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Full text of "De origine, situ, moribus ac populis Germanorum liber: Ed. 3."

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CORNELII TACITI 

DE ORIGINE, SITU, MORIBUS AC 

POPULIS GERMANORUM 

LIBER. 

FÜR DEN SCHULGEBRADCH 

ERKLÄRT 

aOTTLOB EOELHAAl'. 




80THA. 

PEIEDR. ANDR. PERTHE 
1885. 



It /. yf/. /^ 



HARVARD COLLEGE LIBRARY 

FROM THE LIBRARY OF 

PROF. ALBERT ANDREW HOWARD 

OCT. 15, 1929 



VORWORT. 



Der vorliegende Kommentar beansprucht nichts zu sein 
als ein Versuch, die Vorbereitung auf die ,, Germania" dem 
Schüler zu erleichtern und so auch die Aufgabe des Leh- 
rers einfacher zu gestalten. Dafs letzterem immer noch 
genug und übergenug zu thun übrig bleibt, weifs jeder, der 
die „Germania" einmal, in der Schule gelesen hat. Über 
das richtige Mafs dessen, was ein solcher Kommentar zu 
bieten hat, werden die Meinungen freilich immer auseinander 
gehen; ich bin zufrieden, wenn die Fachgenossen finden 
sollten, dafs ich wenigstens im Durchschnitt das Zuviel oder 
Zuwenig vermieden habe. All den zahlreichen Forschem 
auf sprachlichem und geschichtlichem Gebiet, deren Ergeb- 
nisse ich verwerten durfte, flihle ich mich zu wärmstem 
Dank verpflichtet; an Lust und Liebe, auch meinerseits zur 
Erläuterung des einzigartigen Werkes beizutragen, hat es 
mir nicht gefehlt; dafs aber auf so durchpflügtem Boden 
auch nur das Studium der Vorgänger schon Arbeit in Fülle 
bringt und ein neuer Mitarbeiter mehr unter dem Vorhan- 
denen wählen mufs als selber Neues finden kann, wird man 
nicht mir zur Last legen. 



tV Vorwort. 

Bei der Feststellung des Textes ist es mir noch möglieh 
gewesen, die soeben erschienene Ausgabe von Joh. Müller 
(Leipzig, G. Freytag) zurate zu ziehen. 

Heilbronn, im August 1885. 

Prof. Dr. Egelhaaf. 



EINLEITUNG. 



.< I. Zeit der Entstehung. Die „Germania" ist chronologisch' 
betrachtet die dritte Schrift des Cornelius Tacitus und folgte auf 
den im Jahre 81 n. Chr. entstandenen „Dialogus de oratoribus" 
und die im Jahre 98 erschienene Biographie seines Schwieger- 
vaters, des Feldherm Agricola. Auch sie gehört nach Kap. 37 
dem zweiten Konsulatsjahr des Kaisers Trajanus, also dem Jahre 
98 an; in ihm ist sie nicht blofs verfafst, sondern ohne allen 
Zweifel auch veröffentlicht, da eine auch nur erst 99 heraus- 
gegebene Schrift nicht mehr von aUer imperaforis Traiani con- 
sulcdus hätte reden dürfen. Es ist von Interesse zu konstatieren, 
dafs sie der etwa 54 n. Chr. geborene Tacitus als mittlerer Vier- 
ziger, also in der Vollkraft seines Mannesalters, geschrieben hat. 
2. Zweck. Die „Germania" ist, mit Schiller zu reden, keine 
„naive", sondern eine „sentimentalische" Schrift. Sie will nicht 
mit kühler Objektivität, sine ira et studio, Land und Leute der 
Germanen schildern ; vielmehr haben die Germanen es dem Schrift- 
steller angethan. Li doppelter Hinsicht ist dies der Fall: er be- 
wundert in einer Art, die uns an Kousseaus Empfinden erinnert, ihre 
natürliche tTrkraft, ihre unverdorbenen Sitten; und er fühlt beim 
Blick auf die greisenhafte HyperZivilisation seines Volks, auf das /«^t 
200jährige fruchtlose Bingen mit germanischer Freiheit, dafs die 
Geschicke des Beiches sich zu erfüllen drohen. So ist die Schrift, 
für welche Tacitus emsig die vorhandene Litteratur ausbeutete 
(Kap. 2. 3. 4. 28) und wohl auch mündliche Berichte von solchen 
sammelte, welche in Deutschland selbst gewesen waren, nicht blofs 
von einzigem Wert als unsere Hauptquelle über die Zustände un- 
seres Volkes vor dem Zeitalter der Völkerwanderung; sondern 
sie ist auch von höchstem Literesse für den Eindruck, welchen 

CORNELH TaCITI GeRM. 1 



2 Einleitung. 

dieses Volk auf einen der hervorragendsten lateinischen Schrift- 
steller, auf einen Kömer von echtem Schrot und Korn gemacht 
hat. Ohne blind für die Fehler der Germanen zu sein (Kap. 11. 
15. 22. 23. 24), ist er doch von den Lichtseiten derselben so be- 
zaubert, dafs er sie selbst idealisiert (Kap. 18. 19); und aus jenen 
Tagen heraus, da die Daker noch nicht bezwungen waren und die 
Germanen sozusagen unter den Feinden des Kelches das breite 
und mächtige Mittelglied bildeten zwischen den Dakem und den 
Hochländern Schottlands, da verstehen wir die aus Bewunderung, 
Wehmut und Pessimismus sich zusammensetzende Stimmung, 
mit welcher der tiefgründige Historiker den Germanen gegenüber- 
steht, deren Zwietracht das Beste ist, was er von den Göttern 
für sein Volk erflehen kann (Kap. 33). 

3. Einleitung. Die „ Germania ^^ zerfallt von selbst in fol- 
gende Teile: 

L Allgemeines über Land und Leute. Kap. 1 — 27. 

1. Herkunft der Germanen; das Wesentlichste aus der 
Geographie. Kap. 1 — 5. 

2. Keligion und Sitten der Germanen. Kap. 6—27. 

a) Kriegswesen. Stellung der reges und dtices. Die 
Frauen. Kap. 6 — 8. 

b) Religion. Kap. 9 — 11. 

c) Politische Einrichtungen. Kap. 12 — 15. 

d) Leben und Treiben der Männer. Wohnung, Klei- 
dung. Ehe. Familie. Blutrache. Gastlichkeit. 
Geselliges Leben. Sklaven und Freigelassene. 
Ackerbau. Bestattung. Kap. 16 — 27. 

n. Spezielle Völkerkunde Germaniens. Kap. 28 — 46. 
a) Nichtsuebische Germanen. Kap. 28 — 37. 
bj Suebische Stämme. Kap. 38 — 45. 
c) Halbgermanische Völker. Kap. 46. 



CORNELII TACITI GERMANIA. 



Germania omnis a Gallis Raetisque et Pannoniis Bheno etl 
Danuvio fluminibus, a Sarmatis Dacisque mutuo metu aut mon- 
tibns separatur: cetera Oceanus ambit, latos sinus et insnlarum 
immensa spatia complectens , nuper cognitis quibusdam gentibus 
ac legibus, quos bellum aperuit. Rhenus, Raeticarum Alpium» 
inaccesso ac praecipiti vertice ortus, modico flexu in occidentem 
versus septentrionali Oceano miscetur. Danuvius, molli et cle- 
menter edito montis Abnobae iugo eflfusus, pluris populos adit, 



Kap. 1« 1. Germania omnis] G. als Ganzes, im Gegensatz zu seinen 
einzelnen Unterabteilungen. Tadtus scheint seinen Eingang absichtlich dem 
Yon Cäsars Eonmientarien de hello Gallico nachzubilden (I, 1): „Gallia est 
omnis divisa in partes tres." Die Baeti im engeren Sinne saTsen in Tirol; 
da aber die Pannanii hier neben ihnen genannt sind , welche östlich yon Wien 
bis zur Donaubiegung, westlich und südlich über die Save sich ausdehnten, so 
mufs das Wort hier im weiteren Sinne gebraucht sein, wonach nördlich die 
Yindeliker (an Hier, Lech, Isar, Lm, also in Bayern) und östlich die Noriker 
(in Steiermark) inbegriffen sind. Die Sarmatae wohnten von der Weichsel bis 
zum Ural und befaXsten im weitesten Wortsinn die slavischen und die mongo- 
lischen Völker im heutigen Eufsland. Die Dad sind die den thrakischen Getae 
verwandte Bevölkerung des jetzigen Siebenbürgen. — mantibus] die Kar- 
pathen. — sinus] bedeutet ursprünglich eine Erhebung, einen Bausch, und 
dann die dadurch entstehende Falte; also ist es 1) «> Busen, Meerbusen, aber 
auch 2) = Vorsprung des Landes ins Meer = paeninsula; so hier. — insularum] 
so die dänischen Liseln, die kleineren Inseln wie Gothland, endlich Skandinavien, 
das Plinius der Ältere als Insel ansieht. — nuper cognitis] ist erklärend an 
latos s, et i. t. sp. angeschlossen; im D. als selbständiger Satz zu übersetzen. 

5. vertice] „Abhang"; gemeint ist der St. Gotthard. — modico ... in 
occidentem versus] vom Bodensee bis Basel; versus hier wohl Particip. — 
Abnobae] Schwarzwald. — adit] fliefst an ihnen vorbei, nicht trai(\«v.t. — 



4 Comelii Tadti Germania. 

donec in Ponticum mare sex meatibus erumpat: septimum os 

topaludibus hauritur. 

3 Ipsos Germanos indigenas crediderim minimeque aliarum 
gentium adventibus et hospitiis mixtos, qnia nee terra olim, sed 
classibus advehebantur qui mutare sedes quaerebant, et immensus 
ultra utque sie dixerim adversus Oceanus raris ab orbe nostro 
snavibus aditur. Quis porro, praeter periculum horridi et ignoti 
maris, Asia aut Africa aut Italia relicta Germaniam peteret, in- 
formem terris, asperam caelo, tristem cultu adspectuque, nisi si 
patria sit? 

Celebrant carminibus antiquis, quod unum apud illos me- 

lomoriae et annalium genus est, Tuistonem deum terra editum et 
filium Mannum, originem gentis conditoresque. Manne tris filios 
adsignant , e quorum nominibus proximi Oceano Ingaevones,. 



meatibus] „Gänge", = ostiia, — ertmpat] gewaltsam sich Bahn bricht, weil 
sechs Mündungen statt sieben für die gewaltige Wassermasse genügen müssen. 
In goldener Latinität würde hier donec erumpit stehen. — paludibus haimtur] 
„ist versumpft". 

Kap. 2. 1. ipsos] im Gegensatz zu dem seither besprochenen Lande. — 
indigenas] airröx^ovag. — hospitiis] wiederholte (Plural) Aufiiahme von Gästen, 
d. h. Fremden, von fiitoixoi, incolae im alten Sinn, — terra] lokativ =■ 
terrae. Da advehi von allen möglichen Arten des Hinzufahrens gebraucht 
wird und bald navi, bald curru, bald equo zu ergänzen ist, so braucht man 
an kein Zeugma zu denken. — sed classibus] vgl. Äneas, die Massa- 
lioten u. s. w. — nee ... et] Einerseits fand das eine nicht statt; anderseits 
fand das andere statt. An sich haben wir die Disjunktion et ... et; zum 
ersten Gliede tritt aber die Negation, und so entsteht nee ... et. — immensus 
ultra . . . Oceanus] „ Der unermefslich jenseits (d. h. im nördlichen Teil der 
Welt) sich ausdehnende und so zu sagen auf einer ganz anderen Seite liegende 
(uns Südländern entgegengesetzte) Ozean." Tac. stellt den orbis noster offenbar 
dem orbis iUe, dem Norden, entgegen. 

5. quis porro] ist zweiter Grund fär die Annahme, daXis die Germanen in- 
digenae seien. — informem terris] „mit seinen reizlosen Landschaften, 
seinem . . .". 

10. memoriae] „Überlieferung, Geschichte". — originem ... conditores' 
que] ist prädikativ zu fassen: „sie feiern den ... als ...", oder: „sie feiern 
in . . . den", origo ist Abstractum pro concreto, <» Stammvater; conditor ist 
das griechische xtCarrig oder oixiarijg, Leiter der Ansiedelung, Organisator des 
Gemeinwesens; so ist z. B. in der Sage Eomulus der conditor oder oixwTrjg 
Eoms. — nominibfM] Ingo, Hermino («■ Irmin, woher Arminius, Irminsul),- 



c. 1—3. 5 

medii Herminones, ceteri Istaevones vocentur. Quidam, ut in 
licentia vetustatis, pluris deo ortos plurisque gentis appella- 
tiones, Marsos Gambrivios Suebos Vandilios adfirmant, eaquei& 
vera et antiqua nomina. Ceterum Germaniae vocabulum recens 
et nuper additum, quoniam qui primi ßhenum transgressi Gallos 
expulerint ac nunc Tungri, tunc Gennani vocati sint : ita nationis 
nomen, non gentis evaluisse paulatim, ut omnes primum a victore 
ob metum, mox etiam a se ipsis invento nomine Gennani voca-20 
rentur. 

Fuisse apud eos et Herculem memorant, primumque omnium 3 



Isto. — ceteri] ihre Wohnsitze bezeichnet Plinius in der Historia naturahs IV, 
28: „proximi autem Kheno". — ut in licentia vetustatis] „wie natürlich bei 
dem weiten Spielraum, den die Vorzeit gewährt". 

16. eaque nomina] es ist wohl suMt zu ergänzen; doch wäre auch esse mög- 
lich. Was für ein Unterschied? — nuper] „noch nicht lange". Da schon 
Cäsar den Namen kennt, so mufs man bei nuper (= noviper) sich Ciceros 
Ausspruch de natura deorum II, 126 gegenwärtig halten: „nuper, id est pauds 
ante saeculis". — Tum/rt] sind die Ebu/rones Cäsars, welche seit dessen Zeit 
den Namen gewechselt haben, was infolge der ihnen durch Cäsar im Jahre 53 
bereiteten Katastrophe geschehen sein wird. Ihr Hauptort war Aduatuca Tun- 
grorum, jetzt Tongern, nördl. von Lüttich. — evaluisse] „sei üblich geworden". — 
ut , , , omnes . . . vocarentur] ist eine dunkle , sehr verschieden erklärte Stelle. 
Man wird das Wort victor auf die Tungem beziehen müssen, welche siegreich 
über den Ehein vordrangen und von den Galliern wegen ihrer Furcht Gennani 
genannt wurden (so dafs also das Wort Gennani einen furchterregenden Sinn, 
wenigstens nach den Gewährsmännern [quidam], deren Ansicht Tacitus wie- 
dergiebt, gehabt haben mufs); mit diesem Namen nannten sie sich aber später 
selbst, obwohl er ein nomen inventum, nicht verum und antiquum war, „ein 
künstlich gemachter Name", a victore ist dann = „nach dem Sieger", wäh- 
rend a se ipsis == „von ihnen selbst" bedeutet.. Bemerkt soll indes werden^ 
dafs andere die Stelle so deuten: so dafs alle zusammen zuerst von den sieg- 
reichen Tungem, welche durch Hinweis auf ihre gewaltige Keserve über dem 
Ehein den GaUiem Furcht einflöfsen wollten, später auch von ihnen selbst mit 
einem gemachten Namen Germanen genannt wurden. 

Kap. 3. 1. apud eos] weist darauf hin, dafs zu memorant nicht Grermani 
Subjekt sein kann (weshalb?); man hat an römische oder griechische Autoren 
zu denken; s. unten quidam opinantu/r; oben quidam adfirmant, Kap. 2. — 
Herculem] „Mit Herkules übertrugen die Eömer den Donar, weil sein Hammer 
der Keule des Halbgottes entspricht und weil beide, unablässig durch alle 
Lande wandernd, den Menschen schädliche Kiesen und Ungeheuer aufsuchen und 
erlegen." Felix Dahn. — primumqus] ist qualitativ, nicht temporal zu ver- 



6 Comelii Taclti Grermania. 

virorum fortium ituri in proelia canunt. Sunt Ulis haec quoque 
carmina, quorum relatu, quem barditum vocant, accendunt animos 
futuraequae pugnae fortunam ipso cantu augurantur; terrent enim 

ötrepidantve, prout sonuit acies, nee tarn vocis ille quam virtutis 
concentus videtur. Adfectatur praecipue asperitas soni et fractum 
murmur, obiectis ad os scutis, quo plenior et gravior vox reper- 
cussu intumescat. Ceterum et Ulixem quidam opinantur longo 
illo et fabuloso errore in hunc Oceanum delatum adisse Genna- 

loniae terras, Asciburgiumque , quod in ripa Rheni situm hodieque 
incolitur, ab illo constitutum nominatumque ; aram quin etiam 
Ulixi consecratam, adiecto Laertae patris nomine, eodem loco olim 
repertam, monumentaque et tumulos quosdam Graecis literis in- 
scriptos in confinio Germaniae Raetiaeque adhuc extare. Quae 

iftneque confirmare argumentis neque refellere in animo est: ex 
ingenio suo quisque demat vel addat fidem. 

4 Ipse eorum opinioni accedo, qui Germaniae populos nullis 
aliis aliarum nationum conubüs infectos propriam et sinceram 

stehen. — haec] ,,aach solche Lieder, durch deren Vortrag sie" o. s. w.; im 
Gegensatz zu den Liedern über Donar. — barditum] wird von altnordisch 
bardM «» Schild abgeleitet, >s- „Schildgesang". Ammianus Marcellinus (XVI, 12) 
nennt den germanischen Ejiegsgesang harittis, — futuraeque . . . atigtirantur] 
ist selbständiger Satz. — ipso cantu] Abi. mensurae. — terrent . . . trepidantve, 
vocis . . . virtutis] sind sogen. Paronomasieen (Wortspiele, die auf einer Art von 
GleichJdang beruhen). 

6. concentus] „Übereinstimmung, Harmonie, Gesamtwirkung". — adfecta- 
tur] vgL regwum adfectare (Liv.), „nach dem Throne streben". — Ulixem] 
ist schwer zu deuten; auf die Sage vom Schwanritter? — errore] „Irrfehrt**. 

1 0. Asciburgiumque] wird von asc =» Esche und puruc oder pure her- 
geleitet, B- Schiff bürg; Asberg bei MÖrs, links vom Ehein? HLst 17, 33 wird 
es anläfslich des Bataveraufstandas unter Gvilis genannt (fnibema alae As- 
ciburgii sita), — ülixi] » „ihm zu Ehren" oder » ab ÜUxe; vgl. Kap. 31 
aliis populis, — Laertae patris] ist noch schwerer auf eine Gestalt der ger- 
manischen Mythologie zu beziehen als Ulixes selbst. — Graecis litteris] Vgl. 
Caesar b. G. VI, 14, 3: „(Druides) in reliquis fere rebus, publids privatisque 
rationibus Graecis litteris utuntur." Danadi hätte man hier auf alle Fälle an 
keltische Inschriften zu denken; übrigens glaubt man jetzt, dafs auch die ger- 
manischen Eunen von den Bömem durch keltische Yermittelung entlehnt sind. 

15. demat] „Glauben verweigern", addat, „Glauben zollen". 

Kap« 4, 1. ipse] im Gegensatz zu denen, welche den Ulixes nach Deutsch- 
land kommen lassen. Vgl. Kap. 2 Anf. — aliis altortufi] „Ehegemeinschaft 



c. 3—5. 7 

et tantum sui similem gentem extitisse arbitrantur. ünde habi- 
iius quoque corpomm, quarnquam in tanto hominuni numero, 
idem omnibus: truces et caerulei oculi, rutilae comae, magna s 
ijorpora et tantum ad impetum valida: laboris atque operum non 
eadem patientia; minimeque sitim aestumque tolerare, frigora 
atque inediam caelo solove adsuerunt. 

