AUS DER GESCHICHTE VON MUTLANGEN
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Wer heute durch Mutlangen geht, blickt über-
rascht auf die breiten Straßen, die sowohl nach
Gmünd, als auch nach Lindach, Spraitbach und
Wetzgau führen. Der Kundige erkennt sofort,
daß es Neuanlagen aus dem letzten Jahrhundert
sind. Wer das alte Dorf kennenlernen will, muß
von der Kirche'aus nach Norden zu dem kleinen
Wasserlauf gehen, der zum Haselbach führt.
Dort findet er enge und winklige Gassen, wie
wir dies von allen alten schwäbischen Dörfern
her gewohnt sind. Hier entstand vor etwa 1400
Jahren eine kleine Siedlung, die von einem
Muotho den Namen bekam. Die Lage war für
ein Bauerndorf außerordentlich günstig. Das
nie versiegende Bächlein und die nahen Quel-
len lieferten genügend brauchbares Wasser, und
das ebene Land ringsum gab treffliche Acker.
Holz fand sich in den schluchtenartigen Tälern
der Umgebung mehr als man benötigte. Nichts
läßt darauf schließen, daß sich eine noch frü-
here Siedlung jemals auf der Markung Mutlan-
gen befunden hat. Wohl zieht sich nördlich des
Dorfes auf der Wasserscheide zwischen Rems
und Lein eine uralte Höhenstraße hin. Funde
von Steinwerkzeugen beweisen, daß diesem Weg
entlang an den Quellen der sonnigen Halden
sich immer wieder wandernde Hirtenvölker ge-
lagert haben; aber sie haben ebenso wenig ein
Dorf gebaut wie die Römer, deren Reichsgrenze
‚seit etwa 130 n. Chr. mitten über die „Heide“
lief. Mutlangen ist eine Siedlung der Aleman-
nen, die 260 n. Chr. die Römer aus unserer Ge-
gend vertrieben haben.
Von den ersten Jahrhunderten nach der Grün-
dung des Dorfes wissen wir nichts. Aber seine
Anlage und seine Markung verraten deutlich,
daß sich Mutlangen in nichts von den Nachbar-
dörfern unterschieden hat. Die Häuser wurden
willkürlich und unregelmäßig erstellt und die
Fluren nach der Dreifelderwirtschaft. bebaut.
Die Felder wurden in etwa drei gleich große
Teile geteilt, von denen der eine mit Winter-
frucht, der andere mit Sommerfrucht angesät
wurde, der dritte aber brach blieb und zur Vieh-
weide diente. Jedes Jahr wurde mit dem Anbau
gewechselt.
Erst im 12. Jahrhundert tritt die Gemeinde in
das Licht der Geschichte. Damals war die ganze
Gegend staufischer Besitz. Aus diesem kam sie
114
Albert Deibele
Zeichnungen:
| Fred Dries
in die Hände der Herren von Weinsberg, die zu
Lindach saßen, und an die Rechberger. Beide
Herrschaften verkauften bald stückweise ihre
Güter zu Mutlangen, und so kommen diese
schon sehr früh zum größten Teil in den Besitz
von Gmünd, seiner Klöster und Geschlechter.
Von diesen finden wir in Mutlangen begütert
die Winkental, Steinhäuser, Eberwein, Horck-
heim u. a. Aber auch nach Lorch, Lindach, Lim-
purg und der Pfalz gehörten einige Höfe. Die
Reichsstadt versäumte keine Gelegenheit, das
ganze Dorf in ihre Hand zu bekommen. Ver-
hältnismäßig einfach waren die Güter von
Gmünder Geschlechtern zu bekommen, als diese
ausstarben, wegzogen oder verarmten. Aber auch
von Lorch konnten Güter erworben werden. Als
1557 einige freie Güter von der Herrschaft Lim-
purg eingetauscht werden konnten, besaß Gmünd
ganz Mutlangen mit Ausnahme eines württem-
bergischen und pfälzishen Hofes. Ebenso
konnte die Stadt, konnten ihre Klöster und
Stiftungen die Zehntrechte und vor allem das
Gericht an sich bringen. Damit war Gmünd
Herr des Dorfes geworden.
