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Full text of "Der Hodscha Nasreddin : türkische, arabische, berberische, maltesische, sizilianische, kalabrische, kroatische, serbische und griechische Märlein und Schwänke"

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) 


NARREN,  GAUKLER  UND  VOLKSLIEBLINGE 
HERAUSGEGEBEN  VON  ALBERT  WESSELSKI 
DRITTER  BAND:  DER  HODSCHA  NASREDDIN  I 


JD 


^  DER  HODSCHA  ^ 
NASREDDIN 

Türkische,  arabische,  berberische, 

maltesische,  sizilianische,   kalabrische, 

kroatische,    serbische   und   griechische 

Märlein  und  Schwanke 

Gesammelt  und  herausgegeben  von 

Albert  Wessclski 


I.  Band 


Alexander  Duncker  Verlag  ^ 

?  Weimar  MCMXI  T 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


7.  I 


DIESES   BUCH  WURDE   IM   AUFTRAGE  VON 

ALEXANDER  DUNCKER  VERLAG 

"oao  IN  WEIMAR  IN  DER  OFFIZIN  VON  »o-oo 

OTTO  WIGAND  M.  B.  H. 

IN  LEIPZIG  IN  EINER  AUFLAGE  VON  1000 
NUMERIERTEN  EXEMPLAREN  GEDRUCKT; 
AUSSERDEM  WURDEN  50  EXEMPLARE  AUF 
BÜTTENPAPIER  ABGEZOGEN.    DER  EINBAND 

ODDDDDDoaooDa   WURDE  VON   DER    oooaaaDOoaaBO 

LEIPZIGER  BUCHBINDEREI  A.-G. 

VORM.  GUSTAV  FRITZSCHE  ANGEFERTIGT. 


DIESES  EXEMPLAR  TRÄGT  DIE 

NUMMER 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2009  witin  funding  from 

University  of  Toronto 


Iittp://www.arcliive.org/details/derhodschanasred01wess 


I 


Herrn  Professor 
Dr.  theol,  et  phil. 

AUGUST  WÜNSCHE 

in  Verehrung 

und  Dankbarkeit 

gewidmet. 


I  I 


Die  Motive  der  Märchen  sind  der  Ausdruck  Einleitung 

gewisser  Vorstellungen,  denen  die  Menschen  ^^^  Herausgebers. 
irgendwo  und  irgendwann  angehangen  haben 
müssen.  Es  müssen  wohl  einmal,  vielleicht  auf 
der  ganzen  bewohnten  Erde,  wenn  auch  nicht  zu 
derselben  Zeit,  das  Tier,  die  Sonne,  der  Stein,  die 
Wolke  für  den  Menschen  Dinge  gewesen  sein, 
deren  Wesenheit  er  nicht  von  der  seinigen  unter- 
schied, und  sicherlich  hat  er  sich  von  diesen 
Vorstellungen  seines  Kindheitsalters  nur  sehr 
langsam  emanzipiert.  Unbestreitbar  ist  es  wohl 
auch,  daß  solche,  gewissermaßen  religiöse  An- 
schauungen, die  viele  Generationen  überdauert 
haben  mögen,  nicht  von  allen  Angehörigen  eines 
Rudels  oder  Stammes  gleichzeitig  aufgegeben 
worden  sind,  imd  ebenso  darf  man  annehmen, 
daß  sich  ganze  Völker  von  manchen  Anschau- 
ungen früher  losgesagt  haben  als  andere.  Es  ist 
nun  nur  natürlich,  daß  bei  denen,  die  irgend- 
einen Standpunkt  längst  überwunden  hatten, 
Verwunderung  und  ein  Überlegenheitsgefühl  rege 
wurden,  wenn  sie  auf  andere  stießen,  die  noch 
in  dem  alten  Wahne  befangen  waren,  und  diese 
Empfindungen  haben  sich  bei  ihnen  auch  ein- 
stellen müssen,  wenn  sie  auf  naive  Vorstellungen, 
die  für  sie  etwa  schon  äußerer  Umstände  wegen 
unmöglich  gewesen  wären  —  zum  Beispiele  für 
Binnenvölker,  daß  die  untergehende  Sonne  im 
Meere  ertrinke  —  bei  andern  gestoßen  sind. 
Nichts  liegt  nun  näher,  als  daß  diese  Empfin- 
dungen der  Höherstehenden  ihren  vorläufigen 
Ausdruck  in  einem  Verlachen  oder  Belächeln 
der  rückständigen  Vorstellung  gefunden  haben. 
Während  wir  bei  jedem  der  an  der  Zahl  immer 

IX 


geringer  werdenden  Naturvölker  ganze  Gruppen 
von  ihm  eigenen  und  ursprünglichen  Vorstel- 
lungen noch  unmittelbar  vorfinden,  sind  uns 
diese  bei  den  alten  Kulturvölkern  nur  in  ihren 
Überlieferungen  erhalten  und  zwar,  primär,  im 
Märchen,  dann  aber  auch,  mit  einer  Kritik  ver- 
bunden, im  Schwanke:  das  Märchen  kennt  keine 
oder  nur  eine  falsche  Logik;  im  Schwanke  wird 
der  Mangel  der  Kausalität  belacht. 

Die  Entstehung  des  Schwankes,  der  nur  ein 
einziges  Märchemnotiv  braucht,  das  eben  belacht 
wird,  ist  also  zum  Unterschiede  von  dem  Mär- 
chen, das  dasselbe  Motiv  verarbeitet,  an  eine 
Kulturstufe  gebunden,  die  schon  einzelne  früher 
im  Schwange  gewesene  oder  anderswo  noch 
geltende  Meinungen  als  widersinnig,  als  falsch 
erkennt.  Der  Vater,  der,  als  ihm  ein  Kind  stirbt, 
ein  zweites  tötet,  damit  das  erste  nicht  den 
langen  Weg  allein  zu  gehn  brauche  S  kann  erst 
dann  verlacht  werden,  wann  die  Vorstellung,  daß 
der  Tote  noch  die  Bedürfnisse  des  Lebenden  hat, 
im  allgemeinen  überwunden  ist,  oder  nur  dort, 
wo  sie  nie  existiert  hat;  der  Haß  gegen  ein  Bild  ^ 
kann  erst  dann  ein  Gegenstand  des  Spottes 
werden,  wann  der  Glaube,   daß   dem  Bilde  die 

1  Kathä  Sarit  Sägara,  ed.  by  Tawney,  Calcutta,  1880ff., 
II,  S,  58:  There  was  once  a  foolish  man,  who  was  poor 
and  had  many  sons.  When  one  of  bis  sons  died,  be  killed 
anotber,  saying,  How  could  tbis  child  go  sucb  a  long  jour- 
ney  alone?  So  be  was  banisbed  by  the  people,  as  being  a 
fool  and  a  criminal,  Tbus  a  fool  is  as  void  of  sense  and 
discernment  as  an  animal, 

2  Wesselski,  Die  Schwanke  und  Schnurren  des  Pfarrers 
Arlotto  (=  Bd.  I  und  II  der  Narren,  Gaukler  und  Volks- 
lieblinge), II,  S.  51  ff.  und  222  ff. 


Eigenschaften  des  Originals  innewohnen,  seine 
Lebenskraft  so  ziemlich  verloren  hat,  oder  nur 
dort,  wo  er  nie  vorhanden  war. 

Wenn  diese  Theorie  richtig  ist,  dann  ist  die 
älteste  Gattung  des  Schwankes  die  Erzählung 
von  der  Dummheit  des  andern  oder  der  andern, 
und  mit  jeder  menschlichen  Anschauung,  die,  ob 
sie  nun  der  einfachen  Naturbetrachtung  oder 
einer  höhern  Geistestätigkeit  entsprungen  ist,  im 
Laufe  der  Jahrtausende  ihre  Berechtigung  ver- 
liert, wächst  ein  neues  Schwankmotiv  zu;  von 
dem  Lachen  über  den,  der  ein  Tier  durch  Strafen 
witzigen  will  wie  ein  ungehorsames  Kind,  bis  zu 
dem  Lachen  über  das  Weib,  das  einem  Vaganten 
glaubt,  er  komme  schnurstracks  aus  dem  Himmel, 
liegt  eine  Reihe  von  unendlich  vielen  Gliedern. 
Der  Schlauheitsschwank,  der  schon  eine  weitere 
Person  einführt,  die  sich  die  Dummheit  der  ersten 
zunutze  macht,  darf  keinen  Anspruch  auf  das 
Alter  des  reinen  Dummheitsschwankes  erheben. 

Der  Dummheitsschwank  trägt  aber  schon,  und 
sei  er  noch  so  primitiv,  den  Charakter  einer  be- 
wußten Verarbeitung  eines  freilich  noch  nicht  als 
solches  erkannten  Märchenmotivs  an  sich,  das  er 
uns  oft,  indem  er  die  Kuriosität  der  kindlichen 
Vorstellung  demonstrieren  will,  in  einer  reinern 
Form  als  das  Märchen  überliefert;  er  ist  ge- 
wissermaßen schon,  wenn  der  Ausdruck  gestattet 
ist,  eine  Art  literarisches  Erzeugnis,  und  diese 
Eigenschaft  muß  ihn  befähigen,  auch  dort,  wo 
für  seine  Grundlage,  nämlich  das  betreffende 
Märchenmotiv,  als  eine  für  die  Ortsverhältnisse 
ungereimte  Vorstellung  eine  Neuverbreitung  oder 
als  eine  in  grauer  Vorzeit  überholte  Vorstellung 

XI 


eine  Wiederverbreitung  ausgeschlossen  gewesen 
wäre,  durch  seinen  absoluten  Wert  als  Unter- 
haltungsstoff im  weitesten  Maße  vorzudringen. 
Gar  viele  Märchenmotive,  und  gerade  die  ur- 
sprünglichsten, mögen  erst  durch  den  sie  paro- 
dierenden Schwank  auf  fremden  Boden  ver- 
pflanzt oder  auf  dem  eigenen  zu  neuem  Leben 
erweckt  worden  sein. 

Von  den  außerordentlich  zahlreichen  Dumm- 
heitsschwänken, die  in  der  vorliegenden  Samm- 
lung —  vorläufig  sei  nur  von  ihrem  ersten  Teile 
die  Rede  —  an  einen  einzigen  Namen  geknüpft 
erscheinen,  beruhen  sehr  viele  auf  so  primitiven 
Vorstellungen,  daß  schon  daraus  erhellt,  daß  sie 
dem  Manne,  von  dem  sie  erzählt  werden,  nur 
beigelegt  worden  sind.  Wenn  auch  bei  dem 
Mangel  an  alten  Aufzeichnungen  derartiger 
leichter  und  so  lange  mit  Unrecht  verachteter 
Geschichtchen  viele  Typen  nicht  sehr  weit  zu- 
rückverfolgt werden  können,  so  müssen  doch  die 
obigen  Erwägungen  zu  der  Annahme  eines  ehr- 
würdigen Alters  genügen,  umsomehr  als  es  klar 
ist,  daß  von  dem  Auftauchen  eines  Dummheits- 
schwankes bis  zu  seiner  ersten  Niederschrift  eine 
geraume  Zeit  verflossen  sein  muß,  in  der  er  sich 
so  wie  das  in  ihm  behandelte  Märchenmotiv  und 
oft  mit  diesem  mündlich  fortgepflanzt  hat.  Des- 
wegen aber  die  Existenz  des  nunmehrigen 
Trägers  dieser  Überlieferungen  zu  leugnen,  hätte 
wohl  keine  Berechtigung;  es  wird  ja  auch  nie- 
mand einfallen  zu  behaupten,  König  Franz  I. 
von  Frankreich  habe  nie  gelebt,  weil  von  ihm 
eine  Schnurre  erzählt  wird,  die  schon  im  Conde 
Lucanor  steht. 

XII 


Von  dem  Hodscha  Nasreddin  wird  uns  als 
von  einem  Zeitgenossen  dreier  wohlbekannter 
Fürsten  gesprochen.  Zuerst  des  Sultans  Ala- 
eddin  III,  (II.)  >  des  letzten  Herrschers  der 
Seldschukendynastie  in  Karamanien,  der  im 
Jahre  1392  Konia,  das  alte  Iconium,  und  Aksche- 
hir,  das  alte  Philomelion,  an  Bajazet  I.  verloren 
hat,  dann  eben  dieses  Osmanensultans  und 
endlich  des  tatarischen  Eroberers  Timur,  der  am 
20.  Juli  1402  Bajazet  in  der  Schlacht  von  Angora 
aufs  Haupt  geschlagen  und  gefangen  genommen 
hat;  dort,  wo  der  betreffende  Gewalthaber  ein- 
fach Bei  genannt  wird,  hat  man  die  Wahl 
zwischen  den  drei  genannten  Fürsten  und  dem 
von  Timur  eingesetzten  Bei  von  Karamanien, 
nämlich  Mohammed,  dem  ältesten  Sohne  Ala- 
eddins  III.,  doch  dürfte  wohl  meistens  Timur 
gemeint  sein,  bei  dem  Nasreddin  die  Stelle  eines 
lustigen  Rates  eingenommen  haben  soll.  In  die- 
selbe Verbindung  wird  Nasreddin  allerdings  auch 
mit  Bajazet  gebracht,  einmal  von  dem  Historiker 
De  la  Croix  ^  und  dann  noch  von  Karl  Friedrich 
Flögel";  beide  vermeiden  es  aber,  ihre  Quellen 
anzugeben.  Von  seinem  Freundschaftsverhältnisse 
zu  Timur  berichtet  hingegen  schon  Demetrius 
Cantimir  oder  Kantemyr,  der  1723  verstorbene 
ehemalige  Fürst  der  Moldau,  das  Mitglied  der 
Berliner    Akademie    der    Wissenschaften^,    und 

1  Geschichte  des  osmanischen  Reiches,  deutsch  von 
Schulz,  Frankfurt,  1769  ff.,  I,  S,  150  ff. 

-  Geschichte  der  Hofnarren,  Liegnitz  und  Leipzig, 
1789,  S,  176  ff. 

^  Histoire  de  l'empire  othoman,  traduit  par  De  Jonc- 
quieres,  Paris,  1743  ff,,  I,  S,  164  ff.;  die  im  folgenden  an- 
gezogene Stell6  ist  unten  S.  227  abgedruckt, 

XIII 


dieser  schickt  nicht  nur  seinen  Erzählungen  von 
Timur  und  Nasreddin  die  Bemerkung  voraus,  daß 
sich  Timur  nach  den  Historikern  drei  Tage  lang 
bei  Jenischehir  aufgehalten  habe,  um  den  Er- 
zählungen des  türkischen  Äsops  zu  lauschen,  der 
ihm  so  lieb  geworden  sei,  daß  er  ihm  zuliebe  auf 
die  Plünderung  dieser  Stadt  verzichtet  habe, 
sondern  sagt  auch  weiter,  er  entnehme  die  fol- 
genden Schnurren  einem  türkischen  Buche.  Dem 
Alter,  das  dieses  Buch  gehabt  haben  muß,  ent- 
spricht das  von  mehrern  Manuskripten,  die 
Decourdemanche  für  seine  große  Ausgabe  von 
Nasreddins  Schwänken  ^  benutzt  hat,  und  deren 
eines  schon  um  1600  niedergeschrieben  worden 
ist;  daher  müßte  sich  wohl  die  Annahme,  daß 
Nasreddin  eine  mythische  Person  sei,  auf  andere 
Prämissen  stützen  als  auf  die  Tatsache,  daß  mit 
seinem  Namen  uralte  Schwankmotive  verknüpft 
worden  sind-  Daran  ändert  es  auch  nichts,  daß 
eine  Sage  wissen  will,  er  habe  schon  zu  der  Zeit 
Harun  al  Raschids  gelebt:  Mohammed  Nasr- 
eddin, der  damals  einer  der  weisesten  Männer 
gewesen  sei,  habe  sich  mit  seinen  Lehren  in  einen 
Widerspruch  zur  Religion  gesetzt  und  sei  deshalb 
zum  Tode  verurteilt  worden;  um  sein  Leben  zu 
retten,  habe  er  sich  wahnsinnig  gestellt.  Der 
ungarische  Gelehrte  Künos,  der  sie  erzählt,  hat 
sicherlich  recht,  wenn  er  die  Entstehung  dieser 
Sage    darauf    zurückführt,    daß    man    versuchen 


^  Sottisier  de  Nasr-Eddin-Hodja,  Bruxelles,  1878;  vgl, 
unten  S.  201  ff.  Eine  ältere  Handschrift,  die  schon  1625  im 
Besitze  eines  Europäers  war,  wird  in  Leiden  aufbewahrt; 
darüber  und  über  andere  Handschriften  vgl.  Hörn  im 
Keleti  szemle,  I,  S.  67  ff. 

XIV 


wollte,  manche  Spaße  des  Hodschas  zu  recht- 
fertigen \  Nicht  mehr  Bedeutung  darf  einer 
persischen  Überlieferung  beigemessen  werden, 
die  Nasreddin  als  einen  Zeitgenossen  und  Unter- 
tanen des  Schahs  Takasch  (um  das  Jahr  1200 
unserer  Zeitrechnung)  nennt  ^;  hier  war  wohl  der 
Wunsch  maßgebend,  den  berühmten  Nasreddin 
als  persischen  Landsmann  beanspruchen  zu 
können.  In  beiden  Fällen  handelt  es  sich  über- 
dies um  ganz  vereinzelte,  von  dem  Massiv  der 
übrigen  Überlieferungen  abseits  stehende  Anek- 
doten, 

Weniger  als  das  hohe  Alter  der  von  den 
Historikern  übernommenen  Traditionen  fällt  bei 
der  Frage,  ob  Nasreddin  der  Mythe  angehört,  der 


1  Naszr eddin  hodsa  trefdi,  Budapest,  1899,  S.  3;  leider 
nennt  Künos  seine  Quelle  nicht. 

2  Meherjibhai  Nosherwanji  Kuka,  The  Wit  and  Hu- 
mour  of  the  Perstans,  Bombay,  1894,  S,  3  ff.  Die  Erzäh- 
lung, deren  Verfasser  usw,  Kuka  eben  so  wenig  wie  bei 
den  andern  Stücken  nennt,  die  sein  Buch  bringt,  lautet: 
Nasreddin,  ein  Häuptling  des  Stammes  von  Kebud-Dscha- 
mah,  hatte  sich  den  Unwillen  des  Schahs  Takasch  zu- 
gezogen, und  dieser  schickte  einen  Mann,  um  ihn  zu  töten 
und  ihm  sein  Haupt  zu  bringen;  Nasreddin  aber  vermochte 
den  Abgesandten,  ihn  lebendig  an  den  Hof  des  Schahs  zu 
bringen.  Als  der  Schah  Nasreddin  am  Leben  vor  sich  sah, 
wollte  er  seine  Wut  an  seinem  Abgesandten  auslassen,  aber 
Nasreddin  redete  den  Schah  mit  den  folgenden  Versen  an, 
und  die  gefielen  dem  Schah  so  gut,  daß  er  ihm  nicht  nur 
das  Leben  schenkte,  sondern  ihn  auch  umarmte  und  zu 
einem  hohen  Würdenträger  machte:  „Der  Staub  deiner 
Fußtapfen  ist  eine  Salbe  für  die  Augen  meines  Geistes, 
Mit  mir  bringe  ich  unzählige  Geschichten  und  Gleichnisse, 
Den  Kopf,  den  du  verlangt  hast,  konnte  ich  niemand  an- 
vertrauen; drum  bringe  ich  ihn  selber,  freilich  auf  meinen 
Schultern." 

XV 


Umstand  ins  Gewicht,  daß  der  Hodscha  Nasr- 
eddin  im  letzten  Viertel  des  16,  Jahrhunderts  eine 
solche  Berühmtheit  genossen  haben  soll,  daß  einer 
seiner  Nachkommen  eben  dieser  Abstammung 
wegen  ein  kaiserliches  Geschenk  erhalten  hätte. 
Wäre  diese  Geschichte  tatsächlich,  wenn  auch 
nur  in  ihren  Grundzügen  und  ohne  das  lustige 
Moment,  von  einem  Historiker  dieser  Zeit  be- 
zeugt \  dann  wäre  sie  eine  glückliche  Illustration 
zu  der  Tatsache,  daß  damals  schon  Nasreddin  als 
derselbe  galt,  als  der  er  heute  gilt,  einer  Tat- 
sache, die  aber  schon  aus  dem  Alter  des  ältesten 
der  von  Decourdemanche  benützten  Manuskripte 
hervorgeht. 

Von  nicht  viel  größerer  Bedeutung  für  die 
Lösung  jener  Frage  ist  es  wohl  auch,  daß  noch 
heute  in  Akschehir  das  Grab  des  Hodschas  Nasr- 
eddin gezeigt  wird,  wenn  dieses  auch  schon  um 
die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  von  dem  berühm- 
ten osmanischen  Reisenden  Evlija  Tschelebi  be- 
sucht worden  ist '-,  und  obwohl  ihm,  wie  von  meh- 
rern Geschichtsschreibern  bewährt  wird,  der  Sul- 


^  Die  Geschichte  ist  bequem  nachzulesen  bei  Mehemed 
Tewfik,  Die  Schwanke  des  Naßr-ed-din  und  Buadem,  über- 
setzt von  MüUendorff  (=  Nr.  2735  der  Reclamschen  Uni- 
versal-Bibliothek),  S.  7  ff,;  nach  Tewfik  ist  sie  u.  a.  von 
Künos  aufgenommen  Vk^orden  (Trefdi,  S,  28  ff,),  und  der 
Verfasser  der  jüngsten  türkischen  Ausgabe  von  Nasreddins 
Schwänken,  Behai,  nennt  bei  der  Mitteilung  der  Geschichte 
(S,  6  ff.)  Tewfik  geradezu  als  seinen  Gewährsmann,  Diese 
Ausgabe,  Leta'if  i  hodscha  nasr  ed-din,  Stambul,  1325/27 
(1907/1909),  die  ich  leider  für  den  Text  nicht  mehr  be- 
nutzen konnte  (die  Kenntnis  von  ihr  verdanke  ich  Herrn 
Dr.  Theodor  Menzel),  ist  im  folgenden  mit  Leta'if  zitiert. 

-  Hammer,  Geschichte  des  osmanischen  Reiches,  Pest, 
1827  ff.,  I,  S.  630, 

XVI 


tan  Murad  IV.  (1623 — 40),  der  sich  dort  auf 
einem  Feldzuge  längere  Zeit  aufgehalten  hat,  die 
Anregung  zu  einem  Gedichte  verdankte  ^ 

Dieses  Grab  beschreibt  der  Grieche  Walawani 
in  einer  dem  Hodscha  Nasreddin  gewidmeten 
Monographie  folgendermaßen-: 

,, Gleich  beim  Eintritte  in  den  Friedhof  von 
Akschehir  zieht  den  Blick  des  Besuchers  ein  son- 
derbares Bauwerk  auf  sich.  Vier  in  die  Erde  ein- 
gerammte hölzerne  Säulen  tragen  ein  viereckiges, 
einem  rechtwinkeligen  Vierflächner  ähnelndes 
baufälliges  hölzernes  Dach,  das  ein  Grab  schützt; 
über  diesem  Grabe  befindet  sich  ein  außerordent- 
lich großer  Turban,  der  keineswegs  aus  Stein  ist, 
sondern  aus  Leinwandbändern,  die  um  das  Grab- 
säulchen  gewickelt  sind.  Drei  Seiten  des  Grabes 
sind  offen ,  und  nur  die  dem  Beschauer  zu- 
gewandte, die  nördliche,  ist  mit  einer  zweiflüge- 
ligen hölzernen  Tür  geschlossen,  an  der  zwei 
ebenfalls  hölzerne  Schlüssel  hangen.  Das  Bild 
des  Grabes  berührt  wunderlich;  der  Beschauer 
wird  nämlich  gleich  beim  ersten  Anblicke  unwill- 
kürlich von  einem  unbezähmbaren  Gelächter  be- 
fallen, weil  er  nicht  sofort  begreifen  kann,  warum 
das  allen  Winden  preisgegebene  Grab  so  sorg- 
fältig verschlossen  wird.  Indessen  dauert  es  nicht 
lange,  so  kommt  er  darauf,  daß  es  sicherlich  die 
Absicht  des  oder  besser  der  geistigen  Schöpfer 
gewesen  sei,  den  Witz  jenes  Mannes  zu  versinn- 
bildlichen, der  auch  noch  im  Tode  Heiterkeit  um 


1  Trefdi,  S.  28. 

-  'Iü)axtiu  Ba'/.(tßc(vr,,  .VfxoafftKr/xcr,  Athen,  1891,  S.  150 ff, 
in  dem  Aufsatze   0  XnaQt66iy  XüjtCccs. 

Nasreddin,   I.  H  XVII 


sich  ausgießt  und  ein  Lächeln  auf  die  Lippen 
zwingt;  diese  geistreiche  Darstellung  zu  ersinnen 
war  ein  einziger,  und  noch  dazu  ein  Asiate  nicht 
imstande." 

Trotz  Walawani  kam  man  aber  mit  der  Be- 
hauptung, es  sei  ein  einziger  Mann  und  wirklich 
ein  Asiate  gewesen,  der  die  Idee  zu  diesem  Grab- 
male gefaßt  und  auch  ausgeführt  habe;  und  dieser 
eine  sollte  niemand  anders  als  Nasreddin  selber 
gewesen  sein.  Künos  erzählt  nämlich,  leider 
wieder  ohne  Quellenangabe  ^: 

„Nasreddin  verlangte  einmal  von  Timur  zehn 
Goldstücke,  um  sich  ein  Denkmal  errichten  zu 
lassen.  In  seiner  gewohnten  Freigebigkeit,  aber 
auch  aus  Neugier  erfüllte  ihm  Timur  diesen  eigen- 
tümlichen Wunsch.  Der  Hodscha  ließ  sich  für 
die  zehn  Goldstücke  ein  Türbeh,  ein  Grabmal, 
bauen,  das  an  drei  Seiten  offen  und  nur  an  der 
vierten  durch  eine  Mauer  geschützt  war.  In  diese 
Mauer  ließ  er  eine  Tür  machen,  und  an  dieser 
ließ  er  ein  Vorhängschloß  anbringen.  Das  Türbeh 
trugen  vier  Holzsäulen,  und  er  ließ  es  mit  einem 
viereckigen  Holzdache  versehn,  um  darunter  sei- 
nen Grabstein  zu  stellen.  Den  sonderbaren  Bau, 
den  er  in  dem  Friedhofe  von  Akschehir  aufstellen 
ließ,  erklärte  er,  wie  folgt:  ,Den  Nachkommen 
werden  die  großartigen  Steinbauten  Timurs  nur 
Anlaß  zu  Tränen  geben;  Nasreddins  Grab  aber 
wird  die  Leute  zur  Heiterkeit  stimmen  und  ein 
fröhliches  Lachen  auf  ihre  Lippen  locken.*  Und 
so  geschah  es  auch.  Der  Hodscha  wurde  dort  be- 
graben" usw.  usw. 

1  Trefäi,  S.  8  ff. 
XVIII 


Einzelnes  aus  dieser  Geschichte  stimmt  mit 
dem  überein,  was  Cantimir  aus  seinem  livrc  turc 
über  Nasreddin  mitgeteilt  hat  ^;  aber  Cantimir 
spricht  von  dem  Bau  einer  einfachen  Tür  auf 
freiem  Felde,  und  mit  keinem  Worte  ist  davon  die 
Rede,  daß  sie  dem  Hodscha  hätte  als  Grabmal 
dienen  sollen.  Diese  Tür  spukt  auch  in  manchen 
Überlieferungen:  die  Serben  erzählen  von  ihr,  ver- 
suchen jedoch  für  die  unklare  Reminiszenz  eine 
befriedigende  Erklärung  zu  finden ",  imd  dasselbe 
tut  der  rumänische  Dichter,  der  ja  auch  nur 
Volksüberlieferungen  wiedergibt  ^.  Aber  mit 
Nasreddins  Grab  hat  das  Türmotiv  nichts  zu  tun, 
und  die  sich  so  hübsch  lesende  Beschreibung 
Walawanis  entspricht  samt  ihrer  erweiterten  Be- 
arbeitung durch  Künos  keineswegs  der  Wahrheit. 

Die  Fabel  von  der  Tür  hat  schon  der  erste 
Engländer,  der  sich  mit  Nasreddin  befaßt  hat, 
William  Burckhardt  Barker,  dem  sie  freilich  in 
einer  andern,  immerhin  aber  den  Kern  bringenden 
Form  erzählt  worden  sein  muß,  mit  der  Autorität, 
die  der  Augenschein  verleiht,  klar  und  deutlich 
abgelehnt  ^:  „Among  other  contradictions  related 

1  Siehe  unten  S.  190,  Nr.  329. 

2  Siehe  im  II.  Bande  S,  144  ff.,  Nr.  467. 

^  Anton  Pann  in  dem  Gedichte  Cui  ii  place  Unistire 
sa'si  faca  imprejmüire  seines  Nazdravaniile  lui  Nastratin 
Hogea  (Opere  complete,  ed.  Il-a,  Bukarest,  1909,  I,  S.  342) : 
Da  der  Hodscha  einmal  im  Winter  kein  Holz  hat,  verheizt 
er  nach  und  nach  seinen  Zaun,  bis  von  diesem  nur  noch 
das  Tor  übrig  bleibt.  Als  nun  die  Leute  zu  ihm  von  allen 
Seiten  kommen,  verweist  er  ihnen  dies;  das  Tor  sei  eben 
deswegen  stehn  geblieben,  damit  man  es  benütze. 

*  Reading  Book  of  the  Turkish  Language,  London, 
1854  zu  Beginn  der  Pleasing  Tales  of  Khoja  Nasr-il-deen 
Effendi,  S.  27  der  türkischen  Paginierung. 

n*  XIX 


of  Nasr-il-deen  Khoja,  the  Turks  say  that  ,such 
were  the  contradictions  in  his  character  and 
throughout  his  whole  life  —  sometimes  appearing 
so  learned,  sometimes  so  stupid,  etc.  —  that  even 
after  death  these  contradictions  were  kept  up': 
and  that  ,his  tomb  has  now  an  iron  grate,  with  a 
large  gate  and  lock,  but  no  railing  round  it.'  The 
■^  autor  has,  howewer,  visited  his  tomb  at  Acksha- 
hir,  and  can  attest  that  it  is  ,a  vulgär  eror,'  and 
that  it  is  a  simple  unassuming  monument,  with  an 
iron  railing  round  it,  and  a  small  gate  and  lock 
like  the  rest  of  the  tombs  of  the  Mosolmen 
near  it." 

Und  ganz  gegenstandslos  wird  die  Fabel, 
wenn  man  die  auch  auf  eigenen  Wahrnehmungen 
fußende  Beschreibung  liest,  die  der  letzte  Türke, 
der  über  Nasreddin  geschrieben  hat,  von  dem 
Grabmal  gibt  ^:  „Das  Grabmal  trägt  eine  Kuppel, 
die  auf  vier  glatten,  hübschen  Säulen  ruht.  In 
der  Mitte  steht  der  Sarg  mit  dem  gestreiften  Tur- 
ban, wie  ihn  die  Hodscha  zu  tragen  pflegen.  Die 
Wände  des  Sarges  sind  auf  den  den  Besuchern 
zugewandten  Seiten  voll  einer  großen  Zahl  von 
Aufschriften  in  Versen  und  Prosa,"  Das  ist  alles; 
keine  Spur  von  einer  Tür,  einem  Vorhängschlosse 
oder  einem  Schlüssel-  Im  übrigen  sei  auf  die  in 
der  Ausgabe  Behais  enthaltenen  Lichtbilder  ver- 
wiesen, die  das  Grabmal  von  innen  und  von 
außen  und  vor  und  nach  seiner  in  den  letzten 
Jahren  der  Regierung  Abdul  Hamids  erfolgten 
Restaurierung  wiedergeben. 

Ob  das  Grab  überhaupt  als  das  Nasreddins 


'  Letaif,  S.  9, 

XX 


betrachtet  v/erden  darf,  ist  eine  andere  Sache. 
Zu  Häupten  des  Sarges  findet  sich  nämlich  fol- 
gende Inschrift: 

Dies  ist  das  Grab  des  Verewigten, 
dem  Verzeihung  gewährt  worden  ist,  der  bedarf 
des  Erbarmens  seines  Herrn,  des  Verzeihenden, 
des  hochehrwürdigen  Nasreddin, 
Für  seine  Seele 
(bete)  eine  Fatiha,  386. 
Diese  Jahreszahl  macht  Behai  viel  Kopfzer- 
brechens^; denn  auch  wenn  man  sie  verkehrt  liest, 
erhält  man  als  Todesjahr  Nasreddins  —  und  das 
soll  sie  ja  wohl  bedeuten  —  spätestens  1285 
unserer  Zeitrechnung,  und  Timur  ist  1405  ge- 
storben, Bajazet  1403.  Aber  weder  von  dem 
einen  Herrscher,  noch  von  dem  andern  wird  ein 
Grab  gezeigt;  zu  dem  ihres  Spaßmachers  pilgern 
noch  heute  Tausende  gläubiger  Menschen.  Was 
tut  es  diesen,  wenn  die  Jahreszahl  falsch  ist? 
oder  wenn  das  Grab  wirklich  nichts  andres  ist  als 
die  Frucht  einer  glücklichen  Laune  eines  oder 
mehrerer  Asiaten?  Andächtig  hängen  die  Wall- 
fahrer ihre  Zeugfetzchen,  die  das  Fieber  ab- 
wehren sollen,  an  die  Gitterfenster  des  Grabmals; 
und  die  Einwohner  von  Akschehir  bringen  dem 
Hodscha  sogar  Speiseopfer,  und  werden  die  ver- 
schmäht, so  glauben  sie,  eine  Hungersnot  v/erde 
hereinbrechen  -. 

Die  von  Akschehir  haben  ja  Nasreddins 
Macht,  Wunder  zu  v/irken,  schon  zu  seinen  Leb- 
zeiten verspüren  müssen.    Als  sie  ihn  einmal  er- 


^   Letaif,  S.  7. 
2  Letaif,  S.  10, 


XXI 


zürnt  hatten,  ging  Nasreddin  auf  den  Akschehir 
beherrschenden  Berg,  der,  etwa  durch  ein  Erd- 
beben vergangener  Zeiten,  gespalten  ist;  vor  die- 
sen Spalt  hing  er  einen  kleinen  Teppich,  und  da- 
mit machte  er  es  den  Winden  unmöglich,  über  die 
Stadt  hinzustreichen  und  die  Wolken  über  sie  zu 
schicken.  Als  der  Regenmangel  empfindlich  zu 
werden  begann,  schickten  seine  Mitbürger  eine 
Abordnung  zu  ihm  mit  der  Bitte,  er  möge  den 
verwunschenen  Teppich  von  dem  Spalte  wegneh- 
men und  seiner  Vaterstadt  einen  Regen  ver- 
gönnen. Der  Hodscha  ließ  sich  erweichen;  und 
kaum  hatte  er  den  Rand  des  Teppichs  ein  klein 
wenig  gehoben,  so  erquickte  schon  ein  kühles 
Lüftchen  die  unter  der  Hitze  schmachtende  Stadt, 
und  der  Himmel  säumte  nicht  lange,  seine  wohl- 
tätigen Schleusen  zu  öffnen  \ 

Der  Hodscha  ist  aber  noch  immer  ein  leicht 
reizbarer  Herr;  wenn  einer,  der  an  seinem  Grabe 
vorbeikommt,  so  verstockt  ist,  daß  er  durchaus 
nicht  lachen  will,  so  straft  er  ihn  schier  augen- 
blicklich mit  seinem  Zorne.  Davon  weiß  der  Ver- 
fasser der  letzten  türkischen  Ausgabe  ein  Lied- 
chen zu  singen^;  geben  wir  ihm  das  Wort:  ,,Als 
wir,   nämlich  ich,   die   arme   Schreiberseele,    die 

^  Walawani,  der  diese  Legende  berichtet  (S.  143  ff.) 
fügt  bei,  daß  in  Akschehir  noch  heute  das  Wetter  aus 
diesem  Spalte  erforscht  wird,  indem  man  ihn  unverwandt 
betrachtet;  der  Spalt  ist  denen  von  Akschehir  wie  ein 
Fenster,  das  einen  Einblick  in  die  Geheimnisse  des  Him- 
mels zuläßt,  oder  einfacher,  er  ist  ihr  Barometer,  Künos, 
der  nach  Walawani  erzählt,  bemerkt  (S.  14),  daß  er  die 
Überlieferung  von  diesem  Wunder  Nasreddins  sogar  in 
einer  Zeichnung  einer  Stambuler  Ausgabe  der  Schwanke 
erkannt  habe. 

2  Lefaif,  S.  9  ff. 

xxn 


dieses  Buch  verfaßt  hat,  mein  Vater  und  der 
Gatte  meiner  Schwester,  auf  einer  Reise  die 
Straße  nächst  dem  Mausoleum  Nasreddins  fuhren, 
ja  dicht  an  diesem  vorüberkamen,  sagte  mein 
Schwager:  ,Wenn  ich  jetzt  nicht  über  den  Mann 
lache,  wer  weiß,  was  mir  da  schlimmes  zustoßen 
wird.'  So  sprach  er  und  hörte  nicht  auf  uns,  ob- 
wohl wir  ihn  inständigst  baten.  Als  wir  nun  unter 
einem  herabhängenden  Aste  einer  alten  Platane 
dahinfuhren,  verfing  sich  dieser  in  dem  Sommer- 
dache des  Bauernwagens  und  riß  es  in  Fetzen; 
die  Pferde  wurden  scheu,  und  auf  ein  Haar  wäre 
der  Wagen  umgestürzt.  Das  Weinen  war  uns 
näher  als  das  Lachen." 

Glücklicherweise  können  derartige  Unfälle 
nicht  oft  vorkommen;  denn  es  wird  einem  Türken 
recht  schwer,  bei  dem  Anblicke  des  Grabes,  der 
die  Erinnerung  an  Hunderte  von  Schwänken  er- 
weckt, ernsthaft  zu  bleiben,  und  ein  drastischer 
Beleg  ist  dafür  eine  Geschichte,  die  Künos  in 
Aidin  aus  dem  Munde  eines  Augenzeugen  gehört 
hat  ^;  ,,Nach  euerer  Zeitrechnung  war  es  im  Jahre 
1832,  daß  wir,  als  wir  unter  der  Führung  Ibrahim 
Paschas  in  Kleinasien  waren,  um  den  Aufruhr  in 
der  Gegend  von  Konia  zu  ersticken,  auch  bei  Ak- 
schehir  vorübermarschierten.  Unser  Weg  führte 
an  dem  Friedhofe  vorbei,  und  da  entging  es  dem 
Blicke  des  Paschas  nicht,  daß  keiner  von  den  Sol- 
daten, wenn  ihre  Blicke  auf  den  Turban  des  Hod- 
schas  ^  fielen,  ein  Lächeln  verhalten  konnte.   Der 

1  Trefdi,  S,  9  ff, 

2  Der  übergroße  Turban  —  vgl,  dazu  unten  S,  78  ff,, 
Nr,  152  —  ist  demnach  wohl  das  einzige,  was  an  dem 
Grabe  unmittelbar  lächerlich  wirkt. 

XXIII 


Pascha  ließ  halten;  als  er  nun  erfuhr,  warum  die 
Soldaten  lachten,  ließ  er  unter  ihnen  verlaut- 
baren, wer  an  dem  Grabe  vorbeigehn  könne,  ohne 
zu  lachen,  den  werde  er  beschenken.  Manchen 
gelang  es  auch,  das  Lachen  zurückzuhalten;  end- 
lich ging  aber  ein  Albanese  vorüber,  der  seinen 
Ernst  um  jeden  Preis  bewahren  wollte.  Kaum 
hatte  er  jedoch  den  sonderbaren  Turban  erblickt, 
so  platzte  er  auch  schon  los,  obv/ohl  er  seine 
Lippen  und  Zähne  zusammengepreßt  und  die 
Augen  fest  geschlossen  hatte,  und  schrie:  ,So  ein 
Mensch  ist  dieser  Hodscha,  daß  er  die  Leute, 
wenn  er  es  schon  von  oben  nicht  kann,  so  doch 
von  unten  zum  Lachen  bringt!'  " 

Bei  solchen  Zeugnissen  ist  es  denn  nicht  zu 
verwundern,  daß  sich  eine  Legende  gebildet  hat, 
die  eine  Begründung  zu  geben  versucht,  daß  das 
Lachen  über  den  Hodscha  die  Jahrhunderte  über- 
dauert hat  und  daß  schon  die  Nennung  seines 
Namens  genügt,  um  es  stets  wieder  hervorzu- 
rufen. Diese  Legende,  oder  besser,  dieses  ätio- 
logische Märchen,  das  ich  allerdings  nur  in  einer 
einzigen,  serbischen  Fassung  ^  nacliweisen  kann, 
erzählt: 

Es  lebte  einmal  ein  Evlija,  ein  Heiliger;  er 
hatte  drei  Söhne,  die  alle  drei  Imame  v/aren.  Sein 
ganzer  Besitz  bestand  in  einem  Widder.  Eines 
Tages  fragten  ihn  die  Söhne:  „Was  werden  v/ir 
heute  essen?"  Der  Evlija  zeigte  auf  den  Widder. 
Alsbald  sprangen  die  Söhne  auf,  schlachteten  den 


^  Nasradin-hodza  njegove  sale,  dosetke  i  lakrdije  u 
pripodjetkama  od  Mehmeda  TevHka,  U  Nuvom  Sadu  (Neu- 
satz), 1903,  S,  6  ff, 

XXIV 


Widder  und  zogen  ihm  das  Fell  ab;  dann  brieten 
sie  ihn  und  verzehrten  ihn.  Sie  sammelten  hierauf 
alle  Knochen,  der  Evlija  stand  auf,  nahm  den 
Koran  in  die  Hand  und  betete  über  den  Knochen, 
und  die  Söhne  sagten  Amen.  Er  betete,  sie  sagten 
Amen,  er  betete  und  sie  sagten  Amen,  bis  zuletzt 
der  Widder  wieder  lebendig  wurde.  „Führt  ihn 
in  den  Garten,"  sagte  der  Evlija,  und  die  Söhne 
führten  den  Widder  in  den  Garten. 

Am  nächsten  Tage  fragten  wieder  die  Söhne: 
„Was  werden  wir  heute  zu  Mittag  essen?"  und 
der  Evlija  deutete  mit  dem  Finger  in  den  Garten 
und  sagte:  „Den  Widder."  Die  Söhne  schlach- 
teten ihn  wieder,  brieten  ihn  und  aßen  ihn,  Sie 
sammelten  wieder  die  Knochen  und  der  Evlija 
nahm  wieder  den  Koran  und  betete;  die  Söhne 
sagten  Amen.  Er  betete  und  die  Söhne  sagten 
Amen,  und  der  Widder  wurde  wieder  lebendig. 

Eines  Tages  ging  der  Evlija  zu  einem  Grabe. 
Die  Söhne  ergriffen  wie  gewöhnlich  den  Widder, 
schlachteten  ihn,  brieten  ihn  und  aßen  ihn;  auch 
die  Knochen  sammelten  sie  wieder.  Einer  von 
ihnen  nahm  den  Koran  und  betete,  und  die 
andern  zwei  sagten  Amen.  Der  eine  betete  und 
die  andern  sagten  Amen,  aber  siehe  da  —  der 
Widder  wurde  nicht  lebendig. 

Unterdessen  kam  der  Evlija  heim,  und  er 
fragte  seine  Söhne:  „Wo  ist  der  Widder?  was 
habt  ihr  mit  ihm  gemacht?"  Sie  zuckten  die  Ach- 
seln: „Du  siehst  ja  selber,  was  wir  mit  ihm  ge- 
macht haben,"  Der  Evlija  besann  sich,  wie  eben 
ein  Evlija,  sofort;  er  wußte  alles,  und  darum 
wollte  er  sie  nicht  erst  schelten,  sondern  fragte 
sie  nur:  „Wer  hat  ihn  denn  getötet?"     „Der  da," 

XXV 


antwortete  Nasreddin,  Und  der  Evlija  sagte: 
„Auch  er  soll  getötet  werden!"  Und  er  fragte 
wieder:  „Wer  hat  ihm  denn  das  Fell  abgezogen?" 
„Der  da,"  antwortete  Nasreddin.  „Amen  auch 
ihm!  Und  was  hast  du  gemacht?"  „He,  he," 
antwortete  Nasreddin,  „ich  habe  nur  gelacht!" 
Nun  sagte  der  Evlija:  „Drum  soll  es  geschehn, 
daß  auch  die  Leute  über  dich  lachen,  und  Gott 
gebe,  daß  alle  Völker,  weß  Glaubens  immer,  über 
dich  lachen,  solange  die  Welt  besteht!"  ^ 

Das  Volk  hat  den  Hodscha  Nasreddin  nicht 
nur  unter  die  Märchenhelden,  sondern  auch  unter 
die  Heiligen  versetzt;  er  hat  ja  auch  kurz  nach 
seinem  Hinscheiden  die  Gläubigen,  die  in  einer 
nahe  bei  seinem  Grabe  gelegenen  Moschee  ver- 
sammelt waren,  vor  dem  ihnen  durch  den  Ein- 
sturz der  Kuppel  drohenden  Tode  errettet ",  Und 
dort,  wo  sein  Grab  ist,  in  Akschehir,  gibt  es  kaum 
eine  Gasse,  einen  Brunnen  oder  eine  Dschami, 
woran  sich  nicht  Überlieferungen  von  Nasreddin 
knüpften,  und  von  jeder  Moschee  wird  behauptet, 
Nasreddin  habe  in  ihr  gepredigt:  man  zeigt  dem 
Fremden,  wo  er  über  die  Allgegenwart  Gottes 
die  Worte  gesprochen  hat:  ,,Wenn  Gottes  Hand 
nicht  alles  lenkte,  dann  müßte  wenigstens  einmal 
etwas  geschehn,  wie  ich  es  wollte!"  und  mit  be- 
sonderm  Stolze  führt  man  den  Besucher  zu  der 


^  Zu  dem  Märchenmotive  von  dem  aus  den  gesammel- 
ten Knochen  wiederbelebten  Tiere  oder  Menschen  vgl. 
Köhler,  Kleinere  Schriften,  Weimar  (Berlin),  1898  f f.,  I, 
S.  273  und  586  ff.,  v,  d,  Leyen,  Das  Märchen  in  den 
Göttersagen  der  Edda,  Berlin,  1899,  S.  24,  40  und  81  und 
Dähnhardt,  Natursagen,  Leipzig,  1907  ff.,  III,  S.  407  ff, 

2  Siehe  unten  S,  144  ff„  Nr.   241. 

XXVI 


Kanzel,  auf  der  der  Hodscha  die  berühmte  drei- 
geteilte Predigt  gehalten  hat,  die  unsere  Samm- 
lung eröffnet  \ 

Mag  immerhin  einer  oder  der  andere,  weil  die 
Kette  der  Beweise  nicht  lückenlos  ist,  behaupten: 
Nasreddin  hat  nicht  gelebt;  das  eine  wird  nie- 
mand leugnen  wollen:  Nasreddin  lebt. 

Über  seinen  Geburtsort  gehn  die  Überliefe- 
rungen auseinander,  Künos  läßt  die  Entschei- 
dung offen  zwischen  Siwri-Hissar  und  Akschehir, 
Behai  gibt  Siwri-Hissar  an,  und  Ali  Nouri ",  der 
Pseudonyme  Verfasser  einer  deutschen  Ausgabe 
von  Nasreddins  Schwänken,  sagt  kurzer  Hand, 
daß  er  in  Akschehir  geboren  sei,  Flögel  nennt 
Jenischehir  als  Geburtsort;  aber  die  von  Ak- 
schehir, die  förmlich  mit  Eifersucht  alles  hüten, 
was  an  den  Hodscha  erinnert,  weisen  es  entschie- 
den zurück,  daß  er  in  Jenischehir  jemals  auch 
nur  gewesen  sei ",  Wohl  nur  auf  dem  Schlüsse 
aus  seiner  Zeitgenossenschaft  mit  Timur  und 
Bajazet  beruhen  die  Angaben,  daß  er,  wie  Behai 
sagt ,  in  der  Regierungszeit  Sultan  Orchans 
(1326 — 1359)  oder,  nach  andern,  um  1360  ge- 
boren sei,  Kombination  ist  natürlich  auch  alles 
übrige,  was  über  seine  Lebensumstände  erzählt 
wird,  obwohl  es  im  allgemeinen  herzlich  wenig 
ist;  andere  Quellen  als  die  Schwanke  gibt  es 
ja  nicht.  Und  bei  dem  jüngsten  Biographen  Nasr- 
eddins fühlt  man  leicht,  daß  der  Wortschwall  als 
Mittel  verwandt  wird,  um  die  peinlich  empfun- 

1  Trefdi,  S.  14  ff. 

2  Nasreddin  Khodjas  Schwanke  und  Streiche,  Breslau, 
1904, 

2  Trefäi,  S.  14. 

xxvn 


dene  UnwissenJieit  zu  verdecken;   immerhin  sei 
mitgeteilt,  was  dieser  zu  berichten  v/eiß  ^: 

,,Nach  der  herrschenden  Meinung  hat  sich  der 
verewigte  Hodscha  in  Akschehir  und  wohl  auch 
in  Konia  dem  Studium  und  der  Vervollkommnung 
in  den  Wissenschaften  hingegeben.  Dann  war  er 
in  einigen  Städten  und  Bezirken  in  der  Nähe  von 
Akschehir  Kadi.  In  seiner  Vaterstadt  Siwri- 
Hissar  war  er  Prediger,  In  einigen  andern  Orten 
war  er  Lehrer  an  geistlichen  Seminaren  und  Vor- 
beter, Auch  hat  er  Amtsreisen  unternommen  in 
die  Wilajete  Konia,  Angora  und  Brussa,  sowie  in 
einige  andere  angrenzende  Provinzen,  ,  .  .  Er  ge- 
hörte zu  den  Juristen  aus  der  Rechtsschule  Abu 


1  Bezeichnend  ist  es,  wonach  Behai,  der  durch  das 
Versprechen,  den  Einsendern  von  Schwänken  Nasreddins 
einzelne  Bogen  oder  ganze  Exemplare  seines  Buches  zum 
Geschenke  zu  machen  [Letaif,  S.  13),  eine  sehr  zahlreiche 
Mitarbeiterschaft  gewonnen  haben  dürfte,  die  Authenti- 
zität der  einzelnen  Überlieferungen  beurteilt;  darüber 
schreibt  er  in  seinem  Schlußv/orte  (S,  255  ff.):  ,,Wir  haben 
uns  Handschriften  aufgehoben;  aus  ihnen  geht  hervor,  daß 
man  uns  ziemlich  viele  Schwanke  übersandt  hat  mit  dem 
Bemerken,  fünf  bis  zehn  Personen  hätten  es  übereinstim- 
mend bezeugt,  daß  sie  wirklich  von  dem  Hodscha  stamm- 
ten. Wenn  derartige  Schwanke  Stück  für  Stück  durch  die 
osmanische  Welt  gehn  und  von  einem  osmanischen  Ge- 
lehrten nach  dem  andern  übernommen  werden,  so  ist  das 
ein  Beweis,  daß  sie  auf  den  Hodscha  zurückzuführen  sind. 
Kamen  uns  aber  Schwanke  in  die  Hand,  die  nicht  so  wie 
diese  bezeugt  waren,  bei  denen  uns  kein  Beweis  vorlag, 
daß  sie  dem  Hodscha  zuzusprechen  seien,  so  haben  wir  es 
vorgezogen,  das  Zeugnis  derer  gelten  zu  lassen,  die,  auch 
ohne  Belege,  ihre  Authentizität  behaupten;  hiernach  haben 
wir  gemeint,  in  zweifelhaften  Fällen  sei  es  besser,  die 
Authentizität  auszusprechen.  Und  Allah  mache  es  mit  uns 
ebenso!" 

XXVIII 


Hanifas^  .  .  ,  Als  er  einmal  von  der  Regierung 
in  Staatsgeschäften  nach  Kurdistan  geschickt 
wurde,  sagte  dort  einer,  der  ihn  erkannte:  ,Unser 
Hodscha  versteht  sich  sogar  auf  Politik  und 
Regierungskunst  und  ist  darum  ein  ganzer  Mann.* 
Ein  andermal  wurde  er  in  Akschehir  mitten  aus 
einer  Versammlung  herausgeholt;  für  die  Regie- 
rung hatte  sich  nämlich  die  Notwendigkeit  er- 
geben, sofort  Eilboten  dorthin  zu  schicken  und  ihn 
aufzufordern,  so  schnell  wie  möglich  in  die  Haupt- 
stadt zu  kommen.  Meistens  beschäftigte  er  sich 
mit  der  mohammedanischen,  auf  Koran  und  Über- 
lieferung gegründeten  Rechtskunde," 

Die  Naivetät,  die  aus  diesen  Erzählungen 
spricht,  wird  noch  übertroffen  durch  die  groteske 
Art  der  Lobsprüche,  die  Beha'i  dem  Hodscha  an- 
gedeihen  läßt.  Mit  Entrüstung  erfüllt  es  ihn,  daß 
man  versucht  hat,  unwahre  Behauptungen  über 
Nasreddin  durch  erfundene  Geschichten  zu 
stützen,  und  daß  in  einem  von  ihm  nicht  näher 
bezeichneten  Buche  der  Ausspruch  getan  wird: 
,,Der  Hodscha  zeigt  manchmal  den  höchsten  Grad 
von  Freigeisterei;  auch  ist  er  nicht  Wandermönch 
geworden.  Es  ist  dem  Gedächtnis  überliefert, 
daß  seine  durch  anderweitige  Beispiele  erwiesene 
fluchwürdige  Gottlosigkeit  gewiß  der  als  göttliche 
Strafe  zu  gewärtigenden  Vernichtung  würdig  ist, 
und  daß  er  Fragen  der  Jurisprudenz  und  der 
Theologie  im  Verkehre  mit  den  verschiedensten 
Klassen  der  Muselmanen  unter  der  Verhüllung 


1  über  Abu  Hanifa,  den  Begründer  der  nach  ihm  ge- 
nannten orthodoxen  Rechtsschule  (680  oder  699 — 767),  vgl, 
Brockelmann,  Geschichte  der  arabischen  Litteratur,  Wei- 
mar (Berlin),  1898  ff.,  I,  S,  169  ff. 

XXIX 


durch  Schwanke  behandelt  hat.  Möge  ihm  Gottes 
Barmherzigkeit  noch  zu  teil  werden!"  Dagegen 
donnert  Behai  in  folgender  Philippika:  „Nirgends 
ist  bei  Sr.  Hochehrwürden  und  Sr.  Heiligkeit 
—  nämlich  Nasreddin  —  irgendein  der  Welt 
schmeichelnder  Unglaube  festzustellen.  Seine  Ge- 
rechtigkeit steht  außer  Zweifel,  gemeine  und 
niedrige  Handlungen  finden  sich  bei  ihm  nicht; 
ja  nicht  einmal  in  Gedanken  hat  er  gesündigt. 
Freilich  gibt  es  —  das  sei  in  aller  Ehrerbie- 
tung gesagt  —  auch  für  den  Hodscha  eine 
Grenze,  über  die  hinaus  sein  sittliche  Kraft 
nicht  reicht:  da  auch  er  nur  ein  Mensch  war, 
da  auch  ein  Muselman  nicht  ohne  Sünde  ist, 
hat  wohl  auch  er  in  Sünde  fallen  können, 
und  es  ist  möglich,  daß  er  in  seiner  Kind- 
heitszeit und  seinem  Jünglingsalter  unpassendes 
getan,  ja  eine  Sünde  begangen  hat;  nur  allmählich 
vervollkommnete  er  sich,  machte  er  Fortschritte 
in  der  Wissenschaft,  in  den  Kenntnissen,  in  der 
sittlichen  Vervollkommnung  und  in  der  Weisheit 
und  bildete  Körper  und  Charakter  aus,  bis  er 
schließlich  zu  dem  höchsten  Grade  der  Ver- 
einigung mit  Gottes  Heiligkeit  und  seinem  hei- 
ligen Geiste  gelangt  ist."  Und  an  einer  andern 
Stelle  heißt  es:  ,, Staunenswert  war  seine  aske- 
tische Frömmigkeit;  selbst  im  Schlafe  hat  er  sich 
nie  durch  unreine  Gedanken  befleckt."  Und 
weiter:  ,,Er  zog  es  vor,  sich  betrügen  zu  lassen, 
ja  sogar  einen  empfindlichen  Schaden  zu  erleiden, 
als  irgendeinem  Menschen  eine  schändliche  Lüge 
oder  einen  Betrug  zuzutrauen  . . .  Se.  Hochehr- 
würden, der  verewigte  Nasreddin  war  ein  tief- 
gründiger Gelehrter,  der  der  Weltlust  und  den 

XXX 


weltlichen  Dingen  entsagt  hat;  er  war  eine  durch- 
aus reine  und  lautere  Natur  in  des  Wortes  tiefster 
Bedeutung,  er  war  geradezu  eine  Engelsnatur." 

Der  Leser  soll  nicht  weiter  gelangweilt  wer- 
den; hoffentlich  begleitet  ihn  aber  die  Erinnerung 
an  diese  Panegyriken  bis  zu  der  Lektüre  der 
Schwanke. 

Ebenso  schmerzlich  wie  den  dem  Hodscha  ge- 
machten Vorwurf  der  Gottlosigkeit  empfindet  es 
Behai  auch,  daß  dieser  manchen  nur  als  einfacher 
Spaßmacher  gilt:  „Wir  zählen  den  verewigten 
Hodscha  zu  einer  Art  von  Persönlichkeiten,  die 
nur  auf  ein  einziges  Volk  —  nämlich  das  tür- 
kische —  beschränkt  geblieben  ist;  weder  Behle- 
wal  Dana  in  der  Anfangszeit  des  Islams,  noch  der 
sprichwörtlich  gewordene  Mudschadib ,  noch 
Dschoha,  noch  Männer  wie  Abdal,  die  sich  ihn 
zum  Vorbilde  nahmen,  noch  Abu  Dulama  von  den 
Arabern,  noch  Talhak  von  den  Persern,  diese 
Schmarotzerseelen,  noch  irgendein  anderer  von 
den  übrigen  Völkern  kann  mit  unscrm  Hodscha 
verglichen  werden."  ^ 

^  Letaif,  S,  4.  Von  den  hier  erwähnten  Kameraden 
Nasreddins  erwähnt  Behai  unmittelbar  vorher  einen,  näm- 
lich Abdal,  als  einen  Hofnarren  Timurs;  vielleicht  liegt 
hier  oder  an  der  unten  S.  279  zu  Nr,  326  zitierten  Stelle 
aus  den  Vierzig  Vezieren,  die  dann  jedenfalls  älter  sein 
müßte  als  die  Parallele  mit  Nasreddin  als  Helden,  eine 
Verwechslung  vor.  Mit  Ausnahme  des  sofort  zu  be- 
sprechenden Dschoha  sind  mir  von  all  diesen  Vertretern 
des  Narrentums  nur  Abu  Dulama  und  Talhak  bekannt. 
Abu  Dulama,  ein  Neger,  war  Hofnarr  al  Mansurs  und  ist 
777  gestorben;  vgl,  über  ihn  Brockelmann,  I,  S,  74,  Ein 
Schwank  von  ihm  ist  unten  im  H,  Bande,  S.  237  erwähnt. 
Über  Talhak,  den  Hofnarren  Sultan  Mahmuds  von  Ghasni, 
vgl.  Hörn  im  Keleti  szemle,  I,  S.  70, 

XXXI 


Dieser  Ausspruch  ist  nicht  unwichtig;  er  be- 
weist, daß  man  auch  in  dem  Volke,  dem  Nasr- 
eddin  angehört,  schon  die  Verwandtschaft  er- 
kennt, die  ihn  mit  andern  Gestalten  verbindet, 
die,  ob  historisch  oder  nicht,  als  wenig  verschie- 
dene Typen  die  Helden  des  Dummheitsschwan- 
kes und  oft  zugleich  des  Schlauheitsschwankes 
darstellen.  Von  diesen  haben  wir  uns  hier  noch 
mit  Dschoha  zu  beschäftigen. 

Der  Umstand,  daß  Dschoha  viele  sonst  mit 
Nasreddin  verbundene  Schv/anküberlieferungen 
auf  sich  vereinigt,  hat  einzelnen  Gelehrten  den 
Anlaß  zu  der  Behauptung  gegeben,  Nasreddin 
und  Dschoha  seien  einunddieselbe  Person,  und 
man  hat  sogar  versucht,  das  arabische  Wort 
Dschoha  als  eine  Ableitung  des  türkischen  Hod- 
scha  zu  erklären  ^.  Diese  Meinungen  sind  aber 
unhaltbar,  da  Dschoha  als  ein  dem  Hodscha  Nasr- 
eddin ähnlicher  Typus  lange  vor  diesem  be- 
legt ist. 

Schon  der  Fihrist  des  995  gestorbenen  ibn 
Ishak  an  Nadim,  eine  Bibliographie  der  damals 
vorhandenen  arabischen  Literatur,  nennt  unter 
den  Schwankbüchern  unbekannter  Verfasser  ein 
von  Dschoha  handelndes  -;  dieses  ist  ebenso  wie 
die  andern  dieser  Gruppe  angehörenden  Schrif- 
ten verloren.  Die  nächste  Erv/ähnung  Dschohas 
findet  sich  in  dem  Kitah  madschma  al  amthal  des 
1124  verstorbenen  al  Maidani,  einer  großen  ara- 


1  Köhler,  I,  S,  508  ff.;  Hartmann  in  der  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Yolftsliunde,  V,  S,  48, 

2  R,   Basset   in   der  Einleitung    (S.  4  ff.)    zu  A.   Mou- 
lieras,  Les  fourberies  de  Si  Djefi'a,  Paris,  1892, 

XXXII 


bischen  Sprichwörtersammlung  ^ ;  Maidani  belegt 
einzelne  Sprichwörter,  die  mit  dem  Namen  eines 
Einfaltspinsels  verknüpft  sind,  mit  kleinen  Erzäh- 
lungen von  dem  betreffenden,  und  so  hat  er  auch 
drei  Geschichten  von  Dschoha '.  Dieser  führt 
aber  auch  noch  zugleich  mit  Nasreddin  ein  von 
ihm  unabhängiges  Dasein;  der  Thamarat  al  aurak 
von  ibn  Hidschdscha  al  Hamawi  (1366 — 1434) 
bringt  von  ihm  einige  Schwanke  und  sagt  über 
ihn:  „Manche  behaupten,  daß  er  der  unterhal- 
tendste Mensch  von  der  Welt  gewesen  sei,  daß 
es  aber  zwischen  ihm  und  den  Leuten  Zwistig- 
keiten  gegeben  habe,  und  daß  man  ihm  alle  mög- 


^  Hartmann  a.  a,  0,,  S,  49. 

~  Die  zweite  dieser  drei  Geschichten  ist  im  II,  Bande, 
S,  183ff,  mitgeteilt;  die  beiden  andern  erzählen  {Freytag,  I, 
S.  403);  Es  sieht  einer  Dschoha  außerhalb  der  Stadt  Kufa 
graben  und  fragt  ihn,  was  er  mache.  Dschoha  antwortet, 
er  könne  eine  Summe  Geldes,  die  er  dort  vergraben  habe, 
nicht  wiederfinden.  Als  ihm  nun  der  andere  sagt,  er  hätte 
sich  ein  Zeichen  machen  sollen,  erwidert  er,  das  habe  er 
sowieso  getan;  jetzt  sehe  er  aber  die  Wolke,  die  damals 
den  Ort  beschattet  habe,  nicht  mehr.  (Vgl.  zu  diesem 
Schwanke  Kathd  Sarit  Sägara,  II,  S.  60  ff.;  Kuka,  S.  175, 
Nr.  63;  Liebrecht,  Zur  Volkskunde,  Heilbronn,  1879,  S.  117; 
Clouston,  The  Book  of  Noodles,  London,  1888,  S,  99  ff.).  — 
Als  Abu  Muslira  als  Statthalter  nach  Kufa  kommt,  fragt 
er,  wer  Dschoha  kenne,  und  befiehlt  einem,  der  Jaktin 
heißt,  ihn  zu  bringen.  Jaktin  führt  Dschoha  zu  Abu  Mus- 
lim, der  gerade  ganz  allein  ist;  da  fragt  Dschoha  seinen 
Begleiter:  „Wer  von  euch  beiden,  Jaktin,  ist  denn  nun 
Abu  Muslim?"  Alle  drei  Dschohageschichten  Maidanis 
sind  mit  Dschoha  als  Helden  in  den  Nawadir  von  al  Kal- 
jubi  (t  1658)  übergegangen;  danach  hat  sie  Basset  in  der 
Revue  des  tradiüons  populaires,  XV,  S,  40,  41  und  43 
übersetzt. 

Nasreddin.   I.  JR  XXXIII 


liehen  Geschichten  beigelegt  habe;  andere  sagen, 
er  sei  der  leichtfertigste  Taugenichts  gewesen,"  ' 
Bis  zum  fünfzehnten  Jahrhunderte,  oder  wenn 
man  auf  die  Tatsache,  daß  keine  ältere  Auf- 
zeichnung Nasreddinscher  Schwanke  erhalten  ist, 
pochen  will,  bis  zum  Ende  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts können  also  die  Überlieferungen  des 
Dschohakreises  als  die  altern  nicht  von  solchen 
der  Nasreddingruppe  beeinflußt  worden  sein;  daß 
aber  später  Dschoha  und  Nasreddin,  die  ja,  der 
eine  für  die  Araber,  der  andere  für  die  Türken, 
gleichartige  Typen  des  Narren  und  Volkslieblings 
darstellen,  ineinander  übergeflossen  sind,  ist 
leicht  verständlich.  Dem  tragen  die  heute  im 
arabischen  Oriente  außerordentlich  verbreiteten 
Drucke  Rechnung,  die  schon  im  Titel  die  beiden 
Personen  identifizieren:  Nawadir  el  chodscha 
nasr  ed-din  effendi  dschoha.  Freilich  läßt  der 
Umstand,  daß  Nasreddin  oft  auch  als  Dschoha 
er-rumi,  als  rumelischer  oder  türkischer  Dschoha 
bezeichnet  wird ',  den  Schluß  zu,  daß  der  Araber 
noch  immer  zwischen  den  beiden  unterscheide 
und  durch  diese  Bezeichnung  nur  die  Ähnlich- 
keit, die  auch  er  zwischen  ihnen  erkermt,  aus- 
drücken wolle;  dies  erscheint  aber  als  neben- 
sächlich, weil  zur  Ausstattung  beider  Volkslieb- 
linge der  Schatz  der  alten  Überlieferungen 
gleichmäßig  geplündert  worden  ist  und  noch 
weiter  geplündert  wird.  Was  man  heute  vorläufig 
nur  von  Nasreddin  erzählt  —  abgesehn  natürlich 
von  dem  genannten  oder  ungenannten  Schwank- 


1  Basset  a.  a,  O.,  S.  5  ff. 

2  Basset,  S.  3ff.;  Hartmann,  S.  48,  Note  2;  Letaif,  S.  12. 


XXXIV 


hclden,  von  dem  es  zuerst  berichtet  worden  ist  — 
wird  morgen  auch  von  Dschoha  erzählt,  und 
ebenso  umgekehrt;  klar  ist  es  dabei,  daß  die 
Araber  bei  ihrer  reichen  Schwankliteratur  meist 
die  gebenden,  die  Türken  die  empfangenden  sind. 

Die  verschiedenen  Ausgaben  des  Nawadir  el 
chodscha  nasr  ed-din  effendi  dschoha,  deren 
Inhalt  so  ziemlich  identisch  zu  sein  scheint,  ent- 
halten fast  alle  Geschichten  des  noch  zu  be- 
sprechenden, zum  ersten  Male  1837  erschienenen 
türkischen  Volksbuches  von  Nasreddin  und  in 
derselben  Anordnung.  Wenn  der  Schluß,  den 
Basset  aus  dem  das  Jahr  der  Hidschra  1041 
zeigenden  Chronogramme  einer  ihm  vorliegenden 
Bulaker  Ausgabe  zieht,  richtig  ist^,  wenn  also 
der  Nawadir  in  seiner  heutigen  Form  schon  im 
17.  Jahrhunderte  —  das  Jahr  1041  der  Hidschra 
entspricht  dem  Jahr  1631  n.  Chr.  —  abgefaßt 
worden  ist,  dann  haben  das  türkische  Volksbuch 
und  der  arabische  Nawadir  dieselbe  Vorlage  ge- 
habt, die  allerdings  im  Nawadir  fast  auf  das 
Doppelte  erweitert  worden  ist;  jedenfalls  hat  der 
Verfasser  des  Nawadirs  neben  der  türkischen 
Quelle  auch  arabische  und  vielleicht  andere  be- 
reits niedergeschriebene  Schnurren  vor  sich  ge- 
habt: aus  dem  Mustatraf  von  al  Abschihi  (f  1446) 
sind  zum  Beispiele  in  den  Nawadir  ganze  Seiten 
aufgenommen  worden ". 

Durch  die  Araber  ist  Dschoha,  und  zwar 
dieser  Dschoha  des  Nawadirs,  die  allbeliebte 
Schwankfigur    auch    im    nördlichen    Afrika    ge- 


Basset,  S.  8;  Hartmann,  S.  46,  Note  1, 
Basset,  S.  7. 

m*  XXXV 


worden,  und  so  v/ie  die  dem  türkischen  Volks- 
buche noch  nicht  angehörenden  Dschohageschich- 
ten  in  die  türkische  Überlieferung  übergegangen 
sind,  so  haben  auch  Erzählungen  des  Nasreddin- 
kreises  zugleich  mit  Dschohageschichten  oder  als 
solche  in  dem  Volksmunde  des  Maghribs  Auf- 
nahme gefunden.  Natürlich  haben  die  Araber  ihr 
sowieso  beschränktes  Eigentumsrecht  an  Nasr- 
eddin-Dschoha  nicht  behaupten  können,  sondern 
haben  ihn  mit  den  Berbern  teilen  müssen.  Die 
Kabylen  der  Küste  Algiers  haben  ihren  Dscheha, 
die  Beni  Msab  der  Sahara  ihren  Dschoha,  die 
Berbern  von  Tamazratt  ihren  Dschuha,  die  in  der 
Oase  Ghat  ihren  Schaha;  und  wie  der  tunisische 
und  der  tripolitanische  Araber  von  Dschuha  er- 
zählt, so  hat  sich  der  Nubier  einen  Dschauha 
geschaffen.  Der  Schwank  von  der  Schüssel,  die 
zuerst  gebiert  und  dann  stirbt,  begegnet  mit 
dem  türkischen  Nasreddin,  mit  dem  türkisch- 
arabischen Nasreddin-Dschoha,  mit  dem  arabi- 
schen Dschoha  und  mit  dem  berberischen  Dscheha 
als  Helden;  schließlich  kehrt  er  auch  auf  Malta 
wieder,  und  dort  ist  aus  dem  Dschoha  ein 
Dschahan  geworden  \ 


^  Die  meist  aus  den  letzten  Jahren  stammende,  aber 
schon  ziemlich  umfangreiche  Literatur  über  Dschoha 
(Dscheha  usw.  und  Dschahan)  findet  man,  soweit  sie  vom 
Herausgeber  benutzt  werden  konnte,  rückwärts  S,  199  ff. 
und  gelegentlich  bei  den  Anmerkungen  zitiert;  wegen  der 
minder  wichtigen  Lehrbücher  des  algerischen  Volks- 
arabisch, die  gelegentlich  als  Lesestücke  Dschohaerzäh- 
lungen  bringen,  und  wegen  einiger  belletristischer  Reise- 
Vi'erke  sei  auf  Basset,  S.  12  verwiesen.  Bemerkt  sei  hier 
nur  noch,  daß  eine  nicht  unbedeutende  Anzahl  von  an- 
scheinend auf  Dschoha  übertragenen  Nasreddingeschichten 

XXXVI 


Gemeiniglich  wird  auch  angenommen,  daß  der 
sizilianische  Volksnarr  Giufä  oder  Giucä,  der  in 
Plana  de'  Greci,  in  Palazzo  Adriano  und  in 
andern  albanesischen  Ansiedelungen  Siziliens 
Giuxä  heißt  ^),  der  nationalisierte  arabische 
Dschoha  sei;  dem  steht  entgegen,  daß  auch  in 
Toskana  der  bevorzugte  Träger  von  Dummheits- 
schwänken Giucca,  Giucco,  Ciocco  heißt.  In 
jedem  italiänischen  Wörterbuche  findet  man  neben 
sciocco  auch  giucco  =  Dummkopf,  neben  scioc- 
caggine,  scioccheria  usw.  auch  giuccaggine,  giuc- 


von  Mardrus  in  seine  Ausgabe  der  Mille  nuits  et  une  nuit, 
Paris,  1899  ff,  aufgenommen  worden  sind.  Weiter  sei  er- 
wähnt, daß  die  syrischen  Dschochiüberlieferungen  bei 
M,  Lidzbarski ,  Geschichten  und  Lieder  aus  den  neu- 
aramäischen Handschriften  der  königlichen  Bibliothek  zu 
Berlin,  Weimar,  1896,  S.  249  ff.  und  das,  was  T.  J.  Bezemer 
in  seiner  Volksdichtung  aus  Indonesien,  Haag,  1904, 
S.  196  ff,  als  Streiche  des  Djonaha,  des  Batakschen  Eulen- 
spiegels erzählt ,  weder  zum  Nasreddin-,  noch  zum 
Dschohakreise  gehören;  es  handelt  sich  in  beiden  Fällen 
um  Varianten  des  so  außerordentlich  verbreiteten  Unibos- 
märchens,  die  an  sich  allein,  ohne  weitere  übereinstim- 
mende Behandlung  gleicher  Motive,  noch  nicht  genügen 
können,  um  ihre  Helden  trotz  dem  anklingenden  und  wohl 
sicher  von  dem  seinigen  abhängigen  Namen  innerlich  mit 
Dschoha  zu  identifizieren.  Daran  kann  nichts  ändern,  daß 
auch  von  dem  serbischen  Nasreddin  (Krauss,  Anthropo- 
phyteia,  Leipzig,  1904  ff.,  III,  S,  366  ff.)  und  von  dem  nord- 
afrikanischen Dschoha  (s.  im  IL  Bande  S.  41  ff.)  Teile  des 
Unibosmärchens  erzählt  werden;  diese  fügen  sich  ja  dem 
übrigen  keineswegs  organisch  an, 

1  Daß  der  Name  Giu/a  auch  in  Albanien  vor- 
komme {Hartmann,  S,  47  und  öfter)  ist  ein  Irrtum;  vgL 
Pitre,  Fiabe,  novelle  e  racconti  popolari  siciliani,  Palermo, 
1875,  III,  S,  371,  eine  Stelle,  die  bei  Monnier,  Les  contes 
populaires  en  Italie,  Paris,  1880,  S.  11  ungenau  wieder- 
gegeben worden  ist,  woher  denn  das  Mißverständnis  rührt, 

XXXVII 


cheria  usw.  =  Dummheit,  und  in  Pitrcs  Samm- 
lung toskanischer  Volkserzählungen  kommt  eine 
moglie  giucca,  eine  dumme  Frau,  vor,  die  ihrer 
Dummheit  halber  Giucca  gerufen  wird  \  Wahr- 
scheinlich ist  ja  eine  oder  die  andere  von  den 
Giufägeschichten  arabischen  Ursprungs;  ob  man 
aber  deswegen  und  wegen  des  flüchtigen  Gleich- 
klanges eines  aus  der  italiänischen  Sprache 
ebenso  gut  erklärbaren  Wortes  mit  einem  arabi- 
schen Namen  so  weittragende  Schlüsse  ziehen 
darf,  bleibe  dahingestellt. 

Eher  könnte  man  wohl  eine  Namensentlehnung 
bei  dem  entsprechenden  kalabrischen  Typus  an- 
nehmen, dessen  einer  Name  Hiohä  —  der  andere 
lautet  Juvadi  oder  Juva',  was  wieder  zu  Giufä 
stimmt  —  sicherlich  mehr  als  Giufä  an  Dschoha 
erinnert;  was  die  innerliche  Verwandtschaft  be- 
trifft, so  findet  man,  auf  diesen  übertragen,  sogar 
eine  als  reine  Dschohageschichte  nicht  belegte 
Erzählung  des  Nasreddinkreises  vor. 

Für  das  Verhältnis  Nasreddins  zu  Dschoha 
ist  die  Feststellung  wichtig,  daß  aus  der  Zeit  vor 
Nasreddins  angeblichem  oder  wirklichem  Leben 
noch  keine  einzige  Dschohageschichte  bezeugt  ist, 
die  als  Quelle  eines  Nasreddinschen  Schwankes 
angenommen  werden  müßte  ",  während  das  sonst 


^  Pitre,  Novelle  popolari  toscane,  Firenze,  1885, 
nov.  38;  vgl.  ebendort  S.  195. 

2  Die  anscheinend  dagegen  sprechende  Bemerkung 
Horns  im  Keleti  sxemle,  I,  S.  70,  Z.  7  ff.  beweist  nichts;  die 
dort  erwähnte  Erzählung  Zakanis  gehört  wohl  zu  der  Ver- 
sion im  Nawadir  und  nicht  zu  der  im  Sottisier,  wie  andere 
Parallelen  zu  schließen  erlauben.  Die  weiter  von  Hörn  mit 
„Basset,  Tableau  Nr.  120"  bezeichnete  Erzählung,  nämlich 

XXXVIII 


Nasreddin  zugeschlagene  Gut  wahrlich  nicht 
gering  ist.  Eine  ganze  Reihe  von  Schnurren  — 
CS  ist  hier  wieder  nur  von  dem  ersten  Teile 
unserer  Ausgabe  die  Rede,  genauer  ausgedrückt 
von  den  Numern  1  bis  331  —  findet  sich  schon 
bei  dem  Perser  Ubeid  Zakani  (f  1370  oder  1371), 
nicht  so  viele  bei  dem  syrischen  Bischöfe  Bar- 
Hebraeus  (1226 — 1286),  und  einige  stehn  schon 
in  dem  Kitab  al  ikd  al  farid  von  ibn  Abdirabbihi 
{860 — 940) ;  daß  äsopische  Fabeln  Verwendung 
gefunden  haben  ist  weniger  verwunderlich,  als 
daß  auch  die  unter  dem  Namen  der  Facetien  von 
Hierokles  bekannte,  vielleicht  schon  im  fünften 
Jahrhunderte  verfaßte  Sammlung  ausgebeutet 
worden  ist.  Auf  vereinzelte  Parallelen,  wie  sie 
sich  zum  Beispiele  bei  az  Zamachschari  (1074  bis 
1143)  und  al  Habbari  ja  (f  1100)  finden,  sei  hier 
nicht  näher  eingegangen.  Daß  von  Nasreddin 
Geschichten  erzählt  werden,  die  auch  Karakusch, 
dem  Wesir  Saladins,  beigelegt  worden  sind,  kann, 
da  sie  noch  in  keinem  sicher  dem  ursprünglichen 
Verfasser  der  Karakuschanekdoten  al  Mammati 
(t  1209)  zugehörigen  arabischen  Texte,  sondern 
nur  in  einer  viel  spätem  türkischen  Bearbeitung 
nachgewiesen  sind  \  nicht  in  Betracht  kommen, 
und  dasselbe  gilt  von  den  Erzählungen,  zu  denen 


Sottisier,  Nr,  120  (unten  S,  101,  Nr.  187),  hat  mit  Nasr- 
eddin gar  nichts  zu  tun. 

^  Vgl.  Hartmann,  S.  50  ff.;  P.  Casanova  in  den  Me- 
moires  de  la  Mission  archeologique  fran^aise  au  Caire, 
t.  VI,  fasc.  3,  Paris,  1893,  S.  447  ff.;  Decourdemanche  in 
der  zweiten  Auflage  seiner  noch  zu  nennenden  Übersetzung 
des  türkischen  Volksbuches  von  Nasreddin,  S.  113  ff. 

XXXIX 


sich  Gegenstücke  auch  in  den  türkischen  Vierzig 
Wesiren  finden,  deren  arabisches  Original  noch 
nicht  bekannt  ist  ^  Mehrere  Stoffe  Nasreddins 
sind  vor  diesem  von  abendländischen  Erzählern 
behandelt  worden;  hier  darf  wohl  manchmal  eine 
europäische  Quelle  angenommen  werden,  zum 
Beispiele  bei  dem  in  den  europäischen  Über- 
lieferungen so  oft  wiederkehrenden  und  im 
Oriente  nur  mit  Nasreddin  belegten,  schon  von 
Boccaccio  zu  einer  Novelle  gestalteten  Schwanke 
von  den  angeblich  einbeinigen  Gänsen  oder 
Kranichen,  die  sich,  als  man  sie  erschreckt,  auf 
beiden  Beinen  davonmachen.  Mit  jeder  Spanne 
Zeit,  um  die  man  überdies  das  erste  Auftauchen 
eines  Schwankes  bei  Nasreddin  hinaufrückt  — 
der  Spielraum  ist  auch  bei  den  schon  in  den 
ältesten  Manuskripten  enthaltenen  immerhin  fast 
zweihundert  Jahre  —  wird  eine  Übertragung 
durch  die  Vermittlung  der  Literatur  wahrschein- 
licher; und  daß  die  heute  noch  nicht  abge- 
schlossene Übertragung  der  mündlichen  Über- 
lieferungen schon  sehr  zeitlich  begonnen  hat,  ist 
bei  Gestalten  wie  Nasreddin  selbstverständlich. 
Die  erste  gedruckte  Ausgabe  der  Schwanke 
Nasreddins  ist  1837  in  Konstantinopel  erschienen 
und  drei  Jahre  vorher  hat  J.  Dumoret  im  Journal 
asiatique  nach  einem  Pariser  Manuskripte  drei 
Erzählungen  veröffentlicht,  für  deren  Verfasser 
er  Nasreddin  hielt  - ;  vorher  wußte  man  von 
diesem  in  Europa  nicht  mehr,  als  was  Flögel  und 


1  Behrnauer,  Die  vierzig  Veziere  oder  weisen  Meisler, 
Leipzig,  1851,  S.  XIV. 

2  Vgl.  unten  S.  260  die  Note  zu  Nr.  211. 

XL 


die  genannten  Historiker  berichteten  und  was 
Goethe  im  West-östlichen  Diwan  mitgeteilt  hat  ^* 
Goethe  verdankt  seine  Kenntnis  Nasreddins 
dem  Berliner  Orientalisten  Prälaten  von  Diez, 
der  für  ihn  fünf  Schwanke  übersetzt  hat ".  Diez, 
der  „würdige  Mann"  mit  der  „strengen  und 
eigenen  Gemütsart"  hatte  an  Nasreddin  kein 
sonderliches  Gefallen;  in  einem  vom  24.  April 
1816  datierten  Briefe  an  Goethe  schreibt  er: 
„Fürs  Weitere  möchte  ich  Ihnen  gern  ein  Paar 
Erzählungen  von  Nusreddin  Chodscha  mitsenden, 
der  nicht  sowohl  ein  witziger  Kopf  als  ein  ziem- 
lich platter  und  unsauberer  Schwänkemacher 
gewesen."  Und  am  11.  Oktober  1816:  „Nussr- 
eddin  Chodscha  war  nur  ein  ziemlich  gemeiner 
Spaßmacher  und  Zotenreißer.  Die  Erzählungen 
die  man  von  ihm  hat,  sind  daher  noch  jetzt  nur 
der  Gegenstand  der  Unterhaltung  gemeiner  Leute 
in  den  langen  Winterabenden.  Er  lebte  im  vier- 
zehnten Jahrhundert  als  Lehrer  (Chodscha)  auf 
einem  Dorfe  in  Kleinasien,  um  die  Zeit,  als  Timur 
oder  Timurlenk,  der  lahme  Timur  (woraus  man 
in  Europa  Tamerlan  gemacht)  in  Asien  auf  Er- 
oberungen ausging.     Timur  fand  Vergnügen  an 


1  Freilich  hat  schon  Antoine  Galland  in  den  Paroles 
remarquables  . . .  des  Orientaux,  Paris,  1694  einzelne  Anek- 
doten ins  Französische  übersetzt,  aber  der  Name  Nasr- 
eddin kommt  bei  ihm  nicht  vor.  Unter  seinen  Quellen 
nennt  er  „Deux  Recueils  de  bons  mots  en  Türe  dont  j'ai 
choisi  ceux  qui  meritoient  d'etre  publiez";  aber  entweder 
haben  diese  Manuskripte  den  Namen  Nasreddin  nicht  ent- 
halten, oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  Galland  hat  ihn 
verschwiegen, 

2  Vgl.  C,  Siegfried,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und 
V.  Diez  im  Goethe-Jahrbuch,  XI,  1890,  S,  24  ft. 

XLI 


den  Schwänken  und  Einfällen  des  Mannes  und 
führte  ihn  auch  eine  Zeitlang  als  Gesellschafter 
mit  sich  herum.  Man  hat  mehrere  kleine  Samm- 
lungen seiner  Einfälle.  Mir  ist  aber  niemals  be- 
kannt geworden,  daß  man  in  Europa  etwas  davon 
übersetzt  habe.  Ich  habe  daher  einige  der  züch- 
tigsten und  besten  Erzählungen  in  der  Beilage 
wörtlich  übersetzt,  damit  Ew.  Hochwohlgeb. 
daraus  den  Geist  des  Mannes  näher  kennen 
lernen  mögen.  Wenn  Timur  ihn  als  Spielzeug 
gebrauchte,  so  mußte  er  sich  auch  manche  Grob- 
heiten von  ihm  gefallen  lassen." 

Goethens  Gesichtskreis  war  etwas  weiter  als 
der  des  Prälaten;  in  seiner  Antwort  an  ihn, 
datiert  vom  23.  Oktober  1816,  heißt  es:  ,,Die 
Stellung  solcher  Lustigmacher  an  Höfen  bleibt 
immer  dieselbe,  nur  das  Jahrhundert  und  die 
Landschaft  machen  Abstufungen  und  Schattie- 
rungen, und  so  ist  denn  dieser  sehr  merkwürdig, 
weil  er  den  ungeheuren  Mann  begleitet,  der  in 
der  Welt  so  viel  Unheil  angerichtet  hat  und  den 
man  hier  in  seinem  engsten  und  vertrautsten 
Zirkel  sieht."  Und  in  den  Noten  und  Abhand- 
lungen zum  Diwan  hat  Goethe  aus  den  fünf  ihm 
von  Diez  übersandten  Erzählungen  ^  von  dem 
„lustigen  Reise-  und  Zeltgefährten  des  Welt- 
eroberers" den  Schluß  gezogen,  ,,daß  gar  manche 
verfängliche  Märchen,  welche  die  Westländer 
nach  ihrer  Weise  behandelt,  sich  vom  Orient 
herschreiben,  jedoch  die  eigentliche  Farbe,  den 
wahren,  angemessenen  Ton  bei   der  Umbildung 


^  Heute  in  den  Handschriften  des  Goethe-Archivs  als 
Bl.  103. 

XLII 


meistens  verloren";  und  er  fährt  fort;  „Da  von 
diesem  Buche  das  Manuskript  sich  nun  auf  der 
königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  befindet,  wäre 
es  sehr  zu  wünschen,  daß  ein  Meister  dieses 
Faches  uns  eine  Übersetzung  gäbe.  Vielleicht 
wäre  sie  in  lateinischer  Sprache  am  füglichsten 
zu  unternehmen,  damit  der  Gelehrte  vorerst 
vollständige  Kenntnis  davon  erhielte.  Für  das 
deutsche  Publikum  ließe  sich  alsdann  recht  wohl 
eine  anständige  Übersetzung  im  Auszug  ver- 
anstalten/* Vorher  hat  er  schon  eine  von  den 
füiif  Erzählungen  abgedruckt  und  ihr  die  Be- 
merkung vorausgeschickt,  wie  er  sich  die  Aus- 
gestaltung des  im  Diwan  nur  zwei  Gedichte  um- 
fassenden Buch  des  Timur  gedacht  hätte. 

Der  Anregung  Goethes  ist,  wohl  unbewußter- 
weise, der  erste  Übersetzer  der  türkischen  ge- 
druckten Sammlung,  Camerloher,  zum  Teile 
nachgekommen,  indem  er  einige  Stellen,  die  ihm 
für  den  deutschen  Leser  zu  frei  schienen,  latei- 
nisch übertragen  hat  \  Eine  französische  Aus- 
gabe des  inzwischen  in  Konstantinopel  oft  auf- 
gelegten Volksbuches  ist  1876  von  Decourde- 
manche  besorgt  worden  \  der  später  auch  den 
schon  erwähnten,  auf  einer  Reihe  von  Hand- 
schriften beruhenden  Sottisier  de  Nasr-Eddin- 
Hodja  herausgegeben  hat.  Eine  reiche  Auswahl 
aus  dem  Volksbuche  in  türkischer  Sprache  mit 
einer  interlinearen  englischen  Übertragung  hat 
W.  B.  Barker  seinem  ebenfalls  schon  genannten 
türkischen  Lesebuche  beigegeben;  er  folgte  damit 


1  S,  unten  S.  202. 

XLIII 


dem  Beispiele  Dietericis,  der  sieben  Nasreddin- 
geschichten  aus  zwei  Manuskripten  Diezens  in 
seine  1854  erschienene  Chrestomathie  ottomane 
aufgenommen  hatte,  und  Malloufs,  in  dessen 
Dialogues  turcs-hangais,  Smyrna,  1854  (2,  Auf- 
lage Konstantinopel,  1856)  sich  sieben  Erzäh- 
lungen von  Nasreddin  finden.  Sechs  davon  hat 
Mallouf  in  der  Revue  de  l'Orient,  de  VAlgerie  et 
des  Colonies  von  1853  ins  Französische  übersetzt; 
die  von  Dieterici  veröffentlichten  hat  H.  Ethe  in 
seinen  Essays  und  Studien,  Berlin,  1872  zur 
Unterlage  eines  Aufsatzes  über  Nasreddin  be- 
nutzt. 

Im  Jahre  1299  der  Hidschra  (1883)  hat 
Mehmed  Tewfik  in  Stambul  eine  Sammlung  von 
71  Schwänken  Nasreddins  herausgegeben;  wenige 
Monate  später  ließ  er  ihr  130  Schwanke  von 
Buadem  folgen.  Buadem,  zu  deutsch:  dieser 
Mann,  ist  eine  von  Tewfik  erfundene  Gestalt,  zu 
deren  Ausstattung  er  vorläufig  viele  Schnurren 
des  Nasreddin-Dschohakreises  verwandt  hat.  In 
geringerm  Maße  ist  dies  bei  den  96  Schwänken 
festzustellen,  die  er  seinem  Buademwerke  in  der 
Ausgabe  von  1302  beigegeben  hat  \ 

Nur  zwei  anscheinend  neue  Erzählungen, 
darunter  eine  von  Timur,  bringen  die  ihrer  Ein- 
leitung halber  schon  oft  zitierten  Naszreddin 
hodsa  trefäi,  die  Künos  in  Kleinasien  aus  dem 
Munde  eines  Aidiners  aufgezeichnet  hat;  die 
Nummern  1  bis  123  finden  sich,  eine  ausgenom- 
men, schon  in  dem  125  Geschichten  enthaltenden 


1  S,  oben  S,  XVI  und  unten  S.  199. 

XLIV 


Voiksbuche,  und  auch  die  Reihenfolge  ist  bis  auf 
zwei  Ausnahmen  beibehalten  worden  ^ 

Schon  1872  ist  in  Athen  eine  griechische  Aus- 
gabe der  Schwanke  Nasreddins  erschienen  mit 
dem  Titel  'O  Naorgadlv  XcovrCccg.  Ji'^yijficcru  avrov 
dazsia  xal  neqisQyu  -.  Sie  ist  mir  trotz  allen  Be- 
mühungen unzugänglich  geblieben,  enthält  aber 
angeblich  denselben  Text  wie  das  bei  Saliber  in 
Athen  erschienene  Groschenbändchen  ^O  Nccgq- 
iödlv-XoT^ag  xal  tcc  ctGTsTa  dvsxdozu  avrov. 
Dieses  bringt,  augenscheinlich  in  Übersetzung, 
viele  Stücke  aus  dem  Volksbuche,  daneben  solche, 
die  bei  Tewfik  wiederkehren,  aber  auch  eine 
Reihe  von  Erzählungen,  die  sich  weder  im  Volks- 
buche, noch  bei  Tewfik  finden  ^.  Daß  übrigens 
Nasreddin  bei  den  Griechen  eine  selbständige 
Existenz  führt,  zeigt  auch  das  im  IL  Bande  S.  250 
besprochene  Märchen  von  Naxos  ^. 

Die  serbische  Ausgabe,  aus  deren  Einleitung 
oben  das  Märchen  von  dem  Evlija  und  seinen 


1  Im  Keleü  szemle,  I,  S.  177  bemerkt  Karl  Foy,  daß 
die  Künosschen  Texte  den  Eindruck  machen,  als  wären  sie 
mindestens  teilweise  einer  osmanisch-rumelischen  Vorlage 
nacherzählt, 

2  Köhler,  I,  S.  483. 

^  Erst  Behai  hat  einige  in  seine  Ausgabe  der  Letaif 
aufgenommen, 

*  Künos  zitiert  (Trefäi,  S,  12)  eine  1896  in  Athen  er- 
schienene griechische  Ausgabe  mit  einem  ausführlichen 
Vorworte  Walawanis,  Dieses  Buch  aufzutreiben,  war  mir 
unmöglich.  Nach  den  Zitaten  von  Künos  ist  das  Vorwort 
Walawanis  wohl  identisch  mit  dem  Aufsatze  in  den 
MiXQnaiaiixd,  den  Künos  nie  erwähnt.  Nebenbei  bemerkt 
war  auch  alles  Suchen  nach  der  englischen  Ausgabe,  die 
nach  Künos  (ebendort)  ein  gewisser  Konstantinidi  in  Vor- 
bereitung gehabt  hätte,  erfolglos, 

XLV 


drei  Söhnen  mitgeteilt  worden  ist,  nennt  Mehmed 
Tewfik  als  Verfasser  und  trägt  auf  dem  Titel  den 
Vermerk  Prevod  s  nemackog,  Übersetzung  aus 
dem  Deutschen;  dies  ist  aber  nur  zum  Teile 
richtig.  Die  Seiten  9  bis  48  enthalten  zwar  Über- 
tragungen aus  Tewfiks  Nasreddinausgabe,  aber 
dazwischen  sind  einige  aus  dem  Volksbuche  ent- 
nommene Erzählungen  eingeschoben,  und  manche 
beruhen  überhaupt  auf  einer  andern  Quelle;  der 
darauf  folgende  Abschnitt  mit  dem  Titel  Buadam 
bringt  die  130  Buademsch wanke  in  ungeänderter 
Anordnung,  fügt  aber  noch  vier  mit  Buadam  be- 
ginnende Schwanke  hinzu,  die  bei  Tewfik  kein 
Gegenstück  haben,  und  das  letzte  Drittel  des 
Buches,  bezeichnet  mit  Dodatak  oder  Anhang  er- 
zählt neben  einigen  nach  Camerloher  übersetzten 
Geschichten  eine  lange  Reihe  von  solchen,  die 
dem  serbischen  Volksmunde  entnommen  sind, 
wenn  sich  auch  etliche  schon  im  Sottisier  finden. 
In  Serbien  und  in  Bosnien  laufen  ja  noch  zahl- 
lose Überlieferungen  von  Nasreddin  um:  einige 
wenige  sind  wohl  in  südslawischen  Zeitschriften 
und  in  der  Anthropophyteia  aufgezeichnet, 
andere  werden  nach  einer  gütigen  Mitteilung  von 
Hrn,  Dr.  Friedrich  S.  Krauss  alljährlich  in  Volks- 
kalendern erzählt;  die  meisten  aber  harren  noch 
immer  einer  Niederschrift,  wie  dies  auch  in  den 
andern  früher  unter  türkischer  Herrschaft  ge- 
wesenen Balkanländern  der  Fall  sein  dürfte  \ 


^  In  Albanien,  wo  bisher  noch  nichts  aufgezeichnet  zu 
sein  scheint,  gilt  Nasreddin  oder  Nasra  als  der  Erfinder 
der  Schneereifen;  vgl.  Fr.  Baron  Nopcsa,  Aus  Sola  und 
Klementi,  Sarajevo,  1910,  S.  55. 