Terra etsi aliquante specie differt, in Universum tamen aut5 
silvis horrida aut paludibus foeda, umidior qua Gallias, ventosior 
qua Noricum ac Pannoniam adspicit ; satis ferax, frugiferarum ar- 
borum impatiens, pecorum fecunda, sed plerumque improcera. Ne 
armentis quidem suus honor aut gloria frontis : numero gaudent, 6 
eaeque solae et gratissimae opes sunt. Argentum et aurum pro- 
pitüne an irati di negaverint dubito. Nee tamen adfirmaverim 



mit Nichtgermanen kam gewiTs nur ganz ausnahmsweise zugunsten von Fürsten- 
yerschwägerungen vor; so hat Ariovist nehen einer germanischen eine keltische 
Frau." F. Bahn. — infectos] eigentlich „angesteckt" (infectus venenia 
Yerg.), „durchtränkt". — tanttim] stände nach gewöhnlichem Sprachgehrauch 
wo? — habittM corporum] im D. kann man carporutn enthehren: „das 
Äufsere". ^— quamquam\ das in klassischer Prosa immer ein Yerhum verlangt, 
ist nehen i/n ta/nto numero dem Sinn nach üherflüssig. 

5. rutilae] rötlich, ins Grelhe fallend, rotgelh; ignis rutilus Verg. — /W- 
gora] der Plural hezeichnet (wie i//i'/»;) die einzelnen Fälle von Kälte. — caelo] 
Ahl. causae; deshalh ertragen sie frigora, solove] deshalh inediam. — ad- 
suerunt] sc. tökra/re; denn adsuescere aliguid ist sehr selten. 

Kap. 5. 1. specie differt] „in seinem ÄuTseren wechselt". — umidior] 
dafe dies sich so verhält, lehrt jede Eegenkarte. — Gällias] Plural, weil Gallien 
(wie Spanien) in mehrere Provinzen zerfieL — ferax] an was? — impatiens] 
„Edelohst gab es in Grermanien nicht, nur Wildohst". F. Dahn. Die Stellen in 
Kap. 10 virgam frugiferae arbori decisam und Kap. 23 agrestia poma, wegen 
deren man patiens hat lesen wollen, sind danach aufzufsissen. — pecorum] 
1) Yieh üherhaupt, pecus huhulum hei Yarro; 2) Kleinvieh, Schafe und Ziegen. 
Hier die erste Bedeutung. — improcera] stmt 

5. armentis] von der Wurzel ar, woher arare; Ackervieh. — suus honor] 
suus B=> das was einem von Natur zukommt, einem eigentümlich ist. — gloria] 
„Schmuck", honor und gloria beziehen sich übrigens entweder heide auf die 
Homer und sind eine Art von Ir diä Svolv «=■ „stattlicher Schmuck"; oder es 
geht das erste auf den Bau, das zweite auf die Homer (oder nach anderen auf 
die Stimmähne). Man denkt dann daran, dafs „das südeuropäische Bindvieh 
von gröfserem Knochenhau und vollerer Muskelbildung ist" (Tücking). Jedenfalls 
stellt Tacitus den germanischen Yiehstand dessen Aussehen nach unter den Lt&- 



8 Comelii Tadti Grermania. 

nullam Gennaniae venam argentum aununve gignere: quis enim 
scrutatus est? Possessione et usu haud perinde adficiuntur. Est 

lovidere apud illos argentea vasa, legatis et principibus eorum mu- 
neri data, non in alia vilitate quam quae humo finguntur ; quam- 
quam proximi ob usum commerciorum aurum et argentum in 
pretio habent fonnasque quasdam nostrae pecuniae agnoscunt 
atque eligunt: interiores simplicius et antiquius pennutatione 

i6mercium utuntur. Pecuniam probant veterem et diu notam, ser- 
ratos bigatosque. Argentum quoque magis quam aurum sequun- 
tur, nulla adfectione animi, sed quia numerus argenteorum facilior 
usui est promiscua ac vilia mercantibus. 

6 Ne ferrum quidem superest, sicut ex genere telorum colli- 
gitur. Kari gladiis aut maioribus lanceis utuntur: hastas, vel 
ipsorum vocabulo frameas, gerunt angusto et brevi ferro, sed ita 
acri et ad usum habili, ut eodem telo, prout ratio poscit, vel 



Kschen Schlag, — nullcMn , . , venam] In den später geschriebenen Annalen be- 
richtigt sich Tacitus in der Tbat in diesem Punkt; Xl, 20: „Curtius Kufas 
. , , in agro Mattiaco (= Kheing u) recluserat specus quaerendis venis argenti; 
nnde tenuis fructus nee in longuin fuit." — haud perinde] „nicht ebenso" wie 
die Eömer, oder sc. ac consentaneum est. 

10. est videre] Gräcismus, nach ^arcv idetv gebildet = licet videre; na- 
türlich nur bei Dichtem oder Silbernen Prosaisten. Vgl. non est dicere ve- 
rum. — non vn alia vilitate] Man erwartet non in alio pretio. Der Satz 
(zu dem der Grieche was hinzufügen würde?) vertritt einen Eelativsatz. — 
proximi] unsere Grenznachbam an Bhein und Donau. — commerciorum] der- 
selbe Plural wie bei frigora Kap. 4. — agnosctmt] erkennen sie an als gut, 
als kurrent, lassen sie gelten. — eligumt] ex aliis formis parum notis. Bac- 
meister: „bevorzugen sie". — h^teriore8] im Gegensatz zu proonmi. 

15. serratos ligatosque] Denare {k 80 Pf.) mit gezacktem, sägeformigem 
Band (serra), oder mit dem Bild eines Zweigespanns, das die Victoria lenkt. — 
ivuUa adfectione animt] „wobei keine Vorliebe im Spiel ist". — numerus] 
„Vorrat"; so sagt Cicero: maximus wumerus vini. — promiscua] gewöhnliche 
Dinge, die jedermann haben Joum; capere cibum promiscv/um, Plinius. 

Kap. 6. 1. superesi] nicht in der gewöhnlichen Bedeutung, sondern =» 
im ÜberfluTs vorhanden sein. Vgl. qwmtum altert senteniiae deesset animi, 
tantum altert superesse dicebat, Cäs. — rart] =- pauci. — maioribu>s lan- 
ceis] Die lancea hat eine lange und breite, die luista eine kurze und dünne 
Eisenspitze. Dem Langspeer, der la/ncea, steht gegenüber der Kurzspeer, dio 
hasta oder framea, die zu Stofs und Wurf diente. — hcHnlik] „praktisch". 



c. 5. 6. 9 

comminus vel eminus pugnent. Et eques quidem scuto framea- 5 
que contentus est; pedites et missilia spargunt, pluraque singuli, 
atque in immensum vibrant, nudi aut sagulo leves. Nulla cultus 
iactatio; scuta tantum lectissimis coloribus distinguunt. Paucis 
loricae, vix uni alterive cassis aut galea. Equi non forma, non 
velocitate conspicui. Sed nee variare gyros in morem nostnimio 
docentnr: in rectum aut uno flexu dextros vel sinistros agunt, ita 
coniuncto orbe ut nemo posterior sit. In Universum aestimanti plus 
penes peditem roboris ; eoque mixti proeliantur, apta et congruente 
ad equestrem pugnam velocitate peditum, quos ex omni iuventute 
delectos ante aciem locant. Definitur et numerus: centeni exis 
singulis pagis sunt, idque ipsum inter suos vocantur, et quod 
primo numerus fiiit, iam nomen et honor est. Acies per cuneos 
componitur. Cedere loco, dummodo rursus instes, consilii quam 
formidinis arbitrantur. Corpora suorum etiam in dubiis proeliis 
referunt. Scutum reliquisse praecipuum flagitium, nee aut sacris20 
adesse aut concilium inire ignominioso fas; multique superstites 
bellorum infamiam laqueo finierunt.^ 

6, contentus] ist nicht schlechtweg unser „zufrieden", sondern enthält 
deutlicher den Begriff einer Art von Beschränkung, „sich hegnügend". — 
spargu/nt] hezeichnet mehr als iadimt — vibrcmt] vibrare bezeichnet in der 
goldenen Prosa nur „schwingen"; in der silljemen auch „schwingend werfen". — 
sagulo leves] = levi sagulo ind/uti, — cultus] ist alle Bearbeitung von etwas 
Eohem; cultus amoenior = „elegantere Kleidung", Liv.; hier = „Äufserlich- 
keit". — cassis aut galea] cassis, verwandt mit cas-trum = das 
Schützende, ist ein Metallhelm; galea, verwandt mit celare hehlen, zudecken, 
ein Lederhelm. 

10. variare gyros] „ verschiedene Wendungen machen". — in rectum] „gerade 
aus lassen sie ... sprengen, oder mit einer einzigen Wendung nach rechts oder 
links , wobei . . ." ; auch bei Schwenkungen halten sie stets eine gerade Linie 
ein. — orbe] Kreis, Viereck, dann jede geschlossene Schar. — aestimanU] Dativ 
des Standpunkts; im Deutschen mit einer adverbialen Wendung zu geben. — 
eoque] kausal. — apta] die Fufsgänger vermögen durch ihre Behendigkeit allen 
Evolutionen der Keiter zu folgen. 

16. idque ipsum] die centuria, „Hundertschaft". — nomen et honor] ist ?v 
<f*a Svolv, — per cu/neos] „keilförmig"; der anschauliche Name dieser Stellung 
war „Eberkopf". — consilii] magis esse zu ergänzen. — corpora] mortuorum, 

20. prascipuum] summum. Vgl. Kap. 7 praedpuu/m incitamentum, — 
concilium] vgl. Kap. 11. 12. — superstites bellorum] superstes hat auch bei 
Cic. öfters den Genetiv, nicht blofs den Dativ bei sich, so dignitatis superstes. 



10 Comelii Taciti Germania. 

7 Keges ex nobilitate, duces ex virtute sumunt. Nee regibus 
infinita aut libera potestas, et duces exemplo potius quam im- 
perio, si prompt!, si conspicui, si ante aciem agant, admiratione 
praesunt. Ceterum neque animadvertere neque vincire, ne ver- 

6 berare quidem nisi sacerdotibus permissum, non quasi in poenam 
nee ducis iussu, sed velut deo imperante, quem adesse bellantibus 
credunt. Effigiesque et signa quaedam detracta lucis in proelium 
ferunt; quodque praecipuum fortitudinis incitamentum est, non 
casus nee fortuita conglobatio turmam aut cuneum facit, sed fa- 

lomiliae et propinquitates ; et in proximo pignora, unde feminarum 
ululatus audiant, unde vagitus infantium. Hl cuique sanctissimi 
testes, hi maximi laudatores: ad matres, ad coniuges vulnera 
ferunt; nee illae numerare aut exigere piagas pavent, cibosque 
et hortamina pugnantibus gestaut. 

8 Memoriae proditur quasdam acies inclinatas iam et labantes 
a feminis restitutas constantia precum et obiectu pectorum et 



Kap. 7. 1. sumimt] alqoOvrm, — nee regibtM ... et] s. zu Kap. 2. — 
exemplo] wird durch die Sätze si ,., agcmt näher erläutert, und durch ad^ 
miratione (s=» infolge von . . .) wird der Hebel ihrer Herrschaft bezeichnet, 
welcher sich aus dem exemplum ergiebt. — animadvertere'] (in äliquem) einen 
rügen, strafen, besonders mit dem Tode. 

5. non quasi] „nicht etwa*'. — velut] bezeichnet hier die Meinung, welche 
man betreffs des eigentlichen Urhebers der Strafen hat; die Priester handeln 
unter dem Antrieb der Gottheit. In goldener Latinität würde nicht das Partie, 
sondern der Konjunktiv bei velut stehen. — adesse alci] 1) „hilfreich nahe sein*'; 
so adesse rebus alicuiusQß.; 2) „als Zeuge zugegen sein"; so scribendo adesse. 
Beide Bedeutungen treffen hier zumal zu. — effigiesque] Bilder der den Göt- 
tern geweihten heiligen Tiere, wie Drachen, Adler, Wölfe. — signd] erklärt 
man als Symbole der Götter, so Wuotans Lanze, Donars Hammer u. s. w. — 
fortuita conglobatio] „zufallige Zusammenscharung", so wie die Krieger sich 
zufällig treffen. 

10. propinquitates] „Sippschaften". — pignora] pignus ist ein Unter- 
pfand, das man sorglich hütet; daher =» ihr Teuerstes. — unde] bezieht sich 
auf in proximo (sc. sunt). — audiant] Koi^'., weil in u^e ein ut inde 
steckt. — ht] feminae. — sanctissimt] die heiligsten, unbestechlichsten, also 
„zuverlässigsten". — maximt] subjektiv: die wichtigsten, die man am liebsten 
hört, nicht objektiv. — exigere] genau untersuchen; so columnas ad perpen- 
diculum exigere, „die Geradheit der Säulen mit dem Eichtblei genau prüfen", 
Cic. — gestant] beachte den Unterschied von gerwnt! 



c. 7—9. 11 

monstrata comminus captivitate, quam longe impatientius femi- 
narum suarum nomine timent, adeo nt efficacius obligentur animi 
dvitatum, quibus inter obsides puellae quoque nobiles imperantur. s 
Inesse quin etiam sanctum aliquid et providum putant, nee aut 
consilia earum aspemantur aut responsa neglegunt. Vidimus sub 
divo Vespasiano Velaedam, diu apud plerosque numinis loco habi- 
tam ; sed et olim Albrunam et compluris alias venerati sunt, non 
adulatione nee tamquam faeerent deas. to 

Deorum maxime Mereurium colunt, eui eertis diebus humanis 9 
quoque hostiis litare fas habent. Hereulem ae Hartem coneessis 
animalibus placant. Pars Sueborum etlsidi saerifieat: unde eausa 



Kap. S. 1. comminus] ist dem Sinne nach nicht zu monstrata zu ziehen, 
sondern zn captivitate, grädsierend = ^ iyyvd-ev dovXoavvrj; sie machen sie 
auf die in nächster Nähe drohende Grefangenschaft aufmerksam. — impatientiits] 
als für sich selbst. — nomine] ,, Namen, Titel, Yeranlassmig^'; meo nomine „für 
meine Person"; alio nomine aut alia de causa, Cic. 

5. sanctum aliquid] beachte den Unterschied von soMcti aliquid ! — pro- 
viäwm] etwas Prophetisches. „Sie glaubten, die zartere, ahnungsreichere Seele 
des Weibes errate leichter als der rauhere Sinn des Mannes Willen und Zi^- 
kunftswalten des Götter." F. Dahn. — responsa] „den Bescheid derselben". — 
divo] „dem göttlichen", nicht etwa „seligen", was eine ganz irreführende Über- 
setzung ist. Zwar nicht die lebenden, wohl aber die verstorbenen Kaiser und 
Kaiserinnen (divi et divae) wurden göttlich verehrt. „Alle Kaiser haben mit 
dem gröfsten Nachdruck auf der Verehrung der Divi bestanden, so dafs diese 
bald in das Verhältnis der alten Nationalgötter eintraten." H. Schiller. — 
VespasioMo] Kaiser 69 — 79. — Velaedam] welche im Aufstande der Bataver 
unter Civilis eine Eolle spielte. Bist. IV, 61: „ea virgo nationis Bructerae 
late imperitabat, vetere apud Germanos more, quo plerasque feminarum fati- 
dicas et augescente superstitione arbitrantur deas". — olim] Gegensatz zu welcher 
Zeit? 

10. adulatione] Seitenhieb auf die sklavisch gesinnten Eömer der Kaiser- 
zeit, welche derlei thaten. 

Kap. 9. 1. Mereurium] Wuotan; beide Götter haben u. a. das gemein- 
sam, dafs sie unverhofft Glück und Segen verleihen; vgl. Merkurs wunderbaren 
Stab und Wuotans Wünschelrute. — litare] an sich = unter günstigen Vor- 
zeichen opfern; dann: einen mit einem Opfer versöhnen. — Hereulem] s. zu 
Kap. 3. — Mortem] den germanischen Ziu, nordisch Tyr. — coneessis] welche 
zu diesem Behuf gestattet sind; so war z. B. bei den Hellenen das Opfer für 
den Asklepios ein Hahn; für Donar war es das Eichhorn u. s. w. — Isidi] na- 
türlich ein auf eine germanische Göttin übertragener Name. Die Isis ist bei 



12 Comelii Taciti Germania. 

et origo peregrino sacro, parum comperi, nisi quod Signum ipsum 
5 in modum libumae figuratum docet advectam religionem. Cetemm 
nee cohibere parietibus deos neque in ullam humani oris speciem 
adsimulare ex magnitudine caelestium arbitrantnr : lucos ac nemora^ 
consecrant deorumque nominibus appellant secretum illud, quod 
sola reverentia vident. 

10 Auspicia sortesque ut qui maxime observant: sortium con- 
suetudo Simplex. Virgam frugiferae arbori decisam in surculoa 
amputant eosque notis quibusdam discretos super candidam vestem 
temere ac fortuito spargunt. Mox, si publice consultetur, sacerdos 
5 civitatis, sin privatim, ipse pater familiae precatus deos caelum- 
que suspiciens ter singulos tollit, sublatos secundum impressam 
ante notam interpretatur. Si prohibuerunt, nulla de eadem re 
in eundem diem consultatio; sin permissum, auspiciorum adhuc 
fides exigitur. Et illud quidem etiam hie notum, avium voces 

lovolatusque interrogare: proprium gentis equorum quoque prae- 
sagia ac monitus experiri. Publice aluntur isdem nemoribus ac 



den Ägyptern Gemalilin und Schwester des Sonnengottes Osiris; dies nähert 
sie der Frigg, der Gemahlin Wuotans. — ipsum] ohne jeden anderen Beweis,, 
„das Bild an sich schon ^\ 

5. liburnae] sc. navi; so nannte man die kleinen schnellen hiremes der 
illyrischen lihurner. — ceterum] ohwohl es von der Isis speziell ein Bild 
gah. — neque ... assimulare] „menschenähnlich darstellen". — secretum 
iUtcd] „jenes geheimnisvolle Etwas, das sie nur in Ehrfurcht schauen", das sie 
nicht greifhar darstellen mögen, das hinter dem Sichtbaren webt und wirkt. 

Kap. 10« 1. auspicia] nach dem Folgenden über die praesagia equorum 
nicht blofs im engsten Sinne zu fassen, sondern allgemein = „Vorzeichen". — ut 
qui maxime] sc. id faciwnt; Steigerung des Superlativs == Iv roig fxdhara. — 
sortium] Tacitus sollte nach der Wortfolge zuerst die auspicia, dann die sortes 
behandeln; er disponiert aber nicht a b, sondern b a. — notis] „Zeichen, 
Eunen". — vestem] Tuch aus Linnen, wie ca/ndidus und der Zusammenhang 
lehrt. — mox] „hernach". 

