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Full text of "Das Wiener Burgtheater"

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DAS  THEATER  BAND  V 
DAS  WIENER  BURGTHEA'fER 
VON    RUDOLPH    LOTHAR 


DAS   THEATER 

EINE  SAMMLUNG  VON  MONOGRAPHIEEN 

HERAUSGEGEBEN  VON  DR.  CARL  HAGEMANN 
^HT  BUCHSCHMUCK  GEZIERT  VON  E.  M.  LILIEN 


Bisher  erschienen: 

Bd.    L  Der  grosse  Schröder    von Prf.  B.  Litzmann 
Bd.  n.  Bayreuth  von  Prf.  W.  Gohher 

Bd.ni.Josef  Kainz  vonFerd.  Gregori 

Bd.  IV.  Albert  Niemann  vonPrf.R.Stemfeld 

Bd.  VDas  Burgtheater  von  Dr.  Rud.  Lothar 

Bd.  VI.Adalbert  Matkowsky  vonPhiHpp  Stein 

In  Vorbereitung: 

Wilhelmine  Schröder- 

Devrient  von  Dr.  C.  Hagemann 

Goethe  alsTheaterleiter  von  Philipp  Stein 
Ludwig  Barnay  von  Dr.  Heinr.  Stümcke 

Lessing  als  Dramaturg  von  Prf.  B.  Litzmann 
Das  Cabaret  von  Dr.  Hanns  H.  Ewers 

Die  Devrients  von  Dr.  H.  H.  Houben 

Iffland  von  Dr.  E.  A.  Regener 

Laube  und  Dingelstedt  von  Dr.  C.  Hagemann 
Das  Th^atre  fran9ais  von  A.  Moeller- Brück 
Die  Meininger  von  Karl  Grube 

Sonnenthal  von  Dr.  Rud.  Lothar 

Diese  Sammlung  wird  fortgesetzt 

Es  sind  fünfzig  Bände  vorgesehen 

Jeder  Band  elegant  kartoniert  M.  I.50 
Jeder  Band  in  echt  Leder  geb.  M.  2.50 


FÜR  BÜCHERLIEBHABER 
WURDEN  DIE  ERSTEN  ZWANZIG 
EXEMPLARE  DIESES  BUCHES 
AUF  ECHTES  BÜTIENP  APIER  GE- 
DRUCKT  UND  HANDSCHRIFl"- 
LICH  NUMERIERT.  DER  PREIS 
DIESER  IN  ORIGINAL -COLLIN- 
LEDER  GEBUNDENEN  LUXUS- 
AUSGABE BETRÄGT  10  MARK. 
SIE  IST  DURCH  ALLE  BUCH- 
HANDLUNGEN     ZU     BEZIEHEN 


ALLE  RECHTE  VORBEHALTEN 


Die  Geschichte  des  Burgtheaters  ist  oft 
geschrieben  worden.  Man  hat  geschildert, 
wie  das  deutsche  Schauspiel  zwischen  dem 
improvisierenden  Hanswurst  und  der  streng 
zugeschnittenen  französischen  Tragödie,  zwi- 
schen der  Oper  und  dem  Ballett  sich  lang- 
sam Ellbogenraum  schaffte,  bis  es  so  wie 
alle  anderen  dramatischen  Vergnügungen 
des  alten  Wien  mit  beitragen  durfte,  einen 
hohen  Adel  zu  ergötzen.  Man  hat  die  Reihe 
der  Kavaliere  aufgezählt,  die  als  offizielle 
Mäzene  zwischen  Hof  und  Bühne  standen, 
Träger  glanzvoller  Namen,  die  das  Amt  des 
obersten  Direktors  mit  vielen  anderen  Amtern 
und  Würden  verbanden.  Und  weil  so  ein 
hoher  Herr,  den  von  heute  auf  morgen  die 
Gnade  seines  Souveräns  oder  eine  Partei 
seiner  Adelsgenossen  mit  der  Leitung  des 
Spieles  betraut  hatten,  doch  nicht  alles  ver- 
stehen konnte,  was  im  Theater  vorgeht  und 
Besserung,   Änderung,    kurzum   Bestimmung 


LOTHAR 


verlangt,  so  war  meistens  noch  ein  Beamter 
da,  Sekretär,  Dramaturg,  später  auch  Direktor 
g-enannt,  der  all  das  Technische  flink  ver- 
stehen und  prompt  exekutieren  musste.  Schrey- 
vogel,  Deinhardstein,  Holbein,  Laube,  Halm, 
Dingelstedt,  Wilbrandt,  Förster,  Burckhard, 
Schienther,  so  hiessen  diese  Mittler  zwischen 
oben  und  unten,  und  die  Geschichte  des  Burg- 
theaters ist  schliesslich  nichts  anderes  wie 
das  Hervortreten  dieser  Persönlichkeiten, 
deren  Künstlertum  wichtiger  ist  als  der 
Name  des  Aristokraten,  der  für  sie  nach 
oben  hin  verantworthch  ist.  Jede  Phase 
dieser  Kämpfe  ist  beleuchtet  und  durch- 
forscht und  mit  Akten  belegt  worden.  Es 
kann  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  das  oft  Er- 
zählte noch  einmal  zu  erzählen,  und  was  es 
Neues  gäbe  an  Spreu  und  Spänchen,  das 
führt  uns  nicht  weiter  in  dem  Bestreben,  ein 
Bild  dessen  zu  geben,  was  das  Burgtheater 
heute  ist,  was  es  bedeutet,  welchen  Raum 
es  einnimmt  in  der  deutschen  Geisteswelt 
Das  Burgtheater  beansprucht  unter  den 
deutschen  Schauspielhäusern  eine  ganz  be- 
sondere Stellung.    Es  hat  seine  Tradition,  es 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

hat  seinen  bestimmten  Stil  und  ein  grosser 
Teil  seiner  Macht  besteht  in  seiner  Unab- 
häng-igfkeit  von  Kassennöten.  Der  Hof,  das 
heisst  heute  der  Kaiser,  gibt  ihm  die  Mittel 
zu  g-lanzvoller  Ausstattung*,  ermög-licht  es  ihm, 
grosse  Gagen  zu  zahlen  und  ein  Stück  auch 
dann  zu  halten,  wenn  die  Einnahmen  an 
anderen  Theatern  zu  raschem  Tode  drängten 
würden.  Die  Kassa  hat  heute  im  Burgtheater 
nur  mehr  eine  moralische  Bedeutung*.  Wenn 
ihre  Ziffern  traurig*  werden,  so  bedeutet  das 
dem  Direktor,  dass  das  Publikum  nicht  ins 
Theater  geht  und  also  das  neue  Stück  nicht 
will.  Er  hat  dann  zwei  Wege  offen.  Er  kann 
dem  Publikum  recht  geben  und  das  Stück 
absetzen,  er  kann  aber  auch  das  Stück  bei 
vorsichtiger  Behandlung  lange  Zeit,  vielleicht 
Jahre  im  Spielplan  behalten  und  so  dem 
Autor  einen  Rückhalt  schaffen,  den  er  sonst 
an  keiner  Bühne  finden  dürfte.  Freilich  auch 
das  Burgtheater  hatte  einmal  bittere  Geld- 
nöte zu  bestehen  und  die  Geschichte  seiner 
ersten  Tage  ist  nichts  wie  eine  Kette  von 
Versuchen,  dem  Bankerott  oder  der  Seques- 
trierung zu  entgehen.    Die  ersten  KavaÜere, 


LOTHAR 


die  im  Hause  wirtschafteten,  haben  gründUch 
ihr  Geld  dabei  verloren  und  sie  griffen  zu 
den  seltsamsten  Rütteln,  um  sich  zu  retten. 
Graf  Kohary  erbat  von  der  Kaiserin  Maria 
Theresia  ein  Privilegium  zum  Verkauf  von 
Kaffee.  Das  erhielt  er  freilich  nicht,  aber  unter 
dem  Grafen  Durazzo  erlaubte  die  Kaiserin 
das  Pharaospiel  im  Parterre.  Und  von  dieser 
Erlaubnis  wurde  eifrig  Gebrauch  gemacht. 
Dieses  älteste  Burgtheater  war,  auch  von  den 
glückspielenden  Herren  im  Zuschaueraum  ab- 
gesehen, ein  recht  sonderbares  Haus.  Kaiserin 
Maria  Theresia  war  durchaus  keine  Freundin 
des  Theaters.  Ihr  fehlte  der  Sinn  für  die 
Kunst,  Sie  verachtete  die  Schauspieler  und 
tadelte  alle,  die  mit  ihnen  zu  tun  bekamen. 
Wenn  sie  aber  trotzdem  sich  mit  dem  Burg- 
theater beschäftigte,  oder  besser  gesagt,  dem 
Grafen  Kaunitz  erlaubte,  sich  damit  zu  be- 
schäftigen, so  tat  sie  dies,  weil  der  Hof  das 
Theater  zu  Repräsentationszwecken  brauchte. 
Am  14.  März  1741  überliess  die  Kaiserin  dem 
Herrn  Selliers,  dem  Entrepreneur  aller  Lust- 
barkeiten bei  Hof,  ein  kleines,  leeres  Gebäude, 
das  an  den  Flügel  des  Burgbaues  stiess  und 

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DAS  WIENER  BURGTHEATER 


ehemals  als  Ballhaus  gedient  hatte.    Das  neue 
Theater    erhielt    den    Namen:    „KönigHches 
Theater  nächst  der  Burg-\    Aber  bis  zu  dem 
Tage,  wo  Kaiser  Josef  es  zum  Nationaltheater 
ernannte,  vergingen  mehr  denn  dreissig  Jahre 
und  in  dieser  Zeit  war  es  um  die  Pflege  des 
Schauspiels  schlimm  darin  bestellt.  Die  Aristo- 
kraten, die  nacheinander  das  Heft  in  die  Hand 
bekamen  —  sie  bildeten  Gesellschaften  unter 
sich    und    der    Theaterbetrieb   wurde    durch 
Subskription   ermöglicht  —  zerbrachen   sich 
wetteifernd  den  Kopf,    welches  Zaubermittel 
angewendet  werden  müsse,  um  ein  Geschäft 
zu   ermöghchen.     Einmal   liess   man   die   im- 
provisierte Wiener  Komödie  zu  Worte  kom- 
men,    die    Herren    vom    grünen    Hute;    ein 
anderes  Mal  warf  man  sie  hinaus,  um  es  mit 
dem  regelmässigen  Schauspiel  zu  versuchen. 
Bald  wurde  deutsch  gespielt,  bald  französisch, 
Oper  und  Ballett  zogen  ein  und  machten  dem 
gesprochenen  Wort  Rang  und  Raum  strei- 
tig,   und    als   dann   die   Musik   endgültig   ins 
Kärnthnertor-Theater  übersiedelte,  da  suchte 
man    nach    einem   Wundertäter,    mit    dessen 
Stücken  man  dem  mehr  als  kärgUchen  Schau- 


LOTHAR 


Spielrepertoire  aufhelfen  könnte.  So  jammer- 
voll war  es  um  dies  Repertoire  bestellt,  dass 
D'Afflisio,  ein  echter  Abenteurer  aus  der 
Gilde  der  Casanovas  und  Cagliostros,  der, 
man  weiss  nicht  wie,  plötzUch  in  Wien  er- 
schien, die  Menschen  bezauberte,  Erfolge 
hatte,  Direktor  des  Burgtheaters  wurde,  um 
nach  kurzer  Zeit  spurlos  zu  verschwinden,  in 
einem  Promemoria  an  die  Kaiserin  im  Jahre 
1770  schreiben  konnte:  44  grosse  Stücke 
machen  das  ganze  Repertorium  des  deutschen 
Theaters  aus.  Da  aber  von  diesen  Stücken 
sehr  viele  in  Wien  nicht  gefallen,  so  wisse  er 
nicht,  was  er  machen  solle.  Man  wollte  Goldoni 
als  Theaterdichter  nach  Wien  berufen,  man 
dachte  an  Lessing  als  Helfer  in  der  Not  und 
unterhandelte  mit  ihm.  Lessing  kam  auch 
nach  Wien,  aber  die  Unterhandlungen  zer- 
schlugen sich.  Und  mitten  in  all  dem  Trubel, 
in  allem  Experimentieren,  in  dem  Widerstreit 
der  Wünsche  nach  Unterhaltung  stand  schon 
in  Wien  der  Mann,  dessen  Wort  und  Ge- 
schmack dem  Burgtheater  die  erste  Direktive 
gab.  Dieser  Mann  war  Sonnenfels.  Und 
trotz    der    einigermassen    chaotischen    Wirt- 


DAS  \MENER  BURGTHEATER 

Schaft  kann  man  doch  auch  in  diesen  Ur- 
anfängen des  Burgtheaters  schon  die  ersten 
Linien  seiner  Tradition  erkennen. 

Der  Hof  und  der  Adel  hatten  das  Theater 
ins  Leben  gerufen.  Sie  waren  und  bUeben 
das  StammpubUkum.  Erst  später  und  lang- 
sam \^airde  es  mit  bürgerlichen  Elementen 
durchsetzt.  Das  Wiener  Bürgertum  aber 
sah  im  Adeligen  das  Muster  der  Lebensart, 
der  Sitte,  des  Geschmacks.  Der  Kaufmann, 
der  Fabrikant,  der  Beamte  —  das  waren  ja 
die  Elemente  des  Bürgertums  —  richtete 
sich  nach  der  adeb"gen  Kundschaft,  dem 
adeligen  Vorgesetzten.  Nirgends  vielleicht 
in  der  ganzen  Welt  ist  die  Abhängigkeit  in 
Sitte  und  Geschmack  zwischen  den  zwei 
Kasten  der  Adehgen  und  Bürgerlichen  so 
gross  gewesen  wie  im  alten  Wien.  Und  bis 
in  die  neueste  Zeit  war  es  der  grösste  Stolz 
des  Wieners,  für  einen  „Herrn  von"  gehalten 
zu  werden,  in  Aussehen  und  Gehaben  dem 
Vorbild  zu  gleichen.  Was  also  dem  Adel 
in  seinem  Haustheater  gefiel,  davon  war 
natürlich  auch  der  Bürgersmann  entzückt. 
Die    französische  Tragödie,    diese    nach    der 

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LOTHAR 


Regel  zug-estutzte  tragische  Gartenkunst, 
wurde  gewiss  nicht  aus  innerem  Drange, 
sondern  weil  es  französische  Hofkunst  war, 
achtungsvoll  aufgenommen.  Die  Damen  in 
den  Logen  bewunderten,  und  die  Herren, 
wenn  sie  gerade  vom  Kartenspiele  aufsahen, 
werden  wohl  auch  ein  Wort  zierlichen  Lobes 
gefunden  haben.  Aber  wohler  war  allen 
bei  Goldonischen  Lustigkeiten.  Und  von 
Goldoni  bis  auf  den  heutigen  Tag  reisst  die 
Kette  nicht  ab,  die  die  Wiener  Amuseure 
verbindet. 

