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in 2015
https://archive.org/details/dasnarrenradalbuOOfein
Das
Narrenrad
Album
fröhlicher
Radfahrbilder.
ILLUSTRATION EN
von
Lyonel Feininger, Ernst Heilennann, Knut Hansen, Edm. Fürst, Wilh. Schulz, Edmund Edel, Carl Schnebel.
Herausgegeben vom Verlag; ,,Das Narrenschiff" Berliner Illustrierte Wochenschrift
Carl Predeek & Co., Berlin S.14.
DRUCK VON OTTO ELSNER, BERLIN S. 42.
DEM DEUTSCHEN RADFAHRER-BUND
GEWIDMET.
Geliebte Radelschwestern und -Brüder!
Der Narr gehört zur Radelei,
Sowie das Radeln zum Narren;
Drum, wer ein rechter Narre sei,
Der soll Bicycle fahren!
Soll schwingen sich in den Sattel frisch
Und durch die Felder sausen —
Er wird nachher beim vollen Tisch
Fürwahr nicht übel hausen.
Dass jeder Narr 'ne Närrin braucht,
Weiss man doch ganz alleine —
Am besten, wenn der Maiwind haucht,
Sucht männigUch sich eine.
Das Tandem wartet vor der Thür —
Noch kannst du's überlegen!
Mein teurer Freund, ich rate dir,
Bedenk's — vielleicht kommt Regen! . .
Herr Gott, war das erst ein Malheur,
Wenn 'n Mädel stieg auf's Rädchen;
Heut radeln Junge und Alte noch mehr
Und zeigen erfreuliche Wädchen.
Ob Rock, ob Hose, das ist schwer
Für die Damen zu entscheiden —
Ich glaube, wenn ich Schiedsrichter wär',
Ich verordnete: keins von beiden!
Das Rad in der Strasse, das ist, o Graus!
Eine brennende Frage seit Jahren —
Jüngst haben zwei Radler vor meinem Haus
Einen Rollwagen tot gefahren.
Ja, ja, solch' Radler ist ein Gauch,
Mit dem hat man nirgends Erbarmen;
Fragt nur den Herrn von Stubenrauch
Und seine Landgensdarmcn I
Und doch blüht unser edler Sport,
Wie 'ne japan'sche Aster,
Ist gar nicht schwierig zu lernen, auf Wort
Nur kost' er 'ne Menge Zaster.
Und will es manchem Kronensohn
Auch langsam nur gelingen —
Nicht jeder kann es zum »Champignon«
Und Meisterfahrer bringen.
Doch eines jeder muss und kann — :
Vor dem »auf's Rädchen klettern«,
Muss jeder brave Radlersmann,
Erst kräftig einen »schmettern«!
Und steigt er nachher wieder ab,
So kann er's wiederholen,
Es sei ihm Rotwein, nicht zu knapp,
Und etwas Sekt empfohlen.
Warum ich all' das sagen muss.
Ach, fragt doch nicht so schändlich!
Ich mach' mit meinem Kunsterguss
Die Sach' euch erst verständlich!
Die Bilder, die Freund Lyonel
Gezeichnet euch zum Frommen,
Die sollen danach, meiner Seel',
Viel besser euch bekommen!
Das Narrenrad mit seinem Witz
Soll euch fein lustig machen,
Glaubt mir, das Flennen ist nicht nütz',
Es wird euch lehren lachen!!
Und wenn ihr noch so lebenssatt,
Kommt, radelt ein paar Runden!
Mit seinem Witz das Narrenrad
Lässt sicher euch gesunden!
Heil! Heil:
Der Radnarr.
J
Hundertneunzig Kilometer Da, ein tück'scher Stein inmitten Und seitdem hab" ich's getragen,
Haspelte ich auf dem Rad, Der Chaussee, auf einmal krach 1 Heimatwärts bei 20 Grad
Weit berühmt als strammer ,, Steher" Ich lag da, wie eine Padde, Ach ich wollt', ich war' ein »Flieger« —
Fuhr ich eine dolle Naht. Und das dumme Rad zerbrach. Doch am liebsten ohne Rad.
Meine erste Radeltour.
Eine gemütliche Geschichte von Hans Hyan.
Es war 'ne ziemlich merkwürdige Sache mit meinem
Rad —
Erstens wollte ich mir gar keins kaufen, aber ich kaufte
doch eins, weil mein Freund Müller wollte, der auch eins
hatte; und dann wurde es mir am zweiten Tage gestohlen,
und wie ich es wieder bekam, da war es garnicht meins!
Und dann kam der andre, dem es gehörte, und weil ich's
ihm nicht geben wollte, musst' ich auf die Polizei und da
war meins! Und da bekam ich es, aber es war entzwei, und
weil ich keinen Garantieschein hatte, musste ich über dreissig
Mark Reparaturkosten bezahlen. — —
Lehrbahn und sowas gab 's natürlich nicht. Eines
Abends führte ich's raus in son'ne recht menschenleere Strasse
und hopste in'n Sattel. Schwupp! da lag ich wieder unten.
Bios die Nase und die Hosen waren 'n bischen zerschunden.
„Ihr Schimmel hatt Ihn' woll abgeschmissen," fragte ein
freundlich vorübergehender Urberliner.
„Jiebts ja janich!" erwiderte ich so recht vornehm.
Na, ne ganze Zeit lebten wir im beständigen Kampf,
das Rad und ich. Aber schliesslich kriegte ich »ihm« unter
und fuhr unter Vermeidung sämtlicher Bordschwellen 'ne
ganz hübsche gerade Linie und manchmal machte ich sogar
'ne Kurve.
Müller meinte, ich sollte mich man immer melden, in
Halensee, für's nächste Frühjahr zum Rennen!
Nu planten wir eine Partie nach Schmöckwitz. Aber
Müller, der die Idee zuerst hatte, konnte nachher nicht mit,
vonwegen »dem Affen«, den er sich bei dem Frühstück ge-
kauft hatte, das ich zur Feier des Tages gab. Also, so
leid es mir that, ich musste 'n distancieren und er blieb
denn auch richtig bei Muttern.
Ich selbst fuhr los und konnte mich garnicht genug
wundern über die fortwährenden Kurven, die ich heut ganz
ohne Anstrengung machte; im Gegenteil, ich konnte garnicht
anders, als fortwährend Kreis fahren.
In der Wallstrasse rutschte 'n Taxameter langsam vor
mir her. „Na," dacht ich, „den überradelste." Aber plötzlich
muss er woll ausgeschlagen haben mit's linke Hinterrad,
denn ich lag da, mitten auf der Strasse. Zwei warmherzige
Berliner Strassenreinigungsbeamle fegten mich ein bischen
ab, dann fuhr ich unter dem ungeteilten Beifall eines zahl-
reich erschienenen Publikums möglichst rasch weiter.
