Skip to main content

Full text of "Der Hans Wurst-streit in Wien und Joseph von Sonnenfels"

See other formats


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world's books discoverable online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover. 

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 

We also ask that you: 

+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 

About Google Book Search 

Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world's books white helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web 



at |http : //books . google . com/ 




über dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nutzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google -Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 



Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen. 



^ 



L 3 7 6. to 




HAItVARD COJLLEGE 
LIBRARY 

FROM THE LIBRARY OP 

KONIMD VON MAVRER 

OF NKWnXCM 
THE GIFT OF 

wanavu) cAra cooijdge 

— CLASS OF \%m — 
ASSISXWT PROFESSOR OF lUSTORY 



■II ili PMiiiiiii i^^ 



DER 
O 



HANS WURST-STREIT 



IN A\^IIi)N 



UND 



JOSEPH VON SONNENFELS. 



VON 



D*- KAEL To» OÖRlOliL 



-±* 'i u 



1' 



WIEN, 1884. 
BEI CARL KONEGEN. 



C^n^i^^ L_ ö I (o , 



N 1 



HarvaiM 0-\(^«o Library 



YORWORT. 



In dem nachfolgenden Schriftchen habe ich eine über- 
sichtliche Darstellung des Streites wider den Hans Wurst, 
der das literarische Wien ein halbes Jahrhundert beschäf- 
tigte, zu geben versucht. In der Mitte derselben steht, wie 
überhaupt in der Mitte der ganzen damaligen literarischen 
Bewegung Wiens, Joseph von Sonnenfels. Sollte aber ein 
möglichst abgerundetes Bild der ganzen Bewegung geboten 
werden, war es nothwendig, sowohl die frühere Periode zu 
berücksichtigen, als auch in Bezug auf Sonnenfels dessen 
dramaturgische Ansichten überhaupt, vornehmlich aber in 
Bezug auf das Lustspiel, zu streifen. ^ 

Als ich diese Arbeit, welche als ^Doctorsdissertation 
der Prager Universität eingereicht wurde, begann, waren 
nur spärliche Vorarbeiten vorhanden. Unmittelbar nach 
Vollendung derselben aber erschienen die beiden Biographien 
Sonnenfels' von Kopetzky und Willibald Müller. Sie zwangen 
mich. Einiges aas der Arbeit auszuscheiden. Manches aber 
musste, trotzdem es an einem der beiden Orte bereits ver- 



IV 

öfFentlicht, stehen bleiben, um den Zusammenhang nicht 
zu stören. 

Da ich diese Erstlingsarbeit der OefFentlichkeit über- 
gebe, drängt es mich noch/ meinem verehrten Lehrer, Hrn. 
Prof. Dr. Joh. Kelle, meinen Dank für manchen freund- 
lichen Wink bei deren Abfassung auszusprechen. 

Prag, Mai 1884. 



UEBERSICHT. 



Seite 

I. Einleitung 1 

Die deutsche Bühne in Wien. Stranicky und' Prehauser, 
^S. 1. — Anfange des regelmässigen Schauspieles, S. 3. — Ber- 
nardon, S. 5. — Burlin, S. 7. 
II. Kampf gegen das Extempore vor Öonnenfels .... 7 
EngelschalPs „Gedanken über die Schaubühne", S. 8. — 
Die ^AVelt", ß. 8. - Der Pressburger Komödienzettel, S. 10. — 
Hafner und seine „Reisenden Komödianten", S. 12. — Sonnen- 
fels in der „Welt", S. 16. — Hafner's „Bürgerliche Dame", 
S. 20. — Bob's „Glückwunsch", S. 21. — Klemm und Heu- 
feld, „Der Patriot-*, S. 23. 

III. Die Zeitschriften Sonnenfels' . 24 

„Der Vertraute**, S. 24. — „Der Mann ohne Vorurtheil", 
S. 26. — Gegnerschaft Sonnenfels' mit Klemm und Heufeld, 
S. 30. — „Der Geburtstag", S. 31. — D'Affligio's Theater- 
pachtung, S. 34. — Sonnenfels' „Theatralische Einleitung", S. 36. 

IV. „Der grüne Hut" 41 

Angriffe, S. 41. — Klemm und Sonnenfels, S. 42. — Die 
Stücke „auf die Wiener Sitten", S. 44. — „Der grüne Hut", 
S. 46. — Die Parodie im „Mann ohne Vorurtheil", S. 49. — 
Erfolge, S. 53. 
V. Die Briefe über die wienerische Schaubühne. ... 55 

Die „Briefe**, S. 55. — Ayrenhoff, S. 58. — Die italienische 
Posse, S. 59. — Die Franzosen, Lessing, Shakespeare, S. 62. — 
Die Wiener Dichter, S. 66. — Polemik der Theaterdirection, 
S. 67. — Schluss der Briefe, S. 73. 
VI. Sieg Sonnenfels' 74 

Prehauser's und Weisskern's Tod , S. 75. — Direction 
Freiherr von Bender, S. 76. — Die Badner Truppe und Relation 
Sonnenfels' an Joseph II., S. 78. — Bernardon's Rückkehr, S. 82. — 
Sonnenfels als Censor, S. 83. — Schluss, S. 85. 



1. 



Im Jahre 1708 wurde in Wien das erste ständige deutsche 
Theater vom Magistrate erbaut,^) während sich vorher nur das 
wälsche eines eigenen Heims erfreut hatte. 1712 übersiedelte 
es von der Teinfaltstrasse in das neue Theater nächst dem 
Kärntnerthore und in demselben Jahre hielt auch Stranicky 
mit seiner Hans Wurst-Figur seinen Einzug in dasselbe. Josef 
Anton Stranicky wird oft als der Erfinder dieses ersten deut- 
schen Narren bezeichnet. Dieses ist wol nicht richtig, 2) sicher 
ist aber, dass er der alten komischen Person ein neues Kleid 
anzog. Er nahm dafür die alte Maske des deutschen Narren, 
eines dummwitzigen Bauern, dem er speciell die Salzburger 
Tracht, die kernige Ausdrucksweise der Aelpler gab, und na- 
tionalisierte auf diese Weise wieder den italieniechen Possen- 
reisser. Es ist wol nicht zu läugnen, dass auch damit schon 
ein Fortschritt gemacht war, wenn sich nur Hans Wurst von 
dem rohen Witze, den pöbelhaften Scherzen und Zweideutig- 
keiten des italienischen Vorgängers hätte ebenfalls befreien 
können. Aber air das zotenhafte Wesen und der blühende 
Unsinn war auch auf ihn übergegangen und blieb seither 
ein Vorrecht der Pritsche. 



^) Geschichte und Tagebuch der Wiener Schaubühne. Herausge- 
geben von Jos. Heinr. Friedrich Müller, Mitglied e der k. k. Nationalschaur 
Spielergesellschaft, Wien 1776. 

2) Dies bezweifelt schon Schmidt (Professor in Giessen) in seiner 
„Chronologie des deutschen Theaters, 1775". Dass der Charakter uralt ist, 
vide Weinhold: lieber das Komische im altd. Schauspiel, Gosche, Jahrb. 
f. Litg. 1, 1. 

T. Qörner. Der Hans Wurst - Streit in Wien. 1 



Diese Nationalisierung 3er komischen Figur, die in 
Wien, wie sonst nirgends, mitten aus dem Volke geschöpft 
war, bildete auch den Grund, warum der Hans Wurst hier 
so lange allen Angriffen erfolgreichen Widerstand leisten 
konnte, und wenn Lessing meint: „Er ist ein ausländisches 
Geschöpf", so hat dies auf den Wiener Hans Wurst keinen 
Bezug, der aus einer fremden Nachbildung bald ein Ein- 
heimischer geworden war. Stranickyi) beherrschte das leicht- 
lebige Wesen der Wiener vollständig und erspielte sich mit 
seinen von ihm selbst extemporierten und verfassten Stücken 
zwei Häuser in Wien. 2) Seine Possen und Scenen gab er 
unter dem Titel heraus: „011a potrida des durchgetriebenen 
Fuchs Mund], worin lustige Gespräche, angenehme Begeben- 
heiten, artliche Ränke und Schwanke, kurtz weilige Stichel- 
reden, politische Nasenstüber, subtile Verirrungen, spindisierte 
Fragen, spitzfindige Antworten, curiose Gedanken, kurtz- 
weilige Historien, satyrische Puff zur lächerlichen doch ho- 
netten Zeitvertreib sich befinden. Ans Licht gegeben von 
Schalk Terra, als des obbesagten ältesten hinterlassenen, resp. 
Stiefbruders, Vetter Sohn. In dem Jahr, da Fuchsmundi feil 
war, 1722." 3) Ich gebe diesen langen Titel, da er alle In- 
gredienzien, aus denen Stranickys Stücke bestanden, aufzählt. 

Schon 1725 sah sich Stranicky, da er selbst zu altern 
begann, nach einer Hilfe um und verschrieb sich dazu Gott- 
lieb Prehauser, dem er am 26. August auf offener Bühne, 



^) Stranicky, in Breslau geboren, war ein gebildeter Mann, der 
studirt hatte und von der Leipziger Universität aus sich dem Theater 
widmete. Seine Ausbildung gewann er in Italien. 

2) „Wovon das eine auf dem Salzgries noch itzt das Hanswurstige 
Haus und das andere in der Vorstadt Margarethen der Hannswurstische Sal 
genannt wird." J. H. F. Müller a. a. O. 

3) Darüber, sowie über Stranickys Reisebeschreibung: Fz. Gräffer, 
Kleine Wiener Memoiren, 1845, I, lö7. Wurzbach, Biogr. Lex. Titeln 
seiner Komödien bringt R. Genee: Lehr- und Wanderjahre des deutschen 
Schauspiels, 1882, S. 345. K. Weiss, Wiener Haupt- und Staatsactionen. 
Ein Beitrag z. Gesch. d. deutsch. Theaters, 1854. 



nachdem er unter Thränen von dem gerührten Publicum 
Abschied genommen hatte, Hut und Pritsche feierlich über- 
gab, womit er ihn zu seinem Nachfolger einsetzte. Prehauser 
hatte bereits früher neben Stranicky gewirkt, nun eroberte 
er bald alle Herzen. Stranicky starb 1727 *) und eine neue 
Direction, Borosini und Selliers,^) übernahm das Theater. 
Die Herrschaft des Hans Wurst war übrigens keine 
vollständig concurrenzlose. Feuerwerke und Thierhetzen ^) 
fügten ihm oft empfindlichen Schaden zu, fremde Truppen, 
wie italienisches Singspiel und Burleske, späterhin das fran- 
zösische Theater machten ihm das höhere Publicum abwendig, 
und wir werden sehen, wie mit letzterem die deutsche Bühne 
bis gegen das Ende des Jahrhunderts im Kampfe lag. Bald 
aber erstand ein Feind im eigenen Hause: das regelmässige 
Stück. Zehn Jahre nach der Leipziger Verbannung des Hans 
Wurstes wurde das erste regelmässige Stück: „Die aleman- 
nischen Brüder" von Krüger in Wien aufgeführt. Selliers 
begann nach Deutschland hinauszublicken und 1748 begann 
ein grosser Schauspielerzuzug aus dem Auslande. Mehrere 
Mitglieder der ehemaligen Neuberischen Truppe beginnen 
in Wien die Tradition ihrer alten Priucipalin fortzupflanzen, 
ja Koch bedingt sich im Contracte ausdrücklich, nur in regel- 
mässigen Stücken spielen zu müssen. Mit ihm zugleich kamen 
Heydrich und die Lorenz.'^) Um sie sammelten sich die Ver- 



1) Oder 1728. Das Jahr, das Gräffer a. a. O. angiebt, 1735, ist 
sicher falsch. 

2) Da sie beide Italiener waren, wurde von da an die Direction 
auch Impresa bezeichnet. 

3) Dies barbarische Vergnügen dauerte bis 1796, wo das Hetzamphi- 
theater unter den Weissgärbem abbrannte. Eine Zeitlang war das Privi- 
legium der Thierhetze mit dem Theater verbunden (z. B. unter d'Affligio). 
Das Theater war 1755 aufgebaut worden und zuletzt verfertigte der 
„Dichter" Rautenstrauch die Hetzzettel. Vergl. dazu: Jaro Pawel, Die litt. 
Reformen des XVIII. Jahrhunderts, Wien 1881, und Fz. Gräffer a. a. O. 
II, 144 und 162 (Eine bluttriefende Ankündigung). 

*) Die Lorenz spater als Huberin eines der bekanntesten Mitglieder 
der Bühne. 

1* 



theidiger der neuen Richtung, während das Extempore an Pre- 
hauser und Weisskern, von denen Beide selbst theils eine Menge 
Stegreifkomödien verfertigten theils aus dem Italienischen für 
die deutsche Bühne bearbeiteten, seine Fürsprecher fand. 

Trotz aller Bemühungen aber wollte das regelmässige 
Schauspiel keine Wurzel fassen, obgleich am 18. Februar 
1748 der „sterbende Cato" ^) unter grossem Beifall in Scene 
gieng und die Kaiserin es selbst zu sehen verlangt hatte, 
woraus einige Gottschedianer sogar die Hoffnung schöpften, 
den- Leipziger Dictator nach Wien übersiedeln zu sehen. 
Koch 2) verzweifelte an dem Beginnen, die Wiener Bühne 
zu verbessern, und gieng 1749 bereits wieder ab. 

Das Einzige^ was erreicht wurde, war, dass die Zügel- 
losigkeit der extemporierten Stücke doch in Etwas einge- 
schränkt wurde. 1751 wurde die Censur eingerichtet, die- 
selbe konnte aber nur zum Schaden der regelmässigen Stücke 
wirken, denn mit dem Gerippe der extemporierten konnte 
sie nichts anfangen, und dass diese von ihrer Freiheit den 
ausgedehntesten Gebrauch machten, beweist der Befehl der 
Kaiserin (17. Februar 1752),^) „dass keine anderen Vorstel- 
lungen, als welche entweder aus dem französischen, wälischen 
oder spanischen Theater herfliessen oder in deutscher Sprache 
wol ausgearbeitet befunden werden, auf dem hiesigen Theater 
zu producieren gestattet seien, folglich alle Compositionen 
von dem sogenannten Bernardon, wie alle dergleichen mehr 
zum Aergerniss des Publici als zur Einpflanzuog einer guten 
Moral reichenden albernen Erfindungen durchgehends und 
für alle Zeiten verboten sein; es wäre denn, dass von dem 
Komiker Weisskern eine oder die andere wol ausgearbeitete 
Piece zum Vorschein käme, welche jedoch eher genau durch- 
gegangen werden soll; überhaupt solle jede ^quivoque und der 



^) Siehe darüber: Jaro Pawel a. a. O. 

2) lieber Koch und die beiden anderen: v. Reden-Esbeck, Caroline 
Neuber, 1881. 

3) Dr. Wlassak, Chronik des Biirgtheaters, Wien iSTG, S. 14. 



5 

Ehrbarkeit zuwiderlaufende unfläthige Redensart unfehlbar 
vermieden und den Komödianten sich deren zu gebrauchen 
bei schwerster Bestrafung nachdrucksam verboten werden." 

Dieses Hofdecret half nicht viel; wol hatte es die ex- 
temporierten Stücke hiemit abgeschafft, aber nicht die ex- 
temporierten Rollen, und der Hans Wurst und seine Genossen 
extemporierten nicht nur in der Burleske, der vier Tage in 
der Woche eingeräumt waren, sondern auch an den beiden 
anderen, welche seit 1751 dem regelmässigen Stücke (und 
zwar Dienstag Lustspiel, Donnerstag Trauerspiel) überlassen 
wurden, fröhlich weiter. Denn nicht genug daran, dass in 
jedem regelmässigen Stück Hans Wurst in einer Bedienten- 
rolle beschäftigt wurde, es musste sich überhaupt eine Be- 
arbeitung von Seite irgend eines Schauspielers gefallen lassen. 
Auch Lessings Sarah ') (1. October 1763) musste über sich 
dasselbe Schicksal ergehen lassen. 

Unter der Direction des Grafen Durazzo 2) erfolgte ein 
Rückschlag. 

Der Schauspieler Josef Felix Kurz^) war nämlich zum 
ersten Male in einer komischen Rolle mit einer neuen komi- 
schen Figur Namens Bernardon aufgetreten und hatte darin 



*) De^; Hans Wurst trat als Meilefonts Bedienter (im Stücke Norton) 
auf. Der Theaterzettel zeigt an: „Neues bürgerliches Trauerspiel in 5 Hand- 
lungen. Aus dem Englischen gezogen. Betitelt: Mis Sarah und Sir Samp- 
son. Mit Hans Wurst, des Melefonts getreuen Bedienten. Dargegeben von 
Christiana Friderica Pluberinn, geborne Lorenzin. " Vide darüber: H. M. 
Kichter, Geistesströmungen, Berlin 1876, S. 240. 

2) Hatte die Leitung mit Grafen Eszterhäzy seit 1752, allein 1754. 
In Bezug auf die äussere Geschichte der Wiener Bühne ist stets auf Dr. 
Wlassak, Chronik des Burgtheaters, zu verweisen. Ich gebe hier kurz die 
Uebersicht derDirectionsführung in dem hier behandelten Zeiträume: 1708 bis 
1748 Selliers, 1748—1752 Baron Roco de Lopresti, 1752 Hauptdirection 
Graf Franz Eszterhazy, Assistent Graf Jacob Durazzo, 1754 Durazzo allein, 
1764 Graf Wenzel Spork. Unter diesem pachtet das deutsche Theater 
Hilverding 1766, 1767 d'Affligio, mit ihm 1769 Freiherr von Bender, der 
bis September des Jahres das deutsche Theater führt, dann Gesellschaft 
d'Affligio, Lopresti, Gluck, 31. Mai 1770 Graf Kohary. 

3) S. Wiener Neudrucke, Nr. 2, 1883, Einleitung. 



} 



6 

sein komisches Talent entdeckt. Er folgte nun dem Bei- 
spiele seiner Zeit und behielt diesen Namen auch fernerhin 
als Eigen thum bei, ähnlich wie wir in Wien allein eine 
Menge solcher Charakternamen vorfinden, die sich um den 
Hans Wurst und Bernard on schaaren, so der Jackerl (Gott- 
lieb), Leopold (Huber), Lipperl, Peterl, Burlin, Kasperl, eine 
vordem auch im übrigen Deutschland allgemeine Sitte. Nun 
trat Bernardon bald in den Vordergrund, und wie früher 
Hans Wurst, so figurierte nun er in allen Titeln : „Eine ganze 
sehr geraume Zeit war nun nichts auf der Bühne als Bernar- 
dons Unglücksfälle, Bernardon der 30jährige ABC-Schütz, 
Bernard ons Versprechen^ Heirat, mit einem Worte Bernar- 
dons Leben und Tod, wo manchmal sich die besten Dichter 
in den erbärmlichsten Parodien mussten verhunzen lassen, 
war der ewige Inhalt der- Theatervorstellungen — und die 
Schaubühne war immer zum Erdrücken voll." |) Die In- 
gredienzien der Stücke Bernardons wären Flugwerke, Ver- 
kleidungen, Kinderpantomimen, Arien und italienische und 
böhmische Liedchen, endlich war das Ende vom Liede stets 
eine Prügelei, womit jeder Act geschlossen wurde. Ebenso 
wurden Ballete in Menge eingestreut. 

„Den Vortheil der Schauspieler in Erwägung gezogen, 
waren die Bernardonischen Komödien nach den Grundsätzen 
Übermachtester Oekonomie verfertigt. Denn Fliegen, die 
Arien, eine Maulschelle wurden dem Schauspieler unter 
dem Namen: ,Neben gefalle* besonders bezahlt. Es war also 
natürlich, dass ein Schauspieler sich und den Seinigen viel 
zu singen, viel zu fliegen gab und seine Stücke auf Maul- 
schellen arbeitete, wovon er sich gewiss die meisten zu- 
schrieb." 2) Für ein Stück mit Arien wurden 12 Gulden, 
ohne Arien 6 Gulden, für jede Wiederholung 2 Gulden gezahlt. 
Trotz dieses anscheinend geringen Honorars verdiente der 
Dichter der vielen Repetitionen wegen immerhin viel Geld. 

1) Briefe über die Wiener Schaubühne. (Ges. Sehr., II, 375.) 

2) Sonnenfels, Ges. Sehr., 1783—1787, II, 378. 



Prehauser war bald gezwungen, mit dem neuen Sterne, 
Bernardon, zu rechnen, ja endlich sogar einen Vertrag auf 
Theilung mit ihm einzugehen. Seither wirkten Hans Wurst 
und Bernardon in allen Stücken nebeneinander und spielten 
sich beide in die Gunst des Publicums, bis Bernardon 1760 
plötzlich Wien verliess. Hans Wurst trug stets seine tradi- 
tionelle Kleidung, bunte Jacke und grünen Hut, während 
die übrigen Narrenfiguren nicht so stereotyp in ihrem Auf- 
zuge waren. 

Nach dem Abgange Bernardons versuchte ein Schau- 
spieler unter dem Namen Burlin i) an seine Stelle zu treten, 
aber mit wenig Glück. 

Die Zeit für die Neuschaffung solcher Figuren schien 
bereits vorüber zu sein und nur Prehauser und Weisskern 
(erst Haus Wurst, dann ältere Rollen unter dem Namen 
Odoardo) behaupteten sich bis an ihr Lebensende, mussten 
aber zuletzt doch theilweise zu den regelmässigen Rollen 
übergehen. 

II. 

Nur innerhalb der Schauspielerkreise war bisher der 
Kampf geführt worden; ein weiteres Decennium musste 
verfliessen, ehe ihnen von aussen Hilfe gebracht wurde, 
nachdem bereits das ganze Ausland Wien als bleibende Her- 
berge des Hans Wurstes anzusehen sich gewöhnt hatte, „der 
sich vermuthlich zum ewigen Denkmal des Geschmackes 
unserer Voreltern auf dem Theater der Hauptstadt des deut- 
schen Reiches erhalten zu wollen scheint".?) 

^) Wer Burlin war, ist mir nicht bekannt. Sein Name wird meines 
Wissens nirgends genannt, es heisst immer nur „ein erbärmlicher Possen- 
reisser" etc., wie er überhaupt immer als ein ziemlich unbedeutender 
Komiker geschildert wird. Die Chronologie S. 217 nennt ihn ebenfalls 
nicht bei Namen, sondern constatiert nur: „weder Action noch seine Stücke 
hatten Bernardons Glück." 

2) Wieland, Agathon II. (Hempel, III. Theil, S. 32.) 



8 

Im Jahre 1760 erhob sich die erste Stimme für die 
Sittlichkeit der Wiener Schaubühne gegen Bernardon. Jos. 
Heinrich von Engelschall ^) gab seine „Zufälligen Gedanken 
über die deutsche Schaubühne in Wien" heraus und schrieb 
auchP^iniges in die „Briefe über die neueste Literatur". Hey- 
den/^) der bereits vor ihm in seiner sehr ephemeren Zeitschrift 
„Wiener gelehrte Nachrichten" gegen den Hans Wurst auf- 
getreten ' war, hatte ebensowenig zu wirken verstanden, als 
die in Zeitschriften da und dort verstreuten Bemerkungen und 
Aufsätze eines v. Petrasch, Wächtler, v. Scheyb, Quandt u. A. 

Alle diese gehörten der rein Gottschedischen Schule 
an, und diese schien, vielleicht nicht zum geringsten Theil 
durch das schauspielerische Fiasco der Neuberin^) in Wien, 
vollständig ohnmächtig dem herrschenden Geschmacke und 
den komischen Talenten Prehausers etc. gegenübei*! 

Den Kampf mit fester Ueberzeugung und Beharrlichkeit 
begann die „Welt"^) aufzunehmen, die erste Wochenschrift 
Oesterreichs, von Klemm ^) und Herrl^) herausgegeben, die 



^) K. k. w. Rath und selbst Dichter (u. 'A. des fälschlich Heyden 
zugeschriebenen „Graf Unhold", s. J. H. F. Müller a. a. O.). Der Fehler 
ist aus Schmidts Chron. in alle neueren Schriften übergegangen; s. de Luca, 
das gel. Oesterreich. 

2) „Ein Leipziger Magister, der in Wien um baares Geld Verse und 
Prosa schrieb und zu der Zeit in Wien ein gelehrtes Ansehen erwarb, mehr 
denn mittelmässige Talente in etwas besserem als Gottschedischem Sinne 
besass." Bibl. der öst. Literatur 1769 I. 

-') Ueber- das Auftreten der bereits alten Neuberin, die noch dazu 
des Spieler» entwöhnt war, s. v. Reden-Esbeck a. a. O. S. 337. 

*) Erschien 1702 (die Ankündigung am 12. Januar) bis 1763. 4 Hände. 
Gervinus giebt fälschlich 1752 an, was J. Pawel a. a. O. eben so unrichtig 
in 1764 corrigiert. Dieser Fehler stammt aus de Luca, Das gel. Oester- 
reich, der sich mit Klemms „Patriot" irrte. 

^) Christoph Gottlieb Klemm, geboren zu Schwarzenberg in Sachsen 
1736, Todesjahr unbekannt, kam 1759 nach Wien als Corrector der Tratt- 
ner'schen Buchdruckerei. S. Wurzbach, Biogr. Lex. 

^) Herrl wird in der Bibl. der öst. Literatur sogar allein als Heraus- 
geber bezeichnet. 



9 

erste Frucht der 1761 von Riegger, Sonnenfels, Bob ') u. s. w. 
gegründeten Deutschen Gesellschaft. 2) 

Sonnenfels selbst stand nur in einem äusserlichen Ver- 
kehr zu der „Welt", obgleich er, wie aus seinen ersten 
Zuschriften hervorgeht, an der Gründung indirect mit An- 
theil genommen. Seine Beiträge erwähnen das Theater gar 
nicht, erst eine spätere Zuschrift kommt auf diese Materie 
zu sprechen. Klemm arbeitete in seinen Aufsätzen auf die 
Pflege der Muttersprache hin und nur in seinen Skizzen 
aus dem Wiener Leben begegnen wir einmal^) der folgen- 
den: „Harm ist Schauspieler. Er hatte eine Anlage zur ge- 
sunden Vernunft, da er aber sah, dass es Leute gab, die 
unendlich mehr Genie, mehr gute Einsichten als er besassen, 
so wurde er Possenreisser. Er sträubt sich mit Lunge und 
Füssen dagegen, wenn man die Schaubühne zu dem, 
was sie sein soll, zu einer Tugendschule machen will. Sein 
Herz ist dadurch boshaft geworden, denn er muss sich 
oft der niederträchtigsten Kunstgriflfe bedienen, um die 
Schande der Bühnen, das Bourlesque und das Zotenhafte 
aufrecht zu erhalten. Doch findet er zu seinem Glücke treue 
Anhänger und die Gassen stehen wohl dabei. Aber wie wird 
es unserem Harm ergehen, wenn die gesunde Vernunft ein- 
mal durch alle diese Chicanen hindurchdringen und einen 
glänzenden Sieg davontragen wird? Harm wird eine erbärm- 
liche Rolle dabei spielen." Diese ganz allgemeine Charak- 
teristik ist augenscheinlich gegen Burlin gerichtet, der über- 



1) Franz Josef Bob, geboren 1733, gestorben 1802, kam 1756 
nach Wien und gieng 1767 als Professor der Rhetorik nach Freiburg, 
S. Wurzbach. 

