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Full text of "Albert Deibele: Alte Gmünder Geschichten, in: Gmünder Heimatblätter 14, 1953, S. 72 und S. 80"

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Und dann stehe ich auf der Kuppe des formschönen Hohenstaufen, der die 
Burg des mächtigen Kaisergeschlechts getragen hat. Aber es sind wenig 
steinerne Zeugen aus jener Glanzzeit übrig geblieben. Nur ein paar dürftige 
Mauerreste sind noch vorhanden, das andere ist zum Bau des Göppinger 
Schlosses verwendet worden. Aber das Barbarossa-Kirchlein in dem am 


Hang des Berges gelegenen Dörflein Hohenstaufen erinnert wenigstens an a 


Kaiser Rotbart. 

Unten in den Tälern drängen dich die Dörfer; besonders im-nahen Filstal 
reiht sich eine stattliche:Siedlung an die andere. Da bleibt nicht viel Zeit, 
um wehmütigen Gedanken nachzuhängen, und rüstig schreite ich hinab ins 
Tal, wo die modernen Industrieanlagen sich in Sesegneter, anmutiger Land- 
schaft aneinanderreihen. Den Horizont aber DEBECHLEN die schroffen Tafel- 
berge der Alb. 


Alte Gmünder Geschichten Albert Deibele 
Schlechter Tabak 


Herr D., von dem ich erzählen mö chte, hat manchen Gmünder nach 


St. Leonhard getragen. Nun ruht auch er schon draußen bei seinen alten | 


Bekannten. 

Zur Zeit, als das Kippensuchen in den Straßen der Stadt sehr üblich war, 
ging D., eines Morgens über den Marktplatz. Es war just nach dem Neu- 
jahrstag, wo es bei den Amis im „Gmünder Hof“ und in der „Krone“ hoch 
hergesangen war. D. zog seine Pfeife aus der Tasche und wollte sie mit dem 
letzten Rest seines „Siedlerstolzes“ stopfen. Da sieht er im Schnee einen 


schönen Zigarrenstummel liegen. Der konnte nur von den Amis herrühren; 
Genn bei einem ehrlichen Deutschen wurde um diese Zeit kein Zigarren- 


stummel weggeworfen; dieser vielmehr in einer Blechbüchse sorgfältig 2 


au'bewehrt und dann als Pfeifen- oder Zigarettentabak verwendet. — Herr n 


D hebt also die Kippe auf. Sie war hart. geforen und wie leicht bereift. 
Mit etwas Mühe stopfte er sie in die Pfeife. Darauf kam etwas „Siedler- 


stolz“, mit der Nudelmaschine fein geschnitten und im Herdrohr sorgfältig. 


getrocknet Ein schwerfälliges Feuerzeug, mit Amibenzin gespeist, lieferte 
eine qQualmende Flamme. Es wollte nicht recht brennen. Doch als er der 


Pfeife von oben und unten tüchtig Luft gemacht hatte, ging es endlich. à 
Aber potz Blitz! Wonach roch dieser Tabak? Das war kein Maryland- und 


kein Virginiakraut! — Verflucht stark! — Und eine Menge Wasser zog dieser 
Tabak. so viel, daß D. immer wieder in hohem Bogen ausspucken mußte. 
Baid Gog die Pfeife aus und war trotz allen Amibenzins nicht mehr anzu- 
bringen. D. steckte die halb ausgerauchte Pfeife in die Tasche. Den Rest 


wollte er zu Hause auf dem Ofen trocknen; denn er vermutete, daß der a 
Stummel in dem frisch gefallenen Schnee Feuchtigkeit angezogen habe, Zu 


Hause kratzte er die Pfeife aus. — Was kam heraus? — — — Pfui Teufel! 
So etwas! — Dieser Stummel kann nur von einem verfluchten Hund stam- 


men und zwar von keinem kleinen! — Und so war es auch. Acht Tage lang 


paucnte D. nicht mehr, 


Für die Redaktion: Dr. Franz Dietzel - Schwäbisch Gmünd. ‚Engelgasse TI Beiträge 
wollen an diese Anschrift gerichtet werden, ; 


