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Full text of "Der Börsen- und Gründungs-Schwindel in Berlin"

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DER 

BÖRSEN-  UND  GRÜNDUNGS-SCHWINDEL 

IN  DEUTSCHLAND. 


Vebersetzimgert  in  fremde  Sprachen  werden  ausdrücliich  nicht  vorbehalten, 
sondern  gern  frdgeejehen.  Dagegen  sind  längere  Aussiige  und  Mittheilungen 
nur  mit  Genehmigung  der  Verla gshandhmg  gestattet.  Die  Liste  aus  dem 
Capitel  „Xolkswirtheund  Gründer  im  Parlament"  darf  nicht  nachgedriickt  werden. 


DER  BÖRSEN- 


UND 


RÜNDÜNGS-SCHWINDEL 

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IN  j)eutschland: 


(ZWEITER  THEIL  YOX  „DER  BÖRSEN-  UND  GRUNDüNGS- SCHWINDEL 
IN  BERLIN'.) 


VON 


OTTO  GLAGAU. 


„Aufgeklärt  muss  werden  und  Jedermann 
muss  überzeugt  werden,  dass  mit  der  Fackel 
bis  in  den  letzten  Winkel  hineingeleuchtet  worden 
ist.     Dann  wird  das  Volk  beruhigt  sein " 

Herr  Lasker  am  15.  Februar  1873 
im  Preuss.  Abgeordnetenliause. 


LEIPZIG. 

VERLAG   VON    PAUL    FROH  BERG. 

1877. 


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Ititjtmöitlitli. 


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ilkv  ruljiji  Icljtii  niill,  btni  nifbt  btr  lUtiff 
Den  uitifcn  liatlj,  nlJjfit  örii  iiliuii  ju  Ijnltrn, 
(fr  miip4'  il)u  öffiifn  öEiin  !u  Coli  uub  JJrfire. 

Oas  nait  fdtou  nis  bas  i3fftc  bei  btii  3Cltcii, 
Um  fidi  ju  fidjfni  «or  (ßcfalir  unb  llnnlirii 
Hub  uor  bfr  Jllifjiiiiiil't  Ijerrfdjfubtr  ffinualtpii. 

ttlfr  l'.ül)iier  ift,  bfr  möiit  Tidi  liffdirnnkrii 
Uu  roonbclii  niif  bem  nnsnftrftiirii  ilfnbe 
Dfr  milbtu  JJIjraffii,  lurldjc  llinimiib  krniil'.fii. 

Cr  fiJrfdic,  fidirr,  bnß  n  gfiiitm  fdmbc; 
Jllou  miilTf  bfiii  ßfbiirftiiß  l!fd)nuuiji  tniijru 
Unb  iiid)t  btti  tiiiib  niisfdiUttEU  mit'btm  ßnbf  1 

3tudj  biinu  iiod)  wirb  er  Ttol;  unb  mit  ßpl)niitn 
Df6  CeüfHB  Unum  bnrdjninUtn,  von  bcr  U)iiibel 
ßis  nu  bns  önljrtudj  —  Uicmanb  niirb  il)ii  frijloiuu. 

lüfnn  nbfr  ©iiirr  M)  aus  btm  (riffnibjl 

tifrnusiirfift  einen,  iljn  btm  lloll;  p  jtiatn 

Unb  niisuiruffn:  ,,*fl!t!  0er  mnrijt  btn  ^rtjiuinbel!''  — 

Dann  roirb  Coijlcidi,  nndibfui  bns  rrftc  5diuifiiifn 
Des  Ädired;s  liebrodjeu  ift,  bis  nn  bie  Sterne  ' 
ein  Ciirm  fidj  Ijebcn  unb  ein  fäfterreirten: 

„tjört  nur!     (?r  fudit  *cnnbnl  unb  Ijnt  ilin  nerne! 
boA)  nuiii'  er  uiriit  (Cieljür  }n  ftnbtu  l)offen   — " 
Uns  Cbien  flelju  jjerfijnlidjlifiten  ferne!" 

3o  rufen  3iüe,  bie  iujieidi  oetroffen 

Sid)  fiiljlen,  nienu  bie'fdjiuereu  tUorte  fdioüen, 

Unb  fidj  ;u  i^iißcu  feliu  beu  ^Vbyrnnb  offen. 

Dnnn  U)erfeu  in  bie  firuft  fidj  bie  ünfnlleu 
Des  J"iirften  ffiolb,  bie  Ijödilt  eljrlinreu  Ceute; 
Denn  Cljrbnrkeit  ift  eiijen  iljuen  Allen: 

Uub  nns  iiebuniineu  ölätteru  kläfft  bie  jtleute: 
„Stoiift  iljm  beu  iUunb!    üerjnnt  ihn  uon  ber  Öiiljne! 
ÜJcrft  iljn  uns  l;in  als  Inngrt  miükouunue  ßeute:" 

Dnnu  lieft  mnu  uon  (fvrciren  ber  (iribiine, 
Uou  Uebef redil)f it,  uon  beu  böfeu  3ciriien 
Der  peit  uub  uon  ernftlidj  erljeifdjter  Üliline. 

(!)  })ljttriräer,  t)euri)ler  ohne  ©leidjen, 

Die  il)r  nidit  keuut  $ä)en,  {\üikM)t  ober  (?l)re, 

Ulenu'5  gilt  iieuieineu  üortl;eil  iu  erreidjeu  — 

JUie  jittert  in  beu  ijnuben  eud)  bie  Sdieere! 

(D  lent  Tie  liin,  bnfi  nidit  Tie  eure  tjrinbe 

Unb,  was  norii  luidjt'uer,  bie  Coujious  uerfelire  — 

Unb  merlit:  Dies  ifl  btr  Slufauij,  nidjt  bns  gube: 

ilfadderadatfift,  oin  13.  JlpriE  1873,  nndi  den 
ßilsHCi'fdicu  „Sntfiäffungcu". 


'(^.'i^^^^^.'S^^^^:^^^^^^^^^^:^^^l^t^^^i^;^:^S^^^^ 


Die  UitU  ^riiiifdiitit. 


Cnuiift  mnr  ntftürjt,  lufallfu  nibliri) 

jirbiurbc  fnule  (Sriinbfrfi, 

Uiib  3cbcm  frijicii  es  fflüftucrfiniiblidi, 

Dnf,  iiuit  itidits  iiitl)r  511  nriiitbfit  fei. 

Da  brirtit  mit  luiitljciibcm  Yirfi1)iiaubr, 

Dtm  (Eure  iiifidj  im  i^tnirfiiliinl, 

ticr  (ö  In  (in  II  nus  bfr  „(rmrtculnnbf ' 

iliib  iiriiiibrt  —  uriiubtt  bcn  ^cniib 


Ütaildcrailntl'l,  nm  20.  fcCninr  1876,  imrfi  rltn 
CJlrtgmrfifitn  CiitfiüIIungcn. 


1i^T'^^^^}iSjjQ^^^!!SljiS^i^^t^isX^''i2)r 


Inhaltsverzeichniss, 

Seite 

lliipcrföiilid) 1"V 

flic  Icljtc  ©rüttbiutg "V 

Vorwort VII 

Zur  Einleitung XVll 

Das  Actiengesetz  und  das  „Milliardengeschäft"   .... 

Die  „Hebung"  der  Industrie 2Ii 

Die  Blütlie  der  Industrie G6 

Der  Triumph  der  Industrie 120 

„Starker  Tabak" 148 

Es  fehlt  an  Jod! 216 

Textil-Gründungen 25S 

Die  Wohlthäter  der  Gesellschaft 3c 

Die  Presse  im  Dienste  der  Börse  und  der  Gründer     .     .  439 

„Volkswirthe"  und  Gründer  im  Parlament       493 

Register 557: 


Vorwort. 

Als  Anfang  1876  der  erste  Tbeil  dieser  Schrift  erschien, 
war  ich  nicht  darauf  gefasst,  dass  er  solch  Aufsehen  er- 
regen würde,  da  ein  grosser  Theil  des  Inhalts  bereits  durch 
die  „Gartenlaube"  weite  Verbreitung  gefunden  hatte.  Das  Buch 
gab  Veranlassung  zu  stürmischen  Parlamentsdebatten.  Am 
5.  Februar  citirte  es  im  Deutschen  Reichstag  der  Abg.  von 
Ludwig  gegen  Herrn  Miquel,  aber  er  wurde  von  Eugen  Richter 
undConsorten  förmlich  niedergeschrieen,  und  selbst  sein  Fractions- 
genosse,  Herr  Windthorst- Meppen,  hielt  es  für  nöthig,  ihn 
feierlich  zu  desavouiren.  Herr  Lasker  versicherte,  mein  Buch 
enthalte  ,, wissentlich  oder  unwissentlich  Unwahrheiten",  weil 
es  u.  A.  behaupte:  seit  dem  Tode  des  Dr.  Zabel  wären  er 
(Lasker)  und  Bamberger  die  eigentlichen  Redacteure  der  „Natio- 
nalzeitung". Mit  dieser  echt  talmudistischen  Finte  suchte 
Lasker  die  Anklage  gegen  seinen  Freund,  den  grossen  Gründer 
Miquel  zu  pariren;  und  der  moderne  Cato  benutzte  die  Tribüne, 
um  ein  Buch  zu  verdächtigen,  von  dem  er  nur  gehört,  das  er 
selber  gar  nicht  gelesen  haben  wollte !  Herr  Miquel  vertheidigte 
sich  jammerliaft,  aber  fast  die  gesammte  Deutsche  Presse,  bis 
nach  Petersburg  und  New-York  hin,  erklärte:  Miquel  habe  sich 
„würdig"  und  „glänzend"  gerechtfertigt. 

Als  am  29.  März  1876  der  seit  drittehalb  Jahren  vergrabene 
Bericht  der  Special-Untersuchungscommission  über  das  Eisen- 
bahn-Concessionswesen  im  Prcuss.  Abgeordnetenhause  endlich 


—     VIII    — 

zur  Berathimg  kam,  war  es  der  mehrfache  Gründer,  Herr  von 
Kardorif,  der  sich  meines  Buches  bediente,  um  für  die  Kränkungen, 
die  er  von  Lasker  erlitten,  Revanche  zu  nehmen.  Noch  kurz 
vorher  hatte  er  sich  gerühmt,  dass  er  nicht  den  „courage  du 
ruisseau"  besitze,  und  nun  hiess  er  mich  öffentlich  den  „Haupt- 
matador unserer  Pasquillanten".  Das  aber  hatte  ich  am  wenigsten 
um  Herrn  von  Kardorif  verdient.  In  der  Vorrede  zu  meinem 
Buch  habe  ich  den  famosen  Brief  abgedruckt,  woselbst  ein 
Parlamentarier  sich  entschuldigt:  er  sei  unter  die  Gründer  ge- 
gangen, um  ,,ohne  Vermögensverluste"  als  Gesetzgeber  wirken 
zu  können;  aber  voll  grossmüthiger  Schonung  hatte  ich  ver- 
schwiegen, dass  dieser  praktische  Volksvertreter  Herr  von  Kar- 
dorff  ist.  Zum  Dank  dafür  schmähte  er  mich  nun  im  offenen 
Parlament!  Aber  noch  mehr.  Ludolf  Parisius,  den  ich  mit 
Ehren  genannt,  weil  er  im  Landtag  einst  darauf  hingewiesen, 
dass  die  Polizeipräsidenten  von  Wm-mb,  von  Gerhard  und  von 
Brandt  als  Aufsichtsräthe  von  Actienunteruehmungen  fungirten 
—  Herr  Parisius  sprang  auf  und  rief:  Mein  Buch  beweise,  „mit 
welcher  Frechheit  und  Nichtswürdigkeit  eine  gewisse  Art  von 
Schriftstellern  verfährt",  mein  Buch  enthalte  „Liig-cu  und  Ter- 
leumdiingeu*'  —  weil  es  behaupte:  die  Stelle,  welche  Lasker 
als  Syndicus  des  Städtischen  Pfandbriefamts  bekleidet,  ist  eine 
Sinecure.  „Die  Stadt  Berlin  vergiebt  keine  Sinecuren !"  donnerte 
Parisius;  und  selbst  Lasker  sah  sich  genöthigt  zu  bemerken: 
Das  Pfandbriefamt  ist  „kein  eigentlich  städtisches  Institut,  son- 
dern nur  unter  Aufsicht  der  Stadtbehörden  eine  Gesellschaft, 
die  auf  Gegenseitigkeit  beruht".  —  Die  Stelle  des  Herrn  Lasker 
ist  „eine  sehr  mühevolle  und  sehr  verantwortliche,  bei  der 
täglich  die  Arbeit  noch  wächst",  declamirte  Herr  Parisius;  und 
nun  frage  ich  diesen  Biedermann:  Wie  nennt  man  eine  Stelle, 
die  es  Herrn  Lasker  erlaubt,  9  Monate  in  den  Parlamenten  zu 
sitzen,  und  im  Sommer  3  Monate  auf  Reisen  zu  gehen?  Wenn 
das  keine  Sinecure  ist,  was  ist  es  denn  sonst?  —  Allein  es 
sollte  noch  besser  kommen.   Noch  in  derselben  Sitzung  kehrte 


IX 


sich  Herr  Parisius  gegen  von  Kardorflf,  weil  dieser  mich  einen 
Pasquillanten  genannt,  und  er  erklärte  nun  lolötzlicli:  „In  dem 
Buche  steht  aucli  sehr  viel  Wahres".  —  Ist  das  nicht,  um 
tiell  aufzulachen,  und  kann  man  einen  solchen  Mann  üherhaupt 
ernsthaft  nehmen  ? !  Herr  Parisius  hat  seinen  völligen  Mangel 
in  Geschmack  und  Tact  bereits  durch  seine  Schrift  bewiesen: 
,Des  Herrn  Referendarius  Heinrich  von  Mühler  Gedichte";  Herr 
Parisius  gilt  bei  seinen  eigenen  politischen  Freunden  für  einen 
3chwachkopf,  und  bei  den  Nachwahlen  zum  Reichstag  hat  man 
hn  als  eine  „komische  Figur"  fallen  lassen.  Herr  Parisius  ist. 
Nie  ich  hinterher  gefunden,  selber  Aufsichtsrath.  Unter  seinem 
Vorsitz  vollzog  sich  im  „Berliner  Aquarium"  die  Palastrevolution, 
yelche  den  bisherigen  Director,  Dr.  Brehm  stürzte,  und  an 
lessen  Stelle  den  persönlichen  Freund  des  Herrn  Parisius  setzte. 
lerr  Parisius,  der  1871  gegen  Beamte  als  Aufsichtsräthe  eiferte, 
st  inzwischen  glücklich  dahin  gekommen,  dass  er  in  einem 
Wahlverein  äusserte:  Die  Gesetzgebung  und  speciell  das  Actien- 
gesetz  ist  an  der  wirthschaftlichen  Nothlage  nicht  schuld,  da 
3S  in  anderen  Ländern,  z.  B.  in  Oesterreich,  nicht  besser  aussieht. 
Die  Sitzung  vom  29.  März  1876,  in  welcher  der  Bericht 
1er  Special -Untersuchungscommission  auf  der  Tagesordnung 
itand,  bot  ein  unsagbar  klägliches  und  geradezu  ekelhaftes 
Schauspiel.  Herr  Lasker,  der  aus  einem  Ankläger  ein  Ange- 
ilagter,  ein  Anwalt  der  parlamentarischen  Gründer  geworden, 
ivusste  durch  eine  seiner  unendlichen  öden  Reden  die  Sache 
odt,  das  Haus  müde  und  mürbe  zu  machen.  Erst  in  später 
J^achmittagsstunde,  als  der  Saal  sich  schon  gelichtet,  die  ent- 
;äuschten  Zuhörer  die  überfüllten  Tribünen  bereits  verlassen 
latten,  gelangte  der  Abgeordnete  Schröder-Lippstadt  zum  Wort, 
ind  er  trat  nun  ritterlich  für  mein  Buch  ein,  ohne  sich  durch 
las  Geschrei  der  „liberalen"  Gründer  irre  machen  zu  lassen. 
Wie  sie  sich  auch  sträubten  und  krümmten,  sie  mussten  Stand 
aalten,  und  unter  seineu  Geisselhiebcn  schlugen  sich,  wie  die 
jStaatsbürgerzeitung"  sagte,  „die  letzten  Gründertödtcr  sachte 


-     X    — 

in  die  Büsche".  Es  war  in  der  That,  eine  grosse  schmachvolle 
„Retirade",  die  Herr  Lasker  und  Genossen  ausführten.  Herr 
von  Bennigsen  schien  zuerst  den  Präsidentenstuhl  ruhig  be- 
haupten zu  wollen,  und  verliess  ihn  erst,  als  seine  vielberufene 
Gründung:  Hannover-Altenbecken  in  Sicht  kam. 

Auch  in  den  Gerichtssälen  fand  mein  Buch  ein  Echo.  Es 
wurde  gegen  die  Gründer  geltend  gemacht,  und  dann  auch 
wieder  von  diesen,  zu  ihrer  Vertheidigung  angerufen.  So  in 
einem  Prozess  vor  dem  Berliner  Criminalgericht,  wo  die  Ange- 
schuldigten an  der  Hand  meines  Buches  beweisen  wollten,  die 
von  ihnen  verübte  Gründung  sei  unter  allen  sonstigen  mit  die 
beste  und  anständigste.  So  selbst  in  jenem  vielgenannten  Cri- 
minalprozess  zu  Moskau,  wo  der  Angeklagte  Landau  aus  meinem 
Buche  lange  Stellen  zur  Charakteristik  seines  Genossen  und 
angeblichen  Verführers,  ßaruch  Hirsch  Strausberg,  vorlas. 
Nebenbei  bemerkt,  hat  die  Presse,  einschliesslich  der  Tele- 
graphen-Bureaux ,  in  Sachen  des  „Eisenbahnkönigs"  so  schau- 
derhaft gelogen,  dass  man  noch  heute  nicht  weiss:  ist  dieser 
Mann  verurtheilt,  oder  wird  er  noch  immer  blos  als  „  Zeuge '^ 
in  Russland  festgehalten?  Jedenfalls  beweist  die  Reclame,  die 
in  den  Zeitungen  unaufhörlich  für  Strausberg  gemacht  wird, 
dass  der  angeblich  jetzt  ganz  mittellose  Wunderdoctor  nach 
wie  vor  über  grosse  Mittel  verfügt. 

Von  der  Presse,  die  ich  ja  als  Mitschuldige  des  grossen 
Schwindels  gekennzeichnet  habe,  ist  es  natürlich,  dass  sie  an 
meinem  Buch  keinen  Geschmack  finden  konnte.  Nur  wenige 
Zeitungen  Hessen  ihm  Anerkennung  widerfahren,  aber  selbst  diese 
brachten  keine  eingehende  Besprechung.  Verschiedene  Blätter, 
darunter  der  „Deutsche  Reichs-  und  Preuss.  Staatsanzeiger", 
forderten  Recensionsexemplare  ein,  wagten  aber  trotzdem  keine 
Recension.  So  gefährlich  erschien  Allen  mein  Buch!  Um  ihrer 
Wuth  Luft  zu  machen,  begann  die  Gründer-Presse  umher  zu 
suchen,  ob  sie  nicht  irgend  etwas  fände,  das  mich  verdächtigen 
oder  blosstellen  könne.  Die  Stettiner  „Ostseezeitung"  „enthüllte" 


XI 


plötzlich,  dass  ich  in  einem  1864,  also  vor  12  Jahren,  geschrie- 
benen Artikel  über  Fritz  Reuter,  „Olle  Kamellen"  mit  „Alte 
Kamelien"  übersetzt  hätte.  Diese  „Enthüllung"  soll  in  der 
Berliner  „Volkswirthschaftlichen  Gesellschaft"  verabredet  sein, 
und  machte  nun  die  Runde  durch  die  Presse.  Ich  spreche 
nicht  von  solch  untergeordneten  Blättern,  wie  Berliner  „Tribüne", 
„Leipziger  Tageblatt",  aber  selbst  Journale  ersten  Ranges,  wie 
die  „Weser -Zeitung"  und  das  „Weltblatt",  die  „Kölnische" 
schämten  sich  nicht,  eine  solch  alberne  Geschichte  zu  über- 
nehmen. Hätte  ich  jenen  Lapsus  wirklich  begangen,  was  läge 
daran,  was  wäre  damit  bewiesen?  Indess  war  ich  im  Stande 
schlagend  darzuthun,  dass  er  mir  gar  nicht  einmal  zur  Last 
fällt,  dass  ein  blosser  Druckfehler  vorliegt,  und  ich  forderte  die 
Berichtigung,  aber  etliche  Blätter  verweigerten  dieselbe!  Eine 
andere  „Enthüllung",  die  von  Berliner  Zeitungen  ausging,  be- 
schuldigte mich  eines  Plagiats,  das  ich  gleichfalls  vor  langen 
Jahren  verbrochen  haben  sollte.  Welchem  Schriftsteller  könnte 
nicht  ein  solcher  Vorwurf  gemacht  werden,  und  gegen  wen 
ist  er,  mit  Recht  oder  Unrecht,  nicht  erhoben  worden!  Sogar 
gegen  unsere  Klassiker!  Ich  gehöre  zu  denjenigen  Autoren, 
die  selber  arg  geplündert,  mehr  benutzt  als  genannt  worden 
sind,  und  ich  habe  mich  darum  nie  bekümmert.  Allerdings 
versuchte  man  einmal  im  „Literarischen  Centralblatt"  und  im 
„Magazin  für  die  Literatur  des  Auslandes"  mich  als  Plagiator 
hinzustellen,  weil  ich  in  einer  Reiseskizze  den  Artikel  eines 
Andern,  ohne  Quellenangabe,  benutzt  haben  sollte;  worauf  ich 
einfach  erwiderte,  dass  ich  mich  begnügt,  diejenige  Quelle  zu 
nennen,  aus  welcher  wir  Beide  —  ich  und  der  Verfasser  jenes 
Artikels  —  gemeinsam  geschöpft  haben. 

Einen  Hauptstoss  unternahm  dasjenige  Blatt,  welches,  wie 
kaum  ein  anderes,  den  grossen  Schwindel  genährt  und  ihm 
mit  allen  Kräiten  gedient  hat,  die  Berliner  „Nationalzeitung". 
Nachdem  sie  verschiedentlich  von  dem  walmsinnigen  Denun- 
cianten  Titus  Gates  gesprochen,  über  den  geifernden  Thersites 


—     XII     - 

geklagt,  der  mit  seinen  Verleumdungen  den  Markt  beherrsche, 
und  über  den  schleichenden  Basilio  gezetert,  der  aller  "Welt 
erzähle,  was  für  schändliche  Dinge  Thersites  behaupte  —  brachte 
sie  ein  Sonntags -Feuilleton  von  Karl  Frenzel,  unter  dem 
packenden  Titel:  „Ein  kurzes  Capitel  von  der  Verleumdung". 
Herr  Frenzel,  zu  „anständig"  und  zu  tapfer,  um  die  Dinge  und 
die  Personen  bei  ihrem  vollen  Namen  zu  nennen,  weil  er 
sonst  vor  den  Strafrichter  geladen  werden,  oder  sich  eine 
anderweite  Ahndung  zuziehen  könnte  —  tischt  seinen  Lesern 
folgendes  Geschichtchen  auf:  „Gustav  ist  ein  kleiner  Speculant, 
mühsam  hat  er  sich  einige  tausend  Thaler  erworben  und 
einige  glückliche  „Coups"  damit  gewonnen.  Ein  neues  Un- 
ternehmen taucht  auf,  eine  Lindenbaugesellschaft.  Das  „Pro- 
ject"  leuchtet  ein,  der  „Prospect"  verspricht  bedeutende  Divi- 
denden: Gustav  legt  sein  Capital  darin  an  und  verliert  Alles. 
Jetzt  kommt  die  Wuth  über  ihn,  eine  berechtigte  Erbitterung, 
er  stützt  das  Haupt  auf  den  Arm  und  greift  zur  Feder  Juve- 
nals.  Die  Gründungen  sind  hin,  werft  ihnen  die  Gründer  nach!" 
—  Nun,  Herr  Frenzel,  Sie  erzählen  ganz  hübsch,  aber  Sie 
bleiben  nicht  bei  der  Wahrheit.  Lassen  Sie  mich  die  Geschichte 
berichtigen-,  ich  kenne  jenen  Gustav  genau,  und  ich  kenne  auch 
einigermassen  —  Sie,  Herr  Frenzel.  —  Gustav  ist  kein  Specu- 
lant, sondern  er  ist  Ihresgleichen;  er  war  sogar  viele  Jahre, 
d.  h.  vor  dem  Schwindel,  Ihr  Wandnachbar,  nämlich  Mitar- 
beiter an  dem  Feuilleton  der  „Nationalzeitung".  Gustav  hat 
keine  glücklichen  „Coups"  gemacht,  sondern  Alles,  was  er 
besass,  mit  seiner  Feder  redlich  erworben.  Er  beging  nur  die 
Thorheit  für  sein  gutes  Geld  Actien  des  „Lindenbauverein" 
zu  kaufen.  Der  „Prospect"  verlockte  ihn  nicht,  denn  die  Grün- 
der, darunter  eine  Excellenz,  waren  so  vorsichtig  gewesen, 
gar  keinen  „Prospect"  zu  veröffentlichen,  und  das  rettete  sie 
vor  dem  Gefängniss.  Sie  standen  acht  Monate  in  Untersuchung, 
und  der  Staatsanwalt  erklärte  schliesslich  zu  den  Acten,  dass 
hier  ein  grosser  schändlicher  Betrug  vorliege,   der  moralisch 


-     XIII    — 

unbedingt  zu  verurtheilen,  aber  strafgesetzlich  leider  nicht  zu 
fassen  sei.  Nein,  Herr  Frenzel,  was  Gustav  bewog,  die  Actien 
zu  kaufen,  war  der  Glaube  an  Ihre  eigene  tugendsame  Zeitung, 
waren  die  redactionellen  Reclamen  in  der  „Nationalzeitung". 
Ihr  College,  Herr  Julius  Schweitzer,  für  den  Sie  so  begeistert 
eingetreten  sind,  meldete  in  Nr.  73,  74,  78,  80,  83,  89,  91  und 
99  der  ,, Nationalzeitung",  Jahrgang  1872  —  lesen  Sie  gefälligst 
nach,  Herr  Frenzel  —  von  dem  „Lindenbauvereiu"  lauter  Gutes 
und  Glückliches,  z.  B.  dass  das  aufgelegte  Actiencapital  weit 
überzeichnet  sei,  und  eine  starke  Reduction  der  Anmeldungen 
stattfinden  müsse,  dass  für  mehrere  Parcellen  bereits  hohe 
Offerten  vorlägen,  ja  dass  ein  Eckgrundstück  mit  9000  Thaler 
die  Quadratruthe  und  andere  Parcellen  ähnlich  bezahlt  worden. 
Daraufhin  kaufte  Gustav  die  Actien,  und  er  fand  sich  schmählich 
betrogen,  indem  es  sich  herausstellte,  dass  von  all'  jenen  Mel- 
dungen kein  Wort  wahr,  Alles  miteinander  erlogen  war. 
Gewiss  war  der  Verlust  schmerzlich,  aber  nicht  deshalb 
griff,  wie  Sie  fein  insinuiren,  Gustav  „zur  Feder  Juvenals".  Er 
schrieb  seine  Artikel  gegen  den  Schwindel  und  die  Schwindler, 
um  das  Publikum  aufzuklären.  Hätte  er  jene  Artikel  abge- 
brochen, hätte  er  auch  nur  einzelne  Persönlichkeiten  verschont 
—  er  hätte  seinen  Verlust  zwauzigmal  einholen  können.  Man 
hat  ihm,  was  er  beweisen  kann,  direct  und  indirect  viel  Geld 
geboten;  aber  er  nahm  es  nicht,  er  schrieb  ruhig  weiter.  Sie, 
Herr  Frenzel,  und  andere  kluge  Leute  werden  das  für  unglaub- 
lich oder  doch  für  sehr  einfältig  halten.  Sie  schliessen  Ihr 
Feuilleton  mit  den  Worten:  „Denn  ach!  ich  schlage  an  meine 
sündige  Brust;  wir  Alle,  ob  wir  nun  Otto  oder  Anton,  Hein- 
rich oder  Karl  heissen,  ob  wir  die  Gründer- Aera  segnen  oder 
verwünschen:  wir  schreiben  nur,  weil  wir  es  brauchen, 
sonst  schrieben  wir  gewisslich  nicht!"  —  Das  also  ist 
Ihr  Glaubensbekeuutniss,  Herr  Frenzel?  —  Sie  heissen  ja  wol 
Karl  mit  Vornamen?  —  und  in  der  That  Sic  handeln  darnach. 
Sie  sind  ohne  Frage  ein  Mann  von  Kenntnissen  und  Geschmack, 


—    XIV     - 

Sie  stehen  als  Kritiker  in  meinen  Augen  noch  höher  als  selbst 
Herr  Paul  Lindau,  Sie  haben  in  allen  ästhetischen  Dingen  ein 
feines  sicheres  Urtheil.  Warum  schreiben  Sie  nun  jahraus 
jahrein  jene  drei-  und  vierbändigen  Romane,  die  noch  lang- 
weiliger sind  als  das  ödeste  Leihbibliothekenfutter,  und  die  für 
Ihre  zahlreichen  Verleger  so  schmerzliche  Erinnerungen  bilden? 
Warum  reissenSie  den  grossen  Dichter  Paul  Lindau,  der  Sie  in 
seinem  Stücke  „Ein  Erfolg"  carikirt  hat,  in  der  „National- 
zeitung" als  blossen  Macher  herunter,  und  heben  ihn  dann  wie- 
der in  der  „Deutschen  Rundschau"  auf  den  Schild,  indem  Sie  hier 
sagen:  Paul  Lindau  ist  ein  Charakterkopf,  den  man  auf  der 
modernen  Bühne  nicht  übersehen  darf?  Warum  wenden  Sie 
sich  zuerst  gegen  Herrn  von  Hülsen,  der  es  geduldet  hat,  dass 
Paul  Lindau  Sie  auf  die  Bühne  brachte,  und  tragen  hinterher 
den  Berliner  General-Intendanten  in  die  Tafeln  der  Geschichte 

ein? Sie  thun  das  Alles,  weil  Sie  es  leider  Gottes!  nöthig 

haben;  „Sie  schreiben  nur  weil  Sie  es  brauchen,  sonst 
schrieben  Sie  gewisslich  nicht".  Sie  haben  auch  „Ein 
kurzes  Capitel  von  der  Verleumdung"  schwerlich  aus  eigener 
Ueberzeugung,  nur  im  Auftrag  Ihrer  Kostgeber  geschrieben, 
denn  wenige  Monate  nachher  eiferten  Sie  gegen  die  „Wagnerei" 
in  Baireuth  und  nannten  sie  in  dem  jetzt  gebräuchlichen  omi- 
nösen Sinne  eine  „Theater gründung".  So  scharf  verur- 
theilen  Sie  hier;  und  doch  ist  die  „Wagnerei"  eine  Gründung 
bloss  in  der  Familie,  die  nur  die  Leute  angeht,  die  sich  dazu 
verbunden  haben,  und  die,  wie  es  scheint,  mit  ihrer  Stiftung 
ganz  zufrieden  sind. 

Freilich,  Herr  Frenzel,  Ihr  Glaubensbekeuutniss  gilt  für 
Sie  und  die  ungeheuere  Mehrzahl  Ihrer  Collegen.  Aber  keine 
Regel  ohne  Ausnahme,  und  als  solche  Ausnahme  erlaube  ich 
mir  Ihnen  jenen  Gustav  oder  Otto  —  wie  Sie  wollen  —  vorzu- 
stellen. Alles,  was  Gustav  oder  Otto  geschrieben  —  und  er 
schreibt  allerdings  nicht  zu  viel  —  hat  er  aus  voller  Ueber- 
zeugung, ja  aus  innerem  Drange,  sonder  Zwang,  Furcht  oder 


—    XV    — 

icksicht,  und  stets  mit  voller  Verantwortlichkeit  geschrieben. 

:  gehört  zu  den  Schriftstellern,  die  nicht  ihre  Feder  modeln, 

nachdem  sie  für  dieses  oder  jenes  Blatt  schreiben,  sondern 

e  umgekehrt  verlangen,  dass  das  betreffende  Blatt  ihnen  Con- 

ssiouen  mache.    Ohne  Frage  ist  diese  Species  schon  selten 

worden,    aber  sie  ist,   dem  Himmel  sei  Dank!  noch  immer 

cht  ausgestorben.    Und  damit  Gott  befohlen,  Herr  Frenze!! 

Auch  die  jüdischen  Witzblätter,„Kladderadatsch",  „Wespen" 

d  „Ulk",  die  ihren  Glaubensgenossen  Lasker,  wegen  seiner 

Enthüllungen"  gegen  die  Gründer,  unter  die  Sterne  versetzt 

ben,  waren  eifrig  bemüht,  mich  als  blossen  „Verleumder"  und 

iandalmacher"  hinzustellen.    Zwar  leben  wir  in  einem  christ- 

h-germanischen  Staat,  aber  was  bei  uns  dem  Juden  recht  ist, 

dem  Christen  nimmer  billig;   dieselbe  Sache,  für   die   der 

ie   mit  Ehren  überschüttet  wird,    trägt  dem  Christen   nur 

hn  und  Schimpf  ein.    Um  den  zweiten  Theil  meines  Buches 

Voraus  zu  discreditiren,  verbreitete  die  Gründerpresse  im 

rbst  1876:    ich  sei  wegen  Beleidigung  eines  Aufsichtsraths 

iter  Ausschluss  der  Geldbusse"  zu  drei  "Wochen  Gefängniss 

urtheilt,  und  publicirte  später  noch  andere,  ebenso  unmög- 

le  Erkenntnisse.    „Ueber  Land  und  Meer",  die  Zeitschrift 

Herrn  Eduard  von  Hallberger,  auch  eines  mehrfachen  Auf- 

itsraths,    brachte  einen  langen  Artikel  zur  Verherrlichung 

Baruch  Hirsch  Strausberg,   und  liess  hier  einfliessen:  der 

hter  habe  mich  der  „Verleumdung"  schuldig  befunden. 

I  leicht  kann   bei  den  Tausenden  von  Namen  und  Daten, 

mein  Buch  enthält,  eine  Unrichtigkeit,  ein  Irrthum  unter- 

fen;  aber  das  wäre  noch  keine  Beleidigung  oder  gar  „Ver- 

mdung"!    Allerdings   haben  wegen  des  ersten  Theils  drei 

sonen  gegen  mich  geklagt,   drei   edle  Juden,   aber  diese 

zesse  schweben  noch,  und  zwei  der  Kläger  haben  sich  in 

ge  ihrer  Klage  ein  Einschreiten  der  Staatsanwaltschaft  zuge- 

en,  wegen  ihrer  Betheiligung  an  den  von  mir  behandelten 

indungen    und    wegen    wissentlich     falscher    Denun- 


XYI 


ciation.    Weiteres  werde  ich  nach  Austrag  der  Prozesse  mit- 
theilen. 

Auch  dieser  Theil,  darauf  bin  ich  gefasst,  wird  in  der 
Gründerpresse  ein  Wuthgeschrei,  eine  Fluth  von  Verdäch- 
tigungen hervorrufen,  und  darum  will  ich  dem  Leser  einen 
Fingerzeig  geben.  Diejenigen  Blätter,  die  sich  gegen  mich  am 
ärgsten  geberden,  sind  durch  ihre  Theilnahme  und  Mithülfe 
beim  Schwindel  am  schwersten  compromittirt. 


In  dem  vorliegenden  Bande  behandle  ich  die  gegründeten 
Fabriken  und  Verwandtes-,  dazu  „Die  Presse  im  Dienste  der 
Börse  und  der  Gründer"  und  „Volkswirthe  und  Gründer  im 
Parlament".  Diese  beiden  Capitel  habe  ich  mit  Rücksicht  auf 
den  ohnehin  schon  so  grossen  Umfang  des  Buchs  nur  skizziven 
können.  Für  diese  beiden  Themata  steht  mir  noch  ein  reiches 
Material  zu  Gebot,  das  ich  späterhin  verarbeiten  werde.  Sollte 
der  zweite  Theil  eine  ähnliche  Aufnahme  finden,  wie  der  erste, 
so  ist  es  meine  Absicht  noch  einen  dritten  folgen  zu  lassen, 
hier  die  Bergwerke,  Banken  und  Eisenbahnen  zu  besprechen, 
und  ausserdem  folgende  Artikel  zu  bringen:  Die  General- 
versammlungen und  das  Publikum;  Die  „Entgrün-' 
düngen";  Die  „invaliden"Reichsfonds;DieGründer  vor 
Gericht;  Die  Folgen  des  Schwindels;  Der  Segen  des 
„Krachs";  Die  Mängel  und  Schäden  des  Actienwesens. 

Zum  Schlüsse  bemerke  ich  noch,  dass  nunmehr  auch  mein 
Schauspiel  „Aktien"  im  Buchhandel  erschienen  ist.  Obwol 
dieses  Stück,  das  den  Börsen-  und  Gründungsschwindel  dra- 
matischvorführt, von  hervorragenden  Dramaturgen  und  Theater- 
directoren  für  höchst  bühnenwirksam  erklärt  worden  ist,  hat  es 
bisher  doch  noch  keine  Bühne  aufzuführen  gewagt  —  aus  blosser 
Furcht  vor  den  Juden  und  Gründern.  So  blieb  mir  nichts  übrig, 
als  das  Schauspiel  dem  Publikum  durch  den  Druck  zugänglich 
zu  machen. 

Berlin,  Aiml  1877.  Otto  (xlagan. 


Zur  Einleitung. 

Die  Geschichte  der  Gründungen  und  Emissionen  von  1870 
bis  1873  ist  die  Geschichte  eines  unerhört  grossen  und  frechen, 
raffinirten  und  intensiven  Schwindels,  vrie  er  sonst  noch  nicht 
dagewesen.  Der  Statistiker  Enge],  selber  ein  vielfacher  Gründer, 
berechnet  die  Coursverluste,  welche  das  Publikum  bei  den  an 
der  Berliner  Börse  gehandelten  Actien  erlitten,  auf  etwa  700  Mil- 
lionen Thaler.  Von  den  Gründungen  der  Schwindelperiode  ist 
jedoch  kaum  die  Hälfte  im  Berliner  Courszettel  zur  Notirung 
gekommen,  so  dass  man  den  Gesammtverlust  auf  gut  1500  Mil- 
lionen Thaler  veranschlagen  darf  —  eine  Summe,  welche  die 
riesige  Kriegsentschädigung,  welche  Frankreich  leisten  müssen, 
weit  übertrifft.  Was  aber  bedeuten  diese  Coursverluste  gegen- 
über den  Wunden,  welche  der  Schwindel  dem  allgemeinen 
Wohlstand  geschlagen;  gegenüber  der  Krisis  in  Handel  und 
Industrie,  die  seit  Jahren  Deutschland  verheert,  und  deren  Ende 
noch  gar  nicht  abzusehen  ist;  gegenüber  dem  Nothstand,  der 
auf  dem  Volke  lastet,  dasselbe  mit  Unzufriedenheit  und  Er- 
bitterung erfüllt,  immer  grössere  Schaaren  der  Socialdemokratie 
in  die  Arme  treibt,  und  an  verschiedenen  Orten  bereits  Krawalle 
und  Revolten  hervorgerufen  hat!  Wie  viel  hat  das  Deutsche 
Volk  an  seinem  Rufe  und  Ansehn  eingebüsst ;  wie  schnell  ist 
der  Ruhm,  den  es  eben  errungen,  wieder  verblasst  und  ver- 
blichen !  Wie  viel  hat  es  verloren  an  P^hrlichkeit  und  Moralität, 
an  Tugend  und  Religion,  an  Arbeitslust  und  Sparsamkeit,  an 

Glagau,  Der  Börseuschwindel.  II.  b 


—    XVIII    — 

Zucht  und  Sitte!  Die  schwersten  und  unnatürlichsten  Ver- 
brechen sind  an  der  Tagesordnung,  Mord  und  Raub,  Einbruch 
und  Diebstahl  machen  Stadt  und  Land  unsicher,  Betrug  und 
Unterschlagung  grassiren  wie  Seuchen,  der  Selbstmord  ist  epi- 
demisch geworden.  Bettler  und  Vagabunden  streifen  in  Schaaren 
umher,  die  Gefängnisse  und  Strafanstalten  sind  überfüllt,  die 
Zahl  der  Civil- und  Criminalprozesse,  der  Concurse,  Subhastationen 
und  Executionen  ist  Legion. 

Alles  das  sind  die  unmittelbaren  Folgen  des  Börsen-  und 
Gründungsschwindels,  und  dieser  ist  wieder  in  der  Hauptsache 
das  Werk  der  Juden  und  Semiten.  Bei  der  ungeheuren  Mehr- 
zahl der  Gründungen  sind  die  eigentlichen  Urheber  und  Macher 
—  Juden,  und  ihre  Helfershelfer  recrutiren  sich  leider  aus  allen 
Schichten  der  Gesellschaft  bis  hinauf  zum  hohen  Adel  und  bis 
zu  den  ersten  Beamten.  Ihre  Hauptverbündeten  aber,  deren 
Hülfe  in  Rath  und  That,  deren  Eiufluss  und  Macht  sie  zu  ge- 
winnen wussteu,  waren  „Volkswirthe"  und  Parlamentarier,  Li- 
teraten und  Advocaten. 

Wie  die  Gründung  fein  einzufädeln,  das  Gesetz  schlau  zu 
umgehen,  die  Gründer  vor  Gefahr  und  Schaden,  d.  h.  vor  Ver- 
antwortlichkeit zu  bewahren  seien,  das  lehrte  und  zeigte  der 
Advocat.  Ein  und  derselbe  Advocat  entwarf  die  Statuten,  nahm 
die  einzelnen  Acte  auf,  insceuirte  die  verschiedenen  Gründungs- 
Komödien,  bescheinigte,  dass  die  nöthige  Einzahlung  auf  das 
gezeichnete  Actiencapital  geleistet  sei,  stellte  die  Anträge  beim 
Handelsrichter,  und  entwarf  für  diesen  sogar  die  Vei- 
fügungen,  die  meistens  acceptirt  wurden.  Ein  und  derselbe 
Advocat  fungirte  als  Notar  bei  der  constituirenden  und  bei  den 
späteren  Generalversammlungen,  wo  er,  wenn  die  Actiouäre 
rebellirten,  den  Gründern  tapfer  beisprang-,  oder  aber  er  Hess 
sich  in  den  Aufsichtsrath  wählen,  was  das  famose  Actiengesetz 
nicht  einmal  verbietet,  und  waltete  dann  als  „Syndicus"  der 
Gesellschaft.  Gewisse  Berliner  Rechtsanwälte  sassen  als  Auf- 
sichtsräthe  gleichzeitig  wol  in  einem  Dutzend  von  Gesellschaften, 


—     XIX    — 

die  sich  zum  Theil  untereinander  Concurrenz  machten.  Gewisse 
Berliner  Rechtsanwälte  waren  von  den  Gründern  besonders  ge- 
sucht; sie  haben  die  meisten  und  die  faulsten  Gesellschaften 
ins  Werk  setzen  helfen.  Einer  von  ihnen  hatte  sich  zu  den 
Gesellschaftsverträgen,  die  er  so  zahlreich  aufnahm,  sogar  ein 
Formular  lithographiren  lassen;  und  wenn  er  bescheinigen  sollte, 
dass  die  nöthige  Einzahlung  durch  die  „Ersten  Zeichner"  erfolgt 
sei,  so  Hess  man  ihn  einfach  in  einen  halbdunkeln  Schrank 
sehen.  Viele  Advocaten  haben  in  der  Schwindelperiode  ein 
Vermögen  erworben,  und  möchten  diese  von  ganzem  Herzen 
zurückwünschen.  Ausser  den  tarifmässigen  Gebühren  erhielten 
sie  bei  jeder  Gründung  ein  Douceur  von  Hunderten  und  Tau- 
senden; sie  wurden  mit  Actien  bedacht,  bezogen  als  Aufsichts- 
räthe  fette  Tantiemen,  traten  direct  als  Mitgründer  und  „Erste 
Zeichner"  auf,  und  sind  bisweilen  auch  schon  auf  die  Anklage- 
bank gekommen.  Advocaten  wie  Börsenjournalisten  wurden  zur 
Unterstützung  der  Gründer  für  die  Generalversammlungen 
engagirt,  wo  sie  als  zufriedene,  dankbare  Actionäre  plaidirten. 
Verschiedentlich,  z.  B.  in  dem  Prozesse  gegen  die  Gründer  der 
Spritbank  Wrede  und  in  der  Untersuchung  wider  die  Berliner 
Societätsbrauerei ,  machten  die  Angeklagten  geltend,  dass  sie 
nur  den  Rathschlägen  des  Advocaten  gefolgt  seien.  Mit  Rück- 
sicht daraufsprach  sie  in  dem  zuletzt  genannten  Falle  der  Richter 
frei;  und  der  Staatsanwalt  selber  meinte:  die  Sache  sei  „so 
brillant  construirt",  dass  man  ihr  nicht  beikommeh  könne. 
Auch  in  die  Advocatur  sind  eben  zu  viele  Juden  eingedrungen, 
und  in  Berlin  werden  die  semitischen  Rechtsanwälte  bald  über- 
wiegen. 

Lange  dauerte  es,  bis  die  Staatsanwaltschaft  sich  endlich 
(vielleicht  erst  auf  höheren  Wink)  entschloss,  gegen  einige  Grün- 
dungen vorzugehen.  Zunächst  that  sie  es  in  wenig  geschickter 
Weise;  vermuthlich  war  sie,  gleich  den  Richtern,  in  die  Grün- 
dungsmysterien noch  zu  wenig  eingeweiht,  und  so  wurden  die 
Angeklagten  in  erster  Instanz  fast  regelmässig  freigesprochen. 

b* 


—    XX    — 

Erst  als  die  Dinge  immer  skandalöser   sich  gestalteten,   der 
öffentliche  Unwille  lauter  und  lauter  ward,  begannen  in  Berlin, 
am  Rhein  und  anderwärts  die  sogenannten  Gründer -Prozesse, 
die  sich,  wol  kaum  zufällig,  gegen  Personen  richteten,  die  als 
vielfache  professionelle  Gründer  bekannt  waren,  und  eine  Ver- 
urtheilung  derselben  herbeiführten.    Als  Vertheidiger  der  sehr 
bemittelten  Angeklagten  traten  Advocaten  auf,  die,  zum  Theil 
selber  Gründer,  sich  mit  wahrer  Leidenschaft,  mit  erstaunlicher 
Dreistigkeit  gegen  den  öffentlichen  Ankläger  kehrten,  Bezeich- 
nungen wie  „Gründer"  und  „Gründerlohn"  für  „Spitznamen" 
erklärten,  und  die  lügnerischen  Prospecte  als  blosse  Zeitungs- 
annoncen und  erlaubte  Geschäftsreclamen  hinstellten.   Obgleich 
die  Zahl  der  Verurtheilten  überaus   gering   blieb,    erhob   die 
Gründerpresse  doch  ein  gewaltiges  Geschrei.    Sie  klagte  über 
Denunciantenthum  und  Verfolgungswuth,  und  drohte  mit  einer 
Auswanderung  der  Gründer;   sie  begann  Staatsanwälte    und 
Richter  zu  verketzern,  und  die  Verurtheilten  wie  Märtyrer  zu 
feiern.     Dem,   in  Sachen   der  Rheinischen    Eflfectenbank   mit 
6  Wochen  Gefängniss  belegten  Commerzienrath  Victor  Wendel- 
stadt aus  Köln  brachten   die  Einwohner  von  Godesberg,   der 
Bürgermeister  an  der  Spitze,  eine  Ovation  dar,  boten  ihm  in 
einer  Adresse  den  ,, Kranz  der  Ehre".     Solch  freches  Ge- 
bahren  scheint  doch  nicht  erfolglos  gewesen  zu  sein.   Bald  nach 
dem  Prozess  gegen  Abel  und  Genossen  verlautete  in  Berliner 
Kreisen:  es  werde  nicht  viel  mehr  kommen.   Und  es  kam 
auch  nicht  mehr  viel.    Obwol  fast  die  halbe  Registratur  des 
Berliner  Handelsgerichts  sich  bei  der  Staatsanwaltschaft  befindet, 
obwol  die  Zeitungen  meldeten,  es  wären  mit  Verfolgung  der 
Berliner  Gründungen  ausschliesslich  drei  Untersuchungsrichter 
und  mehrere  Criminalcommissare  beschäftigt,  und  es  stünden 
noch  an  80  Prozesse  in  Aussicht  —  sind  seither  nur  sehr  wenige 
und  ziemlich  unbedeutende  Fälle  zur  öifentlichen  Verhandlung 
gekommen.    Verschiedene  Sachen,  wie  die  gegen  die  Verfasser 
der  Silberwaarenfabrik  Mosgau  (S.  385)  und  die  gegen   den 


-    XXI    — 

grossen  Gründer  Julius  Alexander,  gingen  über  das  Scrutinial- 
verfahren  nicht  hinaus.  Gegen  die  Gründer  der  Wöhlert'schen 
Maschinenbauanstalt:  Braun-Wiesbaden,  Stadtrath Pöble,  F.  Wöh- 
lert,  Gustav  Markwald  und  F.  W.  Krause  (nicht  F.  W.  von 
Krause,  wie  wir  hier  zu  S.  35  berichtigen)  wurde  zwar  die  Vor- 
untersuchung eröifnet,  aber  die  Anklage  nicht  erhoben,  da  die 
Genannten  bestritten,  den  durch  alle  Zeitungen  gelaufenen  Pro- 
spect,  gegen  den  sie  öifentlich  nie  protestirten,  unterschrieben 
zu  haben.  In  den  Prozessen  gegen  die  Spritbank  Wrede  und 
gegen  die  Gründer  der  Sudenburger  Maschinenfabrik  wurde 
die  gleiche  Entschuldigung  verworfen-,  hier  aber  schlug  sie 
durch,  obwol  Zeugen  bekundeten,  dass  sie  auf  den  Prospect  hin 
Actien  gezeichnet  haben.  Wie  ein  Hohn  klang  das  Erkenntniss 
zweiter  Instanz  in  Sachen  der  Rheinischen  Effect  enbank,  das 
sämmtliche  Augeklagte  freisprach,  und  den  gegen  Caution  ent- 
lassenen, aber  dann  flüchtig  gewordenen  Gustav  Hörn  für  den 
allein  Schuldigen  erklärte!  Auch  in  anderen  Prozessen  wurden 
die  Verurtheilten  vom  Appellrichter  wieder  freigesprochen,  und 
gewisse  Fälle  scheinen  gar  nicht  zum  Abschluss  zu  kommen, 
insofern  das  Preuss.  Obertribunal  die  theils  freisprechenden, 
theils  verurtheilenden  Vor -Erkenntnisse  vernichtete  und  die 
Sachen  zur  nochmaligen  Verhandlung  in  die  zweite  Instanz  ver- 
wies. Von  Preussischen  Gerichten  ergingen  auffällig  milde  Urtel: 
Theodor  Miether,  Verfasser  der  berüchtigten  „Pinneberger  Union", 
wurde  wegen  „Urkundenfälschung"  unter  Annahme  „mildernder 
Umstände"  zu  drei  Monaten,  der  General -Gründer  Heinrich 
Quistorp  sogar  nur  zu  zwei  Monaten  verurtheilt.  Die  Sächsischen 
Gerichte  dagegen  scheinen  keinen  Spass  zu  verstehen:  Adalbert 
Kräger  und  Emil  Quellmalz,  Gründer  der  Saxon-Austrian-Braun- 
kohlen  Gesellschaft  —  (Quellmalz  spielte  nach  dem  Krach  eine 
hervorragende  Rolle  auf  vielen  Generalversammlungen,  wo  er 
als  Rächer  der  unglücklichen  Actionäre  auftrat)  —  erhielten  je 
ein  Jahr  Gefängniss;  Gottlieb  Behrend,  Director  der  Maschinen- 
bauaustalt  Münnich  in  Chemnitz,  wurde  sogar   mit  3  Jahren 


—    XXII    — 

3  Monaten  belegt.  Ebenso  verurtheilte  das  Mainzer  Gericht 
den  Director  der  Rheinischen  Actienbrauerei,  Dr.  J.  B.  Moritz 
zu  18  Monaten  Gefängniss.  Bemerkenswerth  ist  die  ausser- 
ordentliche Langsamkeit,  mit  der  in  Preussen  die  Gründer- 
prozesse von  Statten  gehen.  Bis  es  zur  Erhebung  der  Anklage 
kommt,  vergehen  mehrere  Jahre,  und  sind  dann  die  betrügerischen 
Manipulationen  bei  der  eigentlichen  Gründung,  wie  z.  B.  bei 
der  vorhin  genannten  Berliner  Societätsbrauerei,  wol  schon  ver- 
jährt. Die  Gründungen  von  1871  sind  bereits  im  ver- 
gangenen Jahre  verjährt,  die  Gründungen  von  1872 
verjähren  im  laufenden  Jahre,  Etwas  mehr  Eile  thut 
also  hier  dringend  noth!  "Wie  ausserordentlich  schnell  erfolgten 
dagegen  die  Verurtheilungen  in  Sachen  der  „Reichsglocke",  und 
wie  ausserordentlich  scharf  lauteten  die  Strafen!  Nach  der 
„Kreuzzeitung"  soll  damals  an  hoher  Stelle  das  Wort  gefallen 
sein:  „Sie  sehen,  was  wir  können.  Wenn  wir  wollen,  haben 
wir  auch  eine  rasche  Justiz!" 

Verschiedentlich  ist  derschneckenförmig  schleichenden  Justiz 
die  Nemesis  zuvorgekommen.  Manchen  Gründer  ereilte  ein  ge- 
waltsamer Tod,  oder  es  umfing  ihn  Geistesnacht;  mancher  legte 
selber  Hand  an  sich,  griff  zum  Pistol  oder  zum  Strick,  oder  er 
ging,  wie  jener  Banquier  in  Köln,  den  die  Börsenpresse  so  tief 
betrauerte,  ins  Wasser.  Er  hätte  es  kaum  nöthig  gehabt,  denn 
seine  Genossen  wurden  in  erster  Instanz  glänzend  freigesprochen 
(in  zweiter  freilich  verurtheilt),  und  Benda  Wolff's  Telegraphen- 
Bureau  meldete  der  Welt :  gegen  Diejenigen,  welche  den  Ehren- 
mann in  den  Tod  getrieben,  stehe  die  Untersuchung  wegen 
„Erpressung"  bevor. 

Weit  schneller  als  die  Gründer  urtelte  man  deren  „Be- 
leidiger" und  „Verleumder"  ab;  diese  mussten  oft  härter 
büssen,  als  hätten  sie  selber  eine  betrügerische  Gründung  ver- 
übt. Wegen  Beleidigung  des  Aufsichtsraths  der  Rumänischen 
Eisenbahngesellschaft  wurde  auf  4  Monate,  wegen  Beleidigung 
des  A.  Schaafihausen'schen  Bankvereins  auf  6  Wochen,  wegen 


—    XXIII    — 

Beleidigung  des  vorhin  genannten  Commerzienraths  Wendel- 
stadt auf  2  Monate  Gefängniss  erkannt!  Ein  Gründer,  der 
wegen  Etiquettenfälschung  bestraft,  der  dann  in  Concurs  ge- 
rieth  und  dessen  Accordvorschläge  das  Gericht  verwarf,  weil 
er  aus  der  ihm  anvertrauten  Gasse  der  Gesellschaft  eine  Summe 
von  3000  Thalern  zu  Unrecht  entnommen  —  klagte  gegen  die 
„Deutsche  Landeszeitung",  welche  über  den  I'all  berichtet  und 
dabei,  statt  unrechtmässig  entnommen,  den  Ausdruck 
„entwendet"  gebraucht  hatte;  und  der  Injurienrichter  des 
Berliner  Stadtgerichts  verurtheilte  den  verantwortlichen  Ke- 
dacteur  zu  100  Mark  Geldbusse,  indem  er  ausführte:  Ver- 
klagter werfe  dem  Kläger  eine  ungesetzliche  Handlungs- 
weise vor,  während  das  Urtel  des  Concursrichters  ihm  bloss 
eine  unmoralische  Handlungsweise  zur  Last  lege.  So  pein- 
lich unterscheiden  Staatsanwalt  und  Strafrichter,  wenn  es  sich 
um  die  Ehre  eines  Gründers  handelt,  und  man  sieht  also,  dass 
das  „Verleumden"  weit  gefährlicher  als  das  Gründen  ist. 

Grobe  Gründer  wurden  in  den  Adelstand  erhoben,  grobe 
Gründer  werden  noch  Immer  mit  Orden,  Titeln  und  Würden 
geehrt.  Bei  den  Jubiläen,  die  grosse  Gründer  begingen,  be- 
theiligten sich  die  Spitzen  der  Behörden,  die  Notabilitäten  der 
Kunst  und  Wissenschaft.  Wäre  es  nicht  geboten,  hier  etwas 
mehr  Rücksicht  auf  die  öffentliche  Meinung  zu  nehmen? 

„Würden  alle  Schwindler  von  1870  bis  1873  vor  Gericht 
gestellt,  es  wäre  in  den  Böhmischen  Wäldern  nicht  Holz  genug 
zu  den  Anklagebänken!"  So  vertheidigte  sich  der  Bankdirec- 
tor  Lederer  in  Prag  gegen  den  Staatsanwalt,  und  der  Mann  hat 
nicht  Unrecht.  Seine  Worte  gelten  ebenso  für  Oesterreich- 
Ungarn  wie  für  Preussen  und  das  übrige  Deutschland.  Aber 
dessenungeachtet  dürfen  unter  tausend  Schwindlern  nicht  blos 
ein  halb  Dutzend  herausgegriffen  und  für  alle  übrigen  als 
Sühnopfer  abgeurtelt  werden.  Verlaufen  die  Griinderprozesse, 
wie  es  jetzt  den  Anschein  hat,  im  Sande,  so  muss  im  Volke 
das  Rechtsgefühl,   der  Glaube  an  eine  prompte  unparteiische 


—    XXIV    — 

Justiz  schwinden,  so  muss  die  öffentliche  Moral  ungeheueren 
Schaden  erleiden,  Diebstahl  und  Betrug  zu  Ansehn  kommen, 
ehrliche  Arbeit  und  redlicher  Erwerb  in  Missachtung  gerathen, 
eine  allgemeine  Corruption  Platz  greifen,  und  das  Neue  Deutsche 
Reich  unaufhaltsam  dem  Verfall  zutreiben!! 


In  den  letzten  Jahren  war  die  Staatsanwaltschaft  sehr  in 
Anspruch  genommen  durch  den  Kulturkampf  und  die  Social- 
demokraten,  durch  Majestäts  -  und  Bismarcks-Beleidigungen. 
Der  Kulturkampf  erhält  8  Millionen  Katholiken,  die  sich  in 
ihrem  Glauben  verfolgt,  in  ihrem  Gewissen  bedrängt  wähnen  — 
und  man  wird  diesen  Wahn  nicht  ausrotten  können  —  in 
dumpfer  Gährung  und  steigender  Erbitterung.  Mag  die  Re- 
gierung formell  noch  so  sehr  im  Rechte  sein,  sie  ist  in  ihrem 
Feldzuge  gegen  die  katholische  Kirche  nicht  glücklich  gewesen. 
Der  Kulturkampf  ist  nur  den  Gründern  zu  Gute  gekommen; 
er  ist  die  spanische  Wand,  hinter  der  sie  ihre  Missethaten  be- 
gingen, hinter  der  sie,  nach  dem  Krach,  sich  verbargen  und 
versteckten.  Die  Socialdemokratie  verdankt  ihr  Anwachsen  einer- 
seits den  polizeilichen  und  gerichtlichen  Verfolgungen,  haupt- 
sächlich aber  der  manchesterlichen  Gesetzgebung  und  dem 
Gründungsschwindel.  Als  der  letztere  zu  Ende  ging,  kurz  vor 
dem  „Krach",  brach  in  Frankfurt  a.  M.  die  Revolte  aus,  die  sich 
gegen  die  Vertheuerung  des  Biers  kehrte.  Den  socialdemo- 
kratischen  Siegen  bei  den  letzten  Reichstagswahlen,  die  ganz 
Deutschland  in  Schrecken  versetzten,  ging  unmittelbar  voraus 
—  und  das  ist  ein  höchst  charakteristisches  Omen  —  ein  neues 
Jobberstückchen,  das  gewaltsame  Hinauftreiben  des  Petroleums ! 
Nach  den  Wahlen  stürzte  Petroleum  ebenso  schnell  wie  es 
gestiegen  war.  Bei  der  grossen  Mässigung,  mit  der  die  Social- 
demokraten  ihre  Erfolge  hinnahmen,  bei  der  bewunderungs- 
würdigen Organisation,  mit  der  sie,  allen  anderen  Parteien  un- 
endlich überlegen,  die  Wahlagitation  betreiben,  ist  es,  wenn  die 
Regierung  bei  der  Manchesterpolitik  beharrt,  sicher  vorauszu- 


—    XXV    — 

jagen,  dass  jene  bei  den  nächsten  Wahlen  ungleich  mehr  Can- 
■lidaten  durchbringen  werden,  dass  die  Zahl  ihrer  Anhänger 
tetig  und  reissend  wachsen  muss.  Das  grosse  Heer  der  Ar- 
teiter bekennt  sich  geschlossen  zur  Socialdemokratie,  und  schon 
(ähert  sich  ihr  der  Handwerker,  der  kleine  Geschäftsmann,  ja 
ier  kleine  Beamte.    Videant  consules ! 

j  Nie,  selbst  in  der  Conflictsperiode  nicht,  war  die  Zahl  der 
Prozesse  wegen  Majestätsbeleidigung  in  Preussen  so  gross  wie 
etzt,  wo  der  Monarch  sich  der  vollen,  einmüthigen  Liebe  seines 
^olks  erfreut,  wo  selbst  die  sogenannten  „Reichsfeiude"  ihm 
Verehrung  und  Dankbarkeit  zollen.  Aber  der  byzantinische 
jeist,  der  unsere  Zeit  durchweht,  und  der  namentlich  in  der 
üdisch-nationalliberalen Presse  herrscht  —  in  denselben  Blättern, 
lie  sich  einst  über  die  Massen  frech  geberdeten  —  denuncirt  jede 
iritik,  welche  sich  gegen  die  Staatsregierung  oder  gegen  eine 
Jtaatseinrichtung  wendet,  sofort  als  Majestätsbeleidigung  und 
lochverrath,  und  schleppt  sogar  unmündige  Kinder  vor  Gericht. 
Gewisse  Verurtheilungen,  wie  die  des  „Berliner  Börsen  Courier" 
vegen  abfälliger  Besprechung  eines  Zapfenstreichs,  zu  neun 
VIonaten  Gefängniss  (!)  haben  unter  allen  Parteien  Kopfschütteln 
irregt.  Steht  der  Monarch  nicht  hoch  über  aller  Zeitungs- 
)olemik,  und  kann  die  Majestät  überhaupt  so  leicht  beleidigt  und 
rerletzt  werden?! 

Noch  viel  zahlreicher  als  die  Majestätsbeleidigungen  sind 
lie  Prozesse  wegen„Bismarcks-Beleidigung"-,  schon  ist  ein 
jigner  Name  dafür  im  Gebrauch !  Kein  Minister  der  Welt,  am 
illerwenigsten  ein  constitutioueller  Minister,  hat  je  die  Gerichte 
;o  in  Bewegung  gesetzt;  die  autographirten  Strafanträge  des 
Fürsten  Bismarck  sollen  bereits  nach  Tausenden  zählen.  Neu- 
ich ist  der  Staatsanwalt  sogar  wegen  Beleidigung  des  jungen 
jrafen  Bismarck  eingeschritten,  und  man  darf  wol  fragen :  hat 
luch  diese  Beleidigung  schon  ein  „öfiFentliches  Interesse"?  Bis- 
narcks- Beleidigungen  pflegen  weit  härter  bestraft  zu  werden 
ils  selbst  Majestätsbeleidiguugen ;   haben   doch   Staatsanwälte 


-    XXVI    — 

und  Richter  ausdrücklich  erklärt:  Alles,  was  den  Fürsten  an- 
geht, müsse  mit  einem  ausserordentlichen  Massstab  gemessen 
werden.  Neuerdings  ist  wegen  Beleidigung  des  Fürsten  auf 
Strafen  erkannt,  die  das  Blut  in  den  Adern  stocken  lassen;  aber 
die  feile  servile  Presse  hat  es  stumm  hingenommen,  oder  dazu 
wol  noch  Beifall  geklatscht,  ohne  zu  bedenken,  dass  die  Reihe 
an  Jeden  kommen  kann.  Die  Publicationen  ä  la  „Reichsglocke", 
die  sich  gegen  den  Fürsten  persönlich  kehrten,  sind  freilich 
sehr  zu  beklagen;  schon  um  deshalb,  weil  sie  der  allgemeinen 
Sache  schaden  und  nur  den  Gründern  zu  Gute  kommen.  „Seht", 
rufen  die  Gründer  jetzt,  „wir  sind  ebenso  verleumdet  wie  Bis- 
marck!"  —  und  die  „Natioualzeitung"  legte  sofort  eine  Rubrik 
an:   „Zur  Geschichte  der  Verleumdungsära". 

Dieselbe  Presse,  welche  Herrn  von  Bismarck  einst  nich 
tief  genug  herabsetzen  konnte,  an  ihm  kein  gutes  Haar  lies! 
—  die  jüdisch-natioualliberale  Presse  treibt  mit  ihm  seit  1860 
schnöde  Abgötterei.  Voll  sklavischer  Unterwürfigkeit  und  niederer 
Speichelleckerei,  bewundert  und  preist  sie  an  ihm  jedes  Wort, 
jeden  Fusstritt,  spricht  sie  von  ihm  in  stets  verzückter  Weise 
und  legt  ihm  Prädicate  bei,  die  nur  dem  Monarchen  und  dei 
Mitgliedern  des  Regentenhauses  gebühren.  Und  das  Alles  ist 
wie  es  sich  nun  eclatant  herausgestellt  hat,  elende  Heuchelei 
und  feile  Berechnung.  Als  die  seit  etlichen  Jahren  regelmässig 
zum  1.  April  wiederkehrende  Kanzlerkrisis  diesmal  mehr  Glauben 
fand,  war  die  „liberale"  Presse  ganz  zufrieden,  den  Fürsten 
Bismarck  auf  den  Altentheil  zu  setzen,  und  hielt  als  seinen 
Nachfolger  Herrn  Delbrück  oder  Herrn  von  Bennigsen  bereit. 
Das  war  in  der  That  eine  Bismarcks-Beleidigung,  und  eine 
ärgere,  als  sie  je  Graf  Harry  Arnim  verübt  hat. 

Immerhin  hat  Fürst  Bismarck  so  Grosses  gethan  und  ge- 
schaffen, dass  man  mit  ihm  eine  Ausnahme  machen  darf.  Aber 
wie  mit  dem  Herrn  und  Meister,  so  that  die  „liberale"  Presse 
auch  mit  den  ihr  genehmen  „Durchschnitts" -Ministern;  auch 
für  diese  wusste  sie  königliche  Ehren  in  Scene  zu  setzen.   Als 


—    XXVII     - 

Dr.  Falk  im  Sommer  1875  am  Rhein  triumphirte,  berichteten 
die  Zeitungen  in  zahllosen  Artikeln  über  die  Feste,  die  man 
ihm  veranstaltete,  über  die  „Huldigungen",  die  man  ihm  erwies. 
Sobald  Dr  Friedenthal  auf  Reisen  geht,  und  er  scheint  gern  zu 
reisen,  begleiten  ihn  die  Correspondeuten  der  Presse,  laufen  von 
jedem  Städtchen  Festberichte  ein.  In  Papenburg  brachte  ihm, 
wie  die  ,, Nationalzeitung"  meldete,  die  Liedertafel  „Arion"  ein 
Ständchen,  „die  Stadt  prangte  im  Flaggenschmuck".  In 
i Bitburg  hielt  der  ,,hohe  Gast"  mehrere  längere  Reden,  worin 
er  sich  als  „geborenen  praktischen  Landwirth"  bezeichnete  und 
u.  A.  sagte:  er  „entstamme  einer  Familie,  die  durch  rastlose 
strenge  Arbeit  es  sich  ermöglicht  habe,  diejenige  Stufe  im  Staate 
zu  erklimmen,  die  sie  augenblicklich  inne  habe".  ,,Mit  zahl- 
'reichem  Gefolge  fuhr  der  hohe  Gast  nach  dem  Bahn- 
hof." „Weissgekleidete  Mädchen  überreichten  Sein  er 
Excellenz  ein  riesiges  Bouquet,  und  eine  Deputation 
stattete  ehrfurchtsvoll  ihre  Begrüssung  ab."  —  Ist  da 
noch  ein  Unterschied,  ob  Friedenthal  oder  der  Kaiser  kommt? 
Es  wird  nun  erlaubt  sein,  die  Herren  Friedenthal,  Falk, 
Delbrück,  Camphausen  und  Achenbach  nicht  für  grosse  Männer 
zu  halten.  Friedenthal  hat  noch  keine  nennenswerthen,  die  an- 
dern Minister  ziemlich  ungünstige  Resultate  aufzuweisen.  Sie 
verdanken  sämmtlich  ihre  Stellung  der  "Gunst  des  Fürsten  Bis- 
marck,  aber  schwerlich  haben  sie  seinen  Erwartungen  ent- 
sprochen. Delbrück,  Camphausen  und  Achenbach  sind  Man- 
chesterleute-, die  unheilvolle  manchesterliche  Gesetzgebung  ist 
mit  ihr  Werk,  und  ihr  Regime  war  ein  doctrinär-manchesterliches. 
Delbrück  und  Camphausen,  die  beide  in  intimen  Beziehungen 
stehen  zu  grossen  Bank-  und  Gründerhäuseru,  haben  dieselben 
durch  riesige  Darlehen  aus  dem  Staatssäckel  unterstützt,  haben 
„um  Zinsen  zu  ersparen",  die  Gelder  der  grossen  Reichsfonds 
in  höchst  fragwürdigen,  einstweilen  fast  unverkäutlichen  Wertheu 
angelegt.  Während  die  Regierung  es  zulicss,  dass  die  börsen- 
libcrale  Majorität  des  Reichstags    landschaftliche    Pfandbriefe 


—    XXVIII    — 

und  pupillarisch  sichere  Hypotheken  vom  Ankauf  ausschloss, 
während  zahlreiche  Communen  mit  ihrem  Gesuche  um  Bewilligung 
einer  Anleihe  abgewiesen  wurden,  erwarben  Delbrück  und  Camp- 
hausen Hals  über  Kopf  von  den  nur  ad  int  er  im  zugelasse- 
nen ungarantirten  Eisenbahn -Prior  itäten  über  lOOMil  - 
lionen  Thaler.  Und  zwar  kauften  sie  mit  Vorliebe  die  Prio- 
ritäten der  Strausberg'schen  Bahnen,  gegen  welche  Lasker 
kurz  vorher  seine  „Enthüllungen"  gedonnert  hatte.  Lasker 
war  freilich  wieder  der  Vertrauensmann  und  Rathgeber  des 
Herrn  Camphausen;  Lasker,  Friedenthal  und  Miquel,  unter  der 
Hand  befragt  (Wer  lacht  da?)  erklärten  sich  ausdrücklich 
damit  einverstanden,  dass  jene  faulen  Prioritäten  auch  in  dem 
Provinzialdotationsfonds  Aufnahme  fanden,  und  als  dieselben 
nun  Neujahr  1876  den  einzelnen  Provinzial- Verbänden  über- 
wiesen werden  sollten,  fand  plötzlich  die  skandalöse  Cours- 
treiberei statt,  die  zunächst  sogar  die  „Nationalzeitung"  für 
höchst  bedenklich  erklärte,  und  welche  die  Regierung  so  arg 
compromittirt  hat.  Sobald  die  Prioritäten,  wie  sie  es  ihrer 
Natur  nach  mussten,  im  Course  fielen,  fing  Herr  Camphausen 
an,  sie  zu  loben ,  sie  als  eine  unbedingt  sichere  Capitalsanlage 
zu  empfehlen,  und  er  fuhr  darin  noch  fort,  als  sie  bereits  jeden 
Cours  verloren  hatten.  Er  hielt  wiederholt  förmliche  Hausse- 
Reden  für  die  Börse,  ermunterte  das  Publikum  zum  Kaufen, 
signalisirte  verschiedentlich  einen  Umschwung  zum  Bessern,  sprach 
sogar  von  der  bereits  überstandenenKrisis,  und  erklärte  die  Finanz- 
lage Preussens  stets  für  eine  äusserst  befriedigende,  auch  dann 
noch,  als  der  Etat  thatsächlich  bereits  ein  Deficit  auswies.  Del- 
brück erkrankte  plötzlich.  „Die  glückliche  Hand",  so  sagte 
die  „Nationalzeitung",  „fand  augenblicklich  nur  noch  Kraft,  um 
ein  Entlassungsgesuch  zu  schreiben."  Delbrück  ging  gerade  zur 
rechten  Zeit-,  seine  Stellung  war  durch  die  parlamentarischen 
Debatten  über  den  Ankauf  der  faulen  Prioritäten  erschüttert, 
und  er  mochte  fühlen,  dass  die  Dinge  um  ihn  her  zusammen- 
brächen.  Vergebens  suchte  die  börsenliberale  Presse  ihn  immer 


I 


—    XXIX    — 

wieder  in  Activität  zu  setzen,  vergebens  sprach  sie  von  ihm, 
als  ob  er  gar  nicht  oder  doch  nur  vorübergehend  ausgeschieden 
sei,  und  empfalil  ihn  bei  jeder  passenden  und  unpassenden 
Gelegenheit:  er  wurde  nicht  mehr  begehrt,  und  beschränkte 
bich  auf  den  Vorsitz  im  ,, Verein  für  Beförderung  des  Gewerbe- 
fleisses",  wo  sein  Schüler  und  Bewunderer  Achenbach  von  ihm 
rühmte,  dass  sein  blosser  Name  schon  ein  „Programm  und 
jPanier"  bezeichne.  Camphausen  drohte  häufig  mit  seinem  Ab- 
gange, blieb  aber,  obwol  schliesslich  auch  liberale  Zeitungen 
ihn  anzapften,  und  sogar  die  undankbaren  Börsenblätter  über 
fhn  herfielen. 

j  Camphausen  und  Achenbach  haben  für  die  unaufhaltsam 
{fortschreitende  Krisis  ein  sehr  geringes  Verständniss  bewiesen. 
Gleich  der  börsenliberalen  Presse,  leugneten  sie  lange  den  Noth- 
stand,  und  wollten  der  kranken  Industrie  durch  „Erhöhung  der 
Arbeitsleistung"  und  Beschneidung  der  Lohnsätze  wieder  auf 
die  Beine  helfen.  Inmitten  der  Krisis  Hess  Herr  Achenbach 
die  Eisenbahnfrachtsätze  um  20  Procent  erhöhen,  was  natur- 
gemäss  die  ohnehin  schon  so  sehr  in  die  Höhe  getriebenen 
Lebensmittel  noch  mehr  vertheuerte,  hob  er  die  Ruudreisebillets 
auf,  verkürzte  er  die  Gültigkeits -Dauer  der  Retourbillets. 
Nichts  charakterisirt  ihn  besser,  als  eine  Rede,  die  er  kürzlich 
in  dem  vorhingenannten  Verein,  an  der  Seite  Delbrücks  hielt, 
und  bei  der  ihm,  nach  der  „Nationalzeitung",  folgende  tief- 
sinnigen AYorte  entfuhren:  „Gewiss  ist  man  geneigt,  selber 
schwankend  zu  werden  in  seinen  Ansichten  in  solch  schwerer 
Zeit,  wo  man  das,  was  früher  stark  dazustehen  schien,  plötz- 
lich erschüttert  sieht,  wo  man  Diejenigen,  die  bisher  fest  waren, 
wankend  erblickt.  Aber  ich  glaube,  es  ist  gerade  die  Pflicht, 
in  solcher  Zeit  festzuhalten  an  dem  Vorsatz  ruhiger  Prüfung 
der  Verhältnisse,    damit  man  nicht   aus  einem  Extrem 

in's  andere  hineinfällt." — 

Fürst  Bismarck  hat  sehr  Unrecht  gethau,  die  wirthschaft- 
liche  Gesetzgebung  den  Manchesterleuteu  zu  überlassen,   die 


—    XXX     — 

sich  aus  einseitigen  Doctrinärs,  unwissenden  Schwätzern  und 
„liberalen"  Börsenverwandten  zusammensetzen.  In  überstürzender 
Hast  wurde  alles  Bestehende  eingerissen,  Gesetz  auf  Gesetz 
fabricirt,  so  dass  die  Nation  gar  nicht  zur  Besinnung  gelangte, 
aus  dem  Zustande  des  Uebergangs,  der  Unruhe  und  der  Ver- 
wirrung gar  nicht  herauskam. 

Was  hat  dem  Volke  nicht  die  neue  Mass-  und  Gewichts- 
Ordnung,  die  Münz-  und  Bankreform  gekostet!  Jede  Mass- 
und Gewichtsänderung  verursacht  dem  Publikum  Schaden,  ganz 
besonderen  Schaden  aber,  wenn  Mass  und  Gewicht  kleiner 
•werden.  Das  Quart  wurde  zum  Liter,  die  Elle  zum  Va  Meter, 
der  Scheffel  zum  Va  Hektoliter,  das  Loth  zum  Dekagramm 
während  die  Preise  zunächst  die  gleichen  blieben,  sich  aber, 
wegen  der  Schwindelperiode,  alsbald  noch  sehr  erheblich  steigerten. 
Die  alten  Masse  entsprechen  der  Natur,  den  Verhältnissen  des 
menschlichen  Körpers;  wogegen  die  neuen  Masse  auf  der  künst- 
lichsten Berechnung  beruhen,  und  schon  wegen  der  halb  latei- 
nischen halb  griechischen  Wortungeheuer  dem  Volke  nie  ge- 
läufig werden  können.  Thatsächlich  sind  die  neuen  Masse  bis 
zur  Verzweiflung  unpraktisch,  und  selbst  die  Behörden  sehen 
sich  genöthigt,  auf  die  alten  Masse  zurückzugreifen,  wie  man 
denn  in  den  meisten  Steckbriefen,  statt  (Grösse:)  lößVaCentimeter, 
heute  wieder  5  Fuss  4  Zoll  liest.  Nach  dem  grossen  Siege 
über  Frankreich  musste  Deutschland  sofort  Französisches  Mass 
und  Gewicht  annehmen! 

Nicht  minder  chicanirte  und  schädigte  die  fortlaufende 
Einziehung  des  Metall-  und  Papiergeldes,  eine  wahre  Münzen 
und  Notenhetze-,  und  selbst  die  neuen  Werthzeichen  wurden 
noch  verschiedentlich  geändert.  Die  neuen  Münzen  sind  von  so 
mangelhafter  Beschaffenheit,  dass  sie  zu  den  schlimmsten  Ver- 
wechselungen Anlass  geben,  dass  selbst  Kassenbeamte  mit 
Sicherheit  nicht  zu  unterscheiden  vermögen,  ob  sie  echt  oder 
unecht  sind,  dass  sie  schnell  Glanz,  Ansehen  und  Farbe  ver- 
lieren, dass  sie  wie  Glas  springen  und  brechen,  und  dass  ihre 


—    XXXI    - 

achbildung  nicht  die  geringsten  Schwierigkeiten  macht.  Nie- 
ais blühte  die  Falschmünzerei  so  wie  in  unseren  Tagen.  Die 
oldwährung  erweist  sich  factisch  nicht  durchführbar,  die  De- 
■onetisirung  des  Silbers,  das  Ungeschick  und  die  MissgriiFe 
bi  der  Goldausmünzung  und  bei  den  Silberverkäufen  kosten 
iem  Reich  Summen,  die  wol  nie  an  die  Oeffentlichkeit  gelangen 
ierden,  die  aber  riesig  sind.  Vielleicht  noch  mehr  verliert  der 
jiuzelne.  Die  Theilung  des  Groschens  in  10,  statt  früher  in 
1^  Pfennige,  bedeutet  für  die  Bewohner  Preussens  und  an- 
prer  Länder  eine  Einbusse  von  IG-/3  Prozent-,  was  im  Klein- 
andel  3  alte  Pfennige  kostete,  kostet  jetzt  5  neue  Pfennige, 
[  h.  100  Procent  mehr.  Trotz  der  sogenannten  Münz-  und 
(ankeinheit,  ist  von  einem  einheitlichen  Papiergelde  nicht  die 
tede,  blüht  die  Papiergeldwirthschaft,  eine  Hauptursache  der 
Jlgemeiuen  Theuerung,  nach  wie  vor,  stösst  der  Verkehr  in 
ieler  Hinsicht  auf  noch  zahlreichere  Hemmnisse  und  Unbequem- 
chkeiten  als  früher.  Niemand  braucht  mehr  als  20  Mark  in 
ilber  und  mehr  als  1  Mark  in  Nickel,  Niemand  braucht  Pa- 
iergeld,  selbst  nicht  Noten  der  Reichsbank  in  Zahlung  zu 
ehmen,  und  sogar  die  Reichs-  und  Landeskassen  sind  nur  zur 
jinahme  von  Reichskassenscheinen  verpflichtet.  Von  den  ein- 
ezogenen  Münzen  lassen  sich  einige  an  gewissen  Orten  gar  nicht 
Qtbehren,  z.  B.  der  Dreier  in  Berlin,  das  2Y2-Groscheustück 
i  Norddeutschland.  Ueberall  fehlt  es  an  den  passenden  Geld- 
eichen,  fast  Jedem  bereitet  das  Zahlen,  Wechseln  und  Heraus- 
eben Umstände  und  Verlegenheiten,  selbst  der  Beamte  rech- 
et noch  immer  heimlich  nach  dem  alten  Münzfuss,  die  Um- 
?chnung  fällt  ihm  sichtlich  schwer  und  kostet  die  doppelte 
nd  die  dreifache  Zeit.  Aber  das  Schönste  ist,  dass  diese  Um- 
3chnung  zum  Theil  auf  baare  Unmöglichkeit  stösst,  z.  B.  beim 
V^echselstempel,  wo  die  Abstufung  nach  Markbeträgen  einfach 
escheitert  ist.     0,  über  die  weisen  Gesetzgeber! 

Im  Neuen  Deutschen  Reich  ist  Alles  theurer  und  schlechter, 
;eringer  an  Qualität  und  Quantität  geworden;  auch  nach  Auf- 


—    XXXII    — 

hebung  der  Mahl-  und  Schlachtsteuer ,  wie  die  Bäcker  und 
Schlächter,  sich  in's  Fäustchen  lachend,  selber  und  gleich  vor- 
ausgesagt haben  —  Brod  und  Fleisch.  Der  ganze  Geschäfts- 
verkehr hat  einen  schwindelhaften  Charakter  angenommen;  alle 
Artikel  werden,  trotz  der  „freien  Concurrenz",  mit  einem  mass- 
losen Aufschlag  verkauft ,  allerhand  Surrogate  und  Imitationen 
gelten  für  erlaubt,  die  Verkürzung  von  Mass  und  Gewicht  wird 
gewohnheitsmässig ,  der  Betrug  ganz  offenbar  betrieben.  Die 
Verschlechterung  und  Verfälschung  der  Heil-  und  Geuussmittel, 
der  Waaren  und  Fabrikate  hat  ungeheuere  Dimensionen  an- 
genommen, eine  eigene  Industrie  erzeugt;  und  da  die  man- 
chesterliche „Selbsthülfe"  sich  völlig  ohnmächtig  erweist,  sehen 
sich  neuerdings  denn  doch  die  Polizei  und  die  Gerichte  zum 
Einschreiten  gemässigt. 

Trotz  des  Nothstandes  hält  die  Theuerung  an,  wachsen 
die  öffentlichen  Ausgaben,  wird  die  Steuerschraube  schärfer 
angezogen.  Immer  neue  Behörden  werden  geschaffen  und  als- 
bald können  sie  die  Arbeit  nicht  mehr  bewältigen;  immer 
grösser  wird  das  Heer  der  Beamten,  lawinenartig  schwillt  das 
Schreibwerk  an.  Die  gerühmte  „Selbstverwaltung"  zeigt  sich 
sehr  kostspielig  imd  complicirter  als  die  alte  Einrichtung.  Die 
Communen  wirthschaften  ins  Blaue  hinein,  experimentiren  und 
verschwenden  ohne  Mass,  contrahiren  Anleihe  auf  Anleihe, 
und  treiben,  wie  die  Staaten,  der  Verschuldung  entgegen.  Das 
Volk  dagegen  verarmt,  und  sowol  die  Staats-  wie  die  Commu- 
nalsteuern  werden  im  laufenden  Jahre  einen  grossen  Ausfall  er- 
geben. Nur  zu  bald  wird  man  wieder  zu  den  indirecten  Steuern 
greifen  müssen,  aber  allerdings  wird  dann  Brod  und  Fleisch 
wieder  noch  theurer  werden. 

Ununterbrochen  arbeitet  die  Gesetzgebungsmaschine,  denn 
sie  hat,  wie  Lasker  behauptet,  au  fünfzig  Jahre  gestockt,  und 
dieser  Mann  ist  bereit,  Tag  und  Nacht  Gesetze  zu  machen. 
Diese  Unzahl  von  Gesetzen  ist  nicht  Bedürfniss  des  Volks, 
sondern  Bedürfniss  der  börsen-liberalen  Partei,  um  ihrer  Eitel- 


J 


—    XXXIII    — 

keit  Genüge  zu  thun,  um  sich  zu  stärken  und  sich  am  Ruder 
zu  erhalten.    Hunderterlei  wird  gleichzeitig  in  Angriff  genom- 
men, und  Alles  in  der  flüchtigsten  liederlichsten  Weise  abge- 
macht-,  was  schon  der  barbarische  Stil,   die  nachlässige  Re- 
daction  der  neuen  Gesetze  beweist.    Die  ganze  Gesetzgebung 
ist  so  recht  Gelegenheitsarbeit,  blosses  Stück-  und  Flickwerk, 
Kaum  publicirt,  erweist  sich  das  neue  Gesetz  schon  wieder  ver- 
altet, ganz  unbrauchbar  oder  doch  sehr  reformbedürftig,   ruft 
es  die  grössten  Uebelstände   hervor,    wird  ihm  von  Hundert- 
tausenden ein  Misstrauensvotum  ertheilt.    Schon  beklagt  man 
die  Aufhebung  der  Schlacht-  und  Mahlsteuer,   die  Einfülirung 
des  Impfzwanges,  die  Freigebung  des  Heilgewerbes ;  schon  er- 
heben sich  Stimmen  selbst  gegen  die  Theaterfreiheit,  und  immer 
dringender  verlangt  man  eine  Beschränkung  der  Zug-  und  Ge- 
werbefreiheit.   Die  Gewerbefreiheit  hat  zwischen  Meister,  Ge- 
sell und  Lehrling  jedes  Band  zerrissen,  und  den  Handwerker- 
stand, der  ehemals  den  Kern  der  Bürgerschaft  bildete,  ruinirt. 
Jeder  Pfuscher,  ja  Frauen  und  Kinder  machen  dem  gelernten 
Handwerker  Concurrenz;  der  Staat  lässt  Gefängnisse  und  Zucht- 
häuser zu  vollständigen  Fabriken  umwandeln,  indem  die  Ar- 
beitskräfte  der  Gefangenen   gewöhnlich    ein   jüdischer  Unter- 
nehmer ersteht.    Das  famose  Actiengesetz  ist  inzwischen  all- 
gemein  verurtheilt,   selbst   von   Denjenigen,    die   es    gemacht 
haben.    Was  bisher  zu  seiner  Reform  vorgeschlagen,  ist  sehr 
ungenügend,  da  diese  Vorschläge  meistens  von  Advocaten  und 
Grüudergenossen    ausgingen.     Fr.    Per  rot,    bekannt    durch 
seine  verdienstlichen  Schriften  über  das  Eisenbahn-  und  Bank- 
wesen,   hat  in  einem   1876  erschienenen  Buche  „Das  Actien- 
uuwesen"  an  der  Hand  der  Geschichte  dargethan,  dass  bisher 
noch  alle  Cautelen  gegen  den  Actienschwindel  sich  völlig  un- 
wirksamerwiesenhätten,  und  er  zieht  die  allerdings  kühneSchluss- 
folgerang,  dass  die  Actiengesellschaft  als  solche  überhaupt  un- 
moralisch und  daher  nicht  zu  dulden  sei.    Von  der  neuen  Vor- 
mundschaftsordnung verlautet  bereits,   dass  ihre  Handhabung 

Glagan,  Der  Börsenschwindol.  II.  q 


—    XXXIV    — 

grosse  Unzuträglichkeiten  mit  sich  führe,  indem  die  Vormünder 
einerseits  den  sehr  hoch  gestellten  Anforderungen  nicht  zu 
entsprechen  vermögen,  andererseits  ihre  sehr  weitgehenden  Be- 
fugnisse missbrauchen  und  die  ihnen  anvertrauten  Mündelgelder 
häufig  unterschlagen.  Die  Reichsjustizgesetze  werden  in  ganz 
Deutschland  voraussichtlich  einen  Ungeheuern  Wirrwarr,  eine 
viel  grössere  Kostspieligkeit  der  Justiz  und  ein  Ueberwuchern 
des  Advocateuthums  erzeugen,  und  es  fragt  sich,  ob  zu  ihrer 
Durchführung  überhaupt  das  nöthige  Material  an  Richtern 
und  Schöffen  vorhanden  ist.  Von  allen  Seiten,  selbst  in  den 
Parlamenten,  ertönen  Nothschreie,  dass  die  Sündfluth  von 
neuen  Gesetzen  zu  gross  sei,  dass  in  dem  Labyrinth  der  Ge- 
setzgebung sich  nicht  einmal  mehr  der  Beamte,  geschweige 
denn  der  Laie  zurechtfinden  könne. 

Die  Gesetzgebungsmanie  ist  eine  Krankheit  der  Zeit,  und 
sie  hat  ihre  Ursache  in  dem  Umstände,  dass  unsere  Parlamente 
mit  Beamten  und  Juristen  überfüllt  sind.  Im  Preussischen 
Abgeordnetenhause  sitzen  über  hundert  Juristen,  im  diätenloseu 
Deutschen  Reichstag  schon  M'eniger.  Gerade  der  Preussische 
Jurist  mit  seiner  formalen  einseitigen  Bildung  eignet  sich 
schlecht  zum  Gesetzgeber  und  Volksvertreter.  In  der  Nord- 
amerikanischen Republik  sind  öffentliche  Beamte  vom  Parla- 
ment ausgeschlossen;  was  gewiss  sehr  weise  ist,  da  der  Be- 
amte mehr  oder  weniger  von  der  Regierung  abhängig  bleibt, 
und  mit  seiner  Ueberzeugung  nur  zu  leicht  in  Couüict  gerathen 
kann.  Es  schadet  entschieden  dem  Ansehen  wie  der  Unbefan- 
genheit des  Richters,  wenn  er  in  Wahlagitationen  und  Partei- 
kämpfe hineingezogen  wird;  und  die  Urtelssprüche  der  Ge- 
richtshöfe verrathen  gar  häufig,  wie  sehr  die  Richter  unter 
dem  Einfluss  und  dem  Drucke  der  Tagesströmung  stehen.  In 
unscrn  Parlamenten  sitzen  viel  zu  viel  studirte  Leute;  abge- 
sehen von  den  nicht  zahlreichen  Kaufleuten,  Fabrikherren  und 
professionellen  Landwirthen,  fehlt  es  entschieden  an  Männern 
des  praktischen  Lebens;  der  Bauern-  und  der  Handwerkerstand 


—    XXXV    — 

ist  fast  gar  nicht  vertreten.  Unsere  Parlamente  vertreten  haupt- 
sächlich die  Interessen  der  Gross-Industrie  und  des  Grosshan- 
dels, des  Capitals  und  der  Börse.  Die  Münz-  und  Bankreforni, 
die  ganze  wirth schaftliche  Gesetzgebung  und  der  grosse  Schwin- 
del sind  vornehmlich  der  Judenschaft  zu  Gute  gekommen, 
diese  hat  sich  dabei  über  die  Massen  bereichert,  die  Nation 
dagegen  ist  erschrecklich  verarmt.  Immer  heftiger  vermehren 
sich  im  Neuen  Deutschen  Reich  die  Juden,  immer  mächtiger 
erheben  sie  ihr  Haupt;  immer  grösser  wird  ihre  Anmassung 
und  Unduldsamkeit.  Vermöge  der  Presse,  die  fast  gänzlich 
in  ihrem  Solde  steht,  beherrschen  sie  die  öffentliche  Meinung, 
spielen  sie  auf  allen  Gebieten  eine  hervorragende  Rolle,  geben 
sie  in  den  höchsten  Schichten  der  Gesellschaft  den  Ton  an. 
"Während  sie  Zeter  schreien,  wenn  man  ihr  Ceremonialgesetz 
irgendwie  zu  kritisiren  wagt;  während  der  Staatsanwalt  ein- 
schreitet, wenn  man  ihnen  die  Lehren  des  Talmud  entgegen- 
hält —  schmähen  und  verhöhnen  sie  straflos  in  ihren  Blättern 
täglich  das  Christeuthum ,  hetzen  sie  in  der  widrigsten  "Weise 
gegen  Papst  und  katholische  Kirche.  Schon  handelt  es  sich, 
wie  der  Director  der  Luiseuschule  in  Berlin  ausrief,  nicht  sowol 
um  eine  Juden-  als  um  eine  Christenhatz.  Noch  ist  der  alte 
Schwindel  nicht  im  Mindesten  verwunden,  und  schon  agitirt  die 
börsenliberale  Presse  für  einen  neuen,  noch  viel  heilloseren. 
Sie  möchte  die  Reichspost  und  die  Staatseisenbahnen  in  eine 
Actiengesellschaft  verwandeln;  sie  trachtet  darnach  das  Staats- 
vermögen zu  zerstückeln  und  zu  verauctioniren.  Noch  Januar 
1877  wagte  die  „Vossische  Zeitung"  eine  Veräusserung  der 
Domänen  und  Hüttenwerke  des  Preussischen  Fiscus  zu  em- 
pfehlen, wobei  sie  wörtlich  sagte :  „In  Privatbesitz  übergegangen, 
würden  diese  Immobilien  einen  weit  höhern  Ertrag  abwerfen, 
der  nicht  allein  den  Eigeuthümem,  sondern  der  gesammtcn 
Bevölkerung  zu  Gute  käme."  Voll  gerechter  Entrüstung  ruft 
die  „Deutsche  Landeszeitung"  aus:  „Man  zähle  jedem  dieser 
Schurken  für  ihre  Frechheit  50  Hiebe  auf  die  Fusssohlen!" 


—    XXXVI    — 

Trotz  der  schweren  Krisis  wollen  die  Manchesterleute,  die 
am  Regierungstiscli  sitzen,  nicht  zur  Einsicht  kommen,  halten 
sie  krampfhaft  fest  an  ihren  durch  die  Ereignisse  zu  Schanden 
gewordenen  Phrasen,  lassen  sie  officiös  schreiben:  der  Noth- 
stand  herrsche  in  allen  Ländern.  Allerdings  verbreitet  sich 
die  Krisis  in  Folge  der  innigen  Wechselwirkung,  welche  heute 
zwischen  den  civilisirten  Staaten  besteht,  über  ganz  Europa 
und  Amerika;  sie  hat  neuerdings  sogar  das  noch  im  vorigen 
Jahre  blühende  Frankreich  beschritten.  Aber  eben  diese  all- 
gemeine Verbreitung  lässt  auf  eine  einheitliche  Ursache  schliessen, 
■  und  diese  ist  die  börsenliberale  V^'^irthschaftspolitik,  die  aller- 
wegen Ueberspeculatiou  und  Ueberproduction,  Verschwendung 
und  Verschuldung,  Corruption  und  Betrug  erzeugt  hat,  und  die 
von  der  Geschichte  gerichtet  ist.  In  der  Bank  von  England, 
in  der  Bank  von  Frankreich,  in  der  Deutschen  Reichsbank 
stauen  sich  die  Millionen,  die  unbenutzt  daliegen,  und  der 
Discontosatz  ist  so  niedrig,  wie  er  kaum  je  gewesen.  Was  be- 
deutet das?  fragt  Herr  Camphausen,  und  er  antwortet  sogleich 
selber:  Es  bedeutet,  dass  eine  Aenderung,  eine  Besserung  be- 
vorsteht, dass  es  nächstens  wieder  losgeht,  und  die  wachsende 
Unternehmungslust  vielleicht  wieder  in  Schwindel  ausarten 
wird.  —  Ach,  Herr  Camphausen,  Sie  belieben  stark  zu  irren! 
Jene  Erscheinung  ist  gerade  das  schlimmste  bedenklichste 
Symptom  der  allgemeinen  Krankheit.  Es  bedeutet,  dass  der 
grosse  Schwindel  jeden  Unternehmungsgeist  gelähmt,  geknickt 
hat,  dass  Jedermann  sein  Geld  festhält  und  es  lieber  feiern 
lässt,  als  es  dem  geringsten  Wagniss  aussetzt,  dass  kein  Mensch 
mehr  dem  Andern  traut,  dass  die  ganze  Welt  friert  und  der 
Handel  und  die  Industrie  in  Sack  und  Asche  Busse  thunü 

„Verleumdung!"  schreien  die  Gründer  und  Gründergenossen. 
Zwar  declamiren  sie  alle  selber  gegen  den  Schwindel,  aber  Nie- 
mand will  dal)ei  gewesen  sein.  „Verleumdung!"  ruft  die  börsen- 
liberale Presse,  und  tritt  mit  Leidenschaft  auch  noch  für  den 
ärgsten  Sünder  ein.    „Verleumdung!"  stöhnen  die  manchester- 


—    XXXYII    — 

lichea  Gesetzcsfabrikanten,  wie  die  manchesterlichen  Herren  am 
Regierungstisch,  und  einmütbig  betheuern  sie,  dass  im  Neuen 
Deutschen  Reich  Alles  wohlbestellt  sei,  und  Jedermann,  bis  auf 
die  „Verleumder",  sich  sehr  zufrieden  fühle.  Der  Begriff  „Ver- 
leumdung" ist  plötzlich  in  sein  Gegentheil  verkehrt.  Anklagen 
und  Beschuldigungen,  die  man  nicht  widerlegen,  nicht  entkräften 
kann,  deren  Wahrheit  im  hellen  Sonnenlichte  daliegt,  und  von 
Hunderttausenden  schmerzlich  empfunden  wird,  nennt  man  ein- 
fach —  „Lüge  nnd  Verlenmrtiiug";  und  die  Männer,  welche 
gegen  Schwindel  und  Corruption  auftreten,  gegen  die  manchester  - 
liehe  Misswirthschaft  eifern,  und  auf  deren  schreckliche  Folgen 
hinweisen,  werden  als  „gewerbsmässige"  „Denuncianten"  und 
„Delatoren",  als  ,,Reactionäre"  und  ,,Reichsfeiudc"  bezeichnet. 
Vor  IG  Jahren,  im  April  1861,  schrieb  Karl  Twesten  seine 
Brochüre:  „Was  uns  noch  retten  kann!"  Es  war  ein  treuer 
Patriot,  ein  braver  Mann,  ein  idealer  Mensch,  aber  er  irrte, 
und  er  hat  sich  von  seinem  Irrthum  noch  überzeugen  können. 
Was  er  für  ein  tiefes  Unglück  hielt,  sollte  alsbald  Preussen 
gross  und  mächtig,  Deutschland  einig  und  stark  machen.  Heute 
ist  es  umgekehrt.  Preussen  und  Deutschland  stehen  da  als 
die  erste  Europäische  Macht,  von  der  ganzen  Welt  gefürchtet 
und  umschmeichelt  und  die  ganze  Welt  in  Schach  haltend. 
Aber  im  Innern  des  Staatskörpers  frisst  ein  böser  Wurm,  und 
wenn  er  nicht  vertrieben,  nicht  getödtet  wird,  kann  er  die  Ein- 
geweide zerfressen  und  die  Auflösung  herbeiführen.  Das  Neue 
Deutsche  Reich  befindet  sich  in  schwerer  Noth  und  Gefahr; 
nicht  äussere  Gewalt  bedroht  es,  wol  aber  eigene  Krankheit. 
Diesmal  heisst  es  im  vollen  Ernst:  Was  uns  noch  retten 
kann!  Uns  kann  nur  noch  retten:  ein  vollständiger  Bruch 
mit  dem  bisherigen  Wirthschaftssystem  und  mit  dem  börsen- 
liberalen Regiment,  die  Emancipation  von  der  Judenherrschaft 
und  eine  gründliche  Revision  der  wirthschaftlichen  Gesetzgebung, 
die  energische  Verfolgung  von  Betrug  und  Schwindel  und  die  Ver- 
treibung der  Gründer  und  Gründcrgenosseu  von  dem  öfiFentlichen 


—    XXXVIII    — 

Markte.  Von  deu  Herren  Camphausen,  Achenbacli,  Michaelis 
ist  ebensowenig  zu  erwarten  wie  von  dem  gegenwärtigen  Par- 
lament. Die  Regierung  rauss  sich  mit  neuen  Männern  um- 
geben, sie  muss  an  die  Nation  appelliren,  und  zum  Zwecke 
der  wirthschaftlichen  Reform  die  Initiative  ergreifen. 


Das  Actiengesetz  und  das  „Milliarden- 
geschäft". 

Louis  Napoleon  und  die  Juden  —  Unternehmungsgeist  und  Schwindel  — 
Herr  J.  Prince-Smith ,  der  Vater  der  Deutschen  „Volkswirthe"  —  Redacteiir 
Otto  Michaelis  und  die  Bekehrung  Ton  Excellenz  Delbrück  —  Die  Krönung 
der  wirthschaftlichen  Gesetzgehung  —  Herr  H.  H.  Meier  aus  Bremen  geräth 
in  Besorgniss,  und  wird  von  Dr.  Hammacher  getröstet  —  Herr  Miquel  kämpft 
für  „Verschleierung",  und  wird  von  Herrn  Lasker  ermahnt  —  Wie  die  Volks- 
vertreter Gesetze  machen  —  Herr  Dr.  Endemann  als  Commentator  —  Die 
Gründungen  in  Deutschland  und  die  in  Oesterreich  —  Fata  Morgana  — 
Excellenz  Delbrück  wird  dotirt  —  Der  Französische  „Volkswirth"  Leon  Say 
und  der  „Volkswirth"  der  „Vossischen  Zeitung"  —  Das  „Milliardeugeschäft" 
wird  zu  sehr  beschleunigt,  und  die  Preussischen  Anleihen  werden  zu  rasch 
gekündigt  —  Der  goldene  Theelöffel  des  Herrn  Alexander  Meyer  —  Lud- 
wig Bamberger's  Dithyramben  und  seine  Börsen-Philosophie  —  „Nimm  Hack' 
und  Spaten,  grabe  selber"  —  Das  Geheimuiss  unserer  Zeit. 

Bekanntlich  Avar  das  zweite  Kaiserreich  für  Frank- 
reich eine  Quelle  materieller  Wohlfahrt.  Unter  Louis 
Napoleon,  von  ihm  selber  mit  Eifer  und  Nachdruck 
gefördert,  nahmen  Industrie,  Handel  und  Börse  einen 
mächtigen  Aufschwung.  Daher  auch  die  Sympathien 
der  Bourgeoisklassen  für  den  Kaiser,  und  später  für 
die  Wiederherstellung  des  Kaiserreichs.  Daher  auch 
die  leidenschaftliche  Begeisterung  der  Juden  für  Louis 
Napoleon  —  so  lange  er  auf  dem  Throne  sass;  wo- 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.    II.  1 


—     2     — 

gegen  sie,  seit  seinem  Sturze,  ihn  nicht  genug  schmähen 
können,  und  sich  in  ihrer  Entzückung  über  das  neue 
Deutsche  Reich  gar  nicht  zu  lassen  wissen. 

Während  aber  Frankreich's  Industrie  und  Handel 
in  üppiger,  fast  geiler  Blüthe  stand,  lastete  auf  der 
Geschäftswelt  in  Deutschland  gewissermaassen  ein  Alp. 
Man  traute  hier  nie  recht  dem  Frieden,  man  war  nie 
sicher,  dass  der  Französische  Kaiser  nicht  einen  Krieg 
anzettelte,  der  sich  direct  gegen  Preussen  richtete 
oder  dieses  doch  in  Mitleidenschaft  zöge.  Erst  seit 
dem  Kriege  von  1866  wich  jener  Alp,  indem  der 
Nimbus  Napoleon's  mehr  und  mehr  zu  schwinden  be- 
gann. Auch  in  Deutschland  hob  und  entfaltete  sich 
der  Unternehmungsgeist,  ohne  aber  deshalb  schon 
damals  in  unsolide  Bahnen  einzulenken.  Eine  Aus- 
nahme bilden  nur  das  Börsentreiben  in  Berlin  und 
die  Strousberg'schen  Eisenbahnbauten. 

Von  diesen  beiden  Erscheinungen  abgeseheo,  ist 
es  eine  grobe  Unwahrheit  und  verschmitzte  Fälschung, 
wenn  die  Gründer  und  Gründergenossen,  um  sich 
rein  zu  waschen,  neuerdings  behaupten:  Eine  Ueber- 
production  und  Ueberspeculation  sei  in  Deutschland 
schon  vor  dem  Kriege  von  1870  vorhanden  gewesen; 
nur  der  grosse  Sieg  über  Frankreich  habe  die 
wirthschaftliche  Krisis  nicht  schon  damals  zum  Aus- 


-     3     — 

bruch  kommen  lassen,  sondern  um  ein  paar  Jahre  ver- 
zögert. 

Richtig  ist  dagegen,  dass  zu  der  Ueberproduction 
und  Ueberspeculation  in  der  Schwindelperiode  von 
1871  bis  1873  der  Samen  schon  weit  früher  ausgestreut 
war.  Und  diese  Aussaat  ist  das  Werk  der  Man- 
chesterleute, die  sich  mit  Vorliebe  „Volkswirthe" 
nennen. 

Wie  man  weiss,  ist  die  Nationalökonomie  eine 
verhältnissmässig  sehr  junge  und  noch  sehr  unfertige 
Wissenschaft.  In  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahrhun- 
derts blieb  sie  in  Deutschland  auf  die  Hochschulen 
beschränkt,  ohne  die  studirende  Jugend  besonders 
anzuziehen,  und  ohne  die  späteren  Staatsbeamten 
wesentlich  zu  beeinflussen.  Dem  grossen  Publikum, 
ja  auch  der  Geschäftswelt  war  sie  ziemlich  unbekannt. 

Mitte  der  vierziger  Jahre  tauchte  in  Elbing  und 
Königsberg  i.  Pr.  ein  Englischer  Sprachlehrer  auf, 
Namens  J.  Prince-Smith.  Er  versuchte  das  in 
England  blühende  Manchesterthum  auch  in  Deutsch- 
land anzupflanzen;  die  Lehre  von  der  „freien  Con- 
currenz",  das  „ewige  und  alleingültige  Gesetz''  von 
„Angebot  und  Nachfrage^'.  Anfangs  fand  er  wenig 
Gehör,  bis  er  nach  Berlin  übersiedelte  und  hier  eine 
Schule  gründete,  eine  Anzahl  von  Literaten  um  sich 


—     4     — 

versammelte.  Allmälig  begriffen  Grossindustrielle, 
Handels-  und  Börsenleute,  namentlich  die,  welche  dem 
auserwählten  Volk  angehören,  dass  die  neue  „Wissen- 
schaft" leicht  zu  lernen  und  in  der  Praxis  gar  gut 
zu  brauchen  sei.  Das  Manchesterthum,  welches  ein- 
fach die  Allmacht  des  Capitals  und  die  Ohn- 
macht des  Staats  predigt,  wurde  das  wirthschaft- 
liche  Dogma  der  „liberalen  Partei"  der  herrschenden 
Bourgeoisie.  Herr  Prince-Smith  und  seine  Jünger 
gewannen  als  „Volkswirthe"  weiten  Ruf  und  grossen 
Einfluss.  Sie  wurden  von  der  Presse,  an  der  sie 
selber  fleissig  mitarbeiteten,  ununterbrochen  gefeiert 
und  beweihräuchert;  sie  paradirten  alljährlich  auf  den 
sogenannten  volkswirthschaftlichen  Congressen,  und 
sie  gelangten  mit  als  die  „Edelsten  und  Besten  der 
Nation"  in  die  Parlamente. 

Zu  den  Jüngern  des  Herrn  Prince-Smith,  der, 
ursprünglich  ganz  unbemittelt,  bei  seinem  unlängst  er- 
folgten Tode  ein  erstaunliches  Vermögen  hinterliess, 
gehört  auch  Herr  Otto  Michaelis,  lange  Jahre 
„Volkswirth"  und  Mitredacteur  der  Berliner  „National- 
Zeitung",  bis  ihn  1868  Minister  Delbrück  zu  seinem 
vortragenden  Piath  machte;  als  welcher  er  an  der 
wirthschaftlichen  Gesetzgebung  des  Norddeutschen 
Bundes  und  des  neuen  Deutschen  Pteichs  einen  sehr 


wesentliclieu  Antheil  hat.  Erzählte  doch  Herr  Otto 
Wolff;  „Volkswirth'^  und  lledacteur  der  „Ostseezeitung" 
in  Stettin ;  als  Excellenz  Delbrück  April  1876  den 
Abschied  nahm,  dass  dieser  verdienstvolle  Staats- 
mann aus  einem  Saulus  ein  Paulus  geworden,  näm- 
lich zunächst  Schutzzöllner  gewesen  sei,  und  sich  erst 
hinterher  zum  Freihandel  und  Manchesterthum  be- 
kehrt habe. 

Die  Krönung  der  wirthscliaftlichen  Gesetzgebung 
des  Norddeutschen  Bundes  war  das  zu  so  trauriger 
Berühmtheit  gelangte  Actiengesetz  vom  11.  Juni  1870, 
welches  den  Gründungsschwindel  förmlich  organisirte, 
indem  es  die  Actiengesellschaften  von  jeder  Ge- 
nehmigung und  Aufsicht  des  Staats  loslöste,  und  für 
die  künftige  Errichtung  derselben  die  denkbar  unge- 
bundensten Vorschriften,  blosse  Scheinbestimmungen 
aufstellte. 

Als  dieses  famose  Gesetz  am  20.  Mai  1870  im 
Norddeutschen  Reichstag  zur  Berathung  kam,  wollte 
€S  ein  charakteristischer  Zufall,  dass  nicht,  wie  ge- 
wöhnlich, Dr.  Simson  den  Vorsitz  führte,  sondern  der 
erste  Vicepräsident,  Herzog  von  Ujest,  der  Genosse 
des  Wunderdoctors  Strousberg,  und  nacli  ihm  der 
zweite  Vicepräsident,  Herr  von  Bennigsen,  der  Gründer 
der  vielgenannten  Hannover- Altenbecker  Bahn. 


—     6     — 

An  der  Debatte  betheiligten  sich  fast  ausschliess- 
lich manchesterliche  „Volkswirthe",  von  denen  viele 
bald  darauf,  während  der  Schwindelperiode,  als  Gründer 
und   Gründergenossen   glänzten.     Alle   fanden,   dass 
der  Gesetzentwurf   die  Freiheit   der  Bewegung  auf 
dem  Gebiet  des  Actienwesens  noch  viel  zu  sehr  be- 
schränke-, so  namentlich:   Schulze-Delitzsch;  Justiz- 
rath  Lesse,  Dr.  Weigel  aus  Kassel,  Dr.  Braun-Wies- 
baden, Hofrath  Ackermann  aus  Dresden,  Edgar  Ross 
aus  Hamburg  etc.    Besonders  missfielen  die  Strafen^ 
welche  fahrlässige  und  ungetreue  Mitglieder  des  Vor- 
standes   und    Veiwaltungsraths    einer  Actiengesell- 
schaft   bedrohen;   und  sie   wurden  nur  sehr  wider- 
willig, weil  Seitens  der  Regierung  eine  conditio  sine 
qua  non  mit  in  den  Kauf  genommen.  Herr  H.  H.  Meier 
aus  Bremen  prophezeiete'  sogar,   dass   sich   gegen- 
über dieser  „rigorosen"  Strafandrohung  (Gefängniss 
von  höchstens  drei  Monaten!)  anständige  Leute  schwer- 
lich   zu^  Aufsichtsräthen    hergeben    würden.     Herr 
Dr.  Hammacher  entgegnete  ihm  jedoch  sehr  richtig: 
es  werde  sich  schon  machen.    Um  jene  Strafen  ab- 
zuschwächen,  brachten   Herr   von   Bernuth,   Justiz- 
minister a.  D.  und  Professor  von  Sybel  einen  „Ver- 
bcsserurgsantrag''  ein.     Derselbe  lässt,  auch  wenn 
Vorstand  und  Aufsichtsrath  den  Stand  der  Verhält- 


nisse  einer  Gesellschaft  wissentlich  unwahr  dar- 
stellen oder  verschleiern,  mildernde  Umstände 
zu,  und  setzt  für  diesen  Fall,  statt  der  Gefängniss- 
strafe, eine  blosse  Geldbusse.  Vergebens  widersprach 
der  Abgeordnete  von  Luck,  später  Oberstaatsanwalt 
in  Berlin,  indem  er  ausführte,  wie  hier  von  „mildern- 
den Umständen"  nicht  die  Rede  sein  dürfe:  —  der 
„Verbesserungsantrag"  der  Herren  von  Bernuth  und 
von  Sybel  wurde  trotzdem  beliebt. 

Am  weitesten  ging  Herr  Miquel,  damals  schon 
Mitdirector  der  Discontogesellschaft.  Nicht  nur,  dass 
er  ganz  ungenirt  pro  domo  sprach,  nämlich  für  die 
Commanditgesellschaften  auf  Actien,  welche,  seiner 
Meinung  nach,  von  der  Regierung  sehr  stiefmütter- 
lich behandelt  würden:  er  wollte  auch  dem  Vorstand 
resp.  Aufsichtsrath  einer  Actiengesellschaft  erlauben, 
je  nach  Ort  und  Umständen  zu  täuschen  und  zu  ver- 
schleiern. Vor  solcher  Moral  erschrak  selbst  Herr 
Lasker,  und  mit  dem  sittlichen  Eifer,  der  ihn  ziert, 

rief  er  aus: 

„Ich  habe  nicht  den  geringsten  Zweifel,  dass  der  Abg. 
Miquel  vor  der  Consequenz  seines  eigenen  Antrages  zurück- 
schrecken würde,  wenn  er  diesen  auslegte,  wie  er  ausgelegt 
werden  niuss,  dass  es  dem  Aufsichtsrath  in  Vereinigung  mit 
den  Actionären  gestattet  sein  soll,  falsche  Thatsachen  zu  ver- 
breiten, die  zwar  den  Actionären  günstig  sind,  aber  dem  all- 
gemeinen Publikum  zum  Schaden  gereichen". 


—    «    — 

Herr  Miquel  beschied  sich,  und  zog  seinen  „Ver- 
besserungsantrag" zurück.  Wer  aber  denkt  liier 
nicht  unwillkürlich  an  Dortmunder  Union  und  an  die 
Rumänische  Eisenbahngesellschaft ! 

Das  Actiengesetz  wurde  mit  solcher  Hast  berathen, 
so  über's  Knie  gebrochen,  dass  selbst  etliche  Man- 
chesterleute im  Reichstag  dies  andeuteten  und,  wenn 
auch  etwas  verschämt,  davor  warnten.  Aber  sie 
redeten  zu  tauben  Ohren.  Am  12.  Mai  gelangte  der 
Entwurf  an  den  Reichstag  und  wurde  einer  soge- 
nannten freien  Commission  überwiesen,  welche,  ohne 
in  das  Detail  einzugehen,  sich  schnell  schlüssig 
machte.  Am  20.  Mai  fand  die  erste  und  wie  schon 
Tags  vorher  verabredet,  sofort  auch  die  zweite  Be- 
rathung  statt.  Die  dritte  Lesung  erfolgte  am  24.  Mai, 
am  späten  Nachmittage,  als  die  Gesetzgeljer  bereits 
müde  und  hungrig  waren.  Vergeblich  riefen  einige 
Stimmen  „Vertagen!"  Herr  Simson  ermahnte  die  un- 
geduldige Versammlung  mit  der  ihm  eigenen  olym- 
pischen "Würde: 

„Ich  glaube,  wir  tliäten  recht  deu  Gegenstand,  der,  so  viel 
ich  beurtheileu  kann,  nicht  eben  -weitläufig  ist,  noch  in  heutiger 
Sitzung  zu  erledigen". 

Das  Knurren  der  hungrigen  Magen  ward  für  Bei- 
fallsgemurmel genommen.   Herr  Simson  aber  schritt 


-     9     — 

feierlich  liinauS;  um  sich  in  seinen  Gemächern  etwas 
zu  restauriren.  Seinen  Thron  erklomm  der  Herzog  von 
Ujest  und  beseitigte  die  Formalität  der  dritten  Lesung 
in  wenigen  Minuten.  So  maclit  man  bei  uns  Gesetze  1 
Herr  Dr.  Enderaann,  Professor  und  Oberappell- 
rath  zu  Jena,  der  auch  Mitglied  des  Norddeutschen 
Eeichstags  war,  hat  das  Actiengesetz  „aus  den  Mate- 
rialien erläutert";  und  billig  erstaunt  man,  in  diesem 
Comraentar  dieselben  Anschauungen  wiederzufinden, 
die  sich  in  den  Reden  von  Miquel  und  Genossen 
spiegeln.  Auch  Herrn  Endemann  sind  die  sogenann- 
ten Xormativbestimmungen  des  Actiengesetzes  „ohne 
Noth  einengende  Beschränkungen"  und  ihm  erscheint 
„die  eigene  Vorsicht  und  das  selbständige  Urtheil 
des  Publikums  als  die  einzig  haltbare  Garantie  gegen 
Missbrauch".  Auch  er  ist  eigentlich  gegen  die  „A.n- 
drohung  directer  Polizeistrafen"  und  hält  die  Alm- 
dung jeder  Verschleierung  für  sehr  bedenklich.  Ja, 
Herr  Endemann  meint,  dass  gewisse  Bestimmungen 
des  Gesetzes  zu  einer  Umgehung  fast  herausfordern; 
und  bei  Artikel  215,  welcher  einer  Gesellschaft  den 
Erwerb  eigener  Actien  verbietet,  versichert  er  tröstend: 
„Wer  die  Zustände  des  Verkehrslebens  kennt,  darf 
sich  dabei  beruhigen,  dass  sich  die  Praxis  doch  zu 
helfen  wissen  wird".    Den  Gründern  und  Gründerge- 


—     10     - 

iiossen,  soweit  sie  jetzt  auf  die  Anklagebank  kommen, 
ist  der  Endemann'sche  Commentar  dringend  zu 
empfehlen;  der  Richter  wird  ihn  hoffentlich  zu  ent- 
behren wissen. 

Aber  dieser  Commentar  beweist,  wie  miserabel 
und  vieldeutig  schon  die  Fassung  unserer  neueren 
Gesetze  ist;  wie  sie,  so  zu  sagen,  mit  Dampf  fabri- 
cirt  werden;  wie  sie  fast  immer  auf  Compromissen 
beruhen  und  den  materiellen  Interessen  der  herrschen- 
den Partei  dienen,  dem  sogenannten  „Liberalismus", 
der  heute,  seinem  eigentlichen  Kern  nach,  Handels- 
und Börsenliberalismus  ist.  Jener  Commentar  be- 
weist ferner,  welch  gefährlichen  Einfluss  das  Man- 
chesterthum  auf  einen  Theil  unserer  Professoren  und 
Juristen  übt;  in  welche  Gefahr  dadurch  Wissenschaft 
und  Rechtsprechung,  Gesetzgebung  und  Staatsgewalt 
gerathen. 

Die  Freigebung  der  Actiengesellschaften  war  eine 
langjährige  Forderung  der  Manchesterleute,  die  sie 
der  Regierung  endlich  abrangen,  als  Entschädigung 
für  sonstige  Dienste.  In  Erwartung,  in  fester  Vor- 
aussicht des  Actiengesetzes  wurden  schon  1869  und 
in  der  ersten  Hälfte  1870  eine  Reihe  von  Gesell- 
schaften gegründet.  Ohne  das  Actiengesetz  wäre  der 
grosse  Schwindel  überhaupt  nicht  möglich  gewesen. 


—   11   — 

Das  Actiengesetz  erweckte  sofort  die  Sucht  zu  grün- 
den; und  zwar  in  dem  Grade,  dass  schon  während 
des  Krieges  und  trotz  des  Krieges  eine  grosse  Zahl 
neuer  Gesellschaften  in  die  Welt  gesetzt  wurden. 

Wenn  die  Manchesterleute  einzuwenden  versuchen, 
dass  in  Oesterreich,  wo  die  Actiengesellschaften  nicht 
freigegeben  sind,  der  Gründungsschwindel  ebenso  stark 
gewüthet  hat,  so  ist  dies  eine  blanke  Unwahrheit 
In  Oesterreich  wurden  von  1867  bis  1873  1005  Ge- 
sellschaften „concessionirt".  Die  Oesterreichische 
Regierung  war  selber  dem  Schwindel  verfallen,  indem 
sie  geradezu  begünstigte,  was  man  in  Preussen  kaum 
noch  hindern  konnte.  In  Preussen  waren  bisher 
Actiengesellschaften  sehrsparsam  concessionirt  worden; 
in  Oesterreich  konnte  man  seit  den  Herren  von  Beust 
und  Giskra  durch  gewisse  Mittel  jede  Concession  er- 
langen, und  es  ward  mit  den  Concessionen  ein  offen- 
kundiger Schacher  betrieben.  Trotzdem  entstanden 
von  1867  bis  1873  in  Oesterreich-Ungarn  thatsäch- 
lich  nur  682  Actiengesellschaften  —  die  übrigen  323 
Concessionen  blieben  unbenutzt;  während  in  Deutsch- 
land von  1870  bis  1873  ca.  1300  Gesellschaften  in's 
Leben  traten,  davon  ca.  1100  allein  in  Preussen. 

Selbstverständlich  haben  die  Französischen  Mil- 
liarden die  Gründungswuth  in  Deutschland  genährt  und 


—     12     — 

gesteigert  Ein  wahres  Danaergeschenk,  sind  sie  uns 
zum  Fluche  geworden,  und  vermöge  ihrer  haben  die 
Franzosen  an  uns  wirklich  „Revanche"  genommen. 
Wol  war  die  Französische  Kriegsentschädigung  eine 
unerhört  riesige  Summe,  aber  die  Börse  und  ihre 
Helfershelfer,  die  „Volkswirthe",  thaten  und  schrieen, 
als  ob  sie  unendlich  und  unerschöpflich  wäre,  ein  nie 
versiegender  goldener  Regen. 

Wie  es  sich  inzwischen  herausgestellt  hat,  waren 
aber  die  Milliarden  eine  blosse  Fata  Morgana.  Deutsch- 
land hat  sie  in  Wirklichkeit  nie  erhalten:  sie  sind 
ihm  eiufach  verrechnet  worden.  Sie  wurden  in  der 
Hauptsache  gezahlt  durch  120,000  Wechsel,  welche 
die  Europäischen  Geldhändler  und  Börsenjuden 
unter  einander  hin-  und  herschoben  und  zu  artigen 
Spielchen  mischten;  für  welche  Mühewaltung  sie  viele 
Millionen  einstrichen.  Minister  Delbrück  bewunderte 
und  pries  die  Promptheit,  mit  der  dieses  Kartenkunst- 
stück ausgeführt  wurde;  aber  verschiedene  Umstände 
lassen  vermuthen,  dass  die  Deutsche  Regierung  dabei 
mehrfach  über's  Ohr  gehauen  ist. 

Herr  Delbrück  persönlich  hatte  freilich  Ursache 
mit  dem  „Milliardengeschäft"  zufrieden  zu  sein.  Er 
gehörte,  gleich  unseren  berühmten  Heerführern,  zu 
den  „Dotirten".    Auch  Herr  Delbrück  erhielt  aus  der 


—     13     — 

Kriegscontribution  baare  zweimalhunclerttausend 
Tlialer.  Darob  jubelten  tlie„Volkswirthe"und  riefen: 
Unser  Delbrück  ist  in  seinem  Fache  auch  ein  General- 
Feldmarschall,  und  er  hat  auf  dem  Gebiet  der 
Wiithschaftspolitik  die  glorreichsten  Siege  erfochten! 
Der  Französische  „Volkswirth"Leon  Say  sagt  ganz 
offen:  Ein  grosser  Theil  der  Milliardenwechsel  ist 
mittelst  fictiver  Forderungen  beschafft,  deren  spätere 
Ausgleichung  sich  dem  Auge  des  Beobachters  ent- 
zieht.   Das  Deutsche  Publikum  hat  die  Zahlung 

der  Milliarden  nur  in  allerhand  Erschütterungen  und 
Störungen  empfunden;  und  jetzt  will  es  ihm  fast 
scheinen,  als  habe  nicht  Frankreich,  sondern  Deutsch- 
land die  fabelhafte  Kriegscontribution  entrichten 
müssen,  denn  Frankreich's  Wohlstand  ist  blühender 
als  je,  und  der  unsrige  ist  über  Nacht  verwelkt. 
Aber  der  „Volkswirth"  der  „Vossischen  Zeitung"  weiss 
in  einem  Leitartikel  vom  7.  November  1875  auch 
dafür  Trost,  indem  er  ausführt: 

„Wenn  der  ruhige  Bürger  aufgerufen  wird,  Zeuge  der 
grössten  und  seltensten  Weltbegebenheiten  (nämlich  des  „Mil- 
liardeugeschäfts")  zu  sein,  trifft  ihn  an  seinem  Theil  auch  eine 
weltgeschichtliche  Mission".  —  „Wenn  wir  handelnd  an  der 
politischen  Veränderung  der  Weltlage  theilnahmen,  so  müssen 
wir  auch  leidend  die  Folgen  davon  tragen". 

Wie  sein  Abgott  Delbrück,   so   findet  auch  der 


—     14     — 

„Volkswirth"  der  „Yossischen  Zeitung",  in  der  Ab- 
wickelung des  „Milliardengeschäfts"  den  Beweis,  „wie 
sehr  unsere  Finanzkuust   allen   vergangenen  Zeiten 

überlegen  ist". 

Die  übermässige  Beschleunigung  des  „Milliarden- 
geschäfts" —  drei  Milliarden  wurden  in  Einem  Jahre 
verrechnet  —  diese  Steeplechase  von  Wechselreiterei 
machte  die  Gründer  und  Gründergenossen  vollends 
toll,  und  sie  überschwemmten  den  Börsenmarkt  mit 
immer  neuen  und  immer  fauleren  Werthen.  Herr  Camp- 
hausen, der  Preussische  Finanzminister  that  auch 
das  Seinige,  indem  er  der  Gründerkönigin,  der  Dis- 
contogesellschaft,  aus  den  Beständen  des  Staatsschatzes 
durch  die  Seehandlung  drei  Millionen  Thaler  gegen 
2'^'4  Procent  Zinsen  und  ohne  Unterlage  vorstrecken 
liess.  Ferner  kündigte  er  fortlaufend  eine  Pteihe  von 
Anleihen.  Grosse  Capitalien  wurden  frei,  und  ihre 
Besitzer,  die  sich,  wegen  der  sichern  Anlage,  mit 
einem  bescheidenen  Zinssatze  begnügt  hatten,  mussten 
nun,  wohl  oder  übel,  zu  den  von  den  Gründern  so 
massenhaft  fabricirten  „neuen  Werthen"  greifen.  Die 
zahllosen  Gründungen,  der  fast  ununterbrochene  Be- 
sitzwechsel durch  Häuser-  und  Terrain-Speculationen 
bereicherten  auch  die  Staatskasse;  die  Einnahme  aus 
den  Gerichtskosten  wuchs  zusehends,  und  die  Stempel- 


—     15    — 

Steuer  schwoll  förmlich  an.  Die  Preussische  Bank 
und  die  Seehandlung  machten  brillante  Geschäfte; 
die  Eisenbahn-,  die  Berg-,  die  Hütten-  und  die  Sali- 
nenverwaltung, sie  alle  warfen  überraschend  grosse 
Erträge  ab.  Herr  Camphausen  trug  seinen  Kopf 
hoch,  und  erntete  im  Parlament  bei  den  „Liberalen" 
grossen  Beifall.  Während  der  Gründungsperiode 
paradirte  Herr  Camphausen  mit  alljährlich  steigen- 
den „Ueberschüssen",  und  die  „Volkswirthe"  nahmen 
ihn  als  eine  Art  von  Zauberkünstler.  Mit  dem 
„Krach"  freilich  hörten  auch  die  „Ueberschüsse"  auf; 
und  Herr  Camphausen  hätte  sich  mit  dem  Kündigen 
und  Zurückzahlen  der  Anleihen  nicht  so  zu  beeilen 
brauchen,  denn  gar  bald  musste  er  zu  einer  neuen 
greifen.  Juli  1876  legte  er  zu  Eisenbahnzwecken 
120  Millionen  Mark  zur  öffentlichen  Zeichnung  auf, 
und  machte  damit  ein  gründliches  Fiasco. 

Auch  Oesterreich  glaubte  an  den  Französischen 
Milliarden  mitzugeniessen,  und  eifrig  schuf  es  gleich- 
falls „neue  Werthe",  die  zum  grossen  Theil  in  Deutsch- 
land Aufnahme  fanden.  Die  Oesterreichischen  Grün- 
dungen waren  eigentlich  nur  das  Echo  der  Deutschen. 
In  den  beiden  Hauptschwindeljahren  1871  und  1872 
entstanden  in  Üesterreich-Ungarn  zusammen  etwa 
400  Actiengesellschaften,    in  Preussen    dagegen   ca. 


—     16     — 

780  Gesellschaften.  Hier  erreichte  also,  was  man 
wohl  merken  muss,  der  Schwindel  einen  doppelt  so 
grossen  Umfang,  und  er  war  auch  weit  intensiver, 
indem  er  ebenso  sehr  Residenz  wie  Provinz,  Stadt 
wie  Land,  alle  Kreise  und  Schichten  der  Bevölkerung 
ausplünderte  oder  doch  schädigte. 

Es  ist  interessant  zu  sehen,  wie  das  „Milliarden- 
geschäft" die  Phantasie  des  auserwählten  Volks  er- 
hitzte, und  allerdings  mit  gutem  Grunde,  denn  für 
dieses  war  es  wirklich  ein  „Geschäft";  ein  so  grosses 
Geschäft,  wie  es  ihm  seit  Erschaffung  der  Welt  noch 
nicht  zugefallen,  und  wahrscheinlich  in  Jahrhunderten 
nicht  wieder  zufallen  wird. 

Herr  Alexander  Meyer,  „Volkswirth"  früher  des 
Deutschen  Handelstages  in  Berlin,  jetzt  der  „Schle- 
sischen  Presse"  in  Breslau,  berechnete  in  der  von  Paul 
Lindau  gegründeten  „Gegenwart"  (Nr.  27  de  1872), 
dass  von  der  Französischen  Kriegscontribution  auf  jeden 
Deutschen,  vom  Säugling  bis  zum  Greise,  ein  golde- 
ner Theelöffel,  2  Loth  schwer,  entfallen  würde.  Während 
das  Sprichwort  nur  von  den  „zehntausend  Oberen"  sagt, 
dass  sie,  mit  einem  silbernen  Löffel  im  Mund,  zur 
Welt  kommen,  wurde  nach  Alexander  Meyer  jetzt 
jeder  Deutsche  Säugling,  auch  in  der  ärmsten  Hütte, 
mit  einem  goldenen  Löffel  in  der  Tasche  geboren.  — 


—     17     — 

Vorsichtig  fügt  Herr  Meyer  jedoch  hinzu:  diese 
40  Millionen  goldener  Löffel  würden  schwer  verkäuf- 
lich sein  und  müssten  rapide  im  Course  sinken.  — 
Solche  Verlegenheit  hat  uns  denn  auch  das  Schicksal 
erspart.  Man  suche  heute  nur  nach  den  40  Millionen 
goldener  Löffel!  Bei  39  Millionen  Deutschen  wird 
man  den  2Loth  schweren  Goldlöffel  vergebens  suchen. 
Man  wird  ihn  höchst  selten  in  christlichen  Familien 
linden,  vielleicht  unter  1000  in  Einer,  wohl  aber  fast 
in  jedem  jüdischen  Hause.  Die  40  Millionen  golde- 
ner Löffel  haben  sich  sämmtlich  zurückgezogen  in 
die  Schatzkammern  der  Gründer  und  Gründergenossen. 

In  solchen  Spielereien  bewegen  sich,  nebenbei  be- 
merkt, unsere  feuilletonistischen  „Volkswirthe",  die 
Alexander  Meyer,  Ludwig  Bamberger,  Braun-Wies- 
baden etc.  Hinter  solchen  Spielereien  verbergen  sie 
ihren  Mangel  an  positiven  Kenntnissen,  ernsthaften 
Studien  und  sittlichen  Principien. 

LudwigBambergerhat„DiefünfMilliarden'4873 
im  Aprilheft  der  von  seinem  Freunde  Wehreupfennig 
herausgegebenen  „Preussischcn  Jahrbücher"  besungen. 
Li  lauter  Dithyramben  (d.  h.  in  solchen,  wie  sie  seit 
Melanippides  dem  Jüngeren  Mode  wurden),  in  immer 
neuen  hypergeistreicheu  Wendungen  und  Vergleichen 
feiert  und  deutet  er  das  „Milliardengeschäft",  das  er 

Glaguu,   Der  Uörsenscliwindel.     II.  2 


—     18     - 

schliesslich  selber  als  eine  Art  von  „Hexeneinmaleins" 
bezeichnet.  Ludwig  Bamberger  hat  als  politischer 
Flüchtling  das  Bank-  und  Wechselgeschäft  en  gros 
bei  seinem  Onkel  Bischoffsheim  in  Paris  erlernt,  und 
er  kennt  alle  Mysterien  desselben  ebenso  genau,  wie 
etwa  Bleichröder  oder  Rothschild.  Obwol  er  es  nun 
zwar  liebt;  gleich  Graziano  im  „Kaufmann  von  Venedig", 
mit  unendlich  viel  Worten  so  wenig  wie  möglich 
zu  sagen,  obwol  er  gern  die  Hauptsache  für  sich 
behält  und  sich  hütet,  aus  der  Schule  zu  plaudern, 
entschlüpft  ihm  am  Schlüsse  seines  Triumphgesanges 
doch  eine  Warnung.  Er  warnt  die  Deutsche  Regie- 
rung, wozu  es  freilich  schon  zu  spät  ist,  das  Tempo 
der  Zahlungen  nicht  so  sehr  zu  beschleunigen,  um 
der  Wechselreiterei  nicht  so  grossen  Vorschub  zu 
leisten.  Er  sagt  ausdrücklich:  die  allzurasche  Ab- 
wickelung der  Kriegscontribution  werde  sich  an  Deutsch- 
land rächen,  sie  wirke  „wie  ein  Treibhaus  für  Reit- 
wechsel", und  das  empfangene  Geld  könne  sich 
leicht  in  Kohle  verwandeln!  Ludwig  Bamberger, 
der,  wenn  er  sich  in  Abschweifungen  aller  Art  güt- 
lich gethan,  schliesslich  gern  moralisch  wird,  erinnert 
daran,  „dass  fünfzig  Jahre  nach  dem  Zutritt  des  Pe- 
ruanischen Goldstroms  die  Spuren  des  Verfalls  der 
Spanischen  Monarchie  zu  Tage  traten."    „Möchte  das 


-     19    — 

Reich  der  Hohenzolleru  bewahrt  bleiben  vor  dem 
zweideutigen  Segen  Spanischer  Gallionen I"  ruft  er 
aus,  und  lässt  dann  noch,  etwas  krampfhaft,  die  Verse 
folgen : 

Nimm  Hack'  und  Spaten,  grabe  selber, 
Die  Bauernarbeit  macht  Dich  gross, 
Und  eine  Heerde  goldner  Kälber, 
Sie  reissen  sich  vom  Boden  los. 

Eine  schöne  Mahnung  1  Doch  nimmt  sie  sich  selt- 
sam aus  im  Munde  des  Banquier  Bamberger,  der 
die  „Deutsche  Bank"  gegründet,  und  uns  die  Reichs- 
bank und  die  Nickelmünzen  bescheert  hat.  Herr 
Bamberger  mahnte  so,  als  der  seit  zwei  Jahren  to- 
bende „Tanz  um  das  goldene  Kalb"  sich  bereits  er- 
schöpft hatte,  und  der  „Grosse  Krach"  schon  vor  der 
Thüre  stand.  Seine  Befürchtung,  die  Französischen 
Milliarden  könnten  sich  in  Kohle  verwandeln,  begann, 
kaum  ausgesprochen,  sich  flugs  zu  erfüllen,  in  stei- 
gender, unaufhaltsamer  Hast  traurige  Wahrheit  zu 
werden.  Statt  des  goldenen  Theelöffels  von  Alexan- 
der Meyer,  trägt  heute  Jeder  von  uns  ein  Pfund  ge- 
münzten Nickels  von  Ludwig  Bamberger  in  der  Tasche, 
und  diese  Münzen  werden,  nach  kurzem  Gebrauch, 
schwarz  und  brüchig  wie  Kohle. 

„Der  ganze  Organismus  unserer  Verkehrswelt  be- 
ruht darauf,  dass  keine  Zinsen  verloren  gehen",  sagt 


—     20     — 

Ludwig  Bamberger  iu  seinem  Jubellied  auf  das  „Mil- 
liardeugeschäft".  Diese  Sentenz  des  Börsen-Philosophen 
griff  Minister  Delbrück  auf  und  gab  ihr  in  einer  Par- 
lamentsrede die  tiefsinnige  Fassung:  „Es  ist  das  Ge- 
heimniss  unserer  Zeit,  keine  Zinsen  zu  verlieren." 
Um  keine  Zinsen  zu  verlieren,  um  die  veranschlagten 
Zinsen  noch  zu  mehren,  kaufte  Excellenz  Delbrück 
aus  der  Französischen  Kriegscontribution  für  den 
Reichsinvalidenfonds  und  für  den  Festungsbaufonds 
über  100  Millionen  Thaler  ungarantirte  Eisenbahn- 
prioritäten, welche  heute  gewissermaassen  unverkäuf- 
lich sind,  und  bei  denen  zu  befürchten  ist,  dass  Zinsen 
und  Capital  verloren  gehen. 


Die  „Heb^iig"  der  Industrie. 

Was  die  „Volkswirthe"  predisjen,  und  wie  die  Gründer  zu  Werke  flehen  — 
VorpründuTigen:  Norddeutsche  Fabrik,  Lüders,  Hartmann,  Lieliermami, 
Schwartzkopflf  —  Berliner  Maschinen-Gründungen:  Freund,  Eckert,  Egells, 
Vulkan,  Wöhlert,  Union,  Cyklop,  Oechelhänser,  Germania,  Phönix,  Sentker, 
Tietzsch,  Schaaf,  Ludewig,  Patentfeilen  —  Nähmaschinen;  Ludwig  Löwe  &  Co., 
Frister  &  Rossraann,  Pollack,  Schmidt  &  Co.,  Franz  Boecke  —  Professionelle 
Vorkäufer  —  Parlamentarische  Gründer  —  Gründungssünden  —  Lohn-  und 
Preissteigerungen  —  üeherproduction  und  Nothstand  —  Nachträgliche  Weis- 
heit der  Börsenzeitnngen  —  Eine  Entgründung;  Fahrik  für  Eisenhahnbedarf, 
früher  Pflug  —  Herr  von  Unruh  und  Herr  H.  B.  Oppenheim  —  Die  beiden 
„Generaldirectoren"  Friedrich  "Waltz  und  Julius  Müller  —  „Dr.  Strousberg 
und  sein  Wirken,  von  ihm  selbst  erzählt". 

Deutschland  ist  ein  Ackerbaustaat,  und  wird  es 
wol  auch  bleiben.  Aber  unsere  „Volkswirthe",  die 
stets  nach  Frankreich  und  England  blicken,  wollen 
aus  Deutschland  durchaus  einen  Industrie-  und  Han- 
delsstaat machen.  Es  kümmert  sie  nicht,  dass  das 
Kleingewerbe  bald  von  der  Grossindustrie  völlig  zer- 
rieben sein  wird,  dass  der  Bauernstand  sich  mehr 
und  mehr  lichtet,  dass  unsere  Getreideproduction 
rasch  sinkt,  und  wir  in  den  letzten  Jahren  um  viele 
Millionen  Thaler   mehr  ein-   als   ausgeführt   haben. 


—     22     — 

Meint  doch  die  Berliner  „Nationalzeitung"  in  einem 
Leitartikel  vom  21.  Juli  1876:  „Der  gesteigerte  Be- 
darf Deutschlands  an  ausländischem  Getreide  ist  nur 
eine  natürliche  Folge  des  zunehmenden  Ueberwiegens 
seiner  industriellen  Thätigkeit  und  ein  Zeichen  für 
die  Schnelligkeit  ihrer  Entwickelung."  —  — 

Seit  einem  Vierteljahrhuudert  hat  sich  in  Deutsch- 
land die  Grossindustrie  mächtig  entwickelt,  ist  eine 
Menge  von  Fabrikstädten  emporgewachsen.  Diese 
in  socialpolitischer  Hinsicht  schon  an  und  für  sich 
bedenkliche  Bewegung  nahm  nun  seit  dem  Freigeben 
der  Actieugesellschaften  und  mit  den  Französischen 
Milliarden  ein  stürmisches  Tempo,  einen  masslosen 
Charakter  an.  Während  sonst  nach  jedem  grossen 
Kriege  naturgemäss  Erschöpfung  und  Sammlung,  Ein- 
schränkungen und  verdoppelte  Sparsamkeit  folgen, 
brach  nach  dem  Friedensschlüsse  bei  uns  eine  wahre 
Leidenschaft  zu  neuen  Unternehmungen,  ein  wildes 
Speculationsfieber  aus.  Hätten  wir  die  Milliarden 
wirklich  erhalten,  sie  würden  nur  die  Unkosten  und 
Verluste  des  Krieges  gedeckt  haben;  aber  die  Börse 
nahm  sie,  trotz  der  blossen  Wechselverrechnung,  wie 
ein  baares  Geschenk,  und  die  Presse  und  die  „Volks- 
wirthe"  predigten  unaufhörlich:  Wir  wären  aus  einem 
verhältnissmässig   armen  plötzlich  ein   reiches  Volk 


—     23     — 

geworden,  unser  Nationalwohlstand  hätte  sich,  in  Folge 
des  Französischen  Krieges  und  der  Deutschen  Einheit, 
unendlich  vermehrt  und  gesteigert.  Dieser  Reichthum, 
(lieser  Ueberfiuss  dürfe  nicht  brach  liegen;  er  müsse 
in  erster  Reihe  dazu  verwandt  werden,  Industrie  und 
Handel,  die  so  lange  beschränkt  und  gehemmt  ge- 
wesen, zu  heben  und  zu  fördern,  zur  vollen  herrlichen 
Entfaltung  zu  bringen.  Neue  Fabriken  und  Manu- 
facturen,  Berg-  und  Hüttenwerke,  Banken  und  Han- 
delsgesellschaften müssten  ins  Leben  gerufen,  die 
schon  bestehenden  erweitert  und  vergrössert  werden. 
Was  die  Kraft  und  die  Mittel  des  Privatmanns  nicht 
vermögen,  werde  die  Association  des  Capitals,  die 
Actiengesellschaft  vollbringen. 

Darauf  begann  die  Gründungsepidemie.  Das  Grün- 
den ward  verdienstlich,  weil  gemeinnützig;  die  Grün- 
der wurden  von  der  Presse  und  von  den  „Volks- 
wirthen"  gefeiert.  Das  Gründen  wurde  ein  Geschäft, 
denn  es  war  sehr  einträglich.  Der  professionelle 
Gründer  fand  in  den  verschiedensten  Kreisen  der  Ge- 
sellschaft Verbündete  und  Gehülfen,  Kundschafter 
und  7Aitreiber,  für  die  alle  mehr  oder  minder  grosse 
Summen  abfielen. 

Abgesehen  von  den  zahllosen  Banken  und  Bau- 
vereinen, waren  aber  wirkliche  Neuschöpfungen  nur 


—     24     — 

vereinzelt.  Eine  Fabrik,  Spinnerei  oder  dergleichen 
erst  zu  errichten,  war  zu  weitläuftig  und  langwierig. 
Man  zog  es  vor,  schon  bestehende  Etablissements  an- 
zukaufen und  in  Actiengesellschaften  umzuwandeln. 
Selbstverständlich  richtete  man  sein  Augenmerk  zu- 
nächst auf  grosse  und  renommirte  Anlagen;  später 
und  gleichzeitig  wurden  auch  kleinere  und  ganz  un- 
bedeutende angekauft.  Die  Besitzer  wurden  zum 
Theil  sehr  umworben  und  förmlich  belagert;  theil- 
weise  drängten  sie  sich  zum  Verkauf  und  gehörten 
mit  zu  den  Gründern. 

Es  wurden  die  horrendesten  Preise  entweder  frei- 
willig geboten  oder,  ohne  viel  zu  feilschen,  bewilligt. 
Bei  der  unsinnigen  Steigerung  von  Grund  und  Boden 
und  von  Baulichkeiten,  wie  sie  damals  stattfand,  kann 
man  dreist  behaupten,  dass  schon  die  Vorkäufer  oder 
die  Gründer  das  zu  gründende  Etablissement  um  das 
Doppelte  des  eigentlichen  Werths  erstanden*).     Der 


*)  Im  September  1872  „gründete"  Simon  Levy  aus  Berlin 
den  Fabrikbesitzer  F.  A.  Klusemann  in  Magdeburg.  Diesem 
bot  er  für  das  Etablissement,  welches  reell  etwa  225,000  Thlr. 
werth  war,  sofort  GOU,000  Thaler,  und  überwies  es  der  neuen 
Actiengesellschaft  „Sudenburger  Maschinenfabrik"  mit  800,000 
Thaler.  Herr  Levy  hielt  es  nicht  einmal  für  nöthig,  die  Fabrik 
ordentlich  zu  besichtigen,  sondern  als  er  dazu  aufgefordert 
wurde,  lehnte  er  es  mit  den  klassischen  Worten  ab :  Wer  lange 
sieht,  hat  keine  Lust  zu  kaufen!  —  Auch  die  Gräflich  Stolberg'- 


—     25     - 

Actiengesellschaft  wurde  es  um  das  Drei-  und  Vier- 
fache, oft  um  das  ^ehn-  bis  Zwanzigfache  überwiesen. 
Die  Actien  endlich  gelangten  in  der  Regel  mit  einem 
Agio  von  5  bis  50  Procent  an  die  Börse,  und  wur- 
den dann  noch  viel  höher  hinaufgetrieben.  Daher 
nach  dem  Krach  das  unendliche  Fallen,  vornehmlich 
der  Industrie-Actien,  deren  wahrer  Werth  von  Hause 
aus  schon  sehr  gering  war,  die  aber  in  Folge  von 
Misswirthschaft  und  Veruntreuungen,  welche  bei  einer 
Actiengesellschaft  kaum  ausblieben,  gar  oft  bis  auf 
Null  sanken.  Der  Vorbesitzer  empfing  einen  nam- 
haften Theil  der  Kaufsumme  gewidmlich  in  solch 
eigenen  Actien,  die  er  natürlich  so  schnell  wie 
möglich  los  zu  werden  suchte.  Den  reellen  Werth 
des  gegründeten  Etablissements  dürfte  in  vielen  Fällen 
die  Hypothek  bezeichnen,  welche  der  Ver-  oder  auch 
Vorkäufer  als  Rest  des  Kaufgeldes  für  sich  eintragen 
liess,  und  die  schon  nach  einigen  Jahren  zu  tilgen  war. 
Fabriken  und  Manufacturen  jeder  Branche  und 
viele  Hundert  an  der  Zahl  gingen  aus  Privathänden 
in  den  Besitz  von  Actiengesellschaften  über,  wurden 


sehe  Maschinenfabrik,  nicht  so  gross  vfie  die  Klusemann'sche, 
sollte  1872  gegründet  werden.  Nur  um  die  Agenten  los  zu 
werden,  forderte  der  Director  die  fabelhafte  isumme  von  2  Mil- 
lionen Thaler.  Aber  die  Gründer  erschraken  nicht  und  zogen 
sich  erst  zurück,  als  man  den  ganzen  Betrag  in  baar  verlangte. 


—     26     — 

mit  Vorliebe  „gegründet"  und  fanden  auch  Vertrauen 
beim  Publikum.  Das  Geschrei  der  „Volkswirthe",  der 
Jubel  der  Presse  über  den  allgemeinen  Wohlstand, 
über  die  neue  Blüthe  von  Industrie  und  Verkehr 
wiegte  die  ganze  Nation  in  süssen  Wahn,  steigerte 
alle  Bedürfnisse  und  verlockte  Jedermann  zu  einem 
gewissen  Comfort  und  Luxus.  Alle  Fabriken  und 
Manufacturen  schienen  vollauf  beschäftigt  und  ver- 
sprachen hohe  Renten,  denn  die  Preise  stiegen  merklich. 
Mit  besonderen  Erwartungen  wurden  die  Maschinen- 
fabriken begrüsst  und  die  Fabriken  für  Eisenbahn- 
bedarf. Der  Verkehr,  der  Transport  schien  endlos 
zu  wachsen;  täglich  las  man  in  den  Zeitungen  von 
Verkehrsstockungen  und  Güteranhäufungen,  von  Wa- 
gen- und  Kohlennoth.  Die  Eisenbahnen  konnten  den 
Andrang  nicht  immer  bewältigen;  viele  neue  Linien 
wurden  concessionirt  und  in  Angriff  genommen.  Die 
Bestellungen  auf  Personen-  und  Güterwagen,  auf 
Schienen  und  Locomotiven  häuften  sich  derart,  dass 
die  betreffenden  Etablissements  die  Auswahl  hatten. 
Aber  auch  diejenigen  Fabriken,  welche  die  Einrich- 
tung für  andere  Fabriken  besorgen,  Motoren  und 
Triebwerke,  Spinn-  und  Webstühle,  Werkzeuge  und 
Instrumente  anfertigen,  waren  reichlich  mit  Aufträgen 
versehen. 


—     27     — 

Unter  den  Vorbesitzern  dieser  jetzt  gegründeten 
Etablissements  befanden  sich  Männer,  deren  Name 
über  ganz  Deutschland  Ruf  und  Klang  hatte,  deren 
Name  schon  allein  eine  Garantie  bot,  zumal  sie  ge- 
wöhnlich noch  die  Leitung  der  neuen  Actiengesell- 
schaft  behielten.  Maschinenfabriken  warfen  in  Privat- 
händen einen  Reingewinn  von  15  bis  25  Procent  ab; 
Maschinenbau-  und  Eisenbahnbedarfs -Actien  fanden 
daher  willige  Aufnahme  und  erfuhren  in  der  ersten 
Zeit  fast  alle  beträchtliche  Courssteigerungen. 

Eine  Anzahl  solcher  Fabriken  wurde  schon  vor 
Ausbruch  des  Actiengesetzes  gegründet;  sie  sind  ge- 
wissermassen  die  Vorläufer  desselben  und  unter  ihnen 
folgende  bemerkenswerth: 

Norddeutsche  Fabrik  für  Eiseubahu-Betriebsmaterial 

in  Berlin.  Gegründet  Mai  1869  von  Geh.  Commerzienrath 
Paul  Mendelssohn-Bartholdy,  Commerzieu-Räthe  Adalbert  Del- 
brück und  H.  Thomas.  Actiencapital  1''2  Millionen  Thaler. 
Eine  der  wenigen  Fabriken,  die  neu  errichtet  wurden.  Als  erste 
Aufsiclitsräthe  fungirten  noch:  Bauquier  Franz  Mendelssohn, 
Consul  John  Menger,  Justizrath  Max  Wilke,  Regierungsrath 
und  Eisenbahndirector  Jul.  Vettin.  Der  Betrieb  begann  erst 
1871  und  war  von  vorn  herein  nicht  lohnend.  Directiou:  Geh, 
Oberbaurath  Eduard  Koch  und  Obermaschinenmeister  Woehler, 
später  Hermann  Kremser.  Eine  Dividende  ist  nie  vertheilt 
worden,  weshalb  einer  der  Actionäre,  Abgeordneter  Schröder- 
Lippstadt  —  der  „ultramontane  Rechtsanwalt",  wie  der 
„Berliner  Börsen  -  Courier"    ihn   nannte    —    die   Liquidation 


—     28     — 

anstrebte.  Dieselbe  wurde  zum  Schaden  der  Gesellschaft  erst 
im  April  1876  beschlossen.  Cours  der  Actien  einst  120;  jetzt 
circa  40. 

Actiengesellscliaft  für  Fabrikation  tou  Eisenbahn -Ma- 
terial, früher  Stadtrath  Lüders  in  Görlitz.  Vorgekauft  von 
Isidor  Mamroth  in  Berlin  für  angeblich  512,000  Thaler.  Der 
Handelsminister  versagte  zunächst  die  Concession,  welche  im 
Juni  1869  durch  Cabinets-Ordre  ertheilt  wurde,  Actiencapital 
1  Million  Thaler.  Ausser  dem  Vorkäufer  Isidor  INIamroth  ge- 
hörten zum  Gründuogscomite:  Kaufmann  L.  Ephraim  und 
Rechtsanwalt  Dr.  Dreyer  in  Görlitz,  Eisenbahndirector,  Re- 
gierungsrath  Carl  Vogt  in  Breslau,  Generalconsul  Gutike  in 
Berlin,  Wilhelm  Eichler  Ritter  von  Eichkron  in  Wien,  Säch- 
sischer Finanzrath,  Freiherr  Max  Maria  von  Weber  in  Dresden. 
Erste  Verwaltungsräthe  waren  u.  A.:  Commerzienrath  L.  Wrede 
und  Paul  Gravenstein  in  Berlin.  Die  Leitung  behielt  zunächst 
der  Vorbesitzer,  der,  wie  es  im  Prospect  hiess,  in  kaum 
15  Jahren  ein  reicher  Mann  geworden  war-,  später  übernahm 
sie  Director  Sammann,  welcher  1873  zugleich  mit  dem  Ver- 
waltungsrath  abtrat.  Die  früher  so  blühende  Fabrik  war  nach 
der  Gründung  schnell  heruntergekommen.  1871  bis  1873  gab 
es  keine  Dividende;  1874  und  1875  betrug  sie  je  4%.  Cours 
einst  125-,  jetzt  ca.  40. 

Sächsische  Maschinenfabrik,  vormals  Geh.  Commerzien- 
rath Richard  Hartmann  in  Chemnitz.  Wurde  März  1870  für 
3  Millionen  Thaler  angekauft!  Das  Gründungscomite  bildeten: 
Commerzienrath  L.  Wrede,  Banquier  Paul  Gravenstein,  Fabrik- 
besitzer G.  Schöpplenberg  und  Justizrath  J.  Ahlemann  in  Berlin, 
Wilhelm  Eichler  Ritter  von  Eichkron  in  Wien  uud  Sächsischer 
Finanzrath,  Freiherr  Max  Maria  von  Weber  in  Dresden.  Im 
Prospect  heisst  es:  Richard  Hartmann,  vor  30  Jahren  ein  mit- 
telloser Arbeiter,  beschäftigt  jetzt  nahezu  3000  Leute. 

Herr  Hartmann  und  Herr  Lüders  sind  beide  ein  leuchtendes 


—     29     — 

Beispiel  für  die  frommen  Proletarier,  die  sich  uiclit  von  deu 
bösen  Socialdemokrateu  verlocken  lassen,  sondern  die  nach 
wie  vor  auf  Herrn  Schulze-Delitzsch  hören,  welcher  ihnen  zu- 
ruft: Jeder  von  Euch  trägt  in  seiner  Tasche  den  Fabrikanten- 
Stab!  Aber  Herr  Hartmann  und  Herr  Lüders  haben  mit  dem 
vierten  Stand,  aus  dem  sie  hervorgegangen,  nichts  mehr  gemein-, 
sie  gehören  jetzt  beide  zur  Bourgeoisie,  sie  haben  beide  sich 
gründen  lassen  und  dann  selber  gegründet. 

Das  Capital  der  Gesellschaft  beträgt  3  Millionen  Thaler 
(1/2  Million  wurde  nachträglich  im  Januar  1873  zum  Course 
von  lü-i  ausgegeben)  und  dazu  kommen  noch  500,000  Thaler 
Hypotheken!  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths,  dem  auch  Geh. 
Commerzienrath  Plaut  in  Berlin,  Abgeordneter  Geh.  Ober- 
regierungsrath  Heise  in  Breslau  und  Geh.  Hofrath  Advocat 
Kohl  in  Chemnitz  angehörten,  wurde  der  Vorbesitzer  Richard 
Hartmann.  Die  Direction  übernahm  Gustav  Hartmann,  und  so 
blieb  Alles  hübsch  in  der  Familie.  Im  Prospect  wurden  15 
bis  17  Procent  Reingewinn  herausgerechnet,  aber  die  höchste 
Dividende,  welche  1873  erreicht  wurde,  betrug  nur  11,  und 
sank  1874  auf  3  Procent.  Trotz  dieser  winzigen  Dividende 
bewilligten  sich  Aufsichtsrath  und  Direction  je  5500  Thaler 
Tantieme-,  denn  sowol  bei  Lüders  wie  bei  Hartmann  bestimmen 
die  zum  Theil  von  denselben  Gründern  entworfenen  Statuten 
sehr  weise,  dass  bei  Vertheilung  des  Reingewinns  zunächst  Ver- 
waltungsrath  und  Vorstand  prämiirt,  und  dann  erst  die  Actio- 
näre  bedacht  werden  sollen.  Die  Actien,  einst  125,  notirten 
im  Sommer  187G  etwa  30. 

3Iaschiueul)an  und  Eisengiesserei  Wilhelinsliütte  bei 
Sprottau,  früher  Liebermann  &  Co.  Gegründet  April  1870 
von  Geh.  Commerzienrath  Gustav  Dietrich,  Geh.  Hofrath  Robert 
Dohme,  Hofjustizrath  Dr.  Girau,  Emil  Rathenau  und  Eduard 
Abel  in  Berlin  und  dem  Abgeordneten  Eisenbahndirector  Bail 
in  Glogau.  Actiencapital  750,000  Thaler  und  100,000  Thaler 
Hypothek.    Der  Prospect  stellte  14"ö  Dividende    in  Aussicht, 


-     30     — 

die  aber  nie  erreicht  wurde,    1875  entfielen  4,  1876  —  4V2^/o 
Dividende.     Cours  einst  120,  jetzt  ca.  60. 

Berliner  Maschineiibaugesellschaft,vormalsL.S  c  h  w  a  r  t  z  - 
kopff  in  Berlin.  Gegründet  1.  Juni  1870  von  Rechtsanwalt 
Salomonsohn  (für  die  Disconto- Gesellschaft),  Geh.  Commer- 
zienrath  W.  Conrad  (für  die  Berliner  Handelsgesellschaft), 
Abraham  Meyer  und  „Volkswirth"  Assessor  a.  D.,  Abgeordneter 
Dr.  Georg  Siemens  (für  die  Deutsche  Bank),  Geh.  Commerzien- 
rath  Zwicker  (Gebrüder  Schickler),  Anhalt  &  Wagener,  Com- 
merzienrath  Hermann  Egells,  Freiherr  Ed.  von  der  Heydt, 
Julius  Ebbinghaus,  „Volkswirth"  und  Abgeordneter  Regierungs- 
rath  a.  D.  von  Unruh.  Actiencapital  2  Millionen  Thaler.  Di- 
rector  wurde  der  Vorbesitzer,  und  er  erzielte  hohe  Erträge. 
Von  1871  bis  1876  wurden  8,  11,  15,  14,  12  und  resp.  7V2% 
Dividende  vertheilt.  Die  7  Aufsichtsräthe  erhielten  1873  bis 
1876  —  12,800,  15,500,  14,000  und  resp.  9000  Thaler  Tantieme. 
Ein  hübsches  Trinkgeld  für  eine  blos  nominelle  Müliewaltung! 
Die  Gründung  geschah,  als  Grund  und  Boden  und  derartige 
Etablissements  noch  nicht  so  unsinnig  in  die  Höhe  getrieben 
waren,  und  die  Gründer  haben  sich  mit  einem  massigen  Profit 
begnügt.  Trotzdem  ist  auch  bei  diesen  Actien  der  Cours,  der 
einst  150  notirte,  gesunken  bis  ca.  100. 


Wenn  schon  bei  den  Gesellschaften  von  1869  und 
Anfang  1870  gesündigt  worden,  so  geschah  dies  in 
weit  stärkerem  Grade  und  in  geradezu  systematischer 
Weise  nach  der  Explosion  des  Actiengesetzes.  Die 
Beute,  welche  die  Vorkäufer,  Vermittler,  Gründer 
und  ersten  Zeichner  jetzt  einsteckten,  war  zu  unver- 
schämt.   Die  neue  Gesellschaft  wurde  mit  einem  so 


—    81     — 

riesigen  Capital  belastet,  die  Verwaltung  war  so  kost- 
spielig, die  Wirthschaft  so  lüderlicli,  dass  eine  Ren- 
tabilität in  das  Reich  dei'  Unmöglichkeit  gehörte. 
Dennoch  wurden  in  den  Schwindeljahren  1871  bis 
1873  hohe  Dividenden  vertheilt,  die  man  künstlich 
ausrechnete,  um  die  Actien  los  zu  werden,  oder  um 
neue  Actien  mit  beträchthchem  Agio  auszugeben. 
Häufig  befand  sich  der  grösste  Theil  der  Actien  noch 
in  den  Händen  der  Gründer,  Verkäufer  und  Vorbe- 
sitzer, und  diese  steckten  dann  auch  die  hohe  Divi- 
dende ein.  Fast  regelmässig  behielt  der  Vorbesitzer 
die  Leitung,  bezog  dafür  einen  Ministergehalt,  und 
mit  den  Aufsichtsräthen,  zu  denen  stets  die  Gründer 
gehörten,  erkleckliche  Tantiemen;  und  stets  trat  er 
mit  den  ersten  Aufsichtsräthen  zurück,  sobald  das 
Fahrzeug  zu  sinken  begann. 

In  Berlin,  wo  die  Epidemie  am  ärgsten  wüthete, 
wurde  jede  Fabrik  gegründet,  die  sich  irgend  grün- 
den Hess;  und  von  den  Maschinenfabriken  blieben 
wenige  verschont.  Eine  bemerkenswerthe  Ausnahme 
bildete  der  „Locomotiven-König",  Geh.  Commerzien- 
rath  A.  Borsig  —  nicht  zu  verwechseln  mit  seinem 
genialen  Vaterj  der  schon  1854  starb.  Herr  A.  Borsig 
junior  blieb  ungegründet,  obwol  man  für  seine  Eta- 
blissements ihm  12  bis  15  Millionen  Thaler  geboten 


-     82     — 

haben  soll.  Doch  ging  er  selber  unter  die  Gründer. 
Im  Uebrigen  wurden  die  grössten  wie  die  kleinsten 
Maschinenfabriken  gegründet;  von  Egells  und  Wöhlert 
bis  Ohm  und  Schaaf.  Wir  charakterisiren  sie  nach- 
stehend: 

Eisengiesserei  uudMascliiueufabrik,  früher  Julius  Conrad 
Freund.  Gegründet  9.  Mai  1871  von  H.  C.  Plaut,  Paul  Gra- 
venstein,  Commerzienrath  Victor  Ludwig  Wrede,  Geh.  Regie- 
rungsrath  Dr.  Carl  Esse  und  dem  Abgeordneten  Geh.  Ober- 
Regierungsrath  und  Director  des  Köuigl.  Preuss.  Statistischen 
Bureau,  Dr.  Ernst  Engel.  Als  erste  Zeichner  fungiren  u.  A. : 
J.  C.  Freund,  Dr.  Georg  Freund,  S.  Abel  jr.,  Justizrath  Ahle- 
mann,  G.  Schöpplenberg,  Rudolf  Klemm  etc.  Directoren:  Wilh. 
Oppermann  und  Dr.  Heinrich  Adam  Ludwig  Wrede.  Vor- 
sitzender des  Aufsichtsraths  war  zunächst  Dr.  Esse,  später 
Justizrath  Riem,  welcher  das  Statut  aufgenommen  hatte.  Das 
Actieucapital,  ursprünglich  1,250,000  Thaler,  wurde  October  1872 
noch  um  350,000  Thaler  erhöht.  Damals  fiel  der  Gesellschaft,  indem 
sie  das  Vorkaufsrecht  auf  gewisse  Grundstücke  an  die  unglück- 
selige Deutsche  Eisenbahnbaugesellschaft  abtrat,  ein  Gewinn 
von  ca.  240,000  Thaler  in  den  Schooss;  und  dieser  Glücksfall 
wurde  benutzt,  um  junge  Actien  zu  machen,  und  die  alten, 
welche  schon  unter  90  gesunken,  bis  über  130  zu  treiben. 
Gegenwärtig  ist  der  Coursstand  ca.  30,  denn  die  Dividende  für 
1874  war  —  0. 

Landwirthschaftliclie  Mascliiueufabrik,  vormals  Com- 
missionsrath  H.  F.  Eckert.  Vorgekauft  Juni  1871  von  Ban- 
quier  Albert  Hackel  (M.  Borchardt  juu.j  und  Leopold  Hadra, 
welche  die  Gesellschaft  gründeten  in  Gemeinschaft  mit  Hütten- 
director  Hellmuth  Förster,  Baurath  und  Eisenbahndirector  Carl 
Köuigk,  Rittergutsbesitzer  und  Abgeordneter  A.  Kiepert  auf 
Marienfelde,  Landrath  a.  D.  und  Abgeordueter  Freiherr  von 


—     33     — 

dem  Knesebeck  auf  Jühusdorf.  Das  Actiencapital,  zuerst 
600,000  Thaler,  ward  März  1872  um  200,000  Thaler  erhöht. 
Dazu  185,000  Thaler  Hypotheken.  Erste  Aufsichtsräthe  waren 
noch  Banquier  Rudolf  Molenaar  und  Ingenieur  Adolf  Meyer. 
Der  Vorbesitzer  übernahm  150,000  Thaler  Actien  und  behielt 
die  Leitung  bis  1874.  Als  er  kürzlich  starb,  widmeten  ihm 
Aufsichtsrath  und  Direction  einen  überschwänglichen  Nach- 
ruf. Der  Prospect  bezeichnete  den  frühern  Reingewinn  mit 
15%  und  verhiess  eine  Dividende  von  10%.  1874  wurde  nichts 
gezahlt,  1875  und  1876  —  4  und  resp.  3  Procent.  Trotzdem 
berechnete  sich  der  Aufsichtsrath  auch  in  diesen  Jahren  eine 
Tantieme  von  1987  und  resp.  1444  Thaler.  Der  Cours,  einst 
über  100,  ist  gefallen  bis  ca.  30. 

Märkisch-Schlesische  Maschinenbau-  und  Hiitten-Ge- 
sellscliaft,  bisher  F.  A.  Egells.  Die  Besitzer,  Commerzienrath 
Hermann  Egells  und  Carl  Egells,  verkauften  zweimal,  was  zu 
einem  Prozesse  Veranlassung  gab;  zum  zweiten  Mal,  Septem- 
ber 1871,  an  das  Consortium  Bernhard  Friedheim  und  Leopold 
Hadra.  Actiencapital  2,300,000  Thaler!  Dazu  ca.  700,000  Thaler 
Hypotheken  und  500,000  Thaler  Prioritäts-Obligationen!!  Erste 
Zeichner:  Robert  Baumann  (Berliner  Bank),  Julius  Samelson, 
Jacob  Ball,  Joseph  Leipziger,  Meyer  Cohn,  Mendel  Cohn,  Anton 
Wolff,  Joseph  Pincuss,  PaulMunk,Generalconsul  Ascher  Salinger, 
Rittergutsbesitzer  Carl  Meyer  (in  Firma  Fr.  Krupp  in  Essen), 
Justizrath  Drews,  Aron  Hirsch  Heymann  etc.  Der  Prospect  ent- 
hält grobe  Unrichtigkeiten  und  falsche  Angaben,  weshalb  die 
Staatsanwaltschaft  wiederholentlich  angerufen  wurde;  jedoch  kam 
es  bisher  zu  keiner  Anklage.  Dieser  Prospect  hat  keine  Unter- 
schrift, was  das  famose  Actiengesetz  auch  gar  nicht  verlangt.  Er 
ist  von  einem  Börsen-Literaten  abgefasst,  der  sich  bei  seiner  Ver- 
nehmung nicht  mehr  erinnern  konnte,  wer  ihm  dazu  Auftrag  ge- 
geben hatte!  Zu  einer  Dividende  ist  es  nie  gekommen;  pro 
1872  wurden  2V4,  pro  1873  —  1V4%  ausgeworfen,  aber  nicht 
bezahlt.    Pro  1874  erhielten  die  Actionäre  erst  recht  nichts-, 

Glagau,  Der  Börsenscliwindel.     II.  3 


—     34    — 

dagegen  bewilligte  der  Aufsichtsrath  sich  und  dem  Beamten- 
Personal  eine  Remuneration  von  2500  Thalern!!  Der 
Cours  ist  etwa  10. 

Beiiiuer  Vulkan,  Eisengiesserei  und  Maschinenfabrik, 
vormals  Otto  Hermann  von  Michalkowsky.  Errichtet  No- 
vember 1871.  Gründer:  Leopold  Hadra  und  Max  Munk.  Erste 
Zeichner:  Michael  Simonsohn,  Isidor  Platho  (Platho  &  Wolff),*" 
Emil  Heymann,  Leopold  Pincson,  Leopold  Friedländer,  Hugo 
Fuchs,  Paul  Munk,  Eisenbahndirector  Gustav  Dittmann,  August 
Jacobs,  Otto  Sanden  etc.  Grundcapital  450,000  Thaler  —  Juni 
1876  durch  Zusammenlegen,  d.  i.  Meucheln  der  Actien  um  die 
Hälfte  gemindert,  und  285,000  Thaler  Hypotheken.  Für  1872 
wurden  7%  Dividende  vertheilt,  seitdem  nichts  mehr.  Die 
Bilanz  pro  1875  schloss  mit  einem  Verlust  von  68,000  Thlrn. 
Cours  etwa  5. 

Wölilert'sche  Maschineubauaustalt  und  Eisengiesserei. 
Vorgekauft  von  Hermann  Geber  und  Consorten,  und  Febr.  1872 
den  unglücklichen  Actionären  für  SV^  Millionen  Thaler  über- 
wiesen, ohne  dass  in  dieser  kolossalen  Summe  auch 
die  Vorräthe  eingerechnet  waren!  Neben  dem  Actien- 
capital  von  S'/i  Million  Thaler  stehen  noch  1  Million  Thaler 
Hypotheken.  Gewiss  eine  erschreckliche  Belastung!  Trotzdem 
wurden  von  1872  bis  1874  —  6 — 5V2  Procent  Dividende  vertheilt, 
dem  Aufsichtsrath  hohe  Tantiemen  und  den  Beamten  Grati- 
ficationen  bewilligt.  Erst  1876  stand  man  davon  ab.  Die  Di- 
rectiou  übernahmen  Julius  Müller  und  Gustav  Wöhlert.  Vor- 
sitzender des  Aufsichtsraths  war  zuerst  der  Vorbesitzer,  Com- 
merzienrath  F.  Wöhlert,  und  nach  ihm  Fabrikbesitzer  G.  Schöpp- 
lenberg. 

Diese  Gründung  war  so  grob,  dass  sie  gleich  Verdacht 
erregte.  Von  dem  Actiencapital  waren  angeblich  iVi  Millionen 
Thaler  „fest  übernommen",  und  den  Rest  mit  2  Millionen  Thlr. 
legten  Richard  Schweder  (Preuss.  Boden-Credit-Actien-Bank), 
F.  W.  Krause  &  Co.  und  Carl  Goppel  &  Co.  zur  öffentlichen  . 


—     35    — 

Zeichnuug  auf.  Es  -wurden  jedoch  nur  Vl^  Millionen  Thaler 
genommen,  und  Richard  Schweder  bot  den  „nicht  subscribirteu 
Rest"  von  ^/^  Million  Thal  er  nochmals  aus;  was  in  der  da- 
maligen Schwindelperiode,  wo  regelmässig  Ueberzeichuungen 
stattfanden  und  stets  „Reductionen"  vorgenommen  werden 
mussten,  sehr  auffiel.  Der  Cours  bröckelte  fortwährend  und 
ist  schliesslich  gefallen  bis  10. 

Der  Prospect  datirt  vom  1.  Februar  1872  und  ist  unter- 
zeichnet: „Der  Aufsichtsrath.  Commerzienrath  F.  Wöhlert, 
Justizrath  Dr.  Braun,  Mitglied  des  Reichstags  und  des  Ab- 
geordnetenhauses. Stadtrath  Pohle.  Banquier  F.  W.  Krause 
(bald  hernach  geadelt).  Gustav  Markwald."  —  Dieser  Prospect 
sagt  u.  A. :  Der  im  letzten  Geschäftsjahr  erzielte  Gewinn  be- 
trug 310,000  Thaler,  und  wird  sich  voraussichtlich  fortan  auf 
545,000  Thaler  stellen.  —  Die  Zahl  der  beschäftigten  Arbeiter 
belief  sich  bisher  auf  1500,  hat  aber  schon  jetzt,  der  eingetre- 
tenen Vergrösserungen  wegen,  auf  1800  erhöht  werden  müssen. 
—  Bisher  konnten  jährlich  120  Locomotiveu  und  5000  Satz 
Achsen  geliefert  werden,  doch  wird  diese  Leistungsfähigkeit 
durch  die  bereits  vorgenommenen  Vergrösserungen  auf  150 
Stück  Locomotiveu  und  GOOO  Satz  Achsen  gesteigert  werden.  — 
Diese  Angaben  sind,  wie  es  sich  herausgestellt  hat,  unwahr, 
und  bei  der  Staatsanwaltschaft  liefen  verschiedentlich  Denun- 
ciationen  ein,  die  lange  vergeblich  blieben,  bis  in  Folge  einer 
Beschwerde  der  Oberstaatsanwalt  beim  Kammergericht,  Herr 
von  Luck,  am  19.  Juni  1876  verfügte,  es  solle  gegen  die  fünf 
Unterzeichner  des  Prospects  die  gerichtliche  Voruntersuchung 
wegen  Betruges  beantragt  werden. 

Schon  im  Jahre  1874  wandte  sich  ein  Beamter,  der  im 
Vertrauen  auf  die  Unterschrift  des  Parlamentsmitgliedes  Braun 
seine  gesammten  Ersparnisse  von  1600  Thalern  in  Wöhlert'schen 
Actien  angelegt  hatte,  an  diesen  Herrn  und  bat  um  Auskunft 
über  die  Lage  der  Gesellschaft.  Dr.  Braun  antwortete:  Ich 
habe  den  fraglichen  Prospect  nicht  unterzeichnet,  vielmehr  un- 

3* 


—     36     - 

mittelbar,  nachdem  ich  solchen  in  den  Zeitungen  gelesen,  die 
mir  angetragene  Stelle  im  Verwaltungsrath  abgelehnt.  Ich 
habe  überhaupt  mit  der  ganzen  Gesellschaft  nicht  das  Ge- 
ringste zu  thuu.  —  Der  Beamte  sah  die  Beilageacten  zum 
Handelsregister  ein,  die  für  Jedermann  offen  liegen,  und  fand 
hier,  dass  Herr  Braun  thatsächlich  Mitgründer  und  erster 
Zeichner  der  Gesellschaft  ist,  dass  er  zum  stellvertretenden 
Vorsitzenden  erwählt  worden,  und  auch  den  Vertrag  mit  den 
Verkäufern  unterzeichnet  hat.  Er  interpellirte  den  grossen 
„Volks wirth"  nochmals  und  erhielt  folgende  Antwort:  Wie  ich 
mich  soeben  aus  den  Acten  überzeuge,  war  ich  allerdings 
drei  Wochen  formell  Aufsichtsrath  der  Wöhlert'schen  Gesell- 
schaft, habe  jedoch  nicht  weiter  fungirt  und  meinen  Austritt 
am  22.  Februar  1872  angezeigt. 

Als  Herr  Braun  -  Wiesbaden  sich  im  Juli  1876  seinen 
Wählern  in  Waidenburg  (Schlesien)  vorstellte,  nahm  er  Ver- 
anlassung, eine  weitere  Erklärung  abzugeben,  die  nach  seinem 

Leiborgan,  der  „National-Zeitung"  also  lautete: Ich  wurde 

in  den  Aufsichtsrath  der  Wöhlert'schen  Gesellschaft  gewählt, 
nachdem  ich  bei  ßerathung  der  Statuten  mitgewirkt 
hatte  (!)  und  zeichnete  denjenigen  Actienbetrag,  welcher  er- 
forderlich war.  Einige  Zeit  darnach  wurde  ich  aufmerk- 
sam gemacht  (!!)  dass  mein  Name  unter  dem  Prospect  stehe. 
Ich  schrieb  sofort  an  den  Vorstand,  protestirte  gegen  den 
Missbrauch  meines  Namens  und  erklärte,  dass  ich  aus  dem 
Aufsichtsrath   trete  und   meine  Zeichnung  widerrufe.    Hierauf 

wurde  eingegangen. Herr  Braun  protestirte  heimlich,  in 

einem  Briefe  •,  nicht,  wie  es  seine  Pflicht  war,  und  wie  es  sein 
eigner  Vortheil  geboten  hätte,  öffentlich.  —  Herr  Braun 
sprach  vor  seinen  Wählern  nur  von  der  Wöhlert'schen  Grün- 
dung, von  den  übrigen,  an  denen  er  betheiligt  ist,  schwieg  er 
weislich. 

Auch  die  anderen  Gründer  wollen  jetzt,  wo  ihnen  der  Staats- 
anwalt zu  Leibe  geht,  den  Prospect  nicht  unterzeichnet  haben, 


—     37     — 

und  derselbe  scheint,  gleich  wie  bei  der  Egells'schen  Fabrik, 
vom  Himmel  gefallen  zu  sein.  Herr  Gustav  Markwald,  der 
vielerfahreue  Gründer  und  Schwiegervater  des  blutigen  Grün- 
ders Richard  Schweder,  bezeichnet  als  Verfasser  des  Prospects 
—  Carl  Goppel;  und  dieser  kann  nicht  widersprechen,  denn  er 
ist  seit  mehreren  Jahren  todt.  Er  stürzte  im  Thiergarten 
mit  dem  Pferde  und  verstarb  daran. 

Berliuer  Union,  Eisengiesserei  und  Maschinenfabrik,  vor- 
mals Webers.  Gegründet  August  1872  von  Richard  Schweder 
(Preussische  Creditaustalt),  Ludwig  Goldberger(J.T.  Goldberger), 
Leopold  Lehrs,  Geh.  Hofrath  Robert  Dohme.  Aufsichtsräthe : 
„Generaldirector"  Fr.  Waltz,  Commerzienrath  Gustav  Jürst, 
Baumeister  Hennicke.  Directoren:  die  Vorbesitzer  Emil  Ra- 
thenau  und  Julius  Valentin.  Actiencapital  1  Million  Thaler 
und  200,000  Thaler  Hypotheken.  1874  wurde  1%  Dividende 
vertheilt,  1875  die  Auflösung  und  der  Verkauf  beschlossen. 
Letzter  Cours  ca.  Va- 

Maschinenfabrik  Cyklop.  Gegründet  März  1872  von 
Ditmar  Leipziger,  Paul  Kuczynskj-,  Amand  Bloch,  Hermann 
Würtz,  Gustav  Friedläuder,  Siegmund  Pincuss,  Michael  Simon- 
sohn, Bernhard  Eltze,  Hüttendirector  Hellmuth  Förster,  In- 
genieur Ernst  Behrens  und  Georg  Mehlis,  „Volkswirth"  und 
Abgeordneter  Dr.  Georg  Siemens,  Fabrikbesitzer  und  Akade- 
miker Dr.  Werner  Siemens.  Actiencapital  300,000  Thaler. 
Die  Fabrik  wurde  neu  errichtet;  und  betrug  die  Dividende  pro 
1874  —  3V-25  pro  1875  —  3%.  An  der  Börse  werden  die 
Actien  nicht  notirt. 

Berlin-Auhaltisclie  Maschiuenbafügesellschaft.  Gegrün- 
det September  1872  von  Banquier  Friedrich  Gelpcke,  Julius 
Ebbinghaus,  Wilhelm  Nolte,  Fabrikbesitzer  Otto  Oechelhäuser 
und  F.  W.  Heckmann,  Commerzienrath  Gustav  Stobwasser  in 
Berlin,  Fabrikbesitzer  Julius  Arndt  und  Geh.  Commerzienrath 
,, Volkswirth"  Wilhelm  Oechelhäuser  in  Dessau.  Actiencapital 
500,000  Thaler.    Die  Dividenden  bewegen  sich  in  absteigender 


—     38     — 

Linie:  1873  —  10%,  1874  -  6^4%,  1875  —  5%,  1876  -  2V2%. 
An  der  Börse  werden  die  Actien  nicht  notirt. 

Germania,  Eisenbahnwagen -Leihanstalt.  Gegründet  Fe- 
bruar 1873  von  Heinrich  Quistorp,  Julius  Meyer  Lehmann, 
Albert  Ludewig  und  Rentier  Heymann  Feldheim  in  Berlin,  Caspar 
Diedrich  Killing,  C.  Th.  Middendorf  und  Rechtsanwalt  Storp 
in  Hagen,  Carl  Kesseler  in  Greifswald,  Wilh.  Köppern  in  Alten- 
hagen, Consul  Alfred  Scharffenorth  in  Memel,  Philipp  Carl 
Schulte  in  Gevelsberg.  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths:  G.  L. 
Brückmann  in  Dortmund.  Actiencapital  1  Million  Thaler. 
Herr  Quistorp  war,  wie  er  in  seinem  blühenden  Stil  sich  aus- 
drückte, „in  der  angenehmen  Lage",  auf  je  5  Actien  seiner 
Vereinsbank,  die  damals  190  notirten,  eine  Actie  der  „Ger- 
mania" ä  IO7V2  zu  gewähren,  was  bei  40%  Einzahlung  einem 
Course  von  etwa  290  entsprach.  Das  erste  Geschäftsjahr  gab 
5%  Dividende,  seitdem  0.  187G  trat  man  in  Liquidation,  und 
die  Vollactie  notirt  etwa  40. 

Berliner  Phönix,  Werkzeugmaschinenfabrik  und  Eisen- 
giesserei,  vormals  Ohm  &  Co.  undPerls&  Moser.  Gegründet 
August  1872  von  Joseph  Piucuss,  Theodor  Libbert,  Moritz 
Hirsch,  Fabrikbesitzer  Wilhelm  Ohm  sen. ,  Rudolf  Ohm  und 
Adolf  Perls,  Ingenieur  Robert  Moser,  Hofrath  Moritz  Alberts, 
Geh.  Kanzleirath  Dr.  Georg  Kurs  in  Berlin,  Rentier  Julius 
Dräger  in  Freienwalde.  Actiencapital  475,000  Thaler  und 
250,000  Thaler  Hypotheken.  Die  Vorbesitzer  Rudolf  Ohm 
und  Adolf  Perls  behielten  die  Leitung;  doch  wurde  letzterer 
später  entlassen.  Zu  einer  Dividende  kam  es  nicht,  vielmehr 
schloss  jedes  Geschäftsjahr  mit  Verlust.    Cours  ca.  8. 

Werkzeugniaschinenfahrik,  früher  Louis  Sentker.  Bil- 
dete sich  Novbr.  1871  mit  einem  Actiencapital  von  450,000  Thlr. 
und  90,000  Thaler  Hypotheken.  Das  Etablissement  wurde  vor- 
gekauft von  Hugo  Fuchs  und  gegründet  von  R.  A.  Seelig, 
Hermann  Gratweil,  Hartwig  Paetz,  Hermann  Kirchhoff  und 
den  Ingenieuren  Fritz  Kühnemann,  August   Hasse  und  Wilh. 


—     39     — 

Hennig.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Direction.  An  Dividenden 
wurde  1875  —  lOV-'^/o,  1876  aber  nur  4^/,,  gezahlt.  Cours 
noch  ca,  30. 

Werkzeiigmaschiueufabrik  Tiefzscli.  Gegründet  August 
1872  von  dem  Vorbesitzer  Jacob  Asch,  von  Leo  Wollenberg, 
Freiherr  Otto  von  Schleinitz,  Ingenieur  Scholl,  Fabrikant  Aug. 
Gaehrich,  Director  Carl  Specht.  Actiencapital  480,000  Thaler, 
durch  Beer  &  Ilerzberg  an  die  Börse  gebracht-,  und  150,000  Thlr. 
Hypotheken.  Die  Dividende  pro  1874  betrug  2*^/0,  pro  1875 
—  0.     Cours  ca.  10. 

Feilenfabrik  Schaaf.  Gegründet  December  1871  von 
H.  Quistorp,  Georg  Scheibler,  Marcus  Berliner,  Albert  Reinicke, 
„Generaldirector"  Julius  Müller,  Baumeister  W.  Howe,  Zim- 
mermeister H.  Richter.  Revisor:  Ferd.  Krebs.  Von  dem  Actien- 
capital mit  280,000  Thaler  übernahm  der  Vorbesitzer  Carl 
Schaaf  sen.  150,000  Thaler  und  behielt  die  Leitung.  Pro  1871/72 
fabricirte  Heinrich  Quistorp  eine  künstliche  Dividende  von  140/0, 
und  trieb  so  den  Cours  der  Actien  bis  125.  Die  Dividende 
pro  1875  betrug  3V3%,  und  die  Actien  notirten  in  der  letzten 

Zeit Ueber  das  Vermögen  von  Carl  Schaaf,  Vater  und 

Sohn  ward  October  187G  der  Concurs  eröffnet. 

Fa^'on-Sclimiede-  und  Sdiranbenfabrik,  vormals  Albert 
Lud  ewig.  Gegründet  März  1872  von  Heinrich  Quistorp, 
Hermann  Hundertmark,  Hermann  Lehmann,  C.  H.  Schäffer, 
Fabrikbesitzer  Ludwig  Wiganckow,  Rentier  Carl  Riesel.  Actien- 
capital 250,000  Thaler  und  ca.  80,000  Thaler  Hypotheken. 
Der  Vorbesitzer  wurde  Director.  Auch  hier  wusste  Quistorp 
für  das  erste  Geschäftsjahr  eine  Dividende  von  16%  auszu- 
rechnen, und  dadurch  den  Cours  der  Actien  auf  165  zu  treiben. 
Inzwischen  ist  dieser  auf  ca.  20  gesunken,  denn  die  Dividende 
pro  1875  war  0. 

Berliner  Tatent-Feilenfabrik,  früher  Ilorm.  Moritz 
und  Jacob  Rein  ach,  welche  die  Leitung  behielten.  Die 
Gesellschaft  constituirte  sich  August  1872  und  waren  die  Gründer: 


—     40     — 

Siegfried  Geber,  Benno  Beer,  G.  B.  Weiss,  Julius  Joseph,  Stadt- 
verordneter Ludwig  Löwe  und  die  Vorbesitzer.  Actiencapital 
300,000  Thaler  und  128,000  Thaler  Hypotheken.  Das  Eta- 
blissement liegt  in  der  Gerichtstrasse,  wo  sich  früher  der  Galgen 
befand;  und  dies  charakterisirt  die  Gründung,  welche  auch  die 
Staatsanwaltschaft  beschäftigte.  Nachdem  man  für  das  erste 
Betriebsjahr  von  4  Monaten  (!)  eine  Dividende  von  7%  con- 
struirt  hatte,  ward  Februar  1874  die  Liquidation  beschlossen, 
und  später  der  Concurs  beantragt,  welchen  aber  das  Gericht 
ablehnte,  weil  der  nöthige  Kostenvorschuss  nicht  vorhanden 
war.  Die  Grundstücke  der  Gesellschaft  kamen  zur  Subhastation 
und  erzielten  zusammen  ca.  42,000  Thaler,  so  dass  nicht  ent- 
fernt die  Hypothekenschuld  gedeckt  wurde.  Selbstverständlich 
ist  das  Actiencapital  völlig  verloren. 


Eine Specialität  bilden  die  Nähmaschinenfabri- 
ken,  welche  seit  15  Jahren  auch  in  Deutschland  ge- 
deihen. Die  Nähmaschine  fand  Eingang  bei  der  In- 
dustrie wie  in  der  Familie;  sie  drang  in  die  Paläste 
wie  in  die  Hütten;  sie  wird  von  den  kleinen  Beamten 
auf  monatliche  Abzahlung  gekauft,  und  von  wohlthä- 
tigen  Vereinen  an  Arme  geschenkt.  Die  Nähmaschine 
ward  Mode,  ein  obligates  Hausgeräth,  wenn  sie  auch 
in  vielen  Haushaltungen  ziemlich  unbenutzt  steht, 
oder,  nach  kurzer  Zeit  unbrauchbar  geworden,  in  die 
Rumpelkammer  wandert.  Obwol  sie  in  Zeitungs- 
und Journal  -  Artikeln  ungemeine  Reclame  erfuhr, 
lässt  sie  hinsichtlich  ihrer  Construction  und   prak- 


—    41     — 

tischen  Brauchbarkeit  noch  viel  zu  wünschen  übrig, 
und  der  Gesundheit  ist  sie  etwa  eben  so  zuträg- 
lich, wie  das  verrückte  Velocipede.  Aber  kaum 
giebt  es  im  Fabrikwesen  eine  einträglichere  Branche. 
Wenngleich  der  ursprüngliche  Preis  der  Nähmaschi- 
nen um  drei  Viertel  gefallen,  rentirt  sich  die  Her- 
stellung derselben  noch  immer  fabelhaft,  und  die  Fa- 
brikanten erwerben  binnen  wenigen  Jahren  ein  Ver- 
mögen. Daher  vergassen  die  Gründer  auch  nicht  die 
Nähmaschinenfabriken,  und  allein  in  Berlin  errichte- 
ten sie  vier  solcher  Actiengesellschaften : 

Ludwig'  Löwe  &  Co.,  Commanditgesellschaft.  Gegründet 
December  1869  von  Ludwig  Löwe,  Gustav  Schöpplenberg,  Jacob 
Ball  und  Paul  Gravenstein.  Aufsich tsräthe :  Stadrath  Albert 
Löwe,  Louis  M.  Bamberger,  Louis  Gradenwitz.  Die  Fabrik 
ward  neu  errichtet  und  erst  1871  vollendet.  Der  persönlich 
haftende  Gesellschafter,  Herr  Ludwig  Löwe,  welcher  Dank 
seiner  Redegabe,  die  er  in  den  Bezirksvereinen  entwickelte, 
zum  Stadtverordneten  avancirte,  fuhr  über  den  Atlantischen 
Ocean,  um  die  Nähmaschine  in  ihrer  Heimat  zu  studiren,  kehrte 
nach  wenigen  Wochen  zurück  und  hielt  nun  lehrreiche  Vor- 
träge über  die  Zustände  in  den  Vereinigten  Staaten,  die  aber 
in  Amerika  selber  ein  wenig  beifälliges  Echo  weckten.  Zugleich 
erschien  in  der  „Berliner  Börsen-Zeitung"  ein  hochpoetischer 
Artikel  „Ein  Heinzelweibcheu" ,  und  feierte  als  Königin  der 
Mähmaschinen,  liervorgegangen  aus  der  Vermählung  Amerika- 
nischer und  Deutscher  Industrie,  die  Nähmaschine  des  Herrn 
Ludwig  Löwe,  die  aber  noch  gar  nicht  geboren  war,  sondern 
erst  verschiedene  Monate  nachher  unter  grossen  Wehen  zur 
Welt  kam.    Der  geniale  Dichter  und  Sonntags-Feuilletonist  der 


—     42     — 

„Berliner  Börsen -Zeitung",  erntete  angemessenen  Lohn,  mit 
dem  er  sich  später  bei  der  famosen  Gründung  „Admirals- 
gartenbad"  betheiligte.  Die  Löwe'sche  Fabrik,  obwol  sie  noch 
lange  nicht  fertig  war,  verkündigte  sich  bereits  als  .,die  grösste 
Europa's,  die  besteingerichtete  der  Welt",  und  versprach 
20,000  Maschinen  alljährlich.  Diese  bescheidene  Selbstkritik 
verwickelte  sie  in  einen  Zeitungskrieg  mit  ihren  Concurrenten 
Frister  &  Rossmanu  und  Pollack,  Schmidt  &  Co.,  die  beide 
sich  eben  hatten  gründen  lassen;  und  die  drei  holden  Schwe- 
stern stritten  nun,  wer  von  ihnen  das  Publikum  am  ärgsten 
geleimt  hätte. 

„Heinzelweibchen"  und  Selbstkritik  thaten  ihre  Schuldig- 
keit. Die  Actien  stiegen  bis  125,  und  das  ursprüngliche  Actien- 
capital  von  250,000  Thlr.  konnte  im  Febr.  1872  um  150,000  Thlr. 
und  im  Mai  1872  nochmals  um  250,000  Thaler  vermehrt  werden. 
Der  Prospect  hatte  25%  Nettogewinn,  „als  ausserordentlich 
solide  und  gerechtfertigt"  verheissen,  und  dafür  Bezug  ge- 
nommen auf  die  mitbetheiligteu  J.  G,  Halske  und  Stadtrath 
Th.  Sarre.  Aber  von  1870  bis  1873,  vier  Jahre  hindurch,  gab  es 
keine  Dividende.  Erst  als  die  „grösste  Nähmaschinenfabrik 
Europa's",  die  „besteingerichtete  der  Welt",  die  Nähmaschinen, 
mit  denen  sie  mancherlei  Pech  hatte,  so  ziemlich  fallen  Hess, 
und  sich  anderen  Zweigen,  wie  Waffen  und  Munition,  Röhren 
und  Kesseln,  zuwandte,  wurden  Dividenden  vertheilt,  pro  1874 
—  6%  und  pro  1875  sogar  10%.  Aber  das  Actiencapital  be- 
trägt 650,000  Thaler,  wozu  noch  100,000  Thaler  Hypotheken 
kommen;  und  der  Cours  von  ca.  90  ist  entschieden  zu  hoch. 

Nähinaschinenfabrik,  vormals  Frister  &  Rossmann. 
Vorgekauft  von  Hermann  Geber,  und  gegründet  Novbr.  1871 
von  Alfred  Wolf  (M.  Schie  Nachfolger)  in  Dresden,  Leopold 
Friedländer,  Aron  Aumann,  Emil  Rathenau,  Jul.  Valentin  und 
Rechnungsrath  Rudolf  Müller  in  Berlin.  Die  Vorbesitzer  Rob. 
Frister  und  Gustav  Rossmann  behielten  die  Leitung  der  Fa- 
brik,  die  sie  seit  wenigen  Jahren  besassen,  die  ihnen  Alles  in 


—     43     — 

Allem  etwa  70,000  Thaler  gekostet  hatte,  und  die  jetzt  den 
Actionären  zu  dem  kolossalen  Preise  von  865,000  Thaler  auf- 
gehalst wurde!  Neben  dem  Actiencapital  von  850,000  Thlrn. 
stehen  noch  200,000  Thlr.  Hj^potheken ! !  Die  Dividenden  von 
1872  bis  1875  betrugen  9,  2,  3  und  resp.  3  Procent.  Der  Cours 
ist  noch  ca.  40. 

Milnnaschineiifabrik,  sonst  Pollack,  Schmidt  &  Co. 
in  Hamburg.  Gegründet  Novbr.  1871  von  Keinhold  Alexander 
Seelig,  Heinrich  Philippson,  Charles  Jules  Frangois  Fonrobert 
und  Gottfried  Stumpf  iu  Berlin.  Der  Kaufpreis  war,  wie  der 
Prospect  sich  ausdrückte,  ,,ein  sehr  niedriger";  er  betrug  auch 
nur  —  850,000  Thaler !  Das  Actiencapital  von  875,000  Thaler 
wurde  aufgelegt  von  Eichard  Schweder  (Preuss.  Boden-Credit- 
Actien-Bank)  und  F.  W.  Krause  &  Co.  Auch  sind  noch 
190,000  Thaler  Hypotheken  vorhanden!!  Obwol  die  Fabrik  sich 
in  Hamburg  befindet,  nahm  die  Gesellschaft  ihren  Sitz  in  Berlin. 
Die  Vorbesitzer  Heinrich  Pollack  und  Edwin  Schmidt  behielten 
die  Leitung.  Pro  1872,  in  welchem  Jahre  die  Fabrik  total 
niederbrannte,  ward  eine  künstliche  Dividende  von  6V3%  ver- 
theilt,  seitdem  0.    Der  Cours  ist  ungefähr  auch  0. 