2) Gegründet von Professor von Riegger, in dessen Hause sie sich 
auch versammelte. Haslinger, Khauz, Spielmann und die Genannten, Sperger, 
Thugut gehörten ihr an. Die Anzeige verfasste Sonnenfels, Nikolai wurde 
sie durch das Pariser Journal 6tranger bekannt. Die Gesellschaft wirkte 
ziemlich viel Gutes, jedoch meist nur secundär, durch allgemeine Hebung 
des Geschmackes. 

3) I. Bd., XXV. Stück. 



10 

liaupt das specielle Object der Angriffe der „Welt" ist, 
während Prehauser fast absichtlich verschont wird. Man 
schien sich damals noch nicht gegen die ganze Gattung, son- 
dern vorläufig nur gegen einen schlechten Vertreter derselben 
zu wenden. 

Das XXIX. Stück brachte einen Pressburger Theater- 
zettel,*) der eine „Hans Wurst -Komödie nach Wiener Art" 
anzeigt. Wohl verwahren sich die Verfasser der Wochen- 
schrift dagegen, dass dies wirklich ein Wiener Stück sei 
und bemerken, „der Hans Wurst kommt jetzt höchstens in 
regelmässigen Stücken vor und spricht kein Wort, als ihm 
vorgeschrieben". Dass letztere Bemerkung ironisch gefasst 
werden muss, beweist bereits das kurze Zeit darnach ver- 
öflFentlichte zugesandte Schreiben des Principal Sebastiani:^) 
„Er wisse wohl, dass der Verfasser in Pressburg gewesen, 
er habe ihn aber auch im Theater auf dem Siebnei'platz ge- 
sehen. Eine Verspottung von Seite Lipperls habe dem Ver- 
fasser den Anlass zu der Kritik des Komödienzettels ge- 
geben. Aber er spiele cum licentia, der Zettel sei cum 
privilegio gedruckt und das Nachdrucken ziehe die Strafe 



^) „Mit gfnädigster Bewilligung wird heut die deren komischen 
Wissenschaften beflissene Gesellschaft unter der Impresa des Herrn Se- 
bastiani die Ehre haben, einer hohen und gnädigen Noblesse und respec- 
tiven Publico zum Vergnügen ihre Schaubühne zu eröffnen und auf der- 
selben Torstellen: eine galante, nach der Wiener Schaubühne eingerichtete 
und hier niemals gesehene auserlesene Kapitalsbourlesque genannt „die 
verliebte Hexenassemble auf dem Plocksberg und derselben lustige Ren- 
devous oder die zur Bestrafung eines meineidigen Amanten in dem Gebüsche 
herumwandelnde galante Pilgerinn od. der doppelt lustige Hanns wurst 
und Lipperl zwei abenteuerliche Rivalen in der Liebe sonsten der wankel- 
mütige Liebhaber mit Colombine, dem artigen Stubenmädel und wegen 
zwey gleichen Amanten, da sie nicht weiss, welcher der rechte, unschuldig- 
treubrüchige Liebhaberinn. Dabei werden abermals zu mehreren Vorgängen 
zwey grosse Ballete zum Vorschein kommen. Das erste ist betitult: 
Cupido, der Arzt, das andere aber ist gleichfalls eine gute Ausarbeitung 
und werden sich in demselben verschiedene lustige Boufons-Charaktere 
zeigen.** 

2) Welt, I. Jahrg., I. Bd., Stück XXXIV. 



11 

von 10 Mark Silbers nach sich. Auch dass das Stück nach 
Wiener Muster gearbeitet sei, ist wahr, es ist ein Stück, 
das seinem Verfasser mehr Beifall erwerben wird als die 
trockenen und milzsüchtigen Geburten eines Geliert^ Schlegel, 
Lessing, bei deren Aufführungen der Ca valier den ersten 
Aufzug ausdauert, die Dame gähnt, der Stutzer nichts zu 
denken hat und der Bürger schnarcht. Es gäbe ja noch 
Bernardone, Hanswurste, Plugwerke etc. in Wien, wie wir 
denn ein neues Beispiel an dem geschickten und rechtschaf- 
fenen Verfasser der Komödianten haben." Dieser Brief, 
„Sebastiani, der denen comischen Wissenschaften beflissenen 
Gesellschaft Impresario" unterzeichnet und Pressburg, 17. Mai 
1762 datiert, ist ebenso wie die folgenden in dieser Ange- 
legenheit fingiert. 

Zu dem Charakter dieser Wochenschriften: „Welt", 
„Patriot", „Mann ohne Vorurtheil", „Vertraute" etc., die 
sämmtlich nach dem Muster des Addison'schen Spectator ge- 
arbeitet waren, gehörten solche fingierte Stimmen aus dem 
Publicum, mit denen man dann, theils selbst, theils mit 
Hilfe anderer fingierter Zuschriften eine Polemik eröffnete. 
Nicht immer ist es möglich, wirklich Eingesendetes vom 
Fingierten zu unterscheiden, und Sonnenfels sah sich bei der 
Gesammtausgabe seiner Werke gezwungen, die wirklich ein- 
geschickten Schreiben auszuscheiden, um nicht das geistige 
Eigenthum Anderer für seines auszugeben. 

Die Pointe des eben citierteu Schreibens richtete sich 
gegen Hafner,*) der mit seinen „reisenden Komödianten" 2) 



') Philipp Hafner, geboren 1731, gestorben 1764 in Wien; s. Wurz- 
bacb, Biogr. Lex. VIl, 188, wo auf die Verdienste und die redlichen Ab- 
sichten Hafners meines Wissens zuerst hingewiesen ist. Die" neueren 
Schriften kennen ihn alle nur aus dem ungünstigen und wenig schmeichel- 
haften Urtheile der Zeitgenossen. 

2) „Die reisenden Komödianten oder der gescheide und damische 
(i. e. verrückte) Impresarius**, verfasst von Philipp Hafner, Wien, Kurtz- 
böck, 1762. 



12 

eine neue Epoche des Wiener Localstückes eröflfnete. Seine 
Stücke waren sogenannte „regelmässige", thatsächlich aber 
wenigstens zum Theil, und zwar in den Favoritrollen der 
Komiker noch immer extemporierte. Während das Publicum 
diese neue Art mit Beifall und Jubel begrüsste, wurde Hafner 
wieder von seinen oft in geradezu blinder Wuth gegen den 
Hans Wurst kämpfenden Zeitgenossen in seinen Absichten 
vollständig verkannt. Seine Arbeiten hatten bis auf wenige, 
zu denen vor Allem die „Megära die fürchterliche Hexe" 
gehört, sämmtlich einen guten und gesunden Kern von Witz 
und Humor. Er, praktischer als der ganze Tross junger 
Puristen, sah wol ein, dass eine Reform nicht plötzlich und 
sprungweise, sondern langsam und in Uebergängen sich er- 
reichen lassen kann. Er räumte daher dem Hans Wurst 
immer noch seinen Platz ein^ arbeitete aber wenigstens seine 
übrigen Scenen vollständig aus. Es ist wohl wahr, dass er 
durch sein ausserordentlich rasches Producieren und durch 
seine schlechte finanzielle Lage oft gezwungen war, dem 
schlechten Geschmacke Opfer zu bringen, seine zum Min- 
desten im Anfange gute Absicht tritt aber in einer an den 
Director Weisskern gesandten Parodie der Hans Wurstiaden 
in dem köstlichen Scenarium eines Extemporestückes, „Der 
alte Odoardo und der lächerliche Hanswurst" (1755) zu 
Tage, ^) wodurch er die Schauspieler dem regelmässigen Drama 
(in seinem Sinne allerdings) zuführen wollte. Dass er Witz 
und Geist besass, können selbst seine Gegner nicht umhin 
zuzugeben, wenn auch die Bemerkung der „Bibliothek der 
österreichischen Literatur", 2) j,er hätte mehr Genie denn 
Viele, die sich mit ihm wegen des guten Geschmackes herum- 
schlugen," durch die gegnerische Stellung derselben zu Klemm 
etwas verdächtig wird. 



^) Mitgetheilt wurde dieses Scenarium sammt dem Briefe Hafners* 
an Weisskern von M. Bermann in L. A. Frankls Sonntagsblätter, Wien 
1842, S. 798. 

2) I. Band, Nr. 1. 



13 

Die erste veroichtende Kritik schrieb das „Wienerische 
Diarium"/) die alte Amtszeitung, die nebenher auch gelehrte 
Nachrichten brachte: „Da es nicht möglich ist, dass ein 
Mensch gleichzeitig gescheid und damisch sei 5 wol aber 
die Vernunft und Thorheit wechselweise auf einander folgen 
können; eo müssen wir allerdings glauben, dass ein unglück- 
licher Impresarius eben zur Zeit, da er von der letzteren 
befallen wurde, dieses schöne theatralische Stück angab. Das 
Nämliche müssen wir zu unserem Bedauern von dem Poeten 
sagen und können die' Entschuldigung keineswegs annehmen, 
dass er diesmal allein für den Wiener Pöbel gearbeitet 

habe. Der Verfasser, von dem wir sonst Besseres 

erhofft haben, mag nunmehr zehn gute Stücke verfertigen 
und der Verleger ebenfalls uns aus der Presse liefern, wenn 
sie sich mit der gesitteten Welt, die durch den Druck eines 
niederträchtigen Stückes beleidigt worden, wieder aussöhnen 
wollen." 

Hafner, der wohl wusste, dass hinter ihm das ganze 
Publicum einerseits, Graf Durazzo, der ihn mit 400 fl. jähr- 
lich als Theaterdichter angestellt, andererseits stünde, wehrte 
sich, indem er ein offenes Schreiben an seinen Drucker 
Kurzböck richtete, welches, wie auch dessen Antwort, so- 
wohl der „Welt", als auch dem „Diarium" beigelegt wurde. 
Hafner 2) wendet sich hauptsächlich gegen die Hereinziehung 
des Druckers in die Kritik und fährt fort; „Mein Herr! Sie 
sind also durch meine niederträchtige Arbeit ein Feind der 
schönen und gesitteten Welt geworden. Doch trösten Sie 
sich, Sie haben nur eine gelehrte Sünde begangen, d. i. Sie 
haben ein Lustspiel mit einem Hans Wurst gedruckt, mit 
einem Hans Wurst, den der gute Geschmack darum vom 
Theater verbannt, weil die immer klüger sein wollende Welt 
nunmehr ausser dem Theater ganze Gesellschaften gelehrter 

1) 1762, 28. Stück. 

2) Schreiben des Verfassers der reisenden Komödianten an den Bncli- 
driicker dieses Stückes. Beigelegt zum Wiener Diarium 1702, Nr. 31. 



14 

Hans Würste errichtet. . . . Wer sind denn diese unbe- 
kannten Leute? Ich kenne sie nicht! Mit Fleiss und guter 
Vorsicht halten sie sich verborgen. Und/^ fragt er endlich, 
„was für ein Nutzen wird herauskommen? Der nämliche, 
den sich bis jetzt alle kritischen Schriften hier erworben 
haben und den die beiläufig vor drei Jahren herausgegebene 
Wochenschrift unter dem Titel ,Wienerische gelehrte Nach- 
richten^ ^) zu Wege gebracht hat, worin auch jeder Verfasser 
durch die satyrische Spiessruthe zur Ausfüllung der Blätter 
hat laufen müssen; ich erinnere mich noch des erbärmlichen 
Endes dieser Wochenschrift, welche nunmehr sammt dem 
Verfasser ein Raub der Maden geworden ist." Aus diesen 
Zeilen spricht der Hass gegen die Theoretiker, aber auch 
Kurzböck konnte es sich nicht versagen, in seiner „Antwort 
des Buchdruckers an den Verfasser der reisenden Komö- 
dianten'; 2) der Deutschen Gesellschaft, die bald eine Art my- 
stischen Einflusses in Wien err-eichte, indem man sie hinter 
jedem literarischen Ereigniss, ob mit Recht oder Unrecht, 
als Spiritus agens vermuthete, einige spottende Worte hin- 
zuwerfen: „Sie verlangen von mir zu wissen, wer die Leute 
von unserer Wienerischen della Crusca sind? Ich kann Sie 
versichern, dass es Mannsbilder sind. Haben Sie dieses ver- 
muthet?" So spottet er wohl im Hinblick auf die Sitten- 
geschichten der Welt. Trotzdem wagt er es nicht, sich mit der 
ganzen Schriftstellerwelt der Stadt zu verfeinden, und betont 
ausdrücklich, dass er nicht der Verleger, sondern blos der 
Drucker der „Komödianten" ist. Dass ein Drucker den Druck 
eines schlechten Werkes, wenn er gut bezahlt wird, ver- 
weigern soll, erklärt er für Unsinn; freilich „dafür hat man 
die Ehre, als ein Verleger guter Schriften im ,Wiener Dia- 
rium^ zu stehen". 



*) Die oben erwähnten von Heyden herausgegebenen. 
2) Wiener Diarium 1762, zu Nr. 32; Welt, I. Jahrg., 3. Bd., zum 
97. und 98. Stück. 



15 

Ueber dieselbe Angelegenheit Hess sich noch in Hafner 
gegnerischem Sinne ein Drückcorrector, „Philippi" zeichnet 
er, hören J) 

Daneben setzt die „Welt" ihren alten Kampf ruhig 
fort. Herrl,*' der diese Polemik führt, bringt einen zweiten 
fingierten Brief Sebastianis,^) worin dieser unter Anderem, 
die Theaterverhältnisse charakterisierend, sagt: 3) „Ich habe 
die ganze Gottschedische Schaubühne vorstellen lassen und 
habe auch leider die Wirkungen zu meinem nicht geringen 
Schaden empfunden." Er hoflft, dass sich noch „viele so pa- 
triotische Gelehrte" wie der Verfasser der „reisenden Komö- 
dianten" finden, „sonst ist in wenig Jahren die völlige Bar- 
barei im Land". 

Als zweiter Briefschreiber tritt nun Burlin selbst in 
das Gefecht mit einem an Sebastiani adressierten Schreiben,^) 
worin er sich diesem anpreist, seine Verdienste und seine 
Stücke, wie die „belohnte Tugend", „der im Glück und Un- 
glück schwebende und endlich vom Geiste des Asmodäus 
geholte Burlin" hervorhebt, von den Schwierigkeiten, die 
ihm das Versemachen bereitet, erzählt und endlich erbost 
auf einen erhaltenen Brief hinweist, der ihm gerathen, sich 
lieber mit dem Dichten gar nicht abzugeben. Das Ganze 
ist eine ziemlich plumpe Satyre gegen diese Art von Dich- 
tereien, deren Spitze sich wiederum gegen Hafner wendet. 
Zum Schlüsse nimmt der Verfasser der Briefe (Herrl) Se- 
bastiani selbst in Schutz und erklärt, dass dieser in Linz 
bereits lange regelmässig spiele und das Theater mit dem 
„Essex" eröffnet habe. Auch von Seite Burlins wird in einem 



1) Wien. Diar. 1762. Zu Nr, 34. 

^) Franz Josef Sebastiani aus Strassburg wird als schlechter Schau- 
spieler und als Impresario von Harlekinstücken in der Chron. geschildert. 
Er spielte in Oesterreich, in Brunn, Linz etc. und fährte dann auch regel- 
mässige Stücke auf. S. Chronologie 214 und 231. 

3) Welt, I. Jahrg., 3. Bd., Nr. 74, ebenfalls auch dem Diarium 
beigelegt. 

*) Ibid. 



16 

weiteren (natürlich ebenfalls fingierten) Briefe erklärt, dass 
der vorhergehende unecht sei. 

Vier Stücke weiter^) kehrt sich Herrl noch einmal 
gegen Burlin und stellt ihn als ebenso elenden Schauspieler 
als Dichter und Briefschreiber dar, an dessen Stücke man 
das Publicum, das sie überstanden zu haben glaubt, nicht 
mehr erinnern sollte, endlich^) spricht Sebastiani demselben 
in einem folgenden Schreiben seine Zustimmung zu seiner oben 
angeführten „gelehrten Streitschrift" aus, die im „Diarium" 
erschienen sei. Nun appellieren die Verfasser der Wochen- 
schrift selbst an die Leser: 3) „Das Publicum wird sich mit uns, 
wundern, dass Schriften von jener Art sich ans Tageslicht wagen 
dürfen. Seiner Entscheidung überlassen wir die ganze Sache." 

Sonnenfels war zu jener Zeit bereits zu sehr in das 
literarische Leben eingetreten, als dass er sich der Theil- 
nahme an einem die ganzen gebildeten Kreise Wiens be- 
wegenden Streite hätte entziehen können. Auch lag dies 
seiner Art gänzlich ferne, in einer nur im Geringsten wich- 
tigen Frage nicht auch seine Meinung abzugeben. Der Vor- 
wand, die Ehre, als Verfasser der „Welt" angesehen zu 
werden, ablehnen zu müssen, gab ihm Gelegenheit, sich über 
die Hans Wurst-Frage, die alle Gemüther bewegte, in einem 
oflfenen Schreiben^) an die Verfasser der „Welt" zu äussern. 
Er nimmt auch hier seine gewöhnliche belehrende Miene 
an, die ihm so leicht Feinde machte, obgleich seine Sätze 
sicher die Wahrheit enthalten:;"^) „Vergeben Sie mir, wenn 



1) Welt, I. Jahrg., 3. Bd., Nr. 78. 

2) Ibid. 

3) Ibid. 

4) Ibid., Nr. 96. 

^) Ich gebe die darauf bezüglichen Stellen des Schreibens vollstän- 
dig wieder, da es bisher nirgends erwähnt, viel weniger abgedruckt wurde. 
Sonnenfels stand der „Welt" erst sehr freundlich gegenüber, doch verwahrte 
er sich stets in seinen Zuschriften, als deren Verfasser angesehen zu wer- 
den, und nennt sie auch später (Ges. Sehr. VI, 385) „eine mehr denn 
mittelmässige Wochenschrift". 



17 

ich bemüht bin, Ihnen das Unrecht Ihres Verfahrens kenn- 
bar zu machen! Sie bestreiten zwar eine Sache, die es ver- 
dient, aber andere Gegner mussten Sie sich wählen. So wie 
unsere Schaubühne dermalen aussieht, ist ihre Absicht nicht 
zu erbauen, zu belehren, sondern zu belustigen, zu zerstreuen. 
Die Art dieser Belustigungen, dieser Zerstreuungen schreibt 
nicht der Schauspieler uns, unser Geschmack schreibt sie 
dem Schauspieler vor. Der grosse Haufe ist nicht für die 
feinere Lust geschaffen, welche unserem Herzen Thränen 
entlockt, Thränen, die sie der unglücklichen Tugend, die 
sie den reizenden EntSchliessungen der Grossmuth und Men- 
schenliebe zollen. Dieser grosse Haufe foi^dert für Geld eine, 
wenn ich mich so ausdrücken darf, seiner Denkungsart an- 
gemessenere Lust. Burlin sucht sie ihm zu verschaffen; liegt 
nun die Schuld an ihm? Gewiss nicht! An uns liegt sie, 
die wir solche Schauspieler fordern und abermal fordern, 
die wir, und wer weiss es, ob nicht auch Sie selbst, bei 
seinen Einfallen in die Hände klatschen, die wir bei einem 
„Misstrauischen" gähnen, einschlummern, die wir gerade so 
unterhalten sein wollen, wie man uns unterhält. 

„Wollen Sie der Schaubühne einen Dienst erweisen? 
Bereiten Sie unsere Denkungsart zu dei;i Eindrücken eines 
regelmässigen und rührenden Schauspiels! Flössen Sie uns 
Empfindungen, Geschmack ein! Der Schauspieler, der von 
uns besoldet wird, ist bereit, sich nach unseren Neigungen 
zu biegen. Bis jetzt haben wir Possenspiele, Zaubereien 

) u. dergl. geliebt: man liefert sie uns. Auch der Verfasser 

des „Menschenfeindes" schrieb „Skapins Bubenstreiche", weil 

, der Pariser Pöbel zu lachen haben wollte. Wenn wir den 

; Miss Sarahn, den Triumphen der guten Frauen, den Losen 

in der Lotterie, den Hermannen, Richarden u. a. m. unseren 

' Beifall zuwenden, so wird man uns solche aufführen, und 

vielleicht wird dieser Beifall unbekannte Genien erwecken, 
die Ehre des deutschen Schauspieles zu retten, denn gewiss 
in dieser Gattung und in dieser Gattung allein erblicken 

I V. Görner. Der Hans Wurst -Streit in Wien. 2 



18 

wir andere gesittete Völker noch in einer ung-emessenen 
\Höhe vor uns." 

Wol ist an der Richtigkeit der Sonnenfels' sehen Worte 
nicht zu zweifeln, aber die durch blosse Theoreme einmal 
nicht so leicht zu behebende Apathie des Publicums den 
regelmässigen Stücken gegenüber, die in dem Briefe Se- 
bastian is so drastisch geschildert wurde, hatte doch wieder in 
der Bühnenleitung ihre Ursache. Das Einstudieren der Ex- 
temporestücke bot keine Mühe, die einmal angeschafften 
Costüme und Maschinen konnten immer wieder gebraucht 
werden, und durch die immerwährende Mannigfaltigkeit der 
Stegreif komödie konnte sie unzähligemal wiederholt werden. 

Alles dieses machte das Extempore trotz aller Aus- 
stattung zu einem ziemlich billigen Unternehmen, das ausser- 
dem auch für den Impresario das bequemste war, und daher 
favorisierten die Bühnenleiter dieselbe dem regelmässigen 
Lustspiele und Drama gegenüber. Ihm wurden die besten 
Theater tage eingeräumt, die Ausstattung und die äusser- 
lichen Reizmittel hatte es an und für sich voraus, und end- 
lich konnte man den Darstellern der komischen Figuren 
Talent nicht absprechen: was Wunder, wenn das Publicum 
an dieser Kost, an die man es systematisch gewöhnt hatte. 
Gefallen fand. 

Die „Welt'i jedoch schien sich den Vorwurf Sonnen - 
fels' zu Herzen genommen zu haben, denn Sebastiani und 
Burlin verschwinden aus ihren Spalten, ihre nächsten Be- 
merkungen gelten der Posse selbst. 

Es ist dies ein Schreiben eines Fremden über die Wie- 
nerische Schaubühne,^) eine neue Maske, wie sie Sonnenfels 
in der Folge in seinem Franzosen noch consequenter über- 
nahm: „Man belustigt sich an ungereimten Sachen, die eher 
des Mitleidens als des Lachens würdig sind, an Thorheiten, 
an Zoten, an Possen und tausend Unanständigkeiten, welche 



1) Welt 1763, 4. Bd., 5. Stück. 



19 

feine Ohren oder scharfsinnige Augen beleidigen. Ja man 
lehrt wol gar auf der Schaubühne das Stehlen, auf der 
Schaubühne, die doch eine Tugendschule sein soll. . . Eben- 
so häufig müssen die Maschinen erscheinen und alles das- 
jenige aus den Jahrhunderten des Aberglaubens und der 
Barbarei hervorbringen, was sich nur immer eine verworrene 
Einbildungskraft von Abenteuern, irrenden Rittern, von Er- 
scheinungen und Teufeln, von Hexereien und Zauberschlössern 
vorstellen kann. Der grossen Kosten zu verschweigen, welche 
dergleichen verkehrte Nachahmungen der menschlichen Hand- 
lungen verursachen, so sieht jeder Vernünftige dieselben 
als Träume, als Hirngespinnste, als Erdichtungen an. Wie 
sauer mag es allen unseren Schauspielern werden, wenn sie 
die Alfanzereien und abgenützten Schwanke einer Colombine 
nachäjöfen müssen. Werthester Freund! Wenn ich vom Thea- 
ter auf die Wiener schliessen müsste, so würde ich wahr- 
haftig kein vortheilhaftes Urtheil für sie sprechen." 

Durch eine „Rettung des Hans Wurstes", die um 
dieselbe Zeit erschien und der „Welt" zum 21. Stücke bei- 
gelegt war, wurde von gegnerischer Seite der Streit wieder 
auf die Persönlichkeit Prehauser's hinüber gespielt, so dass die 
Verfasser der „Welt" ausdrücklich erklären: „Niemand wird 
wol in Abrede stellen, dass man alle Zeit über den Miss- 
brauch des Hans Wurst, dass man über den Hans Wurst 
als Hanswurst und nicht über Herrn Prehauser als Acteur 
geklagt habe." 

Die Zuschriften, Kritiken und Apologien, die Schreiben 
für und wider hatten aber bereits eine derartige Zahl er- 
reicht, dass die Wochenschrift sich gezwungen sieht, noch- 
mals an die Geduld der Leser zu appellieren, als sie die 
„Rettung" veröffentlicht. Herrl antwortet mit einem Schreiben 
„An den Verfasser der Rettung des Wiener Hans Wurstes"^) 
und damit ist die reformatorisch-polemische Thätigkeit der 



1) Welt 1763, IV. Bd., Stück 27 und 28. 

2* 



20 

„Welt" auf diesem Gebiete beendet. Nur noch einmal weist 
sie auf ein regelmässiges Lustspiel als Beispiel hin,i) bevor 
sie in demselben Jahre (1763) ihr Erscheinen einstellt. 

Hafner hatte, wie schon erwähnt, von dem Geueral- 
director der Theater, Grafen Wenzel Sporck, nach seinem 
Zauberstücke „Megära"^') eine fixe Anstellung bekommen^) 
und arbeitete dann fleissig darauf los. Seine „bürgerliche 
Dame"^) gab nun wieder Anlass zu einer grossen Polemik. 
Sonnenfels bespricht (Ges. Sehr. VI, 384) die Beweg- 
gründe, die die damalige Schriftstellerwelt bewogen, Hafner 
so rücksichtslos anzugreifen. Er schien ihnen gefährlicher 
als jeder Andere, denn seine Stücke wurden trotz ihrer Ex- 
temporescenen als „regelmässige" betrachtet und aufgeführt, 
und in der Zeit der grossen Gährung schien es den Kämpfern 
für die gesittete Schaubühne doppelt nothwendig, keine Ver- 
wirrung der Begriflfe einreissen zu lassen. Der Hans Wurst 
musste ihnen immer noch der Inbegriff der Stegreifkomödie 
sein und mit dieser war nun thatsächlich die Unfläthigkeit 



1) Welt 1763, IV, Bd., Stück 39 und 40. , Nachrichten von einem 
neuen regelmässigen Lustspiele: Die abgeschmackten Liebhaber." 

^) „Megära, die fürchterliche Hexe, oder das bezauberte Schloss der 
Herrn von Einhorn'*, Wien 1764, auch unter dem zweiten Titel: „Die be- 
zauberten Hängeleuchter". Später Hess er noch einen zweiten Theil er- 
scheinen. Ein so fürchterliches Stück, dass es sogar Wurzbach (a. a. O.), 
der eine kleine Rettung Hafners versucht, preisgiebt. 

