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Full text of "Albert Deibele: Aus der Geschichte von Mutlangen, in: Einhorn 29, 1958, S. 114–118"

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AUS DER GESCHICHTE VON MUTLANGEN 


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Wer heute durch Mutlangen geht, blickt über- 
rascht auf die breiten Straßen, die sowohl nach 
Gmünd, als auch nach Lindach, Spraitbach und 
Wetzgau führen. Der Kundige erkennt sofort, 
daß es Neuanlagen aus dem letzten Jahrhundert 
sind. Wer das alte Dorf kennenlernen will, muß 
von der Kirche'aus nach Norden zu dem kleinen 
Wasserlauf gehen, der zum Haselbach führt. 
Dort findet er enge und winklige Gassen, wie 
wir dies von allen alten schwäbischen Dörfern 
her gewohnt sind. Hier entstand vor etwa 1400 
Jahren eine kleine Siedlung, die von einem 
Muotho den Namen bekam. Die Lage war für 
ein Bauerndorf außerordentlich günstig. Das 
nie versiegende Bächlein und die nahen Quel- 
len lieferten genügend brauchbares Wasser, und 
das ebene Land ringsum gab treffliche Acker. 
Holz fand sich in den schluchtenartigen Tälern 
der Umgebung mehr als man benötigte. Nichts 
läßt darauf schließen, daß sich eine noch frü- 
here Siedlung jemals auf der Markung Mutlan- 
gen befunden hat. Wohl zieht sich nördlich des 
Dorfes auf der Wasserscheide zwischen Rems 
und Lein eine uralte Höhenstraße hin. Funde 
von Steinwerkzeugen beweisen, daß diesem Weg 
entlang an den Quellen der sonnigen Halden 
sich immer wieder wandernde Hirtenvölker ge- 
lagert haben; aber sie haben ebenso wenig ein 
Dorf gebaut wie die Römer, deren Reichsgrenze 
‚seit etwa 130 n. Chr. mitten über die „Heide“ 
lief. Mutlangen ist eine Siedlung der Aleman- 
nen, die 260 n. Chr. die Römer aus unserer Ge- 
gend vertrieben haben. 

Von den ersten Jahrhunderten nach der Grün- 
dung des Dorfes wissen wir nichts. Aber seine 
Anlage und seine Markung verraten deutlich, 
daß sich Mutlangen in nichts von den Nachbar- 
dörfern unterschieden hat. Die Häuser wurden 
willkürlich und unregelmäßig erstellt und die 
Fluren nach der Dreifelderwirtschaft. bebaut. 
Die Felder wurden in etwa drei gleich große 
Teile geteilt, von denen der eine mit Winter- 
frucht, der andere mit Sommerfrucht angesät 
wurde, der dritte aber brach blieb und zur Vieh- 
weide diente. Jedes Jahr wurde mit dem Anbau 
gewechselt. 

Erst im 12. Jahrhundert tritt die Gemeinde in 
das Licht der Geschichte. Damals war die ganze 
Gegend staufischer Besitz. Aus diesem kam sie 


114 


Albert Deibele 


Zeichnungen: 
| Fred Dries 


in die Hände der Herren von Weinsberg, die zu 
Lindach saßen, und an die Rechberger. Beide 
Herrschaften verkauften bald stückweise ihre 
Güter zu Mutlangen, und so kommen diese 
schon sehr früh zum größten Teil in den Besitz 
von Gmünd, seiner Klöster und Geschlechter. 
Von diesen finden wir in Mutlangen begütert 
die Winkental, Steinhäuser, Eberwein, Horck- 
heim u. a. Aber auch nach Lorch, Lindach, Lim- 
purg und der Pfalz gehörten einige Höfe. Die 
Reichsstadt versäumte keine Gelegenheit, das 
ganze Dorf in ihre Hand zu bekommen. Ver- 
hältnismäßig einfach waren die Güter von 
Gmünder Geschlechtern zu bekommen, als diese 
ausstarben, wegzogen oder verarmten. Aber auch 
von Lorch konnten Güter erworben werden. Als 
1557 einige freie Güter von der Herrschaft Lim- 
purg eingetauscht werden konnten, besaß Gmünd 
ganz Mutlangen mit Ausnahme eines württem- 
bergischen und pfälzishen Hofes. Ebenso 
konnte die Stadt, konnten ihre Klöster und 
Stiftungen die Zehntrechte und vor allem das 
Gericht an sich bringen. Damit war Gmünd 
Herr des Dorfes geworden. 