XLVI 


In  kroatischer  Sprache  ist  1857  in  Zara  ein 
Buch  erschienen  mit  dem  Titel  Nasradin  iliti 
Bertoldo  i  njegova  pritanka  domisljatost,  him- 
henost  i  lukavstina;  mir  liegt  es  in  einem  um 
Rätsel,  Sprichwörter  und  Gedichte  vermehrten 
Neudrucke  vor:  Nasradin  k  staroj  matici  povracen 
i  Nasradinic,  U  Zadru  (Zara),  1903,  Wie  schon 
der  ursprüngliche  Titel  andeutet,  ist  es  nichts 
als  eine  kroatische  Bearbeitung  des  italiänischen 
Volksbuches  von  Bertoldo  und  Bertoldino,  dessen 
Helden  durch  Nasradin  und  Nasradinic  ersetzt 
sind.  Aber  auch  eine  Ausgabe  von  Schwänken 
Nasreddins  gibt  es  in  der  kroatischen  Sprache; 
ich  kenne  nur  die  keine  Jahreszahl  tragende 
zweite  Auflage  Posurice  i  sah  Nasredina,  Zagreb 
(Agram).  Sie  bietet  eine  nicht  ganz  vollständige 
Übersetzung  des  Tewfikschen  Nasreddin  und  der 
130  Buademschwänke  —  statt  Buadem  steht 
überall  Nasredin  — ,  aber  anscheinend  nicht  nach 
der  deutschen  Ausgabe  ^;  die  Reihenfolge  wird 
im  allgemeinen  beibehalten  und  nur  gelegentlich, 
der  beigegebenen  Illustrationen  halber,  geändert. 
Dann  und  wann  sind  andere  Erzählungen  ein- 
gestreut, und  von  S,  64  an  wechseln  Schwanke 
aus  dem  Volksbuche  mit  andern,  von  denen  ein 
Teil  mit  solchen  aus  der  oben,  S,  XXVII  zitierten 
deutschen  Ausgabe  von  Ali  Nouri  übereinstimmt. 
Die  Illustrationen  sind  dieselben  wie  bei  Ali 
Nouri '-. 


1  Wenigstens  ist  hier  der  32,  Nasreddinschwank  Tew- 
fiks  zum  Unterschiede  von  Müllendorff  richtig  wieder- 
gegeben. 

-  „Ali  Nouri"  schweigt  sich  über  die  von  ihm  benutzte 
Vorlage  beharrlich  aus;  eine  Stelle  aber  (s,  unten  S,  224), 

XLVII 


Verhältnismäßig  wenig  aus  dem  Volksbuche, 
sondern  meistens  selbständige  Schnurren ,  von 
denen  gleichwohl  einige  mit  griechischen  und  ser- 
bischen Hodschageschichten  übereinstimmen,  ent- 
hält die  schon  einmal  erwähnte  Gedichtesamm- 
lung Nazdravaniüe  lui  Nastratin  Hogea  von  An- 
ton Pann,  die  zum  ersten  Male  1853  erschienen 
und  oft  nachgedruckt  worden  ist;  in  deutscher 
Sprache  hat  sich  in  einer  poetischen  Bearbeitung 
einiger,  nur  zum  Teile  dem  Volksbuche  angehö- 
riger  Schwanke  Nasreddins  der  in  Kroatien  ge- 
borene Franz  von  Werner,  der  schon  in  jungen 
Jahren  in  türkische  Dienste  getreten  ist,  unter 
dem  Namen  Murad  Efendi  versucht;  sein  Nassr- 
eddin  Chodja  ist  1878  in  Oldenburg  erschienen. 

Auch  ins  Armenische  sind  die  Schwanke  Nasr- 
eddins übersetzt  worden,  und  sie  haben  ihren 
Weg  weiter  genommen  über  Gebirge  und  Steppen; 
besonders  sollen  sie  die  Bewohner  des  Berglandes 
von  Dagestan  lieben,  und  nicht  nur  in  Tiflis, 
sondern  auch  in  Kasan  erscheinen  immer  neue 
Ausgaben,  die  sich  dem  türkischen  Volksbuche 
anlehnen.  Nach  Nikolaj  Katanoff  in  Kasan  ist 
Nasreddin  sogar  bei  den  Tarandschi  an  der 
sibirisch-chinesischen  Grenze  bekannt  ^,  und  daß 
ihn  auch  die  Perser  kennen,  haben  wir  schon 
gesehn.  Freilich  wechselt  er  dabei  seine  Volks- 
zugehörigkeit: im  Kaukasus  ist  er  ein  Tscher- 
kesse,  in  Kasan  ist  er  ein  Tatare,  in  Persien  ist 


die  auch  mit  dem  kroatischen  Texte  übereinstimmt,  läßt 
auf  eine  griechische  Vorlage  schließen.  War  das  vielleicht 
die  von  Künos  zitierte  Athener  Ausgabe  mit  dem  Vorworte 
Walawanis? 

1  Trefäi,  S,  28. 

XLVIII 


er  ein  Perser,  so  wie  er  in  Serbien  ein  Serbe 
geworden  ist.  Darum  spiegeln  die  Schwanke, 
die  in  den  verschiedenen  Ländern  an  ihm  haften 
geblieben  sind,  den  Humor  dieser  Völker  ab;  am 
deutlichsten  ist  das  Bild  natürlich  bei  den  Tür- 
ken, wo  er  den  Nationalheros  des  Witzes  darstellt: 
dort  bilden  die  Nasreddinschen  Schnurren  nicht 
nur  einen  Unterhaltungsstoff  in  den  Kaffee- 
häusern und  bei  den  Abendgesellschaften,  son- 
dern sie  dienen  auch  in  den  Pausen  der  Gerichts- 
verhandlungen zu  willkommenem  Zeitvertreib: 
die  Kinder  erzählen  sie  schon  einander,  und  die 
Erinnerung  an  sie  wird  durch  zahlreiche  Sprich- 
wörter ^  lebendig  erhalten. 

Mehrmals  ist  der  Versuch  gemacht  worden, 
Nasreddins  Wesen  durch  einen  Vergleich  mit 
einem  bekanntern,  abendländischen  Vertreter 
seiner  Gattung  zu  deuten;  am  nächsten  liegt  in 
solchen  Fällen  stets  unser  Eulenspiegel,  und  so 
ist  denn  Nasreddin  schon  von  Hammer  und  später 
von  Ethe,  Barker,  Wilhelm  Schott  und  andern  als 
der  türkische  Eulenspiegel  bezeichnet  worden. 
Dagegen  hat  sich  Köhler  gewandt:  ,, Eulenspiegel 
ist  stets  ein  durchtriebener  Schalk,  der  nie  etwas 
einfältiges  oder  dummes  sagt  oder  tut,  sondern 
stets  wohl  berechnete  Streiche  und  Possen  mit 
vollem  Bewußtsein  ausführt,  um  andere  zu  necken 
und  zu  verspotten;  Nasreddin  dagegen  ist  ein 
echter  Narr,  d.  h.  ein  Gemisch  von  grenzenloser 
Einfalt  und  Dummheit  und  von  Geist  und  Witz, 
etwa  —  wenn  man  einen  Deutschen  vergleichen 


1  Walawani,  S,  151;  Trefäi,  S.  27;  Bonnelli  im  Keleti 
szemle.  I,  S.  317, 

Nasreddin,   I.  IV  XLIX 


will  —  wie  Klaus  Narr,"  Aber  auch  dieser  Ver- 
gleich beruht  nur  auf  dem  wenigen  gemeinsamen, 
läßt  jedoch  das  viele  ungleichartige  unberücksich- 
tigt; und  dasselbe  ist  es  mit  dem  Vergleiche,  den 
Cantimir  anstellt,  indem  er  Nasreddin  einen  tür- 
kischen Äsop  nennt  ^  Klaus  Narr  war  kein  Äsop, 
und  Äsop  war  kein  Abderit;  Nasreddin  ist  aber 
Äsop  und  Abderit  zugleich. 

Der  erste,  der  sich  mit  den  Schwänken  Nasr- 
eddins  wissenschaftlich  befaßt  hat,  war  der  aus- 
gezeichnete Gelehrte  Reinhold  Köhler;  er  hat 
1862  im  Orient  und  Occident  das  Camerlohersche 
Büchlein  zum  Gegenstande  einer  Abhandlung  ge- 
macht". Ihm  folgte,  nachdem  Decourdemanche 
die  Forschung  nach  Quellen  und  Parallelen  Nasr- 
eddins  als  unnütz  bezeichnet  hatte  ^,  der  Pro- 
fessor und  derzeitige  Dekan  an  der  Universität 
Algier,  Rene  Basset,  der  den  von  A,  Moulieras 
gesammelten  und  ins  Französische  übertragenen 
kabylischen    Dschehageschichten    eine    groß    an- 


1  S,  oben  S.  XIV  und  unten  S.  227,  Auch  Walawani 
nimmt  den  Vergleich  mit  Äsop  auf,  geht  aber  (S,  144  ff.) 
so  weit,  daß  er  Nasreddin  geradezu  für  den  Sammler  der 
unter  seinem  Namen  umlaufenden  Erzählungen  hält,  die 
vielleicht  Unterrichtszwecken  hätten  dienen  sollen: 'O^fffw- 
nos  zaviriv  {xriv  ^Qvyiay)  f<T/*  nargida,  xai  o  Naagsd^if  6s 
ouolois  sf  TKVTt]  i^iivi(S£  to  TiQwioy  70  (füjg  xrig  ^fiiga^,  fl  xcci 
yöfxi^ofj.tv  oTt  6  NaoiQiddlf  Xülrfa?  vnrjQ^e  juovoy  ini/ueXtjS 
avXkiKTt]^  ndyzcoy  rcüy  xaia  ttjy  MiXQcey  'Aaiav  (pfQo/ufyioy 
/uv&ioy,  wv  noXXovg  fiszd  naQaXkayaiy  anavKÜ/jtv  naqa  noX'/.ai; 
x«l  övTixwttQaig  ^(OQccis.  ^H  SvkXoyrj,  ijy  antjQTtafy  —  ia(os 
7iq6s  dtäctaxaXiay  ztäy  (xaO-tjKJiy  avrov  —  o  Naagtddiy  Xwrfwf, 
eyiyezo  ifrj/uoqpiXtjf  usw, 

-  Sie  ist,  mit  wertvollen  Zusätzen  vermehrt,  neu  ge- 
druckt in  Köhlers  Kleinern  Schriften,  I,  S.  481  ff. 

5  Sottisier.  S.  XI. 


gelegte  kritische  Studie  gewidmet  und  diese 
durch  viele  gelegentliche  Nachträge  in  der  Revue 
des  traditions  populaires  und  durch  einen  Auf- 
satz im  Keleti  szemle  ergänzt  hat.  Die  Abhand- 
lung Horns  in  eben  dieser  Zeitschrift  und  be- 
sonders die  umfassende  Studie  Hartmanns  in  der 
Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde  sind  schon 
öfters  erwähnt  worden. 

In  dem  vorliegenden  Buche  hat  der  Heraus- 
geber versucht,  sich  die  Resultate  der  von  diesen 
Gelehrten  geleisteten  Arbeit  zunutze  zu  machen 
und  auf  ihnen  weiterzubauen.  Die  dazu  notwen- 
dige Grundlage,  die  Schwanke,  sind  im  ersten 
Bande  dem  alten  türkischen  Volksbuche,  wie  es 
in  den  Übertragungen  von  Camerloher,  Barker 
und  Decourdemanche  vorliegt,  dem  Sottisier  von 
Decourdemanche,  den  Historikern  und  den  von 
Künos  gesammelten  Texten  entnommen;  der 
zweite  Band  bringt  die  von  Basset  in  der  Revue 
des  traditions  populaires  übersetzten  Geschichten 
des  Nawadir  el  chodscha  nasr  ed-din,  die  von 
Mardrus  veröffentlichten  Dschohageschichten,  die 
arabischen  und  berberischen,  hauptsächlich  von 
Stumme  und  Moulieras  gesammelten  Schwanke 
derselben  Gattung,  die  maltesischen  Dschahan- 
schwänke,  die  Giufägeschichten  Siziliens  mit  Aus- 
nahme der  in  der  leicht  zugänglichen  Sammlung 
von  Gonzenbach  erschienenen,  die  kalabrischen 
Juvadigeschichten  und  die  kroatischen,  serbischen 
und  griechischen  Nasreddinschnurren,  Im  all- 
gemeinen ist  es  vermieden  worden,  gleichartige 
Behandlungen  desselben  Motivs  aufzunehmen; 
die  Bibliographie  jedes  Schwankes  bildet,  soweit 
sie   in   den   Kreis    der   zu   Nasreddin,    Dschoha, 

IV*  LI 


Dschahan  usw.  gehörigen  Überlieferungen  fällt, 
den  ersten  Absatz  der  zu  dem  Schwanke  ge- 
hörigen Anmerkung,  die  im  übrigen  die  etwa  vor- 
handene Literatur  bringt  und  manchmal  auch  auf 
eine  vergleichende  Darstellung  anderer  Versionen 
des  betreffenden  Motivs  eingeht.  Recht  getan 
glaubt  der  Herausgeber  zu  haben,  daß  er  die  hin 
und  wieder  im  Sottisier  vorkommenden  Schwanke, 
die  nicht  von  Nasreddin  handeln,  nicht  von  der 
Aufnahme  ausgeschlossen  hat;  einmal  werden 
viele  von  ihnen  auch  von  Nasreddin  oder  Dschoha 
erzählt,  und  dann  bieten  sie  auch  an  und  für  sich 
schon  einen  Beitrag  zur  Geschichte  und  zum  Ver- 
ständnis der  türkischen  Schwankliteratur,  der 
wohl,  wenn  er  so  nahe  liegt,  nicht  zurückgewiesen 
werden  soll.  Ein  Anhang  bringt  Mitteilungen 
über  Schwanke,  die  aus  mehrfachen  Gründen  in 
dem  Texte  keinen  Platz  finden  konnten. 

Eine  angenehme  Pflicht  ist  es  dem  Heraus- 
geber, Herrn  Professor  Dr.  Hans  Stumme  und 
Frl.  Berta  Ilg  seinen  besten  Dank  auszusprechen 
für  die  Liebenswürdigkeit,  womit  sie  ihm  den  Ab- 
druck einzelner  Stücke  aus  ihren  Büchern  ge- 
stattet haben. 

T  e  t  s  c  h  e  n  a.  E.,  im  Juli  1911. 

Albert  Wesselski. 


LH 


L 

Türkische  Überlieferungen 


Nasreddin.I,  \ 


1.  Die  hundertfünfundzwanzig  Schwanke 
des  Volksbuchs 


DEr  Hodscha  Nasreddin  stieg  eines  Tages  auf 
die  Kanzel,  um  zu  predigen,  und  sagte: 
„Muselmanen,  kennt  ihr  den  Gegenstand,  wovon 
ich  mit  euch  sprechen  will?" 

„Wir  kennen  ihn  nicht,"  antwortete  man  aus 
der  Zuhörerschaft. 

Da  schrie  der  Hodscha:  „Ja,  wie  sollte  ich 
denn  mit  euch  von  etwas  sprechen,  das  ihr  nicht 
kennt?" 

Er  stieg  ein  andermal  auf  die  Kanzel  und 
sagte:  „Wißt  ihr,  meine  Gläubigen,  was  ich  euch 
sagen  will?" 

„Ja,  wir  wissen  es,"  war  die  Antwort. 

„Was  brauche  ich  euch  dann  davon  zu 
sprechen,  wenn  ihr  es  sowieso  schon  wißt?" 
Mit  diesen  Worten  stieg  der  Hodscha  von  der 
Kanzel. 

Die  Gemeinde  war  betreten  über  sein  Weg- 
gehn.  Nun  schlug  ein  Mann  vor,  daß,  wenn  der 
Hodscha  wiederkomme,  die  einen  sagen  sollten: 
„Wir  wissen  es",  und  die  andern:  „Wir  wissen 
es  nicht";  und  dieser  Ratschluß  drang  durch. 

Wieder  kam  der  Hodscha  und  er  schrie,  wie 
früher:  „Wißt  ihr,  Brüder,  was  ich  euch  sagen 
will?" 

Sie  sagten:  ,, Einige  von  uns  wissen  es,  die 
andern  aber  wissen  es  nicht." 

,,Gut  also,"  antwortete  der  Hodscha;  ,,da 
mögen  es  die,  die  es  wissen,  den  andern  mit- 
teilen." 

MUselmanen,"  rief  Nasreddin,  der  Hodscha 
eines   Tages,   „dankt   dem  Allerhöchsten 
recht    von    Herzen,    daß    er    dem    Kamel    keine 


Flügel  gegeben  hat;  denn  dann  käme  es  von  oben 
auf  unsere  Häuser  und  in  unsere  Gärten  herab 
und  fiele  uns  vielleicht  noch  auf  die  Köpfe." 

3.  T\"^^  Hodscha  stieg  eines  Tages  in  einer  ge- 
1^  wissen  Stadt  auf  die  Kanzel;  und  er  sagte: 
„Muselmanen,  die  Luft  in  euerer  Stadt  ist  die- 
selbe wie  in  der  meinigen." 

„Wieso,  Hodscha?"  sagte  einer  in  der  Ver- 
sammlung. 

„Das  ist  sehr  einfach,"  antwortete  der  Hod- 
scha; „zu  Hause  habe  ich  mich  umgesehn,  wie 
viel  Sterne  man  sieht,  und  gerade  so  viel  sind 
ihrer  auch  hier." 

4.  "C'Ines  Tages  ging  der  Hodscha  ins  Bad.  Dort 
JZtf  war  er  allein,  und  voller  Freude  darüber  be- 
gann er  ein  paar  Lieder  zu  singen.  In  dem  engen 
Räume  erschien  ihm  seine  Stimme  hübsch  und 
angenehm,  und  er  sagte:  „Sie  ist  eigentlich  ganz 
lieblich;  warum  sollen  sich  ihrer  nicht  auch  die 
andern  freuen?"  Damit  verließ  er  das  Bad  und 
entfernte  sich.  Es  waren  aber  schon  einige 
Stunden  des  Vormittags  vorbei. 

Ohne  irgendwie  zu  verziehen,  stieg  der 
Hodscha  auf  das  Minaret  und  rief  zum  Morgen- 
gebete. 

Da  schrie  unten  einer:  „Was  ist  denn  das  für 
ein  Narr,  der  jetzt  mit  seiner  garstigen  Stimme 
unser  Viertel  zum  Morgengebete  ruft?" 

Und  der  Hodscha  rief  von  der  Höhe  herab: 
„Ja  warum  findet  sich  denn  kein  gütiger  Wohl- 
täter, der  hier  oben  auf  dem  Minaret  ein  Bad 


baut,  um  diese  Stimme,  über  die  man  sich  be- 
klagt, zu  ändern?" 

Eines  Nachts  träumte  der  Hodscha,  als  er  im 
Bette  lag  und  schlief,  es  gebe  ihm  einer 
neun  Asper;  und  damit  war  er  nicht  zufrieden, 
sondern  sagte:  ,,Gib  mir  zehn,"  Unterdessen 
wurde  er  wach,  und  da  fand  er  seine  Hände  leer. 
Das  war  ihm  sehr  leid;  er  schloß  alsbald  die 
Augen,  streckte  die  Hand  aus  und  sagte:  „Ich 
habe  mich  anders  besonnen;  gib  die  neune  her." 

Eines  Tages  ging  der  Hodscha  in  einer  ein- 
samen Gegend,  als  er  von  der  andern  Seite 
her  etliche  Reiter  kommen  sah;  es  mochten  Diebe 
sein.  In  der  Nähe  war  ein  Grab;  er  kleidete  sich 
hastig  aus  und  eilte  in  die  Grabeshöhlung.  Aber 
die  Reiter  hatten  ihn  schon  bemerkt  und  näherten 
sich  ihm.  „He  Freund,"  riefen  sie,  „was  machst 
du  da  drinnen?" 

Der  Hodscha,  der  nicht  recht  wußte,  was 
sagen,  antwortete:  „Das  ist  mein  Grab;  ich  bin 
nur  für  einen  Augenblick  herausgegangen,  um 
Luft  zu  schnappen." 

DEr  Hodscha  trat  einmal  in  einen  Garten. 
Dort  steckte  er  Möhren,  Rüben  und  alles, 
was  ihm  unterkam,  in  seinen  Sack  oder  in  seinen 
Busen.  Es  kam  der  Gärtner,  und  der  sagte,  als 
er  ihn  dabei  ertappte;  „Was  machst  du  da?" 

Erschrocken  fand  der  Hodscha  keine  andere 
Antwort,  als  daß  sich  ein  mächtiger  Wind  er- 
hoben und  ihn  dorthin  geschleudert  habe. 


„Aber,"  sagte  der  Gärtner,  „wer  hat  denn  das 
alles  ausgerissen?" 

„Wenn  der  Wind",  sagte  der  Hodscha,  „stark 
genug  war,  mich  von  draußen  da  herein  zu 
bringen,  war  er  wohl  auch  imstande,  dein  Ge- 
müse auszureißen." 

Nun  sagte  der  Gärtner:  „Wer  hat  denn  dann 
das  ganze  Zeug  da  in  den  Sack  gesteckt?" 

,,Das  war  es  gerade,"  sagte  der  Hodscha, 
„worüber  ich  nachgedacht  habe,  als  du  daher- 
gekommen bist." 

ALs  der  Hodscha-Effendi  —  Gottes  Gnade 
sei  mit  ihm  —  in  Konia  war,  trat  er  in  den 
Laden  eines  Halwa Verkäufers  ^;  und  schon  sagte 
er:  ,,Im  Namen  Gottes"  und  begann  von  den 
Kuchen  zu  essen.  Der  Verkäufer  aber  schlug 
mit  den  Worten:  „Was  tust  du  da?"  auf  ihn  los. 
Doch  der  Hodscha  sagte:  ,,Was  für  eine  herr- 
liche Stadt  ist  doch  dieses  Konia!  Mit  Schlägen 
zwingen  sie  einen,  daß  man  Halwa  ißt!" 

IM  Monate  Ramasan  verfiel  der  Hodscha  auf 
den  Gedanken,  sich,  um  das  den  Gläubigen 
auferlegte  Fasten  beobachten  zu  können,  einen 
Topf  anzuschaffen,  worin  er  jeden  Tag  ein  Stein- 
chen tun  wollte.  Eines  Tages  warf  aber  sein 
Töchterchen  eine  Hand  voll  Steine  in  den  Topf. 
Kurz  darauf  wurde  der  Hodscha  gefragt,  der  wie- 
vielte sei. 

„Wartet  einen  Augenblick,"  sagte  er;  „ich  will 
nachsehn." 


Halwa  ist  eine  Gattung  Honigkuchen. 


Er  ging  ins  Haus,  schüttete  den  Topf  aus  und 
zählte  die  Steine;  da  fand  er,  daß  es  hundert- 
zwanzig waren.  „Sage  ich  eine  derartige  Ziffer," 
dachte  er,  „so  werden  sie  mich  für  verrückt  hal- 
ten." Und  so  antwortete  er  den  Fragenden: 
„Heute  ist  der  fünfundvierzigste." 

„Aber,  Hodscha,  ein  ganzer  Monat  hat  doch 
nur  dreißig  Tage,  und  du  sprichst  uns  vom  fünf- 
undvierzigsten," 

Der  Hodscha  sagte;  ,,Ich  habe  euch  nicht  viel- 
leicht leichtfertig  geantwortet;  wenn  ihr  euch  an 
die  Zeitrechnung  des  Topfes  hieltet,  so  hätten 
wir  heute  den  hundertundfünfundzwanzigsten." 

DEr  Hodscha  wurde  gefragt:  ,,Von  den  zwei  10. 

Monden,  dem  neuen  und  dem  alten,  was  ge- 
schieht mit  dem,  der  sein  letztes  Viertel  hinter 
sich  hat?" 

Er  antwortete:  „Man  zerbricht  ihn,  um  Sterne 
daraus  zu  machen." 

Eines    Morgens    beschloß    der    Hodscha,    die  11. 

Stadt  zu  verlassen;  da  er  ein  Kamel  besaß, 
sagte  er  sich:  ,,Ich  nehme  es  als  Reittier;  auf 
diese  Weise  werde  ich  angenehmer  reisen," 

So  ritt  er  denn  mit  der  Karawane  dahin,  als 
eines  Tages  das  Kamel  strauchelte,  den  Hodscha 
abwarf  und  auf  ihn  trat.  Auf  seine  Schmerzens- 
schreie  kamen  die  Leute  von  der  Karawane  her- 
bei und  hoben  ihn  auf. 

Kaum  war  er  wieder  zum  Bewußtsein  gekom- 
men, als  er  schrie:  ,,Seht  nur,  Muselmanen,  was 
mir  dieses  Kamel  böses  angetan  hat.     Seid  doch 

9 


so  gut  und  bindet  mir  es  fest;  ich  muß  mich  an 
ihm  rächen,"  ^ 

„Aber  Hodscha/*  schrien  die  Leute;  „fürch- 
test du  denn  nicht  Gott,  daß  du  dich  an  dem  Tier 
da  rächen  willst?" 

Der  Hodscha  antwortete  jedoch:  „Was  soll 
das  heißen?  an  einem  Menschen  kann  man  sich 
rächen,  und  an  einem  Kamel  sollte  mans  nicht 
können?" 

12.  TJ'Ines  Tages  kaufte  Nasreddin  Eier,  und  zwar 
*^  neun  um  einen  Asper;  dann  ging  er  an  einen 
andern  Ort  und  verkaufte  zehn  um  einen  Asper. 
Da  wurde  er  gefragt:  „Warum  gibst  du  zehn  um 
den  Preis,  den  du  für  neun  gezahlt  hast?" 

Er  antwortete:  „Es  ist  zu  meinem  Nutzen,  wenn 
man  sieht,  wie  mein  Geschäft  vorwärts  geht." 

13.  TT?  Ines  Tages  kleidete  sich  der  Hodscha  in  sei- 
Cd  nen  neuen  Kaftan  und  ging  in  die  Moschee. 
Es  kam  der  Augenblick,  wo  man  sich  mit  dem  Ge- 
sichte zu  Boden  neigen  muß.  Als  nun  der 
Hodscha  also  gebückt  dastand,  packte  ihn  der, 
der  hinter  ihm  war,  an  den  Hoden.  Ohne  sich  zu 
besinnen,  tat  der  Hodscha  dasselbe  mit  dem 
Imam,  der  sein  Vordermann  war. 

Der  fragte  ihn:  „Was  tust  du  da?" 
„Nichts,"  antwortet  der  Hodscha;   „darf  ich 
denn  nicht  nehmen,  was  man  mir  nimmt?" 

14.  T^  Er  Hodscha  saß  einmal  am  Ufer  eines  Flusses, 
i-y  als  er  einen  Trupp  von  zehn  Blinden  auf  ihn 
zukommen   sah.     Die   trafen   mit   ihm    die   Ab- 

^  Sicherlich  obszön  zu  verstehn. 

10 


machung,  daß  er  sie,  den  Mann  für  einen  Para, 
hinübertragen  solle. 

Beim  Hinübertragen  fiel  nun  einer  von  den 
Blinden  ins  Wasser  und  wlirde  fortgerissen. 
Augenblicklich  begannen  die  Blinden  zu  schreien. 

Aber  der  Hodscha  sagte:  „Warum  schreit 
ihr?  ihr  zahlt  mir  einfach  für  einen  weniger,  und 
die  Sache  ist  in  Ordnung," 

Einer,  der  ein  Ei  versteckt  in  der  Hand  hielt,  15. 

sagte  zum  Hodscha:  „Wenn  du  errätst,  was 

ich  in  der  Hand  habe,  so  gebe  ich  dirs,  damit  du 

dir  einen  Eierkuchen  machen  kannst." 

Darauf  sagte  der  Hodscha:  „Sag  mir,  wie  es 

aussieht,  und  ich  werde  dir  antworten." 
„Außen  ist  es  weiß  und  innen  gelb." 
„0,   ich   weiß    schon,   was    es   ist,"    rief    der 

Hodscha;  „es  ist  eine  ausgehöhlte  Rübe,  in  die 

man  Stückchen  von  einer  Möhre  gesteckt  hat." 

Eines  Tages  stahl  der  Hodscha  ein  Kalb,  ohne  16. 

daß  es  der  Eigentümer  bemerkt  hätte.  Der 
Hodscha  tötete  das  Kalb  und  versteckte  das  Fell. 
Bald  darauf  ward  der  Bestohlene  inne,  daß  sein 
Kalb  verloren  war;  er  lief  durchs  Viertel  und 
schrie:  „Muselmanen,  mir  ist  mein  Ochs  gestohlen 
worden;  was  für  ein  Schaden!" 

So  klagte  er,  als  plötzlich  der  Hodscha  das 
Kalbfell  hervorzog:  „Jetzt  schäme  dich  aber,  du 
Dieb;  wie  kannst  du  einen  Ochsen  für  ein  Kalb 
verlangen?" 

ALs  der  Hodscha  auf  dem  Markte  herumstrich,  17. 

kam  einer  auf  ihn  zu  und  fragte  ihn:  „Wie 
steht  denn  der  Mond?    Drei  viertel  oder  voll?" 

11 


„Ich  weiß  es  nicht,"  sagte  der  Hodscha;  „ich 
habe  weder  einen  gekauft,  noch  einen  verkauft." 

18.  "r\  Er  Hodscha  nahm  eine  Leiter  auf  seine  Schul- 
1^  tern  und  ging,  lehnte  sie  an  eine  Garten- 
mauer, stieg  hinauf,  legte  sie  an  der  andern  Seite 
an  und  stieg  hinunter.  Der  Gärtner,  der  ihn 
sah,  rief  ihn  an:  ,,Was  machst  du  da,  was  suchst 
du?" 

Der  Hodscha  packte  rasch  die  Leiter  und  ant- 
wortete: „Ich  verkaufe  Leitern." 

„Hier  also  ist  der  Markt  für  Leitern?"  ver- 
setzte der  Gärtner. 

Aber  der  Hodscha  sagte:  „Was  für  ein  Dumm- 
kopf du  bist!  kann  man  denn  nicht  überall  Leitern 
verkaufen?" 

19.  t^ Ines  Tages  nahm  der  Hodscha  seine  Hühn- 
JCrf  chen  eins  nach  dem  andern  her  und  legte 
ihnen  jedem  ein  schwarzes  Badetuch  um  den 
Hals.  Dann  ließ  er  sie  laufen.  Das  Volk  sam- 
melte sich  an  und  fragte  ihn,  warum  er  die  Hühn- 
chen also  herrichte. 

Er  antwortete:  „Sie  tragen  Trauer  um  ihre 
Mutter." 

20.  "C*  In  Ochse  war  auf  das  Feld  des  Hodschas  ge- 
JZtf  laufen;  als  ihn  der  bemerkte,  packte  er  einen 
Stock  und  rannte  auf  ihn  los,  aber  der  Ochs  ent- 
wich. Eine  Woche  war  vergangen,  als  ihn  der 
Hodscha  wieder  sah;  diesmal  war  der  Ochs  an 
einen  Bauernkarren  gespannt.  Augenblicklich 
erwischte  der  Hodscha  einen  Knüttel  und  ver- 
setzte dem  Tiere  eine  tüchtige  Tracht  Prügel.  Der 

12 


Bauer  aber  schrie,  als  er  das  sah:  „Aber  Freund, 
was  hast  du  denn  gegen  meinen  Ochsen?" 

„Laß  mich  machen,  du  Dummkopf;  er  weiß 
schon,  was  er  angestellt  hat," 

Eines    Tages    verrichtete    der    Hodscha    seine  21. 

Waschungen  an  dem  Ufer  eines  Flusses;  da- 
bei fiel  ihm  einer  von  seinen  Pantoffeln  ins 
Wasser,  und  er  sah,  wie  ihn  der  Fluß  mit  sich 
fortführte.  Da  kehrte  er  dem  Flusse  seinen 
Rücken  zu,  ließ  einen  Wind  ^  und  sagte:  „Da 
nimm  deine  Waschung  zurück  und  gib  mir  meinen 
Pantoffel  wieder," 

DEr  Hodscha  traf  einmal   seine  letztwilligcn  22. 

Verfügungen:  „Wenn  ich  sterbe,  so  legt 
mich  in  ein  altes  Grab." 

Die  Anwesenden  sagten:  „Warum  denn?" 
„Wenn  dann  die  Engel"  kommen,  um  mich  zu 
fragen,  werde  ich  ihnen  antworten:  ,Ich  bin  schon 
befragt  worden;  seht  ihr  denn  nicht,  daß  mein 
Grab  schon  alt  ist?'  " 

DEr  Hodscha  fühlte  einmal  das  Bedürfnis,  sein  23. 

Wasser  abzuschlagen;  er  ging  auf  den  Ab- 
tritt und  blieb  dort  einen  Tag  und  eine  Nacht. 
In  der  Nähe  lief  ohne  Unterlaß  ein  kleiner 
Brunnen,   und   das   Plätschern   dieses   Brunnens 


^  Um  sich  in  den  Zustand  der  Unreinheit  zurück- 
zuversetzen. 

"  Die  Frageengel  Munkar  und  Nakir,  die  die  Ver- 
storbenen im  Grabe  zur  Rechenschaft  über  ihr  Leben 
ziehen;  von  diesen  Antworten  hängt  das  Schicksal  der 
Gläubigen  im  Jenseits  ab, 

13 


ließ  ihn  meinen,  daß  er  mit  seiner  Verrichtung 
noch  nicht  zu  Ende  sei. 

Da  kam  einer  dazu  und  rief  ihn  an:  „He 
Freund,  du  bleibst  aber  lange  da!" 

„Ich  muß  doch  zuerst  fertig  werden,"  ant- 
wortete der  Hodscha,  „bevor  ich  weggehe." 

24.  "Feines  Tages  wollte  der  Hodscha  ein  Pferd  be- 
Cä  steigen,  aber  das  hielt  sich  so  trefflich,  daß 
er  nicht  hinaufkommen  konnte;  schließlich  fing 
er  zu  fluchen  an. 

Dann  aber  sah  er  hinter  sich;  und  da  er  be- 
merkte, daß  er  allein  war,  stellte  er  diese  Be- 
trachtung an:  „Gestehn  wir  es  uns  nur,  daß  es 
unter  uns  noch  schlechtere  Kerle  gibt  als  das 
Pferd  da." 

25.  TT^Inmal  war  der  Hodscha  im  Bade;  während 
Ca  ihn  der  Wärter  hinüber  und  herüber  abrieb, 
packte  er  ihn  heftig  bei  den  Hoden. 

„Was  machst  du  denn?"  fragte  ihn  der 
Wärter. 

„Ich  habe  dich  nur  gehalten,"  antwortete  der 
Hodscha,  „damit  du  nicht  fällst," 

26.  "r\^^  Hodscha  hatte  eines  Tages  die  Knaben 
U  von  Akschehir  ins  Bad  zu  führen.  Die  ver- 
bargen jeder  ein  Ei  in  der  Achselhöhle;  dann 
gingen  sie  alle  mitsammen  ins  Bad,  kleideten  sich 
aus  und  setzten  sich  auf  den  runden  Stein  mitten 
im  Bade.  Und  sie  sagten:  „Kommt  alle  her;  wer 
jetzt  kein  Ei  legt,  bezahlt  das  Bad." 

Die  Sache  wurde  so  abgemacht;  nun  gluckte 
ein  jeder,  zerarbeitete  sich,  als  ob  er  kreißte,  und 
legte  sein  Ei  auf  den  Stein. 

14 


Alsbald  erhob  sich  der  Hodscha,  der  ihnen  zu- 
gesehn  hatte,  schlug  mit  den  Armen  wie  mit  Flü- 
geln und  krähte  wie  ein  Hahn;  und  die  Knaben 
sagten:  „Was  machst  du,  Meister?" 

„Nun,  braucht  es  denn  keinen  Hahn  für  so 
viel  Hennen?" 

Eines  Tages  verließ  der  Hodscha  sein  Haus  in  27. 

schwarzen  Kleidern.  Den  Leuten  fiel  das 
auf  und  sie  fragten  ihn,  warum  er  also  geklei- 
det sei. 

Er  antwortete:  ,,Der  Vater  meines  Sohnes  ist 
gestorben,  und  darum  trage  ich  Trauer." 

NAch  einem  langen  Marsche  hatte  der  Hod-  2%. 

scha  Durst.  Er  sah  um  sich  und  gewahrte 
einen  Brunnen,  dessen  Öffnung  mit  einem  Pflocke 
verschlossen  war.  Nach  einem  Trünke  ver- 
langend, zog  er  den  Pflock  heraus;  da  schoß 
auch  schon  das  Wasser  in  mächtigem  Strahle 
heraus  und  ihm  über  den  Kopf. 

Voller  Ärger  schrie  er:  „Da  hat  mans,  wie 
närrisch  du  fließt;  drum  hat  man  dir  auch  einen 
Pflock  in  den  Hintern  getrieben."  ^ 

Eines  Tages  steckte  der  Hodscha  etliche  Pasti-  29. 

naken  zu  sich  imd  ging  ins  Gebirge  Holz 
fällen.  Als  er  durstig  ward,  schnitt  er  eine  an; 
er  fand  sie  schal  und  warf  sie  weg.  Er  schnitt 
eine  andere  an  und  tat  dasselbe,  kurz,  er  schnitt 


^  Hier  ist  wieder,  wie  oben  beim  Kamele  und  wie 
in  vielen  künftigen  Fällen,  der  Mißbrauch  als  Strafe  für 
einen  Fehler  gedacht. 

15 


alle  an,  aß  von  einigen  ein  wenig  und  pißte  auf 
die  Stücke,  die  übrig  blieben. 

Dann  fuhr  er  fort,  Holz  zu  fällen,  und  kurz 
darauf  bekam  er  von  neuem  Durst,  Nun  nahm  er 
die  Köpfe  der  zerschnittenen  Pastinaken  und 
hierauf  jedes  einzelne  Stückchen;  und  indem  er 
sagte:  „Das  da  ist  benetzt,  das  nicht",  aß  er  sie 
schließlich  alle  miteinander  auf. 

30.  A    Ls  der  Hodscha  einmal  in  die  Stadt  ging,  be- 

jr\.  gegnete    er    plötzlich    zwei    Männern;    die 
fragte  er:  „Wohin  geht  ihr?" 

Sie  antworteten:  „Wir  sind  erst  am  Anfang 
unserer  Rute," 

„Na,  hoffen  wir,"  sagte  der  Hodscha,  „daß  ihr 
am  Abende  bei  der  Eichel  anlangt." 

^^'  "r\Er    Hodscha    Nasreddin  -  Effendi    hatte    ein 

1^  Lamm.  Seine  Freunde  dachten  sich  einen 
lustigen  Streich  aus,  um  es  zu  essen.  Einer  von 
ihnen  kam  ihm  wie  zufällig  entgegen  und  sagte 
/  im  Vorbeigehn  zu  ihm:  ,,Was  willst  du  mit  dem 

"^  Lamme  da?  morgen  ist  der  Tag  des  jüngsten  Ge- 

richtes; komm,  schlachten  und  essen  wir  es." 

Der  Hodscha  glaubte  es  nicht;  er  hörte  auch 
kaum  hin. 

Es  kam  ein  zweiter  und  sagte  dasselbe;  kurz, 
sie  kamen  alle,  einer  nach  dem  andern  oder  auch 
paarweise,  und  behaupteten,  wie  es  abgemacht 
war,  daß  am  nächsten  Tage  das  Ende  der  Welt 
sein  werde.  Schließlich  stellte  sich  der  Hodscha, 
als  ob  er  es  glaubte. 

„Wenn  es  so  ist,  so  seid  willkommen, 
Freunde!   Nun  wollen  wir  hinaus  aufs  Feld  gehn, 

16 


das  Lamm  schlachten  und  uns  unsere  letzten 
Augenblicke  noch  recht  gut  miteinander  unter- 
halten," 

Alle  waren  dabei;  sie  nahmen  das  Lamm  und 
zogen  aufs  Feld. 

Da  sagte  der  Hodscha:  „Ihr,  meine  Freunde, 
vergnügt  euch;  ich  will  mich  daranmachen,  das 
Lamm  zu  braten." 

Er  war  mitten  unter  ihnen  und  so  legten  alle 
ihre  Mützen  und  Turbane  bfei  ihm  nieder,  um  sich 
zu  ergehen.  Ohne  zu  verziehen,  zündete  der 
Hodscha  ein  großes  Feuer  an,  warf  alle  ihre 
Sachen  hinein  und  begann  das  Lamm  zu  braten. 

Bald  darauf  sagte  einer  von  der  Gesellschaft 
zu  den  andern,'  „Sehn  wir  einmal  nach,  ob  das 
Lamm  des  Hodschas  schon  hübsch  braun  ist; 
kommt  es  essen." 

Als  sie  hinkamen,  wurden  sie  inne,  daß  der 
Hodscha  alle  ihre  Kleider  ins  Feuer  geworfen 
hatte.  „Bist  du  ein  Narr?  warum  hast  du  unsere 
Sachen  ins  Feuer  geworfen?" 

„Ja,  meine  Herren,"  erwiderte  der  Hodscha, 
„glaubt  ihr  denn  das  nicht,  was  ihr  mir  früher 
erzählt  habt?    Wenn  morgen  das  Ende  der  Welt     > 
ist,  was  braucht  ihr  da  Kleider?" 

Einmal  kam  ein  Dieb  in  das  Haus  des  Hod-  32. 

schas,  packte  alles,  was  ihm  unter  die  Hände 
kam,  zusammen,  lud  es  sich  auf  den  Rücken  und 
ging  weg.  Kaum  war  er  draußen,  als  der  Hod- 
scha das  übriggebliebene  zusammenpackte  und 
sich  damit  belud;  dann  folgte  er  den  Spuren  des 
Diebes  bis  zu  dessen  Haustür, 

Dort  sagte  der  Dieb:  „Was  willst  du  von  mir?" 

Nasreddin,   I.  2  17 


„Wieso?"  sagte  der  Hodscha;  „bin  ich  denn 
nicht  richtig  bei  dem  Hause,  wohin  Wir  um- 
gezogen sind?" 

33,  i^ Ines  Tages  wurde  der  Hodscha  gefragt:  „Ver- 
JZtf  stehst  du  nicht  Persisch?  Sprich  ein  wenig, 
damit  wir  uns  überzeugen." 

Er  antwortete  ihnen  in  dieser  Sprache:  „Die 
Gans,  die  mein  Grab  höhlen  soll,  fliegt  noch  im 
Gebirge;  es  haben  sich  Leute  versammelt,  aber 
sie  haben  mich  noch  nicht  in  der  Todesstarre 
gefunden." 

Da  gingen  sie  eilfertig  weg,  ohne  noch  etwas 
weiter  zu  verlangen. 

34.  "TV  Em  Hodscha  war  einmal  Geld  gestohlen 
J-*/  worden.  ,,0  Herr,"  rief  er  aus,  ,,bist  du 
denn  in  Armut  gefallen,  daß  du  mir  meine  Er- 
sparnisse genommen  hast?"  Unter  derlei  Klagen 
ging  er  in  die  Moschee;  dort  verharrte  er  im 
Gebete  bis  zum  Morgen  und  dann  ging  er  nach 
Hause. 

In  derselbigen  Nacht  war  es  geschehn,  daß 
ein  Schiff  auf  dem  Meere  Sturmesnot  litt,  und 
die  Seeleute  hatten  gelobt,  wenn  sie  entrannen, 
dem  Hodscha  ein  Geschenk  zu  geben.  Der  Herr 
ließ  es  zu,  daß  sie  heil  ans  Land  kamen;  ihrem 
Gelübde  treu,  brachten  sie  nun  dem  Hodscha  das 
versprochene  Geld. 

„0  Gott,  o  Gott,"  schrie  da  Nasreddin,  „wozu 
hast  du  es  mir  zu  nehmen  brauchen,  wenn 
du  es  mir  nach  einer  außer  Hause  verbrachten 
Nacht  zurückgeben  wolltest?" 

18 


Eines  Tages  entlieh  der  Hodscha  von  seinem  35. 

Nachbar  eine  große  Pfanne,  Nachdem  sie 
ihm  ihren  Dienst  geleistet  hatte,  trug  er  sie  zu- 
rück und  brachte  zugleich  ein  kleines  Pfännchen. 

„Was  soll  denn  das  Pfännchen,"  sagte  der 
Nachbar,  „das  jetzt  dabei  ist?" 

„Ach,"  antwortete  der  Hodscha,  „die  Pfanne 
war  schwanger,  und  das  ist  das  Junge." 

Der  Nachbar  nahm  beides  in  Empfang,  Kurze 
Zeit  nach  dieser  Begebenheit  ging  der  Hodscha 
die  Pfanne  noch  einmal  entleihen.  Fünf  Tage 
wartete  der  Nachbar  vergebens,  daß  sie  ihm 
zurückgestellt  würde;  dann  pochte  er  an  die  Tür 
des  Hodschas.  Der  öffnete  und  fragte  ihn: 
„Was  willst  du?" 

„Meine  Pfanne." 

„Wohl  ergehe  es  dir,  aber  deine  Pfanne  ist 
gestorben." 

„Ja  kann  denn  eine  Pfanne  sterben?" 

„Natürlich;  und  warum  solltest  du  es  nicht 
glauben  wollen,  wo  du  doch  geglaubt  hast,  daß 
sie  ein  Junges  bekommen  hat?" 


ALs  der  Hodscha  einmal  auf  einem  Begräbnis-  36. 

platze  herumging,  sah  er,  wie  ein  riesiger 
Hund  einen  Grabstein  besudelte.    Empört  wollte 
er  ihn  mit  einem  großen  Prügel,  den  er  in  der 
Hand  hatte,    schlagen,    aber    der   Hund   machte         ' 
Miene,  ihn  anzufallen. 

Da  also  der  Hodscha  sah,  daß  die  Sache 
schief  ging,  rief  er  dem  Hunde  zu;  „Mach  nur 
weiter,  Freund,  mach  nur." 


19 


yj,  T^  Er  Hodscha  fing  eines  Tages  einen  Storch; 

\J  er  trug  ihn  nach  Hause,  nahm  ein  Messer, 
stutzte  ihm  den  langen  Schnabel  und  die  langen 
Beine  und  setzte  ihn  auf  einen  erhöhten  Platz. 
„So,"  sagte  er;  „jetzt  siehst  du  wenigstens 
einem  Vogel  ähnlich." 

3%.  "pines    Tages    schluckte    der    Hodscha    heiße 

lld  Suppe;  er  stieß  einen  Schrei  aus  und  lief 
voll  Aufregung  auf  die  Straße  hinaus:  „Platz, 
Leute,  Platz!  ich  brenne  im  Leibe." 

"PI*  In  Molla  hatte  Arabien,  Persien,  Indien  und 
iLä  alle  Länder  durchwandert,  ohne  daß  es  ihm 
gelungen  wäre,  eine  gewisse  Frage  beantwortet 
zu  erhalten.  Schließlich  wurde  ihm  der  Hodscha 
genannt;  augenblicklich  machte  er  sich  auf  nach 
Akschehir,  Auf  dem  Wege  kaufte  er  um  einen 
Asper  Granatäpfel  und  steckte  sie  zu  sich.  Im 
Gefilde  von  Akschehir  angekommen,  sah  er  einen 
Mann  in  Sandalen  und  einem  Filzmantel,  der  den 
Acker  bearbeitete,  gleichwohl  aber  das  Aussehn 
eines  gebildeten  Menschen  hatte;  es  war  der 
Hodscha.     Er  trat  auf  ihn  zu  und  grüßte  ihn. 

Der  Hodscha  erwiderte  den  Gruß  und  sagte: 
„Molla-Effendi,  was  gibt  es  neues?" 

,,Ich  will  dir  einige  Fragen  vorlegen;  wirst  du 
sie  beantworten  können?" 

„Sicherlich.   Aber  es  hat  einmal  einer  gesagt: 
I  ,Ohne   Geld  hätte   deine   Mutter   deinem   Vater 
'  nichts  bewilligt';  warum  sollte  ich  dir  einen  Ge- 
fallen tun?" 

Der  Molla  nahm  die  Granatäpfel  aus  seinem 
Busen  und  bot  sie  dem  Hodscha  an.     Nun  be- 

20 


gann  der  die  Fragen  des  Mollas  zu  beantworten, 
wobei  er  einen  Apfel  nach  dem  andern  verzehrte. 
Eben  war  er  mit  den  Äpfeln  fertig  geworden,  als 
der  Molla  sagte:  „Nun  habe  ich  noch  eine  Frage," 

,,Du  täuschest  dich,  mein  Freund;  sind  denn 
noch  Äpfel  da?" 

,,Ach,"  sagte  der  Molla,  ,,du  scheinst  mir  ein 
tüchtiger  Schelm  zu  sein;  an  derlei  Weisen  ist 
kein  Mangel."    Und  damit  machte  er  sich  davon. 

DEr  Hodscha  sah  einmal  eine  Menge  Enten,  40. 

die  sich  in  der  Quelle  eines  Baches  tum- 
melten. Er  lief  auf  sie  zu,  um  einige  zu  fangen, 
aber  sie  flogen  weg.  Da  setzte  er  sich  an  die 
Quelle  und  tauchte  das  Brot,  das  er  mitgebracht 
hatte,  stückchenweise  ins  Wasser.  Während  er 
so  das  feuchte  Brot  aß,  kam  ein  Fußgänger  vor- 
über, und  der  fragte  ihn:  „Was  ißt  du?" 

,, Ententunke,"  antwortete  der  Hodscha.  "^ 

DEr  Hodscha  wollte  einmal  eine  Leber  nach  41» 

Hause  tragen;  plötzlich  aber  schoß  ein 
Sperber  aus  den  Lüften  auf  sie  herab  und  ent- 
flog mit  ihr.  Der  Hodscha  sah  ihm  nach,  merkte 
aber,  daß  nichts  mehr  zu  machen  war.  Augen- 
blicklich erstieg  er  einen  erhöhten  Ort;  als  er 
dann  einen  Mann  kommen  sah,  der  auch  eine 
Leber  in  der  Hand  hielt,  entriß  er  sie  ihm  und 
eilte  damit  auf  die  Spitze  eines  Felsens. 

Der  Mann  schrie:  „Warum  beraubst  du  nuch 
so,  Hodscha?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ich  habe  nur  ver- 
sucht, wie  ich  es  machen  müßte,  wenn  ich  ein 
Sperber  wäre." 

21 


42.  '7' Um  Hodscha  kam  einer,  um  Stricke  zu  ent- 
£i^  leihen.  Der  Hodscha  ging  ins  Haus,  kam 
aber  sogleich  zurück  und  sagte,  daß  sie  voll  Mehl 
seien,  das  auf  ihnen  trocknen  solle.  Der  andere 
antwortete:  ,, Trocknet  man  denn  Mehl  auf 
Stricken?" 

Nun  sagte  der  Hodscha:  ,,Je  weniger  gern 
man  sie  herleiht,  desto  eher  läßt  man  darauf 
Mehl  trocknen." 

43.  "\TEben  dem  Hodscha  ging  einer;  sie  sahen  sich 
IN  gegenseitig  an  und  traten  jeder  in  dem- 
selben Augenblicke  ein  paar  Schritte  zurück. 
„Ist  es  erlaubt,  Herr,"  sagte  der  Hodscha,  ,,dich 
zu  fragen,  wer  du  bist?  ich  kenne  dich  nicht." 

Der  andere  antwortete:  „Wieso  bist  du  denn 
dann  über  meinen  Anblick  so  erstaunt  gewesen?" 

Der  Hodscha  erwiderte:  „Ich  habe  gesehn, 
daß  dein  Turban  ganz  so  ist  wie  der  meinige  und 
daß  dein  Mantel  derselbe  ist  wie  der  meinige; 
da  habe  ich  dich  für  mich  gehalten." 

44.  TM  Hause  des  Hodschas  war  einmal  jemand 
X  krank,  und  man  kam  sich  um  sein  Befinden 
erkundigen. 

Er  antwortete:  ,, Zuerst  war  er  genesen,  aber 
dann  ist  er  gestorben." 

45.  "T^Er  Hodscha  steckte  seine  Hühner  in  einen 
J-/  Käfig  und  ging  damit  nach  Siwri-Hissar. 
Unterwegs  sagte  er  sich:  „Diese  armen  Tiere  sind 
gefangen;  ich  will  sie  ein  bißchen  auslassen, 
o  Herr."  Als  sie  aber  in  Freiheit  waren,  liefen 
sie  nach  allen  Seiten  auseinander.  Nun  trieb 
der  Hodscha  den  Hahn  mit  einem  Stocke  in  der 

22 


Hand  vor  sich  her  und  sagte  zu  ihm:  „Was? 
mitten  in  der  Nacht  weißt  du,  daß  es  Morgen 
wird,  und  am  hellichten  Tag  kennst  du  den  Weg 
nicht?" 

ALs  der  Hodscha  eines  Tages  auf  einem  Be-  46. 

gräbnisplatze  neben  dem  Wege  ging,  fiel  er 
in  ein  altes  Grab;  nun  sagte  er  sich:  ,,Ich  will 
sehn,  ob  Munkar  und  Nakir  kommen,"  und  legte 
sich  der  Länge  nach  nieder.  Während  er  also 
wartete,  hörte  er  ein  Geklingel  von  Glöckchen, 
die  sich  näherten.  Er  dachte,  der  Tag  der  Auf- 
erstehung und  des  Gerichtes  sei  gekommen,  und 
stieg  aus  dem  Grabmale,  Da  sah  er,  daß  eine 
Karawane  hervorkam;  bei  seinem  Anblicke 
wurden  die  Maultiere  scheu  und  rannten  nach 
verschiedenen  Seiten  davon.  Die  Treiber  liefen 
auf  ihn  zu,  jeder  mit  seinem  Stocke  bewaffnet, 
und  fragten  ihn,  wer  er  sei. 

„Ich  bin  ein  Toter." 

„Und  was  tust  du  da?" 

„Ich  mache  einen  Spaziergang." 

,,Nun,  den  wollen  wir  dir  recht  angenehm 
machen."  Und  damit  warfen  sie  sich  auf  den 
Hodscha  und  prügelten  ihn  tüchtig  durch;  bald 
hatte  er  den  Kopf  zerschlagen  und  die  Augen 
braun  und  blau. 

Als  ihn  seine  Frau  in  dieser  Verfassung  heim- 
kommen sah,  fragte  sie  ihn,  woher  er  komme. 
Er  antwortete:  „Von  den  Toten;  ich  bin  im  Grabe 
gewesen." 

„Wie  geht  es  denn  in  der  andern  Welt  zu?" 

„Ach,  Weib,  vor  einem  hüte  dich;  mach  nur 
ja  die  Maultiere  nicht  scheu,  die  man  treibt." 

23 


// 

47.  '     TiT  An  hatte   den  Hodscha   als   Gesandten   zu 

jL^J.  den  Kurden  geschickt.  Sofort  nach  seiner 
Ankunft  luden  sie  ihn  zu  einem  Festmahle  ein; 
er  zog  seinen  Pelzmantel  an  und  ging  hin.  Mitten 
im  Gespräch  ließ  er  plötzlich  einen  Furz;  da 
sagten  sie  zu  ihm:  ,,Es  ist  eine  Schande,  MoUa- 
Effendi,  also  zu  furzen." 

„Was?"  schrie  er;  „wie  hätte  ich  denn  denken 
sollen,  daß  es  die  Kurden  verstehn,  wenn  man 
auf  türkisch  furzt?" 

48.  j.^ Ines  Tages  ging  der  Hodscha  mit  seinem 
.Ltf  Amad  ^  auf  die  Wolfsjagd.  Dieser  war  eben 
in  die  Höhle  gekrochen,  als  der  Wolf  unversehens 
zurückkam.  Der  Hodscha  benutzte  den  Augen- 
blick, wo  der  Wolf  in  dem  Loche  verschwand, 
und  packte  ihn  beim  Schwänze,  Daraufhin  be- 
gann der  Wolf  mit  den  Beinen  zu  scharren;  der 
Staub  drang  dem  Amad  in  die  Augen,  und  er 
schrie:  ,, Hodscha,  was  ist  das  für  ein  Staub?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Wenn  sein  Schwanz 
reißt,  wirst  du  noch  einen  ganz  andern  Staub 
sehn!" 

49.  /y       "C* Ines  Tages  stieg  der  Hodscha  auf  einen  Baum; 

xLä   dann  begann  er  den  Ast,  auf   den  er  sich 
^•^  gesetzt  hatte,  abzuhacken.    Ein  Vorübergehender 

sah  dies  von  unten  und  rief  ihm  zu:  ,,He  Freund, 
weißt  du  denn  nicht,  daß  du  zugleich  mit  dem 
Aste,  den  du  von  dem  Baume  abschneiden  willst, 
herunterfallen  wirst?" 

Der  Hodscha  antwortete  nichts;  als  er  aber  mit 


^  Vorzugsschüler, 

24 


dem  Aste  heruntergefallen  war,  begann  er  dem 
wohlmeinenden  Ratgeber,  der  weiterschritt,  nach- 
zueilen. Und  er  rief  ihn  an:  „He  Freund,  da  du 
es  vorausgesehn  hast,  wann  ich  herunterfallen 
werde,  so  mußt  du  mir  zweifellos  auch  sagen 
können,  wann  ich  sterben  werde."  Und  bei 
diesen  Worten  hielt  er  den  Fremden  fest. 

Der  antwortete,  um  von  ihm  loszukommen: 
„Wann  dein  Esel,  während  er  beim  Ersteigen 
einer  Anhöhe  brällt,  einen  Furz  läßt,  so  wird  die 
Hälfte  deiner  Seele  entweichen;  wann  er  dann 
den  zweiten  läßt,  so  wird  sie  gänzlich  von  dir 
scheiden," 

Der  Hodscha  setzte  seinen  Weg  fort;  und  bei 
der  zweiten  Mahnung  warf  er  sich  zu  Boden  mit 
den  Worten:  ,,Ich  bin  tot," 

Es  versammelten  sich  Leute  um  ihn,  und  die 
brachten  eine  Bahre,  legten  ihn  darauf  und  mach- 
ten sich  auf  den  Weg  nach  seinem  Hause.  Da 
kamen  sie  an  eine  Pfütze,  die  es  ihnen  verwehrte, 
geradeaus  weiterzugehn.  Als  sie  nun  einander 
fragten:  ,,Wie  sollen  wir  da  hinüberkommen?", 
hob  der  Hodscha  sein  Haupt  und  sagte:  „Als  ich 
noch  am  Leben  war,  bin  ich  immer  diesen  Weg  /^ 
gegangen." 


^  Wie    das    früher    die    Griechen    dortzulande    getan 
hatten. 

25 


J 


Einmal    gedachte    der    Hodscha    einen    unter-  SQ. 

irdischen  Stall  zu  machen  ^.  Nun  sah  er  auf 
einem  Spaziergange  in  dem  Keller  eines  seiner 
Nachbarn  eine  Kuh  und  etliche  Ochsen.     Hoch 


erfreut  darüber  ging  er  wieder  heim  und  sagte  zu 
seiner  Frau: 

,,Was  gibst  du  mir  für  eine  gute  Neuigkeit? 
ich  habe  einen  Stall  voll  Rinder  gefunden,  der 
noch  so  ist,  wie  er  zur  Zeit  der  Ungläubigen  war." 


5L  T\Er  Hodscha  hatte  zwei  Töchter;  die  kamen 

x-/  ihn  einmal  beide  besuchen,  und  er  fragte  sie: 
„Wovon  lebt  ihr?" 

Die  eine  sagte:  „Mein  Mann  ist  Bauer;  er  hat 
viel  Korn  gesät,  und  wenn  es  regnet,  wird  er  so 
viel  haben,  daß  er  mich  kleiden  karm." 

Die  andere  sagte:  „Mein  Mann  ist  Hafner;  er 
hat  viele  Töpfe  gemacht,  und  wenn  kein  Regen 
kommt,  so  wird  er  so  viel  haben,  daß  er  mir 
Kleider  kaufen  kann." 

Nun  sagte  der  Hodscha:  „Eine  von  euch  wird 
ja  bekommen,  was  sie  wünscht;  aber  welche,  das 
weiß  ich  nicht," 


52  "R     .         " 

IZir  Hissar;  es  war  am  Ende  des  Ramasans  und 

man  wartete,  daß  es  Neumond  werde,  weil  dann 
das  Bairamfest  beginnen  sollte.  Er  sah  eine 
Menge  Leute  versammelt,  die  alle  den  Mond  be- 
obachteten, und  da  sagte  er: 

,,Was  ist  denn  an  dem  Monde  so  bemerkens- 
wert? Bei  uns  zu  Hause  ist  er  so  groß  wie  ein 
Wagenrad,  und  es  kümmert  sich  kein  Mensch  um 
ihn;  hier,  wo  er  so  dünn  ist  wie  ein  Zahnstocher, 
versammeln  sich  alle  Leute,  um  ihn  zu  be- 
trachten!" 

26 


DEr  Hodsclia  kam  einmal  in  eine  Stadt  und  53. 

sah  dort  die  großen  Röhren  einer  Wasser- 
leitung. Da  fragte  er  einen  Vorübergehenden: 
„Was  ist  das?" 

Der    antwortete:    „Das    ist    das,    womit    wir 
Städter  das  Wasser  ablassen," 

„Daraus   läßt  sich  schließen,"   versetzte   der     | 
Hodscha,  „wie  euere  Frauen  gebaut  sein  müssen,"      ( 


Eines  Tages  ging  der  Hodscha  in  Akschehir  54. 

spazieren,  ,,Herr  Gott,"  rief  er  aus,  „gib  mir 
tausend  Goldstücke;  eines  weniger  nehme  ich 
nicht." 

Dieses  Gebet  hörte  ein  Jude,  der  in  seiner 
Nähe  war;  neugierig,  was  geschehn  werde,  tat 
er  neunhundertneunundneunzig  Goldstücke  in 
einen  Beutel  und  warf  ihn  durch  das  Rauchloch 
in  die  Hütte  des  Hodschas. 

Als  der  Hodscha  den  Beutel  am  Boden  be- 
merkte, rief  er  aus;  ,,0  Herr,  du  hast  mein  Gebet 
erhört."  Er  öffnete  den  Beutel  und  zählte  die 
Goldstücke;  da  fand  er,  daß  eines  fehlte.  Und  er 
sagte:  ,,Der,  der  mir  diese  gegeben  hat,  wird  mir 
auch  noch  das  letzte  geben;  ich  nehme  sie  an." 

Bei  diesen  Worten  wurde  der  Jude  unruhig; 
hastig  klopfte  er  an  die  Tür  des  Hodschas: 
„Guten  Tag,  Hodscha-Ef feudi!  Gib  mir,  bitte,  die 
Goldstücke  da;  sie  gehören  mir." 

„Bist  du  närrisch  geworden,  Krämer?  Ich 
habe  zu  Gott,  dem  Untrügerischen  —  gepriesen 
sei  sein  Name  —  gebetet,  und  er  hat  mich  erhört; 
wieso  sollte  dies  Geld  dir  gehören?" 

„Bei  meiner  Seele,  es  war  ein  Spaß." 

27 


„Den  Spaß  verstehe  ich  nicht," 

„Ich  habe  es  getan,  weil  ich  dich  sagen  hörte, 
daß  du  eines  weniger  nicht  nehmen  werdest." 

„Aber  dann  habe  ich  gesagt,  daß  ich  sie 
nehme," 

„Gehn  wir  zu  Gericht," 

,,Zu  Fuße  gehe  ich  nicht  hin," 

Nun  brachte  der  Jude  dem  Hodscha  ein  Maul- 
tier, aber  der  sagte;  „Auch  einen  Pelz  brauche  ich 
noch," 

Der  Jude  brachte  ihm  noch  einen  Pelz,  und 
nun  gingen  sie  aufs  Gericht  zum  Kadi.  Der 
fragte  sie,  was  sie  herführe,  und  der  Jude  sagte: 
„Der  Mann  da  hat  mein  Geld  genommen  und 
weigert  sich,  es  zurückzugeben," 

Der  Kadi  sagte  zum  Hodscha:  „Was  hast  du 
darauf  zu  erwidern?" 

„Herr,  ich  habe  Gott,  den  ewig  wahrhaften 
—  gepriesen  sei  sein  Name  —  um  tausend  Gold- 
stücke gebeten,  und  er  hat  mich  erhört;  als  ich 
dann  nachgezählt  habe,  fand  ich  um  eines 
weniger.  Trotzdem  bin  ich  nicht  davon  abgestan- 
den, sie  zu  nehmen,  Herr.  Nun  fordert  sie  der 
Jude  da  als  sein  Eigentum  ein,  aber  nicht  nur  sie, 
sondern  auch  den  Pelz,  den  ich  trage,  und  das 
Maultier,  auf  dem  ich  hiehergekommen  bin." 

„Gewiß  gehört  alles  mir,  Herr,"  erwiderte 
augenblicklich  der  Jude. 

Aber  der  Kadi  schrie:  „Zum  Teufel  mit  dir, 
Jude!"  Und  unverzüglich  wurde  der  Jude  mit 
Stockprügeln  hinausgejagt. 

Der  Hodscha  jedoch  kehrte  stillvergnügt  mit 
Pelz  und  Maultier  heim. 


28 


Eines    Tages    nahm    der    Hodscha    an    einem  55. 

Hochzeitsmahle  teil;  die  Kleider,  die  er  an- 
hatte, waren  alt.  Niemand  kümmerte  sich  um 
ihn  und  es  wurde  ihm  keine  Aufmerksamkeit  er- 
zeigt. Daraufhin  ging  er  weg  und  lief  nach 
Hause,  um  seinen  Pelz  anzuziehn.  Dann  kehrte 
er  zurück,  und  kaum  war  er  bei  der  Tür  an- 
gelangt, als  man  ihn  auch  schon  einlud,  einzu- 
treten. „Setz  dich,  Hodscha-Effendi,  wenn  es  i^' 
dir  beliebt,  oben  an  die  Tafel,"  sagte  man  zu 
ihm  und  überhäufte  ihn  mit  Ehrenbezeigungen 
und  Aufmerksamkeiten. 

Da  faßte  er  die  Ärmel  seines  Pelzes  und  rief: 
,,Gebt,  bitte,  meinem  Kleide  zu  essen." 

Die  Tischgenossen  sahen  ihn  an  und  baten 
ihn,  sich  zu  erklären.  Und  er  sagte:  ,,Mein  Kleid 
ist  es,  dem  die  Ehre  erwiesen  wird;  warum  soll 
es  nicht  auch  den  Genuß  haben?" 


ALs  der  Hodscha  einmal  eine  Stadt  betrat,  traf  56. 

er  das  ganze  Volk  damit  beschäftigt,  zu 
essen  und  zu  trinken.  Man  bemerkte  ihn,  be- 
grüßte ihn  artig  und  brachte  ihm  Speise  und 
Trank.  Das  Jahr  war  aber  unfruchtbar.  Wie 
nun  der  Hodscha  so  aß  und  trank,  fragte  er  sich, 
wieso  die  Lebensmittel  an  diesem  Orte  so  im 
Überflusse  vorhanden  seien.  Schließlich  bat  er 
darüber  um  Auskunft. 

„Bist  du  verrückt?"  war  die  Antwort.  ,, Heute 
ist  doch  das  Bairamfest,  wo  sich  jedermann,  je 
nach  seinen  Mitteln,  mit  Mundvorrat  versorgt 
und  aufkochen  läßt;  der  Überfluß  dauert  nur  eine 
kleine  Weile." 

29 


Nun  rief   der  Hodscha:   „Wollte   doch  Gott, 
daß  alle  Tage  Bairam  wäre!" 


57.  tj^  Ines  Tages   brachte   der  Hodscha   eine  Kuh 

JCtf  auf  den  Markt;  aber  er  mochte  herumgehn, 
wie  er  wollte,  er  konnte  sie  nicht  verkaufen.  Da 
sagte  einer,  der  vorüberging,  zu  ihm:  ,, Warum 
führst  du  die  Kuh  herum  und  verkaufst  sie 
nicht?" 

„Ach,"  sagte  der  Hodscha,  ,,seit  aller  Früh 
lasse  ich  sie  ansehn;  aber  wie  ich  sie  auch  an- 
gepriesen habe,  verkaufen  habe  ich  sie  doch  nicht 
können." 

Nun  nahm  ihm  der  Mann  die  Kuh  ab  und 
führte  sie  selber  herum,  wobei  er  rief:  ,,Seht,  wie 
jung  sie  ist,  und  dabei  ist  sie  im  sechsten  Monate 
trächtig." 

Im  Nu  kamen  Kauflustige  herbei,  und  bald 
hatte  einer  die  Kuh  um  ein  hübsches  Stück  Geld 
erstanden.  Der  Hodscha  nahm  das  Geld  und 
ging  nach  Hause,  ganz  verwirrt,  als  hätte  er  sich 
betrunken  gehabt. 

Unterdessen  waren  zu  ihm  einige  Frauen  auf 
Brautschau  gekommen;  er  hatte  nämlich  eine 
mannbare  Tochter.  Seine  Frau  sagte  es  ihm  und 
setzte  hinzu:  „Du  bist  nicht  gerade  der  geschei- 
teste, Mann,  drum  halte  dich  abseits.  Ich  will 
die  Frauen  empfangen  und  unsere  Tochter  loben, 
was  ich  nur  kann;  vielleicht  entschließen  sie  sich, 
sie  zu  nehmen." 

,,Gib  acht,  Weib,  was  du  sagst.  Heute  habe 
ich  einen  neuen  Kunstgriff  gelernt,  und  da 
will  ich  hineingehn;  paß  nur  auf,  wie  ich  es  an- 

30 


packen  werde,  um  sie  herumzubekommen."     Mit 
diesen  Worten  trat  er  zu  den  Frauen  hinein- 

„Was  willst  du  da?"  schrien  sie^;  „hole  uns 
deine  Frau  und  deine  Tochter." 

„Meine  Frau  ist  so  mit  Arbeit  überhäuft,  daß 
sie  kaum  weiß,  was  für  Eigenschaften  ihre  Toch- 
ter hat;  in  unserer  Familie  sind  es  übrigens  wir 
Männer,  die  die  Gaben  und  Anlagen  eines  jeden 
beobachten  und  beurteilen,  und  so  bin  ich  bereit, 
euch  über  alles  genau  Auskunft  zu  geben." 

„So  zähle  uns  ein  paar  Einzelheiten  auf,  damit 
wir  wissen,  woran  wir  sind." 

Der  Hodscha  sagte:  „Sie  ist  noch  sehr  jung     \ 
und  seit  sechs   Monaten  schwanger;   wenn   das 
nicht  stimmt,  so  bringt  sie  mir  zurück."  l 

Die  Frauen  sahen  eine  die  andere  an  und 
gingen  weg. 

Nun  sagte  das  Weib  des  Hodschas:  ,, Warum 
hast  du  so  einen  Unsinn  gesprochen?  damit  hast 
du  sie  vertrieben." 

,,Sei  unbesorgt,"  antwortete  er:  „sie  können 
weit  und  breit  herumlaufen,  ohne  daß  es  ihnen 
gelänge,  ein  solches  Mädchen  zu  finden;  sie  wer- 
den also  wiederkommen.  Kein  Mensch  hätte 
meine  Kuh  gekauft,  wenn  ich  sie  nicht  auf  diese 
Weise  angepriesen  hätte." 

DEr  Hodscha  wollte  sich  seinen  Turban  um-  58. 

winden,   konnte  aber  die  Enden  nicht  an- 
einanderbringen;  er  wickelte  ihn  auf  und  wickelte 


1  Weil    er    ins    Frauengemach,    den    Harem,    getreten 
war,  obwohl  dort  fremde  Frauen  anwesend  waren, 

31 


ihn  zu,  doch  stets  war  es  umsonst.  Voll  Ungeduld 
ging  er,  um  ihn  versteigern  zu  lassen. 

Als  es  dazu  kam,  trat  einer  näher,  der  ent- 
schlossen schien,  ihn  zu  kaufen.  Aber  der  Hod- 
scha  machte  sich  an  ihn  heran  und  sagte  heimlich 
zu  ihm:  „Hüte  dich  wohl,  ihn  zu  kaufen;  er  ist 
viel  zu  kurz." 

59.  "TV Em  Hodscha  wurde  ein  Sohn  geboren;  da 
J— /  kam  einer  zu  ihm,  um  ihm  die  frohe  Nach- 
richt zu  überbringen. 

Der  Hodscha  sagte:  ,,Wenn  mir  ein  Sohn  ge- 
boren worden  ist,  so  muß  ich  sicherlich  Gott  dafür 
danken;  aber  warum  sollte  ich  auch  dir  erkennt- 
lich sein?" 

60.  '7  Um  Hodscha  kam  einer,  um  dessen  Esel  zu 
jtLä  entleihen.  ,, Warte,"  sagte  der  Hodscha,  ,,ich 
will  ihn  erst  einmal  befragen;  ist  es  ihm  recht, 
so  ist  die  Sache  gemacht." 

Er  ging  ins  Haus,  blieb  einen  Augenblick 
drinnen,  kam  wieder  heraus  und  sagte:  ,,Der  Esel 
ist  es  nicht  zufrieden;  er  sagt,  er  würde,  wenn  ich 
ihn  herliehe,  über  die  Ohren  geschlagen  werden, 
und  mich  würde  man  auslachen." 

61.  "T^^^  Hodscha  stieg  einmal  auf  seinen  Esel  und 
JL/  ritt  in  seinen  Garten.  Als  er  nun  wegen  eines 
kleinen  Bedürfnisses  abseits  gehn  mußte,  zog  er 
seinen  Pelz  aus  und  legte  ihn  auf  den  Sattel  des 
Esels.  Da  kam  ein  Dieb,  packte  den  Pelz  und 
entwich. 

Der  Hodscha  kam  zurück  und  sah,  was  ge- 
schehn  war;  unverzüglich  nahm  er  dem  Esel  den 

32 


Sattel  ab,  um  ihn  sich  selber  aufzulegen,  gab  dem 
Esel  einen  Peitschenhieb  und  sagte:  „Gib  mir 
meinen  Pelz  wieder,  und  ich  gebe  dir  deinen 
Sattel." 

Eines  Tages  ritt  er  wieder  auf  seinem  Esel  aus,  62. 

Wieder  mußte  er  ein  Bedürfnis  befriedigen 
und  wieder  legte  er  seinen  Pelz  auf  den  Esel. 
Ein  Mann,  der  ihn  beobachtet  hatte,  packte  den 
Pelz  und  wollte  damit  weglaufen.  In  diesem 
Augenblicke  begann  der  Esel  zu  brällen. 

,,Du  magst  schreien  und  brällen,"  sagte  der 
Hodscha,  ,, nützen  wird  es  nichts." 

Der  Dieb  aber,  der  das  hörte,  legte  in  der 
Meinung,  der  Hodscha  habe  ihn  gesehn,  eiligst 
den  Pelz  wieder  hin  und  entlief, 

DEr  Hodscha  hatte  seinen  Esel  verloren  und  63. 

er  erkundigte  sich  um  ihn.  Da  sagte  einer: 
„Ich  habe  ihn  dort  und  dort  als  Kadi  gesehn." 
,,Das  wundert  mich  gar  nicht,"  sagte  der  Hod- 
scha; ,,denn  wann  ich  Unterricht  erteilte,  spitzte 
er  immer  die  Ohren  dorthin,  wo  er  mich  sprechen 
hörte." 

DEr  Hodscha  ging  ins  Gebirge  Holz  fällen;  da  64. 

begegnete  er  einem  Manne,  der  einen  son- 
derlich lebhaften  Esel  ritt.  Der  Mann  kam  näher 
und  ritt  an  dem  Hodscha  vorbei.  Der  rief  ihm 
nach:  ,, Warte  ein  bißchen;  ich  muß  dich  um  etwas 
fragen," 

Der  Mann  hielt  an. 

Nun  sagte  der  Hodscha:  „Wieso  läuft  denn 
dein  Esel  so  schnell?  Der  meinige  geht  nicht 
vom  Flecke.    Was  wendest  du  an?" 


Nasreddin,    I. 


33 


„Was  gibst  du  mir,"  antwortete  der  andere, 
„wenn  ich  dirs  mitteile?" 

„Einen  Bienenstock." 

„In  der  Stadt  gibts  jetzt  roten  Pfeffer.  Da- 
von kaufe  dir.  Hierauf  geh  ins  Gebirge,  fälle 
dein  Holz,  nimm,  wann  du  es  dem  Esel  auf- 
geladen hast,  ein  wenig  von  diesem  Pfeffer  und 
stecke  es  ihm  in  den  Hintern,  Dann  paß  auf: 
du  wirst  sehn,  wie  schnell  er  laufen  wird." 

Auf  der  Stelle  kehrte  der  Hodscha  um,  um 
unverzüglich  in  die  Stadt  zu  gehn  und  roten 
Pfeffer  zu  kaufen.  Dann  ging  er  wieder  ins  Ge- 
birge, fällte  Holz,  belud  den  Esel  und  steckte 
ihm  ein  wenig  Pfeffer  in  den  Hintern.  Sofort 
setzte  sich  der  Esel  in  Galopp,  und  zwar  so,  daß 
ihm  der  Hodscha  nicht  folgen  konnte. 

Er  sagte  sich:  „Das  Mittel  dieses  Menschen 
ist  wahrhaftig  gut;  wenn  ich  es  selber  anwendete, 
sollte  ich  da  nicht  auch  so  feurig  werden?  Ich 
will  es  versuchen." 

Mit  diesen  Worten  steckte  er  sich  ein  wenig 
hinein;  da  verspürte  er  ein  derartiges  Brennen, 
daß  er  zu  laufen  begann  wie  das  Feuer  und  den 
Esel  überholte.    So  kam  er  zu  Hause  an. 

Seine  Frau  sagte  zu  ihm:  „Was  hast  du 
denn?" 

„Jetzt  ist  nicht  Zeit  zu  reden,"  antwortete  der 
Hodscha.  „Der  Esel  kommt  nach;  lade  ihn  ab. 
Inzwischen  will  ich  noch  ein  paarmal  durchs 
Dorf  laufen." 

65.  "C*Inmal  kam  einer  zum  Hodscha  und  wollte 

iZrf  dessen  Esel   geliehn  haben.     Der   Hodscha 
antwortete:  „Er  ist  nicht  zu  Hause." 

34 


Kaum  waren  diese  Worte  gesprochen,  als  man 
den  Esel  drinnen  brällen  hörte. 

„Aber  Effendi,"  sagte  der  Mann,  „du  sagst, 
der  Esel  sei  nicht  zu  Hause ,  und  er  brällt 
drinnen."  ^^ 

„Was?"  antwortete  der  Hodscha,  „dem  Esel 
glaubst  du,  und  mir  Graubart  glaubst  du  nicht? 
Du  bist  ein  ganz  sonderbarer  Mensch." 


DEr  Hodscha  sagte  eines  Tages  zu  seiner  Frau:  66. 

„Woran   erkennst   du   es,    daß   ein   Mensch 
tot  ist?" 

Sie  antwortete:  „Daß  seine  Hände  und  Füße 
kalt  sind." 

Etliche  Tage  darauf  ging  der  Hodscha  ins  Ge- 
birge um  Holz;  unterm  Gehn  fror  ihn  an  Hand 
und  Fuß.  Da  schrie  er:  „Jetzt  bin  ich  tot";  damit 
legte  er  sich  unter  einem  Baume  nieder. 

Es  kamen  Wölfe,  und  die  begannen  seinen 
Esel  zu  fressen.  Nun  sagte  der  Hodscha;  „Das 
ist  freilich  eine  hübsche  Gelegenheit  für  euch, 
wenn  der  Herr  des  Esels  gestorben  ist." 


DEr  Hodscha  fällte  einmal  Holz  in  den  Bergen,  67. 

als  sich  ein  Wolf  daranmachte,  seinen  Esel 
zu  zerreißen;  und  der  Hodscha  bemerkte  das 
nicht  eher,  als  bis  der  Wolf  seine  Beute  davon- 
schleppte.  Nun  rief  ihm  einer  zu,  er  solle  acht 
geben,  was  geschehe. 

Aber  der  Hodscha  erwiderte:  ,,Wozu  schreist 
du  jetzt?  Gefressen  hat  der  Wolf,  was  er  wollte; 
warum  soll  ich  ihn  den  Berg  hinauf  abhetzen?" 

3*  35 


68.  T^Er  Hodscha  wollte  einmal  seinen  Esel  vcr- 
JL/  kaufen  und  führte  ihn  auf  den  Markt;  auf 
dem  Wege  beschmutzte  sich  der  Esel  seinen 
Schwanz  mit  Kot.  Ohne  zu  zaudern,  schnitt  er 
ihm  ihn  ab  und  steckte  ihn  in  den  Sack,  Als  er 
dann  den  Esel  zum  Kaufe  ausbot,  kam  einer  und 
sagte:  ,,Du,  dein  Esel  hat  keinen  Schwanz,  man 
hat  ihn  ihm  abgeschnitten." 

Der  Hodscha  antwortete:  „Kauf  ihn  nur  ruhig; 
der  Schwanz  ist  nicht  weit." 

69.  "TXEr  Hodscha  kam  von  einem  langen  Ritte 
±J^  zurück;  sein  Esel,  der  arg  durstig  geworden 
war,  bemerkte  ganz  in  seiner  Nähe  eine  Pfütze, 
deren  Ränder  aber  sehr  steil  abfielen.  Kaum 
hatte  er  das  Wasser  gesehn,  so  sprengte  er 
darauf  zu;  und  er  war  schon  daran,  sich  hinunter- 
zustürzen, als  die  Frösche,  die  dort  hausten,  zu 
quaken  begannen.  Erschreckt  wich  der  Esel 
zurück. 

Der  Hodscha  lief  hin,  packte  ihn  und  schrie: 
„Schönen  Dank,  meine  lieben  Sumpfvögel;  da 
habt  ihr  auch  etwas,  um  euch  Kuchen  zu  kaufen." 
Und  er  warf  ihnen  ein  Dreiparastück  ins  Wasser, 

70.  7^  ^^^  ^^^^  ^^^  Hodschas  Nasreddin-Ef feudi 
Zltf  erstanden  drei  Mönche,  ausgezeichnet  in 
jeder  Wissenschaft,  und  die  reisten  durch  die 
Welt.  Auf  dieser  Wanderschaft  kamen  sie  auch  in 
das  Land  des  Sultans  Alaeddin,  und  der  lud  sie 
ein,  den  Glauben  anzunehmen.  Sie  sagten:  „Wir 
haben  jeder  eine  Frage;  wenn  uns  die  beant- 
wortet werden,  so  wollen  wir  euerm  Glauben  bei- 
treten."   Und  darauf  einigte  man  sich. 

36 


Sultan  Alaeddin  versammelte  seine  Gelehrten 
und  Weisen;  aber  keiner  von  ihnen  war  imstande, 
eine  Antwort  zu  geben.  Voll  Zorn  sagte  Sultan 
Alaeddin:  ,,So  gibt  es  denn  in  meinem  Lande 
keinen  Weisen  oder  Gelehrten,  der  ihnen  ant- 
worten könnte!";  und  er  war  sehr  bekümmert. 

Da  sagte  einer:  ,, Diese  Fragen  kann  niemand 
sonst  beantworten,  als  der  Hodscha  Nasreddin- 
Ef feudi;  der  kann  es  vielleicht." 

Alsbald  befahl  der  König,  zu  Nasreddin- 
Effendi  einen  Tataren  zu  schicken.  Der  beeilte 
sich,  zu  dem  Hodscha  zu  gelangen,  und  meldete 
ihm  den  Befehl  des  Padischahs;  augenblicklich 
sattelte  Nasreddin  seinen  Esel,  nahm  seinen  Stock 
als  Stütze,  stieg  auf  den  Esel,  sagte  dem  Ta- 
taren: „Reite  vor  mir",  und  eilte  geradewegs  zum 
Serail  Sultan  Alaeddins. 

Als  er  vor  das  Angesicht  des  Padischahs  trat, 
gab  er  ihm  den  Salam  und  empfing  ihn  wieder, 
und  es  wurde  ihm  ein  Platz  zum  Sitzen  gewiesen. 
Nachdem  er  sich  gesetzt  hatte,  flehte  er  den 
Segen  auf  den  Padischah  herab;  dann  sagte  er: 
,,Was  ist  dein  Wunsch,  daß  du  mich  gerufen 
hast?" 

Nun  erzählte  Sultan  Alaeddin,  worum  es  sich 
handelte,  und  der  Hodscha  sagte:  „Was  sind 
euere  Fragen?" 

Da  trat  einer  von  den  Mönchen  vor  und  sagte: 
„Meine  Frage,  ehrwürdiger  Ef feudi,  ist:  ,Wo  ist 
der  Mittelpunkt  der  Welt?'  " 

Sofort  zeigte  der  Hodscha  mit  seinem  Stocke 
auf  den  vordem  Huf  des  Esels  und  sagte:  „Hier, 
wo  der  Fuß  meines  Esels  steht,  ist  der  Mittel- 
punkt der  Welt," 

37 


Der  Mönch  sagte:  „Woher  ist  das  bekannt?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Wenn  du  es  nicht 
glaubst,  so  miß  es  aus;  sollte  es  sich  anders  er- 
geben, so  sprich  demgemäß," 

Darauf  trat  wieder  ein  Mönch  vor  und  sagte: 
„Wie  viel  Sterne  sind  an  dem  Antlitze  des 
Himmels?" 

Der  Hodscha  antwortete:  ,,So  viel,  wie  Haare 
auf  meinem  Esel," 

Der  Mönch  sagte:  „Woraus  erhellt  das?" 

„Wenn  du  es  nicht  glaubst,  so  zähle  nach; 
kommen  weniger  heraus,  dann  sprich." 

Der  Mönch  sagte:  „Kann  man  denn  die  Haare 
des  Esels  zählen?" 

Der  Hodscha  sagte:  „Kann  man  denn  so  viel 
Sterne  zählen?" 

Der  dritte  Mönch  trat  vor  und  sagte:  „Wenn 
du  mir  meine  Frage  zu  beantworten  verstehst, 
so  wollen  wir  alle  drei  gläubig  werden." 

Der  Hodscha  sagte:  „Sprich;  wir  wollen  sehn." 

Der  Mönch  sagte:  ,,Wie  viel  Haare  sind  in 
meinem  Barte?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „So  viele  wie  in  dem 
Schwänze  meines  Esels." 

Der  Mönch  erwiderte:  „Woher  ist  das  be- 
kannt?" 

Der  Hodscha  sagte:  „Wenn  du  es  nicht 
glaubst,  Freund,  so  zähle  nach." 

Der  Mönch  sagte,  mit  diesem  Vorschlage  sei 
er  nicht  einverstanden. 

Nun  sagte  der  Hodscha:  „Wenn  du  es  nicht 
zufrieden  bist,  so  laß  uns  je  ein  Haar  aus  deinem 
Barte  und  je  eins  aus  dem  Schwänze  des  Esels 
ausreißen,  und  wir  wollen  sehn,  was  sich  ergibt." 

38 


Der  Mönch  sah,  daß  das  nicht  recht  anging. 
Und  von  Gott,  dem  Allmächtigen,  kam  ihm  die 
Eingebung  und  er  sagte  zu  seinen  Reisegefährten: 
„Ich  bin  gläubig  gev/orden."  Und  er  verkündete 
die  Einheit,  und  auch  die  andern  zwei  wurden 
mit  Herz  und  Seele  gläubig.  Und  fortan  waren 
alle  dem  Hodscha  ergeben, 

Ines    Tages    wollte    der    Hodscha    dem    Bei  71. 

Tamerlan  einen  Besuch  abstatten.  Er  ging  in 
den  Garten  und  pflückte  einen  Korb  Quitten;  da- 
mit machte  er  sich  auf  den  Weg.  Er  begegnete 
einem  Bekannten,  und  der  sagte  zu  ihm:  „Wohin 
gehst  du,  Hodscha?" 

Der  Hodscha  antwortete:  ,,Es  ist  schon  lange 
her,  daß  ich  nicht  bei  Bei  Tamerlan  war;  ich  will 
ihn  jetzt  besuchen." 

„Und  was  ist  das?" 

,,Ein  Geschenk  für  den  Bei,"  sagte  der 
Hodscha. 

„Aber  Quitten",  fuhr  der  Mann  fort,  „sind 
jetzt  nicht  das  richtige;  jetzt  ist  die  Zeit  der 
Feigen:  bring  ihm  doch  einige  recht  frische." 

Ohne  weitere  Worte  ging  der  Hodscha  wieder 
heim,  warf  die  Quitten  weg  und  nahm  Feigen; 
freilich  merkte  er,  daß  sie  noch  grün  und  sauer 
waren.  Er  ging  damit  zum  Bei  und  bot  sie  ihm 
nach  dem  Gruße  auf  einer  Holzschüssel  dar. 

Der  Bei  griff  sofort  um  eine  Feige,  die  ihm  gut 
zu  sein  schien,  und  führte  sie  zum  Munde;  er  ge- 
riet in  Zorn  und  befahl,  die  übrigen  dem  Hodscha 
an  den  Kopf  zu  werfen.  Eine  nach  der  andern 
traf  den  Hodscha  ins  Gesicht,  aber  er  rief  bei 
einer  jeden:  „Gelobt  sei  Gott!" 

39 


,,Hodscha,"  sagte  der  Bei,  ihn  unterbrechend, 
„warum  diese  Danksagungen?  soll  ich  sie  als  eine 
Verhöhnung  auffassen?" 

„Meinen  Dank  sage  ich  deswegen,  weil  ich  dir 
habe  Quitten  bringen  wollen  und  mir  einer,  Gott 
sei  gelobt,  den  Rat  gegeben  hat,  lieber  Feigen  zu 
nehmen.  Wenn  es  Quitten  gewesen  wären,  wo 
wäre  ich  jetzt?" 


72.  L^In  andres  Mal  ging  der  Hodscha  wieder  zum 

XLr  Bei.  Der  war  eben  daran,  auf  die  Jagd  zu 
reiten;  er  nahm  den  Hodscha  mit,  ließ  ihn  aber 
auf  eine  elende  Mähre  steigen.  Es  fiel  ein  Platz- 
regen, und  jeder  machte  sich  mit  seinem  Pferde 
im  Galopp  davon;  der  Hodscha  jedoch  konnte  das 
seinige  nicht  von  der  Stelle  bringen  und  mußte 
zurückbleiben.  Ohne  zu  zaudern,  zog  er  seine 
Kleider  aus,  brachte  sie  am  Bauche  des  Pferdes 
ins  Trockene  und  saß  wieder  auf.  Als  dann  der 
Regen  aufhörte,  kleidete  er  sich  wieder  an  und 
ritt  zum  Bei.  Der  verwunderte  sich  höchlich, 
ihn  nicht  im  mindesten  naß  zu  sehn. 

Der  Hodscha  erklärte  es  ihm:  „Dieses  Pferd 
ist  gar  wacker;  es  ist  so  schnell  gelaufen,  daß  ich 
keine  Zeit  hatte,  naß  zu  werden." 

Der  Bei  wies  nun  dem  Pferde  den  ersten  Platz 
in  seinem  Stalle  an.  Als  er  dann  wieder  einmal 
auf  die  Jagd  reiten  wollte,  nahm  er  den  aus- 
gezeichneten Renner  selber  und  gab  dem  Hodscha 
ein  andres  Pferd,  Es  fing  wieder  zu  regnen  an; 
jeder  eilte  davon,  um  sich  ins  Trockene  zu 
bringen,  und  der  Bei,  der  auf  der  Mähre  zurück- 
blieb, wurde  bis  auf  die  Haut  durchnäßt.    Wütend 

40 


über  die  Antwort,  die  ihm  der  Hodscha  gegeben 
hatte,  rief  er  ihn  am  nächsten  Tage  vor  sich. 

„Hältst  du  mich  für  deinesgleichen,  daß  du 
mich  belogen  hast?" 

„Warum  ärgerst  du  dich,  Bei?  Weißt  du 
denn  nicht,  wie  man  es  macht?  Hättest  du  dich, 
wie  ich  es  getan  habe,  ausgekleidet  und  wärest 
auf  dem  Pferde  geblieben,  so  hättest  du,  als  der 
Regen  aufgehört  hat,  trockene  Kleider  gehabt," 

Eines  Tages  ließ   der  Bei   den  Hodscha  zum  73. 

Dscherid  ^  einladen.  Nun  besaß  der  Hodscha 
einen  prächtigen  Ochsen;  den  sattelte  und  bestieg 
er  und  kam  also  auf  den  Platz,  wo  der  Dscherid 
stattfinden  sollte.    Alle  lachten,  als  sie  ihn  sahen. 

„Hodscha,"  sagte  der  Bei,  „das  ist  etwas 
neues,  einen  Ochsen  reiten!  aber  laufen  kann  er 
nicht." 

Der  Hodscha  erwiderte:  ,,Ich  habe  ihn  schon 
schneller  laufen  sehn  als  ein  Pferd;  und  dabei 
war  er  damals  erst  ein  Kalb." 

Eines  Tages  lud  Tamerlan  den  Hodscha  Nasr-  74. 

eddin  zu  einem  Mahle  ein;  nach  dem,  was 
man  ihm  von  ihm  erzählt  hatte,  war  er  begierig 
geworden,  sich  seinem  Gebete  zu  empfehlen, 

„Tamerlan,"  ließ  er  ihm  sagen,  „der  aus  seinem 
Lande  gekommen  ist,  will  Nutzen  ziehn  von 
deinen  Gebeten  und  Segnungen.  Komm  zu  ihm 
und  du  wirst  die  Zeichen  seiner  Hochachtung 
empfangen."  Und  die  Boten  fügten  bei:  ,, Tamer- 
lan wird  dich  mit  Ehren  überhäufen." 


1  Lanzenwerfen  zu  Pferde. 

41 


Der  Hodscha  sagte:  „Sei  es,  wie  immer  es 
will."  Und  er  stieg  auf  seinen  Esel  und  sagte  zu 
seinem  Amad;  „Komm  mit  zu  Timur." 

Der  folgte  der  Aufforderung  und  so  begaben 
sie  sich  zu  dem  Tatarenherrscher.  Sie  trafen  ihn 
sitzend,  und  er  war  höflich  mit  dem  Hodscha  und 
lud  ihn  ein,  neben  ihm  niederzusitzen.  Bald  be- 
merkte Nasreddin,  daß  Timur,  wie  er  so  saß,  seine 
Füße  unter  ein  Kissen  gesteckt  hatte;  da  tat  er 
ebenso  die  seinigen  darunter.  Dadurch  fühlte 
sich  Timur  verletzt,  und  sein  Ärger  wuchs,  je 
länger  der  Hodscha  seine  Füße  neben  den  sei- 
nigen hatte.  Und  er  sagte  bei  sich:  ,,Sieh  einmal, 
er  will  es  mir  gleichtun,  mir,  dem  Padischah,  und 
ohne  sich  zu  entschuldigen!"  Und  er  sagte  zum 
Hodscha:  ,,Was  für  ein  Unterschied  ist  zwischen 
dir  und  deinem  Esel?" 

„Was  für  ein  Unterschied,"  erwiderte  der 
Hodscha,  ,,ist  zwischen  deiner  Majestät  und  dem 
Kissen  da?" 

Der  Zorn  Timurs  wuchs  immerzu;  und  er  hätte 
vielleicht  den  Hodscha  mißhandelt,  wenn  nicht 
aufgetragen  worden  wäre. 

Plötzlich  nieste  Timur  mitten  unter  dem 
Mahle  neben  dem  Hodscha  oder  besser  auf  ihn; 
da  sagte  der  zu  ihm;  ,,Das  ist  unschicklich, 
Padischah." 

„Bei  uns  nicht,"  antwortete  Timur. 

Gegen  Ende  des  Mahles  ließ  der  Hodscha 
einen  lauten  Furz.  ,,Was  du  da  machst,"  sagte 
Timur,  „ist  das  vielleicht  nicht  unschicklich?" 

„Bei  uns  nicht,"  sagte  der  Hodscha. 

