. 
Auf  demselben  Weg  über  Brdjani  zurückkehrend,  gelangten  wir  auf  dem 
linken  Despotovicaufer  hinaus  in  eine  durch  Mais-  und  Obstkulturen  wechselreiche 
Hochebene.  Bei  ihrem  ersten  östlichen  Quereinschnitt  bogen  wir  nach  Prislonica 
ab,  um    den   Nachkommen    des   ausführlich  oben    erwähnten   Helden  Lazar  Mutap 


Ueber  Gornji  Milanovac  durch  das  Kudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         489 

einen  Besuch  abzustatten.  Meine  Zeiciinung  seines  heute  noch  festen  Holzhauses 
zeigt,  wie  einfach  solch  ein  vielbesungener  Wojwode  aus  der  Zeit  der  Befreiungs- 
kämpfe wohnte.  Und  bedenkt  man,  -wie  wohlhabend  seine  Enkel  Milenko  und 
dessen  in  einem  getrennten  Gehöft  lebender  Bruder  Antonije,  die  gemeinsam  nach 
ihrem  Vater  Vuk  50  Hektar  Feld  und  Wiese,  6  Hektar  Wald,  1  Hektar  Weingärten, 
4  Ochsen,  5  Kühe,  2  Pferde,  50  Schafe,  25  Schweine,  eine  Mühle  usw.  besitzen, 
muss  man  auch  über  die  Bedürfnislosigkeit  der  heutigen  Generation  staunen. 
Obwohl  Antonije  das  Kmetenamt  bekie'det,  fand  ich  seine  Frau  am  Hofbrunnen 
waschend;  vielleicht  erscheint  sie  am  Sonntag  etwas  feiner  geputzt,  sonst  aber 
hält  sie  gleichwenig  fremde  Mägde  im  Hause,  wie  das  Ärmste  des  Dorfes. 
Zusammen  in  beiden  Hausgemeinschaften  der  angesehenen  Brüder  Mutap  zählte 
ich   19  Familienglieder. 

Über  zwei  gut  überbrückte  Einschnitte  brachte  uns  die  „dzade"  (Chaussee) 
weiter  zum  Bezirksort  Prijeljina,  der  gleichfalls  an  der  grossen  patriotischen 
Erhebung  1815  teilnahm  und  am  Takovoer  „Cveti"  durch  llija  Prijeljinac 
vertreten  war.  Wir  Hessen  das  kleine  Bezirkshaus  rechts,  die  Schule  und  zwei 
Mehanen  links  und  gelangten  über  die  1876  vom  Kreis  erbaute  Cemernicabrücke 
bei  der  Mehana  Konjevice  auf  eine  mit  riesigen  Weideplätzen  erfüllte  Fläche, 
in  welche  die  von  der  Maljen  planina  gegen  SO.  vorgeschobene  hohe  und 
schmale  Terrasse  übergeht.  W.  nehmend,  fuhren  wir,  nahe  der  Morava,  an  ihrem 
letzten  hügeligen  Ausläufer  „Ljubic"  hin,  bei  dem  im  Mai  1815  Caja  Pascha 
mit  seinem  Leben  den  Versuch  zahlte,  das   „Ejalet  Srb"   dem  Sultan  zu  erhalten. 

Milos  Ohrenovic  hatte  zu  Ostern  den  Aufstand  proklamiert  (S.  472 ff.),  und 
liluT  Majilan,  Crnucie,  Brusnica  eilte  der  Pascha,  das  verrufene  Despotovica-Defilö 
umgeheiul,  dem  von  Lazar  Mutap  zernierten  Cacak  zu  Hilfe.  Doch  auch  Milos 
blieb  nicht  müssig.  Auf  den  die  Stadt  beherrschenden  Ljubichöhen  auf  dem 
linken  Moravaufer  hatte  er  und  sein  Bruder  Jovan  ihre  Rudniker  und  Gruzaer  in 
zwei  rasch  aufgeworfenen  Schanzen  versammelt.  Insgesamt  standen  1500  Serben 
Cajas  grösstenteils  berittenen  5000  Türken  gegenüber.  Trotzdem  war  das  wieder- 
holte Stürnien  der  Moslims  vergeblich;  das  serbische  Gewehrfeuer  dezimierte  ihre 
kiilien,  den  Vranjaer  Pascha  verwundete  ein  wohlgezielter  Schuss  des  Djura 
ruveilzija  von  Stragare,  und  viele  gute  Waffen  wurden  an  diesem  7.  Mai  erbeutet. 
Während  der  sich  nun  ruhig  haltende  Gegner  von  allen  Seiten  bedeutende 
Verstärkungen  erhalt,  eilte  MiloS,  nachdem  er  den  Oberbefehl  seinem  Bruder 
uhergeben,  zur  Sava,  um  auch  dort  den  Aufstaml  zu  organisieren,  ferner  Gelder 
inid  Muinlion  herheizuscliaflen.  Rastlos  tälig,  kehrte  er  schon  am  23.  Mai  mit 
jubelnil  empfangenen  zwei  Kanonen  und  neuen  Streitern  zurück,  die  er  sofort 
eine   dritte   Schanze  anlegen   liess. 

Am  Ljubic  sollte  die  den  türkischen  Rachezügen  im  Lande  ein  Ende 
bereitende  lüitscheidimg  fallen.  Die  Serben  zählten  nun  wohl  3()(M)  Gewehre, 
doch  kaum  mehr  als  200  Peiler,  während  Caja  Pascha  über  etwa  lOOOÜ  Mann 
verfügte.  Ein  gliickliches  Scharmützel,  in  das  die  serbischen  Kanonen  eingriffen 
und  ilie  Türken  abermals  zur  1-hicht  zwangen,  ermutigte  MiloS,  offensiver  vorzugehen 
Nachdem  er  die  Wojwoden  Micic,  l.uklc  und  Slula  mit  MM)  Mann  gegen  den  mit 


490         Ucbcr  Oornji  Milanovac  durch  das  Rudnikcr  ErzKcbirKv  nach  Takovo  usw. 

1000  Reitern  in  das  DraKafevo  entsendeten  Kara  Mustafa  in  einen  Hinterhalt 
abf^eordnct,  heschloss  ein  Kriej^sraf,  nur  ein  kleines  Üetacheinent  am  Ljubic 
ziirlkkziiinsscn  und  den  in  und  vor  Cadak  lagernden  Türken  in  der  Ebene  — 
entsprechend  der  daniahnen  Krienführunf;   —   herausfordernd  ent(4eKen/utretcn. 

Unter  dem  Schutz  der  zwei  Kanonen,  welche  der  bewahrte  Tanasijc  Rajid 
in  befestigter  SlelUm^  am  linken  Moravauferrand  und  der  stabilen  Brücke 
nüchtlichcrweise  nef^eniiber  den  beiden  Cacaker  Schanzen  postierte,  standen  die 
Valjevocr  und  Belgrader  hinter  rasch  auft^eworfenen  SchützenKraben,  und  gelehnt 
an  die  Östlichere  starke,  quadratische  Redoute  mit  Graben,  welche  Jova  Dobra^a 
und  seine  tapferen  Gruzaner  heldenhaft  vertcidi>(ten.  Man  liess  die  stürmenden 
Türken  auf  Schussweite  Tuhlg  herankommen  und  empfing  sie  dann  mit  voller 
Salve  —  „jede  Kugel  traf  ins  Fleisch"!  Hunderte  deckten  die  Wahlstatt;  doch  andere 
erneuerten  den  vergeblichen  Versuch  gleich  nutzlos.  Mehr  Glück  hatte  der  Gegner 
auf  dem  rechten  serbischen  Flügel.  Jovan  Obrenovics  wenige  Reiter  am  westlichen 
„Trbuäanski  brod"  konnten  nicht  das  Vordringen  der  mit  Übermacht  gegen  die 
beiden  Geschütze  energisch  vorgehenden  Türken  hindern  und  die  Flucht  ihrer 
entmutigten  erschöpften  Verteidiger  in  die  bessere  Deckung  bietenden  Ljubic- 
Schanzen  aufhalten.  Zuvor  noch  seine  selbst  geladenen  Kanonen  und  Pistolen 
abfeuernd,  fiel  der  allein  gebliebene,  sich  nicht  ergebende  Rajic,  den  Handzar  in 
der  Hand  —  wie  der  Dichter  sagt  —  aus  hundert  Wunden  blutend.  Sein 
üpfertod  war  nicht  vergebens!  1896  verewigte  auch  ein  prächtiges  Bild  die 
Heldentat  (III.  Bd.,  Kap.  XVIII). 

Der  kaltblütig  die  Flüchtenden  auf  dem  Ljubic  sammelnde  Milos  und  die 
grosse  Verluste  beklagenden  Türken  blieben  nach  dem  entscheidenden  28.  Maitag 
ruhig.  Frfolgreich  entsandte  Milos  Boten  nach  allen  Seiten,  um  seine  Kämpfer 
zu  verstärken;  die  Türken  beschlossen  aber  angesichts  dieser  Tatsache,  das 
unhaltbare  Cacak  zu  räumen  und  die  Regelung  ihrer  materiellen  Ansprüche  dem 
Sultan  anheimzusteilen.  Ausser  der  von  den  Serben  am  Ljubic  bewiesenen 
militärischen  Organisation  und  Tapferkeit  trug  nicht  wenig  zu  diesem  Entschluss 
bei,  dass  während  des  letzten  Kampfes  der  die  „Rajah"  zur  Ergebung  persönlich 
auffordernde  Caja  Pascha,  getroffen  durch  eine  serbische  Kugel,  tot  vom  Pferd 
stürzte;  ferner,  dass  der  Kopf  des  vorerwähnten  Bimbascha  Kara  iWustafa  von  den 
Dragacevoern  als  Siegeszeichen  dem   „Vozd"  Milos  übersendet  wurde. 

Geführt  von  dem  Sereser  Ismail  Beg  und  dem  Sohn  des  Belgrader  Veziers, 
Muhamed  Beg,  erfolgte  vor  Tagesanbruch  der  geplante  Auszug  der  Cacaker 
Türken  mit  ihren  Familien,  ihrer  Habe,  der  erbeuteten  Kanonen  usw.  über  die 
Jelica  nach  dem  bosnischen  Sjenica.  Anfänglich  unbehelligt,  artete  er  aber  zur 
wildesten  Flucht  aus,  als  der  von  demselben  unterrichtete  Milos  sich  ihm  in  der 
Belica-Ebene  bei  Rti  feindlich  entgegenstellte.  Nach  einigen  abgegebenen  Schüssen 
Messen  die  in  Unordnung  geratenen  Türken  ihre  zwei  Kanonen,  die  Frauen  und 
Kinder  im  Stich.  Letztere  liess  Milos  auf  Wagen  nach  dem  noch  türkischen 
Cacak  geleiten.  Von  den  Männern  retteten  aber  nur  wenige  ihre  Köpfe.  Ausser 
den  Kanonen  erbeuteten  die  Serben  dreissig  Zelte,  viele  Fahnen,  kostbare  Waffen 
und  sonstiges  Gut. 


(Jeher  Qornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge  nach  Takovo  usw.         491 

In  Cacak  gab  der  rasch  dahin  eilende  Milos  alle  Anordnungen,  die  bald 
nach  den  ereignisreichen  Tagen  am  Ljubic  die  weitere  Reinigung  Serbiens  von 
den  fanatischen  Moslims  herbeiführten ').  Die  letzten  Reste  der  serbischen 
Schanzen  auf  den  früher  stärker  bewaldeten  Ljubichöhen  sind  heute  mit  frischem 
Grün  überwachsen,  aus  dem  die  Kirche  und  rotgedachten  Gehöfte  des  Dorfes 
Ljubic  friedlich  herabblicken.  Jenseits  hebt  sich  Cacaks  hellleuchtende  Kuppel- 
kirche von  der  rauchblauen  Jeiica  malerisch  ab.  Im  XVI.  Kapitel  werde  ich  die 
Hauptstadt  des  Rudniker  Kreises  schildern,  im  folgenden  die  gleichfalls  in  jener 
Epoche  eine  grosse  Rolle  spielende  Klosterschlucht  zwischen  den  westlich  auf- 
tauchenden Bergen   Kablar  und   Ovcar. 


')  Sehr  sachMch  schildert   die  Ljubicer  Vorgänge  General  Jovan  Miskovic  in  „Bojevi 
na  Ljubidu  i  CaCku".     Ratnik,  IX,  1.  1883. 


XV. 

Von  Valjevo  über  Uzice,  Pozega,  Dobrinja 

in  das  Kablar-Ovcar-MoravadeHle. 


GROSSE  Erosionen  haben  den  sedimentären  Boden  bei  Valjevo  stark  unter- 
miniert. Gleich  südöstlich  von  der  Stadt,  bei  dem  an  der  Uzicer  Strasse 
liegenden  Petnica,  Geburtsort  des  trefflichen  Geschichtsforschers  Prof/Ljubomir 
Kovacevic,  befindet  sich  eine  solche  mit  Schluchtgängen  und  Räumen  von  25 
bis  30  ni  Höhe,  Breite  und  Länge,  welcher  die  gleich  nach  ihrem  Austritt  zwei 
Mühlen  treibende  „Banja"  entfliesst.  Prof.  Djoka  P.  Jovanovic,  der  sich  um  ihre 
Erforschung  verdient  gemacht,  fand  unter  der  Stalagmitenschicht  zahlreiche  Reste 
von  Ursus  spelaeus,  Wildschwein  usw.  Die  prähistorische  Siedelung  befand  sich 
auf  einer  vnr  der  Hohle  befindlichen  Wiese,  aus  deren  30  cm  tief  beginnenden 
Kullurschicht  neolithische  Werkzeuge  und  Waffen,  keramische  Bruchstücke,  Spinn- 
wirtel,  bearbeitete  Knochen  usw.  geholt  wurden. 

Etwas  weiter,  zwischen  Deguric  und  Branegovic,  befindet  sich  eine  kleinere 
llr>hlc  mit  schmalem  Eingang  urul  hohem,  durch  zwei  mit  Efeu  überwachsene 
Uundlöcher  im  l-elsengewölbe  etwas  Licht  erhaltenden  Raum.  Die  Dorfbewohner 
hehaupten,  dass  ihr  an  tier  tiefsten  Stelle  sich  verengender  Gang  zum  süd()Stlichen 
Zabari  lUluc,  \mi  man  tliirch  sein  l'elsentor  ins  Freie  gelangt;  deshalb  und  weil 
wenige  Lente  den  Zugang  verteidigen  konnten,  hätten  ihre  Vorfahren  die  HiHile 
in  ilen  bösen  Türkeutagen  oft  als  Zufluchtsort  benutzt.  Auf  dem  nahen  579  m 
hohen  Branegovici  vis  sind  Mauern  eines  das  Defiit}  sperrenden  Schlosses 
erhalten  '). 

Von  dem  5H7  m  Imhen  Strassenpunkl  \\la(."'evi  bei  Drafic  erblickte  ich  im 
SW.  über  den:  hur  hei  Kobacnica  3  km  unterirdisch  fliessenden  Gradac  die 
vielgespalteten  HocIikiippeM  des  |,ilil;inik  und  in  1180  m  kulminierenden  l'ovijcn. 
Bei  R.ivnje  steigert  sich  die  Verkarstimg  des  l'errams  und  noch  mehr  am  Westfuss 
des  ysti  m  hohen  BaCevacki  vis.  Den  grellsten  Gegensatz  bilden  die  an  der 
Bukova   reka   beginnenden    frischgrünen    Laubwälder   und   Wiesen.     Schon  hinter 

')  Viik,  RjeCnik,  3<J. 


4!)4        Von  Valjuvo  über  UJicc,  Potcua,  Dobrinja  in  das  Kablar-Oviar-Moravadefilö. 

Bafcvci  zciKlen  grosse  Herden  den  reichen  Viehstand  des  Kreises.  Hirtenmädchen, 
mit  der  geschnitzten  PrcsHca  (Spindel)  im  Arm,  erschienen  häufig  als  belebende 
Stadagf  der  hier  in  den  tieferen  Taleinsclinitten  noch  ernsten  Landschaft,  liinige 
jugendliche  Fussreisende  in  der  kleidsamen  Nationaltracht  vcriiessen  ihren  Halt, 
um  mit  uns  die  steil  ansteigende  Strasse  über  die  760  m  hohe  Wasserscheide 
zu  gewinnen;  zuvor  sandten  sie  Pistolenschüsse  als  weithallende  Grüsse  in  die 
nahen  Täler.  Nicht  lange  duldete  es  sie  aber  auf  der  „gemachten"  Strasse;  wie 
alle  Serben  im  Klettern  und  Springen  geschickt,  benutzten  sie  ein  trockenes 
Giessbachbctt,  um  auf  kürzestem  Wege  in  das  südliche  Razanskata!  zu  gelangen. 
Unten  bei  der  Brücke  und  Kreisgrenze  stimmten  sie  ein  munteres  Lied  an  und 
griffen,  die  Kappen  schwenkend,  hurtig  aus. 

Die  Strasse  läuft  weiter  im  pittoreskeren  Engtal  der  Kladruba  zur  Poststatiort 
Razana.  Seit  1890  ziert  sie  eine  vom  Ingenieur  Cermak  vollendete  Kirche,  die 
ausser  dem  vom  Volke  gespendeten  und  zugeführten  Material  12  000  d  kostete. 
Weiter  berührt  die  Trace  Stojici  mit  einer  Nekropole,  deren  Votivsteine, 
Sarkophage  usw.  gleich  der  Mauern  tragenden  „Gradina"  und  Mineralquelle  beim 
südlichen  Dubnica  noch  ihrer  wissenschaftlichen  Erforschung  harren.  Auch  der 
Ursprung  der  Salzlachen  zu  üodljevo,  das  „Grad"  und  der  „Silberberg"  südlich 
der  1027  m  hohen  „Drnianovina",  verdienten  nähere  Prüfung.  Im  grossen 
Bezirksort  Kosjerici,  der  1890  durch  eine  der  Razanjaer  ähnliche  Kirche  sich 
von  der  Subjeljer  Pfarre  unabhängig  gemacht,  sieht  man  etwa  '/i  Stunde  vom 
Amtshaus  die  alten  Kirchenmauern  des  lang  gesuchten  „Mrk§ina"-Himmelfahrt- 
klosters,  aus  dessen  Druckerei  das  berühmte  gleichnamige  Evangelium  (1562)  und 
das  Oster-'Triod  (1566)  hervorgingen,  wie  ich  dies  im  XVI.  Kapitel  des  III.  Bandes 
ausführlicher  nachweisen  werde.  Die  Uzicer  Strasse  kreuzt  hier  den  fruchtbaren 
Einschnitt  und  Bach  von  Seca  reka,  das  ein  uraltes  St.  Georgskirchlein  besitzt, 
zu  dem  nicht  weniger  als  ein  Dutzend  Orte  eingepfarrt  sind,  und  seit  1889  ein 
26000  d  kostendes  Schulhaus,  was  für  die  Bildungslust  der  allerdings  grossen, 
aus  406  Häusern  und  2540  Seelen  bestehenden  Gemeinde  spricht.  Unterhalb 
der  Kastellruine  des  784  m  hohen  Kik  umgeht  die  jetzt  verbesserte,  gegen  0. 
ausbiegende  Trace  die  18  m  höhere  Crno  kos-Kuppe,  auf  der  sich  riesige  Schaf- 
herden der  südlichen  Landschaft  umhertunimeln. 

Viehzucht,  Waldabstockung  und  Feldbau  bilden  den  Haupterwerb  des  1896 
in  seiner  administrativen  Begrenzung  unverändert  belassenen  Uzicer  Kreises.  Bei 
4345  km=  Flächeninhalt  zählte  er  in  7  Bezirken  und  91  Gemeinden  524  meist 
kleine  Ortschaften  mit  22630  Häusern  und  145535  Seelen.  Am  dichtesten  bewohnt 
erschienen  die  Bezirke  Uzice  und  Pozega  mit  50 — 60,  die  Crna  gora  mit  40 — 50, 
Raca  mit  30 — 40;  am  schwächsten  der  Zlatiborer,  Ariljer  und  Moravicaer  mit 
20 — 30  Seelen  per  km^.  Im  ganzen  besass  der  Kreis  1893  —  von  diesem  Jahre 
ab  fehlen,  wie  ich  wiederholt  bemerkte,  neuere  Daten  —  161600  Hektar  Nutz- 
boden verschiedener  Art.  In  den  Tälern  der  Morava,  Djetina,  Ljuznica  und  des 
Skrape§  pflanzte  man  auf  rund  16Ü00  Hektar  trefflichen  Mais,  Weizen  auf  halb 
soviel  Terrain;  die  erst  seit  30  Jahren  eingeführte  Kartoffel  auf  400  Hektar. 
Roggen,    Gerste,    Hirse   gedeihen   gut,    Hafer   erntete  man  44000  q.     Obst  wurde 


Vnn  Valjcvo  über  Uzice,  Poiega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.        49;") 

auf  7000,  Wein  nur  auf  400  Hektar  gezogen-  Dagegen  verzeichnete  man 
41000  Hektar  Kleefelder,  Wiesen  und  Weideboden,  neben  28000  Hektar  Waldland. 
Von  dem  riesigen  Tierstand  kamen,  in  dem  viel  Grossvieh  züchtenden,  mit 
20  —  30  Seelen  per  km-  am  dünnsten  bewohnten  Bezirk  Zlatibor,  der  1890  allein 
5000  Mastochsen  nach  Italien  sendete,  300—350  Stück,  im  mit  50—60  Seelen 
per  km-  am  dichtesten  bevölkerten  Uzicer  Bezirk  die  geringste  Zahl  mit  160  bis 
200  Stück  auf  100  Bewohner.  Der  ganze  Kreis  besass  1896:  6539  Pferde,  44367 
Rinder,  13876  Schweine,  109951  Schafe,  41  125  Ziegen.  Der  früher  stark  gesunkene 
Bienenstand  hob  sich  auf  8393  Stöcke,  und  weit  mehr  noch  gelangt  namentlich 
an  der  Drina  der  Tabakbau  in  Aufnahme;  1893  bezog  der  Staat  aus  dem  Kreis 
130  q  zum  höchsten  Preis  von   1.37  d  per  kg. 

Der  an  der  Strasse  stark  gelichtete  Wald  besteht  vorherrschend  aus  Birken, 
Buchen  und  Eichen.  Auf  den  Bergen  der  westlicheren  Drinabezirke  traf  ich 
aber  noch  dichte  Forste  mit  prächtigen  Föhren,  Tannen,  Lärchen  usw.,  die,  zu 
Bauholz  zersägt,  auf  Flössen  drinaabwärts  ausgeführt  werden.  Diese  Waldstände 
sind  am  wenigsten  ausgebeutet.  Dort  lebt  noch  die  Gemse,  das  Reh  neben 
Wolfen  und  Füchsen  ziemlich  ungestört,  selbst  vereinzelte  Bären  kommen  vor, 
und  Adler,  Falken,  Geier  würden  eine  gleich  ergiebige  Jagd  bieten,  wie  das 
Auerhuhn  am  Maljen,  wenn  es  gleich  Rebhuhn,  Wildtaube,  Wildente  und  anderen 
Sumpfvögeln   geschätzt  würde.     Reiher  und   schwarze   Störche   sind   nicht  selten. 

Die  vermehrte  Staffage,  das  blauende  Firmament  gestalteten  die  Weiterfahrt 
so  freundlich,  dass  ich  mich  kaum  mehr  im  weniger  bevölkerten  Westen  des 
Landes  wähnte.  Mit  Vergnügen  folgte  ich  den  flinken  Bewegungen  der  Schnitterinnen 
im  wogenden  AhriMifeld.  Der  helle,  mit  schwarzem  Ziegenhaar  und  bunten 
l.ederstücken  ausgenähte  Rock,  die  an  Schnüren  aufgereihten  Silbermünzen  am 
Hals,  im  Haar  und  wo  sonst  immer  anbringbar,  leuchteten  und  glitzerten  im 
Sonnenlicht.  Was  der  montenegrinischen  Frau  der  Pojas,  der  mit  Karneolen  oder 
Glassteinen  besetzte  schwere  Metallgürtel,  das  ist  der  Serbin  ihr  Geldschmuck, 
er  begleitet  sie  bei  den  mühsamsten  Arbeiten  im  Haus  und  im  Feld.  Der 
Menschenschlag  ist  hier  kräftig,  dabei  massig  in  allen  Bedürfnissen  und  freundlich 
gegen  r'rcimk'.  Die  alte,  iilier  die  er/reiche  Mala  und  Velika  „Metaika"  (717  m) 
fortwährcMtl  auf-  und  absteigende  Strasse  gab  unserem  Rosselenker  durch  weitere 
sechs  Stunden  genügende  Gelegenheit,  im  Passieren  der  rechtsuferigen  Luznica- 
liölien  mit  Kurven  von  oft  kaum  100  m  Radius  und  1  :4Ü  Gefäll  seine  Tüchtigkeit 
zu  erproben. 

Von  Karan,  dem  llauptort  der  grössten,  3385  Seelen  zählenden  Gemeinde 
des  Uzicer  Kreises,  welche  IKH4  nach  llkics  Plan  eine  über  56000  d  kostende 
Kirilie  mit  lüni  Kuppeln  iiegann,  zieht  die  an  der  l.uznica  geführte  neue  Trace 
östlich  zu  seiner  alten  Maria  Fmpfängnis-Kuppelkirche  „Bela  crkva"  mit  zwei- 
geschossigem Turm.  Hier  bestand  jene  bedeutende  rüntische  Niederlassung,  aus 
welcher  ein  vom  Kapelan  Lunjevica  1842  nach  Poicga  gebrachter  Löwe  und 
jener  grössere  iiiii  abgebrochener  Pranke  stammen,  der  noch  am  Kirchcnportal 
sichtbar  ist.  Im  Innenraum  wird  ein  kleiner,  schemalisch  gearbeiteter,  durch 
seine  Darstellungen  interessanter  Votivslein  bewahrt.     Seine  Stirnseite  zeigt  einen 


l!)(;       Von  Valjüvo  über  Uiicc,  Poicga,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovear-Moravadciilc. 

auf  ilur  Klinc  nelancrten  sterbenden  Mann,  mit  der  rechten  Hand  einen  Trinknapf 
hallend,  hnks  von  ihm  sitzt  eine  trauernde  Frau,  eins  der  Schmalfelder  die 
HerricIilunH  des  Tdtenmahies,  zu  dem  eine  Dienerin  den  mit  Geraten  bedeckten 
Tisch  herbeitriii^t;  das  zweite  zeif^t  den  charakteristischen  thracischen  Reilerheros 
mit  flatternder  Chlamys.  Auf  dem  Ortsfriedhof  sieht  man  eine  1,6  m  hohe,  0,65  m 
breite  Stele  von  Kalkstein,  die  Verstorbenen  in  ganzer  Gestalt  mit  Schlüsseln  in 
ilen  Hilndeii  darstellend,  und  eine  Inschrift,  deren  barbarische  Namen  zur  rohen 
Ausführung  des  Reliefs  stimmen.  Dort  steht  auch  ein  nach  oben  verjüngter 
Kalksteinpfeiler  mit  Atlisbrüdern  und  Delphinen  auf  den  Seitenflächen;  die  Stirn- 
seite ziert  eine  am  unteren  Teil  kannelierte  Amphore,  aus  der  eine  stilisierte 
Rebe  sich  emporrankt.  Der  Name  des  zu  Visibaba  bestandenen  grossen  Muni- 
cipiunis  ist  ;itit  di.Mi  vnr  dir  Kirche  stehenden  Grabstein  des  P  .  AEL  .  MAXIMVS 
mit  MAL  ....  anficdeutet.  Domaszevvski  publizierte  ihn  mit  drei  anderen,  in  und 
bei  der  Kirche  befiiullii.lK'ii  Inschriften  '). 

Endlicli  liattun  wir  ikii  Rücken  erreicht,  der  mit  mehreren  anderen,  500  bis 
über  700  m  iiohen  Bergen  den  Kessel  bildet,  in  dem  das  selbst  noch  430  m  hoch 
liegende  Uzice  sich  ausbreitet.  Im  abschüssig  steilen  Zickzack  nähert  sich  ihm 
die  Strasse;  bald  erkannten  wir  seine  Feste  auf  isoliertem  hohen  Felskegel;  Minarets 
und  Kuppeln  hoben  sich  immer  deutlicher  ab,  die  blinkende  Djetina  wurde 
sichtbar,  der  weisse  Kirciitiirin  trat  hervor,  und  bald  wurde  es  möglich,  die 
einzelnen,  vom  Grün  uinrahmten  Häuser  zu  unterscheiden.  Köstliches  Abendrot 
warf  über  die  Scenerie  ein  iiire  zerstreuten  Teile  harmonisch  zusammenstimmendes 
Licht.  Icii  war  entzückt  von  dem  sinnbestrickenden  Bild  und  erkannte  dem 
hochromantisciien  Uzice  den  Preis  unter  Serbiens  Städten  zu. 

Uzice,  der  Hauptort  des  vom  hl.  Sava  1224  gegründeten  Moravasprengels, 
und  seine  ganze,  nach  dem  südwestlich  bei  Vruci  in  Ruinen  liegenden  „Rujno" 
früher  genannte  Umgebung  erfreute  sich  frühzeitig  einer  hohen  Kultur.  Darauf 
deutet  nicht  allein  das  in  seinem  Kloster  gedruckte  Evangelium  (III.  Bd.,  X\'l.  Kap.) 
hin,  sondern  auch  Reste  zahlloser  Burgen,  Kirchen  und  viele  ausgedehnte  Nekro- 
polen  mit  Sarkophagen  und  Grabsteinen  aus  altserbischer  Zeit.  Dass  Uzice 
beim  Anbruch  des  ersten  Türkensturnies  bereits  stark  befestigt  war,  zeigte  die 
Tradition,  Knez  Lazar  habe  im  dortigen,  von  den  Serbenzaren  als  Staatsgefängnis 
benutzten  Schloss  seinen  Gegner  Nikola  Altomanovic  in  Haft  gehalten;  ferner 
Hadzi  Chalfas  bestimmte  Mitteilung.  Uzice  sei  von  dem  gegen  Bosnien  ziehenden 
Sultan  A\i)liamed  11.  nur  durch  Abbrennung  der  „unter  dem  festen  Schloss" 
liegenden  Häuser  genumnien  worden.  Ein  von  der  mit  ihrem  Oberhaupt  unzu- 
friedenen Bevölkerung  abgesandter  Geistlicher,  erzählt  Hadzi  Chalfa-),  habe  dem 
Sultan  diese  Ausräucherung  der  Besatzung  angeraten.  Sie  kapitulierte.  Das 
stark  verwüstete  Schloss  wurde  nach  20  Jahren  wieder  in  guten  Stand  gesetzt 
und  die  aus  dem  Passe  in  die  Ebene  übersiedelte  Stadt  nahm  derartig  an  Blüte 
zu,  dass  unser  moslimischer  Gewährsmann  sie  deshalb,  sowie  der  paradiesischen 
Lage  und  schönen  Gärten  wegen  mit  Mekka  verglich. 


')  Arch.-epigr.  .Witt.  Xlll,  132.  —  C.  I.  L..  III,  Siippl.  Fase.  II,  No.  8340,8343,8347,8350.— 
2)  Rumeli  und  Bosna,  155.  -  Glasnik,  Bd.  10.  328  f. 


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Von  Valjevo  über  Uzice,  Pozega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       499 

Die  seit  1867  geschleifte  Feste,  mit  von  der  Djetina  in  S-Form  bespültem 
Piedestal,  bot  ein  höchst  interessantes  Beispiel  altserbischer  Befestigungskunst. 
Ihr  einem  schroffen  Kalkfeisen  sich  anschmiegender  unterster  Teil  bildete  ein 
nach  S.  abfallendes  Dreieck,  dessen  Langmauern  sich  in  dem  an  der  Djetina 
aufsteigenden  starken  Turm  vereinigten;  die  hohe  Schmalseite  krönte  eine  Rund- 
bastion, welche  mit  der  Mittelpartie  auf  dem  der  Stadt  zugewendeten  Felsvor- 
sprung durch  einen  bedeckten  Gang  verbunden  war.  Diese  formierte  ein 
unregelmässiges  Viereck  mit  vielen  kleinen  Türmen  und  riesigem,  den  Zugang 
von  der  Stadtseite  hütenden  Donjon.  Hier  befand  sich  auch  der  tiefe  Quell- 
brunnen, zu  dem  156  Stufen  hinabführten  und  dessen  Wasser  durch  ein  Triebwerk 
aufgezogen  wurde.  Ganz  isoliert,  nur  auf  felsigem  Pfad  erreichbar,  lag  das 
höchste,  den  Felskegel  krönende  Fort  mit  vier  Ecktürmen  und  einem  höheren 
„Luginsland"  im  Zentrum,  das,  seiner  schlechten  Bauart  nach  zu  urteilen,  erst  die 
Türken,  wahrscheinlich  auf  den  Rudimenten  eines  antiken  Kastells,  erbauten')- 

Nachdem  gleichzeitige  Quellen  kurz  erwähnen,  die  starke  Feste  Uzice  sei 
während  der  österreichisch -türkischen  Kriege  im  J.  1688  von  dem  Parteigänger 
Apeja  und  1690,  samt  dem  nahen  Städtchen  Nisilitza  (Ivanjica?),  durch  den 
Kapelan  Zanilacki  erobert  worden,  spielt  sie  erst  im  August  1737  wieder  eine 
grössere  Rolle.  Nach  den  zu  Jagodina  berührten  vorübergehenden  raschen 
Erfolgen  der  kaiserlichen  Armee  entwickelte  sich  vor  Uzice  eine  uns  heute 
geradezu  unverständliche,  den  grössten  Einfluss  auf  die  Entscheidung  des  Krieges 
nehmende  Aktion. 

Um  den  begonnenen  Rückzug  von  der  bulgarischen  Morava  zu  decken  und 
auch  einen  festen  Stützpunkt  zur  Zurückdrängung  des  Feindes  von  der  bosnischen 
Grenze  zu  gewinnen,  gab  der  schwache,  schlecht  beratene  Feldherr  Seckendorff 
den  Befehl,  das  von  den  Türken  mit  Zähigkeit  gehaltene  Uzice  zu  nehmen  Eine 
lange  Reihe  strategischer  Fehler  wurde  hier  mit  einem  neuen  vermehrt.  Denn 
Seckendorff  zersplitterte  den  besten  Teil  seiner  Kräfte  vor  einem  kleinen  Platz, 
der  im  Mittelalter  nicht  ohne  Wichtigkeit,  im  18.  Jahrh.  aber  nicht  mehr  befähigt 
war,  einer  geschlagenen  Armee  ausreichenden  Schutz  zu  gewähren  oder  eine 
siegreich  vordringende  längere  Zeit  festzuhalten.  Leider  erkannte  der  Marschall 
erst  nach  persönlicher  Rekognoszierung  des  zwischen  hohen  Bergen  eingeklemmten, 
leicht  zu  un)geiienden  Uzice  die  Nutzlosigkeit  seiner  Wegnahme.  Oberst  Lentulus. 
welcher  seit  dem  23.  September  mit  6  Kompagnien  Grenadieren,  2  Kanonen  und 
2  Haubitzen  die  Feste  einschloss.  stellte  jedoch  vor,  dass  er  sich  bereits  zu  sehr 
engagiert  hätte.  Um  die  beiden,  kaum  30U  Schritt  tragenden  Kanonen  in  der 
„Festung  /um  Schweigen"  zu  bringen,  besetzte  man  die  dominierende  Vorhöhe 
des  800  m  hohen  MackaSki  gaj  und  beschoss  mit  Achtpfündern  den  Gegner. 
Am  26.  sandte  Seckendorff  den  Marschall  IMiilippi  mit  dem  Ingenieurhauptmann 
Reichel  nach  Uzice,  welche  die  Belagerung  leiten  sollten.  Gleich/eilig  gingen 
12  Bataillniic  liilaiUerie,  .'i  Rei.;iim'nli'i  K;i\allerK'.  4  Feldstücke  unki  2  Mörser 
dahin,   um   die  Uluckade   zu   verstarken  iiiul  den  l'.nlsatz  abzuwehren.     Nicht  genug 

')  Auf  tiiii-m  Plan  üiiccs  im  Wiener  Kriousnrcliiv  erscheint  es  I7:t7  i-ln);czeiclinel. 


500       Vkm  Vnljcvo  über  U*lcc,  Po?.c({a,  Dobrinja  in  das  K:iblar-C)v(ar-Mnravadc*lilii. 

mit  iliesen  iler  Aktion  im  Felde  entzogenen  Truppen,  folgten  noch  Prinz  Waldeck 
iirul  Graf  Wallis  mit  den  Brinaden  Schulenburg  und  Lerchner;  die  Kavallerie 
blieb  im  (istlicheren  Slildtchen  Po/ega.  In  einem  vom  Marschall  Philippi 
präsidierten  Kriegsrat  wurde  U2ices  Bombardement  beschlossen. 

Am  28.  langte  Seckendorff  im  Lager  an.  iir  liess  die  nach  Valjevo,  Novi- 
pazar  und  ViSegrad  führenden  Pässe  besetzen,  berittene  Landleute  und  Husaren 
bis  an  die  Drina  streifen  und  eine  dominierende  Pedoute  bei  dem  erwähnten 
isolierten  Fort  mit  Beschleunigung  vollenden.  Hierauf  näherte  man  sich  mit 
26 pfundigen  Geschützen  bis  auf  200  Schritt  den  Werken  und  beschoss  am  30. 
das  grosse  Tor  der  Feste.  Lentulus,  ein  kühner  Parteiganger,  blieb  die  Seele 
des  Unternehmens,  das,  ihm  allein  überlassen,  auch  ohne  den  grossen  Aufwand 
von  Kräften  erreicht  worden  wäre.  Seckendorff  erfuhr  durch  einige  an  Seilen  aus. 
der  Festung  glücklich  entkommene  Serben,  dass  die  Besatzung  nur  aus  200  Mann, 
ihre  Hauptstütze  aber  in  dem  von  innen  stark  verbarrikadierten  Haupteingang 
bestehe.  Anstatt  nun  seine  Anstrengungen  auf  die  Forcierung  dieses  Tores  zu 
richten,  gefiel  es  Seckendorff,  das  nur  von  2  Karonaden  verteidigte  Uzicc  weiter 
als  Festung  zu  behandeln  und  die  regelrechten  Angriffsarbeiten  fortzusetzen.  Wie 
hätte  er  auch  sonst  in  Wien  den  vergeudeten  grossen  Aufwand  von  Zeit  und 
Kräften  rechtfertigen  wollen?  Nach  dem  Rückzug  von  Nis  musste  Seckendorff 
das  am  Hof  gegen  seine  Befähigung  erwachte  Misstrauen  durch  eine  glänzende 
Tat,  durch  die  Einnahme  einer  schwer  besiegbaren  „Festung"  zu  entkräften 
suchen,  und  deshalb  musste  das  kleine  Uzice  als  solche  genommen  werden! 

Zum  zweitenmal  inscenierte  man  also  eine  „grosse  Postierung"  und 
„allgemeine  Beschiessung".  Nachdem  jedoch  das  von  den  Grenadierkompagnien, 
den  aufgebotenen  Serben  und  6  Geschützen  unterhaltene  Feuer  nur  geringen 
Eindruck  auf  das  in  seinem  Steinkästchen  sich  sicher  fühlende  türkische  Häuflein 
übte,  ging  man  endlich  ernstlicher  an  die  Öffnung  des  grossen  Tores.  Zwei 
Zimmerleute,  geführt  von  aus  der  Feste  geflüchteten  Serben,  Hessen  sich  durch 
grosse  Versprechungen  zu  diesem  Versuch  bewegen;  in  Massen  herabgeworfene 
Steine  zwarigen  sie  aber  zur  Umkehr,  und  es  wurde  zur  abermaligen  Beschiessung 
des  Tores  geschritten.  Diese  regelrechte  Belagerung  kostete  allmählich  150  Soldaten. 
Mit  einem  neuen  Verlust  von  60  Mann  näherte  man  sich  bis  auf  10  Schritt 
dem  Eingang  und  brachte  imter  Seckendorffs  persönlicher  Leitung  —  welche 
Aufgabe  für  den  Oberfeldherrn  einer  Armee,  deren  Flügel  von  der  Sava  bis 
zur  Drina  reichten  —  6  Geschütze  in  Batterie  und  beschloss,  den  Platz  am 
nächsten  Tag  mit  Sturm  zu  nehmen.  Angesichts  dieser  ernstlichen  Bedrohung 
begannen  die  Belagerten  in  der  Nacht  zu  parlamentieren.  Am  Morgen  steckten 
sie  eine  weisse  Fahne  aus  und  Hessen  zwei  Offiziere  an  Seilen  herab,  um  die 
Kapitulation  abzuschliessen.  Seckendorff  empfing  sie  „bedeckten  Hauptes"  und 
bewilligte  ihnen  die  gleichen  Bedingungen,  unter  welchen  früher  Niä  kapituliert 
hatte.     Sie  lauteten: 

Art.  1.  Die  Garnison  wird  ausziehen  mit  Waffen.  Gepäck.  Möbel,  Effekten, 
Frauen  und  Kindern,  mit  ihren  Sklaven  und  Dienern,  ausgenommen  den  Christen. 
—    2.  .^Iles,   was  sich  vorfinden   wird    an    Kanonen,   .Mörsern,    Kriegsmaterial    und 


Von  Valjevo  über  U^ice,  Poiega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       501 

l.ebensmitteln,  dem  Grossherrn  gehörend,  wird  getreulich  ausgeliefert  werden 
lind  bleibt  zum  Nutzen  seiner  kaiserlichen  Majestät.  —  3.  Sie  werden  geführt 
und  geleitet  werden  durch  eine  Abteflung  deutscher  Kavallerie  bis  nach  Visegrad, 
werden  der  k.  Armee  einen  ihrer  Hauptleute  als  Geisel  lassen  bis  zur  Rückkehr 
der  Eskorte,  und  man  wird  dann  diesen  Offizier  mit  aller  Sicherheit  bis  zum 
ersten  Ort  führen,  wo  sich  türkische  Garnison  befindet.  —  4.  Man  wird  der 
Garnison  soviel  als  möglich  Train-  und  Packpferde  liefern,  um  alle  angehörigen 
j-rauen,  Kinder,  Kranke,  Verwundete,  Effekten  zu  tragen.  —  So  geschehen  im 
Lager  vor  Uzice,  den  20.  Oktober  1737.  Gez.:  Graf  von  Seckendorff. 

Ein  türkischer  Offizier  blieb  als  Geisel  im  Lager  zurück,  der  zweite  Unter- 
hantller  und  der  k.  Dolmetsch  v.  Theil  wurden  mit  der  deutsch  abgefassten 
Kapitulation  an  Seilen  in  die  Festung  aufgezogen.  Auf  demselben  Weg  gelangte 
die  türkische  zurück.  Nun  erst  öffnete  die  Besatzung  das  Tor  und  verliess  am 
23.  Oktober  Uzice,  dessen  Einnahme  den  Kaiserlichen  220  Mann  Tote  und 
Verwundete,  darunter  30  Serben,  gekostet  hatte.  Unter  den  12  verwundeten 
Offizieren  befanden  sich  die  Sachsen:  Hauptmann  Graf  Kirchberg,  Major  v.  Oen- 
liansen  und  General  Freiherr  v.  Dimar,  welche  die  Belagerung  als  Gäste  mitgemacht 
liattLii.  Der  Marschall  fügte  zu  den  vorgefundenen  Geschützen  (!)  einige  6 pfundige 
Kanonen,  versah  die  Feste  mit  Munition  und  Lebensmitteln  und  übergab  ihre 
Bewachung  dem  Hauptmann  v.  Schenk  mit  200  Mann.  Vielleicht  war  es  dieser, 
der  die  im  Wiener  Kriegsarchiv  vorhandenen  Pläne  von  Uzice  und  seiner 
Belagerung  anfertigte.  Das  Topographische  stimmt  gut.  Der  Ort  Tresija  varoä 
an  der  Sinjevacka  besteht  aber  gegenwärtig  nicht  mehr. 

Uzices  Wegnahme  bildete  den  letzten  scheinbaren  Lichtpunkt  des  Secken- 
dorffschen  Feldzugs.  Die  Unfälle  vor  Vidin,  die  Zerwürfnisse  mit  dem  Herzog 
V.  Lothringen  und  anderen  Unterfeldherren,  hatten  den  Geist  des  unglücklichen 
Marschalls  umnachtet.  Statt  die  so  leicht  gewonnenen  Eroberungen  in  Bulgarien 
bis  zum  Vardar  durch  zweckmässige  Dispositionen  und  mit  Hilfe  der  aufständischen 
kajah  zu  erhalten,  wählte  er  das  schlimmste  Auskunftsmittel,  alles  aufzugeben 
unil  in  einem  planlosen  F^ückzug  sein  Heil  zu  suchen.  Während  Seckendorff  viel 
kostbare  Zeit  im  uiiwirlbaren  (jiiellgebiet  der  serbischen  Morava  an  der  ruitzlosen 
l'elageruiig  eines  Felsnestes  zersplitterte  und  seine  Soldaten  durch  die  ungeordnete 
VerpfleguiiL;  es   fehlte    mehrere   Tage   an    Brot  verstimmte,   gewannen   die 

Türken  Zeit,  kiilile  Reiterknrps  /u  sammeln,  welche  die  nach  der  Sava  zurück- 
gelienile  Anni'c  iiulualirend  angriffen  und  in  tlen  Valjevoer  Bergen  ihres  ganzen 
Trains  nnd  Gepäcks  iHTaiihini.  T'.niiniiii'.;!  nml  dliiie  nur  die  bescheidensten 
lldllnungen  erfüllt  /n  IkiIkii,  welche  sieh  an  den  erfolgreichen  Beginn  des 
TeUI/iigs  knü|ilten,  l.nii;te  die  k.  Armee  in  den  sumpfigen  Niederiuigen  von 
Sabac  an. 

Der  Wiener  Hof  hatte  Uzices  Belagerimg  genehmigt,  weil  man  durch  seine 
l'innaliiiR'  das  kaiserliche  Serbien  zu  ilecken  hoffte.  Wir  sahen  aber,  dass  sie 
lim  den  Tiukeii  l'riulile  gebracht,  und  der  schlimme  Empfang  seiner  tapferen 
Verteidiger  auf  bosnischem  Boden,  welchen  der  gleichzeitige  türkische  Chronist 
OiiUM   T'.ffi'iuli   ei/.ilill.  fiiulel   nur   in  dei  Willkür  lilikischer  Ve/iere  seine  |-rklärung. 


fjO'i       V(in  Viiljcvo  Ober  Uiicc,  PoicKa,  Oobrinj.i  in  das  Kablar-Ovtar-Moravadcfili. 


Auf  dem  Wen  riüch  Srchriiica,  wciliiii  diu  Husalzunn  Kcführl  zu  werden  verlani^le, 
wurde  sie  mit  den  von  zwei  Rittmeistern  befehÜKten  130  deutschen  Reitern  durch 
den  kühnen  farlei^ihiKer  Mehemed  Kcfan};en  genommen  und  in  das  türkische 
Lauer  n^^'^r^'^''''  f^^^r  Grossvezier  Hess  die  Kskorte  dort  zwei  Ta^e  ausruhen, 
beschenkte  ihre  Offiziere  mit  Tuch  zu  neuen  Uniformen  und  jeden  Reiter  mit 
einem  [)ukateii.  Uiices  Kommandanten  Hadzi  Ismail  und  den  Naib  AAustafa 
liess  er  aber  in  (je^enwart  der  Kaiserlichen  teilen;  ein  Akt,  der  genügend  die 
Hartnilcki^keit  erklart,  welche  türkische  Kommandanten  t;anz  unhaltbarer  Schlosser 


•     -■■■■■  r^~^^ 


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f 


n. 


^^cAJIIjfc-     -^^~-^^,-.      — '7^"••;^^1.4^•^U•' 
uz  ICE,  Marktplatz  mit  Zlatlborcni  und  der  Mi£i<^-Konak. 


in  jenem  Krieg  bewiesen  haben.  Bald  darauf  suchte  Mehemed  mit  6000  Mann 
vergeblich  Uzice  den  Kaiserlichen  zu  entreissen;  er  verwüstete  die  offene  Stadt 
und  nächsten  Dörfer,  mordete,  was  ihm  in  die  Hände  fiel,  und  schleppte  viele 
Weiber  und  Kinder  in  des  Grossveziers  Lager,  wo  man  ihn  jubelnd  empfing. 
Erst  nach  Seckendorffs  Rückzug  wurde  Uzice  durch  Hunger  von  den  Türken 
bezwungen,  welche  nun  Zeit  fanden,  seine  Türme  zu  restaurieren. 

Zu  Beginn  der  serbischen  Revolution  ward  Uzice  1805  von  den  Serben 
vergebens  belagert.  Man  kam  jedoch  überein,  dass  die  Türken  die  Feste  weiter 
allein  besetzt  halten,  in  der  Stadt  aber  Moslims  und  Serben  ihren  eigenen 
Gerichten  unterstehen  sollten.     1807  nahm  es  rasch  Karadjordje,  nachdem  er  von 


Von  Valjevo  über  Uiice,  Pozega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       508 

seiner  Redoute  auf  der  „Kruscica"  es  beschossen  und  eine  Moschee  zerstört 
hatte,  nach  kurzem  Widerstand.  Hierbei  tat  sich  der  spätere  Fürst  Milo§  zuerst 
hervor  und  ward  auch  verwundet.  Ini  J.  1812  schilderte  Major  Gramberg  Uzice: 
A  des  murailies  crenelees  avec  5  tours  fianquance  et  avec  13  pieces.  II  est  domine 
par  une  proche  iiauteur,  que  j'ai  propose  de  fortifier,  ce  qui  a  it^  accepte.  La 
vilie  qui  comptait  jusqu'ä  12000  habitants,  est  reduite  en  cendre.  1813  verliess 
der  in  Uzice  befehligende  Milo§,  weil  ohne  ausreichende  Munition  und  Unter- 
stützung gelassen,  seine  Schanzen.  Die  Türken  nahmen  es  ohne  Kampf  und 
übten    nun,    gestützt    auf   seine    Feste,    an    der    Rajah    furchtbare    Rache.      1814 


•.^: 


UZICE, 
Serbischer  Vormarscli  iihcr  dit  Djclinabrllikc  lt«J7. 


'i^ 


L'iitkanicii  einige  seiliische  Nutahein  dem  1  lui  nur  dadurcli,  dass  sie  kühn  aus 
den  Turinfenstern  herabsprangen.  IKl.'i  wurde  die  l-'este  von  [den  Serben  eng 
umschlossen.  Aus  Bosnien  eilten  Cul  lieg  und  sein  Sohn  Zenil  Heg  an  der 
Spitze  eines  viele  Lebensmittel  führenden,  nach  Tausenden  z.'ihlenden  llnisatzkorps 
iKMJH'i.  Sie  wurden  jetloch  von  dem  3000  Serben^befehligenden  tapferen  Lazar 
Mul.ip  heim  siulliiiien  l.|iih,inja  geschlagen,  und  als  Uiices  Belagerer  130  abge- 
schnitlene  K(")ple,  darunter  jenen  Ciil  Hegs,  .luf  dem  vom  (Irad  sichtbaren  Malo 
Zabuce  auf  Stangen  ausstelltei\,  kapitulierte  die  nolleidende  Besatzung.  Vorerst 
sass  der  von  MiloS  ernannte  Serdar  für  die  „Rujno"  Jovan  MiCi<^  in  Cajetlna. 
dann  in  Arilje.  Im  J.  1H32  kam  es  zwischen  Serben  und  Türken  zu  blutigem 
Streit    und    Milo^    befahl,    dass   letztere   nach    Pozega    übersiedeln   sollten.     Doch 


504       Von  V.iljcvo  über  Uiice,  Poicija,  Üobrinja  in  dnü  KablaMJvCar-Moravndcfilf 

schorv  18:i5  kelirtcn  sie  Krnssentcils  zurück  und  1839  kam  zu  iliuni  mssfren 
Sduitzc  Serdar  Micic  als  Nafelnik  nach  Uzice,  wo  er  sich  einen  Konak  baute, 
den  ich  IHfiO  wc^cn  seines  originellen  Cardak  zeichnete.  Vun  diesem  energischen 
Mann  LTzahile  mir  der  zu  Uzice  (geborene  Toplicaer  Nafelnik  Pelar  Bozovi(:, 
sein  Vater  versicherte  wiederholt ,  Micic  sei,  als  er  im  J.  1833  auf  der  grossen 
Djetinabrückc  von  mehreren  Türken  an^^c^riffcn  wurde,  auf  seinem  trefflichen 
Pferde  in  den  Fluss  (gesprungen  und  so  glücklich  entkommen.  1845  gab  es  in 
Uzice  nur  700  Serben;    1860,   als    ich    es   zum    erstenmal   besuchte,   schon    200*) 


r 


/.. 


UZICE. 
Im  Mudirkonak  1860. 


2: 


1  f 


^^ 


neben  3700  Mosliins,  welche  damals  35  Moscheen  und  Medressen  besassen. 
Der  noch  1737  bestandene  Bischofssitz,  genannt  „Uzicki".  wurde  von  Milo§  nach 
Cacak  verlej^t.      1860  fungierte  hier  ein  Prota  und  ein  Pope. 

Bis  1867  bildete  Uzice  einen  der  sieben  festen  Punkte,  welche  die  Pforte, 
gestützt  auf  ihren  wiederholt  erwähnten  Hattischerif  vom  Jahre  1830,  militärisch 
besetzt  hielt.  Zur  Zeit  meines  ersten  Besuches  (1860)  besserte  man  die  pittoreske 
Feste  und  exponierten  Werke  notdürftig  aus,  legte  iMagazine  in  Form  der  nationalen 
Getreide-Koliba  an,  sorgte  für  Munition  und  die  türkische  Stadtbevölkerung 
bewachte  strenger  das  Bollwerk,  welches  sie  in  stürmischen  Tagen  schützen  sollte. 
Meine  Skizzen  bewahren  der  Nachwelt  das  Aussehen  der  interessanten  Feste. 
Auf  dem  Rückweg  zur  Stadt  bewunderte  ich  zwei  schöne  Steinbrücken,  welche 
die  türkischen  Djctina-Stadtteile   auf   beiden  Ufern   verbanden.     Man  hielt  sie  für 


Von  Valjevo  über  Uzice,  Poiega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       505 

römische;  sie  gehören  aber  der  aitserbischen  oder  ersten  türkischen  Epoche  an, 
in  welcher  serbische  Baumeister  auch  die  Visegrader  Drinabrücke  erbauten.  Die 
abgestürzten  Balustraden  zu  ersetzen'  und  so  die  Passage  in  finsteren  Nächten 
weniger  gefährlich  zu  machen,  erschien  den  Moslims  vollkommen  überflüssig. 
Trotzdem  wurden  sie  1867  von  den  Serben  benutzt.  Ihre  im  Fatalismus 
konzentrierte  Lebensphilosophie  erklärt  diese  und  andere,  auf  jedem  Schritt 
auffallende   Unterlassungssünden.     Man    musste  jedoch    Überzeugtester    Anhänger 


UZlCE, 
Uerithlssluhc    des  Mlldirs  lhr:ili>in  Hix  IHiJ 


dieses  beiiuciiii'n  philnsdplnsiiR'ii  Systems  seni,  um  in  einem  (lehaude,  das  jede 
Sttiiule  dem  l.iiistiir/  entgegensah,  laglieh  geiiuitliclien  Kel  /u  pflegen.  Der 
Iraiirige  Zustaiul  tiieses  einst  prächtigen  Kuiiaks  mit  Säulenhallen  von  Sandstein. 
(kii  Uzices  Mtidir  bewohnte  und  der  gleichzeitig  die  türkische  Schule,  das  Medjiis 
und  (jefängnis  beherbergte,  spottete  jeder  Schilderung.  In  den  Fugen  wucherte 
ein  riesiger  l'liii  \(iii  SrlilliiL;pll.iii/eii.  iiiul  iii.iii  war  gegen  alle  l-'rfahrung  versucht 
/ii  glauben,  dass  sie,  die  weichenden  Siemlnimmer  zusammenhalleiul,  den  lärmenden 
Kiikisclien  Nailiwiu'lis,  tias  weise  Medjlis  und  ilie  eingesiierrlen  Sträflinge  vor 
dei  didiuiuKii  Katasiroplie  luualirien!  Unmöglich  kann  sie  lange  ausbleiben, 
möge  Hill  d.inn  d.is  ll.uis  leer  sein!  So  dachte  ich,  als  mich  Uiices  letzter 
iV\iulii     lliiilniii    Hee    ut]K\    sein    letzter    türkischer    Richter    .Mi    li.ifi/    durch    die 


fjOl)       Von  V.iljcvo  über  Uiicc,  PoiCKa,  IJobrinja  in  das  Kablar-Üv(ar-Moravadefili^. 

verscliictlenun  Konakräunic  (geleiteten.  Nirgends  bemerkte  ich  eine  Bibliothek, 
ein  Archiv,  nach  türkischem  Amtsbe^riff  ^anz  überflüssige,  üccidcntale  DinKe, 
nur  in  dem  mit  alten  Teppichen,  Gewehren  und  einer  hölzernen  Geldtruhe  aus- 
l^estatteten  Gerichtszimnier  hinj^en  an  der  Wand  einige  Lcinenbculcl  mit 
Aktenstücken,  Nicht  etwa,  dass  es  an  Verhandlunj^en  fehlte;  die  nahe  bosnische 
Grenze  erschwerte  seit  dem  Freiheitskrieg  die  Pazifizicrung  dieses  südwestlichen 
Teils  von  Serbien,  Mord  und  F^Uinderun),'  waren  hier  stets  an  der  Tagesordnung. 
Zu  Uzice  wurde  jedoch  alles  mündlich  abgemacht.  Die  Türkei  war  und  blieb 
das  Eldorado  für  Feinde  bureaukratischer  Vielschreiberei. 

Bei  Uzices  günstiger  kommerziellen  Lage  hätte  sein  Wohlstand  rascher  fort- 
schreiten können,  doch  die  Anwesenheit  der  Türken  lastete  auch  hier  schwer  auf 
der  Entwickelung  des  industriellen  Aufschwungs.  Hier  wie  in  Belgrad,  Smederevo,' 
Kladovo  und  Sabac  bildeten  die  hervorlugenden  türkischen  Geschütze  eine  stetige 
Orolumg  für  die  christliche  Bevölkerung.  Auch  breiteten  sich  die  verfallenen 
türkischen  Hauser  mit  weitläufigen  Gärten  und  Grundstücken  gerade  im  günstigsten 
Teil  des  beschränkten  Stadtgebietes  aus,  während  die  christliche  Bevölkerung 
gezwungen  war,  das  Terrain  für  Neubauten  der  gegen  Pozega  ziehenden  Gebirgs- 
schlucht mühsam  abzuringen.  Die  serbischen  Häuser  trugen  infolgedessen  nur 
einen  provisorischen  Charakter,  obwohl  sie  von  jenen  der  Türken  durch  Nettigkeit 
vorteilhaft  abstachen. 

Das  gedrückte  Wesen  der  türkischen  Autoritäten  zu  Uzice-  stach  schon  1860 
grell  ab  von  der  selhstbewussten  Haltung  der  christlichen  Bevölkerung.  Der 
muselmännische  Trotz,  welcher  das  Läuten  der  Kirchenglocken,  selbst  nach  dem 
sultaiilichen  Hat  vom  Jahre  1829,  dort  lange  Zeit  unmöglich  gemacht,  war  gebrochen. 
Ich  ■  dachte  an  Garasanins  zu  Konstantinopel  energisch  gestellte  Forderung  in 
der  serbisch-türkischen  Städtefrage,  verglich  den  im  Norden  Uzices  aufblühenden 
christlichen  Stadtteil  mit  seinen  schmutzigen  Türkenvierteln  und  sah  die  1862 
eingetretene  Katastrophe  herankommen.  Als  Belgrads  Bombardement  in  Uzice 
bekannt  wurde,  versuchten  seine  Serben  sich  der  Türkenfeste  zu  bemächtigen. 
Im  nächtlichen  Kampf  wurden  die  Türken  in  die  Feste  zurückgedrängt.  Auch 
hier  erblich  bald  der  Glanz  des  Halbmondes;  noch  im  Herbst  räumte  er  der 
lange  verdrängten  europäischen  Kultur  das  Feld.  Im  August  1862  wurde  der 
Hauptmann  Tesa  Nikolic,  der  spätere  verdienstvolle  General  und  Kriegsminister, 
zur  Unterstützung  der  christlichen  Bevölkerung  nach  Uzice  entsendet.  Er  postierte 
einen  Teil  seiner  Infanterie  auf  den  Biokta§,  den  anderen  auf  die  Kruscica  und 
sechs  Bergkanoneii  auf  den  Tatinac.  Diese  Machtentfaltung  überzeugte  die  Türken 
mehr  als  die  Konstantinoplcr  Konferenzbeschlüsse,  dass  ihre  letzte  Stunde  in  Uzice 
angebrochen  sei.  Nachdem  sie  schon  früher  ihre  Moscheen,  Häuser  und  viele 
christliche  bis  hinauf  zur  hohen  Altstadt  in  Brand  gesteckt,  zogen  sie  nach  einem 
fruchtlosen  Bombardement  der  Serbenstadt,  das  nur  das  Geländer  der  schönen 
Steinbrücke  beschädigte,  am  6.  September  über  Bajina  basta  nach  Bosnien  ab. 
Die  Serben  eilten,  die  Feste  zu  sprengen;  das  riesige  Baumaterial  wurde  weggeführt, 
und  ohne  die  von  mir  im  Mai  1860  gezeichnete  Ansicht  von  Uzice  wüsste  man 
nicht,  wie  die  interessanteste  Türkenstadt  in  Serbien  ausgesehen  hat. 


Von  Valjevo  über  Uzice,  Pozega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       ö07 

Auf  den  Ruinen  der  türkischen  Stadtteile,  von  welchen  nur  einige  bessere 
Mauser  der  Ciganjska  Mahaja  erhalten  blieben,  entstanden  allmählich  regelmässige 
Strassen  mit  soliden  Staats-  und  Privatbauten.  Die  Stadt  teilt  sich  in  die:  Varos, 
Glavna  Caräija,  Donja  Carsija  (Strasse  nach  Pozega),  Gornja  Carsija  (Strasse  nach 
Bajina  basta),  Dovarija  (Strasse  nach  Nova  Varo§),  Ciganjska  Mahala  (auf  beiden 
Djutina-Ufern  nahe  der  zerstörten  Feste),  dann  Lipa  und  Terazija.  In  ihren 
1113  Häusern  wohnen  6125  Serben  und  50  anderer  Nationen.  1872  schädigte 
ein  grosses  Feuer  die  Stadt,  führte  aber  zu  ihrer  weiteren  Regulierung  und 
Verschönerung.  Als  ich  im  September  1888  sie  wieder  besuchte,  erkannte  ich 
im  neuen  kaum  das  alte  Uzice.  Über  das  1882  hergestellte  gute  Pflaster  rollte 
mein    Wagen    auf    den    grossen    Platz    zur    „Janica   Kafana",    mit   einigen    hübsch 


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uz  ICH,   Kirchcnplalz  mit  neuem  Gymnasium. 


umgenLhtukii  Fremdenzimmern.  Diese  „Velika  pijaca"  bildet  das  Forum  der  Stadt, 
liier  stellt  die  1842  geweihte  üeorgskirche,  ein  durch  Rundbogen  und  Lisencn 
verziertes  Langschiff  mit  runder  Altarapsis  und  hohem  Turm  im  sirmischen  Stil, 
(las  1862  erhaute  Nacelstvo,  ein  langgedehnter,  einstöckiger  Bau,  unfern  das  kleine 
Siadili.iu^  und  das  bescheidene  griechische  Vizekonsulat,  das  merkwürdigerweise, 
als  einziges  fremdländisches,  viele  Untertanen  in  serbischen  Städten,  aber  in 
Uzice  keine  besitzt!  liier  uiirde  auch  das  neue  monumentale  üymnasium  erbaut, 
iiiul  hier  sdliie  das  DcnkiiKil  Im  lini  ,iul  >ieiii  Ja\'or  gefallenen  tapferen  lljiö  errichtet 
werden  Im  ältesten  „VaroS"-Chrislenvierlel  besuchte  ich  sein  in  einem  üärtchen 
liegendes,  schon  1828  geweihtes,  1888  renoviertes  Markuskirchlein  mit  kleinem 
llolzlurm,  das  während  der  für  1889  bestimmten  umfassenden  Restauration  der 
1  laiiplkirchr  1h'iiiiI/I  uenU'M  sollte.  Zu  U/ice  residiert  ein  l'rota  (Erzpricslcr), 
von  ilen  drei  Pfarrern  versehen  zwei  auch  die  Seelsorge  in  den  nächsten  Dörfern; 
der  würdige,  1K8I  gestorbene  Prota  (lavrilo  Popovic  schenkte  der  städtischen 
Siliule  seme   heulen   Häuser. 

.\iil    ikin    Platz    des   einstigen    türkischen    Amtshauses  und  Medresseh    fand 
ich  liie  neu  eih.iule  seclisklassige  Volksschule,  deren  l^ortalsäulen  aus  dem  nun  in 


f 


508       Vrm  Valjfvo  über  Uiicc,  f'oicga,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ov(ar-Moravadefil£. 

einen  Volkspark  verwandelten  Medzajuarlen  stammen.  Sehr  aus(;edelint  sind  die 
Lokalltillen  der  siebenklassijjen  Realschule  in  der  Vorstadt  „Lipa".  Die  schönen 
Modfllarheiteti  einiger  Schüler  erregten  mein  Staunen.  Hier  werden  tüchtige  Kräfte 
für  das  neuestens  durch  eine  1895  über  ll.ti  Millionen  d  umsetzende  stadtische 
Sparkasse  unterstützte  Gewerbe  herani^ebildet.  Das  Erd^jeschoss  der  Häuser 
bildet  f^rOsstentcils  einen  nach  der  Strasse  offenen  GcwOlbsraum,  und  der  Fremde 
gewinnt  leicht  einen  Einblick  in  das  Treiben  der  Kaufleute  und  Handwerker, 
ich  staunte  über  die  Güte  der  Stoffe,  über  die  reine  Eorm  der  Töpferarbeiten, 
wenn  ich  die  unvollkommenen  Hilfswerkzeuxe  betrachtete,  mit  welchen  sie 
er/euj^t  werden;  weder  Jacquards  Webstuhl,  noch  Bohr-  und  Hobelmaschinen 
haben  hier  Eingang  j;efunden.  An  der  Djetina  findet  man  die  verschiedenen 
Esnaf  (Zünfte),  Schmiede,  Schuhmacher,  Sattler  u.  a.,  Kn'PPenförmig  angesiedelt: 
Die  vereinigte  Tischler-Genossenschaft  hält  auf  der  Velika  pijaca  ein  kleines 
Lager  fertiger  M(')bcl  im  Wiener  Stil,  welche  wohl  etwas  schwerfällig  sind,  aber 
durch  grosse  Solidität  des  Materials  sich  auszeichnen. 

Neben  275  Feld-  und  Gemüsebauern  gibt  es  (1896)  in  Uzice  auffällig  viel 
Bäcker  (118),  ferner  2!  Fleischer  und  Wurstmacher,  132  Wirts-  und  Kaffeehäuser, 
und  noch  mehr  Krämer,  auch  an  anderen  Kategorien  fehlt  es  nicht.  Das  Militär 
erscheint  durch  II  Offiziere,  122  Soldaten  und  Gendarmen  vertreten.  Advokaten 
zählte  man  6,  Geistliche  9,  Professoren  und  Lehrer  45,  Arzte  2,  Tierärzte  1. 
Apotheker  2,  Buchdrucker  und  Lithographen  2,  Pensionäre  29.  usw. 

Am  Rechtsufer  der  Djetina  steht  eine  von  der  Regierung  geförderte  Tuch- 
fabrik, von  der  sie  die  Hebung  der  Schafwoilkultur  im  Kreise  erwartete;  seit 
1885  lässt  sie  ihr  Eigentümer  Stevan  Popovic  aber  gegen  eine  Entschädigung 
scijies  grösseren  Paraciner  Konkurrenten  von  jährlich  3600  d  stille  stehen,  wodurch 
ihre  60  Arbeiter  brotlos  wurden.  Eine  benachbarte  Fabrik  von  Orlovic,  welche 
mittels  hydraulischer  Kraft  langhaarige  Wolldecken,  Sohlleder  usw.  erzeugt, 
rentiert  gut.  Zur  Entwickelung  der  Te.xtiiindustrie  trägt  die  1891  gegründete 
staatliche  Weberschule  bei,  welche,  1896  schon  von  44  Zöglingen  besucht,  sehr 
hübsche  Arbeiten  lieferte.  Seit  1885  schreitet  besonders  bei  Uzice  der  Tabakbau 
fort.  Auf  den  Höhen  sah  ich  weithin  an  der  Djetina  Pflanzungen  von  grosser 
Schönheit,  welche  die  hohe  Temperatur  sehr  begünstigt;  am  24.  August  1888 
erreichte  sie  50°  C.  und  das  Djetinawasser  21"  C.  Dagegen  nahm  der  Obstbau 
durch  die  Vernichtung  vieler  türkischer  Gärten  ab.  Einen  reizenden  Kontrast  zur 
zerbröckelnden  Feste  bildeten  die  wohlgepflegten  Blumenbeete  mit  vorherrschend 
blauen  „zimski  Gorgovan"  vor  den  Häuschen  der  „Ciganjska  Mahala",  und  mit 
grossem  Bedauern  hörte  ich,  dass  ein  Uzice  am  20.  Juni  1896  stark  verwüstendes 
Unwetter  gerade  in  diesem  pittoresken  Viertel  am  heftigsten  gewütet  hat. 

Uzices  kleine  Garnison  ist  in  zwei  Pavillons  untergebracht,  deren  Renovierung 
1897  über  31000  d  kostete.  Im  Sommer  lagert  sie  auf  der  rechtsuferigen 
Djetinaterrasse  unter  dem  736  m  hohen  Bijoktu  im  „Ladnik",  in  freundlichen 
Reisighütten  und  Zelten.  Die  Gebirgsartillerie  erhielt  eben  theoretischen  Unterricht. 
Dies  fesselte  viele  Zlatiborer  Bauern  und  staute  ihre  stark  belasteten  kräftigen 
Pferdchen,  mit  welchen  sie  von  dem  unmittelbar  südlich  anschliessenden  Zickzackweg 


Von  Valjevn  über  U^ice,  Pozega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       509 

lierabkainen.  Diu  1883  vom  Kreis  von  Uzicc  über  den  Ljubanj  und  Mackat 
durch  das  Veliki  Rzav-Gebiet  nach  dem  türkischen  Novi  varos  erbaute  Strasse 
erleichtert  den  Export  der  schwer  ins  Qewicht  gehenden  Erzeugnisse  der  Zlatiborer 
Hausindustrie  und  des  zum  Verkauf  in  Mitrovica  gemästeten  Hornviehs,  das 
gewöhnlich  über  dem  Militärlager,  auf  der  grasreichen  „Vasarica"  weidet,  ehe  es 
seinen  beschwerlichen,  langen  Weitermarsch  fortsetzt.  Das  Zlatiborer  Hornvieh 
zählt  zur  besten  heimischen  Rasse,  wozu  nicht  wenig  das  würzige,  salzreiche  Gras 
der  400  km-  umfassenden  trefflichen  Weideplätze  dieses  Uzicer  Bezirks' beiträgt. 
Am  folgenden  Tag  erhielt  ich  auf  dem  städtischen  Marktplatz  ein  gutes  Bild  der 
mannigfachen  Tätigkeit  des  vom  Osthang  des  Zlatibors  bis  zum  westlichen  des 
Sargans  siedelnden  intelligenten  und  genügsamen  Bergvölkchens. 

Am  Samstagniorgen  entwickelt  sich  auf  der  „pijaca"  ein  buntes  Treiben. 
Da  sah  ich  diese  hageren,  doch  kräftigen  Gestalten,  um  deren  Beine  die  weiten 
pelengiri,  die  weitgeschnittene  Hose  von  dunkelbraunem  rauhen  Tuch  schlottert, 
mit  gleicher,  langärmcliger  Jacke,  den  Kopf  mit  einem  roten  Schal  umwunden,  den 
jaudzik  (kleine  Lederlasche)  am  Leibriemen,  in  gleichfalls  im  Haus  verfertigten 
opanci  (Bundschuhe),  mit  ihren  bis  auf  ein  weisses  Kopftuch  auch  dunkel 
gekleideten  Frauen,  die  aufgestapelten  Holzwaren:  Fässer,  Bottiche,  Tische,  Wiegen, 
Stühle  usw.,  ausbieten.  Das  sind  die  bucari,  die  Holzwarenerzeuger,  von  welchen 
es  in  den  Zlatibordörfern  F^ozanstvo  und  Nikojevici  je  über  20  majstori 
(Meister)  gibt;  dazwischen  halten  die  katrandzija  (Teerkocher)  ihren  schwarzen, 
aus  Föhren  und  Fichten  gewonnenen  Katran  (Wagenschmiere)  feil;  andere,  genannt 
liizari  (Kienspanhändler),  verkaufen  FöhrenklOtze  von  1  m  Länge  und  0,5  m 
Durchmesser.  Sie  führen  diese,  je  zwei  auf  ein  Pferdchen  geschnallt,  nach  allen 
Kreisstädten,  ja  bis  Belgrad,  zufrieden,  wenn  sie  nach  vielen  Tagen  mit  den 
schwer  verdienten  30  d  per  Klotz  heimkehren.  Die  Frauen  halten  den  sehr 
beliebten  Zlatiborer  Kaimak,  eine  unsere  Butter  vertretende  dicke  Schmette  in 
(iefässen  zu  5  kg,  das  Kilo  zu   1.50  d,  feil. 

Ausser  zwei  anderen  Hochwegen  auf  die  Uzices  Holzbedarf  grossenteils 
liefernde  Jelova  gora  mündet  in  seinem  Weichbild  ein  trefflich  kombiniertes,  im 
Aushau  begriffenes  Strassennetz,  das  die  Regierung  zur  Hebung  des  Verkehrs  im 
Kreis  entwarf.  Es  verdient  um  so  grösseres  Lob,  als  sein  gebirgiges  Terrain  grosse 
Schwierigkeiten  bot.  Nächst  der  erwähnten  Strasse  nach  Novi  varoä  wurden 
eii\e  /weite  nach  Cacak  luul  liber  Ivanjica  zur  Quarantäne  Vasiljina  öeSma,  eine 
dritte  über  Krenuia  zur  Mokra  gora,  eine  vierte  nach  Valjevo,  eine  fünfte  nach 
Hajina  baSta  begonnen  und  grossenteils  vollendet.  Weshalb  der  Ausbau  einiger 
Strecken  sich  verzögerte,  werde  ich  in  den  folgenden  Schilderungen  meiner  Reisen  im 
U/inr  Kreise  zu  iHMiiliren  Gelegenheit  finden.  --  Aus  Ui^ices  neuester  Zeit  sei  hier 
noch  lies  mit  einem  Fackelzug  gefeierter!  Besuches  des  Königspaares  im  September 
l'.toi  gedacht,  bei  dem  König  Alexander  gegen  euie  Deputation  äusserte:  Er  könne 
nut  Relriedi^iiiig  feststellen,  dass  die  äussere  Politik  Serbiens  zu  ihren  nationalen 
lllurlieleriuigen  zurückgekehrt  sei  und  zur  Stimde  im  nationalen  Sinn  geleitet  werde. 

Die  Türkenherrschaft  war  zivilisatorischen  Streliungen  und  daher  auch 
au  liaologischen     Forsclumgen     in    Serbien    hnulerlich.      Denkmale    aus    früheren 


'»10       Von  Valjcvo  über  Uiicc,  Poicgn.  Dobrinja  In  da»  Kablar-()v(ar-Moravadefilt- 

Pcriiidfii  erschienen  den  Osmanli  als  K(-'fährliche  Erinnerungszeichen  an  die  Selb- 
siandinkeit  der  von  ihnen  beherrschten  Völker;  sie  nach  MOjjlichkeit  zu  zerstören, 
erschien  ein  Gebot  politischer  Notwendigkeit.  Unverstand  und  Barbarismus 
machten  Zaren-  uiui  Könijjssitze,  an  welche  sich  ruhmreichste  Erinneruntjen 
knüpften,  der  Erde  gleich,  und  wenn  nicht  alle  Kirchen  und  Klöster  tjleiches 
Schicksal  erfuhren,  so  unterblieb  es,  um  nicht  die  christliche  Bevölkerung  zum 
ilussersten  zu  treiben.  Leider  wurden  auch  die  klassischen  Denkmale,  soweit 
sie  den  VerwUstunficn  der  Völkerstürme  enininKen.  zerstört.  Nur  geringe  Reste 
erhielten  sich  von  den  monumentalen  Römerbauten,  welche  Serbiens  Boden 
bedeckten,  imd  auch  bei  ihnen  erschwert  die  konsequent  durchgeführte  Zerstörung 
der  meisten   Inschriften  dem   Forscher  ihre  wissenschaftliche  Bestimmung. 


Ciislruni 


Zabaiia  Ljuban 

Schlois 


J 


UZ  ICE,  Antike  Befestigungen. 

Schon  währciid  meines  ersten  Besuches  (1860)  überraschten  mich  in  Uzice 
sehr  viele  antike  Silbermünzen,  welche  die  weibliche  Bevölkerung,  gemengt  mit 
österreichischen,  russischen  und  türkischen,  als  Hals-  und  Kopfschmuck  trägt; 
doch  das  zu  jener  Zeit  mächtiije  und  misstrauische  Türkenregiment  vereitelte 
bezügliche  Untersuchungen  in  dem  von  ihnen  occupierten  Schlossrayon.  Meine 
1888  zu  Uzice  aufgenommenen  Nachforschungen  hoben  jeden  Zweifel,  dass  die 
Römer  dort  eine  Niederlassung  besassen.  Ihre  Befestigung  stand  auf  der  Höhe 
zwischen  dem  Sinjevac-  und  Volujacbach,  auf  derselben  Stelle,  welche  das 
mit  Benutzung  der  antiken  quadratischen  Fundamente  erbaute  türkische  Fort 
einnahm.  Das  Mauerwerk  der  Zivilstadt  verschwand  in  den  Grundfesten  der 
vielen  Brücken,  Moscheen  usw.,  doch  kommen  bei  tieferen  Grabungen  allerorts 
nocii  heute  Werkstücke,  Votivsteine,  A\ünzen.  Ringe,  geschnittene  Steine  usw.  aus 
dem  antiken  Gemeinwesen  zutage.  Den  von  Safarik  mitgeteilten  sechszeiligen 
Inschriftstein ')  vermochte  ich   nicht  aufzufinden,  doch  in  der  „varos"   sah  ich  ein 


')  C.  I.  L.,  III,  Addit.,  No.  6320. 
undeutliche  Stelle:  I  D  E  L. 


