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Full text of "Das Kreuzkantorat zu Dresden: Nach archivalischen Quellen"

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Ereuzkantorat zu Dresden. 



Nach archivalischen Quellen 



Dr. Karl Held. 



Leipzig 

Druck und Verlag roa Breitkopf & Härtel 



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Das Kreuzkantorat zu Dresden ist im Nachstehenden zum ersten 
Male Gegenstand eingehender Erörterungen auf Grund eines durch- 
aus zuverlässigen Quellenmaterials geworden. Ich hoffe hier manches 
zu bringen, was in musik- und kulturgeschichtlicher Beziehung von 
Interesse sein dürfte. Auch wünschte ich gegenüber anderen Spezial- 
arbeiten über die Geschichte ähnlicher Institute, z. B. über das 
Thomaskantorat zu Leipzig, eine noch vorhandene Lücke ausfüllen zu 
helfen. Denn bisher sah man sich bezüglich des Kreuzkantorats ledig- 
lich auf einige handschriftliche Notizen im Archiv der Kreuzschule 
und auf die wenigen zugänglichen Exemplare alter Schulprogramme 
angewiesen. Aber auch diese bieten weiter nichts, als ein ungenaues 
Namensverzeichniß der Kantoren mit einigen kurzen Bemerkungen 
und Jahreszahlen, die sich bei näherer Prüfung zum Theil als falsch 
erwiesen haben. 

Vorliegende Arbeit stützt sich darum in der Hauptsache auf 
urkundliches Material des Dresdener Rathsarchivs (im folgenden ab- 
gekürzt R.-A.) und K. S. Haupt-Staatsarchivs (im folgenden H.-St.-A.), 
soweit es mir bekannt geworden ist. Die im Text oder in den Fuß- 
noten citirten Aktenbände ohne nähere Angabe des Fundortes sind 
Eigenthum des Rathsarchivs. — Leider war es wegen Raummangels 
nicht möglich, wie es zur Vervollständigung des Gesammtbildes 
wünschenswerth gewesen wäre, einige theils gedruckte, theils hand- 
schriftliche Motetten der Kantoren M. Caspar Füger, M. Sam. Rüling 
und Mich. Lohr in Partitur beizugeben. Doch hoffe ich, später 
einmal diese Schuld an anderer Stelle abtragen zu können. 

Den hohen Behörden aber, die mir mit großer Liberalität 
die Einsicht und Benutzung der Akten gestatteten, dem K. S. 

1 



i^ 



Gesammtministerium und dem Rathe der Stadt Dresden, sage ich an 
dieser Stelle meinen besten Dank. Nicht minder fühle ich mich den 
Herren Vorstehern und Beamten der Archive verpflichtet, insbesondere 
den Herren E-athsarchivar Dr. Richter und Dr. Beutel, sowie endlich 
den Herren Prof. Dr. O. Kade in Schwerin, Rob. Eitner in Templin 
und meinem verehrten Freunde Herrn Beruh. Friedr» Richter in 
Leipzig für mancherlei Auskunft und freundliche Förderung. 

Geschichtliche Vorbemerkungen. 

Die Kreuzschule zu Dresden, ^ deren Bestand zum ersten Male 
in einer am 6. April 1300 zu Dohna ausgestellten Urkunde bezeugt 
wird, welche unter anderen Personen einen ^iCunradus rector puerorum 
in Dresden« als Zeuge aufführt, 2 ist in ihren Uranfängen wohl 
zweifellos eine zur Ausbildung von Kirchensängern und Ministranten 
bestimmte Schule gewesen, die erst später zur lateinischen Stadt- 
schule erweitert wurde. Denn einerseits machten die feststehenden 
Gesangsformen der römisch-katholischen Liturgie, die anderwärts in 
Kloster- und Domschulen gepflegt und späteren Generationen auf 
das Genaueste überliefert wurden, sodann die lateinische Sprache 
des Kultus auch in Dresden ein Institut zur unumgänglichen Noth- 
wendigkeit, in welchem Knaben zunächst im Gesang und Latein 
unterrichtet werden konnten. 

Die Haupt- und Parochialkirche links der Elbe war nicht die 
Kreuzkapelle, sondern bis Einführung der Reformation die außerhalb 
der Stadtmauern gelegene Liebfrauenkirche. Indessen erlangte er- 
stere durch ihre günstige Lage inmitten der Stadt schon früh eine 
immer größere Bedeutung, welche noch erhöht wurde, als sie 1234 in 
den Besitz einer werthvoUen Reliquie kam, eines Spanes vom Kreuze 
Christi, welchen Heinrichs des Erlauchten erste Gemahlin Constantia 
aus ihrem Heimathlande Osterreich mitgebracht hatte. Hierdurch 
wurde die Kreuzkapelle ^ zur Wallfahrtskirche, umsomehr, als schon 
Heinrich der Erlauchte den während des Johannisfestes (23. bis 

1 Über die älteste Geschichte dieser Schule vgl. die vorzügliche Schrift von 
Dr. O. Meltzer, Die Kreuzschule zu Dresden bis zur Einführung der Reformation 
(1539). Dresden, Tittmann. 1886. 

2 H.-St.-A. Nr. 1633. — In einer zweiten im Kloster Cella den 10. März 1334 
aufgestellten Urkunde wird ein »Hermannus rector parvulorum in Dresden« genannt 
{H.-St.-A. Nr. 2650). Der Wortlaut beider bei Meltzer a. a. O., Anm. 8 und 9. 

3 Nach Franz Dibelius (vgl. »Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte«, 
Heft 2, S. 321) ist sie ehemals dem heiligen Nicolaus geweiht gewesen. Durch 
die an das ursprüngliche Gotteshaus für die Kreuzreliquie angebaute Kapelle sei 
dann allmählich der Name derselben auf das ganze Gotteshaus übergegangen. — 
Als ecclesia wird sie zuerst in einer Urkunde vom Jahre 1319 bezeichnet [Urkunden- 



25. Juni) zur Kreuzreliquie Wallfahrenden ein besonderes Privilegium 
ertheilt hatte, dks auch sein Sohn Friedrich der Kleine in eines 
Urkunde vom 15. Juli 1299 anerkannte und erneuerte.^ Aber attch 
an den anderen großen Festtagen der Kreuzeserfindung (3. Mai), 
Kreuzeserhöhung (14. September), ferner an den Festen des heiligen 
Nicolaus und des heiligen Georg strömte die Bevölkerung von allen 
Seiten herbei, da sich mit ihnen zugleich ein starker Marktverkehr 
verband. Größere Prozessionen, bei denen man in alter Zeit die 
Kreuzreliquie um die Stadt getragen zu haben scheint, fanden am 
Frohnleichnams- und Johann isfeste statt, letztere seit etwa 1480 ver- 
bunden mit dem bekannten geistlichen »Johannisspiele«, welches 
gleichfalls mit Einführung der Reformation ein Ende fand.^ 

So herrschte in den Mauern Dresdens schon seit der 1. Hälfte 
des 13. Jahrhunderts ein reges kirchliches Leben. Dieses setzt jedoch 
überall das Vorhandensein eines geschulten Sängerchors voraus. Da* 
rum ist es wahrscheinlich, daß schon damals die Schule bei der 
Kapelle zum heiligen Kreuz entstanden ist. Denn daß sie mit 
letzterer auf das Engste verbunden war, beweist nicht nur ihre zum 
ersten Male in einer Urkunde vom Jahre 1393 ^ bezeugte Lage neben 
dem Gotteshause, sondern vor allem der Umstand, daß die seit nn*- 
gefähr 1370 vorhandenen Rechnungen des Brückenamts,* welches 
das gemeinsame Vermögen der Kreuzkapelle und der Eibbrücke ver- 
waltete, den klaren Nachweis führen, daß auch die Schule zum hei* 
ligen Kreuz zu dem Verwaltungsbereich desselben gehört hat. 

Jahrhunderte lang, bis zur Reformation, h1i< *b die Versörg nTig 
des G otteadiPP^t^*? ^^^ fiigppfliplif> ^w ^ck der Schule. Die »ludima- 
gistrn, meist auch im Besitze der niederen geistlichen Weihen, waren 
oft Vikare, später auch Inhaber von Altären, ^ deren Verwaltung den 



buch der Stadt Dresden (Codex diplomaticus Saxoniae regiae^ 2. Haupttheil, 5. Bd.) 
Nr. 35], Im Laufe der Zeit vergrößerte sie sich so, daß der Markgraf Wilhelm 
der Einäugige im Jahre 1400 sogar den Versuch machte, sie zum Bange eines 
Domstifts zu erheben (Urkundenbuch Nr. 113). Die Zahl ihrer Altäre stieg bis 
auf 28, während die Liebfrauenkirche deren nur 8 besaß. 

1 Urkundenbuch Nr. 13. 

2 Vgl. Richter, »Das Johannisspiel zu Dresden« etc. Neues Archiv für säch- 
sische Geschichte, Bd. IV (1883) S. 101 ff. 

3 Urkundenbuch Nr. 96. — Vgl. Meltzer a. a. O., Anm. 13. 

* Vgl. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden, 
Bd. I S. 116 ff. — Eingehender über die Zusammengehörigkeit von Brückenamt, 
Kirche und Schule handelt H. M. Neabert, Vortrag über die Rechtsverhältnisse 
der alten Eibbrücke. Dresden, 1857. 

5 R.-A. Memorial (A XV b 52) a. 1524: »Freitag nach Invocavit hat der radt 
das altar Martini zu der schulen geslagen mit nachlassung des bischoffs zw Meyßen«. 
Dazu kam dann noch der Altar visitaiionis; vgl. Meltzer, Anm. 47. 



größten Theil ihrer Zeit in Anspruch nahm. Ebenso können auch 
die Schüler nur wenig Zeit für den Unterricht übrig gehabt haben, 
wenn man hört, daß in der Kreuzkirche wöchentlich 136 Messen, 

^ in der . Frauenkirche deren 26 gelesen wurden, daß sie außerdem 
bei den täglichen Hören, Vigilien^ Memorien und allen den anderen 

' kirchlichen Verrichtungen zu singen hatten, daß sie den fungirenden 

! Priestern hilfreiche Hand leisten, auch wohl die Räucherung der 

I Kirche besorgen mußten. 

Alter und Entstehung des Kreuzkantorates. 

Von besonderer Wichtigkeit für eine solche Anstalt war natürlich 
das Amt eines Kantors, der u. a. den Gesangsunterricht und den 
gesänglichen Theil des Gottesdienstes zu leiten hatte. Nichtsdesto- 
weniger kennen aber alle vgrrgfnTTTiatQ riachen Q uellen einen »Kantora 
an der Kreuzschule nicht. Stehender Ausdruck zur Bezeichnung des 
Lehrerkollegiums ist hier überall : der Schulmeister mit seinen Bacca- 
laureen, letztere auch Gesellen, Locaten und Collaboratoren genannt. ^ 
So wird z. B. in einem Bericht des letzten katholischen Pfarrers 
an der Kreuzkirche Dr. Petrus Eisenberg vom Jahre 1538 über seine 
Einkünfte und Ausgaben, bei Aufzählung der Kosten der Festspei- 
sungen, die er den Kirchen- und Schuldienern alljährlich geben 
müsse, nur von einem »Schulmeister mit dreyen Baccalarien (c ge- 
sprochen. 2\ Auch reden die Akten der ersten Kirchen- und Schul- 
~ Visitation im Jahre 1539, welche eine Besoldungsliste enthalten, noch 
von keinem Kantor. Hier heißt es u. a. : ^ 

»Ein Hundert guldenn dem ersten Caplan, 

- - - - andern Caplan, 

- - _ - dritten Caplan, 

- - - - Schulmeister als gestifft, 
Sechsstzig guldenn dem ersten Baculario, 
Funfftzig guldenn dem andern Baculario, 

- - - dritten Baculario, 

- - - Organistenn, etc. 



1 Die von Dr. Ermisch in einem 1404 angelegten Stadtbuche von Dresden 
aufgefundene und im »Neuen Archiv für sächsische Geschichte«, Bd. XIII (1892) 
S. 346 f. veröffentlichte älteste Schulordnung der Kreuzschule vom Jahre 1413 be- 
handelt die Einkünfte der einzelnen Lehrer und zählt als solche den Schulmeister, 
die Locaten und einen »Signator« auf. Letzterer war der unterste Lehrer und 
wohl auch zugleich Kaiefaktor. 

2 H.-St.-A. Loc. 9837 »Eygentliche nämliche vorzeeichnus« etc. fol. 16 ff., 
übereinstimmend mit R.-A. A II 70 fol. 28 b. 

3 II..A. A II 66 fol. 27 b. 



Daß dieses Aktenstück nicht allzulange nach Einführung der 
Reformation entstanden ist, verräth schon die Bezeichnung »Caplanir 
für den sich erst allmählich einbürgernden Titel )> Diakonus «, Ebenso 
kann aber auch vor 1539 das spezielle Amt und die Bezeichnung 
»Kantor« nicht vorhanden gewesen sein, da sie sonst gleichfalls mit 
herübergenommen worden wäxe. 

Dem gegenüber wird allerdings in dem Gerichtsbuch 1517 ff. 
des K. S. Haupt-Staatsarchivs fol. 13 im Jahre 1523 erwähnt »ein 
groser geselle Sebastianus genantt, [ein]^ Cantor uff der schule ge- 
west.a Ebenso liest man in einem an Herzog Moritz unter dem 
3. Nov. 1542 erstatteten Bericht des Bathes über die Besoldungs- 
Verhältnisse vor 1539: 2 »Der Schulmeister sampt seinen Baccalaurien 
vnd Cantori haben auch keine namhafftige besoldung, alleine von 
den Schuelem das pretium [Schulgeld], als von eynem 10 gr. eyn 
Jhar, vnd was man Ihnen pro privaia repetitione gegeben, vnd dar- 
nach Accidentia Ecclesiae^ Sunderlich von Vigüiis vnd funeribits 
gehapt«. 

Indessen dürfte wohl unter jenem »großen Gesellen Sebastianus« 
entweder ein älterer Schüler zu verstehen sein, sodaß die Bezeich- 
nung »Cantor« einfach nur die Übersetzung für »Sänger, Chorschüler « 
wäre, oder ein die Kantorfunktionen verrichtender Baccälaureus. 
Auf letzteren wird man auch den im zweiten Citate genannten 
Kantor reduzieren müssen. Die Anwendung dieses Titels geschah 
wohl irrthümlich vom Verfasser des Berichtes, der die bereits seit drei 
Jahren bestehenden und ihm völlig geläufigen neuen Verhältnisse 
vor Augen hatte und sie ohne weiteres auf die alten übertrug. Sonst 
jedoch findet man die Erwähnung eines Kantors nirgends, auch nicht 
in den Brückenamtsrechnungen. 

Daß die Funktionen desselben schon vorher bestanden haben, 
ist selbstverständlich. Sie wurden — besonders in alter Zeit — von 
den Schulmeistern versehen, welche sie, wenn sie selbst vielleicht 
nicht genügend musikalisch beanlagt oder anderweitig abgehalten 
waren, einem geeigneten Locaten übertrugen, der dafür nach der 
schon citirten ältesten Schulordnung von 1413 alljährlich am Katha- 
rinentage (25. Nov.) direkt von den Schülern den sogenannten »Sang- 
heller« bezog, 3 während er im übrigen vom Schulmeister besoldet 
wurde. — Dies bestätigt u. a. ein Konfirmationsbrief des Bischofs 
Kaspar von Meißen vom 20. August 1452,^ in welchem es heißt: 

1 durchstrichen. 

2 A II 70 fol. 43. 

3 »Item sangkheller super festum Katherine von iczlichem 1 gr.« 
* Urkundenbuch Nr. 253, S. 196 f, 



3). . . . reciori scolae pro eo, quod cum suis scolaribus vigilids et mis- 
SfMn decantentj octo (grosses) . . . dxstribuere tenehitur<t. Auch die 
Brückenamtsrechnungen verzeichnen nicht selten Zahlungen an den 
Bektor für das Singen hei kirchlichen Handlungen, ^ welches eben, 
gleichviel ob von ihm oder einem Vertreter verrichtet, zu seinen 
Amtsbefugnissen gehörte. — Hier und da wurden jedoch ausdrücklich 
auch die Locaten dazu mit herangezogen, wofür sie besondere Acci- 
denzien genossen. So hatte nach einer im Jahre 1S98 begründeten 
Stiftung der Schulmeister abwechselnd mit seinen CoUaboratoren all- 
abendlich unter Geläute und Kerzenschein das "n Salve reginaa und 
»0 cruxd zu singen gegen eine Vergütung an Geld und Itaturalien.^ 
Von einem »Kantor« aber reden die Akten erst im Jahre 1542. 
In dem schon erwähnten Bericht des Rathes an den Herzog Moritz 
über die Besoldungsverhältnisse der Kirchen- und Schuldiener werden 
die einzelnen Lehrer folgendermaßen bezeichnet:^ 

»Dem Schulmeister geben wir 120 fl. 

Dem Supremo 60 fl. 

Dem Cantori 50 fl.* 



^ Br.-A.-R. 1467/68. Unter den Zahlungen für »vigilien vnd gele messen« 
am Tage &t. Gertrud: »Item 4 gr. deme scholemeystere«. Br..A.-E. 1470: »4 gr. 
dem Schulmeister von vigilien«. In deigenigen von 1471 erhält er gleichfalls 4 gr. 
»von vigilien vnde messen czu singen«. Vgl. Meltzer a. a. O. Anm. 43. 

2 Urkundenbuch Nr. 107 (28. Mai 1398). Hier heißt es S. 101: » dem 

Schulmeister czu Dresden vnde sinen gesellin vier schog grosschin, ein schog 
eyger vnde vier hunre ( — des czinses man yn ye uff iczliche quatuor tempora ein 
schog grossehin gebin sal, die eigere vnde hunre uff sente Michels tag — ), dar- 
umbe sie daz Salve regina mit den schulern in der cappellin czum heiligen crucze 
alle tage so bie der sunnen vndirgange singen sollin vnde darczu die antiphona 
von dem heiligin crucze >» O crux ; « etc. — Die Br.-A.-R. von 1520 verzeichnet 
unter den Ausgaben des Gestifts Salve regina u. a. : »4 ß jerlich dem schulmeyster 
und seinen collaboratoribue als nemlich auff alle quatuortempara ein silbern ß.« 
Einträge ähnlicher Art finden sich in den Br.-A.-R. späterer Jahre regelmäßig 
'wieder. 

8 A n 70 fol. 48. 

* Bei dieser Gelegenheit seien sogleich einige kurze Mittheilungen über das 
Einkommen des Kantors gegeben, welches sich freilich im Laufe der Zeit mannig- 
fach veränderte. Die Haupteinnahmen neben dem oben angegebenen festen 
Gehalte waren die Accidenzien von Begräbnissen und Brautmessen, die in einem 
Verzeichniß des Jahres 1575 folgendermaßen angegeben werden (Consistorial- Archiv^ 
Matricul Dresde de ao. 1575, fol. 720): 

»Accidentia Cantoris von funeribus. 

2 gr. vom funere so der Cantor alleine Zur deduction gefordert wirdt, 

3 gr. wan die gantze schul mitgehett, vnnd auß der gemeinen bürgerschaft be- 

leittet wirdt. 



Dem Jnfimo 50 fl. 

Dem deutzschen Schulmeistei 40 fl.a 

In derselben Weise nennt auch der Superintendent Daniel 
Greiser in seiner Selbstbiographie^ die Lehrer, welche er bei seinem 
Amtsantritt in Dresden im Jahre 1542 vorfand. Da wir endlich wissen, 
daß der erste protestantische Bektor M. Nicolaus Caesius nach 
Yollendeter Neuorganisation der Schule, Anfang 1540, sein Amt an- 
getreten hat, so liegt der Schluß nahe, daß wir auch von diesem 
Zeitpunkt an von einem Kreuzkantor zu sprechen berechtigt sind. 

Der Kantor als Schulkollege. 

Wie aus dem oben Mitgetheilten ersichtlich, hatte der Kantor 
von vornherein die dritte Stelle im Lehrerkollegium inne und be- 
hauptete sie auch fast durchgängig bis zum Jahre 1625, wo das Kan- 
torat auf Bathsbeschluß um eine Stelle herabgesetzt wurde. Drei 
Kantoren wirkten so als Quarti, bis J. Z. Grundig im Jahre 1715 
als ordentlicher Kantor Collega quin tu s wurde, nachdem er vorher 
viele Jahre Sextus und als solcher seit 1713 Substitut des Kantors 
Petritz gewesen war. Über ein Jahrhundert, bis 1822, blieb das Kan- 
torat auf dieser Stufe. Dann aber sank es wieder um eine solche* 
Beim Abgang Julius Otto^s endlich wurde es außerhalb des Kollegiums 
gestellt. 

Schon in frühester Zeit war natürlich die Musik und speziell 



5V2 gr. wan ein rahts person oder vom Adell beleittet wirdt, 
3 3jf vom Crucifix, so vorgetragen wirdt , darumb werden Rutten Zu castigiren 
gekauft. 

Von Hoohzeitten. 

1 gr. Vom Te Deum Zatidamus choraliter gesungen. 
12 gr. Vom Te Deum Lattdamus ßguraliter gesungen. 

Wan Eine stadtliche Jiochzeit ist, darauff man In der K.irchen Zuvor Figurirt 
hatt, hatt der Gantor macht, In die hochzeit Singen Zu gehen mitt ettlichen kna- 
ben, so darzu tüchtig erkantt worden. Daß geldt, so da gefeldt, wirdt in III 
gleiche teil geteildt, II teil gehören dem Cantori vnd daß dritte ^en Knaben, so 
mitt dem Cantori gesungen haben«. — Hierzu kommt dann noch das Schulgeld, 
mehrere Stiftungsgelder, Tranksteuer (8 alte Schock), 10 fl. aus der Sophienkirche 
(seit 1610), femer freie Wohnung, persönliche Zulagen, 6 Scheffel Korn etc. — 

1 Historla Vnd beschreibunge des gantzen Lauffs vnd Lebens, wie nemlich 
ich Daniel Greiser, Pfarrer vnd Superintendens in Dreßden, meinen curriculum 
vitae, vom 1504. Jare an, bis in's itzo lauffende 1587. Jar, als nun mehr ein 83 
järiger, durch Göttliche gnad geführt habe etc. Dresdae 1587. — Vgl. S. 13 
Anm. 2. 



der Gesang das wichtigste Unterrichtsfach der Kantoren ^, Als Lehrer 
der dritten , vierten oder fünften Klasse mußten sie aher auch alle 
(ihrigen mit übernehmen. Darum war es selbstverständlich, daß sie 
sich auch genügende Kenntnisse auf gelehrten Schulen und Univer- 
sitäten erworben haben mußten.^ 

Einen genauen Einblick in die Schulthätigkeit des Kantors im 
16. Jahrhundert gewährt uns der schon angeführte Aktenband des 
Konsistorialarchivs zu Dresden, welcher einen ausführlichen, vom 
Rektpr M. Friedr. Zorler bei Gelegenheit der General- Kirchen- und 
Schulvisitation im Jahre 1575 eingereichten Lektionsplan der Kreuz- 
schule enthält.^ Die Lehrstunden des Kantors sind hier in folgender 
Weise angegeben: 

Montag und Dienstag. 

6V2 Uhr: Preces maiutinae (Prima bis 
Tertia). 
8 ,, : Florea poetarum (Secunda), 



12 ,/ ' Media hora tribuitur exercitio, 
et media explicationi praecep- 
iorum Mtmcea (Prima bis Semi- 
tertia), 

Mittwoch 



1 Uhr: Atfdit et Scripturam corrtgit 
(Quarta), 
2 — 21/2 „ : Precea Vespertinae (Prima bis 
Tertia). 



6Y2 Uhr : Preces in temp. : (Prima bis 

Tertia), 
8 ), : Flares Poetarum et exercitium 

Memoriae (Seeunda und Tertia), 
12 „ : Musica (Prima bis Semitertia), 



1 Uhr : Zegunt et scripturam exhihent 
Cantori (Quinta), 
2 — 21/2 }) : Precee Vespertinae i^timAhis 
Tertia). 



Donnerstag und Freitag. 



6V2 Uhr: Preces matutinae (Prima und 

Seeunda), 
8 ,, : Recitant lectianem Cantori 
(Quinta), 



1 Uhr: Exercitium Musicum (Prima 

bis Semitertia), 

2 ,, : Audit Cantor (Quinta), 

3 — 31/2 »; : Precea vespertinae (Prima bis 
Tertia). 



Sonnabend. 

6 — 8 Uhr: Itecitatio et expositio catechismi D, LutJteri (Quarta), 
8 ,, : Lectio Evangelii Germ. (Quinta). 



1 Nach den damaligen Anschauungen, daß nur ein tüchtiger Sänger ein guter 
Gesangslehrer sein könne, sah man bei der Anstellung von Kantoren bis in neuere 
Zeit besonders darauf, daß sie im Besitze einer guten Stimme seien. Vgl. hierzu 
Mattheson, Der vollkommene Capellmeister, S. 482. 

2 Vgl. S. 51 den Brief des Oberstadtschreibers Schobert an den Leipziger 
Professor M. Job. Friedrich. 

8 C.-A., Matricul Dresde de ao. 1575, fol. 714. Vollständig abgedruckt bei 
F. £. Gehe, Die Unterrichts- und Erziehungsanstalten in Dresden. Dresden und 
Leipzig, 1845, S. 24 ff. 



Damals kamen auf den Kantor also täglich etwa vier Unterrichts- 
stunden, die sich freilich zwei Jahre später bereits zu mehren an- 
fingen und 1584 die Höhe von sechs Stunden täglich eiteicht hatten, 
worüber sich der damalige Kantor Andreas Petermann bitter beklagt.^ 
Von besonderem Interesse ist bei diesem Plane, daß Montags und 
Dienstags ausdrücklich die eine Hälfte der Gesangsstunde der prak- 
tischen Übung, die andere aber der theoretischen Unterweisung in der 
Musik zugewiesen ist. 

Die Thätigkeit des Kantors als Lehrer in der Schule ungefähr 
hundert Jahr später zeigt ein weiterer Lektionsplan vom Jahre 
1670.^ Der hierher gehörende Abschnitt lautet: 

Pensum cantoris eollegae IV ad D. Cruc. 
DiehtM Lunae et Mortis^ horis. 



promer idianis: 

a 7 ad 8. eiymologia eampendii gramma- 
tices Schmidii cum quintanis, 

ab 8 ad 9. vesttbulum iantioe Latinitatie 
Comenii cum iisdem, 

9 10 ad 11. hora privata. 



pomeridianis: 
a 1 ad 2. exercitium musicum cum alum- 



n*8. 



a 2 ad 3. syntaxia compendii grammatiees 

Schmidii cum quartania. 
a 3 ad 4. vestib. Comenii cum iiedem. 



Die Mercurii. 

a 7 ad 8. psalterium Germanicum cum iertianis et quartanis per vices cum colL 

tertio, 
ab 8 ad 9. catechesis Latina cum quartanis, 
a 9 ad 10. exercitioli propositio et emendatio* 
a 10 ad 11. hora privata. 



Die Jovis. 



a 7 ad 9. templi frequentatio. 
a 10 ad 11. hora privata. 



a 1 ad 2. exercitium musicum cum Alumnia» 
a 3 ad 4. prosodia grammatices Schmidii 
cum Seeundanis et tertianis. 



Die Veneria, 



a 7 ad 8. syntaxis compendii gramma- 
tices Schmidii cum quartanis. 
ab 8 ad 9. vestibulum Comenii cum iisdem. 
a 10 ad 11. hora privata» 



a 1 ad 2. exercitium musicum cum alumnis, 

a 3 ad 4. loci communes Jbhannis Mur- 

mein cum secundanis et tertianis. 



1 Vgl. S. 28. 

2 Abgedruckt bei O. Meltzei »M. Johann Bohemus, kaiserlich gekrönter Poet, 
Rektor der Kreuzschule zu Dresden 1639 — 1676« im 112. Bande (Jahrgang 1875) 
der Neuen Jahrbücher für Philologie und Pädagogik. Separatabdnick, Leipzig, 
Teubner, 1875, S. 20. 



10 



Die SaturnL 

a 7 ad 8. Uetio evangeln Oraeca cum teriiania et quartanüper vices cum coUega III. 
ab 8 ad 9. compendium Hütteri cum quartanis. 

a 9 ad 10. exercitioli propositio et emendatio cum iisdenu 
a 10 ad 11. hora privata. 

Diesen Schulunterricht hatten die Kantoren noch über 120 Jahre 
zu ertheilen, bis sie endlich im November 1791 auf Antrag Chr. Ehre- 
gott Weinligs gänzlich davon befreit wurden, um den bis dahin be- 
deutend gesteigerten musikalischen Verpflichtungen beim Gottesdienst 
besser nachkommen zu können. 



Die kirchlichen Amtspflichten des Kantors. 

Wie anderwärts, so ging man auch in Dresden bei Neueinfiihrung 
des protestantischen Gottesdienstes und Beseitigung des Überkommenen 
mit größter Vorsicht zu Werke. Vieles ließ man bestehen, was nicht 
unbedingt fallen mußte, so z. 6. die lateinischen Metten und Vespern, 
in denen erst seit 1671 durch Konsistorial -Verordnung deutsche Lieder 
gesungen wurden.^ 

Die gesangliche Leitung aller Gottesdienste der Kreuzkirche, 
sowohl in Bezu^ auf Figural- wie Choralgesang, wurde dem Kantor 
übertragen, ebenso die Begleitung der sogenannten »ganzena oder 
»Figural-Leichena, wie auch der gewöhnlichen »halben« oder »Parti- 
kular- Leichen«. Letztere begleiteten vor Einführung der Reformation 
wöchentlich abwechselnd die drei Lokaten, wofür sie die davon fäl- 
ligen Einnahmen zu gleichen Theilen erhielten.2 Damit begründeten 
denn auch die Kollegen schon 1555 ihren Anspruch auf dieselben, 
ohne indessen zunächst Erfolg zu haben.^ Als aber der im Jahre 1559 
neu eingerichtete sonntägliche Gottesdienst in der Frauenkirche den 
beiden letzten Kollegen übertragen wurde, erbaten sie sich als Ent- 
schädigung in den Jahren 1560 bis 1562 wiederholt die Erlaubniß, 
»die leichen eine Woche vmb die ander mit Ihm [dem Kantor] zu 
holen«, was ihnen auch im letzten Jahre unter der Bedingung be- 
willigt wurde, daß sie sich mit dem Kantor zu gleichmäßig abwechseln- 



i R.-A. B VlI» 191V fol. 17b. 

2 D I fol. 138. 

8 D I fol. 3—8 »Allerlei beschwerungen von hern Daniel Greisem Pfarhern, 
furbracht, sein aigene Handtschrift« aus dem Jahre 1555. Daraus foL 6 Nr. 8: 
»Wer die deinen funera beleiten sol vnter den scholdienem, der magister spricht, 
es gepüre ihnen allen, da myt sie alle das gemessen, der cantor spricht, es gepüret 
ihm, vnd darvmb hab er bey grosser arbeit ein geringer Stipendium, den der su-* 
premus«. Der am Band bemerkte Besohluss des Käthes lautet: »Sal der cantor 2 gr. 
nhemen von denen, die es vermögen, die armen ßoUen geben, was sie vermoegen «• 



11 



der Versorgung der täglichen Metten und Vespern verpflichteten. 
Dadurch sah sich aber der Kantor wieder in seinen Einnahmen be-^ 
einträchtigt, infolgedessen diese Bestimmung um 1575 dahin geändert 
würde, daß die »kleinen funeraa allein von den drei Baccalaureen be- 
gleitet, die Einnahmen davon aber zur Hälfte dem Kantor abgetreten 
Werden sollten. Daß dieser Zustand sich nicht lange erhalten konnte,* 
ist leicht verständlich. So beschloß man in der That schon 1581, daß 
die «kleinen funera die vier vndersten Schuldiener, als der Cantor 
vnd die drey Baccalaurien ordentlichen nach einander beleiten vnd 
die acddentia vnter sich alleine gleich theilen« sollten. Betreffs der 
vtotalia funerm dagegen bestimmte man, daß sie von sämmtlichen 
Lehrern begleitet, und ihnen die Accidenzien ebenfalls zu gleichen 
Theilen ausgezahlt werden sollten,^ während dies bisher in absteigenden 
Baten von rund 8 bis 3 Groschen geschah. Diese Praxis blieb für 
die nächste Zeit maßgebend, bis sich der Rath wegen großer Nach- 
lässigkeit der Kollegen einzuschreiten veranlaßt sah und in der neuen 
Schul- und Alumuatsordnung des Jahres 1616 bestimmte, dass die 
funera figuralia vom Kantor, die choralia wechselsweise von deni 
unteren Kollegen »und nicht von einem Kleinen Knaben, wie biß« 
anhero geschehen, mit dem Gesang bestellet werden« sollten.^ — In 
der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts trat der Kantor jedoch sämmtliche 
von ihm allein zu begleitende Leichenbegängnisse dem Regens Alum-^ 
norum^ ab, wogegen dieser für ihn in allen Früh- Metten singen 
mußte.^ 

Injerster Liniejwax_dij3_Pflege u.nd_Lgitung jißr_Figjiraljnji^k 
die Aufgabe des Kant.OT.p, sei es im sonntäglichen Hauptgottesdienst 
(Amtspredigt), bei den Wochenpredigten am Montag früh 8 Uhr 
in der Sophien- und Donnerstag früh 7 Uhr in der Kreuzkirche,* den 

1 D I fol 365 ; vgl. S. 27. 

2 B Vlla 191i Vol. I fol. 5 b. 

3 Die sogenannten »Kegenten« wurden bis zum Jahre 1640 zur Beaufsich- 
tigung der Alumnen aus den ältesten derselben, von da an aus solchen, welche ihr 
Universitätsstudium bereits beendet hatten, gewählt. Ihre erste Anstellung erfolgte 
wahrscheinlich im Jahre 1557, in welchem der Neubau der Schule und die Neu- 
einrichtung des Alumneums vollendet war. — Der von Greiser in seiner Selbst- 
biographie an erster Stelle erwähnte Martin Bressler ist übrigens nicht der älteste 
mit Namen bekannte Regent (er amtirte nach D I fol. 351 von 1578 — 1581). Die 
Akten (ebenda fol. 273) enthalten auch ein Schreiben eines »Hieronymus Kloss- 
mann, der armen knaben auf der schul Regens« vom 29. Mai 1575. 

* B VII» 191V fol. 20. 

5 Hasche bemerkt hierzu in seiner »Umständlichen Beschreibung Dresdens«, 
Bd. II S* 667 : » Weil an diesem Tage der Superintendent predigt, so wird, wenn 
er auf die Kanzel geht, vom Chore figurirt: benedicamus Domino, Deo dicamus 
gratias, und vorher (seit 1580) die Litaney gesungener, — Die Wochenpredigt am 



12 



musikalischen Yespein, bei den »FiguraIIeichen<r, Brautmessen, in den 
Hochzeitshäusein , oder wohin er sonst mit seinen Schülern gerufen 
wurde. 

Die Kirchenmusik im sonntäglichen Hauptgottesdienst der Kreuz- 
kirche, schon in frühester Zeit meist in Instrumental- und Yokal- 
inusik bestehend, scheint vor 1577 außerhalb der Festzeiten seltener 
äu%eführt worden zu sein, da der Kantor Andreas Petermann in 
diesem Jahre verpflichtet wurde, alle Monate einmal zu »figuriren«.^ 
Diese Verfugung wurde 1581 dahin verschärft, daß in Zukunft »ein 
Sonntag vmb den andern in den Zweyen kirchen figuriret werden« 
solle (vgl. S. 27) . 

In der Frauenkirche lag dies seit 1559 den unteren Kollegen 
ob. Daß hierbei keine Musterleistungen zustande kamen, da doch 
nur ein geringer Theil derselben genügend musikalisch beanlagt war, 
ist selbstverständlich. Daher überrascht es nicht, wenn um das Jahr 
1600 der Kantor auch die Musik in der Frauenkirche übernehmen 
mußte, bis sie, wie auch die seit 1610 hinzugekommene Feiertags- 
musik der Sophienkirche im Jahre 1681 ein musikalischer Kollege 
wieder freiwillig versorgte. Allein auch dieser zweite Versuch konnte 
von keiner allzu langen Dauer sein, obwohl die Kollegen von den 
Organisten kräftig unterstützt wurden. Im Jahre 1725 übertrug man 
sie wieder dem Kantor,^ der sie seitdem ununterbrochen geleitet hat. 

Neben diesen Aufführungen traten dann im 18. Jahrhundert die 
miLsikalischen_^ am Sonntag Nachmittag 4 Uhr und die 

Passionsmusiken mehr und mehr in den Vordergrund. Erstere 
fanden zu genannter Zeit bis in die Mitte der 30er Jahre unseres 
Jahrhunderts statt, während sich die Vespern des ersten Feiertages der 
drei hohen Feste sogar noch etwas länger erhielten. Aber auch sie 



Montag in der Sophienkirche, 1610 von der Kurfürstin Sophie gestiftet, wurde 
von sämmtlichen Geistlichen der Xreuzkirche abwechselnd gehalten. Jedesmal, 
wenn der Superintendent predigte, fand Vokal- und Instrumentalmusik statt, die 
jedoch später wegfiel. Wegen Mangels an Besuch wurde der Gottesdienst in neu- 
erer Zeit auf Mittwoch Abend 6 Uhr verlegt. Zum 1, Mal zu dieser Stunde fand 
er am 14. Jan. 1880 statt. 

1 D I fol. 279; vgl. S. 25. 

2 Eine nachträgliche Bandbemerkung in dem vom Rektor Joh. Bohemus an- 
gelegten starken Bande des Kreuzschul-Archivs »Pandectae Herum ad D, Crucis 
attinentium etc.« 1639 £ fbl. 108 sagt: »Weil M. Frenzel, Coli. III, als ein Philo- 
Musicus die Kirchen-Music in der Frauenkirche einmal gutwillig übernommen und 
seinen successoribus und CoUegen eine Last helffen aufladen, daher ists billig 
und recht, daß dem Cantori und Coli. V Beinholden solche Last wiederum auf- 
erlegt worden ist, so wie es des Cantoris Pflicht ist in der Sophienkirche zu 
musiciren«. 



13 

mußten, als die Abendgottesdienste eingefühlt wurden, zu Gunsten 
der Sonnabend -Vespern weichen. Diese sind somit der letzte Rest der 
alten Matutin- und Yesperordnung. 

Die Kreuzkantoren zu Dresden. 

Nach Neuorganisation der Schule wandte man sich Anfang 1540 
behufs Neubesetzung der beiden wichtigsten Posten, des Rektorates 
und Kantorates, nach Wittenberg, um von diesem geistigen Cen- 
tralpunkte Deutschlands sich tüchtige Kräfte aus den Kreisen der 
•Universität zu erbitten. Besondiers war es hier Melanchthon, der sich 
allezeit lebhaft für das Dresdener Schulwesen interessirte und auch 
später noch oftmals bei Vakanzen geeignete Männer empfahl. Er 
sandte für das Rektorat M. Nicolaus Caesius, für den Kantorposten aber 

Sebaldus Baumann, 1540 — 1553, 

geboren zu Nürnberg um das Jahr 1515. Dieser besuchte in seiner 
Jugend vermuthlich eine der vier Schulen seiner Vaterstadt und wandte 
sich dann nach Wittenberg, wo er im Wintersemester 1537 nub Rec^ 
toratu eximü vtritisque Juris Doctoris Blighardi Sindringeri Heydel- 
hergensisdi immatrikulirt wurde. ^ 

Daß er bereits vor 1542 Kantor in Dresden gewesen ist, bezeugt 
der Superintendent Daniel Greiser in seiner schon erwähnten Selbst- 
biographie, 2 ebenso der spätere Kantor Andreas Petermann in einem 
Oesuche an den Rat vom 24. Aug. 1581. ^ 

Den Geburtsort Baumann's, Nürnberg, nennt ausser der Witten- 
berger Matrikel zuerst der Rektor M. Tobias Simon (1591 — 1624).* 
Da die Taufregister bei St. Sebald und Lorenz in Nürnberg nur bis 
1533 zurückgehen, ist es leider nicht möglich, etwas Genaueres be- 
züglich des Geburtsjahres und der Eltern Baumann's anzugeben. Auch 
das städtische Archiv und das des Germanischen National-Museums 



ICE. Foerstemann, Mhum Academiae Vitehergensia ah a, Ch, MD II ttsque 
ad a, MBLX, Lipsiae, 1841, S. 166. 

2 Hier heißt es S. 70: »Von Schuldienern meldunge zu thun, so habe ich 
bey meinem antrit gefunden: M. Nicolanm Coesium als Bectorem, M. Johannem 
Tetelbach als Supremum, Sebaldum Bauroannum als Cantorem, Jetzo Wiith oder 
Gastgebern zum Güldenen Lewen, Antonium Rudolphi als Baccalaurium«. 

3 D I fol. 360b. 

* Oratio de Praecipuis Beneßciis huc ttsque in Scholam Dresdensem a Deo 
collatiSf post ejusdem Renovationem Anno Christi 1619 in autumnali examine recitata 
a M, Tohia Simone^ Dresdensis Scholae Rectore, Dresdae, in ofßcina Oimelis Sergen. 



14 



enthalten nichts, was zur sicheren Ermittelung seiner Familie führen 
könnte. Soyiel steht jedoch fest, daB die Familie Baumann eine in 
Nürnberg alt angesessene ist, deren Glieder meist dem Handwerker- 
stande angehört haben. In den Akten des Kgl. Kreisarchivs zu Nürn- 
berg, welches das alte reichsstädtische Archiv in seinen wesentlichen 
Bestandtheilen verwahrt, wird sie oft genannt. Bereits im Jahre 1363 
kommt ein »Hans Pawman, Ledereru als Nürnberger Bürger vor. 
Vermuthlich gehört auch der berühmte Verfasser des in Chrysander's 
Jahrbüchern Bd. II gedruckten ersten Orgelbuches und Erfinder der 
deutschen Lautentabulatur, Conrad Paumann, geb. um 1410 zu Nürn- 
berg, Organist an St. Sebald, zu den Vorfahren unseres Kantors. — • 
In »Norischer Christen Freydhöfe Gedächtnis«, Nürnberg, 1 682, Rochus- 
kirchhof, findet sich ferner S. 23: »Grab Nr. 631. Hanns Baumann, 
Zigler, verschied im 1533 Jahr«, und bei Trechsel »Johanniskirchhof«, 
Nürnberg 1735, S. 524: »Martin Baumans stat pfeifers, Wolf von Hals 
Instrumentistens vnd irer beider Beliehen leibserben Begrebnis 1 582«. — 
Obwohl Akten über seine Amtsführung vollständig fehlen, und nur 
hier und da sein Name erwähnt wird, ^ sind dennoch einige Notizen 
in den Rathsprotok ollen (A II 100^) enthalten, die trotz ihrer Kürze 
ein Urtheil über seinen Charakter und sein Wesen mit genügender 
Sicherheit ermöglichen. Darnach dürfte allerdings auch sein Leben 
eine Illustration zu jenem Sprichwort sein: cantores amant humores. 

Wir lesen hier fol. 97, daß der Rath Sonnabend nach Sebaldus 
1551 (= 22. Aug.) über »Jacofi* den pfeifier« verhandelt, über den 
mancherlei Klagen eingegangen waren. Man beschließt, diesem zu 
verbieten, daß er nachts nach 9 Uhr auf die Gassen gehe, auf den 
Hochzeiten bettele und die Leute übertheuere. Der zweite Punkt wird 
ihn wohl auch mit dem Kantor in Konflikt gebracht haben. Denn 
das Singen in den Hochzeitshäusern bei den Gastmählern war eine 
der bedeutendsten Einnahmequellen des Kantors uctd seiner Schüler, 
Durch das Betteln des Stadtpfeifers aber, der die Instrumentalmusik, 
das Aufspielen zum Tanze, zu versorgen hatte, mögen wohl auch die 
Einnahmen des Kantors beeinträchtigt worden sein. Dies wird zu 
heftigen Auseinandersetzungen zwischen beiden geführt haben. Ja 
wir lesen sogar in eben diesem Protokolle, daß der Stadtpfeifer ))denn 
Cantor vff Zictzschmans Hochtzeit hat woUenn hawenn«. 

Ein weiterer Eintrag datirt von Freitag nach Cantate 1551 (= I.Mai) : 
»Cantor hat vmb 200fl., dy Ime furtzustrecken, gebeten, vff zween 
Jar lang, halb an szeyuer besoldung Ane Vortzinssung zween Jar 
abgehen zu lassen, die andern hundert fl. zu vorzinßen gebetenn«. 



1 D I fol. 138 und 360b 



15 



Aber auch noch anderwärts scheint er Schulden gehabt zu haben, 
z. B. bei einem Edelmanne Meyrod, der sich, um sein Geld wieder- 
zubekommen, an Baumann' s Oberbehörde, den Kath, wendete. Denn 
in den Protokollen findet sich fol. 182 folgende Bemerkung: Mitt- 
woch nach Trinitatis 1553 (= 31. Mai). »Cantor ist vorclagt etzlicher 
schulde halb, ann Meyroden ist der Cantor gewiesenncc (nämlich: 
ihn zu bezahlen). In seinem Ärger aber über diesen Verweis ließ 
Baumann in der Stadt seinen Gefühlen gegen den Kath in unge- 
ziemenden Worten freien Lauf, weßhalb ihn dieser drei Tage in's 
Gefängniß legte. Über diese Angelegenheit lesen wir fol. 182b: 
Sonnabend nach Trinitatis 1553 (= 3, Juni). »Cantor ist außm ge- 
fangknus gelassenn vnnd ist Ime vndersagt, das er sich mit vnge- 
schicktenn Wortten Im Kath auch sonst gehalden, darauß dem Rath 
allerley Vjirichtickait der Stadt erfolgenn konte. Solle den Edelman 
vor allen dingen zuefriedenn stellenn, vnd wegen seynes Vnvleises 
vfs neste quartall seynnen beschiedt habenn, welchenn er angenommen, 
ßich bedanckt des Diensts.« 

Unfleiß, Vernachlässigung seiner Berufspflichten war es also, 
was den Rath nöthigte, ihm für Michaelis 1553 den Dienst zu kün- 
digen. — Aber selbst diese Verfügung vermochte bei ihm keinen 
Eindruck zu machen, wie aus dem Angeführten ersichtlich ist. Er 
trat vermuthlich sofort, oder bald darauf, jedenfalls noch unter dem 
Kapellmeister Joh. Walther als Tenorist in die kurfürstliche Kapelle 
zu Dresden ein. Denn wir finden seinen Namen in der Kurfürstlich 
Sächsischen Kantoreiordnung vom 1. Januar 1555 wieder.^ In der 
Liste der 14 kurfürstlichen Sänger, »so zuuorn In vnser Cantorey 
gewesen, welchenn Ire besoldung Quartallweise gegeben wirdetor, 
steht als vorletzter: »Sobald Baumann, Tenorist, 7 fl. 5 gr. 3 A«. 
Nach der am 7. Aug. 1554 erfolgten Pensionirung Joh. Walther's 
vermehrte der Kurfürst August die Kapelle um ein Beträchtliches. 
Außer dem neuen Kapellmeister Matthias le Maistre und drei Or- 
ganisten enthielt sie nunmehr 33 Sänger, darunter 6 Niederländer, 
welche zu jener Zeit einen Weltruf als Sänger hatten. Baumann 
ist auch hier unter den Tenoristen mit aufgeführt. — Die Nieder- 
länder wurden monatlich mit 10 fl. besoldet, während sich das Ge- 
halt der deutschen Sänger nach einer Zulage auf vierteljährlich 12 fl. 



* Nach dem im K. S. Finanzarchive befindlichen Originale mitgetheilt von 
M. Fürstenau in den »Monatsheften für Musikgeschichte« 9. Jahrgang (1877) 
S. 235 ff. — Vgl. auch M. Fürstenau, Beiträge zur Geschichte der Königl. Sachs, 
musikalischen Kapelle. Dresden, 1849, S. 21. 



16 



steigerte. AuBeidem gab es noch mehrere italienische Instrumen- 
tisten, die jedoch in der Liste nicht mit aufgeführt sind,^ 

Daß diese neue Kantoreiordnung v. J. 1555 sehr nothwendig 
geworden, weil »sich nicht allein allerlei Uneinigkeit gesammelt, 
Spaltung und Rottirung unter den alten und neuen Gesellen in der 
Cantorei zugetragen, sondern auch etliche unterstanden, einander 
mündlich und schriftlich an ihre Ehre anzugreifen und zu schmähen, 
auch bisweilen Gewalt zu brauchen, und die Hand an einander zu 
legen,« ist einleuchtend. In einem so großen Verbände, in welchem 
Geister, wie Sebald Baumann, nicht nur einmal vorhanden gewesen 
sein werden, in dem außerdem die Bevorzugung der Ausländer den 
nationalen Gegensatz verschärfte, wäre es ein Wunder zu nennen, 
wenn diese Uneinigkeiten nicht eingetreten wären. 

Lange jedoch wird Baumann nicht mehr der kurfürstl. Kapelle 
angehört haben. In den KathsprotokoUen findet sich fol. 334 ein 
Eintrag: Mittwoch nach Bartholomei 1557 (= 25. Aug.). »Sebald 
Baumann der Alte Cantor ist fürgefordert der hundert gülden halben, 
laux (Lucas) lorentz kyndernn zustendigk. Ist Ime frist gegeben biss 
nestkommend Mittwoch dy 105 fl. zu erlegenn«. Wir hören auch hier 
wieder die alte Klage. Ob er diese für damalige Zeit bedeutende 
Summe von 100 fl. mit deren Zinsen innerhalb einer Woche aufge- 
trieben und bezahlt haben wird, ist wohl billig zu bezweifeln. Dann 
aber dürfte er eine Zeit lang im Gefängniß zugebracht und schon 
dadurch seine Stellung verloren habjBn. 

Nunmehr folgte aber Baumann einer inneren Neigung: er wurde 
»Gastwirt zum Güldenen Löwen«, als welchen ihn Greiser noch im 
Jahre 1587 kennt. 2 Auch in den Akten des ilathsarchivs kommt 
er noch einmal 1588 vor, wo er um Concession nachsucht, fremdes 
Bier führen zu dürfen. ^ 

Verhältnismäßig spät, erst 1551, wurde Baumann Bürger der 
Stadt Dresden. Das Bürgerbuch (CXIX 1 fol. 55^) sagt hierüber: 
»Sebaldus Baumann Cantor ist nach Sixti anno 51 (= nach 9. Aug.) 



* Bei Fürstenau, Beiträge etc» S. 24 ff. findet sich eine insofern von dieser 
etwas abweichende Liste aus einem Hofbuche von 1555, als hier die K.apelle außer 
13 Kapellknaben aus 25 Personen bestehend angegeben wird, und die deutschen 
Sänger (darunter Seb. Baumann) noch ihren früheren Gehalt von 29 fl. jährlich 
beziehen. Außerdem sind hier auch noch die Namen der »Welschen Instrumen- 
tisten in der Musica« hinzugefügt, an ihrer Spitze Anthonio Scandellus. 

2 Vgl. S. 13 Anm. 2. 

8 H I 6 fol, 1—12, 24 ff. . 



17 

zcum Bürger angenommen vnd voreydet, sol die briffe bringen/ ist 
Ime das Bnigerrecht geschenkt«. — 

In welchem Jahre er gestorben, läßt sich nicht ermitteln. Soviel 
aber steht fest, daß er ein Alter von über 70 Jahren erreicht haben 
muß. — 

Banmann war, wie der Umstand, daß er längere Zeit der kurfurst^ 
liehen Kapelle angehört hat, mit Sicherheit schließen läßt, ein nicht 
unbedeutender Tenorsänger, eine Eigenschaft, der er in erster Linie 
auch das Kantorat zu verdanken gehabt haben mag. Unter seinen 
Kollegen findet man die vorzüglichsten Sänger, wie Hanns Puffault, 
Johann Lormus, Valerian van Asper, Johann Basten, Anthonius van 
Dorp und Johann Nusser. — Aber auch als Komponist von einigen 
Messen und Motetten ist er ^thätig gewesen, wie dies aus den noch 
vorhandenen Inventarien und Verzeichnissen der alten Notenbestände 
der Kreuzkirche hervorgeht (vgl. Anhang). 

Baumann's Nachfolger im Kantorat ist 

Johannes Seiner (Sölner), 1553 — 1560. 

Die mit Baumann gemachten schlechten Erfahrungen riethen bei 
Neubesetzung des Kantorates zu besonderer Vorsicht. Man wandte 
sich darum abermals an Melanchthon nach Wittenberg, der denn auch 
dem Rathe einen »geschickten Cantorem zu Regierung der Pfarrkirche« 
verschaffte. ^ 

So trat Joh. Seiner, bisher Kantor in Wittenberg, sein neues 
Amt in Dresden wohl gleich nach Abgang Baumann's, oder nicht 
lange darauf an. 

Er war um 1525 in Neuburg in der Pfalz geboren und kam 1550 
nach Wittenberg, um hier Theologie zu studiren. Seine Immatri- 
kulation erfolgte am 16. Juni unter dem Rektor Joh. Forster. ^ Mit 
Melanchthon hat er augenscheinlich in näherem Verkehr gestanden, 
worauf er aber auch nicht wenig stolz war. Mit Nachdruck weist 



1 Die Papiere, welche zur Erlanguag des Bürgeirechts beigebracht werden 
mußten, waren: 1) der »Geburtsbrief«, zum Nachweis der ehelichen Geburt, und 
2) der »Abschiedsbrief«, ein Leumundszeugniß der letzten Obrigkeit. (Vgl. Richter, 
Verfassungsgeschichte etc., Bd. I S. 217.) 

2 Vgl. H. M. Neubert, Melanchthon und die Stadt Dresdeu, 1860, S. 31. 

3 Foerstemann, Album Academiae Vitebergensis etc., S. 257. — Sein Geburts- 
ort wird außer an dieser Stelle in dem schon genannten Aktenbande des C.-A., 
Matrioul Dresde de ao. 1575, fol. 37 bezeugt. 

2 



18 



ei in dem weiter unten noch naher zu besprechenden Schreiben an 
den Rath darauf hin: j» ... so habe ich mich selbst nicht eingedrungen, 
Sondern Yon dem Herren Fhilippo Vocieret ynd gen dreßen geschickt 
bin worden.« Die Kantorats Wohnung in der Schule wurde ihm zwar 
mit Rücksicht auf den Platzmangel und den bald in Aussicht stehenden 
Neubau der Schule nicht wieder eingeräumt, doch yersprach man 
ihm auf Verwendung Melanchthon's, ein Wohnungsgeld auszuzahlen. 
— Aus einem undatirten Schreiben Selner's, seinem Inhalte nach, 
unzweifelhaft in das Jahr 1557 gehörig,^ ersieht man nun, daß er 
dieses Wohnungsgeld von jährlich 10 bis 20 fl. drei Jahre lang er- 
halten hat, während es ihm im vierten genommen werden sollte. 
Darüber beschwert sich Seiner in nachdrücklicher Weise. Er habe 
an sich schon eine solche geringe Besoldung, daß er die vier Jahre 
über »nicht vier groschen erobert«. Bei Übernahme dieses Amtes 
habe er natürlich geglaubt, daß er sich auch pekuniär verbessern 
werde. Denn, fährt er fort, »Wie solte ich Einenn gueten Dienst, 
den ich Noch in der posession gehabt, verlassen, bei welchem ich 
mehr Nutz hette schaffen können, den bei dieser Condition ahn 
Studieren vnd andern Mehr, Wen ich nicht bedacht hette, ich wurde 
es verbessert haben. Wie ichs denn Inn der Wahrheit Nicht ver- 
bessert, .... dieweil ich zu Wittennbergk Meyne preceptores hette 
hören können, vnd daneben mir von meiner besoldung (Welche sich 
In die funnffsechzigk gülden erstreckt, Oder mehr) Bucher zeigen 
hette können, vnd Neben andern Burgern Meinen genieß vnd Narungk 
von den Tischgengern haben Mögen, Vnd ehr gefurdert Wer Worden 
den anderswo«. Auch habe er zu gleicher Zeit vom Nürnberger 
Schulmeister eine Yokation zum Kantorat erhalten, wo er in einem 
eigenen Hause hätte wohnen können. Dies alles habe er d wegen des 
diennstes zue Dresden fahren lassen müssen«. Er bitte also, ihn ent- 
weder in die Schule zu nehmen, ^ oder mit einer näher gelegenen 
Wohnung zu versorgen. Denn, schließt er, »ich habe der Winters 
Zeit Weder leuthen Noch Seiger Schlagen gehört, Wen ich früe 
auf die kirchen habe warten sollen, vnd Manchmal vbel vnd hart er- 



i D I fol. 69 ff. Es ist zwar zwischen Stücken vom Jahre 1558 eingeheftet, 
doch kann dies noch kein Beweis für die Abfassung in letztgenanntem Jahre sein. 
Ausschlaggebend für die Datirung sind die Worte: »nachdem ich nun in das virte 
iar dieser loblichenn Stadt Dresdenn Schuel vnnd kirchen diener gewest«. 

2 Wie dem Supremus M. Georg Wittkopf, so war auch dem Kantor kurz 
vor Pertigstellung des neuen Schulgebäudes vom Käthe mitgetheilt worden, daß 
sie zwar für ihre Persqn, nicht aber mit ihren Familien in diese einziehen könnten. 
(D I fol. 73. 75.) Seitdem wohnen in der Kegel nur unverheirathete Kantoren in 
der Schule. 



19 



froren bin, Wen ich zue frue oder Zue Zeitlich kommen bin; vnd 
Metten Singen habe wollene. 

Dieses Schreiben ist in mehrfacher Beziehung interessant. Zu- 
nächst könnte Selner's Klage über geringe Besoldung auffallen, die 
jedoch entschieden eine unberechtigte ist. Wenn auch sein festes 
Gehalt geringer war, als in Wittenberg, so wurde doch, wie wir 
sahen, sein Einkommen durch allerhand Accidenzien und Stiftungen 
nicht unbedeutend gesteigert, zumal der Kantor damals noch eine 
der wichtigsten Einnahmequellen, die »halben SchuUeichen«, allein 
genoß. Übrigens ist auch die Einziehung des Wohnungsgeldes seitens 
des Käthes nur verständlich, wenn man die finanziellen Verhältnisse 
des Kantors als günstige voraussetzte. Da S. in Wittenberg unter 
anderen Nebeneinnahmen solche besonders von Tischgängern ge- 
habt hat, darf man schließen, daß er schon dort einen eigenen Haus- 
stand besaß. 

Mit der Bemerkung am Schluß berührt er das einzige Mal den 
Kreis seiner Berufsgeschäfte. Gemeint sind hier die Metten an Sonn- 
ünd Festtagen, welche damals ^l^^ Uhr morgens ihren Anfang 
nahmen. ^ — Der Erfolg dieses Schreibens ist aus den Akten nicht 
ersichtlich. 

Auch Seiner scheint, wie damals und noch längere Zeit nach- 
her die meisten Lehrer an den öffentlichen Schulen, sein Schulamt 
und Kantorat nur als Durchgangsstation zum geistlichen Amte be- 
trachtet zu haben. Aus einigen schriftlichen Klagen des Kektors 
M. Tobias Möstel über den Kantor vom Jahre 1558^ fühlt man es 
heraus, daß dieser nicht völlige Befriedigung in seinem neuen Wir- 
kungskreise gefunden hat. Von Natur wohl weniger mit Energie 
begabt, die zur Wiederherstellung der unter der Amtsführung seines 
Vorgängers natürlich sehr gesunkenen Disciplin unerläßlich gewesen 
wäre, läßt er in dieser Beziehung noch manches zu wünschen übrig. 
Eine gewisse Gleichgiltigkeit und Bequemlichkeit in seinen Pflichten 
in Kirche und Schule kann den Respekt vor seiner Person bei den 
Schülern natürlich auch nicht gehoben haben. Von besonderem 
Interesse ist die Mahnung des Kektors, der Kantor möchte sich in 
Zukunft die Mühe nicht verdrießen lassen, unter den Kompositionen 
für den Figuralgesang nur die besten auszusuchen und diese, wenn 
nöthig, abzuschreiben. Er scheint also zu seiner Erleichterung außer 



1 Derselben Klage begegnet man im Jahre 1606 wieder, auch hier zu dem 
Zwecke, eine Amtswohnung in der Schule zu erlangen. Vgl. S. 44. 

2 D I fol. 67. 



20 



^ig^neii KQmpofiitioDw^.meüft «Ite itnd bereits Yorhandene Kirchen-» 
stücke aufgeführt zu haben. Der Wortlaut dieses Schreibens ist: 
)!>.... Ut auiem m Cantore quaedam hacierms desiäerata emendentur 
haec praedpiui sunt: 1) Bationem habeat chori omnibus temporibua ei 
mqmrat optimas quasque in cantu ßgurali compositianet, nee fuffiat 
laborem describendi easdem, si res ita posttdety et sedtdo cur et, ut in 
publico devitentur confusiones. 2) Düciplinam^ qt4imtum in ipso esty 
tueatur in templo et schola, et pompis funeribus ne immodestia iuven^ 
tutis hominum oculos et aurea offendat, S) TJt discipli/iam rectius tueri 
pQSsity non fugiat labores scholasticos in leciionibus, quibus adolescen- 
tibus et pueris prodesse potestj ita enim magis ipsum reverebuntur. Et 
sciaty nisi dactrina, eruditione et industria auctoritatem in schola sibi 
comparaverit, nullam ipsius unquam alia ratione futuram. De reliquis 
admonebit cum Apostoli dictum: Hoc tßntum requiritur in ministroy 
ut sit Jidelisa. 

Noch einmal begegnet uns Selner's Name in den Akten. Pfingsten 
1559 (= 14. Mai) wenden sieh nämlich alle Schulkollegen in einem 
Schreiben^ an den Rath, aus dem man ersieht, daß sich mehrere 
musikliebende Bürger bei den Aufführungen von Figuralgesängeu 
in der Kirche fleißig betheiligt haben. Der Kantor und die Kollegen 
bitten darum um etwas Bier für eine Entschädigung derselben, »da- 
mitt diejenigen, so vnsere Musicam Zieren helffen, desto williger 
Bleiben«. Wir stehen hier vor der interessanten Thatsache, daß be- 
reits in damaliger Zeit und bis weit in das 18. Jahrhundert hinein 
bei schwacher Besetzung der Männerstimmen vom Kantor musika- 
lische und stimmbegabte Bürger zu den Aufführungen, besonders 
während der Festtage, herangezogen wurden. Diese Bierspende ist 
der Anfang des später sogenannten »Stabilisten-« oder i^Cantanten- 
bieres«, zu dessen Kostendeckung den Kollegen seit Ostern 1615 all- 
jährlich aus den Erträgnissen des Klingelbeutels der Sophienkirche 
Tfl. gezahlt wurden. ^ 

Im Anfang des Jahres 1560 endlich erfüllten sich Selner's Wün- 
sche nach einer geistlichen Stelle. Er wurde als Pfarrer nach Leub- 
nitz bei Dresden berufen und starb hier Ende November 1583. * Als 
solcher unterzeichnete er auch 1577 die Concordienformel. — 

Von seiner Familie ist mir der Name eines in Leubnitz geborenen 
Sohnes bekannt geworden, der als Johann Seidner in den Schüler- 



^ Die Notenverzeichnisse nennen als solche 5 Bände lateinischer Motetten in 
Schweinsleder, vom Jahre 1557. VgL Anhang. 

2 D I fol. 96. 

3 Vgl. hierzu S. 72. 
* D II fol. 32 ff. 



21 



listen der Fürstenscliule zu Meißen zu finden ist, wo er am 21. Jum 
1582 aufgenommen wurde und bis 1. Januar 1584 verblieb. * Auch 
bewarb sich ein Schwiegersohn Selner's, Oswald Gottewald, nach 
dem Tode seines Schwiegervaters unter sieben Geistlichen mit um 
die Leubnitzer Pfarrstelle, empfohlen durch Dr. Paul Luther und den 
Besitzer des Bittergutes Lockwitz, Hans Alnpeck. ^ Der Eath wählte 
abeu den schon erwähnten M. Friedrich Zörler. 3 — 
Auf Seiner folgt 

M. Andreas Lando, 1560 bis 1561. 

Über ihn schweigen die Akten vollständig, was sich aus der 
Kürze seiner Wirksamkeit wohl erklären läßt. Nur ein einziges Mal 
nennt hier der folgende Kantor Andreas Petermann seinen Namen 
in einem Gesuch an den Rath vom 2^. August 1581 bei Gelegen- 
heit der Aufzählung seiner Amtsvorgänger,* und zwar in einer Schreib- 
weise , die von der späterer Geschichtsschreiber der Kreuzschule ab- 
weicht. Denn die''schon mehrfach erwähnte Selbstbiographie Greiser's 
führt ihn als Andreas Fando auf, eine Lesart, welche dann alle üb- 
rigen entlehnt haben. Sicher ist dies dort nur ein Druckfehler, denn 
die angeführte Stelle in D I hat deutlich »Lando«. Letzterer Lesart 
gebührt als der älteren und einzigen urkundlich beglaubigten der 
Vorzug, ganz abgesehen davon, daß Lande ein damals sehr verbreiteter 
Name gewesen ist, während »Fando« in keinem biographischen Lexikon 
vorkommt. 

Lande wurde im Januar 1544 unter dem Rektor Dr. med. Melchior 
Fendius auf der Universität Wittenberg inscribirt. ^ Die Matrikel nennt 
ihn »Sprenbergensis«, wodurch die zuerst von Tobias Simon (vergl. 
S. 13 Anm. 4) gebrauchte Bezeichnung »Vandalus« eine dankens- 
werthe Aufklärung erhält.. Da Spremberg an der Spree im ehemaligen 



1 Kreyssig, Afraner- Album. S. 62. 

2 Dr. Ed. Heydenieich, Kurze Geschichte des Kirchspiels Leubnitz bei Dres- 
den. Leipzig, Teubner, 1878. B. 42. 

? 2örler wurde 1565 auf der Universität Leipzig immatrikulirt, 1572 als 
I? wissenschaftlicher Hilfslehrer«, und bald darauf als erster Lehrer der neugegrün^ 
deten 7. Klasse der Kreuzsehule angestellt, und war dann von 1575 bis 1583 
Diakonus in Alten-Dresden (jetzt: Dresden-Neustadt). 

. 4 D I fol. *6&0^. Es enthält die Bitte um alleinige Überlassung der »halben 
Schulleichen «. Der hierher gehörige Passus lautet : » . . . . die Aecidenzien, w-elehe 
doch alle meine Antecessores Als nemlich M. Andreas Lando von Leipzig, Herr 
Johannes Sölner, Jetziger Zeytt Pfarrer zu Leubnitz, Sebaldus Baumann Yolkomb- 
liehen vber die vierzigk Jhar gehabt«. 

^ Foerstemann, a. a. O., S. 209. Hier wird er fälschlich als Andreas Jando 
angegeben. 



22 



Gebiete der Vandalen zwiscben Elbe und Weichsel liegt, dürfte die 
Identität des Studenten mit dem Kantor Andreas Lande bewiesen sein. 

Wohl sofort nach vollendetem Studium in Wittenberg, im Jahre 
1547, trat dieser sein neues Amt als Kantor an der Nikolaischule zu 
Leipzig an, ^ welches er demnach 1 3 Jahre verwaltet hat. Dazu würde 
auch ein von Neubert, ^ leider ohne Angabe des Fundortes mitge- 
theiltes Citat aus einer offenbar urkundlichen Quelle : »welcher lange 
Jahre Cantor und Schulmeister in Leipzig gewesen« sehr wohl passen. 