Als  dann  die  Speisen  weggenommen  waren 
und  man  den   Scherbet  getrunken  hatte,   stand 

42 


der  Hodscha  auf,  um  heimzukehren.  Und  auf 
dem  Wege  sagte  sein  Amad  zu  ihm:  „Aber  Hod- 
scha, warum  hast  du  dich  in  der  erhabenen 
Gegenwart  des  fremden  Padischahs  auf  diese 
Weise  betragen  und  sogar  einen  Furz  gelassen?" 
„Mach  dir  keine  Sorgen,"  antwortete  der 
Hodscha.  „Türkisch  nennt  man  es  ja  so;  aber 
in  seiner  Sprache  bedeutet  es  gar  nichts." 

DEr  Hodscha  ließ  einmal  eine  Gans  braten  und  75. 

brachte  sie  dem  Sultan;  da  er  aber  auf  dem 
Wege  Hunger  bekam,  riß  er  ihr  einen  Fuß  aus 
und  aß  ihn.  Dann  trat  er  vor  den  Padischah  und 
bot  ihm  die  Gans  dar. 

Timurlenk  merkte  die  Sache  und  sagte  voller 
Zorn  zu  sich:  „Der  Hodscha  macht  sich  lustig 
über  mich."  Und  er  sagte  zu  ihm:  ,,Wo  ist  denn 
der  andere  Fuß?" 

„Hierzulande",      antwortete      der     Hodscha, 
,, haben  die  Gänse  nur  ein  Bein;   wenn  du  mir    i 
nicht  glaubst,  so  sieh  dort  bei  dem  Brunnen  eine 
ganze  Herde  Gänse," 

Die  standen  nun  wirklich  alle  nur  auf  einem 
Beine.  Unverzüglich  befahl  Timur  einem  Pauken- 
schläger, einen  Wirbel  zu  schlagen.  Der  nahm 
die  Klöppel  und  schlug  zu,  und  die  Gänse  stellten 
sich  auf  ihre  beiden  Beine.  ,, Schau,"  sagte  Timur, 
„jetzt  haben  sie  zwei." 

„Mit  den  Klöppeln  da",  antwortete  der  Hod- 
scha, , »könnte  man  sogar  dich  dazu  bringen,  auf 
allen  vieren  zu  laufen," 

ALs  der  Hodscha  Kadi  war,  kamen  zwei  Leute  76. 

zu  ihm,  und  der  eine  sagte:   „Der  da  hat 
mich  ins  Ohr  gebissen." 

43 


,,Ich  war  es  nicht,"  sagte  der  andere;  ,,er  hat 
sich  selber  ins  Ohr  gebissen," 

Der  Hodscha  sagte:  „Entfernt  euch  auf  eine 
Weile;  dann  werde  ich  euch  meine  Entscheidung 
mitteilen," 

Sie  gingen  weg  und  er  schloß  sich  augenblick- 
lich ein  und  stellte  allerhand  Bemühungen  an, 
sein  Ohr  zu  erreichen  und  sich  zu  beißen.  Seine 
Versuche  endigten  damit,  daß  er  auf  den  Rücken 
fiel  und  sich  den  Kopf  ein  wenig  verletzte.  Er 
umwickelte  ihn  mit  einem  Stück  Tuch  und  setzte 
sich  wieder  auf  seinen  Platz;  die  beiden  Gegner 
kamen  wieder  vor  ihn  und  nahmen  ihren  Streit 
von  neuem  auf. 

Nun  sagte  der  Hodscha:  „Wisset,  man  kann 
sich  nicht  nur  selber  ins  Ohr  beißen,  sondern 
sogar  dabei  fallen  und  sich  den  Kopf  verletzen." 

77,  kS  Ines  Nachts  hörte  der  Hodscha,  der  im  Bette 
iLd  lag,  einen  Streit  vor  seiner  Tür,  ,,Steh  auf, 
Weib,"  sagte  er,  ,,und  mach  Licht;  ich  will  nach- 
sehn, was  es  gibt," 

Sie  sagte:  ,, Bleib  doch," 

Aber  ohne  auf  sie  zu  hören,  nahm  er  die  Bett- 
decke um  und  trat  hinaus.  Augenblicklich  riß 
ihm  einer  von  den  Streitenden  die  Decke  weg 
und  machte  sich  damit  davon.  Vor  Kälte  zitternd 
kam  der  Hodscha  v/ieder  ins  Haus  und  seine 
Frau  sagte:  , .Worum  ging  denn  der  Streit?" 

„Um  die  Bettdecke;  als  sie  sie  hatten,  war 
der  Zank  zu  Ende," 

78.  TJ^Ines  Tages  sagte  die  Frau  des  Hodschas  zu 
.Ltf  ihm:  ,,Trag  das  Kind  ein  bißchen  herum;  ich 


J 


habe  zu  tun." 
44 


Der  Hodscha  nahm  das  Kind  auf  den  Arm, 
aber  es  dauerte  nicht  lange,  so  bepißte  es  ihn. 
Augenblicklich  tat  ihm  der  Hodscha  dasselbe, 
so  daß  es  durch  und  durch  naß  wurde.  Als  dann 
die  Frau  zurückkam,  fragte  sie  ihn:  ,, Warum  hast 
du  das  getan?" 

Und  der  Hodscha  antwortete:  ,, Hätte  mich  ein 
Fremder  bepißt,  so  hätte  ich  ihm  noch  etwas  ganz 
andres  getan." 

Eines   Abends   hatte   die   Frau   des   Hodschas  79. 

seinen  Kaftan  gewaschen  und  ihn  im  Garten 
aufgehängt.  In  der  Nacht  glaubte  nun  der 
Hodscha,  einen  Mann  zu  sehn,  der  die  Arme  aus- 
gebreitet habe;  da  sagte  er  zu  seiner  Frau:  „Bring 
mir  meinen  Bogen  und  meine  Pfeile,"  y 

Die  Frau  brachte  ihm  das  verlangte.  Er  nahm 
einen  Pfeil  und  schoß  ihn  durch  den  Kaftan; 
dann  schloß  er  die  Tür  und  ging  schlafen. 

Am  Morgen  sah  er,  daß  er  seinen  eigenen 
Kaftan  durchbohrt  hatte;  „Gott  sei  Dank,"  rief 
er  aus,  „daß  ich  nicht  drinnen  gesteckt  habe;  da 
wäre  ich  nun  schon  lange  tot," 

DEr  Hodscha  begab  sich  einmal,  von  seinen  8Ö. 

Molla  begleitet,  in  seine  Schule;  da  kam 
ihm  der  Einfall,  sich  auf  seinen  Esel  verkehrt  zu 
setzen  und  ihnen  also  voranzureiten.  Und  sie 
sagten:  „Warum  reitest  du  verkehrt,  Hodscha?" 
Er  antwortete:  ,,Wäre  ich  wie  gewöhnlich  auf- 
gesessen, hätte  ich  euch  den  Rücken  gezeigt; 
hätte  ich  euch  vorangehn  lassen,  hätte  ich  euere 
Rücken  gesehn:  das  beste  ist  wohl  so,  wie  ich  es 
gemacht  habe." 

45 


81.  TT^Er  Hodscha  lag  einmal  in  der  Nacht  im  Bette, 

J— /  als  er  auf  dem  Dache  einen  Dieb  gehn  hörte. 
Da  wandte  er  sich  zu  seiner  Frau  und  sagte  zu 
ihr:  „Als  ich  an  einem  der  letzten  Tage  ins  Haus 
wollte,  habe  ich  ein  Gebet  gesprochen,  die  Mond- 
^  strahlen  gefaßt  und  mich  daran  sanft  hcrunter- 

\  y  gelassen," 

y./  Der  Dieb  auf  dem  Dache  hörte  diese  Rede. 

'/ /  Alsbald  sprach  er,  wie  der  Hodscha  gesagt  hatte, 

/  ein  Gebet  und  faßte  die  Mondstrahlen;  und  er 

fiel  in  die  Hütte  hinunter.     Der  Hodscha  stand 

auf,  packte  ihn  am  Kragen  und  rief  seiner  Frau 

zu,  sie  solle  ein  Licht  anzünden. 

Nun  sagte  der  Dieb:  „Gemach,  Effendi;  dank 
deinem  Gebete  und  meinem  Witze  werde  ich  dir 
wohl  nicht  so  bald  entlaufen  können." 


82.  "T^^'*  Hodscha  hatte  einen  alten  Ochsen,  dessen 

J_-/  Hörner  so  weit  voneinander  abstanden,  daß 
man  hätte  zwischen  ihnen  sitzen  können;  und  so 
oft  er  ihn  in  der  Herde  sah,  dachte  er  sich: 
„Wenn  ich  nur  einmal  zwischen  seinen  Hörnern 
sitzen  könnte!" 

Eines  Tages  legte  sich  nun  der  Ochs  vor  dem 
Hause  nieder.  Da  sagte  der  Hodscha:  „Die  Ge- 
legenheit ist  da",  stieg  ihm  zwischen  die  Hörner 
und  setzte  sich  nieder;  aber  der  Ochs  sprang  auf 
und  warf  den  Hodscha  ab,  und  der  blieb  bewußt- 
los liegen.  Sein  Weib  kam  und  er  war  noch 
immer  bewußtlos;  endlich  kam  er  zu  sich  und  er 
sah,  wie  sie  weinte.  Da  sagte  er;  ,, Weine  nicht, 
Weib;  ich  habe  ja  viel  gelitten,  aber  ich  habe 
mein  Begehren  gestillt." 

46 


Einmal   schlich   sich   ein   Dieb   in   das   Haus;  83. 

augenblicklich  machte  die  Frau  den  Hodscha 
darauf  aufmerksam.  Aber  der  sagte:  „Sei  still; 
vielleicht  läßt  ihn  Gott  etwas  finden,  und  das 
kann  ich  ihm  dann  nehmen." 

SEine  Frau  sagte  eines  Tages  zum  Hodscha:  84. 

„Du  könntest  ein  wenig  weggehn," 
Darauf  ging  er  in  die  Stadt  und  kam  nicht 
mehr  heim.  Es  waren  schon  einige  Tage  ver- 
gangen, als  er  einem  seiner  Freunde  begegnete, 
und  zu  dem  sagte  er:  „Sei  so  gut  und  geh  meine 
Frau  fragen,  ob  das  schon  genug  ist,  oder  ob  ich 
noch  weiter  weg  gehn  soll." 

ER  lag  eines  Nachts  neben  seiner  Frau,  als  er  85. 

plötzlich  rief:  „Steh  auf,  Weib,  und  mach 
Licht;  ich  will  einen  Vers  niederschreiben,  der 
mir  eingefallen  ist." 

Die  Frau  stand  auf,  zündete  Licht  an  und 
brachte  ihm  Tintenfaß  und  Kalam,  Nachdem  er 
den  Vers  niedergeschrieben  hatte,  bat  sie  ihn, 
ihn  ihr  vorzulesen, 

„Paß  auf,"  sagte  der  Hodscha  und  las:  „Zwi- 
schen einem  grünen  Blatte  und  einem  schwarzen 
Huhn  ist  meine  rote  Nase." 

DEr  Hodscha  war  krank  und  einige  Frauen  86. 

kamen  ihn  besuchen;  eine  von  ihnen  sagte 
zu  ihm:  „Wenn  du  sterben  solltest,  wie  möchtest 
du  beweint  v/erden?" 

„So  weit  sind  wir  noch  nicht,"  antwortete  er. 
„Aber  schließlich,"  sagte  eine  andere,  „wenn 
das  Unglück  doch  einträfe,  wie  wäre  es  dir  denn 
am  liebsten,  daß  du  beklagt  würdest?" 

47 


87. 


Nun  antwortete  er:  „Man  soll  mich  also  be- 
klagen als  einen  Mann,  der  von  den  Weibern  nie 
um  etwas  andres,  als  um  albernes  Zeug,  gefragt 
worden  ist." 

SOoft  der  Hodscha  eine  Leber  nach  Hause 
brachte,  zeigte  sich  seine  Frau  damit  sehr 
zufrieden;  wann  es  aber  dann  zum  Nachtessen 
ging,  setzte  sie  ihm  eine  Schüssel  gekneteten 
Teigs  vor.  Da  sagte  er  einmal  zu  ihr:  ,,Sag, 
Weib,  ich  bringe  dir  alltäglich  eine  Leber;  wohin 
kommt  die?" 

Sie  antwortete:  „Die  Katze  stiehlt  alles." 
Kurz   darauf   wollte   der   Hodscha   weggehn, 
und  da  verschloß  er  seine  Axt  in  einer  Truhe. 
Seine  Frau  sagte:  „Was  soll  das?" 

Er  antwortete:  ,,Ich  tue  es  wegen  der  Katze." 

„Was  hat  die  Katze  mit  der  Axt  zu  schaffen?" 

„Ja,  wenn  schon  um  zwei  Asper  Leber  vor 

ihr  nicht  sicher  ist,  wie  dann  erst  eine  Axt  um 

vierzig  Asper?" 

88.  T^"^^  Frau  des  Hodscha  wollte  eines  Tages  ins 
i-/  Bad  gehn.  Nun  besaß  er  nicht  mehr  als 
einen  einzigen  Asper,  den  er  vor  seiner  Frau 
versteckt  hatte.  Und  da  sagte  er  zu  ihr:  „Warte 
doch  noch  eine  Weile;  ich  fühle  mich  gar  nicht 
wohl  und  werde  bald  sterben."  Und  mit  einem 
Blicke  in  den  Winkel,  wo  der  Asper  lag:  „Dort 
liegt  dann  mein  ganzes  Geld." 

89.  T^Er  Hodscha  und  seine  Frau  wollten  einmal 
jLmJ  in  einem  Teiche  ihre  Wäsche  waschen;  sie 
waren  gerade  dabei,  sie  zu  befeuchten  und  ein- 

48 


zuseifen,  als  ein  Rabe  dahergeflogen  kam,  die 
Seife  packte  und  wegflog.  Die  Frau  rief:  „Mann, 
komm,  ein  Rabe  hat  uns  die  Seife  genommen." 

Aber  der  Hodscha  sagte;  „Schweig,  Weib,  das 
macht  nichts,  laß  ihn  sich  doch  waschen;  er  hat 
die  Seife  wahrlich  nötiger  als  wir." 

DEr  Hodscha  und  seine  Frau  machten  einmal  90. 

miteinander  aus,  daß  sie  ihre  eheliche 
Pflicht  alle  Freitage  erfüllen  wollten;  als  sie  nun 
darüber  einig  waren,  sagte  der  Hodscha:  „Aber 
wie  werde  ich  mich  denn  bei  meinen  Geschäften 
daran  erinnern?" 

Die  Frau  antwortete:  „Ich  werde  dir  all- 
wöchentlich deinen  Turban  auf  den  großen 
Schrank  legen;  dann  weißt  du,  daß  es  Freitag 
ist. 

Eines  Tages,  es  war  aber  kein  Freitag,  ge- 
lüstete es  die  Frau;  augenblicklich  legte  sie  den 
Turban  auf  den  Schrank.  „Aber,"  schrie  der 
Hodscha,  „heute  ist  doch  nicht  Freitag!" 

„Freilich  ist  heute  Freitag,"  antwortete  die 
Frau. 

Da  sagte  der  Hodscha:  „Das  geht  nicht  so 
weiter;  entweder  wartet  der  Freitag  auf  mich, 
oder  ich  auf  den  Freitag." 

Eines  Tages  ging  die  Frau  des  Hodschas  mit  91. 

der  eines  Nachbars  zum  Bache,  um  Unter- 
kleider zu  waschen,  und  dorthin  kam  auch  der 
Ajan  ^,  der  eben  spazieren  ging.     Er  trat  näher 


^  Oberhaupt  mehrerer  Dörfer, 

Nasreddin,    I.  4  49 


zu  den  Frauen  heran  und  sah  sie  an.  Da  sagte 
die  Frau  des  Hodschas:  „Was  schaust  du?" 

Der  Ajan  antwortete:  „Nach  der  Frau  dessen, 
den  man  den  Hodscha  nennt." 

Am  nächsten  Tage  ging  er  zu  Nasreddin  und 
fragte  ihn:  „Ist  dieunddie  Frau  bei  dir?" 

„Ja." 

„Bringe  sie  mir  her." 

„Wozu?" 

„Ich  habe  eine  Bitte,  die  ich  besser  ihr  sage 
als  dir." 

,, Bitte  nur  einmal  mich,"  versetzte  der  Hod- 
scha; ,,dann  werde  ich  sie  bitten." 

92.  A/[  An  zeigte  einmal  dem  Sohne  des  Hodschas 
J,^!.  einen  Eierapfel  und  fragte  ihn:  ,,Was  ist 
das?" 

Der  Knabe  antwortete:  „Das  ist  ein  Kalb,  das 
die  Augen  noch  nicht  offen  hat." 

„Seht  nur,"  schrie  der  Hodscha,  „das  hat  er 
von  sich  selber;  ich  habe  es  ihn  nicht  gelehrt." 

93.  "pines  Tages  kam  ein  Wagen,  der  nach  Siwri- 
■  ^  Hissar  fuhr,  beim  Hause  des  Hodschas  vor- 
über; sofort  entschlossen,  mitzufahren,  lief  er 
nackt  heraus  und  dem  Wagen  nach,  stieg  auf  und 
fuhr  mit.  Als  sie  in  die  Nähe  Siwri-Hissars 
kamen,  ließen  die  Mitfahrenden  der  ganzen  Stadt 
die  Ankunft  des  Hodschas  verkünden.  Die  Ein- 
wohner kamen  ihm  entgegen;  und  als  sie  ihn 
nackt  sahen,  fragten  sie  ihn  um  den  Grund. 

Er  sagte:  ,,Ich  liebe  euch  so,  daß  ich  vor  lauter 
Sehnsucht,  euch  zu  sehn,  vergessen  habe,  mich 
anzukleiden," 

50 


DEm    Hodscha    stieß    es    zu,    daß    er    grindig  94. 

wurde.  Er  ließ  sich  scheren  und  gab  dem 
Barbier  einen  Asper. 

In  der  nächsten  Woche  ließ  er  sich  wieder 
scheren;  als  ihm  dann  der  Barbier  einen  Spiegel 
reichte,  sagte  er:  „Mein  Kopf  ist  doch  zur  Hälfte 
grindig;  könntest  du  dich  nicht  mit  einem  Asper 
für  zweimal  scheren  begnügen?" 

Eines    Tages    ging    der    Hodscha    mit    einigen  95. 

Leuten  fischen;  sie  warfen  das  Netz  aus,  und 
augenblicklich  sprang  der  Hodscha  hinein.  Da 
sagten  sie:  „Hodscha-Effendi,  was  hast  du  ge- 
tan?" 

Der  Hodscha  sagte:  „Ich  dachte,  ich  müsse 
den  Fisch  machen," 

Die  Knaben  in  der  Nachbarschaft  sagten  eines  96. 

Tages  untereinander:  „Kommt,  wir  wollen 
machen,  daß  der  Hodscha  auf  einen  Baum  steigt, 
und  dann  stehlen  wir  ihm  die  Schuhe,"  Sie 
stellten  sich  also  unter  einen  Baum  und  schrien: 
„Auf  diesen  Baum  kann  niemand  steigen." 

Der  Hodscha  kam  dazu  und  sagte:  ,,Ich  steige 
hinauf," 

Sie  antworteten:  ,,Du  kannst  es  nicht," 

Der  Hodscha  steckte  die  Zipfel  seines  Ge- 
wandes in  den  Gürtel  und  seine  Schuhe  in  den 
Sack  und  begann  hinaufzuklettern. 

Da  sagten  die  Kinder:  „Wozu  nimmst  du 
denn  die  Schuhe  mit?" 

Und  er  antwortete:  „Vielleicht  zweigt  weiter 
oben  ein  Weg  ab,  der  näher  zu  mir  nach  Hause 
ist;  da  will  ich  sie  dann  bei  der  Hand  haben." 

4*  51 


97.  l|^ Ines  Tages  kam  ein  Bauer  zum  Hodscha  und 

.Ltf  brachte  ihm  einen  Hasen;  der  Hodscha  be- 
hielt ihn  über  Nacht  bei  sich.  Etwa  vierzehn 
Tage  später  kamen  mehrere  Leute  und  baten  den 
Hodscha  um  Gastfreundschaft;  sie  sagten:  „Wir 
sind  die  Nachbarn  des  Mannes,  der  dir  vorige 
Woche  einen  Hasen  gebracht  hat." 

Der  Hodscha  beherbergte  sie  gleichfalls,  aber 
nicht  ohne  Widerstreben.  Kaum  waren  einige 
Tage  vergangen,  als  wieder  Leute  kamen  und 
sich  als  Gäste  anmeldeten;  sie  sagten;  „Wir  sind 
die  Nachbarn  der  Nachbarn  des  Mannes,  der  dir 
einen  Hasen  gebracht  hat," 

Der  Hodscha  nahm  sie  auf.  Am  Abende  goß 
er  ein  wenig  Wasser  in  eine  Schüssel  und  setzte 
es  ihnen  vor;  und  mit  den  Worten:  „Laßt  es  euch 
belieben"  lud  er  sie  ein,  mit  dem  Mahle  zu  be- 
ginnen, 

Sie  aber  sagten:  „Was  ist  das,  Hodscha? 
das  ist  ja  nichts  zu  essen;  das  ist  doch  klares 
Wasser," 

Der  Hodscha  antwortete:  „Das  ist  die  Tunke 
der  Tunke  des  Hasen," 


98.  inVEr  Hodscha  sah  einmal  eine  Schildkröte,    Er 

J-^  sagte  sich:  „Das  Tier  gäbe  einen  guten 
Träger";  damit  packte  er  sie  und  hing  sich  an 
ihren  Rücken,  Die  Schildkröte  bemühte  sich,  ihn 
von  ihrem  Rücken  herunterzubekommen. 

Er  aber  sagte:  „Rühre  dich,  rühre  dich  nur; 
so  wirst  du  dich  daran  gewöhnen,  deine  Last  zu 
tragen," 

Das  ist  ein  Sprichwort  geworden  und  ist  weit 
und  breit  bekannt, 

52 


DEr  Hodscha  machte  einmal  Hochzeit  und  ließ  99. 

dazu  Einladungen  crgehn.  Seine  Nachbarn 
kamen  und  setzten  sich  zu  Tisch,  vergaßen  aber, 
auch  den  Hodscha  zu  rufen.  Geärgert  darüber, 
schrie  er  sie  an:  „Nun,  seid  ihr  noch  nicht  bald 
fertig?" 

Als  sie  weggingen,  suchten  sie  ihn  lange  ver- 
geblich; sie  folgten  seiner  Fußspur  und  fanden 
ihn  endlich.  Da  sagten  sie  zu  ihm:  „Wo  bleibst 
du?  komm  doch  endlich!" 

Aber  der  Hodscha  sagte:  ,,Wer  gegessen  hat, 
mag  auch  mit  der  Braut  zu  Bette  gehn," 

^Er    Hodscha    unternahm    einmal    mit    einer  100. 

Karawane  eine  Reise  in  die  Stadt;  als  halt 
gemacht  wurde,  banden  alle  ihre  Pferde  an.  Am 
nächsten  Morgen  war  nun  der  Hodscha  außer- 
stande, sein  Pferd  unter  den  andern  heraus- 
zufinden. Alsbald  nahm  er  Bogen  und  Pfeil  und 
schrie:  „Leute,  ich  habe  mein  Pferd  verloren." 

Alle  lachten  und  jeder  nahm  sein  Pferd,  und 
das  eine,  das  so  übrig  blieb,  erkannte  der  Hodscha 
leicht  als  das  seinige.  Er  nahm  den  Bügel,  setzte 
den  rechten  Fuß  hinein  und  schwang  sich  in  den 
Sattel;  da  saß  er  nun  verkehrt,  mit  dem  Gesichte 
zum  Hinterteil  des  Pferdes.  Und  die  andern 
schrien:  „Aber  Hodscha,  warum  steigst  du  ver- 
kehrt auf?" 

Er  antwortete:  „Ich  bin  nicht  verkehrt  auf- 
gestiegen; aber  das  Pferd  scheint  linkshändig 
zu  sein." 

DEr  Hodscha  hatte  unter  seinen  Schülern  einen  101. 

Neger,  Eines  Tages  goß  nun  der  Hodscha 
das  Tintenfaß  über  seine  Kleider  und  ging  so  zur 

53 


Schule;  dort  fragte  man  ihn:  ,,Was  hast  du  denn 
gemacht?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ich  habe  mich  ver- 
spätet, und  da  haben  wir  uns  sehr  beeilt,  der 
arme  Teufel  von  Neger  und  ich;  er  hat  geschwitzt, 
und  was  ihr  hier  seht,  ist  sein  Schweiß." 

102.  "C^Ines  Tages  stieg  der  Hodscha  auf  die  Kanzel 
Cd  und  sagte;  „Höret,  Muselmanen,  ich  will 
euch  einen  Rat  geben;  wenn  ihr  Kinder  bekommt, 
so  gebt  ihnen  ja  nicht  den  Namen  Ejub  \" 

Man  fragte  ihn,  warum,  und  er  sagte:  „Weil 
die  Leute  immer  Ejb "  sagen." 

103.  A  Ls  der  Hodscha  einmal  seine  Waschung  vor- 
JTa.  nahm,  reichte  das  Wasser  nicht  aus.  Er 
fing  zu  beten  an,  stand  aber  dabei  nur  auf  einem 
Beine,  wie  es  die  Gänse  tun.  Man  fragte  ihn: 
„Was  tust  du?"  und  er  antwortete:  „Dieses  Bein 
hat  keine  Waschung  bekommen." 

104.  Tpines  Tages  kam  einer  zum  Hodscha,  um  bei 
Ca  ihm  zu  übernachten.  Als  es  dunkel  wurde, 
legte  sich  der  Hodscha  nieder,  und  einen  Augen- 
blick später  löschte  er  das  Licht  aus.  Da  sagte 
der  Fremde:  „Das  erloschene  Licht  steht  rechts 
von  dir;  gib  es  mir  her,  damit  ich  es  anzünde." 

„Bist  du  verrückt?"  antwortete  der  Hodscha; 
„wie  soll  ich  denn  in  der  Finsternis  wissen,  wo 
rechts  ist?" 


1  Hiob. 

2  Strick. 


54 


jEr  Hodscha  wurde  einmal   gefragt:    „Unter  105. 

welchem  Sternbild  bist  du  denn  geboren?" 
•    „Unter  den  Böcken." 
„Aber  Hodscha,  das  gibt  es  ja  gar  nicht." 
„Als  ich  noch  klein  war,  hat  mir  meine  Mutter 
gesagt,  ich  sei  unter  den  Zicklein  geboren," 
„Nun,  Zicklein  sind  doch  keine  Böcke." 
, .Dummköpfe,  die  ihr  seid!  seither  sind  doch 
wohl  vierzig  oder  fünfzig  Jahre  vergangen;  sind 
da  die  Zicklein  vielleicht  nicht  zu  Böcken  ge- 
worden?" 

IN  der  Zeit,  wo  der  Hodscha  Hatib  ^  war,  hatte  106. 

er  einen  Streit  mit  dem  Unterbaschi  -,  und  der 
starb,  bevor  sie  sich  versöhnt  gehabt  hätten.  Als 
er  nun  begraben  werden  sollte,  gingen  die  Leute 
zum  Hodscha  und  sagten  zu  ihm:  „Komm  ihm, 
Effendi,  die  Anweisung  erteilen "." 

Aber  der  Hodscha  antwortete:  „Das  hat 
wenig  Sinn;  wer  auf  mich  böse  ist,  achtet  nicht 
auf  meine  Reden." 

ES  saßen  zweie  ihren  Häusern  gegenüber  in  107. 

einer  Bude  und  plauderten  miteinander;  ihre 
Häuser  stießen  aneinander.  Da  kam  ein  Hund 
und  machte  seinen  Kot  mitten  in  die  Straße  vor 
ihren   Häusern.     Der   eine   sagte:    „Das   ist   auf 


1  Hatib  heißt  der,  der  den  Hutbe  oder  das  öffentliche 
Gebet  für  den  Herrscher  zu  sprechen  hat, 

2  Baschi  ist  eine  Art  Obrigkeit  in  kleinen  Orten, 

^  Die  Ansprache  an  den  Leichnam  hat  den  Zweck, 
den  Toten  anzuweisen,  wie  er  den  Frageengeln  Munkar 
und  Nakir  (s.  S.  13),  die  sofort,  wann  er  begraben  ist,  zu 
ihm  kommen,  zu  antworten  hat. 

5S 


deiner  Seite,"  Der  andere  sagte:  ,,Es  ist  näher 
bei  dir;  du  mußt  es  wegputzen." 

Der  Streit  wurde  hitzig  und  sie  gingen  aufs 
Gericht;  kaum  waren  sie  dort,  so  kam  auch  der 
Hodscha  hin,  der  den  Kadi  besuchen  wollte.  Und 
der  Kadi  sagte  spöttisch  zu  ihm;  ,, Hodscha,  be- 
schäftige du  dich  mit  dem  Streitfalle  dieser 
Leute." 

Der  Hodscha  fragte  sie:  „Ist  euere  Straße 
eine  Heerstraße?" 

Der  eine  antwortete:  ,, Freilich  ja." 

„Dann",  sagte  der  Hodscha,  „lautet  mein 
Spruch,  daß  es  weder  an  dir,  noch  an  dir  ist, 
den  Kot  wegzuputzen;  das  ist  Sache  des  Kadis." 

108.  T^Ines  Tages  lief  das  Kalb  des  Hodschas  brül- 
iZt  lend  bald  hierhin,  bald  dorthin.  Alsbald 
packte  der  Hodscha  seinen  Stock  und  schlug  auf 
die  Kuh  los.  Da  sagten  die  Leute  zu  ihm: 
„Was  hat  denn  die  Kuh  angestellt,  daß  du  sie 
schlägst?" 

„An  allem  ist  sie  schuld,"  antwortete  der 
Hodscha;  „wüßte  denn  das  Kalb,  das  erst  jüngst 
zur  Welt  gekommen  ist,  überhaupt  etwas,  wenn 
sie  es  nicht  unterwiesen  hätte?" 

109.  "TV  Er  Hodscha  traf  einmal,  als  er  nach  Derbend^ 
JLy  ging,  einen  Schäfer;  der  fragte  ihn:  „Bist  du 
ein  Gesetzeskundiger?" 

„Jawohl," 

„Nun  denn,  paß  auf:  allen  deinesgleichen  habe 


1  Derbend,    das   persische   und    dann   türkische   Wort 
für  Hohlweg,  ist  ein  häufig  vorkommender  Ortsname. 

56 


ich  eine  Frage  vorgelegt;  aberwarte  einen  Augen- 
blick, damit  wir  einig  werden:  wenn  du  mir  ant- 
worten kannst,  so  rede  ich,  wenn  nicht,  so 
sprechen  wir  gar  nicht  davon." 

Der  Hodscha  sagte:  „Was  ist  deine  Frage?" 

„Also:  anfangs  ist  der  Mond  klein;  vierzehn 
Tage  später  wird  er  so  groß  wie  ein  Wagenrad, 
dann  stirbt  und  verschwindet  er.  Hierauf  kommt 
ein  neuer  und  mit  dem  geht  es  ebenso.  Was  ge- 
schieht denn  nun  eigentlich  mit  den  alten?" 

Der  Hodscha  antwortete:  ,,Das  ist  freilich  eine 
schwierige  Sache.  Die  alten  Monde  werden  zer- 
brochen und  man  macht  Blitze  daraus:  hast  du 
noch  nicht  gesehn,  wie  sie,  wann  es  donnert, 
zucken,  ähnlich  wie  Schwerter?" 

Der  Schäfer  anwortete:  „Ausgezeichnet;  du 
bist  ein  wahrer  Weiser.  Ich  bin  ganz  und  gar 
deiner  Meinung." 

ALs  er  einmal  allein  zu  Hause  war,  grub  der  110. 

Hodscha  ein  Loch  und  verscharrte  dort  die 
kleine  Summe  Geldes,  die  sein  Vermögen  aus- 
machte. Dann  ging  er  zur  Tür,  und  dort  sagte 
er  sich:  „Ich  kenne  den  Platz;  ich  könnte  mich 
daher  selber  bestehlen."  Er  nahm  also  sein  Geld 
wieder  heraus  und  vergrub  es  an  einer  andern 
Stelle.  Aber  auch  damit  beruhigte  er  sich  nicht; 
er  kam  und  ging  und  sagte  immerfort:  „Das  ist 
auch  noch  nicht  das  richtige," 

Nun  war  gegenüber  von  seinem  Hause  ein 
Hügel.  Er  ging  in  seinen  Garten,  schnitt  sich 
dort  eine  Stange,  tat  sein  Geld  in  ein  Säckchen, 
band  das  oben  an  die  Stange  und  pflanzte  sie  auf 
den  Hügel.     Dann  stellte  er  sich  unten  hin,  sah 

57 


hinauf  und  sagte:  „Die  Menschen  sind  keine 
Vögel;  dort  oben  kann  es  niemand  erreichen:  ich 
habe  einen  guten  Ort  gefunden." 

Aber  ein  schlechter  Kerl  hatte  ihn  beobachtet. 
Kaum  hatte  sich  der  Hodscha  entfernt,  so  stieg 
der  Kerl  auf  den  Hügel,  nahm  das  Säckchen  von 
der  Stange,  beschmierte  sie  mit  Kuhmist,  pflanzte 
sie  wieder  auf  und  suchte  das  Weite. 

Bald  darauf  brauchte  der  Hodscha  Geld  und 
lief  zu  seiner  Stange;  da  sah  er,  daß  das  Geld 
weg  war,  während  Spuren  von  Kuhmist  über  die 
Stange  liefen.  Und  er  schrie:  ,,Ich  habe  gesagt, 
kein  Mensch  könne  es  dort  oben  erreichen,  und 
jetzt  ist  eine  Kuh  hinaufgestiegen!  Es  ist  wahr- 
haftig ein  Wunder!"  Und  er  sprach  seinem  Gelde 
das  Totengebet:  „Gottes  Barmherzigkeit  sei  mit 
dir!" 

111.  "TV  Er  Hodscha  begegnete  eines  Tages  auf  seinem 

J_^  Heimwege  einigen  Taleb  \  und  zu  denen 
sagte  er:  „Meine  Herren,  kommt  zu  mir  essen, 
was  es  gerade  gibt." 

Die  Taleb  sagten:  „Recht  gern,"  und  gingen 
mit  dem  Hodscha.  Bei  seinem  Hause  angelangt, 
lud  er  sie  höflich  ein,  einzutreten;  er  ging  in 
seinen  Harem  und  sagte  zu  seiner  Frau:  „Weib, 
ich  habe  Gäste  mitgebracht;  gib  uns  Suppe." 

Sie  antwortete:  „Hast  du  etwas  eingekauft 
und  mitgebracht,  daß  du  Suppe  verlangst?" 

Nun  sagte  er:  „Gib  mir  also  wenigstens  die 
Suppenschüssel." 

Er  nahm  sie,  ging  damit  zu  seinen  Gästen  und 


^  Studenten. 
58 


sagte  zu  ihnen:  „Entschuldigt  mich,  meine  Herren, 
aber  wenn  wir  Butter  und  Reis  gehabt  hätten,  so 
hätte  ich  euch  eine  solche  Schüssel  voll  Suppe 
vorgesetzt." 

DEr   Hodscha   hatte   einmal   mit   seiner   Frau  112. 

einen  Streit;  er  ließ  sie  stehn  und  ging  sich 
im  Keller  verstecken.  Ein  paar  Tage  später  kam 
eine  Sklavin  des  Hauses  in  den  Keller  und  fand 
dort  ihren  Herrn, 

Sie  fragte  ihn:  „Was  machst  du  da,  Effendi?" 

Und  der  Hodscha  antwortete  traurig:  „Ich  bin 

in  die  Verbannung  gegangen  und  habe  mich,  um 

nicht  mehr  gequält  zu  werden,  entschlossen,  nie 

mehr  in  die  Heimat  zurückzukehren." 


Eines  Tages  saß  der  Hodscha  ruhig  zu  Hause;  113. 

da  hörte  er  einen  an  die  Tür  pochen.     Er 
rief:  ,,Was  willst  du?" 

Der  an  der  Tür,  ein  Bettler,  sagte:  „Komm 
herunter." 

Alsbald  stieg  der  Hodscha  herab  und  fragte 
ihn,  was  er  v/olle. 

Der  Bettler  antwortete:  „Ich  bitte  dich  um  ein 
Almosen." 

Der  Hodscha  sagte:  ,,Komm  mit  mir  herauf." 
Und  als  der  Bettler  mit  ihm  hinaufgestiegen  war, 
sagte  er  zu  ihm:  ,,Ich  habe  kein  Geld," 

Da  sagte  der  Bettler:  ,,Aber  Effendi,  warum 
hast  du  mir  den  Bescheid  nicht  unten  gegeben?" 

„Und   du,"   versetzte   der   Hodscha,    ,, warum 
hast  du  durchaus  haben  wollen,  daß  ich  herunter-     / 
komme?" 

59 


114.  T^^^  Frau  des  Hodschas  war  in  den  Wehen; 

JL-/  schon  saß  sie  seit  einem  oder  zwei  Tatjcn 
auf  dem  Gebärstuhl,  ohne  entbinden  /.u  können. 
Da  riefen  die  Weiber  zum  Ilodscha  hinaus: 
,,Effcndi,  weißt  du  kein  Gebet,  damit  das  Kind 
herauskommt?" 

Eiligst  lief  der  Hodscha  zum  Krämer  und 
kaufte  Nüsse;  damit  ging  er  heim  und  sagte: 
,,Laßt  mich  hinein."  Und  er  schüttete  die  Nüsse 
vor  dem  Stuhle  aus  und  sagte:  ,,So;  das  Kind 
wird  sie  sehn  und  herauskommen,  um  damit  zu 
spielen." 


hisy 


T^Em  Hodscha  wollte  einmal  seine  Frau  einen 


Possen  spielen  und  brachte  die  Suppe  zu 
heiß  auf  den  Tisch.  Zufällig  vergaß  sie  es  aber 
und  nahm  selber  einen  Löffel  davon  und  ver- 
brannte sich  den  Schlund,  so  daß  ihr  die  Tränen 
in  die  Augen  kamen. 

Der  Hodscha  sagte:  ,,Was  hast  du  Weib?  ist 
die  Suppe  vielleicht  zu  heiß?" 

,,Ach  nein,  Effendi,"  erwiderte  sie,  ,,aber 
mein  verstorbener  Vater  hat  so  gern  Suppe  ge- 
gessen, und  das  ist  mir  eben  eingefallen;  und  da 
habe  ich  weinen  müssen." 

Der  Hodscha,  der  ihr  glaubte,  nahm  einen 
Löffel  Suppe;  er  verbrannte  sich  den  Schlund 
und  begann  zu  weinen.  Und  seine  Frau  sagte: 
,,Was  hast  du  denn?" 

Er  antwortete:  ,,Ich  bin  bekümmert,  daß  deine 
verfluchte  Mutter  dich  nicht  mitgenommen  hat, 
\       als  sie  gestorben  ist." 


60 


\ 

Die  Frau  des  Hodschas  ging  einmal  eine  Pre-  116. 

digt  hören.  Als  sie  nach  Hause  kam,  fragte 
er  sie,  was  der  Prediger  gesagt  habe,  und  sie  ant- 
wortete: ,,Wenn  einer  seine  eheliche  Pflicht  mit 
der  Gattin  erfüllt,  so  baut  üim  der  Allerhöchste 
einen  Kiosk  im  Paradiese;  und  das  tut  er  allen." 

Augenblicklich  sagte  der  Hodscha:  ,,Komm, 
wir  wollen  uns  einen  Kiosk  im  Paradiese  bauen," 

Sie  taten  sich  zusammen;  aber  einen  Augen- 
blick später  sagte  die  Frau  zu  ihm:  „Für  dich 
hast  du  jetzt  einen  Kiosk  gebaut;  jetzt  bau  auch 
mir  einen," 

Der  Hodscha  sagte:  „Dir  ist  das  freilich  leicht; 
aber  sei  nur  ruhig.  Du  möchtest  dann  nach- 
einander Kioske  für  jedes  einzelne  aus  deiner 
Familie,  und  schließlich  müßte  das  den  Bau- 
meister verdrießen;  laß  es  gehn:  für  uns  beide 
tut  es  auch  einer,"  / 

DEr  Hodscha  begegnete  eines  Tages  etlichen  117. 

Softa  und  sagte  zu  ihnen:  „Wenn  es  euch 
beliebt,  so  kommt  zu  mir,"  Bei  seinem  Hause 
angekommen,  bat  er  sie,  einen  Augenblick  zu 
warten,  während  er  hineingehe.  Drinnen  sagte 
er  zu  seinem  Weibe:  „Ich  bitte  dich,  schaffe  mir 
diese  Leute  vom  Halse," 

Sie  ging  hinaus  und  sagte:  ,,Der  Hodscha  ist 
noch  nicht  heimgekommen," 

Die  Softa  antworteten:  ,,Er  ist  heimge- 
kommen," 

Daraus  entspann  sich  ein  Streit,  Endlich 
steckte  der  Hodscha,  der  von  oben  zuhörte,  den 
Kopf  zum  Fenster  hinaus  und  sagte:  „Wie  könnt 

61 


ihr  denn  streiten?  vielleicht  hat  das  Haus  zwei 
Türen,  so  daß  er  wieder  weggegangen  ist." 

118.  "TV  Em  Hodscha  wurde  ein  Sohn  geboren  und 
J_-/  man  sagte  ihm:  „Zerschneide  du  selber  die 
Nabelschnur;  deine  Hand  bringt  Glück." 

Der  Hodscha  sagte:  „Gern";  er  zog  an  der 
Nabelschnur  und  riß  alles  aus,  so  daß  ein  Loch 
blieb. 

Die  Leute  schrien:  „Aber  Effendi ,  was 
tust  du?" 

Er  antwortete:  ,,Wenn  er  anderswo  kein  Loch 
hat,  so  hat  er  jetzt  wenigstens  das  da!" 

119.  OEin  Sohn  sagte  einmal  zum  Hodscha:  ,,Ich 
i3  weiß  noch,  Vater,  wie  du  auf  die  Welt  ge- 
kommen bist," 

Geärgert  sagte  die  Mutter:  ,,Was  redest  du  da 
zusammen?" 

Aber  der  Hodscha  sagte:  ,,Du  bist  nicht  recht 
bei  Trost,  Frau;  warum  soll  denn  das  der  Knabe, 
der  doch  so  gescheit  ist,  nicht  wissen?" 

120.  I       t^ Inmal  hatte  sich  der  Kadi  von  Siwri-Hissar 
/       XI#  in    der   Trunkenheit    in    einem    Weingarten 

/  schlafen  gelegt.  An  demselben  Tage  ging  der 
Hodscha  mit  seinem  Amad  spazieren  und  sie 
kamen  auch  zu  diesem  Weingarten.  Als  der 
Hodscha  den  betrunkenen  Kadi  sah,  nahm  er 
ihm  den  Mantel  und  zog  ihn  selber  an;  dann 
ging  er. 

Bei  seinem  Erwachen  sah  der  Kadi,  daß  sein 
Mantel  verschwunden  war.  Er  ging  zurück  und 
übergab  die  Sache  den  Schergen  des  Gerichtes. 

62 


Die  bemerkten  den  Mantel  auf  dem  Rücken  des 
Hodschas;  sofort  griffen  sie  den  Hodscha  und 
führten  ihn  vor  den  Kadi. 

„He,  Hodscha,"  sagte  der  Kadi,  „woher  hast 
du  denn  den  Mantel  da?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ich  bin  mit  meinem 
Amad  spazieren  gegangen;  auf  einmal  hat  er 
einen  betrunkenen  Würdenträger  der  Länge  nach 
daliegen  sehn  mit  unbedecktem  Hintern,  Mein 
Amad  büßte  zweimal  seine  Lust  an  ihm;  dann 
nahm  ich  ihm  den  Mantel  da  und  zog  ihn  an.  Ist 
es  der  deine,  so  nimm  ihn." 

„Geh  nur,"  schrie  der  Kadi,  „es  ist  nicht  der 
meinige."  y^ 

Eines  Tages  streckte  sich  der  Hodscha  an  dem  121. 

Ufer  eines  Flusses  hin,  um  zu  schlafen;  er 
tat  aber  dabei,  als  ob  er  tot  wäre.  Da  kam  einer 
vorbei  und  der  fragte  ihn:  „Weißt  du  vielleicht, 
wo  hier  eine  Furt  ist?" 

„Als  ich  noch  lebendig  gewesen  bin,"  ant- 
wortete der  Hodscha,  „bin  ich  immer  dort  durch- 
gegangen; jetzt  brauche  ich  mich  nicht  mehr  um 
die  Gelegenheit  zu  kümmern," 

DEr  Hodscha  ließ  sich  eines  Tages  von  einem  122. 

ungeschickten  Barbier  rasieren,  der  ihn  bei 
jeder  Bewegung  des  Messers  in  den  Kopf  schnitt 
und  ihm  dann  immer  Baumwolle  auflegte. 

,, Freund,"  sagte  der  Hodscha  zu  ihm,  ,,wenn 
du  mir  auf  dem  halben  Kopfe  Baumwolle  an- 
baust, so  will  ich  auf  der  andern  Hälfte  Flachs 
säen." 

63 


123.  irpines  Tages  wurde  der  Kodscha  als  Zeuge 
IZi  geführt.  Als  sie  ihn  zum  Kadi  brachten, 
richtete  der  das  Wort  an  den  Hodscha  und  sagte: 
„Der  Streit  geht  um  Korn." 

Der  Hodscha  antwortete:  „Die  Sache,  die  ich 
bezeugen  soll,  dreht  sich  um  Gerste," 

Seine  Gesellen  aber  sagten:  „Es  ist  aber 
Korn," 

„Dummköpfe,  die  ihr  seid,"  schrie  nun  der 
Hodscha;  „wenn  schon  gelogen  sein  muß,  was 
verschlägt  es,  ob  es  über  Gerste  oder  über  Korn 
geschieht?" 

124.  T^Er  Hodscha  ging  eines  Tages  zum  Brunnen, 
J_-/  um  Wasser  zu  schöpfen;  da  sah  er  drinnen 
das  Spiegelbild  des  Mondes,  als  ob  der  hinein- 
gefallen wäre,  und  sagte:  „Man  muß  ihn  augen- 
blicklich herausziehen,"  Er  nahm  einen  Strick, 
woran  ein  Haken  befestigt  war,  und  ließ  ihn  in 
den  Brunnen  hinunter. 

Der  Haken  fing  sich  an  einem  Steine  und  der 
Strick  riß,  so  daß  der  Hodscha  auf  den  Rücken 
fiel;  da  sah  er  nun  den  Mond  am  Himmel.  „Gott 
sei  gelobt  und  gepriesen,"  rief  er  aus;  „ich  habe 
mir  ja  wehgetan,  aber  wenigstens  ist  der  Mond 
wieder  an  Ort  und  Stelle." 


125.  'C'Ines  Tages  stieg  der  Hodscha  in  einem  frem- 

Hj  den  Garten  auf  einen  Aprikosenbaum,  und 
der  Eigentümer  kam  dazu;  der  sagte:  „Was 
machst  du  da?" 

„Siehst  du  denn  nicht,"  antwortete  der  Hod- 
scha, „daß  ich  eine  Nachtigall  bin?  ich  singe." 

64 


„Gut,"  sagte  der  andere,  „singe  also;  ich  will 
dir  zuhören," 

Der  Hodscha  begann  zu  singen,  und  der 
Gartenbesitzer  sagte  unter  schallendem  Geläch- 
ter: „Ein  nettes  Gezwitscher." 

Der  Hodscha  antwortete:  „Eine  ungelernte 
Nachtigall  singt  nicht  anders." 


Nasreddin,  I.  5  ^5 


2.  Aus  Manuskripten  verschiedenen 
Alters 


DEra  Hodscha  entlief  einmal  ein  Sklave;  trotz  126. 

emsigen  Nachforschungen  konnte  der  Hod- 
scha keine  Spur  von  ihm  entdecken  und  kam 
heim,  ohne  daß  ihm  noch  eine  Hoffnung,  ihn  zu 
finden,  geblieben  w^äre.  Und  seine  Frau  fragte  ihn: 
„Hodscha,  wohin  ist  denn  der  Sklave  gegangen?" 
Der  Hodscha  antwortete:  ,,Es  ist  einerlei,  wo 
er  ist  und  wohin  er  fliehen  wird:  mein  Sklave 
bleibt  er  doch;  wäre  er  aber  nicht  weggelaufen, 
so  hätte  ich  ihn  freigelassen.  Schaden  hat  er 
sich  nur  selber  getan." 

DEr  Hodscha  stand  eines  Tages  an  dem  Fuße  127. 

des  Minarets  einer  heiligen  Moschee,  und 
man  fragte  ihn:  „Was  ist  das?" 

Nun   betrachtete    der   Hodscha    das    Minaret 
aufmerksam    und    sagte:    „Früher    war    es    ein 
Brunnen;  jetzt  hat  man  ihn  geräumt,  um  ihn  aus- 
zutrocknen, und  hat  ihn  dann  aufgestellt." 
So  berichten  es  die  Nachbarn. 

DEm  Hodscha   wurde   einmal   ein   gesalzener  128. 

Käse  gestohlen;  augenblicklich  lief  er  zum 
Quellbrunnen.  Man  fragte  ihn:  „Was  suchst  du 
denn  hier  in  solcher  Hast?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Hierher  kommt 
man  allemal,  sobald  man  gesalzenen  Käse  ge- 
gessen hat;  ich  tue  es  selber.  So  wird  auch  mein 
Dieb,  wann  er  ihn  gegessen  hat,  nicht  verfehlen, 
ungesäumt  herzukommen." 

Ein  andermal  legte  man  dem  Hodscha  Nasr-  129. 

eddin-Effendi  eine  Frage  über  den  Apri- 
kosenbaum vor;  ,,Was  ist  das  für  ein  Baum?" 
fragte  man  ihn. 

69 


„Ursprünglich",  antwortete  der  Hodscha, 
„trug  er  Eier;  dann  hat  ihn  der  Hagel  hart  ge- 
troffen und  das  weiße  heruntergeschlagen,  so 
daß  das  gelbe  bloß  geblieben  ist,  wie  ihr  es  jetzt 

seht," 

130.  T^-^^  Hodscha  Nasreddin  spielte  gut  Schach 
iy  und  gab  gelegentlich  gern  den  Spielern  Rat- 
schläge; einmal  aber  ärgerte  er  sich  und  schwur, 
seine  Frau  zu  verstoßen,  wenn  er  sich  wieder 
mit  seinen  Ratschlägen  einmengen  werde.  Ein 
paar  Tage  darauf  kam  er  auf  seinem  Spazier- 
gange an  einen  Ort,  wo  gerade  ein  Spiel  im 
Gange  war;  er  trat  näher  und  sah  zu,  und  nun 
bemerkte  er,  daß  der  eine  Spieler  hätte  anders 
ziehen  sollen,  als  er  getan  hatte.  Da  riß  ihm 
auch  schon  die  Geduld  und  er  sagte:  „Aber 
Mensch,  stell  doch  deine  Königin  auf  das  nächste 
Feld,  und  du  gibst  ein  Matt." 

Da  sagten  die  Leute  dort:  „Wieso  getraust 
du  dich  zu  reden,  Hodscha?  hast  du  nicht  ge- 
schworen, deine  Frau  zu  verstoßen,  wenn  dir  das 
geschehn  sollte?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Es  war  nur  im 
Scherze,  daß  ich  dreingeredet  habe;  geheiratet 
habe  ich  übrigens  auch  nicht  anders." 

131.  "plnes  Tages  saß  der  Hodscha  unter  einer 
Xltf  großen  Pappel,  und  man  fragte  ihn:  „Was 
für  ein  Baum  ist  das?" 

Der  Hodscha  sah  in  die  Höhe  und  sagte:  „Wie 
schön  der  Baum  ist!" 

In  demselben  Augenblicke  ließ  ein  Rabe,  der 
oben  saß,   seinen  Kot  auf  den  Hodscha  fallen; 

70 


der  sah  nach  und  fand,  daß  es  etwas  weißes  war. 
Nun  nahm  er  das  Gespräch  wieder  auf  und  sagte: 
„Ihr  wißt  also  nicht,  was  für  ein  Baum  das  ist?" 

Die  andern  sagten;  „Nein." 

Und  er  sagte:  „Also  seht  mich  an:  es  ist  ein 
Quarkbaum." 

DEm  Hodscha  wurde  einmal  die  Frage  vor-  132. 

gelegt:  „Ist  es  wahr,  daß  die  Weihe  ein 
Jahr  ein  Männchen  und  das  nächste  Jahr  ein 
Weibchen  ist?" 

„Meine  lieben  Freunde,"  antwortete  er,  „da 
müßt  ihr  einen  fragen,  der  zwei  Jahre  lang  eine 
Weihe  gewesen  ist." 


D 


^ 


Er  Hodscha  wurde  gefragt:  „Welche  Musik  133. 

ist  dir  am  liebsten?" 
Er  antwortete:  „Die  der  Teller  und  Schüsseln," 


Die  Überlieferung  berichtet,  daß  der  Hodscha  134. 

tief  gelehrt  war  in  allen  Wissenschaften, 
und  daß  sich  daher  viele  Leute  von  ihm  unter- 
richten ließen.  AUwegc  aber  war  seine  Gewohn- 
heit, die,  die  im  Koran  lesen  zu  lernen  verlangten, 
das  zu  lehren;  aber  er  weigerte  sich,  jemand  in 
einem  andern  Buche  lesen  zu  lehren. 

Die  Schüler  richteten  sich  nach  seiner  Weise 
und  verlangten  nur  im  Koran  zu  lesen.  Wann 
sie  dann  einmal  wußten,  wie  man  liest,  konnten 
sie,  wenn  sie  wollten,  gleichgültig  in  welchem 
Buche  lesen.  Diese  Art  der  Unterweisung  war 
wahrhaftig  die  gute. 

71 


135.  "K/i  ^^  erzählt,  daß  der  Hodscha  einmal  einen 

JL^'i  Schuldner  hatte.  Als  er  ihm  eines  Tages 
begegnete,  hielt  er  ihn  an  und  packte  ihn  am 
Kragen,  indem  er  zu  ihm  sagte:  ,,Gib  mir  mein 
Geld." 

In  diesem  Augenblicke  kam  einer  dazu,  und 
der  wollte  ihn,  um  den  Schuldner  zu  befreien, 
übertölpeln  und  sagte:  ,,Das  ist  ja  gar  nicht  der, 
der  dir  schuldig  ist;  das  bin  ja  ich." 

Aber  der  Hodscha  drehte  dieses  Bekenntnis 
sofort  zu  seinem  Vorteile  und  sagte  zu  dem  An- 
kömmling: ,,Du  bist  nicht  der  einzige,  von  dem 
ich  etwas  zu  fordern  habe;  der  da  ist  mir  auch 
schuldig." 


136.  Ti^  An  erzählt,  daß  eines  Tages  ein  Mann  zum 
J.'!.  Hodscha  gekommen  ist  und  zu  ihm  ge- 
sagt hat:  ,, Hodscha,  mein  Auge  schmerzt  mich 
fürchterlich;  was  soll  ich  denn  tun?" 

,,Reiß  es  dir  aus,"  antwortete  der  Hodscha, 
„und  du  wirst  Ruhe  haben." 

,,Aber  Hodscha,  ein  Auge  nimmt  man  sich 
doch  nicht  heraus." 

„Ich  schwöre  dir,"  antwortete  der  Hodscha, 
,, neulich  hat  mir  ein  Zahn  wehgetan,  und  ich 
habe  nicht  früher  Ruhe  gehabt,  als  bis  er  aus- 
gerissen war." 

137.  T\^^  Hodscha  hatte  einmal  eine  solche  Menge 
±J  Flöhe  im  Hause,  daß  er  es  endlich  nicht 
mehr  aushielt  und  das  Feld  räumte.  Bald  darauf 
sah  er  sein  Haus  von  einem  Brande  verzehrt  und 
von  den  Flammen  vernichtet;  darüber  freute  er 
sich,  klatschte  in  die  Hände  und  schrie:   ,,Das 

72 


Haus  ist  verbrannt!     Endlich  bin  ich  die  Flöhe 
und  die  Mäuse  los." 

Und  bei  diesen  Worten  lachte  er  aus  vollem 
Halse. 

ALs  der  Hodscha  einmal  von  Land  zu  Land  138. 

reiste,  bemerkte  er  eine  große  Schar  von 
Frauen,  die  in  Reihen  hintereinander  daher- 
kamen. Er  ging  näher  hin  und  fragte,  was  es 
gebe. 

Man  antwortete  ihm:  „Sie  gehn  eine  Braut 
einholen.  Das  Mädchen  und  der  Mann  da,  die 
von  den  Frauen  umgeben  sind,  sollen  heute  Nacht 
ihre  Sehnsucht  stillen," 

„Allah,  Allah,"  rief  nun  der  Hodscha,  ,,ich 
habe  viele  Länder  durchwandert,  aber  noch  nie 
habe  ich  eins  gefunden,  wo  es  so  viel  Kuppler 
gäbe  wie  hier." 

MAn  erzählt,  daß  der  Hodscha  am  Tage  auf  139. 

seinem  Felde  Lauch  gepflanzt,  ihn  aber  bei 
Anbruch  der  Nacht  wieder  herausgezogen  hat. 
Die  Leute  merkten  das,  und  man  fragte  den 
Hodscha,  warum  er  so  tue. 

Er  antwortete:  „Heißt  es  denn  nicht,  daß  man 
seine  Schätze  unter  seinem  Kissen  verwahren 
soll?" 

Eines    Tages    wurde    der    Hodscha    gefragt:  140. 

„Warum  halten  sich  von  den  Bewohnern 
dieser  Erde  die  einen  an  dem  einen  Orte  auf  und 
die  andern  an  einem  andern,  anstatt  daß  sie  alle 
an  demselben  Orte  verweilten?" 

„Was,  das  versteht  ihr  nicht?"  rief  der  Hod- 

73 


scha;  „wenn  sich  alle  Bewohner  der  Erde  an 
einem  Punkte  vereinigten,  würde  die  Seite,  wohin 
sie  gingen,  das  Übergewicht  bekommen  und  sie 
würden  herunterpurzeln." 


141.  A  Ls  der  Hodscha  einmal  auf  der  Wander- 
xTL  Schaft  war,  bemerkte  er  in  der  Ferne  eine 
Anzahl  Leute  auf  seinem  Wege;  waren  es  viel- 
leicht Räuber?  In  seiner  Nähe  war  ein  Grab. 
Hastig  entkleidete  er  sich,  steckte  seine  Kleider 
in  die  Höhlung  des  Grabmals  und  legte  sich 
unten  auf  den  Grabstein  nieder.  Die  Reisenden 
kamen  heran  und  sahen  einen  nackten  Mann, 
ausgestreckt  auf  dem  Steine.  Und  sie  sagten 
zu  ihm: 

,,Wer  bist  du,  Freund?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ich  bin  ein  Toter." 
„Und  was  machst  du  da?" 
,,Aus  Angst  vor  den  Frageengeln  bin  ich  ge- 
flüchtet." 

142.  T^^^  Hodscha  hatte  ein  schwarzes  Huhn,  und 
JL/  das  trug  er  einmal  auf  den  Markt,  um  es 
zu  verkaufen.  Es  kam  einer  und  sagte:  ,,Wenn 
das  Huhn  da  weiß  wäre,  hätte  ich  es  gekauft." 

Der  Hodscha  antwortete:  „Komme  morgen 
wieder,  und  ich  werde  dir  ein  weißes  geben." 
Der  Käufer  war  damit  einverstanden  und  ging 
weg. 

Auf  dem  Rückwege  kaufte  der  Hodscha  zwei 
Stück  Seife;  daheim  erhitzte  er  dann  Wasser  in 
einem  Kessel  und  begann  das  Huhn  zu  waschen. 
Damit  plagte  er  sich,  bis  die  Seife  verbraucht 
war;  aber  er  stellte  fest,  daß  die  Farbe  des  Huhns 

74 


auch  nicht  ein  bißchen  heller  geworden  war. 
Geärgert  schrie  er:  „Nach  dem,  was  ich  sehe, 
hat  der  Färber  wahrlich  die  Farbe  nicht  gespart! 
Ein  wackerer  Mann,  der  es  gefärbt  hat!" 

NAsreddin  hatte  von  einem  zehn  Gänse  über-  143. 

nommen,  um  sie  aufs  Feld  zu  treiben;  als 
er  sie  nun  weiden  ließ,  verlor  sich  eine  davon. 
Als  das  Ende  des  Monats  gekommen  war,  ging 
der  Hodscha  seinen  Lohn  fordern.  Aber  der 
Eigentümer  sagte:  „Da  fehlt  ja  eine  Gans;  was 
ists  mit  ihr?" 

Der  Hodscha  zählte  sie  und  sagte:  „Sieh  doch, 
es  sind  ja  zehn," 

Nun  zählte  sie  der  andere  und  fand,  daß  es 
nur  neun  waren.  Es  entstand  ein  großer  Streit 
zwischen  ihnen  und  schließlich  sagte  der  Hod- 
scha: „Um  zu  einem  Ende  zu  kommen,  wollen 
wir  zehn  Leute  holen  und  sie  zu  den  Gänsen 
bringen;  jeder  nimmt  eine,  und  wenn  es  sich 
zeigt,  daß  jeder  eine  hat,  so  ist  alles  in  Ordnung." 

Der  Eigentümer  der  Gänse  nahm  den  Vor- 
schlag an:  es  geschah  alles,  wie  es  gesagt  worden 
war,  und  einer  blieb  ohne  Gans.  Der  wandte 
sich  zum  Hodscha:  „Schau,  für  mich  ist  keine 
geblieben;  was  sollen  wir  da  tun?" 

„Ja,  Freund,"  antwortete  der  Hodscha,  „du 
hättest  eben  eine  nehmen  sollen,  solange  ihrer 
da  waren." 

Eines  Tages   kam  man  dem  Hodscha   sagen,  144. 

daß  ein  Schüler  ertrinke,  und  fragte  ihn: 
„Wie  sollen  wir  es  anstellen,  um  ihn  aus  dem 
Wasser  zu  ziehen?" 

75 


Der  Hodscha  antwortete:  „Einer  von  euch 
wird  doch  einen  Geldbeutel  haben;  den  zeigt  dem 
Ertrinkenden:  er  wird  glauben,  ihr  wollt  ihm 
Geld  geben,  und  wird  herauskommen." 

145.  A  Ls  der  Hodscha  einmal  über  den  Markt 
Sx.  schlenderte,  fand  er  einen  Asper.  Er  hob 
ihn  auf,  stellte  sich  auf  einen  höhern  Ort  und 
sagte:  ,, Warum  hören  die  Leute  nicht  auf,  zu 
kommen  und  zu  gehn?  es  ist  wirklich  sonderbar; 
der  verlorene  Asper  ist  ja  schon  v/ieder  ge- 
funden." 

146.  A  Ls  der  Hodscha  eines  Tages  auf  den  Markt 
XA.  gehn  sollte,  umringten  ihn  seine  Knaben 
und  begannen  ihn  jeder  um  eine  Flöte  zu  bitten; 
,, Lieber  Hodscha,"  schrie  der  eine,  , .bring  mir 
eine  Flöte  mit",  und  „Bring  mir  eine  Flöte  mit", 
sagte  der  andere, 

„Jawohl,  ihr  Schlingel,"  antwortete  er  ihnen; 
„ich  werde  sie  euch  mitbringen,  Kinder." 

Unterdessen  hatte  ihm  einer  zugleich  mit  den 
Worten:  „Bring  mir  eine  Flöte  mit"  einen  Asper 
gegeben;  nun  schrie  der  Hodscha:  „Du  bist  es, 
der  die  Flöte  blasen  wird." 

147.  "C*Iner  kam  zum  Hodscha  und  sagte  zu  ihm: 
JuLi  ,, Hodscha,  derundder  hat  in  der  Fastenzeit 
gegessen." 

„So?"  sagte  der  Hodscha;  „und  unterm  Essen 
hat  ihn  wohl  jemand  eingeladen?" 

148.  "Y^E-T  Hodscha  wollte  auf  seinen  Esel  steigen; 
JL/  er  erhob  sich  und  versuchte  sich  in  den 
Sattel  zu  schwingen,  aber  er  fiel  auf  der  andern 

76 


Seite  herunter.     Die  Kinder,  die  um  ihn  herum 
waren,  begannen  zu  lachen. 

Da  sagte  der  Hodscha:  „Warum  lacht  ihr, 
Schlingel?  früher  war  ich  auf  dem  Boden,  jetzt 
bin  ich  es  wieder:  das  ist  das  ganze." 

Eines  Tages  kamen  Leute  zum  Hodscha  und  149. 

erzählten  ihm,  daß  ein  Mann  auf  einen 
Baum  geklettert  sei  und  nicht  herabsteigen 
könne;  darauf  sagte  er:  ,,Habt  ihr  einen  Strick? 
bringt  ihn  her," 

,, Freilich  haben  wir  einen,"  antworteten  sie 
und  brachten  ihn.  Der  Hodscha  band  ein  Ende 
an  die  Hüften  des  Mannes;  das  andere  gab  er 
einem  Kerl  in  die  Hand,  der  dran  ziehen  sollte, 
und  schrie:  ,, Jetzt  zieh!"  Der  Mann,  der  oben 
saß,  fiel  herunter  und  starb.  Nun  schrie  das 
Volk:  „Hodscha,  was  hast  du  getan?"  Er  ant- 
wortete: ,,Holt  einen  Richter,"  Sie  gingen  weg 
und  brachten  einen  Richter, 

Der  Richter  sagte:  ,, Hodscha,  mit  dem  hat  es 
ein  böses  Ende  genommen;  es  ist  alles  aus.  Mit 
einem  Wort,  er  ist  tot," 

„Aber  Herr,"  sagte  der  Hodscha,  ,,er  hat 
einen  dicken  Bauch;  sieh  doch  nach,  ob  er  nicht 
etwa  schwanger  ist," 

Eines    Tages    sprach    der    Hodscha    bei    sich:  150, 

„Wieso  kommt  es  denn,  daß  alle  diese 
Bäume  Früchte  bringen  und  ich  nicht?  Sicher- 
lich würde  auch  ich,  wenn  man  mich  einpflanzte, 
Früchte  tragen,"  Er  sagte  zu  einigen  Bauern. 
,, Steckt  mich  in  die  Erde."  Und  er  zwang  sie, 
ihm  zu  gehorchen, 

77 


Sie  führten  also  den  Hodscha  an  eine  feuchte 
Stelle  und  steckten  ihn  mit  den  Füßen  in  die 
Erde,  Als  dann  die  Bauern  gegangen  waren, 
hielt  sich  der  Hodscha  dort  eine  Weile;  bald  aber 
begann  ihn  zu  frieren  und  er  sagte:  „Das  gefällt 
mir  nicht."  Er  strengte  sich  also  an,  sich  loszu- 
machen, und  mit  schwerer  Mühe  gelang  es  ihm. 
Er  kam  ins  Dorf,  und  die  Bauern  sagten:  „Wie 
schnell  du  Frucht  getragen  hast,  Hodscha!  Aber 
wo  ist  die  Frucht?" 

„Gewachsen  ist  sie  ja  schnell,"  antwortete  der 
Hodscha,  ,,aber  sie  hat  so  viel  Frost  gelitten,  daß 
sie  abgefallen  ist." 

151.  1,^  Ines  Tages  stieg  der  Hodscha  im  Gebirge  auf 
XL  einen  Baum.  Während  er  die  Äste  ab- 
hackte, sah  er  nach  allen  Seiten  herum,  und  da 
bemerkte  er  mehrere  Züge  Kamele,  die  auf  ihn 
zukamen.  Alsbald  rief  er  die  Kameltreiber  von 
oben  an:  „Haltet,  ich  bitte  euch;  ich  muß  mit  euch 
sprechen." 

Die  Kameltreiber  hielten  und  er  stieg  vom 
Baume  und  wandte  sich  zu  ihnen;  „Ich  ersuche 
euch  inständigst,  ganz  langsam  vorbeizuziehn." 
„Wozu  sagst  du  das?  Was  ist  dein  Grund?" 
,,Nun,  meine  Herren,  es  ist  zu  befürchten,  daß 
euere  Kamele,  die  noch  nie  ein  Gebirge  gesehn 
haben,  erschrecken  und  an  den  Baum  anlaufen, 
auf  dem  ich  bin,  und  mich  also  herunterwerfen." 

152.  "SA  ^^  erzählt,  daß  Tamerlan  einmal  in  die 
i.' 1.  Nähe  der  Stadt  kam,  wo  der  Hodscha 
lebte.  Die  Einwohner  versammelten  sich,  gingen 
zum  Hodscha  und  baten  ihn,  Tamerlan  davon  ab- 

78 


zuhalten,  daß  er  durch  ihre  Stadt  ziehe.  Auf  der 
Stelle  machte  sich  der  Hodscha  einen  Turban  von 
der  Größe  eines  Wagenrades,  stieg  auf  seinen 
Esel  und  ritt  Tamerlan  entgegen.  Er  traf  ihn, 
und  der  wunderte  sich  sehr  über  diesen  Anblick 
und  sagte:  „Was  ist  das  für  ein  Turban, 
Hodscha?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Das  ist  meine 
Nachtmütze,  Entschuldige  mich,  daß  ich  damit 
gekommen  bin;  aber  der  Turban,  den  ich  sonst  bei 
Tage  trage,  kommt  hinten  auf  einem  Wagen  nach." 

Erschrocken  über  die  seltsame  und  unge- 
heuere Kopfbedeckung  der  Bewohner  zog  Tamer- 
lan nicht  durch  die  Stadt. 

Eines  Tages  forderte  der  Bei  Tamerlan  den  153. 

Hodscha  dringend  auf,  etwas  auf  der  Baß- 
laute zu  spielen;  und  er  sagte:  „Wir  wollen  dir 
zuhören." 

Man  brachte  die  Laute.  Der  Hodscha  wider- 
stand nicht  mehr  dem  Drängen  des  Beis  und 
nahm  die  Laute;  aber  er  kniff  nur  eine  Saite  ein- 
mal und  hielt  inne.  Da  sagten  sie  zu  ihm: 
„Warum  spielst  du  nicht  mehr,  Hodscha?" 

„Es  summt  eine  Mücke,"  antwortete  er,  „und 
der  Lärm  würde  den  Klang  der  Laute  ersticken." 

Auf   einer  Reise  kam   der   Hodscha  in   eine  154. 

Stadt;  er  war  gerade  außerordentlich  hung- 
rig. Kaum  hatte  er  sie  betreten,  so  fragte  man  ihn 
um  seinen  Beruf  und  er  sagte:  „Ich  bin  ein  Arzt." 
„Da  du  ein  Arzt  bist,  so  komm  mit  uns;  wir 
führen  dich  zu  dem  Sohne  des  Beis,  der  krank 
ist."    Der  Hodscha  erwiderte:  ,,Sehr  gut." 

79 


Sie  gingen  mit  ihm  zum  Bei;  der  behandelte 
ihn  mit  Ehrerbietung  und  fragte  ihn;  „Was  ver- 
ordnest du  meinem  Sohne?" 

„Gibts  hier  ein  wenig  Brot,  Butter  und 
Honig?" 

„Jawohl." 

„Man  bringe  es,"  sagte  der  Hodscha;  „ich 
will  mit  einer  ärztlichen  Beschwörung  beginnen 
und  in  der  Folge  ein  vortreffliches  Heilmittel  her- 
stellen," 

Alles,  was  er  gesagt  hatte,  wurde  gebracht. 
Sofort  mischte  er  die  Butter  und  den  Honig  zu- 
sammen; um  dann  die  Wirkung  dieser  kräftigen 
Arznei  zu  versuchen,  begann  er  davon  zu  essen. 
Einen  Augenblick  darauf  hörte  er  innen  im 
Harem  sagen:  „Arzt,  was  machst  du  nur?  das 
Kind  ist  gestorben." 

,,Wir  wären  schon  alle  zwei  tot,"  antwortete 
er,  „wenn  ich  nicht  jetzt  gegessen  hätte." 

155.  "TNEr  Hodscha  reiste  einmal  in  der  Welt  herum 

i-/  und  kam  so  in  eine  gewisse  Stadt,  Er  fiel 
dort  den  Leuten  auf,  und  sie  fragten  ihn  um  seinen 
Beruf.  „Mit  der  Erlaubnis  Gottes",  sagte  er,  „er- 
wecke ich  die  Toten,"  Sie  glaubten  ihm;  sie 
gaben  ihm  eine  Frau  und  ließen  es  ihm  nicht  an 
Speise  und  Trank  fehlen  und  so  lebte  er  vergnügt 
etwa  ein  Jahr, 

Nun  geschah  es  mit  Gottes  Willen,  daß  in  der 
Stadt  einer  starb;  es  war  ein  Weber,  Die  Leute 
liefen  zum  Hodscha  und  sagten  zu  ihm:  „Komm 
ihn  erwecken,"  Er  ging  hin,  stellte  sich  dem  Toten 
zu  Häupten  und  sagte:  „Was  war  dieser  Mann?" 
Die  um  ihn  antworteten:  „Ein  Weber," 

80 


„O  weh,"  sagte  der  Hodscha,  „mit  dem  steht 
es  schlimm." 

„Wieso  denn?" 

„Ach,  die  Weber  kann  man  nicht  vom  Tode 
erwecken," 

„Warum?" 

Und  der  Hodscha  antwortete:  „Solange  der 
da  am  Leben  war,  hatte  er  schon  die  Beine  in 
einer  Grube;  natürlich  war  es  sein  Los,  einmal 
den  Beinen  folgen  zu  müssen," 

IN  einer  Gesellschaft  kam  einmal  ein  Hafis  an  256. 

einem  geringern  Platze  als  der  Hodscha  zu 
sitzen  und  das  mißfiel  ihm  sehr;  und  er  sagte  zum 
Hodscha:  „Wenn  das  Buch  der  Bücher  und  ein 
andres  Buch  an  derselben  Stelle  liegen  sollen, 
welches  legt  man  oben,  den  Koran  oder  das 
andere?" 

Der  Hodscha  merkte  die  Absicht  des  Hafis 
und  antwortete:  „Man  legt  natürlich  das  heilige 
Buch  über  das  andere,  aber  nicht  über  seine 
eigene  Hülle." 

Diese  Worte  ließen  den  Hafis  verstummen  ^. 

DRei  Leute  reisten  einmal  in  die  ehrwürdige  157. 

Stadt  Mekka;  einer  war  aus  Siwri-Hissar, 
der  andere  aus  Mers-Hum  und  der  dritte  aus 
Tasch-Gwetscher.  Auf  dem  Heimwege  von  der 
ehrwürdigen   Stadt   Mekka    sagte   nun    der    aus 


1  Zum  Verständnis  der  witzigen  Antwort  Nasreddins 
sei  bemerkt,  daß  Hafis  ein  Mann  genannt  wird,  der  den 
Koran  auswendig  weiß,  also  gleichsam  eine  Hülle  des 
Korans  ist, 

Nasreddin,  I.  Q  gj 


Siwri-Hissar,  um  das  Verdienst  seiner  Pilgerfahrt 
zu  vergrößern:  „Mein  Knecht  Koch-Kadem,  der  in 
meinem  Hause  und  mein  Eigentum  ist,  soll  frei 
sein!"  Der  aus  Mers-Hum  sagte:  „Meine  Sklavin 
Benefscheh,  die  in  meinem  Hause  und  mein 
Eigentum  ist,  soll  frei  sein!"  Nun  rief  der  aus 
Tasch-Gwetscher ,  ein  tölpischer  Bauer ,  der 
dümmer  als  die  zwei  andern  war:  ,,Was  reden 
diese  Schufte?  In  meinem  Hause  gibts  keinen 
Knecht  Koch-Kadem  und  keine  Sklavin  Benef- 
scheh; aber  dafür  soll  die  Mutter  meines  Sohnes 
Jakub  von  mir  geschieden  sein:  zum  ersten,  zum 
zweiten  und  zum  dritten  Male,  sie  sei  frei!" 

Da  hat  man  also  eine  hübsche  Probe,  wie  sich 
ein  türkischer  Bauerntölpel  bewährt  hat,  um 
nicht  hinter  seinen  Freunden  zurückzubleiben, 

158.  "pines  Tages  kochte  seine  Mutter  große  und 

XZtf  kleine  Fische  und  der  Hodscha  beobachtete 
alles  durch  ein  Loch  in  der  Tür.  Und  seine 
Mutter  sagte  zu  seinem  Vater:  ,, Jetzt  wird  bald 
der  Hodscha  da  sein,  Verstecken  wir  die  großen 
Fische  unterm  Bett,  und  setzen  wir  die  kleinen 
zum  Essen  auf  den  Tisch;  wenn  er  dann  fort  ist, 
holen  wir  die  großen  hervor  und  essen  sie," 

In  diesem  Augenblicke  trat  der  Hodscha  ein 
und  man  sagte  zu  ihm:  ,,Komm,  Sohn,  wir  wollen 
Fische  essen," 

Die  kleinen  Fische  wurden  aufgetragen;  so- 
fort nahm  der  Hodscha  einen  und  hielt  ihn  an 
sein  Ohr,  Da  sagte  sein  Vater:  „Aber  Sohn,  was 
machst  du  denn  da?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ich  frage  den 
Fisch." 

82 


„Worum?" 

,,Ich  habe  von  ihm  erfahren  wollen,  was  für 
ein  Fisch  das  war,  von  dem  Jonas  verschluckt 
worden  ist;  aber  er  hat  mir  geantwortet:  ,Ich 
weiß  das  nicht;  unter  dem  Bett  dort  sind  größere, 
die  mußt  du  fragen.'  " 

MAn  erzählt,   daß   einmal   der   Hodscha  mit  159. 

seinen  Freunden  Verstecken  gespielt  hat, 
und  alle  haben  sie  sich  an  verschiedenen  Orten 
versteckt.  Der  Hodscha  aber  verließ  Akschehir, 
lief  bis  Konia  und  versteckte  sich  dort  in  einem 
Minaret,  und  seine  Freunde  bekamen  ihn  mehrere 
Tage  nicht  zu  sehn.  Seine  Gattin  und  seine 
Familie  schrien  allenthalben:  ,, Hodscha,  wo  bist 
du?"  Es  verging  Tag  um  Tag  und  man  hatte 
ihn  schon  in  der  ganzen  Umgebung  gesucht,  als 
von  ungefähr  eine  Karawane  aus  Konia  in 
Akschehir  eintraf.  Man  fragte  die  Leute  der 
Karawane,  ob  sie  etwas  vom  Hodscha  wüßten, 
und  die  antworteten:  „Er  ist  in  Konia;  wir  haben 
ihn  dort  gesehn," 

Daraufhin  wurden  etliche  Männer  nach  Konia 
geschickt;  sie  kamen  dort  an  und  suchten  den 
Hodscha  überall.  Der  aber  rief  sie  vom  Minaret 
herab  an  und  schrie:  ,,Her  mit  dem  Geld!  ich 
habe  gewonnen!" 

Die  Männer  trauten  ihren  Ohren  nicht,  bis  er 
endlich  herunterkam. 

Eines  Tages  ging  der  Hodscha  aufs  Feld,  um  160. 

zu  mähen.  Als  die  Nacht  einfiel,  hörte  er 
auf  und  ging  heim.  Seine  Frau  sagte  zu  ihm: 
„Hast  du  heute  viel  gemäht?" 

6*  83 


Der  Hodscha  anwortete:  „Ich  habe  noch  bis 
morgen  Mittag  zu  tun." 

Sie  sagte:  „Setz  doch  dazu  Jnscha  Allah'  ^.'* 

Der  Hodscha  antwortete:  „Wenn  ich  seinen 
Namen  nicht  anrufe,  werde  ich  auch  nicht  weniger 
fertig  bringen." 

Am  Morgen  nahm  er  seine  Sichel  und  ging 
aufs  Feld,  Auf  dem  Wege  traf  er  etliche  Reiter, 
und  die  zwangen  ihn,  ihnen  vorauszugehn  und 
ihnen  den  Führer  zu  machen;  erst  am  Abende 
schickten  sie  ihn  zurück.  Der  Hodscha  lief,  was 
er  nur  konnte,  und  es  war  Mitternacht,  als  er 
zu  Hause  ankam  und  an  die  Tür  pochte.  Seine 
Frau  ging  hin  und  fragte:  „Wer  pocht  um  diese 
Stunde?" 

„Ich  bins,"  antwortete  der  Hodscha,  „ich  bins, 
inscha  Allah;  mach  auf," 

161.  O  Eine  Frau  sagte  einmal  zum  Hodscha:  „Schenk 
O  mir  ein  Kopftuch  aus  roter  Seide,"  Der 
Hodscha  streckte  beide  Arme  aus  und  sagte:  „Ist 
es  so  lang  genug?  reicht  diese  Länge?" 

Er  ging  also  auf  den  Markt  und  hielt  auf  dem 
Wege  immerfort  die  Arme  ausgebreitet;  und  als 
ihm  einer  entgegenkam,  schrie  er  ihn  an:  ,,Gib 
acht,  wo  du  gehst!  Du  wirst  schuld  daran  sein, 
wenn  ich  mein  Maß  verliere," 

162.  "r\Er  Hodscha  war  einmal  in  Gesellschaft  eines 
jlJ  andern  auf  der  Reise,  Von  ungefähr  kam 
ihnen  ein  Reiter  entgegen;  der  wandte  sich  an  den 

^  Vergl,  im  Koran  den  23.  Vers  der  18,  Sure:  „Und 
sprich  von  keiner  Sache:  .Siehe,  ich  will  das  morgen  tun', 
es  sei  denn,  du  setzest  hinzu:  ,So  Allah  will,'  " 

84 


Begleiter  des  Hodschas  und  sagte  zu  ihm:  „Du 
mußt  mit  mir  gehn  und  mir  den  Weg  zeigen," 

Der  antwortete:  „Ich  bin  der  Knecht  und 
Sklave  desunddes  Herrn,"  Und  so  half  er  sich 
durch. 

Der  Reiter  sprach  nun  den  Hodscha  an  und 
sagte  zu  ihm.:  „Dann  mußt  du  mit  mir  gehn  und 
mein  Führer  sein," 

Aber  der  Hodscha  erwiderte:  „Ich  bin  ein 
Diener  und  Sklave  des  Allerhöchsten."  Kaum 
hatte  er  jedoch  diese  Worte  herausgebracht,  als 
der  Fremde  mit  seiner  Peitsche  zum  Schlage  aus- 
holte. Der  arme  Hodscha  versuchte  nicht  weiter, 
Widerstand  zu  leisten,  sondern  begann  neben 
dem  Pferde  herzuschreiten  und  den  Reiter  zu 
führen. 

Wie  er  so  dahinschritt,  sprach  er  bei  sich 
selber;  „Wie  ist  denn  das  möglich,  daß  es  der 
Schöpfer  zuläßt,  daß  sich  mein  Gesell  aus  der 
Verlegenheit  zieht,  indem  er  angibt,  er  sei  der 
Knecht  eines  winzigen  Sterblichen,  während  es 
mir  nichts  nützt,  daß  ich  sage,  ich  sei  der  Sklave 
des  Allerhöchsten?" 

Solcher  Art  waren  seine  Gedanken,  als  er 
plötzlich  einen  Lärm  hinter  sich  hörte,  dem  ein 
mächtiger  Schrei  folgte.  Erschrocken  fragte  er 
sich,  was  das  sein  könne;  da  sah  er,  daß  der 
Reiter,  den  er  führte,  von  dem  Pferde  gefallen 
war  und  tot  hingestreckt  daneben  lag. 

So  lautet  der  echte  Bericht  der  Freunde  des 
Hodschas ;  welche  Lehre  man  daraus  ziehen  kann, 
ist  leicht  zu  sehn. 


85 


163.  A   Ls    der   Hodscha   eines   Tages   ins   Gebirge 

J^L  ging,  um  Holz  zu  schneiden,  nahm  er  eine 
Melone  mit.  Wie  er  nun  so  dahinging,  entwischte 
ihm  die  Melone  aus  dem  Arme  und  rollte  in  ein 
Tal  hinab.  Dort  schlief  ein  Hase;  der  erschrak 
über  die  Melone  und  lief  davon. 

,,Da  habe  ich  eine  schöne  Dummheit  gemacht," 
sagte  der  Hodscha,  als  er  den  Hasen  sah;  „die 
Melone  war  trächtig,  und  es  wäre  sicher  ein 
Maulesel  geworden," 

Damit  entfernte  er  sich  und  machte  sich  un- 
verzüglich ans  Holzschneiden.  Als  er  dann 
heimkehrte,  erzählte  er  seiner  Frau  sein  Aben- 
teuer. 

Sie  schrie:  „O  weh.  Mann,  du  hättest  ihn 
fangen  und  herbringen  sollen,  um  auf  ihm  in  den 
Garten  zu  reiten!" 

Aber  der  Hodscha  hatte  schon  einen  Stock  in 
der  Hand  und  sagte:  „Steig  herunter;  er  ist  noch 
zu  jung.     Du  wirst  ihm  die  Rippen  brechen," 


164.  "AJ^ An  erzählt,   daß   der  Hodscha  einmal   auf 

JL^l.  dem  Rücken  ein  Geschwür  bekommen 
hat.  Er  sagte  es  seiner  Tochter  und  bat  sie, 
es  anzusehn,  ,, Vater,"  sagte  sie,  ,,es  wird 
schwarz." 

Am  nächsten  Tage  zeigte  er  es  seiner  Frau 
und  die  sagte:  „Es  wird  weiß.  Mann." 

Der  Hodscha  sagte:  „Ich  verwundere  mich, 
daß  es  schon  vergehn  will.  Ich  weiß  nicht,  wie 
es  in  Wahrheit  damit  steht." 

Man  sagt,  daß  davon  seither  das  Sprichwort 
geblieben  ist,  das  die  ganze  Welt  kennt. 

86 


Eines   Tages   sagte   sein  Sohn  zum   Hodscha:  165. 

„Bei  uns  zu  Hause  ist  etwas  wie  ein  Mann 
in  dem  großen  Topf  mit  Pikmes  \" 

Der  Hodscha  schüttete  den  Topf  aus  und  ver- 
schmierte mit  dem  Pikmes  alle  Löcher,  die  sich 
im  Fußboden  des  Hauses  fanden.  Als  er  dann 
seinen  Mann  suchte,  sah  er  in  jedem  Loche  sein 
Bild,  als  ob  überall  Leute  wären.  Da  nahm  er 
seinen  Säbel,  stellte  sich  an  der  Tür  auf  und  rief: 
„Wenn  ihr  keine  Memmen  seid,  werdet  ihr  nur 
einer  nach  dem  andern  auf  mich  losgehn." 

Einmal  kam  ein  Mann  zum  Hodscha  und  sagte  166. 

zu  ihm;  „Hodscha,  dein  Sohn  ist  vom  Esel 
gefallen;  er  hat  den  Geist  aufgegeben,"  Auf 
diese  Worte  hin  versank  Nasreddin  für  einen 
Augenblick  in  tiefes  Grübeln,  so  daß  er  gefragt 
wurde:  „Was  macht  dich  denn  so  nachdenklich, 
Hodscha?" 

,,Ich  habe  darüber  nachgedacht,"  antwortete 
er,  „daß  ja  mein  Sohn  Adschib  niemals  einen 
Geist  gehabt  hat;  wie  hat  er  ihn  dann  aufgeben 
können?" 

EBenso  erzählt  man,  daß  einmal  ein  Arzt  zu  167. 

einem  Kranken  gerufen  worden  ist;  er  hat 
ihm  den  Puls  gefühlt  und  gesagt:  ,,Ich  vermute, 
daß  du  etwas  Huhn  gegessen  hast.  Das  ist 
schlecht;  nimm  dich  in  acht  und  iß  es  nicht 
mehr." 

Der  Kranke  sagte:  ,,Es  ist  wahr;  ich  habe 
etwas  Huhn  gegessen." 


^)  Dickgekochter  Traubensaft;  die  Oberfläche  glänzt, 

87 


Hochverwundert  bezeugten  die  Anwesenden 
ihre  Befriedigung.  Als  dann  der  Arzt  das  Haus 
verlassen  hatte,  sagte  sein  Sohn  zu  ihm:  ,, Vater, 
macht  das  nur  die  Wissenschaft,  daß  du  das 
gewußt  hast?" 

Der  Arzt  antwortete:  ,, Ursprünglich  habe  ich 
es  durch  die  Wissenschaft  erkannt,  erhärtet  durch 
mehr  als  eine  Beobachtung,  Obwohl  ich  es  aber 
ursprünglich  nur  durch  die  Wissenschaft  erkannt 
habe,  sowohl  aus  dem  Klopfen  des  Pulses,  als 
auch  durch  andere  Anzeichen,  die  ich  be- 
obachtete, habe  ich  überdies,  als  wir  in  die  Nähe 
des  Hauses  kamen,  Hühnerfedern  und  Obst- 
schalen bemerkt  und  habe  daraus  geschlossen 
und  die  Diagnose  abgeleitet,  daß  der  Mann  davon 
erkrankt  ist,  daß  er  das  alles  auf  einem  Sitz  ge- 
gessen hat." 

Diese  Worte  des  Vaters  gruben  sich  dem 
Sohne  ins  Gedächtnis.  Nun  geschah  es,  daß  man 
sich  einer  Krankheit  halber,  da  der  Vater  nicht 
zu  Hause  war,  an  den  Sohn  wandte;  der  sah,  als 
er  zu  dem  Kranken  ging,  in  der  ganzen  Um- 
gebung des  Hauses  herum,  bemerkte  aber  nichts 
andres  als  einen  Eselssattel.  Er  trat  zu  dem 
Kranken,  fühlte  ihm  den  Puls  und  sagte,  mit 
dem  Kopfe  wackelnd:  ,,Oweh  oweh,  du  hast 
heute  Eselsfleisch  gegessen.  Das  ist  schlecht;  iß 
es  nicht  mehr,  es  macht  für  die  Krankheit 
empfänglich." 

,,Aber  Arzt,"  schrie  der  Kranke,  ,,du  redest 
einen  Unsinn.  Kein  Mensch  ißt  Eselsfleisch; 
mich  ekelts  ja  davor." 

Nach  diesen  Worten  geleiteten  die  Anwesen- 
den den  Sohn  des  Arztes  höflich  zur  Tür. 

88 


ALs    die    Frau    des    Hodschas    eines    Tages  168. 

Bulgur  ^  gekocht,  Tarkhaneh  '  bereitet  und 
die  Kuh  gemolken  hatte,  kam  es  zwischen  ihr 
und  dem  Hodscha  zu  Zärtlichkeiten,  so  daß  sie 
ins  Bad  gehn  mußte;  drum  sagte  sie  zum  Hod- 
scha: ,, Hodscha,  während  ich  im  Bad  bin,  gib  du 
acht  auf  das  Kind  in  der  Wiege  und  sieh  zu,  daß 
nicht  die  Vögel  den  Bulgur  fressen;  schlage 
Butter  und  quetsche  in  der  Mühle  noch  etwas 
Bulgur,  weil  wir  dann  Pilaf  ^  essen  wollen," 

Fürs  erste  nahm  der  Hodscha  eine  Mütze,  die 
mit  Schellen  behängt  war,  und  band  sie  sich  auf 
den  Kopf;  dann  befestigte  er  den  Butterschlägel 
und  die  Wiege  an  seinem  Rücken,  und  vor  sich 
stellte  er  die  Mühle,  die  er  drehen  sollte.  Indem 
er  nun  den  Kopf  vorwärts  und  rückwärts  warf, 
schaukelte  er  die  Wiege  und  schlug  Butter,  hielt 
aber  zugleich  damit  durch  das  Schellengeklingel 
die  Vögel  ab,  den  Bulgur  zu  fressen.  Während 
nun  der  Hodscha  also  den  Bulgur  bewachte,  die 
Mühle  drehte,  Butter  schlug  und  an  zwei  oder 
drei  Dingen  auf  einmal  arbeitete,  erwachte  das 
Kind  und  begann  in  seiner  Wiege  zu  weinen. 
Der  Hodscha  sah,  daß  es  sich  beim  Wiegen  nicht 
beruhigte,  und  sah  sich  daher  gezwungen,  es  aus 
der  Wiege  zu  nehmen.  Er  spreizte  die  Beine 
auseinander,  setzte  es  dazwischen  hinein,  nahm 
ein  gewisses  Glied  heraus  und  gab  es  ihm  als 
Spielzeug  in  die  Hand.     Das  Kind  spielte  auch 


1  Ein  aus  enthülstem  und  gestoßenem  Korn  gesottener 
Teig. 

2  Geronnene  Milch,  die  getrocknet  worden  ist, 

3  Ein  Gericht  aus  Reis  oder  zerriebenem  Teig,  über- 
gössen mit  heißer  Butter. 

89 


wirklich  damit,  während  der  Hodsqha  fortfuhr, 
sich  völlig  seiner  Arbeit  zu  widmen. 

Unterdessen  kamen  etliche  Frauen  auf  ihrem 
Wege  durch  diese  Straße;  als  sie  bei  dem  Hause 
waren,  wo  der  Hodscha  mit  seinen  Schellen, 
seiner  Mühle  und  seiner  Milch  arbeitete,  sagten 
sie:  ,,Gehn  wir  schauen,  wie  sichs  der  Hodscha 
•  eingerichtet  hat."  Sie  überschritten  die  Schwelle 
und  gingen  weiter  ins  Innere;  und  sie  fragten 
den  Hodscha:  ,, Warum  hast  du  Schellen  an  der 
Mütze?" 

„Damit  die  Vögel  nicht  zum  Bulgur  kommen," 

,,Und  warum  hast  du  das  am  Rücken?" 

,,Seht  ihr  denn  nicht,  meine  Schönen,  daß  das 
der  Schlägel  ist,  womit  ich  Butter  schlage?" 

,,Und  was  hast  du  vor  dir?" 

„Das  ist  die  Mühle,  mit  der  ich  den  Bulgur 
quetsche," 

,,Und  warum  liegt  das  Kind  nicht  in  seiner 
Wiege?" 

,,Es  weinte,  und  da  habe  ich  es  heraus- 
genommen," 

Nun  merkten  sie  erst,  was  für  ein  Spielzeug 
das  Kind  in  den  Händen  hielt,  und  da  sagten  sie: 
,,Aber  Hodscha,  schämst  du  dich  denn  nicht? 
warum  gibst  du  ihm  denn  den  in  die  Hand?" 

Und  der  Hodscha  antwortete:  „Ihr  naseweisen 
Dinger,  die  ihr  seid!  kommt  nur  mit  mir  in  einen 
Winkel;  da  werden  wir  schon  sehn,  welche  Hand 
die  erste  sein  wird,  die  ihn  herausnimmt." 

169.  "C*  Inmal  traf  der  Sultan  Alaeddin  Vorkehrungen 

Cd  zu  einem  Feste,  das  er  den  ausgezeichnetsten 
Männern  geben  wollte;  selbstverständlich  lud  er 

90 


auch  den  Hodscha  ein,  und  dieser  erschien  in  der 
Begleitung  seines  Amads.  Der  Sultan  empfing 
ihn  mit  Höflichkeit  und  Ehren  und  bot  ihm  einen 
Apfel,  den  er  in  der  Hand  hielt.  Der  Hodscha 
nahm  ihn  an  und  machte  sich  ohne  weiters  daran, 
hineinzubeißen.  Da  nahm  der  Amad  den  Hod- 
scha beiseite  und  sagte  zu  ihm:  „Pfui  Hodscha, 
wie  kannst  du  einen  solchen  Verstoß  begehn? 
Wenn  einem  ein  Sultan  einen  Apfel  gibt,  so  ißt 
man  ihn  nicht  augenblicklich  in  seiner  Gegen- 
wart." 

Der  Hodscha  fragte  noch:  „Ist  es  also  nicht 
anständig,  vor  ihm  zu  essen?"  und  der  Amad 
antwortete  ihm:  „Nein;  man  muß  es  in  seinen 
Busen  stecken." 

Nun  wurde  der  Tisch  bestellt  und  der  Sultan 
ließ  den  Hodscha  an  seiner  Seite  sitzen.  Als 
man  dann  den  Gästen  einen  Hasen  vorsetzte,  der 
mit  Joghurt  übergössen  war,  nahm  der  Sultan, 
um  dem  Hodscha  eine  Höflichkeit  zu  erzeigen, 
etwas  Joghurt  und  legte  einen  Hasenlauf  darüber  ^ 

und  legte  das  ganze  dem  Hodscha  vor. 