Ich hatte noch ein Besorgung in der Brückenstrasse. und
wie ich die besorgt hatte und eben wieder weiter strampelte,
sah ich auf der Plattform eines Pferdebahnwagens eine mir
bekannte junge Dame stehn. Ich beschloss, sie zu grüssen,
und löste deshalb vorsichtig die rechte Hand von der Lenk-
stange — — oh, es ging vortrefflich! Die Holde spendete
mir auch sofort ein zart eiTÖtendes Lächeln und im eleganten
Spurt sauste ich vorbei. Da — welch' eine Verrücktheit,
Pferdebahnschienen zwischen das Pflaster zu pressen! — mein
Vordergummi sass in der Falle und eine Sekunde später lag
ich abermals im — Schmutz.
Leicht hätte ich bei dieser Gelegenheit meine Rad-, so-
wie meine irdische Laufbahn überhaupt beschliessen können,
aber die Berliner Pferde sind eigentlich Pferde im besseren
.Sinne und so wichen denn auch diese beiden von ihrem ge-
wohnten Wege einen Augenblick ab und gaben mir Ge-
legenheit, noch im letzten Moment nach rechts hinüber zu
voltigieren.
Dort fand ich mein Rad wieder, nur die rechte
Pedalstange war 'n bischen stark verbogen. Ich ver-
suchte, so zu fahren, doch es ging nicht. Aber dank dem
berechtigten Aufsehen, das auch dieser zweite »Fall« bei
der Bevölkerung erregte, wurde mir bald geholfen. Ein
Schusterjunge trat unter einigen sehr trefifenden Bemerkungen,
wie „Verdammte Zicke, wisste ufT!" oder ,,Na watte, dir
wer'k ma' ontlich de Eisbeene knicken !•' so lange auf das
verbogene Pedal, bis er das sogenannte europäische Gleich-
gewicht wieder hergestellt hatte. Dann fuhr ich, von brau-
senden »Hurrahs!« begleitet und dem Aussehen nach einem
Torfbauer nicht unähnlich, weiter.
Mittlerweile war mir der Kopf sehr klar geworden.
Der Dunst des Hennessy-Cognacs war durch die verschiedenen
Stürze gleichsam pneumatisch aus meinem Schädel heraus-
gepresst worden.
Im übrigen regnete es.
Und der Regen, immer stärker und slrippenförniigcr
lierniederrauschend, licss niedliche Schmulzbächlein an meinem
Corpus herunterradeln. Aber auf der Köpenicker Landstrasse
ging es trotzdem recht flott vorwärts, nur begann ein ge-
wisser, unaussprechlicher Teil meines Körpers sich mehr und
mehr schmerzlich berührt zu fühlen.
Vor Niederschönweide, bei dem allen Berliner Radlcrn
so wohlbekannten .Sieuerhäuschen, veränderte sich die Situation
in der denkbar unvorteilhaftesten Weise.
Von der Chaussee, die einem mit Steinen durchsetzten
Morast verzweifelt ähnlich sah, abbiegend, schlängelte ich
mich auf dem Pseudoblankett zur Rechten in den schönsten
Schlangenwindungen um die Chausseebäumchen herum. Diese
hinwieder flankierten einen, an jenem Tage wenigstens, mit
Wasser gefüllten Craben — — —
Warum sollte ich lügen?! Es dauerte wirklich keine
zwei Minuten, da ritt
ich mein Stahlross
unfreiwillig in die
.Schwemme.
„Ihnen ist wolil
recht heiss?-' fragte
mich der liebevoll aus
seinem Fenster
blickende Zolleinneh-
mer, „aber ihr Rad
wird sich erkälten 1"
,,Mög' Ihnen der Teu-
fel, .Sie edler Jreis,
,,Die Sorge um niich
vergelten 1 1"
schnautzte ich den herz-
losen Spötter poetisch
an und fuhr dicht hinter
dem Zollhaus auf dem
Kussweg.
,,Doch das Schicksal, rauh und kalt,
„Packt mich in ("lendarmsgestalt"
und schon wurde ich aufgeschrieben. Als erschwerender
l'mstand galt es dem Manne des Gesetzes, dass ich noch
immer \erbummclt hatte, mir eine Radfahrkarte zu besorgen.
,,Und weiter fuhr ich die Strass' entlang,'' da holte mich
eine Radlerin ein, die nach Adlershof wollte.
.Sie fuhr der grösseren -Sicherheit wegen ein Dreirad
und war ihres Zeichens .Schneiderin und stand im besten
Mannesalter.
In schwarzes Wachstuch verpackt, schwankte hinter
ihrem umfangreichen Gesäss ein noch umfangreicherer Carton,
in dem sich, wie sie mir freunduillig erzählte, ein Braut-
kleid befand.
.Sie erwähnte bei dieser Gelegenheit, dass auch sie noch
ledig, jedoch ebenfalls nicht abgeneigt wäre, sich dem Tan-
dem der Ehe anzuvertrauen — —
Die Droschke und die Pferdebahn hatten mich erschreckt,
aber ich hatte der (lefahr trotzig die .Stirn geboten — hier
))ackte mich das blasse Entsetzen und gruss- und wortlos
strampelte ich vön. dannen.
,,Mcin Herr! mein Hcrrl" hörte ich die furchtbare
.Stimme hinter mir, ,,abcr so warten .Sie doch! Ich komme
ja mit!!"
Und ich vernahm, wie die Räder des Tricycles wiit-
knirschend durch den Kiessand brachen. Aber mein Renner
war doch schneller, schon hatte ich Adlershof überwunden,
allerdings nicht, ohne
auf dem regennassen
.'\sphalt beim Jiahnhof
zweimal erheblich aus-
geglitten zu sein.
Inzwischen senkte
die Nacht ihre soge-
nannten Fittiche herab.
Mein Kneifer, vom
Regen in ein Pincenez
mit Marienglas ver-
wandelt, täuschte mich
fortwährend über Weg
und .Steg und ich hatte
eigentlich weiter nichts
zu thun, wie auf's Rad
zu steigen — wahr-
haftig! diese Bestie
duldete mich nie län-
_gcr, als fünf Minuten
im Sattel. Dreimal
4
Heimkehr von der Arbeit.
noch lag ich im Graben und zweimal rannte ich, den
Wald vor Bäumen nicht erkennend, sehr schmerzhaft gegen
die braunen Stämme der Föhren.
Die Chaussee zog sich endlos hin.
Bevor ich in die Waldbahn, die nach Schmöckwitz führt,
einbog, rief mir ein entgegenkommender Sportsgenosse zu:
„Achtung! Im Walde liegen Zigeuner!"
! — Zigeuner! — — — !
Mein Herz schlug höher. Ich sah sie vor mir, diese
braunen Gesellen, die so gerne Kinder stehlen und von denen
man sich erzählt, dass sie ihre Schwiegermütter lebendig
begraben — welch' harte Strafe selbst für eine Schwieger-
mutter! . . Melodien aus der Oper »Carmen« vermischten
sich in mir mit der bangen Frage:
„Werden sie dir auch nichts thun?!"