J>ähiiiaschinenfal)rik,  vormals  Franz  Boecke.  Gegrün- 
det September  1871  von  Louis  Feig,  Hermann  Gratweil,  Her- 
mann Leubuscher,  R.  A.  Seelig,  Ed.  Stahlschmidt  (Hermann 
Geber)  und  Leopold  Krautheim.  Actiencapital  830,000  Thaler. 
Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung.  Die  Gesellschaft  hat  li- 
quidirt  und  der  Cours  ist ? 


Weifen  wir  einen  Rückblick  auf  die  bisher  vor- 
geführten Gesellschaften,  so  fällt  zunächt  in  die  Augen, 
dass,  abgesehen  von  Heinrich  Quistorp,  der  auch 
mehrmals    erscheint,    die   Vorkäufer    und    leitenden 


—     44     — 

Gründer  fast  immer  Juden,  oder  doch  jüdischer  Ab- 
kunft sind.  Solch  professioneller  Vorkäufer  ist  vor 
Allen  Hermann  Geber  mit  seinen  Verbündeten  und 
Gehülfen:  Siegfried  Geber,  Reinhold  Alexander  Seelig, 
Hermann  Leubuscher,  Eduard  Stahlschmidt,  Julius 
Pickardt,  Hermann  Gratweil,  Julius  Müller  etc.  Geber 
und  Consorten  sind  z.  B.  betheiligt  bei  den  Fabriken 
von  Wöhlert,  Sentker,  Patentfeilen,  Frister  &  Ross- 
mann, Pollack,  Schmidt  &  Co.,  Franz  Böcke.  Eine 
Hauptrolle  bei  Eckert,  Egells  und  Vulkan  spielt  Leo- 
pold Hadra,  der  Mitarbeiter  der  „Nationalzeitung" 
und  der  „Breslauer  Zeitung".  Ebenso  treten  in  den 
Vordergrund:  Richard  Schweder,  Paul  Munk, 
Hermann  Egells  und  das  Triumvirat:  H.  C.  Plaut, 
V.  L.  Wrede  und  Paul  Gravenstein. 

Auffällig  ist  ferner,  wie  die  leitenden  Gründer  es 
lieben,  sich  mit  Parlamentariern  und  „Volkswirthen" 
zu  umgeben.  Von  diesen  wurden  bisher  genannt: 
Eisenbahndirector  Bail  in  Glogau,  Regierungsrath  a.  D. 
von  Unruh,  Bank -Assessor  Dr.  Georg  Siemens  und 
Geheimrath  Dr.  Engel  in  Berlin,  Rittergutsbesitzer 
Kiepert  auf  Marienfelde,  Landrath  von  dem  Knese- 
beck  auf  Jühnsdorf,  Justizrath  Dr.  Carl  Braun  in 
Berlin.  Selbstverständlich  sollten  diese  Herren  mit 
ihren  Namen  dem  Publikum  eine  besondere  Garantie 


—    45    — 

bieten,  aber  in  den  überwiegend  meisten  Fällen  sah 
sich  das  Publikum  schmählich  getäuscht. 

Während  die  gegründeten  Fabriken  in  Privathän- 
den blühten,  glänzende  Erträge  abwarfen,  sind  sie 
als  Actienunternehmen  schnell  verkümmert.  Die  grosse 
Mehrzahl  gewährt  entweder  gar  keine  Dividende  mehr 
oder  nur  noch  eine  sehr  ungenügende;  viele  Gesell- 
schaften sind  bereits  aufgelöst  oder  sie  gehen  der 
Auflösung  mit  raschen  Schritten  entgegen.  Und  die 
Ursache  dieser  traurigen  Erscheinung  sind  einfach 
die  Sünden,  welche  bei  der  Gründung  oder  während 
der  Verwaltung  begangen.  Schon  das  riesige  Capital 
an  Actien  und  Hypotheken  schliesst  in  normalen  Zeit- 
läuften eine  angemessene  Verzinsung  aus;  und  dazu 
kommt  die  theuere  Geschäftsführung,  die  grobe  Miss- 
wirthschaft,  wie  sie  fast  durchgängig  zu  Tage  ge- 
treten ist. 

Nicht  nur  grössere,  auch  ziemlich  kleine  Gesellr 
Schäften  besoldeten  mehre  Directoren,  die  Gehälter 
und  Tantiemen  im  Betrage  von  3000  bis  12,000  Tha- 
lern bezogen,  hielten  eine  Menge  von  überflüssigen 
oder  doch  entbehrlichen  Bureaubeamten,  Aufsehern 
und  Bediensteten  aller  Art.  In  Gehältern  und  Löh- 
nen, Einrichtungen  und  Materialien  herrschte  gedan- 
kenlose oder  gar  systematische  Verschwendung.    Es 


—     46     — 

fehlte  die  einheitliche  Organisation  und  Autorität, 
denn  verschiedene  mehr  oder  weniger  gleichberechtigte 
Beamte  standen  sich  gegenüber,  und  Jeder  von  ihnen 
ging  seinen  eigenen  Weg.  Es  fehlte  das  Auge,  weil 
das  Interesse  des  Herrn;  Durchstecherei  und  Unter- 
schlagung, Veruntreuungen  und  Diebstähle  bildeten 
die  Regel;  mangelhafte  Beaufsichtigung,  grobe  Ver- 
nachlässigung Hessen  Vieles  verderben.  Vieles  miss- 
rathen," führten  zu  fortlaufenden  Verlusten  und  ausser- 
ordentlichen Unglücksfällen. 

Um  das  übergrosse  Anlagecapital  nur  zu  verwen- 
den, wurde  vergrössert,  gebaut,  experimentirt,  wur- 
den weit  mehr  Arbeiter  eingestellt,  als  nöthig  waren, 
wurde  beim  Mangel  an  Aufträgen  auf  Vorrath  ge- 
arbeitet. Nicht  selten  gingen  dann  die  Geldmittel 
plötzlich  aus,  und  man  suchte  um  jeden  Preis,  mit 
ungeheurem  Damno,  neue  zu  beschaffen.  Indem  die 
gegründeten  Fabriken  sämmtlich  ihr  Arbeiterpersonal 
so  erheblich  vermehrten,  mussten  selbstverständlich 
die  Löhne  steigen,  und  sie  stiegen  theilweise  ums 
Doppelte  und  Dreifache.  Sogar  die  „Nationalzeitung" 
sagt  in  ihrer  Nummer  425  vom  14.  September  1875: 

„Die  krankhafte  Nachfrage  nach  Arbeitskräften  hat  nicht 
blos  unmittelbar  die  Löhne  gesteigert,  sondern  auch  mittelbar, 
indem  sie  socialdemokratischen  Agitatoren  in  die  Hände  arbei- 
tete.   Wenn  der  Arbeiter  an  sich  selbst  erfährt,  dass  das  na- 


_     47     - 

türliche  Verhältniss  zwischen  Leistung  und  Gegenleistung  alte- 
rirt  ist,  dann  lässt  er  sich  leicht  einreden,  dass  jetzt  die  Reihe 
an  ihm  sei,  die  Bedingungen,  unter  denen  er  noch  ferner  arbeiten 
mag,  selbst  zu  bestimmen;  und  fällt  dann  noch  die  Probe  auf 
diese  Lehre,  der  Strike,  zu  seinen  Gunsten  aus,  so  kann  man 
füglich  nicht  erwarten,  dass  er  zur  rechten  Zeit  Halt  machen 
werde." 

In  der  That  waren  die  Lohnsteigerungen,  die  Strikes 
und  das  Anwachsen  der  socialdemokratischen  Bewe- 
gung die  directe  Folge  der  Gründungen.  In  einer 
grossen  Berliner  Mascliinenbauanstalt,  die  auch  den 
Staatsanwalt  beschäftigte,  hatten  die  Arbeiter  früher 
im  Accord  ungefähr  6  Thaler  pro  Woche  verdient. 
Nach  der  Gründung  aber  stiegen  die  Lohnsätze  derart, 
dass  der  Wochenverdienst  sich  auf  20  Thaler  gestellt 
haben  würde.  Weil  er  nun  diese  Höhe  nicht  erreichen, 
nicht  über  12  Thaler  gehen  sollte,  waren  die  Leute 
genöthigt,  weniger  zu  arbeiten,  statt  12  nur  etwa 
8  Stunden,  halbe  und  ganze  Tage  zu  feiern,  oder  aber 
einen  Theil  der  gefertigten  Arbeit  bis  z«r  nächsten 
Woche  zurückzustellen.  Nebenbei  bemerkt,  wurden 
in  derselben  Fakrik  die  Schornsteine  von  Zeit  zu 
Zeit  weiss  angestrichen;  zum  grossen  Gaudium  des 
Vorbesitzers,  der  sie  alsbald  sich  immer  wieder  schwär- 
zen sah,  und  die  neue  Anstreicherei  mit  Scherzen 
und  Witzen  begleitete. 


—     48     — 

Die  Lohnsteigerungen  waren  nun  keineswegs  über- 
mässig und  ungerechtfertfgt,  denn  mindestens  ebenso 
rapide  stiegen,  wieder  aus  Ursachen  des  Gründungs- 
schwindels, die  Lebensmittel  und  Wohnungsmiethen, 
so  dass  dem  Arbeiter  wenig  übrig  blieb.  Leider  er- 
kannte er  dies  erst  später,  dünkte  sich  selber  reicher, 
wähnte,  er  könne  leichter  erwerben,  steigerte  seine 
Bedürfnisse  und  liess  nach  an  Fleiss  und  Sparsam- 
keit. Lohnsteigerungen  bewirken  sofort  grosse  und 
verhältnissmässig  fast  noch  grössere  Preissteigerungen, 
wie  solches  Georg  Hirth  in  München  nachgewiesen 
hat  in  einem  Aufsatze:  „Die  Vertheilung  der  Güter 
und  das  souveräne  Gesetz  der  Preisbildung".  Er  sagt 
unter  Anderm: 

„Je  mehr  Geld  für  unnütze  und  überflüssige  Dinge  ausge- 
geben wird,  desto  mehr  muss  der  Preis  für  nützliche  und  noth- 
wendige  Bedürfnisse  steigen." „Bei  unbeschränkter  Ver- 
kehrsfreiheit wird  dem  Arbeitenden  die  Lebenserhaltung  um 
so  schwieriger,  je  ungleichmässiger  die  Vertheilung  des  Ge- 
sammteinkommens  vor  sich  geht." 

Umgekehrt  fallen,  wie  man  heute  sieht,  mit  den 
Löhnen  nicht  gleich ,  nicht  entfernt  in  demselben 
Masse,  die  anderen  Preise.  Die  Reduction  der  Löhne, 
welche  die  Presse  neuerdings  predigt,  und  welche  auch 
der  Finanzminister  Herr  Camphausen  so  warm  empfahl, 
um  der  kranken  Industrie  wieder  auf  die  Beine  zu 


—    49     — 

helfen,  ist  längst  eingetreten.  Sie  begann  schon  mit 
dem  Krach,  und  schreitet  seitdem  unausgesetzt  fort. 
Die  Lebensmittel  dagegen  behaupten  noch  immer 
ihre  Höhe,  was  der  wucherische  Zwischenhandel  und 
die  „freie  Concurrenz",  das  bedeutet  hier,  das  enge 
Zusammenhalten  der  Kleinhändler,  Krämer,  Fleischer 
und  Bäcker,  bewirken. 

Der  Arbeiter  lässt  sich  heute  die  stärkste  Lohn- 
herabsetzung gefallen,  die  auch  bereits  in  allen  Werk- 
stätten, selbst  in  denen  des  Staats,  eingetreten  ist  — 
wenn  er  nur  noch  Arbeit  findet.  Aber  es  fehlt  eben 
an  Arbeit.  Die  grossen  Fabriken  von  Krupp,  Borsig, 
Wölilert,  Egells,  Hartmann,  Lüders  etc.  haben  Vs  bis 
^/i  ihrer  Arbeiter  entlassen,habentheilweise  die  Arbeits- 
zeit um  die  Hälfte  gekürzt,  und  von  den  kleinen 
Werken  liegen  viele  völlig  still.  Es  mangelt  fast 
gänzlich  an  Bestellungen,  jede  grössere  Bestellung 
wird  als  Glücksfall  betrachtet,  und  bei  den  öffent- 
lichen Submissionen  ist  eine  Offerte  immer  niedriger 
als  die  andere,  so  niedrig,  wie  man  es  noch  vor  zwei 
Jahren  kaum  für  möglich  gehalten*).    Die  Fabriken 


*)  Als  im  Sommer  1876  die  Berlin -Anhaltische  Eisenbahn 
drei  Stück  gekuppelte  Güterzug-Maschinen  ausschrieb,  erbot 
sich  Borsig,  die  Maschine,  welche  noch  1873/74  mit  22,000 
Thaler  bezahlt  ward,  für  12,500  Thaler  zu  liefern,  und  Hart- 
mann in  Chemnitz  forderte  noch  1000  Thaler  weniger.    Trotz- 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.     II.  4 


—     50     — 

bieten  sich  förmlich  zu  Spott  und  Schanden.  Wäh- 
rend man  1871  bis  1873  beständig  über  Mangel  an 
Locomotiven,  Waggons  und  Brücken  klagte,  sind  heute 
„Entbehrliche  Eisenbahnwagen"  in  den  Zeitungen  eine 
stehende  Notiz.  Was  man  vor  ein  paar  Jahren  so 
dringend  begehrte,  so  theuer  bezahlte,  ist  gegenwärtig 
kaum  los  zu  werden. 

Das  sind  die  Folgen  derUeberproduction.  Die 
Ueberproduction  aber,  welche  das  Darniederliegen  der 
Industrie,  die  grosse  Arbeitslosigkeit,  den  allgemeinen 
Nothstand  verschuldet,  ist  hauptsächlich  das  Werk 
der  Gründungswuth,  der  zahllosen  neuen  Actienge- 
sellschaften.  „Umfassende  und  rapide  Verschiebungen 
in  der  Einkommensvertheilung  sind  der  Werthbildung 
und  -Erhaltung  nachtheilig",  sagt  Georg  Hirth,  „weil 
sie  die  Kaufkräfte  unstät  auf  diese  und  jeue  Pro- 
duetion  lenken,  und  daher  einerseits  Ueberproduction, 


dem  erhielt  Borsig  den  Zuschlag,  um  der  in  Berlin  herrschen- 
den Arbeitsnoth  ein  wenig  zu  steuern. 

Die  Maschinenbauanstalt  Egestorff,  früher  Strousberg  in 
Hannover,  sagt  in  ihrem  Geschäftsbericht  vom  31.  October  1875: 
„Hand  in  Hand  mit  der  Verminderung  der  Nachfragen  für  Lo- 
comotiven, und  namentlich  in  Folge  des  auf  den  Preussischen 
Staatsbahnen  -wie  auf  vielen  Privatbahuen  üblichen  Submissions- 
verfahrens, haben  sich  auch  die  Preise  immer  mehr  verschlech- 
tert, und  sind  gegenwärtig  durch  die  Concurrenz  bis  unter  die 
Herstellungskosten  herabgedrückt." 


—    51     — 

andererseits  Werthzusammensturz  veranlassen".  — 
Die  Berliner  „Neue  Börsenzeitung"  ruft  aus:  „Nie 
gab  es  etwas  Widersinnigeres,  wie  jetzt  auch  die 
Wissenschaft  anerkennt,  als  die  Form  der  Actieuge- 
sellschaft  auf  Geschäfte  übertragen,  die  nur  durch  die 
Initiative  einer  einzigen  Persönlichkeit  zur  Blüthe  ge- 
bracht werden  können,  wie  Fabriken  und  Handels- 
gesellschaften." —  Und  selbst  die  jüdische  „Schlesische 
Presse"  in  Breslau  sieht  sich-  hinterher  zu  dem  Ge- 
ständniss  veranlasst:  Im  Gegensatz  zu  den  auf  Actien 
gegründeten  Etablissements  „hat  sich  der  im  Privat- 
besitz befindliche  Eisenhüttenbetrieb  Ansehen  und 
Credit  zu  wahren  gewusst".  —  — 

Allein  an  den  bisher  aufgeführten  Gesellschaften 
hat  das  Publikum  einen  Coursverlust  von  ca.  20  Mil- 
lionen Thaler  erlitten;  und  darum  meint  auch  Herr 
Julius  Schweitzer,  der  Börsenredacteur  der  „National- 
zeitung": Solche  Coursverluste  liefern  den  Beweis, 
„dass  die  Capitalassociation  nicht  allein  nicht  überall 
Wunder  wirkt,  vielmehr  in  vielen  Fällen  gar  nicht 
anwendbar  ist". 

Schade  nur,  dass  diese  Weisheit  den  Börsenzeitungen 
so  spät  gekommen  ist,  und  sich  mit  ihrem  Thun  und 
Treiben  während  der  Schwindelperiode  so  gar  nicht 
vereinen  lässtl 


—    52    — 

Inmitten  der  Hochfluth  von  Gründungen,  die  in 
Berlin  eine  Maschinenfabrik  nach  der  andern  ver- 
schlang, bereitete  sich  hier  —  gewiss  eine  wunder- 
same Erscheinung  —  bereits  eine  Entgründung 
vor;  und  zwar  die  Entgründung  eines  alten,  renom- 
mirten  blühenden  Etablissements,  der  Actieiigesell- 
schaft  für  Fabrikation  von  Eisenbahnbedarf, 
früher  Pflug'sche  Waggonfabrik;  an  deren  Spitze  der 
Abgeordnete  und  „Volkswirth",  Regierungsbaurath 
a.  D.  von  Unruh  stand,  und  neben  ihm  als  Verwal- 
tungsrath:  Commerzienräthe  L.  F.  Schemionek  und 
Hermann  Egells,  Geh.  Commerzienrath  Robert  War- 
schauer, Justizrath  John  Simson,  Generalconsul  Ascher 
Salinger,  Regierungsbaurath  a.  D.  Carl  Hoffmann. 

Die  Pflug'sche  Fabrik  wurde  mit  einem  Actien- 
capital  von  1^2  Million  Thaler  gegründet  1856,  welches 
Jahr  bekanntlich  gleichfalls  eine  Schwindelperiode 
bezeichnet,  und  die  Nachwehen  der  Gründung 
äusserten  sich  in  sehr  kargen  Dividenden,  die  erst 
1861  leidlich  wurden  und  1869  und  1870,  wo  sie  je 
14°/o  betrugen,  den  Gipfel  erreichten.  1871  gab  es 
IOV2,  1872  wieder  IVjo^lo  Dividende.  Da  begann 
sich  die  Speculationslust  zu  regen.  Man  speculirte, 
dass  man  noch  besser  fahren  könne,  wenn  man  die 
Fabrik    einfach   niederreisse    und    den   Grund    und 


—    53    — 

Boden  als  Bauterrain  parcellire.  Hier  zeigt  sich 
der  grobmaterielle  und  gewissermaassen  unmoralische 
Charakter  einer  Actiengesellschaft.  Die  Fabrik  hatte 
Ruf  und  Ansehen  erworben,  aber  das  war  der  Ge- 
sellschaft gleichgültig,  und  noch  gleichgültiger  war 
ihr  das  Schicksal  der  2000  Arbeiter,  die  sie  beschäf- 
tigte; sie  plante  ihre  Auflösung,  ihre  Selbstentleibung, 
weil  ihr  das  eben  profitabler  erschien. 

Den  Vorwand  bot  der  Strike  der  Arbeiter,  Die- 
selben forderten  August  1872  eine  Lohnerhöhung  von 
20''/o,  und  ihre  Forderung  war,  Angesichts  der  reissend 
steigenden  Miethen  und  Lebensmittel,  gewiss  nicht 
unbillig.  Aber  Herr  von  Unruh  erklärte,  wie  einst 
Papst  Clemens  VH.:  Non  possumus!  Er  Hess  sich 
herbei,  den  Arbeitern  vorzurechnen,  dass  die  20% 
Lohnerhöhung  den  Actionären  die  Dividende,  dem 
Verwaltungsrath  die  Tantieme  (welche  für  das  laufende 
Jahr  nur  9200  Thaler  betrug)  kürzen  würde;  und 
das  war  in  seinen  Augen  ärger  als  Tempelraub.  Die 
Arbeiter  aber  fanden  das  Rechenexempel  falsch  und 
legten  die  Arbeit  nieder. 

Herr  H.  B.  Oppenheim,  „Volkswirth"  und  Abge- 
ordneter, hat  diesen  Vorgang  in  der  von  Herrn  Paul 
Lindau  herausgegebenen  „Gegenwart"  beleuchtet,  und 
selbstverständlich    stellt   er   sich   auf  die  Seite   des 


—    54    — 

Herrn  von  Unruh,  wobei  ihm  das  Geständniss  ent- 
schlüpft: ;,Es  war  ungeschickt,  mit  dieser  Fabrik  zu 
beginnen,  welche  bei  ihrem  grossen  Grundbesitz 
durch  Auflösung  des  Geschäfts  mehr  gewinnen 
kann,  als  durch  dessen  Fortführung.  Er  hält  mit 
Herrn  von  Unruh  die  Strikes  für  eine  „Kinderkrank- 
heit", und  misst  ihnen  weiter  keine  Bedeutung  bei. 
Er  ist  „gewöhnt  gewesen,  die  Berliner  Maschinen- 
bauer als  wohlgestellte  und  intelligente  Leute  zu  be- 
trachten", und  es  thut  ihm  leid,  sich  geirrt  zu  haben. 
Er  glaubt  nicht  an  Arbeiternoth,  und  falls  sie  etwa 
doch  existiren  sollte,  so  hofft  er  auf  gewisse  Unter- 
nehmungen zur  Abhülfe  der  Wohnungsnoth  (Bauver- 
eine ?)  und  auf  Abschaffung  der  Mahl-  und  Schlacht- 
steuer. —  — 

Der  gerade  blühende  Baustellenwucher  reizte  die 
Gesellschaft  für  Eisenbahnbedarf  zur  Auflösung,  und 
der  Cours  der  Actien  ging  über  200.  Noch  im  Früh- 
jahr 1873  bot  ein  Consortium  von  Entgründern  pro 
Actie  180  Procent,  und  Herr  von  Unruh  rieth  drin- 
gend zur  Annahme,  aber  die  Majorität  der  Actionäre 
widersprach.  Zur  Strafe  dafür  fiel  die  Dividende, 
die  man  gleich  18^/o  geschätzt  hatte,  plötzlich  auf 
62/4%;  und  April  1874  stand  die  Liquidation  wieder 
auf  der  Tagesordnung.  Der  Versuch  scheiterte  noch- 


—    55    — 

inals  und  gelang  erst  1875.  Die  Fabrik  ist  abge- 
brochen, und  auf  dem  Terrain  der  entgründeten  Ge- 
sellschaft werden  zwei  neue  Strassen  angelegt.  Aber 
inzwischen  ist  auch  der  Werth  der  Grundstücke  er- 
heblich gesunken,  und  darum  notiren  die  Actien  nur 
noch  ca.  130*). 

Merkwürdig  bleibt  es,  dass  Wcährend  seit  1871 
alle  Preise,  besonders  die  für  Eisenbahnbedarf,  stark 
in  die  Höhe  gingen,  Herr  von  Unruh  stets  behauptete, 
nur  die  Löhne  und  Materialien  seien  gestiegen,  die 
Preise  für  Waggons  dagegen  wären  entsprechend 
nicht  zu  erhöhen.  Merkwürdig  bleibt  es,  dass  die 
Dividenden  der  Schwartzkopff'schen  Fabrik  in  dem- 
selben Verhältniss  wuchsen,  wie  sie  bei  der  Pflug- 
schen  Fabrik  abnahmen;  obwol  Herr  von  Unruh  in 
beiden  Gesellschaften  als  Vorsitzender  des  Aufsichts- 
rath  waltete.  Nachdem  die  Liquidation  beschlossen 
war,  arbeitete  die  Pflug'sche  Fabrik  sogar  nur  noch 


*)  Nach  einem,  Oktober  1876  erstatteten  Bericht,  gelingt 
es  nur  langsam  die  ausgeschlachteten  Baustellen  zu  verkaufen, 
und  bei  den  Verkäufen  mussteu  zwei  Drittel  des  Kaufpreises 
auf  fünf  Jahre  gestundet  werden.  So  lange  mindestens  wird  sich 
also  auch  die  Liquidation  hinziehen,  haben  die  Actionäre  auf 
ihre  vollständige  Befriedigung  zu  warten.  Eine  Entgründung 
geht  nicht  so  rasch  von  Statten  wie  die  Gründung,  und  darum 
ist  sie  gewöhnlich  auch  noch  weit  kostspieliger! 


—    56    — 

mit  Schaden,  indem  sie,  wie  der  letzte  Geschäftsbe- 
richt äussert,  alte  wie  neue  Bestellungen  zu  billig 
ausführte;  und  die  Bilanz  1875/76  schloss  mit  einem 
Verlust  von  ca.  27,000  Thalern. 

„Generaldirector"  der  Gesellschaft  war  Friedrich 
Waltz,  ein  grosser  Gründer  vor  dem  Herrn.  Während 
man  die  Entgründung  der  von  ihm  geleiteten  Fabrik 
betrieb,  gründete  er  lustig  andere,  die  aber  nachge- 
rade auch  schon  auf  dem  Aussterbeetat  stehen;  und 
September  1876  trat  Herr  Waltz  als  drittes  Mitglied 
in  den  Vorstand  der  vielberufenen  Wöhlert'schen 
Maschinenbauanstalt,  nachdem  man  bei  derselben  das 
Actiencapitel  von  S^/^  Millionen  Thaler  um  die  Hälfte 
gemeuchelt  hatte.  Seitdem  fungiren  hier  zwei  „Gene- 
raldirectoren":  Friedrich  Waltz  und  Julius  Müller, 
und  sie  sind  einander  durchaus  ebenbürtig,  denn  auch 
Herr  Müller  hat  sich  durch  zahlreiche  Gründungen 
einen  Namen  und,  wie  man  sagt,  ein  Vermögen  ge- 
macht. Bemerkt  zu  werden  verdient,  dass  das  Grün- 
den ansteckend  ist,  und  sich  fortsetzt  bis  in's  siebente 
Glied.  Pflug  und  Wöhlert,  die  gegründeten  Fabrik- 
besitzer, gründen  wieder  selber,  und  ebenso  gründen 
die  Directoren  und  die  Aufsichtsräthe  der  neuen 
Gesellschaften. 


Ol       — 


Als  eine  Art  von  Curiosum  seien  noch  erwähnt 
zwei  Gründungen  von  Barucli  Hirsch  Straus])erg, 

genannt  Dr.   Bethel   Henry  Strousberg  *).     Als    die 


*)  In  dem  September  1876  erschienenen  Buche  „Dr.  Strous- 
berg und  sein  Wirken,  von  ihm  selbst  geschildert" 
äussert  der  Verfasser:  ,,In  den  erwähnten  Biographien  hat  man, 
weil  man  damit  etwas  Beleidigendes  zu  sagen  glaubte,  mich 
Baruch  Hirsch  genannt,  und  als  den  Sohn  eines  kleinen  jüdischen 
Handelsmannes  in  Preussisch  Polen  bezeichnet".  Strausberg 
behauptet  dann,  er  sei  der  Sohn  eines  jüdischen  Edelmannes 
von  altem  Adel,  und  seine  ursprünglichen  Vornamen  seien 
Bartel  Heinrich  gewesen.  —  Dies  ist  eine  der  zahllosen  Un- 
wahrheiten, von  denen  jede  Seite  des  Buches  starrt.  Journal- 
Artikel  sind  über  Strausberg  unzählige  veröfl'entlicht,  und  zwar 
stets  im  lobpreisenden  reclamenhaften  Sinne,  weil  stets  von 
ihm  „glissirt".  Eine  Art  von  Biographie  dagegen  ist  nur  ein- 
mal erschienen,  und  sie  war  unzweifelhaft  auf  Bestellung  an- 
gefertigt, ebenso  wie  die  Biographien,  welche  ein  jüdischer 
Dramatiker  der  Gegenwart  fast  alljährlich  über  sich  erscheinen 
lässt.  Jene  „Biografische  Karakteristik",  wie  sie  sich  nannte, 
kam  kurz  vor  dem  Kriege  von  1870  zur  Welt.  Sie  ist  mit  dem 
Portrait  des  Wunderdoctors  ausgestattet,  und  mit  drei  Motti, 
einem  Englischen,  einem  Französischen  und  einem  Deutschen 
versehen.  Das  Deutsche  Motto  ist  dem  Pioman  „Das  Landhaus 
am  Rhein"  von  Berthold  Auerbach  entnommen  und  lautet:  „Viel 
Geld  erwerben  ist  eine  Art  von  Tapferkeit,  Geld  bewahren  er- 
fordert eine  gewisse  Weisheit,  und  Geld  schön  ausgeben  ist 
eine  Kunst".  Der  Verfasser  der  Brochüre  nennt  sich  mit  einem 
Pseudonym  Ernst  Korfi;  obgleich  ein  heruntergekommener 
Literat,  schämte  er  sich  doch  mit  seinem  wahren  Namen  her- 
vorzutreten. Diese  Brochüre  nun  ist,  wie  ein  Vergleich  mit 
jenem  Buche  „Dr.  Strousberg  und  sein  Wirken"  zeigt,  unter 


—    58    — 

Schwindelära  begann,  hatte  der  Wunderdoctor  seine 
Rolle  bereits  ausgespielt.  Nicht,  wie  er  behauptet, 
Lasker's  Declamationen  haben  ihn  gestürzt;  nicht  erst, 
wie  er  ein  ander  Mal  sagt,  der  Französische  Krieg 
hat  ihn  ruinirt:  —  schon  die  berüchtigten  7V2  pi'o- 
centigen  Rumänischen  Eisenbahn-Obligationen,  ver- 
mittelst deren  er  das  Deutsche  Publikum  um  ca. 
60  Millionen  Thaler  ausplünderte,  gaben  ihm  den 
Todesstoss.  Seine  Unternehmungen  waren  zu  wag- 
halsig, zu  abenteuerlich,  seine  Manipulationen  so  bös- 
artig, seine  ganze  Art  und  Weise  so  plump  und  un- 
bescheiden, dass  das  „System  Strousberg"  mit  Noth- 
wendigkeit  in  sich  zusammenbrechen  musste.  Völlig 
discreditirt  und  ziemlich  rathlos,  wollte  er  die  Grün- 
derperiode doch  auch  benutzen,  machte  er  einen  Ver- 
such, um  sich  neue  Geldmittel  zu  beschaffen. 

der  Oberaufsicht,  uud  wahrscheinlich  theilweise  sogar  nach  dem 
Dictat  des  Heldea  entstanden.  Das  beweist  die  genaue  Ueber- 
einstimmung  in  den  Daten  und  die  ganze  Art  der  Darstellung. 
Es  sind,  nicht  selten  wörtlich,  dieselben  Wendungen,  dieselben 
forcirten  Bilder  und  Gleichnisse,  es  ist  derselbe  kauderwelsche 
Stil  des  Halbgebildeten,  dasselbe  Schwelgen  in  Citaten,  wie  es  sich 
bei  allen  jüdischen  Schriftstellern  findet,  die  weniger  Eigenes 
hervorbringen,  als  mit  den  Gedanken  und  Aussprüchen  Anderer 
handeln.  Der  Leib-Biograph  Ernst  Korfi  aber  sagt  von  seinem 
Helden  ausdrücklich:  „Dieser  gesunde  Junge  wurde  hebräisch 
Baruch  Hirsch  genannt" ;  aber  bald  hiess  er  in  der  Familie  „der 
kleine  Napoleon". 


-    59    - 

I^ovember  1870  gründete  er  mit  einer  Reihe  von 
Verbündeten,  darunter  Herzog  Victor  von  Ratibor, 
Commerzienrath  Louis  Wrede,  Geh.  Commerzienrath 
Gustav  Dietrich,  Ferdinand  Jaques,  Friedrich  Adolf 
Pflug  und  Baumeister  August  Orth  in  Berlin,  Fabrik- 
besitzer Carl  Kesseler  (C.  Kesseler  &  Sohn)  in  Greifs- 
wald und  Caspar  Dietrich  Killing  in  Hagen,  Ritter- 
gutsbesitzer Ernst  Lauterbach  in  Wilxen,  die  AHge- 
gemeiiie  EisenbahubaugeseHscliaft,  welcher  er 
einen  Theil  seiner  Besitzungen,  dazu  gewisse  Eisen- 
bahnunternehmungen übertrug.  An  Actiencapital 
wurden  17  Millionen  Thaler  (!)  ausgeworfen,  und  da- 
von zeichnete  Strausberg  allein  über  16  Millionen!! 
Diese  Actien  versuchte  er  bei  der  Preussischen  See- 
liandlung,  welche  auch  sonst  schon  mit  ihm  Geschäfte 
gemacht  hatte  —  während  die  Preussische  Bank  sich 
bekanntlich  nie  mit  ihm  einliess  —  zu  beleihen. 
Aber  diesmal  wies  ihn  die  Seehandlung  ab,  und  auch 
der  Finanzminister  Camphausen,  an  den  er  recurrirte, 
und  dem  er,  wie  er  .in  seinen  Memoiren  sagt,  aus 
früheren  Anlässen  Dankbarkeit  schuldet,  war  nicht 
zu  erweichen.  So  behielt  Strausberg  die  Actien  und 
Hess  die  Gründung  liquidiren. 

Von  dieser  todtgebornen  „Allgemeiuen  Eisenbahn- 
baugesellschaft", also  selbstverständlich  von  Straus- 


—     60    — 

berg,  kaufte  Februar  1871  ein  bisher  noch  ziemlich 
unbekannter  jüdischer  Mann,  Namens  Paul  Munk, 
die  Häuser  Unter  der  Linden  17  und  18  für  angeb- 
lich 600,000  Thaler,  und  überwies  sie  ein  Jahr  später 
dem  „Actienbauverein  Unter  den  Linden"  welchen  er 
in  Gemeinschaft  mit  Emil  Heymann,  Georg  Beer, 
Gustav  Markwald,  Edmund  Helfft,  Commerzienrath 
Wilh.  Herz,  Consul  Friedrich  Schillow  und  Seiner 
Excellenz,  dem  Staatsminister  a.  D.,  Mitglied  des 
Preuss.  Abgeordnetenhauses  und  des  Deutschen  Reichs- 
tags, Georg  von  Bonin  gründete,  für  1,750,000  Thaler, 
das  heisst,  mit  einem  Aufschlage  von  1,150,000  Thalern. 
„Lindenbauverein",  als  blutige  Gründung  sprichwört- 
lich geworden,  notirt  heute  etwa  15;  aber  Paul  Munk, 
wie  Hermann  Geber,  ein  professioneller  Vorkäufer 
und  ein  Held  der  Gründerära,  ist  ein  mehrfacher  Mil- 
lionär geworden,  und  der  Staatsanwalt  hat  mit  ihm 
vergeblich  gerungen. 

Strausberg,  einst  von  der  Berliner  „Tribüne"  be- 
sungen als  der  „Mann,  der  Alles  kauft",  wurde  jetzt 
der  „Mann,  der  Alles  verkauft".  Er  verkaufte  die 
Dortmunder  Werke,  die  Neustädter  Hütte,  die  Han- 
noverscheMaschinenfabrik,denßerliner Viehmarkt  etc., 
aus  denen  lauter  mehr  oder  weniger  faule  Gründungen 
entstanden,  welche  wir   später  besprechen  werden. 


—     61     — 

Nachdem  er  dies  Alles  losgeschlagen  hatte  und  bereits 
ein  ziemlich  stiller  Mann  geworden  war,  fiel  Herr 
Lasker  über  ihn  her  und  präparirte  ihn  anatomisch, 
zur  Belehrung  der  parlamentarischen  Gründer.  Straus- 
berg gedachte  das  undankbare  Deutschland  zu  be- 
strafen und  wandte  sich  nach  London,  fand  jedoch 
hier  für  seine  Künste  gar  keinen  Boden  und  kehrte 
nothgedrungen  zurück.  Wieder  warf  er  sich  auf 
die  „General-Entreprise",  auf  die  Art  des  Eisenbahn- 
baues, wo  der  Unternehmer  statt  des  haaren  Geldes 
zu  diesem  Zwecke  fabricirte  Actien  erhält,  und  mit 
diesen  Actien  auch  seine  Leute  bezahlt.  Er  baute 
in  Sachsen  die  Strecke  Mehltheuer-Weida,  er  baute 
in  Ungarn  die  Waagthalbahn,  und  er  wollte  in  Frank- 
reich von  Paris  nach  Narbonne  bauen.  Weil  ihm  der 
Credit  in  Deutschland  gänzlich  ausgegangen  w^ar,  suchte- 
er solchen  in  Russland,  und  er  fand  ihn  bei  der  „Com- 
merz-Leihbank" in  Moskau,  die  er  mit  Hülfe  ihres 
jüdischen  Directors,  Gustav  Landau,  um  nicht  weniger 
denn  7  Millionen  Rubel  beschwindelte. 

Um  dieses  Stückchen  in  Scene  zu  setzen,  con- 
struii'te  Strausberg  eine  Gründung,  ebenso  monströs 
und  ebenso  hohl  wie  die  vorige.  August  1875  er- 
richtete er  mit  Landau  in  Moskau,  Hermann  von 
Goldschmidt  in  Wien  und  Ferdinand  Jaques  in  Berlin 


—     62    — 

die  Actiengesellscliaft  für  Deutsche  imd  Böhmische 
Eisen-  uud  Stahlfahrikate,  und  zeichnete  wieder 
das  ganze  Actiencapital  von  8^2  Millionen  Thaler 
bis  auf  6000  Thaler,  welche  seine  Genossen  über- 
nahmen. Die  „Vossische  Zeitung"  erklärte,  die  Sache 
nicht  ernsthaft  nehmen  zu  können,  die  „National- 
zeitung" dagegen  beeilte  sich  zu  melden: 

„Neue  Gründung.  Sämmtliche  industrielle  Besitzungen 
des  Herrn  Dr.  Strousberg  nebst  der  Herrschatt  Zbirow  sind, 
wie  wir  erfahren,  seit  einigen  Tagen  in  den  Besitz  einer  Actieii- 
gesellscbaft  übergegangen.  Die  Constitutirung  der  Gesellschaft 
ist  bereits  erfolgt  und  ist  wesentlich  unter  Mitwirkung  russischer 
Capitalisten,  vor  Allem  der  Moskau'schen  Commerz-  und  Leih- 
bank, zu  Stande  gekommen.  Das  Grundcapital  der  Gesellschaft 
ist  auf  30  Millionen  Thaler  (??)  festgesetzt,  halb  aus  Stamm- 
actien,  halb  aus  Stamm-Prioritätsactien  bestehend.  Es  gehen 
dafür  sämmtliche  Hochöfen,  Stahlwerke,  Kohlenwerke,  welche 
sich  auf  der  Herrschaft  Zbirow  befinden,  diese  Herrschaft  selber, 
die  Waggonfabrik  zu  Bubna,  die  Neustädter  Hütte  und  ver- 
schiedene andere  Objecte  in  den  Besitz  der  Actiengesellschaft 
über.  Herr  Dr.  Strousberg  übernimmt  die  Verpflichtung,  die 
in  Zbirow  noch  erforderlichen  Bauten  auf  seine  Kosten  fertig 
zu  stellen.  Der  Letztere  wird  auch  für  eine  bestimmte  Zeit 
für  die  sämmtlichen  Werke  Generalpächter,  während  Herr 
Ferdinand  Jaques  als  Vorsitzender  an  die  Spitze  des  Verwal- 
tungsrathes  tritt  und  Herr  Bernhard  Maywald  Director  wird". 

Hiernach  war  Strausberg  sein  eigener  „General- 
pächter" und  „Aufsichtsrath",  und  thatsächlich  war 
er  der  einzige  Actionär  der  Gesellschaft.  Die  neu- 
fabricirten  Actien,  die  kaum  einen  Werth  hatten,  da 


—     63     — 

sämmtliche  Besitzungen  mit  Hypotheken  überlastet 
waren,  ferner  ebenso  werthlose  Actien  der  noch  in 
der  Luft  schwebenden  Eisenbahn  von  Paris  nach 
Narbonne,  sowie  ein  contractlichcs  Versprechen, 
2000  Waggons  liefern  zu  wollen,  gab  Strausberg  der 
Moskauer  Commerz-Leihbank  als  Unterpfand,  und 
der  von  ihm  bestochene  Director  Landau  schoss  ihm 
darauf  nach  und  nach  die  ungeheure  Summe  von 
7  Millionen  Rubel  vor. 

October  1875  wurde  Strausberg,  der  nach  Moskau 
gekommen,  um  mehr  Geld  zu  holen,  nebst  Landau 
verhaftet,  und  die  inzwischen  bankerotte  Commerz- 
Leihbank  geschlossen.  Der  gleichzeitig  in  Prag  und 
in  Berlin  eröffnete  Concurs  über  Strausberg's  Ver- 
mögen deckte  einen  Abgrund  von  Schulden  und  ein 
Chaos  von  lüderlicher  Unordnung  auf;  und  dieser 
grauenhafte  Zusammenbruch  führte  auch  den  Fall 
von  Ferd.  Jaques  herbei,  der  dem  „Eisenbahnkönig" 
und  „Culturheros"  lange  Jahre  hindurch  ein  hülfs- 
bereiter  Freund  gewesen  war. 

Im  Gefängnisse  zu  Moskau  schrieb  Strausberg 
ein  umfangreiches  Buch  „Dr.  Strousberg  und  sein 
Wirken",  für  welches,  bevor  es  noch  erschienen  war, 
die  Presse,  namentlich  die  jüdische,  eine  grenzenlose 
Beclame  machte.    Noch  vor  Erscheinen  brachte  die 


—     64     — 

Wiener  „Neue  freie  Presse",  der  „Börsen-Courier" 
des  Herrn  Georg  Davidsohn  in  Berlin,  die  „Posener 
Zeitung"  u.  a.  m.  lange  Auszüge.  Das  Buch  verräth 
ebenso  grosse  Unbildung  wie  Geschmacklosigkeit  und 
Prahlsucht;  es  zeigt,  dass  Strausberg  nicht  entfernt 
das  gewesen  ist,  was  man  einen  genialen  Kopf  nennt, 
als  welchen  die  feile  Presse  ihn  stets  gefeiert  hat; 
dass  er  nur  ein  dreister  Abenteurer  war.  Trotzdem 
könnte  das  Buch  interessant  sein,  hätte  der  Verfasser 
erzählt,  was  er  wirklich  weiss;  weil  er  aber  mehr 
verschweigt  als  berichtet,  ist  es  fade  und  langweilig. 
Voll  listiger  Berechnung  und  tiefer  Verschlagenheit, 
schont  Strausberg  seine  ehemaligen  Genossen  und 
Verbündeten,  schont  und  entschuldigt  er  alle  mäch- 
tigen einflussreichen  Gründer  und  Gründergenossen, 
schmeichelt  er  selbst  seinen  Gegnern,  soweit  dieselben 
von  der  öffentlichen  Meinung  noch  getragen  werden. 
Zum  Dank  dafür  rechnet  er,  sobald  er  ins  Leben 
zurückkehrt  und  sein  „System"  wieder  aufnehmen 
kann,  gleichfalls  auf  Schonung,  ja  auf  thatsächliche 
Unterstützung;  und  sein  Exempel  ist  wol  kaum  un- 
richtig. Viele  Leute  haben  noch  Ursache  ihn  zu 
fürchten,  und  er  droht  ihnen  verschiedentlich  mit 
späteren  Auseinandersetzungen.  Sein  Buch  ist  ebenso 
unwahr,  wie  sein  Leben,  er  schlägt  sich  selber  fast 


—    65     — 

auf  jeder  Seite-,  und  diese  tiefe  Unwahrhaftigkeit, 
gemischt  mit  plumper  Heuchelei,  müssen  jeden  Un- 
befangenen anwidern.  Dessen  ungeachtet  schämte 
sich  die  Presse  nicht,  dieses  Buch  wie  eine  Erschei- 
nung ersten  Ranges  zu  behandeln.  Während  der 
Verfasser  vor  Gericht  stand,  angeklagt  der  Bestechung 
und  des  gemeinen  Betruges,  brachten  die  Blätter, 
gross  und  klein,  jüdisch  und  christlich,  über  sein 
Machwerk  lange  Artikel,  die  alle  mehr  Bewunderung 
als  Verachtung  bezeigen. 

Im  Gerichtssaale  zu  Moskau  entfaltete  Straus- 
berg wieder  seine  ganze  Dreistigkeit,  überhäuften 
sich  die  beiden  Complicen,  Strausberg  und  Landau, 
mit  den  gröbsten  Vorwürfen  und  schwersten  Beschul- 
digungen. Die  Geschworenen  brachen  über  Beide 
den  Stab,  und  der  Staatsanwalt  beantragte.  Beide 
zur  Ansiedlung  in  Sibirien  zu  verurtheilen.  Der  Ge- 
richtshof erkannte  auch  so  gegen  Landau;  Straus- 
berg jedoch  wurde  ganz  unbegreiflicher  Weise  nur 
ins  Ausland  verwiesen.  So  hat  das  Deutsche  Reich 
seinen  „Culturheros"  wieder,  und  die  Presse,  die  ihn 
während  der  einjährigen  Untersuchungshaft  wie  einen 
Märtyrer  betrauerte,  begrüsste  seine  Rückkehr  mit 
Dank  und  Freude. 


Glagau,  Dor  Börsenschwindel.   II. 


Die  Blüthe  der  Industrie. 

MascliinenTjan-  und  EisenTjahiibedarfs-Gründungen  in  den  Provinzen  —  Vul- 
kan in  Königsberg  i.  Pr.,  Steckel  &  Wagenlincclit  in  Danzig,  Möller  &  Holberg 
in  Stettin,  Eesseler  in  Greifswald,  Spalding  in  Stralsund,  Abendroth  und 
Hansa  in  Eostock,  Brockelmann  in  Güstrow,  Lauenstein  in  Hamburg,  Weser 
in  Bremen  —  Hannover ;  Egestorff,  Salzgitter,  Bernstorff  &  Eichwede,  Peiner 
Walzwerk,  Osnabrncker  Stahlwerk  —  Westfalen  und  Rheinland:  Killing  &  Co., 
Westfälischer  Eisenbahnbedarf,  Deutschland,  Annener  Gussstahl,  Dortmunder 
Brückenbau,  Daelen,  Schreiber  &  Co.,  Union,  Kamp  &  Co.,  Westphalia,  Hagener 
Gussstahl,  Grünthaler  Eisenwerke,  Wittener  Waffen,  Harkort's  Brückenbau, 
Stahlwerke  zu  Meiderich,  Walzwerk  zu  Mühlheim,  Düsseldorfer  Röhren,  Hohen- 
zoUern,  Humboldt,  Maschinenbau  in  Kalk,  J.  Kyll  —  Geber-Stahlschmidt- 
Seelig  —  Rheinische  Gründer  —  Louis  Berger  —  Herrn  Camphausens  Recept 

—  Minerva  und  Oberschlesischer  Eisenbahnbedarf,  Oberschlesisches  Eiseu- 
walzwerk.  Wagenbau  Linke,  Eisengiesserei  Schmidt,  Waggonfabrik  Hofmann, 
Körner  in  Görlitz,  Conrad  Schiedt,  Kiederlausitzer  Maschinenbau  —  Halle'sche 
und  Zeitzer  Maschinenfabrik,  Eismaschinen  und  Harzer  Eisenbahnbedarf  in 
Nordhausen,  Bartels  in  Halberstadt,  Klusemann  in  Magdeburg,  Prange  in 
Buckau  —  Braunschweig:  Maschinenbau  Seele,  Eismaschinen,  Nähmaschinen, 
Deicke,  Walzwerk,  Carlshütte,  Harzer  Werke  —  Corruption  in  Brannschweig 

—  Eisengiesserei  Hertel  und  Herzoglich  Anhaltische  Maschinenfabrik  — 
Sachsen:  Gussstahl  in  Dohlen,  Saxonia  und  Schlick  in  Dresden,  Kiesler, 
Brod  &  Stiehler,  Voigtländische  Eisenbahnwagen,  Gottschald  &  Nötzli,  Petzold 
in  Bautzen,  Goetjes,  Bergmann  &  Co.,  Jacobi,  Behrisch  und  Eales  in  Meissen, 
Rentzsch  &  Oschatz,  Anton  Zschille,  Kratzenfabrik  in  Mittweida,  Eisenin- 
dustrie in  Pirna  —  Chemnitz;  Schönherr,  Schellenberg,  Concordia,  Wiede, 
Germania,  Stickmaschinen,  Rockstroh,  Aff'oltcr,  Zimmermann,  Sondermann  & 
Stier,  Vulkan,  Saxonia,  Phönix,  Union,  Messingwerk  Lugau  —  Süddeutsch- 
land:  R«ifert  in  Frankfurt  a,  M.,  Eisenba bnbedarf  in  Stuttgart,  Kirchheimer 
Maschinenfabrik  —  Lothringer  Eisenwerke  —  Die  Nothlage  der  Eisen-  und 
Stahlindustrie  —  Freihandel  und  Schutzzoll  —  Eisenzölle  —  Die  Börsen- 
blätter als  Moralprediger  —  Falsche  Hoffnung. 

Die  Gründungsepidemie  verbreitete  sich  von  Berlin 
über  ganz  Deutschland,  über  das  geeinte  grosse  Vater- 


—     67     — 

land,  und  verschonte  auch  das  eben  wiedergewonnene 
Elsass-Lothringen  nicht  Sie  wüthete  stark  in  Nord- 
und  Mitteldeutschland,  wogegen  sie  in  Süddeutsch- 
land verhältnissmässig  nur  schwach  auftrat.  Wie 
Fürst  Bismarck  einst  bemerkte,  stehen  die  Süddeutschen 
hinter  uns  Norddeutschen  an  Liberalismus  noch  weit 
zurück.  Berliner  Gründer  waren  auch  vielfach  in 
den  Provinzen,  von  Memel  bis  Metz  thätig;  indess 
haben  Orte,  wie  Königsberg  i.  Pr.,  Danzig,  Stettin, 
Hamburg,  Bremen,  Hannover,  Dortmund,  Essen,  Elber- 
feld,  Köln,  Frankfurt  a.  M.,  Braunschweig,  Magde- 
burg, Posen,  Breslau,  Leipzig,  Dresden,  Chemnitz  etc. 
auch  eigene  Gründer  und  Gründer-Cliquen  erzeugt, 
die  es  mit  den  Berliner  Collegen  in  jeder  Hinsicht 
aufnahmen,  und  diese  zum  Theil  bei  sich  gar  nicht 
aufkommen  Hessen.  Dasselbe  Schauspiel,  denselben 
Prozess,  wie  die  Metropole,  bieten  auch  die  Provin- 
zen; sie  gründen  nach  demselben  Recept  und  sie 
haben  ebenso  blutige  und  schaurige  Gründungen  auf- 
zuweisen. Ihre  Thaten  schreien  gleichfalls  zum  Himmel, 
und  die  meisten  ihrer  Schöpfungen  liegen  auch  schon 
in  Ruinen  oder  sie  drohen  doch  mit  Einsturz. 

Beginnen  wir  unsere  Wanderung  Längs  der  Meeres- 
küste, durch  Ost-  und  Westpreusseu,  Pommern, 
Mecklenburg  und  die  Hansetädte,  so  sind  von  den  hier 


—     68     — 

gegründeten  Maschinen-,  Eisenbahnbedarfs-  und  ähn- 
lichen Fabriken,  die  nachstehenden  am  bekanntesten 
geworden: 

Yulkan  in  Königsberg  i.  Pr.,  früher  Gebrüder  Meyer. 
Gegründet  Mai  1871  von  Carl  Jacob,  Adolf  Samter,  Geh.  Com- 
merzienrath  Moritz  Simon  (J.  Simon  Wittwe  &  Söhne)  in  Königs- 
berg i.  Pr.;  Platho  &  Wolfif,  Samelson  &  Sackur  in  Berlin. 
Direction:  G.  Simony  und  Jul.  Marcuse.  Das  ursprüngliche 
Actiencapital  von  300,000  Thaler  wurde  September  1872,  „um 
dem  schneller  als  zu  erwarten  war,  gewachsenen  Betriebe  ge- 
recht zu  werden",  auf  600,000  Thaler  gebracht  (wozu  noch 
ca.  55,000  Thaler  Hypotheken!),  und  die  jungen  Actien  bei 
50%  Einzahlung  ä  107,  also  zum  Course  von  114  ausgegeben. 
15%  Dividende  waren  in  Aussicht  gestellt;  für  das  erste  Ge- 
schäftsjahr von  sechs  Monaten  entfielen,  um  junge  Actien  fa- 
briciren  zu  können,  10%;  1872  noch  8%%;  später  0.  Cours? 
Der  Staatsanwalt  ist  angerufen. 

Maschinenbaugesellscliaft,  früher  Stecke!  &  Wagen- 
knecht in  Danzig.  Actiencapital  300,000  Thaler.  Vorstand: 
A.  Wagenknecht  und  G.  Baum.  Aufsichtsrath:  R.  Damme. 
1874  schritt  der  Staatsanwalt  ein.  Februar  1876  kam  das  Eta- 
blissement zur  Licitation,  ohne  dass  ein  einziges  Gebot  abgegeben 
wurde.  „Trauriges  Zeichen  der  Zeit!"  bemerkte  sehr  richtig 
die  Presse. 

Maschiueubaiiaustalt  und  Schiffsbauwerft ,  vormals 
Emil  Möller  und  Friedrich  Holberg  in  Grabow  bei 
Stettin.  Gegründet  November  1871  von  R.  A.  Seelig,  Max 
Geim  und  Louis  Löwenherz  (Berliner  Wechslerbank),  Gustav 
Kerting,  H.  Leubuscher,  Fritz  Bast,  Stadtrath  Pohle,  sämmtlich 
in  Berlin.  Die  Vorbesitzer  behielten  die  Leitung.  Aufsichts- 
räthe:  Ernst  Brunckow,  Consul  Is.  Meyer,  Hermann  Weinreich, 
Comnierzienrath  Johannes  Quistorp,  Rudolf  Abel,  Wilh.  Walther 


—     G9    — 

in  Stettin ,  Rechtsanwalt  Hecker  in  Berlin.  An  Dividenden 
wurden  ca.  16<>/o  versprochen,  und  1872  bis  1875  gezahlt:  6^/4, 
5,  5  und  resp.  2V4  Procent.  Actiencapital  750,000  Thaler  und 
107,000  Thaler  Hypotheken.     Cours  noch  ca.  30. 

Baltische  Waggon-  nnd  Maschinenfabrik ,  vormals 
Carl  Kesseler  &  Sohn  und  Theodor  Labahn  in  Greifswald. 
Gegründet  März  1872  von  Richard  Schweder  (Preuss.  Boden- 
Credit-Actien-Bauk),  Hugo  Fuchs,  Gustav  Noah,  Felix  Mam- 
roth,  „Generaldirector"  Julius  Müller,  in  Berlin  etc.  Direction 
Carl  und  Julius  Kesseler,  welche  für  das  erste  Betriebsjahr 
8°/o  Dividende  garantirteu.  Erste  Aufsichtsräthe  u.  A.:  Oeko- 
nomierath  Professor  Rohde  in  Eldena,  Stadtverordneter  C.  S. 
Boy  in  Greifswald  und  Georg  Sackur  in  Berlin.  Schon  1873 
fehlte  es  an  Geld,  doch  protestirte  der  Vorstand  sehr  energisch 
gegen  „alle  ungünstigen  Gerüchte".  1874  trat  man  in  Liqui- 
dation und  schritt  zum  Verkauf.  Indess  ward  ein  zu  niedriges 
Gebot  abgegeben,  und  so  übernahm  der  Mitvorbesitzer  und 
seitherige  Director  Julius  Kesseler  das  Etablissement  pacht- 
weise. Das  Actiencapital  mit  550,000  Thaler  ist  vollständig 
verloren. 

Pommersche  Eisengiesserei  nnd  Maschinenbauanstalt, 
vormals  Commerzienrath  C.  H.  S  pal  ding  in  Stralsund.  Ge- 
gründet December  1871  von  Siegfried  Geber,  Max  Nolda  (M. 
Schragow  &  Co ),  Emil  Zippert  (Zippert  &  Co.")  in  Berlin.  Auf- 
sichtsrath:  Rittergutsbesitzer  W.  Münchmeyer  auf  Cummerow. 
Actiencapital  225,000  Thaler  und  40,000  Thaler  Hypotheken. 
Letzte  Dividende  40/0.     Cours  ca.  30. 

Schiff-  und  Maschinenbau,  früher  C.  Abendroth  in 
Rostock.  Gegründet  October  1871  von  Samelson  &  Sackur  in 
Berlin;  Consul  A.  Crotogiuo,  Consul  C.  Ch.  Lesenberg,  E.  Kühl, 
Senator  Dr.  Witte,  Rheder  B.  Beselin,  Landsyndicus  a.  D. 
Groth  in  Rostock.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung  und 
übernahm  von  dem  Actiencapital  mit  300,000  Thaier  ein  Drittel. 
Letzte  Dividenden  0.     Cours  ca.  10. 


—     70    — 

Hansa,  Werfte  für  eiserne  Schiffe  und  Maschinenbau,  sonst 
A.  Tischbein  in  Rostock.  Gegründet  Juni  1872  von  der  Ro- 
stocker Vereinsbank,  der  Lübecker  Bank,  Ed.  Frege  &  Co.  in 
Hamburg,  Bein  &  Co.  in  Berlin.  Director  wurde  der  Vorbe- 
sitzer. Aufsichtsräthe  u.  A.:  Acciserath  Meyenn,  Bankdirector 
Wasserzug,  Senator  Burchard  in  Rostock,  Cousul  August  Rehder 
und  Bankdirector  W.  Spiegeler  in  Lübeck.  Actiencapital 
350,000  Thaler  und  50,000  Thaler  Hypothek.  Erste  Dividende 
pro  1872/73  —  4V2%;  seitdem  0.  Als  die  Actien  bis  etwa  50 
gesunken  waren,  illustrirte  die  „Neue  Börsen-Zeitung"  in  Berlin 
sie  als  zu  den  „verstossenen  Kindern  des  Courszettels"  gehörig, 
und  trieb  sie  so  noch  einmal  bis  gegen  80  hinauf.  Heute  ist 
der  Cours  ca.  5,  und  Herr  Albrecht  Tischbein  hat  sich  als 
Director  empfohlen. 

Mecklenburgische  Maschinen-  und  Wageubaugesell- 
schaft,  vormals  Ernst  Brockelmann  in  Güstrow.  Gegründet 
Juni  1872  von  dem  Schönheimer'schen  Bankverein  und  von 
Beer  &  Herzberg  in  Berlin.  Aufsichtsräthe:  Fr.  Knitschky 
und  W.  Böckenhagen  in  Güstrow,  C.  Ch.  Lesenberg,  C.  Abend- 
roth und  Georg  Brockelmann  in  Rostock,  „Generaldirector" 
Julius  Müller  in  Berlin.  Actiencapital  270,000  Thaler  und 
50,000  Thaler  Hypotheken.  Die  Dividende  von  nominell  10%, 
für  das  erste  Betriebsjahr  von  6  Monaten  [l)  war  im  Voraus 
construirt,  und  sie  blieb  die  einzige.    Cours  etwa  3. 

Eisenbahnwagenbau  Lanenstein  in  Rothenburgsort  bei 
Hamburg.  Aus  dem  Concurse  vorgekauft  und  gegründet  Som- 
mer 1871  von  Julius  Alexander  in  Berlin,  Ed.  Frege  und  Leo- 
pold Jacöbi  in  Hamburg  etc.  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths : 
F.  A,  Pflug  in  Berlin,  der  Vorbesitzer  der  1856  gegründeten 
und  1873  bis  1875  durch  Herrn  von  Unruh  und  Genossen  ent- 
gründeten Fabrik  für  Eisenbahnbedarf.  Actiencapital  850,000 
Thaler  und  200,000  Thaler  Hypotheken.  Wie  die  „National- 
zeitung" berichtete,  waren  die  Anmeldungen  so  zahlreich,  dass 
eine  Reduction  stattfinden  musste,  und  der  Einführungscours  105, 


—     71     - 

welcher  in  Folge  dieser  Reclame  rasch  bis  120  und   darüber 
stieg.    Letzte  Dividenden  2\'2%  und  0.    Cours  etwa  20. 

Weser,  Schiffbau  und  Maschinenfabrik  in  Bremen.  Ge- 
gründet März  1872.  Vorstand  und  Aufsichtsrath:  Reichstags- 
mitglied A.  G.  Mosle,  Rud.  Feuerstein,  C.  Waltjen,  L.  Knoop, 
R.  Fritze,  D.  H.  Wätjen,  Friedrich  Achelis,  G.  S.  Grüner, 
G.  Rohte.  Actiencapital  IV2  Million  Thaler.  Dividende  pro 
1874/75  —  55/0%,  pro  1875/76  —  ß'/s^'o. 

Von  diesen  Gesellschaften  kann  nur  die  letzte^ 
Wesei';  lebensfähig  genannt  werden,  und  sie  verdankt 
ihre  Lebensfähigleit  wol  dem  Umstände,  dass  sie 
hauptsächlich  von  der  Kaiserlichen  Marine  beschäftigt 
wird,  für  welche  sie  gepanzerte  Kanonenboote  btiut. 
Steckel  &  Wagenknecht  in  Danzig  und  Baltische 
Waggonfabrik  in  Greifswald  sind  bereits  dahin;  Vul- 
kan in  Königsberg  i.  Pr.,  Maschinenbau  und  Hansa 
in  Rostock  und  Brockelmann  in  Güstrow  ringen  noch 
schwach  um  ihre  Existenz;  und  die  übrigen  zeigen 
an  dem  niedrigen  Coursstande  und  an  den  kläglichen 
Dividenden,  dass  auch  sie  krank  und  siech  sind. 


Im  vormaligen  Königreich  Hannover,  wo  die 
Gründerei  ebenso  blühte,  wie  in  dem  kleinen  Braun- 
schweig, finden  wir: 

Egestorff' sehe  Maschinenbangresellscliaft  in  Linden  vor 
Hannover,  früher  Strousberg.  Gegründet  März  1871.  Actien- 
capital 3 Vi  Millionen  Thaler  (!)  und  ca.  600,000  Thaler  H}T)o- 
theken.    Gründer  resp.  Aufsichtsräthe :    Consul    und   früherer 


—     72     — 

Abgeordneter  G.  Müller  in  Berlin,  J.  Gans  (M.  Blumenthars 
Nachfolger)  Hofagent  K.  Berend  (Michael  Berend),  Commer- 
zieurath  Siegmund  Meyer  (Adolf  Meyer),  Leffraann  &  Abr.  H. 
Cohen,  Commerzienräthe  Eichwede  &  Rohrs,  Obergerichts- 
anwalt Dr.  H.  Müller,  Senator  Angerstein,  Stadtdirector  Rasch, 
Mitglied  dss  Preuss.  Herrenhauses,  sämmtlich  in  Hannover. 
Letzte  Dividenden  0.     Cours  einst  140,  jetzt  ca,  15. 

Eisenwerk  zu  Salzgitter  bei  Hannover.  Gegründet  1868. 
Actiencapital  schliesslich  1,360,000  Thaler  und  502,000  Thaler 
Hypotheken.  Aufsichtsrath :  Commerzienrath  von  Voigtländer 
in  Braunschweig,  Obergerichtsanwalt  Dr.  Müller  und  Commer- 
zienrath Siegmund  Meyer  in  Hannover,  J.  C.  Godeffroy  in  Ham- 
burg, Carl  Ruetz  in  Dortmund  etc.  Schloss  am  1.  Juli  1875 
mit  einer  Unterbilanz  von  ca.  250,000  Thaler. 

Haunoversclies  Guss-  und  Walzwerk,  vormals  C.  Bern- 
storff&Eichwede.  Gegründet Decbr.  1872 mit 500,000 Thaler 
Actien,  Vorstand:  Heinr.  und  Eduard  Eichwede.  Aufsichtsrath: 
Commerzienrath  Eichwede,  Obergerichtsanwalt  Dr.  Müller  und 
Commerzienrath  Rohrs  in  Hannover,  Max  B.  Haniel  in  Ruhrort. 
Dividende  pro  1875  —  6%. 

Peiner  Walzwerk  in  Celle.  Gegründet  April  1872  mit 
350,000  Thaler  Actien.  Aufsichtsrath :  Generalconsul  J.  H.  Gossler 
in  Hamburg,  Commerzienrath  Louis  E.  Meyer  in  Hannover, 
G.  L.  Meyer,  Obergerichtsanwalte  C.  Haarmann  und  Meyers- 
burg in  Celle.  Cours?  —  Novbr.  1876  wurde  der  Director  Ewers 
wegen  Unterschlagung  und  Wechselfälschung  verhaftet. 

Eisen-  und  Stahlwerk  zu  Osnabrück.  Gegründet  1869. 
Das  Grundcapital  von  1,000,000  Thaler  wurde  1872  um  750,000 
Thaler  Prioritätsactien  erhöht,  und  dieselben  aufgelegt  bei 
N.  Blumenfeld  in  Osnabrück,  Carl  Goppel  &  Co.  in  Berlin  und 
der  Norddeutschen  Bank  in  Hamburg.  Verwaltungsrath:  Job. 
Cesar  Godeffroy,  Job.  Wesselhöft,  Rob.  Kayser,  Job.  Ed.  Mutzen- 
becher,  MaxTh.  Hayn  in  Hamburg,  ObergerichtsanwaltDr.  H.Mül- 
ler in  Hannover.  Letzte  Dividende  0.  Cours  einst  125,  jetzt  ca.  30. 


—     73     — 

Nach  Berlin  grassirte  die  Gründerei  mit  am  ärgsten 
in  dem  industriereichen  Westfalen  und  Rheinland,  so 
arg,  dass  selbst  ein  Berliner  Börsenblatt  sich  März 
1872  von  dort  schreiben  Hess:  „Das  Gründen  nimmt 
hier  zu  Lande  kein  Ende!"  Schon  die  Schwindel- 
periode von  1856  hatte  am  Rhein  zahlreiche  Actien- 
gesellschaften  erzeugt,  die  zum  Theil  wieder  unter- 
gegangen waren,  zum  Theil  erst  sehr  allmälig  zu 
Dividenden  gelangten.  Aber  die  Jahre  1871  bis  1873 
brachten  eine  wahre  Sündfluth  von  Gründungen  aller 
Art,  und  dieselben  haben  sich  ungleich  fauler  er- 
wiesen als  die  Producte  von  1856.  Weit  grössere 
Capitalien  wurden  in  Anspruch  genommen,  und  weit 
grössere  Verluste  haben  die  Actionäre  erlitten.  Von 
den  gegründeten  Maschinenfabriken  sind  die  nam- 
haftesten : 

Waggon-  und  LocomotiT-Ban.instalt,  vormals  Killing 
und  Co.  in  Hamm.  Bildete  sich  Februar  1873.  Aufsichts- 
räthe:  C.  G.  Hörn  und  Rud.  Willemsen  in  Köln,  Mathias 
Hinsberg,  Alexander  Braun,  Ewald  Caron,  F.  Harkort  junior, 
Otto  Jäger,  F.  G.  Köttgen  und  Walter  Schlieper  in  Barmen. 
Das  Etablissement  wurde  angeblich  für  550,000  Thaler  er- 
worben, das  Actiencapital  auf  2'/»  Millionen  Thaler  festgesetzt, 
und  die  40procentigen  Interimsscheine  durch  Hinsberg,  Lübcke 
und  Co.  in  Berlin  (Filiale  des  Barmer  Bankverein  Hinsberg, 
Fischer  &  Co.)  ä  110  eingeführt,  was  einen  Cours  von  125  be- 
deutet. Später  gaben  die  Gründer  90,000  Thaler  als  „don 
gratuit"   zurück.     Trotzdem   schloss    das    erste   Geschäftsjahr 


—     74     — 

mit  einem  Verlust  von  486,000  Thalern  und  man  schritt  zur 
Liquidation.    Die  Actionäre  haben  wenig  zu  erwarten. 

Westphälischer  Eisenl)ahnwa^enl)au  und  Eisenbahn- 
bedarf zu  Münster.  Gegründet  April  1872  mit  400,000  Thlr. 
Actien,  welche  aufgelegt  wurden  u.  A.  bei  Gebr.  Metz,  und 
Lindenkampf  &  Olfers  in  Münster,  H.  &  L.  Metz  in  Köln. 
Als  den  eigentlichen  Verfasser  dieser  Gesellschaft  nannte  die 
Berliner  „Neue  Börsenzeitung"  den  Commerzienrath  Sabey  in 
Münster.    Cours? 

Maschinenfabrik  ,,Dentschland"  zu  Dortmund.  Actien- 
capital  600,000  Thaler.  Aufsichtsräthe :  Geh.  Commerzienrath 
A.  Borsig  und  Stadtrath  Th.  Sarre  in  Berlin,  J.  M.  Heimann 
und  August  Neven-du  Mont  in  Köln,  Moritz  Eltzbacher  und 
Kentier  A.  von  Griesheim  in  Bonn,  Director  C.  Krauss  in 
Hannover.    Letzte  Dividenden  0.    Cours? 

Gnssstahlwerk,  früher  König  &  Rennert  in  Annen  bei 
Dortmund.  Grundcapital  650,000  Thaler  und  100,000  Thaler 
Hypotheken.  Gegründet  im  Februar  1873  und  an  der  Ber- 
liner Börse  eingeführt  durch  Riess  &  Itzinger  und  J.  T.  Gold- 
berger  zum  Course  von  112!  Erste,  künstlich  construirte  Di- 
vidende für  das  Geschäftsjahr  von  6  Monaten  8°/o;  später  1, 
3  und  0*^/0.     Cours  ca.  10.    Der  Staatsanwalt  ist  angerufen. 

Brückenbau,  vormals  Carl  Backhaus  in  Dortmund. 
Vorgekauft  an  Ed.  Stahlschmidt  (Hermann  Geber)  in  Berlin, 
und  gegründet  November  1872.  Actiencapital  550,000  Thaler, 
eingeführt  an  der  Berliner  Börse  durch  Hirschfeld  &  Wolff 
zum  Course  von  105.  Dazu  150,000  Thaler  Hypotheken.  Auf- 
sichtsräthe: Rechtsanwalt  Nestor  Kindermann  in  Dortmund, 
Baumeister  Louis  König  und  Banquier  Alfred  Molenaar  (Gebr. 
Molenaar)  in  Crefeld,  Commerzienrath  Schlittgen  in  Berlin. 
Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung,  starb  indess  schon  1873. 
Eine  Dividende  ist  nie  vertheilt  worden.  Das  Geschäftsjahr 
1873/74  schloss  mit  einem  Verlust  von  203,000  Thaler,  worauf 
die  Gründer  170,000  Thaler  in  Actien  und  30,000  Thaler  haar 


—     75    - 

zurückgaben.  Trotzdem  ward  November  1875  die  Liquidation 
beschlossen,  und  Februar  1876  der  Concurs  eröffnet. 

Gesellseliaft  für  Stahlindustrie,  vormals  Daelen, 
Schreiber  &  Co.  in  Bochum.  Actiencapital  1  Million  Thaler. 
Vorstand:  Vital  Daehlen  und  Hermann  Herz  in  Bochum  und 
Bürgermeister  a.  D.  Lindemann  in  Essen.  Gleich  das  erste 
Geschäftsjahr  1873/74  schloss  mit  einem  Verlust  von  185,000 
Thaleru.  Die  Vorbesitzer  sollen  falsche  Angaben  gemacht 
haben,  wofür  sie  der  Aufsichtsrath  zur  Verantwortung  ziehen 
wollte.    Cours? 

Maschiuenbau  „Union",  früher  Ewald  Hilg er  in  Essen. 
Gegründet  Juni  1871.  Actiencapital  000,000  Thaler.  Auf- 
sichtsräthe:  Friedrich  Grillo,  Gustav  Adolf  Waldthausen  und 
Kreisrichter  a.  D.  W.  Heyland  in  Essen,  J.  L.  Eltzbacher, 
J.  B.  Heimann  und  Victor  Wendelstadt,  Commerzienrath  und 
Director  des  Schaaffhausen'schen  Bankvereins  in  Köln.  P'ür 
1871/72  wui'den  10  Procent  Dividende  ausgeworfen,  und  hierauf 
Januar  1873  —  400,000  Thaler  neue  Actien  ä  110  emittirt.  Letzte 
Dividenden  0.   Cours  etwa  30  Brief. 

Märkische  Masehinenbauaustalt,  vormals  Kamp  &  Co. 
in  Wetter  an  der  Ruhr.  Actiencapital  1,200,000  Thaler.  Die 
Mitvorbesitzer  Heinrich  Blank  und  Alfred  Trappen  behielten 
die  Leitung.  Aufsichtsrath:  Wilhelm  von  Born  in  Dortmund, 
Advocat- Anwalt  W.  Klein  in  Düsseldorf,  Moritz  Eltzbacher 
(J.  L.  Eltzbacher  &  Co.)  in  Köln,  Hugo  Blank  in  Wetter, 
Ewald  Aders  (J.  H.  Brink  &  Co.)  in  Elberfeld.  Dividenden: 
7%,  4%  und?     Cours  ca.  40. 

Waggonfabrik  Westphalia,  früher  Killiug  &  Sohn  in 
Hagen.  Actiencapital  700,000  Thaler  und  100,000  Thaler  Hy- 
potheken. Gegründet  Januar  1873  von  H.  Quistorp  in  Berlin, 
welcher  iu  seiner  pompösen  Schreibweise  sich  also  vernehmen 
liess:  Es  ist  uns  gelungen,  unseren  Actionären  auf  je  6  Actien 
der  Vereinsbank  1  Actio  der  Westphalia  oiferiren  zu  können. 
Auf  je  6  Actien  seiner  Vereiusbank,  die  damals   190  notirten, 


—     76     — 

gewährte  Herr  Quistorp  1  Actie  der  Waggonfabrik  ä  112,  so 
dass  sie  thatsächlich  179  kostete!  Dazu  musste  der  glückliche 
Käufer  noch  4  Procent  Zinsen  seit  dem  1.  Mai  1872,  also  für 
9  Monate  rückwärts  erlegen!!  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths: 
Rechtsanwalt  Storp  in  Hagen.  Direction:  Fr.  Killing,  C.  Th. 
Middendorf  und  P.  Wegmann. 

Drei  Monate  nach  der  Gründung  vollzog  Quistorp  bereits 
eine  grossartige  Gewinnvertheilung.  Er  construirte  eine  zwei- 
jährige Geschäftsperiode,  indem  er  dieselbe  um  zwei  Jahre 
zurückdatirte,  sie  schon  mit  dem  1,  Mai  1871  beginnen  Hess, 
und  für  diese  Zeit  einen  Reinertrag  von  211,000  Thalern  aus- 
rechnete. Davon  erhielten  die  Vorbesitzer  Killing  &  Sohn  vorweg 
als  sogenannte  Abfindung  pro  rata  57,000  Thaler,  die  Direction, 
an  deren  Spitze  wieder  Killing  &  Sohn  standen,  ca.  20,000  Thlr., 
der  Aufsichtsrath  endlich  8555  Thaler  —  Alles  für  eine  Mühe- 
waltung von  etwa  12  Wochen.  Der  Rest  entfiel  als  IGpro- 
centige  Dividende  an  die  Actionäre,  welche  1874  noch  5  Procent 
und  dann  überhaupt  nichts  mehr,  weder  Zinsen  noch  Capital 
bekamen.  Juni  1876  ward  der  Concurs  eröffnet,  und  die  Actien 
sind  völlig  werthlos. 

(xussstahlwerk,  sonst  F.  Huth  &  Co.  in  Hagen.  Vor- 
gekauft von  R.  A.  Seelig  in  Berlin  und  gegründet  Aug.  1872. 
Actiencapital  750,000  Thaler  und  130,000  Thaler  Hypotheken. 
Emissionshäuser:  Centralbank  für  Genossenschaften  und  Schön- 
heimer'scher  Bankverein.  Aufsichtsräthe :  Bürgermeister  Dödter 
und  Emil  Hiltrop  in  Hagen,  Ferd.  Strahl  in  Berlin  etc.  Letzte 
Dividenden  0.    Cours  einst  110,  jetzt  ca.  5. 

Eisenwerke  und  Eisenl)ahnbedarf,  früher  Carl  As- 
beck  &  Co.  in  Grünthal  bei  Hagen.  Vorgekauft  von  R.  A. 
Seelig  und  Genossen  in  Berlin  und  gegründet  April  1873. 
Actiencapital  600,000  Thaler  und  200,000  Thaler  Hypotheken. 
Vorsitzender  des  Aufsichtsraths:  Rechtsanwalt  Robert  von 
Briesen  in  Hagen.  Dividenden  nie.  Die  mit  110  eingeführten 
Actien  haben  schon  lange  keinen  Cours  mehr,  und  es  war  des- 


—     77     — 

halb  gerade  kein  „Opfer",  wenn  November  187G  „zwei  Actio- 
näre"  eine  Portion  dieses  cdeln  Papiers  im  Nennwerthe  von 
26,000  Thaler  der  Gesellschaft  „zur  Vernichtung"  überwiesen. 
Selbstverständlich  gehörten  diese  edlen  „Actionäre"  zu  den 
Gründern  resp.  Vorkäufern,  was  aber  die  Zeitungen  getreulich 
verschweigen. 

Gussstahl-  und  Waflfenfabrik,  vormals  Berg  er  &  Co. 
in  Witten  an  der  Ruhr.  Actiencapital  1,500,000  Thaler  und 
300,000  Thaler  Hypotheken!!  Gegründet  im  März  1873  durch 
den  Schaaffhausen'schen  Bankverein  in  Köln  und  die  Deutsche 
Unionbank  in  Berlin,  welche  die  60procentigen  Interimsscheine 
mit  120  einführte,  was  einen  Cours  von  ISSVs  bedeutet.  Die 
Börse,  welche  den  Braten  roch,  nannte  die  neuen  Actien  sehr 
bezeichnend  „Pistolen-Actien".  Trotzdem  trieben  die  „starken 
Hände"  der  Gründer  die  Pistolen-Interimsscheine  bis  ca.  140, 
was  einem  Course  von  166  entspricht.  Heute  stehen  die  Actien 
etwa  50.  Aufsichtsräthe :  von  Kaufmann -Asser  und  Advocat- 
Anwalt  Robert  Esser  II.  in  Köln,  Koppel  in  Solingen,  von  Mar- 
tini, Carl  Berger  etc. 

Vorbesitzer  des  Etablissements  ist  der  bekannte  fortschritt- 
liche Abgeordnete  Louis  Berger  in  Witten,  ein  Freund  des 
Preussischen  Handelsministers  Herrn  Achenbach,  welcher  Früh- 
jahr 1876  im  Abgeordnetenhause,  bei  Gelegenheit  der  Debatte, 
betreifend  die  Uebernahme  einer  Zinsgarautie  des  Staats  für 
die  Prioritäts-Anleihen  der  übel  beleumdeten  Eisenbahn  Halle- 
Sorau-Guben,  es  tief  bedauerte,  Herrn  Berger  unter  seinen 
Gegnern  zu  sehen;  und  dieser  wieder  musste  den  Schmerz  er- 
fahren, wegen  zu  theuerer  Gründung  seiner  Fabrik  von  Herrn 
Wilh.  Funcke  in  Hagen  öffentlich  augegriffen  zu  werden.  Herr 
Berger  erwiderte  darauf  mit  dem  strengen  Unschuldsbewusst- 
sein  eines  öffentlichen  Charakters:  „Wer,  wie  ich,  im  Laufe 
von  zehn  Jahren,  innerhalb  und  ausserhalb  seines  Heimatki'eises, 
vor  und  nach  den  Kriegen,  vor  und  nach  dem  Krach,  sieben- 
mal aus  dem  Fegefeuer  einer  Land-  und  Reichstagswahl  rein 


—     78     — 

hervorging,  der  kann  Verdächtigangen  solcher  Art  einfach  ver- 
achten. Er  erklärt,  dass  diese  „Verdächtigung"  gegen  einen 
Mann  gerichtet  sei,  der  „seit  Jahren  im  öffentlichen  Dienste, 
mit  gänzlicher  Hintenansetzung  jedes  persönlichen  Interesses, 
nach  besten  Kräften  seine  Schuldigkeit  gethan",  und  bemerkt 
dann  zur  Sache  selber:  „Damals  sind  in  Witten  verschie- 
dene Wetten  verloren  worden,  weil  man  es  nicht  für 
möglich  hielt,  dass  das  Werk  zu  einem  so  sehr  bil- 
ligen Preise  verkauft  werden  würde."  Also  Herr  Berger 
verkaufte  zu  einem  Preise,  den  man  so  niedrig  gar  nicht  für 
möglich  hielt  —  für  eine  lumpige  Million  Thaler;  und  er  lässt 
durchblicken,  dass  solche  Gründung  ein  Verdienst  um  das 
öffentliche  Wohl  sei.  Leider  haben  sich  dieser  Einsicht  die 
Actionäre  bisher  stierköpfig  verschlossen,  denn  sie  erhielten 
als  Dividende  für  das  erste  Geschäftsjahr  —  0,  und  ein  Be- 
richt in  der  „National -Zeitung"  sagte:  „Die  Hauptschuld  an 
diesem  ungünstigen  Resultat  tragen  die  übermässig  hohen 
Kosten  der  von  den  vorherigen  Besitzern  übernom- 
menen Vorräthe."  Dieser  Bericht,  erstattet  vom  Vorstand 
und  Aufsichtsrath  der  Gesellschaft,  dem  wahrscheinlich  auch 
noch  die  Gründer  angehörten,  meint  also  im  Gegensatz  zu 
Herrn  Berger  und  seinen  Wettbrüdern:  die  lumpige  Million 
Thaler  sei  ein  ganz  horrender  Preis  gewesen  —  und  der  Cours- 
stand der  Actien  scheint  dies  zu  bestätigen. 

Eisen-Industrie  uudBrückenbau,  vorm.  Johann  Caspar 
Harkort  in  Hochdahl  bei  Duisburg,  Gegründet  August  1872. 
Actüncapital  1,500,000  Thaler ;  an  der  Berliner  Börse  einge- 
führt durch  R.  A.  Seelig  und  H.  Kretzschmar  (Carl  Goppel  &  Co.) 
zu  103  Vi !  Ausserdem  400,000  Thaler  Hypotheken ! !  Aufsichts- 
räthe:  Oberbürgermeister  Keller  in  Duisburg,  Consul  Wilhelm 
Dulheuer,  Richard  Harkort,  Justizrath  Gerstein  und  Rechts- 
anwalt von  Briesen  in  Hagen,  Carl  Goppel  und  Generalconsul 
Ascher  Salinger  in  Berlin,  Robert  Kayser  in  Hamburg,  Dr.  Schnitz- 
ler, Carl  Daeves  und  Director  Peter  Leister  in  Köln.   „General- 


—     79     — 

director":  Otto  Oifergeld.  Eine  dunkele  Gründung,  die  sofort 
Verdacht  erregte.  Ueber  die  erste  Generalversammlung  der 
■wirklichen  Actionäre  brachte  die  „Berliner  Börsen -Zeitung" 
folgenden  Bericht  in  der  Form  eines  bezahlten  Inserats: 
„Es  constatirte  der  Präsident  des  Aufsichtsraths  (nämlich  der 
Vorbesitzer  Joh.  Casp.  Harkort!)  entgegenstehend  den  vielseitig 
ausgestreuten  nachtheiligen  Gerüchten,  die  zufriedenstellende 
Lage  des  Werkes,  und  garantirte  aus  seinen  Privatmitteln  für 
5  Jahre  eine  6procentige  Dividende.  Sodann  verzichtete  er 
auf  die  Verzinsung  von  200,000  Thaler  Actien,  die  er  selber 
besitzt,  während  besagter  fünf  Jahre.  Diese  periiönlichen  Opfer  (!), 
welche  Herr  Harkort  sich  auferlegte,  wurden  von  der  General- 
versammlung dankbar  acceptirt  u.  s.  w."  —  Die  erste  Geschäfts- 
periode vom  1.  August  1872  bis  Ende  1873  schloss  mit  einem 
Verlust  von  142,000  Thaler,  und  es  standen  zu  Buch:  Grund 
und  Boden  mit  396,000  Thaler,  Gebäude  mit  336,000  Tbaler, 
Maschinen  und  Walzwerk  mit  217,000  Thaler,  Werkzeuge  und 
Geräthschaften  mit  179,000  Thaler,  und  endlich  die  Firma  (! !) 
mit  533,000  Thaler.  Zusammen  etwa  1,660,000  Thaler.  Herr 
J.  C.  Harkort  Hess  sich  nun  von  dem  Vertrage,  in  Betreff  der 
garantirten  Dividende  von  6  %  auf  5  Jahre,  entbinden  und 
überwies  der  Gesellschaft  dafür  196,000  Thaler  (wahrscheinlich 
in  eigenen  Actien),  während  die  anderen  Gründer  gleichfalls 
80.000  Thaler  zurückvergüteten.  Aus  diesen  „persönlichen 
Opfern"  wurde  das  Deficit  gedeckt,  und  den  Actionären  für 
17  Monate  zusammen  3  %  Dividende  gezahlt.  Zugleich  meuchelte 
man  die  Hälfte  der  Actien  und  reducirte  das  Grundcapital  auf 
750,000  Thaler.  Trotz  dieser  merkwürdigen  Operationen,  die,  wie 
es  scheint,  die  Staatsanwaltschaft  zu  einer  Recherche  nicht  ver- 
anlassten, betrug  die  Dividende  pro  1875  —  0,  und  die  Actien 
haben  seit  geraumer  Zeit  gar  keinen  Cours  mehr. 

Rheinische  Stahlwerke  zu  Meiderich  bei  Fiuhrort.  Ge- 
gründet Januar  1872.  Verwaltungsrath:  Rentner  B.  Suer- 
moudt  in  Aachen,  Ingenieur  Leon  Donnat  und  Fürst  Augusti 


—     80    — 

Galitzin  in  Paris,  Ingenieur  Max  Haniel  in  Ruhrort  elc.  Actien- 
capital  1,500,000  Thaler,  von  welchem  die  erste  Emission  mit 
1,000,000  Thaler  pro  1873/74  —  20  %  Dividende  erhielt.  Zu- 
gleich emittirte  man,  „um  die  Production  des  Werkes  zu  ver- 
grössern",  600,000  Thaler  Obligationen.     Cours  ? 

Rheinisches  Walzwerk  zu  Mühlheim  am  Rhein.  Ge- 
gründet Februar  1872.  Actiencapital  200,000  Thaler.  Vor- 
stand: Heinrich  Haines  zu  Vensberg  und  Ingenieur  Hugo  Schöller 
in  Mühlheim.     1874  wurde  die  Liquidation  beantragt. 

Röhren-  und  Eisenwalzwerk  in  Düsseldorf.  Actiencapital 
SVo  Millionen  Thaler.  Aufsichtsrath:  Advocat- Anwalt  Robert 
Esser  IL,  Rentner  Ph.  Kaiser,  Bankdirector  Ernst  Königs  und 
A.  Rautenstrauch  in  Köln,  Alphons  Haniel  in  Ruhrort,  Laurenz 
Fischer  in  Euskirchen,  Friedrich  Kesten,  Adolf  Poensgen  und 
Gustav  Poensgen  in  Düsseldorf.  Vertheilte  pro  1873  —  9  °lo 
Dividende,  später? 

Hohenzollern ,  Gesellschaft  für  Locomotivbau  in  Düssel- 
dorf. Gegründet  August  1872  von  Jacobi,  Haniel  und  Huyssen 
und  der  Provinzial-Disconto-Gesellschaft  Hannover  (M.  J.  Frens- 
dorff).  Actiencapital  1,600,000  Thaler.  Aufsichtsrath:  Louis 
Haniel,  Franz  Haniel,  Max  Haniel,  Louis  Liebrecht  und  W.  Suer- 
mondt  in  Ruhrort,  Th.  Böninger  jr.  in  Duisburg,  Bernhard 
Caspar  in  Hannover  und  Chr.  Timmermanu  in  Hamburg.  1874/75 
schloss  mit  159,000  Thaler  Verlust.    Cours  ? 

Maschinenbau  Humboldt,  vormals  Sievers  &  Co.  in 
Kalk  bei  Deutz  a.  Rh.  Gegründet  October  1871.  Aufsichts- 
rath: Rentner  Ph.  Kayser,  Advocatanwalt  Robert  Esser  H., 
Jacob  von  Kauffmann-Asser,  A.  Rautenstrauch  und  Bankdirector 
Ernst  Königs  in  Köln,  Rentner  Heinrich  Sievers  in  Bonn,  Hütten- 
besitzer Carl  von  Beulwitz  in  Trier,  Bergrath  Max  Braun  in 
Moresnet  bei  Aachen,  Commerzienrath  Albert  Poensgen  in 
Düsseldorf.  „Generaldirector" :  Martin  Neuerburg  in  Kalk. 
Actiencapital  800,000  Thaler  I.  Emission  und  500,000  Thaler  IL 
Emission.  Ausserdem  300,000  Thaler  Hypotheken.  (Mit  dieser  Ge- 


—     81     — 

Seilschaft  verschmolz  auch  das  März  1872  gegründete  Walz- 
werk Zeus,  dessen  Grundcapital  500,000  Thaler  betrug.)  Pro 
1.  Juli  1872/73  wurden  12Ve  %  Dividende  vertheilt,  und  dar- 
aufhin 500,000  Thaler  junge  Actien  fabricirt.  1874  entfielen 
8  resp.  4%.    Cours  ? 

Rheinisclie  Mascliiueubau-Gcsellschaft  inKalk  beiDeutz 
Grundcapital  100,000  Thaler.  Aufsichtsrath :  „Generaldirector" 
Martin  Neuerburg  in  Kalk,  F.  A.  Herbertz  und  Director  M. 
Schuaas  in  Köln,  Fabrikbesitzer  H.  Aders  in  Magdeburg.  Divi- 
denden für  1874  und  1875  —  0. 

Holzbearbeituugsmascliiueu,  vormals  .1,  Kyll  zu  Kalk 
bei  Deutz.  Gegründet  Anfang  1873.  Aufsichtsrath:  Landrath 
a.  D.  Schubarth,  Jacob  von  Kauffmann-Asser,  A.  Rautenstrauch, 
Director  Martin  Schnaas  und  Bankdirector  Ernst  Königs  in 
Köln,  Director  Carl  Sachs  und  „Generaldirector"  Martin  Neuer- 
burg in  Kalk.  Actiencapital  800,000  Thaler.  Dividende  für 
das  erste  Geschäftsjahr  0. 

Auch  in  Westfalen-Rheinland  sind  Berliner  Grün- 
der thätig  gewesen.  Heinrich  Quistorp  gründete 
die  Waggonfabrik  Westphalia,  und  ausserdem  die 
Fabrik  für  Eisenbahnmaterial  in  HageU;  welche 
letztere  für  1873  —  57o  Dividende  vertheilte.  A.  Borsig 
und  Th.  Sarre  waren  bei  der  Maschinenfabrik  „Deutsch- 
land" in  Dortmund;  Biess  &  Itziuger  und  J.  T.  Gold- 
berger  bei  dem  Annener  Gussstahlwerk;  Commerzien- 
rath  Schlittgen  bei  dem  Dortmunder  Brückenbau, 
Carl  Goppel  &  Co.  und  Ascher  Salinger  beiHarkort's 
Brückenbau  behülflich.  Das  Vorkäufer- Consortium 
Geber-Stahlschmidt-Seelig    entrirte:     Hagener 

Glagaa,  Der  Börsonschwiadel.    II.  6 


—     82     — 

Gussstahl;  Hagen-Grünthaler  Eisenwerke,  Dortmunder 
Brückenbau  und  Harkort's  Brückenbau.  Wo  'aber 
dieses  Kleeblatt  aufti'at,  da  wuchs  hinfort  kein  Gras 
mehr,  was  die  eben  genannten  vier  Gesellschaften  be- 
weisen. Hermann  Geber,  der  Pfiffigste  von  den  Dreien 
und  der  eigentliche  Chef,  der  aber  gern  hinter  den 
Coulissen  blieb,  pflegte,  wenn  die  Sünden  der  betref- 
fenden Gründung  offen  zu  Tage  traten,  eine  Portion 
Actien,  die  er  hatte  übernehmen  müssen,  zurückzu- 
schenken,  was  aber  wenig  zu  bedeuten  hatte,  da  die- 
selben inzwischen  bereits  so  ziemlich  Maculatur  ge- 
worden. 

Unter  den  einheimischen  Gründern  ragen  hervor: 
Jacob  von  Kauffmann- Asser,  Jacob  Lob  Eltzbacher, 
J.  B.  Heimann,  Salomon  Moses  Heymann,  Victor  Wen- 
delstadt, Ernst  Königs,  A.  Piautenstrauch,  Ph.  Kaiser, 
Martin  Schnaas  und  Advocat- Anwalt  Piobert  Esser  H. 
in  Köln,  Friedrich  Grillo  in  Essen,  Wilhelm  von  Born 
in  Dortmund,  Familie  Haniel  in  Ruhrort,  Familie 
Poensgen  in  Düsseldorf,  Martin  Neuerburg  in  Kalk. 
Wie  eine  Vergleichung  der  Namen  zeigt,  bildet  Rhein- 
land-Westfalen von  der  Regel  eine  Ausnahme,  inso- 
fern hier  nicht  die  jüdisch-semitischen,  sondern  die 
christlich-germanischen  Gründer  überwiegen,  und  von 
diesen  stehen  wieder  die  Katholiken  hinter  den  Pro- 


—     83  ■  — 

testanten  zurück.  Politischer  wie  religiöser  „Fort- 
schritt" kennzeichnet  den  christlichen  Gründer,  wäh- 
rend der  jüdische  Gründer  alle  politischen  und  cou- 
fessionellen  Schattirungen  zeigt. 

Gross  ist  der  Courssturz,  welchen  die  Actien  der 
Westfälisch-rheinischen  Maschinenfabriken  durchweg 
erfahren  haben.  Diese  rapide  Entwerthung  trat  bei 
einigen  noch  vor  dem  Krach  ein.  Beispielsweise  kaufte 
Jemand  im  März  1873  auf  Empfehlung  2000  Thaler 
Dortmunder  Brückenbau  ä  109,  und  da  es  ihm  als- 
bald leid  that,  wollte  er  sie  wieder  los  werden.  In 
den  nächsten  Tagen  notirte  das  Papier  105,  103,  101, 
98,  95  —  aber  zu  diesem  Course  waren  immer  nur 
Abgeber,  nicht  Nehmer  vorhanden.  Endlich  fand  der 
Inhaber  einen  Makler,  der  ihm  die  Actien  mit  80  ab- 
nahm, so  dass  Jener  binnen  ein  paar  Wochen  29% 
am  Course  verloren  hatte.  Aber  der  Makler  nahm 
auch  nur  für  1000  Thaler;  mit  dem  andern  Tausend 
blieb  der  unglückliche  Besitzer  überhaupt  sitzen. 

Wittener  Waffen  oder  die  „Pistolen-Actien",  vor- 
mals Berger  et  Co.,  stürzten  noch  im  Jahre  1873, 
binnen  9  Monaten,  von  etwa  166  bis  701  —  Vielleicht 
als  Ersatz  dafür  hat  der  Vorbesitzer,  Abgeordneter 
Louis  Berger,  in  Verbindung  mit  seinem  Bruder 
ein  Stipendium  für  arme  Studenten  gestiftet  und  zu 


—     84    — 

dem  Zwecke  ein  Capital  von  6666%  Thaler  einge- 
zahlt. Diese  edle  That  meldeten  sämmtliche  Zeitun- 
gen, aber  einige  Blätter  wollten  auch  wissen,  die 
Staatsanwaltschaft  in  Bochum  recherchire  wegen  der 
Vorgänge  bei  Gründung  der  Berger'schen  Gussstahl- 
fabrik. 

Das  ßecept  des  Herrn  Finanzministers  Camphausen, 
die  kranke  Industrie  durch  Herabsetzung  der  Arbeits- 
löhne zu  curiren,  haben  die  Actiengesellschaften  bestens 
befolgt.  Von  den  Rheinischen  Stahlwerken  in  Mei- 
derich verlautete  kürzlich  eine  neue  Lohnbeschnei- 
dung um  ro  Procent.  Hohenzollern,  früher  Jacobi, 
Haniel  und  Huyssen  in  Düsseldorf,  Hess  durch  Mauer- 
anschlag verkünden:  wegen  der  schlechten  Geschäfte 
müssten  die  Löhne  wiederum  gekürzt  werden;  zu- 
gleich erwarte  man,   dass  die  Arbeiter  ihre  Kräfte 

und  ihre  Leistungen  verdoppeln  würden. Ueber 

die  „wohlthätigen  Folgen  der  Lohnreduction"  liess 
sich  die  „Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung"  aus  Witten 
an  der  Ruhr  schreiben:  es  sei  in  erster  Linie  zu 
constatiren  „das  Zunehmen  der  Arbeitslust  und  das 
damit  verbundene  Erstarken  der  Arbeitskraft."  Aber 
den  eigentlichen  Zweck  scheint  Herrn  Camphausen's 
Palliativ,  das  auch  in  den  Werkstätten  des  Staats 
fleissig  zur  Anwendung  kam,  doch  nicht  zu  erreichen. 


—    85    - 

Im  Gegentheil  steigert  sich  mit  der  Lohnherabsetzung 
der  Mangel  an  Arbeit,  der  Uebertiuss  an  Arbeitern. 
Die  Maschinenfabrik  Humboldt  in  Kalk  beschäftigt 
von  ehemals  2000  Leuten  nur  noch  ein  Drittel;  und 
die  „Vossische  Zeitung"  äusserte  unterm  23.  Aug.  1876: 
„Ueber  das  Darniederliegen  der  Industrie  laufen  täg- 
lich neue  Berichte  ein.  Der  Handelsminister  Dr.  Achen- 
bach  hat  bei  längerer  Anwesenheit  in  seinem  heimat- 
lichen Kreise  Siegen  sich  von  der  Noth  zu  überzeugen 
genug  Gelegenheit  gehabt." 


Auch  Schlesien  ist  von  zahlreichen  Gründungen 
heimgesucht  worden.  In  dem  stark  verjüdelten 
Breslau  sitzt  ein  ganzes  Nest  von  Gründern,  und 
diese  haben,  zum  Theil  auf  eigene  Hand,  zum  Theil 
in  Verbindung  mit  Berliner  Berufsgenossen  ihr  Wesen 
getrieben.  Ebenso  lieferten  Görlitz  und  Grünberg 
namhafte  Gründer.  Von  ihren  Werken  verzeichnen 
wir  hier: 

Oberschlesisclier  Eisenbahubedarf  in  Breslau.  Bildete 
sich  Februar  1871  aus  der  Hütten-,  Forst-  und  Bergbau- Ge- 
sellschaft Minerva  in  Oberschlesien,  welche  ihrerseits  1855 
durch  den  späteren  Abgeordneten,  Grafen  Johannes  Renard 
auf  Gross -Strehlitz  und  Genossen  entstand,  und  auch  schon 
eine  böse  Gründung  war.  Das  Grundcapital  der  Minerva  be- 
trug 5  Millionen  Thaler,  und  da  sie  nur  1856,  1857,  1858  und 
1865  Dividenden  von  8,  C,  2  und  resp.  1  %  auswarf,  die  Divi- 


—     86     — 

dende  für  1858  liiiiterher  aber  nicht  einmal  auszahlte,  sondern 
als  irrthümlich  anfechten  Hess,  war  der  Cours  bis  unter  20  ge- 
sunken. Hierauf  begann  ein  Consortiuni  die  billigen  Actien 
aufzukaufen,  und  schliesslich  befanden  sich  '/s  derselben  in 
seinen  Händen.  „Generaldirector"  der  Minerva  war  1871  August 
Frey,  und  den  Verwaltungsrath  bildeten:  Graf  Johannes  Re- 
nard, Abgeordneter  Prinz  Carl  zu  Hohenlohe,  Bankassessor 
Dr.  Paul  Gaspard  Friedenthal,  Max  Alexander  und  Albert 
Schmieder  in  Breslau,  Oekonomierath  Bieler  in  Salesche ,  Julius 
Alexander,  Wilh.  Itzinger  und  Hugo  Pringsheim  in  Berlin. 

Die  Minerva  liquidirte,  trat  den  grössten  Theil  ihres  Be- 
sitzes dem  von  ihr  gegründeten  Oberschlesischen  Eisenbahnbe- 
darf ab,  und  empfing  dafür  Actien  der  neuen  Gesellschaft,  deren 
Direction  Albert  Schmieder  übernahm,  und  deren  Aufsichtsrath 
folgende  Herren  bildeten:  ,. Generaldirector"  August  Schmieder, 
Max  Alexander,  Bankdirector  Fromberg  und  Justizrath  v.  Wil- 
mowski  in  Breslau,  Oekonomierath  Bieler  in  Salesche,  Director 
Neimke  in  Lipine,  Graf  Solms-Roesa  in  Slupcko,  Gustav  Scha- 
dow  und  Ferd.  Gumprecht  in  Berlin.  Das  Actiencapital ,  ur- 
sprünglich 2 'Zu  Millionen  Thaler,  wurde  1872  um  ^2  Million 
Thaler  junger  Actien  vermehrt,  und  diese  mit  einem  Agio  von 
250,000  Thaler  (!)  begeben.  Die  Actien  wurden,  namentlich  an  der 
Breslauer  Börse,  zu  einem  Spielpapier.  Für  1871  gab  es  6, 
für  1872  sogar  14%  Dividende,  was  für  die  Herren  Aufsichts- 
räthe  eine  fette  Tantieme  abwarf.  Noch  1873  erhielten  sie  bei 
5%  Dividende  —  7895  Thaler,  und  1874  bei  nur  2%  Divi- 
dende —  3467  Thaler  Tantieme.  Pro  1875  betrug  die  Divi- 
dende 0,  und  die  einst  bis  175  hinaufgetriebenen  Actien  stehen 
jetzt  ca.  25.  An  den  beiden  Gesellschaften  der  Minerva  und 
des  Oberschlesischen  Eisenbahnbedarf  haben  die  Actionäre  zu- 
sammen etwa  8  Millionen  Thaler  verloren. 

Indess  ist  noch  ein  anderer  Verlust  zu  beklagen,  nicht  so 
riesig,  aber  dafür  weit  schmerzlicher.  Bevor  Graf  Renard  sein 
Etablissement  verkaufte,  hatte  er  durch  die  Meister  und  Arbeiter 


—     87     — 

der  Werke  eine  Hilfs-  und  Knappschaftskasse  bilden  lassen,  die 
beiläufig  75,000  Tlialer  besass  und  an  die  Actiengesellschaft 
Minerva  überging.  Als  diese  nun  1871  den  Oberschlesischen 
Eiseubahnbedarf  gründete,  war,  wie  die  Berliner  „Staatsbürger- 
zeituug"  uuterra  16.  April  1876  mittheilte,  die  ganze  Kasse 
spurlos  verschwunden,  obwol  sie  unter  Aufsicht  der  Staatsbe- 
hörden stand.  Die  armen  Arbeiter  haben  ihi"e  an  20  Jahre 
geleisteten  Beiträge  eingebüsst,  und  eine  Beschwerde  beim 
Handelsrainister  soll  ohue  Erfolg  geblieben  sein. 

01)erschlesisches  EiseuwalzTverk  in  Paruschowitz  bei 
Rybnik,  früher  fiscalisch!  Vorgekauft  von  Isidor  Maniroth  in 
Berlin,  und  gegründet  31.  August  1872  von  dem  Abgeordneten 
und  Geh.  Admiralitätsrath  Theodor  Jacobs,  Literaten  Dr.  Hein- 
rich Beuecke,  Fabrikbesitzer  Th.  Seydel,  Gustav  Mamroth  und 
Paul  Nalepa  in  Berlin.  Actiencapital  700,000  Thaler  und  150,000 
Thaler  Hjpothekeu.  Im  Prospect  wurden  20 ''/o  Dividende 
vorgerechnet,  und  für  das  erste  Geschäftsjahr  von  4  Monaten  (!) 
ir^o  vertheilt.  1873  schloss  mit  einem  Verlust  von  38,938 
Thaler.    1874  ergab  l^o,  1875  —  iVs'^/o  Divitlende.  Cours  ca.  8. 

Eiseubaimivag^eulban,  vormals  G.  Linke's  Söhne  in 
Breslau.  Vorgekauft  von  Gebr.  Guttentag  und  Moritz  Sachs 
in  Breslau,  und  gegründet  Febr.  1871.  Actiencapital  1,600,000 
Thaler  (!)  und  ca.  820,000  Thaler  Hypotheken.  Aufsichtsrath: 
Abgeordneter  und  Geh.  Ober-Regieruugsrath  Ludwig  Heise, 
Robert  Caro  (M.  J.  Caro  &  Sohn),  Moritz  Cohn  (Gebr.  Gutten- 
tag), Joseph  Friedländer  (Gebr.  Friedläuder),  Siegmund  Sachs 
(jNIoritz  Sachs),  Moritz  Pringsheim,  Commerzienrath  C.  F.  Gierth 
und  Adolf  Linke  in  Breslau,  Rittergutsbesitzer  Ernst  Lauter- 
bach iu  Wilxen.  Dividende  pro  1875  —  6-/!  ^/o,  und  gegen 
8000  Thalcr  Tantiemen.    Cours  einst  115,  jetzt  etwa  noch  50. 

Sehlesische  Eiseiigiesserei ,  Maschinen-  und  Wagenbau, 
vormals  C.  Schmidt  &  Co.  in  Breslau.  Vorgekauft  durch  die 
Provinzial- Wechslerbank  in  Breslau,  und  gegründet  November 


—    88     — 

1871  durch  Salo  Sackur  (Gebr.  Sackur)  in  Breslau,  Potocky- 
Nelken  (Marcus  Nelken  &  Sohn)  und  Samelson  &  Sackur  in 
Berlin  etc.  Actiencapital  750,000  Thaler,  nebst  250,000  Thaler 
Prioritäten  und  275,000  Thaler  Hy^^otheken.  Aufsichtsräthe 
u.  A.:  Jacob  Berthold  (Meyer  H.  Berliner),  Wilh.  Epstein, 
„Volkswirth"  Dr.  W.  H.  Eras.  Directoren:  Fritz  Francke  und 
Rudolf  Reder.  Die  ex&te  Dividende  pro  1872  mit  9  o/o  beruhte 
auf  einem  blossen  Rechenkunststück.  1873  schloss  mit  G8,000 
Thaler,  1874  mit  79,000  Thaler,  1875  mit  132,000  Thaler  Ver- 
lust. Dann  trat  man  in  Liquidation,  aber  für  die  Actionäre 
ist  nichts  mehr  zu  hoffen.  In  der  Generalversammlung  vom 
12.  October  1875  wurde  der  Versuch  gemacht,  die  Directoren 
und  Aufsichtsräthe  für  die  grosse  Misswirthschaft  zur  Rechen- 
schaft zu  ziehen-,  doch  die  Partei  der  Gründer  stimmte  die 
Opposition  nieder.  Der  Staatsanwalt  ist  bisher  nicht  einge- 
schritten. 

Waggonfabrik,  Gebr.  Hofmann  &Co.  in  Breslau.  Vor- 
gekauft und  gegründet  Januar  1872  von  Isidor  Mamroth,  Com- 
merzienrath  Wrede  und  Paul  Gravenstein  in  Berlin.  Actien- 
capital 750,000  Thaler  und  173,000  Thaler  Hypotheken.  Auf- 
sichtsräthe u.  A.:  Ernst  Hofmann,  Paul  Bülow  und  Joseph  Lip- 
mann  in  Breslau  und  Fi\  Kindermann  in  Berlin.  1874  und 
1875  schlössen  mit  Verlust.     Cours  ca.  8. 

Mascliiiienbau  und  Eisengiesserei,  sonst  Carl  Körner 
in  Görlitz.  Gegründet  August  1872.  Actiencapital  295,000 
Thaler,  200,000  Thaler  Prioritäten  und  59,000  Thaler  Hypo- 
theken. Aufsichtsrath :  Abgeordneter  Stadtrath  Erwin  Lüders, 
Fabrikbesitzer  Franz  Conti,  Emil  Felix  und  R.  Eisner  in  Gör- 
litz, Eugen  Dzondi  (Rob.  Thode  &  Co.)  in  Berlin.  Letzte  Divi- 
denden 0.     Cours  ? 

Niedersclilesisclie  Maschinenbauanstalt,  früher  Conrad 
Schiedt  in  Görlitz  und  Grünberg.  Gegründet  März  1872  von 
Fr.  Förster  jun.  in  Grünberg.  500,000  Thaler  Actien  und 
262,000  Thaler  Hypotheken.     Die  Bilanz   vom  31.  Juli   1874 


—     89     - 

schloss  mit  einem  angeblichen  Gewinn  von  18,500  Thaler,  aber 
1875  wurde  der  Concurs  eröffnet  und  es  zeigte  sich,  dass  das 
ganze  Actiencapital  verloren  war.  April  18'S'G  kam  das  Eta- 
blissement in  Görlitz  zum  öffentlichen  Verkauf,  fand  jedoch 
keinen  Käufer  und  man  beschloss,  das  Grundstück  zu  parcelli- 
ren  und  als  Baustellen  auszubieten. 

An  diese  Sclilesischen  Gesellschaften  schliesse  sich 

noch  die 

Niederljiusitzer  M.ascMuenb.anaiistalt,  vormals  Nommel 
&  Jäger  in  Cottbus.  Gegründet  Anfang  1873  durch  die  Wechsel- 
stuben-Actiengesellschaft  in  Berlin.  Grundcapital  200,000  Thlr. 
und  40,000  Thaler  Hypotheken,  Vorsitzender  des  Aufsichts- 
raths:  Otto  Sommerfeld  iu  Cottbus.  Vorstand:  G.  Knackstedt 
und  M.  Persicaner.  Revisoren:  Adolf  Gradenwitz  und  H.  Wit- 
ting.  Eine  Dividende  von  7  %  ist  privatim  garantirt  und  aus 
Zuschüssen  der  Gründer  bisher  auch  bezahlt  worden.  Trotzdem 
haben  die  Actieu  keinen  Cours. 


In  der  Preussischen  Provinz  Sachsen  recrutirten 
sich  die  Gründer  auf  dem  Gebiet  der  Maschinen- 
fabriken vornehmlich  aus  Berlin,  Magdeburg,  Halle 
und  Nordhausen,  und  die  wichtigsten  Gesellschaften 
sind: 

Mascbiuenfabrik  und  Eisengiesserei,  vormals  R.  Riedel 
und  J.  Selwig  in  Halle  a'S.  Gegründet  October  1872  von 
der  Deutschen  Genossenschaftsbank  Sörgel,  Parrisius  &  Co.  in 
Berlin  und  dem  Halle'schen  Bankverein  von  Kulisch,  Kämpf  &  Co. 
Aufsichtsrath:  Rechtsanwalt  Herzfeld,  Director  Walter  sen.  und 
Regierungsrath  a.  D.  Gncist  in  Halle  a/S.  Actiencapital 
300,000  Thaler.     Die  Vorbesitzer  behielten  die  Leitung  und 


—     90    — 

garantirten  einen  Eeingewinn  von  30,000  Thaler  jährlich,  also 
10%  Dividende.  Pro  1872  wurden  9^/4,  pro  1873  dagegen  nur 
11/4%  gezahlt.  1$74  und  1875  ergaben  wieder  9  und  resp.  10% 
Dividende.    Trotzdem  ist  der  Cours  ca.  60. 

Eiseugiesserei  und  Maschinenbau,  früher  H.  Schade 
in  Zeitz.  Gegründet  December  1871  von  Robert  Baumann 
(Berliner  Bank).  Aufsichtsräthe :  Bernhai'd  Friedheim,  Leopold 
Hadra  und  Eduard  Thiele  in  Berlin,  Jacob  Löwendahl  (Gebr. 
Löwendahl  &  Co.)  und  Franz  Pfaffe  (Weise  &  Pfaffe)  in  Halle  a/S., 
Rudolf  Tillmanns  in  Zeitz.  Erste  Revisoren:  Kaufmann  Rothe 
und  Rechtsanwalt  Neebe  in  Zeitz.  Actiencapital  400,000  Thaler. 
Der  Vorbesitzer  übernahm  die  Leitung  und  50,000  Thaler 
Actien.  Pro  1875  entfielen  4%  Dividende  und  für  die  Herren 
Aufsichtsräthe  3040  Thaler  Tantieme!  Cours  einst  105,  jetzt 
ca.  30. 

Eismascliinengesellschaftj  sonst  Oscar  Kropff  &  Co.  in 
Nordhausen.  Gegründet  November  1872  mit  200,000  Thaler 
Grundcapital.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung  und  der 
Prospect  versicherte,  dass  dies  „aus  bescheidenen  Anfängen" 
hervorgegangene  Etablissement  bisher  20%  Reingewicn  abge- 
worfen. Aufsichtsrath:  Justizrath  Berndt,  Commerzienrath 
R.  H.  Bach  und  Stadtrath  Schulze  in  Nordhausen,  Kaufmann 
G.  A.  Mittler  und  Baumeister  David  Schnitze  in  Berlin.  Das 
erste  Geschäftsjahr  ergab  12V2%  Dividende,  1874  und  1875 
schlössen  mit  Verlust.  Die  Actien,  durch  M.  Gottschalk  &  Co. 
an  der  Berliner  Börse  ä  113V2  eingeführt,  notiren  etwa  10. 

Harzer  Eiseubalinbedarf,  vormals  Bernhard  Thelen 
und  OttoWeydemeyer  in  Nordhausen.  Unbescheiden  theuere 
Gründung  der  Herren  Grelling  &  Schönfeld  in  Nordhauseu,  Ge- 
brüder Grelling  und  Volkmar  &  Bendix  („Volkswirth"  Michael 
Julius  Levinstein)  in  Berlin.  Entstand  im  August  1872.  Actien- 
capital 500,000  Thaler  und  75,000  Thaler  Hypotheken.  Die 
Vorbesitzer  behielten  die  Leitung  und  übernahmen  120,000 
Thaler  Actien.    Für  das  erste  Geschäftsjahr,  welches  mau  um 


—     91     — 

10  Monate  zurückdatirte,  wurde  eine  künstliche  Dividende  von 
90/0  vertheilt.  1873  ergab  30/0,  1874  —  0  und  1875  —  l^/^o/^. 
Cours  einst  120,  jetzt  ca.  25. 

Eisenwerk  nnd  Maschinenbau,  vormals  Wilhelm  Bar- 
tels &  Co.  in  Halberstadt.  Gegründet  November  1872  von  dem 
Vorbesitzer,  sowie  von  dem  Rentier  C.  F.  Hoppe  in  Uelzen,  dem 
Banquier  August  Pohl,  und  von  Georg  Heibig  und  Hugo  Scharlfe, 
den  beiden  Directoren  des  berüchtigten  Norddeutscheu  Land- 
wirthschaftlichen  Bankverein  in  Berlin.  Actiencapital  240,000 
Thaler.  Director:  der  Mitvorbesitzer  Emil  Bartels.  Für  das 
erste  und  einzige  Geschäftsjahr  von  wenigen  Monaten  beschlossen 
die  Strohmänner  jenes  Bankvereins  eine  Dividende  von  10%, 
welche  später  gerichtlich  angefochten  M'urde.  Mit  dem  famosen 
Bankverein  brach  auch  diese  Gründung  zusammen,  und  die 
Actien,  zunächst  mit  105  bis  130  notirt,  verloren  jeden  Cours. 
Man  liquidirte  und  nach  einer  Mittheilung  der  „Neuen  Börsen- 
Zeitung"  wurde  das  Etablissement  gründlich  ausgeschlachtet, 
so  dass  nicht  viel  mehr  als  die  Mauern  stehen  blieben.  Eine 
Menge  tüchtiger  Arbeiter  wurden  brotlos  und  geriethen  in 
bittre  Noth. 

Sudenburger  Maschinenfabrik,  früher  F.  A.  Kluse- 
mann  in  Magdeburg.  Bildete  sich  September  1872  und  waren 
die  Gründer,  ausser  dem  Vorbesitzer:  Simon  Levy  in  Berlin, 
Julius  Levy,  Meyer  Samuel  Meyer,  Gustav  Sommergut  und  Otto 
Henniges  in  Magdeburg,  Gustav  Plaut  (H.  C.  Plaut)  in  Leipzig. 
Actiencapital  650,000  Thaler  und  200,000  Thaler  Hypotheken. 
Emissionshäuser :  Friedländer  &  Co.  in  Berlin  und  Magdeburger 
Wechsler-  und  Discontobank.  Der  Prospect  verhiess  10  bis 
lö^/o  Reingewinn.  1872  ergab  eine  Dividende  von  4"  j'^'o-  l^'^S 
schloss  mit  505,000  Thaler  Verlust-,  worauf  die  Gründer,  ein- 
geschüchtert durch  die  Drohungen  der  Actionäre,  300,000  Thaler 
Actien  zurückgaben,  der  ziemlich  gewaltsam  gegründete  Vor- 
besitzer allein  an  200,000  Thaler.  Dessenimgeachtet  schloss 
1874  auch  noch  mit  198,000  Thaler  Verlust.    Nun  wurden  die 


—     92     — 

Actien  zusammengelegt  und  das  Grundcapital  auf  175,000  Thaler 

reducirt;  worauf  1875  endlich  einen  Reingewinn  von 212 

Thaler  erbrachte. 

Klusemann  und  die  beiden  Levy  versprachen  noch  weitere 
50,000  Thaler  Actien  zurückzuliefern,  falls  man  sie  in  Ruhe 
lasse.  Doch  inzwischen  packte  sie  der  Staatsanwalt.  In  erster 
Instanz  wurden  die  Gründer  nur  wegen  „Verschleierung"  zu 
einer  Geldbusse  verurtheilt;  in  zweiter  Instanz  dagegen  des 
Betruges  schuldig  gefunden  und  Klusemann  zu  drei,  die  Uebrigen 
zu  je  sechs  Monaten  Gefängniss  verurtheilt. 

Brückenbauanstalt,  sonst  Otto  Prange  in  Buckau  bei 
Magdeburg.  Gegründet  November  1872  durch  die  Bankhäuser 
Teetzmann,  Roch  und  Alenfeld  in  Magdeburg,  A.  Paderstein 
und  Oscar  Hainauer  in  Berlin.  Grundcapital  600,000  Thaler 
und  90,000  Thaler  Hypotheken.  Der  Vorbesitzer  übernahm 
die  Leitung  und  50,000  Thaler  Actien.  Aufsichtsräthe  u.  A.: 
Julius  Nelke,  Bernhard  Schäffer,  Fr.  Bock,  Max  Sombart.  Für 
1873  entfiel  eine  Dividende  von  3%,  1874  schloss  mit  175,000 
Thaler  Verlust,  1875  schritt  man  zur  Liquidation  und  zum  Ver- 
kauf. Auf  Anweisung  des  Justizmiuisters  recherchirte  der 
Staatsanwalt,  doch  kam  es  bisher  noch  nicht  zur  Anklage.  Die 
Actien,  mit  102  Vi  eingeführt,  sind  werthlos. 


Eine  erstaunliche  Fülle  von  Gründungen  bietet 
das  kleine  Herzogthum  Braunschweig.  Sie  sind 
meistens  höchst  fragwürdiger^  zum  Theil  sehr  bös- 
artiger Natur,  und  ihre  Verfasser  vorwiegend  Einge- 
borene.   Wir  nennen  hier: 

Masclünenbauanstalt,  vormals  Fr.  Seele  &  Co.  in  Braun- 
schweig. Gegründet  Juli  1870.  Verwaltungsrath :  Dr.  A.  Aron- 
heim,  Commerzienrath  Albert  Oppenheimer  und  Oberbaurath 


—     93    — 

Scheffler  in  Braunschweig,  Gustav  Seeliger  in  Wolfenbüttel, 
J.  L.  Eltzhacher  in  Köln.  Director:  Reichstagsmitglied,  Com- 
merzienrath  F.  W.  Schüttler  in  Braunschweig.  Actiencapital 
400,000  Thaler,  von  denen  50,000  Thaler  im  Jahre  1871  zum 
Course  von  125,  und  100,000  Thaler  1S74  zum  Course  von  120 
durch  N.  S.  Nathalion  Nachfolger  und  Carl  ühl  &  Co.  in  Braun- 
schweig emittirt  wurden.  Es  gab  in  den  letzten  Jahren  auf- 
fallend hohe  Dividenden,  von  1874  bis  1S7G  —  21,  25  und 
resp.  22V//o. 

Eismascliineu-Gesellschaft  in  ßraunschweig.  Gegründet 
März  1870  mit  200,000  Thaler  Capital.  Auf sichtsrath :  Dr.  A. 
Aronheim,  Commerzienräthe  Albert  Oppenheimer  und  0.  Löb- 
becke,  Buchhändler  Heinrich  Vieweg,  Advocat  Th.  ßreithaupt, 
Directoren  Dr.  Aug.  Seyferth  und  Franz  Wiudhausen,  Theodor 
Becker,  Gustav  Runde  und  Chr.  Schrader  in  Braunschweig, 
J.  L.  Eltzbacher  und  Werner  Kreuser  in  Cöln.  1876  wurde 
die  Auflösung  beschlossen. 

MhinascWnenfabrik  Grimme,  Natalis&Co.  inBrauu- 
schweig.  Gegründet  November  1871  mit  400,000  Thaler  Capi- 
tal. Verwaltungsrath:  R.  Löhnefinke  (N.  S.  Nathalion  Nach- 
folger), M.  Solmitz,  Bankdirectoren  0.  Haussier,  A.  Benndorf 
und  V.  Seckendorf,     1874  ergab  eine  Dividende  von  4%. 

Eisenbahinvageu-BaiiaustaltjfrüherFriedrichDeicke 
in  Braunschweig.  Vorgekaiift  im  Auftrage  der  zu  bildenden 
Gesellschaft  von  Beruhard  Caspar  (M.  J.  Frensdorff)  und  Louis 
Ephraim  Meyer  in  Hannover  für  augeblich  300,000  Thaler,  und 
gegründet  am  3.  September  1871  auf  350,000  Thaler  Actien.  Als 
Gründer,  resp,  erste  Zeichner  sind,  ausser  dem  Vorbesitzer  und 
den  Vorkäufern,  noch  genannt:  August  Urbich  und  Alexander 
Benndorft'  (für  die  Braunschweigische  Creditanstalt),  Friedrich 
Pillmann  (Ühl  &  Pillmann),  Gustav  Runde,  H.  Mielziner  (Leh- 
mann Oppenheimer  &  Sohn),  Commcrzienrath  Ritter  Friedrich 
von  Voigtländer,  Lotterieinspector  Hermann  Wolff  und  Eber- 
hard Mencke  in  Braunschweig,  Commerzienrath  Gustav  Seeliger 


—     94    — 

in  Wolfenbüttel,  Commerzienrath  Louis  Meyer  und  A.  H.  Gern- 
lein in  Hannover,  Christian  Timmermann  in  Hamburg.  1874 
schloss  mit  46,000  Thaler  Verlust,  worauf  der  Vorbesitzer, 
welcher  die  Leitung  behalten  hatte,  40,000  Thaler  Actien 
zurückgab.  Das  Grundcapital  wurde  durch  Meucheln  der 
Actien  auf  150,000  Thaler  reducirt,  ohne  dass  dies  die  Gesell- 
schaft lebensfähig  machte.  Man  verlangte  von  den  übrigen 
Gründern  resp.  ersten  Zeichnern  75,000  Thaler  erstattet-,  die- 
selben erboten  sich  auch  zu  einer  Rücklieferung  von  Actien, 
leisteten  indess  schliesslich  nichts.  Am  1.  März  1876  wurde 
der  Betrieb  der  Fabrik  völlig  eingestellt. 

Walzwerk  in  Braunschweig.  Gegründet  1873  durch  die 
Braunschweigische  Creditanstalt  mit  300,000  Thaler  Actien. 
Director:  Carl  Wahn.  Aufsichtsrath:  Commerzienrath  F.  Ritter 
von  Voigtländer,  Hauptagent  Th.  Heinrich  Meyer,  Banquier 
Carl  Salomon,  Ingenieur  Ludwig  Mitgau  in  Braunschweig, 
Reichstagsmitglied  Hüttendirector  Ferdinand  Koch  in  Carls- 
hütte bei  Delligsen.  1874  schloss  mit  einer  Unterbilanz  von 
250,000  Thaler,  und  beantragte  der  Staatsanwalt  Koch  in  Braun- 
schweig die  Untersuchung  wegen  strafbaren  Bankerotts.  Selbst- 
redend haben  die  Actionäre  Alles  verloren,  und  den  Gläubigern 
wurden  8,  später  12V2%  ihrer  Forderungen  geboten. 

Eiseuwerk  Carlshütte,  früher  Gebrüder  Koch  bei 
Delligsen  im  Braunschweigischen.  Gegründet  Juli  1872.  Actien- 
capital  250,000  Thaler;  an  der  Berliner  Börse  eingeführt  durch 
Frege,  Simon  &  Co.  zum  Course  von  115  bis  120,  und  Anfang 
1873  hinaufgetrieben  bis  160.  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths: 
Obergerichtsanwalt  Haussier  in  Braunschweig.  Die  Leitung 
behielt  der  Vorbesitzer:  Reichstagsmitglied  Ferdinand  Koch. 
1875  wurde  durch  die  Bankhäusern.  Oppenheimer  und  Alexander 
Simon  in  Hannover  eine  Anleihe  von  133,000  Thaler  aufge- 
nommen. An  Dividenden  sind  bisher  18,  12,  7V-2  und  8%  ver- 
theilt  worden.    Die  Actien  uotiren  noch  80. 

Harzer  Werke  zu  Rübeland  und  Zorge  in  Blankenburg  a/H. 


—    95     — 

Gegründet  October  1870  von  Jacob  Lob  Eltzbacher  iu  Köln, 
der  die  Werke  1868  von  der  Braunschweigischen  Regierung 
für  500,000  Thaler  gekauft  hatte,  und  dem  SchaaüTiausen'schen 
Bankverein  in  Köln.  Aufsichtsrath :  Dr.  A.  Arouheim  und  Dr.  Aug. 
Seyferth  in  Braunschweig,  Salomon  Moses  Heymann,  Werner 
Kreuser,  Th.  Movius,  Max  Arndts,  Moritz  Eltzbacher,  Job. 
Heinr.  Haan  und  Jean  Baptiste  Heimann  in  Köln,  Obergerichts- 
advocat  Otto  iuBIankeuburg.  DasActiencapital  betrug  iu"sprüng- 
lich  1,200,000  Thaler,  wurde  aber  Anfang  1873  auf  1,800,000 
Thaler  erhöht  und  gleichzeitig  eine  Prioritätenschuld  von 
800,000  Thaler  aufgenommen.  Zu  welchem  Zwecke  dies  ge- 
schah, und  wo  die  neu  emittirten  1,400,000  Thaler  überhaupt 
geblieben,  ist  noch  dunkel.  Das  Jahr  1871  hatte  ohne, Rein- 
gewinn geschlossen;  um  aber  die  Ca|)italsvermehrung  vornehmen 
zu  können,  warf  man  pro  1872  eine  Dividende  von  8%  aus, 
die  wahrscheinlich  aus  dem  Erlös  der  jungen  Actien  bezahlt 
wurde.  Für  1873  entfielen  noch  5%  Dividende,  für  1874  —  0, 
und  zugleich  enthüllte  die  Bilanz  eine  neue  ungedeckte  Schuld 
von  600,000  Thalern-,  angeblich  entstanden  durch  den  Ankauf 
eines  Kohlenwerks.  Koch  im  Jahre  1774,  wo  die  Eisenindustrie 
bereits  völlig  darniederlag,  hatte  man  diesen  Ankauf  bewirkt, 
und  zwar  ganz  unnützerweise ,  indem  die  Werke  nicht  mit 
Kohlen,  sondern  mit  Holz  feuern,  das  sie  auf  Grund  gewisser 
Contracte  sehr  billig  beziehen.  In  Folge  dieser  wundersamen 
Manipulation  ist  der  Cours  der  Actien  bis  etwa  0  gesunken. 

Von  der  grossen  offenkundigen  CoiTiiption;  welche 
in  ßraunschweig  waltet  und  gewissermaassen  das  Länd- 
chen beherrscht,  giebt  die  Geschichte  der  Eisenbahn- 
wagen-Bauanstalt, früher  Friedrich  Deicke,  ein  schla- 
gendes Beispiel.  Die  Taxe  der  Fabrik,  welche  die 
Gründer   aufochmen  Hessen,   ergab    185,000  Thaler 


—     96    — 

(in  Wahrheit  war  sie  kaum  120,000  Thaler  werth); 
als  Kaufpreis  aber  wurden  300,000  Thaler  angegeben, 
so  dass  der  Aufschlag  115,000  Thaler  betrug.  Von 
dieser  Summe  sollten  40,000  Thaler  dem  Verkäufer 
Deicke,  und  75,000  Thaler  den  Gründern  zufallen. 
Deicke  verpflichtete  sich  durch  Revers  „auf  Ehren- 
wort", über  diese  Theilung  „ein  unbedingtes  Schweigen 
zu  bewahren".  Trotz  des  unverschämten  Gründer - 
gewinnes  wurde  das  Actiencapital  von  350,000  Thaler 
zum  Course  von  105  aufgelegt!  Eine  Dividende  ent- 
fiel nur  für  das  zweite  Geschäftsjahr;  sie  betrug  8%, 
wird  aber  jetzt,  als  zur  Ungebühr  vertheilt,  ange- 
fochten, da  thatsächlich  eine  Unterbilanz  von  40,000 
Thalern  vorhanden  gewesen  sein  soll.  Die  Gesell- 
schaft begann  ihre  Thätigkeit  ohne  die  nothwendig- 
sten  Baarmittel,  mit  einer  erdrückenden  Schuldenlast, 
musste  sofort  neuen  Credit  in  Anspruch  nehmen,  den 
ihr  die  Gründer  gewährten,  und  flog  schliesslich  in 
die  Luft,  wobei  sich  der  Schwindel  enthüllte.  Wie 
überall,  so  legte  sich  auch  in  Brauuschweig  die  „libe- 
rale" Presse  aufs  Todtschweigen,  denn  sie  ist  von  den 
Gründern,  lauter  reichen  mächtigen  Herren,  abhängig. 
Nur  der  socialdemokratische  „Braunschweiger  Volks- 
freund" schlug  Lärm;  doch  die  Attentäter  fühlten 
sich  so  sicher,  dass  sie  das  Blatt  wegen  Beleidigung 


—    97     — 

(lenuncirten.  Einstweilen  ruht  diese  Denunciation, 
denn  die  Actionäre  haben  sich  ermannt  und  sind 
gegen  die  Gründer  im  Wege  des  Civil-  und  zugleich 
des  Criminalprocesses  vorgegangen.  Deicke,  der 
hauptsächlich  in  Actien  bezahlt  wurde  und  von  den- 
selben hinterher  40,000  Thaler  zurücklieferte,  hat  durch 
den  Zusammenbruch  wieder  verloren,  was  er  bei  der 
Gründung  gewonnen.  Vorher  ein  arbeitsamer  schlichter 
Mann,  der  sich  vom  Handwerker  zum  Fabrikherrn 
aufgeschwungen,  begann  er  als  Actien-Director  auf 
grossem  Fusse  zu  leben,  hielt  Equipage  etc.,  und 
liess  auch  in  der  Fabrik  einen  kostspieligen,  ver- 
schwenderischen Betrieb  einreissen.  Die  Aufsichts- 
räthe,  welches  eben  die  Gründer  waren,  durften  nicht 
dreinreden,  ihn  nicht  reizen,  weil  sie  fürchten  mussten, 
dass  er  sonst  aus  der  Schule  plauderte.  So  ging  die 
Sache  ihren  Lauf  und  nahm  ein  Ende  mit  Schrecken. 
An  die  Braunschweigischen  Gesellschaften  reihen 
wir  zwei  Anhaltinische: 

Eiseugiesscrei  und  Mascliineufabrik,  vormals  Hertel 
&  Co.  in  Nienburg  an  der  Saale.  Gegründet  August  1872  von 
der  Magdeburger  Wechsler-  und  Discontobank.  Acticncapital 
200,000  Thaler,  aufgelegt  bei  H.  C.  Plaut  in  Berlin  und  Leijjzig, 
M.  S.  Meyer  in  Magdeburg  und  Levy  Calm  Söhne  in  Bern- 
burg. Pro  1875  —  4%  Dividende  und  1G12  Thalcr  Tantieme! 
Cours  noch  ca.  40. 

Vormals  Herzoglich  Auhaltlsche  Maschineiihauanstalt 

Glagan,  Der  Börsenschwindel.   II.  7 


—     98    — 

und  Eisengiesserei  zu  Bernburg.  Gegründet  Juni  1872  von 
Volkmar  &  Bendix  („Volkswirth"  M.  J.  Levinstein)  in  Berlin. 
Actiencapital  500,000  Thaler  und  135,000  Thaler  Hypotheken. 
Aufsichtsrath :  Julius  Brumme  (A.  F.  Brumme)  in  Bernburg, 
Commerzienräthe  Hermann  Egells  in  Berlin  und  Herrn.  Kühn 
in  Dessau,  Moritz  Fliess  in  Magdeburg,  L.  W.  Ziervogel  und 
Dr.  Th.  Tuchen  in  Leopoldshall.  Wie  der  Prospect  selber 
hervorhob,  hatte  das  Etablissement  unter  fiscalischer  Verwal- 
tung hohe  Erträge  geliefert,  und  der  Landtag  den  Verkauf 
mit  nur  20  gegen  12  Stimmen  genehmigt-,  daher  glaubten  die 
Gründer,  den  Actionären  die  besten  Aussichten  eröffnen  zu 
können.  In  der  That  fabricirten  sie  auch  für  das  erste  Ge- 
schäftsjahr, das  sie  um  6  Monate  zurückschroben ,  8  Procent 
Dividende.  Für  1874  gab  es  2  Procent,  pro  1875  —  0.  Cours 
einst  105,  jetzt  ca.  25. 

„Der  Staat  soll  nicht  Industrie  noch  Handel  treiben, 
weil  es  seiner  nicht  würdig  ist,  weil  er  dem  Privaten 
nicht  Concurrenz  machen  darf".  So  lautet  die  man- 
chesterliche Weisheit,  und  jetzt  kann  man  ihre  Folgen 
sehen.  Mit  tiefem  Unwillen  muss  es  erfüllen  zu  sehen, 
wie  die  „Volkswirthe"  die  Staatsverwaltung  in  Preussen, 
Braunschweig,  Anhalt  und  anderwärts  genöthigt  haben, 
gut  rentirende  Etablissements  entweder  aufzulösen 
oder  den  Gründern  zu  überlassen,  zu  welchen  Grün- 
dern auch  wieder  die  predigenden  „Volkswirthe"  selber 
gehören,  und  was  unter  ihren  Händen  binnen  ein 
paar  Jahren  aus  jenen  ehemals  fiscalischen  Werken 
geworden  ist.  Ehemals  blühend,  sind  sie  durch  die 
„Gründung"  in  Siechthum  verfallen,  vegetiren  sie  nur 


—     99     — 

noch.  Durch  solche  „Vergründungen"  haben  Tausende 
von  Arbeitern  ihr  Brod  und  Tausende  von  Actionären 
ihr  Geld  verloren.  Auch  die  1844  von  dem  dama- 
ligen Minister  von  Schätzell  errichtete  Eisengiesserei 
zu  Bernburg  ist  der  Schwindelperiode  zum  Opfer 
gefallen.  Wie  lockte  im  |Prospect  schon  der  Name 
der  neuen  Gründung:  „Herzoglich  Anhaltische  Maschi- 
nenbauanstalt" wie  biss  auf  diesen  Köder  das  Publi- 
kum, besonders  der  Umgegend  an,  und  wie  schmäh- 
lich ist  es  nun  enttäuscht I  Nicht  nur  hat  die  Ge- 
sellschaft für  1875  keine  Dividende  mehr  gezahlt,  sie 
war  auch  nicht  einmal  im  Stande  den  Kaufgelder- 
rest mit  135,000  Thaler  zu  tilgen.  Aber  Regierung 
und  Landtag  bewiesen  Nachsicht.  Auf  Vortrag  des 
Abgeordneten,  Zuckerfabrikanten  Dr.  Baldamus,  be- 
willigte der  Anhaltische  Landtag  die  weitere  Stundung 
der  Hypothek,  von  welcher  125,000  Thaler  dem  Land- 
armenfonds gehören.  Hypotheken  auf  industriellen 
Etablissements  gewähren  aber  für  öffentliche  Gelder 
nicht  die  gesetzlich  erforderliche  Sicherheit,  und  es 
ist  nur  zu  wünschen,  dass  die  Gesellschaft  nicht  um- 
fällt, und  die  Landarmen  dann  nicht  etwa  ausfallen! 


Gross,   sehr   gross   war   die   edle  Gründerei   im 
Königreich  Sachsen.  Rheinland- Westfalen  und  Sachsen 


—     100    — 

halten  sich  so  ziemlich  die  Wage.  Die  zahlreichsten 
Gründungen  haben  Leipzig,  Chemnitz  und  hauptsäch- 
lich Dresden  aufzuweisen.  Dresden,  wo  in  der  Schwin- 
delperiode plötzlich  mehre  Börsenblätter  entstanden, 
wetteiferte  fast  mit  Berlin,  und  umschliesst  eine  lange 
Reihe  von  Gründerfirmen,  wie  M.  Schie  Nachfolger, 
Robert  Thode  &  Co.,  Eduard  Rocksch  Nachfolger, 
Philipp  Elimeyer,  A.  L.  Mende,  Otto  Seebe,  Georg 
Mensel  &  Co.,  Heinrich  Wilh.  Bassenge  &  Co.,  Herzog 
&  Philippi,  Günther  &  Rudolph  etc.  Ein  Matador 
unter  den  einheimischen  Gründern  ist  auch  der  Com- 
merzienrath  Fedor  Zschille  in  Grossenhain,  der  sich 
auf  den  verschiedensten  Gebieten  versucht  hat,  z.  B. 
bei  der  Berlin -Dresdener  Eisenbahn  betheiligt  ist. 
Von  Berliner  Gründern  waren  in  Sachsen  thätig: 
H.  C.  Plaut,  Paul  Gravenstein,  Anhalt  &  Wagener, 
R.  A.  Seelig,  Adolf  Martini,  Heinrich  Quistorp,  Adolf 
Russ,  Eduard  Mamroth,  Carl  Miether,  Robert  Bau- 
mann, Ferdinand  Plessner,  Geheimrath  Dr.  Carl  Esse 
u.  A. 

Gross,  sehr  gross  ist  die  Zahl  der  in  Sachsen 
gegründeten  Maschinen-  und  ähnlichen  Fabriken.  Wir 
beschränken  uns  folgende  zu  charakterisiren: 

Sächsische  Gussstahlfahrik  in  Dohlen  bei  Dresden.  Be- 
steht seit  1856  und  wurde  schon  1862  in  ein  ActieDunternehmen 


—     101     — 

verwandelt.  Vertheilte  vou  18G5  bis  1872  hohe  Dividenden: 
15,  9,  13,  15,  is,  22,  20  und  resp.  25  Procent.  Kaufte  1872 
die  Gräflich  Einsiedeischen  Werke  lin  Berggiesshübel  an,  und 
erhöhte  das  Actiencapital  von  250,000  auf  500,000  Thaler. 
Diese  Erhöhung  war  ziemlich  überflüssig  und  schmälerte  fortan 
sehr  empfindlich  den  lieingewiun.  Auch  die  früher  ausbeduu- 
genen  Gründerrechte  wurden  im  Mai  1873  den  ersten  Zeich- 
nern mit  60,000  Thaler  abgekauft,  welche  die  Actiouäre  jetzt 
im  Wege  des  Prozesses  zurückverlangen  wollen. "  Den  damaligen 
Aufsichtsrath  bildeten:  Otto  Seebe,  Oberlieutenant  a.  D.  Gust. 
Klette,  Advccat  Lengnick,  Moritz  Schubert  und  J.  Wash.  Beyer 
in  Dresden.  1873  fiel  die  Dividende  auf  10%,  1874  betrug  sie 
nur  4%,  und  1875  —  1%.    Cours  einst  350,  jetzt? 

Saxouia,  Eisenwerke  und  Eisenbahubedarf  zu  Radeberg 
bei  Dresden.  Gegründet  Januar  1870  auf  500,000  Thaler 
Actien  von  Otto  Seebe  in  Dresden,  Landrath  a.  D.  Wilh.  von 
Graevenitz  auf  Thamm,  H.  Alberti  in  Radeberg,  „Baudirector" 
Ferd.  Plessner  und  Robert  Baumann  du  Berlin.  Dividende 
pro  1874'75  —  3Vü*'/o,  l^ro  1875/76  —  0.  Cours  einst  120, 
jetzt  ca.  20. 

'  Sächsische  Dampfschiffs-  und  Maschiueubauausfalt, 
früher  0.  Schlick  in  Dresden.  Gegründet  Api-il  1872.  Grund- 
capital  310,000  Thaler.  Aufsichtsrath:  Commerzienrath  Fedor 
Zschille  in  Grossenhain,  Banquier  Schlick  (Schirmer  &  Schlick) 
in  Leipzig,  Consul  Georg  Mensel,  Advocat  Oswald  Matthaei, 
Rentner  Isordmaun  und  Herrenburg,  Felix  Meyer  und  Julius 
Haeckel  in  Dresden.  Dividenden:  1872  —  20%,  1873  —5%, 
dann  0.     Cours  ca.  25. 

Mascliiuenfabrili  und  Eisenariesserei,  früher  Albert 
Kiesler  &  Co.  in  Zittau.  Gegründet  December  1872  von  der 
Oberlausitzer  Bank  in  Zittau.  Actiencapital  100,000  Thaler, 
aufgelegt  zum  Course  von  105.  Die  Vorbesitzer  behielten  die 
Leitung  und  übernahmen  20,000  Thaler  Actien.  Aufsichtsrath: 
Advocat  Ford.  Stremel,  Fabrikbesitzer  Ludwig  Schmitt  (Brüder 


—     102    — 

Schmitt),  Stadtratli  Hermann  Ströhmer,  Bankdirector  Otto  Seitz 
und  Kaufmann  August  Wehle.  Dem  Anschein  nach,  ein  weisser 
Eabe  unter  den  Gründungen,  denn  die  Dividenden  bewegten 
sich  bisher  in  aufsteigender  Linie:  5'/^,  6V2  und  resp.  9%. 

Maschinenfabrili,  vormals  Brod&  Stiehler  in  Zwickau. 
Bildete  sich  November  1872  mit  250,000  Thaler  Actien  und 
50,000  Thaler  Hypotheken.  Die  Vorbesitzer  erhielten  die  Di- 
rection.  Aufsichtsrath:  Commerzieurath  Fedor  Zschille  in 
Grossenhain,  Advocat  Urban  und  Banquier  August  Hentschel 
in  Zwickau,  Richard  Hartmanu  jun.  in  Chemnitz.  1875  und 
1876  je  5%  Dividende.    Cours? 

Voigtländisclie  Eisenbahnwageu-  und  Maschiueuf abrik, 
ehemals  Wilhelm  Braun  zu  Reichenbach  i.  V.  Gegründet 
Juli  1871  von  Carl  von  Metzsch,  Kammerherr  und  Mitglied 
der  I.  Sächsischen  Kammer  auf  Reichenbach,  Kaufmann  Aug. 
Walter,  Mitglied  der  H.  Sächsischen  Kammer,  Adalbert  Kräger, 
Director  Ewald  Bellingrath,  A.  L.  Mende  und  Philipp  Elimej^er 
in  Dresden,  Geheimrath  Dr.  Esse  in  Berlin.  Actiencapital 
500,000  Thaler,  wovon  der  Vorbesitzer  100,000  Thaler  über- 
nahm, und  dieselben  als  Caution  für  eine  von  ihm  auf  fünf 
Jahre  garantirte  Dividende  ä  8  Procent  hinterlegte. 

Maschiueubauaustalt,  vormals  Gottschald  &  Nötzli 
in  Golzern  bei  Grimma.  Gegründet  Februar  1873.  Aufsichts- 
rath: Commerzieurath  Koch  in  Lausigk,  Director  R.  Grahl  in 
Dohlen,  Advocat  Carl  Speck  in  Döbeln,  Julius  Kauffmann  in 
Melsungen,  Adolf  Mankiewicz  (Philipp  Elimeyer)  in  Dresden, 
Director  Pernitzsch  von  der  Leipziger  Wechsler-  und  Depo- 
sitenbank. Actiencapital  300,000  Thaler  und  50,000  Thaler 
Hypotheken.  Der  Vorbesitzer  Jean  Nötzli  behielt  die  Leitung. 
Dividende  pro  1874/75  —  11%,  pro  1875/76  -  10%.  Cours 
circa  90. 

Laxisitzer  Maschinenfabrik,  vormals  J.  F.  Petzold  in 
Bautzen.  Gegründet  Januar  1872  von  Georg  Mensel  &  Co. 
und  M.  Schie  Nachfolger  in  Dresden.    Aufsichtsrath:   Advocat 


—     103     — 

G.  Schubart,  Ernst  Sulzberger,  Eduard  Meyer,  A.  Kosencrantz 
und  Herrn.  Burnewitz  in  Dresden.  Actiencapital  300,000  Thir. 
Der  Mitvorbesitzer  Reinhold  Zimmermann  wurde  Director. 
1875  schloss  mit  Verlust.     Cours? 

Landwii'thschaftliche  Ma6oIiiiien))aiianstalt ,  vormals 
Hermann  Goetjes,  Carl  Wilh.  Bergmann  &  Co.  in  Reud- 
nitz  bei  Leipzig.  Gegründet  Ende  1871.  Actiencapital  900,000 
Thaler  und  200,000  Thaler  Hypotheken.  Vorstand:  Commer- 
zienrath  C.  W.  Bergmann.  Aufsichtsrath:  Carl  Aug.  Eisen- 
reich, Alexander  Crayen,  Alfred  Becker,  Stadtrath  Julius  Heb- 
binghaus,  Aug.  Herrn.  Wappler,  Advocat  Hofrath  Dr.  Lohse 
und  Bankdirector  Fr.  Louis  Hoö'mann  in  Leipzig.  Dividende 
pro  187475  —  0.     Cours  etwa  noch  20. 

Eisengiesserei  und  Mascliiiienbauaiistalt,  vormals  F. 
L.  und  E.  Jacobi  in  Meisseu.  Gegründet  September  1872 
von  Heinrich  Wilh.  Bassenge  &  Co.  in  Dresden.  Angeblicher 
Kaufpreis  360,000  Thaler!  Actiencapital  290,000  Thaler,  auf- 
gelegt ä  105!    Dividende  pro  1875/76  —  6%.     Cours  ca.  60. 

Mascliinenfabrlk  und  Eisengiesserei,  vormals  Julius 
B ehrisch  in  Meissen.  Gegründet  September  1872.  Aufsichts- 
rath: William  Eales,  Friedrich  P'inke,  Heinrich  Roch  und 
Louis  Schulz  in  Meissen,  Carl  Philippi  (Herzog  &  Philippi)  in 
Dresden.  Die  Direction  übei'nahmen  Alfred  Hausding  und  der 
Vorbesitzer,  welcher  für  3  Jahre  eine  Dividende  von  10%  ga- 
rantirte.  Für  das  erste  Geschäftsjahr  wurde  ein  Reingewinn 
herausgerechnet,  der  die  garantirte  Dividende  reichlich  deckte, 
aber  auffälligerweise  war  die  Gasse  gänzlich  leer,  und  es 
musste,  um  die  Actionäre  zu  befriedigen,  erst  eine  Hypothek 
aufgenommen  werden.  Man  zahlte  die  Dividende,  und  be- 
lastete mit  der  gleichen  Summe  das  Etablissement!  Auch  im 
Üebrigen  zeigte  die  Bilanz  grobe  Unrichtigkeiten,  falsche  An- 
gaben und  übertriebene  Werthschätzungen.  Nicht  minder  war 
die  Bilanz  des  zweiten  Jahres  gefälscht-,  dasselbe  ergab  in 
Wirklichkeit  einen  Verlust  von  über  100,000  Thalern.    Daraufhin 


—     104     — 

wurde  die  Auflösung  beschlossen,  und  die  im  März  1876  zu- 
sammentretende Generalversammlung  verweigerte  selbstver- 
ständlich dem  Herrn  Julius  Behrisch  die  Decharge.  Ueber 
diesen  Scandal  berichtete  die  „Berliner  Börsen -Zeitung"  mit 
den  klassischen  Worten:  „Es  entspann  sich  eine  lange  uner- 
quickliche Debatte."  Herr  Julius  Behrisch  erbot  sich,  das 
Etablissement  zurückzunehmen  und  den  Actionären  ganze  18% 
herauszuzahlen.  Die  armen  Betrogenen  dachten:  Lieber  etwas 
als  gar  nichts,  und  gingen  darauf  ein.  Doch  Herr  Jul.  Behrisch 
zahlte  nicht.  Er  mochte  finden,  dass  er  sich  übereilt  habe, 
dass  er  zu  grossmüthig  gewesen  sei.  Genug,  er  brach  auch 
diesen  Vertrag,  und  als  man  gerichtlich  gegen  ihn  vorging, 
zeigte  es  sich,  dass  er  plötzlich  ,,ganz  mittellos"  geworden. 
Da  empfand  Herr  Gottlieb  Behrisch  ein  menschliches  Rühren. 
Er  trat  für  den  Bruder  ein  und  übernahm  die  Fabrik,  die  den 
Actionären  150,000  Thaler  kostete,  für  24,000  Thaler.  In 
Folge  dieser  edlen  That  erging  eine  Bekanntmachung,  dass 
bei  Louis  Markus  in  Dresden  zur  Auszahlung  kämen  pro  Actie 
20  Mark.  Das  sind  G^/,,  Thaler  für  100  Thaler!  Die  Staats- 
anwaltschaft aber  scheint  von  diesen  Vorgängen  keine  jS'otiz 
genommen  zu  haben. 

Eng'lische  Siclierheitsziiudcrfabrik,  vormals  William 
Eales  in  Meissen.  Gegründet  1.  April  1872  mit  160,000  Thlr. 
Actieu,  die  später  auf  300,000  Thaler  gebracht  wurden.  Der 
Vorbesitzer  blieb  Dircctor.  Aufsichtsrath:  George  Mensel  &  Co. 
in  Dresden,  C.  F,  Förster  in  Riesa,  Advocat  Franke,  Fr.  Finke, 
Georg  Burckhardt  und  Georg  Voeckler  in  Meissen.  Letzte 
Dividenden  5^/3  und  öVs^.    Cours  ca.  25. 

Daiiii)fmaschiiieiifal)rik,  vormals  Rentsch  &  Oschatz 
in  Krimmitzschau.  Gegründet  Anfang  1873  mit  350,000  Thaler 
Actien.  Wie  die  Berliner  „Neue  Börsenzeitung"  meldete, 
war  der  reelle  Werth  der  beiden  vorgekauften  Etablissements 
etwa  100,000  Thaler.  Aufsichtsrath  u.  A.:  Luc.  Müller.  1874 
und  1875  wurden  je  5*^/o  Dividende  vertheilt,  1876  —  0.     Die 


—     105     — 

Actien,  welche  etwa  15  uotireu,  sollen  sich  uoch  in  den  Hän- 
den der  ersten  Zeichner  befinden,  und  nunmehr  von  dem  Yor- 
besitzer  und  Director  Louis  Rentzsch,  der  die  Fabrik  wieder 
übernehmen  will,  zurückgekauft  werden. 

Webstuhl-  und  Masclimenfabrik ,  vormals  Anton 
Z  schule  in  Grossenhain.  Actiencapital  150,000  Thaler  und 
50,000  Thaler  Hypotheken.  Dividenden  von  1873  —  1875: 
0,  4  und  resp.  1%.     Cours  ca.  20. 

Mechanische  Kratzenfabrik,  sonst  LossiusNachfolger 
zu'  Mittweida.  Gegründet  Juni  1872  mit  150,000  Thaler  Actien. 
Aufsichtsrath :  William  Eales  in  Meissen,  G.  A.  Müller  und 
Spinnereidirector  Steinegger  in  Mittweida,  Carl  Philii)pi  (Herzog 
und  Philippi)  in  Dresden.  Der  Vorbesitzer  Wilh.  Decker  be- 
hielt die  Leitung  und  garantirte  für  die  ersten  drei  Jahre 
8%  Dividende.  Für  1874  und  1875  erhielten  die  Actionäre  je 
6%.     Cours  ca.  50. 

Sächsische  Eisenindustrie  in  Pirna,  sonst  Commerzien- 
rath  Hermann  Gruson  in  Buckau  bei  Magdeburg.  Gegi'ündet 
Kovemher  1871.  Actiencapital  1,600,000  Thaler.  Aufgelegt 
bei  Paul  Gravenstein  in  Berlin  und  bei  H.  C.  Plaut  in  Leipzig 
und  Berlin.  Als  Aufsichtsräthe  wurden  im  Prospect,  ausser 
dem  Yorbesitzer,  genannt:  Abgeordneter  Advocat  Hermann 
Schreck  in  Pirna,  Baron  Gustav  Robert  von  Beust  in  Wien, 
Director  Gustav  Hartmann  in  Chemnitz,  Joseiih  .John  Rustou 
in  Prag.  Während  der  Prospect  höchst  gewissenhaft  26,2*>,o 
Dividende  ausrechnete,  schloss  das  Jahr  1873  mit  17,000  Thlr., 
1874  mit  143,000  Thaler  Yerlust,  weshalb  mau  1875  zur  Li- 
quidation schritt. 

Wie  seiner  Zeit  die  „Magdeburgische  Zeitung"  mittheilte, 
beabsichtigte  Herr  Gruson  Februar  1872  auch  seine  Maschinen- 
fabrik und  Eisengiesserei  in  Buckau  zu  ,, gründen".  Ein  Cou- 
sortium  hatte  das  Etablissement  bereits  für  1,300,000  Thaler 
erstanden,  das  Grundcapital  war  auf  die  Kleinigkeit  von  2  Mil- 
lionen Thaler  festgesetzt,  und  die  neuen  Actien  sollten  zu  dem 


—     106     — 

bescheidenen  Course  von  120  aufgelegt  werden  —  da  zerschlug 
sich  plötzlich  die  Sache.  Herr  Gruson  trat,  wie  es  scheint, 
nicht  ganz  freiwillig,  zurück,  und  musste  an  die  Mitglieder  des 
Consortium  je  15,000  bis  30,000  Thaler  Reugeld  zahlen. 


Chemnitz  verdient  einen  besondern  Abschnitt. 
Voll  stolzen  Selbstgefühls,  aber  gerade  nicht  mit 
Unrecht,  nennt  es  sich  das  „Deutsche  Manchester"; 
es  ist  die  erste  Fabrikstadt  Sachsens  und  mit  die 
bedeutendste  in  Deutschland.  Deshalb  fand  auch  die 
Gründungswuth  hier  ein  ausserordentliches  Feld ; 
Etablissement  auf  Etablissement  fiel  ihr  anheim,  und 
ein  Fabrikbesitzer  gründete  immer  wieder  den  andern. 
Unter  den  Eingeborenen  selber  bildete  sich  eine 
Clique  von  Gründern.  Obenan  steht  die  Familie 
Hartmann:  der  Geheime  Commerzienrath  Richard 
Hartmann,  der  seine  eigene  Maschinenbauanstalt  schon 
im  März  1870  für  die  kolossale  Summe  von  angeb- 
lich drei  Millionen  Thaler  gründen  liess;  Gustav 
Hartmann  und  Richard  Hartmann  jun.  Zu  ihren  Ver- 
bündeten gehören:  Geheimer  Hofrath  Kohl,  Advocat 
Weber  L,  Louis  Eenndorf,  Julius  Stärker,  Gottlieb 
Behrend  u.  A. 

Unter  den  gegründeten  Etablissements  befinden 
sich,  neben  vorzüglich  renommirten,  auch  ganz  unbe- 
deutende.   Wir  verzeichnen  hier: 


—     107     — 

Sächsische  Wel)stulilfabrik,  vormals  Louis  Schönherr. 
Gegründet  Anfang  1872  von  M.  Schie  Nachfolger  in  Dresden 
und  dem  Chemnitzer  Bankverein.  Actiencapital  1  JMillion  Thlr., 
wovon  der  Vorbesitzer  die  Hälfte  übernahm.  Derselbe  wurde 
auch  Präsident  des  Aufsichtsraths,  und  neben  ihm  fungirten: 
Louis  Benndorf,  Geheimer  Hofrath  Kohl,  Stadtrath  Advocat 
Ullrich  L,  Julius  Staerker.  Direction:  Franz  Mittenzwey  und 
Max  Schönherr.  An  Hypotheken  sind  200,000  Thaler  vor- 
handen. Die  Dividenden  betrugen  1872—1876:  10,  10,  IV2,  1"/» 
und  resp.  lVa%-     Cours  einst  130,  jetzt  ca.  30. 

Maschiuenhauverein ,  vormals  C.  F.  Schellenberg. 
Gegründet  März  1872  von  M.  Schie  Nachfolger  in  Dresden. 
Vorsitzender  des  Aufsichtsraths:  Advocat  Weber  L  Februar 
1874  fand  ein  Rückkauf  der  Actien  ä  30  statt.  Dividende  pro 
1875/76  —  0.     Cours  etwa  10. 

Eisengiesserei  Coucordia.  Trat  November  1873  in  Li- 
quidation. 

Dampf-  und  Spinuerei-Maschiiieufabrik,  früher  Theodor 
Wiede.  Gegründet  October  1872  von  M.  Schie  Nachfolger  in 
Dresden.  Actiencapital  1,100,000  Thaler,  emittirt  mit  102! 
Ausserdem  180,000  Thaler  Hypotheken.  Die  Vorbesitzer  H.  F. 
Loose  und  C.  E.  Bergmann  behielten  die  Leitung.  Vorsitzender 
des  Aufsichtsraths:  Emil  Schotte.  Für  1872  entfielen  10,  für 
1873  —  4%  Dividende;  1874  und  1875  —  0.  Novbr.  1875  wurde 
das  Grundcapital  um  300,000  Thaler  gekürzt.  Cours  etwa 
noch  15. 

Maschinenfabrik  Germania,  vormals  J,  S.  Schwalbe 
und  Sohn.  Actiencapital  800,000  Thaler  und  250,000  Thaler 
Hypotheken.  Pro  1873  wurden  I0"/o  Dividende  vertheilt  und 
an  11,000  Thaler  Tantiemen  bewilligt.    1875  war  die  Dividende  0. 

SächsischeStickmaschinenfabrik, vormals  Alb ertVoigt 
in  Kappel  bei  Chemnitz.  Gegründet  März  1872.  Das  Actien- 
capital mit  450,000  Thaler,  aufgelegt  bei  Anhalt  &  Wageuer  in 
Berlin  und  dem  Chemnitzer  Bankverein,  war  nach  Versicherung 


—     108     — 

der  Börseuzeituugen  nur  „klein",  und  die  Branche  „sehr  ren- 
tabel". Der  Yorbesitzer  übernahm  den  dritten  Theil  der 
Actien,  gewährte  angeblich  200,000  Thaler  Betriebscapital  und 
behielt  die  Leitung.  Aufsichtsrath:  Julius  Stärker,  Advocat 
Wilh.  Harnisch,  Louis  Benudorf,  Ernst  N.  Roth  (J.  F.  Pflug- 
beil) und  Franz  Mittenzwey.  Für  das  erste  Geschäftsjahr 
von  6  Monaten  (!)  wurden  25%  Dividende  fabricirt,  und  so 
die  Actien  bis  180  hinaufgetrieben.  1873  ergab  nur  5*^/0,  denn 
die     Stickmaschiuen    waren   bereits   ausser   Mode  gekommen. 

1874  schloss  mit  45,500  Thalcr  Verlust.  Der  Cours  ist  etwa  15. 
Eisen giesser ei,  vormals  Eockstroh.    Gegründet  August 

1872  von  Eduard  Mamroth,  Hugo  Mamroth,  Carl  Miether,  Jul. 
Sternfeld,  Otto  Bergmann  und  Julius  Rothenstein  in  Berlin, 
Richard  Lehmann  in  Chemnitz.  Actiencapital  250,000  Thaler 
und  50,000  Thaler  Hypotheken.  Director:  Moritz  Rockstroh. 
Die  erste  Dividende  für  ein  Geschäftsjahr  von  4  Monaten  (!) 
mit  9%  war  künstlich  gemacht;  seitdem  betrug  sie  0.  1873 
schloss   mit  47,000  Thaler,   1874  mit  80,000  Thaler   Verlust. 

1875  wurden  -/n  der  Actien  gemeuchelt.  Trotzdem  ist  der 
Cours,  der  Februar  1873  über  120  ging,  uuumehr  etwa  1; 
denn  das  Etablissement  ist  reell  nicht  mehr  werth  als  die  ein- 
getragenen Hypotheken. 

Schloss  Cheuinitzer  Dampf kesselfabrik,  früher  Jean 
Affolter.  Bildete  sich  April  1873  mit  230,000  Thaler  Actien. 
Ausser  dem  Vorbesitzer  waren  die  Gründer:  Adolf  Grunwald 
und  Hermann  Münchenberg  in  Berlin,  Hermann  Schwabe  in 
Chemnitz.    Im  Februar  1874  recherchirte  der  Staatsanwalt. 

Werkzeug -Mascliiiieufiibrik,  vormals  Commerzienrath 
Job.  Zimmermann.  Gegründet  November  1871  vonM.  Schie 
Nachfolger  in  Dresden,  welche  in  Verbindung  mit  Anhalt  und 
Wagener  in  Berlin  2  Millionen  Thaler  Actien  (!)  ä  105  (!)  auf- 
legten. Später  wurden  noch  400,000  Thaler  Actien  ausgegeben! ! 
Dazu  70,000  Thaler  Hypotheken  und  178,000  Thaler  Rest- 
kaufgelder!!!   Der  Vorbesitzer  übernahm  1  Million  Actien  und 


\ 


—     109     — 

wurde  ,,Generaldirector"  der  Gesellschaft.  Den  Aufsichtsrath 
bildeten;  Julius  Stärker,  Advocat  Hermann  Weber  I,  Heinrich 
Gulden  und  Emil  Schotte  in  Chemnitz.  Das  erste  Geschäfts- 
jahr ergab  für  die  Actionäre  14"^^'  o  Dividende,  für  den  Aufsichts- 
rath 6400  Thaler,  und  für  den  „Generaldirector"  15,000  Thlr. 
Tantieme.  Ausserdem  erhielt  der  Letztere  Vs  des  ganzen 
Eeingewinns  mit  105,000  Thalern!  1873  empfingen  die  Actio- 
näre J5°  05  der  Aufsichtsrath  10,000  Thaler  und  der  „General- 
director" 27,000  Thaler.  1874  entfielen  8*^  o  Dividende,  für  den 
Aufsichtsrath  4000  Thaler  und  für  den  „Generaldirector" 
17,000  Thaler.  1875  betrug  die  Dividende  6*>'o,  1876  —  0; 
und  der  Cours,  einst  150,  ist  noch  ca.  30. 

Deutsche  Werlizeug-Masclnnen-F.il)rik ,  vormals  Son- 
dermann &  Stier.  Gegründet  von  M.  Schie  Nachfolger  in 
Dresden,  welche  in  Gemeinschaft  mit  Ed.  Rocksch  Nachfolger 
in  Dresden,  Kunath  &  Nieritz  in  Chemnitz  und  dem  Chem- 
nitzer Bankverein  700,000  Thaler  Actien  auflegten.  Der  Katuf- 
preis betrug  angeblich  800,000  Thaler,  und  der  Vorbesitzer 
Carl  Sondormann  behielt  die  Leitung.    Dividende  pro  1874/75 

—  1%,  pro  1875,76  —  0.  In  Folge  einer  Denunciation,  dass 
der  Prospect  falsche  Angaben  enthalten,  recherchirte  der 
Staatsanwalt;  doch  ist  es  zu  einer  Anklage  bisher  noch  nicht 
gekommen.     Cours  etwa  10. 

Werkzenarniaschineufabrik  Vulcaii,  früher  Wilhelm 
Benndorf.  Wurde  gegründet  December  1S72.  Actiencapi- 
tal  240,000  Thaler,    nebst  Zinsen   seit  dem   1.  April   1872  [D 

—  weil  nämlich  das  erste  Geschäftsjahr  um  9  Monate  zurück- 
geschroben  wurde.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung.  Auf- 
sichtsrath: Gottlieb  Behrend,  Director  der  famosen  Maschinen- 
baugesellschaft A.  Münnich  &  Co.,  Advocat  Wilhelm  Harnisch 
und  Robert  Büttner  (C.  J.  Tittel  &  Co.)  in  Chemnitz.  1875 
ergab  als  Dividende  '/c-'^'o,   1576  —  0.     Cours  ca   8. 

Wcrkzeiiginaschinenfabrik  Saxonia ,  vormals  Con- 
s  tantin  Pf  äff.     Gegründet   1873  von  H.  Quistorp  in  Berlin. 


—     110     — 

Actiencapital  425,000  Thaler  und  175,000  Thaler  Hypothek. 
Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung.  Präsident  des  Aufsichts- 
raths:  Adolf  Russ  in  Berlin.  Revisor:  Albert  Ludewig  in 
Berlin.  Für  das  erste  Geschäftsjahr  wurden  10%  Dividende 
gegeben.    1874  folgte  dann  Reduction  des  Actiencapitals  u.  s.  w. 

Werkzeugmascliinenfabrik  Phönix.  Grundcapital  300,000 
Thaler.  Die  Actien  sind  meist  in  Westphalen  und  namentlich 
in  Dortmund  untergebracht.  1875  wurde  die  Liquidation  be- 
antragt. 

>VerkzeTigmaschiiieufal)rik  Union,  vormalsD.  G.  Diehl. 
Actiencapital  350,000  Thaler  und  60,000  Thaler  Hypothek. 
Der  Vorbesitzer  wurde  Director.  Aufsichtsräthe  u.  A.:  Gottlieb 
Behrend  und  Richard  Hartmann  jun.  in  Chemnitz.  Dividende 
pro  1872/73  —  10%,  pro  1874/75  -  1%.    Cours  etwa  10. 

Sächsisches  Messingwerk  Lngau  bei  Chemnitz.  Ge- 
gründet Mai  1872  mit  150,000  Thaler  Actien.  Trat  1876  in 
Liquidation. 

Wie  man  sieht,  befinden  sich  unter  den  Chem- 
nitzer Actiengesellschaften  schon  viele  Leichen  und 
Todeskranke.  Die  unbescheidenste  Gründung  war 
wol  die  Werkzeugmaschinenfabrik  von  Joh.  Zimmer- 
mann.  Selbst  die  Börsenzeitungen  nannten  den  an- 
geblichen Erwerbspreis  „ungeheuer".  Wenn  aber 
der  Geheime  Commerzienrath  Hartmann  drei  Millionen 
Thaler  berechnete,  warum  sollte  dann  Herr  Commer- 
zienrath Zimmermann  sein  Etablissement  nicht  den 
Actionären  mit  zwei  Millionen  Thaler  überweisen? 
Inzwischen  hat  man  das  riesige  Grundcapital  von 
2,400,000  Thaler  durch  Rückkauf  von  600,000  Thaler 


—    111    — 

Actien  etwas  kleiner  gemacht,  was  freilich  den  Cours 
nicht  zu  bessern  scheint.  Für  1875/76  wurde  ein 
Reingewinn  von  nur  13,000  Thaler  erzielt,  der  selbst- 
verständlich die  Vertheilung  einer  Dividende  nicht 
gestattete,  und  so  begnügte  man  sich  mit  „Abschrei- 
bungen".  • 

Süddeutschland  hat,  wie  schon  zu  Eingang  dieses 
Capitels  erwähnt,  weit  weniger  als  Xord-  und  Mittel- 
deutschland gegründet;  obgleich  München,  Stuttgart 
und  vor  Allem  Frankfurt  a.  M.  sich  auch  durchaus 
nicht  blöde  erwiesen.  Hier  sind  jedoch  nur  folgende 
Gesellschaften  zu  nennen: 

Waggonfabrik,  vormals  J.  C.  Reif  er  t  &  Co.  in  Bocken- 
heim bei  Frankfurt  a.  M.  Gegründet  September  1871  von  der 
Oesterreichisch-Deutschen  Bank  in  Frankfurt  a.  M.  mit  650,000 
Ttialer  Actien.  Der  Vorbesitzer  Clemens  Reifert  wurde  „General- 
director".  Verwaltungsrath:  J.  B.  Pfaff,  J.  Koch,  Friedrich 
Mumm,  Franz  Brentano  und  Chr.  Grote  in  Frankfurt  a.  M., 
Notar  Dr.  Becker  in  Bockenheim.  Das  erste  Geschäftsjahr 
(1872)  schloss  mit  6'-V;'o  Reingewinn.  Für  1874  gab  es  keine 
Dividende  mehr,  und  1875  wurde  die  Liquidation  beantragt. 

Süddeutsche  Gesellschaft  fiii*  Eiscuhahubau  und  Eisen- 
hahnbedarf in  Stuttgart.  Gegründet  Juni  1871  mit  700,000  Gulden 
Actien,  die  schon  im  November  desselben  Jahres  um  das  Drei- 
fache vermehrt,  auf  2,100,000  Gulden  gebracht  wurden.  1874 
und  1875  schlössen  mit  Verlust. 

Maschiueufahrik  zu  Kirchheim  bei  Stuttgart.  Gegründet 
December    1869    von   der   Würtembergischen   Depositenbank, 


—     112     — 

Eisenhändler  Nopper  und  Baurath  Bok  in  Stuttgart,  Banquier 
C.  A.  Jacob  und  Regierungsrath  Idler  in  Kirchheim.  Die 
Fabrik  wurde  neu  errichtet,  und  erhielten  die  Actionäre  pro 
1870  und  1871  —  5%  „Bauzinsen",  also  aus  ihrem  eigenen 
Scäckel,  Director  wurde  Joh.  Fr.  Wilh.  Dehlinger,  und  seine 
Geschäftsführung  war  eine  fast  wahnwitzige.  Wiewol  bereits 
eine  Unterbilanz  vorhanden  war,  rechnete  er  pro  1872  eine 
Dividende  von  10%  heraus,  und  bezahlte  dieselbe,  indem  er  das 
Ürundcapital  von  400,000  auf  800,000  Gulden  erhöhte.  Die 
bis  118  getriebenen  Actien  sind  heute  werthlos.  Juni  1876 
kam  die  Missethat  in  Ulm  zur  strafgerichtlichen  Verhandlung. 
Dehlinger  wurde  zu  vier  Wochen  Gefängniss,  die  Aufsichts- 
räthe  Bok ,  Nopper  und  G.  Simon  in  Aalen  zu  je  200  Thaler 
Geldbusse  verurtheilt.  Ein  erstaunlich  milder  Rechtsspruch, 
eine  sehr  ungenügende  Sühne. 


Deutsche  Gründer  mcachten  endlich  auch  Elsass- 
Lothringen  unsicher.  Die  Gründerei  war  mit  die 
erste  Gabe,  welche  das  Mutterland  den  wiedergewon- 
nenen Provinzen  darbrachte.  Elsass-Lothringen  ist 
reich  an  Eisenhütten  und  Maschinenfabriken,  und 
das  dortige  Eisen  bereitet  jetzt  dem  Deutschen  eine 
empfindliche  Concurrenz.  Die  Gründer  warfen  sich 
daher  mit  Vorliebe  auf  solche  Etablissements,  von 
denen  wir  hier  nur  eins  anführen: 

Lotliringei'  EisenTrerke,  früher  Dupont  &  Dreyfuss 
in  Ars  an  der  Mosel  und  in  Saarbrücken.  Angekauft  für  an- 
geblich 17V4  Millionen  Francs  (!)  und  gegründet  April  1873 
von  der  Oesterreichischen  Creditanstalt,  dem  Berliner  Bank- 
verein   und     dem     Frankfurter     Bankverein.      Actiencapital 


—     113     — 

6  Millionen  Tlialer.  Aufsichtsräthe:  Graf  Henckel  von  Don- 
nersmark, Alfred  von  Haber,  Ingenieur  Paulus  etc.  „General- 
director":  Anton  Birrenbach.  Für  das  erste  Geschäftsjahr  von 
4  Monaten  (!)  wurden  5%  Dividende  vertheilt.  1874  schloss 
mit  147,000  Thaler,  1875  mit  128,000  Thaler,  1876  mit  fast 
500,000  Thaler  Verlust.  Die  Actio n  sollen  sich  noch  in  der 
ersten  Hand  befinden. 


Vor  wenig  Jahren  noch  stand  in  Deutschland  die 
Eisen-  und  Stahlindustrie  in  hohem  Flor;  heute  liegt 
sie,  vom  Hochofenbetrieb  bis  zum  Mascliinenbau,  am 
Boden.  Gar  viele  Oefen  sind  ausgeblasen,  viele  Pud- 
del-  und  Walzwerke  feiern,  die  Eisengiessereien  und 
Maschinenfabriken  haben  ihren  Betrieb  fortgesetzt 
einschränken  müssen.  Ueberall  erschallen  laute  Klagen , 
und  die  nächste  Zukunft  erweckt  grosse  Besorgnisse. 
Mancherlei  Momente  haben  dieses  traurige  Darnieder- 
liegen herbeigeführt,  so  auch  die  manchesterliche 
Wirthschafts- und  Handelspolitik  der  Kegierung,  unser 
mehr  doctrinäres  und  unbilliges  als  praktisches  und 
rationelles  Zollsystem,  das  höchst  unzeitgemässe  Er- 
höhen der  Eisenbahnfrachtsätze  nach  dem  |„Krach", 
die  widersinnigen  Differential-Tarife,  welche  das  Aus- 
land auf  Kosten  des  Inlands  begünstigen,  insofern 
fremde  Erzeugnisse  auf  Deutschen  Bahnen  zum  Theil 
billiger  befördert  werden  als  einheimische  Producte 
u.  a.  m.    Aber  die  eigentliche   Schuld  an  der  Cala- 

GlagaB,  Der  Börsenschwindel.     II.  8 


—     114     — 

mität  trägt  doch  die  Schwindelära.  Weil  Eisenwerke 
und  Maschinenfabriken  eine  gute  Eente  abwarfen, 
wurden  solche  Etablissements  mit  Vorliebe  „gegrün- 
det", und  gerade  hier  die  gröbsten  Ausschweifungen 
und  Betrügereien  verübt.  Mit  einem  kolossalen  Capi- 
tale  überlastet,  dazu  dem  Raube  und  der  Plünderung 
der  eigenen  Beamten  preisgegeben,  konnte  die  Actien- 
gesellschaft  nimmer  gedeihen.  L>ie  Preise  der  Fabri- 
kate gingen  hoch  und  wurden  systematisch  höher 
geschroben,  der  Bedarf  des  Publikums  schien  gross 
und  wurde  noch  künstlich  gesteigert;  schon  um  das 
Capital  zu  verwenden  und  die  Arbeiter  zu  beschäf- 
tigen, wurde  ohne  Rücksicht  auf  die  Unkosten  flott 
producirt,  und  man  producirte  ohne  Ende.  Sobald 
der  Schwindel  in  sein  Nichts  zerfiel,  niusste  auch 
die  Reaction  eintreten.  Die  Nachfrage  stockte,  das 
Angebot  wurde  dringend,  überall  zeigten  sich  grosse 
Vorräthe.  In  demselben  Grade  wie  die  Preise  für 
Maschinen,  Locomotiven,  Waggons,  Schienen,  Schwel- 
len etc.  gestiegen,  mussten  sie  auch  wieder  fallen, 
und  sie  fallen  noch  immer,  da  sie  noch  lange  nicht 
das  natürliche  Niveau  erreicht  haben. 

Das  Darniederliegen  unserer  Industrie  ist  also  die 
unmittelbare  und  nothwendige  Folge,  einerseits  der 
Ueberspeculation  und  Ueberproduction,  andererseits 


—     115    — 

der  Ausbeutelung  des  Publikums,  dessen  Kauffähig- 
keit ziemlich  erschöpft  ist.  Die  Heilmittel,  welche 
die  verschiedenen  Parteien  vorgeschlagen,  sind  blosse 
Quacksalbereien  und  beruhen  auf  einem  Verkennen 
der  Krankheit  und  ihrer  Ursachen,  welches  Verkennen 
zum  Theil  wol  absichtlich  ist.  Mit  gerechtem  Un- 
willen haben  sogar  Fabrikbesitzer  das  Eecept  des 
Herrn  Finanzministers  Camphausen  zurückgewiesen, 
indem  sie  erklären,  die  Lohnsätze  ihrer  Arbeiter 
nicht  weiter  beschneiden  zu  wollen.  Selbst  die  man- 
chesterliche „Vossische  Zeitung"  äusserte:  Man  solle 
verhindern,  „dass,  ebenso  wie  vor  Jahren  die  auf- 
steigende Bewegung,  jetzt  die  sinkende  Bewegung 
des  Arbeitslohnes  über  das  Mass  fortschreite;  denn 
ebenso  wenig  wie  die  Industrie  bei  allzu  hohen  Lohn- 
sätzen bestehen  kann,  ebenso  wenig  kann  der  Arbei- 
ter existiren,  wenn  der  Lohn  zu  niedrig  ist;  und  auch 
der  Industrie  ist  durch  allzu  niedrige  Arbeitslöhne 
nicht  gedient,  ein  ungenügend  ernährter  Arbeiter 
wird  stets  eine  schlechte  oder  mittelniässige  Arbeit 
liefern*^ 

Die  Eisen-Industriellen  sehen  dagegen  nur  Rettung, 
wenn  die  Eisenzölle  fort  erhoben  werden,  und  es 
ist  dieserhalb  ein  erbitterter  Kampf  zwischen  Frei- 
händlern und  Schutzzöllnern  ausgebrochen.     Dieser 


—     116    — 

Kampf,  welcher  sich  in  allen  Tagesblättern  ungebühr- 
lich breit  machte,  hat  jedoch  für  das  Publikum  keine 
besondere  Bedeutung.  Die  Frage,  ob  Schutzzoll  ob 
Freihandel,  ist  auch  nur  eine  doctrinäre,  und  muss 
stets  nach  Ort  und  Zeitumständen  entschieden  werden. 
Der  radicale  Freihandel,  wenngleich  Ideal,  ist  heute 
noch  in  keinem  Lande  durchführbar,  und  wenn  er 
trotzdem,  wie  bisher  in  Preussen,  'einseitig  verfolgt 
wird,  so  führt  er  zu  den  gröbsten  Inconsequenzen, 
schädigt  er  zugleich  den  Staatssäckel  und  die  Inter- 
essen der  eigenen  Bürger.  Nicht  mit  Unrecht  for- 
dern die  sogenannten  Schutzzöllner,  dass  Deutschland 
nicht  Zölle  aufhebe,  die  das  Ausland  noch  bestehen 
lässt,  dass  Zollermässigungen  nur  da  und  insoweit 
eintreten,  als  solche  auch  der  betreffende  Fremdstaat 
bewilligt;  gewiss  nicht  mit  Unrecht  weisen  die  Schutz- 
zöllner darauf  hin,  dass  Schlachtvieh  und  [verschie- 
dene Lebensmittel  noch  einen  Schutzzoll  geniessen. 
Für  den  unbedingten  Freihandel  schwärmt  eben  nur 
der  Handel,  wogegen  Gewerbe  und  Industrie,  die 
doch  mindestens  ebenso  schwer  in's  Gewicht  fallen, 
einen  gewissen  Schutz  ihrer  Producte  und  Fabrikate 
gegen  die  Coneurrenz  des  Auslandes  anstreben.  Das 
consumirende  Publikum  endlich  wird  von  Zöllen  und 
indirecten  Steuern  im  Grossen  und  Ganzen  nur  weniff. 


—     117     — 

kaum  fühlbar  betroffen.  Beispielsweise  hat  ihm  der 
Wegfall  der  Salzsteuer  gar  nichts  genützt,  denn  Salz 
ist  im  Detailhandel  um  keinen  Pfennig  billiger  ge- 
worden. Die  Aufliebung  der  Schlacht-  und  Mahl- 
steuer in  Preussen  hat  die  Preise  von  Fleisch  und 
Brod  nicht  sinken,  eher  noch  steigen  lassen.  Daher 
haben  diejenigen  Städte  sehr  weise  gethan,  welche  die 
Schlachtsteuer  beibehielten,  und  bereits  bemühen 
sich  verschiedene  Orte  wieder  um  Einführung  der- 
selben. Ein  scharfes  Misstrauensvotum  gegen  die 
manchesterlichen  „Volkswirthe"  und  Gesetzgeber! 

Die  Eisenzölle,  welche  schon  1873  fallen  sollten, 
aber  durch  einen  Compromiss  der  Herren  Dr.  Kam- 
macher und  Genossen  noch  bis  Neujahr  1877  be- 
stehen blieben,  tragen  etwa  1  Million  Thaler  ein, 
bilden  also  einen  sehr  massigen  Einnahmeposten,  den 
der  Etat  des  Deutschen  Reichs  leicht  verschmerzen 
kann.  Das  Publikum,  der  Haushalt  des  Privatmannes 
wird  die  Aufhebung  kaum  empfinden.  Aber  ebenso 
unerheblich  ist  sie  auch  für  die  Industrie  selber; 
obgleich  Herr  Hammacher,  der  sich  seinen  Wählern 
zu  Liebe  neuerdings  zum  Schutzzoll  bekehrt  hat,  so 
feierlich  das  Gegen theil  versichert.  Mit  dem  gegen- 
wärtigen Nothstand  unserer  Eisenindustrie  hat  der 
Eisenzoll  nichts  zu  thun,  und  es  könnte  ihr  wenig 


—     118    — 

helfen,  selbst  wenn  die  Einfuhr  überhaupt  verboten 
würde.  Sie  blutet  an  den  Wunden,  die  ihr  die 
Gründer  geschlagen,  und  zum  Theil  büsst  sie  auch 
für  eigene  Sünden. 

Es  kennzeichnet  die  tiefe  Corruption,  die  in  Deutsch- 
land eingerissen,  dass  die  Blätter,  die  dem  Schwindel 
mit  Wollust  gedient  und  sich  von  ihm  ernährt  haben, 
jetzt  als  Moralprediger  und  Rathgeber  auftreten. 
„Ungenügende  Finanziirung  heisst  das  Uebel,  an  dem 
die  grossen  Actienwerke  der  Eisenbranche  leiden", 
schreibt  die  „Schlesische  Presse".  Nach  ihrer  Mei- 
nung haben  es  die  nothleidenden  Actiengesellschaften 
versäumt,  rechtzeitig  ihr  Stammcapital  zu  vermehren 
oder  neue  Anleihen  aufzunehmen.  Dem  biedern  Blatt 
ist  also  die  ungeheuerliche  Belastung  der  gegründe- 
ten Fabriken  etc.  noch  nicht  gross  genug,  und  dieses 
Urtheil  ist  den  Gründern  sicherlich  aus  der  Seele 
gesprochen.  Die  „Berliner  Börsen -Zeitung"  wieder 
empfahl,  um  den  Actionären  zu  Dividenden  zu  ver- 
helfen, und  die  Course  auf  die  Beine  zu  bringen,  die 
Reduction  des  Grundcapitals;  und  diesen  Rath 
befolgen  die  Gesellschaften  nachdrücklichst.  Sie  legen 
2,  3,  4,  6,  10  Actien  in  Eine  zusammen,  und  meucheln 
so  das  Stammcapital  nach  der  Möglichkeit;  aber  zu 
Dividenden  ist  es  trotzdem  nicht  gekommen,  und  die 


—     119    — 

Coiirse  wollen  dessungeaclitet  nicht  in  die  Höhe,  oder 
wenn  auch  um  ein  paar  Procent  steigend,  fallen  sie 
schnell  wieder  auf  den  vorigen  Stand  zurück.  Die 
meisten  Gesellschaften  sind  so  tief  zerrüttet  und  so 
überschuldet,  dass  es  gleichgültig  bleibt,  ob  ihr  Capi- 
tal nach  wie  vor  1  Million  Thaler  beträgt  oder  auf 
100,000  Thal  er  herabgesetzt  wird:  eine  Dividende  ist 
in  diesem ^Leben  nicht  mehr  zu  erzielen,  und  eine 
neue  Actio  ist  nicht  mehr  werth  wie  zehn  alte,  da 
nach  Adam  Riese  10x0  auch  nur  wieder  0  macht. 
Wenn  [die  Börsenblätter,  die  sonst  dem  Man- 
chesterthum,  also  dem  unbedingten  Freihandel  mit 
Leib  und  Seele  ergeben  sind,  plötzlich  für  Aufrecht- 
erhaltung der  Eisenzölle  plaidiren,  so  thun  sie  es 
nur,  weil  sie  von  solcher  Massregel  eine  neue  Cours- 
treiberei aller  Maschinenbau-,  Bergwerks-  und  Eisen- 
hüttenactien  verhoften.  Indess  dürfte  diese  Hoffnung 
doch  fromme  Täuschung  sein.  Wenn  das  Publikum, 
durch  die  schrecklichen  Verluste  wirklich  nicht  klüger 
geworden,  auch  wollte  —  es  kann  nicht  mehr-,  seine 
Taschen  sind  leer,  und  die  Börse  und  ihre  Organe 
müssen  schon  abwarten,  bis  es  wieder  etwas  zu  Kräften 
gekommen  ist. 


Der  Triumph  der  Industrie. 

Skandalöse  Gründniig-en;  Elsenspalterei  N.  Eberswalde,  Eisenbahiibedarf  und 
Westprenssische  Eisenhütte  in  Elbiug,  Arthursberg  in  Stettin,  Pinneherger 
Union,  Heilenbetker  Gussstahl,  Remscheider  Stahlwerke,  Halle-Leipziger 
Eisengiesserei,  Münnich  in  Chemnitz,  Thüringer  Eisenbahnhedarf  —  Die 
Vei-luste  des  Publikums  —  Die  ,, Betheiligung"  der  Parlamentarier  —  Ueber- 
production  —  Freunde  und  Gegner  der  SchntzzöUner  —  Schlecht  und  theuer 

—  Beschneidung  der  Lohnsätze  und  Verlängerung  der  Arbeitszeit  —  Der 
jüdische  „Volkswirth"  H.  B.  Oppenheim  —  Arbeitslosigkeit  und  Nothstand 

—  Zwei  Geschichten  vom  Geheimen  Commerzienrath  Borsig  —  Was  die  Grün- 
der zuwege  gebracht  —  Ausländische  Industrieobligationen:  Russischer 
Maschinenbau  und  Moskauer  Eisenbahnbedarf  —  Die  Zehn-Milliouen-Thaler 

Anleihe  des  Kanonenköuigs  Krupp. 

Unter  den  industriellen  Gründlingen  nehmen,  neben 
den  Berg-  und  Hüttenwerken,  die  Fabriken  für  Maschi- 
nen- und  Eisenbahnbedarf  mit  den  ersten  Rang  ein-, 
sowol  der  Anzahl  als  dem  Gewicht  nach,  mit  Bezug 
auf  das  grosse  Capital,  welches  in  ihnen  angelegt 
ist.-  Bei  der  Unzahl  dieser  Gesellschaften,  konnte 
nicht  jede  aufgeführt  werden,  aber  es  sind  die  meisten, 
die  wichtigsten  und  die  bekanntesten  genannt;  und 
zwar  ohne  Unterschied  des  Charakters.  Es  sind  nicht 
nur  die  faulen,  sondern  auch  die  besseren  Gesell- 
schaften behandelt,  was  um  so  leichter  war,  als  deren 


—     121     — 

Bur  wenige  existiren.  Durchaus  zweifellose,  streng 
solide  Gründungen  giebt  es  aus  der  Periode  von 
1870  bis  1873  wol  überhaupt  nicht.  Nur  ein  ver- 
schwindend kleiner  Bruchtheil  ist  erträglich,  verdient 
Entschuldigung;  die  übergrosse  Mehrzahl  hat  sich  als 
schwindelhaft  erwiesen  und  muss  verurtheilt  werden, 
wobei  nur  selten  „mildernde  Umstände'' zuzugeben  sind. 
Schon  die  früheren  Capitel  enthielten  eine  Menge 
von  Gesellschaften,  die  zusammengebrochen  oder  dem 
Zusammenbruch  nahe  sind,  bei  deren  Gründung  und 
Verwaltung  in  erschrecklicher  Weise  gesündigt  ist. 
Sie  waren  schlimm  genug,  und  kaum  kann  es  schlim- 
mere geben,  aber  es  existiren  doch  verschiedene, 
die  ganz  besonders  verrufen  und  berüchtigt  sind,  die 
so  arg  wirthschafteten  und  so  schmachvoll  endeten, 
dass  sie  zum  Theil  sogar  die  Aufmerksamkeit  des 
Staatsanwalts  erregten  und  denselben  zum  Einschrei- 
ten veranlassten.  Bei  einigen  war  die  Gründung  ein- 
fach ein  kolossaler  Betrug,  indem  das  Object  zu  einem 
Preise  eingebracht  wurde,  der  den  wirklichen  Werth 
um  das  Zehn-  bis  Zwanzigfache  überstieg,  worauf 
die  Gründer  ihr  Kind  seinem  Schicksale  überliessen. 
Andere  Gesellschaften  wurden  von  ihren  Leitern  und 
Beamten  ununterbrochen  bestohlen,  systematisch  aus- 
geplündert und  dazu  noch  mit  Schulden  überlastet. 


-     122     — 

Gewisse  Directoren  betrieben  die  Fabrik  nur  dem 
Namen  nach,  producirten  nicht  sowol,  sondern  spe- 
culirten  hauptsächlich,  benutzten  alle  Baarmittel  und 
spannten  den  ganzen  Credit  an,  um  damit  an  der 
Börse  zu  spielen.  So  lange  sie  im  Glück  waren, 
strichen  sie  den  Gewinnst  ein,  wogegen  sie  später 
ihre  riesigen  Verluste  auf  das  Conto  der  Actionäre 
übertrugen ,  diesen  faule  Papiere  aufhalsten  oder 
ihnen  andere  ziemlich  werthlose  und  sehr  überflüssige 
Dinge  zu  den  ungeheuerlichsten  Preisen  berechneten. 
Nur  in  wenigen  Fällen  sind  die  Missethäter  gericht- 
lich zur  Rechenschaft  gezogen,  und  merkwürdiger 
Weise  sind  sie  dann  stets  mit  einer  ausserordentlich 
milden  Strafe  belegt  worden. 

Zu  den  Gründungen,  die  mehr  oder  weniger  Scan- 
dal  erregten,  gehören: 

Eiseuspalterei  in  Neiistadt-Eberswalde ,  dem  Magnus 
Levy  gehörig,  und  diesem  angeblich  mit  370,000  Thaler, 
die  Vorräthe  nicht  eingerechnet  (!)  bezahlt.  Gegründet  1872 
mit  500,000  Thaler  Actien  und  155,000  Thaler  Hypotheken. 
1873/74  schloss  mit  134,000  Thaler  Verlust.  Da  lieferten  die 
Gründer  100,000  Thaler  Actien  zurück;  der  Vorsitzende  des 
Aufsichtsraths,  Julius  Schiff  in  Berlin,  verzichtete  grossmüthig 
auf  Forderungen  von  zusammen  65,000  Thalern,  und  im  Uebrigen 
wurde  die  Hälfte  der  Actien  gemeuchelt.  So  galt  das  Unter- 
nehmen für  „reconstruirt" ,  und  der  mit  4000  Thaler  Gehalt 
fungirende  Director  ßormann  versicherte,  dass  es  „vollständig 
consolidirt"  sei.    Aber  kaum  zwei  Monate  nachher  (Ende  1874) 


—     123     — 

ergab  die  Semestralbilanz  bereits  einen  neuen  Verlust  von 
36,000  Thaler.  1875  schritt  man  zur  Liquidation  und  1876 
zum  Verkauf,  der  ein  lächerlich  winziges  Resultat  lieferte.  Wie 
es  scheint,  erstand  das  Etablissement  einer  der  „Aufsichtsräthe", 
Hüttendirector  Förster  in  Berlin,  für  seinen  Sohn.  Die  Actio- 
näre  haben  so  gut  wie  Nichts  zu  erwarten.  Exdirector  Bor- 
mann beanspruchte  seinen  Gehalt  von  4000  Thalern  jährlich 
bis  zum  Jahre  1882  und  strengte  dieserhalb  einen  Process  an. 
Fabrik  für  Eisenbalinmateria],  früher  G.  Hambruch  und 
J.  Vollbaum  in  Elbiug.  Gegründet  Februar  1871  von  H.  C. 
Plaut  und  Paul  Gravenstein  &  Co.  in  Berlin,  von  dem  Abge- 
ordneten ,  Oberbürgermeister  a.  D.  Phillips  in  Elbing  etc. 
Actiencapital  zunächst  1  Mill.  Thaler.  Die  Vorbesitzer  behiel- 
ten die  Leitung,  und  der  von  Hen'n  Phillips  unterzeichnete 
Prospect  versprach  nicht  nur  eine  „bedeutende",  sondern  eine 
„ausserordentliche"  Pientabilität.  Aufsichtsräthe  u.  A.: 
Justizrath  Ahlemann,  Ferd.  Meyer,  Ed.  Mamroth  und  Gerichts- 
assessor a.  D.  Löwenfeld  in  Berlin,  Commerzienrath  Damme 
in  Danzig,  Assessor  Sauerhäring  und  Kaufmann  Litten  in  El- 
bing. April  1872  wurde  das  Grundcapital  auf  2  Millionen  Thlr. 
erhöht,  und  die  neuen  Actien  den  alten  Actionäreu  zum  Course 
von  105  überlassen.  Man  vertheilte  für  das  erste  Geschäfts- 
jahr eine  Dividende  von  9^'^,  und  für  1872  sogar  lO^V  Da- 
gegen schloss  1873  plötzlich  mit  548,000  Thaler  Verlust.  Fe- 
bruar 1874  beantragte  Herr  Phillips  wiederum  eine  Emission 
von  500,000  Thaler  Actien  oder  Prioritäten,  drang  damit  aber 
nicht  mehr  durch.  August  1874  beschloss  man  die  Liquidation, 
war  jedoch  in  Wirklichkeit  schon  bankerott,  denn  als  am 
3.  Januar  1875  der  Concurs  angemeldet  wurde,  datirte  das  Ge- 
richt denselben  um  6  Monate  zurück,  also  um  die  längste  Frist, 
welche  gesetzlich  zulässig  ist.  Das  Etablissement  kam  unter 
den  Hammer,  die  Gläubiger  hatten  sich  mit  einander  verständigt, 
und  der  bekannte  Gründer,  Geh.  Commerzienrath  Moritz  Simon 
aus  Königsberg  i.  Pr.,  erhielt  den  Zuschlag  um  320,000  Thaler. 


—     124    — 

Assessor  Löweufeld,  der  ehemalige  Aufsiclitsrath  und  nach- 
herige  Liquidator,  hatte  ein  noch  weit  geringeres  Gebot 
abgegeben.  Herr  Simon  verkaufte  die  Fabrik  an  Strousberg, 
der  sie  wieder  an  Frau  Strousberg  abtrat.  Als  man  aber  in 
Moskau  den  Wunderdoctor  dingfest  machte,  wurde  die  Fabrik 
resubbastirt,  und  diesmal  war  Herr  Simon  der  einzige  Bieter. 
Er  bot  Spasses  halber  für  das  mit  drei  Millionen  Thaler  be- 
lastete Etablissement  —  100,000  Thaler,  und  es  fiel  ihm  dafür 
anheim.  Die  Gläubiger  erhielten  ungefähr  20%  ihrer  Forde- 
rungen, während  die  einst  mit  120  notirten  Actien  selbstver- 
ständlich Maculatur  waren.  Herr  Phillips,  der  auch  noch  bei 
anderen  Gründungen  betheiligt  ist,  erhielt  October  1875  von 
der  Stadt  Elbing  das  Ehrenbürgerrecht. 