Über sein Leipziger Kantorat verlautet nicht das Geringste. Meine 
Nachforschungen an Ort und Stelle sind ergebnißlos geblieben. Auch 
seine Promotion scheint bereits in Wittenberg erfolgt zu sein, da die 
Promotionsakten im Archiv der philosophischen Fakultät zu Leipzig 
seinen Namen nicht enthalten. In den Lehrerlisten der Nikolaischule 
wird er zwar auch genannt,, doch hat dies für uns keinen Werth, 
da die betreffende Notiz mit derselben falschen Schreibweise seines 
Namens gleichfalls erst aus Tob. Simon's Schrift herüber genommen 
ist. 3 — 

Auch bei dieser Vakanz hatte Melanchthon noch kurz vor seinem 
Tode (19. April 1560), als er vom Superintendent Greiser erfahren, 
daß das Kantorat der Kreuzschule erledigt sei, für einen Nachfolger 
gesorgt. Er schickte sogleich »einen für diese Stelle geschickten 
Gesellen«, Namens Michael Reinhard, nach Dresden an den Rath, 
welcher jedoch bereits Lande berufen hatte. Indessen unterließ es 
der Rath nicht, Melanchthon in einem Briefe d. d. Montag nach 
Judica 1560 seinen Dank auszusprechen und mitzutheilen , daß er 
dem Michael Reinhard für seine Mühe »eine Verehrung oder Viaticuma 



1 Sein Kantorat an der Nikolaischule bezeugt die bereits herangezogene Stelle 
in Tob. Simon's, »Oratio de praeciputs heneßciia etc.« wo zu Lando's Namen noch 
hinzugefügt wird: »VandaltiSt ex achola Senatoria Zipaiensi huc vocatiM«. 

'^ Vgl. dessen Schrift »Melanchthon und die Stadt Dresden«, S. 51. 

3 Archiv der Nikolaischule, Tabul. schol. Nicol. 7 : Ad Hieioriam Scholae Nico- 
laitanae ex B. Vogelii MSS; cum supplemeniia, ao. 1747 (von Ortlob, Rector schol. 
Nicol. 1746—1751), S. 17: »M. Andreas Fando, Vandalus, ward an. 15.. zum 
Cantor bestellet und An. 1560 als Cantor nach Dreßden befördert, v. M. Tob. 
Simonis, Beet. Dresd. Oratio 1619 recitata in autumnali examine: de praecipuis 
heneßciia in Scholam Dread. a Deo coUatia«, — Ebenso Tabul. schol. Nicol. 8 
S. 76 und bei Forbiger, Beiträge zur Geschichte der Nikolai schule in Leipzig. II 
S. 35. — Vogel hat zu dieser Notiz höchstwahrscheinlich den auch weiter unten noch 
zu erwähnenden Sammelband der . Universitätsbibliothek Leipzig (Signatur : Hist. 
Sax. 951) benutzt, der außer der genannten Schrift Simon's mehrere andere ältere 
Programme der Kreuzschule enthält. Denn die Jahreszahl 1560 findet sich bei 
Simon nicht im Text, sondern ist, wie viele andere Bemerkungen, mit Tinte an 
den Band geschrieben. 



23 



verabreicht habe und denselben, sobald er seiner bedürfen sollte, vor 
anderen zu befördern erbötig sei.^ 

Ob Lando im folgenden Jahre gestorben oder weiter befördert 
worden ist, läßt sich nicht feststellen. Sicher jedoch ist, daß 1561 
der Baccalaureus 

Andreas Petermann, 1561 — 1585 (?), 

zum Tertius und Kantor aufrückte. Jener Michael Reinhard scheint 
also unterdessen eine anderweitige Stellung erlangt zu haben, sodaß 
man von seiner Berufung absah. 

Schon Tob. Simon bezeichnet Petermann als »Dresdensisct und 
nach ihm Bohemus, Egenolf etc.^ 

Auch er hatte in Wittenberg studirt, wo er am 9. Juli 1554 unter 
dem Rektor Sebastian Theodoricus immatrikulirt wurde. ^ Sofort nach 
Beendigung des akademischen Trienniums wurde er Kantor zu Alten- 
Dresden,^ eine Stellung, die er indessen nur ganz kurze Zeit, etwa 
bis Michaelis desselben Jahres, innegehabt haben kann, denn in einem 
Schreiben an den Rath vom 11. Mai 1577 bezeichnet er sich selbst 
als »den ehesten Schuldiener alhier [an der Kreuzschule] , der die 
kirch vnd Schuel molestias in die 20 Jhar ausgestanden.« Hiernach 
ist Petermann noch im Jahre 1557 als Baccalaureus in Neu-Dresden 
angestellt worden. Den Grund zu diesem raschen Wechsel erfahren 
wir aus einer ebenso kurzen Notiz derselben Rathsprotokolle (fol. 327): 
Sonnabend nach Margarethe 1557 (== 17. Juli). »Alt Dreßden, pfar- 
her des Cantors halben vnvleiß Inn [gegenüber] den Stadkyndemn«. 
Der Altendresdener Pfarrer hatte sich also bereits 3 Tage nach Peter- 
mann's Anstellung beim Rath über seinen ünfleiß beklagt. Die Folge 
davon wird seine baldige Versetzung als Baccalaureus an die Kreuz- 
schule gewesen sein. — 

Die erste Kunde von ihm erhalten wir erst wieder im Jahre 1560. 
Wie schon oben erwähnt (vergl. S. 10), war 1559 dem Baccalaureus 
und Infimus^ die Ausführung des Gesanges bei den neu eingerichteten 



1 Vgl. Neubert a. a. O. S. 51. 

^ Ein genaues Geburtsjahr von ihm und den späteren in Dresden geborenen 
Kantoren anzugeben ist leider unmöglich, da in Folge des Bombardements und 
Brandes der Stadt, 1760, auch sämmtliche alten Kirchen- und Taufbücher der 
Kreuzkirche mit verloren gegangen sind. 

3 Foerstemann, a. a. O., S. 294. 

* Rathsprotokolle A 11 100b fol. 326^: Mittwoch nach Margarethe 1557 
(ss 14. Juli) »Andreas peterman Cantor zue alten Dressden Angenommen«. 

^ Die fünfte Lehrerstelle besteht seit 1558. 



24 

Gottesdiensten der Frauenkirche übeitragen woiden/ ohne daß dar 
durch ihre Einnahmen sich erhöhten. Darum petitionirte Fetermazui 
gleich nach dem Weggange des Kantors Sekier im Jahre 1&60 mit 
dem Infimus Balthasar Wagner um die Accidenzien von den »kleinen 
Schulleichen«. ^ »Dieweil aber«, heißt es hier, »ohne den Supremum 
itzt nuxnahls vnser zwene, die wir der kirchen zu gewönlichen feier- 
tagen mit dem Cantore dienen, Auch vber das vnser einer vmb den 
andern die kirche zu vnser lieben frawen genant, alle Feiertage ver- 
sorgen müssen, vnd vnsere accidentia sonsten gar geringe^ So ist an 
E. Weisheit vnser dienstliche bitten, dieselben weiten es wieder zu 
der alten forgebreuchlichen form vnd weise kommen lassen, vnd 
vns beyden dieselben accidentia so von den funeribus gefallen neben 
dem Cantore Zugleich wiederfaren lassen«. Dieses Gesuch lehnte der 
Rath jedoch ab (fol. 278). Bereits aber im nächsten Jahre wird es 
wieder eingereicht, diesmal unterzeichnet von Sebastian Frölich und 
Balthasar Wagner, ^ arsterer der neue Bacculareus an Stelle des zum 
Kantorat au%erückten Andreas Petermann. Hierdurch haben wir 
einen sicheren Anhalt für die Datirung des Anfangs von Petermann's 
Kantorat. 

Übrigens zeigte sich diesmal der Rath bereit, den Wünschen der 
Baccalaureen nachzukommen. Ausgeführt wurde es aber erst 1562 
nach einem dritten diesbezüglichen Gesuche,^ in dem sie zur weiteren 
Begründung ihrer Bitte unter anderem anführen : »do wir vnter des, 
wan er [der Kantor] Leichen holet, seine Knaben, do sie nicht ver- 
seumet sollen werden, verhören vnd seine stelle verwesen müssen. 
Zum andern, Wan der Cantor krankheit oder anderer seiner geschefft 
vnd hendell halben verhindert, So müssen wier vnter des nicht allein 
die Metten vnd Vesper, Sondern auch die Leichen vor ihn holen, 
vnd ihm als dan solch geld von denn Leichen Zustellenn«. Damit 
lassen sie allerdings ihre Wünsche als berechtigte erscheinen. Der 
Bath erfällte sie denn auch unter der S. 10 f. mitgetheilten Bedingung. 

Als Kantor erscheint Petermann in den Akten erst im Jahre 1577, 
wo er ein interessantes, Schreiben an den Rath richtet, welches Tvir 
hier vollständig mittheilen* : »Es hat ein Erbar Rat in vorgebrachten 

1 D I fol. 138. 

2 Dieses zweite Schreiben liegt nicht bei den Akten. Daß es aber einge- 
reicht wurde, bezeugen die einleitenden Worte des vorhandenen dritten Gesuchs 
(des zweiten von Frölich und Wagner) vom Jahre 1 562 : ». . . . Wir Zweivelln nicht, 
Es tragen E. E. W. gutt wissenn, waser gestalt vngeferlichen vor einem Jare 
von vns an E. E. "W. der accidentien halben von- den Leichen supplicirt sey 
wordenn . . . .« 

3 D I fol. 151 f. 

* D I fol. 278— 279 b. 



25 



legibus geordnet, das die Fünera, so vormals von den Cantoribns allein 
vber dreissig Jhar beleitet seint worden, das dieselben auch bisher 
von meinen collegis, welches doch mir, da ich auch JBacoalaureus ge- 
wesen, vnd dazumal interregnus war, auff mein ansuchung abgeschlagen 
worden, sint deducirt vnd beleitet worden, dardurch mir dan derhalbe 
viel abgekürtzt, Vber das, das ich von dem gelde, so auff höchzeiten 
ersungen, darauff zuvor in der Kirchen figurirt, bisher habe müssen 
nemen einen teil, vnd die Knaben, so mit gesungen, zwein teil.^ 
Da doch die vorigen Statuten vnd leges mir zwei teil vnd den Knaben 
einen teil zugeordnet haben. So nun diese zween punct sollen voll- 
zogen vnd wie bisher geschehen, ins werck auch hinfiirder gesetzt 
werden, wird mir meines Ampts Besoldung vnd einkommen nicht 
wenig geringert vnd geschmelert, von welchem ohne das zuvor grosse 
schmelerung vnd abkürtzung geschehen. In dem das die Funer a vorm 
Willischen Thore vnd Dörffem dahin gehörende, davon genommen, 
vnd durch einen andern zu dedudren bestalt vnd verordnet, ^ welche 
doch meine Antecessores auch in viel besserer vnd wolfeiler Zeit ge- 
habt, Vber das, so werden mir neben dieser Abkürtzung die labores 
beides in der Schneien vnd kirchen geheuffet vnd vermehret, den 
in der Schulen werden mir solche lectiones auffgelegt, die meine 
Antecessores niemals gehabt, auch kein Cantor in Fürsten Schulen 
(das ich der andern geschweige) niemals lesen durffen. In der Kirchen 
aber ist mir nicht alleine auff die Festa, Sondern auch alle monat 
zu figuriren aufferleget, welches andern Cantoribus niemals zugemutet 
worden, MuB also die Arbeit in der Schneien meinen Ck)llegis vnd 
ampts gesellen gleich vorrichten, dessen andere Cantores zum guten 
teil vberhoben gewesen, weil sie noch laut der alten Statuten (welche 
ohne Zweiffei auch mit gutem Sat vnd bedacht geordnet) vomemlich 
von vnd auff die kirchen ihre bestallung gehabt haben, Ich mus aber 
neben den schweren Schnei molestüs nicht alleine in der wochen, 
Sondern auch auff die Sontage, Fest vnd heiligtage durchs gantze 
Jhar meinen kopff abbleuen vnd abschreien, zu welcher Zeit dargegen 
meine gesellen ruhen vnd der mühe nicht bedurffen, Ja auch wol 
in die Kirche kommen, wens ihnen eben ist, vnd gefellig, denen 



1 Seit 1575, vgl. D I fol. 363 f. »Auß der negsten Schulordnung, 1575.« — 
Diejenige von 1555 dagegen bestimmte, daß von dem in den Hochzeitshäusern 
gesammelten Gelde der Kantor 2 und die Knaben 1 Theil erhalten sollten. 

2 Der Kantor, resp. die Baccalaureen haben also bis um diese Zeit nicht allein 
»ämmtliche Leichenbegängnisse der Stadt, sondern auch die vor allen Thoren und 
dahin gehörigen Dörfern begleitet. In letzter Zeit dagegen wurden der StadttheU 
und die Dörfer vor dem Wilsdruffer Thore von der Parochie der Kreuzkirche ab- 
getrennt und zur Annenkirche geschlagen. 



26 



doch ihre bestallung gebessert , wie dan einem in der nehesten Visi- 
tation wiederfaren, vnd den anderen eins teils in der sehest Yer-* 
Ordnung der Statuten, vnd darnach vber das mit Abkürtzung meines 
einkommens ihnen zugelegt, Weil ich aber gleichwol E. E. W. newen. 
Ordnung gehorsamlich nachzusetzen gesinnet vnd gentzlich verhoffe, 
E. E. W. werden zu solchen grossen beschwerungen (welche ich doch 
E. E. W. zu ehreU; vnd kirch ynd Schneien zu nutz ertrage) meines 
Schadens nicht begeren, So gelanget an E. E. W. mein demutiges vnd 
vleissiges bitten, E. E. W. wolle mir für die geschehene abkürtzung, 
da doch die labores duplirt, meine besoldung (wie dan andern ge- 
schehen) auch verbessern, damit ich mich in diesen geschwinden vnd 
gefehrlichen Zeiten, wie einem Erbaren Rat wol weislich erhalten 
möge. Den ich gentzlicher Zuversicht bin, das ein Erbar vnd wol- 
weiser Rat mich als den ehesten Schuldiener alhier, der die kirch 
vnd Schuel molestias in die 20 Jhar ausgestanden, vnd mit grosser 
mühe getragen, gönstlicher beforderung nicht vnwirdig noch vnver- 
dient machen vnd halten werden, Solchs für E. E. W. glückselige 
regirung vnd wolfart mit meinem gebet gegen Got zuvorbitten bin 
ich alletzeit gevliessen, Geben den 11. May 77 Jh. 

E. E. W. williger vnd gehorsamer 

Andreas Peterman 
Cantor alhier.a 

Ob aber dieses Gesuch um Gehaltsaufbesserung von Erfolg ge- 
wesen, ist mehr als zweifelhaft, denn es befinden sich auf demselben 
Blatte verschiedene Bemerkungen, vermuthlich von der Hand des 
Protokollanten der Rathssitzung , in welcher darüber verhandelt 
worden ist. Man liest da: der Kantor habe über sein Einkommen 
nicht zu klagen, a)Man wisse wohl, daß er es mit seinen accidentibus 
so hoch bringen könne als ein Schulmeistera. XJbrigens habe er ab 
Baccalaureus ja selbst darum angehalten, daß der Kantor diese Ein-« 
künfte von den kleinen funeribus mit den beiden untersten Kollegen 
theilen solle etc. 

Petermanu Läßt sich aber nicht abschrecken. Am 24. August 1581 
bittet er wieder um die vielumstrittenen Begräbniß-Accidenzien.* 
Unterdessen waren diese Streitigkeiten und andere Mängel durch 
einige Schulvisitationen zur Kenntniß des Konsistoriums gekommen, 
das dem Rathe eine endgiltige Regelung dieser Fragen anbefiehlt. 
Zu dem Zwecke nun ließen die mit der Ausführung Betrauten, der 
Superintendent, Stadtprediger und Oberstadtschreiber, die hierher 
gehörigen Vorschriften aus den Schulordnungen v. J. 1555, 1566 



1 D I fol. 360. 



27 



und 1575 sammeln (D I fol. 363 f.), um zu erkennen, was die ein- 
zelnen Schulkollegen in verschiedenen Zeiten an Accidenzien bezogen 
hatten. Ebenso forderten sie eine Zusammenstellung des bezüglich 
der Leichenbegängnisse zuletzt üblich. Gewesenen (fol. 347). Auf 
Grund dessen regelten sie die Ansprüche der einzelnen Koliken 
auf die BegräbniB-Accidenzien in der S. 1 1 gekennzeichneten Weise. ^ 
Ebenso ordnete man das Hochzeitsingen, da geklagt worden war, 
»d^ der Cantor vnntügliche knaben mitt sich in die Hochzeiten 
nehme, die nichts singen köndten, die nur vom gelde nehmen musten, 
was ihnen der Cantor gebe, Vnd das er keine arme knaben vonn 
der Schulen zu sollchem singen gebrauchen wollte.« ^ In Zukunft 
soll nun der Rektor mit dem Kantor die besten Sänger auswählen 
und dann auch die eingekommenen Gelder zählen, von denen ein 
Drittel der Kantor, zwei Drittel aber die Knaben »nach ihrer ge- 
schickligkeit vndt Notturfftor erhalten sollen. Auch soll fernerhin 
»ein Sonntag vmb den andern in den Zweyen kirchen figuriret werden, 
Vnd die drey Baccalaurien sollen einer Nach dem andern Zue vnser 
lieben Frauen singen, da aber einer vnter ihnen, wenn man figuriren 
soll, den Chor nicht halten kan, Soll er einen andern dartzue Ver- 
mügen,« Da endlich die Bewohner der Vorstadt sich beklagt hatten, 
daß die Schüler nicht an ihre Häuser kämen, wie sonst üblich, um 
die Leichen abzuholen, sondern daß sie »ahn den Ecken der gaßen 
warteten, dahin sie die leichen aus den gaßen tragen musten«, auf 
der anderen Seite wiederum die Städter, daß man sie bei ihren Be- 
gräbnissen solange warten ließe, wenn diese mit einem aus der Vor- 
stadt oder den Dörfern zusammenträfen, entschied man, daß der 



1 D I fol. 365 ff. »Wie den Klagen, so in ettlichen Visitationibus der Schulen 
ynnd leichen halben furgebracht, aus befehl des Oonsistorij von dem Herrn Super^ 
intendent Herrn Daniel Greisern, M. Petro Glasern Predigern vnnd dem Ober 
Stadtschreiber Burckhardt Eeichen abgeholffen worden«, (ausgestrichen:) »den 
1. Septemb.« (stehen blieb:) A<> 81. 

2 Schon in dieser Zeit beginnt sich der Unterschied der später sogenannten 
Alumnen und Kurrendaner auch nach Seiten ihrer gesanglichen Qualität auszu- 
bilden. Während früher jeder fremde Schüler, der kein Unterkommen in der Stadt 
fand, soweit der Platz reichte, auf die Schule genommen wurde, begann man nach 
1572, wo die Alumnen durch öffentliche Wohlthätigkeit täglich auch gespeist 
wurden, an jeden, der diese Vergünstigungen in Anspruch nehmen wollte, gewisse 
musikalische und insbesondere gesangliche Anforderungen zu stellen. — Die Kla- 
gen über den Kantor Petermann bezogen sich darauf, daß er sich dieser besten 
Sänger beim Singen in den Hochzeitshäusern nicht bediente, sondern andere außer- 
halb der Schule Wohnende, später sogenannte Kurrendaner wählte, welche froh 
waren, wenn sie sich eine Kleinigkeit für ihren Lebensunterhalt verdienen konnten, 
während der Kantor jenen nach der Schulordnung vom Jahre 1575 zwei Drittel 
der Gesammteinnahme hätte geben müssen. 



28 



Klagepunkt der Vorstädter nicht abgestellt werden könne ^ »denn 
in den gassen so kothich, das die Schiiller vnd Kirchendiener, Son- 
derlich wenn es ein wenig Naß, darinne Watten müBen, vndt inx 
Winter die Armen Schiiller die fuße darinnen erfrörtenc (siclj. Um 
aber die Bewohner der inneren Stadt zufrieden zu stellen, sollten 
künftig beide Beerdigungen zu gleicher Zeit stattfinden. 

Damit waren alle die.Fn^n, welche seit einigen Jahrzehnten 
Gegenstand des Streites gewesen, entschieden, freilich in einer den 
Wünschen des Kantors durchaus nicht entsprechenden Weise. So 
kommt es, daß Petermann sich Ende Januar 1584 in einem Schreiben 
an das Oberkonsistorium wieder beklagt über die neue Ordnung vom 
Jahre 1581 im Allgemeinen und die Schmälerung seiner Einkünfte 
im Besonderen. Daneben aber häufe sich die Arbeit. Er habe jetzt 
täglich sechs Stunden in der Schule zu unterrichten. Auch habe 
der Superintendent neuerdings angeordnet, daß die lateinischen 
Metten und Vespern wieder täglich abgehalten und in diesen wöchent- 
lich abwechselnd vom Kantor und den Baccalaureen gesungen werden 
solle. Die Letzteren aber ließen sie ihn allein versorgen, mit der 
Begründung, sie seien darin nicht geübt. Er bitte also, entweder diese 
dazu zu zwingen, oder seine Einnahmen entsprechend zu erhöhen. 

Das Oberkonsistoriuni übermittelte dieses Schreiben Petermann's 
dem Rath, ^ der es zugleich mit einem anderen Gesuch des Supremus 
und Kantors um Erlaß des Geschosses für ihre Wohnungen am 
7. Februar dahin beantwortet, daß das Geschoß ihnen erlassen sei.^ 
Was das andere jedoch anlange, so solle es bei dem Bestehenden 
verbleiben. Auch sollten sie »Inen einmahl gnügen lassen vnd mitt 
solchen vnd anderen suchen nicht widerkommen, a — 

Von da an hören wir von dem Kantor Andreas Petermann nichts 
mehr. Mit viel Wahrscheinlichkeit kann man annehmen, daß er 
die nächste Gelegenheit ergriffen bat, um das Kreuzkantorat mit 
einer anderen Stellung zu vertauschen, nachdem alle Gesuche um 
Verbesserung seiner Lage unberücksichtigt geblieben, und die letzte 
Antwort des Bathes ihm Vollends jede Aussicht auf einen künftigen 
Erfolg genommen hatte. Eine solche Gelegenheit muß sich ihm sehr 
bald geboten haben, vielleicht noch in demselben Jahre. Wir finden 
nämlich einen A. P. schon in einem Verzeichniß der kurfürstlichen 
Kapelle vom Jahre 1586 als »Präceptor der Kapellknaben« unter dem 



^ D II fol. 91 if. »Des Cantoris Petermans sonderliche Klage.. •• den 5. Feb. 
84 vbergeben«. 

^ Das halbjährliche Geschoß der unansässigen Bürger betrug 8 gr. (vgl. Rieh* 
ter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden« Bd. III S. 79), 



29 



Kapellmeister Georg Forster erwähnt.* Ein weiteres Mitgliederver- 
sieichniß vom «fahre 1590 fiihrt ihn auf als »Andreas Petermann, 
der Cantorei* Knaben Präceptoror mit einem Gehalte von 94 fl. 9 gr. 
4 A, welches man 1606 auf 112 fl. 9 gr. 4 A erhöhte. ^ Außer dieser 
festen Besoldung genoß er aber noch andere nicht unbedeutende 
Benefizien, so z. B. freie Kost und zum Theil auch die Kleidung, 
sodaß er bei bedeutend geringerer Arbeitslast mindestens die gleichen 
Einnahmen hatte als früher. 

Daß dieser Andreas Petermann identisch mit dem gewesenen 
Kreuzkantor ist, unterliegt wohl keinem Zweifel. Nirgends wird 
in den Akten des Letzteren Tod erwähnt. Auch klagt Petermann 
selbst in keinem seiner vielen Bittschreiben über Krankhei4r und 
körperliche Gebrechen. Sein Name verschwindet ganz plötzlich aus 
den Akten des Rathsarchivs , um nicht lange nachher in denen des 
Hauptstaatsarchivs wieder aufzutauchen. 

Dieses Amt eines »Präceptors der Cantorei-Knaben« war so alt, 
als die Kapelle selbst. Sein Inhaber rangirte in den frühesten Zeiten 
gleich nach dem Kapellmeister, mit dem er sich auch in der Be- 
soldung völlig gleichstand. Allein schon 1555 war dies nicht mehr 
der Fall. Nach einem Hofbuche dieses Jahres bezog der Kapell- 
meister Le Maistre 240 fl. , der Präceptor dagegen nur 45 fl. Die 
Kapellknaben, welche erst beim Kapellmeister untergebracht waren, 
wohnten dann beim Präceptor, welcher sie in allen damals üblichen 
Schulfächern zu unterrichten hatte. Nur der Gesangsunterricht lag 
in den Händen des Kapellmeisters. — 

Im Jahre 1597 scheint Petermann ein Bittschreiben an den 
Kurfürsten um Vorschuß von 100 fl. eingereicht zu haben, mit dem 
Ersuchen, diese mit monatlich 5 fl. wieder abtragen zu dürfen. 
Denn in einem kurfürstl. Reskript aus Naumburg vom 25. Nov. 1597 
wird verordnet, »dem Hofcantorey Knaben Preceptori Andreas Peter- 
mann vff Versicherung 100 Gl. vorsetzen vnd ihn mit 5 Gl. monat- 
lich wieder ablegen zu lassen«. ^ 

Um 1611 ist Petermann mit einem Gnadengehalte von 100 fl. 
pensionirt worden. In dem Hof buche genannten Jahres nämlich 



* H.-St.-A. Loc. 8679 »Verzeichnis des bei Churfürst August u. Christian, 
gehaltenen Hofstaates und wie derselbe vermehrt oder vermindert .worden, anno 
1554 — 1589«, im Verzeichniß »des Churfürsten zu Sachsen Hofgesindes anno 1586«, 

^ Fürstenau, Beiträge zur Geschichte der K. S. musikalischen Kapelle. S. 35 
und 38. 

3 H.-St.-A. Loc. 7296 » Cammersachen bis vf gnädigste VoUziehuug ausge- 
fertigte Befehle anno 1596—1598«. 



30 



heifit es:^ »Es seindt zwar auchM. Afidreae Petc^imann der Can- 
toreyknaben Preceptor 100 Gl. aus GBaden verscliriebeu, dieweill er 
aber noch vfwartet, empfanget er die alte Besoldung, wie unter dem- 
selben Capitel zu ersehen.« Noch in diesem Jahre 1611 starb er 
jedoch in dem hohen Alter von nahezu 80 Jahren. Eine ihm noch 
1592 geborene Tochter Sarah wurde in demselben Jahre 1611 die 
zweite Frau des kurfiirstl. sächs. Kapellmeisters Bogier Michael und 
starb am 7. Januar 1623.2 — 

Petermann^s Kantorat ist von großer Bedeutung für die innere 
und äußere Entwickelung des Sängerchores und Schullebens über- 
haupt. Vor allem begann bereits unter ihm das Institut des Alum- 
nats im späteren Sinne sich zu entwickeln. Es vereinigte allmählich 
nur die besten Sänger in sich^ welche unter Leitung des Kantors 
vorzugsweise die Figuralmusik pflegten. Wie ja überhaupt in dieser 
Zeit die kirchliche polyphone Kunstmusik ihren Höhepunkt erreichte, 
so bürgerte sie sich auch in den Dresdener Kirchen immer mehr 
und mehr ein und verdrängte dadurch sogar den alten gregorianischen 
cantus choralis, der besonders in den lateinischen Metten und Vespern 
gepflegt wurde. 

Als Komponist ist Petermann nicht bekannt geworden, auch 
die beigefügten Notenverzeichnisse der Kreuzkirche nennen seinen 
Namen nicht. 

Als fünften Kantor nennt Daniel Greiser 

M. Caspar Füger, 1585(?) bis 1586. 

In derselben Folge verzeichnet ihn Tobias Simon , dagegen 
Bohemus^ der ihn außerdem zum ersten Male fälschlich »Fuggerusa 
schreibt, an vierter Stelle vor Andreas Petermann, ^ einen Irrthum, 
den schon sein Nachfolger im Rektorat Egenolf in seinen 1678 ver- 
öffentlichten »Programmata Scholastica« S. 519 verbessert. Wir haben 
kein Recht, diese Angabe Greiseres aus dem Jahre 1587 anzuzweifeln, 
obwohl die Akten nur einen Konrektor Füger kennen. 



1 unter der Rubrik : Werk- und Handwerksleute, mit der Bemerkung : »Gna- 
den vndt Leibgeld aufs Leben«. Unter den hier aufgeführten Personen sind außer 
Petermann : »Hans Fasolt, Mahler, dem alten Diener Christoph Gromann, Mahlem, 
Michael Bogiern, Capellmeister« (300 GL) u. a. 

2 Vgl. B. Kade in der » Vierteljahr sschrift für Musikwissenschaft«, 5. Jahrg. 
(1889) S. 286, und Michaelis, »Dresdenische Inscriptiones und Epitaphia«. Alt- 
Dresden, 1714. S. 241. 

3 Vgl. den handschriftlichen Band des Kreuz schul-Archiys »Pandectae etc.« 
fol. 93. — Überhaupt ist diese Quelle für die älteren Zeiten nur mit größter Vor- 
sicht zu gebrauchen. 



31 



M. Caspar Füger ist in Dresden geboren als Sohn des gleich- 
namigen letzten Hofpredigers der am 6, Juni 1561 zu Torgau ver- 
storbenen Herzogin Katharina von Sachsen^ ^ welchem Kutfiirst 
August nach dem Tode seiner Mutter, bis er eine neu6 Stelle er- 
halten habe, jährlich 150 fl. aussetzte. Bei diesem stand der Hof- 
prediger offenbar sehr in Gunst, wie dies aus mehreren seiner 
Schreiben an ihn hervorgeht. Er war ^in eifriger Lutheraner und 
begeisterter Freund und Vertheidiger der Concordienformel und ihrer 
Verfasser. Weiteren Kreisen ist er auch als Dichter von Kirchen- 
liedern bekannt geworden, von denen die Weihnachtslieder »Wir 
Christenleut haben je tzund frewt«^ und »Ein Kindlein zart | göttlicher 
Art I der Jungfraw Sohn ist vns geboren heute« die bekanntesten sind. 
— Vermuthlich ist er nach dem Tode der Herzogin nach Dresden über- 
gesiedelt. Aus dieser Zeit stammt ein Schreiben desselben an den 
Sath, ^ mit dem er ihm einige Exemplare eines von ihm verfaßten 
Bibelauszugs übersendet. Er versichert hier, daß er nicht müßig 
sei, sondern fleißig in der heiligen Schrift forsche, wenn er auch 
wegei^L Mangel der Stimme und Heiserkeit Gott und seiner Kirche 
nicht öffentlich dienen könne. Dieses Leiden, an dem er wohl 
längere Zeit zugebracht, ist jedoch wieder gewichen. Denn be- 
reits 1562 wird er als Diakonus der Kreuzkirche gewählt, als welcher 
er 1587 emeritirt wurde» Er starb 1592* Bald nach seiner Über- 
siedelung nach Dresden, im Jahre 1561, muß ihm auch sein Sohn 
Caspar geboren worden sein, denn schon am 26. Juli 1575 wurde 
letzterer als Schüler der Fürstenschule zu Meißen aufgenommen.^ 
Hier genoß dieser u. A. auch den musikalischen Unterricht des 
Wolfgang Figulus, der von 1551 — 1588 Kantor in Meißen, vorher 
Thomaskantor in Leipzig war und sich als fruchtbarer Schriftsteller 
besonders auf musikalischem Gebiete bekannt gemacht hat. Unter 
solcher Anregung und unterstützt durch eine von väterlicher Seite 
überkommene dichterische und musikalische Begabung hatte er sich 
hier auch mehrfach schon als Dichter und Komponist versucht. 
Das königl. sächsische Hauptstaatsarchiv verwahrt zwei Kompositionen 
aus jener Zeit, ^ von denen die eine wahrscheinlich ein Probestück 



1 Vgl. für das Folgende die Mittheilung von Dr. Th. Distel in den »Monats- 
heften für Musikgeschilmte«, 20. Jahrg. (1888), S. 108. 

2 Das sächsische Landesgesangbuch enthält es unter Nr. 52. — Bei Wacker- 
nagel, Dasjdeutsche Kirchenlied, Bd. IV S. 10 — 19 finden sich 18 Lieder Füger's. 

8 D I fol. 102. 

* KreyBig, Afraner- Album. S. 52. 

5 H.-St.-A, Loc. 10405 Abth. III »Schrifften betr. die Churfürstlichen Schulen 
Pforta, Meißen und Grimma 1579/80 a, fol. 101 ff. 



32 



Füger's für seine KenntniB der Mensuralnoteuschrift ist^ welche 
damals nur noch in den ein&chsten Farmen gebräuchlich war. Auch 
schickte sein Vater dem Kurfürsten ein funfstimmiges Gebet, das 
offenbar seinen Beifall gefunden hatte. Er sagt in dem Begleite 
schreiben vom 21. Februar 1578, daß es die Summa der Gebete der 
Herzogin Katharina enthalte: «nu wil ich an meinem lieben Herrn 
Christo hangen bleiben wie eine Klette, denn wo er ist, da werde 
ich auch im ewigen leben sein«. Diese Worte, welche Katharina 
noch kurz vor ihrem Abscheiden gesprochen und nach einer anderen 
Version »ich will an meinem Herrn Christo klebend bleiben, wie 
eine Klette am Bock« lauten, ^ hatte August einst selbst noch gehört. 
Sie waren gewiß auch in den Text der Komposition eingewoben. 
Leider ist dieses Notenmanuskript aber bis jetzt noch nicht wieder 
aufgefunden worden. — Nach diesem Begleitschreiben hatte Caspar 
auf der Landesschule »gut Gezeugnisa erlangt und war »inter pro- 
movendos ad stipendia mit aufgezeichnet«. Auch wünschte der 
Vater, einen zweiten Sohn Christoph an Caspars Stelle auf dieselbe 
Schule zu bringen. Daß Letzterer vor seinem Abgang am 11. De- 
zember 1580 dem Kurfürsten wieder eine vierstimmige Komposition 
über Psalm 37, V. 25 (»Et puer ipse fui etc.«) überreichte, hatte 
natürlich nur den Zweck, sich behufs Erlangung solcher Stipendien 
bei diesem in empfehlende Erinnerung zu bringen. Denn in be- 
sonders günstigen Verhältnissen scheint sich sein Vater nicht befunden 
au haben. Er besaß ein krankes Weib, und die Akten bezeugen 
für das Jahr 1583 ausdrücklich, daß er in bedrängter Lage war.^ — 
Diese Psalmkomposition ist in dem bezeichneten Aktenstücke im 
Manuskript vorhanden. Der Komponist überreichte damals zugleich 
ein lateinisches Schreiben und ein lateinisches Gedicht (Sententia 
Piatonis ex lib. II. de republica) in 48 Verzeilen, welches bei der 
Komposition liegt. Der Kurfürst August dekretirte auf dasselbe: 
»Wofern der Knabe Im examen besteh ett, so lasse Ich Myr solliches 
gefallen.cf Adresse: »An die Schule zu Meißen.« ^ 

Caspar Füger bezog nun Anfang 1581 die Universität Leipzig. 
Inskribirt finden wir ihn hier schon 1577, eine für damalige Zeit 
durchaus nicht ungewöhnliche Erscheinung. Bald nach Beendigung 
seines Studiums (1585?) erhielt er infolge seiner musikalischen Be- 



1 Vgl. K. V. Weber, Archiv für sächsische Geschichte. Bd. VI S. 33. 

2 H.-St.-A. Loc. 7440 »Schrifften «tc.« 1583 und 1580, fol. 38. 

3 Hiemach ist Kreyßig, a. a. O., zu berichtigen, nach welchem Füger die Schule 
schon am 22. Januar 1580 verlassen habe.- Vielleicht liegt hier nur ein Druck- 
fehler für 1581 vor, was auch insofern wahrscheinlich, als schon damals ein 
ßjähriger Kursus auf den Fürstenschulen üblich war. 



33 



^bung und wohl auch durch den Einfluß hoher Gönner die Stelle 
eines Kantors an der Kreuzschule, welche er jedoch etwa im Februttr 
1586 wieder niederlegte und darauf die Schule verließ. Denn Greiser 
fuhrt ihn unter den Lehrern des laufenden Jahres 1587 nicht mehr 
mit auf, 1 und die Berufungsurkunde seines Nachfolgers im Kantorate 
trägt bereits das Datum vom 15. Februar 1586. Wohin er sich ge- 
wendet und welche Stellung er bekleidet hat, wissen wir nicht. Nach 
fünf Jahren kehrte er aber hierher zurück, als die kryptocalvinistischen 
Strömungen in Dresden auch die Schule unmittelbar berührt und 
einen großen Wechsel im Kollegium veranlaßt hatten. Im Jahre 1588 
wurde nämlich der lutherische Rektor Michael Rackelmann von der 
Anfangs mächtigen gegnerischen Partei vertrieben und an seine Stelle 
der Calvinist Caspar Jänichen gesetzt. . Unterdessen hatte auch Tobias 
Simon das Konrektorat erhalten. 1591 wird aber Jänichen wieder ab- 
gesetzt. An seine Stelle kommt der bisherige Konrektor Tob. Simon, 
und das erledigte Konrektorat erhält M. Caspar Füger. Dieser ver- 
waltete es 12 bis 14 Jahre lang. Denn eine Namensliste der jeweiligen 
Lehrer vom Jahre 1603 fuhrt ihn noch mit auf,^ während dies in 
einer solchen vom Januar 1607 nicht mehr geschieht. ^ Ja sogar 
schon Anfang 1606 kann er nicht mehr Konrektor gewesen sein, 
wie die weiter unten zu beleuchtenden Verhältnisse beweisen werden 
(vgl. S. 39). Er ging, wie so viele Schulmänner jener Zeit, in das 
geistliche Amt über und wurde Diakonus an der Kreuzkirche in 
Dresden, 4 als welcher er am 24. Juli 1617 starb.* 

Ein älterer Bruder von ihm ist vielleicht der erste Inhaber der 
im Jahre 1572 neubegründeten sechsten Lehrerstelle an der Kreuz- 
schule, Zacharias Füger aus Dresden, der bereits im folgenden Jahre 
aum Rektor nach Alten-Dresden berufen wurde. ^ — 



i Auch zum Verstandniß der folgenden verwickelten Verhältnisse theilen wir 
hier diese Liste mit: »Jetziger Zeit wird die Schule von folgenden regieret: 

Kector ist M. Michael Hackelmann 
Supremus, M. Matthias Schuman 
Baccalaureus, Thomas Pitschius 
Cantor, Basilius Koeler 
Quintus, Joachimus Kitzius etc.« 

2 ELreuzsehul' Archiv III a 4 »Acta scholasticaa des Konrektors Gellius, S. 2. 

3 D V fol. 77. . 
* Hiernach wäre die Mittheilung bei Kreyßig, Album der evang.-lutherischen 

Geistlichen im Königreich Sachsen, S. 104, zu berichtigen, nach welcher er erst 
im 2. Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts Diakonus wurde. 

5 Vgl. »Pandectae« etc. fol. 91 und DXI fol. 8 ff. 

^ Tob. Simon, a. a. O. ; »Pandectae« etc. fol. 102. 



34 



1580 veröffentlichte Caspar Füger in Gemeinschaft mit seinem 
Vater ein Werkchen, dessen Titel folgendermaßen lautet: 

Christliche 

Verß vnd Gesenge | 

Lateinisch vnd deudsch | Von dem Gros- 

virichtigem | hochnötigem Werck | der au%erich- 

ten Concordien, in dieser Lande Kirchen 

vnd Schulen. 

Auff Fünff Stimmen Componirt, 

vnd in Druck verfertigt; 

durch Caspar Fügern. 

Dreßden. 1580. 

Am Ende: Gedruckt in der Churfürstlichen Stad Dreßden | 

durch Gimel Bergen 
1580. 

Titel, Vorrede, vollständiger lateinischer und deutscher Text etc. 
befinden sich in der 1. Tenor-Stimme. 5 Stimmbücher (Disk., Alt, 
Tenor I, ü, Baß), 8 Blatt in 4 0.i 

Dieses Werkchen, aus drei Gesängen bestehend und ihren »ge- 
bietenden, grosgünstigen Herren vnd forderern «r gewidmet, sollte zur 
Verherrlichung der Concordienformel dienen. Zu diesem Zwecke 
veröffentlichte der Vater, wie aus der von ihm geschriebenen 
Vorrede zu ersehen, zugleich einen »kurtzen einfeltigen bericht von 
dem Buch Formula Concordiae für die alberen vnd einfeltigen auflf 
Frag vnd Antwort gestellet«. — Daß der Komponist der Gesänge 
jedoch der Sohn ist, geht gleichfalls aus der Vorrede hervor. Hier 
heißt es: ». . . . Das wir nu Gottes Wort noch rein haben vnd be- 
halten I die Saciamenta nach der einsetzung Christi | zu sterckung 
vnsers glaubens recht gebrauchen | vnd solches alles auff vnsere 
liebsten Kinder vnd Nachkomiinge | erben vnd bringen können. 
Damit sie sampt vns durch den Glauben an vnsern einigen Heiland 
Jhesum Christum | in welches namen allein heil vnd Seligkeit ist | 
Act. 4, gerecht vnd ewig selig werden. Das haben wir niemand 
anders | denn denen | so die Formulam Concordiae ans Liecht bracht | 
nach Gott zu dancken. Derwegen so haben nachfolgende Vers (in 

das ich 
sondern 



welchen dergleichen Danck begrieffen) mir so wol gefallen 

die nicht allein verdeutscht vnd in Gesangs weise gestellet 

auch meinen Son auff fünff stimmen zu componiren befohlen habe j 

auff das sie von einem jeden | dem Christliche einigkeit | ja seine 



1 Vollständig vorhanden in den Hofbibliotheken zu Wien und München, 
Stadtbibliothek Leipzig, Lüneburg und KönigL Bibliothek zu Berlin. 



35 



vnd alle der seinen ewige Seligkeit lieb | mit frewd ynd lust gesungen 
werden niügen | zu förderst Gott | darnacli auch alle denen \ die solch 
Gottselig werck befördern helffen | zu lob | ehren vnd einem ewigen 
rühm«. 

Schon hieraus erkennt man, daß die »deudsche Melodeya unter 
diesen Gesängen von besonderem Gewicht ist und die Herausgabe 
derselben veranlaßte. Sie steht an zweiter Stelle, ihr Text ist die 
freie Übersetzung eines jambischen lateinischen Gedichts von Caspar 
Schallius (überschrieben: Ecclesia Grata), welches in der 1. Tenor- 
stimme vorgedruckt ist. Nach der Komposition folgt hier die ganze 
deutsche Übersetzung in 15 achtzeiligen Strophen. ^ 

An dritter Stelle steht die bereits S. 32 erwähnte Psalmkompo- 
sition, überschrieben: »Ex psalmo 37(r. Sie ist vierstimmig, die beiden 
andern dagegen fünfstimmig. Der Text der ersten Komposition ist 
eine aus drei Distichen bestehende lateinische Widmung an den 
Kurfürsten August, welche gleichfalls von »Caspar Schallius Dres- 
densis« gedichtet ist. 

Außerdem enthält das Stimmheft des 1. Tenor nach der deut- 
schen Komposition noch eine in Choralform gehaltene einstimmige 
Melodie über denselben Text. Endlich am Schluß: 

»Ein Christlich Gebet ( 
vmb erhaltung des reinen vnuerfelschten 
Worts Gottes | des Churfürsten zu Sachsen | vnd 
seines Gemahls | auff beider Churfürstlichen 
Gnaden Taiiffiaamen gemacht. 

Zu singen im Thon, 
Verley vns frieden gnediglich«. 
Dieses »Gebet« ist ein Akrostichon über »AVGVSTVS VNND 
ANNA«. Darüber befinden sich zwischen Zierleisten die drei ver- 
schlungenen Anfangsbuchstaben genannter Worte. — 

Für den Kantorposten an Füger's Stelle wurde berufen 

Basilius Köhler, 1586 bis 1589, 

geboren zu Altenberg im sächsischen Erzgebirge als Sohn des Pfarrers 
gleichen Namens. ^ Letzterer, aus Roß wein stammend, 3 war seit 

• ■ 

1 Abgedruckt bei Wackernagel, Das deutsche Kixchenlied, Bd. IV 'S. 14 
(Nr. 19). . ■ ^ ^ 

2 Ein genaues Geburtsjahr anzugeben ist unmöglich, da die Altenberger 
Kirchenbücher nicht über 1618 zurückreichen. 

3 Vgl. M. Christoph Meißner, »Umständliche Nachricht von der Churf. Sächß, 
SchrifPtsäßigen freyen Zien-Berg- Stadt Altenberg in Meissen an der - Böhmischen 

3* 



36 



1544 Bftccaläurens primus an der Schule zu Fieiberg und wurde 
1546 Pfarrer zu Altenbeig. Dietmann^ vermuthet »aus Nachrichten«, 
daB er bis 1580 gelebt habe. Sicher ist, daB er 1577 die Concordien* 
formel mit unterzeichnete. ^ 

Über dessen Sohnes Liebensschicksale ist fast nichts bekannt. 
Selbst Christoph MeiBner, gleichfalls Altenberger Stadtkind und 
CoIIega an der Kreuzschule, weiß von seiner Existenz nur durch die 
Mittheilung Greiseres und späterer Geschichtsschreiber der Schule.' 
1577 ist er bereits Schulmeister gewesen, da er als solcher die Con- 
cordienformel unterschrieb.^ Weiter geht aus den Akten des Raths* 
archivs hervor, daB er z. Z. seiner Berufung nach Dresden Schul- 
meister Yon Graupen war.^ Er muß eine in seinem Amte tüchtige 
Kraft gewesen sein, wie schon der Umstand bezeugt, daB eine Be- 
werbung Köhler's um das Dresdener Kantorat nirgends ersichtlich ist. 

Das Koncept seiner Berufungsurkunde befindet sich in Dil fol. 
228. Sie lautet: »Burgermeister und Bath der Stadt und Bergs 
Graupen. V. f. d. zu vorn. Erbare und wol weise besondere liebe 
freunde. Euch mögen wir freundtlicher meynung nicht pergen, das 
wir Ewern Schulmeister Basilien Kohler zu uns bescheiden lassen 
und uns mitt Ime vorglichen haben, das er nuhemehr unser Cantor 
alhier werden und den solchen dinst die woche noch Oculi negst- 
kommende betziehen soll. Bitten der Zuversicht, Ir werdt Ime seine 
besserung woU gönnen, mitt freundtlicher bitt, Ir wollet Ime gunstig 
erleuben und Euch das nicht misfallen lassen: Dan euch widerumb 
freundtliche und angenehme dinst zu erzeigen seindt wir jderzeitt 
gefliessen. Dat. Dreßden den 15. February Anno 86a. 

Schon zwei Tage darauf antwortet Köhler i^ ^^Reverendi, Prvdentes 



Gränze gelegen«. Dreßden und Leipzig 1747; S. 294. Hier \nrd er als »Frei- 
bergensis al. Rosvin « bezeichnet, nach der abweichenden Angabe in Moller's Frei- 
berger Chronik und einer »Altenberger Matricul de ao. 1574«. Die Mittheilung 
der letzteren urkundlichen Quelle, daß er aus Boßwein stamme, bestätigen auch 
die Wittenberger Matrikeln, wo er als »Blasius Koler Misnensis ex Kuswein« im 
Juni 1543 eingeschrieben ist (vgl. Foerstemann, a. a. O., S. 205). 

^ Dietmann, »Die gesamte der ungeänderten Augspurg. Confeßion zugethane 
Priesterschaft in dem Churfürstenthum Sachsen« etc. Bd. I S. 1115. 

2 Baumgarten, Christi. Concordienbuch , Halle 1747, im angehängten Ver- 
zeiohniß der Theologen, S. 262. 

3 Vgl. Meißner, a. a. O., S. 387. 

^ Baumgarten, a. a. O., S. 269 unter »Schulmeister und Mitgehülfen in den 
Schulen des Kurfürstentums Sachsen«. 

^ Im Archive der k. k. Bergstadt Graupen sind Aufzeichnungen über Köhler 
nicht auffindbar gewesen. Auch bei Dr. Herrn. Hallwich »Chronik Ton Graupen« 
wird er nicht erwähnt. 

6 D II fol. 228 flF. 



37 



ac Amplissimi Viri, quod a i)estris M, digniiaiibus atque amplitudini'» 
hus propier functionem scholasticam Cantoris sdlicet in Dresdd 
vacantem, hic vocatus sim: Pro hoc vobis gratias permaximas ngo- 
Et quia ad mandatum et iüesum vestrum hestemo die in aedibus sacris 
eednerinty quasi voce ac stMvitaie hoc factum stt, vestris Judiciis relin-* 
quo. Feto itaque omni mbmissione animi et reverentia debiia^ ut huiua 
eonditionis causa rationem mei habere velitis. Promüto enim omnem 
diliffentiam, pariter eanendo et docendo. Et si in introitu functionis 
res non semper ex sententia, quod auxiliante Deo minus spero, eederent^ 
eonfido: Dominos minime aegre laturos, donec omnkim rerum Status 
mihi notior fiaL Hisce paucis DEO Opt. Max, R: V, D, atque 
prudentias commendo 

V. R. atque P. subiectissimus 

Basilius Kölen^ 
Ludimoderator Oraupensisa, 

Köhler's Schreiben wurde in der Rathssitzung verlesen, worauf 
dann in kurzer Debatte einige Wünsche betreffs der Amtsführung 
des neuen Kantors geltend gemacht wurden. Dies beweisen einige 
höchst interessante und werthvolle Bemerkungen des Protokollanten 
auf der Bückseite des Schreibens. Man liest hier: )!>Isaac, Senffei, 
Josquin, Clemens non PP., Orlandus, Dern Componiste gesenge soll 
er zum figuriren In der Kirch nach gel^enheit der Feste gebrauchen« 
Ist Im In anehmung [nämlich: seines Amts] beyholena. Auch diese 
Empfehlung der Werke der berühmtesten niederländischen und deut- 
schen Meister jener Zeit zeigt, in welch hohem Maße das Interesse 
und Verständniß für gute kirchliche Musik in Dresden gewachsen 
war. Auffällig ist, daß die großen italienischen Komponisten, vor 
allem der Name eines Palestrina nicht mit aufgeführt wird, der doch 
damals schon lange auf einer unerreichten Hohe künstlerischen 
Schaffens stand. 

Man könnte vielleicht hierin einen weiteren Beweis für die auch 
anderwärts bekannt gewordene Tbatsache erblicken, daß damals die 
Kompositionen Palestrina's in Deutschland noch wenig bekannt ge* 
Wesen und eigentlich erst durch Mich. Prätoriue hier eingeführt 
worden sind. — Ob man aus dieser Instruktion für den neuen Kantor 
schließen darf, daß früher keine oder nur wenige solcher Kompo- 
sitionen Tom Kreuzchor aufgeführt worden, daß die Rathsherren sie 
etwa durch Aufführungen der kurfürstlichen Kapelle kennen gelernt 
hätten, oder im Gegentheil bereits in ausgiebiger Weise benutzt 
worden sind, sodaß diese Instruktion im Sinne einer Anerkennung 
der Bestrebungen früherer Kantoren aufzufassen wäre, ist schwer zu 
sagen. Die Notenverzeichnisse der Kreuzkirche enthalten keinen 



38 



dieser Namen. Doch könnten die betreffenden Kompositionen auch 
in den nicht nähei bezeichneten Bänden und Sammelwerken ge-- 
standen haben. 

So trat denn Köhler sein neues Amt in Kirche und Schule nach 
Oculi 1586 (= 9. März) an. Unterdessen hatte sich aber in der 
Stellung des Kantors im Kollegium eine kleine Veränderung voll- 
zogen. Nach dem Abgange Füger's hatte man nämlich den würdigen 
und bescheidenen Quartus Thomas Pietsch, welcher seit 1565 an der 
Kreuzschule wirkte und das ihm 1581 angebotene Rektorat ausge- 
schlagen hatte, in Anerkennung seiner persönlichen Vorzüge in die 
dritte Stelle aufrücken lassen, ^ während Köhler als Qüartus eingestellt 
wurde. — Lange jedoch sollte dieser auch hier nicht bleiben. Nach 
dreijähriger Thätigkeit ersucht er den Kath um eine amtliche Be- 
scheinigung seines »ehrlichen vorhaltens a, da er sich anderwärts nach 
einer Stelle umsehen wolle. Was der Grund zu diesem raschen 
Wechsel gewesen, ob der Wunsch einer äußeren pekuniären Ver- 
besserung allein, oder das Verlangen nach einem ruhigeren, weniger 
aufreibenden Dienst, ist nicht zu ersehen. Daß er aber sein Amt 
gewissenhaft geführt hat, geht aus dem Zeugniß seiner Vorgesetzten 
deutlich hervor. Es lautet i^ »Wir Burgermeister vnd Bath der Stadt 
Dreßden, Thun khundt vnd fügen hiemitt menniglich zw wissen, das 
vns Zeiger Basilius Köhler bittlich ersucht vnd angelangt, Nachdeme 
Er drey Jarlangk in vnser Lateinisch Schule alhier zu New Dreßden 
Cantor gewesen, vnd sich an andere orthe nach dinst vmbzuthun 
bedacht, darzu Ime Khundschafft ehrlichen Verhaltens Von nothen 
were, das wir Ime dieselb schriefftlich vnter vnserm der Stadt Insigel 
günstig mittheiln vnd widerfahren lassen wollen. Wan wir dan einem 
Iden seine besserung woU gönnen, vnd hierzu zu befurdem geneigt, 
Als bekhennen wir, Das er In solchem seinem werenden Dinst 
vnsers wissens sich anders nicht, dan ehrlich vnd aufrichtig auch in 
kirch vnd schule mitt singen vnd vnterweisung der Knaben seinem 
Vermugen nach also erzeigt vnd vorhalten, Wie einem ehrliebenden 
vnd getrewen Schulendiener vnd Cantor zu thun wolanstehet aignet 
vnd gebührett. Alle vnd jde so mitt diesem vnsem offenen brieff 
ersuchet werden, weß ehren würden vnd Stands die seindt, nach 
eines Jdenn gebühr bittende, Sy weiten dem, wie obstehet, statt 
vnd glauben geben vnd mehr oben berürten Musicum vnd Cantorem 



1 Inj den »Pandeetae« wird er fol. 93 als Kantor und nicht als Konrektor, der 
er während der letzten Jahre seines Lebens war, aufgeführt, weil eben die Begriffe 
»Cantor« und »Tertius« sich damals völlig deckten. — Vgl. hierzu S. 33 Anm. 1, 
die Lehrerliste vom Jahre 1587. 

2 D IV fol. 285 f. 



39 



auff sein suchen an vnd auffnehmen^ ynd Ime In allen ehrlichen 
vnd billichen Sachen gneigten günstigen Willen vnd furderung er- 
zeigen ynd beweisen^ das er sich dieser ynser khundtschafft vnd färbitt 
fruchtbarlich grossen' zu rühmen habe, Das seindt wir In dergleichen 
Tnd sonsten der gebühr nach zu rordienen jder Zeitt willig vnd 
geneigt. Zu vrkhundt haben wir vnser der Stadt kleines Secrett 
hierauff wissentlich drucken lassen. 

Geben Dreßden den 29. Mönatstag Aprilis Im Newen vnd Acht- 
zigsten Jhar«. 

Auf Grund dieses Empfehlungsschreibens scheint er auch sehr 
bald eine andere Stellung erlangt zu haben. Doch erfährt man aus 
den Akten über seinen ferneren Lebenslauf nicht das Geringste. 

Leider fehlen auch weitere Notizen über seine Amtsführung. Da 

sein Name in den Notenverzeichnissen nicht vorkommt, darf man 

.vielleicht annehmen, daß er als Komponist nicht hervorgetreten ist. — 

Aus der Familie des Basilius Köhler sind noch zwei jüngere 
Brüder desselben nachweisbar: Esaias und Johann Köhler aus Alten- 
berg. Ersterer war auf der Fürstenschule zu Meißen vom 8. Juni 
1577 bis 15. Nov. 1582 und starb als Pfarrer zu Heynitz bei Meißen 
am 31. August 1623.^ Letzterer wurde auf derselben Schule am 
11. Mai 1588 aufgenommen und starb als Pfarrer zu Glaucha bei 
Halle am 21. Juli 1618 im Alter von 45 Jahren. ^ 
N Als Nachfolger Köhler's wird genannt 

Bartholomäus Petermann, 1589—1606, 

aus Dresden. Ob er in irgend welchem Grade verwandt war mit 
Ajidreas Petermann, läßt sich nicht nachweisen. Auch er hatte 
natürlich, da unterdessen noch keine Veränderung im Lehrerkolle- 
gium vorgekommen war, die vierte Stelle inne, welche er auch 
während der längsten Zeit seiner Amtsführung behielt, denn in der 
schon S. 33 erwähnten Lehrerliste vom Jahre 1603 wird er noch 
ausdrücklich als Quartus aufgeführt. Bald darauf, nach dem Abgang 
Caspar Füger' s in das Diakonat der Kreuzkirche, rückte er jedoch 
in die dritte Stelle auf, nachdem der bisherige Tertiusi Thomas Pietsch 
Konrektor geworden war. Dies muß wohl spätestens 1605 eingetreten 
sein, da der unmittelbare Nachfolger Petermann' s im Mai 1606 als 
Tertius eingestellt wurde. 

Lange aber sollte er sich dieser neuen Würde nicht freuen 



* Kreyßig, Afraner- Album, S. 55. 

2 Kreyßig, a. a. O., S. 69 und Meißner, a. a. 0., S. 391. 



40 

können. Es stellte sich eine anhaltende Krankheit ein, die den 
Rath nöthigte, ihm einen Substituten beizugeben. Wir lesen nämli^ 
in einem Schreiben ^ eines Christoph Lisbergex an den Hofyrediger 
Polyoaip Leiser, in welchem er diesen um seine Verwendung für 
ihn bei der Neubesetzung des Kantorates bittet, u. a. fdgendes: 
» . . . . Cum vero interea a fide digms certior /acitu fuerim domimtm 
Cantorem Scholae Senatoriae gravi morbo carreptum adeo decumberCy 
ui dubitet eum mtmtis demandatum pro dignUaie in poiterum passe 
administrare . . . .( Dies bestätigt auch ein nicht lange darauf, am 
21« Mai 1606, gefeilter Rathsbeschluß : ^ »Dieweil der Cantor Bartho- 
k)meus Petevman eine lange Zeit kranck gelegen, Tnd seine kzankheit 
sich . also ansehen leßet, als ob zur besserung wenig Hoffnung. Daher 
seine stelle in der schulen vnd kirchen nicht versorget vnd die Ju- 
gendt merklieh verseumet worden, Er auch sonsten, als er noch 
gesund gewesen, die lectiones, so Ihme aufgetragen, vnfleiBig oder, 
gar nicht verrichtet, Wie dann die Musica in vielen Jahren in der 
schulen alhie nicht gelesen worden sein soll. Als hat ein E. Rath 
mit bewilligung vnd BAth des herrn Superintendenten für guth . an- 
gesehen, daß gedachtem Pefterman seine ordentliche besoldung, die 
er aus dem Religion Ambt Zuempfahen, behaltten, vnd Christoff 
liBberger zu einem Substitute Cantore angenommen Ynd demselben 
die accidentia, so vom Cantordienst zugefallen pflegen, inmittelst 
gefolget werden möchten, Ynd weil liBberger solches bewilliget vnd 
an solchem Dinst gebürlichen fleiß fiirzu wenden zugesagt. Als ist 
er solchermassen, wie gedacht angenommen, den 21. May 1606«. 

Dieses Schriftstück wirft allerdings nicht gerade ein günstiges 
licht auf Petermann's Amtsführung. Von besonderem Gewicht* ist 
hier der Vorwurf, daß der Musikunterricht von ihm während einer 
Reihe von Jahren gar nicht gegeben oder doch arg vernachlässigt 
worden sei. Unter solchen Verhältnissen müssen natürlich auch die 
Leistungen des Chores in entsprechender Weise herimtei^egangen 



Von eigenen Kompositionen Petermann's nennen die Noten- 
verzeichnisse der Kreuzkirche eine »Passion Secundum Lacama aus 
dem Jahre 1598. Vielleicht gehört auch die gleich darauf genannte 
y>. Passion Secundum Johannum«, ohne Bezeichnung des Autors, ihm 
an (vgl. Anhang). 

Vielleicht ist es nicht ohne Interesse , am Schlüsse auf eine 
kurze Erwähnung Petermann's auf der Rückseite eines einzelnen 



1 D V foL 52. 

2 D V fol. 53. 



41 



Dtuckblattes in Folio hinzuweisen, welches die Stadtbibliothek zu 
Leipzig besitzt^ und das mithin auf bestimmte Beziehungen Petermann's 
2u Leipzig hinweist. Die Vorderseite desselben enthält 15 lateinische 
Distichen mit der Überschrift: tu Ad histaricae relationis contmuationem 
Jacohi Franci notaUo eeritaiis, non novitatis studiasorum ergo conscripta 
a Vahntino Esptch, Medicinae Doctore, Anno MDXCII^,'^ Auf der 
Bäckseite findet sieh die handschriftliche Bemerkung : »Herrn Bartel 
peterman Cantorn in der schuel Zu Dresden | Zu rberantworten«. 
Es ist dies wahrscheinlich die .eigenhändige Dedikation des Verfassers, 
der das Blatt allen seinen Freunden und Bekannten zuzustellen be-" 
absichtigte. — Durch den oben mitgetheilten Bathsbeschluß war 
am 21. Mai 

Christoph Lisberger, 1606 bis 1612, 

zimächst als Substitut Petermann's gewählt worden. 

Unter demselben Aktenstück lesen wir noch die Bemerkung: 
»den 24. Maij hemacher ist solche anderweit bestellung dem Cantori 
Peterman durch mich den Oberstadtschreiber vf befehl des H. Bürger- 
meisters angemeldet vnd darauff der Neue Cantor den 3-0. Maij durch 
einen E. Kath Tnd den H. Superintendenten in der schulen Intro- 
duciret worden a. 

Auch er war in Dresden geboren. Zum ersten Male erwähnt 
finden wir ihn in den Schülerverzeichnissen der Fürstenschule zu 
Pforta, wo er am 8. Oktober 1584 als Alumnus aufgenommen wurde,^ 
nachdem schon am S. August desselben Jahres ein Valerius Lisberger 
aus Dresden inskribirt worden war. Daß beide verwandt )^ vielleicht 
sogar Brüder gewesen sind, ist sehr wahrscheinlich. Bei letzterem 
steht noch die nähere Bezeichnung it confectarius Dresdae<t. Den 
Sinn derselben zu erklären, ist mir trotz aller Bemühungen nicht 
gelungen. Ich mochte vermuthen, daß der Ausdruck mit jener be- 
kannten Thatsache in Verbindung steht, dass diejenigen Knaben in 



^ Die Kenntniß desselben verdanke ich der Güte des Herrn Oberbibliothekars 
und Archivdirektors Dr. Wustmann in Leipzig. 

^ £s ist ein Flugblatt des genannten Dr. Valentin Espich, worin ersieh gegen 
die Angriffe eines gewissen Conrad Memmius vertheidigt, der unter dem Namen 
Jaeobus Franeua von 1591 an auf den Frankfurter Messen halbjährliche illustrirte 
Kelationen über die wichtigsten politischen Ereignisse etc. in ganz Europa heraus- 
gab, eine Airt Geschichtskalender (Weiteres s. bei Wustmann »Leipzig durch drei 
Jahrhunderte«, S. 4). Letzterer hatte hier von Espieh behauptet, er sei wegen 
schlechter Handlungen und allerhand unluth. Lehren von seinem Schulamt abge- 
setzt worden und habe sich darum der medizinischen Wissenschaft zugewendet. 

8 Bittcher, Pförtner-Album, S. 72. 



42 



der Kuifurstl. Kapelle zu Dresden , welche Anlage und Lust zum 
otudium hatten, bei Eintritt der Mutation auf die Schule zu Pforta 
geschickt und dort drei Jahre lang unterhalten wurden.^ Wollten 
sie dann eine Universität besuchen, erhielten sie in Wittenberg oder 
Leipzig eine jährliche Unterstützung von 25 fl. und oft auch noch 
guten Musikunterricht, allerdings mit der Verpflichtung, falls sich 
nach dieser Zeit ihre Stimme in einen genügenden Alt oder Tenor 
verwandelt hätte, daß sie dann wieder in die kurfürstl. Kapelle ein- 
treten mußten.^ Sollten darum nicht jener Valerius und vielleicht 
auch Christoph Lisberger solche junge Leute gewesen sein, die dem 
Kapellknaben- Institute angehört hatten und nun, wie üblich, in Pforta 
ihre Benefizien genossen? Warum sollten sie sich gerade nach Pforta, 
der entferntesten aller drei Fürstenschulen, gewendet haben, während 
sie doch als stimmbegabte Knaben auf der Schule ihrer Heimathstadt 
mindestens die gleichen Vergünstigungen gehabt hätten? 

Während dieser Schuljahre in Pforta hatte Lisberger das Glück, 
den Musikunterricht des berühmten Sethus Calvisius zu genießen, 
der hier von 1582 — 1594 Kantor war. Nach Absolvirung der Schule 
bezog er dann die Universität Leipzig, wo er nach Ausweis der Ma- 
trikeln im S.-S. 1588 inskribirt wurde. Wie lange er jedoch hier 
studirt und wo er sich nach dieser Zeit aufgehalten hat, läßt sich 
nicht nachweisen. Nicht unmöglich wäre es, wenn die oben ausge- 
sprochene Vermuthung richtig ist, daß er in die Kapelle nach Dresden 
zurückkehrte. Im Jahre 1599 finden wir ihn aber wieder als Kantor 
in Pforta. 3 Allein schon 1601 verließ er die Schule zum zweiten 
Male. Eine Pförtner Chronik^ berichtet hierüber: » Christophortis. 
Lisberger^ Dresdensis, discipulus olim Scholae rursus suam locavit operam^ 
sed morbo anno 1601 oecumenico correptus et fere consumptits cum 
convalescere inciperet, animi relaxandi gratia in patriam profectus est^ 
et trimestri spacio reversus Portam bene valere jussit. Dresdae Jam 
fangituT Cantorü officio, (n Verbindet man hiermit eine Bemerkung 
des Dresdener Rektors Tobias Simon über Lisberger in einem weiter 
unten noch näher zu bezeichnenden Beschwerdeschreiben an den 



^ VgL die schon S. 15 genannte kurfürstlich sächsische Cantoreiordnung Tom 
Jahre 1555. 

^ VgL M. Fürstenau, »Beiträge zur Geschichte der Königl. Sächsischen musi-. 
kaiischen Kapelle«, S. 23. 

3 Er war der fünfte in diesem Amte seit Begründung der Anstalt, der 
zweite Kantor nach Calvisius und der direkte Vorgänger des gleichfalls bekannten 
M. Erhard Bodenschatz (vgl. Bittcher, a. a. O., S. 553). 

^ Chronicon Portense von M. Justinus Bertuchius und Joh. Mart JSchamelius, 
Leipzig 1739, S. 111. 