Ohne  zu  zaudern,  packte  der  Hodscha  das  ihm 
dargebotene  und  schüttete  es  in  seinen  Busen. 

Als  das  der  Sultan  sah,  sagte  er:  „Aber 
Hodscha,  warum  tust  du  das?  das  ist  eine  grobe 
Unschicklichkeit." 

„Sultan,"  antwortete  der  Hodscha,  „ich  habe 
mich  nach  dem  gehalten,  was  mir  mein  Amad  ge- 
sagt hat,  daß  man  nämlich  hier  nicht  essen  soll." 

Eines  Tages  brauchte  der  Hodscha  einen  ge-  170. 

richtlichen  Bescheid.     Er  füllte  einen  Krug 
mit  Erde  und  gab  darüber  eine  dünne  Schicht 

91 


Honig;  damit  ging  er  zum  Gerichte  den  Kadi  auf- 
suchen und  erhielt  leicht  den  gewünschten  Be- 
scheid, Als  der  Kadi  am  Abende  heimgekehrt 
war,  schöpfte  er  ein  paar  Löffel  Honig  aus  dem 
Kruge;  da  kam  denn  die  Erde  zum  Vorscheine. 
Darum  schickte  er,  kaum  daß  es  Morgen  ge- 
worden war,  einen  Gerichts  diener  zum  Hodscha: 
,,Geh  schnell  zu  ihm:  wir  haben  ihm  gestern  einen 
Bescheid  gegeben,  bei  dem  ein  Irrtum  unterlaufen 
ist;  bring  ihn  zurück  und  wir  werden  ihm  einen 
andern  schreiben."  Der  Diener  lief  zum  Hodscha 
und  pochte  an  die  Tür;  der  Hodscha  kam  heraus 
und  der  Diener  des  Kadis  bestellte  seine  Bot- 
schaft. 

Und  der  Hodscha  antwortete:  ,,Bei  aller 
schuldigen  Ehrfurcht  vor  dem  gestrengen  Herrn 
Kadi  habe  ich  doch  den  Bescheid  vollständig  in 
Ordnung  gefunden;  wenn  aber  schon  ein  Irrtum 
unterlaufen  ist,  so  kann  das  nirgends  sonst  ge- 
schehn  sein  als  beim  Honig," 


171.  |_|^  Ines  Tages  hatte   der  Hodscha  einen  Streit 

JCtf  mit  einem  andern,  und  sie  gingen  zum 
Richter.  Dem  machte  der  Hodscha  ein  Zeichen, 
indem  er  die  Hand  in  seinen  Busen  steckte,  und 
so  geschahs,  daß  der  Hodscha  Recht  bekam.  Als 
dann  sein  Gegner  weg  war,  wandte  sich  der 
Richter  zu  Nasreddin  und  sagte  zu  ihm:  „So, 
jetzt  gib  her,  was  du  mir  versprochen  hast." 

Aber  der  Hodscha  antwortete:  „Ich  habe  dir 
kein  Zeichen  gemacht,  daß  ich  dir  etwas  schenken 
würde;  ich  habe  dir  nur  sagen  wollen,  daß  ich 
dir,  wenn  du  mir  Unrecht  gäbest,  den  Schädel 

92 


einschlagen  v.'ürde  mit  den  Steinen,  die  ich  im 
Busen  habe," 

ALs  der  Hodscha  einmal  ins  Bad  kam,  traf  er  172. 

dort  einen  Bekannten,  und  der  hatte  nichts 
eiliger  zu  tun,  als  ihm  einen  Schlag  ins  Genick  -»«^* 

zu  geben.  Der  Hodscha  kehrte  sich  um  und  sah 
niemand  sonst  als  diesen  Bekannten.  Augen- 
blicklich verließ  er  das  Bad  und  schleppte  den 
Menschen  vor  den  Kadi;  und  zu  dem  sagte  er: 
„Effendi,  ich  klage  wider  den  da;  er  hat  mir 
einen  groben  Schimpf  angetan." 

Der  Angeklagte  war  aber  ein  Freund  des 
Kadis;  und  er  sagte  zu  ihm:  „Untersuche,  ob  der 
Mann  Recht  hat;  wir  wollen  hören,  was  er  dar- 
legen wird." 

Und  der  Hodscha  fuhr  fort:  „Dieser  schlechte 
Kerl  hat  mir  einen  Schlag  gegeben." 

Der  Kadi  sagte:  „Für  einen  Schlag  ist  die 
Buße  ein  Pul  \  Ich  fälle  gegen  diesen  Mann  das 
Urteil,  daß  er  dir  einen  Pul  geben  soll." 

Der  Gegner  des  Hodschas  suchte  nach,  hatte 
aber  keinen  Pul  bei  sich;  er  ging  einen  holen, 
blieb  jedoch  eine  geraume  Zeit  aus.  Der  Hod- 
scha wartete  und  wartete,  bis  er  endlich  un- 
geduldig wurde.  Da  bemerkte  er,  daß  der  Kadi, 
der  eben  mit  schreiben  beschäftigt  war,  den  Kopf 
gesenkt  hielt;  unverzüglich  versetzte  er  ihm  einen 
Schlag  ins  Genick. 

„Aber  Hodscha,"  schrie  der  Kadi,  „was  soll 
das  heißen?" 

Und  der  Hodscha  antwortete:  „Mir  ist  nichts 


Eine  Münze  von  ganz  geringfügigem  Werte, 

93 


andres  übrig  geblieben;  der  Mensch  kommt  nicht, 
und  ich  habe  dringend  zu  tun.  Wann  er  wieder- 
kommt, so  laß  dir  den  Pul  von  ihm  geben  und 
behalte  ihn  für  dich." 

Mit  diesen  Worten  ging  der  Hodscha  in  aller 
Unbefangenheit  hinweg. 

173.  7^  *^^^  Zeit,  wo  der  Hodscha  Kadi  war,  kamen 
JLu  eines  Tages  ein  Mann  und  eine  Frau  vor 
Gericht,  und  die  Frau  sagte:  „Ef feudi,  dieser 
Mann  ist  ein  Teufel;  er  hat  mich  genommen  und 
geküßt.  Ich  will  mein  Recht  haben,  mein  un- 
verbrüchliches Recht." 

Der  Hodscha  sagte:  ,,Na,  was  werden  wir 
denn  da  tun?  Ein  Kuß  von  dir  wird  den  andern 
ausgleichen." 

174.  "T^lnes  Tages  schnitt  der  Hodscha  im  Gebirge 
±2^  Holz,  und  während  er  damit  beschäftigt  war, 
fraßen  ihm  die  Wölfe  seinen  Esel.  Als  er  nun 
ganz  bekümmert  ins  Dorf  zurückging,  sah  er 
einige  Bauernkinder,  die  spielten;  und  er  fragte 
sie:  ,,Sagt,  Kinder,  spricht  man  im  Dorfe  davon, 
daß  der  Esel  des  Hodschas  im  Gebirge  von 
Wölfen  gefressen  worden  ist?" 

„Nein,"  sagten  die  Kinder,  „das  sagt  man 
nicht," 

Und  der  Hodscha  sagte:  „0  gäbe  doch  der 
Allmächtige,  daß  euere  Worte  wahr  seien,  daß 
euere  Rede  richtig  sei!" 

175.  "C*Ines  Tages  ging  der  Hodscha  ins  Gebirge  um 
.Ltf  Holz,  An  einer  abschüssigen  Stelle  fiel 
ihm   ein  Baum  auf  und   er  sagte   sich:    ,,Wenn 

94 


ich  den  da  fällen  kann,  so  brauche  ich  sonst 
keinen  umzuschlagen."  Er  begann  auch  sofort 
damit,  nachdem  er  den  Strick  seines  Esels  um 
den  Baum  geschlungen  hatte;  als  dann  der  Baum 
so  ziemlich  abgeschnitten  war,  ließ  er  den  Esel 
geradeaus  abwärts  laufen,  aber  der  Esel  fiel  und 
brach  sich  die  Knochen.  Als  das  der  Hodscha 
sah,  machte  er  sich  voll  Ärger  und  Kummer  auf 
den  Heimweg.  Seine  Frau  fragte  ihn,  da  sie 
den  Esel  nicht  sah;  „Was  ist  es  denn  mit  dem 
Esel?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ach,  Weib,  als  ich 
ihn  zuletzt  gesehn  habe,  ist  er  seinen  Weg 
gegangen;  seither  weiß  ich  nichts  mehr  von 
ihm," 

Eines  Tages  sah  der  Hodscha  Nasreddin  eine  176. 

Windmühle.  So  etwas  hatte  er  noch  nie 
gesehn,  und  so  wandte  er  sich  an  einen  Bauer  mit 
der  Frage:  ,,Wie  nennt  man  denn  das?" 

,,Eine  Windmühle." 

Und  der  Hodscha  fragte  weiter:  ,,Und  wo  ist 
denn  dann  das  Wasser?" 

,,Es  ist  eine  Windmühle." 

Und  der  Hodscha  sagte:  „Ich  versteh  dich 
schon,  ich  versteh  dich  schon;  du  hast  recht. 
Aber  wo  ist  denn  das  Wasser?" 

Auch  diese  Rede,  die  Tausenden  von  Leuten 
bekannt  ist,  ist  zum  Sprichworte  geworden. 

DEr  Hodscha  hatte  einmal  einer  Frau  ihren 
Zwirnknäuel  genommen,  der  ganz  klein  war; 
die  sagte  jedoch:  „Ich  hatte  sehr  viel  Zwirn;  es 

95 


war  beinahe  ein  Batman  ^.  Aber  man  hat  ihn 
mir  gestohlen," 

Der  Hodscha,  der  dabei  war,  als  sie  das  sagte, 
konnte  nicht  an  sich  halten;  er  zog  den  Zwirn 
hervor  und  sagte,  ihn  in  der  Hand  haltend,  zu 
der  Frau:  „Nun  pack  dich  aber;  geh  deine 
Schande  verbergen," 

178.  "T^lnes   Tages   begegnete   der   Hodscha,   als   er 

Xlf  seine  Straße  zog,  einem  Turkmanen,  und  der 
sagte  zu  ihm;  ,,Was  bist  du?  bist  du  ein  Faki"?" 

Der  Hodscha  antwortete:  ,,Ja." 

„Wir  haben  jetzt  keinen  Faki  in  unsern 
Zelten;  komm  mit,  und  du  sollst  sofort,  wann  du 
bei  uns  bist,  unser  Faki  werden," 

Der  Hodscha  machte  keine  Einwendung,  und 
so  gingen  sie  miteinander.  Auf  dem  Wege  trafen 
sie  einen  zweiten  Turkmanen  und  der  fragte  den 
ersten:  ,,Wer  ist  das?" 

„Das  ist  ein  Faki  und  ich  führe  ihn  in  unsere 
Zelte," 

Da  sagte  der  andere:  „Geh,  schenk  mir  den 
Faki;  wir  haben  keinen  in  unsern  Zelten," 

Nun  erhob  sich  ein  Streit  zwischen  den 
zweien:  der  eine  packte  den  Hodscha  bei  der 
einen  Hand,  der  andere  bei  der  andern,  und  so 
zogen  sie  ihn  hin  und  her,  bis  endlich  der  später 
gekommene  seine  Keule  aus  dem  Gürtel  riß  und 
schrie:  „Jetzt  schlage  ich  den  Faki  nieder;  wann 


^  Der  Batman,  ursprünglich  und  auch  jetzt  noch  ein 
persisches  Handelsgewicht,  hat  heute  in  der  Türkei  sechs 
Oka,  also  etwa  siebenundeinhalb  Kilogramm, 

•^  Ein  Rechtsgelehrter. 

96 


er  dann  tot  ist,  wirst  ihn  du  ebenso  wenig  haben 
wie  ich." 

Der  Hodscha  fiel  vor  Schrecken  um,  und  wie 
er  so  dalag,  sagte  der  erste:  ,,Wenn  du  ihn  nicht 
erschlägst,  so  bekommst  du  meinen  großen 
schwarzen  Hund;  erschlägst  du  ihn,  so  bekommst 
du  nichts," 

Heutzutage  weiß  man  nicht,  was  Wissen- 
schaft, Tüchtigkeit  und  Geschicklichkeit  in  Wahr- 
heit wert  sind;  man  geht  mit  Leuten  um,  die  noch 
weniger  verstehn  als  man  selbst,  und  weiß  nicht 
mehr,  was  das  Wissen  wirklich  bedeutet.  Die 
Rede  des  ersten  Turkmanen  ist  übrigens  zum 
Sprichworte  geworden. 

MAn  erzählt,  daß  der  Hodscha  eines  Tages  179, 

vom  Dache  gefallen  ist;  und  seine  Freunde 
sind  gekommen,  um  sich  um  sein  Befinden  zu 
erkundigen. 

Da  fragte  sie  der  Hodscha:   ,,Ist  unter  euch 
einer,  der  auch  vom  Dache  gefallen  ist?" 
„Niemand,"  antworteten  sie. 
Nun  sagte  der  Hodscha:  ,,Ihr  betrachtet  mich 
also  nicht  als  euern  Kameraden." 


UM  ihn  auf  seine  Frau  argwöhnisch  zu  machen,  180. 

sagte  man  eines  Tages  zum  Hodscha:  ,, Deine 
Frau  geht  viel  aus," 

Er  antwortete:  „Sie  kommt  stets  wieder  heim 
von  ihren  Ausgängen." 

,,Das  ist  es  nicht,  Hodscha;  sie  ist  ein  wenig 
zu  frei." 

Der  Hodscha  antwortete:  „Wenn  sie  zu  frei 

Nasreddin,   I.  7  97 


ist,  so  hat  die  Schuld  daran  ihr  Schleier,  der  zu 
klein  ist," 

„Das  ist  es  auch  nicht,  Hodscha,"  sagten  die 
andern;  ,,sie  geht  bald  hierhin,  bald  dorthin," 

„Fürwahr,"  rief  der  Hodscha,  ,,das  ist  mir 
sehr  lieb,  daß  sie  hierhin  und  dorthin  geht," 

Sie  sagten:  „Das  ists  noch  immer  nicht;  sie 
geht  mit  Fremden  bald  hierhin,  bald  dorthin," 

„Na,  und  ich,"  antwortete  der  Hodscha,  „bin 
denn  ich  vielleicht  ihr  Bruder  oder  ihr  Vater?" 

181.  A  Ls  der  Hodscha  einmal  krank  war,  besuchte 
XA.  ihn  ein  reicher  Mann,  um  sich  über  sein  Be- 
finden zu  erkundigen,  und  der  sagte  zu  ihm: 
„Hodscha ,  was  ist  denn  dein  heimlicher 
Wunsch?"  Der  Hodscha  antwortete:  ,, Ich  möchte 
eine  Schüssel  Pilaf," 

Augenblicklich  ließ  der  Reiche  Pilaf  bereiten 
und  brachte  dem  Hodscha  eine  Schüssel  voll;  der 
Hodscha  verschlang  den  Pilaf  mit  Heißhunger, 
so  daß  ihn  der  Geber  fragte:  ,,Wird  es  dir  denn 
nicht  schaden,  wenn  du  so  viel  Pilaf  ißt?" 

Der  Hodscha  antwortete:  ,,Je  weniger  einem 
etwas  schaden  kann,  desto  weniger  Freude  hat 
man  daran," 

182.  "pines  Tages  fiel  sein  Sohn  in  einen  Brunnen, 
XZtf  und  die  Leute  kamen  es  dem  Hodscha  mel- 
den. Unverzüglich  lief  er  zu  dem  Brunnen  und 
rief  hinunter:  „Sohn,  bist  du  unten?" 

„Liebster  Vater,"  antwortete  unten  der  Sohn, 
„bring  mir  Sukkurs,  damit  du  mir  hilfst,  heraus- 
zukommen," 

„Es  ist  ganz  überflüssig,"  erwiderte  der  Hod- 

98 


scha,  „daß  ich  erst  Sukkurs  hole;  ich  werde  ein- 
fach nach  Hause  gehn  um  eine  Leiter,  und  so 
werde  ich  dich  schon  herausbringen  \" 

Einmal  kam  der  Hodscha  nach  Malati  je.    Als      -        183. 
er  dort  durch  die  Straßen  ging,  sah  er  einen 
kleinen  Knaben  mit  einem  Dukaten  spielen,  den 
er  gefunden  hatte;  da  sagte  er  zu  dem  Knaben: 
,,Komm,  mein  Sohn,  ich  gebe  dir  einen  Asper;  y 

du  gibst  mir  dafür  das  Stück  Kupfer."  / 

Der  Knabe  antwortete:  ,,Ich  weiß,  was  ein 
Asper  ist;  brälle  einmal  wie  ein  Esel,  und  ich 
gebe  dir  das  Kupferstück," 

Von   seiner   Habgier   gestachelt,   begann   der 
Hodscha  zu  brällen.    Als  er  aber  innehielt,  sagte 
der  Knabe:  ,,Aber  Freund,  wenn  ein  Esel  wie  du 
weiß,  was  ein  Dukaten  wert  ist,  warum  sollte  es        , 
denn  ein  Knabe  wie  ich  nicht  wissen?"  // 

Einmal  verließ  der  Hodscha  sein  Haus  und  be-  184. 

gann  auf  der  Straße  etwas  zu  suchen.  Seine 
Frau  sah  das  und  fragte  ihn;  „Was  suchst  du, 
Hodscha?" 

Er  antwortete:  ,,Ich  habe  meinen  Ring  ver- 
loren; jetzt  suche  ich  ihn." 

Sie  fragte  weiter:  „Wo  hast  du  ihn  denn  ver- 
loren?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Drinnen  im  Hause 
habe  ich  ihn  fallen  lassen." 

„Ja,  warum  suchst  du  dann  heraußen?" 


1  Der  Scherz  beruht  darauf,  daß  der  Sohn  kindischer- 
weise ein  (arabisches)  Fremdwort  anwendet,  das  der 
Vater  entweder  nicht  versteht  oder  nicht  verstehn  will, 

7*  99 


•^i  <i/o>^L^ 


„Drinnen  ists  finster  und  heraußen  licht. 
Wollte  nur  Gott,  daß  ich  ihn  schon  wieder  ge- 
funden hätte!" 

185.  "TV  Er   Hodscha   sah   eines   Tages   eine   Anzahl 

J--/  Bauern  herankommen;  da  streckte  er  sich 
lang  auf  der  Erde  aus  und  blieb  unbeweglich.  So 
lag  er  noch,  als  einer  von  den  Bauern  hinkam; 
der,  der  ihn  für  tot  hielt,  ging  zu  seinen  Gesellen 
zurück  und  sagte  zu  ihnen:  ,,Der  arme  Hodscha 
ist  gestorben;  wir  müssen  unter  uns  für  sein  Be- 
gräbnis sammeln." 

Sie  besteuerten  einander  und  brachten  fünf- 
hundert Asper  zusammen.  Als  sie  dann  alle 
um  den  Hodscha  standen,  sagten  sie:  „Um  ein 
Leichentuch  zu  kaufen,  sind  hundert  Asper  ge- 
nug; wer  will  es  denn  übernehmen,  die  vierhun- 
dert, die  noch  übrig  bleiben,  zu  ihm  nach  Hause 
zu  tragen?" 

Alsbald  hob  der  Hodscha  den  Kopf  und  rief: 
,,Gebt  nur  die  vierhundert  Asper  her:  ich  will 
sie  mit  Vergnügen  nach  Hause  tragen;  so  viel 
habe  ich  ja  in  meinem  ganzen  Leben  nicht  in  der 
Hand,  geschweige  denn  im  Besitze  gehabt," 


186.  ^TAch  dem,  was  man  erzählt,  war  einmal  ein 

X N  Kadi  in  trunkenem  Zustande,  als  der  Sultan 
Mehemed-Chan  von  ungefähr  bei  ihm  eintrat. 
Und  der  Sultan  sagte  zum  Kadi:  „Fürchtest  du 
nicht  Gott  und  hast  du  keine  Scheu  vor  dem  Pro- 
pheten? Ist  es  denn  möglich,  daß  ein  gelehrter 
Mann  und  Kadi  seinen  weißen  Bart  also  mit 
Wein  besudelt?" 

„Padischah,"    antwortete    der    Kadi,    „wenn 

100 


meine  dürren  Hände  nicht  zitterten,  hätte  mein 
Bart  nicht  einen  Tropfen  von  meinem  Weine  be- 
kommen." 

Der  Padischah  fand  an  dieser  Antwort  des 
Kadis  ein  solches  Vergnügen,  daß  er  ihm  eine 
große  Gnade  erwies, 

ZU  der  Zeit,  v/o  Harun  al  Raschid  Chalif  war,  1S7. 

gab  sich  einer  für  einen  Propheten  aus. 
Harun  ließ  seine  Ärzte  rufen  und  sagte  zu  ihnen: 
„Fühlt  ihm  den  Puls;  wir  werden  sehn,  woher 
das  kommt." 

Die  Ärzte  fühlten  ihm  den  Puls  und  unter- 
suchten ihn;  dann  sagten  sie:  ,,Er  hat  Dinge  ge- 
gessen, die  ihm  zu  Kopf  gestiegen  sind  und  ihm 
den  Verstand  verwirrt  haben." 

Harun  sagte:  „Man  bringe  ihm  vierzig  Tage 
lang  leichte  Gerichte  aus  meiner  Küche;  wenn  es 
dem  Allmächtigen  gefällt,  wird  das  eine  Ände- 
rung und  einen  Wechsel  in  seinem  Wesen  herbei- 
führen." 

So  wurde  also  der  angebliche  Prophet  vierzig 
Tage  lang  genährt;  und  als  sie  abgelaufen  waren, 
wurde  er  dem  Chalifen  von  neuem  vorgeführt. 
Der  Chalif  fragte  ihn:  „Bist  du  noch  immer  ein 
Prophet?" 

Er  antwortete:  „O  Harun,  nach  den  Herrlich- 
keiten, womit  du  mich  überhäuft  hast,  erhebe  ich 
keinen  Anspruch  mehr,  ein  Prophet  zu  sein,  son- 
dern ein  Gott." 

Ein   Sultan   verließ   eines   Morgens    zu    guter  18B. 

Stunde  seinen  Palast;  er  zog  in  den  Krieg. 
Auf  dem  Wege  sah  er,  wie  ihm  ein  Musikant  ent- 

101 


gegenkam,  der  ein  Instrument  in  der  Hand  hielt; 
;W^-^i,^  und  der  hatte  einen  scheelen  und  halbstarren  Blick. 

'  /  Der   Sultan   versah   sich   von   dieser   Begegnung 

nichts  guten;  drum  ließ  er  dem  Musikanten  vier- 
zig Stockstreiche  geben  und  ihn  in  den  Kerker 
vi^erfen.  Ein  Jahr  verstrich,  und  der  Sultan 
kehrte,  nachdem  er  sich  zahlreiche  Länder  unter- 
worfen hatte,  als  Sieger  und  ruhmbedeckt  in  seine 
Hauptstadt  heim.  Nun  kam  ihm  der  Musikant 
wieder  ins  Gedächtnis;  er  ließ  ihn  aus  dem 
Kerker  holen  und  sich  ihn  vorführen. 

Der  Musikant  sagte:  „Sieh,  Herr,  nun  bist  du 
als  Sieger  zurückgekommen.  Als  ich  dir  be- 
gegnet bin,  sah  ich  im  Geiste  deine  Eroberungen 
voraus.  ,Gott  sei  gelobt,'  sagte  ich  mir,  ,daß  ich 
dich  sehe,'  und  nahm  es  als  ein  gutes  Vorzeichen. 
Unterdessen,  siehe,  ist  es  jetzt  ein  Jahr,  daß  ich 
im  Kerker  bin;  wie  viel  Ungemach  und  Kümmer- 
nis habe  ich  gelitten!  Wer  von  uns  war  denn  nun 
eigentlich  dem  andern  ein  böser  Angang?" 

Der  Sultan  nahm  die  Rede  des  Musikanten  in 
gutem  auf,  überhäufte  ihn  mit  Wohltaten  und  ent- 
ließ ihn  als  zufriedenen  Mann. 

Es  ist,  wie  man  sieht,  notwendig,  daß  sich  die 
Sultane  und  ihre  Minister  derer  erinnern,  die  im 
Kerker  schmachten,  und  sie  sofort,  wann  sie  ihnen 
ins  Gedächtnis  kommen,  vor  sich  rufen. 

189.  Ti/[  An  erzählt,  daß  einmal  in  Konstantinopel  ein 

J. '^  1.  Schneider  lebte,  der  eine  besondere  Ge- 
schicklichkeit zeigte,  beim  Zuschneiden  Tuch  zu 
stehlen.  Eines  Tages  waren  etliche  Meister  seines 
Handwerks  bei  ihm,  als  man  ihm  einen  Brokat- 
stoff brachte;  um  nun  zu  sehn,  wie  er  es  anstelle, 

102 


c>^^ 


etwas  verschwinden  zu  lassen,  sagten  sie  zu  ihm: 
„Schneide  nur  gleich  zu," 

Der  durchtriebene  Geselle  merkte  ihre  Ab- 
sicht, ihm  eine  Falle  zu  legen,  bemerkte  aber 
auch,  daß  der  Stoff  sehr  prächtig  war;  und  er 
sprach  bei  sich  selber:  ,, Sollte  ich  es  denn  nicht 
verstehn,  mir  einen  Teil  dieses  herrlichen  Brokats 
anzueignen?"  Indem  er  dieser  Betrachtung  nach- 
hing, überzeugte  er  sich,  daß  die  andern  Meister 
kein  Auge  von  dem  Stoffe  verwandten.  Da  ließ 
er,  ohne  sich  vom  Flecke  zu  rühren,  einen  Wind. 
Die  andern,  die  auf  dem  Diwan  saßen,  begannen 
so  herzlich  zu  lachen,  daß  sie  auf  den  Rücken 
fielen;  und  der  Schelm  ließ,  ohne  einen  Augen- 
blick zu  verlieren,  ein  Stück  Stoff  verschwinden. 

Sie  schrien:  „Haha,  Meister,  du  bist  also  nicht 
nur  ein  Schneider,  sondern  auch  ein  Schalk;  jetzt 
aber  soll  unsere  Aufmerksamkeit  nur  dem  Schnei- 
der gehören." 

Er  ließ  einen  zweiten  Wind.  Wieder  be- 
gannen sie  zu  lachen,  und  ein  zweites  Stück  Stoff 
ging  den  Weg  des  ersten. 

Nun  sagten  sie:  „Meister,  das  Spiel  mag  noch 
einmal  angehn,  dann  muß  aber  Schluß  sein;  sonst 
platzen  wir  noch." 

Und  der  verschmitzte  Bursche  antwortete: 
„Ich  würde  euch  ja  wirklich  gern  euern  Willen 
tun;  sollte  ich  es  aber  noch  ein  drittes  Mal 
machen,  so  würde  der  Stoff  nicht  mehr  für  einen 
Kaftan  reichen." 

Einem  Schneider  träumte,   daß   der  Tag   des 
jüngsten  Gerichtes  gekommen  sei;  er  wurde 
auf   dem   Platze   herumgeführt,    und   am    Halse 

103 


190.  f\J^ 


hingen  ihm  alle  die  Tuchstücke,  die  er  gestohlen 
hatte.  Als  er  erwachte,  zitterte  er  vor  Furcht. 
Es  wurde  Morgen  und  er  ging  in  seine  Werkstatt; 
dort  erzählte  er  seinen  Traum  den  Gesellen  und 
sagte  ihnen:  ,,Wenn  ich  mich  wieder  einmal  nicht 
beherrschen  kann,  und  wenn  ihr  seht,  daß  ich  ein 
Stück  Stoff  für  mich  nehme,  so  sagt  zu  mir: 
,Meister,  denk  an  den  Kragen.'  Mir  wird  dann 
die  Erinnerung  wiederkehren,  und  ich  werde 
nichts  unterschlagen." 

Einige  Zeit  darauf  brachten  ihm  etliche  Leute 
einen  herrlichen  Stoff;  er  konnte  der  Versuchung 
nicht  widerstehn  und  ließ  geschickt  ein  Stück 
unter  den  Augen  der  Eigentümer  verschwinden. 
Da  schrie  auch  schon  ein  Geselle:  ,, Meister,  denk 
an  den  Kragen." 

Aber  er  erwiderte:  ,,Was  habe  ich  mich  daran 
zu  erinnern?  ein  Stück  wie  das  war  gar  nicht 
dabei." 

191.  "PT^^  Schneider  verkaufte  die  Stücke  Tuch,  die 
.-j^M          HL«  er    stahl,    einem    alten    Schuft    von    einem 

"  Juden,     Nun  kam  einmal  einer,  Her  sich  bei  ihm 

hatte  einen  Kaftan  machen  lassen,  und  machte 
ihm  einen  Auftritt,  weil  er  ihm  Stoff  gestohlen 
habe. 

Aber  der  Schneider  antwortete:  ,,Ich  habe  den 
Stoff  nicht;  der  alte  jüdische  Schuft,  der  hat  ihn." 

192.  T^Ine  Kaufmannsfrau  benutzte  einmal  die  Zeit, 
JQrf  WO  ihr  Gatte  im  Tidscharet  ^  war,  um  ihre 
Gebete  zu  verrichten.     Dabei  entwischte  ihr  ein 

1  Ein  arabisches  Wort,  das  Handel  und  etwa  Börse 
bezeichnet. 

104 


Wind,  aber  sie  wußte  nicht  ganz  genau,  ob  es 
wirklich  ein  Wind  gewesen  sei  oder  ob  nicht  viel- 
leicht das  Geräusch  von  einem  Seufzer  hergerührt 
habe ,  den  sie  im  Gebete  ausgestoßen  hatte. 
Darum  ging  sie  um  Rat  zu  einem  weisen  Greise; 
sie  erzählte  ihm  den  Vorfall  und  bat  um  Auskunft. 
Der  Greis  ließ  nun  auch  einen  Wind  und  fragte 
sie:  „War  es  so  ein  Geräusch?" 

,,Nein,"  antwortete  sie,  ,,es  war  stärker." 
Er  ließ  einen  zweiten;  ,,War  es  so?" 
,,Es  war  noch  stärker."  ,» 

Da   schrie   der   Greis:    ,, Jetzt   geh   aber   zum    f 
Teufel!  ich  habe  mich  beschissen," 

MAn  erzählt,  daß  einmal  ein  Mann  in  Kon-  193. 

stantinopel  zum  Kadi  von  Jerusalem  be- 
stimmt worden  ist.  Er  traf  ein  Übereinkommen 
mit  einem  Schiffsherrn  und  bestieg  mit  seinem 
ganzen  Gefolge  das  Schiff.  Eben  wollte  man  die 
Anker  lichten  und  in  die  See  stechen,  als  ein  Jude 
daherkam  und  an  Bord  ging;  er  brachte  zwei 
Körbe  mit,  die  dem  Anscheine  nach  nichts  sonst 
als  Kleider  enthielten,  und  bat  den  Kadi,  sie  mit- 
zunehmen. Der  Kadi  hieß  den  Juden,  sie  einem 
aus  seinem  Gefolge,  der  dabeistand,  zu  über- 
geben. Als  sich  der  Jude  entfernt  hatte,  sah  der 
andere,  daß  in  den  Körben  eine  Menge  Pasterma^ 
war,  und  schnitt  sich  sofort  ein  Stück  ab;  da  er 
es  nach  seinem  Geschmacke  fand,  versäumte  er 
nicht,  auf  der  ganzen  Reise  davon  zu  essen,  so 
daß  schließlich,  als  sie  im  Hafen  von  Jaffa  an- 
kamen, nicht  ein  Stückchen  davon  mehr  da  war. 


^  Getrocknetes  Fleisch. 

105 


Alle  Reisenden  stiegen  aus  und  gelangten  glück- 
lich nach  Jerusalem, 

Der  Diener  des  Kadis  machte  sich  zwar  Vor- 
würfe, daß  er  das  Pasterma  des  Juden  gegessen 
hatte,  tröstete  sich  aber  damit,  daß  er  sich  vor- 
nahm, ihn  auf  die  eine  oder  dip  andere  Weise 
schadlos  zu  halten.  Unterdessen  kam  schon  der 
Jude  herbei,  und  er  sagte  zu  ihm:  ,,Du,  ich  muß 
mit  dir  reden;  mir  ist  etwas  ärgerliches  zu- 
gestoßen, das  dich  gewissermaßen  angeht:  mit 
einem  Wort,  ich  habe  das  Pasterma  gegessen,  das 
in  deinen  Körben  war.  Sag  mir,  welchen  Preis 
du  dafür  haben  willst  oder  wie  wir  uns  sonst  aus- 
einandersetzen sollen." 

Bei  dieser  Rede  begann  der  Jude  zu  wimmern 
und  sich  den  Bart  zu  raufen;  alsbald  versammelte 
sich  eine  Menge  Leute  um  sie  und  man  fragte  den 
Juden:  ,,Was  gibt  es  denn,  Jude?" 

Für  einen  Augenblick  hörte  der  Jude  auf  zu 
weinen,  sich  den  Bart  zu  raufen  und  zu  heulen, 
freilich  ohne  daß  er  etwas  gesagt  hätte;  sofort 
aber  begann  er  sich  wieder  auf  den  Kopf  zu 
schlagen  und  den  Bart  zu  raufen.  Dann  stieß  er 
einen  Schrei  aus,  packte  den  andern  beim  Kragen 
und  schleppte  ihn  vor  den  Richter. 

Der  fragte  seinen  Diener:  ,,Was  hast  du  dem 
Menschen  da  genommen?" 

Der  Diener  antwortete:  „Gnädiger  Herr,  der 
Jude  ist  mit  uns  zu  Schiffe  gestiegen;  er  hatte 
eine  gewisse  Menge  Pasterma  bei  sich.  Davon 
habe  ich  jeden  Tag  etwas  gegessen,  so  daß  bei 
unserer  Ankunft  in  Jaffa  nichts  mehr  da  war. 
Ich  habe  ihm  die  Sache  erklärt  und  habe  ihm  zur 
Entschädigung  Geld  geboten;  aber  anstatt  meinen 

106 


Vorschlag  anzunehmen,  rauft  er  sich  Haare  und 
Bart  aus  und  hängt  mir  einen  Rechtshandel  an." 

Nun  sagte  der  Richter:  „Sprich,  Jude,  was 
beanspruchst  du?" 

„Gnädiger  Herr,"  sagte  der  Jude,  „der  Mann 
hat  mir  in  dem,  was  auf  dem  Schiffe  war,  einen 
unersetzlichen  Schaden  zugefügt." 

„Weiter,"  sagte  der  Kadi,  „damit  wir  sehn, 
worum  es  sich  handelt,"  / 

„Herr,"  sagte  der  Jude,  ,,mein  V^i^r,  der  ein 
reicher  Kaufmann  war,  war  erkrapld;;  als  es  nun 
ans  Sterben  ging,  hat  er  mir  nachdrücklichst  ans 
Herz  gelegt,  ihn  in  Jerusalem  zu  begraben.  Dazu 
habe  ich  kein  leichteres  Mittel  gefunden,  als  sein 
Fleisch  von  den  Knochen  zu  lösen,  Pasterma 
daraus  zu  machen  und  es  in  Körben  zu  verpacken. 
Als  ich  aber  das  väterliche  Pasterma  zurück- 
gefordert habe,  hat  sich  herausgestellt,  daß  alles 
aufgegessen  ist,  alles  sage  ich,  bis  auf  den  letzten 
Bissen." 

Der  Kadi  sah,  daß  in  diesem  Falle  nichts  zu 
machen  war;  er  schickte  den  Juden  weg  und 
sprach  seinen  Diener  ledig. 

Das  also  erzählt  man  von  dem  Rechtshandel, 
in  dem  ein  Mann  aufgetreten  ist,  der  einen  Juden 
ganz  und  gar  aufgegessen  hat. 

ES  war  einmal  in  Konstantinopel  beim  Iki-Kapu  294. 

im  Viertel  Kara-Agadsch  ein  Gassenjunge, 
Akinedschi-Sadeh  mit  Namen,  der  es  gar  trefflich 
verstand,  auf  eine  bissige  Rede  schlagfertig  zu 
antworten. 

Eines  Tages  verschloß  einer  seinen  Laden  und 
brachte  innen  das  Schlagtürchen  an.    Akinedschi 

107 


ging  hin  und  klopfte  an  das  Türchen.  Der  andere 
sagte:  „Was  willst  du?" 

,,Komm  näher;  ich  muß  dir  etwas  sagen." 

Daraufhin  öffnete  der  andere  das  Türchen 
und  sagte:  „Was  mußt  du  mir  sagen?" 

Akinedschi  antwortete:  „Ich  habe  ein  Ver- 
hältnis mit  deiner  Mutter;  sag  es  aber  niemand." 

„Und  du,  bist  du  nicht  der  Sohn  einer  Hure, 
die  man  ruft,  wenn  man  sie  braucht?" 

,,Das  ist  eine  Lüge,"  antwortete  Akinedschi; 
,, meine  Mutter  ist  ja  nicht  die  deinige." 

195.  "Fj^Inmal  hörte  einer  predigen:  „Wenn  man  bei 

JLitf  Einbruch  der  Nacht  seine  eheliche  Pflicht 
erfüllt,  so  wird  das  belohnt  werden  wie  die  Opfe- 
rung eines  Schafes.  Geschieht  es  bei  Tage,  so 
wird  es  so  viel  gelten  wie  die  Freilassung  eines 
Sklaven.  Und  um  Mitternacht  wird  es  belohnt 
werden  wie  die  Opferung  eines  Kamels." 

Der  Zuhörer  erzählte  diese  Rede,  als  er  heim- 
gekommen war,  seiner  Frau.  Die  Nacht  kam  und 
sie  legten  sich  mitsammen  nieder,  und  schon 
fühlte  sich  die  Frau  vom  Verlangen  gepackt. 
„Komm,"  sagte  sie  zu  ihrem  Manne,  ,,wir  wollen 
den  Lohn  gewinnen,  der  für  den  Beginn  der  Nacht 
festgesetzt  ist."  ,, Meinetwegen,"  sagte  der  Mann; 
und  er  befriedigte  sie. 

Um  Mitternacht  fühlte  sie  sich  wieder  auf- 
gelegt und  sagte  zum  Manne:  „Wach  auf.  Mann, 
damit  wir  den  Vorteil  der  Opferung  eines  Kamels 
A.<rv<>^  erwerben."  Der  Mann  ermunterte  sich  und  stillte 
ihr  Begehren  von  neuem. 

Als  der  Morgen  anbrach,  sagte  sie,  noch 
immer  stark  erregt:  „Auf,  Mann;  wir  wollen  den 

108 


Preis  gewinnen,  der  für  die  Freilassung  eines 
Sklaven  gilt." 

Aber  nun  sagte  der  Mann:  „Gewinne  ihn  da- 
durch, daß  du  zuerst  mich  freiläßt,  der  ich  ja  dein 
Sklave  bin." 

Eines   Tages   pflückte  Mewlana   Dschami  ^   in  196. 

seinem    Garten    Pfirsiche,    als    der    Sultan  j^j^ 

Husejn  Bähadur  zu  ihm  kam,  begleitet  von  einem 
Kämmerling  und  seinem  jungen  Liebling  Tschok- 
dar.  In  diesem  Augenblicke  hatte  Mewlana 
Dschami  vier  Pfirsiche  in  der  Hand;  davon  bot 
er  sofort  einen  dem  Padischah  an,  einen  dem 
Kämmerling  und  zwei  Tschokdar. 

Nun  sagte  der  Sultan:  „Warum  hast  du  uns 
zweien  jedem  nur  einen  Pfirsich  gegeben,  dem 
Knaben  aber  zwei?" 

,,Ich  habe  ihm  nur  einen  gegeben,"  antwortete 
Mewlana  Dschami;  „der  andere  ist  nur  geborgt ^" 

Ein  Narr  gab  sich  für  einen  Propheten  aus;  er  197. 

wurde  festgenommen  und  vor  den  Sultan  ge- 
führt. Der  Sultan  verhörte  ihn  in  Gegenwart  jlJ/^ 
des  Kadis  und  sagte  dann  zu  diesem:  „Der 
Mensch  da  ist  von  einer  abgeschmackten  An- 
maßung; was  soll  mit  ihm  nach  dem  Worte  Gottes 
geschehn?" 

Der  Kadi  antwortete:  ,,Wenn  er  hartnäckig 
bei  seiner  Behauptung  bleibt  und  sich  sie  zu 
widerrufen  weigert,  soll  er  zum  Tode  verurteilt 
werden." 


1  Der  berühmte  persische  Dichter    (1414  bis   1492). 

2  Im  Türkischen  wird  das  Wort  Pfirsich  als  Synonym 
für  Kuß  gebraucht. 

109 


Nun  sagte  der  Sultan  zu  dem  Angeklagten: 
,,Da  du  sagst,  du  seist  ein  Prophet,  so  laß  uns  ein 
Wunder  sehn." 

Der  angebliche  Prophet  antwortete:  ,,Man 
bringe  mir  einen  scharfen  Säbel." 

„Was  willst  du  damit?" 

„Dem  Kadi  den  Kopf  abschlagen;  dann  werde 
ich  ihn  vom  Tode  erwecken," 

Den  Kadi  erfaßte  ein  ungeheuerer  Schrecken 
und  er  begriff  die  Absicht  des  Propheten;  er  ver- 
lor den  Kopf  und  schrie:  ,,Ach,  Freund,  ich  be- 
kehre mich  als  der  erste  zu  deiner  Lehre;  nimm 
mich  auf  in  die  Zahl  der  Stifter." 

198.  "VVTIeder  einmal  gab  sich  einer  für  einen  Pro- 

W  phcten  aus;  er  wurde  vor  den  Padischah 
geführt  und  der  fragte  ihn:  ,,Ist  es  wahr,  daß  du 
Anspruch  auf  die  Würde  eines  Propheten  er- 
hebst?"^ 

,,Ja,"  antwortete  der  Narr. 

„Gut,"  fuhr  der  Sultan  fort;  „laß  uns  ein 
Wunder  sehn," 

,,Sag  mir,  was  du  wünschest." 

In  diesem  Augenblicke  brachte  ein  Diener  dem 
Herrscher  ein  Schloß,  daß  man  mit  elf  Schlüsseln 
nicht  hatte  aufsperren  können;  sofort  sagte  der 
Sultan  zu  dem  Angeklagten:  „Gut;  sperre  uns 
dies  Schloß  ohne  Schlüssel  auf." 

„Habe  ich  mich",  sagte  der  Wahnwitzige, 
„einen  Propheten  genannt  oder  einen  Schlosser?" 

199.  "KJ^  An  erzählt,  daß  ein  Muselman,  der  sein 
1^1.  ganzes  Leben  lang  die  Vorschriften  Moham- 
meds beobachtet  gehabt  hat,  auf  einmal  im  Rama- 

110 


San  mit  den  Juden  gegessen  hat.  Er  sagte,  er  habe 
sich  zu  ihrem  Glauben  bekehrt;  aber  im  Bairam 
sagte  er  zu  ihnen,  er  sei  nicht  mehr  ihr  Glaubens- 
genosse. Da  schrien  die  Juden:  „Was  soll  das 
heißen?  bist  du  nicht  einer  der  unsern?" 

„Was?"  schrie  der  Bekehrte;  „ich  war  dreißig 
Jahre  im  moslimischen  Glauben,  ohne  ein  rich- 
tiger Mohammedaner  werden  zu  können,  und  ein 
Jude  sollte  ich  werden  können  in  dreißig  Tagen? 
Das  ist  unmöglich." 

ZU  Nasreddin,  dem  Hodscha,  kam  einmal  einer  200. 

und  bat  ihn,  ihn  zu  beherbergen.  Nun 
herrschte  beim  Hodscha  eine  solche  Dürftigkeit, 
daß  sogar  die  Mäuse  vor  Hunger  ausgerissen 
waren.  Als  die  Nacht  kam,  richtete  der  Reisende 
an  den  Hodscha  die  Frage,  wo  sie  sich  nach  dem 
Abendessen  schlafen  legen  würden.  Der  Hodscha 
antwortete:  ,, Gegessen  haben  wir  schon,  bevor  du 
gekommen  bist;  willst  du  dich  jetzt  niederlegen?" 

Der  Fremde  lag  noch  nicht  lange,  als  er  den 
Hodscha  anrief  und  sagte:  ,,Gib  mir  eine  Decke; 
mich  friert  sehr." 

Nasreddin  antwortete:  ,,Habe  ich  denn  eine, 
die  ich  dir  geben  könnte?  es  ist  übrigens  nicht  so 
kalt,  daß  du  zittern  könntest," 

,, Schon  gut,"  antwortete  der  Fremde,  nach- 
dem er  einen  Augenblick  gezögert  hatte. 

Aber  der  Hodscha  begann  zu  überlegen; 
schließlich  sagte  er:  ,,Ich  habe  eine  Leiter;  willst 
du  sie?" 

„Bring  sie  meinetwegen;  es  liegt  ja  nichts 
daran," 

Der  Hodscha  brachte  die  Leiter  und  legte  sie 

111 


auf  ihn.  Aber  bald  sagte  der  Gast,  dem  noch 
immer  nicht  recht  warm  werden  wollte:  „Denk 
ein  wenig  nach;  vielleicht  hast  du  doch  noch 
etwas,  was  du  mir  geben  könntest." 

Nach  einem  Augenblicke  schrie  der  Hodscha: 
,,Du  hast  recht;  ich  habe  noch  einen  Trog:  was 
sagst  du  dazu?" 

„Bring  ihn  immerhin," 

Nasreddin  holte  den  Trog,  der  noch  ganz  voll 
Wasser  war,  und  setzte  ihn  auf  die  Leiter.  Als 
sich  aber  der  Gast,  den  das  Gewicht  der  zwei 
Dinge  drückte,  umdrehn  wollte,  kippte  der  Trog 
um  und  goß  seinen  Inhalt  aus.  Der  also  über- 
schwemmte rief  den  Hodscha  von  neuem  an  und 
schrie:  ,,Nimm  die  Decken  weg;  ich  bin  schon 
ganz  naß." 

201.  A   Uf  einer  Reise,  die  er,  um  etwas  zu  lernen, 

xtL  unternommen  hatte,  kam  der  Hodscha  ein- 
mal in  ein  Land,  dessen  Bewohner  den  Brauch 
hatten,  auf  ihren  Häusern  für  jeden  Krug  voll 
Gold,  den  sie  besaßen,  Je  eine  Fahne  aufzuziehen; 
man  sah  also  Häuser  mit  einer,  zwei,  drei,  vier 
und  fünf  Fahnen.  Nachdem  der  Hodscha  dort 
ein  Jahr  lang  gelebt  hatte,  füllte  er  mehrere 
Töpfe  mit  Kieseln  und  pflanzte  für  jeden  eine 
Fahne  auf.  Nun  war  es  weiter  in  diesem  Lande 
Sitte,  daß  im  Bairam  einer  den  andern  einlud, 
und  so  kam  die  Reihe  auch  an  den  Hodscha. 
Nach  dem  Mahle  ging  man  ins  Bad;  seine  Gäste 
bemerkten  die  Töpfe,  fanden  sie  aber  alle  voll 
Kiesel.  Und  sie  sagten  zu  ihm:  „Aber  Hodscha, 
da  sind  ja  nur  Steine  drinnen?" 

„Ob  es  Gold  ist,"  antwortete  der  Hodscha, 

112 


w 


„oder  Steine,  das  läuft  auf  dasselbe  hinaus,  wenn 
es  nur  dazu  da  ist,  um  in  den  Töpfen  zu  bleiben." 


IN    der    Fastenzeit    des    Bairams    wurde    ein  202. 

Kalender    gefragt:    „An    welchen    Tagen    in 
diesem  Monat  ißt  man  und  an  welchen  nicht?" 
Scheinheilig  antwortete  er:  ,,Ich  weiß  es  nicht, 
an  welchem  Tage  man  fastet;  denn  ich  esse  nur 
einmal  im  Monat." 


Ein  Arzt  fühlte  einem  Kalender  den  Puls;  der  203. 

Kalender  war  aber  gewohnt,  dieses  ein- 
schläfernde Mittel,  das  Bhang  heißt,  zu  ge- 
brauchen. Der  Arzt  erkannte  leicht,  daß  seine 
ganze  Krankheit  nur  der  Hunger  war;  drum  ließ 
er  alsbald  eine  Schüssel  Pilaf  bereiten  und  setzte 
sie  dem  armen  Teufel  vor. 

Nachdem  der  alles  aufgegessen  hatte,  schrie 
er:  „O  du  gütiger  Arzt,  ich  kenne  noch  zwanzig 
andere  Kalender,  die  an  derselben  Krankheit 
leiden  wie  ich;  ich  will  sie  dir  bringen  und  du 
kannst  an  ihnen  die  Wirksamkeit  deiner  Arznei 
versuchen." 

Eines  Tages  kam  ein  Arzt  auf  seinem  Wege  an  204. 

einer  Begräbnisstätte  vorbei;  alsbald  schloß 
er  die  Augen.  Sein  Sohn  fragte  ihn:  „Warum 
tust  du  so?" 

Der  Arzt  antwortete:  „Ich  will  es  vermeiden, 
die  zu  sehn,  die  hier  sind;  denn  hier  sind  die 
begraben,  die  an  meinen  Tränkchen  gestorben 
sind." 

Nasreddin,   I.  8  113 


205.  T^^'*  Hodscha  war  zum  Lehrer  und  Hofmeister 

1^  des  Sohnes  des  Königs  bestellt  worden. 
Nun  empfahl  er  sich  bei  dem  Prinzen  regelmäßig, 
wann  zum  Mittagsgebete  gerufen  wurde.  Einmal 
aber  fuhr  der  Hodscha  trotz  diesem  Rufe  mit  der 
Brille  auf  der  Nase  fort  zu  lesen;  da  sagte  der 
^  Prinz:  ,,Es  ist  das  Zeichen  zum  Gebete  gegeben 

worden;  wir  sind  jetzt  frei." 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ich  habe  es  nicht 
gehört." 

„Wenn  das  so  ist,"  sagte  der  Prinz,  ,,dann 
hättest  du  die  Brille  über  die  Ohren  nehmen 
sollen  statt  über  die  Augen." 

206.  TT*  Ines  Tages  wurde  ein  junger  Geck,  Desdar 

JZrf  Oglu  mit  Namen,  von  einem  reichen  Manne 
zu  Tische  geladen.  Es  wurde  aber  weder  Pilaf, 
noch  Fleisch  aufgetragen,  sondern  nur  eine 
Suppe,  bei  der  man  mit  dem  Reis  sehr  sparsam 
umgegangen  war;  und  der  Geck  fragte  recht  un- 
schicklich: „Was  für  eine  Suppe  ist  das?" 

Darauf  antwortete  ihm  einer:  „Der  Herr  pflegt 
wohl  häufig  auf  die  Jagd  zu  gehn?  Hunde  hat 
er  ja  genug," 

„Freilich,"  antwortete  Desdar  Oglu,  „ich  habe 
mehr  als  ich  brauchte;  der  eine  jagt  das  Rebhuhn, 
der  andere  die  Wachtel,  ein  dritter  das  Hasel- 
huhn." 

Und  der  Schalk  sagte  weiter:  „Da  fehlt  dir 
noch  immer  einer."  „Welcher?"  „Einer,  der  in 
dieser  Suppe  Reis  aufspüren  würde." 

207.  T^^^  Hodscha  kam  heim  und  sagte  zu  seiner 

iy   Frau:   „Koch  uns  heute  einen  Pilaf,  damit 
wir  uns  wohl  gesättigt  schlafen  legen  können; 

114 


heute  fühle  ich  mich  einmal  frei  von  aller  Traurig- 
keit." 

Die  Frau  kochte  den  Pilaf;  sie  aßen  ihn  und 
gingen  zu  Bette,  Kaum  lagen  sie  aber,  als  an  die 
Tür  gepocht  wurde.  Der  Hodscha  sagte  zu  seiner 
Frau:  „Geh,  sieh  nach,  wer  es  ist," 

Die  Frau  ging  zur  Tür  und  sagte:  „Wer  ist 
da?" 

„Meine  Eselin  hat  geworfen,"  sagte  ein  Nach- 
bar; ,,aber  das  Junge  hat  weder  Schwanz  noch 
Ohren." 

Nun  fragte  der  Hodscha:  „Was  gibts  denn?" 
und  die  Frau  antwortete:  ,,Uns  geht  es  eigentlich 
nichts  an;  der  Nachbar  ist  da:  seine  Eselin  hat 
ein  Junges  ohne  Schwanz  und  Ohren  geworfen," 

Darauf  sagte  der  Hodscha:  ,,Ich  kann  nicht 
mehr  liegen  bleiben;  meine  Ruhe  ist  weg," 

„Was  beschäftigt  dich  denn  so  sehr?" 

„Wenn  dieser  Esel",  sagte  der  Hodscha,  ,,zwei 
oder  drei  Jahre  alt  v/ird,  und  man  führt  ihn  ins 
Holz,  und  wenn  dann  der  Weg  kotig  ist,  wo  soll 
denn  der  Dreck  an  ihm  haften  bleiben,  ohne 
Schwanz  und  Ohren,  wie  er  ist?  Das  bringt 
mich  um  meine  Ruhe;  stehn  wir  auf,  Weib." 


DEr  Hodscha  ging  einmal  an  den  Rand  eines  208. 

Baches  und  befriedigte  ein  gewisses  Bedürf- 
nis; dann  sah  er,  wie  das,  dessen  er  sich  entledigt 
hatte,  wegschwamm.  Da  schrie  er:  „Das  Ende 
der  Welt  kommt  heran  und  darüber  kann  es 
keinen  Zweifel  geben;  denn  das  unreine  Ding  da 
lehrt  uns  schwimmen  und  über  das  Wasser  zu 
setzen." 

8*  •  115 


209.  T^Er  Hodscha  wurde  gefragt:  „Wann  wird  denn 

±J  der  Tag  des  Tumultes,  der  geweissagt  ist, 
kommen?" 

„Von  welchem  Tumult  sprecht  ihr?"  ant- 
wortete der  Hodscha;  „von  dem  großen  oder  von 
dem  kleinen?" 

,,Was  heißt  das,  der  große  und  der  kleine?" 
,,Der  kleine  ist  der,  den  meine  Frau  macht; 
der  große  kommt,  wenn  ich  zornig  werde." 

2/0.  t^ Ines   Tages   gingen    der   Sultan   Murad   und 

Jjtf  Husejn  Pascha,  der  Narr,  als  Derwische 
verkleidet,  den  Bosporus  entlang.  Als  sie  an 
einen  Ort  kamen,  wo  die  Leute  zu  lustwandeln 
^^pr^  pflegten,  bekamen  sie  Lust  auf  Kaffe.  Husejn 
Pascha  sagte:  „Da  wir  kein  Feuer  haben,  will  ich 
Holz  sammeln  gehn."  Als  er  es  gebracht  hatte, 
schichtete  es  der  Sultan  auf  und  begann  das 
Feuer  anzufachen;  da  er  aber  zerstreut  war,  ließ 
er  es  zu  viel  brennen.  Husejn  Pascha  bemerkte 
das  und  schrie,  wie  er  es  mit  seinem  Knechte 
getan  hätte,  um  ihn  zur  Achtsamkeit  zu  mahnen: 
,,Du  Sklavenbengel,  du  Hurensohn!",  ohne  zu 
denken,  daß  er  damit  auf  die  Abstammung  der 
Sultane  anspielte,  die  alle  Kinder  von  Sklavinnen 
waren. 

,,Dein  Glück,"  sagte  der  Padischah,  „daß  du 
das  im  Scherze  gesagt  hast;  sonst  hätte  ich  dich 
getötet." 

211.  "C^^   junger   Mann  ohne   Erfahrung  hatte   auf 

X-rf  einer  Reise  eine  kleine  Auswahl  chinesischen 
Porzellans  gekauft.  Im  Hafen  angelangt  und 
eben  im  Begriffe  sich  auszuschiffen,  faßte  er  den 

116 


Plan,  sein  Porzellan  wegtragen  zu  lassen,  ohne 
den  Träger  für  seine  Mühe  zu  bezahlen.  Er  sagte 
zu  einem  Träger:  „Was  für  ein  Landsmann 
bist  du?" 

Der  antwortete:  „Ich  bin  ein  Anatolier  und 
aus  Tasch-Köprü." 

,,Aha,"  dachte  der  junge  Mann,  ,,ein  Dumm- 
kopf von  einem  Türken."  Und  er  sagte  zu  ihm: 
,,Wenn  du  mir  diesen  Pack  in  mein  Karawanserai 
trägst,  so  werde  ich  dir  drei  gute  Ratschläge 
geben." 

„Einverstanden,"  antwortete  der  Türke  dem 
schlauen  Gesellen.  Er  nahm  die  Last  auf  und 
trug  sie  in  das  Karawanserai;  als  er  dort  ein 
paar  Stufen  emporgestiegen  war,  sagte  er:  „Nun 
höre  ich." 

Der  andere  sagte:  „Wenn  man  dir  sagt,  daß 
der  Hunger  der  Sättigung  vorzuziehen  sei,  so 
glaube  es  nicht." 

„Ich  verstehe,"  sagte  der  Träger  und  ging 
wieder  ein  paar  Stufen  weiter;  dann  sagte  er: 
„Was  hast  du  mir  noch  zu  sagen?" 

„Wenn  man  dir  sagt,  die  Armut  sei  besser  als 
der  Reichtum,  so  glaube  es  nicht." 

Der  Träger  ging  weiter  und  bat  ihn  nach 
einigen  Stufen  wieder,  zu  sprechen. 

„Zum  dritten:  wenn  man  dir  sagt,  daß  es 
besser  ist,  zu  Fuße  zu  gehn  als  zu  reiten,  so 
glaube  es  nicht;  das  sind  die  Ratschläge,  die  ich 
dir  zu  geben  habe." 

Der  Träger  stieg  die  Treppe  vollends  hinauf; 
und  als  er  oben  war,  warf  er  seine  Last  hinunter. 

Der  junge  Mann  schrie:  „Was  machst  du  da?" 

Und  der  Träger  sagte:  „Wenn  man  dir  sagt, 

117 


daß  in  dem  Pack  da  ein  einziges  Stück  ganz  ist, 
so  glaube  es  nicht," 

212.  A^An   erzählt,    daß   Nasreddin-Effendi   einen 

iy\.  Bruder  hatte;  sie  waren  beide  unbeweibt, 
verlangten  aber  zu  heiraten.  Schließlich  fanden 
sie  zwei  Mädchen  nach  ihren  Wünschen;  sie 
heirateten  beide,  und  jeder  gründete  einen  Haus- 
stand. Nun  kam  einmal  der  Bruder  des  Hod- 
schas  zu  diesem  auf  Besuch;  da  sah  er,  daß  des 
Hodschas  Frau  fröhlich  war,  lachte  und  scherzte, 
während  die  seinige  außerordentlich  ernst  war. 
Und  er  sagte  zu  Nasreddin:  ,,Du  bist  mein 
Bruder;  sei  also  so  gut  und  sage  mir,  wie  du  es 
angestellt  hast,  daß  deine  Frau  so  vergnügter 
Laune  ist:  ich  will  es  dann  mit  der  meinigen 
ebenso  machen." 

„Umsonst  verrate  ich  es  dir  nicht,"  sagte  der 
Hodscha;  „wenn  du  mir  aber  einen  vollständigen 
Anzug  gibst,  so  will  ich  es  zuwege  bringen,  daß 
sie  lacht." 

Der  Bruder  sagte:  ,,Das  verspreche  ich  dir." 

Und  der  Hodscha  fuhr  fort:  ,,Lade  mich  also 
an  einem  Abende  ein.  Nachdem  du  ein  bißchen 
verweilt  hast,  so  laß  dich  wegholen;  befiehl  aber 
deiner  Frau,  daß  sie  sich  nicht  eher  schlafen  lege 
als  ich,  was  immer  ich  sagen  würde  und  wie 
dringlich  auch  meine  Aufforderungen  seien. 
Wann  du  ihr  das  gesagt  hast,  geh  weg," 

Der  Bruder  lud  den  Hodscha  vereinbarter- 
maßen  ein;  nach  dem  Rufe  zum  Abendgebete 
waren  sie  alle  drei  beisammen,  als  der  Hausherr, 
wie  abgemacht,  geholt  wurde.  Er  erteilte  seiner 
Frau   die  besprochenen  Anordnungen  und  ging 

118 


weg.  Von  nun  an  sprach  der  Hodscha  kein  Wort 
mehr  mit  seiner  Schwägerin,  mit  der  er  ganz 
allein  war;  sie  wurde  es  bald  müde,  auf  un- 
bestimmte Zeit  aufbleiben  zu  sollen,  und  ver- 
spürte die  ersten  Anzeichen  der  Schläfrigkeit. 
Drum  sagte  sie  zum  Hodscha:  „Gestatte,  Effendi, 
daß  dir  ein  Bett  bereitet  wird;  du  wirst  dich  ein 
wenig  ausruhen," 

Aber  der  Hodscha  antwortete:  „Ich  will  nicht 
schlafen," 

„Warum  denn  nicht?" 

„Ich  fürchte,  daß,  wann  ich  schlafe,  die  Mäuse 
kommen  und  mir  den  Kopf  fressen." 

„Und  wie  weichst  du  dem  aus,  wenn  du  zu 
Hause  bist?" 

„Wann  ich  zu  Hause  schlafen  gehe,  lege  ich 
meinen  Kopf  in  die  Hände  meiner  Frau  und  sie 
läßt  das  Licht  brennen;  geht  sie  dann  später 
selber  schlafen,  so  nimmt  eine  Sklavin  ihre 
Stelle  ein," 

Seine  Schwägerin  sagte:  ,,Wir  werden  das- 
selbe tun."  Augenblicklich  bereiteten  die  Skla- 
vinnen ein  Bett  und  die  Frau  setzte  sich  nieder 
und  nahm  den  Kopf  des  Hodschas  in  ihre  Hände; 
da  sie  dessen  bald  müde  wurde,  rief  sie  eine 
ihrer  Sklavinnen  und  übergab  ihr  dieses  Geschäft. 
Bald  darauf  schliefen  die  Herrin  und  die  andern 
Frauen  ein.  Nun  stand  der  Hodscha  leise  auf, 
blies  das  Licht  aus,  nahm  seinen  Sik  heraus,  gab 
ihn  der  Sklavin  in  die  Hand,  legte  sich  nieder 
und  begann  zu  piepen  wie  eine  Maus.  Auf  das 
Geräusch  erwachte  seine  Schwägerin;  da  sah  sie, 
daß  das  Licht  erloschen  und  die  Sklavin  ein- 
geschlafen  war,      „Nichtsnutziges   Ding,"    schrie 

119 


sie,  „wie  kannst  du  schlafen?  Jetzt  werden  die 
Mäuse  den  Kopf  des  Effendis  fressen." 

Die  Sklavin  antwortete:  ,,Ich  weiß  nicht,  ob 
das  nicht  schon  geschehn  ist;  er  ist  schon  ganz 
klein." 

Die  Herrin  begann  das  junge  Mädchen  zu  be- 
schimpfen; als  sie  aber  das  Licht  anzündete,  sah 
sie,  was  die  Sklavin  in  der  Hand  hatte.  In  dem- 
selben Augenblicke  sprang  der  Hodscha  auf,  lief 
zur  Tür  und  ließ  seinen  Bruder  eintreten,  und 
der  sah  nun,  wie  seine  Frau  aus  vollem  Halse 
lachte  und  keines  Wortes  fähig  war.  Da  er 
aus  ihr  nichts  herausbringen  konnte,  ging  er 
wieder  zum  Hodscha,  der  draußen  geblieben  war, 
und  fragte  ihn:  „Was  hast  du  denn  also  getan?" 

„Ach,"  sagte  der  Hodscha,  ,,wenn  du  das 
ganze  gesehn  hättest,  du  hättest  wohl  lachen 
müssen  bis  zu  deinem  letzten  Stündlein." 

213.  t^ Ines  Tages  versammelten  sich  die  Mäuse,  um 

Jl^  Rat  zu  halten,  und  sie  sagten:  ,,Was  werden 
wir  noch  alles  von  der  Katze  leiden  müssen,  wenn 
wir  kein  Mittel  entdecken,  um  uns  vor  ihr  zu 
schützen?"  Nachdem  jede  gesprochen  hatte, 
überwog  der  Rat,  ein  Glöckchen  zu  verfertigen 
und  es  der  Katze  um  den  Hals  zu  hängen;  ,,wenn 
wir  das  Geklingel  hören,"  dachten  sie,  ,, wollen 
wir  Reißaus  nehmen," 

„Ich  liefere  das  Stückgut,"  sagte  die  eine. 
„Ich  die  Kohle,"  sagte  die  andere.  „Ich  das 
Kupfer,"  sagte  die  dritte.  Nur  eine  alte  Maus 
verhielt  sich  ganz  still,  bis  die  andern  sagten: 
„Rede  doch  auch  du;  du  hast  ja  in  diesem  Lande 
schon  so  viele  Jahre  verrinnen  sehn." 

120 


Da  sagte  die  alte  Maus:  „Ihr  habt  bei  euerer 
Überlegung  etwas  wesentliches  vergessen:  ich  bin 
bereit,  das  Glöckchen  ganz  zu  liefern;  aber  wer 
von  euch  wird  es  der  Katze  an  den  Hals  hängen?" 

■^Inst  wurde  ein  bejahrter  Christ  Muselman.  214. 

.  -^  Sechs  Monate  nach  seiner  Bekehrung  führte 
ihn  der  Gebetsauf seher  vor  den  Kadi  und  klagte 
ihn  an,  er  erfülle  nicht  die  verordneten  Gebete; 
der  Kadi,  der  derselbe  war,  in  dessen  Hände  der 
Greis  abgeschworen  hatte,  fragte  ihn:  ,, Warum 
unterziehst  du  dich  nicht  den  vorgeschriebenen 
Gebeten?" 

„Effendi,"  antwortete  der  Angeklagte,  „in 
deiner  Gegenwart  war  es,  daß  ich  meinem  alten 
Glauben  entsagt  habe,  und  du  hast  damals  zu 
mir  gesagt:  ,Nun  bist  du  rein  aller  Sünden;  du 
bist  jetzt  so,  als  ob  du  ein  zweites  Mal  aus  dem 
Mutterleibe  gekommen  wärest.*  " 

Der  Kadi  antwortete:  „Das  sind  meine 
Worte." 

Und  der  Greis  fuhr  fort:  „Freilich,  und  seither 
sind  nicht  mehr  als  sechs  Monate  verstrichen; 
betet  denn  ein  Kind  in  diesem  Alter?" 

ZWei  Leute  führten  eines  Rinds  halber  einen  215. 

Rechtshandel.  Jeder  ging,  ohne  daß  es  der 
andere  gewußt  hätte,  zum  Kadi  und  drückte  ihm 
zweihundert  Asper  in  die  Hand,  um  ihn  sich 
geneigt  zu  machen.  Als  dann  der  Spruch  gefällt 
werden  sollte,  erschienen  die  Streitenden  und 
brachten  das  Rind  mit;  und  der  Kadi  fragte  den, 
der  es  hielt:  „Wieviel  ist  das  Rind  wert?" 
„Vierhundert  Asper,"  war  die  Antwort. 

121 


Da  sagte  der  Kadi:  „Wenn  dem  so  ist,  was 
brauchen  wir  uns  weiter  damit  zu  beschäftigen? 
Jeder  von  euch  hat  mir  zweihundert  Asper  ge- 
geben; damit  ist  also  die  Sache  erledigt." 

Die  beiden  Gegner  befragten  einander,  als  sie 
weggingen,  und  vernahmen  also,  daß  sie  jeder 
dem  Kadi  ein  Geschenk  von  zweihundert  Asper 
gemacht  hatten;  und  sie  sagten:  ,,Es  hat  keinen 
Sinn,  den  Streit  weiterzuführen;  das  Rind  hat  ja 
schon  der  Kadi  aufgegessen." 

216.  "C*^  ^^^  einmal  einer,  der  fühlte,  daß  er  krank 
Xltf  war;  da  sich  sein  Zustand  verschlimmerte, 
ließ  er  einen  Arzt  rufen.  Der  Arzt  untersuchte 
ihn  und  sagte  ihm,  daß  ihm  in  diesem  Falle  ein 
einjähriger  Essig  gut  tun  würde.  Der  Kranke 
ging  also,  um  einen  Freund  darum  zu  bitten,  und 
der  sagte:  ,,Es  trifft  sich  gut,  daß  ich  gerade 
einen  solchen  habe." 

Einer,  der  vorbeiging,  hatte  ihr  Gespräch  ge- 
hört; deshalb  sagte  er:  ,, Bruder,  möchtest  du 
nicht  die  Güte  haben,  mir  auch  etwas  von  diesem 
Essig  zu  geben?" 

Und  der  Freund  antwortete:  „Hätte  ich  einem 
jeden  gegeben,  der  Bedarf  danach  gehabt  hätte, 
so  wäre  er  kein  Jahr  alt  geworden." 

217.  T^^^  Sultan  und  Chalif  von  Bagdad  pflegte  die 
iZrf  Verse,  die  ihm  gebracht  wurden,  abzuwägen 
und  nach  ihrem  Gewichte  die  Dichter  zu  be- 
zahlen. Nun  verfaßte  ein  Dichter,  der  diese  Ge- 
wohnheit des  Chalifen  nicht  kannte,  einen  Lob- 
gesang auf  ihn  in  der  Absicht,  ihn  ihm  zu  über- 
reichen.    Da  sagte  ihm  einer:   „Du  machst   dir 

122 


umsonst  viel  Mühe;  weißt  du  denn  nicht,  wie  es 
unser  Padischah  zu  halten  pflegt?  Er  bezahlt  die 
Dichter  nach  dem  Gewichte  ihrer  Werke," 

„Danke  schön,"  sagte  der  Dichter;  und  er 
schrieb  ein  Gedicht  auf  einen  großen  Marmor- 
block. Den  ließ  er  von  Leuten,  die  ihn  an  einem 
Barren  aufhängten,  zum  Palaste  bringen  und  ging 
selbst  mit,  um  ihn  dem  Padischah  darzubringen. 
Der  Padischah,  der  sofort  sah,  v.'orum  es  sich 
handelte,  sagte  zu  seinem  Wesir:  ,, Jetzt  gilt  es, 
sich  auf  eine  anständige  Art  aus  dem  Handel 
zu  ziehen." 

„Wie  das?"  fragte  der  Wesir. 

„Wir  werden  uns",  antwortete  der  Chalif, 
„mit  tausend  Golddukaten  ausgleichen." 

Einmal   sagte  ein  Kaufmann  zu  seinem  indi-  218. 

sehen  Sklaven:  „Vorwärts,  wir  gehn  auf  den 
Abtritt." 

Der  Sklave  füllte  die  Kanne  mit  Wasser  ^,  sah 
aber  sofort,  daß  sie  ein  Loch  hatte,  weil  alles 
Wasser  auslief;  da  sagte  er  zu  seinem  Herrn: 
„Herr,  die  Kanne  hält  kein  Wasser;  wasch  dich 
also  zuerst,  und  dann  geh  erst  dein  Bedürfnis 
verrichten." 

Einer  begegnete  einmal  einem  Dämon,  der  auf  219. 

seinen  Schultern  einen  alten  jüdischen  Rabbi 
trug;  und  der  Rabbi  schlug  und  mißhandelte  den 
Dämon  und  zwang  ihn  auszuschreiten.    Und  der 


1  Die  Verrichtung   der  Bedürfnisse  macht  unrein,   so 
daß  eine  Waschung  vorgenommen  werden  muß. 

123 


Mann  fragte  ihn:  „Warum  trägst  du  einen,  der 
dich  schlägt  und  mißhandelt?" 

Darauf  antwortete  der  Teufel  —  er  sei  ver- 
flucht — :  „Er  gebraucht  irgendeine  verruchte 
Tücke,  die  meinen  Verstand  übersteigt;  durch 
angestrengte  Aufmerksamkeit  wird  es  mir  viel- 
leicht gelingen,  dahinterzukommen." 

Der  Fluch  Gottes  sei  über  ihnen  beiden! 

220.  "rpinmal  hatte  ein  Schüler  des  berühmten  Mew- 

JZtf  lana  Dschami  Gedichte  verfaßt  und  sie  in 
einem  Diwan  vereinigt.  Mewlana  Dschami  sah 
das  Buch  durch  und  überzeugte  sich,  daß  es  von 
unzusammenhängenden  Worten,  von  Nachlässig- 
keiten und  von  Albernheiten  strotzte;  da  er  ein 
solches  Machwerk  nicht  loben  kormte,  sagte  er 
ironisch:  ,,Gott  segne  dich!  du  hast  da  einen  ge- 
waltigen Diwan  verfaßt." 

Der  Dummkopf  blähte  sich  über  diese 
Schmeichelei  und  antwortete:  ,,Es  ist  ein  Diwan, 
den  der  heutige  Dichtertroß  gar  nicht  erfaßt." 

,,Das  stimmt,"  sagte  Mewlana  Dschami;  ,,ich 
habe  nicht  ein  Wort  verstanden." 


221.  A   Ls  Bani-Tschokar  einmal  im  Bade  war,  trat 

./Tl  ein  Badediener,  einer  von  denen,  die  nicht 
rasieren,  zu  ihm  und  wollte  ihn  mit  dem  Woll- 
handschuh abreiben;  doch  Bani  sagte:  „Ich  will 
nicht  geknetet  werden;  rasiere  mir  aber  den  Kopf." 
Bald  merkte  er,  daß  das  Rasiermesser  nichts 
schnitt;  da  sagte  er  zu  dem  Bader:  „Gib  acht! 
du  wirst  mich  wirklich  rasieren,  wenn  du  nicht 
acht  gibst," 

124 


'  ^In  Kadi  kam  auf  einer  Bereisung  in  ein  Dorf  222. 

.  ^  in  der  Umgebung  von  Konia.     Er  befragte 
die  Bauern  über  das  Gebet  und  befahl  einem  von 
ihnen,  der  etwas  weniger  unwissend  schien  als 
die  andern,  ihm  zu  sagen,  wie  oft  man  am  Morgen 
beten  solle;  der  antwortete:  ,, Zwanzigmal." 
„Schweig,"  sagte  der  Kadi;  „du  bist  ein  Esel." 
Da  sagte  ein  anderer:  „Man  betet  viermal." 
Aber   der   erste   sagte:    „Ich   habe    ja    schon 
zwanzig  gesagt!  das  muß  doch  besser  sein." 

Eines   Tages    ging   ein   Bauer   einer    gewissen  223. 

Sache  halber  zum  Kadi;  er  dachte  aber,  er 
werde  bei  diesem  besonders  gut  ankommen,  wenn 
er  recht  verschwenderisch  mit  den  Titeln  sei,  und 
so  sagte  er  beim  Eintritte:  „Heil  über  dich, 
gnädigster  Herr  Prophet!" 

Aber  der  Kadi  sagte:  „Schweig;  du  bist  ein 
Einfaltspinsel." 

„Habe  ich  denn  in  meiner  Rede  die  Gesetze 
der  Sprache  verletzt?" 

Der  Kadi  befahl:  „Züchtigt  mir  diesen  Dumm- 
kopf!"   Und  die  Schergen  prügelten  ihn  durch. 

Nun  sagte  der  Kadi:  „Warum  sprichst  du 
mich  in  dieser  Weise  an?  Das  ist  die  Rede  eines 
nichtsnutzigen  Menschen." 

Und  der  Bauer  antwortete:  „Ich  war  verwirrt, 
du  Schwein;  ich  war  verwirrt." 

Eines  Tages  ging  ein  Herr  ins  Bad;  dort  stahl  224. 

man  ihm  sein  Tekjeh  ^.  Als  er  wegging, 
sagte  er  zum  Bademeister:  „Du  hast  mir  mein 
Tekjeh  gestohlen." 

^  Eine  kleine  baumwollene  Mütze. 

125 


Der  Bademeister  antwortete  ihm:  „Du  bist 
bloßköpfig  ins  Bad  gekommen." 

Da  schrie  der  Bestohlene,  indem  er  sich  an  die 
andern  Anwesenden  wandte:  nHört,  Leute,  seht 
euch  meinen  Kopf  an,  und  dann  sagt,  ob  ich  bloß- 
köpfig gekommen  sein  kann," 

Sein  Kopf  war  ganz  voll  Grind, 

225.  TN  Adrianopel,  der  wohlbehüteten,  war  einmal 
X  ein  Dichter,  Silani  mit  Namen,  und  der  trug 
eines  Tages  dem  Volke  ein  ganz  jämmerlich 
schlechtes  Gedicht  vor.  Die  Zuhörer  begannen 
zu  lachen, 

„Da  sieht  man,"  rief  Silani,  sich  selber 
lobend,  „daß  meine  Werke  nicht  zur  weiner- 
lichen Gattung  gehören." 

226.  L|^In  Dichter,  der  einst  der  Günstling  der  Wesire 
XZtf  gewesen  war,  erblindete  am  Ende  seiner 
Tage;  nun  gab  er  Unterricht  und  ließ  sich  von 
seinem  Knaben  von  Tür  zu  Tür  führen.  Da 
träumte  einmal  einem  der  Wesire,  daß  er  ihn  also 
herabgekommen  sehe.  Der  Wesir  rief  sich  alle 
Einzelheiten  der  Vergangenheit  dieses  armen 
Menschen  ins  Gedächtnis,  und  am  Morgen  ging 
er  ihn  aufsuchen  und  sagte  zu  ihm:  ,, Kennst  du 
mich?" 

„Warum  sollte  ich  dich  nicht  kennen?  wenn 
ich  auch  das  Gesicht  verloren  habe,  so  ist  mir 
doch  das  Gehör  geblieben.  Früher  habe  ich 
deine  gütigen  Wohltaten  genossen;  bist  du  nicht 
derundder  Pascha?" 

Der  Wesir  fuhr  fort:  „Und  dieser  Knabe,  ist 
er  dein  Sohn?" 

126 


„Er  ist  mein  Knabe  und  dein  Diener." 

„Kann  er  lesen?" 

„Freilich," 

„Und  was  liest  er  denn?" 

„Er  sieht  die  jämmerliche  Lage,  worin  sich 
sein  Vater  befindet;  drum  liest  er  Verwün- 
schungen gegen  die,  die  ihn  ohne  Unterstützung 
seinem  unglücklichen  Schicksal  überlassen." 

Ein   Kalender   verabsäumte   es,   im   Ramasan  227. 

die  vorgeschriebenen  Fasten  einzuhalten; 
andererseits  aber  unterließ  er  es  nicht,  allnächt- 
lich kurz  vor  Sonnenaufgang  zu  essen.  Man 
fragte  ihn:  ,,Da  du  bei  Tage  keineswegs  fastest, 
warum  ißt  du  dann  vor  Tagesanbruch?" 

Und  der  Kalender  antwortete:  „Wenn  einer 
nicht  nur  das  Gesetz,  sondern  auch  die  Überliefe- 
rung außer  acht  ließe,  müßte  denn  der  nicht  zu 
den  Ungläubigen  gezählt  werden?" 

ALs  der  Hodscha  einmal  ackerte,  riß  ein  Rie-  22^. 

men.  Sofort  wickelte  er  seinen  Turban  ab, 
band  ihn  an  die  Stelle  des  Riemens  an  den  Ochsen 
und  den  Pflug,  packte  den  Stachel  und  trieb 
den  Ochsen  an;  der  nahm  einen  Ruck,  so  daß  der 
Turban  auf  Stücke  ging,  und  kehrte  sich  um. 
Da  schrie  der  Hodscha:  ,,So  ein  dummes  Vieh! 
zieht  es  an  einem  Turban  ebenso  stark  wie  an 
einem  Riemen!" 

DEr  Hodscha  erging  sich  eines  Tages  mit  sei-  229. 

nem  Sohne,  als  sie  einem  Leichenzuge  be- 
gegneten; und  hinter  dem  Zuge  kam  die  junge 
Gattin  des  Verstorbenen,   die  ihren  Schmerz  in 

127 


bittern  Klagen  ausströmte:  „Noch  heute  hat  er 
gegessen,  getrunken  und  unter  der  Decke  ge- 
schlafen; und  jetzt  bringt  man  ihn  an  einen  Ort, 
wo  es  nichts  zu  essen  gibt  und  nichts  zu  trinken, 
keine  Decke,  kein  Bett,  ja  nicht  einmal  eine 
Matte." 

„Vater,"  sagte  der  Sohn  des  Hodschas,  „bringt 
man  den  Toten  zu  uns?" 

230.  TN  einer  fremden  Stadt  sah  der  Hodscha  einmal 


I 


nicht  kannte,  blieb  er  voll  Verwunderung  stehn; 
endlich  schlug  er  einige  Nüsse  in  ihrer  grünen 
Schale  herunter  und  biß  ohne  weiters  in  eine 
hinein.  Sie  schmeckte  gar  bitter  und  er  gewahrte, 
daß  sein  Mund  anschwoll;  da  sagte  er  voller  Un- 
ruhe: ,, Farbe  und  Form  sind  so  wie  bei  den 
Zwetschen;  sollte  ich  vergiftet  sein?  Da  steckt 
irgendeine  Schurkerei  dahinter.  Ach,  ihr  Aus- 
sehn ist  recht  trügerisch!" 

231.  Ij^S  war  einmal  ein  Geiziger,  der  jahraus,  jahr- 

XZif  ein  nichts  andres  aß  als  Hammelkopf;  darum 
wurde  er  eines  Tages  gefragt:  ,, Warum  ißt  du 
eigentlich  weder  im  Sommer,  noch  im  Winter 
etwas  andres?" 

Er  antwortete;  ,, Siehst  du  denn  nicht,  wie 
billig  so  ein  Hammelkopf  ist?  Wann  ihn  einmal 
der  Diener  vom  Fleischer  gebracht  hat,  braucht 
man  nichts  mehr  an  ihm  herumzuschneiden; 
Kosten  fürs  Kochen  hat  man  auch  nicht,  weil  er 
schon  gekocht  verkauft  wird.  Und  was  hat  man 
dann  alles:  die  Haut,  das  Fleisch,  die  Augen,  die 
Ohren,  die  Zunge,  das  Hirn;  ebenso  viel  Gerichte! 

128 


Begreifst  du  jetzt,  was  für  ein  vorteilhaftes  Essen 
so  ein  Hammelkopf  ist?" 

Ein  Geizhals  kam  heim  und  bat  seine  Frau,  ihm  232. 

zu  essen  zu  geben;  sie  briet  ein  Huhn  und 
brachte  es  ihm.  In  diesem  Augenblicke  pochte 
ein  Bettler  an  die  Tür  und  sagte:  „Um  Gottes- 
willen, schenkt  mir  etwas." 

Der  Geizige  mißachtete  diese  Bitte  und 
schickte  den  Armen  mit  leeren  Händen  weg. 

Im  Verlaufe  der  Zeit  fiel  der  Geizhals  in  Un- 
glück und  fand  sich  bald  von  allen  Mitteln  ent- 
blößt; als  er  derart  herabgekommen  war,  stritt  er 
eines  Tages  mit  seiner  Frau  und  schied  sich  von 
ihr.  Sie  heiratete  dann  einen  andern.  Nun  wollte 
es  Gott,  daß  sie  eines  Tages  ihrem  zweiten  Gatten 
ein  Huhn  kochte  und  es  ihm  just  in  dem  Augen- 
blicke vorsetzte,  wo  ein  Bettler  an  die  Tür  klopfte 
und  sagte:  „Um  Gotteswillen,  schenkt  mir 
etwas." 

Auf  der  Stelle  nahm  ihr  Gatte  das  ganze 
Huhn,  reichte  es  ihr  und  sagte:  „Gib  es  dem 
armen  Menschen." 

Die  Frau  gehorchte  und  erkannte  in  dem 
Bettler,  den  sie  an  der  Tür  fand,  ihren  ersten 
Mann.  Sofort  ging  sie  zu  ihrem  zweiten  hinein 
und  erzählte  ihm  von  dieser  sonderbaren  Be- 
gegnung. Und  dieser  sagte:  ,, Liebes  Weib,  wisse, 
daß  ich  einmal  betteln  gegangen  bin;  ich  war  da- 
mals in  der  äußersten  Not.  Aber  dein  Mann  hat 
mir  nichts  gegeben  und  ich  bin  mit  leeren  Händen 
weggegangen.  Nun  hat  ihm  der  Allmächtige  all 
sein  Gut  genommen,  sogar  so  eine  Frau,  wie  du 
bist,  um  alles  mir  zu  geben;  sein  Glück  ist  zu  mir 

Nasreddin,  I.  9  129 


gekommen  und  meine  Armut  zu  ihm.     Ich  habe 
seiner  bedurft;  jetzt  bedarf  er  meiner." 

So  erzählt  man  diese  Geschichte.  Zieht 
daraus,  Freunde,  den  Nutzen,  den  ihr  sollt.  Dan- 
ken wir  dem  Höchsten,  daß  er  uns  die  irdischen 
Güter  zugesteht,  und  laßt  uns,  ob  arm  oder  reich, 
seinen  Namen  nie  ohne  Ehrfurcht  nennen! 


233.  Th*'^^    Geizhals    wiederholte,    sooft    er    sich    zu 

Hä  Tische  setzte,  zweimal  den  Spruch:  „Gott, 
beschütze  mich!" 

Eines  Tages  fragte  man  ihn:  ,, Warum  sprichst 
du  diese  Bitte  Tag  für  Tag  doppelt?" 

Der  Geizige  antwortete;  ,,Das  erste  Mal  ist 
der  Teufel  —  der  Fluch  sei  auf  ihm  —  gemeint; 
das  zweite  Mal  gilt  sie  den  Gästen,  damit  meine 
Küche  von  ihrem  Besuche  verschont  bleibe." 


234.  A  Ls  Tamerlan  in  Akschehir  war,  lud  er  einmal 

xTL  den  Hodscha  ein,  mit  ihm  ins  Bad  zu  gehn, 
und  der  Hodscha  nahm  die  Einladung  an.  Ta- 
merlan versah  sich  mit  einem  Badetuch,  das  hun- 
dert Goldstücke  wert  war,  und  sie  gingen  hinein; 
dort  setzten  sie  sich  neben  der  Kufe  hin  und 
unterhielten  sich.  Und  Tamerlan  sagte  zum  Hod- 
scha: „Wenn  ich  ein  Sklave  wäre  und  verkäuf- 
lich, wie  viel  gäbest  du  für  mich?" 

,,Kaum  hundert  Goldstücke." 

,,Aber  du  Dummkopf,  das  Badetuch  ist  ja 
allein  so  viel  wert." 

„Das  habe  ich  wohl  überlegt,"  sagte  der  Hod- 

130 


scha;    „sonst   gäbe   auch   niemand    für    dich    ein 
Goldstück  ^." 

DEr   Hodscha   sagte   einmal    zu    seiner   Frau:  235. 

„Bereite  eine  hübsche  Schüssel  Joghurt,  da- 
mit ich  sie  morgen  Tamerlan  bringe.  Ich  will  sie 
aber  schon  zeitlich  früh  haben," 

Die  Frau  bereitete  den  Joghurt  und  der  Hod- 
scha ging  mit  der  Schüssel,  nachdem  er  sie  in  ge- 
stickte Handtücher  gewickelt  hatte,  noch  vor  der 
Dämmerung  weg;  er  kam  bei  Tamerlan  an  und 
überreichte  ihm  den  also  eingewickelten  Joghurt. 
Timur  fragte:  ,,Was  ist  das?" 

Der  Hodscha  antwortete:  , .Diesen  frischen 
Joghurt  bringe  ich  dir,  damit  du  ihn  essest,  und 
diese  Tücher,  damit  du  dich  nach  der  Waschung 
abtrocknest." 

Timur  band  die  Tücher  auf  und  nahm  sie, 
nachdem  er  den  Joghurt  herausgetan  hatte,  in  die 
Hand,  um  die  Stickerei  zu  betrachten;  diese  fand 
er  aber  jämmerlich  schlecht,  und  so  sagte  er:  ,,Ich 
möchte  mich  lieber  an  der  Hand  abtrocknen,  die 
diese  Tücher  gestickt  hat," 

Aber  der  Hodscha  antwortete:  ,,Die  Hand, 
die  sie  gestickt  hat,  ist  weit;  aber  die  Tücher  sind 
da  und  just  zu  dem  Zwecke,  den  du  sagst." 

Eines   Tages    fand   sich   der   Hodscha   so   von  2J5. 

allem  entblößt,  daß  ihm  auch  nicht  ein  Körn- 
chen Weizen  oder  Gerste  geblieben  war.  Da  legte 


1  Tamerlan  war  nicht  nur,  wie  sein  Name  besagt 
(Tamerlan  ist  entstanden  aus  Timur-lenk,  d.  i.  Timur  der 
Lahme),  lahm,  sondern  auch  sehr  häßlich;  über  sein  Ge- 
sicht zog  sich  eine  schreckliche  Narbe,    Vgl.  unten  Nr,  327, 

9*  131 


er  seinem  Esel  einen  großen  Sack  auf,  hängte 
seinem  Sohne  eine  Trommel  um  und  ging  von  Tür 
zu  Tür,  um  die  Barmherzigkeit  der  Leute  anzu- 
rufen. Kaum  hatte  er  die  Trommel  geschlagen 
und  sich  in  dieser  Verfassung  gezeigt,  als  ihm 
auch  schon  Männer  und  Frauen  Gerste  oder  Korn 
brachten,  der  eine  ein  Nösel,  der  andere  zwei; 
und  der  Hodscha  schüttete  alles  in  den  Sack, 
Schließlich  kam  er  zu  einem  großen  Tor,  dessen 
einer  Flügel  offen  stand.  Der  Knabe  schlug  die 
Trommel,  aber  niemand  trat  heraus;  er  stieß  den 
Esel  in  den  Torweg,  und  da  überzeugte  er  sich, 
daß  auch  innen  völliges  Schweigen  herrschte. 
Nachdem  sie  den  Esel  im  Stalle  angebunden 
hatten,  lehnten  Vater  und  Sohn  eine  Leiter  an 
das  Haus  und  stiegen  hinauf;  sie  kamen  in  einen 
Vorsaal  und  dann  in  ein  Zimmer,  ohne  daß  sie 
einen  Laut  gehört  hätten. 

Plötzlich  traf  ein  Geräusch  das  Ohr  des  Hod- 
schas;  eine  Frauenstimme  sagte:  ,, Jetzt  wird  der 
Effendi  bald  dasein."  Das  wollte  heißen,  daß  die 
Herrin  des  Hauses  an  diesem  Tage  mit  dem  Kadi 
der  Stadt  ein  verliebtes  Stelldichein  hatte.  In 
diesem  Augenblicke  war  sie  im  Bade,  und  sie 
sagte  zu  ihren  Sklavinnen,  daß  sie  rasch  heraus- 
steigen müsse. 

Das  hörte  der  Hodscha  alles  und  er  sagte  sich: 
,,Da  gilt  es,  einen  hübschen  Spaß  anzustellen," 
Als  er  darum  unverzüglich  ein  passendes  Ver- 
steck suchte,  sah  er  ihm  gegenüber  ein  köstliches 
Zimmer,  reich  mit  Gold  verziert.  Ohne  zu  zau- 
dern, trat  er  ein;  dort  fand  er  den  großen  Bett- 
schrank schier  leer,  und  er  versteckte  sich  mit 
seinem  Sohne  hinter  den  Vorhängen. 

132 


Einen  Augenblick  darauf  stieg  die  junge  Dame 
aus  dem  Bade;  gestützt  auf  die  Arme  ihrer  Skla- 
vinnen kam  sie  in  das  Zimmer  und  setzte  sich  auf 
den  Ehrenplatz,  um  also  die  Ankunft  des  Kadis 
abzuwarten.  Der  war  auch  bald  zur  Stelle;  die 
Sklavinnen  führten  ihn  zu  ihrer  Herrin,  die  sich 
erhob,  ihm  einige  Schritte  entgegenging,  ihn  unter 
dem  Arme  faßte  und  ihm  den  Ehrensitz  überließ. 
Es  war  im  Sommer  und  an  einem  der  heißesten 
Tage,  so  daß  der  Kadi  etwas  schwitzte;  drum 
zogen  ihm  die  Sklavinnen  seine  Kleider  aus  und 
er  behielt  nur  die  Unterhosen  und  ein  Jäckchen 
und  auf  dem  Kopfe  eine  Mütze,  Die  Kleider 
legten  die  Sklavinnen  in  eine  Truhe, 

Nun  mußte  sich  der  Effendi  zu  seiner  Be- 
quemlichkeit auf  das  Bett  setzen  und  die  Dame 
setzte  sich,  ebenso  nur  leicht  gekleidet,  neben 
seine  Herrlichkeit,  Nachdem  sie  dann  ein 
leichtes  Mahl  eingenommen  hatten,  tranken  sie 
einige  Becher  Wein;  die  Hitze  tat  das  übrige, 
und  so  war  der  Kadi  bald  berauscht.  Als  das 
die  Dame  sah,  gab  sie  ein  Zeichen;  der  Kadi 
wurde  niedergelegt  und  die  Sklavinnen  ent- 
fernten sich,  so  daß  ihre  Herrin  und  der  Kadi 
allein  blieben.  Der  Hodscha  verhielt  sich  immer- 
fort still. 

Die  Dame  war  gut  aufgelegt;  sie  und  der  Kadi 
umarmten  sich  und  begannen  zu  tändeln  und 
Küsse  zu  tauschen.  Der  Kadi  benutzte  den 
Augenblick  und  entledigte  die  Dame  all  ihrer 
Hüllen,  Als  das  geschehn  war,  fand  sie  ihre 
Sprache  wieder  und  sagte:  „Weißt  du,  Effendi, 
wie  die  Liebe  sein  soll,  die  mein  Herz  be- 
gehrt?" 

133 


„Nein,  Königin  meiner  Seele;  ich  kenne  auch 
keine  andere  als  die  bewegliche," 

„Die,  die  ich  liebe,"  sagte  die  Dame,  ,,ist  die 
Kriegsliebe." 

„Nach  meiner  Erfahrung",  antwortete  der 
Kadi,  ,,ist  es  die  bewegliche,  die  den  Preis  ver- 
dient," 

Nun  sagte  die  verschmitzte  Schöne:  „Nennen 
wir  mein  Schloß  die  Weiße  Burg  und  deinen 
Schlüssel  den  Roten  Prinzen,  Wann  ich  mich 
niederlege,  so  daß  die  Weiße  Burg  zu  sehn  ist, 
laß  du  den  Roten  Prinzen  hervorkommen;  er  soll 
die  Weiße  Burg  angreifen,  ohne  viel  Umschweife 
das  Tor  stürmen  und  als  Sieger  einziehen." 

Bei  diesen  Worten  sagte  sich  der  Hodscha: 
„Sie  beabsichtigen  also  einen  Krieg;  aber  es  fehlt 
ihnen  der  Spielmann,  der  zum  Sturme  das  Spiel 
schlüge:  wann  sie  so  weit  sind,  werde  ich  trom- 
meln," 

Da  legte  sich  auch  schon  die  Dame  auf  den 
Rücken  und  die  Weiße  Burg  bot  sich  den  Blicken 
des  Kadis ;  der  holte  unverdrossen  den  Roten  Prin- 
zen hervor  und  ließ  ihn  stürmen.  Kaum  war  dann 
der  Eingang  erzwungen,  machte  Nasreddin  seinem 
Sohne  ein  Zeichen  und  sagte:  „Rühre  die  Trom- 
mel; es  gibt  keinen  ordentlichen  Sturm,  ohne  daß 
das  Spiel  geschlagen  würde." 

Der  Sohn  nahm  die  Schlägel  und  begann  den 
anbefohlenen  Wirbel.  Als  der  Lärm  in  dem 
Schranke  losging,  bekamen  der  Kadi  und  die 
Dame  Angst:  mit  den  Worten  „Das  ist  kein  gutes 
Zeichen"  liefen  sie  aus  dem  Zimmer,  und  sie 
eilten  durch  den  Vorsaal  und  blieben  nicht  eher 
stehn,  als  bis  sie  unten  waren.     Dann  sahen  sie 

134 


einander  ganz  betäubt  an,  und  ohne  ein  Wort 
herausbringen  zu  können,  weil  sie  vor  Bestürzung 
die  Sprache  verloren  hatten. 