3) Sonnenfels* Briefe über die Wiener Schaubühne (Ges. Sehr. VI, 
381): „Die Schritte des Mannes, der auf der deutschen Bühne als ein grosses 
Gestirn von Seite der Dichtkunst scheinen sollte, nahten sich leise und 
unbemerkt. Megära, die fürchterliche Hexe, wurde angekündigt. Es sollte 
diesem Stücke weder an Verwandlungen und Maschinen, noch an Teufeln 
fehlen. Es herrschet noch heute der rühmliche Gebrauch, auf ein gross 
Stück Papier die Hauptscenen in ge vierten Abtheilungen malen zu lassen 
und dem Volke zur Schau auszuhängen. In diesem Aushängeblatte der 

Megära war nun wenigstens kein Viereck ohne Teufelchen Man 

fand den Einfall, drey Personen, weil sie der Heurath eines Mädchens, so 
Megära in Schutz genommen, Hinderniss gelegt, als Hängl^chter bei 
einem Balle dienen zu lassen, so allerliebst . . . ." 

4) „Die bürgerliche Dame, oder die Ausschweifung eines zügellosen 
Eheweibes mit Hans Wurst und Colombine"*, Wien 1771. 



21 

und Zote verbunden, da dagegen weder Verordnungen noch 
Censur etwas nützen konnten. 

Hafner schlug auch bei seinen übrigen Personen einen 
rohen, volksthümlich-gemeinen Ton an, schrieb seine Stücke , 
durchgängig im Dialekt, den Sonnenfels auch späterhin nur 
mit Widerstreben auf der Bühne dulden wollte, worüber er 
sich folgendermassen äusserte: „Diese Mundarten müssen 
nicht dazu dienen, alle die Grobheit des Pöbels auf der 
Schaubühne mit durchzubringen."*) Hafner benützte sie 
aber thatsächlich dazu. „Die bürgerliche Dame" behandelte 
den in dieser Zeit vielbeliebten Stoff, dass der Bürger den 
Adel gern copieren möchte, es aber weder in Bezug auf 
seine Bildung, noch auf seine Mittel kann. Gegen die ge- 
meine pöbelhafte Sprache, wie auch gegen Hafners Verspot- 
tung jeglicher Regel richteten seine Gegner ihr Geschoss. 
Ein „Schreiben an den Verfasser des dramatischen Stückes 
,Die bürgerliche Dame^ betittelt"^) spricht dem Dichter, 
dessen eigenen Ton nachahmend, in den gewöhnlichen Ge- 
meinplätzen seine Bewunderung aus. Die Angriffe wurden 
selbstverständlich beantwortet, und zwar bewegte man sich 
nicht eben mit dem grössten Anstände, wie ein „Schreiben 
an den Verfasser der letzten Kritik L. M. N. über das Lust- 
spiel: Die bürgerliche Dame "3) zeigt. Unter allen Gegnern 
Hafners wusste ihn aber Bob am schärfsten zu treffen, der 
es bewirkte, dass „das^ Stück für das erkannt ward, was es 
ist". Er schrieb seinen „Glückwunsch an den Verfasser des 
Lustspiels „Die bürgerliche Dame",^) eine ausserordentlich 



1) Briefe über die Wiener Schaubühne. Ges. Sehr. VI, 317. 

2) Gezeichnet L. M. N. Wiener Diarium 1764, beigelegt zu Nr. 4. 
^) Wien. Diarium 1764, beigelegt zu Nr. 7. 

*) Wien bei Schulz 1764, abgedruckt in der Bibl. der öst. Literatur, 
1769, I. Bd., Nr. X. Ich setze nur ein Stück zur Charakteristik hierher, 
da der Glückwunsch noch nirgends abgedruckt ist: „Wie unvergleichlich 
schildern Sie eine gemeine Bürgersfrau, die sich für adelig hält. Kein 
schwedisches Dragonerweib würde kräftiger schimpfen. Ich lachte zum 
Zerbersten. Ebenso artig und wolerzogen ist die Fräule Tochter, Das 



22 

launige Satyre, die Hafner wirklich in den Augen der ge- 
bildeten Stände Wiens vernichten musste und diesen Streit 
zu Gunsten des regelmässigen Schauspiels beendete. Auch 
er nahm hier die Maske eines unbedingten Bewunderers der 
Hafner'schen Muse an, und zum Schlüsse bringt er ein er- 
lauschtes Zwiegespräch zwischen einem Kunstrichter und 
einem Stallknecht über das Stück, wobei natürlich der Stall- 
knecht, der Vertheidiger der „Bürgerlichen Dame", trium- 
phierend als Sieger im Streite hervorgeht. 

Neben Hafner versorgten nun auch Heufeld ^) und 
Klemm die Wiener Bühne mit Beiträgen, die gewöhnlich 
„auf die Wiener Sitten" gearbeitet waren. Sie benützten 
stets ihre stereotypen Sujets mit denselben Personen, Cha- 
rakteren etc. Am auffallendsten tritt dies bei Klemm 2) her- 
vor. Immer ist es bei ihm der Bürger, der sich wie ein 
Edelmann geberdet, der Edelmann, der sich auf den Grafen 
hinausspielt, immer der fade und leichtfertige Stutzer von 
seinem edlen Gegenstück begleitet. Heufeld ist der ungleich 
bedeutendere von beiden und einer der wenigen damaligen 
Wiener Poeten, dessen Stücke die Grenzen des österreichi- 
schen Staates überschritten. Seine nach dem Französischen 
gearbeitete „Julie, oder der Wettstreit der Pflicht und Liebe" 3) 
fand sogar in Lessing einen wohlwollenden Richter.^) Die 



heiss ich charakterisieren ! Könnte man was Natürlicheres ersinnen, als den 
12. und 14. Auftritt, wo Fräule Sepherl mit den Dienstboten zankt und 
mit ihnen um die Wette schimpft? Wo Frau Redlichinn dem Hanns Wurst 
eine Ohrfeige giebt und dieser die Fräule „ein kleines Sauleder", seine 
Gebieterin „Du verfluchtes Lumpengeschmeiss, Du höllisches, Du einge- 
bildetes Betteladel, Du Limonieschliflfelnoblesse*' schilt und sich rüstet, 
ihr Schläge zu geben; wo endlich Herr Schlaukopf dazukömmt, welchen 
Hans Wurst zur Erde wirft und davonläuft? Wenn das nicht das feine der 
Komik ist!** etc. Dieses diene auch als Charakteristik dieser Art Stücke. 
^) Franz Heufeld, geboren 1731 auf der Insel Mainau im damaligen 
Vörderöst erreich, zuletzt k. Rath, gestorben 1795. 

2) Christian Gottlob Klemms Beiträge zum deutschen Theater, 1767. 

3) Ein Drama in drei Aufzügen. Wien 1766. 

*) Hamburg. Dramaturgie, VIII. und IX. Stück. 



23 

Theaterdirection war aber immer noch gezwungen, den Hans 
Wurst zu berücksiclitigen, und zwar hauptsächlich der Cassen- 
erfolge wegen, und Klemm und Heufeld mussten Prehauser 
wenigstens unter anderem Namen beschäftigen. So sagt 
Klemm im Vorberichte zu seiner „Daphne", Lustspiel in 
zwei Acten, worin Gesang und Ballet eine grosse Rolle 
spielen, ausdrücklich: „Der Plan und die Scenen dieses 
Stückes waren mir vorgeschrieben. Ich sollte vorzüglich 
auf die Person des Herrn Prehauser arbeiten, welcher die 
Rolle des Hans war. So wurde mir befohlen, ich musste 
gehorchen." Man sieht, in diesem „regelmässigen Stücke" 
hiess der Hans Wurst einfach Hans; das war Alles. 

Klemm setzte seine Bemühungen um die deutsche 
Bühne und Sprache in der zweiten seiner Wochenschriften 
immer noch Hand in Hand mit Sonnenfels fort. Der „Pa- 
triot" ') weist hin auf die Bedeutung der Bühne für die all- 
gemeine Sittlichkeit, die die Aufmerksamkeit eines Regenten 
in vorzüglichem Grade verdiene, „und die Wiener Schau- 
bühne, da sie die einzige in Deutschland, da sie in der 
Hauptstadt Deutschlands ist, welche von dem höchsten Hofe 
privilegiert ist, sollte sie nicht allen anderen deutschen Bühnen 
den Ton angeben, wie die Pariser den übrigen Provinzen 
Frankreichs? "2) Freilich, dieses wäre nicht in Kürze zu er- 
warten, so lange die meisten deutschen Gebildeten ihre Mutter- 
sprache nicht achten und ihre Literatur verachten. „Kleist, 
Gessner,Rabener, Geliert, Bremische Beiträge, Briefe die neueste 
Literatur betreffend", sind ihnen unbekannte Namen, und 
hat sie ihnen Jemand genannt, so war es ein junger Mensch, 
und da mussten sie nothwendig thun, als hörten sie nicht. "3) 



^) Oesterreichischer Patriot, eine Wochenschrift, Wien 1764 bis 1766, 
bei L. G. Schultz, vom 1. October 1765, 2. Band; schwächer als die Welt. 
Die Hauptmitarbeiter Burckard, Denis, Mastalier, Bob, Herr], Heufeld, 
Roschmann, Reckelsperger, wovon sich die meisten dann zurückzogen. 
S. Bibl. der öst. Literatur, I. Bd., Nr. I, und H. M. Richter a. a. O. 

2) Patriot 1765, II. Bd., 52. Stück. 

3) Ibid., III. Bd., 77. Stück. 



24 



III. 



Unterdessen war Sonnenfels mit seiner ersten Wochen- 
schrift ^ ,^T>Qr Vertraute" aufgetreten, deren acht Blätter 
während des Monates Februar 1765 erschienen. Diese durch 
die Censur bewirkte kurze Lebenszeit war wol der Grund, 
dass er auf unsere Materie gar nicht zu sprechen kam und 
das Theater nur einmal 2) und da nur mehr, um einen 
äusserlichen Vergleich zwischen Einst und Jetzt zu ziehen, 
berührte. Er sieht in seinem Zauberspiegel zuerst die frühere 
Schaubühne: „Der Hintertheil war fast unbeleuchtet, denn 
die sparsamen Lichter, die zumeist an der Rückwand und 
den beiden Seiten wänden brannten, machten nicht hell ge- 
nug, sich gegenüber zu erkennen. Mit Noth sah ich die 
Schauspieler durch den dicken Dampf hindurch, der gleich 
einem Nebel neben dem Orchester aufstieg. Die Galerien 
gähnten, die Logen waren öde, das Parterre klatschte und 
ich fragte mich: warum? Nur zunächst dem Theater war 
Aufmerksamkeit? Nein, ein wild Getümmel, das Jeden sein 
Geld verlieren machte, der die Schauspiele wegen ihrer selbst 
besuchte." Dieses Getümmel nun rührte von den Spiel- 
tischen der Cavaliere her, die im Theater aufgeschlagen 
waren, da mit der Theaterpachtung zugleich die Spielcon- 
cession verbunden war und diese die Haupteinnahme des 
Pächters ausmachte.^) Das „nunmehrige" Theater ist nun 
wol besser daran, aber trotzdem will sich der Adel noch 
immer, noch immer nicht dem deutschen Schauspiel günstig 
erweisen, immer noch bleibt dieTranzösische Oper, das wälsche 



*) Eigentlich eine Halbwochenschrift. Ges. Sehr., I. Bd. Die Wochen- 
schrift, ebenfalls in Addison^s Manier, geisselte, rücksichtslos alle Schwächen 
und wurde in Folge der Agitation der Betroffenen bald durch die Behörde 
unterdrückt. 

2) Vertraute II. Ges. Sehr. I, 40. 

3) Darüber Wlassak a a. O. S. 11. Auch Affligio hatte noch das 
Privileg. 



25 

Ballet seine Lieblingsunterhaltung. „Welcher Anstand, welche 
Höflichkeit, welch' gesittetes Betragen herrschte in einem 
anderen Schauspielhause so nunmehr das erste verdrängt 
hatte! Beleuchtung, Orchester, Verzierungen, alles war 
einladend, und daher meine Verwunderung um so grösser, 
als ich das adelige Parterre dennoch öde fand, und doch 
gab man den Grafen Essex, wie ich aus den blauen Or- 
densbändern erkannte, und Elisabeth, ja die Königin selbst 
war auf der Bühne. Der Vorhang gieng nieder. Der das 
Stück ankündigte für den folgenden Tag trat auf. Ein all- 
gemeines Händeklatschen verhiess zahlreiche Zuschauer: es 
ward Nacht und Tag und Abend des andern Tags; die Logen 
waren voll, es wimmelte im gemeinen und drängte sich im 
adeligen Paterre. ..." Man gab die Oper Orpheus und Eury- 
dike. Bereits zwischen dem „Vertrauten" und dem „Patrioten" 
war eine Spannung eingetreten. i) Klemm jedoch wich diesmal 
wie auch noch späterhin durch einige Zeit einer offenen Fehde 
mit Sonnenfels, der stets der angreifende Theil war, aus, denn 
Klemm wusste wol nur zu gut, dass er seinem Gegner nicht 
gewachsen war. Dass aber bald ein offener Bruch zwischen 
Sonnenfels und seinen Mitkämpfern hereinbrechen musste, war 
vorauszusehen: der „Mann ohne Vorurtheil",^) der den „Pa- 
trioten" verdrängte, führte ihn mit Klemm, die Kritik über 
den „Geburtstag" mit Heufeld herbei. 

Der ganze Kampf auf dem Gebiete hatte bisher blos 
in einem Kriege gegen die Figur des Hans Wurst bestan- 
den. Klemm und Heufeld griffen denselben wol an und ver- 



*) Siehe Wiener Neudrucke, hg. v. Dr. A. Sauer, Nr. 4. Einleitung S. VII. 

2) Mann ohne Vomrtheil, 1765 bis 1767. Ges. Sehr., Bd. I — III, An- 
hang IV. Bd. Ebenfalls nach dem „Zuschauer" bearbeitet. Die wich- 
tigste der Sonnenfels'schen Wochenschriften, die alle socialen Fragen der 
Zeit behandelt. Sohnenfels wählte hiezu eine eigenthümliche Figur eines 
Naturmenschen, „Capa-Kaum^, mit der er die Unterhaltungen führt. Doch 
ist diese Figur nicht consequent durchgeführt und wird zum Schlüsse fallen 
gelassen. Auch der „Mann ohne Vorurtheil" hatte viele Verfolgungen von 
privater und officieller Seite zu erleiden. 



26 

suchten in der Praxis mit ihren „reg^elmässigen" ') Stücken 
dagegen anzukämpfen, aber erst der „Mann ohne VorurtheiH 
wusste die Theorie des Dramas zu entwickeln, er zeigte, 
wie das Bessere beschaffen sein müsste, und er bot den 
Anhängern der neuen Schaubühne eine vollkommene Richt- 
schnur für ihre Arbeit und ihre Beurtheilung. 

„Dies Blatt ist merkwürdig, es war das erste Lärm- 
zeichen gegen die Fratze, , auf welches alle .... gegen den 
Verfasser des ,Mann ohne VorurtheiP loszogen," bemerkt 
Sonnenfels selbst zu dem XXV. Stücke 2) in der Gesammt- 
ausgabe, und wirklich, noch niemals war ein derartig scharfer 
AngriflF auf dieselbe vollführt worden, die humoristisch-saty- 
rischen Zuschriften der „Welt", des „Diarium" etc. mussten 
verschwinden dieser ernsten, mit allem Eifer eines Propheten 
geschriebenen Philippika gegenüber. Zum ersten Male wird 
die Staatsgewalt herbeigerufen, um die sittliche Bedeutung 
der Bühne zu schützen. Obgleich er weder die Betrach- 
tung, die hundertmal gemacht worden ist, aufwärmen will: 
dass dieser Theil der öffentlichen Ergötzlichkeiten nie in 
einem Staate derjenigen Aufmerksamkeit werth geschätzt 
worden, die er in der That verdient, 3) so wünscht er doch, 
dass diese Possen, wenigstens die „Megära", „Dr. Faust", 
„Don Juan", von der Schaubühne auf ewig verwiesen wer- 
den sollen. „Die Religion, die Sitten, die Vernunft for- 
dern das Opfer: warum weigern wir es ihnen zu bringen?"^) 

') Der Begriff „regelmässig" enthält keineswegs, wie Robert Zimmer- 
mann (Von Ayrenhoff bis Grillparzer, Studien und Kritiken zur Philosophie 
und Aesthetik, 1870, II, 36) meint, ausschliesslich den Begriff der fran- 
zösischen Tragödie (der dann die unregelmässige Shakespeare'sche ent- 
gegensteht) mit all ihren Regeln; er ist hier nur eine reine Gegenüber- 
stellung des studierten und extemporierten Stückes. Sonnenfels nennt ja 
doch die Lessing'schen Stücke auch als regelmässig, wie er überhaupt 
eine vermittelnde Stellung einzunehmen sucht und auch Shakespeare als 
Genie hochhält. Unbedingter Nachbeter der Franzosen ist allein Ayrenhoff. 

2) Ges. Sehr. I, 343. 

3) Ibid., 345. 
*) Ibid., 346. 



27 

Jetzt sei die Schaubühne nur ein Ort der blossen Ergötz- 
lichkeit, aber dann auch kein Ort für eine „ Athalie", „Zayre*', 
für „Olynth und Sophronia", die alle für einen Ort des 
blossen Ergötzens zu erhabenen, zu ehrwürdigen Inhaltes 
sind. Ja, selbst den Teufel will er durch diese ewigen Be- 
handlungen als dummer Teufel dem Volke nicht vollständig 
lächerlich gemacht haben, da dadurch die Strafmittel der 
Religion in ein Nichts zerfallen. „Wie tief muss in des 
grossen, Haufens Augen nicht ein Teufel herabfallen, den 
er auf ein Gebot eines Weibes oder auf das Machum-Lachum 
eines Theaterzauberers erscheinen, nur mit einer Schweine- 
blase sein Strafamt üben und letzlich mit Rippenstössen 
oder einem Fusse vom Kampfplatze verjagt werden sieht? 
Es ist nur Erdichtung, es ist nur Blendwerk, wird man ant- 
worten, er weiss es, der Zuschauer, und sieht es dafür an. 
Man kennt die Stärke der theatralischen Täuschung sehr 
schlecht, wenn man diese Antwort für zureichend hält. *) 
Der Teufel ist ein Dogma der Religion, das seinen be- 
stimmten Zweck hat, daran soll nun einmal nicht gerüttelt 
werden. Aber diese Stücke sind noch in anderer Beziehung 
schädlich, sie befördern durch ihre Hexenhistörchen den 
Aberglauben. Es ist Mancher durch Don Quixote in das 
Irrenhaus gekommen, aber es hat heute Cartouche durch, 
ein Theaterstück seinen Beruf zum Spitzbuben empfangen, 
und daher fordert die gewöhnliche Sittlichkeit die Ueber- 
wachung durch den Staat: was die Zahl der Lasterhaften, 
der Betrüger vergrössert, ist den Sitten entgegen, dieser 
Uebelstand ist hundertmal dargethan worden. Upd was die 
Zahl der Thoren vergrössert, ist der Vernunft entgegen. 
Dies sind nun aber alle die aufgeführten Ammenmärchen. 
Ich gestehe es, ich liebe die Ehre der Nation und mir bricht 
über diese Vorstellung oft der Schweiss aus, wenn ich denke, 
welch eine Menge Fremder unter uns sind, die uns täglich 

^) Ges. Sehr. I, 347. 



28 

bei ihren Landsleuten über unsere Ergötzlichkeiten ver- 
schreien werden. Wol werden alle diese Einwürfe stets^ mit 
demselben Worte niedergeschlagen; Die Cassa verlangt es, 
die Flugwerke ziehen das Publicum an. Trotz alledem soll 
rücksichtslos vorgegangen werden," ist Sonnenfels' Verlangen, 
wenn die Sittlichkeit der Bürger einmal dieses Opfer for- 
dert, die Flugwerke aber sind sogar lebensgefährlich. „Die 
Sicherheit der Bürger fordert hier wol ein gesetzmässiges 
Verbot."») 

Dieses Stück des „Mannes ohneVorurtheil", das wirklich 
jedes nur mögliche Argument für die Abschaffung der Fratze 
gebracht hatte, war aus Anlass der Wiedereröffnung des 
deutschen Theaters, die am Ostermontag 1766 durch den 
neuen Pächter Hilverding von Wewen stattfand,^) geschrie- 
ben. Es schien für das deutsche Theater eine bessere Pe- 
riode einzutreten, Sonnenfels selbst trat mit Hilverding in 
Verbindung, stand ihm mit gutem Rath zur Seite und ar- 
beitete sogar ein Repertoire für ein ganzes Jahr aus. Auch 
des fremden Nebenbuhlers, des französischen Theaters, war 
das deutsche ledig, der Unternehmer hatte die besten Ab- 
sichten und ernannte sogar Klemm zum Theater secretär. 
Dieser reiste eigens nach Leipzig, um sich dort nach Ori- 
. ginalstücken umzusehen. Er kam auch nicht ganz resultat- 
los zurück: Clodius schrieb für die Wiener Bühne den 
„Medon", Plattner zwei Stücke, die ihm von Weisse mit- 
gegeben wurden, wovon aber eines verloren gieng.^) Die 
unsinnigen Hanswurstiaden wurden denn auch fallen ge- 
lassen, der Hans Wurst extemporierte trotz alledem weiter: 

1) Ges. Sehr. I, 354. 

2) Nach dem am 18. August 1765 eingetretenen Tode des Kaisers 
Franz I. wurden beide Theater geschlossen; das französische, das die Biyg 
innehatte, sollte zwei Jahre geschlossen bleiben, w&hrend das deutsche 
nach acht Monaten unter Leitung des ehemaligen Balletmeisters Hilver- 
ding wieder eröffnet wurde. S. Wlassak, Chronik des Burgtheaters, S. 16. 

3) J. H. F. Müller, „Geschichte und Tagebuch der Wiener Schau- 
bühne", 1776. 



^ 29 

diB Geldfrage konnte man eben nicht mit schönen Theorien 
aus der Welt schaffen und trotz der schönsten Ab- und Aus- 
sichten erreichte Sonnenfels gar nichts als eine starke Er- 
bitterung der dem Theater nahe stehenden hohen Kreise 
und eine Menge Zuschriften bald zustimmender, bald läppisch 
angreifender Art. Schon im nächsten Stück des „Mannes 
ohne Vorurtheil" wird eines derselben, xind zwar ein ironi- 
sierendes abgedruckt: 1) „Sie sind mir doch ein entsetzlicher 
Grübler^ ein recht unchristlicher Mann, nicht einmal die 
Teufel können Sie in Ruhe lassen. Warum wollen Sie diese 
lustigen Vögel von unserer Bühne verbannen? Gewiss, Sie 
werden den Zusehern manchen Spass und den Komödien- 
schreibern eine grosse Erleichterung ihrer Arbeit rauben. 
Wie schön lassen sich nicht die Aufzüge durch die Teufel 
schliessen, wenn sie die handelnden Personen von der 
Bühne wegprügeln. Wir hoffen, dass das Theater mit einem 
Hexenstücke werde eröffnet werden. Möchte doch die Wahl 
auf die Megära fallen. Die Ehre der Wienerischen Bühne 
hängt davon ab. Zwar ist es wahr, man sollte von Rechts 
wegen anfangs mit so kostbaren Stücken nicht so verschwen- 
derisch sein: die Wiener werden sich bei der ersten Vor- 
stellung gleichwohl haufenweise einfinden, und in dieser Hin- 
sicht könnte man das erste Mal ohne Bedenken etwas 
Schlechtes, z. B. ein gutes Trauerspiel geben, denn wir sind 
nun einmal so." 

Nach und nach fing unter der starken Hand des „Mannes 
ohne Vorurtheil" sich eine kleine Partei des gesitteten Schau- 
spiels zu sammeln an, zu den Führern fand sich eine wenn 
auch langsam, so doch stetig wachsende Armee. Sonnenfels 
stellt dies in einem fingierten Briefe selber dar:^) „Erwarten 

1) Willibald Müller, (Josef v. Sonnenfels. Eine biographische Studie, 
Wien 1882,) hält diesen Brief für einen fingierten, was deshalb nicht richtig 
ist, da Sonnenfels ihn in den Ges. Sehr, auslässt. Dass der Brief die „läp- 
pischen Erwiderungen" ironisieren soll, ist wol richtig und ergiebt sich 
aus der hierher gesetzten kurzen Stelle. 

2) Mann ohne Vorurtheil 2. Abt. VIII. Ges. Sehr. II, 46 ff. 



30 

Sie mit uns, dass der würdige Mann, wie er nun einmal 
genannt sein will (der Theaterunternehmer), seiires Vortheils 
wahrzunehmen weiss, und wenn er unser Geld haben will, 
uns auch dafür Schauspiele aufführt, wie wir sie haben 
wollen. . . • Es sind zwei Parteien: die Partei des grünen 
Hutes und unser kleiner Haufen; Denn lassen Sie sich nicht 
irreführen, der Haufen ist noch sehr klein, der an der rüh- 
renden Stellung eines Stückes, an der Vorstellung einer 
edelmüthigen Handlung ein grösseres Vergnügen hat als an 
einer Fratze: aber viele sind so eingetrieben, dass sie sich 
schämen, es öffentlich zu gestehen, und das ist schon etwas." 

Zu gleicher Zeit wurde Sonnenfels von einem seiner 
Anhänger eine Abonnementskarte für das Theater ange- 
tragen, wenn er dafür regelmässig belichten wollte, während 
andererseits sich Hans Wurst rüstete, den Capakaum (die 
stehende Figur des „Mannes ohne Vorurtheil") auf die Bühne 
zu bringen.^) Warum diese Parodie unterblieb, ist nicht zu 
ersehen: ein zwar cultivierter, aber dennoch mit der ganzen 
Fabelnaivetät eines Naturmenschen behafteter Wilder, wie 
es Sonnen fels' Capa-Kaum ist, es hätte keine dankbarere 
Figur für die Posse gegeben. Doch unterblieb es für dies- 
mal, „um mit grösserer Wuth in eigener Pallitosade loszu- 
brechen". Sonnenfels aber antwortete auf diese Ankündigung 
der Persiflage ruhig: „Diese zügellose Frechheit der Schau- 
bühne, die Ehre der Bürger öffentlich anzutasten, gehört 
noch mit unter den alten Sauerteig, den wir nebst manchem 
Anderen gerne hinausgeworfen haben wollten."'^) 

Aber Hans Wurst hatte noch viele Freunde und einen 
starken Fürsprecher in den Cassaerfolgen, und trotz aller 



1) Ges. Sehr. II, 51, Anm. 

2) Ges. Sehr. II, 52. — Ob das Fragment eines Gespräches zwischen 
„Kyen-Thyan und Xymora, zweien Einsiedlern auf dem Berge Therbas", 
sich ebenfalls auf die Schaubühne bezieht, ist sehr fraglich, doch wäre es 
trotz der späteren Anmerkung Sonnenfels', der es auf die Anklageschrift 
Migazzis (1766) bezogen haben will, thöilweise möglich. 