Ich stieg ab, nahm den Schraubenschlüssel aus der
Satteltasche, wobei ich meine Oelkanne verlor, und das
»Mordwerkzeug« fest zwischen die Zähne klemmend, fuhr
ich — haste nich gesehn! — drauf los.
Der Himmel schwamm in dunklen Wolken. Trotzdem
bemerkte ich, näherkommend, an der Seite der Strasse eine
förmliche Wagenburg. Da flackerte auch etwas zwischen den
Stämmen — ein Feuer, Eine ganze Bande musste es sein,
die da lagerte. Eine Meute von Hunden empfing mich mit
wütendem Gebelfer. Auch das noch! Diese verfli.xten Köter
hatten es von jeher auf meine Waden abgesehen! Ich glaube,
ich habe nie in meinem Leben solche Angst ausgestanden!
Und, nebenbei bemerkt, Arend oder sonst einer unserer
Phi lister.
„Schkandal! Entsetzlich!"
Die Olle: „Na, thu' man nich so, Vater, du brauchst ihr ja nich so nachzukieken, wo der
Junge dabei steht — — — "
— 6 —
Lehmann und Frau.
besten »Flieger« kann das nicht leisten, was mir in jenem
Augenblick die Furcht ermöghchte. Wie ein Nachtgespenst
stob ich daherj .... auf einmal bekam ich einen fürchter-
lichen Stoss und lag, halb entseelt, auf einem quietschenden
Köter. Sofort wimmelte es um mich von dunklen Gestalten.
Ich dachte „jetzt hat's geschnappt!" und ergab mich in
mein Schicksal.
Ueber mir schwatzten die braunen Knaben wie die
Elstern. Natürlich verstand ich kein Wort. Da sie wohl
glaubten, ich wäre schon »fertig«, packten mich zwei bei
den Beinen und einer an' Kopp und trugen mich dahin, wo
das Feuer flackerte
Ich dachte „quält euch man auch 'n bischen, ich habe
mich lange genug abgestrampelt!" und machte keinen Mucks.
Am Feuer sassen verschiedene Damen, eine immer
schöner als die andere, und wachten über einen Kessel, der
mächtig brodelre und dampfte. Dem Duft nach gab es
geschmorten Ami.
Nu fingen sie da an, allen möglichen Knaatsch mit mir
zu machen, und eine Olle, die wirklich polizeiwidrig hässlich
war, wollte mir irgend solche höllische Latwerge eintrichtern.
„Jetzt," dacht' ich, „jetzt is Zeit!" und gab Laut.
Sofort waren sie wieder alle um mich rum und freuten
sich wie die Schneekönige. Und da sah ich denn auch eine,
die wirklich nicht so übel war. »Minka« hiess sie und war
eigendich Hundedresseurin. Ich fragte sie nachher, ob sie
den Ami, der sich im Kessel wälzte, auch dressiert hatte, und
da lachte sie , dass ihre weissen Beisser man so blitzten —
wirkHch, es war 'n nettes Kind und ihretwegen wäre ich ganz
gerne dem Verein beigetreten, wenn ich nur nicht gleich
nachher solch eigentümliches Jucken und Beissen verspürt
hätte. Ich dachte erst, ich hätt's Nesselfieber, aber es stellte
sich heraus, dass es was ganz andres war . . . .!
Schliesslich bettelten sie mich einer nach dem andern
an und, gute Miene zum bösen Spiel machend, wurde ich
so ziemlich alles los, was ich bei mir hatte. Sie boten mir
auch ein Nachtlager an, aber das lehnte ich aus den diver-
sesten Gründen kurzweg ab. —
Ich kletterte also wieder auf meinen Schlitten und langte
in vollster Dunkelheit in Schmöckwitz an. Nur fünf und
eine halbe Stunde hatte ich von Berlin aus dazu gebraucht
— ein hübscher Rekord, was?
In Schmöckwitz schlief und ass ich sehr schlecht und
war nachher acht Tage lang unfähig, auf's Rad zu steigen.
— Das war meine erste Radeltour . .
— 7 —
Bergab.
„Lieber Gott, lass es nur noch dies eine Mal
gut ablaufen! Wir wollen es ja auch nie wieder thun!"
— 8
Strampelode
\'oii l'eter Hille.
Weil das Strampeln so in Mode,
Sing' ich eine Strampelode,
Weil das Strampeln so in Schwung
Setz' ich dich in Saus und Schwung,
Zweirad der Begeisterung!
Der Most fährt in die Räder nun.
Die Waden wollen nicht mehr ruhn.
Es strampelt Alt, es strampelt Jung
In himmlischer Begeisterung.
Das Strampeln ist des Mannes Lusi,
Das Strampeln.
Der muss nicht recht bei Groschen sein,
Dem niemals fiel das Strampeln ein,
Das Strampeln.
Das Strampeln ist des Weibes Lust,
Das Strampeln.
Migräne, Nerven, Launen all,
's ist eine Lust, den ganzen Schwall
Vertrampeln.
Das Strampeln ist Pennälers Lust,
Das Strampeln.
Denn im Poussieren holt's den Preis,
Geht über Tanzen, über Eis,
Das Strampeln.
Da hat man keine Aufsicht nicht.
Und übt vergnügt auch Ritterpflicht,
Stäubt ab der Hosen weiten Pump,
That mal die F'lamme einen Plump
Beim Strampeln.
Das Strampeln ist des Wirtes Lust,
Das Strampeln.
Er lüpft den Petzel, ruft juchhei.
Saust blitzend an die Radierreih'.
Bringt Bier herbei. Bringt Wein herbei!
Gut Heil! Juchhei!
.•\ch, nun wird's dem Fetten leicht!
Jedes Asthma wird erweicht.
Rüstig wird, was sonst marode.
Wer zu Rad, entflieht dem Tode —
Dieses ist die Strampelode! — — —
=.^=
— 9 —
J{ad!ers t^erbsfUed.
Stell' auf den Rodert die Velocipeden,
Ventilschlauc^ leg' und gummikitt dabei,
Und lass uns jetzt nicht mehr vom Radeln reden
Wie einst im ßai!
T}örsi du den fperbstwind an den fenstern rasseln?
Selbst auf der Sehrbahn ruht die t^ade.'eif
Qenug Jetj?f, Weib! Wir wollen weif er quasseln
Jm nächsten ßai . . im nächsten Jyfaif — — —
(frei nach <^i!m.J
i^eich' mir das Öel. dass ich das £ager fette,
J)amit es vor dem /Josten sicher sei,
j)enn schmierst du's nicht, dann quietscht die alte )(efte
Wie einst im ßai! —
_ 10 —
— 11 —
Ein Blitzstrahl.
Der Morgen schon war drückend heiss,
Schwül war die Sommernacht g-ewesen —
Ich wünschte, ein Gewitter kam',
Dass mich ein Blitzstrahl möcht' erlösen! -
Erlösen von der roten Oual
Die ohne Worte ich getragen —
Ach schlafen, schlafen! — Nur nicht mehr
Dies marterv'olle Grübeln, Fragen! . .
