Skip to main content

Full text of "Albert Deibele: Albert Betz und Xaver Keller, zwei Mesner an der Josefskapelle, in: Gmünder Heimatblätter 16, 1955, S. 77−80"

See other formats


Nummer 10 | a _ = a Seite 77 


mm nn nn emea er 
nn 


ne u En 


Schwarz ganz und ga ie nr hatten. Man hatte kein Verständnis Fa =. 
mehr für den überladenen Prunk n Barock und die regellosen Verzierun- S o 
gen des Rokoko, vielmehr betrachtete man sie als Verweltlichung. Man warf | 
‚wertvolle Rokokoaltäre zur nn Wous und ersetzte sie durch nachge- 
e Schr einergotik. Die Innenwände der Kirchen verschmierte man mit 
greilen grünen und. nlauen Farben. Unersetzliche Kunstwerte sind so für 
immer. verloren gegangen.' Bischof Keppler verbrachte einen großen Teil Sae 
seiner Jugend im Rechbereh auser Pfarrhaus bei Pfarrer Laib und empfing ee 
‘won ihm entscheidende Einflü se, die noch über die Jahrhundertwende nach“ + 


wirkten, Fast alle bedeutenderen Kirchen wurden unter ihm in imitierter 
Gotik.oder Romat nik ausgeführt, 


Der erste Stadtpfarrer an der Göppinger Marienkirche war der spätere  _* 
Oberkirchenrat Msgr. Michael Munz, gebürtig von Lautern. 


` (Nach Keppler, Württemberss Kunstaltertümer, 1888, und Aktendes bischöf- ee 
‚lichen Ördinariats Rottenburg.) = / = ee 


ee 


u 


Alberi Betz und Xaver Keller 


en zwei Mesner an der Josefsk apelie a - 


Albert Deibele ER | ee o 


‚Die losenha-Kapelle bei Gmünd", nach einer Zei Chimuug -velers als 
| Theodor Carl Weber aus Schramberg aus dem en 1847 


7 


p 


y 


Seite 78 EAA TE | Ä | Nummer 10 


Im Stadtarchiv befinden sich einige Aufschriebe des verstorbenen Mesners 
„Anton Bäuerle, u.a. auch eine Würdigung seiner Vorgänger, von denen ich 
Albert Betz und Xaver Keller herausgreifen möchte. Den ersteren, Albert 
Betz, habe ich selbst noch wohl gekannt. Es war ein großer, stattlicher 
Mann mit einem „Kaiservollbart“. Jeden Sonntag waltete er im Münster 
seines Amtes als „Kirchendusler“ (Kirchenordner). Car feierlich bahnte er 
sich mit einer langen schwarzen Stange, welche ir winem Knopf aus Mes- 
sing endete, den Weg durch die Beter. Besonderen Respekt aber flößte er 

» uns Buben ein, wenn er seine Gedenkmünzen von 1870/71 anlegte oder in 
den Reihen der Veteranen marschierte, denn Betz gehörte zu den Feld- , 
zugsteilnehmern von 1870/71. Seinem Berufe nach war er Goldschmied. Viel 

verkehrte er im Gesellenverein. Dort sang er immer sein Lieblingslied: „Zu 
Augsburg steht ein hohes Haus“. Sein größtes Glück war es, als 1899 aus 
dem kleinen Mesnerhaus ein Neupriester in feierlicher Prozession zum Mün- 
ster geleitet wurde. Im selben Jahre weilte auch Bischof Paul Wilhelm von 
Keppler, der gekommen war, eine Altarweihe v®rzunehmen, unter seinem 
Dache. Dieser Besuch veranlaßte die Gründung des Josefsvereins, welcher 
sich zum Ziel setzte, dafür zu sorgen, daß in der J osefskapelle für alte Leute 
ein ständiger Gottesdienst gehalten werde. Außerdem wollte man die Er- 
richtung einer Pfarrei und den Bau einer größeren Kirche für den Stadt- 
sarten, wie dieser Stadtteil damals hieß, in die Wege leiten. Betz hat von all 
dem nicht mehr viel erlebt, den er starb schon im März 1902. Der Gedanke 
aber, den er mit besonderer Liebe ‚gefördert hatte, wuchs kräftig weiter. 
‘Durch Stiftungen wurde es ermöglicht, die Kapelle für tägliche Gottesdienste. 
_ einzurichten. Auch wurden eine Sakristei und eine Vorhalle angebaut. Ja, es 
gelang sogar, einen Bauplatz für die geplante neue Kirche zu erwerben und, 
ein ansehnliches Kapital zu sammeln. Allein die Inflation zerstörte die‘ 
Pläne für eine neue Kirche. Betz mußte noch erleben, daß das ihm lieb- 
gewordene Mesnerhaus abgebrochen wurde (1900). 