Das  Lustspiel  hat  in  Wien,  hat  im  Burg- 
theater seinen  ganz  besonderen  Boden.  Der 
Wiener  ist,  wenn  er  auch  gerne  räsoniert, 
schimpft  und  raunzt  und  den  mit  aller  Welt 
Unzufriedenen  spielt,  im  Grunde  ein  unver- 
wüstlicher Optimist.  Man  kann  das  aus 
seinen  Sprichwörtern  erkennen,  die  ein  felsen- 
festes Vertrauen  in  die  Zukunft  des  einzelnen, 
in  den  nie  ermattenden  Glanz  der  Kaiser- 
stadt dokumentieren.  Der  Wiener  Optimis- 
mus hat  verschiedene  Arten  künstlerischer 
Ausdrucksformen.  Er  hat  für  die  Lebens- 
freude   eine    ideale   Sprache    gefunden:    den 

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DAS  \MENER  BURGTHEATER 

Wiener  Walzer.  Er  war  es,  der  die  lustigen 
Bewohner  Altwiens  auf  die  schönen  Wiesen, 
auf  die  Berg-e  und  in  die  Wälder  der  Um- 
gebung führte,  der  die  Wonnen  der  Land- 
partien erfand,  mit  ihrer  unbändigen  Lustig- 
keit, mit  der  sprudelnden  Freude  an  der 
Natur.  So  zogen  Schwind,  Bauemfeld  und 
Schubert  hinaus  ins  Grüne,  um  zu  tanzen, 
zu  spielen  und  lustig  zu  sein.  Und  wenn 
man  heute  an  einem  schönen  Sonntagnach- 
mittag den  Wienerwald  durchstreift,  so  hört 
man  Lachen,  Singen  und  Scherzen  aller 
Orten,  und  ferne  im  Dunst  liegt  hausmütter- 
lich die  Stadt  und  wartet,  bis  die  lustigen 
Kinder  mit  Sang  und  Klang  und  bunten 
Lichtem  wieder  heimwärts  ziehen.  Man 
braucht  bloss  in  ein  kleines  Vorstadtwirts- 
haus zu  gucken:  Ein  primitives  Gärtchen 
mit  sandbestreuten  Wegen,  weisse  Tische 
unter  den  Kastanien-  oder  Akazienbäumen, 
in  der  Ecke  vielleicht  eine  Kegelbahn,  aber 
sicher  irgendwo  ein  paar  erhöhte  Bretter, 
auf  denen  Volkssänger  einzeln  oder  paarweise 
wasLustiges  singen,  dieSchönheit  des  Daseins, 
des  Wienertums,  der  Stadt  glorifizieren  und 

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LOTHAR 


dem  Leichtsinn  in  nie  versagender  Fidelitat 
zujubeln.  Man  braucht  bloss  an  einem 
sonnigen  Spätnachmittag  die  Ringstrasse 
entlang  zu  wandeln  und  Herren  und  Damen 
ins  Gesicht  zu  sehen:  man  sieht  lauter  heitere 
Mienen,  als  ob  es  gar  keinen  Ernst  des 
Daseins  in  dieser  Stadt,  in  diesem  Reiche 
gäbe,  das  doch  so  viele  furchtbare  Stürme 
mitgemacht  hat,  über  dem  so  viele  schwere 
Wolken  stehen.  Und  welche  Freude  hat  der 
Wiener  am  Gespräch,  an  der  anmutig  be- 
wegten, lebhaft  pulsierenden  und  moussieren- 
den Wechselrede.  Hier  hat  der  leichte  Sinn 
Geist  und  Schlagfertigkeit,  hier  ist  der 
Tummelplatz  für  Witz  und  Ironie;  aber  der 
Witz  hat  nicht  böse  Spitzen,  sondern  ist 
hübsch  rund  und  tut  nicht  weh  und  die 
Ironie  ist  nicht  schlimm  gemeinter  Spott, 
sondern  gutgemeintes  Verhüllen  tieferer  Ge- 
fühle. In  keiner  Stadt  der  Welt  macht  man 
mehr  und  liebenswürdiger  den  Hof  als  in 
Wien.  Freilich  die  Galanterie  des  Wieners 
ist  nicht  parfümiert  wie  der  Frauenkult  des 
Franzosen,  nicht  stürmisch,  wie  die  leicht 
erweckte   Leidenschaft    des   Welschen.     Sie 


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DAS  WIENER  BURGTHEATER 

ist,  man  möchte  sagen,  von  einer  gemüt- 
lichen RitterUchkeit.  Dass  sie  aber  immer 
vorhanden  ist,  wo  Männlein  und  Weiblein 
zusammenkommen,  dass  sie  den  liebsten  Vor- 
wand abgibt  für  die  raffiniertesten  wie  für 
die  primitivsten  Künste  der  Konversation, 
dass  sie  gleichsam  der  Goldgrund  ist,  von 
dem  sich  das  Alltagsleben  abhebt,  das  macht 
den  Reiz  aus,  der  Wienerischem  Geplauder 
eigen  ist.  Und  wie  hat  die  Natur  dazu  bei- 
getragen, den  Wiener  so  zu  machen,  wie  er 
uns  erscheint!  Rassenkreuzung  tat  ihr  bestes. 
Deutsches  Blut  vermischte  sich  mit  weichem 
Slawentum,  mit  temperamentvollen  italieni- 
schen und  spanischen  Elementen.  Französische 
Lebenskunst  wurde  bei  Hof  und  im  Adel 
geübt.  Ein  angenehmes  Khma  machte  aus 
dem  Wiener  einen  halben  Südländer,  der 
gerne  auf  der  Strasse  und  im  Freien  lebt. 
Strebt  der  Deutsche  ins  Haus  hinein,  so 
strebt  der  Wiener  gerne  aus  dem  Hause 
hinaus,  fühlt  sich  wohl  im  bunten  Treiben 
der  Strasse,  auf  freier,  grüner  Wiese,  den 
blauen  Himmel  über  sich.  In  der  Strasse 
fand   der  Wiener   sein   erstes  Theater.     Auf 


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LOTHAR 


den  freien  Plätzen  schlug-  der  Hanswurst 
seine  Bude  auf.  Und  die  Volksdichter 
Österreichs,  das  Beste,  Ureigenste,  was  unsere 
Kultur  hervorg-ebracht,  stammen  in  gerader 
Linie  von  diesen  Freiluftkomödianten  ab. 
Und  auch  in  der  Schauspielkunst  ist  diese 
Tradition  nicht  abgerissen.  Nestroy,  Rai- 
mund, Anzengruber  einerseits,  der  Girardi 
und  die  Niese  andererseits:  das  ist  echte 
Volkskunst  in  Österreich. 

Der  Optimismus,  die  Lust  am  Plausch,  die 
Freude,  von  der  Bühne  herab  die  Welt  be- 
stätigt zu  finden  als  einen  Ort,  wo  man  an- 
genehm hebt  und  fröhhch  heiratet  und  wo 
nett  gekleidete  Menschen  gute  Manieren  und 
keine  Sorgen  haben,  das  Vergnügen  der 
Weltbetrachtung  durch  die  rosigen  Gläser 
eines  behaglichen  Humors,  das  alles  bereitete 
dem  Lustspiel  in  Wien  den  geeignetsten 
Boden.  Der  Wiener  verlangte  und  verlangt 
nicht  übermässig  viel  Handlung.  Die  Augen- 
blickswirkung der  Gesprächswendung  amü- 
siert ihn  schon.  Er  fühlt  sich  gerne  eins 
mit  dem  gewandten  und  schlagfertigen  Cau- 
seur  da  oben,  der  die  zum  Leben  wichtigen 

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SCHRFA'VOGEL 

nach  einer  Bleistiftzeichnung  von  Mukarowsky 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Ingredienzien,  ein  empfängliches  Herz,  fröh- 
liche Laune  und  einen  offenen  Kopf  besitzt 
Er  ist  glückUch,  wenn  nun  gar  im  Gespräch 
all  das  vorkommt,  was  er  selbst  im  Leben 
so  gerne  übt:  etwas  Kritik  am  Bestehenden, 
et^^as  Spott  über  die  LächerUchkeiten  und 
Dummheiten  ringsum,  eine  ironische  Be- 
trachtung der  Gesellschaft,  in  der  man  sich 
bewegt.  Aber  da  die  Bühne,  was  Gesell- 
schaft betrifft,  den  Zuschauerraum  nur  fort- 
setzt, so  wird  die  Ironie  zur  Selbstironie  und 
die  Kritik  verUert  ihre  Schärfe,  weil  man  die 
Empfindung  hat,  dass  man  sie  an  sich  selber 
übt.  Kein  Theaterpublikum  der  Welt  ist  so 
auf  das  Verständnis  des  Lustspieltones  ein- 
geübt, wie  das  Publikum  des  Wiener  Burg- 
theaters. Und  die  Meister  des  Lustspiels, 
die  hier  ihre  Erfolge  und  Triumphe  feierten, 
haben  draussen  im  Reiche  oft  enttäuscht. 
Das  kommt  daher,  weil  diese  Poeten,  unter- 
stützt vom  Publikum,  vom  Theater  und  seinen 
Schauspielern  eine  nur  dem  richtigen  Wiener 
ganz  verständliche  Kunst  übten.  Ihre  hebens- 
würdige Plauderei,  die  zur  Pointe  strebt,  ihre 
in   ihrer  Einfachheit  so  angenehme  Lebens- 

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LOTHAR 


auffassung,  die  für  den  Wiener  berechnete 
Mischung  von  Gefühl,  Ironie,  Spass  und  Ge- 
müt, versagten  an  des  Reiches  Grenze. 
Bauernfeld  ist  der  typische  Meister  dieses 
Genres.  Und  wie  viele  Stücke  dieser  Gattung 
stehen  seit  vielen,  vielen  Jahren  ununter- 
brochen im  Repertoire  des  Burgtheaters, 
indes  sie  draussen  nicht  den  rechten  Boden 
fanden.  Ich  nenne  als  Beispiele  bloss:  Michael 
Klapps  Lustspiel  „Rosenkranz  und  Gülden- 
stern", Herzl- Wittmanns  „Wilddiebe".  Wie 
liebevoll  wurden  im  Burgtheater  die  fran- 
zösischen Lustspiele  gepflegt,  gespielt  und 
aufgenommen.  Sardous  erste  Komödien 
(Der  letzte  Brief,  Die  alten  Junggesellen) 
leben  hier  heute  noch.  Sie  werden  kaum 
wo  anders  gespielt,  nicht  einmal  in  Frank- 
reich. Wilbrandts  Lustspiele,  Wicherts  Harm- 
losigkeiten fanden  hier  bereiten  Boden  und 
dauerndes  Leben.  Das  Lustspiel  war  im  alten 
Burgtheater  die  Freude  des  Stammpublikums. 
Es  verlor  einen  grossen  Teil  seiner  Wirkung 
bei  der  Übersiedelung  ins  neue  Haus,  weil 
der  Rahmen  zu  gross  und  prunkvoll  war 
und    vielleicht     auch     deswegen,     weil    die 

i8 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Direktoren  den  Geschmack  des  Publikums 
für  das  Konversationsstück  nicht  genügend 
beachteten.  Ein  Theater  muss  mit  den 
Dichtern,  mit  denen  es  rechnet,  in  fort- 
währendem Kontakte  stehen.  Es  darf  nicht 
warten,  bis  der  Zufall  ihm  die  Stücke  ins 
Haus  bringt  Um  dieses  Kontaktes  willen 
sollte  Lessing  für  Wien  verpflichtet  werden. 
Dieser  Kontakt  z^nschen  Dichter  und  Schau- 
spielleiter machte  die  Stellung  des  „Deut- 
schen Theaters"  in  BerHn  so  stark.  Zwischen 
dem  Burgtheater  und  den  Produzenten  be- 
steht heute  nur  ein  sehr  äusserliches  Ver- 
hältnis. Das  war  einmal  anders.  Und  nie- 
mand verstand  besser  das  Burgtheater  mit 
den  Dichtern  der  Zeit  in  lebendiger  Ver- 
bindung zu  erhalten,  als  Schreyvogel,  der 
entschieden  der  beste  Direktor  war,  den  das 
Burgtheater  je  besessen  hat. 

Schreyvogel  war  Journalist,  Historiker 
und  Dichter,  war  Kritiker  und  Schaffender, 
ehe  er  in  der  bescheidenen  Stellung  als 
Sekretär,  aber  tatsächlich  als  General- 
bevollmächtigter    die     Leitung     des     Burg- 

19 


LOTHAR 


theaters  übernahm.  Er  hat  den  Grundstock 
des  heutigen  Repertoires  gelegt.  Er  brachte 
die  Klassiker,  unter  ihm  trat  Grillparzer  in 
den  Spielplan  und  er  selbst  lieferte  in  seinen 
Bearbeitungen  spanischer  Stücke  Yv^erke,  die 
sich  im  Burgtheater  bis  auf  den  heutigen 
Tag  erhalten  haben  und  die  charakteristisch 
wurden  für  die  Spielweise  des  Hauses  und 
für  die  Neigungen  des  Pubhkums.  Calderon 
und  Moreto  gehören  mit  zum  Bilde  des  Burg- 
theaters. Immer  stand  Österreich  durch 
seinen  Hof  und  seinen  Adel  mit  Spanien  in 
Verbindung.  Im  Dialekt,  im  Wienerischen, 
wie  es  in  der  letzten  Vorstadt  gesprochen 
wird,  haben  sich  spanische  Worte  teils  rein, 
teils  in  seltsamer  Verballhornung  erhalten. 
Die  Etikette,  die  heute  bei  Hofe  geübt  wird, 
ist  spanischen  Ursprungs.  Aber  das  sind 
doch  nur  Äusserlichkeiten.  Wichtiger  ist 
für  uns  die  innige  Sympathie,  die  das  Wiener 
Pubhkum  für  spanische  Kunst  empfand.  Es 
entdeckte  in  diesen  Werken,  die  ihm  Schrey- 
vogel  vermittelte,  Typen  und  Handlungen, 
die  ihm  Liebe  und  Bewunderung  abgewannen. 
Es  war  entzückt  von  der  Dialektik  des  Witzes 

20 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

und  des  Herzens,  von  der  pointenreichen  Kon- 
versation, von  der  Anmut  des  Scherzes  im 
Lustspiel,  von  der  RitterHchkeit  der  Männer 
und  vom  südlichen  Temperament  der  Frauen. 
Die  spanische  Romantik  ist  durch  das  Burg- 
theater unserer  Literatur  eingeimpft  worden 
und  lebt  heute  noch  in  der  Wiener  Kunst. 
Sie  unterscheidet  sich  von  der  deutschen 
Romantik  vor  allem  dadurch,  dass  ihr  die 
Schwermut  fehlt,  das  Nebelgrau,  das  Ge- 
spenstische der  Nacht.  Sie  ist  eben  unter 
einem  südlichen  Himmel  geboren,  wo  die 
Nacht  hell  und  durchsternt  ist  und  wo  die 
Natur  in  ihrem  unerschöpflichen  Reichtum 
dem  Menschen  Vertrauen  in  die  Zukunft  ge- 
geben hat.  Es  ist  eine  optimistische  Ro- 
mantik, die  in  Wien  trotz  vieler  Häutungen 
und  Wandlungen  nie  den  hellen  Hinter- 
grund verloren  hat.  Von  Grillparzer  bis  auf 
unsere  Zeitgenossen,  bis  auf  Hofmannsthal 
und  Schnitzler  ist  dieser  Einfiuss  unverkenn- 
bar. Die  Romantik  lehrte  die  Wiener  Poeten 
das  Alltagsleben  zu  stilisieren,  im  Wunder- 
baren, im  AussergewöhnUchen  die  Prosa  des 
Alltags  zu  besiegen.  Sie  breitete  den  Zauber- 

21 


LOTHAR 


mantel  aus  und  trug"  sie  ins  Land  der  un- 
begrenzten Möglichkeiten,  deren  Thore  die 
Phantasie  eröffnet.  Und  was  sie  zum  Aus- 
flug- und  zum  Fabehritt  veranlasste,  zur  Flucht 
in  ferne  Länder  und  Zeiten,  war  zum  Teile 
auch  die  vormärzliche  Zensur,  die  in  ko- 
mischer Wichtigtuerei  und  mit  der  Äng-stlich- 
keit  der  bornierten  Philisterseele  alles  „Ge- 
fährliche" unbarmherzig  strich.  Gefahrhch  war 
vor  allem  die  Beschäftigung  mit  der  Gegen- 
wart und  ihren  Fragen.  An  die  Einrichtungen 
der  Gesellschaft,  an  Dinge  des  Tages  und  der 
Kirche,  an  Fragen  der  Moral  durfte  nicht 
gerührt  werden.  Andererseits  sah  es  aber 
die  Regierung  sehr  gerne,  wenn  das  Volk 
sich  mit  Theaterdingen  beschäftigte  und  die 
Nase  nicht  in  die  Politik  steckte.  So  ent- 
standen in  Wien  die  Theaterzeitungen,  so 
wurde  im  Publikum  gewaltsam  die  Be- 
schäftigung mit  theatrahbus  genährt  und 
grossgezogen,  deren  charakteristischeste  Aus- 
drucksform der  Schauspielerkult  ist,  der  im 
heutigen  Wien  ebenso  blüht  wie  im  Vormärz. 
Die  spanische  Romantik  kümmerte  sich  nicht 
um    Moral    und    Staatsfragen,    sondern    be- 

22 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

schäftigte  sich  ausschliesslich,  mit  Liebe,  Ehre 
und  Pflicht.  Und  das  sind  auch  die  Themen, 
die  die  Wiener  Dramatiker  in  Ernst  und 
Scherz  stets  gepflegt  haben.  In  langer  Reihe 
schrieb  Heinrich  Collin  zu  Beginn  des  i  Q.Jahr- 
hunderts seine  Pflichtdramen.  Und  was  ist 
Pflicht  und  was  ist  Ehre?  wurde  in  der 
Wiener  Liebesdramatik  immer  gefragt. 