43 



Kath vom Jahre 1609,^ so wird man dem wahren Grund seiner kurzen 
Wirksamkeit in Pforta sehr nahe kommen. Hier heißt es: », . man 
wird ihme dis Encomium vnd testimonium mittheilen müBen, welches 
er in der Schnei Pforten darvon hrachtt hatt, das er sey pestis et 
pernicies Scholae.a Letztere Worte gestatten einen Schluß auf 
seine Amtsführung in Pforta, die gewiß sehr viel zu wünschen übrig 
gelassen hat, so daß man seine Erkrankung und dreimonatliche 
Abwesenheit als erwünschte Gelegenheit benutzte, diese r^pestis et 
pernicies Scholaeai abzuschütteln. ^ Denn gegen eine freiwillige Nieder- 
legung des ^antorates spricht schon der Umstand, daß Lisberger 
nach dem langen Erholungsaufenthalt in Dresden nach Pforta zurück- 
kehrte und hier gewiß die Stelle bereits wieder besetzt vorfand. — 
Daß er nunmehr auf die Wanderschaft gegangen und dabei wenigstens 
bis Wien gekommen ist, erkennt man aus jenem Briefe an den Hof- 
prediger Polycarp Leiser, wo er sagt : » . . . Ab eo tempore j quo Vienna 
Austritte huc redii, nuUum munus sustineOy hinc necessitate coactas . • . 
cid Dominum Johannem Hiligerum filios ejusdem informatum me con- 
tuli . . : « Durch die Empfehlung solcher einflußreicher Männer, wie 
Leiser und Hillger,^ wird er gewiß auch 1606 die Kantorstelle an 
der Kreuzschule erhalten haben. 

Kaum waren jedoch drei Monate nach dem Dienstantritt Lisberger's 
yerstrichen, da zeigte sich schon sein streitbarer Charakter. Er war 
mit den überkommenen Verhältnissen auf der Schule unzufrieden. 
Mehrere Petitionen und Beschwerdeschriften mit berechtigten und 
unberechtigten Wünschen und Forderungen verfolgten das Ziel, ent- 
weder seine pekuniäre Lage zu verbessern, oder die Kollegen mehr 
als bisher zu den kirchlichen Pflichten heranzuziehen. 

Zuerst richtet er am 19. September und 22. November 1606 ein 



1 B V fol. 193 ; vgl. S. 47, 

2 Zur Entschuldigung Lisberger's könnte man vielleicht auf die ungeordneten , 
höchst unerquicklichen Verhältnisse auf der Schule während einer langen Keihe 
von Jahren hinweisen. Seit 1580 war hier M. Jacob Lindner Bektor, den man 
jedoch schon 1588 entlassen mußte. Mitten in dieser * schlimmen Zeit kam L. 
auf die Schule und verließ sie in gleichem Jahre als jener, der dann bis 1592 
Bürgermeister in Naumburg war. In diesem Jahre aber kehrte er wiederum nach 
Pforta in das Bektorat zurück, welches er 1601 zum 2. Male niederlegen mußte 
(vgl. Bittcher, a. a. O., S. 544). Daß die Disciplin auf der Schule auch jetzt keine 
günstigere war, zumal in den letzten Jahren, ist selbstverständlich. Lisberger 
hatte also weder als Schüler, noch als Lehrer- der Anstalt Gelegenheit, ein wohl- 
geordnetes Schulwesen kennen zu lernen. Kein Wunder, wenn in Folge dessen 
Trägheit und Disciplihlosigkeit ihn derart gefesselt hatte, daß er sich Zeitlebens 
nicht mehr davon frei machen konnte. 

3 Hans Hillger, seit 1599 Kathsherr, wurde 1608 regierender Bürgermeister, 
ebenso 1611, 1614, 1620 etc. 



' 



44 



Sehreiben an den Rath,^ daß er 2 gerne, wie den in andern furnehmen 
Siäten auch breuchlicb, beyden Kirchen^ wo figuraliter solt gesungen 
werden, beywobnen wollte: desgleichen bey den Leichbegängnußen 
8OW0I nach, als für der Predigt absingen, Inmassen es den für altteia 
auch in dieser Stat vblich gewesenn, damit mir nit meine accidentia, 
davon ich mich itziger Zeit behelffen muß vnd sonstenn Keine Be- 
soldung habe, geringert wurdenn. Weill mir auch die preces mane 
et vesperi, welche die Baccalaurn mit dem Cantore zugleich vor 
diesen haben bestellen helffen [daVon sie den die particularia funera, 
so der Cantor für diesen alein gehabt , Vnter sich zu ^ theilen be- 
kommen), mir, alsbald ich in meinen ampt ahngetreten, alein zu- 
verrichten befohlen worden. Als ist mein unterthäniges dinstvleissiges 
bitten, E. £. vnd H. W. geruhen diese ahnordnung zu thuen, Weil 
die Bciccalaurü gleich wol die particularia funera mit mir gleich haben 
sollen, daß sie auch die preces wie zufohr neben mir wechselweise 
bes);ellen helffen. Weil es mir auch wegen deß Losaments forthinn 
schwerer furfallen will, vnd beforaus wan ich frue morgens Zur 
Metten sonntags aufwartten muß, habe dasselbe ich alhier auch 
erinnern wollen, ob E. E. und H. W. Bäht hierinnen einen Weg 
treffen könte. das mir auf der Schneien Zu wohnen verordnet wurde: 
den mir nur newUeh wiederfahren, dz ich vermeinet, es Zeit Zur 
Metten sei, vnd Zu mittemacht um zwölff Uhr für die Kirchen 
kommen: Offtermal auch eine geraume weil in der Kirchen auf- 
wartete, ehe die Knaben sind zu Chor kommen: Habe auch bisweill 
selbander die Metten anfahen müssen, Vnd ist fast vnmuglich, dz 
ich mit den Chor Zu rechter Ordnung kommen soltte, wo mir nit 
auf der Schuel Zu wohnen , vnd vmb die Knaben Zusein, auch den 
Chor in beyden kirchen, wo es figuraliter zu bestellen, ahnzuordnenn, 
eingereumet wird . . . .« 

Am 29. Januar 1607 folgte abermals ein Beschwerdeschreiben 
Lisberger's, welches mancherlei interessante Streiflichter auf Schul- 
und Chorverhältnisse wirft und darum vollständig mitgetheilt zu 
werden verdient: ». . . . I. Weil E. E. vnd HW. mich für andern 
zu einem Cantor ihrer Schulen eligirt vnd creiren lassen, vnd ich 
auch mit singen, sowohl in der Kirchen alß anderweit, wo die Mu- 
sica vocalis hinbegehret wird, neben den Knaben aufwartten soll, 
mir aber von Herren Rectore vnd dem Wolfgango [Jenichen, Quar- 
tus] eingegriffen worden, welche die Knaben in die Heuser ohn mein 
furwissen gehen lassen, dadurch den meine accidentia mir gemindert 
worden, habe dasselbe fürs erste E. E. vnd HW. ich klagen woUenn. 



1 D V fol. 72 ff. 



45 



II. Zum andern kl£^e ich, das sich die Baccalaurii in das ab* 
singen bei Leichbegengnussen mengen, welches doch dem Cantori 
alein zu verrichten gebühret, Dadurch mir wiederumb mein tranckgelt 
abgeht, dz mir doch billig, weil ich die größte muhe haben muß, 
solte gegönnet weiden. 

III. Das kein knab so itziger Zeit auf die schuel angenommen, 
dem Cantori, ihn in musicis zu tentiten, zugeschickt wird, daher den 
kommet, dz viel knaben auf der Schul zufinden, welche auch dz ge- 
ringste in re musica nicht verstehen, welches wider die Schuelord- 
nung lauift, weil der Chor mitn inquilinis scholae sol gestercket 
werden. 

lY. Das ich keine stunde habe, darin ich die tyrones in musicis 
informiren könte, vnd könte sich leichtlich zutragen, dz, wen die 
peregrini vond schulen 2iögen, und die bui^ers kind in singen nit 
unterrichtet wehren, man gar coraliter singen muste.^ 

V. Das ich mit meinen quartanis, welchen ich die praecepta 
Grammaticae vnd Syntaxeos proponire. Keine lection habe, darauB 
ich ihnen den usum regularum zeigen vnd die scripta, so sie bey 
mir componiren müssen, darauf richten könte. 

VI. Das mir der Herr Rector lectiones, so dem Cantori keines- 
weges zu lesen gehören, auftringen will, mit furwenden, es hette 
sie mein antecessor auch versehen, welche er doch proprio motu auf 
sich genommen. 

VII. Das meine Herren CoUegae mich in die Kammer auf der 
Schul ein mal oder Zwey begehret, vnd gar dapffer aufgeschewret, 
vnd hönisch satt gehaltten haben, da dan der Wolfgangus auf mich 
zugangen, die Zehne zusammen gebissen alß wolt er mich itzt furn 
halß schlagen, der Ambrosius [Stephan, Quintus] aber mir meine 
wortt nachgeret, vnd sich hönisch genugsam erzeiget, dz ich fort 
bedencken trage, auf ihr begehr mehr Zu erscheinen« 

IIX. Das sich auch mein antecessor vnterstehet, wz ihm nit ge- 
bühret, von meinetwegen einzunehmen, in massen er den ein fl. dem 
Cantori Jehrligen von H. D. Eulenbecks seligen gestifFte geordnet, 
au sich genommen, mit furgeben, er wehre Cantor, ich aber nur ein 
accidentarius, vnd muste ihm weichen,'Ven er vrider antretten wolte. 

IX. Das mir noch Kein inventarium der Bucher aufm Chor in 
kästen vnd auserhalb zufinden, zugestelt worden. Weil mir auch 
innerhalb acht tagen mein Losament zu reumen ahngekundigt worden, 
hab ich dasselbe alhier auch gedencken wollen, bittende E. E. vnd 



^ Die besten Sänger, mit denen der Kantor die Figuralmusik ausführte, waren 
auch hiernach Auswärtige und Alumnen. 



46 



HW. woUen helffen Zurahten, das ich mit einen Losament mochte 
versehen werden, den mir allerley beschwemuß) so hier zulang Zuer- 
zehlen, deswegen furfelt 

E, E. vnd HW. dienstwilliger D. 

Christophorus Lisbei^er 
Cantor.a 

Noch an demselben Tage, an dem dieses Schreiben einging, fand 
eine Rathssitzung statt, zu der auch der Superintendent und sämmt- 
liehe Schuldiener geladen wurden. Die hier gefaßten Beschlüsse 
sind im Ganzen den Wünschen Lisberger's günstig : ^ Der Rektor soll 
auch in Zukunft das Recht haben, »wenn zu einem Convivio Ejiaben 
zum Singen begehrt werden«, solche zu schicken, doch sollen von 
dem gezahlten Gelde der Kantor ein Drittel, die Knaben aber das 
Übrige erhalten. Wenn Knaben mit irgend einem Kollegen ge- 
wünscht werden, so soll der Kantor hierbei, wenn möglich, den Vor- 
zug haben. Vom Ertrag gebühren diesem dann zwei Theile, den 
Knaben der dritte. Würde aber ausdrücklich einer der beiden un- 
tersten Kollegen mit einigen Knaben verlangt, aso soll sie der Kantor 
dahinzugehen nicht hindern«. Von der Einnahme soll aber der Kantor 
den vierten Theil, vom Übrigen ein Drittel der Kollege, die andern 
zwei Drittel die Knaben erhalten. — Betreffs der Leichenbegängnisse 
soll es so bleiben, wie bisher üblich. Bei Aufnahme von Knaben 
in das Alumnat soll der Rektor »in seinem examen darauf sehen, daß 
die Inquilini Scholae der Musica kundig« oder wenigstens noch darin 
bildungsfähig seien. Darum sollen sie in Gegenwart des Rektors 
vom Kantor geprüft werden. Ohne schwerwiegende Gründe sind 
Unmusikalische nicht aufzunehmen. Der Lektionsplan soll neu revi- 
dirt und eine gerechte Vertheilung der Schulstunden hergestellt 
werden. Auch soll Petermann zur Anfertigung zweier Exemplare 
eines »richtigen Inventariums der zum Chor und Cantorei gehörigen 
Bücher« angehalten werden, von denen je eins dem Rath und dem 
Kantor zu übergeben sei^ etc. Diese Bestimmungen wurden vom 
Rathe am 10. März, nachdem neue Uneinigkeiten ausgebrochen 
waren, in Form eines Vertrags ausgearbeitet und den Schulkollegen 
zur Befolgung zugestellt. ^ 

Nach abermals vierteljährlicher Ruhepause beginnen dann die 
offenen Streitigkeiten zwischen dem alten Kantor Petermann und 



i D. V. fol. 77 ff. 

2 Leider ist dieses Verzeichniß aller vorhandenen Bücher und Musikalien, 
wie es scheint, nicht zu Stande gekommen. Das älteste der im Bathsarchiv vor- 
handenen Inventarien stammt aus dem Jahre 1615. 
D V fol. 94—97. 



47 



Lisberger um die Amtswohnung in der Schule.^ Nach viielen Bitt- 
gesuchen von beiden Seiten an die vöi^esetzten Behörden^ und nach- 
dem Peteimann wiederholt zur Bräumutig der Wohnung aufgefordert 
"war, greift endlich der Bath Mittwoch den 4. Juli energisch ein und 
läßt Petermann einen Bevers unterzeichnen ^ nach welchem er am. 
folgenden Montag die »Losamenterc auf der Schule zu räumen und 
sich mit einer anderen Wohnung zu versorgen habe. Noch am 
8. Juli, am Tage vor diesem letzten Termine, bittet Letzterer in 
einem Schreiben an den Bath wegen Verzögerung des Auszugs um 
Verzeihung/ er habe es nicht anders, schaffen können 9vel temporis 
brevitate vel incommoditate conducendi habitationem et hospiiiumt , wie 
er denn auch bis auf diese Stunde kein für ihn passendes Losament 
wisse. Er schließt mit der Bitte, ihm »noch künftig in betrachtung 
ieziger schwerer vnd müheseliger Zeit beydes mit dem Hauszins vnd 
einem Schrägen holz gnediglichen beyspringen zu wollen«. 

Ob der Bath darauf eingegangen, ist nicht ersichtlich. Peter- 
mann lebte dann noch bis in's Jahr 1610.2 

Jetzt endlich scheint Lisberger befriedigt zu sein. Wenigstens 
schweigen die Akten bis 1609 über ihn völlig. Umso weniger zu- 
frieden waren aber seine Vorgesetzten mit seiner Amtsführung: 

Am 6. Oktober genannten Jahres beklagt sich der Bektor Tob. 
Simon beim Bath, ^ daß Lisberger sein Amt sehr vernachlässige, 
trotzdem er jüngst von den Visitatoren zu strenger Pflichterfüllung 
angehalten worden sei. Er habe die praecepta Musicae den größeren 
Schülern gar nicht gelesen und die Gesangsübungen unfleißig ge- 
trieben. »Die Antiphonas, Besponsoria, Introitus vnd andern Choral, 
weil er das fundamentum Musicae,,« habe er mit den Knaben nicht 
»übersungen«, wie er doch allwöchentlich thun solle, »damitt der 
Choralgesang nichtt so gar unter die banck gesteckt vnd die Jugend 
davon abgehalten werde«. »Vom Choral ist dis halbe Jahr nichtt 
eine einige Nota vbersungen worden.« Die Schule sei darum mit 
dem neuen Kantor durchaus nicht besser daran, als mit dem alten. 
Der Bath möchte sich »der Armen vnd elenden Schuel annehmen, 
welche izo ohne das wegen der vielen vbermengten Winkelschuelen 
in große Verachtung vnd abnehmen gekommen,« und »des Cantoris 
eigensinnigen KopfF steuren«. 



1 D V fol. 54 ff. 

2 D V fol. 204. Lisb. erwähnt hier in einem Bittschreiben an das Ober-Kon- 
sistorium, daß er »die gantze zeit vber die besoldung nicht gehabt, sondern- vb er 
Vier Jahr seinem Antecessori ist zur provision geben wordenn«. 

3 D V fol. 193. 



4S 



In ähnlicher Weise äuBert sich auch der Superintendent über 
L. Man habe ihn wiederholt an seine Pflicht erinnert , aber er 
nehme es nicht für gut auf und vertheidige sich noch. Er lasse 
keinen Choral singen, -sodaß sie die Knaben wieder vergessen oder 
überhaupt nicht lernen. Die Lektionen habe er drei Jahre versäumt. 
»Ist kein Vermögen bey Ime. In vita ei moribus auch mangel.a 

Trotz dieser vernichtenden Kritik lieB man ihn im Amte und 
begnügte sich für dieses Mal vielleicht mit einem scharfen Verweis 
und Androhung der sofortigen Entlassung, falls er den Anordnungen 
des Käthes nicht Folge leiste. Am 12. Februar 1612 sieht letzterer 
sich jedoch zu seiner Absetzung genöthigt.^ Zugleich zeigt er diese 
unter ausführlicher Angabe der Gründe dem Oberkonsistorium an, 
in der Voraussicht, daß L. sich gleichfalls an dieses wenden 
werde. Man habe, heißt es hier u. A., zur Absetzung schreiten 
müssen, da er kaum »die praecepta Musices, ArithmeticeSy viel weniger 
einen poetam (welches alles in seine Verrichtung gehöret Vnd seine 
antecessores haben thun müssen) den knaben tradiren köntte.c Es 
sei »ein solch gering vermögen bey Ime vorhanden, das auch in der 
Orammatica mangel fürfallen, vnd die knaben merken, wie biß weilen 
Priscianus gewald leiden muß«. Dazu komme, daß er seine Fehler 
nicht erkenne, sondern überall Becht behalten wolle. Zu einer 
Besserung sei also keine Hoflhung vorhanden. 

Noch an diesem 12. Februar schrieb auch L., wie der Rath 
vermuthet hatte, an das Oberkonsistorium und ersuchte es, ihn doch 
bis Ostern im Amte zu lassen, damit er sich unterdessen nach einer 
anderen Stelle umsehen könne.^ Das Oberkonsistorium forderte nun 
beide Theile zu einem auf den 4. März festgesetzten Verhör, bei dem 
jedoch der Rath nicht erschien. Er hoffte, daß L. nach dem 
selbst erbetenen Termine freiwillig vom Amte zurücktreten werde. 
Allein dieser bat am 7. Mai wieder, man möge ihn noch bis Micha- 
elis im Amte lassen. Dann aber wolle er selbst schriftlich um seine 
Entlassung nachsuchen. Auch bitte er, ihm die seit dem Tode seines 
Vorgängers noch rückständige feste Besoldung vom Bathe zu er- 
wirken (fol. 210 ff.). — Das Oberkonsistorium setzte nun eine zweite 
Verhandlung für den 19. Juni fest, mit dem Bemerken, dass L, 
inzwischen im Amte verbleiben soll. Das endgiltige Resultat dieser 
Verhandlung liegt in einer Verordnung vom 19. Juni 1612 vor 
(fol. 215): Der Rath verpflichtet sich, an L. die seit zwei Jahren 



1 D V fol. 199—201. 

2 Eine Abschrift dieses Gesuchs sandte das Konsistorium an den Kath, es 
befindet sich ebenda fol. 204 f. 



49 



fällige Besoldung 1 bis Michaelis, ferner 20 fl. als Hauszins- Ent- 
schädigung zu zahlen. L. soll dagegen sein Amt gutwillig nieder- 
legen und binnen Monatsfrist abtreten. ^ 

Damit war eine lange Zeit unglücklicher Verhältnisse für die 
Schule beendet, die sicher zum Gedeihen derselben nicht bei- 
getragen hat. — 

Aber noch einmal taucht Lisberger in den Akten auf: Nach 
13 Jahren hat er die Kühnheit, sich wieder um das erledigte 
Kreuzkantorat zu bewerben. Er wendet sich schriftlich an einen 
einflußreichen Herrn, ^Dietrich von Tauben, vf Neukirchen, Heck- 
richt vnd Hartha, Churf. S. Oberstallmeister vnd Obrist Leutnandt 
der Artholerey,(f mit der Bitte, sein Gesuch beim Käthe zu unter- 
stützen. In diesem Schreiben^ sucht er seinen nichts weniger als 
freiwilligen Abschied folgendermaßen zu bemänteln : Er habe im 
Jahre 1612 seinen Dienst abgegeben, weil er »durch Gottes Hülffe 
eine feine heyrath erlangete, derowegen ein privat Leben vnd von 
dem Seinen sich in ruhe Zuernehren gesinnet wahr«. 

Da er in letzter Zeit sich eine eigene Wohnung außerhalb der 
Schule hatte miethen müssen, wofür er ja auch genannte Hauszins- 
Entschädigung erhielt, wird man vermuthen dürfen, daß er noch 
während seines Kantorates diese, wie es scheint, nicht mittellose 
Frau geheirathet hat, die ihm wohl auch ein Haus mitbrachte, da 
er sich »gesessener Bürger« nennt. Auf diese Verbindung ist er 
aber auch nicht wenig stolz. Mit unverkennbarem Selbstgefühl 
spricht er von »Hrn. Veit Heyman, Churfl. S. Stallschreiber vndt 
Not: pub: welcher mein geliebter Schwager ist«. 

Weiter führt er an, was natürlich eine offenbare Unwahrheit ist, 
daß er zweimal vom Superintendenten und Stadtprediger aufgefordert 
worden sei, sich wieder zu bewerben, da der Rath ihn als Kantor 
haben wolle. Er sei dieser Aufforderung' aber bis jetzt nicht' nach- 
gekommen, weil er geglaubt, daß man es ihm übel auslegen könnte. 

Lisberger erlangte , unterstützt von seinem Schwager , dessen 
Vorgesetzter Dietrich von Tauben war, die gewünschte Empfehlung.* 
Indessen verlief, wie vorauszusehen, seine Bewerbung trotz dieser 
erfolglos. Aus der wiederholt gebrauchten Selbstbezeichnung »civis« 
und »Dresdensis Musicus« geht hervor, daß er bis 1625 und wohl 



* Im Jahre 1610 wurde das feste Gehalt des Kantors (50 fl.) wegen des neu 
gestifteten Gottesdienstes der Sophienkirche um 10 fl. erhöht. 

2 In den »Pandeetae« etc. fol. 95 findet sich bei seinem Namen die Bemer 
kung: »qui ob inaufßdentiam ah officio remotus fuit die 11. Sept, Anno J612«. 

3 D XI fol. 51 u/v. 

4 



50 



auch bis zu seinem Tode als Privatmusiker in Dresden gelebt hat. 
Denn eine weitere Bewerbung um das erledigte Kantorat zu St. 
Annen vom 21. März 1692* blieb gleichfalls unberücksichtigt. — 

Von eigener Komposition Lisberger's nennen die Verzeichnisse 
»l Concert«, welches aber wahrscheinlich erst aus der Zeit nach 
seinem Kantorate stammt, da es unter den nach 1625 dazugekommenen 
Noten mit aufgeführt wird. 

Als Nachfolger Lisberger's wurde berufen: 

M. Samuel Brüling, Kaiserlich gekrönter Poet, 1612 — 1615, 

bisher Student der Theologie in Leipzig. — Daß der Rath diesmal 
bei der Neubesetzung des Kantorates mit doppelter Vorsicht zu 
Werke ging, ist leicht verständlich. Man brauchte einen Kantor, 
der nicht nur ein tüchtiger Schulmann, guter Musiker und Sänger, 
sondern der auch durch Energie und Würde sich bei seinen Kollegen 
und Schülern Achtung zu erwerben verstünde. Der Rath dachte 
hierbei in erster Linie an die Universität Leipzig, die sich hinsicht- 
lich der Pflege der Musik damals schon eines bedeutenden Rufes er- 
freute. Die zahlreichen feierlichen akademischen Akte, die gewöhn- 
lich mit einer gottesdienstlichen Handlung in der Universitätskirche 
verbunden waren, ferner die großen akademischen Gottesdienste an 
den hohen Festen und am Reformationstage wurden schon in der 
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch musikalische Aufführungen 
verschönt. Die Ausführung derselben lag durchaus in den Händen 
der Studenten. Es hatte sich hier allmählich das Institut eines 
))chorus musicusa ausgebildet, welcher in erster Linie aus den 
sogenannten »Alumni Electorales (n bestand, die das große kurfürst- 
liche Stipendium, freie Wohnung und Kost auf der Universität ge- 
nossen. Unter ihnen waren^ besonders auch die schon mehrfach 
genannten früheren kurfürstlichen Kapellknaben, also ausgezeichnete 
geschulte Sänger. Aus der Mitte dieser Alumnen wurde eine ge- 
eignete und hervorragend musikalische Person zum Vorsteher oder 
Kantor gewählt, der für seine Mühewaltung noch besondere Acci- 
denzien erhielt. Eine gedruckte Ordnung für diese Alumni Electo- 
rales vom Jahre 1661 sagt ausdrücklich in § XII: ». . . Detiique 
universi et singuli cum alias semper, tum imprimis in praecipuis cmni 
festisj in quibus Universitas veteri de more convenit, Musicum chorum 
pro viribus adjutent^?- Außerdem wird dieser Chor durch freiwillige 

» D XI fol. 70. 

2 L^es alumnorum in ccademia Electorali et Ducali Saxonica Lipsiensi. 
Denuo puhlicatae Anno MDCLXI. (Univ.-Bibl. Leipzig). 



5t 



Unterstützung musikalischer Studenten bedeutend verstärkt worden 
sein, sodaß der Kantor Christoph Neander zeitweise bei festlichen 
Gelegenheiten imstande war, große Musikauffiihrungeti »vff 5 vnd 
6 Chören« zu veranstalten (vgl. S. 58). — Dieses Amt eines KBntors 
an der Paulinerkirche führte z. B. 1580 — 1582 Sethus Calvisius und 
vielleicht auch um 1669 der erst neuerdings allgemeiner bekannt 
gewordene Christian Clodius aus Neustadt i. S.^ 

Der Bath zu Dresden beauftragte den Oberstadtschreiber M. 
Schobert, sich hier nach einem für das Kreuzkantorat geeigneten 
Studenten zu erkundigen. Dieser schrieb darum an seinen »guten 
Freund«, den Professor der Beredtsamkeit M. Joh, Friedrich am 
25. Juli 1612 folgendermaßen : 2 ». . . Mein geilißen willig dinst Zuvor, 
Ehrenwerdster Achtbarer vnd wohlgelarter, Insonders günstiger Herr 
vnd freundt. Demselben mach ich nicht bergen, das des Cantoris 
Dienst an der Schulen zum heiligen Creutz alhie sich verlediget, 
Vnd von meinem E. Rathe, meinen Herren, wieder bestellet werden 
soll, Ob sich nun wol personen darumb annemen, vnd gern dazu 
befordert sein wollten. Dieweil aber gedachte meine Herrn gern 
eine qualificierte person, damit man beßer als zuvohm bestehen 
köntte, darzu haben wollten, vnd oftermals gelehrte gesellen an Vni- 
versiteten zufinden, welche dergleichen Dinst beforderung wirdigk 
vnd mit nutz verrichten könten, Als ist mir von den herrn Burger- 
meister vnd senioribus des Raths aufgetragen, an einen bekanten 
freund zu leipzigk zu schreiben, vnd zu erfahren, Ob zu solchen 
Dienste jemand vorzuschlagen vnd zu commendiren were. Es wurde 
aber an Ime neben andern requiriret in litteris ein solcher perfectus, 
das er neben Verrichtung des singens in der Kirchen auch in der 
schulen den maioribus etliche lectiones lesen könne. Wie dann die 
antecessores so vor dem itzigen Cantore [qui propter imperitiam et 
ruditatem in litteris remotus est) gewesen, neben den praeceptis Mu- 
sices, Horatium oder einen andern poeten, Terentiunij Arithmeticam 



1 Vgl. »Vierteljabrsschrift für Musikwissenschaft« 1891, S. 579 ff. den Aufsatz 
von W. Nießen »Das Liederbuch des Leipziger Studenten Clodius«, in welchem 
sich letzterer »Vorsteher der paulinischen Tischgenossenschaft« nennt. Dieser Titel 
ist wohl schon für die I.Hälfte des 16. Jahrh. nachweisbar, da die Matrikeln im 
Wintersemester 1541/42 unter den »Poloni« einen »Jacobus Berger, Oeeonomus 
communitatis Paulinae, Zittaviensis« nennen. Die Frage, ob sich letztere Bezeich- 
nung mit dem »Cantor ad D. Pauli« deckt, bedarf natürlich noch einer genaueren 
Untersuchung. Diese ganze Erörterung, welche über den Bereich unserer Arbeit 
hinausgeht, hat nur den Zweck, auf das bis jetzt noch völlig im Dunkeln liegende, 
ohne Zweifel rege musikalische Leben auf den deutschen Universitäten und speziell 
in Leipzig hinzuweisen. 

2 D V fol. 217 f. 

4* 



52 



und dergleichen lection gelesen. So wollte man auch gern, das ein 
künftiger Cantor alhie mit den darzu gehörigen naturalibus der 
stimme halben Vorsteher sein möchte. Die besoldung ist zwar an 
barem gelde nicht groß , Meines bedunckens* nicht vber 50 fl., hat 
aber feine acddentia sonderlich von den funeribus und hochzeitten, 
so sich alhie oft begeben, das man darfür helt, der Cantor sein ein- 
kommen wann es zusamen gehaltten wird vber 200 fl. bringen könne 
vnd wann er priuatos discipulos finita schola haltten wil, wie dann 
alhie darzu gute gelegenheit, kan er dauon auch ettwz vordinen. 
Eine hahitation wirdt Ime auf der schulen gegeben, quam diu est 
coelebs, aber nicht cum familia. Weil nun Zu leipzigk der Chorus 
MmicuSy wie Ichs verstehe, nicht vbel bestellet, vnd vermutlich hiezu 
qualificierte Studiosi zu finden sein werden, denen damit gedienet, als 
hab ich dieses vertraulich gelangen lassen wollen, dinstfreundlich 
bittende, do der herre jemand zu solchem Dinst wüßte, Er demsel- 
bigen anleitung geben wolle, daß er sich neben einer kleinen 
Commentationsschrift zum ferderlichsten bey mir angeben möchtte, 
Were Ich erbettigk, Ihn meinen herrn ferner zu kommentiren. Ich 
halte dafür, das Dominus Calvisius auch guten Rath hiezu wißen 
möchtte, An den ich zwar hette schreiben vnd den Herrn mit dieser 
mühe vorschonen wollen, wenn ich mit Ime bekannt were. Die be- 
mühung, so der Herr deßfals auf sich nimbt, bin ich zuverschulden, 
vnd stehe dem herrn zu dienen jeder Zeit willig vnd geflißen. 
Dat. Dreßden, den 25. July 1612.« 

Das Koncept dieses Schreibens ist das einzige, was uns einen 
Einblick in die Vorgeschichte der Berufung Rüling's gewährt. Doch 
ist hier der Zusammenhang nicht schwer zu erkennen : der Professor 
Friedrich hat Samuel Rüling empfohlen, der damals gewiß Kantor 
an der Paulinerkirche gewesen und sich in studentischen Kreisen in 
wissenschaftlicher und musikalischer Beziehung ausgezeichnet hat. 
Auch als Dichter scheint sich dieser in Leipzig bekannt und beliebt 
gemacht haben, da er sich damals schon den Lorbeer eines Kaiserl. 
gekrönten Poeten errungen hatte. Der Rath hatte natürlich bei 
einer solchen Persönlichkeit keinen Grund zu Bedenken. So wurde 
dieser denn auch zum Kantor gewählt und am 17. September 1612 
in sein neues Amt eingeführt.^ 

Samuel Rüling (auch Rühling , Rhuling , Rülich) wurde unge- 
fähr 1586 in Groitzsch, unweit Leipzigs, als Sohn des Organisten 



1 »Pandectae etc.« fol. 95. 



53 



Johann RüHng geboren, i Nachdem er sich im Elternbause wohl 
auch in der Musik gründliche Kenntnisse erworben hatte; wurde er 
am 20. Juni 1601 in die Fürstenschule zu Grimma aufgenommen, 
welche er am 4. Juli 1606 wieder verließ. An seine Stelle trat hier 
noch an demselben Tage sein Bruder Johann Rüling aus Groitzsch, 
der dieser Schule bis 17. Mai 1612 angehörte. 2 Samuels Lehrer 
waren hier vor allem der Rektor M. Martin Hayneccius (1588—1610) 
und der Kantor M. Fridericus Birck (1591— 1621). ^ 

Noch im Sommersemester 1606 wurde er dann bei der Universi- 
tät Leipzig immatrifculirt, 4 wo er im W.-S. 1609/10 unter dem. 
Dekan der philosophischen Fakultät M. Ambrosius Sonnewaldt pro- 
movirte. Wie aus dem Magister- Panegyricus hervorgeht, scheint er 
besonders den Theologen Mühlmann und Harbart, sowie dem Pro- 
fessor der Naturwissenschaft und Physik Corvinus reiche Anregung 
und Förderung verdankt zu haben. Rüling setzte darauf seine Stu- 
dien in Leipzig weiter fort, bis er 1612 das Dresdener Kantorat 
erhielt. 

Leider ist aus den urkundlichen Quellen über seine Amtsführung 
gar nichts zu ersehen. Nach einem weiter unten mitgetheilten 
Schreiben an den Rath fühlte er sich in seinem Amte so wohl, daß 
er fast über nichts zu klagen hatte. Dennoch aber zog ihn eine 
innere Neigung zum geistlichen Amte. Als darum 1613 der Diakonus 
der Kreuzkirche M. Christoph Laurentius zum Hofprediger ernannt 
wurde, meldete sich auch Rüling neben drei anderen Bewerbern für 
die erledigte Stelle. ^ Auf Vorschlag des Superintendenten wurde 
diese in der Rathssitzung vom 23. April zwar dem Pfarrer zu Wacha 
M. Daniel Reichardt zugesprochen, doch muß auch Rüling's Probe- 
predigt dem Superintendenten gefallen haben, denn im Protokoll 
lesen wir: »Cantoris Person ist ihme auch gefellig, und möchte ver- 
tröstet werden, daß ihme die nechste forderung zugesagt sein sollte. 
Hette nicht vermutet, daß er ein solch donum zum predigen hette. 
Mann hette Ihn künftig an der handt, wenn sich ettwas zutrüge, 
entweder zur promission, Substitution ader sunsten« (fol. 353). Dieser 



1 Das sichere Geburtsjahr konnte ich nicht erfahren, da die Kirchenbücher 
zu Groitzsch nur bis zum Jahre 1684 zurückreichen. Nach Ausweis derselben hat 
es noch bis 1778 dort eine Familie Rühling gegeben. 

2 Chr. G. Lorenz, Grimm enser- Album, S. 84 und 92; Dietmann, a. a. O., Bd. I 
S. 1425 f. 

3 Vgl. Magister-Panegyricus vom Jahre 1610, verfaßt von M. Valentin Här- 
tung, Laureatus poeta, enthalten im 1. Band der Panegyrici magisteriales Lipsien- 
ses, 1590 — 1638 (Universitäts-Bibliothek Leipzig). 

* Die Univ.-Matrikel verzeichnet ihn: »Samuel Kuelingius Grezensis, V2 A-« 
5 D V fol- 350. 



54 



Bescheid mag Rüling zu neuer Hoffnung angeregt haben. Denn 
bereits am 26. April richtet er ein weiteres Schreiben an den Rath, 
in dem er um Berücksichtigung seiner Person bei der nächsten Va- 
kanz bittet (fol. 354). Es lautet: y^Quoniam nunc, Viri consultisstmij 
jussu et consilio vestro cathedram publicam ascendi, et denuo a Vobis 
peto ea tarnen^ qua par estj submissione et observantia, ut adhuc fcLcie 
me accipiatis benigna^ et si fieri potest, vestrum Diaconum me designetü. 
Quamvis enim in tali Jam versor officio, ut fere de nihilo conqueri 
habeam: ardmus tarnen mens ad statum Theolofficum, qui est ministe- 
riunty tanquam ad exoptatum studiorum finem, omnino aspirat. Prop- 
terea me audite et Juvate. Promitto vobis vicissim in officio industriam, 
in moribus oboedientiam, in doctrina puritatem, inque vita modestiam 
et pietatem, et quod maxime necessarium est, certe gratus ero, non 
tarnen carmine, sed re, Graiia^ quam nobis res probat, illa bona est. 
Dab. e schola, 26. Apr. 1613. 

V. sum subj'ectissimus 

M. Samuel Rüling 
Cantor. a 

Als nach 2 Jahren sich wieder ein Diakonat an der Kreuzkirche 
erledigte, da derselbe M. Daniel Reichardt als Pfarrer und Superin- 
tendent nach Rochlitz berufen worden war, beschloß der Rath am 
1. September 1615, »daß der Kantor zur Probepredigt und Vocation 
soll gefordert werden.« Am 16. September erhielt Rüling die Vokation. 
1620 wurde er sodann Archidiakonus und starb als solcher im Juni 
1626, in einem Alter von ungefähr 40 Jahren.^ — 

Welche Bedeutung ihm bereits zu seiner Zeit und auch noch 
später beigelegt wurde, zeigt u. a. der Umstand, daß ihn M. Sivers unter 
den gelehrten Kanjoren aufführt. ^ Einer seiner Schüler ist auch sein 
zweitnächster Nachfolger im Kantorat, Michael Lohr. 

Von Kompositionen Rüling's sind mir 4 Motetten bekannt ge- 
worden : 

1) »Ein tag in deinen vorhöffen«, 8 voc, vorhanden in der 
Kgl. Bibliothek zu Berlin: Ms. Z 42, Nr. 19. 8 Stimmbücher von 1614. 

2) »Gott ist in Juda bekannt«, 9 voc. Kgl. Bibliothek Berlin: 
Gräffenhainsches Ms. von 1643, Nr. 190. 

3) »Ich hab den Herrn allzeit für Augen«, 8 voc. Kgl. 
Bibliothek Berlin: Ms. Z 40, Nr. 19, mit Bass. cont., 9 Stimmbücher. 



1 D XX» 40f fol. 3. 

2 M. Sivers, »der gelehrte Cantor«, aus dem Lateinischen übersetzt von 
Mattheson. Hamburg 1730, S. 24. Merkwürdigerweise giebt dieser 1625 als Rü- 
ling's Todesjahr an, obwohl er sich besonders auf Witte's »Diarium Biographicum« 
stützt, der ihn richtig 1626, aber fälschlich am 29. Dez. als gestorben verzeichnet. 



55 



4) »Machet die Thore weit«, 8 voc^mit 2 Intermedien. Stadt- 
bibliothek zu Breslau: Ms. XXIII Nr. 126, 8 Stimmbücher. ^ 

Letztere ist die größte und auch bedeutendste unter diesen. 
Der Komponist hat es verstanden, mit einfachen Mitteln dem Ganzen 
einen lebendigen, dramatischen Charakter zu verleihen. Er erzielt 
das besonders durch Einfuhrung von zwei kurzen dreistimmigen 
Zwischensätzen, durch die er gewissermaßen einzelne Personen im 
Gegensatz zur Masse des Chores heraushebt und beide Theile dann 
zu einander in ein korrespondirendes Verhältniß stellt. Diese Motette 
verräth also deutliche Spuren des Einflusses der um das Jahr 1600 
von Florenz und Venedig ausgegangenen Kunstrichtung in der Musik, 
des italienischen Sologesangs. 

Sie führt somit einen neuen interessanten Beweis, daß letzterer 
bereits im Anfang des 17. Jahrhunderts in Deutschland bekannt und 
nachgeahmt wurde, daß wir diesen also nicht erst, wie noch heute 
von Musikhistorikern vorgetragen wird, durch die Ver mittel ung eines 
Heinrich Schütz und Michael Prätorius erhalten, sondern schon vor 
ihnen andere deutsche Musiker direkt in den italienischen Quellen 
geschöpft haben. — 

Man kann nach alledem nur bedauern, daß Büling so kurze Zeit 
das Kantorat geführt hat. Er war ein sehr begabter, durch eine tiefe 
allgemeine Bildung gereifter Geist, von dem man noch manche vor- 
treffliche Arbeit auf musikalischem Gebiete hätte erwarten dürfen. 
Denn schon aus praktischen Gründen waren die Kantoren jener Zeit 
bei dem verhältnißmäßig geringen Notenbestand ihrer Bibliotheken, 
die sie meist selbst durch Abschrift guter Kompositionen bereichern 
mußten, auf eigene Produktionen angewiesen, wenn sie nicht allzu 
häufig wiederholen wollten. Von Rüling stammt außerdem das erste 
ausführlichere, uns erhaltene Inventarium vom Jahre 1615, welches 
auch bei den einzelnen Kompositionen meist die Namen der Autoren 
beifügt und somit von großem Werthe ist (vgl. Anhang). — In den 
letzten Jahren seines Lebens veröffentlichte Rüling noch einen Theil 
seiner Predigten: uSuccus Propheticus^ sive Conciones XXV ex 
Prophetisa und vLessus Christianusa d. i. Leichen Predigten in 
und außer der Festung Dresden gehalten, Dresden, 1624. 



1 Nach Mittheilung des Herrn Prof. Dr. O. Kade-Schwerin sollen außer der 
oben unter Nr. 3 genannten Motette noch folgende handschriftlich in der Bibliothek 
der Dreikönigskirche zu Dresden -Neustadt, angebunden an Hammerschmidt's 
»Musikal. Andachten«, 5 Bde., vorhanden gewesen sein: »Homo quidam erat 
dives«, 7voc., und »Was betrübst du dich« 8voc. Ich habe sie jedoch dort 
nicht finden können, da nur 2 Bde. von Hammerschmidt da sind, und diese keine 
derselben enthalten. 



1 



56 



Dex Bath war mit ]^üling's Amtsführung £0 zufrieden, daß er 
diesen selbst beauftragte, einen Nachfolger aus den ihm bekannten 
Leipziger Studenten vorzuschlagen. Er kam dem nach und empfahl 
angelegentlichst 

M. Christoph Neander, 1615 — 1625, 

Alumnus Electoralis und Kantor an der Paulinerkirche in Leipzig. 
Er war ein nicht minder bedeutender Mann, als Rüling, mit dem er 
gut befreundet und wohl auch dessen Nachfolger im Kantorat der 
Universitätskirche war. 

Er stammte aus Colditz und hieß von Haus aus natürlich Nau- 
mann. So findet man ihn auch im Colditzer Kirchenbuche von 1589, 
wo er unter Nr. 87 folgendermaßen eingezeichnet steht: »Vater: Urban 
Naumann zu Koltzschen. Mutter: Ursula. Kind: Christophorus, geb. 
den 18. December«.i Vielleicht 6chon im Jahre 1601 kam er nach 
Leipzig auf die Thomasschule. Wir finden ihn nämlich im Somnler- 
semester dieses Jahres auch in den Matrikeln der Universität verzeichnet« 
Diese Inskription aber würde bei Leipziger Bürgerssöhnen und solchen, 
die sich hier aufhielten, nicht selten zugleich mit dem Eintritt in die 

Schule bewirkt. 

Hier genoß er lange Jahre den Unterricht des Kantors Sethus 

Calvisius, der ihm bis zu seinem Tode ein warmer Freund blieb und 
auch durch besondere Fürsprache ca* 1606 die Aufnahme seines 
jüngeren Bruders Johann Neander in das Alumnat der Thomasschule 
erwirkte. 2 Christoph Neander verdankte seinem Lehrer Calvisius eine 
gründliche Einführung in das Wesen der Musik, sodaß er als Student 
das Kantorat an der Paulinerkirche mit dem größten Beifall zu führen 
vermochte. Seine bei besonderen Gelegenheiten veranstalteten großen 
Musikaufführungen, bei denen er sich selbst auch als ausgezeichneter 
Sänger betheiligte, erregten in Leipzig, wie aus den weiter unten 
noch mitzutheilenden Zeugnissen und Empfehlungen bedeutender 
Männer hervorgeht, nicht geringes Aufsehen. 'Zugleich aber trieb er 

1 Nach einer handschriftlichen Kandbemerkung in Simonis »oratio de bene- 
ßciis etc.« in dem schon S. 22 Anm. 3 citirten Sammelband der Universitäts-Bibl. 

Leipzig wäre er allerdings schon im Dezember 1585 geboren. Sie lautet: woceitus 
1615, 11 dec.\ mortuus Dresdae d, 21. Jan. 1625 vespert hora sexta, aet. 39 an, et 
1 mens.« Indessen dürfte diese Notiz wohl ungenau sein, welche wie alle anderen 
erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts hinzugefügt wurde, wie ja auch der 
11. Dezember als Datum seiner Berufung unrichtig ist. 

2 Letzterer starb als Kurfürstl. Sachs. Sekretär in Dresden. — Übrigens 
wurde noch am 27. Juni 1656 ein Joh. Christoph Neander aus Colditz, 15 Jahre 
alt, auf der Thomasschule recipirt. 



L 



57 



auf der Thomasschule mit Eifer Studien über die Geschichte und 
Liitteratur der alten Welt. Seine Lehrer waren hierin besonders der 
Rektor Bardenstein und der berühmte Grammatiker Konrektor Rhenius.* 

So vorbereitet begann er 1610 sein Studium der Theologie, 
dem er sich mit Fleiß hingab. Durch seine Predigten zeichnete er 
sich dermaßen aus , daß der Rath zu Leipzig kein Bedenken trug, 
ihm Hoffnung auf eine geistliche Stelle in der Stadt zu machen. Aber 
in seinem Wissensdrang scheint er auch, wie Rüling, eingehende 
Studien auf dem Gebiete der Naturwissenschaft und Physik unter 
Anleitung des Professors Wolfgang Corvinus gemacht zu haben, wie 
dies derselbe Panegyricus bezeugt. ^ Unterdessen hatte er sich auch 
ani 28. Januar 1613 in der philosophischen Fakultät unter Corvin's 
Dekanate die Magisterwürde erworben. 

Noch vor seiner Anfang Oktober erfolgten Amtsniederlegung 
hatte Rüling im Auftrage des Rathes an Neander geschrieben, um 
ihn zur Übernahme des Kreuzkantorates zu bewegen, worauf er fol- 
gende Antwort erhielt i^ »Meine ganz willige Dienste benebenst 
wünschung aller zeitlichen vnd ewigen Wohlfahrt Zuvor, Ehrwürdiger, 
Achtbarer vnd Wohlgelartter , insonders. günstiger Herr vnd Ver- 
travter lieber Freund, deßelben schreiben ist mir vom ordinar-botten 
zu recht zugestellet worden, daraus ich denn mit mehreren vernommen, 
welcher gestalt ein Ehrenvester, Hochweiser Raht zu Dreßden den 
Herren zum Diaconat der Creuz Kirchen daselbst ordentlich vociret, 
darzu ich ihm glück, heil vnd Gottes segen wünschen thue, vnd 
dahero bey Verledigung seines officii Cantoris ihn eine andere quali- 
ficirte persohn vorzuschlagen ersuchet vnd angelanget. Das nun hier- 
auff der Herr meiner wenigen persohn im besten gedacht vnd de 
meliöri nota commendiret, auch vff begehren eines Ehrenv. Hochw. 
Rahts solche seine Dienstverledigung mir zu schreiben vnd daneben 
mein gemüt, ob ich mich hierzu brauchen laßen möchte, vernehmen 
wollen, Solches erkenne ich für eine sonderliche affection, große 



* Vgl. Magister-Panegyricus vom Jahre 1613, verfaßt von M. Joachim Meisner. 
Hier lauten die betreffenden Verse: 

» Thomani fueras pdlmaris adorea Ludi, 
Et Bardensteini cura, Mhenique lahore 
Calmaiique tut, grassatus ad optiina, ductu 
Romani monumenta Orbis, vatumque lahores 
Imbiberas plenis labris « 

2 » et Sophtae qui te in penetralia duxit 

Naturaeque ostendit opes Corvinus et mnnes 
ExpUcuit gazas « 

3 D V fol. 380. 



58 



freundschaft vnd geneigten willen, vnd thue mich dafür zum aller- 
dienstlichsten und fleißigsten bedancken, Nun mag ich im kegenant- 
wortt dem Herren nicht bergen, daß ich Zwar alhier gute gewünzschte 
gelegenheit habe, nemlich freyen tisch, freye wohnung, holz, vnd 
andere bequemlichkeiten bey eim Vornehmen Handelsman, nebenst dem 
Churf. Stipendio vnd andern accidentibus, so sich in die etliche 70 fl. 
erstrecken thun, wie auch hierneben stadliche promissa von eim 
Ehrv. Hochw. Raht alhier zu vornehmen Beförderung in Kirchen 
oder schuelen, wo sich künfftig etwas verledigen sollte, Allein weil 
ich disfals deßelben schreiben für eine divinam vocationem erkennen 
mus, vnd daraus auch erwehntes officii j ehrliche reditus vnd ehn- 
liches einkommen, vmbstendiglich vernommen, Als thue ich mich 
hiermit gebetener maßen gegen dem herren erkleren, das ich nicht 
vngeneigt, mich zu mehrgedachter Dienstbestallung brauchen zu laßen, 
Ja es sollte mir, als der ich meine höchste freude, nechst Gott, an 
der Musica habe, eine sonderbare lust sein, einen Cantorem an so 
einem Vornehmen ortte zu geben, wolt auch wohl mit der hülffe 
Gottes solch Dienst dermaßen bestreiten, das ein E. Hochw. Raht 
mit mir solte zufrieden sein, inmaßen ichs denn, ohne rühm zu 
melden, in meiner Pauliner Kirchen alhier, wiewohl nicht ohne 
große mühe, dahin bracht, das in den hohen festen, vnd wenn sonst 
actus publici sein, vf begehren der üniversitet ich vff 5 vnd 6 Choren 
die musicam gehalten vnd angestellet, Wolte demnach der Herr diese 
meine erklerung, weil solche, wie aus dem schreiben zu ersehen, 
begehret worden, einem Ehrv. Hochw. Raht, nebenst Vermeldung 
meiner Vnbekannten, doch jederzeit willigen trewen Dienste unbe- 
schwert notificiren vnd zu wißen machen, vnd wofern derselbe mich 
zu obberürten verledigten Cantordienste ordentlich vociren, doch zu- 
vor zu einer prob grosgünstig beschreiben wird, wil ich hierzu jeder 
Zeit willig vnd bereit mich erfinden laßen, Welches ich in antwort 
denn Herren vnvermeldet nicht laßeu wollen noch sollen, demselben 
offerire ich hinwiederumb meine willigen Dienste vnd thue ihn 
nebenst den seinen Dominicae protectioni befehlen, 

Geben inn Leipzigk, d. 23. Sept. A. D. 1615 
Des Herren dienstwilliger Freund 

M. Christoph Neander Coldic 

al. Elect., ad. D. Pauli Cantor.« 

In einem »Post Scriptum« erwähnt er, daß er zwar, wie ihm 

Rüling gerathen, ein Empfehlungsschreiben von seinem Lehrer Cal- 

visius nicht geholt habe, »weil er sehr schwach und matt und wohl 

nicht habe schreiben können«, ^ daß aber der Professor Friedrich, 

1 Calvisius starb nicht lange darauf, am 24. Nov. 1615. 



59 



ebenso die Mitglieder des Rathes D. Theodor Möstel und sein »groß- 
günstiger Herr Schwager a Lebzelter solche zugesagt hätten. Das 
Empfehlungsschreiben Möstel's an den Rath zu Dresden, sowie das 
Lebzeltef s an den Superintendenten D. Laurentius liegt bei den Akten. ^ 
Ersterer sagt, daß er es nicht unterlassen könne, seiner Vaterstadt 
eine tüchtige, für das Kantorat passende Person vorzuschlagen, »den 
Hrn. M. Christophorum Neandrum, welcher als ein alumnus Elec- 
toralis vnlängst Alhier in magistrum promovirt^ vnd nicht allein in 
unguis et artibus ein gelarther Man, Sondern auch dabey ein Ex- 
cellens musicus dergleichen itzo alhier auf der Universitet nicht ist, 
Wie ehr dann der Löblichenn Universitet Alhier Chorum musicum 
in aedibus D. Pauli eine geraume Zeit hero, vnd nicht ohne seinen 
besondem Ruhm unterschiedene choros Regirt, vnd dergleichen 
Musicam angerichttet, Alß hiebevor bey dieser Vniversitet vnd auch 
anders nicht gewesen, Dahero Ich meinem Vaterlande einen solchen 
Mann wohl gönnen möchtte, Bevoraus weil ehr daneben in studio 
Theologico nicht alleine seine fundamenta fideliter geleget vnd der- 
selben zimlich mechtiglich, Sondern auch dabey vonn dem Lieben 
Gott mit feinen gaben zu Predigen ausgerüstet, Wie ehr sich dan 
vnterschiedlichenn in Predigtenn alhier exercitii gratia hörenn laßen, 
Derowegen ehr mit der Zeitt zum ministerio befordert zu werden 
wohlwürdiglich« etc. Der Rath zu Leipzig würde ihn bei passender 
Gelegenheit unbedenklich zu dergleichen Dienst gebrauchen. »Vnd 
ob zwar ihm zu einer Vorledigten Pfar auf des Raths guter einem 
zubefordern itzo gelegenheit offen, Weil aber Schade, das dis feine 
ingenium auf einem dorffe, weil er seine geschickligkeitt alda zu 
gebrauchen nicht gelegenheit, gleichsam vorstigkenn vnd vorsauren 
sollte, Vnd Ich vonn dem vorledigttenn Dienst zu Dresden berichttet 
worden, habe Ich an E. E. vnnd Wohlw. ihn zu recommentiren 
nicht unterlaßenn können« etc. 

Auch Lebzelter's Empfehlungsschreiben bezeugt, daß der »Herr 
M. Christophorus Neander, Theologiae Studiosus, welcher neben 
itztgedachten seinem Studio Theologico sich auch insonderheit vf die 
Musicam iederzeit höchlich beflißen, vnd darin solche ansehenliche 
profectus erlangt, das ihme darinnen wenig gleich, zu geschweigen 
vorzuziehen,« daß er ferner »ein sonderlicher außbündiger, guter 
Musicus vocalis, vnd deßen alhie zu gar vielen mahlen mit anstell: 
haltung vnd direction herrlicher Musiken in den Kirchen mit gar 
vielen unterschiedenen Chören solche Proben gethan, dergleichen 



1 D V fol. 382 f. 



60 



alhie kaum geschehen oder gehört worden, vnd er deß wegen fast, 
von iedermann gerühmet wirdt«. 

Auf Grund dieser glänzenden Zeugnisse wird Neander zu Kantor 
gewählt. Die Bestallungsurkunde datirt vom 13. Oktober 1615. — 

Das einzige mir bekannt gewordene urkundliche Schriftstück, 
welches einen Einblick in sein Amtsleben gestattet, befindet sich im 
Archiv des K. S. Landeskonsistoriums in der »Matricul Dreßdeu de 
anno 1617.« Es ist eine bei Gelegenheit der Schul Visitation ange- 
ordnete Zusammenstellung der Einnahmen aller Schulkollegen und 
etwaiger Wünsche oder Beschwerden derselben. Der den Kantor 
betreffende Abschnitt lautet (fol. 11): »Zum Cantordienst ist M. Christo- 
phonis Neander Coldicensis Von einem Ehren Vesten Wohlweisen 
B.ath zu Dreßden Von Leipzig auß, als er gleich 5 Jahr VoUkömlich 
das Churf. Stipendium danckbarlich genoßen, schrifftlichen Vociret Vnd 
angenommen Worden Ao. 1615. 

Seine Jährliche besoldung ist 
50 fl. Vom Rath 
Auß der Sophien kirchen 10 fl. 

Accidentia sind: 7 od. 8 fl. Jährlichen Von Gregorio 
8 alte schock Bier stewer Vom Rath 
12 gr. biß weilen mehr, auch wohl Weniger Von 1 Privat Knaben, 

Ein Quartal 

12 gr. Von einer Brautmeße 

4 gr. 6 .^ Von Figural leichen 

2 gr. 8 c^ Von Choral leichen. 

Gravamina betreffend : Bittet er gantz Vnterdienstlich großgünstig 
Anordnung Zu machen Vnd diese beförderung Zu erweisen, daß, 
Weil Von den Brautmeß en nicht mehr alß 12 gr. gefeit, Er aber 
stetigs, sintemal alles Vffs Höchste Kommen, Vff 3, auch wohl 
4 Chor die Musicam adorniren vnd bestellen, Vnd also mit etlich 
30 Knaben, benebenst den Jenigen, so die kleine Orgel, Positiv oder 
Regal Vff sonderliche bitt vnd begehren schlagen helffen, die dann 
auch, wie billich, Wollen contentiret sein, Vffwartten muß, Ihm 
doch noch 12 gr. zu gelegt vnd also Voll Kömlich allezeit 1 Thaler 
Vor gehabte nicht geringe mühe gereichet werden möge.« 

Man sieht hieraus, daß Neander auch in Dresden die Musik in 
derselben vortrefflichen Weise gpflegt hat, als in Leipzig, und daß 
er in kurzer Zeit die Leistungen des Chors auf eine Achtung ge- 
bietende Höhe zu heben verstanden hat. Denn wenn er es ver- 
mochte, mit nur »etlich 30 Knaben« 12- bis 16 stimmige Motetten 
und Gesänge aufzuführen, so setzt dies eine tüchtige Schulung seines 
Stimmmateriales voraus. Interessant ist der letzte Passus auch insofern, 



61 



als er zeigt, daß man zu dieser Zeit und wohl auch noch früher, 
also schon vor dem dreißigjährigen Kriege, in Dresden die Figural- 
gesänge meist nicht mehr a capella^ sondern mit Begleitung der 
Orgel oder eines sie vertretenden Instrumentes zu singen pflegte. — 
Neander scheint als Komponist weniger produktiv gewesen zu sein. 
Die Notenverzeichnisse der Kreuzkirche und die Kataloge anderer 
Bibliotheken und Sammlungen nennen ihn nicht. Dennoch aber 
zählt er zu den besten und bedeutendsten Kantoren. Durch seine 
gewissenhafte Amtsführung beseitigte er völlig die vielen Mängel im 
Chore, welche das Ergebniß einer langjährigen, unheilvollen Mißwirth- 
schaft waren. 

Auch Neander starb als ein noch junger Mann am 21. Januar 
1625,^ also nach vollendetem 35. Lebensjahre. Daß er verheiratet war, 
geht aus einer Bemerkung in den Inventarien hervor, nach welcher 
»die Frau Cantorin« nach ihres Gatten Tode die zu dessen Privat- 
eigenthum gehörigen Motetten von Orlandus Lassus zurückverlangte 
(vgl. Anhang). 

Sein Nachfolger wurde 

Michael Lohr, 1625—1654. 

Das Kirchenbuch seines Heimathsortes Marienberg in Sachsen (nicht, 
wie Gerber u. a. mittheilen: Marienburg) verzeichnet seine Geburt: 
»Michael Lohr, filius Georgii Lohr, natus 1591^ Montagp. D. XV. 
p. trinittf Sein Geburtstag würde hiernach der 23. September 
sein. Als Knabe kam er sodann auf die Kreuzschule nach Dresden, 
die er im Jahre 1615 wieder verließ. Denn in einer Bandbemerkung 
in dem schon genannten Exemplar der Leipziger Universitäts-Bibliö- 
thek von Tob. Simon's wratio de benefidis etc.« heißt es: Undecimus 
Michael Lohr, Mariaebergens,is , vocatus 1626,2 antea Cantor 1624 
Rochliz; 1615, 11. Nov. ad regimen chori Musici Dresda abiit aC jyies 
stimmt mit der Angabe in Heine's Rochlitzer Chronik^ überein, wo 
Lohr als 20. Kantor von Rochlitz und als Nachfolger von Nicolaus 
Gengenbach genannt wird, der Anfang 1616 als Kantor nach Zeitz über- 
siedelte. Lohr verdankte diese Berufung unzweifelhaft de^l eben erst 
neu angetretenen Superintendenten und - früheren Diakonus au der 



1 Fälschlich giebt Egenolf, Programmata Scholastica, 1624 als Todesjahr an. 

2 Auch diese Zeitangabe ist falsch. Seine Berufung erfolgte 1625. 

3 M. Sam. Gottlieb Heine, »Historische Beschreibung der alten Stadt und 
Grafschaft Kochlitz in Meißen«. Leipzig 1719, 24 S.9. 



62 



Dresdener Kreuzkirche M. Daniel Reichard, der ihm allezeit ein woW- 
wollender Förderer geblieben ist. Dann aber muß sich Lohr schon 
auf der Schule durch hervorragende musikalische Leistungen ausge- 
zeichnet haben, sodaß Reichard auf ihn aufmerksam wurde und kein 
Bedenken trug, den 24jährigen jungen Mann direkt von der Schule 
in ein nicht unbedeutendes Kantorat zu berufen. Denn Heine be- 
richtet a. a. O., S. 244: »Absonderlich ist unsere Schule wegen der 
Music sehr berühmt gewesen. Mathesius (Chronicon von der Schule 
zu Rochlitz) erzehlet, wie ihn wohl gedencke, daß die alten Fürsten 
ihre Discantisten in die Hof-Capelle hier gesuchet haben. Er be- 
richtet ferner, daß man gute Componisten hier gehabt.« In Rochlitz 
bestand auch schon 1579 eine mit besonderen Privilegien und Bene- 
fizien ausgestattete Kantorei- Gesellschaft, welche an Sonn- und Fest- 
tagen Kirchenmusiken unter Leitung des Kantors aufführte. Sie be- 
saß auch besondere »leges«, die aber bei einem großen Brande im 
Jahre 1611 mit allen Schriften, Noten und Instrumenten verloren 
gegangen waren. Erst im Anfang der Wirksamkeit Lohr* s, 1617, und 
wohl hauptsächlich auf dessen Betrieb, kamen neue Statuten und 
eine iieue Organisation der Gesellschaft zu stände. 

Nach einer zehnjährigen, fruchtbaren Thätigkeit Lohr's in Roch- 
litz wurde er in einem Schreiben des Superintendenten Reichard an 
den Rath zu Dresden vom 23. Februar 1625 für das erledigte Kreuz- 
kantorat auf das Wärmste empfohlen. Wir lesen hier:^ «... Weil 
es denn an dem, das dieser Michael Lohre die Zeit vber, solange Ich 
zu Rochlitz Pfarrer vnnd Superintendens gewesen, beides in der 
Kirchen vnnd Schulen, Auch sonst in seinem Leben vnd wandel sich 
also verhalten, das menniglich des orts mit Ihm wol Zufrieden ge- 
wesen, vnd Ich Ihme mit warheit dieses Zeugnis geben kan, das Er 
einen rechten guten Cantorem vnd Musicum gibet, gar eine schöne 
anmutige starke stimme, auch in musica instrumentali, sonderlich auf 
der lauten, geigen vnd andern instrumenten wol geübt, vnd darzu 
gar ein fein modeatum ingenium ist, stilles, friedfertigen, eingezogenen 
Wandels, dem trunke gar nicht zugethan, (Inmassen auch Herr Johan 
Schütz, Churf. S. Capelmeister Ihn seiner stimme halben nur neu- 
licht gerne nach hof haben wolte) . . .« Dieses Schreiben, welches 
zugleich ein Bild von der vielseitigen musikalischen Begabung Lohr 's 
giebt, ist auch darum von besonderem Interesse, weil es gewisse Be- 
ziehungen Lohr's zu dem berühmten Heinrich Schütz (wie natürlich 
für »Johann« zu lesen ist) erkennen läßt. Ob er diesem noch von 
Presden her bekannt war, wissen wir nicht. 



1 I) XI fol. 51 w/x. 



63 



Infolge dieses Schreibens wurde Lohr vom Eathe zu Dresden zu 
einer Probe geladen, welche am Sonntag Invocavit in der Kreuzkirche 
stattfand, auf Grund deren er dann in der Eathssitzung am 9. März 
unter Anwesenheit des Superintendenten D. Strauch gewählt wurde. 
Das Protokoll lautet:^ »Ist Auf dieses Cantoris Michaelis Lohren 
Pershon geschloßen worden, weil Er in gethaner Probe gar wohl be- 
stand, das Ihme im Nahmen Gottes die Vocation Außgeferttiget werden 
solle.« — Das Antwort- und Dankschreiben Lohr*s aus Rochlitz 
datirt vom 8. April (fol. 52^/^). Er theilt darin dem Rathe mit, daß 
er sich etwa am 24. Mai in Dresden einstellen werde und bittet 
»um das Losament, welches der vorige Cantor innegehabt. «^ 

Kurz vor seiner Ankunft in Dresden beschloß der Rath in 
einer Sitzung vom 19. Mai: »Wolfgangus Jenichen soll hinfiihro 
Tertiam Ciassem et Tertium locum Inter Collegas Scholae^ der Newe 
Cantor Michael Lohre Aber Quartam Ciassem et Quartum locum haben.« ^ 

Das Kantorat wurde also jetzt erst offiziell auf die vierte Stelle 
herabgesetzt. Alle älteren Geschichtsschreiber der Kreuzschule, be- 
sonders auch Bohemus, sind sich über diesen Punkt sehr im Un- 
klaren. Letzterer läßt die Reihe der Kantoren und Quarti bereits 
mit Andreas Petermann beginnen und bei Neander bemerkt er: »qui 
temer e tertium locum affectare ausus.<i^ 

Auch Lohr's Amtsführung kann man als eine glückliche be- 
zeichnen. Er selbst äußert sich in der Vorrede zum zweiten Theil 
seiner noch näher zu besprechenden Kirchengesänge: »Zur Musika- 
lischen Kunst hab nun ich zeit meines Lebens | biß annoch grosse 
Beliebung getragen | massen denn mein Ampt solches erfordert | dan- 
nenhero mich auff dieselbe geleget | neben meinen Schul laboribus 
darinnen geübet | vnd den einigen Scopum vor mich gehabt | solch 
mein mir anvertrawtes x\mpt in der Kirchen also zuverrichten ( da- 
mit es dem Allerhöchsten zu ehren gereichen | Christliche Andacht 
bey den anwesenden erwecket | vnd einer vnd der ander geistreicher 
Gesang fein zierlich vnd verständig möchte gesungen werden«. 

Er hat sich besonders als Komponist rühmlich hervorgethan. 
Seine Kirchenstücke fanden in Dresden soviel Beifall, daß er sie 
»auff gutachten vornehmer Leute« dem Drucke übergab. Ihr genauer 
Titel ist: 



^ ebenda fol. 51 ^. 

'^ ßohemus giebt in den »Pandeetae etc.« fol. 95 fälschlicli den 30. März aU 
Tag der Berufung, und den 20. Mai als den seiner Einführung an. 
3 B Vn» 16 fol. 3. 



fi4 



Newe Teutzsche Kir- 
chen Gesänge | so nicht allein zusingen 
sondern auch auff allerhand Instrumenten jederzeit 
fiiglichen zugebrauchen | Sampt einem 
Basso Continuo 
Mit 7 vnd 8 Stimmen 
Gesetzet durch 
Michaelem Lohr Mariaemont. 
jetzigen Cantorem in Dreßden. 
In Verlegung des Autoris, vnd daselbst auff 
der Schulen zu befinden. 



Kurf. Sachs. 
Wappen. 



