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Full text of "Das Narrenrad : Album fröhlicher Radfahrbilder"

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in  2015 


https://archive.org/details/dasnarrenradalbuOOfein 


Das 

Narrenrad 


Album 

fröhlicher 

Radfahrbilder. 


ILLUSTRATION  EN 

von 

Lyonel  Feininger,  Ernst  Heilennann,  Knut  Hansen,  Edm.  Fürst,  Wilh.  Schulz,  Edmund  Edel,  Carl  Schnebel. 


Herausgegeben  vom  Verlag;  ,,Das  Narrenschiff"  Berliner  Illustrierte  Wochenschrift 
Carl  Predeek  &  Co.,  Berlin  S.14. 


DRUCK  VON  OTTO  ELSNER,  BERLIN  S.  42. 


DEM   DEUTSCHEN  RADFAHRER-BUND 
GEWIDMET. 


Geliebte  Radelschwestern  und  -Brüder! 


Der  Narr  gehört  zur  Radelei, 
Sowie  das  Radeln  zum  Narren; 
Drum,  wer  ein  rechter  Narre  sei, 
Der  soll  Bicycle  fahren! 

Soll  schwingen  sich  in  den  Sattel  frisch 
Und  durch  die  Felder  sausen  — 
Er  wird  nachher  beim  vollen  Tisch 
Fürwahr  nicht  übel  hausen. 


Dass  jeder  Narr  'ne  Närrin  braucht, 
Weiss  man  doch  ganz  alleine  — 
Am  besten,  wenn  der  Maiwind  haucht, 
Sucht  männigUch  sich  eine. 

Das  Tandem  wartet  vor  der  Thür  — 
Noch  kannst  du's  überlegen! 
Mein  teurer  Freund,  ich  rate  dir, 
Bedenk's  —  vielleicht  kommt  Regen! . . 


Herr  Gott,  war  das  erst  ein  Malheur, 
Wenn  'n  Mädel  stieg  auf's  Rädchen; 
Heut  radeln  Junge  und  Alte  noch  mehr 
Und  zeigen  erfreuliche  Wädchen. 

Ob  Rock,  ob  Hose,  das  ist  schwer 
Für  die  Damen  zu  entscheiden  — 
Ich  glaube,  wenn  ich  Schiedsrichter  wär', 
Ich  verordnete:  keins  von  beiden! 


Das  Rad  in  der  Strasse,  das  ist,  o  Graus! 
Eine  brennende  Frage  seit  Jahren  — 
Jüngst  haben  zwei  Radler  vor  meinem  Haus 
Einen  Rollwagen  tot  gefahren. 

Ja,  ja,  solch'  Radler  ist  ein  Gauch, 
Mit  dem  hat  man  nirgends  Erbarmen; 
Fragt  nur  den  Herrn  von  Stubenrauch 
Und  seine  Landgensdarmcn  I 


Und  doch  blüht  unser  edler  Sport, 

Wie  'ne  japan'sche  Aster, 

Ist  gar  nicht  schwierig  zu  lernen,  auf  Wort 

Nur  kost'  er  'ne  Menge  Zaster. 

Und  will  es  manchem  Kronensohn 
Auch  langsam  nur  gelingen  — 
Nicht  jeder  kann  es  zum  »Champignon« 
Und  Meisterfahrer  bringen. 

Doch  eines  jeder  muss  und  kann  — : 
Vor  dem  »auf's  Rädchen  klettern«, 
Muss  jeder  brave  Radlersmann, 
Erst  kräftig  einen  »schmettern«! 

Und  steigt  er  nachher  wieder  ab, 
So  kann  er's  wiederholen, 
Es  sei  ihm  Rotwein,  nicht  zu  knapp, 
Und  etwas  Sekt  empfohlen. 

Warum  ich  all'  das  sagen  muss. 
Ach,  fragt  doch  nicht  so  schändlich! 
Ich  mach'  mit  meinem  Kunsterguss 
Die  Sach'  euch  erst  verständlich! 


Die  Bilder,  die  Freund  Lyonel 
Gezeichnet  euch  zum  Frommen, 
Die  sollen  danach,  meiner  Seel', 
Viel  besser  euch  bekommen! 


Das  Narrenrad  mit  seinem  Witz 
Soll  euch  fein  lustig  machen, 
Glaubt  mir,  das  Flennen  ist  nicht  nütz', 
Es  wird  euch  lehren  lachen!! 


Und  wenn  ihr  noch  so  lebenssatt, 
Kommt,  radelt  ein  paar  Runden! 
Mit  seinem  Witz  das  Narrenrad 
Lässt  sicher  euch  gesunden! 

Heil!  Heil: 


Der  Radnarr. 


J 


Hundertneunzig  Kilometer  Da,  ein  tück'scher  Stein  inmitten  Und  seitdem  hab"  ich's  getragen, 

Haspelte  ich  auf  dem  Rad,  Der  Chaussee,  auf  einmal  krach  1  Heimatwärts  bei  20  Grad 

Weit  berühmt  als  strammer  ,, Steher"            Ich  lag  da,  wie  eine  Padde,  Ach  ich  wollt',  ich  war'  ein  »Flieger«  — 

Fuhr  ich  eine  dolle  Naht.  Und  das  dumme  Rad  zerbrach.  Doch  am  liebsten  ohne  Rad. 


Meine  erste  Radeltour. 

Eine  gemütliche  Geschichte  von  Hans  Hyan. 


Es  war  'ne  ziemlich  merkwürdige  Sache  mit  meinem 
Rad  — 

Erstens  wollte  ich  mir  gar  keins  kaufen,  aber  ich  kaufte 
doch  eins,  weil  mein  Freund  Müller  wollte,  der  auch  eins 
hatte;  und  dann  wurde  es  mir  am  zweiten  Tage  gestohlen, 
und  wie  ich  es  wieder  bekam,  da  war  es  garnicht  meins! 
Und  dann  kam  der  andre,  dem  es  gehörte,  und  weil  ich's 
ihm  nicht  geben  wollte,  musst'  ich  auf  die  Polizei  und  da 
war  meins!  Und  da  bekam  ich  es,  aber  es  war  entzwei,  und 
weil  ich  keinen  Garantieschein  hatte,  musste  ich  über  dreissig 
Mark  Reparaturkosten  bezahlen.  —  — 

Lehrbahn  und  sowas  gab  's  natürlich  nicht.  Eines 
Abends  führte  ich's  raus  in  son'ne  recht  menschenleere  Strasse 
und  hopste  in'n  Sattel.  Schwupp!  da  lag  ich  wieder  unten. 
Bios  die  Nase  und  die  Hosen  waren  'n  bischen  zerschunden. 

„Ihr  Schimmel  hatt  Ihn'  woll  abgeschmissen,"  fragte  ein 
freundlich  vorübergehender  Urberliner. 

„Jiebts  ja  janich!"  erwiderte  ich  so  recht  vornehm. 

Na,  ne  ganze  Zeit  lebten  wir  im  beständigen  Kampf, 
das  Rad  und  ich.  Aber  schliesslich  kriegte  ich  »ihm«  unter 
und  fuhr  unter  Vermeidung  sämtlicher  Bordschwellen  'ne 
ganz  hübsche  gerade  Linie  und  manchmal  machte  ich  sogar 
'ne  Kurve. 

Müller  meinte,  ich  sollte  mich  man  immer  melden,  in 
Halensee,  für's  nächste  Frühjahr  zum  Rennen! 

Nu  planten  wir  eine  Partie  nach  Schmöckwitz.  Aber 
Müller,  der  die  Idee  zuerst  hatte,  konnte  nachher  nicht  mit, 
vonwegen  »dem  Affen«,  den  er  sich  bei  dem  Frühstück  ge- 
kauft hatte,  das  ich  zur  Feier  des  Tages  gab.  Also,  so 
leid  es  mir  that,  ich  musste  'n  distancieren  und  er  blieb 
denn  auch  richtig  bei  Muttern. 

Ich  selbst  fuhr  los  und  konnte  mich  garnicht  genug 
wundern  über  die  fortwährenden  Kurven,  die  ich  heut  ganz 


ohne  Anstrengung  machte;  im  Gegenteil,  ich  konnte  garnicht 
anders,  als  fortwährend  Kreis  fahren. 

In  der  Wallstrasse  rutschte  'n  Taxameter  langsam  vor 
mir  her.  „Na,"  dacht  ich,  „den  überradelste."  Aber  plötzlich 
muss  er  woll  ausgeschlagen  haben  mit's  linke  Hinterrad, 
denn  ich  lag  da,  mitten  auf  der  Strasse.  Zwei  warmherzige 
Berliner  Strassenreinigungsbeamle  fegten  mich  ein  bischen 
ab,  dann  fuhr  ich  unter  dem  ungeteilten  Beifall  eines  zahl- 
reich erschienenen  Publikums  möglichst  rasch  weiter. 