Ursprünglich war Mutlangen ein reines Bauern-
dorf mit großen Höfen. Im Laufe der Zeit wur-
den manche Höfe geteilt und auch „kleine Leute“
angesiedelt. Um 1700 hatte Mutlangen neun
„ganze“ Bauern mit je etwa 20 ha Boden, 11
„halbe“ Bauern mit je etwa 10 ha Boden, neun
Söldner mit etwa 5 ha Boden und noch 25 Häus-
ler ohne nennenswerten Grundbesitz. Das ergibt
zusammen 54 Familien mit etwa 300 Einwoh-
nern.
Mutlangen gehörte von jeher zum gmünd’schen
Amt Spraitbach. Dort saß der Vogt, der für das
Dorf die nächste Gerichts- und Verwaltungs-
stelle bedeutete. Von ihm aus gab es eine Beru-
fung an Bürgermeister und Rat der Stadt, die
selbst die Todesstrafe verhängen konnten. Im
Dorf stellte die Reichsstadt einen Schultheißen,
meistens einen eingesessenen Bauern, auf. Er hatte
auf den Vollzug der Gesetze und die genaue.
Ablieferung der Steuern zu achten. Ihm waren
vier Männer, die „Vierleute“, beigegeben, die
von der Gemeinde gewählt wurden. Es wurde
streng darauf geachtet, daß das alte Herkom-
men nicht verletzt wurde. Dieses war in der
Dorfordnung niedergelegt und befaßte sich mit
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Wildeck, der alte Ortsteil von Mutlangen
der Weide, dem Weg- und Stegbau, dem Fron-
und Wachtdienst, der Zu- und Abwanderung,
dem Gesinde, der Heiratserlaubnis und ande-
rem. Von Mutlangen hat sich nur noch die Dorf-
ordnung von 1654 erhalten. Sie gibt uns einen
schönen Einblick in das Leben der Gemeinde in
dieser Zeit. Von einer Selbstverwaltung der Ge-
meinden in unserem Sinne war damals keine Rede.
DieDörfer wurden regelrecht regiert. Selbst über
seinen Hof konnte der Bauer nicht verfügen.
Grund und Boden gehörten der Herrschaft.
Gmünd verlieh diesen auf Lebenszeit an einen
Bauern und dessen Frau. Beim Tode der beiden
fiel der Hof an die Stadt zurück und wurde aufs
neue vergeben, meist an den Sohn, doch war
dies nicht selbstverständlich. Solche Höfe nannte
man „Fallgüter“. Nur bei drei kleinen Gütlein,
die früher in die Waibelhube gehört hatten, war
Grund und Boden im Besitze der Bauern, konnte
also verkauft oder verpachtet werden. Es waren
fteie Güter.
Durch Jahrhunderte hindurch teilte Mutlangen
Leid und Freud mit der Reichsstadt. Die Ab-
gaben und Fronen waren erträglich. Schlimm
wurden sie nur in Kriegszeiten. Da war der
Bauer ein vielfach geplagter Mann, der mit
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Haus und Hof herhalten, dabei oft noch Miß-
handlungen und Schlimmeres ertragen mußte.
Gerne wälzte die Stadt die Einquartierungen
auf das Land ab, was zu dauernden Klagen
führte. Andererseits war die Stadt auch auf das
Wohl ihrer Untertanen bedacht. Sie sorgte für
Schulunterricht und kirchliche Betreuung, stellte
den Stadtphysikus und den Stadtarzt zur Ver-
fügung, gewährte Hilfe bei Wetterschlag und
Mißwachs, bei Viehsterben und in Feuersnot,
sorgte für Recht und schützte die Bauern vor
Übergriffen benachbarter Herrschaften. Im all-
gemeinen ging es den Mutlangern unter der
Herrschaft der Reichsstadt gut, wenn es natürlich
auch nicht an berechtigten und unberechtigten
Klagen fehlte. 1802 kam Mutlangen mit Gmünd
an Württemberg.