Ursprünglich war Mutlangen ein reines Bauern- 
dorf mit großen Höfen. Im Laufe der Zeit wur- 
den manche Höfe geteilt und auch „kleine Leute“ 
angesiedelt. Um 1700 hatte Mutlangen neun 
„ganze“ Bauern mit je etwa 20 ha Boden, 11 
„halbe“ Bauern mit je etwa 10 ha Boden, neun 
Söldner mit etwa 5 ha Boden und noch 25 Häus- 
ler ohne nennenswerten Grundbesitz. Das ergibt 
zusammen 54 Familien mit etwa 300 Einwoh- 
nern. 

Mutlangen gehörte von jeher zum gmünd’schen 
Amt Spraitbach. Dort saß der Vogt, der für das 
Dorf die nächste Gerichts- und Verwaltungs- 
stelle bedeutete. Von ihm aus gab es eine Beru- 
fung an Bürgermeister und Rat der Stadt, die 
selbst die Todesstrafe verhängen konnten. Im 
Dorf stellte die Reichsstadt einen Schultheißen, 
meistens einen eingesessenen Bauern, auf. Er hatte 
auf den Vollzug der Gesetze und die genaue. 
Ablieferung der Steuern zu achten. Ihm waren 
vier Männer, die „Vierleute“, beigegeben, die 
von der Gemeinde gewählt wurden. Es wurde 
streng darauf geachtet, daß das alte Herkom- 
men nicht verletzt wurde. Dieses war in der 
Dorfordnung niedergelegt und befaßte sich mit 


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Wildeck, der alte Ortsteil von Mutlangen 


der Weide, dem Weg- und Stegbau, dem Fron- 
und Wachtdienst, der Zu- und Abwanderung, 
dem Gesinde, der Heiratserlaubnis und ande- 
rem. Von Mutlangen hat sich nur noch die Dorf- 
ordnung von 1654 erhalten. Sie gibt uns einen 
schönen Einblick in das Leben der Gemeinde in 
dieser Zeit. Von einer Selbstverwaltung der Ge- 
meinden in unserem Sinne war damals keine Rede. 
DieDörfer wurden regelrecht regiert. Selbst über 
seinen Hof konnte der Bauer nicht verfügen. 
Grund und Boden gehörten der Herrschaft. 
Gmünd verlieh diesen auf Lebenszeit an einen 
Bauern und dessen Frau. Beim Tode der beiden 
fiel der Hof an die Stadt zurück und wurde aufs 
neue vergeben, meist an den Sohn, doch war 
dies nicht selbstverständlich. Solche Höfe nannte 
man „Fallgüter“. Nur bei drei kleinen Gütlein, 
die früher in die Waibelhube gehört hatten, war 
Grund und Boden im Besitze der Bauern, konnte 
also verkauft oder verpachtet werden. Es waren 
fteie Güter. 

Durch Jahrhunderte hindurch teilte Mutlangen 
Leid und Freud mit der Reichsstadt. Die Ab- 
gaben und Fronen waren erträglich. Schlimm 
wurden sie nur in Kriegszeiten. Da war der 


Bauer ein vielfach geplagter Mann, der mit 


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Haus und Hof herhalten, dabei oft noch Miß- 
handlungen und Schlimmeres ertragen mußte. 
Gerne wälzte die Stadt die Einquartierungen 
auf das Land ab, was zu dauernden Klagen 
führte. Andererseits war die Stadt auch auf das 
Wohl ihrer Untertanen bedacht. Sie sorgte für 
Schulunterricht und kirchliche Betreuung, stellte 
den Stadtphysikus und den Stadtarzt zur Ver- 
fügung, gewährte Hilfe bei Wetterschlag und 
Mißwachs, bei Viehsterben und in Feuersnot, 
sorgte für Recht und schützte die Bauern vor 
Übergriffen benachbarter Herrschaften. Im all- 
gemeinen ging es den Mutlangern unter der 
Herrschaft der Reichsstadt gut, wenn es natürlich 
auch nicht an berechtigten und unberechtigten 
Klagen fehlte. 1802 kam Mutlangen mit Gmünd 
an Württemberg. 