31 

mitgebrachten Stücke war die Impresa bald wieder beim 
Hans Wurst' angelangt, und selbst Klemm, dem das an der 
Seite Sonnenfels' kämpfende „Diarium"^) seine „Heirath wider 
die Mode"'-') heftig angegriffen, antwortet in einem Schreiben 
des Verfassers der „Heirath wider die Mode" an die Ver- 
fasser der gelehrten Nachrichten,-^) „dass er lieher eine Regel 
opfern, als die Darstellung des im Komischen so ausgezeich- 
neten Prehauser vermissen wolle". Hiermit beginnt die 
Schwenkung Klemms. Wol hatte er sich bereits früher zu 
Sonnenfels in einer gewissen Opposition befunden, aber 
immer noch offenen Krieg scheuend, hatte er höchstens all- 
gemeine Bemerkungen über jenen gemacht, ohne sie direct 
auf ihn zu beziehen. So im Folgenden:^) „Warum tragen 
diejenigen Kunstrichter, die am allermeisten über den 
schlechten Geschmack des Publicums klagen und die Regeln 
des Theaters so gut verstehen, nicht durch gute Stücke selbst 
etwas zur Verbesserung bei, eine Pflicht, zu der sie als 
Menschenfreunde und Genies vollkommen verbunden wären." 
Mit Heufeld begann zugleich der Streit, und zwar bei 
Erscheinen seines Lustspiels „Der Geburtstag", •'^) einem 
höchst elenden Stücke, das ebenfalls die „Wiener Sitten" 
darstellen sollte. Sein Inhalt ist eine Familiengeburtstags- 
feier mit Kindergratulation, Geburtstagstorten u. s. w. Die 
Nachbarn kommen Glück wünschen und endlich wird feier- 
lich zu Abend gegessen. Das Stück, das jeglicher Handlung 
vollständig entbehrt, bewegt sich in Hafner' schem Tone und den 
gemeinsten Redensarten. Sonnenfels vernichtete es in eben- 
so unbarmherziger als gerechter Kritik. Heufeld antwortete 
mit einem neuen Lustspiel; „Kritik über den Geburtstag", 
dessen Aufführung Sonnenfels jedoch zu verhindern wusste. 



1) Wiener Diarium, Gelehrte Nachrichten, III. Stück, 1766. 

2) Beiträge zum deutschen Theater, 1767. 

3) Wiener Diarium, Gelehrte Nachrichten, IV. Stück, 

*) Oesterreichischer Patriot, 1766, II. Jahrg., II. Bd., 4i3. 
5) Wien 1767. 



32 

worin ein gelehrter Kritiker „Jungwitz" (Sonnenfels) eine 
lange und von allen Zuhörern bespöttelte Kritik des „Ge- 
burtstages" vorlesen muss, bis endlich die Hörer sämmtlich 
einschlafen. Sonnenfels hat auf diesen läppischen Angriff 
ebenso wenig als auf irgend einen anderen geantwortet. Es 
ist daher auch die Schrift: „Gedanken eines Philosophen von 
dem Lustspiele: Kritik über den Geburtstag", denen dann 
wieder „Gedanken eines unparteiischen Mannes über die Ge- 
danken eines Philosophen" folgten, nicht von ihm.^) Sonnen- 
fels' Bemühungen fanden bald Wiederhall im übrigen Deutsch- 
land, und mit vielem Stolze registriert er das Lob, das ihm 
die neue Bibliothek der schönen Wissenschaften spendete: 
„Wie der Zuschauer in London sich über die Opernbühne 
lustig machte, so wagt er (der „Mann ohne Vorurtheil") es 
' auch, die dortige (Wiener) Schaubühne anzugreifen, und 
wir glauben, dass er recht daran thut. Wer sich einmal zu 
einem Richter der Sitten aufwirft, muss am ersten sein 
Augenmerk auf die öffentlichen Vergnügen einer Nation 
richten." Der fingierte Brief, 2) der ihm diese Anerkennung 
mittheilt, fordert ihn auf, der Schaubühne nur auch in Zu- 
kunft viele Beachtung zu schenken: „Wer hat Sie abge- 
halten, Ihre Anmerkungen fortzusetzen? Dass Sie keine 
Folge davon sahen? mein Schriftsteller, wenn diese Be- 
trachtung schuld daran war, mussten Sie eben so wol Ihre 
anderen Gegenstände fahren lassen. Für die Theatraldichter 
kann ich Ihnen Bürge werden, dass Ihre Kritiken nicht 
gleichgiltig sind: aber Sie müssen den Namen nicht gegen 
jeden Verfasser eines zauberischen Tschyhy oder sonst eines 
Possenspiels'^) verschwenden, worin weder Zusammenhang, 



1) Wie F. Kopetzky, „Josef und Franz von Sonnenfels, das edle 
Brüderpaar,^ Wien 1882, behauptet. 

2) Ges. Sehr. III, 47. 

3) Sonnenfels beruft sich hier auf eine Stelle aus ^ den Briefen der 
Lady Montague. Dieselbe war im Jahre 1716 in Wien und wohnte der 
Vorstellung eines Stranicky'schen Stückes bei. „Es sollte die Geschichte 
des Amphitrus vorstellen. Es fing damit an, dass der verliebte Jupiter 



33 

noch Erfindung, noch Witz herrscht, zu deren • Entwerfuug 
nichts weiter gehöret, als der Einfall eines abenteuerlichen 
Titels; je ungeräumter, desto glücklicher; und dann eine 
müssige Stunde, so viel nemlich Zeit erfordert wird, die 
Auftritte- und Aufzügezahlen nieder zu schreiben und am 
Ende eines jeden Aufzuges anzumerken: H. W. führt Jackeln 
oder Pantalonen mit einer wuchtigen Tracht Schläge ab, da- 
mit die Handlanger Platz bekommen, die Verzierungen der 
ewigen Ballete zuzubereiten. Aber wird ein Genie, in dessen 
Brust die Funken der Ruhmbegierde sprühen, einer ganzen 
Nation, einer Versammlung des einflussreichsten Adels eine > 
edle Ergötzung zu verschaffen, ein Genie, das sich bei einem 
Tartuffe und Menschenfeind oder bei einem Herrmann wie 
Cäsar bei der Bildsäule Alexanders rühmlicher Thränen nicht 
erwehrt, wird ein solches Genie seinem Stücke nicht die 
Anlage, die Ausführung, die Sprache zu geben trachten, die 
den Lobspruch eines Schriftstellers verdienet, der seit einiger 
Zeit im Besitze ist, die Unterhaltung einer ganzen Haupt- 
stadt zu sein?" Er betont übrigens, dass ausgesprochen 
elende Stücke wie die „Megära" viel weniger Schaden thun 
als die Mitteldinge, wie der zweite Theil der „Megära", wo 
neben dem abgeschmacktesten Einfall ein sich über seine 
Gesellschaft wundernder schöner Sittenspruch steht. Als 
einen weiteren Mangel und Grund, dass sich die Impresa 
auch um die berechtigsten Kritiken leider nicht kümmert. 



aus einem Guckloche in den Wolken herabfiel, und endigte mit der Ge- 
burt des Herkules. Das AUerlustigte war der Gebrauch, den Jupiter von 
der Verwandlung machte. Statt der Alkmene zuzueilen, schickt er nach 
ihrem Schneider, prellt ihn um ein besetztes Kleid, sowie einen Wechsler 
um einen Beutel in Gold und einen Juden um einen Diamantring. Das 
Stück war nicht nur mit unanständigen Ausdrücken und auch mit solchen 
Grobheiten gespickt, die der britische Pöbel nicht einmal einem Markt- 
schreier verzeihen würde. •* Dies ist die angezogene Stelle, soweit sie 
h'onnenfels nicht selbst citiert. Ueber die letzte Uebertreibung, das Com- 
pliment dem Londoner Pöbel, „dem Pöbel aller Pöbel", macht sich Gräffer, 
Wiener Memoiren, I, 156, wol mit Recht lustig. 

y. Görner. Der Hans Wurst -Streit in Wien. 3 



34 

wird das Monopol der Theaterdirection angeführt. Denn 
Wien durfte in der inneren Stadt keine zweite Bühne haben, 
die Vorstadttheater aber kamen für das bessere Publicum 
gar nicht in Betracht. Durch dieses Privileg wurde natür- 
lich jede Concurrenz unmöglich gemacht. Freilich die schölle 
Zeit der vollständigen Concurrenzlosigkeit war bald vorüber. 
Das in Folge des Trauerfalles „par de raisons sup^rieures" 
geschlossene französische Theater wurde auf Drängen des 
Adels schon im Jahre 1767 wieder eröffnet, und zwar durch 
den Obristlieutenant d^Affligio/) der auch Hilverding seine 
Pachtung ablöste. Waren dem deutschen Theater schon 
durch die blosse Wiedereröffnung des französischen die 
höheren Gesellschaftskreise, der Adel und seine Nachahmer 
entzogen, so verfiel es unter d^Affligio, der die tüchtigen 
Kräfte aus der Leitung bald zu verdrängen wusste, selbst 
a^ber nicht einmal deutsch verstand, immer mehr und mehr, 
und der immer noch am meisten lucrative Hans Wurst 
fand an dem Pächter selbst Rückhalt und Stütze. 

Die schärfste Ironie spricht aus einem dem „Manne ohne 
Vorurtheil" zugeschickten Briefe eines Ausländers, 2) der noch 
vor der Eröffnung der französischen Schaubühne anräth, 
der Partei der Unvernunft eine Gegenpartei entgegenzu- 
setzen und hiebei bei dem Adel den Anfang zu machen. 
„Welchen Vorzug hat Ihr Wien vor allen übrigen Städten 
Deutschlands an diesem wohlhabenden, einsichtsvollen, gross- 
'müthigen Adel ! Die sächsischen und brandenburgischen 
Schauspielergesellschaften, bestünden sie auch aus lauter 
Eckhofen und Schönemanninen, aufweiche Zuschauer können 
sie Staat machen ? auf wenige Offiziere : denn sie haben den 
Vortheil der Abonnierung nicht und das Eintrittsgeld täglich 
zu entrichten, das würde für ihren Wirthschaftsetat eine zu 
starke Aufgabe sein — dann auf öinige Kaufleute," Die 



* *) Wlassak, Chronik des Burgtheaters, Seite 16. Wlassak schreibt 
immer d'Afflisio. 

2) September 1766. Ges. Sehr. Ill, 99. 



35 

Wiener Verhältnisse müssten ja doch eine schöne Einnahme 
hervorbringen, die Ausstattung fördern und die besten Kräfte 
möglich machen. Freilich darf man dann die Schauspieler 
nicht zu den Parias der Gesellschaft machen, so dass jedes 
Talent seine Gabe für das Theater unterdrückt, „dass jeder 
Vater den Sohn eher in das Zuchthaus sperren lässt als Schau- 
spieler werden, dass jede Mutter ihre Tochter verläugnet, 
sobald sie Schauspielerin geworden". Auch die vernünftige 
Theilung der Fächer könnte die Wiener Bühne durchführen 
und was die Stücke betrifft, so ist es' nicht so sehr der 
Mangel an guten, als der Ueberfluss an schlechten Stücken, 
dem vor Allem abgeholfen werden müsste. Auch da müsste 
der Adel wirken. Er brauchte nur nicht zu lachen, sondern 
sittlich entrüstet zu sein, um Dichter und Direction zu ändern. 
Sind die alten Miserabilitäten weg, muss man sich im lÄ.n- 
fange mit Uebersetzungen behelfen. Nicht weniger kann 
der Adel durch Aufmunterung der Nationaldichter bewirken. 
„Ein einziges Wort zum Lobe aus dem Munde eines Kau- 
nitz, ein Lächeln der Grazie Liechtenstein muss mehr Sporn, 
mehr Belohnung sein als alles Gold der Welt, Dichter, 
welche für Geld Oden machen, haben einen schlechten En- 
thusiasmus, aber es ist ein grosser Reiz, des Umgangs der 
Grossen werth zu sein." 

Aber diese Grossen hatten eben auch nicht einmal 
dies „eine" Wort für die deutsche Kunst. Von dem Adel 
ist gar nichts zu hoffen gewesen, von dem Adel, von dem 
Sonnenfels selbst gesteht, dass, während ganz Wien seinen 
„Mann ohne Vorurtheil" geradezu mit Gier verschlang, nur 
der Adel einzig ihn nicht las, und dazu setzt: „natürlich, 
ich schrieb ja — deutsch." Trotzdem dass Sonnenfels mehr 
wie jeder Andere den damaligen Adel erkannte, ihm mit 
der grössten Unerschrockenheit und einem Freimuthe ent- 
gegentrat, der Lessing zu dem Ausspruche veranlasste, in 
Berlin dürfte man es nicht wagen, dem Adel auf diese 

Weise die Wahrheit zu sagen, trotzdem sehen wir Sonnen- 

3* 



36 

fels bald mahnend, bald ironisch, immer und immer wieder 
auf den Adel als den berufenen Beschützer der Künste und 
Wissenschaften hinweisen. Der Adel bildet ihm die Seitenenden 
der Staatspyramide, an deren Spitze der Kaiser steht, und dieser 
ist als Verkörperung des Staatsprincipes verpflichtet, auf 
die Bühne Einfluss zu nehmen. Bühne und Staat stehen 
für ihn immer in Wechselbeziehung: da sie eine Sittenschule 
sein soll, muss sie für den Staat, der über die Sitten zu 
wachen hat, ein steter Punkt der Aufmerksamkeit sein ; 
andererseits hat der Staat auch darüber zu wachen, damit 
sie eine Sittenschule sei oder werde J) 

Dieser Gedankengang war stets für ihn die Richt- 
schnur und mit ähnlichen Sätzen beginnt er auch seine 
„theatralische Einleitung". 2) Mit dieser beginnt die Orga- 
nisation der Partei des regelmässigen Schauspiels, er ver- 
sucht es, dieser den Massstab, nach dem sie sich bei ihrem, 
Urtheile richten könne, zu geben, und zwar aufgefor- 
dert von einem Manne, „den ich mit der ganzen Stadt 
gemeinschaftlich verehre", worunter wol niemand Anderer 
als' Freiherr von Gebier 3) zu verstehen ist, der thatkräftige 
Mitkämpfer Sonnenfels', der mit seiner Autorität auch 
endlich dem gesitteten Schauspiele den Sieg verschaffte. 

„Die Grille, dass die Schaubühne eine Sittenschule 
sei, wird alle Tage durch die Erfahrung widerlegt," hatten 
die Briefe, die neueste Literatur betreflfend/) geschrieben. 
„Leider ! aber ist die Forderung, die Schaubühne zu einer 
Sittenschule zu machen,- von allen Seiten betrachtet eine 
Grille?" antwortet ihnen Sonnenfels und beginnt dies an 
den einzelnen Factoren zu widerlegen. Wol will der Unter- 



^) Dazu Rob. Zimmermann a. a. O., der aber etwas zu harte Conse- 
quenzen zieht. 

2) Ges. Sehr. III, 116 ff. 

3) Tob. Phil. Freiherr von Gebier, 1726 in Greiz im Voigtlande 
geboren, starb als Vicekanzler der Hofkanzlei 1786 zu Wien. Er schrieb 
selbst eine grosse Anzahl dramatischer Werke (Prag, Dresden 1772). 

4) XII, S. 308. 



37 

nehm er g-ewöhnlich nur seinen Vorthei], der Schauspieler 
Ruhm und Brot, der Besucher Ergötzung. Aber der Staat 
muss verlangen^ dass die Bühne der Sittlichkeit wenigstens 
nicht hindernd im Wege stehe, dann darf auch der Unter- 
nehmer nicht seinen Vortheil auf deren Kosten suchen, kein 
Schauspieler etwas gegen sie sprechen oder thun. Dann 
ist die gesittete Schaubühne für keinen derselben mehr 
eine Grille. „Zuschauer," wendet er sich wieder gegen seine 
Gegner, „Zuschauer, die ihre Ergötzung nicht in der ge- 
reinigten Satire der Schauspiele im witzigen Scherze, in 
der Vorstellung der gerächten Tugend, des bestraften La- 
sters ^) zu suchen wissen, Zuschauer, die wie Schweine zu 
ihrer Lust Koth brauchen, solche Zuschauer kenne ich keine. 
Aber wenn es einige giebt, so mögen sie sich nur erinnern, 
dass es nicht erlaubt ist, den öffentlichen Wohlstand auf der 
Strasse bei Seite zu setzen, dass die öffentlichen Ergötz- 
lichkeiten unter den Augen der Regierung gehalten werden, 
dass die Sitten darunter leiden." Er stellt endlich die prä- 
cise Forderung: „Der Staat ist verpflichtet, über die Schau- 
bühne die Aufsicht zu führen, damit sie gesittet, wenigstens 
damit sie nicht ungesittet sei." Das Mittel dazu konnte 
aber kein anderes sein als das zweischneidige der Censur. 
Wol contrastirt dies scheinbar mit dem ganzen Gedanken- 
gange Sonnenfels', des echten Sohnes der Auf klärungsperiode, 
und Niemand wird wol heute eine Bühnenreform von oben 
herab für das Wünschenswerthe erachten, damals aber konnte 
die Reform nirgends anders begonnen werden. Von unten 
aus, aus dem Volke heraus war etwas zu 'thun unmöglich: 
langjährige Abgeschlossenheit vom ganzen geistigen Leben des 
übrigen Deutschland hatten eine kaum überwindbare geistige 
Trägheit hervorgebracht-, wenn die Wochenschriften viel 
gelesen wurden, so ahnte wol der kleinste Theil der Leser 



*) Vergleiche' die entgegengesetzte Ansicht Lessings, Hamb. Dram. 
XXIX. Stück. 



•38 

ihren sittlichen Hintergrund, aber ihn interessierte der 
darin verarbeitete „Klatsch" — man wird natürlich die 
bessernde Wirkung desselben, in dieser Form vorgetragen, 
nicht verkennen — im besten Falle die socialen Fragen der 
Aufklärungszeit, zum Mindesten sicherlich die schöngeistigen 
Reformen. Diese Werke hatten nur ein kleines Publicum, 
man findet in den Subscribentenverzeichnissen, die ihnen 
gewöhnlich beigedruckt sind, immer wieder dieselben Namen, 
dieselbe kleine Gemeinde. Der lebenslustige Wiener ver- 
langte vom Theater nichts als den Stoff zum Lachen; auf 
welche Weise ihm dazu Gelegenheit gegeben wurde, war 
ihm gleichgiltig, und je weniger sein Geist dabei ange- 
strengt wurde, desto lieber. „Gehen Sie zum Teufel mit 
Ihrem Diderot, genug, die Komödie gefällt mir," lässt Bob 
seinen Stallmeister über die „bürgerliche Dame" sagen, und 
der Kunstrichter muss beschämt von dannen schleichen. 
Dem Adel war das Theater anfangs sein Spieltisch. Dann 
besuchte er nur die französische Oper, das wälsche Theater, 
die Noverre'schen Ballete. Der Mittelstand äffte ihm nach. 
Sonnenfels und seine kleine Partei hatte nur einen Weg: 
die Staatsgewalt anzurufen, die höchsten Kreise dadurch 
zu zwingen, sich für die „gesittete Schaubühne" zu inter- 
essiren und das Extempore auf diese Weise gesellschaft- 
lich unmöglich zu machen. Sonnenfels verfolgt diese Bahn, 
nachdem er sie einmal betreten, mit eiserner Consequenz 
und findet bald in Freiherrn von Gebier einen thätigen 
Mitarbeiter und Fürsprecher. Keineswegs ist er blind für 
die allzuscharfen' Consequenzen, die seine Theorie hervor- 
bringt, trotzdem bleibt er im Interesse des guten Haupt- 
zweckes fest. Es ist ja wahr, nach dem Satze: „sie (die 
Staatsgewalt) darf keine Stücke auffiihren lassen, wo die 
Haupthandlung auf einen Satz hinausläuft, der, ich will 
jetzt nur sagen zweideutig ist",') oder: „die Sitten müssen 



Ges. Sehr. III, 127. 



39 

ebensowenig durch die einzelnen Theile der Handlung, durch 
Niöbenscenen oder Episoden verletzt werden'^/) würde das 
Repertoire sehr schwach ausgefallen sein; wie er ja selbst 
zugestehen muss, dass auch Stücke wie Addisons Cato, 
Racines Mithridate, kurz die besten Muster diese Probe 
nicht aushalten würden. „Aber," meint er, „man vergiebt 
diesen Meisterstücken des menschlichen Witzes Fehler der 
Moral." Bei den Trauerspielen, glaubt er, mildert der grosse 
Abstand zwischen Zuschauer und der handelnden Person 
die Geföhrlichkeit, Abgesehen davon mag ihm auch der 
Umstand, dass die Tragödie ihr Hauptpublicum nicht im 
eigentlichen Volke selbst sucht, zu dieser Entschuldigung 
bewogen haben. Wo er aber immer wieder den Hebel 
einsetzt, , das ist das Lustspiel und besonders die Wiener 
Localkomödie. Da ist der grösste Einfluss auf das Volk 
und da muss man "^bessern, denn gerade hier ist es, wo oft 
eine „entschiedene Schändlichkeit" aufgeführt wird.'-^) „Ge- 
rade sowol sollte man das Laster, die Ausschweifung auch 
von der Predigtstube anpreisen!" Wenn sich auch bei 
einigen Zuschauern während der Komödie „der musikalische 
Hahnrei" Ekel über diese Schandgeburt geltend machte, 
„der Pöbel lachte und man darf den Pöbel nicht gewöhnen, 
über Schandthaten zu lachen." 

Dass aber jede Censur dem Extempore gegenüber 
ohnmächtig war, hatte seit 1752 die Erfahrung genügend 
gelehrt. Wol war das extemporierte Stück lange gefallen, 
aber das Extempore lebte im Hans Wurst weiter. Beides 
schieb von einander nicht trennbar zu sein, und Sonnenfels 
warnt die Anhänger Prehausers mit Recht vor einem Bünd- 
nisse mit den Freunden des Extempore: „Geben Sie Acht, 



1) Ges. Sehr. III, 132. 

2) Sonnenfels tritt da in directen Gegensatz zu Lessing (aUerdings 
später, Hamb. Dram., XXIX, St., der die Regel, dass der Böse bestraft, 
der Gute belohnt werde, eher für die Tragödie als für das Lustspiel an- 
gewendet wissen will. 



40 

meine Herreu, dass Sie oicht vielmehr Ihren Bundesgenossen 
wankend machen!" Er weist auf den Harlekin der Fran- 
zosen hin: „Ein Hans Wurst in einem anderen Kleide 
erhält sich noch immer auf der Schaubühne und extem- 
poriert nicht. Sollte Hans Wurst weniger geschickt sein ?" 
Hier ist auch das Princip ausgesprochen^ das Sonnen- 
fels im Hans Wurst - Streite leitet: nicht die Person des 
Hans Wurstes an und für sich, noch weniger die des 
Darstellers ist das Object im Streite, es ist stets der Ge- 
danke, dass die Un Sittlichkeit nicht eher verschwinden wird, 
ehe nicht das Extempore voll und ganz abgeschafft ist, und 
zum Partisan dieses Extempores machte sich der Hans 
Wurst. Es wurde bald unmöglich, eines dieser drei Dinge 
von den anderen zu trennen, so dass sie zugleich fallen 
mussten.^) Der Kampf gegen den Hans Wurst fallt zu- 
sammen mit dem Kampfe gegen die Zote. Worauf Sonnen- 
fels bereits in seinem Schreiben an die Verfasser der „AYelt" 
gedrungen hat, die Scheidung des Schauspielers Prehauser 
von dem Blödsinne seiner Rolle, führte er immer durch. 
Prehauser ist ihm stets ein bedeutender Schauspieler. 
„Der Schauspieler verkennt sich selbst, wenn er den Beifall, 
den er für sich zu fordern berechtigt ist, mit seiner Jacke 
theilt," sagt er einmal von ihm, und auch nach seinem Tode 
ist es Sonnenfels, der die wärmsten Worte zu seinem An- 
denken spricht. In dem Extempore lag die höchste Zügel- 
losigkeit der Bühne, dem Schauspieler war Jedermann preis- 
gegeben, er durfte über Jedermann die Schale seines Spottes 
ausgiessen. Nachträgliche Bestrafungen desselben waren Äatür- 



1) Vergleiche dazu Hettner (Gesch. d. d. Lit. 3. Aufl. 1879. III. 1. 375) 
über Gottsched: „Freilich war es eiue lächerliche Harlekinade, als 1737 die 
Neuberin in Leipzig den Hanns Wurst öffentlich verbrannte, aber es war 
dabei nicht auf jenen buntscheckigen Narren abgesehen, sondern man 
sprach damit aus, dass fortan die rohe Zote und das wilde und freche 
Stegreifspiel mit von der gereinigten Bühne verbannt sei, dass für den 
pöbelhaften Sinnenreiz der denkende Geist, für die Maske des stehenden 
Possenreissers die feinere Komik, lebendigere Charaktergestaltung eintrete." 



41 

lieh wirkungslos, denn das Wort war ja bereits gesprc^chen. 
Die literarischen und socialen Parteien wussten ihre Gegner 
auf diese Weise dem öffentlichen Gelächter auszusetzen, 
aber auch persönliche Rancune wusste diesen Weg zu finden 
zu dem öflfentlichen Organ, gegen das jede Vertheidigung 
unmöglich und der verständnislosen vielköpfigen Menge 
gegenüber auch nutzlos war. Sonnenfels hätte dieses Schick- 
sal zweimal an sich erfahren sollen, beidemal war er dem- 
selben entgangen, bis er endlich der Held der grossen Farce : 

des „grünen Hutes" wurde. 

» 

IV. 

Sonnenfels wusste wol, wie viel Feinde ihm der Frei- 
muth seines „Mannes ohne Vorurtheil" gemacht hatte, seine 
offene Aufdeckung des Protectionswesens, seine reforma- 
torischen Vorschläge in socialer und kirchlicher Hinsicht, 
sein unbefangenes Urtheil über den Adel hatten ihm Gegner 
und Neider von allen Seiten geschaffen. Alle diese konnte 
er jedoch leicht überwinden, seine Stellung war bereits eine 
gesicherte und er ein Liebling der Kaiserin, zudem regelte 
er durch sein verbreitetes Blatt die öffentliche Meinung. 
Viel mehr Unannehmlichkeiten als diese Zöpfe und die 
„Partei des rothen Hutes", wie er selbst die Anhänger des 
Cardinais Migazzi benannte, wusste ihm der „grüne Hut" 
zu bereiten, denn dieser hatte in der Bühne ebenfalls sein 
öffentliches Organ. Es ist kein Zweifel, dass sich Hans 
Wurst den strengen Sittenrichter und Kritiker bereits oft 
zur Zielscheibe seines Witzes genommen hatte, noch ehe 
der Hauptschlag durch die Klemm'sche Posse geführt 
wurde; denn Sonnenfels macht selbst am Schlüsse des 
1. Jahrganges des „Mannes ohne Vorurtheil" die Bemerkung: 
„Das Verbrechen des beleidigten ,grünen Hutes^ ist Hoch- 
verrath. Für seinen Groschen hat Jeder die Erlaubniss, mir 
in einem gedruckten Bogen zu sagen, dass ich die Ehre 



42 

habe, ihm zu misfallen/) und das eben nicht auf die höf- 
lichste Weise: aber wenn ich meine fünf Siebzehner im 
Schauspiele verloren habe : St! kein Wort darüber." 2) Diese 
Verdriesslichkeiten, gesteht er selbst zu, waren die häufigsten 
und „die Partei schimpfte nicht blos, sie handelte". 

