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Full text of "Der"akademische Nachwuchs": Eine Untersuchung über die Lage und die Aufgaben ..."

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DER 

»AKADEMISCHE NACHWUCHS« 



EINE UNTERSUCHUNG 
OBER DIE LAGE UND DIE AUFGABEN DER 
EXTRAORDINARIEN UND PRIVATDOZENTEN 

VON 

FRANZ EULENBURG 



1908 

LEIPZIG UND BERLIN 

DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER 



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ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DBS OBERSETZUNQSRECHTS, VORBEHALTEN. 



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MEINEN DEUTSCHEN KOLLEGEN 

GEWIDMET 



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VORWORT 

Der Titel der Schrift, der ja mißverständlich aufgefaßt werden 
kann, findet seine Erklärung in der Entstehung der Arbeit. Im April 
vorigen Jahres erging seitens des vorbereitenden Ausschusses für 
den 1. Hochschullehrertag die Aufforderung an mich, über „die Frage 
des akademischen Nachwuchses^' ein Referat auf der Salzburger 
Tagung zu übernehmen. Irgendeine nähere Bestimmung war nicht 
angegeben. Um die nötigen Unterlagen für eine fruchtbare Erörte- 
rung zu gewinnen, entschloß ich mich darum, unter allen Extra- 
ordinarien und Privatdozenten der deutschen und öster- 
reichischen Universitäten eine Umfrage zu veranstalten. Das Unter- 
nehmen ist im ganzen geglückt, wenn es auch an Mißverständnissen 
und Übelwollen nicht völlig gefehlt hat. Das Ergebnis der Bear- 
beitung, das die Grundlage des Salzburger Referates bildete, liegt 
nunmehr in dieser Untersuchung vor. Wenn es sich auch vielfach 
gar nicht mehr um „Nachwuchs'^ im eigentlichen Sinne handelt, so 
ist doch der Titel beibehalten worden, weil er sich nun einmal ein- 
gebürgert hat und ein kurzer besserer für den Kreis der Personen, 
der getroffen werden sollte, nicht finden ließ. 

Warum es leugnen: ich bin mit wesentlich anderen Vorstel- 
lungen an die Arbeit herangetreten als die späteren Ergebnisse 
zeigten. Daß es sich auch hier um „Fragen" handelt, wird wohl 
erst durch diese Darlegungen überall zum deutlichen Bewußtsein ge- 
langen. Darum aber gerade erscheint mir der Gegenstand einer 
wissenschaftlichen Untersuchung wert. Wenn die Sozialwissenschaft 
so viele Berufe in den Kreis ihrer Erörterung zieht - warum dann 
nicht auch einmal die akademischen Lehrer? Allerdings wäre es 
erwünscht gewesen, daß auch die Ordinarien selbst in die Umfrage 
mit einbezogen wären; ebenso verdienten die akademischen Lehrer 
der schweizerischen Universitäten und der Polytechniken, die hier 
leider ganz ausfallen mußten, Berücksichtigung. Aber mir standen 
nur sehr beschränkte private Mittel zur Verfügung, die eine weitere 



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VI Vorwort 

Ausdehnung der Arbeit nicht gestatteten. Die Kosten hat zum Teil 
die „Vereinigung österreichischer Hochschuldozenten", der Mün- 
chener Dozentenverein, sowie die Verlagsbuchhandlung getragen. 

Die Arbeit beschränkt sich im wesentlichen auf die Beschreibung 
der Tatsachen und auf den Versuch ihrer Erklärung. Sache späterer 
Überlegungen wird es sein müssen, daraus Schlüsse praktischer 
Art zu ziehen; das ist hier mit Absicht vermieden worden, so nahe 
es vielleicht auch gelegen hätte. Es war andrerseits auch ganz un- 
möglich, alle Einzelheiten vorzuführen oder auch nur die ausführ- 
lichen Tabellen zu veröffentlichen: der Umfang der Schrift wäre dann 
mindestens noch einmal so groß geworden. So habe ich mich da- 
mit begnügt, ein Gesamtbild der Verhältnisse zu geben, obwohl 
ich mir natürlich sehr wohl bewußt bin, daß in den einzelnen Fächern 
die Dinge oft verschieden liegen: daß Physiologie und Kinderkrank- 
heiten, Mathematik und Zoologie, Nationalökonomie und Sprach- 
wissenschaft unter ganz verschiedenen Bedingungen stehen und daß 
darum auch die Verhältnisse der Universitätslehrer wie des „Nach- 
wuchses" nicht die gleichen sind, wenn sie auch derselben Fakultät 
angehören. Um jedoch für künftige Untersuchungen das sehr wert- 
volle Material der Umfrage nicht verloren gehen zu lassen, sind die 
rund 2200 ausgefüllten Personalkarten sowie die daraus hergestellten 
ausführlichen Urtabellen der Universitätsbibliothek in Leipzig 
überwiesen. Dort steht das Material in der Handschriftenabteilung 
als Nr. 0714 zur wissenschaftlichen Benutzung unter den üblichen 
Bedingungen frei. Wenn mir auch aus langjähriger Beschäftigung 
mit den Universitäten deren Verhältnisse hinreichend vertraut sind, 
so bleiben doch natürlich Irrtümer im einzelnen nicht ausgeschlossen. 
Die Grundlage der Untersuchung bildet zudem in der Hauptsache 
privates Material, das ebenfalls mit Mängeln behaftet ist. Ich denke 
aber in der Behandlung so vorsichtig verfahren zu sein, daß da- 
durch zum mindesten das Gesamtbild nicht beeinflußt wird und daß 
die Schlüsse durchgehends der soliden Unteriage nicht entbehren 
— salvo errore et amissione. 

Wenn die Schrift auch in erster Linie nur der Erkenntnis dienen 
will, so soll damit nicht gesagt sein, daß sie nicht für praktische 
Zwecke fruchtbar gemacht werden könne. Spontan hat sich allent- 
halben das Bedürfnis nach einer Änderung des heutigen Zustandes 
und nach einer Verbesserung in der Lage des „akademischen Nach- 
wuchses" herausgestellt. Die preußischen Kollegen wie die mittel- 



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Vorwort VII 

und süddeutschen einschl. der österreichischen erstreben eine ma- 
terielle und ideelle größere Sicherstellung ihrer Existenz sowie Er- 
weiterung ihrer Rechte. Die Tatsache, daß es den ersten und ein- 
zigen Gegenstand des Salzburger Hochschullehrertages bildete, 
spricht schon dafür, daß es sich um wichtige Fragen unseres Hoch- 
schulwesens dabei handelt. Im preußischen Abgeordnetenhause ist 
in der Sitzung vom 24. Februar d. J. die Angelegenheit ebenfalls 
zur Sprache gekommen.*) Und es gewinnt den Anschein, als sollte 
von den am Unterrichtswesen beteiligten Faktoren wirklich eine 
Reform in die Wege geleitet werden. Ich denke, daß gerade dafür 
eine objektive Darstellung der Tatsachen erwünscht ist und daß 
meine Schrift auch für diesen Zweck nützliche Dienste leisten kann. 

Leipzig, 4. März 1908. 

P.E. 



•) Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten, 20. Legisl. IV. Sess. 
1907/08, Sp. 2656-2663, Sp. 2677. 



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Inhaltsübersicht 

Seite 
I. Kapitel 

Die äußere Zusammensetzung des Lehrkörpers 1—43 

I.Einleitung. Universität als Großbetrieb. — Umgestaltung des 
Unterrichtes. — Gemeinsamer Charakter der EO und Pdz nicht das 
Alter, nicht die Anwartschaft, nicht die Bezeichnung. — „Unoffizielle 
Lehrkräfte'^ — Die Umfrage: Pragekarte und Beantwortung. — 
Heutiger Umfang des Lehrkörpers 1 

2. Die Entwicklung des Lehrkörpers. Historische Entwick- 
lung der Privatdozentur und des Extraordinariates. — Änderung in 
der Zusammensetzung des Lehrkörpers während des 19. Jahrhun- 
derts. — Die Zunahme der EO und Pd seit 1880. - Ihre Ursachen 

— objektive in der Vermehrung der Ordinariate; subjektive in der 
Dberfflllung der gelehrten Berufe, der akademischen Freiheit , der 
sozial ausgezeichneten Stellung 7 

3. Die soziale Herkunft. A. Höhere gewerbliche Berufe: Anteil 
der Kaufleute. B. Gelehrte Berufe. C. Staatsbeamte und Offiziere. 
D. Kleinbürgertum. E. Freie Berufe. — Vergleich mit der Her- 
kunft der Studierenden: die Verschiebung in der Zusammensetzung 
der väterlichen Berufe 17 

4. Die einzelnen Fakultäten. Geringer Nachwuchs bei den Ju- 
risten und seine Ursachen. — Der Nachwuchs bei den Theologen. 

— Oberangebot in der Medizin und Naturwissenschaft. — Nach- 
wuchs bei den Historikern. — Gesamtverhältnisse 25 

S.Unterschiede in den Universitäten. Die Verhältnisse in 
Preußen, im übrigen Deutschland, in Österreich. — Die großen 
und kleinen Universitäten 33 

6. Gebürtigkeit der Universitätslehrer. Anteil der einzelnen 
Landesteile; Vergleich mit der Gebürtigkeit der Studierenden. - 
Geographische Herkunft der Ordinarien. — Unterschiede zwischen 
den Fakultäten. — Qebürtigkeit des gesamten Lehrkörpers .... 38 

IL Kapitel 
Die innere Bedeutung der „unoffiziellen" Lehrkräfte 44-92 

l.Die Persönlichkeiten. Drei Gruppen: a) Universitätslehrer mit 
nebenamtlicher Stellung. Bedenken gegen diese Gruppe von Per- 



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Inhaltsübersicht. IX 

Seite 
sonen. b) Die „freien Lehrer'* und deren Bedeutung. Ober „freie 
Universitäten", c) „Reguläre Dozenten". Dauernde Extraordinariate 
aus mehrfachen Qrtlnden. - Die drei Kategorien von Universitäts- 
lehrern im ganzen 44 

2. Vorlesungstätigkeit. Ergänzung der Vorlesungen nach drei- 
facher Richtung: die notwendigen in den Hauptfächern — die er- 
wünschten in den Nebenfächern — kleine und spezielle Vor- ^ 
lesungen der nichtbeauftragten EO und Pd. - Der Umfang der 
Vorlesungstätigkeit im ganzen bei Ordinarien, EO und Pd . . . . 55 

3. D i e „Assistenz". Notwendigkeit des aktiven Mitarbeitens im heu- ^ 
tigen Unterricht, in Medizin und Naturwissenschaft, in den anderen 
Fakultäten. — Der persönliche Unterricht durch die Ordinarien heute 
nicht mehr möglich. — Tatsächlicher Umfang der Assistenz in Me- ^-^ 
dizin und Naturwissenschaft — Die „aushelfende Tätigkeit" in den 
anderen Fakultäten nicht minder nötig 60 

4. Erweiterung der Aufgaben. Differenziertere Hörerschaft. — 
Einleitungs- und Obersichtskollegs für Anfänger und zur allgemeinen 
Bildung. — Die Konkurrenz der jüngeren Lehrkräfte. — Direkte ^ 
Erweiterung der Universitätsbesucher: Berechtigungswesen, Hörer, 
Frauen. — Indirekte: Volkshochschulkurse und Wandervorträge. 

— Wissenschaftliche Fachkurse für fortgeschrittenere Hörer. — 
Notwendigkeit dieses Unterrichtes auch für die Universitäten. — Be- 
dürfniserweiterung und Bedürfnisverschiebung im allgemeinen . . 67 

5. Die Verjüngung der Wissenschaft. Bedeutung des Alters der / 
Professoren. - Das Durchschnittsalter der Ordinarien im ganzen — 

in den einzelnen Fakultäten. - Allgemeine Erhöhung des Alters. ~ 
Der Altersaufbau der Ordinarien. — Die unteren und die höheren 
Altersklassen. - Ursachen für das Alterwerden der Fakultäten. — 
Die Aufgaben der jüngeren Lehrkräfte 78 

III. Kapitel 
Die persönlichen Verhältnisse des „akademischen Nach- 
wuchses" 93-149 

1. Promotion und Habilitation. Alter zur Zeit der Habilitation. - \ 
Vergleich mit dem der heutigen Ordinarien. — Alter zur Zeit der 
Habilitation — heute allenthalben hinausgeschoben gegen das der 
Ordinarien. - Ursachen der späteren Habilitation. ~ Ausfüllung der 
Zwischenzeit. - Hohes Bildungskapital der Akademiker 93 

2. Die Privatdozentur: Alter- und Wartezeit. Altersverhältnisse 
der Pd. — Unterschiede nach Fakultäten und Staaten. — Wartezeit bis 
zur ersten Ernennung als EO. — Die Beförderungsverhältnisse bei 
den heutigen Ordinarien: Ursache der Änderung. - Die Dauer der 
Privatdozentur. - Die Habilitationsuniversitäten 103 

3. Tätigkeit und Einnahmen. Tätigkeit als Assistent und deren 
Remuneration. — Benutzung der Lehr- und Arbeitsmittel durch die Pd. 



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v/ 



X Inhaltsübersicht. 

Seite 

— Unsicherheit der Assistenz. — Geringe Einnahmen aus den Vor- 
lesungen. - Verleihung des Professorentitels in Preußen und dessen 
Bedeutung HO 

4. Das Extraordinariat: Lehrauftrag und Alter. Charakter der 
Lehraufträge. ~ Anteil der einzelnen Fakultäten. — Abteilungsvor- 
steher. - Altersverhältnisse der EO im allgemeinen und an einzelnen 
Universitäten; die Altersklassen. — Erlangung des Ordinariates. 

— Aussichten in der Gegenwart fflr die EO. - Die Beförderung 
zum Ordinarius in den letzten Jahren .120 

5. Gehaltsverhältnisse der Extraordinarien. Formelle Rege- 
lung: Gesamtbezüge und Normalgehälter. - Methode der statis- 
tischen Berechnung der tatsächlichen Einnahmen. - Das Ist- 

y/' gehalt: DurchsQhnittsgehalt im ganzen und nach Universitäten. — 
Berechnung nach dem preußischen Kultusetat: Gehalt der Ordi- 
narien - nur der beauftragten EO — Kollegiengelder und Einnahmen 
aus Prüfungen. - Gehaltsverhältnisse in Österreich. — Mangel an 
Vertretung in den regierenden Fakultäten. — Gesamtverhältnisse . 128 

6. Die außerakademische Tätigkeit Tätigkeit und Lage der 
Mediziner gehört nicht zu unserer Frage. — Die amtlichen Stellungen 
außerhalb der Universität — Private abhängige Stellung. — Ein- 
nahmen aus „freier'^ Tätigkeit. - Die schriftstellerische Tätigkeit . 143 

Schluß 150-155 

Organische Zusammengehörigkeit der verschiedenen Lehrkräfte. — 
Die Lücken des heutigen Systems. - Die Salzburger Beschlüsse: 
Materielle Besserstellung des Nachwuchses. — Seine Vertretung 
in den regierenden Fakultäten. — Notwendigkeit einer organischen 
Weiterbildung der heutigen Universitätsveriassung 150 

Formular der Fragekarte 156 

Tabellen 

L Lehrkörper der deutschen und österreichischen Universitäten am 
I.Juli 1907 8 

11. Soziale Herkunft der Extraordinarien und Privatdozenten. ... 18 

in. Geburtslande der deutschen Universitätslehrer 36-37 

IV. Alter der deutschen und österreichischen Ordinarien 80 

V. Promotions-, Habilitationsalter sowie Wartezeit der EO und Pd 96-97 

VI. Altersverhältnisse der Extraordinarien und Privatdozenten . 118-119 

VII. Gehaltsverhältnisse der Extraordinarien am 1. Juli 1907 . . 134-135 



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Erstes Kapitel 

Die äußere Zusammensetzung des Lehrkörpers 

1. Einleitung 

Die Universitäten der Gegenwart sind ein sehr zusammen- 
gesetztes Gebilde geworden , das den gesellschaftlichen Charakter 
der Zeit nicht verleugnen kann: sie tragen in ihrem Wesen 
durchaus das Gepräge des modernen Großbetriebes an sich. Ver- 
gleichen wir sie mit ihren alten Vorgängern, so springt der Unter- 
schied sofort deutlich in die Augen. Schon äußerlich ist die heutige 
Frequenz gar nicht mit der der früheren Jahrhunderte in Parallele 
zu setzen, wo die größten unter ihnen kaum den kleinsten in der 
Gegenwart an Studentenzahl nahe kamen. Nicht viel mehr als die 
historische Tradition und einige mehr formelle Äußerlichkeiten ver- 
binden die heutigen Anstalten noch mit ihren Anfängen oder auch 
mit denen des 18. Jahrhunderts. Nicht zum wenigsten sind die 
Universitäten auch in der Richtung moderne Gebilde, daß in ihnen 
die sachlichen Aufwendungen eine so bedeutsame Rolle spielen. 
Der Unterrichtsbetrieb macht heute einen großen Apparat sach- 
licher Mittel nötig, der vordem ganz fortfiel. Das gilt nicht nur 
von den naturwissenschaftlichen Instituten und den medizinischen 
Kliniken, wo es noch am ehesten in die Augen springt: sondern je 
länger, je mehr auch von den alten historischen Disziplinen, wo die 
Seminarbibliotheken und anderweitige Sammlungen immer mehr 
anschwellen. Die Ausgaben für Universitäten in Preußen belaufen 
sich im Jahre 1908 auf rund 17 Millionen, davon IOV2 Millionen 
für Institute u. ä. und 5V4 Millionen für Gehälter der Universitäts- 
lehrer. Und zwar ist das relative Wachsen des ersten und das 

Eulenburg, der akad. Nachwuchs. 1 



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Einleitung. 



entsprechende Zurücktreten des zweiten Postens im letzten Men- 
schenalter immer weiter vorgeschritten. Vordem machte der Etat 
der Be^odduogeo mit Wohnungsgeld noch fast die Hälfte aus, jetzt 
lour jibcti i^wa.Vio; entsprechend sind die Ausgaben für Institute, 
: S^jnmkingpn jiiif} Bauten von etwa 40 Prozent auf 60 gestiegen. ^) 
:I>aes*Chai2iktedslträche*des modernen Großbetriebes, die Zunahme des 
Kapitals auf Kosten der persönlichen Arbeit hat sich in gewissem 
Sinne auch hier durchgesetzt. Entsprechend ist aber auch die Zahl 
der y^Universitätsverwandten'' im alten Sinne, die nur mit der Ver- 
waltung in irgendeiner äußerlichen Beziehung stehen, gegenwärtig 
eine große: vom Universitätsrichter und dem Baumeister bis zum 
Mechaniker des psychologischen Institutes, dem Maschinisten bei 
der Heizanlage und dem Elektrotechniker hin besteht eine ganze 
Hierarchie von Universitätsbeamten, denen vor allem auch die Be- 
hütung und Verwaltung der sachlichen Mittel obliegt 

Aber natürlich hat der Unterrichtsbetrieb selbst eine innere 
Umwandlung durchgemacht, die nur äußerlich noch keinen entspre- 
chenden Ausdruck gefunden hat. Betrachten wir die große Menge 
von Lehrkräften, die direkt oder indirekt mit der Unterweisung der 
Studierenden zu tun haben, so wird der Kreis der Universitätslehrer 
stetig erweitert: Assistenten, Lektoren, verschiedene Praktiker und 
t)eauftragte Dozenten werden in immer größerer Anzahl heran- 
gezogen. Wir erkennen überall ein durchgeführtes System der Ar- 
beitsteilung» das sich durchaus in das moderne Gesellschaftsleben 
eingliedert Aber auch die habilitierten Universitätslehrer im engeren 
Sinne haben heute eine von früher stark abweichende Zusammen- 
setzung aufzuweisen. Und zwar ist es das Anwachsen der Dozenten 



1) Nach „Preußische Statistik'' Bd. 193 (1905): „Statistik der preu- 
ßischen Landesuniversitäten*' sowie nach dem „Etat des Ministeriums der 
geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten für das Etatjahr 1908." 
Von den Gesamtausgaben entfielen in Prozenten: 





1868 


1877/78 


1887/88 


1902/03 


1907/08 


Akademische Verwaltung. ..... 

Besoldungen und Wohngeld... 

Institute und Baukosten 

Sonstige Aufwendungen. ...... 


5.7 
46.0 
40.3 

8.1 


3.7 

48.0 

42.9 

5.4 


3.5 

41.4 

50.8 

4.3 

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4.1 
34.3 
58.0 

3.6 

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4.0 
30.8 
61.7 

3.5 

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Gemeinsames Charakteristikum der EO und Pd. 3 

außerhalb der eigentlichen Fakultäten, das ihm das charakteristische 
Gepräge verleiht. Gerade dieser Teil des Lehrkörpers/ also die 
Extraordinarien (EO) und Privatdozenten (Pd), soll vorwiegend 
Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung bilden. Es wird nicht 
ganz leicht sein, eine Bezeichnung zu finden, die Honorarprofessoren, 
EO und Pd entsprechend zusammenfaßt Es ist zunächst nicht das 
Alter, das diesen Teil der Lehrer hinreichend charakterisiert; denn 
wie sich zeigen wird, ist das Alter dieser Dozenten oft recht hoch 
und unterscheidet sie manchmal kaum vom Ordinarius. Es ist auch 
nicht die Anwartschaft auf die ordentliche Prof essur, die sie treffen 
möchte. Einmal wird das Ordinariat relativ erst spät erreicht; so- 
dann hat ein Teil von ihnen kaum noch die Möglichkeit, je ein 
solches zu erlangen, gehört also schon in diesem Sinne gar nicht 
zum „Nachwuchs". Diese Definitionen würden demnach einen Teil 
unserer Universitätslehrer offenbar nicht mehr umfassen. Auch trifft 
es gar nicht einmal zu, daß die eigentlichen Ordinarien durch- 
gehends aus dem Nachwuchs selbst ergänzt werden, da oft genug 
eine Ernennung aus anderen Stellen seitens der Regierung statt* 
findet Die alte handwerksmäßige Hierarchie vom Lehrling, Gesellen 
und Meister, dem der Scholar, Dozent und Professor durchaus ent- 
sprach, ist eben mit der modernen Entwicklung ebenfalls zum guten 
Teil in die Brüche gegangen. 

Noch weniger ist aber die äußere Bezeichnung und der Titel 
„Professor" oder „Privatdozent" mehr charakteristisch. Denn es finden 
mannigfache Obergänge statt vom einfachen Pd bis zu dem EO 
mit eigenem Institut und großem Lehrauftrag. Wir können in dieser 
•Hinsicht drei Typen der Universitäten unterscheiden. Einmal 
Preußen: hier ist das Bxtraordinariat in der Regel mit einem Lehr- 
auftrag und entsprechend meist mit Gehalt verbunden, ist also ein 
wirkliches Extra-Ordinariat, extra facvltatenu Das ist wenigstens 
die neuere Praxis. Freilich gibt es von dieser Regel viele Aus- 
nahmen: es wird ein Extraordinariat öfters auch ohne Lehrauftrag 
verliehen und auch das Gehalt ist nicht einmal immer mit dem 
Lehrauftrag verbunden. Außerdem können Pd aber wegen beson- 
derer Verdienste vom Ministerium als Auszeichnung den Titel 
Professor erhalten, was sonst nur noch in Rostock und Straßburg 

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4 Einleitung. 

vorkommt, an sämtlichen anderen deutschen Universitäten aber 
nicht ablich ist Zweitens gibt es an den übrigen deutschen Uni- 
versitäten zweierlei Arten von EO : solche mit Lehrauftrag und Ge- 
halt und solche ohne Lehrauftrag; letztere können jedoch aus anderen 
Titeln als Assistent, Oberarzt^ Abteilungsvorsteher u. ä. trotzdem ein 
Gehalt für akademische Tätigkeit bezieben, während titulierte Pd 
nicht bestehen. Drittens noch anders sind diese Verhältnisse in 
Osterreich. Hier, gibt es EO mit dem Titel und Charakter eines 
ordentlichen Professors sowie einfache außerordentliche Professoren 
ohne Lehrauftrag, Pd mit Titel eines ordentlichen und solche mit 
Titel eines außerordentlichen Professors, sowie einfache Pd und 
endlich beauftragte Dozenten; ein Teil der EO, deren Zahl in einem 
bestimmten Verhältnis zu der der Ordinarien steht, befindet sich zu- 
dem im Professorenkollegium. 

Wenn so die positiven Merkmale fehlen, um die verschiedenen 
Personengruppen durch eine Bezeichnung zusammenzufassen, so 
scheint doch wenigstens eine negative Beziehung gemeinsam zu 
sein: das ist der äußerliche Gegensatz zu den Ordinarien. Es sind 
alle diejenigen Universitätslehrer, die nicht zur Fakultät 
im engeren Sinne gehören, und die doch ausdracklich zum 
akademischen Unterricht zugelassen sind. Die Universitäten stellen 
zwar Genossenschaften mit eigener Selbstverwaltung dar; aber an 
dieser Genossenschaft sind nur die von dem Staate ausdrücklich 
als Ordinarien bestallten Professoren beteiligt, während alle übrigen 
Lehrer, EO wie Pd, nicht daran teilnehmen.^) Während die Fakul- 
tätsprofessoren die Universitäten nach außen repräsentieren, offiziell 
als Vertreter der Universität gelten, vom Ministerium gehört werden, • 
auch die akademischen Ämter und Würden erreichen können, sind 
die übrigen Lehrer davon ausgeschlossen. Wir können sie darum 



1) Die juristische Konstruktion der ganzen Verhältnisse soll hier 
nicht versucht werden; sie ist keineswegs geklärt Die Darstellung von 
Conrad Bornhak, Die Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer in Preußen 
(Berlin 1901) scheint mir im ganzen Gedankengang prinzipiell verfehlt 
und auch im einzelnen widerspruchsvoll. Es ist eine recht wenig glück- 
liche oder vielmehr direkt mißglückte Konstruktion eines „nicht aufge- 
klärten" Absolutismus, die wissenschaftlich kaum irgendwo anerkannt ist 



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„Unoffizielle Universitäten". 5 

in Ihrer Gesamtheit als „unoffizielle Universität"' der offiziellen 
gegenüberstellen« Es liegt allerdings ein gewisser Widerspruch 
darini daß der genossenschaftliche Charakter des Lehrkörpers im 
Grunde genommen Halt macht bei den staatlich angestellten Ordi- 
narien, daß dagegen die große Mehrzahl der Dozenten, die freilich 
auch als „Kollege"' angeredet werden, Oberhaupt außerhalb der 
Fakultäten bleibt Wir dürfen darum vom Standpunkt der Univerr 
sitäten selbst den Ordinarien die Nichtordinarien, den offiziellen die 
unoffiziellen Lehrkräfte gegenüberstellen. Wenn sie aber auch keine 
eigentliche Vertretung besitzen, so schließt das nicht aus, daß ihnen 
im heutigen Lehrkörper, wie sich zeigen wird, eine eigenartige und 
nicht 2u unterschätzende Bedeutung zukommt 

Man hat sich bis jetzt nicht recht um die Eigenart gerade 
dieser Elemente gekümmert: weder seitens der Regierung noch 
seitens der Universitäten selbst, da eben diese Entwicklung eine 
spezifisch moderne ist Und da eine andere Organisation außer- 
halb der Fakultäten für sie bis jetzt ebenfalls nicht vorhanden ist,, 
so war man über ihre Lage ziemlich im unklaren. Man muß aber 
zunächst wissen, um wen es sich handelt: wer sind sie? Welches 
ist ihr Alter, ihre Vorbildung, aus welchen Kreisen setzen sie sich 
zusammen, wann habilitierten sie sich, wann wurden sie befördert, 
wer von ihnen erhält Gehalt oder Vergütung für akademische Tätig- 
keit, wer hat Lehrauftrag, wer ist nur tituliert, was tun und treiben 
sie sonst? Das sind doch die Grundlagen der Kenntnisse, die nötig 
sind, um über sie reden zu können. 

Der Weg der Umfrage, der uns auf anderen Gebieten so oft 
Licht gebracht hat, schien auch hier der zweckmäßigste zu sein. 
Es ist darum an alle deutschen und österreichischen EO und Pd 
durch ein System der Vertrauensmänner, die an jeder Universität die 
Versendung und Sammlung des Materials zu übernehmen hatten, 
eine gleichmäßige Fragekarte versendet worden. Es hat nicht wenig 
Mühe gekostet, die Kollegen überall zur Beantwortung zu bestimmen, 
und viele Mahnungen wurden nötig. Mißverständnisse auf der einen. 
Zugeknöpftheit auf der anderen Seite haben oft die Antwort ver- 
•hindert. Trotzdem ist das Resultat überall schließlich sehr gut aus- 
gefallen. Es haben reichlich 95 Prozent aller unoffiziellen Lehrkräfte 



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5 Die Entwicklung des Lehrkörpers. 

geantwortet Und auch von den fehlenden rund 100 Herren [60 EO 
und 40 Pd ^)] konnte ein Teil der Angaben aus anderen Hilfsmitteln 
ergänzt werden, so daß die Lücken in Wirklichkeit nur sehr gering 
sind und das Gesamtbild dadurch nirgends beeinflußt wird. Allerdings 
mußte die Pragekarte sich Schranken auferlegen, da es ja nur ein 
privates Unternehmen war. Gewisse Prägen konnte ich nicht wagen 
aufzunehmen: sowohl die nach der Höhe der Kollegiengelder und 
PrQfungsgebahren wie die nach der Größe des sonstigen Er- 
werbseinkommens mußte ich mir versagen. Denn es war zu be- 
fürchten, daß bei dieser rein privaten Umfrage eine größere Anzahl 
Kollegen hieran Anstoß genommen und überhaupt nicht geantwortet 
hätten. Dieser Mangel ist empfindlich; aber er ließ sich nicht be- 
seitigen; höchstens eine offizielle Stelle könnte sich mit diesen 
Dingen befassen. Es ist schon zu begrüßen, daß die festen 
Gehälter aus akademischer Tätigkeit fast überall anstandslos mit- 
geteilt sind. Zu bedauern bleibt femer, daß die Prägen nach der 
Militärtauglichkeit und nach der Zahl der Kinder nicht aufgenommen 
wurden. Daraus hätte sich doch manche recht wichtige Polgerung 
für die höheren liberalen Berufe ergeben. Es wäre zu wünschen, 
daß von anderer Seite künftig auch diese Prägen herangezogen 
werden. (Die Fragekarte ist am Schlüsse abgedruckt) 

Unsere Darstellung gibt sodann, was nicht jedesmal von neuem 
betont werden kann, das Bild vom 1. Juli 1907 im Durchschnitt. 

Es sind nur die aktiven Lehrkräfte berücksichtigt worden, 
d. h. nur die wirklich lesenden; dagegen sind alle die, die zur- 
zeit der Umfrage beuriaubt oder während zweier Semesler aus 
anderen Gründen vom Abhalten der Vorlesungen entbunden waren, 
mit Absicht übergangen worden. Es finden sich zwar auch solche 
Dozenten in größerer Anzahl noch in den Personalverzeichnissen: 
aber offenbar nicht zu Recht, da sie eben nicht zum aktiven 
Lehrkörper gehören und mindestens getrennt aufgeführt werden 
sollten. Sie mußten darum von vornherein ausgeschieden werden, 
um ein wirkliches Bild der Verhältnisse zu gewinnen. Bei den Or- 

1) Es fehlen 5 Theologen (3 EO und 2 Pd), 13 Juristen (8 EO und 
5 Pd), 41 Mediziner (21 EO und 20 Pd), 22 Naturwissenschaftler (17 EO 
und 5 Pd), 24 Historiker (13 EO und 11 Pd). 



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Die Umfrage unter den EO und Pd; deren Beantwortung. 7 

dinarien ist ebenso verfahren worden: zu den aktiven Lehrern ge- 
hören eben nur diejenigen, die wirklich tätig sind; die anderen ge- 
hören dem ,|Beurlaubtenstande'' an. Es belief sich die Zahl aller 
aktiven Universitätslehrer Deutschlands und Österreichs zusammen 
auf 3860^) und zwar befanden sich darunter 1437 Ordinarien, 
79 aktive Honorarprofessoren, 862 EO und 1324 Pd, außerdem 
noch 158 Lektoren, bzw. sonstige beauftragte Lehrer. Die Gesamt- 
heit der beiden Kategorien, die uns beschäftigen sollen, beträgt also 
2186, d. h. sie ist über einhalb mal so groß wie die der Ordinarien, 
es gibt allein fast ebenso viele Pd als ordentliche Professoren. Die 
„unoffizielle Universität'' umfaßt zurzeit fast % aller aka- 
demischen Lehrer, und auf die Ordinarien fallen nur noch 37 Proz. 
Wichtig ist aber auch die Peststellung, daß Preußen und Osterreich 
sich in dieser Beziehung ungünstiger verhalten, indem dort die Or- 
dinarien relativ noch etwas mehr zurücktreten als im übrigen 
Deutschland (35 gegen 40 Prozent). Vgl Tabelle /, S. 8. 

Wie ist es nun zu dieser Entwicklung gekommen? Da die 
allgemeine Universitätsverfassung bekannt ist, beschäftigen wir uns 
gleich mit jenen beiden Gruppen. 

2. Die Entwicklung des Lehrkörpers^) 
Historisch hat der heutige Pd seinen Vorgänger im alten ma- 
gister legens. Die Verleihung der Magisterwürde gab ursprünglich 
von selbst die venia legendi, wie die Verleihung des Meistertitels 



1) Die Abweichungen von einem Teile der offiziellen Zahlen in der 
preußischen Statistik, der auch Conrad im ganzen gefolgt ist, beruht 
darauf, daß hier alle akademischen Lehrer, auch die emeritierten, nicht 
mehr aktiven und vom Halten der Vorlesungen entbundenen mitgerechnet 
sind, was doch ein etwas schiefes Bild der Verhältnisse gibt 

2) Dazu ist zu vergleichen Paulsen, Die deutschen Universitäten 
(Berlin 1902) S. 203-36; Paulsen, Die deutschen Universitäten und die 
Privatdozenten (Preußische Jahrbücher 1896, S. 132ff); Conrad, Das Uni- 
versitätsstudium in Deutschland während der letzten 50 Jahre (Jena 1884), 
S. 159-175; Conrad, Die neueren Ergebnisse der deutschen Universitäts- 
statistik (Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 1905, S. 475-79); 
P. Eulen bürg. Die Frequenz der deutschen Universitäten von ihrer 
Gründung bis zur Gegenwart, Leipzig 1904, S. 236-52. 



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Historische Entwicklung der Privatdozentur. g 

im Handwerk das Recht der Ausabung der gelernten Kunst ge- 
währte« Jeder rite promotierte Magister hatte das Recht, zum 
mindesten an seiner Universität, aber meist auch noch an allen 
anderen Fakultäten des Reiches zu lehren. Anfangs bestand sogar 
die Verpflichtung für jeden, der den Magistrat erlangt hatte, com- 
plere biennimn^ d. h. zwei Jahre an der Universität Vorlesungen zu 
halten. Man wollte dadurch vor allem für die jüngeren Studenten 
geeignete Lehrer gewinnen. Der Magister unterrichtete dann da- 
neben auch an den Bursen in den Elementen der lateinischen 
Sprache und hielt Repititionen und Übungen für die Kandidaten ab. 
Damit erwarben sie sich dann ihren im ganzen recht kärglichen 
Lebensunterhalt Später, mit der Ausbildung der Gymnasien und 
Lateinschulen und mit dem Niedergang des Magistertitels, verfiel 
auch diese Tätigkeit des dozierenden Magisters mehr und mehr. Aber 
im Prinzip hielt man doch daran fest, daß der Magister als solcher 
allenthalben lesen darfe, auch ohne besonders dazu bestallt zu sein. 
Noch bei der Gründung der Universität Halle ( 1 694) war dies ausdrück- 
lich vorbehalten^), daß „die dort promovierten Baccalauren, Magister, 
Licenciaten, Doktoren können und mOgen an alle Orten und Länder 
des heil Rom. Reichs und auf dem ganzen Erdkreis alle Funk- 
tionen von Professoren ausüben, lesen, lehren, übersetzen 
und erklären, wie sie die übrigen Professoren, Baccalauri, Magister, 
Licentiaten und Doktoren anderer Universitäten ausüben können 
und mögen, von Rechtswegen oder nach Gewohnheitsrecht". Tat- 
sächlich war aber die Zahl der privaten Dozenten im 18. Jahrhundert 
sehr gering. Die akademische Laufbahn hatte wenig Verlockendes 
an sich. Auch der Beruf des Universitätslehrers wurde nicht so 
hoch geschätzt, was vielleicht mit ihren zum Teil elenden Einnahmen 
zusammenhing; weit mehr galt in der allgemeinen Wertung der 
Politiker und Schriftsteller. Auftreten von Sturm und Drang auf 
der einen, Hinneigung zu mehr praktischer Betätigung auf der an- 
deren Seite brachte diese Anschauung hervor. Die wissenschaft- 
liche Forschung aber wurde an den neugegründeten Akademien 
gepflegt und fand hier Unterstützung und Anerkennung. Dazu kam 



1) Zitiert bei Paulsen, Preußische Jahrbücher, 8. 137. 



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10 Die Entwicklung des Lehrkörpers. 

vor allem, daß die deutschen bürgerlichen Klassen arm waren und 
nicht eben viele aus ihrer Mitte sich der brotlosen Kunst widmen 
konnten; die geringen Kolleggelder vermochten dafür keinen Ersatz 
zu bieten. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im 
19. ist eine besondere Habilitation und Zulassung zur Privatdozentur 
üblich geworden. 

Die Einrichtung der außerordentlichen Professoren ist jüngeren 
Datums. Sie treten erst im 17. Jahrhundert auf, als neben die 
eigentlichen besoldeten Professoren seitens der Landesherren extra 
ordinem auch andere Lehrer berufen wurden. Sie sollten in die 
etwa frei werdenden ordentlichen Lehrstühle einrücken und wurden 
entweder gar nicht oder aus der landesherrlichen Kasse besoldet 
Damit schieden sie dann von selbst aus der Fakultätsverfassung 
und aus der Selbstverwaltung der Universitäten aus. Das letztere 
ist auch in der Gegenwart, wenigstens in Deutschland, so geblieben, 
während in der Schweiz die EO an den Fakultätsgeschäften teil- 
nehmen und das aktive Wahb-echt haben, in Osterreich aber ein 
Teil von ihnen in der Fakultät Sitz und Stimme hat. Das Aufrücken 
in ein Ordinariat hat im Laufe der Zeit eine sehr starke Modifikation 
erfahren, worüber noch zu handeln ist 

Aber während vordem diese beide Kategorien ganz im Lehr- 
körper zurücktraten, hat sich das in der neueren Zeit gänzlich ge- 
ändert Wir können für das 18. Jahrhundert uns ein Bild des ge- 
samten Lehrkörpers an den deutschen und österreichischen Uni- 
versitäten machen, da sowohl für die Mitte als für das Ende des 
Jahrhunderts ausführliche Verzeichnisse vorliegen. Da zeigt sich, 
daß diese außerordentlichen Lehrkräfte im Verhältnis zu den Ordi- 
narien völlig zurücktreten. Im Jahre 1758 gab es an sämtlichen 
Universitäten bei 376 Ordinarien nur 86 EO und 38 Pd. Es sind 
von ersteren knapp 15, von letzteren nur 6 Proz., und im Jahre 1796 
hatte sich dieses Verhältnis noch nicht wesentlich verschoben: bei 
619 Ordinarien wurden 141 EO und nur 86 Pd gezählt, das sind 16 
bzw. 10 Proz. Zusammen machten also beide Kategorien das erste 
Mal nur den fünften, das zweite Mal nur den vierten Teil aus: vor 
allem diePd blieben in der Zahl sehr erheblich zurück; von einem eigent- 
lichen „akademischen Nachwuchs'' konnte fast gar nicht die Rede sein. 



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Die Entwicklung des Lehrkörpers im 19. Jahrhundert n 

Ganz anders ist aber die Entwicklung im 19. Jahrhundert ver- 
laufen. Man kann beinahe sagen, daß im Unterrichtsbetrieb das Cha- 
rakteristische die Heranziehung der außerordenäichen Lehrkräfte 
geworden ist. Daraus zum guten Teil erklärt es sich» daß der Uni- 
yersitätsbetrieb überhaupt im Gegensatz zur Vergangenheit so stark 
sich verjüngt hat, so viele neue Disziplinen sich angegliedert haben 
imd der ganze Unterricht so viel freier ausgestaltet werden konnte. 
Aber im 19. Jahrhundert selbst sind deutlich noch zwei Perioden 
zu unterscheiden, deren Grenze etwa in das Jahr 1880 fällt In der 
ersten Hälfte des Jahrhunderts machten die Ordinarien die bei 
weitem größere Hälfte aus. Noch 1840 kamen auf 633 Ordinarien 
nur 578 andere Lehrkräfte (253 EO und 325 Pd), d. h. das Ver- 
hältnis war noch etwa 10 : 9. Zwanzig Jahre später ist aber schon 
ungefähr ein Gleichgewicht beider Teile des Lehrkörpers eingetreten 
(605 Ord. und 610 EO und Pd). Dann hat das Verhältnis eine Zeit- 
lang zwischen ihnen geschwankt, da vor allem in der philosophischen 
Fakultät die Zahl der Ordinariate stark vermehrt wurde und die 
Habilitation andererseits um 1870 etwas nachließ.^) Während also 
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die ordentlichen Lehrkräfte 
tatsächlich überwogen und die ganze Universität wirklich repräsen- 
tierten, hat sich seit dem letzten Menschenalter das Verhältnis gerade 
umgekehrt. Seit 1880 ist die Entwicklung unaufhaltsam in der- 
selben Richtung vorgeschritten, die unoffiziellen Lehrkräfte ganz 
erheblich stärker anschwellen zu lassen. Und zwar stellt sich die 
Sache so^: 

1880 947 Ord., 433 EO -f 459 Pd = 100 : 94 
1890 1051 „ 681 „ + 693 „ = 100 : 121 
1900 1135 „ 745 „ + 860 „ = 100 : 140 
1906 1247 „ 767 „ + 1028 „ - 100 : 144. 



1) Da über die Verhältnisse bis 1880 Conrad, a. a. O. S. 159-75 
ausführlich handelt, braucht hier nicht nochmals darauf eing^angen zu 
werden. 

2) Leider sind wir gezwungen, für diese Vergleichung die gesamte 
Dozentenschaft einschließlich der Nichtlesenden (emiritierten, 
nichtaktiven, vom Halten der Vorlesungen entbundenen) aufzunehmen, 
da sich eine nachträgliche Ausscheidung dieser Elemente als unmöglich 
erwies. Darum stimmt die Zahl für 1906 nach Conrad a. a. O. S. 475 



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12 Die Entwicklung des Lehrkörpers. 

Das Verhältnis hat sich also stetig zuungunsten der Ordinarien 
verschoben« Auch Osterreich weist dieselbe Entwicklung auf. Wenn 
wir Preußen allein nehmen, verhält es sich nicht anders; hier ist 
sogar die Entwicklung noch schärfer verlaufen. Denn während hier 
1880 die beiden Gruppen der offiziellen und unoffiziellen Lehrkräfte 
noch gleich waren, stellt sich heute das Verhältnis wie 100 : 161. 
Anders ausgedrückt: die Ordinarien haben im letzten Menschenalter 
nicht einmal um ein Drittel zugenommen, die BO und Pd zusammen 
aber haben sich in derselben Zeit verdoppelt: die EO allein stiegen 
um 75, die Pd um 125Proz. Und dasselbe wiederholt sich durch- 
gehends an allen Universitäten. Nur an den kleinsten Hochschulen 
(Erlangen, Gießen, Greifswald, Münster, Rostock, Tübingen, Czemo* 
witz, Insbruck) machen die Ordinarien immer noch die überwiegende 
Hälfte der Lehrer aus. In Berlin, Heidelberg, Jena und Leipzig sind 
sogar die EO allein schon zahlreicher als die Ordinarien, und in 
Berlin, Bonn, Halle, München, Wien ist dies ebenso mit den Pd 
allein schon der Fall. Die Institutionen sind aber noch ganz auf 
den alten Zustand zugeschnitten, wonach die Ordinarien tatsächlich 
die Repräsentanten des ganzen Lehrkörpers darstellen. Das war 
noch für die Mitte des vorigen Jahrhunderts ziemlich zutreffend, 
obwohl auch da nicht mehr ganz. Seitdem ist eine völlige Ver- 
schiebung eingetreten und wie gezeigt, hat die Tendenz bisher keine 
Unterbrechung erfahren: ja, es hat durchaus den Anschein, als wenn 
die Entwicklung weiter in derselben Richtung gehen würde. Das be- 
deutet aber eine Schwerpunktsverschiebung, die auch eines Tages 
äußerlich ihren Ausdruck finden muß. 

Eine so auffällige Erscheinung gilt es zu erklären. Denn ein 
sehr großer Teil der Folgerungen und Wirkungen stammt offenbar 
aus der elementaren Tatsache, daß mehr Bewerber um ein Ordi- 
nariat da sind als zu besetzende Stellen. Die Ursachen können dop- 
pelter Art sein: objektive, die in den Verhältnissen, und subjektive, 
die in den Personen liegen. Wir versuchen beide etwas näher zu 
analysieren, indem wir die allgemeinen Momente herausschälen. 

nicht mit unserer Ermittelung überein. Da es hier aber nur auf das 
gegenseitige Verhältnis der einzelnen Jahre ankommt, so mögen die 
Fehler dadurch bei der Relativberechnung sich ausgleichen. 



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Die Ursachen für die Zunahme des Nachwuchses. 13 

Objektiv wirkt zunächst bestimmend für die unverhältnismäßige 
Zunahme dieser unoffiziellen Lehrkräfte der Umstand, daß die Ver- 
mehrung der Ordinariate durchaus nicht gleichen Schritt gehalten 
hat mit der Vermehrung der Zahl der Studierenden» Denn gerade 
seit der Zeit, von der wir ein so starkes Anschwellen des Nach- 
wuchses wahrnehmen können, also etwa seit 1880, hat sich die Zahl 
der Studenten mehr als verdoppelt (von 21 000 auf 46 000 imma- 
trikulierte Studenten, d.h. um llQProz.*)), während die der Or- 
dinarien nur unbedeutend sich vermehrt hat (von 947 auf 1247, 
d.s. 31 Proz.). Die Zahl der Ordinariate ist also erheblich 
hinter dem Wachstum der Universitäten zurückgeblieben. 
Entsprechend ist auch die Hörerquote für den Ordinarius sehr stark 
gestiegen, nämlich von 20 auf 34. Nun bedeutet ja ein Wachsen 
der Hörerzahl an sich noch nicht auch einen steigenden Bedarf 
an Lehrkräften. Aber Hand in Hand mit dem äußeren Wachsen der 
Zahl der Studierenden hat sich eben auch eine innere Notwendig- 
keit nach vermehrten Lehrkräften herausgebildet. Die Zahl der 
eigentlichen Ordinarien reicht für den Unterricht nicht mehr aus. 
Die Steigerung des Wissensstoffes in den einzelnen Fächern, die 
Spezialisierung der Gebiete, die damit aufs engste zusammenhängende 
Ausbildung neuer selbständiger Teildisziplinen: diese rein objektiven 
IMomente machen es ohne weiteres verständlich, daß man mit der 
immerhin beschränkten Anzahl der Ordinariate gar nicht mehr aus- 
kommt. Die Chemie etwa zerfällt jetzt in die organische, anorga- 
nische, physikalische, technische und physiologische, also in fünf 
Teilgebiete, von denen jedes die volle Beherrschung eines einzelnen 
Fachmannes verlangt Dazu kommt aber, daß vielfach die Not- 
wendigkeit besteht, auch neue Gebiete in den Universitätsunter- 
richt mit aufzunehmen, die früher nicht berücksichtigt wurden. Hier- 
her gehören vor allem die neueren Sprachen, aber auch die einzelnen 
Gebiete der Landwirtschaft u. a. m. Diese Erweiterung des 
Stoffgebietes des Universitätsunterrichtes bezieht sich vorwiegend 
auf die medizinische und naturwissenschaftliche, sowie auf die 
historisch -philologische Fakultät. Weniger oder gar nicht gilt es 

1) Es braucht hier nicht darauf eingegangen zu werden; darüber vgl. 
Preußische Statistik, Bd. 193 u. C n r a d a. a. O., der die Einzelheiten verfolgt 



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14 Die Bntwickhmg des Lehrkörpers. 

von der ]uristischen und theologischen. Wir kommen auf dieses 
sehr wichtige Moment in anderem Zusammenhange zurück. Nun 
konnten aber ftlr die neuen Gebiete nicht gut überall Ordinariate 
eingerichtet werden, und so ist mit Notwendigkeit die Zahl der EO 
gewachsen. Der letzte Grund liegt also auch hier in der Rationali-* 
sierung unseres ganzen Daseins, in der Tatsache, daß immer wei- 
tere Gebiete des Lebens einer wissenschaftlichen Behandlung fähig 
werden und dadurch in den Kreis der Universitätsdisziplinen treten. 
Aber es wäre unbillig und würde uns offenbar die tiefere Er- 
kenntnis der Verhältnisse verschließen, wenn wir daneben nicht 
auch auf die starken subjektiven Momente Rücksicht nehmen, 
die von selten der Beteiligten selbst mitsprechen. Wenn darauf 
hingewiesen werden konnte, daß im 18. Jahrhundert die akade- 
mische Laufbahn wenig Anlockendes hatte, daß man im allgemeinen 
die freie literarische oder diplomatische Laufbahn vorzog, so hat 
sich das im 19. Jahrhundert geändert Sie ist teilweise recht be- 
gehrenswert geworden und hat offenbar zu einem Oberangebot an 
akademischen Lehrern geführt Es ist einmal die OberfüUung 
der gelehrten Berufe als solche, die fast überall die Anstellung 
und Wartezeit hinausgerückt hat, die oft dazu führi, in der akade- 
mischen Laufbahn eine Zuflucht zu suchen. Es existiert ja auch 
eine soziale Frage der liberalen Berufe, die gewiß abweicht von 
der der anderen Klassen und hier ihre besonderen Formen an- 
nimmt; aber sie besteht Und ich finde durchaus einen inneren 
Zusammenhang zwischen der Tatsache der schwierigen Lage des 
ärztlichen Berufs auf der einen und der übergroßen Zahl der medi- 
zinischen EO und Pd auf der anderen Seite. Die Lage des ärzt- 
lichen Standes hat zu ihrer wirtschaftlichen Interessenvertretung 
geführt, die u. a. durch Abraten vom Studium die Angebotsverhält- 
nisse regeln will. Da gibt denn gerade für die Fähigsten und 
Tüchtigsten die Habilitation eine scheinbare Möglichkeit des besseren 
Fortkommens. Entsprechend beläuft sich die Zahl der medizinischen 
Pd und EO auf 940, darunter allein 620 Pd und 170 weitere EO 
die nur den Professorentitel, aber keinen Lehrauftrag haben. Unter 
diesen Umständen ist in der praktischen Behandlung der Frage be- 
sondere Vorsicht geboten, um nicht etwa durch Aussicht auf Beförde- 



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Oberfflllung der Berufe. - Akademische Freiheit 15 

rtmg oder Stipendien oder auch nar auf die Verleihung des Pro- 
fessortitels das Anschwellen des ^^ademischen Nachwuchses^ noch 
mehr zu steigern, da eben die anderen liberalen Berufe an einem 
Oberschusse leiden und davon zur Universität leicht abgeben können» 
Es würde sonst vor allem auch unter den Philologen ein starkes 
Hineinströmen zu dieser Laufbahn stattfinden. 

Aber es kommt noch etwas weiteres in Betracht, was die aka- 
demische Laufbahn in der Gegenwart so erstrebenswert macht: 
das ist die akademische Freiheit und Unabhängigkeit Die 
lange Dauer der Ferien, die freie Wahl der Arbeitszeit und son- 
stigen Tätigkeit, endlich auch die Muße zur anregenden geistigen 
und wissenschaftlichen Arbeit hat gewiß sehr viel Veriockendes an 
sich. Sie kann tatsächlich als ein ideales Feld für die Betätigung 
wissenschaftlicher Arbeit und geistiger Regsamkeit gelten. Das bringt 
fö mit sich, daß vor allem angeregte Geister, die schwer sich einer 
bestimmten Disziplin fügen, so gern die akademische Laufbahn auf- 
suchen. Daraus möchte sich auch das starke Einströmen jüdischer 
Elemente vor allem erklären.^) Es fällt gewiß schwerer, sich an 
die festgeordnete Arbeitszeit etwa einer chemischen Fabrik oder 
an die engvorgeschriebenen Bureaustunden als staatlicher Beamter 
zu gewöhnen, als sonst, wenn das geistige Interesse vorhanden ist 
und es nur die Mittel gestatten, als Dozent oder Assistent an einer 
Universität zu wirken. Und die Erfahrung ist oft zu machen, daß, 
wer von der akademischen Laufbahn sich wiederum einem anderen 
Berufe zuwendet, sich nur schwer in die vorgeschriebene Pflicht- 
arbeit findet Der akademische Beruf ist wohl neben dem schrift- 
stellerischen und künstlerischen der freieste: vor allem, solange 
noch nicht das Amt des Ordinarius die Arbeitszeit und den Pflichten- 
kreis in größerem Maße vorschreibt Aber wen sollte es nicht locken^ 
die Wahl des Gegenstandes, die Zeit der TäUgkeit frei bestimmen zu 
dürfen, von niemand abzuhängen, an keine Bestimmung gebunden 
zu sein, als etwa die, mit anderen nicht zu konkurrieren? Gewiß 
hat diese Freiheit auch ihre große Kehrseite; sie kann leicht zu ge- 
schäftigem Nichtstun führen, da eine bestimmt zu absolvierende 

1) Auch die konfessionelle Abstammung der akademischen Lehrer 
verdiente künftig noch eine besondere Bearbeitung. 