Ich  hatte  noch  ein  Besorgung  in  der  Brückenstrasse.  und 
wie  ich  die  besorgt  hatte  und  eben  wieder  weiter  strampelte, 
sah  ich  auf  der  Plattform  eines  Pferdebahnwagens  eine  mir 
bekannte  junge  Dame  stehn.  Ich  beschloss,  sie  zu  grüssen, 
und  löste  deshalb  vorsichtig  die  rechte  Hand  von  der  Lenk- 
stange —  —  oh,  es  ging  vortrefflich!  Die  Holde  spendete 
mir  auch  sofort  ein  zart  eiTÖtendes  Lächeln  und  im  eleganten 
Spurt  sauste  ich  vorbei.  Da  —  welch'  eine  Verrücktheit, 
Pferdebahnschienen  zwischen  das  Pflaster  zu  pressen!  —  mein 
Vordergummi  sass  in  der  Falle  und  eine  Sekunde  später  lag 
ich  abermals  im  —  Schmutz. 

Leicht  hätte  ich  bei  dieser  Gelegenheit  meine  Rad-,  so- 
wie meine  irdische  Laufbahn  überhaupt  beschliessen  können, 
aber  die  Berliner  Pferde  sind  eigentlich  Pferde  im  besseren 
.Sinne  und  so  wichen  denn  auch  diese  beiden  von  ihrem  ge- 
wohnten Wege  einen  Augenblick  ab  und  gaben  mir  Ge- 
legenheit, noch  im  letzten  Moment  nach  rechts  hinüber  zu 
voltigieren. 

Dort  fand  ich  mein  Rad  wieder,  nur  die  rechte 
Pedalstange  war  'n  bischen  stark  verbogen.  Ich  ver- 
suchte, so  zu  fahren,  doch  es  ging  nicht.  Aber  dank  dem 
berechtigten  Aufsehen,  das  auch  dieser  zweite  »Fall«  bei 
der  Bevölkerung  erregte,  wurde  mir  bald  geholfen.  Ein 
Schusterjunge  trat  unter  einigen  sehr  trefifenden  Bemerkungen, 


wie  „Verdammte  Zicke,  wisste  ufT!"  oder  ,,Na  watte,  dir 
wer'k  ma'  ontlich  de  Eisbeene  knicken !•'  so  lange  auf  das 
verbogene  Pedal,  bis  er  das  sogenannte  europäische  Gleich- 
gewicht wieder  hergestellt  hatte.  Dann  fuhr  ich,  von  brau- 
senden »Hurrahs!«  begleitet  und  dem  Aussehen  nach  einem 
Torfbauer  nicht  unähnlich,  weiter. 

Mittlerweile  war  mir  der  Kopf  sehr  klar  geworden. 
Der  Dunst  des  Hennessy-Cognacs  war  durch  die  verschiedenen 
Stürze  gleichsam  pneumatisch  aus  meinem  Schädel  heraus- 
gepresst  worden. 

Im  übrigen  regnete  es. 

Und  der  Regen,  immer  stärker  und  slrippenförniigcr 
lierniederrauschend,  licss  niedliche  Schmulzbächlein  an  meinem 
Corpus  herunterradeln.  Aber  auf  der  Köpenicker  Landstrasse 
ging  es  trotzdem  recht  flott  vorwärts,  nur  begann  ein  ge- 
wisser, unaussprechlicher  Teil  meines  Körpers  sich  mehr  und 
mehr  schmerzlich  berührt  zu  fühlen. 

Vor  Niederschönweide,  bei  dem  allen  Berliner  Radlcrn 
so  wohlbekannten  .Sieuerhäuschen,  veränderte  sich  die  Situation 
in  der  denkbar  unvorteilhaftesten  Weise. 

Von  der  Chaussee,  die  einem  mit  Steinen  durchsetzten 
Morast  verzweifelt  ähnlich  sah,  abbiegend,  schlängelte  ich 
mich  auf  dem  Pseudoblankett  zur  Rechten  in  den  schönsten 
Schlangenwindungen  um  die  Chausseebäumchen  herum.  Diese 
hinwieder  flankierten  einen,  an  jenem  Tage  wenigstens,  mit 
Wasser  gefüllten  Craben  —  —  — 

Warum   sollte   ich    lügen?!    Es  dauerte  wirklich  keine 
zwei  Minuten,   da  ritt 
ich  mein  Stahlross 
unfreiwillig  in  die 
.Schwemme. 

„Ihnen  ist  wolil 
recht  heiss?-'  fragte 
mich  der  liebevoll  aus 

seinem  Fenster 
blickende  Zolleinneh- 
mer,   „aber    ihr  Rad 
wird  sich  erkälten  1" 

,,Mög'  Ihnen  der  Teu- 
fel, .Sie  edler  Jreis, 

,,Die  Sorge  um  niich 
vergelten  1 1" 

schnautzte  ich  den  herz- 
losen Spötter  poetisch 
an  und  fuhr  dicht  hinter 
dem  Zollhaus  auf  dem 
Kussweg. 


,,Doch  das  Schicksal,  rauh  und  kalt, 
„Packt  mich  in  ("lendarmsgestalt" 
und    schon    wurde   ich   aufgeschrieben.     Als  erschwerender 
l'mstand   galt  es  dem  Manne  des  Gesetzes,   dass  ich  noch 
immer  \erbummclt  hatte,  mir  eine  Radfahrkarte  zu  besorgen. 

,,Und  weiter  fuhr  ich  die  Strass'  entlang,''  da  holte  mich 
eine  Radlerin  ein,  die  nach  Adlershof  wollte. 

.Sie  fuhr  der  grösseren  -Sicherheit  wegen  ein  Dreirad 
und  war  ihres  Zeichens  .Schneiderin  und  stand  im  besten 
Mannesalter. 

In  schwarzes  Wachstuch  verpackt,  schwankte  hinter 
ihrem  umfangreichen  Gesäss  ein  noch  umfangreicherer  Carton, 
in  dem  sich,  wie  sie  mir  freunduillig  erzählte,  ein  Braut- 
kleid befand. 

.Sie  erwähnte  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  auch  sie  noch 
ledig,  jedoch  ebenfalls  nicht  abgeneigt  wäre,  sich  dem  Tan- 
dem der  Ehe  anzuvertrauen  —  — 

Die  Droschke  und  die  Pferdebahn  hatten  mich  erschreckt, 
aber  ich  hatte  der  (lefahr  trotzig  die  .Stirn  geboten  —  hier 
))ackte  mich  das  blasse  Entsetzen  und  gruss-  und  wortlos 
strampelte  ich  vön.  dannen. 

,,Mcin  Herr!  mein  Hcrrl"  hörte  ich  die  furchtbare 
.Stimme  hinter  mir,  ,,abcr  so  warten  .Sie  doch!  Ich  komme 
ja  mit!!" 

Und  ich  vernahm,  wie  die  Räder  des  Tricycles  wiit- 
knirschend  durch  den  Kiessand  brachen.  Aber  mein  Renner 
war  doch  schneller,   schon  hatte  ich  Adlershof  überwunden, 

allerdings  nicht,  ohne 
auf  dem  regennassen 
.'\sphalt  beim  Jiahnhof 
zweimal  erheblich  aus- 
geglitten zu  sein. 

Inzwischen  senkte 
die  Nacht  ihre  soge- 
nannten Fittiche  herab. 

Mein  Kneifer,  vom 
Regen  in  ein  Pincenez 
mit  Marienglas  ver- 
wandelt, täuschte  mich 
fortwährend  über  Weg 
und  .Steg  und  ich  hatte 
eigentlich  weiter  nichts 
zu  thun,  wie  auf's  Rad 
zu  steigen  —  wahr- 
haftig! diese  Bestie 
duldete  mich  nie  län- 
_gcr,  als  fünf  Minuten 
im    Sattel.  Dreimal 


4 


Heimkehr  von  der  Arbeit. 


noch  lag  ich  im  Graben  und  zweimal  rannte  ich,  den 
Wald  vor  Bäumen  nicht  erkennend,  sehr  schmerzhaft  gegen 
die  braunen  Stämme  der  Föhren. 

Die  Chaussee  zog  sich  endlos  hin. 

Bevor  ich  in  die  Waldbahn,  die  nach  Schmöckwitz  führt, 
einbog,   rief  mir  ein  entgegenkommender  Sportsgenosse  zu: 
„Achtung!    Im  Walde  liegen  Zigeuner!" 
!  —  Zigeuner!  —  —  — ! 

Mein  Herz  schlug  höher.  Ich  sah  sie  vor  mir,  diese 
braunen  Gesellen,  die  so  gerne  Kinder  stehlen  und  von  denen 
man  sich  erzählt,  dass  sie  ihre  Schwiegermütter  lebendig 
begraben  —  welch'  harte  Strafe  selbst  für  eine  Schwieger- 
mutter! .  .  Melodien  aus  der  Oper  »Carmen«  vermischten 
sich  in  mir  mit  der  bangen  Frage: 


„Werden  sie  dir  auch  nichts  thun?!" 

Ich  stieg  ab,  nahm  den  Schraubenschlüssel  aus  der 
Satteltasche,  wobei  ich  meine  Oelkanne  verlor,  und  das 
»Mordwerkzeug«  fest  zwischen  die  Zähne  klemmend,  fuhr 
ich  —  haste  nich  gesehn!  —  drauf  los. 