In der zweiten Hälfte des Februar 1767 „handelte 
diese Partei" viel mehr, als sich Sonnenfels je hätte träumen 
lassen. Die Theaterzettel des Theaters nächst dem Kärntner- 
thore brachten um die Mitte des Monates die Voranzeige: 

„Man wird künftige Woche auf dem Theater nächst 
dem Kärritnerthore auffuhren : genannt^ der auf den Parnass 
versetzte grüne Hut. "3) Die Auffuhrung fand am 26. Fe- 
bruar statt. 

Zu diesem „Schergendienste" hatte man Klemm ge- 
miethet, der aus Sonnenfels* Mitkämpfer dessen erbittertster 
Gegner geworden war, sobald er gesehen hatte, dass auch 
seine Nachgiebigkeit und Bescheidenheit, mit der er die 
Angriffe des „Mannes ohne Vorurtheil" in seinem Patrioten 
stets abgelehnt hatte, diesen trotzdem nicht von seinem 
aggressiven Wesen abbringen konnten. Einerseits hatte 
Sonnenfels seine ersten Pfeile gegen Klemm und Heufeld 
wol in der Sucht, allein als Retter und Vertheidiger des guten 
Geschmackes gepriesen zu werden, abgeschossen, anderer- 
seits mag wol Klemm, der sich nicht ganz mit Unrecht die 
Priorität in der Bekämpfung des Hans Wurstes vindicieren 
mochte, der seinen früheren Mitarbeiter und späteren Con-' 
currenten so schnell sich über den Kopf wachsen, endlich 
aber seinen „Patrioten" durch den allmächtigen „Mann ohne 
Vorurtheil" vollständig verdrängt sah, auch nicht an freund- 
schaftlichen Gefühlen zugenommen haben. Ausserdem war 



*) Bezieht sich auf die eingesendeten Briefe, die dann gewöhnlich 
ahgednickt wurden. 

2) Ges. Sehr. II, 164. 

3) Hier vergl. Sauer, Wiener Neudrucke 4. Einleitung. 



43 

Eiemm im Juni 1766 in ein näheres Verhältnis zur Bühne 
getreten und kann sich vielleicht durch die immerwährenden 
Angriffe, die sich der Direction Hilverdiogs gegenüber 
eher verschärften, mitbeleidigt gehalten haben. Sonnenfels 
hatte ja selbst mit Hilverding zusammen gearbeitet, sah aber 
bald ein, dass die Direction trotz ihrer guten Absichten 
nichts Bedeutendes in seinem Sinne leisten würde. Auch 
das mag er wol bald erkannt haben, dass die Klemm und 
Heufeld auch noch nicht den wünschenswerthen Fortschritt 
der Schaubühne bedeuten : seine norddeutschen Muster lagen 
ihm immer im Sinne, der Dialekt, von dem sich die Wiener 
nicht frei machen wollten, war ihm, wenn er auch hierin 
einige kleine Concessionen zu machen gezwungen war, 
immer ein Dorn im Auge : einesteils wegen des äusserlichen 
Grundes, dass sich die so bitter bekämpfte Fratze des 
Dialektes als Hauptreizmittel bediente, so dass er in seinem 
Uebereifer so weit gieng, den Dialekt vollständig unter- 
drücken zu wollen, um einem weiteren Anhängsel der Steg- 
reifkomödie den Hals zu brechen, anderenteils wol auch, 
weil ihm die dialektfreien Ausländer vorschwebten. Viel- 
leicht könnte man hier auch einen dritten tieferen Grund 
annehmen. Seit Anfang seiner Thätigkeit kämpfte Sonnen- 
fels — und auch hierin hatte ihn die Klemm'sche „Welt" 
unterstützt — für die Verdrängung der fremden Sprache, 
der französischen aus den feineren Salonkreisen. Er weist 
aber auch zugleich darauf hin, dass man sich bemühen 
müsse, „gut deutsch" zusprechen, und verurtheilt die Wen- 
dungen des gewöhnlichen Jargons, als: „er hat ihm gesehen," 
mit aller Entschiedenheit, da sie nicht weniger falsch seien 
als ein „video illi". Vielleicht nun hat die Zusammenstellung 
dieser Bestrebungen ihn zu dem Resultate gebracht, dass 
der „Gesellschaft", wenn sie zur Anwendung der deut- 
schen und zur Verdrängung der fremden Sprache ange- 
eifert werden soll, auch für die fremde eine ebenso 
ausgebildete eigene gegeben werden muss. Sollte das 



44 

Deutsche fernerhin nicht als ausschliessliche Sprache der 
Dienstboten und des Pöbels- gelten, musste es auch von 
allen Unarten gereinigt werden. Freilich schreibt er die 
pöbelhaften Ausdrücke dabei immer der Mundart zu. Aus 
demselben Gesichtspunkte sind seine vielfachen Klagen, dass 
man keine Sprache des feineren Lustspiels besitze, dass es 
an einer Sprache der gebildeten Stände überhaupt mangle, 
zu betrachten. 

KJemm und Heufeld mögen anfangs dieselben Ab- 
sichten gehabt haben. Sie mussten aber den Dialekt dann 
doch wieder anwenden, um das Localcolorit in ihren Stücken 
zu Stande zu bringen. Hafner hatte die Bezeichnung „auf 
die Wiener Sitten eingerichtet" bei dem Locallustspiele ein- 
geführt, und seither wurde auch fast Alles auf die Wiener 
Sitten geschrieben. Man dachte damit schon ein Localstück 
zu haben und man hatte damit doch nur den einen oder 
den anderen Typus, der dann erst recht kein speciell Wiener 
war, so der beliebte sich über seinen Stand erhebende 
Bürger. „Von welcher Gattung haben sie (die Dichter) diese 
Sitten entlehnt? Es würde ihnen schwer werden, eine be- 
stimmte Antwort zu geben, — ein Haus, eine Familie und 
nicht Wien, nicht die ganze Stadt."') Ihnen schien mit dem 
Dialekte, dem Localton bereits Genüge gethan. 

„Ich schreibe und lebe in Oesterreich, ich habe mich 
bestreben müssen, dem Publicum zu gefallen. Ich habe 
also das Locale in Charakteren und Sprache unmöglich ver- 
meiden können, das der Stadt gemäss ist," bemerkt Klemm 
in der Vorrede zu seinen Beiträgen, und ebenso heisst es in 
dem Vorbericht zu seiner „Heirath wider die Mode":'-') 
„Dieses Stück wurde vorzüglich auf die Wiener Sitten ge- 
arbeitet. Die glückliche Schilderung hätte ohne den eigent- 
lichen Ausdruck der Nation keine Wirkung gethan. Ich 



1) Briefe über die 'Wiener Schaubühne. Ges. Sehr. VI, 87. 

2) Ebenfalls in den „Beiträgen" enthalten. 



45 

habe also da die Provinzialsprache am meisten beibehalten 
müssen; besonders im Munde Eleonorens/) welche man vom 
niedrigsten Pöbel nicht unterscheiden würde, wenn sie nicht 
besser gekleidet wäre und Fräulein hiesse." 

Sonnenfels bemerkt scharf darauf, „man müsse also 
an die Ausländer die Warnung richten, die Wiener Sitten 
nicht nach diesen Stücken zu beurtheilen, da der Dichter, 
der nur für solche Gesellschaften das Wort führen kann, 
die Originalien zu seinen Fräuleins unter den Dirnen auf- 
suche", 2) und Heufelds Talent, meint er, habe sicher seine 
Berechtigung, wenn er nur das Ekelhafte, welches niemals 
durch die Nachahmung gefällig werden kann, vermeiden 
könnte.^) 

Trotz aller dieser angeführten Umstände, die die Kluft 
zwischen Sonnenfels und Klemm zu erweitern im Stande 
waren, hätte Letzterer aus eigenem Antriebe nicht derartig 
gegen die Traditionen seiner Vergangenheit gehandelt, wäre 
ihm nicht von anderer Seite das Messer an die Kehle ge- 
setzt worden. Aus Sonnenfels eigenen Aeusserungen geht 
dieses hervor. Die Direction selbst oder Freunde des 
Possenspieles^ die auf jene Einfluss hatten, zwangen den 
Theatersecretär zu ihrem Willen, indem man ihm nur die 
Wahl zwischen dem Ausarbeiten des verlangten Stückes 
und seiner Entlassung gestellt zu haben scheint. Klemm, 
der fortwährend mit Nahrungssorgen kämpfte und so kämpfte, 
dass er im Vorwort zu seiner „Schule der Liebhaber"^) 
halb scherz- halb ernsthaft der Kritik, die ihm vorgehalten, 
dass in diesem Stücke die Fabel bis zum Unmöglichen aus- 
gedehnt sei, gegenüber sich entschuldigt: „Die Zeiten sind 



1) Die eingebildete Tochter eines durch seine Verschwendung zu 
Grunde gerichteten Ehepaares, die sich stets auf das grosse Fräulein hinaus- 
spielt und in Sprache und Sitten das gemeinste Frauenzimmer ist. 

2) Briefe über die Wiener Schaubühne. Ges. Sehr. VI, 397. 

3) Ibid. VI, 408. 

-*) Ebenfalls in den „Beiträgen **, die dasselbe Jahr (1767) erschienen. 



46 

eisern, ökonomisch genommen ist es allemal für den Autor 
vortheilhafter, wenn das Buch dicker, als wenn es mager 
ist — " Klemm musste wol das Erstere wählen. 

So gieng denn am 26. Februar ,„Der auf den Parnass 
erhobene grüne Hut" ') wirklich in Scene, mit Prehauser als 
Hans Wurst, unter ungeheurem Aildrange des Publicums, 
aber nicht mit dem erwarteten Beifalle. 

Im Vordergrunde der Parodie steht natürlich der Hans 
Wurst, welche Rolle vollständig extemporiert war, obgleich 
in der gedruckten Ausgabe 2) der Dialog vollständig aus- 
gearbeitet ist. 

Die Personen des Stückes waren: Apollo, Thalia, Mercur, 
die Kritik, Momusy^ Odoardo (Weisskern) und der Hans Wurst. 

Der Inhalt des Stückes ist kurz folgender: Thalia ver- 
klagt die Kritik bei Apollo, dass diese dahinstrebe^ Scherz 
und Frohsinn von * der Bühne zu verbannen, ja dass sie 
Apollo selbst vom Parnass zu stürzen versuchen wird, um 
sich und ihren Liebhaber Momus an seine Stelle zu setzen. 
Die Kritik, die in der zweiten Scene selbst erscheint, mischt 
sich in das Gespräch, in dem es bereits nicht an Ausfallen 
gegen die Kritiker fehlt, die anstatt Federn Schlangen führen, 
welche doch nur ein Echo der Zuschauer sein sollen, da 
diesen allein die eigentliche Kritik zusteht. Da meldet Mercur 
eine grosse Verschwörung gegen Hans Wurst, und Apollo, 
zum Richter in dem Streite von Thalia und der Kritik an- 
gerufen, erklärt sich zum Schiedsrichteramte bereit, jedoch 
müsse er vor Allem Hans Wurst einmal spielen sehen. Es 
wird denn eine Expedition nach der Erde gemacht, Mercur 
übernimmt es, die ganze Sache zu arrangieren. Damit 
schliesst der erste Act und der Zuschauer wird vom Olympus 



^) Sonnenfels nennt es: Die zehnte Muse. (Sonnenfels an Klotz, 
25. October 1768. S. Rollet: Briefe Sonnenfete' an Klotz.) 

2) Bei Krauss in Wien (Deutsche Schaubühne, 11. Bd.) 1767. 
W. Müller g^ebt die unmögliche Jahreszahl 1765 an. Neu herausgegeben 
von Dr. A. Sauer. Wiener Neudrucke Nr. 4. Wien Konegen 1883. 



47. 

auf die Erde geführt. Mercur fordert den im Garten Odo- 
ardos umherwan dein den Prehauser auf, in der Villa des 
Besitzers ein Stück mit aufzuführen. Prehauser will wol 
spielen, aber nicht den grünen Hut aufsetzen und das bunte 
Kleid anziehen, entschliesst sich aber doch nach vielem 
Drängen der Uebrigen endlich dazu. Die Göttlichen über- 
nehmen selbst die Rollen in dem aufzuführenden Stegreif- 
iustspiele, die Exposition wird besprochen, die Kritik macht 
die Colombine. Ein alter Kaufmann (Odoardo) — so ist 
die Exposition — will seine Tochter Isabella (Thalia) nur 
demjenigen zur Frau geben, der alF seine kleinen Schwach- 
heiten errathen kann. Leander (Apollo) gewinnt Isabella 
durch Hilfe seines verschlagenen und lustigen Dieners Hans 
Wurst, der nun in den verschiedensten Verkleidungen, bald 
als grosssprecherischer Officier, bald als Gelehrter erscheint, 
in welcher Gestalt Prehauser in Maske und Ton vollständig 
die Persönlichkeit des allgemein bekannten Professors und 
Regier ungsrathes Sonnenfels copierte. Hier in dieser Scene 
war ihm Gelegenheit gegeben, seine giftigsten Witze spielen 
zu lassen, und es fehlte nicht an Bemerkungen, wie die fol- 
gende: „Ich sage dem Autor ohne Umstand, dass er ein 
schlechter Schriftsteller ist, weil er mich nicht zu Rathe ge- 
zogen hat." — „Und falls er Sie zu Rathe zieht?" — „Dann 
stelle ich ihm so viel daran aus, dass er es nicht mehr 
brauchen kann." Oder (Lysimon): „Aber mein Herr! dumme 
Leute loben nach Ejqapfindung." (Prehauser:) „Und wir an- 
deren Gelehrten, wir klugen, nach Absichten." Oder: „Was 
ist der gute Geschmack?" (Prehauser): „Was ich davor 
ausgebe." Andererseits wird Alles gethan, um den grünen 
Hut zu rechtfertigen, was hauptsächlich dadurch geschieht, 
dass behauptet wird, diese Maske erlaube dem Schauspieler, 
Sachen zu sagen, die der Livröe nicht hingehen würden, dass 
sie eine Art strafende Gerechtigkeit vorstelle gegenüber den 
menschlichen Thorheiten, und endlich, dass der Hans Wurst 
allein die Lustigkeit der Bühne ausmache. Der dritte Auf- 



48 . ^ 

zug spielt wieder auf dem Parnasse und Apollo, von der 
Meisterschaft Prehausers entzückt, befiehlt der Kritik, diesem 
abzubitten, und an der Hand Apollos wird nun Hans Wurst 
als zehnte Muse auf den Parnass gehoben, wobei er den 
grünen Hut, den er höchst undankbar am Fusse zurück- 
lassen will, ausdrücklich mitnehmen muss. Das Stück 
schliesst mit einer Ansprache Apollos an Prehauser, „der 
schon seit 44 Jahren einen allerhöchsten Hof, einen höchsten 
Adel und ein erleuchtetes Publicum vergnügt," worauf Pre- 
hauser erwidert: „So lange mein grauer Kopf noch Gedanken 
sammeln kann, so lange dieser alte Körper noch aufrecht 
steht, so lange werde ich alle meine Kräfte anwenden, dem 
grössten Hofe Europas und der besten Nation meine ko- 
mischen Vorstellungen zu widmen." 

Mit dieser Ovation, dem alten Prehauser gewidmet, 
schliesst die ganze Farce. 

Sonnenfels hatte von dem Anschlag früher durch seine 
Freunde erfahren, überdies war Prehauser und seine Partei 
bemüht, die Kunde von ihrem Plane in der Stadt zu ver- 
breiten, und wenn auch die Imitation der Person Sonnenfels* 
nicht im Voraus bekannt sein mochte, dass das Stück gegen 
den „Mann ohne Vorurtheil", den allerorts gefürchteten Sa- 
tiriker, gerichtet war, wusste Jedermann. Sonnenfels, tief 
gekränkt, eilte in seiner ersten Erregung zur Polizei, um 
durch die Censur, wie es ihm bei der Geburtstagskritik ge- 
lungen war, auch hier ein Verbot zu erwirken. Doch um- 
sonst. Man kann dies vollkommen begreiflich finden. Mit 
Ausnahme der wohl vorher unbekannten Idee Prehausers, 
Sonnenfels selbst auf die Bühne zu bringen, und verschie- 
dener, im Texte nicht enthaltener extemporierter Stellen, 
war das Stück, wie schon aus dem gegebenen Inhalte und 
den Proben hervorgeht, ganz allgemein gehalten. Dass es 
den Hans Wurst verherrlichte, war ja für sich kein Grund 
für die gesetzliche Unterdrückung. Man braucht hiebei 
keineswegs die Ursache, die Sonnenfels anführt, anzunehmen. 



49 

da er sagt: „Ich vergass, dass ja die sittenlosen Schauspiele 
unter den Augen der Polizei unter Genehmhaltuug der Cen- 
sur aufgeführt wurden." >) In einem anderen Punkte aber 
zeigte sich die Intrigue seiner politischen und persönlichen 
Gegner, die offenbar hofften, dass mit einer derartigen öffent- 
lichen Verspottung des Kritikers und Schriftstellers auch 
zugleich der freimüthige Politiker, der geftihrliche Neuerer 
und der unangenehme Lehrer unmöglich gemacht werden 
würden. Als Sonnenfels den gegnerischen Streich dadurch 
parieren wollte, dass er in dem XI. Stücke des „Mannes 
ohne Vorurtheil" einen zum Theil fingierten Inhalt des 
Stückes gab, wurde das Blatte das am 15. Februar, also 
noch vor der Aufführung hätte erscheinen sollen, verboten 
und ihm das „Imprimatur" versagt. 

Dieses Blatt hätte die Lacher auf seine Seite bringen 
sollen, hätte noch einmal Alles gegen die Fratze resümiert 
und den ganzen Hohn vom Angegriffenen auf die Angreifer 
zurückgeschleudert, es hätte nach seiner eigenen Ansicht die 
Farce gegen ihn in eine Parodie für ihn umgestaltet. Nach- 
dem er nochmals die Gefahr, die die Hanswurstiaden für 
den guten Geschmack bergen, hervorgehoben und die bis- 
herigen Erfolge seiner Bemühungen dargestellt, erklärt er 
in dem unterdrückten Blatte, 2) dass der Gipfelpunkt der- 
selben durch die Theaterdir^ction mit dem angekündigten 
Stücke erreicht worden. 

„Die hiesige Theatralunternehmung, um nicht blos den 
Gedanken der Neuberin nachzuahmen, ergreift einen Weg, 
die Feier des von der Bühne verwiesenen Hans Wurstes zu 
begehen. . . . Schon die Aufschrift mahnt an die komischen 
Heldengedichte, wie ,Die geraubte Tonne' etc., man erräth 
sogleich das Unschickliche der Meinung, als ob der Hans 
Wurst in dem Reiche des Witzes und, der gesunden Ver- 



1) Mann ohne Vorurtheil. Ges. Sehr. VII, 314. 

2) Ibid., II. Jahrg., XI. Stück. Ges. Sehr. III, 313 ff. 

Q ö r n e r. Der Hans Wurst - Streit in Wien. 4 



50 

nunft Forderungen zu itiachen berechtigt wäre. . . . Die Aus-^ 
führung rechtfertigt die Aufschrift vollkommen. Der Styl 
ist niedrig, uur hie und da mit grossschallenden Wörtern 
aufgestützt: ein Bettlersack mit reichen Lappen versetzet. 

„Die Personen des Lustspiels sind: Apollo, Thalia, Mer- 
cur, die Kritik, endlich der Candidat um die zehnte Musen- 
stelle, Hans Wurst verjährten Andenkens, wie man künftig 
sagen wird. 

„Apollo eröffnet das Schauspiel mit Thalien, die ihm, 
wie auch billig ist, wehmüthig klagt, dass man ihr Reich 
zerstören und Munterkeit und Scherze verjagen will. Man 
habe aus Mangel eigener Talente zum Drama die schwär- 
zeste Verschwörung wider sie gemacht. Apollo, der diesen 
verstellten Schmerz unterstützen und auch den Parnass ein- 
mal mit einer Burleske ergötzen will, fragt die Muse, wer 
wol diese Vermessenen sind, die sich erkühnen, Thalien 
dieses Unrecht anzuthun? Wer anders, sagt ungefähr Thalia, 
als der Momus, dieser Neider aller Vorzüge, die er nicht 
besitzt, derweil es ihm selbst an Genie gebricht, sich in der 
theatralischen Dichtkunst zu unterscheiden, durch Hilfe der 
boshaften Spötterei, die er mit der Kritik erzeugt, meine 
fähigeren Söhne abschrecken will, sich Ruhm in diesem Felde 
zu erjagen. . . . Diese Bösewichter, wird sie schluchzen, und 
besonders ein kühner, unempfindlicher, furchtbarer Mann aus 
dem Gefolge der Kritik, der sich durch Grobheiten nicht 
irre machen lässt, diese haben es schon so weit gebracht, 
ihre Kabale verstärkt sich täglich, sie haben bei dem Namen 
des gesunden Menschenverstandes geschworen, über keinen, 
platten Einfall mehr zu lachen^ und wenn die Stadt auf das 
Sinnreichste mit einer Hose verglichen wird, auszuspeien. . . . 
Um das Lachen zu verbergen wird Thalia ein Schnupftuch 
vor das Gesicht nehmen, wie es unsere tragischen Damen 
zu machen pflegen, Apollo aber wird das Schnupftuch für 
^ein Zeichen des Schmerzes ansehen und Thalia trösten. 
Aber diese wird weinerlich herausstammeln: Sogar meine 



51 

Stütze, die Zierde meines Reiches, Hans Wursten, dessen 
Vortrefflichkeit ich Völkern, die ich meiner Gunst nicht 
gewürdigt, den unpolizierten Griechen und Römern, nicht 
geoffenbaret und nur meinen geliebteren Deutschen und unter 
diesen meinen Günstlingen, den Wienern, vorbehalten habe, 
auch ihn griffen sie mit Gewalt an. . . . Apollo lässt nun 
durch Mercur die Beklagten herführen, und diese berufen 
sich auf Gründe, die in einem gewissen Blatte enthalten 
waren. 

„Was Gründe, wird man schreien, man will in der 
Komödie lachen! — . . Was Unanständigkeit^ was Ausländer, 
man will in der Komödie lachen! Nun erscheint Hans Wurst, 
dem das Publicum durch Klatschen die letzte Ehre erwei- 
sen wird. 

„Er aber wird bescheiden von sich sprechen: Ich allein 
bin Thaliens Gunst werth, und in diesem* Hute, wobei er 
seinen Hut meisterhaft herumtrillern und manches" Zwerch- 
fell erschüttern wird — und in dieser Jacke ist Plautus und 
Molifere, und diese Pritsche ist schärfer als alles Salz, eine 
Zuflucht verwaister Autoren, Aufzüge zu enden und Knoten 
zu lösen. 

„Apollo wird sagen: ,Wie viel ist seine Sprache ein- 
dringlicher als eure Sprache^ und das Urtheil fällen: die 
Kunstrichter sollen verurtheilt sein, künftig nur von dem 
kleinen Haufen der Kenner geschätzt zu werden, aber 
ihnen zum Trotze werde er, Hans Wurst, von den Sterb- 
lichen auf den Parnass erhoben und durch ihn der Sitz der 
Künste durch eine zehnte Muse bereichert werden. Nun wird 
Hans Wurst als die zehnteMuse installirt und muss trotz seiner 
Weigerung den grünen .Hut mitnehmen, denn Thalia sagt: 
In diesem Hute haben Sie rechtschaffenen Leuten so viel 
Vergnügen gemacht. Ihre Carricaturmalerei würde ihre 
Stärke in vielen Tausend Gemälden verlieren. Die schein- 
bare Dummheit, mit der Sie das Lächerliche so glücklich 
aufdecken, würde das Vergnügen nicht mehr erwecken. 



52 

Lassen Sie mich Ihnen diesen Hut aufsetzen und verlachen 
Sie Ihre Feinde auf der Zinne des Parnasses." 

Bei einem Vergleiche des von Sonnenfels unterlegten 
Inhaltes mit dem wahren zeigt es sich wol zur Genüge, 
dass dieser von dem letzteren ziemlich gut unterrichtet 
war, da er mit Ausnahme des eingelegten Stegreifstückes 
die Posse, fast Scene für Scene parodiert. Unbedingt muss 
man zugestehen, dass diese Textunterlegung, wenn sie zur 
rechten Zeit erschienen wäre, ihren Z^pv^eck sicherlich nicht 
verfehlt hätte. Sie hätte immerhin einen Theil des Publi- 
cum s wankend gemacht, ja bei einem grossen Theile hätte 
sie sogar unbedingten Glauben gefunden, denn es gab sicher 
eine Anzahl Leute, Kaffeehausleser und kleinere literarische 
Dilettantenzirkel, die dem „Manne ohne VorurtheiP blind zu 
folgen gewohnt waren. ' 

Der Erfolg war, wie schon oben angedeutet, trotz des 
ungeheueren Zulaufes der Menge ein sehr geringer: man 
lachte viel, aber klatschte wenig Beifall. Die Frechheit, 
auf diese unverschämte Weise einen hohen Beamten, einen 
Professor der Universität dem öffentlichen Spotte preiszu- 
geben, mag doch Vielen zu stark gewesen sein, und die 
Klage Sonnenfels', dass die Ehre eines Bürgers der Posse 
machtlos anheimgegeben wird, nur zu deutlich bewiesen 
haben. Dem Galleriepublicum dagegen war, da dieses für 
literarische Streitigkeiten kein Interesse hatte, der eigent- 
liche Witz des Stuckes unverständlich und der Weg des 
Dialogs wurde vielleicht eben durch die darin liegende 
Absicht für diesen Theil der Zuschauer noch geschmälert. 
Das, was dieses sonst bejubelte, war hier nur verkürzt ge- 
boten, durch die Komödie in der Komödie. 

Jedenfalls verschwand die ganze Posse ausserordent- 
lich schnell wieder von der Schaubühne und bewirkte sogar 
das Gegentheil von dem, was sie beabsichtigt hatte. Die 
Partei des regelmässigen Schauspiels wuchs immer mehr an 
und bald bekam sie sogar Zuzug aus den höheren Kreisen. 