Walzwerk  Westpreussische  Eisenliütte,  vormals  Kutten- 
keuler,  Dehring  und  Lorenz  in  Elbing.  Gegründet  Sep- 
tember 1872  von  Geh.  Commerzienrath  Stephan  und  Eduard 
Schmidt  (Stephan  &  Schmidt)  in  Königsberg  i.  Pr.,  Jacob  Litten 
in  Elbing,  Simon  Lipmaun  in  Berlin  etc.  Die  Vorbesitzer  be- 
hielten die  Leitung  und  übernahmen  110,000  Thaler  Actien. 
Als  erste  Aufsichtsräthe  fungirten  noch  und  haben  den  Pro- 
spect  mitunterzeichnet:  Carl  Bittrich  (J.  C.  Bittrich  &  Söhne), 
F.  Oltersdorf  (Sanio  &  Oltersdorf)  in  Königsberg  i.  Pr.,  Rechts- 
anwalt Heinrich  und  Rentier  Jebeus  in  Elbing,  Director  Adolf 
Rosenstein  (Norddeutsche  Grundcreditbank)  und  Alexander  von 
Loeben  (Rob.  Thode  &  Co.)  in  Berlin.  Im  Auftrage  des  Herrn 
Stephan  erstand  Litten  das  Etablissement  für  220,000  Thaler 
und  liess  sich  persönlich  von  den  Verkäufern  eine  Provision 
von  2200  Thaler  zahlen.  Der  Prospect  hingegen  gab  den  Er- 
werbspreis auf  330,000  Thaler  an  und  warf  als  Grundcapital 
450,000  Thaler  aus.  Am  9.  November  1872  fand  die  Zeichnung 
der  Actien  statt,  und  schon  am  31.  December  schloss  das  erste 
Geschäftsjahr  von  drei  Monaten  (!)  mit  einer  Dividende  von 
14%  !!  Diese  glänzende  Dividende  war  das  Resultat  einer 
gefälschten  Bilanz,  kam  aber  wahrscheinlich  nur  den  Gründern 


—     125    — 

und  Aufsichtsräthen  zugute,  denn  die  Actieu  waren  meistens 
noch  unbegebcn,  und  gelangten  erst  sj^ter,  ohne  den  ersten 
Di  vi  den  den  seh  ein,  in  die  Hände  des  Publikums.  Die  Actien 
vertrieb  in  wahrhaft  genialer  Weise  Herr  Simon  Lipmann,  früher 
Commis  bei  Herrn  Stephan,  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Michaelis, 
der  wieder  Commis  bei  Lipmann  gewesen  war,  und  jetzt  als 
Director  der  Plalle'schen  Creditanstalt  fungirte,  welche  letztere 
kurz  zuvor  von  Stephan,  Lipmann  und  der  Norddeutschen 
Grundcreditbank  gegründet  worden.  Wir  haben  also  hier  eine 
förmliche  Kette  von  Gründern,  und  das  Gründen  geht  unter 
ihnen  lustig  im  Kreise  herum.  Indem  sie  auf  die  eben  ver- 
theilte  Dividende  von  14^/o  hinwiesen,  und  eine  neue  von  20''/o 
in  Aussicht  stellten,  indem  sie  ein  Expose,  unterzeichnet 
„Direction  der  Westpreussischen  Eisenhütte"  ausstreuten,  das 
die  Lage  der  Gesellschaft  in  den  x-osigsten  Farben  schilderte, 
aber,  wie  es  sich  später  herausgestellt  hat,  mancherlei  falsche 
Angaben  enthält,  wussten  die  Herren  Lipmann  und  Michaelis 
die  Actien  zum  Course  von  125  bis  130  unterzubringen.  Allein 
in  Halle  a.  d.  Saale  und  Umgegend  sollen  von  diesem  famosen 
Papier  für  ca.  70,000  Thaler  abgesetzt  sein.  März  1873  wur- 
den 300,000  Thaler  neue  Actien  fabricirt,  aber  Mai  1874  durch 
Zusammenlegen  der  Actien  ca.  300,000  Thaler  gemeuchelt,  und 
bald  darauf  wieder  200,000  Thaler  Prioritäten  ausgegeben.  Ein 
schlagendes  Beispiel,  was  sich  die  Gründer  und  Aufsichtsräthe 
nicht  Alles  erlauben!  Trotz  dieser  sinnreichen  Operationen 
schloss  die  Bilanz  vom  31.  März  1875  mit  einem  Verlust  von 
192,000  Thaler,  und  drei  Monate  nachher  wurde  das  Actien- 
capital  nochmals  um  weitere  200,000  Thaler  gemeuchelt.  Selbst- 
verständlich half  dies  Alles  nichts;  es  kam  Januar  1876  auch 
hier  zum  Concurs,  den  das  Gericht  gleichfalls  um  sechs  Monate 
zurückdatirte;  und  die  Westpreussische  Eisenhütte,  die  an  Actien 
und  Prioritäten  950,000  Thaler  ausgegeben  hatte,  und  ausser- 
dem noch  100,000  Thaler  schuldig  war,  wurde  schliesslich  den 
Gebr.  Michelly  in  Königsberg  i.  Pr.  für  ganze  —  48,000  Thaler 


—     126    —     ' 

überantwortet.  Die  Prioritätenbesitzer  erhielten  ca.  23^/o,  alle 
übrigen  Gläubiger  und  die  Actiooäre  nichts. 

Erst  als  Frühjahr  1876  die  „Ostpreussische  Zeitung"  in 
Königsberg  i.  Pr.  die  scandalöse  Geschichte  dieser  Gesellschaft 
in  einer  Reihe  von  Artikeln  beleuchtete,  schritt  der  Staatsan- 
walt ein,  und  Jacob  Litten  wurde  verhaftet,  krankheitshalber 
aber  wieder  entlassen.  Da  es  sich  hier  um  einen  Gründer  und 
Juden  handelte,  war  die  „liberale"  Presse  so  discret,  ihn  nur 
mit  seinem  Anfangsbuchstaben  L.  zu  bezeichnen.  Dagegen  be- 
warf sie  den  Redacteur  der  „Ostpreussischen  Zeitung",  Otto 
de  Grahl,  mit  Koth,  und  die  „Elbinger  Post"  beschuldigte  ihn 
der  unwürdigsten  Motive.  Die  Börsianer  aber  nahmen  noch 
eine  andere  Rache,  und  fixten  den  Cours  der  Actien  der  „Ost- 
preussischen Zeitung"  von  85  auf  ca.  60  herunter. 

Eisenbahnbedarf  und  Maschinenbau  Arthurslierg,  vormals 
H.  Kolesch  in  Stettin.  Gegründet  October  1871  von  der 
Stettiner  Vereinsbank,  S.  Abel  jun.  und  A.  Paderstein  in  Berlin. 
Actiencapital  300,000  Thaler;  dazu  noch  ca.  300,000  Thaler 
Hypotheken  und  Prioritäten.  Erste  Aufsichtsräthe :  Otto  Kühne- 
mann,  Rudolf  Abel,  Julius  Hildebrandt  und  Amandus  Strömer 
in  Stettin,  Julius  Nelke  (A.  Paderstein)  in  Berlin.  Der  Prospect 
verhiess  20%,  der  Vorbesitzer  garantirte  15%,  und  das  erste 
Geschäftsjahr  ergab  10%  Dividende.  1873  schloss  mit  177,000 
Thaler  Verlust;  1874  trat  man  in  Liquidation,  die  sich  an  zwei 
Jahre  hinzog  und  mit  dem  Concurs  endigte.  Cours  einst  110, 
jetzt  0.  Amandus  Strömer  und  „Oberingenieur"  Louis  Meyer 
wurden  nachträglich  (1876)  wegen  Verschleierung  der  Lage  ihrer 
Gesellschaft  angeklagt,  in  erster  Instanz  freigesprochen,  in 
zweiter  zu  einer  blossen  Geldbusse  verurtheilt. 

Union  Eisenwerk,  früher  Gebrüder  Miether  in  Pinne- 
berg bei  Hamburg.  Gegründet  April  1872  von  Theodor  Miether 
in  Pinneberg,  Carl  Miather,  Gustav  Bath,  Gabriel  Hermann 
Michaelis,  Leo  Wollenberg  und  Eduard  Mamroth  in  Berlin. 
Michaelis  war  der  Vorkäufer  oder  Vermittler,  und  soll  dafür 


—     127     — 

die  Kleinigkeit  von  60,000  Thalcr  empfangen  haben.  Der  Kauf- 
preis von  angeblich  400,000  Thalern  war  mindestens  doppelt 
zu  hoch.  Actiencapital  500,000  Thaler  und  100,000  Thaler 
Hypotheken.  Gebrüder  Miether  garantirten  für  5  Jahre  eine 
Dividende  von  8%,  und  hinterlegten  dafür  100,000  Thaler  Caution. 
Der  Vorbesitzer  Theodor  Miether  behielt  die  Leitung.  Für 
das  erste  Geschäftsjahr  von  etlichen  Monaten  wurden  16%  Divi- 
dende gegeben,  die  aber  wol  nicht  verdient  waren-,  und  darauf- 
hin das  Actiencapital  um  neue  500,000  Thaler,  also  auf  eine 
Million  Thaler  erhöht,  worauf  man,  ganz  unnützer  Weise,  ein 
Eisenwerk  in  Schweden  (!)  ankaufte  und  eine  Niederlage  für 
Kochgeschirre  in  Wien  etablirte!  Für  1873  gab  es  die  garan- 
tirte  Dividende  von  8%,  seitdem  0.  Schliesslich  wurden  noch 
100,000  Thaler  Prioritäten  ausgegeben. 

Februar  1875  schieden  die  Gründer  Gustav  Bath  und  Carl 
Miether  aus  dem  Aufsichtsrath,  aber  nicht  freiwillig.  In  der 
Generalversammlung  am  6.  März  1875  constatirte  einer  der 
neugewählten  Aufsichtsräthe ,  dass  aus  der  Gesellschaftscasse 
verschwunden  seien:  1)  Actien  im  Gesammtwerthe  von  180,000 
Thaler,  2)  die  Caution  des  Directors  Th.  Miether  mit  5000 
Thaler,  3)  der  Reservefond  mit  5673  Thaler,  4)  die  Caution  der 
Vorbesitzer  Gebrüder  Miether  in  Betreff  der  Dividendengarantie 
von  100,000  Thaler.  Trotzdem  behauptete  der  Gründer,  Herr 
Eduard  Mamroth,  mit  edler  Entrüstung:  ihm,  als  dem  früheren 
Aufsichtsrath,  gebühre  der  Dank  der  Versammlung.  Dieser 
Dank  wurde  ihm  denn  auch  in  gebülirender  Weise  votirt  — 
„die  Debatte  nahm  mehr  und  mehr  einen  von  den  heftigsten 
Angriffen  ausgestatteten  persönlichen  Charakter  an",  berichtete 
die  „National-Zeitung".  Ebenso  biess  mau  den  Director  Theo- 
dor Miether  von  der  Tribüne  heruntersteigen,  und  entsetzte 
ihn  auf  der  Stelle  des  Amtes. 

Doch  nun  geschah  das  Unglaubliche.  Herr  Th.  Miether, 
der  Exdirector,  erhob  noch  verschiedene  Ansprüche  an  die 
Gesellschaft,  und  unterm  12.  October  1875  stellte  ihm  die  Mehr- 


—     128     — 

zahl  des  neuen  Aufsichtsraths  ein  öffentliches  Ehrenzeugniss 
aus,  worin  alle  Beschuldigungen,  als  auf  „bedauerlichen  Irr- 
thümern"  beruhend,  ausdrücklich  widerrufen  wurden.  —  Am  20. 
Mai  1876  erfolgte  endlich  die  Verhaftung  des  Herrn  Th.  Miether, 
und  im  October  stand  er  vor  dem  Schwurgericht  zu  Altona, 
welches  ihn  der  Urkundenfälschung  schuldig  fand,  aber  unter 
Annahme  „mildernder  Umstände''  nur  zu  drei  Monaten  Gefäng- 
niss  verurtheilte. 

Die  „Allgemeine  Börsen -Zeitung"  in  Berlin  theilte  in  ihrer 
Nummer  vom  7.  October  1876  noch  Folgendes  mit: 

Hugo  Mamroth,  Sohn  von  Eduard  Mamroth,  kaufte  ia 
Schweden  einen  alten  Eisenhammer  „Olafström",  wie.  es  heisst, 
zu  80,000  Thaler  an  —  der  wirkliche  Werth  betrug  nicht 
20,000  Thaler.  Die  Gesellschaft  musste  diese  Ruine  für  200,000 
Thaler  übernehmen,  und  mit  den  Neubauten,  die  man  ausführte, 
kostete  sie  ihr  schliesslich  über  300,000  Thaler.  1875  aber  ver- 
kaufte der  zeitige  Vorsitzende  des  Aufsichtsraths,  L.  Pauly, 
das  Ganze  an  eine  Schwedische  Bank  für  etwa  33,000  Thaler, 

worauf  er  selber  „Olafström"  als  Pächter  übernahm. Die 

Actieu,  die  einst  190  standen,  notiren  jetzt  ca.  5. 

Gussstahlwerk,  früher  Moritz  Heilenbeck  &  Co.  bei 
Milspe  in  Westphaleu.  Gegründet  September  1872  von  Max 
Nolda,  Hermann  Leubuscher,  Emil  Isaacsohn  und  Heinrich 
Philippson  in  Berlin,  Albert  Sternenberg  und  August  Schmidt 
in  Heilenbecke,  Friedrich  Schmidt  in  Haspe.  Actiencapital 
350,000  Thaler,  an  der  Berliner  Börse  eingeführt  mit  103  und 
getrieben  bis  HO.  Zu  einer  Dividende  kam  es  nie.  Der  An- 
trag auf  Einsetzung  einer  Untersuchungscommission  ward  von 
der  Gründerpartei  niedergestimmt.  1875  brach  der  Concurs 
aus,  der  jedoch  wieder  aufgehoben  und  statt  dessen  die  Liqui- 
dation eingeleitet  wurde.     Cours  0. 

Stahlwerke,  vormals  Carl  Otto  Arntz  in  Remscheid. 
Gegründet  April  1872  von  Siegfried  Geber,  Otto  Ramdohr  und 
„Generaldirector"   Julius   Müller   in   Berlin.    Der  Vorbesitzer 


—     129     — 

behielt  die  Leitimg  und  stellte  30^/o  Dividende  in  Aussicht! 
1874  fand  die  Eröffnung  des  Concurses  statt.  Ausser  240,000 
Thaler  Actiencapital  waren  94,000  Thaler  Ilj-pothekeu  und 
160,000  Thaler  andere  Schulden  vorhanden,  doch  brachte  das 
Etablissement  im  Verkaufstermin  nur  —  30,000  Thaler!! 

Halle-Leipziger  Eisengiesserei  und  Maschinenbau  zu 
Schkeuditz.  Gegründet  März  1872.  Verwaltungsrath:  Robert 
Baumann  in  Berlin,  Siegfried  Schiff  und  S.  Elkan  in  Hamburg, 
Jakob  Löwendahl,  Paul  Kühl  und  Wilh.  Bode  in  Halle,  Sani- 
tätsrath  Dr.  Eltze  in  Schkeuditz.  1873  wurde  das  Actien- 
capital von  250,000  auf  400,000  Thaler  erhöht.  1874  liquidirie 
man,  und  1875  folgte  der  Coneurs.  Der  Liquidator  Robert  Bau- 
mann war  so  gescheit,  das  Etablissement  für  sich  und  Samuel 
Löwendahl  in  Halle  zu  erwerben  —  natürlich  um  ein  Billiges. 
Nicht  einmal  die  Hypothekengläubiger  wurden  befriedigt,  von 
den  Actionären  gar  nicht  zu  reden. 

Mascliiueubaug'esellscliaft,  vormals  A.  Münnich  &  Co. 
in  Chemnitz.  Gegründet  März  1872  von  R.  A.  Seelig  und 
Adolf  Martini  in  Berlin  und  Carl  Mankiewicz  (Philipp  Eli- 
meyer)  in  Dresden.  Diese  drei  Personen  waren  die  Vorkäufer, 
die  ersten  Zeichner  und  die  ersten  Aufsichtsräthe,  und  sie 
wurden  auch  die  Gläubiger  der  Gesellschaft,  welche  sie  später 
hart  bedrängten.  Neben  ihnen  fungirten  im  Verwaltungsrathe 
noch:  Bierdirector  Hermann  Gratweil  in  Berlin,  Rob.  Büttner 
und  Advocat  H.  A.  Wide  mann  in  Chemnitz;  während  die 
Leitung  des  Unternehmens  der  Mitvorbesitzer  Gottlieb  Behrend 
behielt.  Dieser  stellte  am  1.  April  1873  eine  Bilanz  auf,  welche 
für  das  erste  Geschäftsjahr  20"'o  Dividende  und  riesige  Tan- 
tiemen auswarf.  Dem  Aufsichtsrath  berechnete  Herr  Behrend 
22,663  Thaler,  dem  Director,  also  sich  selber,  gleichfalls  22,663 
Thaler,  und  dem  übrigen  Beamtenpersonal  9320  Thaler.  In- 
dess  war  es  auffällig,  dass  dieselbe  Bilanz  an  930,000  Thaler 
Buch-  und  Wechselschulden  vermerkte!  Juni  1873  beschloss  man, 
das  Actiencapital  zu  verdoppeln,  von  700,000  auf  1,400,000  Thaler 

G  lagau,  Der  Börsenschwindel.   II.  9 


—     130    — 

zu  erhöhen;  was  auch,  trotzdem  inzwischen  der  „Krach"  ein- 
getreten war,  merkwürdiger  Weise  gelang.  Doch  schon  im 
September  fehlte  es  wieder  dringend  an  Geld,  und  es  begann 
nun  eine  Wechselreiterei,  die  au's  Fabelhafte  grenzt.  1874 
wurde  eine  Prioritäten- Anleihe  von  1,000,000  Thaler  versucht, 
aber  nur  100,000  Thaler  untergebracht.  Eine  damals  erwählte 
Untersuchungscommission  kam  zu  dem  Resultat,  dass  die  Krank- 
heit der  Gesellschaft  sich  auf  „vier  Thorheiten"  zurückfuhren 
lasse.  Abgesehen  von  der  grossen  Beute  der  Gründer,  bestand 
aber  die  eigentliche  Hauptthorheit  in  der  Wirthschaftsführung 
des  Directors.  Herr  Behrend  beschäftigte  sich  viel  mit  Grün- 
dungen und  Börsenspeculationen,  und  Hess  darüber  in  der 
Fabrik  Fünf  gerade  gehen.  Hingerissen  von  dem  Beispiel  des 
Chefs,  speculirte  auch  der  Procurist  und  entwendete  der  Gasse 
6000  Thaler,  welche  Herr  Behrend  „grossmüthig"  auf  sein 
eigenes  Conto  nahm.  Hinterher  stellte  es  sich  heraus,  dass 
jener  langfingerige  Procurist  seinem  Amte  überhaupt  nicht 
gewachsen  war  und  daher  entlassen  werden  musste.  Herr 
Behrend,  in  ewiger  Geldverlegenheit,  suchte  Hülfe  bei  den  ur- 
sprünglichen Gründern,  und  diese  gewährten  sie  ihm,  indem 
sie  der  Gesellschaft  das  Blut  abzapften. 

Der  Bericht  der  Untersuchungscommission,  welcher  in  der 
Generalversammlung  vom  25.  August  1874  verlesen  wurde,  be- 
lastet die  Gründer,  die  Aufsichtsräthe  und  den  Director  mit 
den  schwersten  Anklagen,  kommt  aber  nichtsdestoweniger  zu 
dem  Schluss,  dass  der  Vermögensstand  der  Gesellschaft  an  sich 
kein  schlechter  sei  und  das  Unternehmen  noch  immer  rentiren 
könne.  Doch  haben  sich  diese  Behauptung  und  diese  Hoff- 
nung als  sehr  irrig  erwiesen.  Die  Gründung  war  von  vorn 
herein  faul,  und  die  Geschäftsführung  des  Directors  ihr  durchaus 
ebenbürtig ,  so  dass  alle  Rettungsversuche  fruchtlos  blieben. 
,  Die  Bilanz  von  ult.  1874  rechnete  noch  42%  des  Actiencapitals 
als  vorhanden  nach,  war  jedoch  eben  so  gefälscht,  wie  die 
früheren.    Ein   neuer  Revisionsbericht  stellte   fest,    dass  von 


—     131     — 

jeher  eine  „verschleierte"  Schuld  des  Directors  Bohrend  exi- 
stirte,  die  schliesslich  fast  200,000  Thaler  erreichte;  dass  die 
Preise  der  Materialien  und  Waaren  theilweise  um  das  Dop- 
pelte zu  hoch  angesetzt;  dass  ult.  1874  thatsächlich  ein  Ver- 
lust von  800,000  Thalern  bestand  und  die  Gesammtschuld  nicht 
weniger  denn  1,450,000  Thaler  betrug!! 

Am  3.  April  1875  wurde  der  Concurs  erklärt,  im  Juni 
Director  Behrend  gefänglich  eingezogen,  und  im  December 
krankheitshalber  ,, gegen  hohe  Caution"  vorläufig  entlassen. 
1876  erstand  die  Leipziger  Credit- Anstalt,  welche  eine  erste 
Hypothek  von  400,000  Thaler  auf  dem  Etablissement  inne  hatte, 
dasselbe  für  210,000  Thaler.  Die  einst  mit  190  bezahlten  Actien 
sind  natürlich  werthlos. 

Tliüringer  Eisenbahn-Material  in  Erfurt  und  Gotha. 
Gegründet  October  1871  von  Heinrich  Moos,  Eochs  und  Blach- 
stein  in  Erfurt,  A.  E.  Blachstein  in  Mühlhausen  in  Thür., 
S.  Frenkel  und  Raufl"  &  Knorr  in  Berlin.  Actiencapital  400,000 
Thaler,  von  welchem  die  Yorhesitzer,  Julius  Unger  in  Erfurt 
und  Rotheuberg  in  Gotha,  150,000  Thaler  übernahmen.  Julius 
Unger,  eine  , .technische  Autorität",  wurde  als  Director  „ge- 
wonnen". Für  das  erste  Geschäftsjahr  entfiel  eine  Dividende 
von  5''/o;  doch  schon  im  September  1873  brach  der  Concurs 
aus,  und  die  Actionüre  verloren  Alles. 

Der  Concursverwalter  berichtete,  dass  die  beiden  Eta- 
blissements, welche  den  Actionären  mit  268,000  Thaler  be- 
rechnetwaren, einen  reellen  Werth  von  ungefähr  80,000  Thalern 
haben;  und  für  diesen  Preis  sind  sie  auch  später  an  die  Thü- 
ringer Eisenbahngesellschaft  übergegangen.  Ferner  sagt  der 
Bericht:  die  „technische  Autorität",  Herr  Unger  habe  erbärm- 
lich gewaltet,  Conventionalstrafen  und  beanstandete  Fabrikate 
hätten  den  Verdienst  absorbirt,  und  mit  dem  Material  sei  un- 
verantwortlich gewirthschaftet.  Trotzdem  scheint  der  Staats- 
anwalt die  Attentäter  nicht  behelligt  zu  haben. 


—     132    — 

Das  Gebiet  der  bisher  entwickelten  Gründungen 
gleicht  einem  Schlachtfelde,  bedeckt  mit  Leichen  und 
Verwundeten.  Gar  viele  Gesellschaften  sind  vom 
Courszettel  völlig  verschwunden;  gar  viele,  die  noch 
verzeichnet  stehen,  haben  schon  lange  keinen  Cours 
mehr,  ihr  Schicksal  ist  in  Schweigen  und  Dunkel 
gehüllt.  Allein  an  den  Maschinenbau-,  Eisenbahn- 
bedarfs- und  ähnlichen  Actien  hat  das  Publikum  eine 
Einbusse  erlitten,  die  man  auf  100 — 120  Millionen 
Thaler  schätzen  darf. 

Eine  ganze  Reihe  von  Parlamentsmitgliedern  ist 
bei  jenen  Gesellschaften  als  Gründer  oder  Aufsichts- 
räthe  betheiligt;  so:  A.  G.  Mosle  in  Bremen,  Consul 
G.  Müller  in  Berlin,  Stadtdirector  Rasch  in  Hannover, 
Louis  Berger  in  Witten,  Graf  Johannes  Renard  auf 
Gross-Strehlitz,  Prinz  Carl  zu  Hohenlohe,  Geheimer 
Admiralitätsrath  Theodor  Jacobs  und  Geheimer  Ober- 
Regieruugsrath  Ludwig  Heise  in  Berlin,  Stadtrath 
Lüders  in  Görhtz,  Hüttendirector  Ferdinand  Koch 
bei  Delligsen  in  Braunschweig,  Kammerherr  Carl  von 
Metzsch  auf  Reichenbach  in  Sachsen,  August  Walter 
in  Dresden,  Advocat  Hermann  Schreck  in  Pirna, 
Oberbürgermeister  a,  D.  Phillips  in  Elbing.  Keiner 
von  ihnen  hat  Ursache,  sich  der  betreifenden  Ge- 
sellschaft   zu   rühmen,  jeder  möchte   seine   Bethei- 


—     133    — 

ligung  jetzt  vergessen  machen,  und  lässt  sich  höchst 
ungern  daran  erinnern.  Das  Volk  aber  soll  diese 
Namen  wohl  im  Gedächtnisse  behalten! 

Ebenso  schwer  wie  das  Publikum  ist,  aus  Ursache 
der  Gründungen,  die  Eisen-  und  Maschinenindustrie 
selber  geschädigt.  Sie  seufzt  unter  einer  Krisis,  von 
der  sogar  Älinister  Delbrück,  der  Manchestermann, 
im  Reichstag  zugestehen  musste,  dass  sie  noch  lange 
nicht  abgeschlossen  ist,  noch  nicht  einmal  den  Höhe- 
punkt erreicht  hat.  Sie  krankt  an  dem  Ueberflusse, 
den  sie  selber  geschaffen  hat,  an  der  eigenen  üeber- 
production.  Sie  producirte  in  der  Schwindelperiode 
ohne  Mass  und  Ziel,  als  ob  der  Bedarf  unendlich 
wäre.  Wie  F.  Perrot  in  der  Dresdner  „Neuen  Reichs- 
zeitung" mittheilte,  betrug  die  Eisenproduction  in 
Deutschland  von  1861  bis  1864  jährlich  etwa  50  Pfund, 
von  1866  bis  1869  jährlicli  etwa  66  Pfund  pro  Kopf 
der  Bevölkerung;  in  Folge  der  Wiederausrüstung  der 
Eisenbahnen  und  des  Baus  vieler  neuer  Linien  stieg 
die  Production  1871  auf  94  Pfund,  1872  auf  118, 
und  noch  1873  auf  144  Pfund,  worauf  sie  1874  plötz- 
lich auf  fast  100  Pfund  zurücksank.  Nach  einer 
andern  Zusammenstellung  haben  die  Preussischen 
Eisen-  und  Stahlwerke  noch  1874  an  Ganzfabrikatcn 
(Schienen,  Achsen,  Räder,  Platten,  Bleche,  Draht  etc.) 


—     134    — 

25V2  Millionen  Centner,  1875  —  231/2  Millionen  Cent- 
ner producirt,  welche  Production  noch  immer  den 
Bedarf  des  Inlandes  weit  übersteigt,  und  demnach 
die  Preise  noch  weiter  herabdrücken  muss.  Am 
meisten  fürchten'  unsere  Eisen-Industriellen  die  mäch- 
tige Concurrenz  Englands,  und  namentlich  mit  Bezug 
auf  England,  wo  gleichfalls  eine  Ueberproduction  sich 
geltend  macht,  verlangen  sie  die  Beibehaltung  der 
Eisenzölle.  An  ihrer  Spitze  stehen  Männer,  die  an 
höchster  Stelle  Eiufluss  haben,  wie  Krupp  in  Essen, 
dessen  Vertreter  und  Compagnon,  Commerzienrath 
Carl  Meyer  in  BerUn,  Vicepräsident  des  Vereins 
Deutscher  Eisen-  und  Stahl-Industriellen  ist.  Ver- 
schiedene Abgeordnete,  wie  von  Kardorff,  Löwe- 
Calbe  und  neuerdings  auch  Herr  Kammacher,  wirken 
für  sie  im  Parlament,  und  auch  etliche  Finanz- 
könige,' wie  besonders  Herr  Gerson  von  Bleichröder, 
ziehen  aus  Ursache  gewisser  Gründungen  (Laurahütte, 
Hibernia  und  Schamrock  etc.)  mit  ihnen  an  einem 
Strick.  Die  Schutzzöllner  haben  aber  einen  prin- 
cipiellen  Gegner  an  dem  echtmanchesterlichen  Finanz- 
minister Herrn  Camphausen,  der  nach  Aeusserungen  der 
Zeitungen  mit  seinem  Abgang  gedroht  (?)  und  einst- 
weilen im  Ministerrathe  die  Oberhand  behalten,  auch 
den  Kaiser  und   den  Fürsten  Bismarck  umgestimmt 


—     135     — 

haben  soll.  Schon  zu  Gunsten  des  Ackerbaus,  der 
mindestens  die  gleiche  Berücksichtigung  verdiene  — 
so  hiess  es  —  müsse  die  Picgierung  sich  für  Auf- 
hebung der  Eisenzölle  entscheiden.  ^Yie  indess  schon 
erwähnt,  kann  diese  Aufhebung  weder  für  die  lu- 
dustriellen  noch  für  die  Landwirthe  eine  besondere 
Bedeutung  haben. 

Die  Schutzzöllner  behaupten  jetzt,  die  Deutsche 
Eisenindustrie  werde  mit  England,  schon  aus  Grün- 
den des  Bodenreichthuras,  der  geographischen  Lage 
und  der  Verkehrsmittel,  nie  erfolgreich  concurriren 
können;  und  dies  mag  mehr  oder  weniger  zutreffen. 
Sie  beklagen  sich  auch  bitter,  dass  der  Staat  wie 
Comraunen  und  Private  ihren  Bedarf  vom  Auslande 
beziehen,  z.  B.  Locomotiven  aus  Oesterreich,  Stahl 
und  Eisen,  Canalisationsröhren  und  Strassenschilder 
aus  England,  landwirthschaftliche  Maschinen,  Strassen- 
locomobilen  und  Pferdebahnwaggons  aus  Amerika  etc. 
Dagegen  wenden  nun  aber  die  Consumenten  mit  Recht 
ein:  sie  thäten  so  nothgedrungen,  weil  das  Deutsche 
Fabrikat  ungleich  theurer  und  schlechter  sei.  Die 
Landwirthe  nennen  z.  B.  die  Amerikanischen  Mäh- 
maschinen „abscheulich",  und  die  Grosse  Pferdeeisen- 
bahn-Gesellschaft in  Berlin  hat  öffentlich  auseinander- 
gesetzt, weshalb  sie  ihre  Waggons  aus  Amerika  be- 


—     136    — 

ziehe.  Dieselben  kommen  ihr,  so  behauptet  sie,  trotz 
des  Transportziischlages  um  20%  billiger;  sie  sind 
weit  eleganter,  bequemer  und  in  jeder  Hinsicht  prak- 
tischer. Sie  gewähren  eine  vorzügliche  Ventilation, 
jedes  Kind  kann  sie  ohne  Gefahr  besteigen,  die  Brems- 
einrichtung ist  musterhaft,  und  das  verhältnissmässig 
geringe  Gewicht  erspart  ein  Bedeutendes  an  Pferden. 
—  Jedenfalls  hat  die  Deutsche  Industrie  seit  der 
Schwindelperiode  in  der  Technik  keine  Fortschritte, 
eher  Rückschritte  gemacht,  an  Solidität  sehr  empfind- 
lich verloren,  und  die  Preise  unnatürlich  in  die  Höhe 
geschraubt.  Sie  büsst  also  in  mehrfacher  Hinsicht 
jetzt  für  ihre  eigenen  Sünden. 

Am  härtesten  aber  haben  unter  den  Folgen  des 
Schwindels  die  Arbeiter  zu  leiden,  und  sie  verdienen 
ebensoviel  Mitleid  wie  das  durch  die  Gründer  und 
Börsianer  ausgeplünderte  Publikum.  Wenn  sie  in 
der  Schwindelära,  während  Wohnung,  Lebensmittel 
und  alle  Waaren  rasend  stiegen,  auch  ihre  Ansprüche 
steigerten,  so  war  das  nicht  nur  berechtigt,  sondern 
nothwendig.  Selbst  wo  sie  übertriebenen  Lohn  for- 
derten und  denselben  durch  Strikes  durchzusetzen 
wussten,  war  dies  keineswegs  schlechthin  verwerflich, 
sondern  sehr  entschuldbar;  was  sogar  manchester- 
liche Blätter  hinterher  eingeräumt  haben,  z.  B.  die 


—     137     — 

„Vossische  Zeitung"  in  dem  schon  herangezogenen 
Leitartikel  vom  22.  Juli  187G.  Strikes  sind  stets  nur 
ein  Produkt  der  Zeitverhältnisse,  und  wenn  sie  gelingen, 
so  sind  sie  auch  berechtigt.  Gleich  nach  dem  „Krach" 
begannen  die  Führer  der  Socialdemokraten  vom  Striken 
abzumahnen;  und  der  Strike,  den  die  Berliner  Schrift- 
setzer noch  im  Sommer  1876  versuchten,  missglückte, 
weil  er  eben  unzeitgemäss  war.  Mit  der  Krisis  be- 
gannen auch  die  Lohnherabsetzungen,  und  die  Arbei- 
ter haben  im  Grossen  und  Ganzen  dieselben  sich  ruhig 
gefallen  lassen.  Frühjahr  1875  erliess  Herr  Achen- 
bach,  der  Preussische  Handelsminister,  dem  Herr 
Camphausen  der  leitende  Stern  ist,  ein  Rundschreiben 
an  die  Oberbergämter,  in  welchem  er  die  Verkür- 
zung der  Lohnsätze  und  zugleich  eine  Verlängerung 
der  Arbeitszeit  verlangte.  Ganz  unnöthig  war  es, 
dass  die  „Nationalzeitung"  diesen  Vorgang  den  In- 
dustriellen zur  Nachahmung  empfahl;  dieselben  thaten 
ohnehin,  was  sie  konnten.  Höchst  überflüssig  war 
es,  dass  der  jüdische  „Volkswirth"  H.  B.  Oppenheim 
noch  im  Februar  1876  sich  in  öffentlicher  Versamm- 
lung also  vernehmen  Hess:  Die  Fabrikanten  haben 
ihren  Arbeitern  zu  viel  bewilligt,  und  nun  fehle  ihnen 
der  Muth,  die  Löhne  auf  den  gebührenden  Stand- 
punkt  herunterzudrücken.     Die  Herreu   sollen   sicli 


—     138    — 

(loch  ein  Beispiel  an  Krupp  in  Essen  nehpien.  — 
Ihm  antwortete  ein  Mann,  der  sich  selber  vom  Arbei- 
ter zum  Fabrikherrn  emporgeschwungen,  mit  gezie- 
mender Entrüstung:  Was  den  Arbeitern  1871  bis 
1873  gewälirt  ist,  hat  der  Fabrikant  ihnen  längst 
wieder  kürzen  müssen.  Und  damit  dürfte  es  genug 
sein.  Ein  schlecht  bezahlter  Arbeiter  ist  der  theuerste, 
weil  er  leistungsunfähig  wird  und  dazu  aufhört  Con- 
sument  zu  sein. 

Hand  in  Hand  mit  der  Lohnbeschneidung  ging  die 
Arbeitslosigkeit,  und  sie  wächst  bedrohlich.  Viele 
Eisen-  und  Maschinenwerke  sind  völlig  eingegangen 
oder  feiern  doch  einstweilen;  alle  übrigen  arbeiten 
nur  mit  einem  Bruchtheil  ihrer  Leistungsfähigkeit. 
Auch  bei  Krupp  in  Essen  ist  das  Heer  der  Arbeiter 
gelichtet.  Jn  den  fünf  grössten  Maschinenfabriken 
Berlins  ist  die  Zahl  der  beschäftigten  Leute  von  zu- 
sammen 10,000  auf  ca.  3000  zusammengeschmolzen. 
Ueberall  lahmt  der  Betrieb,  die  Arbeiter  werden  zu 
Hunderten  und  Tausenden  entlassen,  Sorgen  und 
Elend  stehen  auf  der  Tagesordnung,  und  bereits  zeigt 
sich  ein  schreckliches  Gespenst,  der  Hungertyphus! 
Da  thut  es  doppelt  noth,  dass  der  reiche  Mann 
des  armen  Nächsten  gedenke,  dass  der  Fabrikherr 
sich  seiner  Arbeiter  annehme.     Und   einen   solchen 


—     139     — 

Fall   wusste   die  Presse  neulich  zu   berichten.     Im 

vollen  Chor  meldeten  die  Berliner  Blätter: 

„Der  Geheimrath  Borsig  hat  mit  Rücksicht  auf  die 
andauernden  schlechten  Zeiten  Anweisung  gegeben,  8000  Tonn  an 
Coaks  anzuliaufen  und  dieselben  seinen  Arbeitern  für  den 
kommenden  "Winter  zum  Selbstkostenpreise  abzugeben.  Ein 
derartiges  Vorgehen  ist  anderen  Fabrikbesitzern  ebenfalls  zu 
empfehlen." 

Die  edle  That  des  Herrn  Borsig,  die  ihm  freilich 
keinen  Heller  kostete,  stand  in  allen  „liberalen"  Zei- 
tungen zu  lesen;  aber  auffälliger  Weise  erzählte  von 
demselben  Manne  nur  die  ultramontane  „Germania" 
das  folgende  Stückchen: 

„Ein  hartes  Loos  ist  dem  61  Jahre  alten,  von  Taubheit 
und  anderen  Leiden  befallenen  Arbeiter  H.  dadurch  zu  Theil 
geworden,  dass  er  vom  geraden  Pfade  nur  um  ein  Haar  breit 
abgeAvichen.  Derselbe  ist  bereits  seit  beinahe  einem  Viertel- 
jahrhundert in  der  Maschinenbauanstalt  des  Geheimen 
Commerzienrath  Borsig  beschäftigt,  und  will  sich  seine 
Leiden  im  Dienste  desselben  zugezogen  haben.  Am  12  Mai  c. 
steckte  H.  eine  kleine  Quantität  Kupfer-  und  Eisenfeilspähne 
zu  sich,  um  sie  zu  Hause  durchzusieben  und  zu  Streusand  zu 
verwenden.  Bei  Borsigs  ist  bekanntlich  dem  Portier  das  Recht 
vindicirt,  jeden  Arbeiter  beim  Verlassen  der  Fabrik  zu  visi- 
tiren,  und  so  sind  diese  Eisenfeilspähne  an  jenem  Abend  bei 
H.  gefunden  worden.  Auf  den  von  dem  Geheimen  Rath  Borsig 
gestellten  Strafantrag  wurde  H.,  der  wegen  dieses  Falsums  s  o  - 
fort  entlassen  und  seines  Invalidenanspruchs  verlustig 
erklärt  worden  ist,  unter  Anklage  des  einfachen  Diebstahls 
gestellt  und  am  Freitag  von  der  vierten  Criminaldeputatiou  zu 
zwei  Tagen  Gefäugniss  verurtheilt". 


—     140    — 

Der  arme  Teufel  hatte  sicli  widerrechtlich  eine 
Sache  angeeignet,  die  vielleicht  ein  paar  Pfennige 
werth  sein  mochte.  Herr  Albert  Borsig  dagegen 
gründete  u.  A.  in  Verbindung  mit  Jabob  Lob  Eltz- 
bacher,  Paul  Mendelssohn-Bartholdy,  Adalbert  Del- 
brück, Ferdinand  Güterbock,  Julius  Alexander,  Theodor 
Hertel  etc.,  die  Eisenbahnbaugesellschaft  F.  Plessner 
&  Co.,  die  ihr  Grundcapital  schliesslich  auf  4^2 
Millionen  Thalern  brachte,  deren  Actien  einst  180  stan- 
den und  jetzt  0  stehen,  die  1875  bankerott  wurde, 
bei  der  die  Gläubiger  ca.  5  Millionen  Thal  er  und 
die  Actionäre,  in  Folge  der  Courstreiberei,  zusammen 
8  Millionen  Thaler  verloren.  Herr  Borsig  hat  als 
Gründer  und  Aufsichtsrath  dieser  Gesellschaft  grosse 
Summen  als  Agio  und  Tantieme  eingesteckt;  er  hat 
pro  1872  eine  Dividende  von  14^Vo  vertheilt,  die  jetzt, 
als  auf  einer  gefälschten  Bilanz  beruhend,  im  Wege 
des  Civilprocesses  angefochten  wird,  während  der 
Staatsanwalt  sein  Einschreiten  abgelehnt  haben  soll. 
Herr  Borsig  hat  Frühjahr  1873  in  offener  General- 
versammlung für  das  laufende  Jahr  noch  eine  höhere 
Dividende  verheissen,  und  dadurch  viele  Personen, 
zum  Ankauf  der  Actien  verlockt,  um  ihr  ganzes  Ver- 
mögen gebracht. 

Die  Deutsche  Industrie  ist  krank  und  siech.    Sie 


—     141     — 

hat  auf  der  Weltausstellung  in  Philadelphia  ein  trau- 
riges Fiasco  gemacht,  sie  blickt  mit  Sorge  und  Angst 
in  die  Zukunft.  Unternehmungsgeist  und  Vertrauen 
sind  geschwunden,  eine  Actiengesellschaft,  ein  Etablisse- 
ment nach  dem  andern  liquidirt  oder  fallirt,  die  Zei- 
tungen sind  voll  von  Zahlungsstockungen  und  Banke- 
rotten. Eine  Armee  von  Arbeitern  feiert  und  blickt 
nach  Brot  umher.  In  erschrecklicher  Weise  mehren 
sich  die  Processe  und  die  Executionen,  mehren  sich 
die  Verbrechen  gegen  das  Eigenthum  und  die  Sitt- 
lichkeit, mehren  sich  die  Obdachlosen,  die  Vagabun- 
den und  die  —  Selbstmorde.  Das  ist  der  Triumph  der 
Industrie,  das  Werk  der  Gründer  und  Gründergenossen ! 


Nicht  genug  an  den  zahllosen  Maschinenbaugrün- 
dungen Deutschlands,  mit  deren  Actien  man  den 
Markt  überschwemmte,  die  Berliner  Börse,  so  „inter- 
national", d.  h.  so  vaterlandslos  wie  kaum  eine  andere, 
führte  auch  mit  Geschick  und  Glück  die  Papiere  aus- 
ländischer Gesellschaften  ein,  die  in  ihrer  Heimat 
kein  Unterkommen  fanden  und  nun  dem  Deutschen 
Publikum  angeschmiert  wurden.  Sobald  eine  Gesell- 
schaft das  Actiencapital  verspeist  hat,  und  neue  Actien 
zu  fabriciren  nicht  mehr  wagt,  pflegt  sie  zur  Ausgabe 
von  Prioritätsobligationen    oder   Hypothekenschuld- 


—     142     — 

briefen  zu  schreiten,  welche  die  Actien  vollends  ent- 
werthen,  und  selber  eine  mehr  oder  weniger  frag- 
würdige Sicherheit  bieten.  Mit  dem  Cours  der  Actien 
sinkt  naturgemäss  auch  der  Cours  der  Prioritäten, 
weil  eben  jene  den  Werth  des  betreffenden  Etablisse- 
ments repräsentiren,  und  der  sinkende  Cours  bedeutet, 
dass  das  Unternehmen  stockt  oder  krankt,  Noth  lei- 
det oder  in  Gefahr  schwebt.  Prioritäten  von  Fabriken, 
Bergwerken  oder  dergleichen  gewähren  daher  nicht 
entfernt  die  Sicherheit  wie  Hypotheken  städtischer  oder 
ländlicher  Grundstücke-,  sie  sind  gleichfalls  blosse 
Börsen-  und  Speculationspapiere,  was  aber  dem  Publi- 
kum wohlweislich  verschwiegen  wird,  worüber  man 
es  geradezu  täuscht.  Solche  Prioritäten  ausländischer 
Gesellschaften  wurden  von  Berliner  Häusern  zu  Markt 
gebracht,  selbstverständlich  unter  Versicherung  der 
unbedingtesten  Sicherheit,  welche  Versicherung  die 
Zeitungen  auch  im  redactionellen  Theil  wiederholten. 

Februar  1872  legt  die  Preussische  B öden- Credit- Actien- 
Bank  des  Herrn  Riebard  Scbweder  IV2  Milionen  Thaler  sechs- 
procentige  Prioritäts-Obligationen  der  Enssischen  Gesellschaft 
für  Maschinenbau-  und  Hüttenwesen  bei  Petersburg  (Ad- 
ministrationsrath :  E.  M.  Meyer  &  Co.)  zum  Course  von  94 V2 
auf.  Diese  Gesellschaft  hat  seitdem  in  jedem  Jahre  grosse 
Verluste  erlitten;  1874  schloss  sie  mit  einer  Unterbilanz  von 
fast  3  Millionen  Piubel,  und  sah  sich  genöthigt,  vriederholt  die 
Hülfe  der  Russischen  Regierung  anzurufen.     Sie   erhielt  von 


—     143    — 

derselben  auch  die  Erlaubniss,  eine  neue  Anleihe  zu  contrahiren, 
und  eine  Reihe  grösserer  Aufträge;  doch  wurde  das  Etablissement 
im  Juni  lfe76  ein  Raub  der  Flammen,  und  damit  der  Betrieb 
einstweilen  eingestellt.  Das  Grundcapital  beträgt  5  Millionen 
Thaler,  und  notirten  die  Actien  vor  dem  Brande  etwa  5.  Ob- 
wol  die  Zinsen  der  in  Deutschland  eingeführten  Prioritäten 
bisher  noch  immer  bezahlt  wurden,  war  der  Cours  derselben 
doch  schon  von  94V-2  bis  40  Brief  gesunken,  d.  h.  sie  wurden 
mit  40  ausgeboten. 

Februar  1873  emittirten  die  Berliner  Handelsgesellschaft 
und  das  Bankhaus  F.  W.  Krause  &  Co.  1,088,000  Thaler  sechs- 
procentige  Prioritäts-Obligationen  der  Moskauer  Actiengesell- 
schaft  für  Liefernug  von  Eisciibahnbedarf  zum  Course 
von  80.  Dem  Prospect  war  in  Betrefl'  der  Sicherstellung  ein 
besonderes  Attest  des  „Rechts  -  Consulenten  der  Kaiserlich 
Deutschen  Botschaft  in  St.  Petersburg"  beigefügt.  Januar  1876 
wurden  die  Zinsen  dieser  Prioritäten  nicht  mehr  bezahlt.  Der 
Vorbesitzer  Meyer  ist  gestorben,  das  Unternehmen  befindet  sich 
in  Concurs.  Die  Berliner  Handelsgesellschaft  schickte  einen 
Rechtsanwalt  nach  Moskau,  der  die  Interessen  der  Prioritäts- 
Gläubiger  vertreten  sollte,  doch  ist  über  das  Resultat  dieser 
Mission  nichts  bekannt  geworden.  Selbstverständlich  haben 
die  Prioritäten  jeden  Cours  verloren,  iudess  dürfte  eine  Ent- 
schädigungs-Klage gegen  die  beiden  Berliner  Emissionshäuser 
nicht  ohne  Aussicht  sein. 

Sind  diese  ausländischen  Prioritäten  faul,  so  giebt 
es  eine  inländische,  die  auch  grosse  Bedenken  erregt. 
Es  ist  dies  die  „füufproeentige  hypothekarische 
Anleihe  der  Gussstahlfahrik  vou  Friedrieh  Krupp 
zu  Esseu"  im  Betrage  von  10  Millionen  Thaler. 

Nach   iMittheilungen    der  Börsenblätter  trat  im 


—     144     — 

Herbst  1871  die  Versuchung,  sich  „gründen"  zu  lassen, 
gleichzeitig  an  den  „Locomotivenkönig"  Borsig,  wie 
an  den  „Kanonenkönig"  Krupp  heran.  Aber  beide 
Herren  sollen  abgelehnt  haben.  Ob  sie  es  aus  Ehr- 
gefühl oder  aus  Vorsicht  und  Klugheit  thaten,  steht 
dahin.  Die  „Gründung"  solch  grossartiger  Etablisse- 
ments ist  für  den  Verkäufer,  wenn  er  den  Preis  nicht 
baar  und  auf  Einem  Brett,  sondern  etwa  zum  Theil  in 
Actien  und  in  längeren  Terminen  erhält,  nicht  ohne 
Gefahr;  er  kann  ebenso  stark  betrogen  werden  wie  die 
Actionäre.  Genug,  der  Geheime  Commerzienrath  Alfred 
Krupp  soll  die  Gründungsanträge  zurückgewiesen  haben. 
Aber  der  „Grosse  Krach"  verfehlte  auch  nicht  auf 
die  berühmte  Geschützfabrik  Eindruck  zu  machen. 
Seine  Wirkungen  zeigten  sich  in  einer  Eeihe  von 
Ukasen,  mit  welchen  Herr  Krupp  den  Lohnanforde- 
ruugen  und  sonstigen  Reclamationen  seiner  Arbeiter 
entgegentrat.  Dieselben  lauten  in  der  Regel  etwa 
so:  Ich  bin  aus  Euern  Reihen  hervorgegangen,  ich 
habe  vor  25  Jahren  gearbeitet  wie  Ihr;  ich  weiss, 
was  Euch  noth  und  gut  thut,  besser  wie  Ihr,  und  ich 
gewähre  Euch,  was  Ihr  braucht  und  was  Ihr  ver- 
langen dürft,  in  reichlichem  Maasse.  Darum  rathe  ich 
Euch  freundschaftlich:  raisonuirt  nicht  und  seid  hübsch 
zufrieden.     Ich    dulde    keinen   Widerspruch;    wem's 


I 


—     145     — 

nicht  behagt,  der  packe  sich !  —  Herr  Krupp  regiert 
unumschränkt,  und  er  erlässt  alle  Gesetze  allein. 

Aber  nicht  nur  einem  constitutionellen,  auch  einem 
absoluten  Monarchen  kann  das  Geld  ausgehen,  und 
auch  Alfred  Krupp  gerieth  Anfang  1874  in  Verlegen- 
heit. Er  ^Yandte  sich  nach  Berlin,  und  wie  ein 
Wiener  officiöses  Börsenorgan  erzählte,  hatte  er  eine 
Audienz  beim  Kaiser,  dem-  er  ein  Bild  seiner  bedräng- 
ten Lage  entwarf.  Der  Kaiser  soll  erwiedert  haben: 
er  anerkenne  die  Verdienste  Krupp's  und  sein  Genie; 
um  so  mehr  aber  bedauere  er  auch,  wenn  ein  Mann 
von  solchen  Fähigkeiten  nicht  die  Grenze  für  die 
Ausdehnung  seiner  geschäftlichen  Engagements  zu 
finden  gewusst  habe. 

Am  4/5.  Mai  1874  legte  die  „General-Direction 
der  Seehandlungsso  cietät",  unterstützt  von  ihren  ge- 
wöhnlichen Trabanten:  Disconto-Gesellschaft,  S.Bleich- 
röder  undBerlinerHandelsgesellschaft,Bank  für  Handel 
und  Industrie  in  Darmstadt,  A.  Schaafihausen'scher 
Bankverein,  Sal.  Oppenheim  jr.  &  Co.  und  Deichmann 
&  Co.  in  Cöln,  eine  Anleihe  von  zehn  Millionen  Thaler 
zum  Course  von  96  auf,  die  von  1876  bis  1883  suc- 
cessive  mit  110  zurückgezahlt  werden  soll,  und  für 
welche  Herr  Krupp  seine  Etablissements,  Berg-  und 
Hüttenwerke  verpfänd  et. 

ülagau.,  Der  BOrsenscliwiudel.    II.  10 


—     146    — 

Dieser  Vorgang  war  in  Preussen  nicht  erhört. 
Zwar  in  0 esterreich  haben  Rothschild  und  andere 
Finanzhäuser  Partial- Obligationen  und  Loose  von 
hochadligen  Grossgrundbesitzern  emittirt;  aber  dass 
der  Staat  —  denn  die  Seehandlung  ist  ein  Staats- 
institut —  die  Anleihe  eines  Privatmannes  besorgt, 
ist  wol  überhaupt  noch  in  keinem  Lande  vorgekom- 
men. Selbstverständlich  wäre  die  Anleihe  ohne  die 
Seehandlung  auch  nie  geglückt,  denn  wo  der  Privat- 
credit  versagt,  pflegt  das  allgemeine  Publikum  noch 
weit  zurückhaltender  zu  sein. 

Welchen  Werth  die  verpfändeten  Objecte  eigent- 
lich haben,  ist  weder  in  dem  Prospecte  noch  in  den 
Obligationen  gesagt.  Unzweifelhaft  werden  dieselben 
durch  Sachverständige  vorher  abgeschätzt  sein,  und 
die  Taxe  wird  den  Betrag  der  Anleihe  weit  über- 
ragen. Aber  Pfandobjecte  dieser  Art  sind  den  grössten 
Preisschwankungen  unterworfen,  sie  sind  ganz  und 
gar  von  der  Conjunctur  abhängig,  und  die  Conjunctur 
ist  ihnen  seit  dem  „Krach"  höchst  ungünstig.  Eine 
neue  Erfindung,  ja  eine  neue  Mode,  und  die  Krupp'schen 
Gussstahlgeschütze  können  leicht  verdrängt  werden. 
Die  fortschreitende  Krisis,  die  immer  grösser  wer- 
dende Arbeitslosigkeit  macht  sich  auch  in  den  Krupp- 
schen Werkstätten  geltend,  und  wie  die  Zeitungen 


—     147     — 

meldeten,  sind  auf  den  Krupp'schen  Hütten  bereits 
mehre  Oefen  ausgeblasen.  Berg-  und  Hüttenwerke 
sind  überdies  allen  möglichen  Gefahren,  Verlusten 
und  Unglücksfällen  ausgesetzt,  und  Naturereignisse 
können  sie  völlig  zerstören. 

Mit  Einem  Worte,  die  verpfändeten  Objecte  bieten 
für  die  kolossale  Anleihe  von  zehn  Millionen  Thaler 
keine  besondere  Sicherheit.  Die  Seehandlung  aber 
ist,  wie  unter  den  Anleihe-Bedingungen  ausdrücklich 
bemerkt,  den  Obligations-Inhabern  „nicht  verhaftet", 
diese  müssen  ihre  Rechte  gegen  die  Firma  Friedrich 
Krupp  selber  geltend  machen.  Wenn  die  Prioritäten 
trotz  alledem  über  100  notiren,  so  ist  dieser  Cours 
wol  nur  der  Seehandlung  und  den  engagirten  Börsen- 
mächten zu  danken,  und  einem  grösseren  Angebot 
würde  er  schwerhch  Stand  halten. 


10^ 


„starker  Tabak". 

Eduard  Ton  Hartmanu,  der  Actien-Philosopli,  und  „Volkswirtt"  H.  B.  Oppen- 
heim ,  der  „Wissende"  —  Geheimrath  Oechelhänser  und  Minister  Achenhacli 
—  (4asgründungen :  Dessauer  Gas,  Wiener  Gas  und  Holte  &  Co.;  Gothaer 
Wasserversorgung,  Central-Heizung,  Mattison  &  Brandt,  Wasserwei'ke  in 
Frankfurt  a.  0.,  Neptun,  Schäfer  &  Hauschner,  Granger  &  Hyau ,  Globus, 
Saturn,  Internationale  —  Papiergründungen:  Berliner  Papier,  Berliner 
Pappen,  Norddeutsche,  Wolfswinkel,  Kiauten,  Hohenkrug,  Gehr.  Eubens, 
Alfeld-Gronau,  Sinslehen,  Rheinische,  Hessische,  Cröllwitzer,  Muldenthal 
AVeissenhorn,  Königstein,  Köttewitz,  Sehnitzer,  Bautzener,  Einsiedel,  Penig, 
Lösnig,  Schlema,  Berliner  Patent  —  Zuckergrnndungen :  Trachenherg,  Alt 
Jauer,  ßostocker,  Wildunger,  Glauzig,  Bredow,  Körbisdorf,  Nienburger,  Schwe 
dische,  Braunschweiger,  Berliner,  Altenburger,  Seeler  &  Moiske,  Dutalis.Köhl 
mann  —  Glasgründungen ;  Deutsche  Spiegelglas,  Albertinenhütte,  Charlotten 
hütte.  Nieder  lausitzer,  Eadeberger,  Westphälische,  ßheinische,  Penziger,  Stoll' 
berger  —  Die  Gründer  in  Gefahr  —  Leder  und  Gummi:  Beck,  Bierling, 
Thiele,  Dohna,  BoUe,  Fonrobert  &  Reimann,  Volpi  &  Schlüter,  Toigt  &  Winde, 
Schwanitz,  Kölner  Gummifäden,  Continental-Caoutchouc,  Harburg- Wien  —  Die 
Berliner  „Tribüne"  in  sittlicher  Entrüstung  —  Der  Humor  der  Deutschen 
Industrie  —  Tabaks-Gründungen:  Prätorius,  Brnnzlow,  Union,  Collenbusch, 
G.  Müller,  Dressler,  Ritter,  Ansbacher  —  Mangelhafte  Beilage  —  „Höre 
Israel!" 

November  1871,  als  der  Börsen-  und  Gründungs- 
schwindel  in  vollem  Gange  war,  brachte  die  „National- 
Zeitung"  die  sich  um  denselben  so  grosse  Verdienste 
erworben  hat,  ein  bedeutsames  Feuilleton  von  Eduard 
von  Hartmann.  Herr  Hartmaiin  ist  der  „berühmte" 
Berliner  Philosoph,  ein  Philosoph  ersten  Pianges, 
denn   er   spricht   von   Kant,  Hegel   und   sogar  von 


-     149     - 

Schopenhauer,  dessen  Nachtreter  er  ist,  mit  souve- 
räner Geringschätzung.  Sein  Hauptwerk,  die  „Philo- 
sophie des  Unbewussten"  ist,  wie  schon  der  Titel 
zeigt,  ein  „geistreicher"  Nonsens;  es  erklärt  die  Welt 
für  eine  faule  Gründung,  das  Leben  für  ein  Elend, 
dem  man  nicht  schnell  genug  entfliehen  könne,  und 
preist  als  höchstes  Glück  die  Vernichtung,  die  Rück- 
kehr in  das  „Unbewusste".  Herr  von  Hartmann  ver- 
dankt seinen  Pailim  einer  ungemein  geschickten  Reclame, 
mit  der  sein  Buch  in  Scene  gesetzt  wurde,  und  haupt- 
sächlich den  Backfischen.  Die  gebildeten  Töchter 
gebildeter  Stände  citiren  die  „Philosophie  des  Unbe- 
wussten" mit  Begeisterung,  und  neuerdings  fangen  auch 
ehrsame  Handwerker  an,  sie  mit  Nutzen  zu  studiren  *), 
Herr  von  Hartmann  ist  ein  verwegener  Autodi- 


*)  Ein  Steindrucker  überfiel  in  der  Frühstückspause  plötz- 
lich seinen  Kameraden  und  erschlug  ihn.  Er  habe  dem  Freunde 
nur  einen  Gefallen  thun,  ihn  von  der  Qual  des  Daseins  befreien 
wollen,  erklärte  der  Unglückliche,  und  berief  sich  auf  die  „Philo- 
sophie des  Unbewussten",  die  ja  lehre,  dass  Kichtsein  unend- 
lich besser  sei  als  Sein.  Dies  veranlasste  den  „Berliner  Börsen- 
Courier",  dem  die  Börseuflaue  jetzt  viel  Müsse  lässt,  zu  einem 
Ausfall  gegen  das  „Sj-stem"  des  Herrn  von  Hartmaun,  und  der 
grosse  Philosoph  rief  den  Staatsanwalt  an,  der  auch  merkwür- 
digerweise die  Anklage  erhob.  Aber  das  Resultat  war  ein  sehr 
dürftiges.  Der  Bruder  des  „Börsen-Courier"  hielt  dem  Gerichts- 
hof eine  grosse  Pauke,  und  das  Urtel  lautete:  wegen  Belei- 
digung in  der  Form  auf  zehn  Thaler  Geldbussc! 


—    150    — 

dact;  ein  Ritter  von  der  heute  den  Markt  beherrschen- 
den Halbbildung.  Er  dilettirt  in  allen  möglichen 
Künsten  und  Wissenschaften:  er  malt  und  componirt, 
er  schreibt  Tragödien  und  philosophische  Werke, 
und  er  macht  auch  in  Feuilletons.  Ein  solches  er- 
schien von  ihm  damals  in  der  „Nationalzeitung"  unter 
dem  Titel  „Die  moderne  Actien-Industrie"  und  feierte 
die  Gründungsära  als  den  hereinbrechenden  Morgen 
des  goldenen  Zeitalters.  Herr  von  Hartmann  Hess 
sich  u.  A.  so  vernehmen: 

„Wie  in  einer  warmen  Sommernacht  nach  dem  Regen  die 
Pilze,  so  schiessen  die  industriellen  Actienunternehmungen  in 
der  fruchtbaren  Atmosphäre  des  neuen  Deutschen  Reichs  her- 
vor, theils  Neugründungen,  noch  mehr  aber  Umwandlungen  be- 
stehender Fabriken.  —  „Für  den  Actionär  ist  der  reelle 
Capitalwerth  eines  Unternehmens  absolut  gleich- 
gültig; was  er  mit  seiner  Actie  kaufen  will,  ist  eine  Rente. 
—  „Die  Rente  ist  nun  zwar  theilweise  bedingt  durch  den  Capi- 
talwerth eines  Unternehmens,  aber  sie  hängt  noch  von  ganz 
anderen  Factoren  ab,  welche  unter  Umständen  den  Capitalwerth 
vollständig  überwiegen  können.  —  „Es  wird  nicht  nur  der 
Werth  der  Mobilien  und  Immobilien,  sondern  auch  der  Werth 
der  Firma,  der  gesicherten  Kundschaft,  der  Lage  des  Etablisse- 
ments, mit  einem  Wort  der  erfahrungsmässig  von  demselben 
abgeworfene  Reinertrag  bezahlt.  —  „Ob  die  Nominalcapitalien 
nicht  doch  noch  im  Durchschnitt  zu  hoch  gegriffen  sind,  das 
wird  erst  aus  der  Durchschnittsdividende  sämmtlicher  jetzt  ent- 
stehender Unternehmungen  nach  etwa  fünf  Jahren  mit  Sicher- 
heit beurtheilt  werden  können.  Der  Ausfall  dieser  Ent- 
scheidung  wird   übrigens   nur   für   die  Privatwirth- 


—     151     — 

Schaft  der  Actionäre,  nicht  für  die  Yolkswirthschaft 
des  Deutschen  Reiches  von  Bedeutung  sein." 

Wie  man  sieht,  rechtfertigt  Herr  von  Hartmann 
das  Treiben  der  Gründer  vollständig;  er  hält  selbst 
schwindelhafte  Gründungen  für  erlaubt,  ja  für  berech- 
tigt, weil  er  meint,  dass  auch  bei  diesen  der  Actionär 
noch  sehr  gut  fahren  könne,  und  meistens  gut  fahren 
müsse.  Die  Actiengesellschaften  sind  ihm  ein  Fort- 
schritt in  der  Culturentwickelung  und  in  der  allge- 
meinen Wohlfahrt.  Sie  werden  der  Industrie  die  ihr 
bisher  entzogenen  Capitalien  zuführen,  und  die  Con- 
currenz  in  ungeahnter  Weise  steigern.  Selbst  die 
allergrössten  Privatfabriken  werden,  um  concurrenz- 
fähig  zu  bleiben,  gegründet  werden  müssen,  da  die 
Actiengesellschaften  weit  sparsamer  wirthschaften, 
weit  wohlfeiler  produciren  können.  Die  Actienin- 
dustrie  werde  die  Producte  billiger  machen,  die  Löhne 
steigern,  die  materielle  Lage  der  arbeitenden  Klassen 
"VNTsentlich  verbessern.  Ja,  Herr  von  Hartmann  ver- 
hofft von  der  Actienindustrie  die  Beilegung  der 
socialen  Kämpfe,  die  Befriedigung  der  Socialdemo- 
kraten  und  sagt  wörtlich: 

„Auf  diesem  Wege  liegt  meines  Erachtens  die 
Lösung  der  socialen  Frage:  es  giebt  keine  andere  als  die 
Productivassociation ,  es  giebt  keine  Productivassociation  ohne 
eigenes  Capital,  es  giebt  keine  vernünftige  Form  der  Productiv- 


—     152    — 

association  mit  Capital  ausser  der  Form  der  Actiengesellschaft, 
es  giebt  keine  andere  Möglichkeit  für  die  Arbeiter,  Mitglieder 
von  Productivassociatiönen  zu  werden,  als  indem  sie  Actionäre 
der  grossen  industriellen  Actienunternehmungen  werden." 

Dieser  Artikel  war  denn  doch  selbst  einem  Theil 
der  Leser  der  ^.Nationalzeitung"  zu  stark,  und  die 
Redaction  sah  sich  genöthigt,  den  Actien-Philosophen 
etwas  zur  Ordnung  rufen  zu  lassen.  Solches  geschah 
acht  Tage  später  in  dem  Feuilleton  „Ueber  die  neuen 
Formen  der  Arbeit  und  des  —  Müssiggangs",  welches 
einen  „Volkswirth"  vom  Fach,  Herrn  H.  B.  Oppen- 
heim, zum  Verfasser  hatte. 

Zunächst  bricht  Herr  Oppenheim,  wahrscheinlich 
aus  Rücksicht  für  die  von  den  Herren  Hansemann 
und  Miquel  geleitete  Discontogesellschaft,  eine  Lanze 
für  die  Commanditgesellschaft  auf  Actien,  welche 
Herr  von  Hartmann  als  ein  cäsarisches  Institut  des 
letzten  Französischen  Kaiserthums  hingestellt  hatte, 
während  er  die  reine  Actiengesellschaft  eine  „demo- 
kratische Gesellschaftsform"  nannte.  Herr  Oppenheim 
bemerkt  dagegen: 

Das  Commanditgeschäft  ist  viel  älteren  Ursprungs  und  war 
namentlich  in  England  einheimisch,  „wo  die  Form  der  Actien- 
gesellschaft bis  auf  die  neueste  Zeit  mit  Misstrauen  aufge- 
nommen wurde  und  möglichst  eingeschränkt  war.  Und  zwar  hängt 
dies  gerade  mit  dem  constitutionellen  Geist  Englands  zusammen, 
denn  in  dem  Commanditgeschäft  ist  die  persönliche  Verant- 
wortlichkeit des  Leiters  und  der  activen  Theilnehmer  viel  stärker 


153 


ausgeprägt  als  in  der  Actiengesellschaft,  Diese  letztere  trägt 
allerdings  einen  gewissen  modernen  Charakter  falscher  Demo- 
kratie au  sich,  indem  sie  auf  einem  allgemeinen  Stimmrecht 
beruht,  welches  im  Grunde  doch  nur  täuschender  Schein  ist, 
und  weder  von  persönlicher  Verantwortlichkeit  getragen,  noch 
durch  genaue  Sachkenntniss  unterstützt,  noch  durch  ein  starkes 
persönliches  Interesse  controlirt  wird." 

Sodann  zeichnet  Herr  'Oppenheim  das  Börsen- 
und  Gründertreiben  jener  Tage  in  so  knappen,  schar- 
fen Umrissen,  dass  man  über  die  Treue  und  Wahr- 
heit des  Bildes  heute  geradezu  erstaunen  muss: 

„Es  würde  sich  auch  an  der  Industrie  rächen,  wenn  ihr  mit 
Einem  Schlage  Capitalien  zugeführt,  welche  bis  dahin  zur 
Hebung  der  Landwiithschaft  oder  zur  Mobilisirung  des  Grund- 
besitzes dienen  mussten.  —  „Im  Gegensatz  zur  Kreuzzeitung 
fürchten  wir  von  dem  schwindelhaften  und  uncontrolirbaren 
Ueberwuchern  des  Actiengeschäfts  mehr  eine  Minderung  und 
Bedrängung  des  soliden  Bürgerstandes.  —  „Da  werden  zunächst 
immer  neue  Banken  gegründet,  Banken  für  Orte,  an  welchen 
naturgemäss  gar  kein  Bankgeschäft  blühen  kann-,  dann  Wechsler- 
und  Maklerbanken;  dann  „Emissions-"  und  „Repräsentations- 
banken". Von  denselben  Unternehmern  werden  jetzt  neue 
Banken  gegründet,  welche  ihren  eigenen  früheren  Schöpfungen 
an  denselben  Orten  Concurrenz  zu  machen  bestimmt  sind.  — 
,,Jene  zahlreichen  Banken  tragen  ihren  Namen  nur  noch  zum 
Schein-,  sie  sind  vielmehr  Mittel-  und  Brennpunkte  der  ver- 
schiedenartigsten Speculationen,  der  Ankäufe  von  Grund  und 
Boden,  von  Häusern,  Strassen,  Zeitungen,  Fabriken,  Berg- 
werken und  Eisenbahnen.  Aber  auch  diese  Gegenstände  werden 
von  ihnen  nicht  fach-  und  berufsgemäss  verwaltet,  sondern  wieder 
in  Actienunternehmungcn  verwandelt.  Das  ist  das  ganze  Ge- 
heimniss  der  Sache.    Manche  Bank  entsteht  nur,  um  an  der 


—    154    — 

allgemeinen  Beute  Theil  zu  nehmen;  dieselben  Leute  gründen 
drei  bis  vier  Banken,  um  drei-  bis  viermal  bei  den  neuen 
Emissionen  betbeiligt  zu  sein.  An  dem  eigentlichen  Geschäft 
haben  die  Potentaten  der  Börsenmacht  weiter  kein  Interesse; 
ie  behalten  die  Actien  nicht  länger,  als  bis  ihr  „Consortium" 
das  erste  bedeutende  Agio  aus  den  Taschen  des  leichtgläubigen 
Publikums  gezogen  hat.  Ja,  ihnenbleibtnoch  die  Chance, 
später  gegen  das  Unternehmen,  dessen  Schwächen  sie  am 
besten  kennen  und  in  jedem  Augenblick  aufdecken  können,  mit 
Erfolg  ä  la  baisse  zu  speculiren.  Wir  kennen  hoch- 
geachtete Börsenmänner,  welche  vor  Ueberschätzung 
ihrer  eigenen  Unternehmungen  vertraulich  warnen. 
—  „Wir  sehen  heute,  dass  die  Besitzer  von  Fabriken  sich 
massenhaft  dazu  drängen,  ihre  Geschäfte  in  die  Actienform  um- 
zumodeln. Ihr  Hauptbestreben  geht  dahin,  eiu  Consortium 
zu  finden,  welches  das  ganze  Anwesen  zu  einer  höhern  Taxe 
übernimmt.  Dem  Consortium  liegt  wenig  daran,  den  wahren 
Werth  festzustellen;  es  hängt  nur  am  goldenen  Schein,  denn 
je  mehr  Actien  es  unterbringen  kann,  desto  grösser  ist  sein 
Agiogewinnst.  Ist  der  Coup  gelungen,  so  empfängt  der  Fabri- 
kant eine  Summe  weit  über  sein  bisheriges  Vermögen  hinaus 
und  behält  überdies  noch  einen  beträchtlichen  Antheil  in 
Actien.  Während  er  bisher  mit  seinem  ganzen  Vermögen  in 
seiner  Industrie  wurzelte,  hat  er  jetzt  nur  noch  für  Ve  oder  Y, 
seines  Vermögens  Interesse  daran.  Mit  den  übrigen  V?  ist  er 
vielleicht  bei  vielen  anderen  Unternehmungen  betheiligt,  welche 
ebenso  entstanden  sind.  Es  ist  klar,  dass  bei  diesem  Ent- 
wickelungsprocess  eine  allgemeine  Ueberschätzung  und  indi- 
recte  Verschleuderung  des Volksvermögens stattfindet.  —  „Schon 
nehmen  die  neuen  Actien-Unternehmungen  offen  das 
Gepräge  von  Spielgesellschaften  an.  Sosehen  wir  z.B.  all- 
gemeine Eisenbahnbaugesellschaften  gründen  (Vgl.  die  „Deutsche 
Eisenbahnbaugesellschaft"  der  Herren  Hammacher-Hagen,  und 
die   „Deutsche   Reichs-    und    Continental -Eisenbahnbaugesell- 


—     155    — 

Schaft"  der  Herren  Bleichröder-  v.  Kardorff),  deren  Actionäre 
nicht  einmal  erfahren,  für  welche  Linien  ihre  Theilnahme  und 
ihr  Geld  verlangt  werden.  —  „Wollten  wir  gar  von  den 
Einwirkungen  einer  feilen  Zeitungspresse  ein  Bild 
entwerfen,  wir  würden  für  gallsüchtige  Splitterrichter  gelten, 
ohne  doch  im  Geringsten  übertrieben  zu  haben.  Denn  so 
stumpf  ist  schon  das  Gefühl  der  Meisten  geworden, 
dass  die  handwerksmässige  Verfälschung  der  öffent- 
lichen Meinung  in  diesen  Dingen  kein  Aufsehen  mehr 
erregt.  —  „Wir  sind  gleichfalls  in  Gefahr,  der  sittenfälschenden 
Herrschaft  einer  wüsten  Genusssucht  und  eines  geschmacklosen 
Luxus  zu  verfallen.  Nachdem  unsere  bürgerliche  Gesellschaft 
sich  kaum  von  den  herrschenden  Sitten  und  Traditionen  der 
Geburtsaristokratie  befreit  hat,  drohen  ihre  Sitten  von  einer 
frechen  Plutokratie  verdorben  zu  werden.  Hier  liegt  theilweise 
auch  die  Ursache  des  Mangels  an  Idealität  auf  unserer  Schau- 
bühne („Maria  und  Magdalena"  von  Paul  Lindau  war  noch  nicht 
aufgeführt!)  und  in  unserer  täglichen  Unterhaltungsliteratur 
(Vgl.  Gregor  Samarow  und  Sacher-Masoch)." 

In  der  Tliat,  es  ist  erstaunlich,  mit  welcher  Klar- 
heit und  Schärfe  der  jüdische  „Volkswirth''  den  haupt- 
sächlich von  seinen  Glaubensgenossen  betriebenen 
Schwindel  sofort  durclischaut  und  aufdeckt;  wie  er 
gleich  einem  Propheten  des  Alten  Testaments  alle 
Phasen  und  Stadien  des  grossen  Schwindels  schon 
im  Voraus  schildert;  mit  welcher  Offenheit  er  im 
Hause  des  Gehängten  (in  der  „National-Zeitung")  vom 
Strick  (von  der  Feilheit  der  Presse)  zu  reden  wagt! 
Es  ist  dies  aber  derselbe  Herr  H.  B.  Oppenheim, 
welcher  um  dieselbe  Zeit  in  derselben  „National-Zei- 


—     156     — 

tiing"  und  später  in  der  von  Herrn  Paul  Lindau  ge- 
gründeten „Gegenwart",  die  Professoren  Adolf  Wag- 
ner, Gustav  Schmoller,  Gustav  Schönberg  etc.  als 
„Katheder-Socialisten"  denuncirte,  weil  diese  auf  die 
Gefahren  der  manchesterlichen  Gesetzgebung  hin- 
wiesen, und  für  die  arbeitenden  Klassen,  für  das 
untergehende  Deutsche  Handwerk  gegen  die  Bour- 
geois- und  Capitalherrschaft  eintraten;  derselbe  H.  B. 
Oppenheim,  welcher  Herrn  Adolf  Wagner  des  „Com- 
munismus"  verdächtigte,  weil  dieser  erklärte,  dass 
der  Shylock'sche  Wucher  in  Häusern  und  Baustellen, 
die  unerträgliche  Miethsprellerei  in  den  Grossstädten 
leicht  zu  einer  Beschränkung  des  Grundeigenthums, 
Seitens  des  Staats  oder  der  Gemeinde,  führen  könne, 
also  der  Socialdemokratie  so  recht  in  die  Hände 
arbeite;  derselbe  H.  B.  Oppenheim,  der  für  die  „Ent- 
gründung"  der  Pflug'schen  Waggonfabrik*),  für  die 
Niederreissung  der  Werkstätten  und  die  Ausschlach- 
tung der  Terrains  in  Baustellen  plaidirte,  weil  die 
Actiengesellschaft  dabei  mehr  profitiren  müsse;  der- 
selbe H.  B.  Oppenheim,  welcher  nach  dem  „Krach" 
in  der  Nationalzeitung"  die  „Volkswirthschaftlichen 
Schriften"  des  Herrn  Geheimrath  Otto  Michaelis  oe- 
sprach,  und  mit  diesem  genialen  Manne  den  „Specu- 

*)  Vgl.  S.  53  ff. 


—     157     — 

lationshandel"  die  Differenzgeschäfte  und  das  Börsen- 
spiel vertheidigt,  alle  Verbote  dagegen  „unverstän- 
dig und  zwecklos^'  nennt  und  sein  dermaliges  Be- 
kenntniss  dahin  abgiebt:  „Die  Schädlichkeit  schwin- 
delhafter Strömungen  soll  nicht  geleugnet  werden, 
aber  wer  wird  ein  leidendes  Glied  gleich  amputiren 
wollen!  —  „Die  allgemeine  Verbreitung  jvolkswirth- 
schaftlicher  Bilduog  muss  dazu  beitragen,  dass  jeder 
sich  selber  schütze;  den  nackten  Betrug  mögen  Ge- 
setz  und   Gericht   unnachsichtlich    verfolgen.     Aber 

nicht  hierüber  hinaus!" 

Wie  man  sieht,  ist  also  doch  kein  besonderer 
Unterschied  zwischen  dem  manchesterlichen  „Volks- 
wirth"  und  dem  neuesten  „Philosophen".  Beide  wissen 
ihre  Ansichten  und  Lehren  den  Zeitumständen  anzu- 
passen, und  beide  reichen  sich  in  ihrer  Verehrung 
und  Vertheidigung  der  Gründer-  und  Börsenwirth- 
schaft  schliesslich  die  Hände.  In  jenem  Artikel  gegen 
Eduard  von  Hartmann  eifert  Herr  H.  B.  Oppenheim 
auch  nur  im  Allgemeinen  gegen  den  Schwindel;  er 
hütet  sich  wohl  Beispiele  anzuführen  und  Namen  zu 
nennen,  und  er  verabschiedet  sich  von  dem  Leser 
mit  der  ausdrücklichen  Versicherung,  dass  seine  Pole- 
mik nicht  etwa  der  „für  viele  Fälle  berechtigten  Form 
des  Actienunternehmens"  gelte,  dass  er  Abhülfe  keines- 


—     158    — 

wegs  von  der  Gesetzgebung  oder  Staatsgewalt  ver- 
lange, dass  hier  allein  „das  aufgeklärte  Verständniss 
und  der  gesunde  Sinn  der  Bürger'^  helfen  könne. 

Ohne  Frage  gehört  Herr  H.  B.  Oppenheim  zu 
den  „Wissenden";  das  Wissen  liegt  im  Blut,  in  der 
Race,  vererbt  sich  auf  alle  Kinder  des  auserwählten 
Volks,  auch  auf  diejenigen,  welch«  statt  des  Handels 
und  des  Wechselgeschäfts,  heute  die  Wissenschaft 
oder  die  Kunst,  die  Poesie  oder  die  Schriftstellerei, 
die  Gesetzgebung  oder  den  Journalismus  betreiben. 
Herr  Eduard  von  Hartmann  dagegen  ist  wol  nur  der 
Menge  der  „Gläubigen"  beizuzählen;  er  glaubte  selber 
an  den  Schwindel  und  war  von  ihm  geblendet,  was 
ihn  freilich  nicht  entschuldigt,  dass  er  über  Dinge 
schrieb,  von  denen  er  nichts  verstand.  Sein  Artikel 
war  für  die  Gründer  und  Börsianer  unbezahlbar, 
nicht  mit  Gold  aufzuwiegen.  Ihr  Treiben  vertheidigte 
und  pries  nun  auch  der  Philosoph,  und  er  forderte 
seine  Mitbürger,  reich  und  arm,  auf,  sie  möchten  um 
ihres  Heiles  willen  Alle  die  neuen  Industrie-Actien 
kaufen,  Alle,  Alle  Actionäre  werden! 

Was  Wunder,  wenn  die  Gründer,  so  gefeiert  als 
die  Wohlthäter  der  Menschheit,  als  die  Ritter  von 
der  Lösung  der  socialen  Frage,  noch  viel  toller  in's 
Zeug  gingen!    Unterstützt  von  den  Volkswirthen  und 


—     159     — 

Parlamentariern,  mit  deren  Namen  sie  ihre  Piospecte 
schmückten,  schufen  sie  tagtäglich  neue  „Actienunter- 
nehmungen",  warfen  sie  sich  bald  auf  diese,  bald  auf  jene 
Branche,  gründeten  sie  in  systematisclier  Weise:  Gas-, 
Wasser-  und  Heizungsanlagen,  Papier-,  Zucker-  und 
Glas-,  Leder-,  Gummi-,  Tabaks-  und  chemische  Fabri- 
ken, Webereien,  Spinnereien  und  Färbereien,  Bau- 
vereine und  Brauereien,  Berg-  und  Hüttenwerke  und 
sehr  mannigfaltige  „Diverse".  Auf  allen  diesen  Ge- 
bieten war,  wie  die  Prospecte  versicherten,  und  wie 
die  Zeitungen  im  redactionellen  Theil  bestätigten,  ein 
dringendes  Bedürfniss  vorhanden,  eine  hohe  Picnta- 
bilität  zweifellos;  und  thatsächlich  gestaltete  sich  der 
Begehr  und  der  Verbrauch  plötzlich  stärker,  begannen 
die  Preise  aller  Fabrikate  und  Producte  rapide  zu 
steigen.  Immer  weiter  schien  die  Nachfrage  das  Au- 
gebot hinter  sich  zurückzulassen,  aber  das  schwin- 
dende Angebot  und  die  wachsende  Nachfrage  waren 
zum  Theil  auch  künstlicher  Natur;  jenes  wurde  in 
schlauer  Speculation  unterdrückt,  diese  mit  allen  Mitteln 
genährt,  das  Publikum  zum  Luxus  und  zur  Verschwen- 
dung verführt;  in  welchen  Punkten  wieder  die  Grün- 
der und  Gründergenossen  das  Aeusserste  leisteten.* 
Und  ebenso  systematisch  ging  die  Börse  vor.  In 
der  einen  Woche  Hess  sie  sprungNveise  die  Gasactien 


—     160    — 

steigen,  in  der  nächsten  die  Papieraetien,  in  der 
dritten  die  Zuckeractien,  so  dass  jede  Branche  an 
die  Reihe  kam  und  für  jede  die  Menge  präparirt  und 
geködert  wurde.  Das  Publikum  kauft,  wie  die  Börse 
sehr  wohl  weiss,  nur  bei  steigenden  Coursen,  und 
verkauft  bei  fallenden,  während  es  eigentlich  umge- 
kehrt thun  müsste.  Das  Steigen  des  Courses,  in  den 
meisten  Fällen  blosse  Börsenmache,  dünkt  ihm  ein 
untrügliches  Zeichen,  dass  auch  der  innere  Werth 
der  Actie  sich  gehoben,  dass  diese  eine  gute  Dividende 
verspricht,  und  ein  besonders  solides  Anlagepapier 
ist.  Von  den  Kniffen  und  Piänken  der  Speculanten 
hat  selbstverständlich  das  draussen  stehende  Publi- 
kum keine  Ahnung.  Wie  sollte  es  aber  jetzt  nicht 
kaufen,  wo  es,  wie  man  ihm  täglich  erzählte,  an  Geld- 
überfluss  litt,  wo  das  Kaufen  von  Industrieactien 
nicht  nur  ein  sicheres  Geschäft,  sondern  auch  ein 
gemeinnütziges  Werk  war,  wo  es  seine  Einnahmen 
und  sein  Vermögen  verbessern,  und  damit  zugleich 
dem  socialen  Elend  steuern  konnte!  Fürwahr,  das 
Publikum  hätte  aus  lauter  „Wissenden''  bestehen 
müssen,  hätte  es  den  Netzen,  die  Gründer  und  Bör- 
^aner  nach  ihm  auswarfen,  den  Sprenkeln,  die 
Presse,  „Volkswirthe"  und  „Philosophen"  ihm  stellten, 
entgehen  sollen!! 


—     161     — 

Auf  dem  Gebiete  der  Gasgründungeu  ist  eine  her- 
vorragende Persönlichkeit  der  „Königlich  Preussische 
Geheime  Commerzienrath"  Herr  Wilhelm  Oechel- 
häuser,  „Generaldirector"  der  Deutschen  Coutiueu- 
tal-Gas-Gesellscliaft  zu  Dessau,  welche  seit  1855 
besteht,  16  Orte  mit  Gas  versorgt  und  hohe  Divi- 
denden abwirft.  Zu  dem  Verwaltungsrath,  hier  Directo- 
rium  genannt,  für  das  alljälirlich  ein  Tantiemen- 
Trinkgeld  von  ca.  25,000  Thalern  abzufallen  pflegt, 
gehören  u.  A.:  Abgeordneter  Regierungsrath  von  Un- 
ruh, Geheime  Commerzienrätlie  Wilh.  Conrad  und 
L.  Schwartzkopff,  Julius  Ebbinghaus,  Gustav  Coqui 
und  Wilh.  Nolte  in  Berlin.  1872  erhöhte  die  Ge- 
sellschaft ihr  Capital  von  3  auf  4,  und  1875  auf 
5  Millionen  Thaler;  die  jungen  Actien  wurden  den  alten 
Actionären  1872  mit  10, 1875  mit20''/o  Aufschlag  über- 
lassen. Neuerdings,  wo  sich  wiederum  ein  Geldbedürf- 
niss  herausgestellt  haben  soll,  scheint  man  jedoch  diese 
Agiotage  nicht  mehr  zu  wagen,  sondern  unterhandelt, 
wie  die  Zeitungen  meldeten,  wegen  einer  Anleihe. 

Herr  Oechelhäuser,  dessen  Devise  die  des  ster- 
benden Göthe  ist:  „Mehr  Licht!"  fungirte  als  Auf- 
sichtsrath  der  Oesterreichischen  Gasbeleuchtungsge- 
sellschaft, half  1872  die  Wiener  Gasindustrie-Ge- 
sellscliaft  (Capital   6%   Millionen  Thaler)  gründen-, 

Glagau,  Der  Börsenscliwindel.    II,  11 


—     162    — 

und  in  Gemeinschaft  mit  Julius  Ebbinghaus,  Fr.  Willi. 
Heckmann,  Th.  Sarre,  Albert  Pfaff  und  C.  E.  F.  Gelpcke 
in  Berlin,  sowie  mit  Julius  Harck  zu  Leipzig  —  die 
Commandit-Gesellscliaft  Neue  Gasgesellschaft  Wil- 
lieliu  Nolte  &  Co.  in  ein  reines  Actienunternehmen 
mit  l'/a  Millionen  Tlialer  Capital  verwandeln.  Auch 
bei  der  letzteren,  wiewol  sie  durchschnittlich  nur 
5^2^,0  Dividende  vertheilte,  und  die  Actien  von  110 
bis  80  gefallen  sind,  bezog  der  Aufsichtsrath  ein 
Trinkgeld  von  ca.  5000  Thalern  pro  Jahr.  Zum  Theil 
mit  denselben  Herren  gründete  Wilhelm  Oechelhäuser 
ferner  die  Berlin- Anhaltische  Maschinenbaugesellschaft 
(S.  37),  und  ausserdem  ist  er  Aufsichtsrath  von 
Banken,  Bergwerken,  Spinnereien  etc. 

Aber  daran  niclit  genug.  Der  vielseitige  geniale 
Mann  ist  in  seinen  Mussestunden  auch  noch  Dichter 
und  „Volkswirth".  Als  Dichter  hat  er  den  Shake- 
speare bearbeitet  und  verbessert.  William  Shake- 
speare geht  jetzt  in  der  Bearbeitung  und  Verbesse- 
rung von  Wilhelm  Oechelhäuser  über  die  Bühnen, 
und  namentlich  Herr  von  Hülsen  lässt  ihn  solcher 
Gestalt  im  Berliner  Schauspielhause  executiren.  Als 
„Volkswirth"  verfasste  Herr  Oechelhäuser  eine  Schrift 
„Die  wirthschaftliche  Krisis",  in  welcher  er,  der  an 
dem  Gründerthum   doch  auch  sein  bescheiden  Theil 


-     163    — 

hat,  dasselbe  scharf  verurtheilt  imd  für  „Reformen 
der  >YirthschaftlicheD  Gesetzgebung"  sowie  „im  Unter- 
richtswesen" pktidirt.  Er  verlangt;  dass  die  Man- 
chesterweisheit in  allen  Schulen  gelehrt  werde  und 
führt  aus:  „Die  Volkswirthschaftslehre  hat  die  Psy- 
chologie zur  Voraussetzung.  Ihre  Gesetze  basiren 
auf  dem  psychologischen  Verhalten  des  Menschen  zu 
den  Fragen  der  Arbeit  und  des  Genusses,  und  ihre 
Aufgabe  ist  es,  dies  Verhalten  so  von  innen  auszu- 
bilden und  von  aussen  zu  regeln,  dass  die  wirthschaft- 
lichen  Ziele  mit  den  allgemeinen  staatlichen  und 
menschlichen  Culturaufgaben  harmonisch  zusammen- 
fallen." —  —  Diese,  durch  solchen  Phrasenschwulst 
sowie  durch  falsche  Zahlengruppirungen  sich  aus- 
zeichnende Brochüre,  citirte  der  Handelsminister  Herr 
Achenbach  im  Preussischen  Abgeordnetenhause  am 
29.  März  1876,  als  der  Bericht  der  Specialcommission 
zur  Untersuchung  des  Eisenbahn- Concessionswesens, 
nachdem  er  an  drei  Jahre  eingesargt  gewesen,  wieder 
für  ein  paar  Stunden  an's  Tageslicht  gezogen  wurde, 
und  nun  eine  Komödie  in  Scene  setzte,  in  welcher 
der  grimme  Gründertödter  Herr  Lasker  eine  so  kläg- 
liche Rolle  spielte.  Herr  Achenbach  nannte  die  Schrift 
des  Herrn  Oechelhäuser  mit  lioher  Anerkennung  und 
verlas  daraus  folgende  Stelle: 


—     164     — 

„Die  Hauptschuld  liegt  nicht  an  den  Regierungen  oder 
Börsen  oder  an  Betrügerkategorien,  sondern  an  dem  allgemeinen 
Reichthumsfieber ,  welches  die  Nation  ergriffen  hatte  und  den 
Einzelnen,  die  feineren  moralischen  Regungen  ertödtend,  mit 
fortriss.  Es  ist  jetzt  Mode  geworden,  sich  als  Opfer  geheimen 
Betrugs  hinzustellen,  wo  doch  das  Gründungswesen  mit  der 
Offenheit  des  erlaubten  Geschäfts  betrieben  wurde,  und  gerade 
hierdurch  so  viele  in  seinen  Strudel  mit  fortriss.  Scienti  non 
fit  injuria.  Mochten  die  Programme  die  ursprünglichen  Kauf- 
summen verschweigen,  mochte  es  unbekannt  bleiben,  ob  Diese 
oder  Jene  sich  in  den  Gewinn  getheilt  —  die  entscheidenden 
Thatsachen,  dass  imd  wieviel  über  die  früheren  Normal- 
preise, über  die  wirklichen  Werthe  aufgeschlagen  worden  war, 
kannte  Jedermann.  Wusste  man  nicht  bei  allen  Berliner  Bau- 
geselischaften,  dass  ihre  Objecte  noch  vor  Monaten,  noch  vor 
Wochen,  zu  einem  Drittheil,  zu  einem  Viertheil  des  eingesetzten 
Preises  von  den  früheren  Besitzern  erworben  wurden?  Wenn 
dies  nicht  von  der  Betheiligung  abhielt,  so  war  der  höchste  Grad 
der  Verblendung  vorhanden,  oder  der  Actionär  trat  nur  in  die 
Fusstapfen  der  Gründer,  indem  er  das  Geschäft  des  Aufschla- 
gens  auf  den  ursprünglichen  Preis  an  der  Börse  fortzusetzen 
dachte.  DerAgioteur  ist  nur  der  fortgesetzte  und  vervielfältigte 
Gründer;  beide  haben  kein  Recht  sich  gegenseitig  anzuklagen." 

Selbstverständlich  erfüllte  die  Verlesung  dieses 
famosen  Citats  die  Gründer  und  Gründergenossen  im 
Parlament  mit  inniger  Befriedigung.  „Sehr  wahrl" 
riefen  sie  gerührt,  und  dankten  dem  Handelsminister 
mit  lautem  „Bravo!"  Herr  Oechelhäuser  verurtheilt, 
wie  Herr  H.  B.  Oppenheim,  das  Gründerthum  und 
den  Börsenschwindel  im  Allgemeinen,  aber  wie  man 
sieht,  entschuldigt  er  die  Gründer  und  Börsianer  im 


—    165    — 

Besonderen,  entlastet  er  diese  auf  Kosten  des  Publi- 
kums, dem  er  einfach  die  „Hauptschuld"  zuweist.  Er 
hält  eine  Rede  pro  domo,  wie  er  denn  u.  A.  sagt: 

„Und  dennoch  müssen  die  Sünden  der  Einzelnen,  in  Zeiten 
gewaltiger  Strömungen,  mit  milderem  Maassstab  gemessen  werden, 
als  in  normalen  Zeiten  oder  im  Lichte  des  Rückschlags.  — 
„Dass  Betrug,  Leichtsinn  und  Verführung  in  allen  Graden  und 
Nuancen  thätig  gewesen  sind,  wer  wollte  es  leugnen?  Allein 
selbst  unter  den  Gründern,  wieviel  mehr  noch  unter  den  Män- 
nern, die  sich,  oft  ganz  unbetheiligt,  mit  ihren  Namen  an  die 
Spitze  stellten,  oder  stellen  Hessen,  ist  die  Zahl  derjenigen, 
welche  sich,  bei  vollständigem  Mangel  volkswirthschaftlicher 
und  häufig  auch  geschäftlicher  Kenntnisse,  von  der  allgemeinen 
Signatur  der  Periode  blenden  und  täuschen  Hessen,  welche  in 
gutem  Glauben  an  den  Milliardenreichthum  und  an  die  Fort- 
dauer der  gestiegenen  Preise  und  Consumtionen  handelten,  und 
nichts  Unehrenhaftes  und  Leichtsinniges  zu  thun  glaubten, 
unendlich  grösser  als  die  Zahl  der  wissentlich  Täuschenden. 
Das  allgemeine  Beispiel  ist  der  mächtigste  Verführer  auf  Erden, 
und  nichts  blendet  stärker  als  der  Erfolg." 

Herr  Oechelhäuser,  der  selbstverständlich  auch  zu 
den  „Wissenden"  gehört,  wiederholt  und  variirt  nur 
das  alte  Lied  der  Gründer  und  Gründeradvocaten, 
das  in  dem  Refrain  gipfelt:  Wir  sind  eigentlich  die 
Verführten,  und  das  Publikum  ist  unser  Verführer! 
—  Jene  Phrasen  und  Sophismen  sind  so  fadenschei- 
nig, dass  sie  keinen  Unbetheiligten  berücken  und  sich 
mit  zwei  Worten  in  ihr  jämmerliches  Nichts  zurück- 
weisen lassen:  Die  Gründer  machten  alles  Wesent- 


—     166    — 

liehe  hinter  den  Coulissen  ab  und  wussten  ihre  Ma- 
chinationen gar  wohl  zu  verbergen.  Das  Publikum 
erfuhr  nur,  was  die  Prospecte  und  die  Zeitungen  ihm 
vorprahlten  und  vorlogen,  und  der  Schwindel,  der 
Betrug  kam  stets  erst  hinterher,  im  Laufe  der  Jahre 
an's  Licht.  Nicht  das  Publikum,  sondern  die  Börse 
nahm  zuerst  die  Actien  auf,  trieb  sie  in  die  Höhe 
und  wusste  sie  dann  durch  ihre  Agenten,  die  Ban- 
quiers,  über  da^  ganze  Land  absetzen  zu  lassen.  Der 
„Agioteur",  der  „in  die  Fusstapfen  des  Gründers 
trat",  der  „fortgesetzte  und  vervielfältigte  Gründer" 
war  eben  der  „Börsianer",  nicht  der  eingefangene 
Privatactionär,  der  in  der  Regel  das  Papier,  das  man 
ihm  angeschmiert  hat,  noch  heute  besitzt.  Endlich 
sind  die  angeblich  unschuldigen  Männer,  die  nicht 
selber  Gründer  waren,  sondern  sich  von  den  Gründern 
nur  an  die  Spitze  stellen  Hessen,  die  durch  ihre 
Namen  das  Publikum  heranlockten,  dafür  auch  stets 
reichlich  jbezahlt  worden,  indem  sie  eine  Portion 
Actien  weit  unter  dem  eigentlichen  Course  erhielten, 
und  als  „Aufsichtsräthe"  glänzende  Trinkgelder  be- 
zogen. (Die  Genossen  und  Gehülfen  der  Gründer 
sind  ebenso  schuldig  wie  diese  selber,  ja  noch  schärfer 
zu  verurtheilen,  da  sie  mit  ihrem  Rufe,  Ansehn  und 
Einfluss  für  die  Gründung  eintraten,  und  erst  durch 


—     167     — 

sie  das  Unheil  möglich  wurde.  Uebrigens  verrathen 
auch  die  mehrfach  wiederkehrenden  Namen,  dass  es 
nicht  minder  professionelle  „Aufsichtsrätlie"  wie  pro- 
fessionelle Gründer  gab;  dass  jene  ebenso  wie  diese, 
um  der  Beute  willen,  die  ,Sache  als  „Geschäft"  be- 
trieben. 

Herr  Oechelhäuser  tadelt  zwar  im  Allgemeinen 
aucheinwenigdieGesetzgebung  und  dieRegierung,  aber 
im  Besonderen  lobt  er  den  Finanzminister,  den  Prä- 
sidenten des  Reichskanzleramts,  den  Präsidenten  der 
Seehandlung,  den  Präsidenten  der  Bank  etc.  Er  lobt 
und  rühmt  Alles,  was  in  hoher  einflussreicher  Stellung, 
was  reich  und  mächtig  ist;  er  vertheidigt  auch  wieder 
die  Börse  und  die  Banquiers,  und  weiss  deren  „volks- 
wirthschaftliche  Bedeutung"  in  das  hellste  Licht  zu 
stellen-,  dagegen  lässt  er  seiner  Entrüstung  vollen 
Lauf  gegen  Diejenigen,  welche  es  gewagt  haben  den 
Gründern  und  Gründergenossen  persönlich  zu  Leibe 
zu  gehen,  und  er  sucht  sie  als  verunglückte  Specu- 
lanten  hinzustellen.  Auch  der  angeklagten  Presse 
nimmt  er  sich  warm  an  und  versichert:  sie  trage  „in 
der  That  einen  kleineren  Theil  der  Schuld,  als  man 
ihr  vielfach  aufzubürden  pflegt";  „der  positive  oder 
negative  Einfluss  der  eigentlichen  Börsenblätter"  sei 
nur  gering,  bei  vielen  der  grossen  politischen  Zei- 


—     168     — 

tungen  sei  zwar  „eine  Rücksicht  der  ßedaction  auf 
den  Inseratentheil  unverkennbar",  „es  hätte,  so  lange 
es  Zeit  war,  eindringlicher  und  specieller  gewarnt 
werden  müssen",  allein  von  einer  Corruption,  wie  in 
Oesterreich,  „sei  kaum  noch  die  Spur  zu  uns  gedrungen", 
und  „als  Gegengewicht  gegen  manche  Versäumniss 
und  Schuld"  habe  die  Presse  „mehr  Nüchternheit 
und  Voraussicht  bewahrt,  als  das  in  den  Strudel  hin- 
eingerissene Publikum".  —  Herr  Oechelhäuser  hütet 
sich  wohl,  es  mit  der  Presse  zu  verderben,  denn  er 
bedarf  ihrer  als  Schriftsteller  und  als  Geschäftsmann, 
und  er  feiert  speciell  dasjenige  Blatt,  das  gleich 
grossen  Einfluss  in  literarischen  Dingen  wie  in  Bör- 
senangelegenheiten übt,  indem  er  in  einer  Fussnote 
bemerkt: 

„So  haben  wir  z.  B.  die  Wochenberichte  der  „National- 
Zeitung"  über  die  Börsenbewegungen  und  die  wirthschaft- 
lichen  Zustände  Deutschlands,  als  Muster  der  Unparteilichkeit, 
klarer  Auffassung  und  vollständiger,  wissenschaftlicher  und 
technischer  Beherrschnng  des  Gegenstandes,  durch  die  ganze 
Krise  verfolgt." 

Selbstverständlicli  nahm  der  Börsenredacteur  der 
„Nationalzeitung"  Herr  Julius  Schweitzer,  nun  Ver- 
anlassung, in  einem  jener  famosen  Wochenberichte 
die  Schrift  desHerrn  Oechelhäuser  bestens  zu  empfehlen; 
denn  eine  Liebe  ist  der  andern  werth,  und  eine  Hand 


—     169     — 

wäscht  die  andere.  Herr  Wilhelm  Oechelhäuser  und 
Herr  Julius  Schweitzer  sind  übrigens  alte  Bekannte 
und  gute  Nachbarn:  sie  sitzen  (oder  sassen  doch) 
neben  einander  im  Aufsichtsrathe  der  Anhalt-Dessaui- 
schen Landeskank,  und  haben  für  ihre  Mühewaltung 
hier  hübsche  Trinkgelder  bezogen. 

Wenn  die  Gründer  und  Gründergenossen  heute 
Alles  aufbieten,  um  sich  weiss  zu  brennen,  so  ist  das 
zu  begreifen;  aber  fast  unbegreiflich  ist  es,  dass  diese 
Leute,  anstatt  sich  etwas  in  Vergessenheit  zu  bringen, 
sich  immer  wieder  an  die  Oeffentlichkeit  und  in  den 
Vordergrund  drängen,  dass  sie,  nachdem  sie  so  un- 
geheueren Frevel  verübt,  und  so  namenloses  Elend 
angerichtet,  es  dessenungeachtet  wagen  sich  als  Kri- 
tiker und  Moralisten  aufzuwerfen,  das  von  ihnen  aus- 
geplünderte Publikum  als  Sündenbock  zu  bezeichnen 
und  es  noch  zu  schmähen  und  zu  höhnen.  Dergleichen 
dürfte  auch  nur  in  Deutschland  möglich  sein! 

Am  29.  März  1876  hatte  der  Handelsminister 
Herr  Achenbach  seinen  guten  Tag.  Neben  der  Schrift 
des  Herrn  Oechelhäuser  citirte  er  auch  noch  den 
Bericht  des  volkswirthschaftliches  Ausschusses  des 
Oesterreichischen  Abgeordnetenhauses,  um  auf  Grund 
desselben  mit  Herrn  Oechelhäuser  zu  behaupten:  das 
Gründungsunwesen  sei  in  Oesterreicli  weit  ärger  ge- 


—     170     — 

wesen;  die  Vorgänge,  welche  sich  dort  ereignet,  seien 
„geradezu  pyramidal  gegenüber  demjenigen,  was  bei 
uns  versucht  worden  ist".  Wie  bereits  früher  nach- 
gewiesen*), ist  dies  total  unrichtig.  Der  Herr  Han- 
delsminister zeigte  sich  in  einem  doppelten  Irrthum 
befangen.  Er  übersah,  dass  in  Oesterreich-Ungarn 
von  1867  bis  1873  zwar  1005  Actiengesellschaften 
Seitens  der  Staatsregierung  concessionirt  wurden, 
von  denselben  aber  nur  682  wirklich  in's  Leben  traten; 
und  er  wusste  nicht,  dass  dagegen  in  Deutschland 
von  1870  bis  1873,  also  während  eines  nur  halb  so 
grossen  Zeitraums,  thatsächlich  an  1 300  Gesellschaften 
entstanden  sind.  Der  Herr  Handelsminister  hatte 
sich  offenbar  durch  die  systematisch  falschen  Angaben 
der  „Volkswirthe"  täuschen  lassen,  und  er  schloss 
seine  Rede  mit  den  Worten:  „Ich  wünsche  auf  dem 
Gebiete  der  wirthschaftlichen  Gesetzgebung  keine 
Reaction"  —  was  ihm  wieder  den  herzlichen  Beifall 
der  im  Parlament  so  zahlreich  vertretenen  „Volks- 
wirthe" eintrug,  denn  diese  verstehen  unter  „Reaction" 
schon  die  leiseste  Zügelung  der  Actienfreiheit. 

An  die  oben  erwähnten  Gründungen  des  Herrn 
Oechelhäuser  schliessen  sich  folgende  Gesellschaften 

*)  Vgl.  S.  11. 


—     171     — 

für  Gas-;  Wasser-  und  Heizungsanlagen,  welche  sich,  mit 
Ausnahme  der  ersten,  sämmtlich  in  Berlin  befinden: 

Wasserversor^ungr  in  Gotha.  Gegründet  Juli  1871  von 
Isidor  Richter  (Richter  &  Co.)  in  Berlin  und  Geh.  Comraer- 
zienrath  Moritz  Simon  (J.  Simon  Wittwe  &  Söhne)  in  Königs- 
berg i.  Pr.  Grundcapial  300,000  Thaler.  Der  Prospect  stellte 
10" /o  Dividende  in  Aussicht,  doch  waren  die  Actien  nur  schwer 
unterzubringen,  und  thatsächlich  M^urden  von  1873  bis  1875  — 
2,  3  und  resp.  3\/.2*^/o  vertheilt.  Aufsichtsräthe  u.  A.:  Finanz- 
räthe  Hopf  und  Kühn  in  Gotha.     Cours  ca.  80. 

Central-Heizuiigs- ,  Wasser-  und  Gasaulagen,  vormals 
Seh  äff  er  &  Walcker.  Gegründet  Juni  1871  von  Isidor 
Mamroth,  Hermann  Bein,  Ferd.  Meyer  und  dem  Abgeordneten, 
Geheimen  Admiralitätsrath  Jacobs.  Die  Leitung  behielt  zunächst 
der  Vorbesitzer,  Berthold  Schäffer.  Actiencapital  750,000  Thlr. 
April  1873  wurden  noch  250,000  Thaler  junge  Actien  zum 
Course  von  120  ausgegeben,  aber  nur  175,400  Thaler  genommen, 
so  dass  das  Grundcapital  zusammen  925,400  Thaler  beträgt. 
Aufsichtsräthe:  Benno  Beer,  Otto  Oechelhäuser,  Geh.  Regie- 
rungsrath  Dr.  Esse,  Wilh.  Nolte  etc.  Dividenden  von  1871 
bis  1875:  19V4,  19,  12V2,  12V2  und  resp.  90/0.  Cours  einst 
160,  jetzt  ca,  90. 

Contiuental-Gesellschaft  für  Wasser-  und  Gasanlagen, 
früher  Mattison  &  Brandt.  Gegründet  29.  November  1871 
von  Wilhelm  Koch,  Adolf  Steiu,  Franz  Honckel,  Ingenieur 
Johannes  Büsing,  „VolksAvirth"  Dr.  Ed.  Wiss,  Oberi^tlieuteDant 
Wilh.  von  der  Horst  und  Stadtverordneten  Ferd.  Krebs  in 
Berlin,  Baron  Peter  von  Gerschau  in  Meiningen.  Aufsichts- 
räthe u.  A. :  Oberbaurath  Moore,  Moritz  Goldsteiu,  Regieruugs- 
rath  a.  D.  Wilh.  Jungermann.  Als  Director  fungirte  zuerst 
der  Vorbesitzer,  Carl  Adolf  Brandt.  Der  Prospect  betonte, 
dass  die  Gründung  auf  alleinige  Kosten  des  Herrn  Brandt  ge- 
schehe, durch  die  Vercinsbank  Quistorp  &  Co.  „agenturweise" 


—     172    — 

besorgt  werde,  und  dass  die  ständigen  Taxatoren  dieser  Bank : 
Bauinspector  Vogler,  „Generaldirector"  Julius  Müller  und  Bau- 
meister F.  Uterwedde  das  Geschäft  reinlich  und  zweifelsohne 
befunden  hätten.  Auf  je  4  Actien  der  Vereinsbank,  welche 
damals  etwa  130  notirte,  entfiel  Ein  SOprocentiger  Interimsschein 
der  Brandt'schen  Gründung,  so  dass  die  neuen  Actien  that- 
sächlich  148%  kosteten.  Iii  solch  raffinirter  Weise  betrieb 
Heinrich  Quistorp  die  Agiotage,  wusste  er  bei  jeder  neuen 
Gründung  auch  zugleich  die  Actien  seiner  Vereinsbank  zu 
treiben.  146,000  Thaler,  fast  die  Hälfte  des  Actiencapitals 
hatte  sich  Herr  Brandt  vorbehalten,  der  also  von  vornherein 
einen  guten  Schnitt  machte.  Vier  Wochen  nach  der  Gründung 
wurde  bereits  eine  Dividende  ausgeworfen,  und  für  das  erste 
Geschäftsjahr  von  drei  Monaten  (!)  16%,  d.  h.  in  Wirklichkeit 
4%  gezahlt,  wovon  aber  wieder  die  Zinsen  abzurechneu,  welche 
die  Actiouäre  für  etwa  zwei  Monate  rückwärts  entrichten 
mussten.  1872  ergab  25%  Dividende;  daraufhin  stiegen  die 
Actien  bis  etwa  210,  und  der  Aufsichtsrath  beschloss  auf  eigene 
Hand,  wozu  ihn  das  Statut  ermächtigte,  das  Grundcapital  von 
300,000  auf  600,000  Thaler  zu  erhöhen.  Diesmal  gewährte 
Herr  Quistorp  auf  je  zwei  Actien  seiner  Vereinsbank,  welche 
nun  gleichfalls  über  200  stand.  Eine  junge  Actio  Brandt 
ä  140%,  was  thatsächlich  einem  Course  von  180  entsprach. 
Die  eine  Hälfte  der  jungen  Actien  erhielten  die  Actionäre,  die 
andere  Hälfte  übernahm  Quistorp  selber  zum  Course  von  176'/3, 
bezahlte  sie  aber  nicht  baar,  sondern  schrieb  sie  der  Gesell- 
schaft in  seinen  Büchern  nur  gut.  Mit  den  Dividenden  war 
es  seitdem  vorbei,  was  zum  Theil  der  Sturz  der  Vereinsbank, 
zum  grossen  Theil  aber  die  eigene  grobe  Misswirthschaft  ver- 
schuldete. Frühjahr  1874  schied  der  Vorbesitzer  als  Director 
aus,  und  blieb  der  Gesellschaft  über  100,000  Thaler  schuldig, 
weswegen  der  Aufsichtsrath  ihn  der  Staatsanwaltschaft  denun- 
cirte.  Nach  Art  der  Gründer  erklärte  Herr  Brandt  öffentlich 
diese   Beschuldigung   für    „infame  Verleumdung"   und    drohte 


—     173     — 

mit  gerichtlichen  Strafanträgen.  ludess  scheint  er  diese  unter- 
lassen zu  haben,  wol  aber  schwebt  gegen  ihn  seit  längerer 
Zeit  die  Untersuchung.  Der  zweite  Director,  Carl  Rüster, 
verschiedener  Wechselfälschungen  angeklagt,  die  er  im  Inter- 
esse der  Gesellschaft  begangen  haben  soll,  vergiftete  sich  im 
Polizeibureau,  und  fand  sich  in  der  Tasche  seines  Rocks  noch 
ein  geladener  sechsläufiger  Revolver,  1875  schloss  mit  einer 
Unterbilanz  von  fast  400,000  Thaler,  und  es  drohte  der  Con- 
curs.  Doch  hat  man  diesen  einstweilen  noch  abgewandt,  das 
Grundcapital  durch  Meucheln  der  Actien  von  600,000  auf 
125,000  Thaler  gekürzt  und  die  Aufnahme  einer  Anleihe  von 
150,000  Thaler  beschlossen!  —  Die  Actien,  welche  einst  210 
standen,  haben  fast  jeden  Cours  verloren. 

Zu  den  Trümmern  dieser  Gesellschaft  gehören  u.  A.  die 
Wasserwerke  in  Fraukfurt  au  der  Oder,  welche  mit  350,000 
Thaler,  die  Bauzinsen  ungerechnet,  zu  Buch  standen,  der  Stadt 
Frankfurt  angeblich  für  250,000  Thaler  angeboten  wurden,  und 
schliesslich  an  ein  Consortium  noch  billiger  übergingen.  Aus 
diesem  Trümmerstück  wurde  nun  Januar  1876  eine  neue  Grün- 
dung construirt,  und  hatten  den  Prospect  unterzeichnet:  Com- 
merzienrath  J.  M.  Mende  in  Frankfurt  a.  0.,  Regierungsrath 
a.  D.  W.  Jungermann,  Stadverordneter  Ferd.  Krebs,  Banquier 
Reinhold  Rudlofl'-Grübs  etc.  Die  Katze  lässt  nun  einmal  das 
Mausen  nicht!  Doch  scheint  der  kühne  Versuch  im  Publikum 
wenig  Anklang  gefunden  zu  haben,  und  selbst  die  Börsenzei- 
tungen befürworteten  ihn  nur  kühl. 

Continental-Wasserwcrk  Neptun,  früher  Eisner  und 
Stumpf  Gegründet  November  1871  von  Joseph  Jaques,  Her- 
mann Leubuscher,  Eduard  Mamroth,  Magnus  Hermann,  Di- 
rector E.  Kaselowsky  und  dem  Abgeordneten  und  „Volkswirth", 
Justizrath  Dr.  Carl  Braun.  Als  erste  Aufsichtsräthe  sind  ausser- 
dem im  Prospect  genannt:  Wilh.  Borchert  jun.,  Abgeordneter, 
Geh.  Oberregierungsrath  und  Director  dos  statistischen  Bureaus 
Dr.  Engel.    Der  Yorbcsitzer  Gottfried  Stumpf  wurde  Director. 


—     174    — 

Grundcapital  schliesslich  1,100,000  Thaler-,  dazu  180,000  Thlr. 
Hypotheken  und  187,000  Thaler  Prioritäten.  Die  I.  Emission 
betrug  550,000  Thaler,  und  Kovember  1872  wurden  von  Lam- 
brecht  &  Lange,  Beer  &  Herzberg,  Hugo  Mamroth,  Julius 
Pickardt,  Siegheim  &  Simon  550,000  Thlr.  junge  Actien  gezeichnet, 
welche  man  in  der  Weise  emittirte,  dass  auf  2  alte,  die  etwa 
120  notirten.  Eine  junge  zum  Course  von  105  bezogen  werden 
konnte.  Schon  im  Mai  1873  war  das  ganze  Actiencapital  ver- 
braucht, und  seitdem  ringt  die  Gesellschaft  mit  dem  Tode. 
Eine  1874  erwählte  Pievisionscommission  beschuldigte  den  Di- 
rector  Stumpf  wilder  Unternehmungslust  und  grober  Leicht- 
fertigkeit; sie  stellte  fest,  dass  die  Bücher  höchst  liederlich 
geführt  und  dass  namentlich  die  Bilanz  pro  1872  gefälscht; 
dass  die  für  das  erste  Geschäftsjahr  gezahlte  Dividende  von 
13V2%  nicht  verdient,  sondern  künstlich  gemacht  sei,  und  dass 
daher  auch  die  Herreu  Aufsichtsräthe  die  Tantieme  von  10,000 
Thalern  mit  Unrecht  eingesteckt  hätten.  Stumpf  trat  zurück 
und  an  seine  Stelle  Robert  Herbig,  der  Gründer  der  traurigen 
„Residenz-Baubank'',  1873  schloss  mit  302,000,  1874  mit 
478,000,  1875  mit  900,000  Thaler  Verlust;  und  es  bleibt  frag- 
lich, ob  die  einst  mit  120  notirten  Actien  noch  den  geringsten 
Werth  haben.  Der  Staatsanwalt  scheint  nicht  eingeschritten 
zu  sein. 

Gas-  und  WasseraiiLagen,  Gaskroneu  und  Zinkindu- 
strie, vormals  Schäfer  &  Hauschner.  Gegründet  August 
1872  von  Ferd.  Meyer  (Oppenheim  &  Co.),  Carl  Kiesel  (Bein 
und  Co.),  Buchhändler  Dr.  Julius  Friedländer  und  Adolf  Salomon. 
Vorstand:  Benno  Hauschner  und  Ludwig  Goldstücker.  Actien- 
capital 500,000  Thaler  und  125,000  Thaler  Hypotheken.  Die 
Gründung  war  von  vornherein,  als  unbescheiden  Iheuer,  ver- 
dächtig. Das  erste  Geschäftsjahr  von  5  Monaten  ergab  eine 
künstliche  Dividende  von  8*^/0,  später  0.  1875  liquidirte  man. 
Der  Director  und  Vorbesitzer,  Benno  Hauschner,  erhob  plötz- 
lich Ansprüche  gegen  die  Gesellschaft,  und  man  überliess  ihm 


—     175     — 

das  entgründete  Object  für  etwa  140/0  des  Actiencapitais,  die 
aber  erst  nach  Jahr  und  Tag  fällig  werden. 

Wasserheizuug-  und  Wasserleitung",  sonst  Thomas 
Granger  und  Paul  Hyau.  Gegründet  September  1872  von 
der  Wechselstuben -Actieugesell?chaft,  die  inzwischen  auch  li- 
quidirt  hat,  von  Hermann  Baschwitz,  Eduard  Abel,  Julius 
Grelling,  Adolf  Sobernheim,  Paul  Kahle,  Fritz  Kind  ermann  und 
Dr.  juris  Gustav  Girau.  Die  Vorbesitzer  behielten  die  Leitung 
und  übernahmen  von  dem  Actiencapital  mit  500,000  Thaler 
ein  Fünftel.  Zu  einer  Dividende  kam  es  nicht;  1874  schloss 
mit  342,000  Thaler  Verlust,  worauf  man  zwei  Drittel  der  Actien 
meuchelte,  und  der  Abschluss  von  1875  erwies  eine  Hypo- 
thekenlast von  240,000  Thaler.  Da  der  Cours  jetzt  etwa  9 
ist,  haben  die  ui-sprünglichen  Actien  einen  Werth  von  S^/o. 
Der  Staatsanwalt  hat  recherchirt,  und  scheint  die  Untersuchung 
zu  schweben. 

(ias-  uud  Wasserleitung'  uud  Ceutralheizuug  Globus, 
vormals  J.  J.  Ho  11  erb  ach  und  F.  "W.  Toeppe.  Vorgekauft 
von  Abraham  Henoch,  und  gegründet  September  1872  von 
Jacques  Goppel,  Isidor  Itzig  und  Nachmanu  Hirsch  Neumauu. 
Actiencapital  300.000  Thaler  uud  100,000  Thaler  Hypotheken. 
Der  Vorbesitzer  Toeppe  wurde  Director,  uud  Kechtsanwalt 
Ludwig  Meyn,  vor  dem  das  Statut  verlautbart,  Vorsitzender 
des  Aufsichtsraths.  Im  Prospect  ist  der  Erwerbspreis  auf 
300,000  Thaler  angegeben,  doch  machte  der  Vorbesitzer  Holler- 
bach öffentlich  bekannt,  dass  Abraham  Henoch  im  Ganzen  nur 
152,500  Thaler,  also  etwa  die  Hälfte  gezahlt.  Die  Gründer  ver- 
mochten diese  Behauptung  nicht  zu  widerlegen,  sie  antworteten 
nur,  Hollerbach  habe  sein  Schweigen  von  der  Zahliuig  mehrerer 
tausend  Thaler  abhängig  gemacht.  Trotzdem  legte  die  Allgemeine 
Depositenbank  die  Actien  zum  Course  von  102  auf,  uud  sie  wurden 
getrieben  bis  133.  —  „Für  das  laufende  Jahr  sind  10"  o  Dividende 
gesichert",  verkündete  der  Prospect,  und  'dies  bewahrheitete  sich 
ziemlich,  insofern  für  das  erste  Geschäftsjahr  von  4  Monaten  (I) 


—     176     — 

g'^/o,  also  thatsächlich  S^/o  entfielen.  1873  gab  es  2%,  1874 
—  2V2%  und  für  den  Aufsichtsrath  1000  Thaler  Tantieme  (!), 
1875  —  0.  Cours  etwa  noch  10.  Von  einer  strafgericht- 
lichen Untersuchung  ist  nichts  zu  hören  gewesen. 

Wasser-  und Grasleituugsbedarf  Saturn, früher  L.  Rode  r 
und  Co.  Gegründet  15.  März  1873  von  Jacques  Goppel,  Isidor 
Itzig,  Nachmann  Hirsch  Neumann,  Abraham  Henoch,  Carl 
Mohr,  Buchhändler  Franz  Grunert  und  Dr.  Heinrich  Ebeling, 
Börsen -Redacteur  der  „Vossischen  Zeitung".  Als  Aufsichts- 
räthe  hatten  den  Prospect  unterzeichnet:  Fabrikant  Friese, 
Director  Leopold  Günther  und  Rechtsanwalt  Ludwig  Meyn,  der 
auch  hier  das  Statut  aufgenommen.  Actiencapital  350,000  Thir. 
und  63,000  Thaler  Hypotheken.  Das  erste  Geschäftsjahr  warf 
5<'/o  Dividende  und  für  den  Aufsichtsrath  über  3000  Thaler 
Tantieme  aus.  1874  erhielten  die  Actionäre  IVo^,  und  1876 
wurde  die  Liquidation  beschlossen.    Ohne  Cours. 

Internationale  Gasgesellschaft.  Schon  nach  dem  „Krach", 
im  Juli  1873  gegründet,  von  Commerzienrath  Anton  Schlittgen, 
Emil  Barschall  in  Liegnitz,  Ingenieur  Dr.  Hugo  Sackur  und 
Ingenieur  Rudolf  Adam  Otto  Schulz.  Actiencapital  200,000  Thlr. 
1875  geriethen  Schulz  und  Sackur  in  Concurs,  die  Gesellschaft 
selber  scheint  noch  zu  existiren. 

Von  diesen  9  Gesellschaften  sind  nur  die  ersten 
beiden:  Gothaer  Wasserversorgung  und  Central-llei- 
zung,  erträglich  und  lebensfähig;  alle  übrigen  erwecken 
Verdacht  und  Grauen,  befinden  sich  bereits  in  der 
Auflösung  oder  vegetiren  nur  noch.  Besonders  be- 
rüchtigt ist  Neptun,  die  Schöpfung  der  parlamenta- 
rischen „Volkswirthe"  Dr.  Braun  und  Dr.  Engel,  welche 
den  unglücklichen  Actionären  gegen  1,300,000  Thaler 
kostet.    Mattison  &  Brandt,   Schäfer  &  Hauschner, 


—     177     - 

Granger  &  Hyan,  sowie  Globus ,  wenngleich  nicht 
minder  bösartig,  haben  sich  mit  einem  Actiencapital 
von  600,000  bis  300,000  Thal  er  begnügt.  Saturn  und 
Internationale  Gasgesellschaft  sind  verspätete  Grün- 
dungen und  ihre  Geschichte  dunkel;  was  namentlich 
von  der  letzteren  gilt,  über  die  nur  selten  etwas  ver- 
lautete. Die  ganze  Branche  ist,  wiegen  der  grossen 
Verluste,  die  das  Publikum  erlitten,  anrüchig. 


Im  December  1871  traten  in  Dresden  eine  An- 
zahl von  Papierfabrikanten  zusammen  und  Hessen 
durch  die  Zeitungen  folgenden  Beschluss  verbreiten : 

„la  Folge  der  fortwährenden  Steigerung  aller  Materialien 
ist  es  als  eine  Nothwendigkeit  zu  bezeichnen,  bis  auf  Weiteres 
einen  Preiszuschlag  gegen  die  Papierpreise  im  Frühjahr  nach 
Höhe  von  mindestens  12  Procent  eintreten  zu  lassen.  Die  durch- 
schnittliche Berechnung  ergiebt  zwar  einen  Mehraufwand  von 
I6-/3  Procent  bei  der  Fabrikation,  dennoch  begnügte  man  sich 
mit  der  Erhöhung  von  12  Procent,  weil  mau  eine  baldige  Er- 
mässigung mancher  Materialpreise  und  namentlich  der  Kohlen 
erwarten  zu  können  glaubte". 

Mit  den  Gründungen  begann  auch  die  Erhöhung  der 
Papierpreise.  Papier  und  Lumpen  stiegen  sehr  im 
Preise,  weil  der  Consum  sich  plötzlich  verdoppelte 
und  verdreifachte.  Die  zahllosen  Gründungen  ver- 
schlangen viele  tausend  Ballen  schönes  Papier,  welches 
mit  lauter  faulen  Actien  bedruckt  wurde.    Die  Zei- 

Glagau,  Der  Börsonschwindel.  II.  12 


-     178    — 

tungen  vergrösserten  ihr  Format  und  ihren  Umfang, 
brachten  täglich  etliche  Bogen,  ausschliesslich  bedeckt 
mit  redaction eilen  Börsennotizen,  ellenlangen  Cours- 
zetteln, grossmächtigen  Prospecten  und  Reclamen  und 
sonstigen  Inseraten  über  lauter  Gründungen  und 
Emissionen.  Es  entstand  eine  Menge  neuer  Zeitungen, 
vornehmlich  Börsenblätter,  von  denen  die  meisten 
inzwischen  wieder  eingegangen  sind.  Dazu  Brochüren 
und  Denkschriften  über  neue  Unternehmungen,  die 
Geschäftsberichte  der  neuen  Gesellschaften,  von  jeder 
in  vielen  tausend  Exemplaren  ausgestreut,  eine  Un- 
masse von  neuen  Geschäfts-  und  Handlungsbüchern, 
und  eine  lawinenartig  anwachsende  Correspondenz 
zwischen  Börse,  Banquiers  und  Publikum!  Genug, 
der  Papierverbrauch  war  augenscheinlich  ein  unge- 
heuerer, und  darum  geschahen  auch  so  viele  Papier- 
gründungen, die  sich  allerdings  wieder  meist  auf  die 
Umwandlung  schon  bestehender  Fabriken  beschränk- 
ten.   Wir  verzeichnen  folgende: 

Berliner  Papierfabrik.  Gegründet  Juli  1S71  von  Emil 
Heymann,  Meyer  Cohn,  Abraham  Hamburger,  Hermann  Lask, 
Emil  Holländer  und  Albert  Hofmann,  Eigenthümer  des  „Klad- 
deradatsch" in  Berlin,  Moritz  Cohn  und  Gebrüder  Guttentag 
in  Breslau,  Meyer  Samuel  Meyer  in  Magdeburg.  Die  Gründer 
Jiauften  an  die  Papierfabrik  von  Fr.  Hendler  in  Alt-Friedland 
{Waidenburg  i.  Schi.)  und  die  Papierhandlung  von  Leopold 
Ullstein  in  Berlin,  der  sich  als  Stadtverordneter  wie  als  Gründer 


-     179    — 

hervorgethan  hat.  Herr  Ullstein  lieferte,  wie  der  Prospect 
hervorhob,  das  Papier  u.  A.  für  den  „Kladderadatsch"  und 
für  die  Berliner  „Yolkszeitimg",  und  wurde  deswegen  das 
„Geschäft",  d.  h.  die  Firma,  den  Actionären  mit  50,000  Thaler 
berechnet!  Actiencapital  550,000  Thaler  und  50,000  Thaler 
Hypotheken.  Die  Leitung  übernahmen  Lask  und  Ullstein,  und 
als  Aufsichtsrath  fungirte  u.  A. :  Justizrath  Primker,  von  dem 
das  Statut  verlautbart  war.  Für  das  erste  Geschäftsjahr  von 
6  Monaten  wurden  9%/%  Dividende  vertheilt.  Die  Gesellschaft 
machte  bekannt,  dass  sie  „Actienpapier  in  reinstem  Hanf- 
stoff" anfertige,  welches  einen  so  enormen  Absatz  finde,  dass 
sogar  Bestellungen  aus  Amerika  einliefen.  1872  erhielten  die 
Actionäre  TV.,,  1873  —  G^'o,  und  später  0.  Es  wurde  eben 
kein  „Actienpapier"  mehr  verlangt,  und  damit  sank  auch  der 

Cours  der  eigenen  Actien,  die  einst  über  100  notirten,  bis ? 

Die  Bilanz  von  ult.  1875  erwies  ausser  den  Hypotheken  noch  ca. 
360,000  Thlr.  andere  Schulden,  zusammen  über  400,000  Thaler 
Passiva,  und  soviel  dürfte  der  ganze  Krempel  überhaupt  nicht 
werth  sein.    Arme  Actionäre! 

Berliner  Pappenfabrik,  früher  Ferd.  Biermann  und 
L.  Wiganckow.  Gegründet  März  1872  von  Moritz  Eduard 
Meyer,  Gustav  Thölde,  August  Aders,  Hugo  Scbalhorn  und 
Franz  Wiganckow  jun.  Die  beiden  Letzteren  übernahmen  die 
Direction.  Actiencapital  900,000  Thaler  und  250,000  Thaler 
Hypotheken.  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths :  Rechtsanwalt 
Hecker,  welcher  das  Statut  aufgenommen  hatte.  An  Dividende 
hat  die  Centralbauk  für  Genossenschaften  auf  5  Jahre  min- 
destens 6%  garantirt,  und  wurden  bisher  gezahlt:  13,  II-/3, 
G',;;  und  resp.  G%;  während  Aufsichtsrath  und  Direction  sich 
an  Tantiemen  13,000,  10,000,  6000  und  resp.  4800  Thaler  be- 
rechneten. Die  letzte  Dividende  war  schon  nicht  mehr  ver- 
dient, sondern  erforderte.  Seitens  der  Vorbesitzer,  einen  Zuschuss 
von  ca.  7,500  Thalern,  weshalb  man  jetzt  an  das  Meucheln  der 
Actien  denkt.    Der  Cours,  einst  120,  ist  etwa  noch  60. 

12* 


180 


^Norddeutsche  Papierfabrik.  Gegründet  Juni  1871  von 
Adolf  Abel  (S.  Abel  jr.)  und  Eugen  Dzondi  (Robert  Thode  &  Co.) 
in  Berlin,  welche  die  Fabrik  von  Bernhard  Behrend  und  dessen 
Söhnen,  Moritz  und  Georg  Behrend  in  Cöslin  ankauften.  Als 
„erste  Aufsichtsräthe"  traten  in  der  constituirenden  Generalver- 
sammlung noch  auf:  Alexander  von  Loeben,  K.  A.  Seelig  und 
Hermann  Leubuscher  in  Berlin,  Wilhelm  Wolff  in  Cöslin. 
Von  dem  Actiencapital  mit  500,000  Thaler  übernahmen  die 
Vorbesitzer  200,000  Thaler,  und  Moritz  und  Georg  Behrend 
behielten  die  Leitung.  In  dem  Prospect  heisst  es:  „Was  den 
Holzstoff  anbelangt,  so  besitzen  die  bisherigen  Geschäftsinhaber 
in  dem  nahe  gelegenen,  dem  Fürsten  Bismarck  gehörigen  Varzin 
eine  Fabrik,  und  sie  haben  sich  verj^flichtet,  der  Actiengesell- 
schaft  den  nöthigen  Bedarf  bis  4000  Centner  zu  3  Thaler  auf 
10  Jahre  zu  liefern,  -während  der  Ceutner  sonst  4'/;:  Thaler 
kostet.  Auch  dies  kommt  der  Gesellschaft  zu  gute."  —  Nicht 
ohne  eine  gewisse  Berechtigung  nannte  sich  diese  Gründung 
„Norddeutsche  Papierfabrik",  denn  sie  liefert,  wie  der  Pro- 
spect ebenfalls  betonte,  das  Telegraphenpapier  für  Norddeutsch- 
land. Sie  lieferte  auch  für  die  Deutsche  Reichspost  die  Post- 
karten, und  man  wird  sich  entsinnen,  wie  diese  1872  so  rauh 
und  so  holzig  wurden,  dass  man  nur  mit  Mühe  darauf  schreiben 
konnte.  Die  Varziner  Holzstoff- Fabrik  hatte  es  eben  zu  gut 
gemeint.  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths:  Commerzienrath  Jo- 
hannes Quistorp  in  Stettin.  An  Dividenden  wurden  für  1871 
bis  1874  vertheilt:  8Vio,  8,  0  und  resp.  4%.  Für  1875  verhiess 
man  ein  weit  günstigeres  Resultat,  indess  schloss  die  Bilanz 
mit  ca.  50,000  Thaler  Verlust,  und  Juli  1876  brach  der  Con- 
curs  herein.  Weil  das  Preussische  Abgeordnetenhaus  die  Ge- 
nehmigung zum  Ankauf  der  Berlin-Dresdener  Bahn  versagte, 
fiel  S.  Abel  jr.,  welcher  von  den  Actien  dieser  Bahn  einen  zu 
grossen  Vorrath  besass,  und  weil  S.  Abel  jr.  stürzte,  niusste 
angeblich  auch  die  Norddeutsche  Papierfabrik  umfallen.  That- 
sächlich  siechte  diese  aber  von  jeher  an  den  Folgen  der  bös- 


-     181     - 

artigen  Gründung,  und  sie  war  schon  lange  tief  verschuldet. 
Die  Hauptgläubiger  der  Gesellschaft  sind,  was  man  nicht  über- 
sehen darf,  die  Vorbesitzer  und  die  Gründer,  welche,  indem 
sie  nun  auch  noch  das  Letzte  nehmen,  selbstverständlich  für 
die  Actionäre  nichts  übrig  lassen.  Mit  der  Concursanmeldung 
hörte  der  Betrieb  auf;  wie  es  aber  heisst,  wird  jetzt  Fürst 
Bismarck  auf  seinen  Besitzungen  in  Varzin  eine  eigene  Papier- 
fabrik anlegen. 

Papierfabrik,  früher  Carl  Marggraf  in  Wolfswinkel 
bei  Neustadt-Eberswalde.  März  1872  von  Heinrich  Quistorp 
„commissionsweise"  gegründet.  Actiencapital  350,000  Thaler. 
Auf  je  5  Actien  der  Vereinsbank,  welche  damals  180  standen, 
gewährte  Quistorp  grossmüthig  Eine  Actie  Wolfswiukel,  die 
also  thatsächlich  150  kostete.  Die  Leitung  behielt  der  Vor- 
besitzer, und  als  erste  Aufsichtsräthe  wurden  im  Prospect  ge- 
nannt: Stadtrath  Holtz  in  Charlottenburg,  Apothekenbesitzer 
H.  Augustin,  Commerzienrath  E.  Schering,  Banquier  Adolf 
Euss  und  Stadtverordneter  Arnold  Marggraf  in  Berlin,  Carl 
Wrede  in  Stettin. 

Die  erste  und  einzige  Dividende  war  8%;  1875  brach  die 
Gesellschaft  unter  einer  Schuldenlast  von  ca.  800,000  Thaler 
zusammen.  Herr  Carl  Marggraf,  der  Vorbesitzer,  nachherige 
Director  und  spätere  Liquidator,  welcher  für  das  Etablisse- 
ment ."75,000  Thaler  erhalten  hatte,  kaufte  es  zurück  für 
137,000  Thaler,  womit  er  noch  nicht  einmal  die  für  ihn  ein- 
getragene Hypothek  deckte. 

Holzstoff-  imd  Papier-Fabrik  Kiautcii  in  üstpreussen. 
Gegründet  1872  mit  200,000  Thlr.  Grundcapital  und  80,000  Thlr. 
H3-potheken.  Aufsichtsrath:  Adolf  Samter,  A.  Simon,  Friod- 
länder,  Grat  und  Rechtsanwalt  Hoflmann  in  Königsberg  i.  Pr. 
An  der  Berliner  Börse  eingeführt  zum  Course  von  101.  Das 
erste  Geschäftsjahr  von  G  Monaten  ergab  3Vo*'^o.  1873  —  2 ','4% 
Dividende,  1874  —  0. 

Stetliuer   Papierfabrik  Holicnkrug.     November  1871 


—     182     — 

gegründet  mit  400,000  Thaler  Actiencapital  und  230,000  Thlr. 
Hypotheken.  Aufsichtsräthe :  Amandus  Strömer,  Otto  Kühne- 
mann,  Julius  Hildebrandt,  W.  von  Kloeden  etc.  in  Stettin. 
Vorstand:  Reinhold  Guleke.  Schloss  1873  mit  ca.  33,000  Thlr. 
Verlust  und  gerieth  1875  in  Concurs. 

Papier-  nnd  Gfescliäftsbliclier-Falmken,  sonst  Gebr. 
Rubens  in  Oldesloe  und  Hamburg.  Gegründet  August  1872 
von  der  Anglo-Deutschen  Bank  in  Hamburg,  welche  I62/3O/0 
Dividende  in  Aussicht  stellte  und  für  drei  Jahre  mindestens 
8\'3%  garantirte.  Actiencapital  800,000  Thaler,  in  Berlin  auf- 
gelegt bei  Hess  &  Katz.  Dazu  später  500,000  Thaler  Priori- 
täten! Vorstand:  Bernhard,  Siegmund  und  Charles  Rubens. 
Aufsichtsrath :  Woldemar  Nissen,  Lorenz  Booth,  Consul  J.  F. 
W.  Reimers,  von  Meding  und  Gustav  Tuch  in  Hamburg.  Erste 
Dividende  0.  Schloss  1875  mit  ca.  650,000  Thaler  Unterbilanz, 
Die  Fabrik  in  Hamburg  ist  ausser  Betrieb  gesetzt  und  soll 
unter  den  Hammer  kommen. 

Hannoversche  Papierfabriken  Alfeld-Gronan,  vormals 
Gebr.  Woge.  Errichtet  im  August  1872.  350,000  Thaler 
Actiencapital  und  100,000  Thaler  Hypotheken.  Aufsichtsrath: 
Obergerichtsanwalt  Benfey  in  Hannover,  Moritz  Ehrlich,  Gustav 
Woltereck.  Dividenden  von  1872  bis  1875:  12,  10,  673  und 
resp.  5%.  Cours,  bei  50%  Einzahlung,  einst  gleich  120,  wäh- 
rend die  Vollactie  jetzt  etwa  50  notirt, 

Papierfabrik  nnd  Kalkbrennerei,  vormals  Rudolf  Kefer- 
stein  in  Sinsleben.  Gegründet  October  1871.  Actiencapital 
300,000  Thaler  und  65,000  Thaler  Hypotheken.  Emissionshaus: 
Ephraim  Meyer  &  Sohn  in  Hannover.  Aufsichtsrath:  August 
Basse,  Ed.  Spiegelberg.  Dividenden:  1872  —  7%,  1873  —  5%, 
1874  —  0.     Cours? 

Rheinische  Papierfabrik  in  Neuss.  Gegründet  1873 
von  dem  A.  Schaaffhausenschen  Bankverein  in  Cöln  und  der 
Essener  Creditanstalt  in  Essen.  Actiencapital  700,000  Thaler. 
Aufsichtsrath:  E.  Bennert,  Theodor  Deichmanu,  J.  H.  Andly. 


—     183     — 

Scheint   in    den   letzten   Jahren   keine   Dividende   gezahlt   zu 
haben,  und  beabsichtigt,  die  Hälfte  der  Actien  zu  meucheln. 
Vereiuigte Hessische  Papier-  und  Papierwaarenfabrik, 

sonst  G.  Boden  heim  &  Co.  in  Cassel.     Gegründet  December 

1872  mit  750,000  Thaler   Actien,   welche  Februar  1873   mit 
103  an   der  Berliner  Börse    eingeführt   wurden.    Dividenden: 

1873  —  S^'o,  1874  —  4%.     Cours? 

Papierfabrik,  früher  Keferstein  &  Sohn  in  Cröllwitz 
bei  Halle  a.  S.  Gegründet  October  1871  von  Becker  &  Co. 
in  Leipzig,  H.  F.  Lehmann  in  Halle,  Delbrück,  Leo  &  Co., 
und  Carl  Goppel  &  Co.  in  Berlin.  Actiencapital  600,000  Thlr. 
und  200,000  Thaler  Hypotheken.  Direction:  Ernst  Carl  Lpuis 
Keferstein.  —  „Die  Zeichnungen  finden  volle  Berücksichtigung", 
hiess  es  in  den  Börsen -Zeitungen.  Ein  böses  Omen,  denn 
diese  Meldung  bedeutete  thatsächlich :  Die  aufgelegten  Actien 
sind  nur  zum  Theil  gezeichnet  worden.  Dividenden:  1872  — 
l^lo,  1873  —  S*^/o,  und  dann  0.  Cours  etwa  noch  5.  Die  Actio- 
näre  beabsichtigen  gegen  die  Gründer  vorzugehen.  Ein  Ein- 
ziger jener  Unglücklichen  soll  von  diesen  famosen  Actien  noch 
für  2G,000  Thaler  besitzen! 

Muldeuthal-Papierfabrik,  vormals  Schmidt  &Mehner 
in  Freiberg.  Gegründet  Juni  1871  von  Heinrich  Rode,  Herrn. 
Pässler  sen.,  J.  G.  Johnel,  Advocat  Heim  ßtc,  welche  300,000 
Actien  auflegten  und  14"/o  Dividende  versprachen.  1875  wurde 
eine  Prioritäts-Anleihe  von  200,000  Thaler  versucht,  1876  die 
Zahlungen  eingestellt  und  der  Director  der  Fabrik,  sowie  die 
beiden  Directoren  der  in  Mitleidenschaft  gezogenen  Freiberger 
Darlehnskasse,  verhaftet. 

Freiberger  Papierfabrik  zn  Weisseuborn.  Gegründet 
Mai  1871  von  Emil  Quellmalz  (A.  L.  Mende),  Carl  Mankiewicz 
(Philipp  Elimeyer),  Alfred  Bach,  Factor  Franz  Müller,  Director 
Ewald  Bellingrath  und  Stadtrath  Gustav  Schilling  in  Dresden, 
welche  350,000  Thaler  Actien  auflegten  und  13**;'o  Dividende 
vorrechneten.    Aufsichtsräthe:  Kaufmann  Büttner  in  Chemnitz, 


—     184     — 

Advocat  Kugler  und  Director  Hinke  in  Freiberg.  Dividende 
pro  1875  —  0,    Cours  etwa  30. 

Papierfabrik  in  Hütten  Ibei  Köuigstein.  Gegründet 
Juni  1871  von  Claus  &  Oberländer,  Albin  Ellezinguer  und 
Advocat  Curt  Seyler  in  Dresden,  Carl  Pflugbeil  in  Hütten. 
360,000  Tbaler  Actien  wurden  bei  M.  Schie  Nachfolger  in 
Dresden  und  Ed.  Hoffmann  in  Leipzig  aufgelegt,  und  16% 
Dividende  vorgerechnet.  Verwaltungsrath  u.  A.:  Gustav  Dört- 
ling.  Berthold  Wuttig,  Carl  Kaiser  und  Hugo  Grumpelt  in 
Dresden.  Gerieth  1876  in  Concurs  und  wurde  für  120,000  TMr. 
losgeschlagen,  welche  Summe  noch  nicht  die  Prioritätenscliuld 
deckte. 

Papierfabrik  za  Köttewitz  bei  Dresden.  Gegründet  1868 
von  H.  W.  Bassenge  &  Co.  und  B.  Grüner  in  Dresden,  F.  Förster 
in  Dohna.  260,000  Actien  wurden  aufgelegt  bei  Michael 
Kaskel  in  Dresden,  Becker  &  Co.  in  Leipzig,  S.  Bleichröder 
in  Berlin.  Verwaltungsrath  u.  A.:  Moritz  Bretschneider  in 
Pirna,  Carl  Hartmann  in  Dohna  und  Abgeordneter,  Stadtrath 
Reinhard  Fröhner  in  Dresden.  1870  —  10%  Dividende,  1874 
eine  Anleihe  von  200,000  Thalern  versucht,  1876  Concurs. 
Fröhner,  Director  der  gleichfalls  stark  gefährdeten  Dresdener 
Gewerbebank,  und  bei  verschiedenen  Gründungen  betheiligt, 
wurde  November  1876  verhaftet,  dann  aber  wieder  auf  freien 
Fuss  gesetzt. 

Sebnitzer  Papierfabrik,  vormals  Gebrüder  Just  &  Co. 
Gegründet  December  1871  mit  500,000  Thaler  Grundcapital, 
welches  für  das  nur  kleine  Etablissement  kolossal  zu  nennen 
war.  Einen  Theil  der  Actien  übernahmen  angeblich  die  Vor- 
besitzer, welche  die  Leitung  behielten;  der  Rest  wurde,  unter 
gewissenhafter  Ausrechnung  einer  Dividende  von  14,5%,  auf- 
gelegt bei  M.  Schie  Nachfolger,  Ed.  Rocksch  Nachfolger, 
A.  Gerstenberger  und  S.  Mattersdorf  in' Dresden,  Aron  Meyer 
&  Sohn  in  Leipzig.  1874  versuchte  man  eine  Anleihe,  und 
die  letztjährigen  Dividenden  waren  0.    Cours  ca.  40. 


—     185    — 

Vereinigte  Baiitzciioi*  Papierfabriken,  vormals  C.  F.  A. 
Fischer  und  Grimm  &  von  Otto.  Erworben  für  angeblich 
860,000  Thaler  (!)  und  December  1871  gegründet  von  Robert 
Thode  &  Co.  in  Berlin  und  Dresden  und  von  G.  E.  Heyde- 
mann  in  Bautzen.  „Das  Unternehmen  ist  durch  keinerlei 
Gründungs-  und  Consortialspesen  belastet",  versicherte  der 
Prospect  und  warf  ein  Grundcapital  aus  von  IV4  MilUonen 
Thaler!  Oscar  Grimm  und  August  Fischer  behielten  die  Lei- 
tung, und  als  Aufsichtsräthe  wurden  im  Prospect  geuannt: 
Reichstagsmitglied,  Rechtsanwalt  Rudolf  Thiel  in  Bautzen, 
Handelskammerpräsident  Adolf  Wauer  in  Herrnhut  und  E.  Röder 
(Vetter  &  Co.)  in  Leipzig.  Für  1873  erhielten  die  Actionäre 
13%,  Aufsichtsrath  und  Direction  15,344  Thaler  Tantieme. 
1874  wurde  eine  neue  Prioritätsauleihe  von  250,000  Thalern 
nöthig.  1875  betrug  die  Dividende  nur  5%.  Cours  einst  180, 
jetzt  ca.  90? 

Papierfabrik  zu  Eiusiedel  bei  Chemnitz.  Gegründet 
Mai  1871  auf  300,000  Thaler  Actien,  für  welche  man  im  Pro- 
spect eine  Verzinsung  mit  12%  ausreclinete,  von  Gustav  Gersten- 
berger  (Gerstenberger  &  Rocksch),  C.  Hermann  Findeisen, 
R.  Grahl,  Director  der  Sächsischen  Gussstahlfabrik,  Medicinal- 
rath  Dr.  F.  Küchenmeister,  Friedensrichter  Ernst  Meinert  und 
Advocat  Hermann  Ullrich  in  Dresden  uud  Chemnitz.  Die  Ge- 
sellschaft gerieth  in  finanzielle  Verlegenheiten,  der  Versuch, 
eine  Prioritätsanleihe  aufzunehmen,  missglückte,  uud  sie  fand 
endlich  eine  gewisse  Hülfe  bei  dem  Chemnitzer  Bankverein, 
Dividenden  in  den  letzten  Jahren  0.    Cours  etwa  noch  15. 

Pateutpapierfabrik  zu  Peuig.  Gegründet  Novbr.  1872 
mit  1  Million  Thaler  Actien  und  200,000  Thaler  Hypotheken! 
100,000  Thaler  übernahm  der  Vorbesitzer,  Ferd.  Flinsoh  in 
Leipzig.  Den  Rest  legten  auf:  die  Dresdener  Handelsbank, 
A.  L,  Mende,  Gebrüder  Guttentag  und  Günther  &  Rudolph  in 
Dresden,  Becker  &  Co.  in  Leipzig.  Aufsichtsräthe  u.  A.:  Emil 
Quellmalz  in  Dresden,  "Wilh.  iStalliug  in  Plesthcn.    Auch  hier 


—     186     — 

wurde  Mai  1875  die  Aufnahme  einer  Prioritätsanleihe  beantragt. 
Dividende  pro  1875  —  5%.    Conrs  ca.  30. 

Papierfabrik  zu  Lösnig  bei  Leipzig,  früher  Krüger 
&  Henuig.  Gegründet  Juli  1871  von  Fabrikant  Kichard 
BruDS,  Kramermeister  F.  W.  Sturm,  Verlagsbucbhändler  Friedr. 
Fleischer  und  Hermann  Friderici  in  Leipzig,  Rittergutsbesitzer 
H  Graichen  auf  Lösnig;  welche  270,000  Thaler  auflegten  und 
14  bis  15^/0  Dividende  in  Aussicht  stellten.  Die  Actien  befinden 
sich  wol  noch  in  den  Händen  der  Gründer,  von  denen  Fr.  Fleischer 
gestorben  ist,  H.  Graichen  mit  seinen  Gläubigern  accordirte. 

HolzstofiF-  und  Papierfabrik  zu  Schlema  bei  Schneeberg. 
Gegründet  August  1871  mit  268,000  Thaler  Actien.  Aufsichts- 
rath:  Advocat  Weber  I.  in  Chemnitz,  Wolfgaug  Gerhard  in 
Leipzig,  August  Heutschel  und  Oswald  Meyh  in  Zwickau, 
Theodor  Schneider  und  Ernst  Seydel  in  Glauchau,  Conrad  Anton 
Clauss  in  Hohenstein.    Cours? 

Zahlreiche  andere  Papiergründungen,  die  ein  klei- 
neres Actiencapital,  von  etwa  100,000  bis  200,000 
Thalern,  beansprucht  haben,  übergehen  wir,  um  nicht 
zu  ermüden;  und  bemerken  nur  noch  summarisch: 

Die  Magdeburger  Papierfabrik  vermochte  für 
das  Geschäftsjahr  1875  keine  Dividende  zu  verthei- 
len;  die  Papierfabrik  zu  Alt- Damm  bei  Stettin 
musste  zu  einer  Anleihe  schreiten;  die  Dombacher 
Papierfabrik  steckt  in  argen  Geldnöthen  und  denkt 
an  ihre  Auflösung;  die  Seifersdorfer  Papierfabrik 
befindet  sich  genau  in  der  nämlichen  Lage;  die 
Papierfabrik  zu  ßadeberg  beschloss  den  Verkauf 
des  Etablissements;   die  Papierfabrik   zu  Strass- 


—     187     - 

bürg  i.  E.,  gegründet  von  der  Provinzial-Disconto- 
gesellschaft  dortselbst,  liquidirte  im  Mai  1875;  die 
Papierfabrik  Porscheudorf- Zschopau  fallirte;  die 
Förster'sche  Papierfabrik  zu  Krampe  bei  Grün- 
berg i.  Schi,  kam  unter  den  Hammer  und  ging,  bei 
100,000  Thaler  Schulden,  für  ca.  25,000  Thaler  fort; 
die  Lockwitzer  Papierfabrik  gerieth  1875  in  Con- 
curs,  und  wurde  von  Eduard  Meyer  (M.  Schie  Nach- 
folger in  Dresden)  für  80,000  Thaler  erstanden. 

Besondere  Erwähnung  verdient  aber  noch  die 
Pateutpapierfabrik  zu  Berliu.  Dieselbe  existirt 
schon  seit  1819,  steht  gewissermaassen  unter  Ober- 
aufsicht der  Preussischen  Seehandlung,  von  der  sie 
damals  begründet  (nicht  „gegründet'^  wurde,  und  er- 
freute sich  einer  hohen  Blüthe,  bis  man  in  der  Schwin- 
delperiode das  Grundcapital  von  395,000  auf  600,000 
Thaler  brachte,  worauf  die  Dividenden  schnell  sanken. 
Für  1873  erhielten  die  Actionäre,  die  bei  dieser  Ge- 
sellschaft kaum  gewechselt  haben,  noch  8"/o;  für  1874 
nur  2^lo  und  für  1875  —  Nichts.  Die  Bilanz  schloss 
mit  72,000  Tlialer  Verlust,  und  es  stellte  sich  her- 
aus, dass  die  früheren  gefälscht,  Dividenden  und  Tan- 
tiemen in  den  Vorjahren  unrechtmässig  vertheilt 
waren.  Unter  Anderm  entdeckte  man  unrichtige  In- 
venturen und  ein  Manco  von  1800  Centner  Lumpen. 


—     188     — 

Erster  Director  war  seit  längerer  Zeit  der  früher  bei 
der  Königlichen  Seehandliing  angestellte  und  erst  vor 
kurzem  ausgeschiedene  Geheime  Oberfinanzrath 
Scheller;  neben  ihm  fungirte  ein  Herr  Louis,  und 
den  Aufsichtsrath  bildeten:  der  Abgeordnete,  Freiherr 
Ernst  von  Eckardstein-Prötzel,  Commerzienrath  und 
Stadtverordneter  Emil  Ebeling,  Banquier  Louis  Stein- 
thal etc.  In  der  Generalversammlung  am  1.  Mai  1876 
beantragte  der  Vertreter  der  Königlichen  Seehandlung: 
die  früheren  Dechargen  für  null  und  nichtig  zu  er- 
klären und  den  „unerhörten  Verfall"  der  Gesellschaft 
zu  untersuchen.  Demgemäss  wurde  auch  eine  Eevi- 
sionscommission  eingesetzt,  und  nachdem  dieselbe 
Bericht  erstattet,  beschlossen:  gegen  die  Herren 
Scheller  und  Louis  im  Civilprocesse  vorzugehen.  Ein 
weiterer  Antrag:  die  Angelegenheit  dem  Staatsan- 
walt zu  überweisen,  fand  nicht  die  Majorität!  So  ist 
durch  liederliche  Wirthschaft,  wenn  nicht  durch  Schlim- 
meres, eine  altrenommirte  wohlsituirte  Gesellschaft 
in  kurzer  Zeit  ruinirt,  und  man  hat  das  Etablisse- 
ment zum  Verkauf  gestellt. 

Seit  dem  „Krach"  ist  die  Nachfrage  wieder  sehr 
gesunken,  wir  haben  heute  grossen  Ueberfluss  an 
Papier  und  Lumpen.  Die  Fabrikation  von  Actien 
hat  völlig  aufgehört;  eine  grosse  Zahl  von  Actienge- 


—    189    — 

Seilschaften  ist  entschlafen,  die  anderen  vegetiren  nur 
noch;  die  Börse  und  die  Banquiers  sind  ohne  Be- 
schäftigung, das  ausgebeutelte  Publikum  trauert.  Die 
Zeitungen  sind  arg  zusammengeschrumpft;  es  fehlen 
die  Inserate,  es  schwinden  die  Abonnenten;  viele 
Blätter,  namentlich  die,  welche  von  der  Börse  lebten, 
sind  eingegangen,  sind  ebenso  verschwunden,  wie  sie 
in  der  Schwindelperiode  auftauchten.  Am  1.  Juli  1874 
trat  das  Eeichsgesetz  über  die  Presse  in  Kraft;  es 
fielen  die  Cautionen,  es  fiel  endlich  die  Zeitungs- 
steuer, aber  diese  Vortheile  kamen  nur  den  Zeitungs- 
besitzern, weder  dem  Publikum  noch  der  Presse 
selber  zu  Gute.  Die  Presse  hat  an  Freiheit  nicht 
gewonnen,  sondern  eingebüsst;  die  Zeitungen  sind 
nicht  billiger  und  besser,  eher  schlechter,  langweiliger 
und  trockener  geworden.  Es  sind  auch  nicht,  wie 
man  auf  verschiedenen  Seiten  hoifte,  „massenhaft" 
neue  Blätter  entstanden;  dazu  ist  die  Zeit  zu  schlecht 
und  das  Publikum  zu  theilnahmlos. 

Unter  den  Papierindustriellen  ist  Jammern  und 
Wehklagen.  Sie  bejammern  die  Ueberproduction,  die 
sie  doch  selber  geschaffen,  das  Schleuderverfahren 
vieler  Fabriken,  das  Fallen  des  Silberpreises,  welches 
den  Oesterreichischen  Fabrikanten  die  Concurrenz 
um  ca.  20  Procent  erleichtere;  sie  verlangen  die  Auf- 


—     190    — 

liebuDg  des  Eingangszolls  auf  Chemiealien  und  Revi- 
sion der  Handelsverträge  mit  dem  Auslande,  damit 
z.  B.  Russland;  Frankreich  und  Oesterreich  den  Aus- 
gangszoll auf  Lumpen  gleichfalls  aufliebe,  und  die 
Einfuhr  von  Papier  nicht  höher  besteuere,  als  Deutsch- 
land dies  tliut.  Ihre  Forderungen  und  Klagen  sind 
zum  Theil  wol  nicht  unberechtigt,  zum  Theil  aber 
auch  gesucht  und  lächerlich,  wie  denn  die  Crön\yitzer 
Papierfabrik  im  letzten  Geschäftsbericht  ihr  Leiden 
den  Elementen,  dem  Schnee  und  dem  Hochwasser 
in  die  Schuhe  zu  schieben  sucht.  Die  eigentliche 
Schuld  für  das  Darniederliegen  der  Papierindustrie 
trägt  der  Actienunfug,  der  gerade  in  dieser  Branche 
ein  erschrecklicher  gewesen  ist.  Von  [den  oben  ge- 
nannten 32  Gesellschaften  haben  13  fallirt  oder  liqui-  . 
dirt,  13  sind  ohne  jeden  Cours  oder  der  Cours  ist 
kaum  nennenswerth,  und  nur  6  notiren  noch  über 
30  Procent.  Diese  Zahlen  bedürfen  keines  weiteren 
Commentars. 


Ein  ganz  ähnliches  Bild  gewähren  die  Zucker- 
gründungen, :bei  denen  auch  riesige  Summen  ver- 
geudet sind,  die  gleichfalls  eine  Ueberproduction  her- 
beigeführt haben.  Wie  unter  den  Papierfabriken 
finden    sich    auch    unter   den   Zuckerfabriken  nicht 


—     191     — 

wenige,  die  den  Actionären  mit  V-2  bis  1  Va  Millionen 
Thaler  überantwortet  wurden.  Ganz  unbedeutende 
Etablissements  sind,  einschliesslich  der  Hypotheken, 
mit  300,000  bis  600,000  Thaler  belastet.  Wo  ist  da 
ein  Gedeihen,  eine  Verzinsung  möglich;  zumal  die 
Zuckerpreise,  die  von  1869  bis  1872  in  die  Höhe 
gingen,  seitdem  in  Folge  der  Ueberproduction  um 
23  bis  28  Procent  gefallen  sind! 

Von  den  zahlreichen  Gesellscliaften  nennen  wir: 

Zuckerfalbrik  iu  Traclienberg  (Schlesien).  Gegründet 
April  1871  mit  200,000  Thaler  Actien,  Aufsichtsrath:  Geh. 
Commerzienrath  von  Ruffer  in  Breslau ,  Geh.  Finanzrath 
Baron  von  Cohn  in  Dessau,  Commissionsrath  S.  Schlesinger  in 
Trachenberg  etc.     Vertheilte  1875  —  16%  Dividende. 

Zuckerfabrik  Alt- Janer.  Entstand  November  1871  mit 
380,000  Thaler  Actien,  welche  die  Gewerbebank  H.  Schuster 
und  Co.  in  Berlin  und  Heinrich  Sachs  Wittwe  in  Jauer  auf- 
legten.   Letzte  Dividenden  0  und  IV^^/o- 

Kostocker  Zuckerfabrik.  Gegründet  März  1872  von  der 
Centralbank  für  Genossenschaften  in  Berlin,  mit  Hülfe  des 
Kaufmann  F.  Schwarz  iu  Rostock.  Der  Uebernahmepreis  war 
im  Prospect  auf  630,000  Thlr.  angegeben,  soll  aber  in  Wirklichkeit 
nur  430,000  Thaler  gewesen  sein.  Actiencapital  700,000  Thaler 
und  600,000  Thaler  Hypotheken!  Als  erste  Aufsichtsräthe 
nannte  der  Prospect:  Consul  C.  Ch.  Lesenberg,  Director  C.  Abend- 
roth, Rentier  W.  Burmester  und  Landsyndicus  Advocat  Groth 
in  Rostock,  Director  Gust.  Thölde  und  Exdirector  H.  P.  Kreiuer 
in  Berlin.  Die  erste  und  einzige  Dividende  von  GV4%  war 
künstlich  gemacht,  man  befand  sich  fortwährend  in  Geldnöthen, 
und  die  Schulden  betrugen  schliesslich  1  Million  Thaler.  Um 
sich  zu  entlasten,   betrieben   die  Gründer  gewaltsam  die  Ent- 


192 


gründung  und  verkauften  den  Besitz  Mai  1876.  Für  die  Actio- 
näre  wird  nichts  übrig  bleiben.  Cours  einst  105.  Der  Staats- 
anwalt soll  eingeschritten  s6in. 

lYildiiiiger  Zuckerfabrik  (im  Waldeck'schen).  Vorsitzender 
des  Aufsichtsraths :  Otto  Swoboda  in  Berlin.  Gerieth  1874  in 
Concurs. 

Zuckerfabrik  Glauzig  bei  Cöthen.  Gegründet  April  1872 
von  der  Leijjziger  Wechsler-  und  Depositenbank,  der  Berliner 
Wechslerbank,  Bein  &  Co.  in  Berlin,  der  Sächsischen  Credit- 
bank  in  Dresden ,  B.  J.  Friedheim  &  Co.  und  Gebrüder  Herz- 
berg in  Cötheu.  Actiencapital  1,500,000  Thaler  und  über 
500,000  Thaler  Hypotheken!  Director  R.  Richter.  Aufsichts- 
rath:  Rechtsanwalt  Lezius  und  Oberbürgermeister  Joachimi  in 
Cöthen,  Bankdirector  Sernitsch  und  Adolf  List  in  Leipzig, 
Gustav  Ziegler  in  Dessau.  Die  erste  Dividende  von  3%  wurde 
durch  Zuschüsse  des  Vorbesitzers  bestritten,  war  also  gemacht, 
und  im  zweiten  Geschäftsjahr  gab  es  0.  1874  wurden  indess 
9^/4%,  und  an  Tantiemen  über  22,000  Thaler  (!)  vertheilt.  1875 
gab  es  wiederum  0,  und  1876  ganze  2%.  Der  Cours  ist  noch 
etwa  40. 

Zuckerfabrik  Bredow  bei  Stettin,  welche  die  Gründer 
im  November  1872  von  der  Ritterschaftlichen  Privatbank  in 
Pommern  angeblich  für  530,000  Thaler  erwarben.  Actiencapital 
500,000  Thaler,  aufgelegt  bei  F.  W.  Krause  &  Co.  in  Berlin 
und  bei  S.  Abel  jr.  in  Berlin  imd  Stettin.  Dazu  150,000  Thlr. 
Hypotheken!  Als  Aufsich tsräthe  waren  im  Prospect  genannt: 
Oberamtmann  A.  0.  Koppe  in  Amt  Kienitz,  Zuckerfabrikant 
Bergmann  auf  Tucheband,  Commerzienrath  Quistorp  und  Bank- 
director Hindersin  in  Stettin,  Otto  Hessenland  in  Berlin.  Di- 
videnden von  1873  bis  1876:  6V3»  0,  2-/3  und  resp.  0.  Cours 
einst  110,  jetzt?  Die  Veröifentlichung  von  Bilanzen  scheint 
der  Vorstand  nicht  zu  lieben. 

Zuckerfabrik  Koerbisdorf  bei  Merseburg,  vormals  Br  um  - 
hard,  Koch  &  Co.     Gegründet  März  1872  von  der  Deutschen 


193 


Genossenschaftsbank  Soergel,  Parrisius  &  Co.  und  Carl  Coppel 
&  Co.  in  Berlin,  der  Internationalen  Bank  in  Hamburg,  der 
Thüringischen  Bank  in  Sondershausen  und  dem  Bankverein 
von  Kulisch,  Kämpf  &  Co.  in  Halle.  Actiencapital  900,000  Thaler 
und  an  900,000  Thlr.  Hypotheken  und  Prioritäten!  Der  Prospect 
gab  den  Kaufpreis  auf  1,209,000  Thaler  (!)  an,  und  versprach 
eine  Dividende  von  11  bis  12%.  Aufsichtsräthe  u.  A.:  Director 
Soergel  in  Berlin,  Commerzienrath  Bor  in  Soudershausen,  Ban- 
quier  Kulisch,  Kaufmann  Fr.  Pfafle  und  Amtmann  Reinecke  in 
Halle,  Abgeordneter  Rechtsanwalt  Wölfel  in  Merseburg.  Die 
erste  und  einzige  Dividende  von  8%  war  nicht  verdient.  Coui'S 
einst  120,  im  Sommer  1876  etwa  20. 

Zuckerfabrik  Nienburg  a.  S.,  vormals  H.  Zuck- 
schwerdt  &  Beuchel.  Vorgekauft  von  Hermann  Geber  und 
gegründet  Februar  1872  von  R.  A.  Seelig,  Hermann  Leubuscher 
Ed.  Stahlschmidt  und  „Generaldirector"  Julius  Müller  in  Berlin. 
Actiencapital  500,000  Thaler  und  200,000  Thaler  Hypotheken. 
"Wilhelm  Meissner  und  Gustav  Dorendorf  behielten  die  Leitung, 
Als  erste  Aufsichtsräthe  und  direct  bei  dem  Unternehmen  be- 
theiligt, nannte  der  Prospect:  Abgeordneten  Kaufmann  Herrn. 
Zuckschwerdt,  Max  Dulon  (E.  Ch.  Helle)  und  Gustav  Meissner 
(E.  Musmann)  in  Magdeburg,  Julius  Schweitzer,  Börsen-Redacteur 
der  „ÜSTational-Zeitung"  in  Berlin.  Die  erste  und  einzige  Dividende 
von  6%  war  nicht  verdient.  September  1874  beschloss  man  die 
Liquidation,  und  nachdem  sich  dieselbe  über  zwei  Jahre  hin- 
gezogen, werden  die  Actionäre  etwa  3%  zurückerhalten.  Herr 
Julius  Schweitzer,  zum  Vorsitzenden  des  Aufsichtsrath  er- 
wählt, legte  diese  hohe  Würde  nach  Vertheilung  der  Dividende 
nieder. 

Actiengesellschaft  für  Rübeuzucker-Industrie  in  Schwe- 
den. Bildete  sich  Ende  1871  unter  der  finanziellen  Leitung 
von  Eberhard  Mencke  in  Braunschweig,  mit  einem  Actiencapital 
von  3  Milhonen  Thaler,  wovon  zunächst  360,000  Thaler  aus- 
gegeben wurden.     Cours? 

Glagau,  Der  Löräenscbwiudol.  II.  13 


—     194    — 

Zuckersiederei  Braunschweig,  früher  Gebr.  Bautier. 
Gegründet  1871  von  Commerzienrath  Ritter  von  Voigtländer, 
Commerzienrath  Albert  Oppenheimer  und  Carl  Ubl  in  Braun- 
schweig,  Gustav  Seeliger  in  Wolfenbüttel.  Das  Actiencapital 
von  250,000  Thaler  wurde  zum  Course  von  105  emittirt.  Da 
der  Prospect  falsche  Angaben  enthält ,  haben  verschiedene 
Actionäre  gegen  die  Gründer  auf  Zurücknahme  der  Actien  ge- 
klagt, und  Juli  1876  in  zweiter  Instanz  ein  obsiegendes  Er- 
kenntniss  erstritten.  Den  Einwand  der  Verklagten,  dass  bereits 
Verjährung  eingetreten,  verwarf  das  Obergericht  zu  Wolfen- 
büttel, indem  es  ausführte,  dass  dieser  Einwand  im  Falle  eines 
Betruges  unzulässig  ist. 

Berliner  Zucker-Raffinerie,  sonst  Gebr.  Schickler. 
Vorgekauft  von  Paul  Munk,  und  gegründet  October  1872  von 
Commerzienrath  Meyer  Cohn,  Gustav  Böhm,  Leopold  Hadra, 
Georg  Beer,  Aron  Hirsch  Heymann  und  Commissionsrath  Jacob 
Goldmann  in  Berlin,  Fabrikbesitzer  Friedrich  Bergmann  zu 
Tucheband.  Actiencapital  1,200,000  Thaler  und  650,000  Thlr. 
Hypotheken!  Vorstand:  Hermann  Löwinsohn  in  Berlin.  1875 
schloss  mit  einer  Unterbilanz  von  43,000  Thaler,  In  Wahrheit 
wird  der  Verlust  schon  weit  grösser  sein;  doch  sollen  sich  die 
Actien  noch  in  den  Händen  der  Gründer  befinden. 

Altenburger  Zuckerfabrik  in  Zechau  bei  Meuselwitz. 
Gegründet  April  1872  von  Robert  Baumann  (Berliner  Bank) 
und  dem  Herzoglichen  Domainenpächter  Naumann,  und  den 
unglücklichen  Actionären  für  700,000  Thaler  überantwortet. 
Ausser  dem  Actiencapital  von  600,000  Thaler  versuchte  man 
später  noch  250,000  Thaler  Prioritäten  auszugeben.  1874  brach 
der  Concurs  aus,  und  es  ergab  sich  eine  Schuldenlast  von 
425,000  Thaler,  während  der  nothwendige  Verkauf  nur  179,000 
Thaler  eintrug. 

Stärke-Syrup-,  Traubenzucker-  und  Zucker-Couleur- 
Fabrik,  vormals  Seeler  &  Moiske  in  Frankfurt  a.  0.  und 
in  Beeskow.     Gegründet  September  1872   von   der  Niederlau- 


—     195     — 

sitzer  Credit -Gesellschaft  in  Berlin  und  Frankfurt.  Actieu- 
capital  300,000  Thaler,  von  welchem  die  Vorbesitzer  ein  Drittel 
übernahmen.  B.  Moiske  wurde  Director.  Der  Prospect  rech- 
nete 14*^/0  Dividende  vor  und  nannte  als  Aufsichtsräthe :  Herrn. 
Zapp,  Brauereibesitzer  H.  S.  Muth,  Zimmermeister  Wilhelm 
Stumpf  und  Stadtrath  Dr.  juris  Adolph  in  Frankfurt  a.  0., 
Paul  Helm  und  Fabrikbesitzer  G,  F.  W.  Noack  in  Berlin. 
1873  entfielen  IVo,  1874  —  7%  Dividende.  April  1876  brach 
der  Concurs  aus. 

Stärke-  Tiutl  Syrupf abrik ,  vormals  Dutalis  &  Co.  in 
Brandenburg  a.  H.  Erworben  für  angeblich  315,000  Thlr.  (!) 
und  gegründet  September  1872.  Das  Actiencapital  von  300,000 
Thaler  wurde  durch  Beer  &  Herzberg  an  der  Berliner  Börse 
zum  Course  von  105  (! !)  eingeführt.  Ausserdem  75,000  Thaler 
Hypotheken.  Aufsichtsräthe  u.  A.:  Joseph  Herzfeld,  Emanuel 
Kathan,  M.  Alberts,  R.  Keller  und  Ed.  Marwitz.  Dividenden 
nie.  Die  Bilanz  vom  31.  August  1874  schloss  mit  ca.  200,000  Thlr. 
Verlust,  und  Februar  1876  begann  die  Liquidation. 

Stärkeznckerfabrik,  vormals  Carl  Aug.  Köhlmann  in 
Frankfurt  a.  0.  Gegründet  November  1871  mit  600,000  Thlr. 
Actien.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung.  Aufsichtsrath : 
Ferd.  Jaques,  Carl  Coppel,  Walter  Bauendahl  und  „General- 
director"  A.  Zimmermann  in  Berlin,  Stadtrath  August  Pahl  in 
Frankfurt  a.  0.  Dividenden  von  1872  bis  1876:  5,  10,  12,  6 
und  resp.  7V2%-    Cours  etwa  60. 

Von  diesen  15  Gesellschaften  traten  6  in  Concurs 
oder  in  Liquidation,  4  sind  ohne  Cours,  und  5  noti- 
ren  noch  über  20.  Ende  1876  begann,  angeblich  in 
Folge  der  schlechten  Rübenernte,  ein  Steigen  der 
Zuckerpreise,  welches  aber,  wie  beim  Petroleum, 
wahrscheinlich  künstlicher  Natur  ist,  und  hauptsäch- 

13» 


—     196    — 

lieh  der  Börse  dient,  die  seitdem  eine  Courstreiberei 
in  Ziickeractien  versucht.  Möge  das  Publikum  vor 
diesem  neuen  Schwindel  gewarnt  sein! 


"Wir  kommen  zu  den  Glasgründungen,  deren  erstes 
Resultat  eine  Erhöhung  der  Glaspreise  um  25  Pro- 
cent war.  Sie  sind  nicht  so  zahlreich  wie  die  Papier- 
und  Zuckergründungen,  aber  im  Durchschnitt  ebenso 
bösartig,  und  wir  verzeichnen  hier: 

Deutsche  Spiegelglas- Actiengesellscliaft,  vormals  Gebr. 
Koch  in  Grünenplan  bei  Delligsen  in  Braimscbweig;  gegründet 
Juli  1871.  Von  dem  Actiencapital  mit  1  Million  Thaler  wurden 
zunächst  600,000  Thaler  in  SOprocentigen  Interimsscheinen 
ausgegeben,  die  Hugo  Pringsheim  an  der  Berliner  Börse  mit 
118,  also  zu  einem  Course  von  136  einführte,  und  welche  man 
bis  ca.  145  trieb,  was  einem  Course  von  190  entspricht!!  Der 
Mitvorbesitzer ,  Dr.  Friedrich  Koch,  der  „mit  seinem  ganzen 
Capital  betheiligt"  blieb,  behielt  die  Leitung  und  nahm  den 
Titel  „Generaldirector"  an.  Als  erste  Aufsichtsräthe  nannten 
die  redactionellen  Keclamen  der  Zeitungen:  Geh.  Commerzien- 
rath  Louis  Ravene,  Bankagent  Theodor  Hertel,  Baurath  Wäse- 
mann  und  Fabrikant  Albert  Pfaif  in  Berlin,  Dr.  Aug.  Seyferth 
in  Braunschweig,  Gustav  Seeliger  in  Wolfenbüttel.  Im  December 
1872  geschah  die  II.  Actien-Emission  im  Betrage  von  400,000 
Thaler;  die  Gründer  überliessen  200,000  Thaler  den  Actionären 
zum  Course  von  110,  und  brachten  die  andere  Hälfte  allmälig 
an  den  Markt,  was  ihnen  zusammen  ein  Agio  von  70,000  bis 
90,000  Thalern  eingetragen  haben  muss.  Für  1873  entfiel  eine 
Dividende  von  2%;  seitdem  0.    Cours  ca.  25. 

Glasfabrik  Allbertinenllütte,  früher  Georg  Leuffgeu 


-     197     — 

in  Charlottenburg  bei  Berlin.  Gegründet  4.  November  1871 
von  Georg  Beer,  Isiilor  Platho  (Platho  &  Wolff),  Ignatz  Wit- 
kowski,  Justizrath  Gustav  Wolff  und  der  Preuss.  Boden-Credit- 
Actien-Bank  (Richard  Schweder)  in  Berlin.  Der  Prospect  stellte 
16%  Dividende  in  Aussicht,  und  der  Vorbesitzer,  welcher  einen 
Posten  Actien  übernahm,  garantirte  für  5  Jahre  „unter  Cau- 
tionsleistung"  10%.  In  Folge  dieser  glänzenden  Versprechungen 
wurde  das  aufgelegte  Actiencapital  fünfmal  überzeichnet.  Für 
das  erste  Geschäftsjahr  erhielten  die  Actionäre  die  garautirten 
10%,  dann  aber  nichts  mehi-.  Der  Aufsichtsrath,  das  sind  die 
Gründer,  hat  den  Director  und  Vorbesitzer  Leuffgen  seiner  Ver- 
pflichtungen enthoben.  Ausser  demGrundcapital  mit  395,000  Thlr. 
belasten  die  Gesellschaft  über  500,000  Thaler  Hypotheken  und 
Prioritäten.  Daraus  erklärt  sich,  dass  die  Actien,  die  einst 
mit  110  gesucht  waren,  heute  1  Brief  stehen,  d.  h.  mit  1  ver- 
gebens angeboten  werden.  —  Herr  Leuffgen  ist  auch  bei  der 
ebenso  berüchtigten  Deutschen  Marezzo- Marmor -Gesell- 
schaft betheiligt,  die  schon  seit  zwei  Jahren  den  Staatsanwalt 
beschäftigt. 

Glasfabrik  C'harlottouhütte  zu  Waitze  im  Posenschen. 
Gegründet  März  1S73  von  Rittergutsbesitzer  Adolf  Wollmann 
zu  Waitze,  Banquier  Adalbert  Nitjkowski  zu  Hirschberg  i.  Schi., 
Redacteur  Alexander  Hoffers  in  Berlin,  Fabrikant  Jul.  Fahdt 
und  Hüttenbesitzer  Friedrich  Siemens  in  Dresden.  Vorstand: 
Dr.  L.  Hoffmaun  in  Berlin.  Actiencapital  425,000  Thlr.  Schon 
im  December  1873  brach  der  Concurs  aus,  der  zwar  rück- 
gängig gemacht  wurde,  an  dessen  Stelle  aber  die  Subhastation 
trat.  Selbstverständlich  sind  die  Actien  werthlos.  Der  Staats- 
anwalt zu  Meseritz  hat  recherchirt. 

Adolf  Wollmann  und  dessen  Sohn  waren  in  den  Giftmord- 
Prozess  verwickelt,  der  1875  in  der  Provinz  Posen  so  grosses 
Aufsehen  machte,  und  um  ihretwillen  wurden  der  Director  und 
der  Abtheilungs-Dirigent  des  Kreisgerichts  Birnbaum  vom  Amte 
suspendirt. 


—     198    — 

Mederlausitzer  Glashütte  in  Fürstenberg  a.  0.  Ge- 
gründet Februar  1873  durch  die  Maklervereinsbank  in  Berlin 
mit  300,000  Thlr.  Actien.  Aufsich tsratb:  Otto  Kaufmann,  Eugen 
Haiuauer  und  Hermann  Jagodzinski  in  Berlin.  Vorstand: 
Fabrikant  Moritz  Beichler  in  Fürstenberg  und  Fr.  "Wilhelm 
Kaesse  in  Berlin.  Für  das  erste  Geschäftsjahr  3%  Dividende, 
dann  0  und  1876  in  Liquidation. 

Vereinigte  Glashütten,  vormals  Wilh.  Rönsch  und 
Gebrüder  Hirsch  in  Radeberg  bei  Dresden.  Gegründet 
November  1872  mit  265,000  Thaler  Actien,  die  ä  105  ausgegeben 
wurden!  Aufsichtsrath:  Advocat  Dr.  Hermann  Sintenis,  Otto 
Harlan  (H.  W.  Bassenge  &  Co.),  Hugo  Grumpelt  und  Rentier 
Berthold  Wuttig  in  Dresden,  Advocat  Paul  Oertel  in  Radeberg. 
Letzte  Dividenden  0  und  1%. 

Westphälische  Glashütte,  vormals  Haarmann,  Schott 
und  Hahne  in  Witten  an  der  Ruhr.  Gegründet  Novbr.  1872 
von  der  Bank  für  Rheinland  und  Westphalen  in  Cöln,  der 
Elberfelder  Disconto-  und  Wechslerbank  und  J.  H.  Brink  &  Co. 
in  Elberfeld.  Actiencapital  1  Million  Thaler  und  200,000  Thlr. 
Hj'potheken!  Die  Vorbesitzer  behielten  die  Leitung,  und  eine 
Notiz  in  ,,Saling's  Börsenblatt"  vom  7.  December  Hess  bereits 
auf  eine  Dividende  von  13  bis  14%  hoffen.  1874  schloss  mit 
573,000  Thaler  Verlust,  worauf  die  Vorbesitzer  100,000  Thaler 
und  ein  „Actionär"  180,000  Thaler  in  Actien  „gratis"  zurück- 
lieferten !  Sodann  meuchelte  man  das  Actiencapital  auf  600,000 
Thaler.  Trotzdem  erwies  die  Bilanz  vom  31.  August  1875 
wieder  einen  Verlust  von  über  375,000  Thaler,  und  die  schwe- 
bende Schuld  betrug  etwa  270,000  Thal  er.  —  Preisaufgabe: 
Was  mag  die  famose  Hütte  wol  eigentlich  werth  sein? 

Rheinische  Glashütte  in  Cöln.  Gegründet  Juni  1872  mit 
250,000  Thlr.  Actien.  Aufsichtsrath:  Advocat- Anwalt  Esser  II, 
Baurath  Raschdorff,  „General director"  Martin  Neuerburg,  Ad- 
vocat Schnaas,  Ernst  Leybold.    Cours? 

Glashütte  Penzig  bei  Görlitz,  vormals  Baeni  seh,  Menzel 


—     199    — 

&  Co.  Gegründet  Februar  1872  mit  340,000  Thaler  Actien, 
welche  S.  Abel  jr.  in  Berlin  auflegte.  Aufsichtsrath:  Geh. 
Commerzienrath  R.  Schmidt  (Geyers  &  Schmidt),  Stadtverord- 
neten-Vorsteher Halberstadt,  Bankvorsteher  Rusche  weyh,  Rechts- 
anwalt Dr.  Dreyer  und  Albert  Katz  in  Görlitz.  Der  Vorbesitzer 
Menzel  behielt  die  Leitung,  und  der  Prospect  stellte  mindestens 
10*^/0  Dividende  in  Aussicht  —  „selbst  wenn  man  berücksichtigt, 
dass  eine  Actiengesellschaft  eine  kostspieligere  Verwaltung  hat 
als  der  Privateigenthümer",  hiess  es  in  der  Aufforderung  zur 

Subscription. Ebenso  merkwürdig  wie  dieses  Eingeständ- 

niss  ist  der  Umstand,  dass  die  Versprechungen  des  Prospects 
sich  hier  bewahrheitet  haben.  Für  1874  erhielten  die  Actio- 
näre  17'','oj  und  für  1875  —  10%.    Möge  es  dabei  bleiben! 

Ausser  diesen  Gesellschaften  sind  noch-  bekannt 
geworden:  die  Neu-Friedriclisthaler  Glashütte  bei 
Schneidemühl,  ursprünglich  dem  „berühmten"  Malz- 
fabrikanten Johann  Hoff  in  Berlin  gehörig,  welche 
1876  ihr  Actiencapital  von  400,000  auf  100,000  Thaler 
herabminderte  und  dann  den  Concurs  anmeldete;  die 
Glas-  imd  Spiegel  -  Mauufactur  zu  Schalke  bei 
Gelsenkirchen  mit  einem  Grundcapital  von  1,200,000 
Thaler;  und  die  Creuzuacher  Glashütte  mit  150,000 
Thaler  Actien,  eine  doppelt  merkwürdige  Gründung, 
insofern  sie  sich  noch  im  April  1874  liervorwagte, 
und  von  einer  Gesellschaft  in  die  Welt  gesetzt  wurde, 
die  schon  selber  sich  in  der  Auflösung  befand,  näm- 
lich von  der  liquidirenden  Aachener  Bank  für  Handel 
und   Industrie.     Ferner   traten   in   Liquidation:    die 


—     200     — 

Dauziger  Glashütte  und  die  Glashütte  Elisenhrueh 

bei  Conitz  in  Westpreussen-,  während  die  Glashütte 
Westerhüseu  bei  Magdeburg  1875  in  Concurs  ge- 
rieth.  Die  Stollberger  Glashütte  endlich  wurde 
der  Gegenstand  eines  wichtigen  Criminalprocesses  und 
verdient  deshalb  eine  nähere  Erörterung: 

Im  September  1872  verbanden  sich  zur  Gründung 
dieser  Gesellschaft:  A.  Charlier  in  Burtscheid,  K. 
Delius,  H,  Steinmeister  und  Advocat- Anwalt  Koch  in 
Aachen,  sowie  die  Rheinisch-Westphälische  Genossen- 
schaftsbank in  Cöln,  vertreten  durch  ihre  Directoren: 
W.  Keussen  und  Advocat-Anwalt  a.  D.  Bloem.  Sie 
kauften  die  Glasfabrik  von  Moritz  Kraus  in  Stollberg, 
welche  dieser  vier  Jahre  vorher  um  34,000  Thaler 
erworben,  für  130,000  Thaler  an;  ein  Preis,  der  nach 
Abschätzung  der  Sachverständigen  den  eigentlichen 
Werth  weit  überstieg.  Als  Vorkäuferin  trat  die  Rhei- 
nisch-Westphälische Genossenschaftsbank  auf  und 
wurde  in  diesem  Contract  die  Kaufsumme  auf  160,000 
Thaler  bezeichnet.  Nunmehr  erwarb  die  neue  Ge- 
sellschaft das  Etablissement  von  der  Rheinisch- West- 
phälischen  Genossenschaftsbank,  die  aber  ihrerseits 
den  früheren  Eigenthümer  Kraus  vorschob,  für  an- 
gebhch  200,000  Thaler,  und  setzte  das  Actiencapital 
auf  260,000  Thaler  fest,  welche  die  genannten  Grün- 


—    201     — 

der  zeichneten.  Die  Differenz  zwischen  dem  wirk- 
lichen und  dem  fingirten  Kaufpreise  von  zusammen 
70,000  Thaler  wurde  in  der  Art  zwischen  ihnen  ge- 
theilt;  dass  sie  sich  die  neuen  Actien  zum  Course 
von  nur  73  zuschrieben.  Sie  suchten  und  fanden  ein 
Consortium,  welches  ihnen  die  Actien  zum  Course 
von  92  abnahm,  und  mit  diesem  zusammen,  gedachten 
sie  das  Pubhkum  zu  beglücken,  demselben  die  Actien 
über  Pari  (100)  anzuschmieren.  Die  Vorgänge  hinter 
den  Coulissen  wurden  jedoch  ruchbar,  auch  die  Zeit- 
verhältnisse ungünstiger,  und  die  Gründung  fiel  ins 
Wasser,  während  die  Consortialen  mit  den  ä  92  über- 
nommenen Actien  sitzen  blieben. 

Die  Consortialen  waren  also  nicht  etwa  ernsthafte 
Actionäre,  sondern  blosse  Speculanten,  welche  den 
Gründern  einen  Gewinn  von  19^/o  sicherten,  und 
ihren  eigenen  Vortheil  erst  vom  Publikum  zu  ziehen 
gedachten.  In  die  Mysterien  der  Gründung  sollen 
sie  nicht  eingeweiht  gewesen  sein,  vielmehr  den  fal- 
schen Angaben  des  Prospects  selber  Glauben  ge- 
schenkt haben.  Trotzdem  riefen  sie,  wie  es  scheint, 
nicht  den  Richter  an,  wol  aber  schritt  der  Oberpro- 
curatur  zu  Aachen  von  Amtswegen  ein,  und  erhob 
gegen  die  Gründer  die  Anklage  wegen  Betrug.  Die- 
selben wurden  jedoch  in  erster  wie  in  zweiter  In- 


—     202     — 

stanz  freigesprochen;  sowol  die  Zuchtpolizeikammer 
als  die  Appellkammer  des  Landgerichts  zu  Aachen 
vermissten  die  Erfordernisse  des  Betruges.  Dagegen 
meldete  das  öffentliche  Ministerium  den  Cassations- 
recurs  an,  worauf  das  Ober-Tribunal  in  Berlin  das  frei- 
sprechende ürtel  durch  Erkenntniss  vom  4.  Mai  1876 
vernichtete;  und  die  Sache  zur  nochmaligen  Verhand- 
lung und  Entscheidung  an  die  Appellkammer  zu 
Düsseldorf  verwies.  Was  der  Appellrichter  verneint, 
bejaht  das  Ober-Tribunal.  Es  findet  eine  Vermögens- 
beschädigung und  einen  widerrechtlichen  Vermögens- 
vortheil  darin,  dass  der  Vertrag  die  Kaufsumme  un- 
richtig auf  200,000  Thaler  angiebt.  Es  findet  eine 
Täuschung  darin,  dass  die  Gründer  die  Differenz  von 
70,000  Thaler  den  Consortialen  verschwiegen  haben 
und  stellt  fest,  dass  bei  jedem  Societätsverhältniss  die 
einzelnen  Gesellschafter  „zu  gegenseitiger  Wah- 
rung von  Treu  und  Glauben"  und  zu  offener 
Mittheilung  der  für  das  Geschäft  wesentlichen  That- 
umstände  verbunden  sind. 

Leider  laborirt  diese  hochwichtige  Entscheidung, 
ebenso  wie  die  Erkenntnisse  der  L  und  IL  Instanz, 
an  einem  schwerfälligen  Actenstil,  an  einem  von 
dem  Laien  nur  mühsam  zu  entwirrenden  Perioden- 
knäuel;   aber   sie  ist  von   unabsehbarer  Tragweite. 


—     203     — 

Wenn  sie  die  Gründer  verpflichtet,  den  Consortialen, 
also  ihren  Genossen  und  Gehülfen,  nichts  Wesent- 
liches zu  verschweigen,  sondern  den  Thatbestand 
offen  und  wahrheitsgemäss  mitzutheilen,  so  besteht 
solche  Verpflichtung  unzweifelhaft  auch  den  wirk- 
lichen Actionären  gegenüber.  Nach  dem  Urtel  des 
höchsten  Gerichtshofes  sind  alle  Gründungen 
der  Schwindelperiode  von  1870  bis  1873  dem 
Staatsanwalt  verfallen,  denn  keine  ist  ohne  er- 
heblichen Profit  geschehen,  dieser  aber  ist  stets  ver- 
heimlicht. Wenn  die  Prospecte  auch  nicht  immer 
positiv  falsche  Angaben  enthalten,  so  verschweigen 
sie  doch  regelmässig  den  Gründeraufschlag,  und  das 
Ober-Tribunal  hat  schon  früher  entschieden,  dass  der 
verschwiegene  Gründergewinnst  als  Betrug  angesehen 
und  bestraft  werden  soll. 


Die  Gründer,  welche,  um  der  Industrie  auf  die 
Beine  zu  helfen,  keine  Branche  vergassen,  haben 
ferner  auch  in  Leder,  Gummi  und  Tabak  gemacht, 
und  charakterisiren  wir  zunächst  folgende  Gesell- 
schaften: 

Säclisisclie  Leder-Indnstrie,  vormals  Daniel  Beck  in 
Döbeln  bei  Riesa.  Gegründet  Januar  1872  von  Philipp  Eli- 
meyer  in  Dresden  mit  700,000  Thaler  Actien,  welche  in  Berlin 
Moritz  Löwe  &  Co.  auflegten.    Als  erste  Aufsichtsräthe  nannte 


—     204     — 

der  Prospect:  Knauth,  Nachod  &  Kühne  in  Leipzig,  Götze 
&  Popert  in  Hamburg,  Hermann  Schlesinger  in  Berlin,  C.  F. 
Forster  in  Riesa  and  Advocat  Carl  Speck  in  Döbeln.  Die  bis- 
herigen Besitzer  Oscar  Beck  und  Paul  Beck  übernahmen  die 
Leitung  und  eine  „sehr  ansehnliche  Summe"  in  Actien. 
An  Dividende  wurden  „mindestens  10  bis  12%"  in  Aussicht 
gestellt,  und  für  1872  auch  wirklich  127o  gezahlt.  Dagegen 
schloss  1874  mit  102,000,  1876  mit  187,000  Thaler  Verlust,  und 
October  187G  ging  man  daran,  die  Hälfte  der  Actien  zu  meu- 
cheln.   Cours  einst  140,  jetzt  ca.  15. 

Dresdener  Lederfabrik,  vormalsF.RobertBierlinglV. 
Gegründet  März  1872  mit  475,000  Thaler  Actien  und  100,000 
Thaler  Hypotheken.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung,  und 
als  erste  Aufsichtsräthe  nannten  sich:  F.  A.  Rudolph  (Günther 
&  Rudolph),  M.  Schie  Nachfolger,  B.  Gutmanu,  Hermann 
Bierling,  Rudolf  Müller  und  Georg  Lemcke  in  Dresden.  An 
Dividenden  erhielten  die  Actionäre  bisher  13,  5V2j  9  und  resp. 
b%.    Cours  ca.  80. 

Leder-,  Maschinenriemen- und  MilitairefPecteu-Fabrik, 
früher  Heinrich  Thiele  in  Dresden.  Gegründet  April  1872 
von  A.  L.  Mende,  Lüder  und  Tischer.  Actiencapital  275,000 
Thaler.  Aufsichtsrath:  H.  G.  Lüder,  Emil  Quellmalz  und 
Adolf  Josky  in  Dresden.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung 
und  garantirte  eine  Dividende  von  8%  auf  drei  Jahre.  1875 
wurde  ein  Theil  der  Actien  gemeuchelt,  und  1876  —  5%  Di- 
vidende gezahlt.     Cours  ca.  50. 

Lederfabrik  zn  Dohua,  vormals  Prietzelt  &  Silber- 
mann. Gegründet  April  1872  mit  160,000  Thaler  Actien, 
welche  auflegten:  der  Thüringer  Bankverein,  die  Pirnaer  Bank 
und  A.  Gerstenberger  in  Dresden.  Der  Vorbesitzer  wurde 
Director,  und  Abgeordneter  Advocat  Emil  Lehmann  in  Dresden 
Vorsitzender  des  Aufsichtsrath.     1874  schloss  mit  Verlust  ab. 

Berliner  Gnmmi-  und  Guttaperchawaaren  -  Fabrik 
Bolle   &   Co.,   vormals  W.  EUiot.    Gegründet  October   1871 


—     205    — 

von  Heury  Sachs,  Th.  Henschel  (J.  Henschel  Söhne),  Albert 
Borchardt,  Adolf  Kessel  und  Hüttendirector  Hellmuth  Förster. 
Der  Vorbesitzer  und  Mitgründer  Heury  Sachs  verkaufte  für 
193,000  Thaler,  und  Hess  sich  zum  Director  der  Gesellschaft 
mit  5000  Thaler  Gehalt  und  Tantieme  erwählen.  Zugleich  ga- 
rantirte  er  für  das  Actiencapital  von  250,000  Thaler  eine  Mi- 
nimal-Dividende  von  S^/'o  auf  5  Jahre,  welche  auch  durch  Zu- 
schüsse, die  er  leistete,  regelmässig  gezahlt  worden  ist.  Nach 
Ablauf  dieser  fünf  Jahre  kaufte  er,  Juni  1876,  die  Fabrik  für 
104,000  Thaler  zurück,  indem  er  baar  ca.  43,000  Thaler  zahlte 
und  für  den  Rest  Hypothek  bestellte.  Inzwischen  waren  die 
Actien  von  einst  120  bis  unter  50  gesunken. 

Iforddeutsche  Gummi-  uud  Guttapercliawaaren-Fa- 
brik,  vormals  Fonrobert  &  Reimann  in  Berlin.  Gegründet 
October  1871  von  Joseph  Jaques,  Rauff  &  Knorr,  Oscar  Hainauer, 
Eduard  Stahlschmidt,  Louis  Gratweil,  Hermann  Leubuscher, 
Joseph  Soelig,  Geh.  Commissionsrath  Richard  Wentzel  und 
Stadtrath  Rudolf  Pöble.  480,000  Thaler  Actien  und  165,000 
Thal  er  Hypotheken.  Directoren:  Jules  Fonrobert  und  Albert 
Reimann.  8  bis  10%  Dividende  wurden  versprochen,  und  ge- 
zahlt 7,  6,  5^'o  und  resp.  5%.     Cours  noch  etwa  45. 

Deutsche  Gummi-  uud  Guttaperchawaareu -Fabrik, 
vormals  Volpi  &  Schlüter  in  Berlin.  Gegründet  Novbr.  1871 
von  Rauff  &  Knorr,  Gebrüder  Niedlich,  ,,Generaldirector"  Fr. 
Waltz,  August  Lemelson,  Obermaschinenmeister  Gustav  Grüson 
und  Wilhelm  Hennig,  Eduard  Stahlschmidt  uud  Reinhold 
Alexander  Seelig.  Der  üebernahmepreis  war  550,000  Thaler, 
ohne  die  Vorräthe!  Actiencapital  480,000  Thaler,  wovon  die 
Vorbesitzer  angeblich  230,000  Thaler  für  sich  behielten,  und 
120,000  Thaler  Hypotheken.  August  Schlüter  wurde  Director, 
und  es  eutüelen  an  Dividenden:  8,  8,  7V2  und  resp.  6%.  Cours 
noch  etwa  50. 

GummiTvaaren-Fabrik  Voiart  Sc  ^Viude  in  Berlin.  Ge- 
gründet Juni  1873  von  Dittmar  Leipziger,  Emil  Wolff,  Nathau 


—     206    — 

Schlesinger,  Julius  Sisum  und  Hermann  "Winde.  400,000  Thaler 
Actien  und  100,000  Thaler  Hypotheken.  Die  Vorbesitzer  und 
Mitgründer  Sisum  und  Winde  behielten  die  Leitung,  und  an 
Dividenden  wurden  angeblich  bisher  gezahlt:  10,  5  und  resp. 
9%.    Ohne  Börsencours. 