Das  Lustspiel  und  das  romantische  Drama 
pflegte  Schreyvogel  in  hebevoller  und  eifriger 
Weise.  Er  verstand  eine  Kunst,  die  heute 
von  den  wenigsten  Direktoren  geübt  und 
gepflegt  wird,  obzwar  sie  gerade  zu  den 
wichtigsten  Obliegenheiten  des  Amtes  gehört. 
Er  begnügte  sich  nicht  damit  ein  Stück  an- 
zunehmen, einzustudieren  und  aufzuführen, 
er  bearbeitete  es  mit  Takt  und  Geschmack, 
die  Bühnenwirkung  im  Auge  und  immer  auf 
dem  Boden  des  Burgtheaters  fussend.  Wenn 
wir  heute  die  Technik  der  Franzosen  be- 
wundern, die  Bühnenrichtigkeit  ihrer  Stücke 
als  Muster  hinstellen,  so  vergessen  wir,  dass 
diese  glänzende  Technik  zum  nicht  geringen 
Teüe  davon  herrührt,  dass  Dichter  und  Direk- 
tor auf  der  Probe  so  lange  ändern,  streichen, 

23 


LOTHAR 


hinzufügen,  bis  die  gewollte  Wirkung  da  ist. 
Diese  Arbeit  auf  der  Probe  im  Feuer  des 
Spiels  löst  gar  manches  vom  Papier  los,  ver- 
lebendigt gar  manche  in  der  Theorie  stecken 
gebliebene  Intention.  Freilich  muss  dem 
Dichter  ein  Berater  zur  Seite  stehen,  dessen 
Geschmack  und  Kunsturteil  Gewicht  hat. 
Solch  ein  Mann  war  Schreyvogel.  Solch  ein 
Mann  fehlt  heute  den  meisten  deutschen 
Bühnen.  Darum  w^ird  auf  der  deutschen 
Bühne  das  Leben  vom  Papier  überwuchert. 
Um  die  Bühne  zu  beherrschen  muss  man  mit 
ihr,  auf  ihr  arbeiten.  Und  der  deutsche 
Dramatiker  ist  ein  Stubenhocker.  Schrey- 
vogels  Arbeit  und  Mitarbeit  würde  man  heute 
Regie  heissen.  Jeder  Direktor  muss  auch 
gleichzeitig  der  beste  Regisseur  im  eigenen 
Hause  sein. 

Aber  auch  zu  Schreyvogels  Zeit  gab  es 
wie  heute  Alltagsware,  die  gegeben  werden 
musste.  Raupach  war  gleichsam  der  Philipp! 
von  damals,  der  Theatraliker  par  excellence. 
Die  Rolle  von  Max  Dreyer  und  Otto  Ernst 
spielten  damals  Iffland  und  Kotzebue.  Und 
in    den   vierziger  Jahren,    nachdem    Schrey- 


24 


HEINRICH  LAUBE 
nach   einem  Stich   von  Kriehubcr 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

vogel,  der  sich  mit  der  ihm  vorgesetzten 
Exzellenz  nicht  vertragen  konnte,  rücksichts- 
los entfernt  worden  war,  kam  auch  eine 
Moderne  und  pochte  ans  Thor  des  Burg- 
theaters. Laube,  Gutzkow,  Hebbel  verlangten 
Einlass.  Das  junge  Deutschland  lärmte  und 
schrie.  An  die  Stelle  des  Epigonendramas, 
des  nachschillerischen  Jamben  -  Schauspiels 
trat  das  brügerliche,  soziale  Stück,  das  herz- 
haft ins  Reich  der  Konflikte  griff,  die  man 
bisher  ängstlich  gemieden  hatte.  Aber  hier 
sei  nun  gleich  die  Frage  erörtert,  die  zu 
allen  Zeiten  die  wichtigste  Lebensfrage  des 
Burglheaters  war.  Wie  hat  sich  das  Burg- 
theater zur  modernen  Produktion  zu  stellen? 
Wir  haben  gesehen,  dass  die  Struktur 
des  Publikums  im  Hause  einen  ganz  be- 
stimmten Charakter  hat.  Der  Hof  und  der 
Adel  haben  das  Haus  begründet  und  zu 
diesem  Stammpublikum  der  Logen  trat  das 
Bürgertum,  dessen  Geschmack  konservativ 
geblieben  ist.  Eben  jenes  Publikum,  das 
seine  grösste  Freude  hatte  am  fein  und  vor- 
nehm gespielten  Lustspiel,  das  seine  Lieb- 
lingsschauspieler   in   klassischen    Rollen    be- 

25 


LOTHAR 


wundem  wollte  und  das  für  seine  Phantasie 
in  der  romantischen  Komödie  der  Spanier 
willkommene  Nahrung  fand.  Am  leichtesten 
befreundete  es  sich  mit  Neuem,  wenn  es  aus 
Frankreich  kam,  weil  es  in  französischen 
Stücken,  ob  sie  nun  von  Scribe  und  später 
von  Dumas  und  Sardou  stammten,  das  fand, 
zu  dessen  Genuss  es  ein  Jahrhundert  erzogen 
worden  war:  Charaktersilhouetten  aus  der 
Gesellschaft,  eine  lebhaft  bewegte  Konver- 
sation, eine  Liebeshandlung,  Konflikte  der 
Ehre,  der  Pflicht,  die  für  die  nötige  Spannung 
sorgten.  Die  Modernen  aber  haben  sich  zu 
allen  Zeiten  mit  einer  Kunst,  deren  Wert 
eine  Blüte  der  Tradition  ist,  deren  Voll- 
kommenheit in  der  abgeschliffensten  Form 
der  Überheferung  besteht,  deren  Wirkung 
an  der  Oberfläche  bleibt  und  nicht  in  die 
Tiefe  geht,  schlecht  vertragen.  Die  Modernen 
erschienen  den  Trägem  der  Tradition  immer 
wie  Sansculotten.  Sie  waren  immer  Brecher 
alter  Tafeln,  sie  traten  ein  für  Natur  und 
für  Rechte  des  Lebens  und  sie  kämpften 
tapfer  für  die  Unterdrückten.  Wie  die 
Naturalisten    des    i8.  Jahrhunderts    dem   ge- 


26 


DAS  WTENER  BURGTHEATER 

knebelten  Bürgerstande  ihre  Zunge  liehen, 
so  traten  die  Naturalisten  des  1 9.  Jahrhunderts, 
als  das  Bürgertum  herrschte,  für  den  vierten 
Stand  ein.  Immer  waren  es  die  Naturalisten, 
die  da  stürmten  und  drängten,  die  Rechte 
der  Jugend  gegen  die  Alten  verteidigten,  die 
Bühne  zum  Tribunal  machten,  um  mit  dem 
Bestehenden  ins  Gericht  zu  gehen.  Diese 
Revolution  in  der  Literatur  ist  die  notwendige 
Form,  in  der  sie  sich  verjüngt.  Sie  kehrt 
immer  wieder,  wenn  der  Stil  erstarrt  und 
verknöchert  ist,  wenn  die  Formen,  so  vollendet 
sie  auch  hergestellt  werden,  abgenützt  und 
verbraucht  sind.  Der  Sturm  und  Drang 
bricht  allemal  mit  dem  alten  Stil  und  der 
alten  Tradition,  um  dann  wieder  geklärt  und 
ruhig  geworden  neue  Stilarten  zu  produzieren. 
Das  Bedürfnis  aber  nach  Stil,  das  heisst  nach 
dem  künstlerischen  Herausheben  des  Stoffes 
aus  der  puren  WirkUchkeit,  die  Interferenz 
des  Künstlers  zwischen  seinem  Werk  und 
der  Natur  ist  aber  nichts  anderes,  als  die 
Mitarbeit  der  Phantasie.  Immer  haben  die 
Revolutionäre  den  Zaubermantel  der  Phantasie 
zerrissen    und    verbrannt,    just    so,    wie    es 

27 


LOTHAR 


politische  Umstürzler  mit  einem  Fürsten- 
mantel tun.  Aber  die  missachtete  Phantasie 
kehrt  immer  wieder  zurück,  fast  unerkannt 
steht  sie  einmal  unter  den  Tätigen  und 
plötzlich  sitzt  sie  wieder  auf  dem  Throne. 
Die  Phantasie  ist  es  ja,  die  den  Stil  schafft. 
Und  die  Mutigen,  die  sich  wieder  zu  ihr  be- 
kennen, erscheinen  als  neue  Romantiker. 
Naturahsmus  und  Romantik,  das  ist  der 
ewige  Kreislauf  der  Kunst. 

Damit  aber  die  nötige  Entwicklung  im 
Drama  sich  vollziehe,  bedarf  es  der  tätigen 
Mitarbeit  des  Publikums.  Diese  Mitarbeit  ver- 
sagen die  konservativen  Zuschauer  dem  neuen 
Werke.  Und  seine  Wirkung  ist  also  dem 
Effekt  einer  Maschine  vergleichbar,  deren 
Transmissionen  im  Leeren  laufen.  Nicht  nur 
also,  dass  des  Dichters  und  des  Schauspielers 
Mühe  vergebens  war,  die  geringe  Wirkung 
verleitet  vielleicht  sogar  zu  dem  falschen 
Schlüsse,  das  Werk  nach  diesem  negativen  Er- 
folge zu  beurteilen.  Alle  Direktoren,  die  es  im 
Burgtheater  mit  dem  jeweils  Neuen  probier- 
ten, haben  trübe  Erfahrungen  damit  gemacht. 
Nein,   eine  Kampfbühne  ist  das  Burgtheater 

28 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

nicht.  Dazu  fehlt  ihm  die  Beweglichkeit  des 
Apparates  und  des  Publikums.  Es  steht  in 
Wien  auf  dem  Franzensringe  nicht  weit  von 
dem  Prachtbau  der  neuen  Museen.  Und  ein 
Museum  der  dramatischen  Kunst  soll  es  sein. 
Wenn  ein  Stück  ins  Repertoire  des  Burg*- 
theaters  kommt,  so  muss  es  die  Gewähr  mit 
sich  bringen,  dass  es  im  Repertoire  weiter 
leben  wird.  Im  Burgtheater  gespielt  zu 
werden,  muss  gleichbedeutend  sein  mit  der 
Aufnahme  in  den  eisernen  Bestand  der 
deutschen  Bühne.  Das  Burgtheater  ist  die 
letzte  Phase  der  Kampfperioden.  Hier  treten 
die  Werke  ein,  die  sich  den  Stil  errungen 
haben.  Denn  Stil  ist  das  Zeugnis  der  Reife. 
Darum  entspricht  es  ganz  dem  Charakter 
des  Hauses,  wenn  es  um  Jahre  vielleicht 
hinter  der  zeitgenössischen  Produktion  zurück- 
bleibt. Sein  Schwergewicht  wird  immer  in 
der  mustergültigen  Darstellung  der  Klassiker 
ruhen.  Und  darin  ist  es  auch  heute  unüber- 
troffen. Es  gibt  keine  Bühne  der  Welt 
und  es  hat  nie  eine  Bühne  gegeben,  wo 
Schillers  „Fiesco"  und  ,.Tell",  Lessings 
„Nathan",    Hebbels   „Gyges",  Otto  Ludwigs 

29 


LOTHAR 


„Erbförster",  um  nur  einige  Beispiele  zu 
nennen,  in  vollendeterer  "Weise  dargestellt 
wurden. 

Zu  diesen  Musterauff ührungen,  deren  Höhe 
in  Deutschland  viel  zu  wenig  bekannt  ist, 
haben  drei  Faktoren  in  ununterbrochener 
Arbeit  mitgewirkt:  eine  in  der  Tradition 
gross  gewordene,  durch  Auswahl  aus  den 
in  ganz  Deutschland  verstreuten  Kräften  sich 
verjüngende  Schauspielerschar,  eine  über  die 
reichsten  Mittel  verfügende  Regie  und  ein 
durch  ein  Jahrhundert  zur  Beurteilung  der 
Schauspielerleistung  erzogenes  Publikum. 
Das  Burgtheaterpublikum,  das  allzu  konser- 
vativ ist,  um  für  neue  Stücke  die  notwendige 
Unabhängigkeit  des  Urteils  mitzubringen,  ist, 
was  Kritik  des  Schauspielers  betrifft,  unbe- 
streitbar das  feinfühligste  und  empfängHchste 
in  Deutschland. 

Gute  Klassikeraufführungen  brachten 
immer  und  bringen  auch  heute  dem  Hause 
die  grössten  Einnahmen.  Und  die  grössten 
Ruhmestaten  des  Burgtheaters  waren  stets 
auf  diesem  Gebiete  zu  suchen.  Eine  solche 
Tat    war    Dingelstedts    Shakespeare-Zyklus, 


30 


DAS  WTENER  BURGTHEATER 

war  in  der  letzten  Saison  die  Wiederaufnahme 
von  Schillers  Fiesco. 

Nach  Schreyvogel  kam  der  leichtsinnige, 
als  Direktor  gar  nicht  ernst  zu  nehmende 
Deinhardstein,  und  nach  Deinhardstein  der 
theatereifrige  Holbein,  der  aber  leider  der 
Zeit,  in  die  seine  Direktionsführung  fällt,  gar 
nicht  gewachsen  war.  Denn  das  war  die 
Zeit,  wo  Hebbel  erschien  und  wo  die  Jung- 
deutschen ebenso  spektakelten  und  turbulier- 
ten,  wie  fünfzig  Jahre  später  die  Jüngst- 
deutschen. Aus  dem  Kreis  der  Revolutionäre 
kam  dann  der  Mann  ans  Burgtheater,  auf 
den  in  gerader  Linie  die  heutige  Schauspiel- 
kunst des  Hauses  zurückgeht:  Heinrich  Laube. 

In  der  Schauspielkunst  des  Burgtheaters 
können  wir  dieselben  Elemente  erkennen 
wie  in  den  Stücken,  die  sich  in  der  Gunst 
dieses  Pubhkums  erhalten  haben.  Friedrich 
Ludwig  Schröder  und  Brockmann  kamen 
aus  Hamburg  nach  Wien  und  brachten  in 
den  80  er  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  die 
realistische  Spielweise  der  Hamburger  Schule 
in    das  Burgtheater,    wo    damals  der  franzö- 

31 


LOTHAR 


sische  I^assikerstil  herrschte.  Aus  der  Ver- 
bindung" dieser  beiden  Elemente  entwickelte 
sich  der  eigentliche  Burgftheaterstil.  Er  ist 
realistisch  in  seinen  Grundzügen,  idealistisch 
in  seiner  Ausdrucksweise.  Seine  Meister 
waren  gründliche  Kenner,  Beobachter  und 
Schilderer  des  Lebens.  Sie  haben  sich  beim 
Studium  ihrer  Rollen  niemals  von  der  leben- 
spendenden Wirklichkeit  entfernt,  aus  ihr 
schöpfen  sie  das  Verständnis  für  die  Gestalten 
des  Dichters.  Ihr  entnahmen  sie  die  Elemente 
für  ihr  eigenes  Schaffen.  Aber  als  sie  dann 
die  im  Geiste  feststehende  Figur  ins  Bühnen- 
bild projizierten,  stellten  sie  ihre  eigene  Persön- 
hchkeit  zwischen  Dichtung  und  Wahrheit, 
und  diese  Interferenz,  die  wir  schon  einmal 
als  den  Stil  im  Kunstwerk  bezeichneten,  be- 
deutet auch  den  Stil  der  Schauspielkunst. 
Im  Burgtheater  hat  Laube  die  Pflege  des 
Wortes  zur  grössten  Ausbildung  gebracht. 
Aber  Pflege  des  Wortes  heisst  hier  nicht 
nur  die  sinnvolle  Aussprache  und  die  logische 
Betonung,  sondern  auch  der  Tonwert  der 
Rede.  Als  Schreyvogel  ans  Ruder  kam, 
schwelgten    die  Lieblinge   des  Publikums   in 


32 


FRIEDRICH   HALM 
nach  einer  Lithographie  von  Kriehuber 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

pathetischer  Deklamation.  Er  brachte  Besse- 
rung*, aber  erst  Laube  brachte  völlige  Er- 
lösung. Der  letzte,  durch  seine  PersönUch- 
keit  gewaltig  wirkende  Pathetiker  war  Josef 
Wagner.  Aber  wenn  das  Wort  im  Burg- 
theater auch  nicht  mehr  die  selbstherrliche 
Rolle  spielen  darf,  die  alle  künstlerische 
Wirkung  unterbindet,  seine  Klangschönheit 
behielt  es.  Melodik  des  Wortes,  Grosszügig- 
keit  der  Geste,  daran  hat  das  Burgtheater 
festgehalten  bis  heute.  Fassen  wir  zusammen, 
so  ergeben  sich  als  Kennzeichen  des  Burg- 
theaterstiles: Studium  der  ReaHtät,  das  an 
jedem  Detail  erkennbar  ist.  Hervortreten 
einer  prägnanten  künstlerischen  PersönUch- 
keit  (und  nur  das  starke  Temperament  konnte 
sich  in  Wien  behaupten),  dadurch  bedingtes 
Stilisieren  der  Rolle,  Pflege  der  Klangschön- 
heit und  der  eindrucksvollen  Geste.  An 
allen  Grossen  im  Burgtheater  lassen  sich 
diese  Eigenschaften  nachweisen.  In  der 
Geste  und  im  Wort  lebt  heute  noch  Goethes 
Weimarer  Schule.  Phantastisch-romantisch 
war  die  Natur  des  Schauspielers,  die  dem 
Wiener    am    meisten   zusagte.     So   war   das 

33  3 


LOTHAR 


Temperament  der  grossen  Sophie  Schröder, 
so  waren  Dawison,  Gabillon  und  Mitterwurzer, 
so  ist  Kainz.  Und  worin  lag-  die  ungeheuere 
Wirkung  von  Anschütz,  Löwe  und  der  Wolter? 
Es  waren  schauspielerische  Kräfte  von  grossem 
Temperament,  die  aus  dem  Worte  ein  künst- 
lerisch schönes  Gebilde  schufen. 