Der Vorgänger von Albert Betz war dessen Onkel Xayer Keller, der 1812 TE 
geboren war. Da sein Vetter Josefsmesner war, kam er schon in frühester 
‚Jugend in das kleine Mesnerhaus und in die Kapelle. Damals standen diese 2 
beiden Gebäude allein jenseits des Baches. Ringsum dehnten sich Wiesen 

und Obstgärten aus. Ein schlechter Fahrweg führte von der Waldstetter 
Brücke an der Kapelle vorbei und verlor sich in der holprigen Straßdorfer 
Steige, an welcher nur Traubenwirts Keller zu sehen war. Der Mesnervetter 
verfertigte als Heimarbeiter Filigranwaren, und der kleine Xaver wurde 
bald in diesen Arbeitsgang eingespannt. Doch es zog ihn menr zum Gold- 
schmiedsberuf, den er auch erlernte. | 

Als der Vetter sein Mesneramt niederlegte, wurde Xaver Keller dessen 
Nachfolger. Er war ein kleiner Mann. Was ihm aber hierdurch an feierlicher. 
Würde abging, suchte er durch Kleidung zu ersetzen. Stets sah man ihn in 
langem Frack. Wenn er ausging, führte er einen eleganten Rohrstock mit 
sich. In der Gesellschaft erzählte er gerne von der alten Zeit und stimmte 
dann seinen Lieblingsgesang, das Gmünder Kasinolied, an. Wenn dann alles 
in den Kehrreim einstimmte: „Hier am besten können wir die Schmerzen 
vergessen und scherzen. Darum sei im Kasino hier unser Nachtquartier!“ 

4 war er glücklich. Höhepunkte. in seinem Leben waren die Besuche des Dich- 
‘J| ters J ustinus Kerner in dem Mesnerhause und in der- Kapelle. Kerner war 


Nummer 10 


‚Seite 79 
damals Oberamtsarzt in Welzheim. Seine romantische Arts führte ihn öfters 
nach Gmünd, und inmitten der Kirchen und Kapellen fühlte er sich wohl. 

zu dieser Zeit war die Josefskapelle mit allerlei Weihegeschenken und 
Danktäfelchen angefüllt. Von dem Bildwerk erregte besonders ein Kümmer- 


- nisbild die Aufmerksamkeit des Dichters. Ein zweites, ganz ähnliches hing | 


im Mesnerhause, Das Kümmernisbild in der Kapelle war der Ausgangs- 
punkt von Kerners berühmtem Gedicht „Der Geiger von Gmünd“. Noch in 
seinen alten Tagen erzählte Keller, wie sich Justinus Kerner oft lange, 


in tiefe Träumereien versunken, in der Kapelle aufgehalten habe. Oft habe 


er Bemerkungen in ein Büchlein geschrieben, vielleicht Gedanken zu einem 
neuen Gedichte. Noch von Weinsberg aus, wohin Kerner versetzt worden 
war, habe der Dichter die Josefskapelle besucht. Bei einem dieser Besuche 
habe er das Kümmernisbild im Mesnerhaus erworben und mit sich genommen. 


Viel wußte Keller auch von den Erneuerungsarbeiten an der Kapelle im 
Jahr 1865 zu:berichten. Die Anregung sei von Kaplan Pfitzer ausgegangen. 
Um Platz zu gewinnen, habe man den Eingang von der Nordseite auf die 
Westseite verlegt. Die Weihegeschenke, die Seitenaltäre und verschiedenes 
Bildwerk seien entfernt worden. Damals seien ein schön geschnitztes Kreuz, 
das Kümmernisbild und die alte Türe in das Museum gekommen. Als Ersatz 
für das verlorene Bildwerk habe Bildhauer Benz die Herz-Jesu- und die 
Herz-Mariä-Statue gestiftet. 

Während der Abwesenheit Kellers amtete sein Nannele in der Kapelle. 
Im Drang der Hausgeschäfte vergaß sie öfters das Mittagläuten. Kam dann 
der Mesner nach Hause, so machte er ihr darüber heftige Vorwürfe. Sie aber 
sagte gelassen: 

„Hast Du gehört, daß ich nicht geläutet habe?“ 

„Nein, das habe ich freilich nicht gehört!“ meinte Xaver unwillig. : 

„Was willst Du dann schelten, wenn Du es nicht gehört hast?“, sagte dar- 
auf das Nannele in kindlicher Einfalt und setzte etwas er die Suppen=- ` 
schüssel auf den Tisch. | 


Das Mittagläuten blieb ihre schwache Seite. Einmal kam Firmus Schurr, Ä 


der in der Rechbergstraße einen kleinen Betrieb aufgemacht hatte, ganz 


errest in das Mesnerhaus gerannt und schrie das Nannele an: 


„Was ist denn das für eine Ordnung mit diesem Läuten! Schon wieder 
haben Sie zu früh geläutet! Das verbitte ich mir!“ 


„No nex närrats!“ sa&te seelenruhig das Nannele. „Sia saget, i hätt zu früh 
gläutet! So etwas gibt’s net bei mir!“ | 


` „Das steht einwandfrei fest. Jedesmal rennen meine Goldschmiede beim 
‚ersten Glockenzug auf und davon, und ich habe das Nachsehen. In Zukunft 
‚mache ich Sie für den Schaden haftbar!“ 


Da stemmte das Nannele kampfesffoh. ihre Arme in die Hüfte a u 
scharf? 