Techuisclie  Gnmmiwaarenfabrik  C.  Schwanitz  &  Co. 
in  Berlin.  Gegründet  März  1874  von  der  Familie  Schwanitz 
mit  227,000  Thaler  Actien.  Wie  die  vorige,  eine  verspätete 
Gründung  und  ohne  Börsencours. 

Gumniifädenfabrik,  vormals  Ferd.  Kohlstadt  &  Co.  in 
Cöln.  Gegründet  März  1872  mit  400,000  Thaler  Actien.  Director: 
Ferd.  Kohlstadt  sen.  Verwaltungsrath:  Justizrath  Fay,  Bank- 
director  Smidt  und  Ferd.  Kohlstadt  jun.  in  Cöln,  Banquier  Herz 
in  Düsseldorf  und  Banquier  Holthausen  in  Crefeld.  Erste  Divi- 
dende 7V2%-    Cours  ? 

Continental-Caoutchouc-  &  Guttaperclia-Compagnie  in 
Hannover.  Gegründet  October  1871  mit  300,000  Thaler  Actien 
und  163,000  Thaler  Hypotheken.  Direction:  Jacob  Frank  und 
Conrad  Köhsel.  Verwaltungsrath:  Ferd,  Meyer,  Hermann  Peretz, 
Commerzienrath  Otto  Köhsel,  Moritz  Magnus,  Moritz  Meyer 
Otto  Stockhardt,  Daniel  Heinemann.  Scheint  1874  mit  Verlust 
geschlossen  zu  haben. 

Vereinigte  Gummiwaarenfabriken  Harburg- Wien,  vor- 
mals Menier  und  J.  N.  Reithoff  er.  Actiencapital  3  Mil- 
lionen Thaler!  Später  auf  1,800,000  Thaler  herabgesetzt  Ver- 
theilte  pro  1874/75  —  12 1/0%,  pro  1875/76  —  10%  Dividende. 

„Gummi- Actien"  genossen  an  der  Berliner  Börse 
keinen  besondern  Geruch,  und  wurden  von  ihr,  die 
sonst  durchaus  nicht  ekel  war,  mit  Misstrauen  auf- 
genommen; was  zum  Theil  wol  daher  kam,  dass  die 
Einführung  dieser  Actien  Ende  1871  geschah,  wo 
nach  einer  Periode  unausgesetzten  Gründens  der  erste 


—     207     - 

Rückschlag  eintrat,  die  erste  grosse  Panique  sich 
geltend  machte,  die  freilich  schnell  vorüberging. 
Schwierig  unterzubringen  waren  namentlich  die  Actien 
der  beiden  Fabriken  von  Fonrobert  &  Reimann  und 
von  Volpi  &  Schlüter,  welche  beide  ihre  Gründung 
der  Yorkäufersippe  Hermann  Geber  und  Con- 
sorten  verdanken.  Dem  Consortium,  welches  die 
Actien  der  letzteren  Gesellschaft  übernahm,  gelang 
es,  wie  die  „Neue  Börsenzeitung"  ausplauderte,  von 
je  10,000  Thaler  nur  100  Thaler  abzusetzen,  so  dass 
ein  mit  10,000  Thaler  Betheiligter  9900  Thaler  auf 
dem  Halse  behielt,  und  dieselben  erst  allmälig  zu 
ziemlich  gesunkenen  Coursen  los  werden  konnte. 

J.  Henscliel  Söhne,  denen  die  Einführung  der 
Gummigesellschaft,  vormals  Bolle,  oblag,  erfuhren 
dabei  ein  anderes  Malheur.  Sie  versandten  die  uöthige 
Reclame  zur  Einrückung  in  den  redactionellen  Theil 
an  die  verschiedenen  Zeitungen,  und  fügten,  je  nach 
der  Bedeutung  des  Blatts,  ein  entsprechendes  Trink- 
geld bei.  Auch  die  „Tribüne",  ein  untergeordnetes 
Local-  und  Klatschblättchen,  empfing  die  Notiz  und 
dazu  zwei  Hundert-Thalerscheine,  schickte  aber  das 
Geld  zurück  und  schlug  grossen  Lärm  ob  des  „Be- 
stechungsversuchs", zum  gerechten  Erstaunen  der 
anderen  Journale.  —  Merke  Dir,  mein  lieber  Freund, 


—     208     — 

spricht  der  Weltmännische  Pudel  Ponto  zu  dem  philo- 
sophischen Kater  Murr,  dass  es  rathsam  ist,  in 
Kleinigkeiten  ehrlich  zu  sein;  bei  grossen  Dingen 
kommt  es  weniger  darauf  an.  —  Die  „Tribüne", 
welche  wegen  dieser  geringen  Zumuthung  in  solche 
Entrüstung  gerieth,  hat  u.  A.  die  Trommel  gar  mäch- 
tig für  Baruch  Hirsch  Strausberg  gerührt,^und  diesen 
Wohlthäter  der  Menschheit  in  einem  artigen  Feuille- 
ton mit  der  Ueberschrift  „Der  Mann,  der  Alles  kauft" 
gefeiert.  An  der  Börse  lachte  man  J.  Henschel  Söhne 
aus,  denn  sie  hatten  allerdings  die  Sache  ungeschickt 
angefangen.  Man  pflegt  nämlich  dergleichen  Couverts 
nicht  offen  an  die  Zeitungen  zu  adressiren,  sondern 
sie  bei  Gelegenheit  in  die  Rocktasche  des  betreffen- 
den Börsen-Redacteurs  zu  stecken,  wo  sie  dann  stets 
gefunden  und  nach  Wunsch  verwandt  werden.  J.  Hen- 
schel Söhne,  damals  noch  Neulinge,  sind  seitdem  auch 
klüger  geworden,  und  überraschten  die  Börse,  nach- 
dem sie  eben  von  einem  Sommeraufenthalt  in  Italien 
heimgekehrt  waren,  Herbst  1876  mit  einem  kleinen 
Fallissem  ent. 

Merkwürdigerweise  haben  sich  nun  die  Gummi- 
actien  weit  besser  bewährt  als  ihr  ursprünglicher 
Ruf  es  erwarten  liess;  sie  gehören  heute  zu  den  In- 
dustrieactien,  die  im   Course  am  höchsten  stehen. 


—     209    — 

Fonrobert  &  Reiraann  notiren  noch  ca.  45,  Volpi  & 
Schlüter  noch  ca.  50;  und  bei  Bolle,  wo  der  Vorbe- 
sitzer Henry  Sachs  das  Etablissement  zurückkaufte; 
sollen  die  Actionäre  sogar  70  Procent  ausgezahlt  er- 
halten. Fürwahr  eine  Gründung,  die  sich  sehen  lassen 
kann,  und  die  seiner  Zeit  auch  wol  eine  Empfehlung 
der  „Tribüne"  verdient  hätte!  Fonrobert  &  Reimann 
wieder  haben  sich  um  das  Vaterland  verdient  gemacht. 
Während  die  Deutsche  Industrie  in  Philadelphia  ein 
so  trauriges  Fiasco  machte,  wurde  sie,  nach  Meldung 
der  „National-Zeitung",  in  Berlin  wieder  zu  Ehren 
gebracht,  und  zwar  bei  dem  Feste,  welches  der  Nar- 
renklub „Humor"  am  6.  August  1876  veranstaltete. 
An  diesem  denkwürdigen  Tage  producirten  sich  drei 
Handlimgsbeflissene  ä  la  Capitän  Boyton  in  Schwimm- 
anzügen, welche  die  Gummigesellschaft  Fonrobert  & 
Reimann  angefertigt,  und  welche  das  amerikanische 
Fabrikat  durch  grössere  Dauerhaftigkeit  des  Stoffs 
und  durch  unbedingt  wasserdichten  Verschluss  sehr 
überragen  sollen.  „Unsere  einheimische  Industrie 
hat  einen  grossen  Triumph  gefeiert  I"  ruft  voll  Be- 
geisterung die  „Nationalzeitung"  aus.  —  Eine  Car- 
nevalsgesellschaft  hat  die  Ehre  der  Deutschen  In- 
dustrie gerettet.    Das  ist  der  Humor  davon! 


Glagau,  Dor  Börsenscliwin  del.    II.  14 


—    210    — 

Die  bekanntesten  Tabaks-Gründungen  sind: 

Tabaksfabrik,  sonst  George  Prätorins  in  Berlin.  Ge- 
gründet 30.  Januar  1872  von  Robert  Beuther,  Louis  Böger 
(Gebr.  Junge),  Moritz  Goldstein  (Marx  &  Goldstein),  Dr.  Gustav 
Levinstein,  Redacteur  der  „Tabaks-Zeitung"  und  Heinrich 
Quistorp.  Erste  Aufsichtsräthe  u.  A. :  J.  Platho  (Platho  &  Wolff), 
Moritz  Treitel.  Vorstand :  Judas  Neumann  und  später  Stadtrath 
Robert  Lauber  aus  Rochlitz  in  Sachsen,  Actiencapital  450,000 
Thaler  und  100,000  Thaler  Hypotheken.  Quistorp,  der  die  Grün- 
dung wieder  „commissionsweise"  besorgte,  versicherte  in  seinem 
Circular,  dass  der  Preis  für  die  Grundstücke,  Fabrikanlagen  und 
Bestände  „sehr  massig"  fixirt  sei.  „Es  ist  die  unbedingteste  Ga- 
rantie geboten,  dass  der  hochgeachtete  Name  George  Prätorius 
in  Geschäftskreisen  auch  in  der  Folge  gewahrt  und  aus  diesem 
Namen  nicht  etwa  zu  Lasten  der  Actionäre  Capital  geschlagen 
werde."  Ebenso  betheuerten  die  Zeitungen,  dass  die  Umwand- 
lung des  seit  1808  bestehenden  Geschäfts  mit  „pietätvoller  Rück- 
sicht auf  den  Erblasser"  (George  Prätorius)  geschehen,  und  eine 
„lucrative"  Verzinsung  zweifellos  sei.  Quistorp  der  Gross- 
müthige  gewährte  auf  5  Actien  seiner  Vereinsbank,  die  damals 
ca.  160  notirten.  Eine  Tabaks- Actie:  „Wir  (Quistorpl  freuen  uns, 
auch  bei  dieser  Gelegenheit  wieder  für  Sie  eine  Vergünstigung 
gesichert  zu  haben  .  .  ."  Einen  schneidenden  Gegensatz  zu 
diesen  fetten  Verheissungen  bilden  die  magern  Dividenden,  die 
bisher  4,  2V2>  2V4  und  resp.  2V4V0  betrugen,  und  den  Cours 
der  Actien  schon  bis  45  sinken  Hessen. 

Deutsche  Tabaks-Actieugesellscliaft,  vormals  W.Brunz- 
low  &  Sohn.  Auch  ein  altreuommirtes  Geschäft,  das  am  26. 
October  1872  von  Oscar  Hainauer,  Ferd.  Jaques,  Hermann 
Reimann,  Paul  Calmus,  Theodor  Munk  und  Hugo  Fuchs  ge- 
gründet wurde.  600,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thaler 
Hypotheken.  Das  erste  Geschäftsjahr  schloss  mit  einer  Divi- 
dende von  3V3%,  und  dann  trat  man  in  Liquidation;  was  in- 


—    211     — 

dess  blosser  IIocuspocus  ist,  denn  die  Gründer  waren  die  Actien 
glücklicherweise  nicht  los  geworden.  Angeblich  kauften  nun 
das  Etablissement:  Salomon  Lachmann,  Eduard  Hirschberg  und 
Habakuk  Lachmann,  und  es  bildete  sich  eine  neue  Gesellschaft, 
die  sich  mit  einem  Grundcapital  von  200,000  Thalern  beschied. 
Auch  diese  Actien  sollen  sich  noch  in  den  Händen  der  ersten 
Zeichner  befinden,  und  möge  das  Publikum  vor  ihnen  immer 
bewahrt  bleiben! 

Tabaksgesellschaft  Uniou,  vormals  Leopold  Kronen- 
berg in  Warschau  und  Dresden.  Gegründet  Decbr.  1871  von 
der  Berliner  Handelsgesellschaft  und  der  Sächsischen  Credit- 
bank  in  Dresden  mit  1,100,000  Thaler  Actien!!  Aufsichtsrath : 
Abgeordneter  Advocat  Hermann  Schreck  in  Pirna,  Advocaten, 
Hermann  Oehme  und  Dr.  Stein  I.  in  Dresden,  Anton  Laski  und 
Adolf  Wenzel  (Samuel  Anton  Fränkel)  in  Warschau,  August 
Wolf  in  Dresden,  Mankiewicz  &  Co.  in  Hamburg.  IP/q  wurden 
den  Actionären  versprochen,  und  sie  erhielten  1872  —  S^/o  und 
1873  —  5%.  Die  beiden  letztjährigen  Dividenden  waren  0.  Cours  ? 

Säclisisclie  Tabaksfabrikeu,  vormals  A.  Collenbusch 
in  Dresden  und  Frankeuberg.  Gegründet  März  1872  mit  300,000 
Thaler  Actien.  Die  Vorbesitzer  F.  A.  Collenbusch  und  E.  F. 
Friedrich  behielten  die  Leitung  und  übernahmen  einen  Posten 
Actien.  Verwaltungsrath:  Robert  Thode  &  Co.,  Georg  Stiebel 
(Geraer  Bank- Agentur),  Advocat  Dr.  Gustav  Lehmann,  Rudolf 
Völcker,  Heinrich  Kloss  und  Adolf  Graf  in  Dresden.  Dividenden 
pro  1874  und  1875  je  6%.    Cours  ca.  80. 

Tabak-  nud  Cigarrenfabrik ,  vormals  Gustav  Müller 
&  Co.  in  Dresden.  Gegründet  März  1872  mit  300,000  Thaler 
Actien.  Der  Vorbesitzer  übernahm  die  Leitung  und  ein  Drittel 
des  Actiencapitals.  Aufsichtsrath:  C.  W.  Meyer  und  Georg 
Moritz  Weber  (Eduard  Rocksch  Nachfolger),  Victor  Blachstein 
und  Abgeordneter,  Advocat  Emil  Lehmann  in  Dresden.  Trat 
Februar  1875  in  Liquidation,  und  zahlte  October  187G  den 
Actionären  abschläglich  2ö'%  heraus. 

14* 


—    212     — 

Dressler'sclie  Cigarreu-  und  Cigarettenfabrik  in  Dres- 
den, mit  350,000  Thaler  Actien.  Trat  Mai  1876  in  Liquidation, 
Cours  ca.  40. 

Tabak-  und  Cigarrenfabriken,  früher  A.  M.  Ritter  in 
Leipzig.  Gegründet  November  1872  von  der  Dresdener  Han- 
delsbank mit  300,000  Thaler  Actien  und  25,000  Thaler  Hypo- 
theken. Herr  Moritz  Ritter  behielt  die  Leitung  und  übernahm 
100,000  Thaler  Actien.  Schon  1873  schloss  mit  Verlust,  und 
man  entschied  sich  für  Auflösung  der  Gesellschaft. 

Actien  -  Gitarren- und  Tabaksfabrik  in  Ansbach.  Trat 
Ende  1875  in  Liquidation. 

Bei  Gründung  der  Tabaksfabrik  von  Leopold 
Kronenberg  ereignete  sich  der  ungeheuerliche  Fall, 
dass  die  „Berliner  Börsen-Zeitung"  das  Unternehmen 
einer  scharfen  Kritik  unterzog  und  das  Publikum 
gewissermaassen  davor  warnte.  Vermuthlich  haben 
die  Gründer  die  Einsendung  der  redactionellen  Notiz 
vergessen,  oder  es  fehlte  die  gebräuchliche  Beilage, 
oder  aber  dieselbe  war  nicht  genügend  befunden. 
Gleichviel,  die  sonst  Jedermann  so  gefällige  „Ber- 
liner Börsen-Zeitung"  versagte  diesmal  ihre  Empfeh- 
lung, und  die  neuen  Tabaks-Actien  mussten  es  büssen. 
Sie  konnten  an  der  Berliner  Börse  nie  rechten  Cours 
erlangen,  und  sie  notirten  fast  immer  „Brief". 

Bei  den  in  Dresden  gegründeten  Tabaksgesell- 
schaften wurden  als  Aufsichtsräthe  zwei  jAdvocaten 
genannt,   die   beide   auf  den   nicht   ungewöhnlichen 


—     213    — 

Namen  „Lehmann"  hören:  Dr.  Gustav  Lehmann  und 
Landtags-Abgeordneter  Emil  Lehmann.  Beide  sind 
bei  zahlreichen,  vorwiegend  faulen  Gründungen  be- 
theiligt;  Herr  Emil  Lehmann  iedoch  bei  den  fauleren, 
für  welche  er  eine  Vorliebe  zu  haben  scheint-  Der 
begabte  l^ann  hat  sich'auch  als  Schriftsteller  bekannt 
gemacht  und  u.  A.  eine  Brochüre  „Höre  Israeli"  ge- 
schrieben. Es  ist  dies  ein  Mahn-  und  Weckruf  des 
ebenso  frommen  wie  weltklugen  Aufsichtsraths  an 
seine  jüdischen  Glaubensgenossen.  „Gelobt  seist  Du, 
Ewiger  unser  Gott,  der  Du  uns  diese  Zeit  erreichen 
und  erleben  liessest!"  Mit  diesem  alten  Segensspruch 
begrüsst  er  die  neueste  Phase  der  Deutschen  Ge- 
schichte, wo  da  regieren  Rothschild  und  Bleichröder, 
wo  da  Gesetze  machen  Lasker  und  Bamberger,  und 
kleidet  dann  sein  Frohlocken  in  die  Worte: 

„Was  Lessing  mit  seinem  Nathan  in  liundert  Jahren  end- 
lich doch  zu  erreichen  hoiFte,  das  ist  nun  in  Erfüllung  gegangen. 
Kicht  Druck,  nicht  Zurücksetzung,  selbst  nicht  mehr  wohhvol- 
lende  Duldung  —  nein,  volle  Gleichberechtigung,  gerechte  An- 
erkennung, das  ist  heutzutage  die  Losung  für  Juden  und  Juden- 
thum.  Wohin  wir  blicken  im  weiten  Reich  der  Geschichte, 
wir  finden  kein  Zeitalter,  in  dem  Beides,  in  dem  Juden  und 
Judenthum  solcher  Freiheit,  solcher  Blüthe  sich  erfreut  hätten. 
—  ,,Das  Quecksilber  am  Wärmemesser  der  Bildung 
sind  die  Juden;  und  \ycil  unsere  Zeit  in  Bildung  und  Ge- 
sittung weit,  weit  vorgeschritten  ist  —  darum  ist  die  Freiheit 


—     214    — 

und  Gleichberechtigung  der  Juden  in  unseren  Tagen  und  für 
alle  kommenden  Zeiten  eine  gesicherte." 

Herr  Emil  Lehmann  ist  ein  aufgeklärter  Jude. 
Er  hält  nichts  von  dem  Ceremonial-  und  Speisege- 
setz; er  verabscheut  die  Beschneidung,  aber  keines- 
wegs das  Schweinefleisch  und  die  Kalbshinterviertel; 
er  schwärmt  für  confessionslose  Schulen  und  empfiehlt 
seinen  Glaubensgenossen,  sich  der  christlichen  Sonn- 
tagsfeier und  christlichen  Zeitrechnung  anzupassen, 
und  sich  durch  Heirathen  mit  den  Christen  zu  ver- 
mischen. Was  er  noch  vermisst,  ist  die  gesell- 
schaftliche Gleichstellung  der  Juden,  und  auch  diese 
müsse  errungen  werden  durch  inniges  Zusammen- 
halten der  „Kette,  die  sich  über  den  ganzen  Erden- 
rund hinbewegt,  die  elektrisch  zuckt,  sobald  Ein 
Glied  verletzt  wird",  und  die  auch  bereits  eine  Form 
angenommen  hat  durch  Stiftung  der  Alliance  Israe- 
lite  Universelle. 

Diese  bedeutungsvolle  Brochüre  ist  1869  erschie- 
nen und  gewiss  in  begierige  Ohren  und  Herzen  ge- 
fallen. Seitdem  ist  die  Macht  und  der  Einfluss  der 
Juden  noch  so  gewachsen,  dass  sie  thatsächlich  in 
Deutschland  bereits  die  Herrschaft  ausüben.  Sie  be- 
kleiden heute  die  höchsten  Staatsämter,  sie  erfüllen 
die  RichtercoUegien  und  die  höheren  Lehrämter,  sie 


—     215     — 

vermischen  sich  mit  dem  Adel  und  werden  selber  in 
den  Adelstand  erhoben,  sie  geben  in  der  Presse,  in 
den  Parlamenten  und  in  der  Gesellschaft  den  Ton  an. 

Ihre  grosse  Uebermacht  beruht  auf  ihrem  Reich- 
thum.  Während  die  Juden  zu  allen  Zeiten  das 
meiste  Geld  hatten,  weil  sie  dasselbe  stets  auf- 
sogen wie  ein  Schwamm,  besitzen  sie  heute  fast  alles 
Geld  allein.  Das  „Milliardengeschäft"  der  Franzö- 
sischen Kriegscontribution  ist  hauptsächlich  ihnen  zu 
Gute  gekommen;  der  Börsen-  und  Gründuiigsschwin- 
del,  bei  dem  sie  mit  90  Procent  betheiligt  sind,  und 
der  ihr  eigentliches  Werk  ist,  hat  ihnen  Millionen 
und  Milliarden  eingetragen. 

Wenn  man  bedenkt,  was  die  „Volkswirthe"  und 
die  Gründer  Alles  versprochen,  und  was  sie  that- 
sächlich  nun  geleistet  haben;  wenn  man  erkennt, 
welch  kolossale  Reichthümer  die  Juden  seit  dem 
Französischen  Kriege  erworben  haben,  und  wie  in- 
zwischen die  Christen  verarmt  sind  —  so  kann  man, 
anknüpfend  an  die  Tabaksgründungen  der  Herren 
Gustav  Lehmann  und  Emil  Lehmann,  wol  eine  volks- 
thümliche  Redensart  gebrauchen  und  ausrufen;  Das 
ist  starker  Tabak! 


Es  fehlt  an  Jod! 

Die  Haiidelsbericlite  eines  christlichen  Kaufhauses  —  Börsenspiel  auf  dem 
Waarenmarkte  —  Chemische  Gründungen :  Schering',  Yilter,  Farben-Fabrili, 
Anilin-Farhen,  Alizariu-Fahrlk,  Charlottenhurger,  Köpenicker,  Oranienburger, 
Schönebecker,  Gothaer,  Corbetlia,  Mügeln,  Union,  Ascania,  Leopoldshall,  Ver- 
einigte Leopoldshall,  Stassfurter,  Heinrichshall,  Hannoversche  Ultramarin- 
fabrik, Egestorflf's  Salzwerke,  Oker  und  Braunschweig,  Eisenbüttel,  Chinin- 
Fabrik,  Elberfelder  Industrie  und  Alizarin,  Chemische  Industrie  in  Köln, 
Pommerensdorfer  Seifen,  Bredow  U.A.,  Danziger,  Silesia  —  Schwindelblüthe 

—  Terfälschungen  —  Dr.  Oscar  Liehreich's   Chloralhydrat  und  Pepsinwein 

—  Schering's  dialysirte  Salicylsänre  —  Ein  chemischer  Literat  —  Zwei  Börsen- 
Eedacteure:  Dr.  Heinrich  Ebeling  und  Julius  Schweitzer  —  „Doctor 
Schweiger"  —  Herrn  Schweitzer's  Jubiläum  —  Die  „Yerleumdungsära"  — 
Der  Verein  „Berliner  Presse"  —  Herr  Schweitzer  klagt  —  Edle  Offenheit  des 

„Berliner  Börsen-Courier". 

Nicht  gänzlich  hat  es  an  Stimmen  gefehlt,  die 
schon  während  der  Schwindelperiode  sich  klagend 
und  warnend  vernehmen  Hessen,  die  darauf  hinwiesen, 
wie  sehr  die  Gründerei  das  reelle  Geschäft  gefährde, 
das  Publikum  benachtheilige,  die  allgemeine  Sittlich- 
keit untergrabe  —  aber  diese  vereinzelten  Stimmen 
wurden  übertönt,  erstickt  von  dem  wüsten  Chor  der 
Presse,  und  sie  fanden,  namentlich  wenn  sie  bestimmte 
Schäden  biossiegen  und  bestimmte  Unternehmungen 


—     217     — 

kennzeichnen  wollten,  kaum  ein  Organ,  das  ihnen 
seine  Spalten  öftnete,  denn  alle  Blätter,  gross  und 
klein,  die  Zeitungen  jeder  politischen  Farbe,  selbst 
die  officiösen,  hatten  sich,  schon  der  kostbaren  In- 
serate halber,  in  die  Dienste  der  Gründer  und  der 
Börse  begeben,  deren  Interessen  sie  mit  Begeisterung 
verfochten,  von  denen  sie  mehr  oder  weniger  abhän- 
gig waren.  Wer  damals  dem  Schwindel  entgegentrat, 
zu  dessen  Enthüllung  auch  die  Regierungen  nicht  das 
Geringste  thaten,  fand  nirgends  Beachtung,  wurde 
entweder  gar  nicht  erwähnt  oder  nebenbei  abgefer- 
tigt, als  Sonderling  oder  Rückschrittler  bezeichnet, 
ja  selbst  verächtlicher  Motive  bezichtigt.  Wer  sich 
dennoch  nicht  zurückschrecken,  von  der  Presscon- 
sorteria  nicht  einschüchtern  Hess,  dem  wird  ein  braver 
Muth  nicht  abzusprechen  sein,  und  wenn  seine  Be- 
mühungen auch  vergeblich  geblieben  sind,  so  verdient 
er  wenigstens  heute  in  Ehren  genannt  zu  werden. 

Die  Droguenhandlung  von  Gehe  &  Co.  in  Dresden, 
welche  seit  länger  als  einem  Vierteljahrhundert  be- 
steht, in  ihrer  Branche  mit  die  grösste  des  Continents 
ist,  zugleich  eines  Weltrufs  und  eines  makellosen 
Renommees  geniesst,  lässt  ihren  zahlreichen  Kunden 
alle  Halbjahr  einen  sogenannten  Handelsbericht  zu- 
gehen, in  welchem  sie  die  Conjunctur  der  einzelnen 


—     218     — , 

Artikel  bespricht,  und  zugleich  in  einer  Einleitung 
gerade  auf  der  Tagesordnung  stehende  commercielle 
und  industrielle  Fragen  erörtert.  Diese  Handelsbe- 
richte zeigen,  was  inmitten  des  jüdischen  Schachers 
und  Wuchers,  der  die  ganze  Geschäftswelt  angefressen 
hat,  noch  heute  ein  grosses  christliches  Kaufhaus  ist, 
und  sie  erfüllen  wieder  mit  unwillkürlichem  Respect 
vor  dem  Deutschen  Kaufmann,  der  einst  das  Patri- 
ciat  unserer  Städte  bildete.  Diese  Handelsberichte, 
die  leider  dem  grossen  Publikum  unbekannt  bleiben, 
von  denen  neuerdings  aber  hin  und  wieder  auch  die 
Zeitungen  Notiz  nahmen,  schlagen  alle  wirthschaft- 
lichen  Themata  an,  sind  eine  wahre  Fundgrube  volks- 
wirthschaftlichen  Wissens,  unmittelbar  der  Praxis  ent- 
nommen, wie  man  es  bei  den  manchesterlichen  „Volks- 
wirthen",  welche  die  ebenso  feile  wie  bornirte  Presse 
hinter  sich  haben,  vergebens  sucht. 

Unermüdlich  kämpfen  Gehe  &  Co.  gegen  die  man- 
chesterliche Gesetzgebung  und  Misswirthschaft  an, 
sind  sie,  auch  in  Petitionen  an  die  Parlamentskörper 
und  in  besondern  Brochüren,  beeifert,  die  Uebelstände 
in  Industrie,  Handel  und  Verkehr  aufzudecken  und 
zweckmässige  Eeformen  in  Vorschlag  zu  bringen. 
Gegen  die  Gründerei  und  das  Treiben  der  Börsen- 
jobber haben  sie  sich  von  vornherein  erklärt,  und 


—     219    — 

den  Schwindel,  noch  während  er  in  Blüthe  und  An- 
sehen stand,  mit  einer  vernichtenden  Kritik  begleitet. 
So  schrieben  sie  in  ihrem  Handelsbericht  vom  April 
1872: 

„Wir  können  von  einem  wahren  embarras  de  richesse 
sprechen,  denn  mehr  hinderlich  als  förderlich  ist  dieser  plötz- 
liche Capitalüberfluss  dem  regelmässigen  Handel.  Er  wirkt 
wie  ein  Wolkenbruch  nach  anhaltender  Dürre,  mehr  zerstörend 
als  befruchtend.  Da  der  Boden  des  reellen  Geschäfts  den 
plötzlichen  Capitalzufluss  nicht  aufzunehmen  vermag,  so  sucht 
sich  dieser  selbständige  Anlagen  in  Eisenbahnen,  Banken, 
Fabriken.  —  „Im  Geschäftsverkehr  spielen  die  umgewandelten 
Fabriken  meist  eine  ganz  andere  Kelle  als  vorher.  Wie  der 
Bauunternehmer  anders  verfährt  als  Derjenige,  welcher  ein 
Haus  zum  Selbstbewohnen  baut,  so  wirthschaftet  auch  eine 
Geldmacht,  die  mit  Fabriken  oder  Fabrikantheilen  handelt, 
anders  als  ein  Privatmann,  der  sich  bleibend  mit  seinem  Ge- 
schäfte identificirt.  —  „Industrielle  Unternehmungen  bieten  der 
Speculation  ein  sehr  ergiebiges  Feld.  Alle  jene  der  Börse  ge- 
läufigen Operationen:  Ansichziehen  der  Vorräthe,  Verbreiten 
falscher  Nachrichten,  deren  Widerlegung  um  so  schwerer,  als 
ein  Journal  nach  dem  andern  seine  unabhängige  Stellung  mit 
der  Eigenschaft  eines  Werkzeugs  bestimmter  Finanzkreise  ver- 
tauscht, willkürliches  Aufgreifen  und  Poussiren,  dann  ebenso 
jähes  Werfen  einzelner  Artikel:  alle  diese  Gewohnheiten,  welche 
den  Börsenverkehr  in  den  Kuf  eines  Spieles  gebracht  haben, 
greifen  mehr  und  mehr  auch  im  Waarenhandel  um  sich,  und 
die  in  den  Besitz  von  Actiengesellschaften  übergegangenen  in- 
dustriellen Unternehmungen  sind  es  vornehmlich,  welche  das 
Eindringen  dieser  Börsenpraxis  in  den  Waarenhandel  begün- 
stigen. Wol  wären  die  Staatsgewalten  im  Stande  und  unseres 
Dafürhaltens  verpflichtet,  nicht  blos  dem  Waarenhandel,  sondern 


—     220     — 

auch  der  Gesamratheit  der  consumirenden  Staatsbürger  zu  Hülfe 
zu  kommen.  In  ihren  Händen  befinden  sich  Mittel,  das  Publi- 
kum durch  eine  gehörig  organisirte  Statistik  aufzuklären.  Aber 
eine  solche  Statistik,  wozu  in  England,  Holland  und  den  Hanse- 
städten ein  guter  Anlauf  genommen,  hat  leider  wenig  Aussicht 
auf  Verallgemeinerung,  nachdem  in  der  Statistik  des  Deutschen 
Reiches  nicht  der  praktische  Nutzen  zum  Ziele  genommen  und 
lediglich  büreaukratische  Gesichtspunkte  die  Oberhand  gewonnen 
haben." 

In  ihren  Handelsberichten  aus  den  Jahren  1872 
und  1873  klagen  Gehe  &  Co.  wiederholt  über  die 
grossen  Schwankungen  der  Waarenpreise,  die  jeder 
Voraussicht,  jeder  Combination  spotten,  die  keine 
anderen  Ursachen  haben  als  Willkür  und  Börsenjob- 
berei.  Die  moderne  Actien-Industrie,  anstatt  sich 
untereinander  Concurrenz  und  dadurch  die  Preise 
billiger  zu  machen,  verbünde  sich  zu  den  ungerecht- 
fertigtsten rapidesten  Preisaufschlägen.  Die  Actien- 
gesellschaften  stürzen  sich  auf  irgend  einen  Zweig, 
monopolisiren  denselben,  schreiben  die  Preise  vor, 
produciren,  ohne  Rücksicht  auf  Absatz  und  Unkosten, 
in's  Blaue  hinein,  werfen  dann  wieder  die  Preise 
und  vernichten  so  jede  solide  Privatconcurrenz.  Gegen- 
über dem„Schoosskind  der  allmächtigen  hohen  Finanz", 
dem  „goldnen  Börsenspiel",  sei  der  reelle  Waaren- 
handel  bereits  missachtet.  Hand  in  Hand  mit  der 
Actienwirthschaft  und  von  ihr  mit  erzeugt,  laufe  die 


—    221     — 

allgemeine,  beständig  noch  wachsende  Vertheuerung 
aller  Dinge;  alle  gewerblichen  und  herkömmlichen 
Schranken  seien  niedergerissen  und  das  Publikum 
der  entfesselten  Geldgier  preisgegeben. 

Selbstverständlich  richtet  sich  die  Kritik  von 
Gehe  &  Co.  noch  speciell  gegen  die  damals  in  solcher 
Unmenge  gegründeten  chemischen  Fabriken,  „welche 
keinen  andern  als  den  Geldzweck  verfolgen  und  da- 
her nur  auf  lohnende  Massengeschäfte  sich  einlassen, 
auch  nur  Ablieferungen  in  den  ihnen  passenden  Quan- 
titäten, Qualitäten  und  Formen  zu  der  ihnen  passen- 
den Zeit  machen".  Gerade  hier  zeige  sich  durch 
künstliches  Seltenmachen  eine  kolossale  Vertheuerung 
der  Producte,  namentlich  der  sogenannten  chemischen 
Stapelartikel,  von  welchen  ein  so  unentbehrlicher  Heil- 
stoff wie  Jod  in  einigen  Monaten  um  das  Dreifache 
des  früheren  Preises  hinaufgeschwindelt  sei.  Aber 
die  unausbleibliche  Ueberproduction  werde  zeitig 
genug  einen  Umschlag  hei  beiführen,  und  die  Preise 
könnten  leicht  billiger  werden  als  sie  je  zuvor  ge- 
wesen. Damit  würden  auch  die  Dividenden  schwin- 
den, welche  gegenwärtig  so  reichlich  zur  Yertheilung 
kämen,  und  die  Actionäre  hätten  schwerlich  auf  einen 
dauernden  Gewinn  zu  rechnen. 

AVenn  Gehe  li:  Co.  so  eiferten  und  prophezeieten, 


—     222     - 

thaten  sie  es  ohne  jeden  Brotneid,  ohne  jede  Eifer- 
süchtelei; mit  voller  Unbefangenheit  und  Wahrheits- 
liebe, im  Interesse  ihrer  Geschäftsfreunde  und  des 
grossen  Publikums.  Die  sündfluthartig  anwachsende 
Actien-Concurrenz  vermochte  ihrem  altbefestigten  Ge- 
schäft doch  keinen  Abbruch  zu  thun;  ihre  Artikel 
und  Fabrikate  blieben,  namentlich  bei  Apothekern 
und  Aerzten,  nach  wie  vor  geschätzt  und  gesucht, 
während  die  Producte  der  Actien-Fabriken  viel  zu 
klagen  gaben,  häufig  genug  von  sachverständigen 
Kunden  nicht  „chemisch  rein"  befunden  und  deshalb 
beanstandet  wurden.  Wol  wird  die  Zumuthung,  sich 
gründen  zu  lassen,  auch  an  Gehe  &  Co.  herangetreten 
sein,  aber  bei  ihren  Ansichten  und  Grundsätzen 
musste  jeder  derartige  Versuch  scheitern.  Um  so 
bereitwilliger  waren  viele  ihrer  Collegen,  die  in  der 
Regel  sich  an  die  Gründer  drängten  und  sich  an  der 
Gründung  mit  vollem  Verständniss  betheiligten. 

Die  Zahl  der  in  Actiengesellschaften  umgewandel- 
ten chemischen  und  ähnlichen  Fabriken  ist  Legion. 
Wir  lassen  die  folgenden  Revue  passiren: 

Chemische  Fabrik,  frülier  Commerzienrath  Ernst  Sche- 
ring in  Berlin.  Gegründet  October  1871  von  dem  Vorbesitzer 
und  Heinrich  Quistorp,  sowie  von  Apotheker  H.  Augustin, 
Regierungsrath  A.  Bühling,  Dr.  Emil  Jacobsen  und  Commer- 
zienrath Gustav  Jürst  in  Berlin,  Stadtrath  Julius  Holtz  in  Char- 


—     223     — 

lottenburg.  Die  zuletzt  genannten  fünf  Personen  zeichneten 
das  Actiencapital  mit  500,000  Thaler,  jeder  von  ihnen  hun- 
derttausend Thaler!  Später  wurden  noch  100,000  Thaler 
Prioritäten  ausgegeben,  und  ausserdem  sind  100,000  Thaler 
Hypotheken  vorhanden.  Der  Yorbesitzer  übernahm  angeblich 
die  Gründungskosten  und  behielt  die  Leitung.  1871  und  1872 
entfielen  je  S^/o  Dividende,  dann  nichts  mehr.  Der  Cours,  bis 
ca.  140  getrieben,  ist  etwa  noch  15. 

Berliner  Cliemisclie  Prodncteii-  und  Dampfkuoclieu- 
iiielilfal)rik.  Dieselbe  fabricirt  namentlich  chemischen  Dünger 
und  Leim;  sie  wurde  dem  Pächter  der  Scharfrichterei,  Com- 
missionsrath  F.  W.  Vilter  für  augeblich  606,000  Thaler  (!),  die 
Vorräthe  nicht  miteingerechuet  (!!),  abgekauft,  und  September 
1872  gegründet  von  Felix  Mamroth,  Samuel  Caro,  Ignatz  Hantke, 
Oscar  Kohn,  Gustav  Scheeffer,  Rudolf  Noack,  Ingenieur  Ewald 
Fr.  Scholl.  Actiencapital  600,000  Thaler  und  175,000  Thaler 
Hypotheken.  Die  erste  und  einzige  Dividende  war  4V6*'/o- 
Seit  Sommer  1875  betrieb  eine  Partei  die  Entgründung  und 
setzte  sie  Februar  1876  durch,  was  die  Actien  vollends  ent- 
werthete.  Liquidatoren:  Adolf  Löwe  und  Julius  Hahlo.  Einen 
Theil  der  Grundstücke  kaufte  der  Berliner  Magistrat,  der 
eine  besondere  Neigung  zu  Geschäften  mit  nothleidenden  Actien- 
gesellschaften  hat,  etwas  eilig  und  ziemlich  theuer  für  150,000 
Thaler  an,  was  ihm  mancherlei  Tadel  zuzog,  und  nicht  den 
Actionären,  sondern  nur  den  Entgründern  zu  Gute  kam.  Da- 
für verehrte  Herr  Vilter  dem  Märkischen  Pro  vinzial- Museum 
das  Richtbeil  und  Richtschwert,  womit  1720  die  Räuber  und 
Gauner  ihren  Lohn  erhielten.  In  Betreff  der  sehr  verdächtigen 
Gründuug  hat  zwar  der  Staatsanwalt  recherchirt,  doch  ist  eine 
Anklage  bisher  nicht  erhoben.  Die  Februar  1873  mit  ca.  115 
bezahlten  Actien  sind  Maculatur. 

Chemisclie  Farben -Fabrik  in  Berlin,  Gegründet  April 
1872  mit  250,000  Thaler  Actiencapital  von  Eduard  Mamroth, 
Julius  Sternfeld,   Gabriel   Hermann   Michaelis   und    Hermann 


—     224     - 

Lask.  Schloss  1874  mit  Verlust  und  trat  Mai  1875  in  Liqui- 
dation. 

Actiengesellschaft  für  Auiliu-Fabrik.atiou  in  Berlin. 
Verspätete  Gründung-,  Juli  1873  in  die  Welt  gesetzt  von  Eduard 
Veit  (Kobert  Warschauer  &  Co.),  Johann  Heinrich  Albert  Ehren- 
hard,  Emil  Hallensleben,  Dr.  Paul  Mendelssohn-Bartholdy,  Dr. 
Carl  Alex.  Martins,  Dr.  Max  Aug.  Jordan,  Töpke  &  Leidloff. 
Actiencapital  340,000  Thaler.    Ohne  Börsencours. 

Alizarin-  und  chemische  Fabrik  in  Potsdam.  Ge- 
gründet October  1873  mit  350,000  Thaler  Actien  von  Werner 
von  Lockstädt,  Carl  Seefeld,  Johann  Lehmann,  Dr.  Heinrich 
Ebeling,  Börsenredacteur  der  „Vossischen  Zeitung"  in  Berlin 
u.  A.  Trat  schon  wieder  August  1874  in  Liquidation,  kam  zur 
Subhastation  und  -wurde  dem  Cäsar  Chaskel  für  32,000  Thaler 
zugeschlagen ! 

Chemische  Fabrik  in  Charlottenbiirg',  früher  Carl 
Lieber.  Gegründet  October  1871  von  Raphael  Eisenmann, 
Wilh.  Eisenmann,  Joseph  Goldschmidt  und  Julius  Guttentag 
in  Berlin,  mit  375,000  Thaler  Actien.  Erste  Aufsichtsräthe : 
A.  Hasse  und  F.  E.  Bercht.  Directoren:  der  Vorbesitzer  imd 
Theodor  Goldschmidt,  später  Bernhard  Böge  und  Dr.  Roseck. 
Schreckliche  Gründung  und  schreckliche  Misswirthschaft !  Schon 
das  erste  Geschäftsjahr  schloss  mit  105,000  Thaler  Verlust, 
und  man  trat  in  Liquidation,  die  Bernhard  Böge  und  Wilh. 
Pfitzinger,  Hermann  Golde  und  Carl  Häsicke  executirten,  und 
bei  welcher  für  die  Actionäre  natürlich  nichts  übrig  blieb. 
Die  Grundstücke  der  Gesellschaft  wurden  1876  subhastirt.  Der 
Staatsanwalt  hat  sich  mit  dieser  Gründung  jahrelang  beschäf- 
tigt, ohne  dass  etwas  dabei  herausgekommen  ist.  Nur  gegen 
Bernhard  Roge  schwebte  ein  Criminalverfahren  wegen  Unter- 
schlagung von  3529  Thaler,  doch  wurde  er  in  zwei  Instanzen 
freigesprochen.  Beide  Richter  führten  aus:  die  Entnahme  jener 
Summe  sei  zwar  rechtswidrig,  aber  wahrscheinlich  ein  Rechts- 
irrthum,  der  besonders  häufig  unter  Kaufleuten  obwalte. 


—     225    — 

Köpeiiicker  Chemische  Fabrik,  früher  R  Lomax.  Ge- 
gründet Mai  1871  von  Eduard  Mamroth  und  Leo  Wellenberg 
in  Berlin  und  Michaelis  Breslauer  in  Posen.  Actiencapital 
750,000  Thaler  und  00,000  Thaler  Hypotheken.  Erste  Zeichner 
ausser  den  Gründern:  Julius  Heine  mann  in  Hannover,  Heinrich 
Hertz  in  Posen,  Rittergutsbesitzer  Wilh.  Lau  in  Heyde-Wilaen 
bei  Trebnitz.  Aufsichtsrath  u.  A.:  Emil  Caro  in  Berlin.  Vor- 
stand: Dr.  Emil  Meyer  in  Berlin.  Für  1871  entfiel  eine  künst- 
liche Dividende  von  10%;  1872  ergab  in  Folge  einer  glück- 
lichen Speculation  in  Schwefel  noch  G%-,  1873  —  1%;  dann  0. 
Die  chemische  Fabrik  bekehrte  sich  zum  Tapeten-Druck,  zu 
Schmiede-,  Böttcher-  und  Korbmacherarbeiten!  1875  schloss 
mit  fast  90,000  Thaler  Verlust.  Derselbe  muss  jedoch  vreit 
grösser  sein,  denn  die  einst  mit  120  bezahlten  Actien  notiren 
noch  etwa  1. 

Chemische  Fabrik  Oranienburg,  ursprünglich  derPreussi- 
schen  Seebandlung  und  dann  dem  Commissionsrath  L.  Röhr 
gehörig.  Gegründet  Juli  1871  von  Rauif  &  Kuorr,  Samelson  & 
Sackur,  S.  Frenkel,  Stadtrath  Otto  Kunz  und  Apotheker  Carl 
Jung  in  Berlin.  Erste  Aufsichtsräthe  u.  A.:  L.  Krautheim, 
Professor  R.  Weber  und  Rittergutsbesitzer  Crüsemann  in  Berlin. 
Vorstand:  Dr.  Ferd.  Dronke  in  Berlin  und  Dr.  Otto  Hübner 
in  Oranienburg.  Actiencapital  550,000  Thaler  und  220,000  Thaler 
Hypotheken.  Dividenden:  1871  —  8,  1872  —  7V2%,  untl  seit- 
dem 0.  1873  Heferten  die  Gründer  120,000  Thaler  Actien  zurück, 
1874  und  1875  wurde  das  Grundcapital  bis  auf  215,000  Thaler 
gemeuchelt.     Cours  einst  115,  jetzt  ca.  9. 

Chemische  Fabrik  iu  Schönebeck,  früher  Tester  &  Co. 
Gegründet  October  1S72  von  Carl  Keferstein,  David  Tobias, 
Moritz  Michels,  Julius  Pickardt  und  Julius  Hahlo  in  Berlin, 
Franz  Vester  in  Schönebeck.  Dircctor  wurde  der  Mitvorbe- 
sitzer  Adolf  Ptlugmacher  in  Schönebeck.  Actiencapital  325,000 
Thaler,  aufgelegt  bei  Zippert  &  Co.  in  Berlin,  und  50,000  Thaler 
Hypotheken.     Erste  und  einzige  Dividende  S^/o-    Die  Gründer 

Gl ag au  ,  Der  Börsenschwindel.     II.  15 


—     226    — 

„schenkten"  10,000  Thaler  Actien  zurück,  und  das  Grundcapi- 
tal  wurde  um  zwei  Drittel  gemeuchelt.  1876  trat  man  in  Liqui- 
dation, und  das  Etablissement  ward  für  70,000  Thaler  verkauft. 
Die  Actien  notiren  ca.  3. 

Gotha,  Salzsiederei  und  chemische  Fabrik,  sonst  Louis 
Engelhard  in  Gotha.  Vorgekauft  von  Max  Schneidemühl, 
und  Octoher  1872  gegründet  von  der  Allgemeinen  Depositen- 
bank, von  Otto  Clement,  Jacques  Goppel,  Nachmann  Hirsch 
JSIeumann  und  Dr.  Heinrich  Ebeling,  Börsenredacteur  der  „Vossi- 
schen Zeitung"  in  Berlin.  Actiencapital  200,000  Thaler.  Direc- 
tor  wurde  der  Vorbesitzer.  Schon  Januar  1874  trat  man  in 
Liquidation.  Liquidatoren:  Jacques  Goppel  und  Rechtsanwalt 
Ludwig  Meyn  in  Berlin,  welcher  Letztere  das  Statut  der  Ge- 
sellschaft aufgenommen  hatte.    Gours  einst  110,  jetzt  ? 

Chemische  Fabrik  und  Glashütte  zu  Corbetha  Bahn- 
hof, vormals  Louis  Neu  deck  &  Go.  Angeblich  erworben  für 
355,000  Thaler,  und  gegründet  mit  400,000  Thaler  Actien  und 
100,000  Thaler  Prioritäten,  Aufsichtsrath:  Carl  Büttner,  Fritz 
Lüdecke  imd  Franz  Pfaffe  (Weise  &  Pfaffe)  in  Halle,  Albert 
Kühne  (J.  F.  A.  Zürn)  in  Zeitz,  Fr.  Lösener  in  Hamburg, 
M.  S.  Meyer  in  Magdeburg.  Der  edle  Vorbesitzer,  welcher 
die  Leitung  und  100,000  Thaler  Actien  übernahm,  stellte  15% 
Dividende  in  Aussicht  und  verzichtete  auf  jede  Tantieme,  be- 
vor die  Actionäre  nicht  mindestens  10%  erhielten.  Leider 
haben  sie  nie  einen  Heller  gesehen,  und  man  geht  nunmehr 
daran,  drei  Viertel  der  Actien  zu  meucheln. 

Cliemische  Fabrik  Mügeln  bei  Pirna,  Alaunwerk  von 
A.  Hayn.  Gegründet  August  1872,  mit  525,000  Thaler  Actien 
und  100,000  Thaler  Prioritäten,  von  Gebrüder  Guttentag  und 
M.  Schie  Nachfolger  in  Dresden.  November  1874  meuchelte 
man  einen  Theil  des  Actiencapitals ,  1875  schlug  „Actionär" 
Emil  Quellmalz  aus  Dresden  die  Verpachtung  vor;  indess  ward 
die  Liquidation  beschlossen  und  das  Etablissement  dem  Gustav 
Löwig  für  170,000  Thaler  übereignet.    Gegen  diesen  Kaufver- 


—     227    — 

trag  protestirte  die  Generalversammlung  und  entschied  sich, 
bei  der  Staatsanwaltschaft  „die  strengste  Untersuchung  der 
Gründung"  zu  beantragen. 

Union,  Fabrik  chemischer  Producte,  früher  Commerzien- 
rath  Quistorp  in  Glienken  bei  Stettin,  und  Käsemacher  & 
Schäfer  in  Magdeburg.  Gegründet  Februar  1872  von  Hein- 
rich Quistorp  in  Berlin,  mit  500,000  Thaler  Grundcapital.  Auf 
je  5  Actieu  seiner  ,,Yereinsbank",  die  damals  160  notirten,  ge- 
währte Quistorp  der  Grossmüthige  Eine  chemische  Actie  ä  104. 
Director:  der  Mitvorbesitzer  Hermann  Käsemacher  in  Magde- 
burg. Vorsitzender  des  Aufsichtsraths:  Apotheker  H.  Augustin 
in  Berlin.  1874  wurde  das  Actiencapital  um  200,000  Thaler 
gemeuchelt.  Die  beiden  ersten  Dividenden  waren  0,  die  beiden 
letzten  je  2%.    Cours  noch  etwa  30. 

Ascania,  chemische  Fabrik  in  Leopoldshall  bei  Bernburg, 
sonst  F.  R.  Kiesel.  Gegründet  Juli  1872  von  E.  A.  Seelig  in 
Berlin,  und  den  unglücklichen  Actionären  mit  505,000  Thaler 
berechnet.  Actiencapital  460,000  Thaler  und  100,000  Thaler 
Hypothekeö.  Die  erste  und  einzige  Dividende  für  ein  Ge- 
schäftsjahr von  6  Monaten  war  =  G^/io^/o-  Mai  1876  wurden 
vier  Fünftel  der  Actien  gemeuchelt.  Die  edlen  Vorbesitzer 
A.  Kiesel  und  Th.  Korndorf  haben  auf  das  ihnen  „contractlich 
zustehende  Honorar  von  5000  Thalern  jährlich",  sowie  auf  Ver- 
zinsung der  für  sie  eingetragenen  Hypothek  verzichtet! 

Cours  ca.  3. 

Chemische  Fabrik  Leopoldshall,  vormals  L.  W.  S.  Zier- 
vogel in  Stassfurt  und  Dr.  W.  Th.  Tuchen  in  Leopoldshall, 
Gegründet  26.  October  1871  von  Volkmar  &  Bendix  („Volks- 
wirth"  Michael  Levinstein)  in  Berlin.  Erste  Aufsichtsräthe: 
Michael  Levinstein,  Chemiker  Max  Levinstein,  Dr.  C.  Scheib- 
ler und  Stadtgerichtsrath ,  jetzt  Kammergerichtsrath  Hugo 
Keyssner  in  Berlin,  M.  Fliess  in  Magdeburg.  Actiencapital 
zunächst  367,000  Thaler.  Von  demselben  übernahmen  die  Vor- 
besitzer, welche  die  Leitung  behielten,   100,000  Thaler.     Im 

15* 


—     228     — 

Prospect  -wurden  sogleich  15%  Dividende  für  das  IL  Semester 
1871,  also  für  4  Monate  rückwärts,  zugesichert,  und  für  das 
I.  Semester  1872  —  12%  Dividende  berechnet.  In  solch  raffi- 
nirter  Weise  trieb  man  den  Cours  bis  etwa  130,  und  machte 
dann  133,000  Thaler  junge  Actien,  welche  zum  Theil  die  „ersten 
Zeichner"  sich  vorbehielten!  Das  Ende  war,  März  1873,  eine 
Verschmelzung  mit  der  nachfolgenden  Gesellschaft,  deren  Actien 
heute  ca.  8  notiren. 

Vereinigte  chemische  Fabriken  zu  Leopoldshall,  früher 
Douglas,  Jena  &  Win  t  er  fei  d,  Dr.  Lossen,  Wittwe  Lücke, 
Thiemann  &  Förster.    Gegründet  Februar  1872  von  Del- 
brück,   Leo  &  Co.  und  Volkmar  &  Bendix  in  Berlin.    Erste 
Aufsichtsräthe:  CommerzienrathAdalbert Delbrück,  „Volkswirth" 
Michael  Levinstein,    Dr.  C.  Scheibler,  Dr.  Emil  Meyer   und 
Stadtgerichtsrath,  jetzt  Kammergerichtsrath  Hugo  Keyssner  in 
Berlin,  M,  Fliess  in  Magdeburg  und  Commerzienrath  Hermann 
Kühne  in  Dessau.     Die  Herren  Michael  Levinstein,  Di'.  Scheib- 
ler, Rath  Keyssner  und  M.  Fliess  fungirten  also  gleichzeitig 
als  Verwaltungsräthe  bei  zwei  Gesellschaften,  die  einander  un- 
mittelbare Concurrenz  machten.    Noch  interessanter  ist,  dass 
Herr  Ziervogel,  der  Director  von  Leopoldshall,  nunmehr  auch 
die  „Generalleitung"  der  neuen  Gesellschaft  übernahm.    Man 
sieht,  es  geht  bei  den  Actiengesellschaften  höchst  gemüthlich 
zu!  —  Es  wurden  zunächst  l,600,f00  Thaler  in  60  procentigen 
Interimsscheinen  aufgelegt,  und  diese  bis  etwa  120  getrieben, 
was  einem  Course  von  133  entspricht.   September  1872  kaufte 
man  die  Pateut-Kali-Fabrik   von  Ad.  Frank  an;  später,  um 
die  Concurrenz  zu  beseitigen,  Alt-Leopoldshall,  und  endlich  noch 
im  April  1873  eine  Kohlengrube;  wobei  man  fortlaufend  das 
Grundcapital  bis  auf  3  Millionen  Thal  er  erhöhte!     Daneben 
figuriren  noch  350,000  Thaler  Hypotheken!!    Nach  Verschmel- 
zung der  beiden  Gesellschaften  führten  Dr.  A.  Frank  und  Max 
Levinstein  die  Direction.    Die  ersten  Dividenden  betrugen  11 
und  3%,  wurden  aber  in  dieser  Höhe  nur    durch  garantirte 


—    229    — 

Zuschüsse  der  Vorbesitzer  möglich.  Für  1873/74  entfiel  noch 
1%,  seitdem  0.  Im  letzten  Geschäftsjahr  arbeiteten  die  7  che- 
mischen Fabriken  bereits  mit  einer  Unterbilauz,  die  nur  durch 
den  Gewinn  bei  der  Kohlengrube  ausgeglichen  werden  konnte, 
und  wird  die  Gesellschaft  wol  nur  durch  die  bei  ihr  interessir- 
ten  Bankhäuser  über  Wasser  gehalten.     Cours  etwa  noch  8. 

Chemische  Fabrik  vormals  Julius  Vorster  und  Dr. 
Hermann  Grüneberg  in  Stassfurt.  Vorgekauft  von  Hermann 
Geber  in  Berlin,  und  October  1871  gegründet  von  H.  C.  Plaut, 
Raufi"  &  Knorr,  Eduard  Stahlschmidt,  Stadtrath  Theodor  Risch 
und  Julius  Schweitzer,  Börsen-Redacteur  der  „Nationalzeitung" 
in  Berlin,  mit  530,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thaler  Hypo- 
theken. Erste  Aufsichtsräthe  u.  A. :  August  Neubauer  in  Magde- 
burg, Hermann  Rauif  und  Professor  Rudolf  Weber  in  Berlin, 
Directoren:  Friedrich  Bettelhäuser,  Dr.  Emil  Pfeifi'er  und  Dr. 
Bruno  Bernhardi  in  Stassfurt.  Die  erste  und  einzige  Dividende 
für  ein  Geschäftsjahr  von  7  Monaten  war  gleich  8%.  Septem- 
ber 1874  liess  Hermann  Geber  durch  die  Vorbesitzer  100,000 
Thaler  Actien  „zurückschenken",  um  dieselben  zu  vernichten, 
da  sie  für  ihn  doch  keinen  Werth  hatten;  übernahm  auch 
50,000  Thaler  Prioritäten  al  pari.  Trotzdem  schloss  1875.76 
mit  einer  neuen  Unterbilanz  von  ca.  270,000  Thal  er,  weshalb 
man  beschlossen  hat,  das  Grundcapital  bis  auf  192,000  Thaler 
zu  meucheln.  Cours  der  Actien  noch  ca.  8.  Nach  einer  Zei- 
tungsnotiz soll  der  Staatsanwalt  endlich  eingeschritten  sein. 

Chemische  Fabrik  Heinrichshall  bei  Köstritz,  früher 
H.  von  Seckendorf.  Gegründet  August  1871  von  der  Coburg- 
Gothaischen  Creditgesellschaft  und  der  Geraer  Bank.  Actien- 
capital  260,000  Thaler,  aufgelegt  bei  Platho  &  Wolti'  und  Moritz 
Löwe  &  Co.  in  Berlin.  Dazu  85,000  Thaler  Hypotheken  und 
100,000  Thaler  Prioritäten.  Aufsichtsrath:  Bankdirector  Eisen- 
traut und  Adolf  Schwenker  in  Jena,  J.  R.  Geith  und  Bank- 
director Riemann  in  Coburg,  Otto  Schwartzkoptt'  in  Magdeburg, 
früherer  Abgeordneter  Banquier  Friedrich  Fcustel  in  Baireuth. 


—     230    — 

Dividenden:  8,  12,  10,  5  und  resp.  7%.   Der  Cours,  einst  über 
140,  war  schon  gesunken  unter  50,  und  ist  jetzt  etwa  70. 

HanuoTer'sche  Ultramariiifabrik,  vormals  August  und 
Georg  Egestorff  in  Linden.  Gegründet  November  1871  von 
H.  C.  Plaut  in  Berlin,  der  Hannoverschen  Bank,  B.  Magnus 
und  M.  C.  Sternheim  in  Hannover,  mit  300,000  Thaler  Grund- 
capital  und  70,000  Thaler  Hypotheken.  Die  Vorbesitzer  über- 
nahmen 100,000  Thaler  Actien  und  behielten  die  Leitung.  Auf- 
sichtsrath  u.  A.:  Director  Carl  Schanzenbach,  Bergcommissar 
Strohmeyer,  Obergerichtsanwalt  Abel,  Banquiers  Hermann  Stern- 
heim und  Moritz  Magnus  in  Hannover.  Dividenden  von  1874 
bis  1876:  1,  4  und  resp,  4%.     Cours  ? 

Georg  Egestorff's  Salzwerke,  chemische  und  Farben- 
Fabrik  in  Linden  bei  Hannover.  Gegründet  December  1871 
von  Ephraim  Meyer  &  Sohn  und  M.  J.  Frensdorff,  Provinzial- 
Disconto- Gesellschaft  in  Hannover.  2  Millionen  Thaler  Actien- 
capital  und*700,000  Thaler  Prioritäten.  Aufsichtsrath:  Excellenz 
Präsident  V.  von  Alten  und  Commerzienrath  F.  Buresch  in 
Linden,  Banquier  M.  J.  Frensdorff,  Commerzienrath  Louis  E. 
Meyer  und  Fritz  Hurtzig,  Präsident  der  Handelskammer  in 
Hannover,  Senator  Gustav  Godeffroy  und  Ingenieur  Chr.  Tim- 
mermann in  Hamburg,  die  Abgeordneten  A.  G.  Mosle  in  Bremen 
und  Obergerichtsanwalt  Wilh.  Laporte  in  Hannover.  Dividenden 
von  1873  bis  1875:  je  3%.    Cours  einst  135,  jetzt  etwa  noch  30. 

Chemische  Fabriken  Oker  und  Branuschweig'.  Ge- 
gründet September  1871  mit  150,000  Thaler  Actien.  Direction: 
Ernst  Hampe,  Wilh.  Hasenbalg,  Dr.  Curt  Stalmann.  Aufsichts- 
rath: Eberhard  Mencke,  Commerzienrath  Ritter  Fr.  von  Voigt- 
länder in  Braunschweig.    Cours  ? 

Chemische  Fabrik  Eisenbttttel  in  Braunschweig.  Ge- 
gründet November  1871  mit  100,000  Thaler  Actien.  Verwal- 
tungsrath:  Commerzienrath  Ritter  Fr.  von  Voigtländer,  Eber- 
hard Mencke,  Hermann  Buchler,  Dr.  August  Seyferth  und 
August  Boden  in  Braunschweig.   Erste  Dividende  5%.  Cours  ? 


—     231    — 

Chinin -Fa1)rik  Braunsclnvcig.  Gegründet  November 
1871  mit  180,000  Thaler  Actieu.  Direction:  Hermann  Buchler 
und  Dr.  Otto  Popp.    Cours  ? 

Chemische  Industrie-Gesellschaft,  vormals  Gebr.  Ges- 
sert  in  Elberfeld.  Gegründet  Januar  1878  mit  1  ^lillion  Thaler 
Actien  und  200,000  Thaler  Hypotheken.  Die  Vorbesitzer,  Dr. 
Jalius  Gessert  und  Theodor  Gessert  behielten  die  Leitung  und 
tib<2rnahmen  700,000  Thaler  Actien.  Aufsichtsrath:  Commer- 
zienrath  Wilh.  Meckel,  Consul  Gustav  Gebhard,  Gustav  Platz- 
hoff und  Robert  "VVichelhaus  in  Elberfeld,  Emil  Blank  in  Bar- 
men. Die  Actien  wurden  auch  an  der  Berliner  Börse  eiuge- 
geführt  und  hier  gleich  mit  116—120%  gehandelt.  Für  das 
erste  Halbjahr  1873  gab  es  8%  Dividende.  1873/74  schloss 
mit  83,000,  1874/75  mit  270,000  Thaler  Verlust,  und  Decbr, 
1876  wurde  die  Liquidation  beschlossen. 

Alizai'in-  und  Anilin-Farben-Fahrili  in  Elberfeld,  Ge- 
gründet 1872  mit  480,000  Thaler  Actien.  Verwaltungsrath: 
Fr.  Wilh.  Strücker.     Schloss  1874  mit  9300  Thaler  Verlust. 

ActieugeseUschaft  für  chemische  Industrie  in  Köln. 
Gegründet  Januar  1872  mit  500,000  Thaler  Actien.  Dazu 
455,000  Thaler  Hypotheken  und  Obligationen.  Aufsichtsrath: 
Bankdirector  Theodor  Movius,  Ed  Bennert,  Julius  Joest,  Jacob 
Lob  Eltzbacher  und  Albano  Körte  in  Köln,  Friedrich  Grillo 
und  Wilh.  Schürenberg  in  Essen,  Rudolf  Pönsgen  in  Düssel- 
dorf. Schloss  1875  mit  81,000  Thaler  Verlust,  und  beabsich- 
tigte nunmehr  den  theilweisen  Verkauf  der  Realitäten  zu  Köln 
und  Mülheim. 

Pommerensdorfer  Seifen-  nnd  Chemikalieufabrik  in 
Stettin.  Gegründet  1.  April  1872  mit  300,000  Thaler  Actien. 
Verwaltungsrath:  Dr.  Otto  Schür,  Consul  Rud.  Scheele,  E.  Koppe, 
Banquiers  Scheller  und  Deguer  in  Stettin.    Dividenden  ? 

Ausser  dieser  scheinen  in  Stettin  noch  eine  ganze  Reihe 
ähnlicher  Gesellschaften  gegründet  worden  zu  sein,  als:  die 
Chemische    Fabrik   Bredow   (C.   Metzenthin),  Verein   für 


—     232     — 

chemisclie  Industrie  (Job.  Quistorp),  Chemische  Fabrik  iu 
Bolliucheii,  Chemische  Fabrik  für  Superphosphate  in 
Glienken,  Stettiuer  Fettwaareufabrik  etc.,  deren  Schick- 
sal dunkel  ist. 

Cliemische  Fabrik  zu  Daiizig,  R.  Petschow  und  Gustav 
Davidsohn.  Gegründet  1870.  Aufsichtsräthe:  Stadtrath  E. 
Damme,  Commerzienräthe  R.  Goldschmidt  und  Abgeordneter 
Tb.  Bischoif,  J.  J.  Berger  und  Otto  Helm  in  Danzig.    Cour5  ? 

Silesia,  Verein  chemischer  Fabriken  in  Breslau.  Gegrün- 
det Januar  1872  mit  1,880,000  TbalerActien  und  379,000  Tbaler 
Hypotheken.  Verwaltungsratb :  Moritz  Cohn,  Siegmund  Sachs, 
Consul  L.  Mülinari,  Abgeordneter  Rechtsanwalt  Freund,  Geh. 
RegieruDgsratb  Prof.  Dr.  C.  Loewig,  Geh.  Commerzienrath  von 
Kulmitz,  Dr.  P.  von  Kulmitz,  Oswald  von  Uechtritz  etc.  Divi- 
denden von  1873—75:  8,  5  und  resp.  5%.  Der  Cours  war  von 
120  bis  unter  50  gesunken. 

Jod  fiel  noch  schneller  als  selbst  Gehe  &  Co.  es 
erwartet  hatten.  Schon  Anfang  1873  stürzte  die  Unze 
von  25  Sgr.  auf  9  Sgr.;  und  unmittelbar  nach  dem  Krach 
gingen  auch  die  Preise  aller  übrigen  Chemikalien 
reissend  herunter.  Nur  zu  kurz  war  die  Schwindel- 
blüthe  der  neugegründeten  chemischen  Fabriken  ge- 
wesen; sie  sanken  nun  ununterbrochen  im  Course, 
die  grosse  Mehrzahl  vertheilte  keine  Dividenden  mehr, 
und  nicht  wenige  lösten  sich  völlig  auf.  Von  den 
oben  genannten  34  Gesellschaften  ist  ein  starkes 
Drittel  inzwischen  verblichen;  nur  etwa  10  haben  noch 
Börsencours,  der  nur  bei  4  über  15  steht;  und  nur 
von  5  ist  im  letzten  Jahre  eine  Dividendenvertheilung 


—     233    — 

bekannt    geworden,    die   nur    bei   1    mehr   als   5*^/0 
betrug. 

„Es  ist  nur  ewige  Nothwendigkeit",  sagen  Gehe  &  Co.  in 
üirem  Handelsbericlit  vom  September  1876,  „wenn  sict  jetzt 
nach  jenen  Jahren  scheinbarer  beispielloser  Prosperität  (in 
Wahrheit  aber  des  Unglücks  und  der  Corruption)  das  Verhäng- 
niss  in  dem  Preisstande  der  Fabriken  und  ihrer  Producte  ab- 
wickelt." — 

Aeltere  Unternehmungen  dagegen,  die  nicht  erst 
der  Schwindelperiode  ihr  Dasein  verdanken,  fahren 
trotz  der  starken  Preisrückgänge  fort,  ihren  Actionären 
gute  Reinerträge  zu  gewähren;  so  namentlich  ver- 
schiedene Gesellschaften  in  Süddeutschland,  Oester- 
reich  und  am  Rhein;  ja  die  chemische  Fabrik  Pom- 
merensdorf  hat  auch  pro  1875  noch  25%  Dividende 
vertheilt! 

Die  Coursverluste,  welche  das  Publikum  bei  den 
Actien  der  chemischen  Fabriken  erlitten,  sind  auf 
nicht  weniger  denn  20  Millionen  Thaler  zu  schätzen. 
Neben  den  ßauvereinen  und  Baumaterial -Gesell- 
schaften glänzen  die  chemischen  Gründungen  als  die 
faulsten  und  schwindelhaftesten.  Aber  diese  zum 
grössten  Theil  in  den  letzten  Zügen  liegenden  Actien- 
gesellschaften  geben  auf  dem  Waarenmarkte  noch 
immer  den  Ton  an,  indem  sie,  wie  früher  durch  künst- 
liches  Seltenmachen,    jetzt  durch    sinnloses   Preis- 


—     234    — 

schleudern  der  Producte,  welche  sie  selbstverständlich 
in  möglichst  geringer  Qualität  liefern,  das  reelle  Geschäft 
schädigen.  Andererseits  übernahmen  wieder  dieselben 
Schwindelgesellschaften  die  Führung  der  chemischen 
Industrie  auf  den  Weltausstellungen  in  Wien  und 
Philadelphia;  wo  sie  z.  B.  Fabrikate  von  monströsen 
Dimensionen  ausstellten,  die  praktisch  gar  keinen 
Werth  haben  und  nur  kostspiehge  Schaustücke  für 
Rechnung  der  unglücklichen  Actionäre  sind;  wo  sie 
durch  solche  Marktschreierei,  nach  Versicherung  ge- 
wisser Zeitungen,  „wahre  Triumphe"  feierten. 

Ebenso  wird  die  Verfälschung  der  Lebens-,  Ge- 
nuss-  und  Heilmittel,  eine  Folge  der  schrankenlosen 
Gewerbefreiheit  und  der  mangelnden  Staatsaufsicht, 
wesentlich  gefördert  durch  die  chemischen  Neugrün- 
dungen der  Schwindelära.  Diese  frevelhafte  Verfäl- 
schung, die  immer  weiter  um  sich  greift,  des  Leibes 
Nahrung  verkümmert,  Leben  und  Gesundheit  gefähr- 
det, hat  bereits  zu  einer  eigenen  schwunghaft  betrie- 
benen Industrie  geführt,  die  ganz  offen  eine  lange 
Reihe  von  Surrogaten  und  Artikeln  zum  Versetzen 
der  verschiedensten  Dinge  anbietet,  so  dass  z.  B. 
bei  Gewürzen,  ätherischen  Gelen  und  den  im  gepul- 
verten Zustande  verkäuflichen  Waaren  die  gröbsten 
Betrügereien  gäng  und  gebe  sind. 


—    235    — 

An  die  zuerst  genannte  Gesellschaft;  die  chemische 
Fabrik  auf  Actien,  sonst  Ernst  Schering,  knüpfen  sich 
noch  ein  paar  charakteristische  Vorgänge,  die  wir 
nach  den  Gehe'schen  Handelsberichten  wiedergeben. 

Im  Jahre  1869  führte  Professor  Dr.  Oscar  Lieb- 
reich in  Berlin  das  schon  vor  drei  Decennien  erfun- 
dene Chloralhydrat  als  vorzügliches  Schlafmittel  in 
den  Arzneischatz  ein,  und  übertrug  dessen  Herstellung 
zunächst  der  Fabrik  von  Dr.  Mendelssohn  und  Dr. 
Martins,  später  der  Fabrik  von  Schering.  Das  Prä- 
parat war  jedoch  so  kostbar,  dass  es  nur  dem  Reichen 
erschwinglich  blieb,  der  das  Pfund  mit  80  Thaler, 
jeden  einzelnen  Schlaf  mit  1  Thaler  bezahlen  musste. 
Um  es  nun  auch  dem  gemeinen  Manne  zugänglich  zu 
machen,  legten  sich  Gehe  &  Co.  gleichfalls  auf  die 
Fabrikation  und  standen  erst  davon  ab,  als  der  Preis 
des  Pfundes  bis  auf  1  Thaler  herabgegangen  war. 
Dann  bezogen  sie  den  Bedarf  für  ihre  Kundschaft 
wieder  aus  den  von  Dr.  Liebreich  privilegirten  Fabri- 
ken und  von  anderen  Orten.  Dr.  Liebreich,  der  dies 
nicht  wusste,  Hess  das  angeblich  Gehe'sche,  in  Wahr- 
heit aber  Liebreich'sche  Präparat  in  Fachzeitschriften 
und  Tagesblättern  als  mangelhaft  angreifen;  und  als 
es  bei  einem  „hohen  Patienten  in  Sachsen",  der  bald 
darauf  starb,  nicht  mehr  wirkte,  erbot  sich  Dr.  Lieb- 


—     236     — 

reich  selber  nach  Sachsen  zu  kommen  und  das  nach 
seiner  Vorschrift  und  unter  seiner  Garantie 
dargestellte  Chloralhydrat  dem  „hohen  Patienten"  in 
eigener  Person  zu  verabreichen  —  ein  Anerbieten, 
das  leider  abgelehnt  wurde.  Dr.  Liebreich,  der  einer- 
seits das  unter  seiner  Aufsicht  in  der  Schering'schen 
Fabrik  angefertigte  Präparat  als  untrüglich  in  der 
Wirkung  empfahl,  andererseits  in  der  Berliner  klini- 
schen Wochenschrift  erklärte,  dass  die  Herstellung 
des  Chloralhydrats  in  seiner  chemischen  Reinheit  nicht 
controlirt  werden  könne,  hat  auf  eine  Anfiage  von 
Gehe  &  Co.,  wie  er  denn  seine  Garantie  auf  den 
Etiketten  des  Präparats  verstehe,  keine  Antwort  er- 
theilt.  —  Dank  einer  wunderbar  organisirten  Reclame 
in  der  Presse  des  In-  wie  des  Auslandes,  kam  das 
von  Dr.  Liebreich  zuerst  monopolisirte  Chloralhydrat 
schnell  in  Aufnahme  und  fand  Jahre  hindurch  reissen- 
den Absatz,  besonders  in  England  und  Amerika,  wo 
es  bald  ein  Mode-  und  Luxus-Artikel  wurde,  der 
Herren-  und  Damenwelt  als  Selbstbetäubungs-  und 
Berauschungsmittel  diente,  und  wie  man  wol  sagen 
darf,  die  Körperconstitution  und  das  Nervensystem 
einer  ganzen  Generation  geschwächt  und  zerrüttet 
hat.  Unter  solchen  Umständen  konnte  ein  Piück- 
schlag  nicht  ausbleiben  und  ist  gewiss  nicht  zu  be- 


—     237     — 

klagen.  Die  Mode  liess  das  Schlafmittel  wieder  fallen 
und  das  Chloralhydrat  fand  nur  noch  Verwendung 
in  der  Medicin,  wo  es  aber  auch  nicht  die  altbewähr- 
ten Morphium  und  Chloroform  zu  verdrängen  ver- 
mocht hat. 

Der  zweite  Fall  betrifft  die  Salicylsäure,  ein  noch 
jüngeres  Präparat,  das  aber  bereits  zu  einem  Uni- 
versalmittel geworden  ist,  ebenso  stark  von  der  Heil- 
kunst wie  von  der  Industrie  und  im  täglichen  Haus- 
halt gebraucht  wird.  Professor  Dr.  Kolbe  in  Leipzig, 
der  es  zuerst  darstellte,  nahm  ein  Patent  darauf  und 
verkaufte  dasselbe  an  Dr.  von  Heyden  in  Dresden. 
Nichtsdestoweniger  unternahm  auch  die  Schering'sche 
Fabrik  in  Berlin  die  Herstellung  der  Salicylsäure, 
bis  ihr  die  gesetzwidrige  Nachahmung  durch  die  Er- 
kenntnisse zweier  Instanzen  untersagt  wurde;  worauf 
sie  unverfroren  erklärte:  sie  sei  nunmehr  genöthigt, 
„auf  legale  Weise  bereitete  rohe  Salicylsäure  zu 
kaufen,  um  daraus  ihre  chemisch  reine,  völlig  geruch- 
lose, absolut  klare  und  farblos  lösliche  Säure  und 
deren  Salze  herzustellen".  Was  diese  Finesse  be- 
deutet, und  wie  sie  nichts  weiter  bezweckt  als  eine 
Täuschung  des  nicht  eingeweihten  Publikums,  geht 
aus  der  Entgegnung  des  Dr.  von  Heyden  hervor, 
welche  also  lautete:  „Rohe  Salicylsäure  wird  von 


■    '     —     238     — 

mir  gar  nicht  in  den  Handel  gebracht.  Meine 
Präparate  sind  selbstredend  ebenfalls  chemisch  rein, 
völlig  geruchlos,  absolut  klar  und  farblos  lös- 
lich, aber  ausserdem  noch  absolut  frei  von  Car- 
b Ölsäure,  und  an  meiner  umkrystallisirten  Salicyl- 
säure  giebt  es  absolut  nichts  mehr  zu  dialysiren.  — 
Die  Schering'sche  Fabrik  bleibt  aber  dabei,  dass  sie 
dies  dennoch  thue,  und  es  giebt  kein  Gesetz,  dass  ihr 
solchen  Humbug  verbieten  könnte,  denn  sie  erdichtet 
nur  eine  Concurrenz  mit  dem  Patentinhaber,  die  sie 
thatsächlich  nicht  mehr  auszuüben  wagt. 

Die  „Chemische  Fabrik  auf  Actien"  wurde  mit 
besonderen  Erwartungen  begrüsst,  und  zwar  aus  ver- 
schiedenen Gründen:  1)  entstand  sie  unter  den  Hän- 
den des  erfindungsreichen  und  vielglücklichen  Hein- 
rich Quistorp;  2)  hatte  der  Name  des  Vorbesitzers, 
Commerzienrath  Ernst  Schering,  einen  guten  Klang, 
und  dieser  behielt  auch  die  Leitung-,  3)  war  bei  der 
Gründung  ein  Literatus  behülflich.  Der  Letztere 
zeichnete  sonder  Zagen  100,000  Thaler  Actien,  wie- 
wol  er  sicherlich  nicht  100,000  Groschen  besass,  und 
übernahm  die  nöthige  Empfehlung  des  neuen  Unter- 
nehmens in  der  Presse.  Auch  rührte  er  gar  artig 
die  Trommel  für  Dr.  Oskar  Liebreich's  Chloralhydrat, 
für  Dr.  Oskar  Liebreich's  Pepsin-Wein  und  für  die 


—    239     - 

dialysirte  Salicylsäure,  die  alle  drei  nur  in  der  Schering- 
schen  Fabrik  echt  angefertigt  würden.  Nach  der 
Versicherung  dieses  schreibkundigen  Mannes  ist  die 
„Chemische  Fabrik  auf  Actien"  die  solideste  und  rein- 
lichste Gründung  von  der  Welt,  und  ihr  ganzes  Mal- 
heur (Cours  der  Actien:  15  Brief)  verschulde  nur  der 
kostspielige  Neubau,  die  musterhaft  schöne,  aber 
auch  fabelhaft  theure  Einrichtung. 

Ausser  diesem,  so  zu  sagen,  chemischen  Literaten 
sind  bei  den  chemischen  Gründungen  noch  zwei  Börsen- 
Literaten  betheiligt:  Dr.  Heinrich  Ebeling  bei  der 
Alizarin-  und  chemischen  Fabrik  in  Potsdam  (S.  224), 
sowie  bei  der  Salzsiederei  und  chemischen  Fabrik 
Gotha  (S.  226),  und  Julius  Schweitzer  bei  der  Stass- 
furter  chemischen  Fabrik  (S.  229). 

Dr.  Heinrich  Ebeling,  seinem  Berufe  nach,  wie 
man  sagt,  klassischer  Philologe,  fungirte  während  der 
Schwindelperiode  alsBörsen-Redacteur  der  „Vossischen 
Zeitung",  war  zeitweise  auch  am  Courszettel  der 
„National-Zeitung"  thätig,  gab  ausserdem  eine  Corre- 
spondenz  mit  Börsenbericht  in  mehren  Sprachen  her- 
aus, und  fand  daneben  noch  Zeit,  sich  bei  einer 
langen  Reihe  der  übelriechendsten  Gründungen  zu 
betheiligen.  Erst  1875,  als  der  Schwindel  sich  bereits 
erschöpft   hatte,  und   das  Unheil   längst  geschehen 


—     2-iO     — 

war,  stellte  ihn  die  „Vossische  Zeitung"  zur  Dispo- 
sition. Uebrigens  soll  er,  da  er  blos  Christ  ist,  bei 
air  diesen  Gründungen  nichts  erübrigt  haben. 

Herr  Julius  Schweitzer,  ein  in  Breslau  verun- 
glückter jüdischer  Geschäftsmann,  redigirt  seit  1850  den 
Börsentheil  der„National-Zeitung"  und  er  rühmt  sich, 
auch  den  jetzigen  Director  im  Reichskanzler -Amt, 
Wirklichen  Geheimen  Ober-Regieruugsrath  Herrn  Otto 
Michaelis,  in  seine  Wissenschaft  eingeweiht,  ihn  an 
der  Börse  eingeführt  zu  haben.  Herr  Schweitzer 
gründete  mit  Hermann  Geber  und  Genossen  die  be- 
rüchtigte Stassfurter  Fabrik,  und  es  ist  interessant  zu 
sehen,  wie  er  diese,  seine  Tochter,  in  dem  eigenen 
Blatt,  in  der  tugendsamen  „National-Zeitung",  dem 
Publikum  empfahl.  In  Nr.  490,  Bleiblatt,  vom  19. 
October  1871,  übernimmt  er  zunächst  folgende  Notiz 
aus  der  Berliner  „Bank-  und  Handelszeitung": 

„Keue  Actien  -  Gesellschaft.  Die  rühmlichst  bekannte 
Chemische  Fahrik  von  Vorster  &  Grüneberg  zu  Stassfurt  bei 
Schönebeck  ist  ebenfalls  zum  Actien-Unternehmen  umgewandelt 
worden.  Durch  consortiale  Betheiligung  ist  bereits  das  Actien- 
capital  durch  die  hiesigen  Bankhäuser  H.  C.  Plaut  und  Rauff  & 
Knorr  placirt  worden." 

In  Nr.  510,  Beiblatt,  vom  31.  October  1871  lässt 
er  sich  dann  selber  also  vernehmen: 


—     241     — 

„Stassfurter  chemische  Fabrik,  Tormals  Vorster  «fc 
Griineberg  zu  Stassfnrt.  Unter  dieser  Firma  hat  sich  eine 
Actien-Gesellschaft  gebildet,  -n-elche  die  beiden  in  Stassfnrt  ge- 
legenen Fabriken  der  Herren  Vorster  &  Grüneberg  käuflich 
übernommen  hat.  Die  letzteren  besitzen  noch  anderweit  be- 
deutende industrielle  Etablissements  und  haben  sich  zur  Ver- 
einfachung ihres  Geschäftsbetriebes  zum  Verkauf  der  beiden, 
gut  rentirenden  Fabriken  entschlossen.  Die  Actien  werden  zur 
Zeichnung  aufgelegt  werden." 

„Die  Actien  werden  zur  Zeichnung  aufge- 
legt werden."  —  Welch  ein  Edelmuth  der  Gründer; 
welch  ein  Trost,  welch  rosige  Hoffnung  für  das  liebe 
Publikum!  Und  nun  folgt  endlich  der  wichtige  ver- 
heissungsvoUe  Tag.  Unterm  6.  November  1871,  in 
Nr.  520  der  „Nationalzeitung",  Beiblatt,  meldet  Herr 
Schweitzer: 

„Stassfnrter  Chemische  Fabrik,  vormals  Vorster  & 
Grüneberg,  Actien-Gesellschaft.  Am  7.  und  8.  Novbr.  kommen 
von  dem  530,000  Thaler  betragenden  Actiencapital  400,000  Thaler 
in  Berlin  bei  den  Bankhäusern  H.  C.  Plaut  und  Eauff  &  Kuorr 
zur  Subscriptioa  Das  betreffende  Inserat  folgt  im  Morgenblatt. 
Wir  bemerken  hier  Folgendes.  Die  Verkäufer,  die  Herren 
Vorster  &  Grüneberg,  besitzen  auch  bedeutende  Etablissements 
in  der  Rheinpro^inz,  deren  Vergrösserung  ihnen  einen  Verkauf 
der  Stassfurter  Etablissements  wüuschenswerth  machte.  Stass- 
furt  ist  der  Sitz  einer  grossen  Industrie,  welche  chemische  Fa- 
brikate erzeugt  und  in  den  letzten  Jahren  einen  sehr  bedeuten- 
den Aufschwung  genommen  hat.  Derselbe  stützt  sich  nicht 
allein  auf  eine  grosse  Steigerung  des  Bedarfs  in  Europa,  sondern 
auch  auf  eine  Erweiterung  des  Absatzgebietes,  besonders  nacli 

Glagau,  Der  Börsensohwindel.    II.  IG 


—     242     — 

Amerika.  Die  Preise  der  chemischen  Fabrikate  haben  sich,  der 
gesteigerten  Nachfrage  entsprechend,  bedeutend  gehoben,  u.  A. 
für  das  Hauptprodiict  Chorkalium  von  2V12— SVe?  auf  3  bis  3V4 
Thaler,  je  nach  der  Lieferung,  also  um  ca.  40  Procent.  Die 
Gestehungskosten  sind  verhältnissmässig  wenig  gestiegen  und 
waren  deshalb  die  in  den  letzten  Jahren  von  den  Stassfurter 
Fabriken  erzielten  Resultate  sehr  gut.  Die  von  Seiten  der 
Preussischen  und  Anhaltischen  Verwaltung  dictirte  Erhöhung 
der  Rohsalzpreise  bedingt  allerdings  für  1872  eine  Steigerung 
der  Gestehungskosten,  derselben  sind  aber  bereits  die  Preise 
der  Fabrikate  gefolgt,  so  dass  sich  das  vorher  bestandene  Ver- 
hältniss  nicht  verändert  hat.  Der  eine  Artikel  Chorkalium,  von 
welchem  schon  bisher  95,000  Ctr.  producirt  wurden,  sichert 
nach  uns  vorliegenden  Angaben  eine  Dividende  von  9  bis  10 
Proceut  des  Actiencapitals.  Auch  die  sog.  Nebenproducte,  über 
welche  der  Prospect  Auskunft  giebt,  wie  Kieserit,  Chlormagne- 
sium u.  s.  w.,  die  in  früheren  Jahren  wegen  mangelhafter  Ver- 
werthuug  fast  werthlos  waren,  finden  zum  Export  Nehmer.  Die 
Verhältnisse  liegen  also  hier  sehr  günstig." 

Wenn  in  solch  lobpreisender  Weise  ein  Unter- 
nehmen in  der  grossen,  hochachtbaren  „ISTationalzei- 
tung"  empfohlen  wird,  wer  sollte  da  nicht  zeichnen, 
wer  sollte  da  die  Actien  nicht  kaufen!?  Kann  man 
in  diesem  Falle  —  und  die  Fälle  lagen  stets  so  — 
wol  von  einem  thörichten,  urtheilslosen  Publikum 
sprechen,  das  ohne  zu  fragen,  ohne  sich  zu  orienti- 
ren,  blind  gierig  darauf  los  kaufte,  nur  weil  es  auf 
mühelosen  Gewinn  hoffte;  dem  ganz  recht  geschehen, 
das  gar  nicht  zu  bedauern  ist,  wenn  es  sich  um  sein 
Geld  betrogen  und   ausgeplündert  sieht?     Fürwahr, 


—     243     — 

Ihr  Herren  „Volkswirtlie"  und  Ihr  Ritter  von  der 
Presse,  die  Ihr  dasselbe  Publikum,  das  Ihr  nach  allen 
Eegeln  der  Kunst,  mit  unendlichem  Raffinement  ver- 
lockt und  verführt  habt,  heute  noch  schmäht  und 
höhnt,  die  Ihr  die  Personen,  die  Euch  jetzt  anklagen 
und  zur  Rechenschaft  ziehen,  der  „Verleumdung"  und 
„Ehrabschneiderei"  bezichtigt  —  Eure  Frechheit  ent- 
spricht genau  Eurer  Verschuldung  und  Niederträch- 
tigkeit! 

Eine  gleiche  staffeiförmig  aufsteigende  Reclame 
machte  Herr  Schweitzer  in  seiner  „Nationalzeitung" 
auch  für  die  „Nienburger  Zuckerfabrik",  an  der  er 
ebenfalls  betheiligt  ist*).  Bei  der  Stassfurter  wie  bei 
der  Nienburger  Fabrik  fungirte  er  als  Präsident  des 
Aufsichtsraths,  und  man  erzählte  im  Jahre  1872,  dass 
die  Posten,  welche  er  als  Verwaltungsrath  bei  ver- 
schiedenen Gesellschaften  bekleide,  ihm  eine  Tantieme 
abwürfen,  von  der  allein  er  bequem  leben  könne.  Der 
Stassfurter  wie  der  Nienburger  Fabrik  wandte  er  nach 
dem  Krach,  da  sie  zu  stinken  begannen,  den  Rücken, 
und  seinen  Rückzug  aus  der  Stassfurter  Actiengesell- 
schaft  zeigte  er  in  Nr.  457  der  „Nationalzeitung", 
zweites  Beiblatt,  vom  2.  October  1874  mit  folgenden. 


')  Vgl.  S.  193. 

IG* 


—     244    — 

inzwisclien  zu  klassischer  Berühmtheit  gelangten 
Worten  an:  „An  Stelle  des  ausscheidenden  Aufsichts- 
rathsmitgliedeS;  des  Herrn  Dr.  Scliweiger,  wurde 
Herr  Ingenieur  Böcker  aus  Duisburg  neu  gewählt". 
—  Auch  die  anderen  Zeitungen  hatten  die  collegia- 
lische  Gefälligkeit,  statt  des  wahren  Namens  JuHus 
Scliweitzer,  den  geistreichen  Drlickfehler  ,,Doctor 
Schweiger'*  zu  übernehmen. 

Erst  nach  geraumer  Zeit,  als,  um  mit  der  „Na-r 
tionalzeitung"  zu  reden,  die  „Verleumdungsära", 
das  heisst  auf  Deutsch:  die  Bewegung  gegen  die 
Gründer  und  Gründergenossen,  begonnen,  kam  jener 
ominöse  Druckfehler  an  den  Tag.  Am  11.  Februar 
1876  veröffentlichte  die  Berliner  „Staatsbürger-Zei- 
tung" unter  der  Ueberschrift  „Herr  Schweiger"  ein 
Schreiben,  das  ihr  angeblich  von  einem  Leser  zuge- 
gangen. Derselbe  erzählt,  wie  er  in  Folge  der  war- 
men Empfehlung  der  „Nationalzeitung"  die  Actien 
der  Nienburger  Zuckerfabrik  und  der  Stassfurter 
chemischen  Fabrik  gekauft  und  dabei  seine  ganzen 
Ersparnisse  verloren.  Aber  trotzdem  glaube  er  nach 
wie  vor  an  die  „Nationalzeitung",  da  sie  Herr  Lasker, 
der  „grösste  Gründerfeind",  vor  versammeltem  Par- 
lament ein  „sehr  würdiges  Blatt"  genannt  habe,  und 
weil  ihr  Börsentheil   von  einem  so  ausgezeichneten 


—    245     — 

Manne,  wie  Julius  Schweitzer  redigirt  werde.  Au 
seinem  Unglück,  an  dem  so  schmählich  tiefen  Fall 
der  Nienburger  Zucker-  und  der  Stassfurter  chemi- 
schen Actien  sei  nur  der  ausgeschiedene  Präsident 
des  Verwaltungsraths  beider  Gesellschaften,  Doctor 
Schweiger  schuld,  und  nach  diesem  „gefährlichen 
Menschen"  habe  er  lange  gesucht,  um  ihn  zur  Rechen- 
schaft zu  ziehen,  bis  ihm  ein  Student,  der  ein  meu- 
blirtes  Zimmer  bei  ihm  bewohne  und  ein  „arger  Com- 
munist"  sei,  nachstehende  Auskunft  gegeben,  die  er 
freilich  nicht  recht  verstanden  habe: 

„Geben  Sie  Sich  keine  vergebliche  Mülie.  Herr  Schweiger 
ist  keine  Person  von  Fleisch  und  Blut;  Herr  Schweiger  ist 
der  Ueberall  und  Nirgends  der  Corruption;  Herr  Schweiger 
ist  der  echte  und  rechte  Urtypus  des  Gründerthums,  das  um 
schnöden  Gewinnstes  willen  alles  fälscht  und  zuletzt  sich 
selbst.  Schweiger  sind  sie  alle-,  alle  die  „Edelsten  und 
Besten",  denen  das  Deutsche  Volk  die  „Industrieblüthe"  und 
den  „wirthschaftlichen  Aufschwung"  verdankt.  Haben  Sie  je 
eine  Zeit  erlebt,  wo  so  viel  geschwiegen  wird,  wie  jetzt?  Da 
ist  das  Schweigen  der  sittlichen  Entrüstung,  das  Schweigen  der 
stillen  Verachtung,  das  Schweigen  der  vornehmen  Würde,  das 
Schweigen  der  imponirenden  Unschuld,  und  für  euch  arme  Ge- 
schorene auch  das  Schweigen  des  Kirchhofs.  Und  wenn  sie 
anfangen  zu  erzählen,  dann  —  schweigen  sie  erst  recht.  Dann 
erzählen  sie  ein  Langes  und  Breites  von  6—8000  Thaler  Ge- 
halt und  —  schweigen  von  6—800,000  Thaler  Tantieme.  Lassen 
Sie  den  Schweiger  laufen  und  schweigen  Sie  auch  über  Ihre 
riesige  Blamage." 


—     246     — 

Aber  diese  Enthüllung  des  Druckfehlers  geschah 
lange  nachher,  und  inzwischen  war  es  Herrn  Julius 
Schweitzer  noch  beschieden,  einen  grossen  Triumph 
zu  feiern.  Fast  um  dieselbe  Zeit,  da  Herr  Dr.  Hein- 
rich Ebeling,  der  Börsenredacteur  der  „Vossischen 
Zeitung",  von  dieser  den  Abschied  erliielt,  im  Früh- 
jahr 1875,  brachte  die  gutmüthige  Tante  Voss  ein 
Artikelchen,  das  also  lautete: 

„In  der  nächsten  Woche  wird  hier  ein  journalistisches 
Jubiläum  gefeiert  werden.  Am  Dienstag,  den  20.  April,  sind 
es  25  Jahre,  dass  Dr.  J.  E.  Schweitzer  in  die  Redaction  der 
„National-Zeitung"  eintrat,  und  dass  er  dieses  Blatt  in  seinem 
volkswirthschaftlichen  und  Börsentheil  vertritt.  Ebenso  lange 
ist  Dr.  Schweitzer  an  der  Börse  als  Berichterstatter  für  die 
Zeitung,  der  er  angehört,  thätig.  Er  war,  wie  der  „B.  Börs.- 
Cour."  bemerkt,  der  erste  und  ist  jedenfalls  der  älteste  Börsen- 
Journalist  Berlins.  Während  er  in  den  ersten  Jahren  seiner 
Thätigkeit  auch  der  einzige  blieb,  ist  die  Presse  an  der  Börse 
jetzt  vielleicht  durch  dreissig  oder  mehr  ihrer  Mitglieder  ver- 
treten. Der  bekannte  Geh.  Rath  Michaelis,  der  Autor  des  Bank- 
gesetzes, war  vor  seiner  Berufung  ins  Ministerium  lauge  Zeit 
hindurch  anfänglich  sein  Schüler  auf  finanziellem  Gebiete  und 
dann  sein  Mitarbeiter,  Dr.  Schweitzer  hat  sich  in  dem  Viertel- 
Jahrhundert,  während  dessen  er  volkswirthschaftlich  thätig  war, 
die  allgemeinsten  Sympathien  erworben;  für  gewisse  finanzielle 
Specialitäten,  besonders  für  die  finanzielle  Seite  des  Eisenbahn- 
wesens gilt  er  als  unbestrittene  Autorität.  Er  hat  in  den  zwei 
ein  halb  Jahrzehnten  mit  der  Berliner  Börse  viel  gute  und  viel 
schlimme  Zeiten  durchlebt,  zu  allen  Zeiten  aber  blieb  er  eine 
allseitig  geachtete  und  beliebte  Persönlichkeit.  Bereits  gestern 
Abend  sollte  eine  Vorfeier  des  Jubiläums  in  engerem  Kreise 


—     247     — 

stattfinden.  Die  älteren  vereidigten  Makler  der  Berliner  Börse 
hatten  ihm  zu  Ehren  ein  Festessen  veranstaltet,  während  die 
eigentliche  Feier  dem  Jubiläumstage  selbst  vorbehalten  bleibt." 

In  ähnlicher  Weise  Hessen  sich  sämmtliche  Blätter 
Berlins,  und,  wie  es  sich  ziemt;  in  züchtiger  Beschei- 
denheit zuletzt;  die  ;,Nationalzeitung"  selber  verneh- 
men. Sie  verzeichnete  die  Gaben  und  Ehren,  die 
ihrem  Schweitzer  geworden,  sie  veröffentlichte  die 
Adressen,  die  er  erhalten.  Der  Verein  der  „Berliner 
Presse",  dem  der  Jubilar  als  Schatzmeister  angehört, 
in  dessen  Vorstand  er  sitzt,  Hess  durch  eine  Depu- 
tation ein  in  blauen  Sammet  gebundenes,  mit  einem 
silbernen  Lorbeerkranz  geschmücktes  Schriftstück 
überreichen,  das  folgenden  Inhalt  hatte: 

„Hochverehrter  Herr  und  College!  Mit  dem  heutigen  Tage 
vollenden  Sie  den  langen  Zeitraum  einer  füufundzwauzigjähri- 
gen  hochbedeutsamen,  journalistischen  Thätigkeit  auf  einem 
Gebiete,  dessen  mächtiger  und  weittragender  Eintiuss  die  gröss- 
ten  gleichwie  die  kleinsten  Verhältnisse  des  Staates  und  der 
Gesellschaft  nicht  unberührt  lässt.  Ihr  klarer  Blick,  Ihr  prak- 
tisches Verständniss,  das  durch  den  Umfang  und  die  Gründ- 
lichkeit Ihres  Wissens  unterstützt  wird,  haben  Ihr  Urtheil  sehr 
bald  zu  dem  einer  fachmännischen  Autorität  erhoben  und  Ihnen 
die  Achtung  gebietende  Stellung  errungen,  die  Sie  gegenwärtig 
mit  Recht  behaupten. 

Aber  während  Sie  einerseits  dem  Ansehen  und  den  Anfor- 
derungen dieser  Stellung  gewissenhaft  Rechnung  tragen,  haben 
Sie  dennoch,  so  schwer  belastet  durch  eigene  redactionelle 
Pflichten,  zum  Vortheil  des  Vereins  ,, Berliner  Presse",  dem 


—     248     — 

Sie  seit  nunmehr  13  Jaliren  als  Mitstifter  desselben  angehören, 
noch  eine  neue  zeitraubende  Verbindlichkeit  auf  sich  geladen. 
Und  Sie  haben  sich  so  gewissenhaft  in  jeder  Beziehung  der 
Erhaltung  und  Vermehrung  unseres  Vermögens  unterzogen, 
dass  der  Verein  sich  um  so  mehr  gedrungen  fühlt,  Ihnen  an 
dem  heutigen  Tage  gleichwie  im  Allgemeinen  seine  grösste  per- 
sönliche Hochachtung,  noch  im  Besonderen  seinen  wärmsten 
Dank  auszusprechen  für  Alles,  was  Sie  mit  eigenen  Opfern  für 
ihn  gethan  haben.  Lassen  Sie  uns  noch  hinzufügen,  dass  dieser 
Dank  nicht  nur  dem  redlichen  und  geschickten  Verwalter  unse- 
res Eigenthums  gilt,  sondern  gleichzeitig  dem  wohlwollenden 
und  liebenswürdigen  Genossen,  der  in  der  Ausübung  seines 
Ehrenamtes  auch  die  Rücksichten  der  Humanität  nie  ausser 
Acht  Hess.  Möge  es  Ihnen  noch  lange  vergönnt  sein,  mit  voller 
Kraft  des  Geistes  und  des  Körpers  Ihre  einflussreiche  Thätig- 
keit  fortzusetzen  und  den  Verein  „Berliner  Presse"  zu  stets 
erneutem  Danke  zu  verpflichten." 

Die  Aeltesten  der  Berliner  Kaufmannschaft  über- 
gaben nachstehende  Adresse: 

„Hochgeehrter  Herr! 
Den  unterzeichneten  Mitgliedern  des  Börsen-Kommissariats 
gereicht  es  zur  grossen  Freude,  Ihnen  zu  dem  morgenden  Tage, 
an  welchem  Sie  vor  25  Jahren  in  die  Redaction  der  „National- 
Zeitung"  eintraten,  die  herzlichsten  Glückwünsche  darzubringen. 
Sie  haben  sich,  sehr  verehrter  Herr,  durch  den  von  Ihnen  mit 
grosser  Umsicht,  Erfahrung  und  Sachkenntnis  redigirten  volks- 
wirthschaftlichen  Theil  der  gedachten  Zeitung  ein  grosses  Ver- 
dienst erworben ;  wir  erkennen  dies  dankbar  an  und  wünschen 
von  ganzem  Herzen,  dass  die  göttliche  Vorsehung  es  Ihnen 
gestatten  möge,  noch  weitere  25  Jahre  auf  dem  von  Ihnen  stets 
so  unparteiisch  gewanderten  Wege  wirken  zu  können,  wie  wir 
auch  hofien,  dass  die  angenehmen  Beziehungen,  die  uns  mit 


—    249    — 

Ihnen  verbinden,  während  dieser  Zeit  stets  dieselben  bleiben 
werden. 

Wir  begrüssen  Sie  mit  der  grössten  Plochachtung. 
Berlin,  den  19.  April  1875. 

G.  Dietrich.  Fz.  Arndt.  Wm.  Herz.  Delbrück. 
F.  Mendelssohn.  A.  Frentzel.  J.  Kaufmann.  J.  E. 
Meier.  R.  Hardt.  G.  Müller.  Schwabach.  Simon- 
son.  Kochhaun.  Lewinstein.  J.  Alexander.  Anton 
WolfiF.  Fr.  Meyer.  Carl  Meyer.  Ed.  Helfft. 
A.  Schüler.    C.  Schwartz.    Hirschberg.    Güterbock." 

Die  Mehrzahl  dieser  Herren  hat  sich  als  Gründer 
ersten  Ranges  hervorgethan,  und  ihre  Anerkennung 
war  nur  eine  schuldige,  aber  gewiss  auch  eine  auf- 
richtige. Ebenso  gratulirte  das  Statistische  Bureau 
der  Stadt  Berlin  (!)•,  in  der  Loge  Royal  York,  wo  der 
Jubilar  als  Meister  vom  Stuhl  waltete,  fand  ein  solen- 
nes Essen  statt,  und  sogar  die  Kapeile  des  Kaiser 
Alexander  [Regiments  brachte  ein  Ständchen  dar!! 
„Fast  unübersehbar  war  die  Zahl  der  Glückwünsche, 
darunter  auch  viele  auf  telegraphischem  Wege  einge- 
laufen"; und  der  Gefeierte,  der  in  der  Gründer- 
ära ein  kostbares  Haus  im  vornehmsten  Stadtviertel 
augekauft  und  sich  hier  fürstlich  eingerichtet  hat, 
konnte  die  Menge  der  Gratulanten  kaum  empfangen. 

Wie  Polykrates  von  Samos  stand  Julius  Schweitzer 
an   diesem  lauen  Frühlingsabend    auf  dem   Balkon 


—     250    — 

seines  scliöuen  Hauses  am  Schöneberger  Ufer  und 
blickte  „mit  vergnügten  Sinnen"  auf  das  „Westend" 
von  Berlin,  auf  die  stolzen  Paläste  und  herrlichen 
Villen  von  Neu-Jerusalem,  wo  da  wohnen  seine  Glau- 
bensgenossen in  eitel  Pracht  und  Fülle.  „Doch  mit 
des  Geschickes  Mächten  ist  kein  ew'ger  Bund  zu 
flechten,  und  das  Unglück  schreitet  schnell".  —  Auf 
die  goldne  Gründerperiode  folgte,  wie  die  „National- 
zeitung" sagt,  die  „schmachvolle  Verleumdungsära", 
und  die  „Verleumdungsära"  hat  Herrn  Julius  Schweitzer 
aller  Ehren  und  Kränze  beraubt.  Von  den  verschie- 
densten Seiten  erhoben  sich  schwere  Anklagen  gegen 
den  „Börsen-Hintertheil"  der  „Nationalzeitung"  dass 
sie  um  schnödes  Geld  das  Treiben  der  Gründer  unter- 
stützt, das  vertrauensselige  Publikum  getäuscht  habe ; 
und  Herr  Schweitzer  kam  hart  in's  Gedränge.  Nament- 
lich war  es  die  böse  „Staatsbürgerzeitung",  welche 
seit  Frühjahr  1876  ein  heftiges  Gewehrfeuer  von  Leit- 
artikeln gegen  den  Ex-Jubilar  eröffnete.  Sie  richtete 
an  den  Verein  „Berliner  Presse"  die  Frage:  ob  dieser 
es  nicht  für  geboten  erachte,  die  Beschuldigungen  zu 
prüfen,  welche  öffentlich  gegen  einen  seiner  Ange- 
hörigen, gegen  ein  Mitglied  seines  Vorstandes  wegen 
Bestechlichkeit  und  Betheiligung  an  blutigen  Grün- 
dungen erhoben. 


—    251    — 

Die  1862  gegründete  „Berliner  Presse"  ist  eine 
Vereinigung,  die  in  den  ersten  Jahren  so  ziemlich 
alle  Schriftsteller  und  Journalisten  Berlins  umfasste. 
Mit  dem  Eindringen  des  jüdischen  Elements,  das  seit 
1866  mehr  und  mehr  die  Oberhand  gewann,  schie- 
den die  angesehensten  Mitglieder  aus,  oder  sie  bethei- 
ligten sich  doch  nicht  mehr  an  den  Versammlungen; 
es  blieben  die  Dii  minorum,  und  die  eigentlichen 
Leiter  und  Wortführer  sind  heute  Semiten.  Neben- 
bei gesagt,  ist  dasselbe  der  Fall  mit  den  sogenannten 
Journalisten-  und  Schriftsteller-Tagen,  die  allsommer- 
lich in  irgend  einer  Stadt  Deutschlands  gastiren.  Der 
Verein  „Berliner  Presse",  der  für  seine  Invaliden  all- 
jährlich an  die  öffentliche  Mildthätigkeit  appellirt, 
ist  heute  kaum  noch  berechtigt  sich  so  zu  nennen, 
denn  ihm  gehört  von  den  Journalisten  und  Schrift- 
stellern der  Hauptstadt  nur  ein  Bruchtheil  an,  und 
die  klangvollsten  Namen  bleiben  ihm  fern. 

Die  Zumuthung  der  „Staatsbürgerzeitung"  setzte 
den  Verein  in  grosse  Verlegenheit;  da  aber  auch 
andere,  namentlich  auswärtige  Blätter  mahnten,  konnte 
er  nicht  umhin,  etwas  zu  thun  und  berief  eine  ausser- 
ordentliche Versammlung,  die  jedoch  einen  seltsamen 
Verlauf  nahm.  Wie  einige  Journale  berichteten,  wurde 
nach  kurzer  Diskussion  zur  Tagesordnung  über- 


—    252    — 

gegangen,  weil  der  Verein  „kein  Recht  und  keine 
Veranlassung"  habe  gegen  Herrn  Schweitzer  einzu- 
schreiten, um  so  weniger,  als  das  belastende  Material 
„nicht  genügend  aufgeklärt"  sei.  Herr  Schweitzer, 
der  auch  zugegen  gewesen,  habe  nicht  einmal  das 
Wort  ergriffen.  —  So  sehr  dieser  Ausgang  im  Publikum 
überraschte:  für  den  Eingeweihten  ist  er  nur  zu  er- 
klärlich. Herr  Schweitzer  hatte  gar  nicht  nöthig, 
sich  zu  verantworten,  denn  er  sass  unter  lauter 
Freunden,  unter  Berufs-  und  Stammesgenossen,  die 
eine  erdrückende  Majorität  bildeten.  Und  wehe  diesen, 
wenn  sie  ihn  zum  Reden  gezwungen  hätten;  er  würde 
schöne  Dinge  erzählt  und  seinen  [Richtern  brav  heim- 
geleuchtet haben! 

Die  „Staatsbürgerzeitung"  liess  sich  jedoch  nicht 
abschrecken;  sie  erklärte,  dass  Herr  Schweitzer  ein 

„ Gründer  und  Schweiger" 

sei,  und  unternahm  es,  diese  Behauptung  in  einer 
neuen  Serie  von  Artikeln  nachzuweisen.  Auch  dann 
noch  schwieg  Herr  Schweitzer,  und  auch  die  „National- 
zeitung" hüllte  sich  in  tiefes  Schweigen,  bis  verschie- 
dene liberale  Blätter,  wie  die  „Magdeburgische",  die 
„Augsburger  Allgemeine",  die  „Schlesische",  die  „Neue 
Stettiner  Zeitung"  u.  a.  ihr  klar  machten,  dass  sie  es 
sich   und   der  Presse   überhaupt  schuldig   sei,   sich 


—     253     — 

irgendwie  zu  reinigen.  Da  endlich  entscliloss  sich 
die  „Nationalzeitung"  ihren  Schweitzer  zur  Disposition 
zu  stellen.  Am  -13.  Juni  machte  Herr  Julius  Schweitzer 
bekannt:  er  werde  seine  Angreifer  verklagen,  und  er 
stelle  bis  zum  Austrag  der  Sache  seine  Thätigkeit 
in  der  Eedaction  der  „Nationalzeitung"  ein;  und  die 
letztere  erklärte  mit  sichtlichem  Grollen:  sie  verbäte 
sich  „jede  Art  von  Vorschlägen  oder  Vorschriften" 
für  ihr  Verhalten,  „wie  sie  neuerdings  an  verschie- 
denen Stellen,  allem  seitherigen  Brauch  in  der  an- 
ständigen Presse  zuwider,  laut  geworden  sind".  Die 
„Nationalzeitung"  erklärte  also  jene  oben  genannten, 
doch  recht  angesehenen  „liberalen"  Blätter,  die  ihr 
die  Leviten  gelesen,  als  gewissermaassen  nicht  mehr 
zur  „anständigen  Presse"  gehörig.  Die  „Staatsbürger- 
zeitung" aber  erwiderte  ihr:  „Der  arrogante  Ton 
eines  Pressorgans,  das  erst  durch  die  stärksten  Peit- 
schenschläge nächststehender  Parteigenossen  aus 
seinem,  den  Ruf  der  Deutschen  Presse  entehrenden 
Schweigen  hinausgejagt  werden  konnte,  kann  uns  zu 
keiner  Polemik  veranlassen". 

Herr  Schweitzer  ^hat,  wie  die  „Staatsbürgerzeitung" 
meldete,  gegen  diese  denn  auch  wirklich  gerichtliche 
Klage  erhoben  wegen  „verleumdeiischer,  eventuell 
schwerer,  eventualissime   einfacher  Beleidigung";  es 


—     254    — 

jedoch  auffälliger  Weise  unterlassen,  in  den  Kreis 
der  Klage  auch  diejenigen  Artikel  des  genannten 
Blattes  zu  ziehen,  welche  ihn  resp.  die  „Nationalzei- 
tung" in  einem  bestimmten  Falle  der  Bestechlichkeit 
bezichtigen.  Wie  dieser  Injurienprocess  auch  aus- 
fallen mag  —  die  „Staatsbürgerzeitung"  kann  viel- 
leicht wegen  Beleidigung  in  der  Form  verurtheilt 
werden  —  die  Thatsachen,  auf  welche  es  hauptsäch- 
lich ankommt,  sind  actenmässig:  —  Julius  Schweitzer 
wie  Dr.  Heinrich  Ebeling,  jeder  von  Beiden  Börsen- 
redacteur  an  einem  grossen,  einflussreichen  Blatt, 
haben  sich  an  den  faulsten  Gründungen  betheiligt, 
und  für  diese  in  der  ihnen  anvertrauten  Zeitung  eine 
schnöde  Reclame  gemacht.  Sie  wurden  von  den  Grün- 
dern herangezogen,  um  mit  ihren  Namen  die  bösen 
Gründungen  zu  decken,  die  ohne  sie  vielleicht  gar 
nicht  zu  Stande  gekommen,  oder  doch  nicht  so  schlimm 
ausgefallen  wären.  Sie,  die  das  Publikum  belehren, 
Orientiren,  warnen  sollten,  haben  es  getäuscht  und 
ausplündern  helfen.  Das  ist  nicht  anders,  als  wenn 
der  Priester  verräth,  der  Richter  stiehlt,  der  Arzt 
vergiftet!  Keine  anständige  ehrliebende  Zeitung  darf 
solch'  ungetreue  Mitarbeiter  auf  ihrem  Posten  be- 
lassen, sondern  muss  sie  ohne  Weiteres  verabschie- 
den.    Das  ist  verdammte  Pflicht  und  Schuldigkeit 


—    255    — 

gegen  die  Leser,  und  gewiss  noch  eine  sehr  unge- 
nügende Sühne! 

Für  die  Zeitungen  ist  seit  dem  „Krach"  eine  trübe 
Zeit  gekommen,  und  besonders  übel  daran  sind  die 
Börsenblätter,  von  denen  viele  schon  eingingen,  und 
verschiedene  dem  Eingehen  nahe  sind.  Es  fehlen  die 
Inserate,  es  fehlen  die  „Betheiligungen"  die  ordent- 
lichen Subventionen  und  die  ausserordentlichen  Gra- 
tificationen,  es  schwinden  täglich  die  Abonnenten. 
Zu  diesen  nothleidenden  Börsenblättern  gehört  auch 
der  „Berliner  Börsen- Courier"  der,  obgleich  mit  Ge- 
schick und  Witz  redigirt,  ein  wirklich  amüsantes 
Blatt,  doch  wahrscheinlich  nie  mehr  als  1000  bis 
2000  Abonnenten  zählte,  jetzt  aber  bedeutend  weniger 
besitzen  soll.  Bekanntlich  ist  sein  Inhaber,  Herr 
Georg  Davidsohn,  zugleich  ein  unermüdlicher  Kämpe 
für  Ptichard  Wagner,  aber  von  der  Zukunftsmusik 
kann  er  nicht  leben;  was  er  in  der  Gründerperiode 
verdient,  hat  ihm,  in  Folge  unvorsichtiger  Specula- 
tionen,  der  „Krach"  wieder  genommen,  und  gegen- 
wärtig geht  das  Geschäft  so  schlecht,  dass  er's  kürz- 
lich für  rathsam  gehalten,  das  Journal  auf  den  Namen 
seines  Bruders  übertragen  zu  lassen.  Die  schwere 
Noth  der  schweren  Zeit  verführte  nun  den  „Börsen- 
Courier"  zu  einem  Gewaltscbritt,  der  selbst  in  der 


—     i^oö     — 

Presse  Aufsehen  machte,  und  von  der  „Vossischen 
Zeitung",  die  in  solchen  Dingen  noch  immer  einen 
gewissen  Anstand  herauszukehren  sucht,  leise  gerügt 
wurde. 

Den  Kitt,  welcher  die  innige  Freundschaft  zwischen 
den  Actieninstituten  und  der  Presse  dauernd  zusam- 
menhält, bilden  die  sogenannten  Gesellschaftsblätter. 
Jede  Actiengesellschaft  der  letzten  Gründerperiode 
hat  bei  ihrer  Constituirung  eine  möglichst  grosse 
Anzahl  von  Zeitungen  in  das  Statut  aufgenommen 
und  sich  verpflichtet,  durch  jede  derselben  ihre  Jahres- 
abschlüsse und  alle  sonstigen  Bekanntmachungen  ein-, 
zwei-  und  dreimal  zu  veröffentlichen.  Diese  vielfache 
Publikation  ist  ebenso  überflüssig  als  kostspielig;  sie 
geschieht  zum  Vortheil  nicht  der  Actionäre,  sondern 
der  Zeitungsbesitzer.  Nach  dem  Krach  aber  sind  die 
Actiengesellschaften  sparsamer  geworden,  und  gar 
viele  haben  mit  dem  Actiencapital  auch  die  „Gesell- 
schaftsblätter" „reducirt".  Sie  beschränken  sich  auf 
die  nothwendigsten  Bekanntmachungen,  fassen  diese 
möglichst  knapp  und  veröffentlichen  sie  nicht  mehr 
in  10  bis  20,  sondern  nur  noch  in  3  oder  2  Blättern. 
Daher  der  grosse  Ausfall  aller  Zeitungen  in  der  Ein- 
nahme für  Inserate!  Um  aber  die  „Reduction"  zu 
bewerkstelligen,  ist  die  Einberufung  einer  General- 


—    257     — 

Versammlung,  ein  Beschluss  der  Actionäre  nöthig.  Zu 
solchem  Zwecke  schrieb  nun  der  Aufsichtsrath  der 
chemischen  Fabrik  Schering  eine  Generalversamm- 
lung aus,  doch  eins  der  er\Yählten  „Gesellschafts- 
blätter", der  „Börsen Courier",  verweigerte  die  Auf- 
nahme des  Inserats,  und  erklärte  mit  edler  Offen- 
heit: er  könne  und  wolle  nicht  die  Hand  bieten  zur 
Schädigung  seiner  eigenen  Interessen,  vielmehr  halte 
er's  für  geboten,  durch  Ablehnung  des  Inserats  den 
geplanten  Beschluss  unmöglich  zu  machen.  Der  Auf- 
sichtsrath liess  die  Weigerung  durch  einen  Notar 
feststellen,  und  die  Generalversammlung  beschloss 
nach  dem  Antrage,  aber  der  Handelsrichter  wies  den 
Beschluss  als  illegal  zurück,  und  die  obere  Instanz 
verwarf  die  dagegen  eingelegte  Beschwerde;  denn 
das  famose  Actiengesetz,  das  die  Actionäre  im  Uebrigen 
jeder  Willkür  preis  giebt,  legt  den  Hauptnachdruck 
auf  solch  unwesentliche  und  unnütze  Formalitäten, 
die  aufs  Peinlichste  beobachtet  werden  müssen.  Der 
Aufsichtsrath  der  Schering'schen  Fabrik  befand  sich 
in  nicht  geringer  Verlegenheit;  bis  ihm  der  Handels- 
richter einen  Wink  gab.  An  Stelle  des  rebellirenden 
„Börsencourier"  wurde  als  „Gesellschaftsblatt"  eine 
andere  Zeitung  erwählt,  und  nunmehr  eine  neue  Gene- 
ralversammlungberufen, welche  dann  erst  dieReduction 

Glagan,  Der  Börsenschwindel.    II.  17 


—     258     — 

der  Gesellschaftsblätter  in  legaler  Weise  beschliessen 
konnte.  Selbstverständlich  haben  diese  Weiterungen 
mancherlei  Unkosten  verursacht,  und  jedenfalls  ver- 
dient die  originell-naive  Art,  mit  welcher  der  „Börsen- 
Courier",  neben  der  Wagner'schen  Zukunftsmusik,  die 
„berechtigten  Interessen"  der  Presse  verficht,  unver- 
hohlene Bewunderung. 


Textil-Gründungen. 


Der  manchesterliche  Liberalismus  nud  die  Bourgeoisie  —  , .Bürgerliche  Demo- 
kraten" —  Politischer  und  parlamentarischer  fliimhug  —  „Interessenvertre- 
tung" —  Herr  Schulze  aus  Delitzsch  und  Ferdinand  Lassalle  —  „Entfessebi 
Sie  die  Bestie  nicht!"  —  Die  Genossenschaftsbanken  und  ihre  Gründungen 
—  Max  Hirsch,  der  neue  „König  im  socialen  Eeich"  —  Die  Kathedersocia- 
listen  und  der  Verein  für  Socialpolitik  —  „Die  sociale  Frage  und  der  Preus- 
sische  Staat"  —  Herr  von  Treitschke  sclireibt:  „Der  Socialismns  und  seine 
Gönner"  —  Lasker  vermittelt  —  Der  „Congress  Deutscher  Volkswirthe"  und 
die  „Yolkswirthschaftliche  Gesellschaft"  in  Berlin  —  Wie  die  Socialdemo- 
kraten  sich  mehren  —  Talente  und  Künste  der  Semiten  —  Ludwig  Bam- 
herger's  „Arbeiterfrage"  und  Adolf  Samter's  „Socialpolitik"  —  Tuchgrün- 
dungen; Luckenwalder,  Vereinigte  Lucken  walder,  Martini.'Fischer  und  Schmidt 
in  Sommerfeld,  Peitzer,  Forster,  Langensalzaer,  Sächsische,  Bautzener,  ßhei- 
nische,  Aachener,  Hessische,  Schlesische,  Bischweiler,  Berliner  Velvet  (Bau- 
hank-Metropole) —  Der  Grünberger  Quistorp  und  der  Grünberger  Krach  — 
Spinnereien  und  Webereien;  Winckelmann,  Dannenberger,  Socie'te  d'impres- 
sion  alsacienne,  Beer  selige  Wittwe,  Eilenburger,  Kramsta,  Erdmannsdorfer, 
Heydenreich,  Solbrig,  Meissner  Jute,  Eckhardt,  Braunschweiger  Jute  etc.  — 
Die  Preussiscbe  Seehandlung,  ihre  Schicksale  und  Verirrungen,  ihre  An- 
kläger und  Vertheidiger  —  Appretur  Ullrich,  Thiele  &  Seegers,  Gebauer, 
Gebr.  Alexander,  Heinrich  Körner,  Berliner  Wollbank,  Woll-Import,  Central- 
WoUwäscherei ,  Uckermärkische  Wollbank,  Bremer  Wollwäscherei  —  Cours- 
verluste und  „betheiligte"  Parlamentarier. 

„Der  regierende  Geist  unserer  Zeit,  der  moderne 
Liberalismus,  ist  der  natürliche  Sohn  der  neuen  Na- 
tionalökonomie. Er  hat  seine  Seele  aus  Manchester 
und  hier  allein  ist  er  sterblich."  So  sagt  Herr  Joerg, 
der  bekannte  Baierische  Archivar  und  ultraraontane 
Abgeordnete,  in  dem  Vorwort  zu  seiner  „Geschichte 

17* 


—     260    — 

der  socialpolitischen  Parteien  in  Deutschland"  einem 
sehr  unterrichtenden  Büchlein,  das  von  der  „libera- 
len" Presse  natürlich  todtgeschwiegen  ist.  Herr  Joerg 
behauptet  also:  die  gegenwärtig  herrschende  „libe- 
rale" Partei  ist  das  Product  des  ManchesterthumS;. 
und  sie  ist  nach  ihm  folgendermaassen  entstanden. 

Die  Bewegung  von  1848  wollte  blos  eine  politische 
sein,  verlangte  hauptsächlich  Verfassung  und  Parla- 
mente; aber  bald  merkte  die  besitzende  Klasse,  dass 
nebenher  eine  sociale  Revolution  lief  und  sogar  die 
Oberhand  gewann.  Da  erschrak  sie  vor  dem  „rothen 
Gespenst",  vor  den  „Bassermann'schen  Gestalten", 
und  sie  reichte  den  Regierungen  ihre  Hand  und 
Hülfe  zur  Reaction.  So  ist  die  Bewegung  von  1848 
als  politischer  Liberalismus  wenig  ehrenhaft  unter- 
legen. Nach  ihrer  andern  Seite  aber,  als  ökonomischer 
Liberalismus  ist  sie  entschieden  Sieger  geblieben. 
Noch  mehr:  die  bestehenden  Gewalten  haben,  nach 
dem  geräuschvollen  Vorgange  Louis  Napoleon's,  in 
erster  Reihe  die  Förderung  der  materiellen  Interessen 
angestrebt,  und  damit  den  liberalen  Oekonomismus 
auf  den  Thron  gesetzt. 

Die  „liberale"  Partei  seit  1848  vertritt  nicht  so- 
wol  den  Grund-  als  den  beweglichen  Besitz.  Ihre 
Mitglieder  haben  sich    emporgearbeitet  zu  reichen 


—    261     — 

Trägern  des  grossen  Handels,  der  grossen  Industrie, 
der  modernen  Capitalwirthschaft.  Diese  Klasse  ist 
nicht  etwa  das  Deutsche  Bürgerthum,  welches  früher 
den  sogenannten  Mittelstand  bildete,  sondern  sie  ist 
der  gerade  Gegensatz  desselben;  sie  ist  entstanden 
aus  der  Zerstörung  und  aus  den  verwesenden  Resten 
des  Bürgerthum s,  und  daher  kann  sie  richtig  nur 
mit  dem  Französischen  Namen  der  Bourgeoisie 
bezeichnet  werden. 

Die  liberale  Partei,  die  sich  in  den  Jahren  der 
Reaction  sehr  gefügig  und  geschmeidig  erwiesen  hatte, 
nahm  mit  der  „Neuen  Aera"  wieder  einen  politischen 
Aufschwung,  und  namentlich  in  Preussen  zeigte  der 
parlamentarische  Kampf  eine  Erhebung  der  Bour- 
geoisie gegen  das  militärische  Königthum.  Der  „Con- 
flict"  wurde  1866  durch  einen  „Compromiss"  beige- 
legt, der  die  Bourgoisie  auch  politisch  zur  herrschen- 
den Partei  erhob,  und  seitdem  ist  sie  nicht  Ein  Stand, 
sondern  der  Stand  überhaupt.  Sie  nennt  Adel  und 
Geistlichkeit  —  „Junker-  und  Pfaffenthum",  und  er- 
klärt dieselben  für  überwundene  Standpunkte;  sie 
bezeichnet  die  ihr  gegenüber  stehenden  Parteien  als 
Reactionäre,  Finsterlinge  oder  Demagogen,  und  er- 
klärt sie  insgesammt  für  „Reichsfeinde".  Die  Bour- 
geoisie will  die  Alleinherrschaft.    Den  Staat  möchte 


—     262     — 

sie  am  liebsten  ganz  aufheben  und  in  die  bürgerliche 
Gesellschaft  untergehen  lassen ;  aber  entschieden  hasst 
sie  jeden  starken  Staat. 

So  uDgefähr  äussert  sich  Herr  Joerg,  und  jeden- 
falls entspricht  die  obige  Darstellung  den  Thatsachen. 
Als  politische  Partei  hat  die  Bourgeoisie  mehrfach 
den  Namen  gewechselt,  sich  Gothaer,  Fortschritts- 
leute, Nationalliberale,  Demokraten  genannt:  in  Wahr- 
heit war  es  immer  dieselbe  Kaste.  Auch  die  reine 
oder  „bürgerliche  Demokratie",  wie  sie  sich  zum  Unter- 
schiede von  der  Socialdemokratie  benamste,  die  kleine 
„Volkspartei"  der  Herren  Johann  Jacoby,  Guido  Weiss, 
Ludwig  Löwe,  Leopold  Sonnemann  etc.  (meistens 
Juden)  gehört  zur  Bourgeoisie;  und  die  doch  gewiss 
eingeweihte  „Nationalzeitung"  definirte  sie,  in  ihrer 
Nummer  314  vom  9.  Juli  1873,  mit  folgenden  Wor- 
ten: „Bürgerliche  Demokraten  sind  Leute  mit  erheb- 
licher, womöglich  auf  10,000  bis  20,000  Thaler  stei- 
gender Jahresrente,  und  mit  der  festen  Absicht,  diese 
Jahresrente  keinesfalls  mit  der  andern  demokratischen 
Species,  der  „Socialdemokratie"  zu  theilen.  Bürger- 
liche Demokraten  sind  solche,  welche  keine,  auch 
nicht  die  raffinirtesten  Genüsse  des  bürgerlichen  Lebens 
sich  entgehen  zu  lassen  wünschen,  und  welche  ihrer 
demokratischen  Gesinnung  Genüge  thun,  indem  sie 


—     263     — 

ungeheuer  auf  Regierung  und  Militarismus  schimpfen, 
aber  nur  zum  Scherz,  nicht  etwa  in  der  Absicht, 
dass  daran  etwas  geändert  werden  möchte,  weil  es 
alsdann  doch  mit  der  fetten  Jahresrente  hapern  könnte." 
Zwischen  den  Nationalliberalen  und  Fortschritt- 
lern besteht  kein  anderer  Unterschied,  als  dass  jene 
etwas  serviler  und  gewandter,  diese  etwas  schwer- 
fälliger und  phrasenreicher  sind.  Alles  Uebrige  ist 
politisches  Gaukelspiel,  und  der  tollste  Humbug  ist 
die  angebliche  Spaltung  der  Nationalliberalen  in  einen 
rechten  und  linken  Flügel,  welchen  letzteren  Herr 
Lasker  commandirt,  der  sich  also  auf  beide  Fractionen 
stützt,  von  Nationalliberalen  und  Fortschrittsleuten 
gleich  sehr  verehrt  und  gefeiert  wird.  Unbegreiflich 
ist  es  daher,  wenn  im  Sommer  1876  die  officiöse 
„Provinzial-Correspondenz"  die  Fortschrittler  heftig 
angriff  und  die  Nationalliberalen  lobend  herausstrich. 
Sofort  erklärte  die  „Kölnische  Zeitung",  dass  der 
Nationalliberalismus  dieselben  Ziele  verfolge,  wie  die 
Fortschrittspartei;  und  die  „Nationalzeitung"  äusserte 
(Nr.  371  vom  11.  August  1876)  sehr  richtig:  „National- 
liberale und  Fortschrittspartei  sind  zwei  getrennte 
parlamentarische  Gruppen,  die  man  als  Parteien  be- 
zeichnen mag,  wenn  man  der  idealistischen  Ansicht 
ist,  dass  Parteien  vorab  durch  „Principien"  gebildet 


—    264    — 

werden.  Die  besondere  gesellschaftliche  Unterlage 
aber  ist  der  grossen  Mehrheit,  wenn  nicht  Gesammt- 
heit  der  parlamentarischen  Fortschrittspartei  mit 
den  Nationalliberalen  gemeinsam.  Es  ist  das  gebil- 
dete Deutsche  Bürgerthum,  die  selbständige 
und  selbstbewusste  Landbevölkerung  einge- 
schlossen. In  den  weitaus  meisten  Wahlkreisen  ist 
die  Unterscheidung  der  beiden  Gruppen  der  grossen 
liberalen  Gesammtpartei  gar  nicht  zum  Ausdruck  ge- 
kommen oder  längst  verwischt."  —  Ein  gräulicher 
Humbug  war  die  angebliche  Ueberwerfung  der  beiden 
Parteien  wegen  der  Justizgesetze,  ihre  gegenseitige 
Bekämpfung  bei  den  Wahlen  zum  Reichstage;  und 
man  wird  sie  schnell  genug  wieder  mit  einander 
gehen  sehen. 

Was  sich  dagegen  von  der  Bourgeoisie  nicht  auf- 
saugen lassen  oder  ihr  nicht  unterordnen  will,  wird 
von  beiden  Fractionen  als  illiberal  verketzert.  Fort- 
schritt und  Nationalliberalismus  eiferten  beide  gleich 
sehr  gegen  die  Agrarier  und  gegen  die  Handwerker- 
partei, als  diese  für  das  Parlament  eigene  Candidaten 
aufstellten-,  schalten  sie  „Ackersocialisten"  und  „Zünft- 
ler" und  warfen  ihnen  —  „Interessenvertretung" 
vor.  Die  Bourgeoisie,  die  im  Parlament  wie  in  der 
Presse  unausgesetzt  die  Sonder-Interessen  des  Capitals 


—     265    — 

verficht,  die  Interessenvertretung  par  excellence,  kann 
es  nicht  ertragen,  wenn  die  von  ihr  bedrückten  Klassen 
die  Interessen  der  Arbeit  und  des  redlichen  Erwerbes 
geltend  machen. 

Mit  dem  Anwachsen  der  Bourgeoisie,  mit  dem 
Floriren  der  Grossindustrie  schwand  das  Handwerk 
und  der  Mittelstand  dahin,  mehrte  sich  erschrecklich 
das  Proletariat.  Zur  Zeit  des  Frankfurter  Parla- 
ments sind  aus  den  Kreisen  des  Deutschen  Bürger- 
thums  540  Petitionen  eingelaufen,  welche  den  Schutz 
der  Versammlung  für  das  gefährdete  Handwerk  an- 
riefen, und  vom  15.  Juli  au  tagte  zu  Frankfurt  einen 
ganzen  Monat  lang  der  grosse  Handwerkercongress, 
welcher  „einen  feierlichen,  von  Millionen  besiegelten 
Protest  gegen  die  Gewerbefreiheit  einlegte."  Als  aber 
die  Nationalversammlung  sich  für  das  System  des 
liberalen  Oekonomismus  aussprach,  da  verkehrte  sich 
in  den  mittleren  Schichten  des  Volkes  die  Sympathie 
in  Gleichgültigkeit  und  Hass,  und  jetzt  konnten  auch 
die  Regierungen  daran  denken,  der  unbequemen  „libe- 
ralen" Bewegung  die  Spitze  zu  bieten. 

1852  erschien  dem  Kleingewerbe  ein  Apostel  in  Ge- 
stalt des  gemaassregelten  Kreisricliters  Herrn  Schulze 
aus  Delitzsch.  Er  predigte  Sparen  und  Selbsthülfe, 
er  gründete  Vorschuss-  und  Credit-,  Rohstoff-  und 


—     266     — 

Consumvereine.  Anfangs  betrachtete  die  Bourgeoisie 
seine  socialen  Experimente  mit  Misstrauen ;  sobald 
sie  sich  aber  von  der  Harmlosigkeit  derselben  über- 
zeugte, unterstützte  sie  ihn  auf  das  Bereitwilligste; 
und  als  endlich  gar  Lassalle  die  Massen  aufrief,  pro- 
clamirte  sie  Herrn  Schulze  zum  „König  im  socialen 
Reich''  und  verehrte  ihm  ein  grosses  Capital  als 
„Nationaldank".  Von  jeher  war  die  „liberale"  Partei 
bemüht;  Staat  und  Gesellschaft  auseinanderzuhalten; 
das  Politische  und  das  Sociale  principiell  zu  trennen. 
Auch  Herr  Schulze,  wiewol  er  den  „Nationalverein" 
selber  mitgründete,  rieth  seinen  Handwerkern  ent- 
schieden ab,  in  diesen  einzutreten;  sie  sollten  sich 
blos  mit  ihren  wirthschaftlichen  Angelegenheiten  be- 
fassen und  die  Politik  als  eine  ihnen  fremde  Sache 
betrachten.  Und  andererseits  rieth  er  wieder  eifrig 
ab,  als  der  Vorschlag  eines  allgemeinen  Deutschen 
Arbeitercongresses  auftauchte.  Dafür  wurde  gewal- 
tig in  „Bildung"  gemacht,  in  Bezirks-  und  Handwer- 
kervereinen ununterbrochen  Vorträge  gehalten;  heute 
über  Aesthetik,  morgen  über  den  Buddhismus,  über- 
morgen über  Spektralanalyse;  und  die  Bourgeoisie 
lieferte  die  ;,hochverehrten  Lehrer  des  Volks". 

1863;   mitten  in   der  Preussischen  Conflictszeit, 
trat  als  socialer  Agitator  ein  Jude  aus  Breslau  auf. 


—     267     — 

der  seinen  Namen  Lassal  in  Lassalle  französirt  hatte, 
und  von  sich  selber  rühmte:  „Ich  schreibe  jede  Zeile, 
bewaffnet  mit  'der  ganzen  Bildung  meines  Jahrhun- 
derts!" Er  gehörte  gleichfalls  zur  Bourgeoisie,  war 
mit  den  Führern  der  Fortschrittspartei  befreundet 
und  schwur  anfänglich  auf  das  „Organ  für  Jeder- 
mann", auf  die  „Volkszeitung"  des  Herrn  Franz  Duncker, 
in  dessen  Hause  er  verkehrte.  Plötzlich  wandte  er 
sich  gegen  seine  bisherigen  Genossen,  die  er  in  der 
verächtlichsten  Weise  kritisirte.  Er  sprach  von  der 
„geistigen  Versimpelung  der  Bourgeoisie",  dass  sie 
air  ihre  Gedanken  fix  und  fertig  aus  der  Fabrik  der 
Zeitungen  beziehe,  welche  letzteren  sich  in  den  „elen- 
desten Händen"  befinden;  dass  selbst  ihre  Wortführer 
„entsetzliche  Geisteskrüppel"  seien.  Den  Staatsbe- 
griff der^Bourgeoisie  nannte  er^eine  „Nachtwächter- 
idee", die  den  Reichen  privilegire  und  schütze,  da- 
gegen den  Armen  sich  selber  überlasse  und  preis- 
gebe. Er  klagte  die  Bourgeoisie^ an,  dass  ihre  Klassen- 
moral der  kälteste,  raffinirteste,  mit  eiserner  Conse- 
quenz  durchgeführte  Egoismus  sei,  die  abscheulichste 
Herzensverhärtung  und  Unmenschlichkeit;  dass  ihr 
Oekonomiesystem  nur  ersonnen  sei  im  Interesse  des 
grossen  Capitals,  zur  unbegrenzten  Ausbeutung  der 
arbeitenden  Klassen.    Er  betonte  Ricardo's  ehernes 


—     268     — 

Lohngesetz,  wonach  der  Arbeitslohn  auf  die  Dauer 
nicht  höher  steigt  als  dass  er  den  nothwendigsten 
Lebensunterhalt  gewährt,  und  dass  es  daher  lächer- 
lich sei,  vom  Arbeiter  „Sparen"  und  „Selbsthülfe"  zu 
verlangen.  Er  forderte  für  diesen  im  Gegentheil 
Staatshülfe  und  Staatscredit  zur  Bildung  von  Pro- 
ductivgenossenschaften,  und  er  forderte  als  politisches 
Agitationsmittel  das  allgemeine  und  directe  Wahlrecht. 
Er  wandte  sich  an  die  Arbeiterwelt,  die  er,  im  Gegen- 
satz zur' Bourgeoisie,  als  vierten  Stand  proclamirte, 
und  er  machte  für  diesen  alle  Rechte  und  Ansprüche 
des  dritten  Standes  geltend. 

Ferdinand  Lassalle  und  sein  Vorgänger  jKarl  Marx, 
gleichfalls  Jude,  sind  beide  aus  den  besitzenden  Klassen 
hervorgegangen;  beide  getrieben  von  dem  Ehrgeiz, 
eine  politische  Rolle  zu  spielen.  Marx,  heute  das 
Haupt  der  Socialdemokratie  in  ganz  Europa,  ist 
Revolutionär;  er  träumt  von  einem  Umsturz  aller 
bestehenden  Staaten,  und  hat  bei  allen  socialistischen 
Aufständen  seine  Hand  im  Spiel.  Lassalle  wollte 
nur  die  Demokratisirung  des  Staats;  im  Uebrigen 
war  er  Preussischer  Monarchist,  wie  dies  seine  1859 
veröffentlichte  Brochüre  beweist:  „Der  Italienische 
Krieg  und  die  Aufgabe  Preussens  —  eine  Stimme 
aus  der  .Demokratie'^    In  derselben  rühmt  er  noch 


—     269    — 

die  Duncker'sche  „Volkszeitung",  die  er  später  so 
heftig  angriff,  als  ein  echtes  Volksblatt;  und  er  geisselt 
hier  seinen  nachherigen  Freund,  Herrn  Lothar  Bucher, 
den  jetzigen  Adlatus  des  Fürsten  Bismarck.  Mit 
Herrn  von  Bismarck  hatte  Lassalle  in  der  Conflicts- 
zeit  eine  Unterredung,  und  dieser  soll  daran  gedacht 
haben,  sich  mit  der  Arbeiterpartei  gegen  die  von 
ihm  so  gehassten  Fortschrittler  zu  verbünden.  Fer- 
dinand Lassalle,  Lothar  Bucher  und  der  ehemalige 
Preussische  Märzminister  Rodbertus  waren  einig  in 
der  Verurtheilung  des  Manchesterthums.  Auch  die 
beiden  Letzteren  traten  in  Beziehung  zu  dem  Leip- 
ziger Arbeiterverein,  und  Bucher  gab  diesem  gegen- 
über die  Erklärung  ab,  dass  die  Manchesterweisheit 
ebensowenig  vor  der  Geschichte  wie  vor  der  Praxis 
besteht.  Lassalle  gründete  den  „Allgemeinen  Deutschen 
Arbeiterverein",  zu  dessen  Präsidenten  er  sich  er- 
wählen liess  und  den  er  als  Diktator  beherrschte. 
Bald  jedoch  wurde  er,  wie  dies  aus  seinen  Briefen 
hervorgeht,  der  socialistischen  Rolle  müde;  er  verlor 
sich  in  einem  Liebesspiel  und  fiel  im  Duell  um  die 
neue  Helena  am  31.  August  1864.  In  seinem  Testa- 
mente hat  er  Herrn  Lothar  Bucher  eine  ansehnliche 
Jahresrente  ausgesetzt  und  das  Autorrecht  seiner 
Schriften  übertragen. 


—     270    — 

Was  den  eigentlichen  Charakter  Lassalle's  betrifft; 
so  wird  darüber  eine  Stimme  aus  der  Socialdemo- 
kratie  besondern  Glauben  verdienen.  Bernhard  Becker, 
den  der  sterbende  Agitator  selber  zu  seinem  Nachfol- 
ger auf  dem  Präsidentenstuhl  bestimmte,  sagtu.  A.*): 

„Lassalle  hatte  grosse  Schwächen  und  tiefgehende  Leiden- 
schaften. Seine  mädchenhafte  Eitelkeit,  verknüpft  mit  dem 
Umstände,  dass  er  der  fadesten  Schmeichelei  zugänglich  war; 
sein  bis  zum  unbeugsamen  Eigensein  gesteigertes  herrisches 
Wesen,  welches  sich  mitunter  dem  klar  vorliegenden  Besseren 
verschluss;  seine  Genusssucht  in  Beziehung  auf  die  Frauen,  die 
ihn  Alles  vergessen  und  ihm  seine  Jahresrente  von  mehr  als 
5000  Thalern  nicht  hinreichend  erscheinen  Hess;  endlich  sein 
Haschen  nach  der  Beistimmung  von  Autoritäten,  welches  sich 
oft  vergriff,  und  ihm  sogar  die  Bundesgenossenschaft  eines 
Kreuzzeitungs-Wagener,  eines  ultramontanen  Bischofs  Ketteier 
und  eines  reactionären  Professors  Huber  annehmbar  machte: 
das  waren  verwundbare  Stellen  an  dem  sonst  so  gut  ge- 
wappneten Manne,  wohl  geeignet,  die  socialdemokratische  Partei 
einigermaassen  zur  Vorsicht  zu  mahnen.  —  „Das  Jahr  1848 
führte  den  jungen  Lassalle  in  den  Socialismus  ein,  und  das, 
was  er  später  als  Arbeiter- Agitator  aufstellte,  war  blos  ein 
durch  die  vieljährige  Reaction  abgeschwächter  Nachklang 
dessen,  was  1848  in  viel  grösserem  Maasse  zu  erreichen  gesucht 
wurde.  Lassalle  zählte  zu  den  Arbeiterführern,  deren  es  da- 
mals viele  gab.  Wer  also  glaubt,  dass  er  1863  gleichsam 
eine  neue  Religion  gestiftet  habe,  der  kennt  eben  die  Ge- 
schichte der  letzten  dreissig  Jahre  nicht.  —  „Würde  Lassalle 
sich  nicht  mit  Frauen  aus  der  Bourgeoisie  und  Aristokratie  herum- 


*)  „Enthüllungen  über  das  tragische  Lebensende  Ferdinand 
Lassalle's".    Schleiz,  1868. 


—     271     — 

getrieben,  sondern  weniger  Uebermuth  gegen  die  Töchter  des 
Volks  empfunden  und  daher,  wenn  er  nun  einmal  heirathen 
musste  (!)  sich  mit  einem  Mädchen  aus  dem  Arbeiter- 
stande verehlicht  haben,  so  wäre  Alles  anders  gekommen. 
Er  lebte  alsdann  wahrscheinlich  heute  noch.  Aber  er  hatte 
aristokratische  Sitten  bei  demokratischem  Bekennt- 
nisse. Seine  inneren  Widersprüche  richteten  ihn  zu  Grunde. 
Zwar  suchte  er  sich  endlich  von  der  Gräfin  Hatzfeld  los  zu 
machen;  allein  er  capricirte  sich  nun  darauf,  wiederum  sich 
an  ein  aristokratisches  Weib  zu  fesseln,  das  ihn  zum  Narren 
hielt." 

In  der  That,  das  eigentliche  Motiv,  was  Lassalle's 
Lebensgang  beherrschte,  war  Eitelkeit,  und  sie  trieb 
ihn  auch  in  den  Tod.  Masslose  Eitelkeit,  wie  sie 
seinem  Volke  beiwohnt,  Hess  ihn  nacheinander  das 
Verschiedenste  ergreifen,  sich  als  Gelehrten,  Dichter, 
Politiker  und  Agitator  versuchen,  verleitete  ihn  zu 
allerhand  Inkonsequenzen  und  Wandlungen.  Was  er 
that  und  trieb,  schrieb  und  sprach,  Alles  hatte  einen 
theatralischen  Anstrich,  Alles  war  auf  den  Effect  be- 
rechnet. Für  den  Arbeiter  besass  er  ebensowenig 
ein  Herz  wie  die  Bourgeoisie;  er  sah  hochmüthig 
auf  ihn  herab  und  liess  seine  Launen  an  ihm  aus, 
er  benutzte  ihn  nur  als  Mittel  für  seine  ehrgeizigen 
Zwecke.  Dennoch  diente  er  der  Sache,  war  er,  ob- 
wol  ohne  Religion  und  Sittlichkeit,  ein  Werkzeug  in 
der  Hand  der  Idee.  Von  grossem  Redefluss,  erfinde- 
risch in  Schlagworten,  fehlte  ihm  doch  die  populäre 


■     —     272     — 

Beredsamkeit,  blieb  er  den  Massen  zum  Theil  unver- 
ständlich. Ebenso  doctrinär  und  schwerfällig  ist  er 
in  seinen  Schriften,  die  selbst  auf  den  Gebildeten 
wenig  ßeiz  üben.  Dagegen  überragt  er  durch  Geist 
und  Wissen  weit  die  manchesterlichen  „Volkswirthe" 
und  namentlich  auch  Herrn  Schulze-Delitzsch,  und 
in  der  Geschichte  der  Wissenschaften  wird  er  neben 
Marx  einen  Platz  behaupten.  Von  der  „liberalen" 
Presse  übrigens  werden  Beide,  da  sie  Juden  sind, 
stets  mit  grossem  Respect  behandelt. 

Lassalle  hat  die  Massen  aufgerüttelt,  und  seitdem 
ist  die  socialdemokratische  Bewegung  nicht  mehr  zu 
dämpfen.  Nach  dem  Tode  des  Agitators  drohte  der 
„Allgemeine  Deutsche  Arbeiterverein"  zu  verfallen;  es 
bildeten  sich  verschiedene  Secten,  die  sich  erbittert 
bekämpften;  es  traten  als  Arbeiterführer  zahlreiche 
Prätendenten  auf,  die  schamlos  gegen  einander  in- 
triguirten  und  manch'  widerliches  Schauspiel  boten. 
Dennoch  machte  die  Agitation  reissende  Fortschritte; 
die  „Magenfrage"  kam  nicht  mehr  von  der  Tages- 
ordnung. Anfang  1865  wurden  in  Berlin  die  „hoch- 
verehrten Lehrer  des  Volks"  von  den  Arbeitern  förm- 
lich vorgeladen;  man  stellte  sie  wegen  des  Coalitions- 
rechts  zur  Rede,  zieh  sie  geradezu  der  Lüge,  und  sie 
konnten  sich  vor  Misshandlungen  nur  durch  die  Flucht 


—     273     — 

retten.  Im  Abgeordnetenhause  trat  die  conservative 
Partei  für  die  Forderung  der  Arbeiter  ein,  und  auch 
die  Kegierung  zeigte  sich  ihnen  geneigt;  auf  den 
Fortschrittsbänken  dagegen  ertönte  ein  Jammerge- 
heul über  das  Bündniss  mit  den  Communisten,  durch 
welches  man  die  „liberale"  Partei  zerquetschen  wolle. 
Selbst  Männer  wie  Twesten  und  Waldeck,  reine  ehr- 
liche Charaktere,  geriethen  in  Besorgniss.  „Wir  können 
wol  einigen  Arbeitern  helfen,  aber  nicht  dem  Stande'', 
sagte  Twesten.  „Die  Lösung  der  socialen  Frage 
ist  noch  nicht  an  der  Zeit",  sagte  Waldeck.  Herr 
Schulze  aber  stöhnte:  „Entfesseln  Sie  die  Bestie 
nicht!" 

Mit  Recht  kehrten  sich  die  Arbeiter  gegen  den 
„Bildungsschwindel",  wobei  sie  die  von  den  „hoch- 
verehrten Lehrern  des  Volks"  empfangene  materia- 
listische Weltanschauung  gar  prächtig  verwertheten. 
Der  Lohgerber  Hasenclever,  später  Präsident  des 
„Allgemeinen  Deutschen  Arbeitervereins",  äusserte 
in  einer  Vereinsrede  zu  Solingen:  Die  ebenbürtige 
Bildung  der  Arbeiter  kann  frühestens  in  der  näch- 
sten Generation,  und  nur  dadurch  herbeigeführt 
werden,  dass  man  dem  Volke  besser  zu  essen  giebt; 
der  Tisch  des  Arbeiters  müsste  so  gut  sein,  wie  der 
des  Bourgeois,  erst  dann  ginge  es  mit  der  gerühmten 

Glagaii,  Der  Börsenschwindel.  II.  18 


—     274     — 

Bildung.  —  Und  das  Parteiorgan,  der  „Socialdemo- 
krat"   liess  sich  also  vernehmen: 

„Der  Kampf  der  liberalen  Bourgeoisie  gegen  das  Christen- 
tlium  ist  zu  einer  schreienden  Inconsequenz  geworden.  Denn 
•wer  dem  Volke  den  Himmel  nimmt,  der  muss  ihm  die 
Erde  geben,  —  ,,Ibr  erbärmlichen  Pharisäer  aus  den 
Freien  Gemeinden  und  dem  liberalen  Bürgerthum, 
die  Ihr  dem  Volk  den  Trost  des  frommen  Glaubens 
entrissen  habt:  mit  dem  Himmel  ist  es  vorüber  —  wir 
reclamiren  die  Erde!" 

Ende  1864  gründete  Herr  Schulze  mit  seinem 
Freunde,  Alwin  Soergel  und  mit  dem  fortschrittlichen 
Abgeordneten,  Kreisgerichtsrath  a.  D.  Rudolph  Parri- 
sius  die  Deulsolie  Geiiosseiiscliaftsl).iuk  in  Berlin, 
welche  vornehmlich  „dem  Bedürfniss  der  auf  Selbst- 
htilfe  beruhenden  Deutschen  Erwerbs-  und  Wirth- 
schafts-Genosseuschaften  nach  Bankkredit  soviel  als 
möglich  entgegenkommen"  sollte.  Das  Capital,  ur- 
sprünglich nur  270,000  Thaler,  wurde  1868  auf 
500,000  Thaler,  1870  auf  850,000  Thaler  erhöht,  und 
dazu  eine  Commandite  in  Frankfurt  a.  M.  errichtet. 
Seitdem  werden  die  Actien  an  der  Börse  notirt,  und 
obwol  das  Statut  Speculationsgeschäfte  der  Bank 
untersagt,  nahm  diese  an  der  Schwindelperiode  doch 
vollen  Antheil,  betrieb  auch  sie  die  Agiotage  und  die 
Gründerei  nach  allen  Regeln  der  Kunst.  1871  be- 
schlossen Herr  Schulze   und  Genossen   das   Capital 


-     275    — 

auf  2  Millionen,  1872  auf  3  Millionen  Thaler  zu 
bringen.  Beidemal  wurden  die  jungen  Actien  mit 
einem  hohen  Agio  ausgegeben;  1872  die  öOprocen- 
tigen  Interimsscheine  zu  115,  was  einen  Cours  von 
130  bedeutet,  und  man  trieb  sie  bis  150,  w^as  einem 
Course  von  200  entspricht.  Heute  gilt  dieser  50pro- 
centige  Interimsschein,  der  damals  mit  100  Thaler 
bezahlt  wurde,  nur  40  Thaler,  denn  die  Vollactie 
notirt  etwa  90. 

Neben  dieser  wilden  Agiotage  vollbrachte  die 
Deutsche  Genossenschaftsbank  in  der  Schwindelära 
noch  eine  Reihe  vorwiegend  fauler  Gründungen  und 
Emissionen: 

1)  Starttbauk  in  Berlin.  Gegründet  Februar  1S73  mit 
1  Million  Thaler  Grundcapital,  von  Alwin  Soergel,  Otto  Soergel, 
Eudolph  Parrisius,  Siegmund  Weill,  Stadtrath  Meyer  Magnus, 
Stadtverordneten  Job.  Georg  Halske,  Stadtrath  Otto  Kunz, 
Rudolf  Bensemann,  Ferd.  Reichenheim  und  Ludwig  Hache  in 
Berlin.  Hatte  absolut  keinen  Zweck,  fand  keine  Be- 
schäftigung und  trat  Januar  1874  nach  grossen  Verlusten  in 
Liquidation. 

2)  Brauerei  Königstadt  in  Berlin.  Gegründet  den  19.  Mai 
1871  von  Alwin  Soergel  und  Anton  Securius  in  Berlin, 
Johannes  Kämpf  in  Halle.  Aufsichtsräthe :  Arnold  Witkowski, 
Louis  Feig  und  Heinrich  Booss  in  Berlin,  Abgeordneter  Stadt- 
rath Hausmann  in  Brandenburg.  „Revisoren":  Carl  Weber 
und  Otto  Penzhorn  in  Berlin.  „Erster  Actionär":  E.  Schle- 
singer (S.  Mossner  &  Co.)  in  Berlin.  Das  Etablissement  wurde 
den    unglücklichen  Actionären   für   die    kolossale  Summe  von 

18* 


—     276     — 

1,050,000  Thaler  überwiesen,  und  die  Gesellschaft  mit  800,000 
Thalern  Actien  und  412,000  Thaler  Hypotheken  belastet. 
December  1872  beschloss  man  „400,000  bis  600,000  Thaler" 
neue  Actien  auszugeben,  was  nur  der  heranziehende  Krach 
verhinderte.  Director  wurde  der  Vorbesitzer  Julius  Busse. 
Für  das  „erste  Geschäftsjahr"  von  4  Monaten  (!)  wurden  nominell 
10  %  Dividende  vertheilt,  und  so  die  Actien  bis  120  geti'ieben. 
Jetzt  ist  der  Cours  etwa  noch  20. 

3)  Admiralsgartenbad,  Badeanstalt  in  Berlin.  Ge- 
gründet September  1872  von  Rudolph  Parrisius,  Rudolf  Bense- 
mann, Baumeister  Walter  Kyllmanu,  Dr.  med.  Wilh.  Engmaun, 
Dr.  Alex.  Jürgens,  Dr.  Bodinus  und  Albert  Brockhoff,  Redacteur 
der  ,,  Berliner  Börsenzeitung"  in  Berlin.  Actiencapital 
500,000  Thaler  und  ca.  200,000  Thaler  Hypotheken.  Dividen- 
den 0.    Cours  noch  etwa  5. 

4)  Halle'sche  Creditaustalt.  Gegründet  August  1872 
mit  1  Million  Thaler  Actien.  Aufsichtsrath :  Rechtsanwalt 
a.  D.  Lau,  Simon  Lipmann  und  Adolf  Rosenstein  in  Berlin, 
Geh.  Commerzienrath  Stephan  (Stephan  &  Schmidt)  in  Königs- 
berg i.  Pr. ,  Th.  Eisentraut,  W.  Zorn  (Zorn  &  Steinert), 
H.  0.  Brandt  (Brandt  &  Lölöff)  in  Halle,  Landesökonomierath 
Schäper  in  Wanzleben.  Die  40procentigen  Interimsscheine 
wurden  mit  104,  also  zum  Course  von  110  eingeführt,  und  für 
das  erste  Geschäftsjahr  von  4  Monaten  (!)  nominell  6V2  % 
Dividende  vertheilt.  1873  ergab  0,  und  April  1874  beschloss 
man  die  Auflösung. 

5)  ßlieiuisch-Westphäliscbe  Geuosseuschaftsbauk  in 
Cöln.  Gegründet  März  1872  mit  500,000  Thaler  Actien. 
September  1873  beschloss  der  Aufsichtsrath  die  Erhöhung  auf 
2,600,000  Thaler ;  doch  wurden  nur  noch  316,000  Thaler 
genommen.    Letzte  Dividende  0.    Cours  einst  110,  jetzt  ca.  40. 

6)  Halle'sche  Maschinenfabrik.  (Vgl.  S.  89).  Actien- 
capital 300,000  Thaler.    Cours  ca.  60. 

7)  Zuckerfabrik   Koerbisdorf.     (Vgl.   S.   192).     Actien- 


—     277     — 

capital  900,000  Thaler  und  900,000  Thaler  Hypotheken.   Cours 
einst  120,  jetzt  etwa  noch  20. 

Alle  diese  Gründungen  und  Emissionen  geschahen 
unter  „Aufsiclit"  des  Herrn  Schulze-Delitzsch,  der  da- 
für seine  Tantiemen  bezog,  und  neben  ihm  fungirten 
als  „Verwaltungsrath",  ausser  den  bei  der  Stadtbank 
genannten  Herren  Meyer  Magnus,  Joh.  Georg  Halske, 
Otto  Kunz,  Rudolf  Bensemann,  Ferd.  Reichenheim, 
auch  noch  die  Abgeordneten  Dr.  Buhl  in  Deidesheim 
und  Rechtsanwalt  Schenck  in  Wiesbaden. 

Aber  nicht  genug  daran.  Um  einem  schreienden 
Bedürfniss  abzuhelfen,  entstand  während  der  Schwin- 
delperiode noch  eine  zweite  Bank  für  Genossenschaften, 
die  sich  genau  nach  dem  Schema  der  vorigen  bildete 
und  sich  gleichfalls  auf  Schulze-Delitzsch'sche  Prin- 
cipien  berief.  Am  10.  März  1871  gründeten  Jacob 
Ball,  Gustav  Thölde,  Gustav  Röhll,  Abgeordneter 
Dr.  Georg  von  Bunsen  und  Abgeordneter,  Stadtver- 
ordnetenvorsteher Dr.  Wolfgang  Strassmann  in  Ber- 
lin, Julius  Kugel  (Dicke  &  Kugel)  in  Lüdenscheid  die 
Ceutralbaiik  für  Geuosseuscliafteu,  mit  500,000 
Thaler  Actien.  Erste  Aufsichtsräthe  waren  u.  A.: 
Rechtsanwalt  Ewald  Hecker,  welcher  das  Statut  auf- 
genommen hatte,  Wilh.  Itzinger  (Riess  ä'  Itzinger), 
Salomon  Ball,  Isidor  Blumenthal  und  Robert  Bau- 


—     278     — 

aiann;  und  als  Directoren  fungirteu  noch:  Ferdinand 
Strahl  und  Carl  Stöter.  Die  ursprüngliche  Bestim- 
[uung,  welche  Speculationsgeschäfte  ausdrücklich  ver- 
3ot,  wurde  bald  aufgehoben,  der  Gesellschaft  „freier 
Spielraum"  gewährt,  und  nun  ging  es  auch  hier  an 
ias  Agiotagespiel  und  an  das  Gründen. 

December  1871  fabricirte  man  500,000  Thaler 
leue  Actien,  die  a  109  an  die  Börse  gelangten;  März 
1872  folgte  die  III.  Emission  zum  Course  von  110, 
September  1872  die  IV.  Emission  zum  Course  von 
112,  und  die  gesammten  drei  Millionen  Thaler  Actien 
wurden  bis  fast  160  getrieben.  1871  entfielen  12, 
1872  —  140/0  Dividende,  1873  —  0.  Die  Bilanz  er- 
wies an  Verlust  auf  Effecten  112,000  Thaler,  an  Ab- 
schreibungen für  zweifelhafte  Forderungen  und  Con- 
sortialbetheiligungen  280,000  Thaler;  und  die  Actien 
stürzten  bis  ca.  60.  Juli  1874  beschloss  man  die 
Auflösung  der  Gesellschaft,  gegen  den  Willen  vieler 
Actionäre,  und  den  öffentlichen  Verkauf  der  Grund- 
stücke. Statt  dessen  schritt  man  zu  einem  freihän- 
digen Verkauf,  und  als  einer  der  Aufsichtsräthe 
Widerspruch  erhob,  wurde  er,  auf  Betreiben  der 
Liquidatoren:  Gustav  Thölde,  Carl  Stöter  und  Ferd. 
Strahl"  aus  dem  Amte  gestossen  und  mit  dem  Injurien- 
richter, ja  mit  dem  Staatsanwalt  bedroht! 


—    279    — 

Von  Gründungen  und  Emissionen  leistete  diese 
famose  Genossenschaftsbank;  ausser  der  Rheinisch- 
Westphälisclien  Genossenschaftsbank,  die  sie  in  Ge- 
meinschaft mit  der  Deutschen  Genossenschaftsbank 
von  Soergel,  Parrisius  &  Co.  erschuf,  noch  Folgendes: 

1)  Berliner  Banrereinsbank.  Gegründet  Februar  1872 
von  Jacob  Ball,  Max  Mossner,  Julius  Guttentag,  Hermann 
Geber,  Reinhold  Alex.  Seelig,  Julius  Wolff  jun.,  Eugen  Riess, 
Wilh.  Itzinger,  Gustav  Thölde,  Commerzienrath  Gilka  und 
Baurath  Waesemann  in  Berlin.  Actiencapital  2  Millionen 
Thaler.  Dividenden  von  1872  bis  1875:  11,  2V2,  2V2  und 
resp.  0%.  Trat  Mai  1S7G  in  Liquidation.  Der  Cours  von  110 
sank  1875  bis  etwa  25. 

2)  Dortmnuder  Actien-Brauerei,  vormals  Herberz  &  Co. 
Gegründet  September  1872  von  R.  A.  Seelig  in  Berlin,  und 
den  unglücklichen  Actionären  für  1  Million  Thaler,  ohne  die 
Bestände,  überwiesen!  Actiencapital  900,000  Thaler;  dazu 
an  400,000  Thaler  Hj-potheken ! !  Aufsichtsrath:  Rechtsanwalt 
Storp  in  Hagen,  Heinrich  Mauritz  in  Iberdingen,  Heinrich 
Herberz  in  Dortmund,  Hermann  Gratweil  und  Ferd.  Strahl  in 
Berlin.  Von  den  Actionären  wurde  eine  „Untersuchungs- 
commission" gewählt,  und  die  Gründer  resp.  Vorbesitzer 
Hessen  sich  bewegen,  eine  Summe  von  100,000  oder  200,000 
Thaler  herauszugeben.  Trotzdem  sank  der  Cours  1875  bis  7 
und  ist  jetzt ? 

3)  Leipzig-Gaschwitz-Menselwitzer  Eisenbahn.  Juni 
1872  wurden  bei  der  Centralbank  für  Genossenschaften  und 
bei  Riess  &  Itzinger  780,000  Thaler  fünfprocentige  Priori- 
täts-Stamm-Actien  zu  SDVa  %  aufgelegt,  und  notirten  dieselben 
Ende  1876  etwa  noch  60. 


—     280    — 

4)  Rostocker  Zuclcerfubrik.  (Vgl.  S.  191\  700,000 
Thaler  Actien  und  600,000  Thaler  Hypotheken.  Cours  einst 
105,  jetzt  etwa  0. 

5)  Berliner  Pappenfabrik.  (Vgl.  S.  179).  900,000 
Thaler  Actien  und  250,000  Thaler  Hypotheken.  Cours  einst 
120,  jetzt  etwa  noch  60. 

6)  Actieugesellscliaft  für  öffentliches  Fuhrwesen.  Ge- 
gründet März  1873  von  Wilhelm  Hörn,  Gustav  Röhll,  Gustav 
Thölde,  Carl  Stöter,  Ferd.  Strahl  und  Rechtsanwalt  Ewald 
Hecker  in  Berlin  mit  2  Millionen  Thaler  Actien.  Die  40  pro- 
centigen  Interimsscheine  wurden  ä  118  aufgelegt,  was  einen 
Cours  von  125  bedeutet.  Dividenden  nie.  Nachdem  das 
Grundcapital  „reducirt",  notirt  die  Vollactie  etwa  noch  30. 

7)  Hagener  Gussstahhverk.  (Vgl.  S.  76).  750,000 
Thaler  Actien  und  130,000  Thaler  Hypotheken.  Cours  einst 
110,  jetzt  etwa  5. 

8)  Vereinigte  Bischweiler  Tuchfabriken.  120,000  Thlr. 
Actien  und  200,000  Thaler  Hypotheken.  Cours  einst  106, 
jetzt  1  Brief. 

Die  beiden  Genossenschaftsbanken  ä  la  Schulze- 
Delitzscli,  und  die  von  ihnen  verübten  Gründungen 
und  Emissionen  kosten  den  betroffenen  Actionären 
Verluste,  die  man  zusammen  auf  12  bis  13  Millionen 
Thaler  veranschlagen  darf.  Wenn  das  Publikum  hier 
den  Namen  der  bekannten  „hochverehrten"  Volks- 
freunde vertraute,  die  als  Gründer  und  Verwaltungs- 
räthe  auftraten,  so  ist  es  gewiss  zu  entschuldigen  und 
verdient  Bedauern.     Leider  hat  es  ähnliche  Erfah- 


—     281     — 

rungen  auch  bei  den  Schiilze'sclien  Creditvereinen  und 
sogenannten  Gewerbe- und  Volksbanken  machen  müssen, 
von  denen  verschiedene,  in  Folge  von  Veruntreuungen, 
lüderlicher  Wirthschaft  und  wilder  Börsenspeculation, 
zusammengebrochen  sind.  Zwar  paradirt  Herr  Schulze 
als  „Anwalt  der  Deutschen  Genossenschaften"  all- 
jährlich mit  grossen  Zahlen  über  die  Genossenschafts- 
bewegung, die  1875  angeblich  1,360,000  Mitglieder, 
mit  einem  Umsatz  von  2600  Millionen  Mark,  begriff  — 
aber  trotzdem  ist  die  ganze  „Selbsthülfe"  in  Spott 
und  Verruf  gerathen,  und  Herr  Schulze  gilt  nur  noch 
für  einen  socialen  Quacksalber.  Noch  weniger  gilt 
er  als  Politiker.  Er,  der  sich  einst  vermass,  er  wolle, 
„Preussen  den  Grossmachtskitzel  austreiben",  und  der 
1 866  declamirte;  „Diesem  Ministerium  keinenGroschen!" 
—  er  ist  auch  im  Parlament  ein  stiller  INIann  gewor- 
den und  lässt  seine  Bruststimme  hier  nur  noch 
selten  erschallen.  Dafür  prcäsidirt  er  der  „Gesell- 
schaft für  Verbreitung  von  Volksbildung",  und  neben 
ihm  wirken  im  Schweisse  ihres  Angesichts  namhafte 
Gründer,  wie  Oberbürgermeister  Miquel,  Justizrath 
Makower,  Dr.  Friedrich  Kapp,  Dr.  Friedrich  Ham- 
maclier  etc.  Herr  Kammacher  macht  noch  speciell  in 
Frauenbildung  und  Frauenerwerb;  und  im  Ausschuss 
des  Letteverein,  der  ähnliche  Zwecke  verfolgt,  sitzen 


—     282     — 

Rechtsanwalt  Hecker  und  Herr  Julius  Schweitzer,  der 
Börsenredacteur  der  „Nationalzeitung".*) 

Wiewol  Herr  Schulze  noch  unter  den  Lebenden 
wandelt,  so  herrscht  er  doch  nicht  mehr  als  „König 
im  socialen  Reich",  sondern  er  hat  abgedankt  und 
seinen  Thron  an  den  jüdischen  Fortschrittsmann, 
Dr.  Max  Hirsch  überlassen.  Dieser  gründete  in 
Gemeinschaft  mit  seinem  Freunde  Franz  Duncker, 
nach  dem  Vorbild  der  Englischen  Trades-Unions,  die 
Deutschen  Gewerkvereine  und  ernannte  sich  zum 
„Verbandsanwalt"  derselben.  Als  solcher  unterstützte 
er  den  Ende  1869  ausbrechenden  Strike  zu  Waiden- 
burg in  Schlesien.  6000  Bergarbeiter  legten  die 
Arbeit  nieder,  und  an  1000  wanderten  auf  Commando 
von  Max  Hirsch  aus,  der  innerhalb  seiner  Partei  für 
die  Strikenden  26,000  Thaler  sammelte.  Bald  waren 
diese  und  die  eigenen  Ersparnisse  der  Arbeiter  ver- 
zehrt, und  nach  etwa  sechs  Wochen  sahen  sie  sich 


*)  Herr  Schweitzer  gründete  noch  1875,  kurz  vor  seinem 
Jubiläum,  in  Verbindung  mit  Commerzienrath  Otto  Janke,  Makler 
Martin  Stettiner,  Rentier  Jacques  Meyer  u.  A.  die  „Berli- 
ner Buchdruckerei-Actien-Gesellschaft".  Dieselbe  ver- 
folgt den  Zweck,  Mädchen  zu  Setzerinnen  auszubilden,  und  da 
sie  reeller  Natur  ist,  hat  sie  als  Grundcapital  nur  die  beschei- 
dene Summe  von  27,000  Thalern  ausgeworfen.  Herr  Schweitzer 
selber  zeichnete  davon  500  Mark,  ist  also  kein  besonderes 
Risico  eingegangen. 


—     283     — 

genöthigt,  mit  den  Grubenbesitzern  Frieden  zu 
schliessen.  Ebenso  sympathisch  bewies  sich  Herr 
Hirsch,  als  im  August  1872  die  2000  Arbeiter  der 
Pflug'scben  Waggonfabrik  austraten  (vgl.  S.  53);  aber 
hier  wurden  nur  2000  Thaler  beigesteuert,  und  daher 
war  der  Strike  schon  nach  vier  Wochen  zu  Ende. 
Obwol  die  Gewerkvereine  noch  ganz  auf  manchester- 
lichem Boden  stehen,  und  überhaupt  sehr  harmloser 
Natur  sind,  weshalb  sie  auch  nicht  besonders  ge- 
deihen, so  wurden  sie  doch  von  etlichen  eingefleischten 
„Yolkswirthen"  als  „Zunftgenossenschaften"  bezeich- 
net, die  der  „gewerblichen  Unfreiheit"  zuneigen.  Auch 
Herr  Ludwig  Bamberger  scheint  sie  in  seinem  Buche 
„Die  Arbeiterfrage"  (Stuttgart,  1873)  nicht  mit  gün- 
stigen Augen  zu  betrachten,  und  natürlich  tadelt  er 
die  Beihülfe,  welche  der  „Verbandsanwalt"  jenen 
Strikes  zuwandte.  Doch  Herr  Max  Hirsch,  wenn  er 
sich  auch  solche  Scherze  erlaubt,  ist  ein  echter  Man- 
chestermann, für  den  die  „Liberalen"  nicht  zu  fürchten 
brauchen.  Als  er  seine  Candidatenrede  zum  letzten 
Reichstag  hielt,  entschuldigte  er  die  Unterstützung  jener 
Strikes  als  Jugendstreiche,  erklärte  er  die  Erwerbung 
der  Eisenbahnen  durch  den  Staat  für  eine  „socialistische 
Idee"  (!),  und  auch  an  der  Gewerbeordnung  wollte 
er  wenig   geändert  wissen.     W^enn   das  „Organ  für 


—     284    — 

Jedermann"  als  Ursache  der  gegenwärtigen  Krisis 
„das  Unheil  der  Milliarden"  bezeichnet,  so  hat  Herr 
Hirsch,  obgleich  Mitarbeiter  derselben  reformjüdi- 
schen „Yolkszeitung",  eine  andere  Meinung.  Er  findet 
einen  Zusammenhang  zwischen  dem  Verfall  der  In- 
dustrie und  der  dreijährigen  Dienstzeit,  welche  den 
jungen  Mann  hindere,  sich  in  seinem  Fach  zu  ver- 
vollkommnen.   "Wie  man  sieht,  denken  die  Fort- 
schrittler daran,  wegen  des  Militärbudgets  wieder 
„Conflict'^  zu  spielen.  Doch  fürwahr,  gegen  Herrn 
Hirsch  gehalten,  war  selbst  Herr  Schulze  ein  grosser 
Mann,  und  man  begreift,  dass  der  neue  „König  im 
socialen  Reich"  unter  den  Arbeitern  noch  weit  ge- 
ringeren Anklang  findet. 

Von  den  „Liberalen"  wird  die  Existenz  der  „socia- 
len Frage"  überhaupt  geleugnet,  und  wenn  sie  etwa 
doch  vorhanden  sein  sollte,  so  glauben  sie  in  den 
Genossenschaften  von  Schulze-Delitzsch  alles  Nöthige, 
und  mit  den  Gewerkvereinen  von  Max  Hirsch  das 
Aeusserste  gethan  zu  haben.  Nicht  so  die  anderen 
Parteien,  welche  die  Berechtigung  der  socialen  Be- 
wegung und  die  aus  ihr  drohende  Gefahr  nicht  ver- 
kennen. Herr  Wagener,  der  eigentliche  Socialpoliti- 
ker  der  Conservativen,  hat  zum  Theil  auf  eigene 
Hand,  zum  Theil  im  Auftrage  Bismarck's,  mit  dem 


—     285    — 

er  wol  nie  die  Fühlung  verlor,  mehrfach  einen  Kreuz- 
zug gegen  die  Manchesterwirthschaft  unternommen, 
und  dadurch  die  „liberale"  Partei  in  Wuth  und 
Schrecken  versetzt.  1865  Hess  er  durch  den  Privat- 
docenten  Dr.  E.  Dühring,  dem  man  als  Lohn  eine 
Professur  in  Aussicht  gestellt  haben  soll,  eine  Denk- 
schrift über  die  socialen  Zeitverhältnisse  abfassen 
und  dieselbe  hinterher  im  Druck  erscheinen,  was  zu 
einem  ärgerlichen  Prozesse  Veranlassung  gab.  Im 
Parlament  hat  er  die  manchesterlichen  Freiheiten  der 
Gewerbefreiheit,  der  Freizügigkeit,  der  unbeschränkten 
Eheschliessung  etc.  in  ihrer  ganzen  Blosse  enthüllt 
und  nachgewiesen,  dass  dieselben  nur  der  Gross- 
industrie und  dem  Capital,  nicht  dem  Kleinhandwerker 
und  dem  Arbeiter  zu  gute  kommen.  Hauptsächlich 
um  Wagener  zu  stürzen,  der  als  Rath  im  Staatsmini- 
sterium den  Vortrag  beim  König  erhalten  sollte,  führte 
Lasker  am  7.  Februar  1873  die  dreiste  Komödie  der 
„Enthüllungen"  auf,  indem  er  ein  paar  Gründerdilet- 
tanten der  conservativen  Partei  an  den  Pranger  stellte, 
dagegen  mit  keiner  Silbe  der  professionellen  blutigen 
Gründerschaar  gedachte,  deren  sich  die  vereinigten 
„Liberalen"  erfreuen.  Wagener,  als  Gründer  der 
Pommerschen  Centralbahn  von  dem  tugendhaften  Las- 
ker gebrandmarkt,  musste  den  Abschied  nehmen,  er- 


—     286     — 

schien  aber  im  nächsten  Jahr,  mit  seinem  Adlatus, 
Rudolph  Meyer,  auf  dem  socialpolitischen  Congress 
zu  Eisenach,  wo  er  in  ziemlich  durchsichtiger  Weise 
als  Abgesandter  des  Fürsten  Bismarck  auftrat.  In 
Folge  dessen  erhob  die  „liberale"  Presse  von  Neuem 
ein  Mark  und  Bein  durchdringendes  Zetergeschrei. 

Die  Orgie,  welche  die  Gründer  und  Börsianer 
nach  dem  Kriege  mit  Frankreich  feierten,  und  bei 
der  die  Wortführer  und  „Volkswirthe"  der  vereinig- 
ten „Liberalen"  eine  so  hervorragende  Rolle  spielten, 
erregte  selbst  im  eigenen  Lager  Bedenken.  So  schrieb 
Herr  H.  B.  Oppenheim  Ende  1871  in  der  „National- 
zeitung" (Nr.  573):  „Die  wirthschaftliche  Freiheits- 
partei hat  in  neuerer  Zeit  so  glänzende  Siege  davon- 
getragen (!)  und  ist  der  letzten  Erfüllung  ihres  Pro- 
gramms so  nahe  gekommen  (!!),  dass  den  jüngeren 
Anhängern  derselben  wol  der  Kopf  schwindeln  durfte. 
Aus  diesem  Rausch  ist  eine  Doctrin  entstanden,  welche 
den  Staat  in  eine  Aktiengesellschaft  verwandeln  und 
seine  grossen  Aufgaben  an  den  Mindestfordernden 
feilbieten  möchte.  Sie  leugnet  die  sittliche  Natur  des 
Staats  und  betrachtet  denselben  nur  als  ein  noth- 
wendiges  Uebel."  Die  Regierung  hingegen  schien 
kaum  zu  begreifen,  was  um  sie  vorging.  November 
1871  fanden  im  Preussischen  Handelsministerium  Con- 


-     287     — 

ferenzen  zur  „Besprechung  über  socialpolitische  Fra- 
gen" statt,  zu  denen  vorwiegend  Mancliesterleute, 
darunter  auch  Gründer  und  Börsianer,  wie  Dr.  Fried- 
rich Hammacher,  Commerzienrath  Benjamin  Lieber- 
mann etc.,  geladen  waren,  und  die  selbstverständlich 
im  Sande  verliefen.  Dennoch  rief  jene  schamlose 
Orgie  allmälig  eine  Opposition  hervor,  und  zwar  ging 
dieselbe  von  der  Wissenschaft  aus.  Unsere  manchester- 
lichen „Volkswirthe"  sind  vorwiegend  Journalisten, 
die  nun  das  wissen,  was  sie,  Einer  vom  Andern,  ge- 
lernt haben;  sie  bewegen  sich  ewig  in  demselben 
Gedankenkreise  und  schwören  auf  den  Stifter  der 
Freihandelsschule,  den  sie  aber  auch  nur  sehr  ober- 
flächlich kennen;  von  eigenen  Studien  ist  bei  ihnen 
nicht  die  Rede,  und  ebensowenig  nehmen  sie  von  den 
Forschungen  Dritter  Notiz.  Dafür  beherrschen  sie 
die  Presse,  während  die  eigentlichen  Wissenschafter 
die  Lehrstühle  an  den  Universitäten  inne  haben. 

Von  den  Professoren  der  Nationalökonomie,  vor- 
nehmlich von  den  kampflustigen  Jüngeren,  ging  nun 
die  Opposition  gegen  die  Manchesterwirthschaft  und 
die  Capitalherrschaft  aus.  Es  erschienen,  gerade 
während  der  Schwindelpcriode,  eine  Picihc  Schriften 
von  Gustav  Schmoller,  Adolf  Wagner,  Hermann  Rös- 
1er,   Gustav   Schönberg  u.  A.,   die  alle  mehr   oder 


—     288    — 

weniger  für  die  arbeitenden  Klassen  gegen  die  Bour- 
geoisie eintraten,  dem  nackten  Eigennutz  in  der  Volks- 
wirthscliaft  sittliche  und  humane  Principien  entgegen- 
stellten, und  gegen  den  Missbrauch  der  „freien  Con- 
cuirenz"  gesetzliche  Schranken  forderten.  Das  waren 
gefährliche  Gegner,  und  Herr  H.  B.  Oppenheim  nannte 
sie  sofort  „Katheder-So cialisten".  In  dieser  Be- 
zeichnung lag  eine  Verdächtigung,  eine  Denunciation: 
die  Lehrer  der  studirenden  Jugend  wurden  der 
Regierung  als  Socialisten  denuncirt.  In  dep  „Natio- 
nalzeitung", wie  in  der  von  Herrn  Paul  Lindau  neu 
gegründeten  „Gegenwart",  an  welcher  namentlich 
Juden  und  Judengenossen  thätig  sind,  folgten  Angriff 
auf  Angriff;  Herr  H.  B.  Oppenheim  beschuldigte  den 
Professor  Adolf  Wagner,  der  aus  Ursachen  der  Woh- 
nungsnoth  die  Miethsprellerei  und  den  Wucher  iu 
Häusern  und  Baustellen  gestreift  hatte,  sogar  des 
„Communismus"  (vgl.  S.  156);  und  Ludvvig  Bamberger, 
der  gern  in  Titeln  schwelgt*),  schrieb  in  seiner  witzig 
und  humoristisch  sein  sollenden  Manier  einen  Artikel 
„Die  Romantik  auf  dem  Lehrstuhl  der  Volks- 
wirth Schaft"  (Nr.  37  und  38  der  „Gegenwart"  von 


*)  Vgl.  „Deutsche  Rundschau",  Erster  Jahrgang  1874/75, 
Heft4  „Zur  Embryologie  desBankgesetzes",  und  Heft  6 
„Zur  Geburt  des  Bankgesetzes". 


—     289     — 

1872),  in  welchem  er  die  „Kathedersocialisten"  als 
Schwärmer  und  Utopisten  hinstellt. 

Adolf  Wagner's  Antwort:  „Offener  Brief  an  Herrn 
H.  B.  Oppenheim"  (Berlin,  1872)  ist  weniger  von  gött- 
licher als  von  burschikoser  Grobheit,  aber  gerade  in 
dem  Tone  gehalten,  der  hier  nöthig  war.  Nur  in 
Einem  Punkte  geht  der  Verfasser  zu  weit,  indem  er 
seinen  Gegner  zu  Gunsten  von  dessen  Kameraden 
herabzusetzen  sucht.  Bei  einem  Vergleich  mit  den 
Herren  Ludwig  Bamberger,  Alexander  Meyer,  Braun- 
Wiesbaden  etc.  kann  H.  B.  Oppenheim  nur  gewinnen; 
er  hat  etwas  Ordentliches  gelernt,  er  beschäftigt  sich 
nicht  mit  Diesem  und  Jenem,  er  ist  ausschliesslich 
schriftstellerisch  und  auf  Einem  bestimmten  Gebiete 
thätig,  und  er  zeigt  viel  mehr  Unbefangenheit  und 
Bescheidenheit.  Auch  ist  er  in  seinen  Schriften  nicht 
so  blass  und  so  langweilig,  wie  z.  B.  Bamberger  und 
Lasker,  sondern  seine  Sprache  ist  voll  Inhalt  und 
Präcision,  einfach,  klar  und  flüssig.  Von  1861  bis 
1864  redigirte  er  mit  Geschick  und  Umsicht  die 
„Deutschen  Jahrbücher",  welche  in  der  Hauptsache 
an  gewissen  Mitarbeitern  zu  Grunde  gingen,  u.  A.  durch 
die  öden  Abhandlungen  des  damals  im  Aufstreben 
begriffenen  Herrn  Lasker  über  Verfassung,  Rechts- 
schutz und  Polizeigewalt  etc.  und  durch  die,  ihres 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.   II.  19 


—    290    — 

schrecklichen  Stiles  wegen,  geradezu  unlesbaren  ästhe- 
tischen Artikel  von  J.  L.  Klein,  dem  israelitischen 
Kraftgenie  und  jüdischen  Shakespeare.  H.  B.  Oppen- 
heim hat  nur  weniger  Glück,  weil  weniger  Dreistig- 
keit als  die  Herren  Lasker  und  Bamberger.  Diese, 
gewissermaassen  seine  Schüler,  sassen  längst  im  Par- 
lament; ihm  dagegen  gelang  es,  nach  vielen  Jahren 
des  Harrens  und  Mühens,  nachdem  er  mit  der  Ge- 
duld einer  Ameise  in  unzähligen  Wahlkreisen  kandi- 
dirt  hatte,  erst  1874,  und  zwar  für  das  ominöse  Länd- 
chen Reuss  ältere  Linie,  in  den  Reichstag  zu  dringen; 
und  hier  kaum  warm  geworden,  musste  er  wieder 
hinaus,  unterlag  er  bei  den  Neuwahlen  im  Januar 
1877  gegen  einen  obscuren  Socialdemokraten.  Für- 
wahr, es  liegt  in  dem  Geschick  dieses  Mannes,  der 
sich  heute  von  Lasker  und  Bamberger  begönnern  lassen 
muss,  etwas  Tragisches! 

1871  hielt  Professor  Adolf  Wagner  eine  Rede 
über  die  sociale  Frage  auf  der  sogenannten  „kirch- 
lichen Octoberversammluiig  evangelischer  Männer", 
die  alsbald  von  den  Manchesterleuten  „Muckercon- 
gress"  getauft  wurde.  Herbst  1872  beriefen  die 
„Kathedersocialisten",  wie  sie  sich  nun  selber  nannten, 
ihre  Gesinnungsgenossen  nach  Eisenach  —  Heinrich 
von  Treitschke  hatte  dieEinladung  mit  unterzeichnet  — 


—    291     — 

und  October  1873  wurde  hier  der  „Verein  für  Social- 
politik"  gestiftet.  Ein  bezeichnender  Name.  Diewirth- 
schaftlichen  Fragen  sollten  nicht  mehr,  wie  die  „Libe- 
ralen" noch  heute  predigen,  den  politischen  unter- 
geordnet, sondern  diesen  gleichgestellt  und  mit  ihnen 
verschmolzen  werden.  Doch  war  der  Verein,  dem 
Gelehrte  wie  Laien,  Männer  der  Wissenschaft  wie 
des  praktischen  Lebens  beitraten,  von  vornherein  aus 
allen  möglichen  Parteielementen  zusammengesetzt. 
Als  erster  Präsident  fungirte  Professor  Gueist,  der 
Kautschuckmann;  es  betheiligten  sich  an  den  Debatten 
die  Gewerkevereinler  Max  Hirsch  und  Franz  Duncker, 
jüdische  Advocaten  und  jüdische  Banquiers,  dazu  her- 
vorragende Gründer,  wie  Geh.  Oberregierungsrath 
Dr.  Engel  und  Fabrikbesitzer  Wilh.  Borchert  jun. 
aus  Berlin,  Adolf  Samter  aus  Königsberg  i.  Pr.  etc. 
Trotzalledem  erregte  der  „Verein  für  Socialpolitik"  den 
Manchesterleuten  gewaltiges  Grauen,  und  sie  wurden 
nicht  müde,  ihn  zu  verketzern  und  zu  begeifern. 

Anfang  1874,  als  schon  der  wirthschaftliche  Noth- 
stand  sich  zu  regen  begann,  hielt  Professor  Gustav 
Schmoller  aus  Strassburg  in  der  Singakademie  zu 
Berlin  einen  bedeutsamen  Vortrag,  dem  auch  die 
Kaiserin  beiwohnte:  „Die  sociale  Frage  und  der 
Preussische  Staat".   Der  Redner  erklärte  sich  gegen 

19* 


—     292    — 

die  veraltete  Theorie;  welche  Reichthum  und  Armuth; 
Luxus  und  Elend  aus  der  verschiedenen  Begabung 
des  Individuums  ableiten  will,  und  sagte  u.  A.: 

„War  der  Griechische  Sklave  in  Rom  weniger  geschickt, 
weniger  fleissig,  weniger  gebildet  als  sein  brutaler  unwissen- 
der Herr?    Sind  heute  etwa  die  besitzenden  Klassen  die  aus- 
schliesslich begabten?  —  „Nein,  der  historische  Ursprung  der 
socialen  Klassen  ist,  wie  der  Beginn  der  Geschichte  überhaupt, 
die  Gewalt.  —  „üie  sociale  Bewegung,  welche  in  Frankreich 
die  Revolution  von  1789  herbeiführte,  ist  in  Deutschland  nicht 
eingetreten.     Und    das    verdankt    man   in   erster  Linie   dem 
Preussischen   Staat    und   der   socialen   Politik   seiner   grossen 
Könige.     Sie   haben  den  Bauernstand  vor  Misshandlung,    vor 
Vertreibung  von  seiner  Scholle  geschützt,  ihm  ein  festes  Recht 
an  sein  Grundeigenthum  verliehen,  ihn  von  Lasten  und  Frohnen 
befreit.   Zwei  Jahrhunderte  lang  hat  die  Staatsgewalt  um  diese 
grossen  Ziele  mit  den  höheren  Klassen  gerungen,  und  hierdurch 
den   kleinen  Grundbesitz   gerettet,   und  damit  wahrscheinlich 
unsere    ganze    sociale    Zukunft.     Auch   auf  dem   Gebiet   des 
städtischen  und  gewerblichen  Lebens  war  die  Thätigkeit  des 
König-  und  Beamtenthums  ein  Kampf  gegen  die  Klassenherr- 
schaft   der   Besitzenden,    ein   kühnes   Eintreten   für   gleiches 
Recht  und  gleiche  Besteuerung,   für  Beseitigung  aller   Privi- 
legien, für  Hebung  der  kleinen  Leute.    Für  sie  wurden  Häuser 
gebaut  und  Schulen  errichtet;  dem  Spinner  und  Weber  ver- 
schaffte man  Rohstoff,  Credit  und  Absatz.    Millionen  und  aber 
Millionen   wurden   von   der  Zeit   des  Grossen  Kurfürsten  bis 
zum  Tode  Friedrich  des  Grossen  in  einer  Weise  ausgegeben, 
welche  gewisse  Schultheorien  der  Gegenwart  so  gut  wie  manch 
Anderes  als  socialistisch  bezeichnen  müssten,   wenn  sie  über- 
haupt eine  Kenntniss  von  der  historischen  Entwickelung  des 
Preussischen  Staats  hätten,  —  „Das   unerschöpfliche  Capital 
von   Liebe   und  Vertrauen,   welches   das   Preussische    König- 


—     293     - 

thum  nocli  heute  in  der  breiten  Masse  des  Volkes  besitzt, 
hat  seine  Wurzeln  nicht  sowol  in  der  Deutschen  Politik  der 
HohenzoIIern  —  denn  für  diese  haben  doch  mehr  nur  die  Ge- 
bildeten Sinn  —  als  iu  der  eben  geschilderten  Socialpolitik." 

Dieser  Altpreussischen  Socialpolitik  stellt  Schmoller 
die  von  den  „Vereinigten  Liberalen"  eingeführte  Neu- 
deutsche  Manchesterpolitik  gegenüber,  die  er  gar 
treffend  also  charakterisirt: 

„Das  w'irthschaftliche  Ideal  der  neuen  Zeit  glaubte  man 
erreicht,  wenn  man  formale  Rechts-  und  Steuergleichheit, 
Freiheit  des  Grund  und  Bodens,  des  Erwerbs  und  der  Nieder- 
lassung erkämpft  habe.  Man  erwartete,  nun  könne  sich 
Jeder  selbst  weiter  helfen.  Wenn  irgendwo  Tausende  von 
Proletariern  in  unruhige  Gährung  kamen,  so  beschloss  man, 
das  Schornstein-,  das  Schank-,  das  Apothekergewerbe  sei  noch 
nicht  frei  genug.  Die  dumpfen  Klagen,  die  aus  dem  socialen 
Missbehagen  entsprangen,  suchten  die  rein  politischen  Führer 
durch  Ausdehnung  des  Wahl-,  des  Vereins-,  des  Versamm- 
lungsrechts zu  beschwichtigen." 

Aus  der  Manchesterpolitik,  so  etwa  fährt  Schmoller 
fort,  aus  dem  Materialismus  und  Egoismus  der  Be- 
sitzenden, ist  die  heutige  sociale  Frage  erwachsen, 
die  Erbitterung  des  vierten  Standes.  Und  das  Grün- 
dertreiben, der  offenbar  unredliche  Erwerb  grosser 
Vermögen,  musste  das  Rechtsgefühl  der  Massen  voll- 
ends erschüttern.  Wol  kann  das  Königthum  nicht 
mehr  direct  die  Führung  der  unteren  Klassen  über- 
nehmen, aber  die  Eegierung  muss  in  dem  Kampfe 
zwischen  Capital  und  Arbeit  eine  neutrale  Stellung 


—    294    — 

behaupten,  und  sie  muss  sich  energisch  gegen  den 
übergrossen  Einfluss  stemmen,  den  in  den  Parlamen- 
ten wie  in  der  Presse  die  grossen  Privatbahnen,  die 
grossen  Banken  und  Aktiengesellschaften,  die  grosse 
Industrie  mit  ihren  bezahlten,  wohlgeschulten  Agenten 
einnehmen.  Den  Gefahren  der  socialen  Zukunft  kann 
nur  dadurch  die  Spitze  abgebrochen  werden,  dass 
das  König-  und  Beamtenthum,  ergänzt  durch  die 
besten  Elemente  des  Parlamentarismus,  die  Initiative 
zu  einer  grossen  socialen  Reformgesetzgebung  er- 
greift. Wie  es  dem  Königthum  gelang  in  zweihun- 
dertjährigem Kampfe  den  dritten  Stand  zu  retten 
und  zu  heben,  so  muss  es  jetzt  den  Streit  des  vierten 
Standes  mit  den  übrigen  Klassen  schlichten,  den 
vierten  Stand  wieder  harmonisch  in  den  Staats-  und 
Gesellschaftsorganismus  einfügen. 

Wol  war  diese  Ptede  freiraüthig,  aber  auch  ebenso 
loyal  und  patriotisch;  wol  athmete  sie  warme  Theil- 
nahme  und  treues  Verständniss  für  das  Wohl  der 
arbeitenden  Klassen,  aber  auch  ebenso  edle  klassische 
liuhe  und  volle  wissenschaftliche  Unbefangenheit. 

Während  nun  sonst  über  die  Vorträge  in  der 
Singakademie  von  der  gesamrnten  Presse  regelmässig 
berichtet  wird,  beobachteten  die  „liberalen"  Blätter 
diesmal  tiefes  Schweigen.    Dafür  erschien  die  Rede 


—     295     — 

gedruckt  im  Aprilheft  der  von  Treitschke  und  Weliren- 
pfennig  herausgegebenen  „Preussischcn  Jahrbücher", 
auch  die  Zeitschrift  „Neuer  Socialdemokrat"  brachte 
einen  theilweisen  Nachdruck,  und  nun  brach  der 
Sturm  los.  Bamberger  und  Genossen  schrieen,  es 
sei  das  eine  socialistische  Brandrede;  die  liberale 
Presse  schalt  den  Verfasser  einen  „Tempelschänder 
im  socialen  Reich"  und  rief  den  Cultusminister  an; 
ja  „einzelne  Stimmen  schienen  sehr  geneigt,  den  Auf- 
satz dem  Vaterauge  der  Staatsanwaltschaft  zu  empfeh- 
len". Das  Stärkste  aber  that  Herr  Professor  Hein- 
rich von  Treitschke.  Wahrscheinlich  auf  Andrängen 
der  Manchesterleute,  und  um  denselben  eine  Sühne 
zu  gewähren,  unternahm  er's,  seinen  Freund  und 
langjährigen  Mitarbeiter,  Gustav  Schmoller,  in  den- 
selben „Preussischen  Jahrbüchern"  abzukanzeln  und 
förmlich  zu  verleugnen.  Zu  diesem  Zwecke  veröffent- 
lichte er  im  Juli-  und  Septemberheft  (1874)  seiner  Zeit- 
schrift zwei  Artikel  unter  dem  famosen  Titel  „Der 
Socialismus  und.seine  Gönner". 

Herr  von  Treitschke  hat  seine  Carriere  weniger 
als  Gelehrter  und  Professor,  denn  als  Festredner  und 
Journalist  gemacht,  und  man  darf  seine  ganze  Thä- 
tigkeit  eine  deklamatorische  nennen.  Alle  seine  Reden 
und  Schriften  sind  von  schöner  Form,  idealem  Schwünge 


—    296    — 

und  reichem  Schmucke;  und  sie  haben  für  die  Menge 
viel  Hinreissendes ',  aber  dieser  hohe  getragene  Ton, 
diese  Fülle  von  Bildern  und  Sentenzen  müssen  auf 
die  Dauer  doch  ermüden  und  abspannen,  und  im 
Verhältniss  dazu  bietet  der  Verfasser  zu  wenig  Posi- 
tives-, seine  eigentliche  Force  sind  pompöse  Worte 
und  blendende  -Redensaiten.  Ja,  es  geschieht  ihm 
wol,  dass  er  mehr  sagt  und  Anderes  sagt,  als  er 
eigentlich  sagen  will  und  sagen  sollte,  dass  er  in 
blindem  Eifer  weit  über  das  gesteckte  Ziel  hinaus- 
schiesst,  das  Gegentheil  beweist  und  sich  selber  schlägt. 
Einen  Belag  dafür  bieten  die  Artikel  „Der  Socialis- 
mus  und  seine  Gönner". 