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]5 I^io soziale Herkunft 

Aufgabe nicht vorliegt Sie erfordert darum auch ein besonders 
hohes Maß von Selbstdisziplin. Abei^^^s scheint unverkennbar, daß 
gerade diese akademische Freiheit des Universitätslebens und diese 
Ungebundenheit einen nicht geringen Reiz auf die Wahl dieses Be- 
rufes ausübt. 

Endlich, und das scheint mir doch sehr stark mitzusprechen, 
die akademische Laufbahn verleiht in der Gegenwart eine äußerlich 
angesehene und sozial ausgezeichnete Stellung.^) Schon, 
daß die „Freiheit der Wissenschaft" gesetzlich gewährleistet ist, daß 
der Universitätslehrer nicht verantwortlich gemacht wird far das, was 
er ex kathedra sagt, richtet die allgemeine Aufmerksamkeit auf diesen 
Beruf, Bei der Schätzung der Wissenschaften und der Bildung in 
Deutschland mußte auch der akademische Beruf ein angesehener 
werden. Er gilt eben als „vornehm" und läßt sich in dieser Be- 
ziehung am ehesten mit dem Offiziersberuf vergleichen. Das mag 
schon äußerlich daran liegen, daß im Verhältnis zu den Oberlehrern 
und Richtern, den Ärzten und Verwaltungsbeamten dieser Beruf 
immerhin selten ist und sich nur an wenigen Orten konzentriert. 
Alles Seltene aber steigt in der Wertschätzung. Ich glaube, dieses 
Moment macht für das Angebot von Kräften außerordentlich viel 
aus. Auch menschlich -allzumenschliche Erwägungen mögen per- 
sönlich sehr oft dabei stark mitsprechen - wo kämen die nicht 
vor? Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Chancen der geschlecht- 
lichen Auslese, um mich darwinistisch auszudrücken, beim Manne 
zweifellos durch die Aussicht auf die mögliche Professur steigen. 
Der Professortitel übt auf den menschlichen Ehrgeiz und die mensch- 
liche Eitelkeit gewisser Familien nun einmal einen besonderen Reiz 
aus. Die angesehene und sozial ausgezeichnete Stellung macht die 
JLaufbahn eben beliebt: das mag wiederum nicht wenig dazu beitragen, 
daß sich gerade von den Wohlhabenden viele ihr zuwenden. Von 
ganz entgegengesetzter Seite also treiben die subjektiven Momente 



1) Die Meinung, die Professor von Amira auf dem Salzburger Hoch- 
schullehrertag so lebhaft vertreten hat, daß die Stellung des Hochschul- 
lehrers an sozialer Geltung eingebüßt, kann ich durchans nicht teilen: 
sie wird durch die Tatsache des starken Angebotes selbst aufs bündigste 
widerlegt 



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Sozial ausgezeichnete Stellung. n 

in der Gegenwart zur akademischen Laufbahn und bringen die star- 
ken Angebote von jüngeren Lehrkräften hervor. 

Wir werden diese Ursachen noch weiter aufdecken können, 
wenn wir über die Herkunft unseres Lehrkörpers Auskunft erbringen. 
Gewiß wäre es an sich wünschenswert, auch bei den Ordinarien 
diese Verhältnisse zu kennen; aber dazu bot sich bisher keine Mög- 
lichkeit Dagegen gibt die Umfrage, die nach der Stellung und dem 
Beruf des Vaters fragte, unmittelbar dazu Gelegenheit, und wir er- 
halten dadurch auch Aufschlüsse allgemeiner Art Die soziale 
Schichtung der Vertreter der Wissenschaft ist offenbar nicht gleich- 
gültig für den Habitus unseres Gelehrtenkörpers und für die An- 
sprüche und Anschauungen der akademischen Kreise überhaupt 
Endlich gestatten solche Beobachtungen wenigstens im beschränkten 
Maße einen Rückschluß auf die wichtige Präge der sozialen Auslese. 

3. Die soziale Herkunft 

Wir bilden zunächst einige größere Kategorien für den väter- 
lichen Beruf, indem wir unterscheiden A) höhere gewerbliche Be- 
rufe, B) studierte Berufe, C) unmittelbare Staatsbeamte, D) freie 
Berufe, E) kleinbürgerliche Berufe.^) Wir fassen durchgehends 
die Pd und EO zusammen, da sich zwischen ihnen in der Zusammen- 
setzung der Kategorien wesentliche Unterschiede nicht gezeigt haben 
(vgl. Tabelle II, S. 18). 

An erster Stelle stehen die höheren gewerblichen Be- 
rufe, worunter Gutsbesitzer, Pabrikanten und Kaufleute begriffen 
werden.^) Es sind vor allem die wohlhabenderen Schichten, -aus 
denen sich dieser Teil des Nachwuchses rekrutieri. Wir können sie 



1) Eine solche Einteilung war notwendig, da das Schema der Be- 
rufszählung, das die Preußische Statistik zugrunde legt, ziemlich unfrucht- 
bar ausfällt; dagegen hat Conrad ein dem obigen ähnliches Schema bei 
seinen Untersuchungen benutzt. 

2) Es entfallen demnach auf: 

ABC DE 

(1_3) (4_io) (11-12) (16-18) (13-15) 
37,1 32,8 11,3 10,7 8,2 Proz. 

Eulen barg, der akad. Nachwuchs. 2 



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18 



Die soziale Herkunft 



Tabelle IL 


Soziale Herkunft der Extraordinarien und Privatdozenten 




Die Väter 
waren 


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Universitäten 


1 


2 


3 


4 


5 


6 


7 


8 


9 


10 


11 


12 


13 


14 


15 


16 


17 


18 


19 




Berlin 


11 

3 
3 


14 

5 
8 


98 
25 
14 


16 

1 
3 


3 

1 


6 
2 
2 


30 

4 

10 


6 
2 


22 

14 

6 


6 
4 
5 


26 
8 
5 


2 

1 


4 

5 


5 
2 


10 
6 
2 


12 
5 
3 


13 
4 

1 


8 
2 
2 


39 
3 
12 


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Bonn 


95 


Breslau 


78 


Erlangen 


3 


6 


3 


1 


1 


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2 


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1 


— 


3 


1 


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— 


2 


— 


1 


— 


2 


26 


Freiburg 


8 


9 


17 


1 


4 


1 


6 


1 


8 


2 


6 


— 


— 


— 


1 


1 


3 


2 


1 


71 


Gießen 


2 


2 


9 


2 


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1 


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1 


3 


4 


1 





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1 


33 


Oöttingen 


5 


11 


12 


3 


2 


2 


6 


— 


7 


3 


4 


1 


4 


1 


1 


2 


3 


1 


3 


71 


Greifswald 


1 


1 


6 


5 


2 


3 


2 


— 


6 


2 


3 


1 


— 


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2 


4 


. 


1 


_ 


39 


Halle 


9 
6 


5 
12 


13 
19 


9 
2 


3 
2 


1 
1 


6 
8 


1 
1 


9 
14 


5 
5 


3 
11 


1 
4 


3 
2 


1 


3 
2 


5 

1 


1 
3 


4 


8 
7 


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Heidelberg 


100 


Jena 


4 


4 


15 


2 


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2 


8 


1 


9 


4 


3 


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2 


1 


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1 


2 


60 


Kiel 


8 
5 


1 
2 


15 
18 


6 
4 


2 
2 


— 


3 
7 


— 


6 
6 


3 

1 


6 

5 


2 


1 


— 


3 
4 


6 

5 


2 
2 


2 


3 

7 


68 


Königsberg 


69 


Leipzig 


7 


15 


28 


15 


3 


2 


8 


1 


11 


6 


10 


1 


8 


1 


4 


3 


5 


^ 


2 


136 


Marburg 


2 


1 


5 


4 


3 


- 


1 


- 


8 


4 


10 


- 


4 


— 


5 


2 


4 


_ 


5 


58 


München 


7 


8 


28 


3 


1 


4 


8 


2 


13 


2 


17 


3 


1 


2 


7 


4 


2 


4 


12 


128 


Münster 


1 


1 


3 


1 


. 


3 


2 


— 


2 


2 


1 


— 


— 


— 


— 


3 


2 


— 


2 


23 


Rostock 


1 


1 


3 


4 


— 


1 


4 


1 


— 


2 


2 


— 


2 


1 


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2 


— 


— 


— 


24 


Straßburg 


3 


9 


12 


3 


2 


2 


4 


2 


7 


5 


5 


2 


1 


— 


4 


4 


2 


— 


6 


73 


Tübingen 


3 


3 


7 


3 


1 


1 


3 


— 


8 


1 


4 


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2 


1 


1 


2 


1 


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2 


44 


Würzburg 


8 


2 


10 


2 


1 


1 


4 


— 


5 


1 


5 


— 


— 


— 


2 


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1 


3 


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46 


Czernowitz 


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3 


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1 


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1 


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1 


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2 


2 


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1 


12 


Graz 


3 


1 


11 


1 


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1 


8 


2 


5 


1 


9 


6 


5 


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1 


4 


1 


3 


6 


68 


Innsbruck 


3 


2 


5 


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3 


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1 


1 


2 


1 


3 


1 


2 


— 


3 


4 


3 


3 


— 


37 


Prag 


3 


2 


23 


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4 


— 


7 


— 


5 


— 


7 


1 


4 


1 


5 


2 


2 


1 


2 


69 


Wien *. . 


10 


24 


80 


4 


10 


2 


38 


3 


24 


7 


29 


8 


17 


7 


5 


8 


14 


7 


40 


337 






Deutschland . . . 


100 


120 


360 


90 


33 


34 


127 


18 


163 


66 


141 


20 


39 


14 


61 


70 


52 


37 


118 


1663 


Österreich 


19 


29 


122 


5 


18 


3 


54 


6 


36 


9 


49 


16 


29 


8 


14 


20 


22 


15 


49 


523 


Theologen . 


10 


6 


15 


23 


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6 


7 


7 


2 


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4 


6 


12 


8 


7 


113 


Juristen 


1 


9 


27 


3 


5 


4 


7 


1 


19 


5 


17 


7 


3 


3 


2 


6 


7 


3 


14 


143 


Mediziner 


42 


58 


217 


28 


19 


12 


133 


10 


97 


19 


62 


14 


24 


6 


35 


31 


27 


15 


87 


940 


Naturwissensch. 


36 


47 


114 


16 


17 


13 


23 


7 


42 


20 


46 


6 


14 


1 


20 


28 


13 


14 


34 


511 


Historiker 


30 


29 


106 


26 


11 


6 


13 


5 


31 


25 


54 


11 


23 


11 


15 


18 


16 


12 


37 


479 


Insgesamt 


119 


149 


482 


95 


51 


37 


181 


24 


199 


75 


190 


36 


68 


22 


75 


90 


74 


52 


167 


2186 


Extraord. . . 


60 


48 


183 


44 


23 


13 


61 


11 


90 


32 


77 


13 


20 


5 


19 


29 


23 


24 


86 


862 


Privatdoz. . 


59 


101 


300 


51 


28 


24 


120 


13 


109 


43 


113 


23 


48 


17 


56 


61 


52 


28 


76 


1324 



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Höhere gewerbliche Berufe: Anteil der Kaufleute. 19 

im ganzen als die Vertreter des besitzenden Großbürgertums be- 
zeichnen. Natürlich kommen in die erste der drei Gruppen auch noch 
die Söhne von Bauern, in die letztere auch die Söhne von mittleren 
und kleineren Kaufleuten, die sich statistisch nicht. trennen ließen. 
Aber im ganzen ist es bedeutsam, daß auf die Großbourgeoisie 
das Hauptkontingent fällt. Und zwar gehört der Löwenanteil unter 
ihnen den Söhnen von Kaufleuten: etwa ein Viertel aller Pd und 
EO stammt aus kaufmännischen Kreisen. Doch auch die Pabri- 
kantensöhne sind zahlreich genug vorhanden. Es stellt sich in 
Osterreich der Anteil dieser Kreise fast ebenso, während Industrie 
und Grundbesitz dort weniger vertreten sind, was mit den mehr 
kleinbürgerlichen Verhältnissen des Landes zusammenhängt. Diese 
starke Vorwiegen von Handel und Gewerbe bei den Vätern des akade- 
mischen Nachwuchses verlangt natürlich eine nähere psychologische 
Erklärung. Sie wird vor allem in dem hervorgehobenen Momente 
der größeren Wohlhabenheit jener Schichten zu suchen sein. Die 
zweite, noch mehr die dritte Generation pflegt nicht mehr reinen 
Erwerbsinteressen nachzugehen, sondern will genießen und mit den 
erworbenen Gütern nun auch etwas anfangen. Es paßt ihr nicht 
mehr, nur Geld zu schaffen und im Erwerbsleben tätig zu sein. 
Sie will höher hinaus und wendet sich darum den liberalen Berufen 
zu, unter denen ja der akademische in Deutschland als „vornehm'^ 
gilt und eine sozial ausgezeichnete Stellung verleiht Wir sind 
eben reicher geworden und ein gut Teil der Söhne und Enkel 
kann es sich leisten, „brotlose Wissenschaft'' zu treiben. Es wäre 
interessant zu erfahren, wie es mit der älteren Generation der Or- 
dinarien in dieser Beziehung steht. Dazu kommt noch als weiteres 
psychologisches Moment die größere Regsamkeit und geistige Be- 
weglichkeit, die aus dem kaufmännischen Geiste des Elternhauses 
mitgebracht wird. Ich möchte hierauf den freilich nicht im einzelnen 
aufzeigbaren starken Anteil der jüdischen Elemente unter dem 
„akademischen Nachwuchs" zurückführen, die vor allem unter den 
Ärzten, aber auch bei den Philosophen hervortreten. 

Unsere zweite Kategorie bilden die studierten Berufe, außer 
den unmittelbaren Staatsbeamten. Ihre Abkömmlinge machen auch 
noch ein gutes Drittel des akademischen Nachwuchses aus. Da- 

2* 



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20 I^ie soziale Herkunft. 

hin gehören die Geistlichen, Richter, Gymnasiallehrer und Universi- 
tätsprofessoren, sodann auch Ärzte und Rechtsanwälte — also eine 
ziemlich bunt zusammengesetzte Gesellschaft, die wir näher analy- 
sieren müssen. Voran stehen, wie man vermuten konnte, die 
Universitätsprofessoren; fast ein Neuntel der heutigen EO und 
Pd stammen aus den akademischen Kreisen selbst. Hier gibt die 
geistige Anregung im Elternhause, das Vorbild des Vaters, die er- 
leichterte Möglichkeit der Habilitation und vielfach auch die Aussicht 
auf günstigeres Fortkommen den Anreiz zum Einschlagen der väter- 
lichen Laufbahn. Man hätte den Anteil fast noch größer vermutet, 
als er sich in Wirklichkeit stellt. Zu zweit stehen die Arzte; wie 
es bei ihnen besonders oft vorkommt, daß die Söhne den Beruf 
des Vaters ergreifen, so liegt es durch die Tradition des Hauses 
nahe, es weiter zu bringen als nur bis zum praktischen Arzt. An 
dritter Stelle kommen die Geistlichen. Hier mag außer der geis- 
tigen Anregung des elterlichen Pfarrhauses auch die größere Mög- 
lichkeit der Stipendien nicht selten darauf einwirken, daß die aka- 
demische Laufbahn eingeschlagen wird. Demgegenüber treten die 
Gymnasiallehrer wesentlich zurück. Es kann auffallend erscheinen, 
daß aus diesen recht zahlreichen Kreisen so wenig Bewerber um 
die venia legendi stammen, öfters mögen gedrückte Verhältnisse 
schuld sein, die das verhindern; es verdiente doch aber noch eine 
spezielle Nachforschung, da wie Paulsen so oft mit Recht betont 
hat, der Gy)nnasiallehrer in Deutschland sich so mannigfach am 
wissenschaftlichen Leben beteiligt: es läge also durchaus nahe, 
daß auch seine Söhne ein größeres Kontingent für die Universitäts- 
lehrer stellen, als es der Fall ist. Auffallend gering erscheint auch der 
Anteil, den die Söhne aus den juristischen Kreisen der Richter und 
Rechtsanwälte nehmen. Es sieht fast wie eine Scheu vor der aka- 
demischen Laufbahn aus, daß dieser Stand nicht mehr Anwärter ab- 
gibt Wir werden bei Betrachtung der einzelnen Fakultäten darauf 
zurückkommen. Aber im ganzen stellen die studierten Berufe doch 
ein recht ansehnliches Kontingent zum Nachwuchs. Ein weit größeres 
jedenfalls, als ihr Anteil unter den Studierenden beträgt, so dass wir 
hier wohl von einer geistigen Auslese sprechen dürfen. 

Verwandt mit dem eben Behandelten ist unsere dritte Kategorie 



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Gelehrte Berufe, Staatsbeamte, Kleinbürgertum. 21 

der unmittelbaren Staatsbeamten und Offiziere, deren Söhne 
zusammen etwa ein Zehntel ausmachen. Allerdings treten die Söhne 
aus Offizierskreisen fast ganz zurück, was wohl mit der wesentlich 
verschieden gerichteten geistigen Verfassung des Elternhauses zu- 
sammenhängt Dagegen ist der Anteil unserer höheren Staats- 
beamten an der akademischen Laufbahn recht ansehnlich: man 
darf vermuten, daß nicht die Wohlhabenheit, sondern eher die Mög- 
lichkeit eines späteren Portkommens, nicht selten auch die besseren 
Beziehungen es sind, die dazu fahren. Auch hier macht sich der 
Geist des Elternhauses geltend. 

Am interessantesten ist wohl unsere vierte Kategorie, die 
wesentlich das Kleinbürgertum umfaßt. Wir verstehen darunter 
Unterbeamte, Lehrer, Handwerker, Sie machen zusammen 10 Proz. 
aus und sind annähernd so stark vertreten wie die unmittelbaren 
Staatsbeamten. Es mag gleich hier bemerkt werden, daß wir als 
Arbeiter nur ein einziges Mal den Beruf des Vaters angegeben 
fanden. Indessen kann es zweifelhaft sein, ob hier nicht falsche 
Scham den Rang öfter hat höher angeben lassen, als er der Wirk- 
lichkeit entspricht: groß kann die Zahl der Arbeitersöhne jedoch 
unter keinen Umständen sein. Diese Gruppen im ganzen sind es, 
die den eigentlichen Anteil der Nichtbesitzenden an unserem aka- 
demischen Nachwuchs darstellen. Wir dürfen jedoch annehmen, 
daß auch von den Söhnen der Kaufleute und Gutsbesitzer noch 
mancher Dozent kleinen Verhältnissen entwachsen ist und im Grunde 
dieser Schicht des Kleinbürgertums zuzuzählen wäre. Sie stellt ein 
wesentlich höheres Kontingent als man wohl bisher vermutete. Denn 
natürlich darf ihr Anteil nicht mit dem ganzen Volke verglichen 
werden, sondern nur mit denen, die überhaupt die Möglichkeit des 
Studiums und die Möglichkeit der Habilitation haben. Das sind 
bis jetzt nur die Gymnasialabiturienten. Wir müßten also den An- 
teil des Kleinbürgertums unter ihnen feststellen, um einen Anhalts- 
punkt zu gewinnen, was bis jetzt schwer möglich ist.^) Unter dieser 
ganzen Kategorie nehmen die Subalternbeamten die erste Stelle 

1) Vgl. Harms, Handwerkersöhne auf höheren Lehranstalten (Jahrb. 
f. Nat u. Stat. 111. F. Bd. 21 (1901), S. 312ff.) und W. Sombart, Der 
moderne Kapitalismus, Bd. I, S. 644 ff. 



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22 I^ie soziale Herkunft. 

ein, die dreimal soviel EO und Pd stellen als die Offiziere und auch 
noch mehr als die Gymnasiallehrer, mehr als die Richter und Rechts- 
anwälte zusammen. Es erscheint charakteristisch, daß diese Gruppe 
sich vor allem den realistischen Fächern der Medizin und Natur- 
wissenschaft zuwendet. Man darf vermuten, daß hier, wo keine 
Verbindung, keine Tradition der Familie, keine Wohlhabenheit mit- 
spielt, persönliche Tüchtigkeit und Liebe zur Sache vor allem den 
Ausschlag gegeben. Die Möglichkeit der akademischen Laufbahn 
ist für diese Kreise also tatsächlich vorhanden. Unter den gewiß 
nicht leichten Bedingungen der Habilitation, die im allgemeinen nur 
den wirtschaftlich Selbständigen offensteht, erscheint ihr Anteil eher 
hoch als niedrig. 

Als letzte Kategorie haben wir die freien Berufe der Künstler, 
Architekten, Ingenieure einerseits, Schriftsteller und Privatgelehrter 
andererseits. Dazu kommen' die Rentiers, von denen es nicht ganz 
sicher ist, ob sie im Grunde genommen nicht einer anderen Ka- 
tegorie angehören und nur die letzte Erwerbsquelle des Vaters im 
höheren Alter bedeuten. Es scheint recht auffallend aber auch 
charakteristisch, daß die erste Gruppe der Künstler, Architekten 
und Ingenieure so wenig Gelehrte stellt; sollte hier vor allem die 
so ganz anders geariete Richtung des Elternhauses und deren An- 
schauung den Ausschlag geben? Es ist nicht unwahrscheinlich. 
Im ganzen also stellen die gebildeten und besitzenden Klassen, 
wie schon von vornherein zu vermuten war, das Gros des akade- 
mischen Nachwuchses. Der Anteil des kleinen Mannes erscheint 
aber unter den heutigen Verhältnissen durchaus nicht gering. Ich 
glaube, daß die im ganzen konservative Richtung unserer Hoch- 
schulen sehr stark von dieser sozialen Herkunft ihres Lehrkörpers 
beeinflußt wird. 

Besser noch werden wir jenes Moment der Auslese durch- 
schauen, wenn wir die soziale Herkunft im Zusammenhang mit der* 
Studentenschaft vergleichen. Dazu ist jetzt dank den Arbeiten von 
Conrad sowie der preußischen Statistik Gelegenheit gegeben.^) 
Allerdings steht dem Vergleich ein Bedenken gegenüber: daß näm- 



1) Preußische Statistik, Bd. 193 und Conrad, a. a. O. S. 449. 



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Vergleich mit der Herkunft der Studenten. 23 

lieh die heutigen EO und Pd offenbar aus einer früheren Studenten- 
generation stammen und diese möglicherweise eine andere Zu- 
sammensetzung hatte als die gegenwärtige. Glücklicherweise können 
wir aber die soziale Herkunft der Studenten für ein halbes Men- 
schenalter zurückverfolgen. Und da zeigt sich, daß sehr wesent- 
liche Änderungen in ihrer sozialen Zusammensetzung nicht einge- 
treten sind. Wir können also einen Vergleich der heutigen Studenten 
mit den EO und Pd wagen. Es stammten 

von Vätern mit akadem. Bildung 21-22 Proz. Studenten 48 Proz. EO u. Pd. 
von Kaufleuten, Industr., Pabrik. 47-48 „ „ 42 „ „ „ „ 

von Subaltemb., Lehrern, Handw. 31-32 „ „ 10 „ „ „ „ 

Der Unterschied springt sofort in die Augen. Die Väter mit 
akademischer Bildung oder ähnlicher Stellung sind unter dem 
akademischen Nachwuchs noch einmal so stark vertreten als 
unter den Studenten. Es läßt das mannigfache Deutungen zu und 
hat wohl auch mehrere Ursachen. Einmal ist der Weg für diese 
Abkömmlinge leichter als für solche, die von anderen Sphären zum 
Studium kommen. Den Beamten- und Professorensöhnen liegt es 
sodann überhaupt näher, sich mit der Wissenschaftslehre zu be- 
schäftigen und daraus einen Lebensberuf zu machen, als den Söhnen 
aus gewerblichen Kreisen. Die ganze Atmosphäre des Elternhauses 
ist jedenfalls mehr dazu geeignet, als daß sie gerade aus den Kreisen 
von Grundbesitzern und Industriellen hervorgehen sollten. Wir 
werden also kaum allein das Moment der geistigen Tüchtigkeit dabei 
betonen dürfen, da eben noch andere Momente der Vererbung, Er- 
ziehung und Tradition mit im Spiele sind. Dagegen sind die 
höheren gewerblichen Berufe etwas weniger am Dozenten- 
amt beteiligt als unter der Studentenschaft. Man darf vermuten, 
daß von deren Söhnen vor allem die mehr praktische Laufbahn 
des Juristen und des Arztes aufgesucht wird als gerade das aka- 
demische Lehramt. Die wesentlichste Verschiebung weist aber 
die dritte Kategorie, die des Kleinbürgertums und der unteren 
Gruppen auf. Sie machen bei den akademischen Lehrern, die uns 
beschäftigen, nur noch ein Drittel ihres Anteils unter den Studenten 
aus. Es wird in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß 
bei ihnen früh ein Erwerb erreicht werden muß. Das Studium ist 



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24 Die einzelnen Fakultäten. 

zum Teil mit Hilfe von Stipendien oder durch Privatunterricht er- 
möglicht worden und die Kandidaten werden dann vor allem Geist- 
liche, Oberlehrer, auch wohl Arzte. Gerade darum stellt wohl das 
Kleinbürgertum einen so großen Anteil unter der studierenden 
Jugend, um der unsicheren und sich verschlechternden Existenz 
des eigenen Berufes vorzubeugen und den Söhnen die Möglichkeit 
der Beamtenstellung oder der scheinbar besser dastehenden libe- 
ralen Berufe zu erschließen.^) Aber zur akademischen Laufbahn 
gehen offenbar nur die wenigen, die die starke Kraft haben, alle 
Widerwärtigkeiten zu Oberwinden und denen das GlOck zuteil 
wird, auf dem Wege irgendwie die Möglichkeit zur akademischen 
Laufbahn zu erlangen. Aus der geringeren Zahl dieser Gruppe 
dürfen wir also noch nicht auf geringere Qualitäten schließen. Ihr 
relativ großer Anteil läßt vermuten, daß bei diesen Kreisen doch 
ein hohes Maß von Energie, Geist und sittlichem Wollen vorhanden 
ist Es wäre gewiß sehr lehrreich, auch die soziale Herkunft der 
Ordinarien festzustellen und zu erkunden, wieviele in der Hierarchie 
der Wissenschaft zur höchsten Stellung gelangen und wie viele 
bei dieser Auslese zurückbleiben. Man würde sich aber auch hier 
davor hüten müssen, allein die geistige Tüchtigkeit als ausschlag- 
gebend in Betracht zu ziehen, da noch eine ganze Reihe von sozialen 
und wirtschaftlichen Momenten mitspricht. Mir erscheint, wenn man 
alle Umstände und alle Schwierigkeiten überschaut, der Anteil der 
mittleren Klassen an der Vertretung des Nachwuchses relativ recht 
groß, größer als man ihn von vornherein vermuten konnte. Es 
wäre wichtig, diese Verhältnisse für einen größeren Zeitraum ver- 
folgen zu können. 

Die einzelnen Berufe zeigen natürlich unter den Studenten und 
unter dem akademischen Nachwuchs eine stärkere Verschiedenheit als 
die großen Kategorien. Die Professorensöhne verschwinden unter 
der Masse der Studenten fast ganz. Die Söhne von Ärzten sind 
unter ihnen wesentlich stärker vertreten, dagegen die von Geist- 
lichen und die von Staatsbeamten fast in demselben Verhältnis. Die 
Subaltembeamte und Elementarlehrer haben natürlich unter den 

1) Hierauf weist mit Recht hin Workmann, Die akademische Präge 
(Sozialistische Monatshefte 1907. 2. Bd., S. 1023 f). 



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Die Verschiebungen bez. der väterlichen Berufe. 25 

Studenten weit mehr Söhne als unter den akademischen Dozenten, 
was sich ja bereits aus dem Vergleich der großen Kategorien ergab. 
Man könnte vermuten, daß auch hier eine Art Aufsteigen der 
Generationen stattfindet: der Sohn aus erwerbenden Schichten 
studiert und geht in einen der Gelehrten- und Studiertenberufe über; 
der Enkel erlangt die Möglichkeit, auch als akademischer Lehrer zu 
wirken. Der großen Schicht der Lohnarbeiter dagegen ist bis 
jetzt der direkte Zugang zum akademischen Lehramt versagt Ist 
ihr Anteil unter den Gymnasiasten schon klein, so wird er unter 
den Studenten verschwindend, um bei dem akademischen Lehramt 
Oberhaupt ganz auszufallen. Es wäre nur möglich, daß auch hier im 
Laufe von drei Generationen einzelnen es gelingt, durch das Sta- 
dium des Kleinbürgertums den Enkel in die akademische Laufbahn 
zu bringen. Aber auch das werden offenbar Ausnahmen bleiben. 
Es ist bereits hervorgehoben, muß aber nochmals nachdrücklich 
betont werden, daß die soziale Zusammensetzung unseres Lehr- 
körpers doch von einem wesentlichen Einfluß auf die Lebens- 
anschauung der Universitäten ist. Der im ganzen recht konservative 
Zug unseres Hochschulwesens erklärt sich zum Teil aus diesem Re- 
krutierungsgebiet unseres Lehrkörpers, der die aufsteigenden unteren 
Schichten gar nicht direkt aufnehmen kann, sondern vor allem aus 
den gebildeten und besitzenden Klassen sich ergänzen muß. 

4. Die einzelnen Fakultäten 
Wir haben bisher wesentlich die Universitäten als Einheit be- 
trachtet und nur gelegentlich einzelne Momente besonders hervor- 
gehoben. Es ist aber wichtig, auf die starken Abweichungen näher ein- 
zugehen, die zwischen den einzelnen Fakultäten bestehen. Nichts 
wäre verkehrter, als diese außerordentlichen Lehrkräfte als eine 
innere homogene Einheit zu betrachten und entsprechend die Fakul- 
täten ganz gleich zu behandeln. Das scheint vielmehr ein wichtiges 
Ergebnis der Umfrage zu sein, daß sich typische Gemeinsam- 
keiten und Gegensätze in den einzelnen Fächern zeigen, die wieder 
allgemeinen Bedingungen entsprechen. Dabei stellt sich die Teilung 
der philosopischen Fakultät in zwei selbständige Gebiete, die natur- 
wissenschaftlich-mathematische und die historisch-philologische als 



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26 



Die einzelnen Fakultäten. 



eine innere Notwendigkeit heraus, da in beiden die Verhältnisse 
ganz verschieden liegen.^) Und zwar stehen die Theologen und 
Juristen auf der einen Seite den Medizinern und Naturwissenschaft- 
lern auf der anderen gegenüber, während die Historiker etwa die 
Mitte halten. Es kommen auf ie 100 Ordinarien an den deutschen 
und österreichischen Universitäten: 





Theol. 


Juristen 


Mediziner 


Naturw. 


Histor. 


Se. 


EO 

Pd 


27 
30 


26 
41 


114 
222 


73 
96 


50 
64 


60 
92 




57 


67 


336 


169 


114 


152 



Um es kurz zu sagen: unter den Theologen und Juristen fehlt 
es wenigstens bei uns in Deutschland direkt an einem starken 
Nachwuchs; in Osterreich steht es bei den Juristen anders. In 
Deutschland gibt es nur 42 juristische EO und 49 Pd. Das muß 
umso auffallender erscheinen, als die Zahl der juristischen Ordi- 
nariate (gegenwärtig 158) überhaupt eine geringe ist und sich wenig 
vermehrt. Vergleicht man die Menge der Rechtshörer damit, so machen 
diese z. Z. fast 28 Prozent der Studierenden aus. Das Angebot unter 
dem „Nachwuchs'' ist also tatsächlich überaus gering. Es hat auch 
durchaus nicht gleichen Schritt mit der Entwicklung des juristischen 
Studiums selbst gehalten, sondern ist ganz erheblich dahinter zurück- 
geblieben. Man kann sagen, daß hier ein direkter Mangel an 
jüngeren Kräften, vor allem an Pd besteht Infolgedessen ist auch 
die Zahl der EO mit Lehrauftrag im Verhältnis zur Studenten- 
zahl recht klein geblieben. Es wird nicht ganz leicht sein, eine Er- 
klärung dafür zu finden. Die Aussichten für den Richter und Staats- 
anwalt wie für den Regierungsbeamten sind an sich keineswegs 
glänzend; durchschnittlich erfolgt in Preußen deren feste Anstellung 
mit dem 34. bis 35. Jahre zu einer Zeit, wo also bei den Juristen 
das Ordinariat in der Regel schon erlangt sein wird. Dieser Grund 
kann also nicht gut die Erklärung dafür abgeben, warum statt der 
richterlichen nicht lieber die akademische Laufbahn eingeschlagen 

1) Wir werden sie im folgenden äußerlich nach dem Hauptgegen- 
satz kurz als Naturwissenschaftler und Historiker bezeichnen, wie 
es auch dem Sprachgebrauch der Akademien entspricht. 



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Geringer Nachwuchs bei den Juristen. 27 

wird. Ebensowenig ist aber unter heutigen Verhältnissen die Aus- 
sicht für den Rechtsanwalt noch eine sehr glänzende. Namentlich 
der junge Anwalt steht ungünstig da, und infolge der starken Kon- 
kurrenz stellt sich das Einkommen auch der älteren Anwälte, wenn 
wir von den wenigen großen Verteidigern absehen, durchschnittlich 
nicht mehr allzuhoch. Umso auffallender bleibt es, daß von hier aus 
sich niemand zur akademischen Laufbahn wendet; nur in Osterreich 
kommt letzteres allerdings häufiger vor. In diesen Zusammenhang 
gehört auch die bedeutsame Tatsache, daß sich unter den Vätern der 
Juristen so gut wie gar keine Richter oder Rechtsanwälte befinden! 
Nur die höheren Staatsbeamten sind etwas zahlreicher unter ihnen 
vertreten. Dagegen bilden die Professorensöhne absolut und re- 
lativ die größte Menge unter ihnen, was sehr charakteristisch er- 
scheint. Man gibt allgemeine wissenschaftliche Interessenlosigkeit 
der juristischen Studenten als Grund dafür an, daß sie sich so 
wenig der akademischen Laufbahn zuwenden. Das mag im allge- 
meinen wohl zutreffen. Aber der Umstand, daß genug Juristen sich 
mit Staatswissenschaften abgeben und privatim Nationalökonomie 
treiben, zeigt doch, daß das Interesse nicht ganz fehlen kann. Der 
Mangel an Differenzierung innerhalb der Wissenschaft und die re- 
lative Abgeschlossenheit der Fächer ^ sowie die dogmatische Be- 
handlung des Gegenstandes mag allerdings zur wissenschaftlichen 
Forschung wenig anreizen und dazu führen, daß das juristische 
Studium weniger Gelegenheit zu wissenschaftlicher Betätigung gibt 
als ein anderes. Es mag aber auch die Zugeknöpftheit der juristi- 
schen Fakultäten einen Teil der Schuld daran tragen, daß die stärkste 
Hörerschaft im Grunde die kleinste Lehrerzahl stellt. Es bedürfte 
hier der stärkeren Anregung seitens der Ordinarien: vor allem aber 
auch einer größeren Individualisierung des Unterrichts in den Semi- 
naren und Praktiken, da der heutige juristische Massenbetrieb der 



1) Neuerdings erweitert sich freilich das Stoffgebiet der Jurisprudenz 
in mannigfacher Weise und gewinnt Fühlung mit Nachbargebieten — 
einmal durch die sozialanthropologische Richtung des Strafrechtes, so- 
dann durch Aufnahme des Kolonialrechtes und endlich durch das weite 
Gebiet des Sozial- und Arbeitsrechtes; freilich gerade diese Gebiete 
spielen bislang noch keine große Rolle im Unterricht. 



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28 ^'^^ einzelnen Fakultäten. 

Weckung des Interesses nicht förderlich sein kann. Die Folge dieser 
geringen Konkurrenz ist, daß wenigstens in Deutschland die Ver- 
hältnisse der jungen Juristen in allen Beziehungen bessere sind als 
bei den Kollegen der anderen Fakultäten. Der Vorlesungsbesuch 
gestaltet sich namentlich an den größeren Universitäten vorteilhaft. 
Der Umfang der akademischen Tätigkeit und damit auch die Ein^ 
nahmen aus den Kolleggeldem ist wenigstens in Deutschland recht 
günstig.^) Auch die Alters- und Beförderungsverhältnisse liegen 
befriedigend. Die Möglichkeit, Übungen und Praktiken abzuhalten, 
ist überall gegeben. Dazu kommt z. B. in Berlin noch die Heran- 
ziehung der EO und selbst der Pd zu den Prüfungen, da die kleine 
Zahl der Ordinarien hierfür nicht ausreicht. Das übt seinen Einfluß 
natürlich wieder auf die Art und Größe der Vorlesungen. Nirgends 
sonst auch wird das Ordinariat so früh erreicht, nirgends ist das 
Durchschnittsalter so gering wie hier. Die Ernennung erfolgt oft in 
jungen Jahren und vielfach ohne größere literarische Leistung: es 
ist eben niemand sonst da, der genommen werden könnte. - Aller- 
dings liegen die Verhältnisse in Österreich wesentlich ungünstiger, 
da vor allem in Wien die Zahl der juristischen Pd sehr groß und 
auch an EO kein Mangel ist^ 

Anders liegen die Dinge in der theologischen Fakultät, wo 
ebenfalls der Nachwuchs gering bleibt. Hier ist aber auch die Hörer- 
zahl nur eine kleine und, was die Hauptsache ist, sie hat im letzten 
Menschenalter nicht nur nicht zugenommen, sondern ist stabil ge- 
blieben und sogar zurückgegangen (von 3900 in 1880 auf 2200 
in 1907). Entsprechend ist die durchschnittliche Hörerquote sogar 
für den Ordinarius etwas gesunken. Die Meinung, daß die kathoL- 

1) Bei den Ordinarien ist seit 1880 die Hörerquote von 37 auf 66 
gestiegen; bei sämtlichen Dozenten überhaupt von 26 auf 42: das zeigt 
schon deutlich auch die wirtschaftliche Verbesserung. 

2) Die äußerlichen Verhältnisse ergeben sich aus folgenden Zahlen 
(Conrad, S. 475): 

Pd Zunahme von 1880-1906 

59 Ord. um 76 = 71,1 Proz. 

36 EO „ 19= 65,5 „ \ .^go 

25 Pd „ 36 = 144,0 „ 1 ^"^'" 

51 

61 





Ord, 


EO 


1840 


108. 


32 


1860 


96 


31 


1880 


139 


29 


1900 


158 


43 


1906 


184 


48 



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Der Nachwuchs bei den Theologren. 29 

theol. Fakultäten in besonderem Maße des Nachwuchses entbehrten, 
ist allerdings begründet Es gibt in Deutschland an acht kath. Fakul- 
täten nur 16 EO und 15 Pd; in Osterreich ist das Mißverhältnis noch 
stärken An den evang.-theol. Fakultäten steht die Sache wohl etwas 
anders; aber auch hier hält sich gegenüber den übrigen Fakultäten 
doch der Nachwuchs äußerlich in bescheidenen Grenzen (auf 1 lOOrdi- 
narien 40 EO und 35 Pd) und bleibt jedenfalls hinter der Zahl der 
Ordinarien ganz wesentlich zurück. Das unterscheidet eben Juristen 
und Theologen gleicherweise von den anderen Fakultäten. Die Ur- 
sachen für den geringeren Nachwuchs liegen in den allgemeinen Ver- 
hältnissen des theologischen Studiums. Und hier ist es vor allem 
die Verselbständigung des Kirchen- und Schulamtes, die den An- 
drang der Theologie-Studierenden zurückgehalten hat. Dazu mag 
der weltliche Geist der modernen Kultur, der nicht gerade das Theo- 
logiestudium ermuntert, ein übriges getan haben; endlich wohl auch 
die einseitige Bevorzugung bestimmter kirchlichen Richtungen. Wir 
finden unter den Vätern, wie sich erwarten ließ, vor allem die Geist- 
lichen selbst stark vertreten, sodann aber das Kleinbürgertum, das 
auch unter den Studierenden der Theologie sich recht bemerkbar 
macht. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand. Wir werden also 
die relative Kleinheit des akademischen Nachwuchses bei den Theo- 
logen durchgehends in den objektiven Verhältnissen selbst begründet 
finden und nur bei den katholischen Fakultäten geradezu von einem 
abnormen Mangel sprechen dürfen.^) 

Gerade umgekehrt liegen die Verhältnisse in der medizini- 
schen Fakultät. Die Zahl der Pd und EO ist hier wenigstens for- 



1) Äußerlich werden die Verhältnisse durch folgende Zahlen illustriert: 

Evang.-theol. Fakultät Kath.-theol. Fakultät 
Ord. EO Pd Ord. EO Pd 

1840 83 28 35 37 3 6 

1860 72 24 18 36 5 4 

1880 96 26 19 41 3 7 

1900 113 39 37 56 12 8 

1906 117 41 38 64 15 12 

Zunahme von 1880-1906: 
Ord. um 21,9 Proz.] 

EO „ 57,4 „ [Evang.-theol. Fakultät 
Pd „ 100 „ J 



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30 ^i® einzelnen Fakultäten. 

mall enorm groß. Ich sagte schon, daß in Deutschland und Oster- 
reich zusammen 940 gezählt wurden, von denen noch nicht der 
siebente Teil (130) einen Lehrauftrag besitzt Es kommt in Deutsch- 
land schon auf je 10 Studenten ein Dozent. Das wäre ja an sich 
das Ideal eines individualistischen Unterrichtes, wenn dieses Über- 
angebot nicht eben auch seine starken Schattenseiten hätte. Aller- 
dings steht ein Teil dieser Lehrkräfte nur in einem ganz losen 
Zusammenhang mit der Universität; die Habilitation ist zum Teil 
aus äußerlichen Gründen nachgesucht worden in der stillen Hoff- 
nung, später den Professortitel zu erlangen und dadurch seine 
Position als Arzt zu verbessern. Die Fakultäten sind in der Zu- 
lassung oft viel zu liberal verfahren. Und namentlich einzelne 
Ordinarien haben wahre Dozentenherde geschaffen. Vor allen an 
den großen Universitäten sind dadurch ganz ungesunde Verhält- 
nisse eingerissen. In Berlin gibt es 150, in München und Leipzig 
etwa je 50 Pd und EO der medizinischen Fakultät; in Wien liegen 
die Verhältnisse am schlimmsten. Hier beläuft sich ihre Zahl gar 
auf 190. Es ist vor allem die Handhabung der medizinischen Fa- 
kultäten selbst schuld daran, daß die Zahl der Habilitationen so 
zugenommen hat und es auch mit der wissenschaftlichen Leistung 
keineswegs immer zu genau genommen wird. Natürlich ist das 
Verhältnis eines großen Teils dieser Herren zur Universität ein ganz 
äußerliches und erstreckt sich darauf, daß sie irgendwo eine ein- 
oder zweistündige Vorlesung im Semester ankündigen. Hier kann 
nur die Selbsthilfe der Fakultäten durch strengste Anforderungen 
an die Habilitation und durch Vorschriften über eine Mindestzahl 
von wirklichen Vorlesungen oder Übungen Wandel schaffen. Die 
Folge des gegenwärtigen Zustandes ist aber offenbar die, daß die 
medizinischen Dozenten sich gegenseitig Luft und Licht nehmen 
und keiner von ihnen recht aufkommen kann. Die Antworten lassen 
das zum Teil deutlich genug erkennen. Unter den Vätern unseres 
Nachwuchses machen die gewerblichen Berufe etwas weniger als 
im Durchschnitt aus. Dagegen stellen die Arzte selbst ein recht 
hohes Kontingent (14 Prozent), was sich leicht aus der Tradition 
des Elternhauses und dem Einfluß des Vaters erklärt Auch die 
Professorensöhne, spielen keine kleine Rolle. Im ganzen aber 



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Oberangebot in der Medizin und Naturwissenschaft. 3X 

zeigt die soziale Herkunft keine sehr markant abweichenden 
Züge.^) 

Ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm, liegt die Sache bei 
den Naturwissenschaftlern, wo ebenfalls der,, akademischeNach- 
wuchs" im Verhältnis zu den Ordinarien unverhältnismäßig groß ist« 
Vor allem die Zahl der Chemiker hat sehr stark zugenommen und 
steht in keinem richtigen Verhältnis zu den Bedürfnissen. Fragen 
wir hier wie dort nach den tieferliegenden Ursachen, so fallen vor 
allem die schon genannten in Betracht: starker Andrang bzw. Ober- 
follung der liberalen Berufe; besonders des Ärztestandes und der 
naturwissenschaftlichen Oberlehrer. Dazu kommt die große Libera- 
lität der Fakultäten selbst. Der Ordinarius erleichtert die Habilitation 
seiner Assistenten oder Oberärzte und die Kollegen wenden 
nichts dagegen ein. Es geschieht das vorwiegend, um tüchtigen 
Assistenten auf diese Weise eine äußere Anerkennung und einen 
besonderen Anreiz anstatt des recht geringen Assistentengehaltes 
zu gewähren und ihn dadurch länger an das Institut zu fesseln. Es 
sind so an einigen Stellen wahre Dozentenherde entstanden, ohne 
daß damit gerade die besondere Fähigkeit der Habilitierten er- 
wiesen wäre. So finden wir in Deutschland 425 EO und Pd der 
Naturwissenschaft, von denen die bei weitem größere Zahl auf 
Preußen entfällt Sehr charakteristisch bzw. der Herkunft ist ein- 
mal die relativ starke Beteiligung der Fabrikantensöhne (11 Proz. 
gegen 8 im Durchschnitt) und des Kleinbürgertums. Die gewerb- 
lichen Berufe der Väter machen hier überhaupt fast die Hälfte 
aus, wogegen Beamte und studierte Berufe relativ zurücktreten. 
Konnten wir bei den Juristen über einen direkten Mangel sprechen, 
so hier von einem Oberangebot Fehlt dort die Auswahl der Tüch- 
tigsten, weil die Menge der Anwärter zu klein war, so ist bei den 



1) Wiederum 


mögen fo 


das illustrieren: 






Ord. 


EO Pd 


1840 


135 


66 84 


1860 


131 


63 97 


1880 


194 


139 191 


1900 


229 


252 341 


1906 


246 


275 450 



Zunahme von 1880-1906 
Ord. um 52 - 26,8 Proz. 

„136- 97,8 „ jiiof 
„259-135,6 H 1 * 



EO 

Pd 



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32 Unterschiede in den Universitäten. 

Medizinern und Naturwissenschaftlern umgekehrt die Schar zu groß 
und zeigt, wie wir noch sehen werden, alle Begleiterscheinungen 
der Oberfüllung, was ebenfalls die Auslese ungünstig beeinflussen 
kann, wenn bei der ersten Sichtung nicht hinreichend vorsichtig 
verfahren ist. 

Noch anders liegt die Sache bei den Historikern und Philo- 
logen. Hier vor allem findet sich jene weitgehende Zersplitterung 
der Fächer, jene fortgeschrittene Arbeitsteilung und Spezialisierung, 
die bereits hervorgehoben. Hier ist demzufolge auch die Zahl der 
Ordinarien bei weitem am größten und mannigfaltigsten. Daraus 
erklärt es sich, daß die Menge der EO und Pd an sich groß sein 
kann, ohne daß doch in jedem einzelnen Fache ein Oberangebot 
vorhanden sein müßte. Ausnahme bilden vielleicht die deutsche 
Literatur und an einzelnen Universitäten die eigentliche Geschichts- 
wissenschaft, wo schon äußerlich die Zahl der EO und Pd größer ist. 
Freilich erscheint aus anderen Gründen die Lage dieses Nachwuchses 
fast noch prekärer als anderwärts. Es sind zum Teil sehr kleine 
Fächer, um die es sich handelt, für die zuweilen gar kein Ordinariat 
besteht. Vor allem aber ist durch die Art des Unterrichtes, der 
sich hier ebenso wie bei den Juristen noch wenig individualisierend 
gestaltet hat, auch die Heranziehung dieser Kräfte in der Assistenz 
und als beauftragte Gehilfen der Ordinarien noch wenig ausgebildet, 
so daß sie ganz auf sich angewiesen sind. Darüber wird später 
noch eingehend zu handeln sein. Bezüglich der sozialen Herkunft 
fällt vor allem das Zurücktreten der Kreise von Handel und Gewerbe 
auf, dagegen das starke Hervortreten der Gymnasiallehrer und 
der Geistlichen, sowie der höheren Staatsbeamten in die Augen. 
Man wird darin die Wirkung der väterlichen Tradition beobachten 
dürfen.^) 



1) Da die philosophische Fakultät in den offiziellen Angaben nicht 

getrennt wird, so folgen hier die Gesamtzahlen: 

Ord. EO Pd Zunahme von 1880-1906 

142 Ord. um 159 = 33,3 Proz. 

137 EO „ 152= 64,4 „ l^ß^ 

217 Pd „ 250=115,2 „ T®»' 
423 
467 



1840 


270 


124 


1860 


270 


135 


1880 


477 


236 


1900 


579 


399 


1906 


636 


388 



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Der Nachwuchs bei den Historikern. - Qesamtverhältnisse. 33 

Wir können die dargelegten Zustände wohl am besten dadurch 
iltustrieren, daß wir uns Ober das Verhältnis der offiziellen zur nicht- 
offiziellen Fakultät Rechenschaft geben. Freilich müssen wir be- 
denken, daß hier im einzelnen leicht Verschiebungen eintreten 
Icönnen: einmal durch plötzlich größere Vermehrung der Ordinariate 
und andererseits durch weitere Vermehrung des Nachwuchses. Es 
stellt sich fttr 1. Juli 1907 das Verhältnis: 





Theologen 


Juristen 


Mediziner 


Naturw. 


Historiker 


Ord. 
EÖ + Pd 


198 
114 


214 
143 


280 
940 


302 

511 


420 

479 



Bei den Theologen und Juristen warten also auf je drei Or- 
dinarien in gemessener Entfernung immer nur zwei Anwärter, und 
die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, daß sie aufrücken werden. 
Bei den Historikern ist annähernd Gleichgewicht zwischen den bei- 
den Gruppen vorhanden. Hier hinge also die Beförderung von der 
Lebensdauer der Professoren ab. Bei den Naturwissenschaftlern 
warten auf j e d e n Ordinarius fast schon zwei und bei dem Mediziner 
gar reichlich drei jüngere Lehrkräfte, die bereit wären, die Erb- 
schaft anzutreten. Aber die Ordinarien erreichen zumeist ein hohes 
Alter und denken gar nicht daran, vorzeitig der jüngeren Gene- 
ration Platz zu machen; vor allem werden die Mediziner dank jeden- 
falls ihrer eigenen Kunst in der Regel uralt. Freilich ist das Ganze 
nur bildlich gemeint. Denn wie wir noch sehen werden, kommt 
ein sehr großer Teil des „Nachwuchses" gar nicht mehr als An-» 
Wärter auf ein Ordinariat in Frage. Und die faktische Auslese voll- 
zieht sich in weit kleinerem Kreise,* als die absoluten Zahlen ver- 
muten lassen. 

5. Unterschiede in den Universitäten 
Aber abgesehen von diesen Unterschieden, die in den Ver- 
liältnissen der Fakultäten liegen, stehen doch auch die Universitäten 
selbst nicht ganz gleich da. Einmal unterscheiden sich die drei 
Typen der preußischen, der nichtpreußischen und der österreichi- 
schen Universitäten. Sodann weisen die Typen der großen, mitt- 
leren und kleinen Anstalten wiederum bemerkenswerte Abweichungen 

Eulenburg, der akad. Nachwuchs. 3 



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34 



Unterschiede in den Universitäten. 



auf. Die Zahl der Ordinarien hält sich ah den preußischen und 
den nichtpreußischen Universitäten fast die Wage (es sind 572 bzw. 
566). In den medizinischen Fakultäten stehen die letzteren an Zahl 
voran, dafür hat Preußen etwas mehr naturwissenschaftliche und 
historische Lehrstühle. Ganz anders aber stellt sich das Verhältniis 
unseres „akademischen Nachwuchses''. 



Ordin. 



EO 



Pd 



EO + Pd 



Preußen (10) 

Obriges Deutschland (11) 

Österreich (5) 



572 
566 
299 



316 
387 
159 



606 
354 
364 



922 
741 
523 



Hier hat Preußen zunächst absolut ganz beträchtlich mehr un- 
offizielle Lehrkräfte aufzuweisen. Es hat zwar erheblich weniger 
EO als die anderen deutschen Universitäten, aber dafür fast das 
Doppelte an Pd, so daß es in Preußen mehr Pd als Ordinarien 
gibt. Osterreich ähnelt darin dem preußischen Staate, daß es bei 
der halben Anzahl der Universitäten auch etwa die Hälfte der preu- 
ßischen EO hat; dagegen zählt es sowohl relativ erheblich mehr 
Ordinariate und übertrifft absolut sogar die nichtpreußischen Uni- 
versitäten an Pd. Die Ursachen sind in dem verschiedenen Ver- 
halten der Regierungen bzw. des Verleihens des Professortitels zu 
suchen. Die nichtpreußischen Universitäten pflegen unter bestimmten 
Bedingungen unbesoldete EO zu ernennen und dadurch erscheint 
deren Zahl soviel größer als in Preußen, das sich damit begnügt, 
einzelnen Pd den bloßen Titel „Professor" zu geben. Im ganzen aber, 
und das scheint bedeutsam, hat Preußen überhaupt einen wesent- 
lich größeren akademischen Nachwuchs, als die nichtpreußischen 
Universitäten, und ebenso hat Österreich relativ mehr unoffizielle 
Lehrkräfte als diese. Die Ursache ist beide Male darin zu suchen, 
daß Berlin und Wien ganz abnorme Verhältnisse aufweisen und das 
Durchschnittsmaß der übrigen Universitäten beeinflussen. Das führt 
uns auf den zweiten Unterschied in den Universitäten. 

