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Full text of "Albert Deibele: Hundert Jahre Gesellenverein Schwäbisch Gmünd, in: Gmünder Heimatblätter 18, 1957, S. 53−54"

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der Ausdehnung der Gmünder Handelsgesell- 
schaft, aber auch von der überparteilichen Kon- 
trolle des Stadtregiments, das nicht Quldete, daß 
mit Rücksicht auf Geschäftsverluste „Brief und 
Siegel“ nicht gehalten würden. 

Was wir oben berichteten, ist nicht die einzige 
Kunde von frühkapitalistischen Bestrebungen in 


Gmünd; wir hören auch noch von einer „Fug- 
gerei“ und dem Auftreten fremder Kaufleute am 
Ort. Aber für alle derartigen Unternehmungen 
wird es sich vermutlich zeigen lassen, wie schwer 
es der Gedanke der freien Wirtschaft hatte, sich 
in der zünftlerischen Gewerbestadt im oberen 
Remstal durchzusetzen. 


Hundert Jahre Gesellenverein Schwäbisch Gmünd 


Albert Deibele 


Am 21. Juli 1957 feierte der hiesige Katholische- 


Gesellenverein sein hundertjähriges Stiftiingsfest. 


‚Wenn ein Verein, wie der Kath. Gesellenverein, 


nunmehr hundert Jahre lang für das Wohl des 
kleinen Mannes in unserer Stadt gearbeitet hat, 
verdient er es, daß sich die Gmünder Heimat- 
blätter mit seiner Geschichte befassen. 

1849 war es, als der edle Priester Adolf Kolping 
zu Köln den ersten Gesellenverein gründete. Kol- 


‚ping kam vom Handwerk her; denn er hatte als 


Schuhmacher gelernt, und gerade deshalb hatte 
er Erfahrung mit der Not der Gesellen. Damals 
war es noch Vorschrift, daß der angehende Mei- 
ster eine mehrjährige Wanderschaft ausführte, 
um die verschiedenen Arbeitsweisen in seinem 


‚Berufe kennenzulernen. So wanderten die Ge- 


sellen von Ort zu Ort, oft genug bettelnd und 
stehlend, so daß sie meistens recht verachtet wa- 
ren. Heute noch versteht man unter einem Hand- 
werksburschen einen verkommenen Menschen. 
Schutzlos und verlassen standen die Gesellen in 
der Fremde, und viele von ihnen verkamen an 
Leib und Seele, Hier setzte Kolping ein. In den 


‚Gesellenvereinen sollten die Handwerksgesellen 


in der Fremde eine Heimat finden und zu tüch- 


‚tigen, sittlich gereiften Männern erzogen werden, 


Der Gedanke Kolpings brach sich rasch Bahn. 
Schon 1857 erfolgte in Gmünd die Gründung 
eines BESELISHYETEIDN, des dritten in unserem 
Lande. 


Wie kam es zu dieser Gründung? -——- Am Josefs- 


tage des Jahres 1857 hatte Kaplan Pätzer in sei-- 
. ner Predigt den Segen der Gesellenvereine er- 


wähnt. Da faßten zwei hiesige Gesellen, der 
Schreiner Heinrich ‚Schmidt von Limburg a.d. 


Lahn und der Goldschmied Melchior Guggenmos = 


von Kaufbeuren, den Plan, sieh für die Gründung 
eines Gesellenvereins einzusetzen. In Kaplan 
Khuen fanden sie einen begeisterten Helfer. Mit 
dessen Unterstützung bezogen sie bald ein Ver- 


sammlungszimmer im. Hintergebäude des „Jo- - 


sefle“. Hier erfolgte am 4. Oktober 1857 die Grün- 
dung des Vereins. Das Präsidium übernahm Ka- 
plan Pfitzer, der spätere hiesige Stadtpfarrer, der 


sofort die Vorstandswahlen anordnete; 19 Perso- 
' nen. waren es, die sich bei der Gründung des 


Sie Zahl derart, daß man nach einem größeren 


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Versammlungsraum Umschau halten mußte, Man 
fand einen solchen im Gasthaus zum Ritter (heu- 
te Auto-Pfeiffer). Bald gelang es, eine größere 
Anzahl von Ehrenmitgliedern zu gewinnen, die 
dem Verein eine wichtige moralische und wirt- 
schaftliche Stütze waren. 1865 wurde die ersie 
Fahne geweiht, die nun bis 1907 den Verein bei 
allen freudigen und ernsten Ereignissen BEER 
tete, 