53 

Sonnenfels, dessen Eitelkeit schwer getroffen war, gab 
sich nicht so leicht zufrieden und übergab nach der Auf- 
führung dieselbe Nummer des „Mannes ohne Vorurtheil" mit 
einigen angefügten Zeilen nochmals der Censur. In diesem 
Anhange spricht er der „Truppe von Verfassern", das heisst 
wol Bestellern und Verfassern, seinen Dank aus, dass sie 
ihn vor der ganzen Stadt als einzigen Mann von Geschmack 
hingestellt hätten, und mit beissender Betonung fügt er 
hinzu, dass er nicht mehr zu richten habe, wo die Nation 
eine derartige Unverschämtheit vergeben konnte: „da sie 
(die Verfasser), nachdem sie selbst (in dem Stück) bekennen, 
Hans Wurst sei um diejenigen zu vergnügen, deren Nerven 
zu den feinen Empfindungen nicht gemacht sind, dem Apollo 
die Worte in den Mund legen: dass Prehauser vier und 
vierzig Jahre einen allerhöchsten Hof, einen höchsten Adel 
und erleuchtetes Publicum zu vergnügen die Ehre habe." 

Aber auch^ dieses Blatt durfte nicht ausgegeben werden, 
es passierte auch diesmal nicht die Censur und erst in den 
gesammelten Schriften (1783) kam es an die Oeffentlich- 
keit. Als Sonnenfels sah, wie die Partei des grünen Hutes 
sich mit demselben Tage selbst den Todesstoss gegeben, 
erfüllte es ihn sogar mit Stolz, der Märtyrer der guten 
Sache' zu sein, und er schrieb ausführliche Briefe darüber 
an seine auswärtigen Freunde, so an Weisse und Klotz,*) 
kam auch in seinen Schriften gerne darauf zurück und 
schloss dieses Quartal des „Mann ohne Vorurtheil" mit dem 
vollen Stolze eines unangetasteten Rufes. 2) Der Leserkreis 
seines Blattes hatte sich vergrössert, er selbst hatte nicht 
nur Freunde, er hatte auch Beschützer gefunden. Er weiss 
wol, dass nun die Krisis in dem ganzen Streite gekommen 
ist, und wieder wendet er sich nach oben: „Die Nation ist 
in allgemeiner Erwartung, ob erlauchte Beispiele berech- 



1} Brief vom 25 October 1768. Hagen, Briefe deutscher Gelehrten 
an Klotz 1773. Rollett a. a. O. 
2) Ges. Sehr. III, 397. 



54 

tigen y^erden, sich öffentlich für die gute Sache zu erklären, 
oder ob man nur im Finstern sich versammeln und über 
den verwaisten Geschmack ein Klagelied wird anstimmen 
müssen." Immer näher schloss sich Staatsrath von Gebier 
an Sonnenfels an und es gewann dieser dadurch einen 
starken Fürsprecher bei Hofe, während seine Streitigkeiten 
mit Cardinal Migazzi ihm in dem Staatsrathe van Swieten 
einen mächtigen Freund verschafften, der ihm auch im 
letzten Stadium des Hans Wurst - Kampfes treu zur Seite 
stand. Im „Manne ohne Vorurtheil" traten von nun an die 
social-politischen Fragen vollständig in den Vordergrund, 
aber gerade sie sind es, die Sonnenfels zu einer um so 
einflussreicheren Person machen, je mehr die Aufklärungs- 
periode an ihre Verwirklichung geht^ so dass er auch seinen 
dramaturgischen Doctrinen mit seinem Ansehen als poli- 
tische Persönlichkeit Nachdruck geben kann. Statt der 
einheimischen Freunde hatte er mächtige auswärtige ge- 
wonnen. ' Sein Verkehr mit Klotz und dem später nach 
Wien berufenen Riedel ') stand in vollster Blüthe, ein leb- 
hafter Brief- und Schriften Wechsel fand zwischen diesen 
/Männern statte und auch mit Nikolai, seiner „Allgemeinen 
deutschen Bibliothek" 2) steht er auf sehr gutem Fusse. 

Man ist bereits allgemein gewöhnt, in ihm den Führer 
der geistigen Bewegung Oesterreichs zu erblicken, ihm die 
ganze Ehre einer solchen zu vindicieren, während das Ge- 
kläffe seiner unbedeutenden Gegner ausserhalb des Weich- 
bildes der Residenz nicht mehr gehört wird, und nur in 
den vertraulichen Briefen an Klotz kommen noch die Namen 
Klemm und Heufeld vor. 



') Fr. Justus Riedel, geborfen 1742 in Visselbach bei Erfurt, starb 
zu Wien 1768 im Wahnsinn. • 

2) Die auf dieses Verhältniss bezüglichen Briefe und Kritiken hat 
Kopetzky vollständig a. a. O. gesammelt. 



55 



V. 

Unter solchen geänderten Umständen erschien am 
24. December 1767 das erste Stück der „Briefe über die 
Wienerische Schaubühne". Die Frage, ob Sonnenfels Les- 
sings Hamburgische Dramaturgie, deren erstes Stück am 
19. April desselben Jahres erschien, gekannt und daraus 
die Idee zu seinen Briefen geschöpft habe, dürfte schon 
aus dem Grunde zu bejahen sein, da der „Mann ohne Vor- 
urtheil" den Prospect der Hamburger Bühne früher, als er 
in Hamburg selbst ausgegeben war,^) brachte, woraus das 
grosse Interesse, das Sonnenfels an den Hamburger Vor- 
gängen nahm, genügend hervorgeht. Die „Hamburgische 
Dramaturgie" hatte am 27. October ihren ersten Band voll- 
endet, welcher also bereits vollständig in Sonnenfels Händen 
sein konnte. Uebrigens Hess ebenfalls 1767 Klemm seine 
„Wienerische Dramaturgie" ^) erscheinen, bei der schon der 
Titel auf die Nachahmung hinweist. Bei Sonnenfels aber 
kann nie von einer Nachahmung, sondern blos von einer 
Anreguhg gesprochen werden, denn beide Schriften haben 
nur das eine Gemeinsame, den Willen, die Schaubühne zu 
heben! Sonnenfels fühlte wol selbst das Bedürfnis, dem 
Theater, das er im „Mann ohne Vorurtheil" hinter die übrigen' 
Materien zurücktreten lassen musste, eine vollkommenere 
und ausführlichere Behandlung angedeihen zu lassen; aber 
wol wissend, welche Hindernisse sich seinem Namen ent- 
gegenstellen würden, nicht weniger mit dem Vorurtheile 
rechnend, das er selbst einmal ^) mismutig in die Worte 
gekleidet hatte: 



^) Die Eröffnung der Hamburger Bühne sollte zu Ostern 1767 
stattfinden, der „Mann ohne Vorurtheil" brachte den Prospect schon No- 
vember 1766. 

2) Eine keiner Beachtung werthe Zeitschrift, die blos 12 Stücke 
erlebte. , 

^) Motto zu einem Stücke seiner hauptsächlich für Frauen berech- 
neten Wochenschrift: Theresia und Eleonore, 1767. 



56 

„Sich ekeln Deutschen zu empfehlen, 

Mass sich der deutsche Witz in fremde Tracht verhehlen", 

führte er sich dem Wiener Publicum in der Maske eines 
Franzosen vor, der, sich eine Zeit lang in Wien auf halten(J, 
seine Beobachtungen über die Schaubühne einem Pariser 
Freunde mittheilt. 

Dass er seinen Zweck erreichte, erzählt er selber: 
„Als Franzose — so lange man ihn dafür hielt — vergab 
man ihm beinahe Unverschämtheiten und nannte sie aller- 
liebsten Muthwillen."') Erst 1768, als er daran gieng, die 
Briefe fortzusetzen, Hess er. die Maske fallen und trat selbst 
auf den Plan. 

Seine Briefe 2) sollten ähnlich wie Lessings Drama- 
turgie anschliessend an die gegebenen Stücke die ganze 
Materie durchsprechen, alle Umstände in das Auge fassen; 
und so trat er denn nicht sogleich mitten in die Behand- 
lung des Theaters als solches ein, sondern begann damit, 
die Hochgeborenen und ihre Abneigung gegen die deutschen 
Schriftsteller zu schildern, wieder seinem alten Grundge- 
danken gemäss, dass ja die Grossen, zum Mäcenatenthum 
geradezu verpflichtet seien. Er schliesst damit an den 
„Mann ohne Vorurtheil" an und bezeichnend genug ist er, 
nachdem er Glucks „Alceste", freilich nur mit dem Auge des 
musikalischen Laien ^) abgehandelt, sogleich wieder bei 
seinem Elemente, dem Possenspiele angelangt. Der Brief 
vom 22. Januar 1768^) ist vielleicht die bedeutendste der 
gegen den Hans Wurst gerichteten Schriften, die schärfste 
und energischeste Verurtheilung der Posse. „Wenn — be- 



*) Vorrede zu den Briefen. 

2) „Briefe über die Wiener Schaubühne von einem Franzosen." 
Ges. Sehr. V, 131 flF. VI. — Wiener Neudrucke, Nr. 7. 

3) Was ihm den Tadel der „Allgemeinen deutschen Bibliothek'' 
eintrug. 

4) Ges. Sehr. V, 189. 



>57 

ginnt er — ein Wienerischer Cotta ^) es wagt, ein Stück 
von musterhaftem Inhalte erscheinen zu lassen, so möchte 
er immer den grossen Haufen der Zuschauer vorhinein 
dazu bereiten und ihnen ankündigen : dass in diesem Stücke 
Hans Wurst nicht erscheinen, dass der Inhalt dieses Trauer- 
spieles rührend und die -Vor Stellung den Zuschauern Thränen 
entreissen würde, und dann — ja dann wird das Schauspiel- 
haus so wüst und leer sein, als es bei der zweiten Auf- 
führung von , Hermann und Thusnelda^ war." 

Die Schaubühne Wiens war unter d'Affligio unsagbar 
gesunken und fast stand man nicht weiter als zu Anfang 
des Theaterkrieges vor zehn Jahren. Die Titel der Stücke 
allein war^n eine Schmach für die Bühne; ein „Jackerl von 
St. Marx", „Die drei Hanswurste von Salzburg", „Die Macht 
der Fee Galanthine", „Die galante Pilgerin" zeigten ge- 
nügend, wie weit man es nach zehnjährigem Ringen ge- 
bracht hatte.2) Das blödeste Wortspiel, die schmutzigste 
Zote und ewige Zweideutigkeiten blühten wie' zur Zeit Ber- 
nardons und auch das Publicum war ernüchtert, gegen die 
deutsche Bühne vollkommen theilnamslos geworden. 

Als man AyrenhoflPs ^) „Hermann und Thusnelda" auf- 
führte, ein zwar ebenso wie die übrigen Stücke dieses 



^) Pietro Cotta Hess am Anfange des XVIII. Jahrhunderts bei Auf- 
führung des ^Aristodemus" des Dottori ankündigen, „dass das Stück sehr 
rührend sein werde und Arlequino nicht darin erscheinen werde". 

2) Sonnenfels selbst gibt dem Briefe einen Theaterzettel als Probe 
bei. „Heute Diensttags, den 29. Dezember wird auf dem kais. priv. 
Theater nächst den Kärntnerthore aufgeführet werden: eine wol intriguirte 
überaus lustige und sehenswürdige Hauptbourlesque, betittelt: die grösste 
Thorheit der Welt ist eine un gegründete Eifersucht zwischen vernünftigen 
Eheleuten, mit Hanswurst, einem lustigen Gastwirth, eifersüchtigen Ehe- 
mann, lächerlichen Prokurator des Hausfriedens, neumodischen Frauen- 
zimmer, kuriosen Hochzeitbitter und brutalen Trakteur.** Man vergleiche 
dazu den alten Pressburger Theaterzettel, um den geringen Fortschritt 
zu bemerken. 

3) Cornelius Hermann von Ayrenhoff (auch Airenhofer genannt), 
1733—1819, zuletzt Feldmarschalllieutenant, der grösste Wiener Gott- 



58 

Poeten höchst mitt^lmässiges, französierendes Product Gott- 
schedischen Styles, dem man aber trotzdem wegen seines 
patriotischen Stoffes einen grösseren Erfolg vorausgesagt 
hätte, war wol die erste Vorstellung sehr gut besucht, für 
eine zweite aber gab es fast kein Publicum mehr. Und 
doch hatte man dem Stücke 'grosse Opfer gebracht, hatte 
dem Dichter zur Anschaffung des Costumes für die zwei 
Hauptpersonen die Einnahme von vier Aufführungen über- 
lassen: die Direction hatte aber die Zuschauer vollkommen 
verdorben. 

Sonnenfels selbst, der dem Nationaldichter Ayrenhoff 
mit grossem Wohlwollen entgegentrat, hatte sich von dem 
reinen Gottschedianismus emancipirt; ihm war Gottsched 
zwei Jahre nach seinem Tode „eine abgethane Grösse, ein 
Mann längst verjährten Andenkens", wenn er auch seine 
Verdienste nicht derartig unterschätzte, als es bald zur 
Mode geworden, und meinte, „dass bei dem Baue eines Ge- 
bäudes Handlanger unentbehrlich sind, aber freilich Archi- 
tekten müssen sie nicht abgeben \vollen". Auch „Hermann 
und Thusnelda'^ ist ihm nur „ein Versuch eines National- 
genie, von dem er aber viel erwartet". Dass dieses Schau- 
spiel, mit dessen Inscenesetzung man sich so viel Mühe ge- 
nommen, dem Hof und Adel schon der Persönlichkeit des 
Verfassers wegen so freundlich entgegentrat, dennoch so 
wenig Zuspruch fand, das presste ihm den Ausruf aus: „Ich 
sehe nun, dass ein feindseliges Schicksal über der deutschen 
Schaubühne waltet und die Bezauberung noch immer fort- 
dauert. Aber vielleicht ist sie ihrem Ende nahe."^) Die 
.Theatral-Direction arbeitete überhaupt unglücklich, das ver- 



schedianer und bitüerste Feind der Shakespeare'schen Richtung. Sammtliche 
Werke, Wien— Leipzig 1789 und 1803, VI. Band. Von seinen Lustspielen 
machte „Der Postzug oder noble Passionen" den Weg über alle deutschen 
Bühnen und wurde von Friedrich dem Grossen für das beste deutsche 
Lustspiel erklärt. Vgl. Wurzbach, Biogr. Lex. K. Berndt, C. v. Ayren- 
hoff, eine biographische Skizze, Wien 1852. R. Zimmermann a. a. O. 
Ges. Sehr. V, 192. 



59 

nachlässigte regelmässige Schauspiel war wöl nicht stark 
besucht, aber die uralten, sich stets in ermüdender Lang- 
weile im selben Fahrwasser bewegenden Burlesquen, in 
denen d'Affligio sein Heil suchte, fiengen ebenfalls an, ihre 
Zugkraft zu verlieren. „Wenn nur — so lautet die alte Klage 
unseres Schriftstellers — der Adel den regelmässigen 
Stücken, auch wenn sie nicht die besten sind, seine Be- 
achtung schenkt, dann wird wol die Besserung nicht aus- 
bleiben". Dazu fehlte aber dem Adel Interesse und Aus- 
dauer, dass er aus patriotischen und ästhetischen Rücksichten 
diese Stücke zum Nachtheile der italienischen Bufifa, des 
französischen Schauspieles hätte vorziehen sollen. 

Die Wiener Farce war eine Tochter der italienischen. 
In Wien selbst bestand lange Zeit eine wälsche Oper und 
Burleske, der Wiener Hans Wurst war eine italienische 
Pflanze und dem Italiener Zani verdankte man die Ein- 
fiihrung des Extempore. 

Stranicky war in Italien in die Schule gegangen. 
Kurz hatte von da seinen Bernardone bezogen. Was Wunder, 
dass Sonnenfels der italienischen Komödie und dem wälschen 
Singspiele feindselig gegenüberstand, ja sogar im Unnluthe 
ungerecht gegen dieselbe wird? Die „allgemeine deutsche 
Bibliothek" bemerkt 1769 in einem Briefe über die Wiener 
Schaubühne : *) „Es ist überhaupt nicht abzusehen, warum 
der Verfasser mit der italienischen ernsthaften und komi- 
schen Oper sich so sehr beschäftigt. Will er' diese Schau- 
spiele verbessern? Hat er vergessen, wie schädlich sie für 
unser Theater und dass wir Alles verloren geben, wenn wir 
uns dafür interessieren?** Nicht weniger wird er dafür ge- 
tadelt, dass er Goldoni als schlechten Schriftsteller beschreibt, 
„da* doch unsere angehenden Schriftsteller so viel von ihm 
lernen könnten". Sonnenfels aber wusste was er wollte und 
eben darum wendet er den Italienern seine grösste Auf- 



») Allgemeine deutsche Bibliothek, X. Band, 2, Stück 28. 



60 

merksamkeit zu. Ihm war Alles Mittel zum Zweck, die 
italienische Opera buffa ist nicht minder Gegenstand seines 
Zornes als Goldoni und Chiari, und niemals ist er in Berlin 
mehr missverstanden worden. Auch er weist ja darauf hin, 
dass Goldoni's Lustspiele der nationalen JBühne Schaden 
bringen, ^) aber er weiss auch nur zu wohl, dass Hans Wurst 
und Harlequin Hand in Hand gehen: „Die Dichter dieser 
Stücke scheinen nicht nach Scherzen zu jagen, sie laufen 
nach Fratzen, nein ! auch der Ausdruck ist noch zu gelinde, 
sie laufen nach Narrheit und suchen ihre Lustigkeit in den 
Kämmerchen des Tollhauses auf, und oft an Orten, wo 
Schmutz und Doppelsinnigkeit Hauptsprache sein mögen ".^) 
Man vergleiche nur diese Stelle mit denen, die die deutsche 
Burleske betreflfen, um den gleichen Kampf und die gleiche 
Kampfart wieder zu finden. Auch hier war es ein vortreff- 
licher Schauspieler und Sänger, Zani, der die Fratze auf- 
recht hielt und stützte. Darum will Sonnenfels Goldoni 
nicht als Muster gelten lassen, denn damit hätte er zugleich 
die Burleske anerkannt. Er lääst ihm seine Verdienste 
als Schriftsteller seines Vaterlandes, führt aber trotzdem 
den Beifall der Wiener so viel als möglich auf die Lei- 
stungen der Darsteller zurück: „Gegen die allgemeine Voll- 
kommenheit der Schauspieler gehalten, werden wir unseren 
Deutschen kein würdigeres Muster empfehlen können".^) 

Im April 1768 kam eine wälsche Schauspielertruppe 
nach Wien, um da drei Monate lang Vorstellungen zu geben, 
Ihr wendet nun Sonnenfels seine Aufmerksamkeit zu, um 
aus Anlass der Goldoni' sehen Werke über die Posse noch- 
mals sein vernichtendes Urtheil auszusprechen, und da er 
natürlicherweise gerade jene Punkte zu seiner Besprechung 
herauswählt, die auch auf das deutsche Lustspiel Bezug 
haben, erblicken wir leicht Goldoni als Spiegel der Wiener 



1) Ges. Sehr. V, 276. 

2) Ibid. 

3) Ibid. VI, 245. 



61 

Posse. Da wie dort die langen Expositionen, die darin 
bestehen, dass sich die auftretende Person dem Publicum 
vorstellt, ihm Zweck, Absicht und nähere Umstände ihres 
Herkoramens ausführlich auseinandersetzt,^) da wie dort 
lange Vorlesungen über die verschiedensten Themata. Die 
Sprache des Pöbels wird un gescheut mit aller Derbheit auf 
die Bühne gebracht^ ja manchmal die Derbheiten un4 Zwei- 
deutigkeiten mit Absicht gesucht. Die Charaktei'e sind 
' beiderseits mit derselben Rohheit gearbeitet, die Figuren 
beiderseits typische geworden. Klemm-Heufeld's Lustspiele 
unterscheiden sich von ihren italienischen Mustern nur da- 
durch, dass sie weniger Talent verrathen. 

Dass alle diese Angriflfe .nicht ohne Erwiderung blie- 
ben, war natürlich, Worte wie: „die wälschen, welche sich 
die deutschen Schauspieler und Possenreisser unglücklicher- 
weise zum Muster gewählt, suchen das Salz ihrer Fratzen 
in Zweideutigkeiten und Wortspielen", 2) mussten die ita- 
lienischen Schauspieler aufbringen und Sonnenfels musste 
manchen Spott und manche Verhöhnung von der wälschen 
Bühne herab über sich ergehen lassen. Er gieng dessen 
ohngeachtet ruhig seinen Weg weiter und stellte den Ita- 
lienern die Franzosen als Muster im Komischen gegenüber. 
Jede Nation rauss seiner Ansicht nach gewisse Stufen im 
heiteren Schauspiel durchlaufen, „von. der Fratze zur Posse, 
von der Posse zum Niedrigkomischen, endlich zum höheren 
Komischen ".3) Das deutsche Theater steht seiner Ansicht 
nach erst auf der vorletzten Stufe, was jedenfalls ein wenig 
zu allgemein geurtheilt ist. Denn hatte er ganz Deutschland 
im Auge, so hatte er ja selbst Gelegenheit gehabt, „Minna 
von Barnhelm" zu besprechen, wollte er nur Wien in das 
Urtheil einbezogen haben, so durfte er höchsten Falles ein 



*) Vergleiche dazu Gen^e : Lehr- und Wanderjahr«» de» deutschen 
Schanspiels, Berlin 1882, 8. 349. 

2) Ge8. Sehr. II, 32. 

3) Ibid. VI, 28. 



62 

Uebergangstadium zwischen der Posse und dem Niedrig- 
komischen anführen. 

Wenn das gute Schauspiel auch wirklich mehr Ein- 
gang gewann; und die Briefe den Leistungen eines Schlegel, 
Cronegk, Lessing, Weisse und Geliert mit Stolz einen 
AyrenhoflF und den Verfasser der „Julie" zuzählen/) so, 
mussten sie dennoch bei der Aufführung des „Kaufmannes 
von London" ^) zugestehen : „Die Aufnahme dieses Stückes 
entschied gewi$sermassen von dem Geschmacke des Publi- 
cums in Wien, wenn diesfalls noch der geringste Zweifel 
war: es ist für die Fremde und die Fratze."^^ Für das 
Niedrigkomische nicht weniger als für das Höhere ist nun 
der Fi'anzose Muster. Dass freilich die Moral nicht immer 
bei ihm die beste ist, ist wol richtig, aber man hält ja 
jetzt die Schaubühne noch nicht für eine Sittenschule.^) 
Gewöhnlich ist es ein Betrug, der an Aeltern oder an einem 
Eifersüchtigen u. dgl. verübt wird, aber im Charakter des 
Betrogenen muss das Schmerzhafte gesucht werden, nicht 
im Betrüge selbst. Der belehrende Eindruck wird durch 
die mit dem Stücke verbundene Satire erzielt. Wie man 
sieht, liegt hier der Deduction der Gottschedische Gedanke 
zu Grunde, der ebenfalls die Komödie als „Nachahmung 
einer lasterhaften Handlung, die durch ihr lächerliches 
Wesen den Zuschauer belustigen, aber auch erbauen soll", 
erklärt wissen will-, „der Liebhaber des Lachens", meint 
Sonnenfels, „findet daher seine Rechnung und der Geist ist 
dabei nicht unbeschäftigt." 

Jede Verbesserung der Schaubühne müsste aber jeden- 
falls von der gänzlichen Abschaffung des Extempore aus- 
gehen; „das Stück, wozu nichts weiter als das plumpe 
Geripp an der Schiebwand aufgehangen wird", kanq das Ver- 



1) Ges. Sehr. VI, 7. 

2) Barnwelt oder der Kaufmann von ,London von Lillo. 
^) Ges. Schh V, 384. 

4) Ibid. VI, 35 flf. 



63 

langte nie erreichen, und die extemporierenden Schauspieler, 
„was können sie wol auf das Ungefähr hin Witziges auf- 
bringen? Wenn es glücklich kömmt, ein oder ein paar Ein- 
fälle; sollen die genug sein, um trockene Gespräche von 
drei Stunden erträglich zu machen?" ') 

Molieres Lustspiele, Diderots „Hausvater", dies sind 
Stücke, die zum Vorbilde genommen werden müssen, und 
die man auch zum Vorbilde anderswo genommen hat. Die 
wenn auch noch wenigen deutschen Lustspieldichter, die man 
bisher hat, sind ebenfalls ganz tüchtige Muster, und Lessings 
„Minna" erweckt Sonnenfels' Bewunderung. 2) Allerdings 
hat er auch hier Ausstellungen zu machen: Diß Nebenliebe 
Franziska -Werner schädigt den Hauptfaden, das Wesen 
Minnas erscheint manches 'Mal zu geziert und endlich ist 
Riccant, den man in Wien gestrichen, eine überflüssige' 
Figur J) „Eine Rolle, die nirgends eine Lücke zurücklässt, 
ist gewiss eine müssige Rolle." Lessings Dialog ist nicht 
Moliferisch, aber er ist dem Leben abgelauscht, er ist jeder 
Person angepasst, er ist eine Sprache voll Adel und doch voll 
Einfachheit, eine „von Lessing selbst geschaffene Sprache", 
endlich eine Sprache für das feinere Lustspiel. Auch hatte 
sich Lessing von dem Localton, an dem die österreichischen 
Stücke alle krankten und der dem Wiener Theater und seiner 
gedeihlichen Weiterentwicklung so hinderlich war, vollständig 
emancipiert: „Er hat die Sprache, die der Weltmann spricht, 
die Politesse, die die Kleinstadt niemals liefern kann."*) 
Für das höhere Lustspiel kann nun Sonnenfels in Lessing 
ein deutsches Muster bringen und braucht nicht mehr in das 
Ausland zu greifen: „Die deutschen Theatraldichter möchten 



») Ges. Sehr. VI, 38. 

2) Ibid., V, 303 u. f. 

3) Die Kritik Sonnenfels' druckt ziemlich vollständig Wilibald Müller 
a. a. O. ab, zur Wiener Minna-Aufführung, s. H. M. Richter, Geistesströ- 
mungen IX, S. 250. 

<) Ges. Sehr. V, 352. 



64 

immer lieber seine Minna, als unsere französischen Stücke 
studieren."*) Das Lustspiel will er streng vom Trauerspiele 
geschieden haben, die Mischung zwischen Komischem oder 
dem Grotesken und Tragischen, wie bei Shakespeare, die 
„die Empfindung des Trauerspiels mit dem Gelächter zu 
vereinigen strebt, 2) geht nicht an. Shakespeares 3) komische 
Gestalten sind seiner Ansicht nach schon ihrer Rede wegen 



^) Ges. Sehr. V, 369. Diese ist eine der vielen bewundernden 
Stellen Lessing gegenüber. Wo Sounenfels überhaupt auf Lessing zti 
sprechen kommt, geschieht es stets mit der grössten Hochachtung, und 
zwar niemals in dem Tone eines sich Lessing gleichstellenden, sondern 
immer sich ihm untergeordnet fühlenden Geistes. Die berühmte Stelle an 
Klotz, „dieser habe von Lessing den Ruhm eines guten Mannes voraus'', 
bleibt das einzige Wort, das in nicht ganz freundlicher Weise gedeutet 
werden kann, und da geschieht der Ausspnich ganz vertraulich von Freund 
zu Freund, und als tröstende Phrase. Immer erkennt Sonnenfels Lessings 
Genie an und warnt Klotz freundschaftlich vor einer Fehde mit den 
Berlinern. Warum man ganz apodiktisch eine Abneigung Sonnenfels' 
Lessing gegenüber behauptet, ist mindestens ebenso unklar, als warum 
Wurzbach (Biogr. Lex.) die Angelegenheit in Berufung Lessings und 
Riedels als den schwarzen Punkt in Sonnenfels Leben bezeichnet. Für 
Beides sind Beweise nicht herbeizuschaffen: Eva König ist nicht ganz 
unvoreingenommen und Lessings Aeusserungen tragen das Kennzeichen 
der Erbitterung an der Stirn, zu einer Zeit, wo diese aus jedem Feder- 
zug spricht. Auch in Bezug Riedel's ist zu bemerken, dass Sonnenfels' Ein- 
fluss oft sehr enge Grenzen hatte und zu Zeiten nichts weniger als all- 
mächtig war. Man sehe seine Selbstvertheidigung in der Vorrede zu: Die 
erste Vorlesung, 1782. An Herrn Josef von Retzer, Ges. Sehr. III. Ver- 
gleiche zu diesem Streite: Wilibald MüUer, H. M. Richter, Jaro Pawel 
a. d. a. O. 