Denn die unoffiziellen Lehrkräfte drängen sich vor allem auf den 
großen Universitäten: Beriin, Wien, München und Leipzig zusammen, 
während die kleinen: Erlangen, Gießen, Münster, Greifswald, Rostock, 
€zemowitz gemieden werden. Der Grund dafür ist einmal die 



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Preußen u. das übrige Deutschlands ^ Große Universitäten. 35 

leichtere Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung und anderweitigen 
Erwerbes, die für viele den Aufenthalt in der Großstadt direkt nötig 
macht. Sie können sich nur darum habilitieren, weil sie hier einen 
Beruf außerhalb der Universität erlangt haben. Umgekehrt kommt 
natürlich auch die Annehmlichkeit des Lebens in Betracht, die manch 
Wohlhabenden gerade hier zur akademischen Laufbahn führt, wäh- 
rend er sich wohl hüten würde, nur der Wissenschaft in einer kleinen 
Provinzialuniversität zu leben. Sodann hat sich nun einmal gezeigt, 
daß unter heutigen Verhältnissen die großen Universitäten auch nur 
in einer großen Stadt zu bestehen vermögen. Daher ist auch natür- 
lich die Nachfrage nach Lehrkräften hier tatsächlich größer ge- 
worden und entsprechend wird es oft mit der Habilitation hier nicht 
gar so ängstlich genommen. So kommt es, daß in Berlin und Wien 
allein sich 7io ^U^i' ^0 und Pd befinden, und wenn man Leipzig 
und München hinzurechnet, so sind es %^) Pd allein finden sich 
hier gar fast die Hälfte zusammen. Von anderen Universitäten 
zeichnen sich Heidelberg, Bonn und Halle durch einen relativ 
zahlreichen Nachwuchs aus. Wenn in Leipzig und Heidelberg, 
München und Jena außerdem die Zahl der EO noch besonders 
groß erscheint, so ist das auf den früher erwähnten Umstand zu- 
rückzuführen, daß hier unbesoldete Extraordinariate verliehen zu 
werden pflegen. An den großen Universitäten werden sich immer 
eine Reihe von Männern finden, die als unoffizielle Lehrkräfte einen 
so großen Wirkungskreis erlangt haben ^ daß sie den Ruf an eine 
kleine Universität nicht gut annehmen können, ohne persönliche 
Opfer bringen zu müssen.^ Das Stundenpublikum ist dort ein ganz 
anderes und der akademische Wirkungskreis von vornherein ein- 
geschränkt. Derselbe Umstand, der dazu führt, daß die großen 
Universitäten vor allem von den Pd aufgesucht werden, läßt sie auch 
länger dort verweilen und hält sie länger dort fest. Nicht jede 
Universität vermag einen EO von einer größeren zu sich zu berufen. 
Die Universitäten lassen sich eben nicht mehr als gleich behandeln, 
da die tatsächlichen Verschiedenheiten zu groß geworden sind. 

1) Ober die Einzelheiten, die hier nicht erörtert zu werden brauchen 
vgl. Tabelle 1, S. 8. 2) Dazu Max Dessoir, Die unoffizielle Univer- 

sität: im „Tag" vom 23. August 1907 (No. 426). 

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36 



Unterschiede in den Uniretsitaten. 





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Oeburtslaitde der Universitätslehrer. 



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38 Qebflrtigkeit der Universitfttslehren 

6. GebQrtigkeit der Universitätslehrer 
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auch das Rekrutierungs- 
gebiet der Hochschullehrer im eigenen Vaterlande genauer kennen zu 
lernen. Es war möglich, diese Untersuchung auch auf die Ordinarien 
auszudehnen, da sich für sie ebenfalls fast durchgängig der Geburts- 
ort feststellen ließ und die wenigen Lücken das Gesamtbild nicht 
zu stören vermögen (vgl. Tabelle tll, S. 36/37). Wir beginnen zu- 
nächst wieder mit den EO und Pd allein. 

Preufien ist unter ihnen relativ nicht ganz so stark vertreten 
wie die Einwohnerzahl es voraussetzt (58 gegen 62 Proz.); eben- 
so bleibt Sachsen dahinter zurück, auch Bayern erreicht seinen 
Anteil nicht ganz. Dagegen ist Baden stärker vertreten. Deut- 
licher wird das Bild noch, wenn wir die einzelnen preußischen 
Provinzen betrachten. Da steht allen voran Berlin selbst, das so 
viele seiner Söhne als Pd stellt, vor allem in der Medizin, und 
dadurch den Durchschnitt beeinflußt Sodann kommen die beiden 
industriellen Provinzen Schlesien und Rheinland, an dritter Stelle 
die Provinz Sachsen, die fast ebenso viele Hochschullehrer unter 
dem „Nachwuchs'' stellt als das Königreich Sachsen, obwohl 
des letzteren Bevölkerung einhalbmal so groß ist. Aus Schlesien 
stammen fast ebenso viele EO und Pd wie aus Bayern, das doch 
eine um V, größere Bevölkerung aufweist. Die Erklärung hierfür 
dürfte wohl ebenso wie für die Rheinprovinz in der stark industri- 
ellen und darum regsamen Bevölkerung zu suchen sein; für die 
Rheinlande außerdem noch in der größeren Wohlhabenheit der intelli- 
genten und leichtbeweglichen Einwohner. Auffallen muß dagegen, 
daß aus denselben Gründen nicht auch das Königreich Sachsen 
stärker am Hochschulwesen beteiligt ist: es schickt offenbar seine 
Söhne lieber zu Handel und Gewerbe. Andererseits hat gerade die 
benachbarte Provinz Sachsen eine unverhältnismäßig starke Ver- 
tretung unter den jüngeren akademischen Lehrern. Es ist nicht 
ganz leicht, dafür die Ursachen anzugeben: ob außer der allgemeinen 
sozialen Zusammensetzung noch eine spezifisch-geistige Begabung 
mitspricht, ließ sich bis jetzt nicht gut ausmachen. Es erscheint 
immerhin nicht ganz unwahrscheinlich. Viel macht auch das Vor- 



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Der Anteil. der einzelnen Landesteile. 39 

handenisein von nahen Universitäten und die Anregung, die dadurclt 
gegeben wird, aus. Im allgemeinen aber stellt der Osten und Norden: 
eine weit geringere Zahl von Pd und EO als der Süden und We^en; 
landwirtschaftliche Gebiete weit weniger als industrielle. Darum) 
treten nicht nur Preußen und Pommern, Brandenburg und Posen, 
sondern auch Schleswig-Holstein und Hannover wesentlich zurück^ 
gegenüber den obengenannten Landesteilen. > 

Deutlicher wird das Bild, wenn wir es mit dem Rekrutierungs- 
gebiet unserer Studentenschaft selbst vergleichen. Wir sind jetzt, 
dank des Nachweises der preußischen. Statistik, darüber genauer 
unterrichtet. Aber wir finden nicht, daß durchgehends die Gebiete 
mit der größten Studentenquote auch die meisten der jüngereir 
Hochschullehrer stellt, wie man doch vermuten sollte. Ober dem 
Durchschnitt sind unter den Studierenden vertreten: Berlin, Han- 
nover, Hessen -Nassau; die süddeutschen Staaten Württembergs 
Bayern, Baden und Hessen. Und zwar trifft der. relative Anteil dieser 
Gebiete sowohl für 1886 als auch für 1900 ziemlich gleichmäßig 
zu, so daß wir hier wohl typische Verhältnisse vor uns haben. 
Gerade also die preußischen Provinzen, die relativ viel Pd und EO 
^teilen, sind nicht ebenso stark unter den Studierenden zu finden; 
Allerdings hat das Königreich Sachsen relativ wenig Studenten und 
relativ wenig Dozenten, und ebenso gehen die östlichen Provinzen 
in beider Beziehung parallel. Aber das ist doch nur ein nega- 
tives Kriterium. Positiv scheinen bei der geographischen Auslese 
der Hochschuldozenten eben doch noch besondere landsmannschaft- 
liche und antropologische Momente mitzusprechen, die sich einst-f 
weilen der Kenntnisnahme entziehen. Wir können jedenfalls nicht 
den Satz aufstellen, daß die einzelnen Landesteile entsprechend ihrem 
Anteile am Universitätsbesuche unter dem Lehrkörper vertreten sind. 

Wenn auch die lokalen Schranken ziemlich aufgehört haben^ 
so bevorzugt doch jede Landsmannschaft immer noch ihre Unt-> 
versität mehr als jede einzelne andere. Aus der Provinz Sachsen 
blieben darum besonders viele in Halle, aus der Rheinprovinz iti 
Bonn, aus Schlesien in Breslau, aus Baden in Freiburg und Heidel-. 
berg, aus Hannover in Göttingen und Berlin, aus Ostpreußen in 



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40 Qebürtigkeit der Universitätslehrer. 

Königsberg usw. Doch handelt es sich immer nur um relativ stär* 
keres Hervortreten, nirgends um absolutes Oberwiegen. Nur die 
Bayern bleiben Oberhaupt zu % an den eigenen Universitäten; 
ebenso finden wir über die Hälfte der geborenen sächsischen Pd 
und EO in Leipzig vereinigt; auch die Elsaß -Lothringer gehen mit 
Vorliebe nach Straßburg. Aber von diesen drei Ausnahmen abge* 
sehen ist im übrigen der Austausch der akademischen Kräfte unter 
dem akademischen Nachwuchs ein völlig interlokaler geworden. 
Die eigene Landesuniversität wird zwar mehr zur Habilitation auf- 
gesucht als irgendeine andere; aber sie wirkt nicht ausschlage 
' gebend für die Habilitation. Eine besondere Richtung hat sich kaum 
beobachten lassen: Süd- und Westdeutsche finden sich in Kiel und 
Königsberg und umgekehrt, so daß die verschiedenen Landesteiie 
sich amalgamieren. Fragen wir umgekehrt, aus welchen Provinzen 
der unoffizielle Lehrkörper hergekommen ist, so gibt es nur zwei 
Universitäten, bei denen wenigstens die Pd zur größeren Hälfte aus 
demselben Landesteile stammen, das sind Breslau und München» 
Bei den EO ist aber keine einzige Universität mehr bis zur Hälfte 
aus Landeskindem vertreten. Der lokale Charakter ist also unter 
dem akademischen Nachwuchs zwar nicht ganz abgestreift; er zeigt 
sich immer noch bis zu einem gewissen Grade; aber er tritt doch 
entschieden vor der gegenseitigen Verquickung der Herkunfts- 
gebiete zurück. 

Vergleichen wir diese Ergebnisse, mit denen der Herkunft der 
heutigen Ordinarien an den einzelnen Universitäten, so springen 
einige bedeutsame Unterschiede in die Augen. Zunächst der, daß 
die Bundesstaaten Bayern, Sachsen und Württemberg relativ weit 
mehr Ordinarien stellen, als ihr Anteil unter dem heutigen Nach- 
wuchs vertreten ist. Aus diesen drei Staaten zusammen stammea 
etwa 25 Proz. Ordinarien gegen nur 16 Proz. Pd und EO. Es ist 
das kaum auf die Verschiedenheit etwa der Altersgenerationen zu- 
rückzuführen, sondern hat wohl seinen Hauptgrund darin, daß die 
Universitäten dieser Staaten mit Vorliebe Landeskinder berufen. Sa 
sind an den drei bayrischen Landesuniversitäten fast die Hälfte der 
Ordinarien Bayern und in München sogar über die Hälfte. Ab- 



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Qebürtigkeit der Ordinarien. 41 

weichend von unseren bisherigen Ermittelungen stellt nächstdem das 
Königreich und fast ebenso die Provinz Sachsen das größte Kon- 
tingent unter den ordentlichen Professoren, obwohl ersteres doch 
unter dem akademischen Nachwuchs so ganz zurftektrat. Wahrend 
aber die Bayern vor allem auf den eigenen Universitäten zu finden 
waren, so sind die geborenen Sachsen allenthalben vertreten: 
das Königreich außer in Leipzig stärker noch in Kiel, Berlin, Rostock 
und Tübingen, die Provinz in Heidelberg, Marburg und Straßburg. 
Auch die Rheinlande stellen ein starkes Kontingent unter den Ordi- 
narien, wie schon vorher unter den EO und Pd; von ihnen fällt der 
dritte Teil allein auf die Universität Bonn. Schlesier finden sich zahl- 
reich außer in Breslau auch in Königsberg und Berlin auf den ordent- 
lichen Lehrstühlen, Hannoveraner vor allem in Göttingen. Ganz auf- 
fallend ist das völlige Zurücktreten der geborenen^ Berliner unter 
den Ordinarien, die doch unter den EO und Pd am stärksten ver- 
treten waren. Ob die ältere Generation sich bezüglich der geo^ 
graphischen Zusammensetzung ganz anders verhielt als die jüngere, 
oder ob die Berliner lieber als EO und Pd in der Hauptstadt bleiben, 
bevor sie ein Ordinariat an einer kleineren Universität annehmen, 
läßt sich nicht leicht sagen. Oberhaupt geben uns die Herkunfts- 
verhältnisse noch manches ungelöste Problem, das wohl erst im Zu^ 
sammenhang mit antropologischen Fragen gelöst werden kann. Es 
sprechen offenbar ökonomische (Wohlhabenheit), soziale (Zusammen- 
setzung der Bevölkerung) und psychologische (Intelligenz und geistige 
Fähigkeiten) neben politischen Momenten (Bevorzugung der Landes- 
kinder) gleichmäßig mit 

Auch nach Fakultäten sind unter den Ordinarien die lands^ 
mannschaftlichen Unterschiede ziemlich stark ausgedrückt Theo- 
logen kommen auffallenderweise vorwiegend aus Bayern, sodann 
aus den Rheinlanden, Württemberg und der Provinz Sachsen. Die 
beiden letzten Gebiete haben wohl von alters her ein großes Kon- 
tingent Geistlicher gestellt und zeichnen sich durch einen inner- 
lichen und nachdenklichen Volksstamm aus. Die juristischen Ordi- 
narien sind vor allem in Bayern und Schlesien zu Hause. Weit 
weniger ausgeprägt erscheint die Herkunft der Naturwissenschaftler^ 
wo Schlesien, Provinz Sachsen und Württemberg nur unbedeutend 



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42 Qet)ürtigkeit der Universitfttslehrer. 

hervortreten. In der Medizin läuft Bayern mit allein 15 Proz. den 
übrigen Gebieten den Rang ab; Berlin und Sachsen folgen erst in 
weitem Abstände. Unter den Historikern sind nächst Bayern, das 
ein Siebentel stellt, noch Hessen-Nassau und die Rheinlande stärker 
beteiligt Anders stellt sich die Verteilung der Fakultäten iQr den 
akademischen Nachwuchs insofern als Berlin überall mehr in den 
Vordergrund tritt Wir müssen uns mit der Hervorhebung dieser 
Tatsachen begnügen, die doch mancherlei Nachdenkliches an sich 
haben, ohne schon überall eine Lösung so verwickelter Fragen zu 
geben.^ 

Betrachten wir endlich den gesamten Lehrkörper, wie er sich 
gegenwärtig in einem Querdurchschnitt darstellt, als eine Einheit, 
unabhängig von der Hierarchie innerhalb der Dozentenschaft, so ist 
das Ergebnis, daß Preußen unter den Universitätslehrern relativ 
etwas zurücktritt, ebenso das Königreich Sachsen. Bayern stellt 
ein großes Kontingent: 11 Proz. der Universitätslehrer stammt daher. 
Nächstdem kommt Berlin, wo der „akademische Nachwuchs'' so 
stark vertreten ist. An dritter Stelle etwa gleichstark Schlesien und 
die Rheinlande: die beiden industriell entwickeisten preußischen Pro- 
vinzen. Der Osten und Norden bleibt, wie sich bereits vordem unter 
den PO und Pd allein zeigte, weit hinter dem Westen und Süden 
zurück. Endlich spielt auch das Ausland durchaus keine verächt- 
liche Rolle auf den deutschen Universitäten. Neun Proz. aller Universi- 
tätslehrer sind Ausländer; Ordinarien und Nachwuchs bilden darin 
keinen wesentlichen Unterschied. Sie sind bei ersteren vor allem 
in Berlin und Leipzig, Strafiburg und Halle zu finden; unter denEO 
und Pd in Berlin (21), Heidelberg (14), München (1 1) und Leipzig (10). 
Unter den Ausländem stehen bei weitem voran: die Österreicher, 



1) In Osterreich liegen die Verhältnisse viel einfacher: hier gibt 
es nur zwei Gebiete, aus denen zusammen etwa die Hälfte der EO und 
Pd stammt: Wien (mit 28 Proz.) und Böhmen (mit 21). Alle anderen 
Länder des Vereinigten Königreichs treten hinter diesen beiden gänzlich 
zurück; nur Mähren stellt noch ein größeres Kontingent. Und zwar hat 
Wien einen ganz erheblich größeren Anteil am österreichischen Nach- 
wuchs als etwa Berlin unter dem deutschen. • Deutschland und Ungarn 
$ind mit je etwa 5 Proz^ unter deni Nachwuchs vertreten. 



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^Qebürtigkeit des gesamten LehrkOrpers.| 43 

sodann in weitem Abstand die Schweizer. Beide gehören zum 
deutschen Sprachgebiete. Premdsprechende Ausländer sind nur 
ausnahmsweise vertreten. — 

Das ist im ganzen die Zusammensetzung des Lehrkörpers nach 
Zahl und Art, nach sozialer Gliederung und geographischer Her- 
kunft. Es ist gewiß nur ein Durchschnittsbild, das wir für ein be- 
stimmtes Semester geben können. Wie an jeder einzelnen Uni- 
versität ein beständiger Wechsel der Personen stattfindet« so wird 
wohl auch diese Zusammensetzung sich in einiger Zeit ändern. Aber 
gewisse Erscheinungen setzen sich doch als typisch durch und die 
kleinen Verschiebungen, die hie und da entstehen, werden kaum 
das Gesamtbild wesentlich beeinflussen. Wir werden also dem Be- 
stand und der Entwicklung der Hochschullehrer und des ,,akade- 
mischen Nachwuchses'' im besonderen, so wie sie sich in der Gegen- 
wart zeigen, auch eine innere Bedeutung beimessen können. Dem 
wenden wir uns nunmehr zu. 



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Zweites Kapitel 
Die innere Bedeutung der ,, unoffiziellen'' Lehrkräfte 

1. Die Persönlichkeiten 

Nachdem wir die äußerlichen Verhältnisse geschildert, ist es 
nötig, die innere Stellung der EO und Pd in der Gesamtheit des Lehr- 
körpers zu betrachten. Nur so werden wir der eigenartigen Be- 
deutung gerecht werden, die sie heute beanspruchen und ober die 
wohl nicht durchgehends die nötige Klarheit besteht Dazu wollen 
wir eine Scheidung nach Personengruppen vornehmen, die sich in 
diesen „unoffiziellen Universitäten'' vereinigt finden. Wir können sie 
einander nach ganz bestimmten Merkmalen gegenüberstellen, natür- 
lich mit der selbstverständlichen Einschränkung, daß solche Schei- 
dungen mehr logisch-begrifflicher Natur sind und die einzelnen Per- 
sönlichkeiten sich nicht immer völlig in das Schema unterbringen 
lassen. Es dient vor allem zur Orientierung. 

Die erste Gruppe umfaßt solche Universitätslehrer, bei denen 
die akademische Tätigkeit nur Nebenberuf oder ein Nebenamt 
ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob es aus Not oder aus Neigung 
der Fall ist. Dahin gehören vor allem Personen, die noch ein be- 
sonderes staatliches oder sonstiges Amt bekleiden. Ich nenne 
Museumsdirektoren, höhere Verwaltungsbeamte, leitende Arzte eines 
städtischen oder staatlichen Krankenhauses, Direktoren oder Mit- 
glieder eines statistischen Amtes, angestellte Pfarrer, im ferneren 
Richter und Rechtsanwälte (verhältnismäßig selten), vor allem aber 
Gymnasiallehrer (besonders häufig in Osterreich) und Bibliothekare. 
Das Hineinragen gerade dieser Gruppe von akademischen Lehrern 
erscheint sicherlich erwünscht und bedeutsam für den Lehrbetrieb. 
Es werden dadurch andere Anschauungen in den Unterricht hinein- 



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Universitätslehrer im Nebenamt 45 

gebracht als rein akademische, da diese Personen dauernd mit 
anderen Leb^nselementen in Berührung bleiben: das ist eine durch- 
aus erwünschte Ergänzung und Erweiterung der Lehraufgaben. Man 
kann es eher bedauern, daß dieser Kreis von Personen sich nicht 
noch mehr erweitert Der Verwaltungsbeamte etwa hat Anschau- 
ungen aus seiner Praxis über die Gestaltung des öffentlichen Rechts 
gewonnen, die er den Studenten so vermitteln kann, wie die theo- 
retische Beschäftigung mit den Dingen allein es nicht vermag. Ein 
rein akademischer Unterricht in der Kunstgeschichte, der vorwiegend 
auf das Skioptikon oder Abbildungen sich stützt, vermag nicht die 
Anschauung zu geben wie ein solcher, der aus den Schätzen eines 
Museums schöpft Auch das Kunstgewerbe, die graphischen Künste 
könnten auf diese Weise zur Vertretung an einer Universität gelangen. 
Auch der Richter und Rechtsanwalt würden dem juristischen Unterricht 
von Nutzen sein und eine sehr gute Ergänzung bez. der praktischen 
Anschauung gewähren, die bei den reinen Theoretikern leicht vermißt 
wird. Wir werden später darauf zurückkommen, daß bei der Vorbe- 
reitung zum Lehrberuf diese Lücken der Anschauung öfters empfunden 
und ergänzt werden. Es soll nicht etwa die Verbindung zweier Tätig- 
keiten durchgehends empfohlen werden. Nur ein Einschlag dieser 
Elemente in dem ganzen Lehrkörper scheint recht nützlich. Man 
darf vermuten, daß es immer pädagogische und wissenschaftliche 
Interessen sind, die auf diese Weise dem Unterricht zugute kommen. 
Natürlich werden sich vor allem an den großen Universitäten solche 
Personen finden, wo die Stadt die Gelegenheit zur Ausübung des 
Amtes gibt Aber es sind nicht die schlechtesten Kräfte, die ihr 
wissenschaftliches Interesse auf diese Weise mit der Lebensfürsorge 
zu verbinden wissen. 

Allerdings ist auch die Kehrseite darüber nicht zu vergessen. 
Es geht diesen Kreisen zum Teil die freie und unabhängige Stel- 
lung ab, die den akademischen Lehrern eigen sein soll. Die Ab- 
hängigkeit dieser Personen von äußeren Einflüssen und der Politik, 
von der Kirche und den vorgesetzten Behörden bleibt bestehen und 
wird nie ganz zu umgehen sein. Bei der veranstalteten Umfrage 
haben beispielsweise einige Herren dieser Gruppe eben wegen ihrer 
abhängigen Stellung Bedenken gehabt, die Fragekarte zu be- 



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'46 l^i® Persönlichkeiten. 

antworten: sie befürchteten Konflikte und wußten nicht, ob diese 
Umfrage von ihrer vorgesetzten Behörde gebilligt würde. Es ist 
zu vermuten, daß manche von ihnen auch einer Organisation der 
EO und Pd fem bleiben müßten. Darum ist teilweise die Ansicht 
vertreten, solche Personen dürften überhaupt nicht zum Lehramte 
zugelassen werden, weil die Freiheit der Wissenschaft und die reine 
Wahrheitsforschung dadurch gefährdet würde. Auch auf dem Salz- 
burger Hochschullehrertag sind diese Bedenken stark geltend ge- 
macht worden. Tatsächlich mögen Konfliktsfälle zwischen Lehramt 
und abhängiger Stellung nicht selten sein, und es muß gewiß be- 
denklich erscheinen, wenn namentlich der Einfluß der Regierung 
durch solche auch politisch abhängige Lehrer sich zu stark durch- 
setzt Die wissenschaftliche Forschung kann nur leiden, wenn der 
Lehrer zugleich Mandatar der Regierung oder einer vorgesetzten 
Behörde ist. 

Trotzdem kann man im Lehrkörper Leute in abhängiger Stel- 
lung nicht prinzipiell ausschließen. In der Medizin sind städtische 
Krankenhausdirektoren, Kreisärzte, staatlich angestellte Chefärzte 
unentbehrlich; deren Zahl ist sogar recht erheblich. Und wenn wir 
einen fähigen Gymnasiallehrer oder Bibliothekar nur darum, weil 
er sich in abhängiger Stellung befindet, die Möglichkeit der Habili- 
tation abschneiden, so werden wir entschieden den Universitätsunter- 
richt verarmen lassen und diesen Kreisen überhaupt die Dozenten- 
schaft unmöglich machen. Es sind nicht nur sehr tüchtige Kräfte 
aus diesen Reihen hervorgegangen, sondern ein Teil der Neben- 
disziplinen ist überhaupt nur durch solche Berufstätigkeit der Do- 
zenten vertretbar und müßte sonst einfach fortfallen. Die Universität 
ist also geradezu auf eine solche Kombination der Stellungen an- 
gewiesen, wenn sie im heutigen Umfang bestehen soll. Zudem steht 
es ja mit den Ordinarien teils nicht anders: auch sie haben als 
staatliche Prüfungskommissionäre, Schulräte u. ä. öfters eine gewisse 
Doppelstellung inne, die ihre wissenschaftliche Forschung durchaus 
nicht zu beeinflussen braucht. Sollte sodann die Abhängigkeit des 
Pd und EO vom Ordinarius und dessen Gunst immer schwächer 
wirken als eine neutrale Stellung als Beamter, die zwar „formell ab- 
hängig'' ist, aber die wissenschaftliche Forschung gar nicht zu be«- 



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Bedenken gegfen diese Gruppe von Personen. 47 

einflussen braucht? Endlich gibt es eine Abhängigkeit in gesell- 
^chaftlichfer Beziehung, die gewiß stärker wirkt als die bisher be- 
handelte: ich meine die Stellung des p§se rveoffi? iers. Hier können 
beim Theologen, Juristen, NationalOkonomen, Philosophen, Histo* 
riker^) ebenfalls sehr starke Konflikte entstehen, die man heute 
unbedenklich mit in Kauf nimmt. Das Verhältnis zum Reserveoffizier 
müßte also gelöst werden, wenn man die politischen und die gesell* 
schaftlichen Einflüsse wirklich beseitigen wollte. Das scheint aber 
nicht gut angängig und ist tatsächlich nicht der Fall. Würde man 
aber alle jene Lehrer von der Universität hinausweisen, die in irgend- 
einer abhängigen Stellung sich befinden, so bliebe in sehr vielen 
Fällen die akademische Laufbahn tatsächlich nur eine Domäne der 
Reichen und Wohlhabenden, was noch bedenklicher wäre. Es er- 
scheint vielmehr im Interesse des Unterrichts geboten, auch solche 
Kräfte, die eine amtliche Stellung innehaben, für eine bescheidenere 
akademische Tätigkeit zu gewinnen. Denn nicht selten ist ja, wor*r 
auf später noch einzugehen sein wird, aus der Not eine Tugend 
gemacht und jene Stellung nur darum angenommen, um überhaupt 
an der Universität lehren zu können. 

Bei dieser Gruppe von Personen ist die Beförderung zum Or- 
dinarius von vornherein erschwert, wenn nicht ganz unmöglich ge- 
macht. Teils verbietet die angestrengte außerakademische Tätigkeit 
eine intensivere wissenschaftliche Leistung, teils beschränkt sich 
das Halten von Vorlesungen auf wenige Stunden. Wir werden sie 
also nicht zum eigentlichen „Nachwuchs'' rechnen dürfen, aus denem 
die Anwärter auf die künftige Professur hervorgehen. Denn auch 
sie werden durch ihre Zugehörigkeit zum Lehrkörper nur als solche 
bewertet werden müssen: d. h. ihre Ernennung zum EO oder die 
Beleihung des Professortitels wird nur von ihrer wissenschaft- 
lichen Leistung, nicht von ihren Verdiensten außerhalb der Uni* 
versitäten abhängen dürfen. Wir werden vermuten, daß sie dauernd 
oder wenigstens sehr lange auf der Stufe der unoffiziellen Lehrkräfte 
festgehalten werden. 

1) Das sind auch die Fächer, bei denen die amtliche Stellung sich- 
vor allem bemerkbar machen könnte ^ denn die klassische Philologie unc^ 
die Chirurgie dürfen kaum zu Konflikten führen. 



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48 Die Persönlichkeiten. 

Die zweite Gruppe von Personen wird gebildet aus den freien 
Lehrern, d. h. aus solchen, die aus anderen Gründen kaum ein 
Aufsteigen in das Ordinariat erwarten und auf die Karriere sowie 
auf die Zugehörigkeit zur offiziellen Universität im eigentlichen 
Sinne freiwillig oder gezwungen verzichten. Es sind einmal Per- 
sonen, die erst in späteren Jahren noch die venia legendi nach- 
suchen. Mögen sie nun das Lehramt anderwärts aufgegeben haben^ 
um nur an einer größeren Universität als freie Lehrer zu walten; mögen 
sie nach der Ausübung eines anderen Berufes dies tun, wenn der 
Drang dann in ihnen stark genug ist; mögen sie endlich nur aus 
Liebhaberei und aus eigenen Mitteln heraus freiwillig sich der 
Wissenschaft widmen. Die Fälle, wo dies geschieht, sind wohl in 
Deutschland nicht sehr zahlreich, aber sie kommen doch immerhin 
vor. Sodann gehören hierher vor allem solche Personen, die 
in die Organisation der Universitäten mit ihren Prüfungen, Exami- 
nationen, Verwaitungsarbeit, nicht hineinpassen, sondern nur eine 
Stätte freier Wirksamkeit des Lehrens erstreben. Ihren Lebens- 
unterhalt haben sie durch Vorträge, Schriftstelierei, Koilegiengeld- 
einnahme und Privatvermögen recht und schlecht. Ihnen ist 
auch die Befreiung von allen offiziellen Pflichten und Verbindlich- 
keiten gerade das Liebste. Sie sind zufrieden und fühlen sich darin 
wohl, daß sie nicht zur „Zunft'' gehören. Hier sind auch die Out- 
siders zu finden, die jede Wissenschaft aufzuweisen hat: in der 
Theologie etwa die freiere Denkrichtung an einer sonst orthodoxen 
Fakultät; in der Medizin die Vertreter einer bestimmten Heilmethode, 
die für ihre Ideen Propaganda machen wollen; in den Naturwissen- 
schaften z. B. die Vertreter des Neovitalismus oder einer anderen 
nicht gerade anerkannten Richtung; in der Philosophie etwa lange 
Zeit die Anhänger Hegels oder Schopenhauers, E. v. Hartmanns oder 
Avenarius'; in der historischen Wissenschaft die Vertreter mehr 
modemer Richtung der Kulturgeschichtschreibung; in der National- 
ökonomie auch Anhänger der Manchesterlehre oder des wissen- 
schaftlichen Sozialismus, um zwei gegenwärtig verpönte Richtungen 
zu nennen. Alle diese würden als freie Lehrer an der Universität 
in Betracht kommen. Auch Vertreter bis jetzt nicht anerkannter 
Fächer, etwa der politischen Anthropologie oder des Naturheilver- 



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Die „freien Lehrer^* und Ihre Bedeutung. 49 

lahrens oder der Soziologie gehören hierher. Es sind zum Teil recht 
^unpraktische'*, unbequeme Nahiren , oft EigenbrOdler von starkem 
Selbständigkeitsdrang, vielleicht auch Fanatiker ihrer Idee. Sie 
mögen zuweilen mit ihrer Unabhängigkeit etwa kokettieren, sich als 
^verkannt*' hinstellen. Wohl jede Universität wird ein paar solcher 
Naturen aufzuweisen haben - Leute, die außerhalb der offiziellen 
Wissenschaften, wie sie durch Erteilung eines Lehrauftrags aner- 
kannt ist, stehen und stehen wollen und die doch for die universiia$ 
liierarwn ganz unentbehrlich erscheinen. Sie machen keineswegs 
<len schlechtesten Teil des akademischen „Nachwuchses'* aus. Es 
ist geradezu ein Lebensprinzip der deutschen Universitäten, auch 
solche Elemente unter sich zu haben. Sie geben dem Unterrichte 
Farbe und Nuance, Individualität und Reichtum der Persönlichkeit. 
Zum Ordinariat eignen sie sich schwerlich; dafür ist kein zu neu- 
modischer Mann möglich, da es hier vor allem auf die Pflege ge- 
:sicherten Wissens ankommt, das den künftigen Geistlichen, Ärzten, 
Beamten und Richtern, Oberlehrern u. a. überliefert werden muß. Es 
sei, um von den Lebenden zu schweigen, an Männer wie Schopen- 
hauer und Dühring erinnert, die gewiß beide keine regelmäßigen 
iund geeigneten Ordinarien dargestellt und schwerlich sich für die 
Abnahme der Prüfungen geeignet hätten. 

In diesem Zusammenhange mag eine Zwischetfbemerkung ge- 
stattet sein. Es ist nicht erst von heute und gestern der Ruf nach 
„freien Universitäten'' erschollen, die neben den Staatsuniversitäten 
sehr wohl eine Bedeutung für das moderne Leben gewinnen könnten. 
Neuerdings hat Julius Baumann wieder lebhaftest solche freie Uni- 
versitäten befürwortet. ^) Der Gedankengang dieser Forderung ist der, 
daß gewisse Grundsätze, rein wissenschaftlich betrachtet, an den Uni- 
versitäten gar nicht behandelt werden dürften und sicherlich zu kurz 
Icämen, weil sie letzthin Staatsanstalten seien, die vom Staate unter- 
halten werden und darum von vornherein gewissermaßen gebunden 
seien. Dazu komme, daß in den theologischen, juristischen und 
teilweise auch in den historisch-philosophischen Fakultäten vor allem 

1) Julius Baumann [ordentiicher Professor der Philosophie in 
Oöttingen, Geh. Regierungsrat], Für freie Universitäten neben den Staats- 
tiniversitäten, zugleich mit Ratschlägen für die letzeren. Langensalza 1907. 
Eulenbttrg, der akad. Nachwuchs. 4 



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50 : Die Persönlichkeitert. 

künftige Beamten ausgebildet werden sollten, denen ein bestimmtes, 
voth Staate vorgeschriebenes Ziel gesteckt sei, auf das nicht ver- 
zichtet werden dürfe. So erleide die Wissenschaft an den heti* 
tigen Staatsuniversitaten von selbst gewisse Grenzen, die an sich er- 
forderlich und notwendig seien. Aber eben darum müßten neben 
den Staatsuniversitäten auch freie Universitäten bestehen. Diese 
Notwendigkeit wird nun für die einzelnen Wissenschaften ausgeführt. 
Und gewiß mit Rechte Die Notwendigkeit der „freien Universi- 
täten^ ist sicherlich vorhanden. Aber dazu bedarf es keiner neuen 
Gründungen, die kaum lebensfähig wären. Denn wer sollte sie 
unterhalten, und würden die verschiedenen „freien'' Richtungen 
gleichmäßig nebeneinander bestehen und sich friedlich vertragen? 
Beides ist nicht recht wahrscheinlich — so wie die Menschen nun ein- 
mal sind. Und sodann, wer sollte sie eigentlich dauernd besuchen, 
wenn kein Brotstudium daraus gemacht werden könnte, was heute 
doch vor allem die Universitäten am Leben erhält? Wir brauchen 
aber auch diese freien Universitäten gar nicht als besondere An- 
stalten zu gründen. Denn wir besitzen sie ja zum Teil schon an 
den bisherigen^; man muß nur das Bestehende richtig deuten und 
ausnutzen. Hier kann seitens der Fakultäten selbst, wie seitens der 
Regierungen Duldung im weitesten Sinne geübt werden. Ja auch die 
direkte Heranziehung und Unterstützung solcher „freien'' Kräfte hat 
nichts Bedenkliches an sich; gerade als SelbstverwaltungskOrper ver- 
mögen die Fakultäten am besten das Echte vom Unechten zu unter- 
scheiden. Es steht ja nachher bei den Fakultäten, ob diese freien 
Lehrer eine Beförderung erhalten sollen. Keine Denkrichtung, auch 
die augenblicklich unbeliebteste, ist prinzipiell von der unoffiziellen 
Universität auszuschließen. Auch heute schon bilden einen nicht 
unbeträchtiichen Teil des sogenannten akademischen Nachwuchses 



1) Vielleicht noch mit der Erweiterung, daß die politischen Parteien 
und Interessengruppen im allgemeinen intoleranter sind als die jeweiligen 
Regierungen, die meist erst Von jenen auf das „Staatsgefährliche** dieser 
oder jener Lehre hingewiesen werden. 

2) Es wird abgesehen Von den freien Hochschulen, wie etwa der 
Lessinghochschule, der Humboldt- Akademie u.a., die ja ganz anderen 
Zwecken dienen sollen. 



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Ober „freie UniversiiAten". 51 

solche freie Lehrkräfte, die nicht gut entbehrt werden können, 
wenn nicht der Unterrichtsbetrieb verarmen soll. 

Hierher gehören auch endlich noch die, die gar nicht Ordi- 
narien an einer kleinen Universität sein wollen. Vor allem an den 
größeren Universitäten, wie Berlin, Wien, Leipzig, München finden 
sich Männer, die eine Berufung an irgendeine kleine Universität ab- 
geschlagen haben und es vorziehen, freie Lehrer, sogar als Pd an 
einer großen Metropole zu bleiben, wo sie ein auserleseneres Stu- 
dentenpublikum vor sich haben. Auch darüber weiß unsere Um- 
frage einiges zu berichten. Wir dürfen besonders unter den älteren 
Universitätslehrern gar manchen zu dieser Kategorie rechnen, wenn 
wir genau Umschau halten und Kenntnis der wissenschaftlichen 
Persönlichkeit damit verbinden. Aus diesem oder jenem Grunde 
wird also auch der größere Teil dieses zweiten Personenkreises ent- 
weder nicht zu einem Ordinariat gelangen können oder es nicht 
wollen und sie werden deswegen dauernd auf der Stufe des „aka- 
demischen Nachwuchses'^ der unoffiziellen Universitätslehrer fest- 
gehalten. 

Endlich die dritte Gruppe, numerisch wohl die größte, die 
der „regulären Dozenten^. Sie machen in der Mehrzahl der Fälle 
die akademische Hierarchie durch, für sie ist zum größten Teile 
diese Laufbahn ein Beruf geworden, die erst zum EO mit oder ohne 
Lehrauftrag aufsteigen und denen dann unter normalen Verhält- 
nissen ein Ordinariat winkt Es sind die, welche wir vor allem im 
Auge haben, wenn wir vom „akademischen Nachwuchs^ sprechen. 
Wir wissen nun schon, daß die verschiedenen Fakultäten sich ab- 
weichend verhalten, daß die einen einen Mangel, die anderen Ober- 
angebot haben, daß das Aufsteigen dort beschleunigt, hier veriang- 
samt wird« 

Aber hier ist bereits innezuhalten. Denn un Laufe der Zeiten 
hat sich manches verändert, und auch die Universitäten stehen nicht 
mehr außerhalb der allgemeinen Kultur- und Zeitströmung. Die alte 
Hierarchie entsprach dem alten Handwerk: Lehrling (Promotion), 
Gesdle (HabSitation) und Meister (Ordinariat). Aber wie der Auf- 
stieg zur Selbständigkeit beim Handweric zum Teile aufgehört hat, 

4* 



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52 ^^ Persönlichkeiten. 

so auch hier die Brtangung des Ordinariates. Nicht umsonst hat 
die moderne Universität, wie eingangs gezeigt, das Signum des 
modernen Großbetriebes angenommen. Heute kann durchaus nicht 
mehr die MögKchkeit gewährleistet werden, daß auch von dem 
„regulären Dozenten" das Ordinariat wirklich erlangt wird. Es kann 
mehrere Ursachen haben. Oft vertritt der Dozent und Extraordi- 
narius nur eine Disziplin, für die ein eigenes Ordinariat bisher gar 
nicht besteht. Es kann das einmal daran liegen, daß das Fach noch 
nicht in den Lehrkörper der Fakultäten aus zufälligen Gründen 
(Mangel an Mitteln) eingegliederi ist; dahin gehören zum Teil so 
wichtige Gebiete wie Hautkrankheiten, Kinderkrankheiten, Laryngo- 
logie^ Zahnheilkunde oder Geographie, Kunstgeschichte, Statistik, 
die auch heute noch nicht überall als volles Fach mit eigenen Ordi- 
narien zur Fakultät gehören. Vor allem an den kleineren Universi- 
täten wird öfters noch ein EO sie ersetzen, und es hängt oft von 
ganz zufälligen Ursachen ab, etwa wenn ein besonders angesehener 
Forscher auf diesem Gebiete vorhanden ist, daß man dann geschwind 
ein Ordinariat für dieses Fach errichtet 

Oder das Fach ist tatsächlich zu speziell und liegt zu ab- 
seits, als daß ohne weiteres ein Ordinariat errichtet werden könnte. 
Dahin gehören etwa solche Gebiete wie die chinesische Sprache 
oder die chemische Technologie oder die Musikwissenschaft oder 
die Geschichte der Medizin oder die Krebsforschung oder das 
Koionialrecht. Es ist kaum wahrscheinlich, daß für diese ver- 
selbständigten Nebendisziplinen sobald eigene Ordinariate errichtet 
werden. Freilich ist man in der Abgrenzung dessen, was wichtig 
genug erscheint, um selbständig vertreten zu werden, wenig konse- 
quent verfahren. Warum z. B. an einzelnen Universitäten ägyptische 
und arabische Sprachen eher ein Anrecht auf ein selbständiges Ordi- 
nariat haben als die romanischen und slavischen, ist nicht recht zu 
verstehen. Warum für Augenheilkunde überall Ordinarien bestehen, 
für Hautkrankheiten nicht, ist nur historisch, aber durchaus nicht 
mehr sachlich zu rechtfertigen u.s.v.a. Das Ansinnen aber, nun 

1) Für Hautkrankheiten besteht meines Wissens nur in Breslau und 
Wien ein Ordinariat, während für Ägyptologie mehrere vorhanden sind; 
für Laryngologie nur in Rostock. 



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^egnUlre Dozenten^: Dmienide Bztniordiiiariate. 53 

fflr alle solche Nebenfächer ohne weiteres gleicherweise ordent- 
liche Lehrstuhle zu errichten, läBt sich kaum erfOUen. Es sind mit* 
unter wirklidi nur Teildiszii^en, fOr die ein groSes BedOrfnis 
kaum vorhanden ist und die auch wissenschaffiich nicht ein zu 
starkes Interesse haben dnrften, wenn sie auch an sich wichtig 
genug sind, um Oberhaupt vertreten zu sma. Es ist nicht nötig und 
nicht möglich, dafi bei der zunehmenden Differenzierung fOr jedes 
Fach sofort und aberall Ordmariate geschaffen werden. Es wird 
dieses Ansmnen auch in absehbarer Zeit kaum erfüllt werden 
können, weil dieser Spezialdisziplinen gar zu viele sind, die sich 
doch um em Hauptgebiet herumgruppieren. Oft h&ngt die Ver- 
tretung eines solchen Faches auch von dem zufälligen Vorhanden- 
sein eines geeigneten Lehrers ab, der eventuell gar keinen direkten 
Nachfolger erhalten kann, weil er ein Unikum auf dem Gebiete war. 
Die Errichtung selbständiger Lehrstühle muß aber immer von dem 
dauernden Bedürfnis und der dauernden Nachfrage geboten 
sein. Es wird also der Vertreter eines solchen Faches, der EO ist, 
kaum jemals emporrücken können; im Gegenteil ist anzunehmen, 
und die Entwicklung hat tatsachlich dahin geführt, daß gerade diese 
Extraordinariate noch zunehmen, da eben immer neue Disziplinen 
in den Gesichtskreis der Universitäten treten, für die das Bedürfnis 
sich erst im Laufe der Zeit entwickeln wird. Ist die Zahl der ersteren 
Kategorie von EO in jeder Fakultät wohl nicht zu groß, so haben 
dagegen die der letzteren vor allem an den größeren Universitäten 
eine steigende Bedeutung gewonnen, und e$ ist gar kein Ende der 
Entwicklung abzusehen. Die Vertreter beider Gruppen von Lehr- 
fächern werden schwerlich darauf rechnen können sobald ein Ordi- 
nariat zu erlangen; sie werden wenigstens zum Teile vermutlich 
dauernd auf der Stufe der EO festgehalten werden. 

Bndlich ist aber auch in manchen von den Fächern, für die 
eigene Ordinariate bestehen und bei denen also ein Aufsteigen an 
sich möglich wäre, wegen des steigenden Angebotes die Konkurrenz 
so groß, daß immer nur auf einen von mehreren das Los fallen 
kann, zumal die Berufung doch auch bisweilen Personen aus an- 
deren Schichten aufs Katheder ruft, die gar nicht habilitiert waren. 
Wenn aber ein gewisses Alter einmal überschritten ist, so wird eine 



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54 Die Persönlichkeiten. 

weitere Beförderung sowieso erschwert. Dazu kommen ja auch noch 
genug andere Umstände, die einer Ernennung hinderlich sind — es 
sei nur an die konfessionelle Seite erinnert, die manchmal den Aus- 
schlag für die Beförderung (katholische Dozenten) oder Nichtbef örde- 
rung (jüdische) gibt; sodann öfters auch die bestimmte Richtung dieser 
oder jener Schule. Wir werden außerdem noch sehen, daß das Ordi- 
nariat erst in späterem Älter erreicht werden kann. Kurz gesagt, 
es sind mannigfache Ursachen, warum auf dem sogenannten „Durch- 
gang'" der Privatdozentur und des Extraordinariates oft so lange ver- 
weilt wird: nicht wegen Mangel an Tüchtigkeit, sondern aus innerer 
Notwendigkeit wird bei einem großen Teile des Nachwuchses die Er- 
langung des Ordinariates erst sehr spät möglich. Das muß festge- . 
halten werden, um die im ganzen recht ungünstige Position dieser 
Kreise zu verstehen. Es gewinnt durchaus den Anschein, als wenn 
aus den mannigfachen Ursachen, die wir dargelegt haben, die Ent- 
wicklung in dieser Richtung weitergehen wird, daß die ordentliche 
Professur teilweise überhaupt nicht erlangt wird oder doch nur in ^ 
vorgerücktem Lebensalter erreicht werden kann. Das trifft gewiß 
nicht den einzelnen, wohl aber den Durchschnitt: da eben die zu- 
nehmende Arbeitsteilung der Wissenschaft die Schaffung neuer 
Lehrkräfte erfordert, die nicht sämtlich mehr in den Fakultäten 
Platz finden können. Die fehlende Beförderung oder die späte Er- 
nennung ist also auch in diesem Falle nicht der Mangel an Tüchtig- 
keit, sondern erklärt sich hinreichend aus den Verhältnissen. 

Die unoffiziellen Lehrkräfte setzen sich aus allen drei bzw. vier 
von uns betrachteten Kategorien zusammen und es mußte offenbar von 
allen dreien gesprochen werden. Denn sie sind alle drei wichtig und 
machen einen integrierenden Bestandteil unseres Lehrkörpers aus. 
Die erstere Gruppe stellt eine Verbindung mit dem Leben außer- 
halb der Universitäten her, die nicht gut entbehrt werden kann. 
Die zweite erscheint als Organ freierer Gedankenrichtungen und 
bar aller offiziellen Anerkennung, aber gerade darum nicht minder 
bedeutsam für die volle Entfaltung der geistigen Schaffenskraft und 
der geistigen Energie eines Volkes. Die dritte endlich ist an sich das 
Rekrutierungsgebiet der künftigen, offiziellen Lehrer: aber sie ge- 
langeiTf zum Teil überhaupt nicht mehr oder erst spät zum Ordinariat. 



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Die drei KatQ^orien von Universitätslehrern. 55 

Alle drei zusammen ergeben erst die volle Mannigfaltigkeit und eine 
gegenseitige Ergänzung und Gliederung unseres Lehrkörpers. Wenn 
aber die Entwicklung weiter nach dieser Richtung gehen wird» was 
bei der immer fortschreitenden Spezialisierung der Wissenschaften 
zu vermuten ist und heute nicht mehr rückgängig gemacht werden 
kann, so bleibt der Widerspruch bestehen, daß diese unoffiziellen 
Lehrkräfte durchaus keine Vertretung irgendeiner Art oder eine 
unzureichende besitzen; sondern dafi wenigstens in Deutschland 
ihre Angelegenheiten nur von Fall zu Fall erledigt werden. 

Wir werden noch besser die Verhältnisse durchschauen, 
wenn wir die Bedeutung dieser Kräfte vom Standpunkte des 
Unterrichts und der Verwaltung sowie vom Standpunkte der Be« 
dürfnisse des Studierenden betrachten. Es wird zunächst zu 
zeigen sein, welche Aufgabe den unoffiziellen Lehrkräften unter 
heutigen Verhältnissen an den deutschen Universitäten tatsächlich 
zukommt. Diese Aufgabe kann nach doppelter Richtung liegen. 

2. Vorlesungstätigkeit 

Die Universität trägt ihren Namen nicht mit Unrecht: sie wird 
als „universiias literarum" auf eine vollständige Vertretung der 
Vorlesungen in der einen oder anderen Form sehen müssen, 
wenn nicht gar auf Doppelbesetzung der besonders wichtigen. Die 
offiziellen Lehrstühle genügen aber dazu heute in keiner Weise 
mehr. Man hat sich nun damit geholfen, neben der im ganzen be-^ 
schränkten Anzahl von Ordinariaten noch einer Reihe von EO für solche 
jüngere'' Fächer Lehraufträge und meistens auch Gehalt zu geben - 
nicht ohne dabei im ganzen ziemlich willkürlich vorgegangen zu 
sein. Auch verfahren die verschiedenen Regierungen und Univer- 
sitäten ganz verschieden. Das war ja der ursprüngliche Sinn: für 
außerordentliche Fächer Lehrstühle extra Ordinem zu besetzen. Und 
wirklich wurden auf diese Weise eine Reihe von Vorlesungen in 
den Lehrplan einzelner Fakultäten fest eingegliedert. Es sind Fächer 
oft von derselben Wichtigkeit wie irgendwelche anderen „ordent- 
lich'' besetzten. Dahin gehören, um nur einige zu nennen, Extra- 
ordinariate für Kinderkrankheiten, Zahnheilkunde, Laryngologie, Geo- 
graphie und Musikwissenschaft. Sie sind fast durchgehends mit BO* 



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56 Vorlesungstdtigkeit 

besetzt^) und nur die größeren Universitäten, wie Berlin, Wien,. 
Leipzig und Manchen haben dafür vollständige Lehrstühle. So kann 
es vorkommen, daß wichtige Vorlesungen, die zur Prüfung verlangt 
werden, allein von einem EO gehalten werden - so über Laryngologie 
sogar in Berlin und Leipzig. Auch die Leitung einzelner Institute ruht 
nicht selten in der Hand von BO, die über Assistenten und Angestellte, 
Lehrmittel und Anschaffungen so gut verfügen wie die Ordinarien. 
Die Fakultäten und die Unterrichtsverwaltung haben die Konse- 
quenzen aus der Sachlage noch nicht gezogen. Pur die erstere be- 
stehen in Deutschland „offiziell^' diese Lehrer überhaupt nicht. An- 
ders liegt die Sache nur in Osterreich, wo sie zur Pakultät und zum 
Professorenkolleg gehören. In Deutschland begnügt man sich durch- 
gehends damit, eben weil sie nur EO sind, ihnen geringeres Ge- 
halt zu geben und ihre Hinterbliebenen schlechter zu stellen. Im 
übrigen gehen ihre Wünsche durch die Hand der Ordinarien, die 
eventuell auch die Prüfungen und die Doktorexamina für das Pach 
mit vornehmen, wenn jene nicht direkt mit der Regierung zu ver- 
handeln vorziehen. Aber in corpore kommen ihre Wünsche kaum 
je zum Ausdruck: ein Gesamtwille, wie er sich bei den Pakultäten 
beständig äußert, existiert für sie nicht. Der Zufall, daß für sie ge- 
rade kein Ordinariat besteht, macht sie minderen Rechtes, obwohl 
ihr Pach ebensogut durch einen Ordinarius vertreten sein könnte» 
Es ist deutlich, daß die Vorlesungstätigkeit dieser EO eine abso- 
lute Notwendigkeit ist und durchaus nicht entbehrt werden kann. 

Außer diesen Hauptvorlesungen gibt es dazu noch eine Reihe 
von Nebenfächern, für die ebenfalls im Laufe der Zeit eine Ver- 
tretung wünschenswert geworden ist und für die dann oft ein EO 
mit geringem Gehalt bestellt wird. Es ist vorhin darauf hingewiesen 
worden, welche Pächer beispielsweise dafür etwa in Betracht kom- 
men. Wir können wohl sagen, daß auch diese Vorlesungen zum 
mindesten wünschenswert sind, wenn sie auch nur für einen kleine- 
ren Hörerkreis bestimmt sind. Es ist nicht gut möglich, diese beiden 
Kategorien ganz säuberlich zu trennen. Um zu irgendeiner Vorstellung 



1) Es kommt freilich auch vor, daß ein solches Fach nur von einem 
Pd ohne Gehalt versehen werden muß. 