Nun begann für Mutlangen eine neue Zeit. Die
Ideen der französischen Revolution setzten sich
in allen modernen Staaten durch. Die alten ge-
schichtlichen Grenzen wurden sofort geändert.
Bei der Neueinteilung des Landes bildete Mut-
langen seit 1804 mit Wetzgau, Pfersbach, Adel-
stetten, Waldau und Teilen von Großdeinbach
eine Schultheißerei mit zusammen 788 Bewoh-
nern. Aber bald wurde es zur Schultheißerei
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Lindach geschlagen und zählte 1812 mit Lindach
zusammen 1194 Bewohner. 1806 wurde die
große Allmand unter die Bauern und Söldner
aufgeteilt. Die Bauern wollten jedoch die Häus-
ler von der Verteilung ausschließen und mach-
ten einen Aufstand. Das württembergische Mi-
litär brachte aber den Mutlangern klar zum
Bewußtsein, daß die gemütlichen Zeiten der
Reichsstadt vorüber waren. |
Größten Wert legte Württemberg auf eine gute
Schulbildung. Auch die Reichsstadt hatte längst
schon in all ihren Dörfern, so auch in Mutlan-
gen, Schulen eingerichtet und die Schulpflicht für
Knaben und Mädchen eingeführt. Doch waren
die Erfolge sehr mäßig, weil jene Zeit noch
keine ausgebildeten Lehrer kannte. Den Unter-
richt erteilten entlassene Soldaten oder Hand-
werker, die oft selbst nicht richtig lesen, schrei-
ben und rechnen konnten. Es gab auch keine
Schulhäuser, sondern die Schüler setzten sich in
die Wohnstube des „Schulmeisters“, wo zu glei-
cher Zeit dessen Frau die häuslichen Geschäfte
besorgte und die eigenen Kinder betreute. Nicht
selten trieb der „Schulmeister“ während des Un-
terrichts sein Handwerk als Schuhmacher, Schnei-
der, Korbflechter, Kesselflicker, oder was er eben
war, weiter. 1778 wurde auch in den gmünd-
schen Dörfern ein verbesserter Unterricht, die
sogenannte „Normalschule“, eingeführt, von der
man sich Wunderdinge versprach. Auch die
Schulpflicht für die Knaben und Mädchen wurde
aufs neue verschärft: doch erst die württember-
gische Regierung griff mit Eifer durch. 1808 be-
kam Mutlangen sein erstes Schulhaus, das Hir-
tenhäuschen, das 1829 umgebaut und erweitert-
wurde. Es ist der alte Anbau an das jetzige Rat-
haus. Das frühere Schulzimmer wurde nun Rats-
saal. 1872 wurde ein neues Schulhaus errichtet,
das bis zum Jahre 1910 ausreichte. Dann wurde
wieder ein Neubau nötig, der von Architekt
Möhler um 50000 Mark erstellt wurde. Das
stattliche Schulhaus, das letztes Jahr eingeweiht
worden ist, hat allerdings wesentlich mehr ge-
kostet. |
Die neue Zeit räumte auch mit den alten Le-
hensverhältnissen auf. Schon seit 1800: war es
möglich, gegen Bezahlung einer größeren Summe
seinen Hof zu eigen zu bekommen. Seit 1817
wurde die Lehensablösung gesetzlich geregelt
und während eines Menschenalters durchgeführt;
das Mittelalter war nun endgültig zu Grabe ge-
tragen.