Anschütz  hat  in  Baumeister  seinen  be- 
rufenen Nachfolger  gefunden.  Baumeister 
ist  kein  sehr  wandlungsfähiger  Schauspieler. 
Das  Proteisch-Spielerische,  die  Häutungs- 
fähigkeit des  Komödianten  fehlt  ihm.  Er 
wirkt  am  eindringhchsten  durch  seine  eigene 
Natur.  Diese  Natur  ist  geradlinig,  derb  und 
deutsch.  Baumeister  kann  keinen  Menschen 
darstellen,  der  sein  Wesen  verstellt,  nur  die 
Natürlichen  Hegen  ihm.  Darum  ist  er  un- 
übertrefflich, wenn  er  in  sich  gefestete, 
ruhige  Kraft,  voll  saftigen,  behaglichen 
Humor  darstellen  kann.  Darum  spielt  ihm 
niemand  die  Treue  nach,  mit  der  er  seinen 
Kent  ausstattete.  Aber  unter  der  schlichten, 
etwas  rauhen  Aussenseite  seiner  Menschen 
fühlt  man  immer  das  tatbereite  Temperament. 
Darum  sind  sein  Götz  und  sein  Richter  von 


34 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Zalamea  so  grandiose  Leistiing-en.  Weil 
Baumeister  die  Volubilität  der  Zunge  abgeht, 
bekommen  seine  Worte  erst  rechtes  Gewicht. 
Denn  er  verweilt  gerne  bei  ihnen.  Ein- 
dringUche  Güte  spricht  wunderbar  aus  seinem 
Mund.  Auch  sein  Gesicht  ist  nicht  ver- 
wandlungsfähig, wenngleich  seine  Augen 
blitzen  und  funkeln  und  schelmisch  blinzeln 
können  und  der  Zug  um  den  Mund  bald 
von  tiefster  Güte,  bald  von  unnachsichtiger 
Strenge  spricht.  Aber  gerade  das  Schwer- 
bewegüche  in  ihm  hat  etwas  Rührendes,  und 
so  weiss  er  selbst  aus  seiner  Schwäche  ein 
starkes  Mittel  zu  machen,  womit  er  unsere 
Sympathie  gewinnt.  Aber  auch  Bau- 
meisters Organ  hat  klangvolles  Metall,  das 
imx  Affekt  nicht  nur  im  Ausbruch,  sondern 
auch  im  verhaltenen  Tone  machtvoll  wirkt. 
Etwas  Weichheit,  ein  Mollakkord  Hegt  in 
Baumeisters  PersönUchkeit.  Ganz  Durakkord 
war  ein  anderer  Schauspieler  des  Burg- 
theaters, der  ebenso  wie  Baumeister  aus  dem 
Naturburschentum  hervorkam  und  in  seiner 
kerndeutschen  Art,  in  seinem  Persönlichkeits- 
wert unersetzbar  gebheben  ist 

35  ^ 


LOTHAR 


Als  Ludwig  Gabillon  am  13.  Februar  1896 
starb,  da  empfanden  die  Wiener  seinen  Tod 
nicht  nur  als  künstlerischen  Verlust,  sondern 
wie  ein  persönliches  Leid.  Denn  das  Ver- 
hältnis des  "Wieners  zur  dramatischen  Kunst 
ist  immer  ein  persönUches.  Es  haftet  am 
Schauspieler.  Hinter  diesem  steht  der 
Dichter  in  zweiter  Reihe.  Nie  war  in  Wien 
ein  Dichter  so  populär,  wie  seine  Mittler  es 
waren  und  sind.  Nie  hat  in  unserem  gfesell- 
schaftlichen  Leben  ein  Poet  die  Rolle  ge- 
spielt, die  dem  gefeierten  Mimen  zufallt. 
Kein  Dichterjubiläum  hallt  so  laut  und  nach- 
drückUch  durch  unsere  kleine  Wiener  Welt 
und  ihre  Zeitungen,  wie  das  Jubelfest  eines 
„Lieblings*'.  Die  Gründe  dieser  Erscheinungen 
wurzeln  teils  in  der  Eigenart  des  Wieners, 
der  sich  leicht  und  schnell  für  alle?  Per- 
sönliche begeistert,  das  ihm  auf  der  Strasse, 
Markt  und  Bühne  entgegentritt,  teils  in  den 
schon  erwähnten  politischen  Verhältnissen 
des  Vormärz,  wo  der  Wiener  förmlich  auf 
das  Theater  und  die  Theaterleute  dressiert 
wurde,  um  der  Politik  entzogen  zu  werden. 
Den  Schauspieler  sieht  er,  den  Dichter  nicht 


36 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

oder  mindestens  nicht  so  oft  und  gewiss 
nicht  so  scharf  beleuchtet.  Und  der  Gegen- 
wärtige hat  Recht  —  besonders  in  Wien! 
Auch  Gabillon  war  keine  proteische 
Natur.  Seine  Verwandlungsfähigkeit  war 
nicht  sehr  gross,  und  er  suchte  nie,  ihr 
Effekte  abzuringen.  Er  war  und  bUeb  immer 
der  Gabillon.  Der  aber  konnte  Vieles 
und  Vielerlei,  und  seine  Kunst  war  reich 
und  stark.  Er  spielte  die  Recken  und  harten 
Helden,  die  finsteren  Tyrannen,  die  Männer 
der  eisernen  Faust  und  der  eisernen  Stirn, 
die  Schwertgesellen,  die  Stegreifritter  und 
Landsknechte  der  Vergangenheit  und  der 
Gegenwart,  die  Leute  mit  scharfer  Zunge 
und  mit  scharfen  Zügen,  die  Menschen 
mit  niederländischen  Humoren.  Hagen  — 
seine  Meisterrolle  —  Kattwald,  Boffesen, 
Selbitz,  Junker  Tobias,  Abdallah  (Nos  intimes), 
Delobelle,  das  waren  die  echten,  vollkommenen 
Gabillonrollen.  In  seiner  Kraft,  im  Mark 
seines  Spieles,  in  seinem  derben,  gerade  zu- 
schlagenden Humor  lag  eine  Eigenart,  wie 
man  sie  selten  bei  modernen  Menschen  findet. 
Wie  aus  einem  Dürerschen  Holzschnitt  kam 


37 


LOTHAR 


sie  herausgferitten.  Sie  rasselte  gerne  mit 
Eisen  und  liebte  einen  guten  Spass.  Gabillon 
war  ein  Mann  der  Kraft  und  der  Freude. 
Darin  lag  sein  Künstlertum.  Er  kannte  den 
sieghaften  Wert  der  Daseinsfreude  und  wusste 
mit  ihr  seine  Gestalten  zu  formen.  Und  die 
grösste  Freude  war  ihm  auf  der  Bühne  wie 
im  Leben  das  Gefühl  der  eigenen  Kraft. 
Sie  austoben  zu  lassen,  war  ihm  reinster  Ge- 
nuas. Alle  „ritterhchen"  und  sportlichen 
Spiele  liebte  und  pflegte  er.  Er  vereinigte 
in  sich  den  Sporttrieb  des  Engländers  mit 
—  der  Indianerromantik  des  Lederstrumpfes. 
Er  war  ein  leidenschaftlicher  Fechter,  Ruderer, 
Schwimmer,  Jäger  und  Fischer.  Aber  über 
all  seinem  Sport  lag  Scottsche  Ritterburg- 
stimmung. Am  liebsten  wäre  er  in  Turniere 
geritten  und  hätte  Türkenköpfe  abgesäbelt. 
Und  wie  seinem  Körper  gab  er  gerne  auch 
seiner  Phantasie  Platz  zu  freier,  ungebundener 
Tätigkeit.  Philister  mögen  solche  Tätigkeit 
der  Phantasie  immerhin  Jägerlatein  heissen. 
Gabillon  war  Simson  genug,  solche  Philister 
herzhaft  zu  verachten.  Gabillons  Geschichten 
waren   berühmt.      Sass    er    einmal    auf    dem 


38 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Rösslein  des  Erzählers,  dann  ging  es  in  toller 
Hatz  durch  dick  und  dünn.  Da  war  kein 
Weltteil  zu  entlegen,  um  von  ihm  besucht 
worden  zu  sein.  Da  war  kein  Berg  zu  hoch, 
kein  See  zu  tief  —  er  war  auf  der  Spitze 
oder  auf  dem  Grunde  gewesen.  Da  wurde 
auf  Bären,  Tiger,  Wölfe,  vielleicht  sogar  auf 
Riesentiere  der  Vorwelt  Jagd  gemacht;  da 
wurden  fabelhafte  Entdeckungen,  Um- 
segelungen, Erforschungen  waghalsig  unter- 
nommen; da  wurden  literarische,  geschicht- 
liche, soziale  Paradoxe  aufgestellt,  dass  es 
die  Zuschauer  schwindelte,  zu  ihnen  aufzu- 
blicken, und  dass  es  schhesslich  nur  einen 
gab,  der  das  Unglaublichste,  Unmöglichste 
glaubte  —  und  dieser  eine  war  Gabillon 
selbst!  Wie  ein  Fisch  im  Wasser  schwamm 
er  dann  seelenvergnügt  in  seinem  Element. 
Und  ganz   Wien  freute  sich  dessen. 

Gabillon  war  oft  ein  recht  widerwilliger 
Mittler.  Er,  der  alte  Romantiker,  hasste  die 
Moderne.  In  seinen  Tagebüchern  finden  sich 
nur  Worte  des  Hasses,  des  Zornes  und  der 
Verachtung  für  die  Richtung  Ibsens  und 
Hauptmanns.    Und  trotzdem  er  diese  Stücke 

39 


LOTHAR 


nicht  mochte,  spielte  er  meisterhaft  die 
Rollen,  die  er  darin  bekam.  Laubesche 
Disziphn  steckte  ihm  eben  in  allen  Knochen. 
Wenn  er  mit  Laube  auch  manchen  Strauss 
auszufechten  hatte,  wenn  er  auch  persönlich 
mit  ihm  nicht  immer  am  besten  stand,  seine 
Autorität,  sein  Feldherrng-enie  anerkannte  er 
rückhaltlos.  Und  was  heute  dem  Burg- 
theaterensemble  seinen  rechten  Zusammen- 
halt gibt,  ist  das  Laubesche  Erbe,  das  die 
Alten  in  sich  tragen  und  den  Jungen  weiter- 
geben. 

An  keinem  kann  man  vielleicht  besser 
die  Entwicklung  der  Burgtheaterkunst  stu- 
dieren, wie  an  Emmerich  Robert  Laube 
gab  den  Kern.  Er  lehrte  ihn  die  Rede. 
Dingelstedt  gab  die  äussere  Form,  die  glanz- 
volle Vornehmheit.  Wilbrandt  den  romanti- 
schen Zug.  Robert  war,  um  in  der  alten 
Fächersprache  zu  reden,  Liebhaber  und 
Charakterspieler  zugleich.  Er  war  von 
weichem  Gemüt  und  von  scharfem  Verstand. 
So  gab  er  den  Dänenprinzen:  das  Liebens- 
würdige wie  das  Geniale,  die  Schärfe  wie 
die   Weichheit,    das    Temperamentvolle    wie 


40 


DINGELSTEDT 
nach  einer  Radierung 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

das  Verträumte,  die  Berechnung-  wie  den 
Überschwang  holte  er  aus  sich  heraus,  aus 
eigenem  Wesen  knetend  und  gestaltend.  Wie 
Hamlet  war  er  selbst  ein  Grübler  und  ein 
Schwärmer,  heftig  und  langsam,  zögernd  und 
rasch.  Seine  Stimme  hatte  Klang  und 
Wucht  und  doch  war  sie  von  Schatten  wie 
gebunden,  von  Schleiern  wie  verhüllt.  Aber 
mit  diesen  Schatten  und  Schleiern  wusste 
er  ins  Geheime  der  Seele  zu  dringen,  ans 
Geheime  unserer  Seele  zu  rühren.  In  seinem 
Auge  lag  Schwermut  und  Feuer,  in  seinem 
Gange  Entschlossenheit  und  Melancholie. 
So  gelangen  Robert  die  Mischcharaktere  am 
besten,  in  denen  er  sein  eigenes  Doppel- 
wesen spielen  lassen  konnte.  Da  geschah 
es  denn  oft,  dass  er  eine  Rolle  über  alles 
Erwarten  des  Dichters  hinaus  zu  ungeahntem 
Leben  erweckte.  Seine  Natur  gab  den  Ge- 
stalten eine  Plastik,  die  der  Dichter  ihnen 
versagt. 

Robert  war  gewiss  der  beste  Coriolan 
and  der  beste  Fiesco,  den  die  deutsche 
Bühne  getragen.  Er  gab  ihnen  Blut  von 
seinem   Blute.     Unter  Wilbrandts  Direktion 


41 


LOTHAR 


trat  Robert  in  seine  Reifezeit.  Da  spielte 
er  den  Coriolan  und  den  König  Ödipus. 
Mit  der  gewaltigfen  Leistung  des  Ödipus 
erreichte  er  die  Grenzen  seines  Könnens. 
Dieses  Können  reicht  von  Hamlet  zu  Ödipus, 
von  Ödipus  zu  Pausanias  (Meister  von 
Palmyra).  Das  diesen  drei  Gestalten  ge- 
meinsame, den  geheimen  Rapport  ihrer 
Seelen  mit  Üb  ersinnen  weit  und  Schicksals- 
mächten brachte  keiner  wie  er  zur  Geltung. 
Robert  war  ausserordentlich  klug  in  der 
Verwendung  seiner  Mittel.  Er  war  ein 
Stilist  der  Rede,  der  das  Pathos  meisterte 
wie  den  flüssigen  Gang  des  Gespräches. 
Ihm  war  jedes  Wort  ein  Instrument  und  in 
jedem  Zug  seiner  Gebärde  lag  der  Rhythmus 
der  bestimmten  PersönUchkeit.  Er  wusste 
manche  Muskelarbeit  den  Nerven  zu  über- 
tragen und  das  machte  ihn  zur  Darstellung 
der  modernen,  im  Banne  der  Nerven  stehen- 
den Menschen  besonders  geeignet.  Seine 
Nervten  waren  wie  die  Saiten  der  Kithara. 
Der  leiseste  Hauch  brachte  sie  zum  Klingen. 
Robert  gehörte  zu  den  Schauspielern,  deren 
bestes   Können    rein    instinktmässig  ist.     So 


42 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

scharf  er  seine  Rolle  erfasste,  das  Beste, 
was  er  in  sie  hineinlegte,  entsprang-  dem  un- 
bewussten  Impulse,  nicht  der  Studierarbeit. 
Desweg-en  überwand  er  immer  wieder  die 
ihm  stets  drohende  Manieriertheit.  Die 
Nuancen  seines  Spieles  erg-aben  sich  jeden 
Abend  von  selbst.  Sie  hing*en  von  seiner 
Stim.mung'  ab,  blieben  sich  nie  völlig'  gfleich. 
Ich  möchte  diese  Schauspieler,  die  jeden 
Abend  ihre  Rolle  neu  spielen,  über  jene 
stellen,  die  in  ihre  Rolle  wie  in  ein  Kleid 
hineinschlüpfen,  in  ein  Kleid,  das  ihre  Kunst 
g-eschneidert  hat.  Bei  diesen  letzteren  ist 
die  Kunst  immer  etwas  Äusserliches,  bei 
den  ersteren  nur  ist  sie  völlig  innerlich ; 
bei  jenen  ist  die  Schauspielkunst  ein  Werk 
der  Betrachtung,  bei  diesen  ein  Werk  des 
Erlebten;  jene  können  lange  über  ihre  Kunst 
philosophieren,  wissen  genau,  warum  sie 
eine  Rolle  so  und  nicht  so  darstellen,  diese 
sprechen  selten  und  ungern  über  ihre  Kunst 
—  denn  sie  wissen  nichts  davon  zu  sagen. 
Und  das  ist  das  Merkmal  des  echten  Künstlers: 
sein  Schaffen  muss  ihm  immer  ein  Geheimnis 
bleiben,  ein  heiliges  Geheimnis! 