Der  Himmel  schwamm  in  dunklen  Wolken.  Trotzdem 
bemerkte  ich,  näherkommend,  an  der  Seite  der  Strasse  eine 
förmliche  Wagenburg.  Da  flackerte  auch  etwas  zwischen  den 
Stämmen  —  ein  Feuer,  Eine  ganze  Bande  musste  es  sein, 
die  da  lagerte.  Eine  Meute  von  Hunden  empfing  mich  mit 
wütendem  Gebelfer.  Auch  das  noch!  Diese  verfli.xten  Köter 
hatten  es  von  jeher  auf  meine  Waden  abgesehen!  Ich  glaube, 
ich  habe  nie  in  meinem  Leben  solche  Angst  ausgestanden! 
Und,   nebenbei  bemerkt,    Arend   oder   sonst   einer  unserer 


Phi  lister. 


„Schkandal!  Entsetzlich!" 

Die  Olle:  „Na,  thu'  man   nich   so,  Vater,   du  brauchst  ihr  ja  nich  so  nachzukieken,  wo  der 
Junge  dabei  steht  —  —  — " 


—    6  — 


Lehmann  und  Frau. 


besten  »Flieger«  kann  das  nicht  leisten,  was  mir  in  jenem 
Augenblick  die  Furcht  ermöghchte.  Wie  ein  Nachtgespenst 
stob  ich  daherj  ....  auf  einmal  bekam  ich  einen  fürchter- 
lichen Stoss  und  lag,  halb  entseelt,  auf  einem  quietschenden 
Köter.  Sofort  wimmelte  es  um  mich  von  dunklen  Gestalten. 
Ich  dachte  „jetzt  hat's  geschnappt!"  und  ergab  mich  in 
mein  Schicksal. 

Ueber  mir  schwatzten  die  braunen  Knaben  wie  die 
Elstern.  Natürlich  verstand  ich  kein  Wort.  Da  sie  wohl 
glaubten,  ich  wäre  schon  »fertig«,  packten  mich  zwei  bei 
den  Beinen  und  einer  an'  Kopp  und  trugen  mich  dahin,  wo 
das  Feuer  flackerte 

Ich  dachte  „quält  euch  man  auch  'n  bischen,  ich  habe 
mich  lange  genug  abgestrampelt!"  und  machte  keinen  Mucks. 

Am  Feuer  sassen  verschiedene  Damen,  eine  immer 
schöner  als  die  andere,  und  wachten  über  einen  Kessel,  der 
mächtig  brodelre  und  dampfte.  Dem  Duft  nach  gab  es 
geschmorten  Ami. 

Nu  fingen  sie  da  an,  allen  möglichen  Knaatsch  mit  mir 
zu  machen,  und  eine  Olle,  die  wirklich  polizeiwidrig  hässlich 
war,  wollte  mir  irgend  solche  höllische  Latwerge  eintrichtern. 

„Jetzt,"  dacht'  ich,  „jetzt  is  Zeit!"  und  gab  Laut. 

Sofort  waren  sie  wieder  alle  um  mich  rum  und  freuten 


sich  wie  die  Schneekönige.  Und  da  sah  ich  denn  auch  eine, 
die  wirklich  nicht  so  übel  war.  »Minka«  hiess  sie  und  war 
eigendich  Hundedresseurin.  Ich  fragte  sie  nachher,  ob  sie 
den  Ami,  der  sich  im  Kessel  wälzte,  auch  dressiert  hatte,  und 
da  lachte  sie ,  dass  ihre  weissen  Beisser  man  so  blitzten  — 
wirkHch,  es  war  'n  nettes  Kind  und  ihretwegen  wäre  ich  ganz 
gerne  dem  Verein  beigetreten,  wenn  ich  nur  nicht  gleich 
nachher  solch  eigentümliches  Jucken  und  Beissen  verspürt 
hätte.  Ich  dachte  erst,  ich  hätt's  Nesselfieber,  aber  es  stellte 
sich  heraus,  dass  es  was  ganz  andres  war  .  .  .  .! 

Schliesslich  bettelten  sie  mich  einer  nach  dem  andern 
an  und,  gute  Miene  zum  bösen  Spiel  machend,  wurde  ich 
so  ziemlich  alles  los,  was  ich  bei  mir  hatte.  Sie  boten  mir 
auch  ein  Nachtlager  an,  aber  das  lehnte  ich  aus  den  diver- 
sesten Gründen  kurzweg  ab.  — 

Ich  kletterte  also  wieder  auf  meinen  Schlitten  und  langte 
in  vollster  Dunkelheit  in  Schmöckwitz  an.  Nur  fünf  und 
eine  halbe  Stunde  hatte  ich  von  Berlin  aus  dazu  gebraucht 

—  ein  hübscher  Rekord,  was? 

In  Schmöckwitz  schlief  und  ass  ich  sehr  schlecht  und 
war  nachher  acht  Tage  lang  unfähig,    auf's  Rad  zu  steigen. 

—  Das  war  meine  erste  Radeltour  .  . 


—    7  — 


Bergab. 


„Lieber  Gott,  lass  es  nur  noch  dies  eine  Mal 
gut  ablaufen!  Wir  wollen  es  ja  auch  nie  wieder  thun!" 

—  8 


Strampelode 

\'oii  l'eter  Hille. 

Weil  das  Strampeln  so  in  Mode, 
Sing'  ich  eine  Strampelode, 
Weil  das  Strampeln  so  in  Schwung 
Setz'  ich  dich  in  Saus  und  Schwung, 
Zweirad  der  Begeisterung! 

Der  Most  fährt  in  die  Räder  nun. 
Die  Waden  wollen  nicht  mehr  ruhn. 
Es  strampelt  Alt,  es  strampelt  Jung 
In  himmlischer  Begeisterung. 

Das  Strampeln  ist  des  Mannes  Lusi, 

Das  Strampeln. 
Der  muss  nicht  recht  bei  Groschen  sein, 
Dem  niemals  fiel  das  Strampeln  ein, 

Das  Strampeln. 

Das  Strampeln  ist  des  Weibes  Lust, 

Das  Strampeln. 
Migräne,  Nerven,  Launen  all, 
's  ist  eine  Lust,  den  ganzen  Schwall 

Vertrampeln. 

Das  Strampeln  ist  Pennälers  Lust, 

Das  Strampeln. 
Denn  im  Poussieren  holt's  den  Preis, 
Geht  über  Tanzen,  über  Eis, 

Das  Strampeln. 

Da  hat  man  keine  Aufsicht  nicht. 
Und  übt  vergnügt  auch  Ritterpflicht, 
Stäubt  ab  der  Hosen  weiten  Pump, 
That  mal  die  F'lamme  einen  Plump 
Beim  Strampeln. 

Das  Strampeln  ist  des  Wirtes  Lust, 

Das  Strampeln. 
Er  lüpft  den  Petzel,  ruft  juchhei. 
Saust  blitzend  an  die  Radierreih'. 
Bringt  Bier  herbei.    Bringt  Wein  herbei! 

Gut  Heil!  Juchhei! 

.•\ch,  nun  wird's  dem  Fetten  leicht! 
Jedes  Asthma  wird  erweicht. 
Rüstig  wird,  was  sonst  marode. 
Wer  zu  Rad,  entflieht  dem  Tode  — 
Dieses  ist  die  Strampelode!  —  —  — 

 =.^=  


—    9  — 


J{ad!ers  t^erbsfUed. 


Stell'  auf  den  Rodert  die  Velocipeden, 
Ventilschlauc^  leg'  und  gummikitt  dabei, 
Und  lass  uns  jetzt  nicht  mehr  vom  Radeln  reden 
Wie  einst  im  ßai!  

T}örsi  du  den  fperbstwind  an  den  fenstern  rasseln? 
Selbst  auf  der  Sehrbahn  ruht  die  t^ade.'eif 
Qenug  Jetj?f,  Weib!  Wir  wollen  weif  er  quasseln 
Jm  nächsten  ßai  .  .  im  nächsten  Jyfaif  —  —  — 


(frei  nach  <^i!m.J 

i^eich'  mir  das  Öel.  dass  ich  das  £ager  fette, 
J)amit  es  vor  dem  /Josten  sicher  sei, 
j)enn  schmierst  du's  nicht,  dann  quietscht  die  alte  )(efte 
Wie  einst  im  ßai!  —  


_    10  — 


—  11  — 


Ein  Blitzstrahl. 

Der  Morgen  schon  war  drückend  heiss, 
Schwül  war  die  Sommernacht  g-ewesen  — 
Ich  wünschte,  ein  Gewitter  kam', 
Dass  mich  ein  Blitzstrahl  möcht'  erlösen!  - 

Erlösen  von  der  roten  Oual 

Die  ohne  Worte  ich  getragen  — 

Ach  schlafen,  schlafen!  —  Nur  nicht  mehr 

Dies  marterv'olle  Grübeln,  Fragen!  .  . 