Der  Hodscha  aber  sah  in  diesem  Abenteuer 
eine  Gelegenheit,  Beute  zu  machen.  Er  verließ  den 
Bettschrank,  öffnete  die  Truhe  und  bemächtigte 
sich  der  Kleider  des  Kadis  und  dessen  Turbans; 
dann  stieg  er  ohne  Verzug  die  Leiter  hinunter, 
ging  in  den  Stall,  wo  das  Maultier  des  Kadis 
neben  seinem  Esel  stand,  legte  die  Kleider  in  den 
Sack,  übergab  den  Esel  seinem  Sohne,  band  für 
sich  selber  das  Maultier  los,  verschwand  aus  dem 
Hause  und  eilte  heim.  Dort  stellte  er  das  Maul- 
tier ein,  verschloß  den  Turban  und  die  Kleider 
und  setzte  sich  nieder. 

Seine  Frau  fragte  ihn:  „Woher  hast  du  diese 
Sachen  und  das  Maultier?" 

„Sie  gehören  mir;  sie  sind  mir  als  Beute  zu- 
gefallen." 

Während  sich  der  Hodscha  in  seinem  Herzen 
freute  und  der  süßen  Ruhe  genoß,  sagte  die  Dame 
und  der  Kadi,  die,  wie  wir  erzählt  haben,  voller 
Schrecken  hinuntergelaufen  waren:  „Es  muß  ein 
Geist  dasein."  Da  sie  sich  nicht  hinauf zugehn 
getrauten,  rief  die  Dame  eine  Sklavin  und  befahl 
ihr:  „Geh  hinauf  und  suche  die  Kleider  des  Herrn 
Kadi." 

Die  Sklavin,  die  sich  ebenso  fürchtete,  ging 
langsam  und  mit  tausendfacher  Vorsicht  die 
Treppe  hinauf,  die  zu  dem  Saale  führte:  sie 
schaute  durch  die  Tür  ins  Zimmer  hinein  und  sah 
niemand  drinnen;  sie  öffnete  den  Bettschrank 
und  die  Truhe,  ohne  etwas  zu  entdecken,  und 
kam  wieder  herunter.     „Es  ist  niemand  oben," 

135 


sagte  sie  zu  der  Dame  und  dem  Effendi,  , »weder 
ein  Teufel,  noch  ein  Geist," 

Noch  immer  von  tausenderlei  Vermutungen 
beunruhigt,  stiegen  sie  hinauf  und  setzten  sich 
nieder;  und  der  Kadi  sagte:  „Das  war  kein  gutes 
Zeichen;  verschieben  wir  unser  Vergnügen  auf  ein 
andermal.  Man  bringe  mir  ungesäumt  meine 
Kleider,  daß  ich  mich  anziehe  und  weggehe." 

Die  Dame  befahl  den  Sklavinnen,  die  Kleider 
des  Kadis  zu  bringen;  aber  die,  die  die  Truhe 
öffnete,  fand  drinnen  weder  Kleider,  noch  Tur- 
ban. Sie  meldete  es  ihrer  Herrin,  und  die  sagte 
es  dem  Kadi.  Der  Kadi  versank  in  Nachdenken; 
er  war  völlig  verwirrt  und  konnte  sich  nicht  ent- 
rätseln, wie  das  zugegangen  sein  mochte:  nackt 
war  er  ja  vom  Gerichtshause  sicherlich  nicht  weg- 
gegangen. Endlich  sagte  er:  „Was  geschehn 
sollte,  Liebste,  ist  geschehn;  was  sich  erfüllen 
sollte,  ist  zur  Wirklichkeit  geworden,"  Dann 
schrieb  er  einen  Brief  an  seinen  Haushofmeister: 
„Gib  dem  Überbringer  einen  vollständigen  Anzug, 
vom  Kopf  bis  zum  Fuß,"  Und  indem  er  das 
Schreiben  faltete,  schloß  und  siegelte,  bat  er  die 
Dame,  damit  jemand  wegzuschicken. 

Die  Dame  ließ  den  Brief  durch  ihre  Amme  be- 
fördern. Die  ging  geradewegs  ins  Gerichtshaus 
und  übergab  ihn  dem  Stellvertreter  des  Kadis, 
dem  Na jb-Ef feudi.  Er  nahm  Kenntnis  von  dem 
Inhalte  und  sah,  daß  der  Kadi  eine  Mütze,  einen 
Turban ,  Unterhosen  und  alles  übrige  haben 
wollte;  er  rief  den  Haushofmeister  und  teilte  ihm 
alles  mit.  Dieser  ließ  sich,  dem  Briefe  gemäß, 
im  Harem  einen  vollständigen  Anzug  ausfolgen 
und  übergab  den  Pack  der  Amme,  und  die  brachte 

136 


ihn  rasch  dem  Kadi.  Der  Kadi  kleidete  sich  an, 
gürtete  sich  und  band  sich  den  Turban  um;  als  er 
dann  gehn  wollte,  erinnerte  er  sich  des  Maultiers 
und  befahl  es  ihm  vorzuführen.  Eine  Sklavin  lief 
in  den  Stall;  da  sie  es  aber  nicht  vorfand,  schrien 
sie:  „Effendi,  das  Maultier  ist  nicht  da," 

Der  Kadi  war  zwar  verdutzt  über  dieses  neue 
Ereignis,  nahm  aber,  ohne  noch  weiter  zu  ver- 
ziehen, von  der  Dame  Abschied;  er  war  so  ver- 
stört, daß  er  auf  dem  ganzen  Wege  zum  Gerichts- 
hause nicht  vor  und  nicht  hinter  sich  sah.  Als  er 
dann  auf  seinem  Sitze  ausruhte,  rief  er  sich  alles, 
was  er  tagsüber  erlebt  hatte,  ins  Gedächtnis  zu- 
rück. Bald  darauf  ging  er  heim  und  legte  sich,  da 
es  Nacht  geworden  war,  schlafen. 

Am  nächsten  Tage  verließ  er  seinen  Harem 
schon  in  der  Morgendämmerung  und  ging  sein 
Amt  als  Richter  versehn.  Nachdem  sich  einige 
Freunde ,  die  ihn  zu  unterhalten  gekommen 
waren,  entfernt  hatten,  wandten  sich  seine  Ge- 
danken, wie  er  so  allein  war,  wieder  den  Vorfällen 
des  Abends  zu;  aber  je  mehr  er  nachdachte,  desto 
mehr  verwundert  war  er. 

Unterdessen  zog  der  Hodscha  Nasreddin  die 
Kleider  des  Kadis  an,  wickelte  sich  dessen  Tur- 
ban um  und  hüllte  sich  in  dessen  Mantel;  und  in 
dieser  Tracht  bestieg  er  das  Maultier  des  Effen- 
dis  und  begab  sich  aufs  Gericht,  Den  Dienern 
des  Kadis  entging  es,  als  sie  ihn  ansahen,  keines- 
wegs, daß  er  all  die  Kleider  ihres  Herrn  trug  und 
auch  dessen  Maultier  ritt;  sie  liefen  auch  alsbald 
zum  Kadi,  um  ihm  das  zu  melden.  ,,Herr," 
sagten  sie,  „Nasreddin-Effendi,  der  jetzt  kommt, 
hat  dich  bestohlen;  sieh  dir  nur  die  Kleider  an, 

137 


die  er  am  Leibe  hat,  und  das  Maultier,  das  er 
reitet." 

Aber  der  Kadi  sagte:  „Gebt  acht,  was  ihr 
sagt;  man  darf  niemand  leichtfertig  anklagen." 

Inzwischen  stieg  der  Hodscha  ab,  band  das 
Maultier  unten  an  der  Stiege  an,  ging  hinauf  und 
begrüßte  den  Kadi.  Der  gab  ihm  den  Gruß  zu- 
rück, erhob  sich  und  ließ  den  Hodscha,  um  ihm 
eine  Höflichkeit  zu  erzeigen,  den  Ehrensitz  ein- 
nehmen; er  bot  ihm  einen  vortrefflichen  Kaffee  an 
und  überhäufte  ihn  mit  ehrenvollen  Aufmerksam- 
keiten. Schließlich  ließ  er  alle  lästigen  Zuhörer 
entfernen  und  richtete  geradeaus  an  den  Hodscha 
die  Frage:  ,, Woher  hast  du  diese  Kleider, 
Hodscha-Effendi,  und  woher  hast  du  das  Maul- 
tier?" 

,,Sowahr  mir  Gott  helfe,"  antwortete  Nasr- 
eddin,  , »gestern  hat  hier  ein  Kampf  stattgefunden: 
der  Rote  Prinz  hat  die  Weiße  Burg  gestürmt. 
Als  der  Kampf  am  hitzigsten  war,  bemächtigte 
sich  der  Streitenden  ein  jäher  Schrecken,  und  ich 
raffte  die  Beute  auf,  die  auf  dem  Schlachtfelde 
verblieben  war." 

Aus  diesen  Worten  begriff  der  Kadi  leicht, 
worum  es  sich  handelte;  er  änderte  seine  Hal- 
tung und  sagte  zum  Hodscha:  ,,Da  es  deine  Beute 
ist,  ist  es  billig,  daß  du  sie  behältst;  vielleicht  muß 
sie  sogar  noch  vergrößert  werden,  damit  du, 
wenn  man  dich  fragt:  ,Hast  du  das  Kamel  ge- 
sehn?', antwortest:  ,Es  muß  samt  seinem  Füllen 
verzehrt  worden  sein;  ich  habe  weder  das  Kamel, 
noch  das  Füllen  gesehn.'  " 

Der  Hodscha  erwiderte:  „Wenn  das  so  sein 
soll,  so  gib  mir  den  Preis  des  Kamels,  damit  sich 

138 


unser  Mund  so  schließe,  daß  ihm  auch  nicht  ein 
Wörtchen  entfällt," 

Sowohl  um  den  Wunsch  des  Hodschas  zu  er- 
füllen, als  auch  der  eigenen  Ruhe  halber  reichte 
ihm  der  Kadi  zwanzig  Goldstücke,  indem  er  ihm 
noch  einmal  ans  Herz  legte,  ja  nichts  verlauten 
zu  lassen.  Und  der  Hodscha  antwortete:  „Wie 
sollte  denn  etwas  bekannt  werden?  Alles  bleibt 
unter  uns,  besonders  wenn  du  mir  statt  des 
Kamelfüllens  das  Maultier  geben  willst;  das  ist 
dann  alles,  was  ich  von  dir  haben  will." 

„Einverstanden,"  sagte  der  Kadi,  und  er  er- 
teilte seinen  Dienern  die  entsprechenden  Auf- 
träge. Die  Diener  führten  dem  Hodscha  das 
Maultier  vor  und  boten  es  ihm  an;  alsbald  ver- 
abschiedete er  sich  von  dem  Kadi,  stieg  in  den 
Sattel  und  ritt  heim. 

Von  nun  an  trug  er  stets  die  Kleider,  den 
Mantel  und  den  Turban  des  Kadis  und  ritt  stets 
das  Maultier;  außerdem  hat  er,  nach  dem,  was 
erzählt  wird,  das  Geheimnis  keinem  Menschen 
mitgeteilt. 

MAn  erzählt,   daß   der  Hodscha   einmal   ein  237, 

Kalb  hatte;  einen  Tag  tränkte  und  fütterte 
es  seine  Frau,  am  andern  Tage  er,  an  wen  eben 
die  Reihe  kam.  Nun  wurde  an  einem  Tage,  wo 
es  an  der  Frau  war,  diese  Verrichtungen  zu  be- 
sorgen, ihnen  gegenüber  eine  Hochzeit  gefeiert, 
wozu  man  die  Frau  eingeladen  hatte;  da  sagte 
sie  zu  ihrem  Manne:  „Wie  werden  wir  es  dies- 
mal halten?" 

Er  antwortete;  ,,Wir  wollen  ein  Überein- 
kommen treffen:  wer  von  uns  zuerst  ein  Wort 

139 


spricht,  muß  dem  Kalbe  zu  trinken  und  zu  fressen 
geben." 

„Einverstanden,"  antwortete  sie. 

Nach  diesem  Gespräche  ging  der  Hodscha  ins 
Haus  und  seine  Frau  ging  zur  Hochzeit. 

Nun  hatte  sich  just  an  diesem  Tage  ein 
Zigeunertrupp  vor  der  Stadt  gelagert,  und  die 
Frauen  hatten  sich  in  den  Straßen  zerstreut  und 
sahen  rechts  und  links,  ob  es  etwas  zu  stehlen 
gebe.  Von  ungefähr  trat  eine  in  das  Haus  des 
Hodschas;  dort  herrschte  völliges  Schweigen,  Im 
Harem  angelangt,  sah  sie  den  Hodscha,  der 
durchaus  stumm  blieb.  Augenblicklich  machte 
sie  sich  daran,  das  Haus  zu  durchstöbern,  las 
alles  zusammen,  was  sie  fand,  und  steckte  es  in 
ihren  Sack;  den  Hodscha  hatte  sie  leicht  an- 
schauen: er  verharrte  in  seinem  Schweigen.  Ohne 
weitere  Bedenken  nahm  sie  ihm  die  Mütze  und 
den  Turban  vom  Kopfe,  und  er  verlor  darüber 
kein  Wort;  „wenn  ich  spreche,"  sagte  er  sich, 
„muß  ich  das  Kalb  tränken."  So  schenkte  er 
denn  dem  Treiben  der  Zigeunerin  nicht  die  ge- 
ringste Aufmerksamkeit;  sie  benutzte  das  und 
machte  sich  davon. 

Inzwischen  wurde  im  Hause  des  jungen 
Paares  das  Mahl  aufgetragen,  und  die  Frau  des 
Hodschas  belud  eine  Schüssel  mit  Speisen,  um 
sie  dem  Hodscha  zu  bringen.  Als  sie  heimkam, 
sah  sie,  daß  man  das  Haus  so  gründlich  aus- 
geplündert hatte,  daß  nicht  einmal  der  Turban 
oder  die  Mütze  auf  des  Hodschas  Kopf  verblieben 
war.  Da  brach  sie  das  Schweigen  und  sagte: 
„Hodscha,  wohin  sind  denn  alle  unsere  Sachen 
gekommen?" 

140 


„Du  hast  gesprochen,"  schrie  nun  Nasreddin; 
„du  mußt  also  heute  unser  Kalb  tränken  und 
füttern!" 

MAn  erzählt,  daß  einmal  in  der  Landschaft  238. 

Diarbekr  ein  kleiner  Kaufmann  war,  der 
sein  Geschäft  betrieb,  indem  er  von  Dorf  zu  Dorf 
wanderte.  Eines  Tages  trug  er  eine  Last  Trau- 
ben. Die  Nacht  fiel  ein,  als  er  noch  im  Freien 
war,  aber  niemand  wollte  ihm  Gastfreundschaft 
gewähren,'  Schließlich  sah  er  eine  Frau,  die  vom 
Flusse  kam.  Er  näherte  sich  ihr,  als  sie  eben  in 
ihr  Haus  treten  wollte,  und  sagte  ihr,  daß  ihm, 
weil  er  Trauben  trage,  niemand  habe  ein  Nacht- 
lager geben  wollen  trotz  der  geheimen  und  ent- 
wickelten Vorteile,  womit  ihn  die  Natur  aus- 
gestattet habe.  Die  Frau  unterließ  es  keineswegs, 
diese  seine  letzten  Worte  zum  Gegenstande  ihrer 
Überlegungen  zu  machen;  unverzüglich  trat  sie 
ins  Haus,  ging  zu  ihrem  Manne  und  sagte  zu 
ihm:  „Wie  ich  höre,  ist  gegenwärtig  der  Sohn 
meines  Oheims  im  Dorfe;  er  ist,  sagt  man  mir, 
ein  herumziehender  Händler,  Warum  hast  du 
ihn  nicht  eingeladen?" 

Der  Mann  antwortete:  „Aber  wieso  hätte  ich 
denn  von  seiner  Ankunft  erfahren  sollen?" 

Sie  erwiderte:  „Nicht  einmal  ein  Hund  wird 
sich  getrauen,  sich  irgendwo  einzufinden,  wenn 
man  ihn  nicht  gerufen  hat," 

Nach  diesem  Gespräche  ging  der  Gatte  den 
Mann  mit  den  Trauben  suchen  und  lud  ihn  ein, 
zu  ihm  zu  kommen.  Die  Frau  beeilte  sich  mit 
dem  Empfange  und  sagte  zu  ihm:  ,, Willkommen, 
Vetter!   Glück  zur  Ankunft!"  und  überhäufte  ihn 

141 


mit  Aufmerksamkeiten,  Und  als  es  Nacht  wurde, 
bereitete  sie  ihm  ganz  nahe  dem  Schlafzimmer 
auf  einem  Sofa  ein  Bett,  Er  legte  sich  nieder  und 
die  Eheleute  taten  desgleichen.  Einen  Augen- 
blick später  schlief  der  Gatte,  der  sehr  müde  war; 
alsbald  erhob  sich  die  Frau  geräuschlos  und  ging 
zu  dem  Kaufmanne,  Sie  unterhielten  sich  wohl 
miteinander;  aber  die  Frau  fand  seine  Waffen 
doch  nicht  so  besonders,  wie  er  früher  gesagt 
hatte.  Und  sie  sagte  zu  ihm:  ,, Freund,  du  hast 
mir  deine  Vorteile  arg  übertrieben;  es  ist  nichts 
da,  was  etwas  wert  wäre," 

„Ach,  Frau,"  antwortete  er,  ,,ich  habe  mehr, 
als  du  siehst;  aber  ich  war,  es  ist  eine  Zeit  her, 
gezwungen,  es  zu  verpfänden," 

Sie  sagte  voll  Lebhaftigkeit:  „Wie  viel  hast 
du  darauf  entlehnt?" 

Er  antwortete;  ,, Zwanzig  oder  dreißig  Toman." 

Die  gab  sie  ihm  auf  der  Stelle  und  trug  ihm 
auf,  sein  Pfand  holen  zu  gehn  und  es  ohne  Fehl 
in  der  nächsten  Nacht  zu  bringen. 

Am  Morgen  stand  der  Kaufmann  auf  und  ging 
von  neuem  seine  Trauben  im  Dorfe  ausbieten. 
Als  es  Abend  wurde,  fragte  er  sich,  wie  er  es 
anfangen  solle,  um  seine  Wirtin  zufrieden  zu 
stellen.  In  diesen  Gedanken  versunken,  be- 
merkte er  auf  einmal,  daß  ein  Bienenschwarm 
seine  Regungslosigkeit  benutzt  hatte,  um  sich 
auf  dem  Korbe  mit  den  Trauben  zu  ver- 
sammeln; da  schrie  er:  „Ich  habs!"  Er  nahm 
eine  Biene  und  drückte  sie  auf  das  Werkzeug, 
das  als  zu  geringfügig  befunden  worden  war:  die 
Biene  versenkte  ihren  Stachel  hinein;  es  zeigte 
sich  eine  Entzündung,  und  das  Ding  schwoll  der- 

142 


maßen  an,  daß  man  schier  nicht  hätte  erraten 
können,  was  es  war.  Das  getan,  ging  er  die  Frau 
aufsuchen;  sie  war  gerade  allein  zu  Hause.  Und 
sie  fragte  ihn:  ,,Hast  du  es  ausgelöst  aus  den 
Händen  der  Wucherer?" 

,, Jawohl," 

Ais  es  Abend  war,  ging  man  zu  Tische;  dann 
kam  die  Zeit,  schlafen  zu  gehn.  Alle  drei  legten 
sich  so  nieder  wie  in  der  Nacht  vorher,  und  man 
hatte  keine  Acht  darauf  gehabt,  das  Bett  des 
Fremden  nicht  neben  dem  Schlafzimmer  zu  be- 
reiten. 

Kaum  war  ihr  Gatte  eingeschlafen,  so  kam 
schon  die  Frau  zu  dem  Kaufmanne,  den  die 
Schmerzen  kein  Auge  zutun  ließen  und  der  sich 
in  seinem  Bette  wand  wie  auf  einem  Roste,  Bei 
dem  Anblicke,  der  sich  ihr  bot,  glaubte  die  Frau 
vor  Wonne  zu  vergehn;  dabei  kam  ihr  ein  Wind 
aus.  ,,Wie?"  schrie  der  Fremde;  und  mit  einem 
in  Diarbekr  üblichen  Ausdrucke:  ,, Deinem  Mann 
in  den  Bart?" 

,,0  nein,"  sagte  die  Frau,  ,,den  armen  trifft 
kein  Vorwurf,  aber  dich  desto  mehr;  hast  du  dich 
doch,  obwohl  du  weißt,  wie  unschätzbar  das  ist, 
was  du  hast,  nicht  gescheut,  es  zu  verpfänden!" 


Eines    Tages    sagte    der    Hodscha    zu    seinen  239. 

Freunden:    ,,Ein   Sommernachmittag   ist    so 
viel  wert  wie  drei  ganze  Tage  im  Winter." 

Sie  fragten  ihn:  ,,Wie  das?",  und  er  ant- 
wortete: „Ich  weiß  es  aus  Erfahrung:  als  ich 
meinen  Kaftan  im  Winter  gewaschen  habe, 
brauchte  er  drei  Tage,  um  zu  trocknen;  dann  habe 

143 


•    ich  ihn   an   einem   Nachmittag   im   Sommer   ge- 
waschen und  da  war  er  noch  vor  Nacht  trocken." 

240.  t^ Inmal  sagte  der  Hodscha:  „Zwischen  der 
XZtf  Jugend  und  dem  Alter  ist  kein  Unter- 
schied.** 

Man  fragte  ihn:  „Wieso  denn?",  und  er  ant- 
wortete: „Vor  unserer  Tür  liegt  ein  Stein;  nur 
wenige  Leute  sind  imstande,  ihn  zu  heben.  In 
meiner  Jugend  habe  ich  versucht,  ihn  zu  heben, 
und  es  ist  mir  nicht  gelungen;  später  und  dann 
jetzt,  wo  ich  ein  Greis  bin,  ist  mir  das  eingefallen, 
und  ich  habe  es  von  neuem  versucht,  aber  ich 
habe  ihn  wieder  nicht  heben  können.  Diese  Er- 
fahrung ist  es,  warum  ich  sage,  daß  zwischen  der 
Jugend  und  dem  Alter  kein  Unterschied  ist." 

241.  T^^"^  Hodscha  Nasreddin  —  Gottes  Barmherzig- 
J-^  keit  über  ihn  —  war  vor  kurzem  aus  diesem 
vergänglichen  Leben  in  eine  bessere  Welt  abge- 
schieden; sein  erlauchtes  Grab  war  neben  einer 
ehrwürdigen  Moschee,  Als  nun  an  einem  Frei- 
tage das  Volk  zum  Gebete  versammelt  war,  hörte 
man  plötzlich  eine  jauchzende  Stimme:  „Musel- 
manen, der  Hodscha  Nasreddin  hat  sein  Grab 
verlassen;  er  reitet  auf  seinem  Grabsteine,  er 
schreit  und  ist  lustig.*' 

Auf  diese  Worte  hin  liefen  die  Gläubigen  aus 
der  Moschee,  und  augenblicklich  stürzte  hinter 
ihnen  die  Kuppel  ein;  niemand  erlitt  auch  nur 
die  geringste  Verletzung. 

Ihr  erseht,  meine  Freunde,  eine  wie  hohe 
Stelle  der  erlauchte  und  glorreiche  Hodscha 
Nasreddin  unter  den  Heiligen  einnimmt,  die  Gott 

144 


den  Allmächtigen  umgeben,  da  ihm  erlaubt 
worden  ist,  sogar  nach  seinem  Tode  Wunder 
zu  tun. 

Über  ihn  sind  viele  glaubwürdige  Geschichten 
aufgezeichnet  worden;  aber  noch  zahlreichere 
sind  mit  Unwahrheiten  behaftet.  Gott  weiß,  wie 
es  damit  steht!  Aber  erinnern  wird  man  sich 
seiner  bis  zu  dem  Tage  des  jüngsten  Gerichtes! 

Die  Barmherzigkeit  Gottes  sei  mit  ihm,  die 
Barmherzigkeit  und  die  Verzeihung! 

Eines  Tages  predigte  der  Hodscha  Nasreddin  242. 

in  Siwri-Hissar;  und  er  sagte,  mit  dem  Kopfe 
wackelnd:  „Muselmanen,  das  Klima  in  dieser 
Stadt  ist  dasselbe  wie  in  Kara-Hissar." 

Man  fragte  ihn:  „Wieso  denn?",  und  er  ant- 
wortete: „In  Kara-Hissar  habe  ich  mich  entblößt 
und  mein  Glied  betrachtet:  es  hing  schlaff  über 
dem  Beutel;  hier  habe  ich  mich  entblößt  und  es 
betrachtet:  es  war  ebenso." 

Eines  Tages  stieg  der  Hodscha  auf  die  Kanzel  243. 

und  predigte:  „Danken  wir,  Muselmanen, 
dem  wahrhaftigen  und  allmächtigen  Gotte,  daß 
er  nicht  wollte,  daß  wir  den  Hintern  in  der  Hand 
hätten;  sonst  würden  wir  uns  mehr  als  hundert- 
mal täglich  die  Nase  schmutzig  machen." 

Wieder  stieg   der  Hodscha   auf   die   Kanzel  244. 

und  begann  zu  sprechen:  „Ewigen  Dank 
müssen  wir  Gott  sagen,  Muselmanen,  daß  er  das, 
was  er  uns  für  vorne  gegeben  hat,  nicht  hat 
hinten  anbringen  wollen;  sonst  hätte  jeder  schier 
unfreiwillig    den    Gesellen    Lots    gleich    werden 

Nasreddin,   I.  IQ  145 


müssen,  indem  er  das  getan  hätte,  wovor  sich  nur 
Lot  allein  hat  bewahren  können," 

245.  A  Ls  sich  der  Hodscha  eines  Tages  erging, 
XA.  sah  er  einige  Frauen,  die  Kleidungsstücke 
wuschen.  Er  trat  näher  an  sie  heran,  und  da 
entblößten  sie  sich.  Und  sie  fragten  ihn:  „Wie 
heißt  das?" 

Der  Hodscha  antwortete:  ,,Auf  Türkisch  heißt 
es  Am",  ohne  irgendeine  Umschreibung  zu  ge- 
brauchen. 

Sie  antworteten:  ,, Jedenfalls  ist  es  das  Para- 
dies des  Armen," 

Der  Hodscha  ging  weg;  er  wickelte  seinen  Sik 
in  ein  Stück  Leinwand  wie  in  ein  Leichentuch 
und  legte  einen  Hobelspan  herum,  der  die  Stelle 
des  Sarges  vertreten  sollte,  und  kam  also  zurück, 
Sie  sagten  zu  ihm:  ,,Was  ist  das,  Hodscha?" 

„Das  ist  ein  Armer,  der  gestorben  ist;  jetzt 
will  er  ins  Paradies," 

Um  diesen  Wunsch  zu  erfüllen,  nahm  ihn 
eine  in  die  Hand;  der  Beutel  aber  blieb  außer- 
halb und  sie  sagte:  „Was  ist  das?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Das  sind  die  Kin- 
der des  Armen,  die  sein  Grab  besuchen  ge- 
kommen sind." 

246.  '7Wei  Männer  erschienen  vor  dem  Hodscha 
^^  und  der  eine  sagte:  „Ich  habe  dem  da  Geld 
gegeben,  und  er  gibt  es  mir  nicht  zurück," 

Der  Hodscha  sagte:  „Warum  bezahlst  du  ihn 
nicht?" 

Der  gefragte  antwortete:  „Der  Grund  ist,  daß 
ich  kein  Geld  habe." 

146 


Der  Gläubiger  sagte:  „Soll  ich  mich  mit 
solchen  Gründen  bezahlen  lassen,  Effendi? 
Mach  ihm  doch  ein  bißchen  Angst,  ich  bitte 
dich." 

Sofort  hielt  der  Hodscha  je  einen  Finger  an 
seine  Augen  und  einen  an  den  Mund  und  schrie: 
„Wau!",  wie  man  tut,  wenn  man  die  kleinen 
Kinder  schrecken  will;  „und  jetzt  gib  ihm  sein 
Geld." 

DEm  Hodscha  wurde  ein  Mann  vorgeführt,  um  247. 

verhört  zu  werden.  Der  Hodscha  ließ  ihn 
auf  die  Folter  spannen  und  ihn  schließlich  an 
den  Armen  aufhängen;  dabei  sagte  er  immerfort 
zu  ihm:  „Gesteh  doch." 

Endlich  wurde  er  der  Sache  überdrüssig  und 
ließ  ihn  abnehmen;  da  schrie  der  gefolterte; 
„Noch  einen  Augenblick,  und  ich  hätte  alles 
gesagt." 

Trotzdem  ließ  ihn  der  Hodscha  ruhig  weg- 
gehn. 

MAn  führte  dem  Hodscha,  der  damals  Kadi  248- 

war,  einen  Mann  vor  und  sagte,  um  ihn  zu 
verklagen:  „Er  hat  eine  Katze  besprungen."  Da 
Zeugen  dafür  dawaren,  war  ein  Leugnen  unmög- 
lich. Der  Hodscha  aber  fragte  ihn:  „Wie  hast 
du  sie  denn  genommen?" 

„Ich  habe,  du  weißt  schon,  was  ans  Pförtchcn 
gebracht  und  habe  mir,  indem  ich  sie  bei  den 
Pfoten  hielt,  den  Eintritt  erzwungen;  es  ist  so 
gut  gegangen,  daß  ich  es  zweimal  habe  wieder- 
holen können," 

„Wahrhaftig,"  schrie  der  Hodscha,  indem  er 

10*  147 


ihn  voll  Bewunderung  anblickte,  ,,du  bist  wahr- 
haftig mein  Meister  in  diesem  Spiele;  hab  ichs 
doch  schon  mehr  als  dreißigmal  so  wie  du  ver- 
sucht, ohne  daß  es  mir  auch  nur  einmal  gelungen 
wäre." 

249.  "KKAn  brachte  zwei  Krüge  zum  Hodscha,  der 
^''l.  eine  voll  Sesamöl,  der  andere  voll  Urin; 
zugleich  führte  ihm  die  Scharwache  zwei  Männer 
vor,  deren  jeder  behauptete,  das  Öl  gehöre  ihm, 
und  es  handelte  sich  darum,  es  einem  von  den 
beiden  zuzusprechen. 

Der  Hodscha  befahl:  „Sie  sollen  beide  ihr 
Wasser  ablassen  und  zwar  in  verschiedene  Ge- 
fäße; den  Krug  mit  Öl  soll  dann  der  haben,  der 
Öl  pißt." 

250.  "T^^r  Hodscha  schnitt  sich  die  Nägel  und  man 

U  sagte  zu  ihm:  „Die  Abschnitzel  mußt  du  in 
einer  Fußtapfe  vergraben." 

Der  Hodscha  stand  auf,  ging  sie  vergraben, 
wie  man  ihm  gesagt  hatte,  und  verrichtete  dar- 
über seine  Notdurft.  Als  man  ihn  fragte:  „Was 
machst  du  da,  Hodscha?",  antwortete  er:  „Ich 
will  den  Ort  bezeichnen,  damit  ihr  ihn  leichter 
kennt." 

251.  OEine  Frau  sagte  zum  Hodscha:  „Ich  gehe  ins 
O  Bad;  gib,  solange  ich  abwesend  bin,  auf  das 
Kind  acht."  Kaum  war  sie  gegangen,  begann  das 
Kind  zu  schreien.  Nun  hatte  der  Hodscha  neben 
sich  eine  Schüssel  Joghurt  stehn;  damit  be- 
schmierte er  seinen  Sik  und  fand  auf  diese  Weise 
ein  Mittel,  den  Hunger  des  Säuglings  zu  stillen. 

148 


„Sehr  gut,  Hodscha,"  sagte  seine  Frau,  als  sie 
zurückkam  und  das  Kind  schlafend  fand;  „sehr 
gut!" 

„Ach,  Liebste,"  antwortete  der  Hodscha,  „bis 
du  gekommen  bist,  habe  ich  ihn  neunmal  von 
diesem  Sik  Joghurt  saugen  lassen;  wenn  du  das 
getan  hättest,  schliefest  du  auch." 


HOdscha,"  sagte  eines  Tages  seine  Frau  zu  252. 

ihm,  ,,du  gehst  von  mir  geradeso  weg  wie 
vom  Abtritt," 

Als  er  nun  einmal  vom  Abtritte  wegging,  ließ 
er  wirklich  einen  Wind.  Einer,  der  vorbeiging, 
sagte  zu  ihm:  „Das  ist  eine  Schande," 

Er  antwortete:  „Das  ist  diese  Dirne,  von  der 
ich  gelernt  habe,  aufzumachen,  was  man  nicht 
soll," 


Eines  Tages  sagte  der  Hodscha  zu  seiner  Frau:  253. 

„Koch  mir  Halwa,"  Seine  Frau  bereitete  die 
Kuchen  und  gab  sie  ihm;  er  legte  sie  in  eine 
Schachtel,  Als  er  nun  damit  auf  dem  Wege  war, 
lockten  ihn  die  Kuchen;  er  begann  ein  bißchen  zu 
essen,  dann  noch  ein  bißchen,  bis  schließlich  alles 
verzehrt  war.  So  kam  er  zum  Bei,  und  der 
schrie,  kaum  daß  er  ihn  erblickt  hatte:  „Will- 
kommen, Hodscha!" 

„Gnädiger  Herr,"  sagte  Nasreddin,  „ich  habe 
dir  eine  Schachtel  Halwa  mitgebracht;  wenn  du 
mir  nicht  glaubst,  so  schau  dir  die  Schachtel  an, 
die  ich  dahabe,"  Und  er  zeigte  ihm  die  Schachtel. 

149 


254.  "KA  ^^  brachte  dem  Sohne  des  Hodschas  weißen 
1^1.  Halwa  und  fragte  ihn:  „Was  ist  das?" 

Er  besah  die  Kuchen  von  allen  Seiten  und 
sagte:  „Das  ist  ein  Topf  mit  weißen  Zwiebeln." 

Da  schrie  der  Hodscha:  „Gott  soll  mich 
strafen,  wenn  er  das  von  mir  gelernt  hat!" 

255.  t^ Ines  Tages  sah  der  Hodscha  einen  hübschen 
JZtf  Esel;  augenblicklich  trat  er  an  ihn  heran 
und  nahm  ihn  her.  Kaum  war  er  fertig,  als  zwei 
Männer  daherkamen,  und  die  fragten  ihn:  „Was 
machst  du  da,  Hodscha?" 

„Seht  ihrs  denn  nicht?"  antwortete  er;  ,,ich 
mache,  daß  ich  von  diesem  Vieh  wegkomme." 

256.  k^ Ines  Tages  besprang  der  Hodscha  ganz  nahe 
I2ä  bei  einer  Moschee  einen  Esel;  ein  Mann,  der 
vorbeiging,  spuckte  aus.  Da  schrie  der  Hodscha 
voll  Unwillen:  ,,Wenn  ich  nicht  eben  beschäftigt 
wäre,  würde  ich  dich  lehren,  hier  ausspucken!" 

257.  t^ Ines  Tages  besprang  der  Hodscha  seinen 
XIrf  Esel;  da  er  einen  Mann  herankommen  sah, 
bedeckte  er  sich  mit  seinem  Mantel.  Der  Mann 
trat  näher;  er  hob  einen  Zipfel  des  Mantels  und 
schrie:  ,,Wer  ist  das?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Sieh  nach,  bitte, 
was  imstande  gewesen  ist,  mich  in  diese  Lage 
zu  bringen;  ich  wenigstens  weiß  von  gar  nichts." 

258.  'Jr\ET  Hodscha  hatte  eines  Tages  seinen  Esel 
J-^mit  Schilf  beladen.  Da  er  bemerkte,  daß  die 
Last  auf  der  einen  Seite  schwerer  war  als  auf 
der  andern,  sagte  er:   „Ich  will  den  schwerern 

150 


Bund  anzünden;  so  wird  sich  das  Gleichgewicht 
herstellen,  und  überdies  werde  ich  mich,  da  mir 
sowieso  kalt  ist,  wärmen  können."  Kaum  spürte 
aber  der  Esel  die  Wärme,  als  er  davonzulaufen 
begann.  Der  Hodscha  setzte  ihm  nach  und 
schrie:  ,,Hat  man  dich  denn  beim  Füttern  nicht 
getränkt,  daß  du  es  so  eilig  hast,  zum  Wasser 
zu  kommen?" 

ALs  einmal  der  Hodscha  seinen  Esel  verloren  259. 

hatte,  sagte  einer  zu  ihm:  ,,Ich  habe  ihn 
dort  und  dort  als  Muezzin  gesehn,"  Der  Hod- 
scha ging  in  die  ihm  genannte  Ortschaft,  und  als 
er  ankam,  stieg  eben  ein  Muezzin  aufs  Minaret, 
um  zum  Gebete  zu  rufen;  und  der  Hodscha 
schrie,  als  er  das  sah:  ,, Woher  kommt  denn  der 
Unselige!"  Dann  nahm  er  seinen  Sack  vom 
Rücken,  nahm  eine  Handvoll  Gerste  und  zeigte 
sie,  wie  man  es  macht,  wenn  man  einen  Esel  ruft, 
dem  Muezzin  und  rief:  ,,Tschosch,  Tschosch!" 

Der  Muezzin  sah  vom  Minaret  aus,  daß  ihm 
der  Hodscha  etwas  anbot;  er  dachte,  der  Hodscha 
wolle  ihn  herunterlocken,  um  ihm  einen  Streich 
zu  spielen,  und  so  sagte  er:  „Du  willst  mich 
foppen;  aber  die  Kosten  wirst  du  bezahlen," 

Über  diese  Antwort  war  der  Hodscha  ganz 
verdutzt. 

Eines  Tages  besprang  der  Hodscha  seinen  Esel  260, 

und  legte  sich  dann  mitten  auf  dem  Wege 
in  der  Sonne  neben  ihm  nieder,  den  Sik  entblößt. 
Ein  Mann  kam  dazu,  und  der  schrie:  ,,Was 
machst  du  da?  das  ist  schändlich!" 

„Ah,"  sagte  der  Hodscha,  „warum  sollte  ich 

151 


ihn   nicht    trocknen   lassen?    wenn   ich    ihn    bei 
meiner  Frau  gebraucht  habe,  tue  ichs  ja  auch," 

261,  "T^Er  Hodscha  hatte  acht  Esel;  auf  einen  stieg 
JL/  er.  Als  er  dann  seinen  Ritt  gemacht  hatte, 
zählte  er  sie,  brachte  aber  nur  sieben  heraus;  er 
vergaß  nämlich  den,  auf  dem  er  saß.  Nachdem 
er  abgestiegen  war,  brachte  er  acht  heraus;  über 
diese  Erscheinung  war  er  ganz  verdutzt,  so  daß 
ihn  einer,  der  vorüberkam,  fragte,  worüber  er 
sich  wundere.  Er  schrie:  ,, Früher  waren  es  nur 
sieben;  jetzt  sind  es  auf  einmal  acht." 

,,Der,  auf  den  du  gesessen  hast,  hat  eben  die 
Zahl  vollgemacht." 

Und  der  Hodscha  antwortete:  „Ja,  wie  hätte 
ich  denn  sehn  sollen,  was  ich  am  Hintern  hatte?" 

262.  TT*  Ines  Tages  ging  der  Hodscha  mit  seinem 
XL  Amad  auf  die  Jagd,  Er  hatte  einen  Falken 
auf  der  Hand;  sie  ließen  ihn  steigen  und  er  setzte 
sich  auf  einen  Ochsen,  Alsbald  schlang  der 
Hodscha  einen  Strick  um  den  Kopf  des  Ochsen, 
zog  ihn  zu  sich  nach  Hause  und  band  ihn  an. 
Der  Eigentümer  ging  seinen  Ochsen  suchen  und 
fand  ihn  schließlich  beim  Hodscha;  da  sagte  er 
zum  Hodscha:  ,,Der  Ochs  ist  mein;  wieso  hast 
du  ihn  hier  angebunden?" 

„Potzteufel,  Dummkopf,"  antwortete  der  Hod- 
scha, „mein  Falke  hat  ihn  gebeizt;  er  ist  meine 
Jagdbeute." 

Sie  gingen  mitsammen  zum  Kadi  und  er- 
klärten ihm  den  Fall.  Der  Kadi  schrie:  ,,Aber 
Hodscha,  seit  wann  fängt  denn  ein  Falke  einen 
Ochsen?" 

152 


„Nun,"  antwortete  Nasreddin,  „auf  das  Kamel 
zu  beizen,  ist  gewiß  nicht  verboten;  sollte  denn 
zwischen  einem  Vieh  und  dem  andern  mehr 
Unterschied  sein  als  zwischen  ihnen  und  dir?" 

DEr  Amad  sagte  eines  Tages  zum  Hodscha:  263. 

„Hodscha,  du  bist  nicht  imstande,  dich, 
wenn  man  Speisen  vor  dich  hinstellt,  so  zurück- 
zuhalten, wie  die  gebildeten  Fremden  tun,  die 
nach  ein  paar  Bissen  zu  essen  aufhören." 

,,Amad,"  antwortete  der  Hodscha,  ,,ich  werde 
mir  einen  Faden  an  die  Zehe  binden;  wenn  du 
bemerkst,  daß  ich  zu  viel  esse,  so  ziehe  daran," 

Dergestalt  miteinander  einig,  wurden  einmal 
der  Hodscha  und  sein  Amad  zu  einem  Mahle 
eingeladen.  Eben  war  das  Auftragen  beendigt, 
als  eine  Katze  ihre  Pfote  auf  den  Faden  legte, 
der  an  dem  Fuße  des  Hodschas  befestigt  war; 
sofort  hörte  der  Hodscha  zu  essen  auf. 

Man  fragte  ihn:  „Warum  ißt  du  nichts, 
Hodscha?" 

„Warum  ich  nicht  esse?"  schrie  er;  „mein 
Amad  zieht  ja  am  Faden!" 

Eines    Tages   wollte    der   Hodscha    der   Liebe  264. 

pflegen;  aber  von  ungefähr  setzte  sich  eine 
Biene  auf  sein  männliches  Glied.  Da  schrie  er: 
,,Du  weißt  also  ganz  gut,  was  gut  ist;  es  ist  auch 
wahrhaftig  eine  Blume,  die  gewählt  zu  werden 
verdient,  wenn  es  gilt,  Honig  zu  bereiten!" 

Eines  Tages  legte  man  dem  Hodscha  die  Frage  265. 

vor:  ,,Was  soll  die  Versammlung  tun,  wenn 
der  Imam  einen  Wind  läßt?" 

153 


„Was  sie  tun  soll,"  antwortete  der  Hodscha; 
„aber  es  ist  klar,  sie  muß  scheißen." 

266.  A  Ls  der  Hodscha  eines  Tages  auf  dem  Markte 
Xx.  war,  besahen  sich  die  Leute  sein  Geld  be- 
sonders aufmerksam;  da  sagte  er  zu  einem:  ,,Was 
siehst  du  denn  daran  außergewöhnliches?  ist  es 
vielleicht  das,  das  der  Bankhalter  deiner  Mutter 
versprochen  hat,  um  bei  ihr  zu  schlafen?" 

267.  "TVEr  Hodscha,  der  schon  einen  weißen  Bart 
JL/  hatte,  sah  eines  Tages  eine  Schar  Frauen, 
die  eine  Braut  dem  jungen  Gatten  zuführten.  Da 
verließ  ihn  seine  Kaltblütigkeit  und  er  tat  ihnen 
einen  Schimpf  an.  Sie  sagten  zu  ihm:  ,, Schämst 
du  dich  denn  nicht?  wie  kannst  du  dich  denn  bei 
deinem  weißen  Barte  so  wenig  zurückhalten?" 

„Frißt  vielleicht",  antwortete  er,  „ein  weißer 
Hund  weniger  Dreck  als  ein  anderer?" 

268.  Ij^ Ines  Tages  wollte  der  Hodscha  in  der  Nach- 
jCät  barschaft  einen  Becher  entleihen;  da  sagte 
seine  Frau  zu  ihm,  indem  sie  sich  entblößte: 
,,Nimm  den  da!" 

,, Meinetwegen,"  antwortete  er,  indem  er  sich 
auch  entblößte;  „der  Klotz  da  wird  ihn  schon  in 
die  richtige  Form  bringen." 

269.  A  Ls  der  Hodscha  eines  Tages  in  den  Busch 
S^  ging,  begegnete  er  einem  reitenden  Boten. 
Bald  darauf  sah  er,  nachdem  er  auf  seinen  Esel 
gestiegen  war,  nach  allen  Seiten  herum,  konnte 
aber  den  Reiter  nicht  erblicken;  dann  sah  er  ihn 
wieder  und  da  schrie  er;  „He,  Mann!  he,  Mann!" 

154 


Der  antwortete:  ,,Du  sollst  nicht  Mann  sagen; 
du  mußt  Bote  sagen." 

Nach  einer  kleinen  Weile  sagte  der  Hodscha, 
sich  über  seinen  Esel  beklagend:  „Da  schau  einer 
dieses  Füllen  an!" 

Der  andere  sagte:  „Das  ist  kein  Füllen;  das 
ist  ein  ausgewachsener  Eselshengst." 

Und  der  Hodscha  antwortete:  „Ich  habe  meine 
Gründe,  ihn  nicht  Esel  zu  nennen;  mein  Vater 
hat  uns  nämlich  miteinander  aufgezogen." 

DEr    Hodscha    nahm    eines    Tages    den    Esel  210. 

seines  Nachbars  und  ging  mit  ihm  ins  Ge- 
birge. Auf  dem  Wege  kam  er  an  einen  Fluß, 
der  über  die  Ufer  getreten  war;  er  versuchte  ihn 
auf  dem  Esel  reitend  zu  übersetzen,  aber  die 
Strömung  packte  den  Esel  und  er  konnte  ihn 
nicht  retten. 

Als  er  betrübt  heimkam,  fand  sich  der  Eigen- 
tümer des  Esels  bei  ihm  ein  und  forderte  ihn  zu- 
rück. Und  der  Hodscha  sagte:  „Als  ich  über 
denundden  Fluß  setzte,  hat  ihn  die  Strömung  mit 
sich  fortgerissen." 

Der  Herr  des  Esels  ging  weg,  aber  bald  darauf 
wurde  der  Hodscha  zum  Kadi  gerufen;  und  dem 
antwortete  er:  ,,Ef feudi,  um  diesen  Esel  wieder- 
zubekommen, heißt  es  sich  an  unsere  Freunde 
wenden;  der  eine  hat  den  Kopf,  der  andere  den 
Schwanz  und  so  weiter." 

Eines  Tages  sah  der  Hodscha  auf  dem  Markte  211. 

eine  Frau;  er  trat  auf  sie  zu  und  fragte  sie: 
„Was  hast  du  zu  verkaufen?" 

„Was  ich  auf  dem  Rücken  trage." 

155 


„Willst  du  nicht  vielleicht  einen  tüchtigen 
Schwanz  kaufen?" 

Sie  schrie:  „Du  bist  wahrhaftig  verrückt!" 

Aber  der  Hodscha  antwortete,  ohne  irgendwie 

ungehalten   zu   sein:    „Glaub   es    mir:    wenn   du 

keinen  Schwanz  kaufen  und  kein  Loch  verkaufen 

willst,  so  hast  du  auf  dem  Markte  nichts  zu  tun." 

212.  TT*  Ines  Tages  stieg  der  Hodscha  auf  die  Kanzel 
"^  und  sagte:  ,, Danken  wir  Gott,  Muselmanen, 
daß  er  sich  in  seiner  Allmacht  einen  Palast  hat 
erbauen  können  ohne  Säulen;  denn  sonst  hätte 
er  Steinbäume  gebraucht,  und  deren  Früchte 
hätten  uns,  je  nachdem  sie  reif  geworden  wären, 
beim  Herunterfallen  erschlagen." 

213.  A  Ls  der  Hodscha  einmal  seine  Straße  ging, 
±\.  fand  er  ein  totes  Huhn  auf  dem  Wege 
liegen.  Augenblicklich  hob  er  es  auf;  er  trug  es 
heim,  rupfte  und  kochte  es  und  setzte  es  auf 
den  Tisch.  Da  schrien  die  Leute,  die  dabei 
waren:  ,,Aber  Hodscha,  das  Huhn  ist  unrein;  es 
hat  ja  sein  Leben  nicht  durch  die  Hand  eines 
Menschen  verloren." 

„Ihr  Narren,"  schrie  der  Hodscha,  „soll  es 
denn  unrein  sein,  weil  es  Gott  getötet  hat  und 
nicht  ihr?" 

214.  TJ'Iner  von  den  Nachbarn  des  Hodschas  Nasr- 
Jl^  eddin  war  gestorben,  und  die  andern  luden 
den  Hodscha  ein,  die  vorgeschriebenen  Bräuche 
zu  vollziehen.  Er  sagte  bereitwillig  zu;  er  be- 
gleitete sie,  der  Tote  wurde  gewaschen,  ins 
Leichentuch  gehüllt  und  auf  den  Friedhof  ge- 
tragen und  nach  dem  Gebete  legte  man  ihn  ins 

156 


Grab.  Als  sich  dann  die  Leute  anschickten,  weg- 
zugehn,  sagte  der  Hodscha:  „Bezahlt  mir,  was 
mir  für  das  Begräbnis  zukommt." 

„Das  ist  billig,"  sagten  sie. 

Sie  befriedigten  ihn  und  zerstreuten  sich.  Als 
aber  jeder  zu  seinem  Geschäfte  zurückgekehrt 
war,  band  er  den  Sarg  zusammen  und  trug  ihn 
zu  einem  Flusse  und  ließ  ihn  dort;  bald  erfaßte 
ihn  die  Strömung  und  riß  ihn  fort.  Unterdessen 
ging  der  Hodscha  im  ganzen  Viertel  herum  und 
sagte:  „Der  Mann  war  reich  an  geheimen  Ver- 
diensten; er  hat,  tot,  wie  er  war,  samt  seinem 
Sarge  das  Grab  verlassen  und  ist  zum  Himmel 
gefahren." 

Jedermann  glaubte  es  und  traute  seinen 
Worten,  bis  eines  Tages  einer  von  den  Dorfleuten 
von  ungefähr  einen  Sarg  sah,  der  an  das  Ufer  ge- 
trieben war;  andere  Leute  kamen  dazu,  und  sie 
nahmen  den  Sarg  aus  dem  Wasser,  und  bald 
wußten  sie,  woran  sie  waren.  Da  sagten  sie: 
„Morgen  verlangen  wir  vom  Hodscha  das  Geld 
für  das  Begräbnis  zurück;  mindestens  muß  er 
etwas  nachlassen." 

Sie  gingen  zu  ihm  und  setzten  ihm  ihre 
Forderung  umständlich  auseinander;  aber  der 
Hodscha  antwortete  ihnen,  ohne  sich  erst  zu  be- 
denken: „Gott  hat  ihn  zuerst  für  einen  guten 
Menschen  gehalten,  aber  er  hat  sich  getäuscht; 
als  er  dann  seinen  Irrtum  inne  geworden  ist,  hat 
er  ihn  wieder  heruntergeworfen," 

Eines  Tages  kamen  etliche  Frauen  an  das  Ufer  275. 

eines  Flusses,  und  sie  wußten  nicht,  wie  sie 
auf  die  andere  Seite  hinübergelangen  sollten.   Da 

157 


kam  der  Hodscha  heran,  und  der  fragte  sie; 
„Worauf  wartet  ihr?" 

Sie  antworteten:  „Wenn  du  uns  hinüber- 
bringst, geben  wir  dir  jede  einen  Asper." 

Augenblicklich  legte  der  Hodscha  Kleider  und 
Hosen  ab  und  stieg  ins  Wasser;  und  er  trug  eine 
nach  der  andern  hinüber.  Schließlich  blieb  nur 
noch  eine  alte  Frau;  die  aber  fühlte,  wie  er  sie 
von  dem  einen  Ufer  ans  andere  trug,  daß  sie  ein 
Gelüst  ankam,  und  so  sagte  sie  zu  ihm:  ,,Mir  sind 
verliebte  Gedanken  gekommen,  ich  muß  es  schon 
gestehn;  weißt  du,  wer  ich  bin,  Hodscha?" 

„Nun  wer  denn?" 

„Ich  bin  die  Mutter  der  Lust." 

„Und  wenn  du  die  Mutter  des  Imams  wärest," 
antwortete  der  Hodscha,  ,,so  würde  mich  das 
nicht  abhalten,  dich  herzunehmen  wie  einen 
Mann." 

Er  entblößte  sie,  brachte  sie  in  die  richtige 
Stellung  und  besprang  sie  verwegen;  und  mitten 
darin  ließ  er  einen  Wind.  Sie  sagte:  „Was 
machst  du  da,  Hodscha?" 

Er  antwortete:  „Vor  eitel  Lust  an  dem,  was 
du  mir  geöffnet  hast,  habe  ich  es  an  mir  auch 
geöffnet." 

276.  A   Ls  der  Hodscha  eines  Tages  mit  seiner  Frau 

Jt\.  einen  Fluß  entlang  ging,  fiel  sie  ins  Wasser, 
und  die  Strömung  riß  sie  fort.  Augenblicklich 
begann  der  Hodscha  flußaufwärts  zu  laufen;  das 
fiel  den  Leuten  auf  und  sie  fragten  ihn:  „Was 
suchst  du,  Hodscha?" 

„Meine  Frau;  sie  ist  ins  Wasser  gefallen." 
„Aber  Effendi,"  erwiderten  sie,  „flußaufwärts 

158 


darfst  du  sie  doch  nicht  suchen;  der  Fluß  fließt 
ja  hinunter  und  nimmt  sie  mit." 

„0  nein,"  schrie  der  Hodscha;  „meine  Frau 
hatte  ein  so  widerspenstiges  Wesen,  daß  sie  ent- 
schieden aufwärts  treibt." 

Einmal    hatte    der    Hodscha    Nasreddin    aus  277. 

Ochsenfleisch  Würste  gemacht;  aber  es  ver- 
gingen zwei  oder  drei  Tage,  ohne  daß  er  auch 
nur  etliche  verkauft  hätte,  und  so  warf  er  sie 
alle  den  Hunden  hin  und  sagte  zu  diesen:  „In 
einem  Monat  werdet  ihr  mich  bezahlen."  Als 
dann  der  Monat  um  war,  fing  er  die  Hunde  und 
sperrte  sie  in  einen  Garten,  um  sie  zur  Zahlung 
zu  zwingen. 

Und  man  fragte  den  Hodscha:  „Was  willst 
du  von  ihnen?  es  ist  doch  unerhört,  Hunde  ein- 
zusperren, damit  sie  zahlen." 

„Sie  haben  meine  Würste  gegessen;  warum 
soll  ich  nicht  mit  ihnen  verfahren,  wie  es  mein 
Recht  ist?" 

Nach  einigen  auf  diese  Weise  verbrachten 
Tagen  begannen  die  Hunde  unter  dem  Stachel 
des  Hungers  unruhig  zu  werden;  und  der  Hod- 
scha schrie:  ,,Nur  Geduld!  wir  werden  schon 
sehn,  wie  sie  sich  aus  der  Sache  ziehen  werden," 

Nun  war  in  dem  Garten  ein  großer  Stein, 
unter  dem  irgendjemand  einen  Topf  voll  Gold- 
stücke verborgen  hatte.  Diesen  Stein  schob  ein 
Hund  bei  seinen  Bemühungen,  etwas  für  seine 
Zähne  zu  finden,  weg  und  warf  dabei  den  Topf 
um,  so  daß  der  zerbrach;  das  Gold  ergoß  sich 
auf  den  Boden. 

Der  Hodscha  las  die  Münzen  auf;  dann  ent- 

159 


ließ  er  die  Hunde  und  schrie:  „Ach,  die  armen 
Kerle;  ich  hab  ihre  Ehrlichkeit  ungerecht  in  Ver- 
dacht gehabt;  aber  warum  haben  sie  mich  nicht 
zur  Frist  bezahlt?" 

278.  TT*  Ines  Tages  sagte  sich  der  Hodscha,  als  er  auf 
JlLi  den  Markt  ging:  „Es  heißt  achtgeben,  daß 
ich  nicht  bestohlen  werde";  und  er  .tat  seine 
Kürbisse  in  einen  Sack  und  warf  ihn  über  seine 
Schultern.  Auf  dem  Markte  angelangt  sah  er 
nun  vor  ihm  einen  Mann  gehn,  der  früher  hinter 
ihm  gegangen  war,  und  der  trug  auf  dem  Rücken 
einen  Sack  mit  Kürbissen,  der  ebenso  aussah  wie 
der  seinige.  Da  fragte  er  sich:  „Wenn  der,  der 
da  vorne  geht,  nicht  ich  bin,  wer  kann  es  dann 
sein?    Wahrhaftig,  ich  verstehe  es  nicht." 

279.  A  Ls  der  Hodscha  eines  Tages  öffentlich  das 
./a.  Morgengebet  sprach  und  zu  der  Lobpreisung 
Gottes  kam,  stellte  er  sich  aufrecht  hin  und  ver- 
kündete zwei-  oder  dreimal  mit  geläufiger  Zunge 
die  Anrufung:  „Allah  ist  groß!"  Da  er  aber  auch 
dann  nicht  aufhörte,  diese  Worte  immer  wieder 
zu  wiederholen,  schrie  endlich  einer:  „Aber  Hod- 
scha, beim  Morgengebete  sollen  doch  nach  der 
Anrufung,  die  du  sprichst,  zwei  Verse  aus  der 
Überlieferung  und  zwei  Gebote  hergesagt  werden; 
warum  wiederholst  du  immerfort  die  Anrufung?" 

„Tue  ich  es  öfter,  als  es  nötig  wäre,"  ant- 
wortete der  Hodscha,  „so  bleibt  eben  Gott  für 
das  übrige  mein  Schuldner," 

280.  "P^^^  Hodscha  brachte  eines  Tages  eine  Schüssel 
X-/  Joghurt  auf  den  Markt,  um  sie  zu  ver- 
kaufen.    Nun  kamen  ganze  Wolken  von  Fliegen 

160 


und  setzten  sich  auf  den  Joghurt;  da  es  ihm 
nicht  gelang,  sie  zu  verjagen,  ging  er  zum  Kadi, 
um  gegen  sie  Klage  zu  führen,  und  der  Kadi 
sagte  zu  ihm:  „Nimm  einen  Schlägel  und  schlag 
die  Fliegen  tot,  wo  immer  sie  sitzen." 

Der  Hodscha  holte  sich  einen  Schlägel,  ging 
damit  wieder  zum  Kadi  und  sagte  zu  ihm: 
„Effendi,  ist  das  ein  richtiger  Fliegenschlägel?" 

„Freilich,"  antwortete  der  Kadi;  „der  ist 
wahrhaftig  geeignet,  sie  überall  zu  vertilgen, 
wohin  sie  sich  setzen." 

Just  in  diesem  Augenblicke  liefen  etliche 
Fliegen  über  den  Kopf  des  Kadis;  kaum  sah  sie 
der  Hodscha,  als  er  sie  auch  schon  mit  seinem 
Schlägel  auf  dem  Kopfe  des  Kadis  erschlug, 
wobei  freilich  auch  der  Kadi  tot  auf  dem  Platze 
blieb.  Alsbald  wurde  der  Hodscha  verhaftet, 
und  die  Leute,  die  dort  waren,  fragten  ihn: 
„Warum  hast  du  unsern  Kadi  getötet?" 

Und  der  Hodscha  antwortete:  „Wenn  ich  das 
Gesetz  auch  nur  in  einem  Punkte  verletzt  habe, 
so  lasse  man  mich  die  Strafe  der  Vergeltung  er- 
leiden," 

Sie  führten  ihn  dem  Mufti  vor  und  dem  sagte 
er;  „Er  hat  mir  gesagt,  ich  solle  mit  diesem 
Schlägel  die  Fliegen  erschlagen,  wo  immer  es  sei; 
ich  habe  ihrer  einige  auf  seinem  eigenen  Kopfe 
gesehn  und  habe  sie  erschlagen:  er  darf  also, 
wenn  er  gestorben  ist,  niemand  verantwortlich 
machen,  als  sich  selber.  Übrigens  geschieht 
nichts,  ohne  daß  es  Gott  zuließe.  Das  ist  es,  was 
ich  vorzubringen  habe." 

„Wo  hast  du  denn  schon",  fragte  ihn  der 
Mufti,    „eine    solche    Rechtsprechung    gesehn? 

Nasreddin,   I.  H  l(y\ 


Weißt  du  nicht,  daß  geschrieben  steht;  ,Wo  keine 
böse  Absicht  ist,  kann  es  keine  Züchtigung 
geben?'  " 

„Das  ist  es  ja  gerade,  was  mich  rechtfertigt," 
antwortete  der  Hodscha;  ,,man  hätte  wahrhaftig 
keine  Schriftstelle  finden  können,  die  mir  gün- 
stiger gewesen  wäre!" 

281.  T^Er  Hodscha  ging  eines  Tages  ins  Gebirge  und 

J-/  belud  seinen  Esel  mit  Holz;  dann  sagte  er 
zu  ihm:  ,,Nimm  du  diesen  Weg,  ich  nehme  den 
da,"  Damit  überließ  er  den  Esel  sich  selber  samt 
der  Last,  die  er  trug. 

Als  er  nach  einem  eilig  zurückgelegten 
Marsche  nach  Hause  kam,  fragte  er  seine  Frau, 
ob  der  Esel  schon  daheim  sei;  aber  sie  sagte: 
„Ich  weiß  nichts  von  ihm," 

„Was?"  sagte  der  Hodscha;  ,,ich  bin  also 
zuerst  gekommen?" 

Er  ging  auf  dem  nämlichen  Wege  zurück  und 
fand  seinen  Esel  dort  weiden,  wo  er  ihn  verlassen 
hatte;  weiter  mußte  er  sehn,  daß  ein  Mantel,  den 
er  ihm  auf  den  Rücken  gelegt  hatte,  fehlte:  man 
hatte  ihn  gestohlen.  Da  schrie  er  den  Esel  an: 
„He,  wo  ist  mein  Mantel?  du  bists,  mit  dem  ich 
rede!" 

Aber  der  Esel  antwortete  nichts  —  noch  nie 
hat  ja  ein  Tier  gesprochen.  Nun  nahm  ihm  der 
Hodscha  den  Sattel  vom  Rücken  und  sagte: 
„Wenn  du  mir  meinen  Mantel  zurückgibst,  gebe 
ich  dir  auch  deinen  Sattel  wieder," 

282.  "T^Er  Hodscha  kaufte  einen  Neger;  dann  kaufte 

Ly  er  neun  Stück  Seife,  um  ihn  damit  weißzu- 
waschen. Er  führte  ihn  ins  Bad  und  verwusch  die 

162 


neun  Stück  Seife;  aber  alles  war  umsonst,  weil 
man  eben  einen  Neger  nicht  weißwaschen  kann. 
Ermüdet  schrie  der  Hodscha  endlich:  „Da  ist  mir 
ja  ein  Meisterstück  einer  Färberarbeit  in  die 
Hände  gekommen;  es  ist  wirklich  überflüssig,  an 
einem  fertigen  Ding  etwas  ändern  zu  wollen," 

Eines  Tages  sah  der  Hodscha  im  Bade  zwei  283. 

verzinkte  Schalen  und  die  gefielen  ihm  sehr 
gut;  er  steckte  sie  unter  sein  Badetuch  und  ging 
damit  weg.  Zwei  Bade  jungen  hatten  ihn  aber  be- 
obachtet und  sagten  nun  zu  ihm:  ,,Das  Bad  tut 
dir  wohl,  Hodscha-Effendi." 

,,Das  Bad  und  die  Schalen,"  antwortete  er. 

ES  kam  einer  zum  Hodscha,  um  ihn  um  Gast-  284. 

freundschaft  zu  bitten,  und  klopfte  an  die 
Tür;  der  Hodscha  kam  und  fragte  ihn:  „Wer 
bist  du?" 

„Ach,  Ef feudi,  kennst  du  mich  nicht?  ich  bin 
der  Amad  Muzir-Effendis," 

,,Sehr  gut,"  antwortete  der  Hodscha;  ,, warte 
einen  Augenblick,  ich  will  dich  zu  unserm  ge- 
meinsamen Vater  führen," 

Nasreddin  schritt  nun  seinem  Besucher  vor- 
aus; und  als  sie  zur  Moschee  gekommen  waren, 
öffnete  er  die  Tür,  lud  ihn  m^it  einer  Hand- 
bewegung ein,  einzutreten,  und  sagte  zu  ihm: 
„So;  so  da  sind  wir  bei  dem  gemeinsamen  Vater 
der  Gläubigen." 

Eines  Tages  bat  ein  Kurde  den  Hodscha  um  285. 

Gastfreundschaft;  und  er  sagte  zu  ihm:  „Ich 
habe  Hunger;  bringe  mir  etwas  zu  essen," 

11*  163 


Der  Hodscha  ging,  bereitete  in  einem  irdenen 
Napfe  ein  Gericht  Joghurt  und  holte  Brot,  und 
das  wollte  er  dem  Fremden  vorsetzen,  als  er  be- 
merkte, daß  sich  der  niedergelegt  hatte  und  ein- 
geschlafen war;  da  begann  er  Betrachtungen  an- 
zustellen und  sprach  bei  sich:  ,,Wie  soll  ich  es 
anfangen,  um  ihn  im  Schlafe  essen  zu  lassen?" 
Und  schon  nahm  er  mit  einem  Stückchen  Brot 
etwas  Joghurt  und  fuhr  ihm  damit  über  den 
Schnurbart,  Einen  Augenblick  darauf  erwachte 
der  Kurde;  und  er  schrie  sofort:  „Bring  mir  also 
etwas  zu  essen,  mein  Gastfreund!" 

Und  der  Hodscha  antwortete:  ,,Aber  du  hast 
doch  schon  gegessen,  während  du  schliefst!  wenn 
du  mir  nicht  aufs  Wort  glaubst,  so  schau  dir 
deinen  Schnurbart  an;  er  ist  noch  ganz  feucht." 

Der  Kurde  griff  nach  seinem  Schnurbart  und 
überzeugte  sich,  daß  er  noch  voll  Joghurt  war; 
und  er  schrie  spöttisch:  ,,Sehr  gut,  mein  Gast- 
freund! habe  ich  gegessen  und  getrunken,  so  sei 
Gott  gelobt." 

286.  irpinmal  hatte  der  Hodscha  einen  Streit  mit 
JC^  seiner  Frau;  plötzlich  stellte  er  die  Wiege 
mit  dem  Kinde  zwischen  sein  Bett  und  das  ihrige 
und  schrie:  „Trennen  wir  uns!  hiermit  verstoße 
ich  dich." 

287.  "r\^^  Frau  des  Hodschas  war  schwanger.  Als 
JL-/  ihre  Zeit  gekommen  war,  fand  sich  die  Weh- 
mutter ein;  es  war  Nacht,  und  niemand  war  da, 
um  ihr  zu  helfen.  Da  rief  sie  den  Hodscha: 
„Bring  eine  Kerze;  es  handelt  sich  um  dein 
Werk." 

164 


Er  beeilte  sich  ihr  eine  Kerze  zu  bringen  und 
blieb  dann  im  Zimmer;  als  aber  die  Geburt  vor- 
über war,  nahm  er  die  Kerze  wieder  und  wollte 
damit  weggehn.  Da  sagte  die  Wehmutter:  „Bleib 
doch,  Hodscha;  es  kommt  noch  eins." 

„Was?"  sagte  der  Hodscha,  „sie  will  mir  ein 
zweites  schenken?" 

Er  kam  mit  der  Kerze  zurück;  wieder  wurde 
ein  Kind  zur  Welt  gebracht,  und  wieder  wollte 
sich  der  Hodscha  mit  der  Kerze  entfernen.  Aber 
die  Wehmutter  rief:  „Bleib  doch;  du  sollst  noch 
einen  dritten  Erben  haben." 

Bei  diesen  Worten  verlöschte  er  die  Kerze. 
Und  die  Wehmutter  fragte  ihn:  „Warum  läßt  du 
mich  im  Finstern?" 

„Wie  sie  das  Licht  sehn,"  antwortete  er, 
„kommen  diese  Kinder  nacheinander  wie  die 
Mücken;  jetzt  ists  wahrhaftig  schon  genug." 

Einmal  lud  man  den  Hodscha  im  Ramasan  zu  288. 

einem  Iftar  ^,  und  es  wurde  eine  außer- 
ordentlich heiße  Suppe  aufgetragen.  Der  Hod- 
scha nahm  einen  Löffel  voll  und  führte  ihn  zum 
Munde;  da  er  sich  ihn  nicht  zurückzugeben  ge- 
traute, verschluckte  er  ihn.  Dann  aber  nahm  er 
seine  Mütze  vom  Kopf,  legte  sie  auf  seinen  Sitz 
und  setzte  sich  darauf;  und  die  andern  fragten 
ihn:  „Warum  setzt  du  dich  auf  deine  Mütze?" 

Er  antwortete:  „Damit  nicht  die  Kissen  Feuer 
fangen:  ich  brenne  ja  inwendig;  wenn  meine 
Mütze  verbrennt,  so  schadet  das  wenigstens  nie- 
mand." 


1  Ein  Fastenmahl- 

165 


289.  O  Ooft  der  Hodscha  sein  Leinenzeug  waschen 
O  wollte,  begann  es  mit  Gottes  Zulassung  zu 
regnen.  Als  er  nun  wieder  einmal  auf  den  Markt 
ging,  um  Seife  zu  kaufen,  fielen  wieder  Regen- 
tropfen; da  sagte  der  Hodscha  zu  dem  Seifen- 
händler: ,,Gib  mir  eine  Oka  von  diesem  Käse," 

,,Das  ist  doch  Seife,"  antwortete  der  Kauf- 
mann, „und  kein  Käse," 

„Ich  weiß  es  wohl,"  versetzte  der  Hodscha; 
„ich  nenne  es  aber  Käse  aus  Angst,  daß  der 
Regen  anhalten  könnte," 

290.  t^  Ines  Tages  trieb  der  Hodscha  seinen  Esel  vor 
XZtf  sich  her;  als  er  dann  müde  wurde,  saß  er  auf. 
Eine  kleine  Weile  später  bemerkte  er,  daß  der 
Esel  nicht  mehr  vor  ihm  herging.  Nun  suchte  er 
ihn  bergauf  und  bergab,  bis  ein  Wanderer  bei  ihm 
vorüberkam;  den  fragte  er,  ob  er  nicht  seinen 
Esel  gesehn  habe,  und  der  Wanderer  sagte:  ,,Du 
sitzt  ja  darauf," 

Der  Hodscha  stellte  die  Tatsache  fest  und 
freute  sich;  aber  schon  nach  einem  Augenblicke 
war  er  von  neuem  zerstreut  und  begann  wieder 
zu  suchen.  Da  sagte  der  Wanderer:  „So  gehn 
wir  doch  nach  Hause,  da  du  doch  den  Esel  ge- 
funden hast," 

„Geh  du  nur,"  antwortete  der  Hodscha;  „ich" 
—  dabei  dachte  er  an  seinen  verlorenen  Esel  — 
„muß  noch  dableiben,  weil  ich  noch  etwas  zu 
suchen  habe," 

291.  "pTliche  Leute  fanden  im  Gebirge  einen  Igel; 
JZtf  sie  konnten  sich  nicht  enträtseln,  was  für  ein 
Tier  das  sein  sollte,  und  brachten  ihn  dem  Hod- 
scha.   „Was  ist  das?"  fragten  sie  ihn. 

166 


„Ohne  Zweifel",  antwortete  der  Hodscha,  ,,ist 
das  eine  alte  Nachtigall,  die  von  ihren  Federn  die 
Fahnen  verloren  hat." 

DEr  Hodscha  hatte   einen   Dattelgarten,   und  292. 

drinnen  war  ein  Baum,  auf  den  er  jeden  Tag 
stieg.  Weiter  hatte  er  eine  Tochter  und  diese 
einen  Geliebten,  Eines  Tages  saß  nun  Nasreddin 
auf  seinem  Baume,  als  der  Bursche  mit  seiner 
Tochter  kam  und  mit  ihr  zu  tändeln  begann;  an 
Verwegenheit  ließ  ers  dabei  nicht  fehlen  und 
schließlich  sagte  er  zu  ihr:  ,, Stell  dich  hin;  ich 
will  es  machen  wie  ein  Hengst." 

,,Gut,"  sagte  sie. 

Während  er  nun  das  Mädchen  besprang, 
blickte  er  in  die  Höhe,  und  da  sah  er  den  Hodscha; 
augenblicklich  ließ  er  sie  und  nahm  Reißaus. 
Nun  nahm  sie  etliche  Datteln  und  lief  dem 
Flüchtling  nach;  dabei  rief  sie;  ,,Nimm  doch!" 

Aber  der  Hodscha  schrie  vom  Baume  herunter: 
„Was  fällt  dir  ein,  ihn  mit  so  etwas  locken  zu 
wollen?  Glaubst  du,  er  wird  für  drei  Datteln 
zu  einem  so  schamlosen  Ding  kommen,  die  den 
weißen  Fluß  hat,  wie  du?  Zeig  doch  wenigstens 
eine  Handvoll!" 

ALs  der  Hodscha  eines  Tages  aus  seiner  Tür  293. 

trat,  sah  er  einen  Knaben  vor  dem  Hause 
hocken  und  seine  Notdurft  verrichten;  da  schrie 
er  mehrere  Male  hintereinander:  ,,Was  machst  du 
da?   Wessen  Kind  bist  du?" 

Endlich  antwortete  der  Bengel:  ,,Ich  bin  der 
Sohn  der  Schwester  des  Stadtverwesers." 

Augenblicklich  nahm  ihn  der  Hodscha  bei  der 

167 


Hand  und  führte  ihn  vor  das  Haus  des  Stadt- 
verwesers; und  dort  sagte  er:  ,,Da  ist  der  Ort, 
wo  du  deine  Notdurft  verrichten  sollst." 

294.  t^ Ines  Tages  sagte  der  Hodscha  zu  seinem 
JZtf  Bruder:  „Tu  mir  etwas  zuliebe." 

,,Was  denn?" 

„Erlaube  mir,  dich  herzunehmen  wie  einen 
Knaben." 

„Kannst  du  mich  nicht  um  etwas  andres 
bitten?" 

„Was?"  schrie  der  Hodscha,  ,,du  bist  doch 
mein  Bruder;  von  wem  soll  ich  es  denn  ver- 
langen, wenn  nicht  von  dir?" 

295.  "ppines  Tages  erging  sich  der  Hodscha  mit  sei- 
jLtf  nem  Amad;  sie  kamen  aber  am  Abende  nicht 
nach  Hause,  sondern  verbrachten  die  Nacht  unter 
freiem  Himmel,  Der  Hodscha  fragte  den  Amad: 
„Wem  hast  du  deine  Frau  für  die  heutige  Nacht 
zu  hüten  gegeben?" 

Der  Amad  antwortete:  ,,Dem  Softa,  Alter." 
Der  Hodscha  fuhr  fort:   ,,Und  wem  hast  du 
die  Tugend  des  Softas  zu  hüten  gegeben?" 

296.  "T^^^  Hodscha  wanderte  einmal  mit  einem 
JLy  großen  Sacke  voll  Joghurt  auf  dem  Rücken, 
und  der  Joghurt  wiegte  sich  in  dem  Sacke  von 
der  einen  Seite  auf  die  andere;  endlich  schrie  der 
Hodscha:  „Bleib  du  ruhig  dahinten;  sonst  sollst 
du  mit  meinem  Menschenpflanzer  Bekanntschaft 
machen," 

Der  Joghurt  antwortete  nichts,  hörte  aber 
auch  nicht  auf,   sich  zu  wiegen.     Unverzüglich 

168 


warf  sich  der  Hodscha  auf  den  Sack,  machte  ein 
Loch  hinein  und  versenkte  darein  den  besagten 
Menschenpflanzer.  Als  er  ihn  dann  wieder 
herauszog,  sah  er,  daß  er  voller  Joghurt  war, 
und  da  schrie  er:  ,, Wahrhaftig,  du  warst  schon 
in  Löchern  genug;  aber  mit  einem  weißen  Kopfe 
bist  du  noch  nie  herausgekommen!" 

Zufällig  kam  einmal  der  Hodscha  vorbei,  als  297. 

ein  Jude  mit  erhobenen  Händen  Gott  um 
einen  Regen  anflehte;  es  regnete  aber  keines- 
wegs. Da  wandte  sich  der  Jude  zum  Hodscha 
und  sagte  zu  ihm:  ,,Bete  auch  du;  nach  dem, 
wessen  Gebet  einen  Erfolg  haben  wird,  werden 
wir  sehn,  wer  der  wirkliche  allmächtige  Gott  ist, 
der  deinige  oder  der  meinige." 

Der  Hodscha  hob  die  Hände  zum  Himmel  und 
betete.  Und  alsbald  grollte  der  Donner,  zuckten 
Blitze  hernieder  und  begann  ein  starker  Regen  zu 
fallen.  Der  Hodscha  entfloh  und  trachtete  sich 
eiligst  unter  einem  Felsen  zu  verbergen;  aber  das 
Wetter  schlug  auch  dort  hinein  und  ging  über  den 
Hodscha  nieder. 

Da  schrie  er:  „Herr  Gott,  du  hast  mein  Ge- 
bet schlecht  verstanden;  warum  nähmest  du  dir 
sonst  die  Mühe,  das  Gewitter  bis  unter  diesen 
Stein  zu  schicken,  wo  doch  der  Jude  draußen 
steht?" 

Eines  Tages  ging  der  Hodscha  weg,  und  nach-  29H. 

dem  er  eine  Zeitlang  gewandert  war,  fand  er 
nicht  mehr  nach  Hause;  da  begegnete  er  einem 
Manne  und  den  fragte  er:  „Bruder,  hast  du  mein 
Haus  gesehn?" 

Der  Mann  antwortete:  ,,Ich  habe  einen  grob- 

169 


knochigen  Derwisch  gesehn,  der  es  wegtrug; 
wenn  du  mit  mir  gehn  willst*  so  wollen  wir  ihn 
aufsuchen." 

Der  Hodscha  glaubte  es  und  kam  sogar  auf 
den  Verdacht,  es  handle  sich  um  einen  Greis,  der 
Baba-Sultan  genannt  wurde.  Er  machte  sich  als- 
bald auf  den  Weg  zu  diesem  Biedermanne;  als 
er  ankam,  fand  er  ihn  im  Hofe  seines  Klosters. 
Er  fragte  ihn:  ,,Hast  du  mein  Haus  gesehn?" 

Der  Alte  antwortete:  „Man  hat  es  hieher- 
gebracht; dann  ist  es  aber  wieder  zurückgeschickt 
worden." 

Der  Hodscha  wollte  unverzüglich  aufbrechen, 
aber  die  Derwische  ließen  ihn  nicht  weg:  ,, Bleib 
bei  uns  heute  Nacht,"  sagten  sie;  ,, morgen  früh 
gehst  du  dann." 

Während  er  nun  schlief,  schnitten  sie  ihm 
Haare  und  Bart,  Er  stand  noch  in  der  Dämme- 
rung auf  und  ging  weg,  ohne  etwas  bemerkt  zu 
haben;  als  er  aber  auf  seinem  Wege  zu  einem 
Brunnen  kam,  betrachtete  er  sich  im  Wasser  und 
da  erkannte  er  sich  nicht  wieder. 

„Diese  Schufte,"  schrie  er,  ,,sie  haben  mich 
gegen  einen  Kalender  vertauscht,  den  sie  an 
meiner  Statt  ins  Bett  gelegt  haben!"  Und  als  er 
heimkam,  sagte  er  zu  seiner  Frau:  ,,Weib,  man 
hat  mich  mit  einem  Kalender  verwechselt;  hast 
du  keine  Nachrichten  von  mir?  Übrigens  haben 
sie  mir  wenigstens,  nach  dem,  was  ich  sehe,  mein 
Haus  zurückgebracht!" 

299.  "pinmal  war  der  Hodscha  Nasreddin  in  Ara- 

JZtf  bien.  Die  arabischen  Weisen  gaben  ihm  ein 
Fest,  und  als  das  mitten  im  Gange  war,  legten  sie 

170 


ihm  eine  Streitfrage  vor.  Aber  der  Hodscha, 
der  ihnen  keine  Antwort  schuldig  bleiben  wollte, 
sagte  zu  ihnen:  „Wenn  ihr  mir  die  Fragen,  die 
ich  an  euch  richten  will,  beantworten  werdet, 
werde  auch  ich  euch  Antwort  geben;  wenn  nicht, 
so  gehe  ich,  wie  ich  gekommen  bin." 

Sie  waren  damit  einverstanden,  und  nun  sagte 
der  Hodscha:  ,,Wißt  ihr,  warum  die  Fische  Reiß- 
aus nehmen  beim  Anblicke  des  Menschen,  und 
warum  die  Sterne  entfliehn,  wann  die  Sonne  er- 
scheint?    Das  sind  meine  Fragen," 

Die  Araber  fanden  keine  Lösung  und  erkann- 
ten seine  Überlegenheit  an. 

DEr  Hodscha  beobachtete  eines  Tages  einen  300. 

Mann,  wie  er  eine  Summe  Geldes  irgendwo 
versteckte.  Als  sich  der  Eigentümer  entfernt  hatte, 
bemächtigte  sich  der  Hodscha  des  Geldes;  der 
Eigentümer  hatte  ihn  aber  bemerkt  und  verfolgte 
ihn.  Der  Hodscha  flüchtete  sich  in  eine  Moschee, 
aber  der  andere  lief  ihm  auch  dorthin  nach.  Der 
Hodscha  stieg  aufs  Minaret  und  der  andere  stieg 
auch  hinauf.  Als  schließlich  der  Hodscha  sah, 
daß  er  ihm  nicht  entwischen  konnte,  stürzte  er 
sich  von  oben  herab  und  erwachte  augenblicklich ; 
denn  er  hatte  das  alles  nur  geträumt. 

Ein  Bader  junge  hatte  sein  Schermesser  ver-  301. 

loren;  weinend  und  das  Gesicht  in  den  Hän- 
den verborgen  lief  er  herum  und  schrie:  „Ach, 
das  Schermesser!     Ach,  das  Schermesser!" 

Der  Hodscha,  der  dabei  war  und  das  hörte: 
sagte  sich:  „Zweifellos  hat  man  diesem  Diebe  die 
Nase  abgeschnitten!" 

171 


302.  "T^Er  Hodscha  war  gestorben  und  man  legte  ihn 
J_*/  in  ein  altes  Grab,  Nachdem  die  Leute  aus- 
einandergegangen waren,  kamen  Munkar  und 
Nakir  ^,  um  ihn  zu  befragen,  und  er  sagte  zu 
ihnen:  „Wenn  ihr  wollt,  daß  ich  sprechen  soll, 
so  gebt  mir  einen  Asper." 

Auf  diese  Rede  versetzten  sie  ihm  einen 
derben  Streich.  Nun  schrie  er:  ,,He,  Freunde, 
wenn  ihr  kein  Geld  habt,  kommt  ein  andermal 
wieder," 

Und  damit  erwachte  er;  denn  alles  war  nur 
ein  Traum, 

303.  "P^^^  Hodscha  kam  einmal  in  ein  Dorf;  die  Ein- 
J_-/  wohner,  denen  er  auffiel,  sagten  zu  ihm: 
,,Da  du  ein  Würdenträger  bist,  so  komm  über 
einen  Toten  die  Gebete  zu  sprechen,"  Er  ging 
mit  ihnen  und  verrichtete  alles,  was  bei  einer 
Leichenfeier  geschehn  soll;  doch  begnügte  er  sich 
damit,  den  Schlußausruf:  ,Gott  ist  groß'  nur  ein- 
mal zu  singen.  Dessenungeachtet  bezahlte  man 
ihn  und  er  entfernte  sich. 

Nun  machte  ein  Städter,  der  auch  anwesend 
war,  die  Bauern  aufmerksam,  daß  diese  Anrufung 
über  einem  Toten  viermal  wiederholt  werden  soll. 
Da  liefen  sie  dem  Hodscha  nach  und  erhoben,  als 
sie  ihn  eingeholt  hatten,  ihre  Einwendungen, 

Der  Hodscha  fragte  sie:  ,,Den  wievielten  haben 
wir  heute?" 

„Den  fünften." 

Und  er  sagte,  um  sie  sich  vom  Halse  zu 
schaffen:  „Wenn  heute  der  fünfte  ist,  wird  das 


^  Siehe  die  Fußnote  auf  S,  13- 

172 


Totengebet  nicht  anders  gesprochen,  als  wie  ich 
es  getan  habe." 

Eines  Tages  hatte  die  Frau  des  Hodschas  den  304. 

Sik  eines  Mannes  gesehn,  und  sie  wurde  von 
einem  solchen  Verlangen  nach  ihm  erfaßt,  daß  sie 
krank  wurde;  und  sie  sagte:  ,, Wohin  ist  denn  der 
verschwunden,  den  ich  gesehn  habe?  vielleicht 
fände  er  ein  Mittel  für  mein  Übel," 

Der  Hodscha  ging  den  Mann  suchen  und 
brachte  ihn  ihr. 

Der  Mann  sagte:  „Sie  ist  wahrhaftig  krank," 

,,Das  weiß  ich,  daß  sie  krank  ist,"  antwortete 
der  Hodscha;  „aber  was  ist  da  zu  tun?" 

,,Wenn  du  etliche  Knoblauchzehen  hast,  so 
bring  sie." 

Der  Hodscha  hatte  just  welche  zu  Hause;  er 
holte  sie  und  gab  sie  ihm.  Der  Fremde  rieb  sich 
nun  damit  das,  was  die  Aufmerksamkeit  der 
Frau  angezogen  hatte,  und  steckte  es  an  den  Ort, 
der  für  dieses  Heilmittel  empfänglich  war;  sodann 
zog  er  es  wieder  heraus. 

Als  die  Behandlung  beendigt  war,  schrie  der 
Hodscha:  „Warum  hast  du  mir  nicht  gesagt,  was 
zu  tun  war?  Das  hätte  ich  ganz  allein  zustande- 
gebracht; es  ist  ein  Verfahren,  das  mir  nicht  un- 
bekannt ist." 

ALs  der  Hodscha  eines  Tages  trübselig  seine  305, 

Straße  zog,  begegnete  er  einer  Frau  und  die 
fragte  ihn:  „Woher  kommst  du,  Hodscha?" 
„Aus  der  Hölle,"  antwortete  er. 
Und  sie  fragte  weiter:  „Hast  du  vielleicht  dort 
meinen  Sohn  gesehn?" 

173 


„Ja;  er  ist  als  Schuldner  gestorben  und  darum 
ist  ihm  der  Eintritt  ins  Paradies  versagt  worden," 

„Und  auf  wieviel  beläuft  sich  seine  Schuld?" 

„Auf  tausend  Asper."  Und  Nasreddin  fügte 
hinzu:  „Seine  Frau  ist  im  Paradiese;  er  aber 
kann  nur  hinein  mit  den  tausend  Asper." 

Die  Frau  fragte  noch:  „Und  wann  gehst  du 
zurück?"  und  Nasreddin  antwortete:  „Augen- 
blicklich," 

Da  gab  sie  ihm  die  tausend  Asper  und  bat 
ihn:  „Eile  nur,  damit  du  die  Sache  unverzüglich 
zu  einem  Ende  bringst." 

Als  sie  heimkam,  sagte  sie  zu  ihrem  Manne, 
der  zu  Hause  war:  ,,Ich  habe  Nachrichten  von 
unserm  Sohne  bekommen;  da  er  nicht  anders  ins 
Paradies  gelangen  kann  als  mit  tausend  Asper, 
habe  ich  sie  hergegeben." 

,,Wem  hast  du  sie  denn  gegeben?" 

,,Dem  Hodscha." 

Unverzüglich  machte  sich  der  Mann  auf  die 
Verfolgung  des  Hodschas.  Der  flüchtete  sich,  als 
er  ihn  kommen  sah,  in  eine  Mühle;  und  er  sagte 
zu  dem  Müller:  „Siehst  du  den  Mann,  der  heran- 
sprengt? es  ist  ein  Scherge,  der  dich  greifen 
will." 

„Was  soll  ich  da  tun?"  fragte  der  Müller  er- 
schrocken. 

„Nimm  meine  Kleider  und  ich  will  die  deinigen 
nehmen;  klettere  auf  den  Baum  und  verstecke 
dich." 

Der  Kleidertausch  war  kaum  vollzogen,  und 
der  Müller  hatte  sich  kaum  auf  dem  Baume  ver- 
steckt, als  der  Mann  ankam.  Er  sah  niemand  als 
den  Hodscha  in  der  Tracht  des  Müllers,  und  der 

174 


Hodscha  blickte  auffällig  auf  den  Baum  hinauf. 
Nun  bemerkte  der  Mann  den  vermeintlichen 
Hodscha.  Da  er  zu  Pferde  war,  stieg  er  ab  und 
übergab  das  Pferd  dem  falschen  Müller;  dann 
zog  er  seine  Kleider  aus,  um  sie  nicht  beim 
Klettern  zu  beschmutzen. 

Ungesäumt  bemächtigte  sich  der  Hodscha  der 
Kleider  und  stieg  auf  das  Pferd;  und  indem  er 
da  vonritt,  schrie  er  dem  Gefoppten  zu:  ,, Kennst 
du  mich  jetzt,  Gesell?" 

Nun  ließ  der  arme  Mann  von  dem  Müller  ab, 
stieg  vom  Baume  herunter  und  machte  sich  nackt 
und  ohne  Pferd  auf  den  Heimweg.  Und  seine 
Frau  fragte  ihn,  als  er  so  ankam:  ,,Was  hast  du 
gemacht?" 

,,Ich  habe  den  Hodscha  eingeholt,"  sagte  er 
und  fuhr,  um  Scheltworten  auszuweichen,  fort: 
,,Das,  was  er  dir  gesagt  hat,  war  wahr;  darum 
habe  ich  ihm  auch  zur  Belohnung  für  seine  guten 
Dienste  mein  Pferd  und  meine  Kleider  ge- 
schenkt." 

Eines  Tages  fragte  man  den  Hodscha,  um  ihn  306. 

zu  hänseln:  ,, Wohin  ist  denn  dein  Grind  ge- 
kommen?" 

Und  der  Hodscha  antwortete;  „Von  euch  habe 
ich  ihn  bekommen,  und  euch  habe  ich  ihn  zurück- 
gegeben," 

ALs  der  Hodscha  eines  Tages  von  der  Mühle  307. 

heimkam,  bemerkte  er,  daß  kein  Brennreisig 
dawar;  drum  nahm  er  die  Axt  und  ging  in  den 
Busch,  um  welches  zu  holen.  Es  war  schon 
finstere  Nacht,  als  ihm  auf  einmal  die  Axt  ent- 

175 


fiel;  er  suchte  sie  umsonst.  Endlich  schrie  er: 
„Herr,  wenn  du  mich  die  Axt  wiederfinden  läßt, 
so  verspreche  ich  dir  ein  Achtel  Gerste." 

Kaum  hatte  er  ausgesprochen,  als  er  auch 
schon  die  Axt  fand;  nun  schrie  er:  „Dank,  Herr! 
Da  es  dir  aber  so  leicht  fällt,  Bitten  zu  erhören, 
so  laß  mich  auch  ein  Achtel  Gerste  finden;  dann 
werde  ich  mich  meiner  Verpflichtung  gegen  dich 
entledigen!" 

308.  A  Ls  der  Hodscha  einmal  in  eine  Moschee  trat, 
.tA.  sah  er  hinter  der  Tür  einen  Hund  sitzen;  er 
gab  ihm  einen  Stockhieb  und  das  erschrockene 
Tier  flüchtete  sich  auf  die  Kanzel,  Da  sagte  der 
Hodscha  zu  ihm:  „Bitte  tausendmal  um  Ver- 
zeihung; ich  kenne  noch  nicht  alle  Prediger,  die 
zu  dieser  Moschee  gehören." 

309.  T\^^  Hodscha  Nasreddin  hatte  eine  Kuh,  die 
LJ  keinen  Tropf  Milch  gab;  da  wollte  er  sie 
durch  den  öffentlichen  Ausrufer  verkaufen  lassen, 
und  der  führte  sie  herum  und  pries  sie  schreiend 
an:  „Wer  will  eine  gute  Milchkuh,  eine  Kuh, 
deren  Milch  ist  wie  Sahne?" 

„Wahrhaftig,"  schrie  der  Hodscha,  als  er  sie 
also  loben  hörte,  „da  hätte  ich  mich  schön  über 
ihren  Wert  getäuscht!" 

Und  damit  nahm  er  sie  dem  Ausrufer  aus  der 
Hand  und  führte  sie  wieder  heim. 

310.  T\^^  Hodscha  hatte  einmal  die  Pilgerreise  nach 
U  Mekka  gemacht,  und  an  der  Tür  der  Kaaba 
drängte  sich  das  Volk,  Auch  ein  Neger  war 
darunter  und  die  Leute  schrien:  „Herr,  duldest 

176 


du  denn  hier  die  schwarze   Fratze   dieses   Un- 
gläubigen?" 

Da  sagte  der  Hodscha:  „Warum  beschimpft 
ihr  ihn  wegen  seiner  Farbe?  Er  ist  wenigstens 
imstande,  seine  Sünden  auf  sein  Äußeres  zu 
schieben;  wenn  wir  das  täten,  so  wären  wir,  ihr 
und  ich,  schwärzer  als  er." 

Eines  Tages  schrie   der  Sohn  des  Hodschas:  311. 

„Komm,    Vater!    in    dem   Topfe    da   ist    ein 
Mann  und  ich  fürchte  mich," 

Nachdem  der  Hodscha  hingetreten  war  und 
im  Topfe  sein  eigenes  Bild  gesehn  hatte,  sagte 
er  zu  dem  Knaben:  „Sei  nur  ruhig;  das  ist  nur 
ein  alter  Mann,  der  die  kleinen  Kinder  schrecken 
will." 

DEr  Sohn  des  Hodschas  sprach  eines  Tages  bei  312. 

sich:    „Wenn    die    Dichter    Verse    machen, 
warum  sollte  ich  nicht  auch  welche  machen?" 

Ganz  voll  von  dem  Gedanken  ging  er  weg,  und 
er  kam  zu  einer  Quelle  in  der  Nachbarschaft; 
nachdem  er  dort  lange  gesonnen  hatte,  gelang 
ihm  endlich  der  Vers: 

Ein  Baum,  ein  Baum  steht  am  Rande  einer 

Quelle, 
Ganz  zufrieden  mit  diesem  hübschen  Gedichte 
trug  er  es  seiner  Mutter  vor,  und  die  wiederholte 
es  dem  Vater,  Der  sagte:  „Wir  müssen  alle 
unsere  Nachbarn  versammeln  und  sie  zu  einem 
Festmahle  einladen,  damit  wir  Freude  haben  an 
unserm  verständigen  Sohne," 

Man  lud  alle  Bewohner  des  Viertels  ein  und 
las  ihnen  nach  dem  Mahle  den  ausgezeichneten 

Nasreddin,   I.  12  177 


Vers  vor;  da  wollten  alle  vor  Lachen  bersten. 
Und  voll  Begeisterung  über  dieses  Ergebnis  schrie 
die  Mutter:  „Des  Todes  will  ich  sein,  wenn  mein 
Sohn  nicht  die  Sprache  der  Nachtigall  hat!" 

Der  Hodscha  aber  sagte:  „Hüte  dich,  Frau, 
vor  derlei  Beteuerungen;  du  wirst  den  Knaben 
noch  verschreien." 

313.  "C'Ines  Tages  gingen  der  Hodscha  und  seine 
X2tf  Frau  zum  Flusse,  um  Leinensachen  zu 
waschen.  Als  nun  die  Frau  unversehens  ihren 
Fuß  ins  Wasser  steckte,  packte  ihn  ein  Krebs. 
„Zu  Hilfe,  Hodscha,"  schrie  sie,  „zu  Hilfe!" 

Er  sagte:  „Setz  dich,  damit  ich  sehe,  was 
es  ist." 