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Die notwendigen Vorlesfungfen der EO 57 

zu gelangen, wollen wir die beauftragten EO im ganzen betrachten. 
Von 862 EO in Deutschland und Osterreich hatten am 1. Juli 1907 
gerade zwei Drittel einen solchen größeren oder kleineren Lehr- 
auftrag. Und zwar haben an den 

preußischen . . . Universitäten von 316 EO 263 Lehrauftrag = 79,4 Proz. 
nichtpreußischen „ „ 387 „ 209 „ = Mfl ,, 

österreichischen „ „ 159 ,, 123 „ = 77,3 ,, 

Die drei Fakultäten, Medizin, Naturwissenschaft und Historik 
verhalten sich darin ziemlich gleich: in jeder von ihnen gibt es etwa 
130 mit Lehrauftrag in Deutschland, 40 in Osterreich. Am statt- 
lichsten ist ihre absolute Zahl bei den Naturwissenschaftlern, wo 
besonders viele neuere Teildisziplinen entstanden sind; aber auch 
in der Medizin sind nicht weniger solcher Lehrkräfte vorhanden. 
An den nichtpreußischen Universitäten, wo ja auch nur titulierte EO 
beschäftigt werden, ist der Anteil der Beauftragten viel kleiner. In 
Preußen dagegen haben vier Fünftel der EO einen Lehrauftrag. 
Wir dürfen demnach wohl sagen, daß die meisten der von ihnen 
gehaltenen Vorlesungen nötig oder doch wenigstens wünschenswert 
erscheinen, selbst wenn das Extraordinariat nur ad personam ver- 
liehen ist 

Die Ergänzung der Vorlesungstätigkeit durch die außerordent- 
lichen Kräfte geht doch aber noch weiter, als es in der Einschiebung 
dieser „beauftragten'' EO zum Ausdruck kommt. In Berlin sind die 
16 Ordinarien bei einer Zahl von 1000 Medizinstudierenden in keiner 
Weise mehr für den Unterricht ausreichend, ebensowenig in Wien 
die 23 Ordinarien bei 1500 Medizinhörern. Und selbst, wenn man 
in Berlin die 19 und in Wien die 20 EO mit Lehrauftrag dazu 
rechnet, wird dem Bedürfnis des Unterrichtes immer noch nicht voll 
Rechnung getragen. Es sind eben durchaus noch andere als die aus- 
drücklich bestellten Lehrkräfte nötig, wie die Tatsachen beweisen. 
Nicht anders steht es mit anderen Fächern, wo auch die Zahl der 
beauftragten Ordinarien und EO nicht ausreicht. Nicht nur werden 
von diesen Lehrern kleinere und SpezialVorlesungen als Er- 
gänzung gehalten, was durchaus erwünscht für die Vertiefung des 
Studiums ist: sondern vor allem an den kleinen Universitäten, wo 



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58 VoflesungstätigkeiU 

meist nur ein Vertreter des Faches da ist, muß oft auch der junge 
Dozent dasselbe Kolleg lesen wie der altere. Es werden jedoch auch 
noch andere neue Vorlesungen ohne Konkurrenz von diesen un- 
offiziellen Lehrkräften gehalten; sei es weil eben dafür ein eigener 
Lehrstuhl nicht vorhanden ist, sei es weil der Ordinarius diese 
Spezialien nicht so beherrscht oder mit anderer Tätigkeit vollauf 
beschäftigt ist. Denn wie wir schon wissen, hat ja die Vermehrung 
<ler Lehrstühle mit der zunehmenden Arbeitsteilung und Speziali- 
sierung nicht gleichen Schritt gehalten: es ist nicht möglich, daß 
der Ordinarius immer noch das ganze Fach beherrscht. Die quan- 
titative Vermehrung des Wissensstoffes führt notwendig zur Ab- 
spaltung einzelner Teile, die ihre eigene Vertretung brauchen. Hatten 
wir jene ersten beiden Arten von Vorlesungen der beauftragten 
Dozenten für mehr oder minder notwendig gehalten, so können wir 
diese Vorlesungen, die von den übrigen BO und Pd gehalten 
werden, doch mindestens als nützlich bezeichnen. So werden 
vnr also von einer dreifachen Ergänzung des Universitätsunterrichtes, 
soweit er sich in den Vorlesungen darstellt, sprechen dürfen. 

Wir können immerhin den Versuch machen, zu einigermaßen deut- 
lichen Vorstellungen über den Umfang gerade dieser Tätigkeit zu ge- 
langen. Zu diesem Zwecke haben wir die gesamten Vorlesungen des 
Sommersemesters 1907 nach den drei Kategorien der Universitätslehrer 
einer Untersuchung unterzogen, indem die Zahl der angekündigten 
Wochenstunden nach den amtlichen Vorlesungsverzeichnissen ermittelt 
wurde. Die Abweichungen des S.-S. von denen des W.-S. erwiesen sich 
in ihrer Gesamtheit und im Mittel als so unerheblich, daß diese Ermitte- 
lungen typischen Wert beanspruchen können. Berücksichtigt sind natür- 
lich auch hier nur die wirklich lesenden Dozenten. Freilich werden die 
angekündigten Vorlesungen zuweilen nicht gehalten; dafür kommen aber 
Auch nicht angekündigte nachträglich hinzu: das beides mag sich dann 
gegenseitig kompensieren. Jedenfalls vermögen wir auf diese Weise zu 
veranschaulichen, welche Summe von Vorlesungsarbeit tatsäch- 
lich im Semester geleistet wird. Wert gewinnt diese Zusammen- 
stellung jedoch erst dann, wenn wir damit die entsprechende Leistung 
der Ordinarien vergleichen. Das Ergebnis dieser Berechnung zeigt die 
lolgende kleine Übersicht^): 



1) Osterreich und Deutschland zeigen kaum typische Abweichungen 
voneinander, so daß wir die beiden Einrelsummen (7152+1716 Wochen- 



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SpezialVorlesungen. - Umfang dieser Tätigkeit int ganzen. 59 



Wochenstunden der 


i Ord. 


EO 


Pd 


davon 
Zus. EO + Pd 
in Proz. 


Theolo0%n 


1362 
1734 
1926 
1649 
2197 


283 
297 
1095 
815 
852 


200 
281 
1348 
644 
668 


1845 
2312 
4369 
3108 
3717 


26,1 


Juristen' 


25,0 


Mediziner 


55,9 


Naturwissenschaftler . 
Historiker 


46,9 
40,9 






Oberhaupt 


8868 


3342 


3141 


15 351 


42,2 



Die Arbeitsleistung, die von unseren unoffiziellen Lehrkräften ge- 
leistet wurde, betrug demnach in der Woche rund 6500 Vorlesungs- 
stunden. ^) Allerdings ruht das Hauptgewicht der Vorlesungen auch jetzt 
noch auf den Ordinarien, die jenen mit einer Zahl von etwa 8900 Stunden 
gegenüberstehen. Aber Ober % der gesamten Vorlesungstätlg- 
keit liegt doch heute bereits bei den außerordentlichen Lehr- 
kräften; die EO und Pd teilen sich etwa in die gleiche Hälfte, erstere 
etwas mehr, letztere etwas weniger - beide rund je V^. Diese Zahlen 
gewinnen freilich erst dann ihre volle Bedeutung, wenn man ge- 
bührend in Betracht zieht, daß sie einen Teil der großen Vorlesungen 
gar nicht halten können, weil ihnen die äußeren Lehrmittel dazu fehlen, 
und daß auch, wie sich zeigen wird, das freie Konkurrieren tatsächlich 
erschwert ist: so bleiben vorwiegend die Einleitungen und die kleineren 
SpezialVorlesungen für einen Teil des Nachwuchses übrig. Unter diesen 
Umständen muß doch ihr Oesamtanteil recht groß erscheinen; er erklärt 
sich einfach daher, daß absolut die EO und Pd so zahlreich sind. 
Denn die durchschnittliche Stundenzahl bleibt wesentlich hinter der der 
Ordinarien zurück.*) 

Die einzelnen Fakultäten zeigen nun sehr bemerkenswerte Unter- 
schiede, die sich nach den vorangehenden Ausführungen ungezwungen 
erklären. Bei den Theologen und Juristen haben die Ordinarien % der 
ganzen Vorlesungstätigkeit inne; die EO und Pd treten hier schon ab- 
solut wesentlich zurück und können darum nicht stärker an den Vor- 



stunden für die Ordinarien und 5198 + 1286 für die EO und Pd) zu- 
sammengenommen haben. 

1) Die Honorarprofessoren spielen hierbei fast gar keine Rolle. Im 
ganzen entfielen auf sie rund nur 270 Vorlesungsstunden, das sind etwa 
ly, Proz. der Gesamtheit Wir haben sie darum durchgängig fort- 
gelassen. 

2) Es entfielen im Durchschnitt auf den Ordinaritijs 6.1, auf den EO 
3.9, auf den Pd 2.4 Wochenstunden; die einzelnen Fakultäten zeigen 
freilich erhebliche Abweichungen. Es soll indessen aus Raummangel 
nicht auf die. Einzelheiten eingegangen werden. 



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50 I)ie »^Assistenz*'. 

lesungen beteiligt sein. Umgekehrt spielen im heutigen Unterrichte der 
Mediziner bereits die unoffiziellen Lehrkräfte die erste Rolle: die Ordi- 
narien bleiben weit unter der Hälfte der Vorlesungen. Auch bei der 
Naturwissenschaft flbernehmen die EO und Pd fast die Hälfte der Tätig- 
keit und die Ordinarien stehen nur wenig voran. In den philologisch- 
historischen Disziplinen entspricht ihr Anteil ungefähr dem Durchschnitt 
Von den drei Arten von Vorlesungen, die wir vorhin unterschieden» 
möchte wohl auf jede etwa der dritte Teil der Gesamtheit entfallen. Ent- 
behrlich ist eben ein großer Teil dieser Tätigkeit nicht mehr. Und 
wenn wir die gesamte Arbeitsleistung dieser Lehrkräfte aus dem Qesamt- 
organismus der Hochschulen entfernten, so könnte der Unterricht im heu- 
tigen Umfange durchaus nicht aufrecht erhalten werden: er würde nicht 
nur empfindliche Lücken aufweisen, sondern würde auch tatsächlich die 
„Universitas literarum^*^ sehr stark vermissen lassen. Der Universitäts- 
unterricht baut sich heute zum sehr wesentlichen Teile auf dieser Arbeit 
der unoffiziellen Lehrkräfte auf. 



3. Die „Assistenz" 

Aber w^it wichtiger noch als dies ist doch eine Entwicklung 
von anderer Seite geworden: das ist die individuelle und per- 
sönliche Unterweisung durch die jüngeren Dozenten. Die Uni- 
versitäten haben sich eben dem Zuge der modernen Entwicklung 
auch innerhalb des Unterrichts selbst nicht entziehen können: auch 
der zeigt deutlich die Spuren des Großbetriebes mit vorgeschrittener 
Arbeitsteilung. Und wie die Vergrößerung des Wissensstoffes zur 
Spezialisierung geführt hat, so die Vergrößerung der Hörerzahi zur 
Mechanisierung. Die quantitative Änderung ist auch hier letzthin in 
eine qualitative umgeschlagen. Der Massenunterricht ist aber nur 
in gewissen Vorlesungen zulässig - vor allem in den eigentlichen 
alten Universitätsdisziplinen, etwa den juristischen oder historischen 
oder philologischen. Aber nicht einmal hier bewahrt er durch das 
Wirken auf die Masse der Hörer noch überall denselben Cha- 
rakter. Diese Richtung wird allem Anzeichen zufolge eher noch zu- 
nehmen, je mehr Hörer Zutritt zu den Universitäten verlangen. Der 
Massenunterricht hört aber sofort auf, wenn es sich um tatsächlich 
aktive Unterweisung und persönliches Mitarbeiten handelt. Je größer 
der Wissensstoff, der bewältigt und aufgenommen werden muß, um 
so mehr ist aber gerade dieses Moment der aktiven Teilnahme ge- 



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Das aktive Mitarbeiten im Unterricht« 51 

boten, weil rein passiv die Stoffmenge gar nicht verarbeitet werden 
kann. Die Apperzeptionsfähigkeit verlangt auch ejne selbständige 
Mitwirkung beim Unterricht. Medizin und Naturwissenschaften, 
also gerade die neueren Disziplinen, sind nach dieser Richtung aus 
innerer Notwendigkeit zuerst vorangegangen. Hier liegt das Schwer- 
gewicht des Unterrichts heute bereits in den Instituten und Labora- 
torien. Aber die Einrichtung von Seminaren, Praktiken, Übungen, 
Instituten aller Art hat sich doch im letzten Menschenalter auch die 
anderen Fakultäten erobert und wird sich weiter ausdehnen müssen — 
zum deutlichen Zeichen, daß die alte Gepflogenheit des Unterrichts 
auf keinem Gebiete mehr ausreicht. Mit innerer Notwendigkeit wird 
darum auf diese Art des Unterrichtsbetriebes immer mehr Gewicht ge- 
legt werden müssen ^) : es ist die neue Art des persönlichen Mitarbeitens 
an Stelle des rein passiven VorlesunghOrens. Die Unterrichtsverwal- 
tungen haben dem allenthalben Rechnung getragen und sind an der 
Arbeit, es durch Bereitstellung weiterer Mittel noch in größerem 
Umfange zu tun. Es muß ja vom pädagogischen Standpunkt auch 
als ein psychologisches Unding erscheinen, Woche für Woche täg- 
lich drei bis vier oder noch mehr verschiedenartige Kollegs rein 
passiv hören zu sollen, die kaum perzipiert, geschweige apperzipiert 
werden können. Nicht minder psychologisch bedenklich muß es 
überhaupt erscheinen, wenn ein geschlossenes Thema über drei bis 
vier Monate in die Länge gezogen und täglich stückweise verab- 
folgt wird. Es entspricht das ungefähr der Lektüre des Zeitungs- 
rom an es, der täglich bruchstückweise gegeben und so genossen 
werden soll. Gewiß wird es auch Menschen geben, die dies 
vermögen und sogar dabei den Inhalt im Gedächtnis behalten: 
aber das Normale und Zuträglichste ist es offenbar nicht. Darum 
eben haben Praktiken, Seminare, Übungen, praktische Kurse allent- 
halben sich mehr und mehr Platz erobert und werden in steigen- 
dem Maße von den Studierenden in Anspruch genommen. Man 



1) Sehr lehrreich in dieser Beziehung ist das Studium der ameri- 
kanischen Verhältnisse; vgl. W. Böttger, Amerikanisches Hochschul- 
wesen, Eindrücke und Betrachtungen (Leipzig 1906), der vor allem über 
den naturwissenschaftlichen Unterricht auf Grund konkreter Erfahrungen 
berichtet. 



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62 Die „Assistenz". 

darf wohl sagen , je mehr dergleichen geboten wird, um so mehr 
steigt das Bedürfnis danach. Der Sinn davon aber ist: individuell und 
persönlich an der wissenschaftlichen Erkenntnis sich zu beteiligen 
und aktiv mitzuarbeiten. Das Hören und Lesen fördert zunächst 
toten Stoff, der erst durch selbständige eigene Darstellung leben- 
dig wird. Nicht nur in der Medizin ist die Absolvierung bestimmter 
Kliniken, in den Naturwissenschaften das Arbeiten in Laboratorien 
unerläßlich, sondern auch für die Juristen wird jetzt allenthalben der 
Nachweis des Besuches von mindestens drei Praktiken direkt ge- 
fordert. Und in diesen „Zwangspraktika'' pflegt entsprechend auch 
gearbeitet zu werden. Die Doktor- und Staatsprtlfung ist "wohl 
heute kaum mehr ohne den Besuch eines oder mehrerer solcher 
Seminare möglich. Die Individualisierung des Unterrichts, die Ein- 
prägung des Gebotenen macht die Sache eben auch ohne äufieren 
Zwang unmittelbar erforderlich. Es ist die notwendige Folge der zu- 
nehmenden Menge des Stoffes, der zunehmenden Spezialisierung der 
Vorlesungen. Gerade der heute notwendige Massenbetrieb des 
Stoffes wie der Personen macht diese individuelle Ausbildung als 
Gegenmittel besonders nötig. 

Dieser individualisierte und persönliche Unterricht in Übungen 
und Praktika kann nun aber von den offiziellen Lehrkräften nicht 
mehr bewältigt werden, da er die Kräfte eines einzelnen Mannes 
bei weitem überragt. Weder in den medizinischen Kliniken noch in 
den chemischen oder physikalischen Laboratorien noch in den psy- 
chologischen oder historischen Seminaren noch auch in den juri- 
stischen Praktiken, wenigstens der größeren Universitäten, ist die 
Leitung des Unterrichts durch die Fachordinarien allein noch mög- 
lich. Und wo es doch geschieht, dort nur auf Kosten der Gründ- 
lichkeit und einer wirklich individuellen Durchführung. In der Me- 
dizin und Naturwissenschaft scheinen zehn bis fünfzehn Herren 
schon so ziemlich das Maximum zu sein, das gerade noch mit Er- 
folg ein einzelner unterrichten kann. Juristische Praktika von 200, 
historische Seminare von 50-70, philologische Übungen von eben- 
soviel, nationalökonomische oder engliische Seminare von 60 oder 
mehr Mitgliedern, wie sie an großen Universitäten so oft vor- 
kommen, haben ihren Zweck völlig verfehlt. Es sind im Grunde 



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Der persönliche Unterricht durch die Ordinarien. 53. 

wieder Vorlesungen geworden, da bei solchen Massenübungen das 
aktive Mitarbeiten der einzelnen Mitglieder auf ein Minimum be^ 
schrankt ist; der Leiter kennt die Herren kaum und ist nicht im- 
stande, die Mehrzahl von ihnen zu beschäftigen und heranzuziehen*^ 
Das aber ist die Bedingung eines erfolgreichen Unterrichts. Es 
wird dann genau wieder so ein passiver Massenunterricht, der 
doch gerade durch diese Einrichtung beseitigt werden sollte. Die 
Entwicklung hat darum tatsächlich dahin geführt, dafi Hilfskräfte 
und Ergänzungen allenthalben notwendig werden. Der berühmte 
viel aufgesuchte Professor ist zudem gar nicht für die Anfangsgründe 
des wissenschaftlichen Unterrichts eingesetzt. Er wird diesen in 
vielen Fällen weniger gut darbieten können als ein jüngerer Mann,, 
der den Bedürfnissen der Teilnehmer persönlich näher steht. Denn 
hier muß ja zunächst einmal das Handwerksmäßige, Elementare des 
Spezialfaches erlernt werden, und von dieser Unterweisung sollte 
der Ordinarius befreit werden. Er hat Wichtigeres zu tun als sich 
noch mit diesen Dingen abzugeben: der ältere Professor ist vor 
allem für die älteren gereif teren Semester, die das Rüstzeug des 
Faches im ganzen beherrschen. Dann kann überhaupt erst die per^ 
sönliche Note des Universitätslehrers sich mehr Geltung verschaffen 
und Eindruck machen, als wenn die jüngeren Semester zu ihm 
kommen, die zunächst einmal das durchschnittliche Wissen des 
Faches sich aneignen müssen. Die Zusammenfassung verschiedener 
Stufen im selben Seminar ist jedoch mehr eine Not als ein Vorzug 
und bedeutet, wie jeder Dozent bestätigen kann, eine Hemmung und 
Erschwerung des gedeihlichen Unterrichts. Für den Ordinarius be^ 
deutet es direkt eine Entlastung, wenn all die Anfänger der ersten 
Semester besonders ausgebildet werden und er erst ausgereiftere 
und verständigere Leute vor sich hat. Und wiederum diese jüngeren 
Elemente lernen aus den besonders für sie eingerichteten Übungen 
weit mehr, als wenn sie mit unpassenden Altersklassen zusammen» 
arbeiten müssen. Es ist die Beteiligung der jüngeren Dozenten 
aber auch schon aus anderen Gründen der Hochschulpädagogik 
dringend geboten: dieses Unterrichten kann erst durch längere 
Obung und Umgang gelernt werden. Wer als Ordinarius die Seminar«- 
leitung übernimmt, ohiie vorher Versuche darin gemacht zu haben, 



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54 D^o „Assistenz". 

wird in der Regel kaum imstande sein, einen gedeihlichen Unter- 
richt zu erteilen, weil es ihm an jeder Erfahrung darin fehlt 

In Wirklichkeit werden auch heute schon gewisse formelle An- 
forderungen an die Aufnahme in die Seminare oder Institute ge- 
stellt Es mufi aber dann fOr die noch nicht hinreichend vorgebil- 
deten Elemente in anderer Weise gesorgt werden. In der Medizin 
und Naturwissenschaft sind bereits viele Kräfte fOr diese Vorbildung 
nötig und meist auch vorhanden: das ist die weit ausgebildete 
Assistenz. Aber auch in den anderen Fächern verhält es sich 
prinzipiell kaum anders, wenn man den Unterrichtszweck durch- 
denkt Dem wird nun tatsächlich Rechnung getragen durch Ab- 
haltung und Einrichtung von Anfänger-Obungen, Vorkursen, Pro- 
seminaren oder wie sonst diese Einrichtungen heißen mögen. Tat- 
sächtich ist man also am Werke, den Unterricht weiter zu indivi- 
dualisieren und die Entwicklung hat bereits den geschilderten Verlauf 
aus innerer Notwendigkeit heraus genommen. Vor allem wiederum 
in der Medizin und Naturwissenschaft, wo eben der Unterricht von 
Anfang an ein individueller sein muß, obwohl es bis jetzt auch hierin 
noch keineswegs Oberall zum Besten steht Oft verschwindet dort 
in praxi der Ordinarius ganz hinter seinen Gehilfen und das Institut 
führt eigentlich nur den Namen des Direktors. Es kann vorkommen, 
daß die so praktisch ausgebildeten Studenten während eines ganzen 
Semesters den eigentlichen Leiter des Institutes gar nicht zu Gesicht 
bekommen. In den übrigen Fächern hat man die Konsequenz aus der 
veränderten Richtung des Betriebes bis jetzt noch selten gezogen, 
trotzdem hier die stufenweise Ausgestaltung des Unterrichts nicht 
minder nötig erscheint Ansätze sind auch hier vor allem wiederum 
an den großen Universitäten vorhanden. 

Hierdurch ist nun der Tätigkeit der EO und Pd vor allem ein 
weites Feld eröffnet Eben diese spezielle und individuelle Unter- 
weisung für die Anfänger ruht zum größten Teile auf ihnen. Da- 
durch kommt auch die erneute Betonung des persönlichen Umganges 
Mrieder zu ihrem Rechte. Es ist öfter lebhaftest bedauert worden, 
daß er in der Gegenwart zu stark zurückgetreten ist; man hat Er- 
mahnungen geben wollen, ihn wieder aufzunehmen. Er ist aber in 
der modernen Zeit tatsächlich seitens der Ordinarien nicht mehr mög- 



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Die Assistenz in der Medizin und Naturwissenschaft 55 

lieh; dagegen findet er durch die jüngeren akademischen Kräfte der 
^unoffiziellen Universitäten'' doch tatsächlich Anerkennung und För- 
derung. 

Durch unsere Umfrage konnten wir uns über den tatsäch- 
lichefl Umfang dieser Einrichtung der ,,Assistenz'' im weiteren Sinne 
unterrichten. In der Medizin haben von den EO und Pd in Deutsch* 
land etwa 45 Proz., in Osterreich 28 Proz. die Stellung als Assistent, 
Oberarzt, Prosektor, Abteilungsvorstand, Leiter der Poliklinik u. ä. aus- 
zufüllen; in den Naturwissenschaften ist es fast bei einem Drittel 
der EO und Pd ebenso der Fall, obwohl hier auch recht viel Nicht* 
Dozenten in dieser Weise beschäftigt sind. Betrachten wir die Pd, 
die hierfür in erster Linie in Betracht kommen, allein für sich, so 
stellt sich bei den Medizinern in Deutschland das Verhältnis etwa 
auf die Hälfte, in Osterreich auf etwa ein Drittel; bei den Natur- 
wissenschaften auf 43 bzw. 35 Proz. Damit ist die absolute Not- 
wendigkeit dieser Hilfskräfte für den akademischen Unterricht er- 
wiesen. Es wäre ja nun an sich durchaus nicht nötig, dafi diese Assi- 
stenten auch aus der Zahl der Habilitierten genommen werden, und 
gewiß braucht liiit der Assistenz die Habilitation nicht verknüpft 
2u sein, wie es ja auch tatsächlich nicht immer der Fall ist. Aber 
einmal wird es doch für erwünscht gelten, dafi hier wenigstens ein 
Teil der Hilfskräfte aus akademischen Lehrern besteht, sodann ist 
zu beachten, dafi die habilitierten Assistenten die ersten und führen-« 
den sind und wohl auch die wissenschaftlich Tüchtigsten darstellen 
oder wenigstens darstellen sollten. 

In den drei anderen Fakultäten ist, wie bereits hervor-^ 
gehoben, die Assistenz formell noch nicht in der Weise ausgebildet, 
obwohl sie sich hier als nicht minder nötig erweist Man hat sich 
eben in diesen vorwiegend älteren Disziplinen den veränderten 
Verhältnissen noch nicht hinreichend angepaßt, wie man ja auch 
hier weit langsamer mit der Einrichtung von Seminaren vorange- 
gangen ist. Die Folge ist, dafi hier zum Teil jene recht bedenk- 
lichen Zustände eingetreten sind. Man behilft sich stellenweise mit 
den vorhin genannten Proseminaren, Vorkursen u. ä«, da die Ver- 
quickung heterogener Elemente in denselben Kursen kaum noch 

Bttlenbarg, der akad. Nachwuchs. 5 



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56 Erweiterung der Aufgaben. 

fruchtbar gestaltet werden kann. Es geschieht die Heranziehung 
jüngerer Kräfte tatsächlich schon in ziemlich umfassendem Mafie, 
wie sich aus einer Betrachtung der Vorlesungsverzeichnisse ergibt 
- aber bis jetzt ist der latente Zustand offiziell noch nicht anerkannt. 
Ich habe in den theologischen, juristischen und historischen Pakul^ 
täten im ganzen nur 22 ,,formelle'' Assistenten gefunden. Wichtiger 
noch ist aber der Umstand, daß die Seminare und Institute den 
Pd und EO keineswegs immer zur Verfügung stehen: sie müssen 
sich meist mit der Ankündigung und Abhaltung von Übungen ohne 
Lehrmittel begnügen. Die Habilitation ohne Gewährung der reichen 
Lehrmittel des Faches hat aber unter heutigen Verhältnissen, wo 
das sachliche Kapital eine solche Rolle spielt, kaum noch einen Sinn^ 
ja ist auch für den Historiker, Theologen, Nationalökonomen, Kunst- 
historiker eigentlich ohne Bedeutung. Wie in Zukunft auch in 
diesen drei Fakultäten der Unterricht sich noch mehr auf die aktive 
Beteiligung der Studierenden selbst wird richten müssen, ergibt 
sich damit die Assistenz vieler jüngeren Dozenten als innere Folge. 
Damit wird aber auch die Gewährung der Lehrmittel, die bisher zum 
guten Teile nur dem Leiter oder Direktor der betr. Institute freistand» 
nötig und ihre Benutzung zu einem anerkannten Rechte werden. 

Die Heranziehung dieser Kräfte in den drei Fakultäten ist aber 
auch darum notwendig, weil unter heutigen Verhältnissen die sach- 
lichen Kapitalien der Bibliotheken, Sammlungen, Apparate gar nicht 
voll ausgenutzt werden können, wenn nicht die persönliche Arbeits- 
kraft eines jüngeren Dozenten dazu kommt Im wissenschaftlichen 
Betriebe bleibt das Kapital tot und unbenutzt, wenn nicht beständige 
die persönliche Mitwirkung eines akademischen Lehrers vorhanden 
ist Und da der Ordinarius hierzu, wie gezeigt, nicht mehr allein 
imstande ist, so ergibt sich die fakultative Heranziehung der jün- 
geren Dozenten als Hilfskräfte auch von diesem Gesichtspunkte 
aus von selbst Man frage sich, ob die jährlichen Neuanschaffungen 
der Seminarbibliotheken tatsächlich in entsprechendem Mafie Ver- 
wendung finden, und man wird erkennen, daß dies zum guten Teile 
darum nicht geschehen kann, weil die persönliche Anregung fehlt. 
Schon aus diesem Grunde wird man für eine größere Fruchtbar- 
machung der Lehrmittel sorgen müssen. 



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Heranziehung in den anderen Fakultäten. 57 

Die Heranziehung zahlreicher unoffizieller Lehrkräfte ergibt sich 
sonach aus den Bedürfnissen des individuellen Unterrichts selbst: 
man wird diese ganze Entwicklung anerkennen und die notwendigsten 
Konsequenzen daraus ziehen müssen. Das bedeutet aber eine Aus^ 
und Umgestaltung der Universitätsverfassung, da nun einmal die Ver- 
hältnisse anders geworden, als sie noch vor einem Menschenalter 
waren. Die Ordinarien haben heute tatsächlich nicht mehr den 
Unterricht allein zu erteilen, und sie können es auch nicht mehr. 
Sie sind vielmehr in mannigfacher Weise auf diese Hilfskräfte an- 
gewiesen, die vom Standpunkt der Universität und der Unterrichts- 
verwaltung eine Notwendigkeit geworden sind und zugleich für jene 
selbst eine Entlastung von lästiger Arbeit bedeuten. 

4. Erweiterung der Aufgaben 

Aber auch vom Standpunkte der Hörerschaft und deren Be- 
dürfnisse haben heute die unoffiziellen Lehrkräfte noch eine andere 
Bedeutung gewonnen als noch vor einem Menschenalter. Die Hörer- 
schaft ist nicht nur quantitativ immer größer geworden, sondern sie 
wird auch qualitativ immer heterogener und differenzierter, wie jeder 
Dozent bestätigen wird. Wir haben die Ergänzung der Vorlesungen 
vorhin hervorgehoben, die zum Teil diesen EO und Pd obliegt; so- 
dann die Notwendigkeit des individuellen Unterweisens in den 
Obungen, die Anleitung zu wissenschaftlichen Arbeiten und Unter- 
suchungen, sowie die Beratung bei Doktorarbeiten, wo der jüngere 
weniger beschäftigte Dozent viel zugänglicher und interessierter 
sich geben kann als der mit viel lästigen Verwaltungs- und Prüfungs- 
arbeiten überhäufte Ordinarius. Aber es kommt noch ein wesent- 
liches Moment in Betracht, das durch das heutige Bedürfnis der 
Hörer verlangt wird: das ist die Abhaltung von Vorlesungen der 
elementaren Fächer, der Einleitungen in und der Gesamtübersichten 
über ein Gebiet ~ Vorlesungen, die vor allem die Förderung der 
allgemeinen Bildung im Auge haben. Es wird so oft von den Stu- 
dierenden selbst übel vermerkt, dafi im Grunde der erste Besuch 
der Vorlesung mehr abschreckt als anzieht, daß hier meist sofort 
mit Fachfragen begonnen wird, für die die Anfänger der ersten 

5* 



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58 Erweiterung der Aufgaben. 

Semester gar kein rechtes Verständnis mitbringen.^) Das Interesse 
kann zunächst gar nicht geweckt werden, wenn die allgemeine Orien- 
tierung über den Gegenstand fehlt Es wird durch Abhaltung der 
großen und durch die Einzelheiten gehenden Pachvoriesungen 
heute an den Universitäten tatsächlich schwer, sich eine kurze all- 
gemeine Obersicht über benachbarte Gebiete zu verschaffen. Dadurch 
nimmt aber die Spezialisierung unter Vernachlässigung der allge- 
meinen Bildung gerade in der Studentenzeit sehr zu. Ober die Er- 
gebnisse der Wissenschaft ein kurzes Kolleg zu hören, wOrde auch 
der Student eines anderen Faches, während er vier bis fünf Stunden 
in der Woche daf Or zu opfern gar nicht imstande ist. Eine Gesamt- 
abersicht Ober ein Fach kann man aber heute nur durch den Be- 
such mehrerer Spezialvorlesungen erlangen. 

Daher wird von doppelter Seite aus je länger je mehr an unseren 
Universitäten sich ein Bedürfnis nach Einleitungskollegs und 
Ob ersichtsk oll egs herausstellen. Gerade weil unser Hörerkreis 
beständig gröfier und differenzierter wird, weil etwa für den Historiker 
sich das Bedürfnis von dem Darwinismus oder von der Anthropo- 
logie oder von der Nationalökonomie einen Einblick zu bekommen 
herausstellt, sind Gesamtübersichten über die Probleme und über die 
Lösungsversuche nötig. Ebenso etwa für den Naturwissenschaftler 
über die soziale Frage, Ober die historische Entwicklung des letzten 
Menschenalters, über das politische Parteileben und dgl. mehr. Es 
fehlt aber bei uns im allgemeinen oft an solchen Vorlesungen, die 
einmal den eigentlichen Pachvoriesungen vorangehen müfiten, so 
dann die allgemeine Bildung zu fördern haben. Dem dienen frei- 
lich zum Teil die „öffentlichen Vorlesungen*' der Universitäten; zum 
Teil wird wenigstens Ersatz durch andere Veranstaltungen außer- 
halb der Universitäten geboten, die auch von den Studenten besucht 
werden, obwohl sie nicht in erster Linie für sie bestimmt sind. In 
solchen allgemeinen Vorlesungen liegt ein Gegengewicht gegen die 
zunehmende Spezialisierung und Zersplitterung. Und der Erfolg 
solcher Vorlesungen, die gar nicht von dem älteren Studenten des be- 
treffenden Faches gehört werden sollen, zeigt, wie starke Bedürfnisse 

1) Darüber von der Leyen, Deutsche Universitäten und deutsche 
Zukunft. 1906. 



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Einleitungs- und Übersichfskollegs. - Die Konkurrenz. 59 

hier entstanden sind. Hierfür sind wiederum vor allem die jüngeren 
Lehrkräfte besonders geeignet, die sich dieser Aufgabe zu unterziehen 
haben. Und wir finden, daß tatsächlich zahlreiche y,Einführungen'\ 
^^Einleitungen'', „Obersichten" von ihnen gehalten werden. Für sie 
selbst jedenfalls auch sehr heilsam, da sie sich dadurch zugleich 
eine Obersicht über das ganze Fach verschaffen müssen und nicht 
auf ihr kleines Arbeitsgebiet beschränkt bleiben. Docendo discunt. 

Obereinstimmung besteht sodann darüber, daß durch diese 
unoffiziellen Kräfte eine notwendige Konkurrenz gegenüber den 
offiziellen geschaffen wird. Die akademische Freizügigkeit an den 
im ganzen 29 Universitäten des deutschen Sprachgebietes bringt 
es ja mit sich, daß wenigstens an verschiedenen Universitäten die 
verschiedenen Richtungen als gleichwertig gehört werden können. 
Aber man vergißt dabei zweierlei: einmal ist dieser Wechsel des 
Studienortes doch zumeist in jungen Semestern erfolgt, wo ein 
rechtes Verständnis für die Unterschiede der Lehrer, das eigent- 
liche „Wählen'' noch kaum vorhanden sein kann, da dazu immer 
schon gereifteres Verständnis nötig ist. In späteren Semestern kann 
aber in der Regel wegen der Examina ein Wechsel nicht mehr vor- 
genommen werden, obwohl es an sich dann erst vernünftig und 
zweckdienlich wäre. Sodann aber kommt ein Teil unserer Studenten- 
schaft, nämlich alle diejenigen, die nicht die Mittel dazu haben, über- 
haupt nicht dazu, mehrere Universitäten [zu besuchen: sie bleiben 
entweder dauernd an der Landesuniversität oder sind gezwungen, 
sich in einer größeren den Lebensunterhalt zu erwerben und haben 
darum ebenfalls nicht an der peregrinatio academica teil. Aus 
diesen doppelten Gründen ist es darum nötig, daß auch an der- 
selben Universität mehrere Richtungen vertreten sind. Oft bedeutet 
ein jüngerer Dozent eine sehr heilsame Konkurrenz, eine frische 
Kraft und frische Anschauung. Das Verhältnis dieser unoffiziellen 
Lehrer ist ja tatsächlich ein weit freieres; die jüngere Generation 
ist von vornherein eher zu Neuerungen] geneigt. Jugend aber hält 
zu Jugend. Wir werden ,noch sehen, daß das [Durchschnittsalter 
der Ordinarien sich hinaufschiebt und daß die höheren Altersklassen 
jetzt stärker besetzt sind als noch vor einem halben Menschenalter. 



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70 Erweiterung der Aufgaben. 

Gerade darum ist auch die Verjüngung des Lehrkörpers unumgäng* 
Hch, damit nicht nur die Anschauungen der älteren Generationen 
kennen gelernt werden. Allerdings wird ja den Studierenden nicht 
die volle Wahlfreiheit gewährt: dazu mOfite auch noch im Prüfungs- 
wesen und in der Benutzung der Institute freierer Spielraum ge- 
geben werden. Das freie Konkurrieren ist also tatsächlich an weit- 
gehende Schranken gebunden. 

Obereinstimmung herrscht jedoch bei allen Parteien darüber, 
daß neben den offiziell gebilligten anerkannten Meinungen auch 
sonst nicht anerkannte Richtungen zu Worte kommen und gehört 
werden. Das Bedürfnis der Studierenden selbst drängt dahin. Hier 
eben findet auch jene Gruppe von Personen Platz, die wir vordem 
als ,,freie Lehrer'' charakterisierten. Es sind nicht immer die schlech- 
testen Kräfte, die als EO und ev. Pd nicht die anerkannte Meinung 
der jeweiligen Ordinarien vertreten und nicht zur herrschenden Schule 
gehören. Die Universität bietet Raum und Entfaltungsmöglichkeit, in- 
dem sie eine beschränkte Konkurrenz gestattet. Gerade als Beispiel 
für die Hörer und für die ideelle Erziehung zur Selbständigkeit sind 
sie unentbehrlich. Schutzzoll ist geMdß für die Studenten am aller- 
meisten vom Obel. Darin dokumentiert sich die akademische Frei- 
heit, darin wird sie auch von der Verwaltung beständig anerkannt, 
daß diese unoffiziellen Lehrer gehört werden dürfen; auch der 
Besuch ihrer Vorlesung, wenn anders er nur den verlangten 
Gegenstand zum Inhalt hat, genügt formell wenigstens völlig zur Ab- 
legung der Prüfung: ganz unabhängig davon, ob der betreffende 
Dozent Prüfungsgewalt hat oder nicht Damit ist aber anerkannt, 
daß es auf die besondere Richtung gar nicht ankommt, sondern 
daß jeder zugelassene Dozent schon durch die venia legendi 
tatsächlich die Fähigkeit hat, in den Grenzen seines Faches 
einen vollwertigen Kursus abzuhalten. So ergibt sich aus der 
rechtlichen [Konkurrc^nzmöglichkeit die akademische Wahlfreiheit, 
wenn sie auch in Wirklichkeit durch die praktischen Prüfungs- 
vorrechte und andere Umstände wieder erheblich eingeschränkt wird. 
Die Konkurrenz selbst bleibt das heilsame Mittel des Anspornes 
und der freien Entfaltung der wissenschaftlichen Kräfte. 



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Konkurrenz. - Direkte Erweiterung^ der UniversitAtsbesucher. 71 

Aber es kommt doch seitens der Hörerschaft noch etwas 
Weiteres in Betracht, was dem akademischen Nachwuchs seine be* 
sondere Bedeutung in den gegenwärtigen Zeitläufen verschafft Der 
Hörerkreis auf der Universität erweitert sich direkt und indirekt 
auch qualitativ immer mehr. Wie bereits gezeigt, nimmt die Zahl 
der Studierenden nicht nur quantitativ beständig zu, sondern auch 
ihre innere Zusammensetzung wird heterogener und differenzierter: 
entsprechend differenzieren sich auch ihre Bedürfnisse. Es ver- 
langen immer mehr und immer verschiedenere Elemente Anteil am 
höchsten Unterricht der Universitäten. Direkte und indirekte Be- 
dürfnisse der Hörerschaft werden wir dabei zu unterscheiden haben. 
Zunächst wird die Zusammensetzung der Studierenden selbst durch 
das veränderte Berechtigungswesen selbst direkt verändert 
Früher die fast einheitlich vorgebildeten Gymnasialabiturienten: sind 
heute die drei höheren Schulgattungen und Prinzipe als gleichberech- 
tigt anerkannt Dadurch wird aber der Unterricht selbst wieder 
erschwert und differenzierter. Zur Universität drängen sich gegen^ 
wärtig außerdem aber auch Elemente, die von vornherein nur in 
losem Verhältnis zu ihr stehen: ich meine die zahlreichen ,,Hörer^ 
die Immaturi, die Berechtigten und Zugelassenen - vor allem Lehrer 
und Frauen. Man wird sich dem doch auf die Dauer nicht ver- 
schließen können. Die Lehrerschaft macht energische Anstalten, den 
Universitätsbesuch zu erringen, und man wird andererseits damit zu 
rechnen haben, daß nach Reformierung der Mädchenschulen auch 
die Zahl der studierenden Frauen zunehmen wird. Aber man soll 
sich vornherein klar werden, daß mit der Aufnahme differenzierterer 
Elemente auch wiederum neue Unterrichtsbedürfnisse entstehen 
müssen, die in dem einen Falle vermutlich ihre Befriedigung durch 
die Zulassung auch von Frauen zur Habilitation verlangen werden: 
das eine hat das andere fast zur notwendigen Folge.^) Den Anfang 
hat man ja auch bereits in Osterreich und in der Schweiz damit 
gemacht Ebensowenig wird man dem Andrängen der Lehrer nach 
der höheren Bildung auf die Dauer widerstehen können. Dazu kom- 
men Landwirte, künftige Schriftsteller, Journalisten, für die auch 

1) Hierauf weist Dr. Adeline Oberländer-Rittershaus (Pd in 
Zürich) in der „Aeademia'' vom 22. Dezember 1907 hin. 



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72 Erweiteningr der Aufgaben. 

ohne obligates Examen der Universitätsbesuch sehr erwünscht sein 
mufi u. a. 

Der Kreis dieser Hörer (in Deutschland dazu noch die der 
Ausländer) hat sich bisher ständig erweitert, so daß der alte 
Stamm der gymnasialvorgebildeten Studenten heute durchaus nicht 
mehr so überwiegt wie ehedem.^) Im Sommersemester 1907 be- 
trug die Zahl der berechtigten Hörer an den deutschen und öster- 
reichischen Universitäten nicht weniger als rund 8000. Für alle diese 
sind wiederum die freien Lehrkräfte die gegebenen Lehrer, da sie 
sich mehr diesen wechselnden Bedürfnissen anzupassen vermögen 
als die Ordinarien, deren Unterrichtserteilung durch den Lehrauf- 
trag und die Prüfungsverpflichtung eine fest vorgeschriebene ist 
Für diesen neuen Zuwachs der Hörerschaft haben aber auch jene 
mehr allgemein gehaltenen Vorlesungen zusammenfassender Art, 
von denen oben gesprochen ist, ihre besondere Bedeutung. Zu- 
gleich liegt darin eine gute Schulung gegen die Zersplitterung und 
Spezialisierung der Wissenschaften. Die Ordinarien müssen zumal 
in Deutschland, wo ja alle liberalen Berufe eine Fachprüfung zu be- 
stehen haben, sich vornehmlich auf die Prüfungsvorlesungen be- 
schränken. Aber es gibt heute Universitätsbesucher auch unter den 
rite Immatrikulierten genug, die gar nicht alle ein Examen ablegen 
wollen oder auch einmal etwas treiben, was nicht „geprüft" wird* 
So ist also die Studentenschaft selbst eine zusammgesetztere, und 
mannigfache Hörer verschiedener Art finden sich an den Universitäten 
zusammen. Dieser so in doppelter Weise erweiterte Kreis der Uni- 
versitätshörer schafft gerade damit direkt Raum für die unoffiziellen 
Lehrkräfte, die auch tatsächlich dieser neuen Aufgabe sich unter- 
ziehen, wie man aus dem Verfolgen der Vorlesungen ersehen kann. 

Aber auch indirekt hat die Universität zwei neue Aufgaben 
erhalten. Zunächst tue eine: die höchste Fachbildung aufieiistehen- 
den Kreisen ziigängig zu machen, Kaufleuten, Beamten, Frauen, Ar- 
beitern. Die alle drängen sich heute nach höherem Wissen und 
für sie ist die tiefste und abgeklärteste Bildung gerade genug. Es 



1) Nach Conrad S. 441 betrugen S.-S. 1905/06 der Anteil der Gym- 
nasiasten nur 67 Proz. gegen 78 vor noch zehn Jahren. 



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Indirekte Ausdehnung der Universitfttsvorlesungen. 73 

sind die Volkshochschulkurse und die Wandervorträge, die allent- 
halben entstehen und die wohl noch weiter systematisiert und or- 
ganisiert werden könnten. Ich denke, es besteht für unsere Univer- 
sitäten selbst das Interesse, auch Hüterin dieser Volksbildung zu blei- 
ben, da sonst andere Kräfte den Bedürfnissen entsprechen müfiten. 
Der starke Besuch aller dieser Veranstaltungen zeigt, wie grofi das 
Bedürfnis geworden ist. Ebenso sind die zahlreichen Vorträge in 
kleineren Städten, die fem vom Universitätsleben stehen, allgemein 
im Kurs - ein deutliches Zeichen, daß nach der höchsten Bildung 
der Universitäten weite Kreise des Volkes verlangen. Der „wan- 
dernde'' Dozent oder Professor ist eine ganz neue Erscheinung, die 
aber nicht schlecht in die moderne Zeit hineinpaßt. Es bedeutet 
das eine erneute Durchdringung verschiedener Volksschichten mit 
den Ergebnissen der Universitätsbildung, nachdem längere Zeit eine 
Entfremdung vorhanden gewesen war. Es kommen neuerdings noch 
hinzu: die Vorträge für Frauen an Lyzeen, Mädchengymnasien und 
wie sie sonst heißen. Das Gemeinsame aller dieser Veranstaltungen 
ist, daß die Wissenschaft vor allem gerade durch die Universitäts- 
lehrer selbst verbreitet wird. Die Universitätsausdehnungsbewegung 
hat auch bei uns Boden gefaßt, weil sie dem Bedürfnis unseres Le- 
bens entspricht. Kreise werden dadurch berührt, die sonst nie in 
Zusammenhang gebracht würden, die auch niemals zu dem direkten 
Hörerkreis der Universitäten selbst gehören könnten. Pur diese 
Unterweisungen kommen aber kaum in erster Linie die Ordinarien 
iselbst in Betracht, die auch schon zu beschäftigt sind und schon durch 
ihr Alter dieser Bewegung zum Teil fernestehen als vielmehr ge- 
rade der akademische Nachwuchs: so fand sich denn in unserer 
Umfrage auch diese neue Aufgabe der Universitätslehrer nicht selten 
als Nebenbeschäftigung angegeben. 

Handelt es sich auch hier mehr um ein Popularisieren wissen- 
schaftlicher Ergebnisse, so hat aber die Universität dazu noch eine 
fernere neue Aufgabe anderer Art erhalten. Sie hat nicht nur 
die akademische Jugend zu bilden und ihnen die Anfänge des 
Wissens zu überliefern, sondern dazu ist noch die neue getreten, 
das Gegebene zu erhalten, zu ergänzen, aufzufrischen 
und fortzubilden. Denn im Alter von 19-23 Jahren kann ja der 



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74 Erweiterung der Aufgaben. 

junge Mann vieles gar nicht verstehen, da dazu ein gereifteres 
Wissen Voraussetzung ist: sehr vieles mufi unverdaut bleiben, bis 
es durch spätere Erfahrung einmal ausgelöst wird. Wenn aber die 
studierten Berufe im späteren Leben bei den Kenntnissen der 
Studienjahre beharrten, so ständen sie bald zurück. Es ist vielmehr 
heute dringend notwendig, die gelehrten Berufe über die Fort- 
schritte und Ergebnisse der Wissenschaft dauernd auf dem Laufen- 
den zu erhalten. Einmal weil sich eben erst im höheren Alter 
das volle Verständnis für viele Einzelheiten durchsetzt. Sodann 
um die notwendige „Portbildung'' und Lücken, die jedes Studium 
zeigt, später zu ergänzen. Der Grund hierfür liegt darin, daß oft 
in 15-20 Jahren eine Wissenschaft auch von den Fundamenten an 
neu aufgebaut werden muß. Die Internationalität des modernen 
Lebens hat auch die Wissenschaft mächtig befruchtet und ihr eine 
ähnliche Unruhe und Anpassungsnötigung auferlegt wie dem Wirt- 
schaftsleben. Die Physik und Chemie, Medizin und Theologie, die 
Nationalökonomie und Archäologie, sie alle sind nach einem halben 
Menschenalter kaum noch mehr wiederzuerkennen, und oft werden 
gerade die Grundanschauungen geändert. Darum haben alle ge- 
lehrten Berufe heute das größte Interesse, sich dauernd den ver- 
änderten Anschauungen anzupassen; ja manche von ihnen, wie die 
Ärzte, verlangen es schon wegen der Konkurrenz der jüngeren 
Kollegen. 

Dem dienen nun sehr zahlreiche Veranstaltungen, die allent- 
halben gerade für ältere Hörer entstanden sind und für die eine 
große Nachfrage vorhanden ist. Meist ist aus gelegentlichen Ver- 
suchen eine dauernde Einrichtung geworden. Einige von ihnen 
seien hier wenigstens genannt: L Repetitionskurse für Ärzte, die 
schon fast eine regelmäßige Einrichtung an allen Universitäten ge- 
worden sind und ganz besonders nötig erscheinen, um die neuen 
Errungenschaften der Heilkunde möglichst bald den praktischen 
Ärzten vorzuführen. 2. Staatswissenschaftliche Portbildungskurse 
(bis jetzt nur in Berlin und Frankfurt) für Verwaltungsbeamte, denen 
man zwar von gewisser Seite mit Mißtrauen entgegensteht, weil sie 
eine Art Konkurrenz zur Universität darstellen könnten, die doch 
aber an sich ebenfalls dringend nötig sind, um den Beamten die 



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Wissenschaftliche Fachkurse für fortgeschrittenere Hörer. 75 

Fortschritte der Wissenschaft in höherem Alter auf Gebieten zu- 
gänglich zu machen, die beim Studium mehr vernachlässigt wurden. 
3. Ferienkurse für Oberlehrer und Theologen, wie sie z. B. in Jena, 
aber auch anderswo abgehalten werden, und die sich starken Be- 
suches erfreuen, scheinen nicht minder nötig für diese Kreise, zu- 
mal wenn es sich um Leute aus kleineren Orten handelt, bei denen 
die geistige Anregung sonst nur gering ist. 4. Naturwissen- 
schaftliche Kurse, die ebenfalls unentbehrlich sind, um gewisse neu 
aufgetretene Themen den Ingenieuren, Technikern, Oberiehrem 
vorzuführen und zugleich ihnen das Anschauungsmaterial der Labo- 
ratorien zu demonstrieren, was ihnen sonst kaum zu Gebote stände.^) 
5. Hochschulkurse für Kaufleute, die jetzt mehrfach abgehalten wurden 
{Magdeburg, Essen, Dresden, Danzig) und die für Leiter und Be- 
amte industrieller und kaufmännischer Unternehmungen bestimmt 
sind, da auch für sie die theoretische Vertiefung sich als wünschens- 
wert herausgestellt hat 

Es handelt sich hier also durchgehends um wissenschaftliche 
Fachkurse für gereiftere Hörer, die die elementaren Kenntnisse 
im allgemeinen voraussetzen und meist auf einen fortgeschritteneren 
Niveau als die Studierenden stehen. Alle solche Veranstaltungen 
und Kurse sind zahlreich entstanden; man hat ihnen an einzelnen 
Plätzen (Berlin, Hamburg, Jena) besonders Rechnung getragen, wenn 
man sich auch bis jetzt nicht eingehend und prinzipiell mit ihnen 
beschäftigt hat. Hier aber haben nun gerade wiederum die jüngeren 
unoffiziellen Lehrkräfte ein neues Feld der Betätigung und eine 
schöne Aufgabe erhalten. Und tatsächlich sind alle diese Veran- 
staltungen ohne Pd und EO gar nicht möglich. Sie pflegen dabei 
das Gebiet zu behandeln, das sie besonders beherrschen und da- 
durch die Fortschritte der Wissenschaft dauernd der älteren Ge- 
lehrten-Generation zu vermitteln. Und die Universitäten müssen 
diese Aufgaben mit erfüllen, wenn sie neben den Polytechniken im 
geistigen Leben der Nation ihre Stellung behaupten und es dauernd 
beeinflussen wollen. 



1) Im ferneren Zusammenhang hiermit würden die Akademie für 
praktische Medizin und etwa auch die Verwaltungsakademie gehören, 
wenn wir sie richtig verstehen. 



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76 Erweiterung der Aufgaben. 