Die  Morgensonne  kam  herauf 

Und  sandte  Feuerflammen  nieder, 

Vor  meinem  Fenster  duftete 

So  schwül  und  süss  der  weisse  Flieder. 

Und  ich  sprang  auf     In  meiner  Not 
Beschloss  ich,  alles  heut  zu  wagen  — 
Es  sollte  dieser  Tag  den  Tod 
Oder  das  Leben  mit  sich  tragen!  .  . 

Im  tau'gen  Garten  fand  ich  sie 
Mitten  im  Duft  der  Sommerblumen, 
Zerbröckelnd  in  der  weissen  Hand 
Nachdenklich  dunkler  Erde  Krumen. 


O,  wie  mein  Herz  da  niederfiel, 
Wie  meine  Seele  sie  umfasste! 
Und  wie  ich  voller  Leidenschaft 
Den  andern,  ihren  Gatten,  hasste. 

Ob  sie  wohl  an  den  Fernen  denkt?  — 
Sie  sah  mich  an,  so  still  versonnen  — 
Noch  war  er  fort  —  doch  wenn  er  kam' 
Zurück,  eh'  ich  sie  mir  genommen.-^!  . 


Der  „Champignon". 


_    12  — 


„Wirst  du  diesen  Sommer  ^nicht  verreisen?" 

—  „Ja,  eigentlich  wollten  wir  hier  eine  Sommerwohnung  mieten,  aber  alle  Verwandte  und  guten 
Freunde  versprachen,  uns  dann  jeden  Abend  per  Rad  zu  besuchen;  —  da  wollen  wir  doch  lieber  mit 
den  Kindern  nach  St.  Moritz  gehen!"  — 


,,Nein!  nein!"  Ich  drängte  kaum  den  Schrei 
Hinab,  eh'  er  dem  Mund  entflohen  — 
Und  ihr  errötendes  Gesicht 
Senkt'  sie  vor  meiner  Äugten  Lohen. 

•_> 

„'s  is'  schon  recht  warm,"  sie  sagt  es  leis, 
Mochte  wohl  nicht  den  Blick  erheben, 
Und  spielend  nahm  ich  ihre  Hand 
Und  selig  spürte  ich  ein  Beben. 


,,Wir  fahren  hinüber  in  den  Wald, 
Dass  er  uns  vor  der  Sonne  schütze  — " 
,,»Nach  Tisch?«"  ,,Ach  nein,  Frau  Meta,  bald, 
Dort  ruh'n  wir  in  der  grossen  Hitze." 

Sie  zögerte,  ich  aber  zog 

Schnell  aus  dem  kleinen  Stall  die  Räder, 

Und  wenig  später  sassen  wir. 

Im  Sportkostüm,  im  Sattel  jeder. 


—    13  — 


,,Sie  fahren  vor?"  Sie  nickte.  Ich 
Verschlang  sie  fast  mit  meinen  Blicken. 
Durch  niedVe  Birken  ging's.    Sie  rief 
Bei  jedem  Ast  ein  freundlich:  Bücken!" 

Und  endlich,  endlich  war  sie  mUd\ 
Da  ruhten  wir  im  grünen  Moose. 
Sie  lächelte.     Ihr  Angesicht 
Erglüht,  wie  eine  junge  Rose. 

Jetzt  oder  niemals  1  Ich  ergriff 

Ihr  Händchen  und  versucht'  zu  sprechen]^ — 

Da  plötzlich  schien  es  uns,  als  wollt' 

Ein  Untier  durch  die  Büsche  brechen. 

Ein  Windstoss  war's.    Am  Himmel  droht 
Gleich  einer  Faust  es  schwarz  und  finster; 
Die  Bäume  rauschten  und  es  schwankt 
Zu  unserm  Fuss  der  gelbe  Ginster. 

,,Ouand  memel  Ich  muss  es  Ihnen  sagen, 
I'Vau  Meta,  was  ich  hab'  ertragen, 
Wie  air  mein  Leben  Oual  gewesen!  — 
O  möcht'  ein  Blitzstrahl  mich  erlösen!" 

Sie  schwieg,  bis  wieder  ich  begann: 

„O,  Meta,  seit  ich  dir  begegnet. 

Seit  in  dein  Auge  ich  geseh'n. 

Weiss  ich  nicht  mehr  —  — "  Sie  sprach: 

,,Es  regnet." 


Und  in  der  That,  auf  Blüt'  und  Blatt 
Die  schweren  Regentropfen  fielen. 
Und  sie  fuhr  fort:  ,, Pardon,  mein  Freund, 
Doch  glaub'  ich,  dass  wir  uns  verkühlen. 

Wenn  wir  noch  länger  hier  am  Ort 
So  ohne  Regenschirm  verweilen. 
Wir  thäten  gut,  wir  führen  fort 
Und  würden  uns  etwas  beeilen." 

Ich  sah  sie  an.     Ihr  heller  Blick 
War  rein  und  ohne  Hinterhalten 
,,Ganz  recht,  Madame,"  erwiderte  ich, 
Und  eilte,  ihr  das  Rad  zu  halten. 

Und  wieder  fuhr  sie  vor  mir  her 
Und  ich  bewunderte  die  Formen 
Des  schlanken  Leibes,  wie  vorher, 
Nur  unter  etwas  andern  Normen. 

Beim  Bahnhof  mussten  wir  vorbei. 
Soeben  Hess  auch  nach  der  Regen. 
Grad  hielt  ein  Zug.    Dort  kam  ihr  Mann 
Hutschwenkend,  freundlich  uns  entgegen. 

,,Bonjour,  mein  Herz!"  Sie  küssten  sich 
Wie  zwei  verliebte  Ehegatten, 
Und  ich  —  —  mein  Gott,  ich  stand  dabei. 
Bis  sie  genug  geküsst  sich  hatten  .... 

R  i  d  e  n  s. 


—    14  — 


—    15  — 


Hochsommer. 


Von  Marie 

„Soll  ich  jetzt  die  Wege 
ausstechen,  Fräulein  Martha?" 

„Nein,  graben  Sic  lieber 
das  Beet  hier  um,  die  Wege 
mach'  ich  mir  selber!" 

Gehorsam  kam  er  die 
schmale  Furche  zwischen  den 
Beeten  herab,  stieg  vorsichtig 
über  den  Rand,  um  die  dort 
angepflanzten  Erdbeeren  nicht 
zu  zertreten,  und  blieb  einen 
Augenblick  bei  ihr  stehen,  die 
mit  einer  kleinen  Schere  die 
Pflanzen  von  ihren  wilden 
Trieben  befreite. 

Sie  beugte  sich  ein  wenig 
tiefer  und  sagte  mit  einem 
Anflug  von  Gereiztheit: 

„Was  wollen  Sie  denn? 
—  —  Sollen  denn  die  Leute 
über  uns  reden,  wenn  sie 
uns  hier  so  dicht  beieinander 
sehn?!  —  — " 

Und  er  fand  nicht,  was  er 
ihr  erwidern  sollte.  Aber 
seine  tiefe  Stimme  zitterte, 
als  er  leise  ihren  Namen  aus- 
sprach : 

„Martha  —  —  — " 
Die  Sonne  brannte  schon, 
trotz  der  frühen  Tageszeit.  Sie 
brannte  auf  den  weissen 
Florentinerstrohhut,  der  ihm 
ihr  Angesicht  verbarg,  und 
der  rote  mit  weissen  Pünkt- 
chen übersäte  Stoff,  der  ihren 

biegsamen  Körper  umgab, 
leuchtete  in  dem  schattenlosen 
Licht  des  Augustmorgens. 
,,Gehn  Sie  doch,  Sic  sollen  ja  das  Beet  da  umgraben." 
Er    riss    sich    zusammen,    sprang    gewandt    über  das 
Nachbarbeet  und  fing  an  zu  arbeiten  wie  ein  Wilder. 

Sie  beobachtete  ihn  verstohlen,  wie  er  so  kräftig  den 
Spaten  handhabte,  und  als  er  eine  Weile  gegraben  hatte, 
sagte  sie  mit  einem  klingenden  Lachen: 

,,Wenn  Sie  so  fortfahren,   empfehl'    ich  Sie   bei  allen 
meinen  Bekannten  als  Tagelöhner." 

Da  sah  er  auf,  ebenfalls  lachend,  und  blickte  an  seinem 
eleganten  weissen  Tennisanzug  hinab,  der  von  der  schwarzen 
Erdkrume  hie  und  da  schon  ein  wenig  beschmutzt  war. 

„Wenn  ich  nur  in  Ihrer  Nähe   bleiben   darf,  Fräulein 

Martha,  und  wenn  ich  habe  eine  Bitte  an  Sie!" 

,,Die  ich  Ihnen  wahrscheinlich  nicht  werde  erfüllen 
können  —  Sie  bitten  immer  so  —  so  komische  Sachen, 
Mr.  RuUer!" 

Er  war  schon  wieder  in  ihrer  Nähe,  aber  diesmal  vor- 
sichtiger, machte  er  sich  bei  dem  Unkrauthaufen  zu  schaffen 
neben  dem  sie  stand. 