Domaszewsky  liest  (Arch.-epigr.   .Witt.,  .Xlil.    132)  die 


Von  Valjevo  über  Uiice,  Pniega,  Dobrinja  in  das  Kablar-OvCar-Moravadefile.       511 

kurz  zuvor  ausgegrabenes,  rein  profiliertes  Architravstück,  in  der  Vorstadt  Lipa 
einen  als  Brunnentrog  benutzten  Sarkophag  von  1,5  m  Länge  und  0,9  m  Breite, 
in  der  nahen  Realschule  einen  im  Stadtgebiet  aufgefundenen  1  m  hohen,  0,5  m 
breiten  Votivstein ')-  oben  geschmückt  mit  einem  Stierkopf  und  Fruchtgewinden: 
„Jupiter,  dem  besten  und  grössten  der  Götter,"  von  Partino  Cajus  Julius  Rufus, 
Tribun  der  I.  Kohorte  der  Dalmatiner,  gewidmet;  in  einem  Haus  neben  dem 
zerstörten  Schloss  einen  fünfzeiligen  Stein-).  Beim  Bau  des  Bakicschen  Hauses 
fand  man  in  der  varo§  einen  anderen  mit  der  Inschrift:  Den  Schutzgöttern  der 
Stadt  CAP  .  .  .  von  Titus  Aurelianus  Provincialis,  zu  Ehren  des  Duumvirates  usw. 
geweiht^);  der  abgekürzt  erscheinende  Stadtname  wird  vielleicht  durch  einen 
glücklichen  Fund  richtig  ergänzt  werden.  Dass  diese  römische  Kommune 
wohlhabend    war,    dafür    sprechen    Reste    von    Prachtbauten,   ein   jüngst    bei    der 


I'  '  '  /  t-  M  A  .    :>Kr.t;H-/iirucke. 


Kaserne  am  Uremovacbacli  gemachter  l-und  von  2UÜ  silbernen  Kaisermünzen,  ein 
mir  gezeigter  massiver  üoldring  mit  gut  geschnittenem  Stein  und  viele  andere 
aus  derselben  l.nkalität  stammende  Objekte  von  edlen  Metallen. 

Die  Frgcbnisse  meiner  im  Uzicer  Kreise  ausgeführten  archäologischen 
Untersuchungen  befähigen  mich,  es  ganz  bestimmt  auszusprechen,  dass  Uzice 
schon  III  römischer  Zeit  ein  wichtiger  Strassen-Knotenpunkt  war,  ferner,  dass  seine 
Verbindungswege  in  der  Richtung  auf  Valjevo,  CaCak,  Mokra  gora  und  mit  der 
Drina  schon  damals  dieselben  Tracen  wie  heute  verfolgten. 


Am  15.  Juni  1860,  am  2:\.  und  M).  September  1«8H  legte  ich  die  stark 
bergige,  17  km  lange  Strecke  zwischen  Uzice  und  Pozega  zurück,  doch  nie  so 
rasch  wie  das  letzte  Mal  in  der  Gesellschaft  des  Nacelniks  Dragutin  StainenkoviiJ 


')  Ibid.,  Siippl.  K.isc,    II,  Nil.  HM\i 

■')  Ibid.,  No.  8355,  jct/.t  ;ils  HriiiiiK'nkruMiiiij;  im  Arlillcriek.isornonliof. 

■')  ibid..  Nn.  8354.  —  Von  mir  bereits  erwiihnt. 


^>\2       Von  Valjcvo  über  Uiicc,  PoicRa,  Dobrinjn  in  da«  Kablar-Ov(ar-Moravadcfile 

und  des  Kreisinnenifurs  Ccrmak,  der  uns  mit  seinen  feuri^^cn  Hferdclien  in 
l"/j  Stunden  daliinhrachle,  wilhrend  die  Fahrt  sonst  drei  und  bei  schlechtem  Wetter 
vier  Stunden  dauert.  Die  Sonne  kämpfte  den  leichten  Herlistnebel  nieder  und 
schenkte  uns  wunderbare  Bhcke  in  die  reichen  Täler  der  Lu2nica  und  Djetina. 
Die  Strasse  zieiit  oben  von  W.  nach  O.  auf  dem  sie  trennenden  lannnfstreckten 
rorilicko-Hochrlicken,  dessen  Massiv  (jümmer-,  Ton-  und  Kieselschiefer  mit 
durchsetzenden  QuarzjjänKen  und  auflicKenden  dünnen  Kalkschichten  bilden. 
Nahe  der  Stadt  zeitigt  der  maj^ere  Boden  etwas  Gerste,  Weizen  und  Tabak. 
Auf  dem  Plateau  angekommen,  blieben  rechts  II  „haidufkc  grobljc";  das  Grab 
des  Räubers  Todor  Ivanovic^  aus  dem  nahen  Buar  sollte  bald  das  Dutzend 
vollmachen.  Als  ich  am  Vortag  den  schönen  jungen  Mann,  eine  Zigarette  dampfend, 
im  Gefängnishof-  sah,  schienen  ihn  die  sieben  begangenen  Morde  gleichwenig 
wie  die  25  kg  schweren  filscn  zu  belasten,  und  obschon  jede  Stunde  das  vom 
König  bestätigte  Urteil  aus  Toblach  eintreffen  konnte,  schien  das  seine  Gemütsruhe 
weniger  zu  stören,  wie  die  meine  der  Gedanke,  dass  noch  viele  seiner  Genossen 
den  Kreis  unsicher  machten,  in  dem  meine  Aufgabe  erst  begonnen  hatte.  Schon 
Milo§  hatte  den  Uziccrn  gedroht:  „Entweder  ihr  rottet  Euere  Heiducken  aus, 
oder  Ihr  seht  mich  nie  wieder!"  Und  noch  blühte  das  Räubertum  dort  stärker 
als  vor  dreissig  Jahren! 

Zwischen  mit  Wacliluiklergcstrüpp  und  einzelnen  Birken  durchwachsenem 
Builicnwaid  ging  es  bei  der  Mehana  Zdravcici  (340  m)  hinab  über 
niederes,  aufgeschwemmtes  Hügelland,  das  bei  dem  südlichen  Uzici  treffliche 
Trauben  zeitigt,  in  die  von  Alais-  und  Zwetschgenkulturen  erfüllte  Ebene  zur 
Skrapezbrücke.  ihre  Balustraden  lagen  abgestürzt  im  Bach;  sonst  ist  sie 
i\Q\\  ZU  Uzice  geschilderten  im  Stil  ähnlich,  überragt  sie  aber  an  sorgfältiger 
Behandlung  des  Materials  und  gilt  irrtümlich  für  ein  römisches  Werk'),  während 
sie,  wie  schon  ihre  beiden  quadratischen  F^ilaster  mit  achtspitzigen  Köpfen  zeigen, 
gleichfalls  im  Mittelalter  entstand.  Hier  trat  des  Ovcars  17  km  ferne  Silhouette 
in  Sicht;  noch   1   km  Fahrt,  und  wir  hielten  vor  Pozegas  neuer  Mehana. 

Das  auf  dem  linken  Skrapezufer  322  m  hoch  liegende  Pozega  ist  eine  alte 
Ansiedelung.  Das  Volkslied  lässt  dort  denselben  Ban  Milutin,  der  mit  dem  Zaren 
Du§an  in  der  Schlacht  zu  Velbuzd  (Küstendil)  am  28.  Juni  1330  den  Bulgarenzar 
Mihail  Siäman  besiegte,  an  der  östlichen  Pozesnica  in  prächtigen  Höfen  wohnen  0, 
von  welchen,  wie  mir  der  Pope  Milija  .Atanasijevic  versicherte,  heute  noch  bei 
Prijanovic  A\auern  zu  sehen  sind.  Da  man  dort  auch  römische  Deckziegel 
findet,  zeigt  dies,  dass  der  dortige  Skrapez-,  Djetina-  und  A\orava-Zusammenfluss 
Pozega  allezeit  hohe  militärische  Bedeutung  besass.  Überall  stösst  man  auf  alte 
Schanzen.  Das  Erdwerk  am  Rzav  liess  Obrist  Lentulus  1737  durch  300  „Granizer" 
den  Türken  wegnehmen;  es  wurde  im  Befreiungskrieg  abwechselnd  von  Serben 
und  A\oslims  verteidigt.  Als  letztere  1832  die  Stadt  räumten,  übersiedelten  auf 
Miloä'   Befehl   viele   Uzicer    Serben   und   auch   die   Kreisbehörden   auf  kurze  Zeit 

')  Milicevic,  Srbija,  618. 

-)  Vuk,  Srpske  nar.  Pjesme.    Neue  Ausgabe,  1896.    Belgrad,  II,  160. 


PO  Z  EGA.   M.irktplalz  mit  Riimerstein. 

dahin.  1839  erhielt  es  seine  Kdnstantin- 
und  Jelena-Klrche,  später  die  gute  Schule, 
in  welcher  zuletzt  8  Lehrer  200  Knaben 
und  Mädchen  unterrichteten,  in  den  be- 
wegten Jahren  1862  inid  1875  wurde  Pozega 
stark  verschanzt  und  sein  Pulverturm  gefüllt 
Als  Bezirks-  und  Gerichtssitz  entwickelt  es 
sich  stetig,  wozu  auch  die  in  ö  F^ivillons 
gut  untergebrachte  Infanterie-Garnison  und 
2  Batterien,  die  Sparkasse  und  der  grosse 
Septem  her- Vieh  markt  beitragen. 

[■•ozega  ist  wie  Karlsruhe  fächerf(irmig 
angelegt.    Auf  seiner  runden  „velika  pijaca", 

deren  Zentrum  ein  prosaisches  Waghäuschen  bildet,  miuukn  die  vier  Haupt- 
strassen des  in  269  Häusern  1460  Seelen  zählenden  Städtchens.  Mit  der 
badischen  Residenz  teilt  Pozega  den  Vorzug  seiner  reizenden  Lage,  dann  den 
Reichtum  an  antiken  Objekten,  die  gehoben  und  gesammelt,  den  Grundstock  für 
ein  Lokalmuseum  bilden  kiuinten.  Leiiler  traf  ich  viele  Zeugen  aus  der  römischen 
Fpoche,  allen  lürifliissen  der  Witterung  preisgegeben,  unter  freiem  Himmel.  Schon 
18(")0  sah  ich  dcni  eiiion  weissniarninruen  l.öuen  guter  Arbeit  aus  dem  nordwest- 
lichen Karan  (S.  fiH)).  ferner  einen  dem  Karaner  ähnlichen  Grabstein,  an  dessen 
Stirnseite,  auf  einer  Kline  mit  gebogener  Lehne,  ein  ruhender  iWann  und  ihm  zur 
Seite  eine  Krau  erscheint;  das  linke  Schmalfeld  zeigt  zwei  Männer,  von  welchen 
einer  mit  Tafel  und  Stift  in  den  Händen,  das  rechte  füllt  ein  mit  Bogen  bewaff- 
iieler  Reiter.  Mommsen  verilffentlichte  (nach  I'aton)  einen  vom  grossen  Ruinenfeld 
des  benachbarten  Dorfes  Visibaba  dalini  gelangten  Stein  mit  zweizeiliger 
i\  KANirz,  SiTiiiiM    I  3;} 


r»14       Von  Valjfvo  über  Uiicc,  Po4c((a,  Dobrinja  in  da»  Kablar-Ovfar-Moravadcfil*. 

Inschrift '),  Domaszcwski  ausser  dem  bekannten  neunzeiligen  vom  selben  Orte, 
demzufolge  dort  ein  Municipiurn  mit  Senat  bestand»),  einen  neunzeiligen,  in 
dem  sein  abgekürzter  Name  MAL  .  .  .  erscheint,  und  einen  siebenzeiligen  Stein 
im  Besitz  des  Bauern  Jercnic")-  Im  Sommer  1888  wurde  von  Visibatia  mit  sechs 
riesigen  Gesims-  und  Wcrkplalten  wieder  ein  0,98  m  hoher,  0,55  m  breiter 
Grabstein  in  das  Pozegaer  Nacclslvo  gebracht,  dessen  leider  an  mehreren  Stellen 
beschädigte  Inschrift  meine  Kopie  tunlichst  gab.  Ein  gleichzeitig  ausgegrabener, 
0,80  m   langer,    ruhender   Löwe   von   dichtem    Kalkstein   war   dem   durch   seinen 


\ 


POZEGA,   Antiker  Löwe. 


Hochverratsprozess    1894    vielgenannten    Bildhauer    Cebinac    zur  Nachbildung   in 
Marmor  nach  Kraljevo  übersendet  worden. 

Mein  Interesse  an  Überbleibseln  der  Römerzeit  erregte  im  Städtchen 
allgemeinste  Teilnahme,  und  man  eilte,  mir  mit  allerlei  Winken  zu  Hilfe  zu  kommen. 
In  die  am  16.  Juni  1860  zum  Rendezvous  aller  Honorationen  Pozegas  gewordene 
grosse  Wirtsstube  meines  Hans,  in  der  Sturm  und  Regen  die  Papierscheiben 
unserer  abgesonderten  Schlafstube  in  ihre  Urstoffe  aufgelöst  hatten,  bahnte  sich 
ein  junger  Mann  den  Weg  zu  mir  und  schilderte  schwungvoll  zwei  riesige 
lateinische   Steine,   welche   im    nahen   Walde   seines   Vaters   lägen.     .Wisstrauisch 

')  C.  I.  L,  111,  No.  1670,  Suppl.,  No.  8349. 

=)  Ibid.,  Suppl.  Fase,  II,  No.  8341. 

=)  Ibid.,  Suppl.  Fase,  II,  No.  8345,  8339. 


Von  Valjevo  über  Uzice,  Poiega,  Dobrinja  in  das  Kablar-OvCar-Moravadefile.       515 

hug  ich  ihn,  ob  die  Steine  Inschriften  oder  Figuren  trügen;  er  bejahte  beides, 
und  ich  glaube,  er  hätte  die  Frage,  ob  der  ganze  Olymp  auf  den  Steinen 
abkonterfeit  sei,  gleichfalls  zustimmend  beantwortet.  Der  heftig  strömende  Regen 
stimmte  durchaus  nicht  zu  einer  archäologischen  Exkursion;  doch  meine  Forscher- 
begierde siegte,  und  die  nächste  Viertelstunde  traf  mich  am  Rsav.  Die  Kapuze 
über  den  Kopf  gezogen,  folgte  ich  in  Begleitung  des  Ingenieurs  Vesely  dem 
jungen  Mann.  So  rasch  wir  aber  auch  ritten,  das  so  nahe  geschilderte  Ziel 
schien  sich  immer  mehr  zu  entfernen.  Mit  triumphierender  Gebärde  bog  er 
endlich  in  ein  dichtes  Gehölz.  Der  mit  Farnkraut  bedeckte  aufgeweichte  Lehm- 
boden gestattete  kein  Absitzen.  Niedergebeugt  bis  auf  den  Pferdehals,  um  den 
hindernden  Zweigen  auszuweichen,  kamen  wir  erschöpft  an  eine  kleine  Lichtung 
und  standen  vor  zwei  riesigen,  aber  nie  von  einem  Meissel  berührten  weissen 
Marmorblöcken;  nur  der  Regen  hatte  ihre  Flächen  und  Kanten  abgeschliffen. 
Es  waren  vielleicht  von  den  Römern  bei  Stan  gebrochene  und  auf  dem  Weg 
zurückgelassene  Steine,  wie  sie  noch  jetzt  von  dort  für  die  Gesimse  der  neuen 
Milifärpavillons  geholt  wurden.  Mein  Führer  entschuldigte  sich,  dass  seine 
Angaben  auf  der  Erzählung  seines  alten  Vaters  beruhten.  Ohne  ein  Wort  der 
Klage  wandte  ich  mein  Pferd,  jedoch  mit  dem  Vorsatz,  noch  misstrauischer 
gegen  alle  Winke  über  „latinske  kamenje"  zu  werden. 

Die  zahlreichen  antiken  Funde  in  dem  nur  2  km  von  Pozega  entfernten 
Visibaba  bestimmten  mich,  es  am  23.  September  1888  persönlich  zu  besuchen. 
Ü'irt  sandte  der  mich  begleitende  Bezirkshauptmann  Mihail  Kovacevic  seinen 
Pandureii  zu  den  grösseren  Grundbesitzer,  von  welchen  Milan  Desovic^  uns  nach 
seinen  Maisfeldern  führte,  auf  welchen  während  des  Pllügens  an  verschiedenen 
Punkten  1  ni  lange  Werkstücke  und  ganze  Haufen  römischer  Ziegel  zum  Vorschein 
kamen.  Weiter  ging  es  zur  „livada  krcevina",  auf  der  allerorts  Mauern  hervor- 
traten. In  noch  grösserer  Ausdehnung  erschienen  diese  auf  den  Grundslücken 
des  Kosta  Novakovic.  Dort  ziehen  starke  Unterbauten  hinab  zum  Skrapeä 
und  hinüber  auf  sein  linkes  Ufer.  Am  deutlichsten  erkennbar  aber  sind  die 
quadratisch  sich  schneidenden  Strassen  und  Mauern  der  einzelnen  Gebäude  auf 
dem  mehrere  Hektar  umfassenden  Wiesenplan  des  Mihail  Mladjenovic.  Im 
Schatten  einer  isolierten  uralten  IjcIic  überblickte  ich  das  nach  allen  Seiten 
der  prächtigen  Hochebene  sich  endlos  ausdehnende  Weichbild  der  so  gründlich 
rasierten  Rönierstadt,  die  nach  allem,  was  ich  gesehen  und  in  ihrer  nächsten 
Umgebung  noch  sehen  sollte,  die  grösste  antike  Niederlassung  in  diesem  Teil 
Mösiens  war.  Ihre  Lage  auf  dem  von  Wald  umrahmten  Plan  zwischen  dem 
SkrajH'z  und  der  Djetina  war  gleich  gesund  wie  schön.  \'iele  von  mir  in  der 
Unigebiuig  festgestellte  Kastelle  und  kleine  Orte  sorgten  für  ihre  Sicherheit  und 
ihren  niaterielkii  Bedarf.  Dass  sie  reich  geschmückte  Bauten  hesass,  zeigen  die 
schon  zufällig  zutage  gelangten  skulptierten  Werkstücke,  Säulen  und  Figuren; 
ihre  riesige  Ausdehnung  beweisen  auch  die  bis  in  Visihabas  Nachbarorte  sich 
erstreckenden  Nekropolen.  Ein  jüngst  aufgefundener  Grabstein  ist  einem  zu 
Sahinae    verstorbenen    Dekurionen    gewidmet')       Die    grösste    Zahl    der    antiken 

')  Arch.-epinr.  Milkil  .  .\lll.   i:t2.  33. 


r)](\       Von  Vnljcvo  über  ütice,  Potana,  Dobrinjn  in  das  Kablar-()v£ar-Morava(Jcfilö. 

Votivsfcinc  von  Visibaba  wurde,  wie  meine  BeKleiler  erzählten,  zum  Bau  der 
Kirche  und  Kasernen  nach  Poiega  (jeführl.  Trotz  seiner  grossen  Ausdehnunt; 
wird  at)er  der  Name  dieses  bedeutemlen  (jemeinwesens  von  den  Itinerarien  nicht 
Hunannt,  dürfte  aber  wahrscheinhch  mit  dem  des  auf  heimischen  Inschriften  stets 
nur  abgekürzt  nenannten  „Municipium  Mal..."  identisch  sein,  welcher  durch 
Domaszewski  mit  „Maiavico"  (Inschrift  von  Arba,  CLL,  III.)  ergänzt  wurde.  Vielleicht 
erfahren  wir  ihn  vollslilndincr  als  bisher  durch  einen  glücklichen  Inschriftenfund, 
wie  ich  solche  1K71  zu  Nikup  und  IH72  zu  Aboba  machte'),  durch  welche  die 
Lage  der  langgesuchten  Trajansstadt  „Nicopolis  ad  Istrum"  und  von  „Burdizu" 
entschieden  wurde.  Ob  das  Weichbild  der  Stadt  sich  nordwestlich  bis  zu  dem 
5  km  fernen  Vranjani  erstreckte,  iasst  sich  heute  nicht  entscheiden.  Dort  Hess 
ich  im  Juni  1860  einen  tief  im  Erdreich  steckenden,  1,25  m  hohen  Grabstein 
mit  verwitterter  Inschrift  ausheben,  dessen  Schmalseiten  die  mit  der  Tunika  und 
phrygischen  Mütze  bekleideten  Attisbrüder  in  gekreuzter  Fussstellung,  den  rechten 
Arm  auf  einen  Stab  gestützt,  zeigten  -).  Sicher  gehörte  aber  das  nur  2  km  südlich 
von  Visibaba  entfernte  Rasnaer  Grabfeld  zu  den  Bestattungsplätzen  der  grossen 
Rüinerstacit,  in  der  wohl  eine  Werkstälte  für  Grabsteine  sich  befand.  Unter  den 
zaiiireiclien  Votivsteinen  auf  der  „Umka  Zelenicc"  tragen  zwei  das  Bild  des  Attis 
und  auf  einem  war  noch  der  Name  Aurelius  lesbar.  Auch  die  Reste  von  Bauten 
und  die  bedeutende  Grabstätte  des  3  km  östlicheren,  durch  eine  Salzquelle 
bekannten  Gorobilje  standen  gewiss  in  engster  Beziehuog  zur  Visibabaer 
Metropole.  Schon  1860  kamen  während  meiner  dortigen  Ausgrabungen  zwölf 
Grabsteine  zum  Vorschein,  darunter  zwei  mit  ziemlich  erhaltenen  Inschriften  3)  und 
den  AttislVrüdern;  bei  der  Mehrzahl  waren  die  reichen  Skulpturen  stark  verwittert. 
.  Das  häufige  Vorkommen  der  Attisbrüder  in  den  Nekropoien  zu  Vranjani, 
Gorobilje,  Rasna,  Kremna,  Karan,  Jezevica  u.  a.  O.,  sowie  in  Bosnien  und  Sieben- 
bürgen zeigt  die  grosse  Verbreitung,  welche  die  sich  gegenseitig  betrauernden 
phrygischen  Dioskuren,  als  Symbol  tiefen  Schmerzes,  von  Deutschland  bis  nach 
Mösien,  Dalmatien  und  Dacien  in  der  römischen  Kunst  fanden.  Haakh  erkannte 
in  den  um  1860  auch  im  badischen  Rottenburg  gefundenen  gleichen  Grabstein- 
figuren den  Liebling  Attis  jener  Kybele,  deren  Kultus  schon  zur  Zeit  der  Republik 
aus  dem  phrygischen  Pessinus  nach  Rom  verpflanzt  ward.  Dass  der  ursprüngliche 
Name  Atins  lautete  und  mit  Adonis,  hebräisch  Adonaj  (Herr),  identisch  sei,  sollen 
römische  Inschriften  beweisen,  weiche  die  Formen  Atinis  (Attinis),  Atini  haben. 
Wie  die  Namen,  so  sind  auch  die  Göttergestaiten  identisch;  denn  wie  der  phry- 
gische  Attis  dem  syrischen  Adonis  entspricht,  so  nach  Haakh  die  phrygische 
Kybele  der  syrischen  Aphrodite.  Von  dem  einen  wie  von  dem  anderen  Paar 
wird  derselbe  Mythus  berichtet:  wie  der  Jüngling  auf  der  Jagd  durch  den  Zahn 
des  grimmigen  Ebers  stirbt  und  wie  die  Göttin  ihn  betrauert.  Von  dem  phry- 
gischen Attis  erzählt  Pausanias  dessen  Tod  durch  den  Eber  und  fügt  hinzu,  dass 

')  Donau-Bulgarien  und  der  Balkan.  I.  .Auflage,  Hl.  Band.  342,  356. 

-•)  C.  I.  L..  111,  No.  1671.    Suppl.  Fase,  II.  No.  8344. 

')  C.  I.  L.,  III.  No.  166').  Addit.,  No.  6315,  6316.  Suppl.  Fase,  II,  No.  8346,  8348,8351.  1852. 


Von  Valjcvo  über  Uitice,  Pozega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       519 

eben  deshalb  die  Galater  in  Pessinus  nichts  von  einem  Schwein  anrühren  — 
ganz  in  Übereinstimmung  mit  den  syrisch-phönikischen  Völkerschaften,  deren 
Sitte,  sich  des  Schweinefleisches  zu  enthalten,  mit  Recht  aus  der  Vorstellung 
von  dem  Schwein  als  dämonischem  Tier  erklärt  wird.  In  den  Sagen  von  einem 
göttlichen  oder  Heldenbrüderpaar,  welche  in  der  griechischen  Mythologie  auf- 
treten, ist  der  ursprüngliche  Charakter  von  Lichtgeistern  erhalten,  wie  bei  den 
Dioskuren.  Das  Verhältnis  der  Brüder  ist  ein  verschiedenes.  Oft  sind  sie 
unzertrennlich,  und  wenn  einer  durch  des  anderen  Hand  den  Tod  findet,  wie 
dies  mehr  als  eine  Sage  erzählt,  so  geschieht  es  zufällig,  und  er  betrauert  den 
Verlorenen;  oder  es  sind  feindliche  Brüder,  von  denen  einer  den  anderen 
absichtlich  verfolgt  und  erlegt. 

Die  gründliche  Durchforschung  der  von  mir  nur  angeschürften  Ruinenstätte 
zu  Visibaba  halte  ich  für  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  des  Belgrader  „Starinar"; 
doch  müsstcn  die  Ausgrabungen  v(jn  erfahrenen  Fachmännern  geleitet  werden, 
falls  sie  nicht  wie  jene  zu  Viminacium  (S.  177  ff.)  resultatlos  für  die  Wissenschaft 
bleiben  sollen. 

Zu  den  mich  nach  Visibaba  begleitenden  Herren  gesellte  sich  am  22.  Sep- 
tembermorgen 1888  der  damalige  Skup§tinapräsident  Milan  Dzimic,  der  mit  dem 
Kapetan  das  Notwendige  für  meinen  Ausflug  zum  Geburtsort  des  Fürsten  Milos 
und  nach  anderen  interessanten  Punkten  vorbereitet  hatte.  .An  der  seit  1884 
direkt  von  Pozega  nach  G.  Milanovac  führenden  guten  Strasse  legte  ich  15  km 
am  linken  Skrapezufor  zurück,  ohne  einer  Ortschaft  ansichtig  zu  werden.  Nur 
isolierte  kleine  Gehöfte  mit  Pllaumendürren  nisteten  sich  zwischen  den  Gehölzen 
und  Kulturen  ein,  welche  zu  den  seitlich  bleibenden  Dörfern  Glumac,  Bakionica 
und  Tabanovic  gehören.  Am  Zusammenfluss  der  Macerska  und  Dobrinjska,  wo 
die  Serben  ihre  türkischen  Gegner  im  Freiheitskrieg  nach  Uzice  zurücktrieben, 
bogen  wir  in  ein  ungemein  freundliches  Quertal,  welches  die  aus  Konglomeraten 
sich  aufbauende,  durch  natürliche  Zinnen  burgartig  gekrönte  Vranovina  beherrscht. 
Bald  waren  wir  im  mittleren  Teil  des  aus  Dolna,  Srednja  und  Gornja 
Dobrinja  bestehenden,  9  km  langen  Dorfes,  dessen  mittleren  Teil  Mili(^evi(^  als 
Fürst  Miloä'  Geburtsort  bezeichnete  ')•  Meine  Nachforschungen  ergaben  jedoch, 
dass  ihn  der  Lehrer  Simo  Cerovic,  gleich  vielen  seiner  ungenannten  Mitarbeiter, 
falsch  berichtet  hatte.  Miloä'  Vater,  Teodor  Mihailovic,  wohnte  zuerst  im  5  km 
niirilliclRTcn  (idrnja  Dobrinja,  und  dort  gebar  ihm  seuic  Frau  Viänja  (Weichsel- 
kirsche) den  nachmaligen  (jründer  des  serbischen  Fürstenhauses.  Bald  darauf 
lötete  Teodor  einen  Türken  im  Streit,  was  ihn  veranlasste,  vor  dem  Zorn  des 
dortigen  Spahi  auf  den  Besitz  eines  zweiten  in  Srednja  Dobrinja  zu  flüchten. 
Der  jüngst  verstorbene,  mehr  als  hundertjährige  Vukajio  CurCic  erzählte,  wie  sein 
Vater  den  flüchtenden  Teodor  mit  dem  Säugling  MiloJ  in  der  Wiege  am  Quell 
Bozinjkovac  ausruheiul  gefunden,  und  wie  dieser  in  Srednja  Dobrinja  sich  das 
llc'iin  griiniK'ie,  in  dem  .Wiln.i^'  Brüder  Jovan  luul  Jevrem,  KiWng  Alexanders 
Urgrossvater,  gebdien   uiiulcn. 

')  Srbija,  6CXif.  —  Audi  K.iijl's  „Srbija"  i;nth;ill  ilicsellu'  iirij;i'  Angabe. 


5*20       Von  Valjevo  über  Uiicc,  Poicga,  Uobrinja  in  da»  Koblar-lJviar-Moravadflilt. 

Schon  eine  flUchlij^e  Umschau  in  dem  mit  weiteren  3  km  erreichten  Gornja 
Dobrinja  /eint  das  Wohlwollen,  welches  Kürst  MiloS  für  den  Ort  hcKte,  an  dem 
seine  Wiej;e  stand.  Am  waldif^en  HeharhanK  erbaute  er  eine  hübsche  Kirche  mit 
breiter  polygonaler  Chorapside  und  freistehendem,  /wei^jeschossigem  Glockenturm. 
Tritt  man  durch  das  stark  beschildigte  f^trtal  und  die  gleichfalls  restaurations- 
bedürftige Vorhalle  in  das  Innere,  so  fesselt  das  Auge  die  reich  geschmückte 
Ikonostasis.  welche  KOnig  Milan  1883  „zu  Ehren  des  Fürsten  MiloS  Obrenovi<5  I." 
stiftete.  An  der  Altarseite  vor  der  Kirche  Hess  Miloä  seinen  Vater  Tcodor 
bestatten.  Die  mit  einem  Kreuz  geschmückte,  rotmarmorne  Grabplatte  meldet: 
„Hier  ruht  der  Leib  des  seligen  Teodor,  Vater  Seiner  Durchlaucht  des  Gebieters 
und  serbischen  Fürsten  MiloS  Obrenovic,  welcher  diese  heilige  Kirche  zu  seinem 
Seelenheil  erbaut  hat.  Derselbe  starb  am  15,  November  1802."  Zurückgekehrt 
aus  dem  t.xil,  liess  der  Fürst  das  kostliche  Wasser  einer  nahen  südöstlichen  Quelle 
in  einen  massiven  Brunnen  fassen,  welcher  die  Widmung  trägt:  „Diesen  Quell  und 
Cardak  stiftete  der  durchlauchtigste  Herr  Milo§  Obrenovic  1.,  Fürst  von  Serbien 
am  15.  Aug.  1860  dem  Seelenheil  seines  Vaters,  des  Herrn  Teodor."  Eiijen 
weiteren  Beweis  dankbarer  Erinnerung  an  seinen  Geburtsort  bildet  die  prächtige, 
von  Fürst  Mihail  vollendete  vierklassige  Dorfschule  inmitten  eines  baumreichen' 
Platzes  nahe  der  Kirche.  Eine  von  dem  tüchtigen  Lehrer  Milenko  Popovic  und 
seiner  Frau  impruvisierte  Prüfung  im  Schreiben,  Landkartenlesen  und  Zeichnen 
sprach  für  beider  Tüchtigkeit  und  die  Lernlust  des  jungen  Nachwuchses.  Zuletzt 
wurde  auf  meinen  Wunsch  die  Königshymne  angestimmt,  uifd  ein  dreimaliges 
Hurra  aus  den  jungen  Kehlen  begleitete  uns  beim  Abschied. 

Alles .  zeigte  zu  Gornja  Dobrinja,  dass  die  Obrenovic  ihres  Stammortes 
eingedenk  blieben,  und  ich  verstehe  nicht,  was  Milicevic  („Srbija",  S.  606)  zur 
herben  Äusserung  bevvog;  „Es  ist  eine  Schande  für  die  Obrenovic,  dass  sie  bei 
all  ihrem  späteren  Ansehen  und  Reichtum  die  Geburtsstätte  ihres  Ahnherrn,  des 
grossen  Serben,  bis  heute  durch  gar  nichts  bezeichnet  haben  und  der  Vergessenheit 
preisgeben!"  —  Ich  sehe  die  Sache  anders  an;  ich  denke,  dass  es  nicht  eine 
Pflicht  der  Dynastie,  sondern  der  Nation  ist,  ihrem  Befreier  vom  Türkenjoch  ein 
würdiges  Denkmal  an  seiner  Geburtsstätte  zu  errichten  —  selbstverständlich  aber 
nicht  in  Srednja  Dobrinja;  denn  der  bisherige  Glaube,  es  sei  Milos'  Geburtsort, 
ist  irrig,  sondern  in  Gornja  Dobrinja,  bei  dem  an  Stelle  des  verschwundenen 
Hauses  stehenden,  durch  einen  riesigen  Pflaunienbaum  beschatteten  Marmorstein, 
der  einen  Lorbeerkranz  und  die  Inschrift  trägt:  „Heil  dem  Unsterblichen,  der  zu 
Grossem  geboren  ist!  Hier  hat  das  Licht  der  Welt  erblickt  Serbiens  Befreier, 
der  serbische  Fürst  Milos  111.  Obrenovic.  Die  Gemeinde  Dobrinja  bezeichnete 
aus  tiefer  Erkenntlichkeit  und  aufrichtiger  Dankbarkeit  diese  Stelle  in  Gornja 
Dobrinja  mit  diesem  Denkmal  zu  ewiger  Erinnerung.  10.  August  1897."  —  Rings 
um  die  von  mir  skizzierte  Geburtsstätte  ist  keine  menschliche  Niederlassung  zu 
sehen;  Laubbäume,  Zvvetschgengärten  und  sanft  profilierte  Höhen  bilden  gegen 
Norden  ihren  natürlichen  Rahmen.  Die  dort  herrschende  tiefe  Ruhe  dürfte  aber 
schwinden,  wenn  die  von  dem  Podrinjsker  Bergingenieur  Milosav  Atanackovic 
bei    G.  Dobrinjas    Kirche   und    anderen,   den    Kaufleuten    Milovan  Stevanovic    und 


Von  Valjevo  über  Uzice,  Pozega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       521 

Jereiiiic  gehörenden  Terrains  konstatierten  mächtigen  Steinkohlenlager  abgebaut 
werden  sollten. 

Während  des  improvisierten  Piners  in  der  Mehana  erzählten  uns  die  Dorf- 
insassen von  dem  heftigen  Erdbeben,  das  Dobrinja  am  20.  Dez.  1886  erschreckte. 
Der  Stoss  verlief  von  NW.  gegen  SO.  in  der  Richtung  auf  Cacak.  Selbst- 
verständlich wurden  auch  manche  Erinnerungen  an  die  ersten  Obrenovic,  welche 
Dobrinja  oft  besuchten,  ziemlich  breit  zum  besten  gegeben.  Hier  kurz  der 
bewegte  Lebenslauf  von  Jovan  und  Jevrem,  welche,  ihrem  Halbbruder  Milos  eng 
verbündet,  sehr  viel  zur  Aufrichtung  der  berühmten  serbischen  Herrscherdynastie 
beitrugen.  Der  1787  geborene  Jovan  war  vom  Beginn  der  Befreiungskämpfe 
Milos'  treuer  Waffengefährte.  1816  ging  er  mit  einer  Deputation  nach  Konstanti- 
nopel, hierauf  ward  er  Wojwode  der  Rudniker  Nahija  und  residierte  zu  Brusnica. 
1820  erschien  er  an  der  Spitze  von  200  Knieten  seiner  engeren  Heimat  zu 
Belgrad,  um  den  Serbiens  erworbene  Rechte  verbriefenden  Ferman  durch  Marasli 
Ali  Pascha  proklamieren  zu  hören.  Später  lebte  er  in  Cacak,  wo  sein  Konak 
heute  noch  besteht.  MiloS  anhängend,  verliess  er  mit  ihm  gleichzeitig  sein 
Vaterland,  das  er,  obschon  jünger  als  dieser,  nicht  mehr  sehen  sollte.  Zu  Neusatz 
starb  er  1850.  Sein  geistig  bedeutenderer  Bruder  Jevrem,  geb.  1790,  besass 
vor  ihm  und  Milos  den  Vorzug,  dass  er  lesen  und  schreiben  konnte,  was  letzterer 
für  seine  politischen  Zwecke  trefflich  auszunutzen  verstand.  Als  Miloä  1815 
erneut  den  Kampf  begann,  liess  Suleiman  Pascha  den  mit  einer  Herde  Ochsen 
an  die  Sava  gekommenen  Jevrem  verhaften  und  in  den  schauerlichen  Nebojäeturm 
werfen  (S.  1 1  u.  24).  Jevrem  erholte  sich  nie  mehr  von  den  erduldeten  Leiden.  1816 
ward  er  Wojwode  des  Sabacer  Distrikts  iiiui  1835,  als  sein  Bruder  nach 
Konstantinopel  ging,  fürstlicher  Stellvertreter  zu  Kragujevac.  Später  schloss  er 
sich  der  Partei  an,  welche  Milos'  Rechte  beschränken  wollte,  und  als  dieser  dem 
Thron  entsagen  iiuisste,  ward  er  einer  der  drei  Landesregenfen  und  Senats- 
präsident. Nach  seines  jungen  Neffen  Mihail  Verjagung  zog  Jevrem  auf  sein 
üut  Manasija  in  die  Walachei,  wo  er  1856  starb.  Aus  seiner  Ehe  mit  des 
Wojwoden  Anto  Bogicevic  Tochter  Tomanja  entstammten  vier  Töchter  und  der 
1829  in  Sabac  geborene  Miloä,  welcher,  mit  Maria,  einer  Tochter  des  inoldauischcn 
Bojaren  Katardzij  vermählt,  Serbien  seinen  ersten  König  Milan  gab. 

Der  findige  Meliand/ija  besorgte  Reitpferde  im  Dorfe.  Nun  verfolgten  wir 
vom  „S|)omenik"  zwischen  den  582  in  hnluMi  A^acer  Kulturen  und  Gehölzen  einen 
nordwestlichen  Bergpfad,  der  uns  in  I  Sl.  nach  J eze vica  brachte.  Schon  früher 
halten  sich  uns  bei  einem  stark  ku|iicrten,  stellenweise  bewaldeten  Einschnitt, 
tlen  wir  diircli/iehen  miissleii,  vur  Polizisten  angeschlossen,  und  erst,  nachdem 
sie  (lern  Kapetan  Meriiiil  eislallrl,  ilrani^en  uir  m  denselben  ein.  Diese  auf- 
falleiule  Vorsichtsmassregel  veranlasste  ein  räuberisches  .Allenlat.  dessen  Schauplatz 
die  Jezevicer  Mehana  war,  in  der  wir  balil  gemütlich  ruhten.  Wenige  Tage  früher 
sprengten  zwei  bis  an  die  /.äliiie  bewaffnete  Heiducken  vor  dieselbe,  zitierten  und 
zwangen  die  beiden  Ducaniiis  (Dorfkrämer),  ihr  Bargeld  auszuliefern,  und  als  der 
eine  (lebrandschatzle  drohend  rief:  „Ich  kenne  Dich  wohl,  ich  werde  mein  (leid 
wiedei   bekommen!"  schnitt  ihm  der  Räuber,  zum  lintsetzen  der  Anwesenden,  den 


522       Von  Valjfvo  über  Uiicc,  PnivKa,  Uobrinja  in  das  Kablar-f>v£ar-Moravadefild. 

Kopf  ab.  Unter  dem  liindruck  dieser  heiteren  ErzählunK  begaben  wir  uns  zum 
300  Hl  fernen  nördliilien   „Staro  urobiStc". 

So  iH'isst  ein  Ifü^el  mit  vielen  stark  verwitterten,  grussentcils  lief  in  den 
liiak-ii  (gesunkenen  Grabsteinen.  I3ei  näticrer  Untersucliunfi;  fand  iclt,  dass  diese 
lUnriihnisstiltle  mindestens  zwei  verschiedenen  Fipochen  an(;ehftre.  Ihre  skulptierten 
Steine  aus  dichtem  Kalk  auf  der  Spitze  des  Hügels  sind  römisch;  einige  zwischen- 
und  tiefer  stehende  halte  ich  für  gleichallerig  mit  den  sogenannten  bosnischen 
Bogumilensteinen.  Von  den  rdmischen  Votivsteinen  zeigten  die  besser  erhaltenen 
rechteckige,  reich  umrahmte  Inschriftfelder  und  über  oder  unter  diesen  Vasen  mit 
symmetrisch  angeordneten  Weinranken.  Auf  den  meisten  erschien  aber  alle 
Schrift  verwittert;  nur  bei  einem  blieb  in  einer  Zeile:  II  PARTON  CV  lesbar. 
Interessant  war  mir  auch  hier,  auf  den  Schmalseiten  eines  Steines  die  Attisbrüder 
zu  finden  (S.  516).  Unfern  lag  eine  1,50  m  hohe,  0,65  m  breite  Platte,  deren 
Stirnseite  über  dem  Schriftfeld  in  zwei  gesonderten  Umrahmungen  einen  roh 
skulptierten  Reiter  und  darüber  drei  sitzende  Figuren  zeigte.  In  1,40  m  Tiefe 
stiess  ich  unter  dem  gehobenen  Steine  auf  das  gut  erhaltene  Skelett  eines  ohne 
jede  Beigabe  bestatteten   starken   Mannes  mit  gegen  NW.  gerichtetem   Kopf. 

Dieser  Begräbnisplatz,  die  Kastellruine  auf  dem  westlichen  Crnokos  und  den 
nordwestlichen,  939  m  hohen  Subjel  krönende  Burgmauern,  deren  Schutt  antike 
Münzen  birgt,  zeigen,  dass  hier  vorgeschobene  Posten  der  grossen  Römerstadt 
standen,  welche  ich  am  Skrapez  feststellen  konnte.  Auch  der  prähistorischen 
Forschung  würde  sich  nur  wenige  Kilometer  östlich  ein  'vielversprechendes 
Arbeitsfeld  erschlicsscn.  Ein  Bauer,  welcher  einen  der  zahlreichen  Tumuli  zwischen 
G.  Dobrinj;i  und  der  nördlichen,  820  m  hohen  Siljkovica  an  der  schon  früher 
geschilderten  iWilanstrasse  öffnete,  fand  statt  der  erhofften  Schätze  menschliche 
Gebeine,  eine  Urne  und  grosse  eiserne  Pfeilspitzen,  die  leider  verloren  gingen. 
Wiederholt  wurden  auch  in  der  weiteren  Umgebung  neolithische  Funde  gemacht'). 
Ein  beim  nordöstlichen  Pranjani  ausgegrabener  12  cm  langer,  4  cm  hoher  und 
4,3  cm  starker  Hammer  aus  Diorit,  mit  1,65  cm  breitem  zylindrischen  Stielloch, 
unterscheidet  sich  von  ähnlichen,  dass  er  an  einer  Seite  sehr  spitz  zuläuft, 
welche  Eigentümlichkeit  auch  ein  zweiter  von  Serpentin  zeigt-). 

Nördlich  von  G.  Dobrinja  liegt  Druzetici.  bei  dem  die  W'ojwoden  Jovan, 
Micic  und  Drincic  die  1815  von  Valjevo  nach  Cacak  ziehenden  Türken 
zerstreuten,  was  die  schon  berührte  Schlacht  am  Ljubic  brdo  zugunsten  der 
Serben  entschied.  Der  ebenso  sanglustige  wie  geschichfskundige  Kapetan  hatte 
für  unsere  Sicherheit  eifrigst  gesorgt.  Im  prächtigen  Eichenwald,  durch  den  am 
Westhang  der  Branovina  ein  Reitpfad  hinaus  auf  die  Milanovacer  Strasse  führt, 
stiessen  wir  wieder  auf  seine  patrouillierenden  Panduren.  Da  hatten  es  sich  seine 
türkischen  Kollegen  bequemer  gemacht  und  mich  samt  meinem  kleinen  Gefolge  auf 
den  verrufensten,  durch  Tscherkessen  und  Heiducken  unsicher  gemachten  Balkan- 
passagen sorglos  dem  „Kismet"  überlassen!     Erst   bei  der  grossen   Pflaumendörre 


')  2ujevic,  Priloze  za  paleoetnologiju  srpskih  zemalja.    Beograd  1886. 
•■)  Starinar,  V,  40. 


Von  Valjevo  über  Uzice,  Pozega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       523 

von  Cestobrodica  wurde  das  Polizeipikett  vom  Kapelan  entlassen.  Am  gleich- 
namigen Strassenhan  warteten  unsere  Wagen,  und  nun  ging  es  unter  Führung 
eines  ortskundigen  Müilerburschen  durch  den  Skrapez  und  eine  romantische 
rechtsuferige  Querschlucht,  deren  mit  zahlreichen  Tumuli  und  bearbeiteten  Werk- 
stücken eines  antiken  Baues  bedeckte  Hohen  auf  eine  römische  Ansiedelung  auch 
an  diesem  Karan  nahen  Funkt  schliessen  lassen.  So  hatte  auch  dieser  Tag  des 
Interessanten  in  Fülle  gebracht;  mit  einem  heiteren  Souper,  zu  dem  Präsident 
Dzimic  auch  Pozegas  Honorationen  geladen,  wurde  er  im  hübschen  Speisesaal 
seines  grösstcn   Hotels  beschlossen. 


Auch  Serbien  besitzt  seinen  Montferrat  und  Athos.  Doch  nicht  wie  der 
erste,  ein  der  Erde  entstiegener  riesiger  Kegel,  das  ihn  umgebende  Hügelland, 
oder  wie  der  zweite,  als  „Walddom  der  anatolischen  Christenheit"  die  Fluten  des 
strymonischen  Golfes  weithin  beherrschend,  sondern  in  einer  Steilschlucht  zwischen 
dem  Kablar  und  Ovcar  liegen  auf  jedem  Ufer  vier  Klöster,  mit  Sagen  von 
einstigen  Wundern  still  verborgen,  und  nur  selten  verirrt  sich  ein  fremder 
Wanderer  in  diese. 

Die  klosterreiche  Moravaschlucht  mit  ihren  Naturreizen  und  Mysterien  zog 
mich  mächtig  an,  und  der  18.  Juni  1860  wurde  zur  Reise  durch  diese  nach 
Cacak  bestimmt.  Schwer  fiel  mir  der  Abschied  von  den  Pozegaer  Freunden, 
vom  gastfreundlichen  Popen  und  seiner  lieben  Frau,  welche  den  Blumenflor  des 
Hau'^gärtchcns  /u  einem  Frinnerungsstrauss  für  tlen  „aus  weiter  Ferne  gekommenen 
Fremden"  plünderte;  auch  „Kaioper"  (FrauenblatI),  bei  den  Slaven  als  „Mutter- 
gotteswindel" in  besonderen  Fliren  gehalten,  zierte  ihn.  Mein  Reisebegleiter,  der 
Pisar  Filip,  tummelte  sich  bereits  auf  seinem  ungeduldigen  Rösslein,  und  trotz  des 
uns  zur  Eskorte  zugewiesenen  grollenden  Panduren  Rakov,  der  an  jenem  Tag 
Weib  und  Kinder  nur  ungern  zu  verlassen  schien,  brachen  wir  auf.  Vergebens 
deutete  er  nach  dem  über  tier  Morava  schwarz  niederhängendem  Wolkendach. 
Ich  wollte  den  einmal  gefassten  Beschluss  nicht  wieder  zurücknehmen,  auch 
durfte  ich  ja  hoffen,  Blagovjeätenje,  das  erste  der  Waldklöster,  noch  vor  dem 
Einbruch  der  Nacht  /u  erreichen.  Das  Entlaufen  unseres  Trainpferdes  nach  dem 
Gehöft,  aus  dem  es  beigestellt  wurde,  bildete  ein  böses  Vorzeichen  für  unsere 
Reise;  eine  kostbare  halbe  Stunde  verstrich,  bis  der  finsterblickende  Rakov  mit 
dem  stutzigen  Tier  wieder  zu  uns  stiess. 

I'ernah  von  der  Serpentinstrasse,  welche,  das  Jelicagebirge  überwindend, 
Pozega  mit  Cacak  verbindet,  führen  Saumpfaile  über  abschüssigen  Waldgruiul 
und  scluitterfüllte  Rinnsale  hinab  zu  den  acht  Klöstern  im  Moravadefile.  Steil 
abfallende,  nackt  zutage  treteiule  Olinimerschicfer-  und  Kalkstcinwände,  die.  oft 
überhängend,  ihre  riesigen  Massen  im  Flusse  spiegeln,  erschwerten  die  Anlage 
einer  besseren  Strasse,  und  die  ni.n\  angelegte  niusste  über  die  südlichen.  629  m 
hohen  Berge  geführt  werden. 

Po2ega  im  Rücken  und  l'rijanoviöi  links  haltend,  überstiegen  wir  zunächst 
einige   ililuviale  lliilu'n    im    „(lugalj    polje"    vor  der  Mündung  iles  Skrapei  in  die 


524       Von  Valjcvr)  Über  U2icc,  Po2cga,  DobrJnja  in  da«  Kablar-Oviar-Moravadcfili-. 

aus  S.  kommende  Morava.  Bei  Turkovo  verengte  sich  ihr  Defilö;  das  rechte 
Ufer  schiebt  dort  wiederholt  enthlrisste  Kalkmassen  K^K'-'n  ^las  linke  vor.  Immer 
tiefer  herabziehende  Gewitterwolken  warfen  sthwarzblaiie  Tinten  auf  den  in  Sicht 
tretenden  OvCar;  das  belebende  Lokalkolorit  von  Gestein,  Vegetation  und  Wasser 
verschwand  unter  einem  einzigen  beängstigenden,  dunklen  Farbenton.  Einen  wohl- 
tuenden Lichtpunkt  in  dem,  einem  stark  nachgedunkelten  Ruysdael  gleichenden 
Hilde  bot  hart  am  Wege  das  hellgetünchle  Sctiulhaus  der  im  Uefile  zerstreuten 
Gehöfte.  Wir  sprachen  ein  und  trafen  einen  im  Belgrader  Lyceum  gebildeten 
jungen  Lehrer,  der,  erfreut  über  den  unerwarteten  Besuch,  uns  nach  BlagoveStenje 
geleilen  wollte,  was  um  so  willkommener  schien,  als  Pandur  Rakov  sich  des  Weges 
unkundig  bekannte  und  zu  dem  immer  stärker  wütenden  Sturm  sich  bald  auch 
die  einbrechende  Nacht  gesellte. 

Nicht  länger  vermochte  das  dichte  Gewölk  seinen  schweren  Inhalt  zu 
tragen.  Die  serbische  Dodola  hatte  ihr  Siegel  gelöst  und  das  Echo  der  von 
Wand  zu  Wand  rollenden  Donnerschläge  begleiteten  Ströme  durchdringenden 
kalten  Regens.  Maria  „die  Flammende",  Elias  „der  Donnerer"  und  Panteiejnon 
„der  Stürmebeherrscher"  Hessen  uns  die  ganze  Wucht  der  entfesselten  Naturkräfte 
auf  dem  Südwesthang  des  Kablars  empfinden.  Nur  einzelne  Blitze  erhellten  den 
im  dichten  Eichenwald  abwärts  führenden  Pfad.  Die  Zügel  lose  haltend,  bis 
auf  die  Mähnen  niedergebeugt,  einzig  und  allein  dem  sicheren  Tritt  der  Pferde 
vertrauend,  folgte  unsere  kleine  Karawane  ernst  und  schweigsam  dem  durch 
Zurufe  uns  orientierenden  Lehrer  auf  dem  abschüssigen,  schlüpfrigen  Waldgrund. 
Eine  Stunde  mochte  in  solcher  Weise  verflossen  sein,  da  riss  mir  ein  tief- 
hängender  Ast  die  schirmende  Kapuze  vom  Kopf,  ich  fühlte  einen  Schnitt  auf 
der  Stirn,  und  Blut  rieselte,  gemengt  mit  kühlendem  Regen,  über  die  Wangen; 
ein  wenig  tiefer,  und  es  war  um  ein  Auge  geschehen.  Glücklicherweise  nahten 
wir  uns  dem  Ziel  unserer  nächtlichen  Wallfahrt.  Aus  der  Tiefe  drang  Licht- 
schimmer herauf,  bald  darauf  öffnete  unser  mit  der  örtlichkeit  vertrauter  Führer 
das  Pfortlein   im  Palisadenzaun  von  Blagoveätenje'). 

Wir  Menschen  sind  eigentümlich  geartet.  Minuten  genügen  oft,  unsere 
Empfindungen  umzustimmen.  Als  wir  das  bescheidene  Klostergebäude  betraten, 
dessen  Bewohner  uns  freundlich  bewillkommten,  war  das  erlittene  Ungemach 
schon  zum  Teil  vergessen,  und  rascher  Kleiderwechsel  brachte  uns  zu  voller 
Lebensfreudigkeit.  Prächtig  mundende  Forellen  stillten  unseren  Appetit,  auch 
der  Rakijafiasciie  ward  nicht  mindere  Ehre  erwiesen.  Unweit  meines  Lagers  sprach 
der  Klostervorstand  sein  Nachtgebet,  während  draussen  das  Unwetter  mit  erneuter 
Kraft  tobte.  Dankerfüllt  pries  ich  meinen  guten  Stern,  der  mich  auf  dieser 
gefährlichen  Tour  sichtbar  beschützt  und  ohne  grösseren  Unfall  nach  der  gast- 
lichen  „Maria  Verkündigung"  geweihten  Stätte  geführt  hatte. 

In  einem  bescheidenen  Dorfe  des  Waldgebirges  wurde  Serbiens  Befreier 
geboren,  und  dieses  kleinste  seiner  Klöster  sollte  der  Ausgangspunkt  seiner  neuen 

')  Auf  der  serbischen  Generalstabskarte  fehlt  dieses  Kloster  und  Vosnesenje,  die 
anderen  6  der  Kablar-Ovcarschlucht  sind  aber  alle  richtig  eingezeichnet. 


Von  Valjevo  über  Uzice.  Poiega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefil6.       525 

Staatlichen  Einrichtungen  werden.  Ich  hatte  des  Nachts  auf  historischem  Boden 
geschlafen;  die  Räume,  in  welchen  ich  mich  zur  Ruhe  hinstreckte,  sahen  während 
der  Unabhänf^igkeitskämpfe  im  Jah/e  1805  den  Synod,  auch  Sovjet  (Senat,  Rat) 
genannt,  sich  konstituieren  und  den  Grundstein  zur  bürgerlichen  Wohlfahrt  des 
Landes  legen.  Die  Schläge  des  Symantrons,  desselben  einfachen  Instruments, 
das  man  in  Pompeji  fand,  riefen  die  Mönche  schon  mit  dem  ersten  Hahnenruf 
zur  Kirche.  Ein  Morgen  von  verführerischer  Schönheit  lud  auch  mich  ein,  das 
harte  Lager  zeitig  zu  verlassen.  Bald  war  ich  über  des  Klosters  Ausdehnung 
orientiert.  Seiner  Friedensmission  entsprechend,  lag  es  klein,  still  und  friedlich 
auf  einem  Talsporn,  zwischen  prächtigem  Grün,  bespült  von  den  brausend  hin- 
tobenden Fluten  der  Morava.  Des  Kirchleins  Kuppel,  Holzbedachung  und  schlicht 
gezimmerte    Vorhalle    mahnten    an    ähnliche    Bauten    in     Russland    und    in    den 


KlosliTkirche  Sv.  Blaf{ove&lcnjc. 


norwegischen  Fjorden;  der  malerische  Brunnen,  die  niederen  Wohngebäude  der 
Mönche,  alles  stimmte  in  seiner  Einfarhheil  wunderbar  zu  den  schönen,  wenig 
gebrochenen  Linien  des  nahen  Oviar.  Unterhalb  des  Klosters  ragt  ein  breiter 
Felsblock  mitten  im  Flussbett,  „mosna  stena"  (Brückenfels),  empor,  der  einer 
Brücke  ehemals  als  Pfeiler  diente,  und  nahe  entspringt  auf  einer  kleinen  Insel 
eine  heisse  Quelle  von  37"  C. 

Nach  einer  Inschrift  an  der  Westwand  des  Kirchleins  wurde  BlagoveStenjc 
1602  unter  dem  Hegumenos  Nikodini  erbaut.  Zu  jener  „schweren  und  dürftigen 
Zeit"  war  Paisije  Patriarch  von  Ipek,  Kir  Serafim  Metropolit  von  Vjencka  (Vcn(^ac?) 
und  iKi  K'iuliiikcr  l-.parchie.  Im  Innern  bietet  es  geringes  Interesse.  Die  niittel- 
mässigen,  nach  einer  Inschrift  vom  9.  Mai  bis  27.  Jimi  1632  volk-ndeten  Fresken 
tragen  den  Stempel  der  Flüchtigkeit.  Eine  weisse  Marmorplatle  im  Altarrauin 
erzählt,  dass  „Kir  Sofronije",  Metropolit  von  Sinederevo  (f  1613).  hier  sein  Grab  fand. 

Im  [ahr  IH26  barg  Blagovestenje  eine  merkwürdige  Bevölkerung.  Der 
Ik'mnninos    Danilo   war    Po|H'    in    der    I ler/egi>wina    gewesen   und   vor   türkischem 


ri2f)      Von  Valjcvo  über  üiice,  Poicßa,  Dobrinja  in  daK  Kablar-Ovfar-Moravadcfild 

Druck  nach  Serbien  geflohen;  als  seine  Frau  gestorben,  wurde  er  Mönch  und 
zo(i  nach  Biagoveätcnju.  Sein  Vater,  früher  ebenfalls  Dorfpfarrcr,  folgte  ihm  als 
Witwer  dahin  mit  zwei  jüngeren  Söhnen.  Wunderbar  ^enuj^,  auch  diese  verlangte 
es  nicht  mehr  hinaus  ins  „weltliche  Treiben";  die  jjeheimnisvoUe  Klosterwelt, 
Vater-  und  Bruderliebe  hielten  sie  gefanKen  in  den  stillen  Zellen,  wo  sie  als 
Schüler,  dann  als  Mönche  n't-'ifhfalls  dem  heiligen  Dienst  sich  weihten.  Von 
den  vier  Mönchen,  welche  1860  dort  wohnten,  war  bei  unserem  Abschiedsmahl 
ausser  dem  noch  junjjen  Vikar  nur  einer  mit  besonders  ausdrucksvollem  Kopf 
zugegen ;  die  beiden  anderen  waren  auswärts  in  der  nurija  (Pfarre)  beschäftigt, 
welche  4  Orte  einschliesst.  Noch  vor  nicht  langer  Zeit  wurde  der  Iguman 
nur  durch  einen  Kaludjer  unterstützt.  Aus  dem  Ertrag  seiner  26  Hektar  Felder, 
Wiesen  und  Weiden,  von  4  Hektar  Wein-  und  Obstgärten,  2  Hektar  Wald  und  des 
auf  5000  d  bewerteten  Viehstandes  bestritt  das  Kloster  seine  2300  d  betragenden 
Ausgaben.  Nun  ist  es  aber  gleich  Preobrazenjc  gesperrt,  und  seine  Pfarrdörfer 
sind  auf  die  Dobrinjaer  Kirche  angewiesen. 

Nur  durch  einen  niederen  Bergsattel  geschieden,  liegt  „Preobrazenjc",  das 
kleine  Kloster  „Verklärung  Christi",  am  Fusse  des  Kablars,  dessen  terrassenartvg 
zum  902  m  hohen  Gipfel  sich  aufbauenden,  nackten,  von  der  Mittagssonne  grell 
beleuchteten  Kalkwände  herrlich  vom  dunklen,  dicht  bewaldeten  höheren  Ovf  ar  (998m) 
kontrastierten.  Auf  mit  lieblichen  Blumen  geschmückter  Matte,  von  prächtigen,  bis 
zum  Fluss  vordringenden  Baumgruppen  umfriedet,  liegt  Preobrazenjc  in  durch 
keinen  Laut  unterbrochener  Stille  traulich  verborgen.  Wer  der  Stifter,  wer  sein 
Erbauer,  ist  unbekannt.  Eine  Inschrift  im  Bogenfeld  über  dem  niederen  Eingang 
des  kaum  5,5  m  langen  Kirchleins  erzählt,  dass  es  an  100  Jahre  verödet  stand 
und  erst  1811  durch  den  Mönch,  späteren  Bischof  Nikifor  restauriert  wurde.  Ein 
schlichter,  schmuckloser  Bau,  besitzt  er  weder  Kuppel  noch  Seitenapsiden.  In 
vier  gleich  unbedeutenden  Häuschen  nahmen  ab  und  zu  Mönche  ihren  Aufenthalt. 
Vor  etwa  fünfzig  Jahren  lebte  hier  ein  Kaludjer  Izaja,  der  im  Geruch  grosser 
Heiligkeit  stand.  Er  „arbeitete"  in  verschiedenen  Klöstern,  „um  seine  Seele  zu 
retten",  und  in  der  Umgebung  war  der  Glaube  verbreitet,  dass  er  durch  den  Teufel 
versucht  worden  sei,  als  er  durch  mehrere  Winter  in  einer  Felsenhöhle  hauste. 
Diese  Fabel  öffnete  dem  spekulativen  Mönch  die  Herzen  und  Säckel  des  Volkes. 
„Man  lebt  in  Preobrazenjc  wahrhaft  mönchisch",  erzählte  Vuk,  der  diesen  Izaja  mit 
drei  Schülern  dort  traf.  Und  wie  damals,  besitzt  das  Kloster  auch  heute  weder 
Filialen,  noch  Felder  oder  Nutzvieh;  es  ist  auf  die  Liebesgaben  der  Gläubigen 
angewiesen.  Diese  werden  meist  durch  den  hohen  Ruf  des  oberhalb  des  Klosters 
einer  Höhle  entströmenden  „Savina  voda"  (Sava-Wasser)  angezogen.  In  dieser  Höhle 
sollen  „Izposnici"  (Fastenbrüder),  die  sich  das  Gelübde  auferlegten,  im  Leben  niemals 
Fleisch  zu  essen,  gelebt  haben.  An  jeder  „miada  nedelja"  (Sonntag  nach  Neumond) 
kommen  Leute  aus  den  nahen  Orten  hierher,  um  von  dem  Wasser  zu  trinken,  noch 
mehr  aber,  sich  die  Augen  damit  zu  waschen,  da  man  dem  Quell  geheime 
Heilkräfte  beimisst.  Die  nahe  Höhle  „Turcinovac"  bot  den  bedrängten  Christen 
während  der  Türkenkämpfe  ein  sicheres  Versteck  und  wird  von  der  heutigen 
Generation   mit  lieklentaten  aus  jener  Zeit  poetisch  verklärt. 


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Von  Valjevo  über  Uzicc,  Pozega,  üobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       529 

„Ovi  je  put  dobar  za  koze!"  —  dieser  Wegist  gut  für  Ziegen!  —rief  icii  in 
Mitte  der  halsbrecherischen  Kletterpartie  aus,  die  wir  ausführten,  um  von  Preobrazenje 
nach  Sv.  Niküije  zu  gelangen,  das  ein  hoher,  in  die  Morava  steil  abfallender 
Ausläufer  des  Kablars  von  ersterem  trennt.  Wir  mussten  zunächst  eine  beträchtliche 
Höhe  erklimmen,  dann  über  Klippen  wegspringen  und  im  Schutt  ausgewaschener 
Rinnsale  herabroilen,  um  die  Nase  zu  umgehen  und  so  die  Morava  wieder  zu 
erreichen,  tin  etwas  besserer  Fusssteig  brachte  uns  endlich  in  das  von  Felsen 
rings  uinschlossene  Kloster.  „Nikad  se  u  njenui  nije  vatra  gasila"  (nie  wurde  das 
Feuer  in  demselben  gelöscht).  Damit  wollte  der  Chronist  sagen,  es  war  nie 
verödet.  Doch  wessen  „zadusbina"  (fromme  Stiftung)  es  ist,  darüber  erwähnt 
weder  die  Geschichte  noch  Sage  etwas.     Vuk  erzählt'),  Sv.  Nikolje   habe  einst 


4^ 


,|.T  Sv    Nilcili. 


M)  Mönche  beherbergt.  1860  fand  ich  dort  nur  drei,  und  heute  zählt  es  nur 
zwei  Kaludjer.  Zweimal  ein  Raub  des  Feuers,  verdankt  es  seine  letzte  Restau- 
ration dem  Fürsten  Milos,  der  sich  dankbar  erinnerte,  dass  seine  Familie  1815 
hier  sichere  Zuflucht  gefunden.  Fr  besuchte  es  wiederholt  und  mehrte  den 
Klosterbesitz  mit  prächtigen  Wein-  und  Pflaumcngärten.  Dieser  besteht  aus 
22  Hektar  Feld  und  Wiesen,  8  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  20  Hektar  Wald, 
und  da  es  das  kirchliche  Zentrum  einer  ziemlich  wohlhabenden  Umgebung,  über- 
steigt  ilie  Jalireseinnalime   nill   etwa   ;<,"i()()  ij   sogar  ilie   .Ausgaben. 

Nikoljes  Kirche,  ein  einfaches  Langschiff  mit  angesetzter  niedriger  Chorapsis, 
eben  solchen  Seitenapsiden,  ohne  Kuppel  und  mit  hölzernem  tilockenturm, 
bewahrt  eine  l'r.uiilarbeil,  ein  mit  .Winealschrili  geschriebenes  altes  Fvangelicnbuch 
von  selkiui  SdioiHuii  Seine  l'unktation  ist  vergoklet,  die  initialen  sind  gouilloche- 
artig  in  (inUi  und  larben  ausgeführt,  die  vier  Fvangelisten,  gleich  vielen 
Ornamenten,  tiefllicli  i^e/eiehnet.  Daniele  veriM'fentlichle  das  wertvolle  „Nikolsko 
jevamelje"  IHöl  aiil  seiner  let/len  Seite  als  Schreiber  des  Werkes  Pop  Vuk. 
Sohn  des  l'rotopopen  Roleio  zu  Karan.  Die  allerlei  chronistischen  Aufzeich- 
nungen   im    Huch    beziehen   sich    auf   Visitationen    de-;    Klii>-teis   .hirch   die    Ipeker 


')  Daniea,   1H2<).  2  fl 

l-,  KANir/,   Scrim-n     I 


M 


niU)       Von  Valjc'vn  über  Uiicc,  PoicKSi  Dobrinja  in  das  K.iblar-()v(ar-Moravadi>(il^. 

I'atriarclicn  Maksiiii,  Bruder  des  Despoten  Djurdje,  und  durch  Arzenije  Carnojevit, 
welcher  hekaiinthch  1690  den  serbischen  lüxodus  nach  Un(;arn  leitete;  andere 
Notizen  neben  Daten  über  eine  grosse  Teuerung  im  J.  1608.  Als  Pr<ibe  der 
lunoranz  urul  floskelhaften  ÜberschwenKlichkeit  des  Chronisten  hier  in  treuer 
Wiederj^abe  eine  auf  die  türkische  Fielaf^erun^  von  Wien  bezügliche  Stelle:  „Und 
dieses  Jahr  war  grosse  Not  auf  der  jjanzen  Welt  durch  die  Gewalttaten  Ainir 
Sultan  Mehemeds.  Das  Christentum  war  ^f'^sster  Verfolj^unK  preisgegeben; 
denn  die  ismaelilischen  Mächte  floRen  mit  Schlannenflüneln  über  Meer  und  Land 
Kcjicn  die  berühmte,  glJInzcnde  Festung  Wien.  Aber  der  Herr,  der  die  Stolzen 
beugt,  wollte,  dass  er  (der  Sultan)  beschämt  zurückkehre.  Seine  Heere  wurden 
bei  Ksudu  (?)  (durch  die  Ungarn)  vernichtet,  und  grosse  Not  und  Elend  war  auf 
l:rden!" 

Eine  halbe  Stunde  von  Nikolje  entfernt  liegt  auf  einer  Hochebene  das  kleine 
Kloster  Jovanje.  Es  scheint  durch  Brand  zerstört  worden  zu  sein,  wurde  aber 
1848  restauriert.  Der  Grundriss  seines  Kirchleins  gleicht  dem  von  Nikolje,  doch 
besitzt  es  eine  Kuppel  und  reichere  Dekorierung.  Ein  grosses  Gebäude  mit 
vielen  Zellen  in  zwei  Stockwerken  ist  teilweise  noch  verfallen  und  von  üppiger 
Hauiiivogetation  überwuchert.  Die  nahen  Hüben  tragen  die  Reste  alter  Befestf- 
gungen.  Von  einer  „gradina"  wird  beiiauptet,  dass  sie  als  Glockenturm  die 
Betstunde  für  alle  benachbarten  Klöster  verkündete.  Diese  Tradition  deutet  auf 
die  Begründung  der  anderen  hin,  dass  Jovanje  einst  als  „Lavra"  aller  Klöster 
zwischen  dem  Kablar  und  Ovcar  die  Gerichtsbarkeit  über  dieselben  übte,  wofür 
auch  ein  erhaltenes  tiefes  Verliess  spricht.  Es  liegt  unter  dem  grossen  Saal,  in 
dem  „die .  heiligen  Bücher  geschrieben  wurden".  Jovanjes  Einkünfte  sind  sehr 
gering.  Wohl  besitzt  es  Weingärten  und  etwas  Vieh,  doch  genügt  seine  Einnahme 
kaum  für  die  Steuern  und  Bedürfnisse  seines  Namijestniks.  Es  wird  wohl  bald 
seine  Pforte  sperren  müssen. 

Auf  dem  rechten  Ufer  der  Morava  gelangt  man  zuerst  in  das  auf  einer 
Anhöhe  unter  dem  Ovcar  liegende  Kloster  „Vavedenje"  (Maria  Tempelgang), 
dessen  Kirchlein  zur  Zeit  meines  Besuchs  eine  auf  vier  Pfeilern  ruhende  Kuppel 
trug.  Auch  diese  Zierde  fiel,  als  man  den  höchst  primitiven  Bau  1874  in  eine 
Pfarrkirche  für  6  Orte  umgestaltete.  Tradition  und  Mönche  lieben  es,  etwas  von 
dem  Nimbus,  welcher  die  grossen  Nationalheiligen  Simeon  und  Sava  im  gläubigen 
Volke  verklärt,  auf  ihre  Klöster  zu  übertragen.  In  dem  einen  Kloster  lebte  der 
Heilige,  in  jenem  betete,  im  dritten  fastete  er;  hier  weihte  er  die  Quelle,  im 
anderen  rief  er  sie  hervor.  So  wurde  auch  Vavedenje  nach  der  Sage  von  dem 
hl.  Simeon  und  seinem  Sohn  Sava  gestiftet.  Vuk  erzählt,  dass  es  lange  verödet 
blieb  und  erst  im  letzten  Jahrhundert  durch  den  Mönch  Vujovic  aus  Travna 
restauriert  wtudc.  Der  Kirche  gegenüber  liegt  die  Ruine  eines  mittelalterlichen 
Schlosses,  dessen  Namen  und  Erbauer  die  gegenwärtige  Generation  vergass  und 
das  höchst  wahrscheinlich  auf  römischen  Kastellmauern  entstand.  Hier  fand 
Professor  Trojanovic  in  einem  eröffneten  Grabe  bei  Vidova  eine  antike  Bronzefibel, 
eiserne  Lanzenspitzen,  ein  Glasgefäss  usw.,  ferner  in  der  Dedinjskoer  Höhle 
prähistorische   Tnpfscherben   und    menschliche  Gebeine,    die   Professor    Djoka   P. 


Von  Valjevo  über  Uzice,  Pnicega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.        531 

Jovanovic,  nach  den  Oberschenkelbeinen  und  Geräten  urteilend,  1,85  m  hohen 
Männern  der  Bronzezeit  zuschrieb'). 

Weiter  auf  dem  schmalen  Fusspfad  im  kühlen  Waldschatten  zwischen  frischem 
Eichengrün  fortziehend,  gelangte  ich  zu  den  Ruinen  des  lange  verödeten  Klosters 
„Voznesenjc"  (Christi  Himmelfahrt),  das  an  der  Quelle  eines  zur  Morava 
fliessenden  Baches,  Jovanjes  „gradina"  gegenüberliegt.  Ein  Kaludjer  Makarije 
des  nahen  Sretenje  wollte  es  erneuern,  doch  der  Uzicer  Bischof  Janicije  verbot 
es.  Mehr  Erinnerungen  aus  früherer  und  letzter  Zeit  bietet  „Sretenje"  (Simeons 
Begegnung  mit  Christus  im  Tem[iul)   gegenüber  der   erwähnten  Turcinovac-Höhle. 

An  des  Klosters  Gründung  knüpft  sich  eine  poetische  Sage.  Man  warf, 
das  Jahr  ist  unbekannt,  eine  Krone  hoch  in  die  Luft,  wo  sie  niederfiel,  sollte  das 
Kloster  erbaut  werden.  Sie  fiel  auf  eine  Höhe,  rollte  auf  eine  zweite  und  endlich 
in  das  heutige  Klostertal  hinab,  daher  sein  Name  „Krunski  do"  (Kronental), 
während  man  die  von  der  Krone  zuerst  berührten  Höhen  „velika"  und  „mala 
kruna"  (grosse  und  kleine  Krone)  nannte.  In  den  Türkenkriegen  verteidigten  die 
vom  Landvolk  unterstützten  Mönche  das  Kloster  wie  eine  Festung,  erst  nach  dem 
Fall  der  übrigen  ergab  es  sich  und  wurde  zerstört.  Die  alte  Kirche  war  von 
einem  Zellengang  umgeben.  Der  Grundriss  der  Kirche  ist  dem  des  folgenden  Sv. 
Trojica  ähnlich.  Nikifor,  der  Preobrazenje  restaurierte,  dankt  auch  Sretenje  seine 
1818  erfolgte  Wiederherstellung.  Dieser  zwischen  Kablar  und  Ovcar  vielgepriesene 
Mönch  erwarb  während  einer  grossen  Pest  durch  Gebete  für  Lebende  und 
Begräbnisse  der  Toten  mehrere  Tausend  Piaster.  Das  ungewohnte  Geld  machte 
ihm  viel  zu  schaffen.  „Was  damit  beginnen?  Soll  ich  nach  Jerusalem  ziehen  und 
es  dort  zur  Verschönerung  von  Kirchen  und  Klöstern  opfern?  Nein!  Erspriess- 
licher  wird  es  sein,  damit  ein  Werk  im  Lande  selbst  zu  gründen,"  und  so  stellte 
er  Sretenje  wieder  her.  Viik  erzählte:  „Man  lebt  auch  hier  wahrhaft  mönchisch, 
von  Mais,  Hülsenfrüchten  luid  Fischen;  Fleisch  wird  nie  gegessen."  Dies  änderte 
sich.  Obschon  das  Kloster  keine  Pfarre,  ist  der  Ertrag  seiner  33  Hektar  Feld, 
Wiesen  und  Weiden,  10  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  350  Hektar  Wald  und 
des  grossen  Viehstandes  ausreichend  für  die  etwa  3500  d  betragende  Jahres- 
aiisgaben  seines  Igiiinans  luid  Duhovniks.  Zuletzt  wurde  nicht  sehr  gut  gewirt- 
schaftet, auch  ist  manches  von  Viik  hier  gesehene  wertvolle  alte  Buch  verschwunden. 
Der  kleine  Kirchenschatz  bewahrte  einige  „mineji"  und  eine  Bibel  vom  Ostroger 
Kloster  mit  Aufzeichnungen  über  türkische  Verwüstungen,  Morava-Austretungen 
und  Erdstösse,  welche  die  Miinche  zu  Weifereignissen  aufbauschten.  Auch  die 
Verheerung  der  walachischen  „A\okSandija"  wird  berichtet;  ferner  „im  Jahre  1731 
nach  Erschaffung  der  Welt  zerstörte  eine  Überschwemmung  im  Kloster  Mileäevo 
in  der  Herzegowina  die  Wohnung  des  llegiunenos  und  viele  Zellen.  Zu  dieser 
Zeit  ertriigeti  auch  wir  viel  Elend  und  Not  durch  die  Agarjane  (Tilrken),  unserer 
Sünden  hallur.  Auch  war  gleichzeitig  in  der  ganzen  Welt  Sintflut,  Erdspallung 
und  allerlei  Krankheil  Das  Kloster  wurde  ilurch  Überschwemmung  beschädigt 
am     2.    Juli     genannten    Jahres";    andere    ilerartige    Noti/en     wurden    durch    den 

')  Slarin.ii.  VII,    l():t;  l.\,  2ü  f. 


HM'i       Von  V.iljcvo  über  U2icc,  PofxKa,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ov^ar-Moravadcfilc. 

schlt'clilfii  Zusliiiiil  der  Bibel  unleserlich.    Zu  Srelenje  bUssten  Mönche  und  Welt- 
KeisHicIie  durch  (jerithtsspruch  ihnen  auferleule  Freiheilsstrafen  ab. 

Der  ahvvecliselrul  (iher  nacktes  (iestein  und  iippit^e  Cirashalden  ziehende 
|-"usspfail  liilirl  nach  „Sv.  Trojica"  (hl.  Dreifaltigkeit).  Es  liegt  hoch  auf  einem 
durch  reiche  Vegetation  verschönten  Plateau  des  westlichsten  Ovcar-Ausläufers. 
Sein  1850  restauriertes  Kirchlein,  ein  Zentralbau  mit  fünfseitij^er  Chorapside, 
Seitennischen  und  zwOjfscitineni  Tambour  über  der  Vierung,  welcher  die  von 
aussen  mit  skulptiertcn  Marmorplatten  jjezierte  Kuppel  träfet,  ist  g"'  ausgeführt. 
Besonders  zeigen  die  Türen  und  Fenster  rein  profilierte  Umrahmungen  von  Sand- 
stein. Das  eine  Wuhngehaude  enthält  10  Zellen  in  zwei  Stockwerken.  Den 
Namen  des  Stifters  dieses  Klosters  kennt  man  nicht  [Jem  Mauerwerk  nach  zu 
urteilen,  dürfte  es  gleichzeitig  mit  Srelenje  entstanden  sein,  als  dessen  Filiale  es 
zu  helrachten  ist.  Schöne  Obstpflanzungen,  darunter  prächtige  Apfelbäume, 
umgeben  die  kleine  Heilstätte  und  [Pfarrkirche  für  drei  Orte.  Ihr  iguman  und 
Diiliuvnik  verwalteten  ihren  Besitz  von  29  Hektar  Feld  und  Wiesenland,  88  Hektar 
Wald  und  den  guten  Vichstand  so  trefflich,  dass  sie  nicht  allein  ihre  Jahresausgabe 
von  etwa  1700  d  deckten,  sondern  schon  1883  an  9000  d  Kapital  ersparten. 
Nun  ist  sie  verweltlicht  worden. 