Herr  von  Treitschke,  der  November  1871  in  einer 
Parlamentsrede  das  Schwinden  idealer  Gesinnung  be- 
klagte, und  ziemlich  deutlich  auf  das  Treiben  der 
Gründer  und  Börsenschwindler  hinwies;  der  Herbst 
1872  die  Einladung  der  „Kathedersocialisten"  zur 
ersten  Eisenacher  Conferenz  mitunterschrieb,  äussert 
sich  über  diesen  Punkt  auch  noch  in  jenen  Artikeln 
nicht  anders  wie  Gustav  Schmoller,  gegen  den  er 
eifert.    Man  höre: 

„Unser  Bürgerthum  liat  viel,  sehr  viel  verloren  in  den 
letzten  Jahren,  hat  den  verlockenden  Versuchungen  einer 
Epoche  fieberischer  Speculation  wenig  Stand  gehalten;  viele 
neue  Vermögen  sind  entstanden,  von  unsauberen  Händen  durch 


—    297    — 

verwerfliche  Mittel  angesammelt,  und  in  einem  Tlieile  der 
Presse  tritt  die  feile  Habgier  dieser  Kreise,  der  Shylocks- 
Charakter  der  schlechteren  Elemente  unseres  Judenthums  oft 
in  hässlicher  Gemeinheit  auf.  —  „Unter  allen  socialen  Uebel- 
ständen  der  Gegenwart  hat  keiner  die  öffentliche  Meinung  so 
leidenschaftlich  erregt,  wie  die  ungeheueren  Schwindelgeschäfte 
des  associirten  Capitals.  Auch  heute,  nach  dem  grossen  Zu- 
sammenbruch, fohlt  sich  das  beleidigte  öffentliche  Rechtsgefühl 
keineswegs  befriedigt.  Eine  gründliche  Geschichte  dieser  Zeit 
des  Fiebers  wäre  ein  Verdienst  um  die  Gesellschaft;  das 
Deutsche  Gewissen  sträubt  sich  dawider,  jenes  schmähliche 
Treiben  im  Lethe  zu  versenken,  wie  die  satten  Gründer  be- 
haglich schmunzelnd  verlangen.  Die  ärgsten  Sünder  haben 
den  Kopf  längst  aus  der  Schlinge  gezogen,  und  unser 
Strafrecht  bietet  nur  ungenügende  Waffen;  musste  doch  so 
eben  erst  eine  Entscheidung  des  Obertribunals  eingeholt  wer- 
den, um  den  einfachen  Grundsatz  festzustellen:  ein  Gründer 
ist  des  Betruges  schuldig,  wenn  er  den  Werth  der  für  die 
Gesellschaft  angekauften  Gegenstände  zu  hoch  angegeben 
hat!  —  „Gewiss  beginnt  das  weltbürgerliche  Grosscapital 
kühne  Gründungen  nur  bei  der  Aussicht  auf  grossen  Gewinn, 
wie  so  eben  Herr  Löwenfeld  mit  preiswürdiger  Unbefangenheit 
eingestanden  hat;  aber  dann  muss  auch  das  Publikum  im 
Stande  sein',  die  Grösse  dieses  Gewinns  und  den  wahren 
Charakter  seiner  uneigennützigen  Wohlthäter  kennen  zu  ler- 
nen. —  „Die  üebermacht  des  Grosscapitals  zeigt  sich  sehr 
auffällig  in  unserm  Steuerwesen;  es  bleibt  die  Aufgabe  der 
Finanzpolitik  die  ungeheueren  und  so  oft  völlig  unproductiven 
Gewinnste  des  Börsenspiels  einer  wirksamen  Besteuerung  zu 
unterwerfen." 

So   scharf  verurtheilt   Herr   von   Treitschke   die 

Schwindelära,  und  so  unbedingt  spricht  er  von  der 

„Üebermacht  des  Grosscapitals".    Aber  in  demselben 


—     298     — 

Athemziige  entscliuldigt  er  auch  wieder  die  Gründer, 
ganz  in  der  Weise  der  Börsen-Advokaten  und  man- 
chesterliclien  „Volkswirthe",  durch  die  unermessliche 
Dummheit  des  Publikums;  lobt  er  die  Presse,  dass 
alsbald  nach  den  Gründungen  „überall  in  der  öffent- 
lichen Meinung,  eine  sehr  nachdrückliche  Reaction 
des  sittlichen  Gefühls  erwachte,  dass  die  feilen  Börsen- 
blätter allgemeiner  Verachtung  verfielen^'*);  fragt  er 
sehr  unwillig:  „Wann  hat  denn  jemals  in  Preussen  eine 
wirthschaftliche  Klasse  den  Staat  für  sich  ausgebeutet, 
seit  die  Hohenzollern  den  ehernen  Felsen  ihres  König- 
thums  errichteten?"  Tröstend  versichert  er:  „Poli- 
tisches Talent  und  politischer  Ehrgeiz  finden  sich 
auffällig  selten  unter  den  Emporkömmlingen  der  Börse. 
Wir  haben  die  Gerechtigkeit  unserer  Gesetzgebung 
sorgsam  zu  behüten  vor  dem  weitverzweigten  mittel- 
baren Einfluss  des  Grosscapitals;  eine  Herrschaft  des 


*)  Wo,  Herr  von  Treitschke,  war  das,  als  Sie  Juli  und 
September  1874  diese  Artikel  schrieben,  bereits  geschehen? 
Erst  December  1874  begann  die  „Gartenlaube",  als  das  erste 
und  einzige  Blatt  von  Bedeutung,  den  Gründern  und  Gründer- 
genossen auf  den  Leib  zu  rücken,  und  alsbald  schrie  die  „libe- 
rale" Presse,  schrieen  die  Führer  der  liberalen  Partei  über 
„Verleumdung",  predigten  Bamberger,  Miquel  und  Lasker  gegen 
das  „Delatorenthum",  und  die  ,, feilen  Börsenblätter",  die  nach 
wie  vor  ihren  Einfluss  behaupten,  verlangten  drohend  das  Ein- 
stellen der  „Grüuderhatz"! 


—     299     — 

Geldbeutels    aber    steht    für   Deutschland    nicht    in 
naher  (II)  Aussicht." 

Herr  von  Treitschke,  der  sich  in  dem  Streite 
zwischen  Manchesterleuten  und  Kathedersocialisteu 
zum  Richter  aufwirft,  steht  noch  ganz  auf  man- 
chesterlichem Boden,  und  nimmt  in  allen  wesent- 
lichen Punkten  für  das  Manchesterthum  Partei.  „Der 
natürliche  Gang  der  modernen  Grossindustrie  führt 
zur  Bildung  grosser  Vermögen",  spricht  er  gelassen. 
Er  erklärt  sich  überhaupt  gegen  die  „sociale  Frage" 
—  „diesen  marktschreierischen  Ausdruck  neunapo- 
leonischer  Erfindung";  er  verwirft  die  Bezeichnung 
„Bourgeoisie",  und  will  auch  nichts  von  einem  „vierten 
Stande"  wissen,  wenigstens  nichts  von  einer  „Eman- 
cipation"  des  vierten  Standes,  die  nach  seiner  Mei- 
nung längst  durchgeführt  ist.  Die  bürgerliche  Gesell- 
schaft ist  eine  Klassenorduung,  die  nicht  aufgehoben 
werden  kann  —  und  damit  Bastal  Der  Satz:  der 
historische  Ursprung  der  socialen  Klassen  ist  die 
Gewalt  —  sei  ein  socialistisches  „Brandwort";  der 
Ausdruck  „die  enterbten  Klassen"  sei  „den  Strasseu- 
reden  der  Socialdemokratie  entlehnt"  —  und  darum 
nennt  Herr  von  Treitschke  seinen  bisherigen  Freund, 
Gustav  Schmoller,  einen  „Gönner  des  Socialismus". 
„Die  Deutsche  Socialdemokratie  ist  wirklich  so  schwarz, 


—     300     — 

wie  sie  von  der  Mehrzahl  der  gebildeten  Blätter  ge- 
schildert wird",  ruft  er  aus.  „Neid  und  Gier  sind  die 
Hebel,  welche  sie  einsetzt,  um  die  alte  Welt  aus  den 
Angeln  zu  heben,  sie  lebt  von  der  Zerstörung  jedes 
Ideals."  Ihr  Glaube  sei  der  einer  Hure;  ihre  Mittel 
bodenlose  Gemeinheit;  grinsende  Frechheit,  hündische 
Schmeichelei  und  freche  Wühlerei.  Sobald  im  Par- 
lament ein  Socialdemokrat  spricht,  „erfülle  ein  durch- 
dringender Petroleum-Geruch  das  hohe  Haus"  u.  s.  f. 
—  Was  Wunder,  wenn  der  in  Hamburg  erscheinende 
,;Socialdemokrat"  erwiderte:  Herr  von  Treitschke  sei 
ein  „Schwachkopf",  der  gerechter  Weise  niemals 
hätte  „studiren"  dürfen!  Im  Uebrigen  bezeugte  selbst 
die  Duncker'sche  „Volkszeitung"  den  socialdemokra- 
tischen  Blättern,  dass  diese,  gegenüber  dem  wüsten 
Geschimpfe  des  aristokratischen  Professors,  einen 
massvollen  Ton  bewahrt  hätten. 

Herr  von  Treitschke  leidet  an  dem  Fehler,  sich  all- 
zusehr für  das  Mächtige  und  Herrschende  zu  begeistern, 
wobei  er  dann  nicht  selten  die  Haltung  verliert  und 
völlig  tactlos  werden  kann.  Schon  Jakob  Venedey  hat 
ihm  nachgewiesen,  dass  er  1864  die  Einverleibung 
Schleswig-Holsteins  für  unmöglich  erklärte,  1865  diese 
Annexion  begeistert  predigte,  und  1866  mit  Gewalt  auch 
noch  sein  engeres  Vaterland  Sachsen  annectiren  wollte. 


-     301     — 

In  seiner  Brochüre  „Die  Zukunft  der  Norddeutschen 
Mittelstaaten"  schreibt  er  über  den  König  von  Hannover: 
„Wenn  die  Blindheit,  statt  die  Seele  des  geschlagenen 
Mannes  zu  adeln  und  zu  vertiefen,  ihm  selber  eine 
Quelle  der  Lüge  und  des  Hochmuths  wird,  dann  ist  es 
sündlich,  des  Blinden  zu  schonen."  —  Wohl!  antwortet 
ihm  Venedey;  dann  will  ich  auch  nicht  schonen  „den 
tauben  Junker  im  Professorenrocke,  genannt 
HeinrichvonTreitschke".  Ja, Herr  von  Treitschke 
führt  seit  Jahren  dasselbe  „Gaukelspiel"  auf,  was  er 
so  grausam  Georg  V.  vorwarf.  Er  kann  nicht  hören, 
was  um  ihn  vorgeht,  er  hat  das  Unglück  stocktaub 
zu  sein,  und  doch  lässt  er  sich  regelmässig  in  den 
Reichstag  wählen  und  hält  hier  lange  Prunkreden, 
von  denen  er  selber  kein  Wort  vernimmt,  und  die 
auch  dem  Zuhörer  immer  unverständlicher  werden, 
geradezu  Unbehagen  und  Qual  bereiten!  Herr  von 
Treitschke  ist  fast  an  jedem  persönlichen  Verkehr 
behindert,  und  doch  will  er  die  Bedürfnisse  des  Volks, 
die  Lage  der  arbeitenden  Klassen,  den  Streit  der 
Parteien  kennen'. 

Nachdem  er  in  jener  Schrift  die  Kathedersocia- 
listen  tüchtig  verarbeitet  hat,  findet  er  plötzlich, 
dass  zwischen  ihnen  und  den  Manchesterleuten  „ein 
tiefer  principieller  Gegensatz  nicht   mehr  besteht"; 


—     302     — 

und  er  erklärt:  beide  Richtungen  sind  bestimmt,  „sich 
zu  ergänzen,  nicht  einander  zu  bekämpfen".  Man 
solle  nur  hübsch  die  Fühlung  behalten  mit  den  be- 
sitzenden Klassen,  auf  ihre  Stimmungen  und  Vor- 
urtheile  die  gebührende  Rücksicht  nehmen.  Sehr 
treffend  erwidert  ihm  Gustav  Schmoller:  Dann  könnten 
wir  über  unsere  Schriften  das  Motto  setzen:  „Wasch 
mir  den  Pelz,  aber  mach  mich  nicht  nass!"  —  Doch 
was  geschah!  Die  „Kathedersocialisten",  die  solch 
gute  Anläufe  genommen,  machten  auf  ihrem  letzten 
Vereinstage,  October  1875,  in  Eisenach  völlig  Halt 
und  folgten  dem  Rath  des  Herrn  von  Treitschke, 
indem  sie  mit  den  Manchesterleuten  entschieden 
„Fühlung"  nahmen,  und  die  jüdische  „Schlesische 
Presse"  meldete  das  freudige  Ereigniss  der  Welt 
mit  folgenden  Worten: 

„Angesichts  des  Resultats  des  diesjährigen  volkswirth- 
schaftlichcn  Kongresses  in  München  und  des  Auftretens  Dr. 
Rudolph  Meyers  in  Eisenach,  wurde  im  Ausschuss  des  Vereins 
für  S  ocialpolitik  die  Zweckmässigkeit  eines  Zusammengehens 
mit  dem  Ausschusse  des  volkswirthschaftlichen  Kongresses  in 
der  Zollfrage  erörtert  und  schliesslich  beschlossen,  diesem 
Ausschusse  mitzutheileu,  der  Verein  für  Socialpolitik  beab- 
sichtige, seine  nächstjährige  Jahresversammlung  (1876)  aus- 
fallen zu  lassen  und  seine  Mitglieder  würden  den  nächst- 
jährigen volkswirthschaftlichen  Kongress  besuchen,  falls  der 
volksw  irthschaftliche  Kongress  im  Jahre  1877  ausfalle  und  die 
Mitglieder  seines  Ausschusses  an  der  für  dieses  Jahr  in  Aus- 


—    303     — 

sieht  genommenen  nächsten  Jahresversammlung  des  Vereins 
für  Socialpolitik  theilnehmen  würden.  Auch  für  die  späteren 
Jahre  sollten  beide  Versammlungen  Jahr  für  Jahr  alterniren. 
Diesem  Vorschlage  des  Eisenachcr  Ausschusses  wurde  von  den 
Berliner  Mitgliedern  des  ständigen  Ausschusses  des  Kongresses 
Deutscher  Volkswirthe  zugestimmt.  Das  Hauptverdienst  um 
die  Herbeiführung  diesesResultates  gebührt  Lasker,  der  durch 
seine  persönliche  Bekanntschaft  und  seine  Stellung  in  wirth- 
schaftlichen  Fragen  die  zum  Vermitteln  geeignetste  Persön- 
lichkeit war.  Im  Auftrage  des  Eisenacher  Ausschusses  führte 
Prof.  Brentano  in  Breslau  mit  Lasker  die  Verhandlung, 
und  Lasker  setzte  sich  mit  Braiin  und  den  übrigen 
Leitern  des  volkswirthschaftlichen  Kongresses  in  Verbindung. 
In  -wenigen  Tagen  -nird  der  Beschluss  des  Vereins  für  Social- 
politik von  dessen  Präsidenten  Kasse  dem  ständigen  Ausschusse 
des  volkswirthschaftlichen  Kongresses  officiell  mitgetheilt  und 
von  diesem  angenommen  werden." 

Ja,  der  grosse  unvermeidliche  Lasker  übernahm 
die  Vermittelung  und  führte  sie  durch,  wie  er  denn 
auch  stets  mit  Glück  vermittelt,  wenn  z.  B.  seine 
Freunde  Ludwig  Bamberger,  Eugen  Richter  etc.  durch 
unbedachte  Aeusserungen  in  die  Gefahr  kommen,  sich 
vor  die  Mündung  einer  Pistole  zu  stellen.  Er  ist 
wirklich  zum  Vermitteln  die  „geeignetste  Persönlich- 
keit", er  macht  alle  CompromissC;  und  er  weiss  Alles, 
was  dem  Manchesterthum  unbequem  und  bedrohlich 
wird,  aus  der  Welt  zu  schafifen. 

Mit  jenem  Beschlüsse  hat  sich  der  „Verein  für 
Socialpolitik"  selber  für  todt  erklärt,  und  er  ist  auf- 


—     304     — 

gegangen  in  dem  „Congress  deutscher  Volkswirthe", 
dem  der  grosse  Gründer  Dr.  Karl  Braun  präsidirt, 
und  der  sich  in  der  Hauptsache  aus  Gründern  und 
Gründergenossen,  wie  Bamberger,  Hammacher,  Kapp, 
Geh.  Commerzienrath  Stephan  etc.  zusammensetzt. 
Dasselbe  ist  der  Fall  mit  seinem  Ableger,  der  „Volks- 
wirthschaftlichen  Gesellschaft"  in  Berlin,  wo  das  kras- 
seste Manchesterthum  seinen  Ausdruck  findet.  „Die 
volkswirthschaftliche  Gesellschaft  hat  sich  von  jeher 
für  das  freie  Walten  aller  wirthschaftlichen  Kräfte 
erklärt",  sprach  in  der  Sitzung  am  25.  October  1873 
Herr  Alexander  Meyer,  und  er  behauptete  damals 
kühn:  die  Krisis  in  Amerika  sei  in  einem 
Zeitraum  von  kaum  drei  Wochen  vorüber- 
gegangen, ohne  schmerzliche  Spuren  zu  hin- 
terlassen —  blos,  weil  die  Regierung  sich  nicht 
eingemischt  habe.  Herr  David  Born,  Gründer  des 
„Landerwerb  und  Bauverein  auf  Actien"  —  Cours 
einst  200,  jetzt  ca.  15  —  meinte:  die  grosse  Cala- 
mität  sei  durch  die  Spielsucht  des  Volkes  verschuldet. 
Herr  Otto  Hübner,  vielfacher  Gründer,  pries  die  Actien- 
gesellschaften,  ohne  welche  „unsere  heutige  Entwicke- 
lung"  (!)  nicht  möglich  gewesen  wäre.  In  der  Sitzung 
vom  21.  Febr.  1874  plaidirte  Herr  Kammergerichtsrath 
Hugo  Keyssner,  gleichzeitiger  Aufsichtsrath  der  beiden 


—     305    — 

mit  einander  concurrirenden  chemischen  Fabriken 
Leopoldshall  und  Vereinigte  Leopoldshall  (Vergl.  S. 
227  flf.)  für  Aufrechterhaltung  des  famosen  Actien- 
gesetzes  vom  11.  Juni  1870;  und  er  fand  lebhafte 
Zustimmung  bei  Dr.  Eduard  Wiss,  dem  Gehülfen  von 
Heinrich  Quistorp,  sowie  bei  einem  Herrn  Neumann, 
der  sich  ebenfalls  gegen  eine  Aenderung  der  Gesetz- 
gebung erklärte  und  feierlich  versicherte:  nur  eine 
„grössere  volkswirthschaftliche  Bildung"  könne  das 
Publikum  vor  Schaden  bewahren.  —  Bildung,  „Bil- 
dungsfortschritt" sind  vorzugsweise  den  manchester- 
lichen „Volkswirthen"  eigen,  und  darum  bilden  diese 
auch,  wie  der  „Volkswirth"  der  „Vossischen  Zeitung" 
(No.  172  de  1876)  rühmte,  die  „gesellschaftliche  Elite", 
den  „neuen  Hochadel  des  geistig  und  namentlich 
politisch-ökonomisch  thätigen  Europa's",  den  welt- 
berühmten Cobden-Club  in  London,  als  dessen  Mit- 
glieder er  u.  A.  Juden  und  Gründer  aller  Länder 
herzählt. 

Leider  will  die  Pflege  und  Verbreitung  der  „volks- 
wirthschaftlichen  Bildung"  nichts  helfen  gegen  die 
Socialdemokraten,  die  der  Bourgeoisie  immer  dro- 
hender auf  den  Leib  rücken.  Mit  dem  allgemeinen 
und  directen  Wahlrecht,  das  1866  Graf  Bismarck 
den  „Liberalen"   an  den  Kopf  warf,   und  das  Herr 

Glagau,  Der  Börsenscliwindel.   II.  20 


—     306    — 

von  Treitschke  als  einen  der  beiden  Fehler  bezeichnet; 
welche  der  grosse  Staatsmann  überhaupt  begangen, 
hatten  die  Arbeiter  erreicht,  was  Lassalle  für  sie 
verlangt,  drangen  sie  in  den  Reichstag,  und  mit  jeder 
Neuwahl  erscheinen  sie  hier  zahlreicher.  Wol  schrie 
ihnen  am  8.  November  1871  Herr  Lasker  zu:  Nur 
die  Feigheit  der  Bourgeoisie  von  Paris  hätte  die 
Herrschaft  der  Commune  ermöglicht;  wollten  die 
Socialdemokraten  in  Berlin  oder  sonstwo  in  Deutsch- 
land ein  ähnliches  Schauspiel  aufführen,  der  „redliche 
und  besitzende  Bürger"  würde  sie  .,mit  Knütteln 
todtschlagen"!  Aber  hinterher  bekam  der  tapfere 
Volkstribun  Angst,  und  strich  das  Todtschlagen 
mit  dem  Knüttel  aus  dem  stenographischen  Bericht. 
Auch  im  Parlament  sind  die  Socialdemokraten  bereits 
gefürchtete  Leute,  und  die  „Liberalen"  'erfasst  ein 
Grauen  vor  dem  allgemeinen  Stimmrecht.  Die  grossen 
Kriege  von  1864,  1866  und  1870  behinderten  die 
Ausbreitung  der  Socialdemokratie;  dafür  haben  die 
politischen  und  gerichtlichen  Verfolgungen,  welche 
sie  seitdem  erlitten,  namentlich  aber  das  schamlose 
Treiben  der  Gründer  und  Börsianer,  die  Ausplün- 
derung des  Volkes  und  die  darauf  folgende  wirth- 
schaftliche  Krisis  sie  ausserordentlich  genährt  und 
mächtig  anwachsen  lassen.    Auf  die  Gründungsperiode 


—     307     — 

folgte  nicht  die  „Verleumdungsära",  wol  aber  folg- 
ten auf  die  Gründer  und  Schwindler  die  —  Social- 
demokraten,  und  sie  bezeichnen  die  natürliche 
Reaction. 

Obwol  das  Manchesterthum  und  der  National- 
liberalismus, zu  denen  sich  die  übergrosse  Mehrzahl 
der  Gründer  und  Börsianer  bekennt,  die  eigentliche 
Eeligion  der  Juden  bilden,  so  recrutiren  sich  doch 
aus  dem  auserwählten  Volke  auch  die  Führer  aller 
übrigen  politischen  und  socialen  Parteien.  Professor 
Stahl,  von  dem  die  Alt-Conservativen  noch  heute 
zehren,  war  ein  Semit.  Der  Grossindustrielle  und 
Grosskaufmann  Friedenthal,  der  sich  als  Häuptling 
der  Freiconservativen  auf  die  Ministerbank  schwang, 
ist  jüdischer  Abkunft.  Lasker  und  Bamberger,  die 
Anführer  der  Nationalliberalen-,  Max  Hirsch,  der  gegen- 
wärtige „König  im  socialen  Reich";  Löwe-Calbe,  der 
ehemalige  Fortschrittsmann,  der  heute  unter  den 
Schutzzöllnern  eine  Fiolle  spielt;  Sonnemann,  der 
Sprecher  der  Volkspartei;  Marx  und  Lassalle,  die 
Stifter  der  Socialdemokratie  —  sie  gehören  sämmt- 
lich  der  semitischen  Race  an.  Als  Redner  der  Arbeiter, 
als  Redacteure  der  socialistischen  Presse  wirken  mehr- 
fach Juden.  Ein  und  dieselbe  jüdische  Familie  liefert 

Agitatoren  verschiedener  Parteien,  ja  verschiedener 

20* 


—     308     — 

Nationen.  Nathan  Schlesinger,  ehemals  der  Schrecken 
der  Berliner  Bezirksvereine;  dient  jetzt  unter  Max 
Hirsch  bei  den  Gewerkvereinen-,  während  #ein  Vetter, 
Alexander  Schlesinger,  als  Reiseprediger  der  Social- 
demokraten  umherwandert.  Ludwig  Bamberger  sass 
im  Deutschen  Reichstag  und  fertigte  das  Münz-  und 
Bankgesetz  an,  während  sein  Vetter,  Karl  Bamberger, 
in  der  Französischen  Nationalversammlung  als  Preus- 
senfresser  debütirte. 

Eine  ebenso  erstaunliche  Vielseitigkeit  wie  die 
Race,  zeigt  auch  die  einzelne  Persönlichkeit.  Jüdische 
Gründer  undBanquiers  beschäftigen  sich  gleichzeitigmit 
Lösung  der  socialen  Frage.  Ludwig  Bamberger  schrieb 
nicht  nur  über  „Reichsgold"  und  die  Reichsbank,  über 
„Berlin  in  Paris"  und  das  Leben  Jesu  von  Renan  (!) 
—  er  verfasste  auch,  wie  schon  früher  erwähnt,  ein 
Buch:  „Die  Arbeiterfrage".  „Eine  sociale  Frage"  sagt 
er  in  der  „Vorbetrachtung",  existirt  vernünftigerweise 
nur  für  Den,  welcher  auch  eine  sociale  Antwort 
kennt."  Dennoch  hat  auch  Herr  Bamberger  für  seine 
„Arbeiterfrage"  keine  „Antwort",  und  das  Ergebniss 
seiner  ebenso  verworrenen  wie  langstieligen  Unter- 
suchungen ist  etwa,  dass  es  eine  Arbeiterfrage  über- 
haupt nicht  giebt,  dass  sie  nur  von  böswilligen  Leuten, 
wie  Kathedersocialisten,  Gewerkvereinlern  und  Social- 


—    309     — 

demokraten   erfunden  ist.     Ludwig  Bamberger  hat 
sich  also  die  Sache  leicht  gemacht. 

Von  ähnlicher  Beschaffenheit  ist  Herrn  Adolf 
Samter's  „Social-Lehre"  (Leipzig,  1875).  Der  gleich- 
falls jüdische  Verfasser  war  1848  Besitzer  einer  Buch- 
druckerei zu  Königsberg  i.  Pr.,  und  gab  damals  einen 
„Politischen  Monatskalender"  ä  1  Sgr.,  sowie  die 
„demokratische"  „Neue  Königsberger  Zeitung"  heraus. 
Später  wairde  er  Banquier,  und  während  der  Schwin- 
delära hat  er,  in  Verbindung  mit  den  Geheimen 
Commerzieuräthen  Moritz  Simon  und  Emil  Stephan, 
Ostpreussen  mit  einer  Menge  von  Gründungen  be- 
dacht, die  überwiegend  sehr  anstössigen  Charakters 
sind,  und  von  denen  etliche  auch  die  Staatsanwalt- 
schaft beschäftigt  haben.  Schon  1872,  mitten  in  der 
Gründungsepoche,  schrieb  er  „Die  Reform  des  Geld- 
wesens", und  nach  dem  „Krach"  entfaltete  er  eine 
reiche  schriftstellerische  Thätigkeit.  Seinem  Bildungs- 
grade nach  steht  er  auf  Einer  Stufe  mit  Wilhelm 
Oechelhäuser  (vgl.  S.  161  ff.),  seine  Bücher  sind  in 
der  Hauptsache  Lesefrüchte,  sein  philosophisch  sein 
wollender  Stil  ist  ein  ganz  unverdaulicher  Jargon. 
Schwerlich  giebt  es  einen  Menschen,  der  die  ganze 
„Social-Lchre",  25  Bogen  engen  Drucks  in  Gross- 
octav,  durchgelesen  hat;  die  meisten  werden  sich  mit 


-     310     — 

der  „Schlussbetrachtung"  begnügen,  die  3V2  Seiten 
umfasst,  und  aus  der  man  ungefähr  entnehmen  kann, 
was  der  Verfasser  denn  eigentlich  will.  Die  ersten 
10  Sätze  zusammengezogen,  würden  mit  seinen  eigenen 
Worten  also  lauten:  „Arbeit  und  ßesitzthum  gehören 
zusammen,  sie  sind  durch  das  gewaltsame  Gebahren 
der  Menschen  auseinandergerissen;  diese  Scheidung 
hat  sich  bis  auf  die  Gegenwart  erhalten,  ist  aber  mit 
der  neuen  Gesellschaftsordnung  unverträglich  und  hat 
in  derselben  zu  schwinden."  —  Herr  von  Treitschke, 
der  diese  Schrift  den  Kathedersocialisten  entgegen- 
hält (!),  meint  ganz  ernsthaft:  „Hier  wird  ein  berech- 
tigter menschenfreundlicher  Gedanke  in  irreführender 
unwissenschaftlicher  Form  ausgesprochen;  es  fehlt 
die   klare  Begrenzung,  welche   dem   Postulate   erst 

Sinn  und  Halt  giebt". Der  Autor  selber  schliesst 

folgendermaassen:  „Mit  Blut  und  Thränen  ist  das 
Leben  der  Einzelnen,  wie  der  Menschheit  getränkt, 
aber  der  ewige  Fortschritt,  der  sich  bekundet,  lässt 
die  Drangsale  zurücktreten  und  auch  die  socialen 
Leiden  der  Gegenwart  in  weniger  grellem  Lichte  er- 
scheinen." Wie  rührsam  und  erbaulich  sich  das  in 
dem  Munde  eines  Gründers  ausnimmt!  —  Herr  Adolf 
Samter  ist  endlich  auch  Mitarbeiter  der  Paul  Lindau- 
schen  „Gegenwart";  er  hat  in  derselben  kürzlich  das 


—     311     — 

Rau-Wagner'sche  Lehrbuch  der  politischen  Oekono- 
mie  recensirt,  und  hofifentlich  damit  auch  Herrn  von 
Treitschke  seine  „Wissenschaftlichkeit"  bewiesen. 

So  sehen  wir  die  vereinigten  „Liberalen",  und  vor- 
nehmlich die  „liberalen"  Juden,  auf  den  verschiedenen 
Gebieten,  in  den  verschiedensten  Rollen  und  Ver- 
wandlungen thätig;  und  jetzt  wollen  wir  uns  wieder 
zu  ihrem  eigentlichen  Werke,  zu  den  Gründungen 
wenden.  

Nach  der  Eisen-  und  Stahlindustrie  war  es  haupt- 
sächlich die  sogenannte  Textil-Industrie,  welche  die 
Gründer  anzog,  und  die  sie  durch  ihre  Unthaten 
gleichfalls  ruinirt  haben.  Von  den  zahllosen  Etablisse- 
ments, die  ihnen  hier  zum  Opfer  fielen,  behandeln 
wir  zunächst  die  Tuchfabriken  und  nennen  folgende: 

Lucken  walder  Tuch-  und  Buckskiu- Fabrik,  sonst 
C.  F.  Boenicke.  Gegründet  November  1872  von  Isitlor 
Mamroth,  Gustav  Mamroth,  Louis  Sachs  und  Maximilian  Adler 
in  Berlin,  Gustav  Boenicke,  Albert  Boenicke,  Carl  Boenicke, 
Hermann  Boenicke  und  Stadtverordneten  Heinrich  Birner  iu 
Luckenwalde.  Carl  und  Gustav  Boenicke,  die  Söhne  des  Vor- 
besitzers, übernahmen  die  Leitung.  Actiencapital  440,000 
Thaler,  December  1875  auf  406,000  Thaler  reducirt,  und 
160,000  Thaler  Hypotheken.  Zunächst  wurden  nur  220,000 
Thaler  Actien  ausgegeben,  und  als  diese  bis  etwa  125  "/o  ge- 
trieben, 220,000  Thaler  „junge  Actien"  fabricirt,  welche  wieder 
die  Gründer  zeichneten.  Letzte  Dividenden  1  "/o  und  0.  Cours 
etwa  noch  40. 


312 


Vereinigte  Lücken  walder  Tnchfabriken,  früher  Emi  seh 
&  Schlüter,  Gebr.  Münnich  &  Co.  und  Gustav  Laue. 
Gegründet  November  1872  von  Beer  &  Herzberg,  Aron  Neu- 
mann und  der  Allgemeinen  Depositenbank  in  Berlin.  Actien- 
capital  570,000  Thaler  und  ca.  75,000  Thaler  Hypotheken. 
Aufsichtsräthe  resp.  „Revisoren":  Hofrath  Moritz  Alberts, 
Hermann  Leubuscher,  Geh.  Kanzleirath  Dr.  Georg  Kurs. 
Dividenden  nie.  Juli  1875  wurde  die  Hälfte  der  Actien  ge- 
meuchelt.   Cours  ca.  2. 

Sommerfelder  Tnchfabrik,  vormals  Ad.  Martini  &  Sohn. 
Gegründet  September  1872  von  Carl  Miether,  Leo  Wollenberg, 
Julius  Sternfeld  und  Gabriel  Hermann  Michaelis  in  Berlin, 
Carl  Martini  und  Adolf  Martini  in  Sommerfeld.  Aufsichts- 
räthe: Gustav  Bath  und  Hugo  Mamroth  in  Berlin.  Actien- 
capital  900,000  Thaler  (!)  und  200,000  Thaler  Hypotheken!! 
Die  erste  Emission  betrug  nur  360,000  Thaler,  aber  schon 
nach  4  Monaten  beschloss  man  den  Zukauf  der  Fabriken  von 
Paulig  &  Sohn  und  Paulig  &  Weise,  und  fabricirte  zu  diesem 
Zweck  540,000  Thaler  neue  Actien.  Die  erste  und  einzige 
Dividende  für  das  Geschäftsjahr  von  3  Monaten  (!),  welche 
mau  auf  12  V2  %  normirte,  war  eine  blosse  Lockspeise,  um 
die  Actien  zu  treiben,  die  dann  auch  bis  130  hinaufgingen. 
Heute  ist  der  Cours  etwa  10. 

Sommerfelder  Tnchfabrik,  früher  August  Fischer 
und  Martin  Fischer.  Gegründet  September  1872  von  den 
Vorbesitzeru,  der  Börsenbank  für  Maklergeschäfte,  Hermann 
Geber  und  Consorten  in  Berlin.  Vorsitzender  des  Aufsichts- 
raths:  Julius  Pickardt  in  Berlin.  Actiencapital  400,000  Thaler 
und  100,000  Thaler  Hypotheken.  Dividenden  nie;  wiewol  der 
Prospect  llV2*^/o  vorrechnete,  und  die  Herren  Fischer  für  die 
ersten  drei  Jahre  mindestens  8^/0  garantirten.  October  1875 
wurde  die  Hälfte  der  Actien  gemeuchelt.     Cours  etwa  noch  lü. 

Neue  Sommerfelder  Tuchfabrik,  vormals  Friedrich 
Schmidt  &  Co.     Gegründet  Februar  1873  von  Hermann  Zapp 


—    313     — 

in  Frankfurt  a.  0.  und  Berlin,  Franz  Harenburg  in  Fürsten- 
walde, Hermann  Richard  Schreiber  (F.  E.  Schreiber  Söhne)  in 
Berlin,  Robert  Paulig  und  Friedrich  Weise  in  Sommerfeld. 
250,000  Thaler  Actien  und  50,000  Thaler  Hypotheken,  Divi- 
denden: 5,  2  und  P/2  %•     Ohne  Börsencours. 

Niederlausitzer  Tuchfabrik  in  Peitz,  mit  200,000 
Thaler  Actieu.  Aufsichtsrath:  A.  G.  Böttcher.  Directoren: 
Ernst  Trauschke  und  A.  Plaumann.  Dividende  pro  1874  —  4V2°/o. 
AprU  1876  in  Liquidation. 

Tuchfabrik  zu  Alt-Forst  i.  L.,  vormals  G.  Thomas. 
Gegründet  Januar  1873  von  Wilhelm  Wolff  und  Dr.  med. 
Philipp  Herzberg  in  Berlin,  Martin  Herzberg,  Carl  Thomas 
und  Friedrich  Thomas  in  Forst.  Vorstand:  der  Mitvorbe- 
sitzer  Carl  Thomas,  welcher  ein  hohes  Gehalt  bezieht.  „Erste 
Revisoren":  Alexander  Dietz  und  Albert  Tepper  in  Berlin. 
Actiencapital  340,000  Thaler  und  100,000  Thaler  Hypotheken; 
wogegen  der  wirkliche  Werth  der  Fabrik  höchstens  60,000 
Thaler  betragen  soll.  Die  Vorbesitzer,  Gebrüder  Thomas, 
garantirten  für  fünf  Jahre  eine  Dividende  von  8*^/o,  die  auch 
bis  incl.  1875  durch  Zuschüsse,  die  sie  leisteten,  ermöglicht 
wui'de,  aber  weiterhin  nicht  mehr  zu  erwarten  ist.  Unter 
solchen  Umständen  dürfte  der  Werth  der  Actien  ein  sehr 
fraglicher  sein,  und  das  Etablissement  an  Gebrüder  Thomas, 
denen  eben  jene  Hypothek  gehört,  nächstens  zurückfallen.  Die 
letzten  Generalversammlungen  waren  sehr  stürmischer  Natur. 

Tuchfabrik  Langensalza,  vormals  Graeser  Gebr.  &  Co. 
Gegründet  October  1872,  mit  600,000  Thaler  Actien  und 
100,000  Thaler  Hypotheken,  von  dem  Sächsischen  Bankverein 
in  Dresden  imd  von  Robert  Thode  &  Co.  in  Berlin  und 
Dresden.  Die  Vorbesitzer:  Heinrich,  Julius  und  Bruno  Gräser 
behielten  die  Leitung.  Aufsichtsrath:  Max  Berg  in  Göttingen, 
Franz  Jokusch  iu  Gotha,  Fr.  Hahn  in  Langensalza,  Georg 
Arnstadt  und  Fr.  Wiedemann  in  Dresden.  Die  erste  und 
einzige  Dividende  für  9  Monate  rückwärts  und  3  Monate  vor- 


—     314    — 

wärts  betrug  S^,  war  also  künstlich  gemacht.  Während  die 
Actien  gleich  mit  103  eingeführt  wurden,  stehen  sie  heute 
etwa  noch  15. 

Sächsische  Tuchfabrik,  vormals  Commerzienrath  Fedor 
Zschille  in  Grossenhain.  Gegründet  December  1871  mit 
350,000  Thaler  Actien,  wovon  Herr  Zschille  sich  150,000 
Thaler  „reservirte".  Emissionshäuser:  Julius  Alexander  und 
Gebr.  Meyer  in  Berlin.  Aufsichtsrath:  Geh.  Hofrath  Kohl  und 
Commerzienrath  Keller  in  Chemnitz,  August  Groos  in  Grossen- 
hain, Rosenkrantz  junr.  (Georg  Meusel  &  Co.)  in  Dresden, 
Ernst  Meyer  (Gebr.  Meyer)  in  Berlin,  H.  Bodemer  in  Naundorf 
bei  Grossenhain,  L.  Grossmann-Herrmann  in  Bischofswerda. 
Für  das  erste  Geschäftsjahr  von  4V2  Monaten  wurde  eine 
Dividende  von  12%  fabricirt,  und  so  die  Actien  bis  130  ge- 
trieben. 1873  entfielen  6%  1874  —  2%,  1875  und  1876  —  0. 
Der  Cours  ist  etwa  noch  20. 

Bautzener  Tuchfabrik  uud  Euustmiihle,  vormals  C.  G. 
Mörbitz.  Gegründet  März  1872  von  Günther  &  Rudolph  in 
Dresden,  mit  650,000  Thaler  Actien.  Aufsichtsrath :  Stadträthe 
Reinhardt  und  Rudolf  Heydemann,  Kaufmann  Kohl,  Carl 
Mörbitz  und  Advocat  Tietze  zu  Bautzen,  Albert  Katz  in 
Görlitz.  Letzte  Dividenden  0  und  resp.  273%.  Cours  ca.  30. 
—  Juni  1876  wurde  der  Director  Huschke  wegen  Unter- 
schlagung zu  einem  Jahr  Gefängniss,  verschiedene  andere 
Beamte  der  Gesellschaft  zu  Freiheits-  und  Geldstrafen  ver- 
urtheilt. 

Eheiuische  Tuchfabrik  in  Aachen.  Gegründet  1873 
mit  480,000  Thaler  Actien,  welche  zu  105  (!)  ausgegeben  wur- 
den, und  mit  105,000  Thaler  Hypotheken.  Vorsitzender  des 
Aufsichtsraths:  Th.  Nellessen.  1873  betrug  der  Gewinn  10,700 
Thaler,  dazu  zahlte  Jacob  Lippmann  18,000  Thaler,  und  so 
vertheilte  man  6"/o  Dividende  an  die  Actionäre.  Für  1875 
erhielten  sie  7V4%-    Cours  ? 

Aachener  Tuchfabrik,  vormals  Schöller  &  von  Alpen. 


—     315     — 

Gegründet  1873  durch  W.  von  Lockstädt  &  Resag  in  Berlin 
mit  430,000  Thaler  Actien  und  21,000  Thaler  Hypotheken. 
Directoren :  Erich  Schöller  und  Ulrich  von  Alpen.  Aufsichts- 
rath:  Commerzienrath  Robert  Schöller  (Joh.  Peter  Schöller)  in 
Düren,  C.  Mehler  (Nolten  &  Mehler),  Georg  Printz  und  Ad- 
vocat- Anwalt  Dr.  Käuffer  in  Aachen.  Die  öOprocentigen 
Interimsscheine  wurden  mit  105  aufgelegt,  was  einem  Course 
von  110  entspricht.  Dafür  hiess  es  im  Prospect:  Die  Vorbe- 
sitzer garantiren  für  fünf  Jahre  eine  Dividende  von  mindestens 
10%;  sie  gestatten,  obwoi  der  Kaufpreis  (450,000  Thaler I!) 
keineswegs  die  Taxe  erreicht,  nicht  den  geringsten  Aufschlag, 
und  tragen  sämmtliche  Gründungsunkosten  allein.  —  Schöne 
Aussichten,  aber  es  kam  anders!  Das  erste  und  einzige  Ge- 
schäftsjahr schloss  mit  108,000  Thaler  Verlust,  und  Niemand 
dachte  daran,  die  garantirte  Dividende  auszuzahlen.  Juli  1874 
wurde  von  Alpen  als  Director  entsetzt,  und  man  trat  in  Liqui- 
dation; worauf  1000  Stück  Actien  „zurückgescheukt"  sein 
sollen.  Das  Etablissement  selber  erstand  October  1875  der 
Vater  des  Mitvorbesitzers  und  Vorsitzende  des  Aufsichtsraths, 
Commerzienrath  Schöller,  der,  wie  es  scheint,  sich  nach  Frank- 
furt a.  M.  zurückgezogen  hat,  für  ganze  40,000  Thaler!  Wie 
die  Zeitungen  meldeten,  ist  die  Staatsanwaltschaft  endlich  doch 
eingeschritten. 

Hessische  Tuchfabrik  in  Wanfried  an  der  Werra.  Ge- 
gründet November  1872  mit  350,000  Thaler  Actien,  die  März 
1873  Windtaus  &  Brodtmann  an  der  Berliner  Börse  zum 
Course  von  105  einführten.  Schon  October  1873  brach  der 
Concurs  aus,  und  es  stellte  sich  nun  heraus,  dass  die  Gründer 
resp.  ersten  Zeichner  auf  das  ganze  Actiencapital  keinen 
Pfennig  eingezahlt  hatten! 

Schlesische  Tuchfabrik  Jer.  Sig.  Förster  &  Co.  in 
Grünberg;  Commandit- Gesellschaft  auf  Actien,  Gegründet 
1.  Juli  1870.  Persönlich  haftende  Gesellschafter:  Friedrich 
Förster  jun.,  August  Förster,  und  später,  als  die  Gesellschaft 


—    316    — 

thatsächlicli  schon  zahlungsunfähig  war,  Gustav  Grawitz.  Auf- 
sichtsrath:  Director  Fromberg  vom  Schlesischen  Bankverein 
und  Max  Alexander  (Gebrüder  Alexander)  in  Breslau,  Abge- 
ordneter Consul  Gustav  Müller  (G.  Müller  &  Co.),  Hermann 
Bein  und  Ignatz  Leipziger  in  Berlin.  Actiencapital  schliesslich 
2  Millionen  Thaler  und  310,000  Thaler  Hypotheken!  Die  erste 
Emission  betrug  1  Million  Thaler;  um  die  Fabrik  unausgesetzt  zu 
vergrössern,  sowie  um  andere  Etablissements  zuzukaufen,  wur- 
den November  1872,  nachdem  der  Cours  bereits  130  gewesen, 
eine  Million  Thaler  junge  Actien  fabricirt.  Für  1871  erhielten  die 
Actionäre  9V2>  für  1872 — 11%,  und  dann  nichts  mehr,  weder 
Dividende  noch  Capital.  Nicht  nur  die  Verquickung  mit  dem 
Niederschlesischen  Cassenverein,  dessen  Chef  derselbe  Fr.  Förster 
jun.  war,  sondern  auch  eigene  Verschuldigung,  masslose 
Speculation  und  grobe  Misswirthschaft,  brachten  die  Gesell- 
schaft zu  Fall.  Nach  verzweifelter  Gegenwehr  brach  October 
1875  der  Concurs  aus,  den  das  Gericht  um  6  Monate  zurück- 
datirte.  Die  angemeldeten  Forderungen  erreichten  die  Höhe 
von  12/3  Millionen  Thaler,  August  Förster,  der,  ebenso  wie 
sein  Bruder,  Friedrich  Förster,  inzwischen  wegen  Etiquetten- 
fälschimg  bestraft  worden,  und  Gustav  Grawitz  boten  den 
Gläubigern  für  je  1000  Thaler  —  IV4  Thaler  resp.  15  Groschen, 
und  das  Kreisgericht  Grünberg  bestätigte  diesen  famosen  Accord. 
Die  beiden  obern  Instanzen  dagegen  hoben  ihn  aus  Gründen 
der  öffentlichen  Ordnung  wieder  auf.  In  dem  Subhastations- 
verfahren  ging  das  ursprüngliche  Etablissement  der  Schlesi- 
schen Tuchfabrik,  auf  welchem  allein  für  den  Schlesischen  Bank- 
verein 300,000  Thaler  Grundschuldbriefe  standen,  an  diesen  für 
150,000  Thaler  fort,  welches  überhaupt  das  einzige  Gebot  war. 
Vereinigte  Bisch weiler  Tuchfabriken  im  Elsass.  Acht 
Fabriken,  deren  Besitzer  „für  die  französische  Nationalität 
optirten",  wurden  zu  einem  verhältnissmässig  sehr  billigen  Preise 
durch  Beer  &  Herzberg  in  Berlin  vorgekauft,  und  26.  August 
1872   gegründet  von  Benno  Beer  und  Commerzienrath  Louis 


—    317     — 

Pollack  in  Berlin,  Ferdinand  Schönheimer  und  Reichstagsmit- 
glied Professor  Dr.  Carl  Birnbaum  in  Leipzig  etc.  Das  Actien- 
capital  mit  1,200,000  Thaler  legten  auf  der  Schönheimer'sche 
Bankverein  in  Leipzig  und  die  Centralbank  für  Genossen- 
schaften in  Berlin  (Gustav  Thölde).  Dazu  kommen  noch 
200,000  Thaler  Hypotheken.  Im  Prospect  hiess  es:  Herr 
Scheuerle  aus  Bielitz,  „bekannt  durch  seine  geistvollen  Essays 
über  das  Wollengewerbe"  und  Herr  Winkel  aus  Düren,  bisher 
Director  der  Johann  Peter  Schöller'schen  Fabrik  daselbst, 
übernehmen  die  Leitung.  —  Aufsichtsrath :  Bürgermeister  Carl 
Weiland  in  Lambrecht  (Pfalz).  Den  unglücklichen  Actionären 
■wurden  die  Fabriken  mit  980,000  Thaler  berechnet;  doch  be- 
willigten die  Gründer  resp.  Vorkäufer  hinterher  einen  Nachlass 
von  ca.  160,000  Thalern,  weil  nämlich  der  Prospect  falsche 
Angaben  enthält.  Aus  diesem  Grunde  verweigerten  auch 
Mannheimer  Kaufleute  die  Abnahme  der  gezeichneten  Actien 
und  gewannen  ihren  Prozess  in  zwei  Instanzen.  Die  Betriebs- 
resultate waren  sehr  traurig:  1873  schloss  mit  61,000,  1874 
mit  218,000,  1875  mit  290,000  Thaler  Verlust.  Schon  1875 
strebte  man  die  Liquidation  an,  und  lud  zu  diesem  Zwecke  die 
Actionäre,  die  meistens  im  östlichen  Deutschland  sitzen,  nach 
Bischweiler  in  das  Hotel  „Zum  Ochsen".  Indess  wurde  die 
Auflösung  noch  verschoben,  und  einstweilen  die  Hälfte  der 
Actien  gemeuchelt.  Eine  Klage,  welche  die  Gesellschaft  wider 
die  Gründer  auf  Zurückerstattung  von  etwa  550,000  Thalern 
richtete,  führte  zu  einem  Vergleiche,  wonach  die  Verklagten 
ca.  66,000  Thaler  herausrückten.  Aber  auch  einzelne  Actionäre 
erhoben  solche  Ansprüche.  Meistentheils  wurden  die  Kläger, 
weil  nicht  Privatpersonen,  sondern  Geschäftsleute  und  Specu- 
lanten,  endgültig  abgewiesen-,  andere  Prozesse  dagegen  sind 
vom  Reichsoberhandelsgericht  kürzlich  zu  Ungunsten  der  Grün- 
der entschieden  und  diese  zur  Rückzahlung  von  Capital  und 
Zinsen  verurtheilt.  —  Die  zuerst  mit  10-4 — lOG  notirten  Actien 
sind  inzwischen  bis  1  Brief  gesunken. 


~     318     — 

Welchen  Nutzen  diese  Gesellschaft  geschaflFen,  und  welchen 
Segen  die  Gründungen  überhaupt  gewähren,  geht  aus  einer 
Correspondenz  hervor,  welche  die  „Karlsruher  Zeitung"  Januar 
1876  brachte,  und  die  also  lautet:  „In  dem  durch  seine  Tuch- 
fabrikation bekannten  Orte  Bischweiler  ist  nunmehr  die  seit 
längerer  Zeit  befürchtete  Calamität  der  Einstellung  der  Ar- 
beiten in  den  Spinnereien  der  „Vereinigten  Bischweiler  Tuch- 
fabriken" eingetreten  und  dadurch  eine  Zahl  von  mehreren 
Hundert  Arbeitern  brodlos  geworden.  Die  Arbeitseinstellung 
ist  um  so  bedauerlicher,  als  sie  die  Folge  eines  gewissenlosen 
Gründerschwindels  ist,  welcher  durch  aus  Altdeutschland 
herübergekommene  Speculanten  in's  Werk  gesetzt  wurde. 
Nach  den  Ereignissen  des  Krieges  verkauften  die  bisherigen 
Besitzer  der  ausgedehnten  Spinnereien  ihre  Etablissements  etc. 
an  eine  Deutsche  Gesellschaft  zu  einem  Spottpreise,  und  von 
dieser  wurden  die  Fabriken  demnächst  an  ein  Consortium  um 
einen  Preis  weiterverkauft,  der  eigentlich  von  vornherein  jedes 
Emporkommen  dieses  Industriezweiges  auch  bei  dem  besten 
Willen  der  neuen  Erwerber  unmöglich  machte.  Die  verdienst- 
losen Arbeiterfamilien  werden  gegenwärtig  theils  aus  privaten, 
theils  aus  öffentlichen  Mitteln  unterstützt,  und  ist  wenigstens 
für  den  Augenblick  der  drückendsten  Noth  vorgebeugt.  Der 
früher  so  betriebsame  Ort  mit  mehr  als  1300  Wohnhäusern, 
welcher  noch  im  Jahre  1871  mit  9200  Seelen  bevölkert  war, 
ist  jetzt  öde  und  still  und  hat  alle  Aussicht,  in  nächster  Zeit 
auf  die  Hälfte   der   früheren  Einwohnerzahl    herabzusinken." 

Nach  einer  Mittheilung  des  „Berliner  Börsen-Courier" 
soll  endlich  der  Staatsanwalt  eingeschritten  sein  und  gegen 
die  Gründer  die  Voruntersuchung  beantragt  haben. 

Berliner  Velvetfabrik*  Gegründet  Mai  1873,  mit  650,000 
Thaler  Actien  und  200,000  Thaler  Hypotheken,  von  Eugen 
Dzondi  (Robert  Thode  &  Co.),  Gustav  Noah,  Adolf  Gans, 
Martin  Mengers  und  Ingenieur  Friedrich  Carl  Glaser  in  Berlin. 
Dividenden  nie.    An  der  Börse  werden  die  Actien  nicht  notirt. 


—     319     — 

Die  Berliner  Velvetfabrik  ist  eine  verspätete  Gründung,  die 
gerade  in  den  Tagen  des  „Grossen  Krachs"  zur  Welt  kam, 
und  eine  natürliche  Tochter  der  ßanbank  Metropole  in 
Berlin.  Diese,  ihre  Mutter,  wurde  acht  Monate  früher  (October 
1872)  geboren,  und  waren  die  Gründer:  Julius  Samelson 
(Samelson  und  Sackur),  Louis  Feig,  Louis  Landsberger,  Gustav 
Koah,  Eduard  Neisser,  Albert  Neisser,  Baumeister  Nicolas 
Becker  und  Stadtverordneter  Leopold  Ullstein  in  Berlin,  welche 
die  Jungfer  „Metropole"  mit  500,000  Thaler  Actien  und 
200,000  Thaler  Hypotheken  ausstatteten.  Als  Aufsichtsräthe 
fungirten  die  vielgenannten  Herren  Hermann  Gratweil  und 
Julius  Pickardt;  und  Director  wurde  Ernst  Räb,  der  sich  als- 
bald einen  Namen  erwarb.  Er  war  gebildet  in  einem  Schulze- 
Delitzsch'schen  Consum- Verein ,  und  dann  Geschäftsführer  bei 
Franz  Duncker,  mit  welchem  zusammen  er  das  „Sountagsblatt", 
die  belletristische  Beilage  zur  „Volkszeitung"  herausgab.  In 
dieser  Stellung  lernte  er  Herrn  Ullstein  kennen,  der  dem  „Organ 
für  Jedermann"  das  Papier  lieferte,  und  auf  Herrn  Ullstein's 
Empfehlung,  der  sein  Talent  erprobt  hatte,  ward  er  zum 
Director  der  „Metropole"  ernannt.  „Metropole"  ging  mit 
grossem  Geräusch  in  Scene  und  machte,  noch  kurz  vor  dem 
Krach,  ausserordentliches  Glück.  Ihre  40procentigen  Interims- 
scheine stiegen  bis  fast  150,  was  einem  Course  von  225  ent- 
spricht, und  die  Gründer  strichen  schmunzelnd  das  kolossale 
Agio  ein. 

Die  Errungenschaften  seiner  Principale  Hessen  Herrn  Räb 
nicht  schlafen,  und  er  begann  ihnen  nachzueifern.  Schon  früher 
hatte  er  mit  einigem  Erfolg  in  Häusern  speculirt,  nun  speculirte 
er  an  der  Börse,  aber  leider  auch  in  Actien  der  „Metropole", 
und  zum  grossen  Theil  mit  fremdem  Gelde,  das  er  Verwandten, 
Bekannten  und  der  eigenen  Bank  entnahm.  Der  „Krach" 
machte  durch  seine  Speculationen  einen  dicken  Strich,  er 
fühlte  sich  auf  der  Villa,  die  er  sich  vor  den  Thoren  Berlin's 
erbaut  hatte,  nicht  mehr  behaglich  und  zog  sich  nach  Amerika 


—     320     — 

zurück.  „Metropole"  verlor  an  ihm  eine  runde  Summe,  und 
zu  den  vielen  Personen,  die  er  sonst  geschädigt  hatte,  soll 
auch  Franz  Duncker  gehören.  Existenzen  wie  Ernst  Räb 
schössen  in  der  Schwindelperiode  gleich  Pilzen  herauf,  und. 
sie  sind  das  nothwendige  Product  derselben.  Solche  Unter- 
schlagungen und  Diebstähle,  Seitens  der  Directoren,  Cassirer, 
Commis,  Boten  etc.  waren  bei  den  Actiengesellschaften  fast 
die  Regel,  denn  das  Gut  der  Actionäre  galt  für  herrenlos,  und 
jene  Beamten  thaten  nur  im  Kleinen,  was  die  Gründer  im 
Grossen  machten. 

Ernst  Räb  ist  in  Schimpf  und  Schande  verschollen,  aber 
sein  Protector,  Herr  Leopold  Ullstein,  lebt  als  reicher  Mann 
auf  seiner  Villa  im  Thiergarten  und  geniesset  aller  Ehren. 
Nachdem  er  u.  A.  Bauverein  Friedrichshain  und  Baubank 
Metropole,  Berliner  Papierfabrik  und  die  Modenzeitung  „Bazar" 
gegründet  hatte;  nachdem  die  bösen  Tage  des  Grossen  Krachs 
und  der  schweren  Krisis  gekommen  waren,  richtete  Herr 
Ullstein  unterm  28.  Juni  1874  ein  Schreiben  an  den  Handels- 
richter, worin  er  sagt:  Ich  habe  mich  entschlossen,  meine  Be- 
theiligung an  den  verschiedenen  Actiengesellschaften  aufzu- 
geben. —  Seitdem  lebte  Leopold  Ullstein  nur  noch  dem 
öffentlichen  Wohl;  in  der  Berliner  Stadtverordnetenversamm- 
lung ,  deren  einflussreiches  und  beredtes  Mitglied  er  ^war, 
kämpfte  er  wacker  für  die  Interessen  der  Bürgerschaft, 
und  sah  bei  allen  Ausgaben  und  Forderungen  dem  splendiden 
Magistrat  scharf  auf  die  Finger.  Sehr  gleichgültig  ist  es 
ihm  dagegen,  dass  die  Vollactie  der  „Metropole"  heute  etwa 
8  Brief  steht,  und  dass  Berliner  Papierfabrik  im  Courszettel 
seit  längerer  Zeit  mit  zwei  inhaltsschweren Gedanken- 
strichen notirt  wird.  Als  jedoch  bei  den  letzten  Neuwahlen  zur 
Stadtverordnetenversammlung  hin  und  wieder  die  gründerische 
Vergangenheit  der  Candidaten  untersucht  wurde,  erhob  sich 
gegen  Herrn  Leopold  Ullstein  eine  sehr  heftige  Opposition, 
und  er  erhielt,  trotz  aller  Anstrengungen,  kein  Mandat  mehr. 


—    321     — 

Metropole  besass  von  den  Actien  der  von  ihr  mitgegründeten 
Berliner  Velvetfabrik  mehr  als  die  Hälfte,  ganze  350,000 
Thaler,  und  dieser  grosse  Posten  lag  ihr  wie  ein  Stein  im 
Magen,  bis  es  ihr  im  Herbst  1876  gelang,  sich  des  Ballastes 
zu  entledigen. 

Grünberg  i.  Schi.;  ein  Städtchen  von  etwa  12,000 
Einwohnern,  ist  von  altersher  durch  seinen  Weinbau 
bekannt,  und  hat  neuerdings  noch  einen  andern  Ruf 
erlangt.  Während  der  Schwindelperiode  trat  hier 
verhältnissmässig  eine  Unmenge  von  Gründungen  in's 
Leben,  und  alle  diese  Gründungen  waren  das  Werk 
eines  einzigen  Mannes,  des  Kaufmanns  Friedrich 
Förster  jun.,  der  damals  den  Titel  „Commerzien- 
rath"  erhielt. 

Seit  fast  100  Jahren  bestand  die  Firma  Jer.  Sig. 
Förster,  welche  Tuchfabrikation  und  Tuchhandel  be- 
trieb. Es  ist  mehrfach  behauptet  worden,  dieselbe 
sei  schon  1857  bankerott  gewesen;  thatsächlich  hat 
sie  damals  und  später  nicht  unbedeutende  finanzielle 
Schwierigkeiten  zu  überwinden  gehabt.  Trotzdem 
stand  die  Familie  Förster  in  hohem  Ansehen  und 
übte  in  Grünberg  und  Umgegend  einen  grossen  Ein- 
fluss.  Mai  1870  zog  sich  der  Chef,  Geheime  Commer- 
zienrath  Förster,  theilweise  vom  Geschäft  zurück,  die 
Tuclifabrik  ward  in  eine  Commanditgcsellschaft  auf 
Actien  verwandelt,  und  als  persönlich  haftende  Ge- 

Glagan,  Der  Börsonschwindel.  11.  21 


—     322     — 

sellschafter  derselben  traten  die  beiden  Söhne,  Fried- 
rich und  August  Förster  ein.  März  1871  wurde  auch 
der  schon  früher  begründete  Niederschlesische 
Cassenverein  in  eine  Commanditgesellschaft  auf  Actien 
mngeschaffen,  und  persönlich  haftender  Gesellschafter 
war  gleichfalls  Friedrich  Förster.  Er  war  drittens 
nun  auch  Mitgesellschafter  der  alten  Firma  Jer.  Sig. 
Förster,  die  merkwürdigerweise  bestehen  blieb,  und, 
wie  es  scheint,  nur  zu  dem  Zweck,  um  ihm  bei  seinen 
unendlichen  Finanz-  und  Wechseloperationen  zu  dienen. 
Friedrich  Förster  jun.  wollte  Grünberg  durchaus 
zur  „Weltstadt"  oder  doch  wenigstens  zu  einer  In- 
dustriestadt ersten  Ranges  erheben,  und  so  gründete 
er  -ein  Dutzend  Gesellschaften,  die  zum  Theil  ein- 
ander Concurrenz  machten,  wie  die  verschiedenen 
Tuchfabriken,  zum  Theil  für  das  Städtchen  sehr  über- 
flüssig waren,  wie  der  Actienbauverein  und  die  Omni- 
busgesellschaft. „Gegen  den  Schaffens-  und  Schöpfungs- 
drang des  Commerzienraths  Förster  anzukämpfen, 
war  fast  unmöglich",  sagt  einer  seiner  Mitarbeiter, 
Herr  Carl  Triepel,  Procurist  des  Nieder schlesischen 
Cassenverein,  in  einer  Brochure.  „Aus  einer  Idee 
entsprang  die  andere;  ein  Unternehmen  rief  das  andere 
hervor,  und  ehe  man  recht  wusste,  wie  es  zugegangen, 
war  der  Cassenverein  bei  jedem  derselben  engagirt." 


—     323     — 

—  Und  an  einer  andern  Stelle:  „Man  trieb  in  Grün- 
berg einen  förmlichen  Förster-Cultus.  Die  Ansicht, 
•  dass  jedes  Unternehmen  des  Commerzienrath  Fried- 
rich Förster  prosperiren  müsse,  galt  in  Grünberg 
gewissermaassen  als  Dogma,  und  Jeder  würde  ver- 
ketzert worden  sein,  der  nicht  an  dasselbe  geglaubt 
hätte".  Und  dann  wieder,  als  er  von  gewissen  Con- 
currenzgründungen  und  der  masslosen  Ausdehnung 
der  Geschäfte  spricht:  „In  der  That,  wenn  man  sich 
heute  mit  kaltem  Verstände  diese  Widersprüche  klar 
macht,  muss  man  bekennen,  dass  man  damals,  wie 
alle  Anderen,  als  Sehender  blind  und  als  Nüchterner 
berauscht  gewesen  sein  muss."  —  —  Herr  Triepcl, 
obgleich  ein  grosser  Bewunderer  Fr.  Förster's,  und 
bei  dessen  Gründungen  vielfach  „betheiligt",  muss 
doch  zugeben:  „Die  Hauptursache  des  Zusammen- 
bruchs der  Förster'schen  Unternehmungen  liegt  in 
•der  übertriebenen  Ausdehnung  derselben.  Ihr  Schöpfer 
wollte  mit  verhältnissmässig  geringem  Capital  das- 
selbe erreichen,  was  sonst  nur  einer  Capitalmacht 
ersten  Ranges  möglich  ist.  Die  gleichzeitige  Stellung 
des  Commerzienraths  Friedrich  Förster,  als  persön- 
lich haftender  Gesellschafter  der  Tuchfabrik  und  des 
Cassenverein,  sowie  als  Chef  der  Firma  Jer.  Sig. 
Förster,  musste  zu  argen  Verwickelungen,  zur  ver- 

21* 


—     324     — 

derblichen   Verschmelzung   der   entgegenstehendsten 
Interessen  führen." 

Als  Chef  dieser  drei  Firmen,  die  sich  gegenseitig 
auf  das  Bereitwilligste  mit  Accepten  und  Giros  unter- 
stützten, fabricirte  Fr.  Förster  ununterbrochen  Wechsel, 
die  zusammen  sich  auf  Millionen  Thaler  beliefen,  war 
er  unermüdlich  in  Gründungen,  Consortialbetheili- 
gungen  und  Börsenoperationen.  Fast  bei  allen  Ge- 
sellschaften, die  er  ausbrütete  oder  „finanziirte",  war 
er  wieder  selber  als  erster  Zeichner,  Vorstand  oder 
Aufsichtsrath  betheiligt,  oder  er  war  mit  den  Vor- 
ständen, Aufsichtsräthen  etc.  verwandt  oder  verschwä- 
gert, oder  er  machte  mit  diesen  persönlich  Geschäfte,, 
die  stets  zum  Unheil  der  von  ihm  geleiteten  Institute 
ausschlugen.  Er  speculirte  in  Actien  der  eigenen 
Gesellschaften,  die  er,  um  den  Cours  zu  treiben  oder 
zu  halten,  für  eigene  Rechnung  in  grossen  Posten 
aufkaufte;  er  liess  die  Procuristen  und  Beamten  des 
Cassenverein  und  der  Tuchfabrik  speculiren;  er  be- 
fasste  sich  mit  Speculationen  und  Operationen,  die 
weitab  seines  eigentlichen  Wirkungskreises  lagen, 
aber  gar  direct  gegen  seine  Stellung  und  seine  Pflichten 
verstiessen,  weshalb  er  auch  im  Geschäftsbericht  von 
1872  das  Gegentheil  versicherte.  So  finanziirte  er 
die  Thonwaaren-  und  Chamottefabrik  von  Tiedemann, 


—     325    — 

Runge  &  Co.  in  Charlottenburg,  blos  weil  Frau  Tiede- 
mann  eine  geborene  Grünbergerin  war;  und  gewährte 
einem  Herrn  von  Lepel,  Aufsichtsrath  des  Cassen- 
vereins,  einen  Credit  zum  Ankauf  des  Schlosses  Schön- 
holz bei  Berlin;  zwei  Geschäfte,  welche  dem  Cassen- 
verein  über  200,000  Thaler  kosteten.  So  bildete  er 
November  1872  mit  demselben  Herrn  von  Lepel  ein 
Consortium  zur  Uebernahme  von  500,000  Thaler 
junger  Actien  der  Schlesischen  Tuchfabrik.  Das  Con- 
sortium kaufte  alle  Stücke,  die  zu  Markt  kamen, 
zum  Durchschnittspreise  von  124  auf,  bis  es  endlich 
wahrnahm,  dass  nicht  das  Publikum,  sondern  die 
eigenen  Aufsichtsräthe  der  Tuclifabrik  die  Haupt- 
verkäufer waren,  denen  also  Herr  Förster  wider  Willen 
die  neuen  Actien  mit  einem  Agio  von  24%  abnahm. 
Ein  neues  Beispiel,  wie  der  Christ  stets  von  den  Juden 
„geleimt"  wird;  und  ein  Beweis,  dass  bei  Lichte  be- 
sehen, der  geniale  Herr  Fr.  Förster  jun.  seiner  Stellung 
eigentlich  gar  nicht  gewachsen  war. 

Die  Aufsichtsräthe  des  Cassenverein,  zum  Theil 
Verwandte  und  gute  Freunde,  machten  ihm  keine 
Schwierigkeiten;  sie  kamen  nur,  wenn  Fr.  Förster  sie 
einlud,  und  sie  begnügten  sich  mit  dem,  was  er  ihnen 
mittheilte.  Die  Aufsichtsräthe  der  Tuchfabrik  waren 
ebenso  nachsichtig,  und  mehr  auf  ihren  persönlichen 


—     326     — 

Vortheil  als  auf  den  der  Gesellschaft  bedacht.  Zwei 
derselben  nöthigten,  wie  Herr  Triepel  erzählt,  die 
Tuchfabrik  zum  Ankauf  der  Etablissements  von  Geb- 
hard  &  Wirth  in  Sorau,  die  sie  selber  ursprünglich 
zum  Zwecke  einer  Gründung  erworben  hatten,  nun 
aber,  da  die  Schwindelperiode  zu  Ende  ging,  wieder 
los  sein  wollten.  Vergeblich  sträubte  sich  Fr.  Förster, 
weil  er  mit  Recht  fürchtete,  die  Mittel  der  Tuch- 
fabrik sehr  zu  schwächen:  die  beiden  Herren  besei- 
tigten seine  Weigerung,  indem  sie  gelobten,  ihn  nicht 
in  Verlegenheit  kommen  zu  lassen.  Selbstverständ- 
lich vergassen  sie  ihre  Zusage,  und  einer  von  ihnen 
der  „Chef  eines  grossen  Schlesischen  Bankinstituts", 
zwang  die  Tuchfabrik  sogar,  ihm  zur  Sicherstellung 
seiner  Forderung  eine  Hypothek  von  300,000  Thaler 
zu  bestellen.  Kaum  hatte  er  diese  in  Händen,  als 
er  die  Tratten  der  Tuchfabrik  unter  Protest  zurück- 
gehen Hess,  und  dadurch  den  ersten  Anstoss  zum  Fall 
der  Gesellschaft  gab.  Derselbe  „Aufsichtsrath"  be- 
hielt später  eine  Rimesse  von  8000  Pfund  Sterling 
widerrechtlich  ein,  und  als  Fr.  Förster  den  Casus 
zur  Sprache  bringen  wollte,  drohte  man  ihm:  „man 
werde  ihn  und  seine  Familie  zertreten,  wenn  er  ein 
Wort  über  diese  Sache  verliere".  Derselbe  „Auf- 
sichtsrath"  erstand    schliesslich    das    ursprüngliche 


—     327     — 

Etablissement  der  Tuchfabrik  für  das  von  ihm  gelei- 
tete „grosse  Schlesisclie  Bankinstitut"  um  150,000 
Thaler,  während  auf  jenem  Etablissement  für  dieses 
Bankinstitut  300,000  Thaler  Grundschuldbriefe  ein- 
getragen waren. 

Folgendes  sind  nun  die  Fr.  Förster'schen  „Schöpfun- 
gen", wie  Herr  Triepel  sie  nennt: 

1)  Vereinsfabrik  Fallier,  Tuchfabrik  in  Grünberg. 
„Geschäftsfülirende  Gesellschafter":  Friedrich  Förster  jun. 
und  Emil  Paulig.  Hatte  bei  nur  20,000  Thaler  Einzahlung, 
500,000  Thaler  Schulden  contrahirtü 

2)  Züllichauer  Vereinsfabrik,  Tuchfabrik.  „Ge- 
schäftsführende Gesellschafter":  Friedrich  Förster  jun.  und 
August  Förster.  Hatte  250,000  Thaler  gekostet,  und  ist  in  der 
Liquidation  für  53,000  Thaler  fortgegangen. 

3)  Saganer  Vereinsfabrik,  Tuchfabrik.  Actiencapital 
150,000  Thaler,  hauptsächlich  von  Fr.  Förster  jun.  gezeichnet. 
Kostet  dem  Cassenverein  einen  Verlust  von  ca.  100,000  Thalern. 

4)  Schlesische  Tuchfabrik  in  Grünberg  (S.  315).  Per- 
sönlich haftende  Gesellschafter:  Fr.  I'örster  jun.  und  August 
Förster.  2  Millionen  Thaler  Actien,  welche  einst  130  notirten 
und  jetzt  werthlos  sind.  Dazu  etwa  1"3  Million  Thaler 
Schulden. 

5)  Niederschlesischer  Cassenverein  in  Grünberg. 
Persönlich  haftender  Gesellschafter:  Fr.  Förster  jun.  Directoren 
resp.  Procuristen:  G.  von  Buchholtz  (Schwager  von  Förster), 
Carl  Triepel  etc.  Verwaltungsrath:  August  Förster,  Robert 
Eichmann  (Schwager  von  Förster),  Martin  Sommerfeld,  Emil 
Paulig,  Fr.  Ratsch,  Ed.  Seidel,  Sigismund  S.  Abraham. 
1  Million  Thaler  Actien,  welche  einst  über  130  standen,  sind 
werthlos.    Unter  den   ersten  Zeichnern  befinden  sich:  Louis 


—     328     — 

Grossmann  (Schwager  von  Förster)  und  A.  von  Lepel  in  Berlin. 
Februar  1873  beschloss  man  1  Million  Thaler  neue  Actien 
auszugeben,  was  der  Krach  glücklicherweise  verhinderte.  Bei 
der  Zahlungseinstellung  im  November  1873  waren  über 
1  Million  Thaler  Schulden  vorhanden. 

6)  Wollwaschanstalt  von  Grossmann,  Stephan  &  Co.  in 
Grünberg  mit  120,000  Thaler  Capital,  von  welchem  der  Cassen- 
verein  etwa  die  Hälfte  verloren  hat. 

7)  Rothenburger  Wollwasch-Anstalt  Despa  &  Co. 
Begann  schon  wenige  Monate  nach  der  Gründung  zu  schwanken 
und  kostet  dem  Cassenverein  und  der  Tuchfabrik  gleichfalls 
Verluste. 

8)  Thonwaaren-  und  Chamottefabrik  von  Tiedemann, 
Runge  &  Co.  in  Charlottenburg.  Gerieth  in  Concurs  und 
brachte  dem  Cassenverein  eine  Einbusse  von  170,000  Thalern. 

9)  Grünberger  Baufabrik  von  Rudolf  Veit.  „Stiller 
Theilnehmer":  Fr.  Förster  jun.  Gerieth  in  Concurs  und  kostet 
dem  Cassenverein  einen  Verlust  von  etwa  130,000  Thalern. 

10)  Grünberger  Baugesellschaft.  Verwaltungsrath : 
Friedrich  Förster  jun.  Actiencapital  100,000  Thaler,  welches 
zum  grössten  Theil  verloren  ist. 

11)  Grünberger  Bierbrauerei  und  Spritfabrik. 
Actiencapital  150,000  Thaler.     Gerieth  in  Concurs. 

12)  Omnibus-  und  Dro  schken- Verein  in  Grünberg, 
mit  25,000  Thaler  Capital,  das  hauptsächlich  von  Fr.  Förster 
jun.  gezeichnet,  und  zum  grössten  Theil  verloren  ist. 

13)  Niederschlesische  Maschiuenbauanstalt  in 
Grüuberg  und  Görlitz  (S.  88).  Verwaltungsrath:  Friedrich 
Förster  jun.,  Louis  Grossmann  (Schwager  von  Förster),  Carl 
Triepel,  Conrad  Schiedt  etc.  Actiencapital  500,000  Thaler, 
zum  grössten  Theil  von  der  Familie  Förster,  von  Carl  Triepel 
und  A.  von  Lepel  gezeichnet.     Gerieth  in  Concurs. 


—    329    — 

Friedrich  Förster  jun.  galt  als  die  Vorsehung,  als  der 
Wohlthätcr  Grünberg's,  und  selbst  nachdem  Tausende 
durch  ihn  unglücklich  geworden,  gab  es  dort  Leute, 
die  fortfuhren,  ihm  und  seiner  Familie  Ovationen 
darzubringen*),  die  noch  heute  behaupten,  er  sei  nur 
der  Rachsucht  eines  „persönlichen  Feindes"  zum  Opfer 
gefallen.  Im  Mai  1873  hatte  Wien,  im  November 
desselben  Jahres  Grünberg  seinen  „Krach".  800  Per- 
sonen aus  Stadt  und  Umgegend,  meistens  kleine  Hand- 
werker, Häusler,  Kutscher,  Wittwen,  uuverheirathete 
Frauenzimmer,  belagerten  das  Gebäude  des  Cassen- 
vereins,  wo  sie  ihre  langjährigen,  sauer  erworbenen 
Sparpfennige  angelegt  hatten.  Die  Einschüsse,  oft 
nur  100,  25  oder  20  Thaler,  beliefen  sich  zusammen 
auf  650,000  Thaler,  von  denen  die  Hälfte,  weil  ohne 
jede  Deckung,  gänzlich  ausfallen  wird.  „Zu  spät, 
sagt  Herr  Triepel,  machte  man  die  Erfahrung,  wie 
gefährlich  gerade  derartige  verzinsliche  Einlagen 
werden  können,  wenn  man  dieselben  zur  Unterstützung 
der  Industrie  verwendet."  Er  meint,  gefährlich  für 
das  Bankinstitut;  aber  doch  wol  noch  gefährlicher 
für  die  armen  vertrauensseligen  Einleger! 


*)  August  Förster,  obwol  im  Concurse  befindlich  und  wegen 
Etiquettenfälschung  bestraft,  wurde  zum  Mitglied  der  Grün- 
berger  Handelskammer  erwählt! 


—     330     — 

Der  leidenschaftliche  Gründer  und  Speculant  Fried- 
rich Förster  jun.  heisst  jetzt  im  Volksraunde  der 
^jActien-Fritze".  Aber  man  kann  ihn  auch  den  „Quistorp 
Grünberg's"  nennen,  denn  er  zeigt  mit  dem  Berliner 
Quistorp  eine  grosse  Wahlverwandtschaft.  Auch  er 
war  bei  all'  seinen  „Schöpfungen"  mehr  oder  weniger 
persönlich  „betheiligt",  und  er  hatte  sie  alle  zu  einem 
unentwirrbaren  Rattenkönig  verknotet,  so  dass  schliess- 
lich immer  eine  Gesellschaft  die  andere  in  den  Con- 
curs  riss.  Auch  er  hat  namenloses  Unheil  angerichtet, 
einen  ganzen  Landstrich  ausgeplündert.  Selbst  Herr 
Triepel  sagt,  dass  um  dieses  Einen  Mannes  willen, 
„eine  Menge  grosser  und  kleiner  Firmen  ihre  Zahlungen 
haben  einstellen  müssen,  und  die  jüngst  noch  blühende 
Industrie  Grünberg's  auf  Jahre  hinaus  vernichtet,  der 
Wohlstand  seiner  Bürger  aber  total  untergraben  ist". 

Eine  Anzahl  der  betrogenen  Einleger  hat  sich 
zusammengethan,  um  die  Aufsichtsräthe,  sowie  den 
spätem  Liquidator  des  Cassenverein ,  August  Lübke 
in  Berlin,  im  Wege  des  Prozesses  für  ihre  Verluste 
verantwortlich  zu  macheu.  Im  Laufe  des  Jahres 
1876  ist  auch  die  Staatsanwaltschaft  wegen  verschiede- 
ner Fr.  Förster'scher  „Schöpfungen''  eingeschritten,  doch 
verlautet  nichts  über  das  Resultat  der  Massnahmen. 


—     331     — 

"Wir   kommen    zu   den    übrigen   Webereien    und 

Spinnereien: 

Berliner  Kaming'aru  -  Spinnerei ,  vormals  Friedrich 
ChristianWinckelmann  und  Carl  Heinrich  Ludwig  Schwendy. 
Gegründet  1.  November  1871,  mit  480,000  Thaler  Actien  und 
150,000  Thir.  Hypotheken,  von  Max  Geim  und  Louis  Löwenherz 
(Berliner  Wechslerbank),  Julius  Guttentag  (Gebr.  Guttentag, 
Louis  Liepmann  (David  Liepmann),  Gustav  Frenkel  und  dem 
Vorbesitzer  Fr.  Chr.  Winckelmann  in  Berlin.  Directoren: 
Arthur  Winckelmann  und  Clemens  Winckelmann.  Aufsichts- 
räthe  u.  A. :  Hermann  Reimann  (F.  W.  Reimann),  Gustav 
Frenzel,  Julius  Liepmann  und  Commerzienrath  Hermann 
Egells  in  Berlin.  Die  erste  und  einzige  Dividende  für  das  um 
10  Monate  zurückgeschrobene  Geschäftsjahr  betrug  TVs  %. 
Cours  Ende  1876  etwa  10. 

Danneuberger'sche  Kattnufabrikeu,  vormals  Benjamin, 
Louis  und  Georg  Liebermann  in  Berlin.  Gegründet  October 
1872  von  der  Preuss.  Boden-Credit-Actienbank  und  ihrer 
Tochter,  der  Preuss.  Credit-Austalt  (Richard  Schweder  und 
Landrath  a.  D.  Alfred  Jachmann),  von  Geh.  Commerzienrath 
Benjamin  Liebermann,  Kammerherrn  Louis  von  Prillwitz  und 
dem  Abgeordneten,  Geh.  Oberregierungsrath  und  Director  des 
Königl.  Preuss.  Statistischen  Bureaus,  Dr.  Ernst  Engel  in 
Berlin.  Vorstand:  Chemiker  Nicolaus  Heinrich  Schilfert.  Der 
angebliche  Uebernahmepreis  war  2V2  Millionen  Thaler  (!), 
ohne  die  Kupferwalzen  und  die  Vorräthe,  welche 
extra  bezahlt  wurden!!  Actiencapital  2,900,000  Thaler 
und  500,000  Thaler  Hypotheken!!!    Herr  Engel  hat  50,000 

Thaler  Actien  gezeichnet. Die  Vorbesitzer  Liebermann 

übernahmen  850,000  Thaler  Actien  und  zahlten  an  die  Gesell- 
schaft 70,000  Thaler  als  angeblichen  Gewinn  pro  IV.  Quartal 
1872  herauB.  Eine  Lockspeise  für  die  unglücklichen  Actionäre! 
Die  Gründung  war  so  grausam,  dass  Herr  Richard  Schweder 


—     332     — 

die  Einführung  der  Actien  an  der  Börse  bis  zum  März 
1873  verzögerte,  wo  es  nun  einen  argen  Scandal  gab,  bei 
•welchem  der  Procurist  der  Preuss.  Boden-Credit-Actienbank 
und  der  Adjutant  Schweder's,  Herr  Wilhelm  (Wolf)  Paradies 
in  grosse  Gefahr  gerieth  und  sich  nur  durch  eilige  Flucht 
errettete.  Die  Israeliten,  welche  Schweder  mit  „Cattun"  „be- 
theiligt" hatte,  und  die  jetzt  „Cattun"  „abnehmen"  sollten, 
geriethen,  ob  des  ihnen  drohenden  Verlustes  in  eine  Ber- 
serkerwuth,  denn  es  lag  hier  der  eigenthümliche  Fall  vor, 
dass  die  Juden  sich  untereinander  betrogen  hatten.  Eine 
ganze  Reihe  der  Biedermänner  Hess  sich  auf  Abnahme  des 
„Cattun"  verklagen,  und  einige  gewannen  auch  den  Prozess, 
wegen  der  bei  der  Gründung  vorgekommenen  „Unlauterkeiten". 

Unter  Andern  hatte  ein  Stuttgarter  Bankhaus  10,000 
Thaler  Actien  cousortialiter  zum  Course  von  92  gezeichnet, 
und  darauf  1000  Thaler  angezahlt.  Als  es,  nach  dem  Fiasco 
an  der  Berliner  Börse,  9600  Thaler  abnehmen  sollte,  ver- 
weigerte es  solches,  und  Herr  Schweder  liess  die  Actien  durch 
einen  Makler  verauktioniren,  der  dafür  nur  40^/4  %  erzielte. 
Nun  wurde  gegen  das  Stuttgarter  Bankhaus  auf  Erstattung 
von  4447  Thaler  geklagt,  aber  die  Klage  abgewiesen,  weil  die 
Preussische  Boden-Credit-Actien-Bank  stets  nur  das  Actien- 
capital  mit  2,000.000  Thaler  bezeichnet  hatte,  während  es  in 
Wirklichkeit  2,900,000  Thaler  betrug.  Der  Richter  stellte  fest, 
dass  die  Bank  dolose  gehandelt,  und  Herr  Richard  Schweder 
wurde  in  drei  Instanzen  auch  noch  zur  Zurückzahlung  der 
abschläglich  erhaltenen  1000  Thaler  verurtheilt. 

Das  erste  Geschäftsjahr  ergab,  hauptsächlich  durch  den 
Zuschuss  der  obigen  70,000  Thaler,  eine  Dividende  von  67o> 
und  für  den  Vorstand  4600  Thaler  Tantieme!  Für  1874  erhiel- 
ten die  Actionäre  1  %,  für  1875  und  1876  —  0.    Cours  noch  ca.  15. 

Societe  d'impression  alsacienne,  Stoffdruckerei,  vormals 
Frank  und  Boeringerzu  Mühlhausen  im  Elsass.  Gegründet 
März    1873   mit    1   Million  Thaler   Actiencapital,    von   Hugo 


—     333     — 

Hermann  Bodstein,  Hirsch  Beer  sen.,  Georg  Boer  und  Rudolf 
Molenaar  in  Berlin,  Heinrich  Alexander  in  Hamburg  etc.  Be- 
triebs-Resultate sind  nicht  veröffentlicht.  Ohne  Börsencours. 
Schlesisclie  Wollwaareuf abrik ,  vormals  Joseph  Beer 
seelige  Wittwe  in  Liegnitz.  Gegründet  Januar  1872  von 
den  Vorbesitzern  Beer,  von  Hermann  Geber,  Rauff  &  Knorr 
in  Berlin,  Ferd.  Schönheimer  in  Leipzig  etc.  Actiencapital 
530,000  Thaler.  Aufsichtsrath:  Hermann  Leubuscher,  Moritz 
INIichels,  Julius  Pickardt  und  Ed.  Herzberg  in  Berlin,  Max 
Beer  in  Liegnitz,  Dr.  Salo  Feige  in  Breslau.  Director:  Feodor 
Beer.  Im  Prospect  stellten  die  Vorbesitzer  eine  Dividende 
von  15  bis  20%  in  Aussicht,  uud  garantirten  für  drei  Jahre 
8%*,  erfüllten  diese  Garantie  aber  nur  im  ersten  Jahr,  ver- 
weigerten weitere  Zahlungen  und  Hessen  sich,  mit  Hülfe  der 
übrigen  Gründer,  gegen  eine  Abfindung  von  10,000  Thalern 
lossprechen.  Einzelne  Actionäre  strengten  die  Klage  an, 
drangen  aber  nicht  durch.  Das  Stadtgericht  Berlin  wies  sie, 
als  sum  Prozesse  nicht  legitimirt,  einfach  ab.  Das  Kreis- 
gericht Liegnitz  dagegen  verurtheilte  die  Verklagten,  welche 
den  gewöhnlichen  Einwand  der  Gründer  erhoben:  der  Prospect 
sei  ohne  ihr  Wissen  und  ohne  ihre  Zustimmung  erlassen  — 
zur  Zahlung,  falls  sie  diese  ihre  Behauptung  nicht  eidlich  er- 
härteten. „Die  Generalversammlung  ist  nur  Organ  der  Actien- 
gesellschaft  als  solcher",  führte  der  erste  Richter  aus,  „nicht 
der  einzelnen  Actionäre  in  ihrem  Gegensatz  zur  Gesellschaft, 
und  es  kann  daher  die  Generalversammlung  auch  nur  über 
Rechte  der  Gesellschaft,  nicht  über  Einzelrechte  der  Actionäre 
gültig  beschliessen."  Das  Liegnitzer  Kreisgericht  verwarf  also 
den  Hocuspocus  der  Generalversammlungen,  die  stets  von  den 
Gründern  geleitet  und  beherrscht  werden,  und  nahm  sich  der 
schutzlosen  Actionäre  an.  Aber  was  geschah!  Das  Appell- 
gericht Glogau  stiess  diese  Entscheidung  wieder  um  und  ent- 
schied in  Uebereinstimmuug  mit  dem  Berliner  Stadtgericht 
der  Einzelactionär   ist   durch  die  Beschlüsse  der  Generalver- 


—     334    — 

Sammlung  gebunden,  die  hier  auf  die  garantirte]  Dividende 
verzichtet  hat.  —  So  entgegengesetzt  lauten  gar  häufig  die 
Eechtsanschauungen  und  ürtelssprüche  der  Gerichte;  nament- 
lich in  Gründersachen,  wo  die  Richter  hin-  und  herschwanken, 
und  bis  vor  Kurzem,  in  Civil-  wie  in  Criminalprozessen, 
meistens  gegen  die  Actionäre  entschieden. 

December  1874,  als  der  Cours  15  Brief  stand,  wurden 
zwei  Drittel  der  Actien  gemeuchelt,  Juni  1876  die  Liquidation 
beschlossen,  und  dann  kaufte  das  Etablissement  um  ein 
Billiges  der  frühere  Director  und  Mitvorbesitzer,  Feodor  Beer, 
in  Gemeinschaft  mit  dem  bisherigen  Aufsichtsrath,  Dr.  Salo 
Feige. 

Hirsch  Beer  sen.,  der  Vater  von  Feodor  Beer  und  Beer  & 
Herzberg  in  Berlin,  der  Schwiegervater  des  Ferdinand  Schön- 
heimer'schen  Bankvereins  in  Leipzig,  ist  ein  alter  bemooster 
Gründer,  u.  A.  auch  bei  den  Bischweiler  Tuchfabriken  und 
der  Societe  d'impression  alsacienue  betheiligt. 

Eilen  burger  Kattun  -  Manufactur ,  vormals  Robert 
Schwerdtfeger  und  Hermann  Thikötter  in  Eilenburg,  welche 
die  Leitung  behielten,  und  im  Prospect  17V2  %  Dividende 
vorrechneten.  Actiencapital  300,000  Thaler  und  100,000  Thaler 
Hypotheken.  Gegründet  Anfang  1873  von  den  Vorbesitzern 
und  von  der  Halle'schen  Credit- Anstalt.  Aufsichtsrath:  H.  R. 
Michaelis,  Albert  Levin  und  William  Daus  in  Berlin,  Richard 
Michaelis  und  Theodor  Eisentraut  in  Halle  a.  S.,  Bürger- 
meister Emil  Schrecker  in  Eilenburg,  Banquier  H.  Puckert  in 
Leipzig.  Die  Actien  wurden  u.  A.  aufgelegt  bei  der  Nord- 
deutschen Grundcreditbauk  in  Berlin  und  bei  Stephan  & 
Schmidt  in  Königsberg  i.  Fr.  Dividende  pro  1875/76  —  2<'/o. 
Cours  etwa  noch  20. 

Sclilesisclie  Leineuindustrie,  vormals  C.  G.  Kramsta  & 
Söhne  in  Freiburg  i.  Schi.  Gegründet  November  1871  von 
der  Deutschen  Unionbank  in  Berlin,  dem  Schlesischen  Bank- 
verein   und    Gebrüder    Guttentag    in    Breslau.     Actiencapital 


335 


3,600,000  Thaler!!!  Davon  übernahmen  die  Vorbesitzer,  Georg 
von  Kramsta  und  Emil  Wuthe  in  Breslau,  1  Million  Thaler. 
Aufsichtsräthe:  Commerzienrath  J.  Friedenthal  (Gebr.  Frieden- 
thal), Moritz  Cohn  (Gebr.  Guttentag)  und  Director  Fromberg 
(Schlesischer  Bankverein)  in  Breslau,  Julius  KaufFmann  (Meyer 
Kauflmann)  in  Tannhausen  (Schlesien),  Louis  Liebermann 
(Liebermann  &  Co.),  Julius  Reichenheim  (N.  Reichenheim  &  Sohn) 
und  Abgeordneter,  Stadtrath  Adolf  Hagen  in  Berlin,  Abge- 
ordneter Dr.  Egmont  Websky  (E.  Websky  &  Hartmann)  in 
Wüste-Waltersdorf  (Schlesien),  und  die  Vorbesitzer  Georg  von 
Kramsta  und  Emil  Wuthe,  Für  diese  überaus  theuere  Grün- 
dung machten  eine  ganz  besondere  Reclame  die  „National- 
zeitimg" in  Berlin  und  die  „Breslauer  Zeitung".  Die  Herren 
Aufsichtsräthe  haben  sich,  falls  die  Dividende  5%  erreicht, 
vorweg  5^/o  Tantieme  zugesichert,  und  betrug  dieselbe  von 
1872  bis  1875,  bei  10,  9,  7V2  und  resp.  8%  Dividende  — 
15,000  bis  20,000  Thal  er  im  Jahr,  was  also  pro  Mann  ein 
Trinkgeld  von  fast  2000  Thalern  jährlich  ergab.  1876  ent- 
fielen nur  5V3%  Dividende,  und  als  Douceur  für  den  Auf- 
sichtsrath  nur  9600  Thaler.  Dagegen  wurden  die  Actionäre 
mit  der  Nachricht  überrascht,  dass  man  für  sie  die  Villa  des 
Herrn  von  Kramsta  in  Freiburg  angekauft  habe!  Cours  einst 
120,  jetzt  noch  ca.  60. 

Erdniaiinsdorfer  Spinnerei  in  Schlesien,  früher  der 
Preussischen  Seehandlung  gehörig,  und  gegründet  September 
1872  von  Robert  Thode  &  Co.  uud  der  Preussischen  Credit- 
Anstalt  (Richard  Schweder)  in  Berlin,  welche  IV2  Million 
Thaler  Actien  zum  Course  von  103 'Z.,  (!)  auflegten,  und  ausser- 
dem 1  Million  Thaler  Prioritäten  fabricirten,  die  der  See- 
handlung verpfändet  sind.  Aufsichtsräthe  u.  A.:  Geh.  Com- 
merzienrath Emil  Stephan,  und  Geheimer  Oberfinanzrath 
Scheller  in  Berlin,  „Generaldirector"  Kolb  in  Viersen  und 
Commerzienrath  Richter  in  Muskau.  Im  Prospect  heisst  es: 
„Nach  den  eigenen  Aeusserungen  Seiner  Excellenz  des  Herrn 


—    336     - 

Finanzministers  (Camphausen)  in  der  Kammer,  war  das  Durcli- 
schnittserträgniss,  nach  sehr  hoch  bemessenen  Abschreibungen, 
8%  des  gesammten  benutzten  Capitals."  —  Die  neue  Gesell- 
schaft vertheilte  für  das  erste  Geschäftsjahr  von  3  Monaten  (!) 
9%,  1873  —  70/0  Dividende  und  13,800  Thaler  Tantiemen! 
1874  gab  es  4,  1875  —  1%  Dividende.  1876  soll  nach  den 
Meldungen  der  Börsenblätter  mit  grossem  Verlust  abschliessen. 
Cours  noch  ca.  15. 

Sächsische  Tfähfadeufabrik,  vormals  Rudolf  Heyden- 
reich  bei  Chemnitz.  Gegründet  Februar  1872  von  M.  Schie 
Nachfolger  in  Dresden  mit  850,000  Thaler  Actien,  welche  auch 
Bein  &  Co.  in  Berlin  und  Becker  &  Co.  in  Leipzig  auflegten. 
Dazu  150,000  Thaler  Hypotheken.  Der  Vorbesitzer  übernahm 
einen  Posten  Actien  und  trat  in  den  Aufsichtsrath ,  dem  noch 
angehörten:  Geheimer  Hofrath  Kohl,  Geh.  Commerzienrath 
Richard  Hartmann,  Commerzienrath  Max  Hauschild  und 
Alexander  Wiedemann  in  Chemnitz,  Franz  Hachez  in  Dresden, 
F.  W.  Duerfeld  in  Zschopau.  Vorstand:  V.  Duerfeld.  Divi- 
denden: 9,  8,  5%  und  0.  Der  frühere  Director,  welcher  ent- 
lassen wurde,  hatte  auch  pro  1875/76  einen  Gewinn  von 
ca.  55,000  Thalern  herausgerechnet,  wogegen  sein  Nachfolger 
33,000  Thaler  Verlust  feststellte.  Grosse  Uregelmässigkeiteu 
wurden  kund,  und  einige  Actionäre  beabsichtigten,  den  Vorbe- 
sitzer regresspflichtig  zu  machen.    Cours  einst  110,  jetzt  ca.  25. 

Sächsische  Kammgarnspinuerei,  früher  C.  F.  Solbrig 
in  Harthau  bei  Chemnitz.  Gegründet  September  1871,  mit 
680,000  Thaler  Actien  und  150,000  Thaler  Hypotheken,  von 
M.  Schie  Nachfolger  in  Dresden,  Bein  &  Co.  und  Julius 
Alexander  in  Berlin.  Director:  Fr.  Aug.  Solbrig.  Vorsitzen- 
der des  Aufsichtsraths :  Advocat  Hermann  Weber  I  in  Chemnitz. 
Dividenden:  12,  5,  0,  2V3  und  0%.  1875/76  schloss  mit 
ca.  50,000  Thaler  Verlust.     Cours  einst  120,  jetzt  ca.  20. 

Deutsche  Jute  -  Spinnerei  und  Weherei  in  Meissen. 
400,000  Thaler  Actien  und  200,000  Thaler  Prioritäten.    Auf- 


—     337     — 

sichtsrath:  Gustav  Schmidt,  Hugo  von  Boddin,  Emil  Quellmalz, 
Ernst  Jiistus  Burckhardt.    Dividenden  0. 

Sächsische  WoUgariifahrik,  vormals  Gebrüder  Eck- 
hardt in  Grossenhain.  Gegründet  Februar  1872  mit  350,000 
Thaler  Actien.  Vorstand:  Eduard  Eckhardt.  Aufsichtsrath : 
Finanzprocurator  Gustav  Lorenz  und  Fabrikbesitzer  August 
Zschille  in  Grossenhain,  Geheimer  Hofrath  Kohl  in  Chemnitz, 
M.  Schie  Nachfolger  in  Dresden,  Gebrüder  Alexander  in 
Breslau,  Julius  Martin  Friedländer  in  Berlin.  1875  liquidirte 
man,  und  zu  den  Liquidatoren  gehörte  Herr  Emil  Quellmalz 
in  Dresden.  Die  Liquidation  ergab  pro  Actie  —  1  Thlr. 
10  Sgr.,  und  Herr  Eduard  Eckhardt,  der  das  Etablissement 
wieder  übernahm,  war  so  edel,  jedem  Actionär  noch  10  Thaler 
extra  zu  „schenken"! 

Braunschweigische  Actieugesellscliaft  für  Jnte-  und 
Flachs-Industrie.  Gegründet  18GS  mit  750,000  Thaler  Actien, 
Aufsichtsrath:  0.  Häusler,  Ritter  Friedrich  von  Voigtländer 
und  Ferd.  Ebeling  in  Braunschweig,  F.  Dubbers  in  Bremen, 
Julius  Nelke  (A.  Padersteiu)  in  Berlin.  Letzte  Dividenden  0. 
Cours  einst  112,  jetzt  ? 

Dunkel  ist  das  Schicksal  folgender  Gesellschaften, 
insofern  die  Börsenzeitungen  ihrer  nicht  mehr  er- 
wähnen, und  sie  von  den  Courszetteln  entweder  ver- 
schwunden sind,  oder  auf  denselben  überhaupt  nie 
figurirten: 

Chemnitzer   Seiden-  und  Seideu-Shoddy-Spinnerei   in 

Erfeuschlag.  Gegründet  März  1870  mit  300,000  Thaler  Actien, 
von  Commerzienrath  E.  A.  Krause  und  L,  Eichborn  („EiFecten- 
Licitations-  und  Discouto-Bank")  in  Berlin,  Rechtsanwalt 
Richard  Schanz  in  Dresden. 

Sächsische    Floretseiden  -  Spinnerei    zu    Falkenau    bei 

Glagaa,  Der  Börsenscliwindel.   II.  22 


—     338     — 

Chemnitz.  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths:  Commerzienrath 
Fedor  Zschille  in  Grossenhain. 

Mederrhemisclie  Flachs-Spinnerei,  früher  Mevissen 
und  Koch  in  Dülkeu.  Gegründet  September  1871  mit  600,000 
Thaler  Actien. 

Kunstwollfabrik  ron  Kückelhans  &  Co.  und  Baum- 
wollen-Spinnerei von  Troost  &  Co.  in  Louisenthal  bei 
Mülheim  a.  d.  Ruhr.  Gegründet  1872  mit  425,000  Thaler 
Actien.  —  Die  1856  von  dem  Abgeordneten  Dr.  Kammacher 
und  Genossen  gegründete  Louisenthaler  Druckerei, 
Weberei  und  Spinnerei  gerieth  in  Concurs. 

Dresdner  Nälimaschinen  -  Zwirn  -  Fabrik.  Gegründet 
December  1871  mit  150,000  Thaler  Actien,  welche  Lüder  & 
Tischer  in  Dresden  auflegten.  Direction:  Wilh.  Eichelt  und 
Albert  Greve.  Aufsichtsrath:  Advocat  Max  Zwicker  in  Dresden. 
1873  keine  Dividende. 

Mascliinenbandweberei  zu  Jolianngeorgenstadt,  vor- 
mals Max  Unger.  Gegründet  Juli  1871  mit  225,000  Thaler 
Actien,  aufgelegt  bei  Hammer  &  Schmidt  in  Leipzig  und 
M.  [Schie  Nachfolger  in  Dresden.  Den  Prospect,  welcher 
10—14%  Dividende  versprach,  hatten  unterzeichnet:  Com- 
merzienrath Breitfeld,  Stadtrath  Wilh.  Kircheisen,  C.  G.  Dörffel 
Söhne  in  Eibenstock,  Advocat  Bornemann,  Georg  Claus  und 
Stadtältester  Franz  Wilisch  in  Schneeberg. 

Seilerwaarenfabrik  in  Würzen.  Gegründet  April  1872 
mit  250,000  Thaler  Actien,  von  der  Geraer  Bank,  von  J.  G.  A. 
Seyffert,  Advocat  Carl  Ludwig  Langbein  und  Fr.  Krietsch  sen. 
in  Würzen,  Job.  Fr.  Aug.  Schütz,  Gustav  Goetze  und  Richard 
Fränkner  in  Leipzig,  H.  H.  Bodstein,  Director  der  Allgemeinen 
Deutschen  Handelsgesellschaft  in  Berlin. 

Meclianische  Flachsspinnerei  in  Tilsit.  Gegründet 
September  1871  mit  235,000  Thaler  Actien,  welche  Helfft  Ge- 
brüder in  Berlin  auflegten. 

Insterburger  Actien-Spinnerei.    Gegründet  April  1871 


—    339     — 

mit  275,000  Thaler  Actien.  Directoren:  B.  M.  Weinstein  und 
Julius  Blechschmidt  in  Insterburg.  Verwaltungsrath:  Geh. 
Commerzienrath  Moritz  Simon  (Simon  Wittwe  Söhne),  Adolf 
Samter  und  Carl  Jacob  in  Königsberg  i.  Pr.,  Abgeordneter 
Eittergutsbesitzer  von  Simpson- Georgenburg  etc.  Für  das 
erste  Geschäftsjahr  von  7  Monaten  (!)  wurden  5''/4  Thaler  als 
97,  %  Dividende  vertheilt.  1876  schloss  mit  17,000  Thaler  Verlust. 

Elbiuger  Dampfspiuuerei.  Gegründet  1872  von  dem 
Geh.  Commerzienrath  Moritz  Simon  (Simon  Wittwe  Söhne)  in 
Königsberg  i.  Pr. 

Hageuauer  Spinnerei  uud  Wel)erei,  früher  Horst- 
mann &  Co.  zu  Hagenau  im  Elsass.  Gegründet  October  1872 
mit  200,000  Thaler  Actien,  von  dem  früheren  Abgeordneten, 
Consul  Gustav  Müller,  Ismar  Neumann  und  Max  Altmann 
(Neumann  &  Co.)  und  Louis  Lübke  in  Berlin. 

Weissthaler  Actieu-Spinuerei,  früher  A.  H.  Reimann 
zu  Weissthal  -  Kockisch  in  Sachsen.  Verspätete  Gründung, 
noch  Juni  1875  gewagt  von  August  Hermann  Reimann  (F.  W. 
Reimanu),  PaulCalmus  etc.  inBerlin.  Grundcapital  200,000 Thaler. 

Die  Gründung  der  Erdmannsdorfer  Spinnerei,  bis 
dahin  der  Preussischen  Seeliandlung  gehörig,  uud 
das  traurige  Schicksal  dieser  Gründung  liefern  wieder 
ein  schlagendes  Beispiel  von  dem  unheilvollen  Treiben 
der  raanchesterlichen  „Volkswirthe"  im  Parlament. 

Die  Seehandlung,  ein  seit  1772  bestehendes  Staats- 
institut, besass  eine  Reihe  von  industriellen  Etablis- 
sements, die  sich  mehr  oder  weniger  in  blühendem 
Zustande  befanden,  und  durchweg  eine  gute  Rente 
abwarfen.  Trotzdem  oder  gerade  deswegen  ver- 
langten die  „Volkswirthe"   die  Veräusserung   dieser 

22* 


—     340     - 

Etablissements,  indem  sie  bald  die  Erträge  für  zu 
gering  erklärten  und  nachdrücklichst  versicherten;  ein 
Privatbetrieb  müsse  ungleich  höhere  Gewinne  erzielen, 
bald  ihren  alten  unsinnigen  Lehrsatz  wiederkäueten: 
der  Staat  als  solcher  dürfe  sich  mit  dergleichen  nicht 
befassen,  dürfe  selber  weder  Gewerbe  noch  Handel 
treiben.  Leider  vermochte  die  Regierung,  in  der. 
ja  selber  Manchesterleute  sitzen,  diesem  Andrängen 
nicht  zu  widerstehen,  und  so  musste  die  Seehandlung 
ein  Etablissement  nach  dem  andern  abstossen.  Be- 
sonders nachgiebig  erwies  sich  der  Finanzminister 
Herr  Camphausen,  und  als  die  parlamentarischen 
„Volkswirthe"  in  der  Session  von  1871,  also  mitten 
in  der  Schwindelperiode,  stürmischer  denn  je  for- 
derten, die  Regierung  möge  mit  dem  „unergiebigen" 
Besitz  der  Seehandlung  reinen  Tisch  machen,  entschloss 
sich  der  Minister  auch  die  Erdmannsdorfer  Spinnerei 
zu  opfern.  Nach  einer  Mittheilung  der  „Neuen  Börsen- 
zeitung" sollten  Käufer,  „die  des  Gründens  verdächtig 
sind",  nicht  zugelassen  werden,  aber  gerade  profes- 
sionelle Gründer  erhielten  den  Zuschlag:  Robert 
Thode  &  Co.  und  die  Preussische  Boden-Credit-Actien- 
Bank  (Richard  Schweder).  Welchen  Preis  sie  gezahlt, 
ist  nicht  einmal  dem  Landtag  genau  bekannt  ge- 
worden, aber  Herr  Sonnemann  aus  Frankfurt  a.  M., 


—     341     — 

der  zu  den  „Wissenden"  gehört,  versicherte  am 
4.  April  1873  im  Deutschen  Reichstag,  der  Gründer- 
verdienst sei  ein  so  grosser  gewesen*),  dass  der  Re- 
gierung die  Pflicht  obgelegen  hätte,  die  Kaufsumme 
zu  veröff"entlichen,  und  da  sie  dies  nicht  gethan,  so 
treffe  sie  der  Vorwurf,  dazu  beigetragen  zu  haben, 
um  „das  Publikum  täuschen  zu  lassen".  Trotz  des 
enormen  Gründeraufschlages  wurden  die  Actien  zum 
Course  von  103^2  aufgelegt! 

Nicht  nur,  dass  die  Regierung  den  Raub  an  den 
unglücklichen  Actionären  ruhig  geschehen  Hess,  sie 
erwies  sich  den  Gründern  auch  in  anderer  Weise 
gefällig.  Ausser  P/..  Millionen  Thaler  Actien  fabri- 
cirten  Thode  und  Genossen  noch  1  Million  Thaler 
Prioritäten,  und  diese  belieh  die  Seehandlung,  für 
welche  auf  dem  verkauften  Etablissement  eine  Cau- 
tions  -  Hypothek  eingetragen  wurde.  Während  die 
Erdmannsdorfer  Spinnerei  unter  fiscalischer  Verwal- 
tung, bei  „sehr  hoch  bemessenen  Abschreibungen", 
durchschnittlich  S'^/o  Reinertrag  abwarf,  hat  die  mit 
27-2    Millionen    Thaler    belastete    Actiengesellschaft 


*)  Nach  einer  Version  zahlten  die  Yorkäufer  950,000  Thlr., 
und  sie  brachten  das  Etablissement  in  die  Actiengesellschaft 
für  1,250,000  Thaler  ein,  aber  ohne  die  „Vorräthe"!  Die  Beute 
der  Gründer  würde  also  auf  400,000—500,000  Thaler,  gleich 
50*^/0,  zu  veranschlagen  sein!! 


—     342     — 

pro  1875  nur  P/o  Dividende  vertheilen  können,  und 
1876  soll  sogar  mit  grossem  Verlust  schliessen.  Daher 
sind  die  Actien  bis  etwa  15  gesunken,  daher  wird 
die  Seehandlung,  wegen  weiterer  Belassung  des  Lom- 
barddarlehns,  neuerdings  schwierig,  und  leicht  kann 
sie  in  die  Lage  kommen,  das  Etablissement  wieder 
zurücknehmen  zu  müssen. 

Man  sollte  nun  glauben,  solch  skandalöse  Vor- 
gänge würden  die  „Volkswirthe"  etwas  einschüchtern. 
Aber  weit  gefehlt!  Noch  am  2.  März  1876  forderte 
der  fortschrittliche  Abgeordnete,  Kaufmann  Louis 
Uhlendorff  aus  Hamm  in  Westphalen,  unter  Vorfüh- 
rung derselben  stereotypen  Phrasen,  frank  und  frei  den 
Verkauf  der  Bromberger  Mühlen,  welche  gleichfalls 
der  Seehandlung  eignen;  und  der  Regierungscom- 
missar,  anstatt  den  Herrn  mit  einem  Hinweis  auf 
das  Schicksal  der  Erdmannsdorfer  Spinnerei  ordent- 
lich abzutrumpfen,  antwortete  nur  schüchtern:  Die 
Regierung  sei  zwar  principiell  durchaus  nicht  gegen 
den  Verkauf,  aber  einstweilen  müsse  derselbe  auf 
Einspruch  des  Handelsministers,  im  Interesse  der 
Flösserei  und  Schifffahrt,  die  sonst  sehr  geschädigt 
würden,  noch  unterbleiben. 

In  derselben  Sitzung  hatte  Herr  Eugen  Richter 
den  Muth,  den  Finanzminister  Camphausen  ausdrück- 


—     343     — 

lieh  zu  beloben,  dass  dieser  „den  Kreis  der  Geschäfte 
der  Seehandlung  verringert  durch  die  Veräusserung 
der  Erdmannsdorfer  Spinnerei",  und  dass  er  „die 
Auflösung  der  Berliner  Leihanstalten  in  Anregung 
gebracht".  Herr  Camphauseu  ist  der  constitutionelle 
Musterministei"  der  vereinigten  „Liberalen",  und  dem 
Verlangen  der  parlamentarischen „Volkswirthe"gemäss, 
wollte  er  mit  dem  Schlüsse  des  Jahres  1875  die 
Königlichen  Leihämter  in  Berlin,  die  auch  unter 
Verwaltung  der  Seehandlung  stehen,  aufheben  und 
sie  der  Stadt  überlassen.  Aber  die  städtischen 
Behörden  verweigerten  die  Uebernahme,  und  der 
grosse  Volkstribun  Eugen  Richter  erklärte  in  der 
Stadtverordneten-Versammlung:  die  Leihämter  dienten 
vorzugsweise  dem  Leichtsinn.  Auf  ein  Haar  hätten 
die  armen  kleinen  Leute  ihre  letzte  Zufluchtsstätte 
verloren,  wären  sie  den  in  BerUn  wie  Ungeziefer 
sich  mehrenden  Blutsaugern  von  Pfandscheinschie- 
bern und  Rückkaufshändlern  auf  Gnade  und  Un- 
gnade überantwortet  worden  —  da  erbarmte  sich 
ilirer  die  Regierung  und  Hess  die  Leihäniter  einst- 
weilen noch  fortbestehen.  Doch  Herr  Eugen  Richter 
ist  ein  „Volkswirth"  von  unerschütterlichen  Grund- 
sätzen, und  deshalb  fügte  er  dem  Lobspruch,  den  er 
dem  Finanzminister  ertheilte,  die  Mahnung  bei:  „Ich 


—     344     — 

wünsche,  class  die  Auflösung  (der  Leihämter)  im  In- 
teresse der  Berliner  Bevölkerung  sich  möglichst  bald 
vollziehe"  —  indess  Herr  Camphausen  scheint  dieser 
Mahnung  neuerdings  doch  nicht  mehr  nachkommen 
zu  wollen. 

An  jenem  Tage  fand  gegen  die  Seehandlung  über- 
haupt, die  als  Bankinstitut  den  jüdischen  Banquiers 
ein  Dorn  im  Auge  ist,  ein  neuer  grosser  Ansturm 
statt.  Aber  die  Rollen  waren  gewechselt.  Früher 
hatten  Lasker  und  Eugen  Richter  die  Seehandlung, 
als  gemeinschädlich  und  verfassungsgefährlich,  scharf 
bekämpft;  und  es  durchgesetzt,  dass  der  Finanz- 
minister das  Capital  derselben  reduciren  musste; 
doch  heute  vertheidigten  sie  Beide  die  Seehandlung 
mit  allem  Aufgebot  christlicher  und  jüdischer  Dia- 
lektik. Den  Angriff  leitete  der  Mecklenburgische 
Flitter,  Herr  von  KardorfT,  der  Vertraute  des  Herrn 
Gerson  von  Bleichröder,  dem  er  bei  verschiedenen 
grausam  grossen  Gründungen  geholfen,  und  um  des- 
sentwillen  er  sich  auch  vom  Freihandel  zum  Schutz- 
zoll bekehrt  hat.  Aus  zärtlicher  Liebe  zu  der  noth- 
leidenden  Laurahütte,  einer  natürlichen  aber  schreck- 
lich missrathenen  Tochter  des  Herrn  von  Bleichröder, 
die  Herr  von  Kardorff  aus  der  Taufe  gehoben,  schwärmte 
dieser  wandelbare  Edelmann  für   das  Fortbestehen 


—    345    — 

der  Eisenzölle,  und  aus  dankbarer  Verehrung  für 
Laura's  tiefbekümmerten  Vater  agitirte  er  für  die 
Aufhebung  der  Seehandlung,  welche  er  vor  kaum 
drei  Jahren  gegen  die  Herren  Lasker  und  Eugen 
Kichter  gar  hoch  gerühmt  und  gepriesen,  weil  die- 
selbe inzwischen  Herrn  von  Bleichröder  zu  Gunsten 
der  Disconto- Gesellschaft  vernachlässigt  hatte.  Um 
dies  zu  verstehen,  muss  man  Folgendes  wissen: 

Ehe  Herr  Camphausen  das  Finanzministerium 
erhielt,  war  er  bekanntlich  Präsident  der  Seehandluug. 
Schon  damals  stand  er  zur  Disconto-Gesellschaft  in 
freundschaftlichen  Beziehungen,  und  nachdem  er  Mi- 
nister geworden,  bewies  er  ihr  noch  grössere  Gunst. 
So  Hess  er  ihr  1872,  während  des  Gründungsschwin- 
dels, durch  die  Seehandlung  aus  den  Beständen  des 
Staatsschatzes  drei  Millionen  Thaler  gegen  2^/^% 
Zinsen  und  ohne  Unterlage  vorstrecken!  Ein  Freund- 
schaftsstück, das  denn  doch  dieAmtsbefiiguiss  des  Herrn 
Ministers  weit  überschritt  und  das  für  ihn  sehr  ge- 
fährlich hätte  ablaufen  können!!  Diese  unerlaubte 
Zuwendung  von  Staatsgeldern  an  die  Disconto-Gesell- 
schaft, die  damals  theils  auf  eigene  Hand,  theils  in 
Verbindung  mit  Gerson  Bleichröder  leidenschaftlich 
der  Gründerei  oblag,  verletzte  das  zartbesaitete  Ge- 
müth  des  Letzteren  gar  sehr,  und  brachte  die  beiden 


—    346     — 

Kameraden  etwas  auseinander.  Ebenso  bestand  eine 
gewisse  Rivalität  zwischen  der  Seehandlung  und  der 
Preussischen  Bank,  deren  Prcäsident,  Herr  von  Dechend, 
nicht  dem  Finanzminister,  sondern  dem  Handels- 
minister untergeben  war.  Herr  Camphausen  hat  sich 
wiederholt  mit  den  Massnahmen  der  Hauptbank  nicht 
einverstanden  erklärt,  und  andererseits  wurden  wieder 
Klagen  laut,  dass  die  Seehandlung  die  Disconto-Politik 
der  Hauptbank  gefährde  und  durchkreuze.  Nachdem 
die  Preussische  Bank,  Dank  Herrn  Ludwig  Bamberger^ 
in  die  Reichsbank  umgewandelt,  tritt  jene  Rivalität  noch 
schärfer  hervor,  erschallen  diese  Klagen  noch  lauter. 
An  jenem  Tage  gab  ihnen  nun  namentlich  Herr 
von  Kardorlf  beredten  Ausdruck;  er  verstieg  sich  zu 
der  Behauptung,  dass  „zu  der  grossen  Ueberspecu- 
lation"  (soll  heissen:  Gründungswuth)  der  Schwindel- 
jahre hauptsächlich  die  Seehandlung  mit  beigetragen 
habe,  und  dass  die  selbständige  Existenz  derselben 
neben  der  Reichsbank  gar  nicht  zu  dulden  sei.  Ihm 
secundirte  Herr  Professor  Nasse  aus  Bonn,  ein  sehr 
blasser,  noch  stark  im  Manchesterthum  steckender 
,;Kathedersocialist",  der  gleichfalls  für  Aufliebung  der 
Seehandlung  plaidirte,  und  es  für  weiser  und  con- 
stitutioneller  hielt,  disponible  Staatsgelder  der  Reichs- 
bank, wenn  auch  nöthigenfalls  zinslos  (!)  zu  über- 


—     347     — 

weisen.  Der  conservative  Abgeordnete  von  Wedell- 
Malchow  wollte  die  Seehandlung  nicht  aufheben,  son- 
dern ihr  nur  die  Betheiligung  an  Consortialgeschäfteu 
untersagen;  und  obwol  dieser  Herr  auch  bei  mehren 
Gründungen  thätig  gewesen  ist,  so  verdient  seine  Rede 
doch  volle  Beachtung. 

Er  warf  der  Seehandlung  mit  Hecht  vor,  dass  sie 
ihren  Charakter  als  Staatsinstitut  compromittirt  habe, 
indem  sie  bei  den  fragwürdigsten  Gründungen  und 
Emissionen  von  S.  Bleichröder,  der  Disconto-Gesell- 
schaft  und  Anderen  Hülfe  leistete,  als  Agent  und 
Commissionär  der  grossen  Gründerhäuser  auftrat, 
und  dadurch  ebensowohl  das  Publikum  me  das 
Reich  geschädigt  hat.  Beispielsweise  war  die  See- 
handlung in  der  Schwindelperiode  consortialiter  be- 
theiligt an  den  Russischen  Centralbodencreditpfand- 
briefen,  an  den  Actien  und  Obligationen  der  Gott- 
hardbahn,  an  den  Prioritäten  von  Halle-Sorau- Guben 
und  Hannover-Altenbecken,  an  den  Actien  des  Berg- 
werks Gelsenkirchen  und  an  den  Partial-Obligationen 
der  Dortmunder  Union  —  lauter  Papieren,  die  heute 
mehr  oder  weniger  anrüchig  sind,  und  die  fast  alle 
am  Course  so  erschrecklich  verloren  haben.  Gelsen- 
kirchen, noch  kurz  vor  dem  Krach  verübt,  bezeichnet 
den  Gipfel  der  Agiotage.    Die  öOprocentigen  Interims- 


—     348     — 

scheine  wurden  ä  118%  ausgegeben,  also  zum 
Course  von  136,  und  alsbald  getrieben  bis  175,  was 
einem  Course  von  250  entspricht.  Da  das  Grund- 
capital  4V2  Millionen  Thaler  beträgt  und  die  Voll- 
actie  heute  nur  noch  etwa  80  notirt,  ist  das  Publikum 
bei  dieser  einzigen  Gründung  um  4—5  Millionen 
Thaler  geprellt.  Die  Partial-Obligationen  der  famosen 
Dortmunder  Union  in  Höhe  von  6  Millionen  Thaler 
fanden  an  der  Börse  kein  Unterkommen  mehr,  und 
die  Seehandlung  hat  sie  beliehen,  kann  aber  dabei 
sehr  zu  Schaden  kommen,  da  die  ganze  „Union" 
schwerlich  so  viel  werth  ist  wie  die  bestellte  Hypo- 
thek. Die  Seehandlung  hat  dem  Reichsinvalidenfonds 
die  Unmasse  ungarantirter  Eisenbahnprioritäten  zu- 
geführt, die  heute  kaum  verkäuflich  und  überhaupt 
von  zweifelhaftem  Werthe  sind;  und  selbst  Herr  Eugen 
Richter  äusserte  in  jener  Sitzung,  sie  habe  aus  Freund- 
schaft für  ihre  Consortien  etwas  theuer  gekauft,  und 
sie  hätte  vielleicht  andere  Papiere  besorgt,  wäre  sie 
nicht  bei  Halle -Sorau- Guben  und  Hannover -Alten- 
becken selber  betheiligt  gewesen.  Alle  diese  Consor- 
tialbetheiligungen,  Lombardgeschäfte  und  die  Ankäufe 
für  den  Reichsinvalidenfonds  waren  zumeist  Liebes- 
dienste, welche  die  Seehandlung  der  Disconto-Gesell- 
schaft   der  Herren  von  Hansemann  und  Miquel  er- 


—    349    — 

wies,  und  theils  das  Publikum,  theils  der  Staat  haben 
die  Unkosten  tragen  müssen. 

Alle  Parteien,  alle  Redner,  auch  die  Herren  Las- 
ker  und  Eugen  Richter,  waren  einig  in  der  Verur- 
theilung  der  Seehandlung;  Niemand  mochte  sie  von 
den  begangenen  Sünden  freisprechen,  das  ganze  Haus 
gab  schweigend  zu,  dass  sie  sich  in  schlechter  Ge- 
sellschaft bewegt  und  durch  ihre  Aufführung  auch 
die  Regierung  in  üblen  Geruch  gebracht  hat.  Die 
Vertheidigung  des  Regierungscommissars,  „vorbehalt- 
lich einer  bessern  Einsicht  seines  hohen  Herrn  Chefs", 
war  matt;  und  der  „hohe  Herr  Chef",  Minister  Camp- 
liausen,  wusste  eigentlich  auch  nichts  weiter  zu  sagen, 
als  dass  er  auf  die  „Verleumdungsära"  anspielte  und 
schwermüthig  fragte:  „Was  ist  denn  noch  überhaupt 
in  neuerer  Zeit  gegen  Klagen  und  Verdächtigungen 
geschützt   gewesen?     War   das   irgend   ein  Institut, 

war  das  irgend  eine  Person?" Das  rührte  die 

vereinigten  „Liberalen",  und  wiewol  Herr  Eugen 
Richter  die  Seehandlung  „eine  Sparbüchse  für  Staats- 
streiche" nannte,  ein  Mittel,  wodurch  „das  Ministerium 
ohne  Genehmigung  des  Landtages  sich  Geld  ver- 
schaifen  kann"  —  so  stimmten  sie  doch,  gegen  ihre 
eigene  Ueberzeugung  und  gegen  ihre  eigenen  Wünsche, 
für  das  Fortbestehen  der  Seehandlung  in  ungeschmä- 


—     350     — 

lerter  Competenz,  bloss  um,  wie  sie  erläuterten,  dem 
Finanzminister  kein  Misstrauensvotum  geben  zu  lassen. 
Herr  Campbausen  bewies  sich  wieder  als  der  con- 
stitutionelle  Musterminister,  indem  er  äusserte:  „Die 
Seehandlung  ist  eine  der  Eigenthümlichkeiten  des 
Preussischen  Staatswesens,  und  wenn  mir  die  Aufgabe 
gestellt  würde,  diese  Eigenthümlichkeit  rein  aus  philo- 
sophischen Gründen  begründen  zu  sollen,  wenn  mir 
die  Pflicht  auferlegt  würde,  die  absolute  Nothwen- 
digkeit  nachzuweisen,  dass  der  Staat  ein  solches  In- 
stitut haben  müsse,  dann  würde  ich  vor  dieser  Auf- 
gabe zurückschrecken."  Herr  Camphausen  schien 
durchblicken  zu  lassen,  dass  eine  Aufhebung  oder 
doch  Umgestaltung  der  Seehandlung  wol  in  späterer 
„ruhigerer"  Zeit  erfolgen  könne;  und  namentlich  das 
gewann  ihm  die  Stimmen  der  vereinigten  „Liberalen". 
Aber  auch  dazu  dürfte  nicht  die  geringste  Aussicht 
sein.  Die  Regierung  würde  sehr  unvorsichtig  handeln, 
wollte  sie,  zumal  jetzt,  wo  sie  schon  die  Preussische 
Bank  geopfert  hat,  auch  noch  die  Seehandlung  ein- 
gehen lassen.  Die  Seehandlung  ist  der  Banquier  des 
Staats,  der  ihm  zu  allen  Zeiten  die  grössten  Dienste 
geleistet,  der  ihm  bei  Anleihen,  Finanzoperationen  etc. 
stets  rathend  und  helfend  zur  Seite  gestanden  hat. 
Ohne  die  Seehandlung   wurde  die  Regierung,  z.  B. 


—    351     — 

i)ei  einem  Conflict  mit  dem  Parlament,  schachmatt 
gesetzt  werden  können,  in  die  drückendste  unwür- 
digste Abhängigkeit  von  der  Bamberger'schen  Reichs- 
bank gerathen,  die  thatsächlich  von  einem,  vorwiegend 
aus  Juden  und  Judengenossen  zusammengesetzten 
„Centralausschuss",  von  dem  Sanhedrin  oder  Hohen 
Rathe  zu  Neu -Jerusalem  regiert  wird.  Zwischen 
beiden  Instituten  besteht  ein  himmelweiter  Unter- 
schied. Die  Seehandlung  ist  eine  Deutschconserva- 
tive  Staatsanstalt,  die  Reichsbank  dagegen  ist  blos 
eine  Semitisch-nationalliberale  Actiengesellschaft,  die 
auch  eines  schönen  Tages  krachen  und  liquidiren  kann. 


Eine  dritte  Gruppe  von  Gründungen  bilden  die 
nachstehenden  Gesellschaften : 

Appretur,  Decatur  und  Färberei,  vormals  C.  G.  Ullrich 
iu  Berlin.  Gegründet  November  1871  von  Isidor  Mamroth, 
Oscar  Mamroth,  Ferdinand  Oppenheim  (Oppenheim  &  Co.) 
und  dem  Abgeordneten,  Geh.  Admiralitätsrath  Theodor  Jacobs 
in  Berlin,  mit  130,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thaler 
Hypotheken.  Für  das  erste  Geschäftsjahr  von  drei  Monaten  (!) 
■wurden  künstlich  2* '2  Thaler  pro  Actie  vertheilt,  und  dies  als 
lOprocentige  Dividende  bezeichnet!!  1872  und  1873  gab  es  0, 
1874  —  2  und  1875  endlich  5%.  Die  Actien,  einst  115,  waren 
1873 ,  wo  man  bereits  die  „Entgründung"  versuchte ,  unter  40 
gesunken,  und  haben  sich  inzwischen  wieder  bis  ca.  55  erholt. 
Von  Seiten  der  Staatsanwaltschaft  sind  Recherchen  angestellt 
■worden,  die  jedoch  zu  einer  Anklage  nicht  geführt  haben. 

Gleich    nach    Gründung    der    Gesellschaft    eröffnete    der 


—     352     — 

Bruder  des  Vorbesitzers  eine  ähnliche  Anstalt,  und  suchte  die 
früheren  Kunden  anzulocken,  worauf  sich  zwischen  beiden 
Etablissements  ein  Wettkampf  um  den  Kutscher  des  alten  Ge- 
schäfts entspann,  den  die  „Neue  Börsenzeitung"  gar  ergötzlich 
folgendermaassen  schilderte : 

„Eine  Appretur  und  Decatur,  kürzlich  mit  vielen  Mühen 
in  eine  Actieu- Gesellschaft  verwandelt,  und  jetzt  auch  nur 
deshalb  Actien-Gesellschaft ,  weil  die  früheren  Privat-Besitzer 
Haupt- Actionäre  sind,  hat  schon  Mühe  gehabt,  einen  Director 
zu  kriegen,  da  der  alte  Besitzer  bekanntlich  von  der  Leitung 
zurückgetreten  ist,  und  der  Bruder  desselben  gleichfalls  nicht 
nur  abgelehnt,  sondern  obendreiu  ein  Concurrenz-Geschäft  in 
unmittelbarer  Nähe  der  alten  Firma  etablirt  hat.  Schwerer 
aber  noch  war  es  den  alten  Kutscher  an  die  alte  Appretur  zu 
fesseln.  Wenn  so  ein  Kutscher  mal  in's  Steigen  geräth,  ist 
er  rapider  als  Lombarden,  wenn  sich  für  sie  ein  Hausse-Con- 
sortium  gebildet  hat.  Der  Concurrenz-Appreteur,  wohl  ein- 
sehend, dass  ein  guter  Kutscher  der  eigentliche  Director  einer 
alten  Appretur  ist,  und  durch  seine  Kenntniss  der  Kundschaft 
und  dergl.  für  ein  neues  Unternehmen  von  grossem  Nutzen 
sein  müsste,  Hess  die  Sirenentöne  einer  Gehaltserhöhung  er- 
klingen, statt  15  Thlr.  bot  er  20  Thlr.  Monatslohn.  Der 
alten  Appretur  wiederum  musste  Alles  daran  liegen,  dem 
neuen  Director  den  alten  Kutscher  zu  erhalten,  sie  überbot 
daher  den  Concurrenteu  und  bewilligte  25  Thlr.  Dieser  setzte 
nun  30  Thlr.  auf  die  Karte  des  Kutschers,  was  wiederum  ein 
Gebot  von  35  Thlr.  Seitens  der  Gegenpartei  zur  Folge  hatte. 
Und  so  weiter.  Der  Rosselenker  wurde  so  durch  zwei  sich 
reibende  feindliche  Elemente  auf  ein  monatliches  Gehalt  von 
60  Thlr.  hinaufgeschraubt,  und  zwar  blieb  zu  diesem  Preise 
die  alte  Appretur  Regarde  über  den  Kutscher.  60  Thlr.  sind 
für  einen  Kutscher  eine  ziemliche  Courssteigerung,  und  was 
Ullrichs  Kutscher  hier  vollbracht  hat,  das  kann  Lehmann's 
Kutscher  nicht." 


—     353    — 

Die  Anspielung  auf  „Lehmann's  Kutscher"  ist  in  Berlin 
allgemein  verständlich,  aber  für  Auswärtige  leider  nicht  über- 
setzbar. Das  Geschichtchen  dagegen  ist  eins  unter  hundert 
Beispielen,  dass  die  Lohnsteigerungen  und  die  Strikes,  Seitens 
der  Arbeiter  und  Bediensteten,  eine  nothwendigc  Folge  der 
Gründungen  waren,  und  von  den  Actiengesellschaften  syste- 
matisch genährt  und  selber  betrieben  wurden. 

Kunst-  und  Schönfärberei,  vormals  Thiele  &  Seegei;s 
in  Kummeisburg  bei  Berlin.  Gegründet  September  1872.  Das 
Actiencapital  mit  323,000  Thaler  wurde  aufgelegt  von  Albert 
Hoifmann  &  Co.  in  Berlin,  Rossstrasse  6.  Dazu  97,000  Thaler 
Hypotheken.  Aufsichtsrath  u.  A.:  Consul  Lesenberg  in  Rostock. 
Im  Prospect  rechneten  die  Vorbesitzer,  welche  die  Leitung 
behielten  und  G0,000  Thaler  Actieu  übernahmen,  löVa^'/o  Divi- 
dende vor,  und  garaiitirten  auf  drei  Jahre  mindestens  lO^^/o. 
Von  dieser  Verpflichtung  Hessen  sie  sich  in  der  Generalver- 
sammlung am  7.  Mai  1875,  wo  die  wirklichen  Actionäre  heftig 
opponirten,  entbinden,  und  zugleich  beschloss  man,  die  Hälfte 
der  Actien  zu  meucheln,  um  so  die  grossen  Verluste  zu  decken. 
Letzte  Dividenden  0.     Cours  auch  0. 

Stückfärberei,  Appretur  und  Maschinenfabrik,  früher 
Stadtrath  Gebauer  in  Charlottenburg.  Gegründet  August 
1872  von  dem  Vorbesitzer,  welcher  die  Leitung  behielt,  von 
Isaac  Simon  (Gebrüder  Simon),  Commerzienrath  Victor  Ludwig 
Wrede,  Paul  Gravenstein  und  Bank-Assessor  Hermann  Löwen- 
feld in  Berlin,  Geh.  Regierungs-Baurath  August  von  Derschau 
in  Charlottenburg.  Aufsichtsrath  u.  A.:  Hermann  Richter  in 
Berlin.  Uebernahmepreis  650,000  Thaler,  ohne  die  Vorräthe! 
Actiencapital  650,000  Thaler,  welches  die  Centralbank  für 
Industrie  und  Handel  zum  Course  von  102  auflegte!  Dazu 
200,000  Thaler  Hypotheken ! !  Erste  und  einzige  Dividende  5%. 
Cours  etwa  noch  10. 

Färberei  und  Appretur,  früher  Gebrüder  Alexander 
in    Schönweide    bei    Berlin.     Gegründet    October    1871,    mit 

Glagau,  Der  Börsonschwindel.    II.  23 


—     354     ^ 

430,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thaler  Hypotheken,  von 
R.  A.  Seelig,  Hermann  Frenkel  (S.  Frenkel),  Julius  Friedländer, 
Jacob  Landsberger,  Leopold  Ring,  Siegmund  Sobernheira  und 
Adolf  Sobernheim  in  Berlin.  Erster  Revisor:  Hermann  Leu- 
buscher  in  Berlin.  Director:  der  Vorbesitzer  Elias  Alexander 
(Gebr.  Alexander)  in  Berlin.  Erste  und  einzige,  dazu  kimst- 
liche  Divende  6"V  December  1874  begann  die  „Entgründung", 
und  das  Etablissement  sollte  vor  dem  Notar  Hecker  freihändig 
verkauft  werden.  Doch  fand  sich  nur  Ein  Bieter,  und  der- 
selbe offerirte  105,000  Thaler,  was  nach  Abzug  der  Hypotheken, 
etwa  2''/o  für  die  Actie  ergeben  haben  würde. 

Färberei  und  Appretur,  vormals  Heinrich  Körner  in 
Chemnitz.  Gegründet  März  1872  mit  400,000  Thaler  Actien 
und  50,000  Thaler  Hypotheken.  Der  Prospect  begann  höchst 
schwungvoll:  „In  Chemnitz,  dem  Deutschen  Manchester  etc.", 
und  nannte  als  Aufsichtsräthe:  Leopold  Hadra  und  M.  S. 
Meyer  jun.  in  Berlin,  Rudolf  Körner  (Bej^er  &  Körner),  Bruno 
Sieler  und  Hermann  Breyer  in  Chemnitz.  Von  dem  Actien- 
capital,  welches  die  Weimarische  Bank  und  die  Geraer  Bank 
auflegten,  übernahm  der  Vorbesitzer,  Oscar  Körner,  80,000 
Thaler,  und  er  behielt  auch  die  Leitung.  Die  erste  Dividende 
von  7^0  war  gemacht;  die  zweite  und  letzte  betrug  4%.  Um 
den  rasch  gesunkenen  Cours  wieder  zu  heben,  veröfi'entlichte 
die  Direction,  die  sich  im  Uebrigen  durch  mancherlei  Un- 
glücksfälle auszeichnete,  periodisch  eine  vergleichende  Ueber- 
sicht  der  gefärbten  und  appretirten  Stücke  —  einer  der  zahl- 
losen Kniffe,  durch  welche  man  das  Publikum  zum  Anbeissen 
zu  verlocken  suchte.  Nachdem  das  Grundcapital  um  die  Hälfte 
gekürzt  ist,  notiren  die  Actien  etwa  noch  15. 

Stückfärberei  in  Elberfeld.  Gegründet  März  1872  mit 
500,000  Thaler  Actien.  Verwaltungsrath:  August  Prisack, 
Eduard  Gebhard,  Hermann  Boeddinghaus,  Hermann  Dillenberg, 
Georg  Cohnitz  und  Albert  Kaufmann. 

Berliner    Wollbauk    und    WoHwäsclierei.      Entstand 


—     355     — 

durch  "Vorkauf  des  Geschäfts  von  Alexander  Krüger  und  ver- 
schiedener Grundstücke  von  Siegfried  Lövinson,  welche  Beiden 
die  Gesellschaft  December  1871  gründeten  in  Gemeinschaft 
mit:  Louis  Lövinson,  Ferd.  Jäger,  Robert  Kemnitz,  Hermann 
Schomburg,  Otto  Nitze,  Director  der  lüimäuischen  Eisenbahn- 
gesellschaft und  Eduard  Nitze  in  Berlin.  Actiencapital 
250,000  Thaler,  welche  H.  Hirschberg,  Spandauer  Brücke  7, 
auflegte.  Dazu  193,000  Thaler  Hypotheken.  Directoren: 
Alexander  Krüger  und  Ed.  Nitze.  Aufsichtsrath:  Freiherr  Otto 
von  Schleinitz.  Die  Actien,  welche  einst  112  standen,  haben 
jeden  Cours  verloren,  und  Seitens  der  Staatsanwaltschaft  ist 
eine  Untersuchung  vorgenommen. 

Der  Mitgründer  Ferd.  Jäger,  jetzt  in  Wiesbaden,  richtete 
an  den  Verfasser  dieses  Buches  einen  Brief,  worin  er  sagt: 
Erst  kürzlich  aus  Amerika  zurückgekehrt,  wurde  ich  in  der 
Freimaurerloge  von  Siegfried  Lövinson  zu  dem  Unternehmen 
überredet,  vertraute  auf  sein  Bruderwort,  und  habe,  vielleicht 
der  Einzige,  die  gezeichnete  Summe  voll  eingezahlt.  Als  ich 
später  die  Handlungsweise  der  Directoren  und  Aufsichtsräthe 
nicht  billigen  wollte,  hat  man  mich  aus  dem  Verwaltungsrath 
gestossen.  —  Wenn  die  Erzählung  wahr  ist,  so  beweist  sie 
nur,  dass  selbst  in  gewissen  (Simultan-)  Logen  Gründungen  be- 
trieben wurden,  und  dass  auch  Freimaurer  und  Bundesbrüder 
einander  „geleimt"  haben. 

Woll-lmport-Gescllschaft  iu  Berlin.  Gegründet  April 
1872  von  Julius  Nelke  (A.  Paderstein),  Eduard  Freiherr  von 
der  Heydt,  Abgeordneten  Richard  Hardt  (Hardt  &  Co.),  Franz 
Mendelssohn  (Mendelssohn  &  Co.),  Adalbert  Delbrück,  Ernst 
Hergersberg,  Hugo  Oppenheim  (Robert  Warschauer  &  Co.), 
Wilhelm  Rhodius,  Hermann  Wallich  und  Abgeordneten  Dr. 
Georg  Siemens  (Deutsche  Bank),  Nahum  Joseph,  Gustav  Ebel, 
Philipp  Hcnschel  (Berliner  Producten-  und  Handelsbank), 
Georg  Fraustädter  und  Albrecht  Witte  (Internationale  Handels- 
gesellschaft) in  Berlin,  Conrad  Gädecke  (Johann  Conrad  Jacobi) 

23* 


—    356    — 

in  Königsberg  i.  Pr. ,  Commerzienrath  Samuel  Salomon  in 
Schwerin  (Mecklenburg).  Actiencapital  1  Million  Thaler.  Hat 
liquidirt,  und  dürfte  das  eingezahlte  Grundcapital  verloren  sein. 
Landwirtlischaftliclie  Central  -Wolhvasch- Actien  -  Ge- 
sellschaft in  Berlin.  Gegründet  April  1873  von  dem  Privat- 
schreiber Richard  Seydler  in  Berlin,  der  sich  „Doctor"  und 
„Professor"  nannte,  in  Gemeinschaft  mit  dem  Kaufmann  Hilde- 
brandt verschiedene  sehr  übel  berüchtigte  Gründungen,  wie 
„Hypothekar-Credit-  und  Baubank",  „Actiengesellschaft  für 
öffentliches  Fuhrwesen  in  Potsdam",  ,,Provinzialbaubank"  etc., 
verbrochen  hat,  und  1874  ebenso  wie  sein  Cumpan,  zu 
IV2  Jahren  Gefängniss  verurtheilt  wurde.  Als  Mitgründer 
nennt  das  Statut:  Rittergutsbesitzer  Paul  Sommer  auf  Grünau, 
Hartwig  von  Behr-Negendank  auf  Lübschin,  Emil  Sommer, 
Rudolf  Noack,  Paul  Bischoff,  Bruno  Weimann,  Louis  Benken- 
dorff,  Anton  Hildebrandt  und  Oberst  z.  D.  Hermann  von 
Gleissenberg  in  Berlin.  Actiencapital  300,000  Thaler.  1874 
wurde  die  Liquidation  beschlossen ,  und  1875  die  nothwendige 
Subhastation  der  Grundstücke  verfügt. 

Uckerinärkisclie  Wollbank  und  Wollwäscherei  in 
Prenzlau.  Gegründet  Mai  1872  mit  schliesslich  120,000  Thaler 
Actien.  Aufsichtsrath  u.  A.:  Wilhelm  Flügge  in  Prenzlau 
und  Abgeordneter,  Ritterschaftsrath  von  Wedell  -  Malchow. 
Letzte  Dividende  0. 

Bremer  Wollwäscherei.  Gegründet  März  1872  mit 
200,000  Thaler  Actien.  Dividenden  von  1873  bis  1875:  0, 
0  und  resp.  6%. 

Die  Coursverluste,  welche  das  Publikum  bei  den 
Textil-Gründungen  erfahren,  sind  auf  etwa  25  Mil- 
lionen Thaler  zu  schätzen;  bei  den  chemischen  Fabri- 
ken betrugen  sie  etwa  20  Millionen  Thaler,  bei  den 
Gas-,  Papier-,  Zucker-,  Glas-,  Leder-,  Gummi-  und 


—    357     — 

Tabaksfabriken  etwa  30  Millionen  Tlialer,  zusammen 
also  ca.  75  Millionen  Thaler. 

Eine  stattliche  Anzahl  von  Parlamentariern  ist 
bei  diesen  Gründungen  thätig  und  behülflich  gewesen, 
hat  sie  entweder  mitverfasst  oder  sie  doch  durch 
Hergeben  ihres  Namens  dem  Publikum  empfohlen, 
und  wurden  in  den  letzten  drei  Capiteln  folgende 
Herreu  genannt:  Guido,  Graf  Henckel  von  Donners- 
marck.  Geheimer  Admiralitätsrath  Theodor  Jacobs, 
Justizrath  Dr.  Carl  Braun  (Wiesbaden)  und  Geheimer 
Oberregierungsrath  Dr.  Ernst  Eugel  in  Berlin,  Stadt- 
rath  Reinhard  Fröhner  in  Dresden,  Rechtsanwalt 
Rudolf  Thiel  in  Bautzen,  Freiherr  Ernst  von  Eckard- 
stein-Proetzel,  Rechtsanwalt  Wölfel  in  Merseburg, 
Hermann  Zuckschwerdt  in  Magdeburg,  Advocat  Her- 
mann Schreck  in  Pirna  und  Advocat  Emil  Lehmann 
in  Dresden,  Banquier  Friedrich  Feustel  in  Baireuth, 
A.  G.  Mosle  in  Bremen,  Obergerichtsanwalt  Wilh. 
Laporte  in  Hannover,  Commerzienrath  Theodor  Bischoff 
in  Danzig,  Rechtsanwalt  Freund  in  Breslau,  Kreis- 
richter a.  D.  Schulze-Delitzsch,  Kreisgerichtsrath  a.  D. 
Rudolf  Parrisius  in  Berlin,  Stadtrath  Hausmann  in 
Brandenburg,  Dr.  Buhl  in  Deidesheim,  Rechtsanwalt 
Scheuck  in  Wiesbaden,  Dr.  Georg  von  Bunsen,  Stadt- 
verordnetenvorsteher Dr.  Wolfgang  Strassmann  und 


—     358    — 

Consiil  Georg  Müller  in  Berlin,  Professor  Dr.  Carl 
Birnbaum  in  Leipzig,  Stadtrath  Adolf  Hagen,  Kauf- 
mann Richard  Hardt  und  Dr.  Friedrich  Kammacher 
in  Berlin,  Dr.  Egmont  Websky  in  Wüste-Walters- 
dorf, Rittergutsbesitzer  von  Simpson- Georgenburg, 
Ritterschaftsrath  von  Wedell-Malchow. 

Fast  alle  diese  Herren  bekennen  sich  zur  „libe- 
ralen" Partei,  nur  die  beiden  letzten  sind  Conserva- 
tive.  Einige  wenige  sind  inzwischen  ausgeschieden, 
die  meisten  sitzen  noch  im  Parlament,  und  sie  wurden 
trotz  der  Anklagen,  die  man  öffentlich  gegen  sie  er- 
hob, wiedergewählt;  ja  etliche  Gründer  und  Gründer- 
genossen erhielten  erst  bei  den  letzten  Neuwahlen 
ein  Mandat.  Ist  das  nicht  Wasser  auf  die  Mühle 
der  Socialdemokraten ,  weil  der  schlagendste  Beweis 
von  der  tiefen  Corruption  in  unserem  öffentlichen 
Leben?  Was  Wunder,  wenn  da  die  neue  Lehre  der 
Herren  Bebel  und  Liebknecht  von  den  Massen  wie 
ein  Evangelium  begrüsst  wird! 


Die  Wohlthäter  der  Gesellschaft. 

Von  den  Gründer-Ädvocaten  —  Weshalb  der  Schwindel  von  1870—1873  blu- 
tiger als  alle  früheren  war  —  Der  neue  Thurm  zu  Babel  —  „Betheiligung" 
der  Makler,  der  Presse  und  der  Bamiuiers  —  Die  „Depots"  und  die  Wäsche- 
rinnen —  Gründungen  für  Baumaterial:  Berliner  Holzcomptoir,  Potsdamer 
Holzfactorei,  Anhaltische  Holzfactorei ,  Herzfelder,  Dresdener  und  Frankfurter 
Dampfziegelei,  Birkenwerder,  Centralfactorei  —  City,  Centralhank  für  Bauten, 
Ostend,  Südend  und  Cottage  —  Eduard  Mamroth  —  Antonienhütte,  Oderwerke, 
Tippelskirohen,  Greppiner  Werke,  Wusterwitzer  Ziegelei,  Cementfahriken  — 
Deutsche  und  Sfichsisohe  Holzindustrie,  Fassfahrik  Wunderlich,  Nenstädter 
Barofiue-Kahmen ,  Breslauer  Möbel ,  Kathenower  und  Berliner  Holzarbeit, 
Renaissauce  —  Telegrapheubau  und  Telegraphenbedarf  —  Ofenfabriken 
von  Dankberg.  Arueburg,  Keppler  und  Teichert  —  Berliner,  Schlesisches  und 
Tiefenfnrter  Porcellan,  Bunzlauer  Geschirr,  Thon-  und  Cliamottewaaren  — 
Metallindustrie,  Optische  Industrie,  Hufbeschlag,  Spinn  &  Sohn,  Stobwasser, 
Xenss,  Mosgau,  Neue  Berliner  Messingwerke  —  Herr  Christian  Wilh.  Bor- 
chert  und  Herr  Dr.  Engel  lösen  endgültig  die  sociale  Frage  —  Bernsteingesell- 
schaft, Westphälische  Marmorwerke,  Thüringischer  Schiefer,  Westphälischer 
Draht,  Westphälische  Union,  Deutsche  A.  G.  für  Bergbau  und  Dortmunder 
Bergbau  —  Mühlen  -  Kaiserhof,  Hotel  du  >'ord  —  Bäder:  Nudersdorf, 
.lastrzemb,  Chrysopras,  Liebeustein,  Ueiligendamm,  Heringsdorf,  ßothenfelde 
und  Salzungen  —  Baltischer  und  Norddeutscher  Lloyd,  Central-Tauerei,  Elb- 
schiffahrtscomptoir,  Möbel-Transport,  Packetgesellschaft,  Grosse  Berliner 
Pferdebalin  —  Deutsches  Kunstinstitut,  Oelfarbendruck  Borussia,  Bazar, 
Deutsche  Buehhüudlerbank  —  Sport  -  Das  Alte  Testament  zu  Pferde  — 
Fischereigesellschaft  Weser  'und  Emder  Häringslischerei,  Berliner  Molkerei, 
Breslauer  Oelfabriken  —  Herrschaft  Stolzenburg,  Vietmannsdorf,  Altmär- 
kische, Ostpreussische  undPommersche  Industrie,  Deutsch-Ungarische,  Kalker, 
Kheinisch-Westphälische  und  Bergisch-Märkische  Industriegesellsehaft  — 
Tivoli.  Kroll,  Friedrich-Wilhelm-Strasse,  Flora  und  Passage  —  Aron  Hirsch 
Heymann  —  Berliner  Tichmarkt  —  Magistrat  und  Stadtverordnete  zu  Berlin 
—  Berliner  Neustadt  —  Neue  Berliner  Pferdebahn  —  Stadtrath  Hagen  und 
die  Deutsche  ünionbank  —  Städtische  In-enanstnlt  —  Geschäfte  mit  Her- 
mann Geber  —  Kostspielige  Verwaltung  —  Die  Kanalisation  und  die  Riesel- 
felder —  Schuldenlast  und  Steuerschraube  —  Der  Rechenkünstler  der 
„Vossischen  Zeitung". 

„Es  hat  Gründer  und  Börsenjobber  in  der  Allonge- 
perücke und  mit  dem  Haarbeutel  gegeben.  Der  Schwin- 


—     360    - 

delgeist  der  Unternehmer,  die  Leichtgläubigkeit  der 
Actionäre,  die  Erwerbs-  und  Genusssucht  der  Massen 
—  das  Alles  ist  immer  wieder  dagewesen,  bei  der 
Tulpenmanie  in  Holland  1634,  wie  in  der  ßue 
Quincampoix  zu  Paris  unter  Law,  und  in  der  Goal 
Hole  zu  New- York  vor  dem  „Schwarzen  Freitag".  — 
Diese  tiefsinnigen  Worte  gehören  dem  „Volkswirth" 
der  „Vossischen  Zeitung",  und  sie  entfahren  ihm  bei 
einer  Besprechung  der  „Geschichte  der  Handelskrisen" 
von  Max  Wirth,  welches  Buch  er  der  „Römischen 
Geschichte"  von  Mommsen  gleichstellt,  während  er 
den  Verfasser  als  „Publicist,  Volkswirth,  Historiker 
und  Statistiker"  mit  überströmender  Feder  feiert. 
Aehnlich  äusserte  sich  Justizrath  Lesse  im  Deutschen 
Reichstag  am  4.  April  1873,  als  der  fürchterliche 
Gründertödter  Lasker  den  zweiten  Theil  seiner  „Ent- 
hüllungen", diesmal  ohne  Namen  zu  nennen,  zum 
Besten  gab.  Herr  Lesse,  der  das  Actiengesetz  mit 
verfasst  hat,  war  natürlich  gegen  eine  schleunige 
Reform  desselben,  und  er  meinte,  dass  Deutschland 
schon  1857  eine  „vielleicht  ebenso  schlimme"  Krisis 
erlebt  habe,  dass  aber  der  Gründungsschwindel  in 
England  von  1862  bis  1866  ein  weit,  weit  grösserer 
gewesen  sei. 

Es  kann  nicht  befremden,  dass  die  Presse  und 


—     361     — 

die  „Volkswirthe"  jetzt  als  Vertheidiger  der  Gründer 
und  Börsianer  auftreten,  dass  sie  das  entsetzliche  Un- 
heil, welches  sie  mit  angerichtet  haben,  möglichst  zu 
verkleinern  und  als  eine  Naturnothwendigkeit  hinzu- 
stellen suchen.  —  Was  wollt  Ihr  denn?!  rufen  sie 
mit  tugendhafter  Entrüstung,  mit  sittlichem  Abscheu 
den  „Delatoren"  und  „Verleumdern"  zu.  Kennt  Ihr 
die  Geschichte?  Habt  Ihr  nie  gehört  von  dem  Tulpen- 
schwindel in  Holland,  von  der  Compagnie  d'Occident 
in  Frankreich,  von  der  Südseegesellschaft  in  Eng- 
land ?  Gründerperioden  sind  krankhafte  Zeitströmungen, 
die  das  Publikum  epidemisch  ergreifen,  und  sie  werden 
wiederkehren!  Herrscht  denn  die  wirthschaftliche 
Krisis  allein  in  Deutschland,  wüthet  sie  nicht  in  ganz 
Europa  und  über  den  Erdball  hin?! 

So  wissen  diese  Leute  die  Geschichte  für  ihre 
Zwecke  zurecht  zu  schneiden,  die  Thatsachen  zu  ver- 
tauschen und  zu  unterschlagen.  Aber  positive  Zahlen 
beweisen,  dass  zu  keiner  Zeit  und  in  keinem  Lande 
soviel  Gründungen  entstanden  sind  als  von  1870  bis 
1873  in  Deutschland  —  an  1300  Actiengesellschaften; 
dass  die  Cours-  und  Verraögensverluste,  welche  das 
Publikum  erlitten,  nie  und  nirgends  eine  so  kolossale 
Summe  erreichten,  wie  heute  in  Deutschland  —  etwa 
1500  Millionen  Thaler.    Gegen  die  zeitige  Krisis  ge- 


—     362     — 

halten,  war  die  von  1857  nicht  der  Rede  werth;  sie 
ging  schnell  vorüber,  während  die  gegenwärtige  nun 
schon  vier  Jahre  anhält,  und  ihr  Ende  noch  gar 
nicht  abzusehen  ist.  In  England,  in  Frankreich,  in 
Nordamerika,  ja  selbst  in  Oesterreich  hat  der  Schwin- 
del immer  nur  gewisse  Kreise  ergriffen  und  geschä- 
digt, und  es  handelte  sich  dort  in  der  Hauptsache 
jedesmal  nur  um  eine  Börsenkrisis,  während  bei  uns 
Handel  und  Wandel,  Gewerbe  und  Industrie,  alle  Ge- 
schäfte und  Werkstätten,  gross  und  klein,  darnieder 
liegen,  weil  nämlich  die  Gründer  und  Börsianer  das 
ganze  Volk  von  oben  bis  unten  ausgeplündert  haben. 
Die  Gründungen  von  1870  bis  1873  waren  so 
zahlreich  und  so  bösartig  wie  in  keiner  andern  Periode. 
Je  länger  der  Schwindel  währte,  desto  zahlreicher 
und  bösartiger  wurden  sie;  die  meisten  und  die  blu- 
tigsten datiren  aus  der  zweiten  Hälfte  1872  und  aus 
Anfang  1873.  Der  Wiener  „Krach"  brachte  natür- 
lich einen  grossen  Rückschlag,  aber  in  Deutschland 
hörte  das  Gründen  damit  noch  lange  niclit  auf;  es 
ging,  wenn  auch  schwächer,  das  ganze  Jahr  hindurch 
fort,  und  selbst  1874,  ja  noch  1875  tauchen  verein- 
zelte Gründungen  auf,  weil  man  immer  wieder  auf 
ein  baldiges  Ende  der  Krisis,  und  dann  auf  eine  Fort- 
setzung des  Schwindels  hoffte. 


—     363     — 

Die  Actien  der  Gründungen  von  1870  bis  1873 
auf  einandergeschichtet,  müssten  einen  Berg  ergeben, 
gegen  den  der  Montblanc  wie  ein  Zwerg  erscheinen 
würde.  Wo  soll  diese  Papiermasse  hin?  riefen  selbst  die 
Börsenzeitungen,  wenn  ein  Windstoss  sich  erliob  und 
der  Papier-Chimborasso  in's  Schwanken  kam.  Sogar 
Herr  Julius  Schweitzer  von  der  „Nationalzeitung" 
warnte  vor  dem  allgemeinen  „Optimismus"  und  ent- 
schuldigte seinen  „Pessimismus"  —  zwei  Schlagwörter, 
die  in  jedem  seiner  philosophischen  Börsenartikel 
wiederkehren.  Aber  das  waren  und  blieben  allge- 
gemeine  Kedensarten,  um  den  Schein  zu  retten,  um 
sich  für  spätere  Zeiten  den  Bücken  zu  decken.  Im 
Besonderen  empfahl  man  jedes  Unternehmen;  nur 
zuweilen,  wenn  die  Gründung  gar  zu  scandalös  sich 
anliess,  oder  die  Gründer  obscure  Leute  waren,  von 
denen  man  nichts  zu  fürchten  und  wenig  zu  hoffen 
hatte,  fielen  die  Börsenblätter  darüber  her  und  schlach- 
teten sie  als  Schuld-  und  Sühnopfer  ab.  Aber  die 
„Nationalzeitung"  war,  um  dergleichen  mitzumachen, 
zu  „anständig"  und  zu  vornehm;  sie  lobte  Alles  und 
Jedes,  und  wo  sie  durchaus  nicht  loben  konnte  oder 
wollte,  da  schwieg  sie  lieber. 

Es  kostete  Zeit  und  Umwege,  viele  Liste  und 
Ränke,  bis   diese  Millionen  Actien   allmälig  in   die 


—     364     — 

Hände  des  Publikums  gespielt  waren.  Ein  Consor- 
tium  übernahm  das  neue  Papier  vom  andern,  und  das 
letzte  brachte  es  an  die  Börse,  wo  es  Wochen-  und 
Monatelang  von  Agenten  und  professionellen  Jobbern 
„gegeben" und, ;genommen"  künstlich  getrieben  wurde. 
Auch  die  Makler,  die  nur  die  Geschäfte  vermitteln, 
aber  nicht  selber  speculiren  sollen,  wurden  mit„Posten", 
d.  i.  grösseren  Summen  „betheiligt",  und  „interessir- 
ten"  sich  nun  für  das  Papier.  Ebenso  erhielten  die 
Vertreter  der  Zeitungen,  jeder  einige  Actien  gratis 
oder  zu  niedrigerm  Course,  damit  sie  die  nöthige 
Ptcclame  machten.  Hauptsächlich  aber  suchte  man 
die  Banquiers  zu  gewinnen,  indem  man  ihnen  „Boni- 
hcationen"  von  5  bis  20  Procent  bewilligte.  Die 
Banquiers  empfahlen  dann  das  Papier  dringend  ihren 
Kunden,  und  Hessen  es  durch  Geschäftsfreunde  und 
Agenten  über  die  Provinzen,  in  jedem  Städtchen  und 
Dörfchen  vertreiben.  Nur  Börsianer  und  Speculan- 
ten  von  Fach  zeichneten  die  neuen  Actien,  das  Publi- 
kum musste  erst  durch  die  Presse  und  durch  die 
Banquiers  eingefangen  werden.  Auch  musste  es  mit 
seinen  Papieren  häufig  wechseln,  sonst  hätten  die 
Hunderte  von  Banquiers,  die  sich  in  der  Schwindel- 
periode neu  aufthaten,  nicht  existiren  können.  So- 
bald das  Effect  um  ein  paar  Procente  stieg,   rieth 


—     365     — 

der  Bauquier  eifrig,  zu  „realisircn"  den  Gewinn  ein- 
zustecken und  ein  anderes  „steigerungsfcähiges"  Papier 
zu  kaufen,  das  er  gewöhnlich  wieder  auf  Lager  hatte. 
Er  drang  dem  Kunden  Vorschüsse  auf,  gewährte  ihm 
ein  laufendes  Conto,  und  behielt  die  Actien  als  Unter- 
pfand. Fielen  dieselben  im  Course,  trat  eine  Baisse 
ein,  so  verlangte  er  „Deckung",  und  wenn  sie  nicht 
beschafft  w-erden  konnte,  verkaufte  er  das  „Depot". 
So  wurden  harmlose  Privatleute  systematisch  zum 
Speculiren  verführt,  nach  und  nach  um  ihr  ganzes 
Vermögen  gebracht. 

Von  allen  Börseneffecten  sind  die  Industriepapiere 
die  fragwürdigsten,  aber  gerade  sie,  gerade  die  faulsten 
von  ihnen,  gingen  in  die  Hände  des  kleines  Mannes 
über.  Nach  den  Lasker'schen  „Enthüllungen"  brachte 
die  jüdische  „Volkszeitung"  ein  Feuilleton,  welches 
gar  rührsam  von  einer  armen  Wäscherin  erzählte, 
die  ihre  Sparpfennige  in  einer  Actie  der  vom 
Fürsten  Putbus  gegründeten  Berliner  Nordeisenbahn 
angelegt  und  nun  Alles  eingebüsst  hatte.  Allein 
Wäscherinnen  und  Wittw^en,  Kutscher  und  Hausknechte 
pflegten  nicht  Eisenbahnpapiere,  sondern  Industrie- 
sachen zu  kaufen,  z.  B.  den  Neptun  der  Herren 
Dr.  Braun  und  Dr.  Engel,  die  Steinhäuser  Hütte  des 
Herrn  Dr.  Hammacher,  die  Dortmunder  Union  des 


—     366     — 

Herrn  Miquel,  den  Lindenbauverein  des  Herrn  von 
Bonin;  und  ähnliche  Actien,  weil  dieselben  weit  be- 
kannter und  beliebter  waren,  in  den  Zeitungen  und 
von  den  Banquiers  weit  mehr  angepriesen  wurden. 


Die  populärsten  Gründungen  waren  wol  die  Bau- 
vereine, für  welche  Presse  und  „Volkswirthe"  die 
grösste  Reclame  machten.  Sie  wurden  als  edle  men- 
schenfreundliche Unternehmungen,  als  ein  Rettungs- 
mittel gegen  die  Wohnungsnoth  gefeiert  und  fanden 
beim  Publikum  volles  Vertrauen.  In  Berlin  war  ihre 
Zahl  bald  Legion,  aber  auch  in  allen  anderen  Gross- 
städten schössen  sie  lustig  empor,  und  schliesslich 
war  selbst  keine  Mittelstadt  ohne  einen  oder  mehre 
Bauvereine  auf  Actien.  Ebenso  entstanden  zahlreiche 
Gesellschaften  für  Baumaterial,  von  denen  einige  Holz- 
handel trieben,  andere  Ziegel,  Kalk,  Cement  und  der- 
gleichen producirten.  Auch  sie  wurden  mit  den  besten 
Hoffnungen  begrüsst,  und  ihre  Actien  fanden  willige 
Aufnahme  und  grosse  Courssteigerungen.  Wir  be- 
schränken uns  darauf,  folgende  vorzuführen. 

Berliner  Holz-Comptoir.  Gegründet  März  1872  von  Fr. 
Wilhelm  Schramm,  Wolf  Hermann,  Carl  Wilhelm  Eger,  Benny 
Wolff,  Maria  Wilh.  Theodor  Müller,  Th.  Ferd.  Schönemann, 
Th.  Ferd.  Mencke,  Carl  Coppel,  Moritz  Löwe,  Albert  Jonas, 
Landwirth  Julius  Taddel,  Baumeister  Fr.  Koch,  Dr.  Gustav 
Lewinstein,   Justizrath  Otto  Lewald  und  Abgeordneten,  Geh. 


—     3G7     — 

Admiralitätsratb  Jacobs  in  Berlin,  Albert  Fr.  Kogge  in  Char- 
lottenburg, Otto  Heinrich  Sasse  zu  Neustadt-Eberswalde.  2  Mil- 
lionen Thaler  Actien  und  150,000  Thaler  Hypotheken.  Auf- 
sichtsrath  u.  A. :  Bankdirector  Eisentraut  in  Gera.  Dividenden 
8,  8,  6,  G^'o  und  —  0.     Cours  einst  125,  jetzt  noch  ca.  40. 

Potsdamer  Holz-Factorei,  sonst  Gebrüder  Saran.  Ge- 
gründet September  1872  von  Heinrich  Quistorp  in  Berlin,  mit 
500,000  Thlr.  Actien,  wovon  derVorbesitzerFerd.  Saran  angeblich 
300,000  Thlr.  übernahm.  Aufsichtsrath :  Rechtsanwalt  Engels, 
Kaliabis,  Julius  Koppen  und  E.Peltzholtz  in  Potsdam.  Dividenden 
von  1872  bis  1875:  IG,  6,  6  und  resp.  S-aO/o.  Cours  einst  145, 
jetzt  ca.  60. 

Berlin- Aulialtische  Holz-Factorei.  Gegründet  März  1873 
von  Martin  Fränkel,  Siegfried  Lövinson,  Louis  Lövinsohn,  Adolf 
Ellenburg,  Robert  Kemnitz  und  Freiherrn  Otto  von  Schleinitz  in 
Berlin,  mit  200,000  Thaler  Actien.  Verspätete  Gründung;  schon 
October  1873  ward  die  Auflösung  beschlossen. 

Herzfelder  Danipfziegelei  bei  Berlin,  früher  dem  Lehn- 
schulzen A.  Schultz  gehörig.  Gegründet  November  1872  von 
Moritz  Bamberger,  Louis  Schwartz  und  Wolfram  Meyer  in  Berlin. 
300,000  Thaler  Actien  und  50,000  Thaler  Hypotheken.  Im 
Prospect  war  das  Actiencapital  nur  mit  250,000  Thlr. 
angegeben,  und  M'urde  dasselbe  aufgelegt  bei  "Wolfram  Meyer 
in  Berlin  und  bei  Meyer  &  Gellhorn  in  Danzig.  „Technischer 
Leiter":  der  Vorbesitzer,  und  ausserdem  bildeten  den  „Vor- 
stand": Justizrath  Slevogt,  Kreisbaumeister  "Wendt  und  Salomon 
Lewin  in  Berlin.  Bamberger  und  Meyer  garantirten  für  die 
nächsten  2  Jahre  eine  Dividende  von  mindestens  6%,  und  dem 
Prospect  war  ein  Gutachten  des  Regierungs-  und  Bauraths 
C.  Schwatlo  und  des  Kreisbaumeisters  Carl  Wendt  beigefügt, 
das  einen  Reingewinn  von  jährlich  44,000  Thaler,  also  eine 
Verzinsung  von  ca.  1G%  vorrechnete.  Die  Bilanz  für  1873 
schloss  mit  5000  Thaler  Verlust,  während  einer  der  Aufsichts- 
räthe  17,000  Thaler  Gewinn  feststellen  wollte,  aber  dafür  von 


368 


seinen  Collegen  aus  dem  Tempel  geworfen  wurde.  Zu  diesen 
skandalösen,  öffentlich  geführten  Streitigkeiten  und  gegensei- 
tigen Beschuldigungen  kamen  Prozesse  gegen  die  Gründer  wegen 
der  Dividendengarantie  und  wegen  der  nicht  abgenommenen 
Actien  mit  50,000  Thaler.  October  1876  ward  der  Concurs 
eröffnet,  und  die  März  1873  mit  110  bezahlten  Actien  sind 
werthlos.  Der  Staatsanwalt  hat  recherchirt,  aber  wie  es  scheint, 
ohne  Erfolg. 

Dresdener  Dampfziegelei  in  Alt-Striessen.  Als  Verfasser 
nannte  die  „Allgemeine  Börsenzeitung"  den  Stadtverordneten 
Rechtsanwalt  Ludwig  Meyn  und  die  Gebrüder  Emil  Cohnfeld 
und  Eugen  Cohnfeld  in  Berlin.  (Emil  Cohnfeld  war  Heraus- 
geber des  „Berliner  Figaro",  zu  dessen  Begründung  Hermann 
Geber  das  Geld  gegeben  hatte.)  Die  sehr  unbedeutende  Zie- 
gelei wurde  Sommer  1873  angeblich  für  192,000  Thaler  er- 
worben, und  die  neue  Gesellschaft  mit  275,000  Thaler  Actien 
und  162,000  Thaler  Hypotheken  etablirt.  Doch  verweigerte  die 
Dresdener  Börse  die  Einführung  des  Papiers,  und  in  Berlin 
sollen  Actien  ohne  Dividenden-Coupons  coursirt  haben!  Schon 
November  1874  musste  der  Betrieb  eingestellt  werden,  und  das 
mit  437,000  Thalern  belastete  Etablissement  ging  Herbst  1875 
in  der  gerichtlichen  Subhastation  für  noch  nicht  26,000  Thaler 
an  den  Vorbesitzer,  Ernst  Friedrich  zurück.  Im  August  1876 
soll  der  Berliner  Staatsanwaltschaft  gegen  die  Gründer  eine 
120  Bogen  lange  Denunciation  zugegangen  sein,  und  die  Unter- 
suchung jetzt  in  Dresden  schweben. 

Frankfurter  Dampfziegelei  in  Frankfurt  a.  0.  Gegründet 
Februar  1873  von  W.  von  Lockstedt  &  Besag  in  Berlin,  die 
das  verfallene  Etablissement  den  Actionären  für  249,000  Thlr. 
aufhalsten.  Aufsichtsräthe :  Rittergutsbesitzer  von  Suckow,  Ren- 
tier C.  Brandes  und  Banquier  Sorsky  in  Berlin.  1875  wurden 
28,000  Thaler  Actien  „zurückgeschenkt",  1876  der  Concurs 
eröffnet. 

Birkenwerder,   Gesellschaft   für  Baumaterial  in  Berlin. 


-     369    — 

Gegründet  März  1872  von  Georg  Beer  und  Max  Munk,  und 
den  unglücklichen  Actionäreu  für  die  kolossale  Summe  von 
890,000  Thaler  überwiesen.  560,000  Thaler  Actien  und  410,000 
Thaler  Hypotheken.  „Erste  Zeiclmer":  Aron  Hirsch  Heymann, 
A.  H.  Heymann  &  Co.,  Paul  Munk,  Max  Munk,  Georg  Beer, 
Baumeister  Walter  Kyllmann,  Director  Wilh.  Kremser  und  die 
Vorbesitzer:  Commerzienrath  Oscar  Krause  in  Berlin  und  Wilh. 
Borgfeldt  in  Birkenwerder.  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths : 
Gotthold  Heymann;  Vorstand:  Franz  Pernet  in  Berlin.  Für 
das  erste  Geschäftsjahr  von  9  Monaten  entfielen  11%  Dividende 
und  5600  Thaler  Tantiemen;  von  1873  bis  75:  4,  2  und  resp. 
0%.    Cours  einst  115,  jetzt  etwa  noch  5. 

Centralfactorei  für  Baumaterial  in  Berlin.  Gegründet 
December  1872  von  Eduard  Mamroth,  Hugo  Mamroth,  Jos. 
Wilh.  Bergmann,  Heinrich  Wilhelm  Bergmann,  Leo  Wollen- 
berg, Ignatz  Hantke,  Amandus  von  Lieben,  Stadtrath  Dr.  Aloys 
Stört,  Paul  Emil  Rosenfeld,  Louis  Fonrobert,  Maler  Carl  Sievers 
in  Berlin.  650,000  Thaler  Actien  und  250,000  Thaler  Hypo- 
theken. Eine  Gründung,  die  noch  kurz  vor  dem  Krach  das 
Publikum  ausserordentlich  anzapfte.  Die  mit  100  eingeführten 
Actien  gingen  in  ein  paar  Monaten  bis  220,  während  sie  heute 
etwa  10  stehen.  Gleich  das  erste  Geschäftsjahr  schloss  mit 
einem  grossen  Verlust,  da  der  Vorstand,  Baumeister  Hilke, 
sich  bei  Mauersteinen,  die  er  auf  Lieferung  kaufte,  arg  ver- 
speculirte. 

Fast  dieselben  Personen,  nämlich  Eduard  und  Hugo  Mam- 
roth, Joseph  und  Heinrich  Bergmann,  von  Lieben,  Rosenfeld, 
Fonrobert,  Hilke,  Dr.  Stört,  Georg  Sievers  und  Carl  Sievers 
gründeten  am  selben  Tage  die 

Baugesellscliaft  City  in  Berlin  mit  600,000  Thlr.  Actien, 
welche  damals  bis  175  getrieben  wurden  und  dann  bis  circa 
8  sanken. 

Die  Mutter  beider  Gesellschaften  war  die  am  1.  März  1872 
errichtete 

Glagau,  Der  Börsenseliwindel.    II.  24 


—     370     — 

Centralbank  für  Bauteil  in  Berlfn.  Gründer:  Geh.  Ad- 
miralitätsrath  Wandel,  Dr.  A.  Stört,  Ferd.  Oppenheim,  Leo 
Wollenberg,  Heinrich  Bergmann,  Ignatz  Hantke,  Isidor  Mam- 
roth  und  Hugo  Mamroth.  Actiencapital  schliesslich  5  Millionen 
Thaler.  Cours  einst  420,  jetzt  etwa  noch  12.  Diese  sehr  frucht- 
bare Mutter  setzte  ausserdem  noch  folgende  Kinder  in  die  Welt: 

Baugesellschaft  Ostend  in  Berlin.  Geboren  am  5.  Octbr. 
1872.  Pathen:  Maurermeister  August  Siecke,  Heinrich  Berg- 
mann, Emil  Rosenfeld,  Redacteur  Alexander  Hoffers,  Stadt- 
verordneter Dr.  Carl  Erich.  300,000  Thaler  Actien.  Cours 
einst  120,  jetzt  0. 

Baugesellschaft  Südend  in  Berlin.  Geboren  am  13.  August 
1872.  Pathen:  Samuel  Heinrich  EUon,  Georg  Neumann,  David 
Tobias,  Robert  Peters,  Wilh.  Gumpertz  in  Berlin.  850,000 
Thaler  Actien.     Cours  einst  125,  jetzt  0. 

Baugesellschaft  Cottage  in  Berlin.  Geboren  am  25.  October 
1872.  Pathen:  Dr.  Theodor  Eulenstein  in  Dresden,  Architect 
Heinrich  Kaiser,  Fabrikant  Hermann  Blume,  Leopold  Löwy 
und  August  Waldmann  in  Berlin.  500,000  Thaler  Actien. 
Cours  0.  Diese  ehemalige  Villen-Colonie  ist  inzwischen  wieder 
Schafweide  geworden,  und  es  gedeiht  hier  üppig  die  Wucher- 
blume, seit  dem  Krach  auch  „Gründerblume"  genannt.  Die 
Grundstücke  wurden  zur  nothwendigen  Subhastation  gestellt, 
und  zu  diesem  Zwecke  auf  44,000  Thaler  taxirt. 

Ausserdem  hat  die  Centralbank  für  Bauten  verübt:  Pinne- 
berger Union  (Vgl.  S.  126)  und  Eisengiesserei  Rockstroh  (Vgl. 
S.  108),  sowie  endlich  fünf  andre  „Centralbanken"  in  Nürnberg, 
in  München,  in  Stuttgart,  in  Carlsruhe  und  in  Frankfurt  a.  M., 
die  alle  keine  Beschäftigung  fanden  und  daher  liquidiren 
mussten. 

Der  Vater  der  Centralbank  und  der  eigentliche  Urheber 

■» 
all'  dieser  bösen  Gründungen  ist  Eduard  Mamroth  in  Berlin, 

auch  noch  betheiligt  bei  Neptun  (Vgl.  S.  173)  sowie   bei  der 

Ostdeutschen   Bank  und  bei   der  Ostdeutschen  Wechslerbank 


—     371     - 

in  Posen.    Herr  Eduard  Mamroth  kostet  dem  Publikum  viele 
Millionen,  ist  aber  selber  ein  reicher  Mann  geworden. 

Antoiiienhütte  zu  Coswig  im  Anhaltschen;  Thonwaaren, 
Ziegelei  und  Kohlenabbau,  vormals  Grosse,  öcbrfeyer&Co. 
Gegründet  auf  350,000  Thaler  Actien  von:  Adolf  Salomon, 
Jacob  Meyer  und  Stadfrath  Meyer  Moritz  Stadthagen  in  Berlin. 
Vorstand:  Wilhelm  Bauer  und  Gotthilf  Salomon  in  Berlin, 
Samuel  Schreyer  in  Coswig.  1873  schloss  mit  21,500  Thal  er 
Verlust,  1876  wurden  die  Grundstücke  der  Gesellschaft  zur 
Subhastation  gestellt. 

Vereinig:te  Oderwerke  für  Baubedarf  und  Braunkohlen 
bei  Schwedt  a.  0.,  vormals  Freiherr  von  Werthern.  Ge- 
gründet Juni  1872  mit  150,000  Thaler  Actien  und  GO.OOO  Thlr. 
Hypotheken.  Als  Aufsichtsräthe  nannte  der  Prospect:  Freiherr 
von  Werthern,  Jacques  Goppel,  Otto  Clement,  Nachmann  Hirsch 
Neumann,  Baumeister  E.  Titz,  Ingenieur  R.  Henneberg  (Riet- 
schel  &  Ilenneberg)  und  Dr.  H.  Ebeling,  Börsen-Redacteur  der 
„Vossischen  Zeitung"  in  Berlin.  Vorstand:  Freiherr  von  Wer- 
thern, Abraham  Henoch  und  Theodor  Morgenstern  in  Berlin. 
Die  Actien,  zuerst  mit  102—106  notirt,  verloren  bald  jeden 
Cours  und  sind  völlig  werthlos.  Schon  1873  ward  die  Auflösung 
beschlossen,  1874  folgte  die  nothwendige  Subhastatiou,  und 
1875  wurde  ein  Untersuchungsverfahren  eingeleitet,  über  dessen 
Resultat  aber  bisher  nichts  verlautete. 

Vereinigte  Werke  auf  Tippelskircheu  bei  Calbe  a.  d. 
Saale;  Ziegelei,  Steinbruch  und  geplante  Bier-Brauerei.  Ge- 
gründet Mai  1872  mit  350,000  Thaler  Actien,  welche  Libbert 
und  Hirsch  in  Berlin,  B.  Gutmann  in  Dresden,  M.  S.  Meyer  in 
Magdeburg  u.  A.zumCourse  von  105  auflegten.  Aufsichtsrath :  Th, 
Oscar  Ulrich  in  Dresden,  Chr.  W.  Rande  in  Giebichenstein, 
Louis  Ehrenberg  in  Halle  a.  S.,  F.  L.  H.  Härter,  Fr.  Ad. 
Schweter  und  W.  H.  Wiesel  in  Leipzig.  Vorstand:  Gottlieb 
Gaeschke  in  Tippeiskirchen.  Im  Prospect  wurden  30%  in  Aussicht 

24* 


OiZ       — 

gestellt,  15%  als  Minimum  vorgerechnet,  und  G^/o  garantirt. 
Aber  schon  Juli  1873  brach  der  Concurs  herein. 

Greppiner  Wei'ke  bei  Bitterfeld;  Braunkohlengrube, 
Dampfziegelei  und  Thonwaarenfabrik,  früher  C.  A.  Stange  in 
Dessau.  Gegründet  November  1871  von  Ferd.  Jaques,  Baurath 
Hermann  Waesemann,  Baurath  Ludwig  Quassowski,  Baumeister 
Fr.  Koch  und  Stadtrath  Kudolf  Pohle  in  Berlin.  Aufsichtsrath 
u.  A.:  Piechtsanwalt  Hecker,  welcher  das  Statut  aufgenommen. 
„Revisoren":  Bernhard  Maywald  und  Hermann  Leubuscher  in 
Berlin.  660,000  Thaler  Actien,  200,000  Thaler  Prioritäten  und 
150,000  Thaler  Hypotheken.  Der  Vorbesitzer  Stange  blieb 
,,mit  einem  bedeutenden  Capital  betheiligt"  und  übernahm  die 
Leitung.  1872  entfielen  9V2%  Dividende,  1873  —  9%  Divi- 
dende und  12,300  Thaler  Tantiemen,  1874  schloss  mit  41,000 
Thaler  Verlust.  Cours  einst  125,  jetzt  noch  ca.  10.  Baurath 
Wäsemann,  ein  mehrfacher  Gründer,  ist  der  Erbauer  des  Ber- 
liner Eathhauses,  und  man  nannte  ihn  unter  den  hochverdienten 
Männern,  deren  Relief-Portraits  die  Fagade  des  stolzen  Ge- 
bäudes schmücken  sollten. 

Heegerinühle,  Ziegelei  bei  Berlin.  Gegi'ündet  Mai  1872 
von  Robert  Baumann,  Julius  Heyne,  Eduard  Abel,  Hermann 
Samuel,  Albert  Rathenau,  Ignatz  Witkowski  und  Julius  Valentin 
in  Berlin,  mit  350,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thaler  Hy- 
potheken. Vertheilte  für  das  erste  Geschäftsjahr  von  8  Monaten 
eine  Dividende  von  nominell  10%,  schloss  1873  mit  14,000 
Thaler  Verlust  und  trat  März  1875,  nachdem  das  Grundstück 
bereits  subhastirt  worden,  in  Liquidation.  Für  die  Actionäre 
sollen  etwa  2%  übrig  bleiben.  Seit  Herbst  1874  schwebt  ein 
Untersuchungsverfahren  wider  „Unbekannt"! 

Wiisterwitz-Eatlieiiower  Ziegelei.  Gegründet  September 
1873,  mit  200,000  Thaler  Actien  und  72,000  Thaler  Hypotheken, 
von  Dr.  Carl  Assmann,  Theodor  Hildebrandt,  Daniel  von  derHeydt, 
Rechtsanwalt  Franz  Lorek  in  Berlin  etc.  Dividenden  sind  nicht 
bekannt  geworden.   Der  Staatsanwalt  hat  wiederholt  recherchirt. 


—     373     — 

Miirltisclie  Portlaiid-Cementfabrlk  bei  Zossen,  früher 
H.  G.  Klau.  Gegriiudet  1.  Juli  1870,  mit  400,000  Thaler  Actien, 
von  dem  Abgeordneten  Consul  Gustav  Müller,  dem  Baurath 
James  Hobrecht  und  dem  Baumeister  Wilhelm  Boeckmaun  in 
Berlin.  Unter  den  ersten  Zeichnern  befinden  sich:  die  Ab- 
geordneten Dr.  Fr.  Hammacher  in  Essen  und  L.  A.  Jordan  in 
Deidesheim,  Geh.  Fiuanzrath  Hasselbach  und  Regieruugsrath 
von  Käthen,  Hermann  Kremser  in  Berlin,  J.  Marx-Hansemann 
in  Bonn  etc.  Novbr.  1873  fand  die  Vereinigung  mit  der  fol- 
genden Gesellschaft  statt. 

Märkische  Cementfal)rik.  Gegründet  August  1873,  mit 
150,000  Thaler  Actien,  von  Consul  Gustav  Müller,  Nathan  Schle- 
singer, Hermann  Kremser  und  Julius  Caro  in  Berlin.  Auch 
diese  Gesellschaft  erwies  sich  nicht  lebensfähig  und  beschloss 
Januar  1876  ihre  Auflösung. 

Hernisdorfer  Cemeut,  Verblendziegel  und  Thonwaaren, 
früher  Lessing,  bei  Berlin.  Gegründet  October  1871  von 
der  Berliner  Wechslerbank  und  Julius  Alexander  in  Berlin, 
mit  425,000  Thaler  Actien  und  223,000  Thaler  Hypotheken. 
Verwaltungsrath:  Dr.  Ziurek,  Rittergutsbetitzer  Leopold  Lessing, 
Commerzienrath  L.  Schwartzkopif,  Adolf  Abel,  G.  Kerting,  Di- 
rector  Heimann  und  Dr.  Girau;  Vorstand:  Stadtbaurath  Gersten- 
berg in  Berlin.  Erste  und  einzige  Dividende  für  ein  Geschäfts- 
jahr von  2  Monaten  (!)  5*'/o.  Jedes  folgende  (volle)  Jahr  schloss 
mit  grösserem  Verlust,  und  verschiedentlich  ward  die  Liquidation 
beantragt,  zumal  es  fortlaufend  an  Geld  fehlte,  aber  die  Ge- 
sellschaft entschied  sich,  weiter  zu  vegetiren.  Die  Actien  haben 
jeden  Cours  verloren. 

Portland -Cemeutfabrik  Bredow  bei  Stettin.  Errichtet 
Juli  1871.  ,,Gründungs-Comite":  E.  Ai'cn,  Gutsbesitzer  Ferd. 
Gräber,  Stadtrath  Reinh.  Schöpperle  und  Justizrath  Dr.  Zachariä 
in  Stettin.  300,000  Thaler  Actien,  aufgelegt  bei  Scheller  & 
Degener  in  Stettin  und  bei  Joseph  Leipziger  in  Berlin-,  dazu 
50,000   Thaler   Hypotheken.     12   bis    15%   Dividende   wurden 


—     374     — 

versprochen,  und  März  1873  die  Vermehrung  des  Actiencapitals 
um  150,000  Thaler  beantragt.  Verwaltungsräthe:  C.  F.  Bäven- 
roth  und  von  Koller,  Dividenden  pro  1874  und  1875  —  0. 
Cours? 

Bohlschau,  Portland -Cementfabrik  bei  Danzig,  Assessor 
a.  D.  Schulze-Billerbeck  überliess  der  im  August  1871  con- 
stituirten  Gesellschaft  340  Morgen  Land  und  eine  „Wasserkraft 
von  220  Pferdekräften",  wodurch  „gegen  die  Anwendung  von 
Dampfkraft"  eine  Summe  von  15,000  Thalern  pro  Jahr  erspart 
werden  sollte,  für  den  Preis  von  128,000  Thaler.  Gründungs- 
comite:  Stettiner  Vereinsbank,  Stadtrath  Olschewski  (Gebrüder 
Baum)  in  Danzig,  Kammerherr  Graf  von  Keyserling -Neustadt, 
Landrath  Vormbaum  in  Neustadt.  Actiencapital  300,000  Thlr. 
Verwaltungsräthe:  von  Blankensee,  W.  Schumann  in  Stettin. 
Wiewol  der  Prospect  an  Dividende  ,, einige  dreissig  Proceut" 
erwarten  Hess,  scheinen  die  Actionäre  bisher  noch  nichts  er- 
halten zu  haben.  Dagegen  schritt  man  1875,  um  Betriebs- 
mittel zu  beschaffen,  zur  Ausgabe  von  Grundschuldbriefen. 

Ausserdem  bildete  sich  gleichfalls  im  Sommer  1871  eine 
zweite  Portland-Cemeutfahrik-Actiengesellschaft  in  Danzig, 
mit  90,000  Thaler  Actien  und  35,000  Thaler  Hypotheken.  Ver- 
waltungsrath:  H.  Pape,  P.  Rempel,  L.  Liepmann,  Baurath  Licht, 
Bankdirector  Schottler.    Weiteres  ist  nicht  bekannt  geworden. 

Ebenso  wie  die  Bauvereine,  dienten  auch  die  Bau- 
materialgesellschaften nur  der  wildesten  Speculation, 
vertheuerten  sie  die  Wohnungen  und  die  Baukosten 
unglaublich.  Die  Centralfactor  ei  der  Herren  Mam- 
roth  und  Genossen  kaufte  auf  Lieferung  25  Millionen 
Mauersteine  und  verlor  daran  107,000  Thaler.  Das 
Tausend  Ziegel  mittlerer  Qualität  kostete  in  der 
Schwindelzeit  25  bis  30  Thaler  und  ist  seitdem  bis 


—     375    — 

6  Thaler  gesunken.  Selbstverständlich  können  bei 
solchem  Preise  die  so  theuer  gegründeten  Ziegeleien 
nicht  bestehen,  und  da  sie  überhaupt  kaum  noch 
Absatz  finden,  haben  die  meisten  den  Betrieb  ein- 
stellen müssen.  Allein  an  der  Berliner  Börse  wurden 
die  Actien  von  fast  100  Bauvereinen  und  Baumate- 
rialiengesellschaften gehandelt,  ihre  Anzahl  in  ganz 
Deutschland  wird  an  200  betragen  haben,  und  die 
Coursverluste  des  Publikums  sind  hier  auf  ca.  150 
Millionen  Thaler  zu  schätzen. 

Wir  kommen  zu  den  Gründungen  der  Holz-,  Thon-, 
Porcellan-  und  Metallindustrie,  die  ein  ähnliches  Bild 
der  Verwüstung  bieten. 

Deutsche  Holziudnstrie  (Dampfschneidemühle) ,  früher 
Basch  &  Rosenthal  in  Landsberg  a/W.  Gegründet  März  1873 
von  Siegfried  Basch  in  Landsberg,  Moritz  Roseuthal,  Salomon 
WolfF,  Siegmund  Kapferer,  Marcus  Engel,  „Generaldirector" 
Fr.  Waltz  und  Geh.  Regierungsrath  Dr.  Carl  Esse  in  Berlin, 
mit  300,000  Thaler  Actien,  welche  ä  105— 107  eingeführt  wurden, 
und  105,0U0  Thaler  Hypotheken.  Das  erste  Geschäftsjahr  ergab 
IVa^'/o  Dividende;  Mai  1875  ward  die  Auflösung  beliebt  und  zu 
Liquidatoren  ernannt:  Moritz  Rosenthal,  Siegmund  Kapferer 
und  Robert  Kemnitz.  Als  Verlust  führte  die  letzte  Bilanz  ca. 
180,000  Thaler  an,  doch  dürften  die  Actien  werthlos  sein.  Der 
Staatsanwalt  hat  recherchirt. 

Säclisisdie  Holzindustrie  zu  Rabenau  bei  Dresden.  Ge- 
gründet Mai  18G9  mit  zuletzt  316,000  Thaler  Actien.  Verwal- 
tungsrath:  Otto  Seebe,  Consul  G.  A.  Ilofmann,  Advocat  Hippe 


—     376     — 

und  Rentier  Otto  in  Dresden,  Professor  Pressler  in  Tharandt. 
Dividende  pro  1875/76  —  0.     Cours? 

Fassfabrik  Wanderlich.  Entstand  im  Juli  1872  durch 
Ankauf  der  Böttcherei  von  Eduard  Wunderlich  in  Zwickau, 
welche  der  neuen  Gesellschaft  mit  240,000  Thaler  überwiesen 
wurde,  worauf  man  eine  zweite  Werkstätte  in  Berlin  aufschlug 
und  eine  dritte  in  Wolgast  anzulegen  versuchte,  bei  welchem 
Versuche  es  jedoch  blieb.  Die  Gründer  waren:  Heinrich 
Quistorp,  Wilhelm  Koch,  Moritz  Goldstein,  Bierdirector  Armand 
Knoblauch  und  Julius  Meyer  Lehmann  in  Berlin,  Ingenieur 
Otto  Büsing  in  Charlottenburg.  Actiencapital  300,000  Thaler. 
Als  Vorsitzender  des  Aufsichtsraths  fungirte  der  frühere  Abge- 
ordnete, Regierungsrath  Wilhelm  Jungermann  in  Berlin;  und 
die  Direction  übernahmen  der  Vorbesitzer  Eduard  Wunderlich 
und  Wunderlich  jun.  Das  erste  Geschäftsjahr  warf  120/o  Divi- 
dende ab,  dazu  für  den  Aufsichtsrath  3000,  für  den  Vorstand 
9000,  für  die  Beamten  3000,  und  für  den  Arbeiterunterstützungs- 
fonds 1500  Thaler.  Quistorp  war  in  solchen  Dingen  immer 
nobel,  freilich  auf  Kosten  der  Actionäre,  und  er  vergass  nie 
der  Beamten  und  Arbeiter.  1873/74  brachte  nur  einen  Rein- 
gewinn von  1778  Thaler,  worauf  Eduard  Wunderlich  eine  Er- 
holungsreise nach  Italien  unternahm,  und  an  seiner  Stelle  der 
Mitgründer  Wilh.  Koch  die  Direction  führte.  1874/75  schloss 
mit  grossem  Verlust,  man  trat  in  Liquidation  und  überliess 
das  Geschäft  an  Wilh.  Koch.  Ernst  Wunderlich,  gegen  den  die 
Gesellschaft  gerichtliche  Schritte  einschlug,  wurde  angeklagt 
wegen  unterlassener  Anmeldung  des  Concurses  und  wegen  Auf- 
stellung einer  falschen  Bilanz,  aber  nur  zu  100  Thalern  Geldbusse 
verurtheilt!    Die  Actien,  welche  einst  115  notirten,  sind  werthlos. 

Xeustädter  Baroque-Rahmeii  und  Rohleisten  in  Berlin 
und  Neustadt-Eberswalde.  Noch  im  November  1873  mit  150,000 
Thaler  Actien  gegründet.  Vorstand:  Fr.  Wilh.  Minck  in  Neu- 
stadt-Eberswalde und  Alexander  Lange  in  Berlin.  Ohne  Bör- 
sencour s.    Der  Staatsanwalt  ist  eingeschritten. 


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Breslauer  Möbel-,  Parqnet-  niul  Holzban,  vormals  Ge- 
brüder Bauer  und  Fr.  Rehorst.  Gegründet  November  1871 
mit  1  Million  Thaler  Actien.  Aufsichtsrath:  Stadtrichter  a.  D. 
Friedländer,  Emil  Friedländer,  Siegmund  Sachs,  Max  Alexander, 
Robert  Caro,  Justizrath  Friedensburg,  Baurath  Lüdecke  und 
„Generaldirector"  Schmieder  in  Breslau,  Abgeordneter  Ritter- 
gutsbesitzer Eisner  von  Gronow.  Vorstand:  Ernst  Bauer  und 
Otto  Bauer.  Dividenden:  1874  —  1%,  1875  —  0.  Cours  einst 
115,  jetzt  noch  etwa  30. 

Ratheuower  Fabrik  für  Holzarbeit  (Tischlerei),  vorm. 
W.  Köhler  jun.  Gegründet  Februar  1872,  mit  schliesslich 
260,000  Thaler  Actien,  von  Heinrich  Reh,  dem  berühmten  Di- 
rector  der  Societätsbrauerei  in  Berlin.  Aufsichtsr äthe:  Rechts- 
anwalt Schnitze  in  Rathenow,  C.  A.  Arndt  und  Job.  Gottlieb 
Mäcker  in  Berlin.  Director:  der  Vorbesitzer  Wilhelm  Köhler. 
Für  1872  entfielen  20%  Dividende,  worauf  das  Actiencapital 
verdoppelt  und  der  Cours  bis  165  getrieben  wurde;  1873  er- 
hielten die  Actionäre  12%,  1874  und  1875  schlössen  mit  Ver- 
lust. Man  schritt  zur  Auflösung,  und  die  „Direction"  erbot 
sich,  das  Etablissement  gegen  Herauszahlung  von  2Vi%  zu  über- 
nehmen ! 

Actiengesellschaft  für  Holzarbeit  (Parquets)  in  Berlin. 
Gegründet  Mai  1869  von  den  Abgeordneten,  Freiherr  Ernst 
von  Eckardsteiu-Prötzel  und  Consul  Gustav  Müller  in  Berlin,  Com- 
merzienrath  Johannes  Quistorp  in  Stettin.  Aufsichtsräthe  u.  A. : 
Banquier  Albert  Kämpf  und  Commissionsrath  Louis  Cahnheim 
in  Berlin.  Director:  Hermann  Simon.  Das  Actiencapital  be- 
trug ursprünglich  nur  20(1,000  Thaler,  wurde  aber  in  der 
Schwindelperiode  auf  1,000,000  Thaler  gebracht.  Dazu  180,000 
Thaler  Hypotheken.  Dividenden  von  1870—1875:  6V2,  IOV2 
12 Vi,  7,  5  und  resp.  0%.  1872  bis  1874  entfielen  für  den 
Director  sowie  für  den  Verwaltungsrath  hohe  Tantiemen.  Cours 
einst  115,  jetzt  etwa  noch  15. 