2) Ges. Sehr. VI, 32. 

3) Sonnenfels Stellung Shakespeare gegenüber ist die eines Bewun- 
derers, der aber wol einsieht, dass das, was ein Genie sich erlauben darf, 
nicht von Jexlermann nachgeahmt werden dürfte. Er ist stark von dem 
französischen Standpunkt der Gottschedianer entfernt und nähert sicli leise 
der neuen Richtung, wie er überhaupt in allen dramatischen Fragen eine 
vermittelnde Stellung, die wol das Alte nicht ganz aufgeben kann, sich 
aber eben so wenig jeglicher Neuerung starr entgegensetzt, einnimmt, 
„Shakespeare ist ein abenteuerliches Genie, welches sehr oft in einem und 
demselben Stücke die zwei äussersten Enden der Emptindungen ohne 
Mittelband streift. Seine lustigen Personen sind Spötter (risores) un4 
beissend (dicaces), sie könnten es mehr nicht sein: seine Helden sind oft 



65 

nicht nachzualimeu, denn ein Held, der immer nur in Gold 
und Purpur zu erscheinen hatte und der nun „mit pöbel- 
haften Reden der Schenke zuwandert", steht in directem 
Gegensatz zu den Bestrebungen Sonnenfels', die Sprache auf 
der Bühne zu verfeinern. Wol aber ist das Rührende mit 
dem Heiteren zu vereinigen, und im Gegensatz zu Voltaire 
tritt er, vollständig im Einklänge mit der Ansicht Lessings, 
dem Posse und weinerliches Lustspiel für die beiden Enden 
der Komödie gelten,^) dafür ein. Hier ist auch der Punkt, 
wo er das erste und einzige Mal gegen die starre Aristo- 
telesanbetung ausdrücklich sich auflehnt: „Wie, weil ein 
Grieche keine Abtheilung für das rührende Lustspiel ge- 
macht, so ist es ein paar Tausend Jahre darauf dem Fran- 
zosen, Engländer oder Deutschen nicht .erlaubt, bei dem 
Unglücke seiner Mitbürger zu empfinden ?''2^ 

Wie Sonnenfels auf diese Weise den aufstrebenden 
Talenten durch die Entwicklung der Theorie an die Hand 
gieng, wie er in seineü Ansichten über das ganze Gebiet des 
Dramas hinstreifte, immer ist es vorzüglich das Lustspiel, 
das er im Auge hat. Wenn dieses auch in ganz Deutschland 
nojßh in den Kinderschuhen steckt, so ist es speciell für 
Wien das zunächst zu Erreichende, das an die Stelle der Posse 
gesetzt werden müsste, ab die Stelle der Posse^ die nach 
der oben erwähnten Eintheilung als nothwendiges Uebel vor- 



Lustigmaeher, seine Gestalten durchwegs solche, die bei allen Flammen 
des Tragischen gewiss mehr bewundert als nachgeahmt zu werden ver- 
dienen." (VI, 32.) Welcher Unterschied tritt da in Bezug auf den starr 
französierenden Ayrenhoff entgegen, dem Shakespeare der erbärmlichste 
Charakterzeichner, dem Othello ein Geck, Heinrich V. ein Stallknecht, 
Kleopatra eine Metze von der Wachtstube ist, der Goethe und Lenz als 
gedankenlose Nachahmer des Shakespeare'schen Unrathes bezeichnet, und 
in der Vorrede seiner Gesammelten Schriften 1789 erklärt, „er könne es 
über sich nicht gewinnen, Aristoteles für einen dummen Kopf zu halten, 
bei allem Pandurengeschrei .des Shakespeare'schen- Freieorps". 

1) 1754, Theatr. Bibl., 1. Stück. 

2) Ges. Sehr. VI, 44. 

V. üörner. Der Hans Wurst - Stnit in Wien. -5 



66 

angehen muss, aberjhm im Augenblick seiner Entstehung 
das Feld zu räumen hat. 

Jeder, der auf der Bahn der Versittlichung der Schau- 
bühne mitarbeitete; war ihm willkommen und da kennt er 
keine persönliche Abneigung mehr. Heufeld, der ihn mit 
seiner „Kritik über den Greburtstag" so schwer beleidigt, 
bespricht er mit dem grössten Wohlwollen. Er vertheidigt 
sich allerdings gegen Lessings Ansicht, die dieser in der 
„Hamburger Dramaturgie" ausgesprochen: „Nach der ,Julie^ 
zu urtheilen, müssen die beiden Stücke, ^) auf deren gute Auf- 
nahme sich der Verfasser bezog, nicht schlecht sein", indem 
er durch Proben zu beweisen sucht, „Julie" und die beiden 
anderen Stücke seien von verschiedener Gattung.^) Julie 
sei aus . der Sphäre des höheren Komischen, die beiden an- 
deren aus der des niedrigen. Er lässt Heufelds Talent unbe- 
stritten, nur müsste es ausgebildeter sein: „Wenn das 
Ekelhafte, welches nie in der Nachahmung gefallig werden 
kann, vermieden wird; wenn man das Herz hat, der Kritik 
einen Gedanken aufzuopfern, ob man gleich weiss, dass er 
Gelächter erregen wird,^) dann erst kann man höheren An- 
forderungen entsprechen." Ja sogar der allgemein als Partisan 
des Hans Wurst verschrieene Hafner kommt bei Sonnenfels 
durch sein posthumes Lustspiel „Der Furchtsame" noch zu 
Ehren.^) „Wenn Hafner mit dem Stücke, mit dem er ab- 
gieng, auf die Schaubühne getreten wäre, so würde Oester- 
reich einen Plautus an ihm haben erwarten dürfen," urtheilt 
er, als er in die Kritik des Stückes näher eingeht, und 
eine Scene des zweiten Aufzuges erklärt er als vortrefif- 
liches Gegenstück zu einer anderen in Moliferes „Eingebildeten 
Kranken". 



^) Haushaltung nach der Mode — Liebhaber nach der Mode. 

2) Ges. Sehr. VI, 400. 

3) Ibid., 408. 

*) Ibid., 244 ff. 



67 

Nur KJemm findet noch immer kein« Grnade vor seinen 
Augen. Wenn Sonnenfels auch erklärt^ über itn seines per- 
sönlichen Verhältnisses wegen kein Urtheil abgeben zu können, 
so verdammj; er ihn durch die blosse Wiedergabe der Stellen 
aus seinen verschiedensten Vorreden zu den „Beiträgen" 
auf das Entschiedenste, ohne auf das Einzelne einzugehen. 

Vielleicht mag ein Grund zu der noch weiter ausge- 
sprochen feindlichen Haltung Sonnenfels' zu Klemm, abge- 
sehen von allen Beweggründen der' gerechten Kritik, ein 
Streit sein, in den sich Sonnenfels mit der Theaterdirection 
plötzlich verwickelt sah. Ausser den kritischen und drama- 
turgischen Bemerkungen, die er in seinen Briefen gebracht 
hatte, hatte er auch die Direction selbst angegriffen und ihr 
Vorschläge zur Besserung der Zustände gemacht,*) da die 
Schaubühne — wenigstens die deutsche — ^ durch die Wirth- 
schaft Affligio's gänzlich an den Rand des Verderbens gelangt 
war. Die französische Truppe kostete einen ungeheuren Auf- 
wand an Geldmitteln, von Seite der deutschen geschah nichts, 
um sich selbst lebensfähig zu erhalten. Da wagte Sonnenfels 
das Wort: „Man möge die deutsche Bühne vollkommen auf 
regelmässigen Fuss setzen." Er sah wol die Schwierigkeiten 
ein, die sich im Anfange einem solchen Unternehmen ent- 
gegensetzen würden, daher ertheilte er dem Unternehmer 
Rath schlage, wie diese zu besiegen wären. Er verlangte, 
dass eine ganze Menge mittelmässiger Schauspieler entlassen 
und dafür zwei oder drei gute oder wenigstens erträgliche 
aufgenommen werden sollten, aber nicht Leute, die Nichts als 
unbezähmbaren Eigensinn besitzen, sondern die von der Wich- 
tigkeit des Zusammenspiels derartig durchdrungen sind, dass 
sie erkennen^ dass jede, auch die kleinste Rolle für das Stück 
von Bedeutung ist. 

Die Ausstattung müsste dem ganzen Ernste einer sol- 
chen Bühne würdig sein, die Hauptsache natürlich wäre die 



1) Brief vom 14. Juli 1768. Ges. Sehr. VI, 141 ff. 



68. 

Wahl der Stücke.*) Bisher waren die Fratzen das Einzige, 
auf das man Geld und Mühe verwendet; was Wunder, dass 
die regelmässigen Stücke durch ihre Aermlichkeit unvor- 
theilhaft davon abstachen. Die Schauspieler, wenigstens die- 
jenigen, die nur an das Extempore gewöhnt waren, schrecken 
vor dem wörtlichen Auswendiglernen grosser Rollen zurück, 
obgleich sie es sehr wohl im Stande sind, selbst Prehauser, 
j^der so sehr die Schuld auf sein • Gedächtnis wirft^ diesem 
Manne, dessen Jahre eine solche Entschuldigung wirklich 
annehmbar machen, war es in Stücken, die er seines Schutzes 
würdigte, nicht zu beschwerlich, viele Bogen wörtlich mit der 
gewissenhaftesten Genauigkeit auswendig zu behalten". Man 
hatte die regelmässigen Stücke stets an den schlechtesten 
Theatertagen gegeben, die Feiertage z. B. blieben der Posse 
und dem Singspiel reserviert, und dann wurde statt auf 
diesen Umstand immer auf die Stimmung des Publicums 
gegen diese Schauspiele hingewiesen. Trotz alledem trug 
„Minna" oder ,,Semiramis" nach zwanzig Vorstellungen noch 
dreimal mehr als eine neue Burlesque. Der Geschmack des 
Publicums hatte sich thatsächlich gebessert, wäre mau ihm 
nur mit etwas Gediegenem entgegengekommen. Man müsste 
— ist weiter Sonnenfels' Meinung — die Talente ermuntern, 
es würden sich schon welche finden, und hier macht er die 
eigenthümliche Bemerkung: „Ich verwerfe sogar ,Die Haus- 
haltung nach der Mode' und den ,Liebhaber', ,Den Ge- 
burtstag', den , Furchtsamen' nicht, nur dass ich sie in eine 
eigene Classe verweise", eine Bemerkung, die dem strengen 
Kunstrichter wol in der Hitze des Gefechts entschlüpft ist 
und nichts Anderes sagen will, als dass man im Anfange viel- 
leichtnochhie und da auf diese Stücke zurückgreifen dürfte, falls 
sich nicht schnell genug die erwünschten beschafi^en Hessen. 
Dieser wohlmeinende Rath brachte die Theaterdirection 
in eine unbeschreibliche. Wuth, die vollkommen unbegreif- 

1) Ges. Sehr. VI, 155. 



lieh wäre, wenn Sonnenfels nichts weiter gethan hätte, als 
einen Rath zu ertheilen. So aber machte er den Leiter der 
Bühne direct flir den Niedergang derselben verantwortlich 
und stellte ihn ausserdem durch seine Warnungen vor seinen 
Freunden, den Anhängern der Posse, als schlecht berathen 
dar, ja sogar als einen Mann hin, der selbst keine Idee von 
dem habe, was ihm und der Bühne zum Vortheil gereicht. 

Am 27. Juli 1868 (die „Erinnerungen" Sonnenfels' waren 
zwischen dem 22. und 30. Juli erschienen) brachte das 
„Wiener Diarium" das erste „Schreiben an den Verfasser der 
Briefe über die^ Wiener Schaubühne",') dem am 3. August 
ein zweites 2) folgte. Beide Schreiben sind offenbar von der 
Direction insceniert und „M. v. J." gezeichnet. Wer der 
Schreiber sei, ist mir festzustellen nicht gelungen, vielleicht 
soll die Chiffre irgend ein Gegenstück zum „M. o. V." (der 
gewöhnlichen Abkürzung von „Mann ohne Vorurtheil") sein. 
Es wäre die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen, hinter 
dem Schreiber den damaligen grössten Gegner Sonnenfels', 
Klemm, zu suchen. Derselbe stand ja dem Bühnenpächter 
ziemlich nahe, und hatte man ihn den „auf den Parnass 
versetzten grünen Hut" schreiben lassen können, um wie viel 
leichter wäre er zu einem derartigen immerhin ehrlicheren 
Kampfe zu gewinnen gewesen. Der Verfasser des Briefes 
nennt sich ein Freund d'Affligos, er ist auch jedenfalls der 
im Schreiben selbst genannte Freund, auf dessen liebens- 
würdiges Anrathen man dem Kritiker einfach den freien 
Eintritt entzog. Nach dem Schreiben der Huberin, das auf 
dieses folgte, könnte man allerdings den Freund auch unter 
den ehemaligen Kriegskameraden des Oberstlieutenants Af- 
fligio suclien. 

Die ganzen Schreiben sind vollendete Schmähschriften 
und beginnt das erste: „Mein Hep'! So lange Sie Ihre kri- 
tische Anwandlung nur dahin weist, bald die aufgeführten 

1) Wiener Diarium 1768, zu Nr. 60. 

2) Ib. zu Nr. 62. 



70 

Stücke mit entscheidendem Spruche zu beurtheilen und Fehler 
aufzuspüren, wo manchmal die Scharfsichtigkeit mit einem 
Vergrösserungsglase keine zu erblicken vermöchte, bald mit 
einer schriftstellerischen Wuth Männer zu zerfleischen, auf 
deren theatralische Werke gewisse Nationen mit Recht stolz 
sind, und die Sie selbst, wenn es einmal Ihnen einkömmt, 
Ihre Vaterstadt mit einem schon längst vergeblich erwarteten 
Theatralstücke Ihres Gemaches zu beglücken,') sich zum 
Muster vorsetzen dürften, bald aber über die Schauspieler 
der deutschen und wälschen Bühne rasend herzufallen und 
selbe in ihren Vergleichungen hässlichen Bestien und W.un- 
derthieren, die man in Marktbuden zeigt, an die Seite zu 
setzen, so konnten alle diese Vorwürfe Ihrer Blätter dem 
Unternehmer der Schauspiele so ziemlich gleichgiltig bleiben." 
Dass Sonnenfels den Letzteren kurzsichtig und dessen 
Freunde ohne Einsicht genannt, wird mit der giftigen Be- 
merkung zu vergelten gesucht: „Man will behaupten, Sie 
haben den Unternehmer anfangs Ihres Rathes selbst ge- 
würdigt. Er hatte sich aber so schlecht dabei befunden, 
dass er Ihren Eingebungen und dem in das Publicum ein- 
gestreuten Einflüsse, den Sie in der Einrichtung der deutschen 
Schaubühne hatten, noch immer die traurige Einsamkeit, 
die in dem deutschen Schauspielhause so oft herrscht, grössten- 
theils zu verdanken habe." 

Dieser Einfluss kann wol nie auf Affligio, sonderji auf 
Hilverding ausgeübt worden sein, der ja, wie oben berichtet, 
wirklich zu Anfang Anstrengungen machte, dass das Theater 
auf eine anständige Höhe gebracht werde. Wenn weiter 
unten von directen Verbindlichkeiten Sonnenfels' g®?®'^ ^^^ 
Unternehmer gesprochen wird, so wird sich dies schwerlich 
auf etwas Anderes als den freien Eintritt beziehen. Nach 
dieser höflichen Einleitung beginnt der Schreiber die ein- 
zelnen Forderungen Aer Briefe zu beleuchten. Die guten 

1) Vergleiche dazu die obige bereits gebrachte Notiz des „Patrioten**, 
S. 34 dieser Abhandlung. 



71 

Schauspieler seien einfach nicht zu haben; die Direction habe 
schon lange gesucht, und wenn Jemand Rathschläge er- 
theilen wolle, müsse er auch sagen, wie sie erfüllbar sind.» 
Prehauser, der ein siebzigjähriger Greis sei, zuzumuthen, 
dass er noch Rollen lerne, ist ein Unsinn. In Bezug auf 
Ausstattung wird kein Aufwand gescheut, und Niemand könne 
behaupten, dass jemals so viele gute neue Stücke gegeben 
worden seien. Die Ursache, dass Alles das Publicum nicht 
anzuziehen vermag, ist einfach die, dass die deutschen Schau- 
spieler den französischen an Tüchtigkeit nicht gleichkommen. 
Zuletzt wird noch die Freikartenentziehung angekündigt, 
und der Schreiber schliesst mit den bezeichnenden Worten, 
er werde sich in seiner Sache nicht beirren lassen, mögen 
„Sie mich auch wie unseren geschätzten Heufeld zu den 
Hafner'schen Genies herabstossen". 

Sonnenfels antwortete auf diesen Angriff ebensowenig 
als auf alle früheren und berichtete später ruhig an Klotz ;^) 
„Ueber einen recht wolgemeinten und höflichen Vorschlag 
wusste man den Impresarius aufzuwiegeln und wurden auf 
seine Veranlassung zwei Briefe voll Anzüglichkeiten der 
Zeitung, die bei uns die Bildsäule des Pasquinus ist, bei- 
gelegt. Man glaubte, ich würde antworten ; ich that es nicht 
und schrieb in dem Tone weiter, worin ich ohnehin ge- 
sprochen." 

Der anonyme „M. v. J." hatte mit seiner unvorsichtigen 
Verurtheilung der deutschen Schauspieler dieselben nicht wenig 
aufgebracht, und in ihrem Namen unternahm es die Huberin, 
die von Sonnenfels so hoch geschätzte Darstellerin der tragi- 
schen Rollen, die schon als Demoiselle Lorenz energisch für 
das regelmässige Stück eingetreten war, sich und ihre CoUegen 
zu vertheidigen,2) da der ihrer Meinung nach dazu vor Allen 
berufene Weisskern krank darniederlag. Sie verwahrt sich 
energisch dagegen, dass sich der Schreiber des Pasquills 

1) Brief vom 25. October 1768; s. Hagen S. 3. 

2) Wiener Diarium 1768, zu Nr. 62. 



72 

einen Freund der Schaubühne und der Schauspieler nenne, 
er, der sich dem Unternehmer geradezu aufgedrängt habe, 
um nun die deutschen Schauspieler ohne Unterschied zu 
beschimpfen, und im Einverständnisse Aller scheint sie zu 
sprechen, wenn sie sagt: „Es wird noch so weit kommen, 
dass wir, anstatt der Mühe, die wir uns bisher gaben, das^ 
Publicum zu vergnügen, es uns künftig zur Schande rechnen 
werden, auf einer Schaubühne aufzutreten, über welche Ihre 
Denkungsart und Ansicht entscheidendes Unheil zu sprechen 
hat. Ich wünschte dem Unternehmer die Befreiung von 
Rathgebern, die Ihnen ähnlich sind." Dieses Schreiben 
einer Schauspielerin an Herrn „M. v. J." blieb von diesem 
unbeachtet, er antwortet wiederum nur Sonnenfels, der in- 
dessen ruhig seine „Erinnerungen" fortgesetzt hatte.*) Noch- 
mals wird feierlich erklärt, dass für die Ausstattung genug 
gethan werde; das habe „Hermann und Thusnelde" gezeigt; 
wenn aber oft die Dichter dräng^i und nicht Zeit lassen, 
für das Nöthige zu sorgen, sei die Direction nicht verant- 
wortlich zu machen. Die Repertoireintheilung habe ja doch 
Sonnenfels selbst gemacht, seit man aber davon abgewichen 
sei, habe sich der Besuch gebessert. ' 

Die heikle Stelle, den „Geburtstag" etc. betreffend, giebt 
natürlich zum herbsten Spotte Gelegenheit: „Sie sind ein 
wahrer Proteus. Die Pflichten der Freundschaft waren so- 
gar unkräftig, dieses Stück gleichsam auf einer Schandsäule 
für eine Sammlung abgeschmackter, mancher auch leider 
unanständiger Gespräche zu erklären. Sogar ein Hafner 
findet Gnade vor Ihnen. In der That, die Veränderung ist 
eine günstige Vorbedeutung für die mit Ihrem schriftstelleri- 
schem Fluche so oft bestrafte rothe Jacke. Selbst der grüne 
Hut wird es wohl bald wagen dürfen, wieder vom Parnass 
herabzusteigen, wohin er sich zur Entweichung Ihrer un- 
erbittlichen Verfolgungen zu retten gezwungen sah." 



^) Wiener Diarium 1768, zu Nr. 62. 



73 

Den 25. Februar 1769 schloss Sonnenfels die Briefe 
über die Wiener Schaubühne mit einem Schreiben an 
Klotz.') Er recapiti^Iiert nochmals seine Bestrebungen, alle 
die Anfeindungen, die er seines erbitterten Streites gegen 
die Zote halber zu erleiden hatte, und berührt kurz einen Aus- 
fall der Italiener wegen seines harten Urtheiles über Gol- 
doni. Durch das ganze Schreiben aber geht ein versöhn- 
licher Zug, selbst die „Briefe über die österreichische Lite- 
ratur", die so viele Schmähungen gegen ihn enthielten, 
sogar diese bespricht er ruhig und wünscht den Verfassern 
(Klemm und Heufeld) aufrichtig Glück, wobei er hinzu- 
setzt: „selbst der freimüthige Ton, den sich die Verfasser 
gegen mich erlaubten, war in meinen Augen ein Verdienst**. 
Nur defensiv antwortet er auf einige der gangbarsten Ein- 
würfe, so auf den, dass er, der niemals ein Theaterstück 
geschrieben, nicht über die Bühne urtheilen könnte.^) 

Klemm's „Wienerische Dramaturgie", die kaum ein 
Quartal erlebte, war ohne jede Bedeutung. Schmid bemerkt 
zum Jahre 1767 in seiner Chronologie, 3) dass darin eine 
Abbitte und ein Widerruf bezüglich des „grünen Hutes" ent- 
halten sei, von welcher Abbitte aber nichts darin zu finden 
ist.^) Es wäre dies auch der Zeit nach unwahrscheinlich, 
da sich Klemm in seinen späteren Briefen über die öster- 
reichische Literatur noch immer auf demselben Wege be- 

') Ges. Sehr. VI, 410. 

2) Franz Kopetzky sagt a. a. O., S. 171: „In den Briefen über die 
Wiener Schaubühne legt Sonnenfels das Geständniss ab, dass er selbst ein 
Theaterstück schrieb." Dies soll denn „Xerxes der Friedsame", Wien 
1764, sein, das zur Krönung Josephs II. aufgeführt und dann von der 
„Allgemeinen deutschen Bibliothek" ziemlich schlecht beurtheilt wurde. 
Zu - diesem Stücke aber ist nur der Plan von Sonnenfels, das Stück selbst 
von zwei Autoren. Von einem Geständnisse Sonnenfels' in den Briefen 
aber ist mir nichts erinnerlich. In den „Gesammelten Schriften" ist nur 
ein Schäferspiel: „Das Opfer** (IX. Bd.) enthalten, ein Gelegenheitsstück 
für den kaiserlichen Familienzirkel. 

3) Chronologie des deutschen Theaters 1775,, S. 266. 
*) Auch Wilibald Müller ist davon nichts bekannt. 



74 

findet und auch Sonnenfels durch die Briefe an den Hallenser 
Freund jenem gegenüber eine keineswegs freundliche Ge- 
sinnung zeigt, da er alle von Klemm gepriesenen Schau- 
spieler in ziemlich ungünstiges Licht zu stellen sich be- 
müht.*) Schmid erwähnt aber noch eine zweite „Drama- 
turgie" Klemms, die 1769 in vier Quartalen erschien, die 
mir aber unzugänglich blieb. Es ist möglich, dass sich 
Schmid mit dieser irrt und sich auf diesen Widerruf die 
Worte Sonnenfels' in seinem letzten Briefe an KJotz^) be- 
ziehen : „Hat doch Klemm neulich in einem Blatte von mir 
geschrieben, dass ich zu edel dächte, Streitigkeiten, die 
verjährt sind, zu gedenken. Der Verfasser des ,grünen 
Hutes^ nennt mich edel!" 



VI. 

Es ist nicht zu verkennen, dass Sonnenfels' Einfluss 
zu der Zeit bereits ein derartig grosser war, dass sich weder 
Heufeld und Klemm, noch überhaupt ein Mann, der in Wien 
literarisch eine Rolle spielen wollte, demselben entziehen 
konnten und auf ihre zu Anfang ihrer Thätigkeit einge- 
schlagene Laufbahn zurückkehren mussten. Sonnenfels 
triumphiert unbestritten über seine Gegner, er konnte es 
bereits wagen, an die Realisierung seines ersten Grundsatzes 
zu gehen, dass Staat und Regierung selbst Einäuss auf die 
Schaubühne nehmen müssten, und konnte dies, da er, nach- 
dem er auch seine politischen Feinde besiegt hatte, auch 
nach oben sich eine feste und gesicherte Stellung errungen 
hatte, wenn auch Kaiserin Maria Theresia eine Eingabe, die 
gegen einen Sonnenfels' sehen Aufsatz über die Schauspieler 
gerichtet war, einfach mit den Worten abgefertigt haben soll : 
„Die Komödianten sind eine Bagage und bleiben eine Ba- 



1) Brief vom 3. September 1769. 