Der  Phiiolog,  weicher  in  den  geschilderten  Klöstern  nach  wertvollen  alt- 
slavischcn  Manuskripten  forschen  wollte,  dürfte  gleich  Vuk,  welcher,  der  erste  zu 
diesem  Zweck,  die  westliche  Moravaschlucht  aufsuchte,  arg  enttäuscht  werden. 
Wenn  der  „Fragmentist"  den  schlechten  Zustand  der  Bibliotheken  auf  dem  Athos 
schildert  und  darüber  klagt,  dass  dort  die  Stelle  des  Grammatikos  oft  unwissende 
Faulenzer  .bekleideten,  so  erkläre  ich,  dass  dies  zwischen  dem  Kablar  und  Ovcar, 
wie  überhaupt  in  den  serbischen  Klöstern,  sich  ganz  anders  verhält,  denn  es  gibt 
dort  weder  schleciit  noch  gut  geordnete  Bibliotheken;  weder  gelehrte  noch 
ignorante  Bibliothekare.  Wie  alle  Bewohner  orientalischer  Klöster,  gehören  auch 
jene  der  serbischen  der  Ordensgesellschaft  des  hl.  Basilius  an.  Diese  unterscheidet, 
im  richtigen  Erkennen  des  geringeren  oder  stärkeren  Dranges  zu  abgeschlossenem 
Leben,  drCi  mönchische  Grade:  Klosterbewohner,  Anachoreten  und  Asketen. 
Gehören  die  Bewohner  Manasijas,  Ravanicas  und  Studenicas  der  ersten  Kategorie 
an,  so  darf  ich  die  Mönche ,  welche  die  von  der  Aussenwelt  abgeschlossene 
Schlucht  zwisciicn  dem  Kablar  und  Ovcar  bewohnen,  den  beiden  letzten  Graden 
zuzählen.  Die  Moravaschlucht  suchen  gewöhnlich  nur  Menschen  auf,  welche  mit 
der  Gesellschaft  zerfallen,  ihr  entfliehen  wollen.  Mit  ein  oder  zwei  Gleich- 
gesinnten oder  allein  bewohnen  sie  die  in  den  Bergspalten  eingeklemmten  Häuschen 
zwischen  kleiner  Maistrift,  Äpfel-  und  Zwetschgenpflanzung,  Wein-  und  Gemüse- 
oasen, Waldgrün  und  Buschwald.  Ausser  den  Schlägen  des  Symantrons  stört  an 
Werktagen  kein  Laut  die  ringsum  herrschende  feierliche  Stille,  der  Lärm  weltlichen 
Treibens  dringt  nicht  über  die  hochaufgebauten  Kalkkuppen  des  „Küfners  und 
Schäfers".  Ohne  höheren  Wissensdrang,  aber  auch  ohne  den  Staat  oder  die 
Gesellschaft  mit  ihren  Bedürfnissen  zu  belästigen,  bei  Arbeit  und  Gebet,  die 
Pflugschar  und  Bibel  abwechselnd  in  der  Hand,  treu  den  anfänglichen  Regeln 
basiliaiiischer  Mönchsordnung,   nötigen  uns  diese  Einsiedler  durch  Genügsamkeit, 


Vfiii  Valjevo  über  Uzice,  Poiega,  Dobrinja  in  das  Kablar-Ovcar-Moravadefile.       533 

beschauliches  Leben  und  Freiheitsliebe  Bewunderung  ab.  Diese  treuen  Anhänger 
des  grossen  cappadocischen  Lehrers  der  byzantinischen  Christenheit  werden 
wahrscheinlich  unbeirrt  von  weltlicher  Macht  ihren  Tugendniut,  ihre  Ablösung 
von  menschlichen  Dingen  und  asketische  Selbstüberwindung  gewiss  so  lange 
üben  dürfen,  bis  die  von  mir  1860  vergeblich  gesuchte  Fahrstrasse  entlang  dem 
Ovcarhang  auf  Kieperts  damaliger  Karte  zur  Wahrheit  wird,  und  dies  dürfte  noch 
einige  Zeit  währen. 

An  Nikoljes  Wahrzeicliun,  bei  einer  vereinzelten  Tanne,  in  der  ringsum 
vorwaltenden  Laubholzregion,  erwartete  uns  Pandur  Rakov  mit  den  Pferden.  Sie 
hatten  wegen  der  abschüssigen  Pfade  von  Blagovestenje  einen  mehrstündigen 
Umweg  machen  müssen,  um  uns  zu  erreichen.  Noch  ein  Blick  von  der  Veranda 
auf  den  Ovcargipfel,  den  stummen  Zeugen  der  grossen  Trauerscene,  die  sich 
1815  hier  abgespielt,  als  die  von  den  Moslims  hierher  verfolgten  Cacaker  Greise, 
Frauen  und  Kinder  sich  in  die  Moravaflut  stürzten,  um  noch  traurigerem  Los  zu 
entgehen;  noch  ein  Toast  bei  feurigem  Serbenwein  auf  das  Wohl  des  gast- 
freundlichen Igumans  Melentije  und  die  interessante  Klosterwelt  zwischen  ihren 
gewaltigen  Hütern  „Küfner  und  Schäfer",  und  fort  ging  es  auf  nun  sanfteren 
Pfaden  über  die  letzten  gegen  NO.  abdachenden  Kablarhiihen  zur  Cacaker  Ebene. 

Nach  vielwüchentlichem  Auf-  und  Abklettern  der  Serbiens  Westen  bedeckenden 
Bergketten  wieder  Flachland,  wieder  eine  Landschaft,  welche  dem  sehlustigen  Auge 
das  Schweifen  in  die  luftige  Ferne  nicht  verwehrt!  Lind  eine  prachtvolle  Ebene 
ist  es,  in  die  wir  hinabblicken!  Sie  bildet  den  wohltuendsten  Gegensatz  zur 
durchzogenen  historisch  interessanten,  aber  ernsten  und  menschenleeren  Bergregion. 
In  den  im  vollsten  Segen  dastehenden  Feldern  tummelten  sich  arbeitsame,  frohe 
Menschen;  Mütter  sahen  freudig  nach  ihren,  im  Schatten  fruchtreicher  Bäume 
spielenden  Kindern,  und  allenthalben  zeigten  sich  mit  Rotziegeln  gedeckte,  gut 
aussehende  Orte,  hier  und  da  mit  hellblinkenden  oder  alten  Kirchlein  am 
leuchtenden  Bande  der  serbischen  Morava,  die  in  unzähligen,  aller  Regelmässigkeit 
spottenden  Krümmungen  sich  gefällt,  (jleich  dem  von  den  Ägyptern  als  Gott 
vcrelniLii  Nil  ist  auch  sie  „Segner  und  Befruchter"  dieses  reichsten  serbischen 
Landstriches.  Ihr  Steigen  und  Fallen  wird  nach  dem  gewöhnlichen  Austritt  im 
Frühjahr  ebenso  ängstlich  wie  bei  der  grossen  Wasserader  im  Pyramidenland 
beobachtet;  denn  nicht  innner  verlaufen  sich  die  befruchtenden  Fluten  so  rasch, 
als  es  die   .Anwohner  wünschen. 

Als  ich  an  jenem  herrlichen  Junitag  in  die  Ebene  hinabstieg,  bohrten  sich 
ilu'  lliile  dn  Pferde  oft  fusstief  in  den  noch  durchfeuchteten  schwarzen  Humus. 
Infolge  anhiluiuKn  Regenfalles  durch  die  stark  zuströmenden  Gebirgswässer  rasch 
angeschwollen,  war  der  Strom  stelL-iiweise  über  seine  Ufer  getreten  und  der  Ritt 
durch  den  aufgeweichten  Boden  anstrengend.  Noch  mehr  gab  ims  bei  der 
heftigen  Slr(nniing  des  brückenlosen  Flusses  seine  dreimalige  Durchfurtung  zu 
schaffen;  mir  mit  grössler  Anstrengung  brachten  wir  unsere  Tiere  heil  durch. 
lliei  fand  l'aiulm  Rakov  Gelegenheit,  sein  trotziges  Benehmen  gutzumachen. 
I.i  erfassie  unser  von  der  Strömung  fortgerissenes  Lastpferd  in  dem  Augenblick 
am  /ügel.   als   meine  liochaufgeschnalllen  Querlaschen   bereits  Wasser  schöpften. 


5:U       Villi  Viitjcvo  über  Uiicc,  Poic^a,  Dobrinja  in  da«  Kablar-Ovtar-Moravadclilc. 

uiiil  rctiftu  ilatliircli  meine  Kffekten  und  vollen  Mappen  vor  gän/lichcr  Durchnässung. 
Clheriwiiipt  änderte  sich  sein  hoffilrtijies  Wesen,  je  mehr  wir  unserem  Reiseziel, 
Cacak,  Jiüher  kamen.  Mit  dem  Wachsen  der  Umrisse  seiner  weithin  sichtbaren 
Kuppeikir^'he  wurde  der  rauhe  l'andur  K>-'fäll<K(-'r.  »nd  beim  Aufsitzen  am  letzten 
Man  half  er  mir  suj^ar  unaufnefurdert  in  den  Steinhünel.  All  dies  in  der  süssen 
lloffnunt.;  eines  zu  erhaltenden  grosseren  Backschisch;  es  war  d«r  Z.nilicr  welcher 
die  Losung  mancher  Riltsel   im  Orient  einschliesst. 

Kurz  vor  Sunnenunterganj^  kamen  wir  an  die  Cacaker  Kahre.  hin  breites 
l-alirzciiK  von  nahezu  quadratischer  Form  nahm  uns,  die  Pferde  und  einen  gleich- 
zeilij;  anneiaiinten  Bauernwa^en  auf.  Heute  ist  sie  durch  eine  in  der  Richtung 
auf  die  Milanovacer  Strasse  geführte  [-"ontonbrücke  ersetzt.  Eine  Viertelstunde 
ritten  wir  auf  dem  rechten  Moravaufer  zwischen  freundlichen  Auen  und  üppigen 
Maisfeldern  hin,  da  erschienen  die  ersten  Hauser  der  stattlichen  Il.inpisiadt  des 
Rudniker  Kreises. 


XVI. 

Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  basta,  Raca, 

Kremna,  die  Tara  planina  und  Mokra  gora  nach  Uzice. 


D/\S  24()  III  lidcli  in  der  Hbeiic  liegende  Cacak,  zu  dessen  Befestigungen 
wahrscheinlich  die  Kastelimauern  an  der  westlichen  Jezdinska  gehörten,  birgt 
prähistorische  Objekte,  römische  und  inittelaitcrliclie  Waffen,  Münzen  usw.  Im 
(iyiiinasium  sah  icli  eine  Hausurne,  Kaiserniedailhms,  viele  kleine  Münzen  usw., 
im  Sihinjaciiof  1H58  dort  ausgegrabene  Skulpturen  und  Grabsteine.  Die  grössere 
Zaiil  der  Cacaker  römischen  Funde  verschwand  aber  in  den  Grundfesten  seiner 
grossen  Kirche  und  öffentlichen  Gebäude.  Im  Verlauf  werde  ich  klarstellen,  dass 
diese  Stadt  ein  wichtiger  Knotenpunkt  des  römischen  Strassennetzes  am  Margus  war. 

Ausser  den  erwähnten  Zeugen  aus  Cacaks  Vergangenheit  besitzen  wir  keine 
Naciirichten  über  seine  Schicksale  und  Iintwickelung.  Erst  zu  Beginn  des  19.  Jahr- 
liunderts  tritt  es  in  die  Geschichte  ein,  als  die  Serben  sicli  lHt)5  der  Stadt  im 
Kampf  K*-'^*-'"  ili"-'  l^aliieii  bemächtigten.  Etwa  300  Aufständische,  geführt  von 
den  Rudniker  Wojwoden  Lazar  Mutap  und  Pilip  Drincic,  verjagten  die  Moslims, 
iIdcIi  kamen  sie  1813  wieder  und  blieben  bis  zu  ihrem  1815  erfolgten  Abzug 
nach  dem  bosnischen  Sjenica.  Zur  Kreisstadt  erhoben,  war  Caöak  von  1831 
bis  1854  Sit/  lies  Uzicer  Bischofs;  als  dieser  aiier  bald  nach  Karanovac  und  das 
1838  errichtete  Untergymnasiiim  1845  nach  Kragujevac  versel/l  wurden,  trat  in 
Cacaks  Entwickelung  ein  etwas  langsameres    Tempo  ein. 

Mein  Biliicheii  mailil  tieii  Leser  mit  dem  llauptplatz  Cacaks  in  jener  Epoche 
iiekannt.  Die  Katiietirale  bikiete  den  Krist.iliisationspimkt,  um  den  sich  die  zahl- 
reichen F^egierungsgebäude  gruppierten,  ihrer  Stirnseite  zunächst  befindet  sich  das 
Nacelnikat,  dann  folgt  das  Telegraplienamt,  die  Schule  und  rechts  das  Kreisgerichl. 
Diese  damals  zu  den  InsUii  des  Landes  zählenden  Bauten  trugen  nahezu  alle 
türkischen  Ciiarakter  uiul  summten  übrigens  ganz  gut  zur  nahen  Kirche,  ilie  trotz 
der  182^  erfdigten  Weihe  mul  spater  liinzugefügten  Türme  die  frllhere  AVoschce 
erkeiiiKii  lassl  uiul  sl.irke  Zweifel  erregt,  ob  sie  ilasselbe  Gotteshaus,  dessen 
I  iiisteluiiig  iiarli  eiiui    im   \'(ilk  veri>reiteten  Sage  Vuk  mir  so  erzählte:    «Als  das 


6!J6  Viin  CaC.'ik  über  U2icc,  Bajin.-i  ti:i$l;i,  Ra(.i,  Krvmna  usw.  nach  Utice. 

OvCarklosler  Vavcdenji-  ){ehaut  wurde,  soll  das  Material  über  Ca£ak  dahin 
bcförderl  worden  sein.  Hier  nahm  der  von  dem  Bauherrn  bestellte  Aufseher  von 
jedem  vollbeladenen  Wa^;en  je  einen  Stein  und  stiftete  aus  dem  so  gesammelten 
Steinkapital  die  Kirche.  Auf  die  oft  an  ihn  j;<-'f'cl)letc  Vtagc:  was  er  mit  den 
ein/einen  Steinen  beginnen  werde,  antwortete  er  gewöhnlich:  Eto  {a^kam  ncSlo! 
(ich  stöbere  hier  etwas!),  und  daher  stamme  auch  der  Name  ,CaCak'." 

Der  (Jrundriss  dieser  Kirche  widerspricht  der  neueslens  ausKCsprochenen 
Ansicht,  dass  Sfraiimir,  ein  Bruder  des  hl.  Nemanja,  ihr  Stifter  sei.  Man  stützte 
diese  mit  einer  Stelle  im  „Ljetopis",  nach  welcher  dieser  Fürst  der  hl.  Oottes- 
mutter  eine  Kirche  zu  „Grade  an  der  Morava  errichtete",  und  auch  damit,  dass 
anlässlich  des  Kreisamtsbaues  im  September  1875  bei  der  heutigen  Kirche  drei 
Glocken  ausjjefjrabcn  wurden,  —  die  zwei  grösseren  im  Belgrader  Museum 
von  welchen  eine  die  Inschrift  zeigt:  „Diese  Glocke  widmet  der  hochwürdige 
Metropolit  Nicifor  von  Grade  im  J.  6962  (1454).  Radoje.  der  Glockengiesser"; 
die  zweite,  von  demselben  Spender,  war  der  „allerheiligsten,  wundertätigen 
Gottesmutter"  gewidmet').  Diese  aus  dem  15.  Jahrhundert  stammenden  Glocken 
beweisen  wohl,  dass  auf  Cacaks  Stelle  schon  damals  eine  Stadt  mit  Kirche  stand, 
aber  durchaus  nicht,  dass  die  heutige  Kirche  mit  Strazimirs  Bau  identisch  sei, 
der  gewiss,  entsprechend  den  serbischen  Kirchen  aus  der  ersten  Nemanjidenzeit, 
einen  anderen  Typus  im  Grundriss  besass.  Es  wäre  nur  anzunehmen,  dass 
Strazimirs  Kirche  von  den  Türken  so  wesentlich  umgestaltet  worden,  dass  von 
ihrem  ursprünglichen  Bau  wenig  übrig  blieb.  Die  weitgespannte  Kuppel  sowie  die 
gänzlich  mangelnden  Kreuzschiffc  und  Apsiden  lassen  mich  vielmehr  annehmen, 
dass  die  Kirclic  zum  grösseren  Teil  selbst  im  Unterbau  rein  türkisch  sei. 

Die  Umwandlung  der  Moschee  in  eine  Kirche  verursachte  der  Gemeinde 
grosse  Kosten;  trotzdem  ist  die  Restauration  keine  gelungene.  Mit  den  auf- 
gewendeten Mitteln  hätte  dem  byzantinischen  Stil  besser  entsprochen  werden 
können;  der  turmartige  Kuppelaufsatz  und  die  Türmj  an  der  Stirnseite  sind  viel 
zu  nüchtern  und  zu  wenig  in  harmonische  Übereinstimmung  gebracht,  um  das 
Auge  zu  befriedigen.  Auch  hier  fand  ich,  dass  die  damaligen  serbischen  Meister 
mit  unbegreiflicher  Vorliebe  ihre  Vorbilder  in  den  schlechtesten  ungarischen 
Bauten  suchten,  während  sie  die  dem  orthodoxen  Kultus  entsprechenden  byzan- 
tinischen Monumente  zu  Konstantinopel,  Athen  und  im  eigenen  Land  wenig 
studierten.  Schon  1862  bemerkte  ich  in  „Serbiens  byzantinische  AAonumente", 
dass  die  Markuskirche  in  Venedig,  die  Klosterkirche  Vladimir  am  Kliasma,  die 
Kirche  Nikolaus  Stolpniki  zu  Moskau  Beispiele  geben,  wie  die  nun  einmal  zum 
Bedürfnis  gewordenen  Glockentürme  angebracht  und  im  Einklang  mit  dem  Stil 
organisch  entwickelt  werden  müssen.  Noch  fehlt  die  innere  Ausstattung  der  Kirche; 
hoffentlich  wird  sie  mehr  den  Stilgesetzen  entsprechen  als  das  architektonische 
Kleid,  welches  der  alten  Moschee  angezogen  wurde. 

Im  Zentrum  des  Platzes  stand  damals  eine  zu  Ehren  der  Rückkehr  des 
Fürsten    Milos    (1859)  errichtete    gotische    Spitzsäule,    die   wie    aus  Stein   erbaut 


')  Stojan  Novakovic.  (jlasnik.  Xl.ll,  351). 


Von  Cacak  über  Uzicc,  Bajiiia  basta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Uzice. 


ry-M 


aussall,  während  der  obere  Teil  provisorisch  vom  deutschen  Tischler  Jakob  Kren 
gezimmert  war.  Bei  ihrer  Fundamentierung  stiess  man  auf  eine  Grabstätte,  welche 
der  damals  SOjährige  Opincar  Rade  Radojcvic  als  jene  des  1815  bei  Cacaks 
Verteidigung  gefallenen  Caja  Pascha  erkannte.  Man  schüttete  das  aufgefundene 
Grab  wieder  zu  und  setzte  die  Grabung  östlicher  fort.  Krens  zierliches  A\onument 
fiel,  als  man  zu  Cacaks  Regulierung  schritt.  Die  Anregung  zu  diesem,  an  der 
gewählten  Stilform  unpassenden  Denkmal,  aber  auch  zu  vielen,  Cacaks  äussere 
Physiognomie  vollkommen  umgestaltenden  Verbesserungen  wurde  von  Ferdinand 
Kren  gegeben,  der  selbst  in  und  mit  der  Stadt  aus  kleinen  Anfängen  emporwuchs. 


i  1 


»«amiiiiif 


CaOAK,  Haiiplplalz  mit  Kathedrale  1860. 


Als  mittelloser  Bindergeseile  folgte  er  1845  seinem  gleichfalls  zu  Rmna  in  Sirmien 
geborenen  Bruder  nach  Cacak,  in  dem  noch  alles  zu  tun  war  und  das  seinem 
strebsamen  industriellen  Geist  ein  luhnendes  Feld  bol.  Fr  zimmerte  Fässer, 
braute  in  kleinen  Kesseln  Bier,  trieb  Fruchthandel,  übernahm  Häuserbauten  und 
ärarische  Lieferungen  und  erwarb  sich  neben  einem  bedeutenden  Grundbesitz, 
einer  jährlich  4()()()  Ijiner  liefernden  Brauerei  usw.  durch  seine  sprichwörtlich 
gewordene  Redlichkeil,  trotz  seiner  deutschen  Abkunft,  allgemeinstes  Vertrauen. 
Kren  haute  das  IHKO  vollenilele  einstöckige  Nacelslvo  mit  31  Fenstern  Fri>nt. 
in  dein  das  Kreisamt,  das  Kreisgericht,  das  Trnavsker  Bezirksamt  uiul  die  Bischols- 
wohnimg  Platz  fanden,  während  der  in  dasselbe  einbezogene  Konak  Jovan  Obrem^vii^s 
dem  Konsisturiiim  inul  das  alte  Kreisamt  der  Volksschule  eingeräumt  wurden.  \HT.\ 
gründete  er  il.is  erste  Beispiel  im  Lande  einen  städtischen  Fonds,  aus  dem 
arme  Schüler  seitdem  Stipendien  erh.ilten.  .Auch  das  für  die  IHlH»  errichtete 
Realschule    hestimmte,     und    ii.k  h    ihiei    Umgeslaltimg    zum    Gymnasium    diesem 


538  Von  Catak  über  U2icc,  Bajina  batta,  Ha£a,  Krcmna  iihw.  nach  Uticc. 

zugewiesene  sehr  zweckmässige  Gebäude  erbaute  Kren  IK7ü.  Die  Kuppet  der 
Kathedrale  wurde  IK82  auf  seine  Anregung  mit  Kupfer  neugedeckt,  die  König 
Milan-Ilauptstrasse  mit  Bäumen  bepflanzt  usw.  Am  meisten  dankt  ihm  CaCak 
abi-r  die  von  1879—1883  vereint  mit  dem  Ingenieur  Manuk  durchgeführte  grljnd- 
liche  Verbesserung  seiner  sanitären  Verhältnisse.  Diese  wurde  nur  durch  die 
llcining  des  Niveaus  sämtlicher  Cjasseii,  Strassen  und  Pläl/e  um  durchschnittlich 
1  Ml  zur  Ableitung  der  Miasinenlierde  bildenden  Morava-lnundationswasser 
ermöglicht.  Ausser  dem  imhen  Trottoir  vor  dem  eigenen  Haus  hatte  jeder 
(jruiulbesitzer  die  Kahrbahii  bis  zur  Mitte  der  Strasse  anzuschütten  und  zu 
pflastern;  nur  die  Regulierung  der  öffentlichen  Plätze  fiel  dem  Kommunalsäckel 
zur  Last,  welcher  auch  die  ganz  treffliche  Strassenbeleuchtung  bestreitet.  Zur 
Unterbringung  der  aus  einem  halben  Regiment  Artillerie  bestehenden  Garnison 
erbaute  Kren  Kasernen,  welche  er  dem  Staat  vermietet.  Der  in  der  Mödlinger 
Ackerbauschuie  gebildete  Sohn  dieses  hochverdienten  Selfmademan  verspricht 
das  Regenerationswerk  seiner  Vaterstadt  fortzusetzen.  Dessen  liebenswürdige 
Frau  versetzte  mich  durch  auf  einem  trefflichen  Bösendorfer  gespielte  neueste 
Strausssche  Walzer  ganz  in  Wiener  Luft.  Die  in  Cacak  empfangenen 
Eindrücke  Hessen  mich  wünschen,  dass  Serbiens  Stadtbürger  insgesamt  dieseri 
Herren  Kren  glichen,  dann  wäre  sein  rascher  Fortschritt  auf  vielen  Gebieten 
gesichert.  1896  zählte  Cacak  in  814  Häusern  nahezu  3800  Seelen,  darunter 
28  Katholiken,  5  Protestanten,  53  moslimische  Zigeuner,  aber  keine  Juden  und 
kein  Militär. 

Die  Fenster  des  grossen,  leider  stark  vernachlässigten  Hotels,  in  dem  ich 
wohnte,  gehen  teilweise  auf  die  „ulice  knjaza  Milosa",  an  deren  Ecke  eine 
Wegtafel  mit  ausgestrecktem  Arm  die  Inschrift  trägt:  „Weg  über  die  Jelica  nach 
Ivaiijica,  auf  dem  die  Türken  1815  flüchteten".  In  diesem,  vor  drei  Decennien 
noch  wenig  bewohnten  Viertel  entstanden  um  das  Post-  und  Telegraphenamt 
viele  nette  Privathäuser,  deren  freundlicher  Typus  durch  kleine  Vorgärten,  Portal- 
vorbauc  und  allerorts  in  die  Stadt  blickende  hohe  Berge  gehoben  wird.  Die 
Leiciitigkeit,  von  der  mit  dem  i;egenseitigen  Spar-  und  Hilfsverein  schon  1895 
zu  10  und  11'7„  nahezu  29  Mi!!,  d  umsetzenden  Sparkasse  sich  jederzeit  Geld  zu 
verschaffen,  vermehrt  die  Baulust  und  erleichtert  den  Übergang  zum  occidentalen 
Charakter,  den  allmählich  auch  die  Velika  pijaca  annimmt.  Namentlich  am 
Samstag  erscheinen  in  ihrer  bunten  Staffage  die  Holzwarenverkäufer  aus  Cacaks 
weiterer  Umgebung.  Die  ungemein  fleissigen,  genügsamen  Bergbewohner  verkaufen 
ihre  oft  sehr  mühsamen  .Arbeiten  erstaunlich  billig.  Ich  sah  eine  Kolevka  (U'iege) 
für  80  c.  (40  Kreuzer),  eine  Sofra  (Tisch)  für  60  c,  grössere  für  I  d.  Truhen  für 
80  c.  bis   1  d   usw. 

Cacaks  soziales  Leben  konzentriert  sich  in  der  Krenschen,  nach  Wiener 
AAuster  eingerichteten  Bierhaile,  in  der  Offiziere,  Beamte  und  Bürger,  oft  mit  ihren 
Frauen  und  Töchtern,  gern  am  Abend  eine  Stunde  verbringen.  Hier  Messen  sich 
mir  einige  sehr  liebenswürdige  Herren  vorstellen.  Der  Zicaer  Bischof  Nikanor 
Ruzicic  war  leider  auf  einer  amtlichen  Reise  abwesend,  dafür  entschädigte  mich 
der    Verkehr    mit    dem    Qymnasiumdirektor   Vasa    Filipovic,   mit    Professor   Sima 


Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  basta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Uiice. 


539 


Trojanovic,  Aleksa  M.  Stanojevic,  Stadtarzt  Dr.  Mita  Nikolic  und  anderen 
Honoratioren,  welche  ich  im  {gastfreundlichen  Haus  des  Kreisingenieurs  Kiko 
kennen  lernte. 

Seit  jeher  spielen  die  Abgeordneten  des  auch  das  hyperradikale  „Dragacevo" 
einschliessenden  Rudniker  Kreises  eine  grosse  Rolle  in  der  Skup§tina.  Die  hohe 
Intelligenz  seines  autonomen  „Okruzni  Odbor"  zeigt  die  1897  beschlossene 
zweckmässige   Verwendung    des   32000  d    betragenden   Überschusses   von    1896; 


;S?W!J5^iM:HjMuiyi  Ji^iU^fe:4.^3^; 


CACAK,   Fürst  Milosslr.issc,  Haus  inil  WcKlafel  zur  Jelica. 


das  Rote  Kreuz,  ein  Waisenhaus,  das  Lokalmuseum,  arme  Gymnasialschüler, 
Taubstumme,  Analysen  von  Heilquellen,  Krankenhäuser,  Prämien  zur  Vertilgung 
von  Wölfen  mit  15  —  30  d,  Schützenvereine,  die  Belgrader  Landwirtschafts-üesell- 
scliaft  uiul  äiinliciie  fk'zirksvereine,  der  Cacaker  Reiterbund,  das  Takovsker 
Kirciienbau-  und   RajicdcnkMial-Knmitce  erhielten  Beträge  von  200  —  2000  d. 

Der  aus  7  Bezirken  neugebildete  Ruiiniker  Kreis  mit  4316  km-,  312  Orten 
III  11)11  (jciiieinikn,  nahezu  160000  Seelen  schliesst  mehr  als  jeder  andere  des 
Königreiciis  verschiedenartige  Bodenverhältnisse  ein.  Im  Ljubic-  und  Trnnvabezirk 
mit  50—80  Seelen  per  km-  ist  er  an  l-'riichtbarkeil  unübertroffen,  im  2icaer  und 
Sludenicaer  mit  20-30  Seelen  per  km-  führt  der  Mensch  aber  einen  harten 
Kani|if  Ulli  das  tägliche  Brot  Dort  muss  er  das  Wasser  oft  aus  2  —  3  Stunden 
ferner  Hohe  diircii  llolzrinncn  über  Schluchten  und  Steilwände  zur  Berieselung 
der  mageren  l'eUler  iierableiten.  Und  doch  findet  man  merkwürdigerweise  im 
Gebirge  oft  bessere  Vermögenszuslände  als  in  der  libene;  denn  dort  herrscht 
nuili  iingeschwäclit   tue   HaiiskninmuMion,   welche  alle  Glieder  der  Familie,  auch 


ri4()  Von  Cntak  Uhvr  U2ii-v,  B.ijina  baftia,  i^aCa,  Krcmiia  usw.  nach  Uticc 

jc'iie  ik-r  vcrheiralelcn  Stthnc,  zu  n«-""i»-"'"samLT  Besic(;un({  der  natürlichen  SchwieriK- 
kcilen  aneifert,  wahrend  an  der  Mnrava  der  zersplitternde  Individualismus  tä^^lich 
riiuhr  um   sich  greift. 

Auf  dem  KlachlK)den  um  Cacak  und  Karanovac  konzentriert  sich  nahezu 
aller  (Jetreidehau  im  Kreise.  Ich  unterlasse  es,  detaillierte  Daten  für  seine  Getrcide- 
ProiluklioM  hier  zu  neben,  weil  die  Daten  für  IH9.'l  we^en  seiner  1896  erfolfjten 
hcdeutenden  Ver^rösserunK  keine  sicheren  Anhaltspunkte  für  die  heutigen  Ver- 
haltnisse bieten.  Allgemein  wird  der  Forlschritt  der  Landwirtschaft  gerühmt. 
Auch  die  im  südlichen  Teil  schon  1787  aus  Ungarn  einKcführte  Kartoffel  wird 
mehr  gebaut.  Bei  Kraljevo  wird  j^uter  Tabak  nezo^en,  Wein  ist  dort  gleichfalls 
in  l'iille  vorhanden,  im  Süden  aber  nur  auf  Studenicas  Hohen.  Allerorts  findet 
man  Äpfel,  Birnen,  Aprikosen,  Zwetschjjen,  Nüsse  und  Kirschen,  doch  (geschieht 
verhällnismässi^  wenij;  für  Vereclelunj^  des  Obstes.  Hin  grosser  Teil  des  Bodens 
dient  als  Wiesen-  und  Weideland,  das  einen  zahlreichen  Viehstand  nährt.  Der 
Kreis  besitzt  die  meisten  Schafe  im  Land,  1896  zählte  man  287000;  ferner 
107  000  Schweine,  61400  Rinder,  21200  Pferde,  ferner  1 1  000  Bienenstöcke;  leider 
aber  noch  27  320  Ziejjcn,  die  dem  reichen  Waldstand  hart  zusetzen.  Er  besteht 
neben  verschiedenen  Eichen  meist  aus  Weissbuchen,  Ahorn,  Eschen,  Birken  und 
anderen  Laubhölzern,  aucii  aus  Koniferen,  unter  welchen  Tannen,  Fichten  und 
Frilircn,  wie  ich  auf  der  Weiterreise  micli  bald  persönlich  überzeugte,  oft  in 
sciiönen   fSestiinden  wachsen. 

Eine  tiefe  Schattenseite  des  Rudniker  Kreises,  sein  unheimliches  Heiduckentum. 
scheint  kaum  ausrottbar.  Im  Oktober  1897  spielte  sich  vordem  Cacaker  Gerichtshof 
ein  Monster-Räuberprozess  ab,  der  greuliche  Tatsachen  enthüllte.  Der  herrschenden 
Unsicherheit  wegen  bot  mir  der  Nacelnik  Surdilvic  ein  Gendarmeriegeleit  für  das 
West-Jelicagebiet  an;  ich  lehnte  es  ab  und  dankte  ihm,  dass  er  dem  Kreisingenieur 
gestattete,  mein  Gefahrte  auf  dieser  mit  ihm  geplanten  E.xkursion  zu  sein.  Nachdem 
der  gemietete  Kutscher  sein  uns  jede  .Aussicht  nehmendes  Rohrdach  abgeschnallt, 
ging  es  am  21.  Septembermorgen  auf  der  topfebenen  Strasse  südwestlich  zur 
Bezdinska  reka.  Bei  der  Untersuchung  des  künstlichen  Ableitungskanals  fand  ich 
ihr  trockenes  Bett  durchschnitten  von  Mauern  einer  Rümerbaute.  Der  von  Safarik 
publizierte,  als  Trapeza  des  Ortskirchleins  dienende  Grabstein  stammt,  wie  ich 
hörte,  vom  grossen  Jelika-Castrum  (XVII.  Kap.).  Gestützt  auf  diese  Inschrift 
und  andere  zu  Uzice,  Visibaba,  Vranjani  und  Guberevci,  schob  Domaszewski  die 
Ostgrenze  des  römischen  Dalmatien   nach  dem  zentralen  Serbien  vor. 

In  dem  westlich  von  Jezdina  liegenden  Pridvorica  wurde  ein  dem  Sretenjer 
ähnliches,  wahrscheinlich  gleichfalls  im  13.  Jahrh.  in  Kreuzform  erbautes  Kloster- 
kirchlein 1852  verständnislos  restauriert.  Von  unserer  Fusstour  zurückgekehrt, 
durchritten  wir  von  Beljina  auf  der  Chaussee  gegen  W.  die  sonnige,  alles 
wunderbar  zeitigende  Cacaker  Ebene.  Das  nahe  Moravaufer  begleiten  prächtige 
Haine  von  Weiden  und  Silberpappeln,  überwuchert  von  dem  allerorts  erscheinenden 
wilden  Hopfen,  der  für  Weslserbien  geradezu  typisch  ist.  Vorüber  an  grossen, 
eisenschüssigen,  gelben  Sandstein  ausbeutenden  Brüchen  und  in  diese  eingebauten 
Eiskeilern  erreichten  wir  mit  sanfter  Steigung  in  einer  weiteren  Stunde  die  Mehana 


Von  Cacak  über  Uiice,  Bajina  basta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Uiice.  541 

Pakovraca.  Auf  der  nördlichen  Anhöhe,  genannt  „Banovina",  stiess  Fihp 
Jokovic  in  seinem  Weingarten  auf  römische  Mauern,  riesige  Ziegel  und  einen 
„geschriebenen  Stein",  der  nach  seiner  Mitteilung  nach  Godovik  bei  Arilje 
überführt  wurde.  Von  hier  erklommen  wir  auf  der  1862  vom  Ingenieur  Klinar 
erbauten  Kunststrasse  in  13  Serpentinen  die  Einsattelung  zwischen  dem  eigent- 
lichen Jelicamassiv  und  ihrem  nordöstlichen  Pylon,  dem  997  m  hohen  Ovcar. 
Von  eisenschüssiger,  quarziger  Gangmasse  durchsetzter  Glimmerschiefer  und 
stellenweise  Serpentin  bilden  die  Passhöhe,  worauf  Kalke  folgen,  welche  abwech- 
selnd mit  quarzigen  und  grauen  Glimmerschiefern  zur  Morava  gegen  Dljin 
hinstreichen.  Hier  bot  sich  gegen  NO.  ein  herrlicher  Blick  auf  das  Rudnik-, 
Jezevacgebirge  und  halbrasierten  Vujan.  Noch  viel  prächtiger  ist  die  Fernsicht 
gegen  SW.  und  S.,  welche  die  1500—2000  m  hohen  Berge  vom  Javor  bis  zum 
Kopaonik  über  einem,  von  unzähligen  sanfter  und  steiler  profilierten  Kulissen 
erfüllten  Mittelgrund  umschliesst.  Den  Vorgrund  bildet  ein  Naturpark  mit  ein- 
gestreuten Gehöften,  zwischen  von  Kulturen  und  Wald  überzogenen  Höhen  und 
von  goldig  aufblitzenden  Rinnsalen  durchzogenen  Tälern,  wie  er  in  abwechselungs- 
reicherem Formen-  und  Farbenwechsel  kaum  gedacht  werden  kann. 

Zwischen  von  rotbraunen  Calcedon-  und  Eisensteinfelsen  malerisch  umrahmten 
Wäldern  erreichten  wir  die  629  m  hoch  liegende  Mehana  Markovica,  bei  deren 
Fundanientierung  nian  in  einem  sie  hindernden  abgetragenen  Tumulus  zwischen 
Steinplatten  drei  verbraimte  Leichen  mit  Urnen  und  Waffen  fand.  Die  Gefässe 
verschwanden;  von  den  metallenen  Beigaben,  die  ein  Bauer  aufbewahrt,  sah  ich 
ein  20  cm  langes  Beil  und  eiserne  Lanzenspitzen  von  römischem  Typus.  Das  in 
der  Bronze-  und  Eisenzeit  stark  besiedelte  Tal  ist  reich  an  Tumuli,  ich  schätze 
ihre  Zahl  auf  300—400.  Am  Wege  nach  dem  von  der  Mehana  sichtbaren 
Duöalovici  stehen  im  „Palucke",  auch  „Crkvica"  genannt,  Mauern,  die  traditionell 
einem  Kloster  angehörten.  Wäre  dem  so  —  mir  fehlte  es  zu  dem  Ausflug  an 
Zeit  —  dürfte  es  das  langgesuchte  sein,  dessen  aufgefundenes  Siegel  das  Bild 
des  hl.  Georg  mit  der  Umschrift:  „Unter  dem  Ovtar"  trägt.  Dort  umherliegende 
römische  Deckziegel  deuten  aber  auf  eine  antike  Baute,  die  wahrscheinlich  in 
naher  Beziehung  zur  3  km  fernen,  noch  heute  stark  besuchten  und  sicher  auch 
den  Römern  bekannten  Therme  stand.  Ein  schriftlicher  Zeuge  aus  der  klassischen 
Epoche  dieses  laiulscliaftlich  lierrliclien  Hochlandes  ist  der  siebenzeilige  Votivstein 
auf  dem  Kirchhof  des  südlichen  Negrisori'). 

Neben  eier  Mehana  Markovica  steht  das  Gemeindehaus  des  Dorfes,  und  dies 
verschaffte  mir  ganz  unverhofft  einen  drastischen  Einblick  in  den  liefgehenden 
Spalt,  welchen  das  üppig  wuchernde  politische  Partcigcziink  selbst  in  die  isolierten 
Bauerngehofte  trug.  Zehn  Truthühner  wurden  ebcTi  durch  den  Orlskmelen  für 
12  d  amtlich  versteigen.  Das  Inriwährend  mit  Stentorstimme  geschrieene  „Ko 
daje  vii^eV"  (Wer  gibt  inelir'^)  und  der  Lärm  des  desertionslustigen  Federviehs 
bildete  unsere  Tafelinusilv  Ich  dachte,  es  handle  sich  um  die  Eintreibung  einer 
rückständigen    Steuerschuld;    dem    war    aber    nicht    so.      Die    einem    „Radikalac" 

')  C.  I.  I..,  III.  Siippl-  T'-isc.  II,  No.  H,m. 


542  Von  ÖaCak  über  Ü2icc,  Rajina  baAta,  Rata,  Kremna  ukw.  nach  Utice. 

ßchörciuk'n  Truthühner  hatten  sich  über  eine  Woche  lany  im  Fruchtfeld  seines 
zur  Fortschrittspartei  zahlenden  Nachbars  uinhernetrieben.  Der  deshalb  vom 
Friedensrichter  zum  Schadenersatz  für  75  kn  Frucht  verurteilte  Bauer  versicherte, 
dass  seine  Hühner  während  eines  (ganzen  Monats  dieses  Quantum  nicht  auf- 
zufressen vermochten;  allein  es  wären  „radikalne  öuranje"  (radikale  Truthühner), 
deslialh  strafe  ihn  der  „fortschrittliche"  Richter  so  hart,  es  würde  aber  bald  die 
Zeit  koniriieti,  wo  er  es  ihm  und  seinen  Anhiinnern  heimzahlen  werde!  Wie  man 
sich  der  mit  einem  merkwürdif»  satirischen  Lächeln  der  Versteigerung  seiner 
Hühner  anwohnende  Radikale,  als  bald  seine  Partei  das  Land  rt'Kierte  —  ein 
solcher  Wechsel  erstreckt  sich  bis  auf  die  Orlsvorstände  —  an  dem  früheren 
Knieten  gerächt  haben? 

Svetozar  Popovic,  der  Besitzer  eines  naheliegenden  Gehöftes  auf  der  715  m 
hohen  Ruja,  erzählte  soviel  von  dortigen  alten  Mauern  und  skulptierten  Steinen, 
dass  wir  unseren  Wagen  zur  4  km  fernen  Meliana  NegriSori  voraussandten  und 
mit  ihm,  trotz  der  Mittagshitze,  zu  seinem  sonnigen  Horst  hinanstiegen.  Das 
„latinsko  grobije"  bestand  aus  rohen,  unbehauenen  oder  vom  Wasser  abgeschliffenen 
Grabsteinen,  und  die  „lateinischen  Mauern"  erwiesen  sich  als  Reste  einer  türkischen 
Karaula,  deren  Besatzung  von  diesem  hohen  Punkt  trefflich  jede  Bewegung  auf 
der  alten,  stellenweise  noch  durch  ihr  Pflaster  kennbaren  Strasse  überwachen 
konnte.  Nach  der  Sage  befand  sich  auf  dieser  „ob§tinska  livada"  eine  zur 
Morava  sich  ausdehnende  Stadt;  ich  stiess  nur  auf  allerorts_  verstreute  rezente 
Ziegel  zwischen  elf  Tuniuli  von  ansehnlicher  Höhe.  Unser  vom  besten  Willen 
beseelter  Führer  bat  uns,  von  der  ermüdenden  Klettertour  in  seineni  Gehöft 
auszuruhen.  Er  selbst  hatte  es  mit  Hilfe  eines  jüngeren  Bruders  gezimmert, 
ebenso  das  einfache  Holzgestcll,  in  dein  sein  sechsmonatlicher  Sprosse,  stehend, 
mit  dem  riesigen  Haushund  spielte.  Obschon.  seine  Mutter  schlecht  genährt 
schien,  war  ihr,  wie  es  hier  häufig  vorkommt,  während  irgend  einer  Arbeit  im 
Walde  geborenes  Kind  für  sein  Alter  merkwürdig  stark  und  entwickelt.  Durch- 
schnittlich ist  der  AAenschenschlag  bei  Cacak  kräftig  und  intelligent;  man  singt 
viel   und  spricht  den  südlichen  Dialekt. 

Über  das  Abklettern  stark  erschwerende  lichte  Marmorklippen  gelangten 
wir  hinab  zur  grossen  Mchana  Negriäori.  Unsere  Pferde  griffen  hurtig  aus. 
Wir  kreuzten  die  Belica  und  blickten  in  ihr  fruchtbares  Tal,  dessen  prächtige 
Kulturen  bis  zur  Morava  streichen.  Oft  überflutet  sie  ihr  Hochwasser,  doch  selten 
so  stark  wie  im  J.  1864,  dessen  Verheerung  ein  „spomenik"  an  der  Strasse  verewigt. 
Man  baut  hier  viel  mehr  Weizen  als  Mais,  denn  dieser  fordert  eine  sechsmalige 
Behandlung.  Nördlich  vom  Wege  blieb  Dljins  tief  ins  Alluvium  eingeschnittene 
Höhle,  welche  schöne  Stalaktiten,  Stalagmiten  und  riesige  Knochenlager  birgt,  über 
welche  die  eifrigen  Professoren  Trojanovic  oder  Cvijic  Aufschlüsse  geben  dürften. 
Nahe  dem  Han  Pilatovici  läuft  die  Rudnik-Uzicer  Kreisgrenze  über  eine  Joch- 
brücke, die  durch  die  Morava  bedroht  erschien.  Diese  grub  sich  seither  mehr 
gegen  W.  ein  neues  Bett  zum  Skrapez,  und  löste  so  kostenlos  die  lange  schwebende 
technische  Frage.  Hier  kam  uns  der  vom  Uzicer  Nacelnik  zu  meiner  Begrüssung 
abgesandte  Bezirkshauptmann  entgegen. 


Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  haSta,  Raca,  Kreinna  usw.  nach  Viice.  543 

Zeitlich  morgens  veriiessen  wir  mit  dem  Ingenieur  Matejko  Uzice.  Auch 
ausserhalb  der  Stadt  ritten  wir  im  Schritt;  denn  bis  zur  Mehana  Stapari  lag  das 
schreckliche  türkische  Spitzpflaster,  im  Walde;  wo  es  aufhörte,  war  die  Strasse 
durch  Erosion  stark  zerrissen,  daher  für  Wagen  schwer  benutzbar.  Dafür 
entschädigte  die  Landschaft.  Der  von  starken  Quarzadern  durchzogene  Glimmer- 
schiefer trägt  schönen  Lauliwald,  und  in  den  breiten  Taleinschnitlen  der  Volujacka 
wechseln  Obstbäume,  namentlich  Pflaumen,  mit  Maisfeldern,  deren  Stauden  hier 
aber  selten  mehr  als  einen  Kolben  zeitigen.  Stapari  ist  strategisch  wichtig; 
denn  hier  zweigt  die  jüngst  vollendete  Verbindungsstrasse  für  Zentralserbicn  ab, 
welche  über  Kremna,  den  Sargan,  die  Mokra  gora  und  ViSegrad  direkt  nach 
Sarajevo  führt. 

Die  in  ]'  .  Stunden  erreichte  Kadinjaca-Mehana,  welche  die  Wasser- 
scheide zwischen  der  Morava  und  Drina  markiert,  wurde  als  gefährliche  Räuber- 
herberge auf  Regierungsbefehl  demoliert  und  dem  Verfall  überlassen.  Der  damals 
elende  Weg  führte  weiter  am  Südfuss  des  1020  m  hohen  Jakov  kamen  der 
Jelova  gora  an  der  Zaglavacka  zum  gleichnamigen  Han.  Um  die  Pferde  zu 
schonen,  legten  wir  den  grössten  Teil  des  stark  abschüssigen  Weges  nach  Dub 
zu  Fuss  zurück.  Bei  dem  in  lauschiger  Mulde,  aus  schattigem  Laub  hervor- 
lugenden Duber  Holzkirchlein  stehen  ringsum  viele  mit  Baumrinde  gedeckte 
„sofre",  welche  während  des  Sabors  am  Spasovdan  (Christi  Himmelfahrt)  die 
aus  weiter  Umgebung  herbeiströmenden  Beter  gastlich  beherbergen.  An  diesem 
Fest  gibt  es,  erzählte  sein  Pope  Jovan  Tucovic,  soviel  zu  tun,  dass  er  den  gern 
gewährten  Beistand  benachbarter  Amtsbrüder  in  Anspruch  nehmen  nniss.  Noch 
seltener  wie  die  Kirchen  sind  die  Schulen  im  Uzicer  Kreis.  Von  28  Dörfern 
seines  Racansker  Bezirks  besitzen  solche  nur  4,  darunter  Dub,  und  obschon  der 
Ort  über  80  Familien  zählt,  wird  sie  nur  von  54  Kindern  besucht.  Dies  bedeutet 
schon  etwas,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Sprösslinge  der  südwestlichen 
1300  Seelen  zählenden  Gemeinde  Solotuäa  jedes  Unterrichts  entbehren.  Vor 
Dub  biegt  ein  Saumweg  über  Rogaöica  direkt  nach  Ljubovija  zur  Drina  ab.  An 
dieser  Hochroute  traf  Ingenieur  Cermak  1H89  auf  dem  ungefähr  1000  m  langen 
und  250  m  breiten  Dubski  potok-Plateau  bei  Dobrotin  15  alte  Grabsteine  und 
zweifellos  römische  Backsteine,  wahrscheinlich  von  einer  antiken  Ansiedelung,  an 
deren  KastellluTg  die  vom  römischen  Uzice  zur  Bergstadl  Domavia  in  Bosnien 
liihrende  inösisch-dalnialische  Transversalstrasse  vorbeizog.  In  dem  erst  neuestens 
der  Kultur  erschlossenen  Bosnien  ist  bereits  soviel  erwiesen,  dass  es  viele  rüinischc 
Ansiedelungen  mit  (.'incni  sriii  ausgebildeten  Wegnetz  besass,  wie  das  in  dieser 
Riclitinig  früher  ebenfalls  unterschätzte  Serbien.  Deshalb  ist  anzunehmen,  dass  die 
westliche  Fortsetzung  der  von  mir  schon  1892  festgestellten  mösischen  Transversal- 
strasse vom  Dannvins  zum  Drinus,  wenn  Bosniens  archäologische  Durchforschung 
fortschreitet,  sich  in  ihrer  ganzen  auf  Salonae  gerichteten  Trace  bestimmen 
lassen  wird. 

Die  im  stark  bergigen  Westen  des  U/icer  Kreises  früher  allgeniein  übliche 
Holzbedachung  der  Häuser  hat  die  Wälder  dort  sehr  gelichtet.  Frst  westlicher 
sah    ich    gesclioiitere    Ficlien-    und    Buchenst.lnde    mit    einzelnen     Prachtb.lumen. 


544  Von  CnCak  über  ÜJiicc,  Hajiiia  luiUi,  KaCa,  Krciiina  usw.  nach  L;tiLc. 

Beim  500  III  hohen  Mdionikkrcuz  fesselte  mich  ein  lohnender  Bliek  auf  die 
tntsivisclien  Herne  von  Srehrnica;  vor  der  F^ilica-Mehana  zu  Djarivicli,  wo  wir 
sthon  570  ni  ah^estieKen  waren,  erwartete  uns  der  Kapelan  von  Bajina  baSta 
mit  seinejii  Wa^en,  und  da  die  letzte  Wegstrecke  weniger  schlecht,  hielten  wir 
in  ',  StiiiKle  vor  der  „konservativen"  Meliana  des  Städtchens,  welche  der  Naielnik, 
weil  ihr  liineiitümer  seine  l^artei  unterstützte,  mir  dringend  empfahl,  obschon  ich 
im  „radikalen"  (jasthaus  weit  bessere  Unterkunft  gefunden  hätte.  Die  Wirte 
nehmen  in  Serbien  grossen  liinfluss  auf  die  Wahlen,  indem  sie  die  politischen 
Ansichten  ihrer  Güste  bestimmen  und  kontrollieren.  Deshalb  buhlt  jede  Regierung 
um  iiire  Gunst.  Lazar  Komarcics  Roman  „NaS  kocijaS"  schildert  die  Vorgänge  in 
einer  Dorfmehana,  welche  das  bezeichnende  Schild  „Bes  svedoka"  (ohne  Zeugen) 
fiiiirt,  wohl  drastisch,  im  ganzen  aber  wahr. 

Bajina  baSta  steht  an  der  Stelle  der  1813  verwüsteten  Weiler  Zabija 
iiiul  Plijeskovo.  Seine  mit  der  des  nahen  Klosters  Raca  parallel  laufende 
Geschichte  erzähle  ich  dort.  In  der  250  m  hohen,  Serbiens  besten  Tabak 
zeitigenden,  sonnigen  Buäinska- Ebene  übt  das  nach  dem  Spahi  Bajin  getaufte 
Stiidtciien  zwischen  prächtigen  Mais-,  Tabak-  und  Obstkulturen  freundlichen 
Eindruck.  Durch  die  1893  geweihte  Eliaskirchc  erhielt  es  einen  stattlicheii 
Mittelpunkt  für  seine  118  Häuser,  bei  welchen  der  Rotziegel  das  Holz  verdrängt. 
Sie  gruppieren  sich  um  den  von  vier  Hauptstrassen  durchschnittenen,  mit  Eichcn- 
und  Apfelbäumen  bepflanzten  grossen  Platz.  Auf  diesem  steht  die  kleine  Orts- 
schule; das  nette  Bezirksamt  und  die  Quarantäne  befinden  sich  in  der  zur  Drina 
führenden  Strasse.  Ihre  Fortsetzung  in  dem  der  Kommune  gehörenden  prächtigen 
Eichenwald  brachte  uns  zur  Skela  an  die  Racamündung,  wo  breite  Ruderboote 
i\cn  von  einer  alten  Hoizkaraula  überwachten  Verkehr  nach  dem  bosnischen  Ufer 
vermitteln.  Die  jenseitige,  aus  soliden  weissen  Bauten  bestehende  Zollstation 
Skelan  blickte  mit  lustig  wehendem  Kaiserbanner  herüber.  Unter  seinem  Regiment 
haben  sich  die  früher  kahlen  Berge  wieder  bewaldet.  Der  Uzicer  Kreischef  war 
über  diese  Wandlung  nicht  wenig  verwundert  und  meinte  nicht  ganz  neidlos:  „Istina 
je,  svabe  su  vec  mnogo  radili!"  (Wahr  ist's,  die  Schwaben  [Österreicher]  haben 
schon  viel  gearbeitet!)  —  „Und  was  hindert  Euch,  dasselbe  zu  tun?"  fragte  ich.  — 
„A\eiM  (lott!  Unser  Volk  lässt  es  sich  nicht  verbieten,  seine  Schafe  und  Ziegen 
allerorts  weiden  zu  lassen  —  wie  soll  da  junger  Wald  gedeihen?"  erwiderte  der 
Kapelan.  Der  Nacelnik  aber  äusserte:  „Sie  sehen  hier  eine  weitere  Folge  des  bei 
uns  wuchernden  Parteihaders,  welcher  selbst  der  radikalen  Regierung  nicht  gestattet. 
die  zum  Waldschutz  erlassenen  Verordnungen  ernstlich  durchzuführen!"  Einige 
Jahre  später  wurde  aber  doch  durch  den  eifrigen  Vorstand  der  Forstsektion, 
Jcvrcm  Novakovic,  ein  bedeutendes  Drinaterrain  mit  Koniferen  bepflanzt 

Zurückgekehrt,  besuchte  ich  die  auf  einer  südlichen  Höhe  im  Freiheitskrieg 
erbaute  Schanze;  früher  fiel  die  Abwehr  feindlicher  Einfälle  dem  nahen  nord- 
östlichen, befestigten  Viäesava  zu,  bei  dem  Karadjordje  eine  Schanze  aufwerfen 
Hess  und  wo  auch  im  letzten  serbisch -türkischen  Krieg  eine  Redoute  angelegt 
wurde.  Ein  zweites,  bis  heute  nicht  näher  bestimmtes  Visesava,  das  Mahmud 
Pascha    1459   nahm,    befand   sich   im    Pozarevacer   Kreis.     Verglichen   mit    guten 


Von  Cacak  über  U^ice,  ßajina  baSta,  RaCa,  Kremna  usw.  nach  Uiice. 


040 


antiken  Kunstwerken  sind  die  römischen  Skulpturen  von  der  Drina  höchst  primitiv, 
und  doch  erkenne  ich  in  ihnen  die  Vorbilder  für  die  noch  barbarischer  geformten 
Sarkophage  und  Grabsteine  mit  ro+ien  Emblemen,  welche  der  bosnisch-herzego- 
winischen  Bogumilensekte  zugeschrieben  werden.  Ihre  Ostgrenze  bilden  nach 
meinen  Forschungen ')  die  das  serbische  Drinagebiet  umschliessenden  Berge. 
Über  diese  hinaus  treten  sie  nur  am  Ljig  vereinzelt  auf.  Wie  an  der  nördlichen 
Drina-Kolubarascheide  stiess  ich  auch  auf  der  zuvor  geschilderten  Route,  nahe 
der  Morava-Drinascheide,  im  Dubsker  Walde  auf  die  ersten  dieser  charakteristischen 
Denkmale,  welchen  an  zehn  Punkten  der  nur  36  km  langen  Drina-Uferstrecke  von 
Rastiste  bis  Okletac  viele  Hunderte  in  geschlossenen  Gruppen  folgten.  Nördlich 
von  Dub  bemerkte  schon  Herder  1835  an  der  Dobrotinska  in  4  Reihen  20  aus 


^  "^ä^^-s^^'^^^^^      —  — -  -^^=--^>-- -■•£:--  ~- 


SKELAN,   An  der  Drin.T  in  Bosnien 

Glimmerschiefer  gearbeitete  inschriftlose  Sarkophage,  die  er  für  römische  hielt; 
andere  stehen  naili  lii^^enieiir  Cermak  im  nördlichen  Kostojevici.  Auch  beim 
südlichen  Kremna  und  Markovo  polje,  dann  im  südwestlichen  Besarovina 
und  RastiAte  sieht  man  sie  häufig.  In  Perudac  zählte  Herr  tdiboer  an  200 
2  m  lange,  I  m  breite  und  1  m  hohe  Sarkophage,  meist  ohne  jedes  Zeichen, 
aus  hartem  Kalkstein.  Nach  seiner  Mitteilung  werden  sie  an  Grösse  nur  von 
fünf  riesigen  H.xemplaren  übertroffen,  die  1  m  tief  und  1,5  m  über  dem  Boden 
drinaatifwärts  vom  bosnischen  Klotova  sich  befinden.  Auf  meiner  Tour  mit 
Herrn  Matejk.i  ilrinaabwiirts  konstatierte  ich  weitere  drei  Bogumilenfriedhöfe. 

Die  von  Bajina  baSta  zur  Kreisgrenze  führerule  Strasse  ist  nicht  so  gut,  wie 
die  am  linken  bosnischen  Ufer.  Stellenweise  ist  sie  abscheulich,  wie  die  Land- 
schaft herrlich,  durch  welche  die  grüne  Drina  fliessf.  Die  von  dem  Medvednik- 
Jablanik-Povlen-üebirge  zum  Flusse  sanft  verlaufenden,  meist  Laiibholz  tragenden 
Vorhühen    bergen    fruchtbare,    von   Wiesenlancl.    Maisfeldern,    Tabakkulturen    imd 


')  Milt.  d.  Anlliiiip.  des.    Wien   IfW.f. 

¥.    KANITZ.   ScrNcii.     I 


:i5 


r.ic, 


V(tn  Catak  über  Uiicc,  Bajina  baSla,  RaCa,  Krcmna  usw.  nach  U*ice. 


ObstKÜrtcn  erfüllte  Taler,  belebt  von  wohlhabend  aussehenden  Gehöften,  zu 
welchen  die  steil  «eböschten  Ausläufer  des  bosnischen,  931  m  hohen  Straievac 
einen  romantischen,  aber  ernsten  Kontrast  bilden.  Eine  hart  am  Ufer  angelegte 
Schanze  und  viele  Schützennraben  hatten  hier  den  1875  durch  die  Bosniaken 
von  Srebrnica  beabsichtigten  Einbruch  abzuwehren.  Abseits  von  dem  mit  Weiden. 
Erlen,  Pappeln,  wildem  Wein  und  Hopfen  dicht  bewachsenen  Uferrand  erfreuen 
prilclitijie  Eichen  und  dickstamniij^e  Nusshiiume  das  Auge;  letztere  waren  1885 
in  Gefahr,  durch  eine  zu  diesem  Zweck  Kt^^ründefe  serbisch -österreichische 
(jesellschafi  am  ganzen  Ekisslauf  vertilj^t  zu  werden,  doch  das  rechtzeitige 
behördliche  Einj^reifen  verhinderte  dies. 

Eine    plötzliche    scharfe    Wegkrümmung    liess    nördlich    Rogadicas    Wahr- 


••'  ■  <^. 


R  O  G  A  C 1 C  A ,  Kirchenplalz. 


zeichen,  die  mit  zerklüfteten  roten  Kalkzinnen  burgartig  gekrönte,  1217  m  hohe 
Crvena  sleiia  hervortreten.  Gleich  darauf  bogen  wir  östlich  ab,  setzten  über 
eine  den  Dorfbacli  überspannende,  dem  Einsturz  nahe  Brücke  und  befanden  uns 
in  dem  33  Häuser  mit  195  Seelen  zählenden  geschlossenen  Teil  der  Ortschaft 
(260  m),  welcher  durch  die  hochliegende,  1845  geweihte  Kirche,  die  1872  auf- 
geführte Schule  und  mehrere  einstöckige  Häuser  städtisches  Aussehen  erhält. 
Gegenüber  der  Mchana  zum  „Serbischen  König"  erbaute  der  Ducandzija  (Krämer) 
Sima  Milosevic  sogar  ein  Haus  mit  drei  Geschossen,  das  von  seinem  alten 
Laden  mit  hohem  Holzdach  grell  abstach.  Ein  dreijähriger  Baum  am  Hofeingang 
trug  schon  20  Arabka,  eine  von  den  Türken  eingeführte,  im  Winter  reifende,  oft 
700  g  schwere  Birne.  Überhaupt  gedeiht  alles  Obst  hier  wunderbar.  Früher 
wurde  aus  den  Pflaumen  ein  nach  Bosnien  stark  verlangter  trefflicher  Slibovic 
gebrannt;  seit  die  Occupation  aber  dessen  Einfuhr  hoch  besteuert,  werden  sie 
gedörrt  an  die  Sava  geführt.  Den  zu  unserer  Begrüssung  erschienenen  beiden 
Ortspopen  Popovic  dankte  ich  nützliche  Winke  für  die  weitere  Exkursion. 

Da  wir  zu  Pferde  waren,   konnten   wir  nördlich  der  Brücke  leichter  in  die 
Rogacicaer  Maisdschungel   mit    alten   Grabstätten   eindringen.     Nach    längerem 


Von  Cacak  über  U^ice,  Bajina  baäta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Uiice. 


547 


Suchen  stiess  ich  im  Felde  des  Lazar  Jovanovic  auf  eine  tief  eingesunkene 
Kaikplatte,  auf  deren  oben  1,46  m  breiten,  dachförmig  abgeschrägten  Flächen  ein 
Schwert  mit  Knauf  und  spitz  zulaufender  Klinge,  dann  ein  Bogen  mit  Spitzpfeil 
en  relief  skulptiert  erschienen.  Nahe  lagen  zwei  andere  Platten  und  über  viele 
geht  bereits  der  Pflug  weg.  Denn  hier  wie  anderwärts  werden  sie,  wo  sie  im 
Wege,  absichtlich  mit  leicht  verwitterndem  Tonschiefer  überschüttet,  um  ihre 
schwierige  Hinwegschaffung  zu  ersparen.  Das  zweite  Leichenfeld  fand  ich  bei 
der  7  km  fernen,  vom  Ovcinabach  getriebenen  Mühle  von  Gvozdac.  Unter 
den  15  Grabsteinen  zeigte  ein  dachförmiger  wieder  das  oben  beschriebene  Schwert 


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()  K  1. 1;  T  A  C  ,   B()Kimiili.]i!iii.Jlu-:. 


und  einen  Dolch.  Über  mehrere,  im  wechselnden  Ton-  und  Glimmerschiefer  tief 
eingeschnittene,  Kaskaden  bildende  Wildbäche  erreichten  wir  mit  weiteren  6  km 
den,  einen  grossen  Begräbnisplat/  durchschneidenden  „Oklelacki  potok".  An 
seinem    linken     niedrigeren    üferrand    sah    ich    1 1    Sarkophage    \m\\    Grabplatten. 


darunter 


lange,    (),H  m    breite    und    1,2  m    hohe    mit   auf   meiner  .Abbildung 


ersichlliclKii  Oriiainrnlen  nder  Emblemen,  itie  meisten  waren  aber  schmucklos. 
Augenscheinlich  haben  die  Drinahochwasser  viele  mit  dem  Frdreich  abgeschwemmt 
und  unter  ihren  Geschieben  begraben.  Auf  der  jenseitigen  Höhe  zählte  ich  in 
von  ().  nach  W.  laufenden  Reihen  20  Steine,  darunter  eine  1,8  m  lange,  0,3  m 
breite  Kalkplatte  mit  ankerförmiger  Verzierung. 

Ahnliche  Gräberfelder  befinden  sich  bei  dem  7  km  nördlicheren  Hacevci 
und  noch  weiter  bei  Hukovica  am  l.jubovija-Fünfluss  in  die  Drina.  Dort  und  auf 
andenn  1  I(k  hpuiikicn  /eigen  die  aus  Kalkslein  oder  Glimmerschiefer  gearbeiteten 
Sarkophage    uiul    1  Inri/oiiialplatten    nfl    ll.ilhmonde.    Schwerler,   Krücken   ähnliche 

35» 


648  Von  Cafak  über  Uikc.  Bnjinn  baMa,  Rata,  Krcmna  uüw.  nach  Üi^icc. 

Stabe,  (Jrnamentc  usw.  In  einem  1835  ^fOffnelcn  Grab  zu  Buküvica  fand  Herder 
in  2,5  JiJlen  Tiefe  das  Skelett  eines  starken  grossen  Mannes,  aber  weder  Waffen, 
Urnen  oder  sonsÜKC  Beijjaben;  nur  vermorschte  Bretter  deuteten  darauf  hin,  dass 
der  Leichnam  in  einem  Sarjj  bestattet  wurde. 

Auf  dem  We^  /um  Okletadki  potok,  in  dessen  Gebiet  jüngst  die  in 
Serbien  bisher  nicht  wild  wachsende  L.irche  auf  .17  Hektaren  angepflanzt  wurde, 
stiess  ich  wiederholt  auf  deutliche  Spuren  der  Kilmerstrasse,  welche  von  Uiice 
über  Dnbrotin,  Rogacica  und  Baöevci  zu  den  Bergwerken  bei  dem  bosnischen 
Srebrnica  lief.  Aufwärts  der  starken  Treänica  stand  bei  G.  Kofilje  ein  sie 
schützendes  jijrosses  Kastell. 

Dass  aber  ihre  flussabwärts  ziehende  Trace  die  Drina  bei  dem  bosnischen 
D.  Sekiric  auf  „einer  Brücke"  überschritt'),  erachte  ich  solange  nicht  für 
erwiesen,  bis  dort  riicht  Reste  von  Uferköpfen  f^cfunden  werden;  denn  die  von 
Herrn  Kustos  Patsch  erwähnten,  im  Flussbett  liegenden  Quadersteine  können 
von  einem  mit  Baumaterial  beladenen  gestrandeten  Kahn  herrühren,  und  gleich 
wenig  berechtigen  einige  zwischen  Bogumilengräbern  zerstreute  Römersteine 
seinen  gewagten  Schluss:  „Wenn  (sie)  bei  Sikirica  eine  Brücke  bestanden  hat, 
so  können  wir  auch  eine  Ortschaft  hier  annehmen,  und  von  ihr  werden  diese 
Überreste  herstammen;  die  Sarkophagdecke  und  die  Ära  wurden  beim  Strassenbau 
sicher  hier  gefunden,  an  eine  Verschleppung  ist  auch  bei  den  anderen  Gegen- 
ständen nicht  zu  denken".  (?) 

Man  sieht.  Patsch  knüpft  an  seine  problematische  Brücke  und  einige  antike 
Steine  weitgehende  Schlüsse,  während  er  besser  begründete  anderer  Forscher 
„wegen  mangelnder  wissenschaftlicher  Beweise"  verwirft.  Patsch  ist  auch 
ungehalten-),  wenn  irgendwo  ausgesprochene  „Hypothesen"  nicht  registriert 
werden,  verschwieg  aber,  gleich  anderen,  welche  über  „Domavia"  schrieben, 
meine  schon  1861  ausgesprochene  Vermutung:  Das  Argentaria  der  Tab.  Peut. 
dürfte  mit  dem  Frzgebirge  bei  dem  bosnischen  Srebrnica  (serb.  Silbermine) 
identisch  sein*).  Und  doch  erwiesen  seither  die  dort  aufgefundene  römische 
Bergstadt  „Domavia"  sowie  der  von  mir  sichergestellte  Strassenzug  der  Tafel 
von  Argentaria  nach  Sirmium*)  meine  Annahme  ebenso  gerechtfertigt,  wie  jene 
von  Hörnes  als  falsch,  der  dieses  Argentaria  100  km  südlicher  am  Kopaonik  suchte. 

Das  in  pittoreskem  Kessel  liegende,  heute  nur  durch  seine  Ockerfabrik  und 
nach  dem  Ausland  in  Flaschen  versendete  arsenhaltige  „Crni  Guber  Quelle"  viel- 
genannte „Srebrnica"  war  schon  1376  eine  reiche  Berg-  und  Handelsstadt  mit 
ragu^njscher  Kolonie.  1410  wurde  sie  durch  den  Ungarkönig  Sigismund  Bosnien 
entrissen  und  1411  dem  serbischen  Despoten  Stefan  Lazarevic  abgetreten.  Von 
1443,  vor  dem  die  Türken  Srebrnica  kurz  besassen,  blieb  es,  trotz  aller  bos- 
nischen Versuche,  es  wieder  zu  erlangen,  wegen  seiner  nahen  einträglichen 
Silberminen  ein  fortwährendes  Kampfobjekt  zwischen  Bosniens  König  Stefan  Toma 

')  Arch.  epigr.  Mitt.,  XVI.,  136. 

•■)  Verhandl.  d.  Ges.  f.  Erdk..  Berlin,  XX.  184. 

*)  Die  römischen  Funde  in  Serbien.  Akad.  d.  Wiss.,  Sitzungsb.  d.  phil.-hist.  Klasse,  XXXI. 

')  Ibid..  Denkschr.,  XLl.   127  f. 


Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  basta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Uzice. 


549 


und  dem  greisen  Serbenfürsten  Djordje  Brankovic,  der  dort  eine  Münzstätte 
besass.  Dadurch  litt  die  von  Tvrdko  I.,  seinen  Nachfolgern,  von  Ungarn  und 
Serbien  mit  grossen  Vorrechten  begabte,  nach  dessen  sächsischen  Bergleuten 
„Sase"  genannte  Stadt,  doch  wurde  auch,  als  die  Ragusaner  abzogen  (Ende  des 
15.  Jahrh.),  der  Bergbau  unter  türkischem  Regiment  bis  zur  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts fortgeführt,  und  noch  länger,  bis  1686,  erhielt  sich,  wie  Jirecek  feststellte, 
das  schon  1425  erwähnte  Hauptkloster  der  Franziskaner  der  nach  ihm  „Bosna 
Argentina"  genannten  lateinischen   Kirchenprovinz. 

Der  für  die  Auffindung  der  alten  Silberadern  vergebens  tätige  bosnische  Bergrat 
Radimski  (f  1897)  hat  sich  um  die  Ausgrabung  von  Domavia  besonders  verdient 
gemacht').  Nachdem  man  schon  1887  zwischen  alten  Schlackenhalden  auf  der 
„Gradina"  die  Ehreninschrift  eines  „procurator  metallorum  Pannoniorum  et  Del- 
matiorum"  fand,  stiess  Radimski  bei  Gradina  auf  starke  Fundamente,  Gesimse, 
Skulpturen,   Grabsteine,   Münzen    von   Trajan    bis   Konstantin   II.,   Schmucksachen 


;^^50C^ 


^^^^O^ 


^ 


0  K 1.  E T  A  C ,   Bogiiniilen-Grabplallc. 

und-)  am  Segiiaraiid  bei  niederem  Drinastand  auf  bearbeitete  W'erkslückc,  deren 
marmorartiges  Material  vom  serbischen  Acbukaberg  stammt,  da  auf  dem  bosnischen 
Ufer  kein  derartiges  ansteht.  Die  ausgedehnten  Ruinenstätten  befinden  sich, 
entsprechend  dem  lateinisch  und  slavisch  gleichbedeutenden  „Argentaria"  und 
„Srebrnica",  im  Bereich  der  alten,  silberführenden  Minen  des  Kvarac. 

Weiter  im  Süden  von  Sikiric  stiess  man  während  des  Strasscnbaues  im 
Soniiner  1H91  bei  Vo.^njak  auf  dem  Tegarsko  polje  auf  einen  Hügel  mit  römischer 
Grabstätte.  Dort,  wo  sich  das  Drinabelt  verengt,  stieg  die  antike  Tracc  aus  dem 
Petricker  Felde  auf  die  Höhen,  von  welchen  sie  unter  dem  Schutz  der  Kastelle 
auf  der  westlichen  Strazevica  und  Dobrnjaca,  über  den  2lijebac,  nach 
Skclan  weiterlief.  Von  dortigen,  l()(K)0  m-  bedeckenden  Römerresten  hatte  ich 
schon  18HH  im  gegenüberliegentlen  serbischen  (bajina  baSta  gehört  und  sie 
1892  in  meinen  „Römischen  Slutlien"  erwähnt.  Seitdem  wurden  dort  auf  der 
Stelle  des  l'iiruins  die  Piedestale  meliKier  Kaiserstaluen  und  städtischen  Würden- 
träger, eine  ikii  Stand<irl  tier  Basilika  andetilemle  Inschrift  usw.  gefinulen. 
3  km  nördlich  von  der  in  ihren  Strassen/iigen  erhaltenen  Stadt  stand  ein  Tempel 


')  Auf    einem    n.ich   Zviiriiik   i-elannlen  Steine    erscheint  ein  „prociirnldrc  ar^cnlahiim 
Valerio".     (Arch.-cpi.ui.  Mili..  VIII.  L'i:t         C.  I.  I...  III,  Siippl.  J-acs  .  II,  N..    SJS'J -SJl>4.) 
')  Olasn.  zein.  inii/.  ii  Hosiii  i  Ik-rc,  I,  Ali;  III,  I  ff. 


550  Von  CaCak  Ubc-r  U2ic'c,  Bajina  ba&ta,  Ra£a,  Krcmna  usw.  nach  U2icc. 

der  kapitolinischen  (joltheilen  mit  zahlreichen,  von  Legionären  gestifteten  Altären. 
Das  Skelaner  neue  Zollamt,  die  Oendarmeriekaserne  usw.  wurden  meist  aus 
antiken  Materialien  erbaut,  und  allerorts  stOsst  man  auf  prächtige  Architekturreste. 
Im  Ort  Seihst  wurde  der  Oberbau  eines  mit  Fresken  K'-'schmückten  ^fosscn 
Wohnhauses,  ein  Mosaikboden  und  zwei  Kaiserinschriften,  ein  dem  Caracalla 
newidmetcr  achtzcilij^er  Votivstein  (Glasn.  1891,  S.  243)  aus  dem  2.  Decennium 
des  3.  Jahrhunderts  aufgefunden.  Am  Drinaufer  erscheinen  bei  niederem  Wasser- 
sland hilufin  bleierne  Deckplatten,  und  etwa  .KM)  ni  von  diesem  sieht  man  ein 
6üü  Ml   lanf^es  römisches  Strassenslück. 

Von  Skelan  Ulsst  sich  die  von  antiken  üebüudereslen  begleitete  Trace  an 
der  Drina  südlich  bis  Djurdjevac  verfolgen.  Dort  ging  sie,  wegen  der  bei 
Klotijcvac  steil  zum  Fluss  vorspringenden  Felsen,  wieder  auf  das  rechte  Ufer 
über,  auf  dem  sie  am  Bell  Rzav,  geschützt  durch  mehrere  Kastelle,  die  scharf 
gegen  NW.  ausgreifende  serbische  üebietszunge  durchschnitt,  um  sodann  westlich 
von  Gostilja  wieder  bosnischen  Boden  zu  betreten.  Zwischen  Mala  und  Velika 
Güstilja  fand  Truhelka  1889  Reste  einer  bedeutenden  römischen  Niederlassung 
mit  ausgedehnter  Nekropole,  von  welcher  zahlreiche  Werksteine,  Kapitale,  Pilastcr 
und  etwa  25  Grabsteine  mit  stark  verwitterten  Brustbildern,  dem  typischen 
Reiterheros,  einer  das  Totenmahl  herrichtenden  Frau  usw.  erhalten  blieben.  Diese 
Denkmale  wurden  von  Djordje  Stratimirovic  abgebildet,  aber  irrig  als  Reste  eines 
Tempels  gedeutet,  obschon  ihre  sepulkrale  Bestimmung  aus  den  erwähnten 
Reliefmotiven  unverkennbar  hervorgeht. 

Auf  dem  Rückweg  von  meiner  archäologischen  Streifung  konnte  ich  die 
rascii  weciiselnden,  stimmungsreichen  Uferbilder  voller  geniessen,  die  namentlich 
auf  der  bosnischen  Seite,  wenn  man  von  der  hoch  im  Walde  eingeschnittenen 
neuen  Strasse  und  einigen  Gehöften  absieht,  nur  geringe  Spuren  menschlicher 
Tätigkeit  zeigen.  Im  tiefen  Schatten  eines  Felsens  bemerkte  ich  zwei  hockend, 
mit  angelegtem  Gewehr  über  den  Flussspiegel  sich  vorneigende  Männer;  es 
waren  Fischjäger,  die,  oft  stundenlang  auf  Beute  wartend,  die  sich  nahende 
„iniadlca",  sobald  sie  ruhig  steht,  mit  selten  fehlender  Kugel  töten.  Der  Fang  ist 
lohnend,  denn  die  manchmal  1  m  und  22  kg  erreichende  Lachsforelle  wird  zu 
Uzice  teuer  bezahlt.  Im  ganzen  zeigte  sich  der  Drinaspiegel  glatt,  ruhig;  nur 
am  auf  der  Spitze  alte  Mauern  tragenden  Kozjacko  brdo,  dessen  einstiger 
Zusammenhang  mit  dem  bosnischen  Kik-Steilberg  unverkennbar  ist,  befindet 
sich  im  „kotla"  (Kessel)  eine  stark  an  die  Klippen  im  Bett  tosende  Brandung. 
.Abwärts  schwimmende,  starke  Holzflösse  passieren  wohl  bei  niederem  Wasserstand 
die  schmale  Fahrrinne  am  linken  Ufer;  doch  bleibt  es  immer,  auch  für  geschickte 
Steuerleute,  ein  nicht  leichtes  Kunststück.  Die  schon  bei  V'isegrad  220  Schritt 
breite  Drina  erreicht  hier  250  und  ist  trotz  des  starken  Gefälles  mit  196  m  von 
Bajina  basta  bis  zu  ihrer  360  Schritt  breiten  Mündung  (80  m)  seihst  für  breite 
Kalme  und  Flösse  schiffbar,  welche  von  Ljubovija  (208  m)  oft  mit  über  500  q 
beiastet  werden. 


Von  Cacak  über  Vüce,  Bajina  basta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Viice. 


551 


Am  vorerwähnten  566  m  hohen  Kozjacko  brdo  zweigt  die  neue  von  Uzice 
nach  Valjevo  über  Bajina  basta  führende  Strasse  nach  NO.  ab.  Eine  zweite, 
jüngst  bedeutend  verbesserte  führt  von  letzterem  südlich  zum  7  km  fernen  Kloster 
Raca.  Hart  am  rechten  Ufer  des  gleichnamigen  Baches  flogen  des  Kapelans 
feurige  Pferdchen  durch  sein  prächtiges  Hochtal.  Oben,  hinter  Macevinas 
zerstreuten  Gehöften,  erblickten  wir  noch  einsamer  liegende  der  über  800  m  hohen 
Crnjuta.  Unten  in  der  zerrissenen  Engschlucht  brach  sich  tosend  der  Abfluss 
einer  geräuschvoll  arbeitenden  Mühle,  neben  ihr  erschienen  einige  Wirtschafts- 
gebäude und  gleich  darauf  betraten  wir  den  grossen  Hof  des  Klosters,  dessen 
auf  unseren  Besuch  vorbereiteter  Iguman  Maksim  uns  gastlich  empfing. 

Kloster   Raca    ist   eine    „Christi    Himmelfahrt"    geweihte    Heilstätte.      Kralj 


RACA,   Klosterkirche. 


Uragutin,  Schwiegersohn  des  Ungarkünigs  Stefan  V.  und  späterer  Münch  Tcoktist, 
soll  es  im  letzten  V'iertel  des  13.  Jahrhunderts  gestiftet  haben.  Wenige  serbische 
Klöster  erlebten  gleich  wechselvolle  Schicksale.  Seil  die  Türken  das  Drinagcbiet 
eroberten,  wurde  es  wiederholt  verwüstet,  verlassen  und  erneuert.  16U7  gestatiete 
der  Patriarch  Arsenije  111.  Crnojevic  dem  mit  ihm  1690  nach  Sz.  Andre  bei  Ofen 
geflüchteten  Racaer  Duimviiik  Niäfnr  unti  seinen  München,  sich  im  Kloster  Beofin 
;ui/usiede!n,  über  dessen  iiain;iilges  und  späteres  \'erhältnis  zu  Raca.  seine  nach 
Ungarn  geretteten  Biiciier,  Urkuiuleii,  Siegel  und  dessen  einstigen  grossen  Reicliium 
bekundenden  Silbersciiatz  eine  Valtrovic  und  l'irniilian  berichtigende  kritische 
Studie  jüngst  erschien')  Während  der  österreichischen  Eeldzüge  zog  der  die 
serbischen  Freiwilligen  befehligende  „Oborkapetan  Ourschitz"  (CuriCic)  am 
24.  Januar  173H  von  F^aca,  naduleni  er  150  Türken  verjagt,  nach  Besarovina. 
veilMaiiute  am  Ufer  /um  Schiffbau  bestimmte  Holzvorrätc,  vernichtete  türkische 
Sägewerke    an    der    Segaljka    Klisura,    eine    Moschee    und    viele    moslimische 

')  SpoiiHiiik,  s.  k.  aknil.,  .\.\.\lil.  II    r;i/r.  ;«».  O  inanastini  RnCa  i. 