,,Ich  möchte,  eh'  ich'  von  hier  fortgehe"  —  er  zögerte, 
,,ja,  eh'  ich  von  hier  fort  muss,  F'räulein  Martha,  da  möcht' 
ic|i  —  — " 

„Na,  was  möchten  Sie  denn?" 

Sie  sah  ihn  aber  nicht  an  dabei. 

„Ach,   Fräulein  Martha,   einmal,  einmal  nur  sollen  Sie 
mir  erlauben,  Sie  zu  küssen!" 

Er  sah ,  wie  ihre  kleinen  Ohren  dunkelrot  wurden. 
Dann  erwiderte  sie  mit  einer  Stimme,  der  man  den  inneren 
Aufruhr  anhörte: 

„Ich  bin  so  gut  wie  versprochen,  Mr.  Ruller  —  —  ich 
glaubte,  Sie  wüssten  das?l" 

Mit  einer  leidenschaftlichen  Gebärde  erwiderte  er: 

gewiss!    Ich  weiss  das,   aber  ich  will  ja  auch 
blos  ein  ganz  klein'  Almosen  haben  von  Ihnen,  Miss  Martha, 


Der  Radmarder. 


Ilalfers. 

ein  Andenken  an  die  Zeit  bei  Ihnen  —  aoh,  ich  weiss  wohl, 
dass  ein  andrer  Mann  Ihr  Versprechen  hat,  aber  —  —  — 
verzeihen  Sie,  Fräulein,  ich  bin  zu  aufgeregt  und  ich  habe 
kein  Recht  an  Sie  —  —  aber  nicht  wahr,  wenn  ich  fortgeh' 
von  hier,  ich  bekomme  einen,  einen  einzigen  Kuss  von  die- 
sem geliebten  Mund?  — ich  kann  es  ja  sonst  nicht  ertragen, 
Sie  zu  lassen  hier,  Miss  Martha!" 

Sie  hatte  sich  aufgerichtet  und  sah  ihn  mit  gerunzelter 
Stirn  und  fest  aufeinander  gepressten  Lippen  voll  an. 

„Ich  glaube  nicht,  Mr.  Ruller,  dass  ich  Ihnen  jemals 
Veranlassung  gegeben  habe,  so  zu  mir  zu  sprechen.  Und 
ich  muss  Sie  dringend  bitten,  solche  Worte  zu  unterlassen 
oder,  als  Mann  von  Ehre,  einem  Wiedersehen  mit  mir  aus 
dem  Wege  zu  gehen!" 

Da  erhob  er  sich  ebenfalls,  steif,  der  Vollblutamerikaner. 

„Miss  Remack,  ich  bitte  Sie  um  Verzeihung  für  mein 
hässliches  Benehmen  und  ich  mache  Ihnen  mein  Kompliment 
für  Ihre  feine  Diplomatie!" 

Ihr  Gesicht  wurde  rot,  als  liefe  eine  Flamme  darüber  hin. 

„Wie  meinen  Sie  das,  Mr.  Ruller?" 

„Aoh,  ich  meine  nur,  Sie  waren  erst  so  freundlich  zu 
mir,*  Miss,  und  jetzt  .  .  ."  er  lächelte  eigen. 

Da  brach  sie,  in  heftige  Thränen  aus,  streifte  die  Leder- 
handschuhe, die  ihre  feinen  Hände  bei  der  Erdarbeit  ge- 
schützt hatten,  mit  einem  Ruck  ab  und  rannte  zu  der 
Stacketthür  des  Gartengrundstücks. 

Dort  holte  er  sie  ein. 

„Miss  Martha,  ich  beschwöre  Sie!  —  Ich  habe  ja  nicht 
überlegt,  was  ich  Ihnen  gesagt  habe  —  ich  bin  verrückt  — 
meine  Leidenschaft  für  Sie  hat  mich  toll  gemacht  —  — 
ich  bitte  Sie  um  Verzeihung  —  —  nie,  nie  mehr  werd'  ich 
es  wagen  —  —  — " 

Aber  sie  hörte  garnicht  auf  ihn. 

,, Geben  Sie  die  Thür  frei,  Mr.  Ruller!  —  Ich  will  nach 
Haus  —  allein!  —  Ich  verbitt'  mir  Ihre  Begleitung!" 

Sie  riss  die  Thür  auf  und  stürmte  davon,  dass  der  gelbe 
Kies  nur  so  flog  unter  ihren  kleinen  Schuhen. 

(Fortsetzung  Seite  18.) 


16 


—    17  — 

1 


Karlchen  weiss,  was  sich  schickt. 


„Seht  mal  Karlchen  an,  wie  der  sich  seine  Beene  hübsch  rasieren  lässt 
'n  Beispiel  dran!"  — 


da  nehmt  Euch 


^  Verlegen  und  in  sehr  unbehaglicher  Stimmung  blieb  der 
junge  Amerikaner  zurück.  Mr.  Ruller  war  seit  beinahe  drei 
Jahren  in  Deutschland  und  beherrschte  Sprache  und  Sitten, 
aber  all'  sein  Wissen  liess  ihn  jetzt  nicht  herausfinden  aus 
der  Sackgasse,  in  die  er  sich  durch  seine  unüberlegte 
Aeusserung  verrannt  hatte.  Am  geratensten  schien  es  ihm, 
seinen  Aufenthalt  hier  noch  mehr  abzukürzen  und  schon 
jetzt  zurückzukehren  in  die  ferne  Heimat.  Wenn  ihn  nur 
dieses  deutsche  Mädchen  mit  den  tiefen  Augen  und  der 
stolzen  Haltung  losgelassen  hätte  —  —  — 

In  tiefe  Gedanken  versunken,  schloss  er  die  Thür  des 
Gartengrundstücks  hinter  sich  ab  und  begab  sich  nach  der  Villa, 
deren  einen  Flügel  Martha  Remack  mit  einer  alten  Dienerin 
innehatte,  während  er  selbst  mit  seiner  Mutter  den  anderen 
bewohnte. 

Als  er  aber  von  der  alten  Line,  Marthas  ehemaliger 
Amme,  erfuhr,  das  Fräulein  sei  garnicht  dagewesen,  verliess 
der  junge  Mann  eilig  wieder  den  Hof  und  ging  schnell  den 
Weg  unter  den  grünen  Platanen  entlang,  an  den  schmucken 
Landhäusern  und  Gärten  vorbei,  nach  den  Feldern  zu,  wo 
er  in  den  Haselhecken  Marthas  Lieblingsplätze  wusste. 

Da,  plötzlich,  sah  er  ganz  oben  an  der  Wegbiegung  ein 
rotglänzendes  Kleid  in  dem  Eichenwäldchen  verschwinden.  Er 
fing  an  zu  rennen.  Tiefatmend  kam  er  bei  den  Eichen  an. 
Aber  kein  wie  eine  Mohnblume  leuchtendes  Kleid  war 
mehr  zu  sehen  Und  seinen  flehenden  Rufen  ,, Martha!  Fräu- 
lein Martha!"  antwortete  nur  ein  zaghaftes  Echo. 

Einen  Moment  überlegend,  rannte  er,  ebenso  schnell 
wie  er  gekommen,  zurück  nach  der  Villa,  nahm  sein  Rad, 
das  im  Schuppen  stand,  war  mit  einem  Hopps  im  Sattel  und 
sauste  in  Sekunden  den  Weg,  den  er  vorher  mühsam  in 
Minuten  zurückgelegt  hatte. 

Aber  wo  versteckte  sie  sich?  Vielleicht  war  sie  links 
abgegangen  nach  ZüUsdorf  zu.  .  .  Und  schon  flirrte  sein 
Rad  über  dem  gelben  Lehmboden  der  Züllsdorfer  Strasse  hin 
.  .  .  Aha,  da  kam  Sand,  da  gings  nicht  durch.    Er  musste 

(Fortsetzung  Seite  21.) 


—  18 


Radpatriotismus. 


„Feste,  Müller,  festeee  .  .!  —  Immer  treten!  treten!  treten!  —  —  Lass  da'  nich  an'  Schlitten 
komm'  von  den  vafluchten  Engländer!  —  —  Mülla!  —  Müllaaü  —  Müllaall  —  —  Berlin  vorne!  — 
Deutschland  vor!  —  —  Hurrah!  Hurrah!"  


—    19  — 


Der  kopflose  Radler. 


Herr  Gott,  was  waren  das  wieder  für  Sachen, 
Die  der  Heinrich  heute  erzählt! 
Das  kann  den  Mutigsten  gruslich  machen  — 
Und  der  Weg  ist  so  einsam  durch's  Feld  .  .  . 
Die  Weiden  da  drüben,  der  Mondenschein  . . 
Welch  sonderbares  Schweben?!  .  .  . 
Es  fall'n  einem  so  seltsame  Dinge  ein  .  . 
Aber  so  was  kann's  ja  nicht  geben! 