Die Morgensonne kam herauf
Und sandte Feuerflammen nieder,
Vor meinem Fenster duftete
So schwül und süss der weisse Flieder.
Und ich sprang auf In meiner Not
Beschloss ich, alles heut zu wagen —
Es sollte dieser Tag den Tod
Oder das Leben mit sich tragen! . .
Im tau'gen Garten fand ich sie
Mitten im Duft der Sommerblumen,
Zerbröckelnd in der weissen Hand
Nachdenklich dunkler Erde Krumen.
O, wie mein Herz da niederfiel,
Wie meine Seele sie umfasste!
Und wie ich voller Leidenschaft
Den andern, ihren Gatten, hasste.
Ob sie wohl an den Fernen denkt? —
Sie sah mich an, so still versonnen —
Noch war er fort — doch wenn er kam'
Zurück, eh' ich sie mir genommen.-^! .
Der „Champignon".
_ 12 —
„Wirst du diesen Sommer ^nicht verreisen?"
— „Ja, eigentlich wollten wir hier eine Sommerwohnung mieten, aber alle Verwandte und guten
Freunde versprachen, uns dann jeden Abend per Rad zu besuchen; — da wollen wir doch lieber mit
den Kindern nach St. Moritz gehen!" —
,,Nein! nein!" Ich drängte kaum den Schrei
Hinab, eh' er dem Mund entflohen —
Und ihr errötendes Gesicht
Senkt' sie vor meiner Äugten Lohen.
•_>
„'s is' schon recht warm," sie sagt es leis,
Mochte wohl nicht den Blick erheben,
Und spielend nahm ich ihre Hand
Und selig spürte ich ein Beben.
,,Wir fahren hinüber in den Wald,
Dass er uns vor der Sonne schütze — "
,,»Nach Tisch?«" ,,Ach nein, Frau Meta, bald,
Dort ruh'n wir in der grossen Hitze."
Sie zögerte, ich aber zog
Schnell aus dem kleinen Stall die Räder,
Und wenig später sassen wir.
Im Sportkostüm, im Sattel jeder.
— 13 —
,,Sie fahren vor?" Sie nickte. Ich
Verschlang sie fast mit meinen Blicken.
Durch niedVe Birken ging's. Sie rief
Bei jedem Ast ein freundlich: Bücken!"
Und endlich, endlich war sie mUd\
Da ruhten wir im grünen Moose.
Sie lächelte. Ihr Angesicht
Erglüht, wie eine junge Rose.
Jetzt oder niemals 1 Ich ergriff
Ihr Händchen und versucht' zu sprechen]^ —
Da plötzlich schien es uns, als wollt'
Ein Untier durch die Büsche brechen.
Ein Windstoss war's. Am Himmel droht
Gleich einer Faust es schwarz und finster;
Die Bäume rauschten und es schwankt
Zu unserm Fuss der gelbe Ginster.
,,Ouand memel Ich muss es Ihnen sagen,
I'Vau Meta, was ich hab' ertragen,
Wie air mein Leben Oual gewesen! —
O möcht' ein Blitzstrahl mich erlösen!"
Sie schwieg, bis wieder ich begann:
„O, Meta, seit ich dir begegnet.
Seit in dein Auge ich geseh'n.
Weiss ich nicht mehr — — " Sie sprach:
,,Es regnet."
Und in der That, auf Blüt' und Blatt
Die schweren Regentropfen fielen.
Und sie fuhr fort: ,, Pardon, mein Freund,
Doch glaub' ich, dass wir uns verkühlen.
Wenn wir noch länger hier am Ort
So ohne Regenschirm verweilen.
Wir thäten gut, wir führen fort
Und würden uns etwas beeilen."
Ich sah sie an. Ihr heller Blick
War rein und ohne Hinterhalten
,,Ganz recht, Madame," erwiderte ich,
Und eilte, ihr das Rad zu halten.
Und wieder fuhr sie vor mir her
Und ich bewunderte die Formen
Des schlanken Leibes, wie vorher,
Nur unter etwas andern Normen.
Beim Bahnhof mussten wir vorbei.
Soeben Hess auch nach der Regen.
Grad hielt ein Zug. Dort kam ihr Mann
Hutschwenkend, freundlich uns entgegen.
,,Bonjour, mein Herz!" Sie küssten sich
Wie zwei verliebte Ehegatten,
Und ich — — mein Gott, ich stand dabei.
Bis sie genug geküsst sich hatten ....
R i d e n s.
— 14 —
— 15 —
Hochsommer.
Von Marie
„Soll ich jetzt die Wege
ausstechen, Fräulein Martha?"
„Nein, graben Sic lieber
das Beet hier um, die Wege
mach' ich mir selber!"
Gehorsam kam er die
schmale Furche zwischen den
Beeten herab, stieg vorsichtig
über den Rand, um die dort
angepflanzten Erdbeeren nicht
zu zertreten, und blieb einen
Augenblick bei ihr stehen, die
mit einer kleinen Schere die
Pflanzen von ihren wilden
Trieben befreite.
Sie beugte sich ein wenig
tiefer und sagte mit einem
Anflug von Gereiztheit:
„Was wollen Sie denn?
— — Sollen denn die Leute
über uns reden, wenn sie
uns hier so dicht beieinander
sehn?! — — "
Und er fand nicht, was er
ihr erwidern sollte. Aber
seine tiefe Stimme zitterte,
als er leise ihren Namen aus-
sprach :
„Martha — — — "
Die Sonne brannte schon,
trotz der frühen Tageszeit. Sie
brannte auf den weissen
Florentinerstrohhut, der ihm
ihr Angesicht verbarg, und
der rote mit weissen Pünkt-
chen übersäte Stoff, der ihren
biegsamen Körper umgab,
leuchtete in dem schattenlosen
Licht des Augustmorgens.
,,Gehn Sie doch, Sic sollen ja das Beet da umgraben."
Er riss sich zusammen, sprang gewandt über das
Nachbarbeet und fing an zu arbeiten wie ein Wilder.
Sie beobachtete ihn verstohlen, wie er so kräftig den
Spaten handhabte, und als er eine Weile gegraben hatte,
sagte sie mit einem klingenden Lachen:
,,Wenn Sie so fortfahren, empfehl' ich Sie bei allen
meinen Bekannten als Tagelöhner."
Da sah er auf, ebenfalls lachend, und blickte an seinem
eleganten weissen Tennisanzug hinab, der von der schwarzen
Erdkrume hie und da schon ein wenig beschmutzt war.
„Wenn ich nur in Ihrer Nähe bleiben darf, Fräulein
Martha, und wenn ich habe eine Bitte an Sie!"
,,Die ich Ihnen wahrscheinlich nicht werde erfüllen
können — Sie bitten immer so — so komische Sachen,
Mr. RuUer!"