552  Von  CnCnk  über  U2icc,  Bajina  baita,  \iata,  KrtMnna  usw.  nach  U2icc. 

Hiluscr.  Von  20U  über  die  Drina  K*-'k<)iiiinc'ncii  herittcncn  Busniakcn  atiKCKriffen, 
schlug  er  cliusc  zurück  und  rückte  hierauf  wieder  in  U^ice  ein.  Nach  dem 
Ah/un  der  Kaiserliclien  rüchten  die  Husniaken  die  erlittene  Schmach  an  der 
Kajah,  uud  erst  1795  {jelannte  das  durch  180  Jahre  verödete  Kloster  zu  neuer 
Tiltinkeit.  Diese  war  nicht  alkin  kirchlicher  Natur.  Sein  Henuman  Hadzi  Melentije 
Stojanovic^ ')  jjianzte  unter  den  Führern  der  ersten  serliischen  Revolution  18Ü4. 
Nach  der  Einnahme  der  bei  Bajina  baSta  ant^ele^ten  Schanze  stürzten  sich  aber 
am  28.  Oktober  1813  die  Ke^en  Melentije  erbitterten  Srebrnicaer  Bosniaken  auf 
sein   Kloster,  Kiteten  zwei  Münche  am   Altar  und  verwüsteten  die  Kirche. 

Weni);e  Jahre  spater  erstand  Kloster  Rata  wieder  und  1854  wurde  auch  die 
Kirche  mit  Bildern  von  Dimitrije  Posnik  aus  dem  sirmischcn  Karlovic  geschmückt. 
Im  Tympanon  des  romanisierenden  Portals  erscheint  Christus,  über  demselben 
zwei,  das  serbische  Wappen  haltende  Engel,  in  einem  höheren,  nischenförmigen 
Felde  das  Bild  des  „Voznesennije"  (Christi  Himmelfahrt),  an  dem  die  Kirche  ihren 
jährlichen  Sabor  feiert,  darüber,  unter  dem  ersten  Bogen,  ein  segnender  Christus, 
und  unter  dem  Giebelfeld  eine  Rosette  mit  Stern.  Den  isolierten  Glockenturm 
erbaute  der  Iguman  Serafim  1849,  die  Klostergebäude  mit  sehr  wohnlichen 
Fremdenstuben  der  heutige  Iguman  1884.  Die  bewegten  Zeiten,  welche  das 
Kloster  durchgemacht,  brachten  seinen  einst  reichen  Schatz  an  Büchern  und 
Kostbarkeiten  grösstenteils  nach  Beocin  -).  Von  älteren  Kunstwerken  fand  ich 
nur  ein  47  cm  hohes,  im  Athosstil  geschnitztes  Altarkreuz  vom  J.  1723,  ein 
russisches  Evangelium  aus  der  Zeit  der  Zarin  Katharina  mit  Silberdecken,  einige 
,  Kelche  und  Kreuze  von  Filigranarbeit.  In  einer  Ecke  der  Altarapside  lehnte  die 
dem  Kloster  wertvolle  historische  Fahne,  mit  2  m  langen  Wimpeln  von  blaurotem 
Damaststoff,  welche  auf  einer  Seite  einen  viergeteilten  Schild  mit  den  Wappen 
voit  Serbien,  Bosnien,  Kascien  und  Rama,  auf  der  anderen  das  Bild  „Christi 
Himmelfahrt"  zeigt.  Melentije  trug  das  Banner  in  den  ersten  Sturmjahren  der 
Freiheitskämpfe  oft  seinen  Streitern  voran. 

Dieser  in  Birac  bei  Zvornik  geborene  Melentije  wurde  zum  Mönch  in 
Tronosa  geweiht,  dessen  patriotischer  Heguman  Jovanovic  in  seinen  Jüngern  die 
Liebe  zur  Freiheit  zu  befeuern  verstand.  1794  wanderte  Melentije  nach  Jerusalem, 
daher  sein  Beinamen  Hadzi  (Pilger).  Zurückgekehrt,  erbat  und  erhielt  er  1795  von 
Konstantinopel  die  Erlaubnis,  das  verwüstete,  früher  zur  Sokoler  Nahija  gehörende 
Kloster  Raca  zu  restaurieren.  1804  schloss  er  sich  aber  dem  Aufstand  an,  und 
das  folgende  Jahr  traf  ihn  als  Wojwoden  von  Soko  und  einen  der  mutigsten 
Führer  in  Karadjordjes  Reihen.  1810  reiste  er  als  Belgrader  Metropolie-Verweser 
mit  Milan  Obrenovic  und  Mihail  Grujovic  nach  Russland,  um  vom  Zaren  mili- 
tärischen Beistand  zu  erbitten,  bei  welchem  Anlass  er  ein  kostbares  Kreuz  an 
goldener  Kette  criiielt,  das  ich  im  kleinen  Klosterschatz  sah.  1811  wurde  er 
seiner  N'erdienste  wegen  zum   Bischof  von  Sabac  ernannt,   doch    kam  es  in  jener 

')  So  nennt  ihn  der  verstorbene  .Wetropolit  .Wihail  in  „Pravosl.  srpska  crkva",  105. 
-  Joakim  Vujie,  der  Melentijes  llOjälirigen  Vater  1826  in  Raca  sprach,  nannte  ihn  nach 
diesem  Nikolajevic  —  Milicevic  aber  nach  dessen  Grossvater  Stevanovic. 

-)  Beoiin.  napisao  Dimitrije  Ruvarac. 


Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  basta,  Raöa,  Kremna  usw.  nach  Uzice.  553 

Stürmischen  Zeit  nicht  zur  Weihe,  ja  1813  inusste  M.  vor  den  siegreichen  Türken 
nach  Sirmien  flüchten,  von  wo  er  nach  hergestelltem  Frieden  nach  Raca  zurück- 
kehrte. Dort  starb  er  am  27.  M^rz  (a.  St.)  1824,  nach  einem  Inschriftstein  an 
der  südlichen  Narthexmauer,  mit  dem  Heguman  Maksim  1881  die  Grabstätte 
seines  ruhmvollen  Vorgängers  schmückte;  bei  den  Linden  im  Hofe  ruhen  andere 
Freiheifsstreiter. 

Wegen  des  früher  in  Serbien  herrschenden  grossen  Kirchenmangels  waren 
noch  1890  dem  Kloster  16  Orte  mit  4700  Seelen  als  Sprengel  zugewiesen.  Es 
zählt  zu  den  wohlhabendsten  des  Landes.  Sein  Besitz  umfasst  30  Hektar  Felder, 
35  Hektar  Wiesen,  8  Hektar  Obstgärten,  416  Hektar  Wald,  8  Häuser,  1  Mühle, 
1  Sägemühle,  2  Mehanen  und  reichen  Viehstand,  1882  auf  113000  d  geschätzt; 
ferner  ein  angelegtes  Kapital  von  26000  d.  Die  Ausgaben  von  8300  d  decken 
über  9000  d  betragende  Einnahmen.  Den  Archimandriten  unterstützen  ein  Duhovnik, 
einige  Schüler  mit  entsprechendem  Gesinde. 

Nachdem  alles  Interessante  im  Kloster  gehört  und  gesehen  war,  ritt  ich  mit 
Ingenieur  Matejka  durch  sein  Waldgebiet,  in  dem  hochstämmige  Buchen  sich 
mit  hundertjährigen  Eichen  und  Nussbäumen  zum  Schatten  und  Kühle  spendenden 
Laubgewölbe  verdichten.  Vom  Weiler  ^Ijebac  stiegen  wir  nach  S.  aufwärts, 
um  aus  der  von  1000  m  hohen  Bergen  gebildeten  Klosterschlucht  auf  die  noch 
höhere  Terrasse  zu  gelangen,  über  welche  der  Weg  nach  Kremna  führt.  Hoch 
über  der  in  der  Tiefe  tosenden  Raca  und  hart  unter  dem  weissen  Kalkgipfel  des 
„Zljebac",  wo  zwischen  prächtigsten  grossen,  viele  noch  ältere  Baumriesen 
modern,  führte  der  Steilpfad  endlich  hinaus  auf  eine  rotliche  Wiesenfläche,  deren 
„Kaludjerska  bara"  (Mönchssumpf)  und  niedergebrannter  Klosterhan  grell 
von  der  schönen  Fernsicht  gegen  Bajina  ba§ta  und  Solotuäa  abstachen.  Bei 
letzterem  soll  —  wie  der  in  einer  provisorischen  Bretterhütte  ein  schlechtes  Kaffee- 
surrogat schenkende  Wirt  erzählte  —  der  Vlastelin  des  nahen,  jetzt  verfallenen 
gleichnamigen  Schlosses  reiche  Salzquellen  ausgebeutet  haben,  welche  aber  trotz 
alles  Suchens  nicht  auffindbar  wären. 

Der  seine  Müsse  mit  Ausnieisseln  und  Bemalen  von  Stelen  ä  la  Nakucani 
verwertende  Mehanapächter  berichtete,  dass  die  Bauern  aus  Hass  gegen  das, 
seine  „eingefriedeten"  grossen  Wälder  streng  hütende  Kloster  im  August  dessen 
llan  iiiul  ;iin  Raäka-Ursprung  stehende  Sagemühle  angezündet  hätten,  ich  erfuhr 
also  auch  hier  wieder,  wenn  es  sich  um  den  Wald  handelt,  erstickt  das  Verlangen 
nach  diesem  „von  (jott  gegebenen  Schatz"  alle  f'ietät.  Das  Volk  singt  wohl 
gern  tue  Lieder,  weklie  ileii  gewaltigen  bosnischen  Serbenbedrüeker  foiii  Mehmcd 
Aga  schwören  lassen;  „er  werde  Kloster  Raca  verbrennen  und  dessen  Iguman 
Melentije  töten,  um  wieder  Herr  der  trotzigen  Djauren  zu  werden",  greift  aber 
trotz  der  gepriesenen  Verdienste  des  Mönchsklerus  um  die  hochgehaltene  serbische 
Unabhängigkeit,  wo  und  wie  es  kann,  nach  seinem  Besitz. 

Kurz  vor  der  zerslörten  Mehana  sah  ich  die  ersten  Konileien,  einzelne 
zwischen  Birken  steherule  Fichten  und  Föhren,  auf  dieser  Reise.  Hier  beginnen 
die  riesigen  l'orste,  welche  das  bis  zu  l.'ifil)  m  ansteigende,  zahlreiche  Bcrg- 
kiippeii  umfassende  Trias-Syenit-Weslgebiet  des  Uiicer  Kreises  bedecken.     Seine 


564  Von  ÖnCnk  über  U2icc,  Bajina  bajtia,  Ra(a,  Krcmna  usw.  nach  Vlicc. 

Darstellung  auf  der  damals  besten  österreichischen  Generalstabskarte  fand  ich 
nicht  der  Wirklichkeit  entsprechend.  Beispielsweise  erscheint  Besarovina  südlich 
tief  im  Innern  statt  an  der  fJrina,  an  dieser  ein  nicht  existierendes  Beslovi;  das 
56   Gehöfte    zählende    Perutac    und    viele   andere    Orte   fehlen;   ferner   sind    die 

BerKnamcn  und  Höhenauf^aben  meist  unrichtig.  Auch  die  viel  jüngere  serbische 
(jcncralstabskaric  hätte  eine  detailliertere  physikalisch-geographische  Darstellung 
vom  Taragebirnc  bieten  können,  wenn  sie  dessen  vor  Decennien  erfolgte  treffliche 
forsttechnische  Aufnahme  benutzt  hätte. 

Im  vorherrschend  gebirgigen  Westen  des  Racaer  Bezirks  herrscht  grosse 
Wasserarnuit.  \is  gibt  wohl  zahlreiche  kleine  Bachanfange;  sie  verschwinden 
aber,  nur  kurz  laufend,  in  einem  „ubir"  oder  bilden  kleine  Seen,  nach  deren 
grössteiii,  „Tara",  das  1560  m  erreichende,  stark  verkarstete,  reich  bewaldete 
Gebirge  „Tara  planina"  heisst.  Mit  Ausnahme  des  schmalen  Uferstreifens  der 
Drinaortc  Banja,  Gascici,  Perutac  und  Aluga  sind  volle  zwei  Dritteile  der 
von  der  südwestlichen  Grenzkaraula  Dikava  bis  zum  östlichen  Radaer  Kloster- 
vvald  sich  ausdehnenden  Forste  alleiniges  Eigentum  des  Staates.  Im  östlichen 
Teil  erscheinen  Fichten  mit  Buchen  gemengt,  im  nordlichen  gemischter  Laubwald, 
der  aucii  an  ticn  Uferhängen  von  Banja  bis  zum  südwestlichsten  Drina-Grenzpunkl 
vorherrscht,  in  der  höheren  Felsregion  aber  von  der  Föhre  verdrängt  wird. 

1871  entdeckte  Prof.  Pancic  im  Taragebirge  eine  Konifere,  die  A.  Braun, 
iiireii  Zapfen  nach,  mit  zwei  japanischen  Fichten  verwandt  hält.  Das  Volk  nennt 
diesen  Baum,  der  an  Höhe  die  grössten  europäischen  Waldbäume,  die  Edel- 
und  Rottanne,  überragt:  Omora  frena  und  am  häufigsten  „Omorika",  weshalb 
Pancic  sie  „picea  omorica  P."  taufte.  Diese  auch  in  Bosnien  und  in  Rhodope 
(42"  10'  bis  44"  T  n.  Br.)  verbreitete  Konifere  kam  früher  zwischen  dem  Balkan  und 
deii  dinarischen  Alpen  häufig  vor.  Von  Pinus  orientalis  unterscheidet  sich 
diese  serbische  Fichte  durch  den  30—35  m  erreichenden  Wuchs  und  infolge  ihrer 
kurzen  Äste  durch  schlankere  Kronen,  flache,  auf  der  Oberseite  grau  gefärbte 
Nadeln,  kleinere  Zapfen,  gezähnelte  Schuppen  und  kleine  Nüsse.  Am  häufigsten 
wächst  die  p.  omorica  auf  der  Crvena  stena  ober  Rastiste,  am  Janjac  östlich  von 
der  Karaula  Stula;  bei  Zaovina  kommt  sie  seltener  vor.  Auch  auf  dem  Semice 
beim  bosnischen  Viäegrad  und  in  Montenegro  fand  man  sie'),  ihres  zähen 
Holzes  wegen  wurde  diese  Fichte  schon  von  den  Römern,  wie  Minen  bei 
Srebrnica  zeigen,  zur  Zimmerung  ihrer  Stollen  in  Bosnien  verwendet,  und  da  ihr 
Holz  treffliches  Material  für  Bau  und  Feuerung  liefert,  wird  es  auch  heute  mit 
Vorliebe  verwendet,  ist  aber  leider  deshalb  auch  dem  Aussterben  nahe.  Zuletzt 
hat  ihr  Ritter  v.  Wetfstein  eine  reich  illustrierte  Monographie  gewidmet,  welcher 
ich  die  vorstehende  Abbildung  entnehme-). 

Zur  Überwachung  der  Tara-Staatsforste,  welche  durch  das  mit  Fichten, 
Buchen,  namentlich  aber  mit  Schwarz-  und  Weissföhren  bestandene  Gebiet 
östlich   bis  zum   Sargan-    und   Kremnaer   Wald   vergrössert   werden    sollen,    sind 


')  Paniic,  Eine  neue  Konifere  in  den  östlichen   Alpen.    Belgrad    1876.    Omorika,  nova 
fela  cetinara  u  Srbiji.     Beograd  1.S87. 

2)  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.,  Matheni.-natiirw.  Kl..  .XCI.X.     Wien  1890. 


Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  basta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Uzice. 


000 


alles  in  allein  nur  drei  „Sumari"  (Forstbeamte)  bestellt.  Aber  auch  diese  Organe 
verweilen,  da  es  weder  Förster  noch  Forsthäuser  gibt,  meist  zu  Bajina  basta  und 
fungieren  nur  bei  kleineren  Verpachtungen  oder  bedeutenderen  Waldfreveln  als 
beratende  Fachorgane.  So  gern  auch  die  Regierung  grösseren  Gewinn  aus  diesen 
Forsten    /.iuMcn    möchte,    erscheint    dies    wegen    ihrer   grossen    Entfernung    vom 


Oiniink.i,   piiiiis  oru'iit.ill»  l'aiK^i' 


liL'nnisilK'ii  KiiiiMiiiiniarki  luul  kostspieligem  Ausbringen  des  Holzes  zum  Export 
an  liiv  Drina,  so  lange  sich  hier  nicht  ausländisches  Kapital  beteiligt,  unmöglich. 
In  der  nördlichsten  Tara  wurden  vom  Staat  bisher  an  geeigneten  Stellen  nur  2, 
auf  ilen  Territorien  von  Hanja,  (jaocic,  Perucac  und  Hesarovina?  sogenannte 
„tocilo"  (kiesen)  zur  Ausbringung  der  gefüllten  Stumme  an  das  Drinaufcr  erbaut, 
wo  sie,    /u    T'lossen    verbunden,    an    die   Sava   geschafft   oder   gleich   an    Ort    und 


iißn  Von  Cnt.-ik  über  U2icc,  Bajina  baftia,  Ka(a,  Krcmna  usw.  nach  U2icf. 

Stelle  zu  Brettern  f{<-'schnitten  werden.  Von  der  Raöaer  Kioslersa^e  abgesehen, 
^ibt  es  im  eij^entlichen  Taraf^ebiet  derartige  „slrii/ice"  oder  „stru^are"  eine  am 
Jaj4ov5tii[ki  potok,  eine  am  Ursprunj^  der  IJerventa  und  4  an  dem  in  zwei  kurzen 
Armen  aus  einer  Quelle  hart  am  Ürinaufer  abfliessenden  „Perucacko  vrelo". 
Ganz  rationell  wird  nur  eine  Zirkularsäf;c  von  den  aus  Tra^wein  in  Obcr- 
östcrreich  nach  Perui^ac  (Ihersiedelten  l^naz  Fültboer  mit  seinem  Sohn  betrieben. 
OhwdhI  letzterer  schon  serbisch  spricht,  bewahren  beide,  wie  ich  persönlich  fand, 
ihre  deutsche  Hi^enart  ^anz  so,  wie  die  Brüder  Kren  in  Cacak.  Die  schlichten, 
doch  sehr  intelligenten  Unternehmer  führten  jährlich  etwa  1000  Kubikmeter 
Weichholz  für  Staatszwecke  nach   Bosnien,  aus  dem   sie  Nadelholz  zu    I  -    I.8Ü  fl. 


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M  I  L  O  S  A  V  L  J  E  V  I  C I ,   SägcftiUhlc. 


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bezogen.  Sie  erhielten  für  Schnittholz  per  Kubikmeter  dort  12 — 18  fl.,  für  Bauholz 
10 — 14,  für  Rundholz  8—9  fl.  Minder  lohnend,  weil  die  Aufträge  spärlich  und 
die  Preise  zu  IJzice  niedrig  sind,  gestaltet  sich  die  Arbeit  in  Serbien.  Der  süd- 
bosnischen Holzindustrie  verspricht  Edtboer  eine  lohnende  Zukunft,  wenn  die 
projektierte  Bahnlinie  von  Kraljcvo  zum  unterhalb  V'isegrad  liegenden  Orte  Slap, 
in  dessen  Nähe  ein  alttürkischer  Steinbogen  über  die  wildromantische  2epa  führt, 
verwirklicht  würde,  die  Slaper  Felsen  gesprengt,  und  mehr  noch,  falls  der  ganze 
Drinalauf  für  eine  regelmässige  Dampfschiffahrt  reguliert  würde,  was  allerdings 
das  staatliche  Opfer  einiger  Millionen  voraussetzt. 

Jedenfalls  sollte  der  lohnende  Betrieb  der  ersten  Dampfsäge  im  holzreichen 
Zvorniker  Bezirk  Bosniens  die  Frage  anregen,  ob  nicht  auch  im  serbischen 
Taragebiet  ein  solches  Etablissement  anzulegen  wäre.  Vor  etwa  zehn  Jahren 
liess  die  Regierung  durch  Ingenieure  eine  genaue  Forstkarte  der  Taraforste 
herstellen,  was  nicht  leicht  war,  da  die  angrenzenden  Kommunen  das  Recht  des 
Staates  auf  dieselben  nicht  anerkennen  und  sogar  die  Vermessungen  hindern 
wollten.     1897  war  in  serbischen  Blättern  viel  von  einem  „Graf  v.  Tara"  genannten 


Von  Cacak  über  Uilce,  Bajina  ba§ta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  Uzice. 


557 


Unternehmer  Radisav  Mitrovic  zu  lesen,  der,  einverstanden  mit  den  Bezirksforst- 
organen, von  1891  — 1893  durch  ungesetzliches  Fällen  von  Fichten  und  Tannen 
für  Schnitt-  und  Bauholz  nach  fachmännischer  Schätzung  den  Staat  im  Taraforst 
um  240ÜÜÜ  d  geschädigt  haben  soll  (?). 

Bald  hinter  der  Kaludjerska  mehana  betreten  wir  den  Zlatiborer  Bezirk. 
Diesem  ist  eine  zweite,  von  Mali]  1864  in  der  dalmatinischen  Kr\'oäija  zuerst 
konstatierte,  dann  auch  in  der  Herzegowina  und  Bosnien  aufgefundene  Konifere 
„Pinus  bucodermis  Antoine"  eigen,  die  Fiala  trefflich  beschrieb')-  An  unserem 
Weg  lagen  für  die  Uzicer  Brücke  bestimmte,  zugerichtete  Riesenstämme,  welche 
hier  3  d,  mit  der  Fracht  am  nur  6  St.  fernen  Bauort  aber  7  d  kosten.  Der 
Transport  wird  so  bewerkstelligt,  dass  zwei  Stämme,  mit  Ketten  verbunden,  durch 
ein  oder  zwei  Paar  vorgespannter  Ochsen  fortgeschleift  werden.     Bald  senkte  sich 


KREMNA.   Rcimischc  Stele  iiul   iiicisischein  Reilcrtypus. 

der  Weg  abwärts  zu  den  armselig  aussehenden,  spitzdachigen  Holzhäusern  des 
Weilers  „MilosavljevicM"  am  mehrere  Sägemühlen  treibenden  Matijevac. 
welcher,  nachdem  er  die  gleichfalls  nach  Westen  abfliessende  BratiSma  auf- 
genommen, sich  mit  der  von  Süden  kommenden  starken  Blizanca  zur  Djetina 
vereinigt.  An  diesem  Punkt  erschienen  zwischen  Pflaumengärten  der  junge  ärezki 
pisar  (Bezirkssekretär)  Mihail  Todorovic  aus  Cajetina,  der  Tara  äumar  (Förster), 
mit  zwei  Panduren,  die  uns  nach  kurzem  Grüssetausch  zur  Mehana  MoljkoviC 
(760  m)  geleiteten. 

Da  Kremna  eine  allr  Kullurstätte,  gab  es  dnri  \ii'|  /u  um.  Scliim  mein 
kurzer  l-mulluTicht -)  spriilit  tili  den  grossen  Uml'ang  der  Kreninaer  Ansiedelung 
in  r/nnischer  und  altserhisclRT  Zeit.  Aber  auch  später  blieb  es  für  die  Ver- 
pflegung jeder  in  diesem  (jebiet  operierenden  Armee  wichtig.  Dies  beweisen 
grosse,  feste  türkische  Magazine,  welche  1738  nnl  enier  Karawanserai  von  den 
Kaiserlichen  hier  vernichtet  wurden,  die  bedeutende  „Laudonova  Sanac",  ferner 
zwei  Krdwerke  i^stlich  und  westlich  vom   llan  und  zwei,  durch  den  Prota  /WiUitin 


')  (jl.-isiiik,  /xiu.  imi/,  II  Hiisiii  1  lIiTCOK-    Sarajevo,  II.  Jahrs., 
')  Römische  Stuiheii.  IJKfl 


llcfl    IW». 


568  Von  Cafak  über  U2icc,  ßnjina  ba^la,  Rata,  Krcmna  usw.  nach  ütice. 

Oud-anin  Kunfii  Ciil  Bt'u,  Mehemcd  Be^;  und  ihre  1500  Krieger  jjlänzcnd  verttidiKte 
Schanzen  an  der  ViSenradcr  Strasse  bei  Bioska,  welche  Uzice  während  der 
ersten  l'rhebiinn  und  auch  1876  vor  Einbrüchen  aus  Eiosnien  schützten.  Auch 
Kremnas  Mehana  hat  ihre  Geschichte.  Als  Miloä  im  siegreichen  Jahre  1815  seinen 
liruder  Jovaii  zum  Gouverneur  des  SUdwestdistriktes  ernannte,  mochte  dieser 
wahrscheinlich  we^en  der  mächlij^en  mosliniischen  Majorität  nicht  gern  zu  UJice 
verweilen  und  erbaute  sich  deshalb  in  Krenina  einen  Konak,  der  später  an  den 
berühmten  Serdar  Jovan  Micic  (S.  502)  und  von  ihm  an  Radovan  Moljkovic!- 
üherj^in^;,  dessen  inteliinente  Siihne  zu  den  angesehensten  Leuten  des  Kreises 
zählen.  Unter  den  früher  für  serbischen  Export  Künslifjeren  Zollverhältnissen  in 
Bosnien  trieben  sie  starken  Handel  dahin;  nun  suchen  sie  durch  rationellere 
Bewirtschaftung  ihres  190  Hektar  umfassenden  Landbesitzes  Ersatz  für  den  ver- 
lorenen Markt.  Mais-,  Weizen-  und  Gerstcnfeldcr  verpachten  sie  den  Bauern 
auf  halben  Ertrag,  sie  dorren  Pflaumen,  mästen  Ochsen  zur  Ausfuhr  nach  Osterreich, 
kultivieren  edle  Obstsorten,  so  die  Ende  September  reifende  grüne  „Jerebasme", 
die  zu  den  wohlschmeckendsten  Birnen  gehört,  und  die  gerühmten  Kremnaer 
Pflaumen,  welche  an  Süssigkeit  von  wenigen  übertroffen  werden. 

Krenina  ist  mit  nur  25  Gehöften  der  kleinste  der  aus  7  Orten  bestehenden 
gleichnamigen  Gemeinde,  die  aber  mit  320  Häusern  und  2460  Seelen  eine  der 
grössten  des  Uzicer  Kreises  bildet.  Neuestens  teilte  man  sie  mit  dem  Taragebiet 
dem  Bezirk  Cajetina  zu,  vielleicht  als  Entschädigung  für  seinen  an  den  Ariljer 
abgegebenen  Teil ;  die  Kremnaer  klagen  über  Cajetinas  weite  Entfernung  für  die  Grenz- 
orte, indessen  entwickelt  sich  das  durch  seine  trefflichen  Messerschmiede  bekannte 
kleine  Bezirkszentruni  mit  170  Häusern  und  840  Bewohnern  immer  mehr  zur  Stadt 
und  erhielt  1890  in  der  Sv.  Archistrategakirche  auch  eine  architektonische  Zierde. 

ich  sah  es  gern,  dass  der  Pisar  von  Cajetina  mit  seinen  Panduren  sich  mir 
auf  der  Tour  zur  Mokra  gora  anschloss,  denn  der  Sargan,  über  den  es  dahin 
geht,  galt  als  unsicher.  Wenige  Wochen  zuvor  war  wohl  ein  verwundeter  Räuber 
nach  Uzice  gebracht  worden;  seine  Kollegen  blieben  aber  heil  an  der  Arbeit. 
Wiederholt  fragte  ich:  „Weshalb  proklamiert  Ihr  nicht  zur  Ausrottung  dieser  von 
allen  bitter  empfundenen  Landplage  das  Standrecht?"  Stets  aber  erhielt  ich  zur 
Antwort:  man  wolle  dieser  Regierung  (Kabinett  Hristic)  eine  politisch  so  zwei- 
schneidige Waffe  nicht  ausliefern.  Wie  oft  schon,  vertraute  ich  auch  diesmal 
dem  Kismet!  Zunächst  stiegen  wir  entlang  der  hier  Konjska  genannten  Bratisica, 
vorbei  an  dem  aus  Bohlen  und  Pfosten  originell  gezimmerten  „Cincarev  grob" 
am  Nordhang  der  Fichten  und  Birken  tragenden  Prepelica  (1178  m)  massig 
aufwärts.  Auf  der  Höhe  traten  der  an  den  Taraforst  grenzende  1560  m  hohe 
„Zboriäte"  bei  Milosevac  und  noch  westlicher  der  llijin  brdo  in  Sicht,  auf 
dessen  Kuppe  am  hl.  Eliastag  (20.  Juli  a.  St.)  alljährlich  sich  die  Jugend  des  ganzen 
Umkreises  versammelt.  Da  ertönen  beim  Klang  der  svirala  (Hirtenpfeife)  und 
dvojica  (Doppelflöte)  dem  alten  „Donnerer"  fröhliche  Lieder,  und  bis  zur  Nacht 
drehen  sich  die  Tänzer  im  lustigen  Rundreigen. 

Leicht  erreichten  wir  die  1886  vom  Ingenieur  Matejka  6  m  breit  und  3800  m 
lang  ausgeführte  Kunststrasse,  welche  mit  7  Serpentinen  den  914  m  hohen  Sargan 


Von  Cacak  über  Uiice,  Bajina  basta,  Rata,  Kremna  usw.  nach  Uzice. 


559 


überwindet,  nun  aber  bis  zu  ihren  Endpunkten  Uzice  und  Mokra  gora  vollendet 
wurde.  Italiener  aus  dem  Trentino  stellten  die  trefflichen  Stützmauern  am  Sargan 
her.     Der  Strasscn-Kurrentmeter  kostete  nur  12  d.      Am  Hang  des   1240  m    hohen 


Cincarev  grob. 


Viogor  hockten,  kaum  unterscheidbar  von  den  Koniferenstämmen,  weichen  sie  ihr 
Mark  raubten,  in  dunkles  Tuch  gekleidete  Zlatiborer  Katrandzija,  die  in  denkbar 
primitivster  Weise,  auf  mit  Lehm  gefütterten    kleinen   Holzherden,  Wagenschmiere 


■ 


ii^ 


S.irK.iii.   K.it[.iiul/i|.i  .111  ik-i  hosnisc'lu'ii  (jti'm/*- 

kochten.  Von  der  lioiicn  liinsattelung  bot  sich  der  erste  sclione  Hlick  auf  ilas 
bosnische  Hochgebirge  bei  Viäegrad,  und  in  der  tiefen  Schlucht  wurde  die  alte 
gepflasterte  türkische  Strasse  sichtbar,  auf  welcher  wir  jenseits  der  Sarganjkabrückc 
weiter  ritten,     l'iiteii    zeigte   sich    dei    Wald   gleich   sehr  verwüstet,   wie  oben   in 


'>t;(i 


Von  Catak  über  U2icc,  Bajina  haftta,  Ra£a,  Krcmna  usw.  nach  Ulicc. 


voller  Pracht.  Wir  befanden  uns  im  Kessel  des  „Markovo  polje",  das  den 
Namen  vom  berühmten  KOni^ssohn  Marko  Kraljeviö  erhielt,  der  auch  hier  sein 
allerorts  hei  den  Volkern  am  Balkan  beliebtes  Kunststück  ausführte,  indem  er 
seine  schwere  Keule  von  einem  Stein  bis  /um  ','<  Stunde  fernen  /weiten  warf; 
wir  sahen  diese  „mali"  und  „veliki  niSan"  (kleine  und  (grosse  Zielscheibe)  genannten 
Zeugen  seiner  Kraft.  Iki  liem  nahen  Ortsfriedhof  befinden  sich  die  „madjarske 
^roblje",  die  ich  als  Boj^umiJengräber  erkannte.  Ks  sind  nahezu  30,  grossenfeils 
mit  Schwertern,  Kreisen  usw.  gezierte  Sarkophage.     Der  hier  abgebildete  war  an 


MARKOVO  POLJE,  Bogumilenstein. 


der  Plinte  2  in  lan^,  ÜJÜ  m  breit  und  bis  zum  First  1,40  ni  hoch;  ein  1  m  hoher 
zweiter  seltenerer  Form  zeigte  eine  schwächliche  Kopie  des  thracischen  Reiterheros. 
Mit  einer  Schar  starkwolliger  feister  Schafe  hielten  wir  am  Abend  unseren 
Finzu<i  in  der  kleinen  Niederlassung.  Ihr  Oberhaupt.  Petar  Popovic,  erschien  zu 
unserer  Begrüssung  und  bat  mich,  die  sehr  primitive  Mehana  mit  seiner  Pracht- 
stube im  Amtshaus  zu  vertauschen.  Dieser  schon  durch  Decennien  hier  lebende 
Carinar  war  der  richtige  Mann,  mir  die  Schicksale  der  auf  dem  1876  zerstörten 
Mokra  gora  entstandenen  kleinen  Ansiedelung  zu  erzählen.  Gleich  beim  Kriegs- 
beginn brach  die  moslimische  Bevölkerung  des  bosnischen  Kaza  Viäegrad,  verstärkt 
durch  eine  Nizam-Kolonne,  durch  das  Rzavtal  unversehens  über  die  Grenze,  und 
bevor  noch  das  östlich  von  Mokra  gora,  auf  einer  rcchtsuferigen  Höhe  des  Crni 
Rzav  lagernde  serbische  Detacliement  mit  einer  Batterie  ihnen  entgegentreten 
konnte,  überwältigten  sie  den  schwachen  Karaulaposten,  verbrannten  die  Quarantäne, 
die  Kirche,  die  kurz  zuvor  erbaute  Schule  und  meisten  seiner  80  Gehöfte.     Viele 


Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  basta,  Paca,  Kremna  usw.  nach  Uiice. 


ö«! 


Bewohner  flüchteten  tür  innner,  einige  siedelten  sich  im  Ostlichen  Markovo  polje 
an.  So  entstand  die  hei  meinem  Besuch  10,  nun  über  70  Häuser  zählende  Nieder- 
lassunf^  mit  kleinem  Zollamt,  Han  und  1883  gegründeter,  meist  aus  fernen  Weilern 
besuchter  Schule.  Der  Pope  baute  sich  ein  nettes  Haus  und  hielt,  bis  Mokra 
gora  1892  seine  neue  Peter-  und  Pauls-Kirche  weihte,  an  hohen  Festtagen  die 
Liturgie  unter  freiem  Himmel. 

Auch  zu  Mokra   gora   klagte   man   über    die   stetige  Abnahme  des  serbisch- 
bosnischen Handelsverkehrs  seit  der  österreichischen  Occupation.     „Was  kann  und 


VläEGRAD, 

über  die  serbische  Drina  vor- 

clrinKt-'nüe   Bosni.ikcn. 


soll  jetzt  von  uns  hinübergehen?"  äusserte  der  Carinar,  „höchstens  etwas  Wein, 
und  aus  Bosnien  herüber  holen  wir  etwas  Kisen."  Alle  anderen  Tauscharlikel 
würden  an  (Quantität  und  Wert  immer  Lüibedeuteiuler,  und  so  käme  es,  dass  die 
/.(illeinnalime  von  Mokra  gora  1887  nur  9000  d  betrug  und  heute  kaunt  die 
Kosten  für  Beamte  und  Besatzungen  der  verfallenden  Konlonkaraule  deckt.  Im 
Herbst  18H9  trat  eni  kurzer,  unerwarteter  Umschwung  ein.  Ungarn  hatte  seine 
Grenze  demonstrativ  gegen  die  serbische  Vieheinfulu  abgesperrt,  und  die  geängstigten 
Zlatiborer  suchten  ihre  allen  Verbindungen  mit  der  Adria  wieder  auf.  Damals 
gingen  durch  die  Douane  von  Mokra  gora  ausser  anderen  Produkten  5000  gemästete 
Ochsen  transilo  über  das  bosnisihe  \'i?;egrad  und  Kagusa  nach  Italien;  die  sonst 
stille  Sarganstrasse  wai  luUbi  wie  /ui  hier  vielbetrauerlen.  weil  verschwundenen 
Tiirkenzeit  in   Bosnien 

Unter  der  langgestiecktcn  K.ilkm.mei  ilei  SIM  m  hohen  Dgradjenica  zogen 
wir  über  das  aus  wechselndeni  Kilk,  Serpentin  und  Roiliegendem  konstituierte. 
abgeliol/te,   /eiiissene    renain,  ,in   dei    K.imiSinca   abwärts   zu    ihrer    Mllndiing    im 

I      KAM  r/,    S.il.f.ll.    I.  ''•* 


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Von  Caiak  über  Uiicc,  Bajina  baSta,  Rata,  Kremna  usw.  nach  Uiicc. 


M'   il'j         ')  '■ 
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Bell  Kzav.  Dort  rafften  aus  einem  wüsten 
Chaos  das  einslif^e  Kirchlein,  die  beiden 
Schornsteine  und  weissen  Mauern  der 
ehemalif{en  Quarantäne  zwischen  ver- 
brannten Gehöften  des  zerstörten  Mokra 
>{r)ra  auf,  daneben  eine  armselijje  Mehana 
und  von  dem  exponierten  Zollbeamten 
und  einigen  Bauern  bewohnte  Häuschen. 
Wir  kreuzten  den  Rzav  und  ritten  steil 
hinauf  zur  Karaula  Balvan,  deren  trau- 
ri){es  Aussehen  zu  schildern  meine  Skizze 
mir  erspart.  Durch  die  aus  den  Fugen 
KCKangenc  Bedachung;  zieht  der  Rauch 
des  stetig  brennenden  Feuers  ab,  regnet 
iiiui  schneit  es  aber  auch  hinein  in  den 
kleinen  Raum.  Dies  hindert  die  abge- 
harteten Panduren  nicht,  ihn  sehr  gemüt- 
lich zu  finden  und  ohne  Ablösung  Tag 
und  Nacht  jahrelang  in  demselben  zu 
verbringen.  Der  Buljubascha  Mita  Dam- 
janovic,  ein  Mann  von  herkulischer 
Gestalt  und  in  altsefbischer  Art  bis  an 
die  Zähne  bewaffnet,  erwies  sich  als 
trefflichster  Cicerone  für  das  weitge- 
dehnte  Stück  Bosnien,  das  sich  gegen 
Westen  ausbreitet. 

Zunächst  fragte  ich  nach  der  von 
Milicevic  erwähnten  serbischen  Gegend 
Zapolje.  Mita  zeigte  gegen  NW.  und 
versicherte,  so  heisse  die  Karaula  jenseits 
der  Tetrehica,  der  Weiler  Zapolja  läge 
aber  auf  bosnischem  Boden.  An  diesen 
knüpft  sich  die  Sage:  Dort  sei  Jovan 
Zapoljac  geboren,  der  aus  Hass  gegen 
die  Türken  nach  Ungarn  auswanderte 
und  als  „Zapolja  Jänos"  berühmt  wurde. 
Mit  ihm,  erzählt  man,  flüchtete  Stevan 
Kovic,  der  reichste  Schafherdenbesitzer 
der  Tara,  der  seinen  Gästen  in  Silber- 
pokalen Wein  kredenzte  und  sich 
rühmte,  er  fürchte  selbst  den  Sultan 
nicht.  Im  Eugenschen  Feldzug  wurde 
bei  Zapolja  gekämpft  und  ebenso  als 
Milos,  damals  noch  Wojwode,  mit  seiner 


Von  Cacak  über  Uzice,  Bajina  baäta,  Raca,  Kremna  usw.  nach  üiice. 


563 


Schar  1 809  sich  unter  dem  Gostiljbrdo(1315m)  den  Zugang  nach  Visegrad  öffnete. 
Patriotische  Lieder  feiern  seine  glüci<lichen  Gefechte  beim  südwestlichen  Tornik, 
wo  er  des  bosnischen  Bubnjevic  Aj^as  meist  aus  Sarajevoer  Zigeunern  bestehende 
Ceta  verjagte,  beim  nahen  Talambas,  als  er  die  Schanze  zeitweise  befehligte, 
ferner  bei  dem  südlicheren,  zur  Draglicker  Gemeinde  gehörenden  Rasnica,  wo 
er  die  beutelustigen  Scharen  des  Suleiman  Skopljak  Pascha  am  Vordringen  gegen 
Cacak   hinderte  —  Taten,    welche    Milutinovics    „Srbijanka"    verherrlichte.      Alle 


Knriiiila  H^ilwiii.  Inneres. 


drei  (linkte  gehören  zum  Zlalihorgcbiet,  dessen  zur  Tara  streichende  Forste  durch 
einen  furchtbaren  Brand  im  J.  IH87  verwüstet  wurden.  A\il  der  lange  seitens  des 
serbischen  Kriegsministeriums  vergeblich  geforderten  Zurückgabe  der  strategisch 
wichtigen  „Karauia  Zapoljska",  welche  der  am  Javor  befehligende  Mehemed  Ali 
Pasciia  beharrlich  verweigerte,  war  im  April  1878  endlich  der  1877  /wischen  der 
Türkei  uml  Serbien  geschlossene  Frieden  in  allen  Details  erfüllt  worden.  Dieselbe 
Ziiliigkeit  bewies  der  1830  zu  Magdeburg  geborene  Musiklehrerssohn  Karl  Detroit 
als  preussischer  Schiffsjunge  1877  als  die  Russen  am  Lom  siegreich  bek.'tmpfender 
Generalissimus  der  türkischen  Armee  und  ebenso  gegen  die  aufsliindischen  Arnautcn 


iH' 


i  lieni  .iltserbischen  Djakova,  durch  deren  Kugeln  er  tragisch  endete! 

30* 


r>(i  1  Von  CnCak  über  üi'icc,  Bajinn  ba^ta,  RaCa,  Krcmna  usw.  nach  (Jiice. 

Die  hart  vor  uns  liej^cnde  bosnische  Ortschaft  nannte  die  nur  wenige 
Schritte  vom  Blockhaus  stehende  We^tafel  zuerst  im  anheimelnden  Deutsch: 
„Zollwen  zum  Nel)enzollamt  i.  Kl.  VardiSte"  und  nochmals  in  serbischer  Sprache. 
Dieser  Dualismus  wunderte  unseren  Cajetiner  Pisar  nicht  wenig;  er  hatte  bisher 
angenommen,  dass  die  Österreicher  in  Bosnien  nur  deutsch  regierten.  „Und  wie 
sie  das  Land  schein  herrichten!"  fügte  er  hinzu,  als  er  durch  mein  Fernglas  das 
kaiserliche  schmucke  Zollamt  und  die  neuen  gesonderten  Kasernen  für  ein  Pikett 
(jendarmen  und  einen  Zug  Infanterie  erblickte  —  „ob  die  Bosniaken  ihnen  dafür 
Dank  wissen  werden?"  schloss  er.  Diese  Frage  war  schwerer  als  die  erste  zu 
beantworten.  Ich  brach  das  politischen  Charakter  annehmende  Gespräch  ab  und 
ging  an  die  Skizzierung  des  prächtigen  Panoramas,  das  den  fern  im  N.  auf- 
tauchenden Oradinaberg,  den  nordwestlichen  Staniäevac,  im  W.  und  SW.  die 
Suha  gora  und  den  Budimlije  einschliesst  und  im  S.  mit  der  unheimlich  kahlen 
Batkovica  endet.  Im  Mittelgrund  schlängelt  sich  der  hier  seinen  von  der  Ruinen 
tragenden  südlichen  Gradina  abfliessenden  „schwarzen"  Bruder  aufnehmende 
„weisse"  Rzav  durch  das  fruchtbare  Hochtal,  in  das  Vardiäfes  im  weiten  Kreis 
um  die  Amtsgebäude  zwischen  Grün  zerstreuten  Gehöfte  hinabblicken.  Auf  dem 
rechten  Rzavufer  liegt  das  zur  Pfarre  Belo  brdo  gehörende  Dobrunje,  unter 
dessen  Schlossruine  die  von  Sarajevo  über  das  prähistorische  Gräberfeld  bei 
Glasinac  und  Visegrad  herabkommende  Strasse,  vorüber  an  Kloster  Banja, 
weiter  nach  Nova  Varo§  und  Novipazar  führt,  im  15.  Jahrhundert  gehörte  Dobrun 
dem  „Vojvoda  Paviovic  od  Radasla",  dessen  ihn  als  tapferen  Glaubensstreiter 
rühmenden  Grabstein  der  die  kaiserliche  Gesandtschaft  begleitende  Dolmetsch 
Benedikt  .Kuripe§ic  1530  auf  dem  Berg  Medenik  am  Weg  nach  Viäegrad  in 
Bosnien  sah,  was  erst  jüngst  durch  A.  Gavrilovic  eingehend  erörtert  wurde'). 
In 'der  nun  zerstörten  Stadt  Dobrun  gab  es  eine  ragusanische  Kolonie  mit  einer 
von  vielen  Steingräbern  umgebenen  schönen  Kirche,  welche  die  Gemahlin  des 
bosnischen  Zivilgouverneurs,  Baron  Nikolic,  herstellen  und  1884  durch  den 
Sarajevoer  Metropoliten  weihen  liess. 

Während  ich  das  Panorama  mit  der  Karaula  zeichnete,  waren  die  Wirtsleute 
von  Mokra  gora  mit  etwas  Proviant  und  der  nach  Vardiste  gesendete  Pandur 
mit  in  Ungarn  gewickelten  „Kuba"  heraufgestiegen,  die  zu  dem  vom  Buljubascha 
a  la  turka  bereiteten  Kaffee  trefflich  mundeten.  Ein  seinen  beschwerlichen  Rayon 
abstreifender  junger  Finanzwachmann,  dessen  österreichisch  zugeschnittene  Uniform 
vom  Knie  abwärts  auch  bosnische  Elemente  zeigte,  stach  ganz  gewaltig  von  seinen 
in  Nationaltracht  gehüllten  rauhen,  serbischen  Kameraden  ab,  mit  denen  er  sonst 
auf  gutnachbarlichem  Fuss  zu  stehen  schien.  Im  Schnellritt  ging  es  wieder  zurück 
über  den  Sargan,  am  nächsten  Frühmorgen  aber  auf  mir  neuer  interessanter 
Route  nach  Uzice. 

Südlich  von  der  über  zerrissenes  Wiesenland  an  der  Djetina  führenden 
primitiven  Strasse  bleibt  der  906  m  hohe  Kastellberg  Strmac.  In  der  bald  darauf 
iH'trctenen,  dunklen  Serpentin  durchschneidenden  „Klisura",  die  links  nackt,  rechts 

')  ülas.  srp.  kr.  .ikad..  L\'.  101.     18W. 


Von  Cacak  über  Llzicc,  Bajina  basta,  Raca,  Krcmna  usw.  nach  Uzice. 


5H5 


prächtige  Buchen,  Eichen  und  einzelne  Koniferen  verschönen,  überraschte  mich 
eine  von  dem  tüchtigen  Cermak  erbaute,  leider  nur  1200  m  lange  Kunststrasse 
mit  solider  Djetinabrücke,  deren  Fortsetzung  über  Bioska  und  Stapari  nach 
Uzice  und  südlich  über  Kremna  und  Markovo  polje  am  Rzav  nach  V'ardiäte  1889 
vollendet  werden  sollte,  aber  noch  heute  —  „wegen  strategischer  Gründe"  (?)  — 
auf  ihre  für  das  ganze  Gebiet  dringend  notwendige  Vollendung  wartet!  Aus 
dem  Engdefilc  tritt  die  Djetina  in  eine  freundlichere  Landschaft.  Auf  den  Syenit 
folgt  Kalk  und  rotes,  eisenhaltiges  Gestein.  Es  erschienen  viele  Mühlen  und  ein 
Sägewerk  mit  langer,  hoher  Wasserzuleitung.  Leider  begann  es  zu  regnen,  und 
der  heitere  Eindruck  schwand  unter  dem  einbrechenden  Unwetter. 


STAI'ARl.   BaucrnKehört. 


Unfern  dem  Sv.  Trojica-Holzkirchlein  von  Bioska  suchten  wir  Schutz  in 
seiner  ganz  isoliert  an  der  Strasse  stehenden  Schule.  Sie  wird  nur  von  60  Kindern 
besucht;  eine  bescheidene  Zahl  für  diese  in  386  Hdusern  über  2600  Seelen  in 
7  Orten  /.ihlcndc  (jiMnciiuk'.  Solange  der  Handel  mit  Bosnien  blühte,  ging  es 
in  dieser  hoch  her;  jel/t  sinil  ihre  beste  Kundschaft  die  Besucher  des  Warmbades 
„Vruci",  zu  dessen  primilivcn  lliilteii  ein  Fusssteg  über  ilie  Djetina  führt.  Dass 
die  Therme  schon  ilun  Romem  lH'k;uint  war,  zeigt  die  dort  von  dem  U^icer 
Professor  Ruzic  kopierte  Inschrift.  Die  schon  erwiihnlen  Mauern  des  berühmten 
altserblsclien  Klosters  F^ujino  und  seine  verwitterten  (jrabsteine  unfern  der  starken 
Quelle  geben  ikii  .Anwohnern  gleichviel  Stoff  zum  Fabulieren,  wie  die  „latinske 
groblje",  VOM  iloren  Inschriften  Safarik  eine  veröffentlichte'),  an  der  3  km  östlicheren 
Kriva  rok.i  hei   M.uk.it       Dieses  riihml  sich,   der  (leburtsorl   des   Serdars   Mii.^ic 


')  C.  I. 


MW\a..   1021.  ii.llS. 


'i(il!  Von  Ciäak  über  U2icü,  Bajina  ba$ta,  f^aCa,  Krciiina  usw.  nach  Ulicc. 

zu  sein,  der  ik-n  in  Monleneuro,  wo  er  seine  Jut^cnd  verlebte,  noch  |jc'stci(;ertcn 
Mass  neuen  alles  Türkuntuin  wilhrentl  der  ersten  Freiheitskämpfe  seiner  Heimat 
durch  viele  in  Liedern  fortlehende  Taten  stählte.  Die  Türken  fürchteten  ihn, 
uMi  so  mehr  Ursache  für  Kürst  MiloS,  ihn  /um  Befehlshaber  des  schwierij^en  Zlati- 
horer  Grenzkreises  zu  ernennen.  Als  Miloä  ins  Exil  wandern  musstc,  erblich 
auch  Micics  Stern.  Weil  einer  der  treuesten  Partisane  der  Obrenovic,  endete  er 
in  der  (jor}»usovacer  Kula  als  Staatsj^efanf^ener   1844  sein   bewej^tes  Leben. 

Am  Fusse  von  Bioskas  Gradansko  brdo  entfernten  wir  uns  von  der  Djetina 
und  ritten  hart  unter  seiner  820  m  hohen  Gradina  zur  Maric-Mehana,  in  der  mcrk- 
würdif^erweise  das  Portriit  des  „Siegers  von  Slivnica"  neben  einij^en  abscheulichen 
Schlachtenbiklern  prangte.  Weiter  a,\ng  es  auf  einem  für  Wa^en  unbenutzbaren 
Hochwe^;  durch  Kalk  und  RotiicKendes  hJiufiti  bedeckenden  prachtvollen  Eichenwald 
nach  Stapari,  das  an  Höfezahl  I^ioska  und  Krenina  nicht  viel  nachsteht.  Eine  nach 
letzterem  ziehende  Plerdekarawane  mit  in  Bocksschläuchen  gefülltem  Jagodinaer 
Wein  sperrte  uns  an  stark  abschüssiger  Stelle  lange  den  Weg.  Von  der  melan- 
choliscliun  Svirala  begleiteter  Hirleiigesang  kündete  die  Nähe  des  Dorfes,  dessen 
Schafherden  kaum  auf  den  reichen  Triften  ringsum  genügenden  Raum  finden.  Die 
am  Weg  stehende,  aus  Stein  und  Holz  erbaute  Kirche  ist  am  Sv.  Arandjel-Sabor 
(13.  Juli  a.  St.)  das  Stelldichein  der  ganzen  Umgebung;  es  geht  dann  gleich  lustig 
lier,  wie  sie  sonst  vereinsamt  bleibt.  An  ähnliche  Bauten  im  fernen  Norwegen 
mahnen  auch  die  Häuser.  Ihre  niedere  Grundfeste  ausgenommen,  sind  sie  im 
Ziatiborgebiet  meist  ganz  aus  Holz  erbaut;  der  hohe  First,  der  ihn  krönende 
Schornstein  von  gotischer  Dachreiterform  mit  Holzkreuz  gestaltet  sie  ungemein 
malerisch,  ich  zeichnete  das  Haus  des  Mihail  Stefanovic,  was  seine  einen  Zauber 
oder  eine  höhere  Steuer  fürchtende  keifende  Gesponsin  nur  ungern  sah. 

Auf  einem  im  klippigen  Volujacka-Kalk  erosierten,  steil  geböschten  Pfad 
gelangten  wir  bei  einer  ehemaligen  Pulvermühle  südöstlich  auf  die  von  Bajina 
basta  nach  Uzice  führende  Hauptstrassc.  Bald  darauf  erschien  sein  von  der 
Djetina  umkreister  Sinjevac  und  der  einst  das  Römerkastell  tragende  Berg,  dominiert 
vom  Ljubanj;  im  Hintergrund  tauchte  die  Kuppe  des  Zabucije  auf,  der  in  Uzices 
Belagerungen  stets  die  wichtigste  Rolle  spielte,  ein  sehr  instruktives  Situationsbild, 
das  ich  in  seinen  Konturen  skizzierte.  Mein  Pferdchen  „Lisko",  dem  ich  während 
der  ganzen  Exkursion  die  sorgfältigste  Pflege  angedeihen  Hess,  bewies  sich  bis 
zum  letzten  Augenblick  dankbar  und  tapfer.  Heil  brachte  es  mich  über  das 
halsbrecherische  a  la  turka-Kieselpflaster  der  langen  Carsijastrasse,  und  glücklich 
hielt  ich  bald  darauf  mit  reichen  Resultaten  meinen  Einzug  in  Uzice. 


XVII. 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh. 

Durch  das  Zlatibor,  Dragacevo  und  die  Gruza  nach  Lapovo. 


ZW'F.IMAL  besuchte  ich  die  denkwürdige  Stätte,  auf  welcher  den  Morava-Serben 
das  Christentum  gepredijjt  wurde.  Im  Juni  1860  kam  der  für  meine  Forschungen 
lebhaft  sich  interessierende  Prota  Todor  Popovic  von  Uzice  nach  Pozega,  um  mich 
nach  dem  15  km  südlicheren  Heilsort  Arilje  zu  führen,  der  zut^leich  sein  Geburtsort 
war.  Und  wieder  berührte  ich  Arilje  am  30.  September  1888,  als  ich  mit 
Ingenieur  Cermak  über  Ivanjica  zur  im  letzten  Krieg  vielgenannten  türkischen 
Javorgrenze  reiste. 

Visibabas  Hochebene  mit  rrmiischen  Kolonieresten  lag  hinter  uns,  westlich 
blieb  frischgrünes  Wiesenland,  östlich  breiteten  sich  Maiskulturen  des  wohlhabenden 
Prilipac  aus,  auf  dessen  Gradina  brdo  ein  verfallendes  Kastell  der  „bösen 
Jerina"  steht.  Das  am  Südhang  liegende  Lopas  gilt  traditionell  als  Geburtsort 
des  in  den  Kosovoliedern  besungenen  Heldenknaben  LauJ.  Sicher  ist,  dass  dort 
Prota  Milutin  1806  den  gegen  das  Dragazevo  vordringenden  Sarajevoer  Ord  Aga 
schlug.  Das  ganze  fruchtbare  Gebiet  ist  ungemein  wasserreich.  Von  allen  Seiten 
fliessen  der  Morava  und  Djetina  kleine  Rinnsale  zu.  unter  diesen  eines  im  \V. 
bei  Zlakusa,  das  gleich  beini  Verlassen  der  18  m  hohen,  10  m  lueiten  liiihle 
„Potpeöe"  eine  Mühle  treibt,  (jrabovik  rechts  lassend,  kreuzten  wir  den  hier 
einem  Engtal  entströmenden  Rzav  und  gelangten  an  seiner  Mündung  zu  Ariljcs 
berühmter  Kirche,  von  der  man  viel  fabelte,  die  aber  niemand  vor  mir  kunst- 
geschiclitlich  erforschte. 

Nach  einer  Tradition  bestieg  der  erste  Nemanjide  persönlich  den  südwest- 
lichen Pogied  (Umblick)  und  bestimmte  den  Punkt,  auf  dem  das  Ariljokloster 
erbaut  wurde '),  das  sein  Sohn,  der  hl.  Sava,  zum  Bischofssitz  des  Moravasprengels 
erhob.  Unter  seinen  vielen  Donationen  befindet  sich  das  ihm  vom  Zaren  Stevan  auf 
VVimsth  lies  Eigentümers  „Sevastokrator  Dijan"  zugewiesene  Dorf  Kalujanjcvicä). 

')  ^afarlk,  N.iv.  Altert .  II,  JI.'S 

')  Mon.  serh.,   III         D.m    RjeCnik,  I,  434, 


568 


Von  \'llf.^:^^.^  über  Ivanjica  nun  Vasiljin  vrli  nach  Lapovo. 


dessen  Namen  an  den  niächtit^en  Bui({arenzar  Kalojan  lebhaft  erinnerte.  Noch 
1737  nntersclirieh  sich  der  Uiicer  Vladika  als  letzter  von  „Achilija" ');  er  wurde 
nach  dem  un^^lückliciien  Österreichischen  Krie^  (1739)  ein  Opfer  tlirkischer  Miss- 
handlunn,  weil  er  eine  ihm  auferlej^te  ßrandschat/unt4  nicht  leistete.  Auf  der 
Strasse  nach  Uiice,  wo  er  Klaj^e  ((ihren  wollte,  fand  er  in  Sevojnos  alter 
Mihailskirche  sein  ürab.  Im  Freiheitskrieg  drohte  Arilje  ({änzliche  Zerstörung. 
Ord  h^d  wollte  die  Kirche  vernichten,  aber  die  Lunte  versagte;  doch  tötete  er 
60  Serben,  deren  Kopfe  man  auf  den  Kirchenzaun  spiesste.  Diese  Erinnerungen 
und  das  Martyrium,  welches  der  den  Serben  das  Evangelium  verkündende  hl.  Achilios 
hier  erlitten  haben  soll,  steigerten  das  hohe  Ansehen  der  Ariljer  Kirche  beim 
Volke.  Am  „Akila  den"  (14.  Juli)  pilgert  es  von  nah  und  fern  herbei,  um  am 
(irali  des  vielvermögenden  „Apostol"  dessen  Gunst  zu  erflehen. 


y. 


Grabkapcllc  des  hl.  Achilios. 

Ariljes  Kirche  erlitt  im  Laufe  vieler  Jahrhunderte  einschneidende  Veränderungen. 
Ihre  Konstruktion  zeigt  die  Kreuzform  mit  auf  der  Vierung  und  quadratischem 
Unterbau  sich  erhebender  kleiner  Kuppel;  die  niederen  Apsiden  erscheinen  wie 
angeklebt  und  der  ganze  Unterbau  macht  heute  weit  mehr  den  Eindruck  einer 
spätromanischen.  als  orientalischen  Kirche.  Viel  trägt  hierzu  die  Dekorierung 
bei  mit  Rundbogenfriesen,  weiche  am  Kuppeltambour,  an  der  Apsis,  am  Narthex, 
unter  dem  Dachfries,  am  Langschiff  und  an  den  Seitenapsiden  der  die  Lisenen 
verbindenden  grossen  Rundbogen  horizontal  hinlaufen.  Ich  darf  daher  annehmen, 
dass  es  der  von  König  Dragutin  (1272—1275)  auf  der  Stelle  der  älteren  Anlage 
gestiftete  Bau  sei,  entstanden  in  jener  Epoche  occidentaler  Einflüsse  bei  serbischen 
Monumenten.  Das  Material  der  28  m  langen,  im  Schiff  6  m,  mit  den  Apsiden 
11  m  breiten  und  12  m  hohen  Kirche  stammt  der  Sage  nach  vom  Berg  Blagaja, 
der  seinen  Namen  der  Treffiiciikeii  der  dort  gebrochenen  Steine  dankt;  der 
Baumeister  antwortete  dem  nach  seiner  Güte  sich  erkundigenden  königlichen  Stifter: 


')  Vuk.  Rjccnik,  5Ui. 


Von  Po^ega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


569 


„Nijemo  naäli  kamen,  nego  blagü!"  (Nicht  Steine,  einen  Schatz  fanden  wir!).  Nahe 
der  Kirche  stand  ein  isolierter  Turm,  der  1847  gelegentlich  des  ersten  Schulbaues 
demoliert  wurde,  wobei  man  das  Bruchstück  einer  Glocke  fand.  Es  waren 
Überreste  von  Ariljes  altem  Kloster,  das  noch  Vuk  (Rjecnik,  7)  als  Ruine  erwähnte. 
Der  verstorbene  Bischof  Janicije,  von  dessen  eigentümlichem  Restaurationseifer 
ich  im  II.  Band  (I.  Kap.)  erzählen  werde,  liess  um  1865  das  von  Kralj  Milutins 
Baumeister  gepriesene  Quadernmaterial  unter  einem  Mörtelanwurf  verschwinden, 
die  Bedachung  mit  Ziegeln  erneuern  und  der  Kuppel  einen  mit  Zinkblech  beklei- 
deten glockenartigen  Helm  mit  hohem  Kreuze  aufsetzen,  was  dem  Bau  sein 
altertümliches  Aussehen  raubte.  Glücklicherweise  berührte  die  Renovierung  nicht 
auch   den   Innenraum. 

Der    von    den    Türken    zerstörte    ursprüngliche   Freskenschmuck   war   schon 


Klisiira,  Kirche. 


IruhLM  eriiLiiLit  worden.  I:i  gleiclu  dem  von  Gornjak  und  dürfte  kaum  iuehr 
als  2—3  Jahrhunderte  zurückreichen.  In  der  ersten  Vorhalle  erscheinen  rechts 
vom  Portal  der  hl.  Ahilije,  links  der  F.rzengel  Mihail;  auf  der  Südwand  im  Narthex 
Kralj  Milutiii  mit  dem  Kirclienmoilell  in  der  Hand,  links  Uroä  II.,  rechts  die 
Kraljica  Kalarina,  iihei  dein  Ijngang  das  Opfer  des  Abrahams.  Die  Köpfe  der 
historischen  Personen  und  Heiligen  sind  durchschnittlich  besser  als  in  den  meisten 
Fresken  der  serbischen  Athosschüler.  Das  Grab  des  Apostels  Ahilije  befindet 
sich  an  der  Südmaiier  des  spärlich  beleuchteten  Narthex  an  derselben  Stelle,  auf 
der  ei  im  Kl.  |,iliiiiiindi.it  vnn  lieii  heidnischen  Slaven  erschlagen  worden  sein 
soll.  Die  mit  kundstäben  und  Hohlleisten  reich  gekehlte  Sargdecke  zeigt  Spuren 
gewaltsamer  Fröffnung;  das  Doppelkreuz  und  die  Inschrift  auf  der  oberen 
Fläche  sind  jedoch  unbeschädigt.  Auf  meinen  Wunsch  wurde  die  schwere  Stein- 
decke mit  Hebeln  weggerückt  kh  fand  das  mit  Ziegeln  ausgemauerte,  1,20  m 
tiefe  Grab  leer;  die  Gebeine  des  Märtyrers  wurden  wahrscheinlich  von  den 
Schätze  suchenden  Türken   in   alle  Winde  zerstreut. 

F'iii    Gang    durch    den    Allarraum     führte    mich     IHtiO    unerwartet    zu    einem 
arcliäologlschen    r'inule       Die    .inlike    Piofilifrung    der   .Mtarstufe    veranlasste    mich 


'iTO  Von  Po2egn  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  l.apovo. 

zur  Uiilcrsucliiinfi  des  Tisches.  Mit  des  Protas  Erlaubnis  Hess  ich  die  Geräte 
abnehmen.  Als  man  die  reichneslickte  Decke  entfernte,  zeigte  sich  als  Stütze 
der  rolij^emeisseltcn  Altarplatte  ein  römischer  ürabstcin,  der  höchstwahrscheinlich 
schon  Hunderle  Jahre  die  Symbole  der  ChristusreliKion  trägt.  Die  Inschrift  war 
leider  unkenntlich  geworden,  doch  zeigten  die  Schmalseiten  deutlich  die  typischen 
l'i^uren  der  Attishrüder.  Der  F^rota,  welcher  gleichwenig  wie  sonst  jemand  den 
Stein  früher  beachtet  hatte,  war  erstaunt,  als  ich  ihn  über  dessen  Ursprung 
aufkiiirte.  Dem  frommen  Erzpriester  ging  das  Sakrilegium  wahrscheinlich  so  zu 
Herzen,  dass  er,  wie  ich  bei  meinem  zweiten  fiesuch  fand,  die  heidnischen 
Figuren  abmeisseln  liess.  Nun  ruht  er  selbst,  nahe  dem  verstümmelten  Römerstein, 
links  bei  der  Chorapside  unter  einer  weissmarmornen  Grabplatte.  Unfern  steht 
ein   von    der   Strasse   sichtbarer,  3  m   hoher   Obelisk   aus   gleichem    Material  auf 


Klisiira.  Kirche. 


reicii  profiliertem  Sockel,  von  demselben  Karanovacer  Meister,  wie  das  Milü§- 
Monunient  zu  Takovo.  Er  preist  in  goldenen  Lettern  den  Prota  mit  Recht  „als 
Wohltäter  der  Armen  und  Förderer  der  Volksbildung!  Geb.  1823,  f  1881."  Ein 
rauherer  .Wann  und  Kämpfer  mit  dem  Schwert  für  Serbiens  Freiheit  liegt  an  der 
Südmauer  unter  rotmärmorner  Decke.  Es  ist  der  „serbische  Serdar  Jovan  Micic", 
dessen  Lebenslauf  ich  schon  kurz  schilderte.  Schlimm  erging  es  einer  römischen 
Stela,  welche  sich  aus  dem  oberen  Rzavtal  hierher  verirrte')-  Ich  liess  den 
mit  der  Inschrift  nach  innen  in  die  Parapetmauer  gefügten  Stein  herausnehmen 
und  nach  genommener  Kopie  mit  der  Schriftseite  nach  aussen  befestigen.  Ein 
dritter  Römerstein  mit  Figuren  befindet  sich  im  3  Stunden  von  Arilje  fernen 
Kruscvica,  am  Ursprung  des  Mali  Rzav;  ein  vierter  mit  Inschrift  auf  der  von  Arilje 
etwa  10  km  fernen  Gradina,  bei  den  Resten  einer  wahrscheinlich  antiken  Stadt. 
Nahe  dem  unansehnlichen  Ariljer  Bezirkshaus  entstand  eine  vortreffliche 
Mehana,   deren    freundlicher  Wirt   wahre   Wunderdinge  auf   den   Tisch  zauberte. 


')  C.  1.  L.,  III.  .Aiklit..  No.  6317. 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo.  ö71 

Nicht  minder  überraschte  mich  das  1873  erbaute  schöne  Gemeindehaus,  am 
meisten  aber  die  1886  vollendete  Schule.  Sie  hebt  nicht  wenig  das  Forum  des 
nur  54  Häuser  zählenden  Städtchens,  wird  durch  5  Lehrer  trefflich  geleitet  und 
von  300  Schülern,  darunter  20  Mädchen,  aus  Arilje  und  seiner  Umgebung  besucht. 
Wie  der  Ort  veränderte  sich  auch  die  Physiognomie  seiner  Bewohner:  der  Über- 
gang vom  einstigen  Rajah  zum  selbstbewussten  Bürger  eines  freien  Staates  gelangt 
auch  hier  nicht  nur  im  Benehmen,  sondern  auch  in  der  äusseren  Erscheinung 
zum  Ausdruck.  Die  jungen  Leute  vertauschten  den  Fes  mit  der  kleidsamen 
Soldatenmütze,  und  auch  die  Frauentracht  strebt  immer  mehr  europäischem 
Schnitt  zu.  Wohl  waren  28  volle  Jahre  seit  meinem  ersten  Besuch  Ariljes  verflossen, 
und  der  sichtliche  Fortschritt  wäre  weniger  rühmenswert,  erinnerte  ich  mich  nicht 
lebhaft  des  Aussehens  dieses  schönen  Landstriches  unter  dem  Türkenregiment,  wo 
mir  hier  und  allerorts  nur  Verfall,  Schmutz  und  Gleichgültigkeit  in  unangenehmster 
Weise  entgegentraten.  Im  Kriegsjahr  1876  sah  es  allerdings  weniger  friedlich 
dort  aus.  Nach  dem  ersten  unglücklichen  Gefecht  bei  Kusi(^i  gab  es  grossen 
Lärm;  man  fürchtete,  dass  die  Türken  rasch  ihren  Vorteil  verfolgen  könnten  und 
flüchtete  Frauen  und  Habe  in  die  Berge.  Um  so  lieber  leistete  man,  als  die 
Gefahr  vorüber  war,  die  vom  Sreski  nacelnik  ausgeschriebene  und  vom  Ortspopen 
zusammengetriebene  „Komora"  (Lastpferde  und  Verpflegung)  für  die  den  Einbruch 
hindernden  Männer  im  Felde.  So  manche  kehrten  nicht  wieder;  andere  lagen 
im  improvisierten  Lazarett  unter  dem  vorspringenden  Handach,  wo  ein  deutscher 
Arzt  und  Bolnicarkas  (Wärterinnen)   die   am  Javor   verwundeten  Krieger  pflegten. 

Hart  am  linken  Moravaufer  brachten  uns  weitere  15  km  der  geradlinigen 
Chaussee  zur  „Klisura",  in  welcher  sie  neuestens  klippigen  Kalkfelsen  abgerungen 
wurde.  Hart  am  Fluss,  zwischen  steilen  Ton-  und  Kalkschieferhängen  hinfahrend, 
erfreut  uns  das  vom  657  m  hohen  Gradina  brdo  beherrschte  romantische  Land- 
schaftsbild.  Hoch  oben  krönt  ihn  das  auf  der  Ruine  eines  wahrscheinlich 
römischen  Wachturms  entstandene,  an  schroffen  Kalkzinnen  lehnende  Kirchlein 
Sv.  Ilija,  von  dem  die  Sage  geht,  dass  es  tief  verletzt  von  dem  6  km  südlicheren 
Prilike  herüberflog,  weil  eine  Bäuerin  dort  Wäsche  an  der  Altarseite  zum  Trocknen 
aufhing.  Die  zerstörte  Burg  soll  als  Straforl  für  sündige  Mönche  gedient  haben. 
Ärmlich,  mit  Holz  bedacht,  steht  diese  kleine  Heilställe  beim  Volk  doch  im 
höchsten  AnselKii  Wer  im  weilen  Umkreis  gesunde  Beine  besitzt,  wird  nicht 
versäumen,  .im  1.  August  a.  St.  den  Sieilpfad  emporzuklimmen,  um  von  dem 
mächtigen,  über  Stürme  und  Wetter  gebietenden  Sv.  Ilija  gnädige  Schonung  für 
Haus  und  Feld  zu  erflehen.  Texier  irrt  übrigens,  dass  man  alle  diesem  Heiligen  in 
orientalischen  Landen  geweihten  Kirchen  auf  hohen  Spitzen  erbaute;  dem  wider- 
spricht seine  Kirche  zu  Plakovo  in  Bulgarien  und  andere  dortige,  auch  serbische 
Sv.  llijakloster ')  in  Tälern   und   Fbenen. 

Eng  verbunden  mit  Sv.  llij.i  ist  das  ,un  hnkeii  Uferhang  erscheinende  Eng- 
passklosler  „Klisura".  Wäre  das  Gebiet  gleich  sicher  wie  malerisch,  hätte  ich 
den    es   damals  verwaltenden   Popen   X'eljko  TankoSic    um    sein  in  einen  wahrhaft 

')  \\  K.inilz,  Uonau-Bulgiiricn  ii.  il.  li.ilk.iii.     II.  Aiitl..  III,  3. 


572  Von  Po2cKa  über  Ivanjica  /.um  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 

olynipisthui)  Ilain  von  prächtigen  F^ot-  und  Weissbuchen,  Nuss-  und  Hflaumen- 
biiiiMK-n,  Wciik-n  uiul  ajlcrki  von  Vonelsanj^  helebtern  Buschwerk  eint{enistetes 
llciiii  licricidut.  So  quält  ihn  aber  stetijj  die  Furcht,  dem  Los  des  1878  von 
Raubern  in  Stücke  gehauenen  Hegumans  Krisantije  /u  verfallen,  obschon  dessen 
VcrMi(i(^enslaKe  nicht  uliln/end  ist.  Seiner  auf  der  serbischen  Karte  ^anz  vcr- 
Hcsseiien  hl.  Mihail-  und  Gavril-Kirche  sind  3  Gemeinden  zuKcteill.  [.)em  Baumeister 
der  1778  durch  den  bosnischen  Mönch  Kurlaj^a  erneuerten  kleinen  Kuppelkirche 
mochte  jene  zu  Arilje  vorgeschwebt  haben.  Wie  diese  ist  sie  überreich  an  Rund- 
bof^enfriescii  und  f^leich  arm  an  Fenstern.  Die  ihr  anj^efüHte  siebenboj^i^e  Vorhalle 
raubt  dem  Innern  so  vollends  alles  Licht,  dass  es  schwer  fällt,  die  Bilder  der  Ikonostasis 
zu  enträtseln.  Ein  wahres  Meisterstück  serbischer  Schnitzkunst  ist  die  kleine  Holztür 
an  der  Nordseitc;  sie  erinnert  mit  zierlichen  geometrischen  Feldern  und  Ornamenten 
an   die   schönsten   arabischen  „Muscharabic"  und   svürde  jede  Ausstellung  zieren. 

Zu  Fuss  durchzogen  wir  die  zwischen  200  m  hohen  Kalkmauern  eingebettete 
KlosterschUicIit;  da,  wo  sie  nur  30  m  breit  ist,  bei  einem  von  mächtigen  Nussbaum- 
kronen  hesciiatteten  köstlichen  Quelliiriiniien,  sagt  eine  Inschrift,  die  Strasse  sei 
1860  „für  das  Volk"  erbaut  worden.  In  weit  nach  W.  ausgreifendem  Bogen 
verliessen  wir  das  auch  südwestlich  durch  ein  Römerwerk  auf  der  1159  m  hohen 
Gradina  gehütete  hochroinantische  Defile,  in  oder  bei  dem  mir  nachfolgende 
Archäologen  nach  dem  dalmatischen  {?),  bei  Ivanjica  liegen  sollenden  „Municipium 

Cel "    forschen   mögen.     Unter   dem   nahezu  gleich   hohen   Malecberg   und 

den  Schanzen  auf  beiden  Ufern  erreichten  wir  das  wohlhabende  Prilike.  Seine 
Gehöfte  sind  mit  Schiefer  gedeckt,  deren  ausgedehnte  Lager  eine  rationellere 
Ausbeute  verdienten.  Die  kleine  Kuppelkirchc,  bei  welcher  die  jenseitige  Uferstrasse 
mündet,  steht  am  Ausgang  der  Cucaschlucht.  tiii  trefflicher  Säuerling  lockt  zur 
Sommerzeit  viele  Gäste  hierher;  sie  wohnen  in  Baracken  oder  in  der  geringen 
Komfort  bietenden  Mehana,  bezahlen  aber  auch  keine  Kurtaxe  und  schöpfen, 
soviel  sie  wollen.  Das  stark  exportierte  „Kisela  voda"  kostet  selbst  in  Pozega 
nur  20  c.  per  Flasche. 

Ein  Sommerlager  christlicher  Zigeuner  zwischen  buschigen  Weiden  unterbrach 
die  Stille  in  der  düsteren  Landschaft.  Bei  Varjace  kreuzten  wir  die  Mündung 
der  bei  den  25  km  fernen  Grenzkaraulen  Studena  voda  abströmenden  Grabovica, 
an  welcher  220  ni  höher  Brezovas  „Bela  crkva"  steht.  Bei  Dubrava  verengt 
sich  das  Tal.  Von  der  östlichen,  in  Abendrot  gehüllten  Terrasse  leuchtet  eine  weisse 
„barutana"  (Pulverturm).  Karawanen  heiterer  Landleute  verraten,  dass  der  Wein 
im  nahen  Ivanjica  gut  ist.  Bald  erscheinen  seine  ersten  beleuchteten  Mehanen, 
in  welchen  sie  sich  ihre  muntere  Sonntagslaune  geholt.  Vor  den  Garküchen 
brodelt  es  bei  flammenden  Spänen  vom  römischen  „Fackelbaum"  in  Pfannen 
aller  Formen,  umlagert  von  Bauern,  die  zechend  und  singend  die  Heimkehr 
vergassen.  Die  lange  Carsija  erschien  illuminiert  wie  zu  einem  Fest.  Wir 
hielten  am  einstöckigen  Gasthof  „Zur  Serbenkrone",  wo  der  telegraphisch  benach- 
richtigte Bezirkshauptmann  Arsa  Veljkovic  uns  begrüsste. 

Das  im  Aufblühen  begriffene  Ivanjica,  das  grösste  unter  den  sechs  Bezirks- 
zentren   des   Uzicer  Kreises   und    mit  468  m   Scehöhe   die   am   höchsten    liegende 


Von  Po^ega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


573 


Stadt  des  Königreichs,  ist  namentlich  durch  seinen  früher  bedeutenden  Viehhandel 
mit  dem  türkischen  Sjenica  emporgekommen.  Im  serbisch-türkischen  Krieg  1876 
wurde  das  auf  dem  Javor  lästernde  Zachsche  Korps  über  ivanjica  verpflegt;  aus 
jener  Zeit  stammen  seine  1 1  Mehanen  und  30  Ducanen.  Das  Gold  lag  damals 
sozusagen  auf  der  Strasse.  Kaufleute,  Wirte  und  zweifelhafte  „barmherzige 
Schwestern"  fanden  leichten  Gewinn,  denn  Offiziere  und  Ärzte  des  Stabes  und 
der  im  nahen  Lager  stehenden  Reservebrigade  brachten  ihre  freien  Tage  und 
Nächte  mit  Spielen  und  Trinken  zu.  Dazwischen  stauten  sich  endlose  Reihen 
„Komordzija",  welche  Fourage  brachten  und  Kranke  mitnahmen.  Den  Lärm 
einziehender  Reservisten  und  exerzierender  Bataillone  übertönten  lustige  Zigeuner- 
fidein   und  Toaste   auf  die  verschiedenen  Armeen,  aus  welchen  sich  in  serbische 


L-öv 


i,\„ ,— T--'^ T''-tl~— '  -*,._■        - 


IVANJICA,  Grosser  Plalz 


Dienste  getretene  Offiziere  hier  zusammenfanden,  um  sich  dem  Kommandierenden 
Colak  Antid-  vorzustellen.  Vor  seinem  Hauptquartier  am  Grossen  Platz  entwickelten 
sich  oft  bunte  Scenen,  deren  fremdartiger  Reiz  illustrierten  Bl.lttern  dankbaren 
Stoff  lieferte.  Der  Kriegslarm  der  folgenden  Jahre  berührte  Ivanjica  nicht,  da  es 
ausserhalb  ties  Operationsgebietes  blieb. 