Man sage darum nicht, daß diese Aufgaben den Universitäten 
ferne lagen, dafi sie sich weder mit der erweiterten Hörerschaft 
noch mit den Universitätsausdehnungsbestrebungen noch auch mit 
den wissenschaftlichen Portbildungskursen direkt zu befassen 
brauchten. Die Universitäten sind ursprünglich keine Pachanstalten 
mit Examenszielen und Berufsvorbereitung gewesen, sie sind es in 
England und den Vereinigten Staaten bis zum heutigen Tage nicht 
oder doch nicht vorwiegend. Ich führe es zum Teil darauf zurück, 
dafi diese Länder reicher sind und das Studium dort nicht nur 
dem Broterwerb zu dienen hat. Wenn hingegen in Deutschland 
und noch mehr in Prankreich die Pakultäten tatsächlich Pach- 
schulen für künftige Beamte und gelehrte Berufe geworden sind, 
so ist doch damit nicht gesagt, daß sie dauernd allein darauf 
beschränkt bleiben müßten. Es sind überall Ansätze anderer Art 
vorhanden. Die Angliederung von Leuten, die gar nicht geprüft 
werden wollen, sondern nur ihre Bildung und Erkenntnis zu erweitern 
wünschen, ist aber durchaus nicht unwürdiger als die Vorbildung 
künftiger Geistlicher, Richter, Ärzte und Oberlehrer. Es steht nirgends 
geschrieben, daß die Universitäten nur dem einen dienen dürften und 
nicht auch dem anderen und dafi diese letzthin höheren Aufgaben 
nicht befriedigt werden dürften. Das Bildungsstreben weiter Kreise 
ist bei uns stark entwickelt. Aus einmaligen und gelegentlichen Ver- 
suchen und Anregungen werden fast durchgehends ständige Ein- 
richtungen. Der Kreis der Hörer erweitert sich und die ordent- 
lichen Professoren reichen schon ihrer Zahl nach gar nicht für 
diese Aufgaben aus. Tatsächlich bildet die Heranziehung der un- 
offiziellen Lehrkräfte hier fast schon die Regel. Die Universitäten 
können an dieser neuen Aufgabe nicht achtlos vorbeigehen; sie 
werden vielmehr von sich aus Schritte machen müssen, um diesen 
steigenden Anforderderungen nach Pachwissen und Pachbildung 
gerecht zu werden. Die Summe, die auf diese Weise die Vereinigung 
österreichischer Hochschuldozenten in Wien jährlich an ihre Mit- 
glieder verteilt, die sich an solchen Vorträgen beteiligt, ist auch 
durchaus nicht zu verachten, sondern spielt immerhin bei den Ein- 
nahmen mit Preilich ist auch die entgegengesetzte Meinung laut 
geworden, den Andrang zu den Universitäten einzudämmen, weit 



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Bedürfniserweitening und BedOrfnisverschiebting im ganzen. 77 

sonst nur gar zu leicht ein gelehrtes Proletariat entstehen könnte. 
Diese Frage steht ja auf einem anderen Blatte und hängt mit der 
hier behandelten direkten und indirekten Grenzerweiterung nicht 
unmittelbar zusammen. 

Bedürfniserweiterung und Bedürfnisverschiebung 
innerhalb der Hörerschaft selbst sind so in mannigfacher Weise 
überall am Werke, um von selbst für den akademischen Nachwuchs 
ein erweitertes Arbeitsfeld zu schaffen, um neben den eigentlichen 
Ordinarien auch für die unoffiziellen Lehrkräfte Platz zu bieten, um 
eine tatsächliche Nachfrage nach frischen Kräften lebendig zu er- 
halten. Und diese elementaren Vorgänge ganz verschiedener Art 
versprechen darum Dauer, weil sie aufs innigste mit der ganzen 
Wesenheit unserer Zeit, der Rationalisierung des Lebens auf allen 
Gebieten, der Anteilnahme weiterer Schichten des Volkes an den 
öffentlichen Einrichtungen, der Vergeistigung unserer Kultur wie un- 
serer Wirtschaft zusammenhängt. Es liegt darum in den Verhältnissen, 
daß dem „akademischen Nachwuchs^ heute eine größere Bedeutung 
fflr das wissenschaftliche Leben der Universitäten zukommt. Um 
einen nationalökonomischen Kunstausdnick zu gebrauchen: der 
Grenznutzen der EO und Pd ist dauernd gestiegen. 

Es soll gewiß nicht gesagt werden, daß nun die ganze große 
Schar der Pd und EO im heutigen Umfange ein notwendiges Be- 
dürfnis zu erfüllen habe. So war es nicht gemeint, gewiß nicht 
Noch weniger soll etwa jede Habilitation mit steigender und differen-* 
zierter Nachfrage gerechtfertigt und begründet werden. Auch da- 
von kann nirgends die Rede sein. Es ist eingangs darauf hin- 
gewiesen, daß die Praxis oft zu lax gehandhabt wird, daß auch man- 
cher Untüchtige sich unter ihnen befindet. Nur das war der Sinn der 
ganzen Auseinandersetzung, zu zeigen, daß ein zahlreicher akade- 
mischer Nachwuchs an sich in der Gegenwart eine steigende innere 
Bedeutung erlangt und neue Aufgaben spezifischer Art zu erfüllen 
hat, denen von den Ordinarien in dieser Weise allein gar nicht 
entsprochen werden kann. Daß ein nicht kleiner Teil von ihnen 
mehr oder weniger dauernd auf dieser Stufe festgehalten wird, 
ohne darum weniger nützlich, ja notwendig für den Gesamtunter- 
richt unserer Hochschulen zu sein. 



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78 Die Veijfinguiig der Wissenschaft. 

5. Die Verjüngung der Wissenschaft 
Aber noch ein Moment bleibt zu beachten, das mit dem eben 
Behandelten zusammenhängt. Es ist unerläßlich, daß bei dem ste- 
tigen und schnellen Portschritt der Forschung auch für eine hin- 
reichende Verjüngung der Wissenschaft gesorgt wird: weit 
sonst im internationalen Wettbewerb die jungen Nationen mit frischen 
Kräften und neuen Ideen leicht den Vorrang behaupten können. 
Das erscheint auch aus dem psychologischen Momente nötig, weil 
die Aufnahmefähigkeit für neue Ideen und neue Anschauungen er- 
fahrungsgemäß an die Grenzen des Alters gebunden ist Gewiß 
nicht in gleichem Maße bei dem einzelnen, der sehr anpassungs- 
fähig sein kann, wohl aber bei der Gesamtheit und bei den Uni- 
versitäten als Korporationen. Ein Lehrkörper und eine Fakultät, 
die aus sehr alten Professoren besteht, kommt nur allzuleicht dazu, 
bei den früheren Anschauungen zu beharren und den Neuerungen 
nicht mehr gerecht zu werden. Bei der Autorität, die der berühmte 
Name hier nun einmal besitzt, gilt ein Abweichen in der Lehre nur 
zu leicht als ein unerlaubtes Eindringen in eine privilegierte Domäne. 
Dies ist immer wieder von neuem zu beobachten: es enthält an sich 
noch keinen Vorwurf gegen den einzelnen, da es ein fast natumot- 
wendiger Vorgang ist, der dem natürlichen Gesetze des Generations- 
wechsels entspricht. Auch der bedeutendste Mann unterliegt dem 
Veralten seiner vorwiegend in der Jugend und den besten Mannes- 
jahren erworbenen Anschauungen. Bei dem Universitätslehrer tritt 
es nur vielleicht besonders deutlich in die Erscheinung, weil der 
Einfluß der älteren Ordinarien naturgemäß ein großer ist. 

Um zunächst die äußeren Tatsachen festzustellen, mußten 
natürlich die Ordinarien selbst einer Untersuchung unterworfen 
werden. Das war in diesem Falle möglich, weil durch den Ascher- 
sonschen Universitätskalender, der gerade in diesem Punkte neuer- 
dings verbessert ist, zusammen mit einigen bekannten Nachschlage- 
büchem^) sich diese Angaben lückenlos gewinnen ließen. Und da 

1) Vor allem dem „akademischen Deutschland*', das zumeist auf den 
eigenen Angaben der Herren beruht: 0. Ziel er und Th. Scheffer, Das 
akademische Deutschland. Biographisch-bibliographisches Handbuch für 



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Bedeutung des Alters der Professoren. 79 

zugleich tkber denselben Gegenstand bereits eine Untersuchung^ 
für das Jahr 1890 vorlagt), so konnten außerdem Vergleiche an- 
gestellt werden: dadurch können wir einen Einblick erhalten in die 
Wandlung, die mit dem Alter des offiziellen Lehrkörpers in diesen 
17 Jahren vor sich gegangen ist. Dem Charakter dieser Schrift 
entsprechend werden hier nicht Forderungen aufgestellt, sondern 
die Tatsachen aufgehellt und die Entwicklungstendenzen nach Mög- 
lichkeit auf ihre Ursachen zurückgeführt Vgl. Tabelle IV auf fol- 
gender Seite. 

Betrachten wir zunächst die Gesamtheit der Universitäten,, 
d. h. nur die aktiven und lesenden Ordinarien, so betrug ihr Durch- 
schnittsalter SSVs Jahre. Es hat sich im letzten halben Menschen- 
alter genau um zwei Jahre erhöht, da es 1890 sich nur auf 5lVs 
Jahre belief. Wir werden nachher zu entscheiden haben, ob die 
jüngeren Altersklassen so viel verloren oder die höheren so viel 
gewonnen haben. Beides ist an sich möglich. Einen Unterschied 
wird man außerdem nach der Staatszugehörigkeit der Uni- 
versitäten wahrnehmen können. Es zeigt sich nämlich, daß die 
zehn preußischen Universitäten das höchste Alter haben, die öster- 
reichischen und nichtpreußischen ungefähr gleich hoch stehen: 
jene zu 54, diese zu 53 bzw. 52,9 Jahre; doch sind diese Unter- 
schiede an sich nicht sehr bedeutend. Gegen 1890 hat sich das 
Durchschnittsalter in Osterreich am weitesten hinausgeschoben 
(2V2 Jahre), Preußen entspricht in der „Veraltung" dem Durch- 
schnitt; die nichtpreußischen Universitäten endlich bleiben dahinter 
zurück (1,3 Jahre). Damit kommt zum Ausdruck, daß die öster- 
reichische Altersgrenze der Ordinarien, die bekanntlich bei 70 Jahren 
vom Lehramte zurücktreten müssen, nicht nur keine Verjüngung 
des Lehrkörpers im Gefolge gehabt hat, sondern eher das Gegen- 

die Universitäten des Deutschen Reiches. Erschienen sind: Bd. 1: Di& 
theologischen Fakultäten. Bd. 2: Die juristischen Fakultäten. Bd. 3: Die 
medizinischen Fakultäten. Leipzig 1905/06. Ein Nachschlagewerk, das 
mir auch sonst gute Dienste geleistet und mannigfach benutzt ist. Zu 
bedauern bleibt das Fehlen der philosophischen Fakultäten. 

1) Franz Eulenburg, Das Alter der deutschen Universitätsprofes- 
soren (Jahrbücher für Nationalökonomie u. Statistik. Dritte Folge, Bd. 25. 
1903. S. 65-80). 



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Die Verjflngung der Wissenschaft 



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Königsberg . 
Leipzig..... 
Marburg . . . 

München . . . 

Münster 

Rostock . . . 
Straßburg . . 
Tübingen . . . 
Würzburg . . 


Czernowitz . 

Graz 

Innsbruck .. 

Prag 

Wien 


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Preußen.... 
Ob. Deutschi. 
Osterreich . . 



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Durchschnittsalter im ganzen und an einzelnen Universitäten. 81 

teil bewirkte. Freilich können wir nicht wissen, ob nicht ohne diese 
Altersgrenzen der Durchschnitt hier noch höher wäre. Mag man 
aber auch aus Zweckmäfiigkeitsgranden die Einf tkhrung jener Alters- 
grenze auch in Deutschland fflr wünschenswert halten , man wird 
sich vor der Annahme hüten müssen, daß daraus allein schon eine 
Verjüngung des Lehrkörpers folgen würde. Hier kam für uns nur 
die wichtige Tatsache der allgemeinen und beträchtlichen Alters- 
erhöhung überhaupt in Betracht 

Passen wir die einzelnen Universitäten ins Auge, so 
sind allerdings die Abweichungen von jenem Gesamtmittel sehr be- 
deutend. Die durchschnittliche Altersdifferenz der „ältesten*^ und 
der „jüngsten'' Universität, um diesen kurzen Ausdruck zu gebrau- 
chen, beträgt etwa 10 Jahre und ist 1890 ebensogrofi gewesen. 
Das höchste Durchschnittsalter haben Berlin mit fast 60 und Leipzig 
mit fast 58 Jahren. Im allgemeinen zeigen überhaupt die größeren 
Universitäten das höhere Durchschnittsalter. Wien macht hiervon 
nur eine scheinbare Ausnahme, weil hier doch die oben genannte 
Altersgrenze etwas mitwirkt Der Grund ist wohl darin zu suchen, 
dafi an die grofien Universitäten vorwiegend solche Lehrer berufen 
werden, die sich anderwärts bewährt haben: und sie folgen dem 
Rufe, weil dort die Ehre und der Erfolg als Lehrer größer, weil 
die Gehälter und Einnahmen höhere sind. Davon macht es auch 
keine Ausnahme, wenn gelegentlich einmal ein Ordinarius einen 
Ruf an die Hauptstadt aus besonderen Gründen ablehnt Denn die 
große Universität ist [a nun einmal der Abschluß der akademischen 
Hierarchie. Es ist zu beachten, daß 1890 außer Berlin und Leipzig 
noch München sich durch ein hohes Alter auszeichnete, das gegen- 
wärtig sich bemerkenswert verjüngt hat Die Benjamine unter den 
Universitäten sind Gießen, Würzburg und Czemowitz, deren Durch- 
schnittsalter noch unter 50 Jahren bleibt. Es ist erklärlich genug, daß 
4ie jüngeren Professoren meist an kleineren Universitäten beginnen 
und dann erst allmählich an die größeren kommen: ist es doch die 
einzige Beförderung, die ihnen offen steht Aber während 1890 noch 
an elf Universitäten das Durchschnittsalter der Ordinarien unter 
50 Jahren lag, ist es gegenwärtig nur an d r e i e n der Pall. Darin spricht 
sich wohl am deutlichsten die Erhöhung des Professorenalters aus, in-r 

Eulenburg, der akad. Nachwuchs. 6 



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32 I^ie Verjüngung der Wissenschaft. 

dem die jungen Universitäten fast verschwinden : unter 49 Jahren bleibt 
überhaupt im Durchschnitt keine. Verjüngt haben sich in diesen 
17 Jahren allein Breslau, München, Münster, das ja teilweise erst neu 
gegründet ist, und Tübingen. Alle übrigen sind durchschnittlich älter 
geworden, darunter einzelne recht erheblich (Göttingen und Halle um 
mehr als 5 Jahre). - Ordnen wir die Universitäten in zwei Gruppen, 
je nachdem ihr Alter über oder unter dem Gesamtdurchschnitt liegt 
(vgl. S. 86), so gehören in die erste Gruppe 11, in die zweite 
Gruppe 15 hinein. Wir finden dabei allenthalben die Wechsel- 
wirkung zwischen Alter der ordentlichen Professoren und Frequenz 
der Universitäten deutlich bestätigt. Eine Ausnahme machen Breslau 
und Prag, die für ihr Größe relativ jung, Strafiburg und Kiel, die 
bei ihrer Kleinheit relativ alt sind. 

Wichtiger als die Gesamtheit ist aber das Alter der ein- 
zelnen Fakultäten, da sich hier erhebliche Unterschiede zeigen» 
Es stellt sich für sämtliche Fakultäten der Durchschnitt am 1. Juli 
1907 bzw. 1890: 

In der theologischen Fakultät bei 200 (184) Prof. auf 53,6 (52,7) Jahre 
„ „ juristischen „ „ 214 (211) „ „ 52,6 (50,7) .. 

„ „ medizinischen „ „ 280 (274) „ „ 54,4 (51,7) 



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„ „ philosophischen „ „ 722 (614) „ „ 53,2 (51,2) „ 
davon naturwiss. „ „ 302 „ „ 55,0 „ 

„ historische „ „ 420 „ „ 52,3 „ 

Gegenwärtig sind die Historiker am jüngsten und die Natur- 
wissenschaftler bei weitem am ältesten, während die anderen Fakul- 
täten in der Mitte stehen: die Juristen bleiben etwa ein Jahr hinter 
dem Durchschnitt zurück, während die Mediziner etwa ein Jahr 
darüber stehen und die Theologen gerade den Durchschnitt dar- 
stellen. Da 1890 die philosophische Fakultät noch nicht geschieden 
wurde, so läfit sich der Vergleich nicht allenthalben anstellen: damals 
waren die Juristen besonders jung und die Theologen am ältestem 
Faßt man die Philosophen aber zusammen, so ist charakteristisch^ 
daß alle vier Fakultäten jetzt ein höheres Durchschnittsalter auf- 
weisen als vor 17 Jahren. Die Alterszunahme ist bei den Theologen 
am geringsten, dann folgen die Juristen; am stärksten ist sie bei 
den Medizinern, nämlich fast drei Jahre. Wir wollen versuchen», 
diese Angaben etwas näher zu analysieren. 



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Das Alter der theologischen und juristischen Ordinarien. 83 

Allerdings werden die absoluten Zahlen für die Fakultäten der 
einzelnen Universitäten etwas klein, da ein einzelner Professor zu- 
weilen das Durchschnittsalter wesentlich verändern, ein abnorm alter 
es herauf-, ein sehr junger es herabsetzen kann. Aber einige all- 
gemeine Bemerkungen lassen sich immerhin machen. Zunächst hat 
die theologische Fakultät mit einem Durchschnittsalter von fast 
54 Jahren einige besonders alte Professorenkollegs aufzuweisen. In 
Berlin, Leipzig und Rostock wird das sechste Jahrzehnt im' Durch- 
schnitt schon überschritten; Preiburg, GOttingen, Halle zeigen durch- 
schnittlich über 55 Jahre, was doch auch recht hoch erscheint» 
Unter 50 Jahren blieben nur vier Fakultäten: Würzburg, Straßburg, 
Prag und Gießen. Vor 17 Jahren lag das Minimum wesentlich 
tiefer: war damals die jüngste Fakultät (Gießen) nur 42 Jahre alt, 
so jetzt (Würzburg) 46. Daß sich das Gesamtalter bei den Theo- 
logen nicht weiter hinausgeschoben, ist wohl vor allem darauf zu- 
rückzuführen, daß der akademische Nachwuchs bei ihn relativ klein 
ist und dadurch die Möglichkeit des Einrückens im früheren Alter 
erlangt. Verjüngt haben sich infolge dessen Breslau, Freiburg, 
Jena, München, Würzburg, Insbruck und Prag, wo gegen % der 
theologischen Fakultäten tatsächlich älter geworden sind. 

Die juristische Fakultät weist im Durchschnitt günstigere 
Verhältnisse auf. Als Ursache dafür glauben wir wiederum den 
unverhältnismäßig geringen Nachwuchs unter den Juristen angeben 
zu sollen, der es ihnen ermöglicht, ein Ordinariat schon in jüngeren 
Jahren zu erreichen. Wenn allerdings 1 890 nirgends das Durchschnitts- 
alter von 60 Jahren erreicht wurde, so ist dies jetzt anders geworden: 
sowohl Berlin wie München haben ältere Professorenkollegs. Da- 
gegen erreichen auch gegenwärtig noch 11 Fakultäten im Durch- 
schnitt nicht das fünfte Jahrzehnt; unter denen Königsberg mit 
durchschnittlich knapp 42 Jahren tatsächlich als „jung'' bezeichnet 
werden kann (1890 hatte Gießen freilich nur 39 Jahre). Der Unter- 
schied zwischen den beiden Extremen Berlin und Königsberg be- 
trägt demnach, wie in der früheren Periode, 22 Jahre. Wenn aber 
auch bei den Juristen die Altersverhältnisse gegenwärtig günstiger 
liegen als anderwärts, so hat sich doch bei der Mehrzahl das Durch- 
schnittsalter ebenfalls hinausgeschoben und auch die Juristen- 



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g4 Dl® Verjflngung der Wissenschaft. 

fakultäten haben dem allgemeinen Zuge nicht widerstanden. Ver- 
jüngt haben sich nur Erlangen, Königsberg, Marburg, Tübingen. 
Graz und Insbruck. Auch hier wiederholt sich, daß die größeren 
Fakultäten die älteren Professoren unter sich haben. So finden 
wir in Berlin, Leipzig, München und Wien schon recht alte Pro* 
fessorenkoUegs. 

Die medizinische Fakultät zeigt schon im Mittel ein sehr 
hohes Alter. Es liegt das einmal daran, daß hier eine Reihe be- 
rühmter Namen vorhanden sind, die sich nur schwer zum Ruhestand 
entschließen können. Sodann wurde aber das Ordinariat auch des- 
wegen erst in höherem Alter erreicht, weil die Konkurrenz in der 
medizinischen Fakultät so groß ist Da die Auswahl hier unter sehr 
vielen Anwärtern stattfindet, so kommt der Durchschnitt der Ordi- 
narien erst spät zur Professur, die Wartezeit verlängert sich und 
daraus erklärt sich das Gesamtalter. Wir kommen nochmals darauf 
zurück, wenn wir auf die Beförderungsverhältnisse eingehen. Berlin 
und Leipzig haben medizinische Professorenkollegs von mehr als 
60 Jahren; unter 50 bleiben nur Gießen und Würzburg. Trotzdem 
haben sich sechs Fakultäten in dem halben Menschenalter, das wir be- 
trachten, verjüngt: nämlich Erlangen, Gießen, Greifswald, Heidelberg, 
München und Würzburg. Bei allen anderen ist eine zum Teil be- 
trächtliche Erhöhung ihres Durchschnittsalters eingetreten. Wir 
wissen ja bereits, daß zu den Ordinarien noch eine ganze Reihe 
Extraordinarien mit großem Lehrauftrag hinzukommt, um die Fakul- 
tät zu vervollständigen, und wir werden noch sehen, daß auch deren 
Alter keineswegs viel tiefer steht. 

Die Naturwissenschaftler weisen die größte Zahl alter 
Fakultäten auf, und zwar stehen die nichtpreußischen im Durch- 
schnitt erheblich über den preußischen. Zu den ältesten gehören 
Heidelberg und Straßburg, jünger sind ausschließlich Greifswald und - 
Czernowitz. Die Ursachen sind dieselben wie bei den Medizinern. 
Durch die größere Konkurrenz des Nachwuchses wird die Wartezeit 
verlängert und damit das Durchschnittsalter hinausgeschoben. Mit 
1890 ist ein unmittelbarer Vergleich hier nicht möglich, da damals 
die Naturwissenschaftler nicht besonders ausgeschrieben waren. 
Doch ist höchstens in Münster, das ja überhaupt neu gegründet 



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Mediziner und Philosophen. — Allgemeine Alterserhöhung. g5 

wurde, und in WOrzburg eine nennenswerte Verjüngung bemerkbar: 
alle anderen naturwissenschaftlichen ProfessorenkoUegs sind durch- 
schnittlich alter geworden. Anders liegt die Sache bei den Histo- 
rikern und Philologen, Hier ist der Durchschnitt ähnlich wie 
bei den Juristen, relativ jung. Es ist die einzige Fakultät, bei der 
das sechste Jahrzehnt im Mittel überhaupt nicht erreicht wird: 
sechs Universitäten bleiben noch unter 50 Jahren. Soweit ein Ver- 
gleich möglich war, haben hier elf Fakultäten ein jüngeres Durch- 
schnittsalter aufzuweisen als 1890. Aber es verdient bemerkt zu 
werden, dafi außer Breslau und Münster es nur außerpreußische 
Universitäten sind: in Preußen ist wiederum auch diese Fakultät 
überall im Durchschnitt älter geworden. 

Im ganzen finden wir also den allgemeinen Satz von der Hin- 
ausschiebung des Durchschnittsalters auch bei den einzelnen Fakul- 
täten bestätigt Das, was wir für die Gesamtheit gesehen, wieder- 
holt sich auch im einzelnen; die preußischen, die nichtpreußischen 
und die österreichischen Universitäten machen darin keinen Unter- 
schied. Allenthalben hat sich das Alter der Ordinarien 
hinausgeschoben. Rechnen wir die einzelnen Fakultäten sämt- 
licher Universitäten zusammen und trennen Naturwissenschaftler 
und Historiker, so gibt es 128 ProfessorenkoUegs (104 in Deutsch- 
land, 24 in Osterreich). Von diesen sind im ganzen nur 32 jünger 
geworden^), so daß also ^U ^Uer Fakultäten durchschnittlich ein 
höheres Alter der Ordinarien aufweisen als ehedem. Neun Fakul- 
täten sind durchschnittlich über 60 Jahre alt, nur 25 erreichen noch 
nicht das fünfte Jahrzehnt. Vor einem halben Menschenalter (1890) 
gab es von ersteren nur zwei, von letzteren aber noch einmal so 
viel und drei Fakultäten blieben sogar unter 40. Eine solche Er- 
scheinung, die so gleichmäßig sich durchsetzt, muß ihre allgemeinen 
Ursachen haben. Die Wirkung für den akademischen Nachwuchs 
läßt sich unschwer erkennen. Auch deren Alter muß sich notwendig 
hinausschieben, da die Beförderung später erfolgt. Die beiden 
Kategorien von Lehrkräften stehen doch in einem unlöslichen 
Wechselverhältnis zueinander. 

1) Und zwar 7 theologische, 6 juristische, 6 medizinische, 3 natur- 
wissenschaftliche und 11 historische Fakultäten. 



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86 



Die Verjüngung der Wissenschaft. 



Betrachten wir endlich die gegenwärtigen Universitäten darauf- 
hin, welche von ihnen in den einzelnen Fakultäten ein über-(+) 
und welche ein unter-(— ) durchschnittliches Alter aufweisen, so zeigt 
zieh folgende Gruppierung: 





Obere Reihe 




Untere Reihe 




1 


i 

1 


i 


i 


1 


1 


e 

•-9 


c 

1 


1 


1 


1. Berlin 

2. Leipzig .... 

3. Halle 

4. Qöttingen . . 

5. Graz 

6. Wien 

7. München . . . 

8. Bonn 

9. Straßburg . . 

10. Heidelberg . 

11. Kiel 


+ 
+ 
+ 

+ 

+ 

+ 


+ 
+ 

+ 
+ 
+ 

+ 


+ 

+ 

+ 
+ 

+ 


+ 
+ 

+ 
+ 
+ 


+ 
+ 
+ 
+ 
+ 

+ 


12. Marburg . . . 

13. Freiburg . . . 

14. Breslau 

15. Jena ... 

16. Tübingen... 

17. Prag 

18. Rostock 

19. Königsberg. 

20. Greifswald . 

21. Innsbruck . . 

22. Erlangen . . . 

23. Münster 

24. Würzburg . . 

25. Gießen 

26. Czernowitz . 


+ 

+ 

+ 

+ 
+ 


4- 
+ 






+ 

+ 
+ 

+ 


+ 



Danach haben an zwei Universitäten alle Fakultäten ein überdurch- 
schnittliches Alter der Ordinarien: Berlin und Leipzig. Es sind jene 
beiden Hochschulen, die als tatsächlicher Abschlufi der akademischen 
Beförderung gelten können. Das sind die wirklich ganz „alten*^ 
Universitäten. An fünf weiteren sind immerhin bei vier Fakultäten 
die Professoren von überdurchschnittlichem Alter; und zwar bleibt 
in München nur die theologische, in Halle und Wien nur die juri- 
stische, in Bonn und Göttingen nur die naturwissenschaftliche Fa- 
kultät allein zurück, während die anderen ebenfalls überdurchschnitt- 
lich sind: wir können sie immerhin noch zu den „alten'' rechnen; 
es wären also im ganzen sieben. Davon haben Berlin und Leip^g 
diesen Charakter schon seit einem Menschenalter. Denn bereits 
Laspeyres fand für 1875/76 dasselbe Resultat. Bei vier Universitäten 
stehen dagegen sämtliche Mittelwerte unter ihrem Durchschnitt: 
Prag, Erlangen, Würzburg und Czernowitz; bei fünf weiteren bleibt 
doch nur eine Fakultät nicht unter dem Durchschnitt: Freiburg, 



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Alte und junge Fakultäten. ~ Der Altersaufbau. 87 

Rostock, Königsberg, Greifswald und Gießen. Diese neun dürfen wir 
also als die eigentlich ,,iungen'' Universitäten bezeichnen. Es sind 
zum Teil die kleinsten Hochschulen, zum Teil auch solche (wie 
Prag), bei denen der Wechsel aus anderen Gründen besonders 
häufig ist. Die Rangordnung hat im letzten Menschenalter etwas 
geschwankt, da ja auch die Prequenzverhältnisse der kleinen Uni- 
versitäten zueinander nicht immer dieselben bleiben. Im allgemeinen 
bleiben die Universitäten in allen Fakultäten unter dem Gesamtmittel, 
bei denen auch der „akademische Nachwuchs" nur gering vertreten 
ist (Erlangen, Rostock, Greifswald, Gießen). 

Das Durchschnittsalter besagt aber über die wirkliche Alters- 
zusammensetzung nur sehr wenig. Es kann, namentlich soweit die 
einzelnen Fakultäten in Betracht kommen, aus ganz heterogenen 
Elementen sich zusammensetzen; uns diente es vor allem als kurzes 
Orientierungsmittel und kürzester Oberblick über die Verhältnisse. 
Darumist es notwendig, den Altersaufbau der Ordinarien überhaupt 
kennen zu lernen. Auch hier erscheint vor allem die Gegenüber- 
stellung der beiden Reihen für 1907 und 1890 lehrreich, um für 
die Tendenzen der Veränderungen, sowie für die Ursachen des zu- 
nehmenden Durchschnittsalters Anhaltspunkte zu gewinnen. Aller- 
dings wird es kaum angängig sein, hier sehr weit zu teilen, da sonst 
die Zahlen zu klein werden. Wir begnügen uns damit, einmal die 
Fakultäten ihrer Gesamtheit und sodann die einzelnen Universitäten 
als Einheiten zu behandeln und lassen die weiteren Einzelheiten 
zurück. 

Es ergibt sich die Obersicht auf folgender Seite. 

Unter 30 Jahre ist am 1. Juli 1907 überhaupt kein Ordinarius mehr 
gewesen, während es 1890 doch immerhin noch fünf waren. Rechnet 
man die jüngeren Altersklassen bis 45, die mittleren zu 46 bis 
60, die höheren über 60 Jahre, so entfallen nicht ganz ein Viertel, 
(23 Proz.) auf die jüngeren, die reichliche Hälfte (52 Proz.) auf die 
mittleren und gerade ein Viertel auf die höheren Altersklassen. 
Ober 70 Jahre sind im ganzen 65 lesende Professoren, d. h. fast 
5 Proz. der Gesamtheit, wobei allerdings zu berücksichtigen bleibt, 
daß in Osterreich mit 70 Jahren Zwangspensionierung erfolgt Das 



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88 



Die Verjflngung der Wissenschaft. 



fünfte Jahrzehnt ist das stärkst besetzte, wie ja auch der Gesamt-* 
durchschnitt in ihm fällt; speziell das Jahrfünft 46/50 zählt die 
meisten Ordinarien. 





am 1. Oktober 1890 


am 1. Juli 1907 




il 


1 


.s 

1 

s 




li 


<&s 


1 
1 


1 


il 


o 

z 


l'l 


bis 35 Jahre 


3,3 


8,5 


0,7 


4,1 


4.0 


0,5 


4,6 


0,4 


0,7 


1,4 


1.4 


36-40 „ 


12,0 


13,3 


10,6 


12,8 


12.2 


9,1 


9,8 


5,7 


3,7 


8,1 


7.1 


41-45 „ 


16,3 


11,4 


18,2 


16,9 


16.2 


14,1 


16,3 


14,3 


13,0 


16,2 


14.8 


46-50 „ 


12,5 


13,3 


21,3 


19,5 


18.0 


20,2 


15,4 


17,5 


19,9 


20,0 


18.8 


61-55 „ 


20,1 


18,5 


14,9 


17,1 


17.3 


13,1 


14,9 


17,8 


17.9 


15,6 


W.I 


56-60 „ 


12,5 


14,2 


16,8 


9,5 


12.2 


17,7 


13,9 


17,8 


15,9 


17,6 


16.8 


61-65 „ 


8,2 


8,5 


8,8 


8,9 


8.7 


8,1 


9,8 


12,2 


13,6 


13,0 


11.7 


66-70 „ 


9.2 


4,7 


4,1 


5,2 


5.5 


13,1 


10,2 


7,8 


10,0 


6,4 


8.7 


Ober 70 „ 


5,9 


7,6 


4,4 


6,6 


5.9 


4,1 


5,1 


6,4 


5,3 


2,8 


4.6 



Allerdings zeigen die Fakultäten von dem obigen Gesamt- 
durchschnitt manche charakteristische Abweichungen, auf die 
bereits vorher bei der Untersuchung des Durchschnittsalters ge- 
schlossen werden konnte. Bei den Theologen entsprechen die 
einzelnen Altersklassen freilich den Gesamtverhältnissen. Bei den 
Juristen sind die unteren wesentlich stärker besetzt und ent- 
sprechend die mittleren wesentlich schwächer; daraus ergibt 
sich das erheblich niedrigere Durchschnittsalter der Juristen- 
fakultäi Bei den Medizinern sind umgekehrt die jüngeren Alters- 
klassen sehr schwach vertreten, während die hohen stärker besetzt 
sind. Noch stärker ist dieses Verhältnis bei den Naturwissen- 
schaftlern ausgeprägt. Hier sind nur 17 Proz. (statt 23 des 
Durchschnitts) unter 45 Jahren, dagegen haben 29 Proz. (anstatt 25) 
die 60 überschritten: daraus erklärt sich wiederum das überdurch- 
schnittliche Gesamtalter der naturwissenschaftlichen Fakultät. Die 
Historiker endlich haben ähnlich wie die Juristen, stärker besetzte 
untere und mittlere Altersklassen und schwächer besetzte obere; 
dementsprechend ist auch das Ergebnis hier dasselbe wie dort — 
nämlich ein relativ niedriges Durchschnittsalter. 

Es bestätigt sich also, daß die Juristen gegenwärtig früh in 



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Die unteren und die höheren Altersklassen. gg 

ein Ordinariat gelangen, die Mediziner und Naturwissenschaftler relativ 
spät Entsprechend ist auch bei den Juristen das Jahrfünft 41/45, 
bei den Medizinern das zwischen 51/55 am stärksten besetzt, bei 
den anderen Fakultäten und der Gesamtheit das dazwischenliegende. 
Es ist ja auch apriori verständlich, daß um den Zentralwert sich 
die stärkste Besetzung der Altersklassen gruppieren mufi. Das 
höhere Durclischnittsalter der Mediziner und Naturwissenschaftler 
kommt also wesentlich durch die schwächere Besetzung der junge* 
r^n und relativ stärkere der mittleren und höheren Altersklassen 
zustande. 

Unter 35 Jahren sind im ganzen nur noch 20 Ordinarien; da- 
von die meisten bei den Juristen, dann noch bei den Historikern. 
Von denen über 70 Jahre fallen die meisten auf die Mediziner. 
Es bliebe zu untersuchen, ob tatsächlich verschiedene Lebensverhält- 
nisse vorliegen oder ob die höheren bzw. geringeren Einnahmen 
von Einfluß darauf sind, in welchem Alter die Pensionierung nach- 
gesucht wird. Auffällig bleibt die unterdurchschnittliche Besetzung 
bei den Historikern. 

Ein Vergleich mit anderen Berufen scheint wenig ertragreich 
und würde nur die ganz abweichenden Verhältnisse der ordentlichen 
Universitätsprofessoren, die sich mit anderen akademisch vorgebil- 
deten Beamten, etwa den Richtern oder Oberlehrern, gar nicht 
vergleichen lassen, von neuem ergeben. Ihre Alterspyramide zeigt 
eine ganz abnorme Form, die sich eben aus der besonderen Art 
ihrer Auslese erklärt Auch in anderen Beziehungen sind darum 
Vergleiche nicht möglich. 

Der Vergleich mit den Altersverhältnissen des Jahres 1890 er- 
gibt sehr beträchtliche Verschiebungen. Wir hatten ja schon vor 
dem gefunden, daß das Durchschnittsalter sich gegen früher um 
zwei Jahre hinausgeschoben hat. Jetzt sehen wir auch, woher 
das kommt. Die jungen Altersklassen waren damals ganz ungleich 
stärker besetzt als jetzt (23 gegen 32 Proz. unter 45 Jahren) und 
dementsprechend das mittlere und das hohe Alter schwächer: 
52 gegen 48 Proz. und 25 gegen 20 Proz. Ober sechzig Jahre. Be- 
sonders die alten Jahresklassen zwischen 60 und 70 waren früher 



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90 ^^^ Verjflngung der Wissenschaft. 

wesentlich geringer vertreten: 14 Siegen 20 Proz. jetzt. Das Maximum 
fiel zwar f raher auch schon auf das Jahrfünft 46/50 , dafür war 
das Jahrfünft 56/60 wesentlich schwächer besetzt 

Andererseits ist es aber sehr bemerkenswert, daß die Ober- 
70iahrigen damals einen weit größeren Anteil ausmachten als heute, 
und sogar absolut genommen, zahlreicher waren: 76 Personen bzw« 
6 Proz. gegen 65 bzw. 47« Proz. Wir kennen einstweilen die Sterb- 
lichkeitsverhältnisse nicht, um die Frage ganz einwandfrei zu beant- 
worten. Aber es ist kaum anzunehmen, daß die Professoren jetzt , 
in diesem Punkt ungünstiger dastehen werden. So scheint nur die 
Erklärung möglich, daß die Neigung, sich pensionieren zu lassen oder 
die Vorlesungstätigkeit einzustellen, entsprechend größer geworden 
ist. Man kann vermuten, daß dies mit der Verbesserung der Gehalts- 
verhältnisse zusammenhängt, was nicht eben ungünstig zu beurteilen 
wäre. So wird es erklärlich, warum auch die Altersgrenze von 
70 Jahren kaum nennenswert diese Verhältnisse beeinflussen würde. 
Die Zahl der dadurch getroffenen Personen ist im Verhältnis von 
den „alten" Professoren über 60 Jahren zu gering, um große Verr 
Schiebungen herbeizuführen. Tiefer als 70 Jahre aber herabzugehen, 
was allerdings von einschneidender Wirkung werden könnte, möchte 
aus anderen Gründen kaum möglich sein. 

Die Ursache der Durchschnittserhöhung liegt eben 
nicht oben, sondern unten: die Professoren gelangen heute 
später in ein Ordinariat, und daher kommt es, daß die unteren Alters- 
klassen soviel schwächer besetzt sind als ehedem. Wir werden 
später noch zii erörtern haben, ob hierfür eine allgemeine Ver- 
längerung der Studienzeit und spätere Erlangung der Promotion 
und Habilitation mit verantwortlich zu machen sind oder ob die 
Ursache dafür ausschließlich in den Konkurrenzverhältnissen des 
„Nachwuchses" liegt. — Von den einzelnen Fakultäten zeigt besonders 
die medizinische einen abweichenden Altersaufbau, indem hier die 
jüngeren Altersklassen 1890 ganz ungleich stärker besetzt waren, 
fast 30 Proz. gegen jetzt 20 unter 45 Jahren; aber auch die Ge- 
samtheit der Philosophen, von denen jetzt nur ein Fünftel zu den 
jüngeren gehört, zählte damals ein Drittel. 



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Ursachen für das Älterwerden der regierenden Fakultäten. 91 

Das Gesamtergebnis ist demnach: wesentliche Hinausschie- 
bung des Emennungsalters, dadurch Verschiebung des Maximums 
vom Ende der Vierziger auf den Anfang der Fanfziger Jahre; ent- 
sprechend jetzt stärkere Besetzung der mittleren und höheren Alters- 
klassen auf Kosten der ]Qngeren und der Ober-70jährigen. Die 
Zusammensetzung der medizinischen Fakultät hat sich am meisten 
geändert. Aber auch die übrigen Fakultäten haben doch in diesen 
Zeitraum schon ein wesentlich anderes, älteres Aussehen erhalten.^) 

Die Verschiebung des Durchschnittsalters und der Alters- 
zusammensetzung ist sonach erwiesen und auch der Sitz der Ur- 
sache gefunden: er liegt nicht in dem Anwachsen der ältesten, 
sondern vielmehr in dem Verschwinden der jüngeren Professoren, 
Das Ergebnis läßt sich mithin auch nicht durch ein äußeres 
Mittel wie die Herabsetzung der Altersgrenze beseitigen. Es 
ist denn ja auch charakteristisch, daß gerade in Osterreich das 
Durchschnittsalter besonders zugenommen hat. Die Tatsache selbst 
findet ihre Erklärung in den Gesamtverhältnissen. Aber als Wirkung 
ergibt sich eben, daß nun die Gefahr der „Veraltung'' der einzelnen 
Fakultäten nahe gerückt ist Und daraus folgt, daß der akademische 
Nachwuchs auch dem Alter nach ein wesentliches Bindeglied zwischen 
der Studentengeneration und der Professorengeneration darzustellen 
hat: das Bindeglied des persönlichen Verkehrs, das Bindeglied auch 
in den Anschauungen der jüngeren Generation mit denen der älteren. 
Das ist wichtig auch aus allgemeinen Gründen: es bedeutet eine 

1) Endlich wollen wir noch einen Blick auf die älteren Jahrgänge über 
60 Jahren werfen. Ihre Gesamtzahl beträgt 354, die sich so verteilen, 
daß 166 zwischen 61-65, 123 zwischen 66-70 und 65 über 70 Jahre alt 
sind. Am zahlreichsten sind diese hohen Altersklassen vertreten, in 
Leipzig (30 von 68), Berlin (36 von 88), München (26 von 77), Wien (24 
von 89); am geringsten in Gießen (6 von 47), Münster (5 von 35), Würz- 
burg (5 von 44), Czemowitz (4 von 34). Die Ober-70 jährigen fehlen 
gänzlich in Osterreich wegen der dortigen Pensionierungsgrenze, sodann 
in Kiel und Würzburg. In Berlin leben noch 13, in Leipzig 6, in München 
5 solcher Greise. Aber es kann gar kein Zweifel sein, daß gerade diese 
allerhöchsten Altersklassen gegen früher erheblich abgenommen haben, 
denn 1890 betrug ja deren Zahl im ganzen 78. Allerdings finden sich 
unter ihnen auch noch alte Herren von 75, 76 ja 80 Jahren und darüber. 



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92 Die VerjOngung der Wissenschaft. 

notwendige Verjüngung der Wissenschaft und des Lehrkörpers der 
Universitäten. Dadurch erst erhält die ganze Lehrtätigkeit größere 
Freiheit und Beweglichkeit , was für den geistigen Portschritt un- 
erläßlich ist, daß diese unoffizielle Lehrkräfte so stark am Unter- 
richte der Universität beteiligt sind. Notwendig zur Ergänzung des 
Unterrichts, notwendig zur Assistenz und individuellen Ausbildung^ 
notwendig zur Verjüngung des Lehrkörpers und der Konkurrenz, 
notwendig auch für die neuen Aufgaben, die den Universitäten in 
der Gegenwart aus neuen Verhältnissen zugewachsen sind, so hat 
sich uns dieser Zweig unserer modernen Universitäten dargestellt 
Aber wenn sie so aus mannigfachen Gründen unersetzlich und 
nötig geworden sind, so fragt es sich, wie steht es mit ihnen selbst? 
Es ist der letzte Teil unserer Untersuchung. 



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Drittes Kapitel 

Die persönlichen Verhältnisse des „akademischen 
Nachwuchses" 

1. Promotion und Habilitation 
Wir beginnen die Verhältnisse der Akademiker zu schildern 
mit der Doktorpromotion. Das Pro motions alter lag bei ihnen im 
Durchschnitt zwischen 24 und 25 Jahren, und zwar sind die Schwan- 
kungen sowohl zwischen dem der EO und dem der Pd als auch 
unter den einzelnen Fakultäten auffallend gering; auch in Osterreich 
stellt es sich nicht wesentlich anders. Das Promptionsalter ist bei 
den Theologen am höchsten, nämlich 26 bis 27 Jahre, was wohl da- 
mit zusammenhängt, daß die theologische Promption ja eine Aus- 
nahme darstellt und der Dr. phil. meist gleichzeitig mit der Habili- 
tation erlangt wird. Von den anderen Fakultäten promovierten die 
Historiker am spätesten, dann kommen die Juristen: am frühesten 
auffallenderweise die Mediziner. Es ist nicht ganz leicht, für diese 
Abweichungen die Ursachen anzugeben; doch sind die Unterschiede 
überhaupt nur sehr gering. Bei den Medizinern mag die Konzentration 
des Studiums, bei den Historikern die mehr freie und durch Selbst- 
wahl bestimmte Vorlesungsfolge sowie die schwerere Doktorabeit 
auf die Länge des Studiums mitgewirkt haben. Die Promotions- 
zeiten sind aber überhaupt hinausgeschoben: das juristische Studium 
ist auf 3.7 Jahre, das der Theologen auf 4, der Philologen auf 5, 
der Mediziner auf 5.6 zu veranschlagen.^) Außerdem ist anzunehmen, 
daß die, die sich später habilitieren wollen, ein sorgsameres Studium 



1) Vgl. Conrad, a. a. O. S. 455, 464, 467, der zu anderem Zwecke 
diese Berechnungen anstellt. 



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94 



Promotion und Habilitation. 



gemacht und eine bessere Doktorarbeit als der Durchschnitt zustande 
gebracht haben. Es wäre an sich gar nicht verwunderlich, daß die 
ktlnftigen Dozenten länger studierten; ja es ist fast das natürliche» 
Gerade die tiefer beanlagten Naturen finden sich selbst nur schwer. 
Sie haben mit sich mehr zu tun als die Bxamenmenschen, die mög- 
lichst rasch ihre Prüfung absolvieren und nicht rechts noch links 
sehen. Es wäre also ganz falsch, wenn bei den künftigen Universitäts- 
lehrern auf eine möglichst frühe Promotion gesehen würde. So 
erklärt es sich ungezwungen, daß die Promotion relativ spät stattfand. 
Es fragt sich aber, ob die heutigen Ordinarien in dieser 
Beziehung ebenso dastehen. Es ließ sich wenigstens bei dem 
größeren Teile von ihnen die Berechnung durchführen, und zwar 
von den Theologen, Juristen, Medizinern fast vollständig, von den 
Historikern und Naturwissenschaftlern immerhin die Hälfte.*) Es 
stellte sich danach das Promotionsalter bei den heutigen 





Ordin. 


Extraord. 


Privatdoz. 


Theologen 

Juristen 

Mediziner 

Naturwissenschaftler 

Historiker 


24.8 
22.7 
23.9 
23.4 
23.0 


26.4 
24.6 
24.3 
24.6 
23.6 


26.0 
24.5 
24.3 
24.4 
24.6 




23.7 


24.6 


24.5 



Unverkennbar hat sich das Promotionsalter allenthalben hinaus- 
geschoben; welches sind die Ursachen? An sich könnte man ia 
sagen, daß vielleicht die frühere Generation fleißiger gewesen, in- 
tensiver studiert hätte. Das trifft aber kaum zu, wie wohl alle 
Universitätslehrer bezeugen können. Die Ursache liegt vielmehr 
in der Verlängerung des Studiums selbst Das juristische Studium 
ist durch das B. G. B. zweifellos schwieriger geworden; bei den 
Medizinern ist der Dr. früher meist vor dem Staatsexamen eriangt 
worden, was jetzt nicht mehr gestattet ist Auch bei den Ober- 
lehrern läßt das Studium sich imTriennium nicht mehr bewältigen:^ 

1) Die Berechnung wurde vor allem ausgeführt auf Grund der An- 
gaben bei Zieler-Scheffer, Das akademische Deutschland und im 
Zeitgenossenlexikon „Wer ist's"? 3. Aufl. 1908. 

2) Vgl. Eulenburg, Die soziale Lage der Oberlehrer, Leipz. 1903, S. 5U 



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Vergleich mit den Ordinarien. - Habilitationsalter. 95 

die Stoffanhäufungy die Spezialisierung der Fächer und damit der 
Prtlfungen haben gleicherweise überall dahingeftlhrt. Man darf 
nicht „Normalfälle" konstruieren, die in Wirklichkeit nicht mehr zu- 
treffen, da eben nur verschwindende Ausnahmen die Studien in 
dieser Zeit absolvieren können. Das Normalschema stammt noch 
aus einer Zeit, wo das Triennium tatsächlich das durchschnittliche 
war, während heute der Durchschnitt länger studieren muß, um 
auch nur seinem Fache gerecht zu werden. Wiederum ist es also 
in den Verhältnissen begründet, wenn durchgehends das Promotions- 
alter sich hinausgeschoben hat Dabei haben wir abnorme Fälle, 
d. h. alle Akademiker über 35 Jahre ausgeschlossen, um nicht da- 
durch das Bild zu beeinflussen. (Vgl. Tabelle V S. 96/97.) 

Das Alter zur Zeit der Habilitation, der nächsten Staffel 
in der akademischen Hierarchie, stellte sich nach den genauen Be- 
rechnungen auf 30 bis 31 Jahre. Und zwar ist es beim Pd im 
Durchschnitt etwa ein halb Jahr höher als bei den EO. Man darf 
daraus schließen, daß der jüngere Nachwuchs tatsächlich länger an 
der Habilitation arbeitet als der ältere. Die einzelnen Fakultäten 
zeigen keine zu großen Unterschiede. Am höchsten ist unter den 
EO das Habilitationsalter bei den Theologen, dann kommen die 
Mediziner, während die anderen Fakultäten ziemlich gleich dastehen. 
Unter den Pd habilitierten sich die Mediziner am spätesten, die 
Historiker am frühesten. Auch hier sind übrigens die Unterschiede 
nicht sehr groß. Wir wollen wiederum einen Vergleich mit den 
heutigen Ordinarien anstellen, da offenbar von dem Habilitations- 
alter ein gut Teil der übrigen Verhältnisse abhängt 





Ordin. 


Extraord. 


Privatdoz. 


Theologen 

Juristen 

Mediziner 

Naturwissenschaftler 

Historiker 


28.4 
26.9 
28.9 
27.3 
27.8 


31.8 
29.9 
30.7 
29.8 
29.6 


29.5 
31.4 
31.9 
29.7 
28.9 




28.0 


30.2 


30.7 



Es zeigt sich, daß tatsächlich die heutigen Ordinarien im Durch- 
schnitt sich zwei Jahre früher habilitiert haben als dieEOundPd. 

(Fortsetzung S. 98.) 



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96 



Promotion und Habilitation. 



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Promotions- und Habilitationsalter. 



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98 



Promotion und Habilitation. 



Freilich haben wir nur die reichliche Hälfte der Ordinarien in 
bezug auf das. Habilitationsalter untersuchen können: es fehlen zahl- 
reiche Historiker und Naturwissenschaftler , während die drei an- 
deren Fakultäten fast vollständig sind. Wir werden demnach im 
ganzen wohl an der Tatsache festhalten dürfen, daß die Ordinarien 
wirklich früher zur Habilitation gelangt sind als der heutige Nach- 
wuchs. Die theologischen und juristischen Ordinarien sind nach 
unserer Aufstellung gar um drei Jahre früher zur Habilitation 
gekommen als die EO; die Mediziner immerhin um zwei Jahre. 
Diese Feststellungen, die sich auf eine vollständige Nachweisung 
stützen, dürften zum mindestens authentisch sein: wir werden ent- 
sprechend auch auf den Rest schließen dürfen. Wir können dem- 
nach allenthalben beobachten, daß das Habilitationsalter sich leise 
hinausschiebt: die heutigen Pd gelangten später dazu als die EO 
und diese wieder beträchtlich später als die heutigen Ordinarien. 
Wir wissen noch nicht, ob sich etwa die früheren Professoren 
der Generation von 1890 noch früher habilitiert hätten; zu ver- 
muten wäre es. Das spätere Habilitieren muß aber offenbar seine 
Wirkung auch auf die übrige Laufbahn ausdehnen. 

Woher stammt nun die späte Habilitation? Wir haben schon 
gesehen, daß das Studium sich verlängert und dadurch die Doktor- 
promotion etwas hinausgerückt ist Aber offenbar ist nicht darauf 
allein die späte Habilitation zurückzuführen; vielmehr hat sich 
auch die Karrenzzeit zwischen Promotion und Habilitation ver- 
längert. Die Zwischenzeit betrug für den Durchschnitt (in Jahren) 





Ordin. 


Extraord. 


Privatdoz. 


Theologen 

Juristen 

Mediziner 

Naturwissenschaftler 

Historiker 


3.6 
4.2 
5.0 
3.9 
4.8 


5.0 
5.0 
6.2 
5.2 
5.0 


4.5 
6.2 
7.1 
5.2 
3.8 




4.2 


5.4 


6.1 



Danach scheint die Karrenzzeit immer weiter zuzunehmen. Sie 
hatte bei den Ordinarien nur etwas über vier Jahre betragen, bei 
den EO schon SV,, bei den Pd sogar 6. Die meisten Universi- 
täten verlangen für die Habilitation ja eine gewisse Vorbereitungs- 



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Ursachen fflr die späte Habilitation. 99 

zeit, meist von drei Jahren: aber im Durchschnitt wird sie oft 
erheblich überschritten. Offenbar ist früher diese Zeit, die wir 
als die der Vorbereitung betrachten können , weit kürzer ge- 
wesen. Sehen wir uns die einzelnen Fakultäten an, so ist der 
Zwischenraum bei den Medizinern immer am größten, hat sich jetzt 
freilich noch weiter hinausgeschoben. Aber auch die Juristen be- 
reiten sich jetzt länger auf die Habilitation vor als ehedem. Auf- 
fallen könnte nur, daß auch bei den Naturwissenschaftlern und His- 
torikern, bei denen doch für die Habilitation die Ablegung einer 
Staatsprüfung nicht die Regel bildet, trotzdem die Habilitation jetzt 
erst so spät erfolgt. Wir dürfen vermuten, daß gerade hier, wo 
vor allem die wissenschaftlichen Leistungen den Ausschlag für 
die Habilitation geben, die Studien gründlicher betrieben werden 
müssen. Die wissenschaftliche Arbeit ist zweifellos heute schwerer 
geworden, was hier nicht ausgeführt zu werden braucht. Ich glaube 
auch aus dem Material der Umfrage die Beobachtung gemacht zu 
haben, daß die Herren, die sich besonders früh habilitiert haben, 
nicht immer gerade später auch am weitesten kommen: umgekehrt 
überflügeln oft manche, die erst spät zur Habilitation schreiten, die 
Vordermänner bald. 