2) Brief vom 9. März 1770. , 



75 

gage, und Herr von Sonnenfels könnte auch etwas Besseres 
thun, als Kritiken schreiben."*) 

Aus den beiden Diariumbriefen geht hervor, dass 
Sonnenfels dem Theaterunternehmer Hilverding an die Hand 
gegangen war, 2) doch wird sein Einfluss kein allzugrosser 
gewesen sein. Trotz der darauf folgenden schlechten I^ei- 
tung hatte das regelmässige Schauspiel langsam, aber stetig 
an Bo<Jen gewonnen, ' und das Verzeichnis der. 1768 
gegebenen Stücke wies bereits die Hälfte „studierte^ 
auf. Auf dem von Sonnen fei s gearbeiteten Programme 
waren noch viel n^ehr angesetzt.^) Dass dasselbe nicht in 
Gänze durchgeführt wurde, ist Schuld des schlechten Ver- 
hältnisses, das zwischen Sonnenfels und Hilverding bald 
eingetreten zu sein scheint, und des Uebergangs der Bühnen- 
leitung an Affligio. Dass sogar der Reformator selbst ge- 
zwungen war, die Theaterabende mit dem Hans Wurst zu 
theilen, das war, wie er selbst an anderer Stelle bemerkt, 
„ein Opfer der Anhänglichkeit für Herrn Prehauser, der 
seiner grossen burlesken Talente wegen diese Anhänglich- 
keit einigermassen rechtfertigte". Anfangs 1769 folgte dem 
ein Jahr früher verstorbenen Weisskern der zweite alte 
Vertheidiger der Posse nach, der „grosse Pan" starb, und 
mit ihm starb auch der letzte Hans Wurst, das letzte Boll- 
werk der Fratze, der Mann, dessen Autorität selbst für 
einen Sonnenfels unübersteiglich war. Prehauser^) war ein 
Wiener Kind und betrat 1716, 17 Jahre alt, das erste Mal 
die Bühne. Auch er machte seine Schule bei einer italie- 
nischen Truppe durch, durchreiste dann Böhmen und Mähren 
und endlich Salzburg, wo er seinen Hans Wurst ausbildete, 
in welcher Rolle er 1720 zuerst auftrat, um fünf Jahre später 

*) Wurzbach, Biogr. Lex. 

2) Wilibald Müller bezieht dies Alles auf Affligio, was kaum anzu- 
nehmen ist. 

3) Briefe über die Wiener Schaubühne. Ges., Sehr. VI, 434. 

*) ^iehe Wurzbach, bei dem aber noch lange nicht alles Materiale 
verarbeitet ist. 



76 

von Stranicky nach Wien versehrieben zu werden. Pre- 
hauser war ein genialer Schauspieler und verfügte ausser 
über einen gemüthlichen Humor auch über einen beissenden 
satirischen Witz^ für den er nicht selten durch Geld und 
Arreststrafen hatte büssen müssen. Seine Stücke sind 
volksthümlich und nicht ohne Geist, und dne Vergleichung 
mit den ersten Stücken der Vorkämpfer für die regelmässige 
Schaubühne zeigt uns, dass mancher von ihnen ein keines- 
wegs höher stehender „Dichter" war als der so schwer 
bekämpfte Hans Wurst.') Sonnenfels achtete in ihm stets 
den tüchtigen Schauspieler: „Für die Väter im niedrigen 
Fache, wo in der Welt würde man eine schicklichere Person 
für sie finden als Prehauser? Dieser Schauspieler verkennt 
sich selbst, er thut seiner Fähigkeit das grösste Unrecht 
»an, wenn er den Beifall, den er für sich ganz zu fordern 
berechtigt ist, mit seiner Jacke theilt".^) Aehnlich urtheilte 
Sonnenfels über Weisskern, den er ebenfalls als einen vor- 
trefflichen Schauspieler rühmt, „wenn die Fratze und das 
Extemporieren nicht zugleich an ihm einen ihrer Grund- 
pfeiler gehabt hätten". 3) Beide mussten sich übrigens später- 
hin dennoch dazu bequemen, auch in gelernten Rollen mit- 
zuspielen, und als 1786/87 Joseph II. die Porträtgallerie des 
Burgtheaters anlegen liess, fanden sie mit Recht unter den 
Ersten ihren Platz darin. 

Ausser dem Tode der beiden Stützen der Burleske 
waren es die schlechten Geldverhältnisse d'Affligios, die 
die langersehnte Besserung des Theaters herbeiführten. 
Freiherr von Bender, ein reicher Banquier, übernahm gegen 
ein Darlehen von 50.000 fl. die Leitung der deutschen 
Bühne, setzte Heufeld zum Director ein, und nachdem man 



1) Bekannt ist das von Laube aus Anlass seines historischen Lust- 
spielabends aufgeführte: „Hans Wurst, der traurige Kuchelbäcker oder 
der Freund in der Noth.-* Zum ersten Male 1729 aufgeführt. (Wien 1876.) 

2) Ges. Sehr. VI, 146. 

3) Ibid. V, 389. 



77 

am 26. Januar 1769 den Vertrag abgeschlossen hatte, ^) 
erliess die neue Unternehmung den vom 25. Januar da- 
tierten Aufruf „Nachricht an das Publicum". 2) Sie beginnt 
mit einer rein Sonnenfelsischen Phrase: „Das angenehmste, 
lehrreichste, das unschuldigste Vergnügen für den Bürger 
des Staats ist unstreitig eine wohleingerichtete Schaubühne. 
Ist diese Schaubühne national, macht sie das herrschende 
Laster und die Thorheiten lächerlich, so wird das Ver- 
gnügen um desto mehr erhöht, und' auch der niedrigste 
Bürger lernt das wahre Gute und Schöne kennen. Der 
gute Geschmack verbreitet sich auf die ganze Nation." 
Die neue Direction versprach die geschicktesten Schau- 
spieler nach Wien zu ziehen, ein möglichst abwechslungs- 
reiches Repertoire, und endlich lud sie alle in- und aus- 
ländischen Autoren zu dramatischen Beiträgen ein, indem 
sie hundert und mehr Gulden für ein gutes Stück geben zu 
wollen erklärte, falls sie es zur Aufführung bringt. 3) Sie 
räth den Dichtern am nachdrücklichsten Handlung, „immer 
ein wenig zu viel Handlung", gut ausgearbeitete Charaktere, 
eine jedem Charakter angemessene gute Sprache an und 
bittet, das Locale so viel als möglich zu vermeiden, wenn 
es nicht auf die Wiener Sitten ge^it. Die Gründe der Nicht- 
annahme würden in einem neuen Theaterblatte erscheinen.^) 
Die Vorstellungen begannen am 27. März. Dieses war 
die Zeit, wo Sonnenfels wieder in Action trat, um sein 
Refqrmwerk nun auch wirklich mit kaiserlicher Unter- 
stützung zu Ende. zu führen. Nach dem Tode Prehausers 
hatten die Schauspieler unter sich beschlossen, nur mehr 
regelmässige Stücke aufzuführen.'^) 

1) 8. Wlassak S. 19. 

2) Wiener Diarium 1769, zu Nr. 16. 

3) Diese „Belohnungen" für eingereichte Stücke werden gewöhnlich 
irrthümlich als Freisausschreibungen bezeichnet, was sie keineswegs sind. 
Sie sind nichts als ein Honorar ftir die Dichter. 

^) Klemm's Dramaturgie. 
^) Schmidt, Chronologie 282. 



78 

Aber eine Reise zwang Baron Bender, seinen Vertrag 
mit d'Affligio zu lösen und Mitte Septembe^r die Leitung 
der Bühne niederzulegen. Affligio, der dieselbe nun wieder 
übernehmen' musste, war auf diese Weise aller Geldmittel 
von Neuem beraubt und griff zu seinem alten Auskunfts- 
mittel, dem Extemporestück. Eine Vorstadtgesellschaft, die 
sogenannte „Badnertruppe" unter Karl Menninger's Direction, 
gab ihm dazu Gelegenheit. Diese aus Baden-Baden abge- 
schobene Truppe war mit ihrem „Kasperltheater" und ihrem 
Stern Johann Laroche (Kasperl) nach der Leopoldstadt ge- 
zogen, wo siQ als Carricatur der alten Hans Wurstiaden 
weiterlebte. 1) Diese sollte nun in das Kärntnerthortheater 
hinüber geschmuggelt werden, um den Unternehmer zu 
retten. Diesmal waren es aber die beleidigten Schauspieler, 
die zusammentraten, den Ruf des kaiserlichen Theaters zu 
retten. In ihrem Namen verfasste Stephanie der Aeltere eine 
Eingabe an den Grafen Sporck, der das Hofamt eines 
General-Spectakeldirectors bekleidete, worin si'e, sich auf 
ihre neuen Contracte stützend, sich weigerten, in extem- 
porierten Stücken mitzuwirken. Graf Sporck überreichte die 
Bittschrift der Kaiserin und auch Sonnenfels setzte nun 
seinen ganzen Einfluss bei Hofe ein, gegen das Extempore 
ein Verbot zu erwirken. 

Er trat mit seiner Schrift: „üeber die Nothwendigkeit, 
das Extemporieren abzustellen" an Joseph H. selbst heran: 
dem er dieselbe als Relation überreichte. Diese nochmals 
Alles zusammenfassende Schrift 2) lautet: 

„Die wiederholten Vorstellungen, welche ich an das 
Publicum über die nothwendige Verbesserung des National- 
schauspiels gemacht, haben endlich bei einem grossen Theile 
desselben die Wirkung . hervorgebracht, dass man mit einer 
Art Schamröthe in diejenigen Zeiten zurücksieht, wo in 



>) Jaro Pawel a. ». O., S. 9. 

2) Briinner Zeitung, Intelligenzblatt 1770, Nr. 16. 



79 

der ansehnlichsten Hauptstadt Deutschlands, am Sammel- 
platze des gewähltesten Adels, in dem Orte, wohin häufig 
Fremde nicht mehr durch ihre Geschäfte als durch ihren 
Wunsch gezogen werden, eine Fürstin zu sehen, welche die 
Liebe des Volkes und die Bewunderung Europas ist, dass 
man es da als ein Vergnügen ansah, den abgeschmacktesten 
Fratzen eines Possenreissers, den elendesten Stücken ohne 
Witz, ohne Zusammenhang, sehr oft ohne Menschenverstand 
einige Stunden des Abends zu schenken und zu solchem 
Unsinn gar oft mit seinem Beifalle zu ermuntern. 

„Die üeberzeugung ist gleichwol nicht so allgemein, 
dass die Zote und das Fratzenspiel nicht noch immer so 
viele und mächtige Anhänger haben sollten, welche die 
Erschütterung ihrer Lunge der Bildung der Nation vor- 
ziehen und durch geheime Wege den nur erst keimenden 
guten Geschmack zu ersticken alle Mühen daran wenden. 

„Die Ausländer müssten staunen, wenn ihnen die Na- 
men derjenigen bekannt wären, welche, uneingedenk des. 
Ranges, den sie bekleiden, gar nicht geheim sich an die 
Spitze der Possenreisserrotte stellen und durch ihren Namen, 
den sie zur Beförderung des Geschmackes, herzuleihen sich 
nie erbitten Hessen, die Partei der ün Sittlichkeit ansehnlich 
und mächtig machen. 

„Das was ich in dem so lange währenden Kampfe mit 
der Partei der Possenspieler ertragen habe, giebt mir ein 
Recht, und mein Lehramt, welches mit allem demjenigen 
zusammenhängt, was auf die Bildung und Denkungsart der 
Nation einen Einfluss haben kann, macht es mir gewisser- 
massen zur Pflicht, die Sache des gesitteten Schauspiels 
zu vertreten und gegenwärtige Vorstellung zu dem Fusse 
des Thrones niederzulegen. Jedermann wird bei einer nicht 
allzugrossen Anstrengung etwas Unzusammenhängendes 
darin finden müssen, dass der hohe Adel sich für das 
französische Schauspiel so viel Mühe giebt, indessen das 



. 80 

Nationalschauspiel gleichsam nur als ein zufälliger Theil 
angesehen und sich selbst überlassen wirdJ) 

„Von welcher Seite immer die Schaubühne betrachtet 
werde, so ist es sehr leicht darzuthun, dass die Sorgfalt 
unter beide Theater zum Wenigsten gleich getheilt sein 
sollte, wenn nicht viel mehr das Theater der Nation die- 
selbe vorzüglich auf sich ziehen muss. Die Gründe, welche 
für das französische -Schauspiel angeführt werden, bestehen 
hauptsächlich darin: 

„1. Hof und Adel müssten ein Schauspiel haben, das 
ihrer würdig sei. 

„2. Die Fremden, deren Zusammenfluss sehr gross, 
müssten hier ein anständiges Schauspiel finden. 

„3. Die französische Bühne müsse als ein Muster, 
nach welchem sich die deutsche Bühne bilden soll, erhalten 
werden. 

„Der erste Grund enthält ein freiwilliges Geständnis; 
man findet die deutsche Schaubühne also beschafi'en, daös 
sie den Hof und Adel zu unterhalten unwürdig sei. Ent- 
hält nun aber dieses Geständniss nicht zugleich den Vorwurf, 
dass man die deutsche Schaubühne bis hierher vernach- 
lässigt, dass man es verabsäumt habe, sie der Gegenwart 
des Hofes und des gesitteten Theiles der Nation würdig zu 
erachten? Enthält es nicht zugleich einen dringenden Grund 
mit ihrer Verbesserung anzufangen? Hat man in Frank- 
reich oder England sich eher angelegen sein lassen, das 
fremde Theater auf guten Fuss zu setzen, oder hat man 
vor Allem daran gedacht, das Nationaltheater zu verbessern ? 

„Soll denn der deutsche Schauspieler ewig auf die 
Ehre verzichten, seinem Fürsten, dem edleren Theile der 
Bürger ein Vergnügen zu verschafifen? Soll Deutschland 
ewig verurtheilt sein, ohne anständiges Schauspielhaus zu 

1) Der Adel hatte z. B. Affligio zur Erhaltung der französischen 
Bühne einen jährlichen Znschnss von 26.000 fl. für zwei Jahre versprochen. 
S. Wlassak S. 18. 



.81 

bleiben ? Wien allein kann sich diesen Ruhm erwer- 
ben, alle Umstände, sind hiezu vorzüglich günstig, und 
da wir ohnehin an den übrigen Seiten der Verfeinerung 
des Geschmackes einen so geringen Antheil haben, da wir 
an den Beiträgen zu der Besserung desselben von jeder 
kleinen deutschen Provinz uns haben übertreffen lassen, 
sollten wir nicht begierig nach dem einzigen Mittel greifen^ 
welches nun noch übrig ist, in der Geschichte Deutschlands 
einen Platz zu verdienen? 

„Wenn wir allenfalls unempfindlich genug gegen den^ 
Ruhm sein sollten, wenigstens darf es uns nicht gleichgiltig 
sein, von allen Provinzen Deutschlands, von allen Fremden 
uns Verachtung zuzuziehen, von hundert Orten den Vor- 
wurf zu vernehmen: dass Wien der Fratze, der Unanstän- 
digkeit einen Zufluchtsort gestatte, während dieselbe sogar 
von jeder kleinen wandernden Bühne des übrigen Deutsch- 
lands verscheucht worden. Ich weiss nicht, welchen Antheil 
ein grosser Theil meiner Mitbürger an dem Ruhme oder 
der Schande der Nation nehmen: aber ich fühle, dass mir 
bei solchem Vorwurfe das Blut in die Stirn e tritt, und dass 
die Begierde, die Nationalschande von uns zu wälzen, mich 
wenigstens eben so sehr auf dem Wege meiner Anwendung 
angespornt habe, als das Vergnügen, so die schönen Wissen- 
schaften gewähren, oder die Ehre, die ihre glücklicheren 
Verehrer einst krönen mag. 

„Ich will meiner Freimüthigkeit keinen Einhalt thun. 
Ist der Regent, ist der grosse Adel der einzige Gegenstand 
der öffentlichen Aufmerksamkeit? Verdient der Bürger, 
welcher zu dem allgemeinen Wohle nicht minder beiträgt, 
dass man seiner gar nicht gedenke ? Giebt es nicht mehrere 
Classen der unteren Bürger, welchen der Staat nach durchge- 
arbeitetem Tage eine Erholung zu Verschaffen verpflichtet ist? 

„Wäre es nun aber gleichgiltig, diesen Theil der Bürger 
entweder in eine Gauklerbude hinzuschicken, wo sie die 
Albernheiten eines Possenreissers und seine Unfläthigkeiten 

V. Görner. Der Hans Wurst- Streit in Wien. 6 



82 

mit Ekel anhören müssen, oder ihnen ein gesittetes Ver- 
gnügen zu verschaffen, wo sich ihre Stirne, ohne den 
Anstand schamroth zu machen, aufheitern kann? 

„Der Mann aus der mittleren Classe bedarf es sogar 
weit mehr, daös der Staat ihm eine anständige Ergötzung 
zu verschaffen suche, als der Adel; diesem kann es bei 
seinem grossen Vermögen an Ergötzlichkeiten nicht fehlen, 
indessen der eingeschränkte Aufwand, den die unteren 
Classen zu machen fähig sind, sie auf die Schaubühne haupt- 
sächlich herabsetzt, und wenn man sie ' dieser Ergötzung 
beraubt, auf solche zu verfallen verleitet, die den Sitten 
nachtheilig sind und die Polizei ihre Verrichtungen um ein 
Gutes vermehren." 

Man sieht, dass alle alten Argumente endlich direct 
an die richtige Adresse gelangen. Der nationale Sinn des 
Kaisers, der ja später das französische Theater überhaupt 
aufgelassen hat, war für den einen Theil der Gründe ebenso 
empfanglich, als seine Humanität für den andern. Auch 
verfehlte Hofrath von Qebler nicht, die Eingabe Sonnenfels' 
zu unterstützen, wofür ihm derselbe später ausdrücklich 
das grösste Verdienst um die gesittete Schaubühne zu- 
schreibt: „Wien würde vielleicht auch jetzt Hans Wurste 
und Bernardone und den ganzen Unsinn von extemporierten 
Stücken haben, wenn meine Vorstellungen nicht durch 
Staatsrath von Gebier so kräftig wären unterstützt worden," 
schreibt er in seiner Autobiographie.') Der Erfolg war 
eine kaiserliche Entschliessung, dass allen fremden Truppen 
das Spielen verboten und das Extemporiereij streng unter- 
sagt wurde. d'Affligio war in Verzweiflung und in dieser 
verschrieb er Kurz-Bernardon wieder nach Wien. Kurz 
hatte sich während der Zeit in Prag aufgehalten, 1765 in 
München die Theaterdirection gefuhrt und kehrte gerne 
nach der Stätte seiner alten Triumphe zurück. Der Unter- 



1) 1775 In De Luca, Gel. Oesterr. 1779. 



83 

nehmer ') überreichte dem Kaiser ein Promemoria, es möge 
ihm hinsichtlich der schlechten Lage des Theaters das Ex- 
temporestück mit Bernardon wieder gestattet werden. Er 
legte ein langes Verzeichniss der aufgeführten Stücke bei, 
in dem er durch die beigefügten Bemerkungen „gefallt, 
gefallt sehr, gefallt nicht, "2) die geringe Anzahl der zug- 
kräftigen regelmässigen Stücke darzulegen suchte. Aller- 
dings erklärt J. H. F. Müller 3) das ganze Verzeichniss als 
voll von falschen Angaben. 

Auf diese Weise war ein gefahrlicher Rückfall in 
Aussicht. Aber von Neuem reichte Sonnenfels mit Gebier 
die Vorstellung ein und das Gesuch Affligios wurde mit 
Decret vom 4. Januar 1770 abschlägig beschieden, das Ex- 
tempore nochmals strengstens untersagt. 

Trotzdem wollte Affligio Bernardon nicht so leicht 
wieder ziehen lassen, um so mehr, als ihm dieser durch 
seine hohen Gönner auch finanziell zu Hilfe kam. Denn 
er hatte noch immer eine grosse Partei, unter der sich 
nicht wenig ahnenreiche Herren befanden, die sich um 
seinetwillen leicht zu Vorschüssen bewegen Hessen. Des- 
halb, wol auch mit dem Gedanken, dass Befehle nicht 
immer ausgeführt werden, bestellte er Kurz zu seinem Di- 
rector und Hess ihn doch auftreten. Aber das regelmässige 
Schauspiel hatte gesiegt. Bernardon trat in der „Serva 
padrona", die „Herrschaftsküche" und „Weiber- und Buben- 
bataillojie" anfangs unter grossem Zudrang des PubHcums auf, 
misfiel aber vollständig. Indeßsen auch Gebier war nicht 
müssig, der Befehl sollte nicht unausgeführt bleiben; er 
setzte es durch, dass mit 15. März Sonnenfels zum Censor 
der Bühne mit fast unbeschränkter Vollmacht bestellt wurde. 



1) Er fand bald in Baron Lopresti und Ritter von Gluck neue Ge- 
sellschafter. S. Wlassak S. 19. 

2) Ayrenhoflf's „Postzug* und Lessings ^ Minna" werden mit „ge- 
fallt sehr" bezeichnet. 

3) A. a. O. 

6* 



84 

und damit war die staatliche Aufsicht, die dieser stets ge- 
fordert hatte, in seiner eigenen Person activiert. Die auf 
seine Anstellung bezügliche Instruction ^) des Kaisers an 
den Grafen Chotek enthält fast alle Vorschläge und Wünsche 
Sonnenfels' erfüllt. 

Die Censur soll „nichts zulassen, was gegen Religion, 
Staat oder die guten Sitten ist; oder offenbarer Unsinn oder 
Grobheit, folglich des Theaters der Hauptstadt unwürdig ist". 
Ebenso müssen alle, auch die schon aufgeführten Stücke 
dem Censor unterbreitet werden. Sogar die Theaterzettel 
unterliegen seiner Aufsicht. Die Paragraphe 4 und 5 lauten : 

„4. Nachdem ohnehin schon das Extemporieren ver- 
boten, ist den Schauspielern alles geflissentliche Zusetzen, 
Abändern oder aus dem Stegreif, ohne vorgängige gleich- 
massig© Billigung der Censur, an das Publicum stellende 
Anreden auf das Schärfste und mit der Bedrohung durch die 
Regierung zu untersagen, dass auf den ersten Uebertretungs- 
fall ein dergleichen Acteur oder Actrice ohne Unterschied, 
wer er sei, allsogleich nacli geendigtem Schauspiele in Arrest 
gebracht, bei dem zweiten Uebertretungsfalle aber der- oder 
dieselbe unnachsichtlich vom Theater abgeschafft werde." 

„5. Wird der Censor entweder selbst oder durch An- 
dere, für die er gutzustehen hat, insbesonderheit auf die ' 
Execution der Stücke die genaueste Aufsicht tragen^ damit 
die Sittsamkeit ebensowenig durch Geberden öder Gebräu^ 
chung unanständiger, in dem zur Censur gegebenen Aufsatz 
nicht bemerkten, sogenannten Requisiten oder Attributen 
nicht verletzet werde, als worauf die nämliche Strafe wie 
auf das Extemporieren gesetzt ist." 

Damit war Kurz der Boden vollständig entzogen. 
Seine Partei musste das Spiel verloren geben; freilich that sie 
dies nicht, ohne noch einmal Rache an Sonnenfels zu nehmen. 



^) Archiv der k. k. niederösterreichischen Statthalterei. Abg'edrnckt 
bei Franz Kopetzky. 



85 

Als der bekannte Kupferstecher Schmutzer sein Bildnis 
gestochen hatte, arbeitete Landerer in demselben Formate 
als vollständiges Gegenstück des ersten dasjenige Bernar- 
dons aus und beide wurden nebeneinander in den Schau- 
fenstern ausgehängt. Dieser letzte Ausbruch ohnmächtiger 
Wuth gieng fast unbeachtet vorüber. 

Kurz selbst verliess plötzlich das undankbare Wien, 
das in der „Judenschule" seinen alten Liebling ausgepfiflfen 
hatte, um nach mannigfacher Wanderung in Warschau als 
Theaterprincipal mit der polnischen Freiherrnwürde be- 
kleidet zu sterben. 

Auch Affligio konnte sich nicht behaupten und mit 
31. Mai 1770 übernahm sein Hauptgläubiger Graf Kohäry 
das Theater und Sonnenfels wurde sein Rathgeber; er ver- 
öffentlichte am 14. August die Ankündigung der neuen 
Direction, trat überhaupt, nachdem die gesittete Bühne er- 
kämpft war, praktisch in die Leitung derselben ein, wohnte 
den Proben bei, lehrte die jungen Schauspieler, kurz war 
überall der helfende Freund. 

Die Vertreibung des Hans Wurstes traf in eine Zeit, 
in der man anderswo in Deutschland wiederum von man- 
cher Seite für denselben Partei nahm und Lessing selbst,*) 
ihn in idealerem Lichte betrachtend, in der Dramaturgie 
für ihn gesprochen hatte. Aber in Wien und wol auch anderswo 
war der Hans Wurst eine derartig ideale Figur nicht und 
hatte sie auch Niemand derartig aufgefasst. Sonnenfels, 
der sonst nicht ungerne mit Lessing polemisiert,'-^) machte 
natürlicher Weise über diese Stelle keine Bemerkung, um 
seinen Gegnern nicht selbst das Heft in die Hand zu geben ; 
wir haben jedoch gefSehen, dass auch ihm nie einfiel, die 
Berechtigung der Hans Wurst-Figur, der komischen Person 
zu läugnen, dass sie aber in diesem Gewände, dem Zote, 



Hamb. Dram. XVIII. 

2; Siehe z. B. über Roschmanns Ergänzung von Olinth und So- 
phronia : Ges. Sehr. VI, 391 u. a. 



86 

Grobheit und Unanständigkeit als unbedingte Noth wendigkeit 
derartig angeflickt war, so dass eines derselben ohne das 
Andere nicht zu bekämpfen möglich wurde, eine Berech- 
tigung nicht hatte. Sonnenfels und seinen Freunden war 
der Streit gegen die bunte Jacke des Hans Wurstes wirk- 
lich der Krieg für Sitte und guten Geschmack. 

Dass er das Theater als eine Schule ansah, als eine 
Bildungsstätte, die der Staat gleich jedem anderen Institute 
erhalten und beeinflussen muss, ist die Folge der ganzen 
damals unter Maria Theresia und Joseph II. in Oesterreich 
zur Geltung kommenden Ansicht, dass sich Alles zum Nutzeijf, 
der Concentration im Einheitsstaate verbinden müsse. Führte 
die Ansicht auch zur strengen Censur, so führte sie an- 
derentheils auch zum Burgtheater, und es ist überhaupt zu 
bezweifeln, ob unter den damaligen Umstäfaden auf eine 
andere Weise eine Hebung der Bühne und speciell des 
Lustspiels in Wien möglich gewesen wäre: dies um so 
mehr, als ein Vergleich der Wirkungen zwischen Wien und 
Hamburg, wo Lessing für eine deutsche Nationalbühne 
kämpfte, erkennen lässt, welche Bahn die praktischere war. 
Während der reine Aesthetiker Lessing an der Erreichung 
seines Zieles vollständig verzweifelte, konnte der Staats- 
mann Sonnenfels seine Wirksamkeit mit den letzten Wor- 
ten seiner „Briefe über die Wiener Schaubühne" trium- 
phierend beschliessen; „Fand das. Schicksal keine anderen 
Wege, die Verbesserung der Bühne und des gesitteten Ver- 
gnügens herbeizuführen, forderte der Geschmack eine so 
grosse Versöhnung, • so beklage ich mich nicht mehr, ihr 
Götter; um diesen Preis lasse ich mir auf den Parnass ver- 
setzte jgi'üne Hüte^ und , Kritiken des Geburtstages' gefallen." 



Druck von Adolf Holzhansen, 

k k. Tlof- und Universitäts-Buelulrticker in Wien. 



^.^■'-t 



k » 






Am - 



> r 






'• 4^^ *-'• 

;*^ . 






4M 




^>>t-