6. ca^lumque suspiciens] aus welchem Grunde? — tollit, sublatos] ein& 
beliebte Kedeweise, das Pronomen (eos) durch das Part. Perf. Pass. des nächst- 
stehenden Zeitworts zu ersetzen. — interpretatu/r] sucht ihnen einen Sinn ab- 
zugewinnen. — in ewndem diem] „für denselben Tag". — adhuc] „so wird 
noch die Bestätigung durch Auspicien erfordert ". adhuc = ad hoc^ praeterea, 

10. völatusque] vgl. die Sage von Eomulus und Eemus. — isdem] lokaler 



c. 9-11. 18 

lucis, candidi et nullo mortali opere contacti; quos pressos 
sacro curru sacerdos ac rex vel princeps civitatis comitantur 
hinnitusque ac fremitus observant. Nee ulli auspicio maior fides, 
non solxun apud plebem, sed apud proceres, apud sacerdotes; seis 
enim ministros deorum, illos conscios putant. Est et alia obser- 
yatio auspidorum, qua gravium bellorum eventus exploratur. Eins 
gentis, cum qua bellum est, captivum quoquo modo interceptum 
€um electo popularium suorum, patriis quemque armis, commit- 
tunt: victoria huius vel illius pro praeiudicio accipitur. 20 

De minoribus rebus principes Consultant, de maioribus om-11 
nes, ita tamen ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium 
est, apud principes praetractentur. Coeunt, nisi quid fortuitum et 
subitum incidit, certis diebus, cum aut inchoatur luna aut im- 
pletur; nam agendis rebus hoc auspicatissimum initium credunt. s 
Nee dierum numerum, ut nos, sed noctium computant. Sic con- 
stituunt, sie condicunt: nox ducere diem videtur. Hlud ex liber- 



Ablativ, wie Kap. 2 terra. — mortaU\ = qtwd in usum mortälium fit — 
presaoa] vgl. iuvenci pressi ittgo, Ovid, „angespannt". — hifmitusqTie] 
„Wiehern"; vgl. die analoge persische Sage über die Art, wie Dareios L König 
der — den Germanen stammverwandten — Perser ward. 

15. putant] Das Snbj. muTs offenbar aus apud sacerdotes entnommen wer- 
den; pkibem, proceres, sacerdotes bilden einen Klimax. — qiu>quo modo] = 
„auf irgendeine Art". — patriis quemque armis] eine Art Ablativ der Qua- 
lität. — c(yinmitt%mt] „zusammenlassen, kämpfen lassen"; vgl. manum commit- 
Ute Teucris, Verg. — praeiudicio] „Vorentscheidung, Vorzeichen". 

Kap. 11. 1. principes] „die Fürsten"; vgl. Kap. 10. 12 über sie; Kap. 
10 princeps civitatis. Das Wort „bedeutet bei Tacitus den Grefolgsherm , den 
Gaukönig und den Gaugrafen"; F. Dahn. Hier ist wohl an letztere, die ver- 
sitzenden Grafen der einzelnen Gaue, zu denken. — de maiortbus] Krieg und 
Frieden; Wahl der Grafen; Kapitalverbrechen. — omnes] ingenui; diese sind 
auch unter plebs zu verstehen. — praetractentur] antequam de maioribus 
rebus ad plebem feratu/r, „Alle Angelegenheiten, welche vor die Landes- 
gemeinden kamen, wurden vorher von dieser Versammlung der Grofsen beraten." 
Georg Kaufinann. — certis diebus, cum etc.] Zur Zeit des Neu- oder Vollmondes. 

5. auspicatissimum] „Glück verheifsend"; so auspicata omnia, — com- 
putant] „zusammenrechnen", so annos, Quintil. „rechnen nach etwas". — 
condicunt] „zusagen, ausmachen", quo die coeundum sit; die beiden Worte 
constituimt und condicwnt beziehen sich zunächst auf den Termin der Volks- 
versammlung, dann auf gerichtliche Fristen. — ducere] „nach sich ziehen"; vgl. 



14 Comelii Tadti Germania. 

täte Vitium, quod non simul nee ut iussi conveniunt ; sed et alter 
et tertius dies cunctatione coeuntium absumitur. Ut turbae pla- 

locuit, considunt annati. Silentium per sacerdotes, quibus tum et 
coercendi ins est, imperatur. Mox rex vel princeps, prout aetas 
cuique, prout nobilitas, prout decus bellorum, prout facundia est, 
audiuntur, auctoritate suadendi magis quam iubendi potestate. 
Si displicuit sententia, fremitu aspemantur; sin placuit, frameas 

1 5 concutiunt : honoratissimum adsensus genus est armis laudare. 

12 Licet apud concilium accusare quoque et discrimen capitis 
intendere. Distinctio poenarum ex delicto. Proditores et trans- 
fagas arboribus suspendunt; ignavos et imbelles et corpore in- 
fames caeno ac palude, iniecta insuper crate, mergunt. Diversitas 
fisupplicii illuc respicit, tamquam scelera ostendi oporteat, dum 
puniuntur, flagitia abscondi. Sed et levioribus delictis pro modo 
poena: equorum pecorumque numero convicti multantur. Pars 



aidera crinem ducimt, Veig. — viiitm] „Übelstand". — ut ittssi] sc. simt, — 
turbae] „dem Haufen"; ehe das considere erfolgt, sind sie nur eine turba, 
keine geordnete Yersammlung. Andere Lesart twrha «» ,, wenn der Haufe grofs 
genug scheint". 

10. coercendi] „etwaigen Ausschreitungen steuern, Ordnung halten". — 
vd ^rmcejps] in republikanischen Gemeinwesen. — facwndui] von /ort', na- 
türliche Bedefertigkeit; eloquentia, die durch Studium und Schulbildung er- 
langte Beredsamkeit. — a/actoritate] Ablativus modi ; „ die Bedner — das kann 
nur ein König oder Graf sein, nicht einer de plehe — haben dabei mehr ge- 
wichtigen Bat zu erteilen als die Macht zu befehlen ". — frameas] vgl. Kap. 6. 

Kap« 12. 1. accfisare] „Anklagen anbringen", aber nur solche, wobei 
discrimen capitis intenditur; die Yerba stehen in engem Zusammenhang. — 
intendere] „anspannen, anstrengen"; Cicero: „litem alicui intendere", „einem 
einen Frozefs anzuhängen suchen". — arhoribtu] an dürren, laublosen Bäumen, 
als Opfer für Wuotan oder Ziu; auch die Bömer wählten als Galgen eine solche 
arhor infelix, — imheUes] scheinen im Unterschied von ignavi solche zu sein, 
welche ihre Kriegspflicht gar nicht erfüUen. — corpore infames] „die ihren 
Leib geschändet". — crate] „Flochtwerk, Beisig". Bei Liv. I, 51 wird so 
Turnus Herdonius von Arida als Meuchelmörder bestraft: „ut indicta causa 
novo genere leti deiectus ad caput aquae Ferentinae crate superne iniecta 
saxisque congestis mergeretur". 

6. scelera ... flagitia] ■-■ „politische ... moralische Verbrechen". — 
ostendi] „an den Pranger stellen". — pro modo poena] „besteht eine verhält- 
nismäfsige Strafe ". — numero] gehört wohin ? — multae] mülta „ Geldstrafe " ; 



c. 11—13. 16 

multae regi vel civitati, pars ipsi qui vindicatur vel propinquis 
eius exsolvitur. Eliguntur in isdem conciliis et principes, qui iura 
per pagos vicosque reddunt; centeni singulis ex plebe comitesio 
consilium simul et auctoritas adsunt. 

Nihil autem neque publicae neque privatae rei nisi armatilS 
agunt. Sed arina sumere non ante cuiquam moris quam civitas 
suffecturum probaverit. Tum in ipso concilio vel principum ali- 
quis vel pater vel propinquus scuto frameaque iuvenem omant: 
haec apud illos toga, hie primus iuventae honos ; ante hoc domus 5 
pars videntur, mox rei publicae. Insignis nobihtas aut magna 
patrum merita principis dignitatem etiam adulescentulis adsignant: 
ceteris robustioribus ac iam pridem probatis adgregantur, nee ru- 



verwandt mit muhare „schlagen". — regi vel dvitatt] letzteres in Frei- 
staaten; vgl. Kap. 11; der Grund dieser Bestimmung liegt in der Verletzung, 
welche durch ein Vergehen auch der Staatsordnung widerfahrt. 

10. per pagos mco8que\ in den Gauen und Dörfern; Bacmeister gieht vicos, 
das jedenfalls eine Unterahteilung von pagtis ist, mit „Marken" wieder. — cen" 
teni . . . adsu/nt] „je hundert Begleiter aus dem Volk (er seihst ist ja von Adel, 
Kap. 7) sind hei ihm (vgl. üher adesse Kap. 7), als Eatgeher und um seinem 
Spruch Ansehen zu verleihen" (welches das Urteil eines einzigen Mannes nicht 
ehenso hahen würde). Dies ist der huchstähhche Sinn der Stelle, nach welcher 
der princeps seihst iura reddit, „Kecht spricht"; hierüber freilich, wie über die 
eigentliche Natur der comites centeni, herrschen erhehhche Meinungsverschie- 
denheiten unter den neueren Erklärem. 

Kap. 13. 1. nihil] etwas übertrieben; wenn man zur Volksversamm- 
lung in Waffen kommt, so rührt dies daher, dafs dieselbe gleichzeitig Heeres- 
versammlung ist; Privatsachen aber nicht unbewehrt abzumachen, das riet die 
Unsicherheit staatlicher Ordnung und der Mangel staatlicher Fürsorge für die 
UnverletzUchkeit der einzelnen. — moris] sc. est; Gen. part. , „ein Stück der 
Sitte". Baumstark. — suffecturum] sc. eum armis esse; sufficere alicui «= 
parem esse alicud. 

6. toga] Anspielung auf die rom. Sitte, wonach dem JüngUng im 17. Jahre 
die toga pura oder virüis als Zeichen seines Eintritts in die Beihen der Männer 
umgelegt wurde. — primus] zeitlich. — mox] „jetzt". — reipuhlicae] doch 
hatten auch dann noch, seitdem die Germanen sefshaft geworden waren, die Gre- 
meinfreien nicht ohne weiteres teil am Staat, an den politischen Eechten; sie 
mufsten auch noch Grundbesitz haben; die „Schwertleite" allein erhob sie noch 
nicht zu Vollbürgem. — probatis] „längst bewährt", durch Tapferkeit und 
Kriegserfahrung. 



16 Comelii Taciti Germania. 

bor inter comites adspici. Gradus quin etiam ipse comitatus 

10 habet, iudicio eius quem sectantur; magnaque et comitum aemu- 
latio, quibus primus apud principem suum locus, et principum, 
cui plurimi et acerrimi comites. Haec dignitas, hae vires, magno 
semper electorum iuvenum globo circumdari, in pace decus, in 
bello praesidium. Nee solum in sua gente cuique, sed apud fini- 

ißtimas quoque civitates id nomen, ea gloria est, si numero ac 
virtute comitatus emineat ; expetuntur enim legationibus et mune- 
ribus omantur et ipsa plerumque fama bella profligant. 

14 Cum ventum in aciem, turpe principi virtute vinci, turpe 
comitatui virtutem principis non adaequare. lam vero infame in 
omnem vitam ac probrosum superstitem principi suo ex acie re- 
cessisse: illum defendere, tueri, sua quoque fortia facta gloriae 
6 eius adsignare praecipuum sacramentum est : principes pro victoria 
pugnant, comites pro principe. Si civitas in qua orti sunt longa 
pace et otio torpeat, plerique nobiüum adulescentium pfetunt nitro 
eas nationes, quae tum bellum aliquod gerunt, quia et ingrata 
genti quies et facilius inter ancipitia clarescunt magnumque 

locomitatum non nisi vi belloque tuentur: exigunt enim principis 
sui liberalitate illum bellatorem equum, illam cruentam victricem- 



10. comites] „Gefolgsmannen". — gradus] „Abstufungen". — comitatus] 
ist wohl Nominativ. — ea^etu^tur] „man wirbt um sie". 

Kap. 14. 1. ventum] Das Perfekt steht hier in iterativem Sinn, mit Be- 
zug auf ein Haupttempus (turpe sc. est) im Hauptsatze. — infame] was bösen 
Leumund (fama) bringt; probrosum, was einen mit einem unauslöschlichen mo- 
ralischen Makel (prohrum) belädt, „pröbri gratia" wurden z. B. Senatoren 
senatu moti, — defendere] gegen direkten Angriff, tt^ri (=» ein Auge auf ihn, 
über ihn haben) gegen entfernte drohende Gefahren. 

5. praecipuMm sacramentum] sacramentum ist der Fahneneid, den man 
demFeldherm schwört; daher =» ,,ist das Hauptstück des Fahneneides, ist erste 
Soldatenpflicht." Vgl. sacramentum amicitiae „ Freundespflicht", bei Petronius. — 
inter ancipitia] cmceps »i „doppelköpfig, zweifelhaft, gefährlich", in ancipiti 
republica sagtTadtus = „gefährdet". — non nisi] = „nur" wird von Cicero 
gewöhnlich getrennt: nisi in honis amicitia esse non potest, — tuentur] prii 
cipes; <=■ zusammenhalten; sex legiones re sua tueri, Gc. 

10. exigu/nt] die comites. — iüum bellatorem equum] „jenes berühm 
Streitrofs", dessen Wertschätzung seitens der Germanen auch die Fremd 
kennen. Verg. Aen. X, 891: „inter Bellatoris equi cava tempora coni< 



c. 13-15. 17 

que frameam. Nam epulae et qnamquam incompti, largi tarnen 
apparatus pro stipendio cedunt. Materia munificentiae per bella et 
xaptus. Nee arare ter^am aut exspectare annum tarn facile per- 
suaseris quam vocare hostem et vnlnera mereri. Pigrum quin immo is 
et iners videtur sudore adquirere quod possis sanguine parare. 

Quotiens bella non ineunt, non mnltum venatibus, plus per 15 
otium transigunt, dediti somno ciboque, fortissimus quisque ac 
bellicosissimus nihil agens, delegata domus et penatium et agro- 
xum cura feminis senibusque et infinnissimo cuique ex familia: 
ipsi hebent, mira diversitate naturae, cum idem bomines sie s 
ament inertiam et oderint quietem. Mos est civitatibus nitro ac 
TOitim conferre principibus vel armentomm vel frugum, quod pro 
honore acceptum etiam necessitatibus subvenit. Gaudent prae- 
cipue finitimarum gentium donis, quae non modo a singuHs, sed 



lastam". — frameam] s. Kap. 6. — incompti ... largi] „grobe, doch reich- 
liche Kost". — cedu/nt] „gelten für". — per heUa] sc. qttaeriiur. — annum] 
das ganze Jahr, das folgende Jahr abwarten. 

16. mereri] immer von etwas Gutem gebraucht. Inwiefern pafst dies hier? 

Kap« 15« 1. vnewnt] gemeint sind die deutschen Männer überhaupt, nicht 
Uofs die comites, — non midtum] sc. temporis. Man hat das non streichen 
wollen, weil Cäsar de beUo Gallico VI, 21 von den Grermanen berichtet: „vita 
omnis in venationibus et studiis rei militaris consistit". AUein 1) könnte von 
eifrigen Jägern nachher nicht wohl gesagt sein: ipsi hebent u. s. w.; und 2) 
ist die Veränderung zu bedenken, welche in den fast 150 Jahren zwischen 
Cäsar und Tacitus sich voUzogen hat. „Ein bis zweihundert Jahre machen oft 
ausnehmend viel aus; wie anders z. B. sah Deutschland vor und nach dem 
30 jährigen Krieg oder 1650 und 1750 aus. Eine neue, überaus folgenreiche Ent- 
wickelung hatte begonnen; die Bömer hatten den Übergang zur Sefshaftigkeit 
erzwungen. So schildert uns Cäsar das Ende der alten, Tacitus den Anfang der 
neuen Zustände." W. Arnold. — fortissimus quisqite] „ gerade die Tapfersten ". — 
delegata] „ überwiesen , überlassen ist . . .". — penatium] der Hausgötter, 
welche den Bestand der Familie beschützen; verwandt mit penitus = die» 
welche im Innersten des Hauses, am Herde thronen; <» „Hauswesen". — fa- 
fnilici] B» Familie in unserem Sinn; die Sklaven können nicht wohl in- 
begriffen sein. 

6. ips%] „die Hausherren". — mi/ra diversitate] „infolge eines ...". — 
mriUm] so dafs kein Haus sich ausschliefst. — armentomm vel frugum] 
Oen. part. abhängig von dem folgenden quod, — pro honore] „ als Ehrengabe" ; 
vgl. die (fojTtvai, <ffij^cf und d-i/xtarsg, welche der homerische König empfangt. — 
necessitatibus] „den notwendigen Bedür&issen abhilft". 

COBNELH TaCITI GeEM. ^ 



18 Comelii Taciti Grermania. 

10 et publice mittuntur, electi equi, magna arma, phalerae torques- 
que: iam et pecTiniam accipere docuimus. 

16 Nullas Germanorum populis urbes habitari satis notum est^ 
ne pati quidem inter se iunctas sedes. Colunt discreti ac diversi, 
ut fons, ut campus, ut nemus placuit. Vicos locant non in 
nostrum morem conexis et cohaerentibus aedificiis: suam quisque 
«domum spatio circumdat, sive adversus casus ignis remedium 
sive inscitia aedificandi. Ne caementorum quidem apud illos aut 
tegularum usus: materia ad omnia utuntur informi et citra spe- 
ciem aut delectationem. Quaedam loca diligentius inlinunt terra 
ita pura ac splendente, ut picturam ac lineamenta colorum imi- 

lotetur. Solent et subterraneos specus aperire eosque multo in- 
super fimo onerant, sufEugium hiemi et receptaculum frugibus, 
quia rigorem frigorum eius modi loci molHunt, et si quanda 
hostis advenit, aperta populatur, abdita autem et defossa aut 
ignorantur aut eo ipso fallunt quod quaerenda sunt. 



10, phalerae] TU cpälaga, „Brustzierden*'; runde Grold- oder Silberplatten 
mit Verzierungen in erhabener Arbeit, welche man wie jetzt die Orden auf der 
Brust trug. 

Kap. 16. 1. nullas] „gar keine '^ stärker als non, — populis] Dativ 
beim Passiv, vgl. Kap. 3: „aram Ulixi consecratam". — urhes] Städte, unter- 
schieden von oppida, feste Plätze, deren Cäsar bei den Germanen erwähnt. — 
patt] „haben wollen". Das ne , , , quidem erwartet man eigentlich wo? — 
placuit] iteratives Perfekt mit Bezug auf ein Präsens, wie ventum Kap. 14. — 
locant] „anlegen"; so castra hcare; wrbem locare, Verg. 

6. casus ignis] „Brandfalle". — inscitia aedificandi] weil man nicht ver- 
stand aus Stein zu bauen, und Holzhäuser, aneinandergebaut , leicht alle ver- 
brannten. Entweder also wollte man überhaupt ein remedium gegen Feuers- 
gefahr, oder verstand man sich auf kein besseres. — caementorum] „Bau- 
steine". — materia] „Bauholz". Bildlich stand das Wort Kap. 14. — citra'] 
„diesseits" des schönen Eindrucks (auf andere) oder der (eigenen) Freude 
daran, citra ist in silberner Prosa == ohne, ausgenommen, abgerechnet; plus 
usus sine doctrina, quam citra usum doctrina vaUt, sagt Quintilian. — 
loca] einzelne Stellen am Haus. — lineamenta colorum] „ Umrisse, Zeichnungen 
von Farben". — imitetu/r] „den Eindruck machen, aussehen". 