Immer mehr fühlte man das Bedürfnis nach 
einem eigenen Heim. Den entscheidenden Schritt 
machte Präses Johann Melchior Kunhäuser. Er 
kaufte 1873 von Fabrikant Röll das Haus Freu- 
dental 24 samt Fabrikanbau und ließ es umbauen. 
Als „altes Vereinshaus“ ist es hier noch wohl be- 


kannt. Am 18. Oktober 1874 konnte das Heim 


mit einer schlichten Feier eingeweiht werden, | 

Schon 1877 zeigte es sich, daß die Räume nicht 
ausreichten. 1880 suchte auch der neu gegründete 
Lehrlinssverein dort noch ein Unterkommen. S0 
faßte Kaplan Adolf Saile, der spätere Dekan, den 
Plan zu einer großzügigen Erweiterung. Zunächst 
begann er eifrig, die nötigen Mittel zu sammeln. 
Im Jahre 1892 konnte das Nachbarhaus von Ban- 
kier David Sternglanz aufgekauft werden. Werk- 
meister Paul Möhler, der nachmalige Oberbürger- 
meister, ließ das Haus abbrechen und erstellte auf 
dessen Grund das neue Vereinshaus. Am 6. Au- 
gust 1893 konnte die feierliche Einweihung vollə 
zogen werden. Die beiden Vereinshäuser wurgen 
nun der Sammelpunkt des gesamten katholischen 
Vereinslebens unserer Stadt. Schon 1891 hatte der 
Verein das Wirtschaftsrecht erhalten. Die Küche 
und die Gastzimmer besorgten die Barmherzigen 
Schwestern, während für die Bedienung der Gä- 
ste ein Hausmeister angestellt wurde. 

Einen Höhepunkt im Vereinsleben bildete die 
Feier des 50jährigen Bestehens des Vereins am - 
9. Juni 1907. Mit ihr war die Weihe einer neuen 
Fahne verbunden. Kaum war der Festjubel ver- : 
stummt, so erhoben sich laute Stimmen, die nach 


einer Vergrößerung der bestehenden Häuser rie- 


fen. Vor allem mangelte es an Wohnraum für die 


Gesellen. Man faßte nun den Entschluß, das Nach- 


barhaus Freudental 22 von Schlossermeister Renz 


zu erwerben, dieses und das alte Vereinshaus ab- ` 


zubrechen und an deren Stelle einen Neubau zu 
EN: Schon waren die Pläne ausgcarpeitah 


da machte der Weltkrieg 1914 allem ein Ende. 
Niemand wollte das Wagnis auf sich a im 
Kriege zu bauen. 

' Nach dem Kriege war zunächst an kein Bauen 
mehr zu denken. Die bescheidenen Mittel wurden 
für Instandsetzungsarbeiten und Ergänzung der 


Einrichtungsgegenstände gebraucht. Doch bald 


wagte man sich an größere Aufgaben. 1920 er- 
stellte man im großen Saal eine Orgel, eine Sache, 
‚die sich allerdings nicht bewährt hat. 1921 wurde 
eine Kühlanlage erstellt, 1924 das Weinzimmer 
geschaffen, Im folgenden Jahre erweiterte man 
den großen Saal um 7 Meter. Man muß den Mut 
bewundern, mit welchem die Gesellen diese Auf- 
gaben anpackten; denn gerade in jenen Jahren 
herrschte hier bitterste Arbeitslosigkeit. 1930 
wurde noch für die 49 gefallenen Mitglieder des 
Vereins eine würdige Gedenktafel geschaffen. 
So schritt man in einer Zeit voll Not und Elend 
zur Vorbereitung auf das Fest des 7T5jährigen Be- 
stehens des Vereins. Der politische Himmel des 
Jahres 1932 war grau in grau. Kommunisten und 
. Nationalsozialisten kämpften um die Macht im 


Reiche, und beide waren grimmige Feinde der. 


Gesellenvereine. Viele rieten ab, das Fest zu 
feiern; allein der Gedanke, daß gerade in solchen 
Zeiten ein Häuflein Aufrechter manchen Schwan- 
kenden Halt zu geben vermochte, siegte schließ- 
lich über alle Bedenken. 