Er war schon wieder in ihrer Nähe, aber diesmal vor-
sichtiger, machte er sich bei dem Unkrauthaufen zu schaffen
neben dem sie stand.
,,Ich möchte, eh' ich' von hier fortgehe" — er zögerte,
,,ja, eh' ich von hier fort muss, F'räulein Martha, da möcht'
ic|i — — "
„Na, was möchten Sie denn?"
Sie sah ihn aber nicht an dabei.
„Ach, Fräulein Martha, einmal, einmal nur sollen Sie
mir erlauben, Sie zu küssen!"
Er sah , wie ihre kleinen Ohren dunkelrot wurden.
Dann erwiderte sie mit einer Stimme, der man den inneren
Aufruhr anhörte:
„Ich bin so gut wie versprochen, Mr. Ruller — — ich
glaubte, Sie wüssten das?l"
Mit einer leidenschaftlichen Gebärde erwiderte er:
gewiss! Ich weiss das, aber ich will ja auch
blos ein ganz klein' Almosen haben von Ihnen, Miss Martha,
Der Radmarder.
Ilalfers.
ein Andenken an die Zeit bei Ihnen — aoh, ich weiss wohl,
dass ein andrer Mann Ihr Versprechen hat, aber — — —
verzeihen Sie, Fräulein, ich bin zu aufgeregt und ich habe
kein Recht an Sie — — aber nicht wahr, wenn ich fortgeh'
von hier, ich bekomme einen, einen einzigen Kuss von die-
sem geliebten Mund? — ich kann es ja sonst nicht ertragen,
Sie zu lassen hier, Miss Martha!"
Sie hatte sich aufgerichtet und sah ihn mit gerunzelter
Stirn und fest aufeinander gepressten Lippen voll an.
„Ich glaube nicht, Mr. Ruller, dass ich Ihnen jemals
Veranlassung gegeben habe, so zu mir zu sprechen. Und
ich muss Sie dringend bitten, solche Worte zu unterlassen
oder, als Mann von Ehre, einem Wiedersehen mit mir aus
dem Wege zu gehen!"
Da erhob er sich ebenfalls, steif, der Vollblutamerikaner.
„Miss Remack, ich bitte Sie um Verzeihung für mein
hässliches Benehmen und ich mache Ihnen mein Kompliment
für Ihre feine Diplomatie!"
Ihr Gesicht wurde rot, als liefe eine Flamme darüber hin.
„Wie meinen Sie das, Mr. Ruller?"
„Aoh, ich meine nur, Sie waren erst so freundlich zu
mir,* Miss, und jetzt . . ." er lächelte eigen.
Da brach sie, in heftige Thränen aus, streifte die Leder-
handschuhe, die ihre feinen Hände bei der Erdarbeit ge-
schützt hatten, mit einem Ruck ab und rannte zu der
Stacketthür des Gartengrundstücks.
Dort holte er sie ein.
„Miss Martha, ich beschwöre Sie! — Ich habe ja nicht
überlegt, was ich Ihnen gesagt habe — ich bin verrückt —
meine Leidenschaft für Sie hat mich toll gemacht — —
ich bitte Sie um Verzeihung — — nie, nie mehr werd' ich
es wagen — — — "
Aber sie hörte garnicht auf ihn.
,, Geben Sie die Thür frei, Mr. Ruller! — Ich will nach
Haus — allein! — Ich verbitt' mir Ihre Begleitung!"
Sie riss die Thür auf und stürmte davon, dass der gelbe
Kies nur so flog unter ihren kleinen Schuhen.
(Fortsetzung Seite 18.)
16
— 17 —
1
Karlchen weiss, was sich schickt.
„Seht mal Karlchen an, wie der sich seine Beene hübsch rasieren lässt
'n Beispiel dran!" —
da nehmt Euch
^ Verlegen und in sehr unbehaglicher Stimmung blieb der
junge Amerikaner zurück. Mr. Ruller war seit beinahe drei
Jahren in Deutschland und beherrschte Sprache und Sitten,
aber all' sein Wissen liess ihn jetzt nicht herausfinden aus
der Sackgasse, in die er sich durch seine unüberlegte
Aeusserung verrannt hatte. Am geratensten schien es ihm,
seinen Aufenthalt hier noch mehr abzukürzen und schon
jetzt zurückzukehren in die ferne Heimat. Wenn ihn nur
dieses deutsche Mädchen mit den tiefen Augen und der
stolzen Haltung losgelassen hätte — — —
In tiefe Gedanken versunken, schloss er die Thür des
Gartengrundstücks hinter sich ab und begab sich nach der Villa,
deren einen Flügel Martha Remack mit einer alten Dienerin
innehatte, während er selbst mit seiner Mutter den anderen
bewohnte.
Als er aber von der alten Line, Marthas ehemaliger
Amme, erfuhr, das Fräulein sei garnicht dagewesen, verliess
der junge Mann eilig wieder den Hof und ging schnell den
Weg unter den grünen Platanen entlang, an den schmucken
Landhäusern und Gärten vorbei, nach den Feldern zu, wo
er in den Haselhecken Marthas Lieblingsplätze wusste.
Da, plötzlich, sah er ganz oben an der Wegbiegung ein
rotglänzendes Kleid in dem Eichenwäldchen verschwinden. Er
fing an zu rennen. Tiefatmend kam er bei den Eichen an.
Aber kein wie eine Mohnblume leuchtendes Kleid war
mehr zu sehen Und seinen flehenden Rufen ,, Martha! Fräu-
lein Martha!" antwortete nur ein zaghaftes Echo.
Einen Moment überlegend, rannte er, ebenso schnell
wie er gekommen, zurück nach der Villa, nahm sein Rad,
das im Schuppen stand, war mit einem Hopps im Sattel und
sauste in Sekunden den Weg, den er vorher mühsam in
Minuten zurückgelegt hatte.
Aber wo versteckte sie sich? Vielleicht war sie links
abgegangen nach ZüUsdorf zu. . . Und schon flirrte sein
Rad über dem gelben Lehmboden der Züllsdorfer Strasse hin
. . . Aha, da kam Sand, da gings nicht durch. Er musste
(Fortsetzung Seite 21.)
— 18
Radpatriotismus.
„Feste, Müller, festeee . .! — Immer treten! treten! treten! — — Lass da' nich an' Schlitten
komm' von den vafluchten Engländer! — — Mülla! — Müllaaü — Müllaall — — Berlin vorne! —
Deutschland vor! — — Hurrah! Hurrah!"
— 19 —
Der kopflose Radler.
Herr Gott, was waren das wieder für Sachen,
Die der Heinrich heute erzählt!
Das kann den Mutigsten gruslich machen —
Und der Weg ist so einsam durch's Feld . . .
Die Weiden da drüben, der Mondenschein . .
Welch sonderbares Schweben?! . . .
Es fall'n einem so seltsame Dinge ein . .
Aber so was kann's ja nicht geben!
Na, los mal, was die Pedale halten,
Dass man schneller die Stadt erreicht . .