Na,  los  mal,  was  die  Pedale  halten, 
Dass  man  schneller  die  Stadt  erreicht  .  . 
Der  Wein  war  gut  .  .  vom  ganzen  alten. 
Und  alter  Wein  ist  nicht  leicht  .  .  . 
Wie  komisch!  Scheint  denn  derMondsohell? 
Ein  Lichtstreif,  wie  aus  'ner  Laterne  .  . 
Ob  man  sich  umsieht?  Natürlich!  schnell!  — 
Da  radelt  ja  was  in  der  Ferne!! 


Das  Rad  glänzt,  blank  wie  Mondenschimmer, 
Im  Nebel  verschwimmt  die  Gestalt  .... 
Und  der  Kerl  tritt  die  Pedale  nimmer  — 
Den  Vordem  durchrieselt  es  kalt. 
Vom  Radler,  der  kopflos  die  Nacht  durchrast. 
Erzählte  der  Heinrich  Geschichten  —  — 
Die  Brust  auf  der  Stange,  in  toller  Hast, 
Der  Vordere  saust  durch  die  Fichten. 


Ein  Wurzelknorren !  Ein  Ruck !  Ein  Splittern ! 
Dann  wieder  Nacht  nur  und  Stille. 
Und  wo  des  Mondes  Lichter  hinzittern, 
Sind  rote  Flecken  in  Fülle  —  — 


Der  Herbstwind  geht.  Es  schauert  der  Wald. 
In  den  Gründen  brodelt  der  Nebel  und  wallt. 
Und  durch  den  Nebel,  wie  rasend,  bricht 
Ein  weisses,  schimmerndes  Licht  .  .  . 

Friedrich  Roter m und. 


—    20  — 


Fertig  zum  Start. 


sich  links  halten  am  Strassenrand,  der  sich  zu  einer  ziemlich 
steilen,  etwa  zwölf  Fuss  hohen  Wand  erhob,  welche  nach 
der  anderen  Seite  zu  in  sanfter  Neigung  in  eine  mit  Korn 
bestandene  Ebene  abfiel. 

Dieser  Hügelweg  war  kaum  mannsbreit,  aber  dem  Ame- 
rikaner machte  das  trotz  des  flotten  Spurts  keine  Schwierig- 
keiten. Dann  zog  sich  die  Chaussee  weit,  weit  und  voll- 
kommen flach  dahin.  Wenn  Martha  da  entlang  gegangen 
wäre,  hätte  er  sie  jetzt  sehen  müssen.  —  — 

Fred  Ruller  kehrte  um  und  fuhr  zurück,  wieder  über 
den  Hügelweg.  Da,  wie  er  gerade  auf  dem  Gipfel  war, 
schien  es  ihm,  als  höre  er  einen  Ruf  Wie  herumgerissen, 
drehte  er  sich  im  Sattel.  Das  Hinterrad  seiner  Maschine 
verlor  den  Boden.  Und  die  Lenkstange  krampfhaft  um- 
klammernd, stürzte  er  den  Abhang  hinab. 

Carajo!  Das  war  ein  böser  Fall,  sein  rechtes  Schien- 
bein war  arg  zerschunden,  aber  er  kümmerte  sich  nur  um 
seine  Maschine  und  die  war  heil,  an  der  war  auch  nicht 
mal  eine  Speiche  verbogen!  Der  Schmerzen  nicht  achtend, 
fuhr  Fred  weiter,  die  ZüUsdorferstrasse  zurück,  bis  zu  den 
Haselhecken.  .  .  Jetzt  war  nur  noch  eine  Möglichkeit:  Martha 
war  quer  über  die  Wiesen  gelaufen  und  hielt  sich  hinter  den 
Erlenbüschen  versteckt,  die  den  Bach  umsäumten. 

Und  es  wurde  immer  heisser.  In  der  Luft  flirrte  es, 
wie  von  tausend  blauglänzenden  Schwertern.  Fernher  über 
die  Wiesen  klang  das  Sensendengeln  der  Mäher.  Zwei  Habichtc 
zogen  mit  heiserem  Schrei  in  weitem  Bogen  über  ihr  Revier 
dahin.  Aber  der  junge  Amerikaner  sah,  hörte  und  fühlte 
nichts.  Er  wusste  auch  nicht,  wie  er  sein  Rad  über  den 
fetten  Moorboden  brachte,  er  warf  es  über  die  Gräben,  welch  e 
zur  Drainage  durch  das  Erdreich  gezogen  waren  und  mal- 
trätierte in  der  Wut,  die  Geliebte  noch  immer  nicht  zu 
finden,  seinen  armen  Renner. 

Da,  wie  er  eben  wieder  aus  einem  tiefen  Wasserlauf 
emporkletterte,  sah  er  sie.   Von  der  vollen  Glorie  des  Sonnen- 


—    21  — 


„Abfuhr!" 


lichts  umwoben,  stand  sie  mitten  auf  der  blühenden  Wiese 
und  pflückte  Blumen. 

„Martha!  —  Martha!  l'" 

Wie  ein  Hirsch,  so  stolz  und  flüchtig,  flog  er  über  das 
tauige  Gras. 

Und  vor  ihr  brach  er  in  die  Kniee  und  umschlang 
schluchzend  ihren  Leib  und  netzte  ihre  Hände  mit  seinen 
Thränen, 

Sie  wollte  ihn  aufheben. 

„Nein,  nein,  nicht  eher,  als  bis  du  mir  verziehen  hast!" 

Da  neigte  sie  sich  zu  ihm  und  küsste  seine  Augen  .  .  . 

Unter  den  Erlen  am  Bache  sassen  die  beiden  innig  um- 
schlungen. Und  als  sie  sich  satt  geküsst  hatten  und  wieder 
Worte  fanden,  meinte  sie: 

„Ich  hab'  Sie  ja  immerfort  gesehen,  aber  ich  wollte 
nicht  antworten  auf  Ihr  Rufen  .  .  ich  war  zu  böse  ...  Ihr 
Rad  ist  wohl  ganz  entzwei?" 

„Aber  nein,  Liebe,  garnicht!  Bei  der  Marke  giebt's 
keine  Reparaturen,  trotz  aller  Schnelligkeit  der  Maschine  — 
—  Ich  fahre  ja  Seidel  &  Naumann!" 

„In  Dresden,  nicht  wahr?" 

„Ja,  dort  ist  die  Fabrik.  Aber  die  Filialen  sind  in  allen 
grösseren  Städten.  Die  Leute  arbeiten  mit  grossen  Mitteln 
und  liefern  wirklich  tadellose  Räder  zu  massigem  Preise  .  . 
Aber  das  alles  interessiert  mich  sonst  viel  mehr,  als  in 
diesem  Augenblick  .  .  ." 

Und  er  hob  ihr  schönes  Gesicht  zu  sich  empor  und 
küsste  ihre  Augen;  diese  tiefen  dunkelblauen  Augen,  in  denen 
sich  für  ihn  die  ganze  Welt  mit  ihrem  Glanz  und  ihrer 
.Schönheit  malte. 


„Sie  haben  die  Dame  da  oben  umj^efahrenl 
Wie  heissen  Sie?" 

„Aoh,  uas  uillen  Sie?  —  like  to  box?  —  — 
come  onll  —  — 


Seine  Majestät  der 
Erlkönig. 

Eine  Radballaile. 

Was  radelt  so  spät  durch  Nacht 
und  Wind? 
Es  ist  der  Vater  mit  seinem 

Kind ! 

Der  Vater  radelt,  der  Vater 

flitzt. 

Das  Kind  auf  dem  Tandem 

hinter  ihm  sitzt. 

„Mein  Sohn,  was  birgst  du  so 

bang  dein  Gesicht?  ' 
—  „Siehst  Vater  du  jenen  da 

drüben  nicht? 
Der  so  aussieht  wie  düsterer 

Nebelstreif?" 
„Mein  Sohn,  das  ist  ein 

Beamter  vom  »Greif« !"  — 


»Komm,  schöner  Knabe,  warte  hier 
Bis  ich  geschlossen  hab'  die  Thür, 
Dann  will  dein  Väterchen  und  dich 
Mit  neuem  Licht  versehen  ich.« 

—  „Mein  Vater,  mein  Vater  und  hörest  du  nicht, 
Was  jener  andre  uns  leise  verspricht?"  — 

„Sei  ruhig,  Bengel,  und  achte  nicht  drauf. 

Es  ist  der  Herr  Nachtrat,  der  schreibt  uns  nicht  auf.' 

»Willst,  feiner  Knabe,  du  mit  mir  geh'n. 
Meine  Töchter  sollen  dich  warten  schön, 
Meine  Töchter,  das  ist  'n  Berliner  sein  Fall, 
Die  sitzen  bei  Keck  und  im  National.« 

—  „Mein  \'ater,  mein  Vater  und  siehst  du  nicht  dort 
Die  schnudlichen  Pussels  ain  düstern  Ort?"  — 
„Mein  Sohn,  mein  Sohn,  die  darfst  du  nicht  seh'n. 
Das  sind  die  Damen's,  die  wandeln  nach  zehn!'- 

,Sie,  Männeken!  Sie  da!  Sie  haben  kein  Licht. 
Man  radelt  bei  uns  hier  des  Abends  so  nicht!!' 