Renaissance  (Geschnitzte  Möbel)  in  Berlin.    Bestand  schon 


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seit  1861  und  machte,  bei  einem  Capital  von  100,000  Thaler, 
gute  Geschäfte;  wurde  aber  im  Juni  1872  mit  500,000  Thaler 
Actien  gegründet  vou:  Siegfried  Lövinson,  Ernst  Heene,  Her- 
mann Schomburg  und  dem  Abgeordneten,  „Professor  der  Na- 
tionalökonomie" Dr.  Julius  Frühauf  in  Berlin.  Als  Aufsichts- 
räthe  fungirten  u.  A.:  Dr.  Moritz  Lövinson,  Dr.  A.  Jacobius, 
H.  Hirschberg,  F.  Jäger,  Simon  Lipmann,  „Generaldirector" 
Fr.  Waltz,  Baurath  E.  Römer,  Otto  Nitze,  Director  der  Rumä- 
nischen Eisenbahngesellschaft,  Director  Herbig  und  Abgeord- 
neter, Geh.  Admiralitätsrath  Jacobs  in  Berlin.  Directoren:  die 
bisherigen  Geschäftsinhaber:  Louis  Lövinson,  Siegfried  Lövinson 
und  Robert  Kemnitz.  Gleich  im  Prospect,  wo  obenan  der 
Name  des  Abgeordneten  und  „Volkswirths"  Professor  Frühauf 
prangte,  wurden  14  ^/o  Dividende  zugesichert,  und  auf  Grund 
eines  Rechenkunststücks  wurden  sie,  dem  Namen  nach,  auch 
bezahlt,  d.  h.  blos  für  sechs  Monate  und  nach  Abzug  von  5  ^/o 
Zinsen,  welche  die  eingefangenen  Actionäre  für  drei  Monate 
rückwärts  erlegen  mussten.  Um  dieses  Blendwerk  von  Divi- 
dende zu  ermöglichen,  sollen  auf  Verlangen  des  Simon  Lip- 
mann, der  die  Unterbringung  der  Actien  besorgte,  30,000  Thlr. 
von  den  Vorbesitzern  zugeschossen  sein.  Dafür  wusste  man 
sich  in  anderer  Weise  zu  entschädigen.  Die  Directoren  be- 
willigten sich  hohe  Gehälter,  und  einer  von  ihnen,  Siegfried 
Lövinson,  verkaufte  an  die  beiden  anderen,  d.  h.  au  die  neue 
Gesellschaft,  die  Grundstücke  Holzmarktstrasse  8,  9  und  10, 
welche  er  wenige  Monate  zuvor  um  160,000  Thaler  erworben, 
für  280,000  Thlr.,  also  mit  einem  Aufschlag  von  120,000  Thlr. 
Im  Prospect  war  die  Kaufsumme  nur  mit  150,000  Thaler  an- 
gegeben, und  die  auf  den  Häusern  lastende  Hypothek  ver- 
schwiegen. Alsbald  kauften  die  drei  Directoren  vereint  ein 
Bauterrain  im  Norden  der  Stadt,  welches  dem  Commerzienrath 
Grüson  in  Magdeburg  gehörte,  und  diesem  15,000  Thaler  ge- 
kostet hatte,  für  die  Gesellschaft  um  289,000  Thaler  an.  Es 
war  dies,  wie  der  Geschäftsbericht  ganz  offen  bekennt,  ein  blosser 


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Speculationskauf;  man  speculirte,  dass  die  Berliner  Stadtbahn 
die  Häuser  in  der  Ilolzmarktstrasse  acquirireu  müsse,  was  sie 
aber  nicht  that,  und  so  blieb  man  mit  dem  grossen  Areal  am 
Nordufer  sitzen.  Das  zweite  Geschäftsjahr  ergab  nur  2  "/o 
Dividende,  und  1874  schloss  mit  112,000  Thaler  Verlust.  Zur 
Entschädigung  erhielten  die  Actionäre  eine  saubere  Karte  von 
den  Baustellen  am  Nordufer  —  eine  sehr  abgelegene,  unheim- 
liche Gegend,  zwischen  Gefängnissen,  Besserungsanstalten,  Petro- 
leummagazinen, Lazarethen  und  Kirchhöfen.  An  Hypotheken 
sind  nicht  weniger  denn  380,000  Thaler  vorhanden,  und  darum 
notiren  die  einst  von  der  Norddeutscheu  Grundcreditbank  mit 
103  ausgegebenen  Actien  nur  noch  etwa  —  3. 

Während  aber  die  Gesellschaft  verkümmerte,  wurde  Director 
Siegfried  Lövinson  ein  reicher,  vornehmer  Mann.  Auf  vielen 
schönen  Häusern  in  der  Wilhelmsstrasse,  Dorothcenstrasse  etc. 
zu  Berlin  las  man  in  goldenen  Buchstaben  seinen  Namen,  und 
dazu  erstand  er  als  Sommerresidenz  Park  und  Schloss  Steglitz 
bei  Berlin,  das  er  mit  lauter  geschnitzten  Möbeln  ebenso  ge- 
schmackvoll wie  comfortable  ausstattete.  Erst  auf  der  General- 
versammlung am  20.  December  1875  kam  es  zu  „Enthüllungen". 
Für  den  weislich  abwesenden  Siegfried  stellte  sich  kühnlich 
Louis  Lövinson  in  die  Schranken;  er  verglich  die  Führer  der 
Opposition  mit  dem  Massenmörder  Thomas,  der  die  furchtbare 
Explosion  in  Bremerhaven  herbeiführte,  und  er  schrie:  Die 
„Renaissance''  sei  ihm  wie  eine  Tochter  an's  Herz  gewachsen 
und  er  werde  sie,  trotz  aller  Dolchstösse  der  Ankläger,  zu 
schützen  wissen.  Er  zeigte  sich  um  so  tapferer,  als  ihm  eine 
Schaar  von  Genossen  und  Verbündeten  zur  Seite  stand,  und 
mit  diesen  stimmte  er  die  Opposition  nieder.  Aber  die  Be- 
siegten riefen  den  Staatsanwalt  an,  und  seitdem  schwebt  die 
Untersuchung. 

Internationale  Telogrraphenbauanstalt,  früher  Wilh. 
Hörn  in  Berlin.  Gegründet  Januar  1872  von  Eduard  Abel,  Robert 
Baumaun,  Julius  Hoj'ue,  Heinrich  Valentin,  Hermann  Samuel, 


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Geh.  Rechnungsratli  Ludwig  Bernhard  und  Bauinspector  Eduard 
Thiele  in  Berlin;  mit  350,000  Thaler  Actien,  aufgelegt  bei  der 
Berliner  Maklerbank  ä  103.  Director:  der  Vorbesitzer  Wilh. 
Hörn.  Vertheilte  pro  1872  —  5  %  Dividende,  und  beschloss, 
weil  nicht  lebensfähig,  im  Mai  1874  die  Auflösung.  Liquida- 
toren: Julius  Hahlo,  Julius  Herz  und  Ingenieur  Julius  Meyer 
in  Berlin.  Für  die  Actionäre  scheinen  nur  6  %  übrig  ge- 
blieben zu  sein. 

Actiengesellschaft  für  Telegraphenbedarf,  vormals  He  r- 
mannSchomburgin Moabit  bei  Berlin.  Gegründet  Januar  1872, 
mit  400,000  Thaler  Actien,  wovon  aber  nur  220,000  Thaler  aus- 
gegeben, und  144,000  Thaler  Hypotheken,  von  Siegfried  Lövin- 
son,  Robert  Kemnitz  und  Rathszimmermeister  Rudolf  Hosemann 
in  Berlin.  Vorstand:  der  Vorbesitzer  und  Paul  Hosemann.  Zu 
den  Aufsichtsräthen  gehörten  noch:  Eisenbahndirector  Otto  Nitze 
und  Telegraphendirector  H.  Schulz'  in  Berlin.  Von  1872  bis 
1875  entfielen  an  Dividenden:  8,  6,  6  und  resp.  5V2  %•  Cours? 

Dankberg'sche  Ofeufabrik  in  Berlin.  Gegründet  Sep- 
tember 1872  mit  500,000  Thaler  Actien  und  215,000  Thaler 
Hypotheken!  Als  ersten  Unterhändler  bezeichnete  die  „Neue 
Börsen-Zeitung"  Herrn  Jean  Fränkel;  der  Aufschlag  soll  über 
200,000  Thaler  betragen  haben.  Die  Actien  wurden  zu  Markt 
gebracht  von  A.  H.  Heymann  &  Co.,  welche  auch  den  Prospect 
unterzeichnet  haben;  und  als  Gründer  traten  auf:  Paul  Munk, 
Max  Munk,  Leopold  Hadra,  Eduard  Hänseier,  Bildhauer 
C.  L.  Dankberg,  Baumeister  Adolf  Heyden  etc.,  sämmtlich  in 
Berlin.  Aufsichtsräthe:  Max  Heymann  und  Franz  Pernet  in 
Berlin.  Erste  Dividende  3%,  wozu  die  Vorbesitzer  10,000  Thlr. 
beisteuerten.  1874  gab  es  noch  2  %,  1875  —  0.  Cours  einst 
110,  jetzt  etwa  noch  5. 

Ofenfabrik  Arneburg  bei  Stendal,  dem  Rittergutsbesitzer 
H.  Schwenke  gehörig.  Gegründet  Mai  1872  von  dem  Freiherrn 
von  Werthern,  von  Carl  Graeper,  Julius  Ende  und  Emil  Mar- 
kau  in  Berlin,  mit  150,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thaler 


—     381     — 

Hypotheken  Erste  Dividende  5%,  dann  0.  Bei  der  letzten 
Generalversammlung  wurden  die  „Vertreter  der  Presse"  nicht 
mehr  hineingelassen.     Cours  circa  1. 

Keppler'sclie  Ofenfabrik  in  Stettin.  Gegründet  Februar  1872 
mit  150,000  Thaler  Actien  und  300,000  Thaler  Hypotheken. 
Direction:  Georg  Keppler.  Aufsichtsräthe:  Oberregierungsrath 
Gustav  Seelmannn,  welcher  jedoch  auf  Anweisung  seiner  vor- 
gesetzten Behörde  wieder  ausscheiden  musste;  Bankdirector 
Ludwig  Hindersin,  Hermann  Reinhardt,  Ernst  Böttcher  und 
Fr.  Marggraf  in  Stettin.  Letzte  Dividende  0.  Im  Mai  1876  wurden 
die  der  Gesellschaft  gehörigen  Grundstücke  für  36,000  Thaler 
verkauft. 

SäclisiscLe  Ofeu-  uud  Chamottewaarenfabrik  in  Colin 
bei  Meissen,  vormals  Ernst  Teichert.  ,".00,000  Thlr.  Actien, 
aufgelegt  im  October  1872  ä  106  bei  M.  Schie  Nachfolger  und 
Gebr.  Guttentag  in  Dresden.  Dazu  50,000  Thaler  Hypotheken. 
Dividende  pro  1874  und  1875  je  4  •'/o.  Cours  etwa  40.  Herr 
Teichert,  der  Vorbesitzer,  behielt  die  Leitung,  und  „schenkte" 
Anfang  1875  der  Gesellschaft  50  Actien. 

Berliner  Porcellau-Manufactiir  (Ad.  Schumann).  Ver- 
kauft von  Eduard  Appelhans  und  Albert  Zäpernick,  und  Fe- 
bruar 1871  gegründet  von:  Hofrath  Moritz  Alberts,  Bernhard 
Lucae,  Aug.  Sponholz,  Samuel  Falk  (Heiuitz  &  Falk),  Carl  Uno 
(Dahlmann  &  Uno)  und  Ludwig  Pollborn  in  Berlin,  mit 
300,000  Thaler  Actien  und  150,000  Thaler  Hypotheken.  Im 
Prospect  wurden  „über  12  %  Dividende"  vorgerechnet  und  bis 
1873  gezahlt:  10,  8  und  resp.  6  "/o.  Später  gab  es  0,  und  die 
früher  im  Privatbesitz  so  blühende  Fabrik  arbeitet  nur  noch 
mit  Verlust.     Cours  etwa  15. 

Sclilesische  Porcellan-  und  Steingriit-Manufactur,  vor- 
mals F.  N.  Matthiessen  in  Tiefenfurt  bei  Buuzlau.  Gegründet 
August  1872,  mit  200,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thaler 
Prioritäten.  Der  Vorbesitzer  behielt  die  Leitung,  und  als  Auf- 
sichtsräthe wurden  genannt:  G.  R.  Besser  in  Berlin,  C.  G.  Schüller 


—    382     — 

in  Tiefenfurt,  Stadtrath  Haucke  sen.  in  Zittau,  Rittergutsbesitzer 
Richard  Sporleder  auf  Kostemke.  1873  —  7  %  Dividende; 
dann  0.     Cours  einst  110,  jetzt  etwa  noch  10. 

Tiefeufurter  Porcellan-  und  Chaiuottewaarenfabrik, 

vormals  Carl  Raedisch.  Gegründet  September  1872  von  der 
Communalständischen  Bank  in  Görlitz  mit  175,000  Thaler 
Actien,  aufgelegt  bei  S.  Abel  jr.  in  Berlin,  und  mit  60,000  Thlr. 
Hypotheken.  Der  Vorbesitzer  übernahm  25,000  Thaler  Aclien 
und  behielt  die  Leitung.  Aufsichtsräthe :  H.  F.  Hecker,  Th. 
Roeder  und  Baumeister  Fischer  in  Görlitz,  H,  Engelhardt  in 
Lauban.  10—15  %  Dividende  wurden  versprochen  und  für  das 
erste  Geschäftsjahr  71/2%  gezahlt,  dann  nichts  mehr.  Herbst 
1875  legte  der  Aufsichtsrath  sein  Amt  nieder,  keiner  der  an- 
wesenden Actionäre  wollte  sich  wählen  lassen.  Man  erkor  drei 
Abwesende,  in  der  Hoffnung,  dass  sie  annehmen  würden,  und 
legte  je  10  Actien  zu  Einer  zusammen. 

Buuzlauer  Geschirr- ,  Oefen-  und  Thonröhrenfabrik,  vor- 
mals Lepper  &  Küttner.  Vorgekauft  von  Siegmuiid  Löwy  in 
Berlin  und  gegründet  November  1872  mit  25,000  Thaler  Hypo- 
theken und  200,000  Thaler  Actien,  welche  Alwin  Philipp 
an  die  Börse  brachte.  1874  —  2  %  Dividende.  Da  es  an  Be- 
triebsmitteln fehlte,  trat  man  Januar  1877  in  Liquidation. 

Pommer'sche  ChamotteTvaarcufabrik  in  Podejuch  bei 
Stettin,  vormals  Toepke  &  Seehausen.  Gegründet  Novem- 
ber 1872  mit  150,000  Thaler  Actien  und  45,000  Thaler  Hypo- 
theken. Als  Aufsichtsräthe  nannte  der  Prospect:  Dr.  G.  Weissen- 
born,  G.  Bergschmidt,  S.  A.  Eppenstein,  A.  Martin  und  Bau- 
meister Emil  Gelte  in  Berlin,  Professor  Dr.  H.  Hellriegel  zu 
Dahme.     Gerieth  schon  October  1874  in  Concurs. 

MuskanerThonwaaren,  vormalsBergschmidt,  Schlie- 
ben  &  Hentschel.  Gegründet  Februar  1874  von  den  Vor- 
besitzern u.  A.,  zusammen  von  18  Personen,  unter  denen  sich 
auch  ein  „Fräulein"  befindet,  mit  150,000  Thlr.  Actien.   November 


—     383     — 

1874  schritt  der  Staatsanwalt  ein,  und  October  1876  brach  der 
Concurs  aus. 

Deutsche  Tliourölireu-  und  Chamotte-Fabrik  zu  Münster- 
berg in  Schlesien.  Errichtet  September  1874  von  Heinrich 
Quistorp,  der  sich  in  öffentlicher  Versammlung  selber  einen 
Gründer  aus  Leidenschaft  und  Ueberzeugung  nannte;  gegründet, 
während  er  sich  noch  im  Concurs  befand,  von  ihm  und  Carl 
Adolf  Brandt  in  Berlin,  CarlWinckler  in  Rostock,  Oscar  Freund 
in  Breslau,  Hauptlehrer  Emil  Mehlhose  in  Berlin  etc.  Actien- 
capital  275,000  Thaler.    Natürlich  ohne  Börsencours. 

Metall-Industrie,  Bleiröhren  und  Messingwaaren,  vormals 
Ernst  Bucholt&  Hahn  in  Berlin.  Angekauft  für  200,000  Thlr. 
und  December  1872  gegründet  von  Carl  Seefeld,  Leopold  Cohn, 
Nachmann  Hirsch  Neumann  und  Dr.  Heinr.  Ebeling ,  Börsen- 
Redacteur  der  „Vossischen  Zeitung"  in  Berlin.  Actiencapital 
300,000  Thlr.-,  dazu  48,000  Thlr.  Hypotheken  und  125,000  Thlr. 
Prioritäten.  Directpren :  der  Vorbesitzer  Max  Jasper  Hahn  und 
Job.  Aug.  Oscar  Hahn.  Wie  eine  Zeitungsreclame  verkündete, 
nahm  die  Gesellschaft  „Stellung  zur  Kanalisation  von  Berlin", 
welche  „das  Gebiet  ihrer  Thätigkeit  sehr  vortheilhaft  berührte". 
A  conto  dieser  Position  warf  sie  für  das  erste  Geschäftsjahr 
eine  Dividende  von  3^2  %  aus,  zahlte  dieselbe  aber  nicht,  und 
beschloss  Mai  1874  ihre  Auflösung. 

Optische  Industrie  (Brillen),  vormals  CommerzienrathEmil 
Busch  in  Rathenow.  Gegründet  October  1872  von  H.  Quistorp 
in  Berlin.  Actiencapital  275,000  Thaler  und  100,000  Thaler 
Hypotheken.  Dividenden :  9,  5,  4  und  resp.  3  %.  Cours  einst 
115,  jetzt  ca.  20. 

Deutsche  Gesellschaft  für  Hufbesclilag  (Hufnägel),  vor- 
mals Möller,  Schreiber  &  Co.  in  Berlin.  Gegründet  nach 
dem  „Krach",  August  1873,  von  Commerzienrath  Hermann 
Egells,  Heinrich  Cohn,  Anton  Cohn,  Julius  Cohn,  Hermann 
Mortzfeld,  Hugo  Möller  und  Julius  Möller  in  Berlin,  Clemens 


—     384    — 

Ewald  Schreiber  in  Neustadt-Eberswalde.  Actiencapital  500,000 
Thaler!    Dividenden?  —  Ohne  Börsencours. 

Broncewaaren  und  Zinkgnss,  vormals  J.  C.  Spinn  & 
Sohn  in  Berlin.  Gegründet  August  1872  mit  300,000  Thaler 
Actien  und  125,000  Thaler  Hypotheken.  Otto  Spinn  verkaufte 
für  284,000  Thlr.  an  Carl  Black,  und  dieser  für  384,000  Thlr.,  also 
mit  100,000  Thaler  Aufschlag,  an  die  Gesellschaft,  welche  ihr  Da- 
sein folgenden  Herren  verdankt:  Otto  Wendland,  Fritz  Beermann, 
Mosca  d'Israeli,  August  Kilz,  Ferdinand  Vogts,  Hermann  Würz, 
Amand  Bloch,  Hüttendirector  Hellmuth  Förster  und  Professor 
Martin  Gropius  in  Berlin.  Die  erste,  wol  künstliche  Dividende 
betrug  10  %,  1874  gab  es  noch  6  %,  und  dann  0.  Cours  einst 
130,  jetzt  etwa  noch  30. 

Laiiipenfabrik  Stobwasser  in  Berlin.  Gegründet  Oc- 
tober  1871  von  Max  Munk  und  Emil  Heymann  in  Berlin.  „Erste 
Zeichner":  Aron  Hirsch  Heymann,  Meyer  Cohn,  Mendel  Cohn, 
Sigismund  Süssmann,  Paul  Munk,  Joseph  Pincuss,  Max  Kruse, 
August  Jacobs,  Anton  Wolff  (Hirschfeld  &  Wolff),  Director 
Gustav  Dittmann,  Justizrath  Carl  Drews  und  Commerzienrath 
Gustav  Stobwasser  in  Berlin.  „Erste  Revisoren":  Siegmund 
Heydenreich  und  Gustav  Kutter  in  Berlin.  Als  Aufsichtsräthe 
fungirten  auch  noch :  H.  Reimann  und  Julius  Ebbinghaus  in  Berlin. 
Im  Prospect  hiess  es:  ,,Das  Geschäft  wirft  bei  dem  Ankaufs- 
preis von  650,000  Thaler  schon  jetzt  einen  Nutzen  von  über 
10  ^lo  ab,  und  wird  sich  der  Gewinn  noch  erhöhen."  Für  Er- 
werbung der  Vorräthe  und  als  Betriebscapital  (!)  waren  — 
350,000  Thaler,  zusammen  also  —  1,000,000  Thaler  ausgeworfen. 
Unter  diesen  so  kolossal  bezahlten  „Vorräthen"  soll  sich  ein 
ganzer  Bodenraum  mit  veraltetem,  mehr  oder  weniger  unbrauch- 
bar gewordenem  Lampengeschirr  etc.  befunden  haben.  Von  dem 
Actiencapital  mit  800,000  Thalern  übernahm  der  Vorbesitzer 
Stobwasser  200,000  Thaler,  und  ausserdem  blieb  eine  Hypo- 
thek von  200,000  Thaler  für  ihn  stehen.  Die  Dividende  war 
nie  höher  'als  6  %,  und  betrug  pro  1875/76  nur  4%;  trotzdem 


—    385    — 

be-willigte  der  Aufsichtsrath  sich  2125  Thaler  Tantieme!  Cours 
noch  etwa  30. 

Wageiifabrik  Neuss  in  Berlin.  Gegründet  August  1872 
von  dem  Vorbesitzer  Joseph  Neuss,  dem  Bierdirector  Hermann 
Gratweil,  dem  Gummidirector  Jules  Fonrobert,  dem  Hotelbesitzer 
Jul.  Alex.  Hendtlass,  dem  Dr.  Alexis  Bertram  und  dem  Ban- 
quier  Ferd.  Jaques  in  Berlin.  600,000  Thaler  Actien  und 
150,000  Thaler  Hypotheken.  Die  erste  Dividende  betrug  nomi- 
nell 13  %,  sank  1873  auf  4  "/o  und  hörte  dann  völlig  auf,  wes- 
halb auch  die  Actien  nur  noch  etwa  10  notiren.  Seitdem  die 
Gründer  nicht  mehr  auf  Gummi  fahren,  ist  der  Begehr  nach 
Luxuswagen  sehr  gering.  Herr  Joseph  Neuss  aber  vergnügte 
sich  mit  dem  Commando  einer  Dampffähre  in  Swinemünde, 
wo  er  im  Sommer  1876,  wie  die  Zeitungen  meldeten,  das  Leben 
der  Passagiere  in  grosse  Gefahr  brachte. 

Silberwaarenfabrik  Mosg'an  in  Berlin.  Vorgekauft  von 
Paul  Munk  für  450,000  Thaler,  und  October  1872  den  unglück- 
lichen Actionären  überwiesen  für  750,000  Thaler,  also  mit 
800,000  Thaler  Aufschlag.  Die  Gründer  waren:  A.  H.  Hey- 
mann &  Co.  (Gotthold  und  Max  Heymann),  Sachs  &  Edinger 
Aren  Hirsch  Heymann,  Emil  Mosgau,  Reinhold  Mosgau,  Max 
Munk,  Rudolf  Seidel  (H.  A.  Jürst  &  Co.),  Ignatz  Witkowski, 
Dr.  Anton  Daffis,  Verlagsbuchhändler  Theodor  Heymann  und 
Geh.  Finanzrath  Eugen  Kühnemann  in  Berlin.  Actiencapital 
700,000  Thaler  und  180,000  Thaler  Hypotheken.  Vorstand :  Emil 
Mosgau  und  Reinhold  Mosgau,  später  der  Vorbesitzer  Franz 
Mosgau.  Als  Aufsichtsräthe  fungirten  u.  A.  noch:  Louis  Sachs 
und  David  Hirschfeld  in  Berlin.  Für  das  erste  Geschäftsjahr 
wurden  nominell  8%  Dividende  vertheilt,  1873  entfiel  1  %, 
1874  und  1875  —  0,  und  1876  geschah  die  Auflösung.  Dieselbe 
ward  einfach  von  den  Gründern  und  ihren  Verbündeten  be- 
schlossen ,  welche  zu  diesem  Zwecke  grosse  Posten  der  schon 
bis  3  Brief  gesunkenen  Actien  bereit  hielten. 

Glagau,  Der  Börsensclnvindol.     II.  25 


—     386    — 

Paul  Munk  vertrat 1000  Stimmen. 

und  für  Max  Munk  ....  150  „ 

A.  H.  Heymann  &  Co 498  „ 

Sachs  &  Edinger 129  „ 

Dr.  Daffis 52 

Franz  Mosgau 119  „ 

Emil  Mosgau 100  „ 

Reinhold  Mosgau 5  „ 

Georg  Beer  für  Meyer  Cohn  .     .  260  „ 

David  Hirschfeld 327  „ 

zusammen  2640  Stimmen. 

Die  Opposition  dagegen  besass  nur  108  Stimmen.  Gegen 
die  Auflösung  protestirte  Isidor  Itzig,  übrigens  auch  ein  mehr- 
facher Gründer,  indem  er  in  einer  Eingabe  an  den  Handelsrichter 
behauptete:  Die  Bilanzen  seien  sämmtlich  falsch,  bei  der  Grün- 
dung sei  kaum  der  vierte  Theil  des  Actiencapitals  vorhanden 
gewesen,  und  die  Liquidation  geschehe  nur,  weil  Franz  Mosgau 
billig  zurückkaufen  wolle.  Jedenfalls  hatte  Isidor  Itzig,  der 
plötzlich  verstummte,  in  dem  letzten  Punkte  Recht:  der  Vor- 
besitzer Franz  Mosgau,  für  welchen  eine  Hypothek  von 
140,000  Thaler  eingetragen  war,  erhielt  das  Geschäft  um 
ein  Butterbrod  zurück,  und  die  Actionäre  haben  eine  Quote 
von  5  bis  6%  zu  erwarten.  Als  Liquidatoren  walteten  zuerst: 
David  Hirschfeld,  Samson  Sklower  und  Commerzienrath  Salomon 
Weigert-,  später  Julius  Herz  und  Dr.  juris  Emil  Lehmann  in 
Berlin.  Eine  Anzahl  von  Actionären  beabsichtigte,  eine  Civil- 
klage  gegen  die  Gründer  anzustellen.  Weil  aber  der  Prospect 
grobe  Unwahrheiten  enthält  und  wesentliche  Dinge  verschweigt, 
z.  B.  gewisse  Belastungen  der  Gesellschaft  und  der  ihr  über- 
wiesenen Grundstücke,  ist  auch  die  Staatsanwaltschaft  ein- 
geschritten. 

Neue  Berliner  Messingwerke,  sonst  Wilh.  Borchertjr. 
Gegründet  März   1873  von  dem  Vorbesitzer,  sowie  von  dem 


387 


Abgeordneten,  Geh.  Oberregierungsrath  Dr.  Ernst  Engel,  Louis 
Caplick,  Bernhard  Lucae  und  Ernst  Wartenberg  in  Berlin. 
Actiencapital  850,000  Thaler  und  150,000  Thaler  Hypotheken. 
Dividenden:  10,  8  und  resp.  10%.    Cours  120—130. 

Ende  1867  erliess  Herr  Christoph  Wilhelm  Bor- 
chert  in  Berlin  einen  gedruckten  Brief  „An  meine 
Beamten  und  Arbeiter";  worin  er  ihnen  kund  that: 
Ich,  meines  Wissens  der  Erste  in  Deutschland,  mW 
nach  dem  Vorbilde  der  Englischen  Industrial  Part- 
nerships  den  Reingewinn  meiner  Fabrik  und  auch 
diese  Fabrik  selber  mit  Euch  theilen,  Euch,  wenn 
Ihr  wollt,  Alle  aus  Arbeitern  zu  Fabrikbesitzern  empor- 
heben. Ich  schätze  den  Werth  meiner  Fabrik  auf 
300,000  Thaler,  zerlege  diese  Summe  in  6000  An- 
theilscheine  ä  50  Thaler,  und  überlasse  Euch  nun, 
sämmtliche  Antheilscheine  nach  und  nach  käuflich 
von  mir  zu  erwerben.  —  Dieses  weiter  ausgeführte 
wundersame  Schriftstück  hatte  Herrn  Dr.  Engel  zum 
Verfasser;  er  Hess  es  in  dem  Berliner  städtischen 
Jahrbuch  für  1868  abdrucken  und  schrieb  dazu: 

„Es  kann  nicht  fehlen,  dass  dieses  System  rasch  Verbrei- 
tung finden  werde,  denn  es  ist  ebenso  praktisch  wie  wissen- 
schaftlich richtig,  und  es  ist  sofort  und  überall  ausführbar.  Es 
ist  aber  auch  eminent  politisch.  Der  Unterschied  zwischen 
Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer  wird  nach  und  nach  beseitigt, 
und  damit  wird  auch  der  fast  künstliche  Gegensatz  zwischen 
Bourgeoisie  und  Proletariat  aufgehoben.  Jedem  Arbeiter  wird 
die  Aussicht  auf  Capitalansammlung  geöffnet,  jeder  ist,  obgleich 


—     388     — 

Arbeiter,  doch  auch  Arbeitgeber  und  Mitbesitzer  seiner  Werk- 
statt.   „So  ist  denn  die  sociale  Frage  keine  Frage 

mehr,  die  Anhäufung  von  Arbeitei-massen  in  den  grossen  Städten 
keine  Gefahr  mehr,  sondern  eine  Wohlthat;  denn  so  viel  Arbei- 
ter, so  viel  kleine  Eigenthümer,  so  viel  treue,  strebsame  Bürger, 
so  viele  v?ahre  Freunde  des  unbeweglichen  und  beweglichen 
Besitzes,  und  darum  auch  ebensoviel  Vertheidiger  der  öifent- 
lichen  Ordnung." 

Herr  Dr.  Engel,  der,  wie  es  scheint,  in  der  "Wissen- 
schaft wie  im  gescliäftlichen  Leben  ein  liebenswür- 
diger Sanguiniker  ist,  und  den  neutestamentlichen 
Glauben  besitzt,  der  da  Berge  versetzt,  versicherte 
in  einer  feierlichen  Sitzung  der  Juristischen  Gesell- 
schaft zu  Berlin,  in  Gegenwart  des  Kronprinzen  von 
Preussen:  durch  die  edle  That  des  Herrn  Christoph 
Wilhelm  Borchert  sei  nunmehr  die  endgültige  Lösung 
der  socialen  Frage  erfolgt. 

"Wie  man  sieht,  war  die  Geschichte  nur  eine  "Varia- 
tion des  alten  Schulze-Delitzsch'schen  Liedes  vom 
Sparen  der  Arbeiter  und  von  ihrer  Selbsthülfe;  und 
die  Presse  versuchte,  sich  dafür  zu  begeistern.  Aber 
trotz  aller  Reclame  fand  der  Vorgang  wenig  Nach- 
ahmung, er  erregte  bei  Herren  wie  bei  Arbeitern  nur 
Lachen,  und  auch  die  Engel-Borchert'sche  Gesell- 
schaft liess  bald  nichts  mehr  von  sich  hören. 

Da  kam  die  Schwindelära.  Herr  Borchert  hatte 
sich  inzwischen  auch  noch  ein  Bankgeschäft  zugelegt 


—     389    — 

und  dabei  Geschmack  am  Gründen  gefunden.  April 
1871  gründete  er  mit  Otto  Harlan,  H.W. Bassenge  &  Co., 
M.  Scliie  Nachfolger,  Philipp  Elymeyer  und  der  Scäch- 
sischen  Lombardbank  in  Dresden,  mit  Rudolf  Hart- 
wig in  Fürstenwalde,  Emil  ßrebeck,  Carl  Homburg, 
Eduard  Nesselmann,  Gustav  Schwendy,  Rechtsanwalt 
Riemann  und  Geh.  Regierungs-  und  Baurath  Nietz  — 
die  Berliner  Lombardbank*),  berüchtigten  Ange- 
denkens, deren  Actien  einst  110  standen  und  heute 
4  stehen,  und  die  seit  Jahren  die  Staatsanwaltschaft 
beschäftigt.  Frühling  1873  folgte  die  Gründung  der 
Messingfabrik,  die  also  doch  nicht  Miteigenthum  der 
„Beamten  und  Arbeiter"  geworden  war,  sondern  nach 
wie  vor  Herrn  Borchert  allein  gehörte.  Wieder  lei- 
tete ihn  die  reine  Menschenliebe;  „ohne  directe  Nach- 


*)  Actiencapital  500,000  Thaler.  Als  „erster  Zeichner" 
figurirt  u.  A.  noch:  Director  August  Zimmermann  in  Berlin. 
Vorstand:  August  Waldmann  und  Dr.  Julius  Hensel  in  Berlin. 
Für  1871  erhielten  die  Actionäre  eine  Art  „Bauziusen"  mit 
5%;  für  1872  wurden  ll'/4*'/o  Dividende  vertheilt,  weil  die  Bank 
beim  Verkauf  eines  Grundstücks  133,000  Thaler  profitirt  zu 
haben  glaubte.  Doch  erwies  sich  dieser  Glaube  als  Aberglaube, 
indem  der  splendide  Käufer  hinterher  nicht  Zahlung  leistete. 
Die  Gesellschaft  beschloss  September  1874  ihre  Auflösung  und 
wählte  zu  Liquidatoren:  Hugo  Vetter,  Alfred  Peters  und  Paul 
Kucke  in  Berlin.  Dem  Director  Dr.  Hensel  ward  die  Decharche 
verweigert,  und  gegen  ihn  die  gerichtliche  Untersuchung  ein- 
geleitet. 


—    390    — 

kommen",  wie  es  in  den  Zeitungsreclamen  hiess, 
"wollte  er  sich  allmälig  vom  Geschäft  zurückziehen, 
den  Vortheil  dem  Publikum  gönnen;  doch  berechnete 
er  die  kleine  unbedeutende  Fabrik,  die  er  vor  fünf 
Jahren  auf  300,000  Thaler  geschätzt  hatte,  der  neuen 
Actiengesellschaft  jetzt  mit  1  Million  Thaler!  Im 
Uebrigen  behielt  er  in  seiner  Eigenschaft  als  „Vor- 
sitzender des  Aufsichtsraths"  die  Oberleitung,  und 
bestellte  den  Mitgründer,  Dr.  Engel,  zum  Vicepräsi- 
denten.  "Wie  bei  den  Schulze-Delitzsch'schen  Genossen- 
schaftsbanken handelte  es  sich  auch  in  diesem  Falle 
um  eine  Gründung  unter  social- politischer  Flagge, 
zum  Besten  der  arbeitenden  Klassen.  Indess  hatten 
die  Gründer  sich  verspätet,  denn  alsbald  trat  der 
Krach  herein.  Trotzdem  wurden  die  Actien,  noch 
im  Juli  1873,  an  der  Börse  mit  130  eingeführt,  und 
zu  diesem  hohen  Course  und  darüber  lebhaft  gekauft. 
"Während  alle  andern  Papiel'e  bodenlos  stürzten,  blieben 
Messingactien  unerschüttert,  und  die  Notiz  lautete 
bis  heute  „bezahlt  und  Geld"  ja  häufig  blos  „Geld", 
d.  h.  begehrt,  aber  gar  nicht  zu  haben.  Fortlaufend 
gab  es  gute  Dividenden  und  es  wird  sogar,  noch  von 
Aufstellung  der  Bilanz,  regelmässig  eine  Abschlags- 
(Zins-)  Dividende  gezahlt.  In  der  That  eine  seltene 
Gesellschaft!    "V^^ahrscheinlich  aber  waren  die  Actien 


—     391     — 

niclit  mehr  unterzubringei>,  und  sie  befinden  sich  zum 
weitaus  grössten  Theil  wol  noch  in  den  Händen  des 
Herrn  Borchert,  der  also  Dividenden  und  Super- 
dividenden  in  der  Hauptsache  an  sich  selber  zahlt. 
Als  „Capitaleinlagen  der  Arbeiter"  figurireu  in  der 
Bilanz  nur  ca.  7000  Thaler,  gewiss  eine  sehr  beschei- 
dene Summe,  und  es  bleibt  fraglich,  ob  diese  Arbei- 
ter-Capitalisten  auch  Actionäre,  oder  ob  sie  blos  Gläu- 
biger sind. 

Ueber  das  Partnershipsystem,  das  man  auch  für 
das  landwirthschaftliche  Gewerbe  empfohlen  hat, 
äusserte  sich  in  einem  öffentlichen  Vortrage  sehr  ab- 
fällig der  nationalliberale  Abgeordnete,  Generalsecre- 
tair  Dr.  Thiel,  welcher  zu  dem  landwirthschaftlichen 
Minister,  Herrn  Friedenthal  in  vertraulichen  Bezie- 
hungen steht.  „Der  niedere  Kulturzustand  unserer 
Arbeiterbevölkerung  im  Allgemeinen",  so  sagte  er 
nach  der  „Nationalzeitung",  „welcher  jedem  Einzelnen 
den  Zug  aufprägt,  auf  Kosten  seiner  Mitarbeiter  zu 
faulenzen',  und  welcher  nur  zu  oft  dahin  führt,  dass 
der  sauer  verdiente  Wochenlohn  ohne  Rücksicht  auf 
die  allernächste  Zukunft  am  Sonnabend  und  Sonntag 
verprasst  wird,  dieser  Kulturzustand  ist  unempfäng- 
lich für  den  Reiz  einer  Prämie,  welche  erst  nach 
Jahr  und  Tag  fällig  wird,  und  von  dem  guten  Willen 


—    392     — 

aller  Mitarbeiter,  sowie  von  ganz  unberechenbaren 
Naturereignissen  abhängig  ist."  Ohne  Frage  sind 
das  ebenso  ungerechte  wie  unverständige  Worte.  Die 
Gewährung  einer  Tantieme  kann  dem  Arbeiter  nicht 
gleichgültig  sein,  sie  wird  ;ihn  auch  sittlich  heben 
und  ihn  an  den  Besitzer  fesseln,  aber  sie  darf  nicht, 
wie  bei  den  Spielereien  ä  la  Engel,  blos  in  der  Luft 
schweben  und  sie  muss  in  jedem  Falle  von  einigem 
Belang  sein.  Neuerdings  hat  der  Stadtverordnete 
Keilpflug  in  Berlin,  Inhaber  einer  Cigarrenfabrik,  sich 
erboten,  den  Reingewinn  seines  „Detailgeschäfts"  mit 
den  Arbeitern  zur  Hälfte  zu  theilen,  und  wenn  dieses 
Arrangement  ehrlich  gemeint  ist,  kann  es  gute  Früchte 
tragen.  Nur  wirkliche  Opfer,  Seitens  der  Besitzen- 
den, Opfer  an  Vorrechten  und  Gütern,  kann  das  Loos 
der  arbeitenden  Klasse  verbessern,  kann  die  social- 
demokratische  Bewegung,  die  unsere  ganze  Zeit  be- 
herrscht und  sich  immer  drohender  erhebt,  massigen 
und  sänftigen. 

Eine  dritte  Gruppe  bilden  die  folgenden  Gesell- 
schaften: 

Preussisclie  Bernstein- Actieiigesellschaft  in  Berlin  und 
Ostpreussen.  Gegründet  October  1871,  mit  2  Millionen  Tlialer 
Actiencapital,  von  Adolf  Levien,  Isidor  Oelsner  (Berliner  Bank- 
verein),   Berthold  Bensemann,   Benoit  Oppenheim  (R.   Oppen- 


—    393    — 

heim  &  Sohn),  Friedrich  Meyer  (E.  J.  Meyer)  und  Commerzien- 
rath  Adalbert  Delbrück  in  Berlin,  Max  Sonnenburg  in  Wien. 
Zweck:  Ausbeutung  von  Bernstein  und  Handel  mit  Bernstein. 
Directoren:  Moritz  Becker  in  Königsberg  i.  Pr.  und  Abgeord- 
neter Dr.  Friedrich  Kapp  in  Berlin.  Die  beiden  eng  befreun- 
deten „Volkswirthe"  Carl  Braun  (Wiesbaden)  und  Fr.  Kapp 
pflegen  sich  literarisch  und  geschäftlich  zu  unterstützen.  Der 
Eine  recensirt  immer  die  Bücher  des  Andern,  schreibt  darüber 
lange  Abhandlungen  in  die  „Nationalzeitung",  in  die  Paul  Lin- 
dau'sche  „Gegenwart"  etc.  So  reiste  auch  Carl  Braun  im 
Sommer  1872  längs  der  Ostpreussischen  Bernsteinküste  umher 
und  veröffentlichte  darüber  in  der  „Nationalzeitung"  sehr  lehr- 
same Feuilletons.  Trotzdem  wollte  sich  die  Börse  für  die 
Preussische  Bernstein-Actiengesellschaft  nicht  erwärmen,  und 
so  trat  diese  in  Liquidation. 

Westphälische  Marmorwerke  zu  Allagen  bei  Soest,  früher 
Prang  &  Co.  Vorgekauft  von  Hermann  Geber,  und  März  1872 
den  unglücklichen  Actionären  mit  einem  riesigen  Aufschlag, 
für  nicht  weniger  denn  625,000  Thaler  überwiesen;  während 
der  Prospect  diesen  Preis  einen  „beispiellos  billigen"  nannte, 
herbeigeführt  durch  „eine  eigenartige  Verkettung  von  Umstän- 
den": „Einer  der  bisherigen  Besitzer,  der  Chef  der  Firma,  hat 
nämlich  seinen  Wohnsitz  in  Java",  weshalb  er  ausscheiden 
wollte.  Die  edlen  Gründer  waren:  Isidor  Platho,  Eduard  Bercht, 
R.  A.  Seelig  und  Eduard  Stahlschmidt  in  Berlin,  Johann  Baptist 
Prang  in  Allagen,  Gustav  Siegel  in  Magdeburg,  Bernhard  Hüffer 
in  Leipzig.  Ausserdem  nannte  der  Prospect  als  Aufsichtsräthe 
noch:  Landschaftsrath  F.  Lehmann,  „Generaldirector"  Julius 
Müller,  Baurath  Wäsemann,  Baumeister  Nicolas  Becker,  Archi- 
tect  Paul  Rasche,  Bildhauer  Professor  Gustav  Blaescr,  Mitglied 
der  Akademie  der  Künste,  und  Dr.  phil.  Adolf  Widmann  in 
Berlin.  Es  war  dies  also  eine  artistisch- philologische  Grün- 
dung, die  Künstler  und  Gelehrte  dem  Publikum  darboten. 
Doch  um  so  trauriger  gestaltete  sich  das  Resultat:  die  725,000  Thlr. 


—     394     — 

Actien  gaben  nie  einen  Heller  Dividende,  und  der  Cours  schwankt 
zwischen  1  und  0,  Als  Directoren  fungirten  der  Mitvorbesitzer 
J.  B.  Prang,  Dr.  "Widmann  und  der  Mitgründer  Siegel,  welcher 
letztere,  wie  der  Aufsichtsrath  mittheilte,  entlassen  wurde,  weil 
er  „irrationell"  gewirtbschaftet  hatte.  Hiergegen  protestirte 
Herr  Siegel  öffentlich  und  behauptete,  er  sei  freiwillig  gegangen 
und  man  habe  ihn  dringend  gebeten  zu  bleiben,  ja  ihn  über- 
reden wollen,  die  Marmorwerke  in  Pacht  zu  nehmen.  Jeden- 
falls ist  die  Lage  der  Gesellschaft  unter  seinem  Nachfolger 
nicht  besser  geworden-,  auch  1875/76  schloss  wieder  mit  Verlust. 

Thilringisclie  Schiefer-Bergbau-Actiengesellschaft  bei 
Gräfenthal  in  Sachseu-Meiningen.  Erworben  vom  Fabrikanten 
Eossbach  für  angeblich  350,000  Thaler,  und  September  1872 
gegründet  von  Nachmann  Hirsch  Neumann,  Otto  Clement,  In- 
genieur Kudolf  Henneberg  und  Dr.  Heinrich  Ebeling,  Börsen- 
redacteur  der  „Vossischen  Zeitung"  in  Berlin,  mit  400,000  Thaler 
Actien ,  welche  Abraham  &  Meyer  in  Berlin  auflegten.  Dem 
Prospect  waren  zwei  sehr  empfehlende  Gutachten  von  dem  Geh. 
Bergrath  Professor  Bernhard  von  Cotta  in  Freiberg  und  dem 
Bergassessor  Dr.  Kosmann  in  Berlin  beigefügt,  und  weiterhin 
hiess  es:  „Zu  den  allgemeinen  Motiven,  welche  zu  der  Um- 
wandlung berechtigen,  kommt  hier  noch  ein  eminent  volks- 
wirthschaftliches  Interesse:  unser  Deutsches  Vaterland  in  dem 
wichtigen  Dachschiefer  unabhängig  zu  machen  von  dem  Mono- 
pol Englands."  —  Aufsichtsräthe :  G.  A.  Breusing  und  Bau- 
meister Felber  in  Coburg,  sowie  Rechtsanwalt  Meyn  in  Berlin, 
vor  dem  das  Statut  verlautbart  war.  Director:  Heinrich  Ross- 
bach in  Oeslau.  Dividenden  gab  es  nie,  1876  beschloss  man 
endlich  die  Auflösung,  und  die  Actien  waren  stets  Maculatur. 
Wie  Herr  Sonnemann  der  ,, Wissende"  im  Reichstag  äusserte, 
soll  das  gegründete  Object  etwa  den  Werth  von  4000  Thalera 
haben.    Der  Staatsanwalt  ist  nicht  eingeschritten. 

Westphälischer  Dralit-Iudustrieverein  (Draht-Fabrik), 
vormals  Hobrecker,  Witte  &  Herbers  in  Hamm.    Gegrün- 


—     395     — 

det  November  1872  von  der  Berliner  Handelsgesellschaft,  mit 
2,000,000  Thaler  Actien  und  500,000  Thaler  Prioritätsobliga- 
tionen! Vorsitzender  des  Aufsichtsraths:  Geh.  Commerzienrath 
W.  Conrad  in  Berlin.  Aufoichtsräthe  resp.  Revisoren:  Wilhelm 
Nolte  und  Julius  Ebbinghaus  in  Berlin.  Vorstand:  Stephan 
Hobrecker  und  Hermann  Hobrecker  in  Hamm.  Obgleich  der 
angebliche  Kaufpreis  von  27»  Millionen  Thaler  den  eigentlichen 
Werth  des  Etablissements  drei  bis  viermal  überstieg,  wurden 
die  Actien  doch  mit  einem  kolossalen  Agio,  ä  125  ausge- 
geben, und  Frühjahr  1873,  kurz  vor  dem  „Krach",  bis  fast  140 
getrieben.  Die  erste  Dividende  von  12^/0  war  künstlich  gemacht 
(Aufsichtsrath,  Vorstand  und  Beamte  berechneten  sich  27,800  Thlr. 
Tantieme!)-,  1873/74  schloss  mit  195,000  Thaler  Verlust,  den  die 
Vorbesitzer  deckten;  1875  erhielten  die  Actionäre  3%,  Auf- 
sichtsrath, Vorstand  und  Beamte  7150  Thaler-,  zugleich  ward 
die  Aufnahme  einer  Anleihe  von  250,000  Thalcr  beschlossen; 
1876  gab  es  nur  noch  1V2%-  Eine  Filiale,  die  man  abenteuer- 
liche Weise  in  Riga  aufschlug,  stiess  dem  Fass  vollends  den 
Boden  ein,  und  der  Cours  war  schon  bis  etwa  30  gesunken. 
Wie  es  scheint,  soll  das  Etablissement  im  Wege  der  ,,Entgrün- 
dung"  wieder  den  Vorbesitzern  in  die  Hilnde  gespielt  werden. 
Westphälische  rniou,  Bergbau,  Eisen-  und  Drahtindu- 
strie in  Hamm.  Gegründet  Febr.  1873  durch  R.  A.  Seelig  in 
Berlin.  Hermann  Geber  in  Berlin  und  Consorten  kauften  vor: 
1)  die  Fabrik  von  Cosack  &  Co.  in  Hamm;  2)  das  Hüttenwerk 
von  Ed.  Schmidt  in  Nachrodt;  3)  das  Puddlings-  und  Walzwerk 
von  A.  &  T.  Linhoff  in  Lippstadt  —  welche  der  neuen  Gesell- 
schaft für  3,025,000  Thaler  überwiesen  wurden.  Im  April  1873 
wurden  noch  zugekauft  4)  die  Werke  von  Fr.  Thomee  in  Wer- 
dohl und  Uetterlingsen  für  augeblich  1,250,000  Thaler,  auch 
ein  Zweiggeschäft  in  Petersburg  errichtet.  Actieucapital  4'/.2  Mil- 
lionen Thaler  (\\  aufgelegt  durch  die  Provinzialgewerbebank 
(Martini)  in  Berlin  zu  1121!  Dazu  1,150,000  Thaler  Hypotheken 
uud  750,000  Thalcr  Prioritäten.     Vorstaud:  „Generaldirector" 


—     396     — 

Ernst.  Aufsichtsräthe :  Commerzieürath  Wintzer,  „General- 
director"  der  Georgs-Marienhütte  bei  Osnabrück,  Commerzien- 
rath  Schlittgen,  Dr,  Wilhelm  Rentzing,  Siegfried  Filehne,  Her- 
mann Gratweil  und  Wilhelm  Eschmann  in  Berlin,  A.  Linhoff 
und  Theodor  Linhoff  in  Lippstadt,  Heinrich  Thomee  jun.  in 
Werdohl,  Abgeordneter  Dr.  Feodor  Goecke  (specieller  Freund 
des  Abgeordneten  Dr.  Friedrich  Kammacher)  und  Tlieodor 
Böninger  in  Duisburg,  Justizrath  von  Briesen  in  Hagen,  Albert 
de  Gruyter  in  Ruhrort,  Dr.  Adolf  Lasard  in  Berlin.  Gleich  das 
«rste  Geschäftsjahr  schloss  mit  526,000  Thaler  Verlust,  worauf 
Hermann  Geber,  R.  A.  Seelig  und  Ed.  Stahlschmidt  in  Berlin 
für  1,130,000  Thaler  Actien  „zurückschenkten".  Die  Vorbe- 
sitzer  dagegen  verweigerten  eine  solche  Schenkung.  Cours 
€twa  noch  5. 

Deutsche  Actiengesellscliaft  für  Bergbau-,  Eisen-  und 
Stahlindustrie  in  Berlin.  Nach  dem  Statut,  das  weder  Datum 
noch  Unterschriften  trägt,  aber  in  der  Strausberg'schen  Drucke- 
rei, Unter  den  Linden  17  (später  „Lindenbauverein")  angefer- 
tigt ist,  erwarb  die  neue  Gesellschaft:  1)  das  Neustädter  Hüt- 
tenetablissement bei  Hannover;  2)  verschiedene  Steinkohlenberg- 
werke bei  Langendreer  und  Bochum-,  3)  die  Eisensteinberg- 
werke im  Siegener  Lande  und  am  Harz  —  von  Baruch  Hirsch 
Strausberg,  genannt  Dr.  Strousberg,  für  die  Kleinigkeit  von 
5V2  Millionen  Thaler.  Mitte  März  1872  veröffentlichten  die 
Zeitungen  den  Prospect,  welcher  das  Grundcapital  auf  6  Mil- 
lionen Thaler  festsetzte,  wovon  4  Millionen  Thaler  Actien  und 
2  Millionen  Thaler  Hypotheken,  und  für  die  Actionäre  minde- 
stens 10%  Dividende  vorrechnete.  Als  Directoren  nannte  dieser 
Prospect:  Daniel  Hilgenstock  und  Eduard  Blass  in  Dortmund, 
Dr.  Hermann  Pauly  in  Siegen;  als  Verwaltungsräthe:  Justiz- 
rath Karsten,  Anton  Wolff  (Hirschfeld  &  Wolff),  Martin  Frege 
(Frege  &  Co.),  Dittmar  Leipziger  (Joseph  Leipziger)  und  Paul 
Kuszynski  (Louis  Kuszynski)  in  Berlin.  In  den  redactionellen 
Notizen  der  Börsenblätter  wurde  Dr.  Strousberg  als  Vorsitzen- 


—     397    — 

der  des  Vei'M'altungsratbs,  Justizrath  Karsten  als  Viccpräsident, 
und  als  siebentes  Mitglied  Amand  Bloch  in  Berlin  bezeichnet. 
Hirschfeld  &  Wolff  emittirten  zunächst  2,650,000  Thaler  Actien, 
und  diese  erhielten  für  das  erste  Geschäftsjahr  von  drei  Mona- 
ten (!)  nominell  die  vers2)rochenen  lO'Vo  Dividende.  Dann  brachte 
man  den  Best  der  Actien  auf  den  Markt,  und  der  Cours  stieg 
Februar  1873  bis  etwa  130,  worauf  Louis  Kuszynski  „vorläufig" 
1  Million  Thaler  neue  Actien  ä  102  auflegte.  Die  betreffende 
Bekanntmachung  datirt  vom  26.  März  1873  und  ist  unterzeich- 
net: „Der  Aufsichtsrath.  Karsten.  D.  Leipziger.  Anton  Wolff." 
Man  hatte  die  edle  Absicht,  noch  eine  sechste  Million  Thaler 
Actien  zu  fabriciren,  doch  nun  trat  der  „Krach"  ein,  und  die 
Scene  veränderte  sich  vollständig.  Die  Bilanz  für  das  zM'eite 
(volle)  Geschäftsjahr  1.  Juli  1872/73  wies,  trotz  2,458,000  Thlr. 
Hypotheken  (!!),  einen  Beingewinn  von  288,000  Thaler  auf, 
und  warf  für  die  glücklichen  Actionäre  5%  Dividende  aus;  aber 
es  fehlte  an  Casse,  und  die  Coupons  sollten  eingelöst  werden, 
sobald  eine  Hypothek  auf  der  böhmischen  Herrschaft  Zbirow 
fällig  wurde,  welche  bekanntlich  dem  Wunderdoctor  Strausberg 
gehörte,  aber  in  Concurs  gerieth  und  mit  Schulden  überlastet 
ist,  so  dass  jene  Hypothek  sicher  ausfällt.  Was  nun  folgt,  ist 
so  wunderbar,  dass  es  fast  unglaublich  klingt,  nämlich  in  einem 
Staate  w^ie  Preusseu,  der  sich  von  jeher  durch  seine  prompte 
Justiz  auszeichnete. 

Man  verkaufte  die  Neustädter  Hütte  und  die  Siegener 
Eisensteingruben  mit  grossen  Verlusten  au  Strausberg  zurück, 
meuchelte  neun  Zehntel  der  Actien,  und  bildete  Juni  1874  ein 
neues  Unternehmen,  die  Dortmunder  IJerg'baiigcsellschaft, 
welche  sich  auf  die  Ausbeute  von  Steinkohlen  und  Coaks  be- 
schränkte, und  ausser  den  übrig  gebliebenen  472,000  Thaler 
alten  für  628,000  Thaler  neue  Actien  ausgab,  also  sich  mit  einem 
Grundcapital  von  1,100,000  Thalern  constituirte.  Dazu  traten 
über  700,000  Thaler  Hypotheken.  Trotzdom,  und  obgleich  die 
neue  Gesellschaft  noch  die  Stcinkohlenfelder  bei  Langendreer 


—     398     — 

abstiess,  gebrach  es  auch  ihr  an  „Betriebsmitteln",  befand  auch 
sie  sich  stets  in  Geldnöthen,  und  sie  vermochte  ebensowenig 
eine  Dividende  zn  vertheilen.  Um  den  Grubencomplex  bei  Lan- 
gendreer  verkaufen  zu  können,  musste  sie  an  die  Rumänische 
Eisenbahngesellschaft,  für  welche  Strausberg  auf  seinen  ehe- 
maligen Besitzungen  eine  Gesammthypothek  bestellt  hatte, 
200,000  Thaler  herauszahlen,  und  ebenso  wurden  die  Ueber- 
Echtisse  des  letzten  Jahres  zur  Deckung  von  „Schulden"  ver- 
wendet. 

Da  der  ursprüngliche  Prospect  in  den  thatsächlichen  An- 
gaben über  die  Finanzverhältnisse,  in  der  Rentabilitätsberech- 
nung und  in  den  Kostenanschlägen  grobe  Unwahrheiten 
und  schmähliche  Täuschungen  enthält,  wandte  sich  ein 
Theil  der  Actionäre  an  die  Staatsanwaltschaft,  und  diese  er- 
öffnete auch  wirklich  ein  Untersuchungsverfahren  wider  „Un- 
bekannt" —  wie  bei  den  betrügerischen  Gründungen  das 
Rubrum  meistens  lautet.  Aber  Herr  Karsten  und  Genossen 
erklärten  einfach:  der  Prospect  sei  kein  officielles  Actenstück, 
vielmehr  ebenso  wie  alle  sonstigen  Bekanntmachungen  ohne 
ihr  Wissen  und  ohne  ihren  Willen  erlassen  —  und  bei 
dieser  wundersamen  Entschuldigung  hatte  es  sein  Bewenden. 
Der  Staatsanwalt  gab  den  betrogenen  Actionären  auf,  das  Gegen- 
theil  zu  beweisen,  und  da  sie  dies  nicht  vermochten,  wurden  die 
Acten  weggelegt.  Herr  Karsten  und  Genossen  haben  aber 
thatsächlich  gegen  5  Millionen  Thaler  Actien  ausgegeben,  sie 
fungirten  nach  wie  vor  in  ihren  Aemtern,  und  sie  bildeten  auch 
den  Aufsichtsrath  der  neuen  Gesellschaft.  Der  Scaudal  war 
so  gross,  dass  selbst  die  Börsenblätter  Lärm  schlugen,  aber  ein 
neugewähltes  Aufsichtsrathsmitglied ,  Eisenbahndirector  Gustav 
Schmidt  in  Magdeburg,  schrieb  einem  der  ruiuirten  Actionäre 
zum  Tröste:  jene  Blätter  wollten  nur  Geld  erpressen,  und  Herr 
Karsten  habe  bereits  die  Staatsanwaltschaft  angerufen.  Von 
der  Gründung  selber  sagt  Herr  Schmidt  wörtlich:  „Die  Irrgänge 
der  Strousberg'schen  Finanzwirthschaft  sind  so  verschlungen, 


—     399     — 

dass  kein  anderer  Sterblicher,  der  sie  nicht  mitgemacht  hat, 
sich  hindurchfinden  kann."  —  Fürwahr,  diese  Geschichte  ist 
himmelschreiend! 

Einige  Gesellschaften  übernahmen  Mühlenwerke, 
verwalteten  Gasthöfe  und  Bäder,  wobei  aber  die 
Actionäre  auch  sehr  schlecht  fuhren. 

Dresdener  Mühlen,  früher  Königs-  und  Walkmühle  von 
E.  Kittler.  Gegründet  November  1871  mit  300,000  Thaler 
Actien.  Verwaltungsrath:  Advocat  Dr.  Gustav  Lehmann,  M.  Schie 
Nachfolger,  C.  Knoop,  Carl  Schlossmann,  Hotelier  Kayser  und 
Eduard  Kittler  in  Dresden.  Direction:  Job.  Beruh.  Kittler. 
Dividenden  von  1873  bis  1875:  4,  5  und  resp.  2%.   Gours  ca.  90. 

Märkische  Mühlen  zu  Witten  a.  Ruhr,  mit  200,000  Thlr. 
Actien.  Aufsichtsrath:  H.  Hemmer,  W.  von  Born,  C.  Humper- 
dinck,  0.  Wuppermann,  W.  v.  Recklinghausen.  1873  entfielen 
120/o  Dividende,  für  1875  —  U. 

Schöpfurther  und  Steinfnrter  Mühlen,  früher  Scholim- 
sche  Erben,  am  Finnowcanal.  Gegründet  November  1872,  mit 
200,000  Thal  er  Actien  und  76,000  Thaler  Hypotheken,  von 
Humphrey  Davy,  Carl  Weinstein,  Heinrich  Wisotzky  und  Bau- 
meister Carl  Reiche  in  Berlin,  Otto  Fröhlich  in  Hannover, 
Luciau  Lewandowsky  in  Königsberg  i.  Pr.,  Wilhelm  Herschel 
in  Dresden.    Dividende  pro  1873  —  5%,  pro  1874  —  0. 

Pinnauer  Mühlen  bei  Wehlau  in  Ostpreussen.  Gegrün- 
det December  1871  von  der  Königsberger  Vereinsbauk  mit 
550,000  Thaler  Actien  und  200,000  Thaler  Hypotheken.  Auf- 
sichtsrath: Geh.  Commerzieurath  Emil  Stephan  (Stephan  & 
Schmidt),  Commerzieurath  Andersch,  Conrad  Gaedccke  (Job. 
Conrad  Jacobi),  H.  Hirschfeld  (Gebr.  Hirschfeld  &  Graf),  Lud- 
wig Leo  (Marcus  Colin  &  Sohn),  Franz  Schrötter  (v.  Gyczki  & 
Schrötter),  Moritz  Stettiner,  Fritz  Wien  (Ernst  Castell)  und 


—     400     — 

Otto  Willert  in  Königsberg  i.  Pr.,  Mühlenbesitzer  Lipmann  in 
Rosslau.  Sogar  der  Börsenreferent  der  von  Moritz  Simon  ge- 
gründeten „Königsberger  Hartungschen  Zeitung"  erklärte,  dass 
es  am  besten  sei  über  diese  Müblengründung  und  über  den 
Vertrieb  der  Actien  zu  —  schweigen.    Cours  ? 

Stralsnndei-  Daiiipfmiihlen.  Gegründet  April  1872  mit 
500,000  Thaler  Actien  und  112,000  Thaler  Hypotheken!  Als 
Aufsichtsräthe  nannte  derProspect:  Commerzienrath  Otto  Holm, 
E.  J.  Matthies  und  Otto  Siebe  in  Stralsund,  Emil  Latz,  Her- 
mann Löwenherz  und  Siegfried  Sobernheim  in  Berlin;  später 
fungirten  noch  Otto  Kaufmann  von  der  Makler- Vereinsbank 
in  Berlin  und  Rechtsanwalt  Schöraann  in  Wolgast,  und  als 
Vorsitzender  des  Aufsichtsraths  waltete  Justizrath  Karsten  in 
Berlin.  Der  Vorbesitzer,  Hermann  Lehl  übernahm  angeblich 
150,000  Thaler  Actien,  behielt  die  Leitung,  stellte  15  bis  20% 
Dividende  in  Aussicht,  garantirte  für  zehn  Jahre  je  8%, 
und  hinterlegte  als  Sicherheit  210,000  Thaler.  Für  1872  wurden 
die  garantirten  8%  gezahlt,  indem  Lehl  9000  Thaler  zuschoss; 
1873  gab  Lehl  20,000  Thaler  her,  berechnete  aber  sich  und 
dem  Aufsichtsrath  4000  Thaler  Tantieme,  und  die  Actionäre 
erhielten  nur  4°/o-,  1874  schoss  Lehl  5000  Thaler  zu,  es  entfielen 
noch  2300  Thaler  Tantieme  und  wieder  4%  Dividende;  für 
1875  gab  es  nichts  mehr.  In  den  Statuten  fand  sich  kein  Wort 
über  die  Dividendengarantie,  und  Lehl  Hess  sich  von  derselben 
ausdrücklich  entbinden.  Ein  Actionär  klagte  und  erstritt  in 
drei  Instanzen,  dass  ihm  für  1873  volle  8%  gezahlt  werden 
mussten,  aber  in  Betreff  der  folgenden  Jahre  scheinen  die  Mani- 
pulationen des  Aufsichtsraths  unanfechtbar  zu  sein.  Die  von 
Meyer  Ball  in  Berliu  mit  102  aufgelegten  Actien  notiren  noch 
etwa  20. 

Berliner  Hotel-Gesellschaft  (Kaiserhof).  Gegründet  1872 
von  Commerzienrath  Adalbert  Delbrück,  Freiherrn  Eduard  von 
der  Heydt,  Gustav  Kutter,  Berthold  Bensemann  (Berliner  Bank- 
verein), Abgeordneten,  Oberbürgermeister  Kieschke  und  Stadt- 


—     401     — 

rath  Risch  (Deutsche  Baugesellschaft),  Abgeordneten  Dr.  Georg 
Siemens  (Deutsche  Bank.  „Revisor":  Abgeordneter  Dr.  Friedrich 
Kapp.  Actiencapital  2  Millionen  Thaler;  dazu  5rX),000  Thaler 
Hypotheken  und  70<'J,000  Tbaler  Prioritäten!  Kaum  eröffnet, 
brannte  das  „Riesenhotel",  in  Folge  lockerer  Bauart,  am  10.  Oct. 
1875  zum  grossen  Theile  ab,  was  der  städtischen  Feuer-Casse 
177,000  Thaler  Entschädigung  kostete.  Zu  einer  Dividende  ist 
es  noch  nicht  gekommen.  Ende  1876  bewilligte  die  Preussische 
Boden-Credit-Actienbank  (jetziger  Dirigent:  Geh.  Commerzien- 
rath  Emil  Stephan)  dem  „Kaiserhof"  eine  unkündbare  Hypo- 
thek von  1  Million  Thaler,  was  ein  sehr  gewagtes  Stück 
sein  dürfte.     Die  Actien  haben  keinen  Börsencours. 

Hotel  du  >'ord  in  Köln.  Gegründet  September  1872  von  der 
Deutschen  Unionbank  in  Berlin.  Verwaltungsrath :  Heinrich  Stein 
Advocat-Anwalt  Robert  Esser  II,  Jacob  von  Kaufmann- Asser 
und  Baurath  Raschdorf  in  Köln,  Commerzienrath  "Wilh.  Herz 
in  Berlin.  900,000  Thaler  Actien,  aufgelegt  mif  102',2-  Dazu 
378,000  Thaler  Hypotheken.  Sommer  1876  nahm  der  Vorbesitzer 
Friedrichs,  der  auch  die  Leitung  behalten  hatte,  den  Gasthof 
für  700,000  Thaler  zurück. 

Brauukohleu-Bersban  und  Bad  >'udersdorf  bei  "Witten- 
berg. Gegründet  März  1672  von  Hans  Emil  von  Oppenfeld 
(M.  Oppenheim's  Söhne),  Generalconsul  z.  D.  L.  P.  Spiegelthal, 
Otto  Moeser,  „Rechtsconsulent  der  Gesellschaft",  und  dem 
EichuDgsinspector  und  Stadtverordneten  Dr.  Bernhard  Kosmann 
in  Berlin,  mit  600,000  Thaler  Actien.  Die  Braunkohlengruben 
gewährten  keine  nennenswerthe  Ausbeute,  die  Ziegelei  kam  ins 
Stocken,  und  die  Badegäste  blieben  aus.  Schon  im  No\-ember 
1873  brach  der  Concurs  herein,  der  indess  beseitigt  wurde, 
worauf  man  die  Auflösung  beschloss.  Als  Liquidator  fungirte 
Dr.  Albert  Jausel  in  Berlin,  und  die  Actionäre  erhielten  etwa 
S'o'^o  zurück, 

Is  ach  der  „Neuen  Börsen-Zeitung"  hatte  Herr  von  Oppenfeld 
das  Gut  um  100,000  Thaler  vorgekauft,  es  für  520,000  Thaler 

Glagaa,  Der  Börsenschwindel.   II.  26 


—     402     — 

der  Gesellschaft  überlassen,  und  erstand  es  dann  wieder  aus 
der  Subhastationsmasse  um  ein  Billiges.  Auf  Antrag  des 
Staatsanwalts  schwebte  ein  Untersuchungsverfahren;  doch  wurden 
schliesslich  nur  die  beiden  Directoren:  Dr.  Kosmann  und  Berg- 
beamter linaut,  weil  sie  den  Concurs  nicht  rechtzeitig  ange- 
meldet, zu  zwei  resp.  zu  einer  Woche  Gefängniss  verurtheilt. 

Bad  Königsdorff-Jastrzemb  in  Schlesien.  Gegründet 
November  1868  mit  250,000  Thaler  Actien.  Persönlich  haftender 
Gesellschafter:  Eugen  Heymann  in  Breslau.  Verwaltungsrath : 
H.  Hinrichs,  M.  Cohn  (Gebr.  Guttentag),  Bürgermeister  a.  D. 
Fritze,  Geheimrath  Professor  Dr.  Lebert  und  Justizrath  von 
Wilmowski  in  Breslau,  Landrath  und  Herrschaftsbesitzer  Brauns, 
Abgeordneter  Victor  Herzog  von  Ratibor.  August  1876  wurde 
der  Concurs  eröffnet. 

Chrysopras,  Bad  und  Kurhaus  zu  Blankenburg  in  Thü- 
ringen. Gegründet  Juni  1872  mit  300,000  Thaler  Actien,  auf- 
gelegt bei  F.  E.  Schreiber  Söhne  in  Berlin.  Verwaltungsrath: 
Rentier  C.  F.  Bernhardt,  Baumeister  F.  Waldeyer,  Bärger- 
meister Dr.  Hopf  und  Hauptmann  a.  D.  Lambrecht  in  Blanken- 
burg. Versprach  für  die  zweijährige  Bauzeit  6*^/0  Zinsen,  und 
später  11— 12^/0  Dividende,  beschloss  aber,  weil  die  Actien 
nicht  unterzubringen  waren,  schon  December  1872  die  Auf- 
lösung. 

Bad  Liebensteiiij  früher  dem  Herzog  von  Meiningen  ge- 
hörig,  und  gegründet  Juni  1872  mit  210,000  Thaler  Actien, 
welche  David  Liepmann  in  Berlin  autlegte.  Dazu  ca.  111,000 
Thaler  Hypotheken.  Für  1874  gab  es  1%,  für  1875  bereits 
IV270  Dividende.    Ohne  Börsencours. 

Seebad  Heillg'endaium  bei  Doberan  in  Mecklenburg.  Ver- 
spätete Gründung,  die  erst  kurz  vor  dem  „Krach"  das  Licht 
der  Welt  erblickte,  und  von  folgenden  Herren  aus  der  Taufe 
gehoben  wurde:  Louis  Fonrobert,  Dr.  Theodor  Eulenstein, 
Justizrath  Felix  Primker,  Rittmeister  Baron  Adolf  von  Thiel- 
mann, Rittmeister  Feodor  Andre,  Rittmeister  Max  von  Katte, 


—     403     — 

Rittmeister  Otto  von  Kahldeu,  Director  Heinrich  Bergmann  und 
Architect  Heinricli  Kayser,  Abgeordneter  Graf  Johannes  von 
Reuard  und  Abgeordneter  Prinz  Carl  zu  Hohenlohe-Ingelfingen 
in  Berlin,  Director  Ludwig  Karrig  in  Schwerin.    Actiencapital 

1  Million  Thaler  und  250,000  Thaler  Hypotheken.  Zu  den 
Aufsichtsräthen  gehörten  auch;  Ferd.  Jaques,  Eduard  Jaques, 
Abgeordneter  Victor  Herzog  von  Ratibor  und  Ludwig  von 
Kaufmann  (Jacob  Landau)  in  Berlin.     1873  entfielen  pro  Actie 

2  Thaler,  1875  —  1%  Thaler,  und  befindet  sich  der  grösste 
Theil  des  Papiers  wol  noch  in  den  Händen  der  Gründer. 

Seebad  Heringsdorf  bei  Swinemünde.  Gegründet  Februar 
1874,  also  gleichfalls  sehr  verspätet,  mit  150,000  Thaler  Actien. 
Vorstand:  Baumeister  Julius  Hennicke  in  Berlin,  Dr.  Hugo 
Delbrück  und  Albert  Schlutow  in  Stettin.     Ohne  Börsencours. 

Rotlieiifelder  Salinen-  und  Soolbad.  Gegründet  April 
1872  mit  200,000  Thaler  Actien.  Vorstand:  J.  M.  SimmersbacL 
Verwaltuugsrath:  Albert  Lohmann  und  L.  Hanf  zu  Witten, 
Heinrich  Schüchtermann  in  Dortmund,  Fr.  Rüping  in  Gedern, 
A.  G.  Meyer  in  Melle,  C.  Henrici  iq  Osnabrück.  Im  ersten 
Geschäftsjahr  entfielen  öVa^  Dividende,   1873  und  1874  —  0. 

Saline  und  Soolbad  Salzungen.  Gegründet  September  1872 
durch  die  Preussische  Creditanstalt  (Richard  Schweder)  in  Berlin. 
Vorgekauft  für  830,000  Thaler  und  der  neuen  Gesellschaft 
überwiesen  für  1,350,000  Thaler,  also  mit  520,000  Thaler  Auf- 
schlag-, worauf  man  1,500,000  Thaler  Actien  fabricirte  und 
dieselben  Januar  1873  zu  102 V2  an  die  Börse  brachte!  Noch 
im  selben  Jahre  stürzte  der  Cours  bis  ca.  25.  Die  Leitung 
übernahm  Dr.  H.  Hofifmann,  und  als  Aufsichtsräthe  resp.  , .Revi- 
soren" fungirten  u.  A.:  R.  Hertel,  W.  Paradies,  L.  Paradies, 
J.  Schwerdt,  Bankdirector  Lübke  (Mitteldeutsche  Creditbank 
in  Meiningen),  M.  Goldsteiu,  Commissionsrath  Ad.  Hausmann, 
An  Dividenden  entfielen  von  1873—1875:  2'*/iö,  37«  und  resp. 
3%  Procent. 

26* 


—     404     — 

Als  gegründet  wurden  auch  noch  genannt:  Bad 
Kahlberg  bei  Elbing  und  Saline  Königsborn. 
Um  letztere  concurrirten  angeblich  der  Wunderdoctor 
Strausberg  und  Fr.  Grillo  in  Essen,  während  Marcus 
aus  Kamen  für  290,000  Thaler  den  Zuschlag  erhielt. 
Bad  Kreischa  gerieth  in  Concurs,  Augustusbad 
sollte  verpachtet  werden,  Kalibergbau  und  Saline 
Kalusz  schloss  1874  mit  780,000  Gulden  Verlust 
und  trat  in  Liquidation,  Alexandrinenbad  bei 
Freienwalde  a.  0.  ging  Ende  ]876  für  15,000  Thaler 
fort,  Freienwalder  Bad-  und  Immobiliengesell- 
schaft, von  S.  Heinrich  Philippson  und  Hermann 
Geber  mit  500,000  Thaler  Actien  gegründet,  musste 
von  Letzterem  zurückgenommen  werden.  Aehnlich 
ging  es  mit  den  Gasthöfen,  von  denen  Badhotel  in 
Konstanz  sich  für  insolvent  erklärte.  Blase  witzer 
Park-Hotel  in  Liquidation  trat  und  zum  Verkauf 
gestellt  wurde,  während  Hotel  Bellevue  in  Dres- 
den pro  1875  —  5**/o,  pro  1876  nur  noch  3V2% 
Dividende  abwarf.  Wenn  irgendwo,  ist  die  Actien- 
gesellschaft  auf  diesen  Gebieten  unvortheilhaft,  und 
ein  Privatbetrieb  stets  weit  rentabler.  In  den  Actien- 
hotels  und  Actienbädern  pflegt  Alles  theurerundschlech- 
ter  zu  sein.  Höchst  interessant  war  es  zu  beobachten, 
wie  die  gegründeten  Bäder  alsbald  mit  Juden  über- 


—    405    — 

schwemmt  wurden,  während  die  Geburts-  und  Beam- 
tenaristokratie sich  mehr  und  mehr  zurückzos. 


Von  den  gleichfalls  sehr  zahlreich  entstandenen 
Transportgesellschaften  nennen  wir  hier  nur: 

Baltischer  Lloyd  in  Stettin,  Dampfschifi's- Verbindung 
zwischen  der  Ostsee  und  Amerika.  Gegründet  September  1870 
mit  650,000  Thaler  Actien.  die  März  1872  durch  Heinrich 
Quistorp  in  Berlin  auf  2  Millionen  Thaler  vermehrt  wurden. 
Kurz  vorher  empfahlen  die  „Ostsee -Zeitung"  in  Stettin  und 
andere  Blätter  das  Unternehmen  als  ein  im  grossen  Aufschwünge 
begriffenes  und  sehr  zukunftsreiches.  Verwaltungsräthe:  Ab- 
geordneter Dr.  H.  Dohrn,  Commerzienrath  Joh.  Quistorp, 
C.  Fraude,  A.  Weylandt,  T.  R.  Oswald,  Carl  Arlt,  Carl  Fr. 
Braun,  W.  Schliemann,  R.  Abel,  C.  Domcke  in  Stettin.  1872 
und  1873  schlössen  mit  grossen  Verlusten  und  sank  der  Cours 
bis  ca.  20.     April  187G  beschloss  man  die  Auflösung. 

Norddeutscher  Lloyd  in  Bremen.  Besteht  schon  seit  1856, 
erhöhte  gleichfalls  in  der  Schwindelperiode  sein  Grundcapital, 
und  litt  später  unter  grossen  Verlusten  und  unter  dem  Drucke 
einer  unsinnigen  Concurrenz,  welche  die  verschiedenen  Dampfer- 
Linien  einander  machten.  Actiencapital  schliesslich  6,600,000 
Thaler  und  3,000,000  Thaler  Prioritäten.  Aufsichtsrath:  Ab- 
geordneter H.  H.  Meyer  in  Bremen.  Dividende  pro  1875  —  0. 
Der  Cours  der  Actien  ist  seit  1872  enorm  gefallen. 

Central -Actieugesellschaft  für  Tauerei  (.Kabel- Dampf- 
Schleppschifffahrt)  in  Köln.  Gegründet  December  1871  vom 
Schaaffhausen'schen  Bankverein  daselbst,  mit  1,200,000  Thaler 
Actien.  Verwaltungsrath:  Th.  Deichmann,  Theodor  Movius, 
Eugen  Laugen,  Emil  vom  Rath  und  Robert  Peill  in  Köln, 
Hermann  Becker  in  Mülheim  a.  Ruhr,  Julius  Brockhoff"  in 
Duisburg,  Baron  Friedrich  von  Holstein,  Kaiserlich  Deutscher 


—     406     — 

Botsehafts-Secretair  in  Paris.  Nach  einer  Zeitungsnotiz  1876 
verschmolzen  mit  der  Ruhrort -Miilheimer  Dainpfschlepp- 
schifffahrts- Gesellschaft,  gegründet  März  1872  mit  700,000 
Thaler  Actien  (Aufsichtsrath :  Geh.  Commerzienrath  Hugo 
Haniel  in  Ruhrort);  und  sollten  die  beiderseitigen  Actien  zu  je 
66-/3%  angerechnet  werden. 

Speditions-  und  Elbschifffahrts-Comptolr,  vormals  Carl 
Fritsche  zu  Schönebeck.  Gegründet  December  1872  von  der 
Magdeburger  Wechsler-  und  Discontobank,  mit  180,000  Thaler 
Actien  und  100,000  Thaler  Hypotheken.  Scheint  aus  einem 
Speicher  zu  bestehen  und  vertheilte  pro  1874  —  5%  Dividende-, 
1875  wollte  man  das  Actieucapital  „reduciren". 

Möbel- Transport  in  Berlin.  Gegründet  November  1872 
von  Gustav  Borchardt,  Carl  Jacob,  Simon  Schüler,  Isidor  Ka- 
disch,  Ferd.  Vogts,  Moritz  Eduard  Meyer,  Albert  Meyer.  Aus 
einem  Fubrgeschäft,  das  sie  mit  5750  Thaler  bezahlten,  und 
aus  dem  Grundstück  Köpenicker  Strasse  127  machten  die  Gründer 
eine  Gesellschaft  mit  250,000  Thaler  Actien  und  100,000  Thlr, 
Hypotheken!  Albert  Meyer,  Bruder  von  Moritz  Ed.  Meyer 
und  im  Geschäft  bei  Ferd.  Vogts,  Hess  sich  zum  Director  der 
neuen  Gesellschaft  ernennen,  als  welcher  er  3000  Thaler  Ge- 
halt bezog,  aber  wenig  genug  zu  thun  hatte.  Mai  1874  legte 
er  sein  Amt  nieder,  wurde  Aufsichtsrath  und  trat  April  1875 
aus,  worauf  er  December  1875  in  einer  Eingabe  an  den  Han- 
delsrichter sich  als  unglücklichen  verführten  Actionär  gerirt, 
auch  den  Vorsitzenden  des  Aufsichtsraths,  Gustav  Borchardt, 
sowie  den  amtirenden  Notar  gewisser  Unregelmässigkeiten  be- 
schuldigt. Ebenso  rührend  ist  der  Geschäftsbericht,  welchen 
der  Mitgründer  Ferd.  Vogts  Frühjahr  1875  erstattete,  und  in 
welchem  er  ausdrücklich  sagt:  „Hauptsächlich  aber,  und 
das  ist  der  Krebsschaden  der  Gesellschaft,  ist  unser 
Grundstück  zu  theuer."  DerProspect  hatte  eine  Dividende 
von  15%  „in  sichere  Aussicht"  gestellt,  doch  gab  es  pro  1873 
nur  20/0,   1874  und  1875  —  0,  worauf  der  Cours  bis  circa  15 


407 


sank.  Erst  nachdem  75,000  Thaler  Actien  gemeuchelt,  konnte 
für  1876  wieder  eine  Dividende  vertheilt  werden,  und  hetrug 
dieselbe  1^/5%.  Als  Aufsichtsräthe  fungirten  noch:  Robert 
Macks,  Rechnungsrath  Rudolf  Müller  und  Rechtsanwalt  Ewald 
Hecker,  welcher  das  Statut  aufgenommen  hat.  Der  Staats- 
anwalt ist  eingeschritten. 

Norddeutsche  Packet-Beförderungs-Gesellscliaft.  Ge- 
gründet Juni  1869  von  den  Spediteuren  Ed.  Reinecke  in  Leipzig, 
Louis  Henze  und  H.  Vallette  in  Berlin,  von  Hermann  Paderstein 
in  Bielefeld,  Ferd.  Randel  in  Halle  a.  S.,  Hofrath  Robert 
Kleinschmidt  in  Leipzig  und  Geh.  Finanzrath  Eugen  Kühne- 
mann in  Berlin.  Actiencapital  500,000  Thaler.  Wollte  in  echt 
manchesterlicher  Weise  der  Reichspost  Concurrenz  machen, 
kam  aber  kläglich  zurück  und  liquidirte  schon  Januar  1871. 
Zu  den  Liquidatoren  gehörten  auch:  Theodor  Lassally  und  der 
unvermeidliche  Hermann  Geber. 

Grosse  Berliner  Pferde  -  Eiseubalm,  W^ie  aus  einer 
Beschwerde  des  damaligen  Oberbürgermeisters  Seydel  vom 
13.  November  1871  an  das  Ministerium  erhellt,  stritten  um  die 
Concession  zwei  Parteien.  Magistratus  wollte  sie  dem  Regie- 
ruugs-Assessor  Plewe  und  dem  Dr.  Martin  Ebers  ertheilen, 
wogegen  das  Polizeipräsidium  durchaus  den  Joseph  Pincuss 
verlangte.  Schliesslich  vereinigten  sich  die  feindlichen  Brüder, 
und  es  traten  ausser  ihnen  als  „erste  Zeichner"  auf:  Di- 
rector  Gustav  Dittmann,  Generalconsul  Hermann  Kreismann, 
Geh.  Kanzleirath  Dr.  Georg  Kurs.  Aufsichtsräthe:  Michael 
Simonsohn,  Sigismund  Samuel,  Buchhändler  Alexander  Duncker, 
Stadtrath  Risch,  Regierungsrath  Otto  Windmüller,  Moritz  Hirsch. 
Actiencapital  schliesslich  3  Millionen  Thaler.  Obwol  von  pro- 
fessionellen Gründern  verfasst,  gehört  diese  Gesellschaft  doch 
zu  den  wenigen  aus  der  Schwindelperiode,  die  einem  wirklichen 
Bedürfniss  entsprachen,  weshalb  sie  auch  guten  Fortgang  nimmt. 
Eine  Linie  nach  der  andern  wird  fertig  gestellt,  die  Wagen 
sind  stets  überfüllt,  und  die  Passagiere  lassen  sich,  sitzend  und 


—     408     — 

stehend,  wie  Heringe  zusammenpressen,  oline  dagegen  zu  murren. 
Die  bisherigen  Dividenden  waren  nur  massig:  1874  —  4^/4  und 
1875  —  6V4*'/o-  Trotzdem  behauptet  sich  der  Cours  in  Höhe 
von  etwa  110.  

Verschiedene  Gesellschaften  widmeten  sich  der 
Kunst,  der  Literatur,  dem  Sport  und  der  geselligen 
Vereinigung. 

Deutsches  Kunstinstitut  in  Berlin.  Verspätete  Gründung, 
die  sich  erst  im  Juni  1873  an  den  Tag  wagte.  Emil  Pfeifi'er 
verkaufte  sein  „Kunstinstitut"  an  die  neue  Gesellschaft  für 
134,000  Thaler,  und  Arwed  Römer  sein  „Kunstgemälde-Magazin" 
für  86,000  Thlr.,  worauf  man  das  Actiencapital  auf  250,000  Thir. 
festsetzte.  Ausser  den  Herren  Pfeifi'er  und  Römer,  die  den 
neuen  Vorstand  bildeten,  waren  die  Gründer:  David  Schwoeder, 
Louis  Simon,  Buchhändler  Richard  Lesser  etc.  An  der  Börse 
sind  die  Actien  nie  notirt  worden,  doch  scheint  die  Gesellschaft 
noch  zu  existiren. 

Borussia,  Oelfarbendruck  -  Gemälde -Verein  in  Berlin. 
Gegründet  November  1871,  mit  150,000  Thaler  Actien,  von 
Isidor  Danziger,  Paul  Reschke  und  dem  Stadtverordneten  Dr. 
Erich  in  Berlin.  Erste  Zeichner  u.  A.:  Louis  Simon,  Maxi- 
milian Rasch  und  David  Schwoeder  in  Berlin.  Vorstand:  Paul 
Reschke.  Bald  nach  der  Constituirung  schrieb  die  „Neue 
Börsenzeitung";  „Als  eine  jener  vielen  kleineren  Actiengesell- 
schaften,  denen  es  weniger  um  die  Actionäre  als  um  den  Ge- 
winn der  Verwaltungsclique  zu  thun  ist,  wird  uns  die  „Borussia", 
Oelfarbendruck-Actiengesellschaft  in  Berlin,  denuncirt.  Die 
definitiven  Stücke  derselben  sind  noch  nicht  ausgegeben  und 
schon  macht  das  Directorium  in  der  Weise  flau,  dass  es  für 
voll  eingezahlte  Interimsscheine  nur  noch  66-/3%  bietet."  Das 
„Directorium"  fixte  also  die  eigenen  Actien,  was  freilich  auch 
bei  sehr  vielen  anderen  Gesellschaften  vorkam.  Unterm  4.  April 


-    409     — 

1S73  versandte  die  Gesellschaft  ein  Circular,  das  u.  A.  folgende 
Sätze  enthielt:  „Das  erste  Geschäftsjahr  hat  10%  Dividende  er- 
geben. Pro  1873  können  wir  schon  jetzt  15  °/o  Divi- 
dende garantiren.  Die  Actien  werden  nächstens  mit  110 
an  der  Börse  eingeführt.  Wir  bieten  Ihnen  und  Ihren  Be- 
kannten al  pari  Beträge  bis  500  Thaler  an."  Einer  der  Auf- 
sichtsräthe,  Professor  Ferd.  Bellermann,  legte  hierauf  sein  Amt 
nieder,  weil  man  ohne  sein  Wissen  und  gegen  seinen  Willen 
unter  jenes  Circular  seinen  Namen  gesetzt  hatte.  Mai  1875 
ward  die  Auflösung  beschlossen  und  zum  Mitliquidator  der  bis- 
herige Director,  Paul  Reschke,  erwählt,  der  jedoch  zurücktreten 
musste,  da  er  inzwischen  in  Coneurs  gerieth.  Was  den  eigent- 
lichen Charakter  der  Gesellschaft  betrifft,  so  richtete  ein  Ac- 
tionär  aus  Lindau  am  Bodensee  ein  Schreiben  an  den  Ver- 
fasser dieses  Buchs,  das  hier  im  Auszuge  stehen  mag:  „In  den 
Kriegsjahren  1870/71  sandte  der  Oelfarbendruck-Gemälde- Verein 
„Borussia"  Loose  auf  seine  Gemälde  hierher  mit  der  Bestim- 
mung, dass  die  Hälfte  des  Reinertrages  dem  Deutschen  Invaliden- 
fonds zufallen  solle.  Dieser  patriotische  Gedanke  zündete 
auch  bei  uns,  und  soviel  mir  noch  erinnerlich,  konnte  eine  nam- 
hafte Summe  dem  genannten  Fonds  zugeführt  werden.  Zu  An- 
fang 1873  erhielt  ich  —  wahrscheinlich  auch  noch  Andere  hier  — 
eine  Einladung,  dem  Verein  als  Actionär  beizutreten.  Es  hiess 
in  derselben,  dass  die  Actien  in  Süddeutschland,  um  das  Untei:- 
nehmen  bekannt  zu  machen,  zum  Paricourse  abgegeben  würden, 
dagegen  an  der  Berliner  Börse  zu  110  zur  Einführung  kämen, 
da  für  das  laufende  Jahr  ein  Reingewinn  von  15%  garantirt 
werden  könne  u.  s.  w.  Die  Namen  unter  dieser  Einladung: 
Dr.  Erich,  Professor  Bellermann  u.  s.  w.  hatten  einen  guten 
Klang,  ich  übernahm  fünf  Action  ä  100  Thaler  und  5  %  Zinsen, 
zahlte  baar  ein  und  damit  war  die  Angelegenheit  erledgit.  Weder 
Abrechnung  noch  Zinsen,  auch  nicht  die  für  das  erste  Jahr 
garantirten,  habe  ich  seitdem  erhalten.  Eine  nichtssagende 
Antwort  kam  mir  zu  Anfang  1874  auf  eine  Anfrage  zu,  seitdem 


—     410     — 

sind  meine  Briefe  gänzlich  unbeantwortet  geblieben.  Verschie- 
dene Briefe  an  Berliner  Banquiers  wurden  dahin  beantwortet, 
dass  die  Actien  garnicht  bei  der  Berliner  Börse  eingeführt 
seien,  und  daher  eine  Auskunft  nicht  gegeben  werden  könne.  Ich 
vermag  kaum  zu  glauben,  dass  unter  dem  Deckmantel  des 
Patriotismus  hier  ein  Schwindelgeschäft  vollführt  wurde." 

Bazar  -  Actien  -  Gesellschaft  in  Berlin.  Die  bekannte 
Modenzeitung,  welche  ihren  Begründer  zum  Millionär  gemacht 
und  ihm,  als  Anerkennung  für  seine  „patriotischen  Verdienste", 
den  Charakter  „Geheimer  Commerzienrath"  und  die  Erhebung 
in  den  Adelstand  eingetragen  hat,  wurde  October  1871,  auf 
Veranlassung  des  Buchhändlers  Albert  Hofmann,  in  ein  Actien- 
unternehmen  umgewandelt.  Herr  von  Schäfer-Voit  wollte  sich 
zuerst  nicht  gründen  lassen,  aber  der  vielgewandte  und  hoch- 
industriöse  Verleger  des  „Kladderadatsch"  wusste  ihn  zur  Raison 
zu  bringen,  und  zwar  in  wahrhaft  genialer  Weise.  Nachdem 
die  gütlichen  Unterhandlungen  gescheitert,  kündigte  Herr  Hof- 
mann plötzlich  ein  Concurrenzblatt  an  unter  dem  verführerischen 
Titel  „Die  elegante  Welt",  und  engagirte  dafür  das  gesammte 
Redactions-  und  Expeditions -Personal  des  „Bazar",  von  der 
technischen  Chef-Redactrice  und  dem  belletristisch-poetischen 
Chef-Redacteur  bis  herab  zum  jüngsten  Laufburschen.  Als 
Herr  von  Schäfer-Voit  an  einem  regnerischen  Herbstmorgen 
erwachte,  fand  er  sich  von  all'  seinen  Getreuen  verlassen,  und 
nnisste  sich  nun,  wohl  oder  übel,  seinem  von  Figur  nur  kleinen, 
aber  an  Ingenium  sehr  grossen  Gegner  ergeben.  ,,Die  elegante 
Welt",  von  der  inzwischen  ein  paar  Nummern  erschienen  waren, 
ging  wieder  ein,  der  ,, Bazar"  versammelte  um  sich  die  alten 
Mitarbeiter  und  wurde  mit  diesen  das  Eigenthum  der  Gründer. 
Als  solche  nennt  das  Statut:  Julius  Schiff,  Julius  Weissen- 
burger,  Oscar  Hainauer,  Hermann  Herz,  Leopold  Ullstein, 
Paul  MarkwalJ,  Commerzienräthc  Moritz  Gerson  und  Wilhelm 
Herz,  Abgeordneter  Stadtrath  Adolf  Hagen  und  Buchhändler 
Albert  Hofmann  in  Berlin  etc.   Herr  von  Schäfer-Voit  erhielt 


—     411     — 

einen  kolossalen  Preis  —  400,000  bis  500,000  Thaler,  wie  man 
sagt;  aber  die  Gründer  überwiesen  den  „Bazar"  der  neuen 
Gesellschaft  für  850,000  Thaler,  also  ungefähr  um  das  Doppelte. 
Trotzdem  kamen  die  Actien,  die  zunächst  durch  die  Hände 
mehrerer  Consortien  gingen,  zu  etwa  HO  an  die  Börse  und 
wurden  getrieben  bis  circa  140.  Eduard  von  Ilartmann,  der 
Actien-Philosoph,  machte  für  diese  Gründung  in  einem  Feuilleton 
der  „Natioual-Zeitung"  (Vgl.  S.  150)  noch  besondere  Reclame, 
indem  er  sagte:  „Man  denke  z.  B.  an  die  Modezeitung  „Bazar", 
die  von  einer  Actiengesellschaft  kürzlich  für  die  Summe  von 
850,000  Thaler  erworben  wurde.  Diese  Summe  steht  ausser 
allem  Verhältniss  zum  reellen  Capitalswerth  des  Unternehmens 
imd  erscheint  so  als  völlig  schAvindelhaft;  wenn  man  aber 
diese  Zahlung  als  den  Rentenkauf  eines  jährlichen  Reingewinns 
von  circa  160,000  Thaler  betrachten  darf,  so  erscheint  sie  sehr 

gering." Obgleich  bisher,  ausser  hohen  Tantiemen  für 

Aufsichtsrath,  Vorstand  und  Beamte,  an  Dividenden  10,  10  Va, 
10,  8V2  und  resp.  8V2%  vcrtheilt  wurden,  so  ist  der  Cours 
doch  bis  etwa  90  gesunken.  Und  mit  vollem  Recht.  Das 
eigentliche  Object,  mit  dem  ungeheuren  Preise  von  850,000 
Thaler  angerechnet,  besteht  aus  der  Firma,  und  diese  hat 
doch  nur  einen  sehr  relativen  Werth.  Wenn  die  Abonnenten- 
zahl sich  mindert,  und  naturgemäss  muss  sie  sich  mindern; 
wenn  ein  Concurreuzblatt  auftritt,  und  es  existiren  bereits 
Blätter,  die  dem  ,, Bazar"  eine  sehr  bedrohliche  Concurrenz 
machen  —  so  schwindet  auch  der  Worth,  und  er  kann 
völlig  verschwinden.  Herr  Albert  Hofniann,  welcher  Director 
der  Gesellschaft  ist  und  als  solcher  ein  hübsches  Taschen- 
geld bezieht,  scheint  die  Sache  auch  für  problematisch 
zu  halten;  denn  im  Sommer  1876  beantragte  er  die  Herab- 
setzung der  Caution,  die  er  in  Bazar -Actien  geleistet  hat, 
von  10,000  Thaler  auf  10,000  Mark!  Sollte  das  nichts  zu  be- 
deuten haben? 


—    412     — 

Deutsche  Buchhäudlerbank  in  Berlin.  Gegründet  Fe- 
bruar 1872  von  Robert  Baumann,  Friedrich  Rennemann  und 
Rudolt  Messe  in  Berlin,  den  Buchhändlern  Wilhelm  Moeser  sen. 
und  Wilhelm  Moeser  jun.,  Paul  Parey  und  Albert  Cohn 
(A.  Ascher  &  Co.)  in  Berlin,  Friedrich  Luckhardt  und  Wilhelm 
French  (Job.  Fr.  Hartknoch)  in  Leipzig,  dem  Abgeordneten 
Dr.  Carl  Braun  (-Wiesbaden)  und  dem  früheren  Abgeordneten 
Dr.  Julius  Faucher  in  Berlin.  Die  beiden  Letzteren  wollten 
dem  Unternehmen  „theils  mit  Capital,  theils  mit  ihrem  sach- 
kundigen Beirath  zur  Seite  stehen".  Als  bei  der  Gründung 
betheiligt  nannte  die  „Neue  Börsenzeitung"  auch  noch  den 
Buchhändler  Carl  Rümpler  in  Hannover.  Die  Bank  sollte  ein 
Credit-Institut  für  den  Deutschen  Buchhandel,  mit  dem  Betrieb 
aller  buchhäudlerischen  und  verwandten  Geschäftszweige  sein. 
Insbesondere  bezweckte  man:  1)  Centralisation  des  Commis- 
sions-  und  Creditgeschäfts;  2)  Betrieb  aller  buchhändlerischeu 
und  verwandten  Geschäftszweige;  3)  Gründung  von  Actien- 
gesellschafteu  ähnlicher  Art;  4)  Ankauf  einschlägiger  Etablis- 
sements; 5)  Betheiligung  bei  anderen  Gesellschaften  dieser 
Branche.  Ein  fabelhaft  grossartiges  Programm,  zu  dessen  Rea- 
lisirung  das  Actiencapital  von  nur  1  Million  Thaler  kaum  aus- 
gereicht haben  würde.  Indess  kam  es  noch  vor  Eröffnung  des 
Geschäfts  schon  zu  einem  Schisma.  Der  Aufsichtsrath  ent- 
setzte die  beiden  Directoren  Luckhardt  und  French  ihres  Amts, 
und  diese  erklärten  öffentlich,  sie  seien  nur  deshalb  verab- 
schiedet worden,  weil  sie  „aus  guten  Gründen  gegen  den 
Ankauf  der  Firma  A.  Asher  &  Co.  Protest  eingelegt'' 
hätten.  Damit  erreichte  die  grossartige  Buchhändlerbank  ihr 
Ende,  glücklicherweise  ohne  das  Publikum  gekränkt  zu  haben; 
aber  bei  solchen  Gründungen  ist  schon  der  Versuch  strafbar. 

West-Club  in  Berlin.  Errichtet  December  1872  von  Salomon 
Lachmanu,  Adolf  Salomon,  William  Schönlank,  Julius  Jacoby, 
Geh.  Admiralitätsrath  Ernst  Gabler  etc.  Charakteristisch  für 
die  Hauptstadt   des  Deutschen  Reiches  ist,  dass  dieser  Club, 


—    413     — 

■welcher  die  Gesellschaft  des  vornehmsten  Stadtviertels  vor  dem 
Potsdamer  und  Anhalter  Thore  vereinigen  sollte,  in  der  Haupt- 
sache von  Juden  und  Gründern  in's  Leben  gerufen  wurde. 

Tattersall-Actien-Gesellschaft  in  Berlin.  Concessionirtl868. 
Verwaltungsrath:  Abg.  Graf  Johannes  von  Renard,  Abg.  von 
Bethmann-Hollweg  aufRunowo,  Graf  von  Lehndorf-Steinort  etc. 

Unious-Gestüt  Hoppegarten  in  Berlin.  Gegründet  Mai  1870 
von  den  Abgeordneten  Victor,  Herzog  von  Ratibor  und  Graf  von 
Renard,  von  Wilhelm  Herz  und  Adolf  Abel  in  Berlin.  Fe- 
bruar 1875  wurde  die  Auflösung  beschlossen. 

Berliner Reit-Institut  inBerliu.  Gegründet  December  1872 
von  Felix  Meyer,  Hans  von  Adelson,  Oscar  Bennewitz,  Samuel 
Heinrich  Ellen ,  Justizrath  Hermann  Riem,  Regieruugsassessor 
a.  D.  George  Magnus,  Rittergutsbesitzer  Dr.  Emil  Eschwe,  James 
Saloschin  etc.  Schloss  1873/74  mit  circa  10,000  Thaler  Ver- 
lust, und  wurde  October  1875  an  den  bisherigen  Betriebs-Director 
verpachtet. 

Die  vier  letzten  Gesellschaften  waren  blos  Privat- 
gründungen, und  ihre  Actien  sind  nie  in's  Publikum 
gekommen.  Es  ist  nur  interessant  zu  sehen,  wie  hier 
hoher  Adel  und  hohe  Finanz  sich  die  Hände  reichen, 
wie  die  Börse  auch  in  noblen  Passionen  macht.  Der 
sogenannte  „Millionen -Club"  in  Berlin,  wo  in  der 
Schwindelperiode  nur  Millionäre  aufgenommen  und 
blosse  Fünfmalhunderttausendthaler-Mäuner  schrotf 
zurückgewiesen  wurden,  sah  als  Gäste  häufig  Grafen 
und  Herzoge  bei  sich,  und  umgekehrt  bewegten  sich 
in  den  adligen  Casinos  auch  reiche  Börsianer  und 
Semiten.    Auf  den  Rennen  zu  Hoppegarten  geliörten 


—    414     — 

Freiherr  von  Oppenheim  und  Herr  von  Oppenfeld  zu 
den  Matadoren,  und  auch  der  grosse  Gründer  R.  A. 
Seelig  hat  hier  manchen  Preis  gewonnen.  Derselbe 
hielt  sich  einen  kostbaren  Marstall,  hat  denselben 
nach  dem  Krach  aber  wieder  abgeschafft.  Die  Allee 
im  Thiergarten,  welche  nach  dem  Siegesdenkmal  führt, 
hiess  damals  im  Volksraunde  „Gründer-Allee",  denn 
hier  fuhren  die  Gründer  in  Equipagen  mit  Gummi- 
rädern, hier  trabten  sie,  mehr  zu  Anderer,  als  zu 
ihrem  eigenen  Vergnügen,  auf  den  edelsten  Rossen. 
Die  Börse  beritten,  das  Alte  Testament  zu  Pferde  — 
welch  ein  wundersamer  Anblick!  Und  nicht  selten 
passirte  ein  Unglück.  Einer  der  gewaltthätigsten 
Gründer  stürzte  mit  dem  Pferde  und  wurde  zu  Tode 
geschleift,  vor  den  Augen  seiner  Gattin,  die  ihn  an 
einem  Frühlingsmorgen  auf  einem  Spazierritt  be- 
gleitete. 

Um  die  Berliner  täglich  mit  frischen  Seefischen 
zu  versehen,  gründete  Strausberg,  wie  er  in  seinen 
Memoiren  erzählt,  in  Verbindung  mit  Ferdinand  Jaques 
in  Berlin,  Commerzienrath  Albert  Cohen  in  Hannover, 
den  Abgeordneten,  Rittergutsbesitzer  E.  F.  Adickes 
auf  Heuhausen,  Consul  F.  Lentz  in  Geestemünde  u.  A. 
die  Fiscliereigesellschaft  Weser  in  Bremerhaven 


—     415     — 

auf  300,000  Thaler  Actien.  Einen  nicht  minder  löb- 
lichen Zweck  verfolgte  die  Emder  Häriugslischerei, 

gegründet  April  1872  mit  100,000  Thaler  Actien,  von 
den  Abgeordneten  Dr.  Georg  von  Bunsen  in  Berlin, 
Bernhard  Brons  in  Emden  und  W.  van  Freeden  in 
Hamburg.  Leider  sind  beide  Unternehmungen  dem 
Publikum  nicht  zu  gute  gekommen.  Obwol  1875  an 
der  Deutschen  Meeresküste  soviel  Heringe  gefangen 
wurden,  dass  grosse  Mengen  dort  verdarben,  weil  es 
an  dem  nöthigen  Salze  fehlte,  wurde  der  Preis  in 
Berlin  nicht  billiger,  und  überhaupt  sind  Fische  in 
den  letzten  Jahren  immer  theurer  geworden  —  Dank 
der  Regierung,  welche  1874,  schon  während  der  Krisis, 
noch  die  Eisenbahnfrachtsätze  erhöhen  liess.  Dank  dem 
wucherischen  Zwischenhandel,  welcher  namentlich  die 
Bedürfnisse  des  kleinen  Mannes  um  Hunderte  von 
Procenten  vertheuert,  und  Dank  auch  der  Berliner 
Polizei,  welche  zu  Gunsten  der  Krcämer  und  Höker, 
den  Verkauf  von  Heringen  in  den  Flusskähnen  ver- 
bot. Es  geht  eben  Alles  bei  uns  nach  manchester- 
lichen Grundsätzen! 

Ferner  verzeichnen  wir  noch: 

Berliuer  Molkerei.  Gegrüudet  April  1872  von  Ritter- 
gutsbesitzer Dr.  Max  Bauer,  Commerzionrath  Meyer  Cohn, 
Julius  Alexander,  Justizräthe  Gustav  Wolff  und  J.  J.  Geppert, 
Dr.  Otto  Ilübuer,    Dr.  Wilhelm    Abegg,    Bierdirector  Robert 


—    416    — 

Rhens  etc.  Actiencapital  200,000  Thaler,  wofür  nach  Mitthei- 
lung der  Zeitungen,  470  Milchkühe  aufgestellt  werden  sollten, 
so  dass  jede  Kuh  den  Actionären  ca.  425  Thaler  kostete.  Die 
„Neue  Börsenzeitung"  äusserte  denn  auch:  „Es  giebt  hier  viele 
Actiengesellschaften,  welche  ebenso  viele  Milchkühe  aufstellen, 
als  sie  Actionäre  haben."  April  1876  wurden  die  Kühe  in  aller 
Stille  geschlachtet,  und  die  schönen  Ställe  zur  Vermiethung 
ausgeboten.  „Etwa  für  Actionäre?"  fragte  die  „Allgemeine 
Börsenzeitung".  Trotz  dieses  unglücklichen  Ausganges  wurde 
eine  kleine  Nachgründung  versucht.  Wie  Dr.  Eduard  Wiss, 
der  Gehülfe  von  Heinrich  Quistorp,  im  „Berliner  Tageblatt" 
mittheilte,  wollte  man  100  Milchkühe  für  15,000  Thaler,  dies- 
mal also  das  Stück  für  nur  150  Thaler  anschaffen,  die  Auf- 
sicht der  „Deutschen  Gesellschaft  für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege" übertragen,  und  den  Liter  Milch  für  4  Sgr.  in's  Haus 
liefern.  Ob  der  verlockende  Plan  zur  Ausführung  gekommen, 
ist  nicht  bekannt  geworden.  Wol  aber  ist  Dr.  Max  Bauer,  der 
Gründer  und  Exdirector  der  Molkerei,  wiederholt  als  Veran- 
stalter von  Theatervorstellungen  zu  wohlthätigen  Zwecken  auf- 
getreten, wozu  er  beim  letzten  Mal  einen  schönen  Prologus 
gedichtet,  und  denselben  in  eigener  Person  von  der  Bühne  herab 
mit  Empfindung  vorgetragen  hat. 

Vereinigte  Breslauer  Oelfabriken.  Bildete  sich  im  Mai 
1872  durch  Vereinigung  der  Etablissements  von  Moritz  Wer- 
ther &  Sohn,  Schottläuder  &  Oliven,  Franck  &  Sohn,  Jonas  Lip- 
mann,  Emanuel  Freyhan,  M.  H.  Schäfer,  Joseph  Weigert,  Julius 
Schottländer  (lauter  Israeliten),  mit  einem  Actiencapital  von 
2,200,000  Thalern,  das  der  Schlesische  Bankverein  in  Breslau, 
S.  Abel  jr.  und  die  Berliner  Producten-  und  Handelsbank  auf- 
legten. Das  erste  Geschäftsjahr  ergab  10%  Dividende,  das 
zweite  8%,  und  an  Tantiemen  für  Aufsichtsrath  und  Direction 
11,500  Thal  er,  das  dritte  5%  Dividende  und  8000  Thaler  Tan- 
tiemen. Durch  Rückkauf  von  200,000  Thaler  Actien  erzielte  man 
einen  „Coursgewinn"  von  58,000  Thaler!    Für  1875/76  erhielten 


—     417     — 

die  Actionäre  nur  1%  Dividende,  und  der  Cours,  der  einst  110 
war,  sank  bis  40.  In  Berlin  besteht  eine  Filiale,  die  auch 
Bankgeschäfte  machte  und  im  Sommer  1873  eine  tüchtige 
Schlappe  erlitt,  worauf  sie  sich  auf  Oel-  und  Mehlhandel  be- 
schränkte ;  doch  hat  sie  im  letzten  Jahre  wieder  über  17,000 
Thaler  verwirthschaftet  und  deshalb  in  der  Generalversamm- 
lung heftige  Angriffe  erfahren. 

Einige  Gesellschaften  erwarben  Güter,  Wälder 
und  ländliche  Besitzungen,  um  dieselben  in  jeder 
möglichen  Weise  auszunutzen;  andere  bildeten  mit 
einem  ganz  allgemein  gehaltenen  und  gewissermaassen 
unendlichen  Programm,  sogenannte  „Industrievereine" 
und  „Industricgesellschaften'',  die  nach  dem  Vorbilde 
des  berüchtigten  Credit  mobilier  in  Paris,  hauptsäch- 
lich Börsenspeculationen  und  Gründungsgeschäfte  be- 
trieben, und  die  man  gleichfalls  als  „Gründungen 
zur  Gründung  von  Gründungen"  definiren  kann. 

Actieugesellscliaft  zur  Yerwerthimg  der  Herrschaft 
Stolzculnirg^  in  Pommern.  Durch  Subhastation  in  den  Besitz 
der  Sächsischen  Hypothekenbank  in  Leipzig  übergegangen,  und 
von  dieser,  nachdem  sie  selber  bankerott  geworden,  an  Alfred 
List  in  Leipzig,  Eduard  Marwitz  in  Angermünde,  Hermann 
Bein  und  Carl  Kiesel  in  Berlin  verkauft,  welche  nun,  in  Ver- 
binduug  mit  Dr.  Kilian  Steiner  in  Stuttgart,  Eduard  Herzberg 
iu  Cöthcn,  Moritz  Muszkat  in  Frankfurt  a;M.  und  Ritterguts- 
besitzer Hermann  Schwenke  zu  Petershain  in  der  Niederlausitz, 
eine  Acticngesellschaft  mit  l'/^  Millionen  Thaler  Grundcapital 
errichteten.  Bis  Ende  1876  hatten  die  Actionäre  etwa  56% 
zurückerhalten. 

Iiidustrievereiu  Yietmaiiusdorf,  Gegründet  Januar  1873, 

Glagaa,  Der  Börsenschvrindel.    II.  27 


—     418    — 

zum  Zwecke  der  Ausbeutung  etlicher  Rittergüter  im  Kreise 
Templiu,  von:  Dittmar  Lei2)ziger,  Amaud  Bloch,  Paul  Potocky- 
Nelken,  Gustav  Bartz,  Herniaun  Würtz,  Paul  Hoffmann,  Gustav 
Dittmann,  Ed.  Kozuszek  und  Justizrath  Lorenz  Karsten  in 
Berlin,  Baron  Carl  August  Robert  von  Stein  auf  Vietmannsdorf. 
320,000  Thaler  Actien,  welche  mit  101—103  an  die  Börse  ge- 
bracht wurden,  aber  nur  schwachen  Anklang  fanden,  weshalb 
man  im  April  1874  die  Auflösung  beschloss. 

Altmärkische  Industriegesellscliaft  in  Arneburg.  Entstand 
im  April  1873  mit  der  Absicht,  eine  Ziegelei,  eine  Dampfmühle 
und  Landwirthschaft  zu  betreiben;  und  waren  die  Gründer: 
Jacob  Landsberg,  Julius  Laudsberg,  Ernst  Roy,  Wilhelm  Le- 
vinssohn  und  Freiherr  Albert  von  Werthern  in  Berlin,  Carl 
Seyfert  in  Arneburg.  250,000  Thaler  Actien,  welche  man  mit 
103  an  der  Börse  einzuführen  versuchte.  Dazu  85,000  Thaler 
Hypotheken.  Schloss  1873  und  1874  mit  Verlust,  und  so  kam 
es  zur  Auflösung.  Liquidatoren:  Theodor  Remin  in  Arneburg 
und  Max  Titel  in  Berlin. 

Ostpreussischer  IiKlnstrieyerein  in  Memel.  Führte  sich 
März  1873  ein  und  verkündete  als  Zweck:  „Erwerb  von  Grund- 
stücken und  Fabriken,  Erbauung  und  Betrieb  von  Fabriken, 
sowie  Ausführung  und  Vermittelung  von  kaufmännischen  Ge- 
schäften". Ein  sehr  weitgehendes  Programm ,  zu  welchem  das 
Actiencapital  von  200,000  Thaler  in  keinem  Verhältnisse  stand. 
Beschloss  schon  Mai  1874  die  Auflösung  und  erwählte  zu  Li- 
quidatoren: Hermann  Grnbs,  Wilh.  Koch  und  Albert  Ludewig 
in  Berlin,  bekannt  als  Gehülfen  von  Heinrich  Quistorp. 

Poinmerscher  Industrieverein.  Gegründet  Juni  1872 
mit  150,000  Thaler  Actien.  Betrieb  eine  Ziegelei,  eine  Mühle 
und  eine  chemische  Fabrik  in  Wolgast,  und  vertheilte  pro 
1873  —  ßo/o  Dividende.  Director:  Commerzienrath  Johannes 
Quistorp  in  Stettin.  Verwaltungsrath:  H.  Chr.  Burmeister, 
August  Hörn,  Hermann  Schwarz,  Wilh.  Walther  und  Hermann 
Weinreich  in  Stettin,  Heinrich  Quistorp  in  Berlin. 


419 


Deutsch-Uiig'arischer  Wald-Iiidiistrievereiu.  Gegründet 
März  1872  von  Jacob  Löwendahl  in  Halle,  Marcus  Löwendahl 
und  Joachim  Hammerschlag  in  Wien,  Levi  Marcus  in  Cöln, 
Otto  Kaufmann,  G.  Müller  &  Co.  und  Justiz  rath  Lorenz  Karsten 
in  Berlin.  Von  dem  Actiencapital  mit  1,200,000  Thaler  zeich- 
neten Karsten,  Kaufmann,  Marcus,  Hammerschlag  und  Marcus 
Löwendahl  je  120,000  Thaler,  G.  Müller  &  Co.  240,000  Thaler 
und  Jacob  Löwendahl  360,000  Thaler.  Indess  ward  schon  im 
December  1873  die  Auflösung  beschlossen. 

Kalker  Industrie  -  Gesellscliaft.  Actiencapital  800,000 
Thaler.  Aufsichtsrath :  Justizrath  M.  A.  Herbertz,  Philipp 
Kayser,  Jacob  von  Kaufmann-Asser  und  Bankdirector  E.  Königs 
in  Cöln,  Commerzienrath  Albert  Poensgen  in  Düsseldorf,  „Ge- 
neraldirector"  Martin  Neuerburg  in  Kalk.  Vorstand:  Peter 
Leister  in  Cöln.  1873  betrug  die  Dividende  0,  1874  schloss 
mit  Verlust  und  1875  trat  man  in  Liquidation.  Martin  Neuer- 
burg, ein  vielfacher  Gründer,  wurde  bekanntlich  wegen  Un- 
treue zum  Nachtheil  der  Bergwerksgesellschaft  „Germania"  in 
Kalk,  nachdem  er  in  erster  Instanz  freigesprochen,  in  der 
Appell- Instanz  zu  zwei  Monaten  Gefängniss  verurtheilt;  und 
nach  Meldung  der  Zeitungen  hat  der  Staatsprocurator  zu  Cöln 
auch  die  Anklage  gegen  die  Gründer  der  Kalker  Industrie- 
gesellschaft erhoben. 

Rheinisch -Westpliälische  ludiistrie-Gesellschaft.  Ge- 
gründet October  1871  durch  den  A.  Schaaifhausen'schen  Bank- 
verein mit  2  Millionen  Thaler  Actien.  Vorstand:  J.  H.  Andly, 
G.  Hicking,  H.  Schülke.  Aufsichtsrath:  Friedrich  Grillo,  Ludwig 
von  Born  und  Kreisrichter  a.  D.  W.  Ilcyland  in  Essen,  Th. 
Movius,  Commerzienrath  Victor  Wendclstadt,  Th.  Deichmanu, 
Jacob  Lob  Eltzbacher,  Jean  Marie  Heimanu,  Ad vocat- Anwalt 
Robert  Esser  II.  und  Jul.  Joest  in  Cöln,  Wilh.  von  Born  in 
Dortmund,  H.  Mönting  in  Gelsenkirchen.  Eine  wahre  Specu- 
lationsgesellschaft,  die  Bauterrains  parcellirte,  ^Strassen  und 
Häuser  anlegte,  Ziegeleien,  Kalköfcn  und  Ccmentfabriken  er- 

27* 


420 


richtete  und  Holzhandel  betrieb;  die  verschiedene  Gründungen 
vollbrachte,  wie  die  Gelsenkircheu-Schalker  Gas-  und  Wasser- 
werke, die  Rheinische  Papierfabrik  in  Neuss  etc. ;  die  sich  bei 
den  verschiedensten  Gründungen  und  Gesellschaften  betheiligte, 
wie  bei  der  Essener  Bierbrauerei,  der  Schalker  Kesselfabrik, 
der  Schalker  Glas-  und  Spiegelmanufactur,  der  Gesellschaft  für 
chemische  Industrie  in  Cöln  und  bei  zahlreichen  Bergwerken; 
die  Grubenfelder  ankaufte,  daraus  Gewerkschaften  bildete  und 
davon  Kuxe  verkaufte;  und  die  endlich  auch  noch  in  Actien 
speculirte,  z.  B.  in  denen  der  famosen  Dortmunder  Union. 
Für  das  erste  Geschäftsjahr  entfielen  nominell  35%  Dividende 
und  44,600  Thaler  Tantiemen!  In  den  folgenden  Jahren  aber 
erhielten  die  Actionäre  0,  und  1875  schloss  mit  circa  864,000 
Thaler  Verlust.  Während  einst  die  40procentigen  Interims- 
scheine bis  180  getrieben  wurden,  was  eiuem  Course  von  300 
entspricht,  uotirt  die  Vollactie  jetzt  etwa  noch  10.  Der  Staats- 
anwalt ist  angerufen. 

Bergisch-Märkische  Industrie-Gesellschaft  in  Barmen- 
Elberfeld.  Entstand  November  1871  durch  den  Barmer  Bank- 
verein, und  bezweckte,  wie  es  im  Prospect  hiess,  „im  Allge- 
meinen die  Förderung  der  Industrie,  der  Bauthätigkeit  und  die 
bankmässige  Verwerthung  ihrer  Mittel".  Actiencapital  P/a  Mil- 
lionen Thaler.  Vorstand:  Emil  Blank  und  Mathias  Hinsberg 
in  Barmen.  Aufsichtsrath :  C.  L.  Wesenfeld,  Consul  Gustav 
Gebhard  uud  Carl  Siebel  in  Barmen,  Ewald  Caron  in  Bauen- 
thal,  Commerzienrath  Asbeck  in  Hagen,  Heinrich  Stein  und 
Advocat-Anwalt  Robert  Esser  II  in  Cöln,  Cäsar  Schöller  (Leo- 
pold Schöller  &  Söhne)  in  Düren,  Aug.  de  Weerth  jun.  und 
Walther  Simons  (Job.  Simons  Erben)  in  Elberfeld,  Geh.  Com- 
merzienrath Moritz  Simon  in  Königsberg  i.  Pr.  Ausserdem 
nannte  die  „National-Zeitung"  als  Mitgründer  noch:  Bankdirector 
Fischer,  Heinrich  Heegmann  und  Oberbürgermeister  Bredt  in 
Barmen,  Justizrath  Fay  in  Cöln  und  Abgeordneten,  Consul 
Gustav  Müller  in  Berlin.     Die  Gesellschaft  betheiligte  sich  bei 


—    421     — 

Gründung  zweier  Creditanstalten  und  mit  Capital  bei  mehren  in- 
dustriellen Unternelimungen,  wobei  sie  nianclierlei  Verluste  erlitt, 
und  sie  speculirte  auch  in  Bauterrains.  An  Dividende  wurde  1872 
—  10V2"/o  und  17,500  Thaler  Tantiemen  bezahlt;  1873—1875  er- 
hielten die  Actionäre  4,  7  und  resp.  6%.  Die  von  G.  Müller  &  Co. 
an  der  Berliner  Börse  eingeführten  Actien  standen  einst  ca.  140. 
heute  ist  der  Cours  etwa  noch  65. 


Von  der  Presse  und  von  den  „Volkswirtlien"  wurden 
die  Gründer  als  die  Wohlthäter  der  Gesellschaft  ge- 
feiert, und  sie  ernteten  besonderen  Ruhm,  indem  sie 
es  unternahmen,  die  grossen  Städte  mit  Prachtbauten, 
öffentlichen  Localen  und  gemeinnützigen  'Anstalten 
zu  bereichern.  In  Hannover  wurde  October  1871 
das  Vergnügungsetablissement  Tivoli  in  eine  Actien- 
gesellschaft  umgewandelt,  an  deren  Spitze  traten: 
Polizeipräsident  von  Brandt,  Oberhofbaurath  Molthau, 
Steuerrath  Stock,  Commerzienrath  Rüinpler,  Oberge- 
richtsanwalt Abel,  Commissionsrath  Röpke  und  Jacob 
Eberle  in  Hannover,  Joseph  Goldschmidt  'in  Berlin. 
In  Berlin  versuchten  Stadtrath  Rudolf  Pohle,  Frei- 
herr Adolf  von  Thielmann  und  Bierdirector  Hermann 
Grat  weil  das  Kroll'sclie  Etablissement  im  Thier- 
garten  auf  500,000  Thalcr  Actien  zu  gründen,  was 
aber  schon  an  dem  Umstände  scheiterte,  dass  der 
Grund  und  Boden  dem  Fiscus  gehört.  Ebenso  kam 
nicht  zu  Stande  die  projectirte  Friedrich  Wilhelm- 


—     422     — 

Strasse,  so  getauft  nach  dem  Kronprinzen,  da  die 
Behörden  aus  sehr  berechtigten  Gründen  die  Bau- 
erlaubniss  versagten;  aber  dieser  blutige  „Lindenbau- 
verein"  (vgl.  S.  60)  der  Herren  Paul  Munk,  Georg 
Beer,  Emil  Heymann,  Georg  von  Bonin  etc.  kostet 
den  unglücklichen  Actionären  einen  Verlust  von  etwa 
2  Millionen  Thaler. 

Dagegen  traten  wirklich  in's  Leben  „Flora"  und 
„Passage",  die  aber  beide  eine  nicht  minder  scandalöse 
Geschichte  haben,  und  bei  denen  die  Actionäre  gleich- 
falls in  der  schändlichsten  Weise  ausgeplündert  wurden. 

Flora,  „Vergnügiingslocal  ersten  Kanges,  mit  Sommer- 
und  Wintergarten,  Palmenhaus"  etc.  in  Charlottenburg  bei  Berlin. 
Bildete  sich  im  August  1871.  Die  Vorkäufer  waren:  Ritterguts- 
besitzer J.  A.  W.  Carstenn  (bald  hernach  geadelt)  und  Dr. 
Martin  Ebers;  und  als  Gründer  nannten  sich  öffentlich:  Fürst 
zu  Putbus,  Polizeipräsident  von  Wurmb,  Hofgartendirector 
Jühlke,  Oekonomierath  Noodt,  Geh.  Commerzienrath  F.  W. 
Krause  (bald  hernach  geadelt),  Consul  H.  Kreismann,  Legations- 
rath  Freiherr  von  Steffens,  Rittergutsbesitzer  Ludwig  Ebers 
und  Regierungsassessor  G.  A.  Plewe.  Actiencapital  800,000 
Thaler-,  dazu  an  1  Million  Thaler  Prioritäten  und  Hypotheken! 
Als  Directoren  fungirten  u.  A.:  Dr.  Martin  Ebers,  Ferdinand 
Scheibler,  Dr.  Alexander  Jacobius,  Wilh.  Salamonski-,  als  Cas- 
sirer:  Dr.  Albert  Jausel;  als  Anfsichtsräthe:  Stadtrath  Apo- 
theker Julius  Holtz,  Moritz  Eisner,  Julius  Pickardt,  Stadtrath 
Dr.  Wöniger,  Dr.  Alexander  Meyer,  Regierungsrath  A.  Bühling. 
Der  Prospect  hatte  12%  Dividende  verheissen,  aber  in  Folge 
der  unverschämten  Gründerbeute,  der  schrecklichen  Bau-  und 
Verwaltungsunkosten  und  der  geradezu  verbrecherischen  Wirth- 


—     423     — 

sclaaft  schloss,  als  das  Etablissement  endlich  halb  fertig  ge- 
worden ,  jedes  Betriebsjahr  mit  grösserem  Verlust.  Schon 
Frühjahr  1875  verlas  in  der  Generalversammlung  Dr.  Alexander 
Meyer  einen  Revisionsbericht,  der  die  bösartigsten  Dinge  auf- 
deckte, aber  dieser  Bericht  wurde  nicht  dem  Staatsanwalt 
übergeben;  er  sollte,  wie  Herr  Pickardt  später  erklärte,  „nur 
als  Material  eines  Prozesses  resp.  Vergleiches  mit  den  Grün- 
dern, Directoreu  und  Aufsichtsräthen  benutzt  werden".  Weil 
man  eine  Rettung  noch  für  möglich  hielt,  bewilligte  die  Regie- 
rung die  Veranstaltung  einer  Lotterie  im  Betrage  von  250,000 
Thalem,  aber  der  Ertrag  ist  wieder  in  spitzbübische  Hände 
gefallen,  und  die  Loosinhaber  sind  in  derselben  schamlosen 
Weise  betrogen  worden  wie  die  Actionäre.  Herr  J.  A.  W. 
Carstenn,  der  die  „Flora"  ins  Leben  gerufen,  wurde  auch  ihr 
Todtengräber.  Auf  seinen  Antrag,  wegen  einer  für  ihn  bestellten 
Hypothek,  erfolgte  die  gerichtliche  Subhastation  und  Admini- 
stration des  Etablissements,  und  es  brachte  nur  425,000  Thaler, 
so  dass  nicht  nur  die  Actionäre,  sondern  auch  die  Inhaber  der 
Prioritäten  leer  ausgingen,  in  Summa  l^/s  Millionen  Thaler 
ausfielen.  Wie  es  sich  herausstellte,  besass  die  Flora  nur  noch 
die  nackten  Wände;  das  ganze  Inventar,  alles  Trink-,  Ess-  und 
Kochgeschirr,  ja  die  Oefen,  die  Tapeten,  die  Gas-  und  Wasser- 
einrichtung, sogar  die  Blumen,  die  Palmen  und  das  Garten- 
gitter waren  entweder  nur  geliehen  oder  doch  verpfändet.  Ein 
solcher  Scandal  ist  noch  nicht  dagewesen!  Einer  der  Actio- 
näre behauptete  in  öffentlicher  Versammlung,  dass  nicht  800,000 
sondern  900,000  Thaler  Actien  ausgegeben  sind,  dass  die  „ersten 
Zeichner"  riesige  Summen  gezeichnet  und  nur  1%  eingezahlt 
haben,  dass  die  Geschäftsbücher  von  falschen  Eintragungen 
wimmeln,  und  dass  an  Mitglieder  d(!r  Presse  mehre  Tausend 
Thaler  Schweigegelder  und  grosse  Summen  für  Reclamen  ge- 
zahlt sind.  Der  Staatsanwalt  soll  eingeschritten  sein,  und  neuer- 
dings versucht  man  eine  Nachgründung,  indem  man  die  ausge- 
plünderten Actionäre  zu  neuen  Einzahlungen  bewegen  will! 


—     424     — 

Passage,  Unter  den  Linden  in  Berlin.  Gegründet  März 
1870  von  Aron  Hirsch  Heymann,  Carl  Egells,  Meyer  Colin, 
Hermann  Reimann  (F.  W.  Keimann),  Gustav  Stobwasser,  Justiz- 
rath  Drews,  Kammerherr  Louis  von  Prillwitz,  zu  denen  später 
noch  Georg  Beer  und  Paul  Munk  traten.  Der  Prospect,  wel- 
chen auch  E.  G.  zu  Putlitz,  Erbmarschall  der  Kurmark  Bran- 
denburg, unterzeichnet  hat,  versprach  u.  A.  ein  elegantes  Theater, 
ein  Hotel  von  hundert  Zimmern,  ein  Cafe  chautant  etc.,  und 
stellte  für  die  erste  Zeit  12'>lo  Dividende  in  Aussicht,  die  bei 
einer  „anscheinend  unvermeidlichen  Steigerung  der  Miethe 
sich  erhöhen  muss"  —  lauter  Dinge,  welche  die  Gründer  den 
Actionären  schuldig  gebliebeu  sind.  Actiencapital  2  Millionen 
Thaler;  dazu  ca.  1,400,000  Thaler  Hypotheken  und  Obhgationen. 
,, Revisor":  Dr.  Max  Bauer.  Die  Gründer  resp.  Aufsichtsräthe 
hatten  privatim  Meinhardt's  Hotel,  Unter  den  Linden  32,  für 
500,000  Thaler  angekauft  und  halsten  es  später  der  Passage- 
Gesellschaft  für  ca.  G37,000  Thaler  auf;  auch  machten  sie  den 
Versuch  ihr  ein  Weinlager  zu  octroyiren,  das  sie  zunächst 
gleichfalls  für  eigene  Rechnung  erworben  hatten.  Wegen  dieser 
beiden  Objecte  gab  es  innerhalb  des  Aufsichtsraths  selber  Streit 
und  Hader,  machten  die  Herren  sich  untereinander  bittere 
Vorwürfe.  Noch  stürmischer  gestalteten  sich  die  Generalver- 
sammlungen, wo  die  ausgebeutelten  Actionäre  schwere  An- 
klagen erhoben,  aber  einfach  niedergestimmt  wurden.  Lange 
standen  die  Läden,  die  Geschäftslocalitäten,  die  Festsäle  und 
die  Restaurants  leer,  und  die  projectirten  Miethen  musston  be- 
deutend herabgesetzt  werden.  An  Dividenden  gab  es  1874  — 
^U%,  1875  —  lo/o.    Der  Cours,  einst  140,  ist  etwa  noch  20. 

Ein  wahrer  Gründerpatriarch  ist  Aron  Hirsch 
Hey  mann,  das  Haupt  einer  Gründerfamilie;  auch 
seine  Söhne  Gotthold,  Max  und  Emil,  sowie  sein 
Schwiegersohn,  Meyer  Cohn,  sind  namhafte  Gründer. 


—     425    — 

1870  überliess  Aron  Hirsch  Heymann  sein  Bank- 
geschäft an  Gotthold  und  Max  Heymann  und  wid- 
mete die  Müsse  seines  Alters  der  Gründerei. 
Er  und  seine  Nachkommenschaft  gehören  zu  dem 
Gründerringe,  dessen  eigentliche  Seele  Paul  Mimk 
ist,  und  der  ausserdem  noch  viele  Helden  umfasst, 
wie  Georg  Beer,  Gustav  Markwald,  Hermann  Eei- 
mann,  Hermann  Egells,  Carl  Egells,  Gustav  Stobwasser, 
Leopold  Hadra,  Ascher  Salinger,  Joseph  Pincuss,  Carl 
Goppel,  Richard  Schweder,  Kammerherr  Louis  von 
Prillwitz,  Excellenz  Gustav  von  Bonin  etc.  etc. 

Zum  Schlüsse  behandeln  wir  ein  „gemeinnütziges" 
Gründerwerk,  an  das  sich  mancherlei  Interessen  und 
Intriguen  knüpfen,  und  das  in  jüngster  Zeit  wieder 
viel  von  sich  reden  machte.    Es  ist  der 

Berliuer  Yielimarkt.  Erbaut  vonBaruch  Hirsch  Strausberg, 
genannt  Dr.  Strousberg,  der  schon  im  Sommer  1871  von  London 
aus  eine  Gründung  mit  400,000  Pfund  Sterling  versuchte,  die 
aber  missglückte.  Als  Verwaltungsräthe  nannte  der  damalige  Pro- 
spect:  Regierungs- Assessor  G.  A.  Plewe  und  Geh.  Finanzratli  Carl 
Siebold,  und  die  Subscription  sollte  bei  Platho&Wolft'erfolgen.  Nach 
diesem  Fiasco  wurde  das  Etablissement  vorgekauft  von  Michael 
Simonsohn,  und  Februar  1872  gegründet  von  Leopold  Hadra  und 
Moritz  Hirsch,  mit  2,000,000  Thlr.Acticn,  wozu  noch  1,500,000  Thlr. 
Hypotheken  traten!  „Erste  Zeichner":  Joseph  Pincuss,  Dittmar 
Leipziger,  Amaud  Bloch,  Paul  Munk,  Buchhändler  Alexander 
Duncker,  Stadtrath  Theodor  Risch,  Baumeister  Friedrich  Koch, 
Leonhard'Martiu  Ahrens,  Professor  Dr,  Eduard  Albrecht,  Regie- 


—     426     — 

rungsassessor  Plewe.  „Revisoren":  Leopold  Pincson,  Leopold 
Friedläüder,  Franz  Reschke.  In  der  Hauptsache  waren  also 
hier  dieselben  Personen  thätig,  welche  bei  der  Grossen  Ber- 
liner Pferdebahn  und  zum  Theil  auch  bei  der  famosen  „Flora" 
Gevatter  standen.  Für  die  neue  Gesellschaft  machte  eine  starke 
Reclame  die  „Nationalzeitung",  indem  sie  im  redactionellen 
Theil  (Nr.  154  de  1872)  einen  Auszug  aus  einer  bei  Dr.  Lang- 
mann erschienenen  Broschüre  gab,  der  also  schloss:  „Ein  — 
um  mit  den  Worten  des  Berliner  Magistrats  zu  sprechen  — 
so  praktisch  und  umsichtig  ausgeführtes  und  verwaltetes  Unter- 
nehmen bietet  die  Garantie  für  einengiänzendenmate- 
riellen  Erfolg  für  die  Actionäre  in  sich  selbst."  — 
Als  vorläufige  Dividende  stellte  der  Prospect  6  Vi  %  in  ^.us- 
sicht,  aber  für  1872  gab  es  nur  2  V2  °/o,  und  von  1873  bis  1875 : 
5,  6  und  resp.  4%.  Trotzdem  wurden  pro  1875  an  Verwal- 
tungsrath,  Vorstand  und  Beamte  über  8000  Thaler  Tantieme 
bezahlt.  Die  mit  103  —  104  an  der  Börse  eingeführten,  und 
Frühjahr  1873  bis  112  getriebenen  Actien  notiren  etwa  noch  50. 
Wie  Strausberg  in  seinen  Memoiren  erzählt,  haben  die  Vor- 
käufer resp.  Gründer  eine  halbe  Million  Thaler  an  „Provision 
verdient",  „und  doch  hat  das  Publikum",  wie  er  wörtlich 
sagt,  „ein  gutes  Geschäft  gemacht", 

Bei  der  Ungeheuern  Hypothekenbelastung  ist  das 
Schicksal  der  Viehmarktsgesellschaft  sehr  proble- 
matisch, weshalb  sie  mit  aller  Macht  dahin  strebte, 
das  Etablissement  von  der  Stadt  Berlin  ankaufen  zu 
lassen.  Der  Magistrat  war  dazu  auch  geneigt,  trat 
aber  zurück,  als  man  angeblich  die  Summe  von 
4^2  Millionen  Thaler  verlangte  —  d.  h.  pro  Actie 
etwa  150°/o,  während  der  Cours,  mit  Rücksicht  auf 
die  schwere  Gründerbeute  und  die  sonstigen  lieber- 


—     427     — 

vortheilungen,  nur  ca.  50  ist.  Die  Stadt  Berlin  will 
jetzt  selber  einen  Vichmarkt  mit  Schlachthaus  an- 
legen, und  der  Magistrat  hat  zu  diesem  Zwecke,  mit 
Zustimmung  der  Stadtverordneten,  ein  Terrain  bei 
Friedricbsljerg  von  dem  Bauverein  „Berliner  Neu- 
stadt"*) ziemlich  theuer  erworben,  und  dadurch  den 
Gründern  dieser  Gesellschaft  einen  Ballast  abge- 
nommen. Darob  grosses  Geschrei  der  Viehmarkts- 
gesellschaft, lange  Artikel  voll  sittlicher  Entrüstung, 
Anklagen  und  Verdächtigungen  in  der  „Berliner  Bör- 
senzeitung" und  anderwärts.  So  las  man:  Es  handle 
sich  bei  Anlage  des  städtischen  Viehhofs  um  eine 
neue  Gründung,  bei  der  die  materiellen  Interessen 
verschiedener  Stadtverordneten  und  anderer  Perso- 
nen eine  Rolle  spielen.  Diese  Insinuation  ist  inso- 
fern nicht  'ganz  unmotivirt,  als  der  Beschluss  zum 
Ankauf  des  obigen  Terrains  von  der  Stadtverordne- 
tenversammlung  in   geheimer  Sitzung   und  nur  mit 


*)  Berliuer  Neustadt,  eine  Parcelle  weit  vor  den  Thoren, 
dem  Banquier  Albert  Hackel  (M.  Borchardt  jun.)  für  angeblich 
2,3-72,000  Thaler  abgekauft,  und  kurz  vor  dem  Krach  gegründet 
von:  Baron  Wilhelm  von  Eckardsteiu-Loewen,  Bank-Assessor 
Hermann  Löwenfeld,  Antou  Wolff,  Regierungs-  und  Baurath 
Friedrich  Keil.  Actiencapital  2  Millionen  Thlr.  und  743,000  Thlr. 
Hypotheken!!  Aufsichtsräthe :  Carl  Goppel,  Paul  Gravenstein, 
Franz  Borchardt.  Die  Actien  konnten  glücklicherweise  nicht 
mehr  untergebracht  werden. 


—     42b     — 

einer  einzigen  Stimme  Majorität  gefasst  wurde;  auch 
bald  darauf  eine  Gründung  in's  Leben  trat,  die  sich 
eng  an  den  projectirten  Viehhof  anschloss. 

Herr  Ernst  Gertb,  von  Beruf  Hutmacher,  einer  der  Wort- 
führer in  der  Stadtverordnetenversammlung  und  ein  Haupt- 
beförderer des  städtischen  Viehhofs,  reiste  auf  Kosten  der  Stadt 
nach  Paris,  um  dort  die  Strassenreiuigung  zu  studiren,  und 
benutzte  seine  Anwesenheit  zu  einem  kleinen  Privatgeschäft. 
Er  hatte  die  Concession  zu  der  Jfeiieu  Berliner  Pferdebahn- 
gesellscliaft  erworben,  und  nach  seiner  Rückkehr  wurde  diese, 
am  81.  Juli  1876,  in  Verbindung  mit  Pariser  Banquiers,  auf 
666,000  Thaler  Actien  gegründet.  Als  erüte  Zeichner  fungiren 
die  Stadtverordneten  Ernst  Gerth  und  Bendix  Bernhardt  und 
der  Stadtrath  Friedrich  Romstädt,  und  in  den  Aufsichtsrath 
trat  ein  Herr  Hermann  Lehmann,  der  sich  daneben  als  Comte 
de  Barranca  bezeichnete;  ein  Grafentitel,  der  bis  dahin  in  Berlin 
noch  nicht  gehört  war  und  das  Publikum  fast  in  Aufruhr  ver- 
setzte. Die  neue  Pferdebahngesellschaft  erbaut  u.  A.  eine  Linie 
nach  dem  projectirten  Viehhof,  und  daraufhin  brach  in  der 
Presse  ein  Sturm  los.  Sogar  die  „Nationalzeitung",  wahrscheinlich 
von  der  alten  Viehmarkts-Gesellschaft  auimirt,  fragte  entrüstet : 
wie  Stadtverordnete  und  Magistratsmitglieder  als  solche  gründen 
dürfen,  wie  sie  ,,ihre  amtliche  Thätigkeit  mit  ihrer  geschäft- 
lichen in  Einklang  bringen"  wollen.  Herr  Gerth  verantwortete 
sich  in  öffentlicher  Versammlung,  indem  er  nach  der  „Vossischen 
Zeitung"  sagte:  Er  habe  sich  bei  Leibe  nichts  Böses  gedacht, 
und  noch  keinen  Heller  verdient,  sondern  nur  Gutes  beabsichtigt 
und  den  feiernden  Arbeitern  Beschäftigung  verschaffen  wollen. 
Im  Uebrigen  werde  er  „eher  zwei  Stunden  früher  aufstehen 
und  drei  Stunden  später  schlafen  gehen",  als  dass  er  seine 
Pflichten  als  Stadtverordneter  vernachlässigen  sollte.  Leider 
ward  diese  Entschuldigung  nicht  gewürdigt-,  die  alte  Viehmarkts- 
Gesellschaft  brachte  das  ganze  umliegende  Stadtviertel  in  Auf- 


—    429     — 

ruLr,  und  bei  den  Neuwahlen  zur  Stadtverordnetenversammluug 
unterlag  Herr  Gerth  gegen  den  Viehcomniissionär  Talke.  Der 
Wahlact  war  so  tumultuarisch  und  so  blutig,  dass  die  Regie- 
rung einen  neuen  anordnete,  und  diesmal  siegte  Herr  Gerth, 
aber  unmittelbar  darauf  erhoben  gegen  ihn  die  Anhänger  der 
Viehmarkts -Gesellschaft  einen  tausendstimmigen  Protest,  und 
auch  seine  "Wahl  ward  cassirt.  So  sehen  wir,  um  der  Gründer 
willen  und  von  diesen  angeführt,  Berlin  bereits  in  verschie- 
dene Lager  gespalten,  die  einander  mit  ]\[und  und  Hand  befehden 
und  sich  förmliche  Schlachten  liefern. 

Die  städtischen  Behörden  von  Berlin  bieten  ein 
eigenthüniliches  Bild.  Der  Vorsteher  der  Stadtver- 
ordneten, Dr.  Wolfgang  Strassmann,  jetzt  auch  Ab- 
geordneter, ist  Jude  und  Gründer;  die  Majoritcät  der 
Versammlung  bilden  Semiten  und  Gründer,  und  es 
herrscht  hier  eine  wahre  Cliquenwirthschaft,  insofern 
alle  Beschlüsse  von  der  sogenannten  „Fraction"  oder 
dem  „Berg"  schon  im  Voraus,  hinter  den  Coulissen 
abgemacht  werden.  Ebenso  sitzen  im  Magistrat,  der 
in  der  Schwindelära  ein  starkes  Contingent  von  Grün- 
dern stellte,  noch  heute  zahlreiche  Gründer  und  Auf- 
sichtsräthe  von  Actiengesellschaften,  und  erst  kürz- 
lich ist  wieder  ein  professioneller  Gründer  hineinge- 
wählt worden.  Herr  Adolf  Hagen,  der  fortschritt- 
liche Abgeordnete,  der  1862  durch  seinen  Antrag 
auf  grössere  Specialisiiung  der  Etats  das  Ministerium 
der  „Neuen  Aera"  stürzte  —  der  berühmte  „Contiicts- 


—     430     — 

Hagen"  legte  1871  seine  Stelle  als  Kämmerer  von  Berlin 
nieder  und  wurde  Director  der  Deutschen  Union- 
bank*), welche  eine  lange  Reihe  von  Gründungen  ver- 
übte, und  als  es  nichts  mehr  zu  gründen  gab,  ihre 
Auflösung  beschloss.  Anstatt  sich  nun  mit  den 
Summen,  die  ihm  ein  glänzender  Gehalt  und   noch 


*)  Deutsche  Unioubank  in  Berlin.  Gegründet  1.  März  1871 
von  Arthur  von  Mayer,  Dr.  Phillipp  Mauthner,  Dr.  Max  Strauss 
{„Unionbank''),  Dr.  Emil  Berend  und  Paul  Schiff  in  Wien, 
F.  W.  Krause  (bald  hernach  geadelt),  Julius  Nelke  (A.  Pader- 
stein),  Julius  Schiff,  Benjamin  Liebermanu  und  Commerzienrath 
Wilh.  Herz  in  Berlin,  Jacob  von  Kaufmann-Asser  in  Cölu  und 
Abgeordneter  Dr.  Fr.  Kammacher.  Von  dem  Actiencapital  mit 
12  Millionen  Thaler  hatte  letzterer  175,000  Thaler  gezeichnet. 
Aufsichtsräthe  u.  A. :  Abgeordneter  Dr.  Carl  Braun- Wiesbaden. 
Vorstand :  Adolf  Hagen,  Julius  Weissenburger,  Wilh.  Kopetzky, 
Kichard  von  Kaufmann- Asser.  Die  öOprocentigen  Interimsscheine 
wurden  mit  103  emittirt  und  bis  ca.  140  hinaufgetrieben,  was 
einem  Course  von  180  entspricht;  1873  sank  die  Vollactie  bis 
ca.  68.  An  Gründungen  und  Emissionen  vollbrachte  die  Bank: 
Mecklenburg-Schwerinscher  Bodencredit,  Deutsche  Eisenbahn- 
bau-Gesellschaft (!),  Steinhauser  Hütte  (!),  Leipziger  Vereins- 
bank, Leinenindustrie  Kramsta,  Ostsibirische  Handelsgesellschaft, 
Austro-Türkische Credit- Anstalt(!),  Rheinische Baugesellschaft(!), 
Deutsche  Hypothekenbank,  Maschinenbau  Weser  in  Bremen, 
Hotel  du  Nord  in  Cöln,  Oberschlesisches  Eisenwalzwerk  (!), 
Bazar,  Wittener  Gussstahl  (!),  Stettiner  Vereinsbank,  Chemnitzer 
Bankverein,  Essener  Creditanstalt,  Oesterreichische  Eisenbahn- 
bau-Gesellschaft, Banca  generale  in  Rom,  Deutsch- Italienische 
Bank,  Erzgebirgische  Eisen-  und  Stahlwerke  etc.  etc.  Nach 
dem  Krach  verspeiste  die  Deutsche  Unionbank:  die  Commissions- 


—     431     — 

glänzendere  Tantiemen  eingetragen,  still  in's  Privat- 
leben zurückzuziehen,  fühlte  Herr  Hagen  das  Be- 
dürfniss,  sich  zu  rehabilitiren  und  bewarb  sich  wieder 
um  eine  Anstellung  im  Coramunaldienst  In  Charlot- 
tenburg fiel  er  als  Candidat  um  den  Bürgermeister- 
posten durch,  aber  in  Berlin  ward  er  von  der  „Fraction" 
der  Stadtverordneten  zum  Stadtrath  erwählt,  nach- 
dem er  auf  einen  Sitz  im  Reichstag  zu  Gunsten  von 
Dr.  Max  Hirsch  verzichtet  hatte.  Die  Berliner  Stadt- 
verordneten sind  in  solchen  Dingen  eben  unbefan- 
gener und  aufgeklärter;  die  Regierung  aber  hätte 
die  Wahl  des  Herrn  Hagen  nimmer  bestätigen  sollen. 
Einen  ähnlichen  Streitpunkt  bildet  die  Errichtung 
der  städtischen  Irrenanstalt,  auf  welche  die  armen 
Kranken  unter  den  Dächern  des  Arbeitshauses,  im 
Volksmunde  Ochsenkopf  geheissen,  hinter  vergitter- 
ten Fenstern,  nun  schon  viele  Jahre  warten.  Der 
Magistrat  wollte  zu  diesem  Zwecke  ein  Terrain  wieder 
von  einer  Actiengesellschaft  ankaufen,  von  dem  „Lichter- 
und Maklerbank,  die  Generalbank  für  Maklergeschäfte,  die  Ber- 
liner Wechslerbank  und  denPaderstein'schen  Bankverein,  welche 
in  Liquidation  traten,  beschloss  Januar  1876  ihre  eigene 
Auflösung  und  Hess  sich  nun  verspeisen  von  der  „Deutschen 
Bank"  des  Herrn  Ludwig  Bamberger.  An  den  Acticn  der  Union- 
bank hat  das  Publikum  8—10  Millionen  Thaler,  an  ihren  Grün- 
dungen und  Emissionen  allermindestens  25  Millionen,  zusammen 
also  etwa  35  Millionen  Thaler  verloren. 


—     432     — 

felder  Bauverein"*),  dessen Direction  der „Volkswirth" 
David  Born  führt;  und  die  „Vossische  Zeitung",  die 
mit  Herrn  Born  befreundet  zu  sein  scheint,  empfahl 
diesen  Ankauf,  obwol  die  Baufläche  eine  wasserlose 
Sandwüste  in  der  Nähe  des  Militairschiessplatzes  und 
der  berüchtigten  Rieselfelder  von  Osdorf  ist  Da- 
gegen verlangten  die  Pferdebahn-Interessenten  in  der 
Stadtverordnetenversammlung,  dass  die  Irrenanstalt 
auf  dem  städtischen  Gebiet  von  Dalldorf  erbaut  werde, 
das  aber  wieder  zu  feucht,  nämlich  sumpfig  ist.  So 
drohte  den  irren  Berlinern  von  der  einen  Seite  die 
Malaria,  von  der  andern  Seite  die  Pestilenz,  und 
neuerdings  hat  man  sich  für  die  Malaria  entschieden. 

Der  Berliner  Magistrat  macht  am  liebsten  Geschäfte  mit 
Gründern  und  hilft  auch  Gründern  gern  aus  der  Noth.  Her- 
mann Geber,  der  grosse  Gründerhäuptling,  hat  in  der  Schwindel- 
periode die  sogenannten  Dammmühlen  vom  Fiscus  erkauft  und 
will  dafür  670,000  Thaler  gezahlt  haben.  Gewiss  eine  mehr 
als  anständige  Summe,  die  auch  mit  beigetragen  hat  zu  den 
„Ueberschüssen"  des  Herrn  Finanzministers  CamiAausen.  Geber 
kaufte  natürlich  auf  Speculation,  ist  nun  aber  mit  den  Grund- 

*)  Lichterfelder  Bauvereiu,  gegründet  Anfang  1872  von 
J.  A.  W.  Carstenn  (bald  hernach  geadelt),  Johannes  Otzen,  Carl 
Goppel,  Gustav  Markwald,  Paul  Muuk,  Georg  Beer,  Martin 
Levy  in  Berlin,  Julius  Rohde  in  Hamburg,  mit  1  Million  Thaler 
Actien.  Dividenden  seit  1873  —  0.  Cours,  bei  90  Vo  Einzahlung, 
einst  126,  heute  etwa  noch  12.  „Volkswirth"  Born  hat  hier 
einige  „Modell-Villen"  erbaut. 


—     433     — 

stücken  sitzen  geblieben  und  otferirt  sie  der  Gemeinde  Berlin. 
1875  forderte  er  800,000  Thaler,  und  Magistratus  fand  den  Preis 
sehr  massig,  aber  die  Stadtverordneten,  unter  Führung  des  Herrn 
Gerth,  lehnten  mit  grosser  Majorität  pure  ab.  1876  verlangte 
Geber  nur  noch  735,000  Thaler,  und  der  Magistrat  rieth  dringend, 
doch  ja  zuzugreifen,  aber  die  Stadtverordneten  verliarrten  bei 
ihrer  Weigerung.  Wenn  die  Commune  warten  mag,  wird  Geber 
noch  viel  billiger  werden.  Indess  hat  er  auch  in  der  Stadt- 
verordnetenversammlung bereits  eine  starke  Partei  gewonnen, 
und  einer  seiner  früheren  Gegner,  der  nun  freilich  ausgeschie- 
dene Herr  Leopold  Ullstein,  betonte  letztlich:  Hermann  Geber 
habe  doch  grosse  Verdienste  um  die  Verschönerung  Berlins. 
Wahrscheinlich  meinte  Herr  Ullstein:  die  Centralstrasse,  den 
Stadtpark  mit  dem  Thalia-Theater,  den  Skating-Pdnk  im  alten 
Hofjäger,  das  auf  dem  Papier  stecken  gebliebene  Palais  Royal, 
aus  dem  nun  eine  „Neue  Hotelgesellschaft"  werden  seil  —  aber 
er  vergass,  was  das  alles  für  blutige  Gründungen  sind  und 
wieviel  Tausende  von  Actionären  dabei  ihr  gutes  Geld  einge- 
büsst  haben. 

Schon  lange  war  die  Verwaltung  der  Stadt  Berlin 
eine  sehr  kostspielige,  seit  dem  Gründungsschwindei 
aber  ist  auch  hier  eine  geradezu  verschwenderische 
Misswirthschaft  eingerissen,  und  die  Ausgaben  wachsen 
von  Jahr  zu  Jahr  in's  Ungeheuerliche.  Als  1SG5 
zwei  Deputirte  des  Magistrats,  wenn  wir  nicht  irren, 
zum  Zwecke  der  Markthallen  die  Europäischen  Haupt- 
städte bereisten,  und  nach  ihrer  Heimkehr  etwa  700 
Thaler  für  verbrauchte  Glacehandschuhe  und  der- 
gleichen liquidirten  —  da  ging  durch  die  Einwohner- 
schaft ein  Schrei  der  Entrüstung.  Was  aber  bedeuten 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.     II.  28 


—     434     — 

diese  700  Thaler  gegen  die  kolossalen  Summen,  welche 
in  den  letzten  sechs  Jahren  ununterbrochen  verlangt 
und  bewilligt  wurden?  Was  kosten  nicht  allein  die 
zahllosen  neuerbauten  Gemeindeschulen,  die  von  aussen 
wahre  Paläste  sind,  aber  durch  Zugluft  und  mangel- 
hafte Heizeinrichtungen  die  Gesundheit  der  Lehrer 
wie  der  Schüler  gefährden!  Indem  die  Gemeinde  das 
Schulgeld  aufhob  und  den  Unterricht  gratis  ertheilen 
lässt,  begünstigte  sie  das  Hereinströmen  von  mittellosen 
Arbeitermassen,  die  jetzt  der  Stadt  zur  Last  fallen 
und  das  Armenbudget  furchtbar  anschwellen  machen. 
Trotz  der  schweren  Noth  der  Zeit  forderte  der  Magi- 
strat 1,000,000  Mark  zur  Niederlegung  der  Schloss- 
freiheit, forderte  er  20,000  Mark  blos  zu  Bauskizzen 
für  den  neuen  Viehhof,  lässt  er  das  Strassenpflaster 
drei-  bis  viermal  kurz  hintereinander  aufreissen,  so 
dass  im  Interesse  des  öffentlichen  Verkehrs  gar  die 
Polizei  einschreiten  muss,  kaufte  er  ohne  Noth  und 
für  schweres  Geld  wiederholt  Terrains  an,  die  er 
hinterher  nicht  einmal  verwerthen  konnte,  will  er  mit 
Gewalt  Markthallen  errichten,  obwol  ein  solcher  Ver- 
such bereits  kläglich  gescheitert  ist,  und  das  neue 
Project  in  der  Bevölkerung  auf  entschiedenen  Wider- 
spruch stösst,  da  man  die  freien  Plätze,  an  denen 
Berlin  ohnehin  arm  ist,  nicht  verbauen  und  die  Lebens- 


—     435    — 

mittel  sich  nicht  nocli  mehr  vertheuern  lassen  will. 
Hand  in  Hand  mit  solcher  Verschwendung,  geht  die 
Unordnung  in  den  Geschäften,  die  Rücksichtslosigkeit 
gegen  das  Publikum,  worüber  die  kleinen,  nicht  an- 
gegründeten Zeitungen  fast  täglich  zu  klagen  haben. 
Das  Non  plus  ultra  aller  Experimente  ist  aber 
die  Kanalisation  von  Berlin,  welche  die  Volksstimme 
bereits  als  eine  Gründung  der  Gebrüder  Hobrecht 
{Oberbürgermeister  und  Baurath)  bezeichnet,  und  die 
thatsächlich  die  schlimmsten  Befürchtungen  wachruft. 
Selbst  Männer  der  Wissenschaft  bezweifeln,  dass  sie 
zweckentsprechend  und  für  ganz  Berlin  überhaupt 
durchführbar  ist;  gar  Viele  prophezeien,  dass  sie 
den  Gesundheitszustand  der  Bevölkerung  nicht  ver- 
bessern sondern  verschlechtern,  ja  endemische  Krank- 
heiten und  Seuchen  erzeugen  werde.  An  den  ver- 
schiedensten Orten  hat  sie  bereits  ekelhafte  Ver- 
stopfungen und  Ueberschwemmungen  herbeigeführt, 
verschiedene  Häuser  arg  beschädigt  und  in  die  Ge- 
fahr des  Einsturzes  gebracht,  und  der  „Kanalisations- 
jammer" ist  in  den  Tagesblättern  eine  stehende  Rubrik. 

Die  Rieselfelder  von  Osdorf  hält  Herr  Baurath  Hobrecht 
gewissermaassen  unter  Verschluss  und  macht  hier  die  Honneurs, 
wenn  mit  seiner  Erlaubniss  Besuch  kommt.  Im  Frühling  1876 
empfing  er  die  Väter  der  Stadt  und  zeigte  ihnen  die  Bäche, 
und  Flüsse,    Tümpel  und  Seen  mit  würzig  duftender  Riesel- 

28» 


—     436     — 

jauche,  aber  bei  ihrer  Heimkehr  mussten  die  resp,  Stadtver- 
ordneten und  Stadträthe  erst  ausgeräuchert  werden,  und  noch 
wochenlang  wurden  sie  von  ihren  Frauen  und  Töchtern  mit 
äusserstem  Misstrauen  betrachtet.  Im  holden  Mai  empfing  Herr 
Hobrecht  den  „Südclub",  Hess  vor  ihm  Fontainen  mit  dunklen 
Flüssigkeiten  spielen  und  zeigte  ihm  die  Beete,  wo  da  wachsen 
sollen  Salat  und  Erdbeeren,  Rüben  uud  Spargel,  Blumenkohl 
und  exotisches  Gemüse.  Auf  den  Rieselfeldern  von  Osdorf  und 
Friederikenhof  veranstalteten  die  Väter  der  Stadt  eine  Communal- 
Jagd  uud  erschossen  etliche  Hasen,  d^'e  sie  mitgebracht  hatten. 
Aber  die  benachbarten  Ortschaften  erhoben  ein  grosses  Ge- 
schrei, dass  die  Rieselfelder  zu  stark  röchen  und  ihnen  die  Luft 
verpesteten,  und  der  Amtsvorsteher  hatte  ein  Einsehen  und  nahm 
die  Berliner  Kanalisation  in  Strafe,  und  der  Kreisausschuss  be- 
stätigte das  weise  Urtel.  Baurath  Hobrecht,  der  nebenbei  auch 
ein  grosser  Redner  ist,  will  die  im  Glauben  Schwachen  stärken 
und  trösten,  und  beruft  sich  immer  auf  die  Rieselfelder  bei  Danzig, 
aber  diese  liegen  kluger  Weise  in  einer  Gegend,  wo  keine  Men- 
schen wohnen;  im  Uebrigen  stinken  auch  sie  entsetzlich  und 
bilden  bereits  eine  einzige  grosse  Pfütze.  Die  Rieselfelder  bei 
Berlin  kosten  bisher  etwa  1  Million  Thaler,  und  doch  sind  sie 
erst  für  den  dritten  Theil  der  Häuser  ausreichend.  Die  Kana- 
lisation ,  für  die  sich  namentlich  auch  derVolkstribun  Eugen  Richter 
begeisterte,  ist  zusammen  auf  9  Millionen  Thaler  veranschlagt, 
hat  aber  schon  7V2  Millionen  Thaler  in  Anspruch  genommen 
und  wird  gewiss  noch  manche  Million  verschlingen.  Dazu  kommt 
nun  weiter  der  Anschluss  der  Häuser,  der  für  jedes  Grund- 
stück Zwangspflicht  ist,  und  dessen  Kosten  der  Besitzer  tragen 
muss.  Der  Anschluss  an  die  Kanalisation  wird  mindestens  so- 
viel als  diese  selber  kosten,  und  man  schätzt  daher  die  Gesammt- 
Ausgabe  auf  22  bis  25  Millionen  Thaler. 

Was  Wunder,  wenn  bei  solcher  Wirthschaft  die 
Schuldenlast  der  Stadt  Berlin  lawinenartig  Wcächstl 


—     437     — 

Nach  der  „Vossischen  Zeitung"  betrug  dieselbe  1866 
etwa  4  Millionen  Thaler,  1872  schon  8  Millionen 
Thaler  und  Ende  1876  —  27  Millionen  Thaler,  so 
dass  sie  seit  10  Jahren  um  23  Millionen  Thaler  oder 
fast  um  das  Sechsfache  gestiegen  ist.  Wie  alle  Euro- 
päischen Staaten,  geht,  in  Folge  der  Juden-  und 
Grüuderherrschaft,  auch  die  Stadt  Berlin  mit  reissen- 
der  Schnelle  der  Verschuldung  und  Verarmung  ent- 
gegen. Die  Ausgaben  für  1877  sind  um  1,600,000 
Thaler  höher  als  1876,  zusammen  auf  rund  12,600,000 
Thaler  veranschlagt.  Während  die  Staatssteuern  schwer 
drücken,  sind  die  Communalabgaben  geradezu  uner- 
schwinglich, was  die  zahllosen  Executionen  des  letzten 
Jahres  beweisen,  wo  der  Executor  des  Magistrats 
auch  nicht  das  letzte  Bettstück  der  Wlttwe,  nicht 
den  Dienstfrack  des  Kellners  verschonte.  Die  1870 
neben  der  Miethssteuer  eingeführte  Gemeindeeinkom- 
mensteuer beweist  sich  in  Wahrheit  als  eine  Schraube 
ohne  Ende.  1870  betrug  sie  337.3 ^'/o,  1871  —  50%, 
1876  —  60%,  und  für  1877  sollte  sie  plötzlich  auf 
110**/o  erhöht,  von  ca.  2  Millionen  auf  3%  Millionen 
Thaler  gebracht  werden.  In  Erwägung  des  allge- 
meinen Nothstandes  bewilligten  die  Stadtverordneten 
jedoch  nur  80%,  wonach  also  die  Steuer  um  ein 
ganzes  Drittel  gesteigert  ward.    Im  Widerspruch  zu 


—     438     — 

diesen  blanken  Thatsachen  bewies  die  „Vossische 
Zeitung"  in  ihrer  Nummer  vom  18.  November  1876 
mit  Zahlen,  dass  die  Communalsteuern  in  Berlin 
während  der  letzten  Jahre  eine  sehr  erhebliche  Her- 
absetzung erfahren  hätten,  weil  ja  die  Mahl-,  Schlacht- 
und  Wildpretsteuer  weggefallen  sind.  Dies  talmu- 
distische  Rechenexempel  erinnert  an  den  Abgeord- 
neten Löwe-Calbe,  der  auf  einer  Soiree  beim  Reichs- 
kanzler behauptete:  ihm  koste  das  Brod  jetzt  20% 
weniger  als  früher.  „Ei,  das  muss  man  sich  merken  !^^ 
soll  Fürst  Bismarck  ausgerufen  haben.  „Bei  welchem 
Bäcker  kaufen  Sie  denn?" 


Nachtrag. 

Auf  Beschwerde  des  Berliner  Magistrats  hat  der  Ober- 
präsident in  Potsdam  die  von  der  dortigen  Regierung  cassirte 
Wahl  des  Herrn  Gerth  für  gültig  erklärt,  dieser  ist  in  die  Stadt- 
verordnetenversammlung wieder  eingetreten,  und  von  dem  Vor- 
steter, Dr.  W.  Strassmann  (Gründer  der  Centralbank  für  Ge- 
nossenschaften) in  feierlicher  Anrede  mit  herzlichen  Worten 
begrüsst  worden.  Ebenso  warm  nahm  sich  Herr  Strassmann 
seines  Collegen,  des  Stadtverordneten  Otto  Kaufmann,  eines  viel- 
fachen Gründers,  an. 


Die  Presse  im  Dienste  der  Börse  und  der 
Gründer. 

„Leute,  die  ihren  Beruf  verfehlt  haben"  —  liberale  Waschzettel-Fabriken  — 
Literarische  Handwerker  und  Geschäftsleute  —  Kuppelei  und  Unzucht  im 
Inseraten theil  —  Die  Verjudung  der  Presse  —  Börsen-Rathgeber  —  Berliner 
ßürsenzeitung  —  Neue  Börsenzeitung  —  Saliug's  Börsenblatt  —  New-Torker 
Handelszeitung  —  Königsberger  Hartnng'sche  und  Ostprenssische  Zeitung  — 
BreslÄuer  Zeitung  —  Die  Schlesische  Presse  und  Meyer  der  Erste  —  „Frisches 
Blut"  —  Dresdener  Blätter  —  Allgemeiner  Anzeiger  und  Rheinische  Zeitung  — 
Spener'sche  Zeitung  —  Norddeutsche  Allgemeine  —  Die  „Post"  und  Dr.  Frieden- 
thal —  Inseraten-  und  Reclamentarif  —  Kölnische  Zeitung  —  Die  Frank- 
furter Zeitung  und  Herr  Sonnemann  —  Danziger  Zeitung  —  Kreuzzeitung  — 
Die  „Tribüne"  und  Baruch  Hirsch  Strausberg  —  Paul  Lindau's  „Gegenwart" 
—  Das  Jubiläum  eines  jüdischen  Bankhauses  —  Vossische  Zeitung  —  „Ein 
verleumdetes  Jahr"  —  Nationalzeitung  —  Benda  Wolff  und  Julius  Schweitzer, 
Ed.  Lasker  und  Fr.  Dernburg  —  „Stolz  will  ich  den  Spanier!"  —  Keine  Ver- 
luste, nur  Cours-Diflerenzen  —  Bilder  und  Gleichnisse  —  „Zur  Geschichte 
der  Verleumdungsära"  —  Der  Schützling  offlciöser  als  sein  Gönner  —  Press- 
betheiligungen —  Der  Börsenreporter  im  Neglige  —  Moralisches  Löwenge- 
brüU  —  Journalisten  und  Zeitungen  als  Gründer  —  Revolverpresse  und 
Kanonenpresse  —  Die„Gründerhatz"  und  Dr.  Julian  Goldschmidt  —  Die  Spiess- 
gesellen  zanken  sich  —  Central-Aunoncen-Bureau  —  Warum  die  Börse  Alles 
zuerst  erfährt  —  Wolft's  Telegraphen  -  Bureau  —  Telegraphengesellschaften. 

Wenngleich  die  Deutsche  Presse  unter  ihren  Euro- 
päischen Schwestern  mit  die  jüngste  ist,  in  der  Haupt- 
sache erst  seit  1848  datirt,  zeigt  sie  doch,  in  mora- 
lischer wie  intellectueller  Hinsicht,  bereits  einen  er- 
schrecklichen Verfall.  Zwar  hatte  sie  nie  das  Ansehen 
und  die  Bedeutung  z.  B.  der  Englischen  oder  der 


—     440     — 

Französischen  Presse,  aber  sie  stand  bis  1866  doch 
ungleich  geachteter  da,  und  ihre  Leistungen  waren 
weit  erheblicher,  Ihre  Mitarbeiter  waren  früher  vor- 
wiegend studirte  Leute,  heute  bilden  diese  nur  noch 
eine  kleine  Minderheit.  Während  der  sogenannten 
ßeactionszeit  recrutirte  sich  die  Presse  aus  Juristen, 
Philologen,  Theologen,  Privatdocenten  etc.,  die  ent- 
weder politisch  gemassregelt  oder  ihrer  liberalen  Ge- 
sinnung wegen  verdächtig  waren,  und  auf  eine  An- 
stellung nicht  zu  rechnen  hatten.  Heute  bewerben 
sich  alle  akademisch  Gebildeten  wieder  um  ein  Staats- 
amt; ein  grosser  Theil  ist  während  der  Schwindel- 
periode in  die  Dienste  der  Geld-Institute  und  Actien- 
gesellschaften  getreten,  und  für  die  Presse  bleibt  nur 
der  Abhub,  der  Ausschuss.  Heute  hat  das  Wort  des 
Herrn  von  Bismarck,  welches  die  Journalisten  als 
„Leute,  die  ihren  Beruf  verfehlt  haben",  als  „catili- 
narische  Existenzen"  hinstellte,  weit  mehr  Berechti- 
gung als  vor  15  Jahren,  da  er  es  aussprach.  Früher 
suchten  die  Parlamentarier,  selbst  Gesandte  und 
Minister,  die  Zeitungsmitarbeiter  auf,  heute  laufen 
diese  jenen  Herren  nach,  um  Neuigkeiten  und  In- 
formationen zu  erhaschen,  und  lassen  sich  dafür  mit 
Fusstritten  regaliren.  In  Frankreich  öffnen  sich  dem 
Journalisten  alle  Kreise,  er  wird  dort  Präfect  und 


—     441     — 

Minister;  während  er  z,  B.  in  Preussen,  wenn  er  der 
Regierung  dient,  analog  den  Schreibern  bei  den  Hof- 
ämtern, den  Titel  „Hofrath"  erhält,  und  allenfalls  mit 
dem  Kronenorden  fünfter  Klasse  bedacht  wird.  In 
Deutschland  ist  der  Journalist  ohne  jede  gesellschaft- 
liche Stellung;  zwar  zieht  man  auch  bei  uns  zu 
Festivitäten  die  Presse  heran,  und  widmet  ihr  Toaste, 
aber  nur,  weil  man  sie  fürchtet  oder  sie  benutzen 
will;  insgeheim  hasst  und  verachtet  man  sie,  und 
lässt  es  das  einzelne  Mitglied  auch  häufig  genug 
empfinden.  Sogar  das  „Weltblatt",  die  „Kölnische 
Zeitung",  beklagte  sich,  dass  man  bei  einem  Banket 
ihrem  Berichterstatter  einen  nicht  numerirten  Platz 
angewiesen;  und  die  „Vossische  Zeitung"  bemerkte 
dazu,  dass  auch  sie  zu  einem  Festmahl  der  Berliner 
Stadtverordneten  in  einer  Form  eingeladen  worden, 
welche  sie  bestimmt  hätte,  die  Karte  unbenutzt  zu 
lassen.  Wenn  die  Herren  von  der  Feder  sich  etwas 
rarer  zu  machen  verstünden,  würde  man  sie  schon 
respcctvoller  behandeln. 

Unsere  heutigen  Journalisten  und  Literaten  sind 
nur  noch  zur  Hälfte  Christen,  zur  anderen  und  wahr- 
scheinlich schon  grösseren  Hälfte  Juden  oder  doch 
Semiten.  Ein  grosser  Tlieil  von  ihnen  hat  irgendwie 
Schiffbruch    gelitten;    Viele    haben    aber    auch   das 


—     442     — 

Handwerk  förmlich  erlernt,  von  der  Pike  auf  gedient, 
waren  zuerst  Inseratensammler,  Expedienten,  Local- 
reporter,  bis  sie  dann  in  die  Redaction  aufgenommen 
wurden.  Zwar  finden  sich  noch  bei  jedem  grossen 
Blatte  ein  bis  zwei  studirte  Redacteure,  aber  das 
Gros  der  Zeitungsschreiber,  obwol  aus  Courtoisie 
auch  der  geringste  von  ihnen  „Doctor"  titulirt  wird, 
besitzt  etwa  die  Durchschnittsbildung  eines  Tertia- 
ners. Daher  der  entsetzliche  Stil,  das  entsetzliche 
Deutsch  unserer  Zeitungen,  jenes  Kauderwelsch,  ge- 
spickt mit  barbarischen  Fremdwörtern  und  schwer- 
fälligen Phrasen.  Unsere  Journalisten  arbeiten  weniger 
mit  der  Feder  als  mit  dem  Ptothstift  und  der  Scheere. 
Ein  Blatt  druckt  immer  dem  andern  nach,  und  was 
es  sonst  braucht  an  Leitartikeln,  Referaten  etc.  lie- 
fern ihm  die  Correspondenzen.  Da  ist  die  „Berliner 
Autographirte  Correspondenz"  des  Herrn  Lasker,  der 
bekanntlich  den  „linken  Flügel"  der  Nationalliberalen 
kommandirt.  Da  ist  die  „Nationalliberale  Correspon- 
denz"  der  Herren  von  Bennigsen,  Miquel,  Wehren- 
pfennig und  Rickert  vom  „rechten  Flügel"  der  National- 
liberalen. Da  ist  die  fortschrittliche  Correspondenz, 
die  acht-  bis  zwölffach  durchgeschriebenen  Briefe  der 
Herren  Eugen  Richter  und  Ludolf  Parisius.  Da  ist 
endlich  das  „Organ   für  Jedermann",  die  „Berliner 


—     443     — 

Volkszeitung^',  die  zugleich  in  Potsdam,  Spandau, 
Lauenburg,  Danzig,  Beuthen  etc.,  nur  unter  anderem 
Titel,  mit  anderem  Kopfe  erscheint,  im  Uebrigen 
aber  ebenfalls  von  den  Herren  Bernstein,  Holdheim 
und  Max  Hirsch  fabricirt  und  bei  Franz  Duncker 
gedruckt  wird.  Alljährlich  jammerte  der  grosse  Volks- 
tribun Eugen  Richter  über  die  „Waschzettel",  welche 
das  „Literarische  Bureau"  ausstreut,  bis  die  Liberalen 
dann  selber  solche  Waschzettel-Fabriken  errichteten 
und  sie  alsbald  mit  Dampf  betrieben.  Heute  sind 
die  Correspondenzen  der  Herren  Richter,  Wehren- 
pfennig und  Lasker,  in  welchen  sie  sich  und  ihre 
Freunde  verherrlichen,  ihre  Gegner  aber  verlästern 
und  beschimpfen,  in  welchen  sie  die  Gründer  rein 
waschen  und  die  „Verleumder"  „brandmarken",  über 
das  ganze  Land  verbreitet,  und  von  ihnen  nähren 
sich  alle  „liberalen"  Blätter  und  Blättchen. 

Unsere  Journalisten  (und  ebenso  unsere  manchester- 
lichen „Volkswirthe")  haben  wenig  gelernt,  und  das 
Wenige  vergessen  sie  noch  über  ihrer  mechanischen 
Beschäftigung,  bei  der  sie  geradezu  verdummen.  Sie 
lesen  in  Jahren  kein  Buch,  nicht  einmal  die  Bücher, 
die  sie  besprechen;  gleichviel  ob  sie  dieselben  aus- 
bündig loben  oder  schmählich  herunterreissen.  Unsere 
Zeitungen  werden  nach  einer  feststehenden  Schablone, 


—     Ui    — 

höchst  geist-  und  geschmacklos  gemacht;  sie  leiden 
an  einer  schrecklichen  Oede  und  sie  züchten  förm- 
lich die  Langweiligkeit.  Weil  sie  das  Meiste  unver- 
daut, unverarbeitet,  mit  Haut  und  Haaren  über- 
nehmen, das  unwichtigste  und  gleichgültigste  Zeug 
ausführlich  abdrucken,  herrscht  in  ihnen  eine  wahre 
Raumverschwendung,  und  sie  werden  vom  Publikum 
eigentlich  nicht  gelesen,  sondern  blos  überflogen. 

Wenn  die  ganze  Politik  schon  bei  den  Zeitungen 
mehr  oder  weniger  blosser  Humbug,  nur  das  Aus- 
hängeschild ist,  unter  welchem  sie  ihr  Geschäft  be- 
treiben, so  kann  von  einer  politischen  Gesinnung  der 
Zeitungsschreiber  erst  recht  nicht  die  Rede  sein.  Die 
weitaus  grosse  Mehrzahl  tritt  da  ein,  wo  sie  gerade 
ein  Unterkommen  findet,  und  da  an  Bewerbern  stets 
Ueberfluss  ist,  sucht  Jeder  das  Plätzchen,  das  er 
einmal  inne  hat,  auch  festzuhalten.  Willig  macht  er 
alle  Wandlungen  der  Zeitung  mit,  und  gehorsam 
schreibt  er,  was  man  von  ihm  verlangt.  Verliert  er 
seine  Stelle,  oder  winkt  ihm  eine  bessere,  so  geht 
er  sonder  Gewissensscrupel  von  einem  liberalen  zu 
einem  conservativen,  von  einem  demokratischen  zu 
einem  officiösen  Blatte  über,  und  vertheidigt  heute  mit 
Begeisterung,  was  er  gestern  leidenschaftlich  bekämpft, 
für  ein  Unglück  und  eine  Niedertracht  erklärt  hat. 


—    445    — 

Ist  der  Zeitungsschreiber  ein  blosser  Handwerker, 
so  sind  die  Zeitungsverleger  reine  Geschäftsleute,  die 
da  öffentliche  Meinung  feil  halten.  J'.ir  ganzes  Mühen 
und  Jagen  ist  auf  Abonnenten  und  Inserenten  ge- 
richtet, wobei  die  Ersteren  gegen  die  Letzteren  sehr 
zurückstehen  müssen.  Um  der  Inserate  \\illen  wird 
in  dem  redactionellen  Theil  der  Zeitung  jede  Reclame 
gemacht,  jeder  Angriff  unterdrückt.  Grosse  Inserenten, 
wie  der  Malzfabrikant  Johann  Hoff,  die  Verkäufer 
von  Universal-  und  Geheimmitteln,  erfahren  weit  mehr 
Ptücksicht  und  Zuvorkommenheit  als  selbst  Fürst 
Bismarck.  Tagtäglich  liest  man  in  den  grossen  Zei- 
tungen Anzeigen,  die  ehrbare  Frauen  anwidern,  un- 
schuldige Mädchen  in  Verwirrung  setzen  müssen.  Es 
empfehlen  sich  Aerzte  gegen  ekelhafte  Krankheiten, 
es  locken  in  durchsichtiger  Weise  Kuppelei  und  Un- 
zucht, es  wirft  der  Schwindel  in  tausenderlei  Gestalt 
seine  Netze  aus.  Solch  anstössige,  schamlose  Inserate 
finden  sich  z.  B.  regelmässig  in  der  „Vossischen  Zei- 
tung", die  deswegen  sogar  im  Parlament  genannt 
wurde;  aber  nur  selten  schreitet  die  Staatsanwalt- 
schaft ein,  und  als  es  neulich  in  Berlin  doch  einmal 
geschah,  wurde  der  Name  des  betreffenden  Blattes 
in  allen  Zeitungsberichten  schonend  verschwiegen, 
und  der  Redacteur  nur  in  50  Mark  Strafe  genommen. 


—     446     — 

Der  öffentliche  Ankläger  constatirte  ausdrücklich,  dass 
nur  socialdemokratische  Blätter  die  unsaubere  An- 
nonce zurückgewiesen  hätten. 

Als  am  1.  Juli  1874  die  Stempelsteuer  fiel,  die 
dem  Volke  stets  als  eine  Vertheuerung  seiner  gei- 
stigen Nahrung  hingestellt  wurde,  glaubte  man  all- 
gemein, die  Zeitungen  sollten  billiger  werden.  Aber 
nur  äusserst  wenige,  z.  B.  der  menschenfreundliche 
„Berliner  Börsencourier",  setzten  das  Abonnement 
herab;  die  anderen  entschuldigten  sich  mit  den  theue- 
ren  Papierpreisen,  mit  der  Höhe  der  Löhne  etc.,  und 
als  in  einem  Berliner  Bezirksverein  ein  ehrsamer 
Bürger  darüber  Klage  erhob,  belehrte  Herr  Ludolf 
Parisius  ihn  lächelnd,  dass  die  Zeitungen  heute  nur 
noch  wenig  einbrächten  und  manche  Verleger  schon 
zuschiessen  müssten.  Die  Aufliebung  der  Stempel- 
steuer war  einfach  ein  Geschenk  an  die  Zeitungsbe- 
sitzer, das  z.  B.  für  den  Inhaber  der  „Kölnischen 
Zeitung"  75,000  Thaler  jährlich  beträgt. 

Weil  das  Zeitungsgewerbe  ebenso  hocheinträglich 
wie  einflussreich  ist,  ging  es  mehr  und  mehr  in  die 
Hände  der  Juden  über,  und  es  wird  von  ihnen  der- 
artig ausgebeutet,  dass  sie  auch  auf  diesem  Gebiete 
jeden  Christen  schlagen.  Die  meisten  Börsenblätter 
und  viele  politische  Zeitungen  sind  Eigenthum  von 


—     447     — 

Juden,  und  fast  an  jedem  Journal  arbeiten  Juden 
oder  doch  Semiten.  Seit  den  letzten  zehn  Jahren 
haben  sich  die  jüdischen  Journalisten  und  Literaten 
so  heftig  vermehrt,  dass  sie  von  dem  Heer  der  Presse 
wol  schon  die  grössere  Hälfte  bilden,  und  die  Christen 
immer  mehr  verdrängen.  Verschiedene  jüdische  Blätter, 
wie  die  „Schlesische  Presse''  in  Breslau,  das  „Ber- 
liner Tageblatt"  von  Rudolf  Mosse  in  Berlin  u.  a.  be- 
schäftigen ausschliesslich  Juden,  was  übrigens  nur 
logisch  und  consequent  ist.  Nur  ein  kleiner  Bruch- 
theil  der  jüdischen  Journalisten  und  Literaten  hat 
eine  wissenschaftliche  Bildung,  die  grosse  Masse  be- 
steht aus  ehemaligen  Commis,  und  ihre  Lieblingsbe- 
schäftigung ist  noch  immer  die  Börse.  Den  Börsen- 
und  Handelstheil  der  Zeitungen  haben  die  Juden  ge- 
wissermassen  in  Pacht  genommen,  und  sogar  für  den 
„Deutschen  Reichs-  und  Preussischen  Staats- Anzeiger" 
liefert  den  Börsenbericht  ein  Jude.  Aber  sie  sind 
in  allen  Sätteln  gerecht;  ein  jüdischer  Journalist 
schreibt  mit  derselben  Leichtigkeit  und  unmittelbar 
hintereinander  Leitartikel  und  Feuilletons,  Theater- 
berichte und  Briefe  vom  Kriegsschauplatz.  Wallsee, 
Correspondent  der  „Neuen  freien  Presse",  eigentlich 
Abraham  Feigl  geheissen,  meldete  von  der  Serbischen 
Armee  aus,  dass  zwei  seiner  Collegen  verwundet  und 


—     448     — 

er  selber  erschossen  sei.  Die  „Neue  freie  Presse" 
und  andere  Judenblätter  erhoben  ein  solches  Jammer- 
geschrei, dass  die  Oesterreichische  Regierung  recher- 
chiren  Hess,  wobei  es  sich  nun  herausstellte,  dass 
Abraham  Feigl  gesund  und  unverletzt  war  und  die 
ganze  Geschichte,  blos  um  des  Effects  willen,  zusammen- 
gelogen hatte.  Die  Serbische  Regierung  verfügte  seine 
Ausweisung,  aber  nun  hatte  Feigl -Leben  die  Frech- 
heit, deswegen  Beschwerde  zu  führen  und  den  Schutz 
des  Oesterreichischen  Consuls  anzurufen. 

Die  fortschreitende  Verjudung  der  Presse  erklärt 
ihren  schrecklichen  Verfall,  ihre  tiefe,  gemeingefähr- 
liche Corruption;  erklärt  die  Herrschaft  und  Ueber- 
macht  des  Judenthums  in  der  Gesellschaft  und  auf 
allen  Gebieten  des  öffentlichen  Lebens,  indem  die 
Zeitungen  unausgesetzt  die  Interessen  der  Juden  und 
Judengenossen  verfechten;  erklärt  auch  den  Börsen- 
und  Gründungsschwindel,  der  in  der  Hauptsache  von 
Semiten  verübt  ist,  und  der  ohne  die  mächtige  Bei- 
hülfe und  Unterstützung  der  Presse  in  solchem  Um- 
fange gar  nicht  möglich  gewesen  wäre.  Die  Presse 
hat  —  das  beweisen  ihre  heuchlerischen  Declamatio- 
nen,  ihre  theoretischen,  ganz  allgemein  gehaltenen 
Warnungen  —  von  vorne  herein  den  Schwindel  als 
solchen  erkannt,  ihn  mit  vollem  Bewusstsein  unter- 


—    449     — 

stützt;  und  nicht  etwa  umsonst,  sondern  sie  ist  dafür 
reichlich  bezahlt  worden,  sie  hat  von  dem  grossen 
Raube  ihren  gut  gemessenen  Antheil  erhalten. 


Von  den  Börsenzeitungen  ist  es  selbstverständlich  und 
notorisch,  dass  sie  im  Solde  der  Börse  stehen.  Sie  erhalten 
noch  heute  von  den  grossen  Bankhäusern  und  Bankinstituten 
fortlaufend  bestimmte  Subventionen,  dazu  für  jedes  einzelne 
Geschäft  besondere  Gratificationen ;  sie  sind  bei  allen  Grün- 
dungen und  Emissionen  direct  betheiligt  worden.  Während  der 
Schwiudelära  entstanden  in  Berlin,  Breslau,  Dresden,  Köln, 
P'rankfurt  a.  M.  und  anderen  grossen  Orten  neue  Börsenblätter, 
die  zum  Theil  von  Gründern  und  Börsianern  fuudirt  wurden, 
und  ihren  Besitzern  schnell  ein  Vermögen  einbrachten.  Es 
entstanden  auch  Börsenjournale,  die  sich  einen  wissenschaft- 
lichen Anstrich  gaben,  z.  B.  die  „Berliner  Wochenschrift,  finan- 
ziell-politische Revue"  von  Dr.  Gustav  Lewinstein,  und  das 
„Deutsche  Finanzblatt  (Revue  financiöre  allemande)"  von  Dr, 
Th.  Cossmann.  Besonders  gefährlich  waren  Blätter,  welche 
die  Miene  annahmen,  die  Interessen  des  kleinen  Capitalisten 
zu  vertreten,  anscheinend  gegen  die  Börse  Front  machten  und 
„Enthüllungen"  zum  Besten  gaben,  wie  die  „Neue  Börsenzeitung" 
und  „Salings  Börsenblatt",  zumal  beide  sehr  geschickt  redigirt 
wurden  und  den  Leser  angenehm  zu  unterhalten  wussten.  Fast 
alle  Börsenzeitungen,  und  auch  andere  Blätter,  z.  B.  die  Ber- 
liner „Tribüne",  eröffneten  einen  „Rathgeber",  einen  Börsen- 
briefkasten, wo  Rath  und  Auskunft  über  den  An-  und  Verkauf 
von  Börsenpapieren  ertheilt,  die  betreffenden  Actien  offen  ge- 
nannt oder  doch  in  leicht  zu  errathender  Weise  bezeichnet 
wurden.  Dieser  „Rathgeber"  hat  Tausende  von  Abonnenten 
herangezogen,  aber  auch  Tausende  ins  Unglück  geführt.  Un- 
zählig, unerschöpüich  waren  die  Kniffe  und  Pfiffe,  mit  denen 
man    das    Publikum    einfing    und    schädigte.     Man    brachte 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.   II.  29 


—    450    — 

„DividendenscMtzungen" ,  wo  Dividenden  theils  blos  erdichtet, 
theils  viel  zu  hoch  veranschlagt  vraren-,  man  empfahl  faule 
Actien  als  angeblich  nur  „vernachlässigte  Papiere";  man  ver- 
breitete falsche  Nachrichten  über  Gewinnste  und  Verluste,  über 
lucrative  Verkäufe  von  Grundstücken  und  Parcellen,  über  hohe 
Einnahmen  gewisser  Eisenbahnen,  Banken  und  Fabriken;  man 
inscenirte  auf  Bestellung  oder  auch  im  eigenen  Interesse,  je 
nachdem  man  selber  speculirt  hatte,  Hausse  und  Baisse. 

Das  erste  Börsenblatt  war  und  ist  die  „Berliner  Börsen- 
zeitung", und  der  Eigenthümer,  Herr  H.  Killisch,  ursprüng- 
lich ganz  mittellos,  ist  dabei  zum  Millionär  geworden.  Seit 
zehn  Jahi'en  und  länger  las  man  im  „Berliner  Adressbuch": 
Killisch  von  Hörn,  Dr.  juris,  und  es  ging  die  Sage,  der 
reiche  Mann  habe  sich  einen  adligen  Vater  gekauft,  sich  von 
einem  nothleidenden  Edelmann,  gegen  Zahlung  einer  Rente, 
adoptiren  lassen.  Thatsächlich  wurde  er  in  seinen  Bureaux 
Herr  von  Killisch  genannt,  und  in  Pankow,  wo  er.  Spandauer 
Strasse  6—8,  eine  fürstlich  eingerichtete  Villa  besitzt,  hiess  er 
sogar  der  „Baron".  Dies  veranlasste  kürzlich  ein  Mitglied  der 
Familie  von  Hörn,  sich  an  das  Berliner  Polizeipräsidium  zu 
wenden  mit  der  Bitte,  doch  zu  recherchiren,  ob  Herr  Killisch 
wirklich  und  mit  landesherrlicher  Genehmigung  geadelt  sei; 
worauf  folgende  merkwürdige  Antwort  erging:  Der  pp.  Killisch 
ist  in  dem  Berliner  Wohnungsanzeiger  als  Killisch  von  Hörn 
nur  irrthümlicherweise  aufgeführt;  es  hat  auch  nicht  festge- 
stellt werden  können,  dass  der  pp.  Killisch  sich  im  amtlichen 
oder  privaten  Verkehr  selber  das  Adelsprädicat  beigelegt  hat. 
—  Noch  merkwürdiger  ist,  dass  in  dem  neuen  „Berliner  Adress- 
buch" für  1877  Herr  Killisch  plötzlich  fehlt,  nirgends  mehr  zu 
entdecken  ist,  auch  nicht  mehr  als  Besitzer  der  schönen  Häuser, 
Kronenstrasse  29,  36  und  37,  und  der  feenhaften  Villa  in  Pan- 
kow angeführt  wird.  Als  „Eigenthümer''  all  dieser  Herrlich- 
keiten figurirt  jetzt  sein  Buchhalter  W.  Man  könnte  glauben, 
Herr  Killisch  sei  gestorben  oder  verzogen,  doch  er  erscheint 


—    451     - 

nach  wie  vor  jeden  Tag  leibhaftig  an  der  Börse  und  schreibt 
hier  seine  klassischen  Berichte. 

Der  „Berliner  Börsenzeitung"  wurde  mehrfach  vorgeworfen, 
dass  ihre  Börsenreferate  und  sonstigen  Artikel  falsche  Behaup- 
tungen zu  Gunsten  oder  Ungunsten  verschiedener  Papiere  ent- 
hielten, dass  sie  gewisse  Actien,  z.  B.  Lombarden,  Warschau- 
Wiener  etc.  ohne  Grund  bald  in  den  Himmel  erhebe,  bald 
wieder  schmählich  herunterreisse.  Die  Reclamen,  welche  die 
Börsenblätter  machten,  waren  zuweilen  den  betreffenden  Ge- 
sellschaften sogar  unangenehm,  und  erfuhren  öffentlichen  Wider- 
spruch. So  erklärten  1872  die  Stoiberger  Zinkhütten-  und 
die  Aachen-Mastrichter  Eisenbahn-Gesellschaft,  die  Egestorfif 'sehe 
Maschinenfabrik  in  Hannover  und  die  Schlesische  Tuchfabrik 
in  Grünberg  die  über  sie  verbreiteten  günstigen  Nachrichten 
und  rosigen  Aussichten  für  unwahr,  und  noch  kürzlich  prote- 
stirte  der  Abgeordnete,  Herr  Kieschke,  Namens  der  Deutschen 
Baugesellschaft,  gegen  eine  Meldung  der  „Berliner  Börsen- 
zeitung", welche  nur  eine  Courstreiberei  jener  Actien  bezwecke. 
Jetzt,  wo  nichts  mehr  zu  verlieren  ist,  enthüllen  und  warnen 
auch  die  Gründer. 

Die  „Neue  Börsenzeitung"  entstand  Ende  1871  in 
Berlin,  indem  sich  zu  diesem  Zwecke  Bernhard  Brigl,  der  Ver- 
leger der  „Tribüne",  mit  einem  Consortium  von  Gründern  und 
Börsianern,  darunter  Carl  Goppel  und  Leopold  Ullstein,  zu- 
sammenthat.  Die  „Neue  Börsenzeitung"  erschien  gewisser- 
massen  als  ein  Anhängsel  der  „Tribüne",  und  da  sie  in  ihrem 
Programm  sich  ausdrücklich  in  den  Dienst  des  Privatcapitals 
stellte,  den  Schutz  desselben  gegen  die  Ausbeutung  der  Börse 
für  ihre  Aufgabe  erklärte,  gewann  sie  sofort  eine  stattliche  An- 
zahl von  Abonnenten,  und  erweckte  in  dem  Busen  des  „Ber- 
liner Börseucourier"  die  Qualen  der  Eifersucht.  Kurz  vor  dem 
Krach,  als  das  Fett  abgeschöpft  war,  übernahm  das  Blatt  für 
alleinige  Rechnung  der  bisherige  Herausgeber,  Julius  Treu- 
herz, ein  gebildeter  und  vielseitiger  Mann,  und  da  die  Zeiten 

29* 


—     452     — 

schlechter  wurden,  entschloss  er  sich,  mit  der  Zeitung  zugleich 
ein  Bankgeschäft  für  seine  Kunden  zu  verbinden,  so  dass  hier 
Theorie  und  Praxis  unter  Einem  Dache  wohnen. 

Bald  nach  der  „Neuen  Börsenzeitung"  kam  „Saling's 
Börsenblatt"  in  Berlin  zur  Welt,  das  sich  in  ähnlicher 
Weise  einführte,  aber  die  Gunst  der  Börse  in  noch  höherem 
Maasse  gewann,  und  daher  noch  weit  bessere  Geschäfte  machte. 
Selbstverständlich  unterstützte  es  den  Schwindel  ebenso,  wie 
die  alten  Börsenzeitungen,  und  lieferte  z.  B.  eine  begeisterte 
Keclame  für  die  oberfaule  Berliner  Nordbaubank  der  Herreu 
Dr.  Heinrich  Ebeling  und  Genossen.  Herr  August  Salin g, 
früher  Mitarbeiter  des  Herrn  Killisch,  konnte  sich  mit  seinen 
angegriffenen  Nerven  schon  nach  einem  Jahre  ins  Privatleben 
zurückziehen,  und  fortan  bequem  von  seinen  Renten  leben.  Sein 
Blatt  verkaufte  er  noch  für  die  Kleinigkeit  von  120,000  Thaler. 
Der  unglückliche  Käufer,  ein  Gutsbesitzer  aus  Westpreusseu, 
glaubte  eine  Goldgrube  zu  erwerben,  aber  der  bald  hernach 
eintretende  Krach  ruinirte  das  Geschäft  und  machte  den  Eigen- 
thümer  bankerott.  „Salings  Börsenblatt"  kam  unter  den  Hammer 
und  ging  schliesslich  für  20  Thaler  fort. 

Der  neue  Redacteur,  AdolfBraun,  der  sich  alsbald  „Doctor 
der  Philosophie"  nannte,  machte  grosse  Anstrengungen.  Er 
gründete  am  4.  März  1873,  mit  Heinrich  Quistorp,  Hermann 
Schäflfer,  Julius  Rothstein,  Hermann  Weinreich,  Hermann  Leh- 
mann, Julius  Meyer  Lehmann,  Wilhelm  Koch,  Heymann  Feld- 
heim, Siegfried  Brann,  Malzfabrikant  Johann  Hoff  und  Rechts- 
anwalt Ewald  Hecker,  die  Deutsche  Prämien-,  Credit-  und 
Rentenbank  auf  2  Millionen  Thaler  Actien.  Es  war  dies 
ein  Raten -Loosgeschäft,  das  nach  einer  kürzlich  ergangenen 
Entscheidung  des  Preussischen  Obertribunals  eine  unerlaubte 
Lotterie  und  daher  strafbar  ist.  Herr  Braun  gründete  ferner, 
gleichfalls  im  März  1873,  mit  Stern  Rissmanu  und  Max  Löwen- 
stein die  Westpliäüschen  Stalil-  und  Puddlings- Werke  in 
Haspe,  welche  der  „Berliner  Börsencourier",  wie  öffentlich  be- 


—    453    — 

hauptet  wurde,  gegen  eine  Entschädigung  von  500  Thalern,  in 
den  glänzendsten  P^arben  ausmalte.  Das  Actiencapital  betrug 
200,000  Thaler;  doch  machte  der  Vorbesitzer,  Bernhard  König, 
der  als  Director  fungirte,  später  bekannt,  er  habe  nur  10,000 
Thaler  Abschlag  und  weiter  nichts  erhalten;  worauf  ihn  Stern 
Rissmann,  der  Präsident  des  Aufsichtsraths,  des  Amts  entsetzte, 
und  zu  seinem  Nachfolger  David  Brinitzer  ernannte.  Auch 
die  Handelskammer  des  Kreises  Hagen  erklärte  amtlich,  dass 
Bernhard  König  nur  ein  Hammerwerk,  nicht  aber  „grosse  Stahl- 
und  Puddlingswerke"  besessen,  die  letzteren  also  bei  der  neuen 
Gesellschaft  gar  nicht  existiren.  1875  kam  das  Etablissement 
zur  nothwendigen  Subhastation  und  ging  für  40,000  Thaler 
fort,  so  dass  nur  die  erste  Hypothek  gedeckt  ward.  Adolf 
Braun,  obgleich  „Doctor  der  Philosophie",  hat  sich  nicht  so  ge- 
scheidt  bewiesen,  wie  der  titellose  August  Saling;  er  ist  den 
Weg  von  „Salings  Börsenblatt"  gegangen:  1876  kam  auch  die 
Villa  unter  den  Hammer,  die  er  auf  der  Quistorp'schen  Schöpfung 
„Westend",  in  der  Nussbaum-Allee  besass,  und  seitdem  scheint 
er  vom  Schauplatz  verschwunden  zu  sein. 