Seit Jahrhunderten lagen die Straßenverhältnisse
überall im Reich sehr im argen. Auch das Gmün-
der Gebiet machte hierin keine Ausnahme. Schon
1738 beklagte sich Württemberg über die schlech-
116_
ten Wege im Mutlanger Feld. Es dauerte aber
noch 100 Jahre, bis hier durchgreifende Ande-
rungen eintraten. Der Weg von Gmünd nach
Mutlangen ging dem heutigen Mittelweg des
Leonhardfriedhofs nach, erkletterte den steilen
Hang hinter der Zahnradfabrik und führte über
die „Heide“ in das Dorf. Es war ein elender
Feldweg. Noch schlimmer stand es um die Wege
nach Spraitbach, Pfersbach und Lindach. Endlich,
1839 begann man mit dem Bau der neuen Straße
über den Rehnenhof, und nun wurden auch rasch
die übrigen Wege verbessert.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war Mut-
langen eine rein bäuerliche Gemeinde. Die Häus-
ler verdienten als Taglöhner ihr Brot oder ar-
beiteten als kleine Handwerker in Dorf und
Stadt. Von den Kindern verließen viele die
Heimat, erlernten in der Fremde ein Handwerk
oder traten dort in den Dienst. Nur wenige
kehrten wieder dauernd in das Dorf zurück.
Viele wanderten auch nach Übersee aus. Das
änderte sich grundlegend, als nach 1870 die In-
dustrialisierung Deutschlands immer. weiter um
sich griff. Nun strömte die Bevölkerung in stei-
gendem Maße nach den Arbeitsstätten im nahen
Gmünd, erst die Männer, dann auch die Frauen.
1951 hatte Mutlangen nicht weniger als 527
Pendler. Das Dorf war zu einer Arbeiterwohn-
gemeinde geworden. Die in Handwerk, Indu-
strie und Handel beschäftigte Bevölkerung über-
wiegt weit die bäuerliche. Von Jahr zu Jahr
stieg die Einwohnerzahl. Sie betrug nach Jahren
und Personen:
1821 2389 1294621469
1910: 2.2175 1950" 1922
1933- 1202 1952 1649
In den Zahlen seit 1946 sind 300 Heimatvertrie-
bene inbegriffen.
Ein besonderes Wort verlangen die kirchlichen
Verhältnisse in Mutlangen. Als das Christentum
um 570 in Schwaben seinen Einzug gehalten
hatte, erstand schon sehr frühe in Iggingen eine
Martinskirche. Von ihr aus wurde jahrhunderte-
lang auch Mutlangen pfarrlich versorgt. Die
Mutlanger wollten jedoch auch ein eigenes Got-
teshaus besitzen, und so entstand im Kern des
alten Dorfes, nahe dem Bach, die geräumige Ni-
kolauskapelle. Ihre starken Mauerquadern, die
heute noch in Resten erhalten sind, bezeugen
das hohe Alter dieser Kapelle. Wahrscheinlich
wurde sie um 1350 an der Stelle einer früheren
hölzernen Kapelle errichtet. 1840 wurde sie ab-
gebrochen; ihre aus dem 14. Jahrhundert stam-
menden Glöcklein wurden später verkauft. Eine
zweite Kapelle wurde auch schon sehr früh auf
dem Platze der jetzigen Kirche erbaut und dem
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heiligen Georg geweiht. Durch ihre günstigere
Lage bekam sie im Laufe der Zeit das Über-
gewicht über die Nikolauskapelle; aber erst nach
Jahrhunderten wurde sie zur Pfarrkirche er-
hoben. Den Gottesdienst versah nach wie vor
der Pfarrer von Iggingen oder dessen Vikar. Von
1547 ab beginnt die Loslösung Mutlangens von
der Mutterpfarrei. Der Gottesdienst wurde jetzt
von Gmünd aus besorgt, und zwar durch
Mönche, die längste Zeit aber durch Weltgeist-
liche. Nach den Einträgen zu schließen, wurde
nun an Sonn- und Feiertagen der übliche Gottes-
dienst mit Predigt und Messe, dazu Kinder-
lehre, gehalten. Die Kinder wurden bis 1630 zu
Iggingen, dann aber in Gmünd getauft. Der
Pfarrer von Iggingen hatte nur noch als An-
erkennung seiner alten Verpflichtungen jährlich
6 Gulden zu der Besoldung beizusteuern.
Um 1769 beginnen die Verhandlungen mit dem
bischöflichen Ordinariat zu Augsburg wegen Er-
richtung einer selbständigen Pfarrei in Mutlan-
gen. Nach langem Hin und Her erhielt die
Georgskapelle am 9. März 1779 einen Taufstein
und damit ein bedeutendes pfarrliches Recht. Am
15. April 1783 wurde der Gmünder Georg Weit-
mann als erster Pfarrer in Mutlangen eingesetzt.