189ti  zählte  das  freundliche  Bezirksstädtchen  1250  Seelen  in  272  Häusern, 
und  seit  1890  einen  IK95  über  1,1  Mill.  d  zu  10— 12"/,,  (!)  verleihenden  Spar-  und 
Hilfsverein.  Von  N.  her  gelangt  man  zuerst  auf  seinen  Kleinen  Platz  mit 
Flaggeniiauin  im  /entiuin.  dann  in  die  lange,  von  HandelsLIrni  erfüllte  Caräija, 
mit  der  eine  zweite,  ilurcli  sciuiiale  (,)iiergässchen  verbumlone,  parallel  läuft 
Beide  münden  auf  den  Grossen  l'lalz,  wekiier  von  dem  Bezirksamt,  der  I83H 
eihaiilen  Koiist.inliip  imil  |elena  -  Kirche  mit  liohein  Turm,  der  Schule,  einigen 
besseren  Privathäusern  uiul  dei  seil  is<),s  mit  einem  20  m  hohen  Sprengwerk 
überbrückten  Moravica  umgrenzt  wiid.  Doii  trat  ich  in  den  Laden  des  wohl- 
habenden Kaufmanns  R.  Savic,  in  ilem  österreichische  Manufakturen,  Apollokerzen. 
l'iiniiaiiei  Si.iike  usw.  vorwalteten;  In  der  komfortablen  Wohnung  sah  ich  Fabrikate 


574  Von  F'oH-KH  über  Ivanjica  /um  Vasiliin  vrh  nach  Lapnvn. 

der  serbischen  Fraiienindustric,  praditiß  K*-*webtcs  braunes  Tuch  und  Teppiche, 
die  \'M)  m  breit,  2  in  lann,  2  cm  stark,  nur  62  d  kostend,  an  Schönheit  und 
DauerhaffiKkeil  den  besten  orientalischen  gleichkommen.  Die  Wolle  zu  diesen 
Arbeiten  Wird  mit  120  d  per  100  k^,  gewaschen  mit  40  d  höher,  bezahlt.  Die 
Lebensmittelpreise  sind  zu  Ivanjica  nach  unseren  Begriffen  erstaunlich  billig: 
I  im  Rindfleisch  0.20  ().3(),  1  Knte  0.40,  1  Huhn  0.:<0,  I  k«  Kfhratencs  Lamm- 
fleisch 0.30-0.40,    1    Lamm  2.50,   I    Schaf  5-ö.   I    Ochs         100  kg  l'leisch  28  d. 


Am  I  Oktober,  9  Uhr  vormittafis,  meldete  der  diensteifrige  Kapelan,  es  sei 
alles  zum  Aufbruch  nach  dem  Javor  ferti)^,  und  er  selbst  wolle  die  Führung 
übernehmen.  Schon  1860  hätte  ich  gern  meine  Forschungsreise  gegen  Sjenica 
ausgedelint;  doch  bei  der  im  Grenzgebiet  herrschenden  Unsicherheit  wollte  es 
der  Uzicer  Nacelnik  nicht  zugeben;  denn  trotz  fortgesetzter  Streifen  hatten  sich 
dort  kühne  Räuberhanden  festgesetzt;  doch  1872  gelang  es  nach  hartnäckigem 
Kampfe,  des  „kugelfesten"  Heiduckenführers  Nikola  Jeftovic,  der  mit  eigener  Hand 
40  PersoiKii  kalt  ijcniacht,  seines  gleich  brutalen  Gefährten  Carija  Markovic  und' 
der  nicht  minder  berüchtigten  Räuber  Jovan  Dudlovic  und  Rovica  Milojevic 
habhaft  zu  werden.  Seit  Österreich-Ungarn  die  Wacht  im  Limgebiet  an  Stelle 
der  lässigen  Türken  übernahm,  besserte  sich  auch  im  Uzicer  Kreise  die  Sicherheit. 
Ausser  dem  Ingenieur  und  Kapelan  nahmen  der  Bauunternehmer  Luka  Miletic, 
ein  heiterer,  robuster  Mann,  und  zwei  Panduren  an  dem  Ausflug  teil;  so  zählte 
unser  Trupp  sechs  trefflich   bewaffnete  Reiter. 

Von  Ivanjica  erklimmt  die  auch  fahrbare  Strasse  in  Serpentinen  das  Plateau 
des  "Slivicki  brdo  mit  lohnendem  Blick  auf  das  geschilderte  äusserst  romantische 
Kiosterdefile.  Tief  unten  begleiteten  uns  die  parkartigen  Täler  der  Nosnica 
und  Bukovica  mit  dem  alten  Kirchlein  von  Glpec.  Das  der  Triaszone  angehörende 
Gebiet  bedeckt  bis  zur  Grenze  mit  Ziereichen  bedeckter  Buchenwald.  Bei 
Slivici  kamen  wir  zur  ersten,  durch  Schützengräben  verstärkten  hochliegenden 
Schanze,  welche  mit  den  folgenden  1876  die  Strasse  gegen  das  türkische  Korps 
bei  Sjenica  sperrte.  In  einem  hart  am  Weg  liegenden,  von  einer  Witwe  mit  ihren 
Kindern  bewoiinten  Häuschen  wurde  beraten,  ob  des  sintflutartig  strömenden 
Regens  wegen  der  Ausflug  nicht  aufzugeben  sei;  ich  stimmte  dagegen.  Meine 
Schilderung  der  Route  beruht  auf  am  Rückweg  bei  herrlichstem  Wetter  gemachten 
Aufzeichnungen.  Bevor  wir  weiter  ritten,  äusserte  die  mutige  Besitzerin  des 
Waldhofs  auf  unsere  Frage,  ob  sie  in  dieser  Einöde  ohne  männlichen  Schutz 
sich  nicht  ängstige:  „Wir  besitzen  zu  wenig;  die  Räuber  besuchen  nur  wohl- 
habendere Leute;  uns  haben  sie  nie  etwas  Böses  getan!" 

Hoch  oben,  auf  dem  982  m  hohen  Kalus.  folgt  eine  zweite  Sperrschanze; 
unten  auf  dem  stark  gewellten  Plateau  erblickte  ich  deutlich  die  zerstreuten 
Gehöfte  von  Opaljenik.  Diesem  entstammt  der  „Junak  Gromo",  dem  der  im 
nahen  Milandza  geborene  Bischof  Janicije  Neskovic  hart  an  der  Strasse  unter 
drei    mächtigen    Buchen    das   „Gromov    biljeg"    auf    der    Crvena    gora   errichtete. 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


;>/;) 


Seine  kirchenslavische  Inschrift  erzählt,  dass  Cromo  an  dieser  Stelle  mit  vier 
gleich  tapferen  Serben  1813  eine  grosse  Türkenschar  tapfer  zurückschlug.  Spuren 
eines  bedeutenden  Waldbrandes  waren  nahe  deutlich  kennbar.  Gleich  darauf 
erhielten  wir  den  ersten  vollen  Blick  auf  den  durch  geradlinige  Schanzenlinien 
gekennzeichneten  südlichen  Vasiljino  brdo,  und  östlich  wurde  die  20  km  ferne 
Velika  livada  im  Cacaker  Kreise  sichtbar.  Auf  Serpentinen  ging  es  115  m 
abwärts  zum  1105  m  hoch  liegenden  Strassenhan  Kusici.  Seinen  Beinamen  „na 
divizije"  erhielt  er,  weil  dort  Oberst  Colak  Antic  mit  seiner  Division  die  1876 
bis  zu  diesem  Punkt  vorgedrungenen  Türken  blutig  zurückschlug,  wobei  der  tapfere 
Kommandant  der  Uzicer  Brigade,  Mihail  llic,  fiel.  Es  sollte  ihm  ein  Monument 
gesetzt  werden,  für  das  in  Ivanjica  bereits  300  Dukaten  gesammelt  waren,  die 
jedoch,  unbekannt  wohin,  verschwanden. 


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Beim  folgenden  llan  „2upanovica"  erhob  sich  die  dritte  von  den  Türken 
stürmend  genommene,  1187  m  hohe  „Karadjordjev  äanac".  Der  Kampf  wogte 
um  den  Han.  Er  besteht  aus  einem  schmutzig-rauchigen  Allerweltsraum  und  des 
Wirtes  räuberlochartigem  Stübchen  mit  schmierigem  Bett,  unter  dessen  Kissen  ein 
geladener  Revolver  und  Patronen  lagen.  Bis  an  die  westlichste  Grenze  hat  das 
Kristicsche  Mehanengesetz  nicht  gewirkt.  Den  unheimlichen  Raum  verlassend, 
welcher  gewiss  Mordgeselleii  wiederlmh  i>eherbergte  ilenn  jeder  vereinsamte 
Meluiiul/ija  nuiss  sich  notgedrungen  mit  den  Heiducken  gut  vertragen  —  fiel  mein 
Blick  durch  sein  nach  W.  gerichtetes  i|uadratisches  Fenster,  in  dessen  dunklem 
Rahmen  der  9  km  ferne  dreigipfelige  Mue-anj  mit  grell  beleuchteten  hohen  Kalk- 
zinnen erschien,  und  während  die  Wirtin  das  Mahl  bereitete,  für  welches  der 
Kapetan  das  Fleischmaterial  fürsorglich  mitgebracht,  skizzierte  ich  seine  Umrisse. 
Der  jetzt  kalilseheitelige  alte  MuCanj  sah  bessere  Tage,  als  der  das  „Stari  vlah" 
vervvaileniie  Siraliinja  ban  ilorl  seine  „letiiji  dvori"  (Sommerresidenz)  auf  dem 
R(iinerkastell  erbaute.  Damals  war  gewiss  er  und  die  Umgebung  seines  südlichen 
Hochsees  wald-  und   wildreich.     .Aber   schon   in   älterer  Zeit  charakterisierte   ein 


576  Von  Po^c^a  Über  Ivanjica  /um  Vaüiljin  vrh  nach  l^povo. 

Volkslied')  treffend  sein  massiges  Aussehen:  „Jaoh  Muönju,  niu(an  li  si!"  (0  weh' 
MuCan,  wie  schwer  du  bist!),  und  als  hätte  es  die  unglücklichen  Kämpfe  am 
hcnachbarten  Javor  vorahnen  k(')nnc'n,  fügt  es  hinzu:  „O  Javorc,  jadan  ti  si'- 
({)  Javor,  wie  unselig  bist  du!). 

Zum  „UngiUcksberg  Javor"  brachte  uns  vom  Han  der  in  altem,  dichtem 
Buchenwald  1286  ni  erreichende  Weg,  den  auf  der  „Ukofenica"  starke  Schanzen 
links  und  rechts  unter  Feuer  nehmen  und  dessen  Forcierung  bei  energischer 
Verteidigung  kaum  mttglich  scheint.  Die  weittragenden  türkischen  Geschütze 
müssen  jedoch  den  ihn  verteidigenden  Serben  arg  zugesetzt  haben;  im  Boden 
waren  von  ihren  Granaten  aufgewühlte  Lficher  noch  deutlich  sichtbar.  Weiter 
stiegen  wir  an  bis  zu  einem  kleinen  Laubwald,  in  dem  sich  bei  einem  frischen 
(Jia'lliiriinnuM  junges  Taniieniiol/  mit  Fichten  mengen.  Es  waren  die  letzten  Koni- 
feren, weiche  ich  auf  dieser  Reise  zu  Gesicht  bekam.  Sie  setzen  nach  SW.  ins 
Golijagebiet  fort,  von  dem  gegen  N.  die  Laubvegetation  ausschliesslich  das 
Terrain  behauptet.  Aus  einer  Biegung  aufleuchtend,  trat  plötzlich  der  weisse 
Gebäudekompiex  der  1434  m  hoch  liegenden  serbischen  Quarantäne  „Vasiljina 
öesma"  in  Sicht.  Vorüber  an  einem  isolierten  Ahornbaum  sprengten  wir  ihrem 
grossen  Han  zu. 

Es  war  empfindlich  kalt  geworden,  und  alle  suchten  das  Feuer  im  riesigen 
Küchenraum  auf,  wo  für  uns  bereits  ein  feister  Hammel  am  Holzspiess  gedreht 
wurde.  Noch  bevor  er  gar  war,  erschienen  die  beiden  hier  stationierten  Beamten 
mit  iiircM  türkischen  Kollegen,  unter  ihnen  der  stark  politisierende  intelligente 
„Passaport  memur"  Ahmed  Effendi  Bakibegovic,  ein  —  wie  sein  Name  zeigt  — 
moslimisierter  Bosniake,  gebürtig  zu  Stolac,  der  über  die  Occupation  der  „goldenen 
Bosna"  durch  die  „Njemci",  welchen  er  alle  denkbaren  schlimmen  Pläne  zuschob, 
im  reinsten  weichen  herzegowinisch-serbischen  Dialekt  weidlich  schimpfte.  Es 
war  ein  Typus  der  im  Juli  1900  in  Budapest  erschienenen,  gegen  das  Regiment 
des  Ministers  von  Kaliay  klagenden  Abkömmlinge  jener  mohammedanisch- 
herzegowinischen  Begs,  welche  schon  in  der  Vergangenheit  von  ihren  eigenen 
nationalen  Banen  nichts  wissen  wollten,  die  sich  selbst  jeder  von  Konstantinopel 
zugunsten  ihrer  christlichen  Grundholden  geplanten  Reform  gewaltsam  widersetzten 
und  erst  dann  sich  leidlich  fügten,  als  der  berühmte  energische  kroatische  Proselit 
Omer  Pascha  ihnen  1850  die  Lust  am  Revoltieren  durch  drastische  Mittel  nahm! 
Trotz  seines  Zeterns  liess  sich  der  „Passapordzi"  einige  ihm  angebotene  Gläser 
serbischen  Rotweins,  von  dem  der  DjumrukCija  (Mautner)  kaum  nippte,  trefflich 
munden.  Zum  Absciiicd  luden  uns  die  ihre  Laternen  für  den  dunklen  Heimweg 
anzündenden  Herren  dringend  ein.  ihren  Besuch  baldigst  zu  erwidern,  was  ich 
—  dem  er  ja  eigentlich  gegolten  hatte  —  versprach.  Wir  hörten  die  eisernen 
Hantore  von  innen  verriegeln.  Der  Wind  heulte  durch  die  Schornsteine,  das 
Feuer  knisterte  aber  lustig  im  Ofen  der  kleinen  Stube,  welche  der  Ingenieur  und 
Kapetan  mit  mir  teilten,  und  ich  glaube,  dass  sie  trotz  der  primitiven  Betten,  weil 
stark  ermüdet,  auch  gut  schliefen. 


')  Viik,  Rjecnik.  376, 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


577 


Am  nächsten  Frühmorgen  unternahm  ich  einen  Ausflug  in  das  1876  viel- 
genannte Javorgebiet.  Zunächst  ging  es  auf  steil  ansteigendem  Wiesenboden, 
dann  aber  auf  unserem  Schuhwerk  arg  zusetzendem  klippigen  Gestein  weglos  zur 
1509  m  hohen  Kuppe  des  Vasiljin  vrh.  Ein  weitgedehntes  Panorama  bis  zur 
80  km  fernen  langgezogenen,  2528  m  hohen  Durmitorkuppe  und  dem  wenig 
niedrigeren,  aus  leichtem  Morgennebel  auftauchenden  Komgipfel  in  Montenegro 
lohnte  die  Mühe.  Ein  eigentümliches  Gefühl  ergriff  mich,  als  ich  von  derselben 
Observationswarte  das  interessante  Fernbild  croquierte,  von  welcher  General  Zach 
im  Juli  1876  hoffnungsreich  dem  Vormarsch  seiner  17  Bataillone  gegen  Sjenica 
folgte.  „Banda  svira",  die  Musikbande  spielte,  die  Fahnen  voran,  so  ging  es  — 
wie  unsere  Karaulapanduren  erzählten   —   lustig  vorwärts.     Die  Batterien  auf  den 


Cj«.-|)l.T.tl    /;iCtl. 


vorgeschobensten  Schanzen  unterstützten  den  Angriff,  doch  schon  auf  der  hart 
zu  unseren  Füssen  liegenden  Hohe  „Kulipolje"  fielen  die  ersten  jungen  Leben. 
[)ii'  in  ikn  Schützengräben  liegenden  Nizams  zielten  gut. 

Sowohl  Türken  wie  Serben  leisteten  hier  Erstaunliches,  um  ihr  Gebiet  durch 
Befestigungen  zu  schützen.  Alle  Hohen  waren  mit  Schanzen  gekrönt  und  durch 
lange  Schützengräben  verbiimKn  l);is  iKihezu  ganz  abgeholzte,  stark  undulierte 
Terrain  bietet  dem  Vorilringeiiden  von  Welle  zu  Welle  keine  Deckung.  Und 
noch  stärker  wie  der  Übergang  in  das  serbische  Moravicatal  wurde  von  dci\ 
Türken  das  südliche  Sjenica  verschanzt,  dessen  18  km  ferne  Minarette  ich  durch 
das  Fernglas  deutlich  erkannte.  Nicht  weniger  als  7  Erdwerke  wurden  im  6  km 
weiteren  Umkreis  und  4  hart  beim  Städtchen  angelegt,  dessen  Einnahme  Karadjonlje 
im  J  1H09  zum  Herrn  des  oberen  Uvacgebietes  geuiachl.  Gleich  stark  wurde 
auch  das  westliche  Nova  Varo5  befestigt,  und  die  von  der  Tisavicainündung 
bis  zum  918  m  hohen  Cigia  nach  NW.  ziehende,  leicht  überschreitbare  Grenze 
überdies    durch    ein    Dutzeml    wohlbeselzler    Karaule    sorgfältig    bewacht.      Diese 

K.   KANITZ,  Strlilcn,    l.  37 


r)7H  Von  Poieg.!  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 

BlockhiluscT  stehen  meist  auf  Punkten,  welche  schon  in  altserbischer  Zeit  befestigt 
wareti.  Ik-i  Kuciita  sieht  man  noch  diu  Mauern  eines  Schlosses,  und  auch  das 
Kirchlein  des  nahen  SljiSte  soll  aus  dem  Mittelalter  stammen. 

Nach  allem,  was  ich  über  die  vom  Javor  aus  im  Juli  1876  eingeleitete 
AktiDii  gegen  das  türkische  Altserbien  hörte,  zeigte  sich  auch  auf  diesem  Kriegs- 
schauplatz dasselbe,  schon  an  der  Drina  besprochene,  qualitativ  und  numerisch 
grosse  Missverhältnis  der  serbischen  Kräfte  zur  gestellten  Aufgabe,  weil  die 
erhoffte  Unterstützung  der  zu  insurgicrendcn  Rajah  nahezu  ganz  ausblieb.  Die 
kaum  ein  Jahr  zuvor  zersK'trten  Kiiister  und  Dörfer,  die  vielen  trauernden  Mütter 
und  Wilvvcn  erinnerten  sie  nur  allzusehr  an  die  ernste  Lektion,  welche  ihnen  von 
den  tapferen  Nizams  und  Baschi-Bosuks  desselben  Mehemed  Ali  Pascha  erteilt 
wiirtleii  war,  der  auch  diesmal  des  Sultans  Truppen  gegen  die  Serben  befehligte. 


Oberst  Hija  Öolak  Antie. 


in  mit/liiSL'n  I'utschen  vergeudete  1875  die  revoltierende  Rajah  des  Limtals  und 
an  der  Tara,  geführt  von  Spaso  Jovicic  bei  Bebovo,  vom  Popen  Jefto  Popovic 
bei  Babinje,  vom  Banjaer  iguman  Prokopije  Bujic,  vom  Pivaner  Popen  2arko 
Leäevic  und  Archimandriten  Nicifor  Ducic  bei  Priboj  und  Nova  Varos,  ihre  Kräfte. 
Auch  der  im  Februar  1876  durch  den  vielgenannten  Agitator  Peko  Pavlovic 
inscenierte,  von  Montenegro  aber  ohne  die  versprochene  Unterstützung  gelassene 
Aufstand  hatte  nur  zur  Folge,  dass,  nachdem  Peko  bei  Ogradjena  die  Tara 
überschritten,  die  schwergeprüfte  Bevölkerung  Altserbiens  bald  noch  härter  durch 
die  Rache  nehmenden  muslimischen  Stammesbrüder  und  Amanten  des  Plevljer 
Mudirs  Mehemed  Vehli  §em§ikadic  und  der  Begs  Mehnied  Selmanovic  und 
Mahmud  Bajrovic  gezüchtigt  wurde. 

Nun  verfügte  wohl  der  auf  dem  Javor  kommandierende  Zach  nominell  über 
12  Bataillone  Uzice,  8  Bataillone  Cacak,  5  Bataillone  Rudnik  der  West-Morava, 
5  Bataillone  Stalac  der  Drina-  und  2  Bataillone  Kruäevac  der  Süd-Morava-Division, 
auch  über  6  Eskadrons,  3  schwere  Vierpfünder.  5  Gebirgsbatterien  zu  4  Stücken 
und  4  zwölfpfündige  Positionsgeschütze,  ferner  über  die  Freischar  des  Archiman- 
driten   Ducic    aus   Altserbien.     Doch    war    eine    Zersplitterung    dieser    Kräfte    zum 


Von  Poiega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


579 


Schutz  der  lanf^gezogenen  Gebirgsgrenze  von  Ljubovija  an  der  Drina  bis  Raska 
am  Ihar  imvcrnieidlicli,  iiiui  mir  ein  kleiner  Teil  der  genannten  Truppenkörper 
blieb  für  die  vom  Generalissimus  Cernajeff  vorgeschriebene  Offensive  verwendbar. 
Der  Vormarsch  auf  dem  geschilderten  Terrain  gestaltete  sich  namentlich  für 
die  Artillerie  äusserst  schwierig.  Am  6.  Juli  stiess  das  von  Zach  persönlich 
befehligte  Zentrum  vor  Sjenica  auf  die  in  festen  Positionen  verteilte,  durch 
moslimische,  serbisch-arnautische  Baschi-Bosuks  unterstützte  Brigade  des  in  Rascien 
kommaiuiierenden  Mehemed  Ali  Pascha.  Die  etwa  5000  A\ann  zählenden  Serben 
griffen  mit  grossem  Ungestüm  die  türkische  Stellung  an,  erlitten  aber,  weil  ohne 
Deckung,  auf  dem  kahlen  Terrain  schwere  Verluste.  Zach  wurde  das  Pferd  unter 
dem  Leib  getötet,  er  selbst  leicht,  sein  Generalstabschef  Oberstleutnant  Kolinic 
schwer  verwundet,   unil  von   den    mit  leuchtendem   Mute  den  Stürmenden  voran- 


l'i'kii  F'avlovi(!. 


eilenden  Offizieren  deckten  viele  die  VVahlstalt.  Der  F^ückziig  auf  die  Vasiljina 
cesma  wurde  am  Abentl  in  ziemlicher  Ordnung  vollzogen,  doch  gelang  es  den 
iiachdrän^nukn    Tlirken,  die  serbische  Hauptpositiun  am  Javor  zu  nehmen. 

Nicht  mehr  Glück  begleitete  Zachs  rechten  i'lügel.  Unter  dem  herzegowinischen 
Insurgentencliel  Nicifor  Ducic  gegen  Nova  Varos  vorbrechend,  vertrieb  er  die 
Besatzungen  der  türkischen  Karaule  Debelji  Stitkovo  u.  a.,  konnte  jedoch  nur 
wenig  Terrain  am  Uvac  gewinnen.  Verheissungsvoller  begann  die  gegen  Novibazar 
gerichtete  Aktion  des  linken  l'lügels  unter  dem  Obersten  Colak  Antic  (II.  Bd., 
II.  Kap).  Die  über  den  Misserfnlg  der  „Javor-.Arinee"  aufgeregte  öffentliche 
Meinung  \erlaMgle,  dass  Anlie  das  Kommando  des  laut  verurteilten  „allen  Zach" 
übernehme,  was,  als  ilieser  um  die  Ausbildung  iles  serbischen  Offizierskorps 
hochverdiente  (u'iieral  ernstlich  erkrankte,  linde  Juli  geschah. 

Aber  aut  li  mm  ging  es  am  Javor  nicht  besser,  denn  der  wenig  sanguinische 
Colak  Antic  fand  bald,  dass  mit  den  12  Bataillonen  II.  Klasse,  der  Reserve  und 
des  mit  zur  liallie  unbrauchbaren  Gewehren  bewaffneten  Landsturms,  befehligt 
von  einer  ganz  ungenügenden  Zahl  von  Offizieren,  die  Ergreifung  einer  krilfligen 
Offensive    nicht    denkbar    war.     Gleich    mangelhaft    erwies    sich    die    niilitürische 


',m 


Von  l'oiKiia  über  Ivanjica  zum  Vasiliin  vrh  nach  Lapovo. 


AushildiiiiK  der  drei  lüskadronun  Rcservckavallerie.  Gut  exerziert  war  nur  die 
Mannscluift  der  durch  Ochsen  auf  die  Hohen  gebrachten  wenigen  Batterien 
Kruppt^eschüi/e  und  12  Uronze-Mauhitzkanonen  I.  Klasse.  Glückhcherweise  kunnte 
Mehenied  Ali  Pascha  den  errungenen  Vorteil  nicht  ausnutzen,  da  er,  durch  die 
Abtrabe  eines  grossen  Teiles  seiner  Truppen  nach  dem  von  Montenegro 
anne^riffenen  Bosnien  geschwächt,  selbst  nur  über  eine  schwache  Brigade  verfügte, 
welche  die  eroberte  verstiirkte  Javorposition  besetzt  hielt,  während  Abdullah  und 
Esad  Pascha  mit  den  aus  Djakovo,  Sjenica  und  dem  albanesischen  Drinagebiet 
herbeij^estriiniten  Irregulären  jeden  Aufstandsversuch  der  Rajah  im  Rücken  des 
schwachen  Gros  verhinderten.  Die  gezwungene  Untätigkeit  des  türkischen  Gegners 
benutzte    Antic    zur     besseren    Schulung    seiner    drei     Brigaden,    von     welchen 


Arctii 


•iiiJul  N.vilur  Duöii;. 


abvvechselungsweise  zwei  durch  14  Tat^e  den  16  km  vom  Hauptquartier  Ivanjica 
entfernten  Schanzengürtel  uiui  eine  für  8  Tage  das  Lager  bei  diesem  Bezirks- 
städtchen bezog,  in  dem  ihre  mit  oft  verrosteten  Grün-  und  Feuersteingewehren 
ausgerüstete,  huntgcUleidete  Mannschaft  des  II.  und  III.  Aufgebots  nun  erst  die 
bescheidenste  militärische  Ausbildung  erhielt. 

Diese  stillschweigend  nahezu  zwei  Monate  dauernde  „Friedensidylle  im 
Kriege"  unterbrach  nur  einmal  die  gelungene  Überrumpelung  der  äussersten 
serbischen  Werke.  Ihre  Hut  hatte  die  erst  in  später  Abendzeit  eingetroffene, 
durch  den  schwierigen  Marsch  stark  ermüdete  Lagerbrigade  von  der  nach  Ivanjica 
abgerückten  Uzicer  Brigade  übernommen.  Der  Geschützdonner  schreckte  alles  im 
Lager  auf.  Oberst  Antic  gab  in  der  Nacht  noch  Befehle  für  die  am  Frühmorgen 
geplante  Gegenaktion.  Bei  Vollmondschein  trat  die  wenige  Stunden  zuvor  ein- 
gerückte Brigade  llic  wieder  den  Marsch  an.  Voran  das  Zlatiborski- Bataillon, 
das  Racaer,  Pozegaer  und  Ariljer  mit  2  Batterien  folgten.  Vorüber  an  Verwundeten 
und  flüchtenden  Landleuten  ging  es  4  Stunden  lang  über  die  Grabovicaer  Höhen 
durch  Wald   auf  das   Hochplateau   in   der   linken  Flanke   der  türkischen  Stellung. 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljiii  vrh  nach  Lapovo. 


581 


Vasiljin  vrh.     Ocncial  Zachs  Observatorium   1875. 

In  f^leichur  Linie  mit  der  4  km  hinter  ihren 
verlorenen  Redouten  in  rnsch  aiiffjeworfencn 
Schanzen  raillierten  Abteilung  angelangt,  erfolgte 
nacii  kurzer  Ruhe  um  4  Uhr  morgens  der 
gemeinsame  Angriff  aller  drei  Brigaden  Unter 
iautini  Hurra  wurden  die  überraschten  Türken 
aus  der  westlichsten  Schanze  vertrieben;  doch 
bei  der  zweiten  Schanze  streckte  das  feindliche 
Feuer  ganze  Reihen  der  stürmenden  F^aca- 
und  AriljebatailliiiiL'  nieder.  Von  türkischen  Kugeln  getrotlen,  lielen  hier  die 
Offiziere  Milo  Rajkdvic,  Stet>novic,  Adjutant  des  Führers  Mihailo  lllc,  und 
auch  dieser,  seinen  Truppen  mit  emporgehaltenem  Säbel  vorangehende 
„Tapferste  der  Tapferen".  LInter  Hauptmann  Rajkovics  Leitung  stürmten  die 
Serben  vorwärts.  Die  beiden  Brigadebaiterien,  befehligt  von  dem  wackeren 
Hauptmann  Marko  Cincarevic,  ebneten  trotz  des  mCirderischcn  Snider- Schnell- 
feuers kaltblütig  den  durch  die  errungenen  Rrfolge  begeisterten  Streitern  den 
Weg.  Die  Türken  rämnten,  hundert  Tote  und  Schwerverwundele  zurücklassend, 
das  hartnäckig  vurteiiligte  Bnllwerk,  unii  ihre  wiederh"lten  Versuche,  es  zu  nehmen, 
brachten  ihnen  nur  neue,  erhebliche  Verluste  l);e  Batterien  iler  beiden  anderen 
Brigaden  griffen  wirksam  in  den  Kampf  ein.  (jcmeinsam  mit  letzteren  ging  es 
nun  an  die  Froberung  der  dritten,  stärksten  Redoute.  Ihre  (lescliütze  überschütteten 
die  /Xngreifer  mit  einem  wahren  (leschütz-  inid  Sclirapnellhagel;  doch  warteten 
die  Tiiikcn  den  Sturm  nullt  ab  und  flüchteten,  dem  Sieger  5  Kanonen,  viel 
Muuiliiin,  T.ih.ik,  Zelte  usw.  überlassend.  Mit  anerkennenswerter  Zähigkeit 
lalllierten  sie  sich  aber  balil  wieder  auf  ilem  rechlseitigen  Imlien  Noznicaufer 
unil  criiffneten  d<ut  ein  heftiges  Teuer  aus  ihren  Winilworlh-Ciebirgsgeschülzen 
auf  die  sie  verfolgeruk'u  B.u.ullnne  des  serbischen  rechten  Flügels.  Als  jedoch 
das   Zentrum    gleichfalls    stetig    Boden    ge^vann    imd    der    luike    IMügel   sie   in   die 


5«2 


Von  ('o2f|{a  über  Ivanjica  /um  Vasiljin  vrh  nach  Lapuvo. 


Flanke*  /u  fassen  drulitc,  wichen  sie  bis  unter  ihre  starken  Javur-Rcdouten  zurück. 
Die  Serben  gewannen  bis  /um  Mittag  ihre  allen  Stellungen  bis  auf  ein  kleines, 
auf  isolicrleni  Kej{el  lienendes  Werk  wieder,  das  nach  fruchtlosem,  90  Tote  und 
Verwundete  kostendem  Anjjriff  am  Abend  in  derselben  Nacht  türkischerseits 
freiwillin  verlassen  wurde.  Die  serbische  Vorpostenkette  rückte  nach  diesem 
(jufccht  bei  KoSici  an  die  forellenreiche  Tisovica  vor,  wo  es  bis  zum  (Jktober 
zu  häufigen  Scharmützeln  kam,  an  welchen  manchmal  auch  tscherkcssische  Baschi- 
Bosuk-Reiter  sich  beteiligten. 

Als   die   siegreichen  Türken  an  der  Morava  zur  Offensive  >Llititifn,   musstc 
Colak  Antic  einen  Teil  seines  Korps  zur  Deckung  von  Kruäevac  nach  der  Jankova 


Mclictned  Ali  Pascha,  türkischer  Kornniandant  am  Javor  1876. 


Kiisura  abgcbL'ii.  Das  Koiiimaiuii)  am  Javor  übernalini  in  den  ersten  Oktobertagen 
der  alte  russische  General  Novoseloff.  Dieser  verlegte  seine  Hauptstellung  süd- 
licher, nach  Vasiljevici,  an  die  Nosnicaquellen.  Gleichzeitig  kamen  etwa 
600  russische  Dobrovolci  und  auch  Offiziere,  von  welchen  Oberst  Sicenko  den 
Oberst  1..  Jcfrcin  Markovic  als  Generalstabschef  ersetzte,  andere  aber  Bataillons- 
und Aitillciiekoniiiiaiidos  erhielten.  Kapitän  Lihaceff,  Leutnant  Volasinoff  u.  a. 
erwiesen  sich  sehr  tüchtig,  dagegen  benahmen  sich  manche  derartig,  dass  sie 
von  den  serbischen  Offizieren  und  Soldaten  wegen  Trunksucht,  Spielwut  und 
Dünkels  verachtet  oder  gehasst  wurden. 

Von  dem  frischen  Geist,  welcher  die  „Javor-Armee"  nun  beleben  sollte, 
war  wenig  zu  verspüren.  Gleich  der  erste  nächtliche  Angriff  am  12.  Oktober 
gegen  die  formidable  türkische  Javorstellung  missglückte.  Der  von  dem  tüchtigen 
serbischen  Ingenieiirmajor  Magdalenic  befehligte  rechte  Flügel  geriet  durch  seine 
schleclit   orientierten   russischen  Füiirer  weitab  von   dem  vorgezeichneten  Weg  in 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


583 


dichten  Wald;  nicht  besser  erging  es 
dem  linken  Flügel  und  Zentrum.  Erst 
nach  Tagen  fanden  sich  die  verirrten 
Leute  wieder  zusammen.  Russen  und 
Serben  klagten  sich  gegenseitig  an,  den 
schlimmen  Ausgang  verschuldetzu  haben. 
Unter  so  traurigen  Verhältnissen  endete 
auch  die  durch  den  Einfluss  des  Obersten 
Vlajkovic,  des  im  Tscherkessenkosfüm 
den  General  Novoseloff  begleitenden 
weiblichen  Adjutanten  Maria  Mihajiovna 
und  junger  russischer  Heisssporne  be- 
fohlene erneute  Aktion  gleich  erfolglos 
wie  die  erste.  Die  Truppen  verloren 
nun  vollends  alles  Vertrauen  in  die 
fremde  Führung,  denn  auch  jetzt  blieb 
Novoseloff  vor  wie  nach  für  seine 
serbischen  Krieger  und  Offiziere  un- 
sichtbar! Hingegen  erschienen  ein  Zuzug 
von  50  seine  Leibgarde  bildenden 
Kosaken  und  2500  Mann  Uzicer  Land- 
sturm, mit  alten  Vorderladern  und 
wenigen  Offizieren,  zur  Ausfüllung  des 
tlurcliTod  und  Verwundung  entstandenen 
Abganges. 

Die  von  Djuins  eingetroffenen 
Siegesdepeschen  veranlassten  endlich 
Mehemed  Ali  Pascha,  die  ihm  angeblich 
aufgezwungene  Defensive  zu  beenden. 
Am  24.  Oktober  vormittags  erschütterten 
türkische  Eiatlerien  das  früher  schon  auf 
den  Pogled  zurückgezogene  serbische 
/.enliuni  tierartig,  dass,  als  nachmittags 
mehrere  Nizam-F^ataillone  seinen  linken 
Flügel  aufrollten,  es  diese  zur  Über- 
winterung eingerichtete  starke  Stellung 
verliess.  Serbischerseits  erwartete  man 
vergebens  das  Spielen  der  feindlichen 
Rohre  auf  ikin  verlorenen  l'ogled.  Die 
des  Naclils  eingetroffene  Nachricht  des 
abgeschlossenen  Waffe nstillstaiules  halle 
das  fruchtlose  Ringen  am  Javor  beendet! 
Am  nächsten  Tag  schon  empfingen 
A\elienu'd     Ali     l'ascha     und     sein    Slab 


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'»H4  Vom  l'ii^.fua  über  Ivanjicn  /um  Vasjljin  vrh  nach  LapovD. 

die  zur  Ik'sliiniminn  tlcr  Ücniarkatidrislinif  abj^tscndclen  serbischen  Offiziere 
sehr  freiiiKilich.  Dem  »gleich  vielen  ungarisch-serbischen  und  anderen  fremd- 
ländischen Offizieren  in  serbische  Dienste  getretenen  deutschen  Hauptmann 
Mach  und  Mr.  Corbould  verdanken  wir  eine  unj^cschminktc  Schilderunj^  der 
Auflösung  der  „Ibar-Armee",  wie  sie,  ohne  Sang  und  Klang,  infolge  starken 
Schneefalles,  des  tagelang  ausgebliebenen  Proviantnachschubs,  durch  Desertion 
und  das  pl()tzlichc  Verschwinden  des  Hauptquartiers  sich  in  wenigen  Tagen  vollzog. 

Im  wohnlich  eingerichteten  Blockhaus  unter  dem  Vasiljin  vrh,  welchen  die 
Türken  nach  ihrem  ersten  glücklichen  Augusikampf  stark  befestigten,  blieb 
Mehemed  Ali  Pascha  bis  zum  April  IS77.  Nahezu  vom  selben  Punkt  zeichnete 
ich,  als  wir  von  General  Zachs  Hochwartc  herabgeklcttert  waren,  das  weite 
Panorama,  in  dessen  Mittelgrund  die  weissgetünchten  serbischen  Quarantänegebäude 
ganz  merkwürdig  von  dem  nahen  ärmlichen  Gerumpel  abstechen,  in  dem  die 
türkischen  Zollbeamten  hantieren.  Zuletzt  wurde  für  das  vorgeschobene  Nizam- 
Detachement  eine  etwas  solidere  Karaula  aufgeführt. 

Nachdem  ich  meine  Skizze  vollendet,  überschritten  wir  bei  einem  hohen 
Holzkreuz  der  nahen  „Vasiljina  cesma",  einem  Brunnen  mit  kostlichem  \Vasser,_ 
die  durch  einen  Graben  gekennzeichnete  Grenze.  Ein  Nizamsoldat  schulterte 
sein  Gewehr  und  geleitete  uns  zur  Karaula,  in  deren  Oberraum  wir  die  Effendis 
vom  vorigen  Abend  versammelt  fanden.  Die  junge  Mannschaft  bereitete  rasch 
Kaffee,  die  Unterhaltung  wurde  durch  ausgesucht  schönes  Obst  und  Aschai 
gewürzt.  Zum  Schluss  verewigten  die  Herren  ihre  Namen  und  Amtstitel  türkisch 
in  mein  'i'agcbuch,  notierten  die  unseren  auf  kleine  Blättchen  Papier,  wfirauf  wir 
mit  KompUnunlen  für  den  freundlichen  Empfang  schieden,  um  noch  die 
serbischen  Zollbeamten  zu  besuchen.  Als  wenn  wir  direkt  aus  Asien  nach  Europa 
versetzt  worden,  so  grell  stach  der  F^auni  im  serbischen  Amtshaus  von  dem  eben 
verlassenen  ab. 


Der  nächste  Morgen  traf  mich  auf  dem  Weg  nach  Cacak.  Der  Kapetan 
gab  mir  seinen  Sekretär  Velinia  Milivojevic  als  Begleiter  mit.  So  fuhr  ich,  mit 
den  gewonnenen  Resultaten  zufrieden,  über  die  Moravica-Brücke  den  Svesticko 
brdo  hinan,  zum  von  der  Marina  durchflossenen  Dorf  Sve.stica.  das,  auf  dem 
Debelo  brdo,  gleich  dem  südlichen  Bedina  varoi  zum  Bezirk  ivanjica  gehört. 
Über  das  letztgenannte  Dorf  führt  vom  Bezirksstädtchen  ein  Karrenweg  zur 
1931  m  hohen  Golija  planina;  es  ist  der  „stari  Kraljev  put"  (alter  Königssteig), 
auf  dem  ein  Teil  des  Lazarschen  Heeres  im  Juni  1389  entlang  der  Moravica. 
über  die  heutige  Passkaraula  Preko  brdo  (1619  m),  auf  das  Amselfeld  zog. 
\'i>M  der  Golija  planina  wird  im  Ljetopis  erwähnt,  dass  1688,  im  Jahre  der 
glänzenden  Siege  des  Grafen  Piccolomini  über  des  Sultans  Heer,  hier  viele  mit 
den   Kaiserlichen  sympathisierende  Serben  fielen. 

Mein  Begleiter  pries  die  Schönheit  des  südlichen  Zlatibor,  dessen  Berge 
hoch  hinauf  Weiden  und  Omorikawälder  bedecken.  Ingenieur  Cermak  rühmte 
mir    die   Naturreize    der    von   Plattenkalk,    Tun-    und   Kalkschiefern   konstituierten 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo.  585 

üoljiska-tngschlucht,  durch  welche  man  von  Ivanjica  südöstlich  von  D.  Gledjica 
hinauf  zu  wildromantischen  Seen  (1566  m)  gelangt.  Der  Spiegel  des  grösseren 
dürfte  100  m,  des  kleineren  etwa'  50  m  Ausdehnung  besitzen.  Bei  letzterem 
wurde  Cermak  mit  seinen  Begleitern  im  März  1890  von  einem  Rudel  Wölfe 
überrascht,  das  aber  angesichts  der  zahlreichen  Gegner  feig  vorbeijagte.  Der 
südliche,  1925  ni  hohe  Golijagipfel  „Jankov  kamen"  bietet  ein  prächtiges  Panorama 
auf  den  Montenegro  umrandenden  hohen  Gebirgsgürtel,  und  von  den  Seen  geht 
es  hinüber  in  das  frischgrüne  Studenicatal,  wohin  auch  ein  direkter,  südlich 
von   ivanjica  abzweigender  Hociiweg  führt. 

Der  südöstliche  Teil  des  „Stari  vlah"  ist  auch  reich  an  interessanten  Denk- 
malen. Zwei  Stunden  unterhalb  der  kristallinischen  Javorkuppe  steht  an  der 
No§nica  das  viel  besuchte,  an  den  Westhang  der  Kovilja  gelehnte  alte,  gleich- 
namige Kirchlein,  bei  dem  1887  ein  hübscher  Schulbau  vollendet  wurde.  Das 
südlichere  Ercege  erinnert  an  den  Herzog  Stjepan,  von  dessen  wahrscheinlich 
auf  römischen  Kastelimauern  erstandener  Burg  einzelne  Mauern  erhalten  blieben. 
Auch  Brusnik,  das  seinen  Bildungstrieb  durcii  ein  aus  Omorikastämmen  1890 
erbautes  Schulhaus  betätigte,  besitzt  ein  altes  Kirchlein,  doch  ohne  kunst- 
historisches Interesse.  Höheres  bietet,  nach  dem  von  Cermak  aufgezeichneten 
Grundriss,  ein  technisch  trefflich  durchgeführter  grösserer  Bau  beim  nördlichen 
Pridvorica,  den  ein  „iiriilvorni  sluga",  ein  Hofbeamter  des  Zaren  Symcon, 
gestiftet  haben  soll. 

Diese  in  Kreuzforni  mit  Kuppel,  fiinfseitiger  Altarapsis,  Marmorsockel,  Tuff- 
tpiatlern-Oberbau  iiiul  llstrich  aufgeführte,  „Christi  Verklärung"  geweihte  Kirche 
ist  gewiss  jene,  die  Vuk  (Rjecnik,  588)  als  „unbekannt,  wo  liegend"  erwähnt, 
und  von  der  es  im  Volkslied  heisst:  A  sluga  nui  crkvu  f^ridvoricu  etc.  (Und  der 
Diener  ihm  die  Kirche  Pridvorica  usw.).  Über  dem  Hauptportal,  den  Seiten- 
eingängen intd  dem  Apsidenfenster  erscheinen  vier  bärtige  Köpfe,  von  welchen 
zweifelhaft,  ob  sie  Heilige,  den  Baumeister  oder  den  Stifter  darstellen,  welcher 
in  den)  2,5  km  östlich,  auf  850  m  hoher  Felszunge  zwischen  der  Braduljicka 
und  Stiukiiicka  stellenden  Schloss  residierte.  Der  Namen  des  nahen  Ortes 
Despotorica  verrät,  dass  dieser  Lehensträger  den  Rang  eines  Despoten  besass; 
auch  dürfen  wir  annehmen,  dass  schon  die  Römer  den  vorbeiziehenden  Weg 
unter  ikin  l()()8  m  hohen  Crepuljnik  durch  ein  Kastell  geschützt  haben.  Das, 
wie  man  sieht,  in  verschiedenster  Ricliiung  interessante  „Stari  vlah-Ocbiet"  sei 
meiiUMi   Nachfolgern  warm   empfohlen. 

Auf  dem  sehr  steil  in  ileii  RaÄcui  hrdo  eingeschnittenen  „Liinnski  pul". 
Hill  hiihsclKM  hinken  ,uil  den  westlichen  Malec\  ging  es  vom  Robavafelsen, 
dessen  Namen  von  rob  (Sklave)  wohl  abzuleiten  ist,  über  die  LaCaker  Kreis- 
grenze abw.lils.  Westlich  vom  Weg  croi|uierte  ich  das  in  pilloresker  (juor- 
schlucht  am  Ausgang  eines  karstartigen.  2'  ,.  Stunden  langen  Höhlenganges, 
iiiitei  der  schiitzartigen  Spalte  einer  nackten  hohen  Felswand  stehende  „Hadii 
l'rodan  "-Kirchlein.  Der  schlichte,  kamn  ;<  m  breite  und  lange,  fensterlose  Holz- 
bau hält  lue  l-riiinerung  an  einen  1814  vielgenannlen  Kampfei  gegen  die  türkische 
Willkür  w.uli. 


586  Villi  Vnicua  über  Ivanjica  zum  Vaüiljin  vrh  nach  Lapovo. 

Dur  /u  Sjcnica,  n^irdlich  von  Novibazar,  geborene  Had?.i  Proüan  Gli((orijevit ') 
schloss  sich  schon  1804  mit  zwei  Brüdern  Karadjordje  an.  Mit  diesem  und 
MiloS  l<clnipfte  er  als  Wojwode  der  Landschaft  Stari  vlah,  türkisch  „Daic  kol", 
bis  1813.  Als  in  jenem  Jahr  die  l- Uhrer  nach  Osterreich  flüchteten,  blieb  er 
gleich  MiioS  im  Lande  und  diente  Latif  Aga  als  Vermittler  in  den  Händeln  mit 
der  Rajah.  Da  K<-*schah  es,  dass  der  heissblüti^e  l^uman  F'aisijc  von  Trnava, 
die  Zeil  zu  erneutem  Losschlagen  gekommen  j^laubend,  den  auf  einer  Reise  ins 
Gebirge  begriffenen  Latif  A^a  mit  seinen  Leuten  überfiel.  Hadzi  Prodan  schloss  sich 
dir  IUI  September  IK14  ausgebrochenen  Bewegung  an;  Miloä  missbilligte  jedoch 
dieselbe  als  verfrüht  und  zog  sogar  auf  ASin  Begs  Befehl  zu  ihrer  Niederwerfung 
in  die  Neboä  pianina,  wo  Hadzi  Prodan  und  Paisijc  gefangen  genommen,  dieser 
in  schweren  Ketten  nach  Belgrad  gesendet,  von  Skopljak  Suleiman  Pascha  mit 
36  Serben  vor  der  Stambol  Kapija  zu  Belgrad  gepfählt  wurde.  Hadzi  Prodan 
flüchtete  in  den  Rudniker  Bezirk  und  verbreitete  den  Aufstand  von  der  Gruza  und 
Lepenica  bis  nach  Jagodina;  doch  der  von  Caja  Pascha  entsandte  Miloä  stellte 
mit  A§in  Beg  auch  dort  die  Ruhe  bald  wieder  her.  Der  allseits  verlassene 
Hadzi  Prodan  zog  zuletzt  nach  Bessarabien,  wohin  ihm  bereits  viele  seiner 
unglücklichen  Landsleute  vorausgegangen  waren.  Zu  Kotin  soll  er  einige  Zeit 
verweilt  haben  und  gestorben  sein. 

Hadzi  Prodans  Andenken  lebt  namentlich  im  Gebiet  Dragacevo  fort,  dessen 
tapfere  Männer  sein  Streben,  Serbien  frei  zu  machen,  am  ktäftigsten  unterstützt 
hatten.  Am  8.  November  a.  St.  pilgert  man  von  allen  Seiten  nach  dem  beschei- 
denen, dL'in  „sechsgeflügelten  Erzengel  Mihail"  geweihten  Holzkirchlein  am 
Liiigang  der  Hühle  „Siepaja",  in  der  die  .Anwohner,  wie  oft  auch  ihr  Führer, 
in  .geiaiirvolier  Zeit  Schutz  sucliten. 

Bei  der  Mehana  Lisa  teilt  sich  der  Weg;  man  rechnet  7  Stunden  nach 
Cacak,  6  Stunden  nach  Kraljevo.  Naiie  dem  gleichnamigen  Dorf,  mit  prächtiger 
Fernsicht  nach  dem  Ovcar  und  der  Jelica,  sah  ich  eine  Schanze  aus  den  ersten 
Freiheitskriegen.  Durch  schcuien  Buchen-  und  Eichenwald,  dann  zwischen 
i^flauniengärtcn  geht  es  über  Kalk-  und  Schieferterrain  in  geradezu  unverantwortlich 
steil  gebüschten  Serpentinen,  mit  Kurven  von  denkbar  kleinstem  Durchmesser, 
abwärts  nach  Vuckovica.  Wunderbar  prächtige  Eichen  waren  unsere  Begleiter. 
Wir  zogen  es  vor,  das  halsbrecherische  Strassenstück,  über  das  unser  Wagen  nur 
durch  ein  Wunder  heil  hinabkam,  auf  weniger  gefährlichem  Fusspfad  zu  umgehen. 

Mit  dem  Übertritt  in  das  Jelicagebiet  wird  die  Landschaft  freundlicher. 
Von  der  850  m  hohen  Lisa  sind  wir  in  das  fruchtbare  Kotrazatal  über  400  m 
abgestiegen  und  finden  dort  eine  ganz  veränderte  Vegetation.  Von  den  Wänden, 
welche  den  Bach  nnisäumen,  dehnen  sich  Weizen-  und  Maisfelder,  Obstkulturen, 
namentlich  Pfiauniengärten  mit  grossen  Dörrhäusern,  bis  hinauf  zu  sanften  Höhen, 
deren  Gehöfte  wieder  mit  Ziegeln  und  Stroh  gedeckt  erscheinen.  Auch  die  im 
Stari  vlah  durch  Viehzucht  und  mageren  Ackerboden  wenig  begünstigte  Haus- 
komniunion  hält  sich  hier  besser;  Gehöfte  mit  20—30  Seelen  sollen  nicht  selten 

')  Dolo,  III,  34ti  ff.     Belgrad   1896. 


\'(in  F'iizega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


587 


sein.  Die  aus  Kotraza,  Bell  kamen,  Vuci<ovica  und  Psanik  bestehende 
grosse  Gemeinde  zählt,  wie  mir  ihr  Kmet  versicherte,  700  Steuerköpfe  (Familien- 
väter); nach  1896  erfolgter  Aufnah'me  aber  2069  Seelen  in  365  Häusern,  was 
durchschnittlich  nur  drei  KOpfe  für  die  Familie  und  kaum  6  für  jedes  Haus 
ergäbe  (?).  1867  erbaute  die  Gemeinde  eine  vom  Nachwuchs  ziemlich  gut 
besuchte  Schule,  und  1872  wurde  die  16000  d  kostende  hl.  Georgskirche  mit 
Rundtürmchen  über  dem  Narthe.x  geweiht,  um  welche  das  früher  auf  das  1 '  ,  Stunden 
ferne  alte  Trbovcaer  Kirchlein  jenseits  der  Moravica  angewiesene  wohlhabende 
Kotraza   von  vielen   Nachbarorten   beneidet   wird.     Viel  verspricht   man   sich  von 


Kl)  IRAZA,   l'rilhistorisclicr  Bronztrcil. 


einer  nahen,  Irtiher  ungekannten  Mineralquelle.  Anlässlich  der  Fntscheiduiigs- 
kämpfe  am  Ljiiliic  zeigten  die  Kotrazaer  viel  Mut.  Sie  schlugen  den  aus  Cacak 
mit  lOÜÜ  Amanten  eingebrochenen  Kara  Mustafa  und  sandten  dessen  Kopf  Miloä 
zu.  Aul  dem  nahen  „Madjarsko  groblje"  fand  man  einen  prächtigen  Halsring 
von  Bronze  mit  angehängten  spiraÜ'ürmigen  Scheiben,  iler  seit  1872  im  Fk'lgrader 
Museum   und   im   „Slarinar"   (VII,  Taf.  VI,  9)  abgebildet  erscheint. 

Auf  sehr  guter  llolzbrückc  die  Kotraza  kreuzend,  betraten  wir  ihre  von 
den  „Bjele  stene"-Sleilwänden  gebildete  hochromantische  Klisura,  in  welcher 
unter  den  656  m  hohen  Kastellmauern  bei  Rti  die  im  Kalk  erosiertc  „Hadzi 
F-*rodan -Schlucht"  mündet,  liin  durch  diesen  Kryptoporticus  vorgedrungener. 
Schätze  suchender  Gucaer  erzählte  mir;  Der  2'  ..  Stunden  lange  Hdhiengang  sei 
reich  an  Stalaklilen,  und  kaum  einige  tlutulert  Schritte  weit  sperrte  ihm  eine  6  m 
breit  über  I'elsen  abstürzende  Kaskade  den  Weg.  Für  Höhlenforscher  biite  sich 
hier  im  l'ozarevacer  mul  X'.iljevoer  Kreis,  aber  auch  in  Serbiens  Süden,  am 
Rianj  mul    l'rgoviÄki    Tiniok,  bei  Wavna  u.  a.  l).  (11.  Bd.,  V.  Kap.  ff.)  lohnende  Arbeil. 

Aul  der  folgenden  kleinen  Hochebene  entwickelte  sich  zwischen  den  aus 
Cacak  llüclitenden  Türken  und  dem  sie  verfolgenden  Miloi  ein  kurzer  Kantpf,  in 
tiem  ersten'  vollständig  zeispieni;!  wniden     U'lr  querten  die  Belica  und  gelangten 


•'»HH  Von  l'oit'Ka  über  Ivanjicn  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapuvo. 

auf  i'inetn  von  der  Caöakcr  Strasse  abzweigenden  Seitenweg  nach  (ju(a,  das, 
mit  Turica  in  359  Häusern  über  2100  Seelen  zählend,  der  Hauptort  des  hyper- 
radikalen Bezirks  „Dragatevo"  ist.  Das  1875  im  Quadrat  erbaute  grosse  Srezko 
nacelstvo  (Bezirksami),  diu  neue  Kirche,  li  Melianeii  und  7  ducani  (Lüden)  bilden 
heule  den  stattliclKii  Kern  eines  künftigen  Städtchens.  Die  Bewohner  der  auf 
den  Hohen  zerstreut  liegenden  Oehiifte  hielten,  da  der  Mais  eingeheimst,  die 
Kürbisernle.  I{s  ist  ein  prächtiger  Menschenschlag,  meist  dunkelfarbig  von  Teint, 
Augen  und  Haaren. 

Der  das  Land  tiet  aufwühlende  F'arteihader  hatte  auch  in  unserer  Gud'aer 
Meliana  „Zum  serbischen  Kiinig"  sein  Lager  aufgeschlagen.  Wenige  Tage  zuvor 
war  in  Ivanjica  die  Kmetenwahl  zugunsten  der  Radikalen  ausgefallen,  und  da 
ahiilulKs  aiR'li  in  (luca  zu  erwarten  war  —  ein  offenherziger  Bauer  sagte  mir: 
„Mi  smo  sve  Radikalci"  —  beriet  der  Kapelan  Panta  Stevanovic  mit  einigen 
Naprednjaci,  wie  die  bevorstehende  Wahl  in  ihrem  Sinne  gewendet  werden  könne. 
Die  erregte  Verhandlung  verdarb  mir  den  Aufenthall  in  der  mit  primitiven,  aber 
erheiternden  Fresken  geschmückten  Veranda.  Eine  Folge  dieser  zersetzenden 
Kämpfe  war  der  oft  zum  gemeinen  Mord  führende,  das  Land  unsicher  machende 
Brigantaggio!  Bei  Guca  erschossen  die  Brüder  Soldatovic  den  dortigen,  bei  den 
Radikalen  verhassten  Kapelan  Mihail  Matic,  obschon  ihn  zwei  Panduren  begleiteten. 
Später  wurde  Jovan  S.  zu  Uzice  hingerichtet,  Slanko  S.  im  Belgrader  Kreise 
erschossen,  der  von  der  Witwe  des  Ermordeten  gesetzte  üedenkstein  aber,  so 
oft  man  ihn  auch  aufstellte,  vom  Volke  über  den  waldigen  Hang  hinabgeworfen. 
Die  politische  Gärung  hatte  damals,  kurz  vor  der  Abdankung  des  Königs  Milan, 
ihren  Höhepunkt  erreicht,  vergiftete  leider  auch  nach  derselben  wegen  der  von 
seinem  Sohne  im  Juli  1900  offen  beklagten  traurigen  Verhältnisse  im  königlichen 
Hause  das  soziale  Leben.  Namentlich  im  Rudniker  Kreise  wucherte  das  politische 
Heiduckentuni  fort.  Der  durch  seine  Bekämpfung  im  Cacaker  Prozess  viel 
genannte  Gerichtspräsident  Miodrag  Protic  büsste  seinen  Eifer  auf  Anstiften  des 
ihn  hassenden  reichen  Popen  Minie  von  Majdeva  am  23.  November  1900  zu 
Krusevac  durch  einen  Revolverschuss  mit  dem  Tode!  Die  spurlos  verschwundenen, 
für  3000  d  gedungenen  Mörder  wurden  Ende  Dezember  verhaftet! 

Am  nächsten  Alorgen  besichtigte  ich  zuerst  einen  am  Hauptplatz  tief  stehenden, 
trefflich  gemauerten  Brunnen,  der  jedoch  nichts  Altertümliches  zeigte,  dann  das 
nördlich  von  Guca  liegende  „Madjarsko  polje",  eine  Ebene,  in  der  nach  sehr 
bestimmter  Ortstradition  Ungarn  und  Türken  heftig  miteinander  kämpften.  Am 
wahrscheinlichsten  geschah  dies  im  J.  1448,  als  Hunyadys  auf  Kosovo  geschlagenes 
Heer,  teilweise  den  „Starikraljcv  put"  benutzend,  auf  dem  Rückzug  durch  Serbien 
von  seinen  moslimischen  Verfolgern  angegriffen  wurde.  Letztere  sollen  auf  dem 
westlichen  Glavicor  und  die  Ungarn  rechts  auf  dem  Hügel  Protnica  gestanden 
haben.  Es  nuiss  ein  blutiges  Ringen  gewesen  sein,  denn  noch  immer  findet  man 
hier  Waffen  und  grosse  Haufen  Gebeine,  von  deren  nächtlichem  Rasseln  dieser 
Punkt  „Grohot"   und   „Grotnica"   heisst. 

Zu  Pferd  ging  es  auf  einem  von  den  Bauern  zum  Holzausbringen  benutzten 
Karrenpfad   am   Dupljai   potok   aufwärts.     Westlich  wurde   in   der  Kalkwand  hoch 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


589 


zwischen  Bäumen  eine  grosse  Höhle  sichtbar,  bei  der  serbische  Heiducken  mit 
ihren  türkischen  Gegnern  tapfer  stritten.  Nordwestlich  ansteigend,  gelangten  wir 
durch  den  am  24.  September  1885  für  den  vorerwähnten  unpopulären  Kapelan 
Matic  verhängnisvoll  gewordenen  Eichenwald  in  1  Stunde  auf  das  einst  stark 
befestigte  Lis  brdo-Plateau  (726  m).  Bei  näherer  Untersuchung  fand  ich  ein 
römisches  Castrum,  dessen  1  m  starker  Mauergürtel  mit  500  Schritten  Längen- 
durchmesser aus  am  Orte  anstehendem  Kalkstein  und  heute  noch  schwer  spreng- 


eil  llllillls^   iK's   Jclu.t-K.lsti  lls. 


iiarcin  Mörtel  /wischen  .iMlr.i^i.'iuk'n  leisen  eingebaut  wunie.  Am  Nordrand  tlor 
gegen  Sütlen  mit  Eichen  und  Hiu  hen  diehi  überwachsenen  Höhe  liegt  hart  unter 
dem  Kaslell  das  freien  Ausliiick  gestaltende  Maisfeld  des  Milenko  Vasiljevic  von 
Turica.  Ich  unterschied  über  die  von  seinen  (jehöften  besetzten  Höhen  auch 
jene  von  l'iiovo,  Markovica  und  Tijanje,  deren  grell  beleuchtete.  5-  10  km 
entfernte  Obätinska  kuca  gut  erkennbar  war.  Das  Kastell  bildelc  einen  trefflichen 
„Luginsland",  von  dem  jede  Bewegung  der  beherrschten  Anw<ihncr  beobachtet 
und  niedergehalten  werden  konnte;  es  hütete  aber  auch  mit  dem  benachbarten 
südlieli  iiis  Rti  (()5(i  ni),  nn  Westen  liei  LopaS  (460  m)  und  im  Osten  auf  der  Jelica 
(HHO    ni)    (las    iinniselie    Sirassennet/    /um    er/reichen    serbischen    Zeniralgebirgc, 


590  Von  PoiCRa  über  Ivanjica  zum  Vasüjin  vrh  nach  l^povo. 

dessen  Spitzen  vDm  Oviar  bis  zum  Sturac  und  Ostrovicaer  Spitzke(;el  das 
herrliche  Panorama  uej^eii  Norden  aiischhessen. 

Gefllhrt  von  einem  we(4i<undi^;en  Verwandten  des  Knieten  |^elan({te  ich  nach 
dem  I'  ,  Stunde  fernen  KonaOa,  vor  dem  der  alte  Gufaer  Weg  in  die  von  der 
Jelica  iierabkommende  neue  Strasse  übernchl.  Dieses  von  SO.  bis  NW. 
streichende,  bei  der  Crna  stena  mit  969  m  kuimmierende  Gebirge  lajj  nun  hart 
vor  mir.  Ob  sein  häufig  serbischen  Mädchen  in  der  Taufe  beineieKter  Namen 
von  „Jela"  (Tanne)  oder  von  dem  Abortivkraul  „Jelica"  stammt,  darüber  waren 
die  Ansichten  des  in  der  Rogacaer  Mehana  versammelten  Odbors  geteilt.  Der 
intelligente  Kinet  2ivko  2imnic  gab  mir  zwei  ortskundige  Bauern  als  Führer  auf 
die  Passhöhe  mit,  wo  sich  Reste  eines  „grad"   befinden  sollten. 

Noch  wälirend  der  ersten  Freiheitskämpfe  war  der  Weg  über  die  Jelica 
selbst  für  Pferdekarawanen  schwer  passierbar.  Bei  der  Ploia  (wüste  Platte), 
wo  er  am  engsten  war,  liess  später  Maksim  Zaoöanin,  der  Stareäina  des  Dragacevo, 
ihn  erweitern  iiiul  mittels  des  von  jeder  Pferdelast  eingehobenen  kleinen  Maut- 
zolles die  f^eiica  überbrücken.  Zwischen  nackten  und  leicht  bewaldeten  Fels- 
vorsprüngcM  zieht  die  Strasse  in  sanfter  Steigung  aufwärts  zur  Passhöhe,  wo  ich 
absass  und  mit  meinen  Führern  zur  880  m  hohen  „Gradina"  hinanstieg.  Dort 
stieg  ich  zwischen  Buchen  auf  die  von  zwei  riesigen  Birnbäumen  beschatteten 
Mauern  eines  schon  durch  seine  Ziegel  und  den  Mörtelverband  als  römisch 
gekennzeichneten  Kastells  von  sehr  interessantem  Grundriss.  Soweit  ich  ihn 
trotz  der  argen  Verwüstung  bestimmen  konnte,  erhob  sich  hart  am  Rande  des 
östlichen  Fclsabsturzes  eine  geradlinige  Mauer  mit  aus  der  Mitte  vorspringendem 
starken  Rundturm.  Von  diesem  teilten  gegen  NW.  und  S.  laufende  Zwischen- 
mauern das  Kastell  in  mehrere  Abschnitte,  welche  tiefere  Ringmauern  wallartig 
deckten.  .An  der  Ostseite  erschienen  solche  überflüssig,  da  sie  von  der  tiefen 
Steilschlucht  aus,  durch  welche  der  am  nahen  „Savinabrunnen"  entspringende 
Atenicabach  abfliesst,  unnahbar  war.  Der  Umfang  des  obersten  Werkes  misst 
250  Schritt;  sein  Material  wurde  zumeist  dem  Kalkfelsen  entnommen,  auf  dem 
es.  die  Umgebung  weithin  beherrschte.  Nur  vom  östlichen,  heute  frischgrünen 
Buchenwald  tragenden  „vis  spram  gradina"  konnte  es  bestrichen  werden,  was 
jedoch  die  Verteidiger  des  wahrscheinlich  hoch  aufragenden  Rundturmes  und 
benachbarte  Vorwerke  hinderten,  deren  Reste  gewiss  noch  auf  dem  südöstlichen 
Jelicarücken  gefunden  werden  dürften.  Ein  solches  steht  nahe  dem  Gipfel  auf 
der  kaum  6  km  fernen,  89Ü  m   hohen  Gradina. 

Der  die  Landschaft  mit  stimmungsvollen  Farbentönen  überziehende  herbst- 
liche Sonnenuntergang  gestaltete  den  Abritt  von  der  jelica  ungemein  genussvoll. 
Von  den  tiefliegenden  Loznicaer  Weingärten  tönte  froher  Wechselgesang  aus 
jungen  Kehlen  herauf.  Bald  erschien  das  freundliche  Cacak  mit  seiner  Kuppel- 
kirche rotgoldig  angestrahlt  und  die  zwischen  dunklen  Weidenauen  aufleuchtende, 
7  km  ferne  Morava,  welche  uns  eine  vorspringende  Bergkulisse  verbergen.  Der 
Serpentinenweg  zog  sich  aber  noch  endlos  hin,  und  es  dunkelte  bereits,  als  ich, 
nach  vierzehntägigen  Touren  im  Uzicer  Kreis,  das  gastliche  Haus  des  freundlichen 
Stadtarztes    mit    den    nicht   sehr   komfortablen  Landmehanen    vertauschte. 


Von  Pofega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


591 


Viel  hatte  ich  von  der  landwirtschaftlichen  Schönheit  der  Gruza  gehört, 
welche  die  römische  Minenstrasse  ')  im  geschilderten  Rudniker  Erzgebirge  durchschnitt. 
Der  am  7.  Oktobermorgen  herrschende  Nebel  Hess  aber  im  Beginn  der  Tour  nur 
das  Nächstliegende  erkennen.  Vorbei  an  dem  rechts  von  der  Milanovacer  Strasse 
neu  angelegten  Cacaker  Park  fuhren  wir,  nachdem  der  Zoll  von  40  c.  per  Wagen 
erlegt  war,  über  die  lange  Jochbrücke  auf  dem  linken  Moravaufer  zur  Despo- 
tovica,  bei  deren  Han  wir  auf  die  Kragujevacer  Route  abzweigten.  Sie  führt 
südwestlich  über  fruchtbare  Vorhöhen  der  Jesevac  planina,  durch  wohlhabende 
Dörfer,  nach  Mrcajevci  (233  m),  das  seit  kurzem  mit  Kraljevo  durch  eine  neue 
Strasse  verbunden  ist.  Zwischen  riesigen  Pflaumengärten  und  Dörranstalten  ging 
es  nordöstlich  weiter  nach  Bresnica  (267  m),  dessen  schöne,  ziegelgedeckte 
Gehöfte    sich    um    sein    schon    1826   geweihtes    „Maria    Leichentuch-Kirchlein" 


-•?«g^r  -«5^. 


■H-, 


im 


BORAC,  von  Radmilovac. 

gruppieren.  Im  südwestlichen  Cvelke  ruht  der  durch  ein  von  Ranosovic  1897 
gemaltes  Bild  verherrlichte  Wojwode  Jovan  Kursula,  der  sich  schon  1S04  in  den 
Kämpfen  bei  Cacak,  Karanovac  und  später  am  Crni  vrh  gegen  Ouäanac  Ali 
hervortat,  1813  aber  bei  Deligrads  Verteidigung,  aus  sechzehn  Wunden  hlutend. 
ruhmviill  fiel.    Serben,  Russen  und  Türken  bewunderten  gleich  sehr  seine  Tapferkeil. 

Mit  weiteren  4  km  erreichten  wir  die  Kreisgrenze  am  Bumbarevo  brdo. 
Im  tler  gleichnamigen  guten  Mehana  begrüsste  mich  der  zu  meiner  Begleitung 
nach  Kr.'igujevnc  bestimmte  Ingenieur  Milan  MarinkoviiV  Die  mir  vorausgeeilten 
Cacaker  l'reuntie  hatten  für  ein  gutes  Frühstück  gesurgl;  der  Abschied  war  ein 
lier/lirlier. 

Line  halbe  Stunde  später  betrat  ich.  den  vom  Man  abzweigenden  Vizinalweg 
nach  Radmilovac  verfolgend,  wieder  das  historisch  interessante  üru/agehiet, 
dessen  nördlichen  Teil  das  XIV.  Kapitel  schilderte.  Die  vom  erzreichen  Rudnik- 
stdck  fortsetzende  eruptiv-kristallinische  Zone  verbreitert  sich  hier  und  konstituiert 


')  K.inil/,  Riiinisclie  Sliiilieii.   \X\  f. 


nit'J 


Von  Po2ct{<i  über  Ivnnjica  /um  VaHiljin  vrti  nach  Lnpovo. 


nahezu  das  nai\7.c  rechte  Gruiaufer  bis  zum  Südfuss  des  Kutlenik  an  der  Morava. 
Detnenlspruchend  zeit^t  das  Terrain  sanfte,  runde  Kuppen,  lireite  anmutiRe 
ialLinscIinitlu  und  uriisslenteils  waidfreie,  starl<  initer  Kultur  genommene,  oft  mit 
stundenlanjjen  PfiaunienpflanzunKt-n  bedeckte  Höhen.  Auf  meine  Frage  nach 
AltertüMiern  führte  uns  der  Mehanilzija  zum  „J^admiiovacki  (»aj"  (Hain).  Dort 
traf  icii  im  I^auindickiciit  einen  Kricdhnf   mit    .iliin  ('n.ihknti/i-ii  von  Studenicker 


^^'K^-~^ 


BORAC,   Römische  Tiirmgrundfeste. 


weissem  Marmor,  ähniicii  den  iieutigen  Studenicacrn  und  den  skulptierten  Platten, 
welche  ich  1860  in  der  Paviicaer  Kirche  am  ibar  gezeichnet,  innerhalb  der 
nahen,  aus  Feldsteinen  erbauten,  einen  1 1  m  langen,  5,5  m  breiten  Raum  umfassenden 
Mauer,  die  aus  alter  Zeit  stammen  soll,  hielt  der  Boracer  Pope  am  hl.  Dreifaltig- 
keitstag 1888  nach  langen  Jahrhunderten  wieder  Gottesdienst.  Unfern  befindet 
sich  ein  ausgemauerter  Brunnen  und  eine  Eiche,  deren  1  m  über  dem  Boden  in 
zwei  Arme  geteilter  Stamm  ein  Oval  bildet   und   wieder  zusammenwachsend  die 


Von  Poiega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


593 


Krone  trägt.  Das  seltene  Naturspiel  brachte  den  jungen  Baum  in  den  Ruf 
besonderer  Heilkraft;  aus  weiter  Ferne  gebrachte  kranke  Kinder  werden  durch 
die  Öffnung  gesteckt,  was  sie  gesunden  lässt  (?). 

Antike  Ziegelspuren  verfolgend,  traf  ich  durch  ausdauerndes  Rekognoszieren 
im  Radmiiovacker  Felde  auf  eine  überraschend  grosse  antike  Ansiedelung,  deren 
wichtigster  Punkt  jedenfalls  ein  auf  der  Wiese  des  Luka  Vucicevic  von  mir  unter- 
suchter Hügel  war,  dessen  starke  Mauern  den  nahen  Mühlgraben  an  drei  Stellen 
durchsetzen.  Im  ganzen  sehr  ausgedehnten  Bereich  des  grossen  Ruinenfeldes 
stiess  ich  auf  zweifellos  römische  Deckziegel,  Mosaikreste  usw.,  Münzen,  Urnen, 
Pfeilspitzen,  und  auch  auf  eine  prähistorische  Ansiedelung  deutende  Objekte 
wurden  hier  zahlreich  gefunden.  Wie  mir  der  Pope  Mihail  Pelrovic  mitteilte, 
streichen    die   Mauern    bis   zum   westlichen   Borac,    das,   von   den   altserbischen 


/vw'i 


Chronisten   oft    erwähnt,   längst    mein    Interesse   erregt   und   als   hauptsächlichstes 
Forschungsziel  mich   in  die   „Gruza"  geführt  hatte. 

Der  aus  der  fruchtbaren  Hochebene  isoliert  aufragende  riesige  Granitstock,  an 
dessen  Südosthang  Borac  i omanlisch  lehnt,  diente  uns  als  Kompass  dahin.  In 
seiner  Mehana  ging  es  noch  lebhafter  als  an  anderen  Sonntagen  her,  denn  der 
Bezirksschreiber  Stevan  Slojanovic  weilte  dort  in  Amlsgeschäflen.  Dies  kam  mir 
sehr  zustatten.  In  einer  halben  Stunde  war  alles  zum  Ritt  auf  den  Borat^hcrg 
bereit.  Der  Kmet  und  ein  ortsvertrauter  Bauer  übernahmen  die  l-'ührung.  Zwischen 
den  k't/len  (ieliolten  lies  Dorfes  ^ini;  es  inii  nordöstlicher  Kurve  im  dichten 
Laubwald  etwa  70  n)  aufwärts,  dann  gleich  viele  über  Klippen  zur  Mittelpartie 
der  gigantischen,  phantastisch  geformten  Granitfelsen.  Schon  auf  halbem  Weg 
war  ich  auf  antike  Mauern  gestossen,  und  meine  Vermutung,  hoch  oben  müsse 
das  Kastell  der  unverhofft  aufgefundenen  ROmerstadt  gestanden  haben,  bestätigte 
der  zweifellos  antike  Quadernpanzer  des  1  m  hohen,  2.50  m  langen,  2,20  m  breiten 
erhaltenen  Luginsland.  Diese  „Kulina"  mit  der  ungewöhnlichen  Mauersiarke 
von  2,H0  m  beherrschte  mit  ilen  nördlich  und  westlich  anschliessenden  Kaslcll- 
abschnitten  das  Terrain  nach  .illen  Seilen  !un      Meine  Skizze  zeigt  den  Turm  mit 

r.   KANITZ,  Serbien.   I.  •* 


r)i)4 


Von  i'iifxnn  über  Ivnnjicn  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


tlcii  im  S\V,  vorlaKcrnden  Oranit^ipfeln  „kriva  plofa"  (krumme  Platte)  und 
„Je^cvaöik"  (Ificistein);  unter  und  über  denselben  erscheinen  ein  Teil  von  Bora( 
mit  dem  neuen  Scluilhaus,  westlich  der  „zlatni  vrh"  (goldene  Bern),  südlich  das 
Dorf  Guncati  mit  Kirche  und  Schule,  der  Nordfuss  des  Kollenik  und  in  weiter 
linlfernunK  die  Stnlovi,  rechts  flankiert  vim  einer  Jelicakuppe  und  von  der  56  km 
fernen  ^clinspitze  im  Caöaker  Kreis,  Die  Aussicht  nach  N.  wird  leider  vom 
„Peruniciäte"  (Schwertlilienstein),  der  höchsten  Partie  des  Oranitstockes.  gedeckt. 
Beim  Abstieg  bezeichneten  meine  Begleiter  auf  dem  westlichen  „Markov 
Laz"  (672  m)  die  Stelle  des  verfallenen  Kirchleins,  das  der  Königssohn  Marko 
„für  das  Seelenheil  seiner  Mutter"  erbaute,  nach  anderer  Tradition  aber  eine 
ungemein  hässliche  Nemanjidentochter  dem  hl.  Gabriel  stiftete,  die.  von  ihrem 
Gemahl,  dem  Vater  der  Mrnjavöivic,  Verstössen,  im  Boraöer  Walde  als  Einsiedlerin 


BORAC,  Gewehrverteilung  an  serbische  Milizen  1876. 


lebte.  Als  einst  dort  Zar  Dusan  jagte  und  im  nun  zerstörten  Potucani  bewirtet 
wurde,  fiel  es  ihm  auf,  dass  er  seine  Lieblingsspeisen  aus  jungen  Jahren  vorgesetzt 
erhielt.  Er  forschte  nach  und  erkannte  in  der  Bereiterin  seine  verloren  geglaubte 
nahe  Verwandte.  Der  Rückkehr  an  den  kaiserlichen  Hof  zog  sie  aber  die  lieb- 
gewonnene Einsamkeit  vor,  worauf  der  Zar  ihr  das  Kirchlein  mit  Kloster  erbaute, 
in  dem  sie  wirkte  und  starb.  Zu  Potucani,  von  dessen  Gebäuden  zwischen  alten 
Obst-  und  Maulbeerbäumen  noch  Reste  gewölbter  Keller,  Gräber  usw.  erhalten 
sind,  soll  die  Fürstin  bald  nach  ihrer  Hinkunft  den  späteren  „Kralj  Vlka§in" 
geboren  haben,  der  nach  einer  falschen  Tradition  den  letzten  Nemanjiden  Uro§ 
tötete ')•  Meine  Führer  erzählten  auch,  von  diesem  Potucani  wäre  der  Kralj, 
nachdem  er  in  der  Nachbarkirche  zu  Becevica  gebeichtet  hatte,  mit  1000  Lanzen- 
reitern gegen  die  Türken  auf  das  Amselfeld  gezogen.  Wie  wenig  dies  begründet 
ist,  erhellt  daraus,  dass  der  Thronusurpator  1371,  also  18  Jahre  vor  Kosovo, 
im    Kampf    hei    Cernomen    in    Osi-Rumelien    fiel.      Potucanis   Zerstörung   dürfte 


')  Diese  auch  von  neueren  Historikern,  von  jirecek,  Källay,  Panta  Sreckovic  verbreitete 
Annahme  wurde  seither  durch  Hilarion  Ruvarac  und  Lj.  Kovacevic  gründlich  widerlegt.  Mehr 
darüber  111    Bd..  III.  K:ip. 


Von  Po^ega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


595 


erfolgt  sein,  als  der  Ungarkönig  Sigismund  1410  oder  Sultan  Murad  1438  das 
auf  den  Römerresten  entstandene  Serbenschloss  Borac  eroberte.  Aus  diesem 
„slavni  grad"  stammen  eine  Handschrift  vom  J.  1346  und  eine  Urkunde  des 
Despoten  Stefan  Lazarevic,  welche  1405  Ragusa  seine  alten  grossen  Handels- 
privilegien verbriefte  ').  Gleich  schlimmes  Schicksal  wie  das  auf  der  österreichischen 
Occupationskarte  als  „verwüstet"  erscheinende  Schloss,  das  nicht  mit  dem  gleich- 
namigen bosnischen  verwechselt  werden  darf,  in  dem  das  berühmte  Dynasten- 
geschlecht Paviovic  residierte,  traf  die  unter  seinem  südöstlichen  Granitpiedestal 
stehende  Boracer  Kirche,  welche  nach  einer  altslavischen  Inschrift  von  dem 
Protopopen  Ivan,  zur  Zeit  des  Sultans  Suleiman,  1553  erbaut  (erneuert?)  wurde. 
1858  vergrösserte  man  sie  durch  einen  kleinen  westlichen  Anbau,  auch  der  isolierte 


r^ 


BECEVICA,  Grabstein. 


hohe  Glockenstuhl  stammt  aus  dieser  letzten  Restauration.  Das  durch  niedere 
Rundbogen  verzierte  Langschiff  mit  pentogonalcr  Trihuna  wird  von  einem  qua- 
dratischen Bau   überragt,  der  einst  vielleicht  die  Kuppel  trug. 