Gedruckt zu Freybergk | bey Georg Hoffman 

Im Jahr 1629.1 
Dieser Band enthält 14 achtstimmige und eine siebenstimmige 
Motette, • — Von vielen Seiten erhielt Lohr daraufhin Anerkennungs- 
schreiben, zum Theil in Gestalt lateinischer Lobgedichte, welche in 
dem acht Jahre später erschienenen zweiten Theile der Kirchengesänge 
mit abgedruckt sind. Der Titel des letzteren lautet: 

Ander Theil 2 
Newer Teutscher vnd La- 
teinischer Kirchen Gesänge vnd Concerten | so nicht allein zu 
singen | sondern auch auff allerhand Instrumenten zuge- 
brauchen I sampt einem Basso Continuo 

1 Vorhanden in der Xgl. Bibliothek zu Berlin (9 Stimmbücher); Bibliothek 
der Musikfreunde in Wien, Kgl. Bibliothek zu Dresden [fehlt: 2. Tenorstimme^ 
und die beiden ersten Nrn. beim Cant. I); Stadtbibliothek zu Leipzig (fehlt: 
2. Tenorstinmie und Baß cont.)* Femer ist vorhanden in der Kgl. Bibliothek zu 
Dresden (Löbauer Ms.-Sammlung, Packet 53) von Motette Nr. 11 »Eins bitte ich 
vom Herrn« 8 voc: Cant. I. II. Alt I, Tenor I. II; in einem handschriftlichen 
Sammelwerk dey Rathsschulbibliothek zu Zwickau: Nr. 11 »Eins bitte ich vom 
Herrn« 8 voc. (fehlt: Baß I), Nr. 13 »Vnser wandel ist im Himmel« 8 voc. (fehlen: 
Alt II, Ten. I. II), Nr. 14 »Herr wenn ich nur dich habe« 8 voc. (fehlen: Cant. I, 
Alt U, Ten. I. II); in der Kgl. Bibl. zu Berlin, Ms. Z. HO foL 634: Nr. 14 
»Herr wenn ich nur dich habe« 8 voc. Partitur; Ms. Z. 40 (9 Stimmbücher aus 
dem 17. Jahrhundert) Nr. 29: »Mein Trost vnd hülff ist Gott allein« 8 voc. (Nr. 7 
des gedruckten Originals) ; Nr. 30: »Vnser wandel ist im Himmel« 8 voc. (Nr. 13); 
Nr. 122: »Haben wir das gute vom Herren empfangen« 8 voc. (Nr. 15). 

2 Die biographischen Werke von Gerber und F6tis sprechen nur von einem 
1, Theile, der 1637 erschienen sein soll. Der Titel desselben wird von ihnen 
folgendermaßen angegeben : «Neue Teutsche und Lateinische Kirchen-Ges&nge und 
Concerten in fünfzehn 7- und 8 stimmigen Motetten. 1. Theil. Dresden 1637. 4.« (I) 



65 



Mit 5. 6 vnd 8 Stimmen 

Gesetzt durch 

Michaelem Lohr Mariaemont. 

itzigen Cantorem in Dießden. 



Mit Churfl. 
Sachsen 



Kurf. Sachs. 
Wappen 



Durchlaucht zu 
Fieyheit. 



Gedruckt zu Dreßden | bei Wolff Seyffert | in Verlegung des 
Autoris I vnd daselbst aufi der Schule zubefinden. 

Im Jahr 1637. i 

Dieser Theil enthält 24 Motetten, von denen drei fünfstimmig^ 
sechs 6 stimmig und fünfzehn 8 stimmig sind. In der Vorrede be- 
klagt sich Lohr noch mehr, als in der des ersten Theiles darüber, 
daß so viele die Figuralmusik lieber ganz aus dem Gottesdienst ver- 
bannt wissen wollten: »Heutzutag werden in der Christenheit nicht 
allein Leute gefunden, welche an der musica vocali vnd instrumen^ 
tali nicht nur mißgefallen haben, vnd dieselbe mit allerhand läster- 
lichen Worten verachten, sondern theils, vornehmlich in dieser 
Martialischen Zeit, viel lieber der Carthaunen krachen, vnd der 
Mußqueten knall hören, theils auch wohl gar dieselbe in der Kirchen, 
bei Verrichtung des Gottesdiensts, nicht dulden noch leiden können.« 
Lohr sucht also den Grund hierfür in einer allgemeinen, durch die 
Kriegszeiten herbeigeführten Verrohung der Gemüther, in einem 
Mangel an Interesse und Freude an der Musik. Vielleicht liegt er 
aber doch mehr darin, daß Lohr in seinem Übereifer der Figural- 
musik oft einen allzubreiten Raum im Gottesdienst zugewiesen hat. 
Denn in jenem Falle würde doch wahrscheinlich auch die Heraus- 
gabe dieses zweiten Theiles nicht erfolgt sein. 

Den Einflüssen einer neuen instrumentalen Strömung in der Musik, 
welche von Heinrich Schütz in Dresden ausging und herrschend wurde, 
konnte sich natürlich auch Lohr nicht entziehen. Er scheint die 
Instrumentalmusik mehr als seine Vorgänger bei den kirchlichen 
Aufführungen verwendet zu haben. Ein Beweis hierfür ist die 



1 Diesen 2. Theil besitzen: die Kgl. Bibliothek zu Berlin {9 Stimmbücher); 
Kirchenbibliothek zu K a m e n z ; Kgl. Bibliothek zu Dresden (fehlt : Ten. II) ; 
Stadtbibliothek 2u Leipzig (fehlt: Ten. II und Bass cont.). In der BibHothek 
der Stadtkirche zu Pirna sind vorhanden die Stimmbücher des Cant. I, Ten. I, 
sexta Yox und Bass cont. Endlich besitzen einzelne Motetten handschriftlich: KgL 
Bibliothek Berlin, Ms. Z. 40 Nr. 17: »Ich hab mich Gott ergeben« 8 voc. (Nr. 18), 
und Kgl. Bibliothek Dresden (Noten aus der Kirchenbibliothek zu Schellenberg) : 
»Ach bleib bey vns Herr Jesu Christ« 8 voc. (Nr. 14) ; »Herr wer "wird wohnen in« 
8 voc. (Nr. 23), und mehrere andere unvollständig. 

5 



)) 



66 



Vermehrung der Vorräthe an Instrumenten unter seinem Kantorate. 
Wie schon der Titel seiner Kirchengesänge besagt, waren diese »auch 
auff allerhand Instrumenten zu gebrauchen«, d. h. die einzelnen 
Instrumente spielten die Gesangsnoten mit, stützten und verstärkten 
also den Chor. Eine selbständige Betheiligung des Orchesters findet 
sich nur in einer einzigen Komposition des zweiten Theils (Nr. 5 
Symphonia, Machet die Thore weites 6 voc). Sie enthält eine kurze 
Einleitung und kleine Zwischensätzchen für das Orchester. Die In- 
strumentation beschränkt sich hier allerdings auch auf mehrere Vio- 
linen, Trompeten, Posaunen und Orgel. — In den meisten Fällen 
werden diese Kompositionen aber nur auf dem Positiv begleitet 
worden sein, da zwei solcher Instrumente unter Lohr neu angeschafft 
wurden. Deßhalb gab ihnen der Komponist auch durchgängig einen 
Bassus continuus bei. Schon unter Neander machten wir auf diese 
Praxis aufmerksam, welche immer weiter um sich griff, je mehr in 
dem allgemeinen Verfall auch die Kunst des selbständigen a capelh- 
Gesangs verloren ging. Sie erhielt sich noch lange Zeit, ja wir 
können sie sogar, wie bekannt, noch bei J. S. Bach an vielen Stellen 
nachweisen. 

Außer diesen Gesängen verzeichnen die luven tarien noch eine 
Motette Lohr^s, die er 1644 zur Einweihung einer neuen Orgel in 
der Kreuzkirche schrieb und dem Rathe dedicirte. Es war eine 
Komposition des 150. Psalms. Aus gleichem Anlaß hatte auch 
der damalige Organist Elias Eißberg den 149. Psalm komponirt und 
in Druck gegeben. 

Am 22. Oktober 1651, wenige Jahre vor Lohr's Tode, erschien 
ein neues Regulativ für die Kirchenmusiken in den Stadtkirchen 
zu Dresden.^ Danach soll der Kantor an jedem ersten und dritten 
Sonntag des Monats in der Kreuzkirche und am vierten in der 
Frauenkirche Musiken aufführen. In der Sophienkirche sollen solche 
nur an den hohen Festen stattfinden. Die Bestimmungen für 
die Feiertagsmusiken sind heute noch zum großen Theile die- 
selben. — 

Lohr starb nach einer 29 jährigen gesegneten Amtsthätigkeit am 
17. Februar 1654 früh 4 Uhr. 2 

Nach einem viermonatlichen Interregnum wurde am 20. Juni 
als Nachfolger eingeführt 



1 D XXXIII 11k foi. 14 ff. 

2 Vgl. «Pandectae etc.« fol. 95. 



67 



Jacob Beutel, 1654—1694. 

Nach der Grabaufschrift auf dem Friedhofe der Frauenkirche 
wurde er zu Niedergrund in Nordböhmen am 2. März 1624 geboren.^ 
Aus seinen Jugend- und Lehrjahren erfahren wir gar nichts. Auch 
in den Leipziger Universitätsmatrikeln ist er nicht verzeichnet. 
Überhaupt haben sich trotz seiner langen Amtszeit verhältniß mäßig 
nur wenig Nachrichten über ihn erhalten. 

Bevor er nach Dresden übersiedelte, war er Kantor zu Luckau 
in der Niederlausitz. Als solcher bewarb er sich am 2. März 1654 
um das erledigte Kreuzkantorat. Als Mitbewerber meldeten sich: 
Adam Fritzsch, Kantor in Annaberg, Michael Seiler, Theol. Stud. in 
Alten -Dresden, Abraham Himler, Kantor in Hayna (Großenhain), 
Johann Rosenmüller in Leipzig, Christoph Schultz, Kantor in De- 
litzsch und Melchior Röthing, Theol. Stud. und »Cant. apud Friede- 
bergen er. 

Von diesen sind noch heute Rosenmüller und Schultz als be- 
deutende Musiker und Komponisten bekannt. Ersterer war von 
1647 — 1655 KoUaborator an der Thomasschule und starb 1686 als 
Kapellmeister in WolfenbütteL Chr. Schultz machte sich besonders 
durch eine vortreffliche Lukaspassion bekannt, welche er als einer 
der Ersten 1653 in Leipzig drucken ließ.^ 

Der zuletzt genannte Melchior Röthing konnte sogar seiner Be- 
werbung ein Empfehlungsschreiben des Kurprinzen Johann Georg 
beilegen, welches vom 20. Februar datirt und mit dem Wunsche 
schließt, daß der Rath Melchior Röthing ))zum vorledigten Cantorat 
befordern, oder bey begebender Translocation für allen andern be- 
dencken« möge.^ Dieser aber ließ sich dadurch in seiner freien 
Entschließung nicht beeinflussen. Er sandte am 24. Februar ein 
Schreiben an den Kurprinzen, des Inhalts, daß er des Kurprinzen 
Wünsche zu beobachten wissen werde, doch müsse er »die Kirche 
und Schule mit einem qualificirten subjecto wieder versorgen cc, und 
da sich bereits mehrere Bewerber gemeldet hätten, unter denen 
zugleich gute Komponisten seien, so wolle er Röthing zur Probe 
mit vorschlagen. Würde dieser dann »nicht allein in Mtisicis mit 
dergleichen qualitüten begabt, sondern auch in der Lateinischen 
spräche dermassen fundirt sein, das Er der studirenden Jugend wohl 



^ J. G. Michaelis »Dresdnische Inscriptiones und Epitaphia«, S. 528. — Bo- 
hemus bezeichnet ihn fälschlich als »Misnensiso. 

2 Vgl. über ihn Gerber, Neues histor.-biogr. Lexikon der Tonkünstler, Bd. IV, 
Spalte 141; und H. Kretzschmar, Führer durch den Concertsaal, II, 1, S. 17 ff. 

3 D XI fol. 199. 



5* 



68 



vorstehen könne«, so werde er vor allen anderen berücksichtigt 
werden. 

Jacob Beutel, dem, wie er selbst in seinem Bewerbungschreiben ^ 
bemerkt, »die Natur (wie man zu sagen pfleget) die Leyer in die 
Hand gedrückt und also Zur Music anlas gegeben«, scheint mit dem 
Kreuzkirchen - Organisten Alexander Hering " befreundet gewesen zu 
sein, der ihm gewiß auch ein warmer Fürsprecher beim Rathe war. 
Denn letzterer beauftragt Hering, jenen für die Osterfeiertage zur 
Ablegung der Probe einzuladen. 

In einem Antwortschreiben BeuteVs an Hering vom 20. März 
(fol. 208) bittet dieser jedoch um Verschiebung der Probe bis auf 
den Sonntag Quasimodogeniti , da es in seinem Orte niemand gebe, 
der in der Marterwoche und den Feiertagen »der Music tüchtig vor- 
stehen könte«. Am Schlüsse ersucht er ihn noch um »Zuschaffung 
feiner Musicalischen Sachen« für diese Probe, wie auch seiner eigenen 
Komposition. — Es ist zu bedauern, daß letztere, welche er wohl 
zugleich mit seiner Bewerbung eingereicht hatte, nicht bei den Akten 
liegt und somit leider verloren sein dürfte, umsomehr, als es die 
einzige eigene Arbeit Beutel's ist, von der wir hören. 

Die Kantoratsprobe war in der That vom Käthe bis auf Quasi- 
modogeniti (= 2. April) verschoben worden. Einen Bericht über 
den Ausfall derselben finden wir in einem Schreiben des Käthes an 
den Kurprinzen (fol. 225): Man habe vier Aspiranten zur Probe zu 
gelassen, unter ihnen auch Röthing, »worunter aber Jacob Beutel, 
Cantor zu Lucka, sonderlich excelliret vnd sich wohl erwiesen, also 
das auch mit Einwilligung deß Herr Superintendens auff deßen person 
geschloßeu vnd Er zu solcher vacantz nunmehro vociret worden«. 

Um sich jedoch auch dem Kurprinzen gefällig zu erweisen, fügt 
der Rath hinzu , daß er es nicht unterlassen habe , Röthing für die 
durch BeuteVs Weggang frei werdende Kantorstelle in Luckau zu 
empfehlen. 

Die Bestallungsurkunde Beutel's vom 5. April 1654 (fol. 226 f.) 
sagt u. a., daß er dem Rathe nicht allein »von der Music erfahrnen 
recommendirt worden«, sondern daß dieser auch an seinem » Jüngst 
abgewichenen 2. huius alhier abgelegten specimine ein gefallen ge- 
tragen«. 

Wohl im Mai siedelte er nach Dresden über und verheirathete 
sich hier am 6. Juni mit Dorothea Naubitzer, der Tochter des Pfarrers 
zu Croppa. Das gesammte Lehrerkollegium unterließ es natürlich 
nicht, dieses Ereigniß, wie üblich, in schwungvollen lateinischen 



1 Ebenda fol. 207. 



69 



Versen zu feiern, die dann gesammelt und zu einem Druckheft ver- 
einigt wurden. * — Am 20. Juni erfolgte dann, wie erwähnt, die 
feierliche offizielle Einführung in sein neues Amt, welches er genau 
40 Jahre lang zum Segen der Kirche und Schule verwaltete. 

War Beutel auch als Komponist weniger produktiv, so widmete 
er umsomehr seine Kraft der Verbesserung und Förderung des 
Chores und ' seiner musikalischen Leistungen , wodurch er sich die 
größten Verdienste erworben hat. Denn der dreißigjährige Krieg, 
welcher in den letzten Jahren auch Dresden heimsuchte, hatte die 
Disciplin in der Schule stark erschüttert. Lohr vermochte diese 
in seinen letzten Lebensjahren nicht zu heben. Dazu kam, daß 
der sonst um die Schule hochverdiente Rektor Johann Bohemus 
dem Chore und seinen Interessen nur wenig Verständniß entgegen- 
brachte. Durch den bedeutenden Gelehrtenruf desselben hatte sich 
die Schule in kurzer Zeit sehr erweitert. Aus allen Gegenden 
kamen Schüler herbei, die natürlich zum großen Theile arm waren 
und vom Rektor eigenmächtig und gegen die Schulordnung in das 
Alumnat oder in die sogenannte »kleine Currendea aufgenommen 
wurden. Daher seitdem die oft wiederholten Klagen über die vielen 
»supernumeraruQi auf dem Alumnat und die damit verbundenen Miß- 
stände, und die ebenso häufigen, aber wirkungslosen Verbote der 
Aufnahme neuer Alumnen über die auf 30 festgesetzte Zahl. Obwohl, 
w^ie wir sahen, schon 1607 der Rath auf das Ansuchen des Kantors 
Lisberger verordnet hatte, daß die Aufnahme von dem Ausfall der 
musikalischen Prüfung durch den Kantor abhängig gemacht werden 
soll, scheint Bohemus jene auch ohne den Kantor bewirkt zu haben. 
Die Folge war, daß ein großer Theil der Alumnen ohne musikalische 
Begabung war und darum bei den gesanglichen Verpflichtungen 
nicht herangezogen werden konnte, während sich die anderen bei 
dem häufigen und anstrengenden Kurrendesingen ihre Stimme ver- 
darben. 2 

Diese letzteren Mängel waren dem Kantor Beutel am fühlbarsten 
und einer fruchtbaren Wirksamkeit am hinderlichsten. 



1 Man findet dieses in einem starken, allerhand Gelegenheitsschriften ent- 
haltenden Bande der Bibliothek der Kreuzschule. 

2 Charakteristisch hierfür ist eine Stelle in einem Beschwerdeschreiben über 
den Rektor vom Jahre 1660: An Sängern ist ein großer Mangel, »also, daß ein 
Chor bey der Schulen kaum ein quinque auffbringen Kan, Es begehrt auch kein 
Alumnus, wenn Er auffgenommen, ferner singen zu lernen, ihrer viel gehen nicht 
mit herumb Zu singen,, etliche auch, ob Sie gleich darbey sein, halten Sie das 
Maul zu vndt singen nicht, vndt wirdt ihnen wegen dieses vnfugs von dem Hrn. 
Rectore beygepflichtet« (B VII » 191 J). 



70 



Um daher der Unbeständigkeit im Stimmmaterial, die sich natür- 
lich am meisten im Diskant bemerklich machte^ einigermaßen abzu- 
helfen, petitionierte er gleich im Anfang um Gründung zweier 
besonderer Diskantisten-Stellen. Da es aber nicht zur 
Ausführung kam, bat Beutel bereits wieder am 18. Mai 1655, die 
beiden Diskantisten nunmehr »mit Tisch, Kleidung, Bett und Infor- 
mation zu recipirenff, da jetzt zwei »hierzu tüchtige Subjecta hiesiges 
Orts« vorhanden seien, welche schon ein halbes Jahr auf Beförderung 
in das Alumneum gehofft hätten und nunmehr von ihren [Eltern 
veranlaßt würden, sich anderweit umzusehen. Auch seien jetzt mehr 
»undienliche als dienliche Subjecta recipiret worden«, worunter der 
Chor und dessen Ansehen sehr gelitten habe. Darum bitte er, ihm 
die Aufnahme der Knaben zu übertragen. * — Über den Beschluß 
des Rathes berichtet das Sitzungsprotokoll vom 8. Juni 1655:^ »Wirdt 
geschloßen, das die Zwei Discantisten bei dem Hrn. Cantori sollen 
alimentiret vndt vnterhalten werden, dafür soll Er haben Wöchent- 
lich 1 Thlr., Inmaßen Er Vor dißmahl damit Zufrieden. Betten vndt 
kleider sollen inmittels die Eltern schaffen, Biß man darza auch rath 
finden möchte. Die knaben sollen nicht gebraucht werden. . .«.^ 

Hier also erfolgte bereits der Beschluß auf Einstellung der 
beiden noch heute existirenden sogenannten »Bathsdiskantistencc, nicht 
erst, wie bisher allgemein angenommen wurde, 1664. 

Zur Ausführung scheint er allerdings erst im letztgenannten 
Jahre gekommen zu sein. Denn in einer Verordnung des Rathes 
und Superintendenten vom 22. Juni 1664 findet sich die eigentliche 
Gründungsurkunde der Rathsdiskantisten, welche hier voll- 
ständig mitgetheilt sein soll:^ ». . . Der Numerus Ordinarius soll 
Zwar, wie bishero bey dreyßig Knaben verbleiben, damit aber die 
Kirche mit ein haar guten Discantisten, daran es aniezo ermangelt, 
versehen werde, Als will E. E. Rath die Subsidia (so Gott lob durch 
Zwey alte wieder gangbar gemachte Legata sich wieder vermehret) 
an die Handt schaffen, daß solche über die Zahl der 30 Knaben mit 
Kost auf der Schuhle gleich den andern versorget werden können, 
Damit Sie aber die Stimmen nicht abschreyen oder durch andere 
Ungelegenheit verliehren, Sollen Sie auf der gaßen nicht mit singen, 
auch uf den Hochzeiten in Häusern, nur bey den Brautmeßen sich 



1 B VII 12b fol. 1. 

2 ebenda fol. 2. 

3 Das Protokoll bricht hier ab. Doch ist das Fehlende leicht zu ergänzen: 
Die Rathsdiskantisten sollten zur Schonung ihrer Stimme vom Straßensingen etc. 
befreit und nur für die Kirchenmusik verwendet werden. 

* B Vlla 191V fol. 7—9. Duplikat: B VII» 191o. 



71 



Zwar befinden, hernach aber abtreten undt ferner nicht mit a\if- 
warten, Hingegen aber auch aus der Büchse, was die andern be- 
kommen, nicht mit participiren, Hingegen will E. E. Rath Jeglichen 
wöchentlich Zu beßern unterhalt Zehen Groschen absonderlich geben 
laßen, auch den Organisten, so viel die Information im singen be- 
trifft, die Inspection über Sie auftragen, welcher Sie täglich fleißig 
exerciren und beßer unterrichten, hingegen Ihme dafür Jährlich 
Zehen Gülden aus der Schulen Vermögen gereichet werden sollen. 
Wenn aber einer von diesen beyden Knaben die Stimme mutiren 
möchte, Soll Er auf die Schuhle genommen und gleich den andern 
tractiret werden, auch das singen auf der gaßen sodann mit ver- 
richten, aus der Büchsen aber, bis sich eine ordentliche Stelle ver- 
lediget, mehr nicht als Acht groschen bekommen.« — Diese Raths- 
diskantisten wurden für den kirchlichen Kunstgesang in Dresden 
von größter Bedeutung. 

Aber auch noch andere praktische Vorschläge zur Verbesserung 
der Kirchenmusik gingen von ihm aus. In einem Memorial^ an den 
Rath vom Jahre 1671 bittet er »für bequemere Disposition der 
Musiktf um einen »ort in der Creutzkirche neben der kleinen biß 
hinüber zur großen Orgel, denn unmöglich, eintzigen Schluß des 
Predigers hinternorts auff den Chore zu vernehmen, viel weniger 
nachzuschreiben«. Das Schülerchor lag nach Weck's Dresdener 
Chronik^ »gegen Mittag werts und über der Sacristeya und wurde 
»Anno 1515 ergrößert und wie der Augenschein weiset umb ein Stück 
weiter in die Kirch wärts geruckt.« Dennoch aber war es durch seine 
ungünstige Lage hinter der Kanzel einer guten Wirkung der Kirchen- 
musik sehr hinderlich. Beutel wünscht darum den Bau eines neuen 
Chores, vom bisherigen bis hinüber zur großen Orgel, welche sich 
auf der Westseite befand. Dadurch würde er allerdings die Kanzel 
und das ganze Längsschiff der Kirche vor sich gehabt und eine bessere 
Wirkung erzielt haben: Auch heute noch werden größere Musik- 
aufführungen mit Orchester von dieser südwestlichen Ecke der Empore 
aus ausgeführt. Augenscheinlich setzte Beutel auch diesen sehr be- 
rechtigten Wunsch beim Rathe durch, denn Weck berichtet gleich 
darauf: »an Solches noch vor Jahren ein neues Chor und Orgelwerck, 
wie itzo zu sehen, erbauet worden«. 

Nicht weniger aber sorgte Beutel für die musikalische Ausbildung 
seiner Schüler. In demselben Schreiben petitionirt er um Anschaffung 



1 A II 69 Ibl. 196. 

2 Antonius Weck »Der Churfüratlich Sächsischen Residentz und Haupt- Vestung 
Dresden Beschreibung und Vorstellung«. Nürnberg 1675, S. 212. 



72 



»eines Positiv zum Musicalischen privat-Exercitio auff die Schulen , 
ein Gedanke, der erst in neuester Zeit wieder erfaßt und verwirk- 
licht worden ist. Ein dritter Wunsch war, daß die Trauungen in 
der Woche nur zu solcher Zeit stattfinden sollten, in der er und die 
Schüler keine Lektionen versäumen müßten, daß ferner »von den 
privat-Copulationihus, da biß weilen auff eingeben dieser oder jener 
Person keine Brautmeße nöthig zu sein erachtet wird, mir mein ge- 
wöhnliches Accidens möge gereichet werden, Weiln ich bey weniger 
Besoldung mehrenteils von den Accidentibus lebe«. Zum ScfaluB 
bittet er noch, »daß nach Vorher abgelegter Probe in der Music 
tüchtige und im Chore nöthige knaben möchten auff die Schule 
recipiret werden, Weiln ,sonst. keine Adjuvanten der Vocal-Music in 
der kirche ohne die Schüler bev wohnen«. 

Die Thatsache, daß musikverständige Bürger den Chor bei den 
Auffuhrungen unterstützten, fanden wir schon für das Jahr 1559 be- 
stätigt. Hier sind diese »Adjuvantentt^bereits eine ständige Erscheinung, 
mit denen der Kantor zu rechnen gewöhnt war. Daß sie natürlich 
nicht immer unfehlbare Sänger gewesen sind, sondern daß die Stimm- 
führung bei den geübteren und geschulteren Alumnen verblieb, geht 
aus dism Wortlaut dieser Notiz deutlich hervor. Diese ^Musiker und 
Sänger pflegte man alljährlich durch eine »Ergötzlichkeit«, die meist 
in einem Trinkgelage bestand, zu entschädigen. Die Kosten desselben 
wurden, wie erwähnt, von dem sogenannten »Cantanten-« oder 
»Stabilistengeldff bestritten.^ Ein Kest dieser Sitte hatte sich bis in 
unser Jahrhundert erhalten, da der Kantor denjenigen Künstlern und 
Solisten, welche bei den Feiertagsmusiken die Stadtkapelle ohne Be- 
zahlung unterstützten, eine »Speisung« geben mußte. — 

So hat Beutel überall, wo es galt, durch innere und äußere 
Organisationen, Neueinrichtungen und Verbesserungen das alte Insti- 
tut zu fördern und zu heben, trotz schwieriger Verhältnisse vierzig 
Jahre lang in treuer Pflichterfüllung das Seine gethan und sich einen 
ehrenvollen Namen unter den Kantoren der Kreuzkirche gesichert. 
— Von seinen vielen Schülern sind besonders die Brüder Johann und 
Andreas Kuhnau und der treffliche Zittauer Kantor Erhard Titius 
zu nennen. 

Im Alter von 68 Jahren wurde Beutel an einem Adventssonntage 
1692 »mit einem gefährlichen Zufall heimgesucht«, weßhalb er »das 
Singen in den Kirchen und bei den Leichen durch seinen Eydam 
Daniel Köhler bestellen lassen mußte«. Aber erst am 2. Januar 1694, 
kurze Zeit vor seinem Tode, bittet er, »mich alten verlebten 70 jährigen 

1 Vgl. S. 20. 



73 

Mann mit einer nothdürftigen Provision väterlich zu bedenken, und das | 

durch Gottes Gnaden-Beystand in die 40 Jahr von mir verwaltete 
Kirchen- und Schul- Ambt nach dero hohen Indicio anderweit ver- 
walten zu laßen«. Am 15. Mai desselben Jahres starb er und wurde !' 
auf dem Gottesacker der Frauenkirche zu seiner ihm vor drei Jahren j 
vorangegangenen Gattin beerdigt. Die schon citirte Grabaufschrift 
lautete: »Alhier ruhet in seiner Kammer ein in JEsu entschlafenes 
Ehe-Paar, Herr Jacob Beutel, in die 40 Jahr wohlverdienter Cantor 
der Kirchen und Collega der Schulen zum Heil. Creutz allhier, ist [ 
gebohren im Nieder-Grunde, einen Flecken in Böhmen, den 2. Martii 
1624 und im HErrn verstorben den 15. May 1694, hat sein Ehr- 
würdiges Alter gebracht auff 70 Jahr, 10 Wochen, 5 Tage. 

Und Frau Dorothea Beutelin, gebohrne Naubitzerin, welche dieses 
Tage-Licht erblicket zu Lintz bey Ortrand gelegen, den 17. Oktober 
1632, in ihren 37 jährigen Ehestande mit ihrem Ehe-Herrn gezeuget 
II Kinder, 8 Söhne und 3 Töchtex, diese Welt gesegnet den 29. April 
Anno 1691 und ihr Christlich geführtes Leben gebracht auf 59 Jahr 
weniger 29 Wochen.« 

Einer ihrer Söhne, Johann Jacob Beutel, wurde 1682 Alumnen- 
regent der Kreuzschule. ^ 

Welche Achtung dem Kantor Beutel auch von seinen Schul- 
kollegen entgegen gebracht wurde, bezeugen die wenigen Worte, 
welche bei seinem Namen in den »Pandectae« fol. 95^ hinzugefügt 
sind: yiFuit vir gravis et eleganter doctuSy qui postquam per semiferme 
seculum de templis et pube literaria praeclare meritus est, placide in 
Christo obdormivit d, 15, Maj aet. 10 A. MDCXCIVa, Der Rek- 
tor Jonas Gelenius aber widmete seinem Andenken folgende Verse: 

Musarum templique decus BEUTELIUS aevi 

Jam satur^ accentus intonat aetherios. 
Dresda Tuum luge CANTOREMy nam tua paucos 

Huic sunt CANTORI templa hahitura pares ; 
Seu Sophien specteSj seu scita modosque canendi, 

BEUTEL in hac omni Roscius arte fuit, 
Qvid referam innocuos in acuto epigrammate morsus? 

Qvamque erat Argolico clarus in eloqvio? 
Non mage CALVISIUM C ANTOREM Lipsia jacta, 

CALVISIO BEUTEL non minor iste fuit 
Hinc fama pariter toto ßorehit in Orbe, 

CANTORESQUE iiiter nobile nomen erit. 



1 »Pandectae etc.« fol. 105^. 



74 



An seine Stelle wurde gewählt 

Basilius Petritz, 1694 — 1713, 

aus Großenhain, wo er nach Ausweis der Kirchenbücher am 20. Mai 
1647 getauft wurde.* Nähere Nachrichten über seine Eltern finden 
sich nicht Tor. Doch bezeichnet sie der Rektor der Großenhainer 
Stadtschule M. Adam Roch (f 1705] in einem Empfehlungsschreiben 
für ihren Sohn als achtbare, angesehene Leute. Der junge Basilius 
oder Blasius besuchte nämlich bis zu seinem 14. Jahre die Schule 
seiner Vaterstadt und sollte nun in das Alumnat der Leipziger 
Thomasschule eintreten. Zu diesem Zwecke gab ihm der Großen- 
hainer Rektor das erwähnte Empfehlungsschreiben mit, welches im 
Archiv der Thomasschule noch Torhanden ist. Ein die Person des 
jungen Petritz betreffender Passus daraus möge hier folgen: i^ ... Et 
is ipse Blasius Petritz^ honestis Parentibus natus, Literas cupide amat: 
qui et hinc ipsum eo amor excivit^ uti, nullis adjutis mediis aliis, in 
viam se dar et ^ spe certe fretus^ fore, ut votis ejus optime evenius res- 
pondeat. Habebit forsan unde chorus vobis acceptusque esse poterit. 
ita enim Musicen callety ut suum locum facile tueatur. Et est id a na- 
tura ingenii nactus, quod ad disciplinas capax olim esse optimas queataf^ . . . 

Daraufhin wurde er am 12. August 1661 in das Alumnat ge- 
nannter Schule aufgenommen, wo er bis Juli 1671 verblieb. Bei 
seinem Abgange hielt er eine lateinische Rede, welche das Archiv 
der Thomasschule gleichfalls noch besitzt. Sie ist zugleich die längste 
unter den sogenannten Mtterae valedictoriac« und enthält eine Wider- 
legung der Ansicht der Calvinisten, daß die Musik aus der Kirche 
zu verbannen sei. Ihr Titel lautet: »Exercitium Oratorium, desinens 
in Vituperationem facti Calvinianorum , quo ex Templis proscribunt 
Musicam. Scriptum et Valedictionis^ loco publice habitum atque pro- 
clamatum in Acroaterio Scholae ad D, Thomae majori a Basilio Petrizio, 
Hayna Misnico.a 

Er bezog nun die Leipziger Universität, wo er bereits im Winter- 
semester 1670/71 unter dem Rektor Dr. Joh. Adam Scherzer inskri- 
birt worden war.^ 1677 finden wir ihn wieder als Nachfolger Joh. 
Schelle's im Kantorat zu Eilenburg, welch letzterer in genanntem 
Jahre als Thomaskantor nach Leipzig berufen worden war. Dieses 



1 Eingeschrieben ist er hier als »Blaß (Blasius) Petritzs Sohn Blasius«. — 
Noch einmal findet sich in dem Oroßenhainer Taufbach, 1691 — 1J12, pag. 235: 
»Basilius Petritz, Cantor zum h. KreuE in Dresden« als Pathe verzeichnet am 
1. Januar 1704. 

2 Die Matrikel verzeichnet ihn: »Blasius Petriz, Großenhayn, Misn. 16 gr.« 



75 



Amt bekleidete Petritz bis zu seiner Wahl zum Kreuzkantor in Dres- 
den im Jahie 1694.^ 

In seinem Bewerbungsschreiben^ — datirt vom 14. Juli — fährt 
er nach einer einleitenden Erörterung, daß die Musik nicht allein 
von den Alten, sondern auch jetzt noch hochgeschätzt würde, fol- 
gendermaßen fort: nHaec cum ita se habeant, nemo, opinor^ mirabitur 
cur tarn multos in sui admirationem cultumque trahat. Cujus et ego 
amore captus non eodguum temporis huic divinissimae disdplitiae, qvan- 
tum qvidem per alia Uterarum studia Ucutty hactenus dedi, non mora- 
tus Cynicos istos et scepticos, Musices contemtores atque irrisores. 
Neque solum in scholis olim et statu meo Academico, sed etiam in 
administratione Cantoratus Ileburgensis jam ferme per septendecim annoSj 
mihi nobilissima haec scientia curae cordique fuit . . . « 

Petritz wurde vom Rathe zu einer am 20. Juli stattfindenden 
Probe eingeladen. Bereits am darauf folgenden Tage erhielt er die 
Vocationsurkunde ausgestellt (fol. 439 f.), in der man u. a. liest, daß 
er nicht nur von musikkundigen Männern empfohlen worden sei, 
sondern daß auch der Rath an seinen Probeleistungen »ein Gefallen 
getragen«. Am 20. September erfolgte sodann die feierliche Ein- 
weisung durch den Superintendenten D. Schrader und die übrigen 
Mitglieder der Schulinspektion unter Anwesenheit des gesammten 
Schulkollegiums. ^ 

Die Akten enthalten über seine Amtsführung nicht die geringste 
Andeutung. Erst im Jahre 1713 taucht sein Name hier wieder auf. 
Petritz scheint schon seit längerer Zeit wegen Alters und Leibes- 
schwachheit seine Pflichten nicht haben erfüllen zu können. Der 
Rath fordert darum von ihm Vorschläge betreffs künftiger Verwaltung 
seines Amts, welche er am 17. Juli schriftlich vorlegt. ^ Hiernach 
sollen seine Kollegen die Leichenbegängnisse entweder wechselsweise, 
oder der Collega sextus Job. Zacharias Grundig, der auch schon in 
letzter Zeit die Kantoratsgeschäfte meist geführt haben mag, allein 
für den dritten Theil der Einnahmen begleiten. Die Schulstunden 
werde sein Sohn, der Kantor zu St. Annen, mit übernehmen. Der 
Rath ^vird indessen mit diesen Vorschlägen nicht einverstanden ge- 
wesen sein. Denn Petritz reicht am 19. September ein neues Gesuch 
ein (fol. 16), in dem er bittet, ihm seinen Sohn als Substitut beizu- 
geben und für den Schuldienst desselben bei der Annenschule 
»einen Studiosum« anzustellen. — Augenscheinlich fiel dem Rath die 

* Vgl. Jer. Simon, «Eilenburgische Chronica«, 1696, S. 413. 

2 D XII fol. 437 f. 

3 »Pandectae« fol. 95 ^ 

4 B Vlla 7 fol. 14 f. 



76 



Entscheidung in dieser Angelegenheit nicht leicht. Erst am 11. Dezbr. 
1713 erfolgt eine Verordnung, nach welcher alle Kantoratsverrich- 
tungen bei Gottesdiensten, Leichenbegängnissen, Brautmessen etc., 
sowie auch den Gesangsunterricht der sechste Kollege Grundig fuhren 
und dafür den dritten Theil der Kantoratseiukünfte bekommen soll. 
Für den Schuldienst des Kantors sei, zunächst als Substitut, M. Ziegen- 
hals aus Annaberg berufen worden, der von allen Fixis des Kantors 
den dritten Theil, sowie das ganze Schulgeld und eine Wohnungs- 
entschädigung erhalten soll, während die Kantoratswohnung und 
zwei Drittel aller Einnahmen Petritz verbleiben. In dem an denoi- 
selben Tage ausgefertigten Gesuche des Kaths an das Oberkonsisto* 
rium um Konfirmation beider^ heißt es, daß des Kantors Funktion 
dem Job. Zach. Grundig übertragen worden sei »um seiner bekaudten 
guten Wißenschafft und Geschickligkeit, insonderheit auch ad infor- 
mandum in re musica willen«. 

Lange jedoch konnte Petritz diese Ruhe nicht genießen. Denn 
eine kurze Notiz berichtet: ^ »Freitag den 6. September Nachmittag 
Y25 ühr starb Hr. Basilius Petritz, Cantor und Coli. IV Emeritus, 
und ward den 9. Sept. Montag abends beygesetzt. Das Begängniß 
geschähe den 12. Sept. Donnerstag, dabey 6 Alumni vnd 6 Currendani 
den Sarg ohne Leiche trugen. Die Leich Predigt hielt Hr. M. Hau- 
sen, Stadt Prediger.« 

Außer dem oben erwähnten Kantor zu St. Annen erfahren wir 
noch den Namen eines zweiten Sohnes Petritz's, der jedoch in jungen 
Jahren starb. Gellius berichtet a. a. O. S. 14: »Ao. 1707 den 9. März 
starb Basilius Petritz, Alumnus, und ward den 13. März öffentlich 
mit einer Leich Predigt, welche Hr. Chr. Äug. Hausen, Stadt Pre- 
ger hielt, beerdigt«. 

Besondere bemerkenswerthe Punkte aus Petritz's Amtszeit lassen 
sich kaum finden. Wichtig jedoch ist , daß er der letzte Kantor 
war, der zugleich die vierte Stelle im Lehrerkollegium innehatte. 
Denn bei seiner Emeritirung wurde das Kantorat offiziell auf die 
fünfte herabgesetzt. Die »Pandectae» berichten darüber (fol. 95b): 
ßPetrizio in numerum emeritorum relato placuit Nobilisaimo atque 
Amplissimo Urbis Senatui accedente consensu Magnif. Dn, Ephori 
Loescheri, Cantoratum in posterum V, Classi annectere et peculiarem 
Classi IV Praeceptorem praeficercy itaque successit in hac Classe 



1 ebenda fol. 29; auch H.-St.-A. Loc. 2017 »Confirmationes Recessuum etc.« 
1714—1718. 

2 Kreuzschul - Archiv III* 4. Acta Scholastica des Konrektors Gellius 
(1702—1739) S. 19. 



77 



Dn, Petrizio d. 6. Septemb, 1115 e vivis suhlato Dn, M. Christophorm 
Ziegenhals «. 

Wie bereits bekannt, führte seit dem 11. Dezember 1713 das 
Kantorät 

Johann Zacharias Grundig, 1713 — 1720. 

Seine Vorstellung erfolgte jedoch schon früher, nachdem er am 
23. Sonntag nach Trinitatis (== 19. November) sein musikalisches 
Können durch Aufführung einer Kirchenmusik in der Kreuzkirche 
gezeigt hatte. Gellius berichtet a. a. O. S. 18: »Montag den 27. Nov. 
ward Hr. Joh. Zach. Grundig, Coli. VI in dem so genannten Richter 
Stübgen vom Hrn. Sup., Hrn. Raht vnd Bürgermeister D. Dom- 
blüthen, wie auch denen beyden Schul-Inspectoribus ... im Beysein 
des Hrn. Rectoris, dem Organisten, Stadt-Musicis vnd Alumnis als 
Cantor Substitutus vorgestellet , vnd ihm von allen Cantoral-Ein- 
künfFten Tertia Pars verwilliget. Dieses sein Amt trat er folgenden 
2. Dezember als am Advents heil. Abend mit der gewöhnlichen 
Vesper an«. — 

Joh. Zach. Grundig war laut Kirchenbuch am 1. August 1669 
als erster Sohn des 1714 verstorbenen Schulmeisters und Aktuai;ius 
Christoph Grundig zu Berggießhiibel i. S. geboren. Letzterer stammte 
aus einer alten Bergmannsfamilie zu Zinnwald im Erzgebirge. Denn 
seinen Vater Zacharias Grundig findet man als »Inwohner und 
Bergksteiger aufm Zinnwalde« und ebenso seinen Bruder Johann 
Grundig, der zugleich Pathe unserers Kantors war, als »Inwohner 
und Bergmann aufm Zinnwalde « bezeichnet. Der Vater des Kantors 
verheirathete sich am 27. Oktober 1668 mit »Frau Maria, tit. Herrn 
Wolfgang Kochs, weil, gewesenen Schuldieners und Gerichtsschreibers 
allhier nachgelassene Witbe«. ^ Er wird ein »sehr geschickter Mu- 
sicus« genannt, hatte Theologie studirt und übersiedelte dann ca. 1684 
als Rektor nach Geising im Erzgebirge. Besonders wird er auch 
erwähnt als Autor eines »Berg-Reiensa: »Ach Gott, du bist's alleine 
doch, der die Revier bewacht« etc. 

Aus dieser Ehe gingen außer Johann Zacharias noch 3 Söhne 
und eine Tochter hervor, nämlich George Gottlob, geb. den 28. Jan. 
1671^ Emanuel, geb. den 30. Juli 1673; Christoph Gottlieb, geb. den 
27. Februar 1676 und Charitas Elisabeth, geb. den 3. Juli 1679. Von 
den vier Söhnen heißt es, daß sie »von schönen Musicalischen Naturell 



1 Sie war die Tochter des Kirchvaters Joh. Meyl in Berggießhübel und mit 
ihrem ersten Manne von 1656 bis 1667 verheirathet, der ihr drei Kinder hinterließ. 



78 



uud Wissenschaft« waren, so daB der Vater hat »mit denen- 
selben ein gantzes Chor guter Stimmen und Yocalisten aufführen 
können«.^ Der älteste der Brüder unseres Kantors wurde im Jahre 
1700 Regens Alumnorum an der Kreuzschule und 1703 Pfarrer zu 
Dorfhain und Klingenberg (f 1731), während der jüngste wieder 
als Bergmeister starb. — 

Zum ersten Male finden wir Johann Zacharias Grundig wieder 
in den Matrikeln der Universität Leipzig, wo er im Wintersemester 
1688/89 unter dem Bektor Johann Schmid inskribirt wurde.2 Schon 
damals machte er als ausgezeichneter Altist solches Aufsehen, daß 
er in einige Hofkapellen engagirt wurde. Besonders beliebt als 
Sänger war er in der des Herzogs von Schleswig-Holstein. Dann 
kam er nach Dresden in die berühmte kurfürstUche Kapelle, wo er 
noch 1697 in den Personal Verzeichnissen derselben als Altist aufge- 
führt wird. In diesem Jahre erfolgte aber der Kon fessions Wechsel 
des Kurfürsten Friedrich August II. und mit ihm die vielen Um- 
wälzungen, auch in der Kapelle. Der katholische Ritus verlangte 
einen ganz neuen Dienst, der Grundig wenig behagen mochte. Zu- 
dem schien man bei Hofe die Absicht zu haben, um einen größeren 
Glanz zu entfalten, in der Kapelle wieder Itahener anzustellen, da 
eine rege Korrespondenz nach Italien unterhalten wurde. ^ So kam 
es, daß er die eben frei gewordene Stelle eines CoUega VI bei der 
Kreuzschule übernahm, zumal da auch hier reiche Gelegenheit ge- 
boten war, seine stimmliche Begabung und musikalischen Kenntnisse 
zu verwerthen. Denn seit 1681 war es, wie erwähnt, wieder üblich 
geworden, daß die unteren Schulkollegen auch die Auffuhrung der 
Kirchenmusik in der Frauenkirche übernahmen, wobei natürlich dem 
Musikkundigsten unter ihnen von selbst der Hauptantheil zufiel. 
Seine Einfährung in dieses neue Amt erfolgte am 20. Dezember 1697. 
Hier gelang es ihm bald, sich die Zufriedenheit und Gunst des 
Rathes zu erwerben, der wiederholt Gelegenheit nahm, dieser auch 
einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Als Grundig z. B. am 
13. September 1703 um einige Scheffel Brotkorn bat, weil »bey iziger 
Zeit und so genandten dürren vierthel- Jahre , in welchem die acci- 
dentia sehr sparsam einkommen, auch sonst von essentialibus nichts 
fälhg«, beschloß er, »daß Ihme umb seiner guten Dienste und be- 
kanten Unvermögens willen vor dieses Mahl ohne Consequenz drey 



1 Joh. Caspar Wetael, »Analecta Hymnica«, Gotha 1751, 2. Stück S. 107. 

2 Man liest hier: »Johann Zacharias Grundig, Berckishublä Misn. 16 gr.« — 
Nach J. C. Wetzel (a. a. O., S. 109) studirte er in Wittenberg. Wahrscheinlich 
ist er dann von Leipzig dahin übergesiedelt. 

3 Vgl. Furstenau, Beiträge zur Gesch. der K. S. Kapelle. S. 110 f. 



79 



Scheffel Korn gegeben werden« sollen, ^ obwohl drei Jahre vorher 
eine gleiche gemeinsame Bitte des TertiuSj Qutntus und Sextus ab- 
geschlagen worden war. 

Wie eifrig und unverdrossen er aber auch in seinem Amte war, 
zeigen mehrere Schreiben an den Rath aus verschiedenen Jahren. 
So schreibt er z.B. am 22. Februar 1711 1^ »Hochgeneigter Patron, 
Nebst Übersendung des texts zur heutigen Musik werden dieselben 
wegen des bewußten Chorgelds gehorsamst ersuchet, es gütigst dahin 
zu verfügen, daß mir die zu Gottes Ehre übernommene Arbeit nicht 
femer mit unnöthiger Verdrießlichkeit beleget werde, inmaßen ich 
ja ohnedem mit Zusammensuchung der Persohnen, sowohl quoad 
voces et instrumenta mit meiner größten Obligation Mühe genug 
habe . . . « Es ist dies wohl eine schüchterne Bitte um das » Stabi- 
listengeld« für die freiwillig mitwirkenden Sänger und Instrumen- 
tisten , die er infolge seiner Bekanntschaft mit den Mitgliedern der 
kurfürstlichen Kapelle nicht selten auch aus diesen Künstlerkreisen 
gewonnen haben mag. Wie sehr man übrigens mit diesen Hilfs- 
kräften rechnen mußte, zeigt der Umstand, daß der Rath im Jahre 
1706 auch für die Sophienkirchen - Sänger jährlich 15 fl. aus dem 
Kirchenvermögen »zu einer Ergötzlichkeit« bewilligte.^ 

In einem zweiten Schreiben vom 3. Dezember 1712 bittet Grundig 
um Anschaffung neuer Instrumente für die Frauenkirche. 

»Es ist bekandta, sagt er hier,^ »daß alle Instrumenta musicalia 
bei Kirchen Musiqven sich nach dem fundament ton der Orgel 
richten und accurat darein stimmen müßen, solches läßet sich nun 
Zwar mit Sayten bezogenen Instrumenten gar wohl practiciren, aber 
mit blasenden wird schon mehr Müh erfordert, absonderlich will es 
mit der Flaute douce fast gar nicht angehen, weil bey deren Ver- 
enderuDg, welches doch nur nach der Tieffe geschehen kan, sie aus 
der mensur gebracht und danach lauter falsche tone giebet, dahero 
nötig, daß solches Instrument gleich nach dem ton der Orgel men- 
suriret und verfertiget werde. Wenn denn eben dieser Mangel auch 
bey hiesiger Frauen Kirchen Musiqve zu spüren, in maßen man 
niemals einstimmende Flauten darzu habhafft werden kan, alß solte 
nicht undienlich seyn, daß zu denen bey gemelter Kirche ohnedem 
schon befindlichen Instrumentis musicalibus noch ein haar neue Flaute 
douces, die accurat zur Orgel stimmenden, angeschaffet würden. 



1 B Vlla 11 fol. 10 f. 
'i D XXXIII \U fol. 32. 

3 ebenda fol. 29. 

4 D XXXIII 6 fol. 1. 



80 



welche ohngefehr auff 1 Thr. 12 gr. von ordinairen Holze Kommen 
dürflFten, wie solches hierdurch attestiret 

Joh. Zachar. Grundig, Schol. Cruc. Colleg. VI.« 

Ein ähnliches Gesuch, welches auf Verbesserung der Musik in 
der Kreuzkirche abzielte, reichte er am 22. Juni 1715 ein:^ ». . . da 
heute wiederum Ew. Hochweißh. und Herrligk. die Texte zweyer 
folgenden Musiqven in hiesiger Creuz Kirche meiner Schuldigkeit 
gemäß zu übergeben die Freyheit nehme, habe zugleich folgende 
zwey Desideria, welche nicht sowohl den Succeß der Music hindern, 
sondern auch mir in deren Verrichtung sehr beschwerlicli fallen, 
in schuldigster Observanz und gelaßenheit vorzutragen und dero ge- 
neigte Beyhülffe auszubitten nicht Umgang haben können; Und 
Zwar 1) die Ermangelung eins wohlaptirten Chori, maßen das izige 
sowohl qvoad siiuationem als formam constructionis einer starcken 
Music mehr hinderlich als nüzlich. Das 2clere betrifft die Musika- 
lischen Instrumente , denn es ia eine sehr üble harmonie , wenn 
Zumal blasende Instrumenta nicht wohl mit der Orgel als Fundament- 
tone accordiren, und weil auch hieran sich ein großer Mangel er- 
eignet, wünsche herzlich, daß sowohl dieser wegen als auch sonst 
noch vacirenden instrumenten ein gutes accommOdement getroffen 
werde, (f 

Der zweite Wunsch scheint ihm ohne weiteres bewilligt worden 
zu sein, während der erste natürlich größeren Schwierigkeiten be- 
gegnete, da ja erst etwa 1672 auf BeuteFs Antrag ein neues Chor 
gebaut worden war, ^ welches jedoch den Anforderungen immer noch 
nicht genügt zu haben scheint. Grundig läßt aber nicht ab. Bei 
Gelegenheit der Überreichung der Texte für die Musiken des neu- 
begonnenen Kirchenjahres erinnert er am 30. Novbr. wieder daran, 
daß »die Ermangelung eines bey hiesiger Creuz-Kirche zur Music 
wohl aptirten Chori meine daselbst obliegende Amts- Verrichtungen 
sehr beschweret, indiBm ich nicht nur dadurch an vielen guten 
intentionibus gar gehindert, sondern auch bey aller angewendeten 
Mühe mehrentheils des gesuchten effectus entbehren muß«. So er- 
reichte er es denn, daß 1717 der Neubau eines für die ^) solennen 
Instrumental-Musiquen« geeigneten Chores fertig gestellt wurde. ^ 

Unterdessen war Grundig auch am 20. Dezember 1714 laut 
Vocationsurkunde^ zum CoUega V ernannt und am 7. Januar 1715 



1 ebenda fol. 2. 

2 Vgl. S. 71. 

3 lecander »Das fast auf dem höchsten Gipfel seiner Vollkommenheit und 
Glückseligkeit prangende Königl. Dreßden«. Leipzig 1726, S. 86. 

4 B Vlla 7 fol. 60. 



81 



vom Oberkonsistorium als solcher bestätigt worden. Zugleich hatte 
er die Zusicherung erhalten, daß er nach Absterben des Kantors 
Petritz völlig in dessen Stelle einrücken werde. Dieses geschah am 
6. September desselben Jahres. 

Daß Grundig auch noch als Kantor ein ausgezeichneter Sänger 
war, der nicht selten auch selbst die Hauptsoli der damals meist 
aus Arien und Recitativen bestehenden Kirchenmusiken sang, bezeugt 
uns sein Zeitgenosse Christian Gerber, ^ indem er sagt : »Jetziger Zeit 
dirigirt die Music Hr. George Gottlob Grundig, CoUega und Cantor 
bey dieser Schulen, und ein vortrefflicher Musicus Vocalis, der sich 
des Sonntags mit größtem Vergnügen der gantzen Gemeine hören 
lasset. « Vor allem aber war er ein vorzüglicher Gesangslehrer. Aus 
seiner Schule gingen u. A. Männer hervor, die man zu den größten 
Meistern ihrer Zeit rechnet: Carl Heinrich Graun, Job. Gottlieb 
Graun und der Theoretiker Christoph Gottlieb Schröter, welcher 1782 
als Organist in Nordhausen starb. ^ Auch Job. Adam Hiller gedenkt 
unseres Kantors Grundig auf das Ehrenvollste. ^ Er rühmt besonders 
seine ünterrichtsgabe und seinen Geschmack in der Wahl und Auf- 
führung guter Kirchenstücke. Seine Methode hatte sich vor allem 
an Carl Heinrich Graun glänzend bewährt. Als Rathsdiskantist 
genoß dieser noch einen besonderen musikalischen Unterricht, sodaß 
er, begabt mit einer schönen, ausdrucksfähigen Stimme, in kurzer 
Zeit eine Virtuosität im Gesang erlangte, wie keiner seiner Mit- 
schüler. »Er hatte«, sagt Hiller, »eine große Leichtigkeit in seiner 
Stimme und sang Passagien mit vieler Fertigkeit und Deutlichkeit 
in der rechten Singart, folglich weder am Gaumen angestoßen, noch 
geschleift. Doch trug er auch die zum Adagio gehörigen Volaten 
vortrefflich vor. Dieses sang er überhaupt sehr zärtlich und rührend. 
Das Trillo, welches er als Diskantist sehr gut gehabt hatte, war 
ihm nach Änderung der Stimme in den Tenor nicht mehr vortheil- 
haft, doch wußte er, als ein Meister der Setzkunst, diesen Mangel 
überaus wohl zu bedecken. Besser geriethen ihm die Doppelschläge 



1 »Die unerkannten Wohlthaten Gottes in dem Churfürstenthum Sachsen . . . 
beschrieben von Christian Gerbern, Pastore in Lockwitz bey Dreßden«. 1717. S. 210. 
— Der Verfasser legt hier dem Kantor irrthümlich die Vornamen seines 1 1/2 J'^br 
jüngeren Bruders bei. 

2 »Pandectae« fol. 225b. 227. 228. — Schröter wurde am 20. November 1711 
nach Quinta, Joh. Gottlieb Graun am 15. Mai 1713 nach Tertia und Carl Heinr. 
Graun am 28. April 1714 nach Quarta aufgenommen. Bei letzterem findet sich 
noch die auszeichnende Bemerkung: »indtistritis in literis et musicis,^ 

3 J. A. Hiller »Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten und Ton- 
künstler neuerer Zeit«. Erster und einziger Theil, Leipzig 1784, in der Biographie 
Carl Heinr. Graun's. 

6 



82 

und andere kleine Singmanieren.« Jener Ausruf Friedrichs des Großen, 
als ihm der Tod Graun's in die Winterquartiere zu Dresden gemeldet 
wurde: i^Einen solchen Sänger werden wir nicht wieder hören l« ist 
ebenso ein glänzendes Zeuguiß für Graun, als für seinen Lehrer 
Joh. Zach. Grundig. — 

Besonders bemerkenswerth ist des Letzteren Kantorat auch deß- 
halb, weil im Jahre 1717 die große italienische Oper in Dresden 
gegründet wurde, und die Ausfuhrung der Chöre in derselben den 
Alumnen der Kreuzschule übertragen wurde. Ein Jahrhundert lang 
lag ihnen diese Verpflichtung ob, bis endlich Carl Maria v. Weber 
im Jahre 1817 einen eigenen Theaterchor bildete. 

Es ist dieses Ereigniß auch für die Geschichte des Kreuzchores 
ein wichtiger Markstein. Von ihm aus kann man den höchsten 
Aufschwung desselben nach Seiten seiner musikalischen Leistungen 
datiren, während diese Xhätigkeit auf der anderen Seite freilich viele 
Mißstände hervorbrachte und besonders eine merkliche Abnahme der 
Disciplin und Sitte zur Folge hatte. 

Durch die Mitwirkung bei diesen Opernauffuhrungen war den 
Alumnen Gelegenheit geboten, die Werke eines Antonio Lotti und 
anderer Meister in einer vollendeten Ausführung zu hören. Denn 
die berühmtesten Sänger und Sängerinnen wetteiferten hier mit dem 
ausgezeichnetsten Orchester Deutschlands. Bei der damaligen ge- 
ringen Beschäftigung des Chores in der Oper, welcher gewöhnlich 
erst gegen Ende derselben auftrat, hatten die betheiligten Alumnen 
genügend Zeit, diese Meisterwerke in sich aufzunehmen und die 
großartigen Leistungen italienischer Gesangskunst zu bewundern. 
Nicht wenige mögen dadurch zur Nachahmung angefeuert worden 
sein und so durch eigene Studien eine nicht geringe Kunstfertigkeit 
erlangt haben. — 

Als Komponist ist Grundig nicht bekannt geworden. Die Kgl. 
Bibliothek zu Dresden besitzt ein Exemplar ^ der Texte der von ihm 
zur Feier des Reformationsjubiläums im Jahre 1717 aufgefiilirten 
Kirchenmusiken. Ob unter diesen auch eigene Kompositionen ge- 
wesen sind, läßt sich daraus nicht ersehen, da die Namen der betr. 
Autoren nicht beigefügt sind. Der Titel lautet: »Gott- geheiligte 
Jubel-Freude | Bestehend In denjenigen Musicalischen Texten | Welche 
Bey dem Andern Evangelischen Jubel- und Dank-Feste den 3 1 . Oct. 
und folgenden 1. und 2. November Ao. 1717 In der Kirche zum 
Heil. Creutz allhier zu Dreßden auffgeführet worden von Joh. Zachar. 
Grundig, Schol-Cruc. Cantore et Colleg. Dreßden | gedruckt in der 



1 Die Signatur dieses Bandes: Hist. Sax. G 202. 



83 



Kön. Privileg. Hof-Buchdruckerey«. — Wetzel, a. a. O., fuhrt ihn als 
Autor einer »bergmännischen: Begräbniß-Arie « an. Sie sei »überaus 
wohl, und sehr schön, in Noten gesetzet, und dahero zu bedauren, 
daß dieselbe, in etwas verändert, und eine sich nicht wol schickende 
Melodey erlangend, im Schneebergischen Gesang -Buchs anderer 
Edition Anhang, Num, 807 und p. 627 sq. anzutreffen. Sie fanget 
sich also an: Glück auf! nun ist der Bau vollendet, den man etc.«^ 

Eines seiner größten Verdienste ist endlich noch, daß wir ihm 
allein die Erhaltung einiger der herrlichsten Denkmäler alter deut- 
scher Tonkunst verdanken: die Passionen von Heinrich Schütz. 
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts schrieb Grundig diese Werke mit 
kalligraphischer Sorgfalt ab. Das Manuskript, ein mittelstarker Band 
in Fol., ist jetzt im Besitz der Stadtbibliothek zu Leipzig. Außer 
dieser Abschrift existirt nur noch eine von Schütz selbst herrührende 
Handschrift der Johannespassion auf der Wolfenbüttler Bibliothek. — 

Grundig starb, nach der sicheren Angabe seiner Wittwe Sophia 
Augusta Grundig in einem Schreiben an den Rath, am Donnerstag 
den 14. Juni 1720, nachts ^4 12 Uhr und wurde am 17. Juni, 
abends, beerdigt.^ In dem genannten Schreiben^ theilt die Wittwe 
mit, daß sie sich entschlossen habe, zum Andenken ihres Gatten 
eine Leichenpredigt halten zu lassen. Dies könne aber wegen Ab- 
wesenheit der lebenden Geschwister desselben erst am 24. dieses 
Monats geschehen. An bezeichnetem Tage fand sie denn auch, vom 
Stadtprediger M. Job. Weller gehalten, in der Frauenkirche statt. "^ 

Von der Familie Grundig's wird uns noch ein Sohn Johann 
Nicolaus genannt, der am 11. Juli 1720 »inter Alumnos recipiret« 
und am 15. Juli desselben Jahres nach Quarta versetzt wurde. 

Unter zehn Mitbewerbern wurde zum Nachfolger Grundig s erwählt 

Theodor Christlieb Reinhold, 1720—1755. 

Er entstammte einer alten Predigerfamilie. Sein Großvater starb 
als Mittagsprediger am Dom zu Freiberg. Sein Vater M. Gottfried 
Sam. Reinhold, geb. zu Freiberg am 6. Dezember 1634, war von 



1 Diese Begräbnißarie von 7 Strophen, auf die Melodie »Wer nur den lieben 
Gott läßt walten« mit Wiederholung der letzten Zeilen zu singen, findet man im 
Schneeberger Gesangbuch noch in der Ausgabe von 1792 (I. Anhang Nr. 807). 
Auch im Freiberger Gesangbuch von 1802 steht sie unter Nr. 1324. 

2 »Pandectae« foL 99^ und Gellius a. a. 0. S. 23 geben als Todestag fälsch- 
lich den 11. Juni an, während Wetzel ihn bereits 1710 sterben läßt. 

3 B XVI 1 Vol. I fol. 214. 

4 Gellius S. 24. 



84 



1664 an Pfarrer zu Eppendorf in S. und starb hier den 20. März 
1691. Er hinterließ aus seiner ersten Ehe einen Sohn Samuel Gott- 
fried R., geb. den 11. Mai 1672, der als Pfarrer zu St. Johann und 
Bartholomäus zu Freiberg verstarb. Aus seiner zweiten Ehe mit 
Dorothea Eleonora Winkler, Tochter des Pfarrers Tobias Winkler zu 
Greifendorf, hinterließ er zwei Söhne: Theodor Christlieb R, 
geb. den 13. Sept. 1682, und Chr. Gottlieb R., geb. den 30. Dez. 
1689, später Pfarrer zu Großwaltersdorf und seit 1745 zu Großschirma 
bei Freiberg, wo er am 30. Januar 1757 verstarb. — 

Drei Jahre nach dem Tode seines Vaters, in einem Alter von 
noch nicht ganz 12 Jahren wurde Theodor Christlieb Reinhold am 
20. Mai 1694 in die Dresdener Kreuzschule nach Tertia, sowie auch 
sogleich in das Alumnat aufgenommen. Man darf hieraus schließen, 
daß er schon als Knabe ein guter Musiker und Sänger gewesen ist. 
Ob er nach vollendeter Schulzeit eine Universität bezogen hat, wissen 
wir nicht. In den Matrikeln der Universität Leipzig fehlt sein Name. 
Bereits am 3. April 1706 finden wir ihn jedoch als Organist der 
Annenkirche in Dresden und »Mägdgen Schulmeister vorm Wilß- 
dorffer Thore« angestellt.^ Lange blieb er jedoch in dieser Stellung 
nicht. Wir lesen nämlich, daß am 9. September desselben Jahres 
»wegen des itzigen RufFs von bevorstehender Kriegsgefahr der Ludi- 
moderator, wie auch der Cantor und Kirchner, ingleichen der 
Organist zu St. Annen» auf und davon liefen und ihre Amter im 
Stich ließen (fol. 683 ff.). Sobald der Kriegsruf wieder verklungen 
war, stellten sich auch diese Flüchtlinge wieder ein, wurden aber 
mit Ausnahme des Organisten Reinhold nicht wieder in ihre Amter 
eingesetzt. Den »Ludimoderator« Lempe finden wir im nächsten 
Jahre als Tertius an der Kreuzschule wieder. — Am 17. Dezember 1707 
erhält Reinhold die Berufung als Kantor in Alten-Dresden {fol. 760). 
Erst 25 Jahre alt trat er dieses Amt an und verwaltete es bis 1720. 

Seine Bestallungsurkunde als Kreuzkantor datirt vom 17. Okt. 
1720.2 Das Protokoll der vorangegangenen Rathssitzung bemerkt: 
»Da unter anderen zur Probe aufgestellten Subjectis sich Hr. Theo- 
dorus Christophilus Reinholdt, zeitheriger Cantor in Altdreßden, in 
Musicis besonders genugsam exhibiret hat, Als wird derselbe unanimi 
voto zu obbemelten Cantordienste erwehlet«. Donnerstag den 14. Nov. 
wurde er sodann in sein neues Amt feierlich eingewiesen, welches 
er am darauffolgenden Sonntag offiziell in der Kirche antrat. ^ 



1 D XII fol. 673. — Die »Pandectae« fol. 96 notiren hierbei fälschlich das 
Jahr 1705. 

2 B Vlla 48 fol. 3. 

3 Gellius, a. a. O., S. 27. 



85 



Im April 1 725 rückte Keinhold in die vierte Stelle des Lehrer- 
kollegiums auf. Zugleich wurde ihm aber die Kirchenmusik auch 
in der Frauenkirche übertragen,^ welche, besonders seit Grundig^s 
Aufrücken in das Kantorat, viel eingebüßt hatte (vgl. S. 12). Sie 
scheint in den meisten Fällen entweder vom Organisten oder von 
einem Alumnenpräfekten dirigirt worden zu sein. Denn noch bis 
zum Jahre 1726 leitete ein solcher die Passionsmusik am Palm- 
sonntag in der Frauenkirche und am folgenden Tage in der Sophien- 
kirche. Gellius berichtet hierzu (S. 36): »Ao. 1726, den 19. Mart, 
Dienstag, Streit wegen des Passion Singens in der Frauen- und 
Sophien-Kirchen; wurde also ausgemacht, daß die alte Art beybehalten, 
vnd solche Künfftig ein Praefectus Alumnorum dirigiren solle. 
Wenig Tage hernach wurde es als ein Musicale depa Hrn. Cantori 
selbst auff dem Raht-Hause injungiret.« Außerdem hatte der Kantor 
natürlich auch die Passionsmusiken der Kreuzkirche zu leiten, welche 
damals Donnerstag vor Judica, Donnerstag vor Palmarum und Kar- 
freitag stattfanden. — 

In den Akten taucht Reinhold erst wieder im Jahre 1734 auf. 

Da nämlich die Kirchenmusiken einen immer weiteren Umfang 
angenommen hatten und mithin auch die Zahl der mitwirkenden Kräfte 
sich vergrößerte, war es allmählich üblich geworden, um Letztere »zu 
desto willigeren Bey stand zu encouragiren«, ihnen jährlich »in des 
Raths Breyh Hauße eine coUation zu geben«, deren Kosten natürlich 
über die hierzu zur Verfügung stehenden Mittel hinausgingen. Der 
Kantor suchte sie darum schon seit längerer Zeit dadurch zu decken, 
daß er unter dem auf den Chören der Kirche anwesenden Publikum 
auf einer Stimme oder in einer Büchse kleine Geldspenden sammeln 
ließ. Diese »Auflage« scheint ziemlich ergiebig und darum sehr be- 
liebt geworden zu sein, sodaß sie in der Frauenkirche auch von den 
drei unteren Schulkollegen, welche hier nach wie vor den Choral- 
gesang zu leiten hatten, beansprucht wurde. Im Februar 1734 sollte 
nun die neue Frauenkirche eingeweiht werden. Darum beeilt sich 
der Kantor, durch ein Bittschreiben an den Rath vom 21. Januar ^ 
sich die Concession zur Einsammlung von Geld auch in dieser zu 
sichern. Und zwar wünscht er für alle Sonn- und Festtage die 
Auflage von demjenigen Chore, »welches nach dem Hospitale zu- 
gebauetcr {d. h. von dem an der östlichen Seite, im Rücken der Kanzel 
liegenden Theile der Empore), an dem Tage aber, »all wo die music 



* D XXXIII 7. — Die Musiken der Sophienkirche hat Reinhold schon seit 
1721 geleitet, wofOr er jährlich 3 Thlr. erhielt. 
2 D XXXIII 7. 