10. specus] „Keller oder Gruben, trichterförmig und von ziemlicher Tiefe, 
kamen auch fär sich allein, abgesondert von Häusern, vor". W. Arnold. — 
rigorem frigorum] „Bitterkeit der Kälte", über den Plural vgl. zu Kap. 4. — 
faUunt] „dem Blick entgehen". 



c. 15—18. 19 

Tegumen omnibus sagum fibula aut, si desit, spina conser-17 
tum: cetera intecti totos dies iuxta focum atque ignem agunt. 
Locupletissimi veste distinguuntur, non fluitante, sicut Sarmatae 
ac Parthi, sed stricta et singulos artus exprimente. Gerunt et 
ferarum pelles, proximi ripae neglegenter, ulteriores exquisitius, 6 
ut quibus nullus per commercia cultus. Eligunt feras et detracta 
velamina spargunt maculis pellibusque beluarum, quas exterior 
Oceanus atque ignotum mare gignit. Nee alius feminis quam 
viris habitus, nisi quod feminae saepius lineis amictibus velantur 
eosque purpura variant, partemque vestitus superioris in manicas lo 
non extendunt, nudae brachia ac lacertos; sed et proxima pars 
pectoris patet. 

Quamquam severa illic matrimonia, nee uUam morum partem 18 
magis laudaveris. Nam prope soli barbarorum singulis uxoribus 
contenti sunt, exceptis admodum paucis, qui non libidine, sed ob 
nobilitatem pluribus nuptiis ambiuntur. 



Kap. 17. 1. sagum] ein grobwollener Mantel, wie ihn Beisende, Bauern, 
namentlich aber Soldaten trugen. — si desit] weil die Germanen Spangen wohl 
nur Ton den Bömem beziehen konnten, dieselben also selten waren. — cetera] 
Accus, der Beziehung = ceteras corporis partes, — veste] im Gegensatz zu 
sagum der „Leibrock". — stricta] „straff anliegend"; vgl. vela stringere „die 
Segel anziehen". — exprimente] „hervortreten lassen". 

6. ripae] Bheni, bzw. DüMUvii, — neglegenter] „ohne Sorgfalt darauf zu 
verwenden". — cultu>s] kommt hier unserem Wort Kultur, Zivilisation sehr 
nahe. — eligunt] vgl. Kap. 5. — spargimt] „versehen sie mit Flecken, sprenkeln 
sie". — beluarum] „Seehunde". — exterior] kann vom röm. Standpunkt nicht 
die Nord-, sondern nur die Ostsee sein ; dafs auf diese vermöge ihrer Lage weit 
mehr das Wort interior pafst, war den Bömem unbekannt; vgl. Kap. 1. — 
habitus] „Tracht". 

10. pu/rpu/ra] „geben durch Purpurbesätze ihnen ein buntes Aussehen". — 
vestitus superioris] den Teil, welcher das Gewand für den Oberkörper bildet, 
verwenden sie nicht zu langen Ärmeln (manicae), wie die röm. Frauen, deren 
Hände noch bedeckt waren. — brachia] „Unterarme", lacerti „Oberarme". 

Kap. 18. 1. quamquam] ist hier nicht Konjunktion, sondern Adverb, 
das sogen, quamquam correctivum == „ wiewohl ". Berichtigt wird die Vorstellung, 
als ob aus der leichten Tracht der Frauen Sittenlosigkeit gefolgert werden 
dürfte. — libidine] Abi. causae, nicht infolge von Lüsternheit, sittlicher 
Leichtfertigkeit. — pluribus nuptiis] entweder Dativ = „für ..." oder Abi. 
instr. 



20 Comelii Tadti Germania. 

6 Dotem non uxor marito, sed uxori maritus offert. Intersunt 
parentes et propinqui ac nmnera probant, non ad delicias mulie- 
bres quaesita nee quibus nova nupta comatur, sed boves et fre- 
natmn equum et scutum cum framea gladioque. In haec munera 
nxor accipitur, atque in yicem ipsa armorum aliquid viro adfert: 

10 hoc maximum yinculum, haec arcana sacra, hos coniugales deos 
arbitrantur. Ne se mulier extra virtutum cogitationes extraque 
bellorum casus putet, ipsis incipientis matrimonii auspiciis admo- 
netur venire se laborum periculorumque sociam, idem in pace, 
idem in proeUo passuram ausuramque: hoc iuncti boves, hoc pa- 

isratus equus, hoc data arma denuntiant. Sic vivendum, sie pere- 
undum: accipere se quae liberis inviolata ac digna reddat, quae 
nuTus accipiant rursusque ad nepotes referantur. 

19 Ergo saepta pudicitia agunt, nuUis spectaculorum inlecebris, 
nuUis conviviorum irritationibus corruptae. Literarum secreta viri 
pariter ac feminae Ignorant. Faucissima in tam numerosa genta 



S. pröbanf] erkennen, ob etwas gut oder schlecht sei, „ prüfen ^^; so von 
den Gensoren gesa^, welche Staatsgebäude vor der staatlichen Übernahme vom 
Erbauer prüfen. In dieser Sitte spiegelt sich noch das ursprüngliche Verhältnis, 
welches Tadtus mifsversteht : Die Braut wird ursprünglich mittelst dieser mtt- 
nera den Eltern abgekauft. — in haec mimerd] „gegen diese Geschenke^'; in 
bezeichnet die Bedingung. — armorum aliguid] Darin ist zu erblicken „die 
spätere Aussteuer, die in einigen Stanmirechten der folgenden Zeit den bezeich- 
nenden Namen Vatergeld hat, weil sie vom Vater oder Bruder der Frau mit- 
gegeben wird." W. Arnold. 

10. arcana aacra} findet sich auch bei Ovid; arcamts =■ was man vor 
allen andern geheim hält; „geheimnisvolle Heiligtümer". — coniugales deos] 
die Götter, welche der Ehe ihren Charakter aufdrücken. — extra virtutem 
cogittxtiones] extra in ähnlichem Sinne wie citra Kap. 16: „auTserhalb der 
männlichen Gedankenwelt". Bacmeister. — atispiciis] „durch die weihevoUen 
Gebräuche bei ...". — venire] „ins Haus treten". 

16. denuntiant] „das ist die Sprache, welche ... reden". — referantur] 
hierzu ist quae Subjekt, während es zu accipiant Objekt ist. Was für Dinge 
€tccipiuntur, redduntur, referuntur? 

Kl^« 19. 1. saepta pudicitia] Abi. modi. Wohlumhegt — gesichert — 
Mpeetaculorum] wie die Pantomimen des kaiserlichen Bom, welche sittlich sehr 
anstöfsig waren; schon Cicero nennt obscenitas als etwas vom mimus Untrenn- 
bares. — Utterarum secreta] — „geheuner Briefverkehr". — • in tam numerosa 
gente] in adversativ: trotz der groDsen Volkszahl. 



c 18—20. 21 

adulteria, quorum poena praesens et maritis permissa: absdsis 
crinibus, nudatam, coram propinquis expellit domo maritus ac 5 
per omnem vicum verbere agit ; publicatae enim pudicitiae nulla 
venia: non forma, non aetate, non opibus maritxim invenerit. 
Nemo enim illic vitia ridet, nee corrumpere et corrumpi saecnlum 
vocatur. Melius quidem adhuc eae civitates, in quibns tantum 
virgines nubnnt et cum spe votoque uxoris semel transigitur. Sic i o 
unum accipiunt maritum quo modo unum corpus unamque vitam, 
ne uUa cogitatio ultra, ne longior cupiditas, ne tamquam maritum, 
sed tamquam matrimonium ament. Numerum liberorum finire 
aut quemquam ex agnatis necare flagitium habetur, plusque ibi 
boni mores valent quam alibi bonae leges. 15 

In omni domo nudi ac sordidi in hos artus, in haec corpora, 20 
quae miramur, excrescunt. Sua quemque mater uberibus alit, nee 
ancillis aut nutricibus delegantur. Dominum ac servum nuUis 
educationis deliciis dignoscas : inter eadem pecora, in eadem humo 



5. verbere] in der Eegel steht der Plural verhera. — puhlicatcie] puhli' 
care = der öflFentlichen Benützung „preisgeben". — invenerit] ea mulier qucte 
pudicitiam puhlicavit, — sctecuhim] „Zeitgeist"; oder: „heifst nicht auf 
der Höhe der Zeit, des Jahrhunderts stehen ". — melius] se hdbent — adhuc] 
= etiam, 

10. virgines] Gegensatz vid/ime, — transigitur] transigere ist = durch- 
führen, fertig werden, abschliefsen; also: „wo man mit Hoffiiung und Gelübde 
der Gattin ein- für allemal fertig wird", d. h. es nicht wiederholt. — ultra] 
mortem ma/riti, — tamquam] „so zu sagen". — quemquam ... neca/re] Tar 
dtus irrt; die mwnt (latinisiert mumlium), d. h. die Gewalt des Vaters über 
alle Familienangehörigen, schliefst auch das Eecht über Leben und Tod der Kin- 
der ein. Doch mag die Sitte verboten haben, was das Becht erlaubte. 

16. aUbi] in Eom setzten die leges lulia und Fapia Foppaea (vom Jahr 
9 n. Chr.) Belohnungen auf Ehe u. Einderreichtum, und Strafen auf Ehelosigkeit. 

Kap. 20. 1. omni] „ohne unterschied des Standes". — sordidt] geht 
hier nicht etwa auf die Kleidung, wie nudi zeigt, sondern auf die infolge der 
Nacktheit unsaubere Haut. — hos artus . . . quae miramur] Germanen waren 
in Eom nichts Seltenes; Augustus hatte schon eine germanische Leibwache. — 
excrescunt] „wachsen empor". Bildlich sagt Flinius Juxus excrescit, — dde^ 
goMtur] Tgl. Kap. 15. Zur Sache vgl. Tacit. Dialogus de oratoribus 28: „nam 
pridem suus cuique filius, ex casta parente natus, non in cella emptae nutricis, 
sed gremio ac sinu matris educabatur". — deUciis] „Verfeinerung". Flinius 
sagt: „M. Agrippa, vir rustidtati propior quam deliciis." 



22 Ck)melii Tadti Crermania. 

«degunt, donec aetas separet ingenuos, virtus agnoscat. Sera 
iuvenum venus, eoque inexhausta pubertas. Nee virgines festi- 
nantur; eadem mventa, similis proceritas: pares validaeque mis- 
scentur, ac robora parentum liberi referunt. Soromm filiis idem 
apud avnnculum qui apud patrem hoiior. Quidam sanctiorem 

10 artioremque hunc nexum sanguinis arbitraütur et in accipiendis 
obsidibus magis exigunt, tamquam et animum firmius et domum 
latius teneant. Heredes tarnen successoresque sui cuique liberi, 
et nuUum testamentum. Si liberi non sunt, proximus gradus in 
possessione fratres, patrui, avunculi. Quanto plus proquinquorum, 

i6quanto maior adfinium numerus, tanto gratiosior senectus; nee 
Ulla orbitatis pretia. 

81 Suscipere tarn inimicitias seu patris seu propinqui quam 

amicitias necesse est ; nee implacabiles durant : luitur enim etiam 

homicidium certo armentorum ac pecorum numero recipitque satis- 

factionem universa domus, utiliter in publicum, quia periculosiores 

ftsunt inimicitiae iuxta libertatem. 



6. agnoscat] „ anerkennt ", als wirkliche vvri mgewui, YgL filiiMn agnoscere 
■« „ anerkennen , gelten lassen ". — sera , . . venus] „ spät lernt der Jüngling 
die liebe kennen". — festinantu/r] werden nicht überstürzt, nicht zu schnell 
verheiratet. — pares validaeque] IV Svä ^volv, „in gleicher Kraft kommen sie 
zusammen". — referwnt] „spiegeln wieder". 

10. nexum] ganz unser „Bande des Blutes". — magis] quam alios ob' 
sides. — oMtmum] ohsides dantium, — latius] „weitere Kreise des Hauses 
verpflichten". — teneant] sororum filii. — i/n possessione] „bei der Erb- 
schaft". — propinquorum] hier = cognati, „Blutsverwandte", im Unterschied 
von adfmes, „Verschwägerte". — gratiosior] „wonniger"; vgl. ühland in dem 
Gedicht: „Der blinde König": „Dann wird mein Alter wonnig sein". 

15. orhitatis pretia] gemeint sind die Schmeicheleien und Gefälligkeiten 
der Erbschleicher, welche in Eom die Kinderlosen umwarben. Übrigens enthielt 
die zu Kap. 19 erwähnte lex Fapia Foppaea Bestimmungen gegen kinderlose 
Eheleute, welche bei Erbschaften bloDs die Hälfte erhalten sollten. 

Kap. 21. 1. suscipere] „auf sich nehmen, in ihren Folgen auch für sich 
gelten lassen". Der Zusammenhang mit dem Vorhergehenden liegt darin, dafs 
man nicht blofs Hab und Gut erbt, sondern auch die Feindschaften. — necesse 
est] ist ganz unumgänglich , versteht sich von Belbst. — homicidium] absicht- 
liches Töten (Mord) und unabsichtliches (Totschlag). — armentorum ac pe- 
corum] vgl. über den Unterschied zu Kap. 5. — satisfactionem] die Entschä- 
digung; das „Wergeid", noiv^ bei Homer. — in publicum] rei publicae, 

5. vuxta Ubertatem] <=> 1) „neben der Freiheit"; 2) „in Gemäfsheit der 



c. 20—22. 25 

Convictibus et hospitiis non alia gens effasius indulget. 
<3uemcumque mortalium arcere tecto nefas habetur; pro fortuna 
quisque apparatis epulis excipit. Cum defecere, qui modo hospes 
fuerat, monstrator hospitii et comes; proximam domum non in- 
vitati adeunt. Nee interest: pari humanitate accipiuntur. Notumia 
ignotumque quantum ad ius hospitis nemo discernit. Abeunti, 
si quid poposcerit, concedere moris; et poscendi in vicem eadem 
facilitas. Gaudent muneribus, sed nee data imputant nee acceptis 
obligantur: victus inter hospites comis. 

Statim e somno, quem plerumque in diem extrahunt, lavan-28 
tur, saepius calida, ut apud quos plurimum hiems occupat. Lauti 
cibum capiunt : separatae singulis sedes et sua cuique mensa. Tum 
ad negotia nee minus saepe ad convivia procedunt armati. Diem 
noctemque continuare potando nulli probrum. Crebrae, ut inter vino- s 
ientos, rixae raro conviciis, saepius caede et vulneribus transiguntur. 



Freiheit", so itixta praeceptum, Justin. Beide Deutungen geben einen Sinn. — 
convictibus] Geselligkeit unter einander, hospitiis Gastlichkeit gegen Fremde. — 
effusius indutgetl „ sich in schrankenloserer Weise ergeben ". — quemcumque] ist 
eigentlich ein Eelativ = „welclien nur immer"; hier = cUiquem, — nefas} 
„Sünde gegen die Grötter", hellenisch gegen den Zevg ^iviog; iniwria „Verstols 
gegen eine menschliche Satzung". — fortuna\^=fortuniSy „Glücksgüter". — 
apparaHs] hiezu beziehe pro forttma, — defecere\ epulae, — monstrator 
Tiospitii] „Wegzeiger nach einem gastlichen Dach"; sc. ftt; wieder entspricht 
dem iterativen Präsens ein Perfekt im Zeitsatz, vgl. Kap. 14. 

10. interest] „macht keinen Unterschied ". — pari] ac si invitati essent, — 
qiuintum ad ius hospitis] sc. pertinet, — moris] s. zu Kap. 13. — imputcmt] 
„ aufiiehmen, anrechnen ". — victus . . . comis] „ der Verkehr unter Gastfireunden 
ist artig, freundlich", ohne alle Berechnung; man will hier mit Geschenken 
kein verstecktes Ziel erreichen und empfindet dort das Greschenk als einen Aus- 
fluTs der comitas. Die idealisierende Schilderung setzt als Folie das egoistische 
Eom voraus, wo der Grundsatz gilt: do, ut des, (Die Stelle ist freilich sehr 
angefochten). 

Kap« 22« 1. plurimum] sc. temporis, — occupat] beachte den (bei Cicero 
ungewöhnlichen) Modus bei ut qui, — sua cuique mensa] kann doch wohl nur 
von den Eeiclien gelten, wogegen das calida aqua lavari auch bei den Är- 
meren möglich war; Badstuben, Wannen u. s. w. bedurfte es dazu keines- 
wegs. — convivia] was oben Kap. 21 convictus hiefs, „gesellige Gastereien". — 
procedimt] „auTserhalb des Hauses". 

6. continuare] eigentl. „Tag und Nacht durch Trinken zu verbinden"; 
vgL domos, agros, iter continuare, — conviciis] abzuleiten von con und vox^ 



24 Comelii Tadti Gemumia. 

Sed et de reconciliaiidis in vicem inimicis et iungendis adfinitati- 
bus et adsciscendis principibos, de pace denique ac bello plemm- 
que in convivüs Consultant, tamquam nnllo magis tempore aut 

10 ad simplices cogitationes pateat animus aut ad magnas incalescat 
Gens non astuta nee callida aperit adhuc secreta pectoris licentia 
ioci; ergo detecta et nuda omnium mens. Fostera die retraota- 
tur, et salva utriusque temporis ratio est: deliberant, dum fingere 
nesciunt, constituunt, dum errare non possunt. 

BS Fotui umor ex hordeo aut frumento, in quandam similita- 
dinem vini corruptus: proximi ripae et yinum mercantur. Cibi 
simplices, agrestia poma, recens fera aut lac concretum: sine ap- 
paratu, sine blandimentis expellunt famem. Adversus sitim non 
seadem temperantia. Si indulseris ebrietati suggerendo quantum 
ooncupiscunt, haud minus facile vitiis quam armis vincentor. 

B4 Oenus spectaculorum unum atque in omni coetu idem. Nudi 
iuvonos, quibus id ludicrum est, inter gladios se atque infestas 

„ Zusnmmensohroien, Schelten". — in vicem] reciprok => inter se, — aaciacm^ 
die] so viel als „zu den übrigen principee hinzonelimen, wählen". 

10. sim^iceel — „offen, ehrlich". — incdUecat] „sich erwäimeii 
lasse *S — ostttfa] „verschmitzt", wer andere durch Zweideutigkeit oder Hieiir 
dioloi hinters licht führt; cdüidus „gerieben, durchtrieben, wer viele ErfiihroDg 
hat". — aähwi\ entweder «> „heute noch sind sie so offen", oder zn eeereta 
ptctorie „das noch in ... Verborgene". — 8alvd\ Man hat einen „gesunden*^ 
Grund für , , . 

Kap. 28« 1. poiMi] est, — frumentd\ Gretreide im allgemeinen; speäell 
W«ixon. — corrtfptu«] eigentl. verdorben, dem ursprünglichen Geschmack ent- 
fW^mdot: übers, ««durch Gährung eimgermafsen dem Geschmack des Weins ge- 
nähert''. Den Ausdruck cererisia für dieses Getr&nke hat zuerst Flinius der 
Ältere. — proximi ripa€\ s. Kap. 17. — flMereaNfMf] was nach Cäsar die 
Sueben lu seiner Zeit mit besonderem Verbote belegt hatten, qwtd ea re ad 
hbortm fertndum remoBeeeere hamines atque effeminari arbitrantur, lY, 8, 
^ — affrf;stia poma] „Wildobst**; vgL Kap. 5. — fera] wegen recens scheint 
wrOf nicht be^tia zu exgSnzen; oder ist recens — ..friscli erlegt"? — eoM- 
crttnm] „geronnene, sauie Milch**. — blanditnentis] ..Bdzmittel**; in der ür- 
•eit hatte man blofs Salt und Laudi: den Pfeffer lernte man erst durdi die 
BSmer kennen, wie das aus piper entstandene Wort selbst zeigt 

Kam -4* 1. IN oMiN coetu] Tadtus will wohl nicht sagen, dafs bei jedem 
«ii^lnj di#MS jpMfd^Mn angeführt werde, sondern nur. dafs immer dasselbe 
sid^ wi^dexbide« wenn überhaupt eins gegeVoi werde. — infestas] ^^vsrgäalxeD» 



c. 22—25. 25 

frameas saltu iaciont. Exercitatio artem paravit, ars decorem, 
non in quaestum tarnen aut mercedem : quamvis audacis lasciviae 
pretium est voluptas spectantium. Aleam, quod mirere, sobrii & 
inter seria exercent, tanta lucrandi perdendive temeritate ut, cum 
omnia defeceront, extremo ac novissimo iactu de libertate ac de 
corpore contendant. Victus voluntariam servitutem adit: quamvis 
iuvenior, quamvis robustior, adligari se ac venire patitur. Ea est 
in re prava pervicacia: ipsi fidem vocant. Servos condicionis huius lo 
per commercia tradunt, ut se quoque pudore victoriae exsolvant. 