Von  der  eine  Stunde  fernen  Kirche  des  nordöstlichen  BeCevica,  in  der  Kralj 
VIkaSin  gebeichtet  haben  soll,  fand  ich  13  m  lange  und  8  ni  breite  Grundmauern 
mit  halbkreisförmiger  Altarapside  zwischen  neueren  und  allen  Grabsteinen, 
tuiter  welchen  einer,  vollkommen  ähnlich  den  Paviicaern,  tum  das  Alter  dieser 
uiui  ;iller  gleichartigen,  im  südwestlichen  Serbien  vorkommenden  interessanten 
SkulpUiren  anniiherungsweise  bestimmen  lüsst.  Nach  der  Inschrift  ruht  hier  Jovan 
Mil()?;cvic  aus  Bratonozic  in  Montenegro,  f  Ifi57.  fiinige  weniger  reich  verzierte 
Steine  reiclieii  bis  lt)3()  /iiiiuk.  Die  Plalle  mii  den  auf  VIkaSins  Geburt 
bezüglichen  Worten:  „dicni  rodo  svome"  \u  kirchenslavischen  l.etlern  vermochten 
wir  nicht  aufzufinden.  Die  Kirche  feiert  ihren  vom  Volke  aus  BoraC,  Toponica 
und  Kusovac  stark  besuchten  Sabor  am  Palmsonntag,  und  bei  solchen  festlichen 
Gelegenheiten   werden   die   alten  Traditionen   auf  die  jüngere  Generation  vererbt. 


')  Starinnr.  V,  73.        Mcn.  sorh.,  MV 


JH- 


596 


Vfin  Poüt'na  über  Ivanjka  zum  Vasiljin  vrli  nach  Lapovo. 


Nicht  iiniiiur  vertrauen  aber  derartige  ÜbcrlieferunKcn  die  kritische  Sonde 
Zu  Borac'  erzahlte  uns  der  Cita  (Greis)  Dimitrije  Markovic  beispielsweise:  wie 
der  Zar  Alinietlija  (Sultan  Ahmed)  das  «rosse  Bef  (Wien)  von  fünf  Seiten  mit 
3UUUÜU  Jeniseri  (Janitscharen)  und   „lOOOOO  bosnischen  !:delleuten"  (!)  bestürmte. 


^-.-^■^'^^ 


BORAC,  Mädchen-Orabkreuz. 


ohne  es  nehmen  zu  ki)iinen.  Glaubhafter  schilderte  der  79  Jahre  alte  Bogosav 
Popovic  die  Details  von  der  serbischen  Einnahme  Sjenicas.  auch  wie  seine 
Familie  1809  mit  Karadjordje  von  dort  wegzog  und  sich  in  Borac  ansiedelte. 
Des  Knieten  Vater  fabelte  von  riesigen  Schlachten,  die  auf  der  östlichen  grossen 
Hochebene  zwischen  Magyaren  und  Tataren  geschlagen  wurden,  und  brachte  ein 
1  m  bnges  Schwert  herbei,  dessen  Griff  aber  mehr  der  Prinz  Eugenschen  Epoche 


Von  Poiega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 


597 


entsprach.  In  Wahrheit  findet  man  auf  dem  Burgberg  prähistorische  Waffen, 
von  welchen  eine  um  1865  gefundene  in  das  Belgrader  Museum  gelangte'),  auf 
dem  Boracer  „Hatar"  aber  ausser  antiken  jMünzen  eiserne  Pfeil-  und  Lanzenspitzen, 
Morgensterne  usw.,  v(>n  welchen  man  mir  einige  zur  Bestimmung  ihres  Alters 
brachte  und   verehrte. 

Mit  der  Verbreitung  des  Lesens  trat,  wie  ich  auf  meinen  letzten  Reisen 
bemerkte,  ein  eigentümlicher  Rückstau  ein.  Wie  Vuk  und  andere  Schriftsteller 
aus  der  lebendigen  Volkstradition  viele  Daten  für  vergangene  Zeiten  schöpften, 
wandern  ihre  schriftlichen  Aufzeichnungen  aus  Büchern  mit  Varianten  und 
Kommentaren  wieder  in  das  Volk  zurück.  Ein  in  der  Boracer  Schule  über 
Vlkaäins  Todesjahr   unterrichteter  Zögling  würde   schwerlich  mehr  dessen  Auszug 


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KORAC,  Volksschule. 

auf  das  Kosovo  poijc  .seinen  lullern  nacherzählen.  An  der  erst  vor  etwa  15  Jahren 
erbauten,  4()()()()d  kostenden  Schule  wurden  von  2  Lehrern  in  4  Klassen  UiO  Knaben, 
doch  nur  t)  Mädchen  unterrichtet.  Wie  geschätzt  das  seltene  Lesen  und  Schreiben 
beim  weiblichen  Nachwuchs  ist,  zeigte  mir  das  3  m  hohe  Holzkreuz  der  wenige 
Tage  zuvor  auf  dem  BoraCer  Friedhof  bestatteten  siebzehnjährigen  Jungfrau  Persa 
Milanovic,  iinler  dessen  Aufputz  mit  von  ihr  benutzten  Spinnrocken,  Körbchen. 
Krüglein,  SlrüMipfen,  Tüchern  usw.  zwischen  ihrem  l.ieblingsobsl  auch  ihr  Tinlen- 
fläsi'lniicn    hing. 

Am  nächsten  Vormittag  steuerten  wir  vom  Kusovacer  Ruinenfeld  über  leuchte 
Wiesen  zur  üruzabrücke  (245  m)  und  erreichten  auf  steil  tracierten  Serpentinen 
das  375  m  hoch  liegende,  grosse  Dorf  Knie.  Nahe  seiner  weissen,  184(i  geweihten 
Sv.  llijakirche  hüllen  \\\\  \(m  eiiici  iiinlicheii  Mehana,  deren  Wirtin  sich  als 
treffliche  Köchin  erwies.  Nordöstlicher  sieht  in  jirächtiger  N'egetatinn  das  zu  den 
sclKHislen    der    llmgelnmg    /ähleiule    ausgedehnte    (iehotl    der    |-amihe    Knicanin. 


SI;iriiKii.  \ll,  Ol 


598  Von  P(>2eK<i  über  Ivanjica  zum  Vai(iljin  vrh  nach  Lapovo. 

Unter  den  vielen  tapferen  Streitern  der  Gru?.a,  die  in  den  Freiheitskriegen  stets 
wie  ein  Mann  sich  erholi,  machte  sicli  der  18ÜH  zu  Knie  geborene  und  deshall) 
„Knidanin"  genannte  Stevan  Petroviö  einen  weit  über  Serbiens  Grenzen  berühmten 
Namen.  MiloS  nahm  den  jungen  Mann  seines  hohen  Wuchses  wegen  unter 
seine  Leihmomken  auf.  1835  begleitete  er  den  Fürsten  nach  Konstantinopel,  1836 
ward  er  Nafelnik  des  Jasenicaer,  1839  des  Smederevoer  Kreises.  1840  schloss 
er  sich  der  Karadjordjevic-Partei  an,  trat  1842  in  den  Senat,  musste  diesen 
aber,  weil  mit  Vucic  in  Gegnerschaft,  1848  verlassen.  Im  selben  Jahr  brach 
der  offene  Kampf  zwischen  Magyaren  und  Serben  in  Ungarn  aus.  Mit  einem 
rasch  gesammelten  Freikorps  zog  Knidanin  über  die  Sava,  zeichnete  sich  bei 
der  Finnahme  der  Tomaäer  Schanzen,  dann  bei  Pancevo  derartig  aus,  dass  ihn 
der  Banus  Jelaäic  in  Gegenwart  des  Kaisers  Franz  Josef  mit  dem  Maria  Theresien- 
Orden  schmückte.  Sein  Name  war  damals  in  aller  Mund  und  sein  Bild  in  jedem 
Serbenhaus.  Nach  Serbien  heimgekehrt,  erhielt  der  ruhmreiche  Gruzancr  den 
Wojwodentitel  und  das  Kommando  zu  Kragujevac.  Fortan  unternahm  Fürst 
Alexander  nhne  Knicanins  F^at  keinen  wichtigen  Schritt.  Hochgeehrt  von  Fürst 
uiui  Volk  starb  er  1855  nach  kurzer  Krankheit  und  wurde  auf  Belgrads  Palilula- 
Friedhof  begraben. 

Man  kann  sagen.  Knie  lebt  wie  die  ganze  Gruza  von  der  Pflaume.  Nirgends 
sah  ich  in  Serbien  gleich  grossartige  Zwetschgenpflanzungen.  Einzelne  Gärten 
bedecken  mit  ihren  in  regelrechten  Reihen  gesetzten  Bäumen  einen  ganzen  Hektar. 
Hier  einige  Daten  über  den  Dörrprozess,  dem  die  frische  Zwetschge  unterworfen 
wird,  ehe  sie  in  den  Handel  gelangt.  Sobald  die  Bäume  abgeerntet  sind,  erfolgt 
die  erste  Sortierung  der  Früchte;  die  schlechten  werden  beseitigt,  die  zum  Trocknen 
geeigneten  auf  oblonge  Gestelle  von  Zweiggeflecht  ausgelegt  und  hierauf  in  das 
Dürxhaus  übertragen.  Meine  Skizze  zeigt  ein  solches  mittlerer  Grösse  mit 
4  Abteilungen  und  8  auf  beiden  Langseiten  angebrachten  Heizzügen.  Jede 
Abteilung  nimmt  6  Gestelle  zu  je  30  kg  auf;  die  obersten  und  untersten  rascher 
trocknenden  Lagen  werden  mit  inzwischen  eingeschobenen  öfters  gewechselt  und, 
sobald  alle  gleiclimässig  gedörrt,  auf  meist  aus  Budapest  für  180  d  bezogenen 
Reutermaschinen  oder  mit  der  Hand  nach  der  Grösse  sortiert  und  zur  Versendung 
in  Säcke  gepackt.  Den  Trocknungsprozess  besorgen  in  durchschnittlich  24  Stunden 
Frauen,  welche  für  15  Stunden  1.50 — 2  d  erhalten;  besser  werden  nur  die  auch 
des  Nachts  beschäftigten  Heizer  bezahlt.  Das  Pflaumendörren  für  den  Export 
bildet  auch  in  der  angrenzenden  Sumadija  einen  Haupterwerb;  mancher  ihrer  Orte, 
so  Srezojevci,  führt  300  q  nach  Belgrad,  wo  100  kg  mit  24  d  bezahlt  werden, 
während  sie  am  Ort  nur  20  d  kosten.  Diesen  bedeutenden  Zuschlag  verursacht 
die  teuere  Fracht,  da  ein  mit  höchstens  20—25  q  beladener  Bauernwagen  mehrere 
Tage  zur  Reise  nach  Belgrad  benötigt.  Gewiss  werden  die  für  W'estserbien 
projektierten  Zweigbahnen  den  Pflaumene.xport  bedeutend  fördern. 

Die  bosnische  Landesregierung  sandte  1890  Fachmänner  nach  Südfrankreich, 
um  im  Zentrum  des  französischen  Pflaumengeschäfts,  in  Agen  und  im  Departement 
Lot-et-Garonne,  die  Pflaumenverarbeitung  und  besonders  das  geeignetste  System 
der  Trockenöfen  zu  studieren.     Der  Erfinder  des  erwählten  Trockenofens,  Kazville, 


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Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo.  HO! 

wurde  nach  Bosnien  berufen,  wo  er  zehn  Trockenöfen  in  verschiedenen  Landes- 
teilen aufstellte.  Mit  ihm  kamen  zwanzig  französische  Trockenmeister.  Sie  zeigten. 
wie  man  alle  Arbeiten  bei  Trocknung  der  Pflaumen  verrichten  muss.  Das  Volk 
begriff  schnell  die  Vorteile.  Die  grössere  Primasorte  erreichte  in  allem  die  von 
Agen,  und  an  Süssigkeit  übertraf  sie  ihre  französische  Nebenbuhlerin.  Auch 
französische  Trieurs  zur  Reinigung  und  Sortierung  der  Pflaumen  nach  der  Grösse 
wurden  eingeführt.  Gleichzeitig  versuchten  Kaufleute  den  Detailhandel  mit 
Paketen  von  fünf  Kilo  und  sandten  diese  von  Brood  an  Privatbesteller  in 
Österreich-Ungarn,  Deutschland,  Schweiz,  Belgien,  Holland  und  Dänemark  für  den 
Tafelgebrauch.  Die  erzielten  günstigen  Resultate  führten  zur  stetig  wachsenden 
Anwendung  des  französischen  Verfahrens  in  Bosnien  und  zur  Nachahmung  des 
dortigen  Vorganges  in  Serbien,  wo  man  nun  auch  der  Vertilgung  der  die  Pflaumen- 
bäume gefährdenden  Schädlinge  grössere  Sorgfalt  widmete. 

Ein  bedeutender  Teil  der  Pflaumenernte  wird  zur  Bereitung  des  serbischen 
Lieblingsgetränkes,  „rakija"  und  „slivovica"  genannt,  verwendet.  Es  wird,  wo 
die  Pflaume  wächst,  meist  im  Haus  erzeugt,  indem  man  die  Zwetschgen  zuerst 
gären  und  dann  kochen  lässt.  Der  einfache  Destillationsapparat  ist  dem  zur 
Gewinnung  des  Rosenöls  im  bulgarischen  Kazanlik  sehr  ähnlich.  Im  Zlatibor 
wird  in  den  niederen  Kochherd  ein  kupferner  kazan  (Kessel)  eingesetzt,  auf  die 
in  diesen  eingelegten  Zwetschgen  ein  bestimmtes  Mass  Wasser  gegossen,  hierauf 
der  hölzerne  „kapak"  (Helm)  auf  dem  Kessel  befestigt,  aus  dessen  von  einem 
gebogenen  Baumast  hergestellte:),  durch  eine  tabanka  (Kühlbottich)  laufende  lula 
(Abflussrohr)  der  fertige  Branntwein  in  ein  kleineres  Holzgefäss  abrinnt.  Mit 
Ausnahme  des  Kupferkessels  und  des  in  die  lula  eingesetzten  Kupferrohres 
verfertigt  der  Zlatiborer  Bauer  den  Apparat  selbst;  bei  Knie  werden  aber  schon 
importierte  Kessel  mit  kupfernem  Helm  und  Rohr  aus  einem  Stück  verwendet. 
Die  Kessel  sind  durchschnittlich  zur  Aufnahme  von  60  ükka  65  kg  Pflaumen 
berechnet,  die  nach  6— 8 stündiger  Kochung  gewöhnlich  25  kg  Rakija  geben. 
Dieser  hat  bei  einmaligem  Brennen  7—9",  bei  nochmaligem  12",  selten  14" 
Alkoholgehalt.  Arme  Bauern  im  Zlatiborer  Bezirk  erzeugen  meist  nur  200—250  kg, 
wohlhabendere  3000  6500  kg,  die  Besitzer  der  grossen  Pflaumenpflanzungen  im 
Cacaker  Kreise  und  in  iler  Gruza  bis  10000  kg.  Da  eine  serbische  zadruga 
(Hausgenossenschaft)  von  10  Seelen  durchschnittlich  500  kg  Rakija  im  Jahr 
konsumiert,  gewinnen  nur  grössere  Pflanzer  einen  Überschuss  zum  Verkauf  im 
Lande  oder  für  den  Export.  Der  serbische  Rakija  ist  hellfarbig  und  besitzt  ein 
Aroma  nach  bitteren  Mandeln.  Der  einmal  gebrannte  kostet  je  nach  Stärke  und 
Alter  25—35  c,  der  nochmals  geluannle  1. 20— 1.50  d  per  kg.  Die  jährliche 
Produktion  des  ersteren  wird  auf  H  10  Mill.,  des  letzteren  auf  nur  600000  kg 
gescli;il/l.  Im  neuerer  Zeit  wurden  zu  Belgrad  inul  anderen  Städten  rationell 
arbeitende  Raffinerien  en übtet.  Im  ganzen  sinkt  ilie  Kabrikation  durch  den 
allgemeinen  I'reisriickgang  auf  dem  euroiiäischen  Spirilusmarkt  unil  namentlich 
durch  den  im  letzten  Decenniinn  stark  verminderten  Export  nach  Bosnien.  Der 
Kragujevacei  Kreis  dürfte  einschliesslich  der  Ijruia  heute  kaum  mehr  als 
380000  kg   iirodu/ieren. 


602  Von  Potxna  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo. 

Unter  sokhen  iinnünslinen  Verhältnissen  beKrüssten  die  serbischen  Pflauincn- 
pflanztT  freudig  die  durch  einige  ungarische  Kaufleute  in  Krasserem  Massstab  ein- 
LjefUiirte  Produktion  von  „pekmcs"  (Zwetschj^enmus).  Schon  vor  mehreren  Jahren 
etablierte  die  l-irma  Goldner  aus  dem  sirmischen  Vukovär  grössere  Kochanstalten 
in  der  Station  Medjuluzije  der  Belurad-Niäcr  Linie,  bei  Sabac  usw.  1888  folgte 
die  f-jrma  F.inncr  <Si  Ujlaki  aus  fiudapest.  Hin  machtiger  Hagelschauer,  der  einen 
ansehnlichen  Teil  des  von  ihr  ausgebeuteten  ungarischen  Pflaumengebieles  schädigte, 
hätte  ihr  die  IXüllung  eingegangener  Lieferungsverlräge  unmöglich  gemacht.  Da 
suchte  sie  den  pflaumeiireiclien  Kragujevacer  Kreis  auf  und  etablierte  dort  zwei 
l-abriken.  Die  Behürden  begriissten  freundlich  das  Unternehmen,  die  Ortsvorstände 
der  zur  Etablierung  gewählten  Punkte  Knid  und  Dragobrada  begriffen  rasch 
seinen  Nutzen  und  forderten  es  nach  Kräften.  In  und  um  provisorischen  offenen 
Brctterbaracken  fand  ich  zu  Knie  12  und  Dragobraca  30  Kessel  aufgestellt.  In 
wenigen  Tagen  war  das  ganze  frische  Pflaumenmaterial  auf  4  Stunden  in  der  Um- 
gebung, soweit  es  nicht  zum  Diirren  oder  zur  Rakijafabrikation  bestimmt  war,  mit 
durchschnittlich  4  d  per  q  aufgekauft.  Da  gewöhnlich  5  Bäume  in  guten  Jahren 
1  q  Pflaumen  tragen  und  selbst  kleinste  Gehöfte  30,  mittelgrosse  300  und  einzelne 
bis  2500  Bäume  besitzen,  kam  viel  Bargeld  unter  die  von  allen  Seiten  bei  den 
Fabriken  anfahrenden  Bauern.  Dort  herrschte  vom  frühesten  Morgen  bis  spät 
nachts  ein  wahres  Bienentreiben;  denn  in  25  Tagen  sollte  das  letzte  volle  Fass 
abgefahren  sein.  Man  muss  diese  140  flinken,  eingeübten  Arbeiter,  grossenteils 
niäniiliche  und  weibliche  Zigeuner,  welche  die  Unternehmer  aus  dem  Bezirk  Bozovic 
der  ungarischen  Almas  niitbraclitcn,  am  Werk  gesehen  haben,  schwarzen  Teufeln 
ähnlich,  fortwährend  Pflaumen  in  die  riesigen  Kupferpfannen  schüttend,  das  Feuer 
unter  diesen  schürend,  mit  grossen  Holzschaufeln  den  dampfenden  Brei  emsig 
rührend;  diese  Weiber  im  leichtesten  Neglige,  in  Farbe  und  Hässlichkeit  an  Njam- 
Njamfrauen  mahnend,  das  schwarze  Pflaumenmus,  sobald  es  abgekühlt,  durch 
riesige  Metallsiebe  mit  den  Händen  treibend,  bis  es,  von  den  Kernen  befreit,  zur 
Füllung  in  die  Fässer  reif,  die  sofort  von  Bindern  geschlossen,  von  Tarifern  ge- 
wogen und  signiert,  den  Weg  zum  Kragujevacer  Bahnhof  antreten.  1888  wurden 
mit  den  30  Kesseln  zu  Knie  und  Dragobraca  2500  q  Pflaumenmus  produziert. 
Diese  agrikole  Industrie  ist  aber  bedeutenderer  Entwickelung  fähig.  Die  Unter- 
nehmer gedachten  ihre  Kampagne  im  nächsten  Jahr  mit  heimischen  Arbeitern 
fortzusetzen,  die  Fässer  gleich  am  Orte  aus  Dauben  der  nahen  Staatsforste  zu 
zimmern,  wodurch  viel  an  Reise-,  Arbeits-  und  Frachtkosten  erspart  werden  sollte. 

Nachdem  ich  die  improvisierte  Pekmesfabrik  am  Ribes  potok  (250  m)  besichtigt, 
ging  es  weiter  durch  das  grosse,  von  Arandjelovac  nach  S.  zur  Morava  streichende, 
nur  an  einigen  Punkten  von  trachitischen  und  Serpentinkuppen  unterbrochene 
Kreidegebiet.  Kurz  vor  der  513  m  erreichenden  Stolica-Wasserscheide  mündete 
in  unsere  Strasse  eine  zweite  von  Kraljevo  aus  dem  Gruzatal  über  Pecenoge') 


')  Nach  Jireceks  Hypothese  deutet  dieser  Ortsnamen  auf  eine  hier  bestandene  Petenegen- 

Ansiedelung  hin  (?):  es  gibt  aber  auch  einen  Peceno  brdo,  ein  Prekonoge,  Namen,  die  mir, 
wie  der  fragliche,  von  pecati  (backen)  und  noga  (Fuss.  Bein)  abgeleitet  erscheinen. 


Von  Pozega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo.  603 

koniiiieiuie  Verbindung  mit  Kragujevac.  Das  hohe  Alter  dieses  Strassenzuges 
beweisen,  mehr  noch  als  die  nahe,  früher  nordwestlich  zwischen  der  Turija  und 
Kolubara  gesuchte  Serbenburg  Ce.stin')  beim  gleichnamigen  Dorf,  bedeutende 
Mauerreste  einer  zweiten  antiken  Niederlassung,  deren  ausgedehnte  Mauern  bei 
Grabovac,  am  Einfluss  der  Vrnjicka,  erhalten  blieben.  Ihr  Kastell  stand  östlicher 
auf  dem  Cestinsko  brdo,  den  die  Ruine  jener  gleichnamigen,  auf  antiken  Rudi- 
menten erbauten,   1410  vom  Ungarkönig  Sigismund  eroberten  Serbenburg  krönt. 

Vom  hochliegenden  Vuckovica,  in  dem  der  vielgenannte  Vucic  längere 
Zeit  gelebt,  führte  die  elend  tracierte  Strasse  am  linken  Lepenica-Ufer,  vorüber 
an  der  ein  sinnverwirrendes  Treiben  entfaltenden  Pflaumenmusfabrik  zu  Drago- 
braca  und  dem  links  bleibenden  Dutzend  Zigeunerhäusern  von  Koricani,  zum 
160  m  tiefer  liegenden  Stanovi.  Hier  verengt  sich  das  Tal;  dies  veranlasste 
Jovan  Dobraca  1815  zur  Anlage  einer  Schanze  gegen  die  Kragujevac  bedrohenden 
Türken.  Wir  stiegen  nun  unausgesetzt  abwärts  und  durchschnitten  das  an 
Mineralschätzen,  namentlich  an  Magneteisen,  bei  Groänica,  Erdec  u.  a.  0. 
ausserordentlich  reiche  Lignit-Kohlenbassin,  das  nach  NO.  weit  über  Trmbas, 
Teferic  und  Meckovac  streicht  und  vom  Kragujevacer  Schienenstrang  seine 
günstigere  materielle  Zukunft  erwartet.  Bald  erscheinen  endlos  ins  Kragujevacer 
Weichbild  sich  folgende  Mehanen.  Seine  gegen  1860  ganz  veränderte  Physiognomie, 
sein  Arsenal  und  die  bewegten  Tage,  welche  ich  dort  1888  und  1897  verlebte, 
schilderte  ich   im   X.  Kapitel. 

Am  10.  Oktobermorgen  hatte  sich  mein  liebenswürdiger  Kragujevacer 
Bekanntenkreis  auf  dem  Bahnhof  zum  Abschied  versammelt.  Oberst  Velimir 
Stefanovic,  seine  Gemahlin  und  Ingenieur  Marinkovic  waren  sogar  so  freundlich, 
mir  bis  Lapovo  Gesellschaft  zu  leisten.  Waggons  und  Schienenanlage  sind  auf 
dieser  bis  1888  durch  Militär  betriebenen  Flügelbahn  gut  gehalten;  nur  fährt  man 
noch  langsamer  als  auf  der  Niäer  Strecke.  Dies  bot  mir  Gelegenheit,  die  1861 
auf  der  alten  Fahrstrassc  im  schönen  Lepenicatal  empfangenen  Findrücke  auf- 
zufrischen. Der  wohltätige  Finfluss  der  Bahnverbindung  trat  auch  hier  hervor. 
Allerdings  auf  Kosten  des  Waldes  wurde  bedeutend  mehr  Boden  unter  Kultur 
genommen,  die  Dörfer  wiesen  stattlichere  Gehöfte  auf,  und  die  an  den  kleinen 
Haltestellen  verkehrenden   Bauern  zeigten  weltmännisches  Wesen. 

Auf  ileni  Balinlidl  von  Jovannvac,  wo  die  Trace  auf  das  linke  Ufer  über- 
gehl, um  fortan  hart  an  iliesem  zu  bleiben,  sah  ich  schöne  Gefässe  von  dem 
trefflichen  gelben  Ton,  der  beim  jenseitigen  Kor  man  ansteht.  Das  nordöstliche 
Botunja  ist  der  Geburtsort  des  vielgenannten  Führers  MIaden  Milovanovic. 
Vermögeiul  und  beredsam,  gelangte  er  neben  Karadjordje  zu  hohem  Ansehen. 
Vom  Senator  stieg  er  zum  l.andespräsidenten  und  Kriegsministcr  auf.  Obschon 
weniger  mutig  als  intrigant,  strebte  er,  den  Schwarzen  (jeorg  zu  überflügeln; 
es  gelang  ihm  nicht.  ISKi  lUnhiete  er  mit  Karadjordje  vor  den  türkischen 
Siegern  nach  Österreich  und  wurde  gleich  diesem  im  steierischen  Brück  interniert, 
von  wo  er  nach  Bessarabien  wanderte.     1815  berief  ihn  Miloä  zu  neuen  Diensten. 

')  Kanil/.  Kimiiscnc  Stmlicii,   l-tö.         I<;ul,  III,   K»), 


CHI 


Von  l'r>^.c-|;a  über  Ivanjica  /.um  VanNjin  vrh  nach  Lapovo. 


Bald  aber  siiiicn  tiinfluss  fürchtend,  sandte  er  ihn  iint  einer  Mission  nach 
MonlencKro.  Auf  dem  Wejje  starb  MIaden,  wie  es  scheint,  eines  gewaltsamen  Todes, 
litwas  nördhcher  lie^t  in  waldigem  Einschnitt  das  Kloster  Ornöarica. 
Seine  dem  „Sv.  oca  Nikolaja"  jjeweihte  Kirche  mit  Turm  und  Kuppel  wurde 
1870  renoviert,  und  fjleichzeitiji  erbaute  sein  lant^jahri^er  Archimandrit  irinje  ein 
stattliches  Wohnhaus.  Das  Kloster  besitzt  31  Hektar  Felder  und  Wiesen.  25  Hektar 
Obstj^ärten,  H4  Hektar  Wald,  ein  kleines  Harvermöfjen,  auch  sind  zu  seiner  Kirche 
8  wohlhabende   Orte    einj^epfarrt,    darunter  2irovnica,    von    dessen   Station    die 


ZIROVNICA,  Prähislori.schcr  Schmuck. 

Bahiitracc  der  nacli  Osten  fliessenden  Lepenica  folgt.  Auf  der  östlichen  336  ni 
hohen  Strazevica  und  der  jenseitigen  Golublca  über  Kremare,  Geburtsort  des 
angesehenen  Wojwoden  Pavie  Cukic,  sind  Befestigungen  sichtbar,  welche  den 
zwischen  iieiden  laufenden  alten  Talweg  schützten.  Dass  hier  schon  in  prähistorischer 
Zeit  eine  wohlhabende  Ansiedelung  sich  befand,  zeigt  ein  1863  gemachter 
Bronzefund,  aus  dem  drei  spiralförmige  Fibeln  (13—20  cm  Durchmesser),  ein 
zierlich  gewundener  Halsring  und  zwei  runde  Schildplatten,  die  grössere  mit 
19  cm  Durchmesser  an  ähnliche  in  Mitteleuropa  und  namentlich  an  ungarische, 
von  Direktor  Hampel  beschriebene,  erinnern  ')•  Ich  halte  diese  Schmucksachen 
nicht  für  importiert,  sondern  für  im  Lande  selbst  erzeugte.  Das  Material  lieferten 
die  erzreichen  Berge  des  Rudnik.    Bei  dem  nördlichen  Badujevac  erwarten  noch 


')  Starinar.  VII,  79  ff. 


Von  Po^ega  über  Ivanjica  zum  Vasiljin  vrh  nach  Lapovo.  605 

nach  Süden  bis  Korman  streichende  grosse  Magneteisensteinlager  des  Crni  vrh 
ebenso  in  günstigeren  Tagen  ihre  Ausbeute,  wie  sein  vortrefflicher  Trachitbaustein 
bei  D'.  Komarci  und  andere  heute  unbenutzte  mineralische  Schätze. 

Bald  hielten  wir  am  grösseren  Stationsgebäude  Batocinas,  dessen  turmlose, 
weisse,  1840  geweihte  „Maria  Geburts-Kirche"  mit  anschliessenden  Ducanen  das 
Zentrum  seiner  ringsum  zerstreuten,  von  2310  Seelen  bewohnten  404  Häuser 
bildet.  So  einladend  heiter  uns  heute  das  allseits  offene  Städtchen  anspricht, 
so  fest  umwallt  und  strategisch  wichtig  war  es  früher.  Am  30.  August  1689 
schlug  der  Markgraf  Ludwig  von  Baden  auf  den  nordwestlichen  Höhen  von  Crni 
kao  das  40000  Streiter  zählende  Sultansheer  unter  Arab  Pascha  so  entscheidend, 
dass  ihm  der  Weg  bis  Niä  ohne  weiteren  Kampf  offen  stand.  Auch  1718  wurde 
die  Palanka  von  Batocina  genommen.  Die  Nachkommen  der  1739  zurück- 
gekehrten Türken  leisteten  den  serbischen  Aufständischen  von  1804—1813 
wiederholt  energischen  Widerstand,  mussten  aber  1815  gänzlich  abziehen.  Auch 
das  10  km  nördlichere  Bezirksstädtchen  Raca  wurde  damals  von  den  Moslims 
für  immer  geräumt.  Obschon  es  in  208  Häusern  nur  930  Bewohner  zählt,  geben 
ihm  das  Bezirksamt,  seine  1855  geweihte  Peter  Pauls-Kirche,  das  vierklassige 
Schulhaus  und  einige  nette  Privathäuser  städtisches  Aussehen,  wobei  die  1895 
über  3,3  Mill.  d  verleihende  Sparkasse  eifrig  mitwirkte. 

Von  Kragujevac  bis  Lapovo  stiegen  wir  60  m  abwärts.  Vor  BatoCina 
durchschneidet  der  Schienenstrang  die  kristallinisch-metamorphische  Zone,  welche 
der  Crni  vrh  gegen  N.  vorschiebt,  sodann  tertiäre  und  diluviale  Schichten.  Wo 
er  bei  Lapovo  in  die  Belgrad-Niier  Linie  mündet,  stiess  ich  bei  genauer  Durch- 
forschung der  abgeernteten  Maisfelder,  welche,  wie  ich  zu  Kragujevac  hörte,  alte 
Mauerreste  bergen  sollten,  mit  meinen  Begleitern,  Polizeikommissar  Vicenti  Kraljevic 
uikI  Ingenieur  Marinkovic,  300  m  südlich  vom  Bahnhof,  gegenüber  dem  ersten 
Wächterhaus,  auf  einen  verschütteten  Brunnen,  und  80  m  weiter  auf  Grundmauern 
einer  zweifellos  römischen,  45  m  langen  und  14  m  breiten  Baute,  von  welcher 
andere  zum  Dorfe  und  westlich  über  den  Bahnstrang  fortsetzten.  Das  A\aterial 
stammt  vom  südlichen   Rogotberg  bei  Batocina. 

So  hatte  ich,  im  Begriff,  den  Kragujevacer  Kreis  zu  verlassen,  die  in  diesem 
von  mir  aufgefiinilenen  römischen  Kolonien  um  eine  weitere  von  beträchtlichem 
Umfang  vermehrt.  Mit  dieser  angenehmen  Genugtuung  bestieg  ich  in  Lapovo. 
das  sich  jüngst  ein  wahres  Muster-Kuppelkirchlein  baute,  den  von  Belgrad  heran- 
brausenden Zug,  in  dem  der  populäre,  seither  gestorbene  General  TopaloviC, 
eine  sympalliisclie,  energische  (lestall,  iiiil  seinem  Stabe  Platz  nahm.  Hart  an  der 
Morava  liiiil,iliii.nd,  gegen  deren  starke  Strömung  viele  ins  Strombett  greifende 
Steindainine  ileii  Halmkörper  sichern,  erreichte  ich  in  1  ''j  Stunde  mein  Ziel 
Jagodina,  wo   midi   Kreisingenieur  Milosav  Paviovic   bereits  erwartete. 


XVUI. 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic, 

Ljubostinja  und  Jasika  nach  Krusevac. 


JAGODINAS  Name,  von  „Jagoda"  (Eroberer),  bei  seinen  Bewohnern  üblicher 
„Jagodna".  Auf  den  ersten  Bück  könnte  man  glauben,  diese  Bezirksstadt 
sei  wie  eine  amerikanische  Kolonie  über  Nacht  entstanden  überragte  sie  nicht  eine 
altertümliche  Moschee.  Und  doch  besitzt  Jagodina  eine  geschichtsreiche  Ver- 
gangenheit. Bei  dem  3  km  nahen  Bukovöe  aufgefundene  Werkzeuge  bekunden, 
dass  hier  schon  prähistorische  Menschen  siedelten.  Aus  welcher  Epoche  die  in 
seinem  nord(istlichen  Weichbild  sichtbaren  Mauern  stammen,  werden  genaue 
Untersuchungen  ihrer  (jrundfeste  zeigen. 

Nach  einem  alten  Plan  im  Wiener  Kriegsarchiv  schliesse  ich,  dass  die 
Palanka  auf  antiken  Rudimenten  entstanden  ist.  Seine  Existenz  in  altserbischer 
Zeit  beweist  ein  vom  Despoten  Stefan  Visoki  dem  Kloster  Hilandar  gesandtes 
Chrisobul,  datiert  Jagodina,  2Ü.  Juni    1441  ') 

Während  der  türkischen  Epoche  bildete  die  Stadt  einen  wichtigen  Verkehrs- 
punkt. Man  erreichte  sie  von  Belgrad  am  4.  Tage.  Dornschwamm  (1553)  und 
der  Reisende  Schweigger  (1577)  nennen  Jagodina  einen  grossen,  schönen  Flecken. 
Damals  besass  es  4  Karawanseraien  und  2  Moscheen  mit  Marmorbrunnen.  Der 
gleichzeitige  Gerlach  traf  dort  einen  Beg,  der  bei  Jagodina  viele  Ungarn  mit  ihren 
Familien  in  drei  Dörfern  angesieilelt  hatte.  Der  kaiserliche  Gesandte  nächtigte 
bei  einem  Türken,  der  sich  rühmte,  mehrere  christliche  Jungfrauen  der  Lehre 
Molicininieds  zugeführt  /ii  haben.  Im  folgenden  Jahrhundert  scheint  Jagodina 
zurückgegangen  zu  sein.  Nach  lladzi  Chalfa  besass  es  damals  nur  I  Moschee 
und  1  Bad.  Trotzdem  blieb  es  eine  strategisch  wichtige  Position,  um  die  in 
Österreichs  Kriegen  mit  dem  Suli.ni  wiederholt  gekämpft  wurde.  Aus  jener  Zeit 
stammt  der  erwähnte  Plan  im  Wiener  Kriegsarchiv,  auf  dem  Jagodinas  Palanka 
eifi  längliches  Rechteck  mit  Wällen  und  ti  Türmen  zeigt. 

')  Mihi.  Serb.,  .W.l. 


(iOK  Von  Ja^ndina  durch  dii-  Rclica  über  Kalcnk^  nach  Kru&cvac. 

Im    glorreichen   Feldzun    1689    unter   Cmanuel    von   Bayern   Überraschte   der 

selbstilndin  operierende  F^rinz  Ludwig  von  Baden  mit  seinem  24000  Mann  starken 
Korps  bei  Jajjodina  die  beinahe  doppeltstarke  türkische  Mauptarmee.  Diese 
Klaubte  das  kaiserliche  Heer  noch  vor  Smedcrevo  und  vcriiess  im  ersten  Schrecken 
ihre  Position  mit  Verlust  des  Gepäckes.  Anhaltendes  Regenwetter,  das  den 
angeschwemmten  Moravaboden  unwegsam  machte,  hinderte  die  nachdrückliche 
Verfol(^unn.  Wilhrend  das  kaiserliche  Fussvolk  bei  dem  nahen  Batodina  ein 
verschanztes  Lager  errichtete,  zersprengte  die  Kavallerie  unter  Piccolomini  und 
Veterani  in  gliinzenilen  GeffchteM  auch  die  12000  Mann  starken  Rciterhaufen 
des  jungen  Tatarenclians,  welcher  dem  Heer  des  Grossveziers  voranzog.  Gedeckt 
durch  die  von  einem  Moravazufluss  verstärkte  Verschanzung,  nahmen  die  Türken 
dem  kaiserlichen  Lager  gegenüber  feste  Stellung;  durch  geschicktes  Manöverieren 
vertrieb  sie  jedoch  der  Markgraf  (30.  August)  und  jagte  sie  nach  Ni§.  3000  Türken 
fielen,  108  Geschütze,  1000  Kamele  und  das  ganze  Lager  wurden  erbeutet.  Auch 
im  folgenden  Jahr  blieb  Jagodina  ein  Hauptstützpunkt  der  kaiserlichen  Armee. 

Von  Jagodina  übersandte  1737  Marschall  Seckendorff  Österreichs  Kriegs- 
erklärung dem  überraschten  Pascha  von  Ni5.  Das  kaiserliche  Fussvolk  zog  auf 
der  alten  Heerstrasse  über  Grocka,  Kolari,  Batoc^ina,  Bagrdan,  die  Kavallerie  über 
Palanka  und  Jagodina  an  die  türkische  Grenze,  1 1  Tage  benötigte  man  zum 
Marscii  von  Belgrad  bis  Jagodina;  eine  lange  Zeit,  selbst  wenn  man  die 
damaligen  schlechten  Wege  und  die  grosse  Julihitze  in  Anschlag  bringt.  Im 
Kriege  Österreichs  und  Russlands  mit  der  Türkei  1789  stand*  Serbiens  christliche 
Bevölkerung,  wie  in  früheren  Jahren,  zugunsten  ihrer  Befreier  auf.  Ihr  bedeutendster 
Parteiganger,  der  in  Panjevac,  nördlich  von  Jagodina,  geborene  Kapetan  Koco, 
siegte  mit  den  kriegerischen  Umwohnern  in  vielen  Gefechten,  und  als  Oberst 
Mihailovid  nach  Belgrads  Einnahme  mit  einem  Freikorps  in  Jagodina  eintraf, 
eroberten  sie  auch  seine  Redoute.  Die  moslimischen  Stadtbewohner  flüchteten 
nach  Karanovac;  doch  nach  dem  Sviätover  Frieden  kehrten  sie  zurück. 

Nur  in  wenigen  Städten  Serbiens  wurde  der  Übermut  der  nun  noch  gewalt- 
tätiger auftretenden  Janitscharen  und  Dahien  stärker  empfunden,  wie  zu  Jagodina, 
und  in  keiner  begrüsste  man  1804  deshalb  gleich  freudig  Karadjordjes  Aufruf  zum 
Kampf,  trotzdem  Jagodinas  türkische  Besatzung  die  stärkste  nach  Belgrad  war.  Der 
gefürchlete  Mehemed  Focic  Aga  drohte,  das  „Heiduckennest"  bis  auf  den  Grund 
zu  zerstören.  Anfänglich  unterlagen  die  schwächeren  Insurgenten  der  feindlichen 
Übermacht,  bald  aber,  als  Karadjordjes  Scharen  sie  auf  vielen  Punkten  beschäftigte, 
nuissten  die  Türken  nach  einigen  verlorenen  Gefechten  Jagodina  räumen.  Als 
des  Sultans  Heer  1809  siegreich  auf  dem  rechten  Moravaufer  vordrang,  zündeten 
die  Jagüdinaer  selbst  ihre  Stadt  an,  um  sie  nicht  dem  Feinde  ausliefern  zu 
müssen,  und  sammelten  sich  gleichzeitig  in  der  am  Liparberg  angelegten  Schanze, 
aus  welcher  hervorbrechend  sie  die  anrückenden  Türken  derartig  schlugen,  dass 
diese  den  Rückzug  antraten.  Und  wieder,  als  der  Halbmond  1813  erneut 
Serbien  unterjochte,  versuchten  die  tapferen  Jagodinaer  mit  Hadzi  Prodans 
Scharen  seine  Befreiung.  Unter  den  Hunderten  deshalb  zu  Belgrad  gespiessten 
und   gehängten   Patrioten   befanden   sich   auch   viele   aus   dem   Belicagebiet.     Der 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Kru§evac.  609 

missglückte  Versuch  schreckte  nicht  von  neuen  ab.  1815,  als  Milo§  Obrenovic 
das  Serbenvolk  zum  Kampfe  aufrief,  errichtete  die  Rajah  des  „Crni  vrh"  bei 
Belica  eine  Schanze,  welche  der  den  Kragujevacer  Türken  aus  Cerim  Boinjak 
Paschas  Lager  bei  Jagodina  zum  Entsatz  gesandte  Tahir  Pascha  vergeblich  zu 
erstürmen  suchte.  „Flieht,  Djauren,  flieht!"  rief  er  ihren  Verteidigern  zu.  Da 
krachte  ein  Schuss,  sein  Pferd  stürzte,  und  nach  wütendem  Kampfe  flohen  die 
Türken.  Viele  blieben  auf  dem  Felde;  70  wurden  gefangen.  Die  Siegesnachricht 
ereilte  Milos,  als  seine  durch  Caja  Pascha  von  Cacak  hart  bedrängten  Leute 
kleinmütig  die  Schanzen  am  Ljubic  verlassen  wollten.  Nachdem  der  Bericht  laut 
verlesen  war,  rief  Milo§'  heroische  Frau,  die  spätere  Fürstin  Ljubica:  „Seht,  was 
die  Jagodinaer  getan,  und  was  tatet  ihr?  Bindet  Schürzen  um,  und  lasst  uns 
Weiber  in  den  Kampf  ziehen!"  Auch  weiter  bei  Cuprija,  Batocina  und  anderen 
Orten  zeichneten  sich  die  kriegerischen  Bewohner  des  Kreises  aus.  Ihr  festes 
Lager  auf  dem  Taboriste  war  der  Punkt,  von  dem  Milo5  die  Verhandlung  mit 
Maraäli  Pascha  einleitete,  welche  Serbien  für  alle  Zeit  von  der  unmittelbaren 
Türkenherrschaft  befreite. 


Ein  Kcit. 


Der  von  den  Jagodinaerii  in  s(.hv\ercM  'lagen  glänzend  betätigte  patriotische 
Oeist  erwarb  dem  Kreise  und  der  Stadt  Fürst  MiloS'  Sympathie,  und  er  suchte 
beide  materiell  zu  fiirdern.  Lange  vor  dem  Bau  der  Eisenbahnen  geschah 
manches  zur  Verbesserung  ihrer  Verbindung  mit  der  Sava  und  Donau.  1860 
wurde  auch  die  Strasse  von  Jagodina  nach  Smederevo  umgebaut,  und  man  konnte 
nun  mit  Benutzung  des  am  Morgen  von  Belgrad  nach  Smederevo  abgehenden 
Dampfers  Jagodina  in  einem  Tage  erreichen.  Die  während  der  Freiheitskriege 
stark  verwüstete  Stadt  wollte  sich  trotzdem  nur  schwer  erholen.  Mit  ihren 
vernachlässigten  Strassen,  niederen  Häusern  unil  armselig  aussehenden  Läden 
hätte  nian,  als  ich  es  18fi0  zum  erstenmal  lu-suchte,  ohne  die  Träger  von  Beainten- 
unifiirmen  nicht  erraten,  dass  es  der  Amtssitz  eines  Bezirkes  und  das  Adminislrations- 
zeiitiiiMi  eines  Kreises  von  67  Gemeinden  sei.  Nur  an  Markttagen  belebte  sich 
seine  breitr  ll.uiplstrasse  niii  beladenen  Wagen,  und  Hunderte  von  Lastpferden 
drängten  sich  unter  Anrufen  ihrer  Treiber  über  ilie  Belicabrücke.  Hier  und  dort 
versperrte  eine  Barrik.ide  \nn  /wiebeln  den  Weg,  mul  ganze  Wälder  schienen 
auf  der  WaiuhTsrhati  lH'};rilleii  Ich  s.ih  25  je  1<  m  lange  junge  Kichenstäninie 
um  3  d  ausiiieteii.  um!  selbst  dieser  l'reis  erschien  /u  hoch.  Das  Feilschen 
zwischen  Käufern  und  Verkäufern  erneuerte  sich,  wenn  der  Bauer,  von  Laden  zu 
Laden  wandernd,  seine  Hausbedürfnisse  kaufte.  Er  konnte  sie  wohl  alle  in  einem 
finden.  Denn  Handelsfreiheit  herrschte  in  Serbier;  überhaupt  und  zu  Jagodina 
insbesondere.     Hammelfleisch,  Sctuihleder,  Brot,  (ilaswaren,  Palronen,  (irabkreuzc. 

I      KANirZ,   Scrliioii  I  M» 


lilO  Von  Jn^ndinn  durch  die  Rclica  über  Kalcni(;  nach  Kru^vac. 

Teur,    Zwiebeln,    reifes,    noch    mehr   unreifes   Obst,    Riemen,   Schaffelle,   Kleider, 

BranntwulnflasclRii  und  lausend  Kleininkeilcii  fanden  sich  im  malerischsten  Chaos 
auf  oft  nur  3  qni  neben-,  auf-,  über-,  untereinander  K^-IcKt,  KL'hänßt,  ^jesteilt.  Üabei 
trieb  der  Kaufmann  noch  irgend  ein  Ncbengeschaft,  gewöhnlich  das  Schneidcr- 
iiandwerk.  In  Jajjodina  fand  selbst  der  weitKchcndste  Schwärmer  für  Handelsfreiheit 
seine  kühnsten  Träume  übertroffen. 

Rührend  war  es  für  mich,  einen  Bauer  den  ganzen  Erlös  für  zwei  mächtige 
fiichenstämme,  die  er  aus  mehrstündiger  Entfernung  zur  Stadt  gebracht,  für  ein 
kleines  Lesebuch  hingeben  zu  sehen.  Nur  mit  Überwindung  trennte  er  sich  von 
seinen  Piastern,  und  als  er  das  Buch  seinem  erwartungsvollen  Sprossen  ein- 
händigte, geschah  es  nicht  ohne  die  Ermahnung,  den  teueren  Schatz  wohl  zu 
nutzen.  Noch  kostspieliger  erschienen  aber  einer  alten  Bäuerin  die  Heilmittel 
der  nahen  Apotheke.  Als  ihr  ungeachtet  alles  Feilschens  an  dem  bestimmten 
Preis  nichts  abgelassen  wurde,  steckte  sie  das  ihr  vom  Kreisarzt  verschriebene 
Rezept  wieder  ein  und  empfahl  sich.  Dieses  Geschäft  lohnte  früher  im  Innern 
Serbiens  sehr  wenig.  Noch  1867  gab  es,  die  Handapotheken  der  Kreisärzte 
abgerechnet,  nur  zu  Kragujevac,  Sabac,  Smederevo,  Pozarevac  und  Jagodina 
vollständig  eingerichtete  Apotheken;  seit  kurzem  wurden  jedoch  solche  in  allen 
Kreisstädten  errichtet.  Jagodina  teilt  schon  lange  mit  Belgrad  den  Vorzug, 
ein  Dampfbad  zu  besitzen.  Von  Industrien  gedieh  seine  Bierbrauerei  besser  als 
die  von  Avram  Petronjevic  gegründete  einzige  Glasfabrik  Serbiens,  welche  1850 
von  der  Regierung  angekauft,  bald  aber  aufgelassen  wurde.  1860  war  Jagodina 
die  Residenz  des  in  den  politischen  Wirren  viel  genannten  Senats-  und  Minister- 
Expräsidenten  Stevca  AAihailovic.  Auf  der  Preobrazenska  Skupätina  machte  er 
1861  Versuche,  eine  Oppositionspartei  gegen  Fürst  Mihails  Reformen  zu  gründen, 
worauf  er  vom  Staatsdienst  zurücktrat.  Sein  Jagodinaer  Wohnhaus,  das  schönste 
der  Stadt,  kostete  die  für  Serbien  zu  jener  Zeit  bedeutende  Summe  von 
6000  Dukaten.  Im  September  1888  starb  er  zu  Belgrad  und  wurde  auf  könig- 
lichen Befehl  mit  militärischen  Ehren  begraben. 

Aus  der  Carsija  führt  eine  Seitenstrasse  zur  einzigen,  an  die  türkische 
Herrschaft  mahnende  Moschee,  deren  Friede  nur  durch  im  Sparrenwerk  der  Kuppel 
nistende  Dohlen  gestört  wird.  Der  schöne  Bau  mit  prachtvoll  oxydierten  Quadern- 
und  Backsleinlagen,  wahrscheinlich  derselbe,  den  Baron  v.  Wratislaw  nebst  einer 
zweiten  Moschee  mit  Marmorbrunnen  1591  erwähnt,  zeigt  sehr  hübsche  Verhältnisse. 
Die  Hauptfassade  mit  reich  profiliertem  Eingang  übertrifft  an  geschmackvoller 
Dekorierung  jene  der  einstigen  Belgrader  Batal-Dzamija,  und  die  durch  reizend 
gebrochene  Prismen  gezierte  Minarett-Galerie  wirkte  pittoresk.  Leicht  konnte  man, 
ähnlich  wie  es  in  Spanien  geschah,  das  schöne  A\onument  in  eine  stilvolle 
Kirche  umgestalten.  Die  Jagodinaer  schwärmten  aber  für  einen  grossartigen 
Neubau,  den  ich  auch  wirklich  1897  in  Ausführung  traf.  Die  vom  tüchtigen  Archi- 
tekten Dusan  Zivanovic  im  byzantinischen  Stil  mit  fünf  Kuppeln  und  einem  isolierten 
Glockenturm  entworfene,  ohne  die  innere  Ausstattung  nahezu  190000  d  kostende 
Kirche  wurde  1899  den  Heiligen  Peter  und  Paul  zu  Ehren  geweiht  und  dominiert, 
schon  von    der  Eisenbahn   sichtbar,   die   Stadt,   wie   früher   die   jüngst  restaurierte 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Kruäevac. 


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Moschee.  An  ihr  Minarett,  dessen  Spitze  man  durch  eine  bescheidene  Metaili<appc 
ersetzte,  i<nüpft  sich  eine  Tradition,  die  als  Beweis  der  besonnenen  Klugheit  erzählt 
wird,  wie  Fürst  Milos,   bei  allem  nationalen  Eifer,  doch 
die  Empfindlichkeit  der  Türken  zu  schonen  verstand. 

Vertragsmässig  sollten  die  Dzamijen  nach  ihrem 
Abzug  aus  Serbien  nie  zu  Kirchen  oder  zu  Profanzwecken 
verwendet,  sondern  dem  natürlichen  Verfall  überlassen 
werden.  Im  ersten  Siegestaumel  vergassen  jedoch  die 
Serben  diese  Bestimmung.     Wie  einst  die  Moslims  ihre 


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JAtiiilUNA,   Die  niMit  Kirche. 


Kirciicn,  vsdlllrn  sie  nun  iliren  verlassene  Diamijen  in  Magazine  usw.  umgestalten. 
.Auch  das  jagiHJinaer  Minarett  war  schon  halb  abgetragen,  als  die  von  dem 
SakrilegiuMi  iiiUeiulen  Belgrader  Türken  beim  Sultan  darüber  klagten.  Von  Kon- 
stantinopel befragt,  leugnete  Fürst  MiloÄ  glattweg  die  Tatsache,  und  bis  der 
„javaä"  (reisende  Kommissar)  eintraf,  war  das  Minarett  auf  MiloJ'  Befehl  wieder 
hergestellt  worden  (!).  Nun  blickt  es  staunend  auf  die  „aleS  araba"  (Feuerwagcn). 
welche  auf  dem  hart  vtirüberziehenden  „Teufelsweg"  wie  die  Türken  unsere 
Bahnen    iieimen  J.igoilina    mit    Belgrail    mul    Ni.^  verbinden   und  erz.'thlt  dem 

39* 


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Voll  Jn^odina  durch  die  Bclica  über  Kalcni^  nach  Kruicvac. 


Ankfimnilinn,  wenn  er  vom  kleinen  Bahnhof  durch  die  neu  annelejjtc  Strasse  der 
Stadt  /uschreitet,  mit  den  nahen  Ruinen  der  einstigen  „Palanka".  dass  hier  vor 
kaum  HO  Jahren  Serbiens  zweiturosstes  moshmisches  Gemeinwesen  stand.  Der 
verlassene  festnefütjte  Allahtcmpel  trotzte   auch  ein   Bild    türkischer   Zähigkeit 

—  dem  hefti(ien  lirdbeben  vom  8.  April  1893,  das  viele  jüngere  serbische  Gebäude 
verwüstete  und  den  Ja^odinaer  Kreisrichter  CJavrilo  Jovanovic  unter  den  Trümmern 
des  eif^enen   Hauses  begrub. 

Seinen  alttUrkischcn  Namen  trJlKt  noch  der  „Di^ambäs  han",  in  dem  ich  im 
Oktober  188H  abstie^^.     1860  gab  es  zu  Jagodina  nur  elende,  schmutzige  Mehanen, 


JAOODINA,  .Moschee. 


jetzt  bewohnte  ich  ein  freundliches  Zimmer  im  ersten  Stockwerk.  Der  anstossende. 
einige  Wochen  zuvor  abgebrannte  Ducan  wurde  von  Maurern  aus  Altserbien 
aufgebaut,  deren  Werkzeuge  und  bautechnisches  Geschick,  beeinflusst  durch  die 
verschiedenen  Balinbauten,  bei  welchen  sie  neben  occidentalen  Werkleuten 
arbeiteten,  sich  auffällig  verbessert  hatten.  Dies  zeigt  sich  allerorts  in  dem  rund 
von  4700  Seelen,  darunter  16  Btihnien,  18  Ungarn,  85  Deutsche,  161  christliche 
und  25  niosliniische  Zigeuner,  in  914  Hiiuseni  bewohnten  Städtchen.  1885  Hess 
die  Kommune  einen  Plan  ausarbeiten,  nach  dem  man  die  nahe  vorüberfliessende 
Belica,  über  welche  drei  Brücken  führen,  und  einige  Strassen  regulieren,  dann  ein 
neues  Gymnasium  usw.  erbauen  wollte,  sobald  ihre  bei  der  „uprava  fondova" 
angelegten  und  dem  Kreis  für  den  Spitalbau  vorgestreckten  Summen  von  beiläufig 
840000  d  flüssig  würden.  Doch  schon  das  Geleistete  genügte,  um  Jagodinas 
Physiognomie  gegen  jene  von  1860  auffällig  zu  verändern.  Die  1818  geweihte 
Sv.  Gavrilkirche  erhielt  1872  einen  Glockenturm,  das  alte  Nacelstvo  fand  ich 
vermietet,    im    angekauften    Stevcahaus    wurde     das    Bezirksamt    und     nach    der 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  KruSevac. 


«13 


Auflösung  des  Kreisamts  in  seinem  netten  Gebäude  das  Lehrerseminar  eingerichtet. 
Das  neue  Stadthaus  und  Postgebäude  sind  wohl  klein,  aber  zweckentsprechend, 
die  frühere  Mädchenschule  wurde  dem  1894  schon  8  Lehrer  und  200  Schüler 
in  4  Klassen  zählenden  Untergymnasium  provisorisch  eingeräumt;  für  die  1817 
begründete  Volksschule  aber  ein  Neubau  aufgeführt,  welcher  der  Stadt  zur 
Ehre  gereicht. 

Minder  gut  sieht  es  mit  dem  Bildungswesen  im  Kreise  aus.  Der  Bezirk 
Belica  (49  Orte  mit  2998  Häusern  und  16227  Seelen)  besass  1874  neben  5  Kirchen 
und    I    Kloster  nur  4  Schulen  und  346  des  Lesens   und  Schreibens  Kundige;  der 


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Kloster  Svcti  Nikul.i. 


Levacker  Bezirk  (52  Orte  mit  4013  Häusern  und  23569  Seelen)  neben  8  Kirchen 
und  2  Klöstern  nur  10  Schulen  und  674  Schriftkundige;  der  Bezirk  Temnic 
(43  Orte  mit  47K6  Häusern  und  26388  Seelen)  neben  7  Kirchen  nur  12  Schulen 
und  872  Scliriflkundige.  An  sämtlichen  24  Volksschulen  unterrichteten  34  Lehrer 
1005  Knaben;  und  selbst  Jagodinas  einzige  Mädchenschule  mit  3  Lehrerinnen 
war  (1880)  nur  von  91  Zöglingen  besucht')-  Diese  Zahlen  haben  sich  wohl 
seither  günstiger  gestaltet.  Immer  ist  es  aber  noch  schwierig,  die  Cndres  der 
2  Bataillone  1.  inul  II.  Klasse,  welche  diese  Bezirke  stellen,  mit  vollkommen 
schriftkinnlii;en  Unteroffizieren  zu  füllen.  Jagodina  ist  nur  Sitz  des  Ergänzungs- 
Kommandos  des  11.  i^alaillons  des  Cuprijaer  F^egimenls.  Das  mililärisclie  Rlemenl 
ist  in  der  Stadt  kaum  sichtbar,  es  gibt  dort  nur  6  Offiziere  und  30  Soldaten;  stärker 
das  bureaukratische.  Von  Doktoren  fungiert  ein  Pole  als  Kreisarzt,  ein  Flusse  als 
Stadtphysikus  und  ein  Deutscher  als  VelerinärarzI;  der  Apotheker  Anton  CohaC 
ist  ein  TscIutIic,   der   seine   Offizin    im    elegantesten   Wiener   Stil  einrichtete   imd 


')  J()v;in  Miskovii-,  Kr.itkiopis  Janoilins  kon  okru|>.i.     Cilasnik.  Hd.  Ii4.  ISHTv 


'il  I  Von  Ja)i<>din<i  durch  div  Bclica  über  Kalcnii'  nach  Kru6c-vac. 

sich  durch  FIciss  das  schönste  Privatucbaudc  erwarb.  Die  1895  über  8  Mili.  d 
uinsel/LMule  Sparkasse  erweist  sich  l)ei  Neubauten  sehr  nützlich;  einige  Kaufleute 
besitzen  sehr  hübsche  Hauser,  die  handelsbeflissene  Ju(;end  in  der  Hauptstrassc 
ein  Kasino,  in  dem  viele  Journale  ausliefen  und  Vorträge  gehalten  werden. 

Die  Jagodinaer  sehen  sich  gern  die  Welt  an;  sieben  waren  in  Amerika,  und 
es  scheint,  dass  sie  etwas  von  dem  Krwerbsdrang  der  Yankees  mit  nach  Hause 
brachten.  Der  MaiuifakturhaiKiler  Tanäanovic  gilt  mit  etwa  einer  halben  Million 
Dinar  als  Stadikrösus,  dann  folgt  der  Schweinezüchter  Bato^inac  u.  a.  Bodcnbau 
treiben  mehr  nur  215  Bewohner.  Dagegen  ist  der  Orossviehhandel  noch  so 
bedeutend,  dass  die  Strassen  am  H.  August  und  13.  Oktober  kaum  gangbar  sind. 
Das  ist  auch  die  goldene  Zeit  für  die  108  Gast-  und  Kaffeewirte  der  Sladt, 
sowie  ihrer  zahlreichen  Läden,  in  welchen  die  fortschreitenden  Arbeiten  heimischen 
Fleisses  gleich  von  ihren  Erzeugern  verkauft  werden.  Da  sind  die  berühmten 
Messerschmiede,  deren  Fabrikate  an  Zierlichkeit  der  mit  Metall  inkrustierten  weissen 
Beingriffe  den  besten  bosnischen  und  bulgarischen  nicht  nachstehen.  Auch  die 
Verfertiger  von  Pferdeglocken,  Hanfwaren,  Stricken,  Netzen  usw.,  dann  die 
„niutavdzija",  welche  aus  Ziegenwollc  gute  pokrovci  (Pferdedecken),  Futtersäcke, 
Gurten,  ordinäre  Teppiche  usw.  weben,  sind  wie  die  Schneider,  Schuhmacher 
und  Töpfer  ausschliesslich  Serben.  Für  ihren  Unternehmungsgeist  spricht,  dass 
sich  ein  heimischer  Schlosser  der  Herstellung  von  Hebelwagen  nach  neuestem 
System  bemächtigte.  Hingegen  verfertigen  Möbel  und  bessere  Tischlerarbeiten 
nur  zwei  höhmische  und  ein  ungarischer  Tischler.  Jagodinas  neu  entstandene 
industrielle  Ftabiissements  liegen  meist  in  der  Richtung  des  Djurdjevo  brdo. 
Oben  zeitigt  er  trefflichen  roten  und  weissen  Wein,  die  in  seinen  Hang  hinein- 
gebauten Keiler  bergen  aber  das  dunkle  „Kosovo"  und  helle  Moravanass  des 
Brauers  Kosovjlani,  der  in  Böhmen  tüchtige  Kenntnisse  erwarb.  Sein  Bier  ist 
in  Belgrad  sehr  beliebt;  dort  kostet  das  Glas20para,  der  Liter  71  para  35  Kreuzer. 
Nördlicher  erscheinen  Schlote  der  Danipfniühlen  von  Djordjevic  und  Mitrovic, 
auch  eine  Ledergerberei  etablierte  sich  hier,  und  eine  grosse  Ziegelschlägerei 
verarbeitet  den  trefflichen  Ton  dieses  Berges,  dem  ein  von  Djuro  Brankovic 
gestiftetes  Kirciiiein  den  Namen  gab,  zu  Ziegeln,  von  welchen  das  Tausend 
12  d  kostet.  Das  gute  Material  v\urde,  wie  Mauerspuren  zeigen,  schon  von  den 
Römern  und  auch  in'i  Mittelalter  ausgebeutet. 

Jagodinas  grösste  Sehenswürdigkeit  bildet  aber  zweifellos  die  unter  der 
Firma:  „Lacko  Jankovic  i  sin"  seit  20  Jahren  wieder  betriebene  Glasfabrik.  Über 
die  Kamenabrücke  gelangte  icii  an  ein  Konglomerat  kleiner  Gebäude,  in  deren 
grösstem  an  einem  Kuppelofen  mit  6  Herden  ungarisch-slovakische  Arbeiter  ver- 
schiedenste Gegenstände  blasen.  Jeder  Herd  beschäftigt  1  Former,  1  Bläser  und 
serbischen  Lehrling,  in  einoin  zweiten  Häuschen  befindet  sich  die  mit  einer 
Dampfniascliine  verbundene  Schleiferei,  in  welcher  8  Deutschböhmen  feinere 
Ware,  Briefbeschwerer,  Oktaeder,  dann  Mattschliffe,  Ornamente  usw.  auf  Gefässe, 
Schüsseln,  Lampenkugeln  usw.  sorgsam  ausführen.  Die  besten,  grossenteils 
bestellten  Objekte  wandern  hinüber  in  das  Atelier  eines  deutschen  Malers,  der 
sie    mit    Goldrändern,    schimmernden    Perlbändern.     Ornamenten.    Namenszügen, 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Krusevac.  615 

Wappen  ziert.  In  anderen  Räumen  sind  ein  Drechsler  mit  dem  Anfertigen  der 
Formen  aus  Buchenholz,  ein  Töpfer  mit  dem  Herrichten  der  feuerfesten  Tiegel 
und  ein  Schmelzer  mit  der  Herstellung  des  für  Primaware  bestimmten  Glas- 
materials beschäftigt.  Der  verwendete  Quarz  steht  an  der  Belica  in  bester  Sorte 
an  und  wird  gleich  in  der  dortigen  Mühle  pulverisiert;  die  einzige  Pottasche  in 
Serbien  wird  für  die  Fabrik  in  den  nahen  Wäldern  erzeugt.  Im  Ganzen  fand 
ich  neben  22  fremden  18  heimische  Arbeiter,  gegenwärtig  schwankt  der  Stand 
zwischen  60—70.  Die  fertige  Ware,  meist  kurante  Bauernartikel,  sendet  man, 
sorgfältig  in  Stroh  verpackt,  in  die  Landstädte;  feinere  und  die  teuersten  Erzeug- 
nisse, soweit  sie  nicht  bestellt,  darunter  Kompottbüchsen,  Krüge,  Pokale,  Bier-, 
Wein-,  Likörgläser  usw.,  an  die  Belgrader  Hauptniederlage  der  Brüder  K.  Cirkovic 
(Vuk  Karadziceva  ulica),  wo  sie  guten  Absatz  finden. 

Bis  zu  Fürst  Milo§'  zweiter  Regierung  (1858)  residierte  zu  Jagodina  Tasa 
Ivanovic  Haradzija,  das  politisch-richterliche  Oberhaupt  sämtlicher  christlichen 
Zigeuner  Serbiens,  die  in  Städten  und  Dörfern,  wie  teilweise  noch  heute,  eigene 
„mahala"  (Viertel)  bewohnten.  Vorüber  an  dem  Haus  des  bei  dem  Fürsten 
Karadjordjevic  in  hohem  Ansehen  gestandenen  Zigeunerhäuptlings  und  an  der 
weissen  „barutana"  (Pulverturm)  ging  es  durch  den  tiefen  Lehmeinschnitt  von 
Medjurec  über  bebaute  Höhen  zum  9  km  westlich  in  waldreicher  Schlucht 
liegenden  Licblingsort  der  Jagodinaer,  Kloster  Josanica,  das  von  prächtigen 
Buchen-  und  Eichenhainen  lauschig  umschlossen  wird.  Mitten  durch  diese  braust 
die  vom  höchsten  „Babin  grob"-Gipfel  des  Crni  vrh  (648  m)  abströmende  klare 
Joäanica,  welche  mit  dem  eintönigen  Gang  der  Klostermühle  die  lautlose  Stille 
unterbricht.  Im  Zentrum  des  von  riesigen  Nussbäumen  beschatteten  Vorhofs 
erglänzen  die  vergoldeten  Kuppelkreuze  des  Sv.  Nikola-Kirchleins;  links  erhebt 
sich  ein  dreigeschossiger  hölzerner  Glockenturm,  das  Ganze  schliesst  gegen  W. 
ein  mit  seiner  Freitreppe  und  Galerie  an  Tiroler  Holzbauten  mahnendes,  stock- 
hohes Gebäude  ab.  Auf  dieser  empfing  uns  der  den  abwesenden  iguman 
vertretende  Kaludjer  Vicentije,  ein  ehemaliger  Kaufmann,  der  das  Bedürfnis  nach 
geistiger  Einkehr  empfunden.  „Ach,  wie  ruhig  Hesse  es  sich  hier  leben,  wenn 
uns  die  Heiducken  am  Crni  vrh  nicht  fortwährend  bedrohten!"  Wir  trösteten 
ihn,  dass  am  Tag  zuvor  der  Nacelnik  Lazar  Petrovic  mit  8  Panduren  gegen  sie 
ausgezogen;  er  hielt  aber  die  Räuber  für  schlauer  und  erwartete  wenig  Erfolg 
von  dem  Streifzug,  dessen  Resultat  in  Wirklichkeit  gleich  Null  war. 

Von  JoSanicas  Kirche  geht  die  Sage,  Zar  Lazar  habe  sie  erbaut,  um  sich 
in  derselben  mit  Milica,  einer  Tochter  aus  dem  Nemanjuhaus.  trauen  zu  lassen. 
DeniiKKli  st.iiinnte  sie  aus  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts.  Sie  hatte, 
gleich  dem  alten  Kloster,  namentlich  während  der  ersten  Freiheitskämpfe  viel  zu 
leiden;  dieser  unter  der  Regierung  des  Sultans  Abdul  Ahmed  (178())  renovierte 
Hau  stand,  wie  Rudnnenle  zeigen,  bis  IHi;<  links  von  der  Chorapside.  In  jenem 
Jahre  überlieleii  die  Türken  am  Saborlag  (velika  gospornja)  das  herbeigesirömic 
Volk  und  legten  Feuer  an  das  Haus,  weil  die  Geflüchteten  von  dort  auf  sie 
schössen  Bald  darauf  erbaute  man  den  heutigen  Konak.  in  dessen  stillen  KAuinen 
iMi   Soininei    1  s I ."i  AhgesaiuKe   Maraäli   Paschas,  darunter  der  NiScr  Bischof,   mit 


•  iHi  Von  JnK'*dina  durch  die  Bclica  über  Kalcnid  nach  Kruicvac. 

den  von  Milu^'  Bruder  Jovan  geführten  Häuptern  des  serbischen  Aufstandes  über 
seine  (riedliche  Schlichtung;  berieten.  Trotzdem  wtitete  der  Kampf  fort,  und  als 
er  für  die  Serben  ullicklich  endete,  schenkte  Kürst  Milos  dem  Kloster  zwei 
Glocken,  zu  welchen  dessen  Tutoren  eine  dritte  stifteten.  Die  vor  65  Jahren 
^jründlich  erneuerte  Kirche  wurde  IH79  vom  Nastojatel  Teofan  renoviert;  den 
Konak  verKrösserte  IH35  der  inuinan  Arsenije  durch  einen  hübschen  Vorbau. 
Das  Kirchlein  besitzt  ein  26  m  langes  und  7  m  breites  Lan^schiff  mit  Chorapside, 
einer  ^f'^sseren  oktoKonalen  Kuppel  über  dem  Hauptraum  und  eine  kleinere  über 
dem  Narthex,  dem  ein  10  m  lanj^er  zweiter  anKefü).;t  wurde.  Die  Nordfassade 
wird  von  aussen  durch  3  urosse  Kundbonenfelder  belebt,  ebenso  die  Südseite, 
;iii  welcher  eine  Tiir  iiiui  eirei  Fenster  eingeschnitten  wurden;  der  Haupteingang 
befindet  sich  an  der  Westseite.  Das  Innere  ist  weiss  getüncht;  nur  in  der  durch 
vier  f-'enster  erleuchteten  Hauptkuppel  blieb  ein  etwa  20  cm  breiter,  alter  Kreskenstreif 
erhalten.  Unter  der  Kuppel  wurde,  gegen  alles  Herkommen,  die  neue  Ikonostasis 
angebracht,  welche  der  Maler  llija  Dimitrijevic  aus  Neusatz  1864,  im  Auftrag 
des  Stifters  Radisav  Milutinovic  aus  Belica,  fertigte.  Auch  das  Plattenpflaster, 
die  beiden  schmiedeeisernen  Kerzenträger,  die  böhmischen  Glaslustres.  der  hölzerne 
Altartisch  samt  Kreuzen  und  Büchern  sind  neu.  Von  den  die  Kirche  umgebenden 
alten  Grabstätten  fiel  mir  auf  jene  des  Wojwoden  Miloje  Teodorovic  aus  dem 
nördlichen  Nachbardorf  Crnca,  der  sich  in  den  Freiheitskämpfen  auszeichnete 
und  1H32  als  Senator  starb,  unter  den  neueren  jene  des  llija  Jakobljevic,  der 
durch  32  Jahre  als  Pfarrer  im  südöstlichen  Dragocvet  wirkte.  Der  aus  grauem 
Marmor  mit  Säulen  und  vergoldetem  Weinlaub  ihm  zu  Ehren  gestiftete  sehr 
hübsche  Grabstein  erinnert  an  römische  Vorbilder  und  zeigt  unter  einer  vergoldeten 
Trauerweide  das  umrahmte  ph(>t(Ji;raphische  Porträt  des  Popen.  Diese  in  die 
serbischen  Berge  verpflanzte  Neuerung  setzte  mich  in  nicht  geringes  Erstaunen; 
sie  hat  hier  jedenfalls  eine  grössere  Berechtigung  als  im  Occident,  wo  es  Bild- 
hauer genug  gibt,  die  den  Toten  in  würdigerer  Weise  verewigen  können. 

Joäanica  zählt  zu  den  wohlhabenderen  serbischen  Klöstern.  Sein  Sprengel 
umfasst  9  Orte  mit  etwa  2000  Seelen,  sein  Immobilienbesitz  14  Hektar  Felder 
und  Wiesen,  7  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  765  Hektar  Wald.  Da  alljährlich 
ein  Überschuss  von  3000  d  bleibt,  verfügt  das  Kloster  über  ein  Barkapital  von 
12000  d.  Seine  Weinberge  liegen  auf  den  tertiären  sonnigen  Lozovikhöhen. 
Auch  in  der  Umgebung  wächst  trefflicher  Wein.  Es  herrscht  hier  der  Brauch, 
dass  die  Weinbauern  am  hl.  Tryphontag  (13.  Februar)  in  den  Weinbergen  sich 
gegenseitig  schwören,  kein  Wasser  in  den  neuen  Wein  zu  giessen.  Warum  der 
hl.  Tryphon  zum  Schutzpatron  der  serbischen  Weingärten  erwählt  wurde,  vermochte 
mir  der  an  uns  auf  dem  Rückweg  vorüberreitende  Klosterabt  Joanikije  nicht  zu 
sagen.  Als  Familienpatrone  (svecari)  werden  sonst  im  Jagodinaer  Kreis  mit 
Vorliebe  die  Heiligen;  Nikola,  Jovan,  Djordje  und  Sv.  Arandjel  gewählt >)• 

Der  Wunsch,  den  landschaftlich  prächtigen  Süden  des  Jagodinaer  Kreises 
mit  den  berühmten  Klöstern  Kalenic  und  Ljubostinja  kennen  zu  lernen,  bestimmte 


')  Jovan  Miskovic,  a.  a.  O. 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Kruievac.  617 

mich  am  13.  Oktober,  mein  Ziel  über  das  an  historischen  Punkten  reiche 
Beiicagebiet  zu  richten.  Die  neue  Kragujevacer  Strasse  ist  vortrefflich;  was  aber 
mein  Betjieiter,  Ingenieur  Milosav  Paviovic,  erzählte  und  ich  selbst  sah,  war  nicht 
heiter  stimmend.  Mit  uns  zogen  in  dem  6  km  von  Jagodina  entfernten  Dragocvet 
vier  durch  schwere  Eisen  aneinandergefesselte  Verbrecher  ein,  welche  zwei 
berittene  Panduren  zur  Zwangsarbeit  in  das  Kragujevacer  Arsenal  führten.  Kurz 
zuvor  hatte  der  verabschiedete  Korporal  Sima  Devojevic  aus  Rudnik  mit  einem 
Montenegriner  und  vier  Gefährten  einen  Bauer  aus  Lozovik  ermordet,  weil  er 
sich  mit  seiner  Hacke  gegen  die  ihn  plündernden  Gesellen  wehrte,  und  zwischen 
den  zahlreichen  Bauern,  die  im  buntesten  Aufzug  zu  Wagen,  zu  Fuss  und  zu 
Pferd  allerlei  Bodenerzeugnisse,  zwei-  und  vierfüssiges  Vieh  zum  Jagodinaer 
Markt  führten,  befand  sich  zufällig  auch  jener  reiche  Mann  aus  dem  hart  an 
unserer  Strasse  liegenden  Slatina,  den  dieselbe  Bande  in  humoristischer  Weise 
brandschatzte.  Zuerst  forderte  sie  schriftlich  die  Zusendung  von  50  Dukaten; 
er  unterliess  dies,  warb  einige  Bauern  zur  Bewachung  seines  Gehöftes  und 
wähnte  sich  nun  sicher.  Da  erschienen  die  Räuber  plötzlich  am  hellen  Tag, 
befahlen  den  Wachen  kurz,  ihre  Gewehre  an  den  Hofzaun  zu  hängen,  drangen 
ein  und  forderten  von  dem  erschreckten  Stamenko  nun  200  Dukaten.  Während 
er  sie  zuzählte,  höhnte  ihn  Sima,  dass  er  sich  unnütze  Auslagen  für  Wächter 
gemacht,  die  nicht  einmal  gewagt,  ihn  zu  schützen.  „Hättest  Du  gleich  das 
erste  Mal  bezahlt,  wärest  Du  billiger  gefahren!"  rief  er  und  verschwand  mit 
seinuii   Leuten. 

liiner  unserer  vier  gefesselten  Reisekollegen  mit  Falkenaugen,  energischer 
Nase  und  aufgedrehtem  Schnurrbart,  der  aus  einer  Rolle  einige  Zehnparastücke 
für  die  geleerten  Gläschen  Rakija  dem  Hanburschen  hinlegte,  schien  mir  trotz 
seiner  Eisenringe  gefährlich.  Der  Nacelnik  war  am  Vorabend  von  seiner 
Räubersuche  resultatlos  zurückgekehrt.  Wenn  Sima  von  seiner  Hochwarte  der 
verurteilten  Kameraden  ansichtig  würde,  sie  befreite,  welche  Stückchen  könnte 
er  mit  den  erprobten  Mordgesellen  ausführen?  Diese  Frage  beantworten,  wäre 
gleichbedeutend  mit  sofortigem  Aufgeben  meines  Eindringens  in  das  verrufene 
Crni  vrh-üebiet  gewesen.  Niemals  zurück!  Ich  liess  alles  nutzlose  Grübeln  und 
wandte  mich  der  prächtigen  Landschaft  zu. 

Über  dem  jungen  Wald  des  links  bleibenden  niederen  Celijan  tauchten 
süd(')stlich  die  diuiklen  Kuppen  des  |uor  und  die  ferne  Rtanjspitze  auf;  das  grosse, 
stark  gewellte  llügelvurUuul  des  Crni  vrh  bedecken  gegen  N.  nur  an  wenigen 
l'imktrn  durch  kleine  Wäldchen  getrennte  Kulturen  mit  rotdachigen  Gehöften. 
Wir  fuhren  durch  die  brückenlose  Belica,  hielten  am  trefflichen  Quellbrunnen 
der  Mehana  bunarska  und  sahen  am  rechten  Bachufer,  mi  S.  von  Belica,  seine 
berühmte  Schan/c.  Im  J.ilue  IH()4  lagerte  die  serbische  Haupischar  zwischen 
dem  nordwestlichen,  442  m  hohen  Golo  brdo  und  der  Gola  Cuka  (378  m).  Das 
Aussehen  der  folgenden  Slatina -Mehana  stimmte  ganz  zu  den  Heiduckensircichcn. 
welche  sich  in  ihrer  Nahe  abspielten.  Auf  ilem  hier  nach  dem  Suguhinsko 
polje  ahbiegenilcn  Weg  stehen  viele  rohe  Steinblöcke,  unter  welchen  gefallene 
Moslims   ruhen       Im    l'reiheitskrieg    war    der    Crni    vrh    der    Schauplatz    blutigen 


ßl8  Von  JaKodina  durch  die  ßclica  Über  Kalcni(^  nach  KruiU:vac. 