86 



von mir in dieser Kirche gemachet werden muß, auch von den übrigen 
zwei Chören«. 

Darüber entstand ein langer und heftiger Streit mit den Schul- 
kollegen, der sich schließlich auf die Frage ausdehnte, ob letztere 
überhaupt in der Frauenkirche singen müßten, wenn der Kantor 
»Musik mache«, da sie hierin eine Herabsetzung ihrer Würde und 
eine Gleichstellung mit den Schülern erblickten. Dieser Streit wird 
endlich 1740 dahin entschieden, daß an den Sonntagen, an welchen 
Musik in der Frauenkirche stattfinde, ein Fräfekt das Choralsingen 
daselbst zu versorgen habe, während der betr. Kollege den gleichen 
Dienst in der Kreuzkirche leisten solle. Die »Auflagegelder« in der 
Sammelbüchse gehörten von allen Chören, mit Ausnahme dessen bei 
der Kanzel, dem Kantor, jedoch auch nur beim Vormittagsgottes- 
dienst. — 

Speziellere Nachrichten über Reinhold^s Wirksamkeit, insbeson- 
dere über seine Thätigkeit als Komponist, erhalten wir vom Jahre 

1726 an. Am 26. August dieses Jahres wurde nämlich der Grund- 
stein zur neuen Frauenkirche gelegt. Zu dieser Feier hatte Reinhold 
eine große Kantate komponirt, welche in zwei Theilen vor und nach 
der Predigt aufgeführt wurde. Sie begann mit den Textworten: »O 
Herr hilf! O Herr, laß alles wohlgelingen!«. Von einer weiteren 
großen Kantate des nächsten Jahres berichtet Hasche: ^ Am 21. Mai 

1727 wurde auf Befehl des Gouverneurs Wackerbart bei Ankunft 
des Königs in Polen ein prächtige Stägige Illumination der Stadt 
veranstaltet. Auch der Kreuzthurm war illuminirt, der Kantor Rein- 
hold führte von oben eine mit Trompeten und Pauken besetzte Kan- 
tate auf, welche anhob »Gaude Dresda«. — Unter den vielen Ge- 
legenheitsdichtern und -Komponisten, welche beim Tode August des 
Starken dessen Nachfolger den Ausdruck ihrer Trauer widmeten, 
fehlt natürlich auch Reinhold nicht. Die Kgl. Bibliothek zu Dres- 
den besitzt den gedruckten Text seiner »Trauerode«, ^ die mit folgen- 
den Versen beginnt: 

»Ach! weint ihr Cedern, heult ihr Tannen! 
Denn eure größte Zierde fällt« etc. 

Der Titel lautet: »Als Sachsen-Land wegen des schmertzhafften 
Verlustes Seines weyland Glorwürdigsten Königes in Pohlen und 
Chur-Fürstens zu Sachsen, Friedrich Augusts, den 14. April 1733, 
Trauer -Lieder sang . . . Verfertigte gegenwärtige Trauer- und Be- 
friedigungs-Ode in allerunterthänigster Devotion Theodorus Christlieb 



1 Hasche, Diplomatische Geschichte Dresdens, Bd. IV S. 96. 

2 Enthalten in einem »Hist. Sax. C 1052« signirten Bande. 



87 



Reinholdt. Dresden, gedruckt bei Joh. Wilh. Harpeter.« — Am Sonn- 
tag Sexagesimae 1734 (= 28. Febr.) wurde sodann die neue Frauen- 
kirche dem gottesdienstlichen Gebrauche übergeben. Wie die »Curiosa 
Saxonica(( (Jahrg. 1734, S. 73) berichten, komponirte Reinhold hierzu 
gleichfalls eine »angenehme Music«. Sie wurde, wie üblich, in zwei 
Hälften, vor und nach der Predigt, aufgeführt und begann mit den 
Worten des Ps. 122, V. 1. 

Endlich berichten auch die »Dresdener Merkwürdigkeiten« vom 
Jahre 1736 (S. 87) von einer großen Festkantate, welche er bei Ge- 
legenheit der kirchlichen Einweihung der neuen großen Silber- 
mannschen Orgel in der Frauenkirche komponirt hatte, folgender- 
maßen: »25. November ward die neue Orgel in der Frauenkirche 
zum 1 . Mal gespielt ; vor und nach der Predigt wurde auf 3 Chören 
von dem Directore Musices, Hrn. Reinholdten, eine vortreffliche 
Yokal- und Instrumental-Music aufgeführt, und sonderlich in der 
Musik nach der Predigt bey der Communion, da ein wohlcomponirtes 
Echo aus der obersten Kuppel der Kirchen nicht ohne besondere 
Gemüths-Ergötzung erschallete«a Reinhold erkannte mit praktischem 
Slick die außerordentliche Wirkung dieses Kuppelgesangs und wen- 
dete ihn hier zum ersten Male an. Seitdem ist dieser bei beson- 
deren Gelegenheiten öfter wiederholt worden. Damals aber muß 
der Effekt umso größer und wirkungsvoller gewesen sein, als in 
Dresden noch nie vorher etwas Ahnliches gehört worden war. — 

Eine weitere interessante Notiz über Reinhold's Thätigkeit bringt 
dieselbe Quelle (Jahrg. 1738, S. 21): »In diesem Monath [März] hat 
an denen drey Sonntagen Reminiscere, Oculi, Laetare Nachm. 4 bis 
6 Uhr hiesiger Dir. Musices und Cantor det Creutzschule , Herr 
Reinholdt in dem untern Auditorio gedachter Creutzschulen, zum 
Gedächtniß des Leidens Jesu Christi eine Gemüths-erweckende Music 
bey starker Freqventz gehalten, dessen Texte im Druck zum Nach- 
lesen vorhero bekannt gemachet worden.« Diese Mittheilung ist in- 
sofern bemerkenswerth , als uns hier derartige private Musikauf- 
führungen in der Schule zum ersten Male entgegentreten. Erstaunlich 
bleibt dabei die Leistungsfähigkeit des Kantors, der in diesen arbeits- 
reichsten Wochen des Jahres, in denen er neben allen Geschäften 
seines Amts ja nicht weniger als fünf große Passionsmusiken zu 
leiten hatte, noch Zeit fand zu drei weiteren derartigen Aufführungen. 
Wahrscheinlich wurde sowohl der vokale, als instrumentale Theil 
dieser Passionsmusiken meist von Alumnen ausgeführt. Denn auch 
die Instrumentalmusik wurde von diesen eifrig gepflegt, sodaß sie 
für den alljährlich nach dem Osterfest stattfindenden Gregorius- 
XJmgang aus ihrer Mitte einen vollständigen Musikchor zu stellen 



S8 



vermochten. ^ Späterhin fanden derartige Hauskoncerte , das so- 
genannte coUegium musicum, alle Freitage im oberen Auditorium 
der Schule statt. ^ 

Durch diese seine eifrige Thätigkeit hatte sich Beinhold in den 
musikalischen Kreisen Dresdens bereits einen guten Namen gemacht. 
So kam es, daß er 1741 an die Spitze eines großen musikalischen 
Unternehmens in der Residenz gestellt wurde. In genanntem Jahre 
hatte nämlich der Gouvemementsproklamator Chr. Beuckert sein 
» Collegiiim Musicum « gegründet, ein Koncert, welches alle Sonnabende 
von 4 bis 6 Uhr in des Kammersekretärs Mannes Wohnung auf der 
Schössergasse stattfinden sollte.^ Zum ständigen Direktor derselben 
wurde der Kantor Keinhold gewählt, der u. a. schon deßwegen die 
geeignetste Person war, als er jederzeit einen trefflichen, geschulten 
Sängerchor zur Verfügung hatte. 

Wahrscheinlich beabsichtigten die Gegner der damals in Dresden 
alles beherrschenden italienischen Musik durch dieses neue Koncert- 
unternehmen jene wirksam zu bekämpfen, wie sich ja auch ander- 
wärts, wie in Süddeutschland (besonders in Nürnberg) und in 
Hamburg durch Gründung der deutschen Oper das Bestreben, die 
italienische Musik durch deutsche zu ersetzen, geltend gemacht 
hatte. — 

Am 7. Oktober 1741 nachmittags 4 Uhr, als am Geburtstage 
des Königs, fand das erste Koncert statt. Es wurde eine Kantate 
von Reinhold mit einem wohlbesetzten Orchester und einem Sänger- 
chore, bestehend aus 32 Alumnen der Kreuzschule, aufgeführt. Von 
vornherein hatte man nämlich beschlossen, für diese Koncerte öfter 
neue Kantaten oder "Serenaden zu komponiren. Wie lange dieses 
CoUegium Musicum bestanden hat, ist unbekannt. Die »Dresdener 
Merkwürdigkeiten« berichten nur noch einmal von einem solchen 



1 Den Gregorius- Umgang finde ich in den Akten zum ersten Male im 
Jahre 1555 erwähnt, doch liegt sein Ursprung unstreitig viel weiter zurück. Er 
wurde vor der Reformation zu Ehren des Schutzheiligen der Schule unter Gesang 
und allerhand Maskeraden abgehalten, und das dabei gesammelte Geld zur Unter- 
stützung der Lehrer bestimmt. 1582 wurde er auch vom Kurfürst August aus- 
drücklich bestätigt. Die Verwendung von Instrumentalmusik bei demselben wird 
schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts bezeugt (Kreuzschul- Archiv la 14 Mise. 2 
»Ordnung welcher gestalt der Coetus Scholasticus bey Begehung des Gregorii-Festes 
Ao. 1668 aufzuführen sey«). 

2 Vgl. Hasche, »Umständliche Beschreibung Dresdens«, Bd. n, S. 695. 

3 »Dresdener Merkwürdigkeiten« des Jahres 1741 , S, 76. — Die Angabe 
Fürstenau*s (»Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden« 
Bd. U S. 236), daß Mannes' Wohnung auf der Schießgasse gelegen habe, und somit 
die Koncerte dort stattgefunden hätten, ist hiernach zu berichtigen. 



89 



Koncert (Jahrgang 1741, Seite 92): »Den 9. Dez. hat das hiesige 
unter Direction des berühmten Hrn. Reinhold stehende Collegium 
Musicum Ihrer Maj. der Königin Tages vorhero glücklich erlebten 
hohen Geburths-Tag celebriret, und die darbey aufgeführte Serenade 
in Druck bekannt gemacheto. — 

Die Übernahme dieser neuen Last hatte natürlich eine Überbür- 
dung Reinhold's zur Folge, welcher der fast 60jährige Kantor nicht 
mehr gewachspu war. Sein Wunsch ging darum dahin, daß man ihn 
vom Schulunterricht gänzlich befreie, der ohnehin in der letzten 
Zeit infolge der getheilten Interessen des Kantors sehr vernachlässigt 
worden war, ein Umstand, der sowohl der Disciplin im Chore, als 
der Werthschätzung seiner Person seitens der Schulkollegen nicht 
gerade forderlich war.^ Auf eine diesbezügliche Bitte hatte der 
Rath bereits beschlossen, Reinhold etwas Ruhe in seinem Alter zu 
schaffen. In einem mPro memoria a. vom 13. September 1742 ^ werden 
nun ersterem Vorschläge für die Regelung dieser Angelegenheit ge- 
gemacht. Vor allem kam hier die Frage der künftigen Besoldung 
in Betracht. Da sich die Kantorats- Einnahmen von den Acciden- 
zien nach und nach merklich verringert hätten, bitte Reinhold, daß 
die ihn künftig im Schuldienst vertretenden Kollegen » nur die 1 2 gr. 
Schulgeld erhielten, nicht aber die 18 gr. Schulgeld der Alumnen 
in clause quarta, welches nicht unter das gewöhnliche Classen Schul- 
geld zu rechnen sein wirda.^ Auch könne er »von seinem Salario^ 
ingleichen von legatis, wie sie Nahmen haben mögen, wie auch von 
dem gewöhnlichen Gregorio nichts abtreten, sondern cediret weiter 
nicht das Geringste, alß was wöchentlich alß Schulgeld von der 
Classe zu rechnen ist«. Sodann ersuche er den Rath, er möge 
(loch, »damit es nicht das Ansehen habe, alß were er gegen die 
€ollegen geringer zu halten, dem Collegio Scholastico andeuten, daß 

^ Schon am 5. Dezember 1740 beklagt sich Beinhold in einem Schreiben an 
<ien Rath über den Ungehorsam der Alumnen und der Kollegen Geringschätzung 
seiner Person (B Vlla 192«), 

* B VII* 43 fol. 1 ff. Der Verfasser ist nicht genannt. 

8 Ursprünglich zahlten die Alumnen kein Schulgeld. Erst im Anfang des 
18. Jahrhunderts erhob man ein solches, in Folge der steigenden Zahl und Ein- 
nahmen derselben, von einem Jeden persönlich. Im Jahre 1719 wurde es aber 
üxirt und vom Kurrendegeld abgezogen. Um 1740 erhielten von diesem Schulgeld 
der Alumnen wöchentlich der Rektor 3 Thl., der Konrektor 2 Thl., der Tertius 
1 Thl., der Quartus 18 gr., der Quintus 12 gr., und der Sextus 6 gr. — Unter 
den mit »Schulgeld« schlechthin bezeichneten 12 gr. ist das der Kurrendaner und 
der wenigen Extraner zu verstehen. Erstere zahlten von Anfang an die Hälfte des 
üblichen Schulgelds, in Quarta 6 ^, neuerdings jedoch 1 gr. 6 3^, bis ca. 1760 
auch deren Schulgeld wegen starken Rückganges der Kurrende und ihrer Einnah- 
men fixirt wurde. 



90 



ei als Directox cfiori musici anzusehen sei. Da auch biB anhero das 
Chor in grose decadange gekommen, masen durch den letzten stareken 
abgang anitzo fast keine dichtige Bassisten mehr im Chore sind, 
indem er nur junge Knaben von kleiner Statur und wenigen Kräfiten 
darzu choisiren müßen, welche aber wegen ErMangelung der Kräfite 
gar leichte (wie biß anhero geschehen) in eine Schwindsucht und 
Yerzehrung können gesetzet werden; alß wird von Reinholden ge- 
bethen, dem HE. Rectori Schöttgen anzudeuten, daß Er seinen Vor- 
fahrern bey election der Alumnorum nachfolgen möchte , w^elche 
sagten : Uns . stehet nicht zu das Chor der alumnofnim zu reguliren, 
sondern gehöret vor demjenigen, welcher die music in der Kirche 
und in dem Chore zu besorgen hat, und sich also auch vor seine 
Person nicht in Choralia melireji möge, sintemahl es wohl eine leichte 
Sache ist, ein Chor zu destruiren, aber schwer zu restauriren« etc. 

Ein endgiltiger Rathsbeschluß in dieser bis jetzt allerdings ohne 
Präcedenz dastehenden Angelegenheit verordnete am 10. Nov. 1742, 
daß dem Kantor gegen Abgabe des ordentlichen Schulgeldes der 
Kurrendaner »alle fixa nach wie vor verbleiben, und nechst diesem 
ihm jährlich Yiertzig ^ Thaler halb zu Michaelis und halb zu Ostern 
zum aequivalent vor gedachtes Schulgeld, und wegen besonderer 
Anführung derer Raths - Discantisten in der Music, ^ aus dem Ver- 
mögen der Sophienkirche gereichet werden« sollten. 

Nach Gellius (a. a. O., S. 53) scheint diese Dispensation vom 
Schulunterricht erst am 6. Dezember praktisch in Kraft getreten zu 
sein. Er berichtet zugleich, daß sich in die Lektionen des Kantors 
der Tertius und Quintus getheilt hätten, »wie solches von dem Hrn. 
EphoTO und Patronis gut geheißen worden«. 

Damit war Reinhold eine große Erleichterung in seinem Amte 
geschaffen worden, welches ihm noch über zwölf Jahre in Ruhe zu 
führen vergönnt war. Auch hatte er noch drei Jahre vor seinem 
Tode die Freude, zum Tertius befördert zu werden. Als nämlich 
1751 der berühmte Rektor Chr. Schöttgen starb, rückten sämmtliche 
Lehrer der Schule um je eine Stelle auf. Die Bestallungsurkunde 
Reinhold's als CoUega ni datirt vom 5. Mai 1752.3 Ihm sollen 
alle bisherigen Verrichtungen verbleiben. Vor allem wird ihm eine 
regelmäßige Abhaltung der Gesangsstunden der Alumnen zur Pflicht 
gemacht, woran es gewiß in letzter Zeit manchmal gefehlt hat. 
Außer allen mit dem Kantorat verknüpften Fixis und Accidenzieu 



i Aus »Sectzig« korrigirt. 

2 In einem Gutachten hatte der Rektor Schöttgen unter den vom Kantor ab- 
zutretenden Einkünften auch das Schulgeld der Rathsdiskantisten mit aufgeführt. 

3 B VII a 48 fol. 5. 



91 



und den ihm früher zugesprochenen 40 Thalern aus dem Sophien- 
kirchen-Vermögen soll er erhalten: 1) die Besoldung des Collegae 
tertii, 2) »das Schulgeld von denen Alumnis, so wöchentlich in tertia 
1 Thlr. austrägt ff. Doch bemerkt das Schreiben des Käthes aus- 
drücklich, daß die Nachfolger im Kantorat nicht die dritte, sondern 
die vierte Stelle im Kollegium innehaben sollen J 

Am 20. Juni fand die feierliche Einweisung aller aufgerückten 
Schulkollegen statt. Die »Dresdener Merkwürdigkeiten« dieses Jahres 
berichten hierüber (S. 47 f.): »Der nunmerige Tertius Theodor Christ- 
lieb Reinhold sprach dabei über die Kenntniß seiner selbst, wie sie 
mit der Liebe Christi zu verbinden sei«. — 

Über seinen Tod im Jahre 1755 berichtet ein Aktenstück des 
Rathsarchivs : 2 »Am 24. Marti um 11 Uhr starb der allhießge Cantor 
und Chor-Director bey der Kreuzkirche Hr. Reinhold aet. 73 an., 
ist den 26. nach St. Johannis begraben worden, nachmittage 4 uhr, 
wobei die Sämtliche Schule in Procession mitgegangen«, und die 
»Pandectae« bemerken hierzu (fol. 94): y)Mortuus d, 24. Martii 1755 
et sepultus d, 26. k. m. magnis cum solemnibus^ elahoratis typis exscriptis 
et a CoUegio Scholastico et Superioris auditorii discipulis carmtnibus.(a'^ 

Unter seinen vielen Schülern ragt vor allen Joh. Adam Hiller 
hervor, ein Mann, dem die Musikwissenschaft auf allen ihren Ge- 
bieten neue Anregungen und große Förderung verdankt. Dieser hat 
seinem Lehrer allezeit eine treue und dankbare Gesinnung bewahrt, 
wie er ihm ja auch noch zwei Jahre vor dessen Tode sein Schriftchen 
»Über die Nachahmung der Natur in der Musik« dedicirte.^ 

Von Reinhold' s vielen Kompositionen ist uns soviel wie nichts 
überkommen. Indessen dürfte dies für die Musikgeschichte keinen 
namhaften Verlust bedeuten. Denn wenn jene einen größeren Werth 
besessen hätten, würden sie doch eine gewisse Verbreitung gefunden 
haben, so daß man sie noch hier und da in Bibliotheken finden 
könnte. Das Einzige, was wir von ihm noch besitzen, verdanken 
wir der Fürsorge seines Schülers Hiller, der uns zwei Motetten 



1 B VII» 43 fol. 22 ff. 

2 C XV 230 fol. 86. 

^ Die Angabe des 26. März als Todestag Beinhold's im »Neueröffneten Histor. 
Ouriositäten-Cabinet aufs Jahr Christi 1755« ist hiernach eine Verwechselung mit 
seinem Begräbnißtag. 

* J. A. Hiller »Abhandlung über die Nachahmung der Natur in der Musik, 
Sr. Hochedlen Herrn Theodor Christlieb Reinholdt, Direktor der Musik und Col- 
lagen der Schule zum heiligen Ejeutz in Dresden zugeeignet«. Enthalten in 
Marpurg's Hist.-krit. Beiträgen, Bd. I, S. 515—543, vom Jahre 1754. 



92 

Reinhold's in seinen »Vierstimmigen Motetten und Arien etc.«* über- 
liefert hat. Der erste Theil derselben enthält die Motette : » Herr, 
gehe nicht ins Gericht« 4 voc, und der vierte Theil: »Alle eure 
Sorgen werfet auf den Herrn « 4 voc. Hiller selbst sagt über Rein- 
hold und seine Kompositionen im Vorbericht : » Der seelige Reinhold, 
ehemaliger Cantor und Musikdirektor an der Kreuzkirche zu DreBden, 
verdient mehr wegen der Menge der in dieses Fach gehörigen Auf- 
sätze, als wegen der vorzüglichen Güte derselben bemerkt zu werden. 
Nachläßige Behandlung des Textes, nicht genügsame Sorgfalt für 
die Reinigkeit des Satzes, sind Vorwürfe, die man ihm mit Recht 
machen kann. Über zwey bis drey Stücke getraute ich mir nicht 
herauszufinden, die der Vergessenheit entrissen zu werden verdienten, 
und auch diese hätten hin und wieder noch medicam manuni von- 
nöthen«. — Allgemein bekannt und berühmt war Reinhold jedoch 
als Baß Sänger. Alle zeitgenössischen Berichte und Stimmen 
spenden ihm als solchen ein uneingeschränktes Lob. ^ 

Schließlich ist noch eine vier Bogen starke Schrift Reinhold's 
zu erwähnen, welche 1736 in Dresden erschien. Ihr Titel lautet: 
»Einige zur Musik gehörige poetische Gedanken bei Gelegenheit 
der schönen neuen in der Frauenkirche in Dresden verfertigten 
Orgel «.^ Eine ausführliche Recension derselben erschien in Lorenz 
Mizler^s »Musikalischer Bibliothek«, Bd. I, S. 67—71. 



Nicht lange nach Reinhold's Tode gingen die Bewerbungs- 
schreiben um das erledigte Kantorat ein. Neben anderen bewarben 
sich Job. Gottlieb Grahl, Kantor in Dresden - Neustadt , Job. Chr. 
Gößel, Organist bei St. Sophien, Gotthelf Sigismund Zacharias, 
Kantor in Herzberg, Job. Friedrich Drobisch, Kantor zu St. Annen, 
lind Gottfried August Homilius, Organist an der Frauenkirche. 

Von den beiden Letzteren ist in den Akten der Text ihrer Probe- 
musiken beigelegt,^ welche die Überschriften tragen: »Gedanken 
über die Vorsorge Gottes, in Musik gesetzt von Job. Friedr. Drobisch, 

1 »Vierstimmige Motetten und Arien in Part., von verschiedenen Componisten, 
,zum Gebrauche der Schulen und anderer Gesangsliebhaber gesammelt und heraus- 
gegeben von Joh. Adam Hiller«. Theil I— VI. Leipzig, Dyk. 1776 — 1791. 

2 Vgl. J. A. Hiller, »Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten etc.« 
S. 81; Hasche, »Diplomat. Geschichte Dresdens«, Bd. IV S. 251. Außerdem noch: 
Fürstenau, »Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden«, 

Bd. II S. 236. 

3 Diese Schrift scheint sehr selten geworden zu sein. Trotz großer Bemühung 
konnte ich kein Exemplar derselben erlangen. 

4 B VII» 48 Vol. I fol. 28 f. 



93 



Schol. Ann. Cant. «, und »Probestück, welches von eigener Arbeit 
Aufführen wird Gottfr. August Homilius«. Von Zacharias findet 
sich die vollständige Partitur einer Kirchenmusik in 5 Sätzen vor: 
»Befiehl dem Herrn deine Wege« etc. 

Der Rath beschloß am 15. April, Grahl. Homilius und Drobisch 
»zur Probe im Lesen und Singen zuzulaßena. Letztere fand am 
28. April nachmittags 2 Uhr unter Anwesenheit des Superintendenten 
und des Rathes »im untern Auditorio« der Schule statt »über die 
ihnen vom Superintendenten aufgegebenen Pensa ex Epami?wndae 
cap. /, // et III mit exponiren, analysiren und extrahirung derer 
phrasium, b) dergleichen über einige versiculos ex Novo TestamentOy 
c) catechisiren. Hernach verfügte man sich in die Creutzkirche, wo 
selbst bemelte Candidati in obiger Ordnung ihre Specimina in der 
Music ablegten« {fol. 32). Auf Grund dieser Probe wählte der Rath 
in der Sitzung vom 1 . Mai einstimmig zum Kantor und CoUega V y 

Gottfried August Homilius, 1755 — 1785, 

»da er in graecis und sonst gar geschickt sey, auch in der Music 
den Vorzug habe«. Doch soll er während des üblichen halben 
Gnadenjahres 'alle Einkünfte von Kantorei und Schule der Tochter 
Reinhold's, welche die Frau des Sophienkirchen - Organisten Gößel 
war, überlassen, wofür letzterer alle musikalischen Verrichtungen 
des Kantors zu übernehmen verpflichtet wird. 

Nachdem Homilius sich damit einverstanden erklärt hatte, wurde 
ihm am 10. Juni 1755 die Bestallungsurkunde ausgefertigt, welche 
er noch an demselben Tage in seiner Wohnung, » Friesengäßchen in 
Mangelsdorfs Hause ((, vom Stadtschreiber erhielt (fol. 35). 

Aus seinem Be werbungsschreiben ^ vom 29. März 1755 theilen 
wir folgenden Passus mit: ». . . Vere Vobis, Patres Conscripti, hoc 
affirmare possum^ singularem musicae artis pulchritudinem mentem 
meam, usque a puero , admirabili quodam sui desiderio incendisse; et 
quae mea felidtas fuit, Organicus ad B. Virginis templum fredecim 
ahhinc annis Vestro bene/icio constitutuSy sequi naturae meae propen* 
sionem abunde potui. Quo Vestro Sapientissimorum Virorum de me 
judicio excitatus^ maximam temporis partem accuratiori sonorum 



1 Jener Beschluß des Rathes vom 5. Mai 1752 (vgl. S. 91), daß das Kan- 
torat künftig mit der 4. Stelle verbunden sein soll, ist also nicht weiter berück- 
sichtigt worden. 

2 B VII» 48 Vol. I fol. 8 f. — In deutscher Übersetzung vollständig abge- 
druckt bei La Mara, »Musikerbriefe aus 5 Jahrhunderten«. Leipzig, 1886. 



94 



tractationi ita quidem tribui^ ut in ixs rite componendiSj qui huiua doc- 
trinae apex est, non levem operam studiumque hactenus posuerim . . .« 

Homilius war ohne Frage der Bedeutendste unter den Kreuz- 
kantoren und einer der größten Kirchenkomponisten der zweiten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Trotz alledem ist es eine merkwür- 
dige Fügung des Geschickes und zugleich bezeichnend für sein 
ganzes stilles, bescheidenes Wesen, daß wir aus dem Leben dieses 
Meisters nur die allerdürftigsten Nachrichten besitzen. Bis vor etwa 
12 Jahren mußte man sich auf die wenigen Mittheilungen Gerber's 
in seinem Tonkünstler -Lexikon (Bd. I, Spalte 665 f.) beschränken, 
welche Ph. Spitta dann in seiner Homilius -Biographie ^ nach einer 
»Kirchennachricht der Kreuzkirche« vom Jahre 1828 in etwas be- 
reichern konnte. Einige weitere Ergänzungen findet man im Fol- 
genden. 

Laut Taufbuch ist Gottfried Aug. Homilius am 2. Februar 1714 
zu Hosen thal bei Königstein in Sachsen geboren, als Sohn des Orts- 
pfarrers Gottfried Abraham Homilius und dessen Ehefrau Christiana 
Sibylla, Tochter des Pfarrers Freyberg zu Stolpen. Am 8. Februar 
erfolgte sodann seine Taufe in Rosen thal. Im Sommer desselben 
Jahres wurde sein Vater jedoch Pfarrer zu Porschendorf, nachdem 
er 8Y2 Jahr in Kosenthai gewirkt hatte. Hier verlebte nun unser 
Kantor seine Jugendjahre.- Ob er zur Erlangung der Universitäts- 
reife eine öffentliche Schule besucht hat, oder etwa von seinem Vater 
privatim vorbereitet wurde, ist unbekannt. Sein Name ist weder in 
den Schülerlisten der Kreuzschule, noch in denen der Fürstenschulen 
zu finden. Am 21. Mai 1735 wurde er jedoch unter dem Rektor 
Friedrich Menzius bei der Universität Leipzig immatrikulirt , um 
hier gewiß nach dem Wunsche der Eltern den theologischen Kursus 
zu absolviren. Nach seinen eigenen Worten hatte er jedoch von 
Jugend auf einen empfänglichen Sinn für die Schönheit der Musik 
und eine innere Sehnsucht, sich ihr ganz widmen zu können. Diese 
starke Neigung mag hier in Leipzig, wo die Musik von alters her 
eine Pflegestätte gefunden hatte, und ein Joh. Seb. Bach damals auf 
der Höhe seiner Wirksamkeit stand, neue Nahrung bekommen haben, 
sodaß er denn auch bald ganz zur Musik überging und dieses größten 
Meisters Schüler wurde. 



1 »Allgemeine deutsehe Biographie. Bd. XIII, S. 53 flf. 

2 Daher kommt es, daß ihn jenes Protokoll der Bathssitzung vom 10. Mai 
1755, in welcher er zum Kantor gewählt wurde, als » aus Porschendorff « stammend 
bezeichnet, während selbst seine Grabschrift auf dem ehemaligen Johannisfriedhofe 
in Dresden Stolpen als seinen Geburtsort nannte. 



95 



Aber erst nach sieben Jahren erhalten wir wieder eine Kunde 
von ihm. Nachdem er seine Lehrjahre beendet, bewarb er sich im 
Mai 1742 um die erledigte Organistenstelle an der Frauenkirche zu 
Dresden. In der vom Rath auf den 16. Mai festgesetzten Probe 
spielte Homilius »ein Präludium und Fuga, den Choral »An Wasser- 
flüssen Babylon«, ferner eine Fuge über ein vom Cantor Reinhold 
aufgegebenes Thema und dann ein AUa hreve im Generalbaß«.^ 
Diese Probe fiel derartig zu seinen Gunsten aus, daß ihm bereits 
am folgenden Tage die Vocationsurkunde zugestellt wurde. In diesem 
neuen Amte fühlte sich Homilius sehr glücklich. Er fand hier ein 
ganz neues, großartiges Orgelwerk vor, auf dem er sich infolge 
seines Talentes und Fleißes zu einem der größten Orgelkünstler 
seines Jahrhunderts ausbildete. Schon 1743 bewunderte man bei 
Gelegenheit des Fest- und Dankgottesdienstes für die gänzliche 
Vollendung der Frauenkirche sein schönes Spiel, und noch 1776, 
nachdem schon 21 Jahre seit Niederlegung der Organistenstelle ver- 
flossen waren, zeigte er vor dem Kapellmeister Joh. Friedr. Reichardt 
eine außergewöhnliche technische Fertigkeit, eine Eleganz des Aus- 
drucks, Fluß der Gedanken, eine unerschöpfliche Kunst der freien 
Fantasie und subtilsten Registrirung. Seine Autorität war eine so 
allgemein anerkannte, daß man sich seiner öfter bediente, um ein 
Gutachten über den Zustand einer Orgel oder einen Plan zum Neu- 
bau einer solchen zu erlangen. So prüfte er am 6. Dezember 1757 
im Auftrage des Raths die von Hildebrand neuerbaute Orgel in 
Dresden - Neustadt und reichte ein schriftliches Gutachten ein, in 
welchem er sich sehr günstig über diese ausspricht. ^ Ebenso fertigte 
er am 29. Dezember 1784 eine Disposition für die neu zu erbauende 
Kreuzkirchenorgel, in der er die genauesten Angaben über Material, 
Register etc. macht und damit beweist, daß er auch in die Details 
der Orgelbaukunst gründlich eingeweiht war.^ Der Bau wurde 1786/87 
von den Gebrüdern Wagner aus Schmiedefeld nach den Grundzügen 
dieser Disposition ausgeführt. 

Allein die Sorge um seine Familie drängte ihn doch, sich nach 
einer besser dotirten Stelle umzusehen. Er bewarb sich darum 
Ende 1753 um die erledigte Organistenstelle zu Zittau, wo er jedoch 
zu Gunsten eines Joh. Trier weichen mußte. So fügte es ein gün- 
stiges Geschick, daß seine bedeutende Kraft für Dresden erhalten 
blieb. Nicht lange darauf, am 10. Juni 1755, wurde er, wie erwähnt, 
in das Kreuzkantorat befordert, ein Amt, für welches er, wie kein 

1 D XXXIV 14. 

"" D XXXIV 20 fol. 64 ff. 

3 B III 36. 



96 



anderer, geschaffen war und das er 30 Jahre lang mit seltener Treue 
und großem Fleiße verwaltete. 

Homilius war ein ausgezeichneter Lehrer, dessen Ruf sich weit- 
hin verbreitete und eine große Schülerzahl anlockte, sodaß sein Kan- 
torat einen Höhepunkt des Chorlebens, wie auch der Schule über- 
haupt bezeichnet. Ein Schüler von ihm, der 1833 als Tertius der 
Kreuzschule emeritirte Mag. K. A. Hey der, bestätigt dieses in seiner 
handschriftlichen Selbstbiographie^ ausdrücklich: »Zu der Zeit« sagt 
er , »als ich auf die Kreuzschule kam , und schon viel früher , war 
die Kreuzschule nicht nur als ein wissenschaftliches, sondern auch 
musikalisches Institut weit uiid breit berühmt. Wer erinnert sich 
nicht in der erstem Hinsicht an Schöttgen's und in letzterer an 
Homilius' Zeiten?« Der Zudrang zu den neu zu besetzenden 
Stellen auf dem Alumnate war damals ein so starker, daß die Zahl 
der Bewerber oft das Vierfache des Bedürfnisses überstieg. Eine 
höchst interessante Illustration hierzu ist die Beschreibung Heyder's 
von seiner musikalischen Aufnahmeprüfung unter Homilius, aus der 
wir zugleich ein getreues Bild erhalten, wie eine solche in damaliger 
Zeit überhaupt vor sich ging. Der Kantor hatte Heyder's Vater 
auf dessen Anfrage mittheilen lassen, er möchte seinen Sohn Montag 
nach Misericordias Dom. ihm zu einer Vorprobe bringen. An diesem 
Tage, berichtet Heyder (fol. 5^ f.), »gingen wir zum Musikdirector, 
der zuerst nach unserm Namen fragte, und da ihm dieser auffiel, so 
erkundigte er sich nach unserer Abstammung, welches, wie wir später- 
hin erfuhren, nicht ohne Absicht geschah, weil seine erste Gattin 
gleichfalls eine geborne Heyder gewesen war. Hierauf probirte er 
meine Stimme, und bestellte uns den Donnerstag um 2 Uhr in die 
Kreuzschule, wo in Gegenwart des ganzen Kaths und der Schul- 
inspection öffentlich Probesingen gehalten wurde. Am gedachten Tage 
fanden wir uns im Schulhause ein, wo wir noch 23 andere Probe- 
sänger antrafen, von denen aber, bei 6 Vacanzen, nur ebensoviel 
reüssiren konnten. Gleich nach 2 Uhr wurde einer nach dem andern 
zum Absingen eines Probestückes hineingerufen, wo an der Wand 
ein Clavecin stand, das der Musikdirector dirigirte, und an einer 
runden Tafel die Herren zuhörten. Mein Probestück enthielt den 
Text : nach dir, Herr, verlanget mich. Nach Beendigung des Probe- 
singens wurde vor allen Dingen deliberirt, wen der Musikdirector am 
besten brauchen könnte. Als man darüber einig geworden war, so 
wurde einer nach dem andern von den Gewählten hineingerufen, 



1 Kreuzsohul- Archiv IIX^ 23 fol. 16^. — Heyder's Aufnahme in die Schule 
und das Alumneum erfolgte Ostern 1775. 



97 



bis endlich die Reihe mich zuletzt traf. Wer war nun vergnügter 
als ich und mein guter Vater, dem nichts mehr am Herzen lag, als 
die künftige Wohlfahrt seines Kindes?« 

Homilius verstand es, durch seine eigene würdige Persönlichkeit 
den Schülern Achtung und Respekt einzuflößen. Mit einem ein- 
fachen, anspruchslosen, rechtlichen Wesen verband er Ernst und 
Strenge, sodaß er in kurzer Zeit die in den letzten Amtsjahren Rein- 
hold's immer stärker auftretende Verwilderung und Disciplinlosigkeit 
im Chore beseitigte. Auch eine nach dieser Seite hin charakte- 
ristische Notiz verzeichnet Hey der (fol. 1^): »Vor dem Rektor [Chr. 
Friedr. Olpe, 1771 — 1802] hatte der Alumnus nicht viel Furcht, vor 
dem Cantor aber zitterte jeder, sobald er mit ihm zu thun hatte.« 

So erzielte Homilius aber eine Leistungsfähigkeit des Chores, 
wie sie in dieser Höhe bisher noch nicht dagewesen war, die auch 
in Dresden allgemein anerkannt wurde. Von einem Gregoriusumgang 
des Jahres 1780 berichten ausdrücklich die » Dresdener Merkwürdig- 
keiten« (S. 30) : »In diesen Tagen (Anfang April) hielten die Alumni 
der hiesigen Stadtschule zum heil. Creuze ihren in diesen Tagen 
gewöhnlichen Umgang unter Instrumental- und Vocal-Music durch 
die Gaßen hiesiger Stadt, wobey sie durch ihre musikalischen Fertig- 
keiten dem Unterricht eines berühmten Homilius Ehre und sich 
vielen Beyfall erwarben.« Überall, wo es in Dresden galt, eine Feier- 
lichkeit durch Musik und Gesang auszuschmücken, wurden die 
Alumnen der Kreuzschule herangezogen. ^ Diese waren sich aber 
auch ihrer Überlegenheit anderen Sängerchören und speziell auch 
den Kurrendanern der Kreuzschule gegenüber voll bewußt, wie dies 
aus den Debatten eines großen Streites zwischen letzteren und den 
Alumnen^ deutlich hervorgeht, der 1761 ausbrach und endgiltig erst 
durch einen beiderseitigen Vergleich vom 20. September 1790 beige- 
legt wurde. Die Veranlassung desselben war kurz folgende : Weil in 
damaliger Zeit der Figuralgesang vor den Häusern beliebter gewesen 
zu sein scheint und besser bezahlt wurde, hatten sich auch die Kurren- 
daner, denen ursprünglich allerdings nur der Choralgesang zuge- 
wiesen war, allmählich jenes bemächtigt. Dadurch sahen sich aber 
die Alumnen in ihren Einnahmen geschädigt und wandten sich mit 
der Bitte um Ahhilfe an den Kantor Homilius, indem sie u. a. zur 
Begründung ihres Verlangens die Befürchtung aussprachen, daß 
manche Bürger die auf den Straßen »figurierenden« Kurrendaner für 
Alumnen halten könnten, und so der allerdings geringwerthigere 



* Vgl. z. B. »Dresdener Merkwürdigkeiten« des Jahres 1780, S. 51 und 80. 
^ Hasche, »Diplomat. Geschichte Dresdens«, Bd. V, S. 528. 



98 



Motettengesang jener das Renommee der Alumnen beim Publikum 
schädigen könne. ^ Der Kantor nahm sich auch entschieden der 
Rechte der Alumnen an, während der Rektor Christoph Kretzschmar, 
der selbst ein alter Kurrendaner war^ und der Superintendent sich 
für die Kurrendaner verwandten. Die Sache blieb darum beim Alten, 
bis der Rektor am 4. Jifhi 1764 plötzlich starb, nachdem er noch 
zwei Tage vorher ein umfängliches Schreiben zu Gunsten der Letzteren 
verfaßt und an den Rath eingeschickt hatte. ^ Der Kantor und die 
Schulkollegen, welche einen bestimmten Antheil an den Einkünften 
der Alumnen hatten und darum mitinteressirt waren, erbaten sich 
dieses zur Erwiderung und erhielten es. Die Gegenschrift der 
Kollegen, welche gleichfalls sehr umfänglich ist und einen inter- 
essanten Einblick in die Chorverhältnisse gestattet, erschien am 
29. August (fol. 32 — 46). Die Akten lassen jedoch nirgends ein Ein- 
schreiten des Raths in dieser Angelegenheit erkennen. Erst am 
14. Februar 1778 erschien eine Verordnung der Schulinspektion, 
welche den Kurrendanern den Figuralgesang auf den Straßen ver- 
bietet und das sogenannte »Extrasingen« nur im Behinderungsfalle 
der Alumnen gestattet. ^ Damit waren diese streitigen Punkte für eine 
Reihe von Jahren geregelt, bis die Kurrendaner wieder um Milde- 



* Vgl. den interessanten Passus eines Berichts über eine Konferenz des 
Schulinspektors mit dem Superintendenten D. am Ende vom 26, April 1764 (B 
VII^ 53), aus dem man erkennt, daß Homilius sich für die Alumnen beim Ober- 
konsistorium verwendet hat, wo jedoch der Superint. sich zu Gunsten der Kurren- 
daner ausgesprochen und u. a. folgendes vorgebracht habe : ». . . , Der Einwand, 
daß das schlechte Singen derer Currendaner denen Alumnis zum Praeiudiz ge- 
reichte, indem man sie vor alumnos hielte, wäre von keiner Erheblichkeit«. Eben- 
sowenig der Einwand, daß die Alumnen nachlässiger würden, wenn sie sähen, daß 
sie außer dem Verlust noch die Schande hätten, »denn was die eingebildete Schande 
anlange, so würde ihnen Niemand das schlechte Singen imputiren, weiln der Unter- 
schied unter ihnen gar zu notorisch sey«. 

2 B Vlifa 55 fol. 16 ff. 

3 Diese »Extra«, unter denen die sogenannten »Lob- und Dank-E.« und 
>Sterbe-E.« am häufigsten waren, wurden in der Kegel um Mittag von einem Präfekten 
und einem Alumnenchore ausgeführt und unterschieden sich von den größeren 
sogenannten »Ansingen«, welche ein Präfekt mit zwei Alumnenchören Abends 
bei Fackelschein vor den Häusern verrichtete. Sie hatten den Zweck, Gönnern 
und Freunden der Alumnen, entsprechend der Größe ihrer Unterstützungen, den 
Dank und die Ergebenheit derselben zum Ausdruck zu bringen, oder vor größeren 
Leichenbegängnissen Trauerarien zu singen etc., wofür sie natürlich besondere 
Gratifikationen erhielten. Übrigens scheinen diese »Extra« noch gar nicht alt zu 
sein, da sie in den im Kreuzschularchiv aufbewahrten Kechnungsbüchern des 
Chores am 1. Advent 1751 zum ersten Male genannt werden. Die Kurrendaner, 
deren Einkünfte seit dem siebenjährigen Kriege allerdings auch sehr zurückgegan- 
gen waren, hatten diese öfter mit Glück an sich gezogen. 



99 



rung dieser für sie harten Vorschriften nachsuchten. So kam end- 
Kch jener schon erwähnte, von der Schulinspektion approbirte Ver- 
gleich vom 20. September 1790 zu stände,^ worin den Kurrendanern 
1) das Extrasingen vor dem Thore zu gestanden wird,^ 2) das Singen 
von Arien und Motetten auch in der Stadt bei den Oster- und 
Pfingstumgängen , wogegen sich diese verpflichten, die Einnahmen 
der Alumnen im übrigen weder durch Arien-, noch Extrasingen in 
der Stadt zu schmälern. 

Aus Homilius^ Amtsthätigkeit finden sich mehrere kurze Berichte 
in den »Dresdener Merkwürdigkieiten« vor. Da die Karfreitag-Passions - 
musik damals, wie noch heute, die bedeutendste Amtsleistung des 
Kantors war, zumal da sie auch in den meisten Fällen von ihm 
selbst komponirt wurde, ist es natürlich, daß dieses musikalische 
Ereigniß bei jenen Berichten besonders berücksichtigt wird. So ver- 
zeichnen sie ganz kurz im Jahre 1777 (S. 25), daß am 28. März in 
der Frauenkirche »eines der schönsten Oratorium zur allgemeinen 
Erbauung« aufgeführt wurde. Es führte den Titel: »Empfindungen 
eines Christen bey dem heiligen Grabe.« Ferner, daß am 
13. April 1781 »bey der an diesem Tage gewöhnlichen Passions- 
musik das Singgedicht »Jesus Christus der Weltversöhner« 
meisterhaft aufgeführt« wurde. »Die Musik ist von dem durch so 
viele vortreffliche Kirchenstücke rühmlichst bekannten hiesigen Herrn 
Cantor Homiliusa (S. 31). Etwas ausführlicher werden die Passions- 
musiken von 1782 und 1783 besprochen. Von ersterer heißt es 
(S. 50): »Am Charfreitag ward früh um 7 Uhr in der Frauenkirche 
die jährliche große Passion, mit voller musikalischer Begleitung, von 
Herrn Kantor Homilius zur rührenden Erbauung der Zuhörer 



1 Hasche, ah alter Kurrendaner, beklagt ihn a. a. O. folgendermaßen: »Nach 
und nach brachte man die Gurrende um ihre usuellen Hechte, da sie doch in 
Posseß waren, darüber sie beinahe einging. Nicht gut für eine Schule, noch 
weniger für die gelehrte Welt ! Nun konnte der Arme scly^er studiren, gleichwohl 
sind die größten Gelehrten, Professoren, Superintendenten, Fastoren, Landprediger, 
Schuldirectoren immer mehr aus ihnen als aus den Alumnen erwachsen, welche 
gewöhnlich Cantoren, Musikdirectoren , Schulmeister etc. aus Liebe zur Musik 
wurden.« — Leider fehlt bisher eine zusammenfassende Arbeit über die Kantorate 
und musikalischen Amter im Lande. Die städtisohen Archive 'bergen auch nach 
dieser Seite lun einen reichen, noch ungehobenen Schatz. Hier würden diesbezüg- 
liche Forschungen viele Belege für die Thatsache liefern können, daß noch in 
dieser Zeit, ja selbst bis in unser Jahrhundert hinein die Inhaber jener Ämter zum 
großen Theile aus solchen Alumnaten hervorgegangen sind. 

^ Das Singen vor den Thoren gehörte, nachdem es im Anfang des 18. Jahr- 
hunderts, üblich geworden war, ausschließlich zu den Verpflichtungen der Kurren- 
dan er. 



7* 



100 



aufgeführt. Sie war von ihm selbst, und wenn sie minder gefiel, so 
war der undankbare Text Schuld, der zwar poetische Bilder, aber 
nicht starke Empfindungen hatte. Einige Chöre zeichneten sich nebst 
der Discantarie des 2. Theils besonders aus.« Im folgenden Jahre 
wird von der Passion von Homilius und Berger berichtet (S. 62) : 
»Der Text hatte schöne Stellen, die vom Compositeur mit aller Stärke 
vorgetragen wurden. Gleich der feyerliche Eingang mit dem ersten 
starken Chore bereitete die Erwartung der Zuhörer vor. Der erste 
Theil vor der Predigt schien mehr Kunst, der letztere nach der 
Predigt mehr Affekt zu haben. Überraschend war es im siebenten 
Recitative nicht nur ein Solo, sondern auch ein Chor zu finden; 
nur weiß ich nicht, ob es allen dürfte gefallen haben, daß die Bra- 
vourarie: Allmächtiges Schrecken durchbebst die Glieder, Betäubung 
ergreift etc. von einem Tenoristen gesungen ward. Über allen Aus- 
druck schön war die Discantarie: Ich hör im Geist der Engel Har- 
monien etc. und das fürchterlich schöne Recitativ mit seinem Duette: 
Engel weinen durch die Himmel etc., das in den feyerlichen Chor- 
refrain schloß : Ach ! Jesus Christus ist nicht mehr etc. Da sah man 
ganz den großen Homilius! Wie schön das letzte Schlußchor: Strömt 
aus in laute Jubelchöre etc. mit einer Fuge war, wird jeder gefühlt 
haben. Alle Sänger trugen gut vor: nur der Bassiste möchte sich 
Festigkeit des Tones und reinere Aussprache empfohlen sein lassen.«^ 
Nicht minder interessant ist die Besprechung einer 1766 in 
Berlin aufgeführten Passionsmusik. ^ »Am letztverwichenen Char- 
freitage«, heißt es hier, »war in der hiesigen Peterskirche durch die 
gute Ausführung verschiedener Königlicher und anderer Virtuosen 
eine uns noch neue Passionsmusik zu hören. Der musikalische 
Verfasser derselben ist Herr Gottfried Aug. Homilius, Cantor und 
Musikdirektor an den beyden Hauptkirchen in Dresden. Wir be- 
dauern, daß der Text zu dieser Musik bey einigen guten Gedanken, 
und bey einer zur Musik nicht unbequemen mechanischen Einrich- 
tung gar zu platt und gar zu unpoetisch ist. Desto mehr Dank aber 
wissen wir dem Tonsetzer derselben, welcher sich auch hierin als 
einer der besten itztlebenden Kirchencomponisten , aus dem sich 
Deutschland eine wahre Ehre machen kann, bewiesen hat. Schone 
Melodie, reine Harmonie, feurige, fremde, andern nicht abgeborgte 
Empfindungen, ein richtiger angemessener, öfters bis zu Kleinigkeiten 

* Alle Gesänge, auch die Solopartien, wurden unter Homilius meist nur von 
den Alumnen ausgeführt. Erst unter dessen Nachfolger wurde es üblich, für große 
Aufführungen Sänger aus der kurfürstlichen Kapelle heranzuziehen. 

2 Allgemeine deutsche Bibliothek. Berlin und Stettin, verlegts Friedr. Nicolai, 
1766 ff. Bd. I, 1. Stück, S. 303. 



101 



witziger, aber doch darüber niemals ins Niedrige oder Läppische 
fallender, sondern immer ernsthaft und erhaben bleibender Ausdruck 
sind die vornehmsten Eigenschaften seiner Arbeit. Seine Fugen 
sind weder seicht, noch pedantisch. Alles verräth einen Mann, der 
mit der Musik auch Einsichten in andre Wissenschaften zu verbinden 
gewußt hat. Dieser geschickte Mann ist, wie wir merken, in seinem 
deutschen Vaterlande nicht so bekannt, als er es wegen seiner Ver- 
dienste würdig wäre . . . , wir halten es also für unsere Schuldigkeit, 
dem deutschen Publikum einen Komponisten bekannt zu machen, 
der alle Aufmunterung verdient und durch seine glückliche Com- 
position seinem Vaterlande wirklich Ehre macht.« 

Es handelt sich hierbei um die Passionskantate »Wir gingen 
alle in der Irre«, welche die Kgl. Bibliothek zu Berlin in Manuskript 
besitzt. Sie wird von dem Hofkomponisten Agrikola unter dem Pseudo- 
nym Epieikophilus 1768 inHillefs »Wöchentlichen Nachrichten und 
Anmerkungen die Musik betreffend«, II. Jahrg., 34. — 36. Stück, 
S. 261 — 280 ausführlich recensirt. Auch dieser beurtheilt die Kan- 
tate in sachlicher, nicht minder günstiger Weise. Er rühmt be- 
sonders den edlen Charakter der Musik, »den Witz des Herrn Ver- 
fassers im musikalischen Ausdruck«, Sicherheit und Gewandtheit der 
Stimmführung, musterhafte Fugen, eine ausgezeichnete Deklamation 
etc. Er beschließt seine ihm »von der Wahrheit gleichsam ab- 
gedrungene Beschreibung dieser Passionsmusik « mit dem Wunsche, 
auch eine andere, schon vorher in Berlin aufgeführte Marcuspassion ^ 
desselben Meisters bald beschreiben zu können. 

Vergleicht man damit die begeisterten ürtheile der Schüler und 
Bekannten Homilius^ über seine Werke, so erkennt man, welche 
Wirkung diese seiner Zeit gehabt, und mit welcher Verehrung man 
zu ihrem Verfasser aufblickte. »Seine Passionen«, sagt der bekannte 
Dresdener Historiker Hasche, »griffen das Herz an und schienen 
ächte Natur. Das hab ich als Schüler, das hab ich als Kandidat 
sehr oft voll inniger Rührung gefühlt.« ^ Und in der That, der be- 
deutende Kunstwerth seiner Kompositionen wird noch heute all- 
gemein anerkannt. Sie nehmen bei den Aufführungen des Kreuz- 
chores in den Sonnabend- Vespern eine bevorzugte Stellung ein. — 

Interessant ist ein vergleichender Blick in die Werke J. S. Baches 
und Homilius', und die Frage nach dem Abhängigkeitsverhältniß des 



^ Partitur in der Bibliothek des Joachimsthal' sehen Gymnasiums in Berlin. 

2 Vgl. Hasche, »Diplomat. Geschichte Dresdens«, Bd. IV S. 251. — In ähn- 
licher Weise sprechen sich J. A. Hiller in den Vorberichten seiner »Vierstimmigen 
Motetten und Arien« und der von ihm 1775 herausgegebenen Homilius'schen 
Passionskantate, und £. L. Gerber in seinem Tonkünstler-Lexikon aus. 



102 



Letzteren von seinem, Lehrer. Hierbei fällt sofort eine nicht un- 
bedeutende Verschiedenheit zwischen Beiden in's Auge. Zwar er- 
innern hier und da kleine Läufer, Melismen, kleine und größere 
Fugen und Recitative, besonders auch die mehrstimmigen, an Bach. 
Im Übrigen geht aber Homilius seine eigenen Wege. Eine Er- 
klärung dieser auffälligen Erscheinung liegt sehr nahe. Homilius 
lebte von 1742 an dauernd in Dresden , wo seit Gründung der 
italienischen Oper im Jahre 1717 italienische Musik ausschließlich 
herrschte. Unter den prachtliebenden Kurfürsten Friedrich August II. 
und Friedrich August III. wechselten Opern, Schauspiele, Maskeraden 
und Aufzüge ab, alle mehr oder weniger mit dieser verknüpft. Kein 
"Wunder, wenn hier in Dresden, mehr als in einer anderen deutschen 
Stadt, allmählich und unbemerkt der musikalische Geschmack der 
Bewohnerschaft ein anderer wurde. Daß sich dieser auch in der 
kirchlichen Musik geltend machte, war nur die natürliche Folge, 
denn Niemand , kann sich den Strömungen und Einflüssen seiner Zeit 
ganz entziehen. Es war darum hier auch das Ideal protestantischer 
Kirchenmusik ein anderes geworden, dem die Organisten und 
Kirchenkomponisten meist unbewußt folgten. Dazu trat in der 
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein weiteres Moment, welches 
die neue italienisirende Musikrichtung in der Kirche zu fördern ge- 
eignet war : der Rationalismus und die damit verbundene allgemeine 
geistige Verflachung. An die Stelle der kräftigen religiösen Be- 
geisterung, die ihren Mittelpunkt und Ausdruck im protestantischen 
Choral fand, trat eine schwächliche Sentimentalität, ein Streben nach 
Vernunft und äußerlicher Ehrbarkeit, welches mit dieser Musikrich- 
tung viele Berührungspunkte hatte. 

Allen diesen Einflüssen war auch Homilius ausgesetzt. Aber 
das hebt ihn aus der Menge anderer Komponisten seiner Zeit heraus, 
daß er die Gefahr erkannte, welche darin für die protestantische 
Kirchenmusik lag, und daß er diesen italienisirenden Stil, dessen 
Hauptvertreter Graun und Hasse waren, nicht einfach kopirte, son- 
dern aus seiner Individualität heraus zu vertiefen und zu entwelt- 
Hchen bestrebt war. Darin liegt seine Größe, daß er erkannte, daß 
die kirchliche Musik eine eigene Kunstgattung sei, die nicht durch 
rein weltliche Musik ersetzt und herabgewürdigt werden dürfe. So 
schuf er sich unter Anlehnung an den modernen Musikgeschmack 
auf Grund seiner in der Schule Bach's und Händel's gewonnenen 
Kenntnisse seinen eigenen Stil, der entschieden ein würdigerer und 
kirchlicherer zu nennen ist. Homilius läßt sich etwa mit Philipp 
Emanuel Bach vergleichen, der die strengen Formen seines Vaters 
mit den leichteren und gefälligeren der französichen Salonmusik ver- 



103 



band und so der Schöpfer unserer Klaviersonate und der ganzen 
modernen Instrumentalmusik wurde. 

Mit Ausnahme einer italienischen Kantate und einem 
Klavierkoncert mit Streichinstrumenten hat Homilius ausschließ- 
lich kirchliche Kompositionen geschrieben. Durch alle diese, ins- 
besondere durch seine Passionen geht ein Zug stiller, inniger Fröm- 
migkeit, die uns für seine Person einnimmt. Wenn man ihm im 
Vergleich mit ähnlichen "Werken seines Lehrers S. Bach einen höheren 
religiösen Schwung absprechen muß und ihm ein merkliches Hervor- 
treten rationalistischen Geistes zum Vorwurf macht, so trifft dieser 
jedoch weniger ihn, als seine Zeit überhaupt und im Speziellen die 
Dichter seiner Texte. Letztere sind oft so platt und seicht, wie dies 
ja selbst schon die Recensionen jener Zeit erkannten, daß wir es 
bewundern müssen, wie der Komponist daraus solche Werke hat 
schaffen können. Besonders zeichnen sich seine Chöre durch eine 
außerordentliche Plastik und Charakteristik aus, die sich oft bis zum 
Dramatischen steigert. Nicht selten laufen sie in kurzen, aber äußerst 
gewandten und kunstgerechten Fugen in lebhafter Taktbewegung 
aus, sodaß man in ihnen mehr als anderwärts den echten Schüler 
Baches erkennt. Leider nehmen sie in den Kantaten einen ver- 
hältnißmäßig geringen Raum ein. Die Hauptsache bleiben hier 
immer die Arien und Recitative, welche zugleich am meisten den 
Einfluß der italienischen Musik verrathen. In der Regel bestehen 
die Kantaten, von denen wir über hundert noch besitzen, ^ aus einem 
Eingangschor, mehreren Recitativen und Arien und Schlußchoral. 

Das Beste leistete Homilius jedoch unzweifelhaft auf dem Ge- 
biete des unbegleiteten polyphonen Gesangs. Seine Motetten sind 
in ihrer Art einzig und unübertrefflich. Trotz ihrer kunstreichen 
und strengen kontrapunktischen Arbeit zeigen sie einen außer- 
ordentlich leichten, flüssigen Stil, Reichthum in der Erfindung, schöne 
Melodik und eine meisterhafte Deklamation. Sie sind kräftig, ge- 
sund, einfach und würdevoll, verbinden also alle Eigenschaften, die 
ihnen eine gewisse Volksthümfichkeit sichern müssen. Besonders 
hervorgehoben zu werden verdienen unter diesen 12 vierstimmige 
Magnificat, deren vom Komponisten selbstgeschriebene Partitur 
die Notenbibliothek der Kreuzkirche zu Dresden besitzt. Sie ver- 
einigen alle genannten Eigenschaften im höchsten Maße und sind 



* Vgl. weiter unten die bibliographischen Mittheilungen. — Der Umstand, 
daß die meisten Feste und Sonntage mit zwei oder mehreren Kantaten vertreten 
sind, beweist, daß H. nicht nur einen Jahrgang Kirchenmusiken geschrieben hat, 
wie Gerber meint, sondern zwei oder mehrere, welche uns allerdings nur unvoll- 
ständig erhalten sind. 



104 



geradezu charakteristisch für Homilius' Stil. Ein Theil derselben ist 
in antiphonischer Weise gearbeitet, indem ein kurzer, in freier reci- 
tativischer Art gesungener Satz aus der altkirchlichen Psalmenmelodie 
mit einem gleichfalls kurzen, frei erfundenen Gegenstück abwechselt, 
das sich im Gegensatz zu dem breiten, getragenen Tempo des ersteren 
durch eine außerordentliche Frische auszeichnet. Es ist zu bedauern, 
daß diese Magnißcat bis jetzt noch nicht durch den Druck weiteren 
Kreisen zugänglich gemacht sind. Einige derselben besitzt noch die 
Kgl. Bibliothek zu Berlin und die Universitätsbibliothek zu Königsberg. 

Gleich groß ist Homilius in der Kunst eines würdigen Choral- 
satzes. Verschiedene uns erhaltene Choralarbeiten zeigen seine 
Bemühungen auch auf diesem Gebiete. In der Kgl. Bibliothek zu 
Dresden befinden sich zwei handschriftliche Choralbücher von ihm 
mit beziffertem Baß, ^ ferner in der Leipziger Stadtbibliothek ein 
vierstimmiges Choralbuch mit 197 Chorälen, ^ von denen die Nrn. 41, 
63, 83, 132 und 149 in der 1775 gedruckten Passionskantate »Ein 
Lämmlein geht« enthalten sind (S. 1, 28, 92, 93, 127). 

Auch für die Orgel schrieb Homilius 27 Choralbearbeitungen 
und 13 Präludien, welche die Kgl. Bibliothek zu Berlin in Manu- 
skript besitzt. 

Nicht unerwähnt darf es endlich bleiben, daß er auch den Ge- 
danken der Abfassung eines Landeschoralbuches gehabt und 
zu diesem Zwecke bereits alle in Sachsen üblichen Choräle gesammelt 
und bearbeitet hatte. Es fehlte ihm also nur noch die Genehmigung 
und Unterstützung der Regierung. Um diese zu erlangen, reichte 
er am 19. November 1767 ein Gesuch an den Prinzregenten Xaver 
ein, welches folgendermaßen lautet:-^ «... Das Absingen geistlicher 
Lieder macht bey unserer Evangelischen Kirche einen Theil des 
öffentlichen Gottesdienstes aus. Wenn solches richtig, einig und 
andächtig geschehen soll, so ist der Wichtigkeit der Sache wegen 
nöthig, daß alle in hiesigen Landen verstatteten Lieder in Melodien 



1 Sie tragen die Signatur Mus. B 1850 und 1852. Letzteres scheint das 
ältere und Homilius' selbstgeschriebenes Handexemplar zu sein. Die Choräle sind 
hier noch nicht alphabetisch geordnet und an Zahl geringer, als in jenem. Es 
hat die Aufschrift: »Choral-Buch di Mons: Homilius a Dresde«. Das erstere ent- 
hält nicht allein Choräle, sondern auch damals öfter im kirchlichen Gebrauche 
•übliche Arien und Motetten, wie z. B. das »Ecce quomodo moritur justus«^ von 
Handl. Sie sind wahrscheinlich das von Gerber unter Nr. 9 aufgeführte »Choral- 
buch der zu Dresden gewöhnlichen Kirchenmelodien «. 

2 Wohl identisch mit dem bei Gerber unter Nr. 6 genannten vierstimmigen 
Choralbuche. Die Angabe: 167 Choräle ist hier wahrscheinlich nur Druckfehler 
für 197. 

8 H.-St.-A. Loc. 1897 Acta die Kirchen-Melodien im Lande betr. 



105 



gebracht und in einem Buche durch den Druck gemeinnüzig gemacht 
werden. Von einem dergleichen instituto sind zwar verschiedene 
Ausgaben de ao- 1676 und 1696 u. s. w, bekannt, aber auch, bis 
auf wenige Exemplare, vergriffen. Bei dem Mangel dieser öffent- 
lichen Vorschriften nun haben weder Kirchen noch Schulen eine 
anbefohlne normam gehabt, wornach Cantores, Organisten, Schüler, 
hätten singen, spielen, Proben machen, unterweisen und lernen 
können. Sie haben blos geschriebener Bücher sich bedienen, und 
da diese von Zeit zu Zeit durch unrichtiges Abschreiben oder will- 
kührlich unternommene Änderungen unrichtiger worden oder gar 
verlohren gegangen, geschehen laßen müßen, daß die meisten alten, 
wahren und ehrwürdigen Melodien, die ihren Urhebern zum Ruhme 
soviel Geist und Leben enthalten, oft auch durch Eigendünkel und 
TJberstimmung der Gemeinen verändert, und bis zum Unangenehmen 
verunstaltet worden. Hierüber sind seit dem in der Kirche wohl 
Zwey Drittel neue Lieder, und mit denselben auch neue Melodien 
beliebet und eingefiihret, aus Ermangelung des Drucks aber nicht 
überall so bekannt worden, daß sie hätten können richtig erlernt 
und öffentlich gesungen werden. Ich habe demnach bey meinen 
25 jährigen Kirchendiensten alle in Sachßen übliche Melodien ge- 
sammlet, dieselben vierstimmig gearbeitet und ihnen die wahre Ge- 
stalt wiedergegeben. So mühsam und kostbar auch diese Arbeit 
gewesen, so habe ich sie doch, als eine Gott zu Ehren gereichende 
Beschäftigung, andern vorgezogen, und bin bereit, wenn Ew. Kön. 
Hoheit diese meine redliche und aus Eifer für den Lieder-Gottes- 
dienst entstandene Absicht billigen werden, meine Arbeit durch den 
Druck allgemein zu machen. Da nun dieß Unternehmen sehr kost- 
bar, und nicht das Werck eines privati ist, so bitte ich unterthänigst, 
Ew. KÖnigl. Hoheit wollen geruhen anzubefehlen, daß iede Kirche 
im Lande wenigstens ein Exemplar, und iede Stadtkirche, wo ein 
Cantor und ein Chorus musicus wären, etliche Exemplaria aus ihren 
Mitteln sich anschaffe. Der Notendruck ist doppelt theuer und das 
erforderliche besondere Format des Schreibpapiers macht das Werk 
noch kostbarer; da nun eine neue Auflage nicht so leicht zu be- 
werkstelligen ist, so wäre wohl zu wünschen, daß hieran auch die 
Lausiz und die übrigen incorporirten Lande Theil nähmen, und daß 
man mithin die Anzahl der Exemplare bestimmen könnte. Ich bin 
entschloßen, die Besorgung des Drucks und die Vertheilung an die 
Kirchen zu übernehmen, bitte aber unterthänigst, Ew. Königl. Hoheit 
wollen aus höchsten Gnaden mir zu mehrerer Sicherheit eines so 
wichtigen Unternehmens ein Privilegium ertheilen laßen. Es 
würde, da meine Correctur und Aufsicht bey dem Drucke unentbehrlich 



106 



ist, viel zu beschwerlich fallen, wenn auswärtige Officinen ge- 
wählet werden sollten, dahero ich mir es ganz wohl getraue, das 
Werck bey hiesigen Druckereyen, wo ich beyliegende Proben habe 
machen laßen, zu Stande zu bringen. Da es aber auf 3 bis 4 Alphabet 
anwachsen dürfte, würde das Exemplar immer auf etliche Thaler zu 
stehen kommen, so viel ich auch auf die Ersparung aller unnöthigen 
Kosten gerechnet habe. In sicherster Hofnung, es werde dieses 
mein mit so guter Absicht verbundenes Vornehmen gnädigste Ap- 
probation erlangen, verharre ich in tiefster Submission 

Ew. Königl. Hoheit 
Dreßden, am unterthänigst treu gehorsamer 

19. Nov. 1767. Gottfried August Homilius.« 

Dem Schreiben liegt die Druckprobe der Choräle « Nun laßt uns 
Gott dem HErren« und »Christe, du Lamm Gottes« bei. 