Betrachten wir zur Verdeutlichung des eben Gesagten noch 
die Altersklassen zur Zeit der Promotion, so standen löProz. 
unter 22 Jahren, 57 Proz. sind 23-25 Jahre, 27 Proz. sind darüber. 
Im späteren Alter (über 30 Jahre) sind noch 76 Personen zur Pro- 
motion gelangt. Das Habilitationsalter blieb bei 19 Proz. unter 
28 Jahren, bei 19 Proz. betrug es 28 bis 29, bei 20 Proz. 30 bis 
31 und bei 36 Proz. über 31 Jahre. Einige extreme Fälle sind auch 
hier mit Absicht ausgelassen (vgl. Tabelle V S. 96/97). Der letzte 
Grund, warum das Alter zur Zeit der Habilitation sich hinausschiebt, 
scheint nun folgendes zu sein: die Zahl derer, die von vornherein 
auf den Pd hin studiert und doktoriert, hernach die vorgeschrie- 
bene Karenzzeit durchmacht, um sich dann gleich zu habilitieren, 
ist nicht sehr groß, sondern bildet eher die Ausnahme. Dieser 
„Normalfall'' paßt darum gar nicht auf die akademischen Lehrer, 
weil wir es ja hier mit keiner eigentlichen Laufbahn zu tun haben, 
die von vornherein als Beruf und Ziel des Studiums angesehen 



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100 Promotion und Habilitation. 

werden könnte. Bei jenem angeblich „normalen'' Gange der Habi- 
litation, kämen im wesentlichen nur Wohlhabende in Betracht, die die 
Mittel dazu haben; damit dürfen wir also nicht fiberall rechnen. Es 
Ist vielmehr sicher, daß die Entscheidung fiber die Laufbahn öfters 
erst später fiel. Und es wäre auch sehr die Präge, ob solcher 
Normaldozent, wenn er die Regel würde, den geeigneten akade- 
mischen Lehrer abgeben könnte. Das ist stark zu bezweifeln. Viel- 
mehr hat ein guter Teil unserer Dozenten mannigfache Schicksale 
durchgemacht und so ganz glatt ist die Sache nicht immer ver- 
laufen. Man kann eben in keiner Weise die akademische Laufbahn 
als eine analoge der des Oberlehrers und des richterlichen Beamtens 
vergleichen. Es ist anzunehmen, daß das mannigfache Suchen und 
Probieren, das oft erst spät zur Habilitation führt, fast das normale 
geworden ist 

Unsere Umfrage gestattet auch eine deutliche Antwort auf die 
Präge, womit denn eigentlich die Zwischenzeit bis zur Habilitation 
zugebracht wurde: wer direkt zur Habilitation geschritten ist und wer 
auf einem Umweg zur akademischen Würde gelangte, indem nach 
der „früheren praktischen Tätigkeit'' gefragt wurde. Es zeigt sich nun, 
daß eine solche praktische, oft außerakademische Tätigkeit vor der 
Habilitation in sehr zahlreichen PäUen tatsächlich vorliegt. Bei den 
Theologen finden wir Tätigkeit als Geistliche oder Ausübung eines 
Lehr- bzw. Schulamtes. Von den Juristen ist ein nicht kleiner Teil 
vor allem in Österreich im Verwaltungsdienst tätig gewesen. Die 
Assessorprüfungen hat wohl der ganze juristische Nachwuchs 
durchgemacht Bei den Medizinern bildet eine praktische Tätigkeit 
die Regel: sei es, daß Assistenz bei einer Klinik oder Krankenhaus- 
tätigkeit vorangegangen ist, sei es daß jemand sich habilitiert, nach- 
dem er als Spezialarzt sich einen Namen gemacht Auch bei den 
Naturwissenschaftlern ist vor allem die Assistententätigkeit eine fast 
regelmäßige Vorbereitung, öfters aber auch praktische Tätigkeit als 
Astronom oder Chemiker u. ä. Endlich bei den Historikern und 
Philologen mag in nicht seltenen PäUen die Absolvierung der Staats- 
prüfung und des Probejahres vorangegangen sein, soweit nicht die 
wirkliche Ausübung der Schulpraxis vorlag. Wenn wir alle diese 
PäUe betrachten, so findet sich, daß die reine Vorbereitung auf die 



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Ausfüllung der Zwischenzelf/ ••- ^ f ^'*: '.iJOj 

Habilitation fast die Ausnahme bildet. Es ist darauf hinzuweisen, 
daß diese ,ypraktische Tätigkeit" jedenfalls außerordentlich vorteil- 
haft für den späteren akademischen Beruf ist und Lebenserfahrung 
bietet. 

Man kann ja überhaupt im Zweifel sein, ob der ganze Modus 
der Auslese für den akademischen Beruf mit obligater Habilitation 
und Warten auf die Ernennung das richtige ist. Man könnte darauf 
hinweisen, daß es oft die hervorragendsten Kräfte sind, die direkt aus 
einer nichtakademischen Tätigkeit zur Professur berufen werden. 
Gewiß hat das heutige deutsche System Schattenseiten, die unver-' 
kennbar sind: einmal bleibt die Berührung mit dem Leben für die 
meisten Universitätslehrer doch nur eine sehr indirekte, sodann geht 
der Weg zur Habilitation zu oft durch die Schulmeinung des Ordi- 
narius; die Beförderung bevorzugt nicht selten die Schüler bestimmter 
Richtungen, die nun gerade habilitiert sind, u. a. Das wird sich frei- 
lich kaum bei irgendeinem System ganz vermeiden lassen.^) Aber 
die praktische Tätigkeit vor der Habilitation, die, wie sich aus unserer 
Umfrage ergibt, in so sehr vielen Fällen ausgeübt wird, gehört jeden- 
falls dazu, um den Blick zu erweitern, um Fühlung mit anderen 
Berufen und anderen Sphären zu gewinnen und so eine bedenkliche 
Inzucht des Nachwuchses zu verhüten. Man wird es sonach durch- 
aus in der Ordnung finden, daß nicht von vorneherein für die aka- 
demische Laufbahn gearbeitet wird, sondern wenigstens in den 
bildungsfähigsten Jahren auch andere Eindrücke aufgenommen 
werden. Die Leute müssen der Universität erwünscht sein, die 
anderwärts Lebenserfahrungen gemacht und sich persönlich durch- 
gekämpft haben. Dazu kommt die große Zahl derer, die schon aus 
Not ursprünglich eine andere Tätigkeit ausgeübt und erst spät ihrer 
wissenschaftlichen Neigung nachgehen konnten. Es pflegen nicht 
die schlechtesten Kräfte zu sein, die erst spät reif werden und sich 
erst durch das Leben durchringen, um dann der Wissenschaft zu 
dienen. Auch die problematischen Naturen gibt es unter dem „Nach- 

1) Es könnte eventuell nach italienischem Gebrauch die Ernennung 
durch eine objektive Instanz stattfinden: indem eine interlokale Fach- 
kommisson jedesmal den einzelnen Fakultäten Vorschläge zu unterbreiten 
hätte. Ahnlich der Vorschlag von Max Dessoir s. S. 106. 



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wuchst die lange brauchen^ um sich selbst zu finden. Die akade- 
mische Laufbahn ist keine reguläre mit obligater Vorbereitung, 
obligaten Prüfungen, die nach einem vorgeschriebenen und zu 
befolgendem Schema eingeschlagen werden könnte. Weil sie das 
nicht ist, steckt eben das Reizvoile in ihr, bietet sie auch die Mög- 
lichkeit für mannigfache Charaktere und Persönlichkeiten. Es ist 
nicht auszumachen, ob die praktische Tätigkeit vor der Habilitation 
in der neueren Zeit zugenommen hat, da wir für die frühere Zeit 
eingehende Untersuchungen darüber nicht haben. Schon darum ist 
aber für einen nicht geringen Teil des Nachwuchses diese Tätigkeit 
notwendig geworden, um dadurch die Möglichkeit eines Neben- 
erwerbes zu haben. Denn die reine Vorbereitung, das Studieren 
auf den Privatdozenten hin, setzt doch von vornherein reiche Mittel 
voraus, die sicherlich nur bei einem Teil des „Nachwuchses" vor- 
handen waren. In nicht wenigen Fällen der Umfrage ist auch direkt 
bezeugt worden, daß erst in späteren Jahren, als die äußeren Lebens- 
verhältnisse durch irgendwelche Umstände sich besser gestalteten, 
zur Habilitation geschritten werden konnte. 

So sind also mannigfache Momente, freiwillig gewählte und 
durch Not erzwungene, vorhanden, die die Habilitation in der Gegen- 
wart hinausschieben. Wir müssen diese Tatsache anerkennen, 
daß je komplizierter das Leben, je schwerer die Beherrschung der 
Wissenschaft, um so vorbereiteter und vorgbildeter der künftige 
Dozent sein muß. Und man wird es natürlich finden, daß er sich 
im Leben umgeschaut hat, bevor er zur Habilitation schreitet. Wir 
müssen also damit rechnen, daß jetzt erst mit 30-31 Jahren im 
Durchschnitt die Habilitation erfolgt. Mit anderen Worten: Es steckt 
ein besonders hohes Bildungskapital in diesen Kräften. 
Das Engelssche Gesetz, je höher die soziale Stufe, umso länger 
die Vorbereitung, umso höher die Bildungsarbeit und das Bil- 
dungskapital - dieses Gesetz findet sich auch hier bestätigt. 
Das dritte Jahrzehnt wird demnach gerade erreicht sein, wenn die 
Habilitation eintritt. Es verdient Beachtung und Erwähnung, daß 
die Oberlehrer und Richter nach neueren exakten Berechnungen 
28-29 Jahre alt sind, wenn sie anstellungsfähig werden; Stu- 
dium, Prüfung, Probezeit nehmen soviel Zeit in Anspruch, daß vor 



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Hohes Bildungskapital der Akademiker. - Altersverhältnisse der Pd. 103 

diesem Alter im Durchschnitt die Anstellungsfähigkeit nicht erlangt 
werden kann.^) Man sieht, [daß demgegenüber die akademische 
Laufbahn, bei der Prüfung und Probezeit im Grunde fortfallen, in 
Wirklichkeit noch mehr Bildungszeit und Bildungskapital braucht, 
um zur Reife zu gelangen. 

2. Die Privatdozentur: Alter- und Wartezeit 
Bleibt die Frage, wie lange im Durchschnitt auf dieser Stufe 
verweilt wurde, und wie lange Zeit bis zur Beförderung zum wirk- 
lichen EO verstrich? Zwei Methoden können wir einschlagen, um 
auf die Frage eine Antwort zu erhalten. Einmal, indem wir die 
Warte- und Beförderungszeit untersuchen, sodann, indem wir die 
Altersverhältnisse der Pd einer Erörterung unterziehen. Wir be- 
ginnen mit der letzteren (vgl. Tabelle VI S. 118/119). 

Die Altersverhältnisse. Das Durchschnittsalter der vor- 
handenen Pd betrug 38 V2 Jahre: es ist in Deutschland etwas ge- 
ringer, nämlich nur 37 V2, in Österreich wesentlich höher (41V2). 
Die einzelnen Fakultäten verhalten sich verschieden. Wir betrachten 
die deutschen und österreichischen Verhältnisse, die hier wesent- 
lich verschieden liegen, darum auch getrennt, um nicht farblose 
Durchschnitte heterogener Verhältnisse zu gewinnen. Am jüngsten 
sind in Deutschland durchschnittlich die Theologen und Juristen, 
nämlich etwa 3472 Jahre, am ältesten die Mediziner mit reichlich 
38 Jahren. Bei den ersteren ist die Beförderung wegen der ge- 
ringen Anzahl der Anwärter recht günstig. So kommt es, daß 
die Habilitation bei den Theologen zwar spät erfolgt, sie aber im 
Durchschnitt auf dieser Stufe nicht sehr alt werden. Die Mediziner 
hingegen, die sich erst spät habilitieren, zeigen auch als Pd ein 
hohes Durchschnittsalter. In Osterreich sind die Historiker am 
jüngsten und gerade die Theologen und Juristen am ältesten. Im 
ganzen sind unter den Pd ein gutes Drittel über 40 Jahre und 
immer noch der zehnte Teil über 50, während unter 30 Jahren über- 
haupt nur der siebente Teil ist. Die meisten „jungen'' Pd finden 



1) Max Klatt, Untersuchungen über das Dienstalter der Richter, 
Berlin 1903, S. lOf. Eulenburg, a. a. O. S. 56. 



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104 ^G Privatdozentur: Alter- und Wartezeit. 

sich unter den Naturwissenschaftlern, die wenigsten relativ unter 
den Medizinern, da hier meist eine längere Assistenz oder praktische 
Tätigkeit vorangegangen ist. 

Allerdings unterscheiden sich die preußischen und die^ flbrigen deut- 
schen Universitäten sehr wesentlich voneinander. In Preußen ist das 
Durchschnittsalter überall erheblich höher als in den flbrigen Bundes- 
staaten. Es stellte sich: 

Durchschnittsalter Theol. Juristen Mediz. Naturw. Historiker Oberh. 

Preußen 34,6 35,6 40,4 37,7 37,9 38,6 

Obr. Deutschland . 34,5 33,6 37,2 33,9 35,1 35,7 

Der Unterschied beträgt also fast drei Jahre; bei den Naturwissen- 
schaftlern fast vier, bei den Medizinern ungefähr drei, bei den Juristen 
und Historikern zwei; nur die Theologen sind gleich. Die preußischen 
Pd sind demnach von den 40 im Durchschnitt nicht mehr weit. Aber der 
Unterschied ist nur ein scheinbarer, und es wäre irrig daraus zu folgern, 
daß wirklich die Beförderung in Preußen um soviel später eriolgte als 
an den flbrigen Bundesstaaten. Es erklärt sich das vor allem daraus, 
daß man an den nichtpreußischen Universitäten die Pd nach einer Reihe 
von Jahren zu EO ohne Qehalt macht; sie scheiden dadurch aus ihren 
Reihen aus, zu denen sie doch eigentlich noch gehören. Daher kommt 
es, daß scheinbar an den preußischen Universitäten das Durchschnitts- 
alter der Pd höher ist und er länger warien muß als an den nichtpreußi- 
schen: es liegt aber nur an den verschiedenen Rang- und Titelverhält- 
nissen. Das österreichische Durchschnittsalter ist übrigens noch wesent- 
lich höher als sogar das preußische. 

Auch die einzelnen Universitäten unterscheiden sich hinsichtlich des 
Alters beträchtlich. Die ältesten Pd hat (außer den österreichischen 
Universitäten) Berlin mit durchschnittlich mehr als 40 Jahren, auch Kiel 
und Würzburg zeigen hohes Durchschnittsalter. Am jüngsten ist der 
Nachwuchs an den kleinen Universitäten Preiburg, Gießen, Tübingen, so- 
dann Qöttingen. An den großen Universitäten trifft der bereits hervor- 
gehobene Umstand zu, daß öfters jemand vorzieht hier Pd zu bleiben, 
bevor er in die Provinz als EO geht. Das mag in manchen Fällen in 
Berlin und Wien gelten. Im allgemeinen aber dürfte das hohe Durch- 
schnittsalter gerade an diesen Universitäten auf die große Konkurrenz 
unter den Anwärtern zurückzufflhren sein. 

Im ganzen ist daran festzuhalten, daß das Schwergewicht der 
Pd in die zweite Hälfte der Dreißiger fällt: von „jungen'' Kräften 
wird man demnach nur noch im Verhältnis zu den älteren reden 
können. 



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Unterschiede nach Fakultäten und Staten. - Wartezeit bis zum EO. 105 



Wartezeit bis zum EO. Wir können anders auch die 
Frage zu beanworten suchen, wie lange Zeit bis zur Beförderung 
zum wirklichen EO bei den heutigen Trägem des Ranges nun 
verstrichen ist. Die Verleihung des Professortitels an Pd lassen 
wir dabei vorläufig noch unberücksichtigt, obwohl es an sich für 
Fortkommen, soziales Ansehen, Einnahme durchaus nicht ganz gleich- 
gültig ist. Jene Frage nach der Wartezeit läßt sich aber darum 
nicht ganz einheitlich beantworten, weil die Art und Weise der Be- 
förderung an den drei Typen von Universitäten, die wir eingangs 
unterschieden haben, verschieden gehandhabt wird. In Preußen 
erhält in der Regel der EO wirklich Gehalt und Lehrauftrag, wäh- 
rend an den nichtpreußischen Universitäten die Beförderung zum 
außeretatsmäßigen EO nach einer Reihe von Jahren zu geschehen 
pflegt, ohne daß immer Gehalt und Lehrauftrag damit verbunden 
ist; dagegen wird der bloße Professortitel hier nicht verliehen. In 
Osterreich liegt die Sache noch anders; hier gibt es Privatdozenten 
mit dem Titel Professor, daneben EO mit dem Range eines außer- 
ordentlichen Professors ohne Lehrauftrag und solche mit dem Range 
eines ordentlichen Professors mit Lehrauftrag. Es sind also die 
folgenden Angaben nicht ganz einheitlich zu bewerten. 

Es verstrichen bei den heutigen EO bis zur ersten Ernen- 
nung, gleich ob mit oder ohne Lehrauftrag, Jahre (die Zahlen in 
Klammer bedeuten die durchschnittlichen Altersjahre der Erlangimg) 





Deutsche EO 


Österreich. EO 


Deutsche 
Ordinarien 


Theologen 

Juristen 

Mediziner 

Naturwissenschaftler . 
Historiker 


5.3 (37.1) 
6.1 (36.0) 
7.6 (38.5) 
5.9 (35.7) 
7.0 (36.6) 


2.5 (32.5) 
5.2 (34.4) 
6.8 (38.5) 
7.1 (37.5) 
7.7 (38.9) 


5.8 (34.2) 

3.2 (30.1) 
4.5 (33.4) 

4.3 (31.6) 
3.7 (31.6) 


Insgesamt: 


6.6 (36.5) 


6.6 (37.7) 


4.3 (32A) 



Im Durchschnitt blieben sie also 6-7 Jahre in der Privatdozentur, 
bevor ein Extraordinariat erlangt wurde, und auch dann ist nur bei 
einem Teile, wie wir noch sehen werden, Gehalt mit Lehrauftrag 
vorhanden. Deutschland und Osterreich machen im ganzen hierin 
keinen Unterschied. Unter den einzelnen Fakultäten zeigt die bei 



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106 I^*® Privatdozentur: Alter- und Wartezeit. 

weitem ktlrzeste Wartezeit die theologische, etwas über fünf Jahre; 
dann folgen im Mittel die Naturwissenschaftier und die Juristen mit 
ungefähr sechs. Dagegen ist bei den deutschen Medizinern die Warte- 
zeit wesentlich größer gewesen, nämlich 7V2 Jahre, auch bei den 
Historikern folgte sie erst nach sieben Jahren. In Osterreich ist das 
Verhältnis dieser beiden Fakultäten gerade umgekehrt. Die Theo- 
logen sind hier sehr rasch befördert. Die Juristen fast ein Jahr 
früher wie bei uns. 

Im ganzen sind also die heutigen BO durchschnittlich 
erst mit 36—37 Jahren ernannt worden. Denn da sie sich 
mit 30 Jahren habilitierten, so kommt ein so hohes Alter für die 
Erlangung des Extraordinates heraus. Die Juristen und Naturwissen- 
schaftler waren im Mittel 36 Jahre, die Mediziner aber 38V2, Theo- 
logen und Historiker etwa 37. Bei den Juristen wie bei den Medi- 
zinern sind es die durchaus verschiedenen Konkurrenzverhältnisse, 
sowie die verschiedene Dauer der Vorbereitung und Habilitation, 
die zum entgegengesetzten Resultate geführt haben. In Osterreich 
sind die Zahlen etwas verschieden, s. oben. Es ist nicht so ohne 
weiteres möglich, die akademischen Lehrer mit anderen Berufen zu 
vergleichen, da es bei ihnen keine Anciennität und kein reguläres 
mechanisches Aufsteigen gibt, Nur dies sei bemerkt, daß wohl kaum 
ein liberaler Beruf so spät zur Beförderung gelangen wird als der 
akademische. Die preußischen Oberlehrer werden im Durchschnitt 
mit 35 Jahren angestellt, die preußischen Richter und Staatsan- 
wälte etwa in demselben Alter. Demgegenüber gelangten also die 
Pd erheblich spät in eine Stellung, und dabei müssen wir bedenken, 
daß bei einer Reihe der EO es sich gar nicht um eine Anstellung 
mit Gehalt und Lehrauftrag handelt Allerdings beziehen sich unsere 
Mitteilungen nur auf den Durchschnitt Es dürfte bekannt sein, daß 
auch sehr junge Beförderungen vorkommen: aber das sind die Aus- 
nahmen und es ist sogar zweifelhaft, ob die jung Beförderten später 
immer eine entsprechende Laufbahn erreichen.^) 

Es ist wichtig festzustellen, ob denn auch die heutigen Ordi- 
narien solange in der Privatdozentur haben verbleiben müssen oder 

1) Im ganzen zu diesem und dem folgenden Abschnitt vgl. Max 
Dessoir, Die Lage der Privatdozenten (Nationalzeitung v. 24. Aug. 1907). 



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Die Beförderung bei den heutigen Ordinarien. 107 

ob sie früher zum EO befördert sind. Wir haben wenigstens bei dem 
größeren Teil der deutschen Ordinarien auch diese Daten ermitteln 
können und sie darum der obigen kleinen Zusammenstellung (S. 105) 
hinzugefügt. Es zeigt sich nun, daß tatsächlich die heutigen Ordinarien, 
soweit wenigstens ein Vergleich möglich ist, zur Zeit der Beförde- 
rung weit jünger waren. Die Altersdifferenz zwischen ihnen und 
dem heutigen Nachwuchs zur Zeit, wo sie das Extraordinariat er- 
reichten, beträgt im Durchschnitt 4 Jahre, indem jene schon mit 
32 Va Jahren auf diese Stufe gelangten. Die heutigen Ordinarien 
sind also im Durchschnitt nur4— 5 Jahre Pd gewesen gegenüber den 
6-7, die die heutigen EO auf dieser Stufe zubringen mußten. Die 
Wartezeit hat sich demnach um fast 2V2 Jahre verlängert. 
Ich glaube, daß hier mehrere Ursachen zusammentreffen, um 
diese ganz wesentliche Verlängerung der Privatdozentur zu erreichen. 
Wir wissen ja schon, daß die Habilitation bei dem „Nachwuchs^' 
wesentlich später erfolgte als bei den Ordinarien. Aber das würde 
doch nur teilweise das Hinausschieben des absoluten Alters er- 
klären; es würde unerklärt bleiben, woher denn die Wartezeit selbst 
sich um soviel, d. h. um fast 27^ Jahre, verlängert hat. Einmal 
gibt es tatsächlich unter den heutigen EO eine Reihe von Personen, 
die nicht recht weiter gekommen sind und darum auch erst spät 
ihre Ernennung erhalten haben. Bei ihnen ist also auch die Erlangung 
des Ordinariates wegen persönlicher Eigenschaften ausgeschlossen. 
Dahin gehören im allgemeinen z.B. die Pd jüdischer Abkunft; aber 
auch manche andere. Sodann aber lagen eben vordem die Ver-_j 
hältnisse entschieden weit günstiger und die Laufbahn wurde rascher 
durchschritten, weil die Zahl der Anwärter allenthalben soviel kleiner 
war. Endlich aber befinden sich unter den heutigen EO auch 
manche Vertreter von Spezialfächern, die sich erst langsam Aner- 
kennung durch Verleihung des Lehrauftrages verschaffen konn- 
ten. So kommt es, daß allenthalben die Wartezeit sich hinausge- 
schoben. Bei 18 Proz. der EO erfolgte die Ernennung allerdings schon 
bis zum vierten Jahre nach der Habilitation, bei 43 Proz. zwischen 
dem vierten und sechsten Jahre; ein Viertel hat sechs bis zehn 
Jahre Pd bleiben müssen und 13 Proz. haben sogar noch über zehn 
Jahre gewartet, bevor die Ernennung zum EO erfolgte. Daneben 



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108 



Die Privatdozentur: Alter- und Wartezeit 



kommen freilich auch Fälle von solchen vor, die ganz ohne Habi- 
litation gleich ein Extraordinariat erlangt haben: es sind vor allem 
Zahnärzte, Landwirte , Musikprofessoren u. a. Werden wir auch 
nicht anstehen, bei einem Teile die Schuld der späten Beförderung 
auf die Person selbst zu schieben, so ist doch jedenfalls bei der 
Mehrzahl eben wegen der genannten äußeren Verhältnisse die Pri- 
vatdozentur tatsächlich eine recht lange gewesen: der Durchschnitt 
mußte über sechs Jahre warten, bevor er weiterkam. 

Dauer der Privatdozentur. Haben wir soeben festgestellt^ 
wie lange die heutigen EO denn auf dem Stadium der Privat- 
dozentur verweilt haben, ehe sie wirklich befördert wurden, sa 
können wir diese Verhältnisse endlich noch von einer anderen Seite 
beleuchten: indem wir untersuchen, wie lange die heutigen Pd dena 
schon habilitiert sind. Es ergaben sich dabei die folgenden Jähret 





Deutschland 


Österreich 


Theologen 

Juristen 

Mediziner 

Naturwissenschaftler 

Historiker 


3.5 
4.1 
6.5 
6.1 
5.7 


1.5 
8.4 
8.2 
7.5 
7.0 




Insgesamt: { 


5.9 


7.9 



Im Durchschnitt befinden sich demnach die heutigen Pd schon: 
sechs Jahre, in Osterreich gar acht Jahre auf der ersten Stufe der 
akademischen Hierarchie. Die Theologen und Juristen sind ia 
Deutschland am besten daran, die Mediziner auch hier am schlech- 
testen: jene befinden sich dVs, diese schon öV^ Jahre in dieser 
Stellung. Ein Drittel der Pd ist drei Jahre habilitiert, ein weiteres 
Drittel zwischen vier und sechs und ein letztes Drittel über sechs 
Jahre. Nimmt man selbst an, daß die Hälfte der Pd in zwei Jahren 
befördert sein wird, was entschieden viel zu günstig ist, so folgt 
doch unmittelbar daraus, daß die Wartezeit der heutigen Pd jeden- 
falls sich noch weiter verschlechtern wird, als die der heutigen EO. 
Mit anderen Worten: während die heutigen Ordinarien im 
Durchschnitt nur vier Jahre bis zur Erlangung des Extra- 
ordinariates, die heutigen EO aber schon sechs bis siebea 



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Dauer der Privatdozentur. — Habilitationsuniversitäten. 109 

Jahre brauchten, wird der Durchschnitt der heutigen Pd 
vermutlich noch länger festgehalten werden. Die Ursachen 
dafür sind von uns hinreichend auseinandergesetzt worden. Die 
Privatdozentur hat für einen sehr großen Teil des heutigen Nach- 
wuchses aufgehört, ein kurzes Obergangsstadium zu sein: es ist von 
ziemlich beträchtlicher Dauer geworden und droht sich weiter zu 
verlängern. Wieder vor allem an den großen Universitäten haben 
sich die Verhältnisse besonders verschlechtert. Es ist eine Kette von 
Gliedern, von denen das eine das andere unmittelbar nach sich zieht. 

Es hat wohl auch Interesse kennen zu lernen, welche Universitäten 
denn das Hauptkontingent ftlr den Nachwuchs stellten: man erhält dadurch 
einen Einblick in die akademische Binnenwanderung. Wir nehmen als Maß- 
stab die Erwerbung des Doktorgrades, die Promotion, die sich allent- 
halben bequem feststellen läßt. Da steht an der Spitze Berlin. Nicht 
weniger als V^ aller EO und Pd hat hier die Doktorwürde erworben 
(277 = 17 Proz.). Dann folgen Leipzig mit einem Neuntel (185 =11 Proz.), 
München mit 8 Proz. (133). Recht zahlreich sind auch Qöttingen (90), 
Straßburg (88), Bonn (86) und Freiburg (82) unter den Akademikern ver- 
treten. Es ist nicht ganz leicht, die Ursachen dafür aufzudecken. Es 
sind ja natürlich in erster Linie wieder die größten Universitäten, in denen 
sich das beste Studentenpublikum zusammenfindet, die das Hauptkontin- 
gent für die späteren akademischen Lehrer stellen; aber auch andere 
Momente sprechen offenbar mit. Die einzelnen Fakultäten zeigen außer- 
dem noch bemerkenswerte Unterschiede. Theologen kommen ganz über- 
wiegend aus Leipzig (15); Juristen stellte vor allem Berlin und München' 
(18 und 10), dann Gottingen und Breslau (je 8). Der medizinische Dr. 
ist unter dem Nachwuchs vor allem in Berlin, München und Leipzig (88 
bzw. 56 und 54) erworben worden. Die Naturwissenschaftler erhielten 
ihre Vorbildung außer in Berlin (50) besonders in Gottingen und Leipzig 
(je 38), die Historiker in Leipzig (66), dann erst in Berlin (60), weit 
weniger in München. Diese Verhältnisse lassen einmal auf besonders 
tüchtige Lehrkräfte einzelner Universitäten, sodann aber auf die beson- 
dere Pflege, die einzelne Fächer an der einen oder anderen Hochschule 
finden, schließen: so Mathematik und Naturwissenschaft in Gottingen, 
Medizin in München u. ä. An den Osterreichischen Universitäten über- 
wiegt der Wiener Dr. so stark, daß dadurch die anderen Universitäten ganz 
zurücktreten. Ausländische Doktoren sind verhältnismäßig recht schwach 
vertreten. Die Schweizer habe ich im ganzen nur 14 mal gefunden. 

Endlich ist noch zu bemerken, daß alle Universitäten zunächst 
ihren eigenen Nachwuchs stellen. In Leipzig sind gar zwei Drittel des 
„Nachwuchses'' auch Leipziger Doktoren , ähnlich in München. Berliner 



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HO Tätigkeit und Einnahmen. 

Doktoren sind allenthalben zu finden; Leipziger fehlen nur in Qreifs- 
wald und Münster. München ist dagegen an verschiedenen Universitäten 
nicht vertreten. Würden wir die einzelnen Fächer verfolgen und so- 
gar bis zu den einzelnen Lehrern vordringen, so liefie sich die Aus- 
breitung der Schulrichtungen auch im einzelnen verfolgen: es ist bereits 
darauf hingewiesen, wie vor allem in der Medizin und Naturwissenschaft^ 
aber auch in anderen Fächern einzelne Lehrer ihre Schüler zur Privat- 
dozentur bringen. Doch liegt das außerhalb des Rahmens unserer Unter- 
suchung, Die Zahl der Pd endlich, die sich umhabilitierten, ist recht 
klein. Es sind vor allem Lehrer, die ihre Tätigkeit an einer anderen 
Universität aufgegeben und die grofie Metropole aufsuchen, um dort als 
freie Lehrer zu wirken oder solche Dozenten, die als Assistenten die 
Ordinarien an die neue Wirkungsstätte begleiten: in Berlin sind es etwa 
20, die schon anderwärts sich habilitiert hatten. An sämtlichen anderen 
Universitäten habe ich im ganzen nur 37 gezählt. Diese Fälle spielen 
also nur eine sehr geringe Rolle. Im allgemeinen bleibt der Pd an seiner 
Universität. An sich wäre es gar nicht so von der Hand zu weisen, daß 
hier ein Austausch gerade der jüngeren freieren Lehrkräfte stattfände, 
bei dem der akademische Lehrer für den späteren Lehrberuf sehr lernen 
könnte; auch die Studierenden würden wohl nicht schlecht dabei fahren. 
Bis jetzt aber wurde die nicht unbeträchtliche Zeit von etwa sechs Jahren 
als Pd ganz auf der Universität der Habilitation zugebracht 

3. Tätigkeit und Einnahmen 

Allerdings wird die Zwischenzeit als Pd teilweise ausgefüllt mit 
Assistenz oder anderer „aushelfenden Tätigkeif^ Wir haben bereits 
gesehen, daß allein in der Medizin und Naturwissenschaft die As- 
sistenz ganz ausgebildet ist: in d^rmedizinischen Fakultät sind 213 
der Pd d. h. gerade die Hälfte Assistenten, in der naturwissenschaft^ 
liehen 100 (43 Proz.); in Österreich beide Male weniger. Weit ge- 
ringer entwickelt ist die „aushelfende^^ Tätigkeit in den anderen 
Fakultäten, obwohl sie doch nicht ganz fehlt. Wir finden solche Pd 
mit der Abhaltung von Übungen beauftragt, meist mit dem Zusatz 
„bis auf weiteres". Diese Pd erhalten allerdings eine Vergütung 
(Remuneration). Aber die bleibt außerordentlich gering und beträgt 
nur 1200 bis 2000 Mark, zuweilen noch weniger; in Osterreich ist 
sie nicht einmal so hoch. Diese Tätigkeit in den Kliniken und In- 
stituten ist zeitraubend, anstrengend, aufreibend, Sie läßt sich ge- 
wiß nicht einheitlich feststellen, da sie ganz verschieden nach dem 



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Die Tätigkeit als Assistent ~ deren Entlohnung. m 

leweiligen Fache ist Sie besteht in der Behandlung der Kranken, 
der Ausführung von Operationen, in der Erstattung der Protokolle 
und Diagnosen, in der ersten Anweisung des Experimentierens, in 
der Anleitung zu Doktorarbeiten und selbständiger Untersuchungen 
älterer Schüler. Dies ist also im Umfange und in der Art nicht ein- 
heitlich zu bewerten, sondern zeigt ganz verschiedene Richtungen 
wie der akademische Unterricht überhaupt, wo ja auch nicht zwei 
Fächer dieselbe Art des Arbeitens kennen. Aber im ganzen darf 
gesagt werden, daß doch die Arbeitskraft des Assistenten stark in 
Anspruch genommen und die Muße zu eigenen wissenschaftlichen 
Arbeiten dadurch verkürzt wird. Die Entlohnung im Verhältnis zu 
den Vorbereitungen und den geistigen Leistungen durchaus unge- 
nügend wird es noch mehr, wenn man das Alter dieser Hilfskräfte 
in Betracht zieht Freilich sind sie im Anfang selbst noch Lernende 
und erhalten jedenfalls durch diese Tätigkeit vertiefte Kenntnisse des 
Faches. Aber sie verschaffen doch durch ihr Eingreifen dem Institute 
und dem Ordinarius eine viel größere Einnahme, als sie nachher 
beziehen. Sie leisten geistige Mehrarbeit und schaffen Mehrwert. 
Daß sie tatsächlich unentbehrlich sind und auf ihnen die Hauptlast 
des Unterrichtens in den Instituten liegt, wurde bereits betont^) Be- 
sonders von den Chemikern wird auf das Mißverhältnis zwischen 
ihrer eigenen Entlohnung und den Einnahmen, die sie den Insti- 
tuten verschaffen, Klage geführt; doch zeigt sich dasselbe auch 
anderwärts. 

Von 257 Pd, über die Angaben vorlagen, bekamen im ganzen 
als Vergütung für solche Tätigkeit 

bis 1000 Mark 20 
1001-1500 „ 101 
1501-2000 „ 110 
über 2000 „ 26 

Neben dieser Assistenz spielen die Remunerationen für Lehr- 
aufträge, Abhaltung bestimmter Kurse, Bibliotheksverwaltung, keine 

1) Wir betrachten hier natürlich nur die Assistenten, die gleich- 
zeitig habilitiert sind; daß die Lage und vor allem die Gehälter der 
Assistenten überhaupt ungünstige sind und dies auch auf den Unterrichts- 
betrieb wieder zurückwirkt, soll hier nur hervorgehoben, aber nicht be- 
sonders ausgeführt werden. 



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112 Tfttigfkeit und Einnahmen. 

große Rolle. In Osterreich gibt es auch „beauftragte Dozenten'', 
doch ist ihre Zahl nicht erheblich. Auch die Stipendien treten nicht 
sehr stark auf. Sie übersteigen in den seltensten Fällen 1000 bis 
1500 Mark, sind jederzeit widerruflich und bisher nicht organisch 
entwickelt, sondern werden noch ziemlich willkürlich vergeben. Im 
preußischen Kulturetat sind außer den Stipendien für Pd^) jetzt „zu 
außerordentlichen Remunerationen und Unterstützungen an Universi- 
tätslehrer, einschließlich der unbesoldeten Dozenten im Gesamt- 
betrage von 75 000 Mark" eingestellt. Doch ist es nicht ersichtlich, 
ob wirklich aus diesen Fonds Pd Beiträge beziehen; groß kann aber 
deren Zahl keinesfalls sein. So haben also nur die Pd ein festes 
Einkommen, die eine Assistentenstelle bekleiden. Und hier ist f estzu- 
halten, daß beiihnen in einemDurchschnittsaltervon 37 Jahren 
der Bezug von 1630 Mark die Regel bildet. Besser stehen sie 
nur dort, wo mit der Stellung zugleich freie Wohnung und Station 
gewährt wird, was bei einem Teile der Krankenanstalten der Fall ist 
Die Assistenz hat freilich ihre Schattenseiten: nämlich das 
Schulemachen und die Abhängigkeit vom Vorgesetzten, zumal wo 
es sich um Institute und Laboratorien handelt. Darum sind ge- 
rade einige der jüngeren Pd stolz darauf, nicht Assistent zu sein 
und haben dies öfters hervorgehoben. Ihr Fortkommen ohne Assistenz 
wird ja wesentlich erschwert; ihre wissenschaftliche Arbeit verteuert, 
zum Teil verhindert, wenn sie nicht die persönliche Erlaubnis zum 
Arbeiten im Institut erhalten. Wie vordem ausgeführt, ist die Ent- 
vdcklung in fast allen Disziplinen dahin gegangen, daß die Arbeits- 



1) Der Titel 14 des preuß. Kultusetats lautet: „Stipendien für Pd 
und andere jüngere für die Universitätslaufbahn voraussichtlich geeignete 
Oelehrte bis zu den Gesamtbetrage von höchstens 6000 M. für den einzel- 
nen Empfänger/* Die ganze Summe beträgt auch jetzt nur 60 000 M. 
und ist seit 20 Jahren nicht erhöht worden. Leider wird nicht angegeben, 
wer die Empfänger sind; aber die Unterstützung muß überhaupt als viel 
zu gering erscheinen, um wirklich zu helfen. — Die Mittel für außerordent- 
liche Remunerationen stammen aus dem Dispositionsfonds, der aus den 
Anteilen der Staatskasse an den Vorlesungshonoraren sich bildet und der 
jetzt (1908) bereits 295 000 Mark beträgt (Tit 12^ des preuß. Kultusetats). 
Leider erfolgt keine Rechnungslegung über diese immerhin beträchtliche 
und stetig wachsende Summe. 



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Benutzung der Lehr- und Arbeitsmittel. I13 

mittel heute einen relevanten Teil des Unterrichts ausmachen« 
Nicht nur in der Medizin und Naturwissenschaft ist ohne diese Ar- 
beitsmittel der Unterricht undenkbar, sondern auch in den theo- 
logischen, philologischen, historischen, nationalokonomischen, lite- 
rarischen Fächern gehört eine wohlgeordnete spezialisierte Sammlung 
von Bachern und Anschauungswerken zum notwendigen Handwerks- 
zeug far den Akademiker. Ihre Benutzung wird im allgemeinen auch 
far den akademischen Lehrer unumgänglich sein, da die öffentlichen 
Bibliotheken den speziellen Anforderungen und Neuanschaffungen 
gar nicht gerecht werden können. Es wird also die venia legendi 
kanftig sich nicht allein mehr auf das Recht beschränken können, 
Vorlesungen halten zu dürfen, sondern auch auf das Recht der 
Mitbenutzung der Lehr- und Arbeitsmittel, der Institute, Labo- 
ratorien, Seminare, Sammlungen und Bibliotheken. Ohne die Ge- 
währung der Arbeitsmittel ist die Habilitation je länger, je mehr 
nicht mehr vollziehbar. Die Schwierigkeit, die sich daraus far den 
Institutsdirektor ergibt, wird nun gewiß teilweise dadurch beseitigt, 
daß der Pd zugleich Assistent ist oder bleibt Aber die Freiheit, 
die damit in der Benutzung der Lehrmittel gegeben wird, ist er- 
kauft durch die größere Abhängigkeit von den Anschauungen und 
dem Wohlwollen des jeweiligen Ordinarius und Institutsleiters. 

Zu dem ist die Assistenz eine recht unsichere Stellung; sie 
gilt immer nur auf eine beschränkte Dauer von Jahren (meist 
zwei bis drei) und sehr oft auch nur persönlich far den Ordinarius, 
der die Anstellung veranlaßt. Das Abhalten von Übungen im Auf- 
trage gilt sogar immer nur „bis auf weiteres" und ist jederzeit 
kandbar. Aber auch die Assistenz pflegt mit dem Fortgang des 
jeweiligen Institutsdirektors in Frage gestellt zu werden. Man hat 
es in Berlin unliebsam empfunden, daß der neuemannte Chirurg 
den langjährigen Assistenten seines Vorgängers kandigte und seine 
eigenen Mitarbeiter mitbrachte. Vom Standpunkte des Ordinarius, 
der eine Methode einfahren will, ebenso wie vom Standpunkte des 
Unterrichtes, der eine einheitliche Durchfahrung an dem Institute 
verlangt, ist dieses Vorgehen nicht nur berechtigt, sondern sogar 
notwendig. Aber solche Vorgänge zeigen, wie unsicher die Stellung 
der Assistenten sein kann, wie sehr der Pd von der Gunst seines 

Eulenbftrg:, der akad. Nachwuchs. 8 



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114 Tätigkeit und Einnahmen. 

Ordinarius und eines einzelnen Mannes abhängt Das ist ja das 
Eigentümliche des heutigen Zustandes» daß die Universitäten zwar 
SelbstverwaltungskOrper sein wollen und eigene Korporationen dar- 
stellen, daß aber ein sehr großer Teil des Lehrkörpers keinen An-^ 
teil an dieser Selbstverwaltung hat Gewiß werden die persönlichen 
Beziehungen in der Mehrzahl der Fälle ganz einwandsfreie sein und 
auf gegenseitigem Vertrauen beruhen. Aber die Verhältnisse sind 
eben zum Teil andere geworden und vermögen nicht mehr diesen 
rein persönlichen Charakter zu tragen. 

Außer der Vergütung für Assistenz und andere aushelfende 
Tätigkeit sowie für die etwaigen Stipendien bleibt allerdings noch 
die Vorlesungstätigkeit und die Kollegiengeldeinnahme als Äquiva- 
lent übrig. In der Umfrage war die Höhe der Einnahmen aus dieser 
Quelle nicht erfragt worden, weil Gefahr bestand, daß ein Teil der 
Kollegen Bedenken tragen würde hierauf zu antworten. Es wird weit 
mehr Sache einer amtlichen Erhebung sein müssen, diese Daten von 
neuem zu ermitteln. Geheimniskrämerei ist an sich hier gewiß eben- 
sowenig am Platze wie bei der Darstellung anderer Verhältnisse» 
Allerdings sind eine Reihe von Angaben auch ohne ausdrückliche 
Befragung gemacht worden. Aber da sie (|och nur sporadisch sind^ 
lassen sich keine statistischen Schlüsse daraus ziehen. Nur eine all- 
gemeine Bemerkung läßt sich machen. Es ist bereits hervorgehoben, 
daß den unoffiziellen Universitätslehrern vor allem die Spezialvorle» 
sungen obliegen, die von den Pachordinarien nicht gehalten werden: 
die pflegen aber erfahrungsmäßig, so wünschenswert sie zur Er- 
gänzung sind, nicht sehr stark besucht zu werden. Anders liegt 
die Sache nur an den großen Universitäten und bei gewissen 
Pächem, wie etwa Jurisprudenz und Nationalökonomie, wo auch, 
für die Pd ein stärkerer Besuch zu erwarten ist Die großen Vor- 
lesungen zu halten wird ihnen meist aber kaum möglich sein. Denn 
diese Konkurrenz wird von den Ordinarien ungern gesehen und 
wegen der persönlichen Beziehungen darum meist vermieden. Sie 
verbietet sich ohnehin schon wegen des Prüfungsrechtes der Ordi- 
nären von selbst Das Prüfungswesen hindert also öfters eine wirk«^ 
lieh freie Konkurrenz der Vorlesungen, die an sich ja gestattet ist. 
Besser steht es in dieser Hinsicht zuweilen an den kleinen Uni- 



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Geringe Einnahmen aus den Vorlesungen. 115 

versitäten, wo oft der jOngere Dozent abwechselnd mit dem 
Ordinarius die großen Vorlesungen hält. Das Abhalten von Pub- 
lica, die zur ersten Einführung des Dozenten und zum Bekannt- 
werden dienen, ist nur in Osterreich verboten. So bleiben also 
den jüngeren akademischen Lehrern meist nur die Nebenvorlesungen 
übrig, über deren geringen Besuch bereits geredet ist. Dazu 
kommt aber an einzelnen Universitäten noch das Moment der 
Stundung, die selbst diese Einnahmen schmälert In Osterreich 
klagt man besonders darüber: wenn hier das Kollegiengeld pro Stunde 
nur zwei Kronen, selbst bei Repititionen und Informatorien nur 
vier Kronen beträgt, so kann es wohl kommen, daß ein Auditorium 
von 100 Mann nur 50 Kronen einbringt, eben, weil vor allem die 
stundenden Hörer bei den unoffiziellen Lehrkräften belegen. Das 
Kollegiengeld ist zudem etwas ganz Unsicheres, Schwankendes, bei 
neuer Konkurrenz kann es ganz gefährdet sein. Ich glaube, daß das 
preußische Kultusministerium, das einen Durchschnitt von 800 M. 
als Kollegiengelder annahm, im ganzen wohl das Richtige getroffen 
hat. Größere Einnahmen kommen g^wiß nicht selten vor; außer 
den nationalökonomischen und juristischen Kursen mögen vor 
allem an den großen Universitäten, und wenn der Dozent sich gut 
eingeführt hat, auch philosophische und philologische, literarge- 
schichtliche und historische besser besucht sein. Die persönlichen 
Umfragen haben dies bestätigt Aber umgekehrt, gerade seltene 
wissenschaftliche Fächer, wie etwa Sanskrit oder Astronomie, ver- 
gleichende Sprachvässenschaft oder Kunstgeschichte, werden doch 
oft recht erheblich und unter jenem preußischen Satze bleiben 
müssen. Daß der nichtwohlhabende Dozent davon auch nur be- 
scheiden leben kann, ist eine große Ausnahme. Gewiß, die Habili- 
tation geschieht auf eigenes Risiko und muß so geschehen, weil die 
akademische Laufbahn keine Versorgung und keine Synekure wer- 
den dart Auch werden durchaus nur die Tüchtigen auf Beförde*» 
rung rechnen dürfen und die Unfähigen es sich selbst zuschreiben 
müssen, wenn sie nicht weiterkommen. Aber es liegt doch vielfach 
an dem gewählten Fache sowie an objektiven Verhältnissen, wenn 
die Lage unverdientermaßen oder im Gegenteil sogar trotz wissen- 
schaftlicher Verdienste eine recht klägliche bleibt Die Stipendien 

8* 



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116 



Tätigkeit und Einnahmen. 



reichen bisher wenigstens in keiner Weise aus; sie werden zum 
Teil aus Stolz gar nicht begehrt und müßten in anderer Weise als 
bisher zur Verfügung gestellt werden. Es gibt unter dem akade- 
mischen Nachwuchs Bedrängnis und Elend genug. 

Allerdings erhält nun ein Teil der Pd den Professortitel. In 
Preußen ist es üblich, den älteren Dozenten den Titel zu geben, 
demselben Gebrauche folgen Mecklenburg und Elsaß-Lothringen so- 
wie teilweise Osterreich. Bedenklich ist es, daß wenigstens in 
Preußen die Verleihung des Titels den Fakultäten entzogen und 
daß die Vorbedingung einer besonderen wissenschaftlichen 
Leistung oft nicht erfüllt ist. Manchmal mag das objektive Urfeil 
über Würde und Verdienst etwas zweifelhaft scheinen und subjektive 
Momente den Ausschlag geben. Im ganzen wurden In Deutschland 
und Osterreich rund 260 Pd, das sind etwa der fünfte Teil, gezählt, 
die den Titel Professor haben. Es zeigt sich folgende Verfeilung: 





Preußen 


übrig. 
J)eutschland 


Österreich 


Theologen 

Juristen 

Mediziner 

Naturwissenschaftler 

Historiker 


6 

6 

101 

53 

25 


7 

8 
4 


1 

12 
26 
11 

8 


Insgesamt 


191 


13 


58 



Die größere Hälfte befindet sich also bei den Medizinern. In 
Preußen haben unter den medizinischen Pd fast \ den Titel; 
darunter die Hälfte freilich in Berlin, wo eine größere Anzahl 
älterer Pd vorhanden ist und wo man besonders freigebig damit 
zu sein pflegt; von den Berliner naturwissenschaftlichen Pd hat 
ebenfalls fast die Hälfte den Titel erhalten. Sonst findet er sich 
nur noch in größerer Zahl bei den Medizinern in Bonn, Breslau, 
Halle und Wien, sowie bei den Wiener Juristen. An den übrigen 
Fakultäten sind immer nur zwei oder drei so ausgezeichnet An 
den nichtpreußischen Universitäten tritt an die Stelle des Titels die 
nichtetatsmäßige außerordentliche Professur. In Leipzig wird 
die SuChe so gehandhabt, daß nach mindestens acht Semestern er- 
folgreicher Lehrtätigkeit und auf Grund bestimmter wissenschaft- 
licher Leistung (meist ein anerkanntes Buch) dem Ministerium die 



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Verleihung des Professortitels. 117 

Verleihung empfohlen wird. Es ist nicht zu leugnen, daß der Titel 
die soziale Position der Träger verbessert und auch für gewisse 
Berufe eine tatsächliche Einnahmequelle bedeutet. Für die Ärzte 
vor allem gewährt die Führung des Titels „Universitätsprofessor" bei 
der Kundschaft eine große Empfehlung und vielfach erhöhte Taxen 
und erhöhte Einnahmen. Noch kommt wohl in Betracht, daß auch in 
Zeitschriften, bei Vorträgen, vielleicht auch bei Ernennungen der titu- 
lierte Privatdozent höher gewertet wird als der nichttitulierte und 
für ältere Dozenten tatsächlich ein Äquivalent für ihre Tätigkeit damit 
geboten werden kann. Irgendwelcher sonstiger Inhalt, Rechte, Mit- 
wirkung oder Vertretung sind natürlich mit dem bloßen Titel nirgends 
verknüpft Es müßte daran festgehalten werden, daß der akade- 
mische Titel überall wie in Leipzig auch für akademische, vor allem 
wissenschaftliche Leistungen verliehen würde, aber nicht, wie 
es jetzt auch vorkommt, für Verdienste anderer Art. Sonst fängt der 
Titel an ein leerer Sammelname zu werden, dem keine innere Be- 
deutung entspricht. Besonders wiederum bei den Medizinern ist 
der Fall gar nicht selten, daß eigentlich nur auf den Titel hin die 
Habilitation erfolgt Nach dessen Erlangung erlischt dann für diese 
Ehrgeizigen das Interesse an der Umversität, da ihr Ziel erreicht 
ist Das, was als Auszeichnung wirken sollte, wird dann leicht eine 
bequeme Abfindung. Es müßte für die Verleihung des Titels min- 
destens eine „objektive Instanz" geschaffen werden, damit wissen- 
schaftliche Verdienste dahinter stecken und als solche gekenn- 
zeichnet werden. 

Die Privatdozentur ist die Zeit der Sammlung, der wissen- 
schaftlichen Arbeit, der besten Jahre des frühen Mannesalters: sie 
wird besonders bedeutsam auch für die künftigen Forschungen in 
den Jahren der Reife. Aber es besteht die Gefahr, daß sie sich 
überlang ausdehnt, daß die Leistungsfähigkeit dadurch eingeschränkt 
wird und die Einkünfte, soweit sie nötig und nicht private Mittel 
vorhanden sind, klägliche bleiben. Das braucht den Einzelnen, be- 
sonders Bevorzugten gar nicht zu treffen; aber die Gesamtyerhält- 
nisse erweisen sich auch hier im allgemeinen als übermächtig, zu- 
mal man stets mit einem Durchschnittsmaß von Begabung und 
Talent wird rechnen müssen. 



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118 



Altersverhältnisse der 



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Extraordinarien und Privatdozenten. 



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Theologen 

Juristen . A 


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Naturwissenschaft!. 
Historiker / 


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12D 



Das Extraordinariat: Lehrauftrag und Alter. 