43 


LOTHAR 


Aus  der  Tradition  des  Burgtheaters  wuchs 
Robert  empor.  Seine  grosse  EmpfängHch- 
keit  führte  ihn  der  modernen  Bühnenkunst 
entgegen.  Ibsen-Rollen,  wie  Oswald  in  den 
„Gespenstern",  wie  der  „Baumeister  Solness" 
waren  ihm  Probleme,  an  die  er  seine  ganze 
Kraft,  seine  ganze  Kunst  wandte.  Aber  erst 
Kainz  löste  diese  Probleme.  Roberts  Kunst 
war  wie  ein  Präludium  zur  Kunst  Josef  Kainz', 
anders  und  doch  ihr  im  wesentUchsten  ver- 
wandt. Robert  war  ein  Johannes  der  Mo- 
derne. 

Und  auch  mit  Mitterwurzers  grosser  Kunst 
ist  die  Art  des  Kainz  verschwistert.  Beide 
sind  Romantiker,  beiden  ist  der  Zug  ins 
Phantastische  eigen.  Mitterwurzer  war  ver- 
wandlungsfähiger, reicher  in  der  Charakteristik, 
man  fühlte  in  seinen  Gestalten  nicht  nur 
Ner\^en,  sondern  auch  Muskeln.  Sein  Tem- 
perament war  weniger  von  der  Überlegung, 
als  vom  Instinkt  gezügelt  Was  wir  beim 
Schauspieler  genial  nennen,  ist  ja  meistens 
nichts  anderes  als  die  Treffsicherheit  des 
Instinkts.  In  Mitterwurzer  lebte  in  abge- 
klärtester Form  der  Improvisator   der   alten 

44 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Wiener  Freilufttheater  auf,  der  Stegreif - 
komödiant  mit  der  unerschöpflichen  Schlag*- 
fertigkeit.  Nur  dass  seine  Improvisationen 
nicht  dem  Worte,  sondern  dem  Ausdruck, 
dem  Detail  galten.  Er  zerstückte  aber  nicht 
nach  Virtuosenart  eine  Rolle  in  Details,  son- 
dern er  charakterisierte  sie,  beleuchtete  sie 
durch  Nebensächlichkeiten,  die  als  solche  g*ar 
nicht  auffielen  und  zum  Bilde  des  Ganzen 
organisch  zusammenwuchsen.  Wie  später 
Kainz  hatte  auch  Mitterwurzer  die  Liebe  zum 
Grotesken  und  er  scheute  sich  nicht,  die 
Tragikomik  des  Daseins  ins  Schauspielerische 
zu  übersetzen.  Er  war  im  Geist  der  beweg- 
lichste Schauspieler,  den  das  Burgtheater  je 
besessen  hat ;  er  war  von  einer  schier  un- 
heimlichen Agilität  des  Intellekts,  und  doch 
sah  man  nie  die  Verstandesarbeit,  sondern 
fühlte  immer,  dass  hier  wirklich  unbewusstes, 
künstlerisches  Schaffen  am  Werke  war.  Aber 
neben  der  unbewTissten  Kunst  Mitterwurzers 
stand  unaufhörlich  der  stets  prüfende,  wägende, 
messende  Verstand,  der  den  Ton  bestimmte, 
den  Klang  regelte,  der  die  ausdrucksvollsten 
Masken    schuf   und    über   alle   Figuren   jene 

45 


LOTHAR 


Ruhe  breitete,  die  im  Zuschauer  das  Gefühl 
er^^eckt,  dass  dieser  Mensch  auf  der  Bühne 
fest  in  seiner  Erde  wurzelt.  Bei  dieser  Ruhe, 
mit  der  Mitterwurzer  seine  Gestalten  anlegte, 
wirkten  die  vulkanischen  Ausbrüche  des 
Temperaments  um  so  gewaltiger. 

Ein  Romantiker  der  Nerven  ist  Josef 
Kainz.  Er  hat  den  Schönheitskult  der  Rede 
auf  die  höchste  Stufe  gebracht.  Darin  ist 
er,  freiUch  in  anderem  Sinne  als  seine  Vor- 
gänger, Träger  echter  Burgtheatertradition. 
Seine  Rede  hat  Leuchtkraft,  Weichheit  und 
Schärfe,  hat  Funkeln  des  Stahls  und  Schmieg- 
samkeit der  Seide,  so  dass  sie  oft  zum  selb- 
ständigen Kunstwerk  wird,  das  man  geniesst, 
fast  losgelöst  vom  Sinn  der  Worte,  der  in 
diesem  schimmernden  Gewände  steckt.  Nie- 
mand weiss  heute  die  Gewalt  des  Rhythmus 
eindringUcher  zu  handhaben,  als  Kainz.  Und 
nicht  nur  seine  Rede  hat  Rhythmus,  auch 
in  seiner  Geste  wohnt  dieser  die  Schönheit 
regelnde  Faktor.  Realistisch  im  Erfassen 
einer  Figur,  stiUsierend  in  ihrer  Wiedergabe, 
kühn  und  keck  in  gewagter  perspektivischer 
Auffassung    eines    jungen    Menschenlebens, 


46 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

das  er  in  eine  Rolle  drängt,  ist  Kainz,  der 
traditionslos  ins  Burgtheater  trat,  heute  doch 
die  absolute,  edelste  Verkörperung  des  Burg"- 
theaterg*eistes.  Alle  Elemente,  die  wir  da 
und  dort,  in  dem  und  jenem  fanden,  sind  in 
ihm  vereinigt.  Modern  durch  und  durch  ist 
er  gleichzeitig  doch  der  typische  Vertreter 
einer  Jahrhundert  alten  Schule.  Und  gerade 
bei  ihm  wird  es  offenbar,  wie  klassische 
Rollen  heute  gespielt  werden  müssen :  im 
Sinne  der  Dichtung  und  doch  unserem  heu- 
tigen Empfinden  entsprechend.  Die  Phasen 
des  Burgtheaterstiles  liessen  sich  vielleicht 
am  besten  am  Hamlet  studieren.  Der  letzte 
pathetische  Hamlet  war  Josef  Wagner.  Dann 
spielte  ihn  Robert  („rein  und  mächtig",  wie 
Laube  sagt)  und  heute  hat  Kainz  die  rea- 
Hstische  Tradition  wieder  aufgenommen,  die 
seinerzeit  Brockmann  nach  Wien  brachte. 
Denn  gerade  im  Hamlet  lässt  sich  die  ideale 
Verklärung  realistischer  Auffassung  am  besten 
durchführen.  Am  öftesten  aber  hat  den 
Hamlet  in  Wien  Adolf  Sonnenthal  gespielt. 
Sonnenthal  fusst  mit  seiner  Kunst  völlig 
in  der  Laubeschen  Schule.    Er  übernahm  das 


47 


LOTHAR 


Erbe,  das  Fichtner  seinerzeit  von  Korn  über- 
liefert erhalten  hatte,  und  er  brachte  es  zu 
einer  Höhe,  die  kein  Schauspieler  auf  einer 
deutschen  Bühne  jemals  erreicht  hat.  Korn 
und  nach  ihm  Fichtner  waren  im  alten  Wien 
die  Verkörperung-  des  liebenswürdigen  und 
eleganten  Weltmannes.  Die  Kunst  der 
Liebenswürdigkeit,  die  vollendete  Technik 
des  weltmännischen  Benehmens,  den  Takt  des 
Königs,  Fürsten,  Edelmannes  und  Gentleman 
hat  Sonnenthal  zur  Meisterschaft  entwickelt. 
Und  nicht  bloss  in  äusserlichen  Formen,  auch 
innerlich  im  Gemüte.  Und  wenn  man  Liebens- 
würdigkeit, Vornehmheit  und  Takt  als  Eigen- 
schaften des  Herzens  betrachtet,  dann  ergibt 
sie  jene  Güte,  die  der  goldige  Grundton  der 
Sonnenthalschen  Gestalten  ist.  Wir  haben  ja 
gesehen,  wie  empfänglich  das  Burgtheater- 
publikum für  das  Lustspiel  war,  wie  es  die 
Ritterlichkeit  der  Spanier  und  die  Grazie 
ihrer  Redeweise  freudig  aufnahm.  Wir  haben 
auf  die  Zusammensetzung  des  Publikums  hin- 
gewiesen, das  es  Hebte,  auf  der  Bühne  die  Ge- 
sellschaft gespiegelt  zu  sehen,  die  im  Hause 
sass.     All  diese  Momente  trugen  zu  Sonnen- 

48 


ADOLF   WII.BRAXDT 
nach  einem   Gemälde  von   Franz   v.    Lenbach 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

thals  Grösse  bei.  Die  Kavaliere  im  Zuschauer- 
raum sahen  im  Schauspieler  den  klassischen 
Typus  ihrer  eigenen  Art.  Die  Bürgerlichen 
bewunderten  in  ihm  das  Vorbild.  Und  Jahre 
hindurch  hat  sich  die  Wiener  Herrenmode 
nach  Sonnenthal  gerichtet.  Aber  nicht  nur 
wenn  Sonnenthal  elegante  Liebhaber  und 
späterhin  welterfahrene Raisonneure  zu  spielen 
hatte,  fand  er  für  sie  den  richtigen  Ton.  Er 
fand  ihn  auch  in  seinen  jungen  Jahren  für 
schwärmerische  Helden,  er  fand  ihn  in  wunder- 
barer Klarheit  in  seinem  Alter  für  weise  und 
gütige  Greise.  Sein  Temperament  war  nicht 
titanisch,  nicht  eruptiv,  aber  es  hatte  immer 
herzgewinnende  Wärme.  Und  diese  Wärme 
löste  alles  Kantige  und  Schroffe  und  Harte 
und  gab  Sonnenthals  Figuren  den  weichen 
Silberton  des  Umrisses.  Niemand  kann  heute 
Weisheit  und  Güte  und  inbesonders  jene 
Weisheit,  die  aus  der  Güte  quillt,  lebendiger 
darstellen,  als  Sonnenthal.  Darum  ist  sein 
Nathan  ein  Gipfelpunkt  der  deutschen  Schau- 
spielkunst überhaupt.  Takt  ist  eigentlich 
nichts  anderes,  als  die  Kunst,  sofort  die 
Harmonie  des  Einzelnen  mit  der  Umgebung 

49  * 


LOTHAR 


herzustellen.  Der  wahre  Takt  setzt  also  eine 
reiche  Menschenkenntnis  voraus  und  die  hat 
Sonnenthal  in  seinem  Verkehr  mit  der  Wiener 
Gesellschaft,  deren  Liebling-  er  immer  war, 
mit  klugem  Auge  gesammelt.  Und  aus  dieser 
Menschenkenntnis  heraus  schuf  er  seine  Ge- 
stalten. Sie  verlassen  nie  den  Boden  der 
Wirklichkeit,  w^enn  auch  ihr  Realismus  von 
aller  Erdenschlacke  befreit  ist.  Aber  Sonnen- 
thals Idealisierung  geht  nicht  in  ungemessene 
Höhen,  sondern  bleibt  immer  in  jener  wohligen 
Atmosphäre,  für  die  das  Burgtheaterpublikum 
vermöge  seiner  Zusammensetzung  das  beste 
Verständnis  hatte.  Man  könnte  sagen,  dass 
Sonnenthal  zuweilen  seine  Figuren  verbürger- 
licht hat,  dass  er  Schatten  aufhellte  und  dort, 
wo  der  Dichter  verschleierte,  an  Stelle  des 
Ungewissen  das  Positive  seiner  Natur  setzte. 
Er  war  nie  ein  Freund  des  Grau  und  der 
unbestimmten  Farben.  Er  liebte  das  Helle, 
das  Leuchtende,  und  das  war  mit  ein  Grund, 
warum  er  in  dem  das  Helle  liebende  Wien 
so  starke  Wurzeln  fasste,  wie  nie  ein  Schau- 
spieler vor  ihm,  und  eine  Stellung  einnahm, 
die  wohl  niemand  nach  ihm  sich  erobern  wird. 


50 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Elegant  und  liebenswürdig  ohne  Sonnen- 
thals tiefe  Güte  und  das  Überzeugende  seines 
Temperaments  ist  Hartmann,  der  aber  anderer- 
seits eine  flotte  Unbekümmertheit  mitbrachte 
und  sieghafte  Frische  des  Tones,  die  seinen 
Naturburschen  fröhliches  Leben  gab.  Er  ist 
kein  Schauspieler,  der  in  die  Tiefe  geht  und 
gerade  das  Oberflächenspiel  seiner  Art  machte 
ihn  für  gewisse  Rollen  sympathisch  und  treff- 
lich geeignet.  Schimmerte  bei  Sonnenthal 
immer  der  Ernst  des  Lebens,  der  Erfahrung 
des  Überdendingenstehens  durch,  so  war  es 
bei  Hartmann  stets  der  leichte  Sinn,  der 
über  den  Ernst  hinwegglitt.  Aber  er  wie 
Sonnenthal  ist  der  Nachkomme  der  alten 
Schule  Korn-Fichtner. 

Und  vom  glühenden  und  raschen  Loewe 
über  Josef  Wagner  geht  ein  direkter  Weg 
zu  den  Heldenspielern  Krastel  und  Reimers. 
Krastel  führte  die  burgmässige  Pflege  des 
Wohllauts  der  Rede  vielleicht  etwas  zu  weit. 
In  seinen  Blütejahren  stand  er  mit  seinem 
sorglosen  Drauflosgängertum  Hartmann  nahe. 
Reimers  ist  schwerblütiger  und  das  Feuer 
seines    Blutes    brennt    ruhiger.     Loewe    soll 

5. 