Die Angelegenheit scheint jedoch keine Förderung gefunden zu 
haben, denn Homilius schickte am 6. April 1768 ein zweites, fast 
gleichlautendes Gesuch mit denselben Notenbeilagen ein, worauf der 
Prinzregent ein Gutachten vom Oberkonsistorium einforderte. Der 
weitere Fortgang dieser Sache ist aus den Akten nicht zu ersehen. 
Vermuthlich ist sie jedoch im Sande verlaufen, wenigstens ist mir 
kein gedrucktes Choralbuch von Homilius zu Händen gekommen. 
Trotz alledem ist dessen Choralsatz nicht nur in Dresden allgemein 
gebräuchlich geworden, sondern verbreitete sich auch von hier aus 
immer weiter, so daß er bis in unsere Zeit im größten Theile 
Sachsens maßgebend geblieben ist. — 

Im Dezember 1784 rührte Homilius plötzlich der Schlag, wodurch 
er völlig dienstunfähig wurde. In einem Schreiben vom 20. Dez.^ 
ersucht er darum den ßath, ihn »als Emeritus zu stellen« und ihm 
seine vollen Einnahmen ausschließlich des Schulgeldes der Extraner 
zu lassen. Obwohl der Rath ihm gestattet habe, durch den ersten 
Präfekten des Alumneums den Kirchendienst und die Unterrichts- 
stunden am Vormittag, nachmittags aber durch seinen Sohn verrichten 
zu lassen, so könne dies doch so nicht weiter durchgeführt werden, 
weil der Präfekt dadurch selbst seine Schulstunden versäume, und 
ebenso sein Sohn in Umstände gerathen könne, die ihm eine Ver- 
tretung unmöglich machten. — Der Rath gewährte ihm seine Bitte 
und bestellte als Substitut den Frauenkirchen -Organisten Christian 
Ehregott Weinlig ncum spe succedendi in eines der sonstigen vacant 
werdenden Cantorate«. Daneben soll ihm während der Zeit seiner 
Vertretung die Organistenstelle an der Frauenkirche verbleiben. 



4 B Vlla 48 Vol. I Fol. 37 f., abgedruckt bei La Mara, »Musik erbriefe aus 
5 Jahrhunderten«. 



107 



Als Entschädigung erhält er das Schulgeld der Extianer in Quinta 
und 100 Thlr. aus dem Sophienkirchenärar. Die Anwartschaft auf 
das Kxeuzkantorat sei jedoch dem Kantor in Dresden - Neustadt 
G. A. Buschmann^ einem früheren Alumnus und 8jährigen Kegenten 
bei der Kreuzschule, zu geben» 

Der Superintendent war mit der Wahl Weinlig's zufrieden und 
setzte die Probe auf den 1. April 1785 fest. Letzterer führte an 
diesem Tage in der Frauenkirche unter Anwesenheit des Kurfürstl. 
Kapellmeisters Joh. Amadeus Naumann und des Kantors Buschmann 
zunächst eine eigene Kirchenmusik auf (»Christ lag in Todesbanden 
für unsere Sünden gegeben« etc.), bestehend aus 2 Chören, Recitativ, 
Arie und Schlußchoral. Sodann ließ ihn der Superintendent den 
Choralvers »Lasset uns den Herrn preisen c allein, ohne Begleitung 
der Orgel singen. In der Schule fand sodann die Fortsetzung der 
Probe statt, eingeleitet mit dem Gesang der Alumnen » Vent Sancte 
Spiritusn, Der Kandidat mußte »catechisiren, analysiren und expo- 
niren : I. Ex Catechismo Dresdensi quaestio 145 et 146. IL Ex Act. 
Äpost. Cap. II j t?. 22^ 23 y 24, IIL Ex Cornel. Nep. Themistocle, 
Cap, I. IV. Ex hymno: Laßet uns. den Herren preisen etc. V. 1«.* 
Die Bestallungsurkunde wurde ihm am folgenden Tage zugestellt.^ 

Damit war Homilius endgültig von allen Pflichten entbunden, 
er konnte nun auf eine reiche, fruchtbare Thätigkeit zurückblicken. 
Dreißig Jahre lang hatte er, zugleich als der letzte Kantor, das 
schwierige Doppelamt in Kirche und Schule mit seltener Treue ver- 
waltet und das seiner Obhut anvertraute alte Institut des Kreuzchores 
selbst durch die schweren Zeiten des siebenjährigen Krieges, in 
welchen dieser sehr zurückzugehen drohte, ^ mit sicherer Hand hin- 
durchgefuhrt. Er sah am 19. Juli 1760 die alte ehrwürdige Kreuz- 
kirche in Trümmer sinken, wodurch die Frauenkirche die Hauptstätte 
seiner Wirksamkeit bis zu seinem Tode verblieb. Als dann am 
16. Juli 1764 der Grundstein zur neuen Kreuzkirche gelegt wurde,* 



1 ebenda fol. 50—53. 

2 ebenda fol. 54 f. Reinschrift fol. 69 f. 

^ Ein Beweis hierfür ist die plötzliche Abnahme der Kurrendaner seit 1760. 
Während diese 1750 an Zahl 64 waren, die sich in den folgenden Jahren bis 78 
steigerte, findet man 1761 nur 48, 1764 nur 33 Kurrendaner. Von 3, ja 4 Chören 
waren sie durch [die Kriegsnöthe auf zwei zusanunengeschmolzen, während sich 
die Alumnen auf derselben Höhe (36—38) erhielten. Allein schon im August 1764 
erreichten jene wieder die Zahl 40, die sich bis 1780 langsam auf 60 erhob. 

^ Eine für diese Festlichkeit komponirte Kantate begann mit einem Eingangs- 
chor (Ps. 33, 20 — 22) »Unsre Seele harret auf den Herrn« etc. Es folgten abwech- 
selnd 3 Recitative und Arien und Schlußchoral. — Eine zweite »Oantate, durch 
welche nach dem am 16. Juli 1764 gelegten Grundstein zur neuen Creutz-Kirche 



108 



wird er nicht geahnt haben, daß er die Fertigstellung des Baues 
nicht mehi erleben werde. Er starb am 2. Juni 1785* und wurde 
auf dem Johannisfriedhofe beerdigt, nachdem ihm erst kurze Zeit 
vorher sein Sohn Johann August Homilius, Student der Theologie, 
im Alter von 23 Jahren im Tode vorangegangen war. Zwei andere 
Söhne, gleichfalls Theologen, hatte er noch früher verloren. 

Hasche a. a. O. widmet seinem Andenken folgenden Nachruf: 
». . . Ein großer verdienstvoller Mann, dessen Talente die Ausländer 
besser zu schätzen wußten als sein undankbares Dresden. Sein An- 
denken wird indeß durch die herrüchen Motetten und Arien, die 
hiesiges Alumneum von ihm singt, und durch die nun auch in 
Kirchen eingeführten verbesserten Melodien unsrer Kirchenlieder, 
die während der Landestrauer beim Absterben König August's IIL 
nur zum Behufe des Chors gefertigt wurden, unvergeßlich bleiben. 
Dignum laude virum Musa vetat mori . . . « 

Von Homilius^ vielen Schülern nennen wir Job. Adam Hiller, 
Christian Ehregott Weinlig, den Organisten Joh. Wilh. Eckersberg 
in Dresden und den Professor Dan. Türk in Halle. — Das beste 
uns überkommene Portrait von »ihm ist ein Titelkupfer des 33. Jahr- 
gangs der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« (1831). 

Da bis jetzt ein Verzeichniß seiner zahlreichen, noch vorhandenen 
Kompositionen fehlt, lassen wir diese, soweit sie uns bekannt ge- 
worden, hier folgen. 

I. Oratorien und größere Passionsmusiken. 

1. Weihnachtsoratorium: »Die Freude der Hirten über die 
Geburt Jesu, nach der Poesie des Hrn. Buschmann komponiert 
von G. A. Homilius«. Part. Quer-Fol. 98 S. Frankfurt a. O., 
C. G. Strauß. 1777. (Vorhanden in der Kgl. B. Hofbibl. Mün- 
chen, der musikal. Privatsammlung S. M. des Königs v. Sachsen 
[Nr. 184a], Universitätsbibl. Königsberg, Stadtbibl. Leipzig.) 



in Dresden, der ganzen solennen Gesellschaft seine Ehrfurcht zu erkennen giebt 
Gottfried Aug. Homüius, Cantor bey hiesiger Creutzschule«, beginnt: »Frohlockt 
dem Tag und laßt uns singen« etc. 

1 ebenda fol. 62. — Merkwürdiger Weise differiren selbst bei seinem Todes- 
tage die Angaben. In den älteren Lexicis von Gerber, Schilling, Mendel, Fetis 
-findet man als solchen den 1. Juni angegeben, in Hasche's »Magazin der Sächsischen 
Geschichte«, Bd. II S. 375 den 5. Juni. Die Totenregister der Kreuzkirche theilen 
ihn gar nicht mit, dagegen geben sie offenbar irrthümlich den 23. Mai als Begräb- 
nißtag an. 



109 



2. Passions-Cantate nach der Poesie des Hrn. Buschmann, 
comp, von G. A. Homilius. »Ein Lämmlein geht«. Part. Quer- 
Fol. Leipzig, B. Chr. Breitkopf & Sohn. 1775. Mit Vorbericht 
von Joh. Ad. Hiller. (Kgl. Privatsammlung Dresden, [Nr. 183], 
Bibl. zu München, Leipzig, Königsberg etc.) 

"X. 

3. »Die Geschichte des Leidens und Sterbens unseres 
Heilandes Jesu Christi nach der Beschreibung des 
Evangelisten Marcus«, nebst einer Dedikation des Kompo- 
nisten an die Prinzessin Amalia von Preußen. Part. Quer-Fol. 
Manuskr. (Bibl. des Joachimsthal'schen Gymnasiums zu Berlin, 
Nr. 368.) 

4. »Der Messias, Singgedicht | in Musik gesetzt | durch G. A. 
Homilius | Dem Durchlauchtigsten Fürsten | Herrn | Friedrich | 
Herzog zu Mecklenburg: etc. übergiebt dieses Singgedicht der 
Verfasser«. Part. Ms. Quer -Quart. (Großherzogl. Mecklenb. 
Privatmusikaliensammlung in Schwerin.)^ 

5. Passions-Cantate »Wir gingen alle in der Irre wie Schafe«. 
Part. 141 S. Ms. FoL 1766 in Berlin aufgeführt. (Kgl. Bibl. 
Berlin, Ms. 10800.) 

6. Passions- Oratorium »So gehst du nun, mein Jesu, hin«. 
Ms. Part. 2 Bde. Quer-Fol. (Kgl. Bibl. Berlin, Ms. 10801.) 

7. Passions-Musik. Choral: »Nun ihr meine Augenlieder«. 
1784. Ms. (Kgl. Bibl. Berlin: 2 Part, und Stimmen. Bibl. 
des Joachimsthal'schen Gymnasiums, Nr. 369.) 

8. Passions-Cantate »Jesu Christ durch deine Wunden«. Ms. 
Fol. (Bibl. Königsberg.) 

9. Passions-Cantate »Siehe das ist Gottes Lamm«. Esdni. Ms. 
(Notenbibl. der Thomasschule in Leipzig. Stimmen in der Kgl. 
Kreis- und Stadtbibl. Augsburg.) 

10. Passions-Cantate »Ich bete, zürne nicht«, ^moll. Ms. 

11. Passions-Cantate »Nun sterb ich Sünder nicht«, ^dur. 

12. Passions-Cantate »Wir fallen Jesu vor dir nieder«. jffmoU. 

13. Passions-Cantate »Ach Herr, unse Missethaten «. JE/moU. 

14. Passions-Cantate »Hier hängt das Opfer für die Sünden«. 
Es dui. (Nr. 10 — 14 in vollständigen, geschriebenen Stimmen in 
der Stadtbl. Ausgsburg.) 



1 Nach gütiger Mittheilung des Herrn Prof. Dr. Kade-Schwerin. Bisher noch 
unbekannt. Text: »Herr stärke mich, dein Leiden zu bedenken«, g, g. a. ßs, d. 

g. a. b,- b. c. b. a. 



110 



II. Kantaten für die Sonn- und Festtage des 

Kirchenjahres. ^ 

1. Dom. I. Advent lErgreift die Psalter, ihr christlichen Chöre«. 

Kgl. Bibl. Berlin. 

2. Dom. L Advent >» Erhöhet die Thore der Welt«. Part. u. St. 
(Kgl. Bibl. Berlin. 

3. Dom. n. Advent oVerwnndrung, Mitleid, Furcht u. Schrecken«. 
Part, und Stimmen. (Kgl. BibL Berlin.) 

4. Dom. III. Advent »Frohlocke Zion, dein Erlöser«. Part. u. St. 
(Kgl. Bibl. Berlin.) 

5. Dom. IV. Advent »So du mit deinem Munde bekennest Jesum«. 
Kgl. Bibl. Berlin, Ms. lOSOlm. 

6. Dom. lY. Advent »Auf, auf ihr Herzen seyd bereit«. 2 Part. 
und St. (Berlin. 

7. Weihnachts-Cantate »Gott^ dich rühmen unsre Lieder«. Part. 
und St. (Notenbibl. der Kreuzkirche zu Dresden.' 

S. Sopran- Arie in G, ^,4; aus letzterer E^antate: »Grott dich 

rühmen«. ^Bibl. Königsberg. 
9. Festo Nativitatis Christi lEin hoher Tag kömmt«. (Bibl. 

Berlin, Ms. 10802. 

10. Festo 2do Nativitatis Christi »Alles Fleisch wird den Hei- 
land Gottes sehen«. (Bibl. Berlin, Ms. 10S06.) 

11. Fer. n. Nativ. Christi »Der Tod seiner Heiligen ist werth- 
gehalten«. Part. u. St. Berlin.) 

12. Fer. III. Nativ. Christi «Merk auf mein Herz und sieh dort- 
hin«. Part. u. St. (Berlin. 

13. Festo Novi Anni s. Cir|cumcis. Christi »Wünschet Jerusalem 
Glück«. 2 Part, und Stimmen. Berlin. 

14. Festo Circumcis. Christi [»Bezeichnet von der Hand der 
Freude«. (Berlin, Ms. 10S03.) 

15. Neujahr »Singet dem Herrn ein neues Lied«. Berlin, Manuskr. 
lOSOlm. 

16. Festo Circumcis. »Gott der Herr ist Sonn und Schilde. (Berl., 
Ms. lOSOlm und Joachimstharsches Gymnasium Nr. 534.) 

17. Festo Epiphaniae )^ Licht der Heiden, Jakobs Stern«. Part, 
und St. Berlin. 

IS. Dom. p. Circumcis. und Festo Reformationis »Kommt, 
laBet uns anbeten«. Part, und St. (Berlin und Kirchenbibl. zu 
Bollstedt bei Mühlhausen in Thüringen. 



1 Sämmtliche hier aufgeführte Kantaten sind, wo nieht anders angegeben, in 
handschriftlicher Partitur in FoL Torhanden. 



111 



19. Dom. I. p. Epiph. »Ihr stillen Zeugen meiner Qual«. Part, 
u. St. (Berlin.) 

20. Dom. II. p. Epiph. »Getrost mein frommer Christ k. Stimmen. 
(Berlin.) 

21. Dom. n. p. Epiph. »In der Zeit meiner Noth such' ich den 
Herrn«. 2 Part. (Berlin.) 

22. Dom. II. p. Epiph. »Allmächtiger Schöpfer, die himmlischen 
Heere«. Part, und St. (Berlin.) 

23. Dom. III. p. Epiph. »Herr, so du wilt, wird bald erfüllt«. 
(Berlin. ) 

24. Dom. III. p. Epiph. »Gott, mein Retter, eile«. Quer- Folio. 
(Berlin.) 

25. Dom. IV. p. Epiph. »O Jammer! Ach schreckliche, schreck- 
liche Noth«. Part, und St. (Berlin.) 

26. Dom. V. p. Epiph. »Betrübter Lauf verderbter Zeiten ff. Part, 
und St. (Berlin.) 

27. Dom. V. p. Epiph. »Noch sollen meine Wetter schweigen«. 
Quer -Fol. (Berlin.) 

28. Dom. Septuages. »Vergebliche Rechnung gewinnsüchtiger 
Knechte«. Part, und St. (Berlin.) 

29. Festo Purific. Mariae »Die richtig fiir sich gewandelt haben«. 
(Berlin, Ms. 10802 und 10801m Nr. 6.) 

30. Fest der Reinigung Mariae »Unser Wandelist im Himmel«. 
Part, imd St. (Berlin.) 

31. Festo Purific. Mariae »So spricht der Herr Zebaoth«. Part, 
und St. (Berlin.) 

32. Dom. Sexages. »Erhöht und rühmt des Höchsten Namen«. 
(Berlin.) 

33. Dom. Sexages. »Wir Menschen sind zu dem, o Gott«. Quer- 
Folio. (Berlin.) 

34. In Dom. p. Nativ. und Estomihi »Das frohe Chor der Hirten 
trauert«. 2 Part, und St. (Berlin.) 

35. Dom. Invocavit »Wir haben nicht einen hohen Priester«. 2 Part, 
und St. (Berlin.) 

36. Dom. Reminiscere »Ich bitte, mir wird nichts gegeben«. Part, 
und St. (Berlin.) 

37. Dom. Reminiscere . »O Herr, dein herzliches Erbarmen«. 
Quer-Fol. (BerUn.) 

38. Dom. Oculi »Sie sind zerbrochen um ihres Unglaubens willen«. 
2 Part, und St. (Berlin.) 

39. Dom. Laetare »Der Herr der Ewigkeit, der Bund und Zeugniß 
hält«. Part, und St. (Berlin.) 



112 



40. Festo Annuntiationis Mariae »Ach, daß doch Zions Hülfe 
käme«. (Berlin.) 

41. Festo Annuntiationis Mariae »Siehe, daß ist unser Gott, 
auf den wir harren (r. Quer-Fol. (Berlin.) 

42. Dom. Laetare »Mit Sorgen, Angst und Klage«. (Berlin.) 

43. Palmsonntag »Ich grüße dich vom Kreuzesstamm«. Vollstän- 
dige Stimmen. (Kgl. Kreis- und Stadtbibl. Augsburg.) 

44. Dom. Palmarum »Siehe, dein König kömmt zu dir«. 2 Part, 
und St. (Berlin.) 

45. Dom. Palmarum »Saget der Tochter Zion«. Part. u. Stimmen. 
(Berlin.) 

46. Dom. Palmarum »Nun kommt er, der König der Ehrec 
Quer-Fol. (Berlin.) 

47. Fer. Ima Pasch. (Osteroratorium) »Frohlocket und preiset den 
herrschenden Sieger«. (Bibl. zu Königsberg [doppelt], BerUn 
[Part, und St.], Leipzig.)* 

48. Am heiligen Osterfeste del Sg. Homilius »Gott, du wirst 
seine Seele nicht in der Hölle lassen«. (Bibl. Königsberg [Part 
und Baßstimme].) 

49. Fer. I. Paschat. »Was suchet ihr den Lebendigen bei den Todtem. 
Quer-Fol. (Berlin, Ms. 10804.) 

50. Oster-Kantate »Die Hölle flieht, der Abgrund bebt«. Quer- 
Folio. (Berlin.) 

51. In Festo Paschatos »Christus hat durch den Tod dem die 
Macht genommen«. (Berlin.) 

52. Festo Pasch. Fer. H. »Der Höllen schwartze Nacht deckt 
meiner Feinde Schaar«. (Berlin, Ms. 10806.) 

53. Fer. H. Pasch. »Mußte nicht Christus solches leiden«. Part, 
und Stimmen. Quer-Qart. (Berlin.) 

54. Fer. UI. Paschatos »Ist Christus nicht auferstanden, so ist 
euer Glaube eitel«. Part. u. St. (Berlin.) 

55. Dom. Quasimodogeniti »Verwägner Spötter, laß das Lachen«. 
Part, und St. (Berlin.) 

56. Dom. Misericordias Dom. »Der Herr ist mein Hirte«. Part. 
und St. (Berlin.) 

57. Dom. Cantate »Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist er. 
Part. u. St. (Berlin.) 

58. Dom. Kogate »Ihr sollt mein Antlitz suchen tf. Partitur un^ 
Stimmen doppelt. (Berlin.) 

59. Festo Ascensionis Christi »Gott fähret auf mit Jauchzen«. 
Part, und St. (Berlin.) 



113 



60. Dom. Exaudi »Selig seyd ihr, wenn ihr geschmähet werdet«. 
Part, und St. (Berlin.) 

61. Dom. Exaudi »Der Herr wird mich erlösen«. Part, und St. 
(Bibl. der Thomasschule, Leipzig.) 

62. Fer. I. Pentecostes »Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet«. 
Part, und St. (Bibl. Berlin und Stadtbibl. Leipzig.) 

63. Fer. L Pentecostes ))Danket dem Herrn, denn er ist freund- 
lich«. (Stadtbibl. Leipzig.) 

64. Fer. II. Pentecostes »Also hat Gott die Welt geliebt«. (Berl., 
Ms. 179, Nr. 2.) 

65. Fer. II. Pentecostes »Sey hochgelobt, barmherzger Gott«. 
Part, und St. (Berlin und Leipzig.) 

66. Festo S. S. Trinitatis «Heilig, heilig, heilig ist unser Gott«. 
(Berlin und Leipzig.)' 

67. Festo S. S. Trinitatis »Der Himmel ist durchs Wort des 
Herrn gemacht«. (Berlin, Ms. 10801m.) 

.68. Dom. in. p. Trinit. »O wie gerührt bin ich«. Part. u. St. (Berl.) 

69. Festo Johannis Baptistae. »Die Himmel deiner Hände Werke«. 
2 Part. u. St. (Berl.) 

70. Dom. V. p. Trinit. »Es ist umsonst, daß ihr früh aufstehet«. 
Part. u. St. (Berl.) 

71. Festo Visitationis Mariae. »Dich Gott erhebet meine Seele«. 
Qu.-Fol. (Bibl. zu Königsberg, Leipzig, -Berlin.) 

72. Dom. VI p. Trin. »Zeige mir Herr den Weg deiner Rechte«. 
Part. u. St. (Berl.) 

73. Dom. VH p. Trin. »Wer preist nicht deine Gütigkeit«. Part. 
(Qu. -Quart) u. St. (Berl.) 

74. Dom. VII p. Trin. »Fürchtet den Herrn, ihr seine Heiligen«. 
Stimmen. (Berl.) 

75. Dom. VIII p. Trin. »Laßet euch niemand das Ziel verrücken«. 
Part. u. St. (Berl.) 

76. Dom. IX p. Trin. »Umsonst zwingst du den innem Zeugen«. 
Part. u. St. (Berl.) 

77. Dom. X p. Trin. »So wahr ich lebe, spricht der Herr Herr«. 
Part. u. St. (Berl.) 

78. Dom. X p. Trin. »Der Herr zeucht Gerechtigkeit an wie einen 
Panzer«. (Berl., Ms. 10801"*.) 

79. Dom. XI p. Trin. »Der Gottlosen Opfer ist dem Herrn ein Greuel«. 
Part. u. St. (Berl.) 

80. Dom. XI p. Trin. »Der Gerechte wird grünen wie ein Palm-Baum«. 
(Berl., Ms. 10801"). 

8 



114 



81. Dom. XII p. Trin. »Ich will den Heim loben«. Part, u&d St. 

(Bibl. der Thomaaschule.) 
8>2. Dom. XV p. Tiin. »Wie mühsam Unkest du auf beydeii; Seitem. 

Part. u. St. (Berl.) 
8^. Dom. XYI p. TriA. »Ein Mensch ist in seinen Leben wie Grasf. 

Stimmen. (Berl.) 

84. Dom. XVII p. Trinv »Schwüktig« Thosen, gehtbüickt emcb und 
heuchelt«. Part. u. St. (Berl.) 

85. Testo Messis. j» Singet dem Herrn ein neues Lieda. (Berlin, 
Ms. 10802.) 

86. Festo Michaelis. »Vor dir, Tor deinem Angesichtec (Berlin, 
Ms. 10803.) 

87. Festo Michaelis. »Lobet den Herin, ihr seine Engelv. (Berlin, 
Ms. 179 Nr. 1.) 

88. Dom. XVIII p. Trin. »Heilig sind Heu deine Hechle«. [Stim- 
men. (Berlin.) 

89. IXonk XiX p. Trin. »Heller als der Sonnen Licht«. Part, ni^d St 
(l^rlin-) 

90. Dom. XX p. Trin* »Kommt herzu yerlohrene Sünder«. Part. u. 
St. (BerL [doppelt] und Königsberg.) 

91. Dom. XX p. Trin. »Du rufst, o Gott, die Sterblichen der Erden«. 
(BerUn.) I 

92. Dom. XXI p. Tri^. »Suchiet das Gute und nicht das Böscd. 
(Berl., Ms. 10801™.) | 

93. Dom. XXII p. Trin. »So du willt Hers Sünde zurechnen s. | 
Part. Qu.-FoL (Königsberg), Stimmen (BerKn.) 

94. Dom XXII p. Trin. »Richtet recht und ein, jeglicher beweise«. 
(BerUn.) 

95. Festo ReformationisLutheri. »Preise Jerusalem den Herrn«. 
2 Part. u. St. (Berl.) 

96. Dom. XXIII p. Trin. »Gebet jedermann, was ihr schuldig seyd«. 
Part u. St. (Berl.) 

97. Dom. XXIV p. Trin. »Der Herr verstoßet nicht ewiglich«. 
Part. u. St. (Berl.) 



98. Cantate »Lobe den Herrn meine Seele«. Part. u. St. (Kirchen- 
bibl. BoUstedt b. Mühlhausen.) 

99. Cantate »Kommt, frohe Völker, herzu«. Part. u. St. (Kirchen- 
bibl. BoUstedt b. Mühlhausen.) 

100. Gan täte »Herr lehre doch mich, daß es ein Ende«. Part. u. St. 
(Königsberg.) 



1, 



115 



lOti. G an täte »Singt beut ibr Chcktesi frobe liedercu (Königsberg.) 

102. C antäte »So bliibet nun des Höcfacien Güte«. Pait. und St* 
(BeiUn.) 

103. C an täte »Gott ist's, in defien weken Fügen«. (Berlin.) 

104. Magnificat fiii 4t Singst, und Streicborcbefiter. Ddui. (Berlin, 
Ms. 17» Nr. 3.) 

105. C antäte bei der Tafel albi eßet ödes trinket^ odei was ibr 
tbuttf Irrtbümlicb mit J. G. Honuliiis geieicbnet. Autograph. 
(Berlin.) 

IIL Motetten und Gesänge a capelta, 

t. 12 Magnificat. (Bibl. der Kveuzkifcbe an Dfresden. Nr. 1, 3 — 6 
auch Univ. Bibl. Königsberg.) 

Nr. 1 in C. %. Nr. 5 in F. Vj- 

„ 2 „ B. 2/2. „ 6 „ Es. (6 stimmig) 3/4- 

„ 3 „ A. (a stimmig) V^. „ 7 „ C. V2- 

„ 4 „ G. Vs. „ ^ ,, G. V4. 

Nr. 9inEmoll. %. 
„ tO „ F. V4. 

„ 12 „ B.{zweicbärig)*/4. 

2. 3Magnificat: a) B-dur. ^4 (4 stimmig). (Uniyersitälsbibliothek 

Köoigsbeü^.) 

b) G-dur. 3/2. Part. Qu.-Fol. (Berlin, Ms. 10815.) 

c) a due Chori. A. V4- Pai^t- Qu.-Fol. (Berlin 
Ms. 108t5.) 

3. Ps. 24, 7 ff. »Machet die Thore.« 8 vog. (Kreuzk. ; Berlin [Part 
u. St.., sign. d. 19. Nov. 1755]; Joach. G.) 

4. »So seyd nun wacker alleaeit.« (Berl., doppelt, [sign. d. 26. Nov. 1755] 
Joach. G.) 

5. »Eins bitte ick vom Herrn.« (Berlin [sign, den 7. Januar 175>&] 
Joach. G.) 

6. »Wir liegen für dir mit unserm Gebet.« [Kreuzk.; Berl. [sign, d 
9. Aug. 1760]; Joacb. G.) 

7. »Wer sich selbst erhöhet, der wird.« (Berl. [sign. 12. August 1760] 
Joaeb. G.) 

8. »Herr wenn Trübsal da ist.« (Berl. [sign, den 16. Oktober 1760]; 
Joach. G.) 

9. »Der Herr wird mieb erlösen.« (Kreuzk.; Berlin doppelt, dar- 
unter das Autogi. [comp. d. 13. Nov. 1760]; Joach. G.) 

10. »Gott ist getreu.« (Berl. Autogr. [sign, den 19. November 1760.]) 

8* 



116 



11. »Christus liat geliebet die Gemeine.« (Kreuzk., Berl. [sign, den 
29. August 1762]; Joach. G.) 

12. »So gehst du nun, mein Jesu, hin.« (Kreuzk.; Berl. [comp, den 
29. November 1762] doppelt, darunter Autogr. ; Joach. G.) - 

13. »Christus kömmt heraus aus den Vätern nach dem Fleischte 
6voc. (Berl. [Part. u. St., sign, den 12. Dec. 1762]; Joach. G.) 

14. »Was hast du, o Mensch, da du nicht empfangen hast.« S.yoc. 
(Berl. [sign, den 18. Juli 1765]; Joach. G.) 

15. »Brich dem Hungrigen dein Brot.« (Berl. [sign, den 6. Aug. 1765]; 
Joach. G.) 

16. »Siehe, des Herrn Auge siehet auf die, so ihn furchten.« (Berl. 
[sign, den 11. Aug. 1765]; Joach. G.; Kirchenbibl. zu Mittweida.) 

17. »Lobet den Herrn ihr seine Engel.« 8 voc. (Berl. [sign. d. 18. Aug. 
1765]; Joach. G.) 

18. »Lasset euch begnügen an dem.« (Kreuzk.; Berl. [sign. d. 21. Jan. 
1766]; Joach. G.) 

19. »Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget.« (Berlin 
[sign, den 12. Aug. 1766]; Joach. G.; Kgl. Bibl. Dresden [Mus. 
B 1261, S. 42 ff.]; Mittweida.) 

20. »Ihr sollt nicht sorgen und sagen.« (Berl. Part. u. St. [sign, den 
13. Aug. 1766]; Joach. G.) 

21. »Wünschet Jerusalem Glück.« 8 voc. (Berl. Part. u. St. [sig. den 
20. Aug. 1766]; Joach. G.) * 

22. JilldvTa Kalwg TveTtolrjycejdi mit dem deutschen Choral: »Was Gott 
thut, das ist wohlgethan.« (Berl. [sig. den 6. Juni 1768]; Joach. G.) 

23. y>Domme ad adjuvandum me.fi (Kreuzkirche.) 

24. »Unser Vater in dem Himmel.« (Kreuzk. doppelt, darunter Autogr. 
Berlin; Joach. G.; Mittweida.) 

25. »Ehre sei Gott in der Höhe.« (Kreuzk.) 

26. »Siehe, das ist Gottes Lamm.« (Kreuzk.; Berl.; Joach. G.) 

27. »Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.« (Kreuzk.) 

28. »Ich freue mich in dem Herrn.« (Kreuzk.; Berl.; Joach. G.) 

29. »Herr lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen.« (Kreuzk.; 
Stimmen in Berlin.) 

30. »Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen.« (Kreuzk.; Königl. 
Bibl. Di'esden [Mus. B 1232 Nr. 19].) 

31. »Hilf Herr, die Heiligen haben abgenommen.« (Kreuzk.; Berl.' 
[Part. u. Stimmen]; Joach. G. ; Mittweida; Theaterbibl. Dessau.) 

32. »Alles, was ihr bittet in eurem Gebet.« (Berl.; Joach. G.) 

33. »Der Herr ist mein Hirte.« (Berl.; Joach. G.) 

34. »Fürchtet euch nicht yor denen, die den Leib töten.« (Berlin; 
Joach. G,) 



117 



35. »Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, a (BerKn; 
Joach. G.) 

36. »Seyd fröhKch in Hoffnung, geduldig.« 8 voc. (Berl.;: Joach. G.) 

37. »Wo ist ein solcher Gott, wie du bist.» 8 voc. (Berl.; Joach. G.) 

38. -»Invoca me in Die angustiae.ii (Berl.; Joach. G.) 

39. »Ich will den Herrn loben allezeit.« (Berl., Autogr. [irrthüml. 
Joh. Gottfr. gez.]; Kgl. Privatsammlung Dresden.) 

40- »Sieh o Mensch auf Gattes Güte.« (Berl., Part, und Stimmen. 
[Ms. 18333 fol, 45^]; Mittweida.) 

41. »Habe deine Lust an dem Herrn.« (Berl. [Ms. 18270 fol. 62 — 67, 
aus Ddur nach Cdur transponirt].) 

42. »Ich habe dich ie und ie geliebet.« (Berlin.) 



Von diesen Motetten sind in gedruckten Sammlungen ent- 
halten : 

1. in den »Vierstimmigen Motetten und Arien in Partitur von 
verschiedenen Komponisten« etc. von Joh. Ad. Hiller: 

Theil I (1776), Nr. 3 : »Hilf Herr, die Heiligen haben abge- 
nommen a (Nr. 31). 
,, II, Nr. 3: »Unser Vater in dem Himmel« (Nr. 24). 
„ III, Nr. 2: »Siehe, des Herrn Auge siebet« (Nr. .16). 

Nr. 6: »Sieh o Mensch auf Gottes Güte« (Nr. 40). 
,, IV, Nr. 2: »Siehe, das ist Gottes Lamm« (Nr. 26). 
„ V, Nr. 1: »Der Herr ist mein Hirte« (Nr. 33). . 

2. »Die heilige Cäcilie, geistliche Oden, Motetten, Psalmen, 
Chöre und Gesänge herausgegeben und Sr. Maj. dem Kaiser Alexan- 
der I. allerunterthänigst zugeeignet«. Berlin, Sander'sche Buchhand- 
lung. 1818. 

Abthlg. II, Nr. 2: »Machet die Thore weit!« (Nr. 3). 

Nr. 3: »Sehet, welch eine Liebe« (Nr. 19). 
Nr. 9: »So gehst du nun, mein Jesu, hin« (Nr. 12). 
Nr. 11: »Siehe, das ist Gottes Lamm« (Nr. 26). 
Nr. 20: »Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen« 
•(Nr. 30). 

3. »Sammlung vorzüglicher Gesangsstücke« etc. herausgegeben 
von F. Rochlitz. 3 Bde. Mainz, Paris, Antwerpen, Schottes Söhne. 
1835. 

Bd. III, pag. 77 — 79: »Unser Vater in dem Himmel« (Nr. 24). 

4. »Sammlung religiöser Gesänge, älterer und neuester Zeit« 
herausgegeben von R. v. Hertzberg. 



118 



S. 122: Vierstimmiger figurirtei Choral »Hilf Heiri Die Heiligen 

haben abgenommen« (Nr. 31). 
S. 128: Vierstimmiger figurirter Choral »So gdist du laiui, mein 

Jesu, hin« (Nr. 12). 



Endlich besitst die Kgl. Hof- und Staatsbibliodiek München 
fönende gedruckte »Melodien« zu »Gesänge für Mauren, Dresden s. a. 

a) Dank dem Geber Dank. 

b) Die mit der Liebe Mutterblicken. 

c) Großer Meister und Erhalter. 
dj Ihm, dem Herrn der Ewi^eit. 
e) Singt, Maurer, singt. 

fj Unbekannte Weisen. 
g) Wer singt mit mir. 

IV. Kompositionen für Orgel. 

1« »27 Choralbeaibeitungen fär die Orgel mit 2 Klavieren 
und Pedal.« Fol. max. (Berlin, Ms. 12010.) 

1. Ach Herr mich armen Sünder. 

2. Christ lag in Todesbanden. 

3. Der am KreuE ist meine Liebe. 

4. Dies sind die heiigen sehn Gebot. 

5. Erbarm dich mein, o Herr. 

6. Erschienen ist der herrlich Tag. 

7. Gelobet seyst du Jesu Christ. 

8. Helft mir Gottes Güte preisen. 

9. Herr Jesu Christ du höchstes Gut. 

10. Herzlich lieb hab ich dich. 

11. Hilf, Herr Jesu, laß gelingen. 

12. Jesus meine Zuversicht. 

13. Komm heiiger Geist. 

14. Mache dich mein Geist bereit. 

15. Meine Hoffnung steht auf Gott. 

16. Meinen Jesum laß ich nicht. 

17. Mein Gott, das Herze bring ich dir. 

18. Nun komm der Heiden Heiland. 

19. O großer Gott du reines Wesen. 

20. Schmücke dich o liebe Seele. 

21. Sey Lob und Ehr dem höchsten. 

22. Straf mich nicht in deinem Zorn 



119 

23. Wachet auf, ruft uns die Stimme. 

24. Wer nur den lieben Gott. 

25. Wie soll ich dich empfangen. 

26. Wir Christenleut. 

27. Wo soll ich fliehen hin. 

2. «Praeludia zu geistlichen Liedern vor zwey Claviere und 
Pedal.« Fol. (Berlin, Ms. 190.) 

1. Weg mein Herz mit den Gedanken. — Freu dich sehr 
o meine Seele. 

2. Wer nur d&k liehen Gott läßt walten. 

3. Meinen Jesum laß ich nicht. 

4. Komm heilget Geist. 

5. O großer Oott, du reines Wesen. — Wer nur den lieben 
G-ott läßt walten, 

6. Erbarm didi, o mein Herre Gott. 

7. Schmücke dich, ♦€ liebe Seele. 

8. Erschienen ist Aefi herrlich Tag. 

9. Jesus meine Zuversicht. 

10. Mache dich, mein Geist, bereit. — Straf mich nicht in 
deinem Zorn. 

11. Gelobet seist du Jesu Okrist. 

12. Wachet auf, ruft uns die Stimme. 

13. Ach Herr, mich armen Sünder. 



Nach dem Rathsbeschluß vom 19. März 1785 wäre nach Homi- 
lius' Ableben der Kantor Buschmann zunächst zu berücksichtigen 
gewesen. Allein Weinlig hatte sich in der kurzen Zeit durch seine 
tüchtige Amtsführung in der Stadt und beim Hathe so beliebt ge- 
macht, daß letzterer am 25. Oktober beschloß, das Kantorat diesem 
zu übertragen, mit der Begründung, daß jener bereits ungefähr 60 
Jahre alt sei, das Neustädter Kantorat einen guten Schulmann er- 
fordere, und Weinlig's musikalische Talente allgemein bekannt ge- 
worden seien. Als Entschädigung solle Buschmann eine Gehaltszulage 
von 100 Thlr. bekommen, und ihm Hoffnung auf eine bei der Kreuz- 
schule frei werdende höhere Stelle gemacht werden. ^ So wurde, 
ohne eine nochmalige Probe ablegen zu müssen, endgültig als Kantor 
eingeführt 



1 B Vlla 48 Vol. I fol, 63 ff. 



120 



Christian Ehregott Weinlig, 1785—1813. 

Er wurde am 28. September 1743 als Sohn des Bürgermeisters 
Weinlig zu Dresden geboren. Sein vier Jahre älterer Bruder Chri- 
stian Traugott ist der bekannte Kurfiirstl. Sachs. Hof- und Oberland- 
baumeister. Da der Vater ihn für ein gelehrtes Fach bestimmt hatte, 
besuchte er schon früh als >Extraneer« die Kreuzschule. Nebenbei 
genoß er bei Homilius einen gründlichen Unterricht in der Kompo- 
sition, durch den er soweit gefördert wurde, daß er als Schüler 
mehrere Kantaten schrieb, die sein Lehrer unbedenklich beim öffent- 
lichen Gottesdienste aufführte. Dadurch wurde in ihm immer mehr 
die innere Neigung zur Musik verstärkt, sodaß er schließlich den 
lebhaftesten Wunsch in sich fühlte, sich ganz der Musik widmen zu 
können. Solange jedoch der Vater lebte, mag die Erfüllung desselben 
größeren Schwierigkeiten begegnet sein. Nachdem dieser aber schon 
am 14. Juli 1762 gestorben war, hinderte ihn nichts mehr, seiner 
Neigung zu folgen. 1765 bezog er die Universität Leipzig, wo er 
als Student für die Koch^sche Schauspieler-Gesellschaft, welche sich 
damals hier aufhielt, einige Ballette komponirte, die sehr gefielen 
und die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihn lenkten. So kam es, 
daß er schon zwei Jahre darauf zum Organisten an der vom Orgel- 
bauer Schweinefleisch neuerbauten Orgel der reformirten Kirche in 
Leipzig gewählt wurde, eine Stellung, welche er bis 1773 innehatte. 
Dann aber war er bis 1780 als Organist in Thorn thätig, wo er sich 
besonders als Komponist mehrfach auszeichnete. Es entstanden hier 
op. 1 und 2: vier Klaviersonaten mit Flöte und Violoncello, 
ferner »Petites pieces pour le Clavecin«, mehrere Kantaten, 
Magnificat, und ein Passionsoratorium, welches 1775 in Thorn, 
1776 in Danzig und 1777 in Dresden aufgeführt wurde. 1780 er- 
hielt er sodann die Stelle eines Organisten an der Frauenkirche und 
Accompagnisten bei der italienischen Hofoper in Dresden. 

Seine Thätigkeit als Kreuzkantor leitete er am Karfreitag 1785 
mit der Aufführung einer »von ihm selbst gefertigten ausserordent- 
lich schönen Passion« ein, wie der Chronist Hasche berichtet, der 
ihn zugleich auch als Nachfolger des berühmten Homilius mit den 
Worten begrüßt: »Die Wahl konnte nicht schöner fallen, denn wer 
kennt Weinligs musikalische Talente nicht?« ^ — Für Letzteren galt 
es jetzt vor allem, durch einige größere Kompositionen sein musi- 
kalisches Können vor dem Dresdener Publikum zu dokumentiren, 
um neben seinem Vorgänger würdig bestehen zu können. Die ge- 



Magazin der Sächsischen Geschichte, Bd. II S. 242. 



t21 



eignetste Gelegenheit hierzu war natürlich das alljährliche Passions- 
oratorium in der Frauenkirche, welches man, wie auch das der 
katholischen Hofkirche, mit Spannung erwartete. So bearbeitete 
"VVeinlig denn für den nächsten Karfreitag einen ihm vom Ober- 
eteuersekretär Berger gelieferten poetischen Text »Der Christ am 
Grabe Jesu«. Der Erfolg war ein außergewöhnlicher. Dies beweist 
z. B. die ausführliche Besprechung im »Magazin der Sachs. Geschichte 
aufs Jahr 1786«r. Hier lesen wir S. 244 ff. : »Die von Berger und 
Weinlig gefertigte am Karfreitage in der Frauenkirche aufgeführte 
Passion »Der Christ am Grabe Jesu« war ein wahres Meisterstück, 
und die gegen Deutschland sonst so ungerechten Italiäner mußten 
selbst bekennen, sie hätten einen deutschen Text nicht so vieler 
schönen Musik fähig geglaubt. Kein unnützes Unisono^ kein blos 
die Singstimme mitspielendes müßiges Instrument. Die erste schöne 
Baßarie: »Schon rauschen alle Todesschrecken in Wettern Gottes 
dir« etc. rührte schon tief; aber in einer der folgenden mit Pauken, 
Hörnern und Posaunen begleiteten Baßarie : »Auf Sinai erscheint im 
Wetter« etc., da klopfte gewiß iedem Gefühlvollen das Herz vor 
banger Angst, so wie in der mit obligaten Fagots begleiteten Tenor- 
arie: »Wenn angstvoll meine Seele zagt« etc., die freylich durch des 
Chfl. Kammermusikus Herrn Hurka brillanten und rührenden Vor- 
trag außerordentlich gewann. Jeder bis zur Wehmuth gerührt ward. 
Wen entzückte nicht das Chor: »Wie fein zerbricht den Tempel 

der« etc Den Musiker möchte ich sehen, der ein Recitativ 

schöner zu begleiten wüßte, als Folgendes war: »Des Mittlers Tod 
am Kreuz stets eingedenk zu seyn«. Wie vielfache Leidenschaft 
war nicht darinne ausgedrückt! Noch immer tönen die Worte vor 
meinen Ohren: »sieh wie sich über deinen Freund mit Dunkel alle 
Himmel kleiden« etc. Meisterhaft war das Schlußchor mit der 
Hallelüjafuge, ganz originell, so viel wir deren auch schon haben. 
Meisterhaft war auch Hurkas zwevte Arie: «Jesus Christus, wonne- 
tönend schalle dir mein Lobgesang«, besonders der Ausdruck folgen- 
der Worte: »liebeschmachtend, freudethränend weine meine Seele 
Dank«. Schöne Passagen anzumerken, da würd* ich gar nicht fertig 
.... Sänger und Spieler, letztere größtentheils aus der Chfl. Kapelle, 
waren ausgesucht, und das verstärkte natürlich den guten Effekt, 
daß wir dreust von Herrn Weinlig behaupten können: Hier ist ein 
zweiter HomiliusI Wie zufrieden das Publikum damit gewesen sey, 
beurtheile man unter andern auch daraus, daß Se. Köngl. Hoheit 
Herzog Karl, dieser gnädige Beschützer und Kenner der Musik, den 
2 Steil April eine 2. Vorstellung im Hotel de Pologne veranlaß te, die 
zur allgemeinen Zufriedenheit ausfiel. « 



122 



Bemerkenswerth ist, dafi wir hier cum ersten Male von ^nem 
besonderen Solisten hören. Weinlig war duxch seine frühere Stel- 
lung als Accompagnist bei der Kurfiirstl. Hofoper mit den Mitglie- 
dern derselben näher bekannt und nutete diesen für ihn günstigen 
Umstand in seinem neuen Amte aus, indem er bei allen größeren 
Aufführungen Instrumentisten und Sänger der Hofkapelle zur Mit- 
wirkung gewann. Daß übrigens die Hauptsoli in den Händen Hurka's, 
eines der berühmtesten Tenoristen seiner Zeit, lagen, mag nicht 
wenig KU dem Erfolg beigetragen haben. 

Mit diesem Haupttreffer hatte sich der Kantor im Fluge eine 
bedeutende Stellung in den musikalischen Kreisen Dredens errungen. 
Sein Oratorium hatte selbst dem am folgenden Tage in der kathol. 
Hofkirche aufgeführten von Migliavacca und Schuster »Der erkannte 
Moses als Vorbild unsres Heylandes « den Bang abgelaufen.^ Seit^ 
dem findet man die größten Künstlet bei den Aufführungen des 
KreuKchores betheiligt. Ja sogar bei den gewöhnlichen musikalischen 
Vespern am Sonntag-Nachmittag war es nichts Seltenes, daß solciie 
sich hören ließen, sodaß jene eine immer größere Bedeutung für die 
Residenz erhielten. Es ist darum durchaus keine Neuerung, wenn 
man in jüngster Zeit bei diesen Vespern neben den Vorführungen 
des Chores auch Vorträge fremder künstlerischer Kräfte zuläßt. So 
berichtet das »Magazin <{ Bd. IH S. 371 : »Am 4. Juni oder 1. P&ngst- 
feyertage (1786) war die Vesper in der Frauenkirche außerordentlich 
schön, weil nicht nur der Churfürstl. Sachs. Konzertmeister Herr 
Babbi selbst (eine Ehre, die ihr noch nie wiederfahren) ein Konzert 
auf der Geige spielte, sondern auch die Herren Kapellisten Goetzel, 
Besozzi, Schmid und Schulze auf ihren bekannten Instrumenten 
accompagnirten. « Ferner )> Magazin« Bd. IV S. 318: »Die Vesper des 
ersten (Pfingst-) Feyertags (1787) in der Frauenkirche verdient be- 
sonders erwähnt zu werden. Der Churfürstl. Kapellmeister Herr 
Naumann hatte den 96. Psalm »Singet dem Herrn ein neues Lied« 
als eine wahre deutsche Messe für sie komponirt. Dann folgte eine 
vierfach obligate Symphonie oder richtiger ein Quartett von Sta^itz, 
welches die Herren Kapellisten Scholze auf der Geige, Schmid auf 
dem Fagot, Hummel auf dem Hörn und Richter auf der Oboe auf- 
führten, cc — Zwei weitere Notizen aus dem folgenden Jahre finden 
sich »Magazin« Bd. V S. 189: »In der Vesper des 1. Osterfeyertages 
bließ ein schwedischer Virtuose, Hr. Meyer, ein Konzert auf der 
Hoboe, an dem man nicht eben brillanten Ton, aber große Finger- 






* Der Chronist berichtet : ». . . . Es "war schön in seiner Art, aber unserm 
deutschen kam es doch nicht bei«. 



}23 



fertigkeit rühmte «r, und S. 316: »Den 11. (Mai) ward in hiesiger 
Frauenkirche eine groAe musikalische Vesper gegeben, wobey sich 
der Jagdhautboiste Herr Häne mit einem Konzert auf der Flöte mit 
Beifall hören lieB«. Diese Beispiele mögen anir Illustration des Ge- 
sagten genügen. 

Am Karfreitag 17S7 trat Weinlig mit einem neuen Oratorium 
»Jesus Christus leidend und sterbend« auf, von dem <da8 
»Magazin« (Bd. IV S. 250 ff.) berichtet, daß es zwar nicht sdiedurcii- 
gäiig% großen Schönheiten des vorjährigen hatte, aber doch sehr 
reich an sogenanter stiller Größe war. Von Arien waren besonders 
sciiön die Baßbravourarie «Wehe, wehe dem Verräther «, die Tenet- 
bravourarie »Bebt Frevler! Er ist Gottes Sohn«, eine andere 
TenoTarie mit obligaten Oboen und Fagots .»Gott, Versöhner 
Jesus Christus« (beide sang Herr Hurka, alles übrige ward von 
Schülern gesungen, deren Vortrag würkliches Lob verdient), endlidi 
die Baßarie mit Flöten und Dämpfern »Wenn unterdrückte Unschuld 
zu Gott im Stillen weinet«. Das schönste Chor, nach meinem Gefühl, 
war: »Wenn einst am Tage des Gerichts die Himmel in ihr erstes 
Nichl» zusammenstürzen« etc., durchgängig schön, und doch über- 
traf der Schluß : » Doch der Gerechten harrt am Throne die Herr- 
lichkeit der Siegerkrone« etc., durch innere Süßigkeit alles und 
schien wahie Sphärenmusik zu seyn .... Recitative waren iin 
Ganzen zu viel, daher sie auch Herr Weinlig gröBtentheils ohne 
Begleitung hinlaufen ließ, bis auf Hauptstellen.« 

Mit gänzlich umgearbeiteten zweiten Theile wurde dia?es Werk 
am Charfreitag 1790 zum 2. Male aufjgeführt. Im Jahre 1788 hatte 
Weinlig mit gleichem Erfolge sein Oratorium »Der Christ am Grabe 
Jesu« wiederholt, er ließ es nunmehr im Drucke erscheinen.^ Für 
1789 hatte er wieder ein neues komponirt: »Die Feier des Todes 
Jesu<r. 

»Man hielte, sagt das »Magazin« Bd. VI S. 241, »das 1786er für 
sein [nanj plus ultra ^ aber Herr Weinlig trat mit einem neuen 
hervor, das alle Kenner durch die Neuheit des richtigen Geschmacks^ 
durch den erhaschten einzigen Naturausdruck, ohne alles Instru- 
mentengekünstel, entzückte.« Nach einer ausführlichen Besprechung 
des Werkes schließt der Bericht: »Genug, Herr Weinlig legte da- 
durch einen neuen Beweiß ab, daß er Meister seiner Kunst und 
einer der größten Setzer für das Herz sey. « 

Wir sehen, daß Weinlig in der Regel aller zwei Jahre ein neues 
/ 

1 Ein« 4. Aufführung erlebte es am 22. März 1789 »auf vielfältiges Verlangea 
dasiger gesehloßenen Gesellschaft . . . auf den sogenannten drei Rosen vor einer 
großen Zuhörermenge mit «immeidauerndem Beifalle «. (Magazin, Bd. VI S. 180.) 



124 



Oratorium schuf und in den Zwischenjahren ein früheres repetirte. 
Welchen Beifall er damit erntete, zeigen jene zeitgenössischen Be- 
richte. Eine andere Frage ist es frenich, ob wir diesen Werken 
nach den Anforderungen, welche man heute an solche stellt, das- 
selbe uneingeschränkte Lob spenden dürfen. Sicherlich nicht. Bei 
einer gerechten Beurtheilung derselben fällt von vornherein der 
Umstand ins Gewicht , daß für Weinlig, abgesehen von der allge- 
meinen musikalischen Geschmacksrichtung jener Zeit, wegen seiner 
engen Beziehungen zu der kurfürstlichen Kapelle und zum Theater, 
die Gefahr nahe lag, daß Elemente weltlicher Opernmusik auch in 
seine kirchlichen Kompositionen eindrangen. Und in der That, 
wenn wir dies hier und da schon bei Homilius bemerken konnten, 
so in weit höherem Maße bei Weinlig. Dieser hatte bei der Ab- 
fassung seiner Hauptsolopartien bestimmte Solisten im Auge, deren 
Stärken er kannte und denen er in der Weise damaliger Zeit Ge- 
legenheit geben mußte, diese zu zeigen. 

So entstanden jene »Bravourarien« — eine bedenkliche Er- 
scheinung in kirchlichen Musikwerken. Dieser Einfluß der welt- 
lichen Musik ist bei ihm je länger je mehr bemerklich und fiel 
selbst in jener Zeit auf, so daß Hasche den Unterschied früherer 
und späterer Kompositionen Weinlig's in scharfen, wenn auch über- 
triebenen Worten kennzeichnet. ^ — Überdies hatte sich Weinlig 
auch als Opernkomponist versucht. Im Jahre 1792 entstanden 
»Erinna« und »Habsburgs Meistersänger«, zwei kleine Opern, 
von denen die Letztere in genanntem Jahre bei der Krönung 
Leopolds n. in Prag aufgeführt wurde > ohne indessen einen nach- 
haltigeren Eindruck zu machen. Der geringe Erfolg mag ihn von 
weiteren Versuchen auf diesem Gebiete abgehalten haben. Nur noch 
einmal, ein Jahr vor seinem Tode, scheint er sich mit dem Gedanken, 
eine Oper zu komponiren, getragen zu haben. Wenigstens nahm er 
einen Text »Alfred der Große« an, der ihm von keinem Geringeren, 
als Theodor Körner zugeschickt wurde. Allein wegen Kränklichkeit 
und Altersschwäche kam er nicht zur Ausführung des Planes. 
Körner schreibt darum an seinen Vater :2 Böblingen, am 6. Juni 1812. 
)). . . Wenn Weinlig meinen Alfred nicht bald componiren will, so 



1 Vgl. dessen »Diplomatische Geschichte Dresdens« Bd. IV S. 251: »Weinligs 
erste beide Passionen waren Meisterstücke. Bei diesem Tone hätt' er sich erhalten 
sollen«, und dann: ». . .Weinlig, der zuletzt sich zu sehr in Theaterstil verliebte, 
und die vorher gewöhnlichen Chorarien des Singechors in Gassenhauer verwandelte, 
z. E. das schöne Klagelied von Kost: eile Herr, mein Herz zu stärken, in eine 
Polonaise umschuf«. 

2 Th. Kömer's sämmtliche Werke. Berlin, Grote. 187Ö, Bd.. II S. 335. 



125 



soll er mir ihn schicken. Ich würde dann nach den etwas ver- 
besserten Ansichten, die ich jetzt vom Theater und vorzüglich vom 
Operntexte habe, Mehreres streichen, da das Ganze viel zu lang ist, 
und es hier ans Kärnthnerische Theater geben, da ich von Beethoven, 
Weigl, Gyrowetz etc. unendlich um Texte geplagt werde. « Sodann 
am 1 1 . Juli 1812: » . . . Den Alfred habe ich bekommen und darin 
in der Unbeholfenheit der Diction mein erstes Werk mit väterlicher 
Strenge erkannt. Er wird viel Aenderung erleiden müssen.« 
Dieser Text wurde dann von J. P. Schmidt komponirt und in der 
Berliner Hofoper aufgeführt. 

Um so fleißiger war Weinlig im Komponiren von Kirchen- 
musiken und Kantaten. Motetten und a ca/?e/fo- Stücke scheint er 
jedoch fast gar nicht geschrieben zu haben. Von jenen nennen wir 
besonders ein deutsches Te De um {Z)dur) für Chor, Orchester und 
Orgel, das sich gegen. Ende des vorigen Jahrhunderts häufig auf 
den Programmen findet. Ferner die Kantate »Augusta«, welche er 
am 21. Juni 1786, dem Geburtstag der Prinzessin Augusta, in der 
Friedrichstädter Real- und Armenschule mit der Kurfürstl. Kapelle 
aufführte, und die dann 1789 bei Hilscher in Dresden erschien.^ 
Sie enthält ein Recitativ mit Arie für Tenor, die von Hurka ge- 
sungen wurden, und endet mit einem Chore. Größer ist die Kan- 
tate für die Einweihung der neuen Kreuzkirche, die am 
22. Nov. 1792 unter Mitwirkung der gesammten Kurfürstl. Kapelle 
aufgeführt wurde. Die Sänger waren hier in drei Chöre getheilt, 
sodaß- man zur Verstärkung der Alumnen die Kurrendaner heran- 
ziehen mußte. Die Aufführung vor der Predigt des Festgottes- 
dienstes dauerte eine Stunde. Der Berichterstatter bemerkt aus- 
drücklich, »daß man über den Gehalt und die Ausführung dieser 
Kantate nur Ein Urtheil, nur Eine Stimme des Beifalls gehöret hat«. 

Eine allzu große Verbreitung haben die Kantaten Weinlig's nicht 
gefunden, und heute sind sie fast vollständig der Vergessenheit an- 
heimgefallen. Neben vielem Guten und Brauchbaren, das einer Be- 
arbeitung und Neuaufführung wohl werth wäre, ist freilich auch ein 
großer Theil seiner Kantaten für unseren musikalischen Geschmack 
nicht mehr geeignet und als veraltet zu bezeichnen. — 

Am 23. September 1791 hatte W. bei seinem Patrone schriftlich 
um Befreiung von seinem Schuldienste in der 5. Klasse nachgesucht, 
da er beiden Verpflichtungen in Kirche und Schule in gleicher Ge- 
wissenhaftigkeit nicht nachkommen könne. Dennoch aber bat er. 



^ Der Text von Berger beginnt: »In feyerlichen Tönen schall an diesem Feste, 
Saxonia, dein frommes Loblied himmelan u etc. * 



126 



mit Ausnahme dee Schulgeldes, um den voUen G«iuiß der Einnahmea 
dex fünftem KoUegenstelle und evestuell um eine EntaehÄd Jyiag fiir 
das ausfallende Sekulgeld. ^ In dei RathamtsraBg vo«. 8. Not. 1791 
beschloß man darauf, dem Kantor zu gestatten, sieh mk dem neu 
desi^nirten Coli. VI Seyfried behufr dessea Überiiahme audk der 
5. Klasse zu veigleiehen. Eine Zulage aber wegen des abgehenden 
Schulgeldes könne der Rath nickt bewilligen. Aüeh beziehe sich 
diese Vergünstigung nur auf seine Person. Seine Nachfolger sollten 
stets gefragt werden, ob sie die 5. Klasse mit übernehmen wollten. 
Seit diesem Tage sind die Kreuzkantoren vom Schulunterricht be- 
fveit, ohne jedoch ihre Stellung als CoUega Y zu verlieren. 

Da£ Weinlig's Bemühungen um ^ musikalische Ausbildung 
der Alumnen außerordentlich erfolgreich gewesen sind, beweisen eiadge 
Mittheilungen Hasche's im »Magazin der Sachs. Gpesckiehteff« Hier 
lesen wir, daß am Id. ApiiL 17 8& bei der Feier des üblichen Grre- 
goriusfestes »durch unexnüdete SorgfaJt des itsdgen Heim Kantors 
das Alumneum auf Flöten, was man lange nicht gesehen und gehört 
hatte, accompagnierte<(. Am 6 Aug. desselben JaJirea femer »harte 
man eine schöne Vc^al* und Instrumentalokusik auf liiesigeff Kieuta- 
schuLßj wo das Alumneum zur gewöhnlichen Rektorspeisung in einer 
Kantate (Text und Musik war von zwei geschickten Schülern) dem 
Hrn. Rektor ihre Glückwünsche ablegten«. 

Welche aehtungswerthe Leistungen übrigens die Alumnen unter 
Weinlig's Anleitung auf dem Gebiete der Komposition hervorbrachten, 
zeigen folgende Notizen derselben Qruelle: »Am 9. März 1787 war 
auf hiesiger Kreutzschule ein ansehnliches Conceit. Es hat nehmlieh 
Mons. Irmisch, ein Alumnus derselben, einen deutschen Orpheus zu 
komponiren angefangen, davon er die erste Hälfte mit Exlanbnis 
und Beystand Herr Weinlig's gab. Wenn sich, ein zweiter wohl- 
thätiger Hasse fiii ihn finden wollte, vielleicht fände sich in ihm 
(wenn auch nicht ein zweiter Naumann, denn solche Perlen sind 
rar) ein anderes großes Genie zur Musik.« Ferner führten am 
17. Febr. 178S »zwei geschickte Kreuzschüler, Zöglii^e des Hm. 
Kantor Weinlich, Grille und Irmisch benennt, ein schönes von ihnen 
selbst gesetztes musikalisches Concert auf dem Enzianisehen Säle mit 
vielem Beifall auf. Auch war schon am 3. Weihnachtsfeiertage von 
erstem die Kirchenmusik.« — In dem wöchentlich einmal im obern 
Auditorium abgehaltenen Collegium musicum. pflegten die Alum- 
nen unter sich die Vokal- und Instrumentalmusik. Durch alle diese 
zahlreichen Übungen und infolge der ihnen häufig gebotenen Ge- 



1 B Vlla 48 Vol. I fol. 72 ff. 



127 



legenheit, die giööten Meister und Virtuosen hören und Ton ihnen 
letnen su können, hatten sie eine nicht unbedeutende Fertigkeit 
ezlangt, sodaß der Rektor Ghr. Friedr. C%>e mit Hecht schreiben 
konnte:^ ». . . Fremde, welche das Chor der Alumnen, theils bey 
feierlichen Ansingen, theils in der Kirche, und besonders bey einem 
Charfreitagsoratorium zum erstenmäle hörten, glaubten, auch als 
Kenner, in Vergleichung dieses Gesanges mit auswärtigen Chören 
sich in eine neue musikalische Welt y ersetzt. Aus dieser so guten 
Fertigkeit der hiesigen Alumnen sind zu allen Zeiten so wohl öffent- 
liche, als besondere Vortheile für die Zukunft entsprungen. Vir- 
tuosen verdanken ihre Ausbildung größten Theils dem Alumneum 
auf der Kreuzschule, wo sie zu wahrer Empfindung und zum ge- 
nauen Ausdruck eines guten Greschmacks in der Tonkunst angewöhnt 
worden« etc. 

Dennoch aber macht sich seit etwa 1790 ein Kückgang der 
günstigen ChorTerhältnissse bemerkbar. In fast auffalliger Weise 
läßt das Interesse des Publikums an den Kurrendesängem nach. 
Die Einnahmen beim Straß ensingen vermindern sich von da an um 
die Hälfte ihrer früheren Höhe. Man erblickt darin auf einmal eine 
veraltete Institution. Die Folge war, daß auch die Zahl der Kurren- 
daner in wenigen Jahren stark herabging, ^ weil diese sich zur Be- 
streitung ihres Lebensunterhaltes meist auf die Singgelder angewiesen 
sahen. Eii^n nachtheiligen Einfluß auf die Figuralmusik in den 
Kirchen übte dieser Umstand zum Glück nicht, da Letztere fast 
ausschließlich von den Alumnen ausgeführt wurde, deren Zahl sich 
auf der festgesetzten Höhe erhielt. — 

Im Jahre 1809 begann Weinlig zu kränkeln. Es^ wurde darum 
öfter nöthig, daß ihn bei untergeordneten Amtsverpflichtungen ein 
Präfekt vertrat, während die großen Passionsoratorien in den letzten 
Jahren sein Neffe, Chr. Theodor Weinlig, dirigirte. Am 14. März 
1813 starb der allgemein verehrte Kantor im 70. Lebensjahre.* Die 
Beerdigung fand am 18. März auf dem Eliasfriedhofe statt. 

Von seinen zahlreichen Schülern nennen wir Gottlob Benedict 
Bierey, Kapellmeister bei der Seconda^schen Oper, sodann in gleicher 
Stellung bei der Breslauer Oper, C. T. Eissrich, Klaviermeister in 
Kußland, die Königl. Sachs. Kammermusici Johannes und Franz 



1 »Einige Nachrichten von den Chorordnungen auf der Kreuzschule« etc. 
Schulprogramm des Jahres 1792. 

2 Während 1792 die Zahl derselben noch 59 war, betrug sie 1798 nur 36, die 
dann bis 1808 auf 18 zurückging. 

3 Vgl. die öffentliche Todesanzeige seitens seiner "Wittwe Regina Charlotte 
geb. Wachschlager in der »Leipziger Zeitung« dieses Jahres Nr. 62, S. 616. 



128 



Eisert, Tietz, Tricklei und Schmiedeli feinei Fianz Dunkel, bekannt 
als Violinvirtuos und Komponist, ^ den Kieuzkirchen- Organisten 
Lommatsch, seinen Neffen Chr. Theodor Weinlig, die beiden be- 
rühmten Tenoristen und Bühnensänger Frledr. Gerstäcker und Job. 
Gottfried Bergmann, den Organisten an der Thomaskirche und Direktor 
der Gewandhauskoncerte in Leipzig Chr. Aug. Pohlenz und endlich 
seinen Amtsnachfolger Gottlob Aug. Krille. — 

Die Kompositionen Weinlig's, soweit sie mir zugänglich gewesen, 
sind folgende: 

I. Oratorien und größere Kantaten. 

1. Der Christ am Grabe Jesu, Oratorium nach der Poesie des 
Herrn Steuersecretär Berger, dem Herzog Carl von Sachsen und 
Curland gewidmet. Dresden und Leipzig, Breitkopf. 1788. (Vor- 
handen in der Kgl. Privat -Musikaliensammlung zu Dresden; 
fürstl. Bibl. Wernigerode ; Theaterbibl. Dessau. Als Manuskript 
in der Notenbibl. der Thomasschule zu Leipzig [1786] und Kgl. 
Bibl. Berlin [Ms. 22980].) 

2. Jesus Christus leidend und sterbend (»Gott Jesus Chri- 
stus rettet dich«), aufgeführt 1787, repetirt 1790, 1794. Ms. 
(Thomasschule.) 

3. Feier des Todes Jesu (»Jehova kommt«) 1789. Ms. (Thomas- 
schule.) 

4. Empfindungen am Sterbetage Jesu (»Gott ruft den Tag«) 
1791. Ms. (Thomasschule.) 

5. Der Christ am Kreuze Jesu (»Eingehüllt in Trauerschleier«) 
1793. Ms. (Thomasschule.) 

6. Die Erlösten auf Golgatha (»Jesus Christus ist uns nah«) 
1796. Ms. (Thomasschule.) 

7. Der Versöhnungstod Jesu (»Bauschet sanft«) 1798. Ms. 
(Thomasschule.) 

8. Der Erlöser (»In banger Todesstille«) 1801. Ms. (Thomasschule.) 

9. Die Erlösung (»Hirtenlose Schafe gingen«) 1803. Ms. (Thomas- 
schule.) 

10. Der Versöhner (»Tiefe Grabesstille waltet«) 1808. Ms. (Thomas- 
schule.) 

11. Jesus Christus der Welterlöser (»Ein heiliges Schweigen«) 
1812. Ms. (Thomasschule.) 



1 Vgl. Fürstenau, Beiträge zur Geschichte der Königl. Sachs, musikalischen 
Kapelle, S. 108 ff. 



129 



I 

t2. Die Nackfeier des Todes Jesu (»O Gott wie schaueivoll ist 
diese Nacht«) . Ms. (Kirchenbibl. Bollstedt bei MühUbaasen i. Tb.) 