4. Das Extraordinariat: Lehrauftrag und Alter 
Lehrauftrag. Die Beförderung zum EO ist, wie wir be- 
reits wissen, nicht einheitlich geregelt; sondern sie kann etats- 
mäßig oder nicht etatsmäßig, teils mit teils ohne Gehalt, mit 
Lehrauftrag im allgemeinen oder für ein spezielles Fach oder ohne 
Lehrauftrag erfolgen. Unter den Lehraufträgen werden wir wieder 
scheiden können zwischen solchen für das Fach, die nach dem 
Weggang des EO meist auch wieder durch einen solchen besetzt 
werden, und solche für die Person, bei denen das im allgemeinen 
nicht der Fall ist: erstens sind die großen meist zur Vervollständi- 
gung des Lehrkörpers notwendigen; letztere, die kleinen persön- 
lichen, zur Ergänzung des Lehrkörpers erwünschten. Es hat Inter- 
esse, die Zahlenverhältnisse kennen zu lernen. Von den 862 EO 
haben im ganzen 584 einen größeren oder kleineren Lehrauftrag, 
d. h. etwa zwei Drittel, während ein Drittel außeretatsmäsig hur 
den Titel erhalten haben, der sie dem Raiige nach tkber die titu- 
lierten Pd erhebt, sie aber sachlich doch mit diesen gleichstellt Im 
Grunde scheint das preußische Vorgehen das konsequentere, ein 
Extraordinariat tatsächlich mit Gehalt und Lehräuftrag zu verbinden. 
Verfolgen wir diese im einzelnen, so zeigt sich, daß von den EO 
Lehrauftrag haben (die ZxMen in Klammer sind die ohne Lehr- 
auftrag) 





Preußen 


Nichtpreußen 


Österreich 


Insgesamt 


Theologen 

Juristen 


28 (2) 
19 (3) 
62 (32) 
75 (17) 
68 (10) 


16 (3) 
13 (7) 
67 (79) 
64 (37) 
49 (52) 


5 (0) 
14 (0) 
48 (30) 
25 (4) 
31 (2) 


49 (5) 

48 (10) 

167 (141) 

164 (58) 

148 (64) 


Mediziner 

Naturwissensch. . . 
Historiker 


Oberhaupt: 


252 (64) 


209 (178) 


123 (36) 


584 (278) 



In Preußen sind demnach nur noch ein Fünftel der EO ohne 
Lehrauftrag. Sie stammen zum Teil noch aus der älteren Zeit, zum 
Teil beziehen sie ihr Gehalt aus anderer Quelle (Prosektur). So- 
dann aber verleiht auch das preußische Kultusministerium immer 
noch in Ausnahmefällen den EO ohne Lehrauftrag. An den nicht- 
preußischen Universitäten kommt die Zahl der nichtbeauftragten EO 
fast an die der beauftragten heran: Leipzig mit 39 und Heidelberg 



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Lehrauftrag: Anteil der einzelnen Fakultäten. 121 

mit 36 ohne Lehrauftrag stehen hier an der Spitze. In Osterreich 
treten die nichtbeauftragten EO relativ zurück. 

Unter den Fakultäten hat die medizinische die größte Anzahl 
von Lehraufträgen: es erklärt sich das aus der Tatsache, daß hier 
schon infolge des Prüf ungszwanges die Ordinariate sich nicht mit dem 
Fortschritte der Arbeitsteilung und der Heranbildung der Neben- 
disziplinen vermehrt haben. Darum wurde für eine ganze Reihe von 
Fächern wie Hautkrankheiten, Zahnheilkunde, Laryngologie, physio- 
logische Chemie, Gerichtsmedizin, Kinderkrankheiten und manche 
andere fast an allen Universitäten noch besondere Extraordinariate 
nötig. Aus ähnlichen Gründen ist auch bei den Naturwissenschaftlern 
die Zahl der beauftragten EO so groß. Es sind neuere und jüngere 
Disziplinen, die auf diese Weise dem Lehrkörper angegliedert wur- 
den. In nicht wenig Fällen allerdings ist offensichtlich, daß man 
nur darum einen etatsmäßigen EO bestellt, um an den Mitteln sparen 
zu können, obwohl von Rechtswegen ein vollbesetztes Ordinariat 
nötig wäre. Das gilt vor allem an den nichtpreußischen Universi- 
täten: so Jena, wohl auch Freiburg und Heidelberg, wo selbst wich- 
tige Fächer kein eigentliches Ordinariat haben. Denn wir haben 
unter den Lehraufträgen bereits oben solche unterschieden, die für 
das Fach dauernd, und solche, die für die Person vorübergehend 
verliehen werden. Letztere ist das bewilligte Gehalt für die verdienst- 
vollen Leistungen des Mannes, der ohnedies kaum ein solches be* 
kommen würde, da eben das „Fach'' nur ausnahmsweise besetzt wird, 
wenn die geeignete Persönlichkeit dahintersteht Es ist also ein Ober* 
gang zum „persönlichen Ordinarius''. Die nichtbeauftragten EO 
sind fast zur Hälfte Mediziner (Heidelberg 17, Leipzig und München 
je 14 ohne Lehrauftrag). Im ganzen haben sonach bei den Medi- 
zinern über die Hälfte, bei den Naturwissenschaftlern drei Viertel, 
bei den Historikern drei Zehntel einen Lehrauftrag, bei den Theo- 
logen und Juristen die Mehrzahl. 

Allerdings bleibt auch für einen Teil der EO die Assistenz be- 
stehen. Die Stellung wird meist dadurch gehoben, daß der Rang 
eines „Abteilungsvorstehers" geschaffen wird, dessen Leistungen 
selbständiger sind und der entsprechend auch höheres Gehalt be* 
zieht. Es finden sich unter verschiedenen Titel als Oberarzt, Leiter 



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122 ^^ Extraordinariat: Lehrauftrag und Alter. 

der Poliklinik, Abteilungsvorsteher oder auch nur als Assistent u. ä. 
bei den Medizinern und Naturwissenschaftlern gleichmäßig je etwa 
ein Panftei beschäftigt. Und zwar fällt erklärlicherweise der Haupt- 
anteil von ihnen auf die nichtpreußischen Universitäten, da ja hier 
der EO öfters nicht mit einem Lehrauftrag verbunden, sondern 
bloßer Titel ist: sie erhalten dadurch bis zu einem gewissen Grade 
eine äquivalente Stellung mit dem beauftragten EO. 

Aitersverhältnisse. Wir haben bereits in Erfahrung ge- 
bracht, in welchem Alter die heutigen EO die Beförderung erlangt 
haben und wie sich bei ihnen im Gegensatz zu den heutigen Ordi- 
narien die Wartezeit hinausgeschoben hat Wir wollen darum hier 
auch die Altersverhältnisse der EO nochmals besonders untersuchen. 
Danach stellt sich das Durchschnittsalter von ihnen auf etwas Qber 
46 Jahre, und zwar unterscheiden sich die Deutschen und Oster- 
reicher, die in diesem Punkte bei den Pd so voneinander abwichen, 
sehr wenig. Die EO sind im Mittel also acht Jahr älter als die Pd. 
Das geringste Durchschnittsalter haben die Juristen, dann die Theo- 
logen mit 45 und die Historiker mit 46; zu oberst stehen die Me- 
diziner mit 47 Vs Jahren, während die Naturwissenschaftler dem 
Durchschnitt entsprechen. Es gleicht diese Reihenfolge durchaus 
der bei den Pd beobachteten, sowie der f raher erörterten Warte- 
zeit bei den einzelnen Pakultäten. Die Ursachen werden wir hier 
wie dort demnach vor allem im Habilitationsalter und den Konkur- 
renzverhältnissen zu suchen haben. Dadurch erklärt sich unge- 
zwungen das niedrige Alter der Juristen, das abnorm hohe der 
Mediziner (vgl. Tabelle VI S. 1181119). 

Wesentliche Unterschiede zeigen auch hier wie bereits bei den Pd 
die preußischen von den nichtpreufiichen Universitäten auf. Es stellte 
sich nämlich 

Durchschnittsalter Theol. 
Preußen 46,6 

Übriges Deutschland 43,1 
Preußen ohne Berlin 44,0 



Juristen 


Mediz. 


Naturw. 


Histor. 


Insges. 


41,2 
43.8 
41,0 


50,7 
45,2 
48,7 


47,9 
43,4 
46,5 


46,4 
44,9 
46,2 


47,7 
44,5 
46,4 



1) Es gab in Preußen 19 medizinische und 16 naturwissenschaft- 
liche (also 35 == 12 Proz.)» an den übrigen Universitäten 57 bzw. 29 (also 
86, d. 8. 23 Proz.) unter den EO. 



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Altersverhältnisse im allgemeinen. - Altersklassen. 123 

Aufier bei den Juristen sind also die preußischen EO durchgehends 
Slter als die nichtpreufiischen: im Durchschnitt über 3 Jahre ^ bei den 
Naturwissenschaftlern 4V,, bei den Medizinern gar sy,, bei den Histo- 
rikern nur ly,. Freilich wirkt Berlin besonders ungünstig. Wenn man 
dieses ausscheidet, ermäßigen sich zwar die preußischen Alterszahlen: aber 
sie bleiben auch dann noch immer um durchschnittlich 2 Jahre höher als 
die nichtpreußischen. Die Ursache liegt an der verschiedenartigen Hand- 
habung der Praxis. 

Durchschnittlich am ältesten sind die EO in Berlin (über 50), 
Straßburg und Halle (über 49), Gottingen und Königsberg; am 
jüngsten in Jena, Greifswald und Gießen. Die EO der preußischen 
Universitäten sind eben darum älter, weil hier die Praxis des Lehr- 
auftrages befolgt wird, während die unbeauftragten EO an den nicht- 
preußischen Universitäten im Grunde den Pd mit dem Professortitel 
zuzurechnen sind. Darum erscheinen auch Leipzig und München mit 
verhältnismäßig so niedrigen Durchschnitten. Unter 40 Jahren sind 
im Mittel nur die EO in Gießen; es ist das dieselbe Universität, die 
auch durch ein besonders junges Alter der Ordinarien sowohl wie der 
Pd sich auszeichnet. Es sollen aber nicht die Einzelheiten verfolgt 
werden, da manche Fakultäten sehr kleine absolute Zahlen auf- 
weisen; übrigens waren auch hier durchgängig die ganz extremen 
Fälle ausgeschrieben, um nicht einseitige Resultate zu erhalten. Das 
Durchschnittsalter der heutigen Ordinarien hatten wir zu 53V2, das 
der Pd zu 37 V2 gefunden; die EO stehen demnach gerade in der 
Mitte (vgl. Tabelle VI S. 118/119). 

Lehrreicher ist es noch, die einzelnen Altersklassen zu be- 
rücksichtigen. Das Jahrfünft 41-45 hat absolut die stärkste Be- 
setzung: etwa ein Fünftel der EO gehören ihr an. Aber doch noch 
über ein Zehntel von ihnen sind über 60 Jahre alt Man wird 
also nicht mehr gut vom „Nachwuchs" sprechen dürfen. Wir 
linden dementsprechend unter den EO nur ein Viertel unverheiratete, 
unter den Pd immerhin noch zwei Fünftel. Unter 30 Jahren sind 
überhaupt nur elf EO, zwischen 31 und 35 nur hundert. Es ist 
zu erwarten, daß das Alter sich aus sattsam erörterten Ursachen 
künftig eher noch weiter hinausschieben wird. Allerdings sind Be- 
förderung und Versetzung der EO an andere Universitäten nicht 
selten: über ein Viertel von ihnen befinden sich an einer anderen 



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124 ^^^ Extraordinariat: Lehrauftrag und Alter. 

Universität als zur Zeit der Habilitation. Vor allem Berlin gilt als 
höhere Staffel und mancher wird lieber hier bleiben, als dem Rufe 
einer kleineren Universität folgen. Daher kommt es zum Teil, daß 
Berlin so abnorm hohe Alterswerte aufweist. Im ganzen aber zeigt 
sich, daß die EO vor allem auch an der Statte ihrer Habilitation und 
Wirksamkeit befördert werden. Die Chancen vorwärts zu kommen, 
haben sich jedenfalls verschlechtert, da ein Ordinariat für eine Reihe 
von Fächern nicht besteht. Für einen nicht geringen Teil ist das 
Extraordinariat damit Lebensstellung geworden. 

Erlangung des Ordinariates. Aber auch, wo das Auf- 
steigen zum Ordinarius winkt, da erfolgt jedenfalls die Ernennung 
erst in späterem Alter. Wir vermögen auch hier zu bestimmten 
Vorstellungen zu gelangen. Es ließ sich für die heutigen Ordi* 
narien wenigstens zum Teil das Alter bei der Erlangung des ordent- 
lichen Lehrstuhles feststellen. Es betrug im Durchschnitt nur 36 7^ 
Jahre. Da nun die heutigen Ordinarien, wie wir wissen, durchschnitt- 
lich mit 32 Vg Jahren EO geworden sind, so hätten si#also nur vier 
Jahre auf dieser Staffel zugebracht. Die Berechnungen stützen sich 
auch hier wiederum auf reichlich zwei Drittel der ordentlichen Pro- 
fessoren. Die Theologen, Juristen und Mediziner sind überhaupt 
vollständig. Danach erfolgte die Beförderung bei den 

Theol. Juristen Medizin. Naturw. Historik. Insges» 

Ordinarien 37.7 33.5 37.9 364 35.1 36.5 

nach Waftezeit. . . 3.5 3.4 4.5 4.9 4.0 4.1 

Extraordinarien*) 37.1 36.1 38.5 35.7 36.6 36,5 

Es ist möglich, daß die fehlenden Historiker und Naturwissen- 
schaftler den Durchschnitt etwas gehoben hätten. Aber über 36 V2 bis 
höchstens 37 Jahre wird sich das Ernennungsalter für die heutigen 
Ordinarien kaum belaufen: durchschnittlich haben sie nur 
etwa 4 bis 4% Jahre auf der Zwischenstufe verweilt 

Wie steht es demgegenüber mit der Aussicht der heutigen EO? 
Es erscheint ausgeschlossen, daß für den Durchschnitt von ihnen 
die Verhältnisse noch ebenso liegen. Die heutigen EO haben 

*) d. h. Eriangung des Extraordinariates durch die heutigen EO. 



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Eriangung des Ordinariates: Aussichten in der Gegenwart. 125 

am Durchschnitt erst mit demselben Jahre das Extraordi- 
nariat erlangt, wie die heutigen Ordinarien das Ordina- 
riat. Ja bei den Juristen und Medizinern und wie es scheint, auch 
den Historikern ist das Extraordinariat sogar in höherem Alter er- 
langt worden als das entsprechende Ordinariat. Ich glaube, die 
Ursachen liegen darin, daß die Habilitationszeit hinausgeschoben, die 
Auswahl unter einem weit größeren Nachwuchs stattfindet und so- 
dann die Fächer der heutigen Ordinarien und der heutigen EO nicht 
durchweg kommensurabel sind. Wenn wir aber nur dieselbe Warte- 
zeit annehmen wollen, wie die heutigen Ordinarien sie gebraucht 
haben, nämlich vier bis ftlnf Jahre, so würden wir schon auf etwa 
40-41 Jahre als Durchschnittsalter kommen, in dem heute ein EO 
tlie Erreichung eines ordentlichen akademischen Lehrstuhles er- 
warten könnte. Es ist das die einfache Folge davon, daß die Ha- 
bilitation später erfolgt, daß auf der Privatdozentur länger verweilt 
und das Extraordinariat später erlangt wird. Das sind aber noch die 
gtlnstigsten Annahmen unter der Voraussetzung, daß das Extra- 
ordinariat ftlr sie nur ein ebenso kurzes Durchgangsstadium bleiben 
wird wie für die heutigen Ordinarien. Aber das ist kaum sehr wahr- 
scheinlich: vielmehr ist zu vermuten, daß ebenso wie auf der Privat- 
dozentur so auch auf dem Stadium des Extraordinariates länger 
verweilt werden wird. Und wir werden getrost jenen berechneten 
Durchschnitt von 4— 4 V2 Jahren um l^j^ bis 2 Jahre erhöhen dürfen, 
um zu einem Wahrscheinlichkeitsschlusse zu gelangen. 

Ein Einwand liegt nahe, und darf nicht verschwiegen werden: ge- 
wiß, der einzelne wird davon gar nicht getroffen, sondern kann schon 
in jungen Jahren befördert werden, da es hier keine Anciennität, 
kein Einrücken gibt. Auch heute kommt es vor, daß jemand in ganz 
jungen Jahren den ordentlichen Lehrstuhl besteigt; ob gerade zum 
eigenen Vorteil und zum Segen der Wissenschaft und der wissen- 
schaftlichen Arbeitskraft, hat uns hier nicht zu beschäftigen. Diese 
Fälle sollen gewiß nicht übersehen werden. Aber das bleiben doch 
die sehr großen Ausnahmen und man darf nicht sagen, daß es nur 
an der Schuld des Mannes selbst liegt, wenn erst spät die höchste 
Staffel der akademischen Hierarchie erreicht wird. Es ist nun ge- 
nugsam gezeigt worden, daß und warum das Hinausschieben des 



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126 ^^^ Extraordinariat: Lehrauftrag und Alter. 

Emennungsalter zum guten Teil in den Verhältnissen selbst liegt^ 
die durch die neuzeitliche Entwicklung bedingt sind. Denn auch 
die spezifisch Untüchtigen bilden Ausnahmen, die wieder den 
Gesamtdurchschnitt nicht beeinflussen. Auch bei dem Teil der 
EO also, bei dem das Extraordinariat nicht aus den früher dar* 
gelegten Gründen Lebensstellung ist, wird im Mittel vor dem 40. 
Lebensjahre kaum auf ein Ordinariat zu rechnen sein. Das ist ein 
einfaches Rechenexempel. Verstrich bei den heutigen Ordinarien 
zwischen Habilitation und Erlangung des Ordinariates im Durch* 
schnitt ein Zeitraum von 8V2 Jahren, (vom 28. wo er sich habili- 
tiert bis zu 36V2 Jahren, wo er Ordinarius wurde), so beträgt dieses 
akademische Vorstadium beim heutigen EO mindestens IOV2 Jahre, 
d. h. vom 30. bis zum 40. oder 41. Lebensjahre. Da aber aller 
Wahrscheinlichkeit nach das Stadium des EO länger dauern wird, 
so muß sich entsprechend auch das Alter hinausschieben und das 
Schwabenalter mag in nicht wenig Fällen überschritten sein, bevor 
der ordentliche Lehrstuhl bestiegen wird. 

Unsere Pd werden künftig aber noch schlechter stehen müssen 
als die heutigen EO, da sie im Mittel noch später zur Habilitation 
gelangen. Wir hatten gesehen, daß im letzten halben Menschenalter 
die Ordinarien durchschnittlich zwei Jahre älter geworden. Wir 
beobachten, daß künftig diese Verhältnisse kaum erheblich anders 
werden können, da die Erlangung des Ordinariates sich weiter hin* 
ausschieben muß, was dann wiederum auf den akademischen Nach* 
wuchs zurückwirken wird.^) 



1) Wir können auch ermitteln, wie lange die heutigen EO bereits 
auf diesem Posten sich befinden, wenigstens wie viele Jahre seit der 
ersten Ernennung verstrichen sind, und finden: 

Theol. Juristen Mediz. Naturw. Histor. Se 
Deutsche Universit 8,1 6,5 9 10,5 9,3 9,6 

Österreich. „ 4,5 7,0 11,3 9,3 7,3 9 

Im Durchschnitt sind also die heutigen EO bereits 9-10 Jahre in 
dieser Stellung und bei einem nicht unbeträchtlichen Teile von ihnen ist 
auf ein Ordinariat gar nicht zu rechnen, da für dieses Pach eben keins 
besteht In Preußen stellt sich nach weiteren Berechnungen die Sache 
um 1 Jahr ungünstiger, auf 10.6 Jahre, woran wohl vor allem Berlin die 
Schuld trägt; an den nichtpreußischen Universitäten um 1 Jahr günstiger. 



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Beförderung zum Ordinarius in den letzten Jahren. 



127 



Um aber sicher zu gehen, ob unsere Annahmen und Berech* 
nungen auch der Wirklichkeit entsprechen, haben wir noch die folgende 
Stichprobe vorgenommen. Es liefi sich für die letzten drei Jahre (s. S» 
1905 bis W-S 1907/08) das Alter sämtlicher neu ernannten Ordinarien er* 
mittein, d. h. aller der EO, die in diesen drei Jahren zum Ordinarius be- 
fördert wurden.^) Es handelt sich im ganzen um 195 Fälle (140 in 
Deutschland und 55 in Osterreich). Das Durchschnittsalter dieser Ordi* 
narien bei ihrer ersten Ernennung betrug danach fast 42 Jahre: d. h. mit 
anderen Worten, die EO der jetzigen Generation werden tatsächlich um 
fünf bis sechs Jahre später befördert als die der älteren und die Zeit des 
Extraordinariates hat sich wirklich gegen früher um ly, bis 2 Jahre ver- 
längert. Wir können wiederum für die einzelnen Fakultäten das durch- 
schnittliche Emennungsalter bestimmen, obwohl die absoluten Zahlen 
etwas klein werden und nicht verallgemeinert werden dürfen, und finden; 



bei Ordinarien der 


letzten 
3Jahre 


Ge- 
samtheit 


d.h. 
älter 


Österreich 


Theologen (21 Fälle) 

Juristen (9 „ ) 

Mediziner (33 „ ) 

Naturwissenschaftler.. (34 .„ ) 
Historiker (43 „ ) 


40.7 
38.5 
43.7 
42.2 
41.3 


37.7 
33.5 
37.9 
36.7 
35.1 


3.0 
5.0 
5.8 
5.5 
6.2 


(8) Fälle 41 J 
(5) „ 37.2 

(14) „ 44.4 

(15) „ 42.2 
(13) „ 42.4 


Oberhaupt . (140 Fälle) 


41.7 


36.4 


5.4 


(55) Fälle 42.3 



Im Durchschnitt blieb also das Ernennungsalter zum Ordinarius jetzt 
nur bei den Juristen unter 40 Jahre, die auch hier am jüngsten sind; 
die Mediziner, bei denen fast die Mitte der vierzig erreicht ist, stehen bei 
weitem am ungünstigsten. Die früher geschilderten Konkurrenzverhält- 
nisse zusammen mit der Hinausschiebung der Habilitation und der Ver* 
längerung der Privatdozentur haben zunächst dahin geführt, daß das Or- 
dinariat in der Gegenwart erst spät erreicht wird« Dazu kommt ferner^ 
daß eine Reihe von Ordinariaten erst neu errichtet wurde — so etwa in 



auf 8.6 Jahre. Das Extraordinariat ist tatsächlich bei einem großen Teile 
recht lang ausgedehnt, wenn man bedenkt, daß die heutigen Ordinarien 
dieses Stadium in vier bis fünf Jahren durchmessen haben. Die einzelnen 
Fächer zeigen allerdings sehr starke Verschiedenheiten, auf die hier 
nicht eingegangen werden kann. Es ist nicht möglich aus der Gesamt* 
heit die auszuscheiden, die noch weiter kommen werden, und die, bei 
denen die Befördemng ausgeschlossen ist: die ersteren werden jedenfalls 
eine kürzere Dauer aufzuweisen haben als die letzteren. 

1) Die Arbeit ist ausgeführt auf Grund der sorgsamen Listen der 
Personalveränderungen in Aschersons Universitätskalender, der 
unter der neuen Redaktion diese Angaben seit 1905 bringt 



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12d Qehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 

den letzten Jahren Ägyptologie oder Otiatrie oder Geographie — und daß 
dann natflrlich ältere EO auf den neuen Lehrstuhl befördert wurden. End- 
lich sind auch Unterschiede nach einzelnen Fächern vorhanden, auf 
die indessen hier nicht näher eingegangen werden soll, da es uns nur 
auf ein Gesamtbild der Verhältnisse ankommt Betrachten wir die ein- 
zelnen Altersklassen, so blieben nur 24 der neu ernannten Ordinarien 
unter 35 Jahren^), 57 standen zwischen 36/40, 64 zwischen 41/45, 27 
zwischen 46/50 und noch 22 waren älter. Das Maximum liegt also 
tatsächlich jetzt Anfang der vierziger Jahre. Es ist nicht zu erwarten, 
daß der „akademische Nachwuchs*' künftig früher befördert werden wird 
oder vielmehr: das Gegenteil ist gewiß. Die heutigen Pd werden nach 
allen früheren Auseinandersetzungen noch später zum Ordinariat gelangen 
als es bei den EO der heutigen Generation der Fall gewesen ist. Erst 
aber durch die Erlangung des Ordinariates wird die Position der Uni- 
versitätslehrer dauernd eine selbständigere und einflußreiche; erst von da 
an kann auch von einer einigermaßen entsprechenden Entlohnung ge- 
sprochen werden. 

5. Gehaltsverhältnisse der Extraordinarien 

Formelle Regelung. Die Gehaltsverhältnisse sind in den 
meisten Bundesstaaten jetzt durch Gesetz oder Verordnung fest 
geregelt; nur in Sachsen, Baden und Elsaß-Lothringen ist die Höhe 
der Besoldung dem Willen der Regierung überlassen und erfolgt 
nach gegenseitiger Übereinkunft.^ Preußen hat durch allerhöchste 
Kabinettsorder vom 19. August 1897 die Mindestsätze d^en der 
Ordinarien angepaßt; die anderen Bundesstaaten haben ähnliche 
Pestsetzungen, und zwar gelten folgende Sätze: Preußen hat für die 
EO ein Anfangsgehalt von 2000 M., steigend in fünf Staffeln von je 
vier Jahren bis zu einem Maximim von 4000 M.; Berlin beginnt 
mit 2400 M. und kommt in sechs Stufen von je 400 M. zu vier 
Jahren bis zu 4800 M. Bayern beginnt mit 3180 M., steigt in je 
lünf Jahren dreimal um 360 M. und dann immer um 180 M. ohne 
bestimmtes Maximum, Württemberg hat ein Anfangsgehalt von 
2400 M., fünfmal in je drei Jahren um 300 M. steigend, bis zu 



1) Davon vier gerade 30, zehn 31—32 Jahre, zehn 33-35 Jahre. 

2) Zum folgenden vgl. Biermer, Die Rechtsverhältnisse der deut- 
-schen Universitätsprofessoren, Gießen 1903; die Berechnungen danach 
stammen von mir. 



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Formelle Regelung: Qesamtbezüge u. Durchschnittsgehalt. 129 

3900 M.; Hessen endlich beginnt mit 2500 M. und steigt fünfmal in 
je vier Jahren um 300 M. Die gesamten Gehaltsbezüge eines EO 
würden demnach betragen 





in 10 Dienst- 
altersjahren 


in 20 Dienst- 
altersjahren 


in 30 Dienst- 
altersjahren 


Berlin 

Preußen 

Bayern 

Württembercr 


27 200 
23 200 
33 600 
27 600 
27 400 


64000 
56 000 
74400 
64 500 
62 000 


110400 

96 000 

119 700 

103 500 


Hessen 


102 000 



Bayern steht demnach überall am besten, danach kommt Württem- 
berg; die preußischen Provinzialuniversitäten kommen am schlech- 
testen fort Allerdings tritt hierzu überall noch das Wohnungsgeld 
hinzu, das die Sache wieder etwas ausgleicht. Es beträgt in Berlin 
900 M., in Bonn, Breslau, Halle, Kiel, Königsberg und Münster 
660 M,, in Oöttingen, Greifswald, Marburg 540 M., in Bayern gibt 
es nur eine sogenannte Gehaltszulage in der Höhe von 420 bis 
640 M., in Baden Wohnungsgeld von 900 M.,^) in Hessen gibt es 
kein Wohnungsgeld, in Tübingen beträgt es 200 M., in Leipzig 
meist 240 Mark. Das berechnete mittlere Durchschnitts- 
gehalt einschließlich Wohnungsgeld beträgt demnach offiziell: 



In 10 Dienst- 
I altersjahren 



In 20 Dienst- 
altersjahren 



In 30 Dienst- 
altersjahren 



Berlin 

Preußen 

Bayern 

Württemberg. 
Hessen 



3620 
2940 
3780 
2960 
2740 



4100 
3420 
4140 
3420 
3100 



4580 
3820 
4410 
3650 
3400 



Auch jetzt stände Bayern am besten, dann folgt Berlin, Hessen 
bliebe am ungünstigen. Nun kommen allerdings zu diesen offiziellen 
Sätzen noch Einnahmen aus anderen Titeln: etwa ein Institutsdirek- 
tor erhält für die Leitung des Instituts oder für die Abhaltung von 
Übungen noch eine Sondervergütung; oder ein Krankenhausdirek- 
tor erhält von der Stadt noch einen Zuschuß; oder die Regierung 

1) So wenigstens nach den Angaben, die mir durchgehends aus 
Freiburg und Heidelberg gemacht sind. 

Eulenburg, der akad. Nachwuchs. 9 



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130 Qehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 

gewährt einem verdienten Manne noch eine Personalzulage aus 
anderen Mitteln; oder bei Berufung nach auswärts wird, um den 
Lehrer zu halten, das Gehalt erhöht U. a. m. Es kommt aber 
auch vor, daß das Gehalt aus diesem oder jenem Grunde nicht voll 
gezahlt wird oder daß noch Leistungen für ein Institut und Abgaben 
zu gewähren sind. Die Sätze sind die normalen Mindestsätze, die 
mannigfache Abweichung gestatten. Immerhin bestimmen sie für 
den Durchschnitt die Höhe der Vergütung: sie sollten hier vor allem 
zur Veranschaulichung dienen. 

Methode der statistischen Berechnung. Es war nun 
unsereAufgabe, die tatsächlich bezogenen festenGehälter der 
EO für ihre akademische Tätigkeit zu ermitteln, um auf diese Weise 
zu konkreten Vorstellungen über ihre wirklichen Einkünfte zu ge- 
langen. Auch diese Frage ist überwiegend beantwortet worden; es 
fehlen im ganzen nur 53 Angaben, d.h. etwa öProz. der Gesamtheit 
Allerdings bereitete es erhebliche Schwierigkeiten, wie wir das 
feste Einkommen nun tatsächlich berechnen sollten. Es schien das 
Nächstliegende, sich auf das etatsmäßig bewilligte, offizielle Gehalt 
zu beschränken und die Sondervergütungen auszuscheiden. Aber 
es zeigte sich bald, daß dieser Weg nicht gangbar sei. Denn in 
nicht wenigen Fällen richtet sich das offizielle Gehalt gerade 
nach dieser Sondervergütung; beides bildet eine Einheit, die nicht 
getrennt werden kann. Sodann hat der EO, der etwa noch aus 
städtischen Mitteln einen Zuschuß erhält, doch nun tatsächlich dieses 
höhere Gehalt, gleichgültig ob es aus dieser oder jener Quelle stammt 
Auch ließ sich die Trennung der einzelnen Typen nicht durchführen; 
ein Prosektor bekommt etwa 1800 Mark für die Prosektur und 
1200 Mark für den damit unmittelbar verknüpften Lehrauftrag. 
Oder ein Chemiker erhält 2000 Mark Gehalt und 1000 Mark für 
die Leitung des Instituts u. a. Bei den Ordinarien liegt ja die 
Sache nicht anders, wo auch manche Einnahmen aus anderem Titel 
als dem des Besoldungsetats fließen. Für die Pensionierung und 
die Reliktenversorgung spielt das eine Rolle. Aber für die tatsäch- 
lichen Einnahmen verschlägt es nichts, ob „etatsmäßig'' diese Quelle 
oder jene vorhanden ist Dazu kommt in nicht seltenen Fällen noch 



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Methode der statistischen Berechnung. X31 

eine Einnahme aus Stiftungsgeldern, indem etwa für ein Kranken- 
haus dem leitenden Arzt noch ein rechtmäßiger Titel zusteht u.a.: 
Das ist alles für die etatsmäßige Berechnung von Bedeutung, 
aber nicht für die Feststellung der tatsächlichen Einnahmen. 
Und solcher Fälle, wo das reale feste Einkommen aus verschiedenen 
Titeln und aus verschiedenen Quellen stammt, sind nicht wenige. 
Hätten wir von dieser Kumulation abgesehen, so würden wir 
offenbar ein ganz unrichtiges Bild der tatsächlich festen Bezüge 
gegeben haben. Es ist darum im folgenden durchaus das wirklich 
bezogene, feste Gesamtgehalt zugrunde gelegt, soweit es direkt aus 
der akademischen Tätigkeit erwächst. Es wird deswegen öfters mit 
den Angaben im Besoldungsetat nicht übereinstimmen. Natürlich 
ist alles Einkommen für andere als akademische Tätigkeit aus- 
geschieden. Zweifellos konnte es allerdings zuweilen sein; was als 
„akademische Tätigkeit^' anzusehen sei. Ob zum Beispiel das Ge- 
halt eines Kustos einer zoologischen Sammlung dahin zu rechnen 
sei oder nicht. In solchen Fällen sind nochmals Erkundigungen 
eingezogen oder der betr. Etat ist herangezogen worden. Eine all- 
gemeine Regel ließ sich nicht aufstellen. 

Schwerer war die Entscheidung darüber, ob nur etatsmäßige 
und beauftragte EO berücksichtigt werden sollten, oder auch solche, 
die zwar nicht etatsmäßig, aber doch ein Gehalt etwa als Abteilungs- 
vorstand oder Prosektor erhalten. Es würde aber doch ein un- 
richtiges Bild gegeben haben, wenn wir diese EO, die zum Teil ein 
höheres Gehalt beziehen als die offiziell beauftragten, ausgelassen 
hätten. Es kam uns durchaus auf den Inhalt, nicht auf den mehr 
zufälligen Titel an. Doch ist die Zahl der letzten Kategorie, d. h. der 
EO ohne Lehrauftrag mit Gehalt, Oberhaupt nicht sehr groß, und um 
gewissen Einwänden von vornherein die Spitze abzubrechen, ist das 
Durchschnittseinkommen auch nur der beauftragten EO für alle 
Universitäten nochmals besonders berechnet. Die Unterschiede mit 
den Gehältern aller EO sind nicht sehr groß; wir kommen darauf 
zurück. Umgekehrt muß aber auch dem Irrtum begegnet werden, 
als sei mit dem Lehrauftrag immer auch Gehalt verbunden. Das 
ist keineswegs der Fall. Vielmehr kommen genug Fälle vor, wo 
der EO trotz Lehrauftrag kein Gehalt bezieht, sondern auf Kollegien- 

9* 



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132 Qehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 

geld oder andere Remuneration angewiesen ist. Lehrauftrag und 
Gehalt gehen keineswegs immer parallel, so daß also die vier mög- 
lichen Kombinationen sich tatsächlich verwirklicht finden Auf Oster- 
reich kommen wir noch zurück. 

Das Istgehalt. Sonach betrachten wir das feste Gesamt- 
gehalt der deutschen EO, soweit es aus akademischer Tätigkeit 
stammt, unabhängig aus welchem Titel und aus welcher Quelle es 
bezahlt wird. Unsere Ermittelungen werden also eher etwas zu hoch 
als zu niedrig ausfallen. Ausgelassen haben wir dagegen durch- 
gehends den Wohnungsgeldzuschuß , den wir am Schlüsse der 
Rechnung wieder zufügen, von dem wir aber einstweilen noch ab- 
sehen. Vgl. Tabelle VII Seite 134/35. 

Das Gesamtergebnis ist kurz das folgende. Von den 650 EO, 
die wir untersuchen konnten, bezieht der vierte Teil (165) über- 
haupt kein Gehalt. Nach der früheren Auseinandersetzung und 
der Handhabung der Praxis entfallen davon auf Preußen nur 54 
von 282, also etwa ein Fünftel. Auf die nichtpreußischen Universi- 
täten 112 von 370, d. h. fast ein Drittel. Die meisten von den ge- 
haltlosen EO befinden sich in Berlin (40), Heidelberg (22), Leipzig 
und Münschen (je 21), und Preiburg (16). An den anderen Univer- 
sitäten treten sie zurück. 

Von den übrigen EO, die Gehalt oder Remuneration für akade- 
mische Tätigkeit empfangen, beträgt das feste Durchschnittseinkom- 
men 2830 M.; die preußischen Universitäten bleiben etwas dar- 
unter (2795 M.), die nichtpreußischen steigen etwas darüber (2860 M), 
was sich allerdings durch den höheren preußischen Wohnungsgeld- 
zuschuß wieder mehr als ausgleicht. Am geringsten stehen die 
Juristen da, nämlich mit 2660 M. (Preußen 2630, Nichtpreußen 
2700): es erklärt sich sehr einfach daher, daß sie auch das ge- 
ringste Durchschnittsalter aufweisen. Zu höchst stehen in Preußen 
die Historiker mit 2970 M. und die Naturwissenschaftler mit 2890 M.; 
die Theologen haben im Mittel 2850 M., die Mediziner 2710 M.: 
sehr erheblich sind also die Unterschiede überhaupt nicht. Das 
sind die Durchschnittsbezüge der deutschen EO. Sie bleiben hinter 
den vorhin berechneten Normalsätzen noch zurück und sind jeden- 



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Durchschnittsgehalt im ganzen und nach Universitäten. X33 

falls noch geringer als für irgendeine andere Kategorie studierter 
Beamten. Nun kommt allerdings noch der Wohnungsgeldzuschuß 
bzw. die Gehaltszulage hinzu. Ich habe die Isteinnahme daraus im 
Durchschnitt aller deutschen Universitäten genau auf 580 M. be- 
rechnet, indem die oben genannten Sätze zugrunde gelegt und jeder 
EO mit seinem Wohnungsgeld in Rechnung gebracht wurde. In 
Preußen empfingen die EO durchschnittlich 676 M., an allen tibrigen 
deutschen Universitäten durchschnittlich nur 452 M. Wohnungsgeld : 
um diese Summe erhöht sich also das Gehalt der EO. Aber auch dann 
kommen wir im Durchschnitt nicht über 3400 M. (Preußen 3471 M., 
übrige Universitäten 3310 M.): gewiß eine klägliche Honorierung, 
wenn man in Erwägung zieht, daß das Durchschnittsalter der EO 
46 Jahre beträgt und die Altersklassen zwischen 40 und 50 am 
stärksten besetzt sind. 

Freilich zeigen die einzelnen Universitäten von diesem Durch- 
schnitt erhebliche Unterschiede. Bei weitem voran steht Münchens 
Durchschnitt mit 3500 M., dann folgt Würzburg mit etwa 3300 M., 
dann Göttingen mit fast 3200. Erst an vierter Stelle steht Berlin 
mit 3061 M. und fast ebenso hoch das kleine Erlangen; Straßburg 
und Tübingen kommen an die 3000 M. nahe heran. Zu unterst 
stehen Greifswald (2280 M.), Marburg und Heidelberg (2350 M.). 
Die bayrischen Universitäten sind also dank ihrer höheren Sätze 
tatsächlich am besten daran. Das Münchener Durchschnittsgehalt 
kommt einschließlich Gehahszulage an 4000 M. heran. Ebenso hoch 
stellt sich dank des höheren Wohnungsgeldzuschusses in Berlin der 
Durchschnitt. - Ein Parallelismus zwischen Durchschnittsgehalt und 
Größe der Universität besteht, wie man sieht, nicht. Ober 4000 M. 
haben im Mittel die naturwissenschaftliche Fakultät in München 
(4255 M.) und Göttingen (4230 M.) und die historische in München (fast 
4200 M.). Alle übrigen deutschen Fakultäten bleiben zum Teil erheb- 
lich dahinter zurück. Trotz dieser Abweichungen einzelner. Fakul- 
täten, die sich zum Teil aus den verschiedenen Alterszusammen- 
setzungen erklären, sind die Differenzen nicht gar zu groß. Die Ge- 
hälter überschreiten nirgends ein sehr bescheidenes Mittelmaß und 
bleiben weit hinter den Erziehungskosten des Berufes zurück, die, wie 
wir uns erinnern, durch die lange Wartezeit besonders hohe waren. 



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134 



Qehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 

Tabelle VII. Gehalt der Extraordinarien 



Universitäten 



i2| 



Theologen 



^^ 



i\rr 



Juristen 



Mediziner 



:B\:e:s, 



11 



Naturwissenschaft!. 



;L 






Ol 



Berlin 

Bonn 

Breslau . . . 
Erlangen . . 
Freiburg . . 

Gießen 

Oöttingen.. 
Greif swald . 

Halle 

Heidelberg 



Jena 

Kiel ... 
Königsberg 
Leipzig . . 
Marburg . 

München . 
Münster . . 
Rostock . . 
Straßburg 
Tübingen . 
Würzburg 



1 - 



3 - 
3 



1 

li- 
1 2 
1, 2 



-- 2 



2 
3 

-i 1 

3 
2 



^1 



"i ^ 

- 3 



-| 1 
^ 1 



-I 24 

- 8 

- 6 

T I 



1 - 

6 1 

3 2 
3I- 

7i 2 

1 1 



3 6 2 



- 1! 3: -I 
31 2 3! 5 



5 
15 2 



-' 1 4' - 



4 - 

2 - 
2 - 
51 1 
2 

5 - 

1 

1 
2 



2 

10 

6 

12 
20 

15 
9 
6 

18 

7 

10 
4 
3 
7 
9 
4 



Preuß. Univ. 
Nichtpr. „ 



8|8.1 
47 2 



130 
-19 



2 6 

7 4 



5' -[-'22 
3 - -!20 



29 23 21 
38|30 27 



-: 94 
3146 



10 15 23 22 
26|l3|24:26 



2| 92 
4101 



Insgesamt . . 

Czernowitz . 

Graz 

Innsbruck . . 

Prag 

Wien 



12 12 15 



--!-,! 
_'_i_i_ 



49 



10 



12 8 



--42 



2 1 



:i4 



64 



10 



53 50 



32I12 



3 240 



36 38 4748 



- 1 



2 1 
- 1 - 

10! ll- 
19| 4; 2 



1;- 
1 2 



-|3 
1 2 

-I 3 

-14 



193 



1 



-! 5 
li 4 

1| 5 

-14 



Österreich . 



! I i 



3 1 



-'4 5 



14 



39 8 I 3 



9|9|8 



78 



1 13 



8 : 2 29 



*) Es fehlen Angaben in Berlin 15, Halle 7, Jena 6, München, Heidelberg und Strafiburg je 4, Breslau, 
32 an den preußischen und 21 an den nichtpreufiischen Universitäten. Ferner Graz 1 , Prag 2 und Wien 2 An- 



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Gehalt der Extraordinarien. 



135 



am 1. Juli 1907. 



Historiker 



Insgesamt*) 



Durchschnittsg-ehalt (Mark) 



c 
a> 
bo 
o 

o 
a> 



;3 



:5 



c 

CO Q> 

.52 S 



3 

CO 



Universitäten 



1 
10 



10 



110 
27 
20 
15 
35 

15 
25 
17 
31 
61 

47 
24 
28 
79 
23 

50 
11 
12 
26 
24 
23 



3612 
2933 
2550 

2050 



3467 
(2400) 
(4000) 



(1200) (2800) 



2533 
(2000) 
3600 
3050 

(2000) 
3200 
2200 
3600 
2067 



(3200) 
(2700) 
3333 
3067 



(2400) 

(1200) 
(1500) 

2000 
2800 
2100 
2100 
2000 

3900 
2550 
(2700) 

(2700) 



2980 
2417 
2250 
2860 
2000 



2711 
2100 
3213 
2784 
2850 



2460 3260 



2140 
1450 
2500 
2180 



4230 
2333 
3090 
2840 



2540 2957 
28302500 
2150 2933 



3524 
2600 

2880 



2927 
2450 



4255 
2600 
2700 
2843 3033 



3531 
3083 



3061 
2664 



(4000) 2768 



3300 
3155 



3502 
3350 

(2800) 
3333 
2514 
2300 
1650 

2014 
2133 
2800 
2390 
2371 

4195 
2200 
2580 
(2800:| 



2738 3425 
3180 3828 



3011 
2542 

2562 
3195 
2281 
2855 
2356 

2558 
2665 
2452 
2853 
2359 

3500 
2567 
2633 
2953 
2963 
3294 



Berlin 

Bonn 

Breslau 

Erlangen 

Freiburg 

Gießen 

Göttingen 

Greifswald 

Halle 

Heidelberg 

Jena 

Kiel 

Königsberg 

Leipzig 

Marburg 

München 

Münster 

Rostock 

Straßburg 

Tübingen 

Würzburg 



8 
42 



2 78 
21101 



54 
112 



5 316 
9387 



2846 
2924 



2626125312897 
2700 2825 2979 



2966 
2754 



2795 

2858 



Preuß. Univ. 
Nichtpr. ,, 



5032 



39 



30 



4 179 

3 
5 
5 
5 
15 



166 

1 
11 

1 
10 
24 



145 



160 



13332 



14 703 



2878 2653 2716 2942 



(4020) 



4155 
4428 



4245 - 4022 
(6528)'2274 4182 
4020 14255 3965 
(4155)14502 4629 
5165 4120 4054 



2862 

4629 
5159 
3445 
4783 
3847 



2829 

4319 
4153 
3920 
4550 
4168 



Insgesamt 

Czernowitz 

Graz 

Innsbruck 

Prag 

Wien 



3 6 



10 



33 



47 



12 



35 



33 



20 



159 



4188 : 4869 



4046 



4205 



4113 



4221 



Österreich 



Königsberg, Qöttingen, Münster, Tübingen je 2, Bonn, Preiburg und Marburg je 1: zusammen 53 Angaben 
gaben : zusammen für Osterreich 5. 



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136 



Gehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 



Nicht anders wird das Bild, wenn wir die einzelnen Gehalts- 
klassen ins Auge fassen, die besonders lehrreich sind. Bei 30 Proz, 
beträgt das Gehalt bis 2000 M. (immer ohne Wohnungsgeld), bei 
63 Proz. nur bis 3000 M., bei 27 Proz. zwischen 3 und 4000 und 
nur ein Zehntel der EO empfängt mehr. Ober 5000 M. haben aber 
überhaupt im ganzen nur 14 EO, darunter fünf in Leipzig, drei in 
Berlin. Ein Glücklicher in Leipzig bekommt 9000 M. - allerdings 
stammt das Gehalt aus Stiftungsgeldern. Die Gehälter über 4000 M* 
sind am zahlreichsten bei den Historikern und Medizinern. Im 
ganzen aber wird durch diese Einzelausführungen das Bild be- 
stätigt, das wir bei den Durchschnittswerten gegeben haben. 

Endlich war es auch möglich , auf Grund des letzten preußischen 
Kultusetats (1908) Durchschnittsberechnungen vorzuführen; wir stellen 
gleichzeitig die Durchschnittsgehälter der Orinarien gegenüber, da das 
besonders lehrreich sein dürfte. Allerdings können unsere obigen Ziffern mit 
denen des preußischen Etats nicht ganz übereinstimmen; einmal bezogen 
sich unsere vorliegenden Ermittelungen immer auf den Termin des 
1. Juli 1907; im Etat sind aber durch die Dienstaltefsklassen teils schon 
wieder etwas höhere Sätze vorhanden, teils sind auch sonst Verschie- 
bungen eingetreten. Vor allem aber nimmt der preußische Etat zu den 
außerordentlichen Professoren noch die Abteilungsvorsteher der Universi- 
tätsinstitute prinzipiell hinzu: diese sind aber gar nicht überall EO, so 
daß schon die absolute Ziffer der Stellen mit der unsrigen nicht ganz 
verglichen werden kann. Die Hauptsache ist jedoch die fast völlige Ober- 
einstimmungder Berechnung aus dem Kultusetat mit der oben mitgeteilten : 





Ordinarien 


Extraordinarien 




, 


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N 


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, 




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0. 




Berlin 


7200 


8480 


5672 


7524 ! 7241 


3600 


3200 


2643 


3325 


3078 


Bonn 


6282 


6600 


5300 


6764 ' 6272 


3300 


3200 


2000 


2535 


2611 


Breslau 


5046 


5683 


5173 


4982 


5085 


2730 


2730 


2250 


2800 


2665 


OöUingen . . . 


5987 


5791 


4782 


6235 


5905 


3200 


2400 


1883 


3830 


2770 


Greifswald . . 


5266 


5400 


4342 


4776 


4802 


2666 


3600 


2866 


2655 


2744 


Halle 


6050 


5933 


5636 


5535 


5684 


3600 


4000 


1572 


3070 


3132 


Kiel 


5200 


5600 


4230 


5428 


5023 


3600 


3200 


2545 


2260 


2455 


Königsberg . 


5085 


4900 


4773 


5060 


4974 


2400 


2200 


2400 


3030 


2686 


Marburg 


5833 


4967 


4784 


5409 


5238 


3600 


2800 


2644 


2890 


2828 


Münster 


4514 1 5000 


— 


4467 


4373 


3150 


2930 


- 


2755 


2888 


Insgesamt 


5713 


5986 


5009 


5829 


5668 


3221 


2808 


2313 


2997 


2819 



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Berechnung nach dem preuß. Kultusetat. - Die beauftragten EO. 137 

Das preußische Durchschnittsgehalt der EO stellt sich auf etwa 
2800 M., also ebenso hoch wie bei der früheren allgemeinen Berechnung. 
Am niedrigsten stehen die Mediziner, am höchsten die Theologen. Im Jahre 
1903, über das auf Grund derselben Quelle ebenfalls Berechnungen vor- 
liegen*), stellte sich das Durchschnittsgehalt noch wesentlich tiefer. 
Damals war die Wirkung der neuen Gehaltsregulierung in Preußen 
mit ihren Dienstaltersklassen noch nicht lange genug in Wirksam- 
keit, um sich zu äußern. Gegenwärtig haben über 3000 M. Durch- 
schnittsgehalt nach dem preußischen Etat nur Halle und Berlin; am 
niedrigsten steht Kiel. Also auch auf Grund des preußischen Kultusetats 
stellt sich das Gehalt im allgemeinen nicht günstiger, wenn man bedenkt, 
daß das durchschnittliche Alter der besoldeten preußischen EO nicht 
weniger als 47 Jahre beträgt. Vergleichen wir damit das Gehalt der 
Ordinarien, so stellt sich dieses im Mittel noch einmal so hoch, nämlich 
auf 5670 M. Weit höher kommen vor allem Berlin (7250) und Bonn (6270). 
Erheblich darunter bleibt Münster (etwa 4400) und Greifswald (4800). Vor 
allem die Berliner juristischen Ordinarien zeichnen sich durch hohe 
Durchschnittsgehälter aus, wozu noch die sehr beträchtlichen Nebenein- 
nahmen aus Kollegiengeldem und Prüfungsgebühren kommen: freilich wird 
auch ihre wissenschaftliche Arbeitszeit durch diese Tätigkeit außerordent- 
lich beschränkt Im ganzen wird also unser früheres Bild durch diese 
Quelle nur bestätigt; die Abweichungen im einzelnen erklären sich aus 
der verschiedenartigen Aufrechnung. — 

Wir haben bis jetzt die nicht -beauftragten EO mitgerechnet, wollen 
aber nochmals die Verhältnisse darstellen, wenn wir diese aus- 
scheiden und nur die eigentlichen außerordentlichen Professoren mit 
Lehrauftrag nehmen. Der Gesamtdurchschnitt erhöht sich für die 404 
beauftragten EO um 130 M.; nämlich auf 296Q,M. (Preußen 2813, Nicht- 
preußen 3117). Theologen und Juristen bleiben fast unverändert, bei den 
Medizinern erhöht sich der Durchschnitt ganz unbedeutend, etwas mehr 
bei den Historikern, am meisten bei den Naturwissenschaftlern. Die 
Reihenfolge der UniversitäÄn wird etwas verändert. Voran steht wieder 
München (3910 M.), dann Erlangen (3570), Berlin (3460), Würzburg (3390), 
Leipzig (3257), Tübingen (3150) und Straßburg (3090); außer Berlin sind 
also nur nichtpreußische Universitäten wesentlich höher. Zu unterst 
stehen Münster (2100), Greifswald (2280) und Königsberg; die anderen 
Universitäten unterscheiden sich nur wenig. Also selbst bei Ausscheiden 
der nicht -beauftragten EO kommen wir mit Wohnungsgeld nur in 
München und Berlin auf mehr als 4000 M., in Erlangen nahe heran. Der 
Durchschnitt aber erhält auch so nicht mehr als 3500 M. 

1) Biermer a. a. O. S. 60: Theologen 2825 (jetzt + 396), Juristen 
2789 (jetzt +19), Mediziner 2316 (jetzt - 13), Philosophen 2817 (jetzt -f 180), 
alle zusammen 2645 (jetzt +174). 



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238 Gehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 

Allerdings kommen nun die Kollegiengeldeinnahmen hinzu, über 
die bis jetzt keine neueren, zuverlässigen Ermittelungen vorliegen.^) 
Es ist zuzugeben, daß bei den EO die Verhältnisse teilweise etwas 
besser liegen als bei den Pd. Die EO in der Medizin etwa mit 
großem Lehrauftrag müssen belegt werden. Vor allem an den 
großen Universitäten stellen sich für einzelne Fächer die Kollegien- 
geldeinnahmen jedenfalls verhältnismäßig hoch. So bei den Juristen, 
Nationalökonomen und Philosophen. Hier werden Kollegiengelder 
von 3000 M. und darüber zuweilen vorkommen. Das gilt vor allem 
von einzelnen EO in Berlin, vielleicht auch in München und Leipzig. 
Aber im übrigen bilden die Kollegiengelder kein Äquivalent gegen die 
völlig unzulänglichen Gehaltseinnahmen. Die preußische Regierung 
ergänzt die Kollegiengelder bei festangestellten EO bis zu 800 Mark und 
€s wird damit an der Mehrzahl der Universitäten jedenfalls der Durch- 
schnitt wirklich getroffen sein.^ Denn einmal haben die EO Neben- 
fächer oder Teildisziplinen zu verwalten, die erfahrungsgemäß nur 
wenig Zuspruch von den Studenten finden. Das liegt an der Natur 
der Verhältnisse, ebenso wie bei einzelnen Ordinarien; gerade 
darum wurden ja nur EO für diese Fächer berufen. Sodann 
aber wird es auch den meisten EO kaum möglich sein, die großen 
Prüfungskollegs zu lesen — einmal weil der Lehrauftrag anders 
lautet, sodann wegen des Prüfungsrechtes der Ordinarien, die 
diese Konkurrenz nicht gern aufkommen lassen, vielleicht auch nicht 
können. Der angenommene preußische Durchschnitt wird also nur 



1) Die älteren Angaben aus dem preußischen Kultusministerium für 
1894/95 bei Bier m er a.a.O. S. 77 ff. passen auf die heutigen Verhältnisse 
nicht mehr; eine neue offizielle Darlegung wäre dringend zu wünschen. 