Ceteris servis non in nostrum morem discriptis per familiamSS 
ministeriis utuntur: suam quisque sedem, suos penates regit. 
Frumenti modum dominus aut pecoris aut vestis ut colono in- 
iungit , et servus hactenus paret : cetera domus ofßcia uxor ac 



Speere'*. Die Jünglinge trugen selber die Schwerter und Speere, hielten sie 
einander entgegen und tanzten zwischen den Waffen und zwischen einander durch. — 
decorem] „eine Ehre '^ — quamvis audacis] Eonstr.: pretium lasciviae („Mut- 
wiUe") . . . quamvis audacis (=^ quamvis periculosa sit) ... est v, sp. Wenn 
Cicero audax auch meist von Personen braucht, so kommt doch auch negotium 
audax bei ihm vor. 

6. inter seria] „unter (anderen) ernsten Geschäften, als ernstes Ge- 
schäft". — defecenmt . . . contendant] iterativ wie Kap. 14. 21. — extremo 
ac novissimo] „mit dem (qualitativ) äuTsersten und (quantitativ) letzten 
Wurf". — corpore] weil der Sklave auch getötet werden kann. — contendant] 
„würfeln". — volimtariam] zu welcher er sich eventuell aus freiem Entschlufs 
erboten hatte. Tadtus scheint anzudeuten, dafs das Gesetz dem Grewinnenden 
in diesem Falle keine Hilfe dazu bot, den, der verloren hatte, zu knechten. — tu- 
venior] sonst übliche Form? 

10. in re prava] bei einer verkehrten, unsittlichen Sache, wo man nicht 
von fides, sondern von pervicacia reden darf. Dem Tadel ist doch auch Be- 
wunderung beigemischt. — per commercia tradunt] „verhandeln". — pudore 
victoriae] „Hiebei zu bemerken, dafs der Verlust der persönlichen Freiheit 
nicht auf die Kinder forterbte." Tücking. 

Kap. 25« 1. ceteris] Gegensatz? — non i/n nostrum etc.] „nicht so, dafs 
wie bei uns ... wären". — familiam] hier die Gresamtheit der famuli, „Diener- 
schaft". In den vornehmen Häusern Boms gab es formliche Abteilungen der 
Sklaven, eigene fabri, pictores, a hihliotheca, ah epistoUs etc. — sedem, 
penates] Jeder hat also seine eigene Wohnung, aufserhalb des Herrenhauses. — 
vestis] kollektiv, „Zeug, Tuch". -- colono] „erblicher Zinsbauer", — iniu^git] 
„auferlegen", so onus, leges, laborem, liv. — hactewus] dafs er die genannten 
Dinge, welche als Bodenzins gelten, liefern mufs. — cetera] fällt auf, da vorher 



26 Comdii Tadti GennanuL 

slibeii exsequantiir. Yerberare semiin ac Tincnlis et opere coer- 
cere ramm: occidere solent, non disciplina et seTeritate, sed im- 
petn et ira, nt inimicnm, nisi qnod impmie est Libeiti non 
mnltom snpra servos snnt, raro aliqnod momentum in domo, 
nnmqnam in ciyitate, exceptis dnmtaxat üs gentibns qnae re- 

lognantor. Ibi enim et super ingennos et super nobiles adscendunt: 
apud ceteros impares libertini libertatis argumentum sunt 

SC Faenus agitare et in usuras extendere ignotum; ideoque 
magis seryatur quam si vetitum esset Agri pro numero cul- 
torum ab universis in vices occupantur, quos mox inter se secun- 
dum dignationem partiuntur; facilitatem partiendi camporum spatia 



noch keine domua officia genannt sind; ee ist ähnlich za fossen wie muUeres 
et aUa impedimenta; also: cetera, nämlich domus officia. 

s. opere] „Zwangsarbeit", coercere „bestrafen mit". Tadtos denkt an 
die Arbeit in der Mühle nnd den Steinbrüchen, welche den ronu SUayen als 
Strafe auferlegt zn werden pflegte. — discipUna et geveritate] fv Jue «fi/oTv; 
impetu et ira ist ebenso zn fassen: „Jähzorn". — inimicutn] „einen persön- 
lichen Feind". — impune] ygL den G^ensatz in Kap. 21. — liberti] im 
Gegensatz zum Herrn, libertini im (jegensatz zu den andern Ständen der no- 
biles, ingenm und servi, — momentum] ein (jewicht, ein „wichtiges Element". — 
in civitate] während die libertini in Bom z. B. ein (allerdings eingeschränktes) 
Stimmrecht hatten. 

10. impares libertini] „der Umstand, dafs die ... sind, ist bei den 
übrigen . , .". 

Kap. 26. 1. faenus] von Wurzel fe (fecundtis, femina) ist das Erzeugte, der 
Ertrag, beim Kapital also die Zinsen. Offenbar deutet agitare im Unterschied 
von agere auf eine über das normale Mafs gesteigerte Thätigkeit des „Zinsen- 
erzielens" hin: „Wucher treiben". — et in usuras extendere] indem man 
Zinseszins nimmt oder sich Zinsen von einem Kapital zahlen läfst, das man 
sich wohl hat yerschreiben lassen, das man aber gar nicht yorgeschossen hat. — 
servatur] servare bedeutet auch sonst „yerhüten, einer Sache yorbeugen"; 
servarent, ne coetus nocturni fierent, Tay, — vetitum] wie in Eom durch die 
duodecim tahtUae. — in vices occupantur] Die Ackerländereien, deren Umfang 
sich nach der Zahl der cultores richtet (der andere campus bleibt brach liegen), 
werden yon allen Bauern in Besitz genommen, aber in vices, so dafs ein 
Wechsel in Aussicht genommen wird; das Grundstück, welches heuer A hat, 
erhält übers Jahr B u. s. w. — quos mox etc.] das yon den universi cultores 
sozusagen en bloc occupierte Ackerland teilen sie sodann unter sich nach der 
Würde (prindpes, nobiles, ingenui), so dafs die Höhergestellten auch mehr 
Land erhalten. — partiendi] unter die einzelnen Gaue eines Volks. 



c. 25—27. 27 

praebent. Arva per annos mutant, et superest ager. Nee eniin s 
cnm ubertate et amplitudine soll labore contendunt, ut pomaria 
conserant et prata separent et hortos rigent: sola terrae seges 
imperatur. Unde annum quoque ipsum non in totidem digerunt 
species: hiems et ver et aestas intellectum ac vocabula habent, 
antumni perinde nomen ac bona ignorantur. lo 

Funerum nulla ambitio: id solum observatur, nt corpora27 
-clarorum yirorum certis lignis crementur. Struem rogi nee 
TBstibus nee odoribus cumulant: sua cuique anna, quorundam 
igni et equus adicitur. Sepulerum caespes erigit: monumentorum 
«rduum et operosum honorem ut gravem defanctis aspemantur. 5 
Lamenta ac lacrimas cito, dolorem et tristitiam tarde ponunt. 
Teminis lugere honestum est, viris meminisse. 



6. airva ... mutant] eine unzähligemal besprochene Stelle. W. Arnold: „es 
ist am Ende Geschmacksache, wie man sich mit ihr abfindet, und jeder Streit 
darüber yeigeblich . . . Bleiben wir bei der den Eömem geläufigen Anschauungs- 
preise und der nächsten und einfachsten Art ihres Ausdrucks stehen, so können 
die Worte nur von einem Wechseln der Saatfelder selbst, nicht blofs von 
einem Wechsel in der Bestellung derselben verstanden werden". — 
superesf] vgl. Kap. 6; hier = und es ist noch übrig, oder =* und es ist Feld 
in genügender Menge da. — contendant] sie bemühen sich nicht, die Frucht- 
barkeit und den Umfang des ertragsfahigen Landes noch durch die Mühe zu 
steigern, daüs sie Baumgüter anlegen u. s. w. — totidem] wie wir Kömer. — 
species] Arten, Zeiten. — intellectum ac vocahula hahent] „kennt und nennt 
man". — bona] Edelobst und Wein, den z. B. erst Kaiser Probus (f 282) am 
Neckar, an "Bhem und Mosel und in Pannonien eingebürgert hat. 

Kap* 27. 1. ambitio] Ehrgeiz, Streben sich gegenseitig zu überbieten, 
Streben nach Glanz. Seitenblick auf römische Unsitte. — lignis] Holzarten, bei 
deren Auswahl religiöse Gründe entschieden. — struem rogi] strues alles über- 
einander Geschichtete; rogus (verwandt mit rego, erigo) an sich schon Scheiter- 
haufen; „das Gerüste des Scheiterhaufens". — vestibus] „Gewänder", odoribus 
„Woblgerüche ". — equtis] vgl. Kap. 14. 18. Man erinnere sich an die Sage 
Ton Alarichs Bestattung im Busento. — erigit] „türmt sich aus Basen empor"; 
wörtiich? 

6. ut gravem defunctis] Daher auch der Buf bei den Eomem: sit tiM 
terra levis! „Tant on croyait", sagt Fustel de Coulanges („La cite antique" 
p. 9), „que r etre allait continuer ä vivre sous cette terre et qu' il y conser- 
verait le sentiment du bien-etre et de la souffrance!" — lugere] hat wie luctus 
immer den Sinn, dafs die Totentrauer äufserlich sich manifestiert; daher Gregen- 



28 Comelii Tadti Grennania. 

Haec in commune de onmium Germanorum origine ac mo- 
ribus accepimus: nunc singularum gentium instituta ritusque, 

loquatenus differant, quaeque nationes e Germania in Gallias com- 
migraverint, expediam. 

28 Validiores olim Gallorum res fuisse summus auctor divus 
lulius tradit; eoque credibile est etiam Gallos in Germaniam 
transgressos : quantulum enim amnis obstabat quo minus, ut 
quaeque gens evaluerat, occuparet permutaretque sedes promiscuas 
5 adhue et nulla regnorum potentia divisas? Igitur inter Hercyniam 
silvam Bhenumque et Moenum amnes Helvetii, ulteriora Beut 
Gallica utraque gens, tenuere. Manet adhuc Boihaemi nomen 
significatque loci veterem memoriam quamvis mutatis cultoribus. 
Sed utrum Aravisei in Pannoniam ab Osis [Germanorum natione] 



satz memvnisae, — in comimme] ins Allgemeine, mit allgemeiner Gültig- 
keit. — gentium] innerhalb der gens Germcmorum giebt es Stämme (auch 
gentes), innerhalb dieser nationes; vgl. Kap. 2. Tacitus will berichten 1) vnati» 
tuta ritusque, quatenus differant vom allgemeinen, 2) quae nationes 
... commigravervnt 

10. expediam} „Mar legen". 

Kap. 28. 1. vaUdiores] quam Germanorum. — res] „Macht". — divu9 
IuUim] Über divus vgl. Kap. 8. Cäs. B. G. YI, 24: „fiiit antea tempus, cum 
Germanos Galli yirtute superarent, nitro bella inferrent, propter hominum mul- 
titudinem agrique inopiam trans Ehenmn colonias mitterent." — ut quaeque gens 
evahterat] ut c. indic. plsq. bezeichnet eine Wiederholung, wobei im entsprechen- 
den Demonstrativsatz das Imperfekt erfordert wird. Über evalesco vgl. Kap. 2. — 
promiscuas] was jedem, also keinem gehört: „herrenlos". Ygl. Kap. 6. 

5. adhuc] ist hier von der Vergangenheit gebraucht, sonst nur von der 
Gegenwart. — potentia] ist kausal zu divisas; ein machtvolles Eeich hält auf 
feste, unverletzliche Grenzen. — inter] Tacitus giebt die Süd-, West- und Nord- 
grenzen an. — Hercyniam silvam] ist hier im engsten Sinn zu nehmen, die 
rauhe Alp, die später mons Alba heifst, also der südwestlichste Teil dessen^ 
was Cäsar B. G. VI, 25 als silva Hercynia bezeichnet. Ygl. Kap. 30. — 
ulteriora] weiter östlich. — tenuere] xaHaxov, nicht xaxEaxn^aai, ; denn schon 
zu Cäsars Zeiten safsen die Helvetii südlich von der rauhen Alp. — Boihaem%\ 
Heim der Bojer. — memoriam] „weist auf eine alte Erinnerung des Landes 
hin". — quamvis] ist hier Adverb. — Aravisei] safsen am Arabo (Kaab) auf 
dem rechten Donauufer, die Osi am linken, in Mähren. — Osis, Germanoru^n 
natione] steht in unlösbarem Widerspruch mit Kap. 48; ohne Zweifel sind die 
Worte G. n. unecht. 



c. 27—29. 29 

an Osi ab Araviscis in Germaniam commigraverint , cum eodemio 
adhuc sermone institutis moribus utantur, incertum est, quia pari 
olim inopia ac libertate eadem ntriusque ripae bona malaque 
«rant. Treveri et Nervii circa adfectationem Germanicae originis 
nitro ambitiosi sunt, tamquam per hanc gloriam sanguinis a si- 
militudine et inertia Gallorum separentur. Ipsam Kheni ripami5 
haud dubie Germanorum populi colunt, Vangiones, Triboci, Ne- 
metes. Ke XJbii quidem, quamquam Bomana colonia esse me- 
xuerint ac libentius Agrippinenses conditoris sui nomine vocentur, 
origine erubescunt, transgressi olim et experimento fidei super 
ipsam Bheni ripam collocati, ut arcerent, non ut custodirentur. 20 
Omnium harum gentium virtute praecipui Batavi non mul-29 
tum ex ripa, sed insulam Bheni amnis colunt, Chattorum quondam 



10. eodem] Aravisker und Oser reden eine Sprache u. s. w. — cum ... 
^ttcMitur] enthält den Grund, weshalb eine Verwandtschaft beider Völker an- 
genonunen werden muTs; ün D. am besten als selbständige Parenthese zu 
geben. — olim\ jetzt sind die unter Eom stehenden Aravisker reicher, haben 
aber die Freiheit eingebüTst, welche die Oser noch besitzen. — eadem] gehört 
zum Prädikat. — Trevert] um Trier (Augusta Treverorum) an der Mosel, Nervii 
nordwestlich von ihnen, an der Scheide. — drca] = im Punkt des Anspruchs 
auf: a-e de; Quintilian sagt: drca hoc dispuiaium est — nitro] „gar noch 
ehigeizig, empfindlich". 

15. similitudine et mertia] „Ähnlichkeit mit den ... (Adj.) Galliem". — 
ipsam . . . ripam] das linke Ufer. — Va/ngiones] bei Worms und Bingen, 
Triboci bei StraTsburg, Nemetes bei Speier. — meruerint] quamquam hat in 
der silbernen Latinität oft den Konj. und quamvis oft den Indik. Die Ubier 
hielten schon zu Cäsar. Vgl. Tac. Ann. XII, 27 (anno 51 v. Chr.): „sed 
Agrippina (Gemahlin des Gaudius, Mutter Neros) in oppidum Ubiorum (Köln), 
in quo genita erat, veteranos coloniamque dedud impetrat, cui nomen inditum 
e vocabulo ipsius (colonia Agrippina). ac forte acciderat, ut eam gentem Eheno 
transgressam avus Agrippa in fidem acciperet." — conditoris] wohl Agrippina, 
nicht Agrippa, weil erstere im strengen Sinn die „Gründerin" Kölns ist. (Vgl. 
Kap. 2.) conditrix findet sich erst bei Appuleius, etwa 80 Jahre nach dem Er- 
scheinen der „Grermania". — experimento] kausal, „wegen ihrer erprobten Treue". 

20. arcerent] alios Germanos. Eine römische „Wacht am Bhein!" 

Kap. 29. 1. omnium harum gentium] welche aus (xermanien nach Gallien 
einwanderten. — Batavt] mit schwankender Quantität, schon bei Cäsar genannt, 
der von der insula Batavorum spricht. — non multwm ex ripa] „kein grofses 
Stück vom Uferland", nämlich von dem am Eheine. Den Best der ripa, bis an 
die Nordsee, hatten die stammverwandten Canninefaten inne. — vMulam Bhen%\ 



80 Comelii Tadti Germania. 

populus et seditione domestica in eas sedes transgressus, in quibns 
pars Bomani imperii fierent. Manet honos et antiquae societatis 

öinsigne; nam nee tributis contemnuntur nee publicanus atterit: 
exempti oneribus et collationibus et tantum in usum proeliorum 
sepositi velut tela atque arma bellis reservantur. Est in eodem 
obsequio et Mattiacorum gens; protulit enim magnitudo populi 
Komani ultra Ehenum ultraque veteres tenninos imperii reveren- 

lotiam. Ita sede finibusque in sua ripa, mente animoque nobiscum 
agunt, cetera simUes Batavis, nisi quod ipso adhuc terrae suae 
solo et caelo acrius animantur. 

Non numeraverim inter Germaniae populos, quamquam trans 
Ehenum Danuviumque consederint, eos qui decumates agros exer- 

15 Cent: levissimus quisque Gallorum et inopia audax dubiae posses- 



das Kheindelta. — populus] = natio, „Gau, Zweig". — fierent] in eas ... 
quibus steckt ein ut; „werden muTsten"; indem sie auf das linke Eheinufer 
übergingen, kamen sie in die Machtsphäre Koms. — honos] „Ehrenstellung". — 
antiqitae societatis insigne] „die Auszeichnung infolge der alten Waffen- 
brüderschaft". 

6. tributis] Abi. instr. — collationibus] aufserordentliche {onera or- 
dentUche) Beisteuern; so spricht livius öfters von collatio frumenti, welche 
den socii zum Unterhalt der römischen Heere auferlegt wurde. Das Verbum 
conferre Kap. 15. — usum] „Verwendung in ...". — obsequio] „Abhängig- 
keit"; die Kriegshilfe mufsten die Bataver ja leisten. — Mattiacoru/rn] 
wohnten um Mattium am Südfufs des Taunus. — veteres] seit Augustus sind 
der Khein und die Donau die Grenze gebheben. — imperii] gehört zu re- 
verentiam. 

10. su>a] auf ihrem eigenen, das nicht uns gehört, also dem rechten Ufer. — 
agu/nt] „leben". — adhuc] steigert das acrius animantu/r (es gehört nicht 
zu suae, so dafs der Sinn wäre: weil ihnen der Boden ihres Landes noch ge- 
hört, weil sie noch nicht unterworfen sind); diese Worte beziehen sich auf das 
feurigere, grimmigere Naturell, Temperament der Mattiaker. — consederint] 
Konj. bei quam^am wie in Kap. 28 meru^rint. — decumates agros] „Zehnt- 
land"; es reichte nördlich etwa bis zum EinfluTs von Kocher und Jagst in den 
Neckar, östlich bis zur Gegend von Lorch an der Eems, südlich und westlich 
bis zum Bhein. Den Namen agri decumates = decimani leitet man am 
sichersten von dem Zehnten her (decima sc. pars), welchen die Bewohner an 
Eom entrichten mufsten. — exercent] „bearbeiten, bebauen". 