Nun begann für Mutlangen eine neue Zeit. Die 
Ideen der französischen Revolution setzten sich 
in allen modernen Staaten durch. Die alten ge- 
schichtlichen Grenzen wurden sofort geändert. 
Bei der Neueinteilung des Landes bildete Mut- 
langen seit 1804 mit Wetzgau, Pfersbach, Adel- 
stetten, Waldau und Teilen von Großdeinbach 
eine Schultheißerei mit zusammen 788 Bewoh- 
nern. Aber bald wurde es zur Schultheißerei 


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Lindach geschlagen und zählte 1812 mit Lindach 
zusammen 1194 Bewohner. 1806 wurde die 
große Allmand unter die Bauern und Söldner 
aufgeteilt. Die Bauern wollten jedoch die Häus- 
ler von der Verteilung ausschließen und mach- 
ten einen Aufstand. Das württembergische Mi- 
litär brachte aber den Mutlangern klar zum 
Bewußtsein, daß die gemütlichen Zeiten der 
Reichsstadt vorüber waren. | 

Größten Wert legte Württemberg auf eine gute 
Schulbildung. Auch die Reichsstadt hatte längst 
schon in all ihren Dörfern, so auch in Mutlan- 
gen, Schulen eingerichtet und die Schulpflicht für 
Knaben und Mädchen eingeführt. Doch waren 
die Erfolge sehr mäßig, weil jene Zeit noch 
keine ausgebildeten Lehrer kannte. Den Unter- 
richt erteilten entlassene Soldaten oder Hand- 
werker, die oft selbst nicht richtig lesen, schrei- 
ben und rechnen konnten. Es gab auch keine 
Schulhäuser, sondern die Schüler setzten sich in 
die Wohnstube des „Schulmeisters“, wo zu glei- 
cher Zeit dessen Frau die häuslichen Geschäfte 
besorgte und die eigenen Kinder betreute. Nicht 
selten trieb der „Schulmeister“ während des Un- 
terrichts sein Handwerk als Schuhmacher, Schnei- 
der, Korbflechter, Kesselflicker, oder was er eben 
war, weiter. 1778 wurde auch in den gmünd- 
schen Dörfern ein verbesserter Unterricht, die 
sogenannte „Normalschule“, eingeführt, von der 
man sich Wunderdinge versprach. Auch die 
Schulpflicht für die Knaben und Mädchen wurde 
aufs neue verschärft: doch erst die württember- 
gische Regierung griff mit Eifer durch. 1808 be- 
kam Mutlangen sein erstes Schulhaus, das Hir- 
tenhäuschen, das 1829 umgebaut und erweitert- 
wurde. Es ist der alte Anbau an das jetzige Rat- 
haus. Das frühere Schulzimmer wurde nun Rats- 
saal. 1872 wurde ein neues Schulhaus errichtet, 
das bis zum Jahre 1910 ausreichte. Dann wurde 
wieder ein Neubau nötig, der von Architekt 
Möhler um 50000 Mark erstellt wurde. Das 
stattliche Schulhaus, das letztes Jahr eingeweiht 
worden ist, hat allerdings wesentlich mehr ge- 
kostet. | 

Die neue Zeit räumte auch mit den alten Le- 
hensverhältnissen auf. Schon seit 1800: war es 
möglich, gegen Bezahlung einer größeren Summe 
seinen Hof zu eigen zu bekommen. Seit 1817 
wurde die Lehensablösung gesetzlich geregelt 
und während eines Menschenalters durchgeführt; 
das Mittelalter war nun endgültig zu Grabe ge- 
tragen. 

Seit Jahrhunderten lagen die Straßenverhältnisse 
überall im Reich sehr im argen. Auch das Gmün- 
der Gebiet machte hierin keine Ausnahme. Schon 
1738 beklagte sich Württemberg über die schlech- 


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ten Wege im Mutlanger Feld. Es dauerte aber 
noch 100 Jahre, bis hier durchgreifende Ande- 
rungen eintraten. Der Weg von Gmünd nach 
Mutlangen ging dem heutigen Mittelweg des 
Leonhardfriedhofs nach, erkletterte den steilen 
Hang hinter der Zahnradfabrik und führte über 
die „Heide“ in das Dorf. Es war ein elender 
Feldweg. Noch schlimmer stand es um die Wege 
nach Spraitbach, Pfersbach und Lindach. Endlich, 
1839 begann man mit dem Bau der neuen Straße 
über den Rehnenhof, und nun wurden auch rasch 
die übrigen Wege verbessert. 