Sogleich wurde der Bau eines Pfarrhauses be-
. Georgskirche in Mutlangen
schlossen; es wurde von dem bekannten Bau-
meister Johann Michael Keller erbaut.
Sowohl die Nikolaus-, wie auch die Georgs-
kapelle genügten der wachsenden Bevölkerung
bald nicht mehr. Der Staat als Bauherr erstellte
nun von 1847 bis 1849 die jetzige Kirche aus
Sandsteinen im sogenannten „Finanzkammer-
stil“.
Im ersten Weltkrieg mußten von vier Glocken
zwei abgeliefert werden; doch konnte die Kir-
chengemeinde das Geläute 1929 wieder ersetzen.
Eine neue Beschlagnahme erfolgte im zweiten
Weltkrieg. In diesem traf die Kirchengemeinde
noch das Unglück, daß das Gotteshaus am
19. April 1945 bei einem feindlichen Flieger-
angriff stark beschädigt und Pfarrer Freist ge-
tötet wurde.
Über Freud und Leid einer kleinen Gemeinde,
wie Mutlangen es war, erfährt die. Nachwelt ge-
wöhnlich nicht viel. Doch erleuchten oft kleine -
Notizen das Leben jener fernen Zeiten. Schon
die Tatsache, daß die Höfe gekauft, verkauft,
getauscht oder geteilt wurden, ohne nach denen
zu fragen, die sie bewirtschafteten, daß die
Rechte am Dorfe von einer Hand in die andere
gingen ohne Mitwirkung der Bevölkerung, ist
recht bezeichnend für jene Zeit. Genau so we-
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nig wurde auf das religiöse Empfinden des ein-
zelnen Rücksicht genommen. Wie sich in Mut-
langen die Auseinandersetzungen des 16. Jahr-
hunderts ausgewirkt haben, wissen wir nicht:
nur das ist bekannt, daß Gmünd in seinem Ge-
biete nur den katholischen Glauben duldete,
während Württemberg im benachbarten Lindach
mit derselben Sturheit jeden katholischen Ge-
danken niederhielt.
Im Bauernkrieg allerdings spielte Mutlangen
eine nicht besonders rühmliche Rolle. Es stellte
in Jörg Betz einen der Haupträdelsführer des
„Hellen Haufens“. Zusammen mit seinem Spieß-
gesellen Jörg Bader von Böbingen zog er mit
seinem Haufen über Murrhardt nach Lorch,
eroberte das dortige Kloster und plünderte es
gründlich aus. Als nicht das Geringste mehr
darin zu finden war, wurde es niedergebrannt.
Jörg Betz war auch dabei, als an die Kaiserburg
auf dem Staufen Feuer gelegt wurde. Auch
Gmünd glaubte er in seine Hand bekommen zu
können; allein die Städter durchschauten ihn
und seine Pläne und ließen ihn nicht ein. Nun
lagerte er in der Umgebung und erpreßte von
der Stadt Speise und Trank. Selbst als die Sache
der Bauern schon aussichtslos war, erklärte er
dem Gmünder Abgesandten: „Ich will den Bund
(den Schwäbischen Bund, den Gegner der Bau-
ern) aufknüpfen, und sollte mich auch St. Va-
lentin (das Fallende Weh = Epilepsie) ankom-
men.“ Wenige Tage später war das ganze
Bauernheer in wilder Flucht vor der Rache der
Sieger. Was aus Jörg Betz geworden ist, wissen
wir nicht.