LOTHAR 


gfanz  ausg*ezeichnet  dreiste  Ungfezogfenheit, 
freche  Herausforderung*  g-espielt  haben. 
Diese  Seite  seines  Könnens  übernahm  in  der 
Geg-enwart  Max  Devrient,  der  beste  Zawitsch 
(König  Ottokars  Glück  und  Ende)  des  alten 
und  des  neuen  Hauses.  Und  so  wie  Lieb- 
haber, Charakterspieler  und  Helden,  so  gfehen 
auch  die  Komiker  mit  ihrer  Tradition  in  die 
Laubezeit  zurück.  Nach  Beckmann  kam 
Meixner,  nach  Meixner  Römpler.  Römpler 
g-eht  freilich  das  Bissig--Boshafte,  Galligfe 
Meixners  ab,  er  ist  der  Humorist  der  Behag*- 
lichkeit  und  Behäbig-keit.  Er  meistert  als 
Charakteristiker  den  warmen  Burgtheaterton, 
die  Gemütsseite,  auf  die  hier  so  gerne  das 
Spiel  geführt  wird.  Es  gibt  in  Wien  immer 
zweierlei  Komik,  die  des  Dicken  und  die  des 
Dünnen,  hat  einmal  Friedrich  Uhl  gesagt. 
Und  er  führte  als  Beispiele  Scholz  und  Nestroy 
an.  Das  Bild  ist  treffend  und  lässt  sich  fast 
in  jeder  Phase  der  Wiener  Theatergeschichte 
erproben.  Ist  also  Römpler  im  Burgtheater 
der  Dicke,  so  ist  Thimig  der  Dünne.  Beweg- 
lich, sprunghaft,  proteisch-grotesk,  ein  aus- 
gezeichneter Mimiker,    der    die   Komik  sehr 


52 


DAS  WTENER  BURGTHEATER 

g-eschickt  in  lauter  Momentaufnahmen  zu  zer- 
legen weiss,  ohne  deswegen  die  lebendige 
Kontinuität  der  Erscheinung  zu  zerstören,  hat 
er  seine  norddeutsche  Natur,  die  zur  Schärfe 
und  zur  Nüchternheit  neigte,  mit  der  warm- 
blütigen, weichen  Burgtheatertradition  so  zu 
legieren  verstanden,  dass  der  Ton  seiner  Komik 
mit  ihrem  hellen  Timbre  in  diesem  Haus 
geboren  zu  sein  scheint.  Vor  Thimig  waren 
auch  Reusche  und  Schöne  aus  dem  Norden 
gekommen  und  hatten  sich  in  den  Charakter 
des  Hauses  gefunden.  Schöne  freihch  behielt 
immer  die  trockene  Komik  und  wirkte  da- 
mit Aber  auch  dieser  Zuzug  aus  dem  Norden 
ist  für  das  Burgtheater  charakteristisch. 
Schröder  und  Brockmann  und  später  so  viele 
und  die  Besten  darunter  kamen  aus  dem 
Norden.  Wie  ein  Volk  dann  am  kulturfähig- 
sten wird,  wenn  Rassenmischung  stattfindet, 
so  brachte  die  Kreuzung  von  Xord  und  Süd 
dem  Burgtheater  seine  reichste  Blüte. 

Dieselbe  Erscheinung  wie  bei  den  Schau- 
spielern kann  man  auch  bei  den  Künstlerinnen 
des  Hauses  beobachten.  Die  Wolter  nahm 
die  Stelle  ein,    die    einst    die    grosse  Sophie 

53 


LOTHAR 


ganz  ausgezeichnet  dreiste  Ungezogfenheit, 
freche  Herausforderung*  g-espielt  haben. 
Diese  Seite  seines  Könnens  übernahm  in  der 
Geg-enwart  Max  Devrient,  der  beste  Zawitsch 
(König  Ottokars  Glück  und  Ende)  des  alten 
und  des  neuen  Hauses.  Und  so  wie  Lieb- 
haber, Charakterspieler  und  Helden,  so  gehen 
auch  die  Komiker  mit  ihrer  Tradition  in  die 
Laubezeit  zurück.  Nach  Beckmann  kam 
Meixner,  nach  Meixner  Römpler.  Römpler 
geht  freilich  das  Bissig-Boshafte,  Gallige 
Meixners  ab,  er  ist  der  Humorist  der  Behag- 
lichkeit und  Behäbigkeit.  Er  meistert  als 
Charakteristiker  den  warmen  Burgtheaterton, 
die  Gemütsseite,  auf  die  hier  so  gerne  das 
Spiel  geführt  wird.  Es  gibt  in  Wien  immer 
zweierlei  Komik,  die  des  Dicken  und  die  des 
Dünnen,  hat  einmal  Friedrich  Uhl  gesagt. 
Und  er  führte  als  Beispiele  Scholz  und  Nestroy 
an.  Das  Bild  ist  treffend  und  lässt  sich  fast 
in  jeder  Phase  der  Wiener  Theatergeschichte 
erproben.  Ist  also  Römpler  im  Burgtheater 
der  Dicke,  so  ist  Thimig  der  Dünne.  Beweg- 
lich, sprunghaft,  proteisch-grotesk,  ein  aus- 
gezeichneter Mimiker,    der    die   Komik  sehr 


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DAS  WIENER  BURGTHEATER 

geschickt  in  lauter  Momentaufnahmen  zu  zer- 
legen weiss,  ohne  deswegen  die  lebendige 
Kontinuität  der  Erscheinung  zu  zerstören,  hat 
er  seine  norddeutsche  Natur,  die  zur  Schärfe 
und  zur  Nüchternheit  neigte,  mit  der  warm- 
blütigen, weichen  Burgtheatertradition  so  zu 
legieren  verstanden,  dass  der  Ton  seiner  Komik 
mit  ihrem  hellen  Timbre  in  diesem  Haus 
geboren  zu  sein  scheint.  Vor  Thimig  waren 
auch  Reusche  und  Schöne  aus  dem  Norden 
gekommen  und  hatten  sich  in  den  Charakter 
des  Hauses  gefunden.  Schöne  freiHch  behielt 
immer  die  trockene  Komik  und  wirkte  da- 
mit Aber  auch  dieser  Zuzug  aus  dem  Norden 
ist  für  das  Burgtheater  charakteristisch. 
Schröder  und  Brockmann  und  später  so  viele 
und  die  Besten  darunter  kamen  aus  dem 
Norden.  Wie  ein  Volk  dann  am  kulturfähig- 
sten wird,  wenn  Rassenmischung  stattfindet, 
so  brachte  die  Kreuzung  von  Nord  und  Süd 
dem  Burgtheater  seine  reichste  Blüte. 

Dieselbe  Erscheinung  wie  bei  den  Schau- 
spielern kann  man  auch  bei  den  Künstlerinnen 
des  Hauses  beobachten.  Die  Wolter  nahm 
die  Stelle  ein,    die    einst    die    grosse  Sophie 

53 


LOTHAR 


Schröder  besessen,  und  heute  wächst  Frau 
Bleibtreu  in  das  Wolterfach  hinein.  Der 
grosse  Zug-,  die  streng-e  Linie,  die  romantische 
Atmosphäre,  in  der  die  Figuren  leben,  das 
Metall  der  Rede  ist  allen  dreien  eigen,  ist 
allen  dreien  vom  Geist  des  Hauses  gelehrt 
worden.  Der  romantische  Stil,  mit  dem  im 
Burgtheater  auch  die  Gestalten  der  Antike 
in  Farbe  getaucht  wurden,  ermöglichen  es 
allen  dreien  auch  im  Lustspiel  zu  glänzen.  Mo- 
dernisierung der  Antike  war  im  Burgtheater 
immer  gleichbedeutend  mit  Romantisierung 
der  Antike.  So  spielte  erst  jüngst  Frau 
Hohenfels  Goethes  Iphigenie.  Auch  in  Frau 
Hohenfels  ist  übrigens  die  Auflösung  nor- 
discher Herbheit  in  wienerischer  Anmut  und 
südlicher  Grazie,  das  Leuchten  der  eigenen 
Persönhchkeit  durch  die  Rolle  zum  glück- 
Uchsten  Ausdruck  gekommen.  Immer  gab 
es  im  Burgtheater  eine  solche  Verkörperung 
geistvoller  Anmut  So  waren  Fräulein  Peche 
und  Louise  Neumann.  Und  gerade  die  Damen 
waren  es,  die  immer  den  Ton  des  Burgtheaters 
am  raschesten  erfassten  und  sich  am  ehesten 
ins  Ensemble  fügten.    Fräulein  Witt  kam  vor 

54 


DAS  \MENER  BURGTHEATER 

einig'en  Jahren  und  Frau  Retty  vor  emig*en 
Monaten  ins  Haus  und  das  in  hellen  Farben 
überquellende  Temperament  des  Fräulein 
Witt  und  die  Zierlichkeit  der  Frau  Retty  — 
Fräulein  Witt  hat  die  Laune  des  Empire  und 
Frau  Retty  ist  ganz  Rokoko  —  sind  heute 
schon  so  innig-  mit  dem  Hause  verwachsen, 
als  wären  beide  hier  gross  g-eworden. 

Wenn  wir  im  vorstehenden  einig^e  Re- 
präsentanten des  Burgtheaters  —  nicht  alle, 
ja  selbst  nicht  alle  berühmten  —  in  kurzen 
Strichen  skizzierten,  so  taten  wir  dies,  um  an 
emig-en  Beispielen  den  Satz  zu  erhärten,  dass 
das  heutig-e  Ensemble,  die  Art  wie  im  Burg"- 
theater  gespielt,  gesprochen,  schauspielerisch 
gedacht  und  empfunden  wird,  immer  noch 
dem  Rahmen  entspricht,  den  Laube  um  die 
Burgtheaterkunst  zog.  Und  Laube  selbst 
hat  die  Tradition  des  Hauses  nicht  erst  ge- 
schaffen, sondern  nur  vertieft,  ihr  den  rech- 
ten Schallboden  gegeben.  Er  war  weit  mehr 
Erzieher  der  Schauspieler,  Hüter  des  Wortes, 
Baumeister  der  Rede,  als  Regisseur,  wenn 
man  unter  Regie  nicht  nur  die  Pflege  des 
Repertoires,    die    Erwerbung    neuer    Stücke, 

55 


LOTHAR 


sondern  auch  die  szenische  Verlebendigen^ 
dieser  Stücke  versteht.  Diese  seine  Eigen- 
schaft war  auch  mit  ein  Grund,  warum  der 
Schauspieler  in  Wien  immer  mehr  Interesse 
erregte,  als  der  Dichter,  warum  auch  mindere 
Stücke  sich  behaupteten,  wenn  sie  nur  gute 
Rollen  für  die  Lieblinge  enthielten.  Laube 
pflegte  sehr  stark  das  französische  Schauspiel. 
Unter  ihm  zogen  Scribe,Augier,Feuillet,Dumas, 
Labiche,  Sardou  fast  übermächtig  im  Reper- 
toire auf.  Sie  hatten  ein  Gegengewicht  in 
den  Klassikern,  in  Shakespeare  und  Schiller, 
Goethe  und  Kleist.  Aber  für  Hebbel  hatte 
Laube  leider  gar  kein  Verständnis  und  er 
verleugnete  nicht  den  Geschäftsmann,  wenn 
er  die  Birch-Pfeiffer  öfter  spielte,  als  es  der 
Würde  des  Hauses  entsprach. 

Unter  seinen  Nachfolgern  gab  es  keinen 
mehr,  der  den  Schauspielern  Lehrer  und 
Berater  hätte  sein  können.  Nur  einer  hatte 
zu  diesem  wichtigen  Amte  das  Talent,  und 
das  war  August  Förster.  Aber  er  starb  zu 
früh,  dem  Burgtheater  viel  zu  früh. 


56 


AUGUST  FÖRSTER 
nach  einer  Photographie 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Die  Nachfolger  Laubes  im  Amte:  Halm, 
Dingelstedt,  Wilbrandt  und  nach  der  kurzen 
Försterepisode  Burckhardt  und  Schienther 
haben  den  Spielplan  und  insbesonders  die 
Regie  der  Stücke  stark  beeinflusst.  Die 
Spiehveise  der  Schauspieler  liessen  sie  intakt. 
Und  da  die  Alten  immer  noch  in  der  Voll- 
kraft standen,  wenn  neue  Kräfte  in  das 
Ensemble  traten,  so  erbte  sich  Technik  und 
Charakter  der  Spielweise  von  einer  Gene- 
ration zur  anderen  fort.  Sehr  wichtig  für 
diese  Kontinuität  der  Überlieferung  war  es 
auch,  dass  die  Regisseure  des  Hauses  aus 
der  Mitte  der  Schauspieler  genommen  wurden. 

Als  Kaiser  Josef  sich  mit  der  Regelung 
des  Theatergesetzes,  das  die  Hausordnung 
der  Burg  werden  sollte,  beschäftigte,  wurden 
die  Schauspieler,  die  damals  die  Stützen  der 
Gesellschaft  waren,  um  ihre  Meinung  be- 
fragt Sie  bheben  auch  fernerhin  in  Form 
eines  fünfgliedrigen  Ausschusses  als  beratende 
Körperschaft  dem  Direktor  zur  Seite.  Diese 
AusschussmitgUeder  hiessen  zuerstlnspizienten 
und  dann  Regisseure.  Sie  wurden  zuerst  auf 
ein  Jahr  und  später  auf  Lebensdauer  ernannt. 

57 


LOTHAR 

Sie  lasen  der  Reihe  nach  den  Einlauf  der 
Stücke  und  gaben  ihr  Votum  ab.  Sie 
machten  dann,  wenn  das  Stück  auch  vom 
Direktor  angenommen  worden  war,  der  die 
oberste  Entscheidung  hatte,  ihre  Besetzungs- 
vorschläge. Und  wenn  auch  die  Besetzung 
endlich  feststand,  übernahm  einer  von  ihnen 
die  Regie.  Überdies  fungierte  der  jeweilige 
Monatsregisseur  —  an  die  Stelle  des  wöchent- 
Uchen  Turnus  trat  bald  der  monatliche  — 
auch  als  Hausoffizier,  hatte  am  Abend  der 
Vorstellung  die  Polizeigewalt  hinter  der  Szene, 
trat  vor  die  Rampe,  wenn  ein  Schauspieler 
um  Nachsicht  bitten  Hess  oder  wenn  es  galt, 
sich  bei  einer  Premiere  für  den  Dichter  zu 
bedanken.  Im  Laufe  von  hundert  Jahren 
gab  es  zwischen  Direktor  und  Regiekollegium 
immer  Reibungen  und  jeder  Leiter  wollte 
mit  der  Institution  brechen.  Aber  erst  in 
letzter  Zeit  verloren  die  Regisseure  einen 
grossen  Teil  ihrer  Machtvollkommenheit.  Sie 
lesen  nicht  mehr  die  eingereichten  Stücke 
sie  besetzen  nicht  mehr,  sie  haben  auf  die 
künstlerische  Leitung  nicht  den  geringsten 
Einfluss.    Nur  die  Funktion  des  Hausoffiziers 

58 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 


ist  ihnen  gfeblieben  und  die  Inszenierung*  der 
Stücke  liegt  in  ihren  Händen.  Dass  der 
mitspielende  Kollege  auch  gleichzeitig-  Re- 
gisseur ist,  bedeutet  gewiss  keinen  idealen 
Zustand.  Es  kommt  dies  mit  Ausnahme 
des  Burgtheater  und  der  Comedie  francaise 
auch  an  keiner  erstklassigen  Bühne  mehr 
vor.  Die  Nachteile  sind  einleuchtend.  Der 
Schauspieler  sieht  sich  selbst  nicht  spielen 
und  seine  Leistung  fällt  also,  wenn  er  gleich- 
zeitig Regie  führt,  ausserhalb  der  Kritik. 
Dieser  Übelstand  wird  nur  dadurch  ausge- 
glichen, dass  der  Regisseur  in  diesem  Falle 
die  Aufführung  genau  auf  den  Ton  der 
Tradition  stimmt,  dessen  starke  Verkörperung 
er  selbst  ist.  So  ist  der  Nachteil  auch  ein 
Vorteil  und  so  hat  sich  denn,  dank  den 
Regisseuren,  sowohl  in  der  Comedie  francaise, 
wie  am  Burgtheater  der  traditionelle  Stil  rein 
erhalten,  der  sofort  gebrochen  würde,  wenn 
ein  Aussenstehender  dem  eigenen  Geschmack, 
der  eigenen  Inspiration  folgend  die  Regie 
führen  würde.  Es  sei  denn,  dass  dieser  nicht 
mehr  mitspielende  Regisseur  seine  Bühnen- 
bildung im  Burgtheater  genossen  hätte. 