Ringens;  Tanas  Rajiö  sperrte  mit  2000  erlesenen  Suniadijern  dem  aus  Jagodina 
mit  12000  (?)  Krdzalijen  hervorgebrochenen  GuSanac  Ali  den  Weg  nach  Kragujcvac. 
Nur  WL-nige    Türken  sollen  Jagodina  erreicht  haben. 

Tiefer  unten  im  Tal  gelangten  wir  auf  Fürst  MiloS'  grosses  Lagerfeld 
„TaboriSte"  vom  J.  1815.  Hier,  im  von  der  gleichnamigen  Bachader  durch- 
rieselten Maisfcld  des  Ljubomir  MIadenovic,  ruhte  er  unter  einem  Apfelbaum, 
inniilteri  seiner,  von  den  erprobten  Wojwoden  Knez  LevaCki  llija  Vukomanovi<^, 
j-ilip  Studenicanin,  Milica  Drobnjak,  Pisar  NeSa  u.  a.  befehligten  Vojska.  Die 
Stelle  ist  durch  einen  1,70  in  hohen  Saiulsteinblock  gekennzeichnet.  Im  Sommer 
1861  liess  sich  Kürst  Mihail  die  Statte  zeigen  und  schenkte  dem  Hirten  aus  dem 
südlichen  Ratkovac,  der  ihn  mit  Khitenspiel  unterhielt,  zwei  Dukaten.  Wir 
hörten  dies  von  einem  Hirtenjungen,  der  uns  für  ein  kleineres  Bakschisch  am 
Gradski  potok  nach  N.  aufwärts  durch  prächtigen,  Dolna  Sugubina  gehörenden 
Fiichcnwald  zum  auf  492  m  hoher  Kuppe  stehenden  „Jerinin  grad"  mit  antiken 
RuiliniLiitL'n  iirnchte.  An  diesem,  wie  auch  ein  in  der  Umgebung  gefundener 
bronzener  Gladiator  zeigt,  schon  zur  Römerzeit  benutzten  Weg  errichtete  Miloi' 
auf  den  Taboriätehöhen  gelagerte  Hauptmacht  keine  Schanzen,  sondern  nahm, 
gedeckt  durch  starke  Verhaue  im  dichten  Walde,  die  Strasse  an  so  vielen  Stellen 
unter  Feuer,  dass  die  Forcierung  der  nach  Jagodina  führenden  Strassen  türkischer- 
seits  aufgegeben  wurde.  Aus  diesem  trefflich  gewählten,  leicht  zu  verteidigenden, 
aber  schwer  angreifbaren  Lager  begab  sich  Milos  zu  Marasli  Pascha  nach  Cuprija 
und  wusste  ihn  zur  Vermittelung  eines  friedlichen  Übereinkommens  zwischen  dem 
Sultan   und  seinen  Serben  zu  bestimmen. 

Von  unserer  interessanten  Exkursion  auf  die  neue  Strasse  zurückgelangt, 
bogen  wir  iici  der  verlassenen  Ericska  Mehana  südlich  nach  Pcelice  ab.  Wohl 
I  Stunde  währte  es,  bis  wir  auf  denkbar  niederträchtigstem  Weg  dieses  385  m 
hoch  liegende  Dorf  erreichten,  von  dessen  alten  Bauten  Milicevic  soviel  Lockendes, 
leider  aber  Fabuloses  kritiklos  mitteilte.  Beispielsweise  war  schon  viele  Jahre 
vor  dem  Druck  seines  „Srbija"  die  (S.  182)  besprochene  Kirchenruine  am 
Raietinacbach  verschwunden;  denn  aus  ihrem  Material  hatte  Jovo  Rakic  ein 
der  Sv.  Petka  geweihtes  Gotteshaus  erbaut,  in  dem  der  Pcelicer  Pope  dreimal 
jährlich  die  Liturgie  liest  und  den  Sabor  am  Petrvo  dan  festlich  begeht.  Und 
wie  stand  es  mit  deirt  Kloster  Denjkovica,  dessen  Kuppel  —  „wie  die  Leute 
sagen,  so  hoch  war,  dass  man  sie  von  Jagodina  und  Kragujevac  erblickte"!  (?) 
Musste  es  nicht  hochromantisch,  ähnlich  wie  Ostrovica,  auf  einem  Spitzberg  des 
Tatarnazuges  gelegen  haben?     Gerade  das  Gegenteil! 

Als  ich  am  nächsten  Morgen,  begleitet  von  dem  Knieten  Vuk  Milosevic, 
durch  Pcelicas  Gehöfte  hinüber  zur  südlichen,  von  bewaldeten  Höhen  eng 
unischlnssencn  Diilenska  ritt,  hielt  er  dicht  bei  der  Mühle  des  Milenko  Mitrovic, 
von  welcher  wenige  Meter  über  dem  Bachrand  die  Reste  eines  aus  Felsblöcken 
erbauten,  nicht  16  m,  sondern  nur  9  m  langen,  4,30  m  breiten  Kirchleins,  ohne 
erkennbaren  Narthex,  lagen.  Im  kleinen  Altarraum  stand  der  zierlich  gemeisselte 
Fuss  eines  Marmortisches,  dessen  zertrümmerte  Platte  einen  Kelch  erkennen  liess. 
Ein  etwa  siebzigjähriger  Feldahorn  überschattete  die  von  Gebüsch  durchwachsenen 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  KruSevac.  619 

kaum  meterhohen  Rudimente.  Etwas  südlicher  sind  auch  Mauern  eines  Konaks 
sichtbar,  in  dem  jener  Bischof  gehaust  haben  soll,  der  wegen  seines  bei  Raletinac 
verborgenen  Geldes  von  Räubern  erschlagen  wurde.  —  „Glaubt  Ihr  wirklich,  die 
Kuppel  dieses  zerstörten  Kirchleins  sei  bis  Jagodina  und  Kragujevac  sichtbar 
gewesen?"  —  „Herr!"  erwiderte  der  Kniet,  „so  dumm  ist  niemand  bei  uns,  selbst 
alte  Weiber  würden  so  etwas  nicht  sagen;  es  stand  ja  stets  tief  im  Graben!"  — 
Man  sieht  auch  hier,  dass  Milicevics  oft  beliebtes  „Ijudi  kazu!"  (die  Leute  sagen) 
nicht  immer  wörtlich  zu  nehmen  ist.  Den  bildungsfreundlichen  Pcelicern ,  die 
sich  auf  die  Zucht  trefflichen  Obstes,  namentlich  riesiger  „gunje"  (Quitten),  verstehen, 
tat  er  ganz  besonders  Unrecht.  Es  sind  recht  vernünftige  Leute,  welche  für  ihre 
schon  1868  gegründete  Schule  1872,  gemeinsam  mit  Duleni,  einen  Neubau 
aufführten,  in  dessen  4  Klassen,  als  ich  sie  besuchte,  60  Kinder  unterrichtet 
wurden;  sie  vollendeten  auch  eine  neue  Kirche,  die,  abgesehen  von  dem  frei- 
willigen Brechen  und  Zuführen  der  Fundamentsteine,  5000  d  kostete  und  1888 
dem  hl.  Teodor  Tiron  geweiht  wurde. 

Das  um  Mitternacht  eingetretene  Unwetter  hinderte  mich,  meine  Exkursion 
zum  801  m  hohen  Iverak  auszudehnen  und  das  auf  diesem  stehende  „Musin 
grob",  von  dem  mir  der  Pope  llija  Nikolic  erzählte,  zu  besuchen.  Der  unausgesetzt 
niederprasselnde  Regen  verwandelte  auch  den  primitiven  Hochweg  nach  Rekovac 
in  solch  tiefen  Morast,  dass  uns  keine  Wahl  blieb,  als  die  9  km  dahin  im 
Bachbett  der  vereinigten  Pcelica-Dulenska  zurückzulegen.  Einige  Bauern  brachten 
den  Wagen  über  die  steilsten  Lehmböschungen  hinab,  und  nun  ging  es  durch 
das  bei  dem  Kirciilein  Raljetinac  landschaftlich  schöne  Terrain  abwechselnd  im 
Wasser,  und  wo  es  anging,  um  den  Weg  zu  kürzen,  wohl  drcissigmal  über  die  von 
seinem  gekrümmten  Lauf  gciiildeten  Sporne,  von  welchen  einer  Weinpflanzungcn 
trug.  Dabei  kam  es  vor,  dass  aus  den  Lehmlagern  freigespülte  Sandsteinfelsen 
dicht  vor  uns  zum  Uferrand  herabkollerten.  Einzelne  Mühlen  hatten  sich  ungemein 
malerisch  an  baumreichen  Stellen  eingenistet;  doch  meist  war  der  Wald  stark 
gelichtet.  Nacii  1'  ,  Stunde  erschienen  die  ersten  zu  Rekovac  gehörenden 
Kulturen,  die  Gehöfte  wurden  häufiger,  das  Terrain  verbreiterte  sich  und  links 
wurde  der  530  m  hohe,  zum  Dorfe  führende  Strasseneinschnitt  auf  der  Glaveja 
sichtbar,  wo  unter  den  Resten  einer  Schanze  in  Todors  Weingarten  eiserne 
Werkzeuge,  Kupfenlraiit  usw.  gefunden  wurden.  Noch  eine  letzte  Anstrengung, 
und  ein  breites  Weidendickiclit  durclisclineidcnd,  gelangten  wir  hinauf  /um  hoch- 
liegenden  Forum  unseres  Zieles,  dessen  weithin  sichtbaren  weissen  Kern  das 
Scluilliaus,  lüMl  DiaaneM   und  zwei  grosse  Mehanen  bilden. 

Von  den  Ireiheitskämpfen  bis  zum  jähre  I8K7  zählte  der  Jagodinaer  Kreis  drei 
Bezirke,  und  Rekovac  war  der  Kapetanssilz  des  „srez  Levacki"  mit  52  Orten. 
Das  Gespräch  mit  ilem  zu  meiner  Begrüssung  erschienenen  Knieten,  oder.^wie 
er  sich  lieber  nannte:  „obStinski  predstavnik"  (üemeindevorstand)  Slojadin  PcrIC, 
drehte  sich  namentlich  um  diese  Tatsache.  Er  schilderte  lebhaft  die  Unzufriedenheit 
der  l.evai'ker  mit  der  Zerreissimg  ihres  alten  Gaues,  dessen  südwestlicher  Teil 
samt  diiu  reithcM  Kloster  Ljubostinje  ileni  KriiSevacer  Kreis  zugeteilt,  w.ihrcnd 
sein    nordliclR'i    niii    dem    Heliiki    srez    vereinigt    wurde,    sodass    die    Rckovacer 


620  Von  Jacodinn  durch  die  Bvlica  über  KalcniO  nach  Kruikvac. 

wc'^cii  jeder  Kleinigkeit  nach  Ja);odina  wandern  mussten.  Unleugbar  litt  du.- 
ptilitisch-.'Klininistralive  Kinteilunn  Serbiens  an  grossen  Mängeln,  und  lange  bestand 
die  Absicht,  sie  durch  eine  zweckmassigere  zu  ersetzen.  Die  alten  Kreis-  und 
Bezirksverbande  hatten  sich  aber  im  Volk  festgelcbt,  und  was  sie  ersetzen  sollte, 
konnte  nur  durch  eine  populäre  Regierung  in  ruhiger  Zeit  widerstandslos  durch- 
geführt werden.  In  diesem  Fall  tat  man  übrigens  manches,  um  den  Levafkcrn  die 
Pille  zu  versüssen.  Sie  erhielten  eine  bessere  Strasse  nach  dem  neuen  Bezirkssitz 
Jagodina.  Diese  zieht  südlich  bei  Lukar  vorüber,  bei  dessen  Mehana  man  auf 
alte  (römische?)  Mauern  stiess,  und  inllndet  bei  Dragocvet  in  die  Kragujevacer 
Chaussee.  Das  radikale  Regiment  erfüllte  den  Wunsch  der  Rekovacer;  heute  ist  der 
alte  „Levac"-Bezirk  bis  auf  den  beim  Trsteniker  gebliebenen  Teil  wieder  hergestellt, 
und  das  1280  Bewohner  in  217  Häusern  zählende  Rekovac  ist  sein  Hauptort. 
Unter  den  Honoratioren,  welche  meine  Ankunft  nach  unserem  Han  zog, 
befand  sich  der  „Cica"  Stojiiko  Podkovac,  ein  Mann,  der  früher  als  Hufeisen- 
schmied viel  umhergekommen  war  und  „alles  weiss".  Er  wurde  mein  Führer 
für  den  am  nächsten  Tag  beabsichtigten  archäologischen  Ausflug.  Zeitig  morgens 
trafen  wir  in  Komorane  ein,  auf  dessen  „staro  groblje",  wie  Milicevic  berichtet ')i 
300  bis  3  m  lange  Grabplatten  sich  befinden,  unter  welchen  „gepanzerte  Ritter" 
ruhen.  Hätte  er  nicht  verlockend  hinzugesetzt  „vrlo  lepo  izrezanih"  (sehr  schftn 
skulpticrte),  was  mich  auf  römische  Votivsteine  oder  mindestens  „Bogumilen- 
denkmale"  schliessen  Hess,  dann  wäre  der  Triumph  meines  Führers  „der  alles 
weiss",  nur  unvollständig  gewesen.  „Sagte  ich  es  nicht,  Ihr  werdet  nur  ganz 
gemeine  (prosti)  Steine  sehen!"  —  Es  waren  wirklich  gewöhnliche,  tief  in  den 
Boden  gesunkene  oder  aufrecht  stehende,  niemals  von  einem  Meissel  berührte 
Grabsteine,  ohne  Inschrift,  ohne  Embleme,  wie  man  sie  in  Serbien  zu  Tausenden 
an  allen  Wegen  sieht.  Herr  Milicevic  nennt  nur  selten  seine  Hunderte  Mitarbeiter. 
Popen,  Lehrer  usw.;  wer  mag  ihm  hier  so  falsche  Daten  aufgebunden  haben? 
Glücklicherweise  wurde  ich  für  diese  neue  Erfahrung  über  den  Wert  seiner  Mit- 
teilungen, wo  es  sich  um  archäologische  Dinge  handelt,  noch  am  selben  Tag 
durch  einen  für  die  römische  und  altserbische  Epoche  dieses  Gebietes  wichtigen 
Fund  an  einem  Orte  entschädigt,  den  sein  „Srbija"  nicht  kennt,  der  mir  aber  für  die 
weitere  Bestimmung  der  Rönierstrasse  von  Kragujevac  zur  Morava  wertvoll  wurde. 
Über  stark  hügeliges  Terrain  von  ähnlichem  Charakter  wie  das  der  jenseitigen 
Gruza  ritten  wir  über  das  schon  mit  der  Zwetschgendörre  beschäftigte  Bogaljinac 
nach  dem  1,5  km  südlicheren,  gleichfalls  von  grossen  Pflaumengärten  umgebenen 
^upanjevac.  Die  auf  scharf  begrenztem  Plateau  stehende  Dorfkirche  „Sv.  prorok 
llija"  wurde  1851  mit  Benutzung  der  Grundfesten  einer  älteren  erbaut.  Die  sie 
umgebenden  starken  Mauern  hielt  ich,  beeinflusst  durch  den  Ortsnamen,  zuerst 
für  Reste  eines  altserbischen  Zupanschlosses.  Die  nähere  Untersuchung  ergab 
jedoch  ein  bedeutendes  Rönierkastell  mit  auffallend  jenem  der  Hadzi  Begova 
kula  beim  herzegowinischen  Hutova*)  gleichenden  interessanten  Grundriss,  das 
ich   in   meinen    „Römischen  Studien"    mit  Plan   ausführlich   schilderte  (S.   148  f.). 


')  Srbija.  181.         -)  Glasnik.  Bd.  II.    Sarajevo  1889. 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  KruSevac. 


621 


Traditionell  residierte  auf  der  Burj^  ein  Zupan  Nikola,  von  dem  die  zur 
leichteren  Aufnahme  ihres  Grundrisses  das  stark  wuchernde  Gestrüpp  abhauenden 
Ortsbewohner  viele  wertlose  Fabeln  erzählten.  Dass  die  in  den  V()lkerstürmen  zerstörte 
Feste  ]m  Mittelalter  mindestens  teilweise  erneuert  und  bewohnt  wurde,  bezeugen 
in  ihrem  Ostteil  mit  langen  Schwertern,  Kreuzen  usw.  gezierte  Grabplatten,  deren 
technik  durchschnittlich  höher  als  jene  der  geschilderten  Bogomiiendenkmale 
steht  und   den  vornehmen  Stand   der  Begrabenen   vermuten   lassen.     Gehörte  die 


0        »        10 


2UPANJEVAC.  Knstcllplan. 

Burg  wirklich  cinein  Zupan  „Nikola",  dann  war  es  im  Hinblick  auf  alle  Verhältnisse 
wohl  jeiici,  über  dessen  Person  wir  bei  DaniCic  einige  Aufschlüsse  erhalten'), 
Nach  den  von  ihm  zitierten  Urkunden  war  dieser  Nikola  ein  Bruder  der  „Zarin" 
Milica,  welcher  i;{()9  den  Gau  „Vitaljina"  (das  heutige  Konavlje,  italienisch  Canale) 
bei  Ragusa  besass  und  1395  gemeinsam  mit  seiner  verwitweten  Schwester  Milica 
und  ihrem  Sohn,  tlem  Desiioten  Stefan  l.azarevic,  erwiihnt  wird.  Dies  l.'isst  vermuten. 
dass  Nikola  nach  der  Unglückssclilacht  auf  dem  Kosovo  polje  (1389)  in  das  seiner 
Schwester  verbliebene  heutige  Serbien  zog  und  dort  im  „2upanjevac  grad"  seinen 
Sitz  nahm,  das  die  im  niichslen  Jahrhundert  weiter  vordringenden  Türken  zerstörten. 
im  östlichen  Teil  des  weiten  Burgjilatzes  begraben  die  ^upanjevacer  seil  längerer 
/.eil   ihre    Toten,    uiul    jüngst    erbauten    sie    dort    eine    1H5I    ilem    Propheten    llija 


l<ji.iiiik  i/   kiiji^eviiili  slarin.t  srpskih,  II,   KK). 


<i22  Von  Jn|{<^üJiin  durch  die  Bclici  über  Kaleni(}  nach  Kru^vv.-ic 

^{fweihle  Kirche,  deren  Saiior  sie  in  zwischen  prächtif^en  Ahornbäutncn  stehenden, 
leicht  jji^'!'"""«-''''«-""  Hütten  feiern. 

Von  der  schicksalsreichen  Röineri)urn  t^eieiteten  mich  mehrere,  Interesse  für 
meine  Forschunt^en  zeigende  Honoratioren  auf  die  südwesthche  „Gradina",  deren 
852  m  hoch  ansteigende  Kuppe  einen  weiten  Ausbhck  nOrdhch  über  Ja(;odina, 
südlich  bis  zum  Kopaonik,  i'istlich  zum  Ktanj  und  südöstlich  ncj^en  KruSevac 
jjewährl.  Die  ovale  Mauerumwallunn  fand  ich  so  (gründlich  verwüstet,  dass  es 
schwer  hielt,  ihren  Umfanj^  mit  beiläufij^  120  und  160  Schritten  im  grössicn 
Breiten-  und  Lün^endurchmesser  festzustellen.  Im  hohen  SchutthüKel  des  süd- 
lichen Teiles  fand  ich  antike  Deckplatten,  Urnenreste,  eine  Kaisermünzc  und,  nach 
tieferer  Orabunj:;,  2  ni  starkes  Gusswerk.  Aus  den  südwestlichen,  tief  unter  uns 
liegenden  Einschnitten  drangen  lustiger  Gesang  und  Sviratine  herauf;  meine  . 
[k'gleiter  erklärten,  dass  dort  Hirten  das  Vieh  des  nur  I  Stunde  fernen  Klosters 
Kalcnic  weideten.  Dies  erinnerte  mich,  dass  Milicevic  ein  „grad"  des  Zupans 
Nikola  auf  ciiiciii  Hvt^  Ihm  diesem  Kloster  flüchtig  erwähnte").  Ich  glaube  aber 
nachgewiesen  zu  haben,  dass,  wenn  der  historische  2upan  Nikola  überhaupt  in 
dieser  Gegend  residierte,  seine  Burg,  wie  auch  das  Volk  annimmt,  unten  bei 
„2upanjevac"  auf  dem  einstigen  Römerkastell  stand.  Und  welchen  Zweck  erfüllte 
dies?  Gewiss  keinen  anderen,  als  mit  den  erwähnten  Befestigungen  bei  Sugabina, 
Cepin  u.  a.  den  über  die  östlichen  Vorhöhen  der  Tatarina  ziehenden  Verbindungs- 
weg zwischen  den  südlichen  Kopaonikminen  mit  den  nordlichen  Rudniker  Erzbauen 
zu  sichern,  von  dem   noch  bei   Dulena  deutliche  Tracenreste  sichtbar  sind. 

In  dein  480  ni  tiefer  liegenden  Zupanjevac  wieder  angelangt,  lud  mich 
dessen  wohlhabender  Insasse  Marko  Jevdic  zu  einem  „rucak"  (Mittagessen)  in 
sein  Haus.  Es  blickte  ungemein  anheimelnd,  weissgetüncht  und  rotdachig  aus 
dem  Grün  einiger  Obstbäume  hervor;  auf  dem  Hofe  arbeitete  seine  hübsche 
Tochter  am  Webstuhl;  im  Innern  überraschte  mich  in  der  primitiv  ausgemalten 
Wohnstube  ein  ganz  a  la  franka  gedeckter  Tisch.  Es  wurden  „peSkiri"  (Sen'ietten) 
gereicht,  vor  jedem  Gast  standen  mehrere  Teller  zum  Wechseln  für  die  in 
grosser  Zahl  von  den  Frauen  aufgetragenen  Gerichte.  Schaffleisch,  Hühner,  eine 
„pita"  (Fladen  von  Butterteig),  „sir"  (junger  Käse)  und  Übst  bildeten  die  pieces  de 
r^sistance  des  prächtig  mundenden  Mahles;  der  jugendliche  Schwiegersohn  Marko 
Minie  füllte  unausgesetzt  die  Gläser  mit  auf  den  südlichen  Höhen  bei  Sibnica 
gekeltertem  „schwarzen"  Wein.  Mein  Toast  auf  die  altserbische,  in  diesem  Hause 
so  herzlich  geübte  Gastfreundschaft  und  sein  Gedeihen  wurde  vom  Besitzer  in  wohl- 
gesetzter Rede  mit  Wünschen  für  die  glückliche  Fortsetzung  meiner  Reise  erwidert.  Mit 
den  angenehmsten  Gefühlen  schied  ich  von  den  2upanjevacern.  und  gern  besuchte 
ich  auf  ihren  Wunsch  mit  kleinem  Umweg  ein  isoliert  stehendes  „biljeg",  das  „niko 
ne  moze  citati"  (niemand  lesen  kann);  statt  des  erwarteten  römischen  Denkmals  traf 
ich  aber  nur  einen  älteren  Grabstein  mit  etwas  verzerrten  kirchenslavischen  Lettern. 

Auf  dem  490  m  hohen  Plateau  im  0.  von  Siljevica  zeigte  mir  unser 
Führer  in  einem  jungen  Eichenhain  eine  an  die  erste  Christenzeit  mahnende,  von 


M  Srhijn,   180. 


Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Kruäevac. 


623 


regellos  aufgeschichteten  Feldsteinen  etwa  meterhoch  umfriedete  Dorfkirche,  in 
deren  halbkreisförmiger  Tribuna  ein  roher  Sandsteinblock  als  Altar  diente.  Bei 
beginnendem  Dunkel  ging  es  nun  ■4  Stunde  lang  an  einem  geräuschvoll  hin- 
brausenden, eine  Mühle  treibenden  Wildbach  ununterbrochen  abwärts.  Oft 
kreuzten  wir  seine  Steilufer,  bis  er  im  grösseren  Monastiräki  potok  mündet,  auf 
dessen  linkem  Ufer  am  Fusse  einer  mit  Wein  bepflanzten  Höhe  auf  wahrscheinlich 
alten  Rudimenten  die  einstige  Kloster-  und  jetzige  Pfarrkirche  von  Rekovac  steht. 
Mein  Cica  holte  aus  dem  nahen  Pfarrhaus  eine  Wachskerze,  und  bei  ihrem  Licht 
sah  ich  ein  1809  in  Kreuzform  angelegtes,  dem  hl.  Nikolaus  geweihtes,  weiss- 
getünchtes  Kirchlein  mit  kleiner  Kuppel,  Altar-  und  Seitenapsiden,  das  seinen 
stark  besuchten  Sabor  am  Sv.  lliji  dan  (hl.  Eliastag,  2.  August)  feiert.  Es  war 
kurz   vor  Mitternacht,   als   wir  die   stark  kupierten  Dulenska-Ufer  wechselten  und 


S  E  K II R I  C ,  Prähistorische  Armringe. 


die  Udiie  liinaiirittLMi,  auf  der  unser  cinzarischcr  Mehandzija  uns  zurief:  „Boga  mi 
öiöa  Stojilko,  ich  glaubte  sciiun.  Du  hast  die  Herren  in  die  Irre  geführt.  Gott  sei 
Dank!    Glückliche  Ankunft!" 

Bei  wenig  Angenehmes  versprechendem  grauen  Himmel  traten  wir  am 
nächsten  Morgen  die  Fahrt  nacii  dem  berühmten  Kloster  Kalenic^  an.  Die  gute 
Strasse  zieht  südöstlich  über  welliges  Land  und  ilie  von  je  drei  Steinpfeilern 
getragenen  Brücken  der  Dulenska  und  2upaiijevacka,  die  sich  bei  DragnSevac, 
am  Westhang  des  von  einer  Kastellruine  gekrönten  Juors,  zur  ansehnlicheren 
Lugomira  vereinigen.  Rechts  von  der  zweiten  Brücke  liessen  wir  Puljci  und 
seine  nordöstliche  Hochebene,  genannt  „suvaja"  (die  trockene).  Von  ihr  geht  die 
Sage,  dass  in  alter  Zeit  ein  See  sie  füllte,  in  der  ein  alle  Dorfstiere  tötender 
„aloviti"  (Sticrfiscli)  sein  Ihiuestii  solange  trieb,  bis  ein  beherzter  Bursche  ihn 
herauszog.  Von  da  ab  verdorrten  aber  alle  B;Uime,  und  deshalb  der  Wiesenname 
Vom  nordöstlichen  Sekuric,  bei  dem  1HH4  sechs  prilchlige  Brnn/e-.Armringe. 
reich  verziert  mit  geometrischen  Ornamenten,  gefunden  wurden,  führt  ein  Vizinal- 
weg  zum  süd("»stlichen  Pajkovac  an  der  Kalenicka,  wo  der  im  Freiheitskrieg 
durch  seine  Taten  im  Juorgehiet  berühmt  gewordene  Nikola  Mandrda  wohnte. 
Zuerst  Heiduck,  ernamile  ihn  MiloS  zum  Lohn  für  seine  über  die  Türken  errungenen 
Erfolge   /MMi  Serdai   der    lemnit^ska  Nahija.     f)en   interessanten  Lebenslauf  dieses 


'I-  •  Von  JaKodina  iliircli  die  Bclica  ühcr  Kalcnk'  nach  Kruftcvac. 

im   Vraiijaer   Kreis   geborenen  Todfeindes   alles  Türkentums   schilderte  ausführlich 
F'anla  Srec^kovic^ '). 

iki  Beliisic  hicKl  die  Träte  scharf  siidwesilicli  nach  Lepnjevici  ab  und 
/ielil  dann  sanft  steinend  nordwestlich  nach  PreveSi  (371  m),  wo  sie  in  dem  von 
der  (JuSevaCka  und  Kalenicka  Kebildelen  riesiKcn  Schuttbett  spurlos  verschwindet. 
Vom  Strassenhan  nrirdlich  lie^t  jenes  Kaludra,  wo,  als  des  hl.  Nemanjas  Leichnam 
1809  von  Studenica  nach  Vracevänica  (gebracht  wurde,  die  MOnche  unter  einer 
F.iche  mit  müchti^^er  Krone  rasteten,  die  seitdem  „Kraljevo  drvo"  (königlicher 
Baum)  genannt  und  als  „svetinja"  (Heiligtum)  betrachtet  wird.  Ein  Bauer,  der 
trotzdem  es  wagte,  einen  Ast  abzuschneiden,  erkrankte  und  starb  sofort.  Die 
während  unserer  Rast  im  Han  von  den  Bauern  lebhaft  besprochene  Geschichte 
rief  eine  freigeistige  Bemerkung  des  Wirtes  hervor,  welche  aber  wenig  Beifall 
fand.  Ich  «inM;  ai'f  ^'c  von  Milicevic  erzählte  Tradition  über,  nach  welcher  „auf 
einer  nahen  Mühe  eine  grosse  Stadt  stand,  während  alles  tiefere  Land  noch  unter 
Wasser  lag"-).  Davon  wollte  man  nichts  gehOrt  haben;  wohl  aber  wurde  viel 
von  alten  Mauern  auf  der  westlichen  Höhe  an  der  Guäevacka  erzählt,  wo 
Münzen,  Pfeilspitzen  und  zerbrochene  Gefässe  häufig  vorkämen.  Weiter  hörte 
ich  von  einem  (50  m  über  Preveät  auf  dem  '/••  Stunde  südlicheren  Poganac 
(Unreiner)  liegenden  See  von  3  Hektar  Ausdehnung  und  35  m  Tiefe,  in  dem 
„karase"  (Karauschen)  gefangen  werden.  Diese  Karpfenart  nährt  sich  bekanntlich 
von  Schlammtieren,  woher  die  Bezeichnung  des  Berges  stammen  mag. 

Unsere  Weiterfahrt  talaufwärts  zum  465  m  hoch  liegenden  Kalenic  war 
diircii  die  Ungunst  der  Elemente  sehr  unangenehm.  Die  stellenweise  ganz  ver- 
fallene alte  Strasse  befand  sich  gerade  im  Umbau,  und  wir  mussten  den  5  km 
laugen  Weg  unter  strömendem  Regen  im  stark  zerrissenen,  von  Geschieben 
erfüllten  Bachbett  zurücklegen.  Trotz  aller  Qualen  bemerkte  ich  die  Pracht  des 
an  der  Grenze  des  Klostergutes  beginnenden  Waldes  und  der  noch  frischgrünen, 
üppigen  Triften.  In  einer  nördlichen  Schlucht  wurde  die  Krecanakuppe  sichtbar, 
noch  eine  kleine  Wegkurve  und  das  von  duftendem  Laubwald  umrahmte  Kloster 
Kalenic  lag  dicht  vor  uns.  Stark  durchnässt  und  zu  zeremoniösem  Empfang  wenig 
gelaunt,   zog  ich  es  vor,   in   der   vor   dem  Portal   stehenden  Mehana  abzusteigen. 

Nächst  der  romantischen  Lage  am  Vereinigungspunkt  von  aus  760—940  m 
hiilicm  Beri^kranz  fächerartig  abströmenden  Quellfäden  der  Kalenicka  dankt 
das  Kloster  sein  grosses,  einst  aber  zweifellos  höheres  Ansehen  beim  Volk 
seinem  von  diesem  hochverehrten  Stifter,  dem  Despoten  Stefan  Lazarevic.  Über 
das  üründungsjahr  schwanken  die  Angaben  von  1407—1423.  Noch  fraglicher 
ist  der  von  „kaliti"  (dämpfen)  abgeleitete  Ursprung  des  Klosternamens.  Man 
erzählt,  dass  Zar  Lazar,  als  er  mit  seinem  frommen  Sohn  staunend  den  prächtigen 
Neubau  besichtigte,  vom  durch  die  leuchtenden  ehernen  Kuppeldächer  geblendeten 
Pferd  glitt  und  deshalb  riet:  Das  im  Sonnenlicht  zu  stark  blinkende  Erz  durch 
eine  dunklere  Bedachung  zu  ersetzen.  Diese  phantasiereiche  etymologische  Deutung 
lässt  also  Kalenic  sogar  vor  Lazars  Tod  auf  Kosovo  (1395)  vollendet  sein. 


')  Glasnik,  Bd.  55.   1884.    -    -)  Srhijn,  18(). 


Von  lagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Krusevac. 


625 


Durch  ein  hohes,  von  zwei  piionähnlichen  Riesenpappeln  gehütetes  Portal 
betrat  ich  den  rechteckig  angelegten  grossen  Klosterhof,  dessen  Südwestecke  ein 
mächtiger  Zvonar  (Glockenturm)  einnimmt.  An  der  Südseite  steht  ein  kleines 
Gesindehaus,  an  der  Westseite  der  1824  erbaute  zweistöckige  Konak  von  solider 
Holzkonstruktion.     Im  Zentrum    erhebt   sich    die   oft   verwüstete,   zuletzt   1845  von 


i    I      I      -; 

K  A  1. 1:  N  iC .  JiKiKfrnuhildlcnsIcr 


der    Regierung    renovierte    Kirche    des    von    Bajazid    stark   hedr.ingtcn,   sein   Heil 
in   religiösen   Stiftungen  suchenden   LazarcvicS 

Wie  Stefans  Ciiarakier  zu  dem  seines  Vaters,  so  verhillt  sich  Knleni(.^s  der 
„Sv.  Vavedeiije"  (Maria  Reinigung)  geweihte  Kirche  zu  ihrem  Vorbild,  des 
Zaren  I.a/ar  Kallieilrale  in  Krusevac.  in  ilem  der  sertiischen  Kunst  gewiilmeton 
Schlusskapitei  des  111.  liandes  werde  ich  die  alleren  Archilekturepochen  mit  ihren 
unterscheidenden  Momenten  eingehend  charakterisieren.  Schon  hier  will  ich  aber 
hervorheben,  dass,  wenn  sich  auch  beide  Kirchengrundrisse  nahezu  gleichen,  die 

I-    KANITZ.   SiTbii'ii.  I.  40 


fVIC)  Von  Jnxodina  durch  die  Bclica  über  Kaleni«.*  nach  Kruj»evac. 

äusseren  Verhältnisse  des  Kalcni(^er  Baues  an  Harmonie  jenen  des  KruSevacer 
weit  nachstehen.  Schon  der  Narthex  ist  viel  zu  breit  und  wuchtig,  sein  Kuppel- 
jjeschoss  zu  massiß  und  Zu  wcni^  in  die  Höhe  entwickelt,  um  mit  der  feiner 
KL'uliedertcn  Passade  des  llauplstliiffes  sich  organisch  zu  verbinden.  Und  noch 
störender  wirkt  das  zwischen  dieser  und  dem  schweren  ZentraJkuppelbau  herrschende 
Missverhilltiiis,  das  wohl  nicht  Borovic  Rade,  der  angebliche  Baumeister  der 
Kirciie,  vcrsciiuidutc.  Bemerkte  ich  andererseits  schon  an  der  Kruäevacer  Kirche 
(II.  Bd.,  IV.  Kap.)  manche  orientalische  Elemente,  so  treten  diese  hier  gehäuft,  daher 
greller  hervor  und  beeinträchtigen  noch  mehr  die  Stilreinheit,  welche  einige 
altserbische  Bauten  auszeichnet. 

Den  streng  kritischen  Standpunkt  beiseite  gelassen,  bietet  aber  auch  die 
Kalcnicer  Kirche  im  Äusseren  eine  Fülle  interessanter  Details.  Unter  diesen. 
hebe  ich  hervor  die  allerdings  mit  den  durch  Rundbogen  verbundenen  Lisenen 
schlecht  stimmenden  spitzbogigen  Umrahmungen  der  f-'enster,  ferner  einzelne 
reizvoll  aus  Netz-  und  Blattwerk  kombinierte  Ornamentstreifen,  einige  geometrisch 
hübsch  konstruierte  Rosen  und  bei  der  grossen  Seltenheit  von  Relieffigurtn  in 
den  Ländern  des  orientalischen  Kultus  die  an  der  Südfassade  über  dem  unte.rn 
Narthexfensler  erscheinende  Statue  der  hl.  Jungfrau  mit  dem  Kinde  auf  dem  linken 
Arm,  wodurch  auch  zu  Kalenic  der  in  meinem  Werke.  „Serbiens  byzantinische 
Monumente"  schon  1862  nachgewiesene  occidentale  Einfluss  auf  die  Bauten 
der  altserbischen  Herrscher  durch  ein  weiteres,  deutlich  sprechendes  Beispiel 
erhärtet  wird.  Die  malerische  Wirkung  der  Mauerflächen  wird  hier,  abgesehen 
von  den  wechselnden  Schichten  aus  grünlichem  Sandstein  und  je  drei  roten, 
durch  vier  gleich  starke  Mörlelbänder  getrennten  Ziegellagen,  noch  durch  die 
Polychromierung  der  Füllungen  des  en  relief  ausgeführten  Ornaments  und  an 
diesem  selbst  erhöht.  Auch  die  Gewandung  •  der  hl.  Jungfrau  erscheint  blau 
gefärbt.  Ob  diese  Bemalung  ursprünglich  oder  erst  bei  einer  der  wiederholten 
Restaurationen  hinzutrat,  ist  schwer  zu  sagen.  Sehr  empfehlen  würde  sich  die 
Beseitigung  des  grellroten  Anstriches  der  von  Zinkblech  hergestellten  Bedachungen, 
ferner  des  angefügten  Türmchens  über  dem  Osttransept  und  des  am  meisten 
störenden  kleinen  weissgetünciitcn  Zubaues  an  die  alte  Westfassade,  welche 
wahrscheinlich  von  dem  .^bt  (1847)  und  späteren  Bischof  Janicije  herrühren, 
auf  dessen  Restaurationseifer  ich  in  2ica  zurückkommen  werde. 

Als  ich  durch  das  einstige  rundbogige  Haupttor,  über  dem  ein  hohes 
Nischenfeld  den  Tempelgang  Maria  zeigt,  in  das  Hauptschiff  trat,  wurde  ich 
durch  das  stark  orientalische  reiche  Narthexportal  überrascht.  So  schmal  und 
niedrig  der  Eingang,  so  breit  und  hoch  ist  seine  Umrahmung.  Sie  erinnert  in 
einzelnen  Ornamentmotiven,  namentlich  aber  durch  rechts  und  links  unter  dem 
geradlinigen  Türsturz  vorspringende  konsolenartige  Träger,  an  die  spielende 
Dekorationsweise  arabischer  Bauten,  und  wie  bei  diesen  sind  alle  Flächen  mit 
geripptem,  in  reicher  Verschlingung  rhythmische  Figuren  bildendem  Netzwerk 
verziert.  Nur  das  spitzbogige  Giebelfeld  mit  dem  Erlöser  umrahmt  freier  behan- 
deltes, antikisierendes  Blattwerk,  das,  von  einem  Adler  ausgehend,  auch  die  Rund- 
stähe  vollständig  bedeckt.     Im  Transept  stimmt  die  Gewölbehöhe  zur  Raumbreite 


Von  Jajiodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Kruäevac.  fi27 

nicht  harmonisch.  Aus  dem  älteren  Freskenschmuck  hebe  ich  hervor:  links 
vom  Eingang  Konstantin  und  Helena  mit  dem  goldenen  Kreuz;  zwischen  beiden 
erscheinen  Heilige  mit  Goldnimben  in  den  Fensterfüllungen,  ferner  das  gut  erhaltene 
Bild  des  Stifters.  Das  seiner  Mutter  Milica  wurde  gleich  einigen  Medaillonbildern 
und  der  1836  nocii  lesbaren,  von  1407  datierten  Gründungsinschrift  nahezu 
zerstört.  Jene  an  den  Pfeilern,  zwischen  welchen  man  die  Ikonostasis  befestigte, 
sind  restauriert.  Diese  neue,  von  einem  hohen,  reich  vergoldeten  Kreuz  gekrönte 
Bilderwand  zeigt  Christus  und  die  vier  Apostel;  vor  ihr  stehen  zwei  aus  Eisen 
geschmiedete  Kandelaber.  Aus  der  achtfensterigen  Kuppel  hängt  ein  vom  Doppel- 
adler überragter  sechsarmiger  Leuchter  herab,  am  westlichen  Scheidbogen  ein 
zweiter.  Über  dem  steinernen  Estrich  erhebt  sich  die  einstufige,  aus  17  Steinplatten 
gefügte  runde  Ambo,  deren  Mittelpunkt  ein  Kreisfeid  mit  Kreuz  bildet.  Trotz  der 
Doppelfenster  und  Reisen  fällt  nur  spärliches  Licht  in  den  Hauptraum,  und  in  der 
dreifensterigen  Tribuna  herrscht  ein  mysteriöses  Dunkel,  das  ihrer  primitiven 
Einrichtung  wohltätig  zustatten  kommt. 

Während  der  häufigen  Verwüstungen  des  Klosters  wurde  sein  Besitz  an 
literarischen  und  anderen  Werten  teils  zerstreut,  teils  vernichtet.  Seine  etwa 
400  [iände  zählende  füblidthek  enthält  deshalb  nur  spätere  Drucke,  und  ein  früher 
als  Handschrift  vom  Jahre  1463  hochgehaltenes  Evangelium  erwies  sich  1897  bei 
näherer  Prüfung  durch  den  russischen  Slavisten  Speranski  als  ein  Exemplar  des 
Bozidar  Vukovicschen  Evangeliums  von  1763').  Auch  unter  den  Bildern. 
meist  Porträts  von  Igumanen,  gibt  es  kein  vor  1814  datierendes,  und  ebenso 
stammen  die  wenigen  Kreuze,  Altar-  und  Tafelgeräte,  Silberleuchter,  Pokale  usw. 
aus  neuerer  Zeit. 

Von  Kalenics  traurigen  Schicksalen  unter  der  Türkenherrschaft  erhielt  sich 
die  Kunde,  dass  es  namentlich  1600  arg  verwüstet  wurde  und  erst  nach  einem 
vollen  Jahrlunulert  durch  Mönche  aus  dem  Levafer  Kloster  MoratJa  aus  den 
Ruinen  erstand.  Während  der  österreichischen  Occupation  (1718—1739)  blühte 
es,  dank  dem  Beistand  des  k.  Kapctans  MIatiSuma,  wieder  auf.  Seinen  patriotischen 
Iguman  Vasilije  töteten  die  Türken  aber  später  im  nahen  Bogdan;  er  ruht  an  der 
rechten  Altarseite  der  Kirche,  welcher  er  sein  Leben  geweiht.  Auch  w.ihrcnd 
des  lolgeiulen  Türkenkrieges  (1788—1791)  hiklete  Kalenic  einen  Hauptpunkt  des 
„Kocina-Aufstandes".  Sein  Führer  Koca  schenkte  ihm  eine  (jlucke;  das  Kloster 
liiisste  CS  mit  Br;ind  und  vollständiger  Vernichtung.  Erst  Karadjordje  begann 
1806  seine  teilweise  Erneuerung. 

Während  Kalenic  heute,  gleich  mancher  anderen  serbischen  Heilstätte,  von 
ikin  aufgeklärten  Teil  der  Nation  i\]\i\  selbst  von  vielen  Bauern  wegen  seines 
grossen  Grundbesitzes  missgünstig  angesehen  wird,  besass  es  im  Beginn  der 
l'reilieitsk.'impfe,  dank  dem  oft  bew.'lhrten  P.itricitismus  seiner  Mönche,  grossen 
politischen  Ijnfluss.  Vor  Spähern  gesichert,  hielten  in  seiner  tiefen  W.iUleinsanikeil 
schon  vor  inul  wäliieiul  iler  Siurmjalue  IHO-I  1815  hervorragende  Führer  des 
Aufstandes  oft  ihre  Beratungen. 

')  MiliOevie,  Manastir  KaleniO,  Kr.  s.  Ak.,  AS. 


(>2K  Von  Jngodina  durch  die  ßulicn  über  Kalcnid  nach  Kru&cvac. 

Nach  glücklicher  Beendi(;un^  des  FreiheitskricKCS  stand  Kalenid'  in  so  hohem 
Ansehen,  dass  niaii  1815  die  Gebeine  des  hl.  erstRekrönten  Königs  aus  Sirmien 
in  seine  Kirche  brachte,  in  welcher  sie  bis  zu  ihrer  ÜbertraKunK  in  die  Carska 
lavra  Studenica  (1839)  blieben.  Zu  Kalenit^  erfoljjte  auch  die  Aussöhnunf»  des 
Fürsten  MiloS  mit  seiner  Gattin  Ljubica,  welche  dort,  von  dessen  Brüdern  Jovan 
lind  Jevrem  geleitet,  seine  Verzeihung;  erbat.  Den  zürnenden  Fürsten  suchten 
auch  der  anwesende  Archiniandrit  Melentije  und  jener  von  Nikolje  weicher  zu 
stimmen;  es  nelan^,  und  die  Sccne  endete  damit,  dass  die  Fürstin  ihrem  Gemahl 
iiiul  den  vermittelnden  Schwäf^ern  die  Hände  küsste!  —  Grossen  Anteil  an  der 
Wiederhersteliunn  der  „Carska  lavra  Studenica"  nahm  seit  1833  das  später 
auch  von  Fürst  Alexander  sehr  >;eförderte  Kalenic  unter  seinem  baulustinen  Vor- 
stand Janicije.  Im  Juni  1844  war  es  der  Schauplatz  einer  vom  Parteihader- 
herbeigeführten  Bluttat.  Hier  ward  der  Sabacer  Bischof  Maksim  getötet  und  in 
der  Kirche  begraben. 

Das  seinen  Sabor  am  „Maria  Himmelfahrts-Tage"  (27.  August)  feiernde  Kalenic 
gilt  als  „carski  namastir"  und  zählt  zu  den  reicheren  Klöstern  des  Königreichs. 
Fine  fürstJiciie  „Tapija"  vom  8.  Dezember  1847  regelte  dessen  seither  werwg 
veränderten  Grundbesitz.  1893  wurden  verzeichnet:  33  Hektar  Felder  und  Wiesen 
für  seine  80  Schafe,  50  Rinder,  90  Schweine,  40  Ziegen  usw.,  1 1  Hektar  Obst-  und 
Weingärten,  184  Hektar  Wald,  2  Mühlen,  2  Mehanen,  I  Ducan  und  7800  d  Bar- 
kapital. Den  grossen  Waidstand  verstehen  der  Iguman  und  die  vier  Mönche  gut 
zu  verwerten.  Mit  dem  Frlös  werden  die  Steuern  bezahlt.  Es  gibt  100jährige 
und  ältere  Eichen,  die  mit  durchschnittlich  25  d  veranschlagt  werden.  Ein  10  m 
langer  Stamm  ohne  Krone  kostet  am  Orte  16  d,  zugerichtet  und  bis  zur  Brücke 
nach  Belusic  geführt  36  d.  Grosse  Buchen  werden  von  Tischlern  und  zum 
Mühlenbau  mit  16  d  bezahlt.  Der  Klosterverwalter  klagte  nur.  dass  die  Bauern 
des  „prnjavor"  Kalenic  seinen  Wald  als  den  ihrigen  betrachten  und  dass  die 
Behörden,  trotz  aller  Klagen,  wenig  geneigt  sind,  ihnen  bessere  Begriffe  von  der 
Heiligkeit  des  Klostereigentums  beizubringen:  „Äussert  ja  sogar  mancher  Srezki 
Kapetan:  ,Das  Volk  nininit  das  nur  zurück,  was  den  Klöstern  in  besseren  Zeiten 
zur  Verwahrung  gegeben  wurde!'" 

Am  liebsten  hätte  ich  von  Kalenic  die  mir  als  sehr  pittoresk  geschilderte 
Tour  nach  dem  13  km  im  S.  und  240  m  tiefer  hegenden  Ljubostinja  über  die 
Einsattelung  des  882  m  hohen  Smrdan  und  Rajinac  gemacht.  Der  andauernde 
heftige  Regen  verwüstete  jedoch  die  oft  stark  abschüssigen  Waldpfade  so  sehr, 
dass  man  mir  davon  abriet.  Ingenieur  Paviovic  kehrte  auf  der  neuen  direkten 
Strasse  von  Lepojevic  liach  Jagodina  zurück,  und  mein  Kutscher  schlug,  um  den 
Weg  zu  kürzen,  schon  bei  Preve§t  die  Vizinalstrasse  nach  Mala  Sugubina  ein. 
Seine  auf  alter  Grundfeste  hübsch  gezimmerte  Holzkirche  feiert  zu  Ostern  ihren 
Sabor.  Bei  dem  östlich  bleibenden  l.azarovac,  wo  um  1866  schön  verzierte 
präiiistorische  Armringe  von  Bronze  gefunden  wurden,  erschienen  alle  Höhen 
bebaut,  und  vom  412  m  hohen  „Vilje  kolo"  (Vilentanzplatz)  traten  kleine,  hinter 
Rujiänik  auch  grössere  Eichenwälder  zwischen  die  Kulturen.  Bei  dem  ansehn- 
lichen  Medvedje,    das    sich    den   Lu.xus    eines    hohen,    rotgetünchten   hölzernen 


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Von  Jagodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Krusevac. 


631 


Glockenturms  mit  quadratischem  Fundament  erlaubte,  auf  den  es  aber  weniger 
stolz  sein  darf,  als  auf  das  von  90  Knaben  und  einigen  Mädchen  besuchte 
hübsche  Schulhaus,  wurde  der  tief  i<ii  Lehmboden  steckende  Weg  elend;  ich  war 
zufrieden,  dass  der  Terrassenabstieg  zur  Morava  ohne  Unfall  vorüberging.  Nur 
auf  einer  kurzen  Strecke,  hart  am  Ufer,  traten  Konglomerate  und  festerer  Boden 
auf.  Selbst  Ochsenwagen  kämpften  sich  schwer  durch  die  fette  Kulturschicht 
bei    Bogdanjc.      Auf    einer    nordlichen    Höhe    stehen     dort    nachlässig    gebaute 


Ari.liiiii.iiijMt  Vcnii.uiuii  ilc^  Klttslcrs  L]uhu5tiit).i. 


Mauern  eines  Kirchieins,  das  WojwiKle  Jiig  Bogdan,  der  Stammvater  der  viel 
verherrlichten  neun  Jiigovice,  erbaute,  um  zu  beten.  Der  rebenbewachsenc 
Berg,  das  ihn  vom  Dorf  trennende  Wasser,  alles  trägt  hier  seinen  Namen.  Jener 
der  „bösen  Jerina"  wirti  aber  wieder  an  die  Ruine  eines  Kastells  geknüpd,  das 
tk'ii  A\(irava-Übergang  der  alten  .Wiiienstrasse  ins  Tal  der  Ljuboslinjska  schützte. 
An  ihrem  stark  zerrissenen  Bett  nördlich  aulwarls  fahrend,  erblickte  ich  bald 
zwischen  dunklen  Baumkronen  die  hellen  Kuppein  von  Ljuboslinja.  Jenseils  der 
Sucicabrücke,  an  der  ersten  seiner  von  Riesenpappeln  gehüteten  Pforten,  begrüssle 
mich  der  ehrwürdige  Archimandril  Venijamin  Pavid'eviC  herzlichst.  Ein  an  das 
Köiiigs/lniMier  stosseiules  freundliches  (lemach  mir  anweisend,  begleitete  er  den 
gereichten  üblichen  .Ankmiftslrnnk  mit  den  Worten:  ..Nehmen  Sie  vorlieb  nnt  dem, 
was  inis  (lott  gegeben  hat!"  Selten  genoss  ich  eine  gicichwcnig  aufdringliche 
und  dabei  aufmerksame  (jaslfreundschall  wie  in  der  stillbeschaulichcn  Heilsl.lllc 
des  Vaters  V'enijamin  aus  (iornja  Crniiav.i. 


iilt'J  Von  Jn^odina  durch  die  Bclica  über  Kalcnii  nach  Kruäcvac. 

Wie  Kak'iiic  wird  auch  Ljubostinja  in  keiner  serbischen  Urkunde  erwähnt. 
Nur  eine  sehr  besliniinl  auftretende  TradiliDU  l)ehauptel;  Die  Zarin  Mihca  habe 
es  zum  ewigen  Gedächtnis  ihres  auf  dem  Kosovofeld  j^ebhebenen  Lazar  „iz 
Ijuhavi"  (aus  Liebe)  K<?stiflet  und  daher  sein  Name.  Nach  anderer  Version  hatte 
die  unt^lückliche  Zarenwitwe,  als  sie  mit  dem  anf^enommcnen  Namen  Jcfimija  den 
Schleier  nahm  ').  t'-'s  Kloster  schon  vorgefunden  und  nur  seine  Kirche  vcrgrftsscrt, 
als  deren  Stifter  mir  ein  alterer  Mönch  den  „Sveti  Kralj  Milutin"  (1276—1321) 
hezeichnele.  Die  vaneii  (JründunKssagen  über  das  niemals  bisher  fachmännisch 
>;ewiirdinte  Ljubostinja  j^ehen  also  um  ein  volles  Jahrhundert  auseinander.  Ob 
nun  aber  Kralj  Milutin  oder  ein  späterer  Nemanjide  sein  Stifter,  in  welchem  Fall, 
wenn  nicht  Zar  Lazar  die  Kirche  gebaut,  diese  das  Vorbild  für  seine  Kathedrale 
/u  Krusevac  bildete,  wird  jeder  vorurteilslose  Kunstforscher,  vor  Ljubostinjas 
Kirche  tretend,  sofort  den  Eindruck  und  bei  näherer  Untersuchung  die  Beweise 
gewinnen,  dass  sie  aus  zwei  verschiedenen,  glücklich  verschmolzenen  Bauten 
besiehe.  An  die  ursprüngliche  Kirche  mit  pentagonaler  Tribuna,  gleichartigen 
Seitenapsiden  und  hoher  Kuppel  über  der  Vierung,  als  deren  Architekt  sich  jener 
in  den  Liedern  gefeierte  „Protomajstor  Borovic  Rade"  auf  der  Portalstufe  ihrer 
Westfassade  nennt  und  dessen  Grab  der  Bischof  Nikanor  Ruzic  1893  bei  dem 
Kloster  2upa  in  Montenegro  gefunden  haben  will-),  schliesst  der  wahrscheinlich 
von  der  Zarin  Milica  gestiftete,  gleich  hohe  und  breite  Zubau  mit  fensterloser 
Kuppel  und  vier,  gewiss  erst  während  der  letzten  Erneuerung  dieses  am  meisten 
vom  türkischen  Fanatismus  geschädigten  Teiles  hinzugefügten  Türmchen  an. 

Wie  mir  der  mit  Ljubostinjas  Vergangenheit  am  besten  vertraute  Iguman 
VLiiijamin  erzählte,  trafen  zwei  unternehmende  Mönche,  Pop  Nicifor  und  Arsenije 
Stefanovic,  1816  das  Kloster  ganz  verödet.  Auf  dem  mit  Gras  überwachsenen 
Schutte  der  ihrer  Tore,  Fenster,  Kuppeln  und  Wölbungen  beraubten  Kirche 
weideten  Schafe.  Die  energischen  Männer  restaurierten  zuerst  notdürftig  die 
Kirche,  und  der  später  zum  Iguman  ernannte  Arsenije  erbaute  1828  auf  der 
Grundfeste  des  alten,  nur  in  einem  turmartigen  Teile  erhaltenen  Konaks  das  heutige 
einstöckige  grosse  Wohngebäude.  Der  südwestlich  stehende  massive  Zvonar 
(Glockenturm)  und  die  gründliche  Restauration  der  Kirche  sind  aber  das  Werk 
des  kunstsinnigen  Igumans  Janicije  Macusic,  welcher  dort  lange  Zeit,  bis  1850, 
wie  mein  Gewährsmann  persönlich  sah,  viele  italienische  Bauleute  beschäftigte. 
Diese  drückten,  ohne  den  Gesamteindruck  zu  stören,  den  erneuerten  und  selbst 
einigen  älteren  Teilen  der  Kirche  derartig  ihren  nationalen  Stempel  auf,  dass  ein 
geübter  Archäologe  sie  leicht  herausfindet.  .Ms  fremdartig  fielen  mir  auf:  die 
bedeutende  Erhöhung  des  Tambours  über  die  Fensterbogen,  die  neu  angebrachten 
Eingänge  der  Seitenapsiden,  die  horizontalen  Akroterienleisten  der  nahezu  voll- 
ständig erneuerten  Dachgesimse,  die  kleine  Rose  am  Westgiebel  mit  ausgesprochenen 
Dreipässen  und  gotischer  Ausgestaltung  des  Ornaments,  dessen  grundsätzliche 
Verschiedenheit  mit  der  Krusevac  nachgebildeten   unteren  grossen  Rose  sofort  in 


'i  Mijatovic,  Despot  Djurac  Braiikovic,  1,  53. 
■')  Starinar.  XI,  54  ff. 


Von  Jai,'odina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Krusevac.  633 

die  Augen  sprinj^t;  ferner  die  nachträglich  eingemeisselten  Spitzen  in  die  Rund- 
bogen der  alten  Fenster,  um  sie  den  neuen  spitzbogigen  ähnlich  zu  machen. 
Den  Neubau  der  gesamten  oberen.  Partie  der  Milicakirche  verraten,  abgesehen 
von  den  konstruktiv  ganz  bedeutungslosen  vier  Türmchen,  die  strenger  durch- 
geführten Gesimse  und  gewundenen  Säulenstämme  am  Kuppeltambour,  wie 
überhaupt  das  Technische  aller  Ersatzstücke,  der  Fensterteilungspfeiler  usw. 
sorgfältiger  gearbeitet  erscheint.  Meine  Skizzen  einiger  Details  illustrieren 
sprechend  die  hier  angedeuteten  Unterschiede.  Von  der  Bautechnik  ihrer  älteren 
Teile  darf  ich  hier  um  so  mehr  absehen,  als  auch  bei  dem  breiten  Sandstein- 
sockel das  Mauerwerk  erneuert  und  dieses  allerorts  bis  zu  den  rotfarbigen 
Zinkblechdächern  ein  dicker  gelber  Anstrich  bedeckt,  welcher  der  Kirche  den 
Reiz  ehrwürdigen  Alters  vollends  raubt. 

Im  Innern  des  etwas  nüchternen,  nahezu  quadratischen  Zubaues  fesselte 
uiich  besonders  Borovic  Rades  reich  verziertes  Portal,  dem  die  äussere  jüngere 
Hauptpforte  nachgebildet  erscheint.  Rades  breiten  Türrahmen  und  das  vor- 
kragende Gesimse  schmücken  dem  Kruäevacer  ähnliches  reiches  Netzwerk  und 
Blattornament;  das  Tympanon  zeigt  die  hl.  Jungfrau  mit  dem  Kinde  und  zwei 
Engeln.  An  beiden  Seiten  setzen  drei  Bogen  an,  unter  welchen  links  noch  Reste 
al  fresco  gemalter  Heiliger  sichtbar.  Unter  dem  dritten  Bogen  bemerkte  ich  eine 
kleine  Tür  und  seitlich  im  Mauerwerk  Treppenstufen,  wie  bei  Turmaufgängen. 
Ob  sie  zu  einem  ülockengeschoss  des  älteren  Baues  führten,  das  dem  von  Zarin 
Milica  angefügten  zum  Opfer  fiel,  bleibt  fraglich,  weil  mir  die  nähere  Unter- 
suchung ohne  Gerüste  unmöglich  war.  Der  weissgetünchtc,  sehr  modern 
aussehende  Sarkophag  der  frommen  Fürstin  steht  in  der  Südwestecke,  die  teilweise 
zerstörten  Fresken  der  Westmauer  zeigen  neben  ihrer  lebensgrossen  Figur  im 
konventionelkii  lierrscherornat  den  Zaren  Lazar,  den  Lazarevic  und  mehrere 
Heilige.  \i\\\  /weiter,  mit  Reliefornament  gezierter  Steinsarkophag  lehnt  an  der 
Südmauer;  man  öffnete  ihn  und  fand  drei  Skelette  V(in  Angehürigen  der  Nemanja- 
Dynastie  (V). 

Ueber  die  Stufe  tretend,  auf  welcher  sich  der  dalmatinische  Architekt 
Rade  verewigte,  bemerkte  ich  rechts  in  einem  nischenartigen  Vorbau  der  Südmauer 
eine  sarkopliagartige  Truhe  mit  horizontal  in  den  Mörtel  eingefügter  weisser 
Marmiirplalle  und  altserbischer  Inschrift:  a  se  lezi  Stefan  Kcs.  UgljeSa  sin');  man 
hält  sie  für  die  (kabstätte  des  Sohnes  jenes  Despoten  Ugljesa,  der  \Ml  mit 
seinem  Bruder  Vuka^^in  an  der  Marica  in  Bulgarien  fiel;  bei  Vranja  werde  ich 
auf  diesen  Stefan  UgljeSa  zurückkommen.  Der  Eindruck  des  in  schönen  Verhält- 
nissen aufgeführten  Transeptes  stört  die  beide  Ostpfeiler  deckende  neue  Ikoiioslasis. 
Wie  in  der  Apsis  sind  auch  hier  einige  Fresken  erhalten,  darunter  die  Heiligen: 
Simeon,  Sava,  Toilor  u.  a.  Zwischen  den  grossen  Steinplatten  des  Flstrichs  ist 
eine  rumlr  .Aiiilm  inil  (lupprlkupfigem  Ailler  eingelassen.  Gleich  modern  wie 
der  Altartisih  ist  ehe  gesamte  innere  llinriilitiing,  aus  welcher  der  an  drei,  in  der 
Kuppel    In'festiglen    Ketten   li.iiu'.eiule   \ielarmige  Krntilciu  liiri    .im   i'fiimi'i'risteii   ist 

')  D.iiiicic,  RjeCiiik,  lil,  MK 


634  Von  Jnxoilina  durch  die  Bclica  über  Kalcnk  nach  Kru&evac. 

Niihc  (kr  mit  Obstbäumen  umpflanzten  Kirche  befinden  sich  neben  einem 
alten  Hrunneii  viele  (jr.ihstiltten  aus  verschiedener  Zeil,  doch  ohne  bemerkens- 
werte Inschriften,  üb  der  ungemein  starke  quadratische  Unterbau  des  an  Portal 
und  Fenstern  polychromierten  Glockenturmes  der  allen  Klosterbcfcstigun^;  anKehörte. 
ist  fraglich.  Der  in  drei  Obergeschossen  oktonal  aufstrebende  Bau  wurde  von 
den  Italienern  so  nachlässig  ausgeführt,  dass  er  sich  bedenklich  senkte  und  von 
den  1842  ^^ef^ossenen  drei  Glocken  nur  eine  mittelgrosse  oben  belassen  werden 
konnte.  lliiRr  dieser  Baukünstler  skulptierte  in  seinen  Mussestundcn  einen  neben 
der  Turnitrc'ppc  stehenden  F-iären;  ich  erwähne  dies,  damit  er  nicht  schriftstellernden 
Touristen  als  „antiker  Biir"  aufgehunden  werde,  f-'ür  die  mit  Schiessscharten 
versehene  Umfassungsmauer,  an  welcher  grosse  Wirtschaftsgebäude  lehnen,  bilden 
die  südlich  sich  vereinigenden  Bäche  Ljubostinjska  und  Sucica  den  schützenden 
nassen  Graben.  Im  ganzen  macht  die  Anlage  mit  Resten  alter  Türme  zwischen 
der  westlichen,  an  den  Einbruch  der  Tataren  erinnernden  592  ni  hohen  Tatarna 
und  östlichen  SiiCicii  Knsa  den  Eindruck,  als  habe  hier  in  alter  Zeit  ein  Kastell 
gestanden,  das  mit  dem  crwäiinten  Grabovacer  und  einem  dritten,  dessen  Ruine 
sich  in  den  grossen  Birnernviikiern  bei  D.  Dubic  erhielt,  die  über  den  625  m 
hohen  Kamidzor  /um  nördlichen  2upanjevac  führende  Strasse  schirmte;  wurden 
ja  auch  Ravanica,  Krusevac,  Manasija  und  andere  altserbische  Klöster  im  Zentrum 
fester  Burgen   begründet. 

Die  engen  Beziehungen  der  unglücklichen  Zarin  Milica  zu  Ljubostinja  und 
dass  es  das  Grabmal  dieser  in  Gesängen  und  Liedern  hochgefeierten  Fürstin 
bewahrt,  die  unter  dem  Druck  der  Türkenmacht  noch  Serbiens  staatliche  Unab- 
iiiingigkeit  -zu  wahren  suchte,  trugen  viel  bei  zur  Ausdehnung  seines  Besitzes, 
der  heute  allerdings  nicht  so  gross  ist,  wie  zur  Zeit,  wo  es  „Ljubostinjski  Ijudi" 
(dein  Kloster  Zinspflichtige)  selbst  bei  Livoc  an.  der  Binc-Morava  gab ').  Das 
stetige  Wachstum  seiner  immer  noch  bedeutenden  Güter  dankt  Ljubostinja  aber 
auch  dem,  dass  der  um  seine  Erneuerung  hochverdiente  Abt  Arsenije  tüchtige 
Nachfolger  fand  und  dass  der  Wechsel  in  dieser  einflussreichen  Würde  kein 
häufiger  war,  an  welchem  Krebsschaden  die  meisten  serbischen  Klöster  leiden. 
Leider  gelangen  zur  Igumanswürde  oft  junge,  bedürfnisvolle  Männer,  welche  durch 
geheim  betriebene,  grössere  als  vom  Konsistorium  bewilligte  Absteckung  der 
Wälder  usw.  mehr  für  sich  und  die  Bereicherung  ihrer  Verwandten  als  für  die 
Hebung  des  ihnen  anvertrauten  Gutes  arbeiten. 

Ljubostinja  besitzt  seit  1877  in  seinem  auch  die  gute  Sitte  wahrenden, 
gebildeten  und  in  Geschäften  sehr  erfahrenen  Archimandriten  Venijamin  einen 
eifrigen  Förderer  des  Klosterinteresses.  Und  trotz  seiner  Klage:  „danak  je  velik!" 
(die  Abgaben  sind  gross)  mehrte  er  mit  seinen  zwei  Jeronionachen  das  Einkommen 
des  früher  für  10  Orte  mit  730Ü  Seelen  sorgenden  „carski  namastir"  so  sehr,  dass 
es  trotz  der  jährlichen  Auslage  von  8000  d  ein  zinsbar  angelegtes  Barkapital 
von  über  18  000  d  zurücklegte.  An  unbeweglichem  Vermögen  besass  es 
1888:    76    Hektar    Ackerboden    und  Wiesen,    12   Hektar    Obst-   und  Weingärten, 

')  Danicic,  Rjccnik,  II.  37. 


Von  Jatjodina  durch  die  Belica  über  Kalenic  nach  Kruäevac.  635 

18ü(J  Hektar  Wald,  Pflaumengärten,  die  1000  q  meist  zu  Spiritus  verarbeitete 
Früchte  geben,  8  Mühlen,  2  Mehanen,  ausserdem  schöne  Schafherden,  einen  grossen 
Geflügelhof  mit  prächtigen  Truthühnern  usw.  Am  14.  August,  am  hl.  Stefanstag, 
feiert  Ljubostinja  seinen  „Sabor",  der  das  Volk  aus  weiter  Umgebung  zum  gast- 
lichen  Kloster  führt. 

Voll  der  besten  tindrücke,  aber  bei  denkbar  schlechtestem  Wetter  —  es 
schneite  seit  dem  Morgen  ununterbrochen,  und  ein  kalter  Wind  wehte  aus  NO.  — 
setzte  ich  am  20.  Oktober  meine  Reise  zur  Morava  fort.  Ihre  nach  Trstenik 
führende  Jochbrücke  hatte  der  starke  Eisgang  1887,  am  „bozic"  (Weihnachten),  zur 
Hälfte  abgerissen,  und  lange  Verhandlungen,  welches  System  beim  Neubau 
angewendet  werden  solle,  beschränkten  seitdem  die  Verbindung  beider  Ufer  auf 
eine  primitive  Fähre,  welche  für  die  an  Samstagen  zur  Stadt  ziehende  Volksmasse 
schon  bei  massigem  Wasserstand  ungenügend,  bei  hohem,  wie  er  leider  plötzlich 
eingetreten  war,  aber  nur  „pesaci"  (Fussgänger)  übersetzt.  Eine  ganze  Wagen- 
burg, beladen  mit  Menschen  und  verschiedensten  Gütern,  Reiter  mit  roten 
Kapuzenmänteln  und  Vieh  jeder  Art  ballten  sich  schutzlos  im  strömenden  Regen 
zu  Gruppen,  aus  welchen  wirr  durcheinander  Klagen  und  Flüche  über  vergebliche 
Reise  und  erlittenen  Schaden  ertönten.  Nach  vergeblichem  Versuch,  hinüber  zu 
gelangen,  fuhr  ich  auf  dem  linken  Ufer  zur  Pontonbrücke  nach  Jasika.  Die  Strecke 
dahin  beträgt  nur  .30  km,  ging  aber  fortwährend  durch  den  aufgeweichten  Lehmbrei 
der  diluvialen   Uferterrasse,  so  dass  wir  nur  langsam   vorwärts  kamen. 

In  dem  von  riesigen  Zwetschgengärfen  umgebenen  Vclika  Drenova  rasteten 
die  Pferde;  dies  gab  mir  Zeit,  seine  schon  seit  1839  bestehende  Schule  und  neue 
Dampfmühle  zu  sehen,  welche  den  Ljubostinjer  Wassermühlen  erfolgreiche 
Konkurrenz  macht.  Im  folgenden  Bela  voda  gibt  es  viele  Ducanen  (Kramereien) 
und  im  südöstlichen  Kukljin  überraschten  mich  tiefer  unten  am  Flusse  einige 
hübsche,  neue  Gehöfte  neben  soliden  Wassermühlen  und  gut  gepflegten  Gemüse- 
kulturen.  Beide  Orte  wurden  mit  zehn  anderen  1895  im  Interesse  ihrer  nach 
Kruäevac  gravitierenden  Bevölkerung  vom  Temnicer  Bezirk  des  Moravakreises 
abgetrennt,  wodurch  aber  das  nördliche  Bezirksstädtchen  Varvarin  benachteiligt 
wurde.  An  der  Kalenickamündung  liegend,  baute  es  schon  1824  eine  Maria 
Himmelfahrt  geweihte  Kirche  und  zählte  1896  in  279  Häusern  1840  Seelen 
Während  des  Freiheitskrieges  besiegten  Russen  und  Serben  1804  bei  seiner 
starken  Schanze  den  mächtigen  türkischen  Gegner,  nachdem  der  südliche  Brücken- 
kopf bei  Jasika  genommen  war  (II.  Bd.,  IV.  Kap.).  Noch  ö  km,  und  das  letztere  war 
erreicht.  Seine  seither  nach  Trstenik  übertragene,  durch  eine  180  m  lange  Joch- 
brücke mit  18  Ofliumgen  ersetzte  Pontonbrücke  arbeitete  glücklicherweise  noch. 
Einer  der  vier  Pontonniere  befahl,  die  F'ferde  langsam  über  die  gel.lndcriose 
Pfostenbahn  zu  führen,  und  erst  jenseits  durften  wir  imd  der  Kutscher  den  Wagen 
wieder  besteigen,  kli  fügte  mich  ohne  Einspruch  dieser  streng  gehandhabten 
Prozedur,  grüsste  mich  ja  von  der  nur  'A,f)  km  fernen  südlichen  Höhe  die  wohl- 
bekannte weisse  Kathedrale  der  allen  Zarenstadt,  in  der  ich  lang  entbehrte 
Nachrichten  aus  der  Heimat  erwartete. 


6;Ui  Von  Jacodinn  durch  die  Belica  über  Kalcniii  nach  Kriiicvac. 

Die  fruchtbare  Ebene,  welche  mich  noch  vom  Ziel  trennte,  war  auf  der 
^{cradlinineii  Strasse  im  Flun  durchschnitten.  Angenehm  berührte  mich  die 
auffülNj^c  WaiuiluMn,  welche  KruSevac  durchj^emacht;  nur  politisch  blieb  es  auch 
1903  bei  den  Skupfttinawahleii  der  radikalen  Richtunn  treu.  iJer  Leser  findet 
seine  alte  und  heutige  F^hysionnDniie  im  II.  Mand  f^eschiklerl.  iJes  frühzeitig 
eingetretenen  Winterwetters  wegen  schloss  ich  1888  hier  meine  Reise  ab.  Die 
mit  Schnee  bedeckten  üipfel  des  Juors,  den  ich  kurz  zuvor  von  S.  nach  N. 
umgangen  hatte,  erinnerten  mich  auf  der  Schienenfahrt  nach  Belgrad  an  meine 
prograniingern.'lss,  ergebnisreich  durchgefüiirte  Wanderung,  deren  Fortsetzung  nach 
Süden  ich  dem  Jahre    1889  vorbehielt. 


Druck  villi  Ucriili.  Meyer,  Leipzig 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Abdul  AliiiK'd,  Sultan  615 
Abdullah,  Marco,  Kiiez  165 
Acimnvic,  Knuia  309 

Ada  388 

Ader,  erzreiche  469 

Adonaj  516 

Adonis  516 

Aditbegovac,  Stari  217 

AKanlija  Beg  336 

Agronom.  Gesellschaft  104 
Akademie  d.  Wissensch.  92 
Albaneson  450 

Ak'ksandrnvac  217 

„Aleksandrovac"  285 

Alexander,  Fürst  628 

,  Herzog  von  Württem- 
berg 130 
,  König                     330  488 
Alfüld  1 
Ali  Beg  Avranasovid              9 
-,  ülaubeiisstreiter 

132  164  291 
Ali  Begzade  Mehemed  418 
Aliiiipic,  Ranko,  üeneral  361 
Ali  Nizani  Bey  III 

Ali  Pascha  267 

AHuviiiru  228 

Alin.uiai.li  ISij'.l.  (iiitlia  483 
Alt-I)(ibin  204 

Alt-t)fen  182 

Altoinaii()\  iO,Nik()la,(Jau- 

wojvvddf  444  496 

Allserblsch-ragiisanische 

llulliu-l'.poche  443 

Aiuailija  349  402 

Amir  Meliemcd,  Sultan  5'M 
.Ampelimi  237 

Aiuselfeld  5<)4 

Amselfehlsilil.uht        I'Ki  483 


Seite 

Andonovid,Je  vrem,  NaCal- 

nik 

431 

Andrejid,  Palalija,  Knez 

131 

Andrija,  Pope 

431 

Angelina 

251 

Ansiedelung,  antike     240  241 

Antimonium-Minen 

408 

Apistischer  Verein 

104 

Apollo 

293 

Aquincum 

182 

Arandjelovac 

458 

Arandjelov  dan 

?i5 

Arbeiterkoldiiie 

245 

Architekturrestc 

362 

Arilje 

507 

Arnaut-Popovac 

219 

Arsenije,  Patriarch 

142 

-,  Prota 

465 

Arsenik 

443 

Asbest 

463 

Aschbach 

1«-» 

Äsen  II. 

( 

Asir  Pascha 

33 

Äskulap 

238 

Aspromonti,  (Iraf 

14 

Atanackovic 

314 

Athos,  Chronik  vom  Hilan- 

darer 

268 

Alhosklostcr  llilandar 

378 

Altila 

15G 

Attisbrüdcr 

SIC 

Aufstand,  bosnisch-hcrzo 

gowinischer 

402 

Aiirelius 

516 

Avakum 

4;w 

Avakiuiiovic 

314 

Avalaberg                      120  338 

Avala,  priihistor.  Keramik 

123 

Avarc 

IKJ 

B. 

Seite 

Babajic'  440 

Babakajafels  197 

Babe  338 

Babina  Luka  380  429 

Babinaquell  206 

Bafevacki  vis  493 

Bacevci  494 

BaCina  289 

Badanja  384 

Badanj,  Donji  408 

Badovinici  364 

Badujevac  604 

Bajazid,  Sultan  324 

Bajina  Baita  544 

BajIonI  <S  Cie.  170 

liakarnicahütte  248 
Bakic.Hüfed.Wojwoden    ;ö4 

Bakionica  519 

Balvan,  Karaula  561 

Ban,  Schriftsteller  lOJ 

Banify.  Graf  170 

BaniJina  4>4 

Banovina  541 

Barnjevo  338 
— ,  prähistor.  Bronzen       ;139 

Bare  326  469 

Barie  344  469 
Barlovac,  Mihail,  Polizci- 

priifekt  in  Belgrad  II.') 
Barovnica  3;Jü 
Barth  198 
Basilios  II.  7 
Balar,  Karaula  388 
Balic'.  Kürst  391 
BalocMna  fi05 
Bauernhof,  Einrichtung  -HO 
Bceevica  595 
Hclesligungskunst,  all- 
sei bische  499 


((38 


Alph.ibftiiichcs  Sachregister. 


Sdlc 

Seile 

Bedina  varoä 

584      Bc 

Igrad 

[icfri-lun^skainpf,    Som- 

i -, 

Hospital,  slildtlsches 

73 

mer   IKIf) 

236  '  - 

Hotel  Bosna 

79 

Ik'Kaljita,  Harrdorf 

131       - 

Hotel  Srpska  Kruna 

KT. 

Ht'no  Novijanin 

.354      - 

Hufbeschlagschulc 

70 

Kcia  III.,  Künig               7 

1H3      - 

Hygiene 

95 

Bcia  Crkva 

391      - 

Hirsch,  Ign.,  Grabmal 

76 

-    stena 

408      - 

innere  Stadt 

4S 

,  Pylons 

195 

Irrenanstalt 

70 

voda 

635      - 

Kaiser  Karls-Tor 

,39 

Belgrad 

— 

Kalimcgdan-Glacis   23  84 

— ,  Ateliers 

K7       - 

Kalksteinbruch  Taä- 

— ,  Av;il;i,  Miir(,'riiinc 

119 

majdan 

73 

— ,  Balmlinf 

79      - 

Kapelle,  katholische 

(ö 

— ,  Hatal  L)->amija 

01       - 

Karaburma 

80 

-  ,  Bergliaiiaiiit  u.  Geo- 

— 

Kasematte 

25 

logisches  Museum 

69      — 

Kirche,  Protestant. 

55 

— ,  Berg-    und    hiitteii- 

— 

Kirchen-Singvercin 

miinnischer  Verein 

460 

„Sloga" 

51 

— ,  Bewohnerzahl 

97 

Klima 

94 

— ,  Brauereien,  Weifert- 

Kollektionen  Weilert 

181 

sche  u.  Bajlonische 

80   ,   - 

Kriegsministerium 

67 

— ,  Brauercisaal 

79      — 

Laboratorium,  ehem. 

70 

— ,  Bureau,  statistisches 

95      — 

Landwirtschafts-Qe- 

— ,  Citadelle 

25 

sellschaft 

539 

— ,  Denkmal  der  Heiden 

— 

Lapidarium 

178 

von  1806 

71       - 

Laudons  Erstürmung 

21 

— ,  Dom  Sv.-  Save 

45      — 

Lebensmittel-Markt 

83 

— ,  Douane 

98      - 

Lehrer-   und  Lehre- 

—,  Etablissements 

77 

rinnen-Seminar 

92 

— ,  Erzengel  Michael- 

— 

Leseverein 

52 

Kirche 

49      — 

Ljubica-Konak 

52 

—.  I'ahnenmoschee 

40      — 

Mädchenschule,  höh. 

66 

— ,  Feldkapelle,  russ. 