. Das Jahr 1933 brachte den Sieg der National- 
sozialisten. Gegenüber anderen katholischen Häu- 
sern kam das Vereinshaus noch verhältnismäßig 
glimpflich über die Zeit des Dritten Reiches hin- 
weg, wohl deshalb, weil dort viele Arbeiter wohn- 
ten und verköstigt wurden. Doch wurde das Ge- 
bäude, um es den Zugriffen der Partei zu ent- 


ziehen, der katholischen Pfarrgemeinde übereig- 
net. Nur einmal wurde das Vereinshaus von der 
Partei für kurze Zeit geschlossen und das Geld 
beschlagnahmt. Die Türen wurden versiegelt. 
Nach wenigen Tagen schon wurden jedoch alle 
diese Maßnahmen rückgängig gemacht. Während 
des letzten Krieges diente das Vereinshaus einige 
Jahre als Russenlager. Die Insassen zerschlugen 
1945 die gesamte Einrichtung in sinnloser Wut. 


Nach Freigabe des Gebäudes wurden die Räu- 
me sofort wieder hergestellt. Doch zeigte es sich 
immer mehr, wie unzulänglich, unpassend und 
ungemütlich beide Häuser waren. Sollte man 
gründlich umbauen oder neu bauen? Ein Umbau 
wäre wahrscheinlich teurer gekommen als ein 
Neubau. So entschloß man sich zu letzterem. Das 
alte Haus wurde ganz, das neue bis auf den Saal 
fast vollständig abgebrochen. Der stattliche Neu- 
bau erstand unter tatkräftiger Mithilfe der Mit- 
glieder. Im Mai 1956 konnte er als Hotel Pelikan 
eröffnet werden. 


Heute ist der Katholische Gesellenvercin aus 
dem Leben unserer Stadt nicht mehr wegzuden- 
ken. Er ist ein trefflicher Sammelpunkt des werk- 
tätigen Volkes, für dessen Weiterbildung, Unter- 
haltung und Freizeitgestaltung er auf sinnvolle 
Weise sorgt. Nicht nur ein leistungsfähiger Sing- 
chor, auch eine Musikkapelle, eine Schützenabtei- 
lung und eine Krankenzuschußkasse zeugen von 
dem regen Leben in dem Verein. Dazu kommen 
noch die vielen Vorträge, welche den Mitgliedern 
geboten werden. In Bälde wird dem Verein auch 
noch ein Erholungsheim zur Verfügung stehen, 
das auf luftiger Höhe bei Bargau erstanden ist. 
Und nun: Wohlauf mit Gottes a ins 2. Jahr- 
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Vom Schwäbischen i in der Gmünder Gegend 


J edermann weiß, daß das Deutsche in verschie- 
denen Mundarten gesprochen wird, z.B. als 
Schwäbisch, Fränkisch, Sächsisch usw. Aber auch 
die einzelnen Mundarten weisen große Unter- 
schiede auf, So spricht der Oberschwabe anders 
‚als der Niederschwabe, der Rieser anders als der 
Aelbler. Schon in Lorch spricht man anders als 
in Gmünd. Das Wort „Lorch“ z.B. wird in Gmünd 
‚mit tiefem offenem o gesprochen, die Lorcher da- 
gegen sprechen den Namen ihrer Heimatstadt mit 
einem hohen geschlossenen o, und nach dem „r“ 
hört man ein verschämtes „i“, das dem Gmünder 
„Lorch“ fehlt. Wie es zu diesen Unterschieden in 
den Mundarten kam, ist noch nicht restlos ge- 
klärt. Manchmal allerdings liegt eine Erklärung 
auf der Hand. So sprechen die katholischen Alt- 
 gmünder „Seele, selig, Lehrer“ mit hellem „e“, 


- während die evangelischen Altgmünder diese 


Wörter als Säle, sälig, Lährer aussprechen, Die 
. hiesige evangelische Bevölkerung ist eben größ- 


tenteils aus Altwintierübere eingewandert und 
hat die dortige Mundart mitgebracht. Da außer- 
dem, bis die Gemeinschaftsschule eingeführt wor- 
den ist, die evangelischen Kinder fast nur von 
Lehrern aus Altwürttemberg unterrichtet worden 
sind und die hiesigen evangelischen Pfar- 
rer ebenfalls fast alle von dorther stammten, so 
konnten sich einzelne mundartliche altwürttem- 
bergische Ausdrücke inmitten des Gmünderischen 
durch Jahrzehnte halten. 

Professor Fischer, Tübingen, hat sich ein Leben 
lang mit diesen Unterschieden im Schwäbischen 
befaßt und einen großen Atlas herausgegeben, 
welcher zeigt, wie sich die Aussprache des Schwä- 
bischen in den einzelnen Orten ändert. Er hat 
eine Anzahl von Wörtern herausgesucht, und dann 
dargestellt, wie verschieden diese je nach dem 


'Dorfe ausgesprochen werden. Den Gmündern ist 


Z. 5 gut bekannt, s man in een Sche-