Der Wein war gut . . vom ganzen alten.
Und alter Wein ist nicht leicht . . .
Wie komisch! Scheint denn derMondsohell?
Ein Lichtstreif, wie aus 'ner Laterne . .
Ob man sich umsieht? Natürlich! schnell! —
Da radelt ja was in der Ferne!!
Das Rad glänzt, blank wie Mondenschimmer,
Im Nebel verschwimmt die Gestalt ....
Und der Kerl tritt die Pedale nimmer —
Den Vordem durchrieselt es kalt.
Vom Radler, der kopflos die Nacht durchrast.
Erzählte der Heinrich Geschichten — —
Die Brust auf der Stange, in toller Hast,
Der Vordere saust durch die Fichten.
Ein Wurzelknorren ! Ein Ruck ! Ein Splittern !
Dann wieder Nacht nur und Stille.
Und wo des Mondes Lichter hinzittern,
Sind rote Flecken in Fülle — —
Der Herbstwind geht. Es schauert der Wald.
In den Gründen brodelt der Nebel und wallt.
Und durch den Nebel, wie rasend, bricht
Ein weisses, schimmerndes Licht . . .
Friedrich Roter m und.
— 20 —
Fertig zum Start.
sich links halten am Strassenrand, der sich zu einer ziemlich
steilen, etwa zwölf Fuss hohen Wand erhob, welche nach
der anderen Seite zu in sanfter Neigung in eine mit Korn
bestandene Ebene abfiel.
Dieser Hügelweg war kaum mannsbreit, aber dem Ame-
rikaner machte das trotz des flotten Spurts keine Schwierig-
keiten. Dann zog sich die Chaussee weit, weit und voll-
kommen flach dahin. Wenn Martha da entlang gegangen
wäre, hätte er sie jetzt sehen müssen. — —
Fred Ruller kehrte um und fuhr zurück, wieder über
den Hügelweg. Da, wie er gerade auf dem Gipfel war,
schien es ihm, als höre er einen Ruf Wie herumgerissen,
drehte er sich im Sattel. Das Hinterrad seiner Maschine
verlor den Boden. Und die Lenkstange krampfhaft um-
klammernd, stürzte er den Abhang hinab.
Carajo! Das war ein böser Fall, sein rechtes Schien-
bein war arg zerschunden, aber er kümmerte sich nur um
seine Maschine und die war heil, an der war auch nicht
mal eine Speiche verbogen! Der Schmerzen nicht achtend,
fuhr Fred weiter, die ZüUsdorferstrasse zurück, bis zu den
Haselhecken. . . Jetzt war nur noch eine Möglichkeit: Martha
war quer über die Wiesen gelaufen und hielt sich hinter den
Erlenbüschen versteckt, die den Bach umsäumten.
Und es wurde immer heisser. In der Luft flirrte es,
wie von tausend blauglänzenden Schwertern. Fernher über
die Wiesen klang das Sensendengeln der Mäher. Zwei Habichtc
zogen mit heiserem Schrei in weitem Bogen über ihr Revier
dahin. Aber der junge Amerikaner sah, hörte und fühlte
nichts. Er wusste auch nicht, wie er sein Rad über den
fetten Moorboden brachte, er warf es über die Gräben, welch e
zur Drainage durch das Erdreich gezogen waren und mal-
trätierte in der Wut, die Geliebte noch immer nicht zu
finden, seinen armen Renner.
Da, wie er eben wieder aus einem tiefen Wasserlauf
emporkletterte, sah er sie. Von der vollen Glorie des Sonnen-
— 21 —
„Abfuhr!"
lichts umwoben, stand sie mitten auf der blühenden Wiese
und pflückte Blumen.
„Martha! — Martha! l'"
Wie ein Hirsch, so stolz und flüchtig, flog er über das
tauige Gras.
Und vor ihr brach er in die Kniee und umschlang
schluchzend ihren Leib und netzte ihre Hände mit seinen
Thränen,
Sie wollte ihn aufheben.
„Nein, nein, nicht eher, als bis du mir verziehen hast!"
Da neigte sie sich zu ihm und küsste seine Augen . . .
Unter den Erlen am Bache sassen die beiden innig um-
schlungen. Und als sie sich satt geküsst hatten und wieder
Worte fanden, meinte sie:
„Ich hab' Sie ja immerfort gesehen, aber ich wollte
nicht antworten auf Ihr Rufen . . ich war zu böse ... Ihr
Rad ist wohl ganz entzwei?"
„Aber nein, Liebe, garnicht! Bei der Marke giebt's
keine Reparaturen, trotz aller Schnelligkeit der Maschine —
— Ich fahre ja Seidel & Naumann!"
„In Dresden, nicht wahr?"
„Ja, dort ist die Fabrik. Aber die Filialen sind in allen
grösseren Städten. Die Leute arbeiten mit grossen Mitteln
und liefern wirklich tadellose Räder zu massigem Preise . .
Aber das alles interessiert mich sonst viel mehr, als in
diesem Augenblick . . ."
Und er hob ihr schönes Gesicht zu sich empor und
küsste ihre Augen; diese tiefen dunkelblauen Augen, in denen
sich für ihn die ganze Welt mit ihrem Glanz und ihrer
.Schönheit malte.
„Sie haben die Dame da oben umj^efahrenl
Wie heissen Sie?"
„Aoh, uas uillen Sie? — like to box? — —
come onll — —
Seine Majestät der
Erlkönig.
Eine Radballaile.
Was radelt so spät durch Nacht
und Wind?
Es ist der Vater mit seinem
Kind !
Der Vater radelt, der Vater
flitzt.
Das Kind auf dem Tandem
hinter ihm sitzt.
„Mein Sohn, was birgst du so
bang dein Gesicht? '
— „Siehst Vater du jenen da
drüben nicht?
Der so aussieht wie düsterer
Nebelstreif?"
„Mein Sohn, das ist ein
Beamter vom »Greif« !" —
»Komm, schöner Knabe, warte hier
Bis ich geschlossen hab' die Thür,
Dann will dein Väterchen und dich
Mit neuem Licht versehen ich.«
— „Mein Vater, mein Vater und hörest du nicht,
Was jener andre uns leise verspricht?" —
„Sei ruhig, Bengel, und achte nicht drauf.
Es ist der Herr Nachtrat, der schreibt uns nicht auf.'
»Willst, feiner Knabe, du mit mir geh'n.
Meine Töchter sollen dich warten schön,
Meine Töchter, das ist 'n Berliner sein Fall,
Die sitzen bei Keck und im National.«
— „Mein \'ater, mein Vater und siehst du nicht dort
Die schnudlichen Pussels ain düstern Ort?" —
„Mein Sohn, mein Sohn, die darfst du nicht seh'n.
Das sind die Damen's, die wandeln nach zehn!'-
,Sie, Männeken! Sie da! Sie haben kein Licht.
Man radelt bei uns hier des Abends so nicht!!'