15. levissimus] leichtsinnig, abenteuerlustig. — dubiae] die Eömer selbst 
rechneten anfangs (Gegensatz mox) das Zehntland nicht eigentlich zu ihrem 



c. 29. 30. 81 

sionis solum occupavere; mox limite acto promotisque praesidiis 
sinus imperii et pars provinciae habentur. 

Ultra hos Chatti: initium sedis ab Hereynio saltu inchoatur, 80 
non ita efifasis ac palustribus locis, ut ceterae civitates in quas 
Germania patescit; durant siquidem colles, panlatim rarescunt, 
et Chattos suos saltus Hercynius prosequitur simul atque deponit. 
Duriora genti corpora, stricti artus, minax vultus et maior animi& 
vigor. Multum, ut inter Germanos, rationis ac sollertiae: prae- 
ponere electos, audire praepositos, nosse ordines, intellegere occa- 
siones, differre impetus, disponere diem, vallare noctem, fortunam 



Eeich, übernahmen keine Schutzpflicht fiir dessen Bewohner. — limiie] der be- 
kannte Grenzwall, die „Teufelsmauer". — sinus] „Ausbuchtung, Vorsprung, 
Vorwerk". Livius nennt so die Landspitze von Demetrias in Thessalien Deme- 
triacus sinus (XXVHI, 5, 15). — provinciae] halb gehört das Zehntland zu 
Germania superior, halb zu Vindelicien oder Katien. 

Kap. 30. 1. ultra Tios] jenseits, nordöstlich von den Mattiakem. — ab 
Hereynio saltu] Da Tadtus Eap. 28 unter Hercynia silva unzweifelhaft die 
rauhe Alp (den schwäbischen Jura) versteht, so ist hier an die Fortsetzung 
dieses Höhenzuges im fränkischen Jura und in den Bergen jenseits des Mains 
(Spessart, Khön, Thüringer Wald) zu denken; alle diese süddeutschen Gebirge 
fafst er als „hercynisch" zusammen; mittelst saltus stellt er diese Wald- 
gebirge den wegen ihrer Höhe unbewaldeten eigentl. Alpen entgegen. — effusis] 
„ausgebreitet, flach". — patescit] „sich breit verzweigt". — rarescu/nt] ist im 
Gegensatz zu du/rant auf die sich vermindernde Breite und Höhe der Berge zu 
beziehen; = abfallen, sich abdachen, allmählich verschwinden. — sv^os] es 
existiert sozusagen eine gemütliche Beziehung zwischen Gebirg und Menschen. — 
simul atque] =^ et prosequitur et deponit, — deponit] entspricht offenbar 
ebenso dem rarescunt wie prosequitu/r dem durant: „legt sie ab, hört mit 
ihnen auf". In deponere steckt die Anschauung, dafs der saltu>s seine Chatten 
sozusagen trägt bis zur Ebene. 

6. duriora] quam ceteris Germanis, — strictt] „straff, stramm, ge- 
drungene"; vgl. Kap. 17 und arcum stringere, — ut inter Germanos] vgl. ut inter 
vinolentos Kap. 22; hier hat es abschwächenden Sinn. — rationis] Berechnung, 
verständige Überlegung. — soUertiae] von söllus = oXog, und ars (Gegensatz 
vnertia), Gewandtheit, Geschick. — praeponere] Die Infinitive sind nicht an- 
ders zu konstruieren als dadurch, daXs man sie von muHtum r. et s, abhängig 
denkt: sie besitzen viel B. u. G., inbezug auf ... — praeponere] in die vorderste 
Gefechtslinie stellen. — nosse ordines] Eeih' und Güed halten, was Barbaren 
besonders schwer fallt, welche gewohnt sind extra ordinem pugnare, prO" 
cursare, provocare hostem, — disponere diem] „den Tag richtig einteilen". — 
vallare noctem] = bei Nacht sich durch Schanzen sichern, nach Kömerart? 



82 Comelii Tadti Grermania. 

inter dubia, yirtntem inter certa nnmerare, quodque rarissimum 

10 nee nisi Eomanae disciplinae concessum, plus reponere in duce 

quam in exercitu. omne robur in pedite, quem super arma fer* 

ramentis quoque et copiis onerant: alios ad proelium ire videas, 

Ghattos ad bellum. Bari excursus et fortuita pugna. Equestrinm 

sane virium id proprium, cito parare victoriam, cito cedere : velo- 

ificitas iuxta formidinem, cunctatio propior constantiae est. 

81 Et aliis Germanorum popuUs usurpatum raro et privata 

cuiusque audentia apud Chattos in consensum vertit, ut primtun 

adoleverint, crinem barbamque submittere, nee nisi hoste caeso 

exuere votivum obligatumque virtuti oris habitum. Super san- 

6guinem et spolia revelant frontem, seque tum demum pretia 

naseendi rettulisse dignosque patria ac parentibus ferunt: ignavis 

et imbellibus manet squalor. Fortissimus quisque ferreum in- 

super anulum (ignominiosum id genti) velut yinculum gestat, 



oder >=» Schanzen bei Nacht aufführen, wo man vom Feind nicht gestört werden 
kann? Wohl das erstere. 

10. concesmm] „vergönnt ist". — reponere] subjektiv: mehr Vertrauen 
setzen auf . . . ; sonst (z. B. in te repositast respubUca, Cicero) hat das Wort 
objektiven Sinn. — onme rohur in pedite] vgl. Kap. 6. — ferramentis] Eisen- 
geräte zu Erdarbeiten (Spaten, Hacken), zum Hauen von Pfählen (Beile). — 
copiis] „Mundvorrat". — excursiis] Gegensatz zu nosse, servare ordtnea, 
„Vorstöfse auf eigene Faust". Vgl. liv. VH, 9: „tum eximia corporis magni- 
tudine in vacuum pontem Gallus processit." — proprium] sc. esse, 

15. itixta] steht neben ihr, hat mit ihr Ähnlichkeit. — constcmtiae] Be- 
dächtigkeit stehe der Standhaftigkeit , der Ausdauer näher, welche sich Yon 
formido nicht erschüttern läfst. 

Kap, 81. 1. aliis] Dativ des handelnden Subjekts beim Passiv; vgl. Eap. 16 
populis. — ustirpatum] ist Subjekt („das, was bei ...") zu vn consensum vertit; 
dazu treten die Infinitive submittere und exuere als Erklärung hinzu. — in 
consensum vertit] vettere neutral =« „hat sich verwandelt in allgemeine Sitte". 
Vgl. detfimentum in bonum vertit, Cäsar. — submittere] „nach unten (sub) 
wachsen lassen". — obligatumque virtutt] „der Tapferkeit verpfändet"; die 
Tapferkeit hat dieses Aussehen des Gresichts sozusagen als Pfand, dals der Be- 
treffende ihrer nicht vergifst. 

5. pretia naseendi rett,] „den Lohn für die Greburt abtragen". — ferunt] 
„sich rühmen". — squalor] „struppiges Aussehen". — awulum] Diminutiv 
von awMM (das auch in der That ursprünglich die „Bundung", den „Bing" 
bezeichnet, die Zeit, welche sich rundet, „a bruma ad brumam'*; daher »■ 



c. 30—32. 88 

<ionec se caede hostis absolvat. Plurimis Chattorum hie placet 
habitus, iamqae canent insignes et hostibus simnl suisque mon-io 
^trati. Omnium penes hos initia pugnarum; haec prima semper 
acies, visu nova; nam ne in pace quidem cultu mitiore man- 
-suescunt. Nulli domus aut ager aut aliqua cura : prout ad quem- 
que venere, aluntnr, prodigi alieni, contemptores sui, donec ex- 
45anguis senectus tarn durae virtuti impares faciat. 15 

Proximi Chattis certum iam alveo Bhenum quique terminusSS 
esse sufficiat TJsipi ac Tencteri coliint. Tencteri super solitum 
bellorum decus equestris disciplinae arte praecellunt ; nee maior 
apud Chattos peditum laus quam Tencteris equitum. Sic insti- 
tuere maiores: posteri imitantur. Hi lusus infantium, haee iu- s 
yenum aemulatio; perseverant senes. Inter familiam et penates 



Jahr). Der King drückt hier symbolisch die gegen den Kriegsgott Ziu über- 
nommene Verpflichtung aus. — ignominiomm] sc. sonst, an sich, nicht in 
4iesem speziellen Fall. 

to. habitus] dieses Äufsere, diese Gewohnheit. — canent] vgl. canities, 
„weifs sein". — insignes] „mit diesem Abzeichen", — monstrati] „mit Staunen 
gezeigt, ein Gegenstand des Staunens". — visu nova] „wie man noch keine 
gesehen". — cultu] ist instrumental zu mansu>escunt : „nehmen ein milderes 
Aussehen an". — aliqua] man erwartet welches Indefinitum? aliqui steht 
aber immer mit besonderem Nachdruck >=> irgendeiner; deshalb ist es hier am 
Platz: sie haben lediglich für gar nichts zu sorgen. — virtuti] Heldentum. 
Bis ins Alter aber sind sie ihm treu; sie nehmen den Eing, toten einen Feind, 
legen den King ab, nehmen ihn aber sofort wieder, und so weiter bis ins Alter. 

Kap« 32, 1. proximi Chattis] westlich yon denselben, auf dem rechten 
Kheinufer. — certum iam alveo Bhenum] „der in fest umgrenztem Bette 
<iahin fliefst", im Gegensatz zu einem kleinen Wildbach, der bei jedem Platz- 
regen einen aiveus incertus hat. — sufficiat] wegen seiner Breite. — üsipt] 
auch UsipStes, wohnten von der Yssel bis zur Sieg; TenetSri von der Sieg bis 
zur Lahn. — colunt] Simplex st. des Kompos. accoltmt, nach Art der Dichter, 
die pono st. depono, linquo st relinguo u. s. w. sagen. — super . . . decus] 
•entweder im speziellen Hinblick auf germanische Verhältnisse, s. Kap. 6: plus 
penes peditem roboris; oder allgemein »■ über den gewohnten Kriegsruhm 
von Keltern hinaus, »» sie sind ganz besonders gut geschulte Keiter. — 
arte] „Kunst ritterlicher Ausbildung, Kunst in der Ausbildung der Keiter". — 
Tencteris] neben apud Chattos weshalb unsymmetrisch? 

5. inter] mit inklusivem Sinn. — familiam] vgl. Kap. 25 ■— „Gresinde". — 
CoBNSLn Taciti Germ. 3 



84 Comelii Tadti Grennania. 

et iura successionum equi traduntur: excipit filius, non ut cetera, 
maximus natu, sed prout ferox bello et melior. 

SS luxta Tencteros Bructeri olim occurrebant : nunc Chamavos 
et Angrivarios immigrasse narratur, pulsis Bructeris ac penitus 
excisis vicinarum consensu nationum, seu superbiae odio seu 
praedae dulcedine seu favore quodam erga nos deorum; nam ne 
sspectaculo quidem proelii invidere. Super sexaginta milia non 
armis telisque Bomanis, sed quod magnificentius est, oblectationi 
oculisque ceciderunt. Maneat, quaeso, duretque gentibus, si non 
amor nostri, at certe odium sui, quando urguentibus imperii fatis 
nihil iam praestare fortuna maius potest quam hostium discor- 

lodiam. 

S4 Angrivarios et Chamavos a tergo Dulgubnii et Chasuarii 
cludunt aliaeque gentes haud perinde memoratae; a fronte Frisii 
excipiunt. Maioribus minoribusque Frisiis vocabulum est ex modo 



iura 8ucce8siomim\ ,,da8 worauf das Erbrecht sich bezieht '^ — melior] „tüch- 
tige, tapfere". 

Kap« 83« 1. iuxta Tencteros] genauer Usipos, da die BructSri am Ober- 
lauf der Ems und am Teutoburger Wald safsen; in der bekannten Schlacht da- 
selbst spielten sie deshalb auch eine wichtige Eolle. — occtirrebant] „man 
stiefs auf . . .". — Chamavos] bei Hildesheim; Angrivarios oberhalb von 
Bremen. — narratur] gewöhnliche Konstruktion ? — penitus excisis] so scheint 
man anno 98, wo die Germania geschrieben wurde, in Eom angenommen zu 
haben; aber schon 15 Jahre später weifs der jüngere Plinius in seinen Briefen 
wieder von einem König der Bructerer zu melden, und der grofse griechische 
Geograph Ptolemäus (ca. 160 n. Chr.) fuhrt die Brukterer in ihren alten Sitzen 
auf. — consensu] coniuratione, societate, 

6. speciaculo] Abi. limitat. ; so sagt Tadtus sepultu/ra invidere. — oblec- 
tationi atque ocuUs] Dativ des Zwecks; Iv dvä ^votv, „zur Augenweiäe". — 
gentibus] Man erwartet ilUs gentihus; die Vielzahl der gentes steht im Gegen- 
satz zum einen imperium, — quando] temporal mit kausaler Wirkung; seit- 
dem es so steht, dafs =■ weil nun einmal. — praestare] „gewähren". — 
fortuna] Nach röm. Auffassung steht das Eeich auf den zwei Pfeilern der 
virtus populi Bomani und dessen fortuna; vidt fortuna reipublicae, sagt 
Sallust bei Entdeckung der katilinarischen Verschwörung, Catil. 41, 3. 

Kap« 84« 1. a tergo] vom Ehein aus betrachtet, also: im Osten. — Dul- 
gubnii] um Celle; Chasuarii an der Hase. — a fronte] im Nordwesten. — 
cludimt] claudunt wird im Volksmund chdwnt (Claudius, Clodius), und die» 
wird durch weitere Verdumpfung cludmU. ^ haud perinde] vgl. Kap. 5 haud 



c. 32—35. 85 

virium. TJtraeque nationes usque ad Oceanum Eheno praetexuntur 
ambiuntque immensos insuper lacus et Bomanis classibus navi- 5 
gatos. Ipsum quin etiam Oceanum illa temptavimus: et super- 
esse adhuc Herculis columnas fama vulgavit, sive adiit Hercules, 
seu quidquid ubique magnificum est, in claritatem eins referre 
consensimus. • Nee defiiit audentia Druso, Germanico : sed obstitit 
Oceanus in se simul atque in Herculem inquiri. Mox nemo 10 
temptavit, sanctiusque ac reverentius visum de actis deorum cre- 
dere quam scire. 

Hactenus in occidentem Germaniam novimus : in septentrionem 35 
ingenti flexu redit. Ac primo statim Chaucorum gens, quamquam 
incipiat a Prisiis ac partem litoris occupet, omnium quas exposui 
gentium lateribus obtenditur, donec in Chattos usque sinuetur. 
Tam immensum terrarum spatium non tenent tantum Chauci, 5 



perinde adficiuntv/r; „nicht ebenso" wie wer? — utraeqiie nationes] da in 
uterque = „jeder von beiden" ein Pluralbegriff steckt, so tritt es leicht in 
den (an sich nicht statthaften) Plural. — Eheno praeteximtw] „ziehen sich 
am Bheine hin". 

6. ambiuntque] „wohnen um". — lacus] so. war die Zuydersee bis ins 
14. Jahrh. ein Binnensee, lacus Flevo genannt. — insuper] entweder lokal: 
unermefsliche, weiter oberhalb, d. h. nach Norden gelegene Seeen, oder steigernd : 
ihr Gebiet ist wasserreich; aufser dem Ehein umschliefst es noch oben- 
drein ... — classibus] Dativ wie in Kap. 31 aliis populis, — illa] sc. re- 
gione, — temptavimus] „in die Schranken gefordert, in seiner Euhe gestört"; 
Tacitus denkt an die Entdeckungsfahrten unter Drusus und Germanikus; von 
den letzteren berichtet er Annal. I, 70. ü, 24. — Herculis] dQB Donar? Man 
denkt natürlich an eine Meerenge, parallel der von Gibraltar, also an den Sund, 
und an ein dort etwa befindliches Heiligtum des Donar. — in claritatem eius 
ref!\ „mit seinem glänzenden Namen in Verbindung bringen". — obstitit] in 
klassischer Prosa würde statt des Inf. was folgen? 

10. temptavit] Oceanum, 

Kap« 35« 1. hactenus] Der Sinn ist nicht: soweit kennen wir G. in seiner 
Ausdehnung nach Westen, aber ein Teil in dieser Eichtung ist uns unbekannt; 
vielmehr ist naturgemäfs gerade dieser Teil G. den Eömem am besten bekannt. 
Deshalb besagen die Worte etwa soviel wie: haec häbui quae de G. in occid. 
Sita encmrarem. Der Bogen entsteht durch Jütland, — Chaucorum] von der 
Ems bis zur Elbe, von der Nordsee bis zu den Chatti. — incipiat] Über den 
Modus vgl. Kap. 28 meruerint — svnuettM"] „sich im Bogen hinabziehen", an 
den Angrivarii u. s. w. vorbei. 



86 Comelii Taciti Germania. 

sed et implent, populus inter Germanos nobilissimus , quique 
magnitadinem suam malit iustitia tueri. Sine cupiditate, sine 
impotentia, quieti secretique nuUa provocant bella, nullis raptibus 
aut latrociniis populantur. Id praecipunm virtutis ac virium ar- 

logumentum est, quod, ut superiores agant, non per iniurias ad- 
sequuntur ; prompta tarnen omnibus arma ac, si res poscat, [exer- 
citus;] plurimum virorum equorumque; et quiescentibus eadem 
fama. 

8« In latere Chancorum Chattorumque Chemsci nimiam ac mar- 
centem diu pacem inlacessiti nutriemnt: idque iueundius quam 
tutins foit, quia inter impotentes et validos falso quiescas; ubi 
manu agitur, modestia ac probitas nomina superioris sunt. Ita 
5 qui olim boni aequique Cherusei, nunc inertes ac stulti vocantur : 
Chattis victoribus fortuna in sapientiam cessit. Tracti ruina Che- 
ruscorum et Fosi, contermina gens; adversarum rerum ex aequo 
socii sunt, cum in secundis minores fuissent. 

37 Eundem Germaniae sinum proximi Oceano Cimbri tenent, 
parva nunc civitas, sed gloria ingens. Yeterisque famae lata 



6. implent] Unterschied vom blofsen tenere? — iTistitid] als wodurch? — 
impotentia] bezeichnet nicht die objektive Ohnmacht, sondern die subjektive, die 
Ohnmacht des Menschen über sich selbst und seine Begierden, ,, leidenschaft- 
liche Begehrlichkeit, Zügellosigkeit", — secretique] „für sich lebend '^ sich 
nicht in die Sachen anderer mischend. 

10. agant] »> leben, dastehen. 

Kap, 36. 1. in latere] an sie angrenzend. — Cherusei] am Harz (mons 
Meltbocm). — marcentem] ma/rcens ist bald passiv (=» entkräftet), senea^ 
ma/rcentibuA annis, bald aktiv («» entkräftend), pocula ma/rcentia; was hier? — 
pacem] die letzten uns bekannten Kriege führten sie in der That schon anno 50 
n. Chr. — nutriemnt] „genährt, sich erfreut". — quam tutius] bemerke den 
Unterschied des lat Ausdrucks vom deutschen! — impotentes] vgl. das vorige 
Kapitel. — falso] „ es ist falsch zu . . .". — nomina superioris sunt] non 
quiescentes, sed superiores ita nominantur. 