—  „Mein  Vater,  ein  Blauerl  Schon  fasst  er  mich  an! 
O  radle  doch,  radle,  sonst  komm'n  wir  in'  Kahn!" 

Dem  Alten  grauset's,  er  radelt  geschwind, 
Hinterm  Rücken  sitzt  ihm  das  strampelnde  Kind. 
Da  kommt  eine  Droschke  recht  scharf  um  die  Eck' 
Und  Vater  und  Sohn,  sie  liegen  —  auf  dem  Asphalt. 


—    22  — 


Vereinigung  der  verbrüderten  Speichentreter 


.Wir  treten  fest  und  treu  zusammen!  All  Heil  Hurrahl  All  Heil  Hurrahl'* 


—    23  — 


„Nu,  weess  ick  nich,  jeheert  die  Schraube  zu  't  Tretkurbellager,  zu  'n  Kettenspanner,  oder  mang 
de  Lenkstange  mang?  —  —  oder  —  —  is  se  mich  amende  in'  Kopp  iosjejangen,  wie  ick  so  dusslig  war 
die  Miehle  ausenander  zu  nehm'  —  — " 


—    24  — 


„Natierlich,  erst  fahr'n  se  wie  de  Verdrehten    un  thun,  als  ob  unsereener  jarnich  uff  de  Welt 
wäre  —  —  na  un  schliesslich,  wenn  *t  ma'  schief  jeht,  denn  sint  wir  doch  diejenigten,  welche!  —  — 


Cragödie, 

frei  nach  lyeine  von  S^:ckürd  W  olfru  m, 
1. 

€ntßieh'  mit  mir  und  sei  mein  Weib! 
Sag'  selbst,  was  ic/j  nocf]  hoffen  darf, 
ßachdem  dein  Vater  sans  fa<;on 
t)ie  Zlreppe  micf]  hinunter  warf. 

<^ehst  du  nicht  mit,  so  schwör  tcl]  drauf, 
j)u  stirbst  als  alte  Jungfer  hier, 
ßuf,  £iebchen!  die  fposen  an! 

j)as  "Candem  wartet  vor  der  Zlhür. 

IL 

€s  platzte  ein  /Reifen  mit  aller  jyfacht. 
J^wei  fielen  vom  i^ade.    fall  heil?  Jfc/j  nein, 
Sie  sind  zerschunden,  voll  beulen. 

€in  Jüngling  hatte  ein  J\^ädchen  lieb, 
Sie  radelten  heimlich  von  /pause  fort.  — 
€rst  schwamm  Ja  auch  alles  in  ^utter. 

t)ie  i^eue  folgte  hinterher. 

Jhr  <^eld  wurde  alle  .  .  .  ßun  lägen  sie  gern 

Zusammen  im  ^rab,  statt  im  (graben. 

III. 

j^uf  ihrem  i^ade  fahren  geschwinde 

^wei  <^auner  davon  —  nee,  wie  ic/j  das  finde! 

3u  spät  entdeckt  das  pärchen  hat's 

€s  lag  Ja  fast  wie  tot  am  J'latz. 


J)ie  Winde,  die  wehen  so  kühl  und  so  schaurig. 

€in  Wetter  zieht  'rauf.   Und  /(ein  Obdach!  's  ist  traurig; 

J)ie  radlosen  fühlen,  die  k.^hren  stumm 

per  pedes  im  liegen  nach  fpause  um. 


Ein  Radkliniker. 


—    25  — 


—    26  — 


Der  Radkavalier. 


„Aeh  !  Scherenschleifer!  ^Scherenschleifer!  Scherenschleifer!"  .  . 

„Einfach  pöbelhaft!  Kein  Sport  mehr  für  Kavaliere!" 


—    27  — 


Des  Versicherungs-Agenten  Tisch- 
gespräche. 

Protokolliert  von  Albert  Brinitzer. 

Wirklich,  meine  Herren,  Se  können  mir  glauben  auf 
Ehr'  und  Gewissen,  dass  ich  Ihnen  noch  thu'  'n  grossen 
Gefallen,  wenn  Se  werden  bei  mir  versichern  Ihr  Rad!  Se 
lachen!  Was  ist  da  zu  lachen?  —  Ich  kann  Ihnen  sagen, 
das  Unglück,  das  schon  ist  gekommen  über  die  Leut',  die 
nischt  haben  wissen  wollen  von  de  Versicherung  ! 

Da  ist  gewesen  der  lange  Schindler,  —  Se  werden  ihn 
auch  noch  gekennt  haben  —  wodurch,  meinen  Sie,  ist  der 
so  heruntergekommen?  —  Weil  er  nischt  ist  gewesen  in 
keiner  Versicherung! 

Ist  ihm  gestohlen  worden  sein  Rad,  wie  er  hat  condi- 
tioniert  in  ä  sehr  ä  feinem  (jcschäft  auf  'ne  sehr  ä  gute 
Stellung  mit  ä  sehr  ä  hohem  Gehalt.  War  er  gewesen  ver- 
sichert, war*  er  einfach  gekommen  zu  uns,  hätten  wir  ihm 
gegeben  ä  neues;  so  aber  lauft  er  selbst  'rum  suchen  einen 
Tag  und  noch  'n  Tag  und  gefunden  hat  er's  nischt,  und 
wie  er  ist  zurückgekommen  ins  Geschäft  sieht  er  auf  seinem 
Platze  einen  Brief,  dass  er  ist  entlassen  wegen  eigenmächti- 

—  28 


gem  Fortbleiben  vom  Geschäft.  Nu  gut!  Hat  er  sich  ge- 
sucht 'ne  neue  Stelknig,  wo  sind  gewesen  zwei  Compagnons 
und  der  eine  ist  gerade  verreist. 

Wie  er  vierzehn  Tage  dort  ist  und  mittags  nach'm  Ge- 
schäft geht,  sieht  er  auf  der  Strasse  einen  Herrn  vorbei- 
fahren auf  seinem  früheren  Rade.  Er  stürzt  ihm  nach  und 
macht  ihm  begreiflich,  dass  das  Rad  wär'  seins  und  gestohlen. 
Der  andere  aber  sagt,  er  hat  die  Maschine  'n  Tag  vorher 
in  einer  grossen  Radfahrhandlung  gekauft.  Und  se  kommen 
rein  ins  Handgemenge  und  in  'ne  grosse  Keilerei  und  wie 
der  lange  Schindler  kommt  nach'm  Geschäft,  sieht  er,  dass 
er  sich  hat  gehauen  auf  der  Strasse  mit'm  zweiten  Compa- 
gnon,  der  eben  ist  zurückgekommen  von  der  Reise.  Selbst- 
redend hat  er  sofort  gekriegt  ä  Worf  heraus  und  'ne  andere 
Stellung  hat  er  nischt  gefunden  und  er  ist  herunterge- 
kommen von  Stufe  zu  Stufe,  und  das  alles,  weil  er  nischt 
hat  versichern  wollen  sein  Rad  bei  mir.  Und  dabei  ist  das 
noch  gar  nischt  gegen  das  Unglück,  das  gehabt  hat  der 
junge  Amerikaner  Tom  Bornegate,  als  ich  noch  gesessen 
bin  drüben  in  Kansas  City.    Das  müssen  Se  hören! 

Also  eines  Tages  will  ich  ihm  zureden,  dass  er  bei  mir 
soll  nehmen  eine  Police.  Aber  er  will  nischt!  Ich  kann 
ihm  sagen,  was  ich  will,  er  hört  nischt  auf  mich!  Kaum 
aber  bin  ich  weggegangen,  fängt  er  an  zu  denken,  ob  ich 
nicht  doch  hab'  vielleicht  Recht  mit  meinen  Warnungen, 
dass  ihm  sein  Rad  kann  gestohlen  werden  auf  Schritt 
und  Tritt. 

Und  der  Gedanke  bohrt  sich  so  fest  in  ihm  ein,  dass 
er  bei  ihm  wird  zur  fixen  Idee.  Und  zuletzt  getraut  er  sich 
garnicht  mehr  heraus  mit  seinem  Rad  aus  dem  Zimmer, 
sondern  er  legt  das  Bicycle  aufn  Tisch  und  setzt  sich  da- 
vor von  unten  bis  oben  bewaffnet,  und  das  Zimmer  ver- 
barrikadiert er  wie  'ne  Festung. 