— „Mein Vater, ein Blauerl Schon fasst er mich an!
O radle doch, radle, sonst komm'n wir in' Kahn!"
Dem Alten grauset's, er radelt geschwind,
Hinterm Rücken sitzt ihm das strampelnde Kind.
Da kommt eine Droschke recht scharf um die Eck'
Und Vater und Sohn, sie liegen — auf dem Asphalt.
— 22 —
Vereinigung der verbrüderten Speichentreter
.Wir treten fest und treu zusammen! All Heil Hurrahl All Heil Hurrahl'*
— 23 —
„Nu, weess ick nich, jeheert die Schraube zu 't Tretkurbellager, zu 'n Kettenspanner, oder mang
de Lenkstange mang? — — oder — — is se mich amende in' Kopp iosjejangen, wie ick so dusslig war
die Miehle ausenander zu nehm' — — "
— 24 —
„Natierlich, erst fahr'n se wie de Verdrehten un thun, als ob unsereener jarnich uff de Welt
wäre — — na un schliesslich, wenn *t ma' schief jeht, denn sint wir doch diejenigten, welche! — —
Cragödie,
frei nach lyeine von S^:ckürd W olfru m,
1.
€ntßieh' mit mir und sei mein Weib!
Sag' selbst, was ic/j nocf] hoffen darf,
ßachdem dein Vater sans fa<;on
t)ie Zlreppe micf] hinunter warf.
<^ehst du nicht mit, so schwör tcl] drauf,
j)u stirbst als alte Jungfer hier,
ßuf, £iebchen! die fposen an!
j)as "Candem wartet vor der Zlhür.
IL
€s platzte ein /Reifen mit aller jyfacht.
J^wei fielen vom i^ade. fall heil? Jfc/j nein,
Sie sind zerschunden, voll beulen.
€in Jüngling hatte ein J\^ädchen lieb,
Sie radelten heimlich von /pause fort. —
€rst schwamm Ja auch alles in ^utter.
t)ie i^eue folgte hinterher.
Jhr <^eld wurde alle . . . ßun lägen sie gern
Zusammen im ^rab, statt im (graben.
III.
j^uf ihrem i^ade fahren geschwinde
^wei <^auner davon — nee, wie ic/j das finde!
3u spät entdeckt das pärchen hat's
€s lag Ja fast wie tot am J'latz.
J)ie Winde, die wehen so kühl und so schaurig.
€in Wetter zieht 'rauf. Und /(ein Obdach! 's ist traurig;
J)ie radlosen fühlen, die k.^hren stumm
per pedes im liegen nach fpause um.
Ein Radkliniker.
— 25 —
— 26 —
Der Radkavalier.
„Aeh ! Scherenschleifer! ^Scherenschleifer! Scherenschleifer!" . .
„Einfach pöbelhaft! Kein Sport mehr für Kavaliere!"
— 27 —
Des Versicherungs-Agenten Tisch-
gespräche.
Protokolliert von Albert Brinitzer.
Wirklich, meine Herren, Se können mir glauben auf
Ehr' und Gewissen, dass ich Ihnen noch thu' 'n grossen
Gefallen, wenn Se werden bei mir versichern Ihr Rad! Se
lachen! Was ist da zu lachen? — Ich kann Ihnen sagen,
das Unglück, das schon ist gekommen über die Leut', die
nischt haben wissen wollen von de Versicherung !
Da ist gewesen der lange Schindler, — Se werden ihn
auch noch gekennt haben — wodurch, meinen Sie, ist der
so heruntergekommen? — Weil er nischt ist gewesen in
keiner Versicherung!
Ist ihm gestohlen worden sein Rad, wie er hat condi-
tioniert in ä sehr ä feinem (jcschäft auf 'ne sehr ä gute
Stellung mit ä sehr ä hohem Gehalt. War er gewesen ver-
sichert, war* er einfach gekommen zu uns, hätten wir ihm
gegeben ä neues; so aber lauft er selbst 'rum suchen einen
Tag und noch 'n Tag und gefunden hat er's nischt, und
wie er ist zurückgekommen ins Geschäft sieht er auf seinem
Platze einen Brief, dass er ist entlassen wegen eigenmächti-
— 28
gem Fortbleiben vom Geschäft. Nu gut! Hat er sich ge-
sucht 'ne neue Stelknig, wo sind gewesen zwei Compagnons
und der eine ist gerade verreist.
Wie er vierzehn Tage dort ist und mittags nach'm Ge-
schäft geht, sieht er auf der Strasse einen Herrn vorbei-
fahren auf seinem früheren Rade. Er stürzt ihm nach und
macht ihm begreiflich, dass das Rad wär' seins und gestohlen.
Der andere aber sagt, er hat die Maschine 'n Tag vorher
in einer grossen Radfahrhandlung gekauft. Und se kommen
rein ins Handgemenge und in 'ne grosse Keilerei und wie
der lange Schindler kommt nach'm Geschäft, sieht er, dass
er sich hat gehauen auf der Strasse mit'm zweiten Compa-
gnon, der eben ist zurückgekommen von der Reise. Selbst-
redend hat er sofort gekriegt ä Worf heraus und 'ne andere
Stellung hat er nischt gefunden und er ist herunterge-
kommen von Stufe zu Stufe, und das alles, weil er nischt
hat versichern wollen sein Rad bei mir. Und dabei ist das
noch gar nischt gegen das Unglück, das gehabt hat der
junge Amerikaner Tom Bornegate, als ich noch gesessen
bin drüben in Kansas City. Das müssen Se hören!
Also eines Tages will ich ihm zureden, dass er bei mir
soll nehmen eine Police. Aber er will nischt! Ich kann
ihm sagen, was ich will, er hört nischt auf mich! Kaum
aber bin ich weggegangen, fängt er an zu denken, ob ich
nicht doch hab' vielleicht Recht mit meinen Warnungen,
dass ihm sein Rad kann gestohlen werden auf Schritt
und Tritt.
Und der Gedanke bohrt sich so fest in ihm ein, dass
er bei ihm wird zur fixen Idee. Und zuletzt getraut er sich
garnicht mehr heraus mit seinem Rad aus dem Zimmer,
sondern er legt das Bicycle aufn Tisch und setzt sich da-
vor von unten bis oben bewaffnet, und das Zimmer ver-
barrikadiert er wie 'ne Festung.
Wenn jemand wollt' zu ihm kommen, hat er zuerst
müssen nennen seinen Namen und eine genaue Beschreibung
von sich. Dann sind von innen aufgeschlossen worden vier
Riegel und jener hat geöffnet die Thür eine Spalte weit
und hat herausgekuckt, wer da ist. Dann hat er weg-
genommen die sechs Sicherheitsketten und de fünfundzwanzig
Zündschnuren und Kanonenschläge, die er hat befestigt ge-
habt an'n Thürpfosten, hat die Selbstschüsse von der Erde
aufgehoben und die Fangeisen zugeklappt und wenn man
dann ist hereingetreten ins Zimmer, hat man neben ihm ge-
sehen zwei Kanonen, mit Elektrizität zu bedienen und eine
Vorrichtung von vierzig verschiedenen Hackemessern rings
um das Rad herum. Und er selbst hat gehalten die eine
Hand immer an der Lenkstange und in der andern hat er
gehalten 'n doppelläufiges Repetiergewehr. Wie gesagt, er
ist geworden übergeschnappt vor Angst, dass ihm könnte
gestohlen werden sein Rad und vor Gewissensbissen, dass
er es nischt hat versichert bei mir. Aber es sollte kommen
noch viel schlimmer.