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war Mut- 
langen eine rein bäuerliche Gemeinde. Die Häus- 
ler verdienten als Taglöhner ihr Brot oder ar- 
beiteten als kleine Handwerker in Dorf und 
Stadt. Von den Kindern verließen viele die 
Heimat, erlernten in der Fremde ein Handwerk 
oder traten dort in den Dienst. Nur wenige 
kehrten wieder dauernd in das Dorf zurück. 
Viele wanderten auch nach Übersee aus. Das 
änderte sich grundlegend, als nach 1870 die In- 
dustrialisierung Deutschlands immer. weiter um 
sich griff. Nun strömte die Bevölkerung in stei- 
gendem Maße nach den Arbeitsstätten im nahen 
Gmünd, erst die Männer, dann auch die Frauen. 
1951 hatte Mutlangen nicht weniger als 527 
Pendler. Das Dorf war zu einer Arbeiterwohn- 
gemeinde geworden. Die in Handwerk, Indu- 
strie und Handel beschäftigte Bevölkerung über- 
wiegt weit die bäuerliche. Von Jahr zu Jahr 
stieg die Einwohnerzahl. Sie betrug nach Jahren 
und Personen: 


1821 2389 1294621469 
1910: 2.2175 1950" 1922 
1933- 1202 1952 1649 


In den Zahlen seit 1946 sind 300 Heimatvertrie- 
bene inbegriffen. 

Ein besonderes Wort verlangen die kirchlichen 
Verhältnisse in Mutlangen. Als das Christentum 
um 570 in Schwaben seinen Einzug gehalten 
hatte, erstand schon sehr frühe in Iggingen eine 
Martinskirche. Von ihr aus wurde jahrhunderte- 
lang auch Mutlangen pfarrlich versorgt. Die 
Mutlanger wollten jedoch auch ein eigenes Got- 
teshaus besitzen, und so entstand im Kern des 
alten Dorfes, nahe dem Bach, die geräumige Ni- 
kolauskapelle. Ihre starken Mauerquadern, die 
heute noch in Resten erhalten sind, bezeugen 
das hohe Alter dieser Kapelle. Wahrscheinlich 
wurde sie um 1350 an der Stelle einer früheren 
hölzernen Kapelle errichtet. 1840 wurde sie ab- 
gebrochen; ihre aus dem 14. Jahrhundert stam- 
menden Glöcklein wurden später verkauft. Eine 
zweite Kapelle wurde auch schon sehr früh auf 
dem Platze der jetzigen Kirche erbaut und dem 


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heiligen Georg geweiht. Durch ihre günstigere 
Lage bekam sie im Laufe der Zeit das Über- 
gewicht über die Nikolauskapelle; aber erst nach 
Jahrhunderten wurde sie zur Pfarrkirche er- 
hoben. Den Gottesdienst versah nach wie vor 
der Pfarrer von Iggingen oder dessen Vikar. Von 
1547 ab beginnt die Loslösung Mutlangens von 
der Mutterpfarrei. Der Gottesdienst wurde jetzt 
von Gmünd aus besorgt, und zwar durch 
Mönche, die längste Zeit aber durch Weltgeist- 
liche. Nach den Einträgen zu schließen, wurde 


nun an Sonn- und Feiertagen der übliche Gottes- 


dienst mit Predigt und Messe, dazu Kinder- 
lehre, gehalten. Die Kinder wurden bis 1630 zu 
Iggingen, dann aber in Gmünd getauft. Der 
Pfarrer von Iggingen hatte nur noch als An- 
erkennung seiner alten Verpflichtungen jährlich 
6 Gulden zu der Besoldung beizusteuern. 