66      — 

Meteorolog.   Anstalt 

69 

— ,  Fiaker 

86      - 

Militär-Akademie 

67 

— ,  Fricdiiof,  alter 

72      - 

Museum  201  212  242 

— ,  Fürchte  niciit-Strasse 

70 

289  442  536 

— ,  Fürst     Miliail-Denk- 

— 

Nationalbank 

53 

malin  der  Kathedrale 

51       — 

Nationalmuseum 

225 

— ,  Gemeinderat 

97      — 

Nationaltheatcr 

56 

— ,  Generalkonsulat, 

— 

Naturhistor.  Kabinett 

225 

deutsches 

46      — 

Niser  Bahn    222  231 

285 

— ,  Grand  Hotel 

52      — 

Oficirski  dorn 

67 

— ,  Grosse  Treppe 

79      ^ 

Palais,  königliches 

57 

— ,  Grossfirmen 

53      - 

Palais  Ristic 

65 

— ,  Gross-Insigl 

17      - 

Palilulakirche          72 

324 

— ,  Handel 

99      - 

Porzellanfabrik 

80 

— ,  Handelsschule 

65      - 

Priesterseminar 

48 

— ,  llauptausgahcn 

99      — 

Prinzenhaus 

39 

— ,  Haupteinnahmen 

99      - 

,  Regulierungsplan 

37 

— ,  Hochschule 

92      — 

,  Römerbrunnen   der 

— ,  Hodiahaus 

55 

Citadelle 

25 

Still 

Belgrad 
,  Ru^.icakirchc  39 

.  Salonlkslrassc  45 

,  Salpelerhohle  73 

,  Smederevoer  Bahn      32'.t 
,  Socitilü  Scrbe-Fran- 

Vaise  95 

,  Spital  f.  ansteckende 

Krankheiten  95 

,  Slaalsdruckerel  79 

,  Stari  Konak  56 

,  St.  Nikolakirche  74 

,  Taubstummen-    und 

Blinden-Inslilut  54 

,  Theater-Gasometer        4<) 
,  Unruhen  1862  29 

,  Volksschule  74 

,  Voznesenskakirche        65 
,  Waisenhaus  70 

,  Wappen  19- 

,  Webereifirma Cromp- 
ton  &  2ivkovic  311 

Belica  617 

Bell     cetvrtak     (weisser 

Donnerstag)  483 

—  kamen  587 

Beljina  336  338  540 

Belocrkvic,  Nikola.  Woj- 

wode  446 

Belo  polje  324 

Belosavca  polje  335 

Benndorf  198 

Bergindustrie  449 

Bergleute,  dalmatische  237 
— ,  deutsche,  Anno  1433  240 
Bergstadt,  eine  römische  238 
Berufsstatistik  97 

Bezanija  16  342 

Bibel,  Bauunternehmer  139 
Bigrenica  279 

Binicki,  Oberst  228  229  231 
Bioska  £65 

Biskuplje  189 

Bit\'enakopf  346 

Bjeljina  349  402 

Blagaja,  Berg  568 

Blagovjestenije.  Kloster- 
kirche   260  463  464  523  525 
Blaznava  462 

Blaznavac,  Kriegsminister 

114  115  120  305 
— ,  AMhail  445 


Alphabetisches  Sachregister. 


639 


Seite 

Seite 

Seite 

Bleda 

156 

Bratinacer    Kimstmiihle, 

Carnojevic,  Arsenije 

530 

Bleiberge 

448 

Gründer 

254 

Carnuntum 

182 

Bleierze,  silberhaltige 

422 

Brauneisenstein 

443 

Carostavnik  (Erzbischof 

Bleiglanz 

443 

Brcka 

350 

Danilos  Regententafel» 

268 

Bleischätze 

338 

Brdjani 

384 

Car§ija 

231 

Bogaljinac 

620 

Bresnica 

591 

Castrum  der  römischen 

Bogatic 

348 

Brestovik-Plateau 

130 

Horreum  Margi 

228 

Bogdan,   Ljutica,  Woj- 

Brezna 

480 

Cebinac,  Bildhauer 

514 

wode 

426 

Brezovica 

422 

(ielijan 

617 

Bogdanje 

631 

Breztje 

437 

Celije 

431 

Bogic,  Bergwerksdirektor 

282 

Brikettfabrik 

286 

Celiscor  potok 

239 

Bogidevic,  Ante 

383 

Bronzezeit 

531 

Cementplatten,  antike 

218 

— ,  Antonije 

383 

Broquiere 

199 

Cemernica 

481 

—,  General 

93 

Brown 

12 

Ceremoänja 

250 

,  Mihail 

120 

Brstica 

408 

Cerhöhe,  Ruine  vomTro- 

Bogovadja,  Kloster 

134 

Bruderlade 

286 

janov  grad 

363 

,  altes  Klostersiegel 

439 

Brusnica 

442 

Ceric,  Firma 

347 

Boguniil,  Pop,  Sektierer 

389 

-,  Stammort  Obrens 

484 

Cermak,  Kreisingenieur 

Bogumilen-Sarkophag 

440 

Brusnik 

585 

177 

543 

Bogumilensteine          390 

522 

Brzodi 

219 

Cerova 

424 

Bogumilismus 

389 

Bugarski,  Architekt 

60 

Cestin.  Serbenburg 

603 

Böhm 

155 

— ,  Alexander,    Ober- 

Cestobrodica 

523 

Boletica 

129 

ingenieur                  140  212 

Cezavamündung 

202 

Boljavina 

408 

Bukarester  Frieden 

355 

Christenmassacres  auf 

BoraC- 

593 

Friedensvertrag 

321 

dem  Libanon 

23 

Borai^ki  Klub  „UusanSilni 

"  94 

Bukovaika  kisela  voda 

438 

Chronisten,  altserbische 

445 

Borak 

338 

—  polje 

436 

Chrysobul 

277 

Borovic     Rade,     Proto- 

Bukovfe 

607 

Chr>so  vechia 

2.38 

niajstor 

632 

Bulgarien                      238  291 

Liia  Aksentije  Neäkovic' 

485 

Bosniakcn 

345 

Bumbarevo  brdo 

591 

Cigia 

577 

Bosnien,  serbischer  Vor- 

Bundesbrüder-   und 

Cikota 

408 

marsch  1876 

401 

-Schwesterschaften 

255 

Cirilovac                      153 

186 

Bosut 

348 

Burdizu 

516 

Cirilovactal 

153 

Botorid 

91 

Burgas 

247 

Civitas  St.  Oemelrij 

347 

Boiie,  Ami             121   16< 

456 

Businska-Ebene 

544 

Cokordina 

219 

Boiii 

246 

Busurbach 

221 

Colak  Ali 

432 

Boiiirnja 

326 

Byzantiner 

235 

—  Anlic 

579 

Bradacaliang 

215 

Byznnz 

183 

Colonia  Flavia  Sirmiiiin 

:i47 

Bradata,  Kloster 

216 

Constantia 

155 

Bradar,  Schloss 

439 

c. 

Cor  Mijat 

428 

Bradarac 

174 

CaCak                            488  5.» 

Cor  Osmans  Niederlage 

4ai 

Bradaska 

235 

— ,  Ebene 

540 

Crkva  Pustinjska 

432 

Branegovit 

493 

-,  Führe 

5;m 

Crkvina 

447 

Branegovici  vis 

493 

— ,  Fürst  iVtiloSstrasse 

539 

Crljenac                       214 

216 

Branicevo 

183 

— ,  Rciterbuiul 

5;»9 

Crna  Gora                    2^1 

470 

Branilici 

442 

— ,  soziales  Leben 

5;w 

CrnCa 

616 

lirankoviC,  Djordje          ^ 

!   I2H 

— ,  Vergangenheit 

5;}5 

Crniljevo 

42:« 

,  Djiiradj,   Despot 

Oaja  Pascha,  Grabstätte 

537 

Crni  vrli 

291 

131    132  4-»- 

AM 

Caprera,  Graf 

13 

Crnobarac,  Dimitrije 

115 

Braiikoviiia 

427 

Careva  poljana 

216 

Crnogorcen  als  Panduren 

423 

Branovina 

522 

Carigrad 

383 

Crno  kos-Kuppe 

VM 

Bratinac,  Kiinstinühic 

253 

Carinus 

136 

Crnudc                         'Xn 

;ß4 

(;40 


AlphnbctiHchcs  Sachri'Kiütcr. 


Seile 

Croy,.Hcr/.on  von  14 

C^anRÖ-Mai'y'if»-'"  '6' 

Csorban  162 

Cufujic      •                  41«  4»". 
Ctikk,  Pavlc,  MinisiLT 

112  Mi»  247  :m)  406 
—  -  ,  Wojwocli;  2Ö7  604 
Cu\  Ben  5()3 
Ciimic  <S  Cic.  311  326 
Ciiiiionl,  l-"rrinz  178 
Ciipic,  Stoj.'iii,  Freiheits- 
kämpfer 348 
Ciippae  (Goiubac)  185 
Cuprija  164  228  232 
Ciircijevo  217 
Ciiriinocka  stena  4()*i 
Cvelke  591 
Cvijic.Hochsfhulprofessor 

239  241  264 

Czernin,  Ilorinniiii  12 

D. 

Dahicnregiment  452 

Daker,  Krieg  gegen  die  183 

Damjan,  Wojwode  374 

Danipfcrkompagnie  136 

Danilo,  liischof  430 

Debelo  brdo  584 

Debrc  358 

üecebalus  183 
— ,  Abkömmlinge      des 

dacischen  Königs  239 
Dedinj.skocr  Höhle  530 
Deguric  .  493 
Delibasa,  Anatolier  164 
Denjkovica,  Kloster  618 
Deputleitentypen  63 
üernschwanini.  Hans  '  11 
Dcsic  367 
Desovid,  Milan  515 
Despotova  kula  266 
Despotovica .  Bezirks- 
städtchen 266  442  585 
Destinikon  362 
Dialekt,  siidserbischer  312 
Dici  440 
Dimar,  Frhr.  v.,  General  501 
Dimitrijevic,  Dr.,    Kreis- 

physikus  1:0 

— ,  Stojan,  Direktor  168 

Dimitrovci  347 


Seile 

Seiu- 

Diociciinn 

156 

Dtafiti,  Kapelan 

337 

Diviümn 

449 

DraKocvci 

616 

D'ivoslin 

320 

Dragojcvac 

34 'i 

Djakovo 

291 

Dragovac,  Dorf 

211 

Djordje  Kirit* 

217 

Dragulin,  König 

IK3  508 

„Curcija",      Harain- 

Dragutinovic.  Kosia 

113 

bascha 

:fj4 

409 

Dräskoczy 

]•*> 

Djordjevic,  Brüder 

52 

Draimirovac 

22« 

— ,  Nikola 

221 

Dreifalligkciisbrunncr 

,  Vladrn,  Dr. 

208 

heiliger 

2ßO 

Djukie,  Milic,  Pope 

255 

DrenCa,  Kloster 

214 

326  465 

Drenovac 

346 

Djiirdjic,  Heidiicke 

431 

Drinadella 

348 

Djiiric,  Janicijc 

466 

Drinfid,  Filip 

522  M") 

Djurinatko  brdo 

228 

Drlupa 

336 

Dljin 

542 

fJrmanovina 

494 

Dobra 

202 

Drmno 

174 

DobraCa,  Jovan,   Grab- 

, Ausgrabungen 

I8U 

stätte  des 

320 

Druietici 

522 

Dobracr  Kohlcnwcrk 

204 

Drvenglava 

261 

Dobrava 

361 

Dub 

543 

Dobra  voda 

384 

Dublje 

367 

Dobriievo,  Zeniralinstitut 

Dubnica 

222  494 

für   Staatsgestiite 

und 

Duboka 

202  241 

Viehzucht 

287 

—  reka- 

240 

Dobrilovina,  Kloster 

468 

Diiboko  brdo 

344 

Dobrinja,  üornja 

520  521 

Dubrava 

572 

Dobrinjac,  Petar 

164 

Dubravica 

162 

— ,  Stevan,  Knez 

163 

219 

— ,  Donau-Dampfer- 

Dobrnje 

219 

station 

?99 

Dobrosavljevid,  Miliail 

467 

Dubravicaer  Douane 

167 

Dobrotin 

543 

Ducalovici 

541 

Dobrunjc 

564 

Duiic,  Archimandrit 

111 

Dokmir,  Pfarrort 

426 

— ,  Nicofor 

579 

Dolna 

519 

Duleni 

619 

—  Livadica 

218 

Dusan  Silni,  Zar    93  435  594 

—  Sugubina 

618 

Dux    Guduscanorum 

et 

Domacica 

91 

Timotianoruni 

238 

Domaszewski  146  496  510  514 

Dvoriste 

192  194 

Domavia,    Bergstadt 

in 

Dvorovi 

349 

Bosnien 

543 

Dzimic,  Milan,  Skupst 

ina- 

Donau-Dampfschiffahrts- 

Präsident 

519 

Gesellsciiatt 

202 

342 

Donau-Limes        209  229  240 

E. 

Dörrprozcss 

598 

Draca,  Kloster 

469 

Edelmetalle 

443 

Draiiaquelle 

320 

Edelmetallproduktion,  Still- 

Dracic 

493 

stand  der  serbischen     250 

Dragacevo 

539 

Eisen 

243 

Draga,  Königin 

60  488 

Eisengiesserei 

24.; 

Dragascvac 

623 

Eisernes  Tor 

19S 

Dragaäevic,  Oberst  185  221  259      Ercege 


58J 


Alphabetisches  Sachregister. 


641 


Seite 

1 

Seite 

Seite 

Erdbeben                       94  232 

Generalstabskarte 

476 

Gostilj  brdo                       563 

Erdec 

603 

Gensis,  das  römische 

377 

Goten                                   230 

Eiuptivzone,  erzführende 

243 

Georgsgrube 

251 

GrabovaCko  brdo              470 

Erzdistrikte  an  der  Donai 

242 

Gerichtsverhandlung 

282 

Grabovica                          228 

Eugen,  Prinz 

449 

Gestütsdomäne 

171 

Grabovo,  Hüttenwerk        242 

Evgenije,  Archiniandrit 

270 

Gesundheitsepidemie- 

140 

Grabsteine,  alte           516  543 

Exarchie 

428 

Getreidebau 

311 

Gracanica,  Klosterkirchlein  432 

Export 

232 

Getreide-bir 

220 

Gradina                       564  570 

F. 

Geza  1. 

7 

—  brdo                               567 

Ohazi  PorCa 

122 

GradiSte                               189 

Familiengefühl,  serbisches  283 

Gikic,  Bergingenieur 

286 

,  antike  Reste                 190 

Fassdauben-Produktion 

339 

Gjaursko  groblje 

389 

Greben-Donaupass             195 

Fatalismus 

505 

Glanzkobalt 

443 

Grebenpylon                       2i)'> 

Feldwirtschaft 

216 

Glasnik 

446 

Grnfare                               4(J8 

Feldzug,  Eugenscher 

374 

Glaveja 

619 

Grocka                               130 

Filiale  Dobricevo 

171 

Gledjica,  D. 

585 

,  Schlacht                          19 

Filipovid,  Josef,  Baron, 

Gligorije,  Archimandrit 

438 

Grosnica                             603 

General 

33 

Gliäic,  Miloä 

431 

Grossindustrielle                255 

Finney,  Hüttendirektor 

422 

GlpeC 

574 

Grotnica                              588 

Flattich,  V.,  Architekt 

79 

GlumaC- 

519 

Guberevci,  Hüttenbetrieb    338 

Foiii 

429 

GluJac 

362 

Gu£a                                    588 

Foglär,   Ludwig,    Donau- 

Godiänjak 

159 

Guduscani                          238 

sagen 

197 

Godljevo 

494 

Guncati                              594 

Fräknoi 

352 

Godominsümpfe 

211 

Gusanc  Ali                          466 

Francavilla 

347 

Godovik 

541 

Franknchorion 

346 

Gögerdiinlik 

197 

H. 

Franzjosefs-Feld,  deutsch 

e 

Gola  Glava 

426 

Hadom  Pascha                   122 

Kolonie 

349 

—  planina 

241 

Had2i  Chalfa   132  429  444 

Freund  &  Co. 

339 

Goldfunde 

?.38 

490  tW 

Friedrich  Rotbart    183  480  483 

Golija  planina 

584 

—  Hassan  Sükri  Elfendi      43 

Frühjahrshochwasser 

94 

GoljiSka,  Engschlucht 

585 

—  Ismail                              502 

Fruäka  gora 

346 

Golub 

163 

-  Melentije                       351 

G. 

Golubac 

189 

—  Prodan  Gligorijevic       586 

,  Bezirksamt 

208 

—  Prodan-Kirclilein           585 

Gablcnz,  Frlir.  v.,  Feld- 

,  Firma  Blagojevic'  1  zet 

200 

—  Stefan,  Archimandrit, 

zeugmcister 

111 

■  -,  Gemeinde 

200 

Bojovi(i                            279 

Gabrovacer  Quellwasser 

214 

,  röm.  Bronzeplatte 

195 

Hafiz  Pascha        219  230  336 

Gaia 

447 

,  Schloss 

11H5 

Hahn                                   198 

Gallienus                       182 

230 

Gop^evit',  Spiridion 

198 

Hamid,  Sultan                     468 

GaraÄanin,  Familie 

130 

üorica-Plateau 

Ui'.i 

Handschrift  Lclopis            383 

-  ,  Ilija 

108 

Gornja  Bukovica 

424 

Haradi                                 342 

— ,  Milutin                     437 

401 

-  KruSevica 

2:« 

Hat-i-Scherife  von  1828/29  134 

— ,  Svetozar,  Oberst 

131 

-  Livadica 

218 

Hauptcxporlartikel              376 

üavjonovic,  Josif,  Igiunan 

280 

Vrbova 

41)9 

Haupt-Mctall/one.  scrb.    337 

Gavrilovic',  A. 

564 

GornjaiJka  Klisura 

2(J0 

Hauptodc  der  römischen 

,  Josif 

466 

Oornjak,  (iriindungssage 

2C.2 

Metallprodukt,  am  IVk    2SJ 

-   ,  Jovan,  Scii.ilor       l()8 

320 

-,  heutii^er  Sprengel 

2M 

Hausgenosscnschatt, 

-   ,  Kegent 

172 

,  Kloster            212  259 

2t)  1 

Griiiul/üged.  serbisch.    370 

Gazi  Miri  Mirani 

449 

Gornji  Lajkovac 

4;<7 

Hauspalronslest                    88 

Gef.ingnisstrafe 

422 

Gorobilje 

51t) 

Hnvale,  Schloss                     9 

üeldpr;it,slatte 

238 

Gospodjiua  Cesma 

427 

Helduckenium              521  540 

üeniic' 

314 

Gospodjin  vir 

204   i 

Hclllgcnbrot                       253 

r.  KANIIZ,   ScrlM.n 

. 

4  t 

(;i2 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seile 
Hciistattcn  239  259 

llfli.ii.1.  (jricchcnkaiserin  197 
liflcnu,  Crin/fssin  317 

Herder  172  239  242  400  4.% 
llerzcRowina  3'.K) 

Messe,  StailtinReniciir  139  153 
tiilclbiirnli;iiisen,I'rin/von  3<IK 
llirlciiniiidclien  494 

llDclil.incI   zwischen  der 

Sava  und  Donau  I70 

I  Inciiwasserlcatastrophc, 

Novenitier  IKl«'.  349 

Hoffest  «« 

Hofniann,  Rafael,  Bergrat 

122  241 
llohcnzollcr  256 

Holzwaren  5^'^^ 

llomnljer  Gebirge  240  251") 
llcMiuil,  Palanke  2(i() 

Hopfen  540 

Horreuni  Margi  iCuprijai  21 1 
Hospodarenvviirde  256 

Hristic,  Nii«ola  115 

Hrtkovcer  „Gradjenik"  346 
Hrtkovci  346  450 

Hrveät,  Gut  484 

Hiie,  Gouverneur  59 

Hunne  156 

Hunnenkriege  230 

Hiinters,  Kapitän  421 

Hunyady,  Feldherr  9  132  346 
Hiisdoii,  Haus  Thomson  9t) 
Hiittenbetrieb  238 


Ibrahim  Pascha  219 

Ilic,  Arandjel,  Pope  217 
,  Steva                        '    195 

llija  Bircanin  429 

Ilkic,  Baurat  60 

Illyrisches  Dreieck  228 

Impfung  280 

Innozenz,  Metropolit  334 

Isdril  260 

Itinerarien,  antike  163 

Ivanjica  572 
Ivankovac                    219  230 

-   ,  Hochebene  von  275 

Ivelic,  Graf  321 

Iverak  619 

Izposnici  526 


J.  «"" 

Jablanicabach  bei  Me- 
djulu^je,  prähistorische 
l"undst.'ilte  335 
Jahlanik  424 
Jagnjilo  2<)8 
-,  Peter-  und  Pauls- 
Kirche  335 
Jagodina  157  168  231  291  607 
Jagodinska  mahala  230 
Jagodnjagebirgc  4(J<J 
JakovijeviL'.Arsa,  General  301 
Jakovo  342 
Jalovik  425 
Janja  402 
Janko,  Cincar,  Kapetan  279 
Jankovic,  Paun,  Minister  l't '. 
Jarmenovac  402 
Jarmenovci  445 
Jasenica  326 
Jasika  635 
Jautinacki  vis  427 
Javor-Armee  579 

—  Gebiet  577 
Insel  375 

—  Kuppe  585 
Jazovnik  359 
Jeckel, Josef,  Kohlenbau- 

besitzer  173 

Jeftimije,  Archimandrit  194 

Jelica  590 

- -.  Castrum  54ii 

Jelin  breg  4ns 
Jerina,  Despotin   132  445  460 

Jeromonach,  Aleksije  468 

— ,  Damaskin  120 

Jevrem,  Gospodar  438 

Jevremovac  360 
Jevremovic,   Aleksije, 

Iguman,  468 

—  F.,  Professor  168 
Jevta  Savic  383 

—  Vitkovic  428 
Jevtid  321 
Jezero  274 
Jezevica  521 
Jirccek  151221  362  443  468  603 
Joakim     von      Valjevo, 

Bischof  468 

Johannes  II.  7 

Jokic,  Petar  333 
Jokovic,  Ingenieur       309  454 


Seilt 

JoSanica,  Klusier  615 
Josef,  Kaiser  354 
Josias,  Prinz  von  Coburg  21 
Josif,  Archimandrit  120 
Jovan,  Wojwode  522 
Jovanjc,  Kloster  530 
Jovanovac  603 
Jovanovid  383 
-,  Bogoljub  95 
,  Djoka  P.,  Professor  436 
,  Djordje,  Bildhauer  166 
,  Djuro  163 
.  Milutin  303 
,  Quarantäne -Kom- 
mandant 386 
,  Sievan,    Briefe    des 
Archimandriten  383 
Jovis  Pagus  228 
Jug  Bogdan  277 
Jugovic,  Brüder          383  631 
Jugovo  151 
Julian,  Kaiser  6 
Jungfrau-Wirbel  205 
Jungserbentum  342 
Jungtertiare  Sandstein-  u. 

Kreideschichten  338 

Juor-Ausläufer  289 

Juriinovac-Höhle  531 

Justiziibung,  ältere  283 

K. 

Kadinjaca-Mehana  543 

Kaisermünzen       153  230  360 

Kalenic,  Kloster  623 

Kalenicka  reka  624 
Kaliste,  antik.Wegknoten- 

punkt  213 

,  Dorf  212 

— ,  Römerkastell  213 

Kaljevic  314 

Kalkberge  206 
Källay,  Benjamin  v.     114 

388  567 

— ,  Frau  V.  349 

Kalojan,  Bulgarenzar  567 

Kaludjer  Makarije  531 

—  Simeon  467 

Kaludjerica  128 

Kaludra  624 

Kalujanjevic  567 

Kamenac,  Mine  170 


Alphabetisches  Sachregister. 


643 


Seite 

Seite 

Kamcnica                     321 

422 

Kiadurovo 

236 

Kamenicka  cuprija 

294 

Klassenlotterie,  staatliche 

99 

KaniL-nickahöhlc 

239 

Klaticevo 

471 

Kaiiicnovo                    220  221 

Klementinerorte 

450 

Kanal  Vukovar-Camac 

344 

Klenak 

346 

Kaona,  Walachendorf  239  425 

Klenovnik 

167 

Kaolin 

408 

Kleric,  Professor  122  251 

460 

Karadjordje   230  231  265 

Klicevachöhe 

428 

273    279    290    317    321 

Klicevachügel 

378 

336    337    360   410   425 

Klimenti,  Dorf 

450 

430   444   445   452   453 

Klisura 

571 

401    470    482    502    544 

Kljue 

436 

586   603 

627 

Kljucarevacberg 

426 

— ,  Erobcriinti  Belgrads 

22 

Klokocarhöhen 

235 

,  Gemahlin, (jL'lnirtsort 

335 

Klosterbewohner 

532 

— ,  Hüiduckentuin 

333 

Klosterreform 

467 

— ,  Mutter 

465 

Klöster,  serbische 

532 

— ,  Wohnsitz 

326 

Klubci 

383 

Karadjordje  vic,  Alexander 

Kluc 

224 

1-iirst    104   116  170  231 

Kmetenwahl 

281 

303  445  448 

462 

Knezevac 

469 

— ,  Familiengruft  auf  dem 

Knezevic,  Acim,  Mönch 

438 

Wiener    St.     Marxer 

Knie 

597 

Friedhof 

3.34 

Knitanin                 303  463  598 

,  l-"amiliensitz/.uTopola 

3;{4 

Kobacnica 

493 

,  Hersida,  l'iiistin 

116 

Koca-Insurrektion 

241 

,  Stammhaus 

326 

Koceljevo 

426 

Karadjordjcv  sanae 

575 

KoiJetin 

219 

Kara  Feis 

290 

Koi^o,  Kapelan 

206 

Karagiofdscha 

294 

Kohlenflöze                  239  285 

Karakasevic 

1.50 

Kohlengebiet,  ein  riesiges 

285 

Kara  Mustafa,  Himbascha 

490 

Kohlenlager 

2(Vi 

Karan                          495  513 

Kolari 

l.^>7 

Karanovac 

540 

Kolimirtal 

_'I7 

Karic,  |-'ainilie 

142 

Kolo 

25ti 

Karl  d.  Or. 

346 

—  jahaia 

311 

Karlowitz 

1 

Kolonialwareneinfuhr 

Ml 

Kastellreste,  antike 

265 

Kolonisten 

232 

Katanska  huna 

3.55 

Kolubara 

.344 

Katit,  Janko                 330 

360 

Koniarci 

tid.') 

Kcitenort 

182 

Komarcic,   Lazar,  Uoniat 

Kiepert                   IS5  213 

533 

„NaÄ  koCijaS" 

r>44 

Kik 

494 

Komorane 

620 

Kiko,  Kreisingenieur 

539 

Kompagnie,  französische 

244 

Kikojevac 

320 

Königsfeld 

2;«) 

Kimci  Manastir 

239 

KonjuÄa 

4(W 

Kinlilier;;,     Ciral,    ll.iu|il- 

,  pr;ihistorischeHron/e 

- 

niann 

rx)i 

funde 

107 

Klr  l'ankratije 

JIO 

Konstantin,  K.usei 

213 

—  Serafim,  Metropolit 

."ij.'i 

,  Forphyrogenctos 

362 

Sopronije,  Metiopolil 

r>2,'> 

KonslantinoviO,  Ankn 

108 

Kitog 

.MS 

,  K.il.i 

UM 

Seite 

Köprülü,  Grossvezier  14 
Koracica  335 
Korieani  603 
Korman  603 
Kosanin  grad  367 
Kosjerici  494 
Kosmaj  335 
Kosovo  192 
Kosovoschlacht  192  324 
Kostolac  176  177 
,  Weifertscher  Kohlen- 
bau 186 
Kotra2a  468  587 
Kovacevic,  Ljubomir,  Pro- 
fessor 373  493 
- ,  Mihail,Bezirkshaupt- 

mann  515 

Kovacic,  Advokat  153 

Kovceg  277 
Koveidin,  sirmisches 

Kloster  129 

Kovilja  585 

Koviljai^ka  banja,  Bad  384 

Koviljka.   Fiirstentochter  384 

Koiica  204 

Koiino-Berg  20(3 

Kragujevac    291  463  470  487 

,  Bezirk  311 

,  Einwohnerschaft  310 

,  l'lügelstrang  nach 

Lapovo  136 

,  Geldinstitute  310. 

— ,  Gymnasium  302 

,  Gymnasialdireklor 

l'astrniac  313 

— ,  Handwerkerschiile  307 

,  Hotel  Takovo  300 

,  Kanonengiesserci  285  299 

,  Kapitol  296 

.  I.jubica-Kapellc  2*.^ 

Kl  .ijnaer   Gebirgslerrain 

von  Majdanpek  242 

Kralj     Dragutins     Butg 

üabraC  :«9 

.Milutin  632 

Vuk.i^iin  215 

Kr.Ujevic,  Marko,    Sage 

von  .«40 

Kraljevocr  M.inöveiteld  448 

Kraljicafcst  -36« 

Kraljicalicd  3«W 

Krnsojevacer  Tal  119 


IUI 


Alphabelischcs  SachrcKisler. 


Seite 

1 

Seil« 

Kr.isöjcvci 

3i5 

Kiisidi 

.')7.'i 

KrciiiJiro 

(KM 

KuSiljevo              216  2IH  222 

Krcidcfr)rtiiatiiiM 

241 

Kullovo                        318  4<i9 

Kreisürzlc,  nialLTicIk'  Siel 

- 

Iun({  serbischer 

281 

L. 

Kren,  Ferdinand 

537 

Laboratorium  f.  Geschütz- 

Krepoljin 

259 

munition 

306 

Krnic' 

;«'.() 

für  Infanteriemunition 

300 

Krnica 

15'J 

Lacko  Jankovid  i  sin 

614 

Kronprinz,  serbischer 

317 

Lacy,  Fcldmarschall 

353 

-        ,  üebur(stag 

219 

Landwirtschadliche  Ver- 

KrsticS Maksim 

406 

einigung 

319 

Krunski  do 

531 

L.'isziovär,  Schloss 

199 

Kiupanj                        409  410 

Latinski  most 

409 

Krusedol,  Kloster  60  324  482 

Latinsko  kamcnje 

515 

Kruäevac 

625 

Laudon 

412 

— ,  Residenz 

267 

Lazar,Knez(Zar)  183  212 

Kruäevica 

570 

221  277  496  615  632 

Kucaj,  t'old-  und  silber- 

Lazarevac 

439 

rclthes  Gebirge 

238 

Lazarevid,  Stefan,  Despot 

KuCajna                        238  252 

8  129  239  267  428  462 

— ,  Bergwerk 

250 

595  621 

624 

— ,  gold- 11.  silberhaltige 

— ,  Einfall  in  dasjadar- 

Bleierze 

250 

gebiet 

379 

— ,  Gold-    und    Silber- 

—,  Tod 

267 

minen 

236 

-  ,  Luka,Freiheitskämpfer425 

KuCevo                 238  239  240 

Lazarovac 

628 

Kucista 

578 

Laznicaer  Burgruine 

242 

Kiijundzic,  Kosta 

297 

Lederfabrik,  Fialasche 

311 

Kukijin 

635 

Legat  Lucius  Quietus 

183 

Kula 

214 

Legio  VII.   Claudia   Pia 

-,  Kastell 

216 

Fidelis 

182 

Kulic,  Dorf 

154 

Leg.  XIII.  gemina 

237 

— ,  Friedhof 

156 

Lelja 

369 

-,  Kasfell 

154 

Leopold,  Kaiser 

279 

— ,  Schloss 

131 

Lepena 

207 

Kulin.  Kapelan 

361 

Lepojevici 

624 

Kiilipolje,  Höhe 

577 

Leäjanin,  Milojko 

318 

Kulturfortschritt  Serbiens 

423 

Leskovac 

220 

Kuinodras 

121 

Lignitkohle                   170  285 

Kunstgewerbe,  das  forl- 

Limesstrecke     Singidu- 

ueschrlttene,  Serbions 

num  —  Margus 

149 

im  Mittelalter 

422 

Lipovac 

461 

Kupelwieser,  General  155 

260 

Lipovacberg 

176 

Kupfer 

243 

Lisa 

586 

Kupfererzeugung 

249 

Lis  brdo-Platoau 

589 

Kupferkies 

443 

Lisovici 

336 

Kupinovo,  Kloster 

427 

Lithographieplatten 

422 

Kupinski  kut 

359 

Livadicki  potok 

206 

Kurpfuscher 

281 

Ljeänica 

374 

Kursid  Pascha 

23 

— ,  Erstürmung  der  Re- 

Kursula,Jo van,  Wojwode 

591 

doute 

375 

Seile 

Ljelopis  536 

Ljuba  Colak  Antii.'  3U5 
Ljubic'            471  481  489  491 
brdo  bei  Caf  ak,  I8I5 

Enischcidungskampf  32Ü 

und  Trnavabezirk  539 
Ljubica,  Fürstin    164  479  628 

Ljubidcvac  454 

Ljubomir  Luianin  487 
Ljubostinja                   290  632 

Ljubovica  409 

Ljubovija  435 

,  Donja  405» 

Ljuta  strana  125 

LoCevci  480 
Loma,  Arscnije,  Wojwode  453 

Longmed,  Hüttenmann  248 

Longworth,  Gesandter  33 

Lopaä  567 

Lopatanj,  Pope  von  420 

Lopuäna  220 

Loubry,  Giesser  303 

Loznica  408 

— ,  Leseverein  391 

LozovIV  159 

Lozovikhöhe  616 

Luckhardt  <S  Alten,  Kassel  306 
Ludwig  der  Fromme, 

Kaiser  238 

Ludwig,  Prinz  von  Baden  260 

Lugomir  291 

Lukar  620 

Luljaci  321 

Lunjevica,  Kapelan     488  495 
Lutter,    Braunschweiger 

Haus  2Ü1 

M. 

Macarske  grobovi  367 

Machoviensis,  Banatus      346 
Mackat  509 

Magarasevic  357  358  430  438 
Magazin  für  Brücken- 
Equipagen  233 
Magnetkies  443 
Mahmud  Pascha  238  267  435 
352 
443 
238 
170 
243 
243 


— ,  Sultan 
Majdan 

„Majdan"  Kui^ajna 
Majdanpek 
,  Erzlager 
— ,  Gebirge 


I 


Alphabetisches  Sachregister. 


645 


Seite 

Majdanpel<,    hüttenmän- 
nisch -  forstwirtschaft- 
licher Raubbau  248 
,  Schmelzwerk  (1861 1     244 
,  Strasse                   238  242 
,  Werke                          235 
Majdeva                             588 
Majur,  Dorf  291 
Mak§ic,  Rado  214 
Mala  Krsna  211 
Sugubina  628 
Malavico  516 
Mnlesevo                      192  194 
Mali  Mokrilug  128 
Zvornik            381  390  391 
Malo  Crnicc                        212 
,  üanipfmühle           254 

—  Duboko  358 

—  Laole  220 
Manasija  267 

,  Inneres  der  Kirche      269 
Manastirica  216 

Mandrda,   Nikola,  VVoj- 

wode  291  623 

Mannert  154  185  213 

Manojlovci  462 

Manojlovic,  Janja  T.  223 

Manok,  Josef,  Jnyenieur 

442  4J2  475 
Mansion  203 

Marasli  Rascha  231 

Märchen  vom  lateinischen 

Zaren  iii.  d.  wächsernen 

Klügeln  367 

Marco  St itarac.Milosscher 

l'rivathenker  361 

Marguni  154 

,  Ruinen  d.Riimcrstadt    162 
Marinko  326 

Marinkovac-Hiilic  an  der 

Zeljesnica  240 

Marinkovic'  325 

,  BürKcrnieister  97 

,  Jovan  k.  99 

—  ,  Milovan  95 
Marinovic,  Minister             244 

,  Senatspräsidenl  1 1 1 

MarjanoviO,  Professor        3IS 
Markgraf  von  Maden  230 

Marko,  Königssohn      149  594 
Markova  crkva  439 

Krema  242 


Seite 

Markovic.Jevrem,  General- 
stabsoffizier 460 
-,  Marko  301 
,  Miljko,  Nacalnik  378 

-  ,  Sima,  Knez  336 

—  &  Cie,  Firma  301 
Markovica  589 
Marmorbriiche  337 
Marsicanin,  Stadtpräfekt  330 
Marsigli,  Luigi  Ferdinande, 

Graf  148 

Marsonia  357 

Masin  314  488 

,  Draga  330 

Masloäevo  463 

Matanovic  424 

Matejic,  Petar,  Kreisinge- 
nieur 212  222 
Matejko,  Ingenieur  543 
Matijevac  425 
Matthias Corvinus,  Ungar- 
könig 10  352 
Mauern  altserb.  Kirchen  239 
Max  Emanuel,    Kurfürst 

von  Bayern  13 

Mecino  brdo  294  306 

MeCkovac  1)03 

Medenik,  Berg  564 

Medjasi  402 

Medjucerje  brdo  194 

Medjuluzje  335 

MedjureC  615 

Medovnica  204 

Medvedjaa.d.Resava225  231 
Medvedje,  Walachendorf 

224  273  ti28 
Medvednik  424 

Mehana  bunarska  617 

Seona  151 

Mehemed  Aga  4:«) 

Ali  Pascha  5H3 

Mehemet,  Kapelan  355 

Mehlindustrie  254 

Meho  Orugdjic  3(51 

Melenlije,  der  ersic  Me- 
tropolit des  befreiten 
Serbien  322  3Zl 

Melnica  236 

Meovinc  424 

Mercy.  kaiscrl  Slatthaller    2tX) 
Merode,  v..  Kapitän  ITid 

1   Mctternich.  lürst  16<i 


Seite 
Micic,  Jovan,  Serdar  503 

504  522  565 
Mihail,  Fürst  4  618 

— ,  Ermordung  d.  Fürsten  104 
— ,  Metropolit  450 

Mihailje  vic,Vuleta,  Haupt- 
mann 465 
Mihailovic, Bergingenieur  457 
,  Stevca  610 
Mihajlovlc,    Mi§a,   Gym- 
nasialdirektor          302  444 
Mihalj,  Wojwode 
Mijailovac 
Mijatovic,  Ceda 
Mika,  Heiduck 
Miko  Zivotin 
Milan,  König 
,  Attentat  auf  diesen 
1882 
Milandza 
Milanovac 
— ,  Donji  232 
Milanovic,Tanasiie,  Firma  442 
Milenko                        219  273 
MileSevo,  Kloster  531 
Milic.  Kedic,  Momke         432 
Milica,  Zarin  221  277  428 

632  634 
Milicevic,   „Serbien"  221 
22;?333  33r):«3  410  449 
466  476  519  520  5«J2  618 

620  622  624  627 
Militärkordon,  Grenz- 


323 
189 
143  632 
158 
214 
4  4(50  520 


38 
574 
442 


Institution 

M\ 

Militär-Pontonbrücke 

in 

Miliva,  Dorf 

265 

Milivoj  Petrovic  Blazna- 

vac 

463 

Milja  Veziija 

221 

Miloeac 

472 

Milojevic,  Jov.ui 

2ri 

Milojkovic 

4t>9 

Miloi,  Fürst  231  2lV5  267 

5<)6  (VfO  61«  628 

,  Aulstand  des 

489 

.  Aufstand  gegen 

165 

— ,  Bruder  Jovan 

4H4 

.  Brüder    Jovan     und 

Jevrem 

519 

- -,  das  Iriihverslorbene 

Siihnlein  Todni 

1.1) 

,  Geburlsorl 

519 

iiii; 


Alphabetische»  Sachrcgislvr. 


Seite 

MiloÄ,   Fürst,  (Irab  der 

Mutter  :i24 

—,  llallihnulc-r  Milan  JH4 

— ,  Privatleben  172 

— ,  Mutter  ViSnja  AM 
— ,  Vater    Tcodor     Mi- 

hailovii;  511) 

— ,  WcrdcKann  2*H) 

Milosbrunncn  il5 

MiloÄ  üajin  214 

übilic  Mi 

—  ObrcnovJL'  471 

Milosavljevic  48H 

Staresina,     Zadruga 

illaiiskomnuinion)  480 

Milosavljcvic,  Minden  484 

Milosav  Resavac  231 

Miloäeva  KonjuSnica  363 

Milosevic,  Radisav  488 

Milovan,  Meliandzija  230 

Milovanovic,  Minden  603 

Milutin,  König  235 

.  Krnlj  325 

A\ilutinovics  „Srbijanka"  563 

Minen  Osef  ina  und  V'ra- 

gocanica  421 
Minenstätfe,  antike  443 
Minernlqueflen  384 
Mineralschafze  422 
Miönicn  436 
Mirjana  158 
Mirjcvo  216 
Mirosnvijevic,  Maschi- 
nen-Ingenieur 306 
Misa,  Millionär  88 
Misaeer Steinkohlennline  457 
Misarfeld,   Schlacht   auf 

dem  354  425 
Misar-Plateau  346  357 
Miskovic',  Jovan,  Genernl- 

stabschef  149 

Mithrnsrelief  178 

Mitrovsky,  Uraf  353 

Mladenovac  335 
— ,  Bahnlinie  nach  Aran- 

djelovac  457 

— ,  Schienenflüjicl  457 

Mladenovic,  Mihail  515 
MIavagebiet,  Sparkasse 

für  das  220 

Mlavakloster  Gornjak  183 

MIavastrnsse  212 


MIavntal 
Mohninined  II. 
Miijkovti 
Moksnndijn 


Seiif 

259 

Sultan  10 

408 

531 


Moldau  wnlncliisch-fnna- 

ridtische  Hojnrenfamilic  25() 

Moler,  Fctar,  Wojwode  343 

Monicilfiv  grad  290 

Moninisen      146  177  293  513 


Snic 
Nani.-i8iia  266 

Namenlosen,  Gräber  der    73 
Nändor-Kehervär  7 

Nariikih,  Fürst  H5 

Natnlia.  Königin     8H  33U  488 
Natalinci  326 

Nationalfest  34 

Nationalkostiini  84 

National-Keliquiarium         277 


Monastir  Bogovodja 

438 

NehojSa                                 25 

Mönch  Visarion 

260 

Nedeljkov  i.-  K.ihinettchef 

Mons  Aureus 

151 

114  31K 

Monumente,      Serbiens 

NegriSori                             541 

byzantinische 

536 

Ncgotin                               355 

Morava.  Korrektion  der 

218 

Nekropolen                         515 

Morava-Pontonhriicke 

172 

Nemanja,  Dynastie            633 

Moravaschluchf,  kloster- 

, Heiliger                        536 

reiche 

523 

-,  Stefan.  König               320 

Moravatal,  Erdbeben  im 

224 

Nemanjiden,  Dynastie       389 

Mornvn-Timokscheide 

266 

Nemic                                  409 

Moravci 

440 

Nenadovic,  Familie            427 

Musischer  Donau-Limes 

195 

,  Jakob              354  374  428 

Mostanicka  Mehana 

228 

,  Ljubomir         428  431  476 

Mranior 

441 

,  Matija,  Prota  380  406  427 

Mreajevci                     471 

591 

Neresnica                     240  242 

Mueanj 

575 

Nesselrode,  Graf                166 

Mudir  Hadji  Ali  Hey 

394 

Neudeck                              205 

Miindungswinkel  der 

Nicifor                                 351 

Bosmanska 

204 

,  Bischof                          526 

Münzen  a.  d.  Kaiserzeit 

240 

— ,  Duiic,    Insurgenten- 

, Erze  f.  d.  römischen 

236 

chef                               579 

von  „Hadrianus  Au- 

,  Metropolit                     536 

gustus  P.  P." 

238 

Niederlassungen,  antike    255 

Münzenfunde 

451 

Nikince                                346 

Murad,  Sultan               278  321 

Nikita,  Fürst  von  Monte- 

Miirad II. 

446 

negro                         1 1 1  316 

Murad  IV. 

345 

Nikojevici                            509 

Muratovo 

425 

Nikola,  Zupan                     622 

Muselini 

360 

Nikolacka  crkva                 462 

Mustaj   Pascha,  Gouver- 

Nikolajevic, Peter,  genannt 

neur 

133 

„Moler"                            380 

Mutap,  Lazar               4S4  503 

Nikolaus.  Heiliger               259 

Nikolic,  Fedor,  Baron  113  564 

N. 

— ,  Novica                           447 

Nacelstvo 

166 

,  Pesa,  Hauptmann         öOti 

Nachtigallental 

34 

,  Tanasije,  Hauptmann    356 

Naib  Mustafa 

502 

Nikoljekirche                     529 

Naissus 

156 

Nikoljsko  Jevandjelje         529 

Nakucani 

361 

Nis                                       500 

-    Han 

441 

Njegus  in  iWonlcnegro       381 

— ,  moderne   Soldaten- 

Nocaj, Drache  von     348  364 

denksteine 

441 

Nosnica                               585 

Alphabetisches  Sachregister. 


647 


Seite 

Novak,  Führer  446 

Novakovic                    143  439 

,  Jcvreni  •^44 
,  Stojan,  Kultusminister 

450  536 

Nova  Varoä  577 

Novoseloff,  General  582 

o. 

Übilic,  Milos  192 

Oblacic  Rade  324 

Obrenovac  344 

Obrenovic                    3Ü3  470 

-,  Alexander,  Könit;  4 

,  Dynastie  356 

-  ,  Fürstengruft  der  324 

,  Jcvrein                     26  355 

,  jnvan,  Gospodar  479  537 

,  Julie,  Fürstin  1 1 1 

,  Mihail,  Fürst  427 

.  Milds,  Fürst   489  503  536 

Obrens  Gehöft  485 

Obrez  MO 

Obstbau  508 

Obstbaumzuclit  440 

Occupation  Serbiens, 

österreichische  353 

O'Dwyer,  (iraf  15 

üffizierskasino  308 

Üffizierskran/.chen  309 

ügnjen,  Milanov  213 

Ogradjenica  561 

Oki  Abdiir  Alimcd  13 

ükruini  Odbor  539 

ünier  Effendi  501 

Oniülje,  üebirtic  260 

Opaljenik  574 

Opaiicar  R;ulc  K.idnjevic  537 

Opienac  460 

OpStinska  sinna  358 

OraÄac  461 

OraÄje                          11)2  218 
Ordensgesellschaft    des 

hl.  Basilius  532 

Ordinatioiista.xe  358 

OreÄkovica  2^15 

Orientalische  Kniiipannie  19 

Orljevo  -'16 

Orlovie,  Pavie  449 

Ose^enica  -i'M 

Osciina  422 


Seite 
Osipaonica  159 

Osladic  422 

Osman  Pascha  356  412 

Österreichisch -türkischer 

Krieg  im  J.  1688  499 

Ostroger  Kloster  531 

Ostrovica,  Hochburg  446  447 
Ostrovicer  Schlossberg     450 


Seite 
602 
171 
199 
316  427 
315 


Ostrovo,  Insel 
Ostruznica,  Dorf 

,  Schloss 
Otadzbina 
Ovcargipfel 


156 

342  465 

321 

91 

533 


Ovcarkloster  Vavedenje    536 


Pajazitovo  326 

Pajkovac  623 

Pajsije,  Patriarch  von  Ipek  525 

Palanka  134 

Paläontologische  Funde  192 
Palmsonntag  -  Sabor  zu 

Takovo  484 

Panajotovic,  Vukasin,  Dr.  308 

Pancevo  129 

Panc'ic-Denkmal  47 

Panjevac  608 

Pankovo  219 

Paracin  231 

Paracinka                      156  300 

Parcani  338 

Parteiwirren  266 

PaSic,  Nikola  95 

PaSir  Aga  164 

Passarowitz  1(>4 

Passarowit/er  Frieden  352 

Pastorak  26tJ 

PaStrmac,  Sinia  2<t7 
Pasvan  Oglu  Pascha, 

Rebell  K« 
l'atronin  „Munici[)iinii 

Aeliuni  Vinünaciuni"  174 

Patin  Jankovic,  Miiüsler  2-13 
Pavicevic,  Venijamin, 

Archiniaiidril  (j3| 
Paviovic,     Vl.idiniii.     In- 

genieiM  210  287 

IVclica  3a5 

Pecenoge  Wii 

IVcka  41H 
Peker  Berge,  l-ilelniel.ill- 

schülze  235 


Pekmes 

Percheronhengste 
Pereny,  Peter 
Persida,  Fürstin 
Peter  I. 

— ,  Anzeige    seines 
glerungsantrittes 
— ,  Eltern  des  Königs 

,  in  der  Sumadija 

,  Prinz 
Peter  der  Grosse 
Petka 

Petkakirchlein 
Petkovica,  Kloster 
Petnica 

Petras,   Oberst,    Partei- 
gänger 
Petrijevo,  Dorf 
Petrina  stijena 
Petrovac  2:}5  256 

Petrovic,  Appellhofs- 
präsident 

,  Georg,  derSchwarze 

,  Krsta,  Direktor 

,  Miloje 
— ,  Petar  Obucina 

,  Pope 
Pevacko  druÄtvo 
Pflatimenexport,   Haupl- 

stapel  des  serbiscfien 
RInumenkultur 
Philippi,  Marschall 
Pilalovici  Hau 
Pincum,  Donauhafen  l'.m  212 
Pirocanac,  Ministerpräsi- 
dent 408 
Pirovo    brdo    (Kolubarer 

Bezirk)  422 

I'lana-Kragujevater 

Flügelbahn  301 

Planiiiica,  Kupfermine  422  437 
Plinius  236 

Ploea  590 

Pocherze,  silberhaltige  455 
PoCticerBratmkohlenlager  421 
Podgi>rina,  Bergbau-! le- 

sellschflft  t.M 

Podtinjer  Bergbau  4(W 

Podunavska  Okrui(na,  Za- 

drtiga  KW 

Podunavski  »krug,  Kreis  158 
Podvainc  -tl6 


Re- 

315 
334 
334 
329 
483 

158  186 
439 
373 
493 

374 
144 
417 


111 
329 
170 
466 
120 
428 
88  302 

344 

233 
499 
542 


(UH 


AlplwibctischcK  SachrvgiNler. 


ScIU- 

Hn|>nnnc  624 

l'olj.inn  170 

Popovi  402 

l'opovii!,  Uionisije,  Archi- 

mandril  279 

,  Uavrilo,  l'rola  507 

,  GliSa  H..  BürRcrmstr.  153 

--,  Janitijc,  libornlcr  Par- 

tcinanticr  3.'{5 
— ,  Kista. Deputierter   I<.I2  l<«i 
— ,  Slovan  50« 
— ,  Stcvan  K.,  Staatsrat  152 
Poret-Inscln  210 
Postupovic;  325 
Postwesen  292 
Pntajnica,  Quelle  239 
PotoCac,  Dorf  290 
Potufani  594 
Povlen  424 
i^ozarevac  158 
,  Aktien-Gesellschaft  186 
,  Garnison  169 
,  Kreis  187 
— ,  Kriminalgefängnis  168 
.  wirtschaftlicher    Auf- 
schwung 1(')8 
Pozega  512 
,  antiker  Löwe  514 
,  Skrapc2brücke  51 1 
Pozezena  191 
[Prähistorische  Epoche 

Serbiens,  ersterFund  224 

Kupfergewinnung  443 

-  Sarkophage  389 
Schmucksachen  21 1 
Stätten    am    östlichen 
Pontusgestade  225 

-  Waffen  242 
Prähistorisches  Hammer- 
beil 225 

Pranjani  522 

PravitelstvujusCi    sovjet 

serbski  380 

Preko  brdo  584 

Premerstein.  „Antike  Denk- 
mäler in  Serbien"  221 
PreobrazenjskaSkupstina  312 
Preradi                                424 
Pret,  magyarischerKriegs- 

mann  352 

Prevest  624 

Preziav  na  Javoru  260 


Seile 

Pridvorica  54«  585 

Privsicrseminar  92 

Prijanovit'  512 

PrljanovIOl  523 

Prilike  572 

Prilipac  5«7 

Prinzen  Georg  und  Alex- 
ander 317 
Prisac  206 
(Vislonica                      484  488 
Probus,  Kaiser  150 
Procuratorcs  inetalloruni    237 
Prodanovic,  Sava,  „Edler 
von  Uiicke  Kamenice", 
k.   k.   Feldmarschall- 
l.eutnant                            437 
Proslop                                409 
Prota                                    231 
Protic                    ;i03  314  321 
Prozess  der  Fürstin-Witwe 

Julie  113 

f^ru^.atovac  335 

PSanik  587 

Puljci  623 

Puovo  589 

Pustinjik,  Gligorije.  hl.       260 
Pusti  Stojnik  335 

Piisto  polje  364 


Quecksilberfundstätte 


124 


R. 

Rabrovicka  crkva  435 

Rabrovo  240 

RaCa  605 

Raca-Kragujevacer  Strasse  326 
Radalj,  Blockhaus  391 

Radaijska-Mündung  388 

Radenkovic,  Milan  301 

Radisa,  Dämon  1569 

Radjevo  polje  406 

-  selo  428 

Radkovic,  Maksim.  Exarch 

270  279 
Radmilovac  591 

Radojkovic.  Mileta.  Knez  290 
Radojlovic,  Kapetan  410 

Radosavijevic,  Jevrem       213 
Radosin  273 

Radoslav,  A\aler  ■  239 


Seile 

kadovanovic,  L)r. 

285 

,  Ko(o,  Bczirkskapetan 

440 

,  Marko 

452 

,  F'rofcssor  vom  k.  Berg 

- 

amt  Belgrad 

454 

RadovaSnica.     Erzengel 

Mihail-Klosicr 

367 

Kadovic,  Maksim 

193 

— ,  Mühlenbesilzer 

3r)l 

Radovit  <S  Cie.,  Firma 

310 

Ragusa,  Republik 

428 

Rajeca,  Kncz  aus  Zabrdje 

164 

RajiC,  Historiker 

268 

Rajinac 

628 

Rajinovac,   Klostcrkirch- 

lein 

131 

Rajkova  reka 

252 

Rajkovic,  Major           402  436 

Raka  TeSld 

436 

Rakic,  Todor 

462 

Rakica  grob 

44«; 

Rakijatrunk 

232 

Rakinac 

217 

Rakov,  Pandur 

533 

Rakova  bara         239  240  241 

Rakovica,  Dorf 

119 

Raljetinacbach 

618 

Ramaca 

469 

Ranke,  „Serbische  Revo- 

lution"               294  330  380 

Ranovac                        22-1 

23*5 

Rasanac 

254 

Raäcici  brdo 

585 

Rasnaer  Grabfeld 

516 

Rasnica 

563 

Ratkovac 

618 

Rauf  Beg 

412 

Ravanica,  Kloster        271 

274 

Ravanicaufer 

?.T0 

Ravna-Kastell,   byzantini 

scher  Ziegel  vom 

209 

Kavnje 

493 

Ravno    am   Ravanjflüss- 

chen 

?.30 

Ra2ana 

494 

Raianjski 

321 

Razbojiste  polje 

,3,35 

Reise,  meine  erste,  ent- 

lang der  Drina 

383 

Rekovac 

619 

Reling,  Direktor 

286 

Resava-Mlavascheide 

228 

Alphabetisches  Sachregister. 


649 


Seite 

Reviere,  wildreichc  275 

Rgotina  am  Timok  157 
Rhonc-Dampfschiffahrts- 

Qesellschaft  247 

Ribari  264 

Ribnica,  Kloster  436 
Ringöfen   Milorad  Kara- 

Markovics  163 
Hipanj  122  340 
Ripanjska  klisura  125 
Risa  Pascha  34 
Ristid,  Jovan  113  312 
Ritopek  129 
Riznic,  Mih.  St.,  Alter- 
tumsfreund 239 
Robijasi  83 
Rogaca  336  590 
Rogojevac  469 
Rogotberg  605 
Römer  210  229  241 
Römerherrschaft  an  der 

Sava  362 
Römerkastell          239  266  337 
Römerkolonic  223 
Römerortc  mit  Kastellen  218 
Römerreste  214 
Römerstation  202 
i^imerstein  zu  Kragujevac  213 
kömerstrassc  357 
von     Belgrad     nach 
Konstantinopel  211 
Römerweg                    20!  241 
Römische  Bergleute  447 
hiittemnannische  Tätig- 
keit 409 
Kastellanlage  201 
Metallproduktion  des 
I'ekgcbietes  191 
Niederlassung  495 
an  der  Resava  225 
Schachte  238 
Strategen  231 
Römischer  Donau-I  leer- 
weg  von  der  Sav.i-  zur 
Tiinokinünduiig  128 
Iransversalvveg  218 
Römisches  Minengebiet  240 
Ropofevo  337 
Rouvroy,  l/M.  353 
Roianstvo  5üt) 
Rsav  515 
Rtanjspitze  292 


Seile 
206 
452 
445 
450 

444 


Rucinski  potok 

Rudnicki  bik 

Rudnik    • 

-  ,  das  Ruinenfeld 

,  Münzen  vom  Despot 

Djuradj  Brankovic 

Rudniker  Berge,  Erzregion  435 

Brigade  443 

Grundgebirge  443 

Hüttenbau  444 

Kreis  539 

Minen  445 

Rudova  438 

Rujino,  Kloster  565 

Rujisnik  628 

Rukomija.  Klosterkirchlein  174 

Rumänen               233  236  256 

Rumänisierung  161 

Russland  324 

Ruvarac,  Hilarion,  Abt  129 

Ruvim,  Archimandrit  437 

Ruiic,  Nikanor,  Bischof  632 


§abac  350 

,  Bistum  351 

,  Landwirtschaft!. Verein  358 
,  Savaschloss  'M5 

Sächsische  Bergleute  im 
Dienste  der  serbischen 
Zaren  444  451 

Saiiinski-Graben  204 

Safarik,  Janko  338  447 

,  Ravie,  Arsenalkom- 
mandant 303  305 
Sagen  364 
Sagenreiche  Punkte  2(50 
Salaä  Nocajski  MH  364 
Sali  Aga  452 
Topcu  Aga  412 
Sandtner,  Kreisingenieur  KiO 
Saraorci  159 
Tiaren  grad,  Schlossruine  426 
Sarmisegetluisa  183 
Sasi  466 
SaSkaforst  450 
Sava,  Nntionalheiliger   12 

259  47ti  5;ä) 
Savinac  476 

Savinn-Kirche  476 

Savlki>vica  440 

Scheffel, Bcrgbauinspcklor  285 


Seite 

Schenk,  v.,  Hauptmann      501 
Schlangeninsel  161 

Schmelzofen  406 

Schmettau,  General,  Me- 
moiren desselben  449 
Schwäbische  Landleute  349 
Schwarzer  Tag  91 
Schwefel  443 
Schweigger  607 
Schweinezucht  293 
Scythische  Legion,  1\'.  205 
Seta  reka  494 
Seckendorff,  Marschall 

242  418  499 
Sedlari  422 

Sekuric  623 

Seleskovic,  Todor,  Hoch- 
schulprofessor 306  310  454 
Selim  III.,  Sultan  12 

Seniendria,  SandJak  444 

Senje  285  469 

Senjer  Bahn,  Bau  der       301 
Lignitkohle  305 

Senjsker  Kohle  285 

Seona  122  131 

Serben,  angeborene  red- 
nerischeBegabungder  418 
und  Schwaben  280 

Serbenschlösser,  zerstörte, 

Ribarica  und  Vidojevac  MX 

Serbiens  Eroberung  durch 

Max  Emanuel  200 

erster  gesetzgebender 

Senat  468 

Serbin  84  91 

Serbische  Bank,  erste        285 

—  Bräute  282 

—  Freischar  206 
Serbisches  Millelgebirge  170 
Serbisch-türkischer  Krieg 

XU  544 
Sercesnia  296 

Servia  Copper  and   Iron 


I  ^ 


Company  lld. 

247 

Servitium 

.i57 

§eiir  kula 

198 

Sesiroljin,  Cjuellc 

255 

Seinnjc 

221 

Scvojno 

568 

Sibnicn 

tü2 

Sicbenbiirgcr  Sachsen 

ifti 

SICRCl 

4:W 

650 


Alph.ibclJiichCi>  SachrcKiHlcr. 


I'.KI 


422 


230 


Sigisinund,  Kaiser 

— ,  UnRarkünij; 

Siljcvica 

Simn  Miliitmovit'  Sarajiija 

Siincon     sv.,     National- 

liciliKLT 
SiniiO,  Alcksa 
Sindjclic,  Stcvan,  Kni:/. 
Sin^idiiniiin 
SinoÄevici 
Sirca 
Siscia 
Sisevac 
Sjcnica 

Skela  Dra^ovac 
Skrapc'ihriickc 
Skiibic,  Viktor,  Dr. 
Skiipljen 
SkupStina 

SkupStinaliniis,  altes 
Slancc 
Slatina 

—  Meliaiia 
Siaven 
SIepfevic 
Sljiste 

Sljivic,  Petar,  Prota 

Sljivici 

Sljivova 

Sljivovica 

SmederevaCki  Djuro 

Smederevo 

,  alte  Feste 
— ,        Friedhofskirclic  ii. 
Davidovits  Grab 

,  Citadelle 

.  Getreideexport 

.  Kaufleute 

,  Sparkasse 

,  türkischer  Wasserturm 
Smederevsko  naceistvo] 
Smrdan 

—  bara,  Bad 
Snegotinski  potok 
Soko,  der  letzte  Mudir  von 

,  Schloss 

,  Überrunipehint; 
Sokoler  Begs 
Sokolicafelsen 
Solarevic,  General 
Soiotuäa,  Gemeinde 
Sopot,  Bezirksort 


Seile 
363 
34«i 
622 
UVi 

530 
173 
273 
2 
471 
471 
357 
285 
577 
211 
512 
233 
424 
157 
63 
128 
427 
t)17 
235 
362 
578 
167 
574 
411 
601 
144 
127 
142 

141 
135 
139 
139 
139 
143 
139 
628 
386 
192 
418 
412 
418 
416 
449 
219 
543 
336 


Stile 

Sopota  voda  255 
Speranski  627 
Spiridünovahöhlc  455 
Sprache,  serbische  385 
Srcbrnica  544 
,  Schlosschun  At'iH 
SrcL'koviii  446 
— ,  Pania  624 
Srcdnja  Oobrinja  519 
Sreplovic',  Anna  169 
Srctenje  531 
Sretcnovic,  Sava,  Ge- 
lehrter 120 
Srezojevci  480 
Srpske  narodnc  pjesine  376 
Srtovac,  kohlensaurer 

Quell  265 

Staatsforste  292 
StaatSKestütLjubiicvo  170  171 

Staatsgut  Avala  121 

Ljubicevo  169 

Staatsmine,  eine  reiche  460 
Staatswiese  Alija  bela 

reka  171 
Städtefrage,  serbisch- 
türkische 506 
Stamenkovic,  Dragutin  51 1 
Stambul  Kapija  340 
Stanoje,  Serdar  290 
Stanojevic,  Arsenije  J., 

Oberst  120 

Stanovi  603 
Stapari                    543  565  566 

Stara  Dajsa  239 

Starfevac-Brücke  216 

StareSina  Sreca  481 
Starheniberg,  Guido,  Graf  352 

Stari  majdan  408 

Petrijevo  153 

Staro  Grobiste  522 

Station  Ripanj  124 

StaviCka  440 

Stefan  II.  7 

Stefan  Uroä  III.  87 

Stefan  V.  7 

Stefanovic  303 

,  V.,  Major  129 

,  Nikola  D.,  Kniet  100 
— ,  Oberst  Velimir, 

Direktor  303 

Steinkohlenlager  521 

Steinwappen  225 


Srilr 

Stepanjka  439 

Sicva,  Advokat  153 

Slcvanovit^,  Milovan  52Ü 

Stiftung  der  Tulba  131 

Stiftungen,  fromme  216 

Elitär  361 

Sljcpan,  Herzog  585 

Stojanovic  314 

Stojeevid,  llija  462 

Stojiei  494 

Stragare  463 

Sirahinja  Cupic  364 
Slrassenbau  von  Kru- 

panj  über  den  Cer  351 
Siratimirovie,   Karloviccr 

Erzbischof  324 

StraJaberg  220 

Straj(imir  536 

Strmac,  Kastellberg  564 

Studenica,  Kloster  351 

Stuplja  sicna  123 

Subjel  522 

Sugubinsko  poljc  617 

Sumadija  293 

Sumadipac  312 

Suleiman  II.,  Sultan  10 

Suleiman  Effendi,  Mudir  412 

Surdilovic,  Nacelnik  540 

Suvi  bunar  381 

Suvodanj  422 

Suvodol  264 

Sv.  Arhistralizi.  Kirche  167 
Nikola.Kloster  296462  529 
—  Prohor,    Klosterkirche 

bei  Vranja  278 
Svestica,  Dorf  584 
Svesticko  brdo  584 
Svetozar  Popovic  542 
Svilajnac  222  224  231 
— ,  antike  Ansiedelung  in  223 
Svileuva  425 
Sviokovac  343 
Sviätover  Frieden  22 
Symeon,  Zar  362 
Sz.  Endre  bei  Ofen,  Ser- 
bendorf 277 
Szentgyörgyi,  Cäcilie  199 


Tabakmonopol 

Tabanovac 

Tabanovic 


79  342 
222  228 
362  519 


Alpliabctischcs  Sachregister. 


651 


Seite 

Seite 

Seite 

Taboriste 

618 

Traubenkur 

150 

Ursus  spelaeus 

241 

Tabula  Peutingeriana 

184 

Trbusnica 

437 

Usce,    römische    Nieder- 

Tajsic, Ranko,  Volkstribiin   70 

Tresac    - 

449 

lassung 

359 

Takovo    164  297  322 

321') 

471 

Tresija  varos 

501 

Usje 

192 

Talambas 

563 

Tresina 

408 

Uskoken 

334 

Tanasko  Rajic 

466 

Treänjevica 

461 

Uzice                            296  496 

Taonik 

305 

Treänjicka 

387 

,  antike  Befestigungen 

510 

Tarijov,  Stojaii 

153 

Triangulierungs-Pyramidt 

449 

,  Bischof  Janicije 

531 

Tasa  Dzikic 

1Ü8 

TricnrniuTn                     13(J 

151 

,  Bombardement 

500 

—  Ivanovic  Haradzija 

615 

TrifunoviO,  Jovan,  I*ope 

357 

— ,  Feste 

499 

Teferic 

603 

Trijeskaspitze 

485 

— ,  Garnison 

508 

Tekeris 

384 

Trnava 

586 

— ,  Gerichtsstube  desMu- 

Tekija 

206 

Trojanniärchen 

360 

dirs  Ibrahim  Beg  1860  505 

Teodorovic,  Milan 

290 

Trojanov-grad,  Existenz 

-.  Handel 

508 

,  Petar 

219 

des  romantischen 

361 

,  Molzbedarf 

50ft 

,  Stefan,  Maler 

88 

103 

Trojan,  Zar 

361 

— ,  Kreischef 

544 

Teodosije 

343  461 

Tronosa,  Kloster 

383 

-,  Mudirkonak  1860 

504 

Theatrum  Aiitiqiiitatiiin 

TroSarina 

99 

— ,  serbischer  Vormarsch 

Ronianiini 

107 

Trsic 

382 

über  die  Djetinabrücke 

'i'henphylaktiis 

182 

Trstena  crkva 

335 

1  KC)7 

503 

Theophilos  von  OcliriU 

183 

Tschechen    und   Serben 

,  vereinigte   Tischler- 

Thorma 

146 

von  „drüben" 

254 

Genossenschaft 

508 

Tiberiusstrassc 

206 

Tschorbaschi 

397 

Ticevac 

216 

Tucakovic.Todor,  Skup- 

V. 

Tiefenhausen,  Major, 

Gra 

f    80 

stinapräsident 

311 

Tietze 

2(J7 

Tuman,  Kloster 

192 

Valerian,  Kaiser 

230 

Tijanje 

589 

,  Gründungssage 

193 

Valjevo 

428 

Timok 

291 

Tumanska 

194 

— ,  EntwickeUing 

430 

Tocilo  brdo 

431 

Tumuli 

338 

,  Minen 

251 

Todorovic,  Nikola 

223 

Turcinovac,  Höhle 

526 

V'alsasor,  Graf 

253 

Tomanija,  Jevreni,  Obrc- 

Turica 

589 

Valtrovic 

177 

novid 

108 

Türken,  die  letzten  Riid- 

Varvara-Grubc,  erzreiche  251 

,  Urgrosstnutter  Köni^ 

niker 

453 

Varvarin 

635 

Alexanders 

119 

Tiirkenlierrscliafl 

238 

Vasa  Carapic,  Meld     120  340 

Tonito,  t-rancesL(i 

460 

Türkenkrieg  178K     1791 

Mi 

Vasic,  Miodrag.  Artillerie- 

Topanaskanüindunn 

240 

Türkischer  Mais 

253 

hauptmann 

306 

Topcider 

103 

118 

Turkovo 

524 

— ,  Prota,  Erzpricsler  von 

-    ,  Attentat 

463 

Loznici 

:W2 

Topnia 

32ti 

u. 

,  }^ivan,  Zigeuner 

178 

,  (irahplatte 

329 

überseil  weiMininigen 

161 

Vasicevic,  Djoka 

.«)l 

Tiipolivnici 

303 

Ubtal 

427 

Vasilije,  Archiniandrit 

4t">4 

Topolovnik 

189 

Udovicc 

131 

Vasiljcvic'i 

582 

Toponica 

213 

UgljeSa,  Stefan,  Despot 

(j:J3 

Vasiljino  brdo 

575 

Tordiekn-1  loch  nicken 

512 

Uinka  Zelenice 

516 

Vavedenjc.  Kloster      239  531) 

Tornik 

5(53 

Ungarisch-kroatisches 

Velbu^^d-Schlacht 

512 

ToussainI  ile  l.mirs 

303 

Milrovica 

Ml 

Velik.i  Cuka 

liXi 

Trachtenstndien 

282 

Ungariscli  Raca 

35(1 

Drenovn 

üXt 

Tr.ichylpDrplivr 

40« 

1   Ungarisch-serbischer 

Gospojina,  |-este 

255 

1  lajan,  Kaiser 

IS3  3(52 

Schienenweg 

342 

-  Krsna 

158 

1  rajanisilier  D.ikerlekl/.iig  174 

'    Ung.irn 

2:w 

livad« 

575 

Trajansladl  Nicopolls 

ad 

Urbale 

X>1 

.N\i)ovica,  Plateau 

217 

Istrnin 

516 

Urgcschichtl.  Denkmale 

225 

pcc'ina 

45(5 

f552 


AlpliabctiHchcs  Sachregister. 


Seile 

Vcliki  HoAnjnk 

425 

—  Sturac 

449 

-  Viikan 

259 

vrli 

292 

-    i^iip.'in 

:)62 

Vcliko  Crnit'c 

212 

255 

GradiStc 

189 

scio 

129 

VelimirovkS    Vinccntijo, 

ThcoloKc  .120 

Velimir,    Mihails    natiir- 

licher  Sohn  113  :»3 

Vcljkovic  314 

Velociped-Oescllschaft, 

erste  serbische  71 

Verein  „Serbische  Brüder"    93 
—  zur  Hcbunn  der  ser- 
bischen Pferdezucht         93 
Vernachlässigte    Hütten- 
betriebe 250 
Vertrag  zwischen  Djuradj 

Branknvic  und  Venedig  325 
Vesicevo  221 

Vicentije  322 

Videlo  91 

Vidova  471  530 

Vichmiirkte  430 

Viehzucht      .  432 

Vilje  kolo  628 

Viminacium  146  182 

— ,  Grabstätte  177 

Vinta,  Kloster  129 

Vinceia  150  152 

Viqucsnel,  „Voyage  dans 

la  Turquie  de  l'Europe"  424 
Viäegrader  ürinabrücke  505 
Vi§esava  544 

ViSevac  326 

Visibaba  513 

,  Ruinenstätte  519 

Visnjic,  Filip  376 

Visnjica  128 

Visoki,  Stefan, Despot  335  340 
Vitkovic,  Jovan  und  Jevta, 

Wojwoden  431 

Vitojevci  346 

Vitovnica,  Kloster  214  216  235 
Vizinalbahn-Gesellschaft, 

franko-schweizerische  264 
Vjelinoselo  349 

Vladimir.  Klosterkirche  am 
Kliasma  536 


Srilr 
424 
IM 


MtH 


120 
469 
360 
307 


Vladimirci 

Vladislav,  König  K 

Vlajii!,    ().,    Arsenalkom- 
mandant Genie-Oberst- 
leutnant 
Vlajkovit',  MiloÄ,  Mitglied 
des    Belgrader    geist- 
lichen (jerichlshofcs 
Vlakee 
Vlasanica 

Vlasit',  L.  Sima,  Oberst 
Vlastelin  Bogdan  CokcSa  374 
Voljavfa,  Kloster  466 

Volkslieder    330  361  419  440 
Voluja  239  240 

Volujer  Berge  241 

Vorbilder  rationeller  Land- 
wirtschaft 287 
Votivsteine  409 
Voznesenje,  Kloster  531 
Vracevänica,  Kloster  320 

325  469 

,  Sage 

Vrana,  Weinberg 
VragoCanica 


Vranjani 

Vranjska 

Vranovo 

Vrbica 

Vrelo 

Vrsec 

Vrtica 

Vrtiglave 

Vruci 


321 
428 
422 
516 
360 
158  211 
458  469 
427 
156 
321 
437 
565 


Vucic  Perisic.  Toma,  Woj- 

wode  320  469 

VuCkovic,  Tanasije  223 

Vuckovica  586  587 

Vujan,  Kloster  484  487 

Vujic,  Dr.  286 

Vujica,  Wojwode         1.34  329 
VujnovaCa  422 

Vuk  166  296  343  345  355 
358  359  360  382  383  425 
442  450  453  466  482  529 

531  532  535  597 
Vukajlo  Curcic  519 

Vuk  Brankovic  277 

Vukodraz  357 

Vukomanovic  470 

— ,  Grabstätte  480 

— ,  Jovan,  Fahnenträger     164 


Seile 

Vukomanoviii,  Luka  482 

— ,  Mihailo,  Kapclan  479 

'       ,  Minna  480 
Vuknmanovic-Karadi^ic, 

Minna  369 

VuliOevic.  Ujuia  133 

Vulovk,  Boia  311 

I  W. 

'  Walachen  256 

,  einwandernde  238 

^  Walachlschc   Holzschlä- 
gerkolonie 252 
Rekruten  239 
Waldeck,  Prinz                   500 
Waldklöstcr                         523 
Waldverwüstung                 420 
Wallis,  Graf                  130  500 
,  Marschall  253 
Warenverkehr  von  Sem- 

lin  bis  Sisek  341 

Wasserfälle  Kleiner  und 

Grosser  Puk  2C-J 

Weifert,  Georg,  Brauerei- 
besitzer 163  454 
Weihnachtsabend  172 
Weizenexport                      311 
West-Jelicagebiet                540 
Wiener   Donau-Gesell- 
schaft                             136 
-     Krach                              285 
Kriegsarchiv                   499 
Winke  für  deutsche  Aus- 

wan  derer  252 

Wiofsky,  Pandurenhaupt- 

mann  242 

Wratislaw,  Baron  v.  610 

Wukomanovits-Löwen- 
stein,  das  älteste  slavi- 
sche  Adelsgeschlecht   483 
.  Petrovils-Dimitrij,  Fürst  483 
Württemberg.  Abkömm- 
linge 349 


Z. 


Zabare 

Zabari 

Zabrdje 

Zabrez 

Zach,  General 

Zadruga 

Zagorica 


218  224 
493 
219 
344 
577 
370 
335 


Alphabetisches  Sachregister. 


653 


Seite 

Seite 

Seite 

Zagradje 

446 

Zdrelo,  die  Sava 

-HO 

ilen- 

Zlakusa 

567 

Zagubica               217 

24f 

264 

kirche 

256  259 

Zlatarica 

446 

Zakuta 

470 

Zeitungen  „Tako 

vo" 

und 

Zlatibor 

509 

Zanilacki,  Kapetan 

499 

„Potpora" 

310 

„Zlatni  Krst",  Cafe 

91 

Zaova,  Märtyrerin 

255 

Zelenko 

398 

Zlautoust,  Kloster 

266 

Zapolja,  Jänos 

562 

Zeleznik 

122 

342 

Zmaj  Oblatic 

324 

,  König 

132 

Zenil  Beg 

503 

Zrnov,  Schloss 

122 

Zapolje 

562 

Zensko  druätvo 

91 

Zugid,  Novica,  Pope 

221 

Zar,  russischer 

278 

Zidilje 

275 

Zujovic,  Professor 

239 

Zaren,  altserbische 

238 

Ziegelfragmente, 

antike 

217 

Zupanjevac 

620 

Zaren-  und  Königssitze 

510 

Zigeuner,  christliche 

382 

Zura  Sultanova 

412 

Zarkovo 

342 

Zigeunerbascha 

382 

Zuto  brdo 

219 

Zavetina 

483 

Zigeunerinnen 

169 

Zvi2d  pecina 

202 

Zavlaka,  Zink-,  Blei- 

und 

Zirovnica 

604 

Zvornik,    Prachtstube 

im 

Quecksilberminen 

408 

Zivko  Jugovii 

431 

Miltärkonak 

395 

Zdravkovic,  Mihail 

218 

2ivko  Pavlovid 

462 

,  Einschiffung  1860 

397 

Zdravkovic,  Mita 

301 

Zivkovi(i,  Ivan 

225  314 

Zwangsarbeit 

423 

INHALT. 

Seilt: 
I.     BELGRAD.     Heutiger    Eindruck,  Ältere   Geschichte  (3.  Jahrh. 

V.  Chr.  bis  1867) 1 

II.     EntWickelung  der  Königsstadt  (1868—1903) 37 

III.  Topcider,  Kloster  Rakovica  und  die  Avala 103 

IV.  Smederevo')  und  Umgebung 127 

V.  Von    Dubravica   über   Orasje    nach    Poiarevac,    Ljubicevo    und 

Kostolac 161 

VI.     Über  Gradiäte  und  Golubac  am  Römer-Limes  nach  Dolni  Milanovac     189 

VII.  Von  Smederevo  über  Poiarevac,  Zabare,  Petrovac,  Svilajnac  nach 

Cuprija 211 

VIII.  Von  Petrovac  in  das  ostserbische  Minengebiet  Majdanpek    .     .     .    235 

IX.  Über   Poiarevac,    Gornjak,  Manasija  nach    Ravanica,    Senje    und 

Dobrifevo 253 

X.  Über    den    Crni    vrh,    Kragujcvac,    Vracevänica.    Topola     und 

Medjuluiije  nach  Belgrad 289 

XI.  Savaaufwärts    nach    Raca    und    Sabac.      Zum    Vukodraä.      Über 

Trojanovgrad  nach  Ljeänica 341 

XII.  An  der  Drina.     Von  Loznica  nach  Zvnrnik 377 

XIII.  [^urch  den  westserbischen   Minendistrikt.     Von   §ahac   über  Soko 

nach  Valjevo 405 

XIV.  Über  Qornji  Milanovac  durch  das  Rudniker  Erzgebirge,  Sreznjevci, 

Arandjelovac  nach  Takovo  und  Cacak 435 

XV.  Von  Valjevo  über  Uiice.  Poiega,   Dobrinja  in  das  Kablar-OvCar- 

Moravadefile 493 

XVI.  Von   Ca£ak   über   Uiice,   Bajina   baita,   RaiJn,  Kremna,   die  Tara 

planinn  und  Mokra  gora  nach  Lliicc 535 

XVII.     Von  Poiega  über  ivanjica  zum  Vasiljin  vrh.     Durch   das  Zlatibor, 

DragaCevo  und  die  Gruia  nach  Lapovo    .     .  .    .    567 

XVIII.     Vonjagodina  durch  die  Belica  über  KaleniO,  Ljuboslinja  und  Jasika 

nach  KruJevac 607 


')  Die  K<.'»pcrrt  K<.'>lr>H'kli-ii  Niimrii  kriintcichncn  t)ic  Knpllrl  inll  den  SchilUrruniicn  dct 
Hnuptüllldli-  und  drs  kurr  HklKicrtrn  ^illKcnicinrii  kiillurrll  -  wlrlüchalthchrn  Charaktm  drt 
glelcliiiaiiilKi'ii  Kreist'. 


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DR  Kanitz,    Felix  Philipp 
317  Das  Königreich  Serbien 

K25  und  das  Serbenvolk 
Bd.l 


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