59 


LOTHAR 


Der  Mann,  der  die  moderne  Regie  im 
Burgtheater  begründete,  war  Dingelstedt. 
Aber  zwischen  ihm  und  Laube  steht  noch 
die  kurze  dreijährige  Direktionszeit  Friedrich 
Halms,  die  aber  in  der  Entwicklung  des 
Hauses  so  gut  wie  keine  Spuren  hinter- 
liess.  Friedrich  Halm  ist  uns  heute  inter- 
essant als  der  tv^pische  Vertreter  einer  Dich- 
tungsart, die  die  Tore  des  Burgtheaters  immer 
offen  fand.  Das  Beste,  Ursprünglichste,  was 
österreichische  Kunst  für  die  Bühne  gezeitigt 
hat,  geht  heute  noch  in  gerader  Linie  auf 
die  Volkspoeten  zurück.  Die  österreichische 
Volksdramatik  war  aber  nie  hoftheaterfahig. 
Sie  behandelte  gerne  aktuelle  Fragen,  sie 
frondierte,  räsonnierte  und  übte  soziale  Kritik, 
sie  machte  aus  dem  Dialekt  ein  geschmei- 
diges und  sicheres  Werkzeug,  ihr  haftete  in 
der  losen  Komposition  immer  etwas  Impro- 
visatorisches an.  Freilich  lernte  auch  sie 
von  den  Richtungen,  die  in  Wien  galten. 
Spanische  Phantastik,  luftige  Romantik  findet 
sich  in  Raimund;  Nestroy  lehnte  sich  an 
französische  Vorbilder  an.  Auch  zum  letzten 
Grossmeister  der  österreichischen  Kunst,   zu 


60 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

AnzengTuber,  fand  das  Burgtheater  nie  ein 
rechtes  Verhältnis.  Es  hat  aber  auch  nie, 
seitdem  Schreyvog"el  schied,  den  Dichtem, 
die  rechtens  ins  Haus  gehörten,  den  Raum 
g-egeben,  der  ihnen  gebührte.  Weder  Grill- 
parzer  noch  Hebbel  fanden  die  volle  Wür- 
digung. Schuld  daran  tragen  aber  nicht 
nur  die  Direktoren,  sondern  die  ganze  Struk- 
tur des  Hoftheaters  mit  seinem  erbgesessenen 
Publikum,  mit  seinen  konservativen  Kunst- 
anschauungen, mit  seiner  ängstlichen  Zensur, 
mit  den  dunklen  Einflüssen  von  oben  herab. 
Seine  ganze  Natur  verhindert  das  Burg- 
theater Schritt  zu  halten  mit  der  zeitgenös- 
sischen Produktion.  Das  ist  gewiss  beklagens- 
wert vom  Standpunkte  der  Kunst,  das  ist 
betrübsam  für  die  Dichter,  die  nicht  für  ein 
Hoftheaterpublikum ,  sondern  fürs  Volk 
schreiben.  Aber  man  bedenke,  was  Sonnen- 
fels, dessen  Geist  ja  das  Nationaltheater  aus 
der  Taufe  hob,  der  Dichtkunst  im  Burg- 
theater für  eine  Direktive  gab.  Er  schrieb: 
„Das  Missfallen  der  Grossen  und  des  Adels 
ist  allein  imstande,  die  schändüchen  Miss- 
geburten    von     der     Schaubühne     zu     ver- 

6i 


LOTHAR 


dräng-en  .  .  .  Fordern  Sie  keine  Geldbörsen, 
keine  Brillantringe  für  Ihre  nationalen  Dichter 
zur  Belohnung,  ein  einziges  Wort  zum  Lobe 
des  Dichters  aus  dem  Munde  eines  Kaunitz, 
ein  Lächeln  der  Grazie  Lichtensteins  muss 
mehr  Sporn,  mehr  Belohnung  sein,  als  alles 
Gold  der  Welt."  Diese  Kurzsichtigkeit 
Sonnenfels',  die  im  Adel  den  Geschmacks- 
richter für  das  Haus  sah,  hat  das  Burg- 
theater der  wirkUch  nationalen  Kunst  ent- 
fremdet. Die  historischen  Dramen  Grill- 
parzers,  Hebbels  gewaltige  Probleme  waren 
keine  Kost  für  den  Adel.  Und  wenn 
Schienther  daran  gedacht  hätte,  dass  diese 
Worte  Sonnenfels'  noch  heute  unsichtbar, 
aber  noch  fühlbar  im  Hause  herrschen,  so 
hätte  er  niemals  Hauptmanns  „Rose  Bernd" 
im  Burgtheater  —  abzusetzen  gebraucht  Aber 
neben  den  Volksdichtern,  neben  den  einsam 
thronenden  Grossen,  wie  Grülparzer  und 
Hebbel,  gab  es  in  Österreich  auch  kluge 
Poeten,  die  die  Witterung  des  Publikums 
hatten  und  deren  Eklektizismus  nirgends  an- 
stiess.  Sie  waren  gewandt  und  flüssig  in 
der   Form,    schrieben    einen    gefalligen    und 


DAS  WTENER  BURGTHEATER 

melodischen  Vers,  erregten  kein  Ärgernis 
mit  Stoffen  und  Konflikten.  Solch  ein  Poet 
war  Friedrich  Halm.  Er  war  ein  gewandter 
Schüler  der  Spanier,  ein  liebenswürdiger 
Romantiker,  er  wusste,  was  in  Wien  gefiel 
und  gefallen  konnte,  und  wenn  seine  Epi- 
gonenkunst auch  nichts  Originelles  brachte, 
sie  gefiel  im  Burgtheater,  weil  sie  alle  Ele- 
mente vereinigte,  die  hier  erbgesessen  waren. 

Halm  stellte  weder  sich  noch  den  Schau- 
spielern, noch  dem  Publikum  neue  Aufgaben. 
Aber  all  dies  tat  Baron  Dingelstedt 

Dingelstedt  war  in  vielen  Punkten  Laubes 
direkter  Gegensatz.  Ihm  behagte  die  P'ran- 
zosenherrschaft  auf  der  deutschen  Bühne 
nicht  und  er  gab  dem  Repertoire  einen  ganz 
anderen  Stützpfeiler.  Und  das  war  Shake- 
speare. Der  Shakespeare-Zyklus,  den  er  zur 
Aufführung  brachte,  war  eines  der  denk- 
würdigsten Ereignisse  in  der  Geschichte  des 
Hauses.  Was  heute  an  Klassikervorstellungen 
im  Burgtheater  geleistet  wird,  geht  direkt 
oder  indirekt  auf  Dingelstedts  Shakespeare- 
pflege zurück. 

Was    Dingelstedt    vorschwebte,    war    die 

63 


LOTHAR 


Schaffung-  eines  Gesamtkunstwerkes.  Dich- 
tung- und  Schauspielkunst  sollten  mit  der 
Ausg-estaltung  des  Bühnenbildes  einen  har- 
monischen Akkord  geben.  Hatte  Laube  das 
Wort  g-epflegt  und  für  die  Szene  nur  das 
Nötigfe  g-etan,  so  g-ing  Dingelstedt  über  die 
strikte  Befolg-ung  der  szenischen  Anweisungen 
im  Texte  hinaus  und  bemühte  sich  in  seiner 
Phantasie  jenen  Rahmen  erstehen  zu  lassen, 
der  am  besten  zum  Stimmungsgehalt  der 
Dichtung  passte.  Das  Bildhafte  herauszu- 
arbeiten war  ihm  die  liebste  Beschäftigung 
in  der  Bühnenarbeit.  Er  pflegte  das 
Malerische,  liebte  mit  Massen  zu  operieren 
und  freute  sich,  wenn  es  auf  der  Bühne 
recht  bew^egt  zuging.  Vielleicht  ging  er  so- 
gar in  seinem  Bestreben,  aus  dem  schein- 
baren Chaos  das  Tableau  erstehen  zu  lassen, 
manchmal  zu  weit.  In  den  Gruppierungen 
bemerkte  man  zuweilen  die  Absicht.  Man 
kann  sich  keine  stärkere  Reaktion  gegen  die 
bürgerliche  Inszenierung  Laubes  denken,  als 
Dingelstedts  Arbeit  mit  Farben,  Massen,  mit 
musikalischen  Wirkungen  und  Lichteffekten. 
Und  nun  geschah  es,  dass  zur  selben  Zeit  in 


64 


MAX   BUKCKHARD 
nach   einer   Radierunfr 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Wien  ein  Künstler  meteorg-leich  seine  Bahn 
beschrieb,  die  Menschen  faszinierend,  der 
g-anzen  Stadt  Richtung-  g-ebend  mit  seinem 
Geschmack.  Dieser  Mann  war  Makart.  Die 
glanzvollen  Bilder  des  Festzug-es  zogen  an 
an  Wien  vorüber,  auf  seinen  grossen  Tafeln 
feierte  Makart  dionysischen  Farbenkult.  Es 
geschah  wieder  einmal,  dass  der  Dienst  der 
Schönheit,  der  Rausch  der  Farbe  zu  aktuellen 
Fragen  der  Gesellschaft  wurde.  Und  auch 
im  Burgtheater  war  Makarts  Einfiuss  unver- 
kennbar. Bis  in  die  letzten  Jahre  blieb  die 
Regie  in  der  Massenbewegung,  in  der 
Gruppierung  Dingelstedts  Tradition  getreu 
und  löste  sich  in  der  Dekorationsmalerei  nicht 
von  Makart  los.  Erst  als  Heinrich  Lefler  Chef 
des  Ausstattungswesen  wurde,  trat  hier  eine 
Änderung  ein,  und  heute  ist  das  Burgtheater 
in  bezug  auf  Ausstattung  nicht  nur  die  erste 
Bühne  Deutschlands,  sondern  wahrscheinlich 
auch  die  erste  Bühne  der  Welt.  Der  erste 
Akt  des  armen  Heinrich,  des  Fiesco,  der 
drei  Reiherfedem,  der  Rose  Bernd,  um  nur 
einige  Beispiele  zu  nennen,  sind  das  künst- 
lerisch Höchste,    was  Bühnenausstattung  er- 

65  5 


LOTHAR 


reichen  kann.  Es  ist  nicht  das  Prinzip 
Makcirts,  das  die  Farbe  und  den  koloristischen 
Akkord  vor  allem  betonte,  das  mit  starken 
Kontrasten,  mit  tiefem  Dunkel  und  glänzenden 
Lichtem  arbeitete,  es  ist  nicht  die  Schule 
der  Meining-er,  die  unbekümmert  um  den 
Stimmungsgrad  der  Szene  sich  nur  an  die 
Stilrichtigkeit  und  die  historische  Treue  des 
Objektes  hielt.  Lefler  sucht  die  Harmonie 
zwischen  der  Stimmung  der  Dichtung  und 
der  Stimmung  der  Dekoration.  Und  das  ist 
gewiss  der  einzig  richtige  AVeg  der  szenischen 
Gesamtkunst,  die  Dingelstedt  vorschwebte. 
Und  in  der  Regie  selbst,  wie  sie  heute  von 
Hartmann  und  Thimig  gehandhabt  wird,  kann 
man  Laubesche  Überlieferung  in  der  AVort- 
pflege,  Dingelstedtsche  Bewegung  der 
Massen,  Burgtheatertradition  in  der  Ideali- 
sierung realistischer  Elemente  deutUch  er- 
kennen. Diese  Regie  stilisiert,  verstärkt  das 
Charakteristische,  lässt  immer  in  der  Natur- 
kopie, auch  wenn  es  sich  um  Alltägliches 
handelt,  die  ordnende  Hand  des  Künstlers 
erkennen.  Darum  feiert  sie  ihre  grössten 
Triumphe  im  klassischen  Stück,  im  modernen 


66 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

Lustspiel,  wo  Stil  gleichbedeutend  ist  mit 
Harmonie  des  Daseins  und  darum  ist  sie  am 
schwächsten  in  den  Gegenwartsdramen,  die 
sich  knapp  ans  wirkliche  Leben  halten.  Da 
kann  es  sich  auch  einmal  ereignen,  dass  der 
Stil  des  Spiels  die  Intention  des  Dichters 
aufhebt. 

Aber  diese  bis  ins  Feinste  gehende  Regie, 
die  wie  auf  einem  Instrument  alle  Töne  und 
Tonschattierungen  herauszubringen  vermag, 
wäre  machtlos,  wenn  nicht  durch  ein  immer 
sich  verjüngendes  Ensemble  die  volle  Ton- 
kraft des  Instruments  erhalten  bliebe.  Dieses 
Ensemble  zu  erhalten  musste  also  die  erste 
Sorge  der  Direktoren  sein.  Diese  Sorge 
iäUt  schwerer  ins  Gewicht  als  die  Err^^erbung 
von  Stücken.  Denn,  wir  haben  ja  gesehen, 
wie  die  Bewegungsfreiheit  des  Direktors  in 
dieser  Beziehung  gehemmt  ist,  wenn  auch 
jedem  neuen  Leiter  bei  seinem  Amtsantritt 
volle  Freiheit  zugestanden  wird.  Aber  wirk- 
liche Freiheit  im  Repertoire  hat  nur  ein 
nach  oben  hin  unabhäng'iges  Theater.  Denn 
es  ist  fast  schon  ein  historisches  Gesetz,  dass 
Hof  und  Adel    sich    mit   dem  künstlerischen 

67  5* 


LOTHAR 


Ausdruck  des  modernen  Empfindens  niemals 
vertragen.  Das  ist  auch  begreiflich.  Was 
jeweils  modern  ist,  bedeutet  Kritik  des  Be- 
stehenden. Hof  und  Adel  haben  diese  Kritik 
immer  gehasst  und  verachtet  Aber  anderer- 
seits ist  es  auch  Tatsache,  dass  die  Kunst 
über  diesen  Hass  und  diese  Verachtung  immer 
noch  lachend  gesiegt  hat.  Nur  ist  es  leider 
dem  Burgtheater  nicht  möglich,  diesen  Sieg 
mitzukämpfen.  Es  kann  sich  erst  der  Früchte 
dieses  Sieges  erfreuen,  wenn  der  Zeiten 
Widerstreit  vorüber  ist. 

Gebunden  und  eingeengt  in  der  Literatur- 
bewegung, ist  das  Burgtheater  völhg  frei  in 
der  Entfaltung  schauspielerischer  Kraft.  Darin 
lag  von  jeher  sein  Stolz  und  seine  Grösse 
und  darin  liegt  seine  Zukunft. 

Nach  Dingelstedt  kam  Wilbrandt.  Hätte 
Wilbrandt  mehr  Energie  gehabt,  w^äre  er 
härter  und  strenger  gewesen,  von  der  Kom- 
mandantenart Laubes,  vielleicht  sässe  er  heute 
noch  am  Steuer,  dem  Burgtheater  zum  Heile. 
Denn  er  war  in  vielem  dem  Burgtheatergeist 
kongenial:  ein  idealisierender  Realist  von 
unerschütterlichem  Optimismus,  den  ein  Leben 

68 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

voll  Bewegung-  und  Farbe  freute,  der  das 
Theater  liebte  und  eine  Beg^eisterung"  für 
sein  Amt  mitbrachte,  die  manchem  seiner 
Nachfolger  gründlich  fehlte.  Aber  um  ein 
gniter  Direktor  zu  sein,  muss  man  Tyrann 
sein.  Im  Namen  der  Kunst  natürlich  und 
einzig  ihr  zur  Liebe.  Das  Tyrannische  ging 
nun  Wilbrandt  völlig  ab  und  der  Kleinkram 
des  Amtes,  die  Sorgenmühle  des  Alltags 
zerrieb  ihn.  Er  ging,  weil  er  sich  müde 
fühlte  und  weil  er  wieder  frei  sein  und  frei 
atmen  wollte.  Wie  die  Shakespearewoche 
unter  Dingelstedt,  so  war  die  Aufführung 
des  „Faust"  an  drei  Abenden  der  Höhe- 
punkt von  Wilbrandts  Direktion.  Für  die 
Romantik  des  zweiten  Teiles  ist  wohl  kein 
Haus  geeigneter,  als  das  Wiener  Burgtheater. 
Wilbrandt  ging  und  das  Burgtheater  über- 
siedelte ins  neue  Haus.  Es  ist  ein  herrlicher 
Prachtbau  mit  verschwenderischem  Luxus 
ausgestattet,  aber  in  seinen  Raumverhältnissen 
durchaus  nicht  glücklich.  Es  ist  zu  gross, 
der  mächtige  Bühnenrahmen  ist  zu  prunk- 
voll. Die  berühmte  Intimität  des  Spieles 
schien  im  Anfang  unwiderbringUch  verloren, 