Um 1769 beginnen die Verhandlungen mit dem 
bischöflichen Ordinariat zu Augsburg wegen Er- 
richtung einer selbständigen Pfarrei in Mutlan- 
gen. Nach langem Hin und Her erhielt die 
Georgskapelle am 9. März 1779 einen Taufstein 
und damit ein bedeutendes pfarrliches Recht. Am 
15. April 1783 wurde der Gmünder Georg Weit- 
mann als erster Pfarrer in Mutlangen eingesetzt. 
Sogleich wurde der Bau eines Pfarrhauses be- 


. Georgskirche in Mutlangen 


schlossen; es wurde von dem bekannten Bau- 
meister Johann Michael Keller erbaut. 

Sowohl die Nikolaus-, wie auch die Georgs- 
kapelle genügten der wachsenden Bevölkerung 
bald nicht mehr. Der Staat als Bauherr erstellte 
nun von 1847 bis 1849 die jetzige Kirche aus 
Sandsteinen im sogenannten „Finanzkammer- 
stil“. 

Im ersten Weltkrieg mußten von vier Glocken 
zwei abgeliefert werden; doch konnte die Kir- 
chengemeinde das Geläute 1929 wieder ersetzen. 
Eine neue Beschlagnahme erfolgte im zweiten 
Weltkrieg. In diesem traf die Kirchengemeinde 
noch das Unglück, daß das Gotteshaus am 
19. April 1945 bei einem feindlichen Flieger- 
angriff stark beschädigt und Pfarrer Freist ge- 
tötet wurde. 

Über Freud und Leid einer kleinen Gemeinde, 
wie Mutlangen es war, erfährt die. Nachwelt ge- 


wöhnlich nicht viel. Doch erleuchten oft kleine - 


Notizen das Leben jener fernen Zeiten. Schon 
die Tatsache, daß die Höfe gekauft, verkauft, 
getauscht oder geteilt wurden, ohne nach denen 
zu fragen, die sie bewirtschafteten, daß die 
Rechte am Dorfe von einer Hand in die andere 
gingen ohne Mitwirkung der Bevölkerung, ist 
recht bezeichnend für jene Zeit. Genau so we- 


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nig wurde auf das religiöse Empfinden des ein- 
zelnen Rücksicht genommen. Wie sich in Mut- 
langen die Auseinandersetzungen des 16. Jahr- 
hunderts ausgewirkt haben, wissen wir nicht: 
nur das ist bekannt, daß Gmünd in seinem Ge- 
biete nur den katholischen Glauben duldete, 
während Württemberg im benachbarten Lindach 
mit derselben Sturheit jeden katholischen Ge- 
danken niederhielt. 

Im Bauernkrieg allerdings spielte Mutlangen 
eine nicht besonders rühmliche Rolle. Es stellte 
in Jörg Betz einen der Haupträdelsführer des 
„Hellen Haufens“. Zusammen mit seinem Spieß- 
gesellen Jörg Bader von Böbingen zog er mit 
seinem Haufen über Murrhardt nach Lorch, 
eroberte das dortige Kloster und plünderte es 
gründlich aus. Als nicht das Geringste mehr 
darin zu finden war, wurde es niedergebrannt. 
Jörg Betz war auch dabei, als an die Kaiserburg 
auf dem Staufen Feuer gelegt wurde. Auch 
Gmünd glaubte er in seine Hand bekommen zu 
können; allein die Städter durchschauten ihn 
und seine Pläne und ließen ihn nicht ein. Nun 
lagerte er in der Umgebung und erpreßte von 
der Stadt Speise und Trank. Selbst als die Sache 
der Bauern schon aussichtslos war, erklärte er 
dem Gmünder Abgesandten: „Ich will den Bund 
(den Schwäbischen Bund, den Gegner der Bau- 
ern) aufknüpfen, und sollte mich auch St. Va- 
lentin (das Fallende Weh = Epilepsie) ankom- 
men.“ Wenige Tage später war das ganze 
Bauernheer in wilder Flucht vor der Rache der 
Sieger. Was aus Jörg Betz geworden ist, wissen 
wir nicht. 