Er  bückte  sich,  und  da  sah  er,  was  für  ein 
Tier  es  war;  aber  er  beugte  sich  dabei,  um  besser 
zu  sehn,  so  weit  nieder,  daß  der  Krebs  mit  der 
andern  Schere  seine  Nase  faßte.  In  diesem 
Augenblicke  ließ  die  Frau,  deren  Schrecken  noch 
mehr  gewachsen  war,  einen  Wind;  der  Hodscha 
jedoch  schrie:  „Das  brauchst  du  nicht  aufzu- 
machen, wohl  aber  die  Pfoten  dieses  Viehs." 

314.  "rpines  Nachts  träumte  dem  Hodscha,  daß  er 
j2j  auf  einer  Reise  einen  Schatz  gefunden  habe, 
und  um  den  Ort  zu  bezeichnen,  habe  er  dort  ein 
natürliches  Bedürfnis  befriedigt.  Als  er  dann  er- 
wachte, fand  er,  daß  nur  das  Ende  des  Traumes 
keine  Einbildung  gewesen  war. 

Da  schrie  er:  „Ach,  Herr,  warum  hast  du  mir 
das  da  gelassen  und  das  Gold  genommen?  dir 
hätte  doch  das  eine  auch  nicht  mehr  genützt  als 
das  andere!" 

178 


DEr  Hodscha  ging  sich  einmal  ein  Paar  Hosen  315. 

kaufen;  für  den  Heimweg  zog  er  sie  schon 
an.  Einige  Freunde,  die  ihn  damit  sahen,  setzten 
es  sich  in  den  Kopf,  ihm  einen  Streich  zu  spielen; 
zu  diesem  Zwecke  verteilten  sie  sich  auf  dem 
Wege,  und  der,  der  ihm  als  erster  begegnete, 
sagte  zu  ihm  nach  Gruß  und  Gegengruß:  „Was 
machst  du  mit  den  Hosen?  du  brauchst  sie  doch 
nicht;  gib  sie  mir," 

„Geh  heim,"  antwortete  der  Hodscha,  „und 
laß  mich  in  Ruh." 

Fünfmal  hatte  sich  dieses  Gespräch  zwischen 
dem  Hodscha  und  je  einem  von  den  Gesellen 
wiederholt,  bis  sich  der  Hodscha  endlich  stellte, 
als  hätte  er  sich  überreden  lassen;  er  sagte  zu 
dem,  mit  dem  er  sprach,  indem  er  ihm  das  Bein 
hinhielt:  „So  nimm  sie  denn  meinetwegen." 

Als  sich  der  Mann  bückte,  um  ihm  die  Hosen 
abzuziehen,  gab  ihm  der  Hodscha  einen  Tritt, 
daß  er  sich  auf  dem  Boden  wälzte,  und  schrie: 
„Merk  dirs  doch  einmal:  Um  Streiche  zu  spielen, 
bin  ich  da!" 

Auf  einem  Spaziergange  kam  der  Hodscha  zu  316. 

einem  großen  Baume;  er  betrachtete  ihn 
imd  fragte  sich,  was  für  ein  Baum  das  sei. 
Schließlich  warf  er,  um  sich  darüber  zu  ver- 
gewissern, einen  Stein  in  die  Äste,  und  der  fiel 
alsbald  wieder  herunter. 

„Jetzt  weiß  ichs,"  schrie  er,  ,,was  du  bist! 
ich  kenne  dich  leicht  an  der  Frucht," 

Die  Frau  des  Hodschas  Nasreddin  wusch  das  317. 

Haus;  in  dieser  gebückten  Stellung  be- 
trachtete er  sie,  und  da  sah  er  deutlich,  daß  sie 

12*  179 


zwei  Löcher  hatte.  „Weib,"  schrie  er,  „du  hast 
also  zwei!  das  habe  ich  gar  nicht  gewußt;  aber 
heute  Nacht  will  ich  sie  alle  beide  hernehmen, 
und  um  es  ja  nicht  zu  vergessen,  will  ich  den 
ganzen  Tag  kein  Wort  sagen,  ohne  hinzuzusetzen: 
,Ich  werde  mich  an  beiden  ergötzen,*  " 

Kaum  hatte  er  ausgeredet,  als  zwei  Schüler 
kamen,  und  die  fragten  ihn:  „Hodscha,  willst  du 
uns  Gastfreundschaft  gewähren?" 

Er  antwortete:  „Meinetwegen;  tretet  ein, 
bitte."  Und  er  setzte  hinzu:  „Ich  werde  mich 
an  beiden  ergötzen." 

„Wahrhaftig,"  sagten  die  zwei  jungen  Leute, 
„der  Hodscha  macht  einen  Spaß," 

„Weib,"  sagte  er,  „bereite  das  Mahl  und  dreh 
der  Gans  da  den  Kragen  ab."  Und  wieder  setzte 
er  hinzu:  „Ich  werde  mich  an  beiden  ergötzen." 
Die  Gans  legten  sie  aber  beiseite,  um  sie  am 
nächsten  Tage  zu  essen. 

„Weib,"  sagte  wieder  der  Hodscha,  „mache 
die  Betten."  Und  wieder  setzte  er  hinzu:  „Ich 
will  mich  an  beiden  ergötzen."  Dann  legte  er 
sich  nieder. 

Nun  sagten  die  beiden  Schüler  zueinander: 
„Der  Hodscha  macht  keineswegs  einen  Spaß;  er 
will  uns  jedenfalls  so  behandeln,  wie  er  sagt. 
Wir  müssen  abwechselnd  wachen,  damit,  was 
immer  auch  geschieht,  der,  der  wach  ist,  den 
andern  wecken  kann."  Sie  lösten  sich  also 
pünktlich  ab  und  schliefen  und  wachten,  wie 
jeden  die  Reihe  traf. 

Auf  einmal  begann  nun  der  Hodscha,  der  an 
nichts  sonst  dachte,  als  daß  er  sein  Vorhaben 
ins  Werk  setzen  werde,  zu  schreien;  , »Wahrhaftig, 

180 


zuerst  will  ich  mich  an  dem  einen  ergötzen,  und 
dann  will  ichs  mit  dem  andern  versuchen." 

„Da  wir  zwei  sind,"  sagte  sich  erschrocken 
der  Wachende,  „weiß  ich  nicht,  bei  welchem  er 
anfangen  wird,"  Durch  diesen  Gedanken  erregt, 
weckte  er  seinen  Gesellen,  und  der  stand  alsbald 
auf.  Nun  sagten  sie:  „Sputen  wir  uns;  wir  dürfen 
nicht  mehr  dasein,  wann  er  uns  überfallen  will." 

Sie  schnürten  augenblicklich  ihre  Bündel; 
hakten  die  Gans  los,  die  am  Fenster  hing,  und 
liefen,  was  sie  ihre  Beine  trugen;  und  vielleicht 
laufen  sie  noch  immer. 

Eines  Tages  saß  der  Hodscha  daheim  bei  seiner  318. 

Frau;  traurig  betrachtete  er  ihre  geheimen 
Reize,  und  endlich  sagte  er:  „Frau,  was  ist  das? 
ich  sage  ihms  zum  ersten,  zum  zweiten  und  zum 
dritten  Male:  ich  verstoße  dich." 
„Was  sagst  du  da?" 

„Geht  es  denn  nicht  an,  daß  ich  mich  auf 
diese  Weise  dessen,  was  mir  an  dir  am  meisten 
mißfällt,  entledige?" 

Die  Frau  des  Hodschas  Nasreddin  war  krank;  319. 

nach  drei  oder  vier  Tagen  der  Pflege  fühlte 
er,  daß  ihn  seine  Kräfte  verließen,  und  er  sagte 
zu  ihr:  „Steh  auf,  meine  Liebe,  oder  laß  mich 
etwas  essen  gehn." 

Sie  begann  zu  weinen  und  der  Hodscha  ging 
weg.  Sie  benutzte  seine  Abwesenheit  und  stand 
hastig  auf;  als  er  vom  Bade  zurückkam,  fand  er 
das  Haus  gekehrt,  das  Mahl  bereitet  und  die 
Betten  aufgeschüttelt.  Seine  Frau,  die  alles  in 
Ordnung  gebracht  hatte,  ruhte  aus.     Als  er  sie 

181 


sah,  lehnte  er  sich  an  die  Tür,  die  Hände  schlaff 
und  den  Kopf  schwankend,  und  schrie:  „Ach, 
jetzt  ist  sie  tot!  O  meine  lieben  Knäblein,  o  meine 
lieben  kleinen  Mädchen,  jetzt  könnt  ihr  nicht 
mehr  geboren  werden!" 

320.  A  Ls  die  Frau  des  Hodschas  einmal  allein  war, 
XJL  entblößte  sie  sich,  betrachtete  sich  und 
sagte:  ,,Ach,  du  mein  teuerer  Schatz,  warum  habe 
ich  nicht  drei  solche  wie  du!  was  für  eine  herr- 
liche Sache  wäre  das!" 

Von  ungefähr  kam  in  diesem  Augenblicke  der 
Hodscha  heim;  er  hörte  alles  und  sah,  an  wen 
sie  ihre  Rede  richtete.  Er  blieb  draußen,  ent- 
blößte sich  gleicherweise  und  sagte  weinend: 
„Was  für  Unheil  hast  du  mir  schon  auf  den  Hals 
geladen!  wieviel  Mißgeschick  habe  ich  schon 
deinethalben  erleiden  müssen!" 

Als  die  Frau  draußen  seufzen  hörte,  sah  sie 
nach  und  fand,  daß  es  der  Hodscha  war;  und  sie 
sagte:  „Worüber  jammerst  du  denn?" 

„Ich  habe",  antwortete  er,  ,, darüber  geklagt, 
daß  wir  Männer  dort,  wo  ihr  Frauen  einen  Schatz 
habt,  eine  Quelle  unzähliger  Übel  und  Qualen 
haben," 

321.  t*  Ines  Tages  schlich  sich  der  Meister  in  einen 
Ca  Weingarten  und  begann  Trauben  zu  essen; 
der  Eigentümer  kam  dazu  und  fragte  ihn:  „Was 
machst  du  da?" 

„Ich  bin  hergekommen,  um  mir  hier  meinen 
Bauch  zu  erleichtern," 

„So;  und  wo  ist  dann  das,  was  du  gemacht 
hast?" 

182 


Nasreddin  blickte  umsonst  nach  allen  Seiten 
umher;  er  sah  nichts,  was  ihn  hätte  rechtfertigen 
können.  „Da  ist  es,"  schrie  er  endlich,  als  er 
einen  Eselsdreck  sah. 

Aber  der  Eigentümer  sagte:  „Das  ist  ja  von 
einem  Esel." 

Und  der  Hodscha  antwortete:  „Wenn  es  nicht 
von  mir  ist  und  nicht  von  dir,  dann  weiß  ich 
wahrhaftig  nicht,  von  wem  es  stammen  kann." 

ETliche  Christen  sagten  zum  Sohne  des  Hod-  322. 

schas:  „Bete  den  Messias  an  oder  geh  aus 
der  Stadt." 

Er  antwortete:  „Wann  der  Messias  kommt, 
werde  ich  gehn." 

DEr  Hodscha  zog  einmal  den  Imam,  während  323. 

der  im  Gebete  auf  dem  Boden  lag,  beim 
Ohrläppchen;  gleich  darauf  sagte  der  Imam  das 
feierlichste  Gebet,  nämlich  den  Absatz  vom 
Throne. 

Da  sagte  der  Hodscha:  „Wenn  du  den  Absatz 
vom  Throne  schon  sprichst,  wann  man  dich  beim 
Ohrläppchen  zieht,  was  wirst  du  denn  sprechen, 
wann  man  dir  die  Hoden  drückt?" 

Eines  Tages  berieten  der  Hodscha  und  seine  324. 

Nachbarn  miteinander,  wohin  sie  lustwan- 
deln gehn  sollten;  endlich  sagte  der  Hodscha: 
„Gehn  wir  zum  Flusse  und  schauen  wir  den 
Frauen  baden  zu." 

Sic  waren  einverstanden  und  gingen  mit  ihm: 
Als  sie  zu  den  Frauen  gekommen  waren,  ent- 
blößte sich  eine  von  ihnen,  die  sah,  daß  sie  be- 

183 


obachtet  wurden;  daraufhin  sagte  einer  zum 
Hodscha,  um  ihn  zu  hänseln:  „Wirst  du  diese 
Gelegenheit  nicht  benutzen?" 

Ohne  zu  zaudern,  schob  der  Hodscha  seine 
Kleider  weg,  reckte  den  bewußten  in  die  Luft  und 
schrie:  ,,Seht,  meine  Freunde,  mich  findet  man 
niemals  unvorbereitet;  wie  ein  Baum  habe  ich 
immer,  meinen  Nachbarn  zu  gefallen,  einen 
strammen  Ast  bereit,  auf  dem  man  klettern  kann!" 

So  sahen  die,  die  sich  auf  seine  Kosten  lustig 
zu  machen  gedacht  hatten,  ihren  Scherz  zu  ihrer 
Beschämung  ausschlagen. 

325.  A  N  einem  Tage,  wo  der  Hodscha  Nasreddin 
xjL  predigen  sollte,  sagten  die  Gläubigen  unter- 
einander: „Wann  er  kommt  und  uns  begrüßt, 
geben  wir  ihm  den  Gruß  nicht  zurück;  wir  wollen 
sehn,  was  er  tun  wird," 

Der  Hodscha  kam  und  grüßte  die  Gemeinde; 
aber  niemand  antwortete  ihm.  Da  sagte  er,  nach- 
dem er  nach  allen  Seiten  umhergeblickt  hatte: 
„Wahrhaftig,  ich  bin  ganz  allein;  kein  Mensch  ist 
gekommen."  Mit  diesen  Worten  ging  er  weg  und 
überließ  die  Versammelten  ihrem  Unmut  über 
den  Ausgang  ihres  Streiches. 

326.  A  Ls  der  Hodscha  Nasreddin  das  erste  Mal  vor 
x^  Tamerlan  erschien,  sprach  dieser  Eroberer 
bei  sich:  „Ich  muß  ihn  verderben;  ich  will  ihm 
Fragen  stellen,  und  wenn  er  auch  nur  eine  nicht 
beantwortet,  lasse  ich  ihn  töten.  Und  er  fragte 
den  Hodscha:  „Wer  bist  du?" 

Der  Hodscha  antwortete:  „Ich  bin  der  Gott 
der  Erde." 

184 


Nun  war  Tamerlan,  der  ein  Tatare  war,  von 
den  schönsten  jungen  Leuten  seines  Volkes  um- 
geben, die,  wie  es  bei  ihnen  zutrifft,  sehr  kleine 
Augen  hatten. 

Tamerlan  fuhr  fort:  „Gut  also,  Gott  der  Erde, 
hast  du  dir  diese  hübschen  Knaben  betrachtet? 
was  sagst  du  zu  ihnen?" 

„Ich  habe  sie  betrachtet;  aber  ihre  kleinen 
Augen  sind  nicht  hübsch." 

„Da  du  Gott  bist,"  erwiderte  Timur,  „so  tu 
mir  den  Gefallen  und  mach  sie  größer," 

„Padischah,  ich  bin  nur  Gott  der  Erde,  und 
darum  kann  ich  nur  die  Augen  größer  machen, 
die  sie  unter  dem  Gürtel  haben;  die,  die  sie  oben 
haben,  die  gehn  den  Gott  des  Himmels  an." 

Timur  freute  sich  herzlich  über  diese  Antwort 
und  erkannte,  mit  was  für  einem  Schalke  er  es 
zu  tun  hatte:  „Da  du  so  ein  lustiger  Gesell  bist, 
so  schwöre  ich,  daß  ich  mich  nicht  mehr  von  dir 
trennen  werde." 

„So  sei  es,"  antwortete  der  Hodscha;  „du  bist 
der  Herr." 

TAmerlan  war  sehr  häßlich;  er  hatte  nur  ein  327. 

Auge  und  einen  eisernen  Fuß.  Als  er  nun 
einmal  mit  dem  Hodscha  saß  und  sich  mit  ihm 
unterhielt,  fuhr  er  mit  der  Hand  an  den  Kopf 
und  ließ  den  Barbier  rufen.  Der  kam  augen- 
blicklich; nachdem  er  ihm  den  Kopf  geschoren 
hatte,  reichte  er  ihm  einen  Spiegel.  Timur  be- 
trachtete sich,  und  da  er  sah,  wie  häßlich  er  war, 
begann  er  zu  weinen.  Seinem  Beispiele  folgend, 
zerflossen  auch  der  Hodscha  und  der  ganze  Hof 
in  Tränen  und  Seufzern,  und  das  dauerte  eine 

185 


oder  zwei  Stunden,  Endlich  gelang  es  den  Hof- 
leuten, indem  sie  einige  hübsche  Geschichten  er- 
zählten, Timur  zu  zerstreuen  und  ihn  seinen 
Kummer  vergessen  zu  machen,  und  er  hörte  zu 
weinen  auf;  aber  der  Hodscha  weinte  nur  umso 
stärker.  Und  Timur  sagte  zu  ihm:  „Ich  habe 
mich  im  Spiegel  betrachtet,  und  da  habe  ich  mich 
so  abscheulich  gefunden,  daß  ich  einen  schweren 
Kummer  litt,  weil  ich,  der  Padischah,  der  Herr 
so  vieler  Sklaven,  so  häßlich  sein  muß;  ich  habe 
also  mit  vollem  Rechte  geweint.  Aber  warum 
weinst  denn  du  noch  zu  dieser  Stunde,  und  warum 
hörst  du  nicht  auf,  zu  klagen?" 

Der  Hodscha  antwortete  sofort:  „Du  hast  dich 
nur  einmal  im  Spiegel  gesehn,  und  dieser  kurze 
Augenblick  hat  genügt,  dich  zwei  Stunden  lang 
weinen  zu  machen;  was  ist  denn  wunderbares 
dabei,  wenn  ich,  der  ich  dich  den  ganzen  Tag 
sehe,  länger  weine  als  du?" 

Über  diese  Rede  fiel  Timur  in  ein  unauslösch- 
liches Gelächter. 


186 


3.  Angeblich  historisches 


DA  Nasrcddin  durch   diese  Geschichte  ^   mit  328. 

Tamerlan  besser  bekannt  geworden  war, 
nahm  er  sich  bald  darauf  die  Freiheit,  ihm  ein 
andres  Geschenk  zu  machen,  nämlich  zehn  zarte, 
frischgepflückte  Gurken;  dafür  erhielt  er  von  ihm 
zehn  Goldstücke.  Als  dann  die  Gurken  nicht 
mehr  so  selten  waren,  lud  er  ihrer  einen  Wagen 
voll,  um  sie  Tamerlan  zu  bringen.  Der  Türhüter 
aber,  der  sich  der  großen  Belohnung  für  die 
ersten  zehn  erinnerte,  weigerte  sich  ihn  einzu- 
lassen, wenn  er  nicht  verspreche,  die  neue 
Gegengabe  mit  ihm  zu  teilen.  Der  Handel  wurde 
so  abgeschlossen,  und  Nasreddin  wurde  vor- 
gelassen. Auf  die  Frage  Tamerlans,  was  ihn 
herführe,  antwortete  er,  er  bringe  ihm  viel  mehr 
Gurken  als  das  andere  Mal;  als  aber  Tamerlan 
diese  außerordentlich  große  Menge  sah,  befahl  er 
ihm  ebenso  viel  Stockstreiche  zu  geben,  wie  es 
Gurken  seien.  Und  es  waren  fünfhundert  Stück. 
Nasreddin  mußte  sich  fügen  und  erlitt  geduldig 
zweihundertfünfzig  Hiebe;  dann  aber  begann  er 
zu  schreien,  er  habe  nun  seinen  Teil,  und  er  hoffe, 
der  König  werde  auch  dem  Türhüter  sein  Recht 
widerfahren  lassen.  Der  König  fragte  ihn,  was 
das  heißen  solle,  und  Nasreddin  antwortete  ihm: 
„Ich  habe  mich  mit  dem  Türhüter  verglichen,  daß 
er  die  Hälfte  von  dem  haben  solle,  was  ich  als 
Geschenk  bekäme,  und  dafür  hat  er  mich  vor- 
gelassen." Der  Türhüter  wurde  gerufen;  da  er 
sich  gezwungen  sah,  den  Handel  anzuerkennen, 
mußte  er  auch  seinen  Teil  auf  sich  nehmen  und 


1  Nämlich  die  oben  als  Nr,  71  mitgeteilte. 

189 


empfing    die   andern   zweihundertfünfzig    Stock- 
streiche- 

329.  ^l^Amerlan   begann   nun   so   viel   Gefallen    an 

X  Nasreddin  zu  finden,  daß  er  ihn  mit  dem 
Versprechen,  ihm  nichts  zu  verweigern,  ermutigte, 
zu  verlangen,  was  er  wolle.  Nasreddin  verlangte 
nichts  weiter  als  den  mäßigen  Betrag  von  zehn 
Goldstücken,  um  davon  ein  Denkmal  für  die 
Nachwelt  zu  erbauen.  Als  ihm  das  Geld  aus- 
gezahlt worden  war,  errichtete  er  mitten  auf 
freiem  Felde  ein  großes  Tor  mit  Schloß  und 
Riegel.  Darüber  gabs  denn  ein  allgemeines 
Staunen  und  man  fragte  ihn  um  den  Grund;  da 
antwortete  er:  „Die  allerspäteste  Zukunft  wird 
die  Erinnerung  an  diese  Tür  ebenso  getreu  be- 
wahren wie  die  an  die  Siege  Tamerlans ;  während 
aber  die  Welt  bei  diesem  Denkmal,  das  die 
Streiche  Nasreddins  ins  Gedächtnis  zurückruft, 
lachen  wird,  wird  das  Andenken  der  Taten 
Tamerlans  Tränen  hervorrufen  von  einem  Ende 
der  Erde  zum  andern." 

330.  "T^Aiazet  war  einmal  gegen  seine  vornehmsten 
J3  Offiziere  sehr  aufgebracht  und  hatte  schon 
den  Rat  versammelt,  der  ihnen  das  Urteil 
sprechen  sollte;  da  nun  die  Herren  vom  Rate  in 
ihrem  Schrecken  und  ihrer  Bestürzung  nicht 
wußten,  wie  sie  den  Unglücklichen  das  Leben 
retten  könnten,  bot  sich  ihnen  Nasreddin  an,  um 
ihnen  zu  helfen.  Und  er  sagte  zu  Bajazet: 
„Sultan,  laß  die  Leute  nur  henken;  sie  sind  alle 
Verräter."  Bajazet  war  damit  einverstanden  und 
Nasreddin  fuhr  fort:   „Wozu  sind  sie  uns  auch 

190 


nütze?  wenn  jetzt  Timur  mit  seiner  Armee 
kommt,  so  nimm  du  die  Standarte  und  ich  werde 
die  Trommel  schlagen;  wir  wollen  ihm  ein  Treffen 
liefern,  und  wahrhaftig,  wir  zwei  werden  den 
Tataren  genug  zu  schaffen  machen."  Bajazet 
antwortete  nichts;  wenige  Augenblicke  darauf 
gewährte  er  aber  den  Schuldigen  seine  Gnade. 

NAsreddin  hatte  den  Zorn  Bajazets  erregt  und  331. 

Bajazet  befahl,  ihn  hinzurichten;  er  mußte 
auf  einen  sehr  hohen  Baum  auf  freiem  Felde 
steigen,  und  den  sollten  die  Soldaten  umhauen, 
damit  Bajazet  sehe,  was  für  Luftsprünge  Nasr- 
eddin  machen  werde.  Trotz  dem  inständigen 
Flehen  Nasreddins  getraute  sich  niemand,  Baja- 
zet für  ihn  um  Gnade  zu  bitten,  so  daß  er  sich 
selber  zu  helfen  versuchte;  er  ließ  oben  auf  dem 
Baume  die  Hosen  herunter  und  verunreinigte  die 
Soldaten.  Darüber  mußte  Bajazet  herzlich  lachen, 
und  er  erlaubte  ihm,  herabzusteigen. 


191 


4,  Moderne  Volkserzählungen  aus 
Nasreddins  Heimat 


Nasreddin,  I.  13 


Eine  Frau  kam  einmal  zum  Hodscha,  gab  ihm  332. 

einen  Brief  und  bat  ihn,  ihn  ihr  vorzulesen. 
Nun  konnte  der  Hodscha  gar  nicht  lesen;  da  er 
sich  aber  schämte,  dies  einzugestehn,  nahm  er 
den  Brief  und  las:  „Hochwohlgeborener,  ehren- 
werter Herr"  usw.,  wie  ein  Freund  einem  andern 
zu  schreiben  pflegt. 

Die  Frau  sagte  darauf,  daß  das  kein  Brief 
eines  Bekannten,  sondern  der  Steuerzettel  ihres 
Hauses  sei.  Und  der  Hodscha  antwortete: 
„Warum  hast  du  mir  das  nicht  früher  gesagt? 
dann  hätte  ich  ihn  anders  gelesen." 

Eines    Nachts    schlich    der    Hodscha    zu    der  333. 

Sklavin  seines  Vaters.  Die  Sklavin  wachte 
auf  und  fragte:  „Wer  ist  da?" 

„Pst,"  antwortete  der  Hodscha,  „ich  bin  mein 
Vater." 

DEr  Sohn  des  Hodschas  hatte  ein  Haus  gebaut  334. 

und  lud  seinen  Vater  ein,  es  zu  besichtigen. 
Der  Hodscha  sah  sich  alles  gut  an,  sowohl  unten, 
als  auch  oben;  und  als  ihn  der  Sohn  fragte,  ob 
das  Haus  schön  sei,  antwortete  er:  „Alle  Räum- 
lichkeiten sind  schön;  nur  in  dem  kleinen  Zimmer 
zu  ebener  Erde  ist  die  Tür  so  eng,  daß  kein  Eß- 
tisch hineingeht." 

Er  hatte  den  Abtritt  für  ein  Zimmer  angesehn. 

DEr  Hodscha  kaufte  einmal  eine  Oka  Datteln  335. 

und  aß  dann  die  Datteln  mit  den  Kernen. 
Als  man  ihn  fragte,  warum  er  sie  mit  den  Kernen 
verschlucke,  antwortete  er:  „Ich  habe  sie  mit  den 

13*  195 


Kernen  gekauft,   und  so  hat  man  mir  sie   zu- 
gewogen." 

336.  T^-'^*'  Hodscha  hatte  ein  Haus  gemeinsam  mit 
1^  einem  andern,  und  mit  diesem  hatte  er 
immerfort  Streit.  Darum  ging  er  einmal  auf  den 
Markt  und  wollte  seine  Hälfte  verkaufen.  Man 
fragte  ihn  um  den  Grund  und  er  antwortete,  daß 
er  mit  seinem  Hausgesellschafter  zu  viel  Streit 
habe,  und  daß  er  mit  dem  Gelde,  das  er  für  seine 
Hälfte  bekommen  werde,  die  andere  dazukaufen 
wolle. 

337.  "Kß^  An  fragte  einmal  den  Hodscha,  wer  älter  sei, 
l'l.  er  oder  sein  Bruder.  Der  Hodscha  ant- 
wortete, daß  zwar  er  um  ein  Jahr  älter  sei,  daß 
aber  im  nächsten  Jahre  sein  Bruder  das  Jahr  ab- 
gelebt haben  werde  und  daß  sie  dann  gleich  alt 
sein  würden. 

338.  "TX  Er  Hodscha  kam  einmal  zu  Timur.  Der  Khan, 
J_^  der  ihn  sehr  gern  hatte,  fragte  ihn,  wie  groß 
seine  Familie  sei.  Der  Hodscha  antwortete: 
„Zehn  Köpfe."  Timur  befahl,  ihm  für  jeden  ein- 
zelnen hundert  Akscha  auszuzahlen.  Der  Hod- 
scha nahm  die  tausend  Akscha  in  Empfang,  ging 
zu  Timur  zurück  und  sagte  ihm,  daß  er  einen 
zu  wenig  angesagt  habe.  Timur  fragte  um  den 
Namen  des  Ausgelassenen. 

Der  Hodscha  antwortete:  „Nasreddin-Ef feudi." 


196 


Anmerkungen 

literatur-  und  stoffgeschichtlichen  Inhalts 


Verzeichnis    der    im    folgenden    häufiger 

zitierten  Bücher,  Aufsätze  und 

Zeitschriften 

Anthropophyteia  =  Idy&Qwnogivrtia ,  Jahrbücher 
für  Folkloristische  Erhebungen  und  Forschungen 
zur  Entwicklungsgeschichte  der  geschlechtlichen 
Moral,  herausgegeben  von  Dr,  Friedrich  S,  Krauss. 
I— VII.   Leipzig,  1904  ff, 

Archivio  =  Archivio  per  lo  studio  delle  tradizioni  po- 
polari,  ed,  Pitre,  Palermo,  1882  ff. 

Barker  =  A  Reading  Book  of  Turkish  Language,  by 
William  Burckhardt  Barker,  London,  1854  (enthält 
von  S.  27  bis  106  der  türkischen  Paginierung  Plea- 
sing  Tales  of  Khoja  Nasr-il-Deen  Effendi  in  tür- 
kischer Sprache  mit  englischer  Übersetzung). 

B  a  s  s  e  t  RTP  =  die  von  Basset  in  der  Revue  des  tradi- 
tions  populaires,  XVI  ff,,  aus  dem  Nawadir  (s.  d.) 
übersetzten  Stücke. 

B  o  n  e  1 1  i  =  Luigi  Bonelli,  Saggi  del  Folklore  dell'isola 
•  di  Malta,  V:  Voci  infantili,  Facezie  di  Gahan  im 
Archivio,  XIV,  S.  457  ff. 

B  u  a  d  e  m  ==  Buadem,  Hundertunddreißig  Anekdoten 
aus  seinem  Leben  von  Mehemed  Tewfik  in  Nr.  2735 
der  Reclamschen  Universal-Bibliothek,  S.  39 — 93. 
Die  Kenntnis  der  Nr.  131 — 226  der  Buadem- 
schwänke  Tewfiks,  die  bisher  noch  in  keiner  euro- 
päischen Sprache  erschienen  sind,  verdanke  ich  der 
Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Dr.  Theodor  Menzel, 
der  mir  das  Manuskript  seiner  deutschen  Über- 
tragung zur  Durchsicht  überlassen  hat. 

Cantimir  =  Cantimir,  Histoire  de  l'empire  othoman, 
traduit  par  De  Joncquieres,  Paris,   1743  ff. 

Clouston,  Flowers  =  Flowers  from  a  Persian  Gar- 
den, and  other  Papers  by  W.  A,  Clouston,  London, 
1890, 

Clouston,  Noodles  =  The  Book  of  Noodles  by 
W.  A,  Clouston,  London,  1888. 

C  r  a  n  e  =  Italian  Populär  Tales  by  Thomas  Frederick 
Crane,  London,  1885. 

19^ 


De  la  Croix  ^=  De  la  Croix,  Geschichte  des  osma- 
nischen  Reiches,  deutsch  von  Schulz,  Frankfurt, 
1769  ff. 

D  o  r  a  n  =  The  History  of  Court  Pools  by  Dr.  Doran, 
London,  1858. 

E  t  h  e  :=  Essays  und  Studien  von  Dr.  Hermann  Ethe, 
Berlin,  1872;  darin  S.  233—254:  Ein  türkischer 
Eulenspiegel, 

F  I  ö  g  e  1  =  Geschichte  der  Hofnarren  von  Karl  Friedrich 
Flögel,  Liegnitz  und  Leipzig,  1789, 

Fourberies  =  Les  Fourberies  de  Si  Djeh'a,  contes 
kabyles,  recueillis  et  traduits  par  Auguste  Mou- 
lieras,  Traduction  fran^aise  et  notes  avec  une 
etude  sur  Si  Djeh'a  et  les  anecdotes  qui  lui  sont 
attribuees,  par  M.  Rene  Basset,  Paris,   1892, 

Galland  ==  Les  paroles  remarquables,  les  bons  mots, 
et  les  maximes  des  Orientaux  (par  Ant.  Calland), 
A  la  Haye,  1694. 

G  a  z  e  a  u  =  Les  Bouffons  par  M.  A.  Gazeau,  Paris,  1882. 

Gonzenbach  =  Sicilianische  Märchen.  Aus  dem 
Volksmunde  gesammelt  von  Laura  Gonzenbach. 
Mit  Anmerkungen  Reinhold  Köhler's  und  einer  Ein- 
leitung herausgegeben  von  Otto  Hartwig.  Leipzig, 
1870.     2  Bände. 

Griechisch  =  '0  NäaQ-edätv-Xöt^as  xai  la  daitZa  uvexSoia 
aviov.    'Ey  'A&tjyai^,  BtßXioTt(aXtTov  Mi^atjX  SaXißtQov. 

Hammer  =  Hammer,  Geschichte  des  osmanischen 
Reiches,  Pest,   1827  ff. 

Hartmann  =  M.  Hartmann,  Schwanke  und  Schnurren 
im  islamischen  Orient  in  der  Zeitschrift  des  Ver- 
eins für  Volkskunde,  V,  S.  40  ff. 

1 1  g  =  Maltesische  Märchen  und  Schwanke.  Aus  dem 
Volksmunde  gesammelt  von  B.  Ilg.  Leipzig,  1906. 
2  Bände. 

X  ö  h  1  e  r  =  Kleinere  Schriften  von  Reinhold  Köhler, 
herausgegeben  von  Johannes  Bolte,  Weimar  (Ber- 
lin), 1898  ff.  3  Bände;  darin  I,  S.  481—509:  Nasr- 
eddins   Schwanke. 

Kroatisch  =  Posurice  i  sale  Nasredina.  Drugo 
izdanjf.     Zagreb,  L.  Hartman. 

K  u  k  a  =  The  Wit  and  Humour  of  the  Persians  by 
Meherjibhai   Nosherwanji   Kuka,    Bombay,    1894. 

200 


Mango  =  F,  Mango,  La  leggenda  dello  sciocco  nelle 
novelline  calabre  im  Archivio  X,  S.  45  ff. 

Mardrus  =  Le  livre  des  Mille  nuits  et  une  nuit,  tra- 
duction  litterale  et  complete  du  texte  arabe  par  le 
Dr.  J.  C.  Mardrus,  Tome  XV,  Paris,  1904;  darin 
S.  93 — 118:  Quelques  sottises  et  theories  du  maitre 
des  devises  et  des  ris. 

Monnier  ==  Les  contes  populaires  en  Italie  par  Marc 
Monnier,   Paris,    1880. 

Murad  =  Nassreddin  Chodja.  Ein  osmanischer  Eulen- 
spiegel von  Murad  Efendi  (d.  i.  Fr.  v.  Werner), 
Vierte  Auflage,  Oldenburg  (Die  erste  Ausgabe  ist 
1878   erscfiienen). 

Natu  ad  ir  =  Nawadir  el  chodscha  nasr  ed-din  effendi 
dschoha,  Kairo,  o.  J. 

N  i  c  k  =r  Fr,  Nick,  Die  Hof-  und  Volks-Narren,  Stuttgart, 
1861.     2  Bände. 

N  o  u  r  i  ==  Nasreddin  Khodjas  Schwanke  und  Streiche, 
Türkische  Geschichten  aus  Timurlenks  Tagen  er- 
zählt von  Ali  Nouri,  Breslau,  1904. 

P  a  n  n  =  Anton  Pann,  Opere  complete.  Editia  Il-a, 
Vol.  I,  Bucuresti,  1909;  darin  S.  327—356:  Nazdra- 
vaniile  lui  Nastratin  Hogea  (ist  zuerst  1853  er- 
scfiienen). 

Pharaon  =  Spahis,  Turcos  et  Goumiers  par  Florian 
Pharaon,  Paris,  1864;  das  9.  Kapitel,  Les  reunions 
de  Turcos,  entfiält  eine  Anzahl  Dscfiefiagescfiicfiten. 

P  i  t  r  e  =  Fiabe,  novelle  e  racconti  popolari  siciliani, 
raccolti  ed  illustrati  da  Giuseppe  Pitre,  Palermo, 
1875.    4  Bände;  darin  III,  S.  353—379:  Giufä. 

Roda  Roda  =  Roda  Roda,  Der  Pascha  lacht.  Morgen- 
ländische Schwanke,  Berlin  und  Leipzig,  1909; 
darin  S.  121 — 125:  Von  Nassr'eddin. 

RTF  =  Revue  des  traditions  populaires,  Paris,  1885  ff, 

S  er  b  i  s  c  h  =  Nasradin-hodza,  njegove  sale,  dosetke  i 
lakrdje  u  pripodjetkama  od  Mehemeda  Tevfika, 
Prevod  s  nemackog,     U  Nuvom  Sadu,  1903, 

Sottisier^  =  Sottisier  de  Nasr-Eddin-Hodja,  Bouffon 
de   Tamerlan,   suivi   d'autres   faceties   turques,    tra- 

'  über  die  Quellen,  die  Decourdemanche  für  die  einzelnen  Stücke  benutzt 
hat,  sei  nach  seinen  Angaben  folgendes  mitgeteilt:  Die  Nummern  1 — 179  be- 
ruhen auf  einem  Manuskripte  ägyptischer  Herkunft,  von  dem  er  meint,  daß 

201 


duits  sur  des  manuscrits  inedits  par  J.  A,  Decourde- 
manche,  Bruxelles,  1878, 

Stumme,  Malta  =  Stumme,  Maltesische  Märchen, 
Gedichte  und  Rätsel,  Leipzig,   1904, 

Stumme,  Studien  =  Stumme,  Maltesische  Studien, 
Leipzig,  1904, 

Stumme,  T amazratt  =  Stumme,  Märchen  der  Ber- 
bern von  Tamazratt  in  Südtunisien,  Leipzig,  1900. 

Stumme,  Tripolis  =  Stumme,  Märchen  und  Gedichte 
aus  der  Stadt  Tripolis  in  Nordafrika,  Leipzig,  1898. 

Stumme,  Tunis  =  Stumme,  Tunisische  Märchen  und 
Gedichte,  Leipzig,  1893. 

T  e  w  f  i  k  =  Die  Schwanke  des  Naßr-ed-din,  Aus- 
gewählt und  ergänzt  von  Mehemed  Tewfik  in 
Nr.  2735  der  Reclamschen  Universal  -  Bibliothek, 
S.  5—38. 

Trefdi  =  Naszreddin  hodsa  trefäi,  Török  (kisäsziai) 
szöveget  gyüjtötte,  forditässal  es  jegyzetekkel 
ellätta  Dr,  Künos  Ignäcz,  Budapest,  1899  (Die 
Schwanke  1 — 136  auch  bei  Radioff,  Die  Sprachen 
der  türkischen  Stämme,  Petersburg  1866  ff.,  I.  Ab- 
teilung, VIII,  S.  408—436). 

Volksbuch  =  1.  Les  Plaisanteries  de  Nasr-Eddin 
Hodja,  traduites  du  Türe  par  J.-A.  Decourde- 
manche.  Seconde  edition,  augmentee  de  Naivetes 
de  Karacouch,  Paris,  1908  (Die  erste  Ausgabe 
ohne  die  Karakuschanekdoten  ist  1876  erschienen). 
2,  Meister  Nasr-eddin's  Schwanke  und  Räuber  und 
Richter.  Aus  dem  türkischen  Urtext  wortgetreu 
übersetzt  von  Wilh,  von  Camerloher,  und  resp.  Dr. 
W.  Prelog  in  Konstantinopel,  Triest,  1857  (Das  Vor- 
wort Camerlohers  ist  von  1855  datiert). 


es  Cardonne  gehört  habe,  und  dessen  Papier,  ein  französisches  Fabrikat, 
die  Jahreszahl  1757  aufweist,  die  Nummern  180 — 210  auf  einem  zu  Ende  des 
16.  oder  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  niedergeschriebenen  Manuskripte, 
die  Nummern  211 — 214  auf  einem  Manuskripte  des  19.  Jahrhunderts,  die 
Nummern  215 — 224  auf  einem  Manuskripte  mit  alter  arabischer  Schrift,  die 
Nummern  225 — 238  auf  einem  Manuskripte  in  ägyptischem  Arabisch,  die 
Nummern  239 — 268  auf  einem  Manuskripte  vom  Jahre  1089  der  Hidschra 
(=  1678  u.  Z,),  die  Nummern  269—279  auf  einem  Manuskripte  des  19.  Jahr- 
hunderts, die  Nummern  280 — 292  auf  einem  Manuskripte,  das  das  Ankaufs- 
datum von  1614  trägt,  die  Nummern  293 — 295  auf  Dietericis  Chrestomathie 
Ottomane  und  die  Nummern  296—321  auf  dem  Volksbuche. 

202 


Walawani=  'lojaxel/j,  Balaßävr],  MtXQaacazixd,  HO^rjvrjai^ 
1891 ;  darin  S.  140 — 159:  'O  Nua^sööly  Xw'rfaf  (dieser 
Aufsatz  ist  schon  1888  im  BvCkvtivov  'Hixiqo'Aoyiov, 
S.  297—310  erschienen). 

ZW  =  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde,  Berlin, 
1890  ff. 


203 


L  Türkische  Überlieferungen 

1,  Die  hundertfünfundzwanzig  Schwanke 
des  Volksbuchs 

1.  Volksbuch,  Nr,  1 1|  Barker,  S.  27  ff,;  Sottisier,  Nr,  1 
(erster  Teil);  Tewfik,  Nr,  30;  Nouri,  S,  19ff,;  Trefdi,  Nr.  1; 
Nawadir,  S,  2  (Basset  RTP,  XVII,  S,  93);  Meißner,  Neu- 
arabische Geschichten  aus  dem  Iraq,  Leipzig  1903,  S.  56 
und  57,  Nr,  3:  Eine  Schnurre  vom  Chawadja  Nasr eddin; 
Kuka,  S,  222;  Griechisch,  Nr,  11;  Serbisch,  S.  11  ff,;  Kroa- 
tisch, S,  10  ff,;  Murad,  Nr,  3, 

Nick,  I,  S,  151;  Köhler,  I,  S,  484  2;  Clouston,  Flowers. 
S,  66;  Gazeau,  S,  193;  Fourberies,  S,  19;  Hartmann,  S,  65ff. 

In  der  RTP,  XVII,  S.  94  zitiert  Basset  eine  ukrai- 
nische Version  aus  der  Kryptadia,  VIII,  Paris,  1902, 
S.  391:  Pourquoi  les  raskolniks  ont  la  tonsure;  eine  rumä- 
nische steht  bei  Ispirescu,  Snöve  sau  Povesti  Populäre, 
ed,  2-a,  Bukarest,  1875  (M,  Gaster  im  Magazin  für  die 
Literatur  des  Auslandes,  XCVI,  S,  564),  Vgl,  auch  eine 
Schnurre  in  dem  aus  dem  16,  Jahrhunderte  stammenden 
Liber  facetiarum  oder  Libro  de  chistes  von  Luis  de  Pinedo 
(A,  Paz  y  Melia,  Sales  espafiolas,  I,  Madrid,  1890, 
S,  266  ff,),  die  nur  eine  Parallele  zu  Nasreddins  dritter 
Predigt  bietet,  und  den  Schluß  der  8,  Facetie  Arlottos  in 
meiner  Ausgabe  (=  Bd,  I  und  II  der  Narren,  Gaukler  und 
Volkslieblinge),  I,  S,  28  und  188. 


2.  Volksbuch,  Nr,  2;  Barker,  S,  30;  Sottisier,  Nr,  1 
(zweiter  Teil);  Tewfik,  Nr,  66;  Nouri,  S,  21;  Trefdi,  Nr,  3; 
Mardrus,  S,  94;  Nawadir,  S.  2  (Basset  RTP,  XVI,  S.  463); 
Griechisch,  Nr,  12;  Serbisch,  S,  33;  Kroatisch,  S,  27. 

Fourberies,  S.  17;  Trefäi,  S,  21. 

Vgl,  auch  unten  die  Nrn,  243  und  244, 


1  Der  zuerst  genannte  Titel  ist  der  der  benutzten  Fassung.  Der  erste  Ab- 
satz der  Noten  gibt  die  Textstellen,  der  zweite  und  dritte  geben  Verweise 
und  Literaturnachweise. 

2  Die  an  dieser  Stelle  gebrachten  Nachweise  gehören  fast  sämtlich 
zu  der  3.  Facetie  Arlottos  (I,  S.  7  ff.  und  174  ff.). 

205 


3,  Volksbuch,  Nr.  3;  Barker,  S.  30  ff,;  Tewfik,  Nr,  67; 
Trefäi.  Nr,  2;  Nawadir,  S,  2  (Basset  RTF,  XVI,  S,  464); 
Griechisch,  Nr,  13;  Kroatisch,  S,  27, 

Gazeau,  S,  193;  Trefdi,  S.  21, 
Vgl,  auch  unten  Nr.  242. 

4,  Sottisier,  Nr,  81;  Volksbuch,  Nr,  4;  Barker,  S,31ff,; 
Tewfik,  Nr,  53;  Trefdi,  Nr,  4;  Nawadir,  S.  3  (Basset  AT"?, 
XVII,  S,  34);  Griechisch,  Nr.  14;  Serbisch,  S,  27;  Kroatisch, 
S.  23, 

Fourberies,  S.  41. 

5.  Sottisier,  Nr.  10;  Volksbuch,  Nr.  5;  Barker,  S.  32  ff.; 
Nouri,  S.  216  ff.;  Trefdi,  Nr,  5;  Nawadir.  S.  4;  Kuka, 
S.  214;  Griechisch,  Nr.  6;  Serbisch,  S.  108;  Kroatisch,  S.  85. 

Fourberies,  S.  30, 

Der  Schwank  findet  sich  mutatis  mutandis  in  der 
Disciplina  clericalis  von  Petrus  Alphonsi  (hg,  v.  Fr.  W.  V. 
Schmidt,  Berlin,  1827,  S.  82) ;  der  Verfasser  scheint  aus 
dem  Kitab  al  ikd  al  farid  von  Achmed  ihn  Abdirabbihi 
(t  940)  1  oder  aus  dessen  Quellen  geschöpft  zu  haben. 
Die  Erzählung  Abdirabbihis  hat  Basset  in  der  RTF,  XVII, 
S.  95  übersetzt.  Näher  den  obigen  Versionen  steht  aber 
der  folgende,  wahrscheinlich  noch  um  500  Jahre  ältere 
Abderitenschwank  (Fhilogelos.  Hieroclis  et  Fhilagrii 
Facetiae,  ed.  Eberhard,  Berlin,  1869,  S,  30,  Nr.  124): 

ixaioy.  ßtSövzo;  de  rivos  nfvTijxoyra,  /utj  ßovXöfxtvos  kaßsiy, 
divnviaE.  xujUfxvaas  ovv  xal  xijv  /«pa  nqoztivas ,  slriE'  66s 
xay  za  mvzrixovza. 

Vgl.  auch  die  von  St.  Julien  im  Journal  asiatique,  IV, 
1824,  S,  100  aus  dem  chinesischen  Buche  Siao  li  Siao 
übersetzte  Erzählung, 

6.  Volksbuch,  Nr.  6;  Barker,  S.  33  ff,;  Trefdi,  Nr,  6; 
Nawadir,  S.  5  (Basset  RTF,  XVII,  S.  94);  Basset,  Etüde 
sur  la  Zenatia  du  Mzab  de  Ouargla  et  de  l'Oued-Rir, 
Paris,  1893,  S.  102  ff.,  Nr.  2:  Les  excuses  de  Djoh'a;  Grie- 
chisch, Nr,  15. 

Gazeau,  S.  194. 

1  Vgl.  Brockelmann ,  Geschichte  der  arabischen  Litteratur ,  I,  Weimar, 
1898,  S.  154  ff. 

206 


7.  Volksbuch,  Nr.  7;  Barker,  S.34ff.;  Sottisier,  Nr.  38; 
Tewfik,  Nr,  21;  Nouri,  S.  193  ff.;  Trefdi,  Nr.  8;  Nawadir, 
S.  5  (Basset  RTP,  XVII,  S,  35);  Basset,  Zenatia,  S,  109, 
Nr.  7;  Djoh'a  et  le  maitre  d'un  jardin;  Griechisch,  Nr,  103; 
Serbisch,  S,  24  ff.;  Kroatisch,  S.  80  f f .  und  9. 

Clouston,  Noodles,  S.  11  ff.;  Gazeau,  S,  194;  Fourbe- 
ries,  S,  35;  Hartmann,  S.  63;  Trefäi,  S.  19. 

Hörn  bringt  (S.  69)  eine  jedenfalls  ältere  Version  aus 
der  Herzerfreuenden  Schrift  des  Persers  Ubeid  Zakani 
(t  1370/71)  bei,  die  wohl  identisch  ist  mit  Kuka,  S.  189, 
Nr.  202;  als  Parallele  sei  noch  Krauss,  Zigeuner humor, 
Leipzig,  1907,  S.  87  ff.:  Der  Knoblauch  genannt.  Vgl,  auch 
die  unten  (II,  S.  125  ff.)  als  Nr.  441  mitgeteilte  Juvadi- 
geschichte. 

8.  Barker,  S.  35  ff.;  Volksbuch,  Nr.  8;  Sottisier,  Nr.  6; 
Tewfik,  Nr.  22;  Nouri,  S.  140  ff.;  Trefdi,  Nr.  9;  Nawadir, 
S.  5  (Basset  RTP,  XVII,  S.  96  ff.  und  XIX,  S.  20) ;  Griechisch, 
Nr.  82;  Serbisch,  S.  29;  Kroatisch,  S.  82  ff .  und  9. 

Fourberies,  S.  29, 

9.  Volksbuch,  Nr.  9;  Barker,  S.  36  ff.;  Sottisier,  Nr.  41; 
Tewfik,  Nr.  68;  Trefäi,  Nr.  10;  Nawadir,  S.  5  (Basset  RTP, 
XVII,  S.  97);  Griechisch,  Nr,  38;  Kroatisch,  S,  26  ff,;  Mu- 
rad,  Nr.  16. 

Köhler,  I,  S.  484;  Gazeau,  S.  195;  Fourberies,  S.  35. 

Etwas  ähnliches  erzählen  G.  Finamore  im  Archivio, 
IX,  S.  157  ff.  von  dem  Pfarrer  Zi'Tanghe  in  Gamberale 
(um  1700)  und  Ispirescu,  S.  86  [Magazin,  XCVI,  S.  595); 
derlei  sonderbare  Zeitrechnungen  kehren  auch 
wieder  in  Wickrams  Rollwagenbüchlein,  Nr.  47  (Boltes 
Nachweise  S.  375),  im  Sackful  of  News  (Hazlitt,  Shakes- 
peare Jest-Books,  II,  London,  1864,  S.  186),  bei  Monnier, 
S.  216  ff.  und  in  der  Anthropophyteia,  I,  S.  81  ff.  Bei 
Galland,  S.  54  zählt  ein  Schneider  in  Samarkand  die 
Toten,  die  auf  den  Friedhof  geschafft  werden,  indem  er 
bei  Jedem  ein  Steinchen  in  einen  Topf  wirft;  als  er  dann 
selber  stirbt,  sagt  ein  Nachbar:  „Nun  ist  auch  er  in  den 
Topf  gefallen  wie  die  andern."  Vgl.  auch  die  117.  Facetie 
Arlottos,  II,  S.  98  und  E.  J,  Bronner,  Bayerisches  Schel- 
men-Büchlein,  Diessen,  1911,  S.  61  ff, 

207 


t\ 


Dem  Schlüsse  der  Facetie  Nasreddins  steht  sehr  nahe 
die  folgende  Schnurre  aus  Campbell,  Populär  Tales  of  the 
West-Highlands,  New  Ed.,  London,   1890,  II,  S.  399, 

The  Assynt  man  once  went  to  Tain  to  buy  meal,  Out- 
side  the  town,  a  man  asked  him  if  he  knew  what  o'clock  it 
was,  ,,Last  time  it  was  12,  If  it  is  striking  still,  it  must  be 
at  50," 

10,  Volksbuch,  Nr.  10;  Barker,  S.  38;  Sottisier,  Nr.  20; 
Tewfik,  Nr,  59;  Trefdi,  Nr,  11;  Mardrus,  S.  98;  Nawadir. 
S,  9  (Basset  RTF.  XVII,  S,  481);  Griechisch,  Nr,  39;  Wala- 
wani,  S,  67  und  155;  Serbisch,  S.  32;  Kroatisch,  S.  36; 
Murad,  Nr,  4,   Vgl.  auch  Nr.  109. 

Ethe,  S,  239;  Köhler,  I,  S.  484  ff .  und  505;  Gazeau, 
S.  194;  Fourberies,  S.  31, 

Zu  der  von  Köhler  angezogenen  Stelle  aus  Heines 
Reisebildern  (Die  Bäder  von  Lucca,  Kap,  13)  vgl,  die  Ver- 
wendung, die  sie  im  Gendre  de  M.  Foirier  von  E,  Augier 
und  J.  Sandeau,  2,  Akt,  1.  Szene,  gefunden  hat.  Mit  der 
Nasreddinschen  Version  stimmt  vollständig  eine  von 
Strafforello  in  der  Sapienza  del  mondo,  Torino,  1878  ff,, 
II,  S,  462  mitgeteilte, 

11,  Sottisier,  Nr,  240;  Volksbuch,  Nr,  11;  Barker, 
S.  38  ff.;  Trefdi,  Nr.  12;  Griechisch,  Nr,  83;  Serbisch, 
S.  161. 

Gazeau,  S,  195. 

Wie  sich  hier  Nasreddin  an  dem  Kamel  rächen  will, 
so  strafen  im  Fhilogelos,  Nr.  111  die  Abderiten  einen  Esel, 
lassen  aber  bei  der  Exekution  alle  Esel  der  Stadt  an- 
wesend sein,  damit  sie  sich  ein  Beispiel  nähmen;  ähnlich 
machen  es  bei  Zincgref-Weidner,  Teutsche  Apophtegmata, 
Amsterdam,  1653  ff.,  IV,  S,  280  deutsche  Städter  und  bei 
Blade,  Contes  populaires  de  la  Gascogne,  Paris,  1886,  III, 
S.  359  ff,:  La  truie  pendue  die  Einwohner  von  Marsolan 
mit  einem  bösen  Schweine  und  der  Sieur  Gaulard  in  Ta- 
bourots  Contes  facecieux  du  Sieur  Gaulard  (Ausgabe  Paris, 
1662,  S.  191)  mit  einem  schlimmen  Pferde,  Wohl  nach 
Tabourot  erzählen  Zincgref-Weidner,  V,  S,  114  ff,  und  Chr, 
Lehmann,  Florilegium  politicum,  1630,  S,  731  ff.;  s.  auch 
Albrecht  Keller,  Die  Schwaben  in  der  Geschichte  des 
Volkshumors,  Freiburg,  1907,  S,  267  ff,,  wo  allerdings  die 

208 


Hinrichtung  des  Farren  aus  einem  andern  Grunde  erfolgt, 
wo  aber  auch  alle  Rinder  Exekutionszeugen  sein  müssen. 
Wir  werden  dem  Motive  der  Strafe  von  Tieren, 
das  sich  auch  in  der  Rechtsgeschichte  verfolgen  läßt,  noch 
öfter  begegnen;  vgl,  besonders  Nr.  356. 

12.  Volksbuch.  Nr.  12;  Barker,  S.  39;  Sottisier,  Nr.  13; 
Tewfik,  Nr,  17;  Nouri,  S,  221;  Trefäi.  Nr.  13;  Nawadir, 
S.  9;  Griechisch,  Nr.  84;  Serbisch,  S,  28;  Kroatisch,  S,  8. 

Gazeau,  S.  195  ff. 

13.  Sottisier,  Nr,  241;  Volksbuch,  Nr.  13;  Trefäi.  Nr.  14; 
Nawadir,  S.  9;  Serbisch,  S.  165  ff.  (nicht  obszön). 

Gazeau,  S.  196;  Fourberies,  S.  60. 

14.  Volksbuch.  Nr.  14;  Barker,  S.  39  ff.;  Sottisier, 
Nr.  54;  Tewfik,  Nr,  54;  Nouri,  S,  186  ff,;  Trefdi,  Nr,  15; 
Nawadir.  S,  10  (Basset  RTF,  XVII,  S,  482);  Fourberies, 
Nr,  11;  Griechisch,  Nr.  28;  Serbisch,  S.  22;  Kroatisch,  S.  23. 

Gazeau,  S.  196. 

15.  Volksbuch,  Nr.  15;  Sottisier,  Nr.  27;  Tewfik,  Nr.  48; 
Trefdi  Nr.  17;  Nawadir,  S.  10  (Basset  RTF,  XVII,  S,  483); 
Griechisch,  Nr.  29;  Serbisch,  S.  44  (anders  S.  109);  Kroa- 
tisch, S,  17. 

Gazeau,  S.  196, 

Eine  hübsche  persische  Variante  steht  bei  Kuka,  S,  186, 
Nr.  96. 

16.  Sottisier,  Nr.  247;  Volksbuch.  Nr,  16;  Barker, 
S,  40 ff,;  Nouri,  S,  190;  Trefdi,  Nr.  16;  Griechisch,  Nr.  25; 
Serbisch,  S.  39  und  168. 

Von  diesem  Schwanke  bringt  beinahe  jeder  Heraus- 
geber einen  andern  Text  und  der  des  serbischen  Volks- 
buchs zweie;  der  hier  mitgeteilte  ist  wohl  die  beste 
Fassung,    Vgl,  auch  Nr.  177. 

17.  Volksbuch,  Nr.  17;  Barker,  S,  41;  Sottisier,  Nr,  39; 
Tewfik,  Nr,  46;  Trefdi,  Nr,  18;  Nawadir,  S.  10  [Basset  RTF, 
XVII,  S,  484);  Griechisch,  Nr.  26;  Serbisch,  S.  129  und  42; 
Kroatisch,  S.  17. 

Nasreddin,  I.  14  209 


18.  Volksbuch.  Nr.  18;  Barker,  S.  41  ff,;  Sottisier, 
Nr.  40;  Tewfik,  Nr,  47;  Nouri,  S,  206;  Trefdi,  Nr,  19;  Na- 
wadir,  S,  14;  Griechisch,  Nr,  27;  Serbisch,  S.  166  ff.  und  27; 
Kroatisch,  S.  17. 

Gazeau,  S.  196  ff,;  Hartmann,  S.  163;  Basset  in  der 
RTF,  XI,  S,  496  ff,;  Hörn,  S,  69  (eine  ältere  Version  steht 
bei  Zakani), 

19.  Volksbuch.  Nr.  19;  Barker,  S,  42;  Sottisier.  Nr,  35; 
Tewfik,  Nr,  23;  Trefdi,  Nr,  20;  Nawadir.  S,  14;  Griechisch 
Nr.  153;  Serbisch,  S,  35;  Kroatisch  S.  9, 

Vgl,  dazu  die  39,  Facetie  im  Philogelos,  besonders  mit 
der  dort,  S,  14,  unter  dem  Striche  gegebenen  Lesart:  ^ 

S^oXaatixol  dvo  o/uov  eßädi^ov.  I6ü)v  de  avitüy  6  ii; 
fzeXatfa  oqviv,  tlntv  ■  aätXfpi,  law:  laviiis  6  aXexiwq  ant&aye  • 
xai  (fta  lovio  ftiXaiva  iytdvoaio. 

20.  Volksbuch,  Nr.  20;  Barker,  S,  42  ff.;  Sottisier, 
Nr,  55;  Tewfik,  Nr.  33;  Trefdi,  Nr,  21;  Nawadir.  S.  14;  Grie- 
chisch, Nr.  137;  Serbisch,  S.  14;  Kroatisch  S.  13.  S.  oben 
Nr.  11. 

21.  Volksbuch,  Nr,  21;  Sottisier,  Nr,  29;  Tewfik,  Nr,  49; 
Trefdi,  Nr,  22;  Griechisch,  Nr,  141;  Serbisch,  S,  27;  Kroa- 
tisch, S.  17. 

22.  Volksbuch,  Nr,  22;  Barker,  S,  43  ff,;  Sottisier, 
Nr,  227;  Ethe,  S,  241;  Trefdi,  Nr,  23;  Nawadir,  S.  14;  Grie- 
chisch, Nr.  136;  Serbisch,  S.  168  ff. 

Gazeau,  S.  197;  Fourberies,  S,  59;  Hörn,  S,  70  (Zakani). 
Krauss ,  Zigeunerhumor,   S.  7:    Wie   ein  Zigeuner  die 
„Teufel"  um  seine  Seele  geprellt. 

23.  Volksbuch.  Nr.  23;  Sottisier.  Nr.  57;  Trefdi.  Nr,  24; 
Nawadir.  S.  14;  Griechisch,  Nr.  138;  Serbisch,  S.  162. 

Köhler,  I.  S.  485;  Fourberies,  S,  37;  Trefdi,  S.  12. 

Vgl.  weiter  meine  Ausgabe  von  Heinrich  Bebeis 
Schwänken,  München,  1907,  II,  S,  150  ff,;  zu  den  dortigen 
Nachweisen  kommen  noch  Merkens,  Was  sich  das  Volk 
erzählt,  Jena,  1892,  S,  162,  Nr,  193  g  und  J,  Fleury,  Litte- 
rature  orale  de  la  Basse-N ormandie,  Paris,  1883,  S.  204. 

24.  Volksbuch,  Nr.  24;  Sottisier,  Nr.  251;  Trefdi,  Nr.  25. 

210 


25,  Volksbuch,  Nr.  25;  Sottisier,  Nr,  252;  Trefäi,  Nr.  26; 
Nawadir,  S.  14;  Griechisch,  Nr.  139. 

Prym  und  Socin,  Der  neu-aramaeische  Dialekt  von 
Tür  'Abdin,  Göttingen,  1881,  II,  S.  288. 

26,  Volksbuch,  Nr.  26;  Sottisier,  Nr.  171  (hier  wird  der 
Schwank  von  Timur  angestiftet) ;  Tewfik,  Nr.  50;  Nouri, 
S.  24  ff.;  Trefäi,  Nr,  27;  Mardrus,  S.  101;  Nawadir,  S.  14; 
Fourberies,  Nr,  13;  Griechisch,  Nr,  17;  Serbisch,  S,  22  ff,; 
Kroatisch,  S,  103  und  18, 

Fourberies,  S.  52;  Hartmann,  S.  64. 

Von  Harun  al  Raschid  und  dem  bekannten  Schalke 
Abu  Nuwas  erzählen  die  Geschichten  asch  Schirwani  im 
Nafhat  al  jaman  i  (Basset  in  der  RTF,  XIV,  S,  441  ff.  und 
den  Fourberies,  S.  186),  Veiten,  Märchen  und  Erzählungen 
der  Suaheli,  Stuttgart,  1898,  S.  17  ff.  und  Rückert,  Erbau- 
liches und  Beschauliches  aus  dem  Morgenland  [Werke, 
Hesse,  IV,  S,  340  ff.) :  Der  Hofpoet;  von  Kaiser  Akbar  dem 
Großen  von  Hindustan  (1542 — 1605)  und  seinen  beiden 
Günstlingen  berichtet  sie  Kuka,  S.  254  ff. 

Eine  merkwürdige  Parallele  steht  in  Aurbachers 
Volksbüchlein  (II,  S.  138  ff.  der  Reclamschen  Ausgabe) : 
Der  Hahn  im  Korb. 

27.  Volksbuch,  Nr.  27;  Barker,  S.  44;  Sottisier,  Nr.  255; 
Tewfik,  Nr.  24;  Trefäi,  Nr.  28;  Nawadir,  S.  14;  Griechisch, 
Nr.  81;  Serbisch,  S.  36;  Kroatisch,  S.  9. 

28.  Volksbuch.  Nr.  28;  Barker,  S,  44  ff.;  Sottisier. 
Nr.  106;  Tewfik,  Nr.  71;  Trefäi,  Nr,  29;  Nawadir,  S.  14; 
Griechisch,  Nr.  158;  Serbisch,  S.20;  Kroatisch,  S.  29. 

Die  Strafe,  die  hier  als  an  der  Quelle  vollzogen  ge- 
dacht wird  (vgl.  auch  Nr,  296),  entspricht  dem  griechischen 
Rhaphanizein,  wozu  man  außer  Juvenals  10.  Satire, 
V.  317  ff.  noch  die  folgenden  Verse  in  Catulls  15.  Epi- 
gramm vergleiche: 

Ah  tum  te  miserum,  malique  fati, 
Quem,  attractis  pedibus,  patente  porta, 
Percurrent  raphanique  mugilesque. 
S.  auch  die  zu  Nr.  71  angezogene  serbische  Erzählung. 

1  Vgl  Brockelmann,  II,  S.  502. 

14*  211 


29.  Volksbuch,  Nr.  29;  Sottisier,  Nr.  296;  Trefdi,  Nr.  30; 
Nawadir,  S.  15;  Griechisch,  Nr.  36. 

30,  Volksbuch,  Nr.  30;  Sottisier,  Nr,  297;  Trc/di,  Nr.  31. 

31.  Sottisier,  Nr.  18;  Volksbuch,  Nr.  31;  Barker, 
S,  45  ff,;  Nouri,  S.  101  ff.;  Trefdi,  Nr.  32;  Nawadir,  S.  15; 
Fourberies,  Nr,  32  {hier  verkauft  Dscheha  die  Kleider 
seiner  Freunde);  Griechisch,  Nr,  16;  Serbisch,  S.  133  ff . 
und  170  ff.;  Kroatisch,  S.  83  ff.;  Murad,  Nr,  21. 

Köhler,  I,  S.  485;  Gazeau,  S.  197  ff,;  Clouston,  Populär 
Tales  and  Fictions,  Edinburgh,  1887,  II,  S,  35  ff,;  Fourbe- 
ries, S.  31. 

32,  Volksbuch,  Nr,  32;  Barker,  S,47ff,;  Sottisier,  Nr,  3; 
Ethe,  S,  241  ff,;  Nouri,  S,  202  ff,;  Trefdi,  Nr,  33;  Nawadir. 
S.  18  (Basset  RTF,  XVII,  S.  349);  Fourberies,  Nr.  31; 
Griechisch,  Nr.  165;  Walawani,  S.  157;  Serbisch,  S.  121, 
Kroatisch,  S.  94  ff.;  Murad,  Nr.  14. 

Gazeau,  S,  198;  Fourberies,  S,  29;  Trefdi,  S,  20, 

Eine  sicherlich  ältere  Fassung  dieser  Schnurre  bildet 
die  665,  der  Lustigen  Geschichten  des  syrischen  Mönches 
Bar-Hebraeus  (f  1289) ;  s,  The  Laughable  Stories  collected 
by  Mär  Gregory  John  Bar-Hebraeus,  ed,  by  E,  W,  Budge, 
London,  1897,  S,  167  ff. 

Cristoforo  Zabata ,  Diporto  de'  viandanti  (1.  Ausg. 
1589),  Venetia,  1610,  S.  66: 

Vn  ladro,  rubando  in  Toledo  la  bottega  di  vno  che 
si  chiamaua  Pietro  il  negro,  huomo  piaceuole  e  faceto, 
s'abbatte  incontrarlo,  che  gli  portaua  via  una  caßa  piena 
di  merci,  ilquale  andando  in  compagnia  del  ladro,  fu  dal 
detto  domandato,  perche  gli  andaua  dietro,  alquale  esso 
rispose:  io  vengo  per  vedere,  doue  mi  tramutate. 

Vgl,  auch  Kuka,  S,  185,  Nr,  94  und  Pitre,  Novelle 
popolari  toscane,  Firenze,  1885,  S,  311,  Nr,  74:  //  Fagioli 
e  i  ladri. 

33.  Sottisier,  Nr.  258;  Volksbuch,  Nr.  33;  Trefdi,  Nr.  34; 
Griechisch,  Nr.  164, 

34,  Sottisier,  Nr,  262;  Volksbuch.  Nr.  34;  Trefdi,  Nr.  35; 
Griechisch,  Nr.  155;  Serbisch,  S.  132  ff. 

212 


35.  Volksbuch,  Nr.  35;  Barker,  S.  48  ff.;  Soitisier. 
Nr.  111;  Ethe,  S.  246  ff,;  Nouri,  S.  177  ff.;  Trefäi,  Nr.  36; 
Mardrus,  S,  98  ff.;  Nawadir,  S.  18;  Stumme,  Tunis,  I,  S.  78 
und  II,  S.  130  ff.;  Pharaon,  S.  179  ff.;  Fourberies,  Nr.  16; 
B.  Ilg,  Maltesische  Legenden  und  Schwanke,  Nr.  8:  Dscha- 
han  und  das  Kesselchen  in  der  ZW,  XIX,  S.  312;  Grie- 
chisch, Nr,  156;  Walawani,  S.  155  ff.;  Serbisch,  S.  150  ff.; 
Kroatisch,  S.  73  ff.;  Murad,  Nr,  1, 

Köhler,  I,  S,  485  ff.;  Clouston,  Flowers,  S,  67;  Gazeau, 
S.  198;  Fourberies,  S,  45;  Hartmann,  S,  56;  Trefäi,  S,  16. 

Büttner,  Anthologie  aus  der  Suaheli-Literatur,  Berlin, 
1894,  I,  S,  88  ff,  und  II,  S,  88  ff.;  Roda  Roda,  S.  148  (von 
einem  Zigeuner). 

36.  Volksbuch.  Nr.  36;  Barker,  S,  50  ff,;  Trefäi,  Nr.  37; 
Nawadir,  S.  19;  Fourberies,  Nr.  30;  Griechisch,  Nr.  112; 
Serbisch,  S.  178. 

Vgl.  unten  Nr.  308. 

37.  Volksbuch,  Nr,  37;  Barker,  S,  51;  Sottisier,  Nr,  14; 
Tewfik,  Nr.  60;  Trefäi,  Nr.  38;  Nawadir,  S.  19;  Mardrus, 
S,  93  ff.  (=  unten  Nr,  377);  Griechisch,  Nr.  37;  Serbisch, 
S,  43;  Kroatisch,  S.  25, 

Fourberies,  S.  30  und  79. 

38.  Volksbuch,  Nr,  38;  Sottisier,  Nr,  298;  Tewfik, 
Nr.  58;  Trefäi,  Nr,  39;  Nawadir,  S,  19;  Griechisch,  Nr.  157; 
Serbisch,  S,  42;  Kroatisch,  S.  24. 

Fourberies,  S,  67, 

Ähnlich  ist  folgender  Schwank  bei  (Wolfgang  Bütner) 
Von  Claus  Narren  (1.  Ausg.  1572),  Franckfort,  1602,  S.  7: 

Als  er  (Clauß)  von  einem  sawren  Merrettich  aß,  vnd 
im  starck  in  der  Nase  roch,  schrey  er  abermal:  O  Fewr, 
Fewr  ist  in  meiner  Nasen  auffgangen,  wer  wird  mirs 
dämpffen  vnnd  leschen,  daß  mir  der  Kopff  nicht  ver- 
brennet. 

Genauer  stimmt  zu  der  Nasreddinschen  Fassung  eine 
im  Democritus  ridens,  Amstelodami,  1649,  S.  127; 

Bonus  quidam  postquam  cibos  multo  sale  et  pipere 
conditos  sumsisset,  media  nocte  lecto  exsurgens,  et  capite 
e  fenestra  prospiciens,  quanta  maxima  potuit  voce  excla- 
mavit:  Ad  ignem,  ad  ignem,    Territi  hac  voce  vicini  accur- 

213 


runt;    ac    quaerentibus,    ubinam    ardaret,    In    mea    gula, 
respondit,  in  mea  gula. 

39.  Volksbuch,  Nr.  39;  Sottisier,  Nr.  299;  Nouri, 
S.  218  ff.;  Trefäi,  Nr.  40;  Nawadir,  S.  19;  Griechisch, 
Nr,  73;  Kroatisch,  S,  85  ff. 

Gazeau,  S.  198  ff. 

40.  Volksbuch,  Nr.  40;  Barker,  S.  51  ff.;  Sottisier, 
Nr.  33;  Nouri,  S.  204  ff.;  Trefäi,  Nr.  41;  Nawadir,  S.  19; 
Griechisch,  Nr.  61 ;  Serbisch,  S.  187  ff. 

41.  Volksbuch,  Nr,  41;  Sottisier,  Nr.  9;  Trefäi,  Nr.  42; 
Nawadir,  S.  19  ff.  (Basset  RTP,  XIX,  S.  250) ;  Griechisch, 
Nr,  74;  Serbisch,  S.  132  (anders). 

Gazeau,  S.  200. 

Die  älteste  Fassung  ist  wohl  die  257.  Facetie  im  Philo- 
gelos,  zit.  Ausg.  S.  55: 

S)(oXceaiix6s  dyogäaac  xqeas,  ßaaidCuiy  avio  dn^Q-ftro 
(l^  Tov  olxoy  aviov.  Xovnris  dt  Qij^ac  tjgnaafv  ctiro  ix  r^f 
XtiQog  avTov.  6  öt  f<pt] '  tJf  ov  yeyw/uai,  dy  fxrj  xdyw  noi- 
r^ao)  avto  aAAu). 

42.  Volksbuch,  Nr.42;  Sottisier.  Nr.  237;  Tewfik,  Nr.  44; 
Nouri,  S.  225;  Trefäi,  Nr.  43;  Nawadir,  S.  20;  Pharaon, 
S.  194;  Fourberies,  Nr.  58;  Griechisch,  Nr.  77;  Serbisch, 
S.  23;  Kroatisch,  S,  16  ff.;  Pann,  S.  331. 

Gazeau,  S.  200;  Fourberies,  S,  60;  Hörn,  S.  69  (Zakani). 

43.  Volksbuch,  Nr.  43;  Sottisier,  Nr.  260;  Buadem, 
Nr.  112;  Trefäi,  Nr.  44;  Nawadir,  S,  20;  Griechisch,  Nr,  78; 
Serbisch,  S,  91  ff.;  Kroatisch,  S.  60;  unten  Nr.  278. 

Sich  selber  nicht  kennen;  In  einer  Novelle 
Sercambis  (Novelle  inedite,  ed.  Renier,  Torino,  1889,  Nr,  2, 
S,  17  ff.)  hat  der  Einfaltspinsel  Ganfo  im  Bade  Angst,  er 
könnte  sich  unter  den  vielen  nackten  Menschen  nicht  er- 
kennen, und  legt  sich  daher  auf  die  rechte  Schulter  ein 
Kreuz  aus  Stroh.  Als  dieses  wegschwimmt  und  an  der 
Schulter  eines  andern  haftet,  hält  er  diesen  für  sich  selber: 
Tu  sei  io  et  io  son  tu. 

Hierzu  vergleiche  den  Schwank  von  dem  arabischen 
Narren  Habannaka,   den  Hartmann,   S,   49  nach  Maidani 

214 


(Arahum  proverhia,  ed.  Freytag,  Bonn,  1838  ff.,  I,  S.  392  ff.) 
erzählt  und  schon  bei  dem  im  Jahre  719  oder  728  ver- 
storbenen Dichter  al  Farazdak  ^  nachweist.  Ähnlich 
glaubt  in  der  68.  Facetie  Poggios  ein  Dummkopf,  daß 
einer,  der  seine  Stimme  nachahmt,  er  selber  sei. 

Eine  hübsche  Variante  bietet  eine  Erzählung  bei  Do- 
menichi,  Facetie,  1562,  S.  169  ff,,  deren  gekürzte  lateinische 
Übersetzung  im  Democritus  ridens,  S,  235  ff,  mitgeteilt  sei: 

Eques  quidam  Montricensis  2,  häud  magna  cum  re,  ut 
ille  ait,  ambitiosus  tamen  et  conservandi  sui  cupidus, 
famulum  conduxerat,  Martinum  nomine,  hominem  mirifice 
somnolentum.  Habebat  ille  amicum,  non  procul  ab  urbe 
rusticantem;  quem  invisere  volens,  ante  villae  portam  ex 
equo  descendit  et  Martino  equum  custodiendum  tradit. 
Is,  manui  implicitis  habenis,  mox  in  gramen  se  prosternit, 
et  profundo  somno  occupatur,  Praeteribat  forte  lavernio 
quidam,  et  ab  occasione  invitatus,  ubi  hominem  altum 
stertere  animadvertit,  et  abscissis  habenis,  quas  Martinus 
brachio  circumplicatas  teneLat,  ac  novis  e  cingulo  suo 
factis,  equum  conscendit,  cumque  eo  sese  subducit,  Non 
multo  post  Martinus  evigilans,  ac  semisomnis  adhuc  cir- 
cumspiciens,  Ego,  inquit,  aut  Martinus  sum,  aut  non  sum. 
Si  Martinus  sum,  heri  mei  equum  amisi;  si  non  sum,  habe- 
nas  has  lucrifeci,  Quod  postea  in  proverbium  abiit.  Huic 
mandes,  si  quid  recte  curatum  velis. 

Hierzu  vergleiche  man  die  Erzählung  Verloren  oder 
gefunden  in  Hebels  Schatzkästlein  des  Rheinischen  Haus- 
freundes {Werke,  Hesse,  IV,  S.  177  ff.)  und  folgende  eng- 
lische Version  aus  Delight  and  Pastime  or  Pleasant  Diver- 
sion for  both  sexes  . . ,  .,  London,  1697  bei  Ashton,  Humour, 
Wif,  and  Satire  of  the  Seventcenth  Century,  New  York, 
1884,  S.  72: 

A  pleasant  Fancy  of  an  Italian  by  name  Trivelino, 
who  falling  asleep  one  Day,  with  his  Horse's  Bridle  twisted 
in  his  Arm,  another  came  who  unbridied  his  Horse  and  got 
away.  Trivelino  being  awaked,  and  missing  his  Horse 
began  to  feel  himself  about,  saying:  Either  I  am  Trivelino^ 
or  not:  If  I  am  Trivelino  my  Horse  is  lost;  H  not,  I  have. 
got  a  Bridle,  but  know  not  how. 


«  Brockclmann,  I,  S.  53ff. 

2  Soll  wohl  Matinensis  heißen. 


215 


Diese  Schnurre,  zu  der  eine  sehr  nahestehende  Paral- 
lele in  —  Timbuktu  erzählt  wird  (Basset,  Contes  popu- 
laires  d'Afrique,  Paris,  1903,  S.  163  ff.),  vermittelt  den 
Übergang  zu  der  als  Nr.  298  mitgeteilten  und  ihren  in  den 
Noten  beigebrachten  Varianten. 

44.  Sottisier.  Nr,  259;  Wolksbuch,  Nr.  44;  Barker,  S.  52; 
Tretäi,  Nr.  45;  Griechisch,  Nr.  79;  Serbisch,  S.  153. 

45.  Barker,  S.  53;  Volksbuch,  Nr.  45;  Sottisier,  Nr.  53; 
Trefdi.  Nr.  46;  Nawadir,  S.  20;  Griechisch,  Nr.  80;  Ser- 
bisch, S.  159. 

46.  Volksbuch,  Nr.  46;  Sottisier,  Nr.  75  (Schluß); 
Nouri,  S.  167  ff.;  Trefdi,  Nr.  47;  Nawadir,  S.  20;  Grie- 
chisch, Nr.  48;  Serbisch,  S.  36  f f .  und  111  ff.;  Kroatisch, 
S.  75  ff.;  Murad.  Nr.  29  (Schluß). 

A.  C.  Lee,  The  Decameron.  Its  Sources  and  Analogues, 
London,  1909,  S.  97. 

Zu  dem  Motive  vom  eingebildeten  Toten  vgl, 
unten  die  Nrn.  49,  66,  121,  141  und  382. 

47.  Volksbuch,  Nr.  47;  Sottisier,  Nr.  92  (nicht  von  Kur- 
den, sondern  von  Arabern);  Nouri,  S.  146;  Trefdi,  Nr.  48; 
Nawadir.  S.  21;  Griechisch,  Nr.  93;  Serbisch,  S.  153  ff . 

Köhler,  I,  S.  485. 

Anthropophyteia,  III,  S.  79  ff.  und  380  ff. 

48.  Volksbuch,  Nr.  48;  Sottisier,  Nr.  90;  Trefdi,  Nr.  49; 
Griechisch,  Nr.  91;  Serbisch,  S.  174  ff. 

Clouston,  Noodles,  S,  91. 

49.  Volksbuch,  Nr.  49  und  Barker,  S.  53  ff.;  Sottisier. 
Nr,  175;  Nouri,  S,  195  ff.;  Trefdi,  Nr.  50;  Nawadir.  S.  21; 
Griechisch,  Nr.  92;  Serbisch,  S.  143  ff.  und  eine  Variante 
S.  163  ff.;  Kroatisch,  S.  88  ff.;  Pann,  S.  343  ff . 

Köhler,  I,  S.  486 ff.  und  505 ff.;  Gazeau,  S.  200ff.;  Four- 
beries.  S.  53;  Trefdi,  S.  12;  Archiv  für  slawische  Philologie, 
XXIX,  S.  452;  Lee,  The  Decameron,  S.  96  ff. 

Das  Schema  dieser  Geschichte  läßt  sich  folgender- 
maßen darstellen:  1.  das  Abhacken  des  Astes, 
auf  dem  man  sitzt,  2.  der  dritte  (zweite,  achte) 
Wind   des   Esels,   Pferdes   oder   Maultiers   oder    des 

216 


Gefoppten  selber  als  Todeszeichen  für  diesen  und  3.  das 
Sprechen  des  weggetragenen  vermeintlichen  Toten. 

Zu  1  vgl,  das  sechste  Abenteuer  des  Guru  Paramär- 
tan,  kombiniert  mit  dem  bei  Nr,  66  angegebenen  Zuge 
(Österley  in  der  Zeitschrift  für  vergleichende  Literatur- 
geschichte, I,  S.  53  ff.  und  67  ff,)  und  eine  Anekdote,  die 
Zachariae  in  der  ZW,  XIII,  S.  218  aus  Täranäthas  Ge- 
schichte des  Buddhismus  mitteilt;  ferner;  Grillenvertr eiber, 
Franckfurt  am  Mayn,  1603  (v,  d.  Hagen,  Narrenbuch, 
Halle,  1811,  S,  477);  P,  Senequier,  Blason  populaire  pro- 
vengal  in  der  RTF,  XII,  S.  75;  endlich  eine  Erzählung  bei 
ihn  Arabschah,  Fakihat  al  hulafa  ^  (Chauvin,  Biblio- 
graphie des  ouvrages  arabes.  Liege,  1892  ff,,  II,  S.  201, 
Nr,  47), 

Zu  1  und  2:  Schleicher,  Litauische  Märchen,  Sprich- 
worte, Rätsel  und  Lieder.  Weimar,  1857,  S,  41  ff,;  Blade, 
Contes  populaires  de  la  Gascogne,  III,  S,  128  ff,  (hier 
verstopft  Jean  ITmbecile  dem  Esel  nach  dem  zweiten 
Winde  den  Hintern  mit  einem  Pflocke;  der  Esel  läßt  den 
dritten,  der  Pflock  durchbohrt  den  Dummkopf,  und  er 
stirbt.  Vgl,  Köhler,  III,  S.  50  ff.);  Gh.  Swynnerton,  Ro- 
mantic  Tales  front  the  Panjab  with  Indian  Nights'  Enter- 
tainment, London  1908,  S,  272:  Of  a  credulous  iveaver 
(hier  soll  der  Weber  an  dem  Tage  sterben,  wo  sein  Mund 
bluten  wird). 

Zu  3:  unten  Nr,  121. 

Zu  1  und  3:  Eine  indische  Erzählung  des  Bharataka 
Dvätrinfikä,  übersetzt  von  A,  Weber  in  den  Monats- 
berichten der  Berl.  Akademie,  1860,  S,  71  ff,  (Österley  in 
der  Z.  /.  vgL  Litg.,  I,  S,  53;  Clouston,  Noodles,  S,  158  ff,); 
Pitrc,  III,  S.  144  ff,,  Nr,  150:  Lu  Partannisi. 

Zu  2  und  3:  Prym-Socin,  Tür  'Abdin,  II,  S.  249  ff,; 
P,  Sebillot,  Contes  de  la  Haute-Bretagne,  Nr,  14  und  15  in 
der  RTP,  S,  442  ff ,  und  443  ff,;  Anthropophyteia,  III, 
S,  400  ff. 

Zu  1,  2  und  3:  Haltrich,  Deutsche  Volksmärchen  aus 
dem  Sachsenlande  in  Siebenbürgen,  4.  Aufl.,  Wien,  1885, 
S.  250  ff,;  J.  Vinson,  Le  Folklore  du  Pays  Basque,  Paris, 
1883,  S,  93  ff.;  0.  Knoop,  Schnurren  und  Schnaken  aus 
Rügen,  Nr.  1  in  Am  Ur-Quell,  IV,  S.  72  ff .  =  Merkens, 


'  Brockelmann,  II,  S.  29. 

217 


II,  S,  148  ff.,  Nr.  177.  Weiter  sei  verwiesen  auf  die  letzte 
der  unten  (II,  S,  128  ff.)  mitgeteilten  Geschichten  von 
Juvadi  (Nr.  447),  die  wieder  so  ziemlich  mit  Pitre,  No- 
velle popolari  toscane,  S.  182  ff,  (Nachweise  S,  196)  von 
Giucca  übereinstimmt. 

50,  Volksbuch,  Nr,  50;  Soitisier,  Nr,  300;  Tewfik, 
Nr,  43;  Nouri,  S,  213;  Trefäi,  Nr,  51;  Nawadir,  S,  21;  Grie- 
chisch, Nr,  94;  Serbisch,  S.  45;  Kroatisch,  S,  16. 

51,  Volksbuch,  Nr.  51;  Soitisier,  Nr.  301;  Trefäi, 
Nr.  52;  Nawadir,  S.  22;  Griechisch,  Nr.  40;  Murad,  Nr,  20. 

Köhler,  I,  S,  490  (die  Geschichte  ist  identisch  mit  der 
166,  Äsopischen  Fabel  in  Halms  Ausgabe:  üarriQ  xai 
■&vyaTiQ(i];  vgl.  auch  die  377,  Erzählung  im  1.  Buche  von 
Kirchhofs  Wendunmuth  (hg,  v,  Österley,  I,  S,  412  ff,), 

52,  Volksbuch,  Nr,  52;  Barker,  S,  56;  Soitisier,  Nr,  48; 
Nouri,  S,  147;  Trefäi,  Nr,  53;  Nawadir,  S.  22;  Griechisch, 
Nr.  41;  Serbisch,  S.  189;  Kroatisch,  S.  64. 

Memminger  Mond:  In  einem  außerordentlich 
interessanten  Exkurse,  den  Seb,  Pauli  in  den  Modi  di  dire 
toscani  (1.  Ausg.  1740),  Venezia,  1761,  S.  212  ff,  der 
Redensart  Non  conosce  la  luna  di  Bologna  widmet, 
heißt  es: 

Roberto  Tizio  nel  Hb,  8,  de'  Luogi  controversi  al  capi- 
tolo  9^,  riferito  dal  Menagio^:  „Neminem  ignorare  arbi- 
tror,  jocoso  dicterio  quosdam  illudendi  morem  esse,  quod 
faciles  pacatosque  se  praestent  ad  quodvis  credendum. 
lis  enim  occinere  consuevimus,  non  vero  ipsos  lunam,  quae 
Bononiae  lucet,  cognitam  habere:  quasi  vero  luna,  quam 
hie  Florentiae  spectamus,  alia  sit  atque  diversa  ab  ea, 
quam  Bononienses,  atque  adeo  omnes  ubique  populi,  in- 
tuentur,  Manavit  autem  hie  sermo  a  veteribus,  ne  quis 
domi  nostrae  nuper  natum  existimet,  Reperi  namque 
apud  Plutarcum  in  commentario  De  exilio  eundera  irri- 
dendi  modum  usurpatum,  ubi  cum  plura  adduxisset,  quae 
exilii  incommodum  extenuarent,  nisi  etiam  tollere  possent, 


'  D.  i.  Roberti  Titii  Burgensis  Locorum  controversorum   libri  X,  Floren- 
tiae, 1583. 

2  D.  i.  Manage,  Origini  della  lingua  italiana,  Geneva,  1685. 

218 


demum  subdit:  Atqui  stultitiam  ejus  irridemus,  qui  lunam 
Athenis  meliorem  nitidioremque  esse  dicat,  quam  quae 
Corinthi  ^.  Et  tarnen  in  idem  quodammodo  vitium  mentis 
incidimus,  cum  peregrinantes  terram,  mare,  aer,  coelum  ut 
diversa  aliaque  a  consuetis  esse  contendimus,"  II  volgo 
conta  aver  avuto  origine  questo  dettato  da  un  scolare 
gaglioffo,  che  dallo  studio  di  Bologna,  ove  erasi  trattenuto 
piü  anni,  riduttosi  in  patria  con  fama  di  savio,  domandö, 
se  quella  luna,  che  ivi  luceva,  fosse  la  stessa  solita  vedersi 
a  Bologna.  II  Monosini  2  da  a  questa  maniera  di  dire 
un'  altra  spiegazione:  Accedente  aliquo  ad  aliquorum  com- 
mercium, qui  diutius  ab  Ulis  Visus  non  sit,  tunc  dicere 
solet  aliquis:  Ecco  la  luna  da  Bologna. 

Titius  und  Menage  hätten  noch  eine  andere  altgrie- 
chische Belegstelle  heranziehen  können,  und  zwar  die 
49,  Facetie  von  Hierokles  (Philogelos,  S,  16] : 

2^o}.«aitx6g  r»}*-  atXrjyriy  l^uiy,  invvrt^dvito  tov  naxQos 
li  xai  Tftis  äkX«is  TioXeai  loiavtai  aeXrjyai  liai. 

Auch  Bar-Hebraeus  hat  eine  ähnliche  Schnurre  (ed. 
Budge,  S,  142,  Nr.  549): 

A  certain  simpleton  looked  at  the  moon  when  it  was 
fourteen  days  old,  and  said,  „Blessed  month,"  And  when 
it  was  said  to  him,  „How  is  it  thou  didst  not  see  the  moon 
before?"  he  answered,  ,,I  was  not  in  the  city  having  only 
just  come." 

Kuka  bringt  zwei  hiehergehörige  Geschichten  (S.  166, 
Nr,  38  und  S,  182,  Nr,  84),  von  denen  die  erstgenannte 
folgen  möge: 

A  person  from  Hajäz  had  come  to  Shiraz,  On  the  eve 
of  the  lirst  day  of  the  month  of  Ramazän  he  saw  the  new 
moon  which  ushers  in  every  month,  The  sight  of  it  aggra- 
vated  our  sage,  who  said  angrily  to  the  moon,  —  „Hast 
thou  come  back  to  torment  and  annoy  mankind  by  obli- 
ging  them  to  keep  fasts?  May  God  kill  me,  if  I  do  not 
avoid  thy  malign  influence  by  departing  immediately  from 
this  city!" 

Vom  Sieur  Gaulard  erzählt  Tabourot  S,  258  ff.: 

Se  promenant  sur  le  pont  de  Dole,  et  voyant  la  lune 


1  Plutarch,  De  cxilio,  6:    Kaiioi  yfkwjuef  irjy  aßiXjtQiav  tov 
gjdaxoyzos,  iy  'Ad-^vats  ßtXiioya  atXtjytjy  ilyat  lijs  iy  KoQiy&ta. 

2  D.  s.  Angeli  Monosinii  Floris  italicae  linguae  libri  novem,  Vcnetiis,  1604. 

219 


pleine,  apparente  proche  I'horison,  qui  se  monstroit  fort 
grande,  Je  vous  asseure,  dit-il,  que  nous  sommes  bien- 
heureux  en  ce  pais;  car  nostre  lune  est  plus  grande  que 
Celle  de  Paris,  II  pensoit  qu'il  y  en  auoit  vne  pour  cha- 
que  ville. 

Ähnliche  Geschichten  finden  sich  sehr  häufig,  z.  B. 
L.  Aurbacher,  Ein  Volksbüchlein,  I,  S.  152,  Merkens,  I, 
S,  14,  Nr.  17,  II,  S.  17  ff.,  Nr,  22  und  III,  S,  10,  Nr,  10, 
Keller,  Schwaben,  S.  139  (wo  auf  Boners  Edelstein,  Nr,  99 
hingewiesen  wird).  Bronner,  Bayerisches  Schelmen-Büch- 
lein,  S,  115  ff.,  L,  F,  Sauve,  Le  Folk-lore  des  Hautes- 
Vosges,  Paris,  1889,  S,  74,  G,  Calvia,  Facezie  sopra  gli 
abitanti  di  Sorso  in  Sardegna,  Nr,  4  im  Archivio,  XXI, 
S,  378,  Strafforello,  II,  S,  460  usw.  Vgl,  auch  den  Schluß 
der  zu  Nr.  HO  mitgeteilten  Stelle  aus  Eyerings  Proverbio- 
rum copia. 

53.  Volksbuch,  Nr.  53;  Sottisier,  Nr.  245  (anders); 
Trefdi,  Nr.  54;  Nawadir,  S,  22;  Griechisch,  Nr.  42  (ohne 
Obszönität), 

54,  Volksbuch,  Nr.  54;  Barker,  S,  56  ff,;  Sottisier. 
Nr.  19;  Nouri,  S.  67  ff.;  Trefdi,  Nr,  55;  Nawadir.  S,  22; 
Kuka,  S.  215  ff.;  Stumme,  Tripolis,  S,  176  ff.;  Fourberies, 
Nr.  20;  Griechisch,  Nr.  43;  Serbisch,  S,  121  ff,;  Kroatisch, 
S,  68  ff,;  Murad,  Nr.  27. 

Köhler,  I,  S.  490  ff.;  Fourberies,  S.  31  und  Bassets 
Nachtrag  in  der  RTF.  XI,  S.  496;  Trefdi,  S.  12  und  20  f f . 

Vgl.  die  altfranzösische  Farce  des  deux  savetiers,  über 
die  P.  Toldo  in  den  Studj  di  filologia  romanza,  IX,  S.  199 
und  in  der  ZW.  XIII,  S.  420  ff .  handelt;  weiter  Arienti, 
Porretane  (1.  Ausg.  1483),  Venetia,  1531,  Bl.  45a  ff., 
Nov.  20:  Messere  Lorenzo  Spazza.  caualiero  araldo,  se 
fa  conuenire  denanti  al  preiore  da  uno  ^notaro.  üqual 
e  dimostrato  non  esser  in  bono  sentimento.  et  messer 
Lorenzo  libero  se  parte  lasciando  il  notaro  schernito  e 
desperato;  Le  piacevoli  e  ridiculose  facetie  di  M.  Poncino 
della  Torre,  Cremonese  (1.  Ausg.  1581),  Brescia,  1599, 
Bl.  17b  ff.  =  Zabata,  Diporto,  S.  90  ff.;  (G.  Sagredo), 
L'Arcadia  in  Brenta  (1,  Ausg.  1667),  Bologna,  1693, 
S.  168  ff.;  Juan  de  Timoneda,  El  Patranuelo  (1.  Ausg. 
1576),  patr.   18  in  der  Biblioteca  des  autores  espanoles, 

220 


I 


3.a  ed„  Madrid,  1850,  S.  158  ff.  (Dunlop  -  Liebrecht, 
S.  271  und  D.  M.  Menendez  y  Pelayo,  Origenes  de  la 
Novela,  II,  Madrid,  1907,  S.  LH);  J.  P,  de  Memel,  Neu- 
vermehrt und  augirte  Anmuthige  lustige  Gesellschafft, 
Zippel-Zerbst,  1701,  S.  91,  Nr.  208;  C.  A.  M,  v.  W„  Neu- 
außgebutzter,  kurtzweiliger  Zeitvertreiber,  1685,  S.  244  ff.; 
G.  Georgeakis  et  L,  Pineau,  Le  Folk-lore  de  Lesbos,  Paris, 
1894,  S.  111  ff.:  Le  juif  et  le  chretien;  Ilg,  II,  S,  70  f f ,, 
Nr,  113:  Die  Geschichte  von  den  neunundneunzig  Gold- 
stücken. Mit  Ausnahme  der  zwei  zuletzt  genannten  Fas- 
sungen kommt  die  Schuld  des  Schalkes  an  den  Gläubiger 
auf  eine  andere  Weise  zustande. 