69 


LOTHAR 


man  glaubte  den  Kontakt  zwischen  Bühne 
und  PubUkum  für  immer  entzwei  g-erissen. 
Nun  haben  sich  freihch  Schauspieler  und 
Zuschauer  in  das  neue  Haus  hineing-efunden 
und  gewöhnt.  Aber  bei  gewissen  schlichten 
und  einfachen  Stücken  ist  der  Rahmen  doch 
zu  erdrückend  für  den  Vorgang.  Freilich 
die  im  klassischen  Stück  traditonelle  Gross- 
zügigkeit  des  Spieles  wurde  vom  neuen 
Hause  eher  gefördert,  als  unterbunden.  Und 
für  die  Entfaltung  szenischer  Pracht  hat  es 
seine  Eignung  wiederholt  glänzend  bewiesen. 
August  Förster,  der  nach  einer  kurzen 
Interimsherrschaft  Sonnenthals  der  erste 
Direktor  des  neuen  Hauses  war,  starb  nach 
einem  Jahre.  Der  Mann,  der  nun  am  ge- 
eignesten  gewesen  wäre  die  Zügel  der  Re- 
gierung zu  ergreifen,  war  Baron  Berger.  Er 
brachte  alles  mit,  was  gedeihliches  Wirken 
versprach.  Intimste  Kenntnis  des  Hauses 
und  der  Tradition,  reiche  Phantasie,  die  gerne 
zur  Phantastik  neigt,  dichterisches  Mitem- 
pfinden für  ein  Werk  und  eine  ganz  ausser- 
ordentliche Begabung  zur  Regie  und  zur 
diplomatischen  Kunst,  ohne    die   nun  einmal 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 


das  Burgtheater   nicht   zu  lenken  ist.     Aber 
Berger   wurde    nicht   Direktor,    sondern    ein 
homo  novissimus    trat    auf:   Max   Burckhard. 
Burckhard  war  als  Direktor  ein  genialer 
Düettant.     Er    lernte   das    schwierige  Hand- 
werk der  Theaterführung  erst  in  seinem  Amte 
und  so  hatte  denn  die  ganze  Epoche  seiner 
Leitung  etwas  Unruhiges,  Schwankendes,  Un- 
stätes.     Diese  Unruhe,    die    künstlerisch  von 
vielen    und    schweren    Nachteilen    begleitet 
war,    hatte  auch  ihr  Gutes.     Sie  verhinderte 
die  Stagnation.     Das  Wienerische  in  Burck- 
hard, die  Lust  am  Aufmischen,  ein  gewisser 
Leichtsinn,    der    zum    Abenteuer    neigt,    die 
Freude  am  Frondieren,  gaben  seiner  Direk- 
tionsführung einen  farbigen  Reiz.     Er  hatte 
viele  Gegner  und  Feinde  und  er  gab  ihnen 
manche  Gelegenheit   zu   gerechter  Anklage. 
Aber  dass  seine  Zeit  dem  Burgtheater  auch 
Nutzen  brachte,  dass  er  ein  wertvolles  Erbe 
hinterliess,    muss   heute   konstatiert    werden. 
Er  brachte  Mitter^vurzer,  er  engagierte  Kainz. 
Er  brachte   das  Herzenstalent   der  Medelsky 
zur  Blüte.    Er  versuchte  es  mit  dem  Flacker- 
talent   der   Sandrock.     Und   auch    dem    Re- 


71 


LOTHAR 


pertoire  gab  er  einen  energ-ischen  Ruck. 
Unter  ihm  trat  Ibsen  stark  in  den  Spielplan, 
Hauptmann  erschien  und  endlich  ging  wieder 
einmal  ein  Wiener  Talent  —  das  stärkste 
im  jungen  Wien  —  von  hier  in  die  Welt: 
Schnitzler  mit  seiner  „Liebelei".  Die  Lust 
am  Experiment  verdarb  freilich  manches, 
schädigte  das  Ensemble  und  verschob  die 
Werte  und  stiess  gar  oft  die  Freunde  des 
Hauses  vor  den  Kopf.  Aber  gerade  in  dem 
Augenblicke,  als  dieser  Most  zum  Weine  sich 
zu  klären  begann  und  an  die  Stelle  des 
Irrlichterierens  die  Ruhe  der  Erfahrung  trat, 
gab  es  wieder  einmal  eine  jener  internen 
Krisen,  an  denen  die  Hausgeschichte  des 
Burgtheaters  so  reich  ist,  und  der  allzu 
radikale  Direktor  wurde  missliebig.  Er  ging 
und  Paul  Schienther  kam  an  seine  Stelle. 

Paul  Schienther  hatte,  als  er  kam,  einen 
grossen  Vorzug  vor  Burckhard.  Er  kannte 
das  Theater  von  seiner  jahrelangen  Tätig- 
keit als  Kritiker  her.  Aber  er  kannte  es  als 
Literat  und  nicht  als  Praktiker.  In  seinem 
Wesen  der  gerade  Gegensatz  zu  seinem 
fahrigen,   hastigen,    temperamentvollen   Vor- 


72 


PAUL    SCHLENTHER 
nach  einer  Photographie 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 


gäng-er,    war    auch    seine    Experimentierzeit 
nicht   so  von   bunten  Blitzen   durchschossen. 
Sie  war  tastend,  tappend,  und  als  erschweren- 
der Umstand  kam  hinzu,  dass  Schlenther  die 
Struktur  des  Publikums,  die  Art  des  Wiener 
Geschmackes  zu  wenig  kannte.     Die  Schau- 
spieler, die  er  brachte,  gefielen  nicht  und  er 
hielt  sie  doch.    Die  Stücke,  die  der  leichten 
Unterhaltung  dienen  sollten,  waren  oft  unter 
dem  Niveau  des  Hauses,  was  bei  Schlenther 
um  so  mehr  Wunder  nahm,  da  man  die  W^ahl 
dieser  Stücke  mit  seiner  kritischen  Vergangen- 
heit nicht  reimen  konnte.    Man  suchte  nach 
bestimmten  Wegen,  bestimmten  Zielen  seiner 
Leitung  und  fand  sie  nicht.    Bald  schien  es, 
als   sei  Berlin   die   Boussole,    bald  schien  es, 
als  gäbe  es  überhaupt  gar  keine  Orientierung. 
Dann  aber  kamen  wieder  Vorstellungen  von 
einer  abgerundeten  Schönheit,  wie  man  sie  im 
Hause   seit  Jahren   nicht   gesehen.     Und  ge- 
rade so  wie  unter  Dingelstedt  die  Shakespeare- 
Woche,  wie  unter  Wilbrandt  der  Faust,  wie 
unter   Burckhard    Ibsens    Kronprätendenten, 
50  war  unter  Schlenther  Schillers  Fiesco  der 
Höhepunkt.      Auf    dieser    Höhe    wird    wohl 


LOTHAR 


auch  der  „Teil"  bleiben  und  es  hat  fast  den 
Anschein,  als  sollte  die  Wiederaufrichtung 
Schillerscher  Grösse  der  Direktion  Schlenthers 
die  Signatur  geben. 

Die  ersten  Jahre  dieser  Direktion  waren 
schlimm.  Eine  Experimentierepoche  schien 
von  einer  andern  abgelöst  und  unter  unge- 
übten Händen  versandete  das  Repertoire, 
verflaute  das  Ensemble.  Eine  Zeit  des  Tief- 
standes war  gekommen,  die  alle,  die  das 
Haus  liebten,  mit  Schrecken  erfüllte,  aber 
im  Hause  selbst  schlummert  so  viel  Kraft, 
dass  es  sich  immer  wieder  aus  sich  selbst 
heraus  neu  gebärt.  Es  bildet  nicht  nur  seine 
Schauspieler,  sondern  auch  seine  Direktoren. 
Heute  ist  das  Ensemble  wieder  so  volltönig, 
wie  es  kaum  jemals  gewesen.  Die  Tradition, 
verkörpert  in  den  Alten,  übt  ihre  erzieherische 
Wirkung.  Von  den  Neuen  freiUch  kommen  nur 
zwei  künstlerisch  in  Frage :  Heine  und  Gregori. 
Beide  kamen  aus  dem  Norden  und  beide 
haben  den  Weg  zu  der  Kunst  gefunden,  die 
südUchere  Sonne  bei  uns  gezeitigt.  Heine 
ist  ein  scharfer  Charakteristiker,  dessen  harter 
Strich   hier   schon    glückliche  Milderung  er- 


DAS  WIENER  BURGTHEATER 

fuhr  und  der  gerade  das  mitbrachte,  was  hier 
immer  beim  Schauspieler  erstes  Erfordernis 
war:  Temperament.  Er  modernisiert  die 
UberÜeferungf,  die  er  von  Lewinskys  Schul- 
tern übernahm,  dessen  Sprachkunst  noch 
heute  beweist,  wie  Laube  die  Rede  modu- 
liert haben  wollte.  Greg-ori  wiederum  ist 
ein  Schauspieler  von  grosser  InteUigenz 
und  mit  einer  so  hellen  Begeisterung*  für 
seine  Kunst,  dass  sie  sein  ganzes  Spiel  durch- 
leuchtet Er  ist  kein  Blender  und  Himmels- 
stürmer. Aber  w^ie  er  sich  heute  ins  Reper- 
toire schmiegt,  zeugt  dafür,  wie  er  einmal 
damit  verwachsen  sein  wird.  Aus  seinen 
Händen  wird  einmal  eine  kommende  Gene- 
ration die  Überheferung  erhalten.  Und  wenn 
ich  hier  viele  andere  treffliche  Schauspieler 
des  Burgtheaters  nicht  erwähne,  so  tue  ich 
dies  nicht  etwa  aus  geringerer  Achtung  vor 
ihrem  Können,  sondern  deshalb,  weil  es  mir 
in  diesem  Büchlein  vor  allem  darum  zu  tun 
war,  in  kurzen  Strichen  eine  Geschichte  der 
Burgtheatertradition  zu  geben,  wie  sie  von 
Direktion  zu  Direktion,  von  einem  Schau- 
spielergeschlecht zum  andern  sich  bildete  und 

75 


LOTHAR 


emporwuchs.     Lauter  Hände  am  Werke,  die 
sich  die  goldenen  Eimer  reichen. 

Das  Burgtheater  hat  noch  grosse  Auf- 
g-aben  vor  sich.  Es  muss  endUch  Hebbel 
geben,  was  Hebbel  gebührt.  Es  darf  in  der 
Wiedererweckung  der  Klassiker  nicht  stehen 
bleiben.  Diesen  Hort  zu  hüten,  dazu  ist  es 
bestellt.  Und  wenn  es  diese  Aufgabe  erfüllt, 
die  sich  vom  Hintergrund  seiner  Geschichte 
immer  deutlicher  abhebt,  dann  wird  es  das 
sein,  was  in  dem  Namen  geschrieben  steht, 
den  ihm  Kaiser  Josef  gab:  Das  deutsche 
Nationaltheater. 


Werke  von  Rudolph  Lothar: 

Der    Wert    des    Lebens.      Ein    Mysterium.      Dresden, 
E.  Pierson.     II.  Aufl.      1894. 

Cäsar  Borgias  Ende.     Drama.     Ebenda.     1893. 

Rausch.     Trauerspiel.     Ebenda.      1894. 

Frauenlob.     Lustspiel.     Ebenda.      1895. 

Ritter,  Tod  und  Teufel.     Drama.     Ebenda.     1896. 

Ein  Konigsidyll.     Lustspiel.     Ebenda.   1896. 

Der  Wunsch.    Ein  Märchen.    Breslau,  Schottländer.     1895. 

König  Harlekin.      Ein    Maskenspiel.       München,    Georg 

Müller.     III.  Aufl.      1903. 
Glück  in  der  Liebe.     Lustspiel.     Ebenda.      1902. 
Herzdame.     Drama.     Ebenda.      1902. 
Die  Königin  von  CjlDem.  Lustspiel.  Stuttgart,  Cotta.  1903. 


Halbnaturen.     Roman.     München,  Georg  Müller.    II.  Aufl. 

1903. 
Der  Golem.     Novellen.     Ebenda.     II.   Aufl.      1903. 


Kritische   Studien    zur   Psychologie    der   Literatur. 

Breslau,  Schottländer.      1895. 
Das    Wiener    Burgtheater.      Leipzig    und    Wien.      E. 

A.  Seemann   und  Ges.  f.  graph.  Industrie.      1899. 
Henrik  Ibsen.     Ebenda.     III.  Aufl.     1903. 

Das  deutsche  Drama  der  Gegenwart.    München,  Georg 
Müller.      1904. 


DIE  DICHTUNG 

EINE    SAMMLUNG   VON   MONOGRAPHIEEN 

HERAUSGEGEBEN  VON  PAUL  REMER 
BUCHSCHMUCK  VON  HEINRICH  VOGELER 


Bisher  sind  erschienen: 
Band     I.     Henrik  Ibsen 
Band  ü.      Anzengruber 
Band  m.     Victor  Hugo 
Band  IV.      Liliencron 
Band    V.      Leo  Tolstoj 
Band  VI.     Hölderhn 
Bandvn.     Boccaccio 
Band  VIII.  Cervantes 
Band  IX.     Gottfried  Keller 


von  Paul  Ernst 
von  J.  J.  David 
von  H.  V.Hof  mannsthal 
von  Paul  Remer 
von  Julius  Hart 
von  Hans  Bethge 
von  Hermann  Hesse 
von  Paul  Scheerbart 
von  Ricarda  Huch 


In  Vorbereitung: 


Ebner-Eschenbach 
Klaus  Groth 
Kleist 

Oscar  Wilde 
Eduard  Mörike 
Paul  Verlaine 
Theodor  Fontane 
Lenau 
Hebbel 

Richard  Dehmel 
Theodor  Storni 
Wilhelm  Raabe 


von  Gabriele  Reuter 
von  Timm  Kroger 
von  Wilhelm  Hegeler 
von  Hedwig  Lachmann 
von  Gustav  Kühl 
von  Stefan  Zweig 
von  Franz  Servaes 
von  Leo  Greiner 
von  Wilhelm  von  Scholz 
von  Gustav  Kühl 
von  Paul  Remer 
von  Hans  Hoffmann 


Jeder  Band  elegant  kartoniert  M.  i.^O 
Jeder  Band  in  echt  Leder  geb.  M.  2.^0 


DIE  DICHTUNG 

EINE    SAMMLUNG 

VON   MONOGRAPHIEEN 

HERAUSGEGEBEN  VON  PAUL  REM  ER 

BUCHSCHMUCK  VON  HEINRICH  VOGELER 

In  Vorbereitung: 

Goethe 

von  Otto  Erich  Hartleben 

Shakespeare 

von  Franz  Servaes 

Heine 

von  Wilhelm  Holzamer 

Grillparzer 

von  Wilhelm  Hegeler 

Maeterhnck 

von  Anselma  Heine 

Schiller 

von  Fritz  Lienhard 

Richard  Wagner 

von  Hans  von  W^olzogen 

Jens  Peter  Jacobsen 

von  Hans  Bethge 

Ricarda  Huch 

von  Hedwig  Bleuler-Waser 

Swinbume 

von  John  Henry  Mackay 

Eichendorff 

von  Gustav  Falke 

Turgenjeff 

von  Carl  Hauptmann 

Alfred  de  Musset 

von  Rudolph  Lothar 

E.  T.  A.  Hoffmann 

von  Richard  Schaukai 

Franz  von  Assisi 

von  Hermann  Hesse 

Gern.  Hauptmann 

von  Hermann  Stehr 

Conr.  Ferd.  Meyer 

von  Wilhelm  Holzamer 

Novalis 

von  Willy  Pastor 

Wilhelm  Busch 

von  Richard  Schaukai 

Euripides 

von  Hermann  Bahr 

d'Annunzio 

von  Alberta  v.  Puttkamer 

Walt  Whitman 

von  Johannes  Schlaf 

Jeder  Band  elegant  kartoniert  M.  I  .^0 

Jeder  Band  in  echt  Leder  geb.  M.  2.^0 

Verlag  von  Schnster  &  Loeffler,  Berlin  und  Leipzig 

WERKE  VON  J.  J.  DAVID 

Am  Weo^e  sterben.    Roman.         i  ^  ,    • 

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Der  Übergang".  Roman.  )  ^^^-  J^  ^-So  M. 

Frühschein.     Erzählungen.  Geh.  2.50  M.,  geb.   3.50  M. 

Vier    Geschichten.    Erzählungen.    Geh.  2  M.,  geb.   3   M. 

Troika.      Erzählungen.  Geh.   2.50  M.,  geb.  4  M. 

Die    Hanna.      Erzählungen.  Geh.   3  M.,  geb.  4.50  M. 

Ein   Regentag-.     Drama.  Geh.   1.50  M. 

NeigTing".      Schauspiel.  Geh.  2  M. 

Der   getreue   Eckardt.  Schauspiel.               Geh.  2  M. 

AnzengTUber.       Band  II  der  Sammlung  »Die  Dichtung« 
Kartoniert   1.50  M.,  in  Leder  geb.   2.50  M. 

Durch  jede  Buchhandlung  zu  beziehen. 

Herrose   &  Zierasen,   Wittenberg, 


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