Eines Tages kommt er gelaufen mit ä Geschrei und ä
Gejammer in de Polizei-Office und hat vorgeklagt dem wach-
habenden Policeman, dass ihm ist gestohlen worden sein
Rad. Und er hat geredet und hat geboten fünfzigtausend
Dollar für den, der findet den Dieb von seinem Rad und hat
gefordert und ausgemacht, dass der Verbrecher soll sofort
aufgehängt werden am nächsten Laternenpfahl, wie man's
drüben macht mit de Pferdediebe und jetzt auch mit de
Raddiebe.
Und de Detektives sind ausgegangen und haben alles
durchgesucht und haben gefunden ä Hosenknopf und ä
Barthaar und Fussspuren und haben ihn festgepackt und ihn
aufgehängt am nächsten Laternenpfahl. Se fragen noch wen.^
— Nätürlich ihn selber, den Tom Bornegate, der hat gestohlen
sein eigenes Rad, um zu sehen, ob trotz aller Vorkehrungen
noch möglich wär ä Diebstahl und ob de Polizei ihn würde
entdecken — aus purer Angst um sein Rad. — Hätt' er nötig
gehabt sich lassen aufzuhängen, wenn er wär' versichert ge-
wesen bei mir? —
Ich sag' Ihnen zum letzten Mal, dass ich Ihnen thu' ä
grossen Gefallen, wenn Se werden bei mir versichern Ihr
Rad
Rencontre.
„Was?! — Was willste?! — — Erst fährste mir mit deine alte dämliche 136er Uebersetzung
meinen neuen Schlitten kaput und nu willste noch reden von „ausbiegen" und „nich fahren können" un
so — — — Mensch, ich sage dir, wenn ich nich mehr bedächte, denn — — — — — "
= 29 —
Sportgrazien.
Die Schönheit ist sich selber selig-,
die Grazie macht unwiderstehlich.
(Goethe.)
tradier, spring' vom Stahlross ab;
Wand'rer, stehe sfil! und weine!
T)enn allhier in diesem '^rab
l^uhen peter Sc/me/Is ^ebeine.
3um Cydisien schon geboren —
Seine €Hern trieben Sport —
Schlug er bald die Junioren,
Später manchen Weltrel^ord.
Ueberallhin, wo man rennt,
führte rastlos seine f^eise.
ßuf dem ganzen }(ontinent
fpolt' er sie/} die schönsten preise.
'Weitberühmt als steter Sieger,
tpiess es immer, wo er fuhr:
Champion und jYleisterßieger
peter Schnell ist „hors concours!"
^is ?um €nde halt' er <^lück,
fiel, ein Xjrieger beim <^ewehre,
^rac/] beim fahren das <^enick,
Starb so auf dem feld der €hre.
Qrabschriff eines Radfahrers.
jfic}], die grossen, starken "Waden,
"Welche wurden viel besungen,
JWästen Würmer jetzt und jYladen!
Und wo sind die l^räft'gen Xungen?
Doct] ein )\5rper muss vern^esen,
€wig lebt der bess're 'Ceil.
I^adler, wenn du dies gelesen,
Jiuf der Jffi'/e ein „ßll' f}eil!"
Q u^tav %rauz.
— 31
- 32 —
Na also, lieber Radgenosse, —
Sag\ war's 'ne angenehme Reise,
Bei der ich dich auf meine Weise
Belustigt hab' mit Bild und Glosse?
Ich hab' mir redlich Müh' gegeben.
Mit derbem Witz und Griffel freilich,
Doch immer ehrlich, unparteilich
Zu zeichnen dir das Radlerleben.
Und thät' mein Büchlein dir behagen,
So braucht's nicht grosser Complimente,
Denk' nach, wer's noch gebrauchen könnte.
Dem musst du's unverzüglich sagen!
Dann seh' ich schon in hellen Haufen
Auf blankem Ross die Jungen flitzen,
Um, voll App'tit nach guten Witzen,
Sich schnell das Narrenrad zu kaufen . . .
Nun denkst du wohl, ich bin zu Ende,
Verehrter Freund? Oh kein Gedanke!
Willst du verpflichten mich zu Danke.
So thu' mir den Gefall'n und wende:
Danke bestens 1
All Heill
Der Radnarr.
Radier aller Cänder vereinigt €ucb!
$cblic$$t €u(b zusammen und
Abonniert auf das „narrenscbiff" !
JSei-Uncc illustinevtc Mocbenscbinft
in öas chiitBE Scclincv Wifjblatf, bae mit tmi ®Ijatrad!cn i>cB ätcbens rtdinef unb bie Binse in
iWott uiiti ®ilb In )<i!tlbErt, iuie fit in ber Sljat fmb. Bitte i^allung aicbt bem
öEn frirdicn. HErnioen €on untr nmrfit für fmliEüsfruIien SUcnrrfiBn ju emcr anregenden
unt> amüranfen Eekfüre.
ÜDer immer ber CniitJtrftlung in Mun|I nnti aTifferahir Sßmpatl|ten enfgeßenbringf, ber hiirt»
fidj freuen, im
ein ?0rnan ju tinben, t»as irom erlien Cage feines ^ejlcliens an ftdi Irie PpEöß einer gemein-
toerj!äntilidien unt» Irol^bem auf t>er ^öfte Üeljenben fafirifdien Umxft angelegen fein ließl
ilnfer allen Eelienskreifen aber Iiat firfi ba« „Barrenfd|i|f** geratre bem
mit größter ODärme jugehiantit unt> in immer ^uieiierkelirenben JUnpratiunen ben ^umor heg Eatreg
nadi allen Eirfitungen ausgerrfiöpft
Jedermann unb ber rabfal|renbe Sl)en)rfi ijurjüglidj, füllte beölialt» nidit tierräumen,
ju l^altcn, ju lefcn unb Streiter ju empfelileu.
S>er billige Preis tion Mk. 2,25 pro aöuartal, ^uofür 13 (l|efte geliefert inerben, ermüglirfit
jebem, bas „aäarrenfdiitf " ju feiner Itänbigeu Xcktüre ju iuäfilen. ©eftellungen neljmen alle ©udi-
lianblungen, Jeitungöfpebitionen, püllanitalten (Btga.-iüille lEr. 5177), fohiie ber ©erlag be»
„iBarrenfdiif **, fßerlin S.14, entgegen.
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