Einige Zeit später, von 1542 bis. 1543, brachte
Hans Diemar zu Lindach neues Leid über die
Gemeinde. Er hatte mit Gmünd und Gotteszell
wegen einiger Güter und Rechte Meinungsver-
schiedenheiten. Nach Art der alten Raubritter
fiel er nun über die Gmünder Bürger und Bauern
her, raubte ihnen das Vieh, verderbte die Saa-
ten, zündete Höfe und Scheuern an und belegte
die Gmünder Untertanen mit Geldstrafen. Einem
Gmünder Bürger ließ er die Finger abhacken
und ihm diese in den Brustlatz stecken. So
schickte er ihn zu den Herren nach- Gmünd.
Vergebens versuchte man, das feste Schloß zu
Lindach zu stürmen. Der Kaiser verhängte die
Reichsacht über den Störenfried und ließ ihn in
die Feste Schorndorf legen. Nach einigen Jahren
aber wurde die Sache gütlich beglichen. Den
Bauern aber hat niemand ihren Schaden ver-
gütet.
Wieder ein paar Jahre später, 1546, über-
schwemmten die schmalkaldischen Truppen un-
sere Gegend. Ein Teil des Heeres lagerte zu
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Mutlangen und verübte allerlei Unbill. Etliche
Soldaten versuchten, die Kirche auszuplündern,
Der Chronist schreibt hierüber: „Einer wollte
die Kirche mit einem Schuß auf das Schloß
öffnen; da sprang die Kugel zurück und tötete |
ihn. Ein anderer war durch das Dach in die |
Kirche gestiegen und entwendete das Allerhei-
ligste. Als er zum Birkenbusch kam, stürzte sein
Pferd und brach zwei Beine. Da erkannte er
seine Bosheit und schickte das Allerheiligste wie-
der zurück.“
Das größte Leid brachte der Dreißigjährige
Krieg über die Gemeinde. Schon 1619 wurden
württembergische Reiter in das Dorf gelegt,
welche die Leute furchtbar drangsalierten. Am
schlimmsten aber wurde es, als 1633 die Schwe-
den das Gmünder Gebiet zum Aufmarsch gegen
den Kaiser benützten. Die Quälereien, denen
das Volk ausgesetzt war, lassen sich nicht be-
schreiben. Nichts war diesen vertierten Horden
heilig, weder die Ehre noch das Leben der Be-
wohner. Nicht besser wurde es, als nach der
Schlacht von Nördlingen (1634) die Kaiserlichen
kamen. Mit ihnen zog die Pest als böser Würge-
engel ein und raffte von 1635 bis 1637 den
größten Teil der Bevölkerung hinweg. Der Rat
von Gmünd berichtete 1641 an den Kaiser, daß
auf den gmündischen Dörfern nur noch der
fünfte oder sechste Teil der Bevölkerung vor-
handen sei. So schlimm war die Not, daß man
Mäuse, Hunde und verendete Pferde aß. Eicheln,
Kleie und Mühlstaub waren Leckerbissen. Den
Frieden von 1648 erlebte in Mutlangen ein klei-
nes Häuflein elender, halb verhungerter Men-
schen. Die Fluren waren verwüstet, kaum an-
gebaut; viele Häuser lagen in Schutt und Asche.
Die folgenden Jahrhunderte brachten noch aller-
lei Kriegszüge und Einquartierungen, so na-
mentlich im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis
1714) und in den französischen Revolutions-
kriegen am Ende des 18. Jahrhunderts. Doch
niemals wieder kam solches Elend über das Dorf
wie im Dreißigjährigen Krieg.
Nur noch eines Schreckenstages sei hier gedacht,
des 19. April 1945. Die feindlichen Truppen
näherten sich dem Dorfe. Der größte Teil der
Bevölkerung flüchtete sich in die nahen Wälder.
Da erfolgte gegen 14 Uhr ein Angriff amerika-
nischer Flieger. Sie warfen 15 bis 20 Luftminen
ab. Sofort stand das Dorf lichterloh in Flam-
men. Niemand war zum Löschen da. Als endlich
die Bevölkerung zurückkehrte, fand man zwi-
schen den Trümmern sieben Tote und eine An-
zahl von Verwundeten. Möge diese Kampf-
handlung die letzte gewesen sein, welche das
Dorf erleben mußte!