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Seite 80 Nummer 10. 


schmied, der es 1842 an Ferdinand Fritz, Maurer, verkauft. 1852 erwirbt es 
Dosenmacher Alois Weitmann. Nach dessen Tod kommt es in die Hände der 
Kinder Josefine, Viktor und Helene. Diese verkaufen es 1898 an Schneider 
August Oechsle. Heute ist es im Besitz von Albert Eisenmann. (Forts. folgt) 


Alte Gmünder Geschichten Albert Deibete 
Frau M. | 


Frau M. (sie lebt noch, und deshalb sei ihr Name verschwiegen), eine 
‚feißige und sparsame Hausfrau, ging im Winter 1945/46, als es nichts zu 
essen und noch weniger zu heizen gab, zur Dämmerzeit in die Stadt. Sie 
wollte für den Rest ihrer Karten noch Teigwaren und Brot einkaufen. Eine 
Handvoll Suppennudeln und drei Laiblein Brot waren die spärliche Aus- 
beute, und dies sollte für sie und ihre Familie eine ganze Woche ausreichen; 
denn Frau M. hatte keine näheren Beziehungen zum Lebensmittelamt. Wie 
sie so durch das nächtliche Dunkel schreitet und sich den Kopf zerbricht, 
wie sie ihre Familie bis zur neuen Markenausgabe 'durchbringen will, sieht. 
sie in der Nähe des Kornhauses 5 bis 6 Bierbriketts im Schnee liegen. Diese 
mußte ein Kohlenwagen bei seiner Fahrt zur städtischen Waage verloren 
haben. Das war ein Geschenk des Himmels! Rasch nahm Frau M. ihr Hals- 
tuch ab, breitete es sorgfältig über Brot und Teigwaren aus und legte die 
 Eierbriketts darauf. Zu Hause stellte sie die Handtasche an den warmen 
Herd und eilte, da bald Ladenschluß war, züm Metzger, um auch ihre 
letzten Fleischmarken anzubringen, Es ging etwas länger, als sie erwartet 
hatte, | 

Auf dem Heimwege traf sie ihren Mann und erzählte ihm freudestrah- 
lend von ihrem glücklichen Fund beim Kornhaus. — „Da können wir uns 
am Sonntag wieder einmal die Stube heizen; es ist doch gemütlicher als in 
der Küche“, meinte der Mann. Und sie fügte bei: „Ja, das wollen wir, und 
die Nudeln, die ich heute gekauft habe, und das Fleisch von meinen letzten 
Marken will ich für Sonntag aufheben, Dann wollen wir uns einen recht 
schönen Sonntag machen!“ Se | | | 
. Freudigen Herzens betraten beide die Küche, um die Eierbriketts zu be- 
staunen, die ihnen so unerwartet wie ein Wunder zugefallen waren. Wer 
aber beschreibt das Entsetzen: statt der Eierbriketts fanden beide in der 
Handtasche eine breiige, stinkende Masse, die teilweise durch das Halstuh 
gesickert war und sich über Nudeln und Brot ergossen hatte. Herr M. unter- 
suchte die Masse mit sachkundigem Blick. Da entdeckte er ein paar Körn- 
lein Haber und einige halbverdaute Strohhalme. „OÖ, du heiliger Strohsack“; 
rief er, trotz des bitteren Ernstes unter dröhnendem Lachen, „ich will mich. 
aufhängen lassen, wenn das Kohlenbergwerk, das dir die Eierbriketts ge- 
tiefert hat, nicht ein.alter Gaul war!“ Und so war es auch. Frau M, hatte in 
der Dunkelheit die gefrorenen Roßäpfel für Eierbriketts gehalten. Dahin 
_ war der gemütliche Sonntag, dahin aber auch Brot und Suppennudeln! Ge- 
blieben aber war namenloses Weh um die verdorbenen Lebensmittel und 
“ein Sizom von Tronen =-  — < ; 5 


Für die Redaktion: Dr, Franz Dietzel - Schwäbisch Gmünd, Engelgasse 11 Beiträge 
: > ` wollen an diese Anschrift gerirbhtat wardnn