13. Passionsoratorium (»Höret ihr Himmel und die Erde«). Ms. 
v«a E. Weinlig(?). (Tbomasschule.) 

14. Feier der Auferstehung Jesu, Kantate für Chor, Orchester 
u. Ofgel (»Das Lamm, das erwürget ist«) . Ms. (Theaterbibl. Dessau.)« 

15. »Ehrfurchtsvoll, o Gott, betreten«, Kantate, komp. zur 
Einweihung der neuen Kreusskirche 1792, für Chor, Orchester 
und Orgel. Ms. (Thomasschule.) 

16. Augusta, Kantate im KlaTier- Auszuge, mit einer Eingangs- 
sinfenie vom Chuxfürstl. Cönzertxaeister G. Babbi. Dresden, 
Hillschier. (KgL Privatsammlg. Dresden.) 



n. Kirchenmusiken und Kantaten.^ 

1. 4 Sanctus. (Thomasschule.) 

a) Cdur. 1785. Die Stimmen mit der Präfation. 

b) Desdur. 1786. Mit Präfation. 

c) Ddur. 1786. Die Stimmen mit der Präfation. 

d) Ddur. 1806. Geschriebene Partitur. 

2. 4 Deus in adjutorium. (Thomasschule.) 

a) A dur (»Domine ad adjuvandlim me festina«) fiir Chor, Orch. 
und Orgel, 1788. Die Singstimmen mit dem Texte für 
Weihnachten: »Danksagen wirrr. 

b) Cdur. 1791, für Chor, Orchester und Otgel. 

c) Ddur. 178^, für Chor, Orchester und Orgel. 

d) Cdur. (Defekt.) 

3. M.agnifica.t. Ddur. 1785, fiir Chor und Orchester. (Thomassch.) 

4. Magnificat. Adur. 1788, für Chor und. Orchester. (Thomasech.) 

5. Deu^tsches Magnificat. Esdur. 1806, für Chor, Orchester 
und OrgeL (Thomaaachule.) 

6. Magnificat. Gdur (defekt, ohne Angabe des Autors) für Chor, 
Orchester und Orgel. (Thomasschule.) 

7. Te Deum laudamus. Ddur (deutsch) für Chor, Orchester und 
Orgel. 1792. (Tkomasschule.) 

8. Psalm 32 »Wohl dem, dem die Übertretungen« für Chor und 
Orchester. 1799. (Thomasschule.) 

9. Psalm 90 »Herr Gott, du bist unsre Zuflucht« für Chor, Orch, 
und Orgel. 1800. (Thomasschule.) 



1 Alles Folgendi& ist nur als Manuskript vorhanden. 



130 



10. Psalm 51 »Gott sei mir gnädig und barmherzig« für Chor, Orch. 
und Orgel. 1809. (Thomasschule.) 

11. Psalm 67 >Gott sei uns gnädigt für Chor, Orchester und Orgel. 
(Thomasschule; Kgl. Privatsammlg. Dresden; St. Marienbibl. zu 
Elbing.) 

12. Psalm 67, V. 2 — 6. »Herr, unser Gott, dem wir vertrauen« 
für Chor, Orchester und Orgel. (Thomasschule.) 

13. Psalm 89 »Ich will singen« für Chor, Orchester und Orgel. 
(Thopfiasschule.) 

14. Psalm 95 »Kommt herzu, laBt uns dem Herrn frohlocken«, 
Kantate für das Erntedankfest, für Chor und Orch. (Thomassch. ; 
Theaterbibl. Dessau; Marienbibl. Elbing; Kgl. Bibl. Berlin, Ms. 86.) 

15. Psalm 98 »Singet dem Herrn« für Chor, Orchester und Orgel. 
(Thomasschule, defekt.) 

16. Psalm 117 »Lobet den Herrn alle Heiden« für Chor, Orchester 
und Orgel. (Thomasschule; Kgl. Bibl. Berlin, Ms. 87.) 

17. Psalm 145 »Ich will dich erhöhen« für Chor, Orch. und Orgel. 
(Thomassch., defekt.) 

18. Adventscantate »Also hat Gott die Welt geliebt«, für Chor 
und Orch. 1799. (Thomasschule; Kirchenbibl. BoUstedt bei Mühl- 
hausen i. Th.) 

19. Weihnacht. »Er ist geboren Jesus Christ« für Chor, Orch. 
u. Orgel. 1791. (Thomassch.; Notenbibl. der Kreuzkirche, Dresden.) 

20. Weihnacht. »Ein Kind ist uns geboren« für Chor, Orchester 
und Orgel. (Thomasschule; Kreuzkirche; Kirchenbibl. Mittweida.) 

21. Weihnacht. »Ehre sei Gott in der Höhe« für Chor, Orchester 
und Orgel. (Kreuzkirche.) 

22. Weihnacht. »Die Nacht ist vergangen« für Chor, Orchester 
und Orgel. (BoUstedt.) 

23. Neujahr. »Du erhörst Gebet« für Chor, Orchester und Orgel. 
1797, auch Kantate für Rogate, Beformationsfest und Baths wähl. 
(Thomassch.) 

24. Neujahr. »Der Herr ist unsre Stärke« für Chor, Orch. und 
Orgel. 1790. (Thomassch.) 

25. Passionscantat e. »Die Strafe liegt auf ihm« für Chor, Orch. 
und Orgel. 1798. (Thomassch.) 

26. Passionskantate. »Tritt her und schau.« Part. (Thomassch.) 

27. Ostercantate. »Du tiefe, todte, grauenvolle« für Chor und 
Orch. (Thomassch.) 

28. Ostercantate. »Anbetung, Preis, jetzt und in Ewigkeit« für 
Chor, Orch. und Orgel. 1806. (Thomassch.; Mittweida.) 



131 



29. Ostercantate. »Weiht ihm, dem Heiland« für Chor, Orch., 
Orgel. Part, deutsch und lat. (Thomassch.) 

30. Ostercantate. »Christ lag in Todiesbanden« für Chor und 
Orch. Part, deutsch und lat. (Thomassch.) 

31. Feste Paschatos. »Gott du wirst seine Seele nicht in der 
Hölle lassen.« Part. (Berlin, Ms. 10802.) 

32. Feste Paschatos. »Herr Zebaoth, wir klagen ; durchweint ist 
diese Nacht« für Chor, Orch. und Orgel. (Marienbibl. Elbing.) 

33. Pfingstcantate. »Tönt in unserm Gesang« für Chor und Orch. 
(Kreuzk. ; Thomassch., defekt.) 

34. Pfingstcantate. »Der Geist giebt Zeugnis« für Chor, Orch., 
Orgel. 1804. (Kreuzk.; Thomassch.) 

35. Pfingstcantate. »Geist der Gnade, Geist der Güte« für 
Chor, Orch. und Orgel. (Elbing.) 

36. 2. Fer. Pentecost. »Vater die Stunde ist hin« für Chor, Orch., 
Orgel. (Universitätsbibl. Königsberg; Kirchenbibl. BoUstedt.) 

37. Trinitatisfest. »Wir bringen Jehova in jauchzenden Chören« 
für Chor und Orch. (Thomassch.; Kirchenbibl. Mittweida.) 

38. Dom. I. p. Trin. »Wenn nach arbeitsvollem Lauf« für Chor 
und Orch. (Thomassch.) 

39. Johannisfest. »Es lag die ganze Welt mit Zorn und Fluch.« 
(Bollstedt.) 

40. MariaeHeimsuchung. »Meine Seele erhebe« für Chor, Orch., 
Orgel. (Thomassch.) 

41. Dom. X p. Trin. »Gott ist die Liebe« für Chor, Orch., Orgel. 
1799. (Thomassch. ; Mittweida.) 

42. Erntedankfest. »Nun danket alle Gott.« (Bollstedt.) 

43. Erntedankfest. »Durch lichte Wolken schwinget sich.« (Bollstedt.) 
44^ Michaelisfest. »Herr, werth, daß Schaaren der Engel dir 

dienen.« (Bollstedt.) 

45. Rogate. »Der du im heiFgen Dunkel« für Chor, Orch., Orgel. 
(Thomassch. defekt.) 

46. Himmelfahrt. »Jauchzt ihr Erlösten dem Herrn,« Hymne. 
(Bollstedt.) 

47. Doni. XX p. Trin. »Du bist viel gnädiger« für Chor, Örch., 
Orgel. 1799. (Thomassch.) 

48. Cantate. »Allmächtiger, den .die vereinten« für Chor, Orch., 
Orgel. (Thomassch.) 

49. Cantate. »Gelobet sei der Herr« für Chor, Orch., Orgel. 
(Thomassch.) 

50. Cantate. »Gott sei uns gnädig« für Chor, Orch., Orgel. 1806. 
(Thomassch.) 

9* 



132 



51. Cantate. »Lobsinge dankerfüllte Welta für Chor, Orch., Orgel. 
(Thomassch.) 

52. Caalate. »Preis ihm, er schuf« für Choi, Orch., OrgeL (Thomassch.) 

53. Solo und Chor. »Du gingst o Heiland hin« für Chor^ Orch., 
Orgel. (Thomassch., ohne Angabe des Autors.) 

54. Aria und Chor. »Das war ein herrlicher« für Chor, Orch., Oigel. 
(Thoiaasach., ohne Angabe des Autors.) 

55. Cantate. »Allmächtiger, den in höhern Chören« für Chor und 
Orch. Part. (Königsberg.) 

56. Cantate »Gott, der du unumschränkt der Allmacht Scepter führst.« 
(Mittweida.) 

57. Cantate. »Danket ihm in der Gemeine.« (I^ttweida.) 

58. Cantate. »Wo bei sorgenlosen Herden fromme Hirten wachen.« 
(Mittweida.) 

59. Cantate. »Dies ist der Tag.a (Mittweida.) 

60. Cantate. »!|i8iS6et uns mit einander seinen Namen erhöhen.« 
(Mittweida.) 

61. Chor. »Unser Hirte«« (Thomassch., ohne Angabe des Autors, 
defekt.) 

62. Chor. »Herr, der König freuet sich.« (von Weinlig?, Thomassch., 
defekt.) 

63. Schlußchoral. »Es flieht dahin das Jahr« für Chor^ Orch. und 
Qifgel. (T^omassch.^ ohne Angabe des Autors, defekt.) 

64. nCentone de Versi di Medastasio fatto in occasione det felioe il 
gloriqso parto di S. A» H. la Prindpessa Carolina Teresa^ sposa 
del aS*»o Principe Massimiliano di Sassonia etc. (Kgl. Privat- 
sammluQg, Docesden, Ms* $66 a.) 

Endlioh gab Weinlig mit Forcht in Meißen eine Monatsschrift 
für G:esang und Pianoforte: »Erato« heraus. (Kgl. Bibl. Berlin.) 

Um das erledigte - Kreuzkantorat bewarben sich Joh. Wilh. 
Ecke^sJberg, Organist in Dresden -Neustadt, August Blüh.er, Musik- 
direktor in Görlitz, Chr. Theodor Weinlig, Musiklehrer in Dresden, 
Go^ttlfloh August Krille, Ka^toi: in Wehlen und Christoph Fleischmann, 
Dom- und Stadtkantor in Meißen. Auf Beschluß des Käthes, sollten 
von diesen Eckersberg, Weinlig und Krille zur Probe zugelassen 
werden. Da aber Weinlig nach einiger Zeit sein Gesuch zurückzpg,^ 
ers^tzde m^i^ ihn, durch Fleischmann und bestimmte den 6. August 
als Tag der Probe. Diese fand Nachmittags S Uhr in der K»reuz- 
kirche statt, wo. sich außer dem Patron auch der Königl. Hoforganist 
Anton Dreyßig eingefunden hatte, welcher um Abgabe eines fach- 



1 Über den Grund hierzu vgl. S. 136. 



133 



männischen Gutachtens über die ihusikalisclieii Leistungen der Be- 
werber ersucht worden war. Jeder der Petenten hatte, Wife üMich, 
einen Choralvers zu singen und dann eine Kirchenmusik aufzti- 
führeh. 

In dem schriftlichen Gutachten vom 8. Augu«t spricht sich 
Dreyßig folgendermaßen aus:^ »...Der Herr Cantor Krille hat 
zwar seinen Choral richtig intohirt und auch so geendet; abeir in 
der Vetbindung der Töne difeselben nicht gleichmäßig gehalten, 
welches bey einem Choralgtesang nöthig ist ; dem ohngeachtet glaube 
ich, daß derselbe besseren Unterricht ertheilt, als selbst singt. Die 
Oomposition seines Aufgefährten Stückes war dem Zeitgeschmack 
gemäß mit richtiger, voller und auf Efeckt berechhetiBr Instärumen- 
tirung, schönen Modulationen, einen fließenden Gesang, gute Aus- 
führung und Schwung der Gedanken. Kraft und Zartheit ^chseldeh 
in angenehmer Mischung mit einander; ebenso war auch seine Müsick 
mit Meisterhaften Imitationen und Fugirten Sätzen ausgestadtet, 
und hat der Componist damit zur Genüge bewiesen, daß es Ihtn 
nicht an Kenntnüßen und Erfindungskraft fehlen würde, auch größere 
Stücke in Musick zu setzen«. — Fleischmann habe zwar mit 
schönerer Stimme und deutlicher Aussprache gesungen, seine Kom- 
position sei aber in der Instrumentirung etwas dünn und monoton 
und »in Ansehung des Zeitgeistes etwas veraltet«. — Eckers- 
berg^s Gesang sei sicher und gebunden gewesen- Die Aufführung 
seiner Komposition zeige den schon geübten Mann, nur hätten die 
Pauken etwas zu viel zu thun gehabt. Die Instrumentirung sei voll 
und von guter Wirkung, der Choral darin gebe dem Stücke »eine 
gewisse Buhe und Heiligkeit«. 

Daraufhin wurde in der Rathssitzung am 10. August 1813 

Gottlob August Krille, 10. August bis 24. Oktober 1813, 

gewählt und noch an demselben Tage die Bestallungsurkunde aus- 
gefertigt (fol. 94), die ihm am 17. d. M. übergeben wurde. Wobei er 
auf Anfrage den Wunsch äußerte; es möchte betr. des Schuldienstes 
so gehalten werden, wie bei seinem Vorgänger. — 

Krille ist am 20. April 1779 zu Stadt Wehlen geboren, wo 
sein Vater, Chr. Gottlob Krille, von 1764 — 1816 Kantor und Organist 
war, nachdem er vorher als Kinderlehrer in Eisenberg gewirkt hatte. 
Seine Mutter war Friederike Eleonore geb. Ruinelly aus Neuötadt. 
Der Vater, welcher 1817 in Wehlen starb, war ein tüchtiger Musiker, 



1 ß Vlla 48 Vol. I fol. 92. 



134 



der seiner Zeit einen gewissen Kuf hatte, da er es verstand, einen 
auBerordentlich regen musikalischen Sinn unter die Einwohnerschaft 
Wehlens zu bringen und die Kantoreigesellschaft berühmt zu machen. 
Diese musikalischen Anlagen waren auf seine Söhne übergegangen, 
von denen sich zwei als Alumnen der Eoreuzschule besonders aus- 
zeichneten. Der ältere Chr. Leberecht Krille war am 13. Okt. 1766 
geboren und steht in den Schülerverzeichnissen unter den Translocati 
1783.1 Er ist derjenige, welcher am 17. Februar 1788 durch die öffent- 
liche Aufführung eines selbstkomponirten Koncertes und einer Kirchen- 
musik am 3. Weihnachtsfeiertage ein gewisses Aufsehen erregt hatte 
(vergl. S. 126). Sein jüngerer Bruder, Gottlob August Kjrille, wurde 
1792 Alumnus, als welcher er unter den Translocati des Jahres 1796 
verzeichnet steht. ^ Auch er war schon auf der Schule als Komponist 
thätig, wie ein ihm von seinem Lehrer Weinlig bei seinem Ahgange 
ausgestelltes äußerst günstiges Zeugniß beweist, welches er seinem Be- 
werbungsschreiben im Originale beilegte. Es lautet i^ »Gottlob August 
Erill aus Städtchen Wehlen bey Pirna gebürtige hat während seines 
7 jährigen Aufenthaltes als Alumnus hiesiger Schule zum heil. Kreuz 
neben denen übrigen Wißenschaften der Musik mit großen Fleiße 
obgelegen, sich sowohl im Gesänge, als verschiedenen Instrumenten 
zu vervoUkomnen bemühet, und vorzüglich im Klavierspielen keine 
geringen Fortschritte gemacht. Sich über dieses der musikalischen 
Sezkunst, unter meiner, Endesgesezten Anweisung gewidmet, und 
es in derselben so weit gebracht, daß er auch die Lehre vom dop- 
pelten Contrapunkt gefaßet und in Ausübung gebracht, wovon er 
Proben, nicht allein durch öffentlich aufgeführte, von ihm gesezte 
Stücke, sondern auch durch den Druck, abgeleget. Hat sich übrigens 
in seinem sittlichen Betragen, und in der Beobachtung seiner Ob- 
liegenheiten, stets zur Zufriedenheit, sowohl seiner Vorgesezten als 
auch seiner Mitschüler, verhalten. Solches bezeuge ich ihm pflicht- 
mäßig und wünsche ihm zu seinem ferneren Studiren und künftigen 
Fortkommen allen göttlichen Segen. 

Dreß den, den 30. Mart. 1799. 

Christian Ehregott Weinlig, 
Kantor an der Kreuz-Kirche.« 

Bald nach seinem Abgange von der Kreuzschule erhielt Krille 
das Amt eines Musikdirektors und dritten Lehrers an der lateinischen 
und Bürgerschule zu Stollberg am Harz. Hier genoß er wegen 
seiner Geschicklichkeit und Kenntnisse in der Musik ein derartiges 

1 »Pandectae« etc. fol. 277. 

2 ebenda fol. 281. 

3 B Vlla 48 Vol. I foL 85. 



135 



Ansehen, daß ihm der regierende Graf Carl Ludwig zu StoUherg- 
Wernigerode das Prädikat eines Kapellmeisters beilegte. Die Ei- 
nennungsurkunde vom 16. Dez. 1801 hat Krille gleichfalls seiner 
Bewerbung im Originale beigelegt. Aus den Schulakten der Stadt 
Wehlen ergiebt sich, daß er diese Stellung bis 1811 inne hatte, 
dann aber aus Liebe zu seinem altersschwachen Vater aufgab , der 
ihn gebeten hatte, sein Substitut zu werden. Zu diesem Zwecke 
mußte er am 10. Nov. 1811 in der Eorche zu Stadt Wehlen eine 
Probe ablegen, die er bestand. Mitte August 1813 trat er sodann 
sein Dresdner Kantorat an, ohne zu ahnen, daß seine Lebenstage 
gezählt seien. Schwer lastete der Krieg und sein Elend in diesem 
Jahre über Dresden. Allerhand Seuchen und Epidemien rafften 
täglich viele Menschen dahin, ^ unter denen auch Kiille am 24. Okt., 
eist 34 Jahre alt, dem Lazarethfieber erlag. Er wurde am 27. Okt. 
auf dem Johannisfiriedhofe beerdigt. Sein Vater ließ als Erbe durch 
seinen Schwager ein Gesuch an den Rath einreichen um Berich- 
tigung der Ansprüche seines Sohnes an Gehalt und Accidenzien, 
welches der Kath sofort bewilligte. ^ 

.Kompositionen Krille's sind: 
1. Oster-Kantate für 4 Singstimmen mit Begleitung des Oichesters. 
Dresden, Hilscher, Bureau de Musique. (Part, in der Kgl. Privat- 
sammlung, Dresden, A489.] Eine ausführliche Recension derselben 
befindet sich in der Allgem. musikal. Zeitung, XV. Jahrg. (1813) 
Spalte 337. 
2« Weihnachts-Kantate »Er ist geboren Jesus Christa. Ms. 
(Eärchenbibl. zu Mittweida.) 

3. Kantate i^Gott ist die Liebe«. Part. u. St. Ms. in Mittelsayda 
(Schlesien). 

4. Psalm 33 »Freuet euch des Herrn, ihr Gerechten«. Für 4 Sing- 
stimmen und Orchester. Ms. (Theaterbibl. Dessau.) 

5. XV Veränderungen fürs Ciavier oder Pianoforte über das Thema 
»Der Lenz belebet die Natur«. Dresden, Hilscher. (Kgl. Privat- 
Sammig. Dresden.) 

6. Der Tonschlüssel, oder Ausweichungen von Odur und OmoU in 
die übrigen Dur- und Moll-Töne von G. A. Krille. Leipzig, bey 
Breitkopf und Härtel. (Kgl. Bibl. Dresden.) 



Um das abermals erledigte Kantorat bewarben sich H. M. Sa- 
lomo aus Dresden^ Aug. Mühling, Kantor und Musikdirektor in 

1 Vgl. Hasche, Diplomat. Geschichte Dresdens. Bd. V 2. Abthlg. S. 76. 

2 B VII» 192 z. 



136 



Mordhausen, Aug. Gottlob Fischer, Kantor und Musiklefarer am 
Seminar in Dresden-Friedrichstadt und wiederum Christian Theodor 
Weinlig. 

Aus dem Schreiben des Letzteren vom 29. Dez. 1813 ersehen 
wir, daß er zur Zurückziehung seiner Bewerbung nach dem Tode 
seines Onkels nur bewogen worden sei, »weil er zur Haltung der 
für jenen FaU decretirten Cantor^Probe nicht füglich sich entschliefien 
konnte«. Er ersucht darum den Rath aufs Neue, fitlls er »die 
Ablegung einer Probe jetzt nicht weiter für nothwendig erachten 
und ihm solche gütigst erlaßen wollte«, ihn bei Wiederbesetzung 
der Stelle berücksichtigen zu wollen (fol. 105). 

Am 17. Februar 1814 wird denn auch mit großer Majorität 

Christian Theodor Weinlig, 1814—1817, 

gewählt imd ihm tags darauf die Bestallungsurkunde überreicht 
(fol. 109.) Auch er trug auf Befreiung vom Schuldienst an, daß »es 
hierunter allenthalben bey den bisherigen Einrichtungen und ge- 
troffenen Vereinigungen auch künftig verbleiben möchte«. 

Theodor Weinlig war am 25. Juli 1780 zu Dresden geboren 
als Sohn des Hof- und Justizrathes Dr. Weinlig.^ Von Jugend aufhörte 
er in seinem Elternhause viel Musik, sodaß ihm schon früh die 
Liebe zu dieser eingepflanzt wurde. Sein Hauslehrer war Carl Chr. 
Th. Hempel, nachmals Sekretär der Königl. Bibliothek in Dresden, 
der u. a. auch für Ehregott Weinlig den poetischen Text zum Passi- 
ons -Oratorium des Jahres 1791 geschrieben hatte. Bis 1797 blieb 
er im elterlichen Hause. Dann bezog er die Universität Leipzig, 
um die Rechte zu studiien. Nachdem er hier im Jahre 1800 das 
Examen pro candidatura mit der Zensur r^prae ceteris(k bestanden 
hatte, kehrte er wieder nach Dresden zurück, wo er bis 1803 die 
juristische Praxis ausübte. In diesem Jahre aber wandte er sich 
ausschließlich der Musik zu. Er studirte zunächst bei seinem Onkel 
E. Weinlig besonders die Komposition und dann beim Pater Stanislas 
Mattei in Bologna den Kontrapunkt, wo er sich derartig auszeichnete, 
daß er zum Maestro der philharmonischen Gesellschaf); ernannt wurde. 
Nach vollendetem Studium besuchte er noch die für die Musik 
wichtigsten Städte Italiens, theils, wie er selbst sagt, »um in den 
melodischen Theil der Setzkunst noch tiefere Einsichten zu gewinnen, 

* WerthvoUe Mittheilungen aus seinem Leben enthalten die Bewerbungs- 
schreiben um das Dresdener und Leipziger Kantorat (letzteres abgedruckt in den 
»Grenzboten« 1883., L Quartal, S. 576 ff.), femer sein Nekrolog in der »Neuen 
Zeitschrift für Musik« fon Rob. Schumann, 1842. 



137 



theils aber und vorzüglich, um mich in der wahren Methode des 
itaKenischen Gesangs durch die besten Sänger zu unterrichten, in 
welcher letzteren Bücksicht auch die Namen eines Velluti, David 
und Tacchinardi mir immer in dankbarer Erinnerung bleiben werden«. 
Nach zweijährigem Aufenthalte in Italien kehrte er wieder nach 
Dresden zurück, wo er sich als Lehrer der theoretischen, und prak- 
tischen Musik niederließ. Seinen Onkel fand er bereits sehr kränk- 
lich vor, sodaß dieser ihn nicht selten mit seiner Vertretung be- 
traute. Nach dem Tode desselben bewarb er sich mit folgendem 
Schreiben um das erledigte Kantorat (fol. 84): »Da durch den am 
14. März a. c. erfolgten Hintritt meines Onkels, des Herrn Cantors 
und Musikdirecktors Christian Ehregott Weinlig's, das Cantorat an 
hiesiger Schule zum heil. Creutz erlediget worden; so wage ich es, 
bey Ew. Wohlgeb. um geneigte Übertr^ung dieser Stelle gehorsamst 
und ergebenst anzusuchen. Seit eilf Jahren habe ich mich aus- 
schließend der Musick, vorzüglich aber dem Kirchenstyle, gewidmet, 
und zwar nicht allein praktisch als ausübender Componist, — wie 
ich dies auf Verlangen durch eine ziemliche Anzahl Kirchenstücke, 
sowohl mit als ohne Orchester-Begleitung, zu belegen bereit bin, — 
sondern auch, und namentlich in den letzten fünf Jahren, als Lehrer 
des theoretischen Theils der Tonkunst. Sowohl über den sogenannten 
Generalbaß, als über die eigentliche Composition habe ich seither 
Vorlesungen nach eigenen Sätzen gehalten, welche ich, wenn es 
Ew. Wohlgeb. gefiele , mir mein Gesuch gütigst zu gewähren , den 
mir untergebenen Alumnis, so weit sie Lust und Anlage zur Com- 
position hätten und sich zu Tonkünstlem bilden wollten, sehr gern 
communiciren würde. — 

Während meines Aufenthalts in Italien habe ich, neben dem 
Studio des Contrapuncts, als dem eigentlichen Zwecke meiner Reise, 
auch Gelegenheit gehabt, die Grundsätze der besten Gesangmethoden 
zu prüfen, und solche dann bey ertheilten Privatunterrichte in der 
Singkunst praktisch angewendet und bewährt gefunden; sodaß ich 
jetzt einem Chore als Lehrer des Gesangs mit Erfolg vorstehen 
2U können glauben darf. Was endlich die Fähigkeit, eine größere 
musikalische Aufführung als Direktor leiten zu können, anlangt, 
80 sey es mir erlaubt, mich hier auf das factische Zeugnis des ver- 
storbenen Herrn Cantor Weinlig's zu berufen, da derselbe Kränk- 
hchkeits halber mir seit dem Jahre 1809 die Direction des alljährlich 
am Charfreytage stattfindenden Passions -Oratorii, bekanntlich der 
bedeutendsten unter allen bey diesen Amte vorkommenden Musicken, 
übertragen hat. Nach dem Tode meines Onkels aber ist dieses 
günstige Zeugniß von der hohen Behörde selbst bestätigt worden, 



138 



indem Selbige kein Bedenken gefunden, mich auf meine gehor- 
samste Anfrage zur Direction des diesjährigen Charfreitags-Oratorii 
und darauf folgenden Osterfest -Musicken ausdrücklich zu autho- 
risirenc . . . 

Mit seiner Amtsführung erwarb sich Weinlig in kurzer Zeit die 
Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, sodaB diese ihm im Januar 1815 
eine erbetene Gehaltszulage von 100 Thalern, die auch schon sein 
Onkel erhalten hatte, vom Antritt seines Amtes an bewilligten. — 

Nur ein einziges Mal erfahren wir aus den Akten etwas über 
seine amtliche Thätigkeit. Als man sich nämlich in Dresden rüstete, 
den Tag der Bückkehr König Friedrich Augusts des Gerechten nach 
neunmonatlicher Gefangenschaft in PreuBen festlich zu begehen^ 
komponirte Weinlig eine Festkantate über Psalm 61, Y. 7 und 8, 
die er am 7. Juni 1815 abends mit 2 Musikchören und 89 Sängern 
auf dem Schloßplätze bei Fackelschein aufführte, tmd die dann auf 
dem Altmarkte nach dem Gesänge des Liedes »Nun danket alle Gott« 
wiederholt wurde. Er dedicirte die Partitur derselben mit einem 
Begleitschreiben und dem Namensverzeichniß der dabei betheiUgt 
gewesenen Sänger dem Rathe.^ — Zu verschiedenen Malen wurde 
Weinlig auch von letzterem herangezogen, ein fachmännisches Urtheü 
über den Zustand von Kirchenorgeln abzugeben. So findet sich in 
den Akten ^ ein ausführliches Gutachten über die Orgel der Sophien- 
kirche vom 27. März 1816, in welchem er die Petition der betreff. 
Organisten um Reparatur auf s Nachdrücklichste unterstützt und 
den Hoforgelbauer Uthe zur Ausfuhr ung derselben vorschlägt. Ein 
Gleiches liegt vom Juni desselben Jahres über die Kreuzkirchen- 
Orgel vor. Die Ausführung der befürworteten Reparatur wurde dem 
Orgelbauer Kayser jun. übertragen. Endlich fungirte Weinlig auch 
am 23. August 1816 als Sachverständiger bei einer musikalischen 
Probe zweier um den Posten des Stadtmusikus konkurrirender Be- 
werber. 

Allein trotz des Wohlwollens, das ihm seitens seiner Vorgesetzten 
entgegengebracht wurde, fühlte er sich doch nicht in seinem Amte 
wohl. Schon am 22. September 1817 sucht er um Entlassung am 
Schluße des laufenden ELirchenjahres nach, da, wie er sagt, »die 
mit der gewissenhaften Verwaltung meines Amtes und namentlich 
mit der Abwartung der Frühkirche zur Winterszeit oft verbundenen 
Erkältungen, sowie die durch mancherley Veranlassungen noch öfter 
herbeygeführten, unvermeidlichen Ärgernisse zu nachtheilig auf meine, 



1 Sie befindet sich im R.-A. G XXVIII 32. 

2 D XXXIV 21. 



139 



ohnehin leidende Brust wirken, so daß ich mit Grund befürchten 
muß, meinen Kindern vor der Zeit entrissen zu werden c. Daß der 
eigentliche Grund hierzu die »unvermeidlichen Ärgernisse« waren, 
erfährt man auch aus seinem Bewerbungsschreiben um das Leipziger 
Kantorat, wo er, um falschen Deutungen seines Rücktritts vom 
Kreuzkantorat zu begegnen, erklärt: einzig und allein der Umstand, 
daß ihm die Ausübung seiner ihm über alles heiligen Dienstpflicht 
zur Unmöglichkeit gemacht worden sei — wo seine Ehre als Mensch 
und als Künstler auf dem Spiele gestanden habe — sei der Grund 
seines, von einem Gatten und Vater gewiß nur nothgedrungen 
gethanen Schrittes gewesen, er bitte aber verschweigen zu dürfen, 
wie jener Umstand herbeigeführt worden sei. Offenbar handelt es 
sich hierbei um Streitigkeiten mit dem Rektor, wie dies aus einem 
Passus seines Empfehlungsschreibens für seinen Schüler Julius Otto 
wohl unzweideutig hervorgeht.^ 

Weinlig wurde nun wieder Privatlehrer der Komposition, des 
Gesangs und Pianofortespiels und übernahm hierzu die Direktion 
der Dreyßig'schen Singakademie. Als dann am 16. Febr. 1823 der 
Leipziger Thomaskantor Schicht gestorben war, wurde er an dessen 
Stelle berufen, nachdem er ein Empfehlungsschreiben C. M. v. Weber's 
erhalten und an den Rath zu Leipzig eingesandt hatte, und auch 
von Chr. Gottfried Körner in Berlin, dem Vater Theodor Körner's, 
auf eine an ihn ergangene Anfrage ein sehr günstiges Urtheil 
über W. eingegangen war.^ Dieses neue Amt trat er am 10. Juli 
an und führte 68.19 Jahre lang mit großer Gewissenhaftigkeit, 
ohne weiter an die Öffentlichkeit hervorzutreten. Er starb am 
7. März 1842. 

Die Kompositionen Weinlig' s sind hinsichtlich des Textes und 
Musikcharakters im allgemeinen kirchlich gehalten. Noch in den 
letzten Jahren wurden sie vom Leipziger Thomanerchore öfter mit 
Erfolg aufgeführt, was für ihren Werth sprechen dürfte. Sonst aber 
wird man auf den Koncertprogrammen auch seinem Namen nur 
selten noch begegnen. Von Bedeutung ist Weinlig aber als Theo- 
retiker. So ist wohl auch das Werk über die Fuge, welches er 
noch in den letzten Jahren seines Lebens ausarbeitete, als seine 
wichtigste Arbeit zu bezeichnen. Zudem besaß er eine hervorragende 



1 Vgl. S. 154. — Seit dem Jahre 1816 leitete die Kreuzschule der thatkräftige 
Rektor Chr. Ernst Aug. Gröbel, dessen Eeformen sich hauptsächlich auf das Alum- 
neum und die Chorverhältnisse erstreckten, wodurch er wohl öfter in die alther- 
gebrachten Befugnisse des Kantors eingegriffen haben mag. 

2 Beide Empfehlungsschreiben sind abgedruckt in den » Grenzboten « 1883^ 
1. Quartal, S. 577 f. 



140 

Lehrgabe, durch die er sich eine große Zahl dankbarer Schüler er- 
warb, zu denen sich auch Kichard Wagner in der autobiograpliischen 
Skizze bekannte, die er 1843 in der »Zeitung für die elegante Welt« 
veröffentlichte. Hier sagt er u. a. : » Ich fühlte die Noth wendigkeit 
eines neu zu beginnenden streng geregelten Studiums der Musik, 
und die Vorsehung lieB mich einen Mann finden , der mir neue 
Liebe zur Sache einflößen und sie durch den gründlichsten Unter- 
richt läutern sollte. Dieser Mann war Theodor Weinlig. Nachdem 
ich mich wohl schon zuvor in der Fuge versucht hatte, begann ich 
jedoch erst bei ihm das gründliche Studium des Kontrapunktes, 
welches er die glückliche Eigenschaft besaß, den Schüler spielend 
erlernen zu lassen . . . Mein Studium bei Weinlig war in weniger 
als einem halben Jahre beendet, er selbst entließ mich aus der 
Lehre, nachdem er mich soweit gebracht, daß ich die schwierigsten 
Aufgaben des Kontrapunktes mit Leichtigkeit zu lösen imstande war.« 
In gleicher dankbarer Anerkennung gedenkt auch Julius Otto 
seiner in dem Bewerbungsschreiben um das Kreuzkantorat im 
Jahre 1828. * 

Von Weinlig's Kompositionen und sonstigem litterarischen Nach- 
laß, konnte ich folgendes ausfindig machen : 

I. Für den Musik-Unterricht. 

1. Theoretisch -praktische Anleitung zur Fuge, für den Selbstunter- 
richt verfaßt von Chr. Th. Weinlig. Dresden 1845. 4°. 2. Aus- 
gabe 1852. 

2. 18 Kurze Singübungen für 2 Sopranstimmen mit Begleitung des 
Pianoforte. Leipzig, Fr. Hofmeister. 

3. 25 kurze Singübimgen für die Baßstimme mit Begleitung des 
Pianoforte, zunächst als Hülfsmittel zum sichern Auffassen und 
Treffen der Intervalle entworfen. Leipzig, Fr. Hofmeister. 

4. Leitfaden beim mündlichen Unterricht in der musikalischen Seiz- 
kunst; vorgetragen von Chr. Theod. Weinlig, Cantor an der Kirche 
zum Heil. Kreutz und an den drey Hauptkirchen zu Dresden. 
Aufgesetzt von dessen Schüler Carl Boromäus v. Miltitz. Scharffen- 
berg in den Jahren 1815 — 16. 3 Bde. handschriftlich, in der Kgl. 
Bibl. zu Dresden (Mus. A. 283). 

5. Vorlesungen über General-Baß und Composition überhaupt durch 
den Musickmeister Hrn. Theodor Weinlig zu Dresden, im Okt. 1810 
gehört durch Morgenroth. 3 Bde. in Fol. handschriftlich. (Bd. H: 



1 Vgl. dieses S. 154. 



f 



141 

Exercitia in der Composition während des gemachten Cursus beim 
Musickmeister Hrn. Weinlig vom 1. Oktober 1810 bis ultimo 
April 1811 durch Morgenroth. — Bd. III: Beilage zu den Vor- 
lesungen über General- Baß und Composition. Dresden, im Okt. 
181oJ Kgl. Bibl. zu Dresden. 

IL Kirchenmusiken, Kantaten etc. ^ 

1. Oratorium: Die Feier der Erlösung, »Töne frommer Wehmuth 
Klage« für Chor und Orchester. (Notenbibl. der Thomasschule, 
Leipzig.] 

2. Missa in B, fiir Chor, Orchester und Orgel. 1806. (Thomas- 
schule.) 

3. Te Deum laudamus für Chor und Orchester. (Thomasschule.) 

4. 5 Kantaten. (Thomasschule und, mit Ausnahme der letzten, 
Kgl. Privatsammlung Dresden.) 

a) »Hilf deinem Volke« (Kyrie). Deutsche Übersetzung der 
obigen Messe in B. 

b) »Jauchzet Gott« (Gloria). 

c) »Gott, dein Weg ist heilig« (Credo). 

d) »Gott der Herr, det Mächtige« (Sanctus). 

e) »Gott, sei uns gnädig«. 

5. Psalm 61 »Allmächtiger, verläugne des Königs«. Zur Rück- 
kehr des Königs Friedr. August 1815. (Thomasschule; Partitur 
auch Raithsarchiv Dresden G XXVIII 32.) 

6. Psalm 90 rQui hahitat in adjutorio^. (Thomasschule.) 

7. Psalm 126 nBeati omnes, qui timeni« (»Gnädig und barmherzig«) 
für Chor, Orchester und Orgel. 1808. (Thomasschule.) 

8. Hymne »Dank, so rufet empor«. 1830. (Thomasschule.) 

9. M.agnificat »Gott ist's, den meine Seele« für Chor, Orchester 
und Orgel. (Thomasschule; Kirchenarchiv zu Divi Blasii, Mühl- 
hausen in Th. ; Kgl. Privatsammlung Dresden ; Großherzogliche 
Privatsammlung Schwerin. 2) 

10. Magnificat »Meine Seele erhebet den Herrn«. 1817. (Thomas- 
schule; KgL Bibl. Berlin, Ms. 22987, Nr. 7.) 

11. Stabat Mater »Mit der Wehmuth bangem Sehnen«. 1808. 
(Thomasschule.) 



^ Alles Folgende ist nur als Ms. vorhanden. 

2 Hiev gedruckte Part, mit dem Titel: »Deutsches Magnificat« Ton Hohl- 
feldt. 3reslfui, L. O. Förster (1833). -^ Das handschriftliche Exemplar der KgL 
Privatsammlung Dresden trägt den Titel: »Der Lobgesang Mariens«. 



142 



12. Salve Regina, composto da C, T, Weinlig, Accad, filamt. di 
Bologna^ a 4 Voc, con Strom, Part Roma 1808, (Autograph, 
Berlin.) 

13. Inno: O gloriosa Virginum, composto da C. T. Weinlig^ 
Accadem,ßlarm. di Bologna. 4 Voc, con Strom, Part, Roma 1808, 
(Autograph, Berlin.) 

14. «Aufer a nobisc für 4 Singst. GmolL Partitur Quer-Folio. 
(Berlin, Ms. 22985.) 

15. »Salve redemtora für 4 Singst, mit oblig. Violoncell und Fon- 
damento. 5dur. Part. Quer-Folio. (Berlin, Ms. 22985,) 

16. »Grates nunc omnesa für 4 Singst. EsdMX, Part. Quer-Fol. 
(Berlin, Ms. 22985.) 

17. »Pater noster« für 4 Singst. £«dur. Part. 1810. Quer-Fol. 
(Berlin, Ms. 22986.) 

18. »O lux beata trinitasc für 4 Singst, ^dur. Part. 1820. 
Quer-Folio. (Berlin, Ms. 22986.) 

19. »Domine ad adjuvandum me festina« 4 Voc. £dur. Roma 
li 13. Marzo 1807. (Autograph, Berlin.) 

20. Weihnachts-Cantate »Das Volk, so im Finsterna. (Thomas- 
schule ; Bibl. Kreuzkirche, Dresden.) 

21. Weihnachts-Cantate »So weit der Sonne Herrlichkeit«. 1809. 
(Thomasschule; Kgl. Privatsammlung, Dresden.) 

22. Weihnachts- Kantate »Welt, geboren ward dir heute«. Part. 
(Berlin, Ms. 22987.) 

23. Festo Circumcis. »Der Ewige herrscht«. 1814. (Thomassch.) 

24. Oster- Cantate »Du wirst seine Seele nicht«. (Thomasschule; 
Kreuzkirche.) 

25. Ostern und Himmelfahrt »Singt ihm, Erlöste«. Partitur. 
(Berlin, Ms. 22987.) 

26. Pfingst-Cantate »Zeuch ein, zu deinen Thoren«. (Thomas- 
schule; Kreuzkirche.) 

27. Pfingstcantate »Der du im heiigen Dunkel«. Part. (Berlin, 
Ms. 22987.) 

28. Dom. I p. Trin. »Herr du siehst es«. Part. (Berlin, Ms. 22987.) 

29. Dom. VIII p. Trin. »Sehet zu, wie ihr vorsichtig«. 1815. 
(Thomassch.) 

30. Dankcantate. »Du bist mein Gott«. Part. (Berlin, Ms. 22987.) 

31. Cantate von Körner und Weinlig, aufgeführt von der Dreyßig- 
schen Singeanstalt bei Einweihung des neuen Saals am 4. Oct. 1810. 
»Dem Chaos im Dunkel der Nacht«. Part. Qu. -Fol. (Berlin.) 

32. Cantate über den Tod »Wenn nach arbeitsvollem Lauf«. 
Fdur. (Berlin, Ms. 22987.) 



143 



33. Cantate auf den Anzug (und Abzug) eines Geistlichen. Mit 
doppeltem Text: 

a) »Ihr Stunden eilt, beschleunigt euern Lauf.« Part. (Berlin, 
Ms. 22987.) 

b) »§ie eilten hin, dahin sind sie geflohen«. 

34. Cantate »Die Stunde ist hier«. (Viell. von Ehreg. Weinlig? 
Thomassch.) 

35. Cantate »Es donnern die rauschenden Fluten«. (Thomassch.) 

36. Cantate »Gepriesen sei Jehovas Name« für Chor, Orch. und 
Orgel. (Thomassch.) 

37. Cantate »Gott Jehova« für Chor und Orch. (Thomassch.) 

38. Cantate »Unser Vater in den selgen«. (Thomassch.) 

39. Cantate »Jesu Redemptor optime«. Ohne Angabe des Autors. 
(Thomassch.) 

40. Cantate (von Weinlig?) »Wie hehr und heilig strahlt«. Ohne 
Angabe des Autors, defekt. (Thomassch.) 

41. Cantate »Preiset mit feurigem Danke den Herrn«. 1814. (Kirchen- 
archiv zu Divi Blasii in Mühlhausen i. Th.) 

42. Cantate »Unser Vater in des GLimmels Höhen« von C. C. Hohl- 
feldt. (Kgl. Privat-Sammlg. Dresden.) 

43. Chor mit concertirendem Sopran. »Erhabner Schöpfer«. 
Fdur. (Berlin, Ms. 22987.) 

44. »Das Dank- Opfer, eine Rede mit Chören zur Feier am 
23. Dez. 1816. Gedichtet v. F. Kind.« Part. Ms. Text: »Wenn 
du erscheinst in deinem hehren Lauf« etc. (Kgl. Privat-Sammlg. 
Dresden.) 



Nicht lange nach der Amtsniederlegung Weinlig's gingen neue 
Bev^erbungen ein von Joh. Fr. Sam. Döring, Kantor in Altenburg, 
F. F. Schwarz, Kantor zu Dresden- Neustadt, Chr. Fr. Herrmann, 
Kantor in Greiz, und Friedr. Über in Leipzig. 

Zur Empfehlung des Letzteren sandte der Senator J. D. Merbach 
in Dresden an den Bürgermeister folgenden Auszug aus einem Briefe 
seines Freundes Härtel in Leipzig vom 15. Okt. 1817 :i »Über hat 
mehr methodische allgemeine Bildung, als die meisten Musicer, ist 
ein gründlicher Theoretiker seiner Kunst und selbst ein achtbarer 
Componist, ist auch nicht ohne ziemliche practische Fertigkeit. Unter 
dem König Hieronymus dirigirte er in Cassel eine Zeit lang das 
Königliche Orchester, ging dann nach Auflösung der Königlichen 



1 B VII» 48 Vol. I fol. 119. 



144 



Westphälischen Capelle nach Maynz als Direktor des dortigeu Opern- 
Orchester, dann nach Dresden als Musicdirecktor der Secondaischen 
Opern^ und ist nun, da diese Oper und mithin auch seine Anstellung 
aufgehört hat hier, ohne Stelle. Gegen ihn weiß ich in der That nichts 
nachtheiliges. Für seine allgemeine Bildung kann Ihnen zeugen, 
daß er als Mitarbeiter der musicalischen Zeitung viele recht brave 
Beiträge, theils Recensionen, theils Musicberichte geliefert hat, und 
jetzt hier Vorlesungen über Mujsic hälta etc. 

Zur Probe, welche der Superintendent D. Tittmann auf den 
15. Dez. festsetzte, wurden Döring, Über und Herrmann zugelassen. 
Über schreibt jedoch am 25. Nov. an den Rath (fol. 129 f.), daß er 
leider zur Probe nicht nach Dresden kommen könne, da er gegen- 
wärtig keine anderen Einnahmen habe, als was er durch seine täg- 
lichen Privatarbeiten erwerbe, da er also durch diese Reise einen 
unersetzlichen Verlust an Zeit und Geld erleiden würde. Er bitte 
darum um Erlaß der Probe. »Auch darf ich mir schmeicheln«, fährt 
er fort, »in der musikalischen Welt nicht mehr ganz unbekannt zu 
seyn und sowohl als Direktor der Kgl. Westphäl. Oper in Cassel 
und zuletzt als Musikdirektor der J. Secondaschen Oper in Dresden- 
und Leipzig, in dieser Qualität, wie auch durch meine theik an 
i^iehrera, Orten aufgeführten, theils im Druck erschienenen und im 
Publice mit Beyfall aufgenommenen Kompositionen als Komponist, 
und durch meine theoretischea Arbeiten in versehiedeaen gelehrten 
und belletristischen Zeitschriften als Theoretiker hinlängliche Proben 
meiner musikalischen Fähigkeiten und Kenntnisse: abgelegt zu haben, 
worüber ich erböthig bin schriftliche Zeugnisse competenteir Richter 
und der angesehensten und achtbarsten Männer sowohl hier als in 
Dresden beyzubringen , auch sowohl die Decrete meiner vormaligen 
Anstellung in Braunschweig und Cassel, als^ auch zum Beweiß meines 
akademischen Cursus meine üniversitätsmatrikel beyzulegen.« 

So fand denn am bestimmten Tage Vormittag Y2 12 bis Y2 1 Uhr 
in der Kreuzkirche die Probe ohne über statt, wozu Theodor Weinlig 
als Sachverständiger geladen war.^ Der Rath konnte sich jedoch 
zu der Wahl eines von beiden nicht entschließen, sodaß Über von 
neuem unter Zu^eherung einer Entschädigung zur Ablegung einer 
Probe am 17. Febr. 1818 Vorm. 11 Uhr aufgefordert wird, wozu auch 
noch Job. Chr. Barthel, Hoföi^anist und Musikdirektor an der Schloß- 
kirche in Altenburg, der sich neben vier anderen inzwischen noch 
beworben hatte, eingeladen wird. Das Resultat derselben ist, daß' 



1 Sein schriftliches Gutachten befindet sich a. a. O. fol. 144 f. 



145 



Friedrich Christian Hermann Über, 1818 — 1822, 

zum Kantor gewählt wurde. In einem Schreiben wird ihm jedoch 
mitgetheilt, daß er vor Antritt des Amtes noch die Bescheinigungen 
beibringen müsse, daß er »auf einer Universität den akademischen 
Cursus vollendet und der lutherisch-evangelischen Religion zugethan« 
sei (foL 162). über antwortet am 28. Febr., daß er spätestens Sonn- 
abend vor Palmarum in Dresden einzutreffen gedenke, da er für die 
Karfreitagsmusik doch einige Proben werde halten müssen. Als 
Beweis seines akademischen Studiums legt er die Matrikel der 
Universität Halle bei. Einen Taufschein, den er sich in seiner 
Vaterstadt Breslau erst ausstellen lassen müsse , da er dessen außer 
bei seiner Verheirathung nie bedurft habe, werde er nachseiiden. 
Hierauf stellt man ihm am 9. März die Vokations- Urkunde aus 
(fol. 165). 

Aus dem oben Mitgetheilten ist uns schon ein gut Theil der 
Lebensgeschichte Uber^s bekannt geworden. Wir fügen hier noch 
einige ergänzende Mittheilungen hinzu. ^ Er entstammte einer alten 
Breslauer Familie. Sein Vater Chr. Benjamin U. war in derselben 
Stadt 1746 geboren und starb um 1812 als Oberamts-Regierungs- 
advokat und Kgl. Justizkommissarius. Er war zugleich ein gründlich 
gebildeter Musiker und Virtuos auf meh/eren Instrumenten, besop- 
ders auf dem Klavier. Bei ihm gingen alle bedeutenden Tonkünstler 
und die geistreichstea Personen Breslaus ein und aus. Mittwoch 
und Sonnabend fand regelmäßig in seinem Hause eine öffentliche 
Aufführung von Quartetten, Symphomen, kleinen Opern und Schau- 
spielen statt, nicht selten auch von eigenen Kompositionen Uber's, 
die er, wenn sie Beifall fanden, durch den Druck veröffentlichte. 
Daß auch seine Frau sehr musikalisch war, beweist z. B. der Um- 
stand, daß sie die Franklin^sche Harmonika, welche durch Über in 
Breslau zuerst eingeführt wurde, meisterhaft zu behandeln verstand. — 
Dieses Haus war die Heimath unseres Kantors. Er erblickte hier 
am 22. April 1781 das Licht der Welt. Kein Wunder, wenn sich 
schon in dem Knaben, auf den das Talent seiner Eltern übergegangen 
war, und dem der Vater eine ausgezeichnete musikalische Erziehung 
angedeihen ließ, eine Vorliebe für die Musik bemerkbar machte. 
Dennoch aber wünschte sein Vater nicht, daß er sich ihr ganz wid- 
mete, vielmehr sollte er als der fiteste Sohn Jurist werden. Darum 
mußte er das Elisabethaneum zu Breslau absolviren und durfte sich 
nur in seinen Mußestunden mit Musik beschäftigen. Schon in dieser 



Vgl. Schilling's Musiklexikon, Bd. VII S. 715 ff. 

10 



146 



Zeit war er ein guter Violinist, als welcher er auch bei den Auf- 
führungen im väterlichen Hause mitwirkte. Im Jahre 1800 bezog 
er die Unirersität Halle, wo u. A. die Professoren Maaß und Tiirk 
seine Lehrer waren. Letzterer besonders erkannte Uber's bedeutendes 
Talent und suchte ihn zu bestimmen, ganz zur Musik überzutreten. 
Zu diesem Zwecke übertrug er ihm 1801 die Direktion seiner Winter- 
koncerte. Auch als Komponist machte sich über in Halle durch ein 
mit allgemeinem Beifall selbst vorgetragenes Violinkoncert in 
D bekannt, ferner durch die große Kantate »Das Grab« und durch 
Bruchstücke einer unvollendeten Oper »Die Ruinen von Portici«. 
Im Oktober 1803 verließ er die Universität wieder und kehrte nach 
Breslau zurück, um nach dem Willen seines Vaters die juristische 
Laufbahn zu beginnen. Allein er fühlte sich in diesem Berufe nicht 
wohl. Als darum sein Vater, bewogen durch Türk's Fürsprache und 
durch eine neue große Kantate seines Sohnes, »Die Feier der 
Liebe», welche einen nicht geringen Eindruck auf ihn machte, 
schon im nächsten Jahre seine Erlaubniß gab, daß dieser ganz zur 
Musik übergehe, so erfüllte er damit den langgehegten, sehnlichsten 
Wunsch desselben. Mit Eifer gab sich dieser nun den Studien hin, 
sodaß er schon Ende 1804 so weit war, daß ihn der Fürst Radziwil 
mit nach Berlin nahm, wo ^er u. A. Bernhard Romberg kennen lernte 
und durch dessen Empfehlung eine Anstellung beim Prinzen Ludwig 
Ferdinand von Preußen erhielt. Im März 1806 gab er dort sein 
erstes großes Koncert, dem auch der Königliche Hof beiwohnte. 
Durch die Ereignisse der Jahre 1805 und 1806 verlor er jedoch diese 
Stellung wieder, worauf er einem Rufe nach Braunschweig Folge 
leistete. Im Dezember 1808 wurde er sodann erster Violinist in der 
Königl. Kapelle zu Cassel und im Januar 1809 Kapellmeister bei 
der deutschen Oper daselbst. In dieser Zeit komponirte er mehrere 
kleine Violin-Koncerte und Duette, das Intermezzo »Der 
falsche Werber«, ferner eine melodramatische Bearbeitung von 
Schiller's »Tauchercf und die Musik zum Klingemann' sehen Drama 
»Moses«. Nach Aufhebung des deutschen Theaters in Cassel schrieb 
er mehrere französische Opern, von denen sich »Les Mar ins» länger 
erhielt und bekannter wurde. Mit dem Sturze des Königthums 
Westphalen war auch Uber's Wirksamkeit in Cassel zu Ende. Er 
erhielt jedoch bereits im Januar 1815 ein neues Engagement als 
Kapellmeister an der Oper zu Mainz. Neben anderen Kompositionen 
schrieb er hier besonders die Oper »Der frohe Tag«. Von Mainz 
kam er jedoch schon im März 1816 nach Dresden als Kapellmeister 
der Seconda' sehen Operngesellschaft, ohne indessen auch hier eine 
bleibende Stätte zu finden. Nach Auflösung der Gesellschaft zog 



147 



er sich nach Leipzig zurück, wo er seinen Unterhalt durch Privat- 
unterricht, Vorlesungen über Musik und litterarische Thätigkeit er- 
warb. So lieferte er z. B., wie erwähnt, zahlreiche Beiträge für die 
»Allgemeine Musikalische Zeitung«, und wird auch unter den Mit- 
arbeitern für das Brockhaus^sche Konversationslexikon genannt. Von 
neuen Kompositionen ist hier besonders die noch in Dresden ge- 
schriebene Musik zu dem allegorischen Stücke »Saxonia« zu nennen. — 
Man kann die Wahl Uber's durchaus als eine gelungene be- 
zeichnen, denn er besaß nicht nur einen bedeutenden Namen als 
Künstler, sondern genoß auch im Lehrerkollegium der Kreuzschule 
wegen seiner gediegenen allgemeinen Bildung das größte Ansehen. — 
Nachrichten aus seiner Amtszeit enthalten die Akten nur wenige : Am 
1. Juni 1818 wurde ihm vom Rathe eine Prüfung der berühmten 
Orgel Silbermann' s in der Frauenkirche übertragen. In seinem 
schriftlichen Gutachten befürwortet er eine schleunige Reparatur 
derselben.^ Ferner wurde er am 20. Sept. 1821 zum Schiedsrichter 
bei der Organistenprobe in der Kirche zu Dresden-Neustadt ernannt. 2 
Als Beweis der Zufriedenheit des Rathes mit seiner Amtsführung 
wurde ihm eine persönliche Gehaltszulage von 100 Thlr. jährlich 
vom 1. Dezember 1817 ab bewilligt.-^ 

Bemerkens werth ist, daß unter seinem Kantorate, Anfang 1819, 
der Rath damit umging, die Annenschule wegen geringer Frequenz 
in eine Bürgerschule zu verwandeln, den Chor der Annenkirche ein- 
gehen zu lassen und die Verrichtungen desselben dem Kreuzchore 
mit zu übertragen. Ein vom Rektor der Kreuzschule eingefordertes 
Gutachten wünscht jedoch, daß man von jeder weiteren Belastung 
der Chorschüler absehen möge, da das zusehr nach außen gerichtete 
Interesse den wissenschaftlichen Sinn und die Disciplin derselben 
schädigen werde. Dem gegenüber liegt ein im Auftrage Über's aus- 
gearbeiteter Plan bei, wie der Kreuzchor auch ohne weitere Ver- 
stärkung die gesangliche Versorgung der Gottesdienste in der Annen- 
kirche mit übernehmen könne, ^ den der Kantor mit einigen Modi- 
fikationen gut heißt. Die Umwandlung der Annenschule erfolgte 



1 D XXXIV 28 k fol. 28. 

2 D XXXIV 18 VoL I fol. 72. 

3 B III 64 fol. 106 ff. 

* Der Verfasser (Präfekt Seidel) schlägst vor, den Hauptgottesdienst in der 
Annen- und Frauenkirche durch je eine Hälfte der Kurrendaner (je 10) versorgen 
zu lassen, während die Alumnen die Kirchenmusik in der Xreuzkirche singen 
sollen. Nachmittags- und Wochengottesdienste könnten durch Neueinrichtung einer 
7. »Part« in allen vier Kirchen bestellt werden etc . - 

10* 



148 



jedoch erst 1824, während sich jener Plan zur weiteren Heranziehung 
des Kreuzchores — zum Glück für dieses Institut — zerschlug. 

War schon ron jeher das Lehen Uber's eine Reihe widriger 
Geschicke, so sollte er sich auch in dieser sicheren und angenehmen 
Stellung als Kantor eines ungetrübten Glückes nicht freuen können. 
Eine nur selten unterbrochene Kränklichkeit hemmte seine Thätig- 
keit auch als Komponist, von der man bei seinem Talent und seiner 
Produktivität noch viel hätte erwarten können. Und doch schrieb er 
in den wenigen schmerzfreien Tagen und Stunden noch manche be- 
deutende Stücke, von denen wir mit Übergebung von kleineren Sachen 
eine von Fr. Kuhn gedichtete groBe Kantate nennen, die er zur 
Vorfeier der 50 jährigen Regierung des Königs von Sachsen am 
19. Sept. 1818 in der Frauenkirche aufführte, wobei die beiden 
Schlußchöre aus der Kuppel gesungen wurden. Ferner komponirte 
er die Kantate »Die Feier der Auferstehung«, die Musik zu 
dem Drama »Der ewige Jude« und das Oratorium »Die letzten 
Worte des Erlösers«, welches zugleich sein letztes Werk war. An 
demselben Karfreitage 1822 (am 2.^März) , an welchem dieses zum 
1 . Male in der Kreuzkirche aufgeführt wurde, verschied er nach langer 
und schmerzhafter Krankheit in einem Alter von noch nicht 41 Jahren 
und wurde am 5. März auf dem Trinitatisfriedhofe beerdigt. — 

Auch sein Bruder Alexander ü., geb. 1783, besaß viel musikalisches 
Talent. Er machte sich besonders als ausgezeichneter Violinist und 
später Violoncellist einen Namen, war mit C. M. von Weber, F. W. 
Berner und Klingohr befreundet und starb schon 1824 als Kapell- 
meister des Reichsgrafen von Schönaich und Fürsten von Karolath. 

Die Wittwe des Kantors über reichte am 18. März 1822 ein 
Pensionsgesuch für sich und ihre drei unerzogenen Kinder ein, 
welches ihr bewilligt wurde. ^ 

Von Kompositionen Uber's besitzt die Notenbibliothek der Kreuz- 
kirche als Manuskript: 

1. Oratorium »Die letzten Worte des Erlösers«. 

2. Kantate »Das Grab«. 

Die Kgl. Privatmusikaliensammlung zu Dresden : 

3. »Der Taucher,« Ballade von Schiller, mit melodramatischer 
Orchesterbegleitung. Part. Ms. 

Die Königliche Bibliothek zu Dresden: 

4. Cantate zur Vorfeier der 50jährigen Regierung S. Majestät 
des Königs v. Sachsen, am 19. Sept. 1818 in der Frauenkirche 



1 B III 64 fol. 196 flf. 



149 



zu Dxesden aufgeführt von Chr. Friedr. Herrmann über, füt 
großes Oychester, Chor und Solostimmen. Part. Groß-Fol. Ms. 
(Mus. B 252, Prachtexemplar mit Goldschnitt.) 

Die Königl. Bibliothek zu Berlin: 

5. Ariette avec Variations pour le Violon avec Basse, Vienne, 
Hofmeister und Co. 

Ferner erschien noch im Druck: 

6. y)ler Concertoa inEmoll. op. 3. Leipzig, Breitkopf und Härtel. 

7. Romances et Chansons frangaises, Leipzig, Peters. 

Um die erledigte Stelle sandten nicht weniger als 14 Bewerber 
ihre Gesuche ein, von denen hier nur genannt sein sollen: 1) [Heinrich 
Marschner aus Zittau, der seinem Schreiben eine warme Empfehlung 
C M. V» Weheres und eine günstige Kritik seiner neuen am 19. Juli 
1820 zum ersten Male in Dresden aufgeführten Oper »Heinrich IV. 
und D'Aubigne« aus dem »Litterarischen Merkur« (Juli 1820) bei- 
legte. 2) Aug. Blüher, seit 1814 Kantor und Musikdirektor im Görlitz, 
Schüler Th. Weinlig's, mit einer Empfehlung Joh. Schneider's in 
Görlitz. 3) Chr. Friedr. Herrmann, Kantor in Greiz. 4) Tim. Ehre- 
gott Albani, Kantor und Organist in Königstein. 5) Fr. Wilh. Agthe, 
K. S. Kammermusikus in Dresden-Neustadt, mit einem Empfehlungs- 
schreiben des Großherzogl. Kapellmeisters Aug. Eberhard Müller in 
Weimar. 6) Chr. Aug. Pohlenz, Musikdirektor an der üniversitäts- 
kirche und Organist zu St. Thomae in Leipzig, und 7) Carl Heinrich 
Zöllner, Privat-Musiklehrer in Warschau. 

Zur engeren Wahl wurden jedoch nur die ersten Drei und Agthe 
zugelassen, von denen wiederum Herrmann von einer Probe befreit 
wurde, da man ihn bereits früher gehört hatte. Marsehner legte 
seine Probe am 3. Mai ab. Blüher am 10. und Agthe am 12. Mai 
während des Vormittagsgottesdienstes. Die Texte der Kantaten von 
Blüher und Agthe liegen bei den Akten (fol. 210 f. und 212 fj. Als 
musikalischer Sachverständiger war auch hier wieder Th. Weinlig 
herangezogen worden. In seinem Gutachten sagt er (fol. 214 — 16), 
es sei schwierig, einen der drei Kompetenten hinsichtlich der Kunst 
unbedingt als den Besten zu bezeichnen, da alle Drei nach ihren 
Leistungen zu einer Wahl fähig seien. »Herr Marschner hat in 
seinem Kyrie einen recht braven, im ächten Kirchenstyl geschriebenen 
und mit mannigfachen Imitationen reich ausgestatteten Satz produzirt. 
Das Gloria, obwohl nicht arm an musikalischen Schönheiten, schien 
mir aber doch — mit Ausnahme des lobenswerthen Mittelsatzes — ^ 
ein wenig zu wild für die Kirche, und zeigte keine ganz sichere 



150 



Haltung. Dagegen war die Scblußfuge wieder recht gut, brillant und 
mit Leichtigkeit gearbeitet. Die Instrumentirung war zwar größtentheik 
zweckmäßige aber doch hier und da nicht ganz der Natur der In- 
strumente entsprechend, so wie dieß einem jungen Componisten, bei 
noch nicht völlig ausreichender Erfahrung wohl manchmal zu be- 
gegnen pflegt.« 

Bezüglich Agthe^s sagt er: »Herr Agthe produzirte eine Compo- 
sition, die, mit alleiniger Ausnahme des Schlußchors , ganz ausge- 
zeichnet gut zu nennen war. Durchaus sichrer und wahrhaft würde- 
voller Styl, singbare und zugleich ausdrucksvolle Melodie, kräftige 
Führung der Bässe, musterhafte Ausarbeitung der Mittelstimmen, 
eine Instrumentirung als ob das Stück eigends für die Kreutzkirche 
geschrieben worden wäre; — alles dieß waren Eigenschaften, die jeden 
unpartheiischen Zuhörer vollkommen befriedigen mußten. Nur das 
Schlußchor machte, wie schon gesagt, hiervon eine Ausnahme. Es 
schien in Eil komponirt, denn die Gedanken waren zusammengerafft, 
der Styl verlor seine kirchliche Würde, und die Zierde eines com- 
pletten Kirchenstücks, — eine Fuge, — vermißte man am Schluße 
um so schmerzlicher, da man wohl mit ziemlicher Sicherheit voraus- 
setzen durfte, daß der Künstler, der eine so brav ausgearbeitete 
Composition lieferte, wie die ganze übrige Cantate war, gewiß auch 
eine gute Fuge schreiben konnte, wenn er nur wollte, — oder die 
Zeit dazu hatte. 