Börsen -Literaten  waren  auch  nicht  selten  die  Verfasser 
der  farbenprächtigen  Prospecte,  in  welchen  den  Actionären 
Himmel  und  Erde  versprochen,  die  aber  hinterher,  wenn  die 
Gründer  wegen  der  falschen  Angaben  in  Untersuchung  kamen, 
von  diesen  einfach  und  meistens  mit  Glück  abgeleugnet  wurden. 
Solch  phantasiereiche  Prospecte,  deren  Besteller  nicht  mehr 
zu  ermitteln  waren  (!),  sind  z.  B.  die  der  Egells'schen  und  der 
Wöhlert'schen  Maschinenfabrik,  sowie  der  Strausberg-Karsten- 
schen  Bergbau-,  Eisen-  und  Stahlindustriegesellschaft,  wo  die 
Gründer  frei  ausgingen,  da  ihre  Freunde  und  Helfershelfer  von 
der  Presse  sie  nicht  verriethen.  Bei  der  Sudenburger  Maschinen- 
fabrik dagegen  wurde  die  Ausrede  wegen  des  angeblich  vom 
Himmel  gefallenen  Prospects  in  der  Appellations- Instanz  ver- 
worfen, und  über  die  Urheber  der  Gründung  das  Schuldig  ge- 
sprochen. 


—    454     — 

Moritz  Meyer,  Begründer  undChef-Redacteur  der„New- 
Yorker  Handelszeitung",  dem  in  vielen  Blättern  vorge- 
worfen, dass  er  für  die  1869  in  Europa  zum  Course  von  ca. 
70  eingeführten,  jetzt  ziemlich  werthlosen  Obligationen  der 
Rockford-Rock  Island-Eisenbahn  eine  schnöde  Reclame  veran- 
staltet hat  —  eine  Notiz,  die  auch  in  den  ersten  Theil  dieses 
Buches  überging  —  sandte  dem  Verfasser  ein  „Certificat",  das 
seine  Unschuld  beweisen  soll.  Ausweis  desselben  erhielt  Herr 
Meyer  nach  und  nach  in  jenen  Obligationen  16,000  Dollars, 
aber  nicht  als  „Bestechung",  sondern  als  Entschädigung  für 
gewisse  „persönliche  Dienste"  (Vermittelung  zwischen  dem  Bau- 
unternehmer H.  H.  Boody  und  der  Handlung  Budge,  Schiff  &  Co., 
welche  die  Bonds  vertrieb),  und  hatte  dieses  Trinkgeld  nicht 
den  geringsten  Einfluss  auf  die  Abfassung  der  Artikel,  worin 

Herr  Meyer  das  Papier  dem  Publikum  dringend  empfahl. 

Es  ist  dies  die  Zweiseelentheorie,  welche  auch  Herr  Leopold 
Sonnemann  von  der  „Frankfurter  Zeitung"  mit  Erfolg  gegen 
seine  „Verleumder"  geltend  gemacht  hat!  Der  eigentliche  Effect 
aber,  und  gewissermassen  der  Humor  von  der  Geschichte  be- 
steht nun  darin,  dass  gerade  Herr  Moritz  Meyer,  nach  dem 
von  ihm  selber  beigebrachten  „Certificat",  die  famosen  Bonds 
erst  in  Scene  gesetzt  hat,  denn  die  Blätter  in  Deutschland,  wo 
das  Papier  grösstentheils  untergebracht  ist,  schöpften,  nach 
Anweisung  der  „betheiligten"  Banquiers  Hess  &  Katz  in  Berlin 
und  F.  E.  Fuld  &  Co.  in  Frankfurt  a.  M.,  hauptsächlich  aus 
der  „New-Yorker  Handelszeitung",  welche  eben  der  Rockford- 
Bahn  die  brillanteste  Zukunft  verhiess. 


Die  Börsenblätter  thaten  dem  Schwindel  zu  Liebe,  was  sie 
konnten,  aber  ihr  Leserkreis  ist  doch  ein  begrenzter.  Um  die 
grosse  Masse,  um  das  ganze  Volk  einzufangen,  war  die  Mit- 
hülfe auch  der  politischen  Presse,  aller  Zeitungen,  gross  und 
klein,  nöthig,  und  diese  wurden  gewonnen  theils  direct,  theils 
indirect.    An  jedem  grösseren  Ort  schufen  sich  die  Gründer 


—    455    — 

und  Börsianer  ihr  eigenes  Organ,  indem  sie  ein  schon  be- 
stehendes Blatt  entweder  ankauften,  oder  mit  einer  bedeutenden 
Summe  als  Theilhaber  eintraten.  Eine  stattliche  Anzahl  von 
Zeitungen  ging  in  den  Besitz  von  Bankhäusern  und  Bankinsti- 
tuten über,  und  verschiedene  Blätter  wurden  neu  gegründet. 
So  reichte  man  dem  Publikum  politische  Kost,  und  präparirte 
es  zugleich  für  die  Börse.  Selbstverständlich  waren  diese 
Blätter  nun  blosse  Werkzeuge  der  Gründer,  obwol  sie  die  pos- 
sirlichsten  Sprünge  machten,  um  sich  den  Schein  der  Unab- 
hängigkeit zu  geben;  und  wenngleich  die  meisten  grosse  Zu- 
schüsse erforderten  —  sie  brachten  sich  doch  sehr  gut  ein. 
Ihre  Actien  befinden  sich  natürlich  immer  in  festen  Händen, 
und  werden  an  den  Börsen  kaum  notirt. 

Die  „Königsberger  Hartung'sche  Zeitung",  das  Haupt- 
blatt der  Provinz  Ostpreussen,  wurde  Ende  1871  gegründet 
von  dem  „couservativen"  Geh.  Commerzienrath  Moritz  Simon, 
dem  „Sozialisten"  Adolf  Samter,  dem  „nationalliberalen"  Banquier 
Carl  Jacob  und  dem  „fortschrittlichen"  Professor  Dr.  Möller. 
Letzterer  gewann  in  politicis  die  Oberhand,  und  so  ward  das 
Blatt,  bis  dahin  politisch  ganz  indifferent,  ein  heisssporniges 
Fortschrittsorgan,  das  die  Herren  Richter- Parisius  mit  ihren 
durchgeschriebenen  Correspondenzen  beglücken,  in  denen  sie 
die  „Verleumder"  der  Gründer  an  den  Pranger  stellen.  Der 
Börsentheil  blieb  dagegen  die  Domaine  der  Herren  Simon, 
Samter  und  Jacob,  alle  drei  als  bösartige  Gründer  bekannt. 
Jacob  wurde  wegen  betrügerischeu  Bankerotts  verurtheilt,  und 
auch  Simon,  der  ihm  Beihülfe  geleistet,  mit  vier  Wochen  Ge- 
fängniss  bedacht,  jedoch  hinterher  zu  10,000  Thaler  Geldbusse 
begnadigt.  Für  die  Gründungen  der  Herren  Jacob,  Samter, 
Simon  und  Emil  Stephan,  wie  „Vulcan",  „Insterburger  Actien- 
Spinnerei",  Brauerei  „Wickbold",  „Annahütte"  etc.,  welche 
zum  Theil  auch  die  Staatsanwaltschaft  beschäftigt  haben,  trat 
die  „Königsberger  Hartung'sche  Zeitung"  natürlich  liebevoll 
ein,  und  auch  sonst  that  sie  ihre  Schuldigkeit,  indem  sie  andern 


—     456    — 

Gründer-  und  Börsenblättern  fleissig  nachdruckte,  und  aus- 
wärtige Börsencorrespondenzen,  z.  B.  in  Sachen  der  famosen 
„Westpreussischen  Eisenhütte",  gern  aufnahm.  Das  Actien- 
capital  beträgt  375,000  Thaler,  und  die  Actionäre  erhielten  pro 
1873  —  11%,  pro  1875  sogar  12%  Dividende  —  eine  Renta- 
bilität, die  bei  den  gegründeten  Zeitungen  selten  ist. 

Moritz  Simon  ist,  weil  „Geheimer  Commerzienrath",  natür- 
lich „conservativ",  und  aus  Ursache  der  von  Strausberg  ge- 
gründeten „  Ostpreussischen  Südbahn",  mit  dem  Adel  der 
Provinz  liirt.  Daher  war  es  eigentlich  seine  Absicht,  der 
„Hartung'schen  Zeitung"  eine  conservative  oder  doch  wenigstens 
regierungsfreundliche  Haltung  zu  geben,  womit  Jacob  und  allen- 
falls auch  Samter  wol  einverstanden  gewesen  wären;  aber 
Professor  Möller  und  Genossen  wussten  es  durchzusetzen,  dass 
das  Actienunternehmen  unter  fortschrittlicher  Flagge  segelte. 
Nun  giebt  es  in  Königsberg  noch  ein  anderes,  zwar  weit  weniger 
verbreitetes,  aber  von  jeher  viel  besser  redigirtes  Blatt,  die 
conservative  „Ostpreussische  Zeitung".  Diese  gedachte 
der  geniale  Gründer,  Geheime  Commerzienrath  Emil  Stephan, 
zu  erwerben,  um  daraus,  wie  es  der  Börse  am  besten  entspricht, 
ein  „nationalliberales"  Organ  zu  machen.  Aber  Simon  kam  ihm 
zuvor;  er  fühlte  die  Ehrenpflicht,  der  conservativen  Partei 
einen  Dienst  zu  leisten,  und  Hess  die  „Ostpreussische  Zeitung" 
ankaufen.  Sie  wurde  auf  75,000  Thaler  Actien  gegründet,  be- 
hielt ihre  Tendenz,  und  Simon's  Helfershelfer,  sassen  im  Auf- 
sichtsrath,  während  er,  der  „Conservative",  als  Präsident  des 
Verwaltungsraths  der  enragirt  fortschrittlichen  „Hartung'schen 
Zeitung"  fungirt.  So  wissen  die  Juden  dem  Geschäft  und  zu- 
gleich auch  ihren  Privatgefühlen  Rechnung  zu  tragen.  Die 
„Ostpreussische  Zeitung"  warf  1873  —  6V2%  Dividende  ab, 
für  1874  aber  0. 

In  Schlesien  wurden  verschiedene  Blätter  gegründet.  Der 
„Bote  aus  dem  Riesengebirge",  mit  105,000  Thaler  Actieu, 
vertheilte  von  1873—1875:  6,  7  und  resp.  7%  Dividende;  und 


—    457     — 

ist  im  Uebrigen  ein  furchtbarer  „Kulturkampf er",  hat  aber 
grosse  Angst  vor  den  Agrariern,  Der  „Görlitzer  Anzeiger", 
in  dessen  Verwaltungsrath  der  jetzige  Abgeordnete,  Stadtrath 
Lüders  und  andere  Gründer  sassen,  gab  seinen  Actionären 
1872  —  19V4,  1873  -  12V2,  1874  —  8%  Dividende,  und  ging 
später  mit  den  inzwischen  entstandenen  „Görlitz er  Nach- 
richten" in  den  Besitz  eines  Bankhauses  über. 

In  Breslau  wussten  die  Gründer  fast  die  ganze  Presse  zu 
annectiren.  Breslau  ist  nach  Berlin  die  am  meisten  verjüdelte 
Stadt  des  Preussischen  Staats,  und  doch  darf  das  Wort  „Jude" 
hier  gar  nicht  gedruckt  werden.  Hauptbesitzer  der  „Bres- 
lauer Zeitung"  wurde  der  „Schlesische  Bankverein",  dessen 
Seele  der  Commerzienrath  Fromberg  ist,  ein  getaufter  Jude 
und  Gründer  ersten  Ranges.  Seitdem  der  öffentliche  Unwille 
sich  gegen  die  parlamentarischen  Gründer  kehrt,  seitdem  die 
Staatsanwaltschaft  endlich  gegen  einige  Gründungen  vorging, 
ist  die  „Breslauer  Zeitung",  die  sich  zum  Fortschritt  bekennt, 
und  wie  es  scheint,  auch  von  den  Dioscuren  Richter-Parisius 
bedient  wird,  vor  Wuth  und  Angst  förmlich  toll  geworden.  Sie 
sprach  von  der  „Verleumdung",  die  „ihr  Haupt"  selbst  gegen 
den  Abgeordneten  Hagen  „erhoben",  den  doch  der  grosse  Lasker 
als  einen  durchaus  „correcten  Gründer"  in  Schutz  genommen-, 
und  die  „Vossische  Zeitung"  beeilte  sich,  dieses  Artikelchen 
nachzudrucken.  Sie  schrie:  „Das  Gesindel  in  Deutschland  hat 
sich  zusammengethan  und  spricht:  wir  wollen  eine  Partei  der 
ehrlichen  Leute  bilden!"  —  bewarf  die  „Germania",  die  „Staats- 
bürgerzeitung" und  selbst  die  unschuldige  „Kreuzzeitung"  mit 
Koth,  und  deutete  auch  verblümt  auf  ihre  Nachbarin,  die 
„Schlesische  Zeitung"  hin.  „Dem  Gründerthum  ist  die  Gründer- 
hatz  auf  dem  Fusse  gefolgt,  eine  Modekrankheit  löst  die  andere 
ab";  jammerte  sie  —  und  mit  jüdischer  Frechheit  erklärte  sie: 
„Die  Hauptschuld  trifft  das  Publikum!"  —  Ihr  Chefredacteur 
ist  noch  immer  Dr.  Stein,  ein  Demokrat  von  1848  und  ein 
ehrenwerther  Mann,  aber  er  ist  alt  und  schwach  geworden  und 


—    458    — 

um  ihn  herum  sitzen  ein  halb  Dutzend  wollköpfiger  Juden, 
Schauderhaft!  Wenn  der  brave  Eduard  Trewendt  sehen  könnte, 
was  man  aus  seinem  Blatte  gemacht  hat,  er  vrärde  sich  im 
Grabe  umdrehen! 

Ein  zweites  Organ  schufen  sich  die  Breslauer  Gründer 
•(Discontobank,  Gebr.  Guttentag,  Marcus  Nelken  &  Sohn,  Sig- 
mund Sachs,  Gebrüder  Friedländer)  in  der  „Schlesischen 
Presse",  die  der  Abwechselung  halber  die  nationalliberalen 
Farben  trägt.  Von  Juden  gegründet,  beschäftigt  sie  auch  nur 
Juden.  Ihr  erster  Redacteur  war  ein  Herr  Köbner,  firüher 
beim  „Hannöver'schen  Courier"  und  ein  Schützling  des  cor- 
recten  Gründers,  Herrn  von  Bennigsen.  Unter  ihm  verkündete 
die  „Schlesische  Presse"  am  13.  August  1875:  „In  diesem  Augen- 
blick zeigen  sich  die  ersten  Anzeichen,  dass  das  grosse  Geschäft 
sich  von  dem  auf  den  Krach  gefolgten  verlängerten  Siechthum 
zu  erholen  beginnt."  Aber  diese  Prophezeiung  erfüllte  sich 
nicht,  und  auch  mit  der  „Schlesischen  Presse"  ging  es  nicht 
vorwärts,  sondern  rückwärts.  Frühjahr  1876  wurde  sie,  da 
sie  sich  nicht  rentirte,  entgründet  und  von  Herrn  Schottländer 
übernommen,  hinter  dem  verschiedene  Banquiers,  wie  Frieden- 
thal, Heimann,  Schweitzer  etc.  stehen.  Köbner  schied  aus,  und 
an  seine  Stelle  trat  Dr.  Alexander  Meyer,  der  bisher  für  die 
„Breslauer  Zeitung"  geleitartikelt  hatte,  und  jetzt  der  „Schlesi- 
schen Presse"  auf  die  Beine  helfen  sollte. 

Alexander  Meyer  war  vor  etwa  12  Jahren  Feuilletonist 
und  Recensent  der  „Weser-Zeitung",  wo  es  ihm  zuweilen  pas- 
sirte,  dass  er  die  Gedanken  und  Aussprüche  des  Schriftstellers, 
den  er  gerade  unter  dem  Secirmesser  hatte,  für  seine  eigenen 
hielt.  Schon  damals  beschäftigten  seineu  Geist  Handel  und 
Börse,  und  alsbald  wurde  er  „Volkswirth"  und  Secretär  der 
Breslauer  Handelskammer.  Er  erwarb  die  Gunst  der  grossen 
Gründer  Adalbert  Delbrück  und  Emil  Stephan  und  kam  als 
Generalsecretär  des  Deutschen  Handelstages  nach  Berlin,  wo 
er   ein   schönes  Einkommen  bezog  und  nur  massig  zu  thun 


—    459     — 

hatte.  Aber  seine  manchesterlichen  Neigungen  waren  so  crass, 
dass  sie  selbst  den  Börsenleuten  missficlen,  und  eine  Verkühlung 
eintrat.  Er  erhielt  den  Ruf  nach  Breslau  und  nahm  ihn  an. 
Das  Präsidium,  welches  er  im  Verein  „Berliner  Presse"  führte, 
überliess  er  seinem  Freunde  und  Geniebruder,  Paul  Lindau, 
und  gekräftigt  durch  ein  Abendessen,  das  ihm  die  Collegeu 
gaben,  machte  er  sich  auf  den  Weg. 

Alexander  der  Grosse,  wie  die  „Germania"  ihn  nannte, 
bezeichnete  seinen  Regierungsantritt  in  der  „Schlesischen  Presse", 
indem  er  einen  Leitartikel  losliess:  „Die  Partei  der  schmutzigen 
Wäsche".  So  nannte  er  die  Leute,  welche  die  Parlamente  von 
den  Gründern  reinigen  wollen;  und  dies  darf  nicht  auffallen, 
denn  bekanntlich  ist  „schmutzige  Wäsche"  eiue  Liebhaberei 
und  historische  Eigenthümlichkeit  des  auserwählten  Volks. 
Alexander  Meyer  will  die  schmutzige  Wäsche  nicht  waschen 
lassen,  sie  scheint  ihm  noch  rein  und  sauber  genug,  und  ob- 
gleich unsere  Parlamente  von  Gründern  und  Aufsichtsräthen 
wimmeln,  so  behauptet  er  doch:  „Es  giebt  wahrscheinlich  kein 
anderes  Land,  in  welchem  zwischen  der  Volksvertretung  und 
den  Erwerbsinteressen  so  schwache  Beziehungen  bestehen,  als 
Deutschland.  Wir  wissen  kaum,  ob  wir  auf  diese  That- 
sache  mit  Stolz,  ob  mit  Bedauern  sehen  sollen,  allein 
die  Thatsache  steht  fest."  —  Kaum  in  Breslau  warm  ge- 
worden, fing  Meyer  der  Erste  Krakehl  mit  der  „Schlesischen 
Zeitung"  an,  die  ihm  Herrn  Lob  Sonnemann,  den  Eigenthümer 
der  „Frankfurter  Zeitung",  nicht  schnell  genug  für  einen  cor- 
recten  Consortialzeichner  erklärte.  Aber  er  fiel  gründlich  ab; 
sogar  der  Verein  „Breslauer  Presse"  gab  ihm  ein  öftentliches 
Dementi,  und  die  „Schlesische  Zeitung"  erklärte,  dass  sie  gegen 
Alexander  den  Grossen  die  gerichtliche  Klage  wegen  „wahr- 
heitswidriger und  ehrenrühriger  Behauptungen"  angestrengt  habe. 
Noch  kräftiger  trat  er  für  „Unsern  Braun"  und  dessen  famose 
Eiseubahngründung  Cuxhaven  ein.  Hier,  ruft  er  aus,  haben 
nicht  die  Gründer  das  Publikum  betrogen,  sondern  umgekehrt  — 


—     460    — 

das  Publikum  hat  die  Gründer  betrogen.  —  Arm  in  Arm 
mit  Eugenius  Richter,  der  den  landwirthschaftlichen  Minister 
mit  dem  Socialdemokraten  Bebel  verglich,  beschuldigte  auch 
Meyer  der  Erste  Herrn  Friedenthal  socialistischer  Tendenzen, 
weil  dieser  die  Zusammengehörigkeit  von  Industrie  und  Acker- 
bau betont  hatte.  In  der  That,  zwei  klassische  „Volkswirthe" ! 
Der  Abwechselung  wegen  machte  aber  Herr  Meyer,  ebenso 
wie  sein  Freund  Bamberger,  auch  wieder  in  „Enthüllungen". 
Ludwig  Bamberger  eiferte  in  der  Lindau'schen  „Gegenwart" 
gegen  das  „Bahnhofs-Cotelett",  das  ihn,  seiner  Kleinheit  wegen, 
nicht  gesättigt  hatte.  Dieser  Ruhm  Bamberger's  liess  Meyer 
nicht  schlafen.  Schon  als  Aufsichtsrath  der  „Flora"  hatte  er 
die  Vorrechte  der  „ersten  Zeichner"  angegriffen,  die  freilich 
bei  der  trostlosen  Lage  der  Gesellschaft  gar  keine  Bedeutung 
mehr  hatten:  jetzt  enthüllte  er  ein  „neues  Gründerthum",  den 
Schwindel  gewisser  kleiner  Bauunternehmer  und  ihrer  Financiers, 
wodurch  Handwerker  und  Lieferanten  betrogen  werden.  Bei 
solchen  Leistungen  musste  die  „Schlesische  Presse"  und  ihr 
Chef-Redacteur  gedeihen.  „Frisches  Blut!"  rief  die  „Schlesische 
Zeitung",  als  es  Herbst  1876  zu  den  Wahlen  ging;  und  die 
Breslauer  wählten  zwei  Männer  von  „uraltem  Blut",  die  beiden 
Juden  Alexander  Meyer  und  Rechtsanwalt  Freund  in  das 
Preussische  Abgeordnetenhaus. 

In  jüdischen  Händen  befindet  sich  auch  die  „Breslauer 
Morgenzeitung"  des  Herrn  Leopold  Freund,  die  sich  einer 
Auflage  von  25,000  rühmt,  und  jedenfalls  ihrem  Besitzer  eine 
hohe  Rente  abwirft.  Das  „Breslauer  Handelsblatt"  hatte 
nur  ca.  800  Auflage,  aber  sein  Eigenthümer,  Oscar  Freund, 
liess  die  Spalten  enger  werden,  erhöhte  die  Insertionsgebühr 
von  1^2  auf  4  Sgr.,  fungirte  als  Aufsichtsrath  verschiedener 
sehr  gegründeten  Actiengesellschaften  und  wusste  binnen 
kurzer  Zeit  ein  Vermögen  zu  machen.  Sogar  das  „Breslauer 
Intelligenz-  und  Fremdenblatt"  des  Herrn  E.  Reimann, 
welches  nur  etwa  60  Abonnenten  zählen  soll,  strotzte  in  der 


461 


Schwindelära  vonGründungs-Prospecten  und  Emissions- Anzeigen. 
Das  Annoncenbureau  von  Gottfried  Daube  in  Frankfurt  a.  M. 
versandte  Börsenberichte,  welche  Breslauer  Blätter  unter  der 
Chiffre  D.  abdruckten,  und  auch  Berliner  Zeitungen  übernahmen. 

In  Dresden,  wo  die  Gi'ünderei  ebenso  geil  blühte,  wie  in 
Breslau  und  Köln,  entstanden  das  „Dresdener  Börsen-  und 
Handelsblatt",  die  „Dresdener  Zeitung"  und  die  „Dres- 
dener Presse".  Letztere  verdankt  ihre  Existenz  dem  Bank- 
hause Schie  Nachfolger  (Ed.  Meyer),  das  70—80  Gründungen 
verfasst  hat,  schillerte  bald  nationalliberal,  bald  fortschrittlich, 
wird  von  Eugen  Richter  mit  Correspondenzen  versorgt,  und 
gleich  der  „Dresdener  Zeitung"  von  Juden  redigirt. 

In  Köln  etablirte  sich  am  1.  April  1872  eine  ,,Actien- 
gesellscliaft  für  Buchdruckerei  und  Verlag"  (Aufsichtsrath: 
Advocat-Anwalt  Robert  Esser  II,  General-Consul  Adolf  Rauten- 
strauch, „Generaldirector"  Martin  Neuenburg,  Dr.  Richard  von 
Kaufmann),  welche  den  „Allgemeinen  Anzeiger",  Handels- 
und Börsenzeitung  für  Rheinland  und  Westphalen  herausgab, 
nach  dem  Krach  aber  liquidirte.  Der  „x\llgemeine  Anzeiger" 
war  das  Börsen-Organ  des  A.  Schaaffhausen'schen  Bankvereins. 
Zu  diesem  Gründerkönig  und  zu  der  so  berüchtigten  Rheini- 
schen Effectenbank,  die  blos  in  Gründungen  und  Speculationen 
machte,  stand  in  engen  Beziehungen  auch  die  ,, Rheinische 
Zeitung",  deren  Börsenredacteur,  Advocat-Anwalt  Vack,  dem 
Schwindel  ausserordentliche  Dienste  geleistet  hat,  und  deren 
Eigenthümer,  der  bekannte  Volkstribun  und  Frühstücksreduer 
Classeu- Kappelmann,  wie  die  „Frankfurter  Zeitung"  behauptet, 
gleichfalls  zu  den  Gründern  gehörte.  Ihr  früherer  Chef-Redacteur, 
der  Abgeordnete  Advocat  Peter  Klöppel,  der  vom  B'ortschritt 
zum  Nationalliberalismus  überging  und  darauf  eine  Anstellung 
bei  der  „Nationalzeitung"  erhielt,  betheuerte  Juni  1876  in 
einer  Zuschrift  an  die  „Kölnische  Zeitung",  dass  ihm  das 
Treiben  des  Herrn  Vack  gänzlich  unbekannt  geblieben  sei,  dass 
er  selber,  wie  seine  politischen  Mitarbeiter,  „niemals  in  der 


—     462     — 

leisesten  Berührung  mit  der  Börse  gestanden  haben."  Von 
Herrn  Vack  dagegen  steht  es  actenmässig  fest,  dass  er  rasend 
speculirte  und  der  Rheinischen  Effectenbank,  die  er  in  der 
„Rheinischen  Zeitung"  ungemein  verherrlichte,  162,000  Thaler 
schuldig  blieb.  Dr.  Hocker  war  für  diese  noble  Bank  eben- 
falls literarisch  thätig,  gegen  einen  Gehalt  von  1000  Thalern; 
einem  dritten  Journalisten  gewährte  sie  die  Mittel  zum  Ankauf 
eines  Börsenblattes,  und  einem  vierten  creditirte  sie  6000  Thaler, 
die  später  compensirt  wurden. 

Die  Baierische  Handelsbank  in  München  kaufte  die  „Süd- 
deutsche Presse"  an;  und  in  Hannover  bildete  sich  Anfaug 
1872  eine  „Zeitungs-Actiengesellschaft"  mit  dem  Commerzien- 
rath  C.  Rümpler  an  der  Spitze,  welcher  zwei  bestehende  Blätter 
in  dem  „Hannoverschen  Courier"  verschmolz.  Derselbe 
ist  das  Organ  der  Herren  von  Bennigsen  und  Miquel,  vertrat 
aber  auch  mit  gleichem  Geschick  die  Interessen  der  Börse. 

In  Berlin  gründeten  drei  verschiedene  Bankinstitute  die 
„Spenersche  Zeitung",  die  „Post"  und  die  „Norddeutsche  All- 
gemeine Zeitung". 

Die  „Spener'sche  Zeitung"  war  eines  der  beiden 
ältesten  Blätter  Berlin's,  von  liberaler  Tendenz,  und  zählte  zu 
ihren  Abonnenten  auch  den  Kaiser.  Anfang  1872  verkauften 
sie  Major  a.  D,  E.  von  Schmeling  und  dessen  Gemahlin,  Eli- 
sabeth geb.  Spiker,  an  die  gründungswüthige  „Preussische 
Boden-Credit-Actieu-Bank "  für  228,000  Thaler.  Als  Gründer 
traten  auf:  Landrath  z.  D.  Alfred  Jachmann,  Richard  Schweder, 
Commerzienrath  Gustav  Keibel,  Freiherr  Gustav  Gans  Edler 
Herr  zu  Putlitz,  Professor  Franz  von  Holtzendorif,  Buchhänd- 
ler Julius  Gossmann,  Abgeordneter  Dr.  "VVilh.  Wehrenpfennig; 
und  als  Aufsichtsräthe  fungirten  später:  Paul  Gaspard  Frie- 
denthal,  Heinrich  Heimann  und  Ludwig  Landsberg  in  Breslau, 
Rechtsanwalt  a.  D.  Hermann  Mehrländer ,  Julius  Frankenstein 
und  Eisenbahndirector  Dr.  Joseph  Carl  Haber  —  lauter  Bör- 
senleute.   Die  Redaction  des  politischen  Theils  übernahm  Herr 


—     463     — 

Wehrenpfennig  gegen  einen  Jahrgehalt  von  6000  Thaleni. 
Auch  war  er  so  vorsichtig,  sich  ausserdem  ein  Capital  von 
12,000  Thalern  zu  sichern,  zur  Entschädigung  für  die  Pension 
von  600  Thalern,  welche  er  als  ehemaliger  Hauptmann  der 
Reptilien  oder  oföciösen  Soldschreiber  bezog,  und  auf  die  er 
anständigerweise  jetzt  verzichten  musste.  Das  Feuilleton,  in 
welchem  der  Roman  „Die  Kinder  der  Welt"  von  Paul  Ileyse 
erschien,  redigirte  Freiherr  zu  Putlitz,  trat  jedoch  bald  zurück, 
da  er  mit  dem  sehr  eigenwilligen  schulmeisterlichen  Herrn 
Wehrenpfennig  collidirte.  Mit  Honoraren  wurde  nicht  gekargt, 
aber  trotzdem  nichts  Besonderes  geleistet;  die  Zahl  der 
Abonnenten  blieb  gering,  und  die  Haltung  des  Blattes  befrie- 
digte auch  nicht  die  Börse.  Schon  im  November  1873  beschloss 
man  die  Auflösung,  und  unter  den  versammelten  Aktionären 
finden  wir  viele  Bekannte,  wie  Paul  Munk,  Georg  Beer,  Gustav 
Markwald,  Ignatz  Witkowski,  Paul  Jüdel,  Julius  Alexander, 
Meyer  Cohn,  Hugo  Pringsheim,  Eduard  Abel,  Platho  &  Wolff, 
Theodor  Heymann,  Abgeordneter  Miquel  und  die  Redacteure 
Julius  Schweitzer,  Emil  Freystadt  und  August  Brass.  Zu  Li- 
quidatoren wurden  die  Buchhändler  Georg  Reimer  und  Franz 
Grunert  ernannt,  und  diese  verkauften  die  Zeitung  an  den 
Schönheimer'schen  Bankverein  (Ferd.  Schönheimer  und  Abg. 
Professor  Dr.  Carl  Birnbaum)  für  173,000  Thaler.  Was  Wehren- 
pfennig nicht  gekonnt  hatte,  sollte  jetzt  der  vielfache  Gründer 
Braun- Wiesbaden  vollbringen,  aber  dieser  machte  noch  weniger, 
obwol  er  eine  Revue  der  Tagespresse  einführte,  und  nach 
französischer  Manier  jeden  Artikel  von  dem  Verfasser  unter- 
zeichnen Hess.  Nur  ein  Jahr  redigirte  „Unser  Braun",  dann 
verblich  „Onkel  Spener"  an  der  Schwindsucht;  seine  Abonnen- 
ten hatte  er  der  „National-Zeitung"  vermacht.  Den  Actionären 
des  Schönheimer'schen  Bankvereins  kostet  das  Vergnügen 
eine  schöne  Summe,  und  dazu  macht  Herr  Braun  nun  noch 
einen  Entschädigungs-Anspruch  geltend. 

August  Brass,   ein  Demokrat  von  1848,   daher  auch  der 


—     464     — 

„rothe  Brass"  genannt,  lebte  als  politischer  Flüchtling  in  der 
Schweiz,  kehrte  in  der  Conflictszeit  zurück  und  stellte  sich 
Herrn  vonBismarck  zur  Verfügung.  Er  begründete  die  „Nord- 
deutsche Allgemeine  Zeitung",  die  seitdem  als  officiöses 
Organ  gilt,  und  an  der  1863  auch  der  Socialdemokrat  Wilh. 
Liebknecht  mit  arbeitete.  Brass  erwarb  ein  Vermögen, 
scheint  sich  aber  schliesslich  mit  dem  Fürsten  Bismarck  ver- 
uneinigt zu  haben ,  oder  doch  mehr  dem  Minister  des  Innern, 
Grafen  zu  Eulenburg,  gefolgt  zu  sein.  1872  verkaufte  er  sein 
Blatt  für  eine  hohe  Summe  an  ein  Consortium  von  Hamburger 
Geschäftsleuten,  darunter  die  Gebrüder  Ohlendorff,  welche 
„durch  glückliche  Speculation  in  beschädigtem  Guano"  Millionäre 
geworden  sind,  und  Senator  Gustav  Godeffroy  (J.  C.  Godeffroy 
&  Sohn),  Gründer  ersten  Ranges  und  Vorsitzender  der  ,, Nord- 
deutschen Bank"  in  Hamburg.  Man  bildete  eine  Actienge- 
sellschaft  „Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung,  Norddeutsche 
Bank  und  Ohlendorff",  übernahm  auch  noch  von  der  Kreuz- 
zeitung, deren  Ableger  „Preussisches  Volksblatt",  und  stellte 
beide  Journale  in  den  Dienst  der  Regierung.  Gebrüder  Ohlen- 
dorff, welche  den  Löwenantheil  der  Unkosten  trugen,  wurden 
in  den  Adelstand  erhoben.  Das  „Preussische  Volksblatt"  ist 
wieder  eingegangen,  und  die  „Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung" 
soll  jetzt  bedeutende  Zuschüsse  erfordern.  Sie  ist  nach  wie 
vor  officiös,  wenngleich  es  die  Regierung  liebt,  sie  von  Zeit  zu 
Zeit  feierlich  zu  desavouiren.  In  der  mit  ihr  verbundenen 
„Norddeutschen  Buchdruckerei  und  Verlagsanstalt",  wie  die 
Firma  neuerdings  lautet,  werden  auch  die  stenographischen 
Berichte  des  Reichstags,  sowie  der  früher  in  der  Decker'schen 
Officin  hergestellte  „Deutsche  Reichs-  und  Preussische  Staats- 
anzeiger" gedruckt. 

Die  ,,Post"  erschien  seit  dem  1.  August  1866  als  Leib- 
organ des  Wunderdoctors  Strausberg,  und  hatte  einen  bunt 
zusammengewürfelten  Kreis  von  Mitarbeitern,  wie  Bruno  Bauer, 
Julius  Faucher  und  Ernst  Dohm,  den  Redacteur  des  „Kladde- 


—     465     — 

radatsch".  Dieser,  welcher  ein  ganzes  Jahr  zu  Weimar  im 
Exil  gelebt  hatte,  wurde  von  Strausberg  iinanziirt  und  wieder 
Hott  gemacht.  Angemessen  dem  „Kladderadatsch"  lautete  das 
Programm  der  „Post":  „Der  Kampf  gegen  den  absoluten,  den 
unverantwortlichen  Nachtwächter  auf  allen  Gebieten  des  politi- 
schen und  socialen  Lebens".  Strausberg,  der  sich  persönlich 
zur  conservativen  Partei  hielt,  weil  er  mit  Grafen  und  Herzögen 
gründete,  Hess  um  des  Geschäfts  willen,  sein  Blatt  farblos  und 
indifferent,  hatte  aber  dabei  grosse  Unkosten.  1872  übernahm 
die  Discontogesellschaft  mit  der  Strausberg'schen  Erbschaft 
auch  die  „Post",  und  verwandelte  dieselbe  in  eine  Actienge- 
sellschaft  mit  200,000  Thaler  Grundcapital.  Als  Gründer  resp. 
erste  Zeichner  nennt  das  Statut:  Geh.  Oberfinanzrath  Alexander 
Scheele,  Verlagsbuchhänder  Georg  Reimer,  Otto  Nitze,  Julius 
Schady,  Hermann  Meissner.  Herr  Brass,  der  sein  eignes  Blatt 
eben  verkauft  hatte,  übernahm  die  Oberleitung  und  schnitt  die 
„Post"  nach  dem  Schema  der  „Norddeutschen  Allgemeinen" 
zu.  1874  wurde  sie  von  Dr.  Friedenthal,  Graf  Bethusy-Huc, 
Graf  Otto  zu  Stolberg  angekauft,  erhielt  ihren  Chef-Redacteur 
in  Dr.  Leopold  Kayssler,  der  unter  Wehrenpfennig  bei  der 
Spener'schen  Zeitung  arbeitete,  und  gilt  seitdem  als  Organ  der 
Freiconservativen.  Damals  meldete  die  ,, Nationalzeitung"  in 
ihrem  Börseutheil: 

„Fabrik  und  Handels-Etablissements  von  Carl 
Friedenthal  in  Breslau.  Sämmtliche  Etablissements  zu 
Breslau,  Pest  und  Triest  hat  der  bisherige  Eigenthümer  Land- 
rath  a.  D.  Dr.  Friedenthal  au  den  Associe  Herrn  A.  Gruuwald 
in  Breslau,  die  Herren  W.  Leipziger  in  Pest  und  F.  Napp  in 
Triest  übergeben  und  werden  diese  Herren  die  gemeinschaftlich 
übernommenen  Geschäfte  unter  der  Firma  Grunwald  &  Co.  für 
eigene  Rechnung  fortführen.  Was  die  landwirthschaftlichen 
Fabriken  in  und  bei  Giessmannsdorf  (Presshefeu- ,  Stärke-, 
Käse-Fabrik,  Bierbrauerei)  betrifft,  so  verbleiben  dieselben  mit 
dem  bezüglichen  Grundbesitze  im  Eigenthura  des  Dr.  Frieden- 

Glagau,  Dor  Börsenscliwindel.   II.  30 


—     466    — 

thal,  sind  aber  von  Letzterem  an  den  bisherigen  Dirigenten 
Herrn  J.  Mahlich  in  Giessmannsdorf  verpachtet  worden,  welcher 
die  Fabrikation  mit  dem  Vertrieb  der  Fabrikate  in  unveränderter 
Weise  fortsetzen  wird.  Herr  Dr.  Friedenthal  will  ausschliesslich 
den  öffentlichen  Angelegenheiten  seine  Thätigkeit  widmen." 

Gleich  darauf  erhielt,  da  Herr  von  Blanckenburg ,  der 
Freund  des  Fürsten  Bismarck  ablehnte,  Dr.  Frieden  thal  das 
landwirthschaftliche  Ministerium,  und  nun  ging  mit  dieser  Be- 
hörde eine  merkwürdige  Veränderung  vor.  Während  sie 
früher  ein  idyllisches  Stillleben  führte,  entfaltete  sie  plötzlich 
eine  fieberhafte  Thätigkeit.  Ressort  und  Personal  wurden  ver- 
grössert,  und  die  Presse  hatte  fortan  weit  mehr  von  Dr.  Frieden- 
thal als  selbst  von  Dr.  Bismarck  zu  berichten,  der  vor  seinem 
jüngsten  CoUegen  fast  in  den  Schatten  trat.  Jede  Reise,  jede  Rede 
jede  Verfügung  des  neuen  landwirthschaftlichen  Ministers  wurde 
ausführlich  behandelt  und  commentirt,  alle  Zeitungen,  jüdisch 
und  christlich,  sangen  ihm  Lob  und  Bewunderung.  Aber  das 
landwirthschaftliche  Ministerium  ist  für  Dr.  Friedenthal  wahr- 
scheinlich nur  eine  Durchgangsstation;  schon  lange  gilt  er, 
falls  den  Herren  Camphausen  oder  Achenbach  etwas  Menschliches 
passiren  sollte,  für  den  Nachfolger  des  Einen  oder  des  Andern, 
zumal  er  mit  allen  Parteien  sich  zu  stellen  weiss,  und  wie  der 
Angstschrei  Eugen  Richter's  bekundete,  das  Manchesterthum 
nicht  gerade  für  unsterblich  hält.  Wenngleich  Dr.  Frieden- 
thal nominell  nicht  mehr  Mitbesitzer  der  „Post"  ist,  hat  diese 
doch  einen  stark  ministeriellen  Beigeschmack,  und  über  Alles, 
was  das  landwirthschaftliche  Ministerium  auf  dem  Herzen  hat, 
ist  sie  stets  am  ersten  und  am  besten  unterrichtet. 

Von  der  Wiener  „Neuen  Freien  Presse"  endlich,  die 
auch  für  viele  Gründungen  des  neuen  Deutschen  Reichs  kräf- 
tigst eintrat,  ist  zu  vermerken,  dass  sie  in  den  Besitz  zweier 
Banken  überging.  Sie  verstand  es  immer,  verschiedenen  Herren 
gleichzeitig  zu  dienen,  z.  B.  dem  türkischen  Strausberg,  Baron 
Hirsch,  dem  Ritter  Ofenheim  und  dem  Herrn  Gerson  von  Bleich- 


—    467     — 

röder.  Letzterer  soll  jetzt  die  meisten  Actien  der  „Neuen 
Freien  Presse"  besitzen,  und  ausser  ihr  noch  50—60  Blätter 
commandircn. 

Die  Versuchung  sich  gründen  zu  lassen,  ist  in  der  Schwia- 
•delära  wol  an  jedes  grössere  Blatt  herangetreten,  und  die  da 
ablehnten,  thaten  es  vielleicht  nur  aus  Vorsicht  und  Klugheit. 
Auch  mögen  noch  viele  andere  Zeitungen  heimlich  Banken  und 
Bankhauser  als  Theilhaber  aufgenommen  haben.  Aber  die 
Gründer  und  Börsianer  hatten  dergleichen  kaum  nöthig;  schon 
um  der  Inserate  willen  kam  die  ganze  Presse  ihnen  mit  offenen 
Armen  entgegen,  war  sie  zu  jeder  Gefälligkeit,  zu  jedem  Dienst 
bereit.  Erschien  irgendwo  ein  Prospect,  gleich  empfing  das  be- 
treffende Bankhaus  40—50  Depeschen  von  andern  Blättern: 
Warum  haben  wir  das  p.p.  Inserat  nicht  erhalten?  Redactionelle 
Besprechung  gratis!  —  Indem  die  Spalten  immer  schmäler, 
die  Schritt  immer  kleiner  wurde,  steigerte  man  die  Insertions- 
gebühr  bis  um  das  Sechsfache-,  jede  Seite  einer  grossen  Zeitung 
brachte  schliesslich  100  —  500  Thaler.  Die  Prospecte  und 
Emissionsanzeigeu  ergingen  sich  in  zollhohen  Buchstaben  und 
grossen  weissen  Zwischenräumen,  worauf  die  Setzer  auch  den 
sogenannten  „Speck",  den  unbedruckten  Raum  bezahlt  verlang- 
ten, und  diese  ganz  berechtigte  Forderung  auch  durchsetzten. 
Gründungsanzeigen  wurden  noch  theurer  als  andere  Inserate  be- 
zahlt; die,, Neue  Freie  Presse"  in  Wien  forderte  pro  Zeile  1  Gulden, 
die  „Augsburger  Allgemeine"  17  Sgr.  „Reclamen"  berechnete  das 
„Weltblatt",  die  Kölnische  Zeitung  pro  Zeile  mit  1  Thaler,  und  die 
Augsburger  „Allgemeine  Zeitung"  soll  sogar  2  Thaler  25  Sgr. 
verlangt  haben.  Grosse  Blätter  haben  in  der  Schwindelära 
für  Inserate  2000  bis  5000  Thaler  täglich  eingesäckelt;  wes- 
halb sie  Angriffe  gegen  Gründungen  selbst  im  Annoncentheil 
nicht  zuliessen.  Um  der  Inserate  willen  legte  sich  jedes  Local- 
blättchen  einen  Courszettel  und  einen  unverhältnissmässig 
grossen  Bürscuthcil  zu.    Redactionelle  Reclamen  für  Gründungen 

30* 


—    468     — 

erschienen  gleichlautend  und  gleichzeitig  in  Zeitungen  der  ver- 
schiedensten Richtung,  z.  B.  in  der  „Nationalen",  „Vossischen", 
„Volkszeitung",  „Norddeutschen  Allgemeinen",  „Kreuz- 
zeitung", und  —  es  klingt  fast  unglaublich  —  auch  im  „Deut- 
schen Reichs-  und  Preussischen  Staatsanzeiger".  Nun  fragen 
•wir:  Was  in  aller  Welt  hat  der  „Staatsanzeiger"  mit  Börsen- 
notizen zu  thun?  Wäre  es  nicht  genug,  wenn  er,  wie  ehemals, 
sich  auf  den  Abdruck  des  Courszettels  beschränkte? 

Selbst  die  „Frankfurter  Zeitung"  des  Herrn  Lob  Sonne- 
mann durfte  der  ,, Kölnischen  Zeitung"  vorwerfen,  dass 
diese  um  1  Thaler  pro  Zeile  die  „höhere  Bauernfängerei"  ge- 
trieben, dass  sie  nie  ein  Wort  der  Wai'nung  gegen  den  ver- 
brecherischen Schwindel  gehabt  habe.  Ueber  die  grossen  Grün- 
derprozesse am  Rhein  brachte  sie  anfänglich  entweder  gar  nichts 
oder  sie  schlüpfte  darüber  möglichst  kurz  hinweg.  In  Sachen 
der  spitzbübischen  „Rheinischen  Effectenbank"  brachte  sie  die 
Ausführungen  des  Anklägers  und  der  Civilpartei  verstümmelt, 
dagegen  die  Plaidoyers  der  Vertheidiger  vollständig.  Arm  in 
Arm  mit  der  „Neuen  freien  Presse"  schwärmte  sie  für  die 
Türkei,  machte  sie  die  Agitation,  welche  sich  in  England  gegen 
die  Türkischen  Kriegsgräuel  erhob,  als  Humanitätsschwätzerei 
und  Hirngespinnste  lächerlich.  Seit  1866  geht  sie  mit  der  Re- 
gierung durch  Dick  und  Dünn,  und  sie  wird  hauptsächlich  von 
Juden  und  officiösen  Federn  bedient,  Ihre  Parlamentsberichte 
enthalten  oft  geradezu  Fälschungen. 

Die  „demokratische"  „Frankfurter  Zeitung"  ist,  wie 
die  „Kölnische  Zeitung"  ganz  richtig  bemerkte  —  die  beiden 
Spiessgesellen  zankten  sich  öffentlich  —  das  grösste  Süddeutsche 
Börsenblatt,  Herr  Lob  Sonnemann  wurde  bei  sehr  vielen  Grün- 
dungen „betheiligt",  aber  nicht  als  Eigenthümer  der  ,, Frank- 
furter Zeitung"  —  Gott  bewahre !  —  nein,  blos  als  „Capitalist" 
und  „Geschäftsfreund",  und  ebenso  der  Redacteur  des  BÖrsen- 
theils,  Herr  Bernhard  Doctor.  Es  ist  sogar  vorgekommen,  dass 
die  „Frankfurter  Zeitung"  Gründungen,  bei  welchen  die  Herren 


—    469    — 

Sonnemami  und  Doctor  mit  grossen  Summen  „betheiligt"  waren, 
,, angegriffen"  bat.  Daher  erklärte  das  Gericht  auch  Herrn 
Sonnemaun  für  einen  Ehrenmann,  den  man  verleumdest  habe, 
und  die  Frankfurter  stellten  ihn  wieder  als  Candidaten  für  das 
Parlament  auf.  Indess  war  Herr  Sonnemann  nach  diesem  Ver- 
leumdungsprozess  so  vorsichtig,  das  angetragene  Mandat  abzu- 
lehnen. Herr  Sonnemann  berühmte  sich  auch,  einer  Offerte 
Bleichröder's  widerstanden  zu  haben,  und  bekanntlich  ver- 
weigerte er  als  Mitglied  des  Reichstags  die  Annahme  der  Eisen- 
bahnfreikarte, schickte  sie  mit  feierlichem  Protest  zurück  und 
belobte  sich  dafür  durch  eine  grosse  moralische  Rede.  Etliche 
Wochen  später  aber  kam  er  in  aller  Stille  um  besagte  Frei- 
karte wieder  ein  und  benutzte  sie  weidlich.! 

Aus  einer  öffentlichen  Erklärung  des  Herrn  Carl  Volck- 
hausen,  früheren  Chef-Redacteurs  der  „Frankfurter  Zeitung", 
d.  d.  Düsseldorf  den  21.  Juni  1876,  erhellt  übrigens,  dass  bei 
jeder  Gründung  die  Börsenredacteure  sämmtlicher  Frankfurter 
Blätter  „betheiligt"  wurden;  Herr  Bernhard  Doctor,  zugleich 
Correspondent  der  „Times"  und  der  „Semaine  financiere",  stets 
mit  den  grössten  Summen.  Derselbe  hat  sich  in  P'olge  einer 
„Lähmung"  ins  Privatleben  zurückgezogen. 

Die  „Danziger  Zeitung"  stiess  für  dortige  Gründungen 
so  mächtig  ins  Hörn,  dass  darüber  selbst  in  der  „Neuen  Börsen- 
zeitung" Beschwerde  geführt  wurde.  Ihr  Eigenthümer,  Herr 
Heinrich  Rickert,  gehört  zu  den  wenigen  Journalisten,  die  sich 
zum  Zeitungsbesitzer  aufgeschwungen  haben,  und  seitdem  wirkt 
er  im  öffentlichen  Leben.  Zunächst  Stadtrath  von  Danzig,  Hess 
er  sich  in's  Parlament  wählen,  wo  er  ebenso  wie  sein  Freund, 
der  ehemalige  Liquidator  der  Genfer  Bank,  Rechtsanwalt  a.  D. 
Lipke,  schnell  eine  hervorragende  Rolle  gewann,  und  schliesslich 
ward  er  sogar  Landesdirector  der  Provinz  Preussen  mit  dem 
Gehalt  eines  Unterstaatssecretaiis. 

Die  „Kreuzzeitung"  jammerte  über /las  Emporwuchern 
so  vieler  neuen  Börsenblätter,  machte  aber,  wie  ihr  die  „Neue 


470 


Börsenzeitung"  mit  Recht  entgegnete,  zugleicli  Reclame  für  die 
alte  Börsenzeitung.  Während  sie  im  Leitartikel  gegen  die 
Gründungen  im  Allgemeinen  declamirte,  behandelte  sie  im 
„Börsen-Hintertheil"  jede  einzelne  Gründung  mit  christlicher 
Schonung.  Herr  von  Nathusius-Ludom,  der  am  1.  October  1872 
die  Chef-Redaction  übernahm,  ist  persönlich  ein  Ehrenmann, 
aber  er  wusste  nicht,  dass  seine  Börsenreferenten  Gründer  und 
Gründergenossen  waren;  er  glaubte  an  seinen  Onkel,  den  Ge- 
hülfen der  Discontogesellschaft,  Geheimrath  Scheele,  den  er  für 
den  uneigennützigsten  Mann  von  der  Welt  hält,  und  auf  das 
Zeugniss  von  Herrn  Scheele  hin,  der  mit  Miquel  zusammen 
gegründet  hat,  vertheidigte  er  diesen  als  einen  durchaus  correcten 
Gründer.  Der  zweite  Redacteur,  Dr.  Heifter,  hat  von  jeher  die 
Gründer  mit  dem  Evangelium  bekehren  wollen,  und  unter  dem 
jetzigen  Chef- Redacteur,  Herrn  von  Niebelschütz,  beobachtet 
die  „Kreuzzeitung"  in  Betreff  der  Bewegung  gegen  die  parla- 
mentarischen Gründer  ein  diplomatisches  Schweigen. 

Um  so  frecher  geberdet  sich  die  Berliner  „Tribüne"  des 
Herrn  B.  Brigl,  ein  Klatschblatt,  das  seine  Leser  vornehmlich 
in  den  Kreisen  der  Börse  und  der  Juden  hat,  und  in  dem  haupt- 
sächlich Juden  auch  das  Wort  führen.  In  ihrer  Nummer  vom 
2.  October  1869  brachte  sie  den  famosen  Artikel  .,Der  Mann, 
der  Alles  kauft"  mit  dem  Brustbild  des  Wunderdoctors  und  der 
Devise:  Honny  soit  qui  mal  y  pense.  Strausberg  wird  hier  als  ein 
„Heros"  der  Cultur,  als  ein  Wohlthäter  der  Menschheit  gefeiert. 
„Tausende  und  aber  Tausende  leben  von  ihm  und  durch  ihn." 
„Wo  Strousberg  seine  Hand  anlegt,  erwächst  neues  Leben." 
Der  Artikel  war  auf  den  Absatz  der  damals  grassirenden  Ru- 
mänischen Eisenbahn-Obligationen  berechnet.  Wie  Wuttke  („Die 
deutschen  Zeitschriften",  3.  Auflage  S.  431)  behauptet,  ging  die 
„Tribüne"  nebst  dem  mit  ihr  verbundenen  Witzblatt  „Berliner 
Wespen"  in  der  Gründungsära  an  ein  Börsenconsortium  für  den 
Preis  von  150,000  Thaler  über.  Jedenfalls  waren  professionelle 
Gründer,  wie  Braun- Wiesbaden,  Leopold  Ullstein,  Carl  Goppel  etc. 


—     471     — 

ihre  Mitarbeiter;  sie  hatte  ihren  Rathgeber  für  Börsenpapiere 
und  sie  begründete  die  „Neue  Börsenzeitung".  Trotzdem  schlug 
sie  sich  dröhnend  an  die  Brust,  prahlte  mit  ihrer  Ehrlichkeit 
und  machte  in  „Enthüllungen",  z.  B.  ganz  kürzlich  noch  in 
Betreff  der  sogenannten  „Revolver- Grundstücks -Käufer".  Mit 
Bamberger,  Lasker,  Richter  und  der  „Nationalzeitung"  erfand 
sie  die  „Verleumdungsära"  und  beschimpfte  die  Ankläger  der 
Gründer  auf  das  Gemeinste.  So  lange  sie  sich  auf  den  lüatsch 
beschränkte,  den  sie  pikant  anzurichten  wusste,  war  sie  in  ihrer 
Art  nicht  übel;  seit  etwa  einem  Jahre  aber  gerirt  sie  sich  als 
politische  Zeitung  und  ist  nun  ein  ödes  Sammelsurium  geworden. 
Der  Wochenschrift  „Die  Gegenwart",  welche  1872  Paul 
Lindau  gründete,  ist  schon  öfter  erwähnt.  Sie  begann  mit 
staatswissenschaftlichen  Abhandlungen  von  Bluntschli  und  mit 
—  Börsenreferaten  von  Albert  Brockhoflf,  variirte  die  Man- 
chesterweisheit in  Artikeln  von  Bamberger,  H.  B.  Oppenheim, 
von  Unruh,  Kapp,  Braun- Wiesbaden ,  Alexander  Meyer,  Adolf 
Samter  etc.  und  brachte  manchen  überaus  langweiligen  Aufsatz 
z.  B.  „üeber  Welt-  und  Staatsweisheit"  von  Lasker.  Sie  wird 
in  der  Hauptsache  von  Juden  für  Juden  geschrieben;  Alles  was 
christlich  ist,  wie  Heyse,  Freytag,  Gottschall,  Gutzkow,  Julian 
Schmidt,  wird  dagegen  möglichst  herabgesetzt.  Leider  haben 
sich  zum  Theil  auch  diese  Männer  hinterher  bestimmen  lassen, 
der  „Gegenwart"  Beiträge  zu  liefern,  und  so  mit  ihren  Namen 
eine  beispiellose  Reclame  für  ein  durchaus  nichtsnutziges  Unter- 
nehmen gefördert.  Paul  Lindau  ist  ein  Mann  von  sehr  unter- 
geordneter Bildung  und  seine  ganze  Kunstfertigkeit  ist  der 
jüdische  silbenstechende  Wortwitz;  nur  edle  Dreistigkeit  und 
zähe  rastlose  Strebsamkeit  haben  ihn  mit  Hülfe  des  auser- 
wählten Volkes  „berühmt"  gemacht,  ihn  zum  ersten  Dramatiker 
des  neuen  Deutschen  Reichs  erhoben.  J]r  hat  es  durchgesetzt, 
dass  seine  Photographie  an  allen  Schaufenstern  hängt,  sein 
Portrait  in  der  Leipziger  „Illustrirteu  Zeitung",  in  „Ueber  Land 
und  Meer",  und  neuerdings  auch  in  der  ,, Gartenlaube"  mit  Text 


—     472     — 

von  Albert  Träger  erschienen  ist.  „0  Keil,  Keil",  ruft  die 
„Staatsbürgerzeitung"  aus,  „was  für  Keile  müssten  gewisse 
Leute  haben!" 

Wie  das  „Berliner  Fremdenblatt"  berichtete,  feierte  kürzlich 
das  jüdische  Bankhaus  Hirschfeld  &  Wolff,  bekannt  durch  viel- 
fache Gründungen,  z.  B.  die  berüchtigte  „Deutsche  Actiengesell- 
schaft  für  Bergbau,  Eisen-  und  Stahlindustrie"  (Strausberg- 
Karsten),  sein  BOjähriges  Bestehen.  Der  Chef,  „Wirkliche 
Geheime  Commerzienrath"  Heinrich  Wolff  erhielt  den  Kronen- 
orden dritter  Klasse.  Es  waren  anwesend  die  Spitzen  der 
Finanz,  darunter  der  „Wirkliche  Geheime  Commerzienrath", 
Ritter  von  Schwabach  (Socius  von  Bleichröder),  sowie  der 
Schwiegersohn  der  Firma,  Bankassessor  Löwenfeld.  Es  waren 
auch  erschienen  die  Dichter  Berthold  Auerbach,  Paul  Lindau, 
Albert  Träger  und  Georg  Davidsohn.  Albert  Träger  excellirte 
in  poetischen  Tischreden;  Paul  Lindau  schilderte  im  Chroniken- 
stil den  Lebenslauf  des  Jubilars,  wie  er  einst  von  Straussberg 
nach  Berlin  gewandert,  bei  Aarons  das  Geschäft  erlernet,  sich 
mit  180  Thalern  etabliret  und  dann  —  verschiedentlich  in  der 
Lotterie  gewonnen.  Von  den  Gründer-Gewinnsten  schwieg  des 
Sängers  Höflichkeit.  Der  Festbericht  aber  lief  durch  viele 
Blätter. 

Der  Chef-Redacteur  der  „Vossischen  Zeitung"  ist  über- 
haupt kein  Politiker,  nur  ein  liebenswürdiger  Lyriker,  was  sich 
aber  mit  dem  Charakter  des  Blattes  ganz  wohl  verträgt.  Sein 
Hauptmitarbeiter  ist  der  malerische  Feuilletonist  Ludwig 
Pietsch,  ein  Mann,  der  mit  erstaunlicher  Leichtigkeit  über 
jedes  erdenkliche  Thema  zu  plaudern  versteht,  von  jeder  Sache 
die  beste  Seite  herauszukehren ,  und  Jedermann ,  gleichviel  ob 
bedeutend  oder  unbedeutend,  zu  verherrlichen  weiss.  Wie  den 
Heinrich  Frauenlob  werden  auch  den  Ludwig  Pietsch  einst  die 
Frauen,  deren  Toiletten  er  so  oft  besungen  hat,  zu  Grabe 
tragen,  und  zwar  Damen  christlicher  Avie  jüdischer  Confession, 
und  sein  Verlust  wird  für  die  „Vossische",  im  vollen  Sinne  des 


—    473     — 

Worts,  imersetzlicli  sein.  Unter  den  politischen  Mitarbeitern 
steht  oben  an  Herr  Julius  Hoppe.  Er  war  von  1851  bis  1864 
Redacteur  der  „Magdeburgischen  Zeitung",  hatte  aber  den  Ehr- 
geiz Abgeordneter  zu  werden,  wozu  ihm  übrigens  das  erste  Er- 
forderniss  fehlt,  und  verlor  darüber  seine  Stellung.  Seine  per- 
sönliche Ehrenhaftigkeit  steht  ausser  Zweifel ;  er  ist  jedoch  ein 
«ingefleischter  Manchestermann  und  verbissener  Fortschrittler, 
der  um  der  Partei  willen,  die  offenbarsten  Missstände  ableugnet, 
die  widersinnigsten  Behauptungen  aufstellt.  —  Einst  stand  er 
wegen  der  schändlichen  „Rumänier"  muthig  gegen  Strausberg 
und  Consorten  auf,  verbrannte  sich  aber  dabei  die  Finger,  indem 
die  „Xatioualzeitung"  über  ihn  herfiel  und  sein  Unterfangen 
schamlos  zu  verdächtigen  suchte.  Seitdem  schweigt  er  über 
Gründer-  und  Börsenschwindel  und  vertuscht  ihn.  Es  ist  aber 
interessant  zu  sehen,  wie  sich  in  der  „Vossischen"  auch  Gegen- 
strömungen geltend  machen.  Während  sie  für  die  Corruption 
in  Deutschland  kein  Wort  hat,  bringt  sie  fleissig  Correspon- 
denzen  aus  Oesterreich  und  Nordamerika,  in  denen  der  Schwin- 
del, der  dort  das  öfi'entliche  Leben  beherrscht,  unverblümt  ge- 
schildert und  schonungslos  verurtheilt  wird.  Die  Juden  und 
ihre  Interessen  erfreuen  sich  in  der  ,, Vossischen"  einer  ausser- 
ordentlichen Pflege,  weshalb  sie  auch  schlankweg  den  Nothstand 
leugnete.  In  dem  Leitartikel  „Eine  Ehrenrettung  für  ein  ver- 
leumdetes Jahr"  behauptete  sie,  dass  die  Prophezeiungen  der 
,, Schwarzmaler"  nicht  in  Erfüllung  gegangen,  und  dass  1876  gar 
nicht  so  übel  gewesen,  da  die  Zahl  der  Bankerotte  nicht  die 
gewöhnliche  Ziffer  überstiegen  habe.  Darauf  antwortete  ihr  die 
Post:  „Wir  haben  keine  genaue  Rechnung  geführt,  aber  es  ist 
uns  so  vorgekommen,  als  ob  die  Anzeigen  von  Concursen  und 
Subhastationen,  eine  so  hübsche  Einnahmequelle  der  „Vossischen 
Zeitung",  in  derselben  einen  Umfang  gewonnen  hätten,  der  aller- 
dings bei  ihr  den  Optimismus  rechtfertigt,  der  uns  an  das  hübsche 
Epigramm  Schiller's  erinnert: 


—    474     — 

Euch  wundert,  dass  Quirls  Wochenblatt 
Heut  um  ein  Heft  gewonnen  hat, 
Und  höret  doch  den  Stadtausrufer  sagen, 
Dass  Brot  und  Rindfleisch  aufgeschlagen." 
Was  den  „Börsenhintertheil"  der  „Vossischen"  betrifft,  so  lieferte 
ihm  in  der  Gründerära  den  Redacteur  Herr  Julius  Schweitzer, 
indem  er  als  solchen  zuerst  einen  seiner  Verwandten  und  als 
dieser  starb,  seinen  Schüler  Dr.  Ebeling  placirte. 

Die  „Nationalzeitung"  wurde  Frühjahr  1848  von  christ- 
lichen Leuten  und  mit  christlichem  Gelde  gegründet,  ging  aber 
alsbald  in  jüdische  Hände  über,  indem  der  bisher  ganz  mittel- 
lose Expedient  des  Blattes,  Benda  Wolff,  die  tief  gefallenen 
Actien  allmälig  aufkaufte.  Während  der  Reactionsperiode  war 
die  „NatioualzeituDg"  fortwährend  in  Gefahr,  unterdrückt  zu 
werden,  und  sie  verdankt  ihre  Erhaltung  nur  dem  Umstände, 
dass  Herr  Wolff  gleichzeitig  das  bekannte  Telegraphen-Bureau 
errichtete,  und  dadurch  zu  der  Regierung  in  intime  Beziehungen 
trat.  Chef-Redacteur  der  „Nationalzeitung"  war  von  ihrer  Be- 
gründung bis  Ende  1874,  länger  als  ein  Vierteljahrhundert, 
Dr.  Friedrich  Zabel,  und  unter  ihm  gewann  das  Blatt  die  Be- 
deutung und  das  Ansehen,  von  dem  es  heute  zehrt.  Es  buhlte 
nicht  um  den  Beifall  des  ungebildeten  Publikums,  sondern  es 
setzte  seineu  Ehrgeiz  darein,  die  gesellschaftlich  und  wissen- 
schaftlich gebildeten  Kreise  zu  führen.  Zabel  war  ein  Mann 
von  unbedingter  Ehrenhaftigkeit,  von  grosser  Liebenswürdigkeit 
und  aufrichtigem  Wohlwollen  gegen  Jedermann.  Mit  einer 
seltenen  Arbeitskraft  verband  er  Tact  und  Geschick;  er  schrieb 
selber  nur  wenig,  und  hat  vielleicht  nie  einen  Leitartikel  ge- 
schrieben, aber  er  verstand  es,  seine  Mitarbeiter  zu  wählen, 
tüchtige  Kräfte  heranzuziehen,  wie  Lothar  Bucher,  Titus  Ullrich, 
Ferdinand  Gregorovius,  die  beiden  Boretius  etc.  Auch  wusste 
er  zu  repräsentiren  und  sich  in  Respect  zu  setzen.  Diplomaten 
fuhren  bei  ihm  vor,  und  Herr  von  Bismarck  bat  ihn  in  der 
Confliktszeit  zu  sich,  konnte  ihn  aber  nicht  bewegen,  die  opposi- 


—       -KO      — 

tionelle  Haltung  aufzugeben.  Kein  anderer  Journalist  in  Berlin 
hat  eine  so  angesehene  Stellung  eingenommen,  sich  einer  solchen 
Achtung  erfreut,  wie  Friedrich  Zabel. 

Aber  die  „Nationalzeitung"  war  zugleich  auch  ein  Eörscn- 
und  Handelsblatt,  und  diese  Seite  trat  seit  1866  immer  mehr 
in  den  Vordergrund.  Von  den  18  Spalten  der  Abendnummer 
nahm  die  Börse  schliesslich  12 — 13  Spalten  ein,  und  Herr 
Julius  Schweitzer,  der  diesen  Theil  ganz  selbständig  redi- 
girte  und  sich  in  sein  Departement  gar  nicht  hineinreden  Hess, 
umgab  sich  mit  einem  halben  Dutzend  Gehülfen,  meistens 
Verwandte  oder  doch  Juden,  mit  denen  er  an  der  Börse  auf- 
zog. Herr  WolfF  war  mit  dieser  schon  durch  sein  Telegraphen- 
Bureau  eng  Hirt,  und  so  durfte  die  „Neue  Börsenzeitung"  in 
ihrer  Probenummer  vom  15.  November  1871  die  „National- 
zeituug"  als  ein  Blatt  bezeichnen,  das  „seine  Pflichten  zwischen 
der  Sorge  um  das  Deutsche  Reich  und  den  Rücksichten  auf 
den  Agiogewinn  der  Börse  theilt".  Herr  Schweitzer,  der  ehe- 
malige Commis,  verstand  es,  den  Ton  doctrinärer  Blässe,  durch 
den  sich  die  „Nationalzeitung"  auszeichnete,  auch  auf  seine 
Börsenartikel  zu  übertragen,  und  diesen  dadurch  einen  tief- 
sinnigen Anstrich  zu  geben.  Seine  unendlich  langen  Wochen- 
berichte sind  ewige  Wiederholungen,  enthalten  immer  denselben 
nichtssagenden  oder  doch  zweideutigen  Wortschwall,  und  dienen 
nur  dazu,  dem  PubHkum  Sand  in  die  Augen  zu  streuen.  Na- 
türlich durchschaute  Herr  Schweitzer  den  grossen  Schwindel 
vollkommen,  aber  er  hütete  sich  wohl,  ihn  als  solchen  ofieu 
zu  kennzeichnen,  weil  es  dann  mit  dem  ganzen  „Geschäft" 
vorbei  gewesen  wäre.  In  Nr.  518  der  ,,Nat.-Ztg."  vom  4.  No- 
vember 1871  schreibt  er:  ,,Der  Behauptung  einer  unbegrenzten 
Hausse  steht  ferner  die  Thatsache  entgegen,  dass  zu  hohe 
Preise  die  Veranlagung  des  Capitals  ableiten.  Wir  treten  nicht 
für  das  Gründuugsüeber  ein,  aber  wir  behaupten  doch,  dass 
die  Umwandlung  industrieller  Unternehmungen  in  Actiengesell- 
schaften  eine  Ablenkung  des  Capitals  auf  industrieUes  Gebiet 


—     476     — 

-veranlasst,  über  welche  man  vom  wirthschaftliclien  Standpunkt 
keine  Klage  erheben  kann.  Die  Bewegung  wird  einmal  zum 
Abschluss  kommen,  wir  müssen  aber  immer  aufs  Neue  wieder- 
holen, dass  der  Zeitpunkt  desselben  nicht  zu  beurtheilen  ist, 
ebensowenig  sind  die  letzten  Ursachen  vorauszusagen."  —  Noch 
ergötzlicher  ist  der  folgende  Passus  aus  Nr.  611  der  „Nat.-Ztg." 
vom  SO.December  1871:  „Wir  erkennen  an,  dass  im  Jahre  1871 
auf  dem  Gebiet  der  Gründungen  zu  viel  geschehen  ist,  aber 
das  widerspricht  nicht  der  vollen  Berechtigung  des  Ausspruchs: 
Man  hatte  die  Capitalskraft  Deutschlands  unter- 
schätzt; sie  entwickelte  sich  in  demselben  Augenblick  in  vollem 
Maasse,  in  welchem  die  Niederwerfung  Frankreichs  und  die 
Begründung  des  Friedens  auf  festerer  Grundlage,  als  seit  langer 
Zeit  unzweifelhaft  geworden  war.  Ungeachtet  dieses  Aner- 
kenntnisses müssen  wir  die  Ansicht  auch  heute  vertreten,  dass 
augenblicklich  eine  gewisse  Ueberspeculation,  Ueberproduction 

oder  wie  man  es  sonst  nennen  will,  besteht." Ist  das 

nicht  ein  köstliches  Ragout  von  Ja  und  Nein,  von  Für  und 
Wider?!  Selbstverständlich  ist  diese  Salbaderei  nicht  entschei- 
dend. Entscheidend  ist  dagegen,  dass  Herr  Schweitzer  jedes 
neue  Unternehmen  empfahl,  auch  für  das  faulste  und  frechste, 
z.  B.  die  famose  „Gesellschaft  für  Fondsspeculation  an  der 
Hamburger  Börse"  (Heilbut)  kein  energisches  Wort  der  Ab- 
wehr und  der  Warnung  hatte,  dass  er  jede  Reclame,  die  man 
ihm  zusteckte,  redactionell  aufnahm,  und  häufig  genug,  wie 
z.  B.  in  Betreff  des  verbrecherischen  „Lindenbauverein",  falsche 
Nachrichten  verbreitete,  erdichtete  Thatsachen  auftischte,  die 
Tausende  um  Hab  und  Gut  gebracht  haben. 

Mit  Scham  und  Schmerz  sahen  Dr.  Zabel  und  seine  poli- 
tischen Mitarbeiter,  lauter  Männer  von  Ehre  und  wissenschaft- 
licher Bildung,  auf  dieses  feile  Treiben,  das  sie  nicht  abstellen 
konnten,  denn  Herr  Wolff  hielt  Herrn  Schweitzer  die  Stange, 
und  mehrmals  dachten  sie  daran,  auszuscheiden.  Nur  die  Liebe 
zur  Zeitung,  die  ein  Theil  ihres  Selbst  war,  hielt  sie  zurück. 


—    477     — 

Herr  Scll^Yeitzer  aber  wurde  plötzlich  ein  reicher  Manu  und 
kaufte  sich  ein  werthvollcs  Ilaus.  Ohne  Zweifel  ist  es  ein  grosses 
Missverständniss,wenn  Herr  vonDiest-Daber  behauptet,  Dr.  Zabel 
hätte  ihm  gesagt,  alle  seine  Redacteure  seien  von  der  Börse 
abhängig.  Das  kann  Zabel  nur  mit  Bezug  auf  die  Mitarbeiter 
des  Börsentheils  geäussert  haben. 

Inzwischen  hatte  Herr  Lasker,  der  seit  1865  ständiger  Mit- 
arbeiter der  „Nationalzeitung"  war,  bei  dem  Eigenthümer  der- 
selben grossen  Einfluss  gewonnen.  Wenn  der  moderne  Cato 
schon  1872  im  Parlament  gegen  das  Actien-  und  Gründungs- 
unwesen perorirte,  so  hätte  es  ihm  näher  gelegen,  seinen  Ein- 
fluss aufzuwenden,  damit  der  „Börsenhintertheil"  des  Blattes, 
an  dem  er  selber  mitarbeitete,  etwas  reinlicher  gehalten  werde; 
aber  er  benutzte  ihn  nur,  um  sich  und  seine  Freunde  verherr- 
lichen zu  lassen.  Man  höre  z.  B.  folgende  Stilprobe,  die  sich 
in  Nr.  232  der  „Nationalzeituug"  vom  21.  Mai  1874  findet: 

„Gestern  Nachmittag  war  die  nationalliberale  Frak- 
tion des  Abgeordnetenhauses  im  Lokale  des  Hoftraiteurs  "Wer- 
ner in  der  Karlstrasse  zu  einem  Abschiedsmahle  versammelt. 
Inhaltreiche  Tischreden,  insbesondere  des  Abg.  Miquel  über 
die  Aufgaben  der  Partei  als  einer  mit  Besonnenheit  die  Regie- 
rung in  liberalen  verfassungsmässigen  Bahnen  festhaltenden 
und  unterstützenden  wahrhaften  Volkspartei,  des  Abg.  Lasker 
iiber  die  Wirksamkeit  und  Verdienste  des  Präsidenten  v.  Ben- 
nigsen,  sowie  des  Letzteren  über  die  parlamentarische 
Thätigkeit  der  Fraktion  erhoben  die  Festgenossen.  Sie  ent- 
rollten ein  Bild  der  parlamentarischen  Lage  in  den  beiden 
ersten  Sessionen  des  Reichstages  und  des  Landtages  nach  deren 
Neuwahl,  welches  wohl  geeignet  Mar,  sowohl  Befriedigung  über 
den  Verlauf  der  Vergangenheit  wie  Hoffnung  für  die  künftigen 
Sessionen  der  Legislaturperiode  zu  erwecken.  Andere  Toaste 
galten  dann  noch  dem  Abg.  Lasker,  als  dem  unermüdlichen 
Mahner  an  die  ewigen  Priucipion  des  Rechts  und  der  Sittlich- 
keit auch  in  allem  politischen  Handeln,  und  den  als  Gäste  an- 


—     478     — 

wesenden  Herren  Hugo  Wesendonk  und. Berthold  Auer- 
bach. Erst  spät  trennte  sich  die  Versammhmg  in  dem  ge- 
stärkten Bewusstsein  ihrer  Mitglieder,  durch  das  auf  die  höchsten 
Ziele  menschlichen  Wirkens  gerichtete  Zusammenschliessen 
zahlreicher  Genossen  aus  allen  Theilen  des  Vaterlandes  den 
Werth  des  eigenen  Leistens  trotz  aller  seiner  Mängel  wahrhaft 
gehoben  und  veredelt  zu  haben."  Jedermann  wird  in  diesem 
Phrasenschleim  sofort  eine  jüdische  Feder  erkennen. 

Neujahr  1875  trat  Dr.  Zabel  von  der  Leitung  der  „Na- 
tionalzeitung" zurück;  wol  nicht  ganz  freiwillig,  wie  man  aus 
dem  resignirten  Abschiedsworte  herauslesen  kann.  Er  behielt 
sich  in  der  Redaction  noch  ein  Plätzchen  vor,  aber  gleich 
darauf  legte  er  sich  nieder  und  starb.  Er  war  mit  der  „Na- 
tionalzeitung" eben  verwachsen,  und  er  konnte  sie  nicht  in  den 
Händen  eines  Andern  sehen.  Sein  Nachfolger  wurde  Herr  Fr. 
Dernburg,  ein  ziemlich  unbekannter  Advokat  semitischer 
Abstammung  aus  Darmstadt,  aber  ein  Schützling  des  Herrn 
Lasker.  Schon  vor  der  Schwindelperiode  waren  von  den  älteren 
hervorragenden  Mitarbeitern  mehrere  ausgeschieden;  jetzt 
nahmen  auch  die  andern  ihren  Abschied,  so  dass  von  dem 
eigentlichen  Stamme  fast  Niemand  blieb.  Auch  Karl  Frenzel, 
der  Leiter  des  Feuilletons,  beabsichtigte,  wie  es  damals  hiess, 
seine  Entlassung  zu  nehmen. 

Bald  nach  dem  Regierungsantritt  des  Herrn  Dernburg  ge- 
schahen die  von  Diest'schen  „Enthüllungen",  worauf  die  Re- 
dacteure  der  „Natioualzeitung"  in  einer  geharnischten  CoUec- 
tiv-Erklärung  antworteten,  die  mit  folgenden  Worten  schloss: 

„Der  so  leichtfertig  angezweifelten  Reinheit  unseres  Ver- 
haltens setzen  wir  einfach  gegenüber  unsere  Namen: 

Berlin,  25.  Februar  1875. 
Karl   Frenzel.      Wilhelm   Wackernagel.     Siegfried   Sa- 
mosch.     Karl  Wippermann.     Arthur  Winckler.     Julius 
Schweitzer.    Julius  Basch.    Georg  Schweitzer." 
„Stolz  will  ich  den  Spanier!"   Die  acht  Herren  garantirten  die 


—    479     — 

„Reinheit"  ihres  ,^Verhaltens",  Elincr  für  Alle,  und  Alle  für 
Einen.  Julius  Schweitzer  trat  für  sich  seiher  ein,  und  Georg 
Schweitzer  trat,  wie  die  kindliche  Pietät  es  verlangt,  für  den  Vater 
«in.  Er  |ist  der  Gehülfe  und  präsumtive  Nachfolger  seines 
Täters,  und  von  diesem  selber  in  die  Mysterien  der  Börse  ein- 
geführt. 

Sehr  auffällig  war  es,  dass  diese  Erklärung  auch  von  Karl 
Frenzel  unterzeichnet  ist,  ja  dass  sein  Name  allen  übrigen 
voransteht.  An  Karl  Frenzel  hatte  Niemand  gedacht,  denn 
Jedermann  weiss,  dass  er  weder  mit  dem  Börsen-  noch  mit  dem 
politischen  Theil  der  „Nationalzeitmig"  etwas  zu  thun  hat. 
Zwar  hat  er  hin  und  wieder  einen  Leitartikel  unter  und  über 
dem  Strich  versucht,  auch  soll  er  davon  geträumt  haben,  Dr. 
Zabel's  Nachfolger  zu  werden,  aber  er  ist  eben  kein  Politiker 
und  auch  kein  „Volkswirth'',  sondern  ein  unschuldiger  Feuille- 
tonist. Es  war  nicht  nur  überflüssig,  es  war  sogar  sehr  unvor- 
sichtig von  ihm,  dass  er  jene  Erklärung  mitunterzeichnete, 
dass  er  sich  für  Dinge  und  Personen  verbürgte,  die  er  richtig 
zu  beurtheilen  gar  nicht  im  Staude  ist,  da  es  ihm  hier  an  jeder 
Kenntniss  und  Information  fehlt.  Wenn  Herrn  Frenzel  ein 
Vorwurf  trifft,  so  ist  es  nur  der,  dass  er  als  selbständiger  Re- 
dacteur  des  Feuilletons  den  philosophischen  Hymnus  des  Herrn 
von  Hartmann  auf  die  „moderne  Actien-Industrie"  zugelassen 
hat.  Auch  war  es,  Seitens  des  Herrn  Frenzel  und  Genossen, 
ein  Fechterstreich,  dass  sie  thaten,  als  habe  Herr  von  Diest 
„in  erster  Linie"  einen  Verstorbenen,  den  Dr.  Zabel  verdäch- 
tigt, da  er  doch  ausdrücklich  diesen  einen  „offenen  und  ehr- 
lichen Mann"  nennt. 

Wol  mit  zu  dem  Zwecke,  um  den  „Enthüllungen"  des 
Herrn  von  Diest  ein  Paroli  zu  biegen,  beging  die  „National- 
zeitung" wenige  Wochen  darauf  das  25  jährige  Jubiläum  ihres 
Schweitzer.  Allein  es  erhoben  sich  neue  Anklagen.  Von  ver- 
schiedenen Seiten  wurde  der  „Nationalzeitung"  der  Vorwurf 
der  Bestechlichkeit  gemacht.   Herr  von  Diest  erklärte,  dass  sie 


—     480     — 

in  Sachen  der  Berlin-Dresdener  Bahn  6000  Thaler  erhalten, 
und  dass  er  den  juristischen  Beweis  dafür  in  der 
Tasche  habe.  Anstatt  nun  die  Verleumdungsklage  anzu- 
stellen, wozu  sogar  mehrere  Blätter  der  eigenen  Partei  dringend 
aufforderten,  verkroch  sich  die  „Nationalzeituug"  wieder  hinter 
den  von  ihr  so  „hochverehrten  Todten",  Dr.  Zabel,  der  angeb- 
lich „in  Mitleidenschaft  gezogen",  und  begnügte  sich,  für  ihre 
Ehrlichkeit  ein  Zeugniss  der  Gründer  H.  C.  Plaut,  S.  Abel  jun. 
und  Geheimrath  Ludwig  Heise  beizubringen.  Letzterer  erbot 
sich  „eidlich  zu  erhärten",  dass  der  Nationalzeitung  „weder  von 
der  Berlin-Dresdener  Bahn  noch  von  irgend  einer  andern  Bahn- 
gesellschaft irgend  etwas  anderes  zugegangen  ist  als  die  tarif- 
mässigen  Insertionsgebühren".  In  Folge  des  Sturmes,  der  sich 
in  der  Presse  erhob,  sah  sich  die  „Nationalzeitung"  doch  ge- 
nöthigt,  ihren  Schweitzer  zur  Disposition  zu  stellen,  worauf 
dieser  sich  mit  eiuer  Erklärung  verabschiedete,  in  welcher  er 
u.  A.  Folgendes  versicherte:  „Ich  war  einer  der  Ersten,  der, 
unterstützt  durch  sorgfältige  Beobachtung  aller  Verhältnisse, 
auf  die  unausbleiblichen  Folgen  der  Gründungsperiode  hinge- 
wiesen, der  die  später  eingetretene  Krisis  als  unvermeidlich 
erklärt  und  deren  Entwickelung  ruhig  geschildert  hat.  Damals 
wurde  mir  der  Vorwurf  einer  pessimistischen  Auffassung  der 
Verhältnisse  gemacht."  —  Wahrhaftig,  Herr  Schweitzer,  das 
müssen  wir  Ihnen  einzeugen.  Sie  leisteten  noch  November  1875 
einen  Leitartikel  „Der  Nothstand  und  sein  Ende"  —  Sie  sind 
an  gewissen  Wendungen,  wie  „Wir  führen  dieses  Thema  nicht 
weiter  aus''  sofort  zu  erkennen  —  worin  Sie  noch  damals 
das  Bestehen  einer  Krisis  leugneten,  nur  „die  nothwendige 
Ausscheidung  unsolider  Elemente"  zugeben  wollten,  und  die 
geistreiche  Behauptung  aufstellten:  Die  riesigen  Cours- Verluste 
seien  gar  keine  wirklichen  Verluste,  blos  „Differenzen  in  der 
Coursnotirung". 

Was  Herrn  Friedrich  Dernburg,  den  jetzigen  Leiter  der  „Na- 
tionalzeitung", auch  Abgeordneten,  betrifft,  so  zeichnet  er  sich> 


—     481     — 

zunächst  durch  einen  Reichthum  origineller  Bilder  und  geschmack- 
voller Gleichnisse  aus.  Am  4.  April  1873,  als  Lasker  den 
zweiten  Theil  seiner  „Enthüllungen"  vorgetragen,  und  der  er- 
müdete Reichstag  Lust  bezeigte,  in  die  Ferien  zu  gehen,  rief 
Herr  Dernburg  aus:  „Es  würde  rein  unmöglich  sein,  den  Strom 
aufhalten  zu  wollen,  der  sich  jetzt  nach  Hause  drängt;  ich 
würde  ebensogut  die  Spree  mit  meinen  schwachen  Armen  auf- 
halten können,  als  gegen  diesen  Strom  Widerstand  leisten.  Ich 
fühle  mich  dazu  nicht  berufen.''  —  In  der  „Nationalzeitung" 
schrieb  er:  „Das  akademische  Triennium,  welches  dem  Deut- 
schen Volke  durch  den  grossen  lu-ach  vom  Mai  1873  aufge- 
zwungen wurde,  um  die  Ursachen  seiner  wirthschaftlichen 
Krankheit  und  die  Mittel  zu  ihrer  Abhülfe  zu  studiren,  ist  aller- 
dings absolvirt"  etc.  (No.  269  de  1876)  —  „Es  stürmt  sehr  merk- 
lich durch  die  Adern  Europas."  (No.  494  de  1876)  —  „Die 
stolz  auf  jede  Hülle  der  Wahrscheinlichkeit  und  selbst  Mög- 
lichkeit verzichtende  Nacktheit  der  Erfindung  macht  freilich 
eine  solche  Versicherung  kaum  erforderlich."  (Nr.  378  de  1876) 
—  „Das  ganze  Schlachtfeld  der  letzten  Wahlen  ist  bedeckt 
mit  Scherben  von  zerschlagenen  Redensarten,  die  nie  wieder 
aufleben  mögen."  (No.  44  de  1877)  —  Von  seiner  Bildung  und 
Umsicht  gab  Herr  Dernburg  einen  Beweis,  als  er  den  „von  der 
Spanischen  Regierung  gemassregelten  Dr.  E.  Särosthy,  Pro- 
fessor der  Philologie  in  Salamauka,  ehemaligen  Privatdocenten 
in  Heidelberg  und  bekannt  durch  mehrere  wissenschaftliche 
Leistungen,  welcher  die  Empfehlungen  der  angesehen- 
sten Professoren  der  Heidelberger  Universität  be- 
sitzt" —  dem  Berliner  Publikum  empfahl,  und  ein  paar  Tage 
darauf  diesen  gelehrten  Märtyrer  als  „abgefeimten  Schwindler" 
bezeichnen  musste.  Dergleichen  kann  wol  der  „Tribüne",  darf 
aber  nimmer  der  „Nationalzeitung"  passiren,  und  wäre  unter 
Dr.  Zabel  unmöglich  gewesen.  Uebrigens  sind  „Nationalzeitung" 
und  „Tribüne",  zwischen  denen  früher  nicht  die  geringste  Ge- 
meinschaft bestand,  heute  dicke  Freundinnen-,  Eine  citirt  immer 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.   II.  31 


—    482     — 

die  Andere,  und  sie  ziehen  häufig  denselben  Strang,  namentlich 
wenn  es  die  Vertheidigung  der  parlamentarischen  Gründer  und 
die  Brandmarkung  der  „Verleumder"  gilt.  Die  „Nationalzeitung" 
legte  eine  besondere  Rubrik  an:  „Zur  Geschichte  der  „Ver- 
leumdungsära", in  welcher  sie  als  Opfer  der  Verleumdung 
zunächst  Bismarck  in  Sachen  der  „Reichsglocke",  aber  gleich 
dahinter  auch  die  Gründer  von  Bennigsen  und  von  Kardorff 
behandelte.  So  rächte  sie  sich  an  Herrn  von  Diest-Daber, 
anstatt  ihn  zu  verklagen.  Aber  diese  Zusammenstellung  kann 
dem  Fürsten  Bismarck  schwerlich  gefallen. 

Unter  Herrn  Dernburg  ist  die  „Nationalzeitung"  vollstän- 
dig verlaskert  und  verbambergert.  Wie  für  Lasker  während 
seiner  Krankheit  in  den  Berliner  Synagogen  öffentliche  Gebete 
stattfanden,  so  veröffentlichte  die  „Nationalzeitung"  über  sein 
Befinden  förmliche  Bulletins.  Jede  Handlung,  jede  Aeusserung 
des  grossen  Mannes  wurden  sofort  der  Welt  verkündet  und  mit 
Erläuterungen  begleitet,  für  ihn  eine  ununterbrochene,  geradezu 
ekelhafte  Reclame  gemacht.  Wenn  Herr  Lasker  feierlich  ver- 
sicherte, er  habe  seit  Zabel's  Tod  für  die  „Nationalzeitung" 
keine  Zeile  mehr  geschrieben  —  was  übrigens  sehr  wunderbar 
ist  —  so  lässt  er  jedenfalls  schreiben:  der  Redacteur  der  von 
ihm  herausgegebenen  „Berliner  Autographirten  Correspondenz" 
ist  zugleich  Mitarbeiter  an  der  „Nationalzeitung".  Bamberger's 
Feder  ist  unbestritten  und  auch  nicht  gut  abzuleugnen;  er  hat 
in  allen  Finanz-  und  Bank-,  Münz-  und  Nickelfragen  das  Wort. 
Freilich  ist  daneben  Herr  Dernburg  ein  gewaltiger  Streber  auf 
«igene  Hand.  Er  empfängt  solche  Zuschriften,  solche  Ein- 
ladungen, dass  es  seine  Collegen  an  der  Zeitung  in  Erstaunen, 
Herrn  Lasker  geradezu  in  Schrecken  setzt.  Er  ist  häufig 
diesem  viel  zu  gouvernemental,  viel  zu  officiös.  Noch  gestern 
hatte  Herr  Dernburg  Delbrück's  Abgang  als  einen  unersetz- 
lichen Verlust  bejammert,  und  schon  heute  macht  er  für 
dessen  Nachfolger  Hofraann  energisch  Propaganda,  sucht  Alles, 
was  früher  vorgefallen  zu  entschuldigen   und  zum  Besten  zu 


—     483     — 

kehren  uud  lässt  den  neuen  Präsidenten  des  Reichskanzler- 
amts  „im  hellen  Sonnenstrahl  der  Geschichte  wirken".  So 
wird  es  Herrn  Dernburg  nicht  fehlen,  und  es  könnte  geschehen, 
dass  sich  der  Protege  Laskers  in  dessen  Protcctor  verwandelt. 
Um  noch  einmal  auf  Julius  Schweitzer  zurückzukommen, 
so  ist  dieser  Herr  wol  nur  quasi  ausgeschieden.  Man  sieht  ihn 
nach  wie  vor  täglich  an  der  Börse,  und  auch  die  Börsenberichte 
in  der  „Nationalzeitung"  verrathen  dieselbe  Hand.  Verschie- 
dene Stimmen  wollten  behaupten,  dass  er  JNIitbesitzer  des  Blattes 
sei;  jedenfalls  ist  er  mit  Herrn  Wolff  so  liirt,  dass  er  nicht 
einfach  entlassen  oder  auch  nur  suspendirt  werden  kann. 


Kolossal  ist  der  Beute-Antheil,  welchen  von  den  Gründern 
und  Börsianern  die  Presse  empfing.  Nicht  nur  Häuser  ersten 
Ranges,  wie  S.  Bleichröder  und  Disconto-Gesellschaft  —  selbst 
Gründer,  wie  Strausberg,  Hermann  Geber,  Richard  Schweder, 
Quistorp,  Carl  Goppel,  Ed.  Mamroth,  Julius  Alexander  etc. 
haben  an  Zeitungsbesitzer  und  Zeitungsschreiber  Hundert- 
tausende gezahlt.  Ueber  die  „Betheiligung"  der  Wiener  Blätter, 
Seitens  einzelner  Bankeu  und  Banquiers;  über  die  Schweige- 
und  Reclamegelder  für  einzelne  Gründungen  und  Emissionen 
wurden  verschiedentlich  lange  Listen  veröffentlicht.  Solche  Ver- 
öffentlichungen stehen  auch  mit  Bezug  auf  Berliner  Zeitungen 
in  Aussicht,  und  namentlich  dürften  einige  Gründerprozesse 
wundersame  üinge  an  den  Tag  bringen. 

Die  „Neue  Börsenzeitung"  meldete:  „Dr.  Strousberg  soll 
sich  entschlossen  haben,  diejenigen  500  Thaler  monatlich  dem 
Inhaber  einer  hiesigen  Zeitung  wieder  zu  bewilligen,  nachdem 
dieselbe  ihr  bisheriges  Obligo,  gegen  ihn  nichts  Nachtheiliges 
zu  schreiben,  dahin  ausdehnte,  dass  sie  nur  für  ihn  schreibt." 
—  Der  bis  dahin  ganz  mittellose  Redacteur  eines  Berliner  Local- 
blatts,  welches  sich  ungemein  für  den  Born'schen  „Landerwerb- 
und  Bauverein"  begeisterte,  erbaute  sich  plötzlich  eine  Villa, 
und   besitzt   heute    sogar   zwei    Villen.      Für   die   von  Adele 

31» 


—     484     — 

Spitzeder  in  München  etablirte  Dachauer  Bank  warben  drei  zur 
katholischen  und  sieben  zur  nationalliberalen  Partei  gehörige 
Schriftsteller;  und  einer  von  ihnen  lieferte  nach  dem  Zusammen- 
bruch des  Schwindels  15,000  Gulden  zurück,  welche  er  von  der 
Hochstaplerin  als  „Geschenk"  erhalten  hatte. 

Die  Berliner  Tribüne  äusserte  am  20.  April  1873:  „Ohne 
eine  feile  Presse  hätten  die  Krebsschäden  nie  in  dieser  Weise 
um  sich  greifen  können.  Ist  es  doch  notorisch,  dass  während 
der  letzten  Jahre  in  die  Taschen  von  gewissen  Personen,  die 
nur  ein  einigermassen  einfiussreiches  Organ  an  der  Börse  ver- 
treten. Hunderttausende  von  Thalern  geflossen  sind,  und  dass 
sie,  während  sie  früher  in  den  allerbescheidensten  Verhältnissen 
lebten,  jetzt  reiche  Leute  sind.  Die  Corruption  an  der  Börse 
ist  so  gross,  dass  man  die  Bestechlichkeit  der  Presse  für  selbst- 
verständlich und  jeden  für  einen  Thoren  hält,  der  gleich 
uns  (!)  allen  Beeinflussungen  sich  unzugänglich  zeigt.  Weder 
der  Bestechende  noch  der  Bestochene  hat  die  Scham,  aus  der 
Bestechung  ein  Geheimniss  zu  machen."  —  Wir  haben  Ursache 
anzunehmen,  dass  dieser  Artikel  aus  der  Feder  des  Herrn  Leo- 
pold Ullstein,  also  eines  sehr  eingeweihten  Mannes  stammt. 

Früher  die  untergeordnetsten  Mitarbeiter  einer  Zeitung, 
erhielten  die  Börsenreporter  mit  dem  Gründungsschwindel 
plötzlich  grosse  Bedeutung.  Zu  diesem,  jetzt  so  sehr  einträg- 
lichen Posten  drängten  sich  selbst  studirte  Leute  und  „Volks- 
wirthe",  ja  sie  begnügten  sich,  auch  nur  als  Gehülfen  des 
eigentlichen  Börsen-Kedacteurs  einzutreten,  denn  auch  für  die 
blossen  Handlanger  fielen  noch  fette  Bissen  ab. 

Wenn  der  Reporter  von  der  Börse  heimkehrte,  pflegte  er 
sich  in  sein  geheimstes  Gemach  zurückzuziehen,  die  Thüren 
abzuschliessen  und  nun  sorgfältig  sämmtliche  Taschen  in  Rock, 
Weste  und  Hose  umzukehren.  In  jeder  Tasche  fanden  sich 
Brief-Couverts,  und  in  jedem  Couvert  staken  Notizen  und  Re- 
clamen  über  neue  Actienunternehmungen  und  Emissionen,  dazu 
ein  oder  mehre  Ilundertthalerscheine.    Die  Banknoten  wurden 


~     485     — 

selbstverständlich  confiscirt,  aber  die  von  den  Gründern  und 
Börsianern  bereits  abgefassten  Reclamen  standen  noch  am  selben 
Abend  oder  nächsten  Morgen  in  der  betreffenden  Zeitung  zu 
lesen,  und  sie  lauteten  fast  in  allen  Zeitungen  wörtlich  über- 
einstimmend. Häufig  waren,  statt  der  Banknoten  Actien  oder 
Interimsscheine  beigefügt,  welche  die  Reporter  gratis  oder  zu 
erheblich  niedrigerem  Course  erhielten.  Oder  aber  es  wurden 
ihnen  solche  gutgeschrieben,  und  sie  empfingen,  wenn  sie  ihre 
Schuldigkeit  gethan,  und  das  neue  Effect  glücklich  untergebracht 
war,  die  Coursdifferenz.  Oft  betheiligten  die  Gründer  neben 
dem  Börsenredacteur  auch  den  Zeitungsbesitzer-,  oft  musste 
jener  mit  diesem  theilen. 

Auch  machten  die  Herren  von  der  Presse  Differenzgeschäfte, 
kauften  und  verkauften  Papiere  per  Ultimo,  und  die  Makler 
und  die  Banquiers  gaben  ihnen  bereitwilligst  Credit.  Schlug 
die  Speculation  ein,  wozu  der  Reporter  in  der  ihm  anvertrauten 
Zeitung  das  Seinige  that,  so  erhob  er  den  Gewinnst;  verlor  er, 
so  blieb  er  schuldig,  und  man  mahnte  ihn  nicht.  Als  die  Qui- 
storp'sche  Vereinsbank  in  Concurs  gerieth,  wurden  verschiedene 
Journalisten,  die  man  „betheiligt"  hatte,  eingeklagt.  Julius 
Mayer,  wie  es  scheint,  bei  der  „Volkszeitung"  thätig,  war 
4600  Thaler,  der  Redacteur  des  „Börsenwächter"  —  an  der  Börse 
wurde  das  Blatt  „Nachtwächter"  genannt  —  war  36,800  Thaler 
schuldig  geblieben.  Beide  erhoben  den  Einwand,  dass  ihnen 
Quistorp  bei  Einführung  neuer  Papiere  jedesmal  eine  Summe 
in  Actien  „stillschweigend"  gutgeschrieben,  und  dass  sie  dafür 
ihre  Dienste  geleistet  hätten,  was  sie  durch  Ueberreichung  der 
Beläge  erhärteten.  „Rechtsanwalt  Horwitz",  so  hiess  es  damals 
in  etlichen  Blättern,  „geisselte  in  scharfer  Weise  dieses  Ge- 
bahren  von  Mitgliedern  der  Presse,  die  käuflich,  unbekümmert 
um  den  spätem  Jammer  ruinh'ter  Familieu,  nur  ihr  Interesse 
reich  zu  werden,  im  Auge  hätten."  Gut  gebrüllt,  Löwe!  Aber 
Herr  Horwitz  war  z.  B.  Aufsichtsrath  der  „Börsenbank  für 
^Maklergeschäfte",  und  in  den  Generalversammlungen  der  Ber- 


—     486     — 

liner  Producten-  und  Handelsbank,  des  Lindeubauverein ,  der 
Passage  etc.  sah  man  ihn  als  beredten  Vertheidiger  der  hart 
angegriffenen  Gründer  und  Attentäter. 

Von  Berliner  Journalisten  und  Literaten  traten  direct  als 
Gründer,  resp.  „Erste  Zeichner"  auf:  Dr.  Carl  Braun(-Wies- 
baden),  Dr.  J.  Faucher,  Dr.  Wehrenpfennig,  Dr.  F.  Kapp,  Dr. 
Heinrich  Benecke,  Dr.  Theodor  Cossmann,  Dr.  Gustav  Lewin- 
stein,  Dr.  Emil  Jacobsen,  Dr.  Eduard  Wiss,  Dr.  Heinrich  Ebe- 
ling,  Wilh.  Jungermann.  Alexander  Hotfers,  Adolf  Braun,  Carl 
Krafft,  Carl  Sonntag  (Deutsch-Oesterr eichische  Handelsgesell- 
schaft), Kichard  Seydler,  Albert  Brockhoff,  David  Born,  Emil 
Cohnfeld,  Franz  Grunert,  Emil  Freystadt,  Julius  Schweitzer, 
Dr.  Carl  Erich.  Letzterer  fungirte  als  Parlamentsberichterstatter 
für  das  Staatsministerium  und  für  den  Kaiser.  Als  Aufsichts- 
räthe  wurden  genannt:  Schulze-Delitzsch ,  Ludolf  Parisius,  Dr. 
\V.  H.  Eras.  Director  des  Berlin-Charlottenburger  Bauvereiu  ist 
Julius  Wolff,  der  hochpoetische  Feuilletonist  der  Nationalzeitung, 
welcher  als  Festberichterstatter  mit  Ludwig  Pietsch  concurrirt, 
über  die  Einweihung  des  Kaiserhof,  über  den  Geber'schenSkating- 
Rink  und  ähnliche  Gründerwerke  solch  sinnige  Artikel  lieferte. 

Von  den  intimen  Beziehungen  der  Presse  zu  Gründern  und 
Gründungen  zeugt  der  folgende  Fall.  Als  September  1873 
Hermann  Bein,  Max  Heymann  (A.  H.  Heymann  &  Co.),  Georg 
Siemens  (Deutsche  Bank)  u.  A.  den  Versuch  machten,  den  Malz- 
extract-Fabrikanten  Johann  Hoff  zu  gründen,  dessen  Etablisse- 
ments sie  angeblich  für  1,500,000  Thaler  übernahmen,  betheiligten 
sich  als  Mitgründer  auch  die  Eigenthümer,  resp.  Vorstände  der 
„Weser  Zeitung"  in  Bremen,  der  „Posener  Zeitung",  des  „Gör- 
litzer Anzeiger"  und  der  „Berliner  Bürger-Zeitung".  Glücklicher- 
weise waren  die  Actien  nicht  mehr  unterzubringen,  sonst  hätte 
das  Publikum  schon  den  Schaden  besehen! 


Die  sogenannte  Revolverpresse  ist  eine  Wiener  Pflanze, 
verbreitete  sich  aber  in  der  Gründerzeit  und  nach  dem  Krach 


—     487     — 

über  ganz  Deutschlaud.  Kleine  Wiukelblätter  drohten  Privaten 
und  Gesellschaften  mit  Enthüllungen,  mit  Aufdeckung  von 
Skandalgeschichten,  und  erpressten  so  Schweigegelder,  In  ge- 
wissem Sinne  gehören  zur  Revolverpresse  alle  Börsenblätter, 
insofern  sie  alle  nicht  nur  gegen  Bezahlung  lobten  und  em- 
pfahlen, sondern  auch,  wo  sie  nichts  erhielten,  drohten  und  das 
betreffende  Unternehmen  angrifien.  Namentlich  die  kleineren 
Börsenblätter  gingen  förmlich  auf  Raub  aus,  und  brandschatzten 
verdächtige  Gründer  und  faule  Gesellschaften  nach  der  Möglich- 
keit. Carl  Gustav  Hörn,  Director  der  Rheinischen  Effecten- 
bank,  beklagte  sich  vor  Gericht,  dass  das  von  ihm  geleitete 
Institut  durch  die  Revolverpresse  zu  Fall  gebracht  sei.  1873 
erschien  in  Berlin  eine  Folge  von  Flugschriften  unter  dem  Titel 
„Börsenfackel".  Der  Verfasser,  der  von  Beruf  ein  Heraldiker  (!) 
sein  wollte,  und  sich  mit  dem  Pseudonym  G.  Wilhnars  bezeichnete, 
griff  im  ersten  Hefte  etliche  Gründungen,  wie  Deutsch-Hollän- 
discher Bauverein,  Silberwaarenfabrik  Mosgau,  scharf  an,  strich 
aber  in  den  folgenden  Heften  daneben  ebenso  faule  Sachen, 
wie  Centralstrasse,  Passage,  Dannenberger'sche  Kattunfabriken, 
bestens  heraus.  Er  hatte  sich  mit  den  betreffenden  Gründern 
inzwischen  verständigt,  und  soll  eine  namhafte  Summe  erbeutet 
haben.  Zur  Revolverpresse  gehören  ferner  gewisse  Zeitschriften 
für  Versicherungsgesellschaften  und  ähnliche  „Fachblätter",  sowie 
mancherlei  Berichterstatter  der  Zeitungen,  die  alle,  falls  sie 
nicht  Schaden  verursachen  und  Unheil  anrichten  sollen,  eine 
fortlaufende  oder  ausserordentliche  Aböudung  verlangen.  Einer 
dieser  Freibeuter,  Reporter  für  Stärkefabrikate,  wurde  wegen 
seiner  verleumderischen  Angriffe  zu  drei  Monaten  Gefängniss 
verurtheilt.  Die  Berichterstatter  über  Gerichtsverhandlungen 
bilden  in  Berlin  eine  Art  von  Genossenschaft,  die  sich  für  das 
Unterdrücken  bestimmter  Fälle  und  Namen  nach  Vereinbarung 
bezahlen  lässt.  Im  Gegensatz  zur  Revolverpresse  hat  man  aber 
auch  die  grossen  Zeitungen,  die  ja  dasselbe  Geschäft,  nur  gross- 
artiger betrieben,  ganz  treffend  Kanonenpresse  genannt. 


—     488     —  \ 

Wie  fast  die  gesammte  Presse  im  Solde  der  Börse  und  der  \ 
Gründer  stand,  so  blieb  sie  auch  nach  dem  Ki-ach  ihnen  treu. 
Sie  wälzte  alle  Schuld  auf  das  Publikum,  das  sie  der  Spielsucht 
anklagte,  der  Manie,  „ohne  Arbeit  reich  zu  werden".  Sie 
leugnete  die  Krisis  und  den  Nothstand,  den  sie  als  eine  blosse 
Erfindung  der  „Reichsfeinde"  und  der  „Verleumder"  hinstellte. 
Sie  bezeichnete  die  wenigen  Blätter,  welche  den  Muth  hatten, 
die  Gründer  anzuklagen,  als  „Revolverpresse"  und  bewarf  sie 
mit  Schmutz.  Ja,  sie  hatte  die  Frechheit  von  einer  „Gründer- 
hatz"  zu  sprechen,  die  verurtheilten  Betrüger  als  Märtyrer  zu 
feiern,  die  Richter  zu  verdächtigen,  und  mit  einer  Auswanderung 
der  Gründer-  und  Börsenkönige  zu  drohen.  So  thalen  nicht 
nur  die  Börsenblätter,  sondern  auch  politische  Zeitungen  ersten 
Ranges.  Die  „Vossische  Zeitung"  druckte  einen  Artikel  der 
„Berliner  Börsenrevue"  ab,  welcher  die  lügnerischen  Prospecte 
für  nichts  weiter  als  gewöhnliche  und  erlaubte  Reclamen  von 
Geschäftsleuten  erklärte,  und  welcher  versicherte;  die  Ange- 
klagten hätten  durch  ihre  Verurtheilung  eine  Einbusse  in  der 
öffentlichen  Achtung  nicht  erlitten.  Die  „Nationalzeitung"  be- 
handelte an  hervorragender  Stelle  „Gründerprozesse.  Eine 
criminalpolitische  (!)  Studie  von  Justinus  Möller".  Als 
Verfasser  dieser  famosen  Brochüre,  die  u.  A.  den  Staatsanwalt 
„als  Retter  der  Gesellschaft"  verhöhnt  und  fein  insinuirt:  auch 
der  Richter  könne  in  Actien  speculirt  und  unglück- 
lich speculirt  haben  —  nannte  sich  hinterher  stolz  und 
frei  der  Gerichts -Assessor  a.  D.  Dr.  Julian  Goldschmidt, 
Director  der  durch  verschiedene  faule  Gründungen  bekannten 
„Norddeutschen  Grundcreditbank".  Die  „Nationalzeitung"  er- 
klärte sich  zwar  insofern  gegen  Herrn  Goldschmidt,  als  dieser 
die  Anwendung  des  Betrugsparagraphen  auf  betrügerische  Grün- 
dungen für  eine  Verirrung  der  Rechtsauschauung  hält,  aber 
sie  stimmt  ihm  darin  bei,  dass  der  „Uebereifer"  bei  der  Ver- 
folgung der  Gründer  „gezügelt  werden  möge",  und  auch  sie 
folgert:  „Wäre  es  der  Staatsanwaltschaft  schon  im  Jahre  1872 


-     489    — 

in  den  Sinn  gekommen,  unredliche  Gründer  als  Betrüger  zur 
Untersuchung  zu  ziehen,  so  müsste  allerdings  der  1873er  Krach 
ein  Jahr  früher  zum  Ausbruch  gekommen  sein,  aber  der  Fall 
wäre  weniger  tief,  die  Krankheit  unseres  wirthschaftlichen 
Lebens  weniger  allgemein  und  die  Heilung  schneller  und  leichter 
gewesen."  Wie  man  sieht,  ist  an  der  langen  schweren  Krisis 
also  eigentlich  der  Staatsanwalt  schuld.  Julian  Goldschmidt 
aber  Hess  sich  in  einem  Hessischen  Wahlkreis  als  Candidaten 
zum  Reichstag  aufstellen,  und  die  Herren  Eugen  Richter  und 
Parisius  empfahlen  ihn  mit  den  Worten:  „Goldschmidt  wird 
auch  von  angesehenen  Nationalliberalen  als  scharfsinniger  Kri- 
tiker des  Actiengesetzes  rühmend  anerkannt." 

Wir  fragen  nun:  Ist  die  Frechheit  der  Gründerpresse  nicht 
maasslos  und  verstösst  sie  nicht  geradezu  gegen  das  Strafgesetz, 
indem  sie  nicht  nur  Sitte  und  Moral  mit  Füssen  tritt,  sondern 
sich  auch  gegen  richterliche  Entscheidungen  autlehnt,  dieselben 
als  offenbares  Unrecht  hinstellt,  und  die  Verfolgung  der  Grün- 
der für  eine  krankhafte,  gemeingefährliche  Tagesströmung  er- 
klärt?? Dass  diese  feilen  Blätter  systematisch  lügen  und 
trügen,  dass  sie  wohl  wissen,  wie  sehr  die  „Verleumder"  Recht 
haben,  beweisen  manche  Aeusserungen,  die  ihnen  unvorsichtiger 
Weise  entschlüpfen.  So  schrieb  die  „Vossische  Zeitung"  unterm 
22.  Februar  1877:  „Nach  der  gestrigen  „National-Zeitung"  ist 
der  gegenwärtige  Nothstand,  der  „abermalige  Niedergang  un- 
serer wirthschaftlichen  Verhältnisse"  (wie  das  Blatt  sich  aus- 
drückt), der  Agitation  gegen  das  Compromiss  in  Sachen  der 
Justizgesetze  zuzuschreiben!  Schade,  dass  man  nicht  auch  die 
drohende  Mondfinstemiss  verantwortlich  machen  kann.  Die 
würde  den  Gründern  und  Gründergenossen  so  recht  gelegen 
kommen,  um  ihre  Sünde  und  Schande  zu  verdecken."  Sehr 
treffend  bemerkt  hierzu  die  „Germania":  „Also  auch  die 
,, Vossische  Zeitung"  weiss  von  der  Sünde  und  Schande  der 
Gründer  und  Gründergenossen  zu  erzählen!  Das  siebt  ja  aus, 
als  wenn  auch  sie  zu  der  vielbeschrieenen  „Verleumder- Con- 


—    490    —  ( 

sorteria"  übergehen  wollte!  Oder  zanken  sich  die  Spiessgesellen 
blos  heute,  um  morgen  gemeinsam  wieder  die  Hehlerei  zu  be- 
treiben?" .  

Mit  dem  Aufhören  der  Gründungen  versiegte  eine  reiche 
Einnahmequelle  der  Zeitungen,  und  sie  versuchten  nun  selber 
eine  Gründung,  die  sich  merkwürdigerweise  gegen  ihre  bis- 
herigen treuen  Verbündeten,  die  Annoncen -Bureaux  kehrte. 
Diese,  welche  der  Presse  die  Inserate  zuführen  und  das  Inse- 
riren  überhaupt  erst  in  Schwung  gebracht  haben,  erweckten 
den  Neid  der  Zeitungen,  von  denen  sie  für  jede  Annonce  25 
und  mehr  Procent  Rabatt  erhalten.  Namentlich  war  es  Rudolf 
Mosse  (Moses),  „officieller  Agent  sämmtlicher  Zeitungen  der 
Erde",  der  durch  Inscenirung  einer  fabelhaften  Reclame,  zu 
welchem  Zwecke  er  mehre  Literaten  besoldete,  und  durch  un- 
gemeine Rührigkeit  sein  Geschäft  schnell  in  Flor  brachte,  und 
daneben  noch  eine  eigene  Zeitung,  das  , »Berliner  Tageblatt" 
begründete,  das  geschickt  redigirt,  auch  eine  grosse  Verbrei- 
tung gewann  und  eine  sehr  empfindliche  Concurrenz  der  „Volks- 
zeitung" bereitete,  die  seit  1864  an  zwei  Drittel  ihrer  Abon- 
nenten verloren  hat,  und  aus  Verzweiflung  darüber  sich  aufs 
Wetterprophezeien  legte.  Franz  Duncker,  der  mit  Mosse  wegen 
einer  Differenz  von  wenigen  Thalern  in  Streit  gerieth,  brachte 
gegen  seinen  glücklichen  Concurrenten  eine  Verschwörung  zu 
Stande.  September  1875  verbanden  sich  eine  Anzahl  Berliner 
und  auswärtiger  Zeitungen  und  gründeten,  im  alleinigen  Inter- 
esse des  Publikums,  um  den  Inserenten  mit  „vollster  Unpartei- 
lichkeit" die  geeignetste  Blättern  zu  empfehlen,  das  Ceutral- 
Anuoncen  •  Bureau.  Erster  Vorstand  war  Dr.  Ferdinand 
Salomon  von  der  „Nationalzeitung"  und  B.  Brigl  von  der 
„Tribüne",  an  dessen  Stelle  später  E.  Pindter  von  der  „Nord- 
deutschen Allgemeinen"  trat.  Auch  dieser  schied  wieder  aus, 
und  der  Vorstand  wechselte  fortwährend,  da  Streitigkeiten  und 
Uneinigkeit  entstanden,  bald  dieses  bald  jenes  Blatt  sich  durch 


—    491     — 

ungenügende  Zuwendung  von  Inseraten  benachtheiligt  glaubte. 
Selbstverständlich  ist  diese  Gründung  um  nichts  hesser  als 
Mosse  oder  dessen  Collegen,  und  das  Publikum  hat  durchaus 
keine  Ursache,  bei  seinen  Aufträgen  dasCentral-Annoncen-Bureau 
zu  bevorzugen. 

Nicht  unerwähnt  dürfen  hier  bleiben  die  Telegrapheu- 
Bureaux,  welche  sich,  wie  Wolff,  Keuter,  Havas  etc.  überall  in 
den  Händen  von  Juden  befinden,  einerseits  von  den  Staats- 
regierungen abhängig  sind  und  diesen  daher  ganz  zu  Willen 
leben  müssen,  andererseits  die  Haupteinuahme  vou  der  Börse 
beziehen  und  in  erster  Reihe  ihr  zu  Dienst  stehen.  Von  dem, 
was  in  Europa  vorgeht,  ist  in  der  Regel  die  Börse  besser  und 
eher  unterrichtet  als  selbst  Diplomaten  und  Minister.  Wichtige 
telegraphische  Depeschen  erhält  die  Börse  weit  früher  als  die 
Zeitungen,  deren  Abonnements  gar  nicht  ins  Gewicht  fallen. 
Solche  Nachrichten,  wie  z.  B.  die  Meldung  von  dem  Sturz  des 
Grossvezier  Midhat,  sind  längst  von  der  Börse  ausgebeutet  — 
escomptirt,  wie  der  technische  Ausdruck  lautet  —  ehe  Presse 
und  Publikum  davon  eine  Ahnung  haben.  Und  die  Börsianer 
selber  werden  wieder  nicht  gleichmässig  bedient,  sondern  es 
findet  eine  mehrfache  Abstufung  statt.  Die  regierenden  Bank- 
häuser sind  stets  auch  zuerst  avertirt;  nach  ihnen  wird  die 
Depesche  Häusern  zweiten  und  dritten  Ranges  mitgetheilt,  und 
noch  später  erhält  sie  das  Gros  der  Speculanten.  Ebenso  haben 
die  Depeschen  der  Telegrapheu-Bureaux  auf  allen  Linien  Vor- 
sprung vor  den  Privat -Telegramms;  und  ebenso  kommt  der 
neue  Telegraphentarif  des  Deutschen  Reichs,  was  Herr  Stephan 
auch  sagen  mag,  keineswegs  dem  Publikum,  aber  ganz  ausser- 
ordentlich der  Börse  und  den  grossen  Geschäftsleuten  zu  Gute. 

Im  Mai  18G5  verkaufte  Benda  Wolü',  der  Inhaber  der 
„Nationalzeitung",  das  von  ihm  errichtete  Telegraphen-Bureau 
an  die  Continental -Telesirapheii-Compag:uie,  Commandit- 
Gesellschaft  auf  Actieu.  Das  G  ruudcapital  wurde  auf  333,383  Tlilr. 


—    492    — 

10  Sgr.  festgesetzt  und  gezeiclinet  von:  Gerson  Bleichröder 
(S.  Bleichröder),  Victor  von  Magnus  (F.  Mart.  Magnus),  Carl 
Daniel  von  Oppenfeld  (M.  Oppenheim's  Söhne),  Hermann 
Zwicker  (Gebr.  Schickler),  Theodor  Wimmel,  Richard  Weutzel, 
Justizrath  Valentin  (der  professionelle  Schlussmacher  des  Reichs- 
tags) und  Dr.  Ferd.  Salomon.  In  den  Aufsichtsrath  trat  der 
Vorbesitzer  Wolfif,  und  die  Preussische  Regierung  soll  einen 
Theil  der  Actien  übernommen  haben.  1874  wurde  die  Auf- 
lösung beschlossen,  zu  Liquidatoren  Dr.  Hermann  Rasche, 
Dr.  Immanuel  Rosenstein  und  Dr.  John  Fuchs  ernannt,  und 
eine  reine  Actiengesellschaft  errichtet,  bei  der  sich  auch  noch 
Justizrath  Riem  betheiligte.  Die  Hauptzeichner  waren  wieder 
die  vier  grossen  Bankfirmen. 

Zur  directen  Beförderung  von  Depeschen  bildeten  sich: 
Vereinigte  Deutsche  Telegraphen -Gresellscliaft.  Ge- 
gründet Mai  1871  von  Hermann  Erichsen  in  London,  Dr.  Adolf 
Lasard,  Rechtsanwalt  Ewald  Hecker,  Commerzienrath  Ernst 
Schering,  Robert  Müller,  Bergrath  Wilh.  Hauchecorne  und  Geh. 
Oberregierungsrath  Dr.  Ernst  Engel  in  Berlin.  Actiencapital 
1,100,000  Thaler.  Für  den  Aufsichtsrath,  worin  u.  A.  auch 
Abgeordneter  Dr.  Löwe-Calbe  in  Berlin  und  früherer  Abge- 
ordneter Consul  H.  H.  Meier  in  Bremen  sitzen,  entfielen  pro 
1874  und  1875  je  6000  Thaler  Tantieme. 

Hamburg-Helgolander  Telegraphen- Gesellschaft.  Ge- 
gründet Mai  1873  mit  90,000  Thaler  Actien,  von  Dr.  Adolf 
Lasard,  Oberbergrath  Hauchecorne  etc.  Vorsitzender  des  Auf- 
sichtsraths:  Rechtsanwalt  Hecker,  vor  dem  das  Statut  verlaut- 
bart  wurde. 


„Volkswirthe"  und  Gründer  im  Parlament. 

Was  der  Bericht  der  Specialuntersiidiiiiii^scommission  erzählt  —  Theorie 
und  Praxis  der  „Volkswirthe"  —  Gründer  resp.  Anfsichtsräthe  im  Preussisehen 
Herreiihaus.Prenss.  Abgeordnetenhaus  und  Deutschen  Reichstag  —  Strausberg's 
Genossen  —  Ehemalige  politische  Märtyrer—  Die  Vertreter  der  grossen  Banken 

—  Preuss.  Central-Bodencredit-A.G.  —  Ludwig  Bamherger  und  die  Deutsche  Bank 

—  S.  Bleichröder,  von  Kardorft'  und  W.  Weber  —  Disconto-Gesellschaft,  Provin- 
zial-Discouto,  Dortmunder  Union,  St.  Gotthard-Bahn,  Rumänische  Eisenbahn- 
Ges.  —  Disconto-Riug  —  Herr  Scheele  verlässt  die  Disconto-Gesellschaft  — 
Trinkgelder  —  Mein  Name  ist  Miquel,  und  ich  weiss  von  gar  nichts  —  Miciuel 
als  „Erster  Zeichner"  —  Lasker's  Thaten  und  Reden  —  Es  meldet  sich 
Adickes  —  von  Bennigseu  bringt  ein  Unschuldsattest  bei  —  Hannover-Alten- 
becken —  Beamte  als  Anfsichtsräthe  —  Herr  von  Kardorff  rechtfertigt  sich, 
und  Albert  Träger  erklärt  sich  gegen  die  „Gründerhatz"  —  „Schlepper  im 
Bauernfang"  —  Die  Preuss.  Hypctheken-Versicherungs-Gescllschaft  Ilübner 
und  Herr  Karbe  —  Parlamentarisches  Schimpfwörter- Lexikon  —  Eugenins 
Richter  und  seine  tapfere  Haushälterin  —  Miquel  und  Bamberger  auf  Reisen 

—  Gründer-Advocaten  —  Die  Gründer  als  Strafprediger  —  Ocft'eutliche  Wäsche 
der  „verleumdeten"  Gründer  —  von  Bennigseu  lässt  keine  Debatte  zu,  and 
Hammacher  rührt  2000  l'rwähler  zu  Thränen  —  W,  Schroers  aus  Duisburg 
„wagt's"  und  sagt  „Dixi!"  —  Der  Kampf  der  jüdischen  Witzblätter  gegen 
die  „Verleumder",  und  das  Triumphgeschrei  der  „Nationalzeitnng"  —  Der 

Nothstand  als  Lehrmeister. 

Schon  vor  1866  sassen  im  Preussisehen  Abgeorcl- 
netenhause  eine  stattliche  Anzahl  manchesterlicher 
„Volkswirthe",  von  denen  die  meisten  zugleich  in  der 
Presse  thätig  waren,  und  nach  dem  Kriege  mit  Oester- 
reich  erhielten  sie  starken  Zuwachs  aus  den  annectirten 
Leandern.    Schon  damals  stand  das  „System  Strous- 


—    494    — 

berg"  in  voller  Blüthe,  und  streute  über  unser  öffent- 
liches Leben  den  Samen  der  Corruption  aus.  Der 
Staatseisenbahnbau  trat  völlig  zurück,  indem  Graf 
Itzenplitz,  seit  1864  Handelsminister,  die  hauptsäch- 
lichsten und  einträglichsten  Linien  an  Privatunter- 
nehmer vergab,  die  fast  immer  die  berüchtigte  „Ge- 
neralentreprise" zur  Anwendung  brachten.  Wie  der 
Beilageband  B.  zum  Bericht  der  Specialcommission 
zur  Untersuchung  des  Eisenbahn-Concessionswesens 
ergiebt,  bewarben  sich  von  beiden  Häusern  des  Land- 
tags zahlreiche  Mitglieder  jeder  Parteirichtung,  ferner 
Staatsbeamte  aller  Grade,  dazu  Edelleute,  Grafen  und 
Fürsten,  theils  auf  eigene  Hand,  meistens  aber  in 
Verbindung  mit  Financiers  und  Speculanten,  denen 
sie  als  Deckung  dienten,  um  alle  möglichen  und  un- 
möglichen, zum  grossen  Theil  völlig  überflüssigen 
Linien.  Graf  Itzenplitz  war  mit  der  Erth eilung  von 
Concessionen  sehr  freigebig,  aber  trotzdem  musste 
er  wol  an  neun  Zehntel  der  Bewerber  zurückweisen. 
Gerade  die  fragwürdigsten  und  anrüchigsten  Bahnen, 
wie  Hannover-Altenbecken,  Berlin-Dresden,  Münster- 
Enschede,  Cuxhaven,  Crefeld  -  Kreis  Kempen  etc., 
suchten,  nach  AusM^eis  jenes  Beilagebandes,  verschie- 
dentlich weitere  Concessionen  nach,  und  erhielten 
dann  oft  zum  Bescheide:  „Die  Gesellschaft  hat  ihre 


—     495    — 

Kräfte  zunächst  auf  Vollendung    der    bereits    con- 
cessionirten  Bahnstrecken  zu  concentriren." 

Strausberg  fand  seine  Genossen  und  Gehülfen  in 
beiden  Häusern  des  Landtags,  und  ebenso  begannen 
grosse  Bankinstitute  und  andere  Actiengesellschaften 
Abgeordnete  als  Directoren  oder  als  Verwaltungs- 
räthe  anzunehmen,  um  sie  so  für  ihre  Interessen  zu 
gewinnen.  Desgleichen  wurden  umgekehrt  Directoren 
und  Verwaltungsräthe  von  Actienunternehmungen  mehr 
und  mehr  in  die  Parlamente  gewählt.  Aus  den  Kammern 
der  Einzelstaaten  drangen  sie  in  den  Reichstag,  indem 
sie  gleichzeitig  diesem  wie  jenen  angehörten,  und 
während  der  Schwindelperiode  wimmelten  im  Neuen 
Deutschen  Reich  sämmtliche  Parlamente  von  Grün- 
dern und  Gründergenossen.  Von  1870  bis  1873 
Sassen  im  Preussischen  Abgeordnetenhause  unter  zu- 
sammen 432  Mitgliedern  etwa  90  Gründer  resp.  „Erste 
Zeichner"  und  Aufsichtsräthe.  In  derselben  Periode 
Sassen  im  Deutschen  Reichstag,  der  damals  382  Mit- 
glieder zählte  —  105  Gründer  resp.  „Erste  Zeichner" 
und  Aufsichtsräthe.  Welch  ungeheuere  Beeinflussung 
zu  Gunsten  des  Handels,  des  Verkehrs  und  der  Börse, 
des  Grosscapitals  und  der  Grossindustrie!  Seit  1867 
war  die  ganze  wirthschaftliche  Gesetzgebung  den 
manchesterlichen  „Volkswirthen"  überlassen,  und  die 


—     496     — 

Männer  ihres  Herzens,  wie  Delbrück,  Michaelis  und 
Camphausen,  gelangten  zur  Regierung.  Als  Gesetz- 
geber rissen  die  Manchesterleute  alle  Schranken  nie- 
der, welche  bisher  Capital  und  Speculation  gezügelt 
hatten,  und  ihre  Werke  waren  lauter  negative  Schöpf- 
ungen, wie  die  Zug-Freiheit,  die  Gewerbefreiheit,  die 
Wucherfreiheit,  die  Actienfreiheit.  Erst  diese  man- 
chesterlichen Freiheiten  machten  den  grossen  Börsen- 
und  Gründungsschwindel  möglich,  und  der  Theorie 
folgte  die  Praxis  auf  dem  Fusse:  die  „Volkswirthe" 
innerhalb  wie  ausserhalb  der  Parlamente  bethätigten 
sich  nach  Ausbruch  des  Actiengesetzes  fast  alle  als 
Gründer  und  Gründergenossen. 

Wir  geben  eine  Liste  von  ehemaligen  und  gegen- 
wärtigen Abgeordneten,  die  zu  Actienunternehmungen 
in  irgend  einer  Beziehung  standen,  und  bemerken 
vorweg : 

1)  Personen,  welche  nur  ein-  oder  allenfalls  zwei- 
mal als  Aufsichtsrath  vorkommen,  desgleichen 
solche,  welche  nur  als  Director,  Sj-ndicus  oder 
Liquidator  genannt  wurden,  sind  ohne  weitere 
Auszeichnung  angeführt. 

2)  Gründer  resp.  „Erste  Zeichner"  aus  der  eigent- 
lichen Schwindelperiode,  desgleichen  mehrfache 
Aufsichtsräthe  sind  mit  einem  *  bezeichnet. 


—    497     — 

3)  Hervorragende  Gründer  resp.  „Erste  Zeichner", 
desgleichen  vielfache  Äufsichtsräthe  sind  mit 
einem  f  versehen. 

4)  Gründer  resp.  „Erste  Zeichner"  im  Superhitiv, 
desgleichen  Personen,  die  bei  sehr  vielen  Actien- 
unternehraungen  als  Aufsichtsrath  vorkommen, 
sind  fett  gedruckt  und  mit  ff  bezeichnet. 

Die  in  Klammern  beigefügten  Gesellschaften  geben, 
in  Erwägung  ihrer  Schicksale  und  ihres  Coursstandes, 
zugleich  einen  Anhalt  zur  Beurtheilung  der  betreffenden 
Person. 

A.  Preussisches  Herreuliaus. 

von  Arnim-Boytzenburg,  Graf,  Oberpräsident  a.  D.  Frei- 
conservativ.    (Preuss.  Central-Bodencredit-A.G.) 

zu  Bentheim-Steinfurt,  Fürst.  (Münster-Enscheder  Eisen- 
bahn.) 

*  von  Bernuth,  Justizminister  a.  D.    Nationalliberal.    (Erste 

Preiiss.  Hypotheken-A.G.  Hansemann,  Preussische  Central- 
Bodencredit-A.G.,  Disconto-Gesellschaft,  Dortmunder  Union, 
Halle- Sorau-Gubener  Eisenbahn.) 

von  Bethraaun-Hollweg  auf  Eunowo.  Nationalliberal. 
(Preussische  Central-Bodencredit-A.G.) 

Beyer,  Oberbürgermeister  in  Potsdam.  (Berlin-Potsdam-Magde- 
burger Eisenbahn.) 

*  Biron  von  Curland,  Prinz.     Conservativ.    (Breslau- War- 

schauer Eisenbahn,  Berliner  Nordeisenbahn.) 
von  Buin-Bninski,  Graf.   (Handelsgesellschaft  Bninski,  Chla- 
powski,  Plater  &  Co.) 

G  lag  au,  Der  Börsenschwindel.    II.  32 


—    498    — 

vonBocholtz auf Niesen,Graf .  (Preuss.Central-Bodencredit-A. G. ) 

*  Bredt,  Oberbürgermeister  in  Barmen.    (Bergisch- Märkische 

Industriegesellschaft  in  Barmen.) 

*  Breslau,  Oberbürgermeister  in  Erfurt.  (Mitgründer  der  Eisen- 

bahn Erfurt-Hof-P]ger,  Aufsichtsrath  der  Nordhausen-Er- 
furter Eisenbahn.) 

von  Brünken,  Oberbürgermeister  in  Halberstadt.  (Magde- 
burg-Halberstädter Eisenbahn.) 

V  0  n  B  u  r  g  h  a  u  s  s,  Graf,  Generallandschafts-Director  vonSchlesien. 
(Breslau-Schweidnitz-Freiburger  Eisenbahn.) 

zu  Carolath-Beuthen,  Karl,  Fürst.  Freiconservativ.  (Breslau- 
Schweidnitz-Freiburger  Eisenbahn.) 

von  Chlapowski,  Rittergutsbesitzer.  (Handelsgesellschaft 
Bninski,  Chlapowski,  Plater  &  Co.,  Bank  für  Landwirth- 
schaft  und  Industrie  in  Posen.) 

von  Dechend,  Präsident  der  Reichsbank.  (Lebens- Versiche- 
rungsgesellschaft Nordstern.) 

Deetz,  Oberbürgermeister  in  Frankfurt  a.  0.  (Frankfurter 
Allgemeine  Rückversicherungs-Actien-Bank.) 

t  von  Diergardt,  Freiherr,  Geh.  Commerzienrath  auf  Viersen. 
(Viersener  Spinnerei,  Ravensberger  Spinnerei,  Gladbacher 
Spinnerei,  Gladbacher  Appretur,  Gladbacher  Feuer- Ver- 
sicherung, Schaafthauseu'scher  Bankverein,  Disconto-Gesell- 
schaft,  Erste  Preuss.  Hypothekengesellschaft  Hansemann.) 

von  Flemming  auf  Baseutin,  Erblandmarschall  von  Pommern. 
(Erste  Preuss.  Hypotheken-Actien-Gesellschaft  Hansemann.) 

Gobbin,  Oberbürgermeister  in  Görlitz.  (Berlin-Potsdam-Magde- 
burger Eisenbahn.) 

*  Hasselbach,    Oberbürgermeister   in   Magdeburg.     (Magde- 

burger Feuer-Versicherungsgesellschaft,  Magdeburger  Hagel- 
versicherungs-Gesellschaft,    Berlin -Potsdam -Magdeburger 
Eisenbahn.) 
von  Hatzfeld-Trachenberg,  Fürst.   (Deutsche  Grundcredit- 
bank  in  Gotha,  Zuckerfabrik  in  Trachenberg.) 


—    499     - 

*  Hausmann,  Stadtrath  in  Brandenburg  a.  II.    Fortschritt. 

(Berlin-Potsdam-Magdeburger  Eisenbahn,  Braunschweigische 
Eisenbahn,  Brauerei  Königstadt.) 

von  Kemnitz,  Oberbürgermeister  in  Frankfurt  a.  0.  (Frank- 
furter Actienbrauerei.) 

von  Keyserling-Neustadt,  Graf.  ( Portland- Cementfabrik 
Bohlschau  bei  Danzig.) 

von  Koller,  Generallandschaftsdirector  von  Pommern.  (Ritter- 
schaftliche Privatbank  in  Pommern.) 

*  von  Kwilecki,  Graf.    (Bank  für  Landwirthschaft  und  In- 

dustrie in  Posen.) 

*  von  Lehndorff  auf  Steinort,  Graf.    Conservativ.    (Preuss. 

Hypotheken-Credit-  und  Bankanstalt  Henckel,  Preuss.  Hypo- 
theken-Actien-Bauk  Henckel,  Ostpreussische  Südbahn,  Ru- 
mänische Eisenbahn.) 

*  von  Maltzan  auf  Militsch,  Graf.   Freiconservativ.   (Preuss. 

Lebens -Versicherungs-Gesellschaft  „Friedrich  Wilhelm", 
Deutsche  Grundcreditbank  in  Gotha,  Eisenbahn  Oels-Gnesen.) 

von  Manteuffel  auf  Crossen,  Freiherr  und  Minister  a.  D. 
(Erste  Preuss.  Hypotheken-Actien-Gesellschaft  Hansemann.) 

von  derMarwitz,  Landrath  auf  Friedensdorf  im  Kreise  Lebus. 
(Frankfurter  Allgemeine  Rückversicherungs-Actienbank.) 

von  Med  in g,  Oberpräsident  a.  D.  in  Berlin.  (Preussische  Hypo- 
theken-Actienbanck  Henckel.) 

tt  Mevissen,  Geh.  Commerzienrath  in  Köln.  (Bei  fast  zahllosen 
Gesellschaften  betheiligt.) 

zu  Münster,  Georg  Herbert,  Graf,  Freiconservativ.  (Hannover 
Altenbeckener  Eisenbahn.) 

*  von  Xellessen,  Graf,  Bürgermeister  in  Aachen.  (Aachener 

Rückversicherungs-Gesellschaft,  Aachen-Münchener  Feuer- 
Versicherungsgesellschaft,   Rheinische  Eisenbahn,   Gesell- 
schaft für  Steinkohlenbau  im  Wurm-Revier.) 
von  Nesselrode-Ehreshofen,  Graf,  Obersthofmeister.  Frei- 
conservativ.   (Rheinische  Eisenbahn.) 

32* 


500 


Offenberg,  Oberbürgermeister  in  Münster.  (Münster-Enschedei 
Eisenbahn.) 

Ondereyck,  Oberbürgermeister  in  Crefeld.  (Crefeld- Kreis 
Kempener  Industriebahn.) 

von  der  Osten,  Rittergutsbesitzer  auf  Jannewitz.  (Pommer'sche 
Hypothekenbank.) 

von  Patow,  Freiherr,  Minister  a.D.  Nationalliberal.  (Preussische 
Hypotheken-Versicherungsgesellschaft  Hübner.) 

von  Ploetz  auf  Gr.  Weckow,  Geh.  Justizratha.  D.  (Preussische 
Hypotheken- ActienbankHencke],JordanhüttePreussner&Co.' 

t  zu  Putbus,  Fürst.  (Berliner  Nordeisenbahn,  Flora  in  tliar- 
lottenburg,  Halle-Sorau-Gubener  Eisenbahn,  Preuss.  Hagel- 
Versicheruugs-Ges.,  Preuss.  Feuer -Versicherungs- Ges., 
Preuss.  Hypotheken-Credit-  und  BaukanstaltHenckel,  Preuss. 
Hypotheken-Actien-Bauk  Henckel.) 

zu  Putlitz,  Edler  Herr,  Erbmarschall  der  Kurmark  Branden- 
burg.   („Passage''  in  Berlin.) 

von  Rabe,  Wirkl.  Geheimer  Rath  in  Berlin.  (Erste  Preuss. 
Hypotheken-A.G.  Hansemann.) 

*  Rasch,    Stadtdirector   in   Hannover.     (Hannoversche   Bank, 

Hannoversche  Eisengiesserei,  Hannoversche  Maschinenbau- 
anstalt Egestorflf.) 

vom  Rath,  Rittergutsbesitzer  zu  Lauersfort  bei  Crefeld.  Li- 
beral.   (Crefeld-Kreis  Kempener  Eisenbahn.) 

t  von  Ratibor,  Herzog.  Freiconservativ.  (Hannover-Alten- 
beckener  Eisenbahn,  Wilhelmsbahn,  „Friedrich  Wilhelm" 
Preuss.  Lebens-Versicherungs-Gesellsch.,  Bad  Königsdorff- 
Jastrzemb,  Unionsgestüt  Hoppegarten,  Seebad  Heiligen- 
damm, Allgemeine  Eisenbahnbaugesellschaft,  Rechte  Oder- 
uferbahn, Rumänische  Eisenbahn.) 

*  Richtsteig,  Oberbürgermeister  in  Görlitz.   (Berlin-Görlitzer 

Eisenbahn,  Halle-Sorau-Gubener  Eisenbahn.) 
von  Rittberg,  Graf,  Appellationsgerichts-Chef-Präsident  in 
Glogau.    Conservativ.    (Niederschlesische  Zweigbahn.) 


501 


TT  von  Rothschild,  Carl,  Baron  in  Frankfurt  a.  M.   (Bei  fast 

unzähligen  Gesellscliaftcn  betheiligt.) 
von  Schlichen  auf  Sanditten,  Graf.     (Insterburger  Actien- 

Spinnerci.) 
von  der  Seh ulenburg-H essler,  Graf.   (Unstrut-Eisenhahn.) 
von  S chutz  bar,  genannt Milchling  in Cassel.  (Hessische Bank.) 

*  von  Simpson  auf  Georgenburg,  Rittergutsbesitzer.    Conser- 

vativ.  (Ostpreussische  Südbahn,  Tilsit-Insterburger  Bahn, 
Treussische  Central-Bodencredit-A.G.,  Insterburger  Actien- 
Siiinnerci.) 

*  zu  Solnis-Baruth,  Graf.    Conservativ.    (Preussische  Hypo- 

theken-Credit-  und  Bankanstalt  Henckel,  Preussische  Hypo- 

theken-Actienbank  Henckel,  Berlin-Görlitzer  Eisenbahn.) 
zu  Stolberg-Wernigerode,  Eberhard,  Graf.     Conservativ. 

(Preuss.  Hypotheken-Credit-  und  Bankanstalt  Henckel,  Halle- 

Sorau-Gubener  Eisenbahn.) 
zu  Stolberg-Wernigerode,  Otto,  regierender  Graf.     P'rei- 

conservativ.    (Eisenbahn  Oels-Gnesen.) 

*  von  Voss,  Oberbürgermeister  in  Halle.    (Halle'scher  Bank- 

verein, Sächsisch- Thüringische  A.G.  für  Braunkohlen-Yer- 
wer  thung,  Magdeburg-Halberstädter  Eisenbahn,  Xaumburger 
Braunkohlen-Ges.). 

von  Wedell  auf  Cremzow,  Landrath  a.  D.  (Preussische  Lebens- 
Versicherungsgesellschaft  „Friedrich  Wilhelm".) 

Weigel,  Obergerichts -Anwalt  in  Cassel.  Nationalliberal. 
(Hessische  Kordbahn.) 

tt  Wilckens,  Geh.  Oberfinanzrath  a.  D.  in  Berlin.  (Berlin- 
Potsdam-Magdeburger  Eisenbahn,  Berlin-Görlitzer  Eisen- 
bahn, Discontogesellschaft,  Provinzial-Discontogesellscbaft, 
Berliner  Brodfabrik,  Erste  Preuss.  Hypotheken-Ges,  Hanse- 
mann, Preuss.  Central-Bodencredit-A.G.  etc.) 

Winter,  Oberbürgermeister  inDauzig.  Kationalliberal.  (Eisen- 
bahn Marienburg-Mlawa.) 

t  von  Ujest,  Herzog.    Freiconservativ.    (Preuss.  Feuer-Ver- 


—     502     — 

Sicherungs-Gesellschaft,  Preuss.  Hagel- Versicherungsgesell- 
schaft, Preuss.  Hypotheken- Actien-Bank  Henckel,  Rechte 
Oder-Uferbahn,  Halle-Sorau-Gubener  Eisenbahn,  Rumänische 
Eisenbahn.) 
zu  Ysenburg-Waechtersbach,  Fürst.  (Oberhessische Eisen- 
bahn.) 

B.  Preussisclies  Abgeordnetenhaus  und 
Deutscher  Reichstag. 

(Die  Beichstagsmitglieder,  welche  zugleich  im  Preussischon  Herrenhaus 
sitzen,  sind  hier  nicht  wieder  aufgeführt.) 

Ackermann,  Hofrathin  Dresden.  Freiconservativ.  (Chemnitz- 
Komotauer  Eisenbahn,  Sächsische  Bank.) 

*  Adickes,  E.  F.,  Gutsbesitzer  in  Hannover.   Nationalliberal. 

(Hannover -Altenbeckener  und  Löhne -Vienenburger  Eisen- 
bahn, Fischereigesellschaft  Weser.) 

Ahlmann,  Dr.  in  Kiel.  Fortschritt.  (Preussische  Boden- 
credit-Actien-Bank  Jachmann.) 

t  Ambronn,  Geh.  Oberfinauzrath  in  Berlin.  Nationalliberal. 
(Gründer  resp.  Aufsichtsrath  bei  verschiedenen  Strausberg- 
scheu  Unternehmungen,  wie  Halle-Sorau-Gubener  Eisen- 
bahn, Märkisch-Posener  Eisenbahn,  Rumänische  Eisenbahn.) 

von  und  zu  Arco-Valley,  Graf  in  München.  Conservativ. 
(Süddeutsche  Boden-Credit-Bank,  Neumarkt-Ried-Braunauer 
Bahn.) 

*  Bail,  Robert,  Stadtrath  in  Glogau.   Nationalliberal.   (Director 

der  Niederschlesischen  Zweigbahn,  Mitgründer  der  Eisen- 
giesserei  Wilhelmshütte  bei  Sprottau.) 

*  Bamberger,  Ludwig,  Dr.  in  Berlin.   Nationalliberal.   (Mit- 

gründer der  Deutschen  Bank,  Aufsichtsrath  der  Stoiberger 
Blei-  und  Zinkhütten.) 
Barth,  Marquard,  Dr.,  Rechtsanwalt  in  Kaufbcuren.    National- 
liberal.   (Mechanische  Spinnerei  in  Kaufbeuren.) 


—    503    — 

YonBassewitz,  Graf.  Conservativ.  (Mecklenburgischer  Boden- 
Credit.) 

*  von  Bennigsen,  Landesdirector  in  Hannover.     National- 

liberal. (Gründer  der  Hannover- Altenbeckener  und  der 
Löhne-Vienenburger  Eisenbahn.) 

*  Benzin 0,  Joseph  in  Landstuhl  (Pfalz).    Fortschritt.    (Mit- 

gründer des  Pfälzer  Bankvereins  in  Mannheim.) 

*  Berger,  Louis  in  Witten.    Fortschritt.    (Director  der  alten 

Steinhauser  Hütte,  Mitgründer  der  Gussstahl-  und  Waffen- 
fabrik in  Witten.) 

von  Berswordt-Wallrabe,  Rittergutsbesitzer  auf  Haus 
Weitmar.  Fortschritt.  (Bergbaugesellschaft  „Vollmond" 
in  Bochum.) 

Bertog,  Gustav,  Kaufmann  in  Halberstadt.  Nationalliberal. 
(Halberstädter  Gasgesellschaft.) 

von  Bethusy-Huc,  Graf.  Freiconservativ.  (Posen -Kreuz- 
burger Eisenbahn.) 

*  Birnbaum,   Professor  in  Leipzig.     NationaUiberal.     (Mit- 

gründer der  Vereinigten  Bischweiler  Tuchfabriken  und  des 
Sdiönheimer'schen  Bankverein.) 

*  Bischoff,  Th.,  Commerzieurath  in  Danzig.   Nationalliberal. 

(Danziger  Privatbank,  Chemische  Fabrik  zu  Danzig,  Inter- 
nationale Handelsgesellschaft.) 
von  Blumenthal-Suckow,  Graf.   Conservativ.  (Pommersche 
Hypotheken-Actien-Bänk.) 

*  Blunt sc hli,  Professor  in  Heidelberg.    NationaUiberal.  (Rhei- 

nische Creditbank  in  Mannheim,  Rheinische  Hypothekenbank.) 
von    Bockum-Dolffs,    Oberregieruugsrath    a.    D.     Liberal. 

(Preussische  Hypotheken-Versicherungsgesellschaft  Hübner 

und  Preussische  Lebens- Versicherungsgesellschaft.) 
Bode,  Handelsgerichtsdirector  in  Braunschweig.  Nationalliberal. 

(Braunschweigische  Ballgesellschaft.) 
tt  von  Benin,  Gustav,  Minister  a.  D.    Liberal.   (Gründer  und 

Präsident  der  Preussischeu  Boden-Credit-Actien-Bank  Jach- 


—     504    — 

mann -Schweder,  Gründer  der  Preussischen  Creditanstalt 
und  des  Lindenbauverein.) 
tt  Braun  (-Wiesbaden),  Justizrath  in  Berlin.  Nationalliberal. 
(Gründer  der  Wöhlert'schen  Maschinenfabrik,  der  Con- 
tinental-Wasserwerks-A.G.-Neptun,  der  Cuxliavener  Eisen- 
bahn, der  Deutschen  Buchhändler-Bank,  der  Preussischen 
Central-Bodencredit-A.G.,  Aufsichtsrath  der  Deutschen 
Union-Bank.) 

*  Braun,  Commerzienrath  in  Hersfeld.  Nationalliberal.  (Hessische 

Bank  etc.). 

*  Brons,   Consul  in  Emden.    Nationalliberal.    (Hannoversche 

Westbahn,Assecuranz-Compagnie,  Emdener  Heringsfischerei.) 
Buergers,  Api)ellationsgerichtsrath  in  Köln.    Liberal.   (Rhei- 
nische Eisenbahn-Ges.). 

*  Buhl,  Dr.  und  Gutsbesitzer  in  Deidesheim.    Nationalliberal. 

(Düngerfabrik  Kaiserslautern,  Kammgarnspinnerei  Kaisers- 
lautern, Rheinische  Creditbank,  Deutsche  Genossenschafts- 
bank in  Berlin,  Rheinische  Hypothekeu-Actien-Bank.) 

*  von  Bunsen,   Georg,  Dr.  phil.  in  Berlin.    Nationalliberal. 

(Gründer  der  Norddeutschen  Gruudcreditbank,  der  Central- 
bank  für  Genossenschaften,  der  Emdener  Heringsfischerei.) 
von  Carlowitz,  Staatsminister  a.D.  (Preussische Hypotheken- 
Versicherungsgesellschaft  Hübner,  Preussische  Lebens-Ver- 
sicherungsgesellschaft.) 

*  von  Ca  mall,  Berghauptmann  in  Breslau.    (Oberschlesische 

Eisenbahn,  Mitgründer  der  Königs-  und  Laurahütte.) 

*  Chevalier,  Commerzienrath  in  Stuttgart.     Nationalliberal. 

(Würtembergische  Notenbank,  Würtembergische  Vereins- 
bank, Kammgarnspinnerei  Bietigheim.) 

Cornely,  Notar  in  Aachen.  Fortschritt,  (Gladbacher  Feuer- 
Vers.-Gesellschaft.) 

Czartoryski,  Roman,  Prinz  in  Posen.  Pole.  (Handelsgesell- 
schaft Bninski,  Bank  für  Landwirthschaft  und  Industrie 
zu  Posen.) 


—     505     — 

Dennig,  August,  in  Pforzheim.  Nationalliberal.  (Versicherungs- 
Ges.  „Deutsclior  Phönix"  in  Frankfurt  a.  M.) 

Devens,  Polizeipräsident  in  Köln.  Frciconservativ.  (Rheinisch- 
Pomniersche  Ackerbau-A.G.) 

*  Diffene,  Kaufmann  in  Mannheim.    Nationallibcral.   (Mann- 

heimer Dami)fschleppschifffahrts-Gesellschaft,  Deutsche  See- 
handlung, Badische  Bank.) 
t  Doertenbach,  Banquier  in  Stuttgart.   (Maschinenfabrik Ess- 
lingen, Baumwollenspinnerei  Esslingen,  Frankfurter  Hypo- 
thekenbank, Pfälzcr  Bankverein  etc.) 

*  Dohrn,  Dr.  in  Stettin.    Nationalliberal.    (Gründer  des  Bal- 

tischen Lloyd  in  Stettin.) 

*  Doms,  Commerzienrath  in  Ratibor.   Frciconservativ.   (Ober- 

schlesischer  Creditverein  zu  Ratibor,  Oberschlesische  Credit- 
und  Gewerbebank.) 

von  Donimirski,  Dr.  juris  in  Thorn.  Pole.  (Director  der 
Creditbank  von  Donimirski,  Kalkstein,  Lyskowski  &  Co.) 

von  Dziembowski,  Rittergutsbesitzer  im  Posen'schen.  Pole. 
(Bank  für  Landwirthschaft  und  Industrie  in  Posen.) 

tt  von  Eckardstein-Prötzel,  Ernst,  Freiherr.  Frciconservativ. 
(Discontogesellschaft,  Pro  vinzial-Discontogesellschaft,  Preuss, 
Hypotheken-V  ersicherungs-Actiengesellschaft  Hübner,  Preuss. 
Feuer-Versicherungsgesellschaft,  Erste  Preuss.  Hypotbekcn- 
Actiengesellschaft Hansemann,  Preuss.  Central-Boden-Credit- 
A.G.,  Berliu-Neuendorfer  Actien-Spinnerei,  Berliner  Patent- 
Papier,  A.G.  für  Holzarbeit,  Halle-Sorau-Gubener  Eisen- 
bahn, Berliner  Cementbau,  Harzer  Union  etc.) 

*  Eckhard,  Anwalt  in  Mannheim.  Nationalliberal.  (Rheinische 

Creditbank,  Spinnerei  Oti'enburg,  Rhein.  Hypothekenbank.) 
'Eisner  von  Gronow,  Landes- Aeltester  auf  Kalinowitz. 
Frciconservativ.  (Schlesische  Centralbank  für  Landwirth- 
schaft und  Handel,  Schlesische  Boden-Credit-Acticn-Bank, 
Breslauer  Möbel-Parquet.) 
tt  Engel,  Geh.  Oberregierungsrath  in  Berlin.   Nationalliberal. 


—    506    — 

(Gründer  der  Maschinenfabrik  Freund,  derDannenbergerschea 
CattunfabrJk,  der  Berliner  Messingwerke  Borchert  jun., 
der  Vereinigten  Deutschen  Telegraphengesellschaft,  der 
Preuss.  Boden- Credit- Actienbank  Jachmann,  der  Conti- 
nental-Wasserwerke  Neptun.) 

Engelcken,  Polizeipräsident  io  Potsdam,  Conservativ.  (Preuss. 
Hypotheken-Credit-  und  Bankanstalt  Henckel.) 

Fall  er,  Fabrikbesitzer  in  Leuzkirch  (Baden).  Nationalliberal. 
(Kreis-Hypothekenbank  Lörrach.) 

*  Faucher,  Julius,  Dr.  phil.  in  Berlin.   Nationalliberal.  (Ber- 

liner Wechslerbank,  Cuxhavener  Eisenbahn,  Deutsche  Buch- 
händler-Bank.) 

Fauler,  Oberbürgermeister  in  Freiburg  i.  Br.  Nationalliberal. 
(Rheinische  Creditbank  in  Mannheim.) 

tt  Feustel,  Friedrich,  Banquier  in  Baireuth,  Nationalliberal. 
(Bei  sehr  vielen  Gesellschaften  betheiligt.) 

Flinsch,  Kaufmann  in  Frankfurt  a.  M.  Fortschritt.  (Frank- 
furter Hypotheken-Credit- Verein.) 

Frech,  Ober-Tribunalsrath  in  Berlin.  Liberal.  (Berlin-Gör- 
litzer Eisenbahn.) 

van  Freeden,  Director  in  Hamburg.  Nationalliberal.  (Em- 
dener Heringsfischerei.) 

Freund,  Rechtsanwalt  in  Breslau.  Fortschritt.  (Verein  Che- 
mischer Fabriken  Silesia.) 

Friedenthal,  Dr.,  Landrath  a.  D.  auf  Giessmannsdorf.  Frei- 
conservativ.    (Oberschlesische  Eisenbahn.) 

*  Frühauf,  Professor  in  Berlin.   Nationalliberal.   (Mitgründer 

der  „Renaissance",  Fabrik  für  geschnitzte  Möbel.) 
F  übel,  Stadtrathin  Halle.  Nationalliberal.  (Werschen-Weissen- 
felser  Braunkohlen-A.G.,  Halle'sche  Zuckersiederei.)      ♦ 

*  Fühling,  Dr.,   Schriftsteiler  in  Berlin.     Fortschritt.    (Mit- 

gründer und  Director  der  Nordd.  Grundcreditbank  in  Berlin.) 
Goecke,   Feodor,  Dr.  in  Duisburg.    Nationalliberal.    (Rhein- 
Ruhr-Canal-A.G.,  Westphälische  Union.) 


—    507     — 

*  G Olsen,  Gutsbesitzer  in  Zell.  Nationalliberal.  (Pfälzer  Baolt- 

verein,  Pfälzische  Ludwigsbabn.) 

von  Gräve,  Alex.,  Rittergutsbesitzer  auf  Borck.  Pole.  (Han- 
delsgesellschaft von  Bninski.) 

Grbthe,  Hermann,  Dr.  phil.,  Ingenieur  und  „Generaldirector" 
in  Berlin.  Nationalliberal.  (Liquidator  der  Maschinen- 
fabrik „Berliner  Union".) 

*  Grundmann,  Geh.  Commissionsrath  in  Kattowitz.    Liberal 

(Rechte  Oderufer-Bahu,  Oppelner  Portland-Cement,  Eisen- 
walzwerk „Yorwärtshütte'".) 
Günther,  Rittergutsbesitzer   auf  Märzdorf.     Freicouservativ. 
(Preussische  Boden-Credit-Actien-Bank  Jachmann.) 

*  Haarmann,  Carl,  Anwalt  in  Celle.  Nationalliberal.  (Gründer 

der  Ilseder  Hütte,  des  Bautorfer  Bergwerks,  der  A.G.  Lenne- 
Anks,  des  "Walzwerks  Peine.) 

It  Hagen,  Adolf,  Stadtrath  in  Berlin.  Fortschritt.  (Director 
der  Deutschen  Union-Bank,  Gründer  resp.  Aufsichtsrath 
der  Deutschen  Eisenbahnbaugesellschaft,  der  Rheinischen 
Baugesellschaft  in  Köln,  der  Stettiner  Vereinsbank,  der 
Deutschen  Hj-pothekenbaiik  in  Berlin,  der  Mecklenburgischen 
Boden-Credit-A.G.,  der  Schlesischen  Leineniudustrie  Kramsta, 
der  Modenzeitung  „Bazar"  etc.) 

vonHagke,  Freiherr,  Landrath  in  Weissensee.  Freiconservativ. 
(Nordhausen-Erfurter  Eisenbahn.) 

tt  Hammaclier,  Dr.  in  Berlin.  Nationalliberal.  (Arenberg'scher 
Bergbau,  Bergbau  Pluto,  Bergbau  Neu-Essen,  Westdeutsche 
Versicherungsgesellschaft,  Essener  gemeinnützige  Actien- 
gesellschaft, Steinhauser  Hütte,  DeutscheUnioubank, Deutsche 
Eisenbahnbaugesellschaft,  ^Yitteuer  Gussstahl,  Magdeburger 
Bergwerk,  Märkische  Portland-Cementfabrik,  Louisenthaler 
Druckerei,  Weberei  und  Spinnerei,  Friedrichshütte  bei 
Minden,  früher  Porta  Westphalica,  Berg-  und  Hüttenwerk 
„Perm",  Magdeburg-Leipziger  Eisenbahn,  Bergwerk  Tre- 
monia,  Fabrik  Yygen  &  Co  etc.). 


—     508    — 

*  Handjery,  Prinz,  Laudrath  in  Berlin.     Conservativ.    (Mit- 

grüiider  der  Berlin-Dresdener  Eisenbahn.) 

tt  Hardt,  Kaufmann  in  Berlin.  Nationalliberal.  (Disconto- 
Gesellschaft,  Provinzial-Disconto-Ges.,  Deutsche  Bank,  Erste 
Preuss.  Hypotheken-A.G.  Hansemanu,  Preussische  Central- 
Bodencredit-A.G. ,  Deutsche  Feuer- Versicherungs-A.G., 
Woll-lmport-Ges.,  Deutsch-Belgische  La  Platabank,  New- 
Yorker  „Germania",  Märkiscli-Posener  Eisenbahn,  Phönix 
in  Laar,  Stettiner  Vereinsbank,  Dortmund-Gronau-Enscheder 
Eisenbahn,  Halle-Sorau-Gubener  Eisenbahn  etc.) 

Harkort,  Friedrich,  Grubenbesitzer  in  Wetter.  Fortschritt. 
(Mitvorbesitzer  der  Harkortschen  Bergwerke  und  chemischen 
Fabriken.) 

Harnier,  Dr.  juris  in  Cassel.  Nationalliberal.  (Hessische 
Nordbahn.) 

Hausburg,  Oekonomierath  in  Berlin.  Liberal.  (Norddeutsche 
Grundcreditbank  in  Berlin.) 

t  Heise,  Geh.  Oberregierungsrath  a.  D.  in  Berlin.  Conservativ. 
(Rechte  Oderufer-Bahn,  Berlin-Dresdener  Bahn,  Breslauer 
Wagenfabrik  Linke,  Provinzial- Wechslerbank  in  Breslau.) 

t  Henckel  von  Donnersmarck,  Guido,  Graf  auf  Schloss 
Neudeck.  Nationalliberal.  (Schlesischer  Bankverein,  Schle- 
sische  A.G.  für  Bergbau  und  Zinkhüttenbetrieb,  Berliner 
Bankverein,  Lothringer  Eisenwerke,  Donnersmarckhütte.) 

*  Henckel  von  Donnersmarck,  Hugo,  Graf.  Klerikal.  (Mit- 

grüüder  der  Königs-  und  Laurahütte.) 

*  Heyl,    Cornelius   Wilh.   iu   Worms.     Nationalliberal.    (Mit- 

gründer des  Pfälzer  Bankvereins  iu  Mannheim.) 
Hinschius,   Professor   in   Berlin.     Natioualliberal.     (Berlin- 
Hamburger  Eisenbahn.) 
Hoffmann,   Bergrath   in   Eisfeld,     Nationalliberal.     (Werra- 

Eisenbahn.) 
t  zu  Hohenlohe-Ingelfingen,  Karl,  Prinz,  Landrath  a.  D. 
Freiconservativ.     (Deutsche    Grundcreditbank    in    Gotha, 


—     509     — 

Schlesischer  Bankverein,  Hüttengesellschaft  Minerva,  Lebens- 
Vcrsiclierungsgesellschaft  „Friedrich  Wilhelm"  in  Berlin, 
Seebad  Ileiligendamm.) 

H  0 1 1  z ,  Landscbaftsrath  in  Alt-Marrin.  Conser vati v.  (Pommer'sche 
Hypothekenbank  in  Cöslin.) 

Hopf,  Dr.  juris,  Kecbtsanwalt  in  Gotha.  Nationalliberal.  (Se- 
cretair  der  Feuer-Versicherungsbank  für  Deutschland.) 

von  Huelsen,  Generaldirector  iu  Merseburg.  Conservativ. 
(Gewerbebank  H.  Schuster  &  Co.). 

Hugenberg,  Scliatzrath  in  Hannover.  Nationalliberal,  (Hauno- 
ver-Altenbeckener  Eisenbahn.) 

Hurtzig,  Assessor  a.  D.  in  Hannover.  Nationalliberal.  (Di- 
rector  der  Hannoverschen  Boden- Creditbauk.) 

t  Jacobs,  Geh.  Admiralitätsrath  in  Berlin.  Nationalliberal. 
(Gründer  der  Färberei  Ullrich,  der  A.G.  für  Centralheizung, 
des  Oberschlesischen  Eisenwalzwerks,  Aufsichtsrath  der 
Renaissance  und  des  Berliner  Holzcomptoir.) 

Jordan,  Gutsbesitzer  in  Deidesheim.  Nationalliberal.  (Ver- 
einigte Pfälzische  Eisenbahnen,  Märkische  Portland- Cement- 
Fabrik.) 

t  Jungermann,  ßegierungsratb  a.  D.  in  Berlin.  National- 
liberal. (Mitgründer  und  Aufsichtsrath  bei  zahlreichen 
Quistorp'schen  Gesellschaften.) 

Kaeswurm,  Gutsbesitzer  in  Puspern.  Fortschritt.  (Gumbinner 
Actienbrauerei.) 

tfKapp,  Friedrich,  Dr. phil.in Berlin.  Nationalliberal.  (Deutsche 
Bank,  Berliner  Bankverein,  Berliner  Hotelgesellschaft, 
Preussische  Bernsteiu-A.G.,  Internationale  Eisenbahnbau- 
gesellschaft in  Frankfurt  a.  M.,  Posen-Krcuzburger  Eiseu- 
bahn,  Boden-  und  Communal-Credit  in  Elsass-Lothringcn, 
New-Yorker  „Germania",  Lebens- VersichorungsgescUschaft.) 

Karbe,  Rittergutsbesitzer  auf  Adamsdorf.  (Preussische  Hypo- 
theken-Versicherungsgesellschaft Hühner. ) 

t  von  Kardorff,  Rittergutsbesitzer  auf  WabiJtz.   Freiconser- 


—    510    — 

vativ,  (Erste  Preussische  Hypotheken -A.G.  Hansemann, 
Preussische  Central-Bodencredit-A.G.,  Königs-  und  Laura- 
hütte, Deutsche  Reichs-  und  Continental-Eisenbahnbau-Ges., 
Posen-Kreuzburger  Eisenbahn.) 
Katz,  Fabrikbesitzer  in  Gernsbach.  Conservativ.  (Murgthal- 
Eisenbahn.) 

*  Keller,    Oberbürgermeister   in   Duisburg.     Nationalliberal. 

(Harkort's  Brückenbau,  Provinzial-Disconto- Gesellschaft 
Duisburg,  Deutsch -Holländischer  Bergbau  in  Duisburg, 
Bergisch-Märkische  Eisenbahn.) 

*  von  Kessler,  Emilin  Esslingen.  Nationalliberal.  (Maschinen- 

fabrik Esslingen,  Baumwollenspinnerei  Esslingen,  Bruder- 
haus in  Reutlingen,  Stuttgarter  Bank.) 

*  Kiepert,  Rittergutsbesitzer  auf  Marienfelde.  Nationalliberal. 

(Gründer  der LandwirthschaftlichenMaschinenfabrikEckert.) 
tKieschke,  Geh.  Oberregierungsrath  a.  D.  in  Berlin.  National- 
liberal.    (Deutsche   Baugesellschaft,   Kaiserhof,    Berliner 
Bankverein,  Sächsische  Eisenbahnbaugesellschaft.) 

*  von  dem  Knesebeck,  Freiherr,  Landrath  a.  D.  auf  Jühns- 

dorf.  Conservativ.  (Gründer  der  Land-  und  Baugesell- 
schaft Lichterfelde,  der  Landwirthschaftlichen  Maschinen- 
fabrik Eckert,  der  Berlin-Dresdener  Eisenbahn.) 

t  Koch,  Ferd.,  Hüttendirector  auf  Delligseu.  Nationalliberal. 
(Ilseder  Hütte,  Eisenwerk  Karlshütte,  Braunschweiger 
Walzweik,  Deutsche  Spiegelglas-Gesellschaft.) 

Königsdor ff,  Felix,  Graf.  Freiconservativ.  (Bad  Königsdorff- 
Jastrzemb.) 

Kolb,  Georg  Friedrich,  Volkswirth  in  Speyer,  Liberal.  (Baierische 
Vereinsbank,  Vereinigte  Pfälzische  Eisenbahnen.) 

Kolbe,  Kreisgerichtsrath  a.  D.  bei  Stettin.  NationaUiberal. 
(Ritterschaftliche  Privatbank  in  Stettin,  Stettiner  Walzmühle.) 

Koppe,  Oberamtmann  in  Wollup.  Nationalliberal.  (Rheinisch- 
Pommersche  Ackerbau-A.G.) 

*vonKulmiz,  Geh.  Commerzienrath  in  Ida-  und  Marienhiitte. . 


—     511     — 

Freiconservativ.  (Chemische  Düngerfabrik  in  Breslau,  Che- 
mische Fabrik  „Silesia",  Eisenwalzwerk  „Vorwärtshütte".) 

Kuntzen,  Finanzrath  a.  D.  in  Braimschweig.  Kationalliberal, 
(Zucker-Raffinerie  in  Braunschweig.) 

Lamey,  August,  Staatsrath  in  Mannheim.  Nationalliberal. 
(Süddeutsche  Boden- Creditbank  in  München.) 

Lammers,  Redacteur  in  Bremen.  Nationallibcral.  (Erste 
Deutsche  Nordsee-Fischerei-Gesellschaft.) 

*  Laporte,  Obergerichtsanwalt  in  Hannover.    Kationalliberal. 

(Egestorffs  Salzwerke,  Braunschweig- Hannoversche  Hypo- 
thekenbank.) 

Lasker,  Eduard,  Kechtsanwalt  in  Berlin,  Katioualliberal.  (Nach 
seiner  eigenen  Angabe  in  Hirth's  Parlamcnts-Almanach,  9., 
10.  und  11.  Ausgabe,  „Syndicus  der  Deutschen  Boden-Credit- 
bank"  (?)  und  des  Berliner  Pfandbriefamts.) 

Lautz,  Banquier  in  Trier.  (Neue  Mosel-Darapfschitffahrts-Ges. 
in  Trier.) 

Leut,  Rechtsanwalt  in  Breslau.  Nationalliberal.  (Breslau- 
Schweidnitz-Freiburger  Eisenbahn.) 

*  Lcntz,  Consul  in  Geestemünde.    Nationalliberal.   (Fischerei- 

Gesellschaft  Weser,  Hannover-Altenbeckener  Eisenbahn.) 

*  Lienau,  C.  D.,  Kaufmann  in  Lübeck.  Nationalliberal.  (Grün- 

der der  Lübecker  Bank.) 
Lipke,  Rechtsanwalt  a.  D.  in  Berlin.   Nationalliberal.   (Liqui- 
dator der  Genfer  Credit-Bank.) 

*  Löwe-Calbe,  Dr.  med.  in  Berlin.    Fortschritt.     (Vereins- 

zeche Vaterland,  Berliner  Bergbau,  Bochumer  Gussstahl, 
Vereinigte  Deutsche  Telegraphen -Gesellschaft,  Deutsche 
Lebens-Versicherungsbank.) 

Lucius,  Dr.,  Rittergutsbesitzer  in  Klein  Ballhausen.  Frei- 
conservativ. (Versicherungsgesellschaft  Thuringia,  Berlin- 
Hamburger  Eisenbahn.) 

tLueders,  Stadtrath  in  Görlitz.  Nationalliberal.  (Görlitzer 
Eisenbahn-Material,  Gürlitzer  Acticnbrauerci,  Görlitzer  Au- 


512 


zeiger,  A.G.    für   Braunkohlen -Verwerthung  ,, Glückauf", 
Märkisch -Posener   Eisenbahn,    Maschinenbau    Körner    in 
Görlitz  etc.) 
von  Lyskowski,  Eittergutsbesitzer.   Po'le.   (Creditbank  Doni- 
mirski  in  Thorn.) 

*  Meier,  H.H.,  Kaufmann  in  Bremen.  Nationalliberal.  (Bremer 

Bank,  Norddeutscher  Lloyd,  Deutsche  Bank,  Vereinigte 
Telegraphen-Gesellschaft.) 

Meyer,  Alexander,  Dr.,  Redacteur  der  „Schlesischeu  Presse" 
in  Breslau.    Nationalliberal.    (,, Flora"  in  Charlottenburg.) 

Meyer,  Richard  Heinrich,  Rittergutsbesitzer  auf  Okel,  National- 
liberal.   (Westphälische  Bank  in  Bielefeld.) 

*  Minckwitz,  Rechtsanwalt  in  Dresden.  Fortschritt.  (Baugesell- 

schaft Germania  in  Dresden,  Sächsische  Farbenfabrik  in 
Cunsdorf,  Bierbrauerei  zum  Bergadler  in  Radeberg.) 

tt  Miquel,  Oberbürgermeister  in  Osnabrück.  Nationalliberal. 
(Director  der  Discontogesellschaft,  Gründer  der  Provinzial- 
Discontogesellschaft,  der  Rumänischen  Eisenbahngesellschaft, 
der  Dortmunder  Union,  der  Preussischen  Central -Boden- 
credit-A.G.,  Aufsichtsrath  der  St.  Gotthard-Eisenbahn,  der 
Braunschweigischen  Eisenbahn,  der  Heinrichshütte,  des 
Bochumer  Bergwerks  etc.) 

Morstadt,  Rentner  in  Karlsruhe.  Nationalliberal.  (Badische 
Bank.) 

t  Mosle,  A.  G.,  Kaufmann  in  Bremen.  Nationalliberal.  (Erste 
Deutsche  Nordsee -Fischerei -Gesellschaft,  Deutsche  Bank, 
Schiffbaugesellschaft  „Weser",  EgestorfPs  Salzwerke  etc.). 

von  Moszczenski,  Rittergutsbesitzer  auf  Wiatrowo.  Pole. 
(Handelsgesellschaft  Bninski  in  Posen.) 

tt  Müller,  Gustav  (G.  Müller  &  Co.),  Banquier  in  Berlin. 
Nationalliberal.  (Bei  fast  unzähligen  Gesellschaften  betheiligt.) 

*  Müller,    Gustav,   Kaufmann   in  Stuttgart.     Nationalliberal. 

(Würtembergische  Vereinsbank,  Würtemberger  Notenbank, 
Allgemeine  Baugesellschaft  in  Stuttgart.) 


—     513    — 

Neubourg,  Landschaftsiath  in  Stade.  Nationalliberal.  (Haniio- 
ver-Altenbeckener  Eiseubabn.) 

North,  Jean,  Dr.  juris  in  Strassburg.  Elsässische  Partei,  (Di- 
rector  der  A.Gr.  für  Boden-  und  Communalcredit  in  Elsass- 
Lothringen.) 

Oesterreich,  Landsyndicus  in  ßraunscbweig.  Nationalliberal. 
(Zucker-Raffinerie  zu  Braunscbweig,  BraunscbweigischeBau- 
gesellscbaft ) 

t  Overweg,  Carl,  Rittergutsbesitzer  auf  Letmatbe.  National- 
liberal. (Hoerder  Bergwerk,  Scbaaffbausen'scher  Bank- 
verein, Massener  Kohlenbergbau,  Bergisch-Märkische  Eisen- 
bahn, Deutsche  Bank,  Märkisch- Westphälischer  Bergwerks- 
verein etc.) 

Parisius,  Ludolf,  Kreisrichter  a.  D.  in  Berlin.  Fortschritt. 
(Berliner  Aquarium.) 

t  Parrisius,  Rudolf,  Kreisgerichtsrath  a.  D.  Liberal,  i Gesell- 
schafter der  Deutschen  Genossenschaftsbank  von  Soergel, 
Parrisius  &  Co.,  und  als  solcher  an  den  Gründungen  der- 
selben betheiligt.) 

Pfeiffer,  Dr.,  Rittergutsbesitzer  in  Burkersdorf  bei  Ilerruhut. 
Freiconservativ.    (Oberlausitzer  Bank  in  Zittau.) 

*  Pflüger,  Landwirth  in  Lörrach  (Baden).     Nationalliberal. 

(Rheinische  Hypothekenbank  in  Mannheim,  Kreis -Hypo- 
thekenbank in  Lörrach,  Wiesenthalbahn,  Salzwerk  Wyhler.) 

*  Phillips,  Oberbürgermeister  in  Elbing.  Fortschritt.  (Elbinger 

Creditbank,  Elbinger  Dampfschifffahrt,  Elbinger  Eisenbahn- 
material, Grosse  Amtsmühle  in  Elbing.) 

Pieschel,  Stadtrath  in  Naumburg  a.  S.  Nationalliberal.  (All- 
gemeine Deutsche  Hagel-Versicherungsgesellschaft  „Union" 
in  Weimar.) 

von  Potworowski,  Rittergutsbesitzer  im  Posenschen.  «Pole 
(Bank  für  Landwirthschaft  und  Industrie  in  Posen.) 

von  Praschma  auf  Falkeuberg,  0.  S.,  Graf.   Klerikal.  (Preuss. 

Glagau,  Der  Böisenscliwindel.    II.  33 


—    514     — 

Feuer-Versicherungs-Gesellschaft,  Preussische  Hagel-Ver- 
sicherungsgesellschaft.) 

Probst,  Rechtsanwalt  in  Stuttgart.  Liberal.  (Lebens- Ver- 
sicherungs-Bank in  Stuttgart,  Bruderhaus  in  Reutlingen.) 

von  Pückler,  Graf,  Landeshauptmann  von  Schlesien.  Conser- 
vativ.  (Breslau-Schweidnitz-Freiburger  Eisenbahn,  Schle- 
sische  Vereinsbank.) 

*  Reincke,   Kaufmann  in  Altona.     Freiconservativ.    (Hypo- 

thekenbank in  Hamburg,  Vereinsbank  in  Hamburg,  Schles- 
wigsche  Eisenbahn,  Gas-  und  Wassergesellschaft  in  Altona.) 

*  Reinecke,  Amtmann inHallea.S.  Nationalliberal.  (Halle'scher 

Bankverein,  Actienbrauerei  in  Thale.) 

t  Renard,  Johannes,  Graf.  Freiconservativ.  (Preuss.  Lebens- 
Versicherungsgesellschaft  „Friedrich  Wilhelm",  Unionsge- 
stüt Hoppegarten,  Seebad  Heiligendamm,  Schlesische  Hütten- 
gesellschaft Minerva,  Oberschlesischer  Eisenbahnbedarf.) 

t  Ross,  Edgar  D.  (Ross,  Vidal  &  Co.),  Kaufmann  in  Hamburg. 
Nationalliberal.  (Internationale  Bank  in  Hamburg,  Hamburg- 
Amerikanische  Packetfahrt-Ges.,  Hanseatische  Baugesell- 
schaft, Deutsche  Eisenbahnbaugesellschaft,  Hamburg-Süd- 
amerikanische Dampfer-Gesellsch.,  Deutsch-Transatlantische 
Dampfschifffahrts-Ges.) 

Richter,  Professor  in  Tharaud.  Freiconservativ.  (Baugesell- 
schaft Germania  in  Dresden.) 

Römer,  Reichs-Oberhandelsgerichtsrath  in  Leipzig.  National- 
liberal.   (Würtembergische  Hypothekenbank.) 

von  Rönne,  Appellationsgerichts- Vicepräsident  a.  D.  in  Berlin. 
Nationalliberal.    (Discouto-Gesellschaft.) 

von  Rogalinski,  Rittergutsbesitzer  auf  Krolikowo.  Pole. 
(Bank  für  Landwirthschaft  und  Industrie  in  Posen.) 

von  Sänger,  Rittergutsbesitzer  in  Grabowo.  Liberal.  (Preuss. 
Centralboden-Credit-A.G.) 

von  Sarwey,  Staatsrathin  Stuttgart.  Freiconservativ.  (Würtem- 
berger  Hypothekenbank.) 


—     515     — 

Schaffrath,  Rechtsanwalt  in  Dresden.  Fortschritt.  (Sächsische 
Hypotheken  -  Versich.  -  Ges. ,  Sachsisch  -  Böhmische  Dampf- 
schifffahrts-Ges.). 

*  von  Schauss,  Friedrich,  Dr.  in  Mimclien.    Kationalliberal. 

(Glasfabrik  Kolbermoor,  Süddeutsche  Boden -Creditbank, 
Neumarkt-Ried-Braunauer  Bahn.) 

Schellwitz,  Präsident  der  Generalcommission  für  Schlesien. 
Liberal.    (Breslauer  Wechslerbank.) 

Schenck,  Obergerichtsanwalt  in  Wiesbaden.  Fortschritt. 
(Deutsche  Genossenschaftsbank  von  Soergel,  Parrisius  &  Co.) 

t  Schön,  G.  A.,  Kaufmann  in  Hamburg.  Nationalliberal.  (Ham- 
burg-Bremer Feuer- Versicherung,  Hamburg-Bremer  Rück- 
versicherung, Hamburg -Amerikanische  Packetfahrt-Ges., 
Cuxhavener  Eisenbahn-Ges.,  Cuxhavener  Immobilien-Ges., 
Deutsch-Transatlantische  Dampfschiffs-Ges.  etc.) 

t  Schot tler,  Commerzienrath  in  Braunschweig.  Nationalliberal. 
(Braunschweigische  Eisenbahn,  Braunschweiger  Maschinen- 
bauanstalt, Baubank  in  Braunschweig,  Actien-Bierbrauerei 
Braunschweig,  A.G.  für  Arbeiterwohnungen  etc.) 

von  Schorlemer-Alst,  Freiherr.  Klerikal.  (Eisenbahn 
Münster-Enschede.) 

*  Schreck,  Rechtsanwalt  in  Pirna.    Fortschritt.    (Dresdener 

Bau -Gesellschaft,  Pirnaer  Bank,  Sächsische  Industrie  in 
Pirna,  Tabacksfabrik  Kronenberg.) 

*  Schulze-Delitzsch,  Kreisrichter  a.  D.  in  Potsdam.   Fort- 

schritt. (Gründer  und  Aufsichtsrath  der  Deutschen  Ge- 
nossenschaftsbank von  Soergel,  Parrisius  &  Co.,  und  als 
solcher  für  die  faulen  Gründungen  derselben  mitverant- 
wortlich.) 
von  Schwerin -Put  zar,  Graf,  Staatsminister  a.  D.  (Preussische 
Hypotheken-Versicherungs-Actiengesellschaft  Hühner.) 

*  Scipio,  Gutsbesitzer  in  Mannheim.   Nationalliberal.  (Credit- 

bank in  Mannheim,  Rheinische  Hypothekenbank.) 

*  Serlo,  Berghauptmann  in  Breslau.    Freiconservativ.    (Ober- 

33* 


—     516    — 

schlesische  Eisenbahn,  Donnersmarckhütte,  Schlesischer 
Bankverein.) 

*  von  Seydewitz,  Otto  Theodor,  Landesältester  der  Oberlausitz 

auf  Reichenbach.  Conservativ.  (Preussische  Hypotheken- 
Actien-Bank  Henckel,  Berlin-Görlitzer  Eisenbahn,  Halle- 
Sorau-Gubener  Eisenbahn.) 
tt  Siemens,  Georg,  Assessor  a.  D.  in  Berlin.  Nationalliberal. 
(Deutsche  Bank,  Berliner  Hotel-Gesellschaft,  Internationale 
Bau-  und  Eisenbahnbaugesellschaft  in  Frankfurt  a.  M., 
Maschinenbaugesellschaft  Schwartzkopff,  Maschinenfabrik 
Cyklop,  Mecklenburgische  Hypotheken-  und  Wechselbank, 
A.G.  für  Boden-  und  Communalcredit  in  Elsass-Lothringen, 
WoU-Importgesellschaft,  Commanditgesellschaft  Job.  Hoff, 
Liquidator  der  Deutscheu  Unionbank  und  des  Berliner 
Bankverein  etc.) 

*  Siemens,  Werner,  Fabrikbesitzer  in  Berlin.   Liberal.   (Mit- 

gründer der  Maschinenfabrik  „Cyklop",  „Erster  Zeichner" 
der  Deutschen  Bank.) 
von  Skorzewski,  Leo,  Graf  auf  Labitschin.   Pole.   (Handels- 
gesellschaft Bninski.) 

*  Sloman,  Robert  M.,  Rheder  in  Hamburg.    Nationalliberal. 

(Cuxhavener  Eisenbahn,  Deutsch-Transatlantische  Dampfer- 
Gesellschaft.) 
zu  Solms-Laubach,  Otto,   Graf.     Liberal.     (Oberhessische 
Eisenbahn-Ges.,  Landwirthschaftliche  Creditbank  in  Frank- 
furt a.  M.) 

*  zu  Solms-Sonnenwalde,  Graf,  Landrath  in  Luckau.    Con- 

servativ. (Halle-Sorau-Gubener  Eisenbahn,  Berlin- Görlitz  er 
Eisenbahn,  Gewerbebank  H.  Schuster  &  Co.,  Berliner 
"Wechslerbank.) 

von  Sybel,  Geh.  Regierungsrath  in  Berlin.  Nationalliberal. 
(Rheinische  Eisenbahngesellschaft.) 

von  Stauffenberg,  Schenk,  Freiherr  in  München.  National- 
liberal.   (Süddeutsche  Boden-Creditbank.) 


—    517     — 

Stephani,  Dr.,  Vicebürgermeister  in  Leipzig.   Nationalliberal. 

(Leipzig-Dresdener  Eisenbahn.) 
tt  Sonnemann,  Zeitungsbesitzer  in  Frankfurt  a.  M.  Demokrat. 

(Consortialiter  bei  sehr  vielen  Gründungen  betheiligt.) 

*  Strassmann,  W.,  Dr.  med.,  Stadtverordneten -Vorsteher  in 

Berlin.  Fortschritt.  (Gründer  und  Aufsichtsrath  der  Central- 
bauk  für  Genossenschaften,  und  als  solcher  für  die  faulen 
Gründungen  dieser  Bank  mitverantwortlich.) 

It  Strausberg,  Baruch  Hirsch,  genannt  Dr.  Strousberg.  Con- 
servativ. 

Thiel,  Rechtsanwalt  in  Bautzen.  Nationalliberal.  (Vereinigte 
Bautzener  Papierfabriken.) 

von Thüngen,  Freiherr.  Conservativ.  (Bairische  Handelsbank.) 

*  Träger,  Rechtsanwalt  in  Nordhausen.   Fortschritt.   (Erfurt- 

Hof-Eger-Eisenbahu,  Saal-Unstrut-Eisenbahn.) 

von  Turn 0,  Rittergutsbesitzer  auf  Obierzerze.  Pole.  (Handels- 
gesellschaft von  Bninski.) 

Uhlendorff,  Kaufmann  in  Hamm  in  Westphalen.  Fortschritt. 
(Actien-Bierbrauerei  „Mark"  in  Hamm.) 

t  von  Unruh,  Regieruugsrath  a.  D.  iu  Berlin.  Nationalliberal. 
(Eisenbahubedarf  Pflug,  Maschinenbau  Schwartzkopff, 
Deutsche  Continental -Gasgesellschaft  in  Dessau,  Halle- 
Sorau-Gubener  Eisenbahn,  Berliner  Handelsgesellschaft.) 

von  Unruh e-Bomst,  Freiherr,  Landrath.  Freiconsorvativ. 
(Märkisch-Poseaer  Eisenbahn.) 

von  Vaerst,  Baron  in  Berlin.  Nationalliberal.  (Deutsche 
Grund-Creditbank  in  Gotha.) 

Valentin,  Justizrath  a.  D.  in  Kreischa.  Nationalliberal.  (Con- 
tinental-Telegraphen-Compagnie.) 

von  Varnbüler,  Würtembergischcr  Minister  a.  D.  Freicon- 
servativ.  (Internationale  Bau-  und  Eisenbahnbaugesellschaft 
in  Frankfurt  a.  M). 

Vogtherr,  Director  in  Frankfurt  a.  M.  Fortschritt.  (Director 
der  „Providentia".) 


—    518     — 

t  Wagener,  Geheimer  Rath  in  Berlin.  Conservativ.  (Vereins- 
zeclie  Vaterland,  Braunkohlenbergbau  Frose,  Gewerbebank 
H.  Schuster  &  Co.,  Pommer'sche  Centralbahn,  Preussische 
Hypotheken-Credit-  und  Bank-Anstalt  Henckel.) 

*  Walter,  August,  Kaufmann  in  Dresden.   Fortschritt.  (Press- 

hefen- und  Kornspiritus-Fabrik  in  Dresden,  Voigtländische 
Eisenbahnwagenfabrik.) 

*  Websky,  Fabrikbesitzer  in  Wüstewaltersdorf.  Nationalliberal. 

(Schlesische  Leinenfabrik  Kramsta.) 

*  von  Wedeil,  Rittergutsbesitzer  auf  Malchow.     Conservativ. 

(Prenzlauer  Kreisbank,  Preuss.  Central-Boden-Credit-A.G., 
Uckermärkische  Wollbank.) 

*  Wehrenpfennig,  Wilh.,  Schriftsteller  in  Berlin.   National- 

liberal. (Mitgründer  der  Spener'schen  Zeitungsactiengesell- 

schaft.) 
Westphal,  Bürgermeister  von  Schwerin  i.  M.   Nationalliberal. 

(Mecklenburgische  Actien-Bierbrauerei.) 
Wichmaun,  August   in   Lübeck.     Nationalliberal.     (Director 

der  Deutschen  Lebens- Versicherungsgesellschaft  in  Lübeck.) 
Wi e  d wal d ,  Kaufmann  in  Elbing.  Fortschritt.  (Elbinger  Credit- 

bank.) 
Wild,  Albert,   Dr.   und  Banquier  in  München.    Conservativ. 

(Baierische  Handelsbank.) 
Windthorst,  Minister  a.  D.  in  Hannover.    Klerikal.   (Hanno- 
versche Bank.) 
von  Wintzingerode  auf  Bodenstein,  Graf.    Freiconservativ. 

(Preussische  Boden- Credit -Actienbank  Jachmann,  Actien- 

Bau-Verein  Königstadt.) 

*  Wölfel,  Rechtsanwalt  in  Merseburg.    Nationalliheral.    (Ru- 

mänische Eisenbahn- Gesellschaft,  Zuckerfabrik  Körbisdorf.) 

Wolffson,  Advocat  in  Hamburg.   Nationalliberal.   (Hamburger 

Bankverein,  Waaren-  und  Credit-Anstalt  in  Hamburg.) 
*YOn  Wurmb,  früher  Polizeipräsident  in  Berlin.    Conservativ. 


-     519     — 

(Mitgrüader  der  „Flora"  in  Charlottenbiirg,  Aufsichtsratli 
der  Berlin-Görlitzer  Eisenbahn.) 
tt  Zuckschwerdt,  Kaufmann  in  Magdeburg.    Nationalliberal. 
(Bei  fast  unzähligen  Gesellschaften  betheiligt.) 

Diese  Liste  erhebt  keinen  Anspruch  auf  Vollstän- 
digkeit. Wahrscheinlich  fehlt  noch  mancher  Name; 
wahrscheinlich  sind  nicht  wenige  der  Genannten  auch 
noch  bei  anderen  Gesellschaften  betheiligt.  Viele 
Gründer  resp.  „Erste  Zeichner"  waren  von  vornherein 
so  vorsichtig,  hinter  den  Coulissen  zu  bleiben;  viele 
Aufsichtsräthe  sind  nie  publicirt  worden,  und  bei 
vielen  anderen  hat  noch  nicht  festgestellt  werden 
können,  ob  sie  nicht  auch  zugleich  Gründer  resp. 
„Erste  Zeichner"  sind,  weshalb  eine  Vervollständigung 
vorbehalten  bleibt. 

Aber  auch  schon  so  wie  es  ist,  macht  dieses  Ver- 
zeichniss  einen  erschrecklichen  Eindruck.  Ganz  abge- 
sehen von  den  Personen,  die  ohne  Ä.uszeichnung  auf- 
geführt sind,  und  von  denen  die  meisten  auch  wol 
kein  besonderer  Vorwurf  trifft,  so  bleibt  noch  immer 
eine  Unzahl  eigentlicher  Gründer  und  Gründerge- 
nossen, und  unter  ihnen  ist  die  Blüthe  der  Aristo- 
kratie, sind  die  ersten  Würdenträger  des  Staats,  die 
gefeiertsten  Parlaments -Redner  vertreten.  Herzog 
von  Ratibor,  der  zeitige  Präsident  des  Herrenhauses, 
und  Herr  von  Bennigsen,  der  gegenwärtige  Präsident 


—    520    — 

des  Abgeordnetenhauses,  sind  beides  Gründer  und 
beides  Genossen  von  Baruch  Hirsch  Strausberg;  und 
als  Mitgründer  resp.  Aufsichtsräthe  bei  den  Unter- 
nehmungen dieses  unseligen  Menschen  figuriren  ausser- 
dem noch  folgende  Parlamentarier:  Adickes,  Ambronn, 
Heise,  Richtsteig,  Herzog  von  Ujest,  Graf  Lehndorff, 
Fürst  zu  Putbus,  Graf  zu  Solms-Baruth,  Graf  zu 
Solms-Sonnenwalde,  Graf  Eberhard  zu  Stolberg- Wer- 
nigerode, von  Seydewitz,  von  Wurmb,  von  Unruhe- 
Bombst  etc.  Staatsminister  a.  D.  von  Bernuth  und 
Oberbürgermeister  Hasselbach,  die  Vicepräsidenten 
des  Herrenhauses,  sind  beides  mehrfache  Aufsichts- 
räthe. Als  Alterspräsident  des  Deutschen  Reichstags 
waltet  frisch  und  frei  der  grosse  Gründer,  Staats- 
minister a.  D.  Georg  von  Bonin;  und  Herr  Miquel, 
der  noch  grössere  Gründer,  der  Genosse  der  Disconto- 
gesellschaft,  war  ein  hervorragender  Redner  der 
General- Synode,  präsidirte  der  Commission  für  die 
Reichs-Justiz-Gesetze,  und  ist,  wie  die  Zeitungen 
meldeten,  neuerdings  von  Herrn  Achenbach,  dem 
Handelsminister,  als  Vertrauensmann  zur  Berathung 
über  die  schwebenden  Handwerker-  und  Arbeiterfragen 
eingeladen.  Auch  im  Preussischen  Herrenhause  sitzen 
gegenwärtig  noch  57  Gründer  resp.  Aufsichtsräthe. 
Kein  Wunder,   dass   über   die  Petition   der  Herren 


—    521     - 

von  Jena  II.  und  Genossen,  welche  eine  gehörige 
Piüfung  des  Gründerunwesens  und  eine  Revision  des 
Gewerbe-  und  Actiengesetzes  verlangte,  von  der 
„liberalen"  Majorität  des  Herrenhauses,  auf  Antrag 
des  Oberbürgermeisters  Gobbin,  zur  Tagesordnung 
übergegangen  wurde I  Besonders  charakteristisch  ist 
die  Thatsache,  dass  die  politischen  Märtyrer  von  1848 
und  aus  der  Reactionszeit,  die  gefeierten  Volks- 
männer, sich  hinterher  als  sehr  praktische  Leute  be- 
wiesen haben,  und  fast  sämmtlich  unter  die  Gründer 
gegangen  sind,  zum  grossen  Theil  als  Gehülfen  der 
eigentlichen  Gründerbanken  wirkten.  Dahin  gehören: 
Bamberger,  Braun-Wiesbaden,  Miquel,  Kapp,  Ham- 
macher,  Hagen,  Rudolf  Parrisius,  Phillips,  Schulze- 
Delitzsch,  W.  Strassmann,  Faucher,  Jungermann;  und 
im  Uebrigen  sind  noch  zu  nennen:  von  Unruh,  von 
Bennigsen,  Frühauf,  Löwe-Calbe  etc.  Man  kann  be- 
rechnen, dass  die  „Schöpfungen"  jedes  Einzelnen  dieser 
Herren  aus  der  ersten  Reihe  dem  Deutschen  Volke 
verschiedene  Millionen  kosten. 

Die  grossen  Eisenbahngesellschaften  wie  die  grossen 
Bankinstitute  hatten  jede  im  Parlament  ihre  Vertreter, 
die  hier  für  sie  wirkten,  und  die  als  Aufsichtsräthe 
von  ihnen  in  der  Schwindelperiode  riesige  Tantiemen 
bezogen.     Mit    den    Namen    der    parlamentarischen 


—    522     — 

Aufsichtsräthe  schmückten  die  betreffenden  Gesell- 
schaften ihre  Geschäftsberichte  und  Prospecte,  trieben 
sie  ihre  Actien  bis  zu  einer  unsinnigen  Höhe,  emittirten, 
sie  mit  unverschämtem  Agio  wiederholt  junge  Actien 
setzten  sie  die  faulsten  GründuDgen  in  die  Welt, 
fingen  sie  das  vertrauensselige  Publikum  ein.  Auf 
den  Prospecten  und  Geschäftsberichten  bezeichneten 
sich  die  parlamentarischen  Mitgründer  und  Aufsichts- 
räthe ausdrücklich  als  Mitglied  des  Deutschen  Reichs- 
tags, des  Preuss.Abgeordnetenhauses,der  IL  Sächsischen 
Kammer  etc.  Und  dieselben  Personen  höhnen  und 
schmähen  jetzt  das  betrogene  Publikum,  schelten  es 
ob  seiner  Spielwuth,  seiner  blinden  Gier,  seiner  un- 
verantwortlichen Thorheit  und  Einfalt.  Fürwahr, 
diese  Frechheit  ist  empörend! 

Der  A.  Schaaffhausen'sche  Bankverein  in  Köln  war 
im  Parlament  vertreten  durch  die  Herren  Mevissen,  Freiherr 
von  Diergardt  und  Overweg.  1871  entfielen  12V2>  1872  —  14% 
Dividende.  Noch  1873,  wo  es  nur  8  %  gab,  erhielten  die  drei 
Directoren  Victor  Wendelstadt,  Theodor  Movius  und  Ernst 
Königs  an  Tantiemen  75,000  Thaler-,  die  14  Aufsichtsräthe 
steckten  ein  Trinkgeld  von  etwa  110,000  Thalern  ein.  Für 
1874  erhielten  die  Directoren  nur  45,000,  für  1875  nur  noch 
15,000  Thaler,  und  die  Aufsichtsräthe  nach  diesem  Verhältniss. 
1876  betrug  die  Dividende  0,  und  der  Cours  der  Actien  ist  von 
einst  ca.  190  bis  etwa  60  gesunken.  Der  Schlesische  Bank- 
verein in  Breslau  war  im  Parlament  vertreten  durch  Graf 
Guido  Henckel  von  Donnei'smarck  und  Prinz  Carl  Hohenlohe. 