Unter  den  Dschohageschichten  bei  Mardrus  ist  eine 
(S.  101  ff,),  die  der  unsern,  aber  nur  in  ihrem  ersten  Teile 
entspricht,  während  diesem  in  der  Nasreddinerzählung  bei 
Walawani,  S.  156  ff.  ein  anderer  Schluß  beigefügt  ist  ^; 
ein  interessantes  Gegenstück  hat  dieser  erste  Teil  in  den 
Facette  et  motti  arguti,  Fiorenza,  1548,  die  von  L.  Dome- 
nichi  herausgegeben  sind,  und  zwar  in  dem  Abschnitte 
(Bl,  Fib),  der,  wie  ich  bei  Arlotto,  II,  S.  308  ff ,  nach- 
gewiesen habe,  auf  einem  im  Jahre  1479  niedergeschrie- 
benen Manuskripte  beruht: 

Vn  pouero  huomo  s'inginocchiaua  ogni  mattina  a  un 
Crocifisso,  pregandolo,  che  gli  facesse  trouare  cento  du- 
cati,  e  dicendo:  se  io  trouaßi  un  meno,  non  gli  torrei. 
Vno  che  lo  senti,  ne  uoUe  fare  la  pruoua,  e  gettogli  quiui 
di  nascosa  una  borsa  con  nouanta  noue  ducati;  colui  pre- 
sala,  gli  annouero,  e  disse:  a  Dio,  Christo;  hamene  a 
dare  uno. 

Diese  Geschichte,  die  auch  in  den  spätem  Ausgaben 
der  Domenichischen  Facetien  (1562,  S,  257,  1581,  S,  317 
usw.)  wiederkehrt,  hat  Parallelen  in  den  wahrscheinlich 
vor  der  Mitte  des  16,  Jahrhunderts  zum  ersten  Male  er- 
schienenen Jests  of  Scogin,  und  zwar  in  dem  Schwanke 


^  Ta  inoketnojUfya  ilvai  eiyotjTa '  ngosqivy^  zov  'EßgaUtv 
fls  Ttt  SixuaitiQia,  6ixai<j}ais  zov  Xwi^a,  diaTtiuofiivov  Sri  nagd 
Tov  'AXXa^  ii,i^Tt]ae  xai  sXaße  z6  noaov,  xai  or«  tlyat  aövvaiov 
va  naQade}(&iJ  öxi  tvgiaxitai  äy&Qwnoc,  xai  /uäkiara  Eßgatos; 
ivväfifvos  va  naiCp  loaovtoy  xiyJvytoiffs  fieza  itüy  ygtjiudzcjy 
ttVTOv,  xai  xi).os  yout/uo^  dnoiXiia  ztäv  gtcpfhttawy  aviä  Xtgoäv. 

221 


How  Scogin  prayed  to  a  Roode  for  an  Hundred  French 
Crownes  (Hazlitt,  II,  S.  128  ff.)  und  bei  Krauss,  Zigeuner- 
humor, S.  12  ff.:  Der  Zigeuner  spaßt  nicht  mit  Gott.  Zu 
dem  zweiten  Teile  unserer  Erzählung  stimmt  wieder  der 
Schluß  des  7,  Märchens  der  Grimmschen  KHM:  Der  gute 
Handel  und  seiner  kroatischen  Variante  bei  Krauss,  Sagen 
und  Märchen  der  Südslaven,  Leipzig,  S,  244  ff.,  Nr,  52: 
Bauer  und  Jude. 

55.  Volksbuch,  Nr.  55;  Barker,  S.  60  ff.;  Sottisier, 
Nr.  21;  Ethe,  S.  242;  Tewfik,  Nr.  52;  Nouri,  S.  200  ff.; 
Trefdi.  Nr,  56;  Nawadir,  S.  23;  Bonelli,  S.  458  ff.;  Ilg,  II, 
Nr.  92;  Griechisch,  Nr,  75;  Serbisch,  S.  29  ff.;  Kroatisch, 
S.  86  ff.  und  22  ff.;  Gonzenbach,  I,  S.  258  ff.;  Papanti, 
Dante  secondo  la  tradizione  e  i  novellatori,  Livorno,  1873, 
S.  73  ff.;  Pitre,  III,  S.  365  ff.  (=  unten  Nr,  432);  Murad, 
Nr.  17;  Pann,  S.  335, 

Köhler,  I,  S,  491;  Crane,  S,  296  und  380;  Gazeau, 
S.  201;  St.  Prato,  RTP,  IV,  S.  167  ff.;  Fourberies.  S,  31  ff.; 
Köhler-Bolte,  ZW.  VI,  S,  74;  Trefäi,  S.  18;  Wesselski, 
Mönchslatein,  Leipzig,  1909,  S,  226  ff.;  Papini,  La  leggenda 
di  Dante,  Lanciano,  1911,  S.  74  ff . 

Vgl.  ferner  zu  dem  Zuge  des  Dankes  an  die 
Kleider:  Bandello,  Novelle,  III,  Nr.  38,  Widmungsbrief 
(Firenze,  1832,  S.  612) ;  Schupp,  Salomo  oder  Regenten- 
Spiegel,  Cap.  10  [Schrifften,  Hanau,  1663,  S.  108  ff.);  Zeit- 
vertreiber, S.  65  ff.;  Memel,  S.  104  ff.,  Nr.  238  (nach 
Melander,  Jocoseria,  I,  Nr.  264,  Lichae,  1604,  S-  207); 
Harsdörfer,  Ars  apophtegmatica,  Nürnberg,  1655,  S.  420, 
Nr.  1975;  Gladwin,  The  Fersian  Moonshee,  2.  ed.,  Calcutta, 
1799,  II,  S.  24,  Nr.  63;  Pharaon,  S.  208  ff.;  A.  Lecoy  de  la 
Marche,  L'esprit  de  nos  a'ieux,  Paris,  o.  J.,  S.  56  ff.,  Nr.  32; 
Biegleisen,  Jüdisch-deutsche  Erzählungen  aus  Lemberg, 
Nr.  2  in  der  ZW,  IV,  S.  209  ff. 

56.  Volksbuch,  Nr.  56;  Barker,  S.  61  ff.;  Sottisier, 
Nr.  302;  Trefdi,  Nr,  57;  Nawadir,  S.  23;  Griechisch,  Nr.  44; 
Serbisch,  S.  170. 

Fourberies,  S.  184  ff. 

Vgl.  weiter  die  72.  Facetie  im  Philogelos: 
2}(oXaaxtx6;  iy  yäfion  iaxta&iU.  eha  dvttX<'iQfüy^  iv](Ofja$, 
tinty,  tvtv^w;  xal  dti  Taixa  ifiä^  nouTy. 

222 


57,  Volksbuch,  Nr.  57;  Sottisier,  Nr,  266;  Trefdi, 
Nr,  58;  Nawadir,  S.  23;  Stumme,  Tripolis,  S.  178 ff.  =  unten 
Nr.  381;  Griechisch,  Nr,  85  +  169;  Serbisch,  S.  139  ff, 

Fourberies,  S,  62, 

Vgl,  Reinisch,  Die  Nuba-Sprache,  Wien,  1879,  I, 
S,  183  ff, 

58,  Volksbuch,  Nr,  58;  Barker,  S,  62  ff,;  Sottisier, 
Nr,  31;  Trefäi,  Nr.  59;  Nawadir,  S.  24;  Griechisch,  Nr,  161, 

Gazeau,  S.  201. 

59,  Volksbuch,  Nr,  59;  Sottisier,  Nr,  303;  Trefäi, 
Nr.  60;  Griechisch,  Nr.  162, 

60,  Volksbuch,  Nr.  60;  Barker,  S.  63  ff.;  Sottisier, 
Nr.  100;  Buadem,  Nr.  113;  Nouri,  S.  62;  Trefäi,  Nr.  61; 
Nawadir,  S,  24;  Fourberies,  Nr,  34;  Griechisch,  Nr.  163; 
Serbisch,  S,  92;  Kroatisch,  S,  60, 

Fourberies,  S,  44. 

61,  Barker,  S.  64  ff.;  Volksbuch,  Nr.  61;  Sottisier, 
Nr,  223  =  unten  Nr.  281  (nur  der  Schluß);  Tewfik,  Nr.  18; 
Trefäi,  Nr.  62;  Nawadir,  S.  24;  Griechisch,  Nr.  102;  Ser- 
bisch,  S.  25;  Kroatisch,  S.  8. 

Trefäi,  S.  16. 

Ähnlich  straft  Klaus  Narr  sein  Pferdchen,  das  sich 
unanständig  betragen  hat,  indem  er  ihm  den  Sattel  ab- 
nimmt und  es  „zu  Fuß  laufen  läßt";  vgl.  Pauli,  Schimpf 
und  Ernst,  hg.  v.  österley,  Stuttgart,  1866,  Anhang,  Nr.  2, 
Hans  Sachs,  Sämtliche  Fabeln  und  Schwanke,  hg,  v,  Goetze 
und  Drescher,  IV,  Halle,  1903,  S,  246  ff,  mit  den  Noten  der 
Herausgeber  und  Bütner,  Von  Claus  Narren.  S,  201,  Das- 
selbe tut  Triboulet,  der  Hofnarr  König  Franz  I.  von 
Frankreich,  in  der  Nov,  68  des  Recueil  des  plaisantes  et 
facetieuses  nouvelles,  Lyon,  1555,  S.  212  ff,  =  Les  foyeuses 
aventures  et  facetieuses  narrations,  Lyon,  1556,  S.  242  ff., 
nov.  71.1,  die  dann  von  1568  an  als  98.  Stück  in  die  Nou- 
velles recreations  et  joyeux  devis  von  Bonav.  Des  Periers 


1  über  diese  beiden  Sammlungen  vgl.  Wesselski ,  Mönchslatein,  S.  199 
und  Firenzuola,  Novellen  und  Gespräche,  übers,  v,  Wesselski,  München  1910, 
S.  176  {f. 

223 


aufgenommen  worden  ist  (ed.  par  P,  L,  Jacob  [Paul 
Lacroix],  Paris,  1858,  S,  333  ff.) ;  vgl.  weiter  P.  L.  Jacob 
[Paul  Lacroix],  Curiosites  de  l'histoire  de  France,  Paris, 
1858,  S.  116  ff,  und  A.  Canel,  Recherches  historiques  sur 
les  fous  des  rois  de  France,  Paris,  1873,  S.  107  ff, 

62.  Barker,  S.  65;  Volksbuch,  Nr.  62;  Sottisier, 
Nr.  304;  Griechisch,  S.  119. 

63.  Volksbuch,  Nr.  63;  Barker,  S.  65  ff.;  Sottisier. 
Nr.  243;  Nouri,  S.  53  ff.  (hier  ist  der  Esel  ein  „Despot",  d.  h. 
ein  Bischof  geworden);  Trefäi,  Nr.  63;  Nawadir,  S.  24; 
Stumme,  Tunis  I,  S.  79  ff.  und  II,  S.  133  ff,  =  unten 
Nr,  385;  Griechisch,  Nr.  101;  Serbisch,  S.  131;  Kroatisch, 
S.  67  ff.  (Despot);  Murad,  Nr.  28;  Pann,  S.  341.  Vgl.  auch 
unten  Nr.  259. 

Köhler,  I,  S.  491;  Bolte  in  der  ZW,  VII,  S.  93  ff.; 
Fourberies,  S,  61;  Chauvin,  VII,  S.  170  ff.;  Basset  in  der 
RTF,  XIX,  S.  56;  Archio  für  slavische  Philologie,  XIX, 
S.  267,  XXII,  S.  305  und  XXIX,  S.  453. 

Clouston,  Noodles,  S.  104;  Swynnerton,  S.  43  ff,; 
Yakoub  Artin  Pacha,  Contes  populaires  de  la  vallee  du 
Nil,  Paris,  1895,  S,  51  ff,  (verquickt  mit  dem  Motive  von 
Nr,  487) ;  Veckenstedt,  Sztukoris,  der  Till  Eulenspiegel  der 
Litauer  und  Zamaiten,  Leipzig,  1885,  S,  32  ff,;  Anthropo- 
phyteia,  I,  S.  25  ff. 

64.  Volksbuch,  Nr.  64;  Sottisier,  Nr.  99;  Buadem, 
Nr.  87;  Trefdi,  Nr.  64;  Nawadir,  S,  25;  Griechisch,  Nr.  32; 
Serbisch,  S,  123  ff,  und  81  ff. 

Vgl,  P,  Sebillot,  Contes  et  legendes  de  la  Haute- 
Bretagne,  Nr.  100:  L'äne  du  Jaguen  in  der  RTF,  XXIV, 
S,  202  ff. 

65.  Volksbuch,  Nr.  65;  Barker,  S.  66;  Sottisier,  Nr,  235; 
Ethe,  S,  243;  Tewfik,  Nr,  12;  Nouri,  S,  55  ff,;  Trefdi, 
Nr,  65;  Mardrus,  S,  94  ff.;  Nawadir.  S,  25;  Kuka,  S,  216  ff,; 
Fourberies,  Nr,  29;  Griechisch,  Nr,  120;  Walawani,  S,  156; 
Serbisch,  S,  24;  Kroatisch,  S.  100  und  6  ff,;  Murad,  Nr,  5; 
Pann,  S,  331, 

Köhler,  I,  S,  491;  Gazeau,  S,  201  ff.;  Fourberies,  S.  60; 
Trefdi,  S.  12  und  16;  Basset  im  Keleti  Szemle,  I,  S,  221  fL 

224 


Die  Schnurre  ist  nichts  als  eine  glückliche  Steigerung 
der  Anekdote  von  Scipio  Nasica  und  dem  Dichter  Ennius, 
die  bei  Cicero,  De  oratore,  II,  68,  276  erzählt  wird  und 
ohne  Namen  im  Philogelos  als  Nr.  193  wiederkehrt.  Vgl. 
zu  dieser  Fassung,  wo  der  Besucher  zwar  der  Magd  oder 
dem  Diener,  aber  nicht  dem  Herrn  selber  glaubt,  daß  dieser 
nicht  zu  Hause  sei,  die  Nachweise  Österleys  zu  Kirchhofs 
Wendunmuih,  III,  Nr.  139,  ferner  Castiglione,  II  Corte- 
giano,  II,  c.  75  (hg,  v.  Wesselski,  I,  S.  207  und  321),  Lodo- 
vico  Carbone,  Facezie,  ed.  da  Abd-el-Kader  Salza, 
Livorno,  1900,  S.  34,  Nr,  29,  Guicciardini,  Detti,  et  fatii 
piacevoli  et  gravi  (1.  Ausg.  1565),  Venezia,  1581,  S.  153  ff., 
Tales  and  Quicke  Answeres  (ca.  1535),  Nr.  112  (Hazlitt, 
I,  S,  126  ff.),  The  Jests  of  Scogin,  S.  140  ff.,  The  Pleasant 
Conceites  of  Old  Hobson  the  Merry  Londoner  (1.  Ausg. 
1607),  Nr,  35  (Hazlitt,  III,  S.  51),  Oxford  Jests  Refined 
and  Enlarged,  London,  1684  bei  Ashton,  Humour,  Wit  and 
Satire,  S.  235,  Caspar  Lucas  Hidalgo,  Didlogos  de  apacible 
entreteniemento  (1,  Ausg.  1605),  diäl,  I,  cap.  2  in  Extra- 
vagantes, Barcelona,  1884,  S.  31  usw. 

Parallelen  zu  unserer  Version  stehen  bei  Juan  de  Ti- 
moneda,  Sobremesa  y  alivio  de  caminantes  (1.  Ausg.  1563), 
p.  II,  c,  62  in  der  Biblioteca  des  autores  espafioles,  III, 
S,  182,  nach  diesem  bei  Zabata,  Diporto  de'  viandanti, 
S.  80,  in  der  Arcadia  in  Brenta  S,  397  ff,,  bei  Casalicchio, 
L'utile  col  dolce  (1.  Ausg,  1671),  c.  I,  d,  8,  a.  4,  Venezia, 
1708,  S.  144,  bei  Baraton,  Poesies  diverses,  Paris,  1705, 
S.  189,  in  den  Pantagrueliques  (1.  Ausgabe  1854),  Turin, 
1870,  S.  58,  bei  Büttner,  Suaheli-Literatur,  I,  S.  88  und  II, 
S.  87  ff,  und  bei  Roda  Roda,  S.  222  ff. 

66,  Volksbuch,  Nr,  66;  Barker,  S,  66  ff.;  Sottisier, 
Nr.  75  (1,  Teil);  Trefäi,  Nr.  66;  Nawadir.  S.  25;  Griechisch, 
Nr,  95. 

Köhler,  I,  S.  488  ff.;  Gazeau,  S,  202;  Fourberies,  S.  41. 

Vgl,  das  6.  Abenteuer  Guru  Paramärtans,  wo  einem 
Schüler  Gurus  mitgeteilt  wird,  daß  sich  Gurus  Tod  durch 
das  Erkalten  seiner  Lenden  anzeigen  werde  (Österley  in 
der  Z.  /.  vgl.  Litg.,  I,  S.  67  ff.).  Bei  W.  F.  O'Connor,  Folk 
Tales  from  Tibet,  2.  ed.,  London,  1907,  S.  30  ff,:  The  story 
of  the  foolish  young  mussulman  werden  gelbe  Fußsohlen 
als  Todeszeichen  angegeben, 

Nasreddin,  I.  1,5  225 


Zu  dem  Zuge  vom  eingebildeten  Toten  vgl, 
die  Nrn.  46,  49,  121,  141  und  382. 

67,  Volksbuch,  Nr,  67;  Sottisier,  Nr,  305;  Tewfik, 
Nr,  35;  Trefdi,  Nr.  67;  Griechisch,  Nr,  96;  Serbisch,  S.  109 
und  35;  Kroatisch,  S.  13, 

68,  Volksbuch,  Nr.  68;  Barker,  S,  67  ff.;  Sottisier. 
Nr,  102;  Tewfik,  Nr,  34;  Trefdi,  Nr,  68;  Nawadir,  S.  26; 
Griechisch,  Nr,  97;  Serbisch,  S,  14  ff,;  Kroatisch,  S,  13. 

Treläi,  S,  16. 

69,  Volksbuch,  Nr,  69;  Barker,  S.  68  ff.;  Treidi,  Nr.  69; 
Nawadir,  S.  26;  Griechisch,  Nr.  99;  Serbisch,  S,  189. 

Köhler,  I,  S,  492  ff.;  Trefäi,  S,  12. 

Fröschen  Geld  gegeben:  Dazu  vgl.  außer 
der  bei  Köhler,  III,  S.  14  und  im  Archiv  für  slavische 
Philologie,  XXII,  S,  304  und  309  angegebenen  Literatur 
noch  Krauss,  Sagen  und  Märchen  der  Südslaven,  S.  244  ff., 
Pitre,  Novelle  popolari  toscane,  S.  180  (Giucca),  Landes, 
Contes  et  legendes  annamites,  Saigon,  1886,  S.  320,  Mer- 
kens,  I,  Nr.  39,  und  Keller,  Schwaben,  S.  98  ff. 

70,  Barker,  S.  69  ff.;  Volksbuch,  Nr.  70;  Sottisier, 
Nr.  68;  Nouri,  S.  123  ff.;  Trefdi,  Nr,  70;  Nawadir,  S,  26; 
Kuka,  S.  217;  Griechisch,  Nr,  98;  Kroatisch,  S,  18  ff.; 
Murad,  Nr,  22.  Die  erste  Frage  allein  als  Inhalt  einer 
selbständigen  Erzählung:  Tewfik,  Nr,  51;  Serbisch,  S.  31. 

Köhler,  I,  S.  492  ff.;  Gazeau,  S,  202  ff.;  Fourberies, 
S.  39;  Hartmann,  S.  64  ff. 

Die  außerordentlich  reiche  Literatur  über  das  Motiv 
der  drei  Fragen  hat  A,  L,  Jellinek  im  Euphorion,  IX, 
S.  159  zusammengestellt;  dazu  kommen  noch:  De  Puy- 
maigre  im  Archivio,  III,  S,  98  ff,;  Basset,  Loqmän  berbere, 
Paris,  1890,  S,  LXIff,;  Ad.  Rittershaus,  Die  neuisländischen 
Volksmärchen,  Halle  a.  S.,  1902,  S.  404  ff.;  Letterio  di 
Francia,  Franco  Sacchetti  novellatore,  Pisa,  1902  (=voI.  16 
der  Annali  della  R.  scuola  normale  superiore  di  Pisa,  Filo- 
logia  e  filosofia),  S.  112  ff.;  Meißner,  Neuarabische  Ge- 
schichten aus  dem  Iraq,  S.  89  ff.;  Menendez  y  Pelayo, 
Origenes  de  la  Novela,  II,  S.  LVIII  ff. 

226 


71,  Sottisier,  Nr.  61;  Cantimir  i,  I,  S,  164;  De  la  Croix, 
I,  S.  153  ff.;  Flöge!,  S.  176  ff.;  Hammer,  I,  S.  629  ff.; 
Doran,  S.  73  ff.;  Nick,  I,  S.  147  ff.;  Murad,  Nr.  24.  An  allen 
diesen  Stellen  handelt  es  sich  um  Feigen,  die  der  Hodscha 
statt  der  zuerst  in  Aussicht  genommenen  Quitten  dem 
Sultan  Timur  überbringt.  In  den  folgenden  Fassungen 
variieren  die  als  Geschenk  gebrachten  Früchte  und  statt 
Timurs  ist  es  der  Bei,  Hegemon,  Beg,  Pascha  oder  Kaid, 
der  sie  erhält:  Volksbuch,  Nr.  71;  Barker,  S,  77  ff.;  Nouri, 
S,  151  ff.;  Trefdi,  Nr.  71;  Nawadir,  S.  26;  Fourberies, 
Nr.  25;  Griechisch,  Nr.  100;  Serbisch,  S.  141  ff.  und  186  ff.; 
Kroatisch,  S.  77  ff.;  Pann,  S.  333  ff . 

Köhler,  I,  S.  494  ff.;  Gazeau,  S.  203  ff.;  Fourberies, 
S.  37  ff.;  Trefdi,  S.  6  ff.;  vgl.  ferner  Cloustons  Abhandlung 
„Luckily,  they  are  not  peaches"  in  den  Populär  Tales  and 
Fictions.  H,  S.  467  ff. 

In  der  Anmerkung  zur  68.  Facetie  Arlottos  (I,S.226ff.) 
ist  der  Anfang  einer  Erzählung  des  Midrasch  Wajikra 
rabba  mitgeteilt  worden,  die  eine  Parallele  zu  diesem 
Schwanke  Nasreddins  darstellt;  hier  folge  nunmehr  der 
Schluß: 

Der  König  befahl,  daß  man  ihn  vor  das  Tor  des 
Palastes  setze  und  jeder  Aus-  und  Eingehende  ihn  mit 
seinen  Feigen  ins  Gesicht  werfen  solle.  Am  Abende 
wandte  er  sich  von  da  weg  und  ging  nach  Hause  und  er- 
zählte seinem  Weibe:  „Alles,  was  mir  begegnet  ist,  habe 
ich  dir  zu  danken,"  „Geh,"  sprach  sie  zu  ihm,  „schwatze 
es  deiner  Mutter  vor;  gut,  daß  es  nur  Feigen  und  nicht 
Ethroge  und  daß  sie  reif  und  nicht  unreif  waren." 

Die  älteste  abendländische  Version  dieser  Schnurre, 
die  auch  bei  Kuka,  S.  217  ff.  wiederkehrt,  scheint  eine  der 
Cento  novelle  antiche  zu  sein;  in  Gualteruzzis  Texte  ist 
sie  die  74.,  in   dem  Borghinis   die  73.    (Ausgabe  Milano, 


'  Cantimir  schickt  der  Erzählung  folgende  Worte  voraus:  Nos  Histo- 
riens  ajoutent  encore  une  circonstance  bien  capable  de  convaincre;  c'est 
qu'avant  l'engageraent  (gemeint  ist  die  Schlacht  von  Angora  am  20.  Juli  1402, 
in  derBajazetvon  Timur  geschlagen  und  gefangen  genommen  worden  ist)  Tamer- 
lan  qui  etoit  campe  assez  pres  de  Jenishehir,  c'est  Neapolis  de  l'Asie  mineure, 
passa  trois  jours  ä  ecouter  Nasruddin  Hoja:  ce  bouffon,  ou  plutöt  cet  Esope 
Türe  charma  si  fort  le  Prince  avec  ses  fables,  qu'il  lui  fit  oublier  de  sac- 
cager  la  ville.  le  dois  quelque  chose  ä  la  curiosite  de  raon  Lecteur,  et  je 
vais  par  maniere  de  digression  l'amuser  de  quelques  particularites  au  sujet 
de  cet  horame-lä:  je  les  prends  d'un  livre  Türe. 

15*  227 


1804  =  vol,  I  der  Raccolta  di  Novelle,  S.  193  ff,,  wo  nach 
D.  M,  Manni  eine  Parallele  gegeben  und  auf  das  Sprich- 
wort Manco  male,  ch'elle  non  iuron  pesche  verwiesen  wird; 
ed.  Biagi,  Firenze,  1880,  S,  107  ff.;  ed.  Sicardi,  Straßburg, 
o,  J.,  S,  95  ff.)  Eben  diese  Novelle,  zu  der  man  D'Ancona, 
Romania,  III,  S,  180  vergleiche,  wird  von  Seb,  Pauli  in  der 
Modi  di  dire  toscani,  zit,  Ausg.,  S,  259  ff,  nach  Menage 
zur  Erklärung  des  Sprichwortes  Fortuna  che  non  furon 
pesche  herangezogen  und  mit  der  auch  von  Clouston, 
a,  a,  0,  zitierten  Geschichte  von  dem  Feigentribute  von 
Poggibonsi  zusammengestellt.  Denselben  Stoff  behandeln 
Tomaso  Costo  in  einer  Novelle  des  5,  Tages  seines  zuerst 
1596  erschienenen  Fuggilozio,  deren  Argument  lautet:  // 
re  Francesco  donando  a  molti  gli  vien  portata  una  soma 
di  zucche  da  un  malizioso  contadino,  a  cui  son  trotte  per 
la  testa  (Venetia,  1604,  S,  331  ff,)  und  die  Arcadia  in 
Brenta,  S,  36  ff,;  mit  einem  andern  Motive  ist  er  verquickt 
bei  D'Ouville,  L Elite  des  contes  (1,  Ausg,  1641),  Paris, 
1873,  S,  48  ff,:  Autre  naivete. 

Eine  serbische  Variante  in  der  Anthropophyteia,  III, 
S,  363  ist  deshalb  bemerkenswert,  weil  sie  an  die  oben, 
S,  211  erwähnte  Strafe  des  Rhaphanizein  erinnert. 

Zweifellos  scheint  es  mir  zu  sein,  daß  dieser  Schwank 
und  die  bekannte  Fabel  von  der  Eichel  und  dem  Kürbis 
(s.  unten  Nr.  513)  in  einem  Zusammenhange  stehn. 

72.  Volksbuch,  Nr,  72;  Barker,  S,  78  ff.;  Sottisier, 
Nr.  65  (hier  wieder  von  Timur) ;  Treldi,  Nr.  72;  Griechisch, 
Nr.  104;  Serbisch,  S.  175  ff, 

Trefdi,  S.  8. 
Köhler,  I,  416  ff. 

73.  Volksbuch,  Nr.  73;  Sottisier,  Nr.  64  (von  Timur); 
Trefdi,  Nr.  73;  Griechisch,  Nr.  105;  Serbisch,  S.  HO. 
Anders  E.  Sachau,  Skizze  des  Fellichi-Dialekts  von  Mosul, 
Berlin,  1895,  S.  70,  wo  dem  Molla  Nasreddin  eingeredet 
wird,  sein  junger  Stier  sei  ein  Pferd. 

74.  Sottisier,  Nr.  224;  Volksbuch,  Nr.  74 1;  Trefai, 
Nr.  74;  Mardrus,  S.  110;  Griechisch,  Nr.   106;   Kroatisch, 


1  S.  dazu  unten  die  Aamerkung  zu  Nr.  265. 


228 


S.  90  ff.  Die  Frage,  wodurch  sich  Nasreddin  von  einem 
Esel  unterscheide,  die  bei  Mardrus  fehlt,  als  Nr.  25  bei 
Murad, 

Köhler,  I,  S.  496, 

75.  Volksbuch,  Nr.  75;  Barker,  S.  80  ff.;  Soitisier, 
Nr.  62;  Tewfik,  Nr.  39;  Nouri,  S,  114  ff.;  Trefäi,  Nr.  75; 
Griechisch,  Nr.  107  und  154;  Ta  52  naQccjuv&tce,  Athen,  o.  J., 
S.  81  ff.,  Nr.  33:  'O  Botßööag  xai  6  Naaigadif  XoVrf««-; 
Serbisch,  S,  16;  Kroatisch,  S.  15;  Murad,  Nr.  15;  Pann, 
S.  334  ff. 

Köhler,  I,  S.  496;  Fourberies,  S.  38;  Hartmann,  S.  63; 
Trefdi,  S.  12. 

Die  ausgiebigsten  Nachweise  zu  dieser  oft  behandelten 
Geschichte,  die  der  Hauptsache  nach  mit  der  4.  Novelle 
des  6.  Tages  im  Dekameron  (übersetzt  von  Wesselski, 
Leipzig,  1909,  II,  S.  228  ff.)  übereinstimmt,  gibt  Bolte  in 
seiner  Ausgabe  der  Schwankbücher  von  Montanus,  Tü- 
bingen, 1899,  S.  613  ff.  und  abgedruckt  sind  sie  bei  Lee, 
The  Decameron,  S.  177 ff.;  einige  Nachträge  bei  Hans  Sachs, 
Sämtliche  Fabeln  und  Schwanke,  III,  S.  255.  Es  sei  noch 
auf  folgende  Parallelen  verwiesen:  Le  Parangon  des  Nou- 
velles  honnestes  et  delectables  (1.  Ausg.  1531),  Paris,  1865, 
S.  36  ff.:  De  la  grue  qui  n'avoit  qu'une  cuisse;  Garibay, 
Cuentos  (Mitte  des  16.  Jahrhunderts)  bei  Paz  y  Melia, 
Sales  espanolas,  II,  S.  61;  Melchor  de  Santa  Cruz,  Floresta 
espanola  (1.  Ausg.  1574),  Bruxellas,  1598,  p.  II,  c,  2,  Nr.  62 
(vgl.Menendez  y  Pelayo,  Origenes  de  la  ^oyc/a,  II,  S.XLIII), 
schlecht  ins  Deutsche  übersetzt  bei  Chr.  Lehmann,  Exilium 
melancholiae  (1.  Ausg.  1643),  Straßburg,  1669,  E,  Nr.  75, 
S.  122 ff.;  England' s  JestsRetin'd  and  Improv'd,  3rd  Edition, 
London,  1693  bei  Ashton,  S.  291  ff.;  Zincgref -Weidner,  IV, 
S.  184;  Harsdörfer,  Ars  apophtegmatica,  S.  198,  Nr.  918; 
Merkens,  I,  S.  65  ff.,  Nr.  77. 

Die  Antwort  Nasreddins:  „Hierzulande  haben  die 
Gänse  nur  ein  Bein"  entspricht  der  Antwort,  die  in  der 
75.  Novelle  der  Gualteruzzischen  Ausgabe  der  Cento  no- 
velle  antiche  (ed.  Biagi,  Firenze,  1880,  S.  108  ff.,  ed.  Si- 
cardi,  Straßburg,  o.  J.,  S,  96  ff.)  der  Spielmann  dem  Herr- 
gott gibt:  „E  non  anno  ernioni  quelli  (chavretti)  di  questo 
paese".  Zu  dieser  Erzählung  vgl.  Bolte  bei  Montanus, 
S.  562  ff, 

229 


76.  Barker,  S.  82  ff.;  Volksbuch,  Nr.  76;  Sottisier, 
Nr,  97;  rre/di,  Nr,  76;  Griechisch,  Nr,  108;  Serbisch, 
S,  167  ff. 

Basset  in  der  RTF,  XI,  S.  498;  Trefdi,  S.  20;  Hörn, 
S,  71  (Karakusch);  Vo/Äs6ucA  (Decourdemanche),  S.  126  ff, 
(Karakusch). 

Clouston,  Noodles,  S,  86  ff, 

77.  Volksbuch,  Nr,  77;  Barker,  S,  83  ff,;  Sottisier, 
Nr,  73;  Ethe,  S.  247  ff.;  Tewfik,  Nr,  38;  Nouri,  S,  159  ff,; 
Trefdi,  Nr,  77;  Nawadir,  S,  26;  Griechisch,  Nr.  47;  Wala- 
wani,  S.  154;  Serbisch,  S,  126ff.  und  15;  Kroatisch,  S,  14 ff.; 
Pann,  S.  341. 

Köhler,  I,  496;  Clouston,  Flowers,  S.  69;  Fourberies, 
S.  40  ff.;  Trefdi,  S.  27. 

78.  Volksbuch,  Nr.  78;  Sottisier,  Nr.  191;  Tewfik, 
Nr.  6;  Trefdi,  Nr.  78;  Mardrus,  S.  97  ff.;  Nawadir,  S,  27; 
Fourberies,  Nr,  6;  Griechisch,  Nr,  140;  Serbisch,  S.  34, 

79.  Volksbuch,  Nr.  79;  Barker,  S.  84  ff.;  Sottisier, 
Nr.  229;  Tewfik,  Nr.  65;  Nouri,  S.  172  ff.;  Trefdi,  Nr,  79; 
Nawadir,  S,  27;  Kuka,  S,  218;  Fourberies,  Nr.  57;  Griechisch, 
Nr,  21;  Serbisch,  S,  20  ff.;  Kroatisch,  S.  25  ff.;  Murad, 
Nr.  26.   Vgl.  auch  unten  Nr.  495. 

Clouston,  Noodles,  S,  90;  Gazeau,  S,  204;  Fourberies, 
S.  59:  Basset  in  der  RTF,  XI,  S.  498;  Hartmann,  S,  52. 

Vgl.  die  1.  Karakuschgeschichte  im  Volksbuch  (De- 
courdemanche),  S,  116,  die  wieder  mit  einer  Dschoha- 
geschichte  im  Nuzhat  al  udaba  (Basset  im  Keleti  Szemle, 
I,  S.  221,  Nr.  1;  Basset  in  der  RTF,  XI,  S,  498)  überein- 
stimmt. Als  älteste  Version  darf  aber  wohl  die  28.  Facetie 
im  Philogelos  gelten; 

JSjfoAaffrtxoiJ  lof  ect/Ti)(ftQa  xvmv  iiaxev.  6  6i  tlntv  •  ii 
tö  Ijuaitof  inlaaev,  i<f/ia/uiyoy  av  tjy. 

80.  Volksbuch,  Nr,  80;  Barker,  S.  85  ff.;  Sottisier, 
Nr.  50;  Nouri,  S.  22  ff.;  Trefdi,  Nr.  80;  Nawadir,  S.  27; 
Griechisch,  Nr.  51;  Serbisch,  S.  181  ff. 

Hartmann,  Der  islamische  Orient,  I,  Berlin,  1905,  S,  182 
aus  dem  zentralasiatischen  Volksbuche  von  Meschreb,  dem 
weisen  Narren. 

230 


81,  Volksbuch,  Nr.  81;  Sottisier,  Nr,  32;  Ethe,  S,  243; 
Nouri,  S.  222  ff.;  Trefdi,  Nr.  81;  Nawadir,  S.  27;  Griechisch, 
Nr.  52;  Kroatisch,  S.  79  ff.   Vgl.  auch  unten  Nr.  510, 

Köhler,  I,  496  ff.;  Fourberies,  S,  33  ff.;  Trefdi,  S,   12. 

Die  Literatur  über  den  Dieb  auf  dem  Mond- 
strahle ist  zusammengestellt  bei  Chauvin,  II,  S.  84  und 
IX,  S.  31;  dazu  Kuka,  S.  238  ff. 

82,  Barker,  S.  86  ff.;  Volksbuch,  Nr.  82;  Sottisier, 
Nr,  104;  Nouri,  S.  170  ff.;  Trefdi,  Nr,  82;  Nawadir,  S,  28; 
Griechisch,  Nr,  53;  Serbisch,  S,  173  ff,;  Kroatisch,  S,  99  f f . 

83,  Sottisier,  Nr.  7;  Volksbucfi,  Nr.  83;  Trefdi,  Nr,  83; 
Griechisch,  Nr.  54. 

Trefdi,  S.  19  ff. 

Vgl,  die  allerdings  von  unserer  Fassung  etwas  ab- 
weichende, aber  mit  Buadem,  Nr,  133  übereinstimmende 
658.  Erzählung  bei  Bar-Hebraeus,  S.  166,  die  mit  Wesselski, 
Möncfislatein,  Nr,  134  zusammenzustellen  ist;  zu  den  dort, 
S.  247  und  bei  Bebel,  I,  S,  132  ff.  gegebenen  Nachweisen 
kommen  noch:  Kuka,  S.  161,  Tales  and  Quicke  Answeres, 
Nr.  83  (Hazlitt,  I,  S.  101),  Domenichi,  Facetie,  1548, 
Bl  K4b  (nach  Gastius),  Doni,  /  Marmi,  Vinegia,  1552,  II, 
S.  49  ff.,  Archie  Armstrong' s  Banquet  of  Jests  (1.  Ausg. 
einfach  als  Banquet  of  Jeasts  1630),  Edinburgh,  1872, 
S.  218  ff.,  Certayne  Conceyts  and  Jests,  Nr.  23  (1.  Ausg. 
1609),  bei  Hazlitt  III,  S,  11,  Lehmann,  Exilium  melan- 
cfioliae,  D,  Nr.  14,  S.  85,  Harsdörfer,  Ars  apophtegmatica, 
S.  94,  Nr.  416,  Schupp,  Schrifften,  S.  372,  Joe  Millers  Jests, 
London,  o.  J,  (ca.  1750),  S,  %,  Nr,  547  und  Swynnerton, 
S,  300  ff. 

Eine  Geschichte  der  kroatischen  Ausgabe,  S,  102  er- 
zählt folgendes: 

Als  Nasreddin  einmal  mit  seinem  Sohne  in  einem 
Bette  schlief,  hörten  sie  mitten  in  der  Nacht,  wie  sich 
zwei  Diebe  ins  Zimmer  schlichen,  und  der  eine  ging  auf 
die  eine  Seite,  der  andere  auf  die  andere.  Nasreddin  stieß 
seinen  Sohn  und  sagte  ihm  ins  Ohr:  „Das  sind  Dumm- 
köpfe; sie  werden  gar  nichts  finden." 

„Ich  werde  sie  erschrecken,"  sagte  der  Sohn. 

„Nein,  du  mußt  schweigen;  ich  habe  eine  stärkere 
Stimme  und  werde  so  schreien,  daß  sie  erschrecken,  und 

231 


vielleicht  verliert  dann  einer  etwas,  was  er  anderswo  ge- 
stohlen hat  und  was  wir  brauchen  können." 

Ähnlich  ist  folgende  Facetie  bei  Domenichi,  1562, 
S,  55  (1581,  S.  66): 

Ghino  pouero  inuitö  vna  notte  Spachino  a  dormire 
seco,  et  la  notte  mentre  dormiuano,  entrö  vn  ladro  in 
casa,  e  andaua  ruspando  per  rubare  qualche  cosa,  II  che 
sentendo  Spachino  toccö  Ghino  (dicendo):  e  vn  ladro? 
Disse  allhora  Spachino:  lo  vuö  gridare,  che  forse  gli 
caderä  qualche  cosa. 

Mit  dieser  Schnurre  stimmt  der  Zigeunerschwank  bei 
Roda  Roda,  S.  156  überein, 

84.  Soitisier,  Nr,  79;  Volksbuch,  Nr.  84;  Nouri,  S.  93; 
Trefäi,  Nr.  84;  Griechisch,  Nr.  55. 

Vgl.  Pauli,  Schimpf  und  Ernst,  Anhang,  Nr.  35, 
S.  413  ff.;  Hans  Sachs,  Schwanke,  IV,  Nr.  302,  S.  100  ff,; 
Wickram,  Rollwagenbüchlein,  Nr.  91,  S.  118  ff.;  Kirchhof, 
Wendunmuth,  1,  Nr.  373,  S,  410;  Aurbacher,  Volksbüchlein, 
I,  S.  125  ff, 

85.  Volksbuch.  Nr,  85;  Sottisier,  Nr,  267;  Trefdi,  Nr.  85; 
Griechisch  Nr,  56, 

86.  Sottisier,  Nr.  268;  Volksbuch,  Nr.  86;  Trefäi,  Nr.  86; 
Griechisch,  Nr.  57. 

87.  Volksbuch,  Nr.  87;  Barker,  S.  87  ff.;  Sottisier, 
Nr.  279;  Nouri,  S.  92;  Trefdi,  Nr.  87;  Nawadir,  S.  28 
(Basset  RTP,  VI,  S.  304);  Griechisch,  Nr,  45;  Serbisch, 
S.  118  ff. 

Galland,  S,  17;  Fourberies,  S.  64. 

88.  Volksbuch,  Nr.  88;  Trefdi,  Nr.  88;  Nawadir,  S.  28; 
Griechisch,  Nr,  46. 

89.  Volksbuch,  Nr.  89;  Barker,  S,  88  ff.;  Sottisier, 
Nr.  80;  Ethe,  S,  242  ff.;  Nouri,  S.  96;  Trefdi,  Nr.  89; 
Nawadir,  S.  28;  Fourberies,  Nr.  26;  Griechisch,  Nr,  49; 
Serbisch,  S.  38  ff-;  Kroatisch,  S.  87. 

Gazeau,  S,  204;  Fourberies,  S.  41;  Trefdi,  S.  22, 

232 


90.  Volksbuch,  Nr.  90;  Sottisier,  Nr.  163;  Trefdi,  Nr.  90; 
Nawadir,  S.  28;  Griechisch,  Nr.  50;  Murad,  Nr.  6. 

Vgl.  Recueil,  1555,  S.  83  ff.,  nouv.  14:  D'un  superstitieux 
medecin,  qui  ne  vouloit  rire  avec  sa  femme,  si  non  quand  il 
plouvoit,  et  de  la  bonne  fortune  de  ladicte  femme  apres 
son  trespas  (deutsch  bearbeitet  von  Kirchhof,  Wendunmuth, 
B.  III,  Nr.  241)  =  Aventures,  1556,  S,  108  ff.,  nov.  18  =  Les 
joyeuses  Aventures  et  nouvelles  Recreations,  Paris,  1577, 
Bl,  46a  ff„  devis  13  =  Des  Periers,  S.  289  ff.,  nouv.  95. 

91.  Volksbuch,  Nr.  91;  Sottisier,  Nr.  306;  Trefäi,  Nr.  91; 
Griechisch,  Nr.  121, 

92.  Volksbuch,  Nr.  92;  Sottisier,  Nr.  196;  Trefdi,  Nr.  92; 
Mardrus,  S.  116  ff.;  Nawadir,  S.  29;  Griechisch,  Nr.  122. 

Gazeau,  S.  204  ff. 

93.  Volksbuch,  Nr.  93;  Sottisier,  Nr.  307;  Trefäi,  Nr,  93; 
Nawadir,  S.  29;  Griechisch,  Nr.  133;  Serbisch,  S.  187. 

94.  Volksbuch,  Nr.  94;  Barker,  S.  89;  Sottisier,  Nr.  308; 
Trefäi,  Nr,  94;  Nawadir,  S.  29;  Fourberies,  Nr.  28; 
Griechisch,  Nr,  123;  Serbisch,  S.  179. 

95.  Volksbuch,  Nr.  95;  Barker,  S.90;  Sottisier,  Nr,  309; 
Trefdi,  Nr.  95;  Nawadir,  S.  29;  Griechisch,  Nr.  132; 
Serbisch,  S.  112. 

96.  Barker,  S.  90  ff.;  Volksbuch,  Nr.  96;  Sottisier, 
Nr,  17;  Nouri,  S.  26  ff.;  Trefdi,  Nr.  96;  Nawadir,  S.  29; 
Fourberies,  Nr.  44;  Reinisch,  Nuba-Sprache,  I,  S.  162 
(=  Basset,  Contes  populaires  d'Afrique,  S,  137:  Joha  et 
les  souliers);  Griechisch,  Nr.  134;  Serbisch,  S.  171  ff.; 
Kroatisch,  S.  65  ff. 

Fourberies,  S.  31  und  79;  Trefäis,  S.  27. 

Vgl,  folgende  Schnurre  bei  Doni,  Rime  del  Burchiello, 
Vinegia,  1553.  S.  148: 

Batista  de  Peruzzi  fu  un  ceruello  ombroso,  ende  la 
State  quando  s'andaua  a  bagnare,  come  s'era  spogliato 
nudo,  si  cigneua  un  pugnale  sfoderato  dietro  alle  reni,  et 
entraua  sotto  acqua.  Vna  volta  gli  fu  domandato,  per  che 
portaua  l'arme  sotto  l'acqua.     O,  disse  egli,  tu  sei  sciocco, 

233 


a  colui  che  gne  ne  dimandö;  che  diauol  so  io,  chi  ci  sia 
qua  sotto. 

97.  Sottisier,  Nr,  47;  Volksbuch,  Nr.  97;  Barker, 
S.  91  ff.;  Nouri,  S.  214  ff.;  Trefdi.  Nr.  97;  Mardrus,  S.lOOff.; 
Nawadir,  S.  29;  Pharaon,  S.  204  ff.;  Fourberies,  Nr.  18; 
Griechisch,  Nr.  135;  Serbisch,  S.  140  ff. 

Köhler,  I,  S.  497;  St.  Prato  in  der  RTF.  II,  S.  503  ff.; 
Gazeau,  S.  205;  Fourberies,  S.  36;  Trefdi,  S.  17. 

Ispirescu,  S.  3  (Gaster  im  Magazin,  XCVI,  S.  564). 
Chauvin  (VIII,  S.  158)  stellt  diesen  Schwank  mit  der 
großen  Reihe  von  Erzählungen  zusammen,  wo  es  sich  um 
eine  Scheinzahlung  für  eine  Scheinleistung 
handelt. 

Eine  ähnliche  Ableitung  des  Anspruchs,  als  nahe- 
stehender zu  gelten,  findet  sich  im  Nuzhat  al  udaba 
(Basset  in  der  RTF,  XIII,  S.  667): 

Man  erzählt,  daß  ein  Parasit  zu  einer  Hochzeit  ge- 
kommen, aber  weggejagt  worden  ist.  Da  schrie  er:  „Un- 
glück über  euch,  einen  Menschen,  wie  ich  bin,  wegzu- 
jagen!" „Und  wer  bist  du  denn?"  „Ich  bin  der  Nachbar 
des  Tischlers,  der  den  Leisten  für  den  Schuster  gemacht 
hat,  der  den  Schuh  der  Braut  genäht  hat!" 

98.  Sottisier.  Nr.  112;  Volksbuch,  Nr.  98;  Barker,  S.  93; 
Trefdi,  Nr.  98;  Griechisch,  Nr.  111;  Serbisch,  S.  174. 

99.  Volksbuch,  Nr.  99;  Barker,  S.  93  ff.;  Sottisier, 
Nr.  310;  Trefdi,  Nr.  99;  Nawadir,  S.  30;  Griechisch  Nr.  126. 

Trefdi,  S.  23. 

100.  Barker,  S.  94  ff.;  Volksbuch,  Nr.  100;  Trefdi, 
Nr.  100;  Griechisch,  Nr.  127. 

Der  zweite  Teil  für  sich  allein:  Buadem,  Nr,  8;  Ser- 
bisch, S,  54;  Kroatisch,  S.  31. 

Der  Reiter,  der  sein  Pferd  nicht  kennt 
usw.  kehrt  in  der  90.  Facetie  Poggios  wieder:  Jocatio 
cuiusdam  Veneti  qui  equum  suum  non  cognoverat;  auf 
dieser  beruhen  die  Nr,  72  der  Tales  and  Quicke  Answeres 
(Haziitt,  I,  S.  91  ff.),  die  Nr.  19  der  Fleasant  Conceites  of 
cid  Hobson  the  Merry  Londoner  (Haziitt,  III,  S.  33  ff.) 
und  der  erste  Teil  des  40.  Kapitels  des  Laienbuchs  (v.  d. 

234 


Hagen,  Narrenbuch,  S,  197  ff,;  Das  Laienbuch,  Stuttgart, 
1839,  S,  142),  Vgl.  auch  die  24.  Novelle  bei  Des  Periers, 
zit.  Ausg.  S.  112  ff. 

Der  zweite  Teil  des  Schwankes  (Verkehrt  auf- 
sitzen) hat  zwei  Parallelen  in  Costos  Fuggilozio,  zit. 
Ausg.  S.  118:  Gofferia  d'un  Veneziano  caualcando,  e  sua 
accorta  risposta  und  S.  163  ff.:  Risposfa  mordace  d'un 
Buffone,  deren  zweite  eine  obszöne  Begründung  bringt. 

101.  Soitisier,  Nr.  82;  Volksbuch,  Nr.  101;  Barker, 
S.  95  ff.;  Nouri,  S,  38;  Trefdi,  Nr.  101;  Griechisch,  Nr.  128. 

Gazeau,  S.  205. 

102.  Volksbuch,  Nr.  102;  Barker,  S.96;  Trefdi,  Nr.  102; 
Griechisch,  Nr.  129. 

103.  Volksbuch,  Nr.  103;  Barker,  S.  97;  Sottisier, 
Nr.  311;  Trefdi,  Nr.  103;  Nawadir,  S.  30;  Griechisch, 
Nr.  130;  Serbisch,  S.  112. 

104.  Volksbuch,  Nr.  104;  Barker,  S.  97  ff.  (anders); 
Sottisier,  Nr.  312;  Tewfik,  Nr,  27;  Nouri,  S.  97;  Trefdi, 
Nr.  104;  Nawadir,  S.  30;  Griechisch,  Nr.  131  und  21;  Ser- 
bisch, S.  23;  Kroatisch,  S.  10. 

Clouston,  Noodles,  S.  91;  Gazeau,  S.  205  ff.;  Four- 
beries,  S.  68;  Hartmann,  S.  65. 

105.  Volksbuch,  Nr.  105;  Sottisier,  Nr.  313;  Trefdi, 
Nr.  105;  Nawadir,  S,  30;  Griechisch,  Nr,  86. 

Köhler,  I,  S.  497;  Fourberies,  S.  68  (die  Schnurre 
findet  sich  schon  in  dem  Rabi  al  abrar  des  1143  verstorbe- 
nen Zamachschari). 

Vgl,  die  von  Bolte  zu  Wickram,  Nr.  39,  S.  372  zu- 
sammengestellte Literatur. 

106.  Volksbuch,  Nr.  106;  Sottisier.  Nr.  314;  Tewfik, 
Nr.  26;  Trefdi,  Nr,  106;  Nawadir,  S.  30;  Griechisch,  Nr.  64; 
Serbisch,  S.  29;  Kroatisch,  S.  10, 

Hörn,  S.  69  (eine  ältere  Version  bei  Zakani). 

107.  Volksbuch,  Nr.  107;  Sottisier,  Nr.  190;  Nouri, 
S.  144  ff.;  Trefdi,  Nr.  107;  Mardrus,  S.  116;  Nawadir,  S.  30; 
Griechisch,  Nr.  65;  Serbisch,  S.  41  ff, 

235 


108-  Volksbuch,  Nr,  108;  Sottisier.  Nr.  108;  Buadem, 
Nr,  26;  Trefäi,  Nr,  106;  Nawadir,  S,  30;  Griechisch,  Nr.  64; 
Serbisch,  S,  29;  Kroatisch,  S,  10, 

109,  Volksbuch,  Nr,  109;  Sottisier,  Nr,  315;  Trefdi. 
Nr,  108;  Griechisch,  Nr.  67;  Serbisch,  S.  185;  Vgl.  auch 
oben  Nr,  10. 

Trefäi,  S,  18. 

Vgl.  weiter  Reinisch,  Die  Nuba-Sprache,  I,  S,  179  ff, 
und  A,  de  Motylinski,  Dialogue  et  iextes  en  dialecte  de 
Djerba,  Paris,  1898,  S,  24  ff,  =  Basset,  Contes  populaires 
d'Ahique,  S,  23  ff, 

110,  Volksbuch,  Nr,  110;  Sottisier,  Nr.  264  +  290; 
Trefdi,  Nr.  HO;  Griechisch,  Nr.  62;  Serbisch,  S.  115  ff. 

Gazeau,  S.  206. 

Am  nächsten  den  occidentalen  Varianten  der  im 
zweiten  Teile  des  Schwankes  erzählten  Geschichte  steht 
Panns  Gedicht,  S.  351  ff.,  dessen  Inhalt  kurz  ist,  wie  folgt: 
Da  der  Hodscha  Nastratin  Geld  hat,  schickt  er  seinen 
Sohn  in  die  Fremde  studieren,  und  der  kommt  zur  Freude 
seiner  Eltern  mit  den  besten  Zeugnissen  heim.  Als  er  nun 
die  erste  Nacht  im  väterlichen  Hause  verbringt,  sieht  er 
auf  der  Decke  Kuhmist  kleben.  Es  ist  ihm  unerklärlich, 
wie  es  die  Kuh  angestellt  haben  müsse,  um  dort  oben  ihren 
Mist  abzulagern;  er  sieht  in  der  Mechanik,  in  der  Mathe- 
matik und  in  andern  Büchern  nach,  kann  aber  die  Lösung 
nicht  finden.  Am  Morgen  kommt  sich  seine  Mutter  er- 
kundigen, wie  er  geschlafen  habe,  und  da  erzählt  er  ihr, 
welche  Überlegungen  ihn  um  seinen  Schlaf  gebracht 
hätten.  Auf  die  Antwort  der  Mutter,  daß  das  Brett  früher 
im  Hofe  gelegen  habe,  wo  es  wahrscheinlich  von  irgend- 
einem Rinde  beschmutzt  worden  sei  usw.  meint  er,  daß 
man  ihm  auf  den  fremden  Schulen  die  Dinge  nie  so  gut  er- 
klärt habe  wie  seine  Mutter,  die  den  besten  Professor  für 
ihn  abgegeben  hätte.  Sie  ist  nunmehr  überzeugt,  daß  ihr 
Sohn  ein  ebensolcher  Dummkopf  bleiben  werde  wie  sein 
Vater  Nastratin. 

Zu  dieser  Form  des  Schwankes  haben  Köhler,  I, 
S.  497  ff.,  Bolte  in  der  ZW,  VII,  S.  465  ff.  und  XI,  S.  76, 
Basset  in  den  Fourberies,  S,  65  und  Waas  in  den  Quellen 

236 


der  Beispiele  Boners,  Dortmund,  1897,  S.  71  Parallelen 
beigebracht.  Ich  nenne  dazu  noch  die  folgenden:  The 
Jests  of  Scogin  bei  Hazlitt,  II,  S,  71;  Archie  Armstrongs 
Banquet  of  Jests,  S,  359;  Lehmann,  Florilegium  politicum, 
S.  738;  V,  Brunei,  Faceties  normandes,  Nr.  5  in  der  RTF, 
11,  S.  108  ff.;  A.  Harou,  Faceties  des  coperes  de  Dinant, 
Nr,  2  in  der  RTF,  IV,  S.  482  ff,;  Ch.  Beauquier,  Blason 
populaire  de  la  Franche-Comte  in  der  RTF,  XI,  S-  646; 
G,  Calvia,  Facexie  sopra  gli  abitanti  di  Sorso  in  Sar-^ 
degna,  Nr.  6  im  Archivio,  XXI,  S,  380,  und  Anthropo- 
phyteia,  V,  S,  338  ff.  Weiter  folge  hier  die  oben  bei 
Nr.  52  angezogene  Stelle  aus  Euch.  Eyering,  Proverbiorum 
copia,  Eißleben,  1601,  S.  591  ff,: 

Hernach  bald  an  dem  dritten  tag 
Der  Doctor  biß  vmb  neune  lag, 
Vnd  lag  verjrt  in  seinem  bett. 
Sich  eins  Kuhdrecks  verwundern  thet. 
Des  er  gewar  wurd  an  der  deck. 
Klebt  oben  an  der  dil  der  dreck, 
Wist  nicht,  wie  die  Kuh  kommen  nauff, 
Vnd  als  er  jetzt  gstanden  auff. 
Fragt  er  den  Vater  vmb  bericht. 
Der  ward  traurig  vnd  zu  jm  spricht: 
Du  geck,  wie  magstu  darnach  fragen; 
Do  solche  dil  im  hoff  noch  lagen, 
Die  Kuh  drüb  ging  vnd  darauff  schiß, 
Vnd  also  nauff  genagelt  iß. 
Eins  mals  trat  er  für  seine  Thür, 
Hengt  aus  vnd  zinselt  von  Natur, 
Vergaß  des  Cuius  vnuerwart, 
Sah  an  die  Sonn  vnd  dran  vernart, 
Gieng  nein  vnd  thet  zum  Vater  jehen. 
Wie  er  die  Sonn  jtzt  drauß  gesehen; 
Sprach:  Vater,  wie  ich  drauß  thet  stan, 
Die  Sonn  eben  gesehen  an, 
Bedüncket  mich  in  alle  meim  Sinne, 
Sie  gleich  der  zu  Venedig  drinnen. 
Der  Vater  schrack  des  noch  viel  mehr, 
Sprach:  Wo  ist  deine  Kunst  und  lehr? 
Ach  weh  meins  Gelts,  du  nerrisch  Kind, 
Meinstu,  das  auch  zwo  Sonnen  sind? 

237 


Von  dir  wird  man  diß  Sprichwort  sagen, 
Ein  Ganß  sey  vbers  Meer  geflogen, 
Ein  Ganß  auch  wider  kommen  dar, 
Die  singt  Jtzt  Gack  Gack  gleich  wie  vor. 

Endlich  sei  noch  auf  Lehmanns  Exilium  melancholiae, 
R,  Nr.  99,  S,  377  verwiesen,  das  analog  wie  Bütner,  Von 
Claus  Narren,  S.  154  ff.  (Zincgref-Weidner,  V,  S.  151  ff.) 
folgendermaßen  erzählt: 

Ein  Pennal,  als  ihm  einer  Roßfeigen  in  die  Schuch 
gelegt,  verwundert  er  sich  darüber,  wie  nur  das  Pferd  muß 
in  die  Schuch  kommen  seyn. 

111.  Barker,  S.  98  ff.;  Volksbuch,  Nr.  111;  Sottisier, 
Nr,  58;  Trefäi,  Nr.  110;  Nawadir,  S,  31;  Griechisch,  Nr,  63; 
Serbisch,  S,  119  ff. 

112.  Sottisier,  Nr.  230;  Volksbuch,  Nr.  112;  Tewfik, 
Nr.  14  =  Trefäi,  Nr.  146;  Nawadir,  S.  31;  Griechisch, 
Nr.  125;  Serbisch,  S.  39  ff.;  Kroatisch,  S.  7. 

113.  Volksbuch,  Nr.  113;  Barker,  S.  99  ff.;  Sottisier, 
Nr.  295;  Ethe,  S,  249  ff,;  Nouri,  S,  211  ff,;  Tretai,  Nr.  111; 
Nawadir,  S,  31;  Kuka,  S,  218  ff,;  Fourberies,  Nr,  45;  Grie- 
chisch, Nr,  58;  Serbisch,  S,  38;  Kroatisch,  S,  81, 

Gazeau,  S.  206;  Clouston,  Flowers,  S,  68;^  Fourberies, 
S,  66;  Trefäi,  S.  22. 

Der  Schwank  ist  nur  eine  Variante  einer  Erzählung 
aus  Tausend  und  einer  Nacht  (übertragen  von  Henning, 
Leipzig,  1895  ff.,  II,  S.  77  ff.) ;  vgl,  dazu  Chauvin,  V,  S.  159, 

114.  Volksbuch,  Nr,  114;  Sottisier,  Nr,  59;  Trefäi, 
Nr,  112;  Nawadir,  S,  31;  Griechisch,  Nr,  59;  Serbisch, 
S,  120, 

115.  Volksbuch,  Nr,  115;  Nouri,  S.  83  ff,;  Trefäi, 
Nr,  113;  Nawadir,  S,  32;  Griechisch,  Nr,  60;  Serbisch, 
S.  154, 

Köhler,  I,  S,  498;  Clouston,  Flowers,  S,  69  ff,;  Trefäi, 
S.  83  ff. 

Vgl,  A,  L,  Stiefels  Abhandlung  Der  Schwank  von  den 
drei  Mönchen,  die  sich  den  Mund  verbrannten  in  der  ZW, 

238 


XIII,  S.  88  ff.  (Arienti,  nov.  46;  Pauli,  Nr.  672;  Agricola, 
Nr.  505;  Waldis,  Esopus.  III,  Nr.  90  und  A  Hundred  Mery 
Talys,  Nr.  97).  Arienti  bietet  aber  nicht  die  älteste  Dar- 
stellung; vielmehr  zitiert  S,  v.  Arx,  Giovanni  Sabadino 
degli  Arienti  und  seine  Porretane,  Erlangen,  1909,  S.  85 
zwei  ungefähr  dasselbe  wie  Arientis  Novelle  erzählende 
Oktaven  aus  Luigi  Pulcis  Morgante,  c.  16  (zuerst  ge- 
druckt 1482,  aber  zwischen  1460  und  1470  verfaßt). 

116.  Volksbuch,  Nr.  116;  Soitisier,  Nr.  129;  Trefäi, 
Nr.  114;  Mardrus,  S.  106  ff.;  Nawadir.  S.  32. 

117.  Volksbuch.  Nr.  117;  Barker,  S.  100  ff.;  Sottisier, 
Nr.  316;  Nouri,  S.  33  ff.;  Trefdi,  Nr.  115;  Nawadir,  S.  32; 
Kuka,  S.  219;  Griechisch,  Nr.  87;  Serbisch,  S.  130  ff.;  Kroa- 
tisch, S.  66  ff. 

Trefdi,  S.  22. 

118.  Volksbuch,  Nr.  118;  Sottisier.  Nr.  317;  Trefdi. 
Nr.  116;  Nawadir,  S.  33;  Griechisch,  Nr,  88. 

119.  Volksbuch,  Nr.  119;  Sottisier,  Nr,  318;  Trefdi, 
Nr.  117;  Nawadir,  S,  33;  Griechisch,  Nr.  89;  Serbisch, 
S.  118. 

120.  Volksbuch,  Nr.  120;  Barker,  S.  101  ff.;  Nouri, 
S.  137  ff.;  Trefdi,  Nr.  118;  Nawadir,  S.  33;  Fourberies, 
Nr.  17;  Griechisch,  Nr.  90, 

Clouston,  Flowers.  S.  68  ff,;  Basset,  Zenatia,  S,  172; 
Hartmann,  S,  64, 

121.  Volksbuch,  Nr,  121;  Sottisier.  Nr,  75  (Schluß); 
Tewfik,  Nr.  45;  Trefdi.  Nr.  119;  Griechisch,  Nr,  68;  Ser- 
bisch, S.  26;  Kroatisch,  S.  17, 

Vgl.  oben  die  Nrn.  49,  46  und  66,  ferner  unten  Nr.  141 
und  382. 

Eine  serbische  Erzählung  (S,  137  ff.)  lautet: 
Eines  Morgens  stand  der  Hodscha  Nasreddin  sehr  früh 
auf  und  wollte  in  Geschäften  ins  Dorf  gehn.  Die  Nach- 
barn hatten  sich  aber  besprochen,  sich  mit  ihm  einen 
kleinen  Spaß  zu  machen.  Als  er  sein  Haus  verließ,  fragten 
sie  ihn:  „Wohin  gehst  du,  Hodscha?" 

239 


„Ins  Dorf." 

„Wie  kannst  du  denn  ins  Dorf  gehn,  wo  du  doch 
gestern  Abend  gestorben  bist?  Wir  sind  gekommen,  um 
dich  wegzutragen  und  zu  begraben,  wie  es  unsere  Pflicht 
als  Nachbarn  ist,  und  du  willst  ins  Dorf!" 

„Laßt  mich  nur  gehn,"  sagte  Nasreddin;  „wenn  ich 
zurückkomme,  dann  meinetwegen." 

„0  nein,"  schrien  alle;  „wie  könnten  wir  das  zu- 
geben? Geh  sofort  wieder  heim,  damit  wir  dich  für  das 
Begräbnis  herrichten." 

Nasreddin  konnte  sich  nicht  von  ihnen  losmachen. 
Die  Nachbarn  wuschen  ihn  tüchtig,  wie  man  einen  Leich- 
nam wäscht,  legten  ihn  in  einen  Sarg  und  trugen  ihn  zur 
Moschee,  Unterwegs  begegnete  ihnen  ein  Bekannter,  ein 
gesetzter  Mann;  er  hatte  wenig  Zeit  und  eilte  in  seinen 
Geschäften.  Die  Nachbarn  wollten  ihn  zwingen,  mit  ihnen 
zu  gehn,  er  aber  entschuldigte  sich,  daß  er  eine  notwendige 
Verrichtung  habe,  und  Gott  werde  es  ihm  nicht  verübeln, 
daß  er  an  dem  Leichenbegängnis  nicht  teilnehmen  könne. 

Aber  das  half  ihm  nichts,  und  als  er  sich  durchaus 
losmachen  wollte,  hob  der  Hodscha  den  Kopf  aus  dem 
Sarge  und  sagte  zu  ihm:  ,,Du  versuchst  vergebens,  Freund, 
dich  ihrer  zu  erwehren;  das  gelingt  niemand.  Ich  habe 
wirklich  eine  wichtigere  Arbeit  gehabt  als  du;  aber  was 
tut  das,  wenn  mich  diese  Horde  nicht  einmal  reden  läßt!" 

Zu  dem  Motive  vom  eingebildeten  Toten 
siehe  weiter  außer  Bebel,  I,  S.  169  ff.  (dazu  hauptsächlich 
^j  Cl^uvin,   VIII,    S.   98,    ferner   Rittershaus,    S.    359  ff.)    die 

Noten  auf  S,  265  ff.  meiner  Ausgabe  von  Morlinis  Novellen, 
München,  1908  und  die  149.  Facetie  Arlottos  (II,  S.  151  ff.); 
eine  eigentümliche  Variante  bietet  die  10.  Adventure  bei 
Mackenzie,  The  Marvellous  Adventures  and  Rare  Conceits 
of  Master  Tyll  Owlglass,  London,  1890,  S,  50  ff. 

122.  Volksbuch.  Nr.  122;  Barker,  S.  103;  Sottisier, 
S.  319;  Trefdi,  Nr.  120;  Nawadir,  S.  33;  Griechisch,  Nr.  69; 
Serbisch,  S.  42  ff. 

Vgl,  Buadem,  Nr.  140, 

123.  Volksbuch.  Nr.  123;  SoHisier.  Nr.  320;  Buadem, 
Nr.  115;  Nouri,  S.  188  ff.;  Trefdi.  Nr.  121;  Nawadir.  S.  33; 
Griechisch,  Nr.  70;  Serbisch,  S.  92  ff.;  Kroatisch,  S,  63. 

240 


124.  Volksbuch,  Nr.  124;  Sottisier.  Nr.  28;  Nouri, 
S.  226  ff.;  Trefäi,  Nr.  122;  Nawadir,  S.  34;  Kuka,  S.  219 
(zwar  nicht  von  Nasreddin,  aber  mitten  unter  den  auf  ihn 
bezüglichen  Anekdoten);  Griechisch,  Nr.  71;  Serbisch, 
S.  172  ff. 

Köhler,  I,  S.  498;  Gazeau,  S.  207;  Clouston,  Noodles. 
S.  92;  Fourberies,  S.  33;  Basset  in  der  RTF,  XI,  S.  496; 
Trefai,  S.  11  ff. 

Zu  der  Rettung  des  Mondes  vgl.  weiter: 
Müllenhoff,  Sagen,  Märchen  und  Lieder  der  Herzogthümer 
Schleswig  Holstein  und  Lauenburg,  4.  Aufl.,  Kiel,  1845, 
Nr.  111,  S.  95  (nur  erwähnt);  E.  Meier,  Deutsche  Sagen, 
Sitten  und  Gebräuche  aus  Schwaben,  Stuttgart,  1852,  II, 
Nr.  402,  S.  361  =  Merkens,  I,  S.  16,  Nr.  21;  Bronner, 
Bayerisches  Schelmen-Büchlein,  S.  105  ff.,  189  ff.  und  190; 
Am  Ur-Quell,  III,  S.  29  (jüdisch  aus  Chelm);  V.  Brunet, 
Faceties  normandes,  Nr.  11:  La  lune  prise  au  piege  in  der 
RTF,  II,  S.  211  ff.;  J.  de  Chesnaye,  Blasons  populaires  de 
la  Vendee,  Nr.  1  in  der  RTF,  XXII,  S.  88;  G.  Amalfi, 
J.  Chiochiari  nel  mandamento  di  Tegiano  im  Archivio, 
VII,  S.  132;  Ispirescu,  S.  103  (Gaster  im  Magazin,  XCVI, 
S.  613  ff.) ;  Veckenstedt,  Zamaiten,  I,  S.  235  ff.;  Jacobs, 
English  Fairy  Tales,  3rd  Ed.,  London,  1907,  S.  13  ff. 

In  andern  Versionen  wird  ein  Esel  getötet,  weil  man 
meint,  er  habe  den  Mond,  der  sich  im  Wasser  gespiegelt 
hat,  ertrunken:  Ortoli,  Les  contes  populaires  de  l'ile  de 
Corse,  Paris,  1883,  S.  252  ff.:  U  Bastelicacciu  et  son  äne; 
Blade,  Contes  populaires  de  la  Gascogne,  III,  S.  142  ff,: 
L'äne  de  Montastruc;  vgl.  hierzu  Köhler,  I,  S.  498  und  90 
und  Clouston,  Noodles,  S.  45.  Hierher  gehört  auch  fol- 
gende Historia  von  Klaus  Narr,  S.  478  ff.  (gekürzt  bei 
Zincgref-Weidner,  V,  S.  171): 

Clauß  stund  in  einem  Fenster  im  Saale,  am  abend  da 
der  Mond  schiene  vnnd  der  Himmel  voll  Sternen  stund,  die 
sähe  er  klar  vnd  hell  in  dem  Wasser  herwider  leuchten, 
vnd  dachte,  der  Himmel  mit  den  Sternen  würde  ersauffen, 
gieng  von  demselben  Fenster  hinweg,  an  ein  anders,  vnd 
sähe  die  Sternen  im  Wasser  wie  vor,  doch  nicht  alle,  vnd 
sprach:  Es  wird  der  gantze  Himmel,  als  ich  sehe,  nicht 
ersauffen.  Zu  letzt  kam  er  an  ein  Fenster,  von  dem  er 
nicht  in  das  Wasser  sehen  kondte,  vnnd  sähe  auch  keinen 
Sternen  mehr,  da  rieff  er:  Zu  Beth,  lieben  Brüder,  zu  Beth, 

Nasreddin,   I.  Iß  241 


die  Liechter  am  Himmel  sind  alle  verbronnen,  aber  die 
Sternen  sind  alle  wider  auß  dem  Wasser,  vnnd  ist  nicht 
einer  verbronnen. 

In  dem  26.  Stücke  der  von  E.  Chavanne  übersetzten 
Fahles  et  contes  de  l'Inde,  extraits  du  Tripitaka  chinois 
(Actes  du  XIVc  congres  international  des  orientalistes, 
Paris,  1906,  Sect.  V,  S.  138  ff.)  und  bei  Schiefner,  Tibetan 
Tales,  translated  by  W.  R,  S.  Ralston,  London,  1906, 
S,  353:  The  monkeys  and  the  moon  bilden  Affen,  um  den 
Mond  aus  einem  Brunnen  zu  ziehen,  eine  Kette,  indem 
sich  einer  an  den  andern  hängt;  als  dann  der  Ast  bricht, 
woran  sich  der  oberste  hält,  fallen  alle  ins  Wasser,  In 
ähnlichen  Erzählungen,  wo,  um  den  Mond  zu  fangen,  eine 
solche  Kette  ^  gebildet  wird,  geschieht  die  Katastrophe, 
weil  sich  der  oberste  in  die  Hände  spucken  will;  Am 
Ur-Quell,  II,  S.  192  (von  den  Büsumern) ;  Ch,  Beauquier, 
Blason  populaire  de  la  Franche-Comte  in  der  RTF,  XI, 
S,  649;  Les  fous  de  Tschervä. 

Schließlich  sei  noch  eine  Anspielung  auf  eine  Orts- 
neckerei erwähnt,  die  sich  in  dem  Widmungsbriefe  der 
26,  des  III,  Teils  von  Bandellos  Novelle  findet  (zit,  Ausg., 
S.  584) ;  Signori  miei,  voi  cercate,  come  f anno  i  Modonesi, 
la  luna  nel  pozzo  .... 

125,  Volksbuch,  Nr,  125;  Barker,  S,  104  ff,;  Sottisier, 
Nr,  321;  Tewfik,  Nr,  57;  Nouri,  S,  185;  Trefdi,  Nr,  123; 
Griechisch,  Nr,  72;  Serbisch,  S,  31  ff,;  Kroatisch,  S,  24. 
Vgl,  Murad,  Nr,  13, 

Hartmann,  S,  63. 


1  Das  Motiv  von  der  lebenden  Kette  kommt  natürlich  auch  in 
andern  Verbindungen  vor,  worüber  man  Köhler  I,  S.  113  vergleiche,  ferner 
Hans  Sachs,  IV,  S.  73  ff.,  M.  Lidzbarski,  Geschichten  und  Lieder  aus  den  neu- 
aramäischen Handschriften  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin,  Weimar,  1896, 
S.  71  ff.,  Bolte  in  der  Z.  f.  vgl.  Littg.,  XI,  S.  233  und  Archiv  für  slavische 
Philologie,  XXI,  S.  281  und  XXVI,  S.  462;  weiter  außer  den  an  diesen  Stellen 
gegebenen  Verweisen:  The  Kathd  Sarit  Sägara,  transl.  by  C.H.Tawney,  Cal- 
cutta,  1880ff.,  II,  S.  111  ff.;  The  Sackhil  of  News  bei  Hazlilt,  II.  S,  185; 
P.  Scbillot,  Lilterature  orale  de  la  Haute-Bretagne,  Paris,  1881,  S.  255;  Bronner, 
Bayerisches  Schelmen-Büchlein,  S.  164. 


242 


2.  Aus  Manuskripten  verschiedenen  Alters. 

126,  Sottisier,  Nr,  2. 

127,  Sottisier,  Nr,  4;  vgl,  Buadem,  Nr.  36  (Serbisch, 
S,  63;  Kroatisch,  S,  38), 

Eine  ähnliche  Geschichte  steht  im  Nafhat  al  jaman 
von  asch  Schirwani  (Basset,  RTP,  II,  S,  502) ;  der  Gedanke 
findet  sich  aber  schon  bei  Bar-Hebraeus,  S,  152,  Nr,  605: 

Another  fool  seeing  an  Arab  minaret  from  which  men 
were  calling  to  prayer,  said  to  his  companion,  „How  very 
tall  the  men  who  built  this  minaret  must  have  been!"  His 
friend  replied,  „0  silly  man,  how  could  any  man  be  as  tall 
as  this?  They  built  it  first  of  all  on  the  ground,  and  then 
set  it  up," 

Dem  entspricht  eine  persische  Erzählung  (Kuka, 
S,  175,  Nr,  65),  wo  das  Minaret  durch  ,a  very  high  tower' 
ersetzt  ist, 

128,  Sottisier,  Nr,  5;  Serbisch,  S.  47. 
Clouston,  Noodles,  S,  91  ff. 

Der  Schwank  liest  sich  wie  eine  Parodie  auf  die  fol- 
gende Erzählung,  die  in  Gladwins  Persian  Moonshee,  II, 
S,  15,  Nr,  34  steht: 

Somebody  seized  a  Dirveish's  turband,  and  ran  away 
with  it,  The  Dirveish  repaired  to  the  churchyard,  and 
there  seated  himself,  The  people  said  to  him,  „the  man 
who  took  your  turband  went  towards  the  orchard;  why 
are  you  sitting  in  the  curchyard,  what  are  you  about?"  -^ 
He  answered,  ,,he  too  müst  come  here  at  last,  and  there- 
fore  I  have  seated  myself  in  this  place," 

Tatsächlich  wird  auch  diese  Geschichte  von  Nasreddin 
erzählt  (Serbisch,  S,  169), 

129,  Sottisier,  Nr,  8, 

130,  Sottisier,  Nr,  11, 

131,  Sottisier,  Nr,  12. 

132,  Sottisier,  Nr.  15, 

16*  243 


133.  Sottisier,  Nr.  16;  Ethe,  S.  253  ff. 
Clouston,  Noodles,  S.  93;  Fourberies,  S.  30. 

Sehr  ähnlich  ist  die  192.  Facetie  Poggios  De  sono  (der 
angenehmste  Klang  ist  der  der  Tischglocke) ;  zu  den  zwei 
Bearbeitungen  bei  Nocl,  II,  S.  187  noch  Der  edle  Fincken- 
Ritter,  o,  0,  u.  J.  („Gedruckt  in  der  jetzigen  Welt"),"S.  62, 
Nr.  365. 

134.  Sottisier,  Nr.  22;  Volksbuch,  (nur  bei  Camer- 
loher),  Schluß;  Barker,  S.  104;  Tewfik,  Nr.  30;  Serbisch, 
S,  11  ff.;  Kroatisch,  S.  10  ff. 

135.  Sottisier,  Nr.  23. 

Eine  ähnliche  Erzählung  steht  in  Tausend  und  einer 
Nacht,  XIX,  S.  15  ff.;  vgl.  Chauvin,  VIII,  S.  108. 

136.  Sottisier,  Nr.  25;  Galland,  S.  16  ff.  (Un  bon 
homme  de  Sivri-Hissar  .  . .  .). 

Hörn,  S.  69  ff.  (Zakani). 

137.  Sottisier,  Nr.  26.  Ein  Schwank  in  der  serbischen 
Ausgabe  (S.  181)  lautet: 

Der  Hodscha  Nasreddin  hatte  für  sich  und  seine 
Freunde,  wenn  ihn  die  besuchen  kämen,  einige  Winter- 
vorräte aufbewahrt,  aber  die  Mäuse  machten  sich  darüber 
und  fraßen  allmählich  alles  auf.  Als  er  das  gewahr  wurde, 
wußte  er  in  seinem  Zorne  nicht,  wie  er  die  Mäuse  fangen 
sollte,  und  noch  weniger,  wie  er  sie  aus  dem  Hause  treiben 
könnte.  Und  also  zornig  schrie  er:  „Wartet,  wartet,  ihr 
Abscheulichen  und  Söhne  von  Abscheulichen!  ich  werde  es 
euch  schon  zeigen!"  Er  schaffte  ein  Bündel  Stroh  ins 
Haus,  zündete  es  an  und  schloß  die  Tür.  Als  das  Haus 
brannte,  fingen  die  Mäuse  zu  schreien  an,  und  Nasreddin 
rief  fröhlich:  „Aha!  aha!  so  ists  recht,  daß  ihr  einmal 
merkt,  wem  ihr  Schaden  machen  dürft!" 

Eine  Variante  steht  ebendort,  S.  186. 

Zu  der  Verbrennung  eines  Hauses  des 
Ungeziefers  halber  siehe  die  Noten  Österleys  zu 
Pauli,  Nr.  37,  S.  477  und  Boltes  zu  Schumanns  Nacht- 
büchlein. Nr.  1  (Tübingen,  1893,  S.  384  und  hinter  Freys 
Gartengesellschaft,  S.  276),  ferner  Hans  Sachs,  Schwanke, 
V,  S,  229;  weiter  vgl.  die  6.  Erzählung  in  den  Mery  Tales 

244 


of  the  Mad  Men  of  Gotham  (Hazlitt,  III,  S.  9),  die  bei 
Clouston,  Noodles,  S.  41  aus  der  Tale  of  Beryn  ab- 
gedruckten Verse,  und  das  folgende  Stück  (Nr,  306)  der 
Exempla  of  Jacques  de  Vitry,  ed,  by  Crane,  London,  1890, 
S,   128: 

Quidam  ita  pusillanimes  sunt  quod  ictibus  inimici 
statim  cedunt  malentes  peccatis  consentire  et  vastari 
quam  tentationibus  molestari,  similis  cuidam  fatuo  qui, 
cum  muscis  valde  infestaretur,  domum  propriam  combuscit 
ut  muscas  pariter  combureret,  Ita  multi  dum  muscas 
sustinere  nolunt  igne  luxurie  se  vastari  et  incendi  per- 
mittunt. 

138.  Sotiisier,  Nr.  30, 


139.  Sottisier,  Nr.  34.  In  einer  entsprechenden  ser- 
bischen Erzählung  (S.  HO)  sagt  Nasreddin:  „Es  ist  genug, 
daß  sie  (die  Zwiebeln)  tagsüber  wachsen;  was  einer  hat, 
soll  er  bewahren,  und  was  mir  gehört,  soll  bei  mir  bleiben," 


140.  Sottisier,  Nr.  36. 

D'Herbelot  (Orientalische  Bibliothek,  Halle,  1785  ff., 
I,  S.  524)  erzählt  ähnliches  von  Bahlul,  dem  Hofnarren 
Harun  al  Raschids;  nach  D'Herbelot  steht  die  sicherlich 
verdorbene  Schnurre  bei  Flögel,  S,  172, 

Eine  hübsche  Variante  bringt  Kuka,  S,  192: 

In  Ispahan  there  was  a  madman  who,  standing  in  the 
bazär,  used  to  beat  the  passers-by,  saying  „Why  don't 
you  all  take  one  side  of  the  road?"  As  he  would  not 
listen  to  reason,  and  as  using  force  against  him  was  out 
of  the  question,  owing  to  the  Persians  regarding  a  madman 
as  one  rapt  in  Divine  ecstasy,  a  wise  man  advised  the  men 
to  bring  forward  another  madman  to  argue  with  this  one, 
This  was  done;  and  when  the  first  madman  asked  the 
above  question  to  the  passers-by,  the  other  replied,  „You 
know,  the  earth  is  like  a  shield  floating  on  water,  If  all 
the  people  were  to  go  on  one  side,  that  part  would  become 
too  heavy,  and  the  earth  would  be  overturned," 

Strange  to  say,  this  reply  satisfied  the  first  madman, 
and  he  gave  up  annoying  the  passers-by, 

245 


141.  Sottisier.  Nr,  37, 

Vgl,  oben  die  Nrn.  49,  46,  66,  121  und  382, 

142.  Sottisier,  Nr,  42;  Serbisch,  S.  37. 
Vgl,  Nr,  282. 

Eine  hübsche  Analogie  bietet  ein  Schwank  in  Bronners 
Bayerischem  Schelmen-Büchlein,  S,  79  ff,:  Die  Stier- 
wascher,  der  aber  auch  als  Neckgeschichte  für  eine  Reihe 
salzburgischer  Orte  erzählt  wird, 

143.  Sottisier,  Nr,  43;  Serbisch,  S.  162  ff. 

144.  Sottisier,  Nr,  44;  Nouri,  S.  77  ff,;  Kroatisch, 
S.  76  ff. 

145.  Sottisier,  Nr,  45, 

146.  Sottisier,  Nr,  46;  Tewfik,  Nr.  32  =  Trefdi.  Nr.  141 
::=  Serbisch,  S.  29  (an  allen  drei  Stellen  ist  der  Text  ver- 
dorben);  Griechisch,  Nr,  23;  Kroatisch,  S,  12  ff,;  Pann, 
S.  346  ff. 

Dieselbe  Geschichte  wird  bei  Gonzenbach,  I,  Nr,  37, 
S.  260  von  Giufa  erzählt;  vgl.  die  Nachweise  dazu  von 
Köhler  und  Bolte  in  der  ZW,  VI,  S.  74. 

Vgl.  weiter  die  122.  Facetie  Arlottos  und  meine  Noten 
dazu  (II,  S.  105  ff.  und  234  ff.). 

147.  Sottisier,  Nr.  49. 

148.  Sottisier,  Nr.  51. 

149.  Sottisier,  Nr.  52. 

150.  Sottisier,  Nr.  56. 

151.  Sottisier,  Nr.  60. 

152.  Sottisier,  Nr,  63,  Für  sich  allein  kommt  der 
Schwank  nur  hier  vor;  in  allen  andern  Darstellungen  ist 
er  mit  Nr.  326  zusammengezogen;  Dieterici,  Chrestomathie 
Ottomane,  Berlin,  1854,  S.  31  ff.  [Fourberies,  S.  38  und  65) ; 
Ethe,   S.  244;    Trefdi,  Nr.   137;    Kunos  bei  Radioff,   Die 

246 


Sprachen  der  türkischen  Stämme,  Petersburg,  1866  {f., 
VIII,  S.  XIX  ff.;  Mardrus,  S.  107  ff.;  Sachau,  Skizze  des 
Fellichi-Dialekts  von  Mosul,  S.  71  ff.  (ebenfalls  von  Nasr- 
eddin). 

153.  Sottisier,  Nr.  66, 

154.  Sottisier.  Nr.  67;  Buadem,  Nr.  31;  Serbisch  S.  62; 
Kroatisch,  S.  37, 

155.  Sottisier,  Nr.  69, 

156.  Sottisier,  Nr,  70, 
Galland,  S.  21, 

157.  Sottisier,  Nr.  71;  Serbisch,  S,  157  ff,  (wirklich  von 
Nasreddin). 

Fourberies,  S.  3  und  39  ff.  (die  Geschichte  steht  auch 
in  dem  Thamarat  al  aurak  von  ihn  Hidschdscha  (f  1434)  ^. 

158.  Sottisier,  Nr.  72;  Buadem,  Nr.  17;  Serbisch,  S.  57; 
Kroatisch,  S.  33  ff. 

Köhler,  I,  S.  506;  Fourberies,  S.  40. 

Vgl.  weiter  Köhler,  II,  S.  633  ff.,  Bebel,  I,  S.  177  und 
Papini,  La  leggenda  di  Dante,  S.  84  ff.  Zu  den  an  diesen 
Stellen  gegebenen  Parallelen  kommen  noch:  Kuka,  S.  179; 
Facette,  motti,  buffonerie,  et  burle  del  Piovano  Arlotto, 
del  Gonnella  et  del  Barlacchia,  Firenze,  1565,  S.  129  ff, 
(von  Barlacchia) ;  danach  französisch  G,  Chappuis,  Les 
Facetieuses  lournees,  Paris,  1584,  i.  V,  n.  9,  Bl.  154a  ff.; 
Garzoni,  La  piazza  universale  di  tutte  le  professioni  del 
mondo  (1,  Ausg.  1579),  Venezia,  1616,  S,  331;  Sagredo, 
L'Arcadia  in  Brenta,  S.  383  ff.;  Garibay,  Cuentos  in  den 
Sales  espanolas,  II,  S.  52;  Seb.  Mey,  Fäbulario,  Fab.  56 
(Menendez  y  Pelayo,  II,  S.  CIX  ff.) ;  Eyering,  I,  S.  85  ff.; 
Melander,  Joco-Seria,  deutsch.  Lieh,  1605,  II,  S.  423,  Nr.  377 
(nicht  in  den  lateinischen  Ausgaben);  Lehmann,  Exilium 
melancholiae,  F,  Nr.  31;  Gerlach,  Eutrapeliae,  Leipzig,  1656, 
I,  Nr.  952;  Harsdörfer,  Ars  apophtegmatica,  S.  626,  Nr.  2982; 


1  S.  Brockelmann,  II,  S.  15  ff. 

247 


Jacke  of  Dover s  Quest  of  Inquirie  bei  Hazlitt,  II,  S.  322  ff.; 
Joe  Millers  Jests,  S.  17,  Nr.  97. 

159.  Sottisier,  Nr.  74. 

160.  Sottisier,  Nr.  76;  Nawadir,  S.  46;  Griechisch, 
S.  110;  Serbisch,  S.  125;  Pann,  S.  336  ff.  Vgl.  unten 
Nr.  394. 

Fourberies,  S.  41;  Hörn,  S.  70  (Zakani;  die  Erzählung 
aus  dem  Mesnewi  von  Dschelaleddin  Rumi  [transl.  by 
E.  H.  Whinfield,  2.  ed.,  London,  1898,  S.  130],  auf  die 
Hörn  verweist,  hat  nur  ganz  allgemeine  Beziehungen). 

Eine  entfernte  Ähnlichkeit  hat  eine  Schnurre  im 
Nuzhaf  al  udaba,  die  bei  Hammer,  Rosenöl,  II,  Stuttgart, 
1813,  S.  302,  Nr.  177  übersetzt  ist;  zu  ihr  stimmt  einiger- 
maßen die  Geschichte  von  dem  Pfarrer  von  Mößkirch,  die 
nach  der  Zimmerischen  Chronik,  2.  Aufl.,  Freiburg  i.  B., 
1881,  II,  S.  439  zu  dem  Sprichworte  Anlaß  gegeben  hat: 
„Das  walt  Gott!  sprach  pfaff  Petter,  do  stig  er  uf  die 
magt." 

161.  Sottisier,  Nr.  78;  Buadem,  Nr.  88;  Serbisch,  S.  82; 
Kroatisch,  S.  51. 

Clouston,  Noodles,  S.  90. 

Gesteigert  ist  die  Komik  in  folgender  persischer 
Schnurre  bei  Kuka,  S.  157; 

A  Syrian  went  to  a  carpenter's  Workshop,  and  asked 
him  to  make  a  door  for  him.  The  carpenter  wanted  to 
know  the  length  and  breadth  of  the  door,  whereupon  the 
Syrian  went  home,  measured  the  breadth  of  his  doorway 
with  his  extended  arms,  and,  keeping  the  arms  so 
outstretched,  began  to  return  to  the  carpenter.  But  on 
his  way  back  he  encountered  a  wag,  who,  by  way  of  a 
practical  joke,  tripped  him  up,  and  laid  him  flat  on  his 
back,  on  the  ground,  Even  then,  the  Syrian  would  not 
make  use  of  his  arms,  but  kept  them  extended,  and  being 
unable  to  rise  in  this  position,  went  on  abusing  the  man 
and  requesting  the  passers-by  to  pick  him  up.  When  some 
one  offered  to  raise  him,  he  shouted  out,  ,,Don't  take  hold 
of  my  arms  or  you  would  destroy  the  measurement  of  my 
door.  Take  me  up  by  the  beard."  So  he  was  picked  up 
in  the  way  suggested  by  himself;  and  he  went  away  quite 

248 


a  happy  man  af  the  thought,  that  in  spite  of  all  difficulties 
he  had  preserved  the  measurement  of  his  door. 
Merkens,  II,  S.  13  ff.,  Nr.  14. 

162.  Sottisier,  Nr.  83. 

Merkwürdige  Parallelen  zu  diesem  Schwanke  bieten 
im  Jacke  of  Dover  die  Erzählung  von  dem  Foole  of  Not- 
iingfiam  (Hazlitt,  II,  S.  326  ff.)  und  die  folgende  aus 
Arcliie  Armstrong' s  Banquet  of  Jesis,  S.  184  ff.: 

A  Gentleman  Walking  somewhat  late  in  the  night,  was 
taken  by  the  Watch,  and  had  before  the  Lanthorne;  where 
they  very  strictly  demanded  who  hee  was,  and  whom  hee 
served:  he  answered,  that  hee  was,  as  they  say,  a  man, 
and  that  hee  served  God.  I,  say  you  so,  quoth  the  Con- 
stable,  then  carry  him  to  the  Counter,  if  hee  serve  no  body 
eise:  yes  sir:  replied  the  Gentleman,  I  serve  my  Lord 
Chamberlaine.  My  Lord  Chamberlaine?  (saith  the  Con- 
stable)  why  did  you  not  teil  me  so  before?  Marry,  quoth 
the  Gentleman,  because  I  had  thought,  thou  loved  God 
better  than  my  Lord  Chamberlaine. 

163.  Sottisier,  Nr.  84;  Fourberies,  Nr.  39;  vgl.  auch 
Serbisch,  S.  110  ff. 

Fourberies,  S.  42  ff.;  Basset  in  der  RTF,  XI,  S.  497  ff. 

Die  Literatur  über  das  Motiv  von  dem  Kürbis  etc. 
als  Pferdeei  (Eselsei  etc.)  findet  man  zusammen- 
gestellt in  Boltes  Noten  zu  Freys  Gartengesellscliaft, 
S.  214  ff.,  im  Arcfiiv  für  slaviscfie  Philologie,  XXII,  S.  301 
und  309  und  XXIX,  S.  452  und  bei  M.  Böhm,  Lettiscfie 
Schwanke,  Reval,  1911,  S.  111;  dazu  noch  Keller,  Schwa- 
ben, S.  136  ff.  und  Bronner,  Schelmen-Büchlein,  S.  113  ff. 
Über  das  Motiv  von  den  Luftschlössern,  das  in  der 
Erzählung  des  Sottisier  (nicht  in  der  der  Fourberies)  den 
Schluß  bildet,  vgl.  die  von  mir  im  Euphorion,  XV,  S.  7  ff. 
verzeichnete  Literatur,  hauptsächlich  Bolte  zu  Wickrara, 
S.  391  und  zu  Montanus,  S.  603  ff.,  ferner  J.  Hertel,  Tan- 
träkhyäyika,  Leipzig,  1909,  II,  S,  148  ff.  und  I,  S.  140,  Es 
kommt  aber  auch  in  einer  Erzählung  von  Nasreddin  selb- 
ständig vor,  und  zwar  in  der  serbischen  Ausgabe,  S.  48, 
in  einer  eigentümlichen  Variante: 

Eines  Tages  fand  der  Hodscha  Nasreddin  auf  der 
Straße  ein  Hufeisen,    Außer  sich  vor  Freude,  lief  er  nach 

249 


Hause  und  sagte  zu  seiner  Frau:  „Schau  nur,  was  ich  ge- 
funden habe!  Dieses  Hufeisen  mußt  du  gut  aufheben;  bis 
ich  noch  dreie  gefunden  habe,  dann  kaufe  ich  ein  Pferd 
und  dann  reisen  wir  miteinander  nach  Mekka." 

„Ja,"  antwortete  die  Frau,  „und  auf  der  Rückreise 
besuchen  wir  meine  Eltern," 

„Du  hast  wirklich  kein  Herz,"  fiel  ihr  Nasreddin  ins 
Wort;  „du  willst  wohl  das  Pferd  nicht  ein  bißchen  ver- 
schnaufen lassen!" 

164.  Sottisier,  Nr.  85, 

Vgl.  Behrnauer,  Die  vierzig  Veziere,  Leipzig,  1851, 
S.  233  ff. 

165.  Sottisier,  Nr.  86. 

Löcher  mit  Speise  verschmieren:  s.  unten 
Nr.  444. 

Spiegelbild  verkannt:  s.  unten  Nr.  311. 

166.  Sottisier,  Nr.  87. 

Vgl.  Domenichi,  Facetie,  1548,  Bl,  C^b  (1562,  S.  138, 
1581,  S.  171): 

Dicendosi  da  alcuni  Sanesi,  che  in  vn  certo  caso 
occorso  i  Fiorentini  haueuano  perduto  il  ceruello,  disse 
Cosmo:  E'  non  lo  possono  gia  perdere  eßi.  Forse  voleua 
tassargli  di  non  hauerlo  mai  hauuto. 

Ähnlich  ist  Harsdörfer,  Ars  apophtegmatica,  S.  35, 
Nr.  159. 

167.  Sottisier,  Nr,  88. 
Köhler,  I,  S,  506. 

Vgl,  meine  Nachweise  zu  Morlinis  Nov,  32,  S,  287  ff. 
und  zu  Mönchslatein,  Nr,  13,  S,  204;  dazu  noch:  Carbone, 
Facezie,  S,  59  ff ,,  Nr.  84;  Casalicchio,  C.  I,  d.  4,  a.  5, 
S.  252  ff.;  Pitre,  III,  S.  324  ff.,  Nr,  180;  Crane,  S,  287  ff.; 
G.  Amalfi,  XII  facezie  e  motti  raccolti  in  Piano  di  Sor- 
rento,  Nr,  9  im  Archivio,  XXI,  S,  366  ff,;  //  medico  e 
l'amalato;  Eyering,  Proverbiorum  copia,  I,  S,  42  ff,;  Leh- 
mann, Exilium  melancholiae,  S,  Nr,  84,  S,  398;  Harsdörfer, 
Ars  apophtegmatica,  S,  99,  Nr,  442;  Merkens,  III,  S,  127  ff,, 
Nr,  103;  Tales  and  Quicke  Answeres,  Nr,  50  (Hazlitt,  I, 
S,  65  ff,);  Archie  Armstrong's  Banquet  of  Jests,  S,  95 
(ebenso  wie  Mönchslatein,  Nr,  13  kombiniert  mit  dem  unten 

250 


Nr,  439  erwähnten  Motive  von  der  Heilung  durch  Lachen) ; 
Clouston,  Noodles,  S.  168  ff,;  G.  Georgeakis  et  Leon 
Pineau,  Le  Folk-lore  de  Lesbos,  S,  131  ff,:  Les  deux  amis. 