2) Bis zu 800 M. wird das KoHegiengeld im Durchschnitt bei den 
etatsmäßigen EO garantiert und bis zu dieser Höhe tritt die Ergänzung 
ein. — In Bayern wird das Wohnungsgeld dann nicht gezahlt, wenn und 
und soweit die Kolleghonorare den Betrag von 1200 M. übersteigen bzw. 
mit Einrechnung des Wohnungsgeldes übersteigen würden: das Kollegien- 
geld würde demnach mit 780 M. veranschlagt sein. Auch fällt das 
Wohnungsgeld dann fort, wenn ein anormales Gehalt gewährt worden ist 
und die Differenz gegenüber dem Normalgehalt den Betrag von 1200 M. 
überschreitet. Wir haben also im Grunde den bayrischen Durchschnitt 
etwas zu günstig gerechnet. 



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Kollegiengelder und Teilnahme an den Prüfungen. 139 

in besonderen Fällen erheblich überschritten werden. Nur dort, 
wo ein großer Lehrauftrag vorhanden, etwa für Laryngologie oder 
Kinderkrankheiten, wird das Kollegiengeld auch ein entsprechend 
hohes sein. Gewiß sprechen für den Lehrerfolg persönliche Tüchtig- 
keit, anregende Vortragsart und pädagogisches Geschick keine kleine 
Rolle; sie führen dem einen Dozenten Hörer zu, die der andere 
entbehrt. Aber weit mehr gibt doch das Fach und die Universität 
den Ausschlag, und im Durchschnitt ist die Einnahme aus den 
Kollegiengeldern jedenfalls nicht erheblich. 

In der Mitte steht endlich die Frage der Beteiligung an den 
Prüfungen. Prinzipiell steht sie in den meisten Staaten dem 
Universitätslehrer als solchem offen - unabhängig vom speziellen 
Range, soweit sie wenigstens Staatsprüfungen betreffen. In Wirk- 
lichkeit werden auch hier die Ordinarien bevorzugt: nicht immer 
zu ihrer eigenen Annehmlichkeit und Erbauung, sondern eher im 
Gegenteil, da vor allem an den großen Universitäten daraus eine 
nicht geringe Arbeitslast entsteht. Wenn sie aber doch übernommen, 
das Prüfungsamt von ihnen selbst erstrebt und von der Regierung 
gebilligt wird, so geschieht es wohl vornehmlich wegen des stär- 
keren Vorlesungsbesuches, der damit aufs engste zusammenhängt. 
Wenn aber der jüngste Ordinarius durch seine bloße Ernennung mit 
einem Male die Fähigkeit erlangt, warum sollten sie die älteren Pd 
und EO nicht ebensogut besitzen? Allerdings ist die tatsächliche 
Handhabung bei uns heute verschieden: im allgemeinen werden die 
juristischen EO und selbst Pd an den großen Universitäten zur 
Prüfungskommission herangezogen, ohne schon dadurch Beamten- 
charakter zu erreichen. Das ist einfach darum notwendig, weil die 
wenigen Ordinarien die Menge der juristischen Kandidaten in Berlin 
und Wien gar nicht bewältigen können. Ebenso werden zuweilen 
in der medizinischen und philosophischen Fakultät die EO mit 
einem Lehrauftrag zur Prüfungskommission herangezogen. Es be- 
deutet das zugleich eine erwünschte Entlastung der Ordinarien 
selbst; man wird aber dieselbe prinzipielle Konsequenz aus der tat- 
sächlichen Gestaltung der Dinge allenthalben ziehen müssen. Meist 
freilich wird die Sache so gehandhabt, daß auch bei EO mit Lehr- 
auftrag die Doktorpromotion Fakultätssache bleibt und die Gebühren 



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140 Gehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 

für Dissertation und Prüfung nicht dem EO, sondern dem benach- 
barten Fachordinarius zuteil werden. Ein etwas seltsamer Zustand, 
der sich nur aus der historischen Tradition erklärt, aber offenbar den 
veränderten Tatsachen gar nicht mehr entspricht. Da die Ordinarien 
tatsächlich den Unterricht nicht mehr allein zu erteilen vermögen, 
so wird man auch hier der neuen Entwicklung Rechnung tragen 
d. h. eine Anteilnahme auch der unoffiziellen Kreise zugeben müssen, 
die sowieso zur Mitwirkung herangezogen und bei der Unterrichts- 
arbeit nicht mehr entbehrt werden können. Ob dabei eine Ablösung 
der Gebühren und Sportein zeitgemäß ist, hat uns hier nicht zu 
beschäftigen. Einstweilen wird aber der Posten aus Prüfungs- 
gebühren beim „akademischen Nachwuchs" nur in Ausnahmefällen 
irgendwie ins Gewicht fallen. 

Etwas anders sind die Gehaltsverhältnisse in Österreich zu 
beurteilen: darum, weil hier die besoldeten Lehrkräfte überhaupt 
kein Kollegiengeld erhalten, sondern diese vom Staate eingezogen 
werden. Es müssen dementsprechend auch die Gehaltssätze höhere 
sein. Bei der Neuregelung der Verhältnisse sind auch tatsächlich 
Sätze eingestellt, die zunächst weit höher erscheinen, als die preu- 
ßischen und meisten nichtpreußischen. Das Anfangsgehalt der EO 
beträgt 3200 Kr. und steigt in 10 Dienstjahren bis auf 4000 Kr.^) 
Dazu kommen noch besondere Zulagen von verschiedener Höhe: 
die Aktivitätszulage beträgt in Wien 1400, in Prag und Graz je 800, 
in Insbruck und Czernowitz 700 Kronen; es können aber noch 
andere Gelder hinzukommen. Wir haben nun die festen Gesamt- 
gehälter der österreichischen EO wie in Deutschland genommen 
und in Mark umgerechnet (1 Kr. = 0,85 M.). Ohne Gehalt sind Vk, 
der EO - also wesentlich weniger als sowohl an den preußischen 
wie an den nichtpreußischen Universitäten; darunter die ganz über- 
wiegende Mehrzahl in der medizinischen Fakultät. Für die übrigen 
stellt sich in Österreich das Durchschnittsgehalt auf 4220 M., Prag 
hat die höchsten, Insbruck die niedrigsten Sätze. Rechnen wir bei 
den deutschen Universitäten einschließlich Wohnungsgeld 3400 M. 
noch durchschnittlich 800 M. Kollegiengelder hinzu, so würden wir 

1) Diese Angaben nach Biermer, S. 96ff. 



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,Gehaltsverhältnisse in Österreich. — Mangel an Vertretung. 141 

ebenfalls au! 4200 M. bei ihnen kommen. Die österreichischen 
Kollegen stehen sich tatsächlich im Durchschnitt ebenso, die Höhe 
ist auffallend gleich: dafür ist aber dieses ganze Gehaltseinkommen 
ein festes. Die Mediziner kommen am schlechtesten, die Juristen im 
Durchschnitt am besten fort, was aus der verschiedenen Alterszu- 
sammensetzung sich erklärt. Entsprechend sind in Österreich auch 
die einzelnen Gehaltsklassen höher. Unter 3000 M. erhalten nur 
wenige. Die Mehrzahl bezieht zwischen 3 - 5000 M., über 5000 M. 
haben noch 20 EO. Dafür sind aber ihre Altersverhältnisse noch 
ungünstiger als bei uns, da das Durchschnittsalter fast 47 Jahr beträgt. 
Entlegenere Fächer werden durch die feste Norm wohl vielfach 
besser, viel aufgesuchte jedenfalls schlechter dastehen als in Preußen. 
Auch die österreichischen EO erhalten für ihre Arbeitsleistung und 
das in ihnen steckende Bildungskapital nur eine unzureichende Ver- 
gütung, die eine angemessene Lebenshaltung nicht ermöglicht. 

Wir wissen bereits, daß und warum für einen Teil der EO die 
Stellung eine lebenslängliche geworden, zum mindesten aber eine 
langausgedehnte ist. Der Zustand ist demnach der, daß auf der 
Mittagshöhe des Lebens ein Dritttel der EO keinen Lehrauftrag hat 
und ein Viertel überhaupt kein festes Gehalt bezieht; das weitere 
V5 jedenfalls unzureichend besoldet sind: nur die EO, die einem 
„großen" Lehrauftrag für ein unentbehrliches Fach haben, vielleicht 
noch Institutsleiter sind, kommen den meisten Ordinarien wenigstens 
nahe und finden zudem durch Kollegiengeldeinnahmen ihr Auskommen. 
Dabei ist das Extraordinariat eben zum Teil Lebensberuf geworden, 
zum Teil werden mindestens die besten Mannesjahre darauf verbracht. 

Das ist freilich nur die materielle Seite, die man aber doch 
nicht vernachlässigen darf, um ein allseitiges Bild der Verhältnisse 
zu gewinnen. Aber diese EO sind nun wenigstens in Deutsch- 
land nicht in den Fakultäten vertreten: sie haben in Fakultäts- 
und Lehramts-Angelegenheiten nicht mit zu raten, werden bei der 
Festlegung des Stundenplanes und der Verteilung der Kollegs selten 
mit herangezogen, sind dadurch in den Prüfungen und Vorlesungen 
selbst von vornherein weit ungünstiger gestellt, wenn nicht einer 
der EO persönlich etwas beim. Ministerium durchsetzt oder gerade 



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142 Gehaltsverhältnisse der Extraordinarien. 

persönlich unter den Ordinarien einen Fürsprecher hat. Das soll 
hier nicht im einzelnen ausgeftlhrt werden, ist auch in den ver- 
schiedenen Fächern der Universitäten wohl verschieden. Nur die 
Tatsache bleibt bestehen, daß im Alter von 40-50 Jahren die 
EO in der Selbstverwaltung der Universitäten, an der sie lehren, 
gänzlich unvertreten sind, daß in einem Durchschnittsalter von 
46 Jahren nur ein kleiner Teil äußerlich sicher gestellt ist. Wir 
haben gesehen, daß das Aufsteigen zum Ordinariat sich hinaus- 
schiebt und daß es heute nicht mehr immer der Abschluß der 
Laufbahn sein kann, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der akade- 
mischen Lehrer hier stehen bleiben muß; sei es, daß für das Fach 
überhaupt kein Ordinariat besteht, sei es, daß der Lehraultrag nur 
ein Teilfach betrifft, das gar nicht auf volle Selbständigkeit rechnen 
kann. Jene Gehaltsverhältnisse und jener Mangel an Berufsvertre- 
tung sind dann als lebenslängliche zu betrachten.^) 

Gewiß haben die Bedürfnisse der Universitäten und der Hörer 
überhaupt erst die Möglichkeit der bisherigen Existenz dieser 
Fächer geschaffen, und gewiß ist die Stellung der Universitäts- 
lehrer eine ganz besondere, in vieler Beziehung eine weit an- 
genehmere und freiere als sonst irgendeine andere. Schon darum 
soll und darf sie nicht mit anderen Berufen verglichen werden. 
Aber sie ist doch teilweise eine recht bedrückte und ärmliche, wenn 
nicht gerade Privatvermögen vorhanden ist. Es läge ja sehr nahe, 
Vergleiche in dieser Beziehung anzustellen; aber mit Absicht wird 
davon abgesehen. Unsere Universitäten können heute noch mehr 
als ehedem im Grunde nur bestehen, weil nicht nur viel Idealismus 
bei der wissenschaftlichen Arbeit vorhanden ist, sondern weil auch 
in nicht wenig Fällen das Privatvermögen des Mannes oder der 
Frau im Hintergrunde steht. Dadurch wird aber die Laufbahn in un- 
gesunder Weise vor allem den Wohlhabenden eröffnet, was nicht 
im Interesse der Gesamtheit liegen kann. Mit diesem Einkommen in 
diesen Lebensjahren vermag nur ein kleiner Teil des „akademischen 
Nachwuchses" zu leben. Die Minderbemittelten werden in ihrer Arbeits- 
kraft gehemmt. Das ist aber die Hauptsache für das geistige Schaffen 

1) Im ganzen dazu MaxDessoir, Die Lage der außerordentlichen 
Professoren: im „Tag" Nr. 441 vom 3L August 1907. 



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Gesamtverhältnisse der EO. 143 

der Nation. Oberlange Wartezeit und gedrtlckte Lebensverhältnisse 
wirken notwendig au! die Qualität der Leistungen zurtlck; Beispiele 
dafür sind wohl an jeder Universität vorhanden. Wozu arbeiten, wenn 
doch keine Anerkennung mehr folgt, doch die großen Vorlesungen 
vorbehalten bleiben müssen, das Prüfungsrecht in erster Linie 
Hörerzahl und Kollegienbesuch bestimmt? Moralische Energie ist 
aber nicht immer mit geistiger Kapazität verbunden. Die Spann- 
kraft erlischt nur zu leicht, die unter günstigeren Verhältnissen 
noch Tüchtiges geschaffen hätte. Sie wird angeregt durch Aus- 
sicht auf Beförderung und Anerkennung. Diese Spannkraft, die 
auch zum guten Teile erst aus dem erfolgreichen Konnex mit den 
Schülern erfolgt, läßt sich nicht ersetzen. Der Ordinarius hat seine 
gesicherte Stellung, auch wenn er nicht mehr vrissenschaftlich 
schafft und das ist bei einem nicht kleinen Teile von ihnen der 
Fall. Bei den EO ist das nicht so möglich: er wird oft in seiner 
besten Kraft gebrochen und kommt dadurch zu vorzeitigem Still- 
stand oder zu minderwertigen Leistungen, ohne sich geistig und 
wissenschaftlich ausleben zu können. Gewiß hat die Erreichung 
eines Lehrstuhles in zu jungen Jahren ihre nicht minder große Ge- 
fahren für das geistige Schaffen: die jüngstgereiften sind selten 
die tiefsten Köpfe und besten Gelehrten; sie bleiben oft auch früh 
stehen. Aber das umgekehrte, wie es heute vielfach vorliegt, ist 
nicht minder bedenklich: es erzeugt Verbitterung und vorzeitige 
Abspannung der Kraft. Und in vielen Fällen bleibt nur die Tätig- 
keit außerhalb der Universitäten zur Ergänzung der Einnahmen 
übrig. Dem Kapitel wenden wir uns jetzt zu. 

6. Die außerakademische Tätigkeit 
Wenn wir die selbständige Tätigkeit außerhalb der Universi- 
täten in Betracht ziehen, aus der regelmäßige Einkünfte fließen, 
also mit anderen Worten, die außerakademische Erwerbsarbeit der 
EO und Pd betrachten, so sehen wir damit natürlich ab von dem 
Privatvermögen. Es spielt gewiß keine kleine Rolle im akademischen 
Berufe und ist bei einem nicht kleinen Teile eine direkte Notwendig- 
keit, wenn eine sorgenfreie Existenz gesichert sein soll. Es handelt 
sich indessen für uns nur um den aktiven Beruf. Auch hier ist eine 



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144 ^^G außerakademische Tätigkeit 

Scheidung der Fakultäten angebracht, da die Natur der Sache nach 
gerade darin die Verhältnisse ganz verschieden liegen. 

Es gibt ja eine Fakultät, die überhaupt von vornherein auf den 
Menschen als Objekt der Lehre angewiesen ist und darum durch- 
aus der steten Beziehung zur Praxis bedarf — die Medizin. So- 
bald die praktische Medizin und nicht die eigentlich naturwissen- 
schaftlichen Fächer der Anatomie und Physiologie und der ihr ver- 
wandten Disziplinen in Betracht kommen, ist darum bei ihr auch 
stets die Verbindung mit der Praxis gegeben. Der Dozent, gleich 
ob EO oder Pd, ist entweder Assistent bei einer Klinik oder er ist 
Krankenhausarzt oder er ist privater praktischer Arzt. Wenn er 
nicht einen der ersten Posten innehat, so ist seine private praktische 
Erfahrung in einem Spezialfach überhaupt Bedingung der Habili- 
tation. Und so finden wir, daß fast alle Mediziner mit Ausnahme 
der Assistenzärzte noch diesen Beruf selbst ausüben und prak- 
tizieren, d. h. zum mindesten konsultativ, in der Mehrzahl der Fälle 
wohl als Spezialarzt für irgendein Gebiet. Es gibt nun unter den 
Pd und EO solche Mediziner mit einem Weltruf, die von weit und 
breit aufgesucht werden, auch ohne daß sie der Ordinarius des 
Faches sind. Die Einnahmen sind entsprechend recht hohe. Wenn 
ein solcher EO in einer mittleren Universitätsstadt sein Einkommen 
aus der Praxis auf 18-20000 Mark, ein anderer auf noch höher 
angegeben hat, so sind das Einnahmen, die sonstige liberale Berufe 
überhaupt nicht zu erlangen imstande sind. Ein Gehalt in irgend- 
einer Form ist da freilich nicht mehr nötig: das bedeutet einfach 
die Lösung der sozialen Frage. Vor allem die Chirurgen und 
Gynäkologen werden wohl zuweilen auf solche Einnahmen rechnen 
können. Und in Berlin und Wien mögen einige viel konsultierte 
EO noch weit höher kommen. Aber das sind doch die großen 
Ausnahmen. 

Ein großer, vielleicht der größte Teil von ihnen steht recht 
bescheiden da, verdient sich aus Konsultation, Krankenhauspraxis, 
Abhalten von Ferienkursen, Privatsektionen u. dgl., nur ein kümmer- 
liches Dasein. Es kommt auf das Fach und viele zufällige Umstände 
an, nicht nur auf die persönliche Tüchtigkeit, ob jemand reüssiert. Die 
Einrichtung von privaten Polikliniken wird öfters aus eigenen Mitteln 



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Tätigkeit und Lage der Mediziner. I45 

nötig sein, um nur geeignetes Krankenmaterial zu erhalten und den 
Studenten vordemonstrieren zu können: diese akademische Tätig- 
keit macht noch Unkosten dazu und bringt wenig ein; es ist in der 
Umfrage wiederholt darauf hingewiesen worden. Wer den Titel 
Professor erhalten, hat freilich bereits dadurch eine Erhöhung seiner 
Einktlnfte gesichert: gerade darum warten manche darauf und 
haben die Habilitation unter persönlichen Opfern nachgesucht 
Aber auch jenes ist nicht die Regel; die Mehrzahl dtlrfte also eine 
recht kümmerliche Existenz führen. Es hieße nun offenbar die ganze 
ärztliche Standesfrage aufwerfen, wenn wir das hier ausführen wollten. 
Denn natürlich stammen deren ungünstige wirtschaftlichen und so- 
zialen Verhältnisse vorwiegend aus der Lage des ärztlichen Be- 
rufes selbst, aber nicht etwa aus der akademischen Tätigkeit, die 
ia meist nur eine nebensächliche und zufällige für diese Ärzte ist. 
Die Universität als solche steht außerhalb dieser Frage, die in ein 
anderes Gebiet hineingehört Nur das sei bemerkt, daß jedenfalls 
im großen die medizinischen EO und Pd trotz Privatpraxis nicht auf 
Rosen gebettet sind. Wir haben bereits gesehen, daß gerade bei dem 
Nachwuchs die Konkurrenz übermächtig ist und ein Teil der Ein- 
künfte nur auf Einrichtung der Kliniken, besserer Wohnung, An- 
schaffung von Apparaten und Zeitschriften, gerade auch bei Spezial- 
ärzten verwendet werden, wozu dann noch die nicht unerheblichen 
Abgaben für die Ärztekammer, für Unfallversicherung u. a. hinzu- 
treten. Freilich steht dafür ein nicht geringer Teil von ihnen auch 
nur in recht loser Beziehung zur Universität: hat sich nur habilitiert 
um ev. bessere Kundschaft und sonstige Stellungen zu erlangen, 
denkt auch gar nicht daran, in seinem Fache noch wissenschaftlich 
zu arbeiten, sondern geht ganz in der Praxis auf. 

Obereinstimmend wird auch das Honorar für schriftstellerische 
Tätigkeit als verschwindend angegeben, fast immer mit dem Zu- 
sätze, daß es durch die Kosten der Untersuchung, Zeichnungen, 
Separate usw. meist mehr als verschlungen würde. Das bezieht 
sich vor allem auf die eigentlich wissenschaftlichen Mediziner, die 
keine Praxis ausüben können wie Anatomen und Physiologen und 
nur darauf angewiesen sind, wenn sie nicht eben Assistenten sind 
oder über Privatvermögen verfügen. Ober die unzureichenden Ge- 

Eulenburg, der akad. Nachwuchs. 10 



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146 ^^^ außerakademische Tätigkeit. 

hälter der Assistenzärzte, Abteilungsvorsteher, bestallte Leiter der 
Polikliniken ist aber schon gesprochen; sie bleiben dürftig und 
reichen höchstens dann zu einem bescheidenen Lebensunterhalt aus, 
wenn freie Station damit verbunden ist. 

Anders liegen die Dinge prinzipiell bei den übrigen Fa- 
kultäten, wo die Notwendigkeit der praktischen Betätigung nir- 
gends so unmittelbar gegeben ist wie gerade bei den Medizinern. 
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß ein nicht kleiner Teil der 
unoffiziellen Universitätslehrer noch eine beamtete Stellung innehat 
und das akademische Lehramt nur als Nebensache betrachtet. In 
nicht wenigen Fällen ist diese Stellung die Bedingung der wirt- 
schaftlichen Existenz, um überhaupt an der Universität eine beschei- 
dene Wirksamkeit entfalten zu können. Der Gelehrte betrachtet 
dann diese Stellung nur als ein notwendiges Übel und als Einnahme- 
quelle, um sein eigentliches Ideal verwirklichen zu können. Es 
kommen wohl an jeder Universität einige jener entsagungsvollen 
Persönlichkeiten vor. Aber auch das Umgekehrte mag in nicht 
wenig Fällen, worauf bereits hingewiesen ist, vorkommen, daß die 
Universität nur als Ergänzung und als Liebhaberei ein Feld der 
Betätigung neben dem Amte bietet. Es fällt diese außerakade- 
mische Tätigkeit überhaupt aus unserem Rahmen und gehört in die 
Frage der liberalen Berufe, die uns hier nichts angeht. Uns kommt 
es nur auf die Tatsache dieser Beschäftigung selbst an. Es liegt 
aber auf der Hand, daß gerade durch eine solche Tätigkeit die 
wissenschaftliche Arbeit oft gehemmt und beschnitten wird und nicht 
zur vollen Entfaltung gelangen kann, da dazu vor allem sorgenfreie 
Muße notwendig ist Wenn aber jemand noch Mädchenschullehrer 
oder Bibliothekar oder Krankenhausdirektor oder Museumsassistent 
ist und seine lange Bureau- und Arbeitszeit für diesen Beruf hat, 
so scheint schon die Doppelstellung mit wissenschaftlicher Arbeit 
schwer vereinbar. 

Der Tätigkeitskreis, der so für die Universität als außerakade- 
mische Beschäftigung noch in Betracht kommt, ist sehr mannigfach. 
In der theologischen Fakultät ist es das Predigeramt neben etwa 
dem Konviktsdirektor oder Religionslehrer, das vor allem aus- 



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Amtliche tätigkeit außerhalb der Universität. 147 

geübt wird. Bei den Juristen das Amt des Richters oder Verwal- 
tungsbeamten, das eine Einnahmequelle bietet In Osterreich kommt 
diese letztere Kombination weit häufiger vor als bei uns. Bei der 
Medizin ist schon auf die Verbindung mit dem Amte des Anstalts- 
direktors oder Krankenhausarztes hingewiesen; auch Anstellung als 
Gerichtsarzt oder Kreisphysikus ist nicht selten. In der philosophi- 
schen Fakultät endlich kommt die Anstellung als Oberlehrer oder 
Bibliothekar häufiger vor: sie gibt manchem ttlchtigen Mann die 
Möglichkeit, nach dem Maße seiner kargen Mußestunden eine be- 
scheidene akademische Tätigkeit austlben zu können und es sind 
nicht gerade wenige Fälle bekannt, wo nur durch diese Verbindung 
eine Arbeitskraft für die wissenschaftliche Lehraufgabe gewonnen 
werden konnte. Durch alle diese Positionen ist doch wenigstens in 
den meisten Fällen eine dauernd gesicherte Stellung überhaupt 
vorhanden, was für einen weiten Kreis der akademischen Lehrer 
durchaus nicht zutrifft. 

Auffallend gering habe ich die Beteiligung in „privater ab- 
hängiger Stellung" gefunden. Vereinzelte Anteilnahme an einer 
Aktiengesellschaft und als Beirat bei einer chemischen Fabrik, Mit- 
arbeiter an einem Verlagsuntemehmen, öfters Arzt an einer privaten 
Krankenanstalt, kommen wohl hier und da vor; auch Hilfsarbeit 
bei einer wirtschaftlichen Interessenvertretung ist einmal angegeben. 
Aber alles das spielt doch nur eine ganz verschwindende Rolle. 
Man wird aus dem wirklichen Auftreten eines solchen Ausnahme- 
falles auch kaum größere Schlüsse ziehen können, da nur einige 
wenige Nationalökonomen und Chemiker vor allem an solchen 
Stellungen beteiligt sind. Sonst handelt es sich um Konvikte, 
wissenschaftliche Institute privater Art (Handelshochschule) u. a. 
Die deutschen Gelehrten sind noch Idealisten, die unabhängig sein 
wollen; die private Abhängigkeit kommt im ganzen vielleicht ein 
Dutzend mal vor, spielt aber im akademischen Leben keine irgend- 
wie nennenswerte Rolle^> Und der Beschluß des Salzburger Hoch- 
schullehrertages, Leute in abhängiger Stellung von der Habilitation 
gänzlich auszuschließen, würde nur verschwindende Ausnahmen 
treffen. — An den großen Universitäten kommt sodann öfters noch die 

10* 



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148 ^^® außerakademische Tätigkeit. 

Stellung als Lehrer an einer anderen Hochschule in Betracht In 
Berlin und Wien unterrichten einige Professoren des Polytechni- 
kums, der Bergakademie auch als EO mit Lehrauftrag an der 
Universität und haben dann aus ersterer Position eine gesicherte 
Stellung. 

Kommt die irreguläre Tätigkeit des Rechtsanwalts, sodann der 
Schriftstellerei, des Privatunterrichts und der Hochschulkurse in Frage. 
Ober die innere Bedeutung der letzteren ist schon in anderem Zu- 
sammenhang gesprochen. Als Einnahmequelle sind vielleicht nur die 
ärztlichen Ferienkurse von einigem Belange, die sich zunehmender Be- 
teiligung erfreuen und einem tatsächlichen Bedürfnis entsprechen. Ein 
Teil der Kollegen scheint auf diese Einnahmen stark zu rechnen. In 
Wien, wo das ganze Volkshochschulwesen durch die österreichische 
Dozentenvereinigung geregelt ist, gelangen jährlich etwa 50 000 Kr. 
zur Verteilung, was für den einzelnen immerhin ins Gewicht fällt. 
Sonst kommen die Einnahmen aus der Tätigkeit der freien Vor- 
träge nur als kleine Ergänzung in Betracht - ein paar hundert Mark, 
die freilich gern mitgenommen werden, da sie die häuslichen Finanzen 
etwas verbessern helfen. Diese Beteiligung an Hochschulkursen, Vor- 
trägen, Frauen- und Ferienkursen ist sovielfach eine dankenswerte Ein- 
richtung zur Ergänzung der mageren Kollegiengelder geworden. 
Aber auch Privatunterricht im eigentlichen Sinne des Wortes wird 
doch von einer Reihe Pd und EO nicht verschmäht. 

Bleibt die Hauptsache der außerakademischen Beschäftigung: 
die „schriftstellerische Tätigkeit". Das ist ein „weites 
Feld" und ein dunkles Kapitel zugleich. Sie wird im allgemeinen 
schlecht bezahlt, öfters ist auf der Fragekarte wohl mit Recht be- 
merkt worden, daß das Honorar die Ausgaben nicht decke, daß von 
„regelmäßigen" Einkünften gar nicht die Rede sein könne. Und 
man darf vielleicht sagen, je wissenschaftlicher das Fach und die 
Art der Behandlung, um so geringer die Einnahmen daraus. Natür- 
lich gibt es auch hier lohnendere Tätigkeit, etwa die Herausgabe eines 
eingeführten populären Lehrbuches oder die Leitung einer Zeitschrift 
oder die längere Unterstützung seitens einer Akademie u. dergl. 
Aber das sind Ausnahmen. Schlimm, wenn das Schreiben zur Not- 



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„Schriftstellerische Tätigkeit". I49 

wendigkeit geworden ist, um zu leben und jemand in Tagesschrift- 
stellerei oder in populären Schriften machen muß: Verzettelung der 
Kräfte, Vielschreiberei, Popularisieren fremder Werke ist dann die 
Folge. Mancher an sich tüchtige Gelehrte ist dadurch herabgesunken 
und für die Wissenschaft verloren. Beispiele davon hat wohl jede 
Universität aufzuweisen. Die Journalistik verdirbt nur zu leicht den 
wissenschaftlichen Ernst und das gediegene Arbeiten. 

Es ist bereits in anderem Zusammenhange darauf hingewiesen 
worden, daß die Spannkraft erlahmen muß, wenn keine Beförderung 
eintritt und im Tagesfrohn gearbeitet wird: das ist ein Verlust nicht 
nur für den Menschen selbst, sondern nicht selten auch ein Ver- 
lust für die Wissenschaft. Die Gelehrtengeschichte der Universitäten 
der Gegenwart weiß gerade unter dem „akademischen Nachwuchs^' 
von manchen gebrochenen Existenzen und vorzeitig verbrauchten 
Kräften zu erzählen. 



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Schlug 

Eine wissenschaftliche Untersuchung muß es sich genug sein 
lassen y die Tatsachen möglichst vollständig zu beschreiben, sie 
durch Darlegung der Ursachen zu erklären und^ event. noch die 
Entwicklungstendenzen, die in ihnen zum Ausdruck kommen, auf- 
zudecken. Das ist im vorangehenden objektiv versucht worden; 
dagegen ist jeder Vorschlag zu einer Änderung und jeder Hinweis auf 
eine Reform mit Absicht vermieden. Nur dies konnte gezeigt werden, 
daß die moderne Entwicklung selbst die Verhältnisse von Grund 
aus umgestaltet hat und daß sie eine wesentlich andere Richtung 
genommen als die heutige Universitätsverfassung sie äußerlich er- 
kennen läßt: der veränderte Inhalt will auch hier zu der alten Form 
nicht mehr passen. Diese ganze Entwicklung, die den unoffiziellen 
Lehrkräften eine neue und eigenartige Bedeutung zuweist, ist 
eine spezifisch junge, ist erst seit etwa zwei bis drei Jahrzehnten 
in die Erscheinung getreten. Aber die objektive Darstellung der 
Tatsachen selbst wies doch deutlich genug auf die Richtung hin, 
in der die zukünftige Entwicklung wird gehen müssen, wenn 
Form und Inhalt nicht in einem zu starken Mißverhältnis stehen 
sollen. Darüber mögen zum Schlüsse noch einige Worte gesagt 
werden. 

Zunächst ist dies zu betonen, daß die verschiedenen Gruppen 
von Universitätslehrern an sich nicht in einem Gegensatze zuein- 
ander stehen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Die fünf Kate- 
gorien von Lehrern, über die eingangs gesprochen, zusammen 
ergeben erst den vollen Lehrkörper. Die Ordinarien und die 
Nichtordinarien, um diese beiden Gruppen einander gegenüber- 
zustellen, stehen aber auch sonst in einem unlöslichen Wechsel- 



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Organisches Zusammenarbeiten der verschiedenen Lehrkräfte. 151 

Verhältnis zueinander. Die Stellung der einen beeinflußt mittelbar 
auch die der anderen: durch die lange Wartezeit der jüngeren Do- 
zenten wird die Erlangung des Ordinariates hinausgeschoben. Da- 
durch erhöht sich das Durchschnittsalter der Ordinarien und das 
wirkt auf die Position der jüngeren Kräfte zurück. Diese werden dann 
wieder auf der früheren Staffel länger festgehalten mit allen Folge- 
erscheinungen einer überlangen Wartezeit usw. Es ist eine Kette, 
bei der das eine Glied immer das vorhergehende und das folgende 
bindet. Man kann darum nicht etwa die Lage der heutigen EO 
verbessern und die Pd dabei unberücksichtigt lassen, weil sonst 
notwendig die Lage der letzteren in der Zukunft verschlechtert wird. 
Und auch die Assistentenfrage steht wiederum in einem unmittel- 
baren Zusammenhange mit der der Pd, da sie sich zum Teil aus jenen 
rekrutieren. Wie im Unterricht eine gegenseitige Ergänzung der 
Ordinarien, der EO, der Pd, der Assistenten und beauftragten 
Lehrer nötig ist und wirklich stattfindet, so auch offenbar in ihrer 
sonstigen Stellung als Universitätslehrer. Es handelt sich, wie ge- 
zeigt, um ein organisches Ineinandergreifen verschiedener Kräfte 
zu einem einheitlichen Ganzen und darum wird es sich auch um 
eine organische Weiterbildung der Universitätsverfassung handeln, 
bei der die bestehenden Institutionen gewahrt bleiben und sich nur 
eine zeitgemäße Erweiterung bzw. Umbildung gefallen lassen müssen, 
ohne daß etwa eine Verstaatlichung der Privatdozentur oder stär- 
kere Bureaukratisierung in Frage käme. 

Die Obelstände, die sich herausgestellt haben, liegen nach 
doppelter Richtung, einmal nach der materiellen Seite, der viel 
zu niedrigen Entlohnung und dadurch gedrückten Lebenslage eines 
nicht geringen Teiles der bisher unoffiziellen Lehrkräfte, sodann 
nach der ideellen. Es ist aber gänzlich ausgeschlossen, daß hier 
durch eine Gehaltsverbesserung allein schon eine wesentliche Ände- 
rung der Verhältnisse zu erwarten ist. Eine Erhöhung der Gehalts- 
sätze wird allerdings in den meisten Bundesstaaten nicht zu um- 
gehen sein, um wenigstens einigermaßen einen Ausgleich für die 
geistigen Leistungen der besoldeten EO und der Assistenten zu 
schaffen. Die Gehälter waren auch gar zu sehr hinter den ge- 
steigerten Lebensanforderungen zurückgeblieben. Hierüber wird 



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152 ^'^ Salzburger Beschlüsse. 

wohl am ehesten eine Verständigung möglich sein, da die Tatsachen 
selbst so lebhaft dafür sprechen und jeder Vergleich mit anderen 
gelehrten Berufen nur dasselbe beweist Eine weitere sachgemäße 
Vermehrung der Ordinariate wird sodann ebenfalls in Erwägung zu 
ziehen sein. Im Zusammenhange damit wird aber auch abgesehen 
von den besoldeten EO für den übrigen Teil dieser Universitäts- 
lehrer gesorgt werden müssen. Der Salzburger Hochschullehrer- 
tag^), der sich zum ersten Male eingehend mit der „I^rage des 
akademischen Nachwuchses'' beschäftigte, faßte als Punkt 4 folgen- 
den Beschluß: „Es ist darauf Bedacht zu nehmen, daß an Pd 
und unbesoldete EO, deren Tüchtigkeit bewährt ist, be- 
soldete Extraordinariate ad personam verliehen werden 
und daß auch solche Pd, deren wirtschaftliche Lage nicht 
dazu angetan ist, ihre Stellung zu sichern, durch Ver- 
leihung von Gehältern und Stipendien ihrem Berufe er- 
halten bleiben."*) Damit ist wohl im Prinzipe das wesentlichste 
gesagt; das einzelne muß Gegenstand künftiger Erwägungen sein. 
Aber die materielle Seite steht doch im Grunde erst in zweiter 
Linie und betrifft kaum die Hauptsache. Die liegt vielmehr durchaus 
nach der ideellen Seite, d. h. nach der Richtung einer Vertretung in 
den regierenden Fakultäten, der Anteilnahme an der Verwaltung der 
eigenen Angelegenheiten und der der Universitäten. Sind die un- 
offiziellen Lehrkräfte heute tatsächlich ein integrierender Bestandteil 

1) Verhandlungen des L deutschen Hochschullehrertages zu Salz- 
burg im September 1907. Straßburg 1908, S. 65. 

2) Die Resolution beginnt mit den Worten: „Eine der wichtigsten 
Grundlagen für das Gedeihen der Hochschulen ist die Sicherung eines 
tüchtigen und benifsfreudigen Nachwuchses für den akademischen Lehr- 
beruf. Zu diesem Zwecke hält die erste Tagung der Hochschullehrer fol- 
gendes für eriorderlich: 

1. Bei der Zulassung zum akademischen Lehrberufe muß die Autonomie 
der Hochschulen erhalten bleiben: 2. Die Professorenkollegien sollen bei 
Zulassung zur Privatdozentur die höchsten Anforderungen an die wissen- 
schaftlichen Leistungen der Bewerber stellen, aber jeder wissenschaft- 
lichen Richtung gleichmäßig den Zugang zu den Hochschulen offen 
lassen. Auszuschließen sind Personen, die ihrer Lebensführung oder 
Lebenstellung nach ungeeignet für den Lehrberuf und die unabhängige 
Forschung erscheinen." 



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Mitwirkung und Vertretung in den regierenden Fakultäten. 153 

des Unterrichtes geworden, der nicht entbehrt werden kann, so wird 
man ihnen auch eine Mitwirkung bei den Beschlüssen über dessen Ge- 
staltung auf die Dauer nicht verweigern können. Es handelt sich dabei 
um Fragen, die sie selbst aufs nächste angehen: um die Habilitation 
neuer Dozenten, um die Vollständigkeit des Unterrichtes und die 
Verteilung der Vorlesungen, um die Regelung des Prüfungswesens, 
um die Benutzung der Lehrmittel und Institute, zum Teil aber über- 
haupt um die Bedürfnisse von Fächern, die sonst gar nicht in der 
Fakultät vertreten sind, u. v. a. In allen diesen Fragen kommen 
heute ausschließlich die Mitglieder der engeren Fakultät zu Gehör, 
obwohl deren Interessen keineswegs immer mit denen der außer- 
halb stehenden Kollegen Hand in Hand gehen. Persönliche Ver- 
einbarungen mögen öfters bestehende Härten mildern und nicht 
selten einen guten modus vivendi geschaffen haben. Aber es wird 
doch wohl an einen systematischen Umbau und eine organische 
V/eiterbildung der Universitätsverfassung gedacht werden müssen, 
um den veränderten Verhältnissen der Gegenwart Rechnung zu 
tragen.^) 

Es sind gewiß mehrere Möglichkeiten vorhanden, um die Fehler 
und Lücken des heutigen Systems zu verbessern und eine behut- 
same V^^eiterbildung durchzuführen. Der Salzburger HochschuUeher- 
tag faßte nach dieser Richtung den folgenden Beschluß (3): „den 
außerordentlichen Professoren undPrivatdozenten ist die 
ihnen als Mitgliedern der Professorenkollegien vonHoch- 
schulen gebührende Stellung ohne Engherzigkeit einzu- 
räumen und so weit als erforderlich zu sichern. Insbe- 
sondere ist überall eine Einrichtung dahin zu treffen, daß 
sie bei den allgemeinen Angelegenheiten des Lehrberufs 
in den Körperschaften der Hochschule auf geordnetem 
Wege zu Gehör kommen." Diese Formulierung ist so gefaßt, 
daß im einzelnen nicht vorgegriffen wird, wie die wirkliche Gestal- 
tung sich vollziehen soll. Man kann nun entweder eine selb- 
ständige Organisation außerhalb der Fakuläten befürworten, in der 
die gemeinsamen Angelegenheiten zur Sprache kommen und die 

1) Dazu die früher zitierten drei Aufsätze von Max Dessoir im 
„T^* Nr. 426 u. 441 und „Nationalzeitung" Nr. 395 (Jahrg. 1907). 



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154 Notwendigkeit einer organischen Weiterbildung 

ihrerseits durch Vertreter mit dem Senate der Universität und den 
Fakultäten verhandelt. Die Versuche, die man in dieser Richtung 
in Leipzig und Jena gemacht, bestehen noch zu kurze Zeit, als daß 
man ein abschließendes Urteil über diese Einrichtung abgeben 
könnte. Oder man könnte nach dem Vorgange der österreichi- 
schen und schweizerischen Universitäten den EO mit Lehrauftrag 
einen Sitz im Professorenkolleg gewähren; dann würden die EO ohne 
Lehrauftrag und die Pd zum mindesten eine gewisse Vertretung inner- 
halb der Fakultät haben müssen.^) Auch dann würde wohl noch eine 
besondere Organisation dieser letzteren Lehrkräfte nötig werden, weil 
ja sonst deren Vertreter in der Fakultät ganz isoliert ständen und 
gar keine Fühlung mit den anderen Kollegen hätten, die sie ver- 
treten sollen. Wollte man sich aber bei der Heranziehung der EO 
zu den Geschäften der Fakultät auf die Vertreter von Spezialfächern 
beschränken, die von Ordinarien nicht wahrgenommen werden, so 
würde eine große Schar von Universitätslehrern überhaupt ganz 
ohne Vertretung bleiben: deren Interessen würde wiederum keine 
Rechnung getragen und für sie würde dann doch über kurz oder 
lang eine eigene Organisation nötig werden. Vielleicht wäre da- 
her die Organisation einer engeren und einer weiteren Fakultät 
zu erwägen, da es vermieden werden muß, die akademischen 
Lehrer, die erst in ihrer Gesamtheit den Lehrkörper darstellen, 
von vornherein zu trennen. Vielmehr liegt es wiederum im eige- 
nen Interesse der Hochschulen, die universitas liier anim schon 
änßerlich in der Üniversitätsverfassung irgendwie zum Ausdruck 
zu bringen. 

Auch im einzelnen ergeben sich noch eine ganze Reihe von 
Schwierigkeiten über die Kompetenzfrage etwa bei Berufungen u. ä. 
Das soll gewiß nicht verkannt werden und wird noch manche Be- 
ratung nötig machen; aber das darf nicht hindern, daß man über- 
haupt an zeitgemäße Reformen denkt und die Frage in Angriff 



1) In Osterreich ist die Einrichtung so getroffen, daß die EO in der 
Fakultät nur die Hälfte der ordentlichen Professoren ausmachen dürfen, 
die Pd aber durch zwei Mitglieder vertreten werden. Ober die Zweck- 
mäßigkeit dieses Modus wird jedoch gestritten (vgl. auch die Salzburger 
Verhandlungen, S. 62). 



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der heutigen Universitätsverfassung. X55 

nimmt Denn auch hier handelt es sich letzthin um die eigenen In- 
teressen der Universitäten selbst. Wenn wie gezeigt, das Ordinariat 
im Durchschnitt heute erst mit 40 Jahren erreicht wird, so ist es 
etwas spät, dann erst mit der Selbstverwaltung zu beginnen. Es kann 
für die künftigen Ordinarien und für die Würde der Universitäten 
nur von Vorteil sein, wenn möglichst früh mit der selbständigen Be- 
handlung der eigenen Angelegenheiten und mit der Anteilnahme an 
der Verwaltung begonnen wird. Denn auch das will gelernt sein, 
wie das Unterrichten und das Abhalten von Kursen selbst. Und da 
die Aufgaben der Universitäten sich in der Gegenwart extensiv und 
intensiv so gesteigert haben, so bedeutet diese Anteilnahme zugleich 
eine Entlastung für den Ordinarius. 

Die deutschen Universitäten haben in dem halben Jahrtausend 
ihres Bestehens die allertiefsten inneren Wandlungen durchgemacht. 
Man kann wohl sagen, daß sie ihren Rang nur haben behaupten 
können, weil sie sich den Verhältnissen immer anzupassen ver- 
standen. Ihre Lebenskraft besteht in der Anpassungsfähigkeit, mit 
der sie neue Aufgaben, neue Fächer, neue Hörerkreise aufzunehmen 
vermochten. Es ist gezeigt, daß in der Gegenwart sich diese Auf- 
gaben wieder besonders erweitert haben und die alten Cadres dem 
nicht mehr entsprechen. Aber die Universitätsverfassung ist weit 
genug, um für die bisher außerhalb der Fakultäten stehenden Lehrer 
Raum zu schaffen. Es ist zu erwarten, daß diese Anpassung sich 
organisch vollziehen, daß die innere Umgestaltung des Lehrkörpers 
damit auch äußerlich ihren Ausdruck finden wird, weil nur dann die 
erweiterten Aufgaben des Universitätsunterrichtes in gedeihlicher 
Weise erfüllt werden können - zum Besten deutschen Geistes und 
deutscher Wissenschaft. 



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Formular der Fragekarte 



1. Vor- u. Zuname: 



2. Stand u. Beruf des Vaters: 

3. Genauer Titel u. Stellung a. d. Universität: 
(auch Angabe, ob Assistent od. ähnl): — 

4. Etwaiger Beruf außerhalb der Universität: 

5. Sind Sie ledig oder verheiratet? 



6. Geboren am in 

7. Promoviert (Datum) (Ort) 

8. Habilitiert als Privatdozent (Datum). (Ort) 

9. Frühere praktische Tätigkeit: 



10. Ernannt zum Professor (Datum) (Ort) - 

a) nur Titel? b) auch Lehrauftrag? 

11. Höhe der regelmäßigen Vergütung für akademische Tätigkeit 

(außer Kollegiengeld und Prüfungsgebühren) 

a) etatsmäßig: Mark b) nicht etatsmäßig: Mark 

12. Eigene Tätigkeit außerhalb der Universität, soweit aus ihr regelmäßige 

Einkünfte fließen (zu unterstreichen): 

a) als praktischer Arzt b) als Richter oder Rechtsanwalt 

c) als Mittelschullehrer d) in anderer amtlicher Stellung 

e) durch schriftstellerische Tätigkeit f) in privater abhängiger Stellung 
g) durch Privatunterricht h) in Volkshochschulkursen 

i) welche sonstige Tätigkeit? 



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VERLAG TON B.G.TEUBNER IN LEIPZIG UND BERLIN. 



DIE FEEÜUENZ 
DER DEUTSCHEN UNIVERSITÄTEN 

VON IHRER GRÜNDUNG BIS ZUR GEGENWART. 
VON FRANZ EULENBURG. 

Mit 1 Karten. 8 graphischen DarBtellnngen. [XIIn.;324S.] Lex.-8. 1904. geh. »^10.— 

Die Arbeit berücksichtigt sowohl das knltnrhistorische wie das soziologische 
Interesse. Dadurch bietet sie einen Gradmesser ebenso für die geistige Intensität 
Jeder Zeit wie für die Bedürfnisse der (Gesellschaft nach gelehrten Studien. Die 
mannigfachen Wandlungen, die das deutsche Universitätsleben in dem halben Jahr- 
tausend seines Bestehens durchgemacht hat, finden hierin ihren besonderen Aus- 
druck. Es werden weiter die soziale Herkunft, das Bekrutierungsgebiet und die 
Wanderungen der Studentenschaft verfolgt, die wechselnde Bedeutung der ein- 
seinen Hochschule aufgezeigt. Der Anteil der verschiedenen Fächer am Studium 
gibt einen Gradmesser der herrschenden Gheistesrichtung, die Zusammensetzung 
des Lehrkörpers zeigt das äuBere Schicksal des wissenschaftlichen Unterrichts. 

BIBLIOGRAPHIE 
DER DEUTSCHEN IJNIYERSITÄTEK 

SYSTEMATISCH GEORDNETES VERZEICHNIS DER BIS 

ENDE 1899 GEDRUCKTEN BÜCHER UND AUFSÄTZE 

ÜBER DAS DEUTSCHE UNIVERSITÄTSWESEN. 

IM AUETBAGE DES PBEUSSISOHEK ÜNTEBBICHTS - MHOSTEBIUMS 
BBABBEITET VON 

WILHELM EBMAN und EWALD HOEN. 

I. ALLGEMEINER TEIL, IL. BESONDERER TEIL, 

unter Mitwirkung von E. Hom unter Mitwirkung yon W. Ermui 

bearbeitet yon W. Erman. bearbeitet yon £. Hörn. 

[XX u. 886 S.] Lex.. 8. 1904. geh. JC 80.—, [XX u. 1268 S.] Lez.-8. 1904 geh..^40.— , 

in Halb£rana geb. JC 96.— in Halbfrans geb. «^46.— 

m. TEIL, REGISTER UND NACHTRÄGE ENTHALTEND, 

bearbeitet yon W. Erman. 

[VI n. 818 S.] Lex.-«. 1905. geh. JC 15.— , in Halbfranz geb. ^18.— 

Hauptaufgabe des Werket ist es, das für die Oeschiohtschrefbung der 
dentsehen XJniyersitftten und des Studentenlebens vorhandene Material an Dmck- 
sohrifken möglichst yollsULndig sn yerseichnen und durch sweckm&filge Anordnung 
und ersdiOpfende Begister bequem sugftnglich su machen; femer soll die Biblio- 
graphie dienen als Hilfsmittel für den Betrieb der Bibliotheken, fOr Sammler 
und für Antiquare. Endlich dürfte sie sich auch als nfitslioh erweisen fOr den 
Oebrauch der Behörden, denen die Verwaltung und Leitung der XJniyersitftten 
obliegt, fOr die Untenichtsministerien sowie für die Kuratorien und Bektorate 
der einseinen XJniyersitftten. 



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VERLAG VON B. G. TEUBNER IN LEIPZIG UND BERLIN. 

UNIVERSITÄT UND SCHULE. 

Vorträge auf der Versammlung deutscher Philologen u.Schulmänner 

am 25. September 1907 zu Basel gehalten von 

F. KLEIN, P. WENDLAND, AL BRANDL, AD. HARNACK. 

Mit einem Anliange: Vorsolilage der Unterriohtelcommissioii der Geseliscliaft 

deutsclier Naturforsclier und Arzte betreffend die wissenecliafHicIie Auebiidung 

der Lehramtsicandidaten der Mathematilc und Naturwiseenschaften. 

[88 S.] gr. 8. 1907. geh. Jt 1.60, geb. JC "l,— 

Inhalt: I. Mathematik und NatnrwiBsenschaften von F. Klein. — II. AltertomswiBBen- 
sohaffe von F. Wendland. — m. Neuere Sprachen yon AI. Brand 1. — lY. Geschichte und 
Beligion von Ad. Harnaok. — Anhang. — SchluBbemerkung. 

Der Inhalt der vorliegenden Schrift, der Anlaß zu ihrer Entstehun» und 
die Art ihres Zustandekommens ist in einem gewissen Maße schon durch den 
Titel gekennzeichnet; es genüge hier hinzuzufügen, daß das große Thema 
„Universität und Schule" in den vier Parallelvorträffen absichtlich nicht nach 
seiner Vielseitigkeit, sondern ausschließlich im Hmblick auf die in erster 
Linie interessierende Frage der wissenschaftlichen Ausbildung der Lehramts- 
kandidaten behandelt wird. Es liefen hier bekanntlich wichtige und 
dringende Probleme vor, zu deren Klärung die vier Autoren beizutragen 
wünschen, indem jeder einzelne vom Standpunkte der von ihm vertretenen 
Disziplinen argumentiert. Es ist ein kollektives und doch zugleich durch- 
aus individuelles Vorgehen. 

SCHÜLERVERBINDUNGEN UND 
SCHÜLERVEREiNE 

Erfahrungen, Studien und Gedanken. 

Von 

Prof. Dr. MAX NATH, 

Direktor des EOnigl. BealgymnasiumB zu Nordhausen a. Harz. 
[VI u. 186 S.] gr. 8. 1906. geh. JK 2.60, in Leinwand geb. .>*: 3.20. 

Die jüngste Vergangenheit hat erwiesen, dafi die Schülerverbindungen, diese j^est** 
der Disziplin, keineswegs ausgerottet sind, vielmehr an den höheren Lehranstalten nach wie 
vor im Verborgenen ihr Wesen treiben, und es sind Anzeichen vorhanden, daß die ÖfTentlichkeit 
dieser Erscheinung gegenüber zu einer laxen Beurteilung neigt. An der Hand der Literatur 
des Oegenstandes und auf Grund eigener Erfahrungen wird die Eigenart der Schülerverbindungen 
gekennzeichnet, ihre absolute Unvereinbarkeit mit dem Wesen der höheren Schule nachgewiesen ; 
es wird näher auf einige Umstände (Alte Herren, Eartellkorps) eingegangen, die den Kampf 
gegen das Übel zu einem so schwierigen machen, es wird die Art der Untersuchung, des Ver- 
fahrens gegen die Gastwirte besprochen, von der Form der Bestrafung gehandelt, endlich die 
Frage aufgeworfen , ob die beteiligten jungen Leute eine harte Beurtcdlung verdienen. Die 
Beantwortung dieser Frage leitet über zu den Maßnahmen, die gegen das Entstehen von 
Schülerverbindungen getroffen werden können, als deren hauptsächlichste die Erlaubnis 
erscheint, Schüler vereine zu begründen. Wieder unter Bezugnahme und mit Heranziehung 
der Literatur wird vorzüglich an der Hand des Buches von A. Bausch geprüft, innerhalb 
-welcher Grenzen und zu welchen Zwecken solche Vereine gestattet werden können. Manche 
Einzelfrage: Wirtshausbesuch der Schüler, AntLalkoholbewegung , die Fensionatsverhältnisse, 
werden dabei gestreift. 



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