5. cessit] „wurde ausgelegt als"; vgl. vertere Kap. 31. — tractt] „ver- 
wickelt"; doch wurden die Cherusker keineswegs vernichtet. — Fost] safsen 
wohl an der Fuse, einem Nebenflufs der AUer. — ex aequo] „zu gleichen 
Teilen". — minores] Sie waren nicht aequo foedere iuncti cum Cheruscis, son- 
dern ihnen unterthan gewesen. 

Kap. 37. 1. sinum] ident. mit dem Kap. 35 genannten flexus: „Ecke". — 



c. 35—37. 37 

vestigia manent, utraque ripa castra ac spatia, quorum ambitu 
nunc quoque metiaris molem manusqne gentis et tarn magni 
exitus fidem. Sescentesimum et quadragesimum annum urbs 5 
nostra agebat, cum primum Cimbrorum audita sunt anna, Cae- 
cilio Metello et Papirio Carbone consulibus. Ex quo si ad al- 
terum imperatoris Traiani consulatum computemus, ducenti ferme 
et decem anni coUiguntur: tarn diu Germania vincitur. Medio 
tam longi aevi spatio multa in vicem damna. Non Samnis, nonio 
Poeni, non Hispaniae Galliaeve, ne Parthi quidem saepius ad- 
monuere: quippe regno Arsacis acrior est Germanorum libertas. 
Quid enim aliud nobis quam caedem Crassi, amisso et ipse Pacoro, 



ripa] wessen? ist fraglich. An den Ehein kann man nach sonstigem Sprach- 
gebrauch (vgl. z. B. Kap. 17) eigentlich allein denken; dann ist aber, da die 
Cimbem nicht am Ehein, sondern jenseits der Elbe wohnten, an zwei Lager zu 
denken, welche die Cimbem auf ihrem Marsche rechts und später links vom 
Ehein schlugen, ripa lokal ohne in, wie Kap. 2 terra, — castra ac spatia] 
IV (fta «fioti/, „Lagerräume". — anibitu} AhL mensurae. — molem manusque\ 
„die wuchtigen, gewaltigen Hände", die allein imstande waren, solch riesige 
Wälle aufzufuhren. 

5. magni exitus fidem] exitus = interitus. Man zollt beim Anblick der 
castra ac spatia der Überlieferung Glauben, dafs die Cimbem ein so gewaltiges 
Volk waren, als sie untergingen. Plutarch (vita Marii 23) vergleicht die Cim- 
bem wegen der Art, wie sie einen Damm in die Etsch hineinfährten und 
den Catulus zum Abzug bewogen, mit den Giganten. — sescentesimum etc.] 
113 V. Chr. — et] sonst fehlt bei den beiden Konsulnamen regelmäfsig die 
Copula. — alterum] nicht secundum, da Trajan damals« als Tacitus diese Worte 
schrieb, noch kein 3. Konsulat bekleidet hatte, sondem im 2. stand. Gemeint 
ist das Jahr 851 p. u. c. = 98 n. Chr. ; 113 + 98 giebt eigentlich 211. — 
computemus] vgl. Kap. 11. — vincitur] ironisch, da der Sieg sich nie als 
durchschlagend erweist. — media] in dem zwischen welchen Terminen liegenden 
Zeitraum ? 

10. damna] accepta et iUata su/nt — Hispaniae Galliaeve] Plural, weü 
beide Länder in mehrere Provinzen zerfielen. — admonu>ere] an ihre Existenz 
und Tapferkeit. — Arsacis] das Partherreich, das Arsakes 256 v. Chr. grün- 
dete. — acrior] „schneidiger". — et ipse] Diese höchst auffallende Konstr, 
des Nominativs in einem Abi. absol. erklärt sich aus der Natur des letzteren; 
er vertritt ja einen Nebensatz wie cum et ipse Pacörum amiserit; vgl. Liv. 
XXI, 45, 9: „tum vero omnes, velut diis auctoribus in spem suam quisque 
acceptis, proelium poscunt." Crassus fiel bei Carrhä anno 53 v. Chr. gegen die 
Parther; deren Prinz Pakorus wurde anno 39 u. 38 von Ventidius, welcher als 
Legat unter den Auspizien des Antonius Syrien verteidigte^ üKÄÄkj^^ss^JÄS^s^, — 



88 Comelii Tadti Germania. 

infra Ventidium deiectus oriens obiecerit? at Germani Carbone et 
isCassio et Scauro Aurelio et Servilio Gaepione Gnaeoque Mallio 
fasis yel captis quinque simul consulares exercitus popiüo Ro- 
mano, Yarum trisque cum eo legiones etiam Gaesari abstiüenmt ; 
nee impune G. Marias in Italia, divus lulius in Gallia, Drusus 
ac Nero et Germanicus in suis eos sedibus perculerunt. Mox in- 
2ogentes Gai Gaesaris minae in ludibrium yersae» Inde otium, 
donec occasione discordiae nostrae et civilium armorum ex- 
pugnatis legionum hibemis etiam Gallias adfectavere; ac rursus 
inde pulsi proximis temporibus triumphati magis quam victi sunt. 
SS Nunc de Suebis dicendum est, quorum non una, ut Ghatto- 
rum Tencterorumve , gens; maiorem enim Germaniae partem ob- 
tinent, propriis adhuc nationibus nominibusque discreti, quamquam 



deiectus] „unter die Füfse des V. gebeugt", „zu Fttfsen ... liegend". — 
Carbone . . . MaUio] Feldherren , welche zwischen 113 — 105 von den Cimbem 
geschlagen wurden. 

1». simuT] d. h. in einem Krieg, dem dmbrischen. — Caesari] dem 
Augustus. Die Stelle ist sehr lehrreich, weil sie zeigt, wie sehr man sich zu 
Tacitus' Zeit an den Gedanken gewöhnt hatte, dafs die Armee dem Kaiser, 
nicht mehr dem Volke gehört. — Nero] der Bruder des Drusus, Tiberius Nero, 
der Na^difolger des Augustus. 

20. C, Caesaris] Caligulae. Er zog gegen die Germanen, liefs aber defi" 
dente belli materia, wie Sueton (vita C. Caligulae 45) erzählt, seine eigene 
germanische Leibwache über den Bhein setzen, sich verbergen und den Feind 
spielen. — discordiae] die Thronstreitigkeiten nach Neros Tod, anno 68—69 
n. Chr. — adfectavere] vgl. Kap. 3 adfectatur. Dies thaten damals die 
Bataver unter Führung des Claudius Civilis. — triumphati] triumpha/re ist 
eigentlich intransitiv; aber die Dichter und silbernen Prosaiker brauchen es 
doch persönlich im Passiv; trivmphor =■ „man triumphiert über mich"; so 
Aeneid. VI, 836: „triumphata Corintho", und Hör. Carm. HE, 3, 43 f.: „trium- 
phatisque possit Eoma ferox dare iura Medis". 

Kap. 88. 1. nwnc] von Kap. 38 — 46. — Suebis] „die Sueben sind eine 
Mittelgruppe zwischen Volksstanun (z. B. Herminonen) und Völkerschaft (z. B. 
Sugambem)"; F. Dahn. Das Zusammenhaltende besteht nach demselben For- 
scher nicht sowohl in der Verwandtschaft, obwohl auch diese bei einzelnen 
Zweigen der Suebi vorlag, sondern in der Verehrung besonderer suebischer Gott- 
heiten. Die Sueben safsen zwischen Elbe und Weichsel, zwischen Donau und 
Ostsee. — adhuc] bis auf diesen Tag sind sie noch nicht verschmolzen, obwohl 
sie unter dem Namen Suebi zusammengefafst werden, sondern sind noch nach 



c. 37—39. 89 

in commune Suebi vocetitnr. Insigne gentis obliquare crinem 
nodoque substringere : sie Suebi a ceteris Germanis, sie Sueborum 5 
ingenui a servis separantur. In aliis gentibus (seu cognatione 
aliqua Sueborum seu, quod saepe accidit, imitatione) rarum et 
intra iuventae spatium, apud Suebos usque ad canitiem, horren- 
tem capillum retro sequuntur ac saepe in ipso [solo] vertice re- 
ligant; principes et omatiorem habent. Ea cura formae, sed in-io 
noxia; neque enim ut ament amenturve, in altitudinem quandam 
et terrorem adituri bella comptius, ut hostium oculis, omantur. 
Yetustissimos se nobilissimosque Sueborum Semnones memo- 89 



besonderen Stämmen und Namen geschieden. — insigne] andere Merkmale in 
Kap. 43. — obliquare] „gegen den Strich kämmen". 

5. nodoque suibstringere] „in einem Knoten zusanunenbinden". — rarum 
et intra iuventae spatium] zur Konstr. vgl. usvtrpatum Kap. 31; hier aber 
sind die Worte wohl Apposition zu sequuntur: „was selten ist bei ... und 
nur in der Jugend vorkommt, bei den S. aber bis ins Greisenalter: sie streichen 
das . . . Haar zurück." Man könnte freilich auch zu usque ad canitiem etwa 
fit ergänzen und interpungieren : ad ca/nitiem: horrentem capiUum retro se- 
guuntur, — retro sequtmtur] „sie folgen dem Haar (sc. pectine, mit dem 
Kamm) nach rückwärts, streichen es rückwärts" u. s. w. Man ist nicht recht 
klar, ob Tacitus das obliqiuMre crinem durch retro sequuntur und das nodo 
substringere durch in vertice reUgant noch näher erläutert, oder ob er neben 
der allgemeinen Sitte das obliquare nodoque substringere noch eine zwar auch 
suebische, aber doch nicht allgemeine, sondern mehr vereinzelte Haartracht 
mit retro sequi und i/n vertice religare schildern will. Das saepe scheint für 
letztere Auffassung zu sprechen; dann trugen aber offenbar die, welche das 
Haar von der Stirn an aufwärts kämmten und es auf dem Scheitel zu- 
sammenbanden, es etwas anders als die, welche es seitwärts, nach den 
Schläfen zu, kämmten und dort im Ejioten festbanden, i^tsigne genti war dann 
nicht eigentlich obliquare crinem, sondern das Zusammenbinden der Haare. — 
in ipso [solo] vertice] solo, das man nur =» calvo fassen könnte, ist unecht. 

10. omatioreni] capillum, eine noch künstlichere Haartracht. — in altitur 
dinem etc.] Konstr. : neque . . . amenturve, sondern adituri beUa comptius ut 
hostium oculis omantur in altitudinem quandam et terrorem; d. h. „wenn 
sie in den Krieg ziehen, so schmücken sie sich so, dafs ihr Haar schrecken- 
erregend hoch sich auftürmt, in künstlicherer Weise, da sie auf die Augen des 
Feindes wirken (d. h. ihm Schrecken einjagen) wollen". Aus dieser Stelle fallt 
etwas licht noch auf den capillus omatior der principes, welcher ornatior 
war nur apud principes bellum adituros, 

Kap. 39. 1 . nobilissimosque] propter vetustatem, — Semnones] zwischen 
Elbe und Oder, in der späteren Mark Brandenburg. "K^^&^Osi. ^ssl^^^» t». -^^«-- 



40 Comelii Taciti Germania. 

rant : fides antiquitatis religione firmatur. Stato tempore in silyam 
auguriis patnun et prisca formidine sacram omnes eiusdem san- 
guinis populi legationibus coeunt caesoque publice homine cele- 
5brant barbari ritus horrenda primordia. Est et alia luco reve^- 
rentia: nemo nisi vinculo ligatus ingreditur, ut minor et potesta- 
tem numinis prae se ferens. Si forte prolapsus est, attolli et 
insurgere haud licitum: per humum evolvuntur. Eoque omnis^ 
superstitio respicit, tamquam inde initia gentis, ibi regnator om- 

lonium deus, cetera subiecta atque parentia. Adicit auctoritatem 
fortuna Senmonum: centum pagis habitant, magnoque corpore 
efficitur ut se Sueborum caput credant. 

40 Contra Langobardos paucitas nobilitat: plurimis ac valentis* 
simis nationibus cincti non per obsequium, sed proeliis et peri- 
clitando tuti sunt. Beudigni deinde et Aviones et Anglii et 



wechseln mit den gallischen Sen5nes! — süvam] der natürlich auch im Grebiet» 
der Semnonen, also jenseits der Elbe, zu suchen ist. — auguriis patrum] 
„Vorzeichen, welche den Vätern geworden sind". Die Worte attgiMriis ..» 
aacram bilden einen (natürlich nicht beabsichtigten) Hexameter. — eittsdeuv 
sanguinis] in Tacitus' Sinne ohne Zweifel alle Sueben, welche damit die Sem- 
nonen als ihren ältesten Stamm anerkennen, als den, welcher dieser uf^qixTvovia 
präsidiert. — legationibus] Abi. instr. 

5. primordia] „Uranfang eines , . . Brauches"; darin liegt, dafs vor langen 
Zeiten diese Feier so gestiftet ist, wie sie noch begangen wird. Andere fassen 
das Wort ■» initia, d. i. Einweihung in geheime Beligionsbräuche , bezw. diese 
geheimen Bräuche selbst. — ut minor] sc. deo, numine. — prae se ferens"] 
„lautes Zeugnis ablegend für". — attolli] medial, avCaxaad^ai. — evolvuntwr] 
medial; „müssen sie sich . . .". — superstitio] nicht blofs = verwerflicher 
„Aberglaube", sondern auch ein den Bömem auffallender Zug des Kultus, „son- 
derbarer Brauch". Das Wort (von super u. stare) bedeutete ursprünglich: das 
über etwas Unerwartetem stehen bleiben, betroffensein. — inde] ex silva Sacra, 

10. deus] sc. Sit; der Satz cetera ... parentia ist adversativ zum Vor- 
angehenden; man kann esse oder sint ergänzen. — habitant] mit Abi., der 
instrumental oder lokal sein kann (centum pagis j= utraque ripa Kap. 37). — 
corpore] „Umfang". 

Kap* 40* 1. Langobardos] an der unteren Elbe, nordwestlich von den 
Semnones. — periclitando] =« pericula non timendo, pericula impigre 
suibeundo. Das Wort hat mehr Subjektives in sich als Objektives. Vgl. 
Velleius Paterculus 11 , 106, 2: „Langobardi, gens etiam Germana feritate 
ferocior." — deinde] nach Norden und Osten. Die Beudigni saTsen bei Ham- 
burg, die Aviones auf Sylt und den andern Inaeln an der Westküste der 



c. 39-41. 41 

Varini et Eudoses et Suardones et Nuithones fluminibus aut silvis 
maniuntur. Nee qaidquam notabile in singulis, nisi quod in com- 5 
mune Nerthum, id est Terram matrem, colunt eamque intervenire 
rebus hominum, invehi populis arbitrantnr. Est in insnla Oceani 
castum nemus, dicatumque in eo vehiculum, veste contectum; at- 
tingere uni sacerdoti concessum. Is adesse penetrali deam in- 
tellegit vectamque bubus feminis multa cum veneratione pro-ia 
sequitur. Laeti tunc dies, festa loca, quaecumque adventu hospi- 
tioque dignatur. Non bella ineunt, non arma sumunt; clausum 
omne ferrum; pax et quies tunc tantum nota, tunc tantum 
amata, donec idem sacerdos satiatam conversatione mortalium 
deam templo reddat. Mox vehiculum et vestes et, si credereis 
yelis, numen ipsum secreto lacu abluitur. Servi ministrant, quos 
statim idem lacus haurit. Arcanus hinc terror sanctaque igno- 
rantia, quid sit illud, quod tantum perituri vident. 

Et haec quidem pars Sueborum in secretiora Germaniae por-41 
rigitur: propior, ut quo modo paulo ante Rhenum, sie nunc Da- 
nuvium sequar, Hermundurorum civitas, fida Romanis ; eoque solis 



„Chersonesus Cimbrica", die Anglii in Ost -Schleswig, die Varini wohl in 
Mecklenbuig , die Eudoses in Jütland, die Suardones in Lauenbiirg; die Sitze 
der Nuithones oder Nuitones lassen sich nicht feststellen. 

6. in commune'] vgl. Kap. 38 in commune vocari, — id est] natürlich 
nach röm. Umdeutung, wie sie auch in Kap. 9 geübt ist. — intervenire rebus 
hominum] kann nicht = eingreifen in die menschlichen Greschicke sein, denn 
dies thun alle Götter; sondern es ist gleichbedeutend mit invehi populis =« 
sich unter die Arbeit, das Treiben der Menschen mischen. — populis] von 
invehi attrahiert; = in populos, — insulä] Fehmam? Alsen? Auch Helgo- 
land ist nicht auszuschliefsen, da von den genannten sieben Nerthus-Yölkem 
mehrere an die Nordsee grenzten. — veste] Grewänder, Teppiche. — penetrali] 
im heiligen Wagen; 'Abi. loci. 

10. vectam] Man erwartet welches Partizip? — festa] „im Festschmuck". — 
adventu Jwspitioque] =» „mit ihrem gastlichen Besuch". — non heUa ineunt] Es 
herrscht ixixeiQ^a („ Gottesfriede") wie bei den Hellenen während der olymp. Spiele. 

15. templo] templum ist jede geweihte Stätte, nicht blofs ein Gt)tteshaus 
aus Stein; hier der heilige Hain. — numen ipsum] nicht blofs etwa ihr Bild. — 
ministrant] „ müssen (dem Priester) helfen ". — sanctaque] „ fromm, ehrfürchtig ". — 
perituri] niemand als wer dem Tod verfallen ist; Tacitus sieht vom Priester ab. 

Kap. 41. 1. in secretiora Germaniae] =* in secretiores G, partes. — 
Hermundurorum] von der Werra bis zur Elbe, dia »a TÄs&^'^^'siSÄ^'^^iÄ'QSssÄ 



42 Comelii Tadti Germania. 

« 

Germanorum non in ripa commercium, sed penitus atqne in 
6 splendidissima ßaetiae provinciae colonia. Passim et sine custode 
transeunt; et com ceteris gentibus arma modo castraque nostra 
ostendamns, Ms domos villasque patefecimus non concupiscentibus. 
In Hermunduris Albis oritur, flumen inclutum et notom olim; 
nunc tantum auditur. 
42 luxta Hermunduros Yaristi ac deinde Marcomani et Quadi 
agunt. Fraecipua Marcomanorum gloria viresque, atque ipsa 
etiam sedes pulsis olim Boiis virtute parta. Nee Yaristi Quadive 
degenerant. Eaque Germaniae yelut frons est, quatenus Danuyio 
5 praecingitur. Marcomanis Quadisque usque ad nostram memoriam 
reges manserunt ex gente ipsorum, nobile Marobodui et Tudri 
genus: iam et externes patiuntur, sed vis et potentia regibus ex 
auctoritate Bomana. Baro armis nostris, saepius pecunia iuyantur, 
nee minus yalent. 



n, 106, 2 von den Semnones trennte. — non in ripa] = non solum in ripa; 
natürlich wurde auch am Donauufer mit den H. Handel getriehen, aher nicht 
hlofs hier. — atque] „und zwar". 

6. colonia] in Augusta Vindelicorum (Augshurg). — sine custode] Sonst 
durften Barbaren nicht ohne Eskorte ins Beich herein. — ostendamus] im 
Gegensatz zu patefecimus, selbst unsere Waffen bekommen sie nur von weitem 
zu sehen. — AWis oritur] da die H. in diesem Fall auch den Nordosten von 
Böhmen inne gehabt hätten, wo die Marcomani safsen, so ist die Annahme 
gerechtfertigt, dafs hier der Ursprung der Saale mit dem der Elbe verwechselt 
ist. — notum] so war Drusus (9 v. Chr.) und später (5 n. Chr.) Tiberius mit 
einem Heere „ad quadringentesimum miliarium a Bheno usque ad flumen Albim" 
vorgedrungen, Velleius H, 106, 2 ; L. Domitius hat sogar die Elbe überschritten. 