Wenn  jemand  wollt'  zu  ihm  kommen,  hat  er  zuerst 
müssen  nennen  seinen  Namen  und  eine  genaue  Beschreibung 
von  sich.  Dann  sind  von  innen  aufgeschlossen  worden  vier 
Riegel  und  jener  hat  geöffnet  die  Thür  eine  Spalte  weit 
und  hat  herausgekuckt,  wer  da  ist.  Dann  hat  er  weg- 
genommen die  sechs  Sicherheitsketten  und  de  fünfundzwanzig 
Zündschnuren  und  Kanonenschläge,  die  er  hat  befestigt  ge- 
habt an'n  Thürpfosten,  hat  die  Selbstschüsse  von  der  Erde 
aufgehoben  und  die  Fangeisen  zugeklappt  und  wenn  man 
dann  ist  hereingetreten  ins  Zimmer,  hat  man  neben  ihm  ge- 
sehen zwei  Kanonen,  mit  Elektrizität  zu  bedienen  und  eine 
Vorrichtung  von  vierzig  verschiedenen  Hackemessern  rings 
um  das  Rad  herum.  Und  er  selbst  hat  gehalten  die  eine 
Hand  immer  an  der  Lenkstange  und  in  der  andern  hat  er 
gehalten  'n  doppelläufiges  Repetiergewehr.  Wie  gesagt,  er 
ist  geworden  übergeschnappt  vor  Angst,  dass  ihm  könnte 
gestohlen  werden  sein  Rad  und  vor  Gewissensbissen,  dass 
er  es  nischt  hat  versichert  bei  mir.  Aber  es  sollte  kommen 
noch  viel  schlimmer. 

Eines  Tages  kommt  er  gelaufen  mit  ä  Geschrei  und  ä 
Gejammer  in  de  Polizei-Office  und  hat  vorgeklagt  dem  wach- 
habenden Policeman,  dass  ihm  ist  gestohlen  worden  sein 
Rad.  Und  er  hat  geredet  und  hat  geboten  fünfzigtausend 
Dollar  für  den,  der  findet  den  Dieb  von  seinem  Rad  und  hat 
gefordert  und  ausgemacht,  dass  der  Verbrecher  soll  sofort 
aufgehängt  werden  am  nächsten  Laternenpfahl,  wie  man's 
drüben  macht  mit  de  Pferdediebe  und  jetzt  auch  mit  de 
Raddiebe. 

Und  de  Detektives  sind  ausgegangen  und  haben  alles 
durchgesucht  und  haben  gefunden  ä  Hosenknopf  und  ä 
Barthaar  und  Fussspuren  und  haben  ihn  festgepackt  und  ihn 
aufgehängt  am  nächsten  Laternenpfahl.  Se  fragen  noch  wen.^ 
—  Nätürlich  ihn  selber,  den  Tom  Bornegate,  der  hat  gestohlen 
sein  eigenes  Rad,  um  zu  sehen,  ob  trotz  aller  Vorkehrungen 
noch  möglich  wär  ä  Diebstahl  und  ob  de  Polizei  ihn  würde 
entdecken  —  aus  purer  Angst  um  sein  Rad.  —  Hätt'  er  nötig 
gehabt  sich  lassen  aufzuhängen,  wenn  er  wär'  versichert  ge- 
wesen bei  mir?  — 

Ich  sag'  Ihnen  zum  letzten  Mal,  dass  ich  Ihnen  thu'  ä 
grossen  Gefallen,  wenn  Se  werden  bei  mir  versichern  Ihr 
Rad  


Rencontre. 


„Was?!  —  Was  willste?!  —  —  Erst  fährste  mir  mit  deine  alte  dämliche  136er  Uebersetzung 
meinen  neuen  Schlitten  kaput  und  nu  willste  noch  reden  von  „ausbiegen"  und  „nich  fahren  können"  un 
so  —  —  —  Mensch,  ich  sage  dir,  wenn  ich  nich  mehr  bedächte,  denn  —  —  —  —  — " 


=   29  — 


Sportgrazien. 


Die  Schönheit  ist  sich  selber  selig-, 

die  Grazie  macht  unwiderstehlich. 

(Goethe.) 


tradier,  spring'  vom  Stahlross  ab; 
Wand'rer,  stehe  sfil!  und  weine! 
T)enn  allhier  in  diesem  '^rab 
l^uhen  peter  Sc/me/Is  ^ebeine. 

3um  Cydisien  schon  geboren  — 
Seine  €Hern  trieben  Sport  — 
Schlug  er  bald  die  Junioren, 
Später  manchen  Weltrel^ord. 

Ueberallhin,  wo  man  rennt, 
führte  rastlos  seine  f^eise. 
ßuf  dem  ganzen  }(ontinent 
fpolt'  er  sie/}  die  schönsten  preise. 

'Weitberühmt  als  steter  Sieger, 
tpiess  es  immer,  wo  er  fuhr: 
Champion  und  jYleisterßieger 
peter  Schnell  ist  „hors  concours!" 

^is  ?um  €nde  halt'  er  <^lück, 
fiel,  ein  Xjrieger  beim  <^ewehre, 
^rac/]  beim  fahren  das  <^enick, 
Starb  so  auf  dem  feld  der  €hre. 


Qrabschriff  eines  Radfahrers. 

jfic}],  die  grossen,  starken  "Waden, 
"Welche  wurden  viel  besungen, 
JWästen  Würmer  jetzt  und  jYladen! 
Und  wo  sind  die  l^räft'gen  Xungen? 


Doct]  ein  )\5rper  muss  vern^esen, 
€wig  lebt  der  bess're  'Ceil. 
I^adler,  wenn  du  dies  gelesen, 
Jiuf  der  Jffi'/e  ein  „ßll'  f}eil!" 


Q u^tav  %rauz. 


—  31 


-    32  — 


Na  also,  lieber  Radgenosse,  — 
Sag\  war's  'ne  angenehme  Reise, 
Bei  der  ich  dich  auf  meine  Weise 
Belustigt  hab'  mit  Bild  und  Glosse? 

Ich  hab'  mir  redlich  Müh'  gegeben. 
Mit  derbem  Witz  und  Griffel  freilich, 
Doch  immer  ehrlich,  unparteilich 
Zu  zeichnen  dir  das  Radlerleben. 

Und  thät'  mein  Büchlein  dir  behagen, 
So  braucht's  nicht  grosser  Complimente, 
Denk'  nach,  wer's  noch  gebrauchen  könnte. 
Dem  musst  du's  unverzüglich  sagen! 

Dann  seh'  ich  schon  in  hellen  Haufen 
Auf  blankem  Ross  die  Jungen  flitzen, 
Um,  voll  App'tit  nach  guten  Witzen, 
Sich  schnell  das  Narrenrad  zu  kaufen  .  .  . 

Nun  denkst  du  wohl,  ich  bin  zu  Ende, 
Verehrter  Freund?  Oh  kein  Gedanke! 
Willst  du  verpflichten  mich  zu  Danke. 
So  thu'  mir  den  Gefall'n  und  wende: 


Danke  bestens  1 

All  Heill 

Der  Radnarr. 


Radier  aller  Cänder  vereinigt  €ucb! 

$cblic$$t  €u(b  zusammen  und 

Abonniert  auf  das  „narrenscbiff" ! 


JSei-Uncc  illustinevtc  Mocbenscbinft 

in  öas  chiitBE  Scclincv  Wifjblatf,  bae  mit  tmi  ®Ijatrad!cn  i>cB  ätcbens  rtdinef  unb  bie  Binse  in 
iWott  uiiti  ®ilb  In  )<i!tlbErt,  iuie  fit  in  ber  Sljat  fmb.  Bitte  i^allung  aicbt  bem 

öEn  frirdicn.  HErnioen  €on  untr  nmrfit  für  fmliEüsfruIien  SUcnrrfiBn  ju  emcr  anregenden 
unt>  amüranfen  Eekfüre. 

ÜDer  immer  ber  CniitJtrftlung  in  Mun|I  nnti  aTifferahir  Sßmpatl|ten  enfgeßenbringf,  ber  hiirt» 
fidj  freuen,  im 

ein  ?0rnan  ju  tinben,  t»as  irom  erlien  Cage  feines  ^ejlcliens  an  ftdi  Irie  PpEöß  einer  gemein- 
toerj!äntilidien  unt»  Irol^bem  auf  t>er  ^öfte  Üeljenben  fafirifdien  Umxft  angelegen  fein  ließl 
ilnfer  allen  Eelienskreifen  aber  Iiat  firfi  ba«  „Barrenfd|i|f**  geratre  bem 

mit  größter  ODärme  jugehiantit  unt>  in  immer  ^uieiierkelirenben  JUnpratiunen  ben  ^umor  heg  Eatreg 
nadi  allen  Eirfitungen  ausgerrfiöpft 

Jedermann  unb  ber  rabfal|renbe  Sl)en)rfi  ijurjüglidj,  füllte  beölialt»  nidit  tierräumen, 

ju  l^altcn,  ju  lefcn  unb  Streiter  ju  empfelileu. 

S>er  billige  Preis  tion  Mk.  2,25  pro  aöuartal,  ^uofür  13  (l|efte  geliefert  inerben,  ermüglirfit 
jebem,  bas  „aäarrenfdiitf "  ju  feiner  Itänbigeu  Xcktüre  ju  iuäfilen.  ©eftellungen  neljmen  alle  ©udi- 
lianblungen,  Jeitungöfpebitionen,  püllanitalten  (Btga.-iüille  lEr.  5177),  fohiie  ber  ©erlag  be» 
„iBarrenfdiif  **,  fßerlin  S.14,  entgegen. 


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