In Rücksicht der Direction des Orchesters haben sämmtliche 
Herren Competenten gut bestanden, und den Takt mit Festigkeit 
und Ausdauer geführt. Sollte ich ja einen derselben ausheben, als 
den, dessen Art zu dirigiren mir die deutlichste und für das ganze 
Orchester verständlichste geschienen, so wäre es Herr Agthe.« 

Daraufhin wurde in der Rathssitzung vom 30. Mai 

Friedrich Wilhelm Agthe, 1822—1828, 

mit sämmtlichen Stimmen zum Kantor gewählt. — Unterdessen hatte 
auch der Collega VI M. Liebel um Beförderung in die fünfte Lehrer- 
stelle gebeten, da er bisher nicht nur den Unterricht für den Kantor 
mitbesorgt habe, sondern seit einigen Jahren die 6. Klasse über- 
haupt weggefallen sei, sodaß er mithin als wirklicher Lehrer der 
5. Klasse, nicht als Stellvertreter zu betrachten sei. In Folge dieser 
allerdings stichhaltigen Argumente wurde Liebel zum Collega V be- 
fördert und Agthe zum Sextus ernannt, vorausgesetzt, »daß dem neu 
erwählten Cantor in seinen Emolumenten dadurch kein Nachtheil 
entstehen werde«. Doch soll letzterem »die Uberlaßung der Emolu- 



151 



mente an die Uber'sche Wittwe auf ein halbes Jahr von Zeit des 
Ablebens ihres Ehemannes an zur Bedingung gemacht werden«. Die 
Bestallungsurkunde wurde ihm am 1. Juni ausgefertigt (fol. 218 f.). 
Agthe entstammt einer weitverzweigten musikalischen Familie. 
Nach seinem Bewerbungsschreiben (fol. 194 — 196) ist er im Jahre 
1796 in Sangerhausen als Sohn des Bürgers und Nadlers Joh. 
Friedr. Agthe geboren.^ Er studirte bei dem tüchtigen Organisten 
seiner Vaterstadt^ Herrmann, Komposition und Gesang, nachdem er 
bereits auf mehreren musikalischen Instrumenten Fortschritte gemacht 
hatte. Darauf setzte er zwei Jahre lang seine Studien beim Groß- 
herzogl. Kapellmeister in Weimar, früheren Thomaskantor in Leipzig, 
Aug. Eberhard Müller fort, wo er die Freude hatte, einige seiner 
Kompositionen öffentlich aufgeführt und durch den Stich verviel- 
fältigt zu sehen. Jetzt habe er, sagt er, bereits das 21. Werk voll- 
endet, von denen die meisten gedruckt seien. Nachdem er sodann 
ein halbes Jahr Lehrer für Gesang und Pianofortespiel im Hause 
des Kabine ts-Ministers Grafen von Einsiedel gewesen, wurde er im 
Jahre 1818 Mitglied der Königl. Kapelle in Dresden. Während 
dieser Zeit habe er sich in freien Stunden viel mit der Komposition 
beschäftigt und er berufe sich hierfür auf die im Jahre 1818 von 
ihm zur Einweihung der Stadtkirche zu Bischofswerda komponirte 
und von der Königl. Sachs. Kapelle unter der Direktion des Kapell- 
meisters Ritters Morlacchi aufgeführte Kantate, welche den Beifall 
der Kenner einer zweckmäßigen Kirchenmusik gefunden habe. Auch 
in der weltlichen Musik habe er sich versucht und eben jetzt ver- 
schiedene Musikstücke zu einem neuen Trauerspiele »Anna von Bo- 
leyn« von Gehe geschrieben. 

Das einzige Schriftstück, welches von ihm aus der Zeit seines 
Kantorats in den Akten noch vorhanden ist und einen kurzen Ein- 
blick in dasselbe gewährt, datirt vom 26. Januar 1828 (fol. 222 — 25). 
Es ist ein Gesuch um Erhöhung seines Gehaltes, oder Bewilligung 
einer jährlichen Summe Geldes, da er das Stadtmusikchor bei grö- 
ßeren Aufführungen durch andere Tonkünstler verstärken und zu 
deren Entschädigung die übliche »Speisung« aus eigenen Mitteln 
bestreiten müsse, wie auch noch mancherlei andere Auslagen für 
Instrumentenmacher, Instrumententräger und Beleuchtung des Chores 
bei Kirchenmusiken: Insbesondere habe er während der fünf Jahre 



1 Merkwürdiger Weise ist seine Geburt in den K.irchenbüchern von Sanger- 
hausen nicht registrirt, während zehn andere bis zum Jahre 1795 geborene Kinder 
Joh. Friedrich Agthes und seiner Ehefrau Christiane Wilhelmine, geb. Tautzschart, 
zu finden gewesen sind. 



152 



307 Tbl. 6 gr. für Anschaffung neuer und guter Kirchenstücke ver- 
wendet. Hieran schließt sich ein Verzeichnis dieser neu angeschafften 
und aufgeführten Werke, welches folgende Namen enthält : Händel 
(100. Psalm), Haydn (2 Hymnen und 1 Oratorium), Mozart (1 Oster- 
kantate und Kantate Nr. I), Beethoven (3 Hymnen u. l Oratorium), 
Fesca (9. und 103. Psalm), Komberg (60. Psalm und Psalmodie), 
Hummel (6 Hymnen), Schicht (1 Te Deum und 1 Oratorium), Zum- 
steg (Kantate Nr. 14), Seyfried (1 Messe), Bierey (1 Ostcrkantate), 
Eberwein (1 Kantate) ^ Laegel (l Weihnachtskantate), Neukomm 
(1 Kantate), Haeser (1 Requiem), Klein (1 Kantate), G. Weber 
(1 Missa) und F. W. Agthe (1 Vater Unser, 2 Kantaten, 1 Oratorium). 

In einer zweiten Beilage giebt er sodann eine Übersicht über 
sein Einkommen, welches er, außer freier Wohnung und 6 Scheffel 
Korn, auf 385'Thl. 11 gr 4 .^ bemißt, das jedoch nach Abaug aller 
Amtsauslagen nur noch 317 Thl. 3 gr. 4 «^ betrage. 

Ob dises Gesuch von Erfolg begleitet war, ist nicht zu ersehen. 
— Agthe wurde bereits in den letzten Tagen des Mai 1828 plötzlich 
gemüthskrank, sodaß er am 2. Juni im Dresdener Stadtkrankenhause 
untergebracht werden mußte, da er unverheirathet geblieben war. 
Sein Zustand besserte sich jedoch nicht, und so erfolgte denn am 
8. Juli seine Überführung nach der Irrenheilanstalt Sonnenstein bei 
Pirna, wo er am 19. August 1830 an einem Nervenschlage starb. 

Von Kompositionen Agthe's besitzt die Königl. Privat-Sammlung, 
Dresden: 

1. C an täte zur Einweihung der neu erbauten Stadtkirche zu Bischofs- 
werda. 1818. Part. Ms. 

2. Sechs deutsche Lieder mit Begleitung des Pianoforte. op. 11. 
Dresden. Steindruck von C. Meinhold. 

3. Sechs deutsche Lieder mit Begleitung des Pianoforte. op 13. 
Dresden. Steindruck von C. Meinhold. 

4. Sonata ä 2 Cembali. Ms. 

Diö Notenbibliothek det Kreuzkirche zu Dresden: 

5. Kyrie für Chor und Orchester. Ms. 

6. »Wie herrlich bist du, Gott«. Motette für 4 Singst. Ms. 

Öie Königliche Bibliothek zu Berlin: 

7. Sonate pour le Pianoforte, Violon . obl. oeuvre 2. Leipzig« 
2 Stimmb. 

8. Sonate pour le Pianoforte. oe. 5. Leipzig. 

Bei Peters in Leipzig erschien noch: 

9. Concerto für Hörn und Orchester. 



153 



Anfang August 1828 begannen die neuen Bewerbungen um das 
Kantorat einzugehen. In der Sitzung vom 2. Oktober wählte der 
Kath, da sich ein eingeholtes ärztliches Gutachten über den Zustand 
Agthe's dahin aussprach, daß »nur eine entfernte Hoffnung auf Wieder- 
herstellung vorhanden (( sei, als interimistischen Kantor 

Ernst Julius Otto, 1828—1875, 

Musik- und Gesangslehrer am Blochmann'sehen Institute in Dresden, 
mit Überlassung der dem Kantorate zugehörigen Accidenzien, die 
von Agthe selbst nach Abzug aller Auslagen auf 90 Thlr. jährlich 
veranschlagt worden waren. Die riSpes succedendia wird ihm jedoch 
noch nicht zugesprochen, da man dies erst von der Leitung einer 
ihm aufzutragenden Kirchenmusik abhängig machen wolle (fol. 253). 
Daß die Wahl des Rathes auf einen noch so jungen Mann fiel, 
war nicht zum wenigsten einer warmen Empfehlung desselben durch 
seinen Lehrer Th. Weinlig zuzuschreiben, der bei den maßgebenden 
Personen ein unbegrenztes Vertrauen genoß. Dieser sagt in seinem 
Schreiben an den Bürgermeister vom 8. August (fol. 247 f.), welches 
in mehrfacher Beziehung von Interesse ist, u. a. folgendes: ».. .Herr 
Otto ist 1. ein in den Hörsälen der Schule und Universität wissen- 
schaftlich gebildeter Mann, und könnte daher nicht nur seinen unter- 
gebenen Alumnen, sondern auch seinen zukünftigen Collegen auf 
eine würdige Weise vor Augen treten. 2. Seine musikalische Aus- 
bildung, die fast von den ersten Elementen an bis zu ihrer nach- 
maligen Vollendung unter meiner Leitung geschah, steht auf einer 
hohen, nur von Wenigen erreichten Stufe; denn a) er ist ein treff- 
licher Componist, sowohl für Kirche als Theater, und einige seiner 
Kirchenstücke habe ich hier in unsrer Thomas- und Nicolaikirche 
mit ungetheiltem Beifall, sowohl des Orchesters als des Publikums, 
aufgeführt; — und dieß will in der That schon Etwas sagen, denn 
der Leipziger Kunstgeschmack ist ziemlich ekel, und schwer zu be- 
friedigen, b) Er war in früher Jugend schon ein braver Sänger ; hat 
als Rathsdiskantist mir und den Dresdner Kirchenmusikfreunden 
manchen herrlichen Genuß bereitet, und ist jetzt ein ebenso braver 
Gesanglehrer, c) Daß er auch auf dem Pianoforte sowohl als Vir- 
tuos wie als Lehrer ungemein viel leistet, gehört zwar nicht unmittel- 
bar zu dem gesuchten Amte, — zeigt aber doch den Umfang seiner 
musikalischen Bildung. — 3. Er ist Gatte und Vater, liebt häus- 
liche Eingezogenheit uud einen ehrbaren, rechtlichen Wandel, und 
ist zur Erhaltung der Seinigen, in denen er sein Lebensglück allein 
sucht und findet, schon seit Jahren an geregelte Thätigkeit gewöhnt. 



154 



4. Während seiner Schuljahre war er in der Zahl der Alumnen der 
Kreuzschule; daher sind ihm die Fäden nicht fremd, an welchen 
diese jungen Leute gegängelt seyn wollen, er kennt sie aus eigner 
Erfahrung; ja, er ist während der ersten Dienstjahre über's, — w^o 
es ihm mehrmals oblag, die Zügel des musikalischen Regiments zu 
ergreifen und selbst die Kirchenmusik aufzuführen — , mit dem gan- 
zen Dienstverhältniße des Cantors, und mit dessen kritischer Stellung 
zum Rektor, genauer bekannt worden, als es irgend jemand außerhalb 
des Alumnaei werden kann: folglich kann ihm keine von den Ver- 
bindlichkeiten, die er als Cantor zu übernehmen hätte, unerwartet 
kommen; — bei keinem daraus entspringenden Verhältniße, sey es 
auch noch so drückend, dürfte er sprechen: »so habe ich mir es 
nicht vorgestellt!« Nehmen Ew. Wohlgebomen alle diese Eigen- 
schaften, — die ich, soweit die Zuverlässigkeit menschlichen Wissens 
reicht, verbürgen kann, und wozu sich noch das beste Herz von der 
Welt und ein heller, aufgeräumter Kopf gesellen, — in geneigte Er- 
wägung ; und ich darf hoffen, daß meine gehorsamste Bitte um gütige 
Berücksichtigung dieses braven, für die zu besetzende Stelle so ganz 
geeigneten Mannes von Ihnen nicht für ganz verwerflich geachtet 
werden dürfte.« 

Otto's eigenes Bewerbungsschreiben datirt vom 23. August und 
enthält ausführliche Mittheilungen aus seinen^ bisherigen Leben . ^ 
»Ich bin«, sagt er, »den 1. September 1803 zu Königstein geboren, 
wo mein Vater — jetzt in Rötha bei Leipzig — Apotheker war. In 
meinem eilften Jahre — Mich. 1814 — kam ich auf die hiesige 
Kreuzschule und indem ich hier diejenigen Kenntniße mir zu er- 
werben suchte, welche mich zu einem höherm wissenschaftlichen 
oder künstlerischen Streben fähig machen könnten, gab ich mich 
zugleich mit besonderer Neigung der Musik hin und wurde darin 
nicht wenig dadurch bestärkt, daß ich sogleich beim Eintritt in die 
genannte Anstalt Rathsdiscantist geworden war und auch späterhin 
immer Solosänger blieb. Die innige, dankbare Verehrung, mit der 
ich auf alle die zurückblicke, die mir in dieser Zeit Lehrer und 
Führer waren, veranlaßt mich, des damahgen Cantors der Kreuz- 
schule, des Herrn Weinlig, besonders zu gedenken, der mich in der 
Musik, vorzugsweise jedoch im Gesänge und in der Lehre vom 
Contrapunkt, mit der ihm eignen Gründlichkeit und ruhigen Tiefe 
des Blicks in die Theorie dieser Kunst unterrichtete. Nach dem 
Weggange dieses Mannes fand ich in dem Herrn Cantor über den 



i a. a. O. fol. 244 fF. — Vgl. den Artikel Fürstenau's in der »Allgem. deut- 
schen Biographie«. Bd. XXIV S. 757 ff. 



155 



Lehrer, der meinem von Ahnungen des wahren Wesens und Geistes 
meiner Kunst allgemach erfülltem Gemüthe mit Besonnenheit und 
Theilnahme zur Seite stand, und in dieser Zeit war es, wo ich drei 
Kirchenstücke zu den hohen Festen componirte, sowie die Cantate, 
welche bei dem feierlichen Anzüge Sr. Magnificenz des Herrn 
Superintendenten Dr. Seltenreich aufgeführt wurde. Bei den häufigen 
Krankheiten des Hrn. Über wurde ich nicht selten gewürdigt, die 
amtlichen Pflichten desselben zu versehen. Mit dem Vorsatze, aus- 
schließend der Musik mich zu widmen, dessen Ausführung das Glück 
und [das Bedürfnis meines inneren Lebens geworden war, ging ich 
zu Ostern 1821 von der Kreuzschule ab. Die Zeit bis Michaelis 
desselben Jahres verging mir noch in Dresden unter dem Studium 
mehrer theoretisch-musikalischen Werke aus der Bibliothek des Hrn. 
Cantor über, was ich später in Leipzig mit größerm Glück fort- 
setzte, nachdem ich mir durch die Vorlesungen der Herren Pro- 
fessoren Wendt, Krug, Clodius, Beck u. A. die nöthigen Kenntniße 
in den philosophischen Hülfswissenschaften meiner Kunst, nebst 
einem sicherer begründetem Urtheile erworben hatte. Manche schöne 
Gelegenheit bot das kunstliebende Leipzig selbst, meinen Geschmack 
zu prüfen und zu bilden, während die trefflichen Männer Schicht 
und Weinlig mir nacheinander lehrend, urtheilend, aufmunternd die 
kunsterfahrene Hand reichten. Ich gab hier zuerst musikalische 
Arbeiten in Druck und mehrere meiner Kirchenstücke und Motetten 
wurden in den Leipziger Kirchen aufgeführt. — Im Jahre 1824 
wendete ich mich wieder nach Dresden und schrieb daselbst im 
Laufe der letzten Jahre ausser verschiedenen Werken im Kirchen- 
styl zwei* Opern, welche den Beifall mehrer Kunstverständigen, 
namentlich des Hrn. Kapellmeister Reissiger und der Herren Cantoren 
Weinlig und Agthe erhalten haben und welche bald, wenn anders 
meine Hoffnungen nicht allzu kühn sind, dem öffentlichen Urtheile 
unterworfen werden dürften. — Im Jahre 1824 verheirathete ich 
mich mit der Tochter des verstorbenen, dazumal in Dresden ansäßigen 
Kaufmann Häbler und erfreue mich eines Sohnes. Im Jahre 1827 
nahm mich der Herr Director Blochmann als Musik- und Gesangf- 
lehrer an seine Erziehungsanstalt auf, welchem Amte ich mit dem 
Eifer und der Freudigkeit bisher vorgestanden habe, die wohl ein 
Jeglicher gern demjenigen Berufe widmen mag, welcher, zugleich 
ein innerer, der Neigung des Herzens, wie dem Streben und dem 
Vermögen des Geistes entspricht . . .«. 

Bereits am 10. Januar 1829 beschloß man, nachdem Otto am 
Neujahrstage in der Kreuzkirche eine Musik zur Zufriedenheit der 
anwesenden Rathsmitglieder dirigirt hatte, ihm für den Fall der 



156 



Wiederbesetzung dei Kantorstelle die »spes si^ccedendia zuzugestehen. 
Diese Bestallung zum ordentlichen Kantor erfolgte am 8. März 1830,^ 
nachdem vorher die Pensionirung Agthe's mit 125 Thalern aus dem 
Sophienkirchen ärar vom Oberkonsistorium bewilligt worden war. 

Fast ein halbes Jahrhundert führte Otto sein Amt auf das 
Ruhmvollste und stütze dessen Ansehen mit seinem in der gesammten 
äiusikalischen Welt bekannten Namen. Die wichtigsten Ereignisse 
in dieser langen Zeit waren die des Jahres 1848. Sie brachten auch 
für die Kreuzschule eine vollständige Reorganisation, die Umwand- 
lung derselben in ein modernes Gymnasium. Mit dem 1. Okt. d. J. 
trat die Fixirung sämmtlicher Lehrergehalte in Kraft. Der Kantor 
hatte sein Einkommen mit Einschluß eines ihm 1836 gewährten 
persönlichen Zuschusses von 80 Thlr. auf 600 Thlr. abgeschätzt, 
welches dann seit 1862 auf 700 Thlr. erhöht wurde. Unter den 
speciell den Chor betreffenden Neuerungen ist vor allem die Be- 
seitigung der althergebrachten Singumgänge, als einer unzeitgemäßen, 
gesundheitsschädlichen Einrichtung, zu nennen. 

Um die Verbesserung des Choral- und Figuralgesanges in den 
Kirchen hat sich Otto mehrfach bemüht. So beantragte er 1846 mit 
Erfolg, daß beim Frühgottesdienste in der Kreuzkirche (um 5 Uhr) 
der Choralgesang künftig von der Orgel begleitet werde, da die Chöre 
der Alumnen für diese gut besuchten Gottesdienste nicht genügend 
stark seien. Eine zweite Petition erstrebte die Bewilligung einer 
jährlichen Summe zur Anschaffung von Kirchenmusiken und Motetten 
da seit dem großen Brande des Jahres 1760 die Kirche sehr arm 
an guten, für eine Aufführung passenden Kirchenstücken sei, während 
sie an Oratorien kein einziges besitze. In der That sah sich noch 
Otto, um eine größere Abwechselung zu haben, meist auf eigene 
Kompositionen angewiesen, bis ihm endlich 1851 jährlich 50 Thlr. 
zur Bereicherung der Notenbibliothek bewilligt wurden. Endlich 
trat er beim Rathe mit allem Nachdruck für Beibehaltung eines 
S«adtorchesters und dessen Verwendung bei den Kirchenmusiken 
ein, da andere Privatmusik chöre nicht auf derselben künstlerischen 
Höhe ständen. 

Otto war ein ungemein talentvoller und fruchtbarer Musiker 
und Komponist. Seine Werke zeichnen sich alle durch unbedingte 
Keinheit des Satzes, Fluß der Gedanken und Reichthum an schönen 
Meiodiieü aus. Ebenso mustergiltig ist die Rhythmik und Deklan>a- 
tion in denselben. Von Kirchenkompositionen mit Orchester 
nennen wir seine Psalmen, die in Mendelssohnscher Art geschrieben 



1 B VII» 152 fol. 3. 



157 



und doch durchaus auf eigenen Gedanken aufgebaut sind, zwei 
Messen in DmoU und JPdur (letztere dem König Anton überreicht 
und in der kathol. Hofkirche aufgeführt), Kantaten, Hymnea 
und drei große Karfreitags- Oratorien: »Des Heilands letzte 
Worte« (gedichtet von seinem Sohne Julius), »Der Sieg des 
Heilands« (gedichtet von Ad. Peters) und »Die Feier der Er#- 
1 Osten«. Von Motetten besitzt die Notenbibliothek der Kreuzkirche 
zwölf, und zwei für Männerchor. 

Als Kirchenkomponist ist Otto im Allgemeinen weniger bekannt, 
da seine Werke auf diesem Gebiete meist nur Manuskript blieben. 
Es sind ohne Frage werthvoUe, in echt kirchlichem Stile geschriebene 
Kompositionen, wenn auch hier und da manches als veraltet er- 
scheint. Besonders wirkungsvoll sind z. B. der 23. Psalm, für ge- 
mischten Chor und Orchester und das geistliche Lied in G »Dort 
über jenen Sternen«, fiir Sopransolo und vierstimmigen Chor. 

Das Meiste hat Otto auf dem Gebiete der weltlichen Musik 
geschrieben. Wir beginnen mit einer Anzahl Lieder mit Begleitung 
des Klaviers oder anderer Instrumente, z. B.: »In die Ferne«, 
Lied von H. Kletke, für l Stimme mit Klavierbegleitung, mit dem 
Otto die vom Musikverein in Mannheim ausgeschriebenen Preise 
errang. »Gott sei mit dir, mein Sachsenland«, gedichtet von 
Hallbauer, Drei Nachtlieder von Dorismund u. s. w. Ferner 
sind zu nennen: »Das Stiftungsfest«, gedichtet von Stiebitz, für 
Solo und gemischten Chor mit Klavierbegleitung, die »Nacht«, der 
»Morgen« und der »Mittag«, für gemischten Chor, Orchester und 
Deklamation, vor allem aber die sogenannten »Kinderfeste«, 
welche bei Glaser in Schleusingen erschienen sind und außerge- 
wöhnliche Verbreitung gefunden haben. Es sind dies das » Schul- 
fest «, das »Weihnachtsfest«, das »Pfingstfest« und das »Vaterlands- 
fest«, gedichtet von Fr. Hofmann in Leipzig. Sie sind zu Aufführungen 
der Schulkinder bestimmt, mit Klavierbegleitung und Deklamation, 
und behandeln diese Gegenstände in echt kindlicher Weise. 

Auch als Opern komponist hat sich Otto versucht. »Das Schloß 
am Rhein« wurde 1838 in der Dresdner Hofoper, allerdings ohne 
größeren Erfolg, aufgeführt. — Noch als Student veröffentlichte er 
endlich bei Hofmeister in Leipzig »Variationen für das Piano- 
forte« (op. 2), eine vierhändige Sonate (op. 5), ein Trio fiLr 
Pianoforte, Violine und Violoncell (op. 6), ferner 2- und 4 händige 
Bon dos für Klavier bei Merseburger in Leipzig. 

Otto's eigentliche Bedeutung und Weltruf liegt jedoch auf dem 
Gebiete des deutschen Männergesanges. Hier ist er nicht 
nur einer der besten, sondern auch fruchtbarsten Komponisten. Für 



158 



Männerchor und Orchester erschien: das Oratorium »Hiobcr, ged. 
Ton Jul. Mosen, zum ersten Male mit außerordentlichem Erfolg 1835 
aufgeführt in einem Koncert des pädagogischen Vereins in der 
Frauenkirche zu Dresden. »Im Waldeo, gedichtet von C. Gärtner, 
»Am Meeresstrande«, gedichtet von Klopsch, »Das Mährchen 
vom Faß«, gedichtet von Herm. Waldow. Sie erschienen bei Glaser 
in Schleusingen, sind mit Solopartien und letzteres auch mit De- 
klamation ausgestattet und enthalten jedes 12 Nummern. Ferner 
Hymnus nach dem 67. Psalm: »Herr, du bist meine Zuversicht« 
(gedichtet von seinem Sohne Julius), komponirt für das Würzburger 
Gesangsfest im Jahre 1846. Schleusingen, Glaser. Der 23. Psalm 
»Der Herr ist mein Hirte«, komponirt für das deutsche Gesangsfest 
zu Nürnberg im Jahre 1861. Breslau, Leuckart. Der 24. Psalm 
»Jehova ist die Erd«, komponirt für das 1. deutsche Bundessänger- 
fest in Dresden im Jahre 1865. Schleusingen, Glaser. Endlich 
»Rheinsage«, gedichtet von Em. Geibel, komponirt für das Ge- 
sangsfest zu Plauen i. V., 1862. Schleusingen, Glaser. 

Für Männergesang ohne Instrumentalbegleitung schrieb er eine 
4 stimmige Messe, die Liedercyklen »Der Sänge rsaal«, »Burschen- 
fahrten, Cyklus von 12 Bildern aus dem deutschen Studenten- 
leben« (Dichtung [von Jul. Otto jun.), »Ges|ellenfahrten, das ist 
anmuthige und curiose Historia von 5 wackeren Handwerksburschen, 
so des lieben deutschen Vaterlandes Gauen gar treulich mitsammen 
durchzogen und was des abentheuerlichen !sich weiter mit ihnen 
begeben« (mit Deklamation), »Soldatenleben« (Dichtung von Jul. 
Otto jun.), »Der Spinnabend (Praza), Cyklus von Bildern aus dem 
wendischen Bauernleben, Lieder von Jul. Otto jun., Deklamation 
von C. Thieme. Mit freier Benutzung wendischer Originalmelodien«, 
und »Der Philister«, welche dann in einem »Ernst und Scherz« 
betitelten Werke vereinigt und von Glaser herausgegeben wurden. 
Ferner Potpourri aus der Oper »Die Regiments tochter« von Doni- 
zettiö, für 4 stimmigen Männerchor. Mainz, Schott. Zwölf Hefte 
4 stimmiger Lieder und als seine letzten Kompositionen ivom 
Dezember 1876, »Das weiße Kreuz im rothen Feld«, für die 
Schweizer Turner, und »Röslein«, für den Regensburger Lieder- 
kranz. Endlich ist es wohl nicht überflüssig, auf das Lied »Des 
deutschen Rheines Braut« (gedichtet von Jul. Otto jun.) hinzu- 
weisen, mit dem er, als im Jahre 1845 die Harmonie -Gesellschaft 
zu Trarbach eine Konkurrenz für das schönste die Mosel und seinen 
Wein verherrlichende Lied ausschrieb und als Preis 14 Eimer des 
besten Moselweins aussetzte, unter 195 Bewerbern diesen errang. 

Otto war auch der Erste, welcher komische Opern für Männer- 



159 



gesangvereine schrieb. Allbekannt ist »Die Mordgrundbruck 
bei Dresden«. Ferner erschien noch: »Die Liedertafel in 
China« und »In Schiida« bei Glaser; »Nach Nürnberg« bei 
Leuckart in Breslau. 

Diese rastlose Thätigkeit Otto's zur Bereicherung der Männer- 
gesangslitteratur wurde überall mit Freuden begrüßt, da sie einem 
wirklichen Bedürfnisse entsprach. Anerkennungen gingen ihm in 
Fülle zu, u. a. mehr als 60 Ehrendiplome. In der That ist er ein 
äußerst populärer Komponist geworden. Mit Meisterschaft weiß er 
in seinen Liedern, Quartetten und Chorwerken den ernsten wie 
heiteren Ton zu treffen und seine Texte musikalisch zu charakteri- 
siren, ohne je trivial zu werden. Wie schön ist z. B. der weihe- 
volle Ton des Gebets ausgedrückt in dem bekannten Chore: »Es 
weht durch* euren Frieden«, oder die Stimmung trauernder 
Resignation in »Es ist ein altes Lied«. Und wie übermüthig 
sprudelt auf der anderen Seite die Ausgelassenheit z. B. in dem 
»Bummellied«, und der Humor in dem Chore »Es liegt ein 
langer Magister«! Vor allem aber spricht aus seinen Kompo- 
sitionen ein echt deutsches Gemüth und Vaterlandsliebe. Charakte- 
ristisch hierfür ist sein herrliches Lied »Das treue deutsche 
Herz«, welches geradezu Volkslied geworden ist. Durch dieses 
und andere patriotische Gesänge hat Otto, wie C. M. v. Weber, 
Kreutzer, Marschner und Methfessel, nicht wenig zur Hebung des 
deutschen Nationalbewußtseins beigetragen. 

Gegen Ende seines Kantorats mag Otto wegen Altersschwäche 
und Kränklichkeit vielfach an der Ausübung seiner Amtspflichten 
verhindert gewesen sein, sodaß daraus mancherlei Unzuträglichkeiten 
entstanden, die den schon früher aufgetauchten Gedanken der Auf- 
hebung des kostspieligen Instituts des Alumneums wieder wach riefen. 
In der That trat der Rath im Dezember 1874 dieser Frage nahe 
und forderte die Gymnasialkommission zu einer Aussprache hierüber 
auf, welche zum Glück die Ausführung dieses Gedankens widerrieth.^ 
Nicht lange darauf, am 3. April 1875, bat Otto um seine Pensionirung 
von Michaelis an, die ihm jedoch, um den Chor nicht allzu lange 
führerlos sich selbst zu überlassen, erst mit Schluß dieses Jahres 
gewährt wurde. So trat denn Julius Otto nach 4 7 jähriger Amts- 
thätigkeit, 71 Jahre alt, in den wohlverdienten Ruhestand. Die 
meisten größeren Männergesangvereine Dresdens ehrten ihn durch 
einen Lampionszug, Ständchen und Kommers, auf dem die erste 
Anregung zu einer Vereinigung dieser Vereine unter dem Namen 



1 B VII» 152 fol. 21b. 



160 



»Julius Otto-Hund« gegeben wurde. Am 6. Mai 1876 kam letzterer 
zu Stande ; Otto selbst wurde zum Ehrendirigenten desselben ernannt, 
ein Amt, welches er jedoch nur kurze Zeit bekleiden sollte. Denn 
schon am 5. März 1877 starb er eines schmerzlosen Todes und wurde 
am 9. d. M. in feierlicher Weise auf dem Trinitatisfriedhofe beerdigt. 
Schon bei dieser Gelegenheit wurde der Gedanke ausgesprochen, 
dem Verstorbenen ein Denkmal zu setzen. Die Beiträge der deut- 
schen Männergesangy ereine und die Bewilligung von 9500 Mark aus 
dem Kunstfonds durch das Ministerium des Innern ermöglichten die 
Herstellung eines schönen und würdigen Denkmals nach dem Ent- 
würfe des Bildbauers Dr. Kietz, welches am 1. Juni 1886 auf dem 
Georgplatze vor der Stätte der Wirksamkeit Otto's, der Kreuzschule, 
unter dem Gesänge des Kreuzchores und unter Anwesenheit zahl- 
reicher Deputationen aus ganz Deutschland feierlich enthüllt wurde. 

Otto^s ältestem Sohne Julius, geb. am 11. Juli 1825 in Dresden 
und gestorben am 5. November 1847 in Pirna, dem begabten und 
beliebten Dichter, wurde von der Sängerschaft in den städtischen 
Anlagen von Pirna im Jahre 1874 ein Denkmal gesetzt. — Ein 
jüngerer Bruder unseres Kantors endlich war der gleichfalls talent- 
volle Musiker und Komponist Franz Ernst Otto, der am 30. April 
1842 in einem Alter von 33 Jahren in Mainz starb, als er im Begriff 
stand, ein Engagement als Bassist an der Oper daselbst anzutreten. 
Er hat sich durch Märsche, Lieder, Tänze etc., vor allem aber seit 
1830 durch eine Reihe höchst beachtenswerther Kompositionen für 
Männerchor bekannt gemacht. 

Die Notenbibliothek der Kreuzkirche in Dresden besitzt 
folgende Kompositionen von Julius Otto in Manuskript: 

I. Für Chor und Orchester. 

Oratorien: 1. Des Heilands letzte Worte. 

2. Der Sieg des Heilands (2 Theile). 

3. Die Feier der Erlösten. 
Kantaten, Psalmen etc.: 

3 W ei h nach tsk antaten, a) »Schlummernd unter Palmen.« 

b) »Heiige Nacht.« 

c) »Stille, ruhige Nacht.« 
3 Osterkantaten, a) »Heilig, heilig töne.« 

b) »Preis dem Vollender.« 
*c) »Das Auferstehen.« (Original-Part. 1823, 
in der Notenbibliothek der Thomasschule, 
Leipzig.) 



161 



2 Pfingstkantaten, a) »Geist vom Vater.« 

b) * Heilger Geist ergreif den Staub.« 
(Auch in der Kirchenbibl. Mittweida, 
Stimmen in der Theaterbibl. Dessau). 

2 Keformationskantaten, a) »Schalle, Triumphgesang« für 

Chor, Orchester und Orgel. 
b) »Danket dem Herrn.« 

2 Kantaten zum Totenfest, a) »Wiedersehn.« 

b) »Strömt, bange Klagen.« 
Jubelkantate: »Kommt vereint den Herrn zu preisen.« 

4 Psalmen: a) Ps. 23 (für gemischten Chor). 

b) Ps. 23 (für Männerchor). * 

c) Ps. 24 (für Männerchor). (Auch in der Kgl. Privat- 
Mus.-Sammlung, Dresden.) 

d) Ps. 47 (für gemischten Chor). 

Hymnus nach Ps. 67: »Herr du bist meinie Zuversicht« (für 

Männerchor). 

Kantate: »Wie erhebt sich das Herz«. (Auch in der Noten- 
bibliothek der Thomasschüle.) 

Missa in F, (Auch Thomasschule.) 

Kyrie und Sanctus in Es, 

H. Motetten und Chorgesäüge a capella. 

1. »Gott sei uns gnädig.« 

2. »Kommet herzu, laßt uns den Herrn frohlocken.« 

3. »Der Herr mit uns auch in dem neuen Jahre.« 

4. »Leite mich in deiner -Wahrheit.« 

5. »Singet dem Herrn ein neues Lied.« 

6. »Wer Gott vertraut« (geistl. Lied). 

7. »Die Ehre des Herrn ist ewig.« 

8. »Danket dem HerrU; denn er ist freundlich.« 

9. »Dort über jenen Sternen.« 

10. y>Domme salvum fac regem. (n 

11. »Denn dös Herrn Wort ist wahrhaftig.« 

12. »Wie schön bist du, o meines Gottes Erde.« 

13. 2 Motetten für Männerchor : a) »Gott, du bist meine Zuversicht.« 

b} »Es weht durch euren Frieden.« 



U 



162 

Ferner besitzt noch die Noteubibl. der Thomasschule: 
Missa brevis, DmoU, für Chor und Orch. Original-Part. 1823. 

Die Königl. Bibliothek zu Dresden: 

Den Lieder-Cyklus für Männerchor »Der Sängersaal«. Schleu- 
singen, Glaser. 

»Bier führt das Regiment« für 4 Männerst. Leipzig, StoU. 

»Der frohe Sänger«, 6 Quartette für Männerst. Leipzig, Siegel. 

»6 Quartette für Männerst.c op. 105. Leipzig, Siegel. 

»Beim Bier zu singen.« 4 Lieder für Männerst. D;resden, Louis 
Bauer. 

»Nach Nürnberg, oder eine Sängerfahrt mit Hindernissen.« Bur- 
leske für Männergesang mit Orchesterbegleitung, op. 134. Breslau, 
Leuckart. 

»Gott sei mit dir, mein Sachsenland«, Lied für Tenor-Solo, 
Chor und Orchester (auch in der Kgl. Privat-Mus.-Sammlung). 
Nebst besonderer Gesangsstimme und vierhänd. Bearbeitung als 
Crucianer-Marsch für Pianoforte. Dresden, Gust. Ritter. 1841. 

»Der Waisenknabe vom Nordena, für 1 Singstimme mit Pianof. 
Dresden, Brauer. 

Die Königl. Privat-Musikalien-Sammlung, Dresden: 

»In die Ferne», Lied für 1 Singstimme mit Klavierbegl. Gekrönt 
mit den vom Musikverein in Mannheim ausgeschriebenen Preisen. 
Mannheim, K. F. Heckel. (Auch Kgl. Bibl. Berlin.) 

Die Königl. Bibliothek zu Berlin: 

»Ln Schiida. Musikalisch - dramatischer Schwank in 1 Aufzuge, 
Dichtung von mehreren der berühmtesten deutschen Poeten, Musik 
jedoch von Jul. Otto, (f op. 123. Klavierauszug. Schleusingen, 
Glaser. 

6 Chorlieder für Männerstimmen. HeftL II. Partitur und 4 Stim- 
men. Breslau, Leuckart. 

3 Lieder für 1 Sopranstimme mit Pianofortebegl. op. 104. Breslau, 
Leuckart. 

Ernst und Scherz. Originalkompositionen für große und kleine 
Liedertafeln herausgegeben. 54 Hefte. Schleusingen, Glaser. 

» Tr i pour U Piano-Forte^ Violon et Violoncette ohligees composee 
{sie!). Oeuv. 6 (Esdur), Leipzig, chez Fredertc Hofmeister. 3 Hefte. 



163 

Zum Schlüsse ist noch das Programm Otto's zu erwähnen : »Histo- 
rische Bemerkungen über den Werth und die Schätzung der Musik«. 
Dresden, 1841. (u. a. in der Kgl. Bibl. Dresden und Universitäts- 
Bibliothek Leipzig.) 



Noch vor der Wahl eines neuen Kantors beschloß der Kreuz- 
kirchenvorstand auf' Antrag der Gymnasialkommission, diesen nicht 
mehr als ordentliches Mitglied des Lehrerkollegiums anzustellen, 
sondern ihn als Fachlehrer des Gesangsunterrichts der Alumnen und 
Kurrendaner zum außerordentlichen Mitglied des Lehrerkollegiums 
für die Angelegenheiten der Vor- und Ausbildung der Chorschüler 
zum Kirchengesange zu ernennen, insoweit jedoch mit Sitz und Stimme 
im Kollegium. 

Unter den Bewerbern um das Kantorat wählte man am 4. No- 
vember 1875 

Friedrich Oskar Wermann,* 

welcher noch heute mit größtem Erfolge seines Amtes waltet und 
den ihm anvertrauten Chor, der auf seinen Antrag Ostern 1886 um 
zwölf Kurrendaner vermehrt worden ist und gegenwärtig aus 66 Sän- 
gern besteht, hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit auf der alten 
Höhe seines Ruhmes zu halten verstanden hat. 



Damit haben wir die mehr als 350jährige Geschichte des Kreuz- 
kantorates abgeschlossen, einer Institution, die nicht nur für Kirche 
und Schule, sondern auch für die Entwickelung des gesammten musi- 
kalischen Lebens Sachsens und seiner Residenz von großer Bedeutung 
gewesen ist. — Beklagens werth wäre es, wenn sich die in jüngster 
Zeit entstandenen Regungen, für die Frauenkirche ein eigenes Kan- 
torat und Sängerchor zu gründen, verwirklichen sollten. Es würde 
dadurch nicht nur die alte historische, in ihrem gemeinsamen Sänger- 
chore zum Ausdruck kommende Verbindung der beiden evangelischen 
Hauptkirchen Dresdens gelöst, sondern auch der Fortbestand des mit 
dem Kantorate auf das Engste zusammengehörigen Kreuzchores und 



* Vgl. die biograph. Mittheilungen von Dr. Schramm-Macdonald in der Zeit- 
schrift »Der Chorgeaang« (herausgegeben von A. W. Gottschalg im Verlage von 
Licht und Meyer in Leipzig), Jahrgang 1886, Nr. 21 (S. 347—350). 

ir 



t64 



speciell des Alumnats der Kreuzschule in seiner bisherigen Stärke in 
Frage gestellt, und somit eine der letzten uns aus dem Mitlelalter 
überkommenen Anstalten bedroht, die ein nicht zu unterschätzendes 
Moment für den Aufschwung der gesammten deutschen Musik ge- 
wesen sind. Denn aus ihnen gingen und gehen unzählige Männer, 
Musiker von Beruf und Dilettanten hervor, welche diesen neben 
einer gründlichen gelehrten, humanistischen Bildung zugleich eine 
gute musikalische Erziehung verdanken. Auch im Interesse der Zu- 
kunft der deutschen Musik müssen wir ein ungeschmälertes Fort- 
bestehen dieser segensreichen Institute wünschen. 



Anhang. 



Inventarium librorum Cantori commissorum. 

In chorali cantu : 



1. Gr adual de tempore. 

2. Gradual de Sanctis. 

3. Invitatorium, 

4. Antiphonartum aestiuale de tempore. 

5. Antiphonarium hyemale de tempore. 

6. Antiphonarium aestiuale de sanctis. 



8. Liber continens cantioneSy quas vsitate 
sequentias patrem et sanctus uocatU. 

9. Liber funebres cantionea compUctem. 

10. Duo psalteria. 

11. Biblia Germanica. 

12. Noüum Testamentum latinum. 



7. Antiphonarium hyemale de sanctis. 13. Tabula continens Benedicamus. 

In Figurali cantu: 

1. Cantionale Varia genera Cantionum continens. 

2. Cantionale Missas aliquot, et sacras cantiones complectens. 

3. Cantionale complectens Magnificat Vincentii Ruffi^ a Sebaldo Bauman 
olim huius scholae cantore senatui oblatum. 

4. Opus musicum 6. 6. 4 Vocum Noribergae editum,^ senatus comparatum sumpt^m. 

5. Te Deum Laudamus 6 Vocum Joannis Waltheri Senioris. 

6. Hymnus cu^ prosa in die Natali Christi, 6 Vocum, Vna cum alia sacra cantiime 
4 Vocum Lamperti de Fletin. 



1 Archiv des Landeskonsistoriums in Dresden: Matricul Dresden de ao. 1575, 
fol. 719 f. 

2 Wohl identisch mit: Novun]t et insigne opus Musicum, sex, quinque et qua- 
tuor .vocum etc. Noribergae in die Jacobi 1537. (cf. Eitner, Bibliographie der 
Sammelwerke, S. 37.) 



165 



7. Miaaa 5 Voeum super Venu Vox de caelo eic, Lamperti de Fletin, 
Passio Germanica 4 Voeum secundum Euangeliatam 

8. Malthaeum, 

9. Marcum, 

10. Joannem, 

11. Secundum omnet Etumgelistas. 

Inventarium* 

Aller Bücher Yndt gesänge, so der Cantor M. Samuel Riiling auffm 

Chor in der Creuzkirchen gefunden, 
[den 29. Junij Ao. 1615.] 

I. Auff Pergament. 

1. 2 Große Bücher in folio, darinnen die Antiphonae vndt Responsoria Zufinden, 
im 1. 233, im 2. 170 blatt. 

2. Ein anders in folio, darinnen die Introitus stehen, 301 blatt. 

3. Ein anders, daraus das Credo vndt Meßen gesungen werden, 120 Blatt. 

4. 2 Psalteria, im 1. 172, im 2. 168 Blatt. 

5. Das Invitatorium, so Zur Frü Metten Sontags gebraucht wirdt, 66 Blatt. 

IL Auf f Pappier, sehr Alte Sachen, geschrieben vnd 

gedruckt. 

6. Cantionale Missarum, Hymnorum, Introituum et JResponsorium. 

7. Cantumale aliquot Misearum^ Sehaldi Baumanni, 

8. Cantionale continens octo Tonos Cantici Virginis Mariae. 

9. De Sanctis Introitus^ Responsoria et Antiphonae, geschrieben ein bundt. 
10. Passio Secundum Matthaeum, geschrieben und in Klein Folio, 

mit Schweinsledernem Kücken eingebunden, gantz. 

11. Secundum Mar cum, geschrieben, in grQn Pappier mit 
einem Pergament Rücken eingebunden, vnd Zwar sind 
darinnen befindlich nur die dabey vorkommenden Per- 
sonen, ohne die darzu gehörenden Chöre. 

12. Secundum Lueam. 

13. Secundum Johannem, geschrieben vnd in Klein Folio, 
mit Pergament Rücken eingebunden, gantz, de ao. 1617.' 

14. Secundum quatuor Evangelistas, Germanice, in Folio vnd be 
schriebenen Pergament eingebunden. 

15. Magnißcat, Germanice, Fletii. 



Germanice, 
Jedes Abson- 
lieh gebun- 
den. 



1 Die Aktenstücke des Rathsarchivs B Vn<' 193>' und B YU<' 195 o enthalten 
eine Reibe von Inventarien der Notenbestande unter den Kantoren Sam. Rüling 
bis Homilius. Wir theilen diese hier in zusammenfassender Weise, unter Weg- 
lassung der vielen Wiederholungen, mit. 

2 VgL S. 164 Nr. 2 (»In Figurali cantu«^. Beide Bände wohl identisch. 

3 Fälschlicher Zusatz aus späterer Zeit. Die Passion war zweifellos viel 
älteren Datums. 



166 



16. Cantiones diversorum Autorum^ Sive nacum et insigtie opus, 6 Bände in ganz 
Leder. * 

17. Bihlia Sacra Germanica in foUp: 2 theil, sehr alt. 

18. Novum Teatamentum Latine in 8. Straßburger Editio JErasmi, 

19. Cantiones funebres^ ein Bundt 

20. Tabula, darauff die JBenedicamua stehen. 

21. Thesaurtu Venetiantu, Sechs bünde in Roth Leder.^ 

22. Reaurectio Dni nostri J. Christi. 

23. Conceptioj nativitas Christi et historia Johan, Bapt: Rogerii Michaelis in 
folio, de ao. 1607. 

24. Eine alte Baßfiedel. 

25. Ein alt Teutsch gesangbuch. 

26. Ein gedruckt Cantionale Selectarum Cantionum 4. 5 et 6 voc, 

27. Geschriebene Moteten 8 Bünde in quarto. 

28. Fragmenta Missarum 4 Bünde. 

29. Harmonicae Musices odhecaton ein bundt. 

30. Moteten de pass., cruee, sacramento et JB. virgine ein Bundt. 

31. 4 Bünde in gela leder, genand Frottole. 

32. 1 Bund genant Laude^ libro primo et secundo Innocentii 
Damonis. 

33. 1 Bund Moteten, genand a numero trentatre. 

34. Responsorium de 8. Antonio vnd andere Sachen, 8 bünde. 

35. Responsoria de tempore et Sanctis 4 Bünde in Weiß Leder. 

36. Tredecim Misses 5 bünde in grün Pergament 

Verzeichnis derer so darzu kommen. 

1. Geschriebene Partes in folio Variorum Autorum, halbwelsch vbersogen, 8 Bünde. 

2. Magnum opus musicum Orlandi in folio^ 6 Bünde in Weiß Leder. \ 

3. Teutsch gesangbuch^ Melchioris Vulpii, 4, 5 et 6 voc, in Weiß Leder, 
1 bundt. 

Opera Michaelis Praetorii.* 

4. 8 Bünde in weiß Pergament (Lat. und Teutzsche Moteten de ao. 1609). 

5. 8 Bünde in Roth Pergament (Lateinische Moteten, de ao. 1611). 

6. 7 , , , , Gelb , , I (Geigtl. Teutzsche Lieder 5. u. 6. Theü, 1607 u. 1609). 

7. 4 ,, „ Braun „1 

8. 3 „ ,, grün „ (Teutzsche geistl. Psalmen, 1610). 

9. 6 ,, ,, Weiß Pappier gebunden. 



Auß Herrn B.(ür- 
gemeister) Turlers 
} Seligen Testaments 
Stiftung herrüh- 
rende. 



1 Vgl. S. 164, Anm. 2. 

2 Novi Thesauri Musici Liher Primus, quo selectissime planeque nove, nee un- 
quam in lucern edite cantiones sacre (quas vtdgo moteta vocantj continentur octo, 
Septem, sex, quinque ac quatuor vocum etc. Petri Joanelli, Bergomensis de Gandino, 
summo studio ac labore collectae, ejusque expensis impressae. Veneiiis; Apud An- 
tonium Gardanum. 1568. (vgl. Eitner, Bibliographie der Sammelwerke, S. 169 f.) 

^ Vielleicht: »Ein schön geistlich Gesangbuch, darinnen Eirchengesfinge und 
geistliche Lieder D. Martini Lutheri und anderer frommer Christen« etc. y. Melchior 
Vulpius. Jena, 1609. 



167 



10. Corona Harmonica Christophori Demantii^ 6 Bünde in Roth Leder mit 
Vergülten Leisten. 

11. JEcchsiodae oder Kirchengesänge ^ Ohristophori Thomae Walliseri, 6yoc., 
6 bünde in Weis Papier gehefft. 

Unter M. Christoph Neander wurden angeschafft: 

1. Cantiones Sacrae Samuelis Scheidii Hallensis, octo voc, 8 Bünde in blau 
Pappier. 

2. Cantiones sacrae Nicolai Zangii, 6 Bünde in Weiß Pergament. 

3. Erster vndt Anderer Theill Andächtiger Kirchen Yndt Haußgesänge M. Micha- 
elis Aldenburgensis in A9 1620, vorzu des Praetorius Magnificat 5. 6 
vndt 8 voc. vorgebunden, 9 Bünde in 4*0. 

Item Megalynodia ^toma Michaelis Praetorii, beyderley 8 voc. in Af>, Zu- 
sammengebunden. 

4. Introitus et Missae^ Demantii, 9 Bünde in Schwarz Leder mitt Vergülten 
Leisten. 

5. Etliche Psalmen Davids sampt andern Moteten vnd Concerten Herrn Hein- 
rich Schützens in folio, in 13 schwarze gepapte Bünde mit Versilberten 
leisten. 

6. Vulpii partes in 4*0, 8 bünde, so in die Kirche zur Lieben Frawen gehören. 

7. Händelii partes, auch 8 bünde in 4*». 

8. Threnodiae oder Begräbnisgesänge 4. 5 vndt 6 Voc. Christoph Demantii 
Cant. Freibergensis in 8 voc, gebunden in weiß Pergament 1 Bundt. 

9. Item Ißraelis Brünlein, oder Außerlesene Krafft Sprüchlein V. et N. Testa- 
menti 5 vndt 6 vocum cum Baß contin. Johan Herman Scheins, 1623, in 
4*0 vndt Schwarz Pappiei^ mitt Versilberten Leisten gebunden, 6 Bünde. 

10. Opus Novum, Geistlich Concerten vndt Psalmen Davidts Danielis Selichii 
Gr. Capellmeisters, in folio, 9 Stimmen, schlecht in Weiß Pappier vndt Rothen 
Leisten gebunden. 

11. Dritter theil Fest vndt Aposteltägiger Evangelischer Sprüche Johann Chri- 
sto nii, Budstad. 1621. 4 bünde. 

12\ppus Schadei,3 9 bünde in schwarz Pergament. 

13. A^gnificat Hieronimi Praetorii. 

14. Moteten 6 voc. Orlandi, 6 bünde.* 

15. Flori^egium von Bodenschatz. 

16. Jacood Meilandi Cantiones 5 bünde.^ 

17. Tricinia Kegnardi. 

18. Tricinia Dedikindi.^ 



1 »Kirchengesänge oder Psalmen Davids, nicht allein una voce, sondern auch 
mit Instrumenten von 4, 5 bis 6 Stimmen«. Strasburg 1614. 40. 

2 » Triades Sioniae Introituum, Missarum et Prosarum, 5. 6 et 8 voc. Frey- 
berg 1619«. 

3 Abraham Schadaeus: Promptuarium miMtcum, 9 Bände in 4^, 4 Theile, 
Straßburg 1611. 1612. 1613. 1617. 

* Dabei steht die Bemerkung : »Diese hat die Frau Cantorin wieder abgeholet 
den 4. Januarij 1626«. 

5 Cantiones novae, 5 voc. Frankfurt a. M. 1576. 40 (?) 

ö Henning Dedekind, »Newe außerlesene Tricinia, auff fürtrefFliche lustige 
Texte gesetzt, auß etlichen guten gedruckten authoribus gelesen«. Erfurdt 1588. 4. 



168 

19. Newe Teutsche Lieder Orlandi.i 

20. Allerley Teutsche weltliche Lieder, 6 Bünde. 

Hierzu seindt Zu des Itzigen Cantoris Michaelis Lohrii 
Zeitten gebracht vndt gethan worden, AlB 

1. Die Cantiones Michael Lohrii, Cantoris Dresdensis, mit 8 Stimmen vndt 
einem general.Baß, in Weiß Pergament vnd güldenen Leisten gebunden, vber- 
geben den 20.'Martij 1629. 

2. Hrn. Hammerschmidts Vierter theil^ Musikalischer Andachten in folio, in 
Roth Pappier eingebunden, vbergeben den 18. Jan. 1648. 

3. Cantiones Hrn. Michael Lohrs, Cantoris Allhier, ander Theil mitt 8 Stimmen, 
in 4^ vndt General Baß. 

4. Hm. Schützens Musicalischer. Concerten andern theil in groß A^, in 7 bün- 
den, vbergeben eodem die Ao. 1648. 

5. Hm. Schützens Dritter theil Symphoniarum Sacrarum, durch Herrn Bürger- 
meister Valtin Sch&fern, von 12 Stimmen vbersendet in Roth Pappier gebunden, 
den 16. Maj Ao. 1651. 

6. 1 Bass Violon auff dem Alten Chor vndt 1 Violon, so Hr. David De 
Münder auffs Newe Chor verehret. 

7. 2 Zincken vndt 1 Flötigen, so Herr Zincke, Raths Verwandter allhier, 
erkaufft vndt mitt Silber beschlagen, seindt mir erstlich vbergeben worden. 
Aber hernach den itzigen Stadt Pfeiffer Johann Lauterding« dieselben auszu- 
blaßen, von mir abgefordert vndt ihm vbergeben worden. 

8. Item, ein neu gesangkbuch Joh. Hermann Scheins in octav, hatt Herr 
Bürgermeister Valtin Schäfer mir aufs Chor geschickt. 

9. Item, Ein altes gesangkbuch in 4^, so er auffs Newe hefften laßen, den 
6. Nov. 1652. 

10. Cantiones Sacrae quattuor voc. Henrici Sagittarii, 5 Bünde in 4^. 1625. 

11. Ein Regal, so vor dießer Zeitt Zur Kirchen auffs Chor ist erkaufft vndt biß- 
anhero dabey vorblieben vndt gebraucht worden ist. 

12. 1 Positieff, so auff den Alten Chor Vnzugerichtet stehet, welches Herr 
M. Rühlings Seliger geweßen, vnd in die Chreutz Kirchen gekaufft worden ist. 

13. 1 Positieff, so in die Kirchen Zu S. Sophien gehöhret, stehet darneben, vndt 
auch nicht Zugerichtet ist. 

14. H. Schützens Aufferstehung in fol. 8 Stimmen, ao. 1623 dem rathe dedicirt. 

15. Ein gedrucktes Musicalisches Stück, Jubilate Deo, welches Ao. 1644 bey Ein- 
weihung der neuen Empor Kirche Johann Klemm, Hoff-Org. E. E. Rath 
übergeben. 

16. Ein dergl. aus dem 150. Psalm, bey der Einweihung der neuen Orgel. in der 
Kreutzkirche, von Michael Lohren, Cantore. Ao. 1644. 

17. 1 Concert von Liesb erger. 

18. Samuel Scheidts Tabulatur-Buch de ao. 1653, gedruckt , in geschrieben 
Pergament gebunden in fol. 

19. Erster und Ander Theil der Kernsprüche von Johann Rosenmüllern de 
ao. 1648. 7 Bünde in fol. zusammengebunden. 



^Orlandus Lassus, Cantiones Qermanicae. Pars II et HI. München 
1576. (?) 

2 Walther und Gerber kennen nur drei Theile. 



169 



Item Zu des ietzigen ao. 1654 angetretenen Cantoris Jacob 

Beutels Zeiten bracht und erkauft:^ 

1. 12 in Schwarz Leder und 4*» gebundene Bünde, worinnen 2 Partes Cantionum 
Sacrarum Melch. Vulpii, 3 Tomi Sacrarum Melodiarum von Melch. 
Franck, 2 Tomi Job. Leon. Hasleri: 1. Sacri concentus.^ 

2. Reliquiae Sacrorum Concentuum, 

2. Harmonia Sacra«"^ Abraham Schaddei, 9 Bünde in geschrieb. Pergament in 
groß 4^. 

3. 6 Bünde in 4^, in welchen 1. Joh. Klemmens Madrigalieo, 
2. Sam. Seh ei dt 8 Neue geistliche Concerte, 2. theil. 

4. Opella Nova Scheins, 5 Bünde weiß Pergament in 4^. 

5. 5 Bünde groß 4^<> geschrieb. Pergament Ludovico Viadana, Lateinische 
Motetten de ao. 1626. 

6. 8 Bünde in altgeschr. Perg. in 4^, worinnen 1. Mich. Lohrs Erster TheiL 
2. Caspar Hasler: Symphoniae divers, Autorum. 

7. 6 Bünde in Koth Leder in 4*® Christoph Demantii: Trias precum vespert. 

8. 8 Bünde in Alt geschrieb. Perg. in 4*o de ao. 1619, worinnen 

1. Cantiones Sacrae Hieron. Praetorii et ejusdem Magnificat, 

2. Vulpii Magnißcat,* 3. Cantiones Sehet, ejusdem,^ 

9. Florilegium von Bodenschatz, geschr. Perg. in 4^, 9 Bünde 1621. 
10. 9 Bünde Ertelii Magnificat in 4to. 

11: 16 in fol. in weiß Papier geschrieb. Missae cum Boss contin. 

12. Psalmodia Veter. Ecclesiae. 

13. Musicalia ad Chorum K Schützens in fol. 7 Bünde, 1648. d. 23. April 1655. 

14. Hammerschmieds Musikalische Gespräche über die Eyangelia 1. u. 2. Theil 
in 4*0, 9 Bünde, d. 23. April 1655. 

15. Ejusdem Fest-, Büß- und Danklieder mit 5 Yocalstimmen und 5 Instr. in 
4*0, 9 Partes; den 8. Oct. 1658. 

16. Neugepflantzter Thüringischer Lustgarten Erst und Ander Theil Joh. Rudolph 
Ahlens, 10 partes in foL 

17. Fest- und Danckandachten^ Christiani Sartor ij, 7 part. in fol. 1658. 

18. Briegels Eyangelische Gespräche Erst und ander theil in fol. de ao. 1660. 

19. Job.. Kudolph Ahlens Neugepflantzten Thüringischen Lustgartens Neben- 
gang. 

20. Briegels Musikalischer Kosengarten in fol. 

21. Hakemans geistliche Concert in fol. 

22. Sieben Stinmien Erster Theil geistlicher Harmonien v. Sam. Capricorno de 
ao. 1659 in 4*o. 



* Nr. 1 — 12 sind aus Lohr's musikalischem Nachlaß angekauft worden. 

'■^ H. L. V. Hasler: Concenius eccUsiastici 5. 6 et plur. voc, Augsburg 1596. 

3 Walther und Gerber kennen dieses Werk nicht. Vielleicht ist es identisch 
mit dem S. 167 unter Nr. 12 genannten, welches gewiß Lohr's Privateigenthum 
war und nach dessen Tode für die Notenbibl. mit angekauft wurde. 

* Vulpius: Canticum Mariae 5. 6 et plur. voc. Jena 1605. 

^ Vulpius: Opusculum novum selectissimarum cantionum sacrarum 4. 5. 6. 
7 et 8 voc. Erfurt 1610. 4. 

® Chr. Sartorius »Unterschiedlicher Teutscher nach der Himmelscron zie- 
lender hoher Fest und Dank- Andachten Zusammenstimmung etc.« Nürnberg 1658. 



170 



23. Zehen Stimmen Werneri Fabrlcii Geistliche Arien, Dialogen und Con- 
certen de ao. 1662. in 4^^. 

24. Zeutzschners Musikal. Kirch- u. Haußfreude in 4^, eilff Bfinde de ao. 1661. 

25. Crügeri Magnificat^ in 4to. 

26. Hammer Schmidts Kirchen Music in 4^. 

27. Hammerschmidts Missen, in 4^ (den 3. April 1663 erhandelt). 

28. Eilff Bände in 4to de ao. 1674, König Davids Göldnes Kleinod,» Const. Chr. 
Dedekind, dem Cantori übergeben den 20* Januar 1675. 

29. Ejusdem Musicalischer Jahrgang und Vespergesang, 3 Bünde in 4*0. 

30. Psalter Viti Dietrichs, Leipzig 1626, in 4^, d. 4. Decemb. 1675. 

31. Vollständiges Kirchen-Buch, darinn die Evangelia und Episteln, Leipzig 166S, 
in Verlegung Friedrich Lauckisch, d. 4. Decemb. 1675. 

32. Dreßdnisches Gesang-Buch, Dreßden 1656 in 4to., d. 4. Decemb. 1675. 

Bei einer Revision dei Notenkammer in der Kreuzschule 

im Jahre 1716 wurde noch gefunden: 

1. Ein geschriebener Foliante, Worinnen geschriebene Meßen von Thoma Gre- 
quillone, de ao. 1558. 

2. Ein dergl. großer Foliante in Schweinsleder, Worinnen allerhand lateinische 
Moteten und Hymni, mit 4 und 5 Stimmen, ohne Titul. 

3. Ein dergl. gedruckt von Orlando de Lasso, Pars IL 

4. Ein grüner Band mit einen Schweinsledernen Rücken, Auffs Weyhnacht-Festy 
mit 5 Stimmen, von Balthasar Siegfrieden, Cantore. 

5. Ein dergl. schwartzer Band in großen Format mit geschriebenen lateinischen 
Moteten von Lamberto de Fletu, Brandenburg. Musico, 1571. 

6. Ein schwartzer Band, in welchem die Aufferstehung und Fassion übern Johan- 
nem^ von Antonio Scandello, geschrieben, de ao. 1568. 

7. Ein dergl. die Passion Secun dum Lucam von Bartholomaeo Petermanno, 
geschrieben und geschenkt, de ao. 1598. 

8. Ein dergl. die Passion Secundum Johannem, geschrieben. 

. Neun Bände Lateinisch und Teutzscher concerten^ von Daniel Seelichen, 
Wolffenbüttelischen Capellmeistem, de ao. 1624. 

10. Fünff Bände in geschrieben Pergament, gedruckte Sonaten von Carlo Farina, 
Churfürstl. Sächß. Violinisten, de ao. 1626. 

11. Sieben Bände Geistliche ChorMusic^ von Heinrich Schützen, de ao. 1648. 

12. 9 Stimmen geistliche Concerten yon Johann Havemann, de ao. 1659. 

13. 6 Stimmen geistl. Concert-gewächse <) von Johann Rudolph Ahlen. 1663. 



1 Vielleicht: Meditationum musicarum Paradüum secundum, aus einigen nach 
den 8 Kirchentönen eingerichteten Deutschen Magnificat von 2 — 8 Stimmen be- 
stehend. 1626. 

2 Bei Walther und Gerber nicht angeführt. 

3 Bei Walther und Gerber nicht angeführt. 

< Vielleicht identisch mit dem S. 167 unter Nr. 10 genannten Werke. Nach 
Gerber wäre dies allerdings erst 1625 erschienen. 

& Wohl schon S. 169 unter Nr. 13 genannt. 

^ Ein Werk Ahlen's unter diesem Titel kennen Walther und Gerber nicht. 
Vielleicht ist damit der 1662 erschienene 3. und 4. Theil des »Neugepflantzten Thür. 
Lustgartens« gemeint, deren einzelne Nummern der Verf. »geistliche musikalische 
Gewächseo nennt. 



171 



14. 8 Bände gedruckte Concerten,^ Pars III von Heinrich Schützen de. ao. 1650. 

15. 3 geschriebene Stimmen von der Empfängniß und Oeburth Christi, geschrieben 
durch Eliam Gerlachen, ao. 1612 und 1613. 

16. 10 Stimmen Andreae Hammerschmidts Musicalischer Concerten 4. theil, 
Ao. 1648 vom Bathe angeschafft. 

17. Ein geschrieben Musicalisches Stück über den 150. Psalm, an der Rathswahl 
Ao. 1652 übergeben von Johann Klemm. 

18. Ein gedrucktes aus dem 149. Psalm, alß Ao. 1644 die neue Orgel in der 
Creutz-Kirche. eingeweihet worden, von Elias Eissbergen, damahligen 
Organisten. 

19. Ein gedrucktes Stück, Verleih uns Frieden,^ von Samuel Seideln, Cantorn 
zu Glasehütte, de Ao. 1646. 

20. 5 Stimmen Anderer Theil geistlicher Concerten von Heinrich Sagittario 
de ao. 1639. 

21. 8 Bände in geschrieben Pergament, gedruckte latein. Moteten von Caspar 
Vincenz de ao. 1611. 

22. 4 Bände Teutzsche Psalmen und Geistliche Gedruckte Lieder, 3. Theil von 
Michael Praetor io, Capellmeistern, de ao. 1607. 

23. 7 Bände Lateinische u. Teutzsche Moteten, gedruckt, von ermeldten Praetorio. 

24. 9 Bände Caspar Horns Geistliche Harmonie^ de ao. 1680. 

25. 5 Bände Latein. Moteten in roth Pergament von Heinrich Sagittario de 
ao. 1625. 

26. 5 Bände Gedruckte Latein. Moteten von Johann Donfrieden, de ao. 1627. 

27. 5 Bände in blau Pappier Cantiones Sacrae* von Heinrich Sagittario de 
ao. 1625. 

28. 6 Bände Erster Theil Teutzscher Geistlicher Madrigalien von Johann Klem- 
men Hoffe Organisten, de ao. 1629. 

29. Ein altes Gesang-Buch in Schweinsleder mit Noten de ao. 1614, von E. E. 
Bath angeschafft, ohne Titul. 

30. Das Dreßdnische Hoffe- Gesang-Buch in Schweinsleder gebunden, de ao. 1676. 

31. 13 Bände Andreae Hammerschmidts Latein. Meßen^ de ao. 1663. 

32. 9 Bände Andreae Hammerschmidts Kirchen- und Taffel-Music, de ao. 
1662. 

33. 8 Bände Latein. Motetten von Hieronymo Praetorio de Ao. 1607. 

34. 6 Bände Auserlesene Spruche aus denen Evangelien von Christoph Deman- 
tio, de ao. 1610. 

35. 6 Bände Hammerschmidt 's Dialogi oder Gespräch zwischen Gott und einer 
gläubigen Seele. 

36. 6 Bände in Schweins-Leder, Latein. Moteten von Johann Montano, 1558. 

37. 8 Bände schwartz, mit Schweins Ledernen Bücken, Lateinische Moteten von 
Jacob Handl. 

38. 5 Bände in Schweins-Leder, Lateinische Moteten von Johann Seinern, 1557. 



i Symphoniae Sacrae. 3. Theil. Dreßden 1650. (?) 

^ Bei Walther und Gerber nicht aufgeführt. Das früheste von ihnen ge- 
nannte Werk dieses Komponisten stammt aus dem Jahre 1657. 

3Joh. Caspar Hörn: »Geistlicher Harmonien Winter- und Sommertheil 
über die Evangelia von 4 Stimmen, nebst 2 Violinen, 2 Braccien u. G. B.« 2. Aus- 
gabe. Dresden 1680 und 81. 4. 

* Identisch mit dem S. 168 unter Nr. 10 genannten Werke (?). 

5 Nr. 31 u. 32 identisch mit den S. 170 unter Nr. 27 u. 26 genannten Werken. 



172 



39. 4 Bände in grün Pergament, Latein. Moteten, Ton Jacobo Begnart, 1577. 

40. 4 Bände in Schweins-Leder, Latein. Moteten de ao. 1553. 

41. 6 Bändein roth Pergament, Lateinische Moteten von Alexandro Vttendal, 
de ao. 1571. 

42. Die Passion in Compendio, secundum Matthaeum, Marcum und Johannem in 
groß Quart und schwartz Leder eingebunden. 

43. in Quarto und schwartz Leder eingebundene Bücher, in welchen gedruckte 
Magnificat befindlich, Autore Christophoro Demantio. 

Außer diesem Notenbestande wurde dem Kantor Homilius im 

Jahre 1755 noch übergeben: 

3 Trompeten, ein paar Kessel Pauken, 2 Q-Hörner, 2 große Violon, 2 Violon- 
cello, 3 Violen, 8 Violinen, 2 Fleutes douces, 1 Clavicympel und andere Oer&th- 
schaften. 



»Obspecificirte Musicalische Instrumenta, Stimmen und andere Geräthschafften 
sind am 19. July 1760 bey Einäscherung der Creutskirche gleichfalls mit yerlohren 
gegangen «. 



Berichtigungen. 

S. 40 Zeile 4 von unten lies »Johannem« statt «Johannum«. 
S. 61 Zeile 1 von unten (Anm. 3) lies statt »24 S. 9« »S. 249»<.