-     523     - 

1871  und  1872  gab  es  bei  12  und  resp.  UO'o  Dividende  hohe 
Tantiemen.  Der  Cours  stand  einst  ca.  180  und  sank  bis  etwa 
80.  Die  Preussische  Hypothekcn-Versicheruugs-A.G. 
Hübner  war  im  Parlament  vertreten  durch  von  Bockum-Dolffs, 
von  Carlo witz,  Freiherr  von  Eckardstein -Prötzel,  Graf  von 
Schwerin-Putzar,  Freiherr  von  Patow;  die  Deutsche  Grün d- 
Creditbank  in  Gotha  durch  Fürst  HatzfeUl-Traclienberg,  Prinz 
Carl  Hohenlohe,  Graf  von  Maltzan-Militsch,  Baron  von  Vaerst; 
die  Gewerbebaiik  H.  Schuster  &  Co.  in  Berlin  (Cours  einst 
150,  jetzt  3)  durch  Wagener,  von  Huelsen,  Graf  Solms-Sonnen- 
walde  ;dieDeutscheGenossenschaftsbankin  Berlin  (Cours 
einst  150,  jetzt  90)  durch  Rud.  Parrisius,  Schulze -Delitzsch, 
Schenck,  Dr.  Buhl;  die  Berliner  Handelsgesellschaft 
(Cours  einst  160,  jetzt  50)  durch  Mevissen,  von  Unruh-,  die 
Deutsche  Unionbank  (Cours  einst  180,  später  68)  durch 
Hammacher,  Hagen,  Braun -Wiesbaden;  die  Preussische 
Boden -Credit-Actienbank  Jachmann  durch  Excelleuz 
von  Bonin,  Dr.  Engel,  Dr.  Ahlmaun,  Günther,  Graf  von  Wintziu- 
gerode,  Dr.  Wehrenpfennig;  der  Berliner  Bankverein  durch 
Kapp,  Kieschke,  Graf  Guido  Henckel  von  Donnersmarck,  Bei 
dem  letzteren  wurden  die  Actien  mit  zusammen  6  Millionen 
Thaler,  bei  40%  Einzahlung  ä  120—124  au  die  Börse  gebracht, 
was  einem  Course  von  150—160  entspricht,  und  diese  40pro- 
zentigen  Interimsscheine  getrieben  bis  140,  was  einen  Cours 
von  200  bedeutet.  Später  sank  die  VoUactie  bis  etwa  70. 
Dieser  famose  Bankverein  war  eine  blosse  Gründerbank  und 
liquidirte,  sobald  der  Schwindel  zu  Ende  war.  Bei  der  Ber- 
liner Handelsgesellschaft  erhielt  der  Verwaltungsrath  für  1871 
—  35,800  Thaler,  und  1873  noch  26,500  Thaler  Tantieme;  bei 
der  Gewerbebank  Schuster  erhielt  der  Aufsichtsrath  1871  — 
50,000  Thaler,  1872  aber  90,000  Thaler;  bei  der  Deutschen 
Unionbank  empfingen  1871  Direction  und  Verwaltungsrath 
60,000  Thaler  Trinkgeld;  bei  der  Preussischen  Boden -Credit- 
Actienbank  Jachraann  betrug  das  Tantiemen -Conto  im  Jahre 


/  —     524     — 

1871  —  60,000  Thaler  und  1872,  einschliesslich  der  Trinkgelder 
aus  der  berüchtigten PreussischenCreditanstalt  —  3 18,000 Thaler! 

Eine  so  zu  sagen,  parlamentarische  Gründung  war  die 
März  1870  errichtete  Prenssisclie  Central-Bodencredit-Actieu- 
Gesellscliaft.  Als  Gründer  traten  auf:  Baron  Carl  von  Roth- 
schild in  Frankfurt  a,  M.,  Baron  Abraham  von  Oppenheim  in 
Cöln,  Geh,  Commerzienräthe  Gerson  Bleichröder  und  Adolf 
Hansemann,  Oberbürgermeister  Miquel;  während  als  erste  Ver- 
■waltungsräthe  u.  A.  folgende  Parlamentarier  genannt  sind:  Graf 
von  Ai-nim-Boytzenburg,  von  Bernuth,  von  Bethmanu-Hollweg 
auf  Runowo,  von  Wedell-Malchow,  von  Sänger-Grabowo,  von 
Simpson-Georgenburg,  von  Kardorff,  Graf  von  Bocholtz-Niesen, 
Dr.  Braun -Wiesbaden,  Freiherr  von  Eckardstein- Proetzel 
(letzterer  als  „Revisor").  Juristen  haben  ausgeführt,  dass  die 
Gesellschaft  mit  ganz  ausserordentlichen,  geradezu  ungesetz- 
lichen Privilegien  ausgestattet  ist;  ausser  allem  Zweifel  steht, 
dass  auf  Grund  dieser  Privilegien  mit  den  Actien  sofort  eine 
Agiotage  der  schlimmsten  Art  getrieben  wurde,  doppelt  an- 
stössig,  weil  sie  einen  schreienden  Widerspruch  zu  dem  eigent- 
lichen Zwecke  dieses  Instituts  bildet.  Anstatt  das  Capital  auf 
4,800,000  Thaler  festzusetzen,  wurden  12  Millionen  Thaler  aus- 
geworfen, aber  nur  40procentige  Interimsscheine  ausgegeben, 
die  auch  heute  noch  existiren  und  wahrscheinlich  nie  vollge- 
zahlt werden.  Diese  Interimsscheine  kamen  am  24.  Juni  1870 
an  die  Berliner  Börse  ä  lOG— 110,  waren  dafür  aber  gar  nicht 
zu  haben,  und  notirten  schon  am  29.  Juni  123—127,  Avas  einem 
Course  von  157V2— 167V2  entspricht.  1872  stiegen  sie  sogar 
bis  140,  M'as  einen  Cours  von  200  bedeutet.  Selbstverständlich 
haben  dieses  kolossale  Agio  die  „Ersten  Zeichner"  eingesteckt, 
und  dieselben  haben  sich  auch  noch  bei  jeder  Erhöhung  des 
Capitals  ein  Drittel  der  neuen  Actien  vorbehalten.  So  spielte 
man  früher  in  Venedig,  seit  Anbruch  des  neuen  Deutschen 
Reichs  aber  in  Berlin! 

Wie  J.  A.  Leisewitz,  der  Dichter  des  „Julius  von  Tarent", 


—    525     — 

will  auch  Ludwig  Bamberger  nur  Ein  Kind  in  die  Welt 
gesetzt  haben,  aber  dieses  Kind  war  gleichfalls  ein  Löwe.  Er 
gründete  Februar  1870  in  Verbindung  mit  Adalbcrt  Delbrück, 
H.  Zwicker  (Gebr.  Schickler),  Ilardt  &  Co.,  Victor  Freiherr  von 
Magnus  (F.  Mart.  Magnus),  Eduard  Freiherr  von  der  Heydt, 
E.  J.  Meyer,  G.  Müller  &  Co.,  Gustav  Kutter,  Adolf  vom  Ratb 
(Deichmann  &  Co.),  Victor  Wendelstadt,  J.  L.  Eltzbacher,  3Iartia 
Frege,  Consul  Gebhard,  H.  Bischoft'sheim,  Adolf  Deichniann 
(Horstmann  &  Co.),  R.  Sulzbach  u.  A.  —  die  Deutsche  linuk. 
Lauter  Gründer  ersten  Ranges,  und  eine  wahrhaft  klassische 
Gründung!  Ludwig  Bamberger  will,  wie  er  sich  in  der  Corre- 
spondenz  der  Herren  Welirenpfenuig  und  Rickert  entschuldigen 
liess,  „wegen  seiner  Erfahrungen  im  überseeischen  Geschäft  (!) 
herangezogen"  sein,  hat  aber  alle  Vortheile  der  Gründung  still 
und  zufrieden  mitgenossen.  Die  I.  Emission  betrug  5  Millionen 
Thaler,  und  wurden  die  40procentigen  Interimsscheine  im  Laufe 
des  Jahres  1871  bis  125  getrieben,  was  einem  Course  von  162 
entspricht.  Die  IL  Emission  geschah  Ende  1871,  noch  ehe 
die  alten  Actien  voll  eingezahlt  waren,  und  betrug 
gleichfalls  5  Millionen  Thal  er.  Die  Gründer  resp.  ersten  Zeichner 
hatten  sich  im  Statut  sämmtliche  Actien  der  neuen 
Emissionen  vorbehalten,  und  machten  von  diesem  unbeschei- 
denen Privileg  nun  Gebrauch,  indem  sie  die  jungen  Actien  zum 
Course  von  110  vergaben.  Sie  strichen  also  mit  einem  Feder- 
zuge 10%  Agio  oder  500,000  Thalcr  ein,  was  selbst  in  der 
Börsenpresse  einen  Sturm  des  Unwillens  hervorrief.  Dadurch 
eingeschüchtert,  liesseu  sie  den  vierten  Theil  ihrer  Beute  in 
den  Reservefonds  fliessen,  und  schritten  Ende  1872  zu  einer 
III.  Emission,  die  wieder  5  Millionen  Thaler  betrug.  Diesmal 
begnügten  sich  die  edlen  Seelen  mit  der  Hälfte  der  jungen 
Actien,  und  da  der  Cours  der  alten  etwa  115  war,  heimsten 
sie  diesmal  nur  ca.  375,000  Thaler  ein.  1875  sank  der  Cours 
der  Vollactie  bis  fast  70,  und  die  Bank  hätte,  da  sie  nach  dem 
Krach  wenig  mehr  zu  thun  fand,  auch  schon  liquidiit,  wäre 


-     526    — 

sie  nicht  von  der  Regierung,  zu  der  sie  durch  Delbrück,  Leo 
und  Co.  in  Beziehungen  stand,  mit  manchem  ,,idlernationalen" 
Geschäft,  Verkauf  von  Chassepots,  Silber  etc.,  betraut  worden. 
Nach  dem  Abgang  des  Ministers  Delbrück  indessen  erfuhr  Herr 
Pietsch,  Agent  der  Deutschen  Bank  in  London,  der  in  Voll- 
macht der  Deutschen  Regierung  Erklärungen  über  diesseitige 
Silberverkäufe  abgegeben  hatte,  im  „Reichsanzeiger"  ein  trocknes 
Dementi.  Neuerdings  ernährte  sich  die  Deutsche  Bank  haupt- 
sächlich von  der  Liquidation  der  Deutschen  Union -Bank  und 
des  Berliner  Bankverein.  Im  Parlament  war  sie  vertreten 
durch  Ludwig  Bamberger,  Hardt,  H.  H.  Meier,  A.  G.  Mosle, 
Consul  G.  Müller,  Overweg,  Kapp  und  Dr.  Georg  Siemens. 
Letzterer,  ein  junger,  bis  dahin  völlig  unbekannter  Assessor 
und  dann  Director  der  Deutschen  Bank,  wurde  durch  Bam- 
berger's  Einfluss  in  den  Reichstag  bugsirt.  Fr.  Kapp  war  sowol 
beim  Berliner  Bankverein  wie  bei  der  Deutschen  Bank  thätig, 
weil  beide  Gründungen  unter  der  Hand  seines  Gönners,  des 
Herrn  Adalbert  Delbrück  entstanden.  Delbrück,  Leo  &  Co., 
noch  1867  blosse  Agenten  der  Lebens- Versicherungsgesellschaft 
,,Concordia",  machten  zugleich  mit  ihrem  Vetter,  dem  Präsi- 
denten des  Reichskanzleramts,  Carriäre,  wurden  ein  grosses 
Bankhaus  und  haben  in  der  Schwindelperiode  eine  Unmasse  von 
Gründungen  verfasst,  bei  denen  allen  Herr  Adalbert  Delbrück 
als  Aufsichtsrath  waltete.  Was  Ludwig  Bamberger  anbetrifft, 
so  können  ihm  weitere  Gründungen  nicht  nachgewiesen  werden, 
doch  hat  sich  die  Firma  Bamberger  &  Co.  in  Mainz,  der  er  früher 
angehörte,  an  verschiedenen  „Schöpfungen"  betheiligt,  z.  B.  an 
der  „Deutschen  Unionbank  Mannheim",  seligen  Angedenkens. 

S.  Bleichröder  und  die  Disconto-Gesellschaft  sind  die  ersten 
Bankinstitute  Berlins  und  mit  die  ersten  der  Welt,  aber  beidehaben 
auch  die  grössten  und  blutigsten  Gründungen  verübt,  wobei  sie  bald 
Hand  in  Hand  gingen,  bald  wie  feindliche  Brüder  sich  gegenüber 
traten.  Trotzdem  wurden  Herr  Gerson  Bleichröder  und  Herr 
Adolf  Hansemann  März  1872  in  den  Adelstand  erhoben! 


—     527     - 

Bleichröder  gründete  u.  A. :  die  Vereinigte  Königs- 
und Laurahütte  mit  9  Millionen  Thaler  Actien  (Cours  einst 
275,  jetzt  ca.  60)-,  die  Deutsche  Reichs-  und  Continental- 
Eisenbahnbaugesellschaft  mit  10  Millionen  Thaler  Actien, 
deren  40procentige  Interimsscheine  ä  115,  d.  h.  thatsächlich 
ä  I37V2  eingeführt  wurden  (Cours  einst  =  162 Va»  jetzt  ^=  12V>)'> 
die  Posen-Kreuzburger  Bahn  mit  12  Millionen  Thaler 
Actien  (ohne  Börsencours);  und  die  Weimar-Geracr  Bahn 
mit  6* -2  Millionen  Thaler,  zu  91 V2  aufgelegt  (Cours  noch  ca. 
40  resp.  15).  Noch  März  1873,  kurz  vor  dem  Krach,  gründete 
Bleichröder,  in  Gemeinschaft  mit  der  Berliner  Handelsgesellschaft, 
das  Bergwerk  Hil)ernia  und  Shamrocli  auf  5,600,000  Thaler 
Actien.  Die  SOprocentigen  Interimsscheine  wurden  ä  130  ein- 
geführt, was  einen  Cours  von  160  bedeutet,  und  noch  am  selben 
Tage  bis  150  getrieben,  was  einem  Course  von  200  entspricht; 
weshalb  der  Börsenwitz  das  Papier  „Schamroth"  nannte.  Heute 
notirt  die  Vollactie  etwa  25.  Bleichröder's  Gehülfen  bei  diesen 
Gründungen  waren  u.  A.  der  Abgeordnete  von  Kardorff  und 
der  Berliner  Stadtverordnete  Wilhelm  Weber,  früher  Ober- 
bürgermeister in  Gera;  beides  hervorragende  Redner  auf  den 
Generalversammlungen  der  betreffenden  Gesellschaften.  Weber 
fungirt  zugleich  als  „Bureauchef"  und  Procurist  von  Bleich- 
röder. An  Trinkgeldern  entfielen  bei  der  Königs-  und  Laura- 
hütte für  die  Aufsichtsräthe  1871/72  —  53,000  Thaler,  in  den 
beiden  folgenden  Jahren  aber  etwa  je  200,000  Thaler;  bei 
Hibernia  und  Shamrock  empfing  der  Aufsichtsrath  1873  — 
24,700  Thaler  und  1874  —  15,000  Thaler;  und  selbst  bei  der 
trostlosen  Reichs-Eisenbahnbaugesellschaft,  wo  die  Einnahmen 
zum  grossen  Theil  in  „Zinsen"  der  eigenen  Effecten  und  in 
„Coursgewiunsten"  bestanden,  sclieute  man  sich  nicht,  pro  1873 
ca.  50,000  Thaler  als  Tantii-me  auszuwerfen. 

Die  Disconto-Gescllscbaft  gründete  u.  A.  das  Commer- 
ner  Bergwerk  auf  P  .>  Millionen  Thaler  Actien,  welche  so- 
gleich ä  130  eingeführt  wurden  und  dann  bis  CO  sanken;  das 


—    528     — 

Berg-  uud  Hüttenwerk  Harzer  Union  mit  2  Millionen  Thaler 
Actien  (Cours  einst  120,  jetzt  0);  das  Berzelius-Bergwerk 
mit  1,400,000  Thaler  Actien,  eingeführt  zu  118—120  (Cours 
einst  180,  jetzt  50)-,  die  Aachener  Disconto-Gesellschaft 
mit  2,000,000  Thaler  Actien,  worauf  40*^/0  eingezahlt  sind  (Cours 
einst  gleich  150,  jetzt  gleich  70);  das  Oelsenkirchener  Berg- 
werk mit  41/2  Mill.  Thaler  Actien,  eingeführt,  bei  50%  Ein- 
zahlung ä  118,  also  zum  Course  von  136,  und  getrieben  bis  175, 
was  einen  Cours  von  250  bedeutet,  während  die  Vollactie  heute 
etwa  80  notirt.  Bei  der  letzten  Gesellschaft  empfing  der 
Aufsichtsrath  an  Trinkgeld  1873  —  26,000  Thaler,  1874  — 
28,000  Thaler  und  1875  —  12,000  Thaler. 

November  1871  gebar  die  Disconto-Gesellschaft  die  Pro- 
vinzial-Discouto-tresellschaft,  vielleicht  die  überflüssigste  und 
gewaltsamste  Gründung  der  ganzen  Schwindelperiode,  Anstatt 
in  den  Provinzen  Filialen  und  Commanditen  zu  errichten,  etablirte 
sie  in  der  Hauptstadt  ein  Tochter-Institut,  dessen  Direction  aber 
aus  denselben  Personen  wie  die  Verwaltung  der  Mutter-Anstalt, 
aus  Hansemann,  Miquel  und  Salomonsohn,  den  Geschäfts-In- 
habern der  Disconto-Gesellschaft  bestand.  Selbst  die  „National- 
zeitung", obgleich  sie  den  Plan  „rationell"  nannte,  war  doch 
in  Verlegenheit,  wie  sie  ihn  definiren  sollte,  und  behielt  sich 
ein  ,, definitives  Urtheil"  vor.  Und  gerade  hier  wurde  wieder 
die  unverschämteste  Agiotage  verübt.  Das  Actiencapital  betrug 
10,000,000  Thaler  und  kam  in  40procentigen  Interimsscheinen 
an  die  Börse,  welche  man  zu  120  einführte,  und  welche  noch 
am  selben  Tage  bis  131,  später  bis  150  stiegen,  was  einem 
Course  von  225  entspricht.  April  1872  wurden  noch  20  %  ein- 
gezahlt, und  der  Cours  ging  bis  190.  Damals  kostete  der 
eOprocentige  Interimsschein  300  Thaler,  während  er  heute 
etwa  noch  60  Thal  er  gilt;  und  der  Coursunterschied  von  damals 
und  jetzt  verhält  sich  wie  250  zu  50!!  Die  Provinzial-Disconto- 
Gesellschaft  errichtete  nun  Zweigniederlassungen  in  Duisburg, 
Ludwigshafen,  Bernburg,  Hameln  und  ähnlichen  grossen  See- 


—     529     — 

uud  Handelsstädten,  vertbeilte  pro  1372  au  Dividende  16  ",0. 
und  fette  Trinkgelder  für  Direction  und  Aufsicbtsrath.  Die 
einzige  Acquisition  von  ßedeutung  war  der  Ankauf  des  Bank- 
geschäfts von  M.  J.  Frensdorfi'  in  Hannover,  aber  gerade  bei 
diesem  verlor  sie  durch  waghalsige  Speculation  des  bisherigen 
Inhabers,  der  die  Leitung  behielt,  1873  die  ungeheuere  Summe 
von  772,000  Thaler.  Das  Publikum  hat  an  dieser  einzigen  Ge- 
sellschaft etwa  11  Millionen  Thaler  eingebüsst. 

Eine  noch  viel  blutigere  Gründung  war  die  Dortmunder 
Union.  Sie  wurde  Februar  1872  zusammengeschweisst  aus  der 
Dortmunder  Hütte  und  andern  Bestandtheilen  der  Strausberg'- 
schen  Erbschaft,  welche  man  angeblich  um  G  Millionen  Tlialer 
übernahm,  und  aus  der  Heinrichshütte  nebst  Neuschottland, 
welche  Herr  Hansemann  den  Actionären  für  5  Millionen  Thaler 
überliess.  Hinterher  wurde  noch  Weiteres  zugekauft,  und  das 
Actiencapital  auf  13,200,000  Thaler  gebracht!  Dazu  traten 
Prioritäten,  Hypotheken  und  andere  Schulden,  die  zusammen 
sich  auch  auf  ca.  12  Millionen  Thaler  beziüernü  „Das  Unter- 
nehmen der  'Union'  ist  an  Grösse  des  Ziels  fast  ohne  Beispiel!" 
sagte  mit  naiver  Aufrichtigkeit  der  Prospect.  Für  die  Periode 
vom  1.  Januar  1872  bis  1.  Juli  1873  entfielen  12%  Dividende 
und  für  den  Aufsicbtsrath  ein  Trinkgeld  von  141,500  Thaler, 
wovon  er  jedoch  nur  die  Hälfte  nahm;  die  andere  Hälfte  über- 
liess er  dem  Arbeiterfonds.  Aber  schon  das  nächste  Jahr  ergab 
einen  Verlust  von  fast  2  Millionen  Thaler.  Die  mit  110  einge- 
führten und  bis  228  hinaufgetriebenen  Actien  notiren  etwa  noch 
3,  sind  aber  in  Wahrheit  werthlos,  da  der  Besitz  schon  lange 
nicht  mehr  die  Schulden  deckt.  ,,Die  Zeche  'Adolf  von  Hanse- 
mann' ist  ersoffen!"  meldete  man  im  August  1876  aus  Dort» 
mund,  und  dies  ist  auch  das  Schicksal  der  Gesellschaft.  Die 
Actiouäre  haben  am  Course  28—30  Millionen  Thaler  eingebüsst! 

In  Gemeinschaft  mit  S.  Bleichröder  gründete  die  Disconto- 
Gesellschaft  die  Rumänische  Eisenbahngesellschaft  und  die 
St.  Gotthard-Baliu-Gesellschaft.    Zum  Zwecke  der  letzteren 

Glagau,  Der  LJörsonschwindel.     II.  o4 


ÖoU 


wurden  Januar  1872  au  Actien  34,000,000  Frcs.  in  40procen- 
tigen  luterimsscheinen,  und  allmälig  an  Obligationen  48  Millionen 
Frcs.  aufgelegt,  deren  Course  inzwischen  bis  4  (für  eingezahlte 
60*'/o  der  Actien)  und  resp.  49  (für  die  voUgezalilten  Obligationen) 
gesunken  sind.  Wahrscheinlich  ist  das  ganze  Unternehmen, 
zu  welchem  Deutschland  eine  Subvention  von  20,000,000  Frcs. 
beisteuert,  bankerott,  denn  es  hat  sich  herausgestellt,  dass  die 
Unkosten,  ausser  den  ursprünglich  veranschlagten  187,000,000 
Frcs.  noch  etwa  150,000,000  Francs  erfordern!  Die  Gründer 
haben  auf  Ersparnisse,  welche  sich  bei  der  Bauausführung  etwa 
herausstellen  sollten,  grossmüthig  zu  Gunsten  der  Actionäre 
verzichtet  und  diesen  dafür  Genussscheine  ausgestellt! 

Mit  der  am  16.  November  1871  erfolgten  Bildung  der  Ru- 
mäuischen  Eisenbaliugesellschaft  trat  die  Disconto- Gesell- 
schaft die  Strausberg'sche  Erbschaft  an,  und  geschah  diese 
Gründung  hauptsächlich,  um  die  hochadligen  Mitconcessionäre 
des  Wunderdoctors :  Herzog  von  Ratibor,  Herzog  von  Ujest  und 
Graf  Lehndorflf  zu  entlasten.  Strausberg  hatte  im  Ganzen 
65,375,000  Thaler  7V2procentige  Obligationen  ausgegeben,  aber 
den  Neujahr  1871  fälligen  Coupon  nicht  mehr  eingelöst.  Massen- 
hafte Klagen,  zunächst  wegen  der  Zinsen,  später  auch  wegen 
des  Capitals  angestrengt,  wurden  zu  Ungunsten  Strausbergs 
entschieden,  und  seinen  vornehmen  Genossen  drohte  Verarmung. 
Da  bildeten  sich  „Schutzcomites"  unter  Anführung  des  Herrn 
Georg  Davidsohn  vom  „Berliner  Börsencourier"  und  des  Herrn 
Oscar  Freund  vom  „Breslauer  Handelsblatt" ;  und  es  vereinigten 
Bleichröder  und  Disconto-Gesellschaft  die  betrogenen  Obligations- 
besitzer zu  einer  Actiengesellschaft,  in  deren  Aufsichtsrath  u.  A. 
Miquel,  Justizräthe  Wiener  und  Riem  und  Rechtsanwalt  Wölfel 
traten.  52,000,000  Thaler  Obligationen  wurden  in  Actien  ver- 
wandelt und  so  „Deutsches  Capital  gerettet",  die  Herren  Hause- 
mann und  Bleichröder  aber  mit  dem  Adel  belohnt.  Auf  eifriges 
Andrängen  fast  der  gesammten  Presse  traten  alsbald  auch  die 
übrigen  Obligationsbesitzer  bei,  denn  man  wusste  sie  ängstlich 


—    531     — 

und  zaghaft  zu  macheu.  Nur  etwa  120,000  Thaler  Obligationen 
blieben  „unconvertirt",  und  die  Inhaber  derselben  erstritten 
durch  Erkenntniss  des  Reichs- Oberhandelsgerichts  die  Einlösung 
zum  ursprünglichen  Course  von  71  nebst  rückständigen  Zinsen. 
Die  neuen  Actieu  erhielten  1872  —  3^5,  1H73  —  b^,o  Dividende. 
Für  1874  wurden  4,  für  1875  —  2V2  %  ausgeworfen,  aber  nicht 
baar,  sondern  in  neufabricirten  ßprocentigen  iSchuldobligationen 
bezahlt,  die  etwa  50  notiren  —  ein  Zeichen,  dass  man  sie  nicht 
für  allzusicher  hält.  Wer  aber  nur  Eine  oder  ein  paar  Aclien 
besitzt,  ist  gar  nicht  im  Staude,  diese  kostbare  Schuldverschrei- 
bung zu  erlangen  und  muss  seine  Dividendeuscheine  um  jeden 
Preis  los  zu  werden  suchen.  Der  Aufsichtsrath  dagegen  hat 
sich  vorweg  3  %  vom  Betriebsüberschuss  gesichert,  und  z.  B. 
auch  für  1874  an  29,000  Thaler  baar  erhoben.  Der  Cours  der 
„convertirten"  Actien  ist  etwa  noch  12. 

Von  jeher  war  die  Disconto-Gesellschaft  bemüht,  sich  mit 
angesehenen  Geschäftsleuten,  hochstehenden  Beamten  und  Parla- 
mentsmitgliedern zu  umgeben.  In  ihrem  Verwaltungsrath  sassen 
u.  A.:  Georg  Reimer,  Moritz  Reichenheim,  Walter  Bauendahl, 
Meyer  Goldschmidt,  F.  C,  Winckelmann,  J.  G.  L.  Schäffer, 
Julius  Kaufifmann,  sämmtlich  in  Berlin,  Richard  Hartmanu  in 
Chemnitz,  Wilhelm  Puscher  in  Nürnberg ;  ferner  die  Geh.  Ober- 
finanzräthe  Scheele,  Wilckens  und  Scheller,  Geh.  Regierungs- 
rath  Dr.  Reinhard,  die  Wirklichen  Geheimen  Räthe  Wehrmanu 
und  Schuhmann-,  im  Parlament  war  sie  vertreten  durch  Hardt, 
Wilckens,  Freiherr  von  Diergardt,  von  Bernuth,  von  Rönne, 
Freiherr  Ernst  von  Eckardsteiu-Proetzel,  Miquel;  und  im  Ber- 
liner Magistrat  durch  Wilckens,  welcher  zugleich  als  unbesol- 
deter Stadtrath  fungirte.  In  ihrem  speciellen  Dienst  Stauden 
Scheele,  Wilckens,  Miquel  und  Reinhard;  letzterer  früher 
Sachsen- Weimar'scher  Regierungs-Commissar  und  Aufsichtsrath 
des  famosen  Thüringer  Bankvereins.  Diese  vier  Herren  fuugirten 
bei  den  verschiedensten  Gesellschaften,  welche  die  Disconto- 
Gesellschaft  in  die  Welt  gesetzt,  wie  Erste  Preuss.  Hypotheken- 

34* 


-     532     - 

A.G,  Hansemaun,  Preuss.  Central-Bodencredit-A.G.,  Provinzial- 
Disconto,  Rumänische  Eisenbahn-A.G.,  Dortmunder  Union  etc., 
theils  als  Mitgründer  theils  als  Aufsichtsräthe ;  und  vermittelst 
ihrer  beherrschte  die  Disconto  -  Gesellschaft  ein  grosses  Netz 
von  Eisenbahnen,  wie  Jene  denn  z.  B.  im  Verwaltungsrath  der 
Berlin-Potsdamer,  der  Märkisch-Posener ,  der  Halle-Sorau-Gu- 
bener,  der  Berlin-Görlitzer,  der  Magdeburg-Halberstädter,  der 
Braunschweigischen,  der  Rhein-Nahe,  der  Bergisch-Märkischen, 
der  Hessischen  Ludwigsbahn,  der  St.  Gotthard-Bahn  etc.  sassen. 
Herr  Scheele  verliess  die  Disconto-Gesellschaft  und  damit  etwa 
60,000  Thaler  jährliche  Revenuen  und  Hess  sich  zum  Präsi- 
denten des  Reichs-Eisenbahnamts  mit  etwa  5000  Thaler  Gehalt 
ernennen,  setzte  als  solcher  die  höchst  unzeitgemässe  Erhöhung 
der  Eisenbahnfrachtsätze  durch,  meldete  dieses  erfreuliche 
Ereigniss  telegraphisch  der  in  Düsseldorf  tagenden  Delegirten- 
Versanimlung  des  Deutschen  Handelstages,  und  kehrte  alsbald 
wieder  in  die  Arme  und  zu  den  Fleischtöpfen  der  Disconto- 
Gesellschaft  zurück.  Noch  weit  mehr  als  Bleichröder  ist  die 
Disconto-Gesellschaft  eine  grosse  politische  Macht  im  Neuen 
Deutschen  Reich  geworden,  und  sie  ist  der  eigentliche  Hort 
des  manchesterlichen  Nationalliberalismus.  In  einem  der  Dis- 
conto-Gesellschaft gehörigen  Hause  war,  wie  mehrfach  ohne 
Widerspruch  behauptet  wurde,  für  die  nationalliberale  Partei 
ein  eigenes  Bureau  errichtet,  und  von  hier  aus  wurden  die 
Wähler  des  ganzen  Landes  mit  Flugblättern  und  Brochüren 
bombardirt,  die  Provinzial-Presse  mit  Correspondenzen  versorgt. 
Unter  der  Aegide  ihrer  hochstehenden  einflussi'eichen  Ver- 
waltungsräthe  beging  die  Disconto-Gesellschaft  ihre  erschreck- 
lichen Gründungen,  betrieb  sie  eine  Agiomacherei,  die  alles 
Sonstige  weit  übertrifi't.  In  der  Schwindelperiode  erhöhte  sie 
ihr  Capital  von  10  auf  20  Millionen  Thaler,  und  gab  die  jungen 
Actien  zum  Course  von  110  bis  150  aus,  so  dass  sie  allein  bei 
dieser  Operation  ein  Agio  von  zusammen  4,300,000  Thaler  ein- 
steckte.   Wie  bei  der  Vereinsbank  Quistorp,  kann  man  auch 


—    533    — 

leicht  von  der  Disconto-Gesellschaft  nachweisen,  ilass  sie  ihre 
Dividenden  von  1870  bis  1873  zum  grossen  Theil  aus  jenem 
horrenden  Agio,  also  aus  den  Taschen  der  eigenen  Actionäre 
gezahlt  hat,  und  dass  ihre  eigentlichen  Einnahmen  aus  der 
Agiotage  und  Gründerei  gefiossen  sind.  Sie  hatte  von  1866  bis 
1869  nur  8—9%  Dividende  gezahlt,  vertheilte  in  der  Schwindel- 
periode von  1870  bis  1873  —  13,  24,  27  und  resp.  14%,  pro 
1875  aber  nur  noch  7%.,,  Ebenso  hatten  ihre  Actien,  die  1872 
bis  854  getrieben  wurden,  vor  dem  Schwindel  einen  höhern 
Cours  als  heute-,  1869  notirten  sie  etwa  140,  gegenwärtig  nur 
noch  ca.  100,  und  wahrscheinlich  werden  sie  unter  pari  gehen. 
Die  Disconto-Gesellschaft  ist  oft  und  mit  Recht  mit  der  Oester- 
reichischen  Creditanstalt  verglichen  worden.  Wie  diese,  wurde 
auch  sie  ein  Haupt- Spielpapier  der  Börsenjobber,  und  schon 
das  charakterisirt  sie.  Die  Spielpapiere  der  Börsen  sind  stets 
fragwürdiger,  hochbedenklicber  Natur,  was  z,  B.  Preussische 
Bodencredit-Actien-Bank  Jachmann,  Laurahütte,  Dortmunder 
Union  eclatant  bewiesen  haben. 

Aber  die  Disconto-Gesellschaft  wusste  zu  belohnen,  sich 
selber  und  ihre  Gehülfen.  Die  vier  Geschäftsinhaber  Ilanse- 
mann,  Miquel,  Salomonsohn  und  Emil  Hecker  bezogen  an  Tan- 
tiemen 1870  —  265,000  Thaler,  1871  —  702,000  Thaler,  1872 
—  982,000  Thaler,  1873  —  519,000  Thaler,  zusammen  in  diesen 
4  Jahren  —  2,468,000  Thaler.  Die  15  Aufsichtsräthe  erhielten 
in  derselben  Zeit  53,000, 140,000, 196,000  und  resp.  106,000  Thaler, 
zusammen  495,000  Thaler,  so  dass  im  Durchschnitt  auf  jeden 
Kopf  pro  Jahr  8250  Thaler  oder  ein  Miiiistergehalt  ent- 
fallen. Die  meisten  Herren  waren  aber  auch  noch  Aufsichts- 
räthe von  3  bis  10  andern,  mit  der  Disconto-Gesellschaft  zu- 
sammenhängenden Gesellschaften,  und  die  Einnahme  eines 
Jeden  von  ihnen  darf  daher  auf  15,000  bis  50,000  Thaler 
jährlich  geschätzt  werden.  Welcher  Staat  vermag  seine  Beamten 
so  zu  besolden! 

Herr  Miquel  war  von  November  1869  bis  dahin  1873  Mit- 


—    534    — 

Inhaber  der  Disconto- Gesellschaft.  Als  kluger  und  vorsichtiger 
Mann  schied  er  nach  dem  Krach  aus,  übernahm  den  Vorsitz 
im  Verwaltungsrath,  und  soll  in  dieser  Stellung  mit  einer 
doppelten  Ration  der  Tantieme  bedacht  worden  sein.  Als  Mit- 
gesellschafter will  er,  wie  er  öffentlich  erklären  liess,  nicht  ^U, 
sondern  nur  Vs  der  Gewinn antheile  (Hansemanu  soll  •'*/s  in  An- 
spruch nehmen)  bezogen  haben.  Das  würde  in  jenen  4  Jahren 
etwa  300,000  Thaler  oder  jährlich  75,000  Thaler  ergeben.  Da 
Herr  Miquel  aber  auch  zugleich  Director  der  Provinzial-Dis- 
contogesellschaft  und  ausserdem  noch  6-  bis  Sfacher  Aufsichtsrath 
war,  so  wird  sein  damaliges  Jahreseinkommen  auf  weit  über 
100,000  Thaler  zu  veranschlagen  sein.  Unnatürlich  wär's,  wenn 
er  die  Geschäfts-Opei'ationen  der  Disconto-Gesellschaft ,  in  die 
er  eingeweiht  war,  die  neuen  Actien-Emissionen  etc.  nicht  auch 
für  sich  persönlich  ausgenutzt  hätte.  Das  Messe,  an  einem 
reich  besetzten  Tisch  sitzen  und  nicht  mitessen!  Thatsächlich 
war  Herr  Miquel  vor  seinem  Eintritt  in  die  Disconto-Gesell- 
schaft ein  armer,  und  er  ist  jetzt  ein  reicher  Mann. 

Beim  ersten  Zusehen  scheint  Miquel  in  der  Disconto-Ge- 
sellschaft überflüssig  gewesen  zu  sein;  Kaufmann  war  er  nicht, 
und  einen  tüchtigen  Juristen  besass  man  schon  in  dem  Rechts- 
anwalt a.  D.  Salomonsohn.  Aber  er  hat  sich  trotzdem  als  ein 
sehr  thätiges,  sehr  nützliches  Mitglied  bewiesen,  und  die  riesigen 
Tantiemen,  die  er  bezog,  wohl  verdient.  Seine  Hauptthätigkeit 
fiel  ins  Parlament,  wo  er  z.  B.  neben  Baron  von  Eckardstein- 
Proetzel  und  Wilckens  für  die  von  der  Disconto-Gesellschaft, 
freilich  vergeblich  angestrebte  Hundert-Millionen-Prämien-An- 
leihe und  bald  darauf  für  die  Central-Bodencredit-A.G.  wirkte, 
namentlich  aber  so  tapfer  für  das  Actiengesetz  focht,  und  1873 
begeistert  dafür  eintrat,  dass  der  Invalidenfonds  und  die  andern 
grossen  Reichsfonds  auch  ungarantirte  Eisenbahnprioritäten  er- 
werben durften,  welche  dann  die  Disconto-Gesellschaft  so  reichlich 
abgab,  dass  jene  reichen  Fonds  „invalide"  wurden.  Auch  war 
er  auf  den  Generalversammlungen  der  von  der  Disconto-Gesell- 


—    535     — 

Schaft  gegründeten  Institute  ein  hervorragender  Redner,  wo 
er  die  opponireuden  Actionäre  gern  belehrte  und  tröstete.  Der 
ingeniöse  Plan  der  Provinzial-Disconto- Gesellschaft  ist  wahr- 
scheinlich seinem  Haupte  entsprungen,  und  er  wusste  auch  die 
Bedenken  des  Handelsrichters,  wegen  Errichtung  von  Zweig- 
niederlassungen, zu  beseitigen.  In  Sachen  der  Rumänischen 
Eiseubahngesellschaft  richtete  Miquel  am  16.  November  1871 
ein  Schreiben,  ganz  im  Requisitionsstil  gehalten,  an  den  Stadt- 
gerichts-Präsidenten Krüger,  das  von  diesem  Abends  präsentirt 
wird.  Herr  Krüger  decretirt  sofort  und  lässt  die  Verfügungen 
durch  einen  Expressen  bestellen.  Der  ordentliche  Handels- 
richter, Rath  Eisner  von  Gronow,  wagt  die  Sache  nicht  zu  über- 
nehmen, und  Herr  Krüger  ernennt  einen  Commissarius  ad  hoc, 
den  Rath  von  Chapelie,  indem  er  zugleich  verfügt,  dass  die 
Eintragung  in  das  Handelsregister  spätestens  im  Laufe  des 
morgenden  Tages  geschehen  müsse.  (Diese  Eile  war  allerdings 
im  Interesse  der  Sache  erwünscht,  da  die  von  der  Rumänischen 
Regierung  gestellte  Frist  ablief.)  Auch  Herr  Chapelie  erhebt 
formelle  Bedenken,  worauf  sofort  ein  ausserordentliches  CoUegium, 
bestehend  aus  den  Herren  Krüger,  von  Chapelie  und  Eisner 
von  Gronow,  zusammentritt.  Die  Bedenken  werden  theils  für 
nicht  erheblich,  theils  für  erledigt  erachtet.  Unterzeichnet: 
Krüger,  von  Chapelie.  „Die  Verantwortlichkeit  für  die  Ein- 
tragung im  gegenwärtigen  Zustande  übernimmt  Herr  Rath  von 
Chapelie."  —  Man  sieht  also,  dass  Herr  Miquel  auch  für  den 
Verkehr  mit  den  Behörden  eine  ausserordentlich  geeignete  Per- 
sönlichkeit war. 

Wie  unschuldig,  wie  unwissend  tliat  nun  dieser  geniale 
vielseitige  Mann,  als  ihn  am  5.  Februar  1876  im  Deutschen 
Reichstag  wegen  seiner  Gründerei  der  Abg.  von  Ludwig  zur 
Rede  stellte!  Da  wusste  er,  wie  der  klassische  Zeuge  Hase, 
von  gar  nichts;  kaum  konnte  er  die  Namen  der  von  ihm  ge- 
gründeten Gesellschaften  nennen.  Da  wollte  er  nur  auf  eine 
Jahreseinuahme  von  6000—8000  Thaler  gerechnet  haben,   da 


~     536    — 

wollte  er  nur  aus  politischeu  Gründen  verfolgt  sein,  und  da 
versiclierte  er  feierlich:  „Ich  für  mein  Theil  habe  für  mich 
selber  nie  Geschäfte  gemacht,  weder  Gesellschaften 
gegründet  noch  Anderes.  "Wo  ich  gehandelt  habe,  habe 
ich  gehandelt  als  Director  der  Disconto- Gesellschaft,  meiner 
Pflicht  entsprechend."  —  Ei,  ei,  Herr  Miquel,  das  ist  eine 
blanke  Unwahrheit!  In  dem  notariellen  Instrument  über  die 
Gründung  der  Provinzial- Disconto -Gesellschaft  heisst  es  aus- 
drücklich: Hansemann  und  Miquel  erscheinen  nicht  nur  für 
ihre  eigenePerson,  sondern  auch  als  Vertreter  der  Disconto- 
Gesellschaft.  Für  letztere  zeichneten  beide  gemeinschaftlich 
9,532,000  Thaler;  ausserdem  zeichnete  Miquel  für  sich  selber 
25,000  Thaler,  und  da  die  Actien  mit  120—131  an  die  Börse 
kamen,  hat  er  hier  mit  Einem  Federzuge  5000—7750  Thaler 
verdient.  Ebenso  zeichnete  er  bei  Begründung  der  Rumänischen 
Eisenbahngesellschaft  wieder  für  sich  selber  100,000  Thaler, 
und  höchst  wahrscheinlich  hat  er  bei  der  Central-Bodencredit- 
A.G. ,  bei  der  Dortmunder  Union  und  anderen  Gesellschaften 
ähnliche  Summen  für  sich  allein  gezeichnet;  was  aber  acten- 
mässig  noch  nicht  hat  festgestellt  werden  können.  In  ihrer 
Art  klassisch  war  Miquels  Erklärung,  dass  er  seine  „ausser- 
ordentlich interessante,  lehrreiche  und  höchst  einträgliche 
Stellung"  schon  1872  hätte  aufgeben  wollen,  aber  erst  No- 
vember 1873  wirklich  aufgegeben  hat,  dass  ein  grosser  Theil 
des  Gewinns  aus  dem  Jahre  1872  nicht  vertheilt,  sondern  als 
Reserve  vorgetragen  worden,  was  Beides  seine  Uneigenuützigkeit 
beweisen  soll!  Dieser  Reservevortrag,  der  auch  1873  und  später 
geschah,  war,  wie  Jedermann  weiss,  eine  geschäftliche  Noth- 
wendigkeit,  um  die  drohenden  Verluste  zu  decken;  und  ohne 
ihn  hätte  schon  1873  keine  Dividende  mehr  vertheilt  werden 
können. 

Und  für  diesen  Erz-  und  Generalgründer  trat  mit  wahrer 
Leidenschaft  Herr  L.asker  ein,  der  noch  Anfang  1875  den 
Gründern  von  Neuem  „den  Krieg  bis  aufs  Messer"  erklärt  hatte. 


—     537     — 

Er  verdächtigte  und  bescliimpfte  jetzt  die  Ankläger  und  etablirte 
die  „YerleumduDgsära".  Betrachten  wir  einmal  die  Thaten  und 
die  Reden  dieses  Ehrenmannes  im  Zusammenhange. 

Lasker's  „Enthüllungen",  am  7.  Februar  1873,  waren  in 
erster  Linie  gegen  einen  von  ihm  sehr  gefürchteten  politischen 
Gegner,  den  Geheimen  Rath  Wagener  gerichtet,  der  damals 
den  Vortrag  beim  König  erhalten  sollte,  und  den  er  durch 
seine  „Enthüllungen"  stürzte.  Das  Material  dlazu  hatte  ihm 
ein  früherer  Untergebener  Wagener's,  der  Calculator  Pelckmann, 
geliefert,  der  in  Folge  dieses  „groben  Vertrauensbruches"  ent- 
lassen (vgl.  Nationalzeitung  No.  274  vom  16.  Juni  1874),  und 
später  wegen  „Untreue  und  Unterschlagung"  zu  einem  Jahr 
Gefängniss  verurtheilt  wurde.  Laskers  „Enthüllungen",  die  nur 
ein  paar  conservative  Gründer  behandelten,  waren,  wie  sein 
späteres  Verhalten  bewiesen  hat,  eine  dreiste  Komödie,  um  die 
Aufmerksamkeit  von  den  „liberalen"  Gründern  und  von  seineu 
jüdischen  Glaubensgenossen  abzulenken.  Damals  wurde  im 
Abgeordnetenhause  ein  Brief  des  Ministerpräsidenten  verlesen, 

in  welchem  es  u.  A.  hiess:  „ eine  hiesige  grosse  Firma, 

zu  welcher  Herr  Lasker  als  Rechtsanwalt  Beziehungen  haben 

soll "    Diese  Vermuthuug  war,  wie  es  sich  hinterher 

herausgestellt  hat,  vollkommen  zutreffend,  aber  Graf  Roon  fühlte 
sich  veranlasst,  sie  gleich  nach  Verlesung  des  Briefes  wieder 
zurückzuziehen.  Damit  hätte  Lasker  sich  begnügen  können, 
aber  er  hat  die  Gewohnheit  der  Trödeljuden,  sich  bei  jeder 
Gelegenheit  zu  verschwören  und  zu  verfluchen,  und  um  an 
seiner  Unschuld  und  Reinheit  keinen  Zweifel  zu  lassen,  be- 
theuerte er:  Seitdem  ich  Rechtsanwalt  bin,  habe  ich  niemals 
ein  Rechtsanwaltsgeschäft  vollzogen,  nie  mit  irgend  einer  Firma 
über  irgend  eine  Eisenbahn  je  in  meinem  Leben  ein  Wort  ge- 
sprochen. Nun  gehört  zum  Lügen  ein  ausserordentliches  Ge- 
dächtniss;  das  aber  scheint  Herrn  Lasker  zuweilen  im  Stich 
zu  lassen,  zumal  er  an  Wallungen  leidet,  und  er  verrieth  sich 
selber.    Am  27.  Januar  1877  erschien  er  als  Entlastungszeuge 


—    538     — 

im  Prozess  Gehlsen  wegen  Beleidigung  des  Aufsiclitsraths  der 
Rumänisclien  Eisenbahngesellscliaft.  „Religion  —  mosaisch, 
nicht  wahr?"  fragte  entgegenkommend  der  Präsident.  „„Mo- 
saisch!"" lispelte  verschämt  Herr  Lasker.  Dann  aber  ermannte 
er  sich,  und  hielt,  wie  es  seine  Art  ist,  dem  Gerichtshof  fiiigs 
einen  grossen  Vortrag,  „dass  er  den  Gegenstand  der  Anklage 
nicht  kenne,  dass  er  nur  objectiv  aussagen  könne"  u.  s.  w. 
Endlich  zur  Sache  kommend,  erklärte  er  (die  ganze  Verhand- 
lung ist  von  vereidigten  Stenographen  aufgenommen):  Im  No- 
vember 1872  wurde  ich  von  Herrn  Miquel  zur  Abgabe  eines 
Gutachtens  aufgefordert  über  die  Ansprüche  der  Rumänischen 
Eiseubahngesellschaft  gegen  Strousberg.  Ich  lehnte  zuerst  ab, 
liess  mich  aber  später  bewegen.  Aufgefordert  hier  Zeugniss 
abzulegen,  nahm  ich  Veranlassung,  Herrn  Miquel  zu  fragen,  ob 
ich  für  das  von  mir  übernommene  Rechtsanwaltsgeschäft 
nicht  Amtsverschwiegenheit  schuldig  sei.  Miquel  stellte  mir 
jedoch  die  Aussage  frei.  —  Lasker  hat  dann  später  öffentlich 
erklärt,  dass  er  das  Gutachten,  für  welches  er  ein  Honorar 
erhielt,  Februar  1873,  also  gerade  zu  der  Zeit  abgegeben,  wo 
er  im  Parlament  so  feierlich  das  Gegentheil  versicherte.  — 
Hiernach  war  die  grosse  Firma,  zu  welcher  er  als  Rechtsanwalt 
Beziehungen  hatte,  die  Disconto-Gesellschaft,  der  es  an  Juristen 
keineswegs  fehlte.  Ausser  Miquel  sassen  im  Aufsichtsrath  der 
Rumänischen  Eisenbahngesellschaft  noch  die  Justizräthe  Wiener 
und  Riem,  und  Letzterer  betonte  dies  in  der  Verhandlung  gegen 
Gehlsen,  indem  er  sagte:  Laskers  Gutachten  sei  zwar  nach 
Gebühr  erwogen  worden,  habe  aber  nicht  den  Ausschlag  gegeben. 
Wahrscheinlich  war  dies  nur  ein  Versuch  der  Disconto-Gesell- 
schaft, Herrn  Lasker  einzufangen.  Erwähnt  ist  schon,  dass  er 
sich  in  Hirth's  Parlaments- Almanach  als  Syndicus  der  „Deutschen 
Bodencredit-Bank"  anführt.  Eine  solche  Bank  giebt  es  nun 
zwar  nicht,  aber  die  betreffende  Firma  wird  ähnlich  lauten. 

Von  seinen  „Enthüllungen"  rühmt  Lasker  stets  mit  grosser 
Emphase,  dass  er  nur  Thatsachen  enthüllt  und  für  alle  die 


—    539    - 

Beweise  erbracht  habe.  Diese  Behauptung  ist  amtlich 
widerlegt  in  dem  Bericht  der  Specialcommission  zur  Unter- 
suchung des  Eisenbahuconcessionswesens ,  Anlage  D.,  wo  ihm 
urkundlich  nachgewiesen  wird,  dass  er  den  Beweis  vielfach 
schuldig  geblieben  ist,  factisch  unbegründete  Vorwürfe  erhoben 
hat,  und  von  dem  Actiengesetz  nur  mangelhafte  Kenntniss 
besitzt.  Vielleicht  mit  aus  diesen  Gründen  blieb  der  Bericht 
der  Untersuchungscommission  Jahre  lang  unbenutzt,  blieb  er 
sogar  den  meisten  Abgeordneten  unbekannt,  so  dass  er,  als  er 
im  Frühjahr  1876  endlich  zur  Berathung  gelangte,  von  Neuem 
gedruckt  werden  musste.  Trotzdem  hatte  Lasker  die  edle 
Dreistigkeit  in  der  Sitzung  am  29.  März  1876  zu  sagen:  „Der 
Bericht  ist  ungefähr  drittehalb  Jahre  fertig  und  in  den  Händen 
des  Publikums." 

Eine  ganze  Reihe  von  Winkelzügen,  Verdrehungen  und 
groben  Unwahrheiten  hat  dem  modernen  Cato  Herr  von  Diest 
nachgewiesen,  dem  er  mit  Mund  und  Hand  versprochen,  auch 
gegen  die  liberalen  Gründer  vorzugehen.  So  wollte  er  einen 
recommandirten  Brief  Diest's,  deu  er  eigenhändig,  in  der  ein- 
gehendsten Weise  und  recommaudirt  beantwortete,  hinterher 
gar  nicht  gelesen  haben.  So  erklärte  er,  Herrn  von  Diest 
schon  im  November  1875  für  immer  von  sich  gewiesen  zu  haben, 
worauf  Jener  einen  ganz  freundschaftlich  gehaltenen  Brief  ver- 
öffentlicht, den  Lasker  noch  unterm  20.  Januar  1876  an  ihn 
richtete.  Eine  scharfe  Zurechtweisung  musste  sich  Lasker  von 
seinem  ehemaligen  Principal,  Elisamter  gefallen  lassen,  in  dessen 
Redaction  er  1857  gearbeitet  hat.  Lasker  hatte  gegen  den 
Abgeordneten  Dr.  Röckerath  den  Geh.  Commerzienrath  Robert 
Warschauer  als  einen  Mann  hingestellt,  „absolut  frei  von  dem 
Streben  nach  einem  unlautern  Gewinn"  —  und  nun  erinnert 
Elisamter  Herrn  Lasker  daran,  dass  die  Zeitung,  bei  der  dieser 
1857  angestellt  war,  Herrn  Warschauer  schon  damals  als  einen 
grossen  Gründer  und  „einen  Mann  der  Agiotage"  verarbeitet  hat. 

Das  Stärkste  leistete  Lasker  ia  Sachen  seines  Freundes, 


—     540    — 

des  gekränkten  Gründers  von  Bennigseu.  In  der  Sitzung  am 
29.  März  1876  versicherte  er:  Der  Zeuge,  Abgeordnete  Adickes 
wurde  viermal  amtlich  vorgeladen,  war  aber  nicht  zu  ermitteln. 
Ich  habe  Alles  gethan  was  zur  Autklärung  der  Sache  möglich 
war,  —  Darauf  meldet  sich  plötzlich  Adickes,  und  richtet  unterm 
31.  März  ein  Schreiben  an  den  Präsidenten  des  Abgeordneten- 
hauses, worin  er  sagt:  Nachdem  der  Bericht  der  Untersuchungs- 
commission  zu  meiner  Kenntniss  gekommen  war,  habe  ich  schon 
im  December  1873  dem  Abg.  Lasker  mitgetheilt,  dass  ich  weder 
mündlich  noch  schriftlich  eine  Aufforderung  erhalten  habe,  vor 
der  Commission  zu  erscheinen.  Auch  hat  der  damalige  Ab- 
geordnete Hurtzig  dem  Herrn  Lasker  diese  Erklärung  wieder- 
holt. „Demnach  durfte  ich  die  Erwartung  hegen,  dass  der  Abg. 
Lasker  meine  Mittheilung  nicht  mit  Stillschweigen 
übergehen  würde."  Ich  bemerke  auch  noch  ausdrücklich, 
,,dass  ich  mich  innerhalb  der  gesammten  fraglichen 
Zeit  entweder  in  Berlin  oder  in  meinem  Wohnort 
Hannover  aufgehalten  habe".  —  Adickes  bittet  diese  Er- 
klärung öffentlich  zu  verlesen,  aber  Herr  von  Bennigsen  lässt 
es  wohl  bleiben;  er  giebt  den  Brief  an  Lasker,  dieser  stellt 
sich  mit  eherner  Stirn  vor  das  Haus  und  sagt:  Ja,  meine  Herren, 
der  Abgeordnete  Adickes  hat  mir  jene  Mittheilung  brieflich  ge- 
macht, auch  durch  einen  Collegen  mündlich  wiederholen  lassen. 
Aber  ich  erinnere  Sie,  dass  ich  mich  über  diesen  Punkt  gar 
nicht  geäussert  habe;  ebenso  wenig  wie  der  Üntersuchungs- 
bericht,  mit  dem  meine  Mittheilungen  sich  in  voller  Ueber- 
einstimmung  befinden.  —  Und  das  ganze  Haus  nimmt  diese 
Erklärung  stumm  und  lautlos  entgegen,  hat  für  solch  uner- 
hörtes Gebahren  auch  nicht  Ein  Wort  des  Unwillens  und  der 
Entrüstung,  Herr  Lasker  aber  fährt  fort,  den  Tugendbold  zu 
spielen,  trieft  beständig  von  Moral  und  Sittlichkeit,  und  bei 
dem  Compromiss  in  Sachen  der  Justizgesetze  ruft  er  aus:  Wenn 
dem  Deutscheu  Vaterlande  hier  irgend  ein  Schaden  entsteht, 
so  will  ich  die  Verantwortung  übernehmen!  —  Ist  dieser  Mann 


—     541     — 

nicht  schlimmer  und  gefährlicher  als  selbst  Miqiiol  und  Con- 
sorten,  ist  er  nicht  der  politische  und  parlamentarische  Strausberg? 
Was  Herrn  vouBenuigsen  betrifft,  so  hat  dieser  „correcte" 
Gründer  sich  October  187G  ein  Unschulds-Attest  von  der  König- 
lichen Eisenbahn -Direction  zu  Hannover  —  unterzeichnet- 
Schmerfeld  —  ausstellen  lassen.  Dieselbe  bescheinigt,  dass  die 
Hannover- Altenbeckener  Eisenbahn  den  Umweg  um  den  öst- 
lichen Abhang  des  Deister  über  Gut  Bennigsen  nur  mache, 
weil  die  directe  Linie  1,600,000  Thaler  Mehrkosten  erfordert 
haben  würde,  und  dass  der  Bahnhof  bei  Gut  Bennigsen  mit 
Eücksicht  auf  die  daselbst  sich  kreuzenden  Strassen  und  wegen 
der  in  Aussicht  genommenen  Abzweigung  einer  directen  Linie 
von  Hannover  über  Döhren  und  Hiddesdorf  erbaut  worden  sei. 
Wir  fragen  zunächst:  Wer  hat  die  Königliche Eisenbahn-Direction 
Hanaover  zur  Abgabe  dieses  Zeugnisses  ermächtigt,  ist  sie  dazu 
überhaupt  befugt  und  competent?  Aber  zugegeben,  dass  ihre 
Behauptungen  durchaus  richtig  sind,  so  ändert  dies  nichts  an 
zwei  Thatsachen:  1)  Das  früher  sehr  vernachlässigte  und  abge- 
legene Gut  des  Herrn  von  Bennigsen  hat,  indem  es  in  das  Eisen- 
bahnnetz hineingezogen  und  mit  einem  Bahnhof  bedacht  wurde, 
einen  sehr  viel  grössern  Werth  erhalten.  2)  Der  Verkehr  auf 
diesem  Bahnhof  ist,  obgleich  täglich  hier  acht  Züge  halten,  so 
unbedeutend,  dass  in  den  Geleisen  Gras  wächst.  Herr  von 
Bennigsen  hat  also  doch  nicht  blos,  wie  Lasker  behauptet,  im 
Interesse  der  Provinz,  sondern  auch  in  seinem  eigenen  gegründet. 
Indess  der  Vortheil  sollte  ihm  gern  gegönnt  sein  und  gar 
nicht  bemängelt  werden,  hätte  er  sich  nicht  grosse  „Incorrect- 
heiten"  zu  Schulden  kommen  lassen.  Der  Bericht  der  Special- 
Untersuchungscommission  über  die  Bahnen  Hannover -Alten- 
becken und  Löhne-Vienenburg  (S.  103—112)  ist  sehr  kurz,  auf- 
fallend reservirt  und  schonend  gehalten.  Trotzdem  stellt  er 
Folgendes  fest:  von  Bennigsen  und  Genossen  habe  beide  Con- 
cessioneu  nur  unter  der  Bedingung  erhalten,  dass  die  „General- 
Entreprise"  ausgeschlossen  sein  sollte,  und  sie  haben  dies,  sowol 


—     542    — 

dem  Haüdelsmiiiister  wie  im  Prospect  dem  Publikum,  aus- 
drücklich versprochen.  Dessen  ungeachtet  hat  Strausberg,  den 
der  Minister  eben  ausgeschlossen  wissen  wollte,  beide  Bahnen 
in  General-Entreprise  gebaut,  und  der  Bau  ist  dadurch  viel 
theurer  geworden.  Allein  die  Erdarbeiten  bei  Haunover-Alten- 
becken  erforderten  1,375,000  Thaler  mehr,  das  Doppelte  des 
ursprünglichen  Anschlages.  Bennigsen  und  Genossen  haben 
also  ihr  Wort  gebrochen,  den  Minister  getäuscht  und  die 
Actionäre  schwer  geschädigt.  Strausberg  und  seine  Helfers- 
helfer, Jaques  und  Cohen,  befinden  sich  schon  unter  den  ersten 
Zeichnern,  und  Strausberg  hat  für  Bennigsen  und  Genossen 
auch  die  Caution  mit  250,000  Thaler  bestellt. 

Wie  Strausberg  in  seinem  Buche  jetzt  selber  erzählt,  zahlte 
er  dafür,  dass  er  den  Bau  in  Generalentreprise  erhielt,  an 
Cohen  eine  Abfindung.  Dieselbe  soll  34,000  Pfund  Sterling  be- 
tragen haben,  und  Cohen  soll  davon  14,000  Pfund  an  die  Gründer 
(„Comitö-Mitglieder")  gezahlt  haben.  Vor  der  Untersuchungs- 
commissiou  verweigerte  Cohen  hierüber  Auskunft  zu  geben, 
und  der  Abgeordnete  Adickes,  der  Fractionsgenosse  der  Herreu 
von  Bennigsen  und  Lasker,  war,  obwol  er  zu  derselben  Zeit 
im  Parlament  sass,  »durchaus  nicht  aufzufinden,  wahrscheinlich, 
weil  man  ihn  nicht  finden  wollte.  Wehe  gewissen  Leuten, 
wenn  Adickes  einst  sprechen  sollte! 

Adickes  und  von  Bennigsen  waren  die  eigentlichen  Macher 
der  Hannover-Altenbeckener  Eisenbahn-Gesellschaft.  Adickes 
präsidirte  den  Generalversammlungen,  und  von  Bennigsen  hielt 
hier  die  Vorträge,  worin  er  die  sehr  mannigfachen  neuen  Pro- 
jecte  entwickelte  und  befürwortete.  Bennigsen  und  Genossen, 
wiewol  sie  nur  ,,im  Interesse  der  Provinz"  gründeten,  waren 
weit  ärgere  Concessions- Jäger  als  die  von  Lasker  so  scharf 
gegeisseltcn  Fürst  Putbus  und  Prinz  Biron.  Obgleich  sie  für 
Hannover-Altenbecken  wiederholt  eine  Verlängerung  der  Bau- 
zeit nachsuchten,  obgleich  die  Vollendung  der  Bahn  sich  fort- 
während verzögerte,  und  der  Handelsminister  unterm  28.  März 


—     543    — 

1872  die  bestellte  Caution  bereits  für  verfallen  erklärte  (S.  lOG 
des  Berichts)  —  bewarben  sich  Bennigsen  und  Genossen  um 
immer  neue  Strecken  und  Zweigbahnen,  wie  Rinteln -Ober- 
kirchen, Dortmund-Hamcln,  Löline-Dortmund  und  Wahrendorf- 
Münster,  Seesen -Derneburg,  Bennigsen -Lehrte  etc.  (So.  423, 
497,  535,  565,  592,  594  des  Beilagebandes  B.),  und  der  Handels- 
minister ertheilte  u.  A.  folgende  Antwort (No.  565):  „Abgelehnt 
mit  Rücksicht  auf  die  ungeordneten  P'inanzvcrhält- 
uisse  des  Stamm-Unternehmens". 

Hannover -Altenbecken  hat  zusammen  für  ISVi  Millionen 
Thaler  Actien  ausgegeben.  Von  ihnen  stehen  die  Stammactien 
ca.  13,  und  die  Prioritäts- Actien  ca.  33;  Ende  1875  standen 
sie  sogar  8  resp.  20.  Der  Coursverlust,  welchen  das  Publikum 
erlitten,  ist  auf  13  Millionen  Thaler  zu  veranschlagen.  Indem 
aber  Bennigsen  und  Genossen  die  Verwaltung  und  den  Betrieb 
der  Bahn  „ohne  irgend  welche  Beschränkung  und  ohne  sich 
ein  Kündigungsrecht  vorzubehalten"  einer  Concurrenzbahn, 
der  Magdeburg-Halberstädter  überwiesen,  haben  sie  ihrer  Grün- 
dung die  Krone  aufgesetzt,  und  die  Actionäre  werden  nie  einen 
Heller  zu  sehen  bekommen.  Ausserdem  sind  15  Millionen  Thaler 
Obligationen  fabricirt,  die  etwa  noch  90  notiren,  welcher  Cours 
aber  ziemlich  künstlich  ist.  Die  I.  Emission  mit  2^/4  Millionen 
Thaler  ruht  auf  der  noch  immer  nicht  in  Angriff  genommenen 
Strecke  Hildesheim-Braunschweigische  Landesgrenze,  also  auf 
einer  blossen  Luft  bahn.  Von  diesen  famosen,  einstweilen  fast 
unverkäuflichen  Obligationen  sind  dem  Invalidenfonds  über 
3  Millionen  Thaler,  dem  Festungsbaufonds  über"  VI-2  Millionen 
Thaler  und  dem  Provinzial-Dotations- Fonds  über  1  Million 
Thaler,  zusammen  gegen  6  Millionen  Thaler  angeschmiert  worden! 

Zu  den  Parlamentariern;  mit  welchen  sich  die 
Gründer  verstärkten,  traten,  als  Mitgründer  und  Aiif- 
sichtsräthe,  noch  Adel,  Beamte  und  Militairs,  bis  zu 


—    544     — 

den  höchsten  Spitzen  und  zum  Theil  aus  der  nächsten 
Umgebung  der  Monarchen,  Richter  und  allerhand 
Notabilitäten  aus  Kunst  und  Wissenschaft.  Nur  hin 
und  wieder  wurde  ein  Beamter  von  seiner  vorge- 
setzten Behörde  corrigirt.  So  wies  der  Präsident 
des  Berliner  Stadtgerichts  einen  seiner  Räthe,  der 
den  Prospect  der  Berliner  Bauvereinsbank  mitunter- 
zeichnet hatte,  an,  seinen  Namen  zurückzuziehen. 
So  nöthigte  General  von  Stosch  etliche  Räthe  des 
Kriegsministeriums  wie  der  Admiralität,  die  sich  au 
Gründungen  betheiligt,  ihren  Abschied  zu  nehmen. 
Nicht  wenige  Beamte  fungirten  als  Aufsichtsräthe 
von  Gesellschaften,  deren  Zweck  mit  ihrem  Amte 
geradezu  collidirte.  Viele  Beamte  nahmen  erst  ihren 
Rückzug,  als  das  endlich  beschlossene  Gesetz  sie 
dazu  nöthigte;  die  meisten  blieben  bis  zum  letzten 
Augenblicke,  und  verschiedene  schwankten  noch,  ob 
sie  nicht  lieber  auf  ihr  Amt  verzichten  sollten,  denn 
der  Gehalt  stand  in  keinem  Verhältniss  zu  den  Tan- 
tiemen, welche  sie  bisher  als  Aufsichtsräthe  bezogen 
hatten.  Der  Procentsatz  von  Beamten,  welche  sich 
in  der  Schwindelperiode  als  Mitgründer  und  Auf- 
sichtsräthe betheiligt  haben,  ist  kein  unbedeutender. 
Dennoch  wäre  es  übertrieben,  deswegen  auf  unsern 
ßeamtenstand   als   solchen  einen   Makel   werfen   zu 


-     545     — 

wollen,   uiid    derselbe   bedurfte   \Yahrlich   nicht   der 

Vertlieidigung  eines  Lasker  und  Strausberg! 

Die  Tantiömen  wuchsen  in  der  Schwindelperiode  auf  Kosten 
der  Actionäre  so  riesig,  dass  gewisse  Aufsichtsrüthe  daraus  eine 
Einnahme  bezogen,  gegen  welche  der  Gehalt  des  Reichskanzlers 
eine  blosse  Bagatelle  ist.  So  z.  B.  der  Freiherr  von  Eckard- 
stein-Proetzel,  der  bei  einem  Dutzend  Gesellschaften  fungirte, 
und  von  dem  man  wol  sagen  darf,  dass  er  seine  semitische  Ab- 
stammung nicht  verleugnet.  Verschiedene  „Volkswirthe"  und 
Parlamentarier  waren  so  naiv,  Gründergewinnste  und  Tantiömen 
als  ein  Aequivalent  für  ihre  öffentliche  Thätigkeit  zu  betrach- 
ten. Herr  von  Kardorif,  der  sich  April  1875  in  der  „Garten- 
laube" angegriffen  sah,  schrieb  zu  seiner  Piechtfertigung:  Es 
dürfte  ziemlich  bekannt  sein,  „dass  ich  mich  an  industriellen 
Unternehmungen  nicht  betheiligt  habe,  um  Schätze  zu  sam- 
meln, sondern  lediglich  um  mir  zu  ermöglichen  ohne  Vermö- 
gensverluste meine  parlamentarische  Thätigkeit  wahrzunehmen". 
Herr  von  Kardorff  lebte  mit  Familie  alljährlich  etwa  neun  Mo- 
nate in  Berlin,  und  führte  hier  einen  grossen  Haushalt  mit 
Dienerschaft,  Equipage  etc.,  was  ihm  also  keine  „Vermögens- 
verluste" kostete.  In  der  That,  ein  sehr  praktischer  Volks- 
vertreter! Herr  Albert  Träger,  auch  mehrfach  bei  Actiengesell- 
schaften  beschäftigt  und  Mitbewerber  um  verschiedene  Eisen- 
bahn-Concessionen  (Vgl.  25!)  und  446,  Beilage  B  des  Berichts 
der  Special- Untersuchungscommission),  übermittelte  jenen  Brief 
an  den  Verleger  der  „Garterilaube"  und  schrieb  dazu:  ,,Ich 
bin  für  meinen  Theil  überzeugt,  dass  er  (von  Kardortf)  in  seiner 
besondern  Sache  Recht  hat.  Er  hat  aber  auch  im  Allgemeinen 
Recht;  auf  den  Grüudertaumel  ist  eine  Gründerhatz  gefolgt, 
die  gleichfalls  das  Publikum  benachthciligt."  Sogar  Eugen 
Richter  sprach  am  3.  December  1873  im  Abgeordnetonhause 
von  Staatsministern  a.  D.,  welche  auf  Grimderprospecten  als 
„Schlepper  im  Bauernfang"  figuriren.    Später  verwirrten  sich 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.  35 


546 


ihm  jedoch  die  Begriffe,  er  hiess  Frühjahr  1876  die  Ankläger 
der  parlamentarischen  Gründer  „Bauernfänger";  und  als  er 
nunmehr  mit  Herausforderungen  beehrt  wurde,  schob  er  seine 
Haushälterin  vor,  die  den  Cartelträgern  die  Thüre  vor  der 
Nase  zuwarf. 

Der  Aufsichtsrath  ist  nichts  weiter  als  eine  Decoration, 
und  die  Stellen  der  Aufsichtsräthe  waren  blosse  Sinecuren. 
Die  Aufsichtsräthe  bekümmerten  sich  um  nichts,  wenigstens 
so  lange  nicht,  als  sie  fette  Tantiemen  erhielten.  Der  Abge- 
ordnete Karbe  auf  Adamsdorf,  seit  14  Jahren  Verwaltungsrath 
der  Preussischen  Hypotheken- Versicherungs-A.G.  Hühner,  er- 
klärte die  Behauptung:  diese  Gesellschaft,  resp.  deren  Chef, 
Dr.  Otto  Hübner,  sind  bei  verschiedenen  Gründungen  betheiligt 
—  öffentlich  für  „Unwahrheit  und  Verleumdung"  (in  Corpus- 
schrift),  und  Hess  sich  dies  von  seinen  sämratlichen  Collegen 
attestiren.  Nun  führt  das  sehr  bekannte  und  sehr  verbreitete 
Börsenhandbuch  „Saling's  Börsenpapiere",  IV.  Theil,  4.  Auf- 
lage, Seite  150  ff.,  und  ebenso  das  Schriftchen  ,,Die  Berliner 
Emissionshäuser"  (Berlin  1873)  S.  126  die  Preussische  Hypo- 
theken-Versicherungs-A.G.  Hübner  ausdrücklich  als  Gründerin 
und  Emissionshaus  des  sehr  faulen  Deutsch-Holländischen  Actien- 
Bauvereins  an.  Ausserdem  sind  die  Prospecte  verschiedener 
Gesellschaften,  wie  der  Berliner  Bockbrauerei,  des  Bauverein 
Friedrichshain,  der  Allgemeinen  Depositenbank,  der  Deutsch- 
Russischen  Handelsbank  etc.  durch  alle  Zeitungen  gelaufen, 
und  darunter  standen  u.  A.  die  Namen  des  Dr.  Otto  Hübner 
und  des  Justizrath  Gustav  Wolff,  beides  Directoren  der  Preuss. 
Hypotheken -Versicherungs- AG.,  sowie  des  Herrn  Wilhelm 
Wolff  und  des  Geh.  Oberfinanzraths  Adolf  Geim,  Verwaltungs- 
räthe  der  Gesellschaft  und  Special- Collegen  des  Herrn  Karbe. 
Endlich  sind  gegen  einzelne  Directoren  der  Preuss.  Hypotheken- 
Versicherungs-A.G.  und  gegen  einzelne  Verwaltungsräthe  dersel- 
ben, sowie  gegen  die  Geschäfte  der  Bank  überhaupt,  öffentlich 
bedenkliche  Beschuldigungen  erhoben  worden,  und  es  sollen  auch 


—    547    — 

bereits  Anträge  bei  der  Staatsanwaltschaft  gestellt  sein.  Von 
alledem  weiss  Herr  Karbe  nichts;  er  producirt  einfach  ein 
Attest,  das  die  völlige  Unschuld  der  Gesellschaft  bescheinigt, 
und  das  von  den  Herren  Wilhelm  Wolff  und  Adolf 
Geim  mitunterzeichnet  ist!  Oder  weiss  Herr  Karbe  am 
Ende  doch  etwas?  Vielleicht!  Er  schliesst  nämlich  seine  mo- 
ralische Entrüstung  über  „Unwahrheit  und  Verleumdung"  mit 
den  Worten:  „Kein  verständiger  Mann  kann  mich  verantwort- 
lich machen  für  etwas,  das  sich  meiner  Beobachtung  gänzlich 
entzieht,  also  für  Handlungen  einzelner  Personen,  die 
sich  möglicherweise  privatim  an  Gründungen  bethei- 
ligt haben."  —  Ei,  wie  fein,  Herr  Karbe! 

Die  ^Yenigen  Blätter  und  die  wenigen  Schrift- 
steller, welche  es  wagten,  gegen  die  parlamentari- 
schen Gründer  aufzutreten,  wurden  im  Parlament  in 
der  unerhörtesten  Weise  beschimpft.  Bamberger, 
Lasker  und  Eugen  Richter  schimpften,  geschützt 
durch  das  Privileg  der  Tribüne,  wie  Fischweiber. 
Bamberger,  der  Nickelmünzmeister,  nannte  seine  Geg- 
ner „Kerls",  „Canaille^-,  „Bevolverpressleute".  Lasker 
schrie:  „Wie  man  Bravi  in  Italien  dingen  kann,  so 
kann  man  bei  uns  schriftstellerische  Verleumder 
dingen."  Eugen  Richter  sprach  von  „Buchmachern", 
„literarischen  Beutelsclmeidern",  „Bauernfängern".  So 
schimpften  diese  Leute,  die  selber  Journalisten  sind, 
und  die  nur  mit  Hülfe  der  Presse  in's  Parlament  ge- 
langten. So  schimpfte  Eugen  Richter,  der  sich  von 
acht- bis  zwölfach  durchgeschriebenen  Correspondenzen 


—     548     — 

ernährt,  also  die  untergeordnetste  Art  von  Schrift- 
stellerei  betreibt,  und  dem  die  „Staatsbürgerzeitung" 
vorwarf,  dass  er  mit  seiner  Feder  nach-  und  neben- 
einander Blätter  der  verschiedensten  Richtung  be- 
diene. Wann  haben  die  Conservativen  und  die  Kleri- 
kalen, obgleich  sie  von  der  gesammten  „liberalen" 
Presse  tagtäglich  gelästert,  in  allen  jüdischen  Witz- 
blättern verhöhnt  werden,  je  zu  solchen  Repressalien 
gegriffen?  Und  heisst  dieses  wüste  feige  Schimpfen 
nicht  die  Tribüne  entweihen  und  beschmutzen  ?  Jene 
Leute  hatten  nicht  den  Muth  das,  was  sie  aussprachen 
(oder  was  sie  in  anonymen  Correspondenzen  in  die 
Welt  schrieben),  auch  wie  Männer  von  Ehre  zu  ver- 
treten. Bamberger  wie  Richter  lehnten  Beide  die 
Herausforderung,  welche  ihnen  zuging,  ab;  Bamberger 
wie  Richter  wurden  darauf  von  ihren  Gegnern  für 
satisfactionsunfähig  erklärt,  jener  vor  besetztem  Ge- 
richt, dieser  in  öffentlichen  Ansprachen.  Müssen  solche 
Vorgänge  nicht  zum  Faustrecht  führen?  Was  bleibt 
dem  Beleidigten,  wenn  er  weder  vor  Gericht  noch 
mit  den  Vt^'affen  in  der  Hand  Genugthuung  finden 
kann,  anders  übrig  als  zum  Stock  zu  greifen! 

Eugen  RicMer  schimpfte  seinen  politischen  Gegner,  den 
Redacteur  der  „Deutschen  Landeszeitung",  „Bauernfänger",  und 
Herr  von  Bennigsen,  der  Präsident  des  Abgeordnetenhauses, 
erklärte,  diesen  Ausdruck  nicht  rügen  zu  können,  da  er  gegen 


—    549     - 

kein  Mitglied  der  Versammlung  gerichtet  sei.  Nach  dieser 
Auffassung  ist  also  die  Tribüne  des  Parlaments  eine  Freistätte, 
wo  der  Abgeordnete  einen  Draussenstebenden  ungenirt  vor  dem 
ganzen  Lande  beschimpfen  kann.  Wir  fragen  aber  Herrn  von 
Bennigsen:  Verträgt  sich  solches  Schimpfen  denn  überhaupt 
mit  dem  parlamentarischen  Anstand  und  der  parlamentarischen 
Würde,  und  ist  der  Präsident  des  Hauses  nicht  verpflichtet, 
darüber  zu  wachen,  dass  diese  gewahrt  werden?  Herr  Richter 
freilich  kümmert  sich  um  solche  Kleinigkeiten  nicht.  Er  lief  als 
Stadtverordneter  im  Sitzungssaale  mit  geballten  Fäusten  umher 
und  machte  Miene,  sich  auf  seinen  Opponenten,  den  Procuristen 
des  Hauses  Bleichröder  zu  stürzen.  Er  Hess  es  sich  ruhig  ge- 
fallen, dass  selbst  die  Kölnische  Zeitung  ihn  einer  „dreisten  ten- 
denziösen Lüge"  zieh,  und  machte  keinen  Versuch,  sich  zu  reinigen. 
Eugen  Richter  hiess  den  Redacteur  der  „Deutschen  Lan- 
deszeitung" einen  „Bauernfänger'',  weil  dieser  einst  ein  Circu- 
lar  an  Berliner  Kaufleute  erlassen,  worin  er  sich  erboten,  ihr 
Geschäft  gegen  eine  kleine,  dem  Betreffenden  selber  überlassene 
Vergütung  im  Feuilleton  zu  besprechen.  Gewiss  war  dies  nicht 
in  der  Ordnung,  aber  doch  mehr  Naivetät  als  Vergehen.  Herr 
Kieudorf  that  nur,  was  sehr  viele  Zeitungen  ersten  Ranges 
thun,  die  regelmässig  lange  „Weihnachtswanderungen"  bringen 
und  dafür  Tausende  von  Thalern  einsäckeln.  Selbst  die  „Welt- 
blätter" setzen  frei  und  frank  an  den  Kopf:  „Reclaraen  pro 
Zeile  1  Mark"  (oder  gar  3).  Der  hochmoralische  Verein  „Ber- 
liner Presse",  der  so  viele  Börsenredacteure  und  Gründerge- 
h Ulfen  umschliesst,  nöthigte  Herrn  Niendorf  zum  Austritt,  und 
legte  jenes  Circular  als  kostbares  Document  in  sein  Archiv. 
Hier  sah  es  Herr  Richter  und  benutzte  es,  um  seineu  politi- 
schen Gegner  zu  „brandmarken".  Weniger  Glück  hatte  er,  als 
Sprachrohr  der  Baurath  Hobrecht'schen  Gesellschaft  für  Ge- 
sundheitspflege, mit  dem  ganz  unmotivirten  Ausfall  gegen  den 
Director  des  Reichsgesundheitsamts,  wo  ihm  selbst  ein  Frac- 
tiousgenosse  ein  unverblümtes  Dementi  ertheilte. 


—    550    — 

Miquel  und  Bamberger  reisten  im  Lande  umher  und  hiel- 
ten Versammhingen  von  Juden  und  Gründern  ab,  um  sich  von 
der  „Verleumdung"  zu  reinigen;  Miquel  in  Leipzig,  Bamberger 
in  Dresden.  Bamberger  predigte  gegen  das  „literarische  Grün- 
derthum",  das  gar  glänzende  Geschäfte  mache,  gegen  die  „De- 
latoren", die  ein  Schaudfleck  der  Zeit  seien.  („Donnernder, 
lang  anhaltender  Beifall!"  wie  die  „Nationalzeitung"  berichtete. 
Hätte  Bamberger,  was  er  einst  auf  Secunda  gelernt,  als  Baa- 
quier  nicht  wieder  völlig  ausgeschwitzt,  so  müsste  er  wissen, 
dass  die  Delatoren  im  alten  Eom  nicht  Ankläger  waren,  die 
öffentlich  und  unter  voller  Verantwortlichkeit  auftraten,  son- 
dern vorwiegend  heimliche  gewerbsmässige  Deuuncianten,  die 
durch  Prämien  angelockt  wurden,  welche  das  Gesetz  auswarf, 
und  die  bei  Vermögeusconfiscationeu  und  Geldbussen  ihren  An- 
theil  erhielten.  Heute  denunciren  umgekehrt  die  Gründer,  und 
rufen  gegen  den  „Verleumder",  auch  wenn  er  Actenmässiges 
behauptet,  den  Injurienrichter  und  den  Staatsanwalt  au. 

Zu  den  beredtesten  Vertheidigern  der  parlamentarischen 
Gründer  und  Derjenigen,  welche  dem  Invalidenfonds  die  unga- 
rantirten  Eisenbahnprioritäten  zuführten,  gehört  neben  Eugen 
Richter  der  nationalliberale  Abgeordnete  von  Benda,  ein  Schwa- 
ger des  Generalgründers  Adalbert  Delbrück;  aber  er  bewegt 
sich  stets  innerhalb  der  parlamentarischen  Grenzen,  üebrigens 
zählen  die  Gründer  unter  allen  Parteien  Freunde,  die  ihnen  in 
in  der  Noth  beispringen  und  sie  zu  entschuldigen  suchen.  Da 
ist  der  conservative  Herr  von  Koller,  der  am  29.  März  1876, 
als  erster  Redner  über  den  Bericht  der  Speciahmtersuchungs- 
commission,  die  Sache  von  vornherein  abzuschwächen  wusste, 
und  ein  lautes  Loblied  auf  Lasker  anstimmte.  Da  ist  Herr 
Windthorst,  nicht  der  geniale  Ohm,  sondern  der  sehr  bescheiden 
veranlagte,  fortschrittliche  Neife,  der  nicht  zu  den  „Hetzereien 
gegen  die  Gründer"  beitragen  will,  welche  „leider  in  der  Presse 
in  starkem  Masse  statthaben,  und  zwar  von  einer  Seite,  die 
durchaus   selbst   nicht  frei   von  Schuld   gewesen  ist".     (Herr, 


—    551    — 

dunkel  ist  der  Rede  Sinn!)  Auch  Windthorst-Moppen,  wiewol 
er  verschiedentlich  „concret"  zu  werden  drohte,  uud  obgleich 
er  den  Nationalliberalen  zurief:  „Siud  die  Herren  mit  dem 
Capital  so  verwandt?"  —  trat  doch  für  den  angegriffenen  Mi- 
quel  eiu  und  gegen  seinen  eigenen  Fractionsgenosscu  von  Lud- 
wig auf.  Herr  Windthorst-Meppen  ist  eiu  ausserordentlich  be- 
gabter Mann,  weit  begabter  als  Lasker  und  Miquel  zusammen- 
genommen, aber  er  ist  für  die  klerikale  Partei  vielleicht  doch 
zu  klug!  Miquel  war  eiu  sehr  gemässigter  „Kultur-Kämpfer", 
deshalb  hat  ihn  die  ultramontane  Presse  nach  Kräften  ge- 
schont, und  auch  die  conservative  erwies  ihm  viel  Rücksicht. 
Auch  unter  den  katholischen  Blättern  haben  die  Gründer  An- 
hänger-, beispielsweise  ist  die  „Kölnische  Volkszeitung"  eine 
warme  Freundin  des  A.  Schaaffhausen'schen  Bankvereins  und 
des  mindestens  25  fachen  Aufsichtsraths ,  Herrn  Gustav  Me- 
vissen,  der  von  der  YerAviiklichung  des  Reichseisenbahu-Pro- 
jects  eine  neue,  noch  viel  tollere  Schwindelära  prophezeite, 
„eine  unaufhaltsam  fortschreitende  Verarmung  der  [Mittelklassen", 
das  Grossziehen  eines  „ungemein  zahlreichen  Proletariats  zur 
grössten  Gefahr  für  Staat  und  Sitte".  Sogar  die  Socialdemo- 
kraten  ßebel  und  Liebknecht  machten  gegen  die  „Grüuder- 
hatz"  Front,  indem  sie  sich  mit  grossem  Eifer  ihres  verleum- 
deten Freundes  Sonnemann  annahmen.  Ohne  Frage  ist  Bebel 
ein  ehrenhafter  Mann,  aber  er  hat  doch  wol  nicht  klug  gc- 
than,  dass  er,  wie  er  öffentlich  erklärte,  von  Sonnemann  Geld 
entlieh.  Noch  1873  herrschte  bittre  Feindschaft  zwischen  den 
Lassalleanern  und  Lob  Sonnemann,  weil  dieser  jene  als  An- 
stifter des  Frankfurter  Bierkrawalls  dcnuncii  te,  aber  heute  ist 
Alles  ausgeglichen,  denn  die  Führer  der  Socialdemokraten  und 
die  Redacteure  ihrer  Presse  sind  zum  grossen  Theil  auch  bereits 
Juden.  Nur  der  „Brauschweiger  Volksfreund"  gab  bei  den  Neu- 
wahlen zum  Parlament  kurz  und  gut  die  Parole  aus:  „Hinaus 
mit  den  Spitzbuben ! " 

Nichts  ist   widerlicher,   nichts   kennzeichnet    schlagender 


—    552    — 

die  tiefe  Corruption  unseres  öffentlichen  Lebens,  als  flass  die 
Gründer  heute  als  Warner  und  Strafprediger  auftreten.  Neben 
Oechelhäuser  und  Mevissen  straften  uad  predigten  auch  noch 
von  Unruh  und  Dr.  Engel.  Herr  von  Unruh  schrieb  eine  Bro- 
chüre  „Die  wirthschaftliche  Reaction",  die  in  dem  Ausspruch 
gipfelt:  „Das  Publikum  hat  für  seine  Theilnahme  am  Schwin- 
del und  Börsenspiel  Schläge  verdient  und  richtig  empfangen. 
Die  jetzige  Calamität  ist  die  Quittung  darüber."  (! !)  Herr 
Engel  behandelte  in  verschiedenen  Aufsätzen,  wieviel  das 
Deutsche  Volk  in  der  Schwindelära  an  Vermögen  und  Sittlich- 
keit eingebüsst,  und  schätzte  seine  Verluste  etwa  halb  so  hoch 
als  sie  in  Wirklichkeit  sind.  Auf  dem  statistischen  Congress 
in  Pesth  behauptete  er:  die  Presse  ist  durch  die  Gründer  be- 
einflusst  —  was  er  selber  freilich  am  besten  wissen  muss;  aber 
diese  bewunderungswürdige  Unverfrorenheit  trug  ihm  doch  eine 
anzügliche  Replik,  Seitens  des  „ Volkswirths "  Herrn  Max 
Wirth  ein. 

Wenngleich  im  Parlament  die  liberale  Partei  die 
weitaus  grösste  Anzahl  von  Gründern  und  Gründer- 
genossen besitzt;  so  gibt  es  doch  auch  unter  ihr 
Männer  genug,  die  sich  dieser  Collegen  von  Herzen 
schämen  und  sie  zum  Henker  wünschen.  Als  es  aber 
zu  den  Neuwahlen  ging,  hatte  man  nicht  den  Muth, 
die  räudigen  Schafe  auszuscheiden,  obwol  einige  Par- 
teiblätter dazu  dringend  mahnten.  Und  es  war  in 
der  That  auch  nicht  leicht,  weil  an  dem  Schwindel 
gerade  die  Koryphäen  der  Liberalen  betheiligt  sind. 
Von  den  räudigen  Schafen  aber  wollte  keins  frei- 
willig zurücktreten;  gerade  die  räudigsten  bewarben 


—    553    - 

sich  am  eifrigsten  wieder  um  ein  Alandat,  das  sie  in  den 
Augen  des  Volks  reinigen  und  gegen  die  „Verleumdung" 
rechtfertigen  sollte.  So  geschah  es,  dass  alle  Par- 
teien wieder  ihre  Gründer  aufstellten,  darunter  Leute, 
gegen  die  der  Staatsanwalt  vorgegangen.  Als  Can- 
didat  der  Nationalliberalen  trat  sogar  der  Gründer 
auf,  der  auf  öffentlicher  Strasse,  am  Eingang  zum 
Abgeordnetenhaus  geohrfeigt  w^orden  ist,  und  er 
wurde  auch  wirklich  wieder  gewählt.  An  verschie- 
denen Orten  wurden  grosse  Massen  zusammenge- 
trommelt. Tausende  von  Leuten  gegen  Bier  und 
Schnaps  angeworben,  und  mit  den  „verleumdeten" 
Gründern  eine  feierliche  Wäsche  veranstaltet. 

Hin  und  wieder  agitirten  gegen  die  liberalen  Gründer  selbst 
liberale  Wähler,  aber  es  half  ihnen  nichts,  sie  kamen  in  der 
Regel  gar  nicht  zum  Wort.  Herr  von  Bennigscn,  der  seine 
Candidatenrede  in  Lehe  hielt,  hatte  vorweg  jede  Debatte  aus- 
geschlossen. Als  dennoch,  sobald  er  geendigt,  Jemand  ihn 
wegen  Hannover-Altenbecken  zu  interpellireu  versuchte,  wurde 
der  Verwegene  von  dem  Vorsitzenden  niedergeklingelt,  und 
die  Tagesordnung  war  erledigt.  Hammacher,  der  Hold  zweier 
Gründungsperiodeu,  der  wie  die  „Neue  Börsenzeitung"  (No.  88 
vom  15.  April  1872)  schrieb,  schon  1856  mit  Friedrich  Grillo 
und  Assessor  Thies  in  Essen  „das  industrielle  Griindungsgeschäft 
in  Wcstphalen  nach  allen  Regeln  der  Kunst  betrieben"  —  Hess 
durch  seinen  Freund,  Dr.  Feodor  Goecke  in  Duisburg,  Auf- 
sichtsrath  der  Westpliülischen  Union,  erklären,  dass  er  sich 
von  den  in  der  „Gartenlaube"  gegen  ihn  erhobenen  „Verleum- 
dungen"  „völlig  rein  waschen"  werde;   und  erschien  nach  län- 


554 


gerem  Zögern  dann  auch  wirklicli  in  einer  Wahlversammlung, 
welcher  sein  Freund,  Justizrath  Gützloe  in  Essen,  Vorsitzender 
der  Bergbaugesellschaft  Hellweg  in  Unna,  präsidirte.  Ham- 
macher,  eben  vom  schweren  Krankenlager  erstanden,  hielt 
eine  über  zwei  Stunden  lange  Rede,  in  welcher  er  ausführte, 
dass  er  nur  1871  gegründet,  wo  von  Schwindel  noch  nicht 
die  Rede  gewesen  (!)  und  dass  er  bei  seinen  Gründungen 
nichts  verdient,  sondern  noch  viel  Geld  zugesetzt  habe  (! !).  Ham- 
macher  sprach  so  ergreifend  und  überzeugend,  dass  die  über 
2000  Köpfe  zählende  Versammlung  in  .Weinen  und  Schluchzen 
ausbrach.  Nachdem  er  endlich  geschlossen,  sprach  der  Vor- 
sitzende, Justizrath  Gützloe,  die  denkwürdigen  Worte:  „Ich 
möchte  Sie  bitten,  Niemanden,  der  Lust  hat,  hier  aufzutreten, 
das  Wort  zu  entziehen,  vorausgesetzt,  dass  er  nationale  Ge- 
sinnungen und  Liebe  zu  Kaiser  und  Reich  hat,  denn 
nur  die  Männer  der  nationalen  Partei  sind  eingeladen;  und  Die- 
jenigen, welche  etwa  uneingeladen  hier  eingedrungen  sind,  werden 
•wissen,  was  sie  zu  thun  haben."  Das  war  deutlich.  Natürlich 
nahm  gegen  Hammacher  Niemand  das  Wort,  und  wir  würden 
es  auch  keinem  gerathen  haben!  Die  Blätter  der  verschieden- 
sten Richtung  aber,  wie  Nationale,  Vossische,  Kreuzzeitung,  mel- 
deten die  vollständige  Rechtfertigung  Hammacher's  gegen  „ver- 
leumderische Angriffe".  Die  „Rhein-  und  Ruhrzeitung"  in 
Duisburg,  welche  von  einem  gewissen  Wilhelm  Schroers 
redigirt  wird,  einem  furchtbaren  „Kulturkämpfer",  der  von 
Schwulst,  Bombast  und  Reminiscenzen  lebt,  hatte  schon  vorher 
einen  Leitartikel  gebracht  „Das  moderne  Delatorenthum",  der 
mit  dem  stolzen  Worte  Hutten's  beginnt:  „Ich  hab's  gewagt!" 
und  mit  der  Formel  des  römischen  Redners  schliesst  „Dixi  et 
animam  meam  salvavi!" 

Aehnlich  wie  dieser  Schroers,  verfuhr  fast  die  gesammte 
Presse.  Zwar  schrieb  die  „Magdeburger  Zeitung":  „Bei  seinem 
weitern  Vorgehen  (gegen  die  Gründer)  muss  Lasker  auf  ein 
Pentagramm  gestossen  sein,  welches  ihm  Pein  macht";  zwar 


-    555     - 

verlangte  sogar  die  Berliner  „Volkszeitung"  eine  Ausscheidung 
der  parlamentarischen  Griuuler:  aher  die  „Neue  Stettiner  Zei- 
tung" erklärte  sich  sehr  unwilüg  gegen  solch  „kleinliches  Ge- 
zänk", das  nur  den  Gegnern  zu  Gute  komme.  Genau  wie  jener 
Schroers,  verfuhren  auch  die  jüdischen  Witzblätter  „Kladdera- 
datsch", „Wespen"  und  „Ulk",  welche  die  „Verleumder"  in 
Wort  und  Bild  bescliimpftcn.  Von  jeher  haben  diese  Blätter 
für  Juden  und  Gründer  die  schnödeste  Rcclame  gemacht  — 
„Kladderadatsch"  überreichte  dem  Strausberg  einst  die  Bürger- 
krone —  alles  Christliche  und  Ideale  in  den  Staub  gezogen 
und  besudelt,  die  Sittlichkeit  des  Deutschen  Volkes  zu  unter- 
graben gesucht,  die  öffentliche  Meinung  irre  zu  führen  und  zu 
fälschen  gewusst.  Triumphirend  rief  die  jüdische  „National- 
zeitung" nach  den  Wahlen  aus:  „Wo  sind  Diejenigen,  welche 
sich  als  Vorkämpfer  jener  Kothschlachten  bewegten?  Wem 
von  ihnen  hat  die  öffentliche  Meinung  ein  Mandat  übertragen, 
wem  von  den  Angegriffenen  ist  ein  Haar  auf  dem  Haupte  ge- 
krümmt worden?" 

Die  „Nationalzeitung"  hat  Recht.  Die  alten  Grün- 
der und  Gründergenossen  sind  wieder  gewählt,  und 
es  sind  noch  verschiedene  neu  hinzugekommen.  Noch 
befinden  sich  die  grossen  Massen  in  den  Händen 
einer  feilen  corrumpirteu  Presse,  die  sie  bevormun- 
den und  gängeln.  Aber  die  fortschreitende  Krisis, 
die  sich  immer  schärfer  gestaltet,  wird  das  Volk 
sclion  aufklären  und  emancipiren.  Es  wird  allmälig 
begreifen,  dass  den  grossen  Schwindel  und  den  gegen- 
wärtigen schweren  Nothstand  die  wirthschaftliche 
Gesetzgebung  der  letzten  zehn  Jahre  verschuldet,  dass 


—    556    — 

zu  Volksvertretern  und  Gesetzgebern  nicht  Doctrinärs 
und  Börsenverwandte,  nicht  Gründer  und  Verwaltungs- 
räthe  taugen,  sondern  dass  dazu  erforderlich  sind 
Männer,  welche  die  Bedürfnisse  des  Volks  aus  eigener 
Erfahrung  kennen  und  welche  für  das  Volk  ein  Herz 
haben,  Männer  in  unabhängiger  Stellung  und  vor 
Allem,  Männer  mit  reinen  Händen. 


Register. 

(Die  Ziffern  bezeichnen  die  Seiten.) 


A. 

Aachener  Disconto-Ges.  528. 
Aachener  Tuchfabrik  314. 
Abegg,  ^Yilh..  Dr.  415. 
Abel,  Anw.  in  Hanuov.  230.  421. 
Abel,  Ad.  iS.  Abel  jr.)  32.  126. 

ISO.  192.  199.  373.  413. 
Abel,  Ed.  29.  175.  372.  379. 
Abel,  Rud.  in  Stett.  GS.  126.  405. 
Abeudroth,C.  in  Rostock  70. 191. 
Abraham  &  Meyer  394. 
Achenbach,   Minister   85.  137. 

163.  169. 
A.-G.  für  ßuchdr.  u.  Verlag  461. 
A.-G.  für  Holzarbeit  377. 
A.-G.  f.  Telegraphenbedarf  380. 
Aders,  Aug.  179. 
Aders,  Ewald  in  Elberf.  75. 
Aders,  Fabrikbes.  i.  Mgdeb.  81. 
Adler,  Maximilian  311. 
Adickes,  Rittergutsb.  414.  540ff. 
Admiralsgarten-Bad  276. 
Adolph,  Stadtr.  i.  Frkf.  aO.  195. 
Affülter  in  Chemnitz  108. 
Ahlemann,  Justizr.  2S.  32.  123. 
Ahreus,  L.  M.  425. 
Alberti,  H.  in  Radeberg  101. 
Albertinenhütte  196.  197. 
Alberts,  Hofr.  38.  195.812.381. 


I  Albrecht,  Prof.  425. 

Alexander,  Gebr.  in  Bresl.  86. 
I      316.  337.  377. 

Alexander,  Elias  354. 

Alexauder,  Heinr.  i.  Hamb.  333. 
,  Alexander,  Jul.  70.  SG.  140.  314. 
[      336.  373.  415. 

Alizarinfabrik  in  Elberf.  231. 
j  Alizarinfabrik  in  Potsdam  224. 
'  Allg.  Depositenbank  226.  312. 

V.  Alpen,  Ulrich  in  Aachen  315. 
I  V.Alten,  Vict.,  Präs.  i.Linden  230. 

Altenburger  Zuckerfabrik  194. 

Altmärkische  Industrieges.  418. 

Andersch.Commerzr.  in  Königs- 
berg in  Pr.  399. 

Andre,  Rittmstr.  402. 

Angerstein,  Senator  i.  Ilann.  72. 

Anglo-Deutsche  Bank  182. 
'  Anhalt-Dess.  Laudesbank   169. 
I  Anhalt  &  Wagener  30. 100.  107. 
108. 

Anhalt.  Maschinenbauges.  97. 

Anilin-Fabrikation,  A.  G.  224. 

Antonienhütte  371. 

Appretur  Ullrich  351. 
'  Aren,  E.  in  Stettin  373. 
,  Arlt,  Carl  in  Stettin  405. 
1  Arndt,  C.  A.  377. 
i  Arndt,  Jul.  37. 


—     558 


Arndts,  Max  in  Cöln  95. 
Aronheim,  Dr  in  Braunschweig 

92.  93.  95. 
Arthursberg,  Maschinenbau  126. 
Asbeck,  Commerzienr.  i.  Hagen 

420. 
Ascauia,  chemische  Fabr.   227. 
Asch,  Jacob  39. 
Asher,  A.  &  Co.  412. 
Augustin,  Apoth.  181.  222.  227. 
Aumann,  Aron  42. 

B. 

Bach,  Commerzienr.  in  Nordh.90. 
Bad  Liebensteia  402. 
Ball,  Jacob  33.  41.  277.  279. 
Baltische  Waggonfabrik  G9. 
Baltischer  Lloyd  405. 
Bamberger,  Louis  M.  41. 
Bamberger,  Ludw.,  Dr.  17.  283. 

288.  304    307.  308.  346.  525. 
Bamberger,  Moritz  367. 
Basch  &  Rosenthal  in  Lands- 

berg  a/W.  375. 
Baschwitz,  Herrn.  175. 
Bassenge  &  Co.  in  Dresd.  100. 

103.  184.  198.  389. 
Bath,  Gustav  126.  312. 
Bauendahl,  Walter  195.  531. 
Bauer,  Max,  Dr.  415.  424. 
Baumann,  Rob.  33.  90.  100.  101. 

129. 194. 277. 278. 372. 379.412. 
Bautzener  Tuchfabrik  314. 
Bazar-Actien-Gesellschaft  410. 
Beck  in  Döbeln  204. 
Becker,  H.  inMülh.  a/Ruhr  405. 
Becker  &  Co.  in  Leipz.  103.  183. 

184. 
Becker,  Notar  inBockenh.  111. 
Becker,  Th    in  Braunschw.  93. 
Becker,  Baumstr.  319.  393. 
Becker,  Mor.  i.  Königsb.  Pr.  393. 
Beer  in  Liegnitz  333.  334. 
Beer,  Georg  60.  194.  197.  333. 

369.  424.  432. 


Beer  &  Herzberg  70.  174.  195. 

312.  316. 
Beermann,  Fritz  384. 
Behrend  in  Cöslin  180. 
Behrend,   G.  in  Chemnitz  106. 

109.  110.  129  ff. 
Behrisch  in  Meissen   103.  104. 
Bein  &  Co.  70.   171.    174.  192. 

316.  336.  417. 
Bellingrath,  Ewald  in  Dresden 

102.  183. 
Benecke,  Heinr ,  Literat  87. 
Beundorf,  A.  in  Braunschw.  93. 
Benndorf,  Louis  106  ff. 
Benndorf,  Wilh.  in  Chemn.  109. 
Bennert,  E.  in  Cöln  182.  231. 
Benfey,  Anw.  in  Hann.  182. 
V.  Benuigsen,  Landesdir.  5.  541. 
Bensemann,  Berth.  392.  400. 
Bensemann,  Rud.  275  ff. 
Bercht,  E.  224.  393. 
Berend,  C.  in  Hannov.  72. 
Berger,  J.  J.  in  Danzig  232. 
Berger,  L.  i.  Witten  77.  83.  132. 
Bergmann,  Heinr.  369.  370.  403. 
Bergmann,  Jos.  Wilh.  369. 
Bergmann  i.  Tucheband  192. 194. 
Bergmann,  C.  E.  in  Chemn.  107. 
Bergmann,  C.  W.  in  Reudn.  103. 
Berg.-Märk.  Industrieges.  420. 
Berl.-Anh.  Holzfactorei  367. 
Berl.-Anh.  Maschinenbau  37. 
Berl.  Bankverein  112.  523. 
Berl.  Bauvereinsbank  279. 
Berl.  „Börsen-Courier"  64.  149. 

255  ff. 
Berl.  Börsenzeitung  41.  104.118. 

212.  450. 
Berl.  ehem.  Produktenfabr.  223. 
Berl.  Handelsges.  30.  143.  145. 

211.  395.  523. 
Berl.  Holz-Compt.  366. 
Berl.  Kammgarn-Spinnerei  331. 
Berliner  Lombardbank  389. 
Berliner,  Markus  39. 
Berl.Maschinenb.Schwartzk.  30. 


559     — 


13erl.  Molkerei  415. 
Berl.  Neustadt  427. 
Berl.  Papierfabrik  178. 
Berl.  Pappenfabrik  179. 
„Berl.  Presse",  Ver.  d.  247. 250  i^'. 
Berl.  Velvetfabrik  318. 
Berl.  Viehmarkt  425. 
Berl.  Wechslerbaiik  192.  331. 
Berl.  Wollbank  354. 
Berl.  Zucker-Raff.  194. 
Berndt,  Justizr.  in  IS'ordli.  90. 
Beruhard,  Gch.Recbnungsr.  380. 
Bernhardt,  Beudix  428. 
Bernstein-Actienges.  392. 
V.  Beruuth,  Justizmin.  a.  D.  6.531. 
Bertram,  Alexis,  Dr.  385. 
Berzelius-Bergwerk  528. 
Beseliu,  llheder  in  Rostock  69. 
Besser,  G.  R.  381. 
V.  Beulwitz,  Carl  in   Trier  80. 
Beuther,  Rob.  210. 
Bieler,Oekouomier.i.Salesche  86 . 
Bierling,  Herrn,  in  Dresd.  204. 
Birkenwerder,  G.  f.Baumat.368. 
Birnbaum,  Prof.  in  Leipz.  .S17. 
Birner,  Heiur.  iuLuckenw.  311. 
Bischofi,  Th    iu  Danzig  232. 
Bischweiler  Tuchfabriken  316. 
Bittrich  &  S.  in  Köuigsb.  P.  124. 
Blach  stein  131.  211. 
Blank,  Emil  in  Barmen  231. 
Blank,  Hugo  in  Wetter  75. 
V.  Bleichröder,  Gerson  134.  145. 

184.  344.  345.  347.  526  ft'. 
Bloch,  Amand  37.  384.  397.  418. 

425. 
Bloem,  Anw.  iu  Cöln  200. 
Blumenfeld,  N.  in  Osnabr.  72. 
Blumenthal,  Isidor  277. 
Bode,  Wilh.  in  Halle  129. 
Boden,  Aug.  iu  Braunschw.  230. 
Bodstcin,  H.  11.  333.  338. 
Boegor,  L.  (Gebr.  Junge)  210. 
Boetkmauu,  W.,  Baumstr.  373. 
Böhm,  Gust.  194. 
Boenicke  in  Luckenwalde  311. 


Böüinger,  Th.  in  Duisb.  80,  396. 
Bör,  Comerzionr.i.Sondersh.  193. 
Bohlschau,  Cementfabrik  374. 
Bok,  Baurath  i.  Stuttg.  112. 
Bolle,  Gummifabrik  204. 
V.  Boniu,  Staatsmin.  00.520.523. 
Booss,  Heinr.  275. 
Booth,  Lorenz  in  Hamb.  182. 
Borchardt,  Albert  205. 
Borchardt,  Gust.  406. 
Borchardt,  Franz  427. 
Borchert,  Wilh.  jun.  173.  291. 

386  ff. 
Born,  David  304.  432. 
V.  Born,  Wilh.  in  Dortmund  75. 

82.  399.  419. 
V.  Born,  Ludw.  in  Essen  419. 
Borsig,  Geh.  Commerzienr.  31. 

49.  74.  81.   139.   140.  144. 
Borussia,  Oelfarbendruck  408. 
V.Brandt,  Polizeipr.i. Dann. 421. 
Brandt,  H.  0.  (Brandt  &  Lölöff) 

in  Halle  276. 
Brandt,  Carl  Ad.  171  ff.  383. 
Brauerei  Königstadt  i.  Berl.  275. 
Braun,  Adolf,  Redact.  452. 
Braun,  Alexander  i.  Barmen  73. 
Braun,  Bergrath  in  Moresnet  80. 
Braun- Wiesbaden,  Justizr.  6.  35. 

36.44.173.  176.304.393.412. 

430.  463. 
Braunkohlen-Bergbau  und  Bad 

Nudersdorf  401. 
Braunschw.  Jute  337. 
Braunschw.  Creditaust.  94. 
Bredt,  Oberbürgerm.  i.  Barmen 

420. 
Breithaupt,  Adv.  i.Braunschw.93. 
Bremer  Wollwäscherei  356. 
Brentano,  Frz.  i.  Frkf.  aM.lU. 
Breslauer,  Michael,  i.  Posen  225. 
Breslauer  Möbel  377. 
Bresl.  Zeitung  44.  335.  457. 
Bresl.  Handelsblatt  460. 
Bresl.  Oelfabriken  416. 
Bretschneider,  M.  i.  Pirna  184. 


—    560    — 


Breyer,  Herrn,  in  Chemn.   354. 
V.  Briesen,  Rechtsanw.  in  Hagen 

76.  78.  396. 
Brink,  J.  H.  &  Co.  inElberf.  198. 
Brockelmann,  Georg  i.  Rost.  70. 
Brockhoff,  Albert  276. 
Brockhoff,  Jul.  in  Duisb.  405. 
Brod  &  Stiehier  in  Zwick,  102. 
Broncewaaren  u.  Zinkguss  384. 
Brückenbauanst.  in  Buckau  92. 
Brumme,  Jul.  in  Bernb.  98. 
Buchler,  Hi.Braunschw.230.281. 
Bühling,  Regierungsr.  222.  422. 
Büsing,  Ingenieur  171.  376. 
Büttner,  Rob.  in  Chemn.  109. 129. 
Buhl,  Dr.  in  Deidesheim  277. 
V.  Bunsen,  Georg,  Dr.  277.  415. 
Bunzlauer  Geschirrfabrik  382. 
Buresch,  Comm.-R.  i.  Linden  230. 
Burkhardt,  Georg  i.  Meiss.  104. 
Busch,  Coni.-R.  i. Rathenow 383. 
Busse,  Julius  276. 

C. 

Cahnheim,  Commissionsr.  377. 
Calm  Söhne  in  Bernburg  97. 
Calmus,  Paul  210.  339. 
Camphausen,  Finanzmin.  14.  48. 

59.84.115.  134.340.345.349. 
Caro,  Emil  225. 
Caro,  Robert  in  Bresl.  87.  377. 
Caro,  Samuel  223. 
Caron,  Ewald  73.  420. 
V.  Carstenn,  J.  A.  W.  422.  432. 
Caspar,  Beruh,  in  Hann.  80.  93. 
Central- A.-G.  für  Tauerei  405. 
Central-Annoncen-Bureau  490. 
Centralbank  für  Bauten  370. 
Centralb.  f.Genossensch.  191. 277. 
Centralfactorei  S69. 
Charlier,  A.  in  Burtscheid  200. 
Charlottenhütte,  Glasfabr.  197. 
Chem.  Fabrik  Chariottenb.  224. 

„  „       Corbetha  226. 

„       Danzig  232. 


Chem   Fabrik  Eisenbüttel  230. 

„  „       Heinrichsh.   229. 

„  „       Leopoldsh.  227. 

„  „       Mügeln  226. 

„  „       Oker  230. 

„  „       Oranienburg  225: 

„  „       Schering  222.257. 

,,  „       Schönebeck  225. 

„  „       Vorster  &  Grüne- 

berg 229.  241. 
Chemische  Farbenfabrik  223. 
Chemische  Industrie  i.  Cöln  231. 
Chem.  Indust.-Ges.  Gessert  231. 
Chemn.  Bankverein  107.  109. 
Chemn.  Seidenspinnerei  337. 
Chininfabrik  Braunschw.  231. 
Chrysopras,  Bad  402. 
City,  Baugesellsch.  369. 
Claus  &  Oberländer  in  Dresd.  184. 
Clement,  Otto  226.  371.  394. 
Cohen,  Alb.,  Commerzienr.  414. 
V.  Cohn,  Baron  in  Dessau  191. 
Cohn,  Mendel  33.  384. 
Cohn,  Meyer  33.  178.  194.  384. 

415.  424. 
Cohn,  Moritz  (Gebr.  Guttentag) 

in  Breslau  87.  178.  232.  335. 

402. 
Cohnfeld,  Gebrüder  368. 
Commerner  Bergwerk  527. 
Conrad,  Geh.  Commerzienr.  30. 

161.  395. 
Conti,  Franz  in  Görlitz  88. 
Contineutal-Caoutchouc  206. 
Goppel,  Jacques  175.  176.  226. 

371. 
Goppel,  Carl  34.  72.  78.  81.  183. 

193.  195.  366.  427. 
Concordia,  Eiseugiesserei  107. 
Continental-Telegr.-Comp.  491 
Cossmann,  Th.,  Literat  449. 
Cottage,  Baugesellsch.  370. 
Creuznacher  Glashütte  199. 
Crotogino,  Consnl  in  Rostock  69. 
„Cyclop",  Maschinenfabrik  37. 


561 


D. 

Daehlen,  Vital  in  Bochum  75. 
.Oaeves,  Carl  in  Cöln  78. 
Daffis,  Anton,  Dr.  385. 
Damme  in  Danzig  68.  123.  232. 
Dankbergsche  Ofenfabrik  380. 
Dannenbergersche  Kattunf.  331. 
Danziger  Glasbütte  200. 
Danziger,  Isidor  408. 
Danziger  Zeitung  469. 
Davidsohn,  Georg  255.  530. 
Davidsohn,  Gustav  in  Danzig  232. 
Davy,  Humphrey  399 
Decker,  Wilb.  in  Mittweida  105. 
Dehliuger,  Fr.  Wilh.  112. 
Deicke,  Fr.i.  Braunscbw.  93. 95  ff. 
Deicbniann  &  Co.  in  Cöln  145. 

182.  405.  419. 
Delbrück,  Adalbert  (Delbrück, 
Leo  &  Co.)  27.  140.  183.  228. 

355.  393.  400.  526.  550. 
Delbrück,  Hugo,  Dr.  403. 
Delbrück,  Minister  4.  12.  526. 
Delius,  C.  in  Aachen  200. 
v.  Derschau,  Geh.  Reg  -R.  353. 
Deutsche  A.G.  für  Bergbau  etc. 

396. 
Deutsche  Bank  30.  525  ff. 
Deutsche  Buchhändlerbank  412. 
Deutsche  Contiuental-Gasgesell- 

schaft  161. 
Deutsche    Genossenschaftsbank 

89.  192.  193.  274.  523. 
Deutsche  Gesellschaft  für  Huf- 
beschlag 383. 
Deutsche  Holzindustrie  375. 
Deutsche  Prämienbank  452. 
Deutsche  Spiegelglas-Ges.   196. 
Deutsche  TabaJks-Ges.Brunzlow 

210. 
Deutsche  Thonröhrenfabrik  383.  ; 
Deutsche  Unionbank  77. 430  523. 
Deutsches  Kunstinstitut  408. 
Deutsche  Reichs-  und  Continen- 

tal-Eisenbahnbau-Ges.  527. 
Deutsch-Ung.  Waldindustr.  419. 

Glagau,  Der  Börsenschwindel.    11. 


Deutschland,  Maschincnfabr.  74. 
Diehl,  D.  G.  in  Chemnitz  110. 
Dietrich,  Geh.  Commerzienrath 

29.  59. 
Disconto- Gesellschaft   30.   145. 

345.  347.  527  ff 
Dittmanu,    f]isenbahn-Director 

34.  384.  407.  418. 
Doctor,  Bernhard  in  Frankfurt 

a.  M.  468. 
Dödter,  Bürgerra.  in  Hagen  76. 
Dohme,  Geh.  Hofrath  29.  37. 
Dortmunder  Actienbrauerei  279. 
Dortmunder  Brückenbau  83. 
Dortmunder  Union  347. 348. 529. 
Dräger,  Jul.  in  Freienwalde  38. 
Dresdner  Dampfziegelei  368. 
Dresdner  Handelsbank  212. 
Dresdner  Lederfabrik  204. 
Dresdner  Mühlen  399. 
Dresdner  Zwirnfabrik  338. 
Dressler  sehe  Cigarrenfabrik212. 
Drews,  Justizrath  33.  384.  424. 
Dreyer,  Rechtsanwalt  in  Görlitz 

28.  199. 
Duerfeld,  F.  W.  in  Zschopau  836. 
Dulheuer,  Consul  in  Hagen  78. 
Duncker,  A.,  BuchhdI.  407.  425. 

Eales,  William  in  Meissen  103. 
Ebbinghaus,  Julius  30.  37.  16  L 

162.  384.  395. 
Ebeling,  Emil  188. 
Ebeling,  Heinrich,  Literat  176. 

224.  226.  239.  246.  254.  371. 

383.  394. 
Eberle,  Jakob  in  Hannover  421. 
Ebers,  Ludwig  422. 
Ebers,  Martin  407.  422. 
v.  Eckard stein-Loewen  427. 
v.  Eckardstein- Proetzel  188.377. 

523.  531.  545. 
Eckert,  H.  F.,  Coramerzienr.  32. 
Eckhardt,  Ed.  i.  Grosseuhain  337. 
36 


562     — 


Egells,  Hermann  30.  33.  44.  52. 

98.  831.  383. 
Egells,  Carl  33.  424. 
Egestorif  Maschinenbau  71. 
Egestorff  Salzwerke  230. 
Eichborn,  L.  337. 
Eichwede,    Commerzienrath  in 

Hannover  72. 
Eilenburger  Kattun-Manufaktur 

334. 
Eisenmann,  Raphael  224. 
Eisenmanu,  Wilhelm  224. 
Eisenreich,  Carl  Aug.  in  Leipzig 

103. 
Eisentraut,  Bankdirector  229. 
Eisentraut,  Th.  in  Halle  276.  334. 
Eisenbabnwagenbau  Lauenstein 

70. 
Eisenbahnwagenbau  Linke  87. 
Eisengiesserei  Rockstroh  108. 
EisenspaltereiNeustadtE|w.l22. 
Eisenwerk  Carlshütte  94. 
Eisenwerk  zu  Osnabrück  72. 
Eisenwerk  zu  Salzgitter  72. 
Eismasch.-Ges.  Braunschw.  93. 
Eismaschinen-Ges.  Kropff  90. 
Eisner,  Moritz  422. 
Elberfelder  Stückfärberei  354. 
Elberfelder  Discontobank  198. 
Elbinger  Eisenbahnmaterial  123. 
Elimeyer,  Phil,  in  Dresden  100. 

129.  203.  389. 
Elkan,  S.  in  Hamburg  129. 
EUezinguer,  Albin  i.Dresden  184. 
EUon,  Samuel  Heinr.  370.  413. 
Eisner,  R.  in  Görlitz  88. 
Eltzbacher,  J.  L.  in  Cölu  75. 

82.  93.  95.  140.  231.  419. 
Eltze,  Bernhard  37. 
Eltze,Sanitätsr.i.Schkeuditzl29. 
Emder  Heringsfischerei  415. 
Engel,  Geh.  Ob.-Reg.-Rath 

32.  44.  173.  176.  291.  331.  387. 

492.  523.  552. 
Engelhard,  Louis  in  Gotha  226. 
Engl.  Sicherheitszünderfabr.  104. 


Engmann,  Wilh.,  Dr.  med.  276. 
Ephraim,  L.  in  Görlitz  28. 
Eras,  W.  H.,  Dr.  88. 
Erdmannsdorfer  Spinnerei  335. 

339. 
Erich,  Dr.,  Literat  370.  408.  486. 
Esse,  Geh.  Reg.-Rath  32.  100. 

102.  171.  375. 
Esser  H.,  Anwalt  in  Cöln  77. 

80.  82.  198.  401.  419.  420. 
Eulenstein,  Dr.  Dresden  370. 402. 
Ewers,  Fabrikdirect.  in  Celle  72. 

F. 

FaQon- Schmiedefabrik  39. 
Färberei  Körner  354. 
Färberei  Schönweide  353. 
Falk,  Samuel  381. 
Fassfabrik  Wunderlich  376. 
Faucher,  Dr.  412. 
Fay,  Justizrath  i.  Cöln  206.  420. 
Feig,  Louis  4.3.  275.  319. 
Feige,  Salo  in  Breslau  333. 
Feilenfabrik  Scliaaf  39. 
Feldheim,  Heymann  38. 
Felix,  Emil  in  Görlitz  88. 
Feustel,  Banquier  in  Baireuth 

229.  556. 
Filehne,  Siegfried  396. 
Finke,  Friedr.  in  Meissen  103. 

104. 
Fischer,  August  i.  Bautzen  185. 
Fischer,  Aug.  i.  Sommerfeld  312. 
Fischer,  Martin  in  Sommerfeld 

312. 
Fischereigesellschaft  Weser  414. 
Jliess,  Moritz  in  Magdeburg  98. 

227.  228. 
Flinsch,  Ferd.  in  Leipzig  185. 
Flora  bei   Charlottenburg   422. 
Förster,   August   in   Grünberg 

315.  322.  329. 
Förster,  C.  F.  i.  Riesa  104.  204. 
Förster,  F.  in  Dohna  184. 
Förster,  Fr.  jun.  in  Grünberg 

88.  315.  321  ff. 


563 


Förster,  Hüttendirector  32.  37. 
123.  205.  384. 

Fonrobert,  Jules  43.  385. 

Fonrobert,  Louis  369.  402. 

Frauke!,  Martiu  367. 

Frank,  A.,  Dr.  228. 

Frauk  &  Sobn  in  Breslau  416. 

Franke,  Advoc.  i.  Meissen  104. 

Frankfurter  Zeitung  468. 

Frege,  Eduard  i.  Hamburg  70. 

Frege,  Martin  396. 

Freiberger  Papierfabrik  183. 

Freieuwalder  Bad  404. 

Frenkel,  S.  131.  225.  331.  354. 

Frensdorff,  M.  J.  in  Hannover 
230.  529. 

Frenzel,  Gustav  331. 

Freund,  Georg,  Dr.  32. 

Freund,  Jul.  Courad  32. 

Freund,  Oscar  in  Breslau  383. 
460.  530. 

Frey,  Aug,  „General-Director" 
86. 

Freyhan,  Eman.  i.  Breslau  416. 

Friedensburg,  Justizr.  i.  Breslau 
377. 

Friedeutbal,  Dr.,BaDkas3ess.86. 

Friedentbai,  J.,  Commerzienr. 
in  Breslau  335. 

Friedbeim,  Bernhard  33.  90. 

Friedbeira,  B.  J.  i.  Cöthen  192. 

Friedländer,  Emil  i.  Breslau  377. 

Friedländer,  Gustav  37. 

Friedländer,  Jos.  (Gebr.  Fried- 
länder) in  Breslau  87. 

Friedländer,  Julius  337.  354. 

Friedländer,  Buchhändler  174. 

Friedländer  in  Königsberg  i.  Pr. 
181. 

P'riedländer,  Leop.  34.  42.  426. 

Friediänder,  Stadtricbter  a.  D. 
in  Breslau  377. 

Frister  &  Rossmauu  42. 

Fröhner,  Stadtr.  i.  Dresden  184. 

Fromberg,  Bankdirektor  i.  Bres- 
lau 86.  316.  335. 


Frühauf,  Professor  378. 
Fuchs,  Hugo  34.  38.  69.  210. 

(J. 

Gaebler,  Geh.  Admiralitätsr.  412. 
Gädecke,  Conr,  i.  Köuigsb.  Pr. 

355.  399. 
Gans,  J.  in  Hannover  72. 
Gasgesellsch.,  Internat.  176. 
Gasgesellschaft,  Neue  162. 
Gas-  u.   Wasseranl.   Schäfer  & 

Hanschner  174. 
Gebaucrsche  Maschinenfbr.  353. 
Geber,  Herrn.  34.  42  ff.  60.  74. 

82.    193.  207.  229.  240.  279. 

312.  333.  368.  393.  395.  404. 
Geber,  Siegfr.  40.  44.  69.  128. 
Gebhard,  Gust.  i.  Elberf.  23 1. 420. 
„Gegenwart",  Die  (v.  P.  Lindau) 

471. 
Geim,  Geh.  Oberfinanzr.  546  ff. 
Geim,  Max  68.  331. 
Gelpcke,  Friedr.  37.  162. 
Gelsenkirchener  Bergw.347. 528. 
Geppert,  Justizr.  415. 
Gerhard,  Wolfg.  in  Leipz.  186. 
Germania,  Eisenbahnwag.-Leih- 

anstalt  38. 
Gernlein,  A.  H.  in  Hann.  94. 
V.  Gerschau,  Bar.  i.  Mein.  171. 
Gerson.Mor.,  Commerzieni-.410. 
Gerstein,  Justizr.  i.  Hagen  78. 
Gerstenberg,  Stadtbaur.  373. 
Gersteuberger,  A.  in  Dresd.  184. 

204. 
Gerth,  Ernst,  Stadtv.  428. 
Gessert,  Jul.  u.Th.  in  Elberf.  231. 
Gierth,  Comm.-R.  i.  Bresl.  87. 
Gilka,  Commerzienr.  279. 
Girau,  Hofjustizr.  29.  175.  373. 
Glaser,  F.  C,  Ingenieur  318. 
Glashütte  Penzig  19s. 
Globus,  Gas  u.  Wasser  175. 
Godeffrov,  Gust.  i.  Hamb.  72. 230. 

464. 
Goecke  Dr.  i.  Duisburg  393. 553. 
36* 


564     — 


Görlitz  er  Eiseübalinmat.  28. 

Götze  &  Popert  i.  Hamb.  204. 

Goldberger,  Ludw.  (J.  T.  Gold- 
berger)  37.  74.  81. 

Goldmann,  Jakob,  Commissions- 
rath  194. 

Goldschmidt,  Commerzienr.  in 
Danzig  232. 

Goldschmidt,  Jos.  224.  421. 

Goldschmidt,  Julian,  Dr.  488. 

Goldstein,  Mor.  (Marx  &  Gold- 
stein) 171.  210.  376. 

Gossler,  J.  H.  in  Hamb.  72. 

Gotha,  Salzsiederei  226. 

Gothaer  Wasserversorgung  171. 

Gotthardbahn  347.  529. 

Gradenwitz,  Adolf  89. 

Gradenwitz,  Louis  41. 

Graeser,  Gebr.  i.  Langens.  313. 

V.  Graevenitz,  Landr.  auf  Thamm 
101. 

Grahl,  Direct.  i.  Dohlen  102. 185. 

Gratweil,  Herrn.  38.  43.  44. 129. 
279.  319.  385.  396.  421. 

Gravenstein,  P.  28.  32.  41.  44. 
88.  100.  105.  123.  353.  427. 

Grelling,  Gebr.  90.  175. 

Greppiner  Werke  372. 

V.  Griesheim,  Rent.  i.  Bonn  74. 

Grille,  Friedr.  i.  Essen  75.  82. 
231.  419.  553. 

Grimm,  Oscar  in  Bautzen  185. 

Groos,  Aug.  i.  Grossenh.  314. 

Gropius,  Martin,  Prof.  384. 

Groth,  Landsyndikus  i.  Piostock 
69.  191. 

Grübs,  Herm.  418. 

Grünberger  Baufabrik  328. 

Grünberger  Baugesellsch.  328. 

Grünb.  Bierbrauerei  und  Sprit- 
fabrik 328. 

Grünthaler  Eisenwerke  76. 

Grumpeit,  Hugo  i.  Dresd.  184. 
198. 

Grunert,  Franz,  Buchhändl.  176. 

Gruson,  Hrm.i.Buckau  105. 106. 


I  Günther  &  Rudolph  i.  Dresden 

100.  314. 
j  Güterbock,  Ferd.  140. 
Gulden,  Heinr.  in  Chemn.  109. 
j  Gummifädenfabr.  Kohlstadt  206. 
i  Gumpertz,  Wilh.  370. 
{  Gumprecht,  Ferd.  86. 
[  Gussstahlw.  König  &Rennert  74. 
!  Gutike,  Gen.-Consul  28. 
I  Gutmann,  B.  in  Dresd.  204. 
!  Guttentag,  Gebr.  in  Breslau  87. 
j      178.  224.  226.  279.  331.  334. 
I  V.  Gyczki  &  Schrötter  i.  Königs- 
berg Pr.  399. 

H. 

Haan,  Joh.  Heim*,   i.  Cöln  95. 
Haarmann,  Anw.  in  Celle  72. 
Hache,  Ludw.  275. 
Hachez,  Franz  in  Dresd.  336. 
Hackel,  Alb.  (M.  Borchart  jun.) 

32.  427. 
Hadra,  Leopold  32.  33.  44.  SO. 

194.  354.  380.  425. 
Haussier,  0.  in  Braunschw.  93. 
Haussier,  Anw.  in  Braunschw.  94. 
Hagen,  Ad.,  Stadtrath  335.  410. 

429.  523. 
Hagener  Gussstahl  76. 
Hahlo,  Julius  223.  225. 
Hahn,  Max  Jasper  383. 
Hainauer,  Eugen  198. 
Hainauer,  Ose.  92.  205.  210.  410. 
Halle-Leipz.  Eisengiesserei  129. 
Halske,  Joh.  Georg  275.  277. 
Hamb.-Helgoland.  Telegraphen- 

Ges.  492. 
Hamburger,  Abraham  178. 
Hammacher,  Friedr.,  Dr.  6.  117. 

134.  281.  287.  304.  338.  373. 

430.  523.  553. 

Haniel  in  Ruhrort  72.  80. 
Hannover- Altenbecken  347.541. 
Hannoversches  Guss-  u.  Walz- 
werk 72. 


565    — 


Hannoversche  Papierfabr.  182. 
Hann.  Ultramarinfabrik  230. 
Hansa  in  Rostock  70. 
V.  Hansemann,  Adolf  52G  ff. 
Hantke,  Ignatz  223.  369.  370. 
Hardt,  Richard  355. 
Hark,  Jul.,  in  Leipz.  1G2. 
Harkort,  F.  jun.  73. 
Hai-kort,  Richard  78. 
Harkort,  Joh.  Caspar  78. 
Harnisch,  Adv.  i.  Chemn.  108. 109. 
Hartmann,  Carl  in  Dohua  184. 
Hartmann,  Gustav  in  Chemnitz 

29.  105.  106. 
Hartmann,   Geh.  Commerzienr. 

28.  29.  49.  106.  110.  336. 
Hartmanu,  Rich.jr,  102. 106. 110. 
Harzer  Bergwerke  94. 
Harzer  Eisenbahnbedarf  90. 
Harzer  Union  528. 
Haucke,  ötadtr.  in  Zittau  382. 
Hauschild,  Max,  Commerzienr. 

in  Chemn.  336. 
Hauschner,  Benno  174. 
Hausmann,  Commissionsr.  403. 
Hausmann,  Stadtr.  in  Branden- 
burg 275. 
Hebbinghaus,  Stadtr.  in  Leipz. 

103.  ' 
Hecker,  Rechtanw,  69. 179.  277. 

280.  282.  372.  407.  492. 
Heckmann,  Comm.-R.  37.  162. 
Heegermühle,  Ziegelei  372. 
Heene,  Ernst  378. 
Heilenbecker  Gussstahl  128. 
Heiligendamm,  Seebad  402. 
Heimann  in  Cöln  74. 75.82.95.419. 
Heinrich,  Rechtsanw.  in  Elbing 

124. 
Heise,  Geh.  Ober-Reg.-Rath  29. 

87.  132. 
Heibig,  Georg  91. 
Heim,  Gebrüder  338. 
Helftt,  Edmund  60. 
HeUriegel.  Prof.  i.  Dahme  382. 
Helm,  Otto  in  Danzig  232. 


Helm,  Paul  195. 

Henckel  v.  Donnersmarc  k,  Grat 

113.  523. 
Henckel,  Franz  171. 
Hendtlass,  Jul.  Alexand.  385. 
Henneberg,  Rud.,  Ingen.  394. 
Hennicke,  Baumstr.  37.  403. 
Henoch,  Abraham  175.  176. 
Henschel,  Philipp  355. 
Henschel  Söhne   205.  207.  208. 
Hensel,  Julius,  Dr.  389. 
Hentschel,  Aug.  i.  Zwickau  102. 
Henze,  Louis  407. 
Herberz,  H.  in  Dortm.  279. 
Herbertz,  J.  A.,  in  Cöln  81. 
Herbertz,  Justizr.  in  Cöln  419. 
Herbig,  Robert  174.  378. 
Heringsdorf,  Seebad  403. 
Hermann,  Magnus  173. 
Hermsdorfer  Cement  373. 
Hertel,  Theodor  140.  196. 
Herz,  Banquier  in  Düsseid.  206. 
Herz,  Julius  386. 
Herz,  W.  Commerzienrath  60. 

401.  410.  413.  430. 
Herzberg.  Ed.  in  Cöthen  192. 

333.  417. 
Herzberg,  Martin  313. 
Herzberg,  Philipp,  Dr.  med.  313. 
Herzfeld,  Rechtsanw.  in  Halle 

a'S.  89. 
Herzfelder  Dampfziegelei  367. 
Herzog  &  Philippi  in  Dresden 

100.  103.  105. 
Hess  &  Katz  182. 
Hessenland,  Otto  192. 
Hessische  Tuchfabrik  315. 
Heydemanu,  G.E.  inBautz.185. 
Heydemann, Stadtr.  i.Bautz.314. 
Heydenreich,  Siegmund  384. 
Heyden,  A.,  Baumstr.  380. 
V.  d.  Hevdt,  Daniel  372. 
V.  d.  Heydt,  Ed.,  Freiherr  30. 

355.  400. 
Heyland,  Kreisrichter  i.  Essen 

75.  419. 


566 


Heymann,  Arou  Hirsch  33.  194. 
b69.  384.  385.  424.  425. 

Heymann,  A.  H.  &  Co.  369.  380. 
385. 

Heymann,  Emil  34.  60. 178.  384. 

Heymann,  Eugen  in  Bresl.  402. 

Heymann,  Gotthold  369.  384. 

Heymann,  Max  380.  384. 

Heymann,  Salom.  Moses  in  Cöln 
82.  95. 

Heymann,  Theod.  385. 

Heyne,  Julius  372.  379. 

Hibernia  &  Shamrock  527. 

Hildebrandt,  Jul.i.Stett.  126. 182. 

Hildebrandt,  Theod.  372. 

Hilgenstock,  Dan.  iuDortm.  396. 

Hiltrop,  Emil  in  Hagen  76. 

Hindersin,  Bankdir.  in  Stettin 
192.  381. 

Hinsberg,  Fischer  &  Co.  73. 

Hippe,  Adv.  in  Dresden  375. 

Hirsch,  Max,  Dr.  282.  291.  307. 

Hirsch,  Mor.  38.  407.  425. 

Hirschberg,  Ed.  211. 

Hirschberg,  H.  378. 

Hirschfeld,  David  386. 

Hirschfeld,  H.i.Königsb.Pr.399. 

Hirschfeld  &  Wolff  33.  74.  384. 
396.  472. 

Hobrecht,  Baurath  373. 

Hobrecker,  Herm.  u.  Steph.  in 
Hamm  895. 

Hoff.  Joh.  199. 

Hoffers,  Redacteur  197.  370. 

Hoffmann,  Albert  353. 

Hoffmann,  Bankdir.  i.  Leipz.  103. 

Hoffmann,  Ed.  in  Leipz.  184. 

Iloffmann,  H.,  Dr.  403. 

Iloffmann,  L ,  Dr.  197. 

Hoffmann,  Rechtsanw.i.  Königs- 
berg in  Pr.  181. 

Hoffmann,  Reg.-Baur.  a.  D.  52. 

Hofmann,  Albert,  („Kladdera- 
datsch") 178.  410. 

Hofmann,  Ernst  in  Breslau  88. 

Hofmann,  G.  A.  in  Dresd.  375. 


Hohenlohe,  Carl,  Prinz  86.  132. 

403. 
Hohenzollern,  LocomotivbauSO. 

84. 
Holberg,  Fr.  in  Grabow  68. 
Holländer,  Emil  178. 
Holm,Commerzienr.i.Strals.  400. 
V.  Holstein,  Fr.,  Baron  405. 
Holthausen,  Banq.  in  Cref.  206. 
Holtz,  Stadtrath  i.  Charlottenb. 

181.  222.  223.  422. 
Holzstoff'-  u.  Papierfabr.  Kiauten 

181. 
Holzstoff-  und  Papierfabrik  zu 

Schlema  186. 
Hopf,  Finanzr.  i.  Gotha  171. 
Hörn,  C.  G.  in  Cöln  73. 
Hörn,  Wilh.  280.  379. 
V.  d.  Horst,  Oberstlieut.  171. 
Hotel  du  Nord  in  Cöln  401. 
Hübner,  Otto,  Dr.  304.  415  546. 
Humboldt,  Maschinenb.  80.  85. 
Hurtzig,  Handelsk.-Präsident  in 

Hannover  230. 

J. 

Jachmann,  Landrath  a.  D.  331. 
Jacob,  Carl  406. 
Jacob,  C.  A.  in  Kirchheim. 
Jacob,  Carl  in  Königsberg  i.  Pr. 

68.  339.  455. 
Jacobi,  Leopold  in  Hamburg  70. 
Jacobius,  A.,  Dr.  378.  422. 
Jacobs,  August  34.  384. 
Jacobs,    Geh.  Admiralitätsrath 

87.   132.   171.   351.  367.  378. 
Jacobsen,  Emil,  Dr.  222. 
Jäger,  Ferdinand  355.  378. 
Jagodzinski,  Hermann  198. 
Jaques,  Ferdinand  59.  61.  173. 

195.  205,  210.  372.  385.  414. 
Jausel,  Albert  422. 
Jebens,  Rentier  in  Elbing  124. 
Joachimi,  Oberbürgermeister  in 

Cöthen  192. 


567 


Joest,  Julius  in  Cöln  231.  419. 
Joseph,  Julius  40. 
Jung,  Carl,  Apotheker  225. 
Jungermann,Reg.-Rath  171. 173. 

376. 
Jute-Spinnerei  in  Meissen  836. 
Jüdische  "Witzblätter  („Kladde- 
radatsch", „Wespen",  „Ulk") 

555. 
Jürgens,  Alex,  Dr.  276. 
Jürst,  Gustav,  Commerzieurath 

37.  222. 
Idler,  Regierungsrath  in  Kirch- 

heira  112. 
Insterburger  Actien  -  Spinnerei 

338. 
Internationale  Bank  in  Hamburg 

193. 
Internationale  Telegraphenbau- 

anstalt  379. 
Isaacsohn,  Emil  128. 
Itzig,  Isidor  175.  176. 
Itzinger,  Wilhelm  86.  277.  279. 

K. 

Kadisch,  Isidor  406. 
Kämpf,  Albert  377. 
Kämpf,  Johannes  in  Halle  275. 
Käsemacher,  H.  in  Magdeburg 

227. 
Käuffer,  Anwalt  in  Aachen  315. 
Kaiser,  Ph.  in  Cöln  SOff.  82.  419. 
Kaiserhof,  Hotelgesellschaft  400. 
Kalker    Industrie  -  Gesellschaft 

419. 
..Kanonenpresse"  487. 
Kapp,  Friedrich,  Dr.  281.  304. 

393.  401.  523.  526. 
V.  Kardorff,  Rittergutsbesitzer 

134.  344.  346.  527.  545. 
Karsten,    Justizrath    396.  400. 

418.  419. 
Kaselowsky,  E.  173. 
Kaskel,  Michael  in  Dresden  184. 
Kautfmann,  Julius  in  Melsungeu 

102. 


Kauffmann,MeyerinTannhausen 

335. 
V.  Kaufmann- Asser,   Jakob  iu 

Cöln  77.  80  ff.  401.  419.  430. 
v.Kaufmaun-Asser,  Richard 430. 
V.  Kaufmann,  Ludwig  403. 
Kaufmann,  Otto  198.  400.  419. 

438. 
V.  Katte,  Max,  Rittmeister  402. 
Katz,  Albert  in  Görlitz  199.  814. 
Kayser,  Hotelier  in  Dresden  399. 
Kayser  .Robert  inHamburg  72.78. 
Keferstein   Carl  225. 

183. 
Keferstein , Ernst,  i.Crüllwitzl83. 
Keferstein,  Rudolf  in  Sinsleben 

182. 
Keil,  Fr.,  Reg.-Baurath  427. 
Keller,Commerzienrath  iuChem- 

nitz  314. 
Keller,    Oberbürgermeister    in 

Duisburg  78. 
Kemnitz,  Robert  355.  367.  375. 

380. 
KepplerscheOfenfabrik  inStettin 

381. 
Kessel,  Adolf  205. 
Kesseler,  Carl  in  Greifswald  88. 

59.  69. 
Keussen,'  W.  in  Cöln  200.  ^ 
V.   Keyserling -Neustadt,    Graf, 

Kammerherr  374. 
Keyssner,    Hugo,    Kammerge- 

richtsrath  227.  228.  304. 
i  Kiepert,   Rittergutsbesitzer  32. 
1  Kieschke ,     Oberbürgermeister 

a.  D.  400.  523. 
Kiesel,  F.  R.  in  Leopoldshall  227. 
Kiesel,  Carl  174.  417. 
Killing  in  Hagen  38.  59.  76. 
Killisch,  genannt  von  Hörn  450. 
Kiudcrmann,    Rechtsanwalt   in 

Dortmund  74. 
Kindermann,  Fr.  88.  175. 
Klein,  W.,    Anwalt  in  Düssel- 
dorf 75. 


—    568     — 


Klette,  Oberlieut.  a.  D.  in  Dres- 
den 101. 

V.  Kloeden,  W.  in  Stettin  182. 

Klusemann,  F.  A.  in  Magdeburg 
24. 

Knauth,  Nachod  &  Kühne  in 
Leipzig  204. 

von  dem  Knesebeck-Jülinsdorf, 
Freiherr  32.  33.  44. 

Knoblauch,  Armand  376. 

Koch,  Anwalt  in  Aachen  200. 

Koch,  Eduard,  Geh  Ob.-Baurath 
27. 

Koch,  Ferd.,  Hütteadirector  94. 
132.  196. 

Koch,  Fr.,  Baumeister  366.  372. 
425. 

Koch,  Friedrich,  Dr.  196. 

Koch,  Wilhelm   171.  376.  418. 

Köhler,  Wilh.  in  Rathenow  377. 

Köhlmann,  Karl  Aug.  in  Frank- 
furt a/0.  195. 

Köhsel,Otto,  Commerzienrathin 
Hannover  206. 

Kölnische  Zeitung  263.  468. 

König,  Baumeister  in  Crefeld  74. 

Königk,  Karl,  Baurath  32. 

Königs,  Ernst,  Bankdirector  in 
Cöln  80  ff.  419.  522. 

Königsberger-Hartungsche  Zei- 
tung 455. 

Köuigsborn,  Saline  404. 

Königsdorff- Jastrzemb,  Bad  402. 

Köpenicker  chemische  Fabrik 
225. 

Köppern,Wilh.  in  Altenhagen  38. 

Körner,  Rudolph  (Beyer  &  Kör- 
ner) 354. 

Köttgen,  F.  G.  in  Barmen  73. 

Kohl,  Geh.  Hofrath  in  Chemnitz 
29.  106.  107.  314.  336.  337. 

Kohl,  Kaufmann  in  Bautzen  314. 

Kohlstadt,  Ferd.  in  Cöln  206. 

Kohn,  Oscar  223. 

Kolb,  „Generaldirector"  in  Vier- 
sen 335. 


Kopetzky,  Wilhelm  430. 

Koppe,  A.  0.,  Oberamtmann  in 
Kienitz  192. 

Körte,  Albano  in  Cöln  231. 

V.  Kramsta,  Georg  in  Breslau  335. 

Kraus,  Moritz  in  Stollberg  200. 

Krause,  E.  A.,  Commerzienrath 
337. 

Krause,  F.  W.  &  Co.  34.  35.  43. 
143.  192.  422.  430. 

Krause,  Oscar,  Commerzienrath 
369. 

Krauss,  C,  Director  in  Han- 
nover 74. 

Krautheim,  Leopold  43.  225. 

Krebs,  Ferd.  39.  171.  173. 

Kreiner,  H.  P.  191. 

Kreismann,  Generalconsul  407. 
422. 

Kremser,  Hermann  27.  373. 

Kremser,  Wilh.,  Director  369. 

Kretzschmar,  H.  (Carl  Goppel 
&  Co.)  78. 

Kreuser,  Werner  in  Cöln  93. 95. 

Krolls  Etablissement  in  Berlin 
421. 

Kruppsche  Anleihe  143. 

Kruse,  Max  384. 

Kuczynsky,  Paul  37.  396. 

Küchenmeister,  Medizinalrath 
185. 

Kühl,  E.,  in  Rostock  69. 

Kühn,  Finanzrath  in  Gotha  171. 

Kühne,  Commerzienrath  in  Des- 
sau 98.  288. 

Kühnemann,  Geh.  Finanzrath 
385.  407. 

Kühnemann,  Otto  in  Stettin  126. 
182. 

Kugel,  Julius  i.  Lüdenscheid  277. 

Kulisch,  Kämpf  &  Co.  in  Halle 
193. 

Kühl,  Paul  129. 

V.  Kulmitz,  Geh.  Commerzien- 
rath 232. 

V,  Kulmitz,  P.,  Dr.  232. 


569     - 


Kuuath  &  Nieritz  in  Cliemnitz 

109. 
Kunstfärberei  Thiele  353. 
Kunz,  Otto,  Stadtrath  225.  275. 

277. 
Kurs,  Georg,  Geh.  Kanzleirath 

38.  312.  407. 
Kutter,  Gustav  384.  400. 
Kyllmann,  Baumeister  276.  369. 

L. 

Labahn,  Theodor  in  Greifswald 
69. 

Lachmaun,  Habakuk  211. 

Lachmann,  Salomon  211.  412. 

Lambrecht  &  Lange  174. 

Lampenfabrik  Stobwasser  384. 

Laudsberg,  Jacob  418. 

Landsberg,  Julius  418. 

Landsberger,  Jacob  354. 

Landsberger,  Louis  319. 

Landwirthschaftliche  Central- 
WoUwasch-A.G.  356. 

Landwirthschaftliche  Maschi- 
nenfabrik Eckert  32. 

Landwirthschaftlicher  Maschi- 
nenbau Goetjes  103. 

Langen,  Eugen  in  Cöln  405. 

Laporte,Anwalt  inHannover  230. 

Lasard,  Adolf,  Dr.  396.  492. 

Lask,  Hermann  178.  223.  224. 

Lasker,  Eduard,  Rechtsanwalt 
7.  61.  163.  244.  263.  285.  289. 
303.  306.  307.  344.  477.  536  ff 

Latz,  Emil  400. 

Lau,  Rechtsanwalt  a.  D.  276. 

Lauber,  Rob.  210. 

Laurahütte  344.  527. 

Lausitzer  Maschinenfabrik  102. 

Lauterbach ,  Rittergutsbesitzer 
in  Wilxen  59.  87. 

Lebert,  Professorin  Breslau  402. 

Lederfabrik  zu  Dohna  204. 

Lederfabrik  Thiele  204. 

Leffmann  &  Cohen  in  Hannover 
72. 


Lehl,  Hermann  400. 

Lehmann,  Emil,  Advocat  inDros- 
den  204.  211.  213.  214. 

Lehmann,  Emil,  Dr.  jur.  386. 

Lehmann,  F.,  Landschaftsrath 
393. 

Lehmann,  Gustav,  Advocat  in 
Dresden  211.  213.  399. 

Lehmann,  Hermann  (Comte  de 
ßarranca)  428. 

Lehmann,   H.  F.  in  Halle  183 

Lehmann,  Julius  Meyer  38.  376. 

Lehmann,  Richard  in  Chemnitz 
108. 

V.  Lehndorff-Steinort,  Graf  413. 

Lehrs,  Leopold  37. 

Leipziger,  Ditraar  (Joseph  Leip- 
ziger) 33.  37.  205.  373.  396. 
418.  425. 

Leipziger,  Ignatz  316. 

Leister,  Peter,  Direct.  in  Cöln  78. 

Lemcke,  Georg  in  Dresden  204. 

Lemelson,  August  205. 

Lengnick,  Advocat  101. 

Lentz,  Consul  in  Geestemünde 
414. 

Leo,  Ludwig  in  Köuigberg  i.  Pr. 
399. 

V.  Lepel  325. 

Lesenberg,  Consul  in  Rostock 
69.  70.  191.  353. 

Lesser,  Richard,  Buchhändler 
408. 

Lessing,  Leopold,  Rittergutsbe- 
sitzer 373. 

Leubuscher,  Hermann  43.  44. 
68.  128.  173.  180.  193.  205. 
312.  333.  354.  372. 

Leuffgen,  Georg  in  Charlotten- 
burg 197. 

Levieu,  Adolf  392. 

Levin,  Albert  334. 

Levinstein,  M.  J.,  „Volkswirth" 
93.  227.  223. 

Levinstein,  Gustav,  Literat  210. 
306.  449. 


570 


Levinstein,  Max,  Chemiker  227. 

228. 
Levy,  Julius  in  Magdeburg  91. 
Levy,  Magnus  122. 
Levy,  Martin  432. 
Levy,  Simon  24.  91. 
Lewald,  Justizrath  366. 
Lezius,  Rechtsanwalt  in  Cöthen 

192. 
Libbert,  Theodor  38. 
Lichterfelder  Bauvereiu  482. 
V.  Lieben,  Amandus  369. 
Lieber,  Carl  in  Charlottenburg 

224. 
Liebermann,   Benj.,    Commer- 

zienrath  287.  331.  335.  430. 
Liebermaun,  Georg  331.  335. 
Liebermann,  Louis  331.  335. 
Liebrecht,  Louis  in  Ruhrort  80. 
Liepmann,  David  331.  402. 
Lindenbauverein  60.  422. 
Linhoff  in  Lippstadt  396. 
Linke,  Adolf  in  Breslau  87. 
Lipmann,  Jonas  in  Breslau  416. 
Lipmanu,  Joseph  in  Breslau  88. 
Lipmann,  Simon  124.  125.  276. 

378. 
Lippmann,  Jacob  in  Aachen  3 14. 
List,  Adolf  in  Leipzig  192. 
List,  Alfred  in  Leipzig  417. 
Litten,  Kaufmann  inElbing  123. 

124. 
V.  Lockstädt,  Werner  224.  315. 

368. 
Lockwitzer  Papierfabrik  187. 
Lübbecke,  0.  inBraunschweig93. 
V.  Loebeu,  Alexander  124.  180. 
Löhnefinke,  R.  in  Braunschweig 

93. 
Löviuson,  Louis  355.  367- 
Lövinson,  Moritz,  Dr.  378. 
Lövinson,   Siegfried   355.    367. 

378.  380. 
Löwe,  Adolf  223. 
Löwe,  Albert,  Stadtrath  41. 
Löwe-Calbe,  Dr.  med.  134.  307. 


Löwe,  Ludwig,  Stadtverordneter 
40.  41.  262. 

Löwe,  Moritz  203.  229.  366. 

Löwendahl,  Jakob  in  Halle  a/S. 
90.  129.  419. 

Löwenfeld,  Bank-Assessor  123. 
124.  353.  427. 

Löwenherz,  Hermann  400. 

Löwenherz,  Louis  68.  192.  331. 

Loewig,  Prof.  in  Breslau  232. 

Löwy,  Siegmund  382. 

Lohse,  Hofrath  in  Leipzig  103. 

Loose,  H.  F.  in  Chemnitz  107. 

Lorek,  Rechtsanwalt  372. 

Lothringer  Eisenwerke  112. 

Louisenthaler  Druckerei  338. 

Lucae,  Bernhard  381.  387. 

LuckenwalderTuchfabriken  311. 
312. 

Ludewig,  Albert  38.  39. 110.  418. 

Lübke,  Louis  339. 

Lübke,  Bankdirector  in  Mei- 
ningen 403. 

Lüdecke,  Fritz  in  Halle  226. 

Lüdecke,  Baurath  inBreslau  377. 

Lüder  &  Tischer  in  Dresden  204. 
338. 

Lüders,  Stadtrath  in  Görlitz  28. 


3.  132. 


M. 


Macks,  Robert  407. 

Mäcker,  Job.  Gottlieb  377. 

MärkischeMühlenzuWitten399. 

Märkische  Maschinenbauanstalt 
75. 

Märkische  Portland  -  Cement- 
fabrik  373. 

Märkisch- Schlesischer  Maschi- 
nenbau Egells  33. 

Magnus,  B.  in  Hannover  230. 

Magnus,  Meyer,  Stadtrath  275. 
277. 

Makower,  Justizrath  281. 

Mamroth,  Eduard  100. 108  123. 
126  ff.  173.223.  225.  309.  370. 


571 


Mami-oth,  Felix  69.  223. 
Mamrotli,  Gustav  87.  311. 
Mamroth,  Hugo  108.  128.  174. 

312.  369.  370. 
Mamroth,  Isidor  i-B.  87.  88.  171. 

311.  351.  370. 
Mamroth,  Oscar  351. 
Mankiewicz,  A.  in  Dresden  102. 

129.  188. 
Mankiewicz  &  Co.  in  Hamburg 

211. 
Marcus,  Levi  in  Coln  419. 
Marggraf,  Arnold  181. 
Marggraf,  Fr.  in  Stettin  381. 
Markwald,  Gustav  35.  60.  ^32. 
Markwald,  Paul  410. 
Martini,  Adolf  100.  129. 
Marwitz,  Eduard  in  Angermünde 

195.  417. 
Maschinenbandweberei  Johann- 

georgenstadt  338. 
Maschinenbau  Körner  88. 
Maschinenbau  Seele  92. 
Maschinenbau  in  Grabow  68. 
Maschinenbau  Steckel«S;Wagen- 

knecht  68. 
Maschinenbau  Münnich  129. 
Maschinenbau  Schellenberg  107. 
Maschinenbau  Affolter  108. 
Maschinenfabrik  Behrisch  103. 
Maschinenfabrik  Brod  &  Stiehler 

102. 
Maschinenfabrik  Germania  107. 
Maschinenfabrik  Gottschald  & 

Nötzli  102. 
Maschinenfabrik  Kiesler  101. 
Maschinenfabrik  Kirchheim  111 
Maschinenfabrik  Riedel&Selwig 

89. 
Maschinenfabrik    Rentzsch    & 

Oschatz  104. 
Maschinenfabrik  Wiede  107. 
Maschinenfabrik  Sondermann  & 

Stier  109. 
Mattersdorf,  S.  in  Dresden  184. 
Matthaei,  Adv.  in  Dresden  101. 


Matthies,  E.  J.  in  Stralsund  400. 
Matthiessen,  F.  N.  in  Tiefenfurt 

381. 
Mauritz,  H.  in  Iberdingen  279. 
Maywald,  Bernhard  372. 
Mechanische     Flachsspinnerei 

Tilsit  338. 
MechanischeKratzenfabrik  Los- 

sius  105. 
Meckel,  Commerzienrath  in  El- 

berfeld  231. 
Mecklenburgische     Maschinen- 
gesellschaft 70. 
V.  Meding  in  Hamburg  182. 
Meier,  H.  H.  in  Bremen  6.  526. 
Meissner,  Gustav  in  Magdeburg 

193. 
Mencke,   Eberhard    in  Braun- 
schweig 93.  193.  230. 
Mende,  A.  L.  in  Dresden  100. 

102.  183.  204. 
Mende ,     Commerzienrath     in 

Frankfurt  a/0.  173. 
Mendelssohn,  Franz  27.  355. 
Mendelssohn  -  Bartholdy,    Geh. 

Commerzienrath  27.  140. 
Mendelssohn-Bartholdy,Dr.  224. 

235. 
Menger,  John,  Consul  27. 
]\Ietall-Industric  Hahn  383. 
Metropole,  Baubank  319. 
Metz,  Gebr.  in  Münster  74. 
Metz,  H.  &  L.  in  Coln  74. 
Meusel  &  Co.  in  Dresden  100. 

101.  102.  104.  314. 
Mevissen,  Geh.  Commerzienrath 

in  Cöln  522.  523.  551. 
Meyer,  Abraham  30. 
Meyer,  Albert  406. 
Meyer,  Alexander,  Dr.  16.  422. 

423.  458  ff. 
Meyer,  Aron  &  Sohn  in  Leipzig 

184. 
Mever,  C.  W.  in  Dresden  211. 
Meyer,  Carl,  Rittergutsbesitzer 
!     33.  134. 


572 


Meyer,  Eduard  (M.  Schie  Nach- 
folger) in  Dresden  103.  187. 

Meyer,  Emil,  Dr.  225.  228. 

Meyer,  Ephraim  &  Sohn  in  Han- 
nover 72.  93.  94.  182.  230. 

Meyer,  Gebr.  314, 

Meyer,  Felix  in  Dresden  101. 

Meyer,  Ferd.  (Oppenheim  &  Co.) 
123.  171.  174.  206. 

Meyer,  Friedrich  (E.  J.  Meyer) 
393. 

Meyer,  G.  L.  in  Celle  72. 

Meyer,  Jacob  371. 

Meyer,  Louis,  „Oberingenieur" 
126. 

Meyer,  Moritz  in  Hannover  206. 

Meyer,  Moritz,  Redacteur  454. 

Meyer,  Moritz  Eduard  179.  406. 

Meyer,  M.  S.  juu.  354. 

Meyer,  M.  S.,  in  Magdeburg  91. 
178.  371. 

Meyer,  Siegmund,  Commerzien- 
rath  in  Hannover  72. 

Meyer,  Th.  Heinrich,  Haupt- 
agent in  Braunschweig  94. 

Meyer,  Wolfram  367. 

Meyersburg,  Anwalt  in  Celle  72. 

Meyn,  Rechtsanwalt  175  176. 
226.  368.  394. 

Michaelis,  GabrielHermannl26. 
223.  312. 

Michaelis,  H.  R.  334. 

Michaelis,  Otto,  Geh.  Rath  4. 
156.  240. 

Michaelis,  Richard  334. 

Michels,  Moritz  225.  333. 

Middendorf,  C.  Th.  38.  76. 

Mielzinger,  H.  in  Braunschweig 
93. 

Mietiier,  Karl  100.  108.  126.  312. 

Miether,  Theodor  126  ff. 

Minerva  in  Oberschlesien  85  ff. 

Miquel,  Oberbürgermeister  a.  D. 
7.  281.  531  ff. 

Mittentzwey,  Franz  in  Chemnitz 
107.  108. 


Möbeltransport  in  Berlin  406. 
Moeser,  Otto  401. 
Möller,  Emil  in  Grabow  68. 
Mörbitz,  Carl  in  Bautzen  314. 
Molenaar,  Alfred  in  Crefeld  74. 
Molenaar,  Rudolf  333. 
Molinari,  Consul  in  Danzig  232. 
Moiske,  B.  in  Frankfurt  a./O. 

194.  195. 
Molthau.  Oberhofbaurath  421. 
Moore,  Oberbaurath  171. 
Moos,  Heinrich  131. 
Moritz,  Hermann  39. 
Mortzfeld,  Piermann  383. 
Moser,  Robert,  Ingenieur  38. 
Mosgau,Silberwaarenfabrik  385. 
Moskauer  Eisenbahnbedarf  143. 
Mosle,    A.  G.   in  Bremen   71. 

132.  230. 
Mosse,  Rudolph  412. 
Mossner,  Max  279. 
Movius,    Th.,  Bankdirector  in 

Cöln  95.  231.  405.  419.  522. 
Müller,  G.,  Consul  72.  182.  316. 

339.  373.  377.  419. 
Müller,  Gustav  &  Co.  in  Dres- 
den 211. 
Müller,  H.  Obergerichtsanwalt 

in  Hannover  72. 
Müller,  Julius,  „General-Direc- 

tor"  34.  39.  44.   56.  69.  70. 

128.  172.  193.  393. 
Müller,  Rudolf,  Rechnungsrath 

42.  407. 
Müller,  Rudolf  in  Dresden  204. 
Muldenthal-Papierfabrik  183. 
Mumm,  Friedrich  in  Frankfui't 

a./M.  111. 
Muuk,  Max  34.  369.  380.  384. 

385. 
Munk,  Paul  33.  34.  44.  60.  194. 

369. 380. 384. 385. 424. 425 .432. 
Muuk,  Theodor  210. 
Muskauer  Thonwaaren  382. 
Mutzeubecher,  Joh.Ed.  in  Ham- 
burg 72. 


573 


Nachod  &  Kühne  i.  Leipzig  204. 
Nähmaschiuenfabr.  Löwe  4L 
„  „     Frister  & 

Rossmann  42. 
Nähmaschinenfabrik    Pollack, 

Schmidt  &  Co.  43. 
Nähmaschinenfabrik  Boecke  43. 
„  „        Grimme, 

Natalis  &  Co.  93. 
Nalepa,  Paul  87. 
Nathalion,  Nachfolger  i.  Braun- 
schweig 93. 
National-Zeitung  22.  44.  5L  62. 

70.  127.  137.  148  S.  168.  209. 

239.   240  ff.   250  ff.  262.  263. 

335.  474.  489.  555. 
Naumann,  Domainenpächter  in 

Altenburg  194. 
Naumann,  Georg  370. 
Neimke,  Director  in  Lipine  86. 
Neisser,  Albert  u.  Eduard  319. 
Nelke,  Julius  (A.  Paderstein)  92. 

126.  355.  430. 
Neptun,  Wasserwerk  173.  176. 
Neubauer,  Aug.  i.  Magdeb.  229. 
Neue  Berlin.  Messingwerke  386. 
Neue  Börsenzeitung  51.  451. 
Neue  freie  Presse  in  Wien  64. 

466. 
Neuerburg,  Martin  in  Kalk  80. 

198.  419. 
Neu-Friedrichsthaler  Glashütte 

199. 
Neumann ,    Nachmann    Hirsch 

175.  176.  226.  371.  383.  394. 
Neudeck,  Louis  in  Corbetha  226. 
Neuss'sche  Wagenfabrik  385. 
Neustadt.  Baroque-Rahmen  376. 
Neven  du  Mont,  Aug.  i.  Cöln  74. 
New-Yorker  Handelszeitung  454. 
Niederlausitzer  Glashütte  198. 
Niederlausitzer    Maschinenbau- 
anstalt 89. 
Niederlausitzer  Tuchfabrik  313. 


i  Niederschlesi  scher  Cassenverein 

1      322.  327. 

Niederschlesische     Maschinen- 

'     fabrik  88. 

I  Niedlich,  Gebrüder  205. 

Niendorfer  Zuckerfab.  193.  243. 

'  Nissen,  W.  in  Hamburg  182. 

Nitykowski,  A.i.  Hirschberg  197. 

Nitze,  Otto  355.  378.  380. 

[  Nitze,  Eduard  355. 

Noack,  Fabrikbes.  195. 

Noack,  Rudolph  223. 

Noah,  Gustav  69.  318.  319. 

Nolda,  Max  69.  128. 

Nolte,  Wilhelm  37.  161.  162. 
171.  395. 

Norddeutsche  Allgemeine  Zei- 
tung 84.  464. 

Norddeutsche  Fabrik  für  Eisen- 
bahn-Material 27. 

Norddeutsche  Gummifabr.  205. 

Norddeutscher  Lloyd  i.  Bremen 
405. 

Norddeut.  Packetbeförderungs- 
Ges.  407. 

Norddeutsche  Papierfabrik  180. 

Nopper,  Eisenhändler  in  Stutt- 
gart 112. 

Nordmann  Rentner  i.  Dresden 
101. 

0. 

Oberschi esischer  Eisenbahnbe- 
darf 85. 

Oberschles.  Eisenwalzwerk  87. 

Oechelhäuser,  Otto  37.  171. 

Oechelhäuser,  W.  Geh.  Com- 
merzienrath  37.  161.  309. 

Oeffentliches  Fuhrwesen  280. 

Oehme,  Advocat  i.  Dresden  211. 

Oelsner,  Isidor  392. 

Oertel,  Advocat  i.  Radeberg  198. 

Ofenfabrik  Arneburg  360. 

Offergeid,  „General-Director"79. 

Ohm,  Rudolf  38. 

Ohm,  Wilhelm  sen.  38. 


—     574 


Olschewski,  Stadtrath  in  Danzig 
374 

Oltersdorf.  F.  in  Königsberg  in 
Pr.  124. 

V.  Oppenfeld  (M.  üppenlieim's 
Söhne)  401.  492. 

Oppenheim,  Benoit  392.  393. 

Oppenheim,  Ferd.  370. 

Oppenlieim  &  Co.  174.  351. 

Oppenheim,  H.  B.,  Dr.  53.  137. 
152  ff.  286. 

Oppenheim,  Hugo  (Robert  War- 
schauer &  Co.)  355. 

Oppenheim,  Sal.  jun.  &  Co.  145. 

Oppenheimer,  Abert  in  Braun- 
schweig 92.  93.  194. 

Oppenheimer,  H.  i.  Hannover  94. 

Optische  Industrie  383. 

Orth,  August,  Baumeister  59. 

Ostend,  Baugesellschaft  370. 

Ostpreuss.  Industrie  verein  418. 

Otto,  Advocat  i.Blankenburg  95. 

Otzen,  Johannes  432. 

P. 

Paderstein,  A.  92.  126.  430. 
Pahl,    Stadtrath   in   P'rankfurt 

a./0.  195. 
Papierfabrik  At-Damm  186. 

,,       „       Bautzen  185. 

„        „       Einsiedel  185. 

„       „       Königstein  184. 

„       „       CröUwitz  183. 

„       „       Köttewitz  184. 

„       „       Lösnig  186. 

,,       ,,       Wolfswinkel  181. 

„       „       Porschendorf  187. 

„       „       Piadeberg  186. 

„       „      Strassburgi./E.187. 

„       „       Rubens  182. 

„       „       Sinsleben  182. 
Paradies,  L.  u.  W.  403. 
Parrisius,  Rudolf  274  ff.  523. 
Passage  424. 
Patentfeilenfabrik  39. 
Patentpapierfabrik  Berlin    187. 


Patentpapierfabrik  Penzig  185. 

Peiner  Walzwerk  72. 

Penzhoru,  Otto  275. 

Perls,  Adolf  38. 

Pernet,  Franz  369.  380. 

Pernitzsch,  Director  in  Leipzig 
102.  192. 

Peters,  Robert  370. 

Pfaff,  Albert  162.  196. 

Pfaff,  J.  ß.  in  Frankfurt  a./M. 
111. 

Pfaffe,  Franz  in  Halle  a./S.  90. 
193.  226. 

Pfeiffer,  Emil  408. 

Pferdebahn -Gesellschaft,  Neue 
Berliner  428. 

Pferde-Eisenbahn,  Grosse  Ber- 
liner 407. 

Pflug,  Fr.  Ad.  52.  59.  70. 

Pflug'sche  Waggonfabrik  52. 

Pflugbeil,  Carl  in  Hütten  184. 

Pflugmacher,  Adolph  i.  Schöne- 
beck 225. 

Philipp,  Alwin  382. 

Philippson,  Heinrich  43.  128. 

Phillips,  Oberbürgermeister  in 
Elbing  123.  124. 

Phönix,  Maschinenfabrik  38. 

Phönix,  Werkzeugmaschinenfab. 
110. 

Pickardt,  Julius  44.  174.  225. 
312.  319.  333.  422. 

Pillmann,  Fr.  in  Braunschweig. 
93. 

Pincson,  Leopold  34.  426. 

Pincuss,  Joseph  33.  38.  384.  425. 

Pincuss,  Siegmund  37. 

Pinnauer  Mühlen  399. 

Platho,  Isidor  (Platho  &  Wolff) 
34.  68.197.  210.229.393  425. 

Plaut,  H.  C.  29.  32.  44.  91.  97. 
123.  229.  230. 

Platzhoff,  Gust.  i.  Elberfeld  231. 

Plessner,  Ferd.  101. 

Plessner,  Eisenbahnbauges.  140. 

Plewe,  Assessor  407.  422.  425. 


—     575 


Poensgen,  Familie  i.  Düsseldorf 

80.  231.  419. 
Pohl,  August  in  Berlin  91. 
Pohle,    Stadtratli   35.  68.  205. 

372.  421. 
Pollack,  Louis  316.  317. 
PoUborn,  Ludwig  381. 
Pommerensdorf.  Seifenfabr.  231. 
Pommersche     Chamottewaaren 

382. 
Pommersche  Eisengiesserei  69. 
Pommersch.  Industrieverein 418. 
Portland- Cementfabrik  Bredow 

373. 
Posen -Kreuzburg  527. 
Posener  Zeitung  64.  486. 
.,Post",  Zeitung  464. 
Potocky -Nelken   (Marcus   Nel- 
ken &  Sohn)  88.  418. 
Potsdamer  Holzfactorei  367. 
Prang,  J.  B.  in  Allagen  393. 
Preuss.     Boden -Credit -Actien- 

bank    34.  43.    142.    197.  331. 

340.  523. 
Preuss.  Central-Bodencredit-A.- 

G.  524. 
Preuss.  Credit -Anstalt  37.  331. 

335.  403.  524. 
Preuss.  Hypotheken-Vers.-A.G. 

Hübner  523.  546. 
V.  Prillwitz,  Kammerh.  331.  424. 
Primker,  Justizrath  179.  402. 
Prince-Smith,  J.  „Volkswirth"  3. 
Pringsheim,  Hugo  86.  196. 
Pringsheim,  Moritz  i.  Breslau  87, 
Printz,  Georg  in  Aachen  315. 
Provinzial  -  Diconto-Gesellschaft 

80.  187.  230.  528. 
Puckert,  H.  in  Leipzig  334. 
Putbus,  Fürst  zu  422. 

Q. 

Quassowski,  Baurath  372. 
Quellmalz,  Emil  i.  Dresden  183. 
185.  204.  226. 


Quistorp,  Heinrich  38.  39.  43. 

75.  81.    100.    109.    172.    181. 

210.  222.  227.  307.  376.  383. 

405.  418. 
Quistorp,     Commerzicnrath    in 

Stettin  68.  180.  192.  227.  377. 

405.  418. 

R. 

Räb,  Ernst  319. 

Ramdohr,  Otto  123. 

Rasch,  Stadtdir.  in  Hannov.  72. 

Raschdorff,Baur.i.Cölul9S.401. 

vom  Rath,  Emil  in  Cöln  405. 

Rathenower  Holzarbeit  377. 

Rathenau,  Albert  372. 

Rathenau,  Emil  29.  37.  42, 

Ratibor,  Herzog  von  59.  402. 
403.  413. 

Rauff  &  Knorr  131.  205.  225. 
229.  333. 

Rautenstrauch,  A.  in  Köln  80  ff. 

Ravene,  Geh.  Commerzienr.  196. 

Reh,  Heinr.  377. 

Reichenheim,  Ferd.  275.  277. 

Reichenheim,  Jul.  335. 

Reichsbauk  351. 

Reichsinvalideufonds  20.  534. 
543. 

Reifert,  Clemensi.Bockenh.  111. 
I  Reimann,  Herm.,  (F.  W.  Rei- 
'     mann)  210.  331.  339.  384.  424. 

Reimers,  Consul  in  Hamb.  182. 

Reinach,  Jak.  39. 

Reinecke,  Amtm.  i.  Halle  193. 

Reinhardt,  Geh.  Rog.-R.  531. 

Reinhardt,  Herm,  i.  Stett.  381. 

Reinhardt,  Stadtr.  in  Bautz.  314. 

Reinicke,  Albert  39. 

Renaissance  A.G.  377. 

Renard,  Graf  85. 86. 132. 403. 418. 

Rennemann.  Friedr.  412. 

Rcntziug.  Wilh.,  Dr.  39G. 

Reschke,  Paul  408. 

Residenz-Baubank  174. 


576 


„Revolverpresse"  486. 
Rhein-  u.  Ruhrzeitung  554. 
Rheinisclie  Glashütte  198. 
Rhein.  Maschinenb.-Ges.  81. 
Rhein.  Papierfabr.  182. 
Rhein.  Stahlwerke  79.  84. 
Rhein.  Tuchfabrik  314. 
Rheinische  Zeitung  461. 
Rheinisches  Walzwerk  80. 
Rh.-Westfäl.  Indust.-Ges.  419. 
Rh.-Westf.Genossenschaftsbank 

200.  276. 
Rhens,  Rob.  415.  416. 
Richter,  Eugen,  „Volkswirth" 

342  ff.  348.  547  ff. 
Richter,  Hermann  353. 
Richter,  Isid.  (Richter  &  Co.)  171. 
Richter,  Commerzienr.  i.  Musk. 

335. 
Riem,  Justizrath  492.  530. 
Riemann,  Bankdir.  i.  Cob.  229. 
Riess,  Eugen  279. 
Riess  &  Itzinger  74.  81. 
Ring,  Leopold  354. 
Risch,  Stadtr.  229.  401.  407.  425. 
Roch,  Heinr.  in  Meissen  103. 
Rochs  in  Erfurt  131. 
Rocksch,  Ed.  Nachf.   in  Dresd. 

100.  109.  184.  211. 
Rockstroh,  Mor.  i.  Chemnitz  108. 
Reeder,  E.  (Vetter  &  Co.)  in 

Leipzig  185. 
Röhll,  Gust.  277.  280. 
Röhrenwerk  in  Düsseldorf  SO. 
Rohrs,  Commerzienr.  in  Hann. 

72. 
Römer,  Arwed  408. 
Rohde,  Jul.  in  Hamb.  432. 
Romstädt,  Stadtrath  428. 
Röpke,  Commissionsr.  i.  Hann. 

421. 
Roge,  Beruh,  i.  Charlottenb.  224. 
Rosenfeld,  Emil  369.  370. 
Rosenstein,  Adolf  124.  276. 
Ross,  Edgar  in  Hamb.  6.  514. 
Rossbach,  Heinr.  i.  Oeslau  394. 


Rostocker  Zuckerfabrik  191. 
Rothenberg  in  Gotha  131. 
Rothenfelder  Bad  403. 
Rothenstein,  Jul.  108. 
Roy,  Ernst  418. 
Rüben-Zuckerind,  in  Schweden 

193. 
Ruetz,  Carl  in  Dortmund  72. 
V.  Ruffer,  Geh.  Commerzienrath 

in  Breslau  191. 
Runde,  Gust.  i.  Braunschw.  93. 
Rudloff-Grübs,  Reinhold  173. 
Rümpler,  Commerzienr.  i.  Hann. 

421. 
Rüster,  Carl  173. 
Rumän.  Eisenb.-Ges.  530. 
Ruscheweyh,  Bankvorsteher  in 

Görlitz  199. 
Russ,  Adolf  HO.  181. 
Russische  Maschinenbauges.  142. 

S. 

Sabey,  Commerzienr.  i.  Münster 

74. 
Sachs,  Siegm.  i.  Bresl.  87.  232. 

377. 
Sachs  &  Edinger  311.  385. 
Sackur,  Salo  in  Breslau  88. 
Sachs.  Dampfschiff  bau  101. 
Sachs.  Eisenindustrie  105. 
Sachs.  Seidenspinnerei  337. 
Sachs.  Gussstahlfabr.  100. 
Sachs.  Holzindustrie  375. 
Sachs.  Kammgarnspinnerei  336. 
Sachs.  Lederindustrie  203. 
Sachs.  Maschinenfabrik  28. 
Sachs.  Messingwerk  HO. 
Sachs.  Nähfadenfabrik  336. 
Sachs.  Ofenfabrik  381. 
Sachs.  Stickmaschinenfabr.  107. 
S^chs.  Tabacksfabriken  211. 
Sachs.  Tuchfabrik  314. 
Sachs.  Webstuhlfabrik  107. 
Sachs.  Wollgarnfabrik  337. 
Salomonski,  Wilh.  422. 


577     — 


Salinger,  Ascher  33.  52.  78.  81. 
Salings  Börsenblatt  198.  452. 
Salomon,  Adolf  174.  371.  412. 
Salomon,  Carl  in  Braunschw.  94. 
Salomon,  Samuel  in  Schwer.  356. 
Salomonsohn,  Rechtsanwalt  30. 

533. 
Salzungen,  Saline  403. 
Samelson  &  Sackur  33.  68.  69. 

88.  225.  319. 
Samter,  Ad.  in  Königsb.  1.  Pr. 

68.  181.  291  ff.  309.  339.  455. 
Samuel,  Hermann  372.  379. 
Samuel,  Sigismund  407. 
Sarre,  Stadtrath  74.  81.  162. 
Saturn,  Wasser-  u.  Gasbed.  176 
Saxonia,  Eisenwerke  101. 
Saxonia,  Maschinenfabrik  109. 
Schaaf,  Carl  39. 
Schaaffbausen'scher  Bankverein 

77.  95.  145.  182.  461.  522. 
Schadow,  Gust.  86. 
Schäffer,  Berthold  171. 
Schäper,  Landesökonomierath  in 

Wanzleben  276. 
Schalhorn,  Hugo  91. 
Schanz,  Rechtsanw.  i.  Dresd.  337. 
Scharffe,  Hugo  91. 
Scharffenorth,  Cons.  i.Memel38. 
Scheele,  Geh.  Oberfiuanzr.  532. 
Scheele,  Rud.  in  Stettin  231. 
Scheffler,  Oberbaurath  in  Braun- 
schweig 93. 
Scheibler,  C,  Dr.  227.  228. 
Scheibler,  Ferdinand  422. 
Scheibler,  Georg  39. 
Scheller,   Geh.  Ober  -  Finauzr. 

188.  335.  531. 
Scheller  &  Degener  in  Stettin 

231.  373. 
Schering,  E.,  Commerzienr.  181. 

225.  492. 
Schie,  M.,  Nachf.  in  Dresd.  100. 

102.  107  ff.  184.  187.  204.  226. 

336.  337.  389. 
Schiff,  Jul.  122.  410.  480. 
Glagau,  Der  Börsenschwindel. 


Schiff,  Siegfr.  in  Hamburg  129. 
Schiff-  u.  Maschinenb.  i.  Rostock 

69. 
Schiffert,  Chemiker  331. 
Schilling,  Stadtr.  in  Dresd.  183. 
Schillow,  Fr,,  Consul  60. 
Schirmer  &  Schlick  in  Leipz.  101 . 
V.  Schleinitz,  Freih.,  Otto  39. 367. 
Schlesinger,  E.  (S.  Mossner  &  Co.) 

275. 
Schlesinger,  Herm.  204. 
Schlesinger,  S.  i.  Trachenbg.  191. 
Schles.  Bankverein  334.  335. 
Schles.  Eisengiesserei  87. 
Schles.  Leinenindustrie  334. 
Schles.  Porzellan-Manufact.381. 
„Schles.  Presse"  51.  118.  458. 
Schles.  Tuchfabrik  315. 
Schles.  Wollwaarenfabrik  333. 
Schlieper,  Walter  in  Barmen  73. 
Schlittgen,  Commerzienrath  74. 

81.  176.  396. 
Schmieder,  Alb.  in  Breslau  86. 
Schmieder,  August  86.  377. 
Schnaas,  Adv.  in  Cöln  198. 
Schnaas,  M.  in  Cöln  81.  82. 
Schneidemühl,  Max  226. 
Schnitzler,  Dr.  in  Cöln  78. 
Schöller,  Fam.inDüren315.420. 
Schönheimer,  Ferdinand  333. 
Schönheimer'scher  Bankver.  70. 

334. 
Schönherr,  Max  in  Chemn.  107. 
Schönlank,  William  412. 
Schöpfurter  Mühlen  399. 
Schöpperle,  Stadtr.  in  Stett.  373. 
Schöpplenberg.  G.  28.  32.  41. 
Schüttler,  F.  W.  in  Braunschw. 

93. 
Schomburg,  Herm.  355. 378.  380. 
Schotte,  Emil  in  Chemn.  107. 109. 
SchottUinder,  Julius  416. 
Schottläuder  &  Oliven  416. 
Schrader,  Chr.  in  Braunschw.  93. 
Schreck,  Adv.  in  Pirna  105. 132. 

211. 
[.  87 


578    — 


Schreiber,  F.  E.  &  Söhne  3 13.402. 
Schubart,  G.,  Adv.  in  Dresd.  103. 
Schubarth,  Landr.  a.  D.  in  Cöln 

81. 
Schubert,  Moritz  in  Dresd.  101. 
Schüler,  Simon  406. 
Schür,  Otto,  Dr.  in  Stettin  281. 
Schulze-Delitzsch,  „Volkswirth" 

6.  265.  272.  274.  277.  281. 
Schulze,  David,  Baumstr.  90. 
Schumannsche  Porz -Manuf.  381. 
Schuster,  H.,  Gewerbebank  191. 

523. 
Schwabe,  Herrn,  in  Chemn.  108. 
Schwarz,  F.  in  Rostock  191. 
Schwartzkopff,  L.  Commerzienr, 

30.  373. 
Schwarzkopff,  Otto  in  Magdeb. 

229. 
Schweder,  Rieh.  34.  37.  43.  44. 

69.  197.  331.  335.  403. 
Schweitzer,  Jul.,  Börsenred.  der 

National-Zeitg.  51.  168.  169. 

193.  229.  239.  240  ff.  282.  363. 

475. 
Schwenke,  H.  Rittergutsbes.  380. 

417. 
Sehnitzer  Papierfabrik  184. 
Securius,  Anton  275. 
Seebe,  Ü.  inDresd.  100.  101.375, 
Seehandlung  59.  145.  339.  350. 
Seelig,  R.  A.  38.  43.  44.  68.  76. 

79.   129.   180.  193.  205.  227. 

2/9.  354.  393.  395. 
Seeliger,  Gust.  in  Wolfenbüttel 

93.  194.  196. 
Seifersdorfer  Papierfbk.  186. 
Seilerwaarenfbr.  in  Würzen  338. 
Seydel,  Th.,  Fabrikbesitzer  87. 
Seyfert,  Carl  in  Arneburg  418. 
Seyferth,  Aug.,Dr.i.Braunschw. 

93.  196.  230. 
Seydler,  Rieh.  356. 
Seyler,  Curt,  Adv.  in  Dresd.  184. 
Siebe,  Otto  in  Stralsund  400. 
Siegel,  Gustav  in  Magdeb.  393. 


Siegheim  &  Simon  174. 
Siemens,  Friedr.  i.  Dresd.  197. 
Siemens.  Georg,  Assessor  30. 37. 

44.  355.  401. 
Siemens,  Werner,  Dr.  37. 
Silesia,  ehem.  Fabrik  232. 
Simon,  Alex,  in  Hannover  94. 
Simon,  Hermann  377. 
Simon,  Isaak  353. 
Simon,  Louis  408. 
Simon,  Mor.,  Geh.  Commerzienr. 

in  Königsb.  i.  Pr.  68.  123.  171. 

339.  420.  455. 
Simons,  Walth.  inElberfeld  420. 
Simonsohn,  Michael  34.  37.  407. 

425. 
Simson,  Justizrath  52. 
Sobernheim,  Familie  354.  400. 
Societe  d'impression  332. 
Soergel,  Alwin  274.  275. 
Solms-Roesa,  Graf  86. 
Sombart,  Max  in  Magdeb.  92. 
Sommerf.  Tuchfabk.  Fischer  321. 
Sommerf.  Tuchfbk.  Martini  312. 
Sommerf.  Tuchfbk.,  Neue  312. 
Sommergut,  Gust.  in  Magdeb.  91. 
Sonnemann,  Leop.  in  Fkf.  a/M. 

262.  307.  340.  46S.  469.  517. 
Speck,  Adv.  in  Döbeln  102.  204. 
Sped.-  u.  Elbschifffahrts-Compt. 

406. 
Spener'sche  Zeitung  462. 
Spiegelthal,  Gen.-Consul  401. 
Stadtbank  in  Berlin  275. 
Stadthagen,  Stadtr.  371. 
Stärkefbk.  Seeler  &  Moiske  194. 
Stärkefabrik  Dutalis  195. 
Stärkezuckerf  bk.Köhlmann  195. 
Stärker,  Jul.  in  Chemn.  106  ff. 
Stahlindustrie  in  Bochum  75. 
Stahlschmidt,    Ed.   (H.  Geber) 

43.  44.  74.  193.  205.  229.  393. 

396. 
Stahlwerke  in  Remscheid  128. 
Stassfurter  ehem.  Fabr.  229. 241. 
Stein,  Adolf  171. 


—    579     — 


Stein,  Heinr.  in  Cöln  401.  420. 
Stein  I.,  Adv.  in  Dresden  211. 
Steinegger,  Spinnereidirect.  in 

Mittweida  105. 
Steiner,  Kilian,  Dr.  in  Stuttg.  417. 
Steinmeister,  H.  in  Aachen  200. 
Stephan,  E  ,  Geh.  Commerzienr. 

124. 276. 304. 335. 399. 401.456. 
Sternfeld,  Jul.  108.  223.  312. 
Sternheim,  Herrn,  in  Hann.  230. 
Stettiner,  Mor.  in  Königsb.  Pr. 

399. 
Stettiner  Papierf bk.  Hohenkrug 

181. 
Stobwasser,  Commerzienrath  37. 

384.  424. 
Stöter,  Carl  278.  280. 
Stollberger  Glashütte  200  ff. 
Stolzenburg,  Herrsch.,  A.G.417. 
Storp,  Rechtsanw.  in  Hagen  38. 

76.  279. 
Stört,  Stadtrath  369.  370. 
Strahl,  Ferd.  76.  278  ff. 
Stralsunder  Dampfmühlen  400. 
Strassmann ,    Stadtverord.-Vor- 

steher  277.  429.  438. 
Strausberg,  Baruch  Hirsch,  gen. 

Dr.  Strousberg  57  ff.  124.  396. 

404.  425.  529  ff.  542. 
Strömer,  Amandus  i.  Stettin  126. 

182. 
Stumpf,  Gottfr.  43.  173. 
Sudenburger  Maschinenfbk.  91. 
Südd.  Eisenbahnbau-Ges.  111. 
Südend,  Baugcsellsch.  370. 
Swoboda,  Otto  192. 


Tabaksfabrik  Müller  211. 
Tabaksfabrik  Ritter  212. 
Tabaksfabrik  Prätorius  210. 
Tabaksgesellsch.  Union  211. 
Teetzmann,  Roch  &  Alenfeld  in 

Magdeburg  92. 
Teichert,  E.  in  Colin  381. 


Thiel,  Rechtsanw.  in  Bautz.  183. 

Thiele,  Ed.  in  Berlin  90.  380. 

V.  Thielmann,  A.,  Freih.402.421. 

Thikötter,  H.  in  Eilenbg.  334. 

Thode,  Robert  &  Co.  88.  100. 
124.180.185.211.318.335.340. 

Thölde,  Gust.  179. 191.  277.  279. 
280. 

Thomas,  H.,  Commerzienr.  27. 

Thoraas  in  Forst  313. 
.  Thomee,  H.  jun.  in  Werdohl 396. 
\  Thüringer  Eisenb.-Material  131. 
\  Thüringischer  Schiefer  394. 
j  Tiefenfurter  Porzellan  382. 
I  Tillmaun,  Rud.  in  Zeitz  90. 

Tietze,  Adv.  i.  Bautzen  314. 
'  Timmermann,  Chr.  80.  94.  230. 
;  Tivoli  in  Hannover  421. 
]  Tobias,  David  225.  370. 
j  Trappen,  A.  in  Wetter  75. 
!  Treitel,  Moritz  210. 
I  Triepel,  Carl  in  Grünberg  322. 

„Tribüne"'  60.  207.  208.  470.484. 
Tuch,  Gust.  in  Hamburg  182. 
Tuchen,  Dr.  in  Leopoldshall  93. 

227. 
Tuchfabrik  zu  Alt-Forst  313. 


U. 

Uckermärkische  Wollbank  336. 

Ühl,    Carl    &    Co.    in   Brauu- 
schweig  93. 

Uhlendortf,  Louis  in  Hamm  342. 

Ullrich    L,  Advocat   in  Chem- 
nitz 107.  185. 

Ullstein,  Leopold  178.  319.  320. 
410. 

Uuger,  Julius  in  Erfurt  131. 

Union-Eisenwerk  126. 

Union,  Maschinenbau  in  Essen 
75. 

Union,  Maschinenfabrik  37. 

Union ,   Werkzeugmaschinenfa- 
brik 110. 

37* 


580    — 


Union,  chemische  Fabrik  227. 
Unions-Gestüt  Hoppegarten  413. 
Uno,  Carl  (Dahlmann&  Uno)  381. 
von  Unruh,  Reg.-Rath  30.  44. 

52.  ff.  161.  523. 
Urban,  Advocat  in  Zwickau  102. 
Urbich,  Aug.  in   Braunschweig 

93. 

T. 

Vack,  Anwalt  in  Cöln  461. 

Valentin,  Justizrath  492. 

Valentin,  Heinrich  379. 

Valentin,  Julius  37.  42.  372. 

Veit,  Eduard  (Robert  War- 
schauer &  Co.)  224. 

Vereinigte  Bautzener  Papier- 
fabriken 185. 

V  ereinigte  Deutsche  Telegra- 
phen-Ges.  492. 

Vereinigte  Glashütten  in  Rade- 
berg 198. 

Vereinigte  Gummiwaarenfabri- 
ken  Harburg-Wien  206. 

Vereinigte  Hessische  Papierfa- 
brik Bodenheim  inCassel  183. 

Vereinigte  chemische  Fabriken 
zu  Leopoldshall  228. 

Vereinigte  Oderwerke  371. 

Vereinigte  Werke  auf  Tippeis- 
kirchen 371. 

Vester,  Franz  in  Schönebeck 
225. 

Vetter,  Hugo  389. 

Vettin,  Jul,  Reg.-Rath  27. 

Vilter,  Commissionsrath  223. 

Vieweg,  Buchhändler  in  Braun- 
schweig 93. 

Vietmannsdorf.  Industrieverein 
417. 

Voeckler,  Georg  in  Meissen  104. 

Vogt,  Regierungsrath  in  Bres- 
lau 28. 

Vogts,  Ferdinand  384.  406. 

V.  Voigtländer,  Commerzienrath 


in  Braunschweig  72.  93.  94. 
194.  230. 

Voigtländische  Maschinenfabrik 
102. 

Volkmar  &  Bendix  90.  98.  227. 
228 

„Volkszeitung"  179.  267.  269. 
272.  284.  365. 

Volpi  &  Schlüter,  Gummifabrik 
205. 

Vormbaum,  Landrath  in  Neu- 
stadt 374. 

Vossische  Zeitung  13.  176.  239. 
246.  305.  472.  489. 

Vulcan,  Maschinenfabrik  34. 

Vulcan,  Maschinenfabrik  in  Kö- 
nigsberg i.  Pr.  68. 

Vulcan,  Werkzeug-Maschinen- 
fabrik 109. 

W. 

Wäsemann,  Baurath  196.  279. 
372.  393. 

Waggonfabrik  Hoffmann  88. 

Waggonfabrik  in  Hamm  73. 

Waldmann,    August   370.  389. 

Waldthausen,  G.  A.  in  Essen  75. 

Wallich,  Hermann  355. 

Walter,  August  in  Dresden  102. 
132. 

Walter  sen.,  Director  in  Halle 
a./S.  89. 

Walther,  Wilhelm  in  Stettin  418. 

Waltz,  Fr.,  „Generaldirector" 
37.  56.  205.  375.  378. 

Walzwerk  in  Braunschweig  94. 

Wandel,  Geh.  Admiralitätsrath 
370. 

Wappler,  A.  H.  in  Leipzig  103. 

Warschauer,  Robert  52. 224.855. 
539. 

Wasserleitung  Granger  &  Hyan 
175. 

Wasser-  und  Gasanlagen  Matti- 
son  &  Brandt  171. 

Wasserwerke  in  Frankfurt  a./O. 
173. 


.581     — 


Wauer  in  Herrnhut  185. 
I  Weber,  Oberbürgermeister  a.  D. 
[      527.  549. 

\  Weber  I.,  Advocat  in  Chemnitz 
I       106.  107.  109.  186.  336. 

Weber,  üeorgMoritzinDresdcn 
211. 

Weber,  R.,  Professor  225.  229. 

Websky,  Egmont  335. 

Webstuhlfabrik  Zschille  105. 

de  Weerth,  Aug.  iu  Elberfeld 
420. 

Weigert,  Joseph  in  Breslau  416. 

Weil,  Siegmund  275. 

Weimar-Gera  527. 

Weinreich,  H.  in  Stettin  418. 

Weise,  Fr.  in  Sommerfeld  313. 

Weissenburger,  Julius  430. 

Weissthaler  Act-Spinnerei  339. 

Wendelstadt,    Victor    in    Cöln 
75,  82.  419.  522. 

Wendland,  Otto  384. 

Weutzel,  Geh.  Commissionsrath 
205.  492. 

Werkzeugmaschiuenfabr.    Sent- 
ker 38. 

Werkzeugmaschiuenfabrik 
Tietzsch  39. 

Werther  &  Sohn  in  Breslau  416. 

V.  Werthern,  A.,  Frhr.  371.  380. 
418. 

Wessenfeld,  C.  L.  in  Barmen  420 

Weser,  Schiffbau  71. 

Wesselhöft,  Job.  in  Hamburg  72. 

West-Club  412. 

Westphalia,  Waggonfabrik  75. 

Westphälische     L)rahtiudustrie 
394. 

Westphälischer     Eisenbahnbe- 
darf 74. 

Westphälische  Glashütte  198. 

Westphälische      Marmorwerke 
893. 

Westphälische  Stahlwerke  452. 

Westphälishe  Union  395. 

WestpreussischeEisenhüttel24. 


Wichelhaus,  Robert  in  Elber- 
feld 231. 

Widemann,  Advocat  in  Chem- 
nitz 129. 

Widmann,  A.,  Dr.  393. 

Wiedemann,  A.in  Chemnitz  336. 

Wien,  Fritz  in  Königsberg  i.  Pr. 
399. 

Wiener,  Justizrath  530. 

Wiganckow,  L.  39.  179. 

Wildunger  Zuckerfabrik  192. 

Wilhelmshütte  -29. 

Wilke,  Max,  Justizrath  27. 

Wilkens,    Geh.  Oberfinanzrath 
531. 

Willemsen,  Rud.  in  Cöln  73. 

Willert,  Otto  in  Königsberg  i. 
Pr.  400. 

V.  Wilmowski,  Justizrath  86.402. 

Winckelmann,     Fabrikbesitzer 
331. 

Windhauseu,  Franz  in  Braun- 
schweig 93. 

Windmüller,  Reg.-Rath  407. 

Windtaus  &  Brodtmann  315. 

Wintzer,  Commerzienrath  396. 

Wiss,  Ed.,  Dr.   171.  305.  416. 

Witkowski,  Arnold  275. 

Witkowski,  Ignatz  372.  385. 

Witte,  Albrecht  355. 

Witte,  Senator  in  Rostock  69. 

Wittener  Gussstahl  77.  83. 

Witting,  H.  89. 

Wöhlert,  F.,  Commerzienr.  35. 

Wöhlertsche  Maschinenbauanst. 

34. 
\  Wölfel,  Rechtsanwalt  i.  Merse- 
burg 193.  530. 

Wolff,  August  in  Dresden  211. 

Wolff,  Alfred  (M.  Schie  Nach- 
folger) in  Dresden  42. 

Wolff,  Ant.  (Hirschfeld  &  Wolff) 

33.    384.     396.     472. 
'  Wolff,  Emil  205. 

Wolff,  Gustav,  Justizrath  197. 
415.  546. 


582    — 


WolfiV  Lotterieinspect.  i.  Braun- 
schweig 93. 

'^^'o]ff,  Julius  juD.  279. 

AVolff,  Wilhelm,  in  Cöslin  180, 

Wolff,  Wilhelm  313.  546. 

Wolff,  Benda  („Nationalzeitung") 
474  ff.  491.  492. 

Wollenberg,  Leo  39.  126.  312. 
369.  370. 

Wollmann,  Rittergutsbes.  zu 
Waitze  197. 

Wrede,  Carl  in  Stettin  181. 

Wrede,  Dr.  32. 

Wrede,  Commerzienrath  28.  32. 
44.  59.  88.  353. 

Würtz,  Hermann  37.  384.  418. 

Wunderlich,  Eduard  376. 

V.  Wurmb,   Pol.-Präsident  422. 

Wusterwitz  -  Rathenower  Zie- 
gelei 372. 

Wuthe,  Emil  335. 

Wuttig,  Berthold  i.  Dresden  198. 

Z. 

Zachariae,  Justizrath  in  Stettin 
373. 


Zapp,  Hermann  312. 

„Zeus",  Walzwerk  80.  81. 

Ziegler,  G.  in  Dessau  192. 

Ziervogel  in  Stassfurt  98,  227 

228. 

!  Zimmermann,   ,, General -Direc 
!     tor"  195. 

Zimmermann,    Commerzienratl 
in  Chemnitz  108.  110. 

Zippert  &  Co.  69.  225. 
I  Ziurek,  Dr.  373. 
,  Zorn,  W.  in  Halle  276. 

Zschille,     Commerzienrath     in 
.      GrossenhainlOO.101.314. 337. 

Zuckerfabrik  Bredow  192. 
1        „        „        Glauzig  192. 
j       „        „       Alt-Jauer  191. 
1       „        „       Koerbisdorf  192. 
„        „       Nienburg  193. 243. 
„        „       Trachenberg  191. 

Zuckersied.  Braunschweig  194. 

Zuckschwerdt,  H.  i.  Magdeburg 
193. 

Zwicker,  Advocat  in  Dresd.  338. 

Zwicker,  Geh.  Commerzienr.  30. 


Druckfehler  -  Berichtigung. 

Zu  Seite  15.  Die  Anleihe  vom  Juli  1876  betrug  100  Mill. 
Mark. 

Zu  Seite  280.  Das  Actiencapital  von  Vereinigten  Bisch- 
weiler Tuchfabriken  beträgt  1,200,000  Thaler. 


Druck  von  Bär  Ä:  Hermann  in  Leipzig. 


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