Einige Zeit später, von 1542 bis. 1543, brachte 
Hans Diemar zu Lindach neues Leid über die 
Gemeinde. Er hatte mit Gmünd und Gotteszell 
wegen einiger Güter und Rechte Meinungsver- 
schiedenheiten. Nach Art der alten Raubritter 
fiel er nun über die Gmünder Bürger und Bauern 
her, raubte ihnen das Vieh, verderbte die Saa- 
ten, zündete Höfe und Scheuern an und belegte 
die Gmünder Untertanen mit Geldstrafen. Einem 
Gmünder Bürger ließ er die Finger abhacken 
und ihm diese in den Brustlatz stecken. So 
schickte er ihn zu den Herren nach- Gmünd. 
Vergebens versuchte man, das feste Schloß zu 
Lindach zu stürmen. Der Kaiser verhängte die 
Reichsacht über den Störenfried und ließ ihn in 
die Feste Schorndorf legen. Nach einigen Jahren 
aber wurde die Sache gütlich beglichen. Den 
Bauern aber hat niemand ihren Schaden ver- 
gütet. 

Wieder ein paar Jahre später, 1546, über- 
schwemmten die schmalkaldischen Truppen un- 
sere Gegend. Ein Teil des Heeres lagerte zu 


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Mutlangen und verübte allerlei Unbill. Etliche 
Soldaten versuchten, die Kirche auszuplündern, 
Der Chronist schreibt hierüber: „Einer wollte 
die Kirche mit einem Schuß auf das Schloß 
öffnen; da sprang die Kugel zurück und tötete | 
ihn. Ein anderer war durch das Dach in die | 
Kirche gestiegen und entwendete das Allerhei- 
ligste. Als er zum Birkenbusch kam, stürzte sein 
Pferd und brach zwei Beine. Da erkannte er 
seine Bosheit und schickte das Allerheiligste wie- 
der zurück.“ 

Das größte Leid brachte der Dreißigjährige 
Krieg über die Gemeinde. Schon 1619 wurden 
württembergische Reiter in das Dorf gelegt, 
welche die Leute furchtbar drangsalierten. Am 
schlimmsten aber wurde es, als 1633 die Schwe- 
den das Gmünder Gebiet zum Aufmarsch gegen 
den Kaiser benützten. Die Quälereien, denen 
das Volk ausgesetzt war, lassen sich nicht be- 
schreiben. Nichts war diesen vertierten Horden 
heilig, weder die Ehre noch das Leben der Be- 
wohner. Nicht besser wurde es, als nach der 
Schlacht von Nördlingen (1634) die Kaiserlichen 
kamen. Mit ihnen zog die Pest als böser Würge- 
engel ein und raffte von 1635 bis 1637 den 
größten Teil der Bevölkerung hinweg. Der Rat 
von Gmünd berichtete 1641 an den Kaiser, daß 
auf den gmündischen Dörfern nur noch der 
fünfte oder sechste Teil der Bevölkerung vor- 
handen sei. So schlimm war die Not, daß man 
Mäuse, Hunde und verendete Pferde aß. Eicheln, 
Kleie und Mühlstaub waren Leckerbissen. Den 
Frieden von 1648 erlebte in Mutlangen ein klei- 
nes Häuflein elender, halb verhungerter Men- 
schen. Die Fluren waren verwüstet, kaum an- 
gebaut; viele Häuser lagen in Schutt und Asche. 
Die folgenden Jahrhunderte brachten noch aller- 
lei Kriegszüge und Einquartierungen, so na- 
mentlich im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis 
1714) und in den französischen Revolutions- 
kriegen am Ende des 18. Jahrhunderts. Doch 
niemals wieder kam solches Elend über das Dorf 
wie im Dreißigjährigen Krieg. 

Nur noch eines Schreckenstages sei hier gedacht, 
des 19. April 1945. Die feindlichen Truppen 
näherten sich dem Dorfe. Der größte Teil der 
Bevölkerung flüchtete sich in die nahen Wälder. 
Da erfolgte gegen 14 Uhr ein Angriff amerika- 
nischer Flieger. Sie warfen 15 bis 20 Luftminen 
ab. Sofort stand das Dorf lichterloh in Flam- 
men. Niemand war zum Löschen da. Als endlich 
die Bevölkerung zurückkehrte, fand man zwi- 
schen den Trümmern sieben Tote und eine An- 
zahl von Verwundeten. Möge diese Kampf- 
handlung die letzte gewesen sein, welche das 
Dorf erleben mußte!