Kap. 42. 1. Varisti] vom Fichtelgebirge bis zur Donau. — deinde] ost- 
wärts. — Marcomani] in Böhmen, Quadi in Süd-Mähren. — vireaque] Ihr 
König Maroboduus, welcher das Volk um Christi Oeburt aus Mittelfranken nach 
Boihaemum (Kap. 28) führte, verfügte auf dem Höhepunkt seiner Macht über 
74000 römisch geschulte Krieger. — degenerant] „aus der Art schlagen"; 
a genere Sueborum, zu denen auch die Marcomam' gehörten. — velut frons] 
„Stirnseite", von Rom aus angesehen. 

6. iam] jetzt, in der allemeusten Zeit. — ex auctoritate] bezeichnet die 
Quelle ihrer Macht. — iuvantur] nämlich auch die Könige ,• welche von Rom 
eingesetzt und durch Jahrgelder unterstützt wurden; daraus entsteht eine Art 
von Abhängigkeit, durch welche auch z. B. England indische Fürsten an sich 
kettet. — nee minus vaUnt] näml. quam si armis a nobis iuvarentur. 



. • ^ c. 41—43. 48 

Retro Marsigni, Cotini, Osi, Buri terga Marcomanorum Qua- 48 
dorumque claudunt. E quibus Marsigni et Buri sermone cultu- 
que Suebos refefunt: Cotinos Gallica, Osos Pannonica lingua 
coarguit non esse Germanos, et quod tributa patiuntur. Partem 
tributorum Sarmatae, partelu Quadi ut alienigenis imponunt: 5 
Ootini, quo magis pudeat, et ferrum effodiunt. Omnesque hi po- 
puli pauca campestrium , ceterum saltus et vertices montium iu- 
gumque insederunt. Dirimit enim scinditque Suebiam continuum 
montium iugum, ultra quod plurimae gentes4tgunt, ex quibus latissime 
patet Lugiorum nomen in plures civitates diffusum. Yalentissimas lo 
nominasse sufficiet, Harios, Helvaeonas, Manimos, Helisios, Naha- 
narvalos. Apud Kahanarvalos antiquae religionis lucus ostenditur. 
Praesidet sacerdos muliebri omatu, sed deos interpretatione Ro- 
mana Castorem Pollucemque memorant. Ea vis numini, nomen 
Alois. KuUa simulacra, nuUum peregrinae superstitionis yesti- 16 
gium; ut fratres tamen, ut iuvenes venerantur. Ceterum Harii 
super vires, quibus enumeratos paulo ante populos anteeedunt, 
truces insitae feritati arte ac tempore lenocinantur : nigra seuta, 

Kap. 43. 1. retro] von Rom aus angesehen, also im Norden der Marko- 
manen und Quaden. — Marsigni . . . Buri] in Nord-Mahren und Schlesien. — 
cultuque] Tracht und Lebensweise. — refertdnt] „geben sie wieder", d. h. sie 
^d nach . . . ganze Sueben. — Osos Pannonica] vgl. zu Kap. 28. 

6. Sarmatae] die Slaven und Mongolen in Osteuropa; s. zu Kap. 1. — 
^t (üienigenis] ut kausal wie Kap. 22 u. 39. — quo . . . pudeat] tributorwn; 
<der Satz ist konsekutiv in finalem Gewände; „sich schämen müssen". — 
ferrum] Inwiefern ist dies eine Schande? Vgl. dazu Kap. 6 init — campe- 
^triuni] sc. locoTum\ gemeint ist die nordeuropäische Tiefebene. — iugwmque] 
.„ einen Höhenzug ". — continwum . . . iugum] von den Sudeten bis nach Magde- 
burg hin. 

10. Lugiorufn] in Posen und Polen. — praesidet] der Priester ist antistes, 
Yorsteher des lucus, — mfuliebri omatu] wird nur auf die Haartracht zu be- 
ziehen sein. — numint] Singular, obwohl von zwei Göttern geredet wird; Älcis 
mulÜs Dativ Pluralis sein, vom Nominativ Älci oder AUae; sonst verbindet 
Tadtus freilich nomen est c. gen, oder nommat. 

16. nulla simulacra] die nach Kap. 9 auch vestigia peregrinae super- 
stitionis wären. — ut fratres tamen, ut iuvenes] dies allein könnte wegen der 
Analogie mit Ka^r und Pollux den Gedanken an fremden Ursprung nahe 
l^en. — super vires] noch über ihre Kräfte hinaus = sie lassen sich an 
diesen nicht genügen. — enumeratos] die Zweige des Lugierstamms. — 
'ttrte] Gegensatz zur insita feritas, — lenocincmtwcX ^^tÄsMs^sä&s^^'' . — 



44 Comelii Tadti Germania. 

tincta Corpora; atras ad proelia noctes legnnt ipsaqne formidine 
2oatqne umbra feralis exercitus terrorem mfernnt, nullo hostinm 

sustinente noYüin ac velut infemum adspectum; nam primi in 

Omnibus proeliis oculi vincuntur. 

Trans Lugios Gotones regnantar, paulo iam adductius quam 

ceterae Germanorum gentes, nondum tamen supra libertatem* 
25Frotinus deinde ab Oceano Bugii et Lemovii; omniumque harum 

gentium insigne rotunda scuta, breves gladii et erga reges ob- 

sequium. 
44 Suionum hinc civitates, ipso in Oceano, praeter viros armaque 

classibus valent. Forma navium eo dififert, quod utrimque prora 

paratam semper appulsui frontem agit. Nee velis ministrant 

nee remos in ordinem lateribus adiungunt: solutum, ut in qui- 
sbusdam fluminum, et mutabile, ut res poscit, hinc vel illinc re- 

migium. Est apud illos et opibus bonos, eoque unus imperitat,. 



tincta] nicht ^s tätowiert, was notis conpimcttis, virgatus ist, sondern 
BS bemalt. — noctes] Damit ist tempore lenocinari erklärt. 

20. feralis exercitus] scheint auf formidine atque zmbra bezogen werden 
zu müssen : durch das Grausen und das Spukartige (umbra) des höllischen Heers 
(feralis verwandt mit infernus, inferi); andere machen es von terrorem al» 
Gen. obiect. abhängig. — nuilo Tiostium] nuUo mit Gen. Part, ist in goldener 
Prosa nicht üblich. — Getönes] zu Tacitus' Zeit an der Weichselmündung in 
Preulsen; seit etwa 200 n. Chr. am Schwarzen Meere. — regnantur] „stehen 
unter königlichem Begiment"; die Konstruktion ist dichterisch wie triumphati 
Kap. 37. — adductius] „stranuner". — supra libertatem] supra „über etwas 
hinaus" = «gegen etwas". 

25. protiniM] „sofort darauf vom Ozean weg" >=> „unmittelbar neben den 
Goten und hart am Ozean"; westlich von den Goten, in Pommern. — omnium-' 
gue] wohl blofs der Grotones, Bugii, Lemovii, nicht aller Kap. 43 genannter. 

Kap* 44« 1. Suionum] die Schweden. — hinc] ab Oceano gerechnet, von 
der Südküste der Ostsee. — ipso in Oceano] Gegens. zu den Bttgii et Lemovii, 
welche am Ozean wohnen. — guod utrimgue] An diesen Schiffen gab es tech- 
nisch genommen keine puppis, kein (zum Landen nicht geschicktes) Hinterteil, 
sondern vom und hinten (utrimgue) eine prora, welche eine inuner zum Landen 
fertige Front hat — ministrant] naves, — in ordinem adiungunt] Subj. 
Suiones; sie befestigen nicht Buder an den Borden der Schiffe in der herkönmoi- 
liehen Ordnung, sondern das Buderwerk ist frei und veränderlich. 

6. fluminum] auffallend statt flumimbus, wenn nicht etwa navibw zu er- 
gänzen ist. — opibus] „Geld"; vgl. Kap. 5 das Allgemeine über diesen Punkt — 
eogue] Was für einen Grund Tadtus meint, lä£st sich auch aus Kap. 5 schlielsen; 



c. 43—45. 45 

nullis lam exceptionibus , non precario iure parendi. Nee arina 
at apud ceteros Germanos, in promiscuo, sed clausa sub custode 
et quidem servo, quia subitos hostium incursus prohibet Oceanus, 
otiosae porro armatorum manus facile lasciviunt: enimvero neque lo 
nobüem neque ingenuum, ne übertinum quidem armis praeponere 
xegia utilitas est. 

Trans Suionas aliud mare, pigrum ac prope immotum, quo 45 
€ingi cludique terrarum orbem hinc fides, quod extremus cadentis 
iam solis falgor in ortum edurat adeo clarus, ut sidera hebetet; 
sonum insuper emergentis audiri formasque equorum et radios 
capitis adspici persuasio adicit. Illuc usque, et fama yera, tantum s 
natura. Ergo iam dextro Suebici maris litore Aestiorum gentes 

Gold und Silber haben einen sehr zweifelhaften Wert in seinen Augen, sie er- 
sticken die edleren Triebe der Natur des Menschen durch Entzündung der Hab- 
sucht; des Geldes wegen läfst man sich sogar einen Herrn gefallen, einen im- 
peritans, welcher den Gehorsam bezahlt. — precario] iu8 precarium ist das 
Eecht, welches auf Bitten, preces, beruht, erbettelt ist, also gar kein eigent- 
liches Eecht ist: „fragliches Eecht auf Grehorsam". — in pramiaciw] „in all- 
gemeinem Besitz". 

10. lasciviunt] mülÜsige Hände Bewaffneter stiften leicht Unheil; d. h. sie 
richten sich leicht gegen den imperitans selbst. — enimvero] enim erklärt das 
Wort servo, und vero kündigt einen Gegensatz an; eigentl. „aber einen Adeligen 
nämlich". — regia utüitas] «= regi utile est, 

Kap, 45« 1. trans Suionas] eine Aocusativform, welche eigentl. nur bei 
griech. Wörtern statthaft ist, aber schon in goldener Prosa bei allen aus- 
ländischen Namen vorkommt. Mit trans deutet Tacitus auf den höchsten 
Norden. — aliud] als das gewöhnliche, als der Ooeanus. — pigrum ac prope 
immotum] eine Sage, welche der Seefahrer Pytheas aus Massalia (der zur Zeit 
der Schlacht von Chaironeia lebte) aufbrachte; er nennt das Meer d-dlaaaa 
7i€nrjyvta xal vixQi^, was Flinius der Ältere mit mare concretum übersetzt. 
Man wird darin eine Ahnung vom Vorhandensein des Eismeeres erkennen 
müssen. — in ortum edurat] „bis zum Wiederaufgang vorhält"; dies ist frei- 
lich nicht immer, sondern nur um die Zeit des Sommersolstitiums der Fall. — 
emergentis] e mari solis. 

ft. persuasio] die allgemeine Überzeugung, der Volksglaube. — ergo] weil 
trans Suionas alles aus ist, kehre ich zum dextrum litus Suebici maris • 
(=> Ostsee) zurück; dextro von den Bugii et Lemovü aus gesehen, von welchen 
aus Tacitus zu den Suionen übersprang. — Äestiortmi] Ostiaeer bei Pytheas ; sie 
sind keine Germanen mehr, sondern „gehören zum litauischen Stamm und sind 
die Urväter der Prussi, der eigentlichsten Preufsen". Baumstark. Noch lebt 



46 Comelii Taciti Gennania. 

adluTintur, quibus ritus habitusque Sueborum; lingua Britannicae 
propior. Matrem denm yenerantur. Insigne superstitionis formas 
aprorum gestant: id pro armis omnique tutela securom deae 

locultorem etiam inter hostis praestat. Barus ferri, frequens fastimn 
usus. Frumenta ceterosque fructus patientius quam pro solita 
Germanorum inertia laborant. Sed et mare scrutantur, ac soli 
omnium sucinum, quod ipsi glaesum yocant, inter vada atque in 
ipso litore legunt. Nee quae natura quaeve ratio gignat, ut bar- 

i5baris, quaesitum coinpertumye ; diu quin etiam inter cetera eiecta- 
menta maris iacebat, donec luxuria nostra dedit nomen. Ipsis in 
nuUo usu: rüde legitur, informe perfertur, pretiumque mirantes 
accipiunt. Sucum tamen arborum esse intellegas, quia terrena 
quaedam atque etiam yolucria animalia plerumque interlucent^ 

20 quae implicata umore mox durescente materia cluduntur. Fe- 
Gundiora igitur nemora lucosque, sicut orientis secretis, ubi tura 
balsamaque sudantur, ita occidentis insulis terrisque inesse credi- 
derim, sucinaque solis radiis expressa atque liquentia in proximum 
mare labuntur ac yi tempestatum in adyersa litora exundant. Si 

26 naturam sucini admoto igni temptes, in modum taedae acqenditur 
alitque flammam pinguem et olentem ; mox ut in picem resinamye 
lentescit. 



ihr Name in Esthland fort, dessen jetzt so genannte Bewohner, die Esthen, 
aber keine Litauer, sondern Finnen sind. — Britatmiccui] eine Täuschung natür- 
lich, da sie Litauisch sprachen. — detm\ «» deorum. — formas aprorum] 
„Eberbilder '^, Amulete aus Thon, Holz oder Metall. 

10. praeatat] „macht ihn sicher, sichert ihn". — inertia] vgl. Kap. 15. — 
laborant] mit Accus, ungewöhnlich (st. in aliqua re) „bauen". — glaesum] 
unser „Glas". — natura] welche Naturkraft, ratio, welche Art und Weise 
des Entstehens ihn heryorbringt ; man kann zu ratio entweder gignat oder 8it 
ergänzen. — harbaris] Dativ wie Kap. 3. 16. 31. 34. 

15. nomen] nämlich sucinum; vorher hatte der Stoff gar keinen Namoi; 
unter diesem wurde er berühmt. — perfertiMr] besonders nach Pannonien, von 
da auch zu den Venetem. — tamen] obwohl die Barbaren darüber nichts er- 
forscht haben, steht dies doch fest. 

20. implicata umore] „in der flüssigen Masse hängen bleiben". — secretis] 
von secreta sc. loca, „geheimnisvolle Lande". Auch in Indien wurde Bern- 
stein gefunden. 

25. natu/ram su^cini] seine Beschaffenheit. — accenditur] „fängt er 
Feuer" wie Kienholz. — pinguem] qualmig. — lentescit] klebrig werden. — 



c. 45. 46. 47 

Suionibus Sitonum gentes continuantur. Cetera similes uno 
diffenmt quod femina dominatur : in tantuin«non modo a libertate, 
sed etiam a. Servitute degerierant. so 

Hie Suebiae finis. Peucinorum Venedorumqtie et Feimoruin 4G 
nationes Germanis an Sarmatis adscribam dubito, quamquam 
Peucini, qnos quidam Bastarnas vocant, siermone cultu, sede ac 
domiciliis ut Germani agunt. Sordes omnium ac torpor; ora proce- 
mm conubiis mixtis nonniMl in Sarmatamm habitum foedantur. & 
Venedi mnltum ex moribus traxemnt; nam quidquid inter Peu- 
cinos Fennosque silvarum ac montium erigitur latrociniis perer- 
rant. Hi tarnen inter Germanos pötius referuntur, quia et domos 
figunt et scuta gestant et pedum usu ac pernicitate gaudent : quae 
omnia diversa Sarmatis sunt in plaustro equoque viventibus. lo 
Fennis mira feritas, foeda paupertas: non arma, non equi, non 
penates; victui herba, vestitui pelles, cubile humus: solae in sa- 
gittis spes, quas inopia ferri ossibus asperant. Idemque yenatus 



Sitonum] diese können nur östlich von den Suiones gesucht werd^, in Lapp- 
land und Finnland. 

30. degener ant] vgl. Kap. 42. Auch andere barbarische Völker liefsen sich 
indessen Königinnen gefallen; man denke an die Tomyris der Massageten, die 
Artemisia der Karer. 

Kap* 46* 1. Peucinorum] vom Donaudelta bis zum Tyras (Dniester); von 
den Griechen KeXroaxvd-ac genannt. — Venedorumque] „Wenden"; die slawi- 
schen Stämme vom rechten Ufer der mittleren Weichsel bis zur Wolga. — 
Fennorum] die Finnen, nördl. von den Ästiem und Wenden. — Baatamaa] 
als solche erwähnt sie livius anläfslich der römisch-makedonischen Kriege. — 
sordes] „Dürftigkeit". — torpor] vgl. Kap. 14 otio torpere. 

5. conuibiis] würde am Ende auch allein ohne mixtis genügen; Tacitus will 
aber das Wechsel Verhältnis bei den conubia scharf betonen; man heiratete 
hinüber und herüber. — habitum] „so dafs sie den Eindruck von S. machen". — 
multum ex moribus] sc. Scmnatarum, multum steigert den Begriff von non^ 
nihil. — domos figunt] „feste Häuser bauen". 

10. foeda] „grauenerregend"; foedus wirkt immer auf den Gesichtsinn; 
Sallust schreibt dem Catilina foedi oculi zu. — non penates] Gegensatz zum 
domus figere. — victui Jierba] da damit solae in sagittis spes und venatus 
absolut nicht stimmt, so hat man statt herba die Lesart ferina, „Wildfleisch", 
vorgeschlagen, wofür Tadt. Kap. 23 fera sagt. — cubile] Wechsel der Kon- 
struktion! — ossibus asperant] „mit Knochen hart machen" = „aus harten 
Knochen verfertigen". 



48 Comelii Taciti Germania, c. 46. 

viros pariter ac feminas alit; passim enim comitantur partemque 
ispraedae petunt. Kec aliud infantibus ferarum imbriumqne snffa- 
gium quam ut in aliquo ramorum nexu contegantur : huc redeont 
iuvenes, hoc senum receptaculum. Sed beatius arbitrantur quam 
ingemere agris, inlaborare domibus, suas alienasque fortunas spe 
metuque versare: securi adversus homines, securi adversus deos 
20 rem difficillimam adsecuti sunt, ut illis ne voto quidem opus 
esset. Cetera iam fabulosa: Hellusios et Oxionas ora hominum 
Yultusque, corpora atque artus ferarum gerere: quod ego ut in- 
compertum in medium relinquam. 



16. petimt] =» „in Anspruch nehmen ^^ — ramorum nexu] Zweiggeflecht, 
Hütte aas Zweigen oder Eeisig. — agris] Dativ, regiert von ingemere, „sich 
abquälen auf ...*'. — inlahorare domibus] „am Bau von Häusern sich ab- 
arbeiten". — vereare] „umzutreiben", in Handel und Wandel; das Wort hat 
den Nebenbegriff des Buhelosen; me versant in litore venti läfst Yergil den 
Palinurus sagen, Aen. YI, 362. — homines] die einem so armen Volke nicht 
nachstellen. — deoa] von dßnm sie nichts erbitten, deren (pd-ovos sie auch 
nicht reizen. 

20. Ulis] lebhafter hinzeigend auf jenes geographisch wie innerlich den 
Römern so ferne Volk als iia, — iam] schon ganz fabelhaft. — vulttM] Auge. — 
gerere] vgl. die Kentauren der griechischen Sage. — in medium] der Casus 
liefse eher proferam statt relinquam erwarten; »> „will ich nur angeregt, 
nicht entschieden haben". 



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Draek ron Friedr. Andr. Perthes in Qoth». 



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