„So, so, Herr Schurr! I soll also vor zwölfe läuta. Dös kommt net vor, han 
i gesagt. I mach äll Tag meine Knöpfla. Genau 10 Minuta vor zwölfe wirf i 
dia ins Wasser. Wenn meine Knöpfla raufkommet, no send se fertig und 
no isch grad zwölfe, und no wird gläutet. Hent Se verstanden? Und jetzt 
‚kommt der Mesner! Und jetzt wird’s gessa! — Behüt Se Gott!“ l 


Seit an 


NE 


Kurze Zeit. darauf erkrankte das N Sanele, Sie stand richt mehr von ihrem 
Kecnkenläger auf, Der alt e Keller war nun recht einsam geworden. Da er. 
niemand mehr hatte, der ihm die Ka jelle en = ıb er das Mesner- 
haus iemt dem Dienst seinem Neffen Albert Betz Am 24, August 1890 folgte. 
Keller seinem Nannele nach. : | z 


a ee rung an Robert Dei bele 


har oa E 15 


Dieses allgemein seachieien Mannes. der im. öffentlichen (Leben wenig 


hervortrat, in den „Gmänc der jleimatblättern“ ehrend zu gedenken, mag 
wohl angebracht ‚sein. War doch der Verstorbene. ein treuer Sohn seiner FE 


Heimat, ein vielseitig interessierter Geschichts- und Naturfreund, ein Ken- 
ner seltener Pflanzen in der Umgebung wie im- Gebirge, ein eifriger Wan- 
derer und begeisterter Schifahrer, der als erster Gmünder "die Schifahrer- 
Prüfung. ablegte. = ; | 7 = i 


Geboren wurde Robert Deibele am 3. ‚November 1881: als a n des Kaut- 


manns Roman Deibele und der Auguste geb, Rafhgeb aus Eil angen, Sein 
Elternhaus war in der Kappelgasse Nr.7. Nach Ahisivieiing abe Realgsym- 
nasiums und einer kurzen kaufmännischen Löhre in der Firma Binder kam 
er zu seinem Onkel Adolph Rathgeb, dem Gründer der Johannisapotheke, 
in die Lehre; dann studierte er in Munnen und en hier 1915 die Appro- 


bationsurkunde als Apotheker. 


Nach weiteren zwei Jahren Arbei tin verschindätien Apotheken kane gr o 


nach Gmünd zurück, wo er 9 Jahre in der J ohannis- Apotheke, zuletzt nach 
dem Tod seines Onkels 1914 als Verwalter, tätig war. Im ersten Weltkrieg 
wirkte er als Oberäpotheker an der. Ostfront. In Zeiten, in denen: die Front in 
Ruhe war, war es ihm hier möglich: wertvolle Ausgrabungen aus der Tri- 
polje-Kultur zu machen und in die Heimat zu schicken. Diese Funde waren. 
lange Jahre im Städt. Sammlungsgebäude. ausgest elit. Ein „Ansuchen der 
Universität Tübingen, diese. Funde für Lehrzwecke zur Verfügung zu us 
len, lehnte er ab, weil er sich davon ‚nicht, trennen wollte, a 


Nach Kriegsende kehrte er nicht mehr in die Anbiheke Farid: Eih Zah- i 
arzt im damaligen Reservelazarett Gmünd, wies ihn auf das Gebiet der 
Zahnheilkunde hin, So wurde er zum Erfinder des iin der ganzen zahnärzt- 
lichen Welt bekannten „Citopercha“, der ersten gebrauchsfertigen. provisori= 


schen. Zahnverschlußmasse. Diese Erfindung. ermöglichte es ihm, einen eige- < | 


‘nen Betrieb aufzumachen und auszubauen. ‚Ihm widmete er; bis. zu ‚seiner, 
Krankheit seine ganze Arbeitskraft. an E ea 3 


j ; is ; y f ; 7 2 x > k } A 3 e, + EN er y i i ; £ 3 
Für. dig Redaktion: Dı Pranz Dreize. Schwätnseh, zmünd Engeigasse, di ‚Beitrags 
wollen an diese Anschrift gerichtet wer alle 


TA t