168,  Sotfisier,  Nr.  89. 

169,  Sottisier,  Nr,  91, 

Der  Schwank  von  dem  Einfältigen,  der  den' 
■für  einen  gewissen  Fall  erhaltenen  Be- 
fehl bei  einem  andern  Anlaß,  der  ein 
andres  Benehmen  erfordern  würde,  buch- 
stäblich befolgt,  existiert,  auch  auf  Nasreddin 
übertragen,  noch  in  einer  deutlichem  Form;  wie  Künos 
in  der  Einleitung  zu  Naszreddin  hodsa  trefäi  S,  26  be- 
merkt, hat  nach  tatarischen  Quellen  Iwanitzky  ein  „Reise- 
erlebnis" des  Hodschas  ins  Russische  übersetzt,  und  dieses 
folge  hier  nach  dem  ungarischen  Texte: 

Es  geschah  einmal,  daß  Nasreddin  auf  seinen  Wegen 
Totengräbern  begegnete,  und  die  begrüßte  er  mit  dem 
Gruße:  „Friede  sei  mit  euch!"  Die  Totengräber  prügelten 
ihn  weidlich  durch,  weil  er  nicht  so  hätte  grüßen  sollen, 
sondern  beide  Hände  erheben  und  für  den  Frieden  der 
Toten  bitten.  Der  Hodscha  merkte  sich  das  und  ging 
weiter. 

Er  traf  eine  Menge  Leute,  die  singend  und  tanzend  an 
ihm  vorüberzogen.  Kaum  hatte  er  die  bemerkt,  so  erhob 
er  beide  Hände  und  begann  das  Totengebet,  Sie  prügelten 
ihn  ebenso,  v/eil  man  eine  Hochzeitsgesellschaft  nicht  mit 
diesem  Gebete  empfangen,  sondern  mit  ihnen  springen  und 
tanzen  solle.    Auch  das  merkte  sich  der  Hodscha, 

Auf  seinen  weitern  Wegen  begegnete  er  einem  Jäger, 
der  gerade  einem  Hasen  auf  der  Spur  war.  Er  begann  zu 
springen  und  zu  tanzen,  und  verscheuchte  mit  diesem 
Lärme  den  Hasen,  Der  Jäger  fiel  über  ihn  her  und 
prügelte  ihn  mit  dem  Gewehrkolben  durch,  weil  er  nicht 
auf  den  Fußspitzen  gegangen  sei,  bald  geduckt  und  bald 
aufrecht.    Auch  das  merkte  er  sich. 

Sein  Weg  führte  ihn  bei  Hirten  vorüber,  die  eine  zahl- 
reiche Schafherde  vor  sich  hertrieben.  Da  duckte  er  sich 
bald,  bald  ging  er  aufrecht;  darob  erschraken  die  Schafe 
so,  daß  sie  nach  hundert  Richtungen  auseinanderliefen, 
und  auch  dafür  mußte  er  büßen, 

251 


Vgl.  dazu  Bebel,  I.  Buch,  Nr.  26  und  27  samt  den 
I,  S.  128  gegebenen  Nachweisungen,  hauptsächlich  Boltes 
Noten  zu  Frey,  Nr.  1,  a,  S.  212  ff,,  ferner  Archiv  für  sla- 
vische  Philologie,  XXII,  S.  309.  Ähnliche  Darstellungen, 
die  wohl  zu  unterscheiden  sind  von  denen,  wo  es  sich 
einfach  um  dumme  Streiche  eines  Sohnes  oder  Ehemannes 
handelt,  sind  noch:  P.  Sebillot,  Lifierature  orale  de  la 
Haute-Bretagne,  Paris,  1881,  S.  92  ff.  und  102  ff.,  derselbe, 
Litterature  orale  d'Auvergne,  Paris,  1898,  S.  84  ff.,  Clouston, 
Noodles,  S.  123  ff.  (auch  zum  folgenden),  Jacobs,  English 
Fairy  Tales,  S.  152  ff.:  Lazy  Jack,  und  S.  249  und  Böhm, 
Lettische  Schwanke,  S.  52  ff.,  Nr.  32  und  teilweise  S,  54  ff., 
Nr.  33. 

Oft  bezieht  sich  der  mißverstandene  Befehl  auf  die 
Worte  der  Ansprache  oder  die  Begrüßung, 
wie  z.  B.  in  dem  von  Pitre  III,  S.  362  ff.  als  Nr.  7  seiner 
Giufägeschichten  mitgeteilten  Schwanke  (Monnier,  S.  13ff.), 
zu  dessen  Anfange  die  unten  als  Nr.  435  gebrachte  Hiohä- 
erzählung  eine  Parallele  bildet;  dazu  vergleiche  Köhler, 
I,  S.  87  ff.  und  50,  Boltes  Noten  zu  Montanus,  Garten- 
gesellschaft, Nr.  50,  S.  602,  Rittershaus,  S.  429  ff.  und 
Archiv  für  slavische  Philologie,  XXII,  S.  304  und  309.  An 
weitern  Versionen  seien  angegeben  Merkens,  I,  S.  124  ff., 
Nr.  131,  Wilhelm  Busch,  Ut  öler  Welt,  München,  1910, 
S.  35  ff.,  Nr.  16,  L.  Leger,  Recueil  de  contes  populaires 
slaves,  Paris,  1882,  S.  231  ff.,  H.  Carnoy,  Litterature  orale 
de  la  Picardie,  Paris,  1883,  S.  186  ff.,  Blade,  Contes  popu- 
laires de  la  Gascogne,  III,  S.  137  ff.,  Louis  Dart,  De  mal 
en  pis  „Comme  Tribuet",  Conte  Champenois  in  der  RTP, 
XI,  S.  321  ff.,  eine  nordfranzösische  Erzählung,  Jean  l'inno- 
cent,  mitgeteilt  von  Ed.  Edmond  ebendort,  XX,  S.  94  ff., 
Denis  Bressan,  Contes  populaires  de  La  Bresse,  Nr.  3, 
ebendort,  XXIII,  S.  350  ff.,  Jacobs,  More  English  Fairy  Tales, 
London,  1894,  S.  195  ff.  und  242,  ein  japanischer  Schwank, 
Der  dumme  Tempo,  erzählt  von  Iguchi  im  Globus,  69,  Nr.  3, 
abgedruckt  bei  Aug.  Seidel,  Anthologie  aus  der  asiatischen 
Volkslitteratur,  Weimar,  1898,  S.  44  ff.  und  J.  Hinton 
Xnowles,  Folk-Tales  of  Kashmir,  London,  1888,  S.  189  ff. 

170.  Sottisier,  Nr.  93. 

Ein  ähnlicher  Schwank  aus  Bosnien,  ebenfalls  von 
Nasreddin,  wird  in  der  Anthropophyteia,  IV,  S,  385  ff.  er- 

252 


zählt;  eine  Parallele  dazu,  aber  nicht  von  Nasreddin,  steht 
bei  Roda  Roda,  S.  40  ff.  Eine  andere  Version,  deren  An- 
fang an  den  von  Nr,  262  erinnert,  steht  in  der  serbischen 
Ausgabe,  S,  182  ff.: 

Einmal  ging  der  Hodscha  Nasreddin  mit  dem  Sultan 
auf  die  Jagd;  alle  hatten  Falken  mit,  nur  Nasreddin  eine 
Krähe.  Im  Felde  angelangt,  ließen  alle  ihre  Falken 
steigen,  und  auch  Nasreddin  ließ  seine  Krähe  aus.  Die 
ging  auf  einen  Stier  nieder,  und  den  band  Nasreddin  sofort 
an  den  Hörnern  an  und  führte  ihn  mit  sich,  als  ob  der 
Stier  jetzt  ihm  gehören  würde,  weil  ihn  seine  Krähe  erjagt 
habe.  Aber  der  Besitzer  wollte  ihm  den  Stier  nicht  lassen; 
obwohl  ihm  der  Sultan  selber  sagte,  daß  er  ihn  ihm  lassen 
solle,  ging  er  zum  Kadi  und  klagte  wider  Nasreddin. 

Als  Nasreddin  davon  hörte,  lief  er  schnell  zum  Kadi 
und  versprach  ihm  ein  Geschenk,  wenn  ihm  der  Stier  nach 
seinem  Spruche  zufalle.  Der  Kadi  sagte  es  zu,  und  als 
beide  Streitteile  vor  Gericht  kamen,  der  Besitzer  sowohl, 
als  auch  der  Hodscha  Nasreddin,  sagte  er;  „Die  Krähe  des 
Hodschas  hat  den  Stier  erjagt,  und  was  einer  erjagt,  das 
ist  sein";  und  damit  ließ  er  den  Besitzer  des  Stiers  hinaus- 
werfen. 

Am  nächsten  Tage  nahm  der  Hodscha  einen  Topf 
und  füllte  ihn  fast  bis  zum  Rande  mit  Stiermist,  darüber 
legte  er  ein  Kohlblatt  und  auf  dieses  gab  er  ein  wenig 
Butter;  und  diesen  Topf  schickte  er  dem  Kadi  als  Ge- 
schenk. Der  Kadi  kam  des  Nachts  nach  Hause  und  sagte, 
weil  er  gerade  Lust  auf  Butter  hatte,  seiner  Frau,  sie 
solle  ihm  den  Topf  bringen.  Die  Frau  brachte  ihn  und  er 
nahm  einen  Löffel,  fuhr  damit  in  die  Mitte  hinein  und 
kostete.  Aber  er  riß  den  Löffel  sofort  wieder  aus  dem 
Munde  und  rief:  „Pfui  Teufel!"  Dann  sah  er  nach,  was  es 
sei.  Er  ärgerte  sich  grimmig  und  ließ  Nasreddin  rufen; 
und  er  sagte  voller  Zorn  zu  ihm:  „Womit  hast  du  mich  ge- 
füttert, du  niederträchtiger  Kerl?"  ,,Du  hast  dich  selber 
gefüttert,  erhabener  Kadi,"  antwortete  der  Hodscha;  „aus 
dem  Topfe  hast  du  schon  gegessen,  als  du  das  Urteil  ge- 
sprochen hast.  Wie  könnte  denn  eine  Krähe  einen  Stier 
erjagen?"     Und  damit  ging  er. 

171.  Sottisier,  Nr.  94;  Serbisch,  S.  25  ff.;  Pann,  S.  332. 
Krauss,  Zigeunerhumor,  S.  47  ff. 

253 


172.  Sotfisier,  Nr,  95;  Serbisch,  S.  149  ff. 

Ebenso  Gladwin,  Persian  Moonshee,  II,  S,  19  ff., 
Nr,  50  und  Krauss,  Zigeunerhumor,  S,  48  ff,;  sehr  nahe 
stehn  auch  die  Novellen  3  und  4  in  Arientis  Porrettane, 
zit.  Ausg,,  Bl,  8b  ff,  und  10a  ff,  und  der  auf  der  einen  be- 
ruhende Schwank  in  der  Arcadia  in  Brenta,  S,  170  ff.  Vgl. 
auch  Montanus,  Gartengesellschaft,  Nr,  19  (die  Nachweise 
Boltes  S,  597), 

173.  Sottisier,  Nr.  96;  Serbisch,  S,  40  („Küß  ihn  zwei- 
mal; ich  werde  ihn  halten,  damit  er  nicht  ausreißen 
kann"). 

Vgl.  eine  Stelle  im  Kitab  al  ikd  al  farid  von  Abdi- 
rabbihi,  die  Basset  in  der  RTP,  XVII,  S.  94  übersetzt  hat; 
dort  ist  die  Anspielung  auf  den  49.  Vers  der  5,  Sure  des 
Korans  deutlicher  ausgedrückt, 

174.  Sottisier,  Nr,  98, 

175.  Sottisier,  Nr,  101;  Serbisch,  S.  180  ff.  (Schluß 
geändert), 

176.  Sottisier.  Nr.  103. 

177.  Sottisier,  Nr.  105;  vgl.  oben  Nr.  16. 

178.  Sottisier,  Nr.  107. 

179.  Sottisier,  Nr.  109. 

Es  gibt  eine  große  Zahl  Geschichten  von  Nasreddin, 
die  alle  denselben  Eingang,  aber  eine  verschiedene  Pointe 
haben:  Tewfik,  Nr.  56  (=  Trefdi,  Nr.  165  [statt  166]  und 
Serbisch,  S.  21),  Nouri,  S.  163  ff.  (=  Kroatisch,  S.  74  ff.) 
und  Serbisch,  S.  45;  die  beste  ist  jedoch  die  folgende  (Ser- 
bisch, S.  127): 

Eines  Tages  hatte  der  Hodscha  Nasreddin  so  viel  ge- 
trunken, daß  er  sich  nicht  mehr  auf  den  Beinen  halten 
konnte,  und  er  schlief  ein.  Als  er  ganz  matt  erwachte, 
wollte  er  vors  Haus  gehn,  konnte  aber  die  Treppe  nicht 
finden  und  fiel  in  ein  Loch;  dort  blieb  er  liegen.  Sein 
Weib  kam  gelaufen  und  fragte  ihn,  ob  er  noch  lebe;  er 
antwortete;  „Laß  mir  die  Popin  rufen." 

254 


Sie  meinte,  er  sei  nicht  recht  bei  Sinnen,  und  lief  um 
einen  Arzt.  Als  der  Arzt  kam,  ließ  ihn  sich  der  Hodscha 
gar  nicht  nahe  kommen,  sondern  fragte  ihn,  kaum  daß  er 
ihn  sah:  „Bist  du  schon  jemals  über  eine  Treppe  gefallen?" 

„Noch  nie,"  antwortete  der  Arzt. 

„Dann  kannst  du  mir  auch  nicht  helfen,"  sagte  Nasr- 
eddin;  ,*geh  zum  Teufel!  Und  du,  Weib,  laß  mir  sofort  die 
Popin  rufen;  die  hat  ihren  Popen  schon  öfter  von  dieser 
Krankheit  geheilt." 

180.  Sottisier,  Nr.  110;  anders  Tewfik,  Nr.  29,  Trefäi, 
Nr.  153  (statt  154)  und  Serbisch,  S,  35, 

181.  Sottisier,  Nr.  113. 

182.  Sottisier,  Nr.  114. 
Fourberies,  S.  46, 

183.  Sottisier,  Nr,  115. 

184.  Sottisier.  Nr.  116. 

185.  Sottisier,  Nr.  117, 

186.  Sottisier,  Nr,  119. 

187.  Sottisier,  Nr.  120. 
Galland,  S,  15  ff. 

188.  Sottisier.  Nr.  121. 
Fourberies,  S.  46  und  186. 

Ähnliche  Geschichten  stehn  bei  Sachau,  Fellichi- 
Dialekt  von  Mosul,  S.  67  und  bei  Lidzbarski,  Neu-ara- 
mäische Handschriften,  S.  152  ff.  Lidzbarski  weist  u.  a, 
eine  Parallele  bei  ihn  Arabschah,  Fakihat  al  hulafa  nach; 
vgl,  dazu  Chauvin,  II,  S.  204  ff.  und  214.  Eine  Version  aus 
al  Abschihi,  Mustatraf^  hat  Basset  in  der  RTF,  XIII, 
S.  483  übersetzt.  Siehe  ferner  Chauvin,  V,  S.  160,  Note 
und  Kuka,  S.  162,  Nr,  31, 


1  S.  Brockelraann,  U,  S.  56. 


255 


189.  Sottisier,  Nr.  122. 

190.  Sottisier,  Nr.  123. 

Köhler,  I,  S.  506  ff.;  Fourberies.  S.  47, 

Eine  ältere  ^  Version  dieser  Erzählung  steht  in  dem 
Laiifeh  nameh  des  1531  verstorbenen  Türken  Lamii;  sie 
ist  bei  Cardonne,  Melanges  de  Litterature  Orientale,  Paris, 
1770,  II,  S.  82  übersetzt  (Versuche  der  Orientalischen 
Litteratur,  Breslau,  1771,  S.  222  ff.).  Eine  noch  ältere  ist 
uns  in  der  65.  Facetie  Arlottos  (I,  S.  151  ff.  und  221  ff.) 
bekannt.  Hans  Sachs  hat  den  Stoff  zweimal  behandelt: 
am  5.  Mai  1550  als  Meistergesang  Der  Schneider  mit  dem 
paner,  dann  am  21.  Juli  1563,  mit  einer  andern  Erzählung 
verbunden,  als  Spruchgedicht  Der  Schneider  mit  dem 
panier  (Schwanke,  V,  S.  74  ff .  und  II,  S.  472  ff,);  die 
jüngere  Fassung  ist  breiter  ausgeführt  als  die  ältere, 

A,  L,  Stiefel  hat  in  den  Hans  Sachs-Forschungen, 
Nürnberg,  1894,  S.  80  ff.  als  Quelle  Hans  Sachsens  die 
Facetie  Arlottos  bezeichnet;  dies  wohl  nur  in  Unkenntnis 
der  Abhandlung  Cloustons  The  Tailor's  Dream  in  den 
Populär  Tales  and  Fictions,  II,  S.  79  ff.  Dort  wird  nämlich 
unter  anderm  die  humoristische  Schilderung  eines  Turniers 
zwischen  einem  Schneider  und  einem  Schuster  angeführt, 
die  den  1520  verstorbenen  schottischen  Dichter  William 
Dunbar  zum  Verfasser  hat;  und  das  Banner  des  Schneiders 
wird  also  beschrieben: 

His  banner  borne  was  him  before, 
Wherein  were  clouts  a  hunder  score, 

Ilk  ane  of  divers  hue; 
And  all  stolen  out  of  sundry  webs;  — 
For  while  the  sea  flood  fills  and  ebbs, 

Tailyors  will  never  be  true. 

Wenn  nun  auch  Clouston  von  der  falschen  Annahme 
ausgeht,  die  Facetien  Arlottos  seien  erst  1520  zum  ersten 
Male  in  Druck  erschienen,  so  scheint  mir  doch  das 
Resultat  seines  Schlusses  richtig,  daß  nämlich  die  Verse 
Dunbars  auf  ein  altes  Mönchsexempel  zurückgehn,  und 
dies  um  so  mehr,  als  wir  bei  der  Untersuchung  von  Ar- 


'  Vgl.  die  oben  auf  Seite  201  ff.  gemachten  Angaben  über  das  Alter  der 
im  Sottisier  benützten  Manuskripte. 

256 


lottos  Quellen  gesehn  haben,  daß  bei  Arlotto  eine  ganze 
Reihe  von  Predigtmärlein  bearbeitet  ist.  Dieses  Märlein 
kann  dann  auch  in  letzter  Instanz  die  Quelle  Hans 
Sachsens  gewesen  sein,  und  diese  Lösung  ist  sicherlich 
befriedigender  als  die  Annahme  Stiefels,  wonach  Hans 
Sachs  an  der  Facetie  Arlottos  ziemlich  viel  geändert 
haben  müßte. 

Ein  Gedicht  von  John  Harrington  (f  1612),  Of  a  Pre- 
cise  Tailor  ist  aus  The  most  Elegant  and  Wittie  Epi- 
grams,  London,  1633  bei  Ashton,  S,  32  ff,  und  Clouston, 
a.  a,  O,,  S,  80  ff.  abgedruckt.  Weitere  Nachweise  geben 
Bolte  bei  Frey,  S,  256,  Note  und  Chauvin,  HI,  S,  38;  einige 
stehn  auch  bei  Hans  Sachs,  V,  S.  74,  Eine  moderne  ita- 
liänische  Version  findet  sich  bei  J,  Nieri,  Racconti  popo- 
lari  lucchesi,  Castelnuovo  di  Garfagnana,  1891,  S,  157  ff,, 
Nr.  43;  Patron  Bandiera. 

191,  Sottisier.  Nr,  124, 

192,  Sottisier,  Nr,  125;  Mardrus,  S,  107. 

193,  Sottisier,  Nr.  126, 

Köhler,  l,  S.  506;  Fourberies.  S.  47. 

Die  Geschichte  ist  so  ziemlich  identisch  mit  der 
132.  Facetie  Poggios:  De  Judaeo  mortuo  assumpto  igno- 
ranter in  cibum  per  Florentinum,  die  Seb.  Brant  in 
Esopi  appologi,  Basileae,  1501,  Bl.  Del»  ff.  bearbeitet  hat; 
vgl.  dazu  Hans  Sachs,  Schwanke,  H,  S.  540  ff.  (auch 
S.  XXni  und  IV,  S.  493  ff.  Fast  ebenso  wie  im  Sottisier 
wird  im  Nuzhat  al  udaha  (Basset  in  der  RTP,  XV,  S.  671) 
erzählt. 

194,  Sottisier,  Nr.  127. 

195,  Sottisier,  Nr,  128;  Mardrus,  S,  104  ff, 

196,  Sottisier,  Nr,  130, 

197,  Sottisier,  Nr,  131, 

Im  Nuzhat  al  udaba  findet  sich  folgende  Schnurre 
(Basset  in  der  RTP,  XV,  S,  286) : 

Nasreddin,   I.  17  257 


Man  erzählt  von  einem  Manne,  der  sich  für  einen  Pro- 
pheten ausgab;  zu  dem  sagte  einer  seiner  Freunde,  der 
einäugig  war:  „Was  ist  das  Zeichen  deines  Propheten- 
tums?  was  sind  deine  Wunder?"  „Mein  Wunder  ist 
dieses:  du  bist  einäugig;  ich  will  dir  auf  der  Stelle  das 
gesunde  Auge  herausnehmen  und  den  Herrn  bitten,  auf 
daß  du  sehest."  Der  andere  antwortete:  „Ich  glaube,  daß 
du  ein  Prophet  bist." 

AI  Abschihi  erzählt  im  Mustatrat  (Basset  in  der  RTP, 
XIII,  S.  490  ff.): 

Zur  Zeit  al  Mamuns  ^  gab  sich  ein  Mann  für  einen 
Propheten  aus,  und  zwar  wollte  er  Abraham  sein,  der 
Freund  Gottes,  Der  Chalif  sagte  zu  ihm:  „Abraham  hat 
Wunder  und  Zeichen  getan,"  „Was  für  Zeichen?"  „Man 
zündete  ein  Feuer  an  für  ihn,  und  sie  warfen  ihn  hinein; 
aber  die  Flamme  ward  ihm  eine  Kühlung  und  eine  Seg- 
nung 2;  wir  wollen  für  dich  einen  Scheiterhaufen  anzünden 
und  dich  hineinstürzen;  wenn  es  dir  so  geht  wie  ihm, 
werden  wir  an  dich  glauben,"  „Ich  möchte  lieber  etwas 
leichteres,"  „Die  Zeichen  von  Moses?"  „Was  sind  das  für 
Zeichen?"  „Er  warf  seinen  Stab  hin,  und  der  wurde  zur 
Schlange  3,  er  schlug  das  Meer,  und  es  teilte  sich  *,  und  er 
steckte  seine  Hand  in  den  Busen,  und  sie  war  weiß  ^." 
„Das  ist  noch  schwerer  für  mich  als  das  erste  Zeichen." 
„Die  Zeichen  von  Jesus?"  „Was  sind  die?"  „Die  Toten 
zu  erwecken","  „Du  sagst  das  richtige:  ich  will  dem  Kadi 
Jachja  ihn  Aktani  den  Kopf  abschlagen  und  werde  ihn 
dir  im  Augenblicke  wieder  zum  Leben  erwecken,"  Da 
schrie  der  Kadi:  „Ich  bin  der  erste,  der  an  dich  glaubt." 

Als  älteste  Version  zitiert  aber  Basset  an  der  zuletzt 
genannten  Stelle  das  Kitab  al  ikd  al  farid  von  Abdirabbihi. 
Andere  Parallelen  stehn  bei  Clouston,  Flowers,  S.  35  ff. 
(Saadi),  Gladwin,  The  Persian  Moonshee,  II,  S.  16,  Nr.  37 
und  Galland,  S.  20;  vgl,  auch  zu  der  Erzählung  Abschihis 
Roda  Roda,  S.  40, 

198,  Sotiisier,  Nr.  132. 


'  833  gestorben. 

2  Koran,  21.  v.  68  u.  69. 

3  Koran.  20,  v.  68—72. 
'»  Koran,  20,  v.  79. 

5  Koran,  20,  v.  23. 
8  Koran,  3,  v.  43. 


258 


199.  Sottisier,  Nr,  133. 

200.  Sottisier,  Nr.  134. 

Vgl,  die  51,  Facetie  Arlottos  (I,  S,  130  ff,)- 

201.  Sottisier,  Nr.  135. 

Von  dieser  Geschichte  gilt  wohl  dasselbe,  was  Bolte 
bei  Hans  Sachs,  III,  S.  XI  von  dem  Meistergesänge  Die 
leren  geltseck  (ebendort,  S,  369  ff,)  sagt,  daß  sie  nämlich 
in  letzter  Instanz  auf  die  412.  Fabel  Aesops:  ^tXagyvQo 
zurückgeht;  vgl.  dazu  noch  Aesopi  Phrygis  et  aliorum 
fabulae,  Venetiis,  1539,  Bl.  97  a:  Auarus,  Camerarius, 
Fabulae  aesopicae,  Lipsiae,  1570,  S.  106:  Avarus,  schließ- 
lich auch  die  194.  Novelle  Sacchettis  und  weiter  Clouston, 
Populär  Tales  and  Fictions,  I,  S.  61  ff, 

202.  Sottisier,  Nr.  136. 

203.  Sottisier,  Nr.  137.  Anders:  Buadem,  Nr.  44;  Ser- 
bisch, S.  65  ff.;  Kroatisch,  S.  40. 

Galland,  S,  24  ff . 

204.  Sottisier,  Nr.  138;  Buadem,  Nr,  74;  Serbisch, 
S.  77;  Kroatisch,  S.  48. 

Die  Geschichte  findet  sich  schon  in  Dschamis  Bäha- 
ristan  (Der  Frühlingsgarten  von  Mewlana  Abdurrhaman 
Dschami.  Aus  dem  Persischen  übertragen  von  0.  M. 
Frh.  V.  Schlechta-Wssehrd,  Wien,  1846,  S,  86  ff.) ;  danach 
steht  sie  bei  Cardonne,  I,  S.  119  (deutsch,  S.  69),  Auf 
derselben  Quelle  beruht  wohl  auch  Gladwin,  The  Persian 
Moonshee,  S,  18,  Nr.  40. 

205.  Sottisier,  Nr.  139. 

206.  Sottisier,  Nr,  140, 

Vgl,  die  105,  Facetie  Arlottos  (II,  S.  75), 

207.  Sottisier.  Nr.  141. 

208.  Sottisier.  Nr.  142. 

209.  Sottisier,  Nr.  143,  Vgl.  dazu  Tewfik,  Nr.  2; 
Trefäi,  Nr.  147;  Griechisch,  Nr.  159;  Serbisch,  S-  46, 

17*  259 


210.  Sottisier,  Nr,  144, 

211.  Sottisier,  Nr,  146,  Mit  Nasreddin  als  traurigem 
Helden:  Nouri,  S.  181  ff,|  Serbisch,  S,  147  ff,;  Kroatisch, 
S.  181  ff. 

Zu  der  Version  des  Sottisier  stimmt  die  dritte  der 
drei  Geschichten,  die  Julien  Dumoret  aus  einem  tür- 
kischen Buche:  „Nasser  eddin  khodjah",  für  dessen  Ver- 
fasser er  Nasreddin  hält,  im  Journal  asiatique,  XIII, 
S,  488  übersetzt  hat^;  während  der  Eingang  verschieden 
ist,  sind  die  drei  Ratschläge  des  Geistlichen  und  der  des 
Trägers  so  wie  im  Sottisier.  Anders  ist  der  dritte  Rat  des 
Geizhalses  („Wenn  dir  einer  sagt,  es  gebe  noch  einen 
Lastträger,  der  dümmer  wäre  als  du,  so  glaube  es  nicht") 
in  einer  Erzählung  des  Hadikat  al  afrah  von  asch  Schir- 
wani,  die  Basset  in  der  RTP,  XIV,  S,  216  übersetzt  hat; 
diese  wieder  ist  fast  identisch  mit  der  485.  der  Laughable 
Stories  von  Bar-Hebraeus  (Budge,  S.  126 ff.),  die  die  älteste 
Fassung  darstellen  dürfte.  Ihr  stehn  die  drei  oben- 
genannten Versionen,  deren  Held  Nasreddin  ist,  und  eine 
persische  Geschichte  bei  Kuka,  S.  167  ff.  sehr  nahe. 
Deutsch  ist  der  Schwank  bearbeitet  von  Roda  Roda, 
S.  212  ff. 

Entfernter  stehn  ein  Schwank  bei  Clouston,  Flowers, 
S.  105  ff.  und  das  43.  Kapitel  im  Wegkürzer  von  Montanus; 
vgl.  Boltes  Nachweisungen  S,  581  und  Chauvin,  VIII, 
S.  139  (Parodien  zu  Nr.  136). 

212.  Sottisier,  Nr.  147. 

213.  Sottisier,  Nr,  148. 

Köhler,  I,  S.  507;  Fourberies,  S.  49. 
S.  Arlotto,  II,  S.  64  ff.  und  226  ff. 


1  In  der  Vorbemerkung  sagt  Dumoret:  „Les  trcis  petits  contes  qu'on 
va  lire  sont  extraits  de  Nasser  eddin  khodjah  anpeile  vulgaireraent  Nazeretin 
khodjah.  Cet  ecrivain  facetieux  a  compose  un  livre  d'histoires  ecrites  en 
turc ,  parmi  lesquelles  on  en  trouve  quelques  unes  d'assez  plaisantes  et 
d'assez  originales.  En  general  le  style  de  Nazeretin  est  simple  et  naturel, 
Sans  etre  prive  neanmoins  de  cette  gräce  qui  fait  le  merite  du  conteur.  Son 
recueil  qui  est  tres-repandu  en  Orient,  existe  ä  Paris  parmi  les  manuscrits 
de  la  Bibliotheque  du  Roi.  Nous  avons  eu  pcndant  longtemps  ä  notre  dis- 
position  un  petit  manuscrit  des  oeuvres  de  cet  auteur  ..."  Bemerkt  sei 
hier  noch,  daß  die  erste  der  drei  von  Dumoret  mitgeteilten  Erzählungen  eine 
ziemlich  genaue  Parallele  zu  Arlotto,  Nr.  171  (II,  S.  179  ff.  und  253  ff.)  bietet. 

260 


214.  Sotiisier,  Nr,  149. 
Galland,  S.  22. 

215.  Sotüsier,  Nr.  150, 

216.  Soüisier,  Nr,  151;  Tewfik,  Nr.  16;  Kroatisch,  S,  7  ff. 
Hörn,  S.  69  (Zakani) ;  Trefdi,  S.  19. 

217.  Sottisier,  Nr.  152. 

Galland,  S.  26  ff.;  Hammer,  Rosenöl,  II,  S.  78  f f ., 
Nr.  44;  Clouston,  Flowers.  S.  109  ff.;  Roda  Roda,  S.  214  ff, 

218.  Sottisier,  Nr.  153;  Tewfik,  Nr.  20;  Trefdi,  Nr.  151; 
Serbisch,  S,  35. 

219.  Sottisier,  Nr.  154. 

Fourberies,  S.  50;  zu  den  dortigen  Nachweisungen  zu 
dem  Motive  von  dem  Dämon  (Menschen)  als 
Reittier  noch  Chauvin,  VII,  S.  23  ff. 

220.  Sottisier,  Nr,  155. 

221.  Sottisier,  Nr.  156, 

222.  Sottisier,  Nr.  157, 

Vgl.  zu  diesem  Schwanke  den  folgenden,  Jen  J.  F, 
Campbell  in  den  Populär  Tales  of  the  West  Highlands, 
II,  S,  398  erzählt: 

He  (the  Assynt  man)  once  took  his  child  to  be  bapti- 
zed;  the  minister  said  he  doubted  if  he  were  fit  to  hold 
the  child  for  baptism. 

„Oh,  to  be  sure  I  am,  thought  it  was  as  heavy  as  a 
stirk." 

This  answer  shewing  little  wit,  the  minister  asked  him 
how  many  commandments  there  were. 

„Twenty,"  he  said  boldly. 

„Oh,  that  will  never  do;  go  back  and  learn  your 
questions"    (Shorter  Catechism). 

Half  way  home  he  met  a  man. 

„Hov/  many  commandments  will  there  be?  There 
must  be  thirty,  for  the  minister  was  not  content  with 
twenty." 

261 


He  was  set  to  rights  on  this  point,  and  turning  back 
(it  was  winter),  he  thought  the  clergyman  would  not  refuse 
him  this  time  etc,  etc. 

Eine  weitere  Parallele  steht  bei  Ilg,  II,  S.  91  ff,, 
Nr.  131. 

223.  Sottisier,  Nr.  158. 

224.  Sottisier.  Nr.  159. 

225.  Sottisier.  Nr.  160. 

226.  Sottisier.  Nr.  161. 

227.  Sottisier,  Nr.  162. 
Galland,  S.  14. 

228.  Sottisier.  Nr.  164. 

229.  Sottisier,  Nr.  165;  Buadem,  Nr.  5;  Serbisch,  S.  53; 
Kroatisch,  S.  31, 

Eine  hübsche  Parallele  zu  dieser  Schnurre  steht  in 
Mendozas  Lazarillo  de  Tormes.  trat.  III  (Biblioteca  des 
antares  espanoles.  III,  S,  86  ff.): 

O  seüor,  dije  yo,  acuda  aqui,  que  nos  traen  un 
muerto.  ^Cömo  asi?  respondiö  el,  Aqui  arriba  le  en- 
contre,  y  venia  diciendo  su  mujer:  marido  y  senor  mio, 
^adönde  os  llevan?  i  A  la  casa  löbrega  y  oscura?  ä  la 
casa  triste  y  desdichada?  ä  la  casa  donde  nunca  comen 
ni  beben?     Acä,  seiior  nos  le  traen. 

Auf  dem  Lazarillo  beruht  Casalicchio,  c.  I,  d.  9,  a,  2, 
S.  161  ff.  und  vielleicht  auch  in  letzter  Instanz  die  sizilia- 
nische  Volkserzählung  Lu  Cavaleri  Assicca-frittuli  im 
Archivio.  III,  S.  93  ff.  Näher  der  Fassung  im  Sottisier 
steht  der  49.  Schwank  bei  Swynnerton,  S.  300. 

Eine  entferntere  Variante  bieten  Zincgref-Weidner,  II, 
S,  53  und  das  Exilium  melancholiae,  A,  Nr,  48,  S,  15: 

Ein  armer  Bürger  zu  Elverfeld,  mit  Kindern  beladen, 
ward  gefragt,  wie  es  in  seinem  Hauß  stünde?  gab  seine 
Armuth  durch  diese  höffliche  Antwort  verblümter  weise 
zu  verstehen;  Es  gienge  wie  im  Himmel.  Gefragt:  Wie  so? 
Antwortet  er:  Im  Himmel  isset  und  trinckt  man  nicht. 

262 


230.  Sottisier,  Nr,  166. 

231.  Sottisier,  Nr.  167. 

Ein  Gegenstück  dazu  stellt  die  105,  Facetie  im  Philo- 
gelos,  S,  26  dar: 

4^tkdQyvQ0^  igwrwjutyoc  Sia  zi  äXXo  ovöiy  (l  fxit  /uovov 
iXaiai  ia&iat ,  t(pt] '  Xya  z6  fxlv  i^w&ty  avxl  oipov  t^o),  t6  de 
laiovv  ctpil  ^vXov  '  (paywv  6e,  eis  T^v  kttvzov  xeq)ak^y  anoy- 
yiaäjufvog,  kovigov  ovx  sniäio/uai. 

232.  Sottisier,  Nr.  168. 

Zu  dem  Motive  von  dem  Bettler  bei  dem 
Gatten  seiner  ehemaligen  Frau  ist  die  Lite- 
ratur zusammengestellt  von  Basset,  Zenatia,  S,  107  ff.  und 
RTP,  XXII,  S.  221  ff.  und  von  Chauvin,  II,  S,  174,  Nr.  16 
und  VIII,  S,  180,  Nr,  212, 

233.  Sottisier,  Nr,  169, 
Galland,  S,  29  ff. 

234.  Sottisier,  Nr,  170. 

Galland,  S.  191;  Fourberies,  S.  52. 

Nick,  I,  S.  152;  Roda  Roda,  S.  70   (verdorben). 

235.  Sottisier,  Nr.  172. 

236.  Sottisier,  Nr.  173;  Pharaon,  S.  177  ff. 

Eine  ausführliche  Studie  hat  dem  Stoffe  Köhler  (II, 
S,  594  ff.)  gewidmet;  dazu  vgl.  meine  Nachträge  bei  Mor- 
lini,  S.  309  und  Rittershaus,  S.  366  ff. 

237.  Sottisier,  Nr.  174;  Tewfik,  Nr.  61;  Nouri,  S.  85  ff.; 
Griechisch,  Nr,  2;  Serbisch,  S,  117  ff,  und  16  ff,;  Kroatisch, 
S,  19  ff. 

Köhler,  I,  S.  507;  Fourberies,  S.  52  ff. 

Über  das  Motiv  der  Schweigwette  handelt  ein 
Aufsatz  von  Clouston,  The  silent  couple,  in  den  Populär 
Tales  and  Fictions,  II,  S.  15  ff.;  Clouston  betrachtet  als 
Quelle  der  unzähligen,  diesen  Stoff  behandelnden  Ge- 
schichten eine  tamulische  Erzählung,  die  französisch  bei 
J.  A,  Dubois,  La  Pantcha-tantra  etc.,  Paris,  1826,  S,  363  ff. 
steht  und  von  der  er  im  Book  of  Noodles,  S.  171  ff.  eine 

263 


Übertragung  gibt.  Der  Inhalt  ist,  soweit  er  uns  hier  an- 
geht, kurz  der:  Vier  Brahmanen  werden  auf  der  Land- 
straße von  einem  Soldaten  gegrüßt.  Es  entspinnt  sich  ein 
Streit  unter  ihnen,  wem  von  ihnen  eigentlich  der  Gruß 
gegolten  habe,  und  schließlich  laufen  sie  dem  Soldaten 
nach,  um  ihn  darüber  zu  befragen;  der  Soldat  antwortet 
ihnen,  sein  Gruß  gehöre  dem  größten  Narren  unter  ihnen, 
Nun  beschließen  sie,  diese  neuerliche  Frage,  wer  nämlich 
von  ihnen  der  größte  Narr  sei,  dem  Gerichte  von  Dharma- 
puri  vorzulegen,  und  dieses  trägt  ihnen  zur  leichtern  Ent- 
scheidung auf,  daß  jeder  ein  bemerkenswertes  Erlebnis 
erzähle,  um  seinen  Anspruch  auf  die  Würde  des  größten 
Narren  zu  rechtfertigen.  Der  dritte  Brahmane  erzählt  dann 
die  Geschichte,  wie  er  mit  seinem  Weibe  gewettet  habe, 
wer  es  am  längsten  aushalten  werde,  zu  schweigen  usw. 

Eine  merkwürdige  Übereinstimmung  mit  der  Ge- 
schichte der  vier  Brahmanen  bieten  zwei  süditaliänische 
Überlieferungen,  wo  sich  drei  Dummköpfe  streiten,  wem 
von  ihnen  ein  Gruß  zukomme;  die  eine  stammt  aus  Neapel 
und  ist  von  V.  della  Scala  im  I.  Jahrgange  des  Giambattista 
Basile  unter  dem  Titel  'O  cunto  d'  'o  soluto  d'  'e  tre  cafune 
veröffentlicht,  die  andere  steht  als  Nr.  6  unter  den  von 
G.  Amalfi  gesammelten  XII  facezie  e  motu  raccolii  in 
Piano  di  Sorrento  im  Archivio,  XXI,  S.  360  ff.  ^;  in  beiden 
Fällen  entspricht  die  Erzählung  des  dritten  Bewerbers  um 
den  Dummheitspreis  der  des  dritten  Brahmanen  ^.  An  die 
Stelle  des  fiktiven  Gutes,  des  Grußes,  tritt  in  der  1.  No- 
velle der  8.  Nacht  in  Straparolas  Piacevoli  notti  ein 
wirkliches  und  zwar  ein  Kleinod,  das  von  drei  Findern 
dem  gehören  soll,  der  der  faulste  ist;  die  Erzählung  des 
dritten  bringt  dann  die  Schweigwette. 

Obwohl  das  Motiv  von  dem  Wettstreite  der  drei 
Faulen    ungeheuer    verbreitet    ist  ^,    kommt    doch    die 

'  Die  neapolitanische  Version  kenne  ich  nur  aus  den  Zitaten  Amalfis 
a.  a.  O.  und  den  G.  Ruas  im.  Ciomale  storico  della  letteratura  italianc,  XVI, 
S.  257. 

2  Ebenfalls  um  einen  Gruß  streiten  sich  drei  dumme  Schulmeister  in 
einer  Geschichte  im  Madschmu  az  zarf  von  Abu  Madjan  (Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts;  vgl.  Brockelmann.  I,  S.  438),  die  Basset  in  der  RTP,  XXI,  S.  441  ff. 
übersetzt  hat;  der  zweite  Schulmeister  erzählt,  wie  sich  seine  Schüler  und 
er  selbst  im  Brunnen  gesehn  haben  usw.,  wozu  oben  Nr.  165  und  unten 
Nr.  311  zu  vergleichen  sind. 

3  Nachweise  geben  Grimm  in  den  KHM,  III,  S.  233  ff.,  Österley  zu 
Paulis  Schimpf  und  Ernst,  Nr.  261  und  zu  Cesta  Romanorum ,  Nr.  91,   Lieb- 

264 


Schweigwette  in  den  bekannten  Versionen  nirgends  sonst 
vor  als  bei  Straparola;  in  der  Form  einer  selbständigen 
Erzählung  begegnet  sie  jedoch  außerordentlich  häufig. 
Siehe  darüber  Pitre,  III,  S-  326  ff.  und  IV,  S,  443,  Crane, 
S,  284  ff.  und  378,  Clouston,  Noodles,  S.  107  ff.,  Landes, 
Contes  et  legendes  annamites,  S.  317,  Rua  a,  a.  0.,  Basset 
in  der  RTP,  XII,  S.  412  und  XV,  S.  283  ff.,  Amalfi  a.  a.  0., 
Bolte,  Das  Danziger  Theater  im  16.  und  17.  Jahrhundert, 
Hamburg,  1895,  S.  226  ff.,  Köhler,  II,  S,  576  ff.,  Lidzbarski, 
S.  179  und  184,  dazu  Bolte  in  der  Z.  /.  vgl.  Littg.,  N.  F., 
XIII,  S,  234,  Brie,  Eulenspiegel  in  England.  Berlin,  i903, 
S.  118,  Chauvin,  VIII,  S.  132  und  Dähnhardt,  Naiursagen, 
Leipzig,  1907  ff.,  I,  S.  233  fL 

238.  Sottisier,  Nr,  176. 

Vgl.  die  bei  Bolte  zu  Montanus,  S.  578  ff,  und  bei 
G-  Rua,  Novelle  del  „Mamhriano"  del  Cieco  da  Ferrara, 
Torino,  1888,  S.  56  ff.  angegebenen  Schwanke,  die  ein  deut- 
liches Bild  geben,  wie  beliebt  derartige  Erzählungen  bei 
unsern  Altvordern  waren.  Zu  der  39,  Novelle  im  Grand 
parangon  des  nouvelles  nouvelles  von  Nicolas  de  Troyes, 
Paris,  1869,  S, 148  ff.:  D'une  fille  qui  ne  vouloit  point  avoir 
de  mary  qui  eust  genitoires,  die  Rua  zitiert,  wäre  auf  das 
Gedicht  Yon  dem  striegelein  in  den  von  A.  v.  Keller 
herausgegebenen  Erzählungen  aus  altdeutschen  Hand 
Schriften,  Stuttgart,  1855,  S.  412  ff,  zu  verweisen  gewesen 

Zu  der  in  Diarbekr  üblichen  Redewendung  vgl.  fol 
gende  Stelle  in  der  103.  Facetie  Poggios,  zu  der  die  härm 
lose  Erklärung  des  Sprichworts  Alla  barha  bei  Seb.  Pauli 
S.  268  ff,  nicht  recht  stimmen  will:  Est  communis  loquendi 
modus,  cum  quis  ventris  crepitum  edidit,  ut  circumstantes 
Ad  barham  ejus,  qui  nihil  cuiquam  debet,  dicant. 

239.  Sottisier,  Nr,  177, 

240.  Sottisiier,  Nr,  178;  Buadem,  Nr.  94;  Kuka,  S.  213fL; 
Serbisch,  S,  84  ff,;  Kroatisch,  S.  57. 


recht  in  Zur  Volkskunde,  Heilbronn,  1879,  S.  119,  Bolte  zu  Schumanns 
Nachtbächlein,  Nr.  43  mit  den  Nachträgen  bei  Frey,  S.  285,  Goetze-Dreacher 
bei  Hans  Sachs,  V,  S.  249  und  Rua  a.  a.  O.;  dazu  noch  T.  Garzoni,  La 
sinagoga  de  Pl'ignoranli  (1.  Ausg.  1589),  Vcnetia,  1605,  S.  70  ff.  („appreSo  ä 
Filarco").  Lfm  vier  Penny,  die  dem  närrischesten  gehören  sollen,  streiten 
vier  Weber  bei  Swynnerton,  S.  252 ff.,  No.  37:  Of  the  four  foolish  weavers. 

265 


Eine  Variante  steht  in  der  serbischen  Ausgabe  S.  47ff.: 
Einmal  wollte  der  Hodscha  Nasreddin  einen  kleinen 
Tümpel  überspringen.  Er  nahm  einen  Anlauf  und  sprang, 
kam  aber  nicht  hinüber,  sondern  fiel  mitten  in  den  Tümpel. 
„0  Jugend,  schon  bist  du  vorüber!"  seufzte  er  und  sah 
sich  um.  Und  als  er  bemerkte,  daß  niemand  in  der  Nähe 
war,  fuhr  er  fort:  „Übrigens  habe  ich  auch  in  meiner 
Jugend  nie  besonders  gut  springen  können," 

241.  Soitisier,  Nr,   179. 

242.  Sottisier.  Nr.  180;  Mardrus,  S.  110,  Vgl,  auch 
oben  Nr.  3, 

243.  Sottisier,  Nr,  181;  Mardrus,  S.  110  ff. 

244.  Sottisier,  Nr.  182;  Mardrus,  S.  111  (bei  der  Über- 
tragung benutzt). 

245.  Sottisier,  Nr.  183;  Mardrus,  S.  112  ff. 

246.  Sottisier,  Nr,  185. 

Dasselbe  Motiv  kehrt  wieder  bei  Domenichi,  1562, 
S,  11  ff,  (1581,  S,  14),  im  Democritus  ridens,  S,  220ff,  (Über- 
setzung nach  Domenichi),  in  der  Arcadia  in  Brenta,  S,  114 ff. 
(wieder  nach  Domenichi)  und  in  Jacke  of  Dovers  Quest  of 
Inquirie,  bei  Hazlitt,  II,  S,  342;  The  Foole  of  Winchester 
(eine  Bearbeitung  des  ersten  Teils  der  Facetie  Dome- 
nichis), 

247.  Sottisier,  Nr.  186. 

248.  Sottisier,  Nr,  187;  Mardrus,  S,  115  ff. 

249.  Sottisier,  Nr.  188. 

250.  Sottisier,  Nr,  189. 
Fourberies,  S,  54, 

251.  Sottisier,  Nr.  192;  Mardrus,  S.  113  ff. 

252.  Sottisier,  Nr,  193. 
266 


253.  Sottisier,  Nr.  194. 

254.  Sottisier,  Nr.  195. 

255.  Sottisier.  Nr.  197. 

256.  Sottisier.  Nr.  198;  Mardrus,  S.  114. 

257.  Sottisier.  Nr,  199. 

258.  Sottisier.  Nr,  200. 

259.  Sottisier,  Nr.  201.    Vgl.  oben  Nr,  63, 

260.  Sottisier.  Nr.  202. 

261.  Sottisier.  Nr.  203;  Pann,  S.  339  ff.  Vgl.  auch 
Nr.  290, 

Köhler,  I,  S,  506;  Gazeau,  S,  199  ff,;  Fourberies.  S,  55. 

Die  älteste  Darstellung  der  Geschichte  von  dem 
vermeintlich  verlorenen  Esel  bietet  wohl  Bar- 
Hebraeus,  der  (Budge,  S,  145  ff,,  Nr,  569)  folgendermaßen 
erzählt: 

Another  simpleton,  who  was  a  servant,  had  ten  asses 
which  he  hired  to  certain  people,  and  when  they  came 
back  to  their  places  he  took  his  asses  and  counted  them, 
(and  found  them  to  be)  ten.  Then  he  mounted  one  of 
them  and  rode  some  distance  and  came  back,  and  as  he 
was  going  away  he  counted  those  that  were  before  him, 
and  found  them  (to  be]  nine;  and  he  was  angry,  and 
alighted  and  counted  them  over  again,  and  found  them 
(to  be)  ten.  And  he  mounted  an  ass  again,  and  counted 
the  others  and  found  them  (to  be)  nine;  thereupon  he 
dismounted  and  counted  (them),  and  found  them  (to  be) 
ten,  Then  he  said,  „Verily  there  is  a  devil  with  me,  for 
whenever  I  mount  an  ass  I  lose  one  of  them;  therefore  I 
must  not  ride  lest  I  lose  one  altogether. 

Die  älteste  abendländische  Bearbeitung  ist  die  55.  Fa- 
cetie  Poggios:  Fabula  Mancini,  auf  der  wieder  eine 
türkische  des  16,  Jahrhunderts  beruht,  nämlich  die  97,  der 
Fahles  turques.  trad,  p.  J,  A,  Decourdemanche,  Paris,  1882, 
S,   199  ff,:  Le  muletier  et  sa  femme.     Weiter  gehören  in 

267 


diese  Verzweigung:  Brant,  Esopi  appologi,  Bl.  Doaff,; 
Hans  Sachs,  IV,  S.  70  ff,;  Schumann,  Nachtbüchhin,  Nr,  24 
(mit  Boltes  Nachweisungen  ebendort,  S.  402  ff,  und  hinter 
Freys  Gartengesellschaft,  S.  282) ;  Montanus,  Gartengesell- 
schaft, Nr.  70  (Boltes  Nachweise,  S,  610  ff,);  Tales  and 
Quicke  Answeres,  Nr.  60  bei  Hazlitt,  I,  S,  80  ff.;  Lehmann, 
Exilium  melancholiae,  E,  Nr.  91,  S,  127;  Das  kurtzweilige 
Lehen  von  Clement  Marott  (1,  Ausg.  1660),  o.  O.,  1663, 
S.  55  ff,;  Prym  und  Socin,  Tür  'Ahdin,  II,, S.  183  ff,;  Krauss, 
Zigeunerhumor,  S.  202;  Roda  Roda,  S.  209.  Eine  An- 
spielung auf  die  Geschichte  bringt  der  Schluß  des  5,  Kap, 
im  11.  Buche  des  Don  Quixote. 

Nahe  verwandt  mit  dieser  Schnurre  ist  die,  wo  sich 
eine  Gesellschaft  von  Einfaltspinseln,  oft  nachdem  sie  ein 
meistens  wirkliches,  manchmal  auch  nur  eingebildetes 
Wasser  durchwatet  hat,  zählt,  ob  noch  alle  da  sind,  und 
wo  der  Zählende  stets  sich  selber  mitzu- 
zählen vergißt;  dazu  vgl.  das  erste  Abenteuer  Guru 
Paramärtans  (Österley  in  der  Z.  /.  vgl.  Littg.,  I,  S,  50  ff, 
und  55  ff.),  das  10.  Kapitel  der  Mery  Tales  of  the  Mad 
Men  of  Gotham  (Hazlitt,  III,  S,  12  ff,  und  Jacobs,  More 
English  Fairy  Tales,  S,  209  ff.),  ferner  Campbell,  II, 
S,  391  ff.,  V.  d.  Hagen,  Narrenbuch,  S.  478  ff„  Clouston, 
Noodles,  S,  28  ff,  und  32  ff,  und  Swynnerton,  S,  436  ff. 

Bisweilen  wird  die  Zahl  dadurch  festgestellt,  daß  die 
Dummköpfe  ihre  Nasen  in  einen  Sandhaufen  stecken  und 
dann  diese  Löcher  zählen:  Müllenhoff,  S,  94  f f .,  Nr.  111 
=  Merkens,  I,  S.  54  ff.,  Nr,  70;  Kopisch,  Histörchen  von 
den  Büsumern  in  den  Gesammelten  Werken,  Berlin,  1856, 
I,  S,  280;  Am  Ur-Quell,  II,  S,  192;  Köhler,  I,  S.  112  ff.; 
Böhm,  Lettische  Schwanke,  Nr,  35,  S,  58  ff .,  dazu  S,  119, 
An  die  Stelle  des  Sandhaufens  tritt  ein  Kuhfladen  oder 
etwas  noch  unappetitlicheres  bei  Birlinger,  Volksthüm- 
liches  aus  Schwaben,  Freiburg,  1861  ff,,  I,  S,  437  und  461 
=  Merkens,  I,  Nr.  7  und  16;  De  Colleville  et  de  Zeppelin, 
Legendes  danoises,  Nr,  44  in  der  RTF,  VIII,  S,  388  ff.; 
L.  Brueyre  in  einer  Erzählung  aus  Languedoc  in  der  RTF, 
I,  S.  335;  Ispirescu,  S,  105  [Magazin,  XCVI,  S,  613); 
Ch,  Beauquier,  Blason  populaire  de  la  Franche-Comte  in 
der  RTF,  XI,  S,  650.  Durch  die  Weglegung  der  Mützen 
geschieht  die  Zählung  bei  J.  H.  Knowles,  Folk-Tales  of 
Kashmir,  S,  322  ff, 

268 


Sehr  nahe  verwandt  ist  das  Motiv  von  den  ver- 
wechselten Füßen,  manchmal  auch  Armen:  Waldis, 
Esopus,  IV,  Nr,  90,  v,  50  ff.;  Zimmerische  Chronik,  I, 
S.  315;  Laienbuch,  Kap.  29,  S.  118  ff.  (v.  d,  Hagen,  Narren- 
buch, S.  163  ff.) ;  Jacobs,  More  Celtic  Fairy  Tales,  London, 
1894,  S.  104  ff.;  Campbell,  II,  S.  391  ff.  und  401  ff.;  Blade, 
Contes  populaires  de  la  Gascogne,  III,  S.  136;  Georgeakis 
et  Pineau,  Le  Folk-lore  de  Lesbos,  S.  116.  Das  aus  den 
Nugae  doctae  Gaudentii  Jocosi,  Solisbaci,  1713,  S.  66  in 
Am  Ur-Quell,  IV,  S.  181  abgedruckte  Stück  Pedes  baculo 
percussi  ist  wörtlich  exzerpiert  aus  Melanders  Jocoseria, 
I,  Nr,  75;  De  Fatuis  quibusdam  (Lichae,  1604,  S.  71; 
deutsche  Ausgabe  Lieh,  1605,  S.  48,  Nr.  50),  wo  als  Quelle 
angegeben  wird:  Musculus  in  Explicatione  Psalmi  9, 
pag.  92;  gemeint  sind  damit  jedenfalls  die  Enarrationes 
in  totum  Psalterium  et  in  Esaiam,  die  zuerst  1551  in  Basel 
erschienen  sind.  Hieher  gehört  schließlich  auch  Rückerts 
Gedicht  Die  Tanzfuhre  [Werke,  II,  S.  57).  Vgl.  weiter 
Boltes  Nachweisungen  zu  Schumann,  Nr.  8,  S.  391  und  bei 
Frey,  S.  279,  ferner  Keller,  Schwaben,  S.  144.  Bei  Knoop, 
Volkssagen,  Erzählungen  usw.  aus  dem  östlichen  Hinter- 
pommern, Posen,  1885,  S.  47,  Nr.  90  ^  Merkens,  III, 
S.  33  ff.,  Nr.  49  ist  in  den  Schwank  auch  das  Motiv  von 
der  lebenden  Kette  verwoben;  s.  dazu  oben  S.  242. 

262.  Sottisier,  Nr.  204. 

Eine  serbische  Variante  haben  wir  oben  zu  Nr.  170 
mitgeteilt;  eine  andere,  die  weniger  Interesse  bietet,  steht 
in  der  serbischen  Ausgabe  S.  156  ff. 

263.  Sottisier,  Nr.  205. 

Vgl.  U.  Jahn,  Schwanke  und  Schnurren  aus  Bauern 
Mund,  Berlin,  1890,  S.  106  ff. 

264.  Sottisier,  Nr.  206;  Mardrus,  S.  117. 
Anthropophyteia,  I,  S,  94  ff. 

265.  Sottisier,  Nr.  207;  Mardrus,  S.  114.  Außerdem 
steht  die  Schnurre  zum  Schlüsse  der  Nr.  74  des  Volks- 
buches, anstatt  deren  oben  Sottisier,  Nr.  244  wieder- 
gegeben ist;  ebenso  Trefäi,  Nr.  74  (und  S,  27  ff.)  und 
Griechisch,  Nr.  106. 

269 


266.  Sottisier.  Nr,  208. 

267.  Sottisier,  Nr.  209.  " 

268.  Sottisier.  Nr,  210. 

269.  Sottisier,  Nr.  211. 

270.  Sottisier.  Nr,  212. 

271.  Sottisier.  Nr.  213. 

272.  Sottisier,  Nr.  214, 

273.  Sottisier,  Nr.  215. 

274.  Sottisier,  Nr.  216;  Ethe,  S.  250  ff.;  Nouri,  S.  29  ff. 

275.  Sottisier,  Nr.  217. 

276.  Sottisier.  Nr.  218;  Mardrus,  S.  115. 
Köhler,  I,  S.  506;  Fourheries.  S.  56  ff. 

Die  Verbreitung  dieses  Schwankes  ist  so  oft  behandelt 
worden,  daß  es  wohl  überflüssig  ist,  hier  noch  einmal 
darauf  einzugehn;  bemerkt  sei  nur,  daß  er  auch  in  Indien 
im  Volksmunde  lebt  (Swynnerton,  S.  273). 

277.  Sottisier.  Nr.  219;  Anthropophytheia,  V,  S.  327  ff.  ^ 
Dem    Motive    von    dem    Fieischverkaufe    an 

die  Hunde  werden  wir  unten  bei  Nr.  412  noch  einmal 
begegnen;  festgestellt  sei  hier  nur,  daß  es  in  der  Form, 
die  in  diesem  Schwanke  vorliegt,  eigentlich  nur  eine 
Variante  zu  dem  unten  zur  Nr,  407  behandelten  Motive 
ist.    Ähnliches  wird  bei  Haltrich,  S,  226  ff.  erzählt. 

Eigentümlich  ist  eine  arabische  Überlieferung  aus 
Algier,  die  bei  Pharaon,  S.  174  ff,  erzählt  wird:  S  i 
D  s  c  h  e  h  a  wird  von  seiner  Mutter  auf  den  Markt  ge- 
schickt, um  einen  Hammel  zu  kaufen;  er  soll  aber  einen 
wählen,  der  nicht  mehr  gehn  kann.    Anstatt  nun  einen  zu 


*  Die   darin    unserer    Erzählung   vorangehende   hat   eine   Parallele    in 
der  serbischen  Ausgabe,  S.  178  ff. 

270 


kaufen,  bei  dem  das  wegeiÄ  seines  Fetts  zutrifft,  bringt 
er  einen  heim,  der  vor  Schwäche  nicht  mehr  gehn  kann. 
Dscheha  schlachtet  ihn  und  breitet  die  Fleischstücke  auf 
einem  Brette  aus.  Als  es  Nacht  wird,  ohne  daß  sich 
jemand  um  ihn  und  seine  Ware  gekümmert  hätte,  ver- 
kauft er  sie  an  eine  schwarze  Hündin,  der  er  sagt,  er 
werde  wegen  der  Bezahlung  mit  ihr  zu  ihrem  Herrn  gehn. 
Er  verfolgt  auch  die  Hündin  und  stürzt  hinter  ihr  in  ein 
Haus  mit  dem  Rufe:  „Gebt  mir  mein  Geld!"  Die  Herrin 
dieses  Hauses  ist  eben  mit  einem  Nachbar  mitten  in  einer 
galanten  Unterhaltung,  und  dieser  Nachbar  wirft  Si 
Dscheha,  den  er  für  einen  Gläubiger  der  Dame  hält,  seine 
Börse  zu.  Kaum  hat  Dscheha  das  Geld  genommen,  als  die 
schwarze  Sklavin  der  Dame  meldet,  daß  ihr  Gatte  heim- 
kommt. Nun  muß  sich  der  Geliebte  unten,  Si  Dscheha 
oben  in  dem  Bette  verstecken.  Der  Gatte  teilt  seiner  Frau 
mit,  daß  er  verreisen  müsse,  und  sagt,  die  Hände  zum 
Himmel  erhebend:  „Ich  empfehle  dich  dem  da  oben,"  Da 
hebt  Si  Dscheha  den  Vorhang  und  ruft:  ,,Herr,  ich  habe 
mit  deiner  Frau  nichts  zu  schaffen;  empfiehl  sie  lieber  dem 
unten:  ich  bin  nur  um  mein  Geld  hergekommen."  Damit 
entflieht  er  in  der  allgemeinen  Verwirrung,  ^ 

Ganz  auffallend  stimmt  mit  dieser  Geschichte  die 
30.  Novelle  Morlinis  überein;  ja  sogar  der  Zug  von  dem 
Fleischverkaufe  an  einen  Hund  ist  rudimentär  erhalten. 
Den  Übergang  zu  einer  Erzählung  in  Tausend  und  einer 
Nacht  (übertragen  von  Henning,  XXHI,  S,  222  ff.)  stellt 
die  unten  als  Nr,  386  wiedergegebene  Geschichte  aus 
Tunis  dar. 

278.  Sottisier,  Nr.  220;  sehr  ähnlich  Serbisch,  S,  108. 
Vgl.  Nr,  43  und  Nr,  299, 

279.  Sottisier,  Nr.  221. 

280.  Sottisier,  Nr,  222;  vgl,  die  als  Nr,  428  mitgeteilte 
Giufägeschichte  samt  den  Anmerkungen  dazu, 

1  Zu  dem  Motive  Seigneur  dessus,  seigneur  dessous  vgl. 
Wesselski  im  Euphorion,  XV,  S.  12,  Nr.  42  und  Köhler,  III,  S.  167.  Die  auf 
der  Novelle  Morlinis  beruhende  Novelle  Straparolas  ist  die  Quelle  für  das 
19.  Kapitel  des  German  Rogue  (Brie,  Eulenspiegel  in  England,  S.  119);  auf  die 
33.  der  Cent  nouvelles  nouvelles  gehen  Recueil,  1555,  S.  131  ff.,  nouv.  33,  Aven- 
tum,  1556,  S.  160  ff.,  nov.  36  und  Aventures,  1577,  Bl.  71b  ff.,  devis  26  zurück. 

271 


Köhler,  I,  S.  507;  Fourb^ies,  S.  57  ff. 

Weitere  Nachweise  findet  man  bei  Chauvin,  II,  S,  118, 
Nr,  99  und  100,  bei  Rittershaus,  S.  349  ff,  (dazu  S,  357), 
im  Archiv  für  slavische  Philologie,  XXIX,  S,  451  und  bei 
Wesselski,  Die  Novellen  Morlinis,  S,  278  ff.  Dazu  sind 
noch  zu  nennen  Dschelaleddin  Rumi,  Mesnewi,  zit,  Ausg, 
S.  85  ff,;  E,  B,  Cowell,  The  Jätaka  or  stories  of  the 
Buddhas  former  births,  Cambridge,  1895  ff.,  I,  S,  116  ff,: 
Mafiasa-Jätafia  und  S.  117  ff,:  Rohini- Jätaka;  Chavanne, 
Fables  et  contes  de  l'lnde,  S,  91,  Nr.  4  und  S.  92  f f ,, 
Nr,  5;  Swynnerton,  S,  437;  Aurbacher,  Wolksbüchlein,  II, 
S.  141  ff,;  Roda  Roda,  S,  158  ff. 


281,  Sottisier.  Nr,  223, 

Das  Heimschicken  von  Tieren  oder  Dingen 
ist  ein  in  den  Volksüberlieferungen  außerordentlich  häu- 
figer Zug:  Um  einen  Dreifuß  handelt  es  sich  in  den  fol- 
genden Versionen:  Mery  Tales  of  the  Mad  Men  of  Gotham, 
Nr,  5  (Hazlitt,  III,  S,  8;  Clouston,  Noodles,  S.  36  ff.); 
Montanus,  Gartengesellschaft,  Nr.  4  (Noten,  S.  591); 
Cosquin,  Contes  populaires  de  Lorraine,  Paris,  1886,  II, 
S.  178  und  179  ff.;  Sebillot,  Litterature  orale  de  la  Haute- 
Bretagne,  Paris,  1881,  S,  98;  Derselbe,  Contes  de  la  Haute- 
Bretagne,  Nr,  13:  Jean  le  Fou  in  der  RTF,  XI,  S,  439  ff,; 
L,  Morin,  Contes  Troyens,  Nr,  2:  Jean-Bete,  ebendort, 
S.  460  ff, ;  Carnoy,  Litterature  orale  de  la  Picardie, 
S.  179  ff.  Um  Käse:  Mad  Men  of  Gotham,  Nr.  4  (Hazlitt, 
III,  S.  6  ff.;  Jacobs,  More  English  Fairy  Tales,  S.  206  ff.; 
Clouston,  Noodles,  S.  34  ff,);  Campbell,  II,  S,  399,  Nr,  8; 
Grimm,  KHM,  Nr,  59,  Um  ein  Spinnrad:  Camplaell,  II, 
S,  398  ff ,  Um  ein  Schwein:  Sebillot,  Litterature  orale  de 
la  Haute-Bretagne,  S,  92  und  98,  Um  ein  Kalb:  Grimm, 
KHM,  Nr.  61,  Bei  Pitre,  Novelle  popolari  ioscane,  S,  188 
schickt  Giucca  Mehl  mit  dem  Winde  heim.  Verwandt  ist 
auch  eine  Schnurre  der  Contes  du  Sieur  Gaulard,  S,  223  ff,, 
wo  ein  Diener  ein  Pferd  als  Wegweiser  erhält. 

Ein  Gegenstück  zu  dem  Schlüsse  dieser  Facetie,  der 
identisch  ist  mit  der  Nr.  61,  bietet  der  als  Nr.  490  mit- 
geteilte Schwank,  wo  Nasreddin  dem  Esel,  auf  dem  er 
reitet,  eine  Last  abnimmt  und  sich  selber  auflädt,  damit 
sie  der  Esel  nicht  zu  tragen  brauche. 

272 


282.  Sottisier,  Nr,  224. 

Vgl,  Nr,  142;  Basset,  Loqmän  herbere,  S.  80  ff,;  Chau- 
vin, III,  S,  31,  Nr.  17. 

Bronner,  Schelmen-Büchlein,  S.  29  ff, 

283.  Sottisier,  Nr.  225, 

284.  Sottisier,  Nr,  226, 

285.  Sottisier,  Nr.  228;  Nawadir,  S,  15  (hier  ist 
Dschoha  der  leidende  Teil]. 

Fourberies,  S.  59;  den  dort  zitierten  Schwank  aus  dem 
Mustatraf  von  al  Abschihi  hat  Basset  in  der  RTF,  XIII, 
S.  478  übertragen, 

286.  Sottisier,  Nr,  231, 

287.  Sottisier,  Nr,  232. 

288.  Sottisier,  Nr,  233, 
Vgl.  Nr.  38. 

289.  Sottisier,  Nr.  234. 

290.  Sottisier,  Nr.  236, 
Vgl.  Nr.  261. 

291.  Sottisier,  Nr.  238. 

292.  Sottisier,  Nr.  239. 
Anthropophytheia,  I,  S.  179  ff. 

293.  Sottisier,  Nr,  242. 
Fourberies,  S.  60  ff, 

294.  Sottisier,  Nr,  246. 

295.  Sottisier,  Nr,  248. 

296.  Sottisier,  Nr.  249. 

297.  Sottisier,  Nr.  250. 

Nasreddin.  I.  18  273 


298.  Sottisier,  Nr.  253;  vgl.  Buadem,  Nr,  167, 

Das  sich  nicht  erkennen  wegen  einer 
äußerlichen  Veränderung,  ein  Zug,  auf  den 
schon  oben  in  der  Anmerkung  zu  Nr.  43  einigermaßen 
eingegangen  worden  ist,  findet  sich  schon  im  Philogelos, 
S.  17  ff.,  Nr.  56  in  einer  Darstellung,  die  dem  in  Rede 
stehenden  Schwanke  auffallend  ähnelt: 

JS^oXaaitxos  xai  (paXnxQog  xal  xovqsvs  awoSttiovit;  xlo 
tv  Ttvt  eQt]fj,itf  fitifftvifs,  avve&fvio  tiqos  xeaaaQas  Mqag  dy- 
gvnytjaai  xal  r«  axivt]  Sxaaios  TrjQtjaai.  ws  St  eXa^f  ko 
xovQtT  7iQ(üi(a  (fvXä^ai,  jutieiOQiad-^vai  r^eXwv  lov  a}(oXaanx6v 
xa&ev&ofia  i^VQf  xat  zwy  ojQÜJv  nXrjQW&ttaüiv  6ivnvKStv.  o  dt 
a)(oXaazixo;  ip^j^cay  cJf  dno  vnvov  zrjv  xe(pakijy  xai  figdu 
iaviov  xfjiXöv^  fiiya  xäS^aQfxa,  (ptjaiv^  6  xovqtvs  '  nXayt}&eic 
yag  avi    i/uov  zoy  cpaXaxQoy  e^vnyiaty. 

Eine  moderne  Variante  dieser  Facetie  steht  bei  Mer- 
kens,  S.  129  ff.,  Nr,  138. 

Eine  Schnurre  von  dem  Narren  Lobelin,  der  sich  im 
neuen  Kleide  nicht  kennt,  habe  ich  im  Mönchslatein, 
S.  193,  Nr.  152  nach  der  Mensa  philosophica  übersetzt. 

Wichtig  ist  ein  englisches  Kinderlied  von  einer  Frau, 
die  sich  nicht  mehr  kennt,  als  ihr  im  Schlafe  die  Röcke 
abgeschnitten  worden  sind  (Jacobs,  More  English  Fairy 
Tales,  S.  59  ff.:  Lawkamercyme  und  die  Noten  auf  S.  226; 
Campbell,  II,  S.  397;  Archiüio,  IX,  S.  437  ff.);  hierzu  ver- 
gleiche man  den  Schluß  der  Nr.  34  und  59  der  Grimmschen 
KHM,  Haltrich,  S.  252  ff.,  Asbjörnsen,  Fairy  Tales  from 
the  Far  North,  transl.  by  H.  L.  Braekstad,  London,  1897, 
S.  69  ff,,  Franco,  Rose  e  spine,  Monteleone,  1889,  S.  VIII 
(zit.  im  Archivio,  IX,  S.  118  ff.),  Rittershaus,  S,  354,  Archiv 
für  slavische  Philologie,  XIX,  S.  256  und  XXI,  S.  283 ff.  und 
Böhm,  Lettische  Schwanke,  S.  14  ff.,  Nr,  15  mit  den  Nach- 
weisungen auf  S.  112.  Interessant  ist  noch  eine  Notiz  von 
Loys  Brueyre  in  der  RTF,  II,  S.  297,  die  den  Zusammen- 
hang einer  Farce  des  Palais  Royal  mit  der  14.  der  Face- 
ties  normandes  von  V.  Brunet:  Le  Sourdin  et  le  negre 
[RTF,  II,  S.  213)  und  damit  auch  mit  unserm  Stoffe  über- 
haupt feststellt. 

Verwandt  ist  das  in  Rede  stehende  Motiv  mit  dem 
Zuge,  daß  einem  Einfaltspinsel  eingeredet  wird,  er  sei  ein 
anderer,  das  wieder  dem  Motiv  von  dem  Dummkopf  nahe 
steht,    der   zu    dem    Glauben,    er    sei    tot,    gebracht    wird, 

274 


worüber  schon  zur  Genüge  gehandelt  worden  ist.  Poten- 
ziert ist  der  erstgenannte  Zug,  dessen  bekannteste  Be- 
arbeitung die  Novella  del  Grasso  legnajuolo  ist,  in  der 
Trinuzia  Firenzuolas,  wo  der  „dottore  sciocco"  Messer 
Rovina  am  Schlüsse  der  1,  Szene  des  5.  Aktes  seine  Er- 
lebnisse also  zusammenfaßt  [Opere,  Milano,  1802,  V, 
S.  92): 

r  vo'  veder,  se  da  me  a  me  i'  mi  sapessi  ritrovare: 
i'  ero  Messer  Rovina,  e  fu'  per  diventar  un  altro;  poi  mi 
vesti  a  uso  di  donna,  e  non  diventai  donna;  ch'  i'  pisciai 
pur  come  gli  uomini:  poi  fu'  preso  co'  panni  del  Golpe, 
e  non  diventai  Golpe;  che  s'  i'  fussi  diventato,  i  birri  m' 
arebbon  ritenuto:  andai  dipoi  in  piazza  e  trovai  il  Dormi, 
e  non  fu  piü  Messer  Rovina:  e'  bisogno  adunque  ch'  i'  mi 
perdessi  per  la  via. 

299.  Sottisier,  Nr.  254. 

Vgl.  Pauli,  Schimpf  und  Ernst,  Nr.  97,  S,  74  und  484; 
Arlotto,  Fac.  54,  I,  S,  133  und  213  ff, 

300.  Sottisier,  Nr.  256;  vgl.  Nr.  302. 

301.  Sottisier.  Nr.  257, 

302.  Sottisier,  Nr.  261;  vgl.  Nr,  300. 

303.  Sottisier,  Nr.  263. 

304.  Sottisier,  Nr,  265. 

305.  Sottisier,  Nr,  269, 

Köhler,  I,  S.  507;  Fourberies.  S,  63, 

Der  Schüler  aus  dem  Paradies:  Zu  diesem 
Schwanke  vgl,  die  von  mir  zu  Bebel,  II,  Nr,  50,  Bd.  I, 
S,  189  angegebene  Literatur  und  davon  hauptsächlich 
Boltes  Noten  zu  Frey,  Nr,  61  und  Wickram,  Nr.  107,  ferner 
Köhler,  I,  S,  383  ff.  Zu  den  an  diesen  Orten  beigebrachten 
Nachweisungen  kommen  noch;  Pasquil's  Jests  with  the 
Merriments  of  Mother  Bunch,  London,  o,  J,,  bei  Ashton, 
S,  168  ff.  (nicht  in  Hazlitts  Neudruck);  Filleul  Petigny, 
Contes  de  la  Beauce  et  du  Perche,  Nr.  16  in  der  RTP, 
XIII,  S.  634  ff,;  Kerbeuzec,  Contes  et  legendes  de  la  Haute- 

18*  275 


Bretagne,  Nr,  92,  ebendort,  XXIII,  S.  341 ;  Ilg,  II,  S.  30  ff,, 
Nr.  88;  Rittershaus,  S.  352 ff.;  Busch,  Ut  öler  Welt,  S,  82 ff., 
Nr.  33;  Böhm,  Lettische  Schwanke,  S,  25  ff .  und  68  ff., 
Nr,  22  und  41,  Noten  S.  113  und  120, 

Zu  dem  Schlüsse  vom  getäuschten  Verfolger 
vgl,  Schumann,  Nachtbüchlein,  S.  288  ff,  zu  Nr,  46,  P,  Se- 
billot,  Contes  de  la  Haute-Bretagne,  Nr,  1  in  der  RTF,  XI, 
S,  299  ff,  und  Krauss,  Sagen  und  Märchen  der  Südslaven, 
II,  S,  249. 

306.  Sottisier,  Nr,  270, 

307.  Sottisier,  Nr,  271. 

308.  Sottisier,  Nr.  272, 
Vgl.  oben  Nr,  36, 

309.  Sottisier,  Nr,  273;  Roda  Roda,  S,  125.  Vgl.  unten 
Nr.  488. 

Kuka,  S.  80;  Ispirescu,  S,  110  (Magazin,  XCVI,  S,  614). 

310.  Sottisier,  Nr,  274. 

311.  Sottisier,  Nr,  275. 
Fourberies,  S,  63  ff. 

Zu  dieser  Fassung  des  Motives  vom  verkannten 
Spiegelbilde,  dem  wir  schon  oben  bei  Nr.  165  be- 
gegnet sind,  bietet  Bar-Hebraeus,  S,  148,  Nr.  583  eine 
Parallele: 

Another  simpleton  looked  into  a  vessel  of  water,  and 
he  went  and  said  to  his  mother,  „There  is  a  thief  in  the 
vessel."  And  when  his  mother  came  and  had  looked  in 
also  she  saw  her  own  face  in  the  water  by  the  side  of  that 
of  her  son.  And  she  said  to  her  son,  „Verily  it  is  a  thief, 
and  there  is,  besides,  a  whore  with  this  cursed  fellow; 
stand  thou  here  that  they  may  not  come  out  and  escape 
until  I  can  call  the  neighbours," 

Witziger  ist  folgende  persische  Geschichte  (Kuka, 
S.  175): 

A  boy  saw  his  own  Image  while  looking  into  a  well. 
He  immediately  ran  to  his  mother  and  said,  „Mother,  come 
with  me;  there  is  a  thief  in  the  well."     The  mother  came 

276 


to  the  well,  and  looking  into  it  observed,  „By  God!  thou 
art  right:  and  look,  there  is  an  old  hag,  too,  with  him," 

In  der  33,  Facetie  des  Philogelos  hält  der  Beschauer 
sein  Bild,  das  sich  im  Brunnen  spiegelt,  für  den  Hausherrn 
des  Brunnens;  dazu  bietet  Kuka,  S.  187,  Nr.  99  eine 
Parallele,  Swynnerton,  Nr,  11  (S,  153)  ähnelt  wieder  der 
Version  von  Bar-Hebraeus,  zu  der  auch  noch  Alice  Ferme, 
Contes  recueillis  en  Tunis,  Nr,  1:  La  bonne  femme  sötte 
in  der  RTF,  VIII,  S,  28  zu  vergleichen  ist. 

Eine  merkwürdige  Modernisierung  hat  die  Schnurre 
in  den  Contes  du  Sieur  Gaulard,  S,  233  erfahren: 

„Or  comme  il  (le  Sieur  Gaulard)  entendit  dire  qu'on 
auoit  mis  rafraischir  vne  bouteille  de  vin  dans  vn  puits, 
il  fut  curieux  d'y  aller  regarder:  apperceuant  son  ombre 
dans  l'eau,  qui  le  representoit,  il  appella  ses  compagnons, 
et  leur  dit:  Helas,  Messieurs,  venez  viste  m'aider  ä  retirer 
nostre  vin,  car  il  y  a  lä  bas  des  Antipodes,  qui  boiront  tout 
nostre  vin,  si  nous  n'y  mettons  ordre,  II  auoit  peur  que 
son  ombre  ne  beust  son  vin  sans  luy:  ou  bien  il  pensoit 
que  les  Antipodes  habitassent  dans  des  puits. 

Deutsch  steht  dieser  Schwank  im  Exilium  melan- 
choliae,  S,  Nr,  16,  S,  383,  früher  aber  schon  bei  Lundorf, 
Wißbadisch  Wisenbrünlein  (I),  Franckfurt,  1610,  S,  168  ff. 
als  Historia  79;  Von  einem  der  sich  vor  den  Antipodibus 
förchtete;  Lundorf  gibt  als  Quelle  das  1602  erschienene 
Convivium  evangelicum  von  Christophorus  Marianus  an. 
Augenscheinlich  nach  Tabourot  erzählt  d'Ouville,  II, 
S,  299  ff.  Vgl,  noch  die  oben  S,  264  in  der  Fußnote  er- 
wähnte Erzählung  Abu  Madjans, 

312.  Sottisier,  Nr,  276, 

313,  Sottisier,  Nr,  277, 

Schier  dieselbe  Geschichte  erzählt  schon  die  208,  No- 
velle Sacchettis,  deren  Argument  lautet:  Mauro  pescatore 
da  Civitä  nuova,  recando  granchi  marini,  gli  mette  nella 
rete  sul  letto;  escene  uno  fuori  la  notte,  e  piglia  la  donna 
nel  luogo  della  vergogna,  e  Mauro,  soccorrendo  co'  denti, 
e  preso  dal  granchio  per  la  bocca;  e  quello,  che  ne  seguita. 
An  französischen  Bearbeitungen  seien  genannt  Bouchet, 
Les  Serees,  1,  I,  s.  6  (6d.  C.  E.  Roybet,  Paris,  1873  ff.,  II, 
S.  36  ff.],   Beroalde  de  Verville.  Le  Moyen  de  parvenir, 

277 


c.  49  (ed.  P.  L.  Jacob,  Paris,  1841,  S.  169  ff.)  und  ein  Ge- 
dicht Le  cancre  de  mer  von  Epiphane  Sidredoulx  in  den 
Contes  en  vers  imites  du  Moyen  de  parvenir,  Paris,  1874, 
S.  99  ff.  Ein  lateinisches  Gedicht  von  Bernard  de  La  Mon- 
noye  und  ein  französisches  des  Abbe  Bretin  zitiert  Francia, 
S.  281  ff.  Eine  serbische  und  eine  bosnische  Variante,  die 
unserer  Fassung  sehr  nahe  stehn,  bringt  die  Anthropo- 
phyteia,  I,  S.  151  ff.  und  152  ff. 

314.  Sottisier,  Nr,  278;  Buadem,  Nr.  146. 

Vgl.  meine  Nachweisungen  zur  216.  Facetie  Arlottos, 
II,  S.  267  und  Ilg,  II,  S.  99,  Nr.  111, 

315.  Sottisier,  Nr,  280. 

316.  Sottisier.  Nr.  282. 

317.  Sottisier.  Nr.  283. 

Zu  dem  ersten  Teile  vergleiche  Poggius,  Fac,  5:  De 
homine  insulso  qui  existimavit  duos  cunnos  in  uxore, 
M,  Lindener,  Katzipori,  Nr.  31,  hg,  von  Lichtenstein,  Tü- 
bingen, 1883,  S,  91  ff„  Costo,  //  Fuggilozio.  g.  II:  Vn  pazzo 
giouane  non  vuol  moglie.  se  non  troua  vna  donna  con  due 
cotali  etc.,  zit.  Ausg.,  S.  73  ff.,  Hermotimus,  Additamenta. 
S.  280  ff.:  De  Rustico  existimante  Vxorem  suam  duos 
cunnos  habere  und  Reinisch,  Die  'Afar-Sprache,  Wien, 
1885,  I,  S.  41  fL 

Eine  Parallele  zum  zweiten  Teile  ist  die  34,  Novelle 
im  Heptameron,  bearbeitet  bei  d'Ouville,  I,  S,  83  ff.:  De 
deux  cordeliers  =  Les  Recreations  fran^oises,  Utopie, 
1681,  I,  S.  58  ff.  Weitere  Nachweise  gibt  Bolte  in  seiner 
Ausgabe  von  Wickrams  Rollwagenbüchlein,  S.  379,  wozu 
noch  Monnier,  S.  354  ff.  und  zwei  sehr  an  den  von  dem 
Hodscha  erzählten  Schwank  gemahnende  Stücke  in  der 
Anthropophytheia,  II,  S.  430  ff,  und  433  ff,  zu  nennen  sind. 

318.  Sottisier,  Nr,  284, 

319.  Sottisier,  Nr,  285, 

320.  Sottisier.  Nr,  286;  Mardrus,  S,  111  ff. 

278  ■'  = 


321,  Sotiisier,  Nr.  287;  Mardrus,  S,  112  (mit  anderm 
Schlüsse). 

Außer  der  modernen  serbischen  Variante  aus  Süd- 
ungarn  in  der  Anthropophyteia,  V,  S.  335  ff,  ist  noch  be- 
merkenswert eine  alte  spanische  bei  J,  de  Timoneda, 
Sobramesa  y  alivio  de  caminantes,  p,  I,  c.  65  [Biblioteca 
des  autores  espanoles,  III,  S,  174); 

Un  caminante  entrö  en  una  vina  por  comer  uvas, 
Estandolas  comiendo  vino  la  guarda,  y  pidiole  prenda. 
Respondiö  el  caminante;  „hermano,  yo  no  soy  entrado 
aqui  para  comer,  sino  para  cagar,"  Dijo  la  guarda;  „pues 
mostrad  dönde  habeis  cagado."  Cansadas  los  dos  de  ir 
por  la  viiia,  encontraron  con  un  depösito  de  buey;  dijo  el 
caminante;  ,,heis  aqui  dönde  cague."  Respondiö  la 
guarda;  ,,no  es  verdad,  porque  esa  mierda  es  de  buey." 
Dijo  el  caminante;  „i  fuerte  cosa  es!  Si  quiero  cagar 
mierda  de  buey,  l  vedärmelo  heis?" 

322,  Sottisier,  Nr.  288. 

323,  Sottisier,  Nr,  289, 

324,  Sottisier,  Nr,  291, 

325,  Sottisier,  Nr.  292. 

326,  Sottisier,  Nr.  293;  Nawadir,  S.  35;  s.  oben  die 
Anmerkung  zu  Nr.  152. 

Köhler,  I,  S.  504. 

Eine  fast  identische  Geschichte  steht  in  den  Vierzig 
Vezieren  (Behrnauer,  S.  150) ;  eine  hübsche  Variante  hat 
al  Abschihis  Mustatraf  (Basset  in  der  RTF,  XIII,  S.  492). 

327,  Sottisier,  Nr.  294;  Goethe,  West-östlicher  Diwan 
[Sämtliche  Werke,  hg.  v.  L.  Geiger,  V,  S.  171);  Ethe, 
S.  244  ff.;  Nouri,  S.  112  ff.;  Mardrus,  S.  109  ff. 


279 


3.  Angeblich  historisches 

328.  Cantimir,  I,  166  ff.;  De  la  Croix,  I,  S.  154;  Flögel, 
S.  178 ff.;  Hammer,  I,  S.  630;  Doran,  S,  74 ff.;  Trefdi,  S.  7 ff. 

Vgl.  zu  diesem  außerordentlich  verbreiteten  Schwanke 
meine  Noten  bei  Bebel,  I,  S.  190  ff.,  ferner  Francia, 
S.  109  ff,;  Basset,  Nouveaux  contes  herberes,  Paris,  1897, 
S.  354  ff.;  Basset  in  der  RTP,  XII,  S.  675  ff.;  Katona, 
Temesväri  Pelbärt  peldäi,  Pest,  1902,  S,  39;  Chauvin,  V, 
S.  282;  Archiv  für  slavische  Philologie,  XIX,  S.  256,  XXI, 
S.  288  und  295.  Nachzutragen  sind  noch:  Histoire  litte- 
raire  de  la  France,  XXIV,  S,  509;  Eyering,  Proverbiorum 
copia,  1,  S.  527  ff.;  Sagredo,  L'Arcadia  in  Brenta,  S,  383; 
Baraton,  Poesies,  S.  239  ff.;  Krauss,  Sagen  und  Märchen 
der  Südslaven,  I,  S.  246  ff.;  Monnier,  S.  235  ff.;  P.  E.  Guar- 
nerio  im  Archivio,  II,  S.  499  ff.;  Harsdörfer,  Ars  apophteg- 
matica,  S.  625  ff .,  Nr.  2980;  Busch,  Ut  öler  Welt,  S.  36  f f ., 
Nr.  17;  Roda  Roda,  S.  249  ff .  (kombiniert  mit  Buadem, 
Nr.  2  =  Serbisch,  S.  51  ff,  und  Kroatisch,  S.  29  ff.), 

329.  Cantimir,  I,  167  ff.;  Hammer,  I,  S.  625;  Trefdi, 
S.  8  ff. 

330.  De  la  Croix,  I,  S,  150  ff.;  Flögel,  S.  177  ff.;  Doran 
S.  74;  Nick,  I,  S.  149. 

331.  Flögel,  S,  179;  Nick,  I,  S,  151  ff, 

Flögel  gibt  keine  Quelle  an,  und  bei  den  sonst  von 
ihm  benützten  Autoren  ist  die  Geschichte  nicht  zu  finden; 
wohl  aber  steht  sie,  allerdings  nicht  von  Nasreddin,  schon 
im  Democritus  ridens,  S,  232  ff,: 

Bajasites  I,  Turcorum  tyrannus  (et  talis  proprie  fuit) 
utebatur  quodam  aethiope  apud  Indos  nato  familiarissime 
et  suavissime;  eumque  ob  facetias  et  lepores  plurimum 
diligebat,  Accidit  aliquando  ut  Bajasites  castra  metatus 
in  planitie  tentorium  figi  juberet  ad  arborem  quamdam 
sublimem.  Hanc  intuens,  „Bre  Areb,"  inquit  (hoc  est, 
„Heus  aethiops")  „si  me  amas,  in  hujus  arboris  verticem 
conscende."  Statim  aethiops,  exutis  vestibus,  paret  et 
scandit.  Ad  fastigium  ubi  pervenerat,  Bajasites  mandat 
Solachiis  (satellites  sunt,  qui  circa  Sultanum  equitantem 
in  albis  subuculis  cursitare  solent]    ut  admotis  securibus 

280 


mox  arborem  continuis  ictibus  dejiciant  et  prosternant. 
Quibus  strenue  heri  Imperium  exsequentibus,  aethiops, 
arbore  prope  tota  jam  resecta,  anxius  et  praecipitio  proxi- 
mus  Sultani  Consiliarios  infra  arborem  stantes  obtestatur, 
ut  apud  Bajasitem  intercederent  et  vitae  gratiam  impetra- 
rent.  Sed  frustra  eorum  sollicitabat  intercessionem, 
qui  nee  prodire  in  conspectum  Bajasitis,  ne  dum  unico 
verbulo  eum  compellare  audebant,  Aethiops  itaque  con- 
silio  ex  tempore  et  re  nata  capto,  stratagemate  extremum 
vitae  periculum  antevertit,  et  subito  solutis  f eminalibus  seu 
subligaculis,  ventris  sordes,  quas  ipse  timor  non  parum 
propellebat,  excernit  in  satellites,  qui  arborem  secabant. 
Hisce  vero  ad  tam  inopinam  sordium  grandinem  ab  opere 
diffugientibus,  aethiops  ex  arbore  se  dimittit,  et  appellatis 
Sultani  Consiliariis,  qui  spectaculo  praesentes  adstabant, 
„Utinam  Consiliariis  vestris  similibus  idem  hoc  usu  veniat," 
inquit,  „ut  conspurcentur!  quorum  verba  tantum  non  valent 
quantum  meae  sordes."  Proverbio  dicuntur,  Turdi  malum 
sibi  cacare;  at  hie  sibi  salutem,  Tanti  est  a  se  ipso  et 
consilium  et  opem  petere. 


281 


4.  Moderne  Volkserzählungen  aus 
Nasreddins  Heimat 

332.  Trefdi,  Nr-  7, 

Vgl.  unten  die  zwei  serbischen  Schwanke,  Nr,  479 
und  482. 

Dasselbe  Motiv,  der  Lehrer,  der  nicht  lesen 
kann,  ist  auch  in  einem  Schwanke  in  Tausend  und 
einer  Nacht  verarbeitet  (Hennig,  VIII,  S.  80  ff.);  vgl,  auch 
Basset  im  Keleti  szemle,  I,  S.  222,  Nr.  13- 

333.  Trefai,  Nr.  129  (und  S.  29);  Buadem,  Nr.  97; 
Nawadir,  S-  3;  Serbisch,  S-  86. 

Basset  im  Keleti  szemle,  I,  S.  222,  Nr.  10  (aus  dem 
Nuzhat  al  udaba). 

334.  Trefdi,  Nr-  130;  Nawadir,  S-  3- 

Die  Schnurre  steht  schon  bei  Bar-Hebraeus,  S-  154  ff-, 
Nr-  619;  Everything  is  beautiful  in  it  except  the  latrine, 
■^     which  hat  one  fault:   its   door  is  so  narroh^  that  a  table 
rv      will  not  go  trough  it. 

335-  Trefai,  Nr-  133;  Buadem,  Nr.  110;  Nawadir,  S.  18; 
Serbisch,  S.  91;  Kroatisch,  S,  60. 

Bar-Hebraeus,  S,  162,  Nr.  647- 

336-  Trefdi,  Nr-  134;  Buadem,  Nr.  117;  Nawadir,  S.  40; 
Serbisch,  S-  93;  Kroatisch,  S-  61- 

Bar-Hebraeus,  S.  150,  Nr.  595. 

337.  Trefdi.  Nr.  135  (und  S.  29);  Buadem,  Nr.  118; 
Nawadir,  S.  40;  Serbisch,  S.  93;  Kroatisch,  S-  61- 

Fourberies,  S-  70- 

Dschami,  Bäfiaristan,  zit-  Ausg-,  S.  83;  Galland,  S-  44; 
Kuka,  S-  153,  Nr-  7- 

338.  Trefdi,  Nr.  136. 


282 


Inhalt  des  L  Bandes 

Seite 

Einleitung IX 

I.  Türkische  Überlieferungen 1 

1,  Die     hundertfünfundzwanzig     Schwanke     des 
Volksbuchs 3 

2,  Aus  Manuskripten  verschiedenen  Alters  ...  67 

3,  Angeblich  historisches 187 

4,  Moderne    Volkserzählungen    aus    Nasreddins 
Heimat 193 

Anmerkungen  literatur-  und  stoffgeschichtlichen  In- 
halts        197 

Die  seltsame  Predigt 205 

Der  lebendige  Traum 206 

Sonderbare  Zeitrechnungen 207 

Was  geschieht  mit  den  alten  Monden?     ....  208 

Strafe  von  Tieren 208 

Rhaphanizein 211 

Sich  selber  nicht  kennen 214  und  274 

Der  vermeintliche  Tote   .     .     .     216,  217,  226  und  240 

Abhacken  des  Astes,  auf  dem  man  sitzt     .     .     .  216 

Memminger  Mond 218 

Dank  an  die  Kleider 222 

Der  Esel  als  Richter 224 

Scipio  und  Ennius 225 

Todeszeichen 225 

Den  Fröschen  Geld  gegeben 226 

Drei  Fragen  (Kaiser  und  Abt) 226 

Früchte  an  den  Kopf  geworfen 227 

Eiche  und  Kürbis  (Fabel) 228 

Einbeiniges  Geflügel 229 

Dieb  auf  dem  Mondstrahl 231 

Reiter  kennt  sein  Pferd  nicht 234 

Verkehrt  aufsitzen 235 

Kuhmist  an  der  Zimmerdecke 236 

Die  Rettung  des  Mondes 241 

Lebende  Kette 242  und  269 

Verbrennung  eines  Hauses  des  Ungeziefers  halber  244 

Kürbis  als  Pferdeei 249 

Luftschlösser 249 

Spiegelbild  verkannt 250  und  276 

283 


Seite 

Befehle  bei  einem  verkehrten  Anlasse  befolgt  ,     ,  251 

Verkehrte  Ansprache  oder  Begrüßung     ,     .     .     ,  252 

Des  Schneiders  Fahne 256 

Der  Dämon  als  Reittier 261 

Der  Bettler  bei  dem  Gatten  seiner  ehemaligen 

Frau 263 

Schweigwette 263 

Streit  um  einen  Gruß ,  263 

Wettstreit  der  drei  Faulen 264 

Der  vermeintlich  verlorene  Esel 267 

Die  verwechselten  Füße 269 

Fleischverkauf  an  die  Hunde 270 

Seigneur  dessus,  seigneur  dessous 271 

Heimschicken  von  Tieren  usw 272 

Der  Schüler  aus  dem  Paradiese 275 

Der  getäuschte  Verfolger 276 

Mit  dem  Diener  teilen 280 

Der  Lehrer,  der  nicht  lesen  kann 282 


284 


4 


PN 

6231 

N27H63 

1911 

V.l